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ISSN 0175-7776
®
MIX
Papier aus verantwor-
ISBN 978-3-8233-8325-3 (Print) tungsvollen Quellen
gewidmet
(1955-2019)
Frank G. Königs
Birgit Schädlich: Und was wird dann aus den Texten? Interakti-
onen im Wiki als hochschuldidaktischer Ansatz und For-
schungsgegenstand in der Lehrer*innenbildung 205
Die schriftlichen Statements dienten als Grundlage für die Vorbereitung der
offenen Diskussion während der Konferenz, bei der die einzelnen Au-
tor*innen auch ein kollegiales Peer-Feedback zu ihren Beiträgen erhielten. Im
Anschluss wurden die Statements überarbeitet und sie werden mit diesem
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Band vorgestellt. Sie stellen die Vielfalt und die Überschneidungen der Mei-
nungen und Herangehensweisen zum Thema vor und beleuchten die Per-
spektiven aus den unterschiedlichen Fachrichtungen. Die Beiträge bearbeiten
dabei ein breites Spektrum, das das Potenzial spezifischer Technologie für das
Sprachenlernen behandelt sowie mediendidaktische Ansätze und For-
schungsansätze skizziert von optimischen bis hin zu pessimistischen Gegen-
wartsbeschreibungen und auch Zukunftsszenarien, die das Fremd-/Zweit-
sprachenlernen, seine institutionelle Förderung und die Lehrer*innenbildung
betreffen. Insgesamt wird deutlich, dass wir es hier mit einem Thema zu tun
haben, das die Welt der Sprachlehrforschung, Fremd-/Zweitsprachen-
didaktik, Lehrer*innenbildung und Praxis bereits stark verändert hat und
weiter maßgeblich verändern wird.
Die Veranstalter*innen sowie die Teilnehmer*innen der Frühjahrskonfe-
renz danken der Justus-Liebig-Universität und den Verantwortlichen vor Ort
für die erneut gewährte Gastfreundschaft. Diese war für den ertragreichen
Verlauf der Konferenz von unschätzbarem Wert.
didaktischer Sicht
Marcus Bär
eine solche Sichtweise digitale Medien „in naiver Weise auf bloße Werkzeuge
[reduziere]“ (ebd., 5). Auch Fragen nach der Lernwirksamkeit digitaler Medi-
en sind „offenbar wenig sinnvoll“ (Grünewald 2017, 243), da nicht das Medi-
um selbst zu mehr Motivation bei den Lernenden und einem effektiveren
Lernen führt (vgl. Grünewald 2016, 464) bzw. digitale Medien per se keinen
besseren Unterricht hervorbringen, zumal die ermittelte Effektstärke – unab-
hängig vom untersuchten Konzept oder der einzelnen Maßnahme – nahezu
ausnahmslos eher gering ist (vgl. Schaumburg 2018, 28 ff. mit Verweis auf die
Befunde der Hattie-Studie). Dennoch halten sich in der gesellschaftlichen
Diskussion die Fragen nach dem Mehrwert und der Wirksamkeit hartnäckig,
da sie je nach Perspektive des Betroffenen bzw. Agierenden (aus Politik, Wirt-
schaft, Wissenschaft, …) ein einfaches und einprägsames Argument liefern,
wenngleich in der Regel nicht ersichtlich ist, womit ein Wert verglichen wird
oder wie Wirksamkeit definiert und mit welchen Instrumenten sie (angeb-
lich) gemessen wurde.1
Unabhängig von solchen Debatten handelt es sich bei der Digitalisierung
um eine Realität, der sich – wie bereits angeklungen – die Bildungsinstitutio-
nen nicht entziehen können und sollen. Trotz der erforderlichen enormen
Initialkosten für den Aufbau der flächendeckenden Infrastruktur (Breitband-
ausbau, Hardwareausstattung) sowie den zu erwartenden Folgekosten (Nach-
besserungsbedarf in kurzen Zyklen aufgrund der technischen Weiterentwick-
lung, Einstellung von hauptamtlichen IT-Beauftragten) dürfen Schulen nicht
„in der Kreidezeit“ (Klein/Munzinger 2018, 13) verharren. Vielmehr sollten
die sich verändernden medialen Gewohnheiten der Lernenden aufgegriffen
werden, um sich auf diese Weise einer zeitgemäßen Sprachverwendung (Ju-
gendkultur) anzunähern(vgl. Wampfler/Krommer 2018).2 Informelle Berichte
aus Schulen oder in entsprechenden Internetforen und Blogs machen aller-
1
Insbesondere Beteiligte, die eine wirtschaftliche Verwertung verfolgen, sind an
Wirksamkeitsbekundungen interessiert, da diese als Verkaufsargument dienen
(vgl. z.B. das „Wirksamkeitsverspechen“ auf der Homepage von Duolingo: „Lerne
Spanisch in nur 5 Minuten am Tag mit unseren spielerischen Übungen. Duolingo
erweist sich als wirksam für Anfänger und Fortgeschrittene, die ihr Lesen, Schrei-
ben und Sprechen verbessern möchten.“). Für eine grundlegende Kritik an einer
vorrangig technologie- und ökonomiegetriebenen Digitalisierung der Bildung sie-
he bspw. Lembke/Leipner (2015).
2
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass es nicht um ein Aufgreifen der
medialen Gewohnheiten im Sinne eines Nacheiferns oder Anbiederns geht, zumal
sich Lernende (insbesondere in der Sek. I) durch ihre Sprache und Mediennut-
zung bewusst und explizit von den Lehrenden (und Erwachsenen im Allgemei-
nen) abgrenzen wollen (vgl. hierzu die sog. Zweit-Profile auf Finstagram).
dings deutlich, dass die digitale Realität an Schulen vielerorts (noch) als trivial
zu bezeichnen ist, zumal die finanziellen Mittel für Technologien ausgegeben
werden, die häufig persönlich motiviert sind (Leistungsfähigkeit der Laptops,
Menge an Tablets, …) und sich der Medieneinsatz auf Internetrecherchen,
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(Kosten-)Frei verfügbare Lern-Apps (https://learningapps.org) oder Lern-Snacks
(https://www.learningsnacks.de) entsprechen zumeist einem behavioristischen
Reiz-Reaktions-Schema und lassen aufgrund einer (sehr) eingeschränkten Anzahl
vorhersehbarer Antworten nur simple Feedbackroutinen zu und fallen somit hin-
ter Offline-Produkte zurück (vgl. auch Biebighäuser et al. 2012, 33 f.).
der Lösung eines Problems erlauben Aufgaben 2.0 nicht nur eine „Entkünstli-
chung des Fremdsprachenlernens“ (Biebighäuser et al. 2012, 46), sondern die
optimale Nutzung der Stärken der digitalen Welt, die v.a. darin begründet
sind, dass „niemals zuvor (…) Fremdsprachenlernende im und außerhalb des
Unterrichts so leicht einen direkten kommunikativen Kontakt zu den Spre-
chern anderer Sprachen aufbauen“ können (De Florio-Hansen 2018, 291). In
digitalen Lernumgebungen bzw. virtuellen Räumen sind sowohl kommunika-
tive als auch kooperative Elemente gefragt, die u.a. einen beschleunigten In-
formationsfluss erlauben und eine breitere Teilhabe und Mitbestimmung
ermöglichen (z.B. mithilfe unmittelbarer Rückmeldefunktionen), sodass die
Entwicklung gemeinsamer Lösungen erleichtert wird (vgl. auch KMK 2017,
9).4 Ein weiterer Vorteil digitaler Lernumgebungen im Rahmen eines aufga-
benorientierten Settings ist die Berücksichtigung diverser fachlicher, aber
eben auch digitaler Teilkompetenzen, die im Zuge einer Problemlösung oder
Produkterstellung gefördert werden können. Hier bietet u.a. der Medien-
kompetenzrahmen NRW (MSB NRW 2017) Anhaltspunkte, welche digitalen
Teilkompetenzen im Rahmen eines aufgabenorientierten Fremdsprachenun-
terrichts Berücksichtigung finden könn(t)en.5
Nicht zu vernachlässigen sind in einem solchen Diskurs auch Fragen über
Verhaltensregeln und Kommunikationsmodi (Netiquette) sowie Absprachen
zu Arbeitsphasen, da digitale Lernumgebungen rund um die Uhr und an
jedem Ort zur Verfügung stehen und sich durch Synchronität auszeichnen
und somit Änderungen, Bearbeitungen und Rückmeldungen in Echtzeit
sichtbar werden. Diese Orts- und Zeitunabhängigkeit wird meist als Vorteil
bezeichnet, wenngleich eine jederzeitige Verfügbarkeit sowie Echtzeit-
Verfolgungen auch Stressfaktoren sein können, da an den kooperierenden
4
Als Denkanstoß seien folgende (kritische) Fragen erlaubt: Bedeutet die Nutzung
von Netzwerkstrukturen, die den Informationsfluss beschleunigen und auch eine
breitere Teilhabe und Mitbestimmung ermöglichen, tatsächlich einen Vorteil?
Verleitet die Nutzung digitaler Medien nicht auch dazu, eine Vielzahl an (irrele-
vanten) Informationen zu produzieren, die dann wiederum mühsam im Sinne der
Zielsetzung kanalisiert werden müssen? Erschwert ein ‚basisdemokratisches‘ Ele-
ment wie die Mitbestimmung nicht auch die Kompromissfindung durch eine (zu)
hohe Anzahl an Perspektiven und (Einzel-)Meinungen?
5
Der Medienkompetenzrahmen NRW (MSB NRW 2017) greift die im KMK-
Strategiepapier genannten Handlungsfelder auf und gibt Teilkompetenzen vor, die
wiederum in die zu überarbeitenden Lehrpläne der einzelnen Fächer zu integrie-
ren sind, wenngleich nicht in jedem Fach jede Teilkompetenz zu fördern ist.
Fragen, die die Nutzung von Lernplattformen und/oder Apps im Hinblick auf
bspw. Datenschutz und Urheberrecht betreffen. Bei Anbietern digitaler Soft-
warelösungen handelt es sich i.d.R. um Unternehmen, die insgesamt eine
Profitmaximierung anstreben und die nicht selbstlos bzw. ohne Gegenleis-
tung handeln (z.B. in Form von Datengewinnung zu Zwecken der Weiterver-
arbeitung). Auch der Einsatz schülereigener mobiler Endgeräte nach dem
BYOD-Prinzip (Bring Your Own Device) ist in dieser Hinsicht nicht unprob-
lematisch, zumal ggf. Zugriffe auf Dienste des Schulnetzwerks erfolgen sowie
schulinterne Daten unkontrolliert gespeichert und verarbeitet werden kön-
nen, was wiederum nicht oder nur zum Teil im Einklang mit datenschutz-
rechtlichen Vorgaben steht. BYOD birgt zudem die Herausforderung, dass
die digitale Infrastruktur auf alle denkbaren Betriebssysteme in den ver-
schiedensten (Update-)Versionen vorbereitet sein muss. Und schließlich darf
in diesem Zusammenhang auch die soziale Komponente nicht übersehen
werden, zumal ein Zwang zum (privaten) Besitz eines ‚passenden‘ Endgeräts
nicht gefordert werden kann bzw. nicht durchsetzbar ist und allein die Not-
wendigkeit einer Geräteausleihe vor Ort zu ‚sozialen Unverträglichkeiten‘
innerhalb einzelner Lerngruppen führen kann.
6
Ein typisches Beispiel ist der (simple) Schreibauftrag, bei Twitter einen tweet von
max. 140 bzw. neuerdings 280 Zeichen als Kommentar zu einem bestimmten
Sachverhalt zu verfassen, ohne hierbei im Rahmen der Aufgabenstellung auf die
Spezifika dieses Mediums einzugehen und die Bedeutung bzw. Funktion von
hashtags, Verweisen zu anderen Nutzerprofilen, die Verwendung von Sprache
(Register, Stil, …) usw. zu reflektieren (vgl. hierzu auch die Teilkompetenzen 2.3
(„Informationsbewertung“) und 5.2 („Meinungsbildung“) im Medienkompetenz-
rahmen NRW; vgl. MSB NRW 2017).
kann ein solches lehrerseitiges Vorgehen maximal als Vorstufe einer notwen-
digen Reflexion gutgeheißen werden, d.h. im Anschluss an die Durchführung
muss eine kritisch-reflexive Einheit folgen, die verhindert, dass der Einsatz
eines digitalen Mediums und das lehrerseitige Handeln nicht konzeptionell
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Herzig 2014, 8). Basal ist, dass durch die Bearbeitung entsprechender Aufga-
ben unter Einsatz digitaler Medien bei den Lernenden eine „kollaborative
Wissenskonstruktion“ einsetzt, die „den soziokulturellen und konstruktivisti-
schen Prinzipien des Fremdsprachenlernens [entspricht]“ (Biebighäuser et al.
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2012, 37).
2.3 Die ethische Dimension bei der Arbeit mit digitalen Medien
Neben den genannten Dimensionen sollte ein solches Konzept auch Stellung
zu ethischen Fragen der Nutzung digitaler Medien beziehen. Aus Platzgrün-
den seien an dieser Stelle vor allem folgende Aspekte erwähnt: „Datenschutz
und Informationssicherheit“ (MSB NRW 2017, 1.4), „Informationskritik“
(ebd., 2.4), „Kommunikations- und Kooperationsregeln“ (ebd., 3.2), „Kom-
munikation und Kooperation in der Gesellschaft“ (ebd., 3.3) sowie „Rechtli-
che Grundlagen“ (ebd., 4.4). Im Zuge der Förderung einer kritisch-reflexiven
Medienkompetenz ist es unabdingbar, die Lernenden zum Nachdenken über
das eigene Nutzungsverhalten zu animieren und dabei ethische und rechtliche
Aspekte in die Selbstreflexion einfließen zu lassen (vgl. u.a. Lütge et al. 2018,
8). Dies umfasst vor allem den Umgang mit personenbezogenen Daten
(Stichworte: Datensicherheit und -schutz) sowie die Regeln für soziales
Kommunikationsverhalten im Internet (Stichwort: Netiquette). Auf der einen
Seite muss somit aus ethischer Perspektive verhandelt werden, bis zu wel-
chem Punkt es vertretbar ist, dass Firmen bzw. Softwareanbieter mit einem
vorrangig ökonomischen Verwertungsinteresse in die (mediale) Privatsphäre
der Lernenden (in einem institutionellen Umfeld!) eindringen und eine Nut-
zung der Angebote bspw. nur nach Anmeldung oder Registrierung über
Google- oder Facebook-Konten möglich ist: „Mit den Daten von Schülern
lässt sich viel Geld verdienen, das wissen die Verlage und das wissen die glo-
balen Player, die längst an Schul-Clouds arbeiten“ (Klein/Munzinger 2018,
14).
schaftliche Wirklichkeiten ergibt und der sie sich aus diesem Grunde nicht
entziehen kann und sollte. Die Erweiterung der Dimensionen führt aber i.d.R.
zu immer weiteren Spezialisierungen innerhalb einer Disziplin, zumal die
Vertretung der Gesamtheit der (fachdidaktisch relevanten) Themen bzw.
Teilbereiche realistischerweise nicht mehr gegeben sein kann. Studierende
bzw. zukünftige Lehrpersonen sollten aber nach ihrem Studium nicht nur in
einem oder in wenigen (begrenzten) Lehrbereichen ausgewiesen sein, son-
dern breit aufgestellt sein bzw. den Überblick über die Gesamtheit nicht ver-
lieren (vgl. Christ 2002, 38). Da zudem digitale Zugänge zum Lehren und
Lernen komplex und mehrdimensional sind, ist eine Steigerung der ‚Ver-
bundtätigkeiten‘ in Forschung und Lehre notwendig, damit die Fremdspra-
chendidaktik auch in Zukunft ihrer Berufung, nämlich (sprachen-/bil-
dungs-)politisch beratend tätig zu sein, nachgehen kann (vgl. ebd.).
Hinsichtlich des digitalen Wandels ist es für die Fremdsprachendidaktik als
Disziplin somit erforderlich, Kooperationen mit Vertreter/inne/n anderer
Disziplinen wie z.B. der Sozial- und Medienpädagogik aufzubauen und in
einen kontinuierlichen Dialog einzutreten. Nur auf diese Weise lassen sich
sowohl inhaltliche als auch organisatorische und konzeptionelle Aspekte im
Hinblick auf eine umfassende Lehrerbildung erörtern (wenngleich nicht um-
gehend umsetzen). Denn unabhängig hiervon ist zu erwarten, dass nach der
(aufoktroyierten) Integration von fünf Leistungspunkten „inklusionsorien-
tierter Studien“ in die Studiengänge aller Fächer in NRW demnächst weitere
(fünf?) Leistungspunkte im Sinne der Berücksichtigung digitaler Aspekte
einzubinden sein werden – wohlgemerkt bei gleichbleibendem Gesamt-
workload, der jedem Fach(teil) zur Verfügung steht, was im Umkehrschluss
bedeutet, dass für das ‚Kerngeschäft‘ der Fremdsprachendidaktik weniger Zeit
und Arbeitstiefe bleibt (trotz Nutzung aller denkbaren Kooperationsmöglich-
keiten).
lauben werden, sind sowohl Lehrkräfte an den Schulen als auch Dozenten an
den Universitäten angehalten, prioritäre Aufgabenfelder zu definieren.
Vom Grundsatz her soll der Fremdsprachenunterricht die Lernenden da-
zu befähigen, digitale Medien zur Information, Kommunikation und Koope-
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gewertet werden.
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Mark Bechtel
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1 Einleitung
Die Nutzung digitaler Medien ist fester Bestandteil der Lebenswelt von Er-
wachsenen und Jugendlichen geworden, der digitale Wandel bestimmt derzeit
den bildungspolitischen Diskurs. Laut der JIM-Studie leben Jugendliche zwi-
schen 12 und 19 Jahren in Deutschland in Familien, die zu fast 100 Prozent
über ein Smartphone, Computer, Fernsehgerät und Internetzugang verfügen,
wobei 97 Prozent der Jugendlichen ein eigenes Smartphone besitzen und 69
Prozent einen Computer oder Laptop (vgl. Medienpädagogischer For-
schungsverbund Südwest 2017, 6). Angesichts einer zunehmend digital ge-
prägten Welt muss auch die Schule, ob sie es will oder nicht, auf die Verände-
rungen reagieren und ihre gesellschaftliche Funktion, die heranwachsende
Generation auf das Leben vorzubereiten, dergestalt wahrnehmen, „Schülerin-
nen und Schülern einen kompetenten und verantwortlichen Umgang mit
Medien zu vermitteln“ (Schaumburg/Prasse 2019, 12). Das scheint auch des-
halb unerlässlich, „weil die alltägliche Nutzung nicht notwendig in einen
reflektierten und kritischen Umgang mit Medien mündet und sich die Parti-
zipationschancen nicht automatisch mit dem Zugang zu Medien erhöhen“
(ebd., 12). Neben der lebensweltlichen Nutzung werden digitale Medien ver-
stärkt auch in der Schule in Ergänzung zu den traditionellen Medien (Tafel,
CD-Player, OHP, usw.) als Mittel zur Unterrichtsgestaltung verwendet. Was
die Ausstattung der Schulen mit digitalen Medien angeht, besteht seitens der
Bildungspolitik allerdings ein erheblicher Nachholbedarf (vgl. KMK 2016,
11). Zwar haben laut JIM-Studie fast 80 Prozent der Jugendlichen den Einsatz
von stationären Computern im Unterricht erlebt, etwa die Hälfte hat im Un-
terricht bereits mit dem Whiteboard (52 %) und dem Smartphone (47%)
gearbeitet, 37 Prozent haben Erfahrungen mit dem Notebook und 20 Prozent
mit einem Tablet-PC gesammelt. Betrachtet man allerdings die Häufigkeit der
Nutzung, so ist diese bislang gering. Mehrmals pro Woche wurde lediglich
das Whiteboard (31 %) und der Computer (22 %) nennenswert im Schulalltag
eingesetzt, während Smartphones (13 %), Laptops (9 %) oder Tablet-PCs (4
%) bislang keine große Rolle spielen (vgl. Medienpädagogischer Forschungs-
verbund Südwest 2017, 54).
Die aktuelle Digitalisierungseuphorie der Bildungspolitik wird in den
kommenden Jahren vermutlich zu einer besseren Ausstattung der Schulen
2.1 Gegenstände
Versteht man unter Lerngegenstand in diesem Zusammenhang das Unter-
richtsthema (z.B. Frankophonie), ist über das Internet „ein über die Möglich-
keiten des gedruckten Lehrwerks hinausgehender zeit- und ortsunabhängiger,
zumeist kostenloser Zugriff auf ein weltweit vernetztes Angebot an authenti-
schen, multimedialen zielsprachlichen Inhalten“ (Schmidt 2010, 282) mög-
lich. Das Internet als Träger von Online-Artikeln, Youtube-Videos, Postcasts,
Blogs kann somit dazu beitragen, das eingesetzte Lehrwerk zu aktualisieren
(z.B. mit Texten neueren Datums zu Ereignissen in einem ausgewählten fran-
kophonen Land), thematisch zu vertiefen (z.B. durch das Aufgreifen weiterer
Aspekte wie z.B. Alltagsleben, Status und Gebrauch des Französischen aus
unterschiedlichen Perspektiven) oder ein Unterrichtsthema neu einzuführen,
das im Lehrbuch nicht vorkommt (z.B. die aktuelle Protestbewegung der
gilets jaunes in Frankreich). Die Herausforderung besteht darin, aus der Viel-
falt des Angebots für die jeweilige Lerngruppe von der Thematik und dem
Leistungsstand her angemessene Lese- und Hör-/Hörsehverstehensdoku-
mente auszuwählen, die Qualität der Information kritisch zu prüfen und sie
dergestalt in den Unterricht einzubetten, dass die Schüler durch geeignete
durch den Einsatz von Voice-Chats und Skype gefördert werden (vgl. Toka-
ryk 2017). Konzipiert man solche Austauschprojekte nach der Tandem-
Methode, bei der zwei Lerner von- und miteinander lernen, wobei die Ziel-
sprache des einen die Muttersprache des anderen ist, können beide Lerner bei
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2.2 Lernumgebungen
Unter Lernumgebungen versteht Rösler (2007, 79) „Orte, an denen Lernende
Zugang zu der Sprache, die sie lernen, erhalten“. Beim natürlichen Spracher-
werb ist das der Alltag, in dem die Sprache kommunikativ erfahren wird,
beim institutionell gesteuerten Sprachenlernen verläuft der Zugang zur Ziel-
sprache über die Lehrperson, Lernmaterialien und Medien. Der Einsatz digi-
taler Medien ändert diese Lernumgebung in mehrfacher Hinsicht: a) durch
den Rückgriff auf das Internet erhöht sich die Aktualität und Authentizität
des zielsprachlichen Lernmaterials, b) durch die Integration von Lernsoftware
erweitern sich die Möglichkeiten einer selbstgesteuerten Wissensaneignung
und eines selbstgesteuerten gezielten Übens sprachlicher Mittel (z.B. bei
Wortschatz, Grammatik, Aussprache), c) durch die Nutzung digitaler Kom-
munikationskanäle öffnet sich die Lernumgebung und bietet vielfältige Mög-
lichkeiten zur Kommunikation und Kooperation mit Muttersprachlern, ohne
dass dabei Reise- und Unterbringungskosten entstehen. Die größte Heraus-
forderung in diesem Bereich besteht darin, ein stimmiges Gesamtkonzept der
Lernumgebung zu entwickeln, bei dem digitale und analoge Medien lerner-
gruppengerecht dergestalt mit motivierenden Inhalten, geeigneten Materia-
lien, Aufgaben und Übungen sowie Sozialformen verknüpft werden, dass sie
einen Beitrag zur Entwicklung funktional-kommunikativer, methodischer
und interkultureller Kompetenzen im Fremdsprachenunterricht leisten.
3 Ein Leitbild für den Umgang mit digitalen Medien beim Lehren
und Lernen fremder Sprachen?
Angesichts der aktuellen Digitalisierungseuphorie besteht die Gefahr, den
Einsatz digitaler Medien für das Lehren und Lernen von Fremdsprachen zu
verabsolutieren. Ein Leitbild, das eine klare Zielvorstellung beinhaltet, wäre
hier von Vorteil. Als Ausgangspunkt für ein solches Leitbild könnten die
fächerübergreifenden Kompetenzanforderungen dienen, die die Schülerinnen
und Schüler im Laufe ihrer Schulzeit im Umgang mit digitalen Medien entwi-
ckeln sollen, so wie sie die KMK in ihrem Strategiepapier zur digitalen Bil-
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werden, die verdeutlicht, welche digitalen Tools zur Förderung welcher Kom-
petenzen (Hör-/Hörsehverstehen, Sprechen, Schreiben, Leseverstehen, usw.)
eingesetzt werden können, welche Funktionen (Motivieren, Präsentieren und
Veranschaulichen, Aktivieren und Vertiefen, Differenzieren und Individuali-
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gangs mit neuen Medien in einem fremdsprachlichen Fach verfügen? Bei der
Beantwortung dieser Frage greife ich auf das Modell von Blömeke (2003, 234)
zurück. Sie fächert die medienpädagogische Kompetenz in fünf Teilkompe-
tenzen auf (vgl. auch Schaumburg/Prasse 2019, 241): 1. Die Fähigkeit zum
reflektierten Einsatz von Medien in geeigneten Lehr- und Lernformen (medi-
endidaktische Kompetenz), 2. die Fähigkeit, Medienthemen im Sinn ange-
messener pädagogischer Leitideen im Unterricht behandeln zu können (me-
dienerzieherische Kompetenz), 3. die Fähigkeit, die medienspezifischen
Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler angemessen beim medi-
enpädagogischen Handeln zu berücksichtigen (sozialisationsbezogene Kom-
petenz)3, 4. die Fähigkeit, die personalen und institutionellen Rahmenbedin-
gungen für medienpädagogisches Arbeiten in der Schule zu gestalten
(Schulentwicklungskompetenz), 5. die Fähigkeit, Medien sachgerecht, selbst-
bestimmt, kreativ und sozialverträglich zu nutzen und zu gestalten (eigene
Medienkompetenz). Für Blömeke gehört der Erwerb einer eigenen Medien-
kompetenz in einer Informationsgesellschaft zur Allgemeinbildung und sei
somit eine Aufgabe, der sich die Schule stellen müsse. Wenn Studierende
diesbezügliche Defizite hätten, müssten sie sich diese parallel zum Studium
aneignen und die Universität müsste dementsprechende Angebote machen,
es dürfe aber nicht Bestandteil des Studiums sein – anders als die anderen vier
Kompetenzbereiche.
Blömeke (2003) sieht für den Aufbau der medienpädagogischen Kompe-
tenzen die drei Phasen der Lehrer*innenbildung in der Pflicht:
Die Universität hat die Aufgabe, generalisiertes – wissenschaftliches Wissen
zu vermitteln. Bezogen auf den Erwerb medienpädagogischer Kompetenz
steht also die wissenschaftliche Grundlegung im Vordergrund. Dieses wissen-
schaftliche Wissen wird in der zweiten Ausbildungsphase am Studienseminar
um den Erwerb praktischen medienbezogenen Handlungswissens ergänzt. In
der Lehrerfortbildung geht es dann um die Aktualisierung von Theorie- und
Praxiswissen, um die Aufnahme von Neuentwicklungen sowie um den Aus-
gleich von Defiziten (Blömeke 2003, 234).
Der Konzeption einer phasenübergreifenden medienpädagogischen Kompe-
tenzaneignung ist zuzustimmen. Die Aneignung eines praktischen medienbe-
zogenen Handlungswissens allein der zweiten Phase zuzuordnen, scheint
dagegen angesichts der verstärkten Integration von Praxisphasen in die erste
Ausbildungsphase als überholt. Des weiteren plädiert Blömeke für eine nicht
3
Dazu gehört das Wissen, die Lebenswelt und das Mediennutzungsverhalten der
Schülerinnen und Schüler zu kennen.
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Eva Burwitz-Melzer
People sometimes refer to the world as a global village when they want to em-
phasize that all the different parts of the world form one community linked
together by electronic communications, especially the internet. (Collins
Cobuild, Advanced English Dictionary)
1 Einleitung
Trotz der erheblichen Startschwierigkeiten, die der DigitalPakt Schule in den
letzten Monaten gezeigt hat, ist der digitale Wandel im Fremdsprachenunter-
richt nicht aufzuhalten, und das ist gut so, denn er kann das Lehren und Ler-
nen an vielen Stellen sinnvoll und maßgeblich unterstützen, neue Lernwege
aufzeigen und mit dem Einbezug der vielfältigen Medienlandschaft für eine
bessere Berufsvorbereitung sorgen. Dieses Papier möchte in einem ersten
Schritt einige der fachdidaktischen Bereiche und Kompetenzen ausdeuten, die
besonders vom Einsatz digitaler Medien profitieren. Ein zweiter Fokus wird
auf der interkulturellen kommunikativen Kompetenz liegen, die als transver-
sale Kompetenz zwar stets bei der Digitalisierung als vermeintlich selbstver-
ständlich mit ins Blickfeld genommen wird, doch längst nicht immer so sorg-
fältig eingebunden ist, wie es ratsam erscheint.
anbieten (Funk 2016; Schmidt/Strasser 2018) und bei der synchronen oder
asynchronen Kommunikation mit Partnern in der ganzen Welt, sei es per
Chats oder Mails sowie beim mobile assisted language learning via Apps oder
kooperativen Spielen (vgl. Schmidt/Strasser 2018).
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Es gilt jedoch auch, sich bei der Einschätzung des Potenzials der Digitali-
sierung einen kritischen Blick zu bewahren: Viele der heute in der Fachlitera-
tur aufgezählten vermeintlichen Neuerungen durch die digitalen Medien, z.B.
die Multimodalität oder die Mehrfachkodierung von Texten, werden nämlich
nicht erst seit dem Einsatz digitaler Medien im Fremdsprachenunterricht
genutzt, sondern sie existieren bereits seit vielen Jahrzehnten. Besonders die
Medienvielfalt und die Multimodalität von genutzten Texten im FU stellen
bereits seit den 60er Jahren wichtige Phänomene dar (vgl. de Cillia/Klippel
2016 sowie Schmidt/Strasser 2018), finden aber erst seit gut zwanzig Jahren
mit der zunehmenden Digitalisierung und den Postulaten der New London
Group (1996) eine erheblich gesteigerte und angemessene Beachtung.
Betrachtet man die Kompetenzbereiche, die durch den Einsatz digitaler
Medien signifikant gefördert werden können im Fremdsprachenunterricht, so
wird deutlich, dass sowohl produktive wie rezeptive kommunikative Kompe-
tenzbereiche profitieren können. Die rezeptiven Kompetenzen wie Hörver-
stehen, Hör-Sehverstehen und Lesen sind maßgeblich durch die Vielfalt des
digitalen Textangebots betroffen. Produktive Kompetenzbereiche wie das
monologische und das interaktive Sprechen sowie die mündliche Mediation
erhalten durch Videokonferenzen oder digitales Telefonieren eine bisher
nicht gekannte, wahrscheinlich auch motivierende Authentizität und Plausi-
bilität. Das Verfügen über sprachliche Mittel ist – wie oben bereits erwähnt –
ohnehin einer der Schwerpunkte digitaler Lernprogramme. Die mündliche
und schriftliche Sprachmittlung erlangt durch digitale Lernszenarien mehr
Nähe mit den jeweiligen Kommunikationspartnern, denen eine fremde Kul-
tur nähergebracht werden soll; auch bei Sprachmittlungsaufgaben können
digitale Tools für lebensnahe Lernszenarien sorgen. Konferenzschaltungen
ermöglichen einen Austausch mit gleich mehreren Kommunikationspart-
nern, die weit auf der Welt verstreut sein können und bringen so buchstäblich
Kulturen einander näher.
Die Text- und Medien-Kompetenz ist mit Bedacht so modelliert, dass di-
gitale Medien in den Standards immer schon mitbedacht worden sind, hier ist
die Integration von Print- und digitalen Medien gut gelungen. Eine große
Unterstützung bei der Entwicklung von Sprachbewusstheit können digitale
Datenbanken zur Lernersprache darstellen oder eine individuelle Übersicht
über die eigene Lernentwicklung, die im Unterricht mit Partnern reflektiert
werden kann. Die Sprachlernkompetenz schließlich erfährt eine Bereicherung
durch e-Portfolios, die den Lernenden helfen, ihre individuellen Lernwege
und Lernpläne in der Fremdsprache und zur Plurilingualität zu finden,
Lernerträge abzuschließen und diese selbstständig zu überprüfen.
1
Die empirische Studie von A. Müller-Hartmann (1999) stellt in diesem Zusam-
menhang eine frühe Ausnahme dar.
tenzial auf der Grundlage des Byram-Konzepts der ICC (1997) zu erweitern,
wenn sie mit authentischen Texten und bestimmten strategisch ausgeführten
Aufgabenstellungen wie z.B. Perspektivenwechseln konfrontiert und geför-
dert werden. Besonders die abschließend durchgeführten Reflexionsstrategien
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und einarbeiten und methodische Verfahren müssen zum Zug kommen, die
eine intensive Zusammenarbeit ermöglichen (ibid., 169).
Drittens erscheint es als besonders positiv, dass alle Kompetenzen, die hier
berücksichtigt sind, miteinander verzahnt und in einem Tableau gegeneinan-
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Medien
Aber wie müsste so ein interkulturelles Szenario mit digitalem Einsatz aufge-
baut sein, um erfolgreich zu fördern, wie soll es von den Lehrkräften begleitet
werden und wie könnte es evaluiert werden? Der Guide for the Development
and Implementation of Curricula for Plurilingual and Pluricultural Education
(kurz: Guide; Beacco et al. 2016), der sich mit der Umsetzung plurikulturellen
und interkulturellen Lernens in europäische Curricula befasst, verortet das
interkulturelle Lernen mit unterschiedlichen digitalen Tools in allen schuli-
schen Lernabschnitten, vom frühkindlichen Lernen bis zum Lernen von jun-
gen Erwachsenen (vgl. Beacco et al. 2016, 77-88). Dies wird begründet mit der
gesellschaftlichen Partizipation und der sozial-verantwortlichen Rolle schuli-
scher Erziehung:
School also has a socialisation function. School has the responsibility of train-
ing future citizens and helping learners to become concerned members of so-
ciety. For that purpose it must not only develop their own specific potential
but also give them access to the knowledge and tools they need in order to
participate in the democratic management of life in society. Thus each subject
taught at school, in addition to the knowledge and skills it transmits, must also
contribute to creating a culture of participation in democratic life, especially
with the digitised forms of communication that now make such participation
easier (ibid., 64).
Digitale Tools und Medien erleichtern den Kontakt mit Anderen und Schule
muss in einer strukturell sinnvollen Form auf solche Kontakte vorbereiten.
Den Autorinnen und Autoren kommt es dabei auf vertikale und horizontale
Kohärenz beim interkulturellen Lernen an, die Längsverbindungen im Curri-
culum im Sinne eines lebenslangen Lernens anbieten und auf einer Altersstu-
fe auch Konvergenzen zwischen verschiedenen Lernfächern aufweisen, die
das interkulturelle Lernen mit verschiedenen Fächertraditionen verbinden
(vgl. ibid., 99-102). Da sie sich mit allen Ebenen des Lernens befassen, von der
Makro- (internationalen Ebene) bis zur Nano-Ebene (individuelle Lernebe-
ne), geht es um zentrale Konvergenzen und durch Strategien geleitetes inter-
kulturelles Lernen, die über einzelne Szenarios hinausweisen. Der Reflexion
von Interkulturalität kommt dabei als Einheit stiftendem Element des Ler-
nens eine besondere Rolle zu:
By reflecting on their progress, each learning experience undergone, their lin-
guistic cognitive and cultural acquisitions and the strategies they have used,
learners can themselves assess the value of the experience in question, how
much weight to place on the acquisitions and how they can be extended to
other experiences and learning situations (Beacco et al. 2016, 40-1).
