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2020

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be

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cksicht

CHEMIE
GESAMTBAND 11 – 12

Baden-Württemberg
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Zum Umgang mit dem Buch

So können Sie mit diesem Buch arbeiten …


Ihr neues Chemiebuch enthält zehn Kapitel. Jedes Kapitel ist in mehrere Untereinheiten un-
terteilt und enthält eine Reihe verschiedener Seitentypen. Hier erfahren Sie, wie Sie mit diesen
Seitentypen arbeiten können.

1. Los geht‘s KC KOMPETENZCHECK

Startklar? D3 Markieren Sie die Ester-Gruppe


chung aus D2 und benennen
in der Reaktionsglei-
Sie den Reaktionstyp.
 Bei Säure-Base-Reaktio
nen werden Protonen
von der Base auf die Säure
übertragen.
 Eine Neutralisation bezeichnet
einer Säure mit einer Base
die Reaktion
unter Bildung von
anhand
ein und prüfen Sie sich Wasser und einem Salz.
in den Bereichen A bis G
Schätzen Sie Ihre Kompetenz 06011-03).
Den Aufbau von Salzen
beschreiben Aufschluss über die Kon-
(Arbeitsblatt unter QR-/Mediencode 06011-03
KOMPETENZ E:  Ein pH-Indikator gibt
der entsprechenden Aufgaben
und Ionenbindungen benennen zentration einer Lösung.

Um festzustellen, ob Sie fit für ein Kapitel sind, können Sie


gut schwierig
sehr gut (Na- tion zwi-
E1 Beschreiben Sie
den Aufbau von Kochsalz F2 Formulieren Sie
die Neutralisationsreak
Kompetenz unter Verwendung
Gasen beschreiben triumchlorid) auf Teilchenebene schen Salzsäure und Natronlauge.
A Nachweisreaktionen von der folgenden Fachbegriffe:
beschreiben – Anionen – Ionenbindung.
chemischen Reaktionen Ionengitter – Kationen
B Den Energieumsatz von
erklären Chemische Berechnungen
auf chemische Reaktionen Verhältnisformeln für die
folgenden KOMPETENZ G:
C Den Einfluss des Zerteilungsgrades E2 Stellen Sie die
zwischen Alkohol und Carbonsäure Salze auf:
durchführen
Die Veresterung als Reaktionstyp b) Natriumoxid

sich auf den Seiten Startklar? zunächst selbst einschätzen


D
a) Aluminiumchlorid G1 Ergänzen Sie die Tabelle:
formulieren benennen
beschreiben und Ionenbindungen nen entstehen oft Salze, Formel
Den Aufbau von Salzen Bei Säure-Base-Reaktio Größenzeichen Einheit
Molekül-Ionen sind.
E E3 chem. Größe
Säure-Base-Reaktionen
formulieren deren Kationen oder Anionen
Reaktionsgleichungen für n
Beispiele hierfür sind
F Stoffmenge m=M·n
erklären
und das Prinzip einer Titration Cl m g
durchführen a) Ammoniumchlorid NH4 g/mol
G Chemische Berechnungen b) Kaliumnitrat KNO3
M
c=
und Formeln der
Geben Sie jeweils die Namen Konzentration
m3 oder L = Vm · n
beiden Salze bestehen.
Ionen an, aus denen die

und anschließend Ihre Einschätzung anhand von Aufga-


Aktivierungsenergie und einer Kochsalzlösung
Definieren Sie die Begriffe Berechnen Sie das Volumen
n von Gasen be-
B2
mol/L, in der eine Stoff-
G2
KOMPETENZ A: Nachweisreaktione Reaktionsenergie. en für Säure-Base- der Konzentration c = 0,5
KOMPETENZ F: Reaktionsgleichung gelöst ist.
und die Elektrolyse einer Titration menge n(Na ) = 0,35 mol
+
schreiben formulieren und das Prinzip
Ordnen Sie die Knallgasprobe Reaktionen
Kalkwasserprobe und die aus B1 zu.
B3
A1 Die Glimmspanprobe, die Nachweisre- von Wasser den Energiediagrammen erklären
Knallgasprobe sind charakteristische richtigen Aussagen an. Verbessern
Gase. Kreuzen Sie alle
aktionen für drei wichtige F1
denjenigen Gasen zu, Einfluss des Zerteilungsgrades auf Sie falsche Aussagen.
a) Ordnen Sie die drei Proben KOMPETENZ C: Den

ben überprüfen. Die passenden Arbeitsblätter können Sie


die sich damit nachweisen
lassen. erklären die entsprechende Punktzahl.
chemische Reaktionen 464 und geben Sie sich
kurz Durchführung und mit den Lösungen auf Seite
b) Beschreiben Sie jeweils in der Brennerflamme in Vergleichen Sie Ihre Antworten
te. Eisenspäne verbrennen
Beobachtung der Nachweisexperimen Reaktio- C1
mit orangen Funken. schwierig zum Nachlesen
einer exothermen Reaktion
dieser sehr gut gut
c) Erklären Sie die Beobachtungen trotzdem aus S. 18, 38
Reaktionsgleichungen. Erklären Sie, dass Brandschutztüren Kompetenz 13 – 9 8–5
nen in Worten oder mit mit dem Hauptbe- 18 – 14
massivem Stahl, einer Legierung A Nachweisreaktionen von
Gasen beschreiben
S. 16
können. 10 – 7 6–4
standteil Eisen, bestehen Den Energieumsatz von
chemischen Reaktionen 14 – 11
von chemischen B

unter dem jeweiligen QR-Code bzw. Mediencode abrufen


KOMPETENZ B: Den
Energieumsatz beschreiben S. 17
auf chemische 3 2 1
Reaktionen beschreiben Die Veresterung als Reaktionstyp Den Einfluss des Zerteilungsgrades
KOMPETENZ D: C
abgebildeten Ener- Carbonsäure formulieren Reaktionen erklären S. 34
Beschreiben Sie die beiden zwischen Alkohol und zwischen Alkohol 12 – 10 9–6 5–4
unter Verwendung von
B1
Die Veresterung als Reaktionstyp
giediagramme a) und b) für die Moleküle
Zeichnen Sie die Strukturformeln und Carbonsäure formulieren
D
D1
Benennen Sie 7–5 S. 20
Fachbegriffen. beschreiben und Ionen- 12 – 8
von Butan-1-ol und Propansäure. die Den Aufbau von Salzen
16 – 13
Gruppe und ordnen Sie
b) E jeweils die funktionelle E
bindungen benennen S. 28 – 29
a) E Stoffklassen zu. 4–3
Moleküle entsprechenden Säure-Base-Reaktionen 9–7 6–5
Reaktionsgleichungen für

(vgl. Info unten). Die Lösungen finden Sie im Anhang des


einer Titration erklären S. 26 – 27
D2 Butan-1-ol und
Propansäure können miteinander F
formulieren und das Prinzip 15 – 12 11 – 7 6–5
reagieren. Formulie- durchführen
unter Abspaltung von Wasser G Chemische Berechnungen
dafür unter Verwen-
ren Sie die Reaktionsgleichung
Reaktionsverlauf
Reaktionsverlauf dung von Strukturformeln. 43
GLEICHGEWICH TE
UND CHEMISCHE
REAKTIONSGES CHWINDIGKEIT

GLEICHGEWICH TE

Buches. Schneiden Sie in einem Bereich nicht so gut ab,


UND CHEMISCHE
42 REAKTIONSGES CHWINDIGKEIT

bekommen Sie im Auswertungskasten Informationen, an


welchen Stellen Sie noch einmal nachlesen sollten.

