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Anselm Ernst 4.

Unterrichtsplanung

Lehren und Lernen


im Instrumentalunterricht Der Sinn des Planens
Jeder Unterricht entfaltet ein dynamisches Eigenleben. Manche Stunde gerät
unversehens zu einer „Sternstunde': Andere wiederum verlaufen trotz eines ge­
Ein pädagogisches Handbuch für die Praxis lungenen Konzepts unbefriedigend. Lehren und Lernen, das Miteinander von
Lehrer und Schüler, ist ein lebendiger Prozeß mit vielen Unwägbarkeiten, der
sich einer schematischen Planung entzieht. Das Lernen des Schülers ist nicht
umstandslos „machbar" und erst recht nicht erzwingbar. Lehren und Lernen
lassen sich nicht durch Unterrichtsvorbereitung zu einer vorauskalkulierten
Übereinstimmung bringen.
Warum dennoch den Unterricht vorbereiten, ja sogar sorgfältig planen? In der
heutigen Zeit weckt das Wort „ planen" mancherlei negative Assoziationen, so
etwa: verplanen, festlegen, unbeweglich werden, der besonderen Situation nicht
gerecht werden können, Lehren und Lernen programmieren, Unterricht unter
Kontrolle bringen, in ein Schema pressen, ihm ein rationales Konstrukt über­
stülpen.
Selbstverständlich soll mit Unterrichtsplanung alles dies nicht gemeint und
beabsichtigt sein. Hinter dem Postulat des Planens stecken keine technokratische
Allüren oder pädagogische Allmachtsträume. Der Sinn und der praktische
Zweck einer richtig verstandenen Planung ergeben sich aus folgenden Ein­
sichten:
• Unterricht unterscheidet sich von alltäglichen Situationen, in denen ebenfalls
mehr oder weniger absichtsvoll gelehrt und gelernt wird. Er soll in ausdrück­
licher Weise ein systematisches und effektives Lernen ermöglichen. Deshalb muß
im Unterricht planvoll vorgegangen werden. Planung ist somit nicht nur prinzi­
piell möglich und nötig, sondern in allen Lehrberufen eine alltägliche Aufgabe.
• Planvoll wird der Unterricht schon dadurch, daß der Weg zur aktiven Beschäf­
tigung mit Musik schnurgerade und in festen Bahnen verläuft: Jeder Schüler lernt

SClf(Yrl�
nach der gleichen Schule, spielt dieselben Etüden und Stücke. Die besonderen
Vorlieben, die persönlichen musikalischen Erfahrungen, die unterschiedlichen
Lernfähigkeiten werden bei einem rigorosen Konzept sträflich übergangen. In­
Mainz . London • Madrid • New York • Paris • Toky o · Toronto strumentalunterricht soll aber in besonderem Maße dem individualisierten Ler-

