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Organische Chemie und Biochemie 1

Prof. Dr. Claus-Dieter Wacker


HAW Hamburg - Fakultät Life Sciences
Sommersemester 2024

001
Prof. Dr. C.-D. Wacker / Organische
Pharmatox / Chemie
Kap. 01 und Biochemie 1 / Kap. 01 / Einführung
/ Einführung
Liebe Studierende,
seien Sie zunächst zum Semesterbeginn sehr gegrüßt!

• Es wird das Bemühen der Fakultät Life Sciences sein, Ihnen eine interessante und spannende
Lehrveranstaltung „Organische Chemie und Biochemie 1“ zu bieten
• Gleichgültig, ob Sie während Ihrer Schulzeit einen Chemie-Leistungskurs besucht oder nur
„Schmalspur-Chemie“ erfahren haben:
Die kommende Vorlesung wird Ihnen zu einem soliden Grundlagenwissen im Bereich der
Organischen Chemie verhelfen
− Sie werden ein gutes Rüstzeug für nachfolgende Lehrveranstaltungen und für den späteren Beruf bekommen
− Das Ausbildungsziel entspricht in etwa dem, das Chemie-Nebenfächler (Physiker, Biologen u.a.) an einer wiss.
Universität erwerben
− An eingängigen Erklärungen und Begleitmaterial soll es nicht fehlen

Voraussetzung ist jedoch, dass Sie Ihrerseits Interesse, Aufmerk-


samkeit und etwas Standfestigkeit mitbringen – es lohnt sich !!!
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Pharmatox / Chemie
Kap. 01 und Biochemie 1 / Kap. 01 / Einführung
/ Einführung
In Kapitel 01 erfahren Sie etwas über
• Literatur zur Vorlesung
• Chemie als Grundlage aller Lebensformen
• Gedanken zur Entstehung des Lebens
• Teilschritte der Evolution
• Anfänge der organischen Chemie
• Isolierung von Äpfelsäure aus unreifen Äpfeln
• Zusammensetzung organischer Verbindungen
• Zentrale Rolle des Kohlenstoffs
• Beginn der modernen organischen Chemie
• Roter Faden in der organischen Chemie Abb.: Angewandte Chemie 27/2016, Titelbild:
Die Hormone der Schilddrüse
• Übersicht über die zu behandelnden Stoffklassen
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Literatur zur Vorlesung (1)
• Es gibt eine Reihe sehr guter, ausführlicher Lehrbücher der Organischen Chemie,
die allerdings von der Stofffülle her eher für ein Chemie-Studium gedacht sind:

Paula Y. Bruice: Organische Chemie, 5. Aufl., K. Peter C. Vollhardt, Neil E. Schore:


1638 Seiten. Organische Chemie, 4. Aufl., 1. korr.
Pearson Verlag 2007. Nachdruck, 1542 Seiten.
ISBN 978-3-8273-7190-4 Wiley-VCH Verlag 2007.
ISBN 978-3-527-31380-8
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Literatur zur Vorlesung (2)
• Der „Beyer/Walter“ (links) ist ein lexikonartiges Standardwerk mit viel Stoffwissen und guten
theoretischen Erklärungen
• Das „Organikum“ (rechts) ist ein Praktikumsbuch mit theoretischen Kapiteln

Hans Beyer, Wolfgang Walter: Lehrbuch der Organikum: Organisch-chemisches


Organischen Chemie, 24. Aufl., 1186 Seiten. Grundpraktikum, 22. Aufl., 852 Seiten.
S. Hirzel Verlag 2004. Wiley-VCH Verlag 2004.
ISBN 3-7776-1221-9 ISBN 3-527-31148-3 005
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Literatur zur Vorlesung (3)
• Bestens geeignet für die Vorlesung ist das „Basisbuch Organische Chemie“ aus dem Pearson-
Verlag, das mit ca. 30 € auch rel. preiswert ist
• Bei Studierenden sehr beliebt ist der „Mortimer“ (rechts), der jedoch die Org. Chemie und
Biochemie sehr knapp auf nur ~ 100 Seiten abhandelt