Fassen wir also die verschiedenen hier kurz vorgestellten Aspekte des Guide
(Beacco et al. 2016) zusammen, so ergibt sich ein Paradigma, das interkultu-
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relles Lernen mit digitalen Medien als besonders geeignet und besonders
geboten in die heutige europäische Schullandschaft integrieren möchte. Sol-
che strukturellen Ansätze, die dies auf horizontal und vertikal vernetzte Art
und Weise tun, werden bevorzugt, da sie einen stetigen und nachhaltigen
Lernprozess begünstigen. Darüber hinaus gilt es, die Erfahrungen der Ler-
nenden regelmäßig reflektieren zu lassen, um ein optimales Lernergebnis und
-bewusstsein zu erzielen.
Es scheint also, dass sich die beiden empirischen Beispiele und die Vor-
schläge des Europarats in sinnvoller Weise zusammenfassen und ergänzen
lassen: Der schulische Unterricht sollte in den Fremdsprachenfächern – aber
nicht nur dort – regelmäßig und über das Gesamtcurriculum verteilt digitale
Tools und Medien einsetzen, um das interkulturelle Lernen zu fördern. In
Deutschland existieren bereits für die gymnasiale Oberstufe sehr gut durch-
dachte Bildungsstandards für diesen Kompetenzbereich, die einen solchen
Einsatz gut modellieren. Somit wird auch eine Evaluation der mündlichen
und schriftlichen, analogen und digitalen Schülerleistungen erleichtert. Be-
sondere Vorsicht ist allerdings – so haben es die beiden empirischen Beispiele
gezeigt – bei der Phrasierung und Ausführung der Lernaufgaben angesagt.
Hier profitieren Lernende und Lehrende von einer sorgfältigen Planung, die
alle beteiligten Kompetenzbereiche umfasst und interkulturelles Lernen in
seinen vielfältigen Ausprägungen durch alle Lernphasen berücksichtigt.
Die große Chance, die das globale Lernen für die Lernenden im Fremd-
sprachenunterricht darstellt, kann nur eingelöst werden, wenn Lehrende sich
der vielfältigen Schwierigkeiten gerade bei der Integration der interkulturellen
Kompetenz bewusstwerden. Die aktuelle Ausbildung von Lehrkräften muss
also eine Antwort darauf finden, wie diese Bewusstwerdung im Studium aus-
gebildet werden soll.
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Daniela Elsner
auch hier lösen diese bei den vom Wandel Betroffenen üblicherweise zu-
nächst einmal Unsicherheiten aus (vgl. Vahs/Weiand 2013). Eine wichtige
Quelle der Orientierung und der Motivation aller Beteiligten ist deshalb eine
gute und nachvollziehbar aufbereitete Strategie. Die Entwicklung einer sol-
chen beginnt meist mit einer Analyse der Ausgangssituation mittels einer
SWOT-Analyse. Konkret geht es darum, die Stärken und Schwächen im be-
stehenden System zu bestimmen und die Gelegenheiten/Chancen und Gefah-
ren bzw. Risiken der Neuerung einzuschätzen, um auf dieser Basis entspre-
chende Lösungsstrategien zu erarbeiten.
Im Folgenden soll eine solche SWOT-Analyse mit Blick auf den Einsatz
und die Nutzung digitaler Technologien im Zusammenhang mit dem Fremd-
und Zweitsprachenunterricht sowie der Ausbildung von Lehrkräften für die-
sen durchgeführt werden.
2.1 Stärken
Der Einsatz von technischen Medien im Fremd- und Zweitsprachenunter-
richt ist nichts Neues. Schon zu Beginn der sechziger Jahre erfuhr der Fremd-
sprachenunterricht eine technische Wende (vgl. Freudenstein 2003, 395).
Tonträger, das Sprachlabor, Filme und der Overheadprojektor avancierten zu
wichtigen Lernmitteln, die den Unterrichtsprozess in den sprachlichen Fä-
chern optimieren sollten. Einerseits trugen (und tragen) diese Medien dazu
bei, die Unterrichtsführung zu erleichtern (vgl. Gutschow 1973, 139), ande-
rerseits erhöhten und erhöhen sie die Anschaulichkeit der kommunikativen
und kulturellen Darbietungen und damit auch die Motivation der Lernenden,
sich mit dem Lerngegenstand auseinanderzusetzen (vgl. Puchta/Schratz
1984). Darüber hinaus ermöglicht(e) erst der Einsatz technischer Medien
(Tonträger, Radio und Film), unterschiedliche Sprachvorbilder im Unterricht
zu integrieren.
Anfang der 1990er Jahre brachte der Einzug des Computers an Schulen
neue Lernoptionen in Form des computergestützten Lernens (CALL, Compu-
ter Assisted Language Learning) mit sich. Die Nutzung von Lernsoftware er-
weiterte das Spektrum der Selbststeuerung der Lerner sowie den multimoda-
len Zugang zur Sprache. Mit Einzug des Internets, Anfang des Milleniums,
erhöhten sich die Recherche- und Interaktionsmöglichkeiten von Lernenden
und Lehrenden, sie eröffneten völlig neue Wege der Kommunikation, der
Informationseinholung und -verbreitung sowie der Vernetzung von Schülern
und Lehrkräften weltweit.
Eine Statista-Umfrage unter knapp 1500 Lehrkräften aus dem Jahr 2016
zeigt, dass bereits 81% der Lehrkräfte an ihren Schulen fest installierte PCs
vorfinden und immerhin 61% der Schulen über interaktive Tafeln verfügen
(https://de.statista.com/statistik/daten/studie/180288/umfrage/ausstattung-
von-schulen-mit-elektronischen-lehrmitteln/ (16/12/2018)). Darüber hinaus
haben es auch einige mobile Endgeräte in die Klassenzimmer geschafft: 18%
der Lehrkräfte können an ihrer Schule ein Tablet nutzen (ebd.), 98% der
Schüler verfügen über ein Smartphone (https://www.mpfs.de/fileadmin/files/
Studien/JIM/2018/Studie/JIM_2018_Gesamt.pdf (16/12/2018)), das sie theo-
retisch für das Sprachenlernen nutzen können.
Blättert man die jüngsten Kataloge der großen Schulbuchverlage durch, so
wird deutlich, dass sich die Angebotspalette der Sprachlehr- und -lern-
materialien, die sich mit digitalen Endgeräten aufrufen lassen, in den letzten
Jahren stark erhöht hat. Lehrenden und Lernenden stehen somit eine Vielzahl
an Hard- und Software zum Sprachenlernen, -lehren und Üben im Unterricht
und außerhalb dessen zur Verfügung.
Dass von diesem Angebot zumindest vereinzelt bereits Gebrauch gemacht
wird, lässt sich anhand verschiedener Forschungsstudien erkennen, die den
Einsatz digitaler Medien im Fremd- und Zweitsprachenunterricht untersu-
chen. Einige dieser Studien zeigen dabei, dass der Einsatz digitaler Medien für
die fremdsprachliche Kompetenzentwicklung von Sprachenlernenden auf
verschiedenen Ebenen gewinnbringend sein kann. So kommen Derakshan et
al. (2015) in ihrem zusammenfassenden Überblick zu verschiedenen Studien
mit dem Schwerpunkt auf CALL zu dem Schluss, dass Schüler sich häufig
rege(r) beteiligen, wenn die fremd-/ zweitsprachliche Kommunikation über
bzw. mithilfe von digitale(n) Endgeräte(n) verläuft. Bezogen auf den Fremd-
sprachenunterricht in Deutschland weist u.a. Cutrim-Schmidt (2018) solche
Effekte beim Einsatz von Smartboards im Englischunterricht der Grundschu-
le nach. Andere Studien zeigen, dass Schüler unter Verwendung digitaler
Geräte intensiver miteinander kooperieren (vgl. Koile/Singer 2008; Dausend
2018), ein Effekt, der sich für die Entwicklung in einer Zweit- und Fremd-
sprache als äußerst nützlich erweist, da hierdurch die sprachliche Interaktion
der Schüler erhöht werden kann. Darüber hinaus verweisen Bernert-Rehaber
und Schlemminger (2013, 46) auf das besonders für den Sprachenunterricht
lernförderliche Potenzial virtueller Lernwelten und Serious Games, da mit
diesen handlungsorientierte, selbstgesteuerte und entdeckend konstruktivisti-
sche Lernprozesse in der Fremdsprache initiiert werden.
Eine einschränkende Erkenntnis, die aus all diesen Studien zum Einsatz
digitaler Technologien im Fremd- und Zweitsprachenunterricht abgeleitet
werden kann, ist, dass „der bloße Einsatz digitaler Medien nicht zu einer ge-
steigerten Motivation oder zu einem effektiven Lernen führt. Entscheidend
dafür ist die Auswahl des Lerngegenstands und dessen didaktisch-
methodische Aufbereitung“ (Grünewald 2016, 464).
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2.2 Schwächen
Wenngleich bereits zahlreiche Medienangebote an Schulen vorzufinden sind,
ist der systematische Einsatz jüngerer Technologien in den Klassenzimmern
bislang nicht an der Tagesordnung (vgl. Drossel et al. 2018), dies gilt auch für
den Fremd- und Zweitsprachenunterricht. Obwohl Lehrkräfte ihren eigenen
Angaben zufolge in der Lage sind, brauchbare Unterrichtsmittel im Internet
zu finden (vgl. Eickelmann et al. 2014, 19), sich grundsätzlich als technikaffin
einschätzen und am Einsatz digitaler Medien im Unterricht und entspre-
chenden Fortbildungen interessiert zeigen (Bitcom-Studie 2015), setzt derzeit
nur knapp ein Drittel der Lehrkräfte in Deutschland regelmäßig neuere digi-
tale Technologien im Unterricht ein (European Commission 2014; Drossel et
al. 2018). Begründet liegt dies einerseits darin, dass die Lehrkräfte selbst dem
Einsatz digitaler Technologien im Unterricht eher noch skeptisch gegenüber-
stehen, da sie den unmittelbaren Mehrwert in Bezug auf die Kompetenzent-
wicklung der Lernenden nicht erkennen (Schwanenberg et al. 2018). Ande-
rerseits mangelt es den Lehrkräften an (fachbezogenen) digitalen
Kompetenzen sowie entsprechenden Planungskompetenzen zur digitalisier-
ten Gestaltung des Fachunterrichts. So sprechen die im nordrhein-
westfälischen Schulleitungsmonitor befragten Schulleiter (ebd.) ihren Lehr-
kräften eine nur geringe Kompetenz in Bezug auf den Einsatz digitaler Medi-
en im Fachunterricht zu, dabei scheinen die Fremd- und Zweitsprachenlehr-
kräfte keine Ausnahme zu bilden. Ebenso zeigen z. B. die Ergebnisse der
ICILS Studie (Eickelmann et al. 2014), dass nur 67% der Lehrkräfte sich selbst
für kompetent genug halten, Unterricht, in dem digitale Medien eingesetzt
werden, vorbereiten zu können. Ein positives Selbstvertrauen und die subjek-
tive Gewissheit digitale Medien kompetent im Unterricht einzusetzen ist je-
doch entscheidend für die tatsächliche Realisation (Petko 2012), ebenso wie
eine aufgeschlossene Haltung gegenüber der unterrichtlichen Nutzung digita-
ler Medien eine wichtige Voraussetzung für die effektive Unterrichtsgestal-
tung unter Einbezug digitaler Medien ist (Bos et al. 2014).
Der unregelmäßige und aus didaktischer Perspektive offenbar wenig spe-
zifische oder reflektierte Einsatz digitaler Medien ist insbesondere deshalb
alarmierend, weil digitale Medien vor allem in heterogenen Lerngruppen
Möglichkeiten zur individuellen Förderung, z.B. durch Kompetenzerfassung,
individuelle Anpassung von fachlichen Lernangeboten sowie Feedback bieten
(Heinen/Kerres 2015) und einen kognitiv aktivierenden, lernergesteuerten
Fachunterricht in der Primar- und Sekundarstufe unterstützen (Irion 2018).
Schmidt/Würffel 2018).
Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass die bislang für den Ein-
satz im Fremd- und Zweitsprachenunterricht vorhandenen digitalen Lernan-
gebote, bislang häufig wortschatz- und rezeptionsorientiert sind und einen
behavioristischen Lernzugang bieten. Insbesondere im Spielebereich sind die
Inhalte häufig simplistisch und die Spielmechanismen geradlinig (vgl. Blu-
me/Schmidt 2017). Die Skepsis der Lehrkräfte im Hinblick auf den Mehrwert
solcher Angebote ist deshalb nicht unberechtigt.
Um Lehrkräfte darin zu unterstützen, Sicherheit im Umgang mit und Ver-
trauen zum fachspezifischen Einsatz von digitalen Medien im Fremd- und
Zweitsprachenunterricht zu gewinnen, bedarf es zunächst einer konkreten
Systematisierung der vorhandenen digitalen Lernwerkzeuge hinsichtlich ihres
Einsatzes und des gewünschten Effekts für das fachliche Lernen seitens der
wissenschaftlichen Fachvertreter, hier Fachdidaktiken. Diese Systematik sollte
zwischen einer Nutzung von digitalen Medien als (niederschwellige) Anrei-
cherung des Unterrichts und der Nutzung von digitalen Medien als Trans-
formation von Lernprozessen unterscheiden. Schließlich müssen medienge-
stützte bzw. -basierte Lernaufgaben als zentrales didaktisches Gestaltungs-
mittel (weiter-)entwickelt und im Hinblick auf ihre fachübergreifenden und
fachspezifischen Merkmale systematisiert und für den konkreten Einsatz im
Unterricht detailliert beschrieben und den Lehrkräften zur Verfügung gestellt
werden (Herzig/Grafe 2011).
Neben gut ausgearbeiteten Fort- und Weiterbildungskonzepten für Lehr-
kräfte an Schulen, werden langfristige Schulentwicklungsprozesse, die Aspek-
te von kollegialer Unterrichtsentwicklung einbeziehen, benötigt (u.a. Drossel
et al. 2018). Solche komplexen Formen der Kooperation sind bei deutschen
Lehrkräften jedoch selten zu finden (DAS-Studie 2018), obwohl diese genutzt
werden könnten, um fachspezifische Digitalisierungskompetenzen im kolle-
gialen Austausch aufzubauen. Hieraus ergibt sich neben dem Bedarf an An-
geboten für die zweite und dritte Phase der Lehrerbildung auch ein Bedarf an
universitären Angeboten in der Lehramtsausbildung, mittels derer sich (an-
gehende) Lehrkräfte entsprechende fachspezifische digitale Kompetenzen
kooperativ aneignen können, um längerfristige Schulentwicklungsprozesse
anzustoßen. Aus lerntheoretischer und hochschuldidaktischer Perspektive
sollten entsprechende Lehrformate so gestaltet werden, dass sich die (ange-
henden) Lehrkräfte aktiv, konstruktiv und problemorientiert in Teams mit
dem Lern- und Unterrichtsgegenstand auseinandersetzen (Elsner 2015).
2.3 Gelegenheiten
Die flächendeckende Ausstattung von Schulen mit digitalen Medien wird das
Unterrichtserleben von Schülern langfristig verändern. Sie werden im Bestfall
Lizenziert durch Bergische Universität Wuppertal, abgerufen von anonymous am 05.02.2024 um 03:15 Uhr von IP 132.195.2.248
von einem stärker differenzierten und auf ihre individuellen Bedürfnisse zu-
geschnittenen Sprachenunterricht profitieren können. Insbesondere mit Blick
auf den Umgang mit und die Berücksichtigung von Lernern unterschiedlicher
sprachlicher Herkunft, können technologiebasierte mehrsprachige Textange-
bote zahlreiche Probleme lösen, die einer mehrsprachigen Förderung lange
im Weg standen (Buendgens-Kosten/Elsner 2018). Darüber hinaus können
insbesondere Sprachanfänger oder leseschwache Lerner von digitalen Texten
profitieren, die neben der visuellen auch eine auditive Komponente bieten
und dadurch das Leseverstehen der Lernenden unterstützen, die Lesemotiva-
tion erhöhen und zum Vokabelzuwachs beitragen können (Kolb 2018, 31).
Ebenso ist zu erwarten, dass die breitere Einführung und stärkere Nutzung
digitaler Medien im Zweit- und Fremdsprachenunterricht das kollaborative
Arbeiten befördert und damit, z.B. bei der Erstellung von Wikis, Blogeinträ-
gen etc., auch das Maß der sprachlichen Interaktion weiter erhöht wird (Kess-
ler 2018).
Die Liste möglicher (positiver) Veränderungen ließe sich unendlich fort-
führen und würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Was jedoch bereits
anhand dieser Beispiele deutlich wird, ist, dass die Digitalisierung im Bil-
dungskontext Chancen auf vielen unterschiedlichen Ebenen mit sich bringt:
Schüler können über digitale Technologien stärker individualisierte und orts-
unabhängige Lerngelegenheiten nutzen; auch ermöglichen schulisch ange-
schaffte Lernprogramme unter Umständen eine Reduktion sozialer Unge-
rechtigkeit, insbesondere im Hinblick auf häusliche Unterstützungssysteme.
Lehrkräfte können von digitalen Unterrichtsplanern und Lehrwerken in zeit-
licher und organisatorischer Hinsicht profitieren. Zudem kann die regelmä-
ßige Integration von Sprachlernprogrammen sie in ihrer Rolle als zentraler
Inputprovider und Feedbackgeber entlasten. Für Zweit- und Fremdsprachen-
lehr-/-lernforscher eröffnet sich mit der stärkeren Integration digitaler Tech-
nologien ein immens großes Forschungsfeld und damit verbunden die impli-
zite Aufforderung zahlreiche Untersuchungen durchzuführen, um den
Antworten auf zentrale Fragen näher zu kommen, wie u.a.: Wie lassen sich
unterrichtliche Sprachlehr- und -lernprozesse nach dem Digitalpakt bestmög-
lich gestalten? Welche fachbezogenen digitalen Kompetenzen benötigen Ler-
ner und Lehrkräfte, um Zweit- und Fremdsprachen effektiv zu erlernen bzw.
um Zweit- und Fremdsprachen in einer globalen Welt effektiv zu nutzen?
Auch Lehrende an Hochschulen stellt der Digitialpakt vor neue Herausforde-
rungen und vor die Frage, welchen Beitrag universitäre Lehrveranstaltungen
leisten können, um die fachbezogene und fachübergreifende Entwicklung
digitaler Kompetenzen von Lernern und Lehrkräften optimal auszugestalten?
2.4 Risiken
Im deutschen Kontext zeichnet der (umstrittene) Neurowissenschaftler Man-
fred Spitzer ein bedrohliches Bild im Hinblick auf die verstärkte Nutzung
digitaler Medien im Kindes- und Jugendalter. Spitzer (2012) warnt vor Ge-
dächtnis-, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen, emotionaler
Verflachung und allgemeiner Abstumpfung, die aus seiner Sicht durch die
intensive Nutzung digitaler Technologien bei Kindern und Jugendlichen
befördert werden. Wenngleich Spitzers Forschungsergebnisse und die von
ihm hieraus abzuleitenden Konsequenzen für den Unterricht durch zahlrei-
che andere Studien widerlegt werden (zusammenfassend Bounin 2012), war-
nen auch andere Forscher, die sich mit den Chancen und Risiken des Einsat-
zes digitaler Technologien im Bildungskontext auseinandersetzen, vor
unerwünschten Folgen der Mediennutzung. So befürchten u.a. Liebowitz und
Frank (2011) die Entwicklung einer Generation von „noncritical thinkers“,
die Informationen (aus dem Internet) nicht grundlegend auf ihren Wahr-
heitsgehalt hin überprüfen oder grundsätzlich kritisch hinterfragen. Ozu-
ocrun und Tabak (2012) geben zu bedenken, dass sich die Lehrer-Schüler-
Beziehung durch den verstärkten Einsatz digitaler Medien im Unterricht
verändern wird und damit möglicherweise auch eine reduzierte Kommunika-
tion zwischen diesen Akteuren einhergeht. Im Fremdsprachenunterricht
könnte dies dazu führen, dass die Schüler seltener spontansprachliche münd-
liche Äußerungen tätigen und entsprechend weniger situatives Feedback von
der Lehrkraft erhalten, Vorgänge, die jedoch zur Weiterentwicklung der
sprachlichen Kompetenzen relevant sind.
Die im Rahmen der ICILS Studie (Fraillan et al. 2013) befragten Lehrkräf-
te sehen dies ebenfalls als Gefahr und sie befürchten darüber hinaus, dass der
häufigere Einsatz digitaler Medien im Unterricht zu einer reduzierten Kom-
munikation zwischen den Schülern führt. Weiterhin geben die Lehrkräfte zu
bedenken, dass die Nutzung des Internets zur unterrichtsbezogenen Recher-
che, zur Beantwortung von Fragen oder zum Verfassen von Texten schnell zu
„Copy & Paste“ verleitet. Im Kontext des Fremdsprachenunterrichts ist dies
deshalb ein Risiko, da das selbstständige Verfassen von Texten eine zentrale
und notwendige Komponente des Spracherwerbs darstellt, während reines
Abschreiben nur wenig zur Sprachentwicklung beiträgt. Die Lehrkräfte glau-
ben zudem, dass der verstärkte Einsatz digitaler Medien dazu führt, dass die
Schüler seltener mit der Hand schreiben, was sich langfristig negativ auf ihre
3 Abschließende Überlegungen
Lehrkräfte benötigen zügig ein überschaubares und im Unterricht konkret
umsetzbares Konzept für den Einsatz digitaler Technologien im Zweit- und
Literatur
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git/Wildt, Johannes (Hrsg.): Neues Handbuch Hochschullehre 73. Berlin:
Raabe, 19-42.
Christian Fandrych
1
Vgl. ausführlicher zu diesen Möglichkeiten etwa Würffel 2018 und Schmidt in
diesem Band.
2
So bietet etwa das Framework for entry-level web literacy & 21st Century skills der
Mozilla Foundation Kriterien zur Entwicklung einer selbstbestimmten digital lite-
racy, https://learning.mozilla.org/en-US/web-literacy (20/01/2019).
tige Lösungen (z.B. „Bring your own device“, ergänzt durch zentral zur Ver-
fügung gestellte Endgeräte) sind komplexen und aufwendigen Szenarien vor-
zuziehen. In jedem Fall wird dauerhaft ausreichende und individuell abrufba-
re technischer Unterstützung benötigt. Stabile und erprobte Lösungen sollten
Lizenziert durch Bergische Universität Wuppertal, abgerufen von anonymous am 05.02.2024 um 03:15 Uhr von IP 132.195.2.248
3
Entsprechende Versuche finden sich etwa bei Fandrych/Thurmair 2016.
sozialen Gruppen gestalten (vgl. Schramm 2017), wird deutlich, vor welcher
Aufgabe wir hier stehen.
Im Kontext des digitalen Wandels müssen zum einen diejenigen kommu-
nikativen Praktiken in den Blick rücken, die für die lehr- und lernbezogene
Kommunikation selbst relevant sind (sozusagen die Mittel für die Unter-
richtskommunikation 2.0, wie sie auf Lernplattformen, in Chats, Foren,
Kommentaren, Wikis und ähnlichem stattfindet). Zum anderen müssen die
Lernenden auf kommunikative Aufgaben im digitalen Raum vorbereitet wer-
den, die für sie in Alltag, Beruf oder Ausbildung außerhalb des Sprachlern-
kontextes relevant sein könnten. Hierbei gelten natürlich ähnliche Einschrän-
kungen, wie sie Rösler (2016) für die Einbeziehung mündlicher Phänomene
beschreibt: es muss aus der Perspektive von Lernenden, Lernzielen, instituti-
oneller und zeitlicher Einschränkung sowie sprachlicher und inhaltlicher
Progression gefragt werden, was in welchem Ausmaß zu welchem Zeitpunkt
vermittelt werden kann, welche Schwerpunkte gesetzt werden und auch, wel-
che medialen und kommunikativen Formen und sprachlichen Varianten
berücksichtigt werden.
Bei der Auswahl der medial basierten kommunikativen Praktiken ist, wie
oben bereits erwähnt, dann auch nach der Rolle von sprachlichen (Ge-
brauchs-)Normen zu fragen.4 Wenn man Schneider (2013) zustimmt, dass
sprachliche Fehler nicht per se existieren, sondern wesentlich eine Frage der
Angemessenheit im situativen Kontext darstellen, befreit einen das noch nicht
von der Frage, welche Gewichtung und welchen didaktischen Ort man den
verschiedenen Varianten und Spielarten der Variation im Unterricht zuweist.
Eine sprachdidaktische Diskussion und Reflexion darüber steht allerdings
noch weitgehend aus. Aus meiner Sicht sollte dabei auf keinen Fall vernach-
lässigt werden, dass standardnahe Register im Mündlichen (vgl. hierzu But-
terworth/Schneider/Hahn 2018), im Schriftlichen und eben auch in medial
vermittelter Form für viele Bildungs- und Berufskontexte nach wie vor von
zentraler Bedeutung sind. Das heißt, dass die größere Variationsvielfalt nicht
dazu führen darf, dass standardnahe Register vernachlässigt oder verdrängt
werden. Wir benötigen daher mehr Reflexion und Arbeit zur sprach- und
medienbezogenen Differenzierung im Unterricht als bisher. Diese Dimension
der Digitalisierung scheint mir bisher in der Diskussion fast vollständig aus-
geblendet zu sein – im Vordergrund stehen meist technische, mediale, inter-
aktionale und daran geknüpfte methodisch-didaktische Überlegungen, kaum
4
Vgl. dazu etwa Eichinger 2018.
die Sicht auf den sich stark transformierenden Gegenstand der Sprachdidak-
tik selbst. Dies halte ich für äußerst problematisch.
Digitales Lehren und Lernen bedarf dringend guter Vorbilder und ethischer
Grundsätze. Der Hoffnung von Vertretern lernanalytischer Verfahren, mit-
hilfe umfassender Daten Lernwege und Lernprozesse begleitend beobachten,
auswerten und so erforschen zu können,5 steht das Grundrecht auf informati-
onelle Selbstbestimmung gegenüber. Daher ist es im institutionellen Kontext
von zentraler Bedeutung, Leitlinien nicht nur abstrakt zu formulieren, son-
dern es ist für die informationelle Selbstbestimmung der Lernenden eine Art
Selbst-Einwahl (ein opt in) erforderlich, die es ihnen ermöglicht, Aktivitäten
und Aufgaben auszuwählen, für die lernanalytische Verfahren gewünscht
werden. Dabei muss sichergestellt sein, dass kommerzielle Anwender nicht
ungewünscht Zugang zu personenbezogenen Daten erhalten. Lernanalytische
Verfahren dürfen in keinem Fall für die Lernkontrolle durch die Institution
oder die Anbieter missbraucht werden. Ein deutlich unproblematischeres
Einsatzszenario für lernanalytische Verfahren stellt der Fall dar, dass Lernen-
de lernanalytische Software und adaptive Verfahren als Selbstreflexions-
werkzeug nutzen, um den eigenen Lernprozess zu evaluieren und geeignete
Strategien für das weitere Vorgehen zu erkunden. Dabei muss man sich na-
türlich vergegenwärtigen, dass auch adaptive Systeme immer von bestimmten
– impliziten oder expliziten – Sprachauffassungen, Lernkonzepten und didak-
tischen Normen geprägt sind. Diese müssen möglichst transparent sein, da-
mit informierte Entscheidungen über ihren Einsatz möglich sind.
Wie dies oben bereits angedeutet wurde, ist es dringend erforderlich, dass
– neben weiterer Forschung und einem verstärkten Austausch zwischen For-
schung und Praxis – eine Kooperation auf institutioneller Ebene stattfindet,
die es erlaubt, Beispiele guter Praxis und guter Standards kennenzulernen und
zu adaptieren.
Es ist wichtig, dass an der Erarbeitung von Leitbildern und Konzepten
zum Einsatz digitaler Instrumente alle Akteure beteiligt sind – nicht nur die
technikaffinen und digital versiertesten. Gleiches gilt für die Verabschiedung
von Richtlinien zur Datensicherheit und zur Kontrolle der eigenen digitalen
Persona. Dringend benötigen wir daneben mehr kritische Transparenz und
fachwissenschaftlich fundierte Orientierung zu vorhandenen digitalen In-
strumenten und Anwendungen (vgl. Schmidt in diesem Band).
5
Vgl. etwa das vom BMBF geförderte Projekt LISA, https://www.technik-zum-
menschen-bringen.de/projekte/lisa (20/01/2019).
6
Vgl. dazu Meiler (2018) zu Blogs, Kimmons/Veletsianos (2016) zu Twitter.
7
Vgl. Goethe-Institut: Modellsatz Schreiben des Goethe-Zertifikats A2,
http://bfu.goethe.de/a2_mod_2MX5/schreiben.php (20/01/2019) sowie Henne-
mann/Perlmann-Balme/Stelter 2019.
Nennen Sie einen neuen Ort und eine neue Uhrzeit für das Treffen. (Goethe-
Institut, Modellsatz A2 Schreiben).
Bewertet werden soll dabei die Erfüllung der „Sprachfunktionen“, was hier
bedeuten soll, ob die in der Aufgabenstellung genannten sprachlichen Hand-
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len? Oder sollten wir die Verwendung von Chats, Kurznachrichten und
Kommunikation in sozialen Medien nicht stärker für prozesshafte, flüchtige
Interaktion vorsehen, die dann eben nicht nach einer vermeintlichen Ange-
messenheit der Strukturen und des Wortschatzes bewertet wird, sondern
beispielsweise hinsichtlich ihrer Funktion in projektbezogenen Kommunika-
tionsprozessen betrachtet wird? So könnte sie Teil der Dokumentation von
Kommunikations- und Kooperationsprozessen (etwa in Portfolios) sein, die
letztlich stärker auf die Erarbeitung von konventionalisierten Textformaten
und die damit verbundenen Sprachformen hin orientiert sind (etwa Blogein-
träge und -kommentare, Webtagebücher, Ratgebertexte oder Erklärvideos
etc.). Damit soll gesagt sein: Sprachliche Variation und neue kommunikative
Formate sollten ihren Platz im Fremdsprachenunterricht haben, aber sie müs-
sen in situativ und medial angemessener Weise vorkommen, und es ist nicht
sinnvoll, stark variable und situativ heterogene Formate anhand scheinbar
objektiv verwendbarer Angemessenheitskriterien zu bewerten. Für formalere
Tests sollten aus meiner Sicht kommunikative Formate gewählt werden, die
stärker am jeweiligen (Gebrauchs-)Standard orientiert sind, um überhaupt
eine einigermaßen vergleichbare Bewertung zu erlauben.
Ein weiteres wichtiges Forschungsfeld, in dem Fremdsprachendidaktik
und didaktisch orientierte Sprachwissenschaft in Zukunft dringend enger
zusammenarbeiten müssten, ist die Nutzung bestehender Sprachkorpora für
die Erarbeitung von angemessenen Materialen und Aufgaben. Sprachkorpora
bergen ein enormes Potenzial für die Sprachdidaktik, allerdings müssen die
Nutzungsmöglichkeiten aus sprachdidaktischer Sicht deutlich erweitert und
angepasst werden (vgl. Fandrych/Meißner/Wallner 2018) und Sprachdidakti-
ker im Umgang mit ihnen vertraut gemacht werden. Wichtig ist, dass Sprach-
korpora leichter und intuitiver nach Parametern durchsuchbar werden, die
aus der Sicht der Sprachdidaktik relevant sind, etwa nach Schwierigkeitsgrad,
Standardnähe, Grad der Informalität und Interaktivität; nach bestimmten
Text- und Diskursmustern (wie Erzählen, Erklären, Berichten) – möglichst
auch anhand geeigneter Visualisierungen. Hier stehen Forschung und Ent-
wicklung erst am Anfang.8
8
Für das Deutsche hat sich das Projekt „ZuMult“ („Zugänge zu multimodalen
Korpora gesprochener Sprache – Vernetzung und zielgruppenspezifische Ausdif-
ferenzierung“) der Universität Leipzig, des IDS Mannheim und der Universität
Hamburg den Ausbau nutzerbezogener Zugänge – auch für die Fremdsprachen-
didaktik – zum Ziel gesetzt, vgl. https://zumult.org/ (20/01/2019).
Aus dem Gesagten ergibt sich aus meiner Sicht, dass Lehrende und Studie-
rende die Dimension des digitalen Wandels nicht als rein technischen oder
äußerlichen Kommunikationswandel oder medientechnisch-didaktischen
Umbruch betrachten lernen sollten, sondern als tiefgreifenden gesell-
Lizenziert durch Bergische Universität Wuppertal, abgerufen von anonymous am 05.02.2024 um 03:15 Uhr von IP 132.195.2.248
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Hermann Funk
Lohnt überhaupt der Blick zurück, der Versuch einer Verortung der gegen-
wärtigen umfassenden Debatte über den digitalen Wandel der Gesellschaft
und der Produktionsverhältnisse der Industrie, der Mobilität, eines großen
Teils des Servicebereichs und des Einzelhandels, der Finanzmärkte und des
Militärischen, der Freizeit- und Unterhaltungsindustrie sowie der Publizistik?
Oder ist der allumfassende und sich offensichtlich beschleunigende digitale
Wandel, der inzwischen alle Teile der Gesellschaft und damit auch den Bil-
dungssektor umfasst, von einer derartigen revolutionären Grundsätzlichkeit,
dass jeder Vergleich mit anderen historischen Umbruchsituationen unmög-
lich ist? Die fremdsprachentechnologischen Innovationen der Vergangenheit
wirken jedenfalls wie ferne Episoden: Vor fast genau 100 Jahren wurden mit
den Schellack-Platten zum Lehrwerk Études Françaises des Leipziger Teubner
Verlags zum ersten Mal technische Medien zu den Lehrwerken angeboten.
Vor mehr als 50 Jahren stellte Reinhold Freudenstein die verwegene Frage, ob
das deutsche Gymnasium ohne Sprachlabor noch eine Zukunft habe. Die
ersten digitalen Übungskompendien auf MS-DOS wurden vor ca. 40 Jahren
eingeführt. Damals wie heute gilt und galt: Menschen nutzten zur Erreichung
ihrer Ziele zu allen Zeiten jene (technischen) Medien, die ihnen gerade zur
Verfügung standen. Das gilt auch für die Schule und damit auch für den
Sprachunterricht. Sie tun dies ganz selbstverständlich, oft in Eigeninitiative,
selbstständig und ohne didaktische Konzepte. Die Erinnerung an die Norma-
lität und Kontinuität dieses Prozesses darf aber nicht den Blick auf die tief-
greifende Dimension des gegenwärtigen Wandels und die Akzeleration der
digitalen Potenziale verstellen. Die ersten iPhones wurden in Deutschland vor
gut 10 Jahren verkauft. Kaum jemand hat damals vorausgesehen, dass dieses
Gerät den Alltag umfassend verändern würde: von den menschlichen Bewe-
gungsabläufen, über die Kommunikationswege und -formen bis hin zu Mobi-
lität, Leseprozessen, Gesundheitsvorsorge und Lernverhalten, um nur einige
zentralen Bereiche zu nennen. Mehrwert hin, Mehrwert her – die Debatte um
den Mehrwert der „neuen“ Medien – auch in Arbeiten von Fachkollegen
aktuell immer noch thematisiert – hat sich in dem Maße erledigt, in dem
Medien selbstverständlicher Bestandteil unseres Alltags sind. Es geht nicht
mehr um das „Ob“ der Mediennutzung, sondern um das „Wie“. Kein Zweifel
also: (Fast) Alles wird anders. Dass es damit auch besser wird, ist nicht
zwangsläufig und hängt wie immer beim Sprachenlernen von mehr als einem
Faktor ab.