2. Die Untereinheiten Info


Die Seiten Versuche und Material sind der Ausgangspunkt Im Buch finden Sie QR-Codes
für Ihren Erkenntnisgewinn. Wie alle Wissenschaftlerinnen und Mediencodes, die zu Vi-
und Wissenschaftler führen Sie Versuche durch, um neues deos, chemischen Programmen,
Arbeitsblättern u. ä. führen.
Wissen zu erlangen. Kleinschrittige Auswertungsaufgaben
Die QR-Codes können Sie
helfen Ihnen dabei. Gefahrenpiktogramme sowie Entsor- direkt mit Ihrem Smartphone
gungshinweise (vgl. S. 494) unterstützen Sie und Ihre Lehr- einscannen. Alternativ können
kraft bei der sicheren Durchführung der Experimente. Sie den jeweils darunter stehen-
den Mediencode auf
www. ccbuchner.de/medien
Versuche und Material
3.2
eingeben.
7
r Nachweis von Aminosäuren 2 5

V Dünnschichtchromatografische

Training häufig Protein-


Sportler trinken bei ihrem Chromato-
Peptide, die aus bis zu 100 grafiekammer
Shakes. Diese enthalten
bestehen, oder Aminosäu-
Aminosäure-Bausteinen
kann man herausfinden, Laufmittel-
ren. Mit welcher Methode
einem Protein-Shake enthal-
front
welche Aminosäuren in
miteinander verknüpft sind?
ten bzw. in einem Peptid

Schülerversuch
stationäre
g
Erlenmeyerkolben je 0,3 Phase
V4 Geben Sie in zwei (DC-Platte)
den drei Aminosäuren Glut-
Glutathion (Peptid aus
Cys – Glycin Gly) und Par-
aminsäure Glu – Cystein konz.
mL Wasser und 20 mL
mesankäse. Fügen Sie 8 Sie gut durch Startlinie

Peptidbindung
5 | 7) hinzu. Schütteln
Salzsäure (GHS
3.2 Aminosäuren und
über Nacht mit gesicher-
und stellen Sie die Proben mobile Phase
im °C in den Trockenschrank.
sind wichtige Baustoffe tem Schliffstopfen bei 100 (Laufmittel)
Proteine
Bausteine der Proteine. der auf diese Weise durch-
Aminosäuren sind die aus Proteinen. Eine Bringen Sie die Produkte
Muskeln, Haare und Nägel geführten Hydrolyse mit
Natronlauge (c = 1 mol/L, B1 Schematische Darstellung
einer
Körper, so bestehen beispielsweise Rolle. Auch Sportler er-

06011-01
Sie dann eine dünn- Dünnschichtchromatografie
spielt deshalb eine wichtige GHS 5) auf pH = 5. Führen
Trennung (DC) auf Chromatogramm zur
aminosäurehaltige Ernährung aminosäurehaltige Präparate.
Wie schichtchromatografische Besprühen Sie das getrocknete
häufig durch protein- oder Kieselgel durch (B1, B2 ,
siehe FM Eine Dünnschicht-
Sichtbarmachung der Flecken
im Abzug mit Ninhyd-
gänzen ihre Ernährung enthalten? S. 121). 7) und entwickeln Sie es
bei
welche Lebensmittel Proteine chromatografie durchführen, rin-Sprühreagenz (GHS
im Trockenschrank oder
kann man herausfinden, Benutzen Sie als Vergleichsproben
Lösungen einiger 110 °C für 5 – 10 Minuten
Glycin Gly, Alanin Ala, auf einer Heizplatte.
Aminosäuren, beispielsweise
Cys oder Methionin Met.
Glutaminsäure Glu, Cystein
Material für die DC ein Gemisch AUSWERTUNG

Lehrerversuch
3.2.1 Versuche und Verwenden Sie als Laufmittel
aus Butan-1-ol (GHS 2
| 5 | 7), Eisessig (GHS 2
| 5) a) Zeichnen Sie Ihr Dünnschichtchrom
atogramm ab
4 : 1 : 1. und beschriften Sie es.
und Wasser in den Volumenanteilen -Werte der in V4 mittels
DC
5 6 7 9 b) Ermitteln Sie die Rf
und Proteinen 3
aufgetrennten Substanzen.
V Nachweis von Aminosäuren (= Retentionsfaktor)
Hinweis: Unter dem Rf-Wert
V2 Biuretreaktion:
Geben Sie zu je 3 mL Lösung versteht man den Quotienten
aus der Laufstre-
wie Hülsenfrüchten, je 1 mL Natronlauge des Laufmittels
In vielen Nahrungsmitteln der oben genannten Stoffe cke der Substanz zur Laufstrecke
und Ei sind Prote- Sie anschließend je Versuchsbedingun-
Fleisch, Fisch, Milchprodukten (c = 1 mol/L, GHS 5). Fügen (B2). Er ist unter identischen
die Aminosäuren, ung (c = 0,1 mol/L, eine Substanz.
ine und deren Grundbausteine, gen charakteristisch für

Auf den Seiten Erarbeitung können Sie Neues in leicht


10 Tropfen Kupfer(II)-sulfatlös Laufmittelfront
enthalten. Wie kann man
diese in Lebensmitteln DC-Ergebnisse durch Ver-
GHS 7 | 9) hinzu. c) Interpretieren Sie die
R -Werte. Leiten Sie
experimentell nachweisen? n (Abzug): 3 mL Lösung gleich der in b) bestimmten f
LV3 Xanthoproteinreaktio ab, welche
, V2 und LV3 werden werden zu je 4 mL konz. Laufstrecke aus dem jeweiligen Versuchsergebnis
Hinweis: Die Versuche V1 der oben genannten Stoffe des Laufmittels von
Eiklar, Gelatine (oder Aminosäuren in den Hydrolyseproduktensind.
Substanz-
mit wässrigen Lösungen von (GHS 3 | 5 | 6) gegeben und vorsichtig fleck
Salpetersäure enthalten
Aminosäuren, bei- Glutathion und Parmesankäse
Gummibärchen) und einigen erhitzt. Probe Glutaminsäure am
durchgeführt. Um die d) Erläutern Sie, in welcher
spielsweise Glycin und Tyrosin erwärmt Laufstrecke
ist.
kann sehr vorsichtig besten erkennbar
Stoffe leichter zu lösen,
der Substanz

verständlichen Texten nachlesen. Ausgehend von


AUSWERTUNG
zu V1, V2 und LV3
werden. Notieren Sie Ihre Beobachtungen Startlinie G1, G3

alternative
in Reagenzgläser ENTSORGUNG
Geben Sie tabellarisch.
V1 Ninhydrinreaktion:
genannten Stoffe je eine
zu je 3 mL Lösung der oben die
(GHS 7). Verschließen Sie ENTSORGUNG G1,
G2
Spatelspitze Ninhydrin
Stopfen und schütteln Sie
Reagenzgläser mit einem gramm
die Stopfen und erhitzen B2 Dünnschichtchromato
kräftig. Entfernen Sie dann

Arbeitsmaterialien
auf ca. 80 °C.
Sie die Lösungen im Wasserbad

experimentellen Befunden werden die neuen Inhalte


PROTEINE 155
AMINOSÄUREN UND

PROTEINE
154 AMINOSÄUREN UND

aufgearbeitet und erklärt.