Carsten Schmuck: Basisbuch Organische Chemie, Charles E. Mortimer, Ulrich Müller:


1. Aufl., 376 Seiten. Chemie, 9. Aufl., 766 Seiten. Thieme Verlag
Pearson Verlag 2013. ISBN 978-3-86894-061-9 2006. ISBN 978-3-13-484309-5
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Literatur zur Vorlesung (4)
• Wer mit Organischer Chemie ganz auf Kriegsfuß steht oder hat,
mag auch an folgender Lektüre Freude finden:

• Dieses Taschenbuch ist mit ca. 20 Euro


sehr günstig
• Der Inhalt ist allerdings an manchen
Stellen etwas kindisch

Kurt Haim: Organische Chemie macchiato,


Cartoonkurs für Schüler und Studenten,
240 Seiten.
Pearson Verlag 2012. ISBN 978-3-86894-059-6
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/ Einführung
Ein Wort zum Negativ-Image der Chemie
• Die Chemie wird oft mit abweisenden Vokabeln belegt:
• „Da ist Chemie drin …“
• „Chemie kommt mir nicht ins Haus …“
• „Ich kaufe keine Chemie-verseuchten
Lebensmittel …“
• „Chemie war schon in der Schule mein ungeliebtestes Fach …“
• Hier kommt ein Stück weit zum Ausdruck, dass
• die Wissenschaft Chemie gleichgesetzt wird mit dem, was manche Menschen mit ihrem chemischen
(Un-)Wissen treiben
• die chemische Industrie in früheren Jahrzehnten wenig Rücksicht auf Mitmenschen und Umwelt genommen
hat (⇒ Umweltverschmutzung)
• die meisten Menschen unterschwellig Angst vor Explosionen und Vergiftungen haben,
man aber gerade dies eng mit dem Begriff „Chemie“ verknüpft
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Aber: Die Chemie ist die Grundlage aller
Lebensformen und der Biowissenschaften
• Ob wir es eingestehen wollen oder nicht:

Das Leben hat eine chemische Basis


• Besonders deutlich wird uns dies bei der Nahrungsaufnahme und
der Ausscheidung von Umwandlungs- bzw. Abfallprodukten
• Der Begriff „Stoffwechsel“ weist auf chemische Prozesse in
Organismen hin (auch in unserem Körper)
• Gleichwohl lässt sich das Leben nicht auf rein-chemische Vorgänge
reduzieren:
Was wäre sonst mit unserem freien Willen?

Zum Bild rechts: Bildtext „You are Chemistry“ – Alles Leben ist Chemie
Die begehbare Zelle mit „Zellwald“. Vor der begehbaren Zelle befindet sich der „Zellwald“, in dem verschiedene Zelltypen
im Maßstab 20.000:1 dargestellt werden:
eine Fettzelle (gelb), hormonproduzierende Zellen aus der Hirnanhangsdrüse (orange), schleimproduzierende Zellen aus 009
dem Dünndarm (grünweiß) , Flimmerepithelzellen der Atemwege (violett), rote und weiße Blutkörperchen (rot und weiß),
und eine Nervenzelle (grün).
Frei zur Veröffentlichung mit dem Vermerk Foto: Deutsches Museum München
Ein paar Gedanken zur Entstehung des Lebens
• In grauer Vorzeit war unser Planet so heiß wie jetzt der Merkur oder die Venus;
die Oberflächentemperatur beträgt dort auf der Sonnenseite ca. 430 – 500°C