Die grundsätzlichste der Leitfragen ist, ob wir ein Leitbild für digitales
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Lehren und Lernen benötigen und was hierfür wichtige fachliche, didaktische
und ethische Parameter wären.
Diese Grundsatzfrage ist gleichzeitig am einfachsten zu beantworten:
Auch angesichts des digitalen Wandels in allen Bereichen der Gesellschaft
benötigen der Fremdsprachenunterricht kein neues Leitbild. Die fachlichen
und ethischen Ziele, die pädagogischen Handlungsprinzipien und didakti-
schen Standards sind nach wie vor vom Leitbild einer kommunikativen
Fremdsprachendidaktik geprägt, wie sie in den 70 Jahren des vergangenen
Jahrhunderts in der westlichen Welt entwickelt wurden – im angelsächsi-
schen Raum eher funktional-notional und zunächst noch stark audiolingual
geprägt, im deutschen Sprachraum eher unter allgemein-pädagogischen Prä-
missen und Zielstellungen. Diese Prinzipien und Standards sind im Sinne
eines didaktisch-methodischen Leitbilds aufbauend auf diesen Grundlegun-
gen vielfach beschrieben worden (u.a. Brown 2007; Funk 2010; Long 2011).
Dazu gehören im Sinne eines Leitbilds, etwa die Handlungsorientierung, die
Menschen zu rezeptiv und produktiv angemessenen Sprachhandlungen in
fremdkulturellen Kontexten befähigen soll, ein Unterricht, der interaktions-
und partizipationsorientiert vorgeht und dabei individuelle Lernpotenziale
und -ziele berücksichtigt und in der Lage ist, Lerninhalte dementsprechend
zu differenzieren und zu personalisieren. Zu diesem Zweck – und auch das ist
unverändert Teil des Leitbildes – gehört es zum Ethos von Lehrkräften, Men-
schen dabei zu beraten und unterstützen auch durch die Anleitung zum Ge-
brauch von technischen und anderen Hilfsmitteln. Das jedenfalls ist nicht
neu. Neu und vor allem für kompetente Lehrkräfte kein Problem ist dabei
höchstens, dass sich die Lernenden in Bezug auf digitale Lernhilfen
und -techniken oft besser auskennen als die Lehrenden.
Ausgehend von der so beschriebenen Grundlage fremdsprachendidakti-
scher und -methodischer Theorie und Praxis fand um die Jahrtausendwende,
also weit vor der Erfindung von Smartboards, Apps und iPhones eine erste
grundsätzliche Debatte in der Fremdsprachendidaktik über den Einsatz digi-
taler Medien statt, deren Grundpositionen auch unter veränderten medialen
Konstellationen nichts von ihrer Aktualität verloren haben1, wenn auch die
eine oder andere euphorische Prognose, etwa vom Ende der Lehrwerke und
der unmittelbar bevorstehenden digitalen Revolution, voreilig war. An diese
Debatte und ihre Positionen kann an dieser Stelle angeknüpft werden, da sie
uns an eine Reihe von Erkenntnissen erinnert, die forschungsbasiert, praxis-
1
Mitschian 1999; Reinmann-Rothmeier/Mandl 2001; Rüschoff/Wolff 1999; Tschir-
ner/Funk/Koenig 2000, Rösler 2004.
Keynote: „dead-tree-books are a thing of the past“) haben sich nicht bewahr-
heitet. Apples iAuthor hat den Lehrwerkmarkt trotzt strategischer Allianzen
in den USA nicht verändert. Die Grundidee: „Ihr liefert den Content und wir
die Technik“ hat sich angesichts der Gewinn-Vorstellungen von Apple für die
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Verlage als durchsichtig und wenig attraktiv erwiesen, das Lehrbuch aus toten
Bäumen als robuster und anpassungsfähiger als erwartet: Whiteboard-
Versionen und E-books als hybride Weiterentwicklungen basieren noch auf
Büchern, werden aber in den nächsten Jahren vorhersehbar nach und nach
abgelöst durch digitale Lernangebote, in denen das Begleitbuch nicht mehr
das Ankermedium ist. Derzeit sind zwar die Augmented Reality-Angebote zu
den weit verbreiteten DaF-Lehrwerken kaum mehr als Video- und Audioan-
gebote, die aus der Lehrwerkoberfläche mit Hilfe von QR-Codes gestartet
werden, ihr Potenzial ist aber umfassender und entwicklungsfähig im Sinne
von personalisierten Lernhilfen. Ihre Programmierung ist eine technische und
didaktisch-methodische Herausforderung. Zu den verfrühten Prognosen
gehört auch Prenskys viel zitiertes Wort von den „digital natives“, über eine
Generation, die sozusagen in die Medienwelt hineingeboren wird, im Gegen-
satz zu den Lehrkräften, die bestenfalls in diese Welt migriert sind. Ingle und
Moorhead (2016) weisen demgegenüber auf die Ungleichzeitigkeit der Ent-
wicklung hin:
Research says that kids are digital natives (Prensky 2006). Just like we made
mistakes with assuming that millennial teachers would automatically know
how to use technology we also made the mistake of assuming the kids would
immediately know how to use the technology in an appropriate way. It be-
came clear early on that the teachers weren’t the only ones who needed train-
ing. Our elementary students needed to learn how to care for and respect the
iPads and the apps but they also needed to learn how to navigate Google, Safa-
ri, and Chrome. These search engines and web browsers may be well within
our adult comfort zone but children need to understand the mechanics of how
and when to use them (Ingle/Moorhead 2016).
Sie verweisen damit auf die Notwendigkeit der Entwicklung einer digital lite-
racy in allen Fächern und können sich bestätigt fühlen durch eine Studie von
Hanover Research, die 2017 zwar Veränderungen, aber in Teilbereichen noch
ein fast traditionelles Bild der Mediengewohnheiten amerikanischer College-
Studierender aufzeigt: Die Nutzung von Tablets und Smartphones (Jung
2014) im Unterricht ist für die Mehrheit keineswegs selbstverständlich, die
studienbezogene Kommunikation erfolgt weitgehend per E-Mail. Wenn es
um Prüfungsvorbereitung geht, spielen gedruckte Materialien nach wie vor
eine entscheidende Rolle (vgl. Hanover Research 2017, 8).
Die Nutzung von Lernoberflächen wie Moodle ist zwar inzwischen selbst-
verständlicher Bestandteil pädagogischer Settings, die damit verbundenen
Kommunikations-Werkzeuge werden aber durchgängig so gut wie nie ge-
nutzt. Es überwiegt die Funktion des Postfaches: Arbeitsergebnisse, Präsenta-
geht davon aus, dass der digitale Wandel potenziell alle Bereiche und Kom-
ponenten und des Lehrens und Lernens fremder Sprachen umfasst und fragt
nach Herausforderungen und Innovationspotenzialen. Die Grundfrage, die
wir uns als verantwortliche Fachdidaktiker und Wissenschaftler stellen, bleibt
in jedem Fall: In welcher Weise können uns digitale Werkzeuge unterstützen
beim Erreichen des Ziels eines kompetenten eigenständigen Gebrauchs frem-
der Sprachen und interkulturellen Lernens. Aktuell kann man die Herausfor-
derungen generell und in Bezug auf das Fach Deutsch als Fremdsprache – in
der DaZ-Didaktik hat diese Diskussion kaum begonnen – so beschreiben:
In Bezug auf die Leitfrage ergibt sich aus all dem, dass die größte Herausfor-
derung in der Bereitstellung einer adäquaten Unterstützung der Lehrkräfte
durch eine für Lernende und Lehrkräfte handhabbare digitale Lernumwelt
durch Verlage und Schulen einerseits und durch Aus- und Weiterbildungs-
angebote für Lehrkräfte zum Umgang mit digitalen Werkzeugen andererseits
besteht.
Das Ausmaß des bevorstehenden Wandels verdeutlichen Äußerungen von
Schulleiterinnen und Schulleitern deutscher Auslandsschulen in einem
Workshop Anfang Januar 2019 anlässlich der jährlichen Schulleiterkonferenz
im Auswärtigen Amt in Berlin. Auf die Frage, welche Rolle sie für digitale
Medien in ihren Schulen in 10 Jahren sehen, gaben die über 30 anwesenden
Leitungspersonen unter anderem folgenden Antworten:2
2
Wiedergabe der Workshopzitate mit Erlaubnis des Workshopleiters Martin Fug-
mann, (ehem.) Leiter der Deutschen Schule Silicon Valley
drängen sich angesichts der Aussagen aber auf: Die Entwicklung digital ba-
sierter Lernumgebungen ist eine schulische Leitungsaufgabe und wird im
deutschen Auslandsschulwesen auch als solche verstanden und unterstützt.
Fremdsprachenmethodische Konzepte werden sich diesen Herausforderun-
gen der Schulentwicklung (Eickelmann et al. 2014; Eickelmann/Gerrick 2018)
stellen und aktiv eigene Vorstellungen einbringen müssen. Ermutigend an
diesen Zielprojektionen digitaler Szenarien ist der Vorrang pädagogischer
Werte und Ziele: Individualisierung und Personalisierung, Adaptivität des
Lernmaterials, Hilfen bei selbstgesteuertem ortsunabhängigem Lernen, ver-
netzte Schulgemeinschaften, Auflösung starrer Klassenverbände und Zeit-
rhythmen. In all diesen Abläufen spielt Interaktion eine Schlüsselrolle. Für
Fremdsprachendidaktiker ist das eigentlich eine gute Nachricht.
Die dritte Leitfrage gilt ggf. nötigen Änderungen didaktisch-methodischer
Konzepte und Forschungszugänge im Zuge der Digitalisierung. Konzeptio-
nelle Änderungen der Didaktik erscheinen dabei weniger erforderlich als
konzeptionelle Änderungen der Methodik, der Arbeit in Kursen selbst und
dem Zusammenwirken von kursbasierten und außerunterrichtlichen Lern-
szenarien (siehe Konzepte und Szenarien digital gestützten Lernens im Band
der 35. Frühjahrskonferenz zu Lernorten; Burwitz-Melzer/Königs/Riemer
2015). Was Forschungszugänge, -methoden und Erkenntnisinteressen be-
trifft, so ist die Situation ebenso komplex und im Wandel wie die Unterrichts-
Methoden selbst. Zunächst zu Erkenntnisinteressen und Forschungsleitfra-
gen: Es kann als gesichert gelten, dass Art, Umfang und Qualität der Interak-
tion zwischen allen Prozessbeteiligten untereinander der wesentlichste Er-
folgs- (oder Misserfolgs-) -faktor im Fremdsprachenunterricht ist. Alle
Modellierungen seit Bandura (1968) gehen von dieser Grundlage aus. Inter-
aktion ist die Voraussetzung der Entwicklung pragmatischer kommunikativer
Kompetenzen:
Within L2 acquisition theory interaction per se is seen, from both cognitive
and social theoretical perspective, as a prime context for language acquisition
and development. By interaction we refer to either dyadic or multiparty talk
that has a primary focus on communication meaning, rather than on language
form in isolation (Philp/Adams/Iwashita 2014, 7).
From a social perspective interaction is generally seen as essential in providing
learners with the quantity and quality of external linguistic input which is re-
quired for internal processing, in focusing learner attention on aspects of their
L2 that differ from target language norms or goals and in providing collabora-
tive means for learners to build discourse structures and express meanings
which are beyond the current level of their linguistic competence (Saville-
Troike/Barto 2017, 112).
Das Aushandeln von Bedeutung ist Teil des Interaktionsprozesses (vgl. Funk
et a. 2014). Fragen formulieren, Beispiele zitieren, um Erklärungen bitten, die
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Aus der Nutzerperspektive lässt sich dieser Weg vom „Konsumenten“ zum
„Produzenten“ als eine Progression im Sinne der Abnahme der Programm-
Steuerung und der Zunahme produktiver Element lernerseits beschreiben, als
zunehmende Einbindung sozialer Interaktion durch kollaborative Verfahren
und Gruppenkommunikation bis hin zu einer digitalen Ergebnissicherung
sozialer Kognition und dem Teilen und Publizieren von Lernprodukten.
Der Vollständigkeit halber müssen an dieser Stelle auch Gamification, die
Integration spielerischer Elemente und Designs in inhaltsorientieren Lern-
szenarien der Arbeit an inhaltlichen Zielen genannt werden3 und Gaming, die
digitalen Lernspiele (Sharples et al. 2013; Xu 2014). Die Beispiele zeigen, dass
hier komplexe Interaktionsszenarien durch einen spielerischen flow gesteuert
und intensiviert werden können.
Die didaktisch-methodische Zielperspektive bleibt: Vermischte, aufgaben-
orientierte (task-supported) Lernszenarien mit medienbewussten
und -kompetenten Lernenden, deren digital-gestützte Interaktion initiiert
und begleitet wird von ebenso kompetenten Lehrpersonen und didaktisierten
Materialien mit bewältigbaren Progressionsvorgaben. Damit sind auch inhalt-
lich die fremdsprachenmethodischen Forschungsschwerpunkte gesetzt. In
welcher Weise die Nutzung digital-implizit erhobener Lernerdaten zu For-
schungszwecken dabei möglich sein wird, ist eine offene, forschungsethisch
brisante, aber für die fachdidaktische Forschung und die Entwicklung indivi-
dualierten Feedbacks in digitalen Settings relevante Frage, die in diesem Kon-
text nicht im Detail erörtert werden kann. Studien zu rate & route von Lern-
vorgängen würden auf diese Weise eine neue Qualität erhalten (Herzig 2014).
Im Sinne der Leitfrage zu den Konsequenzen für die Ausbildung von
Lehrkräften ergeben sich zahlreiche neue Herausforderungen, wie sie Torben
3
Beispiele zu serious games und fun theory in der Ausbildung in der Autoindustrie:
https://www.youtube.com/watch?v=CFeeSANGGlA (16/05/2019).
Schmidt (in diesem Band) skizziert. Tellas (1996, 13) enthusiastischer und oft
zitierter Aufruf zu Beginn der ersten Digitalisierungsdebatte „[...] the teacher
should be courageous enough to step aside, from the ‘sage on the stage’ to the
‘guide on the side’“ beschreibt nur die eine Hälfte des notwendigen neuen
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Andreas Grünewald
Ende der 1930er Jahre stellte Konrad Zuse den ersten Computer in Berlin vor,
damals noch so groß wie eine Zimmerwand und mit einer Speicherkapazität
von 64 Wörtern. 1993 wurde der erste Internetbrowser angeboten und Ende
der 1990er Jahre wurde die erste Digitalisierungsdebatte im Bildungsbereich
geführt. Die Argumente für oder gegen den Einsatz digitaler Medien im
Fremdsprachenunterricht sind bis heute sehr ähnlich. Warum bestimmt also
erneut gerade dieses Thema die aktuelle bildungspolitische Debatte? Sicher ist
dafür die „Digitale Revolution“ mitverantwortlich. Diese Entwicklung soll in
Anlehnung an die „Industrielle Revolution“, die uns vor 200 Jahren in die
Industriegesellschaft führte, nun in die digitale Gesellschaft führen, in der
nahezu alle Lebensbereiche durch die Digitalisierung geprägt sein werden.
Außerdem sind zwei weitere Gründe zu nennen, die für den Bildungssektor
sehr relevant sind: Erstens erhoffen sich viele Akteure einen Innovations-
schub durch den fünf Milliarden schweren „Digitalpakt Schule“, der nach
schier endlosen Verhandlungen nun doch kommen soll. Zumindest möchte
jeder gerüstet sein für die Zeit, in der das Geld verteilt wird. Zweitens kam es
in den vergangenen fünf Jahren zu einem Entwicklungssprung im Bereich der
künstlichen Intelligenz (KI), einhergehend mit einer außergewöhnlich um-
fangreichen Erweiterung von Speichermedien, die insbesondere auch Cloud-
systeme attraktiv gemacht haben. Dieser enorme Entwicklungssprung der KI
gefährdet den institutionellen Fremdsprachenunterricht nachhaltig, weil er
dazu führt, dass Sprachbarrieren abgebaut und basale Kommunikationsfähig-
keit – häufig das in der Realität des schulischen Unterrichts der 2. und 3.
Fremdsprache realistischste Ziel am Ende eines Kurses – in einer oder mehre-
ren Fremdsprachen durch Echtzeitübersetzungsprogramme oder Überset-
zungsplattformen möglich sind.
Im Folgenden stelle ich zunächst Ergebnisse einer Befragung zur Rolle von
digitalen Medien für den Fremdsprachenunterricht vor und umreiße in aller
Kürze das innovative Potential von Computer & Internet für das Fremdspra-
chenlernen (sehr viel ausführlicher in Grünewald 2016; 2018; Hallet o.A.;
Schmidt/Würffel 2018; Schmidt/Strasser 2018). Anschließend skizziere ich
die sprunghafte Entwicklung der KI und diskutiere mögliche Auswirkungen
für den Fremdsprachenunterricht, bis hin zu der These, dass diese Entwick-
lung den institutionellen Fremdsprachenunterricht obsolet machen könnte.
kaum verlässliche empirische Befunde. Ein Grund dafür ist in der Komplexi-
tät der Einflussfaktoren auf Lernprozesse allgemein zu sehen. Bei der Frage
nach der Wirkung digitaler Medien auf den Lernerfolg lassen sich zumindest
folgende Faktoren unterscheiden: erstens die digitalen Medien selbst, zwei-
tens die Unterrichtsprozesse, in denen die Medien eingebunden sind, darüber
hinaus die am Unterricht unmittelbar beteiligten Akteure, also drittens die
Lehrpersonen, und viertens die Lernenden selbst (vgl. Harzig 2014). Jeder
dieser Faktoren ist in sich wieder sehr komplex aufzuschlüsseln, und daher ist
es kaum möglich, einzelnen Faktoren eine spezifische Wirkung für den
fremdsprachlichen Lernprozess zuzuschreiben (Faktorenkomplexion). Die
Frage nach den Wirkungen digitaler Medien im Unterricht ist generell nicht
isoliert mit Blick auf das digitale Medium, sondern nur in der unterrichtli-
chen Gesamtsituation sinnvoll zu diskutieren. Das gilt für nicht nur für die
digitalen Medien, sondern für alle oben aufgeführten Faktoren. Metastudien
(Harzig 2014) zeigen hinreichend empirische Evidenz für spezifische lernför-
derliche Wirkungen digitaler Medien in Lehr- und Lernprozessen, allerdings
lassen sich solche Aussagen weder auf einzelne Medienangebote „noch im
Hinblick auf spezifische Lerngruppen noch im Hinblick auf spezifische Fä-
cher oder Fachkulturen pauschalisieren“ (ebda., 22).
Häufig werden daher die Akteure befragt, um daraus Aussagen über den
Medieneinsatz ableiten zu können (z.B. die JIM-Studien oder der Monitor
digitale Bildung). Aus diesen Befragungen wissen wir, dass
• sowohl Lehrkräfte als auch Schulleiterinnen und Schulleiter digitalen
Medien für den Fremdsprachenunterricht eine beutende Rolle zu-
schreiben. Sie sind zu 56% (L) und zu 71% (SL) der Auffassung, dass
digitale Medien die Arbeit von Lehrpersonen im Fremdsprachenunter-
richt erleichtern (MDB 2017, 2ff.).
• etwa 2/3 der Lehrkräfte der Meinung sind, dass sich mit digitalen Me-
dien die Förderung leistungsstarker Schülerinnen und Schüler gut rea-
lisieren lässt. Wesentlich weniger sehen darin eine Chance, leistungs-
schwächere Schülerinnen und Schüler besser zu fördern (40%); einen
Mehrwert für Inklusion sprechen den digitalen Medien nur 30% der
Lehrpersonen zu (ebda.).
• nur 23% der Lehrkräfte glauben, dass der Einsatz digitaler Medien zu
besseren Lernergebnissen führt. 81% aber sind sich sicher, dass ihnen
eine bessere IT-Struktur in der Schulverwaltung Entlastung bringt. Nur
15% sind versierte Nutzer (ebda.).
• der Einsatz digitaler Medien in der Schule von 80% der Lehrkräfte als
motivierend beschrieben wird. Mehr als die Hälfte der Lehrpersonen
schätzen den Medieneinsatz als teuer ein, und nur wenige messen den
digitalen Medien einen Mehrwert gegenüber klassischen Medien hin-
sichtlich der Lehr- und Lernqualität bei (ebda.).
Das bedeutet, dass digitalen Medien gerade für den Fremdsprachenunterricht
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eine hohe Relevanz zugesprochen wird, dass ihnen das Potential zugeschrie-
ben wird, eher leistungsstarke als leistungsschwache Schülerinnen und Schü-
ler zu fördern, dass Lehrpersonen den Mehrwert eher für die eigene Unter-
richtsvorbereitung sehen und den digitalen Medien wenig Potential
zusprechen, den fremdsprachlichen Lernprozess positiv zu beeinflussen; ein
Mehrwert gegenüber dem Einsatz klassischer Medien wird nur von wenigen
gesehen. Ein Großteil misst dem Einsatz digitaler Medien jedoch eine motiva-
tionssteigernde Funktion zu.
Schon dieser knappe Einblick in Forschungsergebnisse zur Wirkung digi-
taler Medien macht deutlich, wie heterogen die Befundlage ist. Einerseits wird
dem Medieneinsatz ein deutlicher Effekt zur Steigerung der Lernmotivation
bescheinigt, einhergehend mit einem hohen Potential für den differenzieren-
den Unterricht. Andererseits messen nur wenige den digitalen Medien einen
Mehrwert gegenüber den klassischen Medien bei. Nur ein Drittel sieht Vor-
teile des Einsatzes digitaler Medien für die Inklusion. Sie seien eher dazu ge-
eignet leistungsstarke Schülerinnen und Schüler zu fordern. Wir brauchen
unbedingt größer angelegte Studien mit repräsentativen Stichproben, um
endlich aussagekräftigere Ergebnisse zur Wirkung des Medieneinsatzes im
Fremdsprachenlernprozess zu erhalten.
Darüber hinaus ist festzustellen, dass gerade die beliebteste Nutzungsart
digitaler Medien durch Schülerinnen und Schüler in ihrer Freizeit, im Schul-
alltag kaum eingesetzt wird: Soziale Medien wie WhatsApp, Instagram,
SnapChat usw., bei den Lernenden äußert beliebt, werden kaum in Lehr- und
Lernprozesse integriert und ihr Einsatz wird nicht reflektiert (MDB 2017,
25f.). Das gilt für Software wie auch für Hardware: So prägen Whiteboards
und Beamer das mediale Geschehen im Klassenraum, während Tablets und
vor allem Smartphones den Freizeitbereich dominieren. 50% der Schülerin-
nen und Schüler verfügen heute über Tablets oder Laptops mit Touchscreen,
nahezu jede/r über ein Smartphone oder Handy. Rund 60% der Schülerinnen
und Schüler nutzen diese Geräte auch für die Hausaufgaben. In der Schule
kommen Smartphones hingegen nur bei 22% der befragten Schülerinnen und
Schüler im Unterricht zum Einsatz (MDB 2017, 46). Vielfach ist die Nutzung
des Smartphones durch Schulregeln im Unterricht verboten.
Unbestritten führt die Digitalisierung zu tiefgreifenden Veränderungen
des gesellschaftlichen Zusammenlebens und damit auch zur Veränderung des
schulischen Unterrichts. Doch inwieweit sind diese Veränderungen fremd-
sprachenspezifisch bzw. überhaupt relevant für den Fremdsprachenunter-
richt?
Die Digitalisierung schafft zwar neue Formen und Genres der Kommuni-
kation, diese betreffen aber alle Schulfächer und sollten in allen Fächern an-
gewendet und reflektiert werden. Das gilt für viele digitale Kompetenzen wie
etwa die Reflexion der eigenen digitalen Kommunikation (die ja außerhalb
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von Schule meist ohnehin nicht in der Fremdsprache stattfindet) und die
Reflexion über die Formen der Selbstpräsentation im sozialen Netz. Ebenso
sind digitale Präsentations- und Kommunikationstechnologien (Whiteboard,
Beamer, Lernplattformen) nicht an den Fremdsprachenunterricht gebunden.
Das Potential der Digitalisierung wird häufig auf die Verfügbarkeit so ge-
nannter authentischer Materialien reduziert. Im Internet findet man tatsäch-
lich eine Vielfalt von authentischen Materialien (Texte, Bilder, Töne, Filme)
zu Landeskunde, Literatur, Grammatik usw., die neue Arbeitsmöglichkeiten
im Fremdsprachenunterricht eröffnen. Das Internet bietet Unterrichtenden
schnellen und ortsunabhängigen Zugang zu authentischen fremdsprachigen
Webseiten, zu Podcasts, Videopods, zielsprachigen Radiosendern, Kurzfil-
men, Tageszeitungen etc. und erleichtert damit die Unterrichtsvorbereitung
enorm und leistet einen Beitrag zu einem lernerorientierten und kommunika-
tiven Fremdsprachenunterricht. Rechercheaufgaben sowie Web-Quests (er-
kundungsorientierte Web-Aktivität) können den Unterricht zum jeweiligen
Sprachraum öffnen.
Die Digitalisierung des Fremdsprachenunterrichts eröffnet also den Zu-
gang zu zielsprachigen Materialen und hilft dabei, den Unterricht zeitgemäß
und nach Einschätzung des Großteils der Lehrkräfte motivierend zu gestalten.
Gleichzeitig stellt die Digitalisierung auch eine Bedrohung des Fremdspra-
chenunterrichts, so wie wir ihn kennen, dar. Das werde ich im Folgenden
durch die Skizzierung einer Dystopie verdeutlichen, die zeigt, dass Digitalisie-
rung auch dazu beitragen kann, dass das Fremdsprachenlernen an Schulen
keine Zukunft mehr hat.
gebracht hat. Giraffe analysierte mehr als fünf Millionen Spielzüge, diese wur-
den dann im Netzwerk auf mehreren neuronalen Ebenen verarbeitet.
Bemerkenswert ist in diesem Fall, dass sich die KI die Perfektionierung des
Schachspiels selbst angeeignet hat.
Auch für unseren Gegenstand, das Fremdsprachenlernen, sind die Aus-
wirkungen dieses Entwicklungssprungs der KI deutlich bemerkbar. Wer vor
wenigen Jahren mit Übersetzungsprogrammen wie Google Translator gear-
beitet hat, dem empfehle ich heute, die App auf dem Smartphone erneut zu
installieren und einen Vergleich zu wagen. Das Programm erkennt Straßen-
schilder und übersetzt diese in jede beliebige Sprache. Man kann Sätze ein-
sprechen und diese übersetzen lassen, Texte in das Eingabefeld hineinkopie-
ren und erhält dabei erstaunlich gute Übersetzungsergebnisse. Ein weiteres
Beispiel ist der Online-Dienst DeepL, ein Übersetzungsprogramm, das kos-
tenfrei im Internet zugänglich ist. Die Kölner Programmierer von DeepL stel-
len eine Plattform zur Verfügung, die in Millisekunden überraschend gute
Übersetzungen von z.B. aktueller Tagespresse auf Knopfdruck ausgibt. Das ist
mit Sicherheit nicht das Ende der Entwicklung. Die Sprachsteuerung in Form
von Alexa und Siri steht erst am Anfang, wird aber sicher dazu führen, dass
wir in Zukunft Texte nicht mehr in den Computer eintippen, sondern sie
einsprechen. Auch im Alltag setzt sich Sprachsteuerung mehr und mehr
durch, z.B. in der Autoindustrie, in der Unterhaltungselektronik oder weniger
beliebt, in Callcentern. Da Sprachsteuerungssysteme unterschiedliche Spra-
chen beherrschen, besteht immer die Möglichkeit, seine Fremdsprachen-
kenntnisse anzuwenden. Haben Sie mit Alexa oder Siri schon mal Franzö-
sisch gesprochen? Funktioniert gut!
Es ist kein großer Schritt mehr zu dem Szenario, das sich Douglas Adams
in seinem Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“ ausgedacht hat: Er be-
schreibt etwas, das er Babelfisch nennt; jeder, der es im Ohr trägt, versteht alle
Sprachen der Welt. Was im Erscheinungsjahr 1979 noch reine Science-
Fiction war, ist heute im Bereich des Möglichen: Die Entwickler der Überset-
zungsplattform iTranslate oder Mymanu Translator haben die Übersetzungs-
software in einen drahtlosen Kopfhörer integriert und damit tatsächlich im
menschlichen Ohr untergebracht. Dieser „Echtzeit-Übersetzer“ für unterwegs
überträgt fremdsprachliche Äußerungen des Gesprächspartners in eine belie-
bige Sprache und kann durch Kopplung mit dem Smartphone auch die eige-
nen Äußerungen selbst dann als Audiotext übersetzen, wenn der Gesprächs-
partner kein entsprechendes Übersetzungsprogramm „am Ohr trägt“.
Microsoft bietet mit einer vergleichbaren Softwarelösung die Simultanüber-
setzung von Telefonmeetings an; es wird live übersetzt, was die anderen Teil-
nehmerinnen und Teilnehmer sagen. Die Technik ist bereits beim Internet-
Telefonie-Anbieter Skype im Einsatz.
Auch wenn diese Übersetzungsprogramme noch nicht perfekt sind – bei-
spielsweise verstehen sie keine Metaphern, beziehen zu wenig den Kontext
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der sprachlichen Äußerung mit ein oder sind nicht in der Lage, kulturelle
Einflüsse auf Sprache zu berücksichtigen –, deutet diese Entwicklung an, was
in wenigen Jahren möglich sein könnte: Sprachbarrieren technisch durch
automatisierte Simultanübersetzung zu überwinden. Fremdsprachenlernen,
insbesondere mit einem so großen Aufwand verbunden wie im institutionel-
len Kontext, wird dann nicht mehr notwendig sein, um eine basale Kommu-
nikationsfähigkeit herzustellen.
Fremdsprachen (auch im institutionellen Kontext) werden bisher aber ge-
rade deshalb gelernt, um mit Sprecherinnen und Sprechern dieser Sprachen
kommunizieren zu können, um Wirtschaftsbeziehungen eingehen zu können
(ohne dass Sprachbarrieren eine einschränkende Rolle spielen), um internati-
onale Karrieremöglichkeiten zu schaffen, aber auch einfach wegen der Freu-
de, andere Sprachen und Kulturräume kennen zu lernen und eventuell in
anderen Sprachräumen leben zu können.
Berücksichtigt man zudem die schwierigen Umstände, unter denen der
Fremdsprachenunterricht (zumindest in der 2. und 3. Fremdsprache) in der
Schule stattfindet – darunter die wenigen, dafür häufig ungünstig platzierten
Unterrichtsstunden, der zunehmende Wegfall von Hausaufgaben und die
damit verbundene stark begrenzte Auseinandersetzung mit der Fremdsprache
außerhalb des Schulunterrichts, die eingeschränkten Anwendungsmöglich-
keiten und die damit einhergehende fehlende Relevanz –, dann muss die Fra-
ge gestellt werden, wie der Fremdsprachenunterricht auch in Zukunft ein
attraktives Fach im schulischen Fächerkanon sein kann. Anders formuliert:
Lohnt sich aus Sicht der Schülerinnen und Schüler der hohe Aufwand, der
mit dem Fremdsprachenunterricht in der Schule verbunden ist, für den mit-
unter geringen Nutzen (bzw. Erfolg), wenn gleichzeitig durch die rasante
Entwicklung der KI digitale Hilfsmittel eine basale Kommunikationsfähigkeit
in Fremdsprachen sicherstellen? Konkret: Wenn Schülerinnen und Schüler
nach 3 Jahren Fremdsprachenunterricht, in dem sie Woche für Woche min-
destens 135 Minuten zusammengekommen sind, nicht einmal auf dem Ni-
veau eines automatisierten Übersetzungsprogrammes kommunizieren kön-
nen, dann stellt sich die Frage, ob sie die Zeit nicht anderweitig sinnvoller
hätten nutzen können.
Fremdsprachenunterricht muss mehr leisten als die Herstellung von
Kommunikationsfähigkeit oder die Ermöglichung der Teilhabe an fremd-
sprachlichen Diskursen. Auf dieses reduzierte Ziel scheint der aktuelle
Fremdsprachenunterricht allerdings vielerorts ausgerichtet zu sein. Die Frage
nach der Digitalisierung des Fremdsprachenunterrichts darf sich nicht nur
um die Aufbereitung und Zugänglichkeit bisher längst etablierter Inhalte
drehen, sie muss zur Diskussion über Ziele, Inhalte und methodische Aus-
richtung sowie deren Weiterentwicklung führen.
Die beiden folgenden Beispiele demonstrieren anschaulich, wie die Digita-
lisierung zur Diskussion über Inhalte im Fremdsprachenunterricht führt:
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Literatur
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Andreas Guder
1
Die meisten chinesischen Muttersprachler beherrschen allerdings nicht die Regeln
der Groß- und Kleinschreibung sowie der Getrennt- und Zusammenschreibung
des Pinyin (diese werden weder im Primarschulunterricht noch für die digitale
Eingabe benötigt; gleiches gilt für die diakritischen Tonzeichen), was in vielen
Lehrwerken für Muttersprachler zu einer der Struktur der chinesischen Schrift
stärker entsprechenden, jedoch westlichen Lernern deutlich weniger Orientie-
rungshilfe bietenden Schreibung führt (hier mit Tonzeichen):
Wǒ men zhī dao, dé guó hàn yǔ xué sheng de rén shù zhú nián zēng jiā. Jù gū jì, mù
qián quán dé guó zǒng gòng yuē yǒu bā shí duō suǒ xué xiào shè yǒu hàn yǔ kè
chéng, ér miàn duì zhe zhè me duō xué xí hàn yǔ de xué sheng bù jīn shǐ wǒ chù jǐng
shēng qíng, yě ràng rén gǎn shòu dào “bǎi wén bù rú yī jiàn” de shēn kè hán yì.
dem sie sich innerhalb von 6 Schuljahren 3000 Schriftzeichen und deren ma-
nuelle Schreibung von Hand eingeprägt haben – für sie liegt eine Vermittlung
von „Chinesisch“ ohne das handschriftliche repetitive Üben der einzelnen
Schriftzeichen außerhalb ihrer Vorstellungen von „Bildung“, die auch in Chi-
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Das „Lernen“ bzw. der Erwerb jedes einzelnen Schriftzeichens besteht dabei
aus fünf sinnvollerweise in folgender Abfolge zu bewältigenden kognitiven
Leistungen:
• Ich kann das Schriftzeichen von Hand in für andere lesbarer Form re-
produzieren.
• Ich kann das Schriftzeichen in der konventionalisierten richtigen
Strichfolge reproduzieren (vgl. Abb. 1; diese Strichfolge ist zwar kein
entscheidendes Kriterium für Lesbarkeit, jedoch als kulturelle Praxis
konventionalisiert, weshalb nicht zuletzt für das Lesen von individuel-
ler Handschrift und Kalligraphie die Kenntnis der Strichfolge konsti-
tutiv ist.)