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nen Raum geben. Auch hieraus ergibt sich die Notwendigkeit des Planens. Nur Durchsicht zeigt, auf welche Aspekte sich die Ausarbeitung des Unterrichts
ein immer wieder auf die Person des Schülers abgestimmter Unterricht kann den richten kann. Zunächst sind die bereits bekannten Aspekt,e zu nennen: Ziel-
besonderen Lernbedürfnissen und Lernvoraussetzungen gerecht werden. bestimmung, Inhaltsauswahl, Methodenentscheidung, Verlauf und Gliederung,
• Eine Planung erweist sich insbesondere dann am Schüler orientiert, wenn sie Zeitplanung; ferner Beurteilung des Schülers, instrumentaldidaktische und fach-
seine Mitverantwortung für das Unterrichtsgeschehen einbezieht und von vorn- liche Überlegungen zum Stoff der Stunde, Stellung der Stunde im Zusammen-
herein für Alternativvorschläge offenbleibt. Insofern steht jede Planung unter den hang mit der vorausgegangenen, Ausblick auf nachfolgende Stunden und lang-
übergreifenden pädagogischen Zielsetzungen der Mitverantwortung, der Selb- fristige Zielsetzungen, Trainingsaufgaben zur Verbesserung des Lehrverhaltens.
ständigkeit und der Schülerzentriertheit. Gehen wir die Beispiele nun einzeln durch und werten wir sie auf weitere Ein-
• Kaum etwas am Unterrichtsverlauf ist selbstverständlich; jeder Unterrichtsfak- sichten hin aus.
tor ist veränderbar, jede Situation kann sich in mehrere Richtungen entwickeln.
Wer lernt, die zahlreichen Alternativen zu sehen, kann abschätzen, wieweit die
Qualität des Unterrichts von einem ausgefeilten Konzept abhängig ist.
• In der regelmäßigen Unterrichtsplanung erschließt sich allmählich die ganze
Variationsbreite von Zielsetzungen, Inhalten und methodischen Vorgehenswei-
sen. Planen kommt einem systematischen Ideentraining gleich. Inspiration ist Beispiele
keine Sache des Zufalls, sondern eine Folge der Erarbeitung eines breiten Hand-
lungsrepertoires.
• Aus dem regelrechten Training der pädagogischen Phantasie ergibt sich die Erstes Beispiel: Fagottstunde
gewünschte Verhaltensflexibilität und Improvisationsfähigkeit. So widersprüch- Der Schüler war zum Zeitpunkt der geplanten Stunde 13 Jahre alt und besuchte
lich es scheinen mag: Planung erhöht die Chancen, vom Plan abzuweichen, um die 8. Klasse des Gymnasiums. Das Instrument lernte er seit ungefähr zehn
gekonnt auf eine unvorhergesehene Situation einzugehen. Monaten.
• Eine detaillierte Vorbereitung vermittelt die nötige Sicherheit im Handeln. Die Die tabellarische Planung (siehe nächste Seite) führt auf einen Blick die Fakto-
Aufmerksamkeit kann sich besser dem aktuellen Unterrichtsgeschehen zuwen- ren des Unterrichts vor und kommt so dem Bedürfnis nach Übersicht sehr entge-
den, so etwa der vorurteilsfreien Wahrnehmung des eigenen Verhaltens. gen. Die Ausfaltung der Stunde nach ihren verschiedenen Dimensionen zwingt
dazu, keinen bedeutenden Aspekt von den Vorüberlegungen auszuschließen.
Man wird dieses Schema allerdings nur füllen können, wenn die Einzelheiten
Welcher konkrete Nutzen von der Planung zu erwarten ist, läßt sich vielleicht so des Stundenkonzepts bereits geklärt sind.
darstellen: Das Konzept soll Die Angaben in der Zeitleiste können sehr leicht zu einem Mißverständnis
- eine unmittelbare praktische Lehrhilfe sein führen. Deshalb sei ausdrücklich darauf- verwiesen, daß der lehrende allemal
- eine zweckmäßige Übersicht über das Vorhaben liefern gezwungen ist, sich zu überlegen, wieviel er in eine Stunde von 30 oder 45 Minu-
- zeitsparend anzufertigen sein ten überhaupt „hineinpacken" kann. Er muß also ungefähr abschätzen können,
- alle wichtigen Sachverhalte umfassen wie lange ein einzelnes Vorhaben (Unterrichtsphase) voraussichtlich dauert. Die
- zentrale Punkte gegebenenfalls genau zurechtlegen. Überlegung, wieviel Zeit etwa eine technische Übung oder eine Etüde benötigt,
Solchen Erwartungen kann zunächst nur die schriftliche Planung genügen. veranlaßt den Lehrer, sich zugleich Rechenschaft darüber abzulegen, ob denn auf
Hierin läßt sich im Laufe der Zeit große Geschicklichkeit erwerben, so daß man diesen Unterrichtsgegenstand überhaupt so viel Zeit und Energie verwendet
die verschiedenen Formen je nach Bedarf handhabt. Mit einem bloßen „Head werden soll - eventuell bis zum Überdruß des Schülers.
Arrangement" wird man sich erst dann begnügen können, wenn nach Jahren der Der jeweilige Zeitbedarf sollte natürlich keineswegs übergenau „ausgetüftelt"
Praxis die Fähigkeit gewachsen ist, sozusagen aus dem Stand heraus alle Register werden. Zeitangaben sind lediglich grobe Orientierungen. Auf unvorhergese-
zu ziehen und einen qualifizierten Unterricht zu erteilen. hene Lernschwierigkeiten wird man in jedem Falle eingehen können und über
Wie kann nun eine schriftliche Planung angelegt werden? Eine Reihe von die Zeit so verfügen, wie es den Lernbedürfnissen des Schülers und den Lehr-
Beispielen soll eine Vorstellung von den Möglichkeiten vermitteln. Die erste bedürfnissen des Lehrers entspricht.