Für organisch-chemische Substanzen ist diese Dauertemperatur zu heiß,


Oberfläche
sie würden sich gleich wieder zersetzen der Venus

• Hingegen sind viele anorganische Verbindungen unter diesen Bedingungen


beständig, sonst gäbe es die genannten Planeten nicht
− Man vertritt heute die An- − Aus anorganischen Stoffen entwickelt sich aber
sicht, dass die bewohnbare erfahrungsgemäß kein Leben
Zone um unsere Sonne der
− Erst bei deutlich niedrigerer Temperatur sind
Abstandsbereich ist, in dem
die globale Oberflächen- organische Moleküle stabil
temperatur zwischen 0°C − Auf der Erde konnte sich nach Abkühlung eine
und 100°C liegt Vielzahl solcher Verbindungen bilden
− In jedem Fall muss flüssiges
Daraus ist das Leben hervorgegangen
Wasser vorhanden sein
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Teilschritte der Evolution

Bisherige
Krone(n) der
Schöpfung

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/ Einführung
Von sehr einfachen Chemikalien zu komplexen
organischen Molekülen
• Ein Artikel in der Zeitschrift Science
(25.9.2020) berichtet über eine
Computer-Simulation, wie aus nur
6 einfachen Verbindungen über Zitronensäure Harnsäure

mehrere Zyklen hinweg komplexe


organische Moleküle erzeugt werden
könnten
• Bei den Ausgangssubstanzen handelt
es sich um CH4, NH3, H2O, N2 und H2S

• Eine große Anzahl dieser simulierten


Reaktionen konnten im Labor nach-
vollzogen werden
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Entwicklung unterschiedlicher Organismen

• Auf der biologischen Ebene hat sich


im Lauf von mehr als 3 Milliarden
Jahren eine Vielzahl von
Organismen entwickelt

• Diese Entwicklung kann nicht


mehr mit rein chemischen Prin-
zipien erklärt werden

• Mit anderen Worten:


Die Biologie folgt ihren eigenen
Regeln und lässt sich nicht auf
die bloße organische Chemie
reduzieren

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/ Einführung
Die Anfänge der Organischen Chemie
• Der Ausdruck „organisch“ weist auf die Herkunft der Stoffe hin:
Sie stammen aus dem Pflanzen- und Tierreich
• Substanzen, die nicht von lebenden Organismen her rühren,
organisch
wurden früher als „anorganisch“ (mineralisch) bezeichnet

• Bereits im Altertum kannte man organische Stoffe wie Zucker,


Alkohol, Essig, Malz und einige Naturfarbstoffe
• Man konnte sie jedoch nicht in reiner Form isolieren oder gar
ihre Zusammensetzung bestimmen
• In der Tat sind viele organische Extrakte komplexe Gemische,
aus denen nur schwerlich Einzelsubstanzen abtrennbar sind
anorganisch
− So war man lange davon überzeugt, dass organische Verbindungen nur
von lebenden Organismen gebildet werden können
− Dieser Glaube hemmte die naturwissenschaftliche Beschäftigung mit
organischen Stoffen bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts 014
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Isolierung von Carbonsäuren aus Fruchtsäften
und anderen organischen Materialien
• Um 1780 gelang dem deutschen Chemiker und
Apotheker Carl Wilhelm Scheele die Abtrennung
einiger Carbonsäuren aus organischem Material:
• Zitronensäure aus Zitronen
• Äpfelsäure aus Äpfeln
• Oxalsäure aus Sauerklee
• Weinsäure aus Weinstein
• Fettsäuren aus Fetten
Carl Wilhelm Scheele
Chemiker und Apotheker
1742 - 1786

• Er konnte diese Carbonsäuren in Form ihrer Calcium-


oder Barium-Salze aus wässrigen Lösungen ausfällen 015
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Sonderkapitel mit Video:
Isolierung von Äpfelsäure aus unreifen Äpfeln