3
Eine solche Differenzierung wird im Rahmen des Projekts EBCL „European
Benchmarks for the Chinese Language“ (2012; deutsch 2015) vorgenommen, des-
sen Can-Do-Deskriptoren zwischen „Kompetenzen bezüglich des Transkriptions-
systems Hanyu Pinyin“ und „Graphemischer und orthographischer Kontrolle“ (=
Sinographemkompetenz, manuell und digital) klar differenzieren. Für alle Lern-
ziele der Kompetenz „Schreiben“ in EBCL gilt, dass sie auch mittels digitalem
Schreiben erreicht werden können (EBCL 2015, 18).
Tatsache geprägt ist, dass heute die meisten Textsorten im realen Alltag per
Tastatur und nur selten von Hand verfertigt werden. Und alle Chinesischler-
ner und auch viele Muttersprachler geben gerne zu, dass ihnen das digitale
Schreiben des Chinesischen deutlich leichter als das manuelle Schreiben fällt:
Moderne chinesische Textverarbeitung der ersten Generation bietet bei Ein-
gabe des alphabetischen Pinyin-Wortes (ohne Angabe des Tones) eine Aus-
wahl der dieser Transkription zugewiesenen Wörter, unter denen das ge-
wünschte mittels Cursor oder Nummerneingabe anzuwählen ist:
was wohl wiederum auf die oben beschriebene „kulturelle Praxis“ chinesi-
scher Muttersprachler zurückzuführen ist. Gleichwohl fordert der US-
amerikanische Advanced Placement Chinese Test für Chinesisch das Verfassen
eines chinesischen Textes (etwa B1-Niveau) nur in digitaler Form, und auch
die offizielle Prüfung der VR China zum Nachweis von Chinesischkenntnis-
sen HSK kann (noch nicht an allen Standorten) in digitaler Form abgelegt
werden.
Allmählich zeigen sich auch in Europa erste Fürsprecher einer (zumindest
teilweisen) Digitalisierung des Chinesischunterrichts: Im Juni 2012 fand in
Amsterdam eine Fachkonferenz zum kontroversen Thema „manuelles vs.
digitales Schreiben Chinesisch“ statt. Dort trat die sinologische Fachvertrete-
rin für das Schulfach Chinesisch in den Niederlanden für eine hybride Didak-
tik ein, die mit digitalem Schreiben beginnt, bevor einige Wochen oder Mo-
nate später auch handschriftliche Schreibaufgaben formuliert werden
(Smulders 2012, 17). Meine eigenen Gespräche und Mailaustausch mit Kolle-
gen zu diesem Thema zeigen ebenfalls, dass das digitale Schreiben sich bereits
vielerorts zu einem zentralen Aufgaben- und Übungsformat entwickelt hat.
Es optimiert die Schreibprozesse und fördert die rezeptiven Schriftzeichen-
kenntnisse, wenngleich die Kollegen die Gewichtung der beiden Schriftsyste-
me nach wie vor sehr unterschiedlich vornehmen, insbesondere wenn es um
Prüfungsformate geht: Denn nur wenn auch Abiturprüfungen oder Klausu-
ren ebenfalls digital geschrieben werden, kann eine in diesem Sinne umfas-
sende Digitalisierung des Chinesischunterrichts stattfinden. Solange in Prü-
fungen handschriftlich gearbeitet werden muss, werden auch die meisten
unterrichtlichen Schreibaufgaben aus Trainingsgründen manuell verfasst
werden, um im Prüfungsfalle den entsprechenden Anforderungen schriftsys-
temisch und zeitlich gewachsen zu sein.4
4
Auch ist in Prüfungen nach wie vor nur das Nachschlagen in Printwörterbüchern
gestattet. Der Erwerb von Grundkompetenzen in chinesischer Lexikographie im
Zusammenhang mit Printwörterbüchern stellt jedoch ebenfalls einen enormen
Lernaufwand dar (wie finde ich in einem nicht-alphabetischen Schriftsystem ein
mir unbekanntes Schriftzeichen im Wörterbuch?). Im Internet oder entsprechen-
den lexikographischen Apps kann das Nachschlagen unbekannter Schriftzeichen
über copy+paste oder Touchpads hingegen vergleichsweise mühelos realisiert
werden.
auf Mündlichkeit fokussiert und nicht jede neue Vokabel mit ihrer Schriftzei-
chen-Repräsentation verknüpft, ist davon auszugehen, dass sich in den Köp-
fen von Lernern (wie auch von L1-Sprechern) eine vergleichsweise hohe An-
zahl von Vokabular befindet, deren graphemische Realisation nicht in
Schriftzeichen abrufbar ist. So wie der aktive Wortschatz immer eine Teil-
menge des passiven Wortschatzes darstellt, dürfte im Chinesischen auch der
mündliche (pinyin-basierte) Wortschatz umfangreicher sein als der schriftzei-
chenbasierte Wort- bzw. Zeichenschatz, und wiederum der passive (=digitale)
Zeichenschatz deutlich größer als der aktive (=manuelle) Zeichenschatz, so
dass sich der Gesamtwortschatz eines fiktiven Lerners in etwa folgenderma-
ßen darstellen ließe:
1. passiver
4. mündlicher und schriftlicher mündlicher
Wort- und Zeichenschatz: kann Wortschatz: verstehe
ich lesen und auch manuell ich korrekt, kann ich
schreiben, Beispiel aber nicht anwenden,
中国 Zhōngguó ("China") Beispiel chéng xiăozú
("Gruppen bilden")
MEIN CHINESISCH-
3. mündlicher und WORTSCHATZ
schriftlicher Wort- und 2. aktiver mündlicher
Zeichenschatz: kann ich Wortschatz: kann ich nur
auch lesen und digital mündlich anwenden;
schreiben, Beispiel 谢谢 Schriftzeichen sind mir
xièxie ("danke") unbekannt,
Beispiel chuānghu ("Fenster")
gelangen.
Auf der anderen Seite ist zu vermuten, dass die Einprägung der Gestalt
von Schriftzeichen mittels manuellem Schreiben eine wichtige Rolle bei der
kognitiven Entwicklung eines Schriftzeichen-Gedächtnisses spielt, weshalb es
sinnvoll erscheint, vor allem in der Grundstufe auch das Schreiben von Hand
zu fordern und zu fördern (was mit modernen Touchpads ebenfalls möglich
wäre). Auch ob und in welchem Ausmaß das manuelle Schreiben von Schrift-
zeichen den Lernerfolg (und die Motivation) erhöht, ist unbekannt.
Ob Chinesischunterricht also vollkommen auf den zeitraubenden Erwerb
des manuellen Schreibens verzichten sollte, will daher gut überlegt sein. Wir
benötigen empirische Forschung, die zunächst die Entwicklung von Kompe-
tenzmodellen kommunikativer Lehr- und Lernziele im Chinesischen entwi-
ckelt, deren Definition sich wiederum, wie gezeigt, aufgrund der zwei Schrift-
systeme komplexer als im Unterricht alphabetverschrifteter Fremdsprachen
gestaltet. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn sich die etablierte Bildungs- und
Fremdsprachenforschung auf Chinesisch einließe und mit der entsprechen-
den Fachdidaktik gemeinsam Forschungsprojekte ins Visier nähme, die sich
mit der Digitalisierung von Chinesischunterricht befassten und dabei auch
die hier formulierte Hypothese überprüften, dass eine Fokussierung auf digi-
tales Arbeiten zu einer früheren aktiven Textproduktion im Chinesischunter-
richt führen kann. Entsprechende zentrale Forschungsfragen lauten daher:
In jedem Fall sollten die Möglichkeiten der Digitalisierung für den Chine-
sischunterricht in Europa als Chance begriffen werden – eine Chance, Chine-
sisch mehr als bisher als lebende Kommunikationssprache zu verwenden. Die
Literatur
Allen, Joseph R. (2008): „Why learning to write Chinese is a waste of time: A
modest proposal“. In: Foreign Language Annals 41, 237-251.
EBCL = Guder, Andreas/Fachverband Chinesisch (Hrsg.) (2015): European
Benchmarks for the Chinese Language (EBCL) / Europäischer Referenzrahmen
für Chinesisch als Fremdsprache (欧洲汉语能力基准项目). München: Iudici-
um. https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/15346 (06/03/2019).
Guder, Andreas (2006): „Jenseits der affinen Fremdsprachen: Dimensionen des
Lehrens und Lernens von Chinesisch.“ In: Neusprachliche Mitteilungen aus
Wissenschaft und Praxis 2, 16–25.
Guder, Andreas (2008): „Was sind distante Fremdsprachen? Ein Definitionsver-
such am Beispiel des Chinesischen.“ In: Burwitz-Melzer, Eva/Hallet, Wolf-
gang/Legutke, Michael K./Meißner, Franz-Joseph/Mukherjee, Joybrato
(Hrsg.): Sprachen lernen – Menschen bilden. Dokumentation zum 22. Kongress
Friederike Klippel
ein Gefühl der Selbstwirksamkeit (agency) vermittelt wird. Die Autoren ver-
stehen diese Phasen als kumulativ, indem jede spätere Phase die Möglichkei-
ten der vorhergehenden einschließt. Eine etwas andere Einteilung der Ent-
wicklung findet sich bei Hockly (2016, 14-18), die für diesen Zeitraum die
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tungsmöglichkeiten zu gewähren, ist nicht neu. Schule zielt zum ersten „auf
die Internalisierung von kulturellen Grundüberzeugungen und auf die Wei-
tergabe von Wissen und Fertigkeiten“ (Fend 2009, 29). Zum zweiten hat sie
neben „der gesellschaftlich-kulturellen Reproduktion […] die individuelle
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mag und kann, ist jedoch eine andere Frage. Anders als bei Erwachsenen, die
eine neue Sprache oftmals gezielt für bestimmte Zwecke lernen und ihren
Lernweg und die Lerninhalte daran ausrichten können, gilt für die Schule die
Vorgabe, dass sie die Basis für alle möglichen beruflichen und privaten Ent-
wicklungen bereiten sowie generell eine Vergleichbarkeit der Anforderungen
beachten muss und daher nur in begrenztem Umfang individualisieren kann.
Schulischer Englischunterricht muss daher einen Weg zwischen Standardisie-
rung – in Zielen, Verfahren, Materialien, Lehrerbildung – und individueller
Förderung finden. Und es dürfte weiterhin die Aufgabe der Lehrkräfte sein,
geeignete Optionen für Kommunikation, Kollaboration und das Arbeiten mit
Medienformaten denjenigen Schülerinnen und Schülern zu eröffnen, die dies
aus eigenem Antrieb nicht tun können oder wollen.
ziert, zumal sich Lehrkraft und Lernende erst in das Programm einarbeiten
müssen, und ob das Feedback auch psychologisch individuell passend ist, ist
eine andere Frage. Eine weitere Möglichkeit zur Erhöhung der Übungszeit be-
steht im Einsatz von social robots, mit denen Menschen kommunizieren und
interagieren können. Erste Forschungsergebnisse (vgl. den Überblick über 33
empirische Studien in van den Berghe et al. 2019) vermitteln ein uneinheit-
liches Bild: einige Lernresultate, die durch die Interaktion mit Robotern ent-
standen, übertrafen diejenigen der Kontrollgruppen, andere Experimente
zeigten keine Unterschiede oder gegenteilige Resultate. Insgesamt scheinen
die Roboter noch weit davon entfernt zu sein, menschliche Lehrpersonen
ersetzen zu können.
Unter didaktischen Gesichtspunkten sollte der Einsatz digitaler Medien
vor allem dann erfolgen, wenn man nur durch sie bestimmte Ziele (besser)
erreichen kann, und sei es die Abwechslung beim Vokabellernen. Die Merk-
male guten Unterrichts (z.B. Helmke 2009) gelten für den digital gestützten
Unterricht ebenfalls. Sprachenlernen ist ein individueller und ein sozialer
Akt, der in einem menschlichen Umfeld stattfindet. Digitale Medien sind
sowohl Hilfsmittel, um diese zu bewältigen, als auch Realisierungen von Spra-
che, auf die es im Fremdsprachenunterricht vorzubereiten gilt.
Die Befürwortung eines Einsatzes digitaler Medien im Sprachunterricht
sollte nicht dadurch motiviert sein, dass es bestimmte technische Möglichkei-
ten eben gibt – it's there, let's use it –; vielmehr muss dieser Einsatz didak-
tisch-methodisch begründet sein. Im Fokus steht immer das Lernen, das im
Unterricht (und sicherlich auch im Selbstunterricht) möglichst effektiv, also
gründlich und nachhaltig, und möglichst effizient, also mit dem geringstmög-
lichen Aufwand an Zeit und Energie erfolgen soll. Alle Hilfsmittel müssen
diesem Ziel dienen. Wenn man also Fremdsprachenunterricht konzeptuell
entwickelt, dann ist zunächst von linguistischen sowie spracherwerbstheoreti-
schen Grundlagen und gesellschaftlichen bzw. individuellen Zielvorstellungen
auszugehen, zu deren Erreichen dann die unterschiedlichen technischen
Hilfsmittel und methodischen Verfahren zielgerecht eingesetzt werden.
Es ist allerdings zu fragen, ob die Digitalisierung die Sprache und die in-
terpersonale Kommunikation so verändert (hat), dass wir ganz grundsätzlich
über einige Konzepte unserer Wissenschaft neu nachdenken müssen. Müssen
die bekannten Spracherwerbstheorien ggf. angepasst werden? Spielen inter-
kulturelle Aspekte in der digitalen Kommunikation eventuell eine andere
Rolle als in der direkten Begegnung? Inwieweit verführt die Tatsache, dass
man persönliche Informationen und Meinungen jederzeit online veröffentli-
chen und von anderen bewerten lassen kann, zu einer verstärkten Monologi-
sierung und nicht zum Dialog, für den man die Äußerungen genau lesen
müsste? Man kann weiterhin fragen, ob auch der gängige Katalog der sprach-
lichen Fertigkeiten (rezeptiv-produktiv) erweitert werden muss, weil digital
gestützte Kommunikationsformen weitere, bisher nicht berücksichtigte Fä-
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ternehmen müsste. Ich gewinne dadurch einen raschen Zugriff auf einige alte
Veröffentlichungen; ich verliere allerdings das haptische Vergnügen, ein altes
Buch in der Hand zu halten und eventuell eingelegte Notizen zu entdecken.
Eine weitere Aufgabe für Forschung und Entwicklung sehe ich in der Ent-
lastung der Lehrkräfte bei bestimmten Lehrtätigkeiten und in der Förderung
individuellen Lernens durch digitale Angebote. Selbst erfahrene Lehrkräfte
sind nicht in allen Lehreraufgaben und nicht für alle Schüler-Lerntypen gleich
gut. Zudem gibt es vielfach Quereinsteiger im Lehramt oder fachfremd unter-
richtende Lehrkräfte, die Hilfen benötigen. Ihnen und ihren SchülerInnen
könnten beispielsweise Erklärvideos zu sprachlichen und kulturellen Phäno-
menen und unterschiedliche Übungsprogramme helfen. Gerade analytische
Lerner werden in einem aufgabenbasierten Fremdsprachenunterricht ver-
nachlässigt; sie können so die für sie wichtigen Einsichten in die Sprachstruk-
tur erhalten, ohne dass man wertvolle Kontaktzeit im Unterricht mit gram-
matischen Erläuterungen verbringen muss, die für andere SchülerInnen
eventuell wenig hilfreich sind, weil sie eher durch Übung und Anwendung
lernen. Das Angebot an Apps und Programmen zum selbstständigen Spra-
chenlernen ist riesig und wächst ständig.
Wenn ich ein groß angelegtes Forschungsprogramm planen dürfte, dann
würde ich Gelder für einen Forschungsverbund von fünf bis zehn fremdspra-
chendidaktischen Professuren an unterschiedlichen Universitäten und Hoch-
schulen bereitstellen, die für die einzelnen Sprachen daran zusammenarbei-
ten,
• die existierenden Forschungsergebnisse zu sichten und auf ihre Über-
tragbarkeit zu prüfen,
• das bestehende digitale Angebot für die einzelnen Sprachen zu analy-
sieren und darüber aktuell zu berichten,
• Praxiserfahrungen aus anderen Ländern auszuwerten,
• Module für die Lehrerbildung zu entwickeln und zu erproben,
• empirische und theoretische Forschungsarbeiten zum Themenfeld zu
koordinieren und zu betreuen (Doktoranden, Habilitanden, Einzel und
Teamforschungsprojekte).
Dieser Forschungsverbund müsste seine Arbeitsergebnisse regelmäßig im
open-access bekanntgeben, so dass alle Interessierten im Bildungswesen da-
rauf zugreifen können. Zusätzlich sollte es kleinere und größere Arbeitskonfe-
renzen geben unter Einbeziehung von
• interessierten Lehrkräften und AusbilderInnen der zweiten Phase
• Fremdsprachenlernenden unterschiedlicher Bildungsinstitutionen
• Eltern
Prioritäten
Innovationen sind nur dann erfolgreich, wenn sie von der Basis getragen und
dort aus eigener Entscheidung umgesetzt werden, weil man daran glaubt,
durch diese Innovation die anstehenden Aufgaben besser, schneller oder ziel-
gerechter erledigen zu können. Wenn es also bildungspolitisch erwünscht ist,
digitale Medien im Fremdsprachenunterricht einzusetzen, dann müssen Leh-
rerinnen und Lehrer ebenso wie SchülerInnen und deren Eltern davon über-
zeugt sein und werden, dass dies sinnvoll und zielführend ist. Schulen und
Universitäten benötigen dafür als erstes eine zuverlässige technische Infra-
struktur inklusive technischem Support. Wenn wir aus der Vergangenheit
(Beispiel: Sprachlabor) lernen, dann ist es wichtig, dass Lehramtsstudierende,
die in ihrer eigenen Schulzeit noch kaum oder gar nicht mit digitalen Medien
gearbeitet haben, sich in Studium und zweiter Ausbildungsphase intensiv
damit befassen. Das wiederum bedeutet, dass die Ausbilder an Hochschulen
und Schulen über breite Kompetenzen verfügen müssen, um unterschiedliche
digitale Medien sinnvoll in die Lehre zu integrieren, so dass es nicht nur um
Informationen zu digitalen Medien, sondern auch um Lehre und Ausbildung
mit digitalen Medien geht, dem altbekannten Spruch folgend: Teachers teach
as they were taught, and not as they are taught to teach. Für die bereits im
Schuldienst befindlichen Lehrkräfte muss ein breites, verpflichtendes Weiter-
bildungsprogramm entworfen werden, dass auch Skeptiker überzeugt.
Für alle diese Maßnahmen ist einerseits die nötige technische Ausstattung
bereitzustellen, andererseits muss man allgemein zugängliche Informationen
über Medien, Programme, Apps und Daten finden, die im jeweiligen Kontext
eingesetzt werden können. Das bedeutet, dass es auch so etwas wie ein Quali-
tätsmanagement geben muss, denn nicht alles ist für Fremdsprachenunter-
richt oder Fremdsprachenlehrerbildung zielführend, und man sollte die Ent-
können. So wie es jetzt Lehrkräfte gibt, die mehr als andere mit Musik oder
Film arbeiten, die viele spielerische Elemente einsetzen oder immer wieder
neue interessante Texte finden, die grammatische Phänomene hervorragend
erklären können und einen intensiven kommunikativen Austausch in ihren
Klassen pflegen, so wird es auch in Zukunft Lehrkräfte geben, die digitale
Medien sporadisch einsetzen, während andere ihren gesamten Unterricht
damit bestreiten und Schülerinnen und Schüler intensiv zu eigenem medial
gestützten Üben und Anwenden anleiten.
Wichtig wäre es daher, fachspezifische Minimalanforderungen für Lehr-
kräfte und deren AusbilderInnen an Universitäten, Hochschulen und in der
Praxis zu definieren. Diese müssten technische ebenso wie ethische, didakti-
sche ebenso wie ästhetische Aspekte umfassen. Aufbauen ließe sich auf bereits
bestehenden Katalogen aus den USA für Englischlehrkräfte (TESOL, Healy
2011) oder Lehrerbildner (http://site.aace.org/tetc) sowie auf dem europäi-
schen Kompetenzrahmen (Redecker/Punie 2017). Wir brauchen eine Ent-
wicklung mit Augenmaß.
Literatur
Asimov, Isaac [1954]: „The fun they had“. In: Asimov, Isaac (1973): The Best of
Isaac Asimov. London: Sphere, 180-182.
Delgado, Pablo/Vargas, Cristina/Ackerman, Rakefet/Salmerón, Ladislao (2018):
„Don't throw away your printed books: A meta-analysis on the effects of read-
ing media on reading comprehension“. In: Educational Research Review 25,
23-38.
Fend, Helmut (2009): Neue Theorie der Schule. 2. durchgesehene Aufl., Wiesba-
den: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Healy, Deborah (2011): TESOL Technology Standards.
http://www.deborahhealey.com/tesol2011/tech_standards_tesol2011.html
(07/03/2019).
Helmke, Andreas (2009): Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität (2. aktua-
lisierte Aufl.). Stuttgart: Klett Kallmeyer.
Hockly, Nicky (2016) Focus on Learning Technologies. Oxford: Oxford University
Press.
Kern, Richard (2014): „Technology as ‘Pharmakon’. The Promise and Perils of
the Internet for Foreign Language Education“. In: The Modern Language
Journal 98, 340-357.
Kessler, Greg (2018): „Technology and the future of language teaching“. In: For-
eign Language Annals 51, 205-218.
Levy, Mike (2009): „Technologies in Use for Second Language Learning“. In: The
Modern Language Journal 93, 769-783.
Jürgen Kurtz
aufwand von den Lehrenden aufgehoben werden kann, da das Lehrbuch die
hierzu benötigten Ressourcen in Form von weiterführenden Sprachmitteln,
von variablen Äußerungsmustern, von authentischem landeskundlichen An-
schauungsmaterial, von zielsprachlich breiter gefächerten, nicht nur auf
Grammatik ausgerichteten Übungsmaterialien, von spielerisch-ganzheitlichen
Aktivitäten, u.v.m. nicht bereitstellt und sich zudem im Lehrerhandbuch kei-
ne Hinweise finden, wo gegebenenfalls entsprechende Ressourcen rasch auf-
gefunden und wie sie im Englischunterricht verwertet werden könnten.
Es ging mir seinerzeit vor allem darum, eine stärker schüler- und handlungs-
orientierte, mit dem explorativen landeskundlichen Lernen verknüpfte Ler-
numgebung unter Verwendung von Print- und Digitalmedien zu schaffen,
die sich nicht vollends vom Lehrwerk und der dort vorgezeichneten Progres-
sion trennt. Im Wesentlichen interessierte ich mich dafür,
[…] wie das Internet (insbesondere die im World Wide Web verborgenen Res-
sourcen) im Verbund mit dem Lehrbuch und den daran gekoppelten traditio-
nellen audiovisuellen Medien und Materialien genutzt werden könnte, um
funktional geschlossene und zu einseitig ausgerichtete, in ihrer Darbietung,
Anordnung und Stufung fragwürdige und in ihrer fremdkulturellen Ein-
drucksbreite und Eindruckstiefe problematische Lehrbuchinhalte didaktisch-
methodisch aufzuwerten, so dass eine vielseitigere, besser auf die Fähigkeiten,
Kenntnisse, Bedürfnisse und Interessen der jeweiligen Lerngruppe und die
persönlichen Voraussetzungen und Erfahrungen der jeweiligen Lehrperson
abgestimmte Unterrichtsgestaltung möglich wird (Kurtz 2001, 81).
Im Großen und Ganzen versuchte ich – dem Stand der damaligen fremdspra-
chendidaktischen Diskussion entsprechend – die Leitideen der Instruktion
(Transmission), der Konstruktion, der Progression, der Variation sowie auch
der Differenzierung und Individualisierung miteinander in Beziehung zu
bringen, um einen Mehrwert in Richtung Lernerlebnis und Lernertrag zu
generieren.
Ich entwickelte und erprobte schließlich eine mehrstündige Unterrichts-
sequenz, die das Englischlernen mit Print- und Digitalmedien, verbunden mit
einem Wechsel des Lernorts (physisch vom Klassenzimmer in den Compu-
terraum und zurück; medial vom gedruckten Lehrbuch in die digitale Sphäre
des World Wide Web und zurück) voranzubringen versuchte. Im Mittelpunkt
standen dabei einige (vorrangig thematisch) differenzierte Lehr- und Lern-
pfade, die darauf abhoben, das lehrwerkgebundene mit dem lehrwerkunge-
bundenen Lernen zu verknüpfen. Heutzutage würden diese Lehr- und Lern-
pfade als aufgabenorientierte, vom Lehrwerk ausgehende und dorthin wieder
1
Es sei hier in einer ersten, etwas längeren Fußnote (Fn) darauf verwiesen, dass
Byrams (1997) Modell der interkulturellen kommunikativen Kompetenz in jenen
Jahren erst entstand, so dass ich mich daran nicht orientieren konnte. Bennetts
(1993) Modell der Entwicklung interkultureller Sensitivität war mir gänzlich un-
bekannt. Das Englischlehren und -lernen fand zudem unter deutlich anderen bil-
dungspolitischen Vorzeichen statt. So musste ich mich seinerzeit noch nicht mit
den neoliberalen Paradoxien einer deregulierten Regulierung von Schule und Un-
terricht über Leitbilder, Bildungsstandards und Kerncurricula, mit einer dahinge-
hend instrumentalisierten, vorrangig Outcome-orientierten Fremdsprachendidak-
tik sowie mit einer auf die Messbarkeit von Lernleistungen ausgerichteten
Kompetenzschule befassen, in der die Aufgabenorientierung den Königsweg des
fremdsprachlichen Lernens repräsentieren soll. Ein Leitbild zum fremdsprachli-
chen Lernen im digitalen Wandel gab es nicht; es wurde von mir auch nicht ver-
misst.
terricht einzuleiten;
• durch sie könnten etablierte Positionen der Fremdsprachendidaktik
künftig infrage gestellt werden;
• sie könnten vielleicht sogar zu einer völligen Neubewertung herkömm-
licher Ansätze bzw. zu einer Abkehr von ihnen beitragen;
• ihr Einsatz könnte letztlich lerneffektiver sein, zumal sie zeit- und orts-
ungebunden Verwendung finden können und eine stärkere Diversifi-
zierung im Hinblick auf individuelle Lernende ermöglichen.
Mir war damals allerdings schon einigermaßen klar, dass der digitale Wandel
nicht vorrangig (oder gar einzig und allein) von den digitalen Technologien
und Medien ausgedacht werden kann. Auch erschien es mir wenig sinnvoll zu
sein, lediglich die innovativen Potenziale der Digitalisierung in den Blick zu
nehmen und die disruptiven bzw. risikobehafteten weitgehend außer Acht zu
lassen. Dass die Lehrenden als wesentliche unterrichtliche Akteure hier weit-
gehend ausgeklammert wurden, konnte ich als Englischlehrer kaum nachvoll-
ziehen.
Heute scheint in der fremdsprachendidaktischen Diskussion ein Konsens
zumindest darin zu bestehen, dass die Digitalisierung des Fremdsprachenler-
nens nur dann lernförderlich greifen kann, wenn sie unter Berücksichtigung
des komplexen Beziehungsgefüges von Theorie (Wissenschaft/Forschung)
und Praxis (Unterricht) unter Einbeziehung aller beteiligten Akteure, Institu-
tionen und Instanzen modelliert, erprobt und umgesetzt wird. Mit dem Leit-
bild der Landesregierung Nordrhein-Westfalens (2016) zum Lernen im digi-
talen Wandel sollte (eigentlich) ein erster Schritt in diese Richtung
unternommen werden.
Auffällig ist hier, ebenso wie bei vergleichbaren Lehrwerken anderer Verlage,
dass sich die Digitalisierung englischunterrichtlicher Lehr-/Lernmedien
und -materialien bis heute vor allem auf den Bereich des computer-assisted
language learning (CALL) mit in der Regel strikter Programmführung und
relativ simplem Feedback sowie auf die Entwicklung von classroom manage-
ment tools für die Lehrenden beschränkt hat. Die Potenziale von computer-
mediated communication (CMC) in synchronen und asynchronen Lehr-/
Lernumgebungen sind für die Lehrwerkentwicklung bis heute ebenso wenig
fruchtbar gemacht worden wie die des mobile-assisted language learning
(MALL). Hierfür gibt es viele Gründe, u.a. auch wirtschaftliche, auf die ich im
Rahmen meines Statements nicht näher eingehen kann.
Die Qualität und die Vielfalt der Lernmittel wirken sich auf die Qualität von
Unterricht aus (Landesregierung NRW 2016, 25).
Auch diese Feststellung lässt sich empirisch nicht untermauern, zumindest
nicht für den schulischen Englischunterricht. Die dahinterstehende Vermu-
tung, Lehrwerke bzw. digitale Lernmittel könnten als agents of change (vgl.
Hutchinson/Torres 1994) fungieren, ist wissenschaftlich längst nicht hinrei-
chend belegt. Ob sich die Qualität des Englischlehrens und -lernens durch die
Hinzunahme von open access-Materialien aus dem Word Wide Web verbes-
sern lässt, ist in Anbetracht der aktuellen Lehrmittelverwendungsforschung
reine Spekulation.
Digitale Schulbücher bieten multimediale Vielfalt und eine Fülle von Themen
und Themenzugängen, Bearbeitungs- sowie Aufgabenmöglichkeiten; sie kön-
nen das gemeinsame Arbeiten, die Kreativität und die Individualisierung der
Lernprozesse unterstützen (Landesregierung NRW 2016, 25).
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Was aber ist ein digitales Schulbuch, was unterscheidet es von einem ge-
druckten? Wie sollte es sich davon unterscheiden? In den vergangenen Jahren
ist immer wieder von fremdsprachenunterrichtlichen Lehrwerken im Sinne
von medialen Verbundsystemen (digital, print) die Rede gewesen (vgl. bei-
spielsweise Nieweler 2017, 206). Treffender wäre es, von medialen Mehrkom-
ponentensystemen zu sprechen, die von den unterrichtlichen Akteuren unter
Berücksichtigung der jeweils vorgefundenen Rahmenbedingungen und der
konkret anvisierten Lernziele erst sinnvoll miteinander in Verbindung ge-
bracht werden müssen. Dass Lehrende keinen Sinn darin sehen, digitalisierte
Schulbücher zu verwenden, die sich kaum von ihren gedruckten Vorbildern
unterscheiden, deutet sich in der gerade erst aufkeimenden internationalen
Lehrwerkverwendungsforschung an:
A complaint that was often heard from the teachers is that there is too little
digital material available that is good enough to replace the books: ‘Digital
material is often just a scanned book, so why should I use that, instead of a
book? I can always use a book, because it does not have any technical compli-
cations. Digital material does not really add something now.’ (Westdijk 2016,
55).
Die Lizenzformen digitaler Lernmittel sollen konsequent auf die Anforderun-
gen des Unterrichts- und Lernprozesses ausgerichtet sein. Die Vielfalt frei zu-
gänglicher digitaler Medien und Lernangebote bietet allen Kindern und Ju-
gendlichen auch jenseits der Schule Lernmöglichkeiten (Landesregierung
NRW 2016, 25).
Dies mag hinsichtlich der sog. Lizensierung digitaler Medien plausibel er-
scheinen. Es lässt in Bezug auf die bildungspolitisch favorisierte und forcierte
Schulentwicklung in Deutschland, die stark auf die Etablierung der Ganztags-
schule zugeschnitten ist, aber völlig unberücksichtigt, dass Kinder und Ju-
gendliche außerschulische Freiräume benötigen, um sich zu lebensbejahen-
den (unter anderem auch arbeitsmotivierten) Persönlichkeiten zu entwickeln.
Der folgenden, im NRW-Leitbild zu findenden These vermag ich hinge-
gen zuzustimmen, auch wenn ich das Lehren der englischen Sprache nicht als
einen Ausbildungsberuf verstehe (vgl. hierzu Kurtz 2018a):
Die Digitalisierung verändert den Beruf von Lehrerinnen und Lehrern. Aus-
bildung und unterstützende Fortbildung werden gezielt und systematisch auf
die Anforderungen in der digitalen Welt ausgerichtet und ausgeweitet (Lan-
desregierung NRW 2016, 26).
Der technologische Wandel der letzten Jahre bzw. Jahrzehnte hat sich in der
Wahrnehmung vieler Menschen rasant vollzogen. Von daher ist es wichtig,
nicht lediglich den tatsächlichen Wandel im Bereich der digitalen Technolo-
gien und Medien, sondern auch und insbesondere dessen individuelle Wahr-
nehmung und Deutung durch die Lehrenden und die Lernenden – im Span-
nungsfeld unterrichtlicher und außerunterrichtlicher Notwendigkeiten und
Möglichkeiten – zu berücksichtigen. Den vier Leitfragen vermag ich diese
Perspektivierung nur indirekt zu entnehmen.
Eine einigermaßen realistische Einschätzung der Möglichkeiten, Notwen-
digkeiten und Grenzen des digitalen Wandels kann wohl nur dann gelingen,
wenn dieser im Gesamtzusammenhang aller anderen Wandlungsprozesse
(gesellschaftlich, schulisch, unterrichtlich, u.a.m.) betrachtet wird. Wie in der
vierten Leitfrage zum Ausdruck gebracht, bedarf es eines vertieften Verständ-
2
Ich möchte an dieser Stelle eine weitere, etwas längere Fn einfügen, die sich mit dem
Sinn und Nutzen von Leitbildern befasst. Wer hat ein Interesse daran, Leitbilder zu
formulieren? Für wen sind sie erstrebenswert? Wie viele Leitbilder für Schule und Un-
terricht gibt es schon (ich denke hier an die Friedens-, Verkehrs- oder Gesundheitser-
ziehung)? Wie viele weitere werden noch benötigt? Wer nimmt sie wahr und orientiert
sich daran? Im NRW-Leitbild steht der ökonomische Wert von Bildung („Wozu wir
lernen – gestern, heute, morgen“) im Vordergrund, hier vor allem zur Sicherung der
Beschäftigungsfähigkeit junger Menschen bzw. zur Steigerung der wirtschaftlichen
Wettbewerbsfähigkeit des Landes (vgl. Landesregierung NRW 2016, 3-4). Dieser
Grundgedanke ist – auch und gerade in einem Bundesland, das sich nach wie vor im
post-industriellen Strukturwandel befindet – sehr wichtig. Allerdings sollten Leitbilder
keine bildungspolitischen PR-Aktionen sein, die, ganz im Sinne des heutigen Leitbilds
aller Leitbilder, nämlich dem der deregulierten Regulierung, in vornehmlich neolibe-
ral-unternehmerisch-marktwirtschaftlicher Konturierung, in eine für die Lehrenden
und Lernenden nicht wünschenswerte Bevormundungsdidaktik münden (können).
Die Gefahr der De-Professionalisierung der Lehrenden (zum Beispiel über zentral be-
reitgestellte Pools von kompetenzorientierten Lern- und Testaufgaben) darf nicht un-
terschätzt werden. Hat die Bildungspolitik etwa kein Vertrauen mehr in die Lehrerbil-
dung, die sie als eine möglichst wenig kostenintensive, an die schwankenden Bedarfe
des Lehrerarbeitsmarkts gekoppelte Ausbildung verstanden wissen will? Werden Leit-
bilder, Bildungsstandards, Kerncurricula, Lernaufgabenpools und Vergleichsarbeiten
womöglich benötigt, um die sich andeutenden Schäden zu reparieren, die durch eine
(ebenfalls) unternehmerisch-marktwirtschaftlich ausgerichtete universitäre Forschung
bzw. Forschungsförderung und eine modularisierte, kompetenzorientierte Lehre be-
reits entstanden sind? Im englischen Sprachraum wird in diesem Zusammenhang, al-
lerdings vor dem Hintergrund eines in vielerlei Hinsicht anderen Bildungs- bzw.