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Zweites Beispiel: Querflötenstunde

1. Gespräch über das tägliche Übe-Quantum: Die Schülerin veranlassen, bei


mangelnder Übe-Zeit (Belastungen durch die Schule) zumindest 5 Minuten
täglich „schöne Töne" zu spielen; ein Stück auswählen, das Spaß macht.
Ziel: Die Schülerin an regelmäßiges Üben gewöhnen, um Lernfortschritte
zu sichern.
Methode: Dialog; einvernehmlich eine Vereinbarung treffen.
Dauer: 5 Minuten
2. Tonübungen: Lange, offene, geräusc~freie Töne bilden; zunächst d"' - e"' -
fis"' - g"; Einzelheiten der Tonbildung in Erinnerung rufen; Anwendung der
Einsichten auch an d' - e' - fis' - g'.
Ziel: Minimalaufgabe des häuslichen Übens klären; Sicherung des selbstän-
digen Übens.
Methode: Aufgebendes Verfahren
Dauer: maximal 5 Minuten
3. Behandlung von zwei neuen Duetten
Ziel: Literatur für das Spiel mit der Duo-Partnerin vorbereiten
a) Analyse eines Duetts in G-Dur: gemeinsames Verbalisieren des Melodie-
verlaufs
Auswendiglernen der ersten 4 Takte
Blattspiel: Die weiteren Takte, die durch Analyse gut vorbereitet sind, (even-
]'
rJl
Q.J
tuell gemeinsam) vom Blatt spielen.
....
l)O
Methode: Erarbeitendes Verfahren
'§ Dauer: 20 Minuten
rJl rJl
.... 1-,
...c::
u-
Q.J b) Blattspiel eines weiteren Duetts in F-Dur: Lehrer spielt abschnittweise vor,
·;:: : ;:i
1-, ...c:: Schülerin liest den Notentext mit und spielt dann ebenfalls.
Q.J
.... Cf)
u
Analyse: Tonart, Taktart, Auftaktigkeit des Kopfmotivs besprechen.
:§~ Zusammenspiel: Versuch eines ersten Zusammenspiels
Q.J "Cl
> l)O
Methode: Modell-Methode
·.c C:
~ ;::l
<ll .... Dauer : 10 Minuten
Q.J
rJl 4. Kurze Improvisationsübung in F-Dur: Zuvor Überlegungen zum Melo-
<ll
.g, Q.J
rJl
dieverlauf anstellen. Die Melodie stufenweise oder in Sprüngen auf und ab
rJl
l)O
ca führen auf Zieltöne hin; vorweg sich vorstellen, wohin die Melodie schreiten
...c::
i:: 0..
§ ....
rJl
'ii)
soll.
""'
""' Ziel: Improvisationen bewußter strukturieren
:O
1-, ~
P-1 -< Methode: Entdeckenlassendes Verfahren
Dauer: 5 Minuten
LC'l i::
,.... Q.J
1 ....
a ::i Der Entwurf berücksichtigt die gleichen Planungsaspekte wie das erste Beispiel.
,.... i:::
:§ Die Form ist zwar weniger übersichtlich, zeigt aber eine ähnliche Schematik. Das