Kurs LS..BT.S24 OCB1


Zugangscode OCB1_LS

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Prägung des Begriffs „Organische Chemie“
• Der schwedische Arzt und Chemiker Jöns Jacob Berzelius erkannte zwischen 1800
und 1810 viele gemeinsame Merkmale von organischen Stoffen,
z.B. ihre Brennbarkeit und ihre geringe Wärmebeständigkeit
• Er vermutete, dass den aus lebenden
Organismen stammenden Verbindungen
eine besondere Kraft, die „Vis Vitalis“,
innewohnte
• Er führte für die Gesamtheit solcher Ver-
bindungen den Begriff „Organische Chemie“
in die Wissenschaft ein Verkohlte
Brotscheibe
• Zuvor hatte Tobern Olaf Bergman diesen Jöns Jacob Berzelius
Arzt und Chemiker
Ausdruck schon 1784 verwendet,
1779 - 1848
er fand aber damals noch keine
Akzeptanz unter den chemischen
Kollegen 017
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Zusammensetzung organischer Verbindungen
• Pionierarbeiten von Antoine Laurent Lavoisier (1774) und Justus von Liebig (1831)
ermöglichten die Elementaranalyse organischer Stoffe
• Dabei wurden die Stoffe verbrannt und ihre Verbrennungsprodukte
charakterisiert
• Man fand heraus, dass organische Verbindungen immer nur aus
wenigen Elementen zusammengesetzt sind
• Die Massenverhältnisse, in denen diese Elemente vorhanden sind,
sind allerdings oft recht komplex
• Aus den Elementaranalysen lassen sich Brutto-
formeln für organische Verbindungen aufstellen, Justus von Liebig
z.B. C6H12O6 für Traubenzucker Arzt und Chemiker
1803 - 1873
Bild rechts: „Fünfkugelapparatur“
von Justus von Liebig
Aus dem Liebig-Museum in Gießen
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Zentrale Rolle des Kohlenstoffs
• Mitte des 19. Jahrhundert wusste man:

In allen organischen Verbindungen ist Kohlenstoff vorhanden, fast immer Wasserstoff,


häufig auch Sauerstoff und Stickstoff, seltener Schwefel und Phosphor

• Offenbar ist die Anwesenheit von Kohlenstoff essentiell für eine organische Substanz

• Daraus folgt: Organische Verbindungen = Verbindungen des Kohlenstoffs

• Viele der heute bekannten organischen


Verbindungen haben jedoch nichts mit Abb.: Strukturformel
von Vanillin (C8H8O3)
Lebewesen zu tun, sodass die Bezeichnung
Quelle: Adobe Stock
„organisch“ nur noch historische Bedeutung
hat
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/ Einführung
Vorkommen des Kohlenstoffs in der Natur
• Kohlenstoff kommt nicht nur in Form organischer Verbindungen, sondern
auch in Mineralien und als CO2 in der Atmosphäre + Hydrosphäre vor
• Im Mineralreich findet sich der Kohlenstoff hauptsächlich in Form von
Carbonaten, den Salzen der Kohlensäure H2CO3
• Die wichtigsten Carbonate sind CaCO3 (Kalkstein, Kreide, Marmor), Abb.:
Marmorplatte
CaCO3 · MgCO3 (Dolomit), MgCO3 (Magnesit) und FeCO3 (Eisenspat)
• Der Gesamtgehalt der Lithosphäre (Gesteinsschicht) an Kohlenstoff beträgt 2,9 · 1016 t
• In der Luft ist Kohlenstoff in Form von CO2 mit 6,0 · 1011 t vorhanden
• Im Meerwasser sind ca. 2,7 · 1013 t CO2 gelöst
• Demgegenüber enthält die gesamte Biosphäre (Pflanzen- und Tierreich) nur 2,7 · 1011 t
Kohlenstoff
• Der anorganisch gebundene Kohlenstoff (Lithosphäre + Atmosphäre + Hydrosphäre)
verhält sich mengenmäßig zum organisch gebundenen (Biosphäre) wie 100 000 : 1
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Beginn der modernen organischen Chemie (1)
• Bereits im Jahr 1824 gelang Friedrich Wöhler die Synthese
von Oxalsäure aus Dicyan
• Dicyan wiederum konnte durch Oxidation von Blausäure erhalten
werden
• Beide Stoffe galten seinerzeit als anorganische Verbindungen
• Oxalsäure hingegen kommt beispielsweise im
Rhabarber vor und ist eindeutig „organisch“