Schulsystems, vor einer gesellschaftlichen Abwertung bzw. vor der ‚Proletarisierung‘
der Sprachlehrberufe gewarnt (vgl. beispielsweise Block 2017, 35).
nisses der vielschichtigen Inkongruenzen, die sich aus dem rasant wahrge-
nommenen Wandel im Bereich der digitalen Technologien und Medien ei-
nerseits, und dem vergleichsweise bedächtigen, unter Praxisgesichtspunkten
womöglich sinnvoll zurückhaltenden Wandel des schulischen Lehrens und
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3
In einer letzten längeren Fn möchte ich hervorheben, dass der Kompetenzbegriff kein
Lernbegriff und eine Kompetenztheorie keine Lerntheorie ist. Die Aufgabenorientie-
rung ist auch keine Lerntheorie, sondern allenfalls eine im Wesentlichen am problem-
lösenden Lernen orientierte Unterrichtstheorie, die in Anbetracht der zahlreichen Fak-
toren, die Einfluss auf das fremdsprachenunterrichtliche Lehren und Lernen nehmen,
keinen Anspruch auf Überlegenheit gegenüber anderen, zum Teil über Jahrhunderte
erprobten und kontrovers diskutierten Unterrichtsansätzen und Verfahrensweisen be-
anspruchen kann. Die angedachte lebensweltliche Nähe, der die Aufgabenorientierung
über sog. real world-tasks nahekommen will, kann bzw. sollte nicht auf einen fortwäh-
renden Prozess der lebensweltlichen Aufgabenbewältigung und Problemlösung redu-
ziert werden, schon gar nicht in einer Zeit, in der viele Menschen von der ihrerseits so
wahrgenommenen, zunehmenden Vereinnahmung ihres Lebens durch (vor allem be-
rufliche) Aufgaben Abstand gewinnen wollen und ihr Dasein anders zu gestalten su-
chen. Es wäre letztlich unrealistisch anzunehmen, eine kompetenz- und aufgabenori-
entierte, auf ausschließlich digitale Lehr-/Lernmedien und -materialien bezogene
Fremdsprachendidaktik könne dem fremdsprachlichen Lehren und Lernen besonders
zuträglich sein. Womöglich verhält es sich genau umgekehrt. Um dies zu klären, be-
darf es einer vorrangig qualitativ ausgerichteten, entideologisierten empirischen For-
schung, in der die Kompetenz-, Standard- bzw. Aufgabenorientierung nicht verabsolu-
tiert wird.
Literatur
Arendt, Ruth/Beile, Werner/Beile-Bowes, Alice et al. (1990): Learning English –
Orange Line 4. Erweiterungskurs. Unterrichtswerk für Gesamtschulen und an-
dere differenzierende Schulformen. Stuttgart: Klett.
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Byram, Michael (1997): Teaching and assessing intercultural communicative com-
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Lutz Küster
1 Vorbemerkung
Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, nach den Herausforderungen zu fragen,
die sich für Schule und Unterricht generell und somit auch für den Fremd-
sprachenunterricht vor dem Hintergrund jener tiefgreifenden gesellschaftli-
chen Veränderungen ergeben, die mit der Verbreitung digitaler Technologie
verbunden sind. Zu den äußerst vielfältigen Möglichkeiten, digitale Medien
für Sprachlern- und -erwerbsprozesse zu nutzen, ist bereits viel geforscht
worden,1 und nicht zuletzt liefert der vorliegende Band hierzu anregende
Beiträge. Der Fokus im Folgenden wird jedoch ein anderer sein. Im Rekurs
auf soziologische Studien und medienpädagogische Positionierungen soll
erörtert werden, welche Werteorientierungen den schulischen Fremdspra-
chenunterricht leiten können und wie diese sich mit fachdidaktischen Zielen,
Inhalten und Verfahren verbinden lassen.
1
Für einen geschichtlichen Rückblick auf die frühen Jahre vgl. Volkmann (2005).
Zu aktuellen Forschungen sei auf den von Torben Schmidt und Nicola Würffel
(2018) betreuten Themenschwerpunt des Heftes 2, 47. Jahrgang, der Zeitschrift
Fremdsprachen Lehren und Lernen verwiesen. Einen wertvollen Überblick über
den Stand der Unterrichtsentwicklungen im Bereich der digitalen Medien liefert
zudem Grünewald (2017, 227-245).
2
In vielerlei Hinsicht polemisch überspitzt, aber dennoch bedenkenswert sind in
meinen Augen die Ausführungen Frank Schirrmachers (2009) in seinem Buch
Payback. Warum wir im Informationszeitalter gezwungen sind zu tun, was wir
nicht tun wollen, und wie wir die Kontrolle über unser Denken zurückgewinnen.
Darin schildert er auf wissenschaftliche Quellen gestützt, wie die Computernut-
zung droht, unsere Gehirn- und Denkstrukturen nachhaltig zu verändern.
3
Ähnliche Zeitdiagnosen entwickelte zuvor bereits Ulrich Beck (1986) in Risikoge-
sellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne.
4
Eine kompakte Einführung in die Grundgedanken des Werks liefern Christian
Helge Peters und Peter Schulz (2017) in der Einleitung eines von ihnen herausge-
gebenen Bandes, in dem soziologische Fachkolleg/inn/en kritisch Stellung zu Re-
sonanz beziehen, ergänzt um eine Antwort Rosas auf die vorgebrachten Kritiken.
Kinder und Jugendliche auf die veränderten und sich stets neu verändern-
den gesellschaftlichen Wirklichkeiten bestmöglich vorzubereiten, muss Auf-
gabe von Schule und Unterricht sein. In einer humanistischen und kritisch-
emanzipatorischen Perspektive kann diese Aufgabe freilich nicht zentral da-
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5
Die Schule müsse, so führt von Hentig (ebd.) aus, „die Schwächen der Medienwelt
[…] aufwiegen“. Diese Schwächen sieht er zum einen in der Tendenz, dass die vir-
tuelle Welt in den Köpfen der Menschen eine eigene Wirklichkeit gewinne, die
sich von der empirisch überprüfbaren Welt deutlich unterscheide, aber wirkmäch-
tiger als diese werde (Symptom „Schein“). Zum anderen kritisiert er die Banalität
und das niedrige Anspruchsniveau massenmedial vermittelter Inhalte (Symptom
„Schrott“) (vgl. ebd.).
6
Stefan Aufenanger (2008) sieht in dieser Disparität die Chance einer intergenera-
tionellen Kooperation, in der die Erwachsenen von den Jungen und diese von den
Erwachsenen lernen. Die Stärken der letzteren verortet er in den „[…] Domänen
des Moralischen, des Sozialen und des Ästhetischen. Wir können“ – so schreibt er
weiter – „der jüngeren Generation zeigen, wie man komplexe Aufgaben struktu-
riert und methodisch geleitet angehen kann, wie man Beurteilungskriterien entwi-
ckelt oder wie man die Kraft des Schönen für Erkenntnisprozesse nutzt“ (ebd.,16
f.).
7
Ich folge darin Honneth (2013), der es gegen neuere Demokratietheorien und mit
Kant, Dewey und Durkheim sowie gestützt auf nicht namentlich genannte empiri-
sche Befunde im Gefolge von PISA (vgl. ebd., 43) als Aufgabe der Institution
Schule erachtet, zu demokratischer Erziehung beizutragen. In diesem Rahmen
führt Honneth zwei vorrangige Herausforderungen an, vor die die demokratische
Öffentlichkeit heute gestellt sei: die digitale Revolution und die wachsende Hete-
rogenität der Bevölkerung (vgl. ebd., 55).
8
Im Gespräch mit dem Wissenschaftsjournalisten Wolfgang Endres erläutert Rosa
in einem Buch mit dem Titel Resonanzpädagogik. Wenn es im Klassenzimmer
knistert (Rosa/Endres 2016) praxisbezogener als zuvor in Resonanz (Rosa 2016,
402-420) seine pädagogischen Vorstellungen, die in vielerlei Hinsicht an Hum-
boldt anschließen, so v.a. wenn Bildung verstanden wird als Klärung von Selbst-
und Weltverhältnissen. Anschaulich stellt er ein „Entfremdungsdreieck“ misslun-
genen Unterrichts einem „Resonanzdreieck“ gegenüber (vgl. Rosa/Endres 2016,
45f.)
9
Die Verbreitung und Ausdifferenzierung sog. diskontinuierlicher Texte stellt
zweifelsohne ein wesentliches Merkmal von Texten im digitalen Zeitalter dar.
Gemeint sind damit im wesentlichen Bild-Schrift-, Ton-Schrift- und Bild-Ton-
Schrift-Kombinationen. Rezeption und Produktion derartig hybrider Texte erfor-
dern andere, weiter gefächerte Literalitäten als jene, die im Rahmen rein schriftba-
sierter Kommunikationsformen geeignet waren und sind. Reckwitz (2017, 235)
unterstreicht dies, wenn er auf die immens gewachsene Bedeutung des Visuellen
in digitaler Kommunikation hinweist.
Literatur
Aufenanger, Stefan (2008): „Quo vadis Medienpädagogik? – Zum Verhältnis von
Medienkompetenz und Jugendmedienschutz“. In: Dörken-Kucharz, Thomas
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Christiane Lütge
- Der digitale Wandel sollte nicht aus einer (rein) technizistischen Per-
spektive gedacht werden, bei der Bildungsprozesse zunehmend quanti-
fizierbar und positivistisch verkürzt werden und eine dualistische Op-
position aus Digitalem und Analogem konstruiert wird.
- Digitalität sollte auch als Thema, nicht nur als technologische Praxis,
eine wichtige Rolle spielen. In der Lehrerbildung allgemein, in der
Fremdsprachenforschung und in den Geisteswissenschaften kann die
Thematisierung des Digitalen als Topos – etwa in der Literatur – Aus-
gangspunkt für medienkritische Reflexionen sein.
than to the way the technology was manipulated to affect achievement (Burs-
ton 2017, 271).
Auch Kukulska-Hulme/Shield (2008, 250) weisen darauf hin, dass „for the
most part uses of mobile devices were pedestrian, uncreative, and repetitive
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and did not take advantage of the mobility, peer connectivity, or advanced
communication features of mobile devices“.
Forschungsmethodologisch ergibt sich so eine gewisse Zirkularität, die
sich folgendermaßen beschreiben lässt: Der Einsatz von digitalen Medien
wird häufig skeptisch gesehen, sein tatsächlicher Nutzen müsse in empiri-
schen Studien erst noch nachgewiesen werden, die wiederum dann oft nicht
vergleichbar sind. Um vergleichbar zu werden, wird der Untersuchungsfokus
auf unterkomplexe und technisch abbildbare Prozesse gelegt, die das innova-
tive Potenzial aber nicht angemessen berücksichtigen, digitale Lerngegen-
stände und Prozesse nicht in ihrer ganzen Bandbreite erfassen. Damit mag –
ungewollt – ein Dualismus aus Digitalem und Analogem weiter verschärft
werden, wenn sich die Forschungszugänge nicht an der jeweiligen Fachspezi-
fik orientieren und die technologische Komponente einseitig überbetonen.
Neue Forschungszugänge – insbesondere in den Fremdsprachendidakti-
ken – sollten z.B. den Blick in die Literaturdidaktik richten, z.B. auf narrative
Texte, etwa hinsichtlich der grundsätzlichen Vergleichbarkeit von Rezepti-
onsmodi von analogen und digitalen Leseangeboten. Interaktives Erzählen
mit digital inszenierter Literatur bewegt sich zwischen zwei Polen (vgl. Da-
widowski 2013):
dabei insbesondere auf, dass „some uses of new technologies lead at most to
an enhancement of education, while other uses lead to real transformation“
(Dudeney/Hockly/Pegrum 2013, 46). Damit kann es auch besser gelingen,
zwischen einer Erweiterung bzw. einer Transformation der Unterrichtsver-
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Auf der Ebene der Transformation finden sich innerhalb des SAMR Modells
wiederum zwei Ebenen:
Ausstattung in den Blick nehmen, sind dabei keineswegs immer dazu ange-
tan, die Ansprüche an fremdsprachliches Lehren und Lernen in der digitalen
Welt angemessen umsetzen zu können, denn dies geht oft einher mit der
„Reduktion einer Idee von Bildung auf die medientechnische Verfügbarkeit
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von Inhalten – auf das, was produzierbar und distribuierbar, planbar und
verwaltbar ist“ (Allert/Asmussen/Richter 2017).
Irritationen hinsichtlich des digitalen Wandels manifestieren sich in viel-
fältigen Abwehrreflexen, die wiederum kritisch hinterfragt werden können
und Herausforderungen für die Lehrerbildung beinhalten:
Für Bildung wird Digitalisierung zuweilen als eine neutrale Plattform zur Ver-
teilung von Lernmaterialien verstanden, während gleichzeitig für andere ge-
sellschaftliche Bereiche erhebliche Transformationen erwartet werden (Al-
lert/Asmussen/Richter 2017).
Daraus ergibt sich eine Reihe von Ansprüchen an die universitäre Lehrerbil-
dung und hier insbesondere an die Fachdidaktiken der Philologien:
Zu lange ist die Diskussion um Bildung und Digitalität entweder aus einem
Abwehrreflex heraus geführt worden oder aus einem indifferenten Bemühen,
eine möglichst große Menge von Daten, Formaten und Texten digital zu er-
fassen und zu sortieren, sich der kleinteiligen, aber auch kleingeistigen Auf-
gabe der Verwaltbarkeit zu widmen statt wirklich Akzente für die Bildung zu
setzen. Die Rolle der Digital Humanities in diesem Prozess mag noch umstrit-
ten sein; wünschenswert erscheint aber in jedem Fall, dass die Fachdidaktiken
der Geisteswissenschaften sich der Diskussion nicht verschließen, Bildungs-
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terricht Englisch 4/2018, 4-7.
Hélène Martinez
1
In Anlehnung an Crabbe (2003).
chenunterricht implizieren. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn Lerner durch
Online-Spiele oder Tutorials außerhalb des Klassenzimmers informell und
inzidentell lernen und so ihre fremdsprachlichen Kompetenzen erweitern,
dieser Prozess und das Lernergebnis aber nicht als Gegenstand des Fremd-
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neuen Lerngelegenheiten suchen wird. (vgl. Crabbe 2003, 20). Die Wahrneh-
mung und effektive Nutzung von (digitalen) Lerngelegenheiten bedarf der
Unterstützung seitens der Lehrkraft im Sinne von Scaffolding und eröffnet
neue Aufgabenfelder.
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sätzliche Komponenten in den [Lehr- und: HM] Lernprozess, die gelernt, be-
herrscht und orchestriert bzw. integriert werden müssen (Baum-
gartner/Herber 2013, 331).
Die Fremdsprachenforschung hat z.B. vereinzelt Vorteile der informellen
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2
Das SAMR-Modell nach Puentedura (2006) kann im Hinblick auf die Gestaltung
von Aufgaben eine gute Hilfestellung sein.
3
Ferrari (2012, 3f.) spricht von „[a] set of knowledge, skills, attitudes (thus includ-
ing abilities, strategies, values and awareness) that are required when using ICT
and digital media to perform tasks; solve problems; communicate; manage infor-
mation; collaborate; create and share content; and build knowledge […] for work,
leisure, participation, learning, socialising, consuming, and empowerment“.
schenden Lernens und Lehrens und beruhen auf der Annahme, dass die Ent-
wicklung der (Selbst-)Reflexion im Sinne von reflective teaching bzw. learning
von grundlegender Bedeutung für die Professionalisierung von (angehenden)
Lehrkräften ist. Sie binden gezielt Elemente der empirischen Forschung sowie
der Handlungsforschung ein.
Am Institut für Romanistik der Justus-Liebig-Universität Gießen besteht
seit mehreren Jahren die Möglichkeit, eine Veranstaltung dieser Art anzubie-
ten. Insgesamt zeigt die Evaluation der projektorientierten bzw. aufgabenori-
entierten Seminare, dass die Studierenden das mediendidaktische Lehrange-
bot grundsätzlich begrüßen, zum Teil aufgrund einer gewissen Unsicherheit
in Bezug auf die Arbeit mit digitalen Medien im Fremdsprachenunterricht
und weil ihnen natürlich bewusst ist, dass der routinierte Umgang damit in
der heutigen Zeit unabdingbar ist und somit auch Bestandteil der Lehreraus-
bildung sein sollte. Die Evaluation der Projektseminare macht deutlich, dass
die Verbindung zwischen Theorie und Praxis fruchtbare Ergebnisse fördert
und zu einer differenzierten und reflektierten Einstellung im Umgang mit
digitalen Medien führt. Bei der Umsetzung der jeweiligen Projekte wurde
deutlich, dass die Beschäftigung mit Digitalisierung und der Implementierung
im Französisch- und Spanischunterricht zwar ein komplexes Unterfangen ist,
dass sich der Aufwand aber lohnt.
Die Lehrkräfte – und die Schüler – stehen diesen Experimenten bisher
sehr offen gegenüber und die Zusammenarbeit zwischen ihnen und den Stu-
dierenden hat sich als positiv erwiesen. Eine Vorstellung aller in den Franzö-
sisch- und Spanischklassen durchgeführten Projekte, zu der auch die am Pro-
jekt beteiligten Lehrkräfte eingeladen werden, findet am Ende des jeweiligen
Seminars statt. In diesem Rahmen entstand die Idee, gemeinsam mit den
Studierenden ein Weiterbildungsangebot zu organisieren. So fand in diesem
Jahr ein von den Studierenden durchgeführter Workshop für die am Projekt
beteiligten Lehrkräfte statt. Dieses Veranstaltungsformat wurde gleicherma-
ßen als informativ und praxisorientiert und damit als ausgesprochen nützlich
für alle Beteiligten empfunden. Im Sinne einer systematischen Sozialisierung
neuerer Entwicklungen in Form einer digitalen Plattform und unter Berück-
sichtigung des Potenzials neuer Kommunikationsformen und -wege ist mo-
mentan eine Homepage für eine Archivierung der mediengestützten Aufga-
ben in Arbeit, so dass die erstellten Aufgaben in die Konzeption von
Folgeseminaren integriert und eventuell auch Lehrkräften zur Verfügung
gestellt werden können. Darüber hinaus sind aus dem Workshop didaktische
Tutorials für die Lehrkräfte entstanden.
4 Leitbild für digitales Lehren und Lernen: Chance, das Lernen und
Lehren von Fremdsprachen in neuen Dimensionen zu erfassen
Untersuchungen zum Einsatz digitaler Medien legen den Schluss nahe, dass
entscheidende Kriterien die Art und Weise, die didaktische Funktionalität
und die Passung zu der jeweiligen Lernsituation sind.
Ein Leitbild ist zunächst als Korrektiv bzw. Maßnahme zu sehen gegen ei-
ne blinde Euphorie der „Verdigitalisierung“4 des Klassenzimmers und not-
wendig als Plädoyer für einen reflektierten und undogmatischen Umgang mit
digitalen Medien im Fremdsprachenunterricht. Zum Beispiel, wenn digitale
Medien als Selbstweck definiert werden oder als Ersatz für Lehrkräfte im Sin-
ne einer (digitalen) Lehrmaschine. „Ein vollständiger digitaler Unterricht, in
dem ich im schlimmsten Fall keinen Lehrer mehr brauche, sondern eine
Software – das ist weder realistisch noch wünschenswert“ (Tobien/Wegener
2019).
Ein reflektierter und undogmatischer Umgang mit digitalen Medien geht
mit dem „Primat der Pädagogik“ einher: Der Mehrwert der Digitalisierung im
Fremdsprachenunterricht muss sich an den didaktischen Zielen messen und
nicht an der technischen Umsetzung.
Nicht zuletzt erscheint ein Leitbild notwendig, um nicht nur auf gesell-
schaftliche und bildungspolitische Impulse und Forderungen (KMK 2016;
BMBF 2016) zu reagieren, sondern als didaktische Disziplin bewusst agieren
zu können. Zurzeit entstehen im Zug der aktuellen Medienkonzept-Initiative,
bei der alle Schulen aufgefordert sind, Medienkompetenz-Curricula zu erstel-
len und einzuhalten, erste Curricula. Der Medienkompetenz-Rahmen von
NRW findet z.B. über die Verlage Verbreitung. Bis nationale Standards ent-
4
In Anlehnung an den Begriff „Vercomputerisierung“ (Focus Online, Nr. 36, 2002).
https://www.focus.de/digital/internet/internet-blinde-euphorie_
aid_204369.html (15/04/2019).
stehen, ist es eine Frage der Zeit (vgl. KMK 2016). Es ist daher wichtig, dass
sich die Fremdsprachendidaktik als Disziplin über eigene Grundprinzipien
und Handlungsziele (eigentlich über das eigene Selbstverständnis) verständigt
und dass sie Ziele und Wege der Förderung von Digitalisierung im Hinblick
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Zurück in die analoge Welt – Fazit und Ausblick: Annabelle lernt Englisch
als 1. Fremdsprache und Französisch als 2. Fremdsprache in einer deutschen
Schule in Hessen. Sie plant ihre 10. Klasse im Ausland zu verbringen, höchst-
wahrscheinlich in Australien. Auf die Frage, warum denn Australien und
nicht ein französischsprachiges Land, antwortet sie, dass sie im Englischen
flüssiger und sicherer sei, weil sie neben dem Unterricht Filme, Tutorials etc.
im Internet schaue und das Englische so viel präsenter sei. Ihr Fall ist selbst-
verständlich nicht repräsentativ, aber er veranschaulicht, dass digitale Oppor-
tunities außerhalb des Französischunterrichts offensichtlich nicht ausrei-
chend wahrgenommen, vielleicht auch im Unterricht ungenügend
thematisiert werden. Der Beitrag diskutiert daher bewusst digitale Potenziale
und Lerngelegenheiten und skizziert Eckpunkte eines Frameworks for learn-
ing opportunities.
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Nicole Marx
Lizenziert durch Bergische Universität Wuppertal, abgerufen von anonymous am 05.02.2024 um 03:15 Uhr von IP 132.195.2.248
ten näher erläutert werden. Das Schreiben eignet sich in diesem Zusammen-
hang besonders gut, weil es „die selbstständige Produktion von kommunika-
tiv angemessenen und inhaltlich bedeutungsvollen Texten“ (Bachmann/
Becker-Mrotzek 2017, 25-26) erfordert und somit eine echte, geplante,
sprachlich-kommunikative Tätigkeit darstellt, die über den Einsatz vorgefer-
tigter Formulierungen hinausgeht. Dabei werden einzelne, exemplarische
Schreibaufgaben als besonderer Gegenstand des Fremdsprachenunterrichts
beispielhaft diskutiert.
Der digitale Wandel hat neue schriftliche Textsorten ins Leben gerufen,
die beim Aufkommen des kommunikativen Ansatzes kaum vorhergesehen
werden konnten. Besonders in Bezug auf Social Media sorgen diese Formen
für Aufsehen. Hierzu zählen Formate, die auch im (privaten) Alltag stark
präsent sind, u.a. SMS und weitere Kurznachrichtendienste (WhatsApp,
Twitter etc.) sowie E-Mails, aber auch Blogbeiträge, themenbezogene Text-
sammlungen wie in Wikipedia oder persönliche Vorstellungstexte in Partner-
schaftsbörsen. (Instagram, Pinterest und Co. zähle ich hier nicht zu den neu-
en Textsorten, da sie fast ausschließlich bildbasiert sind und außer der
Verwendung von Hashtags kaum einer sprachlichen Form bedürfen.) Eine
Sichtung von fünf derzeit eingesetzten DaF-Lehrwerken1 für Jugendliche und
Erwachsene zeigt, dass solche Textformen einen nicht unwesentlichen Einzug
in Schreibaufgaben eingenommen haben. Hierbei sind am häufigsten
E-Mails, Foren- und Blogbeiträge und Kurznachrichten zu verzeichnen.
Zunächst zu den E-Mails. Schon in Lehrwerken, die das Niveau A1 zum
Ziel haben, werden E-Mails als Textsorte in Aufgaben präsentiert. Diese Form
steht eindeutig hoch im Kurs. Unter den vielen echten Schreibaufträgen
kommt das „Vorgängermodell“ Brief (bzw. Postkarte) zwar noch vor – nur
seltener. So liegt das Verhältnis der Textsorten Brief bzw. Postkarte zu
E-Mails (bzw. „Chatnachrichten“, sofern diese in der Aufgabenstellung als
diachrone Kommunikationsform präsentiert werden) in den Lehr- und Ar-
beitsbüchern auf den GeRS-A-Niveaus in den Lehrwerken Prima und Schritte
international bei 1:4. Damit ist immer noch keine authentische Verteilung
erreicht, dennoch beachten Lehrwerke ohne Zweifel diese häufigen Kommu-
nikationsformen.
Was sie jedoch offensichtlich wenig beachten, sind die wesentlichen Cha-
rakteristika von E-Mails. Der dialogisch-kommunikative Anlass, die Erwar-
1
Um das Literaturverzeichnis nicht zu überfrachten seien hier nur die Lehrwerkti-
tel kurz genannt: Prima A1, A2; Schritte international, A1, A2; Menschen, A1, A2,
B1; Aspekte neu B1, B2, C1; Sicher!, B1, B2, C1, jeweils Kurs- und Arbeitsbücher.
hält (u.a. Schritte international A1.2, Arbeitsbuch, S. 137; Aspekte neu B2,
Lehr- und Arbeitsbuch 2, Teil 1, S. 34). Diese Textsorte hat aus unterschiedli-
chen Gründen in den letzten Jahren im Alltag besonders an Bedeutung ge-
wonnen und ist zumindest in Deutschland v.a. bei der Nutzung von Diensten
wie WhatsApp, Telegramm oder Facebook Messenger sehr beliebt (so nutzen
95% aller Jugendlichen zwischen 12-19 Jahren in Deutschland 2018
WhatsApp mehrmals pro Woche, s. Medienpädagogischer Forschungsver-
bund Südwest, o.J.). Hier ist nicht nur eine multimodale Vermittlung von
Inhalten möglich (neben Text und diversen Emojis auch Bild-, Ton- und
Videoaufnahmen), sondern auch eine gleichzeitige Vermittlung von für eine
spezifische Zielgruppe intendierten Mitteilungen als Gruppennachricht. Cha-
rakteristisch hierfür sind eine (tendenzielle, auch dies löst sich derzeit auf)
extreme Kürze sowie ein enger intertextueller Bezug. Auch hier zeigt sich,
dass die Aufgaben und Musterbeispiele wenig an authentische Kommunikati-
onsformen erinnern. So sollen u.U. Anrede und Schlussformel formuliert,
syntaktisch vollständige Sätze verfasst und z.T. ausführliche Argumente ein-
geführt werden. Noch problematischer erscheint im Kontext des Fremdspra-
chenunterrichts das recht diffuse Lernziel. Handelt es sich um das Üben von
spezifischen sprachlichen Handlungen wie Absprachen/Verabredungen und
entsprechendem Wortschatz auf noch sehr niedrigen Sprachniveaus, ist der
wenig authentische Einsatz ggf. noch zu verzeihen. Als Schreibanlass mit dem
Ziel des Kennenlernens neuer Formate bzw. des Ausbaus neuer oder von der
Erstsprache divergierender Textsorten und Textmuster ist sie aber ungeeig-
net. Sie bietet erstens zu wenig sprachliches Material, um eine vertiefte Ausei-
nandersetzung mit sprachlichen Mitteln zu ermöglichen. Zweitens täuscht sie
Lernenden eine Textform vor, die es weder im Deutschen noch (vermutlich)
in der Erstsprache gibt. Das liegt darin begründet, dass Kurznachrichten fak-
tisch nur mit Personen getauscht werden, zu denen wenig (physische sowie
i.d.R. emotionale) Distanz besteht. Schreiben Lernende also Nachrichten
dieser Art, dann handelt es sich um eine Situation, bei der sie im Zielspra-
chenland mit Bekannten (meist Freunden) kommunizieren – und just die
damit verbundenen Spezifika sind am besten in der eigentlichen Situation
von echten Akteuren zu erlernen.
Resümierend werden bei den genannten Textsorten im Fremdsprachen-
unterricht v.a. drei Kritikpunkte evident. Erstens scheinen diese höchstens
traditionellen Formaten zu entsprechen und die vielfältigen Möglichkeiten
genauso wie die spezifischen Charakteristika echter digitaler Medien außer
Acht zu lassen. Damit wird eine Digitalisierung vorgetäuscht, die bestenfalls
an der Sache vorbei unterrichtet, schlimmstenfalls ein falsches Verständnis
der Charakteristika dieser Formate zur Folge hat. Sie kommen somit nicht
über die erste Ebene der Substitution hinaus. Weiter: Auch diese erste Ebene
wird zweitens in den oben besprochenen Tendenzen und Beispielen nicht
erreicht, denn Lernende werden nicht nur mit keinen neuen Funktionen und
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Formen konfrontiert – sie üben sich auch nicht in den Neuen Medien. Die
digitale Technologie kommt im Großteil der Beispiele nicht einmal zum Ein-
satz, sondern es wird nur so getan, als ob man am Rechner sitzen würde, als
ob man eine Kurznachricht schreiben würde, als ob man sich im Forum in-
formieren und austauschen würde. Und drittens ist die Funktion bestimmter
Textsorten im Fremdsprachenunterricht überhaupt fraglich. Ein Blog, ein
Forumsbeitrag, eine Kurznachricht oder eine E-Mail erfordern eine für Ler-
nende ersichtliche, zumindest potenzielle und zudem öffentliche Interaktivi-
tät, gar Dialogizität, in einer digitalen Umgebung. Und gerade das wird bei
den untersuchten Lehrmaterialien nicht evident.
5 Fazit
Der digitale Wandel birgt nach wie vor viel Potenzial für den Fremdspra-
chenunterricht. Neue Lernumgebungen, neue Gegenstände und neue Medien
führen dazu, dass diverse, auch noch vor wenigen Jahren kaum denkbare
Aktivitäten in den Unterricht gelangen (können). Bei aller Begeisterung gilt
jedoch, dass Lernende genau dies bleiben: Lernende. Sie sollen sich also mit
Inhalten, Formen, Funktionen, Registern usw. auseinandersetzen, die sie
noch nicht (oder noch nicht ausreichend) kennen (Fandrych sowie Funk in
diesem Band). Und sie sollen dies in solchen Situationen erfahren, die mög-
lichst funktional angemessen sind, so dass ein passender Sprachgebrauch
gefördert wird. Dazu gehört, dass digitale Textsorten möglichst auch digital
erstellt und ausgetauscht werden sollen und dass die Nutzung Digitaler Medi-
en i.S. z.B. des SAMR-Modells reflektiert wird. Wie Warschauer und Healey
bereits vor über 20 Jahren formulierten: „the question might become less
‘what is the role of information technology in the language classroom’ and
more ‘what is the role of the language classroom in the infornation [sic] tech-
nology society’” (1998, 11) – und wie sich beide Aspekte gerecht werden.
Literatur
Bachmann, Thomas/Becker-Mrotzek, Michael (2017): „Schreibkompetenz und
Textproduktion modellieren“. In: Becker-Mrotzek, Michael/Grabowski,
Joachim/Steinhoff, Torsten (Hrsg.): Forschungshandbuch empirische Schreib-
didaktik. Münster: Waxmann, 25-53.
Bär, Marcus (in diesem Band): „Fremdsprachenlehren und -lernen in Zeiten des
digitalen Wandels. Chancen und Herausforderungen aus fremdsprachendi-
daktischer Sicht“, 12-23.
Blume, Carolyn/Schmidt, Torben (2017): „One size fits none: Adaptivity in digital
games for language learning“. In: Appel, Joachim/Jeuk, Stefan/Mertens, Jür-
gen (Hrsg.): Sprachen Lehren: 26. Kongress der Deutschen Gesellschaft für
Fremdsprachenforschung in Ludwigsburg, 30. September 2015 – 3. Oktober
2015: Kongressband. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, 53-68.
Burwitz-Melzer, Eva (in diesem Band): „The global village strikes back: Digitaler
Wandel und interkulturelles Lernen im Fremdsprachenunterricht“, 34-45.
Duden (2015): Duden Deutsches Universalwörterbuch. Berlin: Dudenverlag.
Fandrych, Christian (in diesem Band): „Die Transformation sprachlich-
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Grit Mehlhorn
1 Einleitung
Medienkompetenz gilt in der heutigen Welt zunehmender Digitalisierung als
Schlüsselqualifikation der Informationsgesellschaft. Sie ist für einen erfolgrei-
chen Bildungs- und Berufsweg unabdingbar und betrifft auch das Fremdspra-
chenlernen. In Deutschland verständigten sich die Bundesländer im Jahre
2016 auf einen verbindlichen Rahmen „Bildung in der digitalen Welt“ und
verpflichteten sich, dafür Sorge zu tragen, dass alle Schülerinnen und Schüler
(SuS), die zum Schuljahr 2018/2019 in die Grundschule eingeschult werden
oder in die Sek I eintreten, bis zum Ende der Pflichtschulzeit die in diesem
Rahmen formulierten Kompetenzen erreichen können (KMK 2016, 18). Der
Erwerb der postulierten Kompetenzen durch die Lernenden setzt voraus, dass
die Lehrkräfte selbst über die nötigen digitalen Kompetenzen verfügen (Eu-
ropäische Union 2017), was jedoch auch bei der jungen Generation der Leh-
renden nicht ohne Weiteres automatisch vorausgesetzt werden kann. So for-
muliert die „Strategie zur Digitalisierung in der Hochschulbildung“ (SMWK
2018) als Lernziel für Studierende u.a. den „Erwerb von notwendigen Kompe-
tenzen für eine digital geprägte Arbeitswelt“ (ebd., 6).
Neben den fächerübergreifenden Medienkompetenzen, die Lehrpersonen
aller Fächer besitzen sollen, ist es wichtig, insbesondere aus der Fachperspek-
tive zu wissen, wie Medien eingesetzt werden können, damit das Lernen eines
konkreten Unterrichtsfaches unterstützt und gefördert wird (vgl. GFD 2018).
Kenntnisse in Bezug auf die Nutzung moderner Medien im Fremdsprachen-
unterricht gehören zu den fachspezifischen Kompetenzen von Fremdspra-
chenlehrenden (vgl. KMK 2017, 44-46) und sollten daher auch im Fokus der
Russischlehrerausbildung stehen (vgl. Wapenhans 2014, 257).
Medienkompetenz wird in der Regel als ein mehrdimensionales Konstrukt
aufgefasst. Die aktuellen Definitionen (u.v.a. Grünewald 2017) gehen auf
Baacke (1997) zurück, der vier verschiedene Dimensionen von Medienbil-
dung herausstellte: Medienkunde, -nutzung, -gestaltung und -kritik. Für die
Russischlehrerausbildung stellen die Bereiche technische Medienkompetenz,
kritische Medienkompetenz sowie die Mediennutzung für den Russischunter-
richt und die eigene Fortbildung wichtige Schwerpunkte dar. Diese lassen sich
1. Umgang mit Hard- und Software sowie webbasierten Diensten zum Spra-
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1
Die Metapher der digital Natives bezieht sich auf den technischen Aspekt der
Medienkompetenz, da die junge Generation mit digitalen Medien aufgewachsen
ist und diesbezüglich keine Berührungsängste hat. Im Bereich der kritischen Me-
dienkompetenz haben jedoch sowohl SuS als auch Studierende Lernbedarf.
verkürzt wird. Hier wäre ein differenzierterer Blick auf verschiedene Qualitä-
ten des Lernens mit digitalen Medien (vgl. das „Lernen 4.0“ bei Zierer 2018)
nötig.