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Konzept ist aus einem Guß. Jede Phase mündet zwanglos in die nachfolgende Aufschreiben eigener Improvisationen oder eigener Begleitungen und Har-
ein. Auffällig ist die Orientierung an den Lernfeldern. Aus ihr entwickelt sich die monisierungen
Gliederung der Stunde. Analytisches Erkennen von Rhythmen ausprägen
Der Gedanke, Inhalte sinnvoll auswählen und in einen Zusammenhang c) Feinziele der Stunde:
bringen zu müssen, dominiert so stark, daß sich die anderen Faktoren des Un- Spieltechnik für die Improvisation üben (Anschlag, Artikulation, Dynamik,
terrichts mehr oder weniger danach ausrichten. In der Tat beginnt eine Planung Phrasierung).
des Unterrichts spontan mit den Überlegungen zum Lernstoff: ,,Wo steht der Melodie eines Weihnachtsliedes richtig phrasieren, Harmonisierung und
Schüler? Was werde ich als nächstes behandeln?" Diese Tendenz liegt in der Begleitschema entwerfen.
Natur der Sache, sollte aber zugunsten anderer bedeutsamer pädagogischer Fra-
3. Geplanter Verlauf der Stunde:
gestellungen abgeschwächt werden.
a) Aufgabe der letzten Stunde: Aus.dem Wunsch der Schülerin, etwas „Träu-
merisches" zu spielen, entwickelte sich die Aufgabenstellung, einen Traum
improvisatorisch darzustellen (die Schülerin ist bereits improvisationser-
fahren).
Drittes Beispiel: Klavierstunde
Spielphase: Die Schülerin trägt ihre Traum-Improvisation vor (gegebenen-
Plan einer Unterrichtsstunde im Hinblick auf eine längerfristig angelegte Unter- falls zwei- bis dreimal).
richtssequenz: Reflexion: ,,Welchen Traum willst du darstellen?" oder „kh versuche einmal
1. Vorbemerkungen zur Schülerin und Eindruck des Lehrers: zu beschreiben, was für einen Traum deine Musik für mich ausdrückt."
Die Schülerin ist 10 Jahre alt und besucht die 4.Klasse der Grundschule. Die Vergleich zwischen Traumidee und klanglicher Realisierung
Eltern sind beide als Lehrer tätig; Geschwister sind vorhanden. Seit ungefähr Aufgabenstellung: Technische und musikalische Erarbeitung der verwende-
zwei Jahren Klavierunterricht; Anfängerin; auch längerfristig nur Ambitio- ten Improvisationselemente; Improvisation als Ganzes noch einmal vorfüh-
nen zur Hausmusik, da der fünfte Finger der linken Hand krumm ist. ren.
Die Schülerin ist ein aufgewecktes, temperamentvolles, interessiertes und Neuer Motivationsimpuls: Lehrer stellt der Schülerin eigene Improvisa-
phantasievolles Kind. Sie zeigt keine Anzeichen von Introvertiertheit oder tionselemente zum Traum vor.
andersgearteter seelischer Probleme. Ihr spontanes Handeln und ihre Phan- Problemstellung: Rhythmus, Klang, Dynamik und Gliederung der Improvi-
tasie führen oft zu Problemen mit der Konzentration auf eine Sache. Das sation sollen weiter ausgefeilt werden. Die Schülerin soll die eigenen Impro-
intuitive Aufnahmevermögen (vor allem des Gehörs) ist wesentlich stärker visationselemente mit denen des Lehrers kombinieren, um den Traumgehalt
ausgeprägt als das rationale. noch deutlicher zu machen.
Die Notenlesefähigkeit war bei der Übernahme der Schülerin schlecht aus- Aufgabe für die nächste Stunde: Die Improvisation aufschreiben oder eine
gebildet, was bis heute seine Spuren hinterläßt. Improvisation mit dem Thema „ traurig sein" vorbereiten.
b) Begleitung zu einem Weihnachtslied erfinden:
2. Ziele: Die Schülerin bekommt eine bekannte Melodie (Morgen kommt der Weih-
a) langfristig (innerhalb mehrerer Monate): nachtsmann) in Noten vorgelegt, ohne Taktangaben und Taktstriche; sie soll
Temperament, spontanes Handeln und Phantasie der Schülerin ausnutzen, das Lied selbständig erkennen und Taktstriche eintragen.
um einen hohen Grad an Konzentration für eine bestimmte Sache zu errei- Danach Phrasierung und Anschlagstechnik üben; Melodie mit rechter und
chen. linker Hand spielen.
Gehör so weit ausbilden, daß ein selbständiges Musizieren (Vom-Blatt- Erster Versuch der Schülerin, das Lied zu harmonisieren; Hilfestellung des
Singen, Improvisieren, Begleiten) möglich wird. Lehrers durch Vormachen und musiktheoretische Erläuterungen.
b) kurzfristig (im Rahmen von einer bis drei Unterrichtsstunden): Gemeinsam passende Begleitfiguren finden.
Verbesserung des Notenlesens (Automatisierung), verbunden mit der Über- Anmerkungen: Das Weihnachtslied soll ein einfaches harmonisches Gerüst
tragung auf das Instrument haben und leicht auswendig zu lernen sein. Die Schülerin soll zum Abschluß
Erlernen eines Grundwissens für die Improvisation der Stunde ein Erfolgserlebnis haben.