1 O2
2
N C H + H C N N C C N + H2O Friedrich Wöhler
Blausäure (Cyanwasserstoff) Dicyan Chemiker u. Mediziner
1800 - 1882

+ 4 H2O
N C C N HOOC COOH
2 NH3
Dicyan Oxalsäure
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/ Einführung
Beginn der modernen organischen Chemie (2)
• Vier Jahre später (1828) konnte Wöhler zeigen, dass sich das anorganische Salz
Ammoniumcyanat durch Erhitzen in Harnstoff umwandeln lässt:
O
Erhitzen
NH4 O C N C
H2N NH 2
Ammoniumcyanat
Harnstoff

• Nachdem Harnstoff definitiv ein körpereigenes (Ausscheidungs-)


Produkt ist, war seinerzeit der klare Beweis erbracht, dass man
organische Verbindungen auch außerhalb lebender Zellen
synthetisieren kann
• Heute könnte man versucht sein, Harnstoff als „Diamid der
Kohlensäure“ eher wieder den anorganischen Kohlenstoff-
verbindungen zuzuordnen
022
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/ Einführung
Wöhlers Harnstoff-Synthese: Ein historisches
Ereignis
• Auszug aus dem Projekt
„Aufbruch in die Moderne –
Das Beispiel Westfalen“

Koordination und Redaktion:


LWL-Landesmuseum für Kunst und
Kulturgeschichte
Westfälisches Landesmuseum (Münster) 023
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Beginn der modernen organischen Chemie (3)
H
• Kekulé entdeckte 1857 die Vierbindigkeit des Kohlenstoffs CH 4
H C H
• Er folgerte dies rein empirisch aus der stöchiometrischen Methan
H
Zusammensetzung organischer Verbindungen
H H
C2 H 6
H C C H
Ethan
H H

H
O
C 2 H 4O2
H C C
Essigsäure
• 1865 postulierte er eine dreifach H
OH

ungesättigte Sechsringformel für Benzol


Friedrich August • Ihm war schon damals bewusst, dass die H C C H
C2 H2

Kekulé – Chemiker Doppelbindungen im Benzol nicht fixiert Acetylen

1829 - 1896
sein könnten ("Oszillationstheorie")
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Beginn der modernen organischen Chemie (4)

Jacobus Henricus van‘t Hoff Joseph Achille Le Bel


Holländischer Chemiker Französ. Chemiker
1852 - 1911 1847 - 1930

• Sowohl van‘t Hoff als auch Le Bel begründeten 1874 unabhängig voneinander die
organische Stereochemie
• Erkenntnis: Die Valenzrichtungen des Kohlenstoffs liegen nicht in einer Ebene,
sondern sind räumlich angeordnet 025
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/ Einführung
Der Rote Faden in der Organischen Chemie
• Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Vielfalt organischer Verbindungen,
Reaktionsmöglichkeiten und industrieller Prozesse zu ordnen
• Die meisten Hochschul-Lehrbücher stellen die Stoffchemie in den
Vordergrund

• Sie beginnen beim Kohlenstoffatom und dem Element Kohlenstoff, arbeiten sich dann
(vereinfacht gesprochen) von den Kohlenwasserstoffen über Alkohole und Aldehyde zu
den Carbonsäuren vor
• Man benutzt also die Oxidationszahl (oder Oxidationsstufe) des Kohlenstoffs als
Ordnungsprinzip
• Theoretische Fragestellungen (z.B. der Begriff der Aromatizität) werden bei den relevanten
Stoffklassen behandelt, ggfs. auch im Vorwege erläutert oder als Zwischenkapitel eingeschoben
• Ein analoger Weg wird auch in dieser Lehrveranstaltung beschritten
• Hat man bei einem ersten Durchgang den Kohlenstoff in all seinen Oxidationsstufen
erlebt, kann man sich komplexeren (z.B. bioorganischen) Verbindungen zuwenden
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/ Einführung
Energie-Inhalt
H
Organisch
-4 (++++ energiereich)
H C H energie-
reich
anorganischer H