Im Gegensatz zum Englischen spielen die zweiten und dritten Fremdspra-
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Digitale Formate eignen sich insbesondere dann, wenn die SuS unter hoher
kognitiver und sozialer Vernetzung arbeiten, wenn die Bearbeitung einer
Aufgabe mehrere Personen involviert und deren Ideen und Gedanken aufge-
griffen werden (vgl. Zierer 2018, 37).
len, was häufig dazu führt, dass das dort verwendete Register auch auf Text-
sorten übertragen wird, in denen eher Bildungssprache erwartet wird. Der
massive Wandel in der Sprachverwendung und die Veränderungen von
Sprachnormen durch den Einfluss der digitalen Medien betreffen jedoch den
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Input von Fremdsprachenlernenden generell und müssten auch bei der Be-
wertung von Lernertexten berücksichtigt werden. Fachdidaktische Überle-
gungen hierzu stehen noch ganz am Anfang und sollten viel stärker diskutiert
werden (vgl. dazu auch Fandrych in diesem Band).
Medienkompetenz muss auch in fachdidaktischen Veranstaltungen ver-
mittelt werden, denn für eine Erziehung der SuS zu kundigen und mündigen
Bürgern ist ein sicherer und reflektierter Umgang mit digitalen Medien durch
die Lehrkräfte Voraussetzung. Angehende Lehrende sollten in der Lage sein,
sowohl das Potenzial als auch die Grenzen von fertigen Online-Materialien,
Lernspielen und Webtools wie LearningApps, Kahoot® und Flashcard Maker®
(vgl. Busch 2018; Strasser 2018) für den Fremdsprachenunterricht einschät-
zen zu können.
Die Ergebnisse maschineller Übersetzung durch Online-Dienste wie
Google-Übersetzer und DeepL wurden in jüngster Zeit stark verbessert, sind
jedoch für die morphologisch komplexen slawischen Sprachen längst noch
nicht so weit ausgereift wie bspw. das Englische. Die bisher stark begrenzten
Möglichkeiten, mithilfe künstlicher Intelligenz Informationen z.B. zum Ge-
nus aus Ausgangstexten zu entnehmen, führen bei der Online-Übersetzung
regelmäßig zu gravierenden Fehlern etwa bei der pronominalen Aufnahme
zuvor eingeführter Referenten. Die Fehlerkorrektur automatisch ins Russi-
sche übersetzter Texte wird auch auf absehbare Zeit von Menschen vorge-
nommen werden müssen. Eine kritische Auseinandersetzung mit maschinel-
len Übersetzungsprodukten in der Lehrerausbildung kann Sprachbewusstheit
anbahnen und dazu beitragen, Grenzen von Online-Diensten zu erkennen
und ihre Potenziale reflektierter zu nutzen. Das erfordert jedoch ein Umden-
ken auch in Bezug auf die zu erreichenden Lernziele für den schulischen
Fremdsprachenunterricht: SuS sollten in die Lage versetzt werden, Online-
Wörterbücher, Korpora und auch Übersetzungsdienste strategisch sinnvoll
für ihre Sprachproduktion zu nutzen, in Zweifelsfällen alternative Nachschla-
gewerke zu Rate ziehen, verschiedene Übersetzungsvorschläge kritisch ver-
gleichen und einschätzen lernen, welchen Quellen sie eher vertrauen können.
Das müsste auch dringend mit einer Veränderung der bisherigen standardi-
sierten, analogen Prüfungskultur einhergehen, insbesondere bei den Forma-
ten der schriftlichen Sprachmittlung, die weit von der außerschulischen Pa-
rallelwelt der Lernenden entfernt ist (vgl. auch das kritische Hinterfragen der
Authentizität digitaler Aufgabenformate in Lehrwerken bei Marx in diesem
Band).
5 Forschungszugänge
Konzeptionelle Änderungen in der Fremdsprachendidaktik erfordern pas-
sende Forschungszugänge. Untersuchungen zum Mediennutzungsverhalten
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von Jugendlichen wie die JIM-Studie geben Hinweise darauf, wie man durch
die Digitalisierung des Unterrichts an die Lebenswelt von SuS anknüpfen
kann. Experimente wie die von Mueller und Oppenheimer (2014) „The pen is
mightier than the keyboard“ verdeutlichen, in welchen Bereichen des Lern-
prozesses eine unreflektierte Mediennutzung sich als kontraproduktiv er-
weist. Im Bereich der adaptiven Technologien lohnt sich Forschung zu Mög-
lichkeiten der Binnendifferenzierung und Individualisierung beim
Fremdsprachenlernen (vgl. Würffel 2017, 134-136).2 Entwicklungsforschung
ist dringend geboten, auch um digitale Angebote in Lehrwerken zu verbessern
(vgl. Schmidt in diesem Band). Hilfreich wäre eine Art Typologie der digita-
len Ressourcen mit begründeten Einschätzungen, was welche Arten von Me-
dien und digitalen Werkzeugen für den Fremdsprachenunterricht leisten
können und wie sinnvolle Lernszenarien mit digitalen Medien gestaltet wer-
den sollten. Aber auch Bestandsaufnahmen zu den Medienkompetenzen und
Einstellungen (angehender) Lehrender zur Digitalisierung im Unterricht sind
erforderlich. Die Studie „Schule digital“ (Vodafone Stiftung 2017) zeigt eine
distanzierte Haltung von Lehrenden zu digitalen Medien im Unterricht, die
offensichtlich auch mit Unsicherheiten bzgl. der Medienkompetenzen der
Lehrpersonen zu tun hat (vgl. Gailberger 2018a, 26).
Drackert et al. (erscheint) haben im Sommersemester 2018 (jeweils zu Se-
mesterbeginn und Semesterende) in einer Online-Fragebogenstudie Studie-
rende des Lehramts Russisch an drei Ausbildungsstandorten (Berlin, Bo-
chum, Leipzig) zu ihren Medienkompetenzen befragt. Ziel der Studie war eine
Bestandsaufnahme der Medienkompetenzen angehender Russischlehrender,
um eine evidenzbasierte Entscheidung darüber zu ermöglichen, welche Kom-
petenzen in den Vordergrund der Ausbildung gerückt werden sollen. Außer-
dem sollte untersucht werden, was in unterschiedlichen Ausbildungskontex-
ten im Laufe eines Semesters an Zuwachs im Bereich der
Medienkompetenzen erreicht werden kann. Insgesamt waren v.a. bei der
kritischen Medienkompetenz Zuwächse zu verzeichnen. Ihre Fähigkeit zur
Einschätzung von Texten und Materialien sowie der Authentizität von Quel-
len konnten die Studierenden während des Semesters ausbauen. Lernbedarf
2
Abgesehen von forschungsethischen Fragen halte ich es jedoch in Bezug auf die
Lernerautonomie für bedenklich, wenn selbstlernende Systeme die Selbststeue-
rung von Lernenden einschränken, indem sie die Lernziele oder die nächste zu er-
reichende Stufe vorgeben und gleichzeitig alternative Lernwege und -ziele aus-
schließen. Inwieweit und unter welchen Bedingungen man mit adaptiven
Technologien tatsächlich selbstgesteuert lernen kann, wäre ein weiteres interes-
santes Forschungsfeld.
tenz. Einige Studierende sind jedoch davon überzeugt, dass bestimmte Berei-
che der Medienkompetenz für den schulischen Russischunterricht irrelevant
sind.
Im Sinne der kritischen Medienkompetenz ist es notwendig, dass Fremd-
sprachenlehrende Kommentare anderer Internetnutzer auf diversen Platt-
formen und in sozialen Medien bezüglich ihrer Relevanz, Aussagekraft und
ihres Wahrheitsgehalts einschätzen können. Wenn die SuS sich im russischen
Internet bewegen, sollten sie wissen, welche Quellen als vertrauenswürdig
gelten, wie sie Werbung umgehen können, welche Online-Wörterbücher
besser als andere geeignet sind, und die Russischlehrkraft sollte ihnen dieses
Wissen vermitteln können.
Die erwähnte Befragung zu den Medienkompetenzen (Drackert et al. er-
scheint) könnte longitudinal über einen längeren Studienabschnitt sowie auf
weitere Fremdsprachen bzw. Lehramtsfächer ausgeweitet werden. Gerade in
Bezug auf Digitalisierung bieten sich gemeinsame hochschulübergreifende
Projekte in der Lehrerausbildung an. So konnten die Befragten der drei Aus-
bildungsstandorte der o.g. Studie im Folgesemester gemeinsam an einem
Webinar zu „interaktiven Helfern“ im Russischunterricht teilnehmen. Die
Liste der Studierenden in Bezug auf wünschenswerte Medienkompetenzen
kann ein Ausgangspunkt für die systematische Medienkompetenzvermittlung
in der Russischlehrerausbildung sein. Beispielsweise haben die Leipziger Stu-
dierenden des Moduls „Didaktik der slawischen Sprachen 3“ im Sinne der
alternativen Methode Lernen durch Lehren (LdL) im Laufe des Wintersemes-
ters 2018/19 jeweils eine kleine Mini-Präsentation von 3-5 min übernommen,
in der sie ihren Kommilitonen eine Medienteilkompetenz vorgestellt und
vermittelt haben, die sie sich selbst vor kurzem angeeignet haben, bspw. die
Ergänzung eines Wikipedia-Eintrags mit Bezug zur russischen Sprache, die
Erstellung eines Lexikoneintrags einer bisher noch fehlenden Vokabel in ei-
nem Online-Wörterbuch, das Hinzufügen von Untertiteln zu einem russi-
schen Trickfilm, die Erstellung eines Lernvideos für den Russischunterricht
u.v.m. Im Rahmen des Seminars wurden Online-Übungen auf der Plattform
https://learningapps.org analysiert und die Studierenden erstellten selbst eine
solche Übung mit einem konkreten Lernziel für den Russischunterricht.
Schließlich wurden die Dozentinnen durch die Ergebnisse der Erhebung stär-
ker für die Lernbedürfnisse ihrer Studierenden im Bereich Medienkompetenz
sensibilisiert. Ein einziges Seminar allein kann diese Querschnittsaufgabe für
die Lehrerausbildung jedoch nicht bewältigen; Medienkompetenzen sollten in
allen Veranstaltungen der Russischdidaktik und der Fachwissenschaften mit-
gedacht und weiterentwickelt werden.
Literatur
Akiyama, Yuka/Cunningham, D. Joseph (2018): „Synthesizing the practice of
SCMC-based telecollaboration: A scoping review“. In: Calico Journal (Compu-
ter Assisted Language Instruction Consortium) 35/1, 49-76.
Altrichter, Herbert/Posch, Peter/Spann, Harald (2018): Lehrerinnen und Lehrer
erforschen ihren Unterricht (5. Aufl.). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Baacke, Dieter (1997): Medienpädagogik. Tübingen: Niemeyer.
Bos, Wilfried/Eickelmann, Birgit/Gerick, Julia/Goldhammer, Frank/Schaumburg,
Heike/Schwippert, Knut/Senkbeil, Martin/Schulz-Zander, Renate/Wendt,
Schmidt, Torben (in diesem Band): „Digitally empowered teaching and learning –
Kompetente Fremdsprachenlehrkräfte + intelligente Technologie“, 228-236.
SMWK – Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (2018): Strategie zur
Digitalisierung in der Hochschulbildung.studieren.sachsen.de/download/Stra
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tegiepapier_Digitalisierung.pdf (14/4/2019).
Strasser, Thomas (2018): Mind the App! 2.0. Inspiring internet tools and activities
to engage your students (The Resourceful Teacher Series). Esslingen: Helbling.
Vodafone Stiftung Deutschland (Hrsg.) (2017): Wie lernen Lehrer? Eine Umfrage
unter Lehrerinnen und Lehrern zu ihrem eigenen Lernverhalten. Düsseldorf.
Wapenhans, Heike (2014): „Medieneinsatz im Russischunterricht“. In: Berg-
mann, Anka (Hrsg.): Fachdidaktik Russisch. Eine Einführung. Tübingen: Narr,
253-265.
Würffel, Nicola (2017): „Differenzierung fördern mit digitalen Medien. Neue und
weniger neue Ansätze für den Einsatz digitaler Medien im DaF/DaZ-
Unterricht“. In: Peyer, Elisabeth/Studer, Thomas/Thonhauser, Ingo (Hrsg.):
Internationale Deutschlehrertagung IDT 2017. Band 1: Hauptvorträge. Berlin:
Erich Schmidt, 123-138.
Zierer, Klaus (2018): Lernen 4.0. Pädagogik vor Technik. Möglichkeiten und Gren-
zen einer Digitalisierung im Bildungsbereich. Baltmannsweiler: Schneider.
Claudia Riemer
Vorbemerkung
Mein Beitrag reflektiert und antizipiert die Bedeutung des digitalen Wandels
für unsere wissenschaftliche Disziplin – auf der Basis vorwissenschaftlicher
Behauptung, Spekulation sowie erfahrungsbasierter Episoden und Beobach-
tungen in einer Arbeits- und Kommunikationswelt, in der durch Digitalisie-
rung sämtliche Lebensbereiche einem grundsätzlichen Wandel zu unterliegen
scheinen. Dies hat mich zur Frage verleitet, wer in 20 (?) Jahren noch Fremd-
sprachen lernen wird. Ist (schulisches) Fremdsprachenlernen dann noch so
verbreitet wie heute oder durch Technologie breit ersetzt und/oder nur mehr
auf spezifische Privatinteressen, hochspezialisierte Berufe oder vereinzelte
Domänen (z.B. in Kultur und Wissenschaft) beschränkt? Das, was ich für die
Zukunft des Fremdsprachenlernens und des Fremdsprachengebrauchs anti-
zipiere, lässt sich derzeit (noch?) nicht bzw. erst in frühen Ansätzen beobach-
ten (und daher nicht erforschen), weder in der durch rasanten technologi-
schen Fortschritt gekennzeichneten Welt der Kommunikation und
Datenanalyse noch im real existierenden Fremdsprachenunterricht.
Als wir uns in der mit kostbaren analogen Artefakten ausgestatteten ehr-
würdigen Bibliothek des Schlosses Rauischholzhausen im Februar 2018 auf
das Thema der Frühjahrskonferenz 2019 einigten, skizzierte ich in Gedanken
bereits diesen Beitrag, der von der schönen neuen Welt der Möglichkeiten
eines durch digitale Hilfsmittel angereicherten lernerorientierten und diversi-
tätssensiblen Fremdsprachenunterrichts und von einer Welt des Fremdspra-
chenlernens handeln sollte, in der die Kinderkrankheiten und unbeabsichtig-
ten Nebenwirkungen von frühem CALL und Nachfolgetechnologien
zunehmend überwunden werden. Ein Beitrag sollte es werden, der von einem
Fremdsprachenlernen handelt, das die engen Grenzen von durch Klassen-
zimmer und Lehrwerke zur Verfügung gestellten Lernräumen sowie Lern-
und Kommunikationsangeboten endgültig verlässt und die Lebenswirklich-
keit, Interessen sowie Ambitionen von L2-Lerner*innen angemessener be-
rücksichtigt, als dies heute in der Regel geschieht und/oder möglich ist. Das
ganze Jahr hinweg sammelte ich immer wieder Beiträge von Kolleg*innen, die
sich in diesem Feld viel besser auskennen und z.T. äußerst kreative und inno-
vative Vorschläge zur Nutzung digitaler Werkzeuge, Plattformen, sozialer
Netzwerke und multimodaler Texte zum Fremdsprachenlernen und zur Ver-
besserung der Fremdsprachenvermittlung machen und die auch digitale Gen-
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Parallel kam mir die (wie ich ursprünglich fand) etwas unverschämte Aus-
sage eines mir gut bekannten Kollegen aus der Professorenschaft der Infor-
matik in den Sinn, der schon vor einigen Jahren die lapidare Bemerkung hatte
fallen lassen, die Spracherkennung sei erst dann richtig in Schwung gekom-
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men, als sie (die Informatiker) aufgehört hätten, auf die Sprachwissenschaftler
zu hören. Ohne zu wissen, wie es die Informatik genau geschafft hat und wie
die Algorithmen funktionieren: Heutzutage sind wir schon recht gut daran
gewöhnt, dass Spracherkennung gesprochene Sprache verarbeiten und z.B.
verschriftlichen kann. Ich kenne User, die E-Mails nicht mehr schreiben,
sondern ihre Texte einsprechen und den Rest durch die Spracherkennung
ihrer Smartphones oder Tablets erledigen lassen. Und Smartphone-Apps, wie
etwa der Google-Übersetzer, die Spracherkennung mit Live-Übersetzung ver-
binden und in interkulturellen Face-to-Face-Begegnungen eingesetzt werden
können (WLAN-Zugriff vorausgesetzt), sind in unterschiedlicher Qualität
bereits verfügbar.
Ich gehöre einer Generation an, die, noch komplett analog sozialisiert,
nach und nach die technologischen Errungenschaften zur Erleichterung und
Beschleunigung schriftlicher Arbeit und Kommunikation begrüßte (und heu-
te über manche Nebenwirkung jammert). Mit dem Netz verbundene Note-
books, Tablets, digitale Stifte, in Clouds abgelegte Daten und Textmassen sind
aus unserem Arbeitsalltag nicht mehr wegzudenken. Die digitale Medien-
kompetenz ist dabei eine fortwährend weiterzuentwickelnde Schlüsselkompe-
tenz geworden. So kann ich mittlerweile meine Arbeitsprozesse nahezu per-
fekt digital abbilden (wenngleich die Existenz von schnellem Internet,
ausgebauten WLAN-Netzen und Elektrizität unverzichtbar ist – woran DaF-
ler*innen während ihrer Dienstreisen manchmal unliebsam erinnert werden).
Wer sich wie ich noch daran erinnern kann, wie mühselig das Schreiben und
Korrigieren auf mechanischen Schreibmaschinen war, wie aufwendig das
Anfertigen von Matrizen für Unterrichtsmaterial war, wie viele Stunden wir
mit dem Recherchieren, Lesen und Kopieren von Fachartikeln in der Biblio-
thek verbracht haben und wie wir uns Systeme ausgedacht haben, die vielen
Texte geordnet und wiederauffindbar abzulegen, wie lange wir auf Antworten
auf Briefe gerade im internationalen Kontext warteten – und wenn man dann
das alles mit der heutigen Situation vergleicht, in der wir von Jüngeren zwei-
felnd gefragt werden, wie wir eigentlich ohne Internet leben konnten, unauf-
wändig kommunizieren konnten und wie wir an Informationen kamen, dann
stellen wir fest, dass wir Zeitzeugen und Versuchskaninchen einer unglaubli-
chen technologischen Revolution waren – und sind.
Und ich vermute wie viele andere auch: Was in den letzten vielleicht 30
Jahren passiert ist, das war erst der Anfang. Diese Entwicklung geht weiter
und verläuft exponentiell. Die Künstliche Intelligenz wird Barrieren in der
menschlichen Kommunikation weiter abbauen, wird immer mehr Informati-
onen zeit-, raum- und personenunabhängig zur Verfügung stellen, immer
Von der Realität (nicht nur) des DaF-Unterrichts und von digitalen
Hoffnungen …
Fremdsprachenlernen ist – salopp ausgedrückt – ein immer auch mühevolles
und langwieriges Geschäft. Wer nicht mit einer hohen Sprachlerneignung
und einer unerschütterlichen intrinsischen Motivation gesegnet ist, auch
ansonsten nicht den Idealen des good language learners entspricht, empfindet
es nicht als Freude per se, über Jahre und Jahre den Ambiguitäten und Über-
raschungen fremder Sprachsysteme (nicht ausschließlich, aber insbesondere
in den Bereichen Bereich Lexik und Grammatik) ausgeliefert zu sein und sich
diese Stückchen für Stückchen über Übungen, Aufgaben, Regeln und gerahmt
von normierten Leistungskontrollen aneignen zu müssen. Diesen Prozess der
Aneignung der Fremdsprache möglichst gut zu unterstützen und zum Ziel
der kommunikativen Kompetenz zu führen, ist das Ziel des Fremdsprachen-
unterrichts. Wir arbeiten u.a. im Rahmen der Frühjahrskonferenzen am Bild
des guten Fremdsprachenunterrichts, seinen notwendigen Rahmenbedingun-
gen inkl. professioneller Lehrer*innen, die wir möglichst gut aus- und fortbil-
den, seinen Kompetenzzielen und Lerngegenständen. Wir erforschen Lehr-
und Lernprozesse u.a. im Unterricht, konstatieren Entwicklungen und Limi-
tationen und befassen uns mit Bildungspolitik und gesellschaftlichen Ent-
wicklungen. Daher steht es uns gut zu Gesicht, dass wir uns darüber verstän-
digen, welchen potenziellen Mehrwert Instrumente der technologischen
Entwicklung für das Lehren und Lernen von Fremd- und Zweitsprachen be-
sitzen und inwiefern die technologischen Potenziale und die tatsächlich in
den Lehr-Lern-Kontexten vorhandenen technischen Möglichkeiten (zu weit)
auseinanderklaffen.
Für solche Diskussionen benötigen wir m.E. einen breiten Digitalisie-
rungsbegriff, der nicht nur die digitale Infrastruktur, sondern sämtliche Be-
reiche von Lehren und Lernen umfasst, einschließlich der Digitalisierung von
Material, Information, Arbeitsprozessen, Kommunikation, Feedback, Diag-
nose und auch von Zusammenarbeit. Meine Haltung dazu ist (ähnlich ist es
auch für den Bereich der Hochschuldidaktik), dass wir uns viel stärker an der
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Chance, dass mit Hilfe der App die Schüler*innen außerhalb des Unterrichts
Deutsch sprechen könnten (wofür sie ansonsten, selbst innerhalb des Klas-
senraums, so gut wie keine Gelegenheit hätten). Solche außerunterrichtlichen
Lernmöglichkeiten würden den Schüler*innen endlich vermitteln, dass es
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einen Sinn habe, Deutsch zu lernen, weil es dann nicht nur Grammatiküben
in einer angstbesetzten Lernumgebung sei und man die Sprache endlich auch
mal anwenden könne. Sie plane außerdem, die Untersuchung an einer Privat-
schule durchzuführen, da sie davon ausginge, dass dort (und nicht zwingend
an anderen Schulen) die meisten Schüler*innen ein Smartphone besäßen.
Diese Episode passt zu vielen Gesprächen mit jungen Deutschlehrer*innen
und internationalen Doktorand*innen, die den Deutschunterricht in ihren
Ländern verbessern möchten und dafür auch die technologischen Entwick-
lungen in den Blick nehmen. Die zunehmende Verbreitung von Smartphones
kommt dieser Entwicklung entgegen, führt allerdings auch zu Entwicklungen,
die weniger zu Innovationen innerhalb des fremdsprachlichen Klassenzim-
mers anregen, sondern eher (oft nette) außerunterrichtliche Add-ons darstel-
len. Als Ergebnis vieler Reisen, Hospitationen und Gespräche mit Kol-
leg*innen weltweit bin ich relativ ernüchtert, was die Rahmenbedingungen
und Ausgestaltung des DaF-Unterrichts in vielen Regionen der Welt betrifft.
Ohne Negierung des engagierten und professionellen Wirkens an vielen
Schulen und Einrichtungen der Erwachsenenbildung bleibt im Kern die Be-
obachtung eines stark grammatikorientierten, lehrwerkgebundenen und die
Lerner*innen disziplinierenden Unterrichts mit größeren oder kleineren
kommunikativen Anteilen. Nicht zu vergessen: 87 % der insgesamt 15,4 Mio.
Deutschlerner*innen weltweit sind Schüler*innen v.a. an Sekundarschulen in
Ländern, die aus unterschiedlichen Gründen (u.a. Förderung europäischer
Mehrsprachigkeit, traditionelles Sprachfach, postkoloniale Traditionen)
Deutsch einen Platz in ihren Bildungsplänen zuweisen (s. die Ergebnisse der
Datenerhebung des Netzwerks Deutsch aus dem Jahr 2015; vgl. Auswärtiges
Amt o.J.). In meinen Studien (vgl. Riemer 2016) habe ich ermittelt, dass aus
dem Pflicht- bzw. Wahlpflichtcharakter des Schulfachs Deutsch vorrangig
extrinsische und instrumentelle Motivationen resultieren und selbstbestimm-
tere Formen der Motivation erst dann entstehen, wenn Sprachkenntnisse
auch außerhalb des Unterrichts als wertvoll und für das weitere Leben von
Relevanz erscheinen. Ammon (2015, 2) konstatierte: „Wären Deutschkennt-
nisse nicht auch ein Vorteil für Fremdsprachler, so würde sich über kurz oder
lang fast niemand mehr die Mühe machen, Deutsch als Fremdsprache zu
lernen“.
Was bedeuten diese Fakten für die Zukunft (nicht nur) des Deutschler-
nens? Kann man die Argumentationskette, zukünftige Entwicklungen antizi-
pierend, auch umdrehen? Wenn das Deutschlernen, allgemein das Fremd-
sprachenlernen bzw. der Gebrauch von Fremdsprachen, nun weniger Mühe
machen würden, würden dann mehr Menschen den Vorteil der Teilhabe an
der Fremdsprache möglich würde, die nicht auf individuelle formale Sprach-
kompetenz angewiesen ist? Was wäre, überspitzt ausgedrückt, wenn es mittel-
bis langfristig gelingt, Fremdsprachengebrauch und fremdsprachliche Kom-
petenz voneinander zu entkoppeln? Wenn Teilhabe an (auch wissenschaftli-
chen) Communities bis hin zur gesellschaftlichen Teilhabe und Wirkmäch-
tigkeit nicht mehr die individuell-kognitive Bemächtigung der Kommuni-
kationssprache voraussetzt, wenn individuelle Sprachkompetenz (auch in
integrationspolitischen Kontexten) endgültig als Schimäre enttarnt würde?
Lehrkräfte ergänzen bis ersetzen sowie (auch selektive) Aufgaben der Sprach-
diagnostik vermeintlich objektiver übernehmen. (Ein Horrorszenario wäre:
Maschinen werten Deutschtests für Zugewanderte aus und liefern Entschei-
dungsgrundlagen für die Einbürgerung.)
Weitere dystopische Spekulationen: Technologie könnte auch weidlich da-
für ausgenutzt werden, nicht nur fremdsprachliche Inkompetenz zu ver-
schleiern, sondern auch Urheberschaft. Wann werden unsere Student*innen
zum Beispiel erkennen (haben sie wahrscheinlich längst), dass DeepL und
Google Translator auch dafür genutzt werden können, fremdsprachige wis-
senschaftliche Fachtexte mal eben ins Deutsche (oder andersherum) überset-
zen zu lassen und damit ihre akademischen Arbeiten anzureichern? Und wir
alle würden uns in Folge der schnelllebigen und letztlich undurchschaubaren
Entwicklungen mehr und mehr mit Ängsten der Entfremdung auseinander-
setzen müssen, insbesondere dann, wenn – wie ich oben antizipiert habe –
Assistenzsysteme immer besser und alltäglicher werden und schließlich die
Mensch-Maschine-Barriere überwunden wird.
wegs obsolet.
Der Fremdsprachenunterricht könnte sich, diese Entwicklungen aufgrei-
fend, grundsätzlich wandeln. Keine mehr oder weniger geheime formalisti-
sche Grammatikprogression sowie in Referenzrahmen festgelegte Wort-
schatzspektren würden das Fremdsprachenlernen konfundieren. Sprachen-
lernen könnte sich im Kern darauf konzentrieren, Fremdsprache als
sprachlich-pragmatischen und v.a. kulturellen Lerngegenstand zu begreifen,
sprich: interkulturelle pragmatische Kompetenz, soziolinguistische und Dis-
kurskompetenz zu entwickeln. Fremdsprachenunterricht könnte der Ort
werden, an dem nicht länger – wie es heute noch vielfach im Zentrum steht –
Formen und Muster der L2 in bestenfalls quasi-authentischer, aufgabenorien-
tierter Kommunikation eingeübt werden (müssen). Sondern Fremdsprachen-
unterricht würde zum fachlichen Resonanzraum, in dem der Zusammenhang
aller linguistischen Aspekte von Sprache einschließlich Pragmatik sowie die
außerunterrichtliche Kommunikationspraxis reflektiert würden. Mehr und
mehr würde das fremdsprachliche Klassenzimmer ein Ort werden, an dem
außerunterrichtliches Lernen begleitet und gerahmt sowie Lernendenauto-
nomie gefördert würde. Language awareness und interkulturelles Lernen im
Rahmen handlungsorientierter Unterrichtsansätze würden den Stellenwert
erhalten, den sich die Fremdsprachendidaktik schon lange wünscht.
Nebenbemerkung: Der oben erwähnte, mir bekannte Informatiker meinte,
„Kultur“ könnte der Bereich sein, den Technologie noch lange Zeit nicht
angemessen verarbeiten kann. Die Unmöglichkeit, interkulturelle Handlungs-
fähigkeit derzeit in Kompetenzrastern angemessen und auf feiner Granulari-
tätsebene ausdifferenziert abzubilden und damit auf lange Sicht technologisch
modellierbar zu machen, könnte sich noch als Vorteil erweisen.
Und ein anderer Diskussionsstrang, der immer wieder in der Fremdspra-
chenlehrer*innenbildung mit Bezug auf den non-native teacher geführt wird,
würde seine Basis verlieren: Fremdsprachenlehrer*innen müssten im Kern
ihres professionellen Profils nicht mehr ihre individuelle Kompetenz mit
hohem Perfektionsanspruch ausbilden und beweisen, Fremdsprache(n)
grammatisch, lexikalisch und phonetisch korrekt zu produzieren und zu ver-
mitteln. Es wäre dann vielleicht langfristig auch weniger der Typus eine*r
Fremdsprachenlehrer*in gesellschaftlich akzeptabel, der dazu neigt, seine
eigene, hohe fremdsprachliche Kompetenz in Form von die Schüler*innen
demotivierender Fehlerkorrektur auszuleben. Sondern Fremdsprachenleh-
rer*innen wären vorrangig als echte Kulturvermittler*innen gefragt, als Ex-
pert*innen interkultureller Pragmatik und interkultureller Kommunikation,
die landeskundliche, kultur- und diversitätssensible Wissensvermittlung und
Literatur
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lisierung und Differenzierung“. Fremdsprachen Lehren und Lernen 47/2.
Henning Rossa
Rapidly, we approach the final phase of the extensions of man – the techno-
logical simulation of consciousness, when the creative process of knowing will
be collectively and corporately extended to the whole of human society, much
as we have already extended our senses and our nerves by the various media.
(Mc Luhan 1964, 19)
1 Einleitung in Thesenform
1. Das Ausmaß der Integration digitaler Technologien in fremdsprachli-
che Lernarrangements ist sowohl auf konzeptioneller Ebene als auch
in der Alltagspraxis nicht annähernd so weit fortgeschritten wie in
den gesellschaftlichen Realitäten außerhalb des Klassenzimmers.
2. Das zentrale Prinzip der Orientierung an lebensweltlich relevanten
Inhalten und realen Situationen der Sprachverwendung bedingt, dass
die ökologisch verstandene Konzeption eines kommunikativen
Fremdsprachenunterrichts die veränderten, zunehmend digital ge-
prägten Bedingungen gesellschaftlicher Bereiche (z.B. außerschuli-
sches Lernen, Gesundheit, Mobilität, politische Partizipation, Kom-
munikation, Arbeit) berücksichtigen muss.
3. Der mediendidaktisch informierte Diskurs zum Mehrwert digitaler
Medien im Unterricht (postulierte Wirksamkeit digital gestützter
Lehr-Lernarrangements abzgl. organisatorischer, finanzieller, zeitli-
cher Aufwendungen) ist angesichts der umfassenden Relevanz der Di-
gitalisierung für gesellschaftliche Veränderungen nicht zielführend im
Sinne von These 1.
4. Medien stellen konstituierende Formen des Unterrichts dar. Daraus
folgt, dass die Integration digitaler Technologien und digital vermit-
telter Lehr-Lernprozesse eine Veränderung und Erweiterung der Ge-
genstände, Aushandlungsprozesse und Ziele des Fremdsprachenun-
terrichts herausfordert.
5. Die Potenziale digital gestützter Lehr-Lernkonzeptionen können –
unter Annahme einer größeren konzeptionellen Flexibilität und curri-
cularer Freiräume zum Experimentieren – als Impulse für Unter-
erkunden? (ibid.)
Als hilfreiches Arbeitsmodell für die Integration digitaler Medien in den Un-
terricht hat sich das SAMR-Modell von Puentedura (2006) erwiesen (vgl.
Zierer 2017, 73–75). Das Modell (siehe Abb. 1) unterscheidet vier Ebenen der
Digitalisierung, die verschiedene Ausprägungen eines Veränderungsprozesses
darstellen. Demnach liegt die Herausforderung für die Weiterentwicklung des
Unterrichts darin, die Integration digital gestützter Lernformen von einem
bloßen Austausch traditioneller Medien durch digitale Medien in eine Neuin-
terpretation bestehender Konzepte zu verwandeln.
Enhancement Transformation
Substitution > Augmentation > Modification > Redefinition
Ersatz > Erweiterung > Veränderung > Neuinterpretation
Verbesserung Wandlung
Abb. 1: Das SAMR-Modell von Puentedura (2006; meine Darstellung und Über-
setzung)
Literaturverzeichnis
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flüssigen Begriff. https://axelkrommer.com/2018/09/05/wider-den-mehrwert-
oder-argumente-gegen-einen-ueberfluessigen-begriff/#more-1318
(12/02/2019).
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sense-medienbegriff-zu-paedagogischen-fehlschluessen-fuehrt (12/02/2019).
KMK (= Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in
der Bundesrepublik Deutschland) (2016): Strategie der Kultusministerkonfe-
Birgit Schädlich
1
Im Projekt wird die Wiki-Funktion des Campusmanagementsystems StudIP ge-
nutzt.
modells von Hallet (2018) verorte ich den Ansatz auf der Ebene, die er „The
digitilization of classroom communication and discourse“ nennt (vgl. Hallet
2018, 5).
Kontext ist ein Praktikumsmodul, in dem ein vierwöchiges Forschungs-
praktikum durch vor- und nachbereitende Seminarveranstaltungen begleitet
wird. Diese werden als Präsenzsitzungen gestaltet und punktuell durch durch
asynchrone Diskussionen im Wiki flankiert. Die Struktur ähnelt dem vom
Handtke (2018, 11) als „Kamm-Modell“ bezeichneten blended-learning-
Szenario. In den Präsenzsitzungen werden drei Schwerpunkte verfolgt: ers-
tens die Diskussion der Seminarliteratur, zweitens die Entwicklung, Durch-
führung und Reflexion von Microteachings und drittens die Auseinanderset-
zung mit Ansätzen empirischer Unterrichtsforschung. Thematisch steht die
Beschäftigung mit Mehrsprachigkeit im Zentrum (vgl. Schädlich erscheint),
forschungsmethodisch eine Einübung in die systematische Beobachtung von
Fremdsprachenunterricht (vgl. Schramm/Schwab 2016; De Boer/Reh 2012).
Ziel des Moduls ist eine Sensibilisierung der Studierenden für unterschiedli-
che Aspekte von Mehrsprachigkeit und die Rekonstruktion von für den Ge-
genstand relevanten Praktiken im Französischunterricht. Gefördert werden
soll die Entwicklung fachdidaktischer Reflexionsfähigkeit im Sinne eines
„doppelten Habitus“ (vgl. Helsper 2011, 10-11), wobei einerseits unterrichts-
praktisches Handlungswissen eingeübt, gleichzeitig aber auch distanzierende
und umperspektivierende Reflexion initiiert und begleitet wird.