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Der Lehrer beabsichtigt - in diesem Sinne kann der Entwurf ausgelegt werden-, 3. Blattspiel des Wunschstückes: Die Selbstsicherheit der Schülerin stärken.
die Schülerin nicht ausschließlich im Klavierspiel zu unterweisen. Dies verrät „ Du darfst so viele falsche Töne spielen, wie dir zufällig unterlaufen. Falsche
bereits der Grundriß des Plans. Die informativen Vorbemerkungen zur Person Töne sind längst nicht so schlimm, wie man oft meint. Bemühe dich vor
der Schülerin geben ein pädagogisches Engagement zu erkennen, das sich nach- allem, durchzukommen, den Rhythmus hinzukriegen und das langsame
folgend auch in den Überlegungen zu den längerfristigen Zielsetzungen bekun- Tempo zu halten." Das Durchkommen oder schnelle Sich-wieder-Zurecht-
det. Hier wird ein allgemein persönlichkeitsbildendes Ziel neben die instrumen- finden loben. Schon während des Spiels kurze positive Kommentare ein-
tal pädagogischen Zielsetzungen gestellt. streuen:,, prima" - ,,weiter so': Gegebenenfalls für das Einhalten des Tempos
Im dritten Teil wird das Bemühen des Klavierlehrers ersichtlich, einen inter- das Metrum taktieren. Die Schülerin mehrmals ermutigen, ,,kräftig" und
essanten Unterricht zu gestalten, der ganz auf die Schülerin bezogen ist. Ganz „mit Ausdruck" zu spielen. Ihr die Vorstellung vermitteln, daß sie mit ihrem
offensichtlich soll die Schülerin emotional angesprochen werden (Traum-Impro- Spiel den Partner (beim nachfolgenden Zusammenspiel) führen und beein-
visation). Instrumentales Lernen wird hier als Möglichkeit persönlicher Aus- flussen wird, daß sie sich jetzt schon bemühen soll, sozusagen tonangebend
drucksäußerungen begriffen und praktiziert. Damit wird eine Zielsetzung ver- aufzutreten.
folgt, die zuvor nicht explizit ausgesprochen wurde. Dieser Umstand gibt Anlaß,
4. Technik: An speziellen Problemen des ausgewählten Stückes arbeiten.
auf die „Faktorenkomplexion" hinzuweisen: Die Unterrichtsfaktoren „Ziele"
Geduld aufbringen, wenn etwas auch nach längerem Probieren nicht gelingt;
und „Inhalte" verschmelzen auf der untersten Konkretionsebene so miteinander,
freundlich und humorvoll bleiben. Bemühungen und Erfolge der Schülerin
daß mit Zielsetzungen zugleich Lerninhalte angesprochen sind und umgekehrt.
richtig einschätzen; Ansprüche nicht zu hoch ansetzen; realistischen Bewer-
Deshalb ist es bei der Ausformulierung eines Konzepts oft nicht erforderlich, in
tungsmaßstab anlegen.
der schematischen Darstellung zwischen Feinzielen und konkreten Inhalten zu