Das Wichtigste finden Sie in gelb hinterlegten Merk-
kästen am Ende jeder Untereinheit. Die wichtigsten
3.3 Struktur und Denaturierung
der Proteine

Struktur und Denaturierung


3.3.2 Strukturen der der Proteine 3.3
Proteine

Fachbegriffe der Untereinheit sind auf diesen Seiten


Jedes Protein besitzt
eine charakteristische
dreidimensionale Struktur. schiedlichen Reste der
Um diese besser be- Aminosäure-Bausteine
schreiben zu können, unterteilt weisen nach außen (B2 Tertiärstruktur
man sie modell- ).
haft in vier Ebenen: Die eines Proteins enthält die
Primär-, die Sekundär-, Die Tertiärstruktur beschreibt Information für seine
die Tertiär- und die Quartärstruktur. die gesamte drei- auszuübende biologische Exkurs
dimensionale Architektur Funktion. Beispiele für Modelle für Ei-
R eines Protein-Mole- Proteine mit Quartärstrukturen
R küls. Sie beruht auf den sind das Hormon weißstrukturen
Wechselwirkungen zwi- Insulin und der rote Blutfarbstoff † S.‘168
Primärstruktur schen den Aminosäure-Resten Hämoglobin.

jeweils hervorgehoben. Kleine Infokästen bieten Zu-


H-Brücke (B4).
Die Primärstruktur gibt die R Für die Ausbildung der
Aminosäuresequenz, Tertiärstruktur sind fol-
gende Bindungen und Die Proteinstruktur wird
also die Reihenfolge der R zwischenmolekula re modellhaft in
Aminosäure-Bausteine Wechselwirkungen verantwortlich: die Primär-, Sekundär-,
an, in der diese über Peptid-Gruppen R Tertiär- und
im Peptid- Quartärstruktur eingeteilt.
Molekül miteinander verknüpft 1. Ionenbindungen zwischen Die Stabili-
sind (B1). Verein- positiv und negativ sierung der dreidimensionalen
facht gibt man zur Darstellung R geladenen Seitenketten Struktur
der Primärstruk- R erfolgt durch Ionenbindungen,
tur die am Aufbau beteiligten 2. Disulfidbrücken über Disul-
Aminosäuren mit Elektronenpaarbindun- fidbrücken, Wasserstoffb
den aus drei Buchstaben gen zwischen Schwefel-Atomen, rücken und
bestehenden

satzinformationen zum Text.


VAN-DER-WAALS-Wechselwirkungen.
Kürzel der
an. Dabei wird die Aminosäuresequen Kürzeln R
Cystein-Resten entstehen
die aus zwei
Aminosäuren z so dar- R
† B3, S. 157 gestellt, dass die freie 3. Wasserstoffbrücken
Amino-Gruppe (N-ter-
minales Ende) links steht 4. VAN-DER-WAALS-Wechselwirkungen
und die Aminosäure R
zwischen
mit der freien Carboxy-Gruppe Seitenketten mit unpolaren AUFGABEN
(C-terminales R Bindungen
Ende) rechts (M1). A1 Zeichnen Sie die
R Sowohl die Sekundär- als Strukturformel des Oxyto-
auch die Tertiärstruk- cin-Moleküls (vgl. B1).
tur eines Protein-Moleküls A2 Erläutern Sie, welche
sind bereits durch die Wechselwirkungen
R Aminosäuresequenz, d.h.
durch die Primärstruk- u.a. die Tertiärstruktur von

Zudem gibt es auf jeder Doppelseite passende Auf-


R tur vorgegeben. Proteinen
stabilisieren, die besonders
viele Cystein-
Bausteine enthalten.
B2 α-Helixstruktur Quartärstruktur A3 Drucken Sie das
Arbeitsblatt unter QR-/
Besteht ein Protein aus Mediencode 06011-18 aus.
mehreren Peptid-Ketten Umkreisen
Die β-Faltblattstruktu oder weist es zusätzlich Sie die Peptid-Bindungen
r wird durch Wasser- Bindungen zu anderen in den Mo-
stoffbrücken zwischen Molekülen auf, spricht lekülausschnitten der α-Helix 06011-18

nebeneinanderliegenden man von der Quartär- und der


Cys-Tyr-Ile-Gln-Asn-Cys-Pro-Leu Abschnitten einer Peptid-Kette struktur. Dabei werden die β-Faltblattstruktur und
schreiben Sie die
-Gly stabilisiert. Die einzelnen Peptid-Ket-
ten durch die gleichen Kräfte passenden Atomsymbole

gaben, wobei anspruchsvolle Aufgaben hierbei jeweils


Reste der Aminosäure-Baust zusammengehalten hinein. Beschrei-
B1 Primärstruktur des
Oxytocin-Moleküls, ein eine stehen ab- wie bei der Tertiärstruktur. ben Sie die räumliche Anordnung
Wehen auslösendes Hormon wechselnd oberhalb und Die Quartärstruktur der
aus 9 Aminosäure- unterhalb der Faltblatt- Atome in einer Peptidbindung.
Bausteinen ebene (B3).
Häufig kommen in einem
Protein-Molekül so- Lys Val Tyr Gly Cys Ile
Sekundärstruktur wohl Bereiche mit α-Helices Val Ser Asn
als auch mit β-Falt- Glu Lys Leu Val
blattstrukturen vor. CH2 Arg His Gln
Die Sekundärstruktur beschreibt CH2 Gly Cys Ser CH2 Phe
Val
die räumliche Glu Leu Gln
Anordnung einzelner Abschnitte C CH2 Ser
einer Peptid- R CH2 CH2 O N H
Kette, die sich regelmäßig Glu

unterstrichen sind.
R R
wiederholen. Zwi- R CH2 H
CH Ile
schen der N–H-Gruppe R R S HC CH
des einen und der C=O- N
CH Leu
Gruppe eines anderen H + H S HCHC CHCH Cys
Aminosäure-Bausteins H CH
bilden sich Wasserstoffb – H HC Gln
CH
rücken aus (B2). In der O O CH2 H N O CH Leu
α-Helixstruktur (griech. C
helix, Spirale) windet Cys Thr C Val
sich das Molekül zu einer Leu CH2 Leu
rechtsgängigen Spirale CH2 Ala His CH2
auf. Dabei stehen die N–H-Gruppen Gln
Val Tyr Ser
Phe Asp Tyr Val Phe Leu
dung und die C=O-Gruppe einer Win- R R Pro CH2 Ala
R Cys
des vierten darauf- Gly
Tyr Gln Asn Glu Tyr
folgenden Aminosäure-Bauste R
ins übereinander R R Ionenbindung
und bilden Wasserstoffb Disulfidbrücke Wasserstoffbrücken
rücken aus. Die unter- van-der-waals-
B3 β-Faltblattstruktur Wechselwirkungen
B4 Wechselwirkungen und
Bindungen, zu denen es
in Protein-Molekülen kommen zwischen den Aminosäure-Resten
164 kann.
AMINOSÄUREN UND
PROTEINE

AMINOSÄUREN UND
PROTEINE 165
Zum Umgang mit dem Buch

BW BASISWISSEN

bilden in wässriger Lösung


Alles im Blick –
Aminosäure-Moleküle
Zwitterionen. Sie können
als Ampholyte reagieren.
(IEP) ist der pH-Wert, bei
O O
O H
eln
O
C H
C Der isoelektrische Punkt in
und fischer-Projektionsform üle in wässriger Lösung
Spiegelbildisomerie H +
dem Aminosäure-Molek
1
N C H H N C H en vorliegen.
Form von Zwitterionen-Teilch
nur in der Anordnung der