Methan

und organischer H
-2
Organisch
(+++ energiereich)
H C OH

Kohlenstoff- H
Methanol

verbindungen OH
O
Organisch
(++ energiereich)
H C
0
OH H
0
C Gang der
H H Vorlesung
Methanal (Formaldehyd)
Organische
Kohlenstoff- OH
O Organisch
+2 (+ energiereich)
Verbindungen H C
+2
OH H C

OH OH

Ameisensäure

Anorganisch
(- energiearm)
Anorganische OH O
energie-
027
+4
Kohlenstoff- HO C OH
+4C
O
+4
C O arm
Verbindungen OH
HO OH

Kohlensäure Kohlendioxid
Übersicht über die zu behandelnden Stoffklassen
• „Gruppe 0“: Kohlenwasserstoffe; an ein C-Atom sind nur H-Atome oder andere C-Atome
gebunden
→ Alkane, Alkene, Alkine, Aromaten
• „Gruppe 1“: An einem C-Atom befindet sich ein einwertiger Substituent wie z.B. -Cl, -OH,
-SH oder -NH2
→ Halogenalkane, Alkohole, Ether, Thiole, Disulfide, Amine
• „Gruppe 2“: An einem C-Atom befinden sich zwei einwertige Substituenten oder ein
zweiwertiger Substituent
→ Dichlormethan, Aldehyde, Ketone
• „Gruppe 3“: An einem C-Atom befinden sich drei einwertige Substituenten oder ein
zweiwertiger plus ein einwertiger Substituent oder ein dreiwertiger Substituent
→ Trichlormethan, Carbonsäuren, Nitrile
• „Gruppe 4“: An einem C-Atom befinden sich vier einwertige Substituenten oder ein drei-
wertiger + ein einwertiger Subst. oder zwei zweiwertige Subst. oder ein
zweiwertiger + zwei einwertige Substituenten
→ Tetrachlormethan, H2CO3, CO2, CS2, Harnstoff 028
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Hinweis zu den vorgenannten „Gruppen“
• Die Einteilung der Kohlenstoffverbindungen nach „Gruppen“ ist ein didaktisches Hilfsmittel
unserer Lehrveranstaltung
• Auch wenn die meisten Lehrbücher nach diesem Ordnungsprinzip vorgehen, tauchen dort
nirgendwo Überschriften wie „Gruppe 0“, „Gruppe 1“ usw. auf
• Man möge daher das Prinzip verinnerlichen, aber nicht erwarten, dass man außerhalb des
Campus mit anderen Personen über „Verbindungen der Gruppe 0“ usw. kommunizieren kann

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/ Einführung
Von der organischen Chemie zur Biochemie
• Aus dem urzeitlich entstandenen Pool organischer Substanzen hat die
Natur bestimmte Verbindungsklassen ausgewählt
• Diese spielen bis heute in lebenden Organismen eine zentrale Rolle
• Es handelt sich vorwiegend um
• Kohlenhydrate
Ribose / Desoxyribose → RNA / DNA Glucose →
Energieträger
• Aminosäuren
Stanley Miller konnte 1953 in seinem
→ Verknüpfung zu Peptiden / Proteinen → Funktion als berühmten „Ursuppenexperiment“
Biokatalysatoren, Hormone, Rezeptoren u.v.m. nachweisen, dass in einer
Wasserstoff-Methan-Ammoniak –
• Heterocyclische Verbindungen Atmosphäre in Gegenwart von
Adenin, Guanin, Cytosin, Thymin → Bestandteile der Wasser bei Energiezufuhr durch
Erbsubstanz / Hämoglobin → Sauerstofftransport elektrische Entladungen
organische Moleküle
Chlorophyll → Photosynthese entstehen
030
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