unterscheiden (damit wird auch die Notwendigkeit eines Planungsschemas zu- 5. Werkerarbeitung: Der Schülerin Appetit auf das Stück machen; engagiert
gunsten der freien Formulierung etwas abgeschwächt). vorspielen; interessanten Aufbau, ausdrucksstarke Gestik oder sonstige be-
Ähnlich verhält es sich in vielen Fällen mit dem Faktor „Methoden": Die merkenswerte Eigenschaften der Musik eindringlich darlegen. Aber nicht zu
Beschreibung des Unterrichtsverlaufs informiert bereits über das Wie des Vor- viel reden und vorspielen; Zurückhaltung üben., um mehr die Schülerin zu
gehens. Bedauerlicherweise aber enthalten die meisten Konzepte zu wenig de- aktivieren und zu animieren.
taillierte Vorstellungen über die Unterrichtsmethodik. Dies ist um so bedenkli- 6. Hausaufgaben: Übe-Aufgaben genau besprechen; Umfang gemeinsam
cher, als die Verfahren des Lehrens zu den zentralen pädagogischen Fertigkeiten festlegen. ,,Wieviel Zeit hast du in der kommenden Woche? Gibt es Klassen-
gehören. Ziele - und erst recht Inhalte - werden bis ins einzelne aufgegliedert. arbeiten?"
Schlüsselfragen vorformulieren, Erläuterungen zurechtlegen, den Einsatz kör- Anmerkungen zur Schülerin: 12 Jahre alt, pubertierend; freundlich und
persprachlicher Mittel gezielt planen, Lernhilfen verschiedener Art für eventu- aufnahmebereit; mittleres Interesse am Musizieren; kontinuierlich-befrie-
elle Lernprobleme im voraus erwägen: derartige Einzelheiten werden in ihrer digende Lernanstrengungen; komplikationslos in allen organisatorischen
Bedeutung oft unterschätzt. ,,Der Weg ist das Ziel" - für die Unterrichtsplanung Dingen; ansonsten unsicher, oft entscheidungsunfähig und -unwillig, etwas
ist dies ein bedenkenswerter Grundsatz. phlegmatisch, langsam in ihren Aktionen und Überlegungen; brüchige,
matte Stimme; dauernd fahrige Bewegungen; geringe körperliche und seeli-
sche Spannkraft.
Globale Ziele für das Lehrverhalten: einerseits mehr Geduld und Verständ-
Viertes Beispiel nis für die Schülerin aufbringen, andererseits ihr Temperament heraus-
locken und ihr Selbstvertrauen stärken.
1. Gespräch: Lobend die großen Fortschritte der letzten Stunde im Blattspiel
erwähnen. ,,Hat dir das Üben Spaß gemacht?" (Blattspielübungen waren
Die Konzeption dieser Stunde hat einen so allgemeinen pädagogischen Cha-
einzige Hausaufgabe.)
rakter, daß es nicht von Bedeutung ist, für welches Instrument sie zustande kam.
2. Auswahl eines neuen Duetts: Die Schülerin soll selber wählen und deshalb Mit ihr liegt nun ein Beispiel vor, das sich schwerpunktmäßig auf eine einzige
ermuntert werden, sich zu entscheiden. Lehrproblematik konzentriert. Zwar gliedert sich auch diese Stunde gemäß den