In den Präsenzphasen werden thematische und forschungsmethodische
Texte diskutiert und hinsichtlich der Planung und Beobachtung von Unter-
richt transformiert, was mit konkreten Aufgaben verbunden wird. Die Texte
decken verschiedene Mehrsprachigkeitsbegriffe sowie fachdidaktisch relevan-
te Forschungsarbeiten und Unterrichtsmaterialien ab. Die Aufgaben finden
sowohl in Präsenzphasen wie auch – dem Kamm-Modell entsprechend – in
asynchronen Diskussionen im Wiki statt. Sie haben das Ziel, die textbezogene
Seminardiskussion vor Fragen der Praxis (Unterrichtsplanung und -beobach-
tung im Praktikum) zu transformieren und dabei Handlungsmöglichkeiten
gleichermaßen auszuloten wie aus einer distanzierten Perspektive zu analysie-
ren.
Exemplarisch sollen im Folgenden eine der Wiki-Diskussionen genauer
beschrieben und in Form eines Erfahrungsberichts erste – noch sehr vorläufi-
ge – Beobachtungen zu den Interaktionen referiert werden. Die Aufgabe, die
im Wiki bearbeitet wurde, bestand in einer fokussierten Zusammenschau der
Inhalte der ersten Seminarsitzungen vor der Frage ihrer Relevanz für das
Praktikum. Der Impuls für die Wiki-Diskussion lautete: „Fassen Sie knapp
zusammen, was Sie aus den ersten Sitzungen des Seminars für das Praktikum
‚mitnehmen‘. Kommentieren Sie auch gerne die Ausführungen Ihrer Kommi-
litoninnen oder stellen Rückfragen.“
Die Arbeit im Wiki erlaubt es auf der hochschuldidaktischen Ebene, kol-
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2
An der Veranstaltung, in der die Daten erhoben wurden, haben ausschließlich
Studentinnen teilgenommen; für die folgende Darstellung wird daher die weibli-
che Form verwendet.
meldung zu den Seminardiskussionen war dies für mich als Dozentin inso-
fern interessant, als sowohl die Texte wie auch die Seminardiskussionen stark
fragenden und problematisierenden Charakter hatten, deren Ziel darin be-
stand, für Handlungsalternativen und Entscheidungsdilemmata zu sensibili-
Lizenziert durch Bergische Universität Wuppertal, abgerufen von anonymous am 05.02.2024 um 03:15 Uhr von IP 132.195.2.248
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re der 20. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunter-
richts. Tübingen: Narr, 45-50.
Busch, Brigitta (2013): Mehrsprachigkeit. Wien: facultas.
Lars Schmelter
das Lehren und Lernen von Sprachen unter digitalen Bedingungen didaktisch
zu betrachten.
1
Siehe zu Folgen und Gefahren der Digitalisierung auch Küster (in diesem Band).
tung, aber auch des Protokollierens und Evaluierens von sprachlichen Lern-
prozessen verlangt Lehrpersonen und Lernern – gerade auch weil die Mög-
lichkeiten zumeist schnell und unkompliziert zugänglich, vor allem aber
zahlreich sind – einiges ab. Wo es früher keine Alternativen gab, muss jetzt
aus den unzähligen Angeboten das jeweils passende ausgewählt werden. Die
Frage, welche der vielen Möglichkeiten mit Blick auf welche Lehr-
Lernkontexte, welche Bedarfe, Bedürfnisse und Zielsetzungen in welcher
Form und aus welchen Gründen angemessen sind, lässt sich in den seltensten
Fällen zweifelsfrei oder aufgrund reflektierter praktischer Erfahrung unmit-
telbar einschätzen und beantworten. Nur teilweise kann hier an Wissen ange-
knüpft werden, das noch in analogen Zeiten gewonnen wurde. Denn schon
die Nutzung portabler Wörterbücher weist gegenüber den analogen Vorgän-
gern Besonderheiten auf (Diehr/Gießler/Kassel 2016). Die Digitalisierung
ersetzt also nicht nur alte Medien der Informationsbeschaffung, der Vermitt-
lung und des Lernens, sondern sie kann auch neue Vermittlungsstrategien
ermöglichen.
Vermutlich muss aber bei der Bewertung dieser Vermittlungsstrategien
auch von Veränderungen der kognitiven Rezeptions- und Verarbeitungspro-
zesse und folglich auch der Kompetenzaneignung ausgegangen werden. So
verändert sich offensichtlich das informationsentnehmende, kritische Lesen,
wenn es am Bildschirm und nicht vor bedrucktem Papier stattfindet, in Ver-
lauf und Ergebnis (vgl. die Stavanger-Erklärung des Forschernetzwerks E-
Read 20192). Auch das Schreiben mit Stift und Papier zeitigt offensichtlich
zumindest in bestimmten Kontexten und Aufgaben andere Effekte als das
Schreiben am Bildschirm; insbesondere dann, wenn ein Programm zur Wort-
bzw. Zeichenvervollständigung das aufwändige produktive eigenständige
Erinnern durch ein zumindest annäherungsweises Wiedererkennen zuneh-
mend ersetzt (vgl. u.a. Guder in diesem Band).
Die digital ermöglichten Gestaltungsvarianten von institutionellen und in-
formellen sprachlichen Lehr- und Lernkontexten ergeben folglich im Wech-
selspiel mit den institutionellen und personalen Rahmungen komplexe Effek-
te (vgl. Arnold u.a. 2015, 50-54). Diese im Einzelnen zu überschauen und zu
bewerten, um daraus adäquate Lehr-Lern-Kontexte zu gestalten, müsste ei-
nerseits jeweils neu und vor Ort von den Lehrpersonen und Lernern über-
nommen werden. Diese dezentrale, lokalisierte und individualisierte Gestal-
tung der Lehr- und Lernmaterialien und -kontexte wäre zwar pädagogisch
und didaktisch, möglicherweise auch bildungspolitisch wünschenswert. An-
2
Reaktionen auf diese Experten-Erklärung referiert Küchemann (2019).
Vuorikari u.a. 2016) bzw. der UNESCO (2018) zu einem digitalen Kompe-
tenzprofil reichen ebenfalls kaum darüber hinaus. Der Companion zum Ge-
meinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen (Council of Europe
2017) bleibt m.E. in dieser Frage sogar hinter den genannten Papieren zurück.
on wäre folglich systematisch zu thematisieren und ihr Nutzen für die Aneig-
nung fremdsprachlicher Kompetenz zu reflektieren. Andererseits kann weder
die systematische Einführung in die Nutzung von Wörterbüchern und
Grammatiken noch das Schreiben unter zur Hilfenahme von Rechtschreibe-
und Korrekturprogrammen als Standard realer schulischer Vermittlungspra-
xis beobachtet werden. Dieser wenn nicht systematische, so zumindest doch
symptomatische Ausschluss von Hilfsmitteln, die zur außerschulischen Praxis
gehören, ist weder handlungs- noch kompetenzorientiert, lässt sich jedoch
vor dem Hintergrund von Prüfungen und Bewertungen, d.h. mit Blick auf die
Bewertungs- und Allokationsfunktion von Schule erklären. Prüfungen – und
mit ihnen der Unterricht selbst – zielen auf ein stark individualisiertes Ver-
ständnis von Leistung ab. Schulische Leistungen müssen nur bedingt den
realen sozialen Praktiken und Handlungszusammenhängen entsprechen.4
Folglich werden vermutlich auch in absehbarer Zukunft digitale Wörterbü-
cher, Übersetzungsprogramme usw. nicht zum Gegenstand schulischen
Fremdsprachenunterrichts gemacht.
Schule ist so betrachtet gerade kein Schonraum, in dem aus einer reflek-
tierten und didaktisch methodisch gestalteten Distanz heraus individuelle
Bildungsprozesse mit Blick auf Alltagsfragen und -gegenstände angebahnt
und vermittelt werden, sondern Schule verhindert durch den Ausschluss
dieser Gegenstände und Verfahren geradezu die kritisch-reflektierte und vor
allem konstruktive Auseinandersetzung mit den digitalen Möglichkeiten.
Damit ist im Umkehrschluss nicht gefordert, dass der Fremdsprachenunter-
richt sich allein auf die effiziente Nutzung von DeepL & Co. festlegen sollte.
Wenn aber das Lernen von 2. und 3. Fremdsprachen offensichtlich schon
jetzt bei vielen Schülern nur widerwillig erfolgt und beendet wird, sobald die
schulische Auflage dazu aufgehoben ist, dann wird deutlich, welche Lernwi-
derstände schulischer Fremdsprachenunterricht in naher Zukunft erwarten
muss; und zwar gerade auch aufgrund der offensichtlichen inklusiven, indivi-
dualisierenden und emanzipatorischen Potenziale, die in einer tatsächlich an
der Bildung der Person orientierten Nutzung digitaler Möglichkeiten liegen.
Die digital vermittelten Zugriffe auf fremde Sprachen und Kulturen, die
Vielfalt der durch sie zu Lehr- und Lernzwecken nutzbaren Inhalte und
Kommunikationsmöglichkeiten, bieten ja gerade das Potenzial, u.a. den
„Gleichlauf von Lernzeiten und Lerngeschwindigkeiten“ (Faulstich 2013,
3
Vermittlung und Anleitung individueller Bildungsprozesse, Wertevermittlung,
Inklusion, aber auch Allokationsfunktion, Standardisierung usw.
4
Siehe zum Leistungsbegriff u.a. Schäfer/Thompson (2015) und Verheyen (2018).
137), der Schulen als „Disziplinanlagen des Lernens“ (ebd.) im Sinne von
Foucault (1975) erscheinen lässt, aufzubrechen.
Wenn zwischen dem Aufwand, den ich zu betreiben habe, und dem, was für
mich herauskommt, eine Diskrepanz besteht, wenn die Sinnhaftigkeit von
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5
Siehe hierzu auch die Darstellung und Analyse der eigenen Schul- und Sprach-
lernbiographie bei Eribon (2009/2018, 143-184)
6
Der Begriff ergibt hier in seiner doppelten Bedeutung einen Sinn.
Literatur
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Torben Schmidt
1 Einleitende Bemerkungen
Wie in nahezu allen Bereichen unseres Lebens bietet die Digitalisierung auch
im Bereich der (schulischen) Bildung allgemein und des Fremdsprachenleh-
rens und -lernens im Speziellen die Grundlage für weitreichende, herausfor-
dernde Veränderungsprozesse. Begriffe wie bring your own device, mobile
based language learning, Tablet-Klassen, gamification, educational apps, blen-
ded learning, künstliche Intelligenz und learning analytics sind dabei in aller
Munde und stehen – jeder für sich genommen – für weitreichende, bezüglich
Wirkungen und Ausgestaltung teilweise noch recht unbeforschte, Verände-
rungen im didaktischen Dreieck zwischen Lehrenden, Lernenden und Lern-
inhalten. Von technologischen Werkzeugen wie digitalen Klassenbüchern,
Software zur Prüfungsorganisation und -durchführung oder Softwaresyste-
men zur Abwicklung aller Verwaltungsabläufe für Schulen und Lehrkräfte,
bis hin zu Lernplattformen, adaptiven Lernprogrammen und multimedialen,
interaktiven Schulbüchern für Schüler_innen werden zukünftig zunehmend
Lösungen, Assistenzsysteme, Werkzeuge und intelligente tutorielle Systeme
entwickelt, die Prozesse vereinfachen und fachliches Lernen datengeleitet
optimieren können. Speziell mit Blick auf den Fremdsprachenunterricht kön-
nen sich zudem durch die Nutzung digitaler Medien verbesserte Möglichkei-
ten ergeben, Lernende an reale fremdsprachliche Kommunikation (rezeptiv
und produktiv) heranzuführen und sie an medialen Diskursen partizipieren
zu lassen. Zusätzlich bieten Technologien wie virtual reality neuartige Mög-
lichkeiten des virtuellen Eintauchens in die Zielkultur und Sprache. Kurzum:
Das Fremdsprachenlehren und -lernen befindet sich derzeit in einem rasan-
ten, von neuen Technologien und Anwendungen getriebenen Veränderungs-
prozess, der außerhalb der Institution Schule bereits seine volle Dynamik
entfaltet hat; Digitalisierung kann dabei ein Mehr an Individualisierung,
Adaptitvität, Authentizität, kommunikativer Realität und Immersion schaf-
fen. Allerdings stellen sich diese Mehrwerte keineswegs automatisch ein und
die Diskussion sollte weder zu optimistisch und ausschließlich von neuen
Anwendungen und ihren vermuteten Möglichkeiten geprägt sein, noch zu
pessimistisch und defizitorientiert, z.B. bezüglich der immer noch mangelhaf-
ten Ausstattung der Schulen (was sich durch den 5 Milliarden schweren Digi-
talpakt Schule des Bundes hoffentlich ändert) oder generellen Gefahren der
Mediennutzung (vgl. Spitzer 2012), geführt werden. Vielmehr bedarf es einer
stark aus den Fächern heraus geführten kompetenzorientierten Digitalisie-
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dar. Anhand von zwei Beispielen (und Problemstellungen) soll hier verdeut-
licht werden, wie durch digitale Unterstützung ein Mehrwert gegenüber heute
noch üblichen Verfahren erzeugt werden kann, um Anforderungen schuli-
scher Heterogenität und Inklusion besser zu bewältigen und individualisierte
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2. In Klasse 10 will die Lehrkraft mit ihrer Klasse noch einmal verstärkt
die Verbzeiten des Englischen üben. Sie hat durch die letzte Klassenar-
beit und die Kommunikation im Unterricht den Eindruck gewonnen,
dass die Schüler_innen häufig falsche Zeitformen wählen oder bei der
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ten und Fertigkeiten zur Bewältigung des späteren Berufsalltags in einer zu-
nehmend digitalen Welt sukzessive entwickeln und Wege zur Professionali-
sierung und zur Ausbildung von TPACK (Mishra/Koehler 2006; Koeh-
ler/Mishra 2008) ebnen. Hierzu reicht eine Beschränkung auf die
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1
https://www.lzplay.de/index.php/2018/06/15/leuphana-lernvideo-lets-go-
shopping/(20.12.2018)
und bei jedem Einsatz im Blick behalten, dass die Digitalisierung nur da er-
folgreich sein kann, wo sie auf Mechanismen des Fremdsprachenlernens
sinnvoll aufbaut und gezielt dort eingesetzt wird, wo ein Lernprozess sinnvoll
unterstützt werden kann.
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Lizenziert durch Bergische Universität Wuppertal, abgerufen von anonymous am 05.02.2024 um 03:15 Uhr von IP 132.195.2.248
2 Europäische Referenzrahmen
Wegweisend für die europäische Fremdsprachendidaktik sind drei Referenz-
rahmen zum digitalen Wandel, die im Auftrag der Europäischen Kommission
Lizenziert durch Bergische Universität Wuppertal, abgerufen von anonymous am 05.02.2024 um 03:15 Uhr von IP 132.195.2.248
3
„Falko“ steht für den Projekttitel „Fehlerannotiertes Lernerkorpus des Deutschen
als Fremdsprache“, vgl. die Projekthomepage https://www.linguistik.hu-berlin.de/
de/institut/professuren/korpuslinguistik/forschung/falko/standardseite
(14/04/2019).
5 Fazit
Kerres (2014) warnt davor, einfache Wirkungszusammenhänge zwischen
digitalem Wandel und anderen Variablen zu postulieren, und betont vielmehr
die Gestaltungsoptionen, die sich für jede(n) einzelne(n) ergeben – sowie
auch die damit einhergehende Verantwortung der Akteure. Folgt man seiner
Argumentation, dass es darum geht, die Wege in die digitale Epoche in einer
Weise zu ebnen, dass sie nicht in eine postdemokratische Gesellschaft, son-
dern zu demokratischer Teilhabe führen, ergibt sich für die Fremdsprachen-
didaktik ein dringender Nachholbedarf, den Beitrag der Sprachenfächer zu
diesen übergreifenden Erziehungszielen zu benennen, konzeptionell zu ge-
stalten, in Praxisverbünden zu entwickeln und in der Lehrer(innen)bildung
zu verankern.
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Julia Settinieri
1 Einleitung
„Roboter sollen eingewanderten Kindern helfen, Deutsch zu lernen“, titelt
eine Pressemitteilung der Universität Bielefeld. – Müssen wir also im Zuge
des digitalen Wandels um unsere Zunft fürchten? Ist die Mensch-Maschine-
Interaktion bereits so ausgereift, dass menschliche Lehrerinnen und Lehrer
verzichtbar werden? – Ganz so weit ist es wohl doch noch (eine Weile lang)
nicht, können uns die zugehörigen Publikationen zum Projekt L2TOR
(sprich: El Tutor) beruhigen:1 „We conclude that, although social robots are
useful for teaching language to children, evidence suggests that robots are not
as effective as human teachers“ (Kanero et al. 2018, 146). Positive Effekte
werden vor allem in Bezug auf Motivation und Engagiertheit referiert. Ähnli-
ches gilt auch für (andere) digitale Lehrlernszenarien, wobei schnell die Frage
im Raum steht, inwiefern diese über einen offensichtlichen Novitätseffekt
hinaus tatsächlich eigene, neue Potenziale mit sich bringen bzw. welche dies
genau sein könnten. Dieser Frage soll im Folgenden nachgegangen werden.
Der Fokus liegt dabei auf didaktischen bzw. erwerbstheoretischen Vor- und
Nachteilen und klammert rein pragmatische, offen auf der Hand liegende
(wie bspw. Materialienvielfalt in maximaler Aktualität, Distanzüberbrückung,
schnelle Distribution, Portabilität, Lesbarkeit o.Ä.) explizit aus.
Dabei werden unter dem Oberbegriff Digitale Medien i.w.S. zunächst „alle
elektronischen Medien, die auf der Basis digitaler Informations- und Kom-
munikationstechnologien arbeiten“ (Grünewald 2016, 463), gefasst. Diese
können auf technischer Ebene weiter ausdifferenziert werden in Online- vs.
Offline-Medien, auf inhaltlicher Ebene in ein Medium i.e.S. (mit Inhalt) vs.
ein Werkzeug (ohne Inhalt) und schließlich auf didaktischer Ebene in authen-
tisches, nicht-didaktisiertes vs. didaktisiertes (hier noch einmal unterschieden
in adaptiertes vs. methodisiertes) Medium (Grünewald 2016, 463; Rösler/
Würffel 2013, 253ff.; vgl. auch die tabellarische Übersicht mit Anwendungs-
1
Vgl. allerdings Grünewald, Riemer und Schmelter in diesem Band, die grundsätz-
lich die Frage aufwerfen, ob in der Regel sehr aufwändig erworbene humane
Sprachmittelkompetenzen in Zeiten von Übersetzungstools wie DeepL nicht bald
obsolet erscheinen könnten.
beispielen bei Würffel 2010, 1229 sowie die Übersicht bei Bade et al. 2017,
227ff. am Beispiel des Spanischunterrichts).
nostik bzw. das Testen und Prüfen. Im Bereich der Sprachdiagnostik ist zu-
nächst festzustellen, dass der digitale Wandel die diagnostischen Möglichkei-
ten insgesamt stark erweitert hat. Dies beginnt mit den selbstdiagnostischen
Möglichkeiten, wie bspw. Korrekturprogramm oder Thesaurus. Auch sind
von zahlreichen Tests, wie z.B. dem C-Test, Online-Versionen entstanden, die
nicht nur eine reliablere (und auf rein pragmatischer Ebene auch schnellere)
Auswertung garantieren sowie unterschiedliche statistische Vergleichswerte
(wie bspw. den Klassendurchschnitt) automatisch generieren, sondern in
diesem Fall auch eine adaptive Testversion (vgl. Grotjahn 2019 für einen
Überblick über C-Test-Formate), die den Schwierigkeitsgrad des Tests im
Verlauf der Testung immer genauer an das Sprachkompetenzlevel der Test-
personen angleicht. Auf diese Weise werden Floor- und Ceiling-Effekte ver-
mieden und Testabnehmer*innen wird erspart, ggf. mehrere Tests durchlau-
fen zu müssen, bis endlich einer das passende Niveau aufweist. Mit Hilfe von
Autorenprogrammen, wie bspw. LingoFox (http://www.lingofox.de/index.
php), lassen sich gerade C-Tests auf Basis von Lehrenden ausgewählter, zum
aktuellen Unterricht passender Texte außerdem schnell automatisch auch zu
Übungszwecken generieren.
Einen Beitrag zur stärkeren Standardisierung und damit zur Reliabilität
der Testung mündlicher Kompetenzen leistet das SOPI (simulated oral profi-
ciency interview), wie es bspw. der TestDaF einsetzt (Eckes 2010). Im Bereich
der Aussprachediagnostik, um ein drittes Beispiel zu nennen, ermöglichen
Sprachanalyse-Tools wie bspw. PRAAT, zusätzlich zur auditiven Analyse eine
akustische durchzuführen. Insbesondere im Bereich des Melodieverlaufs kann
es sehr hilfreich sein, solche Formen von visual speech zur Bewusstmachung
zu nutzen (vgl. genauer bspw. Mehlhorn/Trouvain 2007).
Andere Diagnose-Verfahren, wie bspw. die Online-Diagnose Deutsch 52,
gehen noch einen Schritt weiter und leiten aus der Diagnose einen „individu-
ellen Förderplan“ ab, zu dem auch gleich passende Fördermaterialien bereit-
gestellt werden. Nach Bearbeitung der Fördermaterialien steht zudem ein
Nachtest zur Verfügung, der den Lernfortschritt prüfen soll. Das klingt zu-
nächst nach einer großen Arbeitserleichterung für Lehrerinnen und Lehrer.
Diese berichten jedoch, dass die Schülerinnen und Schüler teilweise große
Probleme mit der Bearbeitung des Tests am PC haben, da in der Bedienung
einer Tastatur nicht alle gleichermaßen geübt sind. Auch sei der Test nicht
LRS-sensitiv. Daher werde er lediglich ergänzend in die Schuleingangsdiag-
2
Die folgenden Informationen sind der Verlagshomepage entnommen:
https://www.westermann.de/grundschule/reihe/ONLINEDIA5/Online-Diagnose-
Deutsch (21/04/2019).
3
Im Bereich der Zuweisungsdiagnostik ist das häufig absolut zielführend, wie am
Beispiel des C-Tests bereits angesprochen. In förderdiagnostischen Zusammen-
hängen reicht eine quantitative Diagnostik hingegen nicht aus.
3 Gute Praxis
zuwirken (vgl. Roche 2014, 359).4 Des Weiteren können Lehrer*innen eine
zielgruppenspezifische Auswahl digitaler Selbstlernmöglichkeiten (z.B. Apps,
Podcasts, digitale Wörterbücher und Online-Grammatiken) zur Verfügung
stellen, um so besondere Empfehlungen auszusprechen, die ebenfalls eine
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4
Auch die Kultusministerkonferenz (KMK) (2017: 10-13) führt entsprechend „Su-
chen, Verarbeiten und Aufbewahren“ als erste von sechs zentralen „‚Kompetenzen
in der digitalen Welt‘“ (gefolgt von „Kommunizieren und Kooperieren“, „Produ-
zieren und Präsentieren“, „Schützen und sicher Agieren“, „Problemlösen und
Handeln“ sowie „Analysieren und Reflektieren“) auf.
innehat. Sie sollte einen Überblick über die Möglichkeiten des digital class-
rooms bieten, Potenziale und Herausforderungen auf Basis wissenschaftlicher
Erkenntnisse mit den Studierenden diskutieren und exemplarisch einige An-
wendungen im Seminar erproben. Gleichzeitig sollte die Lehre grundsätzlich
in ähnlicher Weise digital gestaltet sein, wie es der spätere Unterricht sein
sollte. D.h., wenn die Studierenden später in einem Flipped-Classroom-
Szenario unterrichten können sollen, ist es hilfreich, wenn auch das universi-
täre Seminar zum Thema diesem Prinzip folgt usw.
Was davon die Studierenden später als Lehrerinnen und Lehrer in der
Schule tatsächlich umsetzen können, wird tatsächlich (auch) von der jeweili-
gen Ausstattung der Schulen abhängen. Eine Lehrkraft, die vom Mehrwert
eines digitalen Mediums oder Werkzeugs überzeugt ist und sich zutraut, es in
ihrem Unterricht gewinnbringend einzusetzen, wird sich jedoch sicherlich
mit höherer Wahrscheinlichkeit auch dafür einsetzen, entsprechende Rah-
menbedingungen zu schaffen. Einige Schulen haben hier mit BYOD (bring
your own device) in Verbindung mit Maßnahmen zur sozialen Abfederung
bereits gute Erfahrungen gemacht. Anstelle des früher obligatorisch anzu-
schaffenden grafikfähigen Taschenrechners werden so bspw. Tablets ange-
schafft, die zwar etwas teurer sind, dafür aber vielfältiger in allen Fächern
nutzbar. Durch die Nutzung eigener Geräte wird gleichzeitig auch der Forde-
rung nach alltagsnahem, „authentischem“ Gebrauch digitaler Medien und
Werkzeuge (s. weiter oben) automatisch Rechnung getragen. Weitere konkre-
te Maßnahmen zur Ausstattung der Schulen werden auch von der Kultusmi-
nisterkonferenz (KMK) (2017, 29ff.) benannt, die als ehrgeizig erscheinende
Zielsetzung formuliert, dass „möglichst bis 2021 jede Schülerin und jeder
Schüler, wenn es aus pädagogischer Sicht im Unterrichtsverlauf sinnvoll ist,
eine digitale Lernumgebung und einen Zugang zum Internet nutze können
sollte“ (KMK 2017, 51).
6 Schlussfolgerungen
Während humanoide Roboter noch nicht selbstverständlich zu unserem All-
tag gehören, ist dies für digitale Medien zweifelsfrei der Fall. Damit ist klar,
dass die Digitalisierung auch in der Fremdsprachendidaktik ihren Platz haben
sollte. Funk (2016, 435) verweist in diesem Zusammenhang auf Comenius‘
„Prinzip der Untrennbarkeit von Lebenswelt und Lernumwelt“, das auch
einschließt, das Fremdsprachenlehren- und -lernen im Medienalltag der Ler-
ner*innen zu verorten (vgl. auch Bär in diesem Band). Ähnlich fordert auch
Roche (2014):
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pdf (13/04/2019).
Carola Surkamp
beitragen. Dies ist schon allein deshalb erforderlich, weil es konkreter Inhalte
und Gegenstände bedarf, an denen digitale Kompetenzen zur Anwendung
kommen können (vgl. GFD 2018, 2). Wie die Förderung digitaler Kompeten-
zen also, wie auch von der KMK (2016, 12f., 15f., 19) gefordert, durch den
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ermöglicht nicht zuletzt, dass die Arbeit mit digitalen Medien nicht in erster
Linie als methodische Abwechslung angesehen, sondern funktional eingebet-
tet wird (vgl. Diehr et al. 2018).
Des Weiteren ist ein solcher Perspektivwechsel notwendig, weil er ermög-
licht, dass auch andere fremdsprachendidaktische Handlungsfelder jenseits
des Grammatik- oder Wortschatzlernens beim Thema Digitalisierung in den
Blick kommen. Bislang wird die Digitalisierung des fremdsprachlichen Ler-
nens etwas verengend auf das rein sprachliche Lernen fokussiert. Diskutiert
werden die Potentiale von sprachlicher Lernsoftware, von adaptiven Syste-
men und Programmen zur Fehlerkorrektur. Dabei hat die Digitalisierung
auch Auswirkungen auf andere Bereiche des Fremdsprachenunterrichts, z.B.
auf den Literaturunterricht.
Aus der Perspektive der fremdsprachlichen Literaturdidaktik stellen sich
mit Blick auf das Innovationspotential der Digitalisierung für den Unterricht
insbesondere die folgenden Fragen:
• Welche Möglichkeiten bietet die Digitalisierung für die Förderung mo-
tivational-attitudinaler, ästhetisch-kognitiver sowie sprachlich-
diskursiver Kompetenzen im Literaturunterricht und welche digitalen
Formate bieten sich für welche dieser Teilziele an?
• (Wie) verändert der digitale Wandel die Gegenstände und Konzepte
des Literaturunterrichts?
• (Wie) verändert sich die literarische Kommunikation im institutionali-
sierten Rezeptionskontext Unterricht durch digitale Medien?
Zur Einordnung der verschiedenen Potentiale der Digitalisierung im Literatu-
runterricht ist es hilfreich, zwischen der Arbeit mit digitalen Texten einerseits
und der Nutzung von digitalen Kommunikationsformen andererseits zu un-
terscheiden (vgl. Leubner 2014; Surkamp erscheint). Zu digitalen Texten ge-
hören Modifizierungen etablierter Genres wie der Handyroman, Webcomics
oder Twitter-Lyrik sowie neu geschaffene Formate wie Hyperfiktion und
interaktive Texte (vgl. Deubel 2007; Hodson 2014). Mit digitalen Kommuni-
kationsformen sind Internetplattformen, Online-Diskussionsgruppen, Blogs
und Vlogs gemeint, über die Reaktionen auf Texte kommuniziert sowie eige-
ne Texte produziert und publiziert werden können. Sowohl digitale Texte als
auch digitale Kommunikationsformen erweitern die Möglichkeiten literari-
scher Vermittlung. Durch ihren Einsatz können daher neben grundlegenden
digitalen Kompetenzen auch rezeptive und produktive literaturbezogene
Kompetenzen gefördert werden.
Rezeptive Kompetenzen werden gefördert, weil durch audio-visuelle Texte
wie Online-Lesungen, aufgezeichnete Theateraufführungen oder spezielle
Elementen (z.B. „Inanimate Alice“) laden zudem zur aktiven Rezeption ein,
indem sie Wahlmöglichkeiten zum Fortgang der Geschichte anbieten oder
Rezipient*innen in eine Rolle schlüpfen lassen. Wenn Lernende auf diese
Weise aktiv Vermutungen darüber anstellen, wie eine Geschichte weitergeht,
werden ihre Fähigkeit zur Hypothesenbildung und ihre Imaginationskraft
gefördert (vgl. Thomas/White/Lippis 2014).
Im Internet lassen sich zu vielen gedruckten Texten außerdem verschie-
dene digitale Paratexte finden, die zum Weiterlesen, -hören oder -sehen in
der Fremdsprache und zur Kontextualisierung auffordern. Solche Paratexte
beinhalten z.B. zusätzliche Informationen zu einem literarischen Werk und
seiner Autorin bzw. seinem Autor, alternative Kapitel auf Fan Fiction-Seiten,
Visualisierungen oder auch den öffentlichen Austausch von Autor*innen und
Kritiker*innen über Twitter oder Instagram. Lernende können so zusätzliches
Wissen erwerben, Einblicke in literaturbezogene Orte erhalten (z.B. durch
einen virtuellen Blick hinter die Kulissen von Shakespeares Globe) oder Au-
tor*innen in Interviews oder virtuellen Lesungen auch als Personen kennen-
lernen. Solche Kontextualisierungen können zum einen motivierend wirken;
zum anderen sind sie gerade bei fremdsprachigen Texten wichtig, weil ohne
das dadurch erworbene Wissen Anspielungen in einem Text sowie kulturell
geprägte Verhaltensweisen oder Werte von Figuren oftmals gar nicht zu ver-
stehen sind. Darüber hinaus werden durch solche Kontextualisierungen, die
in Form von WebQuests stattfinden können (vgl. Genetsch 2018), digitale
Basiskompetenzen im Bereich ‚Suchen und Verarbeiten‘ trainiert.
Lernende können mittels digitaler Formate aber auch sprachlich-
produktiv tätig werden. Spezielle Anwendungen wie „Little Bird Tales“ oder
der „Book Creator“ zur Erstellung eines eigenen enhanced E-Books ermögli-
chen die Produktion von digitalen Geschichten und das Experimentieren mit
multimodalen Darstellungsformen. Dies fördert Vorstellungskraft und Krea-
tivität. Über digitale Kommunikationsformen erhalten Lernende wiederum
über das Klassenzimmer hinausgehende Gelegenheiten, ihre Reaktionen auf
einen literarischen Text mit anderen zu teilen (z.B. in Form von Internet-
Rezensionen, Diskussionsbeiträgen in Foren oder Kurzfilmen auf YouTube),
Interpretationsansätze von anderen zu kommentieren oder eigene kreative
Produkte einzustellen. Lazar (2008, 159) zufolge lässt die hohe Beteiligungs-
quote auf Fan Fiction-Seiten vermuten, dass diese Form des sprachlich-
literarischen Outputs die Lesemotivation steigert, die Distanz zwischen einem
Werk und seinen Rezipient*innen verringert und Interpretationshandlungen
anstößt. Neue sprachliche Anwendungsmöglichkeiten entstehen aber auch
durch Anschlusshandlungen, die über traditionelle Anschlusskommunikatio-
rung Konzepte von ‚Lesen‘. Das ‚individuelle Lesen‘ geht in ein ‚soziales Le-
sen‘ (social reading) über (vgl. Pleimling 2012). Darunter wird der online-
Austausch über Texte verstanden, wie er in sozialen Medien, Blogs, Fan-
Foren und Buch-Communities sowie auf Literaturplattformen und Webseiten
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von Verlagen zu finden ist. Insgesamt verändert sich also die Kommunikation
über Literatur: Sie ist durch die Digitalisierung öffentlicher und für viele zu-
gänglicher geworden, so dass Rezipient*innen leichter an literarischen Dis-
kursen teilhaben können.
Dies sollte insofern auch Konzepte der Literaturdidaktik verändern, als
durch digitale Formate die Partizipationsmöglichkeiten im fremdsprachlichen
Literaturunterricht erweitert werden. Die Digitalisierung ermöglicht vielfälti-
ge sprachliche und kulturelle Begegnungen der Lernenden mit unterschiedli-
chen Texten, Inszenierungen und Personen, die über einen auf Textverstehen
ausgerichteten Unterricht und die typischerweise im Klassenzimmer vorzu-
findende Kommunikationssituation hinausgehen. Daher müsste erstens der
im fachdidaktischen Kontext schon erweiterte, unterschiedliche Vermitt-
lungsmodi einschließende Textbegriff weiter ausgeschärft werden. Zweitens
gilt es, Implikationen des digitalen Lesens und Schreibens für Rezeptionsstra-
tegien, Interpretationsmethoden und die eigene Textproduktion bei der Be-
schäftigung mit zunehmend multimodalen Texten sowie Texten mit nicht-
linearer Ästhetik, in denen Bedeutung durch das Verfolgen von Links kreiert
wird, herauszuarbeiten (vgl. Unsworth 2006, Kap. 2). Bestehende Kompe-
tenzbeschreibungen, auch im Bereich des Digitalen, sollten daher in Richtung
der Ausbildung von multiliteracies (vgl. Cope/Kalantzis 2009) aus fachlicher
Perspektive erweitert werden.1 Drittens schließlich müsste von einem umfas-
senderen Konzept von Lesen ausgegangen werden, das verschiedene Formen
der Anschlusskommunikation einschließt – von Internet-Rezensionen über
das Schreiben von Fan Fiction bis zur Teilnahme an Role Play Games.
Für die Beurteilung der Notwendigkeit konzeptioneller Änderungen in-
nerhalb der Literaturdidaktik bedarf es einer näheren Beschäftigung mit digi-
talen Formen der Literaturrezeption und -produktion. Dafür sollte auf Er-
kenntnisse der Literaturwissenschaft bei der Erforschung des aktuellen
Literaturbetriebs zurückgegriffen werden. In diesem Feld untersucht die Lite-
raturwissenschaft Prozesse des Umwandelns von analogen Medienformaten
in digitale sowie deren Verbreitung. Es steht die Frage im Fokus, welche Ein-
flüsse die Digitalisierung auf die Produktion, Vermittlung und Rezeption von
Literatur hat, also auf Texte, Akteur*innen sowie die Institutionen des Litera-
turbetriebs. Eine wichtige Erkenntnis ist z.B., dass das Internet bei all diesen
1
In ihrem Positionspapier betont die GFD (2018, 2), dass mit dem digitalen Wan-
del „neue digitale fachliche Kompetenzanforderungen entstehen“ und dass eine
Aufgabe der Fachdidaktiken in der „theoretischen Modellierung, empirischen Er-
forschung und praxisnahen Vermittlung des sich im Prozess der Digitalisierung
verändernden fachlichen Lehrens und Lernens“ besteht.
Prozessen eine immer wichtigere Rolle spielt (vgl. Hodson 2014; Winko 2016)
und dass Literatur heute als „Teil der aktuellen Partizipationskultur“ (ebd., 2)
angesehen werden kann. Literaturwissenschaftliche Studien zu den verschie-
denen Nutzungsvarianten digitaler Angebote legen verschiedene Formen der
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Britta Viebrock
1 Einleitung
Im September 2018 lief im Kinderkanal der öffentlich-rechtlichen Fernseh-
sender eine achtteilige Reihe namens „Digiclash: der Generationen-Contest“
(vgl. https://www.kika.de/digiclash-der-generationen-contest/index.html).
Grundidee der Sendung war der Vergleich zweier Personengruppen: Vier
Jugendliche, die in der dichotomen und durchaus umstrittenen, hier aber
passenden Kategorisierung Prenskys (2001) der Spezies der ‚digital natives‘
zuzuordnen waren, traten gegen vier internetskeptische Senioren an, die im
Laufe ihres Lebens nur wenig mit den Entwicklungen der digitalen Lebens-
welt in Berührung gekommen waren und über wenig ausgeprägte Technik-
kenntnisse verfügten. Die Herausforderung, die beide Gruppen zu bewältigen
hatten, war eine Verfremdung ihres gewohnten Alltags. Die digital natives
mussten ohne moderne Medien und digitale Technik auskommen und bei-
spielsweise ihre Mahlzeiten mithilfe eines Kochbuchs und einer analogen
Waage zubereiten, ihre Wäsche ohne Waschmaschine reinigen oder sich
ohne Navi in einer fremden Umgebung orientieren. Die Senioren hingegen
wohnten in einem Smart-Home mit zahlreichen technischen Finessen, die es
ihnen erlaubten, die Einkäufe per Internetorder ihres Kühlschranks zu erledi-
gen, ihre Mahlzeiten mithilfe eines digitalen Bestecks zu verzehren, das die
Essgeschwindigkeit kontrollierte, oder per virtual reality-Brille „in den Ur-
laub zu reisen“.
Der Kulturschock, den beide Gruppen erlebten, ist leicht nachvollziehbar.
Jeder dürfte in seiner sozialen Umgebung Personen kennen, die in manchen
Bereichen (noch) eher analog arbeiten, und anders herum solche, die digital
an vorderster Entwicklungslinie stehen. Warum ist dieses Beispiel für den
schulischen Fremdsprachenunterricht interessant? Aus meiner Sicht verdeut-
licht die überzeichnete und polarisierte Darstellung einige der Grundbedin-
gungen, die auch für den schulischen Unterricht gelten:
1. Die digitalen Vorkenntnisse dürften bei den beteiligten Akteuren (Lehr-
kräfte und Schüler/innen) generationsbedingt unterschiedlich sein, auch
wenn die jüngeren Lehrkräfte eher zu den digital Versierten zu zählen
sind.
ner unterscheiden.
3. In erster Linie ist die Digitalisierung ein Kommunikations- und Informa-
tionsmodus, der sich beobachten und beschreiben lässt und aus dem sich
auch für den Fremdsprachenunterricht didaktische und methodische
Schlussfolgerungen ableiten lassen.
4. Während in prädigitalen Zeiten nur ein analoger Modus zur Verfügung
stand, sind jetzt Abwägungen und ggf. Entscheidungen gegen oder für ei-
nen digitalen Modus zu treffen und begründen. Zukünftig wird in man-
chen Bereichen vielleicht kein analoger Modus mehr zur Verfügung ste-
hen bzw. die Binarität zwischen analogem und digitalem Modus
überwunden sein.
Digitalisierung ist mit Blick auf den Fremdsprachenunterricht also mindes-
tens in vier Dimensionen zu betrachten, die in den folgenden Abschnitten
anhand von Beispielen verdeutlicht werden sollen. Erstens geht es um die
Entwicklung von Medienkompetenz im Sinne des Multiliteracies-Ansatzes
(vgl. New London Group 2000; Elsner/Viebrock 2013). Zweitens bedeutet die
Anerkennung des Prinzips der Schülerorientierung und des erfahrungsbasier-
ten Lernens, dass sich auch der Fremdsprachenunterricht ernsthaft mit den
privaten digitalen Informationsbeschaffungs- und Kommunikationsformen
der Lernenden auseinandersetzen und diese für unterrichtliche Prozesse auf-
greifen muss. Dieses kann drittens beispielsweise in Form entsprechender
Lerntechniken und -strategien geschehen (vgl. Schmidt/Strasser 2018).
Wenngleich digitale und analoge Realisation somit auf denselben lerntheore-
tischen Grundlagen beruhen und möglicherweise eine ähnlich hohe kognitive
Anstrengung verlangen, liegt die digitale Ausführung näher an dem alltägli-
chen Kommunikationsmodus der Lerner. Zu verstehen, an welcher Stelle
digitale tools tatsächlich eine Hilfe sind und an welcher Stelle sie das Lernen
eher behindern, wäre viertens Teil einer critical (digital) literacy, also der
Fähigkeit, die unterliegenden Strukturen, Ziele und Zwecke von Texten aller
Art oder auch digitalen Anwendungen zu durchschauen ebenso wie deren
Potenziale und Grenzen.
Zur Erörterung der genannten vier Dimensionen werden im folgenden
Abschnitt zunächst ausführlich die grundsätzlichen fachlichen und didakti-
schen Herausforderungen des digitalen Wandels für den Fremdsprachenun-
terricht unter Einschluss der notwendigen Fähigkeiten (v.a. die schon be-
nannte critical literacy) diskutiert, bevor die Frage eines spezifischen Leitbilds
für digitales Lehren und Lernen in den Blick genommen wird. Es folgen eini-
det sein (z.B. in Form eines digitalen Schulbuchs), aber sie setzt grundsätzlich
die gleichen Anforderungen und konzeptionellen Kenntnisse voraus wie es
gedruckte akademische Texte schon immer getan haben. Zusammenfassend
lässt sich also sagen, dass eine gewisse Akzentverschiebung und auch Erweite-
rung der Textsorten und ihrer sprachlichen Realisierung stattfinden, die im
Unterricht zu betrachten sind, aber keine grundsätzliche Änderung dieses
Fachinhalts.
Ähnliches gilt für die landeskundlichen und literarischen Unterrichtsin-
halte. Auch hier übt die Digitalisierung einen Einfluss aus, der aufzugreifen
ist, aber er stellt die Unterrichtsinhalte nicht grundsätzlich in Frage. Wenn in
der Oberstufe beispielsweise tagespolitische Themen der USA behandelt wer-
den, ist es sicher wichtig, Präsident Trumps Medienverhalten in den einschlä-
gigen Kurznachrichtendiensten zu analysieren und die Wirkungsweise dieser
Textsorte zu diskutieren, denn das ist – wie das eingangs geschilderte Beispiel
eindrücklich gezeigt hat – die Lebenswelt, in der sich die Jugendlichen heut-
zutage aufhalten und deren Mechanismen sie im Sinne einer critical digital
literacy kennen und verstehen sollten. Ebenso wichtig dürfte es aber sein, die
ausführlichere Darstellung von Sachverhalten in anerkannten Printmedien
oder Nachrichtenmagazinen zu untersuchen, um sowohl zu einem vertieften
inhaltlichen Verständnis als auch zu elaborierteren Sprachkompetenzen zu
gelangen. Genauso verhält es sich mit literarischen Texten, die heutzutage
sehr viel variantenreicher sind und deshalb eine genauere Auswahlbegrün-
dung verlangen. Je nach medialer Realisationsform setzen sie beispielsweise
Lesekompetenzen und literarästhetische Textverstehenskompetenzen oder
Kompetenzen im Hör-Sehverstehen und visual oder film literacy voraus bzw.
fördern diese. Multimodale Literaturformen, welche die Strukturen des Inter-
nets und die Möglichkeiten der Digitalisierung für ihre Erzählung nutzen
verlangen dem Leser/der Leserin neue Rezeptionskompetenzen ab (vgl. auch
Lütge in diesem Band). Aber wenn man es genau nimmt, hat es innovative
(beispielsweise hypertextartige) Erzählansätze auch schon zu prädigitalen
Zeiten gegeben (man denke an Margaret Atwooods Kurzgeschichte Happy
Endings aus dem Jahre 1983, eine metafiktionale, zwar chronologisch aufge-
schriebene, aber in sechs Alternativen A-F zu lesende Erzählung mit entspre-
chenden Querverweisen: „If you want a happy ending, try A.“ oder „… and
everything continues as in A.“). Wiederum gilt es also, den Einfluss der Digi-
talisierung auf literarische Repräsentationsformen aufzugreifen und zu mo-
dellieren. Neue Textformen sind im Fremdsprachenunterricht zu thematisie-
ren. Dieses schließt Reflexionen sich ändernder Lese- und Sehgewohnheiten
mit ein. Aber literarische Texte als Unterrichtsinhalt werden damit nicht
grundsätzlich in Frage gestellt.
Der Bereich, in dem der Einfluss der Digitalisierung am deutlichsten
sichtbar geworden ist, ist der der Unterrichtsmedien. Sie haben sich im
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in der Politik oder im kulturellen Leben ergeben. Auch hier ist immer wieder
die Frage zu stellen, ob und in welcher Weise (auch in welcher medialen Rea-
lisierung) ein neuer Inhalt aufzunehmen ist. Für mich gehören die Heraus-
forderungen, die sich aus der Digitalisierung ergeben, somit zur grundlegen-
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Lernspiels bewusst, welche Daten von ihnen gespeichert und für welche Zwe-
cke diese verwendet werden? Wissen die Lehrkräfte, welchen (Daten-) Preis
sie und ihre Lerner für gewisse Anwendungen bezahlen?
Die Attraktivität der digitalen Angebote für die Lerner sowie deren kom-
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fortable Nutzung für die Lehrkräfte, mit der explizit geworben wird, scheint
bisweilen den Blick auf nutzungsethische oder auch forschungsethische As-
pekte zu verstellen. The Language Magician, beispielsweise erhebt recht um-
fangreiche Daten und nennt diese im privacy statement (vgl. https://www.the
languagemagician.net/privacy/). Der Hinweis, dass sie auch zu Forschungs-
zwecken genutzt werden, findet sich allerdings nicht dort, sondern an anderer
Stelle auf der Projektwebseite. Das Zur-Verfügung-Stellen von Forschungsda-
ten ist also untrennbar mit der Nutzung des Spiels verbunden. Setzt eine
Lehrkraft dieses Spiel also zur Sprachstandsdiagnose ein, werden die Lerner
damit gleichsam zu Teilnehmer/inne/n eines Forschungsprojekts gemacht.
De facto können mit den vorhandenen technischen Mitteln aufwändige for-
male Genehmigungen und die gesonderte Zustimmung der Erziehungsbe-
rechtigten minderjähriger Teilnehmer/inne/n umgangen werden, die bei der
Nutzung digitaler Anwendungen nicht eingeholt werden, die für andere, ex-
plizit als solche gekennzeichnete Forschungsprojekte in Schulen hingegen
unerlässlich sind. Kritisch zu fragen ist also, ob digitale Spiele, die zugleich
Daten erheben/speichern, wichtige Prüf- und Genehmigungsprozeduren
aushebeln?
Anhand dieses Beispiels ist grundsätzlich zu fragen, ob die Entscheidung
für digitale Lerninhalte, tools oder Prüfungsmethoden individuell zu treffen
und zu verantworten ist, ob also datenbezogene Aspekte von der einzelnen
Lehrkraft umfassend beurteilt werden können. Oder muss für internet-
basierte tools – ähnlich wie für klassische Schulbücher – eine Begutachtung
und Freigabe auf bildungspolitischer Ebene erfolgen? Bock und Probst (2018)
plädieren diesbezüglich für ein integriertes Konzept auf allen Ebenen:
Während der Schulträger vornehmlich rahmt, welche Infrastruktur in den
Klassenräumen zur Verfügung steht, wird die Bildungspolitik sich eher Ge-
danken darum machen müssen, welche Impulse sie für die zukünftige Ausge-
staltung der Inhalte setzen möchte (Stichworte freie bzw. proprietäre Bil-
dungsmedien, KMK-Empfehlungen zu digitalen Kompetenzen etc.). Zudem
sind auf Länderebene Fragen der Lehrkräfteausbildung und Schulung im Um-
gang mit digitalen Medien verortet. Handlungsimplikationen für die konkrete
Gestaltung der Verwendung und den Umgang mit den mobilen Endgeräten
im Fachunterricht richten sich hingegen vor allem an die Personen, die mit
den Bildungsmedieninhalten lehren und lernen (Bock und Probst 2018, 18f.).
Eine solche Sichtweise sollte meiner Ansicht nach auch für ein Leitbild digita-
len Lernens in den fremdsprachlichen Fächern gelten, denn für die einzelne
Lehrkraft ist die Vielfalt der freien Angebote mit ihren Implikationen hin-
sichtlich der Datensicherheit sonst kaum zu überblicken. Natürlich sind diag-
nostische tools wie The Language Magician hilfreich und bisweilen genauer als
der Blick der Lehrkraft. Zugleich darf aber nicht vergessen werden, dass hier
überwiegend diskrete Elemente in den Blick genommen werden, fremd-
sprachliche Bildung aber ein sehr viel umfassender Prozess ist. Deshalb müs-
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4 Forschungsperspektiven
Im Zuge der Digitalisierung ergeben sich unzählige Forschungsperspektiven
für die Fremdsprachendidaktik. Mit der oben bereits betonten kritischen
Sicht u.a. auf Fragen der Datensicherheit z.B. bei frei zugänglichen internet-
basierten Sprachlernressourcen verbieten sich allerdings einige Forschungsvi-
sionen, wenngleich sie sich technisch sehr leicht realisieren lassen. Insgesamt
scheint es mir angezeigt, hier eine grundlegende forschungsethische Position
einzunehmen (vgl. Viebrock 2015) und sehr genau abzuwägen, welche For-
schungsfragen vertretbar und sinnvoll sind und eine Untersuchung lohnen.
Auch der latent unterliegende Gedanke einer Effizienzsteigerung (schneller,
mit weniger Aufwand) sowohl beim Fremdsprachenlernen als auch bei dessen
Erforschung, der sich mit den zahlreichen technischen Möglichkeiten auf-
drängt, ist aus meiner Sicht kritisch zu prüfen. Grünewald (2017) weist in
diesem Zusammenhang zudem auf die forschungsmethodologischen Proble-
me hin, die komparative Studien (analog vs. digital) mit sich bringen:
In vergleichenden empirischen Studien, in denen Unterricht mit und ohne di-
gitale Medien untersucht wird, bleibt meist unklar, ob eine Veränderung tat-
sächlich auf das eingesetzte Medium zurückzuführen ist oder nicht (Fakto-
renkomplexion). Das liegt daran, dass in der Forschung zur Wirkung digitaler
Medien im Schulunterricht mediale und unterrichtsmethodische Einflüsse
nicht auseinander gehalten werden können (Grünewald 2017, 212).
Mir scheint allerdings, dass viele der gegenwärtigen Forschungsarbeiten bei-
spielsweise auch im Zuge der Qualitätsoffensive Lehrerbildung den Ansatz
verfolgen, die Überlegenheit des Digitalen herauszustellen. Mit Bezug auf das
eingangs geschilderte Beispiel halte ich es hingegen für sinnvoller, den Modus
des Digitalen als eine grundsätzliche gesellschaftliche Entwicklung anzuer-
kennen und auf seine Potenziale oder auch Herausforderungen hin zu be-
trachten, ohne jedoch von Vorherein von einer Überlegenheit in lerntheoreti-
scher Hinsicht auszugehen. Vielfältige digitale Bildungsangebote
(Lernplattformen und Content Management Systeme, die Aufzeichnung von
5 Zusammenfassung
Ziel meines Beitrags war es, einige grundsätzliche Überlegungen zur Digitali-
sierung von Bildungsprozessen im Fremdsprachenunterricht, in der Fremd-
sprachendidaktik und in der Fremdsprachenforschung anzustellen. Die An-
nahme, dass die Digitalisierung unausweichlich zu einer „Bildungsrevolution“
(Dräger/Müller-Eiselt 2017) führt, teile ich nicht vollumfänglich. Vielmehr
bestimme ich die beiden Dimensionen ‚Digitalisierung‘ und ‚Institutionalisie-
rung‘ als Gegenpole eines Kontinuums. Je nachdem, aus welcher Perspektive
man sich der Thematik nähert, ergeben sich unterschiedliche Potenziale und
Herausforderungen. Grundsätzlich ist der Modus der Digitalisierung als ge-
sellschaftliche Entwicklung anzuerkennen und in den Bildungsinstitutionen
aufzugreifen. Wenn diese allerdings auch als Orte des gemeinsamen und sozi-
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Karin Vogt
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dien ohne ein (fach-)didaktisches Konzept, auf der die Anwendung basiert. In
der fremdsprachendidaktischen Forschung ist das Leitziel von Diskursfähig-
keit in der Fremdsprache konsensuell, dem wir verpflichtet sind. Didaktische
Konzepte zum Fremdsprachenlernen müssen digitale Medien mit einbezie-
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Lernprozesse unterstützen können und hier eine Rolle spielen können, die
analoge Medien nicht einnehmen können. Interessant ist in diesem Zusam-
menhang der SAMR-Ansatz (Puentedura 2018), den Schmidt und Strasser
(2018) auf den Einsatz digitaler Medien im Fremdsprachenunterricht über-
tragen und den ich bezogen auf einen inklusiven Englischunterricht weiter-
entwickeln und illustrieren möchte.
Auf einer relativ basalen Ebene (Substitution) startend, tauscht die Lehr-
kraft lediglich analoge durch digitale Medien aus. Auf den Englischunterricht
bezogen wäre das beispielsweise ein Youtube-Video zum Notting Hill Carni-
val, das die Lehrwerksunit komplettiert und ein analoges Video ersetzt, oder
die Lehrkraft gibt den Lernenden eine (statische) Website zum Thema zu
lesen statt eines gedruckten Textes. Die Funktion des eingesetzten Mediums
ändert sich hier nicht. Es besteht die Möglichkeit, Zusatzfunktionen des digi-
talen Mediums lernfördernd und individualisierend zu nutzen. Für den inklu-
siven Englischunterricht könnte die (in Größe und Farbe anpassbare) Unter-
titelfunktion von YouTube-Videos verwendet werden, um den Lernenden,
die dies benötigen, eine zusätzliche Verständnishilfe bereitzustellen, wobei
damit die Grenzen zur nächsten Stufe fließend werden.
Auf der folgenden Ebene des Modells wird Notting Hill auf Google Maps
gesucht, um den Lernenden einen konkreten Eindruck zu Notting Hill als
Stadtteil, zur Lage und Umgebung etc. zu geben. Hier ersetzt die Anwendung
ebenfalls das analoge Medium Karte, jedoch gibt es eine funktionale Verbes-
serung (Augmentation), indem gewechselt werden kann zwischen der Satelli-
tenansicht und der kartografischen Ansicht, man mit Street View auch eine
360°-Sicht der Örtlichkeiten erhält etc. Auch hier ergeben sich die Möglich-
keiten von zusätzlichen individualisierenden Funktionen, wenn z.B. die
Gruppen von Lernenden mittels Google Maps eine ansatzweise Sozialtopogra-
fie des Stadtteils erstellen, der dessen Gentrifizierung darstellt. Mittels (ein-
fach zu differenzierenden) Fragen nach den Gegebenheiten im Stadtteil (Was
gibt es für Restaurants, Geschäfte, Hotels? Wie heißen sie? Wie teuer sind sie?
Wie sehen die Wohnhäuser aus? Wie hoch ist dort wohl die Miete? Welche
anderen Dinge gibt es zu tun (leisure centre, youth club)?) tragen die Lernen-
den arbeitsteilig und nach ihren Möglichkeiten und Interessen die Informati-
onen zusammen, auf deren Basis man gemeinsam nachzeichnet, welche Ent-
wicklung der Stadtteil seit den Anfängen des Notting Hill Carnival genommen
hat.
Auf der nächsten Ebene ermöglicht der Einsatz der Technologie eine Er-
weiterung der Aktivität oder Aufgabe. Um beim Beispiel zu bleiben, würden
die Lernenden das Video zum Notting Hill Carnival mittels der Kommentar-
Vorteile (wie die Ergebnisse von Heinz (2018) andeuten), und für welche
Arten von Lernenden (z.B. Förderbedarf Lernen) trifft dies unter welchen
Umständen mit welchen Inhalten und Aufgabenformaten zu? Sind durch den
Einsatz von z.B. MALL vermehrte Kompetenzzuwächse zu verzeichnen und
bei wem in welchen Bereichen? Welche Möglichkeiten der Individualisierung
lassen sich sinnvoll BYOD-gestützt durchführen und mit welchem Ergebnis?
Lassen sich eher simplistisch strukturierte Anwendungen mit komplexen
Lernaufgaben am Gemeinsamen Gegenstand verbinden und wenn ja, wie? Es
wird an dieser Stelle sehr deutlich, dass es noch erheblichen Forschungsbedarf
gibt.
Welche Konsequenzen hat die Diskrepanz von Anspruch und Wirklich-
keit für die universitäre Lehrerbildung? Für Lehrkräfte in der ersten Phase
sind digitale Anwendungen m.E. am geeignetsten für den Einsatz, die an den
jeweiligen mediendidaktischen Kompetenzständen anknüpfen und die ihre
lebensweltlichen Erfahrungen mit aufnehmen, um ggf. Ängste abzubauen
und Selbstwirksamkeit in medialer Hinsicht erfahrbar zu machen. Hier kann
bei der Erschaffung von digital unterstützten fremdsprachendidaktischen
Lernumgebungen auf das zuvor beschriebene SAMR-Modell rekurriert wer-
den, um den Einsatz digitaler Medien flexibel an die technisch-
organisatorischen Gegebenheiten, hochschuldidaktischen Lernvoraussetzun-
gen und –ziele etc. anzupassen. Vorstellbar und wünschenswert in hochschu-
lischen Kontexten, die über eine vergleichbar bessere Infrastruktur verfügen,
ist eine kooperative Herangehensweise, zwischen den Peers untereinander
oder unterschiedlichen Phasen der Lehrer/innenbildung (erste und dritte
Phase). Bezogen auf inklusive Lernkontexte beträfe die Kooperation auch die
digital gestützte interprofessionelle Zusammenarbeit, um kooperative Lern-
formen zu gestalten, die durch mediale Lernumgebungen (Lernplattformen,
Videokonferenzen, Onlinemeetings, etc.) erst möglich werden. Damit würde
die Gegenwart vielleicht nicht ganz so schnell von der Zukunft eingeholt.
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Ähnliche Erwartungen finden sich in einem Artikel von Michael Legutke aus
demselben Jahr (in der Veröffentlichung der Frühjahrskonferenz, die sich
1999 mit der Erforschung von Lehr- und Lernmaterialien beschäftigte). Sein
Artikel setzt sich mit dem Thema der digitalen Medien und der Produktion
von komplexen Lernwelten auseinander und beginnt mit der Darstellung von
sechs Tendenzen, die er in Bezug auf die Weiterentwicklung von Lehrwerken
wahrzunehmen meinte und in engen Zusammenhang mit der Verbreitung
der digitalen Medien brachte. In den sechs Tendenzen beschreibt er in ähnli-
cher Weise, wie es Rüschoff und Wolff tun, die für den FU wichtigen Charak-
teristika der neuen digitalen Medien.
Er prognostiziert, dass mithilfe der vielen zugänglichen Texte im Internet
sowie den Bearbeitungsmöglichkeiten digitaler Werkzeuge Lehrende und vor
allem Lernenden zukünftig viel aktiver und kreativer an der Schaffung der
gemeinsamen Lernwelten beteiligt werden würden. Damit sei die Zeit des
Monopols der Lehrenden und vor allem des Lernwerks als oft primärer und
einziger Textquelle zu Ende. Er unterstreicht zudem, dass die neuen Möglich-
keiten zur direkten Kontaktaufnahme mit Zielsprachensprechenden dem FU
die Schaffung neuer Interaktionsräume eröffneten, die direkt in den Unter-
richt integriert werden und diesen damit nach außen öffnen könnten (vgl.
ibid., 129-131).
Im Grunde war damit schon 1999 (fast) alles Wichtige gesagt.
Mehrwert erkennen lassen. Unter einem echten Mehrwert verstehe ich, dass
sich mithilfe des Mediums im Unterricht bzw. beim Lernen fundamental
etwas ändert – ein neues Lernziel gesetzt und erreicht werden kann, neue
Lernmöglichkeiten geschaffen und/oder Lernprozesse deutlich erleichtert,
Lizenziert durch Bergische Universität Wuppertal, abgerufen von anonymous am 05.02.2024 um 03:15 Uhr von IP 132.195.2.248
ist; vgl. für ein erstes solches Projekt das MERLIN Korpus und die Ausfüh-
rungen dazu in Abel et al. 2014).
Besonders schwierig ist es zudem, intelligentes Feedback für Aufgaben zu
erzeugen. Meurers et al. (2018) weisen darauf hin, dass die langsame Entwick-
Lizenziert durch Bergische Universität Wuppertal, abgerufen von anonymous am 05.02.2024 um 03:15 Uhr von IP 132.195.2.248
lung hier u.a. darin begründet sei, dass die in der ICALL-Forschung entwi-
ckelten Anwendungen Ergebnisse aus der Fremdsprachenforschung zu sinn-
vollen Aufgaben- und Feedbacktypen und zu Lernenden nur unzureichend
berücksichtigt hätten und zudem nie in realen Kontexten getestet worden
seien – ein Desiderat, dem Meurers und Kollegen sowie Kolleginnen durch
ihre Arbeiten begegnen wollen (vgl. ebd.).
Die Möglichkeiten, die sich durch die Entwicklung adaptiver Technolo-
gien wiederum für das Fremdsprachenlehren und -lernen ergeben können,
werden aus meiner Sicht aktuell nicht ausreichend wahr- oder ernstgenom-
men. Sie gehen weit über eine auf das Grammatiklernen oder das selbstge-
steuerte Lernen beschränkte Anwendung hinaus und betreffen sowohl das
Thema Differenzierung und individuelle Förderung von Lernenden (vgl.
hierzu Schmidt/Würffel 2018) als auch die Unterstützung der diagnostischen
Fähigkeiten von Lehrenden. Die unzureichende Wahrnehmung bzw. das
fehlende Engagement, hier maßgeblich voranzukommen, mag damit zusam-
menhängen, dass es bislang erst wenige Anwendungsbeispiele gibt, von denen
man berechtigterweise in absehbarer Zeit eine Marktreife erwarten kann. Das
liegt aber – anders als noch Anfang der 2000 Jahre – nicht daran, dass es die
nötige Technik nicht gibt. Es liegt eher daran, dass die Erstellung zeit- und
ressourcenintensiv ist und in kleineren Projekten eben auch nur überschau-
bare Ergebnisse erzielt werden können. Ich stimme deshalb Meurers et al.
(2018) zu, die darauf hinweisen, dass „ein nachhaltiger Fortschritt in der For-
schung und Entwicklung solcher Systeme […] spezifische Förderprogramme
und gesetzliche Vorgaben“ benötigt (ebd., 80).
Spricht man in der Fremdsprachendidaktik über Telekollaborationspro-
jekte, so erscheint das fast schon als alter Hut – gibt es diese doch seit Mitte
der 1980er Jahre. Wurden sie zu Beginn vor allem als E-Mail-Projekte zur
Unterstützung des Schreibens und des interkulturellen Lernens durchgeführt,
haben sich die Zielsetzungen und die Nutzung der eingesetzten Kommunika-
tions- und Kooperationswerkzeuge deutlich erweitert. Forschung zu den
inzwischen häufig als virtual exchange benannten virtuellen Austauschprojek-
ten zwischen L2-Lernenden und L1-Sprechenden oder zwischen lokal ent-
fernten Gruppen von L2-Lernenden zeigt, dass diese Projekte zwar häufig
organisatorisch für Lehrende (und zum Teil auch für Lernende) eine Heraus-
forderung darstellen, von L2-Lernenden aber fast immer als lernwirksam
wahrgenommen werden – und als klarer Zugewinn zum ‚normalen‘ Unter-
richt (für vielfältige Beispiele vgl. die eTwinning-Plattform oder für einen
Überblick zu virtual exchanges in der Ausbildung von Lehrenden vgl. Würffel
2016).
Didaktik denken, noch immer der ‚Gutenbergsche‘ sei, also einer, der die
Buchkultur als Normalität setze und deshalb diese für alle didaktischen Über-
legungen als Maßstab nutze. Ein digitaler Wandel könne erst stattfinden,
wenn der Bezugsrahmen neu bestimmt werde und dieser Bezugsrahmen die
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Veränderungen, die digitale Medien in Bezug auf das Lernen schon angesto-
ßen haben oder dabei sind anzustoßen, realisiere. Krommer (2017) versteht
dies als notwendigen Paradigmenwechsel – womit sich eine spannende Nähe
zu den Äußerungen von Rüschoff und Wolff (1999) auftut.
Damit ein Paradigmenwechsel stattfinden könne, müsse die Rolle der
Technik anders gewertet werden – auch dies eine interessante Überschnei-
dung zwischen Rüschoff, Wolff und Krommer: Wie oben ausgeführt, sahen
Rüschoff und Wolff die digitalen Medien als Motor für Veränderungen. Da-
mit war aber eben nicht gemeint, dass die Veränderung in der neuen Technik
bestehe und dass es reiche, analoge durch digitale Medien zu ersetzen, um
guten Unterricht in einer digitalen Welt zu machen.
So weist Krommer (2018) darauf hin, dass eine Äußerung wie der (gerade
auch in der Tagespresse mehrfach zitierte) Grundsatz „Pädagogik vor Tech-
nik“ von Zierer (2017) im besten Fall trivial sei (da ihm kein/e Bildungswis-
senschaftler/in oder Didaktiker/in widersprechen würde) oder im schlimms-
ten Fall verschleiernd und hemmend wirke, weil er verkenne, wie stark
didaktische Entscheidungen und Handlungen durch die genutzte Technik
(und das kann auch Buch und Schrift sein) bestimmt würden.
Es ist also an der Zeit, stärker über die Veränderungen der Kontexte – vor
allem der Kontexte der fremdsprachlichen Anwendungs- und Handlungskon-
texte, die sich durch die Digitalisierung weiter Teile unseres Alltags- wie auch
Berufslebens schon verändert haben – und damit auch über die Veränderun-
gen von Lernzielen nachzudenken: Denn die veränderten bzw. sich verän-
dernden Kontexte erfordern eine Anpassung der Kompetenzbeschreibungen
für das Fremdsprachenlernen (und damit meine ich jetzt nicht einmal eine
allgemeine digital literacy, sondern auch sprachspezifische Kompetenzen wie
z.B. eine sprachliche und interkulturelle Nutzungskompetenz für Überset-
zungsapps, die es ermöglicht, die aktuellen Schwächen solcher Übersetzungs-
systeme einzuschätzen, im Vollzug zu bemerken und durch geeignete Strate-
gien auszugleichen), für Inhalte, Methoden und damit eben auch von
Lernzielen eines modernen, postmodernen oder zukünftigen FUs.
In den letzten 20 Jahren konnte man stattdessen beobachten, dass häufig
die Technik mit der Hoffnung (oder auch der Angst) überfrachtet wurde, dass
sie die Unterrichtswirklichkeit grundlegend ändern würde. Das aber konnte
nur kontraproduktiv sein: Wenn man nur die genutzten Medien bzw. die
Technik austauscht, sonst aber nichts ändert, findet keine wirkliche Entwick-
lung statt. Zudem kann man mit den völlig unterschiedlichen digitalen Medi-
en alle Prinzipien und Methoden des FUs unterstützen – eine Digitalisierung
kann also genauso gut für den Ausbau bestimmter Prinzipien genutzt werden
Grund sein, sich nicht zu bewegen und nicht aktiv an den Veränderungen
mitzuarbeiten.
oder müssen; sie finden sich vor allem beim Kompetenzbereich der Online-
Interaktion. Leider wirken sie wenig systematisch und zum Teil eher unpro-
fessionell. Auf Beschreibungsstandards, die sich in Publikationen wie dem
jährlichen Horizon-Report, dem DigComp 2.1 des Europarats (European
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Commission 2017) o.ä. finden, scheint bei der Erstellung nicht zurückgegrif-
fen worden zu sein; eher scheinen eigene Erfahrungen mit spezifischen An-
wendungen eine Rolle gespielt zu haben. Da diese aber häufig schnell durch
neue abgelöst werden (und schon heutige Studierende kaum noch wissen, was
Second Life war), erscheinen Deskriptoren wie der folgende eher unglücklich:
„can express him/herself […] in a hang-out-space for coresearchers at a uni-
versity“, (vgl. Council of Europe 2018, 155). Dagegen fehlen wichtige Kompe-
tenzbereiche, die in Kompetenzrastern zu Medienkompetenzen oder zur digi-
tal literacy zum Standard gehören – wie z.B. „Managing digital identity“
(European Commission 2017, 31): Diese sind so grundlegend mit sprachli-
chem Handeln verbunden, dass man sie nicht mit dem Hinweis abtun kann,
sie könnten nicht zu den fremdsprachlichen Kompetenzen gezählt werden,
gehörten deshalb nicht in den GER und müssten auch nicht durch den FU
gefördert werden.
Wir müssen in den Bereichen Forschung und Lehre in Deutschland end-
lich damit beginnen, nicht nur auf den digitalen Wandel zu reagieren, son-
dern zu agieren und ihn aktiv mitzugestalten; d.h. auch, dass wir uns mit
Themen wie Big Data, Deep Learning, Smart Assistants, Internet of Things,
Speech Recognition oder Machine Translation (vgl. Massion 2017) und ihren
Folgen (aber auch Möglichkeiten) für unsere Profession auseinandersetzen
müssen – wir sind schon jetzt in vielen Feldern (fast) abgehängt.
Was wir nicht weiter tun sollten, ist, den FU als einen Ort zu inszenieren,
der ein wenig aus der Zeit gefallen zu sein scheint, der sich nicht darum
kümmert, dass die Welt längst anders aussieht, als er es in seinen Lehrbü-
chern darstellt, und der meint, dass er sich das leisten kann, weil sich sein
Gegenstand – die Sprache – nur in unwichtigeren Randbereichen ändere, im
Kern aber immer dieselbe bleibe und deshalb mit einem Lehrwerk und den
Methoden aus den 70er, 80er, 90er Jahren noch genauso gut erworben wer-
den könne wie in einer mit Hilfe digitaler (und nicht-digitaler Medien) von
Lehrenden und Lernenden gemeinsam produzierten Lernumwelt. Um das
wiederum alles anzustoßen, müssen wir vor allem an der Haltung der For-
schenden und Lehrenden (und das sind auch wir) ansetzen, da sie den Einsatz
digitaler Medien entscheidend beeinflusst (vgl. u.a. Hockly 2016, 91).
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07743 Jena
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