3. Am Ende des Kapitels


bei gleicher Konstitution H H R
cheir, Hand) verhalten sich im Raum unterscheiden. R
Chirale Moleküle (griech. Atome und Atomgruppen
Spiegelbild. Dieses Phänomen
Zwitterion
der Spiegelbildisome-
zueinander wie Bild und
Molekül
Um die räumlichen Strukturen
Hände und Füße sind chiral. übertragen, formulierte
finden wir auch im Alltag: re in die Papierebene zu
und Spiegelbild verhalten,
Moleküle, die sich wie Bild fischer folgende Regeln:
oder Enantiomere. wird beim Zeich-
nennt man Spiegelbildisomere 1. Die längste Kohlenstoff-Kette 4 Bildung von Peptiden
vier verschiedenen Substitu- angeordnet. Das
Kohlenstoff-Atome mit nen von oben nach unten wird eine Peptid-
substituierte Kohlen- Oxidationszahl steht spaltung eines Wasser-Moleküls
enten heißen asymmetrisch C-Atom mit der höchsten in einer Kondensationsre- Gruppe gebildet. Die
und werden als C* Aminosäuren reagieren Gruppe als neue funktionelle
stoff-Atome (Chiralitätszentren) oben. reagiert jeweils die durch Anlagerung
nach und nach in die aktion zu Peptiden. Dabei Spaltung eines Peptid-Moleküls
gekennzeichnet. 2. Chiralitätszentren werden mit der α-Amino-Gruppe wird als Hydrolyse bezeichnet.
COOH senkrechten Bindun- Carboxy-Gruppe des einen eines Wasser-Moleküls
COOH COOH Papierebene gebracht. Die üls. Unter Ab-
COOH H zeigen vom Betrachter weg,
die seitlichen eines anderen Aminosäure-Molek
HO C* gen

Die wichtigsten Inhalte aus jedem Kapitel werden auf den Seiten
HO C* H H C* OH
zum Betrachter hin.
Peptid-Gruppe
H C* OH CHBindungen
CH3 3 Gruppe am C*-Atom H O CH3
CH3
CH3 3. Befindet sich die funktionelle CH3
L-Milchsäure Seite, gehört das Molekül H O C COOH + H2O
L-Milchsäure D-Milchsäure auf der rechten (linken) Kondensation
H2N C C N
D-Milchsäure (L-Enantiomeren). +H N C COOH
zu den D-Enantiomeren H2N C C Hydrolyse
H H
Enantiomere sind, bezeich- wird an dem Chiralitätszent- H
Stereoisomere, die keine 4. Die D/L-Zuordnung O H H H
welches am weitesten vom höchst H
Glycylalanin Gly-Ala
net man als Diastereomere. rum getroffen,
Isomerie nennt man auch ist. Glycin Gly
Alanin Ala
Diese Art der räumlichen oxidierten C-Atom entfernt
sind Isomere, die sich
Stereoisomerie. Stereoisomere

Alles im Blick kompakt zusammengefasst. Damit können Sie sich


und ihre Denaturierung
Ethyl-Gruppe 5 Strukturen der Proteine
2 Optische Aktivität Bedingungen,
Proteine sind unter physiologischen
der Schwingungsebene modellhaft in die Primär- Temperatur von 37 °C
sich bei der Drehrichtung Die Proteinstruktur wird d. h. bei pH = 7,4 und einer
aktiven Verbindung, die Licht um eine rein experi- Sekundär- (räumliche An- jedoch auf über 60 °C
Die Fähigkeit einer optisch von linear polarisiertem (Aminosäuresequenz), äußerst stabil. Wenn Proteine
linear polarisiertem Licht handelt. Aus der Tertiär- (dreidi- Laugen, organischen Löse-
Schwingungsebene von mentell beobachtbare Eigenschaft ordnung einzelner Abschnitte), erhitzt oder mit Säuren,
zu drehen, wird op- lässt sich also nicht und Quartärstruktur versetzt werden,

gut auf einen Test vorbereiten.


(Licht einer Schwingungsebene) Bezeichnung D- bzw. L-Form mensionale Proteinstruktur) ein mitteln oder Schwermetallsalzen
Bei optisch aktiven Stoffen linear polarisierten Lichts eingeteilt. Ein Beispiel für statt. Dabei kommt es zur
tische Aktivität genannt. auf die Drehrichtung des (mehrere Peptidketten) findet ihre Denaturierung
Drehrichtung rechts- (+) ist der rote Blutfarbstoff der räumlichen Pro-
unterscheidet man je nach schließen. Protein mit Quartärstruktur meist irreversiblen Veränderung
Stereoisomere. Die Bezeich- mit einem Polarimeter der dreidimensiona- und Wechselwirkungen
und linksdrehende (-) Die optische Aktivität kann Hämoglobin. Die Stabilisierung teinstruktur, die Bindungen
sind in der fischer- Ionenbindungen, Disul- und Quartärstruktur werden
nungen D- und L-Enantiomer untersucht werden. len Struktur erfolgt durch der Sekundär-, Tertiär-
gewählt, während es
Projektionsformel willkürlich fidbrücken, zerstört.
Häm-Gruppe
Wasserstoff-
brücken und
Aminosäuren van-der-
3
waals-Wech-
Carboxy-
bezeichnet, die O O H Gruppe selwirkungen.
Carbonsäuren, deren
Aminosäuren sind spezielle (−COOH) entsprechenden C
1
H
Moleküle neben der Carboxy-Gruppe (−NH ) Aminosäuren nennt Amino- N 2C H
noch mindestens eine Amino-Gruppejeweils an
2
man α-oder 2-Ami-
Gruppe
H
A AUFGABEN tragen. Dabei ist eine Amino-Gruppe nosäuren. R
das der Carboxy-Gruppe Seitenkette
das C-Atom gebunden, (organischer Rest)
wird als α-C-Atom
benachbart ist. Dieses C-Atom 171
3 AMINOSÄUREN UND
PROTEINE

Zum Üben und Weiterdenken


Alanin ist eine nicht essenzielle Aminosäure, PROTEINE
AMINOSÄUREN UND
A1
die 170
häufig als Baustein in Proteinen zu
finden ist. A5 Bei einem Tripeptid stellt man folgende
a) Geben Sie beide Enantiomere von COOH Amino-
Alanin in der säuresequenz fest: Glycin-Lysin-Glutaminsäure Kamin“) zeigt die größte Hitzeresistenz
fischer-Projektion an. H2N C H und kann
(Glycin: 2-Aminoethansäure, Lysin: sich bei einer Temperatur von 113 °C
b) Erläutern Sie, dass Alanin wie fast 2,6-Diamino- sogar noch
alle in der Na- CH2 hexansäure, Glutaminsäure: 2-Aminopentandi- vermehren.
tur vorkommenden Aminosäuren optisch a) Stellen Sie eine Vermutung auf, was
aktiv C säure). man norma-
ist. H lerweise für die Proteine dieser Organismen

Am Kapitelende warten zudem auf den Seiten Zum Üben


C N a) Geben Sie die Strukturformel dieses bei
c) Beschreiben Sie, wie man mithilfe Tripeptids den hohen Temperaturen erwarten
eines Expe- an. würde. Erläu-
riments D- und L-Alanin voneinander N C
unter- b) Mit diesem Tripeptid werden die tern Sie unter Verwendung von Fachbegriffen.
scheiden kann. H H Biuretreaktion
und die Xanthoproteinreaktion durchgeführt. b) Erläutern Sie, welche Besonderheiten
in der
A2 Die Aminosäure Cystein ist ein Feststoff Histidin Beschreiben Sie diese Nachweisreaktionen Proteinstruktur dieser Mikroorganismen
mit folgen- und die
der Struktur: begründen Sie die zu erwartenden Ursache für die hohe Hitzetoleranz
Beobach- sein könnten.
a) Geben Sie die Strukturformel von Diskutieren Sie verschiedene Möglichkeiten.
Histamin unter tungen.
Berücksichtigung der Angaben in der
COO– Aufgabe an. c) In der biochemischen Forschung
b) Erklären Sie, dass es sich bei der und medizini-

und Weiterdenken eine große Anzahl bunt gemischter


+ Aminosäure schen Diagnostik spielt die Spaltung
A7 Das Enzym Urease ist ein Protein, welches
H3 N C H von Prote- beson-
Histidin um einen Ampholyt handelt. ders in Pflanzensamen, wirbellosen
inen und die Identifizierung der Aminosäure- Tieren, Bakte-
c) Schmerzhafte Rötungen und Nesseln rien und Pilzen vorkommt. Urease spaltet
CH2 SH lassen sich Bausteine eine immer größere Rolle. das Sub-
nach einem Wespenstich auch mit Erläutern strat Harnstoff, wobei unter anderem
einem soge- Sie ein Verfahren zur Spaltung dieses Ammonium-
nannten „Stichheiler“ behandeln. Dabei Tripeptids Ionen NH4+ und Hydroxid-Ionen OH-
a) Erhitzt man Cystein sehr stark, so handelt in seine Aminosäure-Bausteine. Nennen entstehen.
schmilzt die es sich um einen elektrischen Stift, Sie den Um die Wirkung der Urease zu untersuchen,
Verbindung unter Zersetzung. Erklären welcher Reaktionstyp. wird
Sie diese durch kurzzeitiges Erwärmen auf ca. folgendes Experiment durchgeführt:
Beobachtung. 50 °C eine d) Geben Sie ein Verfahren an, mit In ein Becher-
Schmerzlinderung verspricht. dem man die glas gibt man 40 mL einer Harnstofflösung.
b) Eine wässrige Lösung von Cystein Aminosäuren aus c) nach der Hydrolyse Nach
hat den iso-

Aufgaben darauf, gelöst zu werden. Auch hier sind an-


Erläutern Sie die Wirkungsweise des des einer Minute werden 10 mL Urease-Suspension
elektrischen Punkt (IEP) von 5,0. Erläutern „Stichheilers“ Tripeptids identifizieren kann. Erläutern
bei der Behandlung von Rötungen und sie die zugesetzt und nach weiteren drei Minuten
und begründen Sie den Begriff IEP Nesseln Verfahrensweise und die Möglichkeit wird
an diesem nach einem Wespenstich. zur Identi- eine Spatelspitze eines wasserlöslichen
Beispiel. fizierung. Bleisalzes
c) Zu der wässrigen Lösung von Cystein Rote Blutkörperchen enthalten in hoher zugegeben. Während des gesamten
wird ein- A4 Versuchs wird
Konzen- bei konstanter Temperatur laufend
mal verdünnte Salzsäure gegeben, ein tration das Tripeptid Glutathion. A6 In sehr heißen Quellen, z. B. im Yellowstone die elektrische
anderes Natio- Leitfähigkeit gemessen. Die Messwerte
Mal verdünnte Natronlauge. a) Geben Sie die Aminosäurebausteine nalpark in Wyoming (USA), findet man sind in fol-
an, aus überra- gendem Diagramm vereinfachend dargestellt.
Formulieren Sie die entsprechenden denen Glutathion aufgebaut ist. schenderweise noch Lebewesen mit
Reakti- funktionsfähi-
onsgleichungen und beschreiben Sie b) Bei Glutathion handelt es sich aufgrund gen Proteinen.

spruchsvolle Aufgaben jeweils unterstrichen.


die jeweils der be- Leitfähigkeit in mS
ablaufenden Vorgänge. sonderen Peptidbindungen nicht um
ein echtes
d) Erläutern Sie die besondere Rolle Tripeptid. Erläutern Sie diesen Sachverhalt.
der Amino-
säure Cystein im Zusammenhang zur
räumli-
chen Struktur von Eiweiß-Molekülen.
H H
A3 Histamin ist neben vielen anderen HOOC CH2 N C CH N C
Komponenten CH2 CH2 CH COOH
wie Proteinen, Aminosäuren und Enzymen
ein O CH2
Bestandteil des Wespengifts, das allergische O NH2
Reak-
tionen wie die Nesselbildung auslösen SH 0
kann. 1 2 3 4 5 6 7 8 Zeit in min
Histamin wird im Körper mithilfe von
Enzymen aus
der Aminosäure Histidin durch Abspaltung c) Erläutern Sie die Art der zwischenmolekularen a) Beschreiben Sie den Verlauf des
von Graphen.
Kohlenstoffdioxid gebildet. Wechselwirkungen und chemischen b) Erklären Sie den im Diagramm dargestellten
Bindungen,
die Aminosäure-Reste im Glutathion-Molekül Verlauf der elektrischen Leitfähigkeit.
zu anderen Glutathion-Molekülen Diese hitzeresistenten Mikroorganismen c) Erläutern Sie die Wirkung der Blei-Ionen
ausbilden tolerieren
können. Temperaturen bis knapp über 100 °C.
Solche hohen Urease auf Teilchenebene.
auf die 6
Temperaturen werden in heißen Quellen
am Mee- A8 Als Sekundärstrukturen bilden sich
resboden erreicht, wo geothermisch α-Helices vor-
erhitztes Was- wiegend intramolekular und β-Faltblätter
ser unter höherem Druck steht. Der vorwie-
Mikroorganis- gend intermolekular. Erläutern und
mus Pyrobolus fumarius („der Feuerlappen begründen Sie
aus dem diesen Sachverhalt. KC KOMPETENZCHECK
172 AMINOSÄUREN UND PROTEINE

CO2 (g)
AMINOSÄUREN UND PROTEINE
173 Ziel erreicht? (1) C + O2 CO2 ΔrHm = -394 kJ/mol
a) C (s) + O2 (g)
NH4Cl (s)
die entsprechenden Aufgaben b) NH3 (g) + HCl (g)
dieses Kapitels? Lösen Sie Tabelle rechts unten. ΔrHm = -282 kJ/mol
Verfügen Sie über die Kompetenzen 06011-35) und bewerten Sie sich mithilfe der (2) CO + ½ O2 CO2
H2SO4 (l)
06011-35 c) SO3 (g) + H2O (l)
(Arbeitsblatt unter QR-/Mediencode die molare Standard-
Ermitteln Sie davon ausgehend
0 von Kohlenstoffmonooxid.
4 H2O (g) + 2 N2 (g) + O2
(g)
d) 2 NH4NO3 (s)
bildungsenthalpie ΔfH m
aus Aufgabe D2
Thermometer
b) Berechnen Sie den Be- an einem geeigneten Überprüfen Sie Ihre Ergebnisse
geschlossener und 10 g flüssiges Propan können
D3
KOMPETENZ A: Merkmale
offener, trag der Wärme Q, die im
Rührer C3
zu Propanal umgesetzt rechnerisch.
Katalysator mit Sauerstoff
isolierter Systeme beschreiben Verlauf des Experiments Propanal verbrennt vollstän-
werden (ΔrH = -85 kJ).

Mit den Seiten Ziel erreicht? können Sie über-


die
den gezeigten Beispielen vom Kalorimeterwasser und Wasser (ΔrHm =
A1 Ordnen Sie begründet dig zu Kohlenstoffdioxid Berechnungen mithilfe
der GIBBS-
geschlossenes System und aufgenommen wird. Sie mithilfe dieser Anga- KOMPETENZ E:
Begriffe offenes System, Ermitteln
500 g Wasser
-1848 kJ/mol). durchführen, um chemische
c) Ermitteln Sie die Ver- lpie ΔcHm von HELMHOLTZ-Gleichung
isoliertes System zu. ben die molare Verbrennungsentha
brennungsenthalpie ΔcH 1 g Kohlenstoff Reaktionen energetisch
zu klassifizieren
Propan. bzw.
der Kohlenstoff-Portion Begriffe exergonischer Vorgang
E1 Erklären Sie die
im Kalorimeter sowie die Stopfen
endergonischer Vorgang.
molare Verbrennungs- bei chemi-
Änderungen der Entropie
Sauerstoff
KOMPETENZ D: entsprechender
enthalpie ΔcHm von und Reaktionsentropien Entscheiden Sie auf Grundlage
schen Reaktionen erläutern Prozesse bei 25 °C bzw.

prüfen, ob Sie die neuen Inhalte des Kapitels ver-


E2
Kohlenstoff. Berechnungen, ob folgende
von Ihnen ermittelten Wert mit dem Satz von HESS
berechnen können.
d) Vergleichen Sie den lpie von Koh- bei 100 °C spontan ablaufen
für die molare Verbrennungsentha (m = 10 g) wird unter gkeit der entspre-
und erläutern Sie D1 Eine Portion Stickstoffgas Hinweis: Die Temperaturabhängi
Dabei wird eine kann dabei vernachläs-
lenstoff mit dem Literaturwert Standardbedingungen erwärmt. chenden tabellierten Werte
für eine eventuelle 20 kJ vollständig auf die
zwei mögliche Begründungen Wärmemenge von Q = sigt werden.
Berechnen Sie die
Abweichung. Stickstoffportion übertragen. ΔrS. N2O4 (g)
a) 2 NO2 (g)
daraus resultierende Reaktionsentropie
2 SO3 (g)
Messung b) 2 SO2 (g) + O2 (g)

standen haben. Das entsprechende Arbeitsblatt


KOMPETENZ B: Eine
kalorimetrische Bildungsen-
KOMPETENZ C: Reaktionsenthalpien und Schätzen Sie das Vorzeichen
der Entropieänderung
2 Cu2O (s) + 2 SO2 (g)
Reaktionen ab. Be- c) 2 Cu S (s) + 3 O2 (g)
D2
auswerten von Hess berechnen bei den folgenden chemischen
thalpien mit dem Satz
2
lpie ΔcHm von auf Teilchenebene.
Die molare Verbrennungsentha tabellierter Werte die gründen Sie Ihre Abschätzungen
Berechnen Sie mithilfe
B1
bestimmt werden.
Kohlenstoff soll experimentell
C1
folgende Reaktionen,
in einem Verbrennungs- Enthalpieänderungen für
Dazu wird 1 g Kohlenstoff angegebenen Stoffumsatz: dem Arbeitsblatt an.
im Luftstrom verbrannt. bezogen auf den jeweils 464 und kreuzen Sie auf
kalorimeter (CK = 100 J/K) mit den Lösungen auf Seite
Temperaturverlauf des 2 MgO (s) Vergleichen Sie Ihre Antworten
Dabei wird der zeitliche K)) a) 2 Mg (s) + O2 (g)
= 500 g, cW = 4,19 J/(g ·
Kalorimeterwassers (mW (bezogen auf die Bildung zum Nachlesen

können Sie unter dem QR-Code bzw. Medien-


ja nein
gemessen. von 2 mol Magnesiumoxid) Kompetenz
Messwerte: S. 256 – 257
Es ergeben sich folgende und isolierter
b) C2H5OH (l) + CuO (s) + H2O (l) Merkmale offener, geschlossener
60 75 90 CH3-CHO (l) + Cu (s) A
t in s 0 15 30 45 Systeme beschreiben S. 258 – 261
25,0 (bezogen auf die Umsetzung auswerten
Eine kalorimetrische Messung
21,3 21,5 23,0
21,0 20,8 20,9
von 1 mol Ethanol)
ϑ in °C B
195 S. 270 – 271
180 Bildungsenthalpien
Reaktionsenthalpien und
135 150 165
Ca2+ (aq) + 2 Cl (aq)
t in s 105 120 -

34,0 34,5 34,5 c) CaCl2 (s) C


mit dem Satz von HESS
berechnen
31,0 32,5
29,5 (bezogen auf die Bildung

code herunterladen und Ihre Antworten mit den


ϑ in °C 27,5
300 bei chemischen Reaktionen S. 278 – 279
240 255 270 285
von 1 mol freier Chlorid-Ionen) Änderungen der Entropie
t in s 210 225 mit dem Satz von
34,2 34,5 34,3 34,0 D erläutern und Reaktionsentropien
ϑ in °C 34,5 34,0 34,2
d) H2O (g) H2O (l)
HESS berechnen
(bezogen auf die Kondensation der GIBBS-HELMHOLTZ- S. 280 – 281
Messung ein Berechnungen mithilfe
a) Erstellen Sie für die kalorimetrische von 0,5 mol Wasserdampf) um chemische Reaktionen
und ermitteln Sie E Gleichung durchführen,
Temperatur-Zeit-Diagramm onen sind die
z ΔT des Kalori- C2 Für folgende Verbrennungsreakti energetisch zu klassifizieren
grafisch die Temperaturdifferen experimentell
zugehörigen Reaktionsenthalpien
meterwassers. KC

Lösungen im Anhang abgleichen. Wenn Sie in


zugänglich: KOMPETENZCHECK
291
CHEMISCHE ENERGETIK

290 CHEMISCHE ENERGETIK


Klausuraufgaben 2

T1 Treibmittel

einem Bereich noch nicht so gut sind, können Sie


Soda, Natron und Hirschhornsalz T3 Helicobacter pylori
sind bekannte Stoffe
im Haushalt. AUFGABEN
Soda (Natriumcarbonat) A1Geben Sie die Reaktionsgleichung
spielt z. B. als Bestandteil für die Zerset- Harnstoff (NH ) CO war
Geschirrspülmitteln für von zung von Natron beim Backen 2 2 der erste organische Stoff,
die Spülmaschine eine an. aus anorganischen Ausgangsstoffen der
Rolle. Natron (Natriumhydrogenc wichtige A2Einige Treibmittel enthalten hergestellt werden pH-Wert
arbonat) ist wesentli- neben Natron auch konnte. Durch hydrolytische
cher Bestandteil von Backpulvern feste Säuren, z. B. Citronensäure. Spaltung wird Harnstoff 14
(E 405), Brausetablet- Erläutern Sie die Ammoniak und Kohlenstoffdioxid in

auf den angegebenen Seiten nochmal nachlesen.


ten bzw. von Tabletten gegen besondere Eignung dieses zersetzt.
Übersäuerung des Magens. Gemisches als Backtreib- Die Harnstoffzersetzung
Als Backtreibmittel, das mittel unter Einbeziehung wird bei der Erkennung des 7
seine volle Aktivität bei Backtem- von Reaktionsgleichun- teriums Helicobacter pylori Bak-
peraturen von über 60 gen. im Körper genutzt. Das
°C entfaltet, wird Hirschhornsalz rium siedelt sich bevorzugt Bakte-
(Ammoniumhydrogencarbonat, Wenden Sie auf die Beschreibung im Magen an und verursacht 0
E 503) verwendet (B1). der Reaktion das Schmerzen und Veränderungen 0 100
Donator-Akzeptor-Prinzip der Magenschleimhaut. 200 t in s
an. Es trägt auf seiner Oberfläche
A3 Formulieren Sie das Enzym Urease (Enzym B3 Messergebnisse
die Gleichungen für das für die hydrolytische Spaltung eines HU-Tests
von Natron, Soda und Hirschhornsalz Lösen ter pylori kann auch selbst
von Harnstoff). Helicobac-
Berechnen Sie die pH-Werte in Wasser. Ammoniak bilden. M1 Modell-Experimen
dieser Lösungen mit t: „Überlebensstrategie“
der Stoffmengenkonzen Helicobacter pylori im Magen: von
tration c = 0,1 mol/L. AUFGABEN
A4 Begründen Sie
die Tatsache, dass Soda Zwei Petrischalen werden
im Ge- A1 Erläutern Sie die
Charakteristika einer Säure-Base- mit Salzsäure befüllt
gensatz zu Natron keinen und mit einigen Tropfen
Einsatz als Mittel gegen Reaktion am Beispiel der Mischindikator versetzt.
Sodbrennen findet. Reaktion von gasförmigem Ein Schaumstoffstreifen
Ammoniak mit Wasser. wird mit 3 – 4 Tropfen

Auf den Seiten Klausuraufgaben finden Sie eine


Ammoniaklösung, ein anderer
A2 Bei der Reaktion mit 3 – 4 Tropfen
aus A1 stellt sich in einem Wasser versetzt und in
B1 Beim Kuchenbacken schlossenen Gefäß ein Gleichgewicht ver- die Petrischalen überführt.
werden häufig Backtreibmittel Nach etwa 5 Minuten treten
verwendet.
Lösung besitzt einen pH-Wert ein. Die Farbveränderungen
von 11. auf (B4).
Berechnen Sie die Konzentration
von Oxonium- M2 Medizinische
T2 und Hydroxid-Ionen in Tests zur Identifizierung
Entkalker dieser Lösung. cobacter pylori: von Heli-
Das Gefäß wird über längere
Zeit geöffnet. Dabei A: HU-Test (Helicobacter-Urea
findet eine Veränderung se-Test)
Entkalker sind säurehaltige des pH-Wertes statt. Es wird eine Gewebeprobe

Vielzahl materialbasierter Aufgabenblöcke zum


Reinigungsmittel zum Entfer- Erklären Sie diese Beobachtung. des Magens entnom-
nen von Kalkablagerungen, pH-Wert men und in ein Testmedium
welche im Wesentlichen A3 Gedankenexperime
nt: gegeben, welches
Calciumcarbonat bestehen. aus 14 aus einer Nährlösung für
12 Zu einer Ammoniaklösung Bakterien, Harnstoff und
Einige Entkalkerlösungen (pH = 9) werden einige einem Säure-/Base-Indika
enthalten Tropfen Universalindikator tor besteht. Die Far-
den Indikatorfarbstoff Methylorange, neben einer Säure 10 gegeben. Anschließend breaktion des Indikators
der im pH-Bereich 8 gibt man in kleinen Portionen zeigt eine Infektion mit
3,1 – 4,4 seine Farbe von festes Ammonium- Helicobacter pylori an (B3
rot nach gelb chlorid hinzu, bis eine deutliche ).
Zur Bestimmung des Säuregehaltes ändert.
6
Farbveränderung B: Atem-Test
eines flüssigen Ent- 4 auftritt.
kalkers wird 1 mL der Entkalkerlösung 2 Dem Patienten wird Harnstoff
auf 100 mL ver- Beschreiben und erklären mit markiertem
dünnt und mit Natronlauge Sie die zu erwartenden Kohlenstoff (z. B. Isotop 13

jeweiligen Kapitel, welche ideal für die Vorberei-


der Konzentration c = 1 mol/L 0 Beobachtungen. C) verabreicht. Direkt vor
unter Verwendung eines 0 10 der Verabreichung und
pH-Meters titriert. Man 20 30 A4 Entwickeln Sie 30 Minuten danach wird
erhält 40 eine Tabelle, aus der der
die in B2 dargestellte Kurve. V(Natronlauge) in mL Zusam- die ausgeatmete Luft auf
menhang zwischen Modell das Vorhandensein dieses
B2 Titrationskurve eines und Wirklichkeit im Isotops untersucht.
flüssigen Entkalkers mit Modellexperiment aus M1
Natronlauge dargestellt
Erläutern Sie die „Überlebensstrategi wird.
AUFGABEN
A1 Formulieren Sie die Reaktionsgleichung e“ von Helico-
für den bacter pylori im Magen.
Entkalkungsvorgang. Berechnen Sie die Stoffmengenkonzen
tration und A5 Formulieren Sie die Reaktionsgleichung
A2 Interpretieren Sie den Verlauf die Masse der in einem für die
der Titrationskurve in Liter der Entkalkerlösung hydrolytische Zersetzung
von Harnstoff.

tung auf einen anstehenden Test geeignet sind.


B2 . Kennzeichnen Sie
in der Kurve die markanten enthaltenen Säure.
Erläutern Sie die Grundlagen
Punkte und geben Sie ihre Leiten Sie daraus Schlussfolgerungen des HU-Tests.
Bedeutung an. für den Um- Interpretieren Sie das in
A3 Ermitteln Sie die Säure, gang mit Entkalkerlösungen B3 dargestellte Diagramm.
die in der Entkalkerlösung ab. Leiten Sie begründet einen
enthalten sein könnte. A4 Formulieren Sie eine begründete geeigneten Säure-/
Vermutung über Base-Indikator für den
die Rolle von Methylorange HU-Test ab.
in der Entkalkerlösung. A6 Vergleichen Sie die Grundlagen
der beiden
zum Erkennen einer Helicobacter-Infekti Tests B4 „Überlebensstrategie“
von Helicobacter pylori im
138 SÄURE-BASE-R EAKTIONEN on. Magen

SÄURE-BASE-R EAKTIONEN
139

Sonderseiten FM FACHMETHODE

2.6.4 Titrationskurven
D
 er Einsatz digitaler Medien spielt in der Chemie eine
große Rolle. Auf den Medienkompetenz-Seiten lernen Sie,
beschreiben

Die Form und der Verlauf


einer Titrationskurve sind
der Titration der Lösung bei genten senkrecht liegende
einer einprotonigen Säure Strecke.
der Lösung einer starken mit Der Schnittpunkt der Mittelsenkrechten
Base wie Natronlauge abhängig dieser
von der Stärke der entsprechenden Strecke mit dem Graphen
Säure (B1). entspricht dem gesuchten
Äquivalenzpunkt.

wie man gezielt Informationen im Internet oder einer App


pH-Wert Beispiel: Der Äquivalenzpunkt
von Essigsäure liegt im
13 Überschuss an OH--Ionen alkalischen Bereich, der Äquivalenzpunkt
11 liegt bei pH = 7. von Salzsäure
Äquivalenzpunkt Essigsäure
9
liegt im Basischen 2. Der Halbäquivalenzpun
7
Äquivalenzpunkt Salzsäure kt (HÄP)
5 4,76 Fall 2
Bei der pH-metrischen
3
= Neutralpunkt Titration schwacher Säuren
Fall 1 ist zusätzlich der Halbäquivalenzpun
1
tung. Am Halbäquivalenzpun kt von Bedeu-

sucht, mit chemischen Programmen arbeitet, sich anhand


HÄP ÄP kt ist die Hälfte der
V(Natronlauge) Stoffmenge der zu analysierenden
Säure HA neutra-
B1 Titrationskurven lisiert. In der Vorlage liegen
der pH-metrischen Titration nun gleiche
re und Essigsäurelösung
mit Natronlauge (je c =
von Salzsäu- an Säure und ihrer korrespondierenden Stoffmengen
0,1 mol/L)
n(HA) = n(A-) Base A- vor:
Ermitteln Sie die charakteristischen In der HENDERSON-HASSELB
Punkte der Titrati- ALCH-Gleichung (vgl.
onskurven von Salzsäure S. 115)
und Essigsäurelösung und
schreiben sowie interpretieren be- pH = pKS + lg c(A-)
Sie deren Verlauf. c(HA)

von Videos Wissen aneignet oder Wissen mithilfe von Er-


VORGEHEN nimmt der Quotient somit
MK MEDIENKOMPETENZ 1. Der Äquivalenzpunkt Gleichung vereinfacht sich
den Wert 1 an und die
(ÄP) zu: pH = pKS. Der pH-
Am Äquivalenzpunkt sind Wert des Halbäquivalenzpun
die Stoffmengen der ktes entspricht dem
Säure HA in der Vorlage pKS-Wert der zu analysierenden
Gleichgewi cht simulieren und der mit der Maßlösung
zugegebenen Base B äquivalent.
schwachen Säure.
1.2.4 Das chemische n(HA) = n(B)
Es gilt: Ermitteln Sie den Halbäquivalenzpun
kt der Titration
(A) + krück ∙ c0(B)] ∙ Δt aus der Titrationskurve
tion c0 und der c1(A) = c0(A) + [–khin ∙ c0 wie folgt:
B5 + C$2 * C5 ) * A$2 • Bestimmen Sie die Koordinaten
Um den Einfluss der AusgangskonzentraEinstellung des B6 = B5 + (-B$2 * pH-Wert des Punktes an
(B) + khin ∙ c0(A)] ∙ Δt

klärvideos und digitalen Programmen an andere weitergibt.


k auf die der Stelle, die dem halben
Geschwindigkeitskonstanten c1(B) = c0(B) + [–krück ∙ c0 Volumen des Äquiva-
zu untersuchen, kann man C5 +B$2 * B5) * A$2 lenzpunktes entspricht
C6 = C5 + (-C$2 *
1 3
chemischen Gleichgewichts (B1, B2).
sprogramms si- für die übrigen pKs Beispiel: Für die Essigsäure
dieses mithilfe eines Tabellenkalkulation Übernehmen Sie die Formeln
2
hat der Halbäquivalenz-
der Formel B5 bzw. C5 au- ÄP punkt den pH-Wert 4,76
mulieren. Zeitpunkte, indem Sie in (B1).
C6 usw. ersetzen. Klicken HÄP
tomatisch durch B6 bzw. 3. Verlauf bei starken
des chemischen Gleichgewichts C5 an und fahren Sie mit Säuren (B3)
Während der Einstellung A Sie dazu die Zelle B5 bzw. Starke Säuren liegen in
tion A ) B reagiert Edukt rechte Ecke der Zelle. wässriger Lösung
protolysiert vor. Die Anfangskonzentrati vollständig
bei der Gleichgewichtsreak Δc(A zu Pro- dem Cursor auf die untere
v = Δt = khin ∙ c(A) + bei gedrückter linker 1/2 V(ÄP) V(ÄP) on c0 der
mit der Geschwindigkeit hin Ziehen Sie das erscheinende V(Maßlösung) Säure HA ist gleich der

Fachmethoden der Chemie sind Werkzeuge, deren Hand-


Geschwin- Oxonium-Ionenkonzentra-
dukt B. Gleichzeitig reagiert Produkt B mit der Maustaste nach unten. tion in der Lösung. Für die
und B2 Tangenten-Methode Berechnung des pH-
Δc(B) ∙ c(B) zu Edukt A. Mit Δc(A)
digkeit vrück = Δt = krück Zeit- C D Wertes zu Beginn der Titration
gilt (vgl. S. 110):
c(B) zu verschiedenen A B
Δc(B) kann man c(A) und 1 Zeitintervall [s]
khin krück Ermitteln Sie den Äquivalenzpunkt pH = −lg c(H O+) = −lg
c0(HA)
0,005 0,001 der Titration 3
punkten berechnen. 2 60 mithilfe der Tangenten-Method Beispiel: Der pH-Wert der
mol/L; khin = 0,005 1/s; e aus der Titrations- Salzsäure beträgt zu Beginn
Gegeben sind c0(A) = 1 3
t [min] c(A)[mol/L] c(B)[mol/L] kurve (B2). Gehen Sie dabei
wie folgt vor:
pH = 1 (B1).
= 0,001 1/s. 4
c0(B) = 0 mol/L und krück 1,000 0,000 • Am
Äquivalenzpunkt besitzt
von Produkt zu Edukt im 5 0 *A$2 der Graph die Der pH-Wert ändert sich
Berechnen Sie das Verhältnis im Verlauf der Titration
6 1 =B5+(-B$2*B5+C$2*C5) maximale Steigung. Zeichnen
wenn c0(A) um das 100-Fache Sie im Bereich der zunächst nur gering. Kurz
Gleichgewichtszustand, ogramm größten Krümmung vor vor dem Äquivalenzpunkt

habung gelernt sein will. Auf den Seiten Fachmethode wird


B1 Ansicht im Tabellenkalkulationspr und nach dem Bereich der steigt er sprunghaft an.
erhöht wird. maximalen Steigung zwei Am Äquivalenzpunkt liegt
ein- parallele Tangenten an eine Lösung des aus der
sich das Gleichgewicht
4. Lesen Sie ab, wann den Graphen. Neutralisation hervorge-
[s], Sie mit den Gleich- henden Salzes vor.
gestellt hat und berechnen
VORGEHEN
A1−C1 mit Zeitintervall • Verbinden Sie diese durch
1. Benennen Sie die Felder c (A) und cGG(B) das eine auf beiden Tan- Beispiel: Bei der Titration
A4−C4 mit t [min], c(A) gewichtskonzentrationen GG von Salzsäure mit Natron-
khin, krück und die Felder und Edukt.
Sie die bekannten Verhältnis von Produkt
[mol/L], c(B) [mol/L]. Tragen nach 16 Minuten mit
das Zeitintervall auf 60
s Das Gleichgewicht hat sich 128
Werte ein und legen Sie c (B) = 0,833 mol/L
SÄURE-BASE-R EAKTIONEN
50 Zeitpunkte mit fort- cGG(A) = 0,167 mol/L und GG
fest. Legen Sie unter t [min] ). von Produkten zu Edukten
beginnend mit 0, an (B1 eingestellt. Das Verhältnis

Schritt für Schritt erklärt, wofür eine Methode gut ist und
laufender Nummerierung, Rundung können die
ist ≈ 4,99. (Hinweis: Je nach
hat sich die Anfangskonzen-
2. Nach einer Minute Werte abweichen).
B c (B) um Δc(A) bzw.
tration von A c0(A) bzw. 0 100 mol/L und beschreiben
der Reaktion von A zu B 5. Erhöhen Sie c0(A) auf
Δc(B) verändert. Da A bei von Edukt und Produkt
bei der Reaktion von B Sie, wie sich das Verhältnis
verbraucht und gleichzeitig verändert.
Δc(A) von den Reaktions- im Gleichgewichtszustand
zu A gebildet wird, hängt Produkten zu Edukten im
A und B ab. Stellen Sie die Das Verhältnis zwischen
geschwindigkeiten von unverändert 4,99.
von c(A) und c(B) zum Gleichgewichtszustand beträgt

wie man sie anwendet.


Gleichung zur Berechnung
Zeitpunkt 1 auf.
c (B) = c0(B) + Δc(B)
c1(A) = c0(A) + Δc(A) bzw. 1
AUFGABEN
Δc(A) = –k ∙ c(A