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Inhalten, die sich geschlossen einer einheitlichen Thematik unterordnen. Die wobei es darauf ankommt, daß er bereits hier - in der formalen Gestaltung und
stichwortartigen, a her nichtsdestoweniger detaillierten Anmerkungen zur Per- in der Akzentsetzung des Plans - die allseits erforderliche Flexibilität und Varia-
son der Schülerin weisen aber auf das besondere Anliegen des Lehrers hin: die bilität sich zu eigen macht.
positive Beziehung noch weiter auszubauen und das eigene Verhalten gezielt zu Planen hat generell Entwurfscharakter. Der Lehrer versucht,,, probeweise" vor-
verbessern, um damit auch der Schülerin Verhaltensimpulse zu geben. auszusehen und vorauszubestimmen, wie Unterricht sinnvoll stattfinden kann.
Genauer betrachtet fließen in die Vorbereitung Lernaufgaben ein, die sich der Auch das Entwerfen selbst bedarf der vielfältigen Erprobung.
Lehrer selber stellt. So naheliegend dies eigentlich ist, so ungewöhnlich erscheint
es dennoch. In der Regel beschränkt sich die Unterrichtsplanung darauf, Lern-
prozesse für den Schüler zu arrangieren. Sein Können und sein Wissen sollen
planmäßig erweitert und verbessert werden. Nach einer Unterrichtsstunde weiß Literaturvorschläge
ein Lehrer sehr gut zu berichten, was dem Schüler gelang oder mißlang und wo
er sich noch verbessern kann. Sehr selten richtet sich die erste Frage jedoch auf Adolf Messer, Josef Schneider und Theo Spiering, Planungsaufgabe Unterricht,
das eigene Verhalten. Das rührt daher, daß die Unterrichtsvorbereitung keine Ravensburg 2 1975
Lernaufgaben für den Planer selbst enthält. Folglich vergißt der Lehrer, sich selbst
zu beobachten, und überprüft bei der Auswertung des Unterrichts nicht als Horst Dichans und Karin Mohrmann, Unterrichtsvorbereitung, Stuttgart 1976
erstes, wieweit der Lernfortschritt des Schülers durch das Lehrverhalten bedingt
Beide Publikationen sind gleichermaßen empfehlenswert. Sie behandeln
ist.
- jede auf ihre Weise - die maßgeblichen Aspekte einer qualifizierten Unter-
Daraus lassen sich Planungs- und Auswertungsgrundsätze ableiten: Erstens
richtsplanung.
sollte der Lehrer - soweit es möglich und nötig ist - Trainingsaufgaben zur
Verbesserung seiner Lehrfertigkeiten in die Planung aufnehmen. Und zweitens
sollte er die nachfolgende Reflexion des Unterrichts zunächst dem eigenen Ver-
halten widmen.
Besonders anspruchsvoll sind Lernaufgaben, die - wie im vorliegenden Bei-
spiel - nicht sachlicher, sondern persönlicher Art sind. Die Fragetechnik ver-
bessern, das Lehren besser strukturieren, das Vorgehen im Unterricht aufmerk-
samer verfolgen, kreative Einfälle des Schülers spontan auswerten: solche Auf-
gaben bilden den einen Lernbereich für den Lehrer. Der andere betrifft die per-
sönliche Veränderung und Weiterentwicklung: Geduld, Freundlichkeit, Humor,
Interesse und Sensibilität für den Schüler aufbringen und ähnliches. Lernpro-
zesse, die sich auf derartige Verhaltensziele richten, verlangen eine große An-
strengung. Auch der Lehrer lernt nie aus.

* * *

Vier Unterrichtskonzepte - und jedes besitzt seinen speziellen Wert (das bewies
unter anderem ihre tatsächliche Realisierung). Was hier und da als Mangel auf-
gezeigt wurde, mag nicht in jedem Fall einer sein. Unterricht ist ein so komplexes
Geschehen, daß es sinnlos wäre, eine Planung auf Vollständigkeit hin anzulegen.
Der Lehrer wird sich jeweils auf das ihm wichtig Erscheinende konzentrieren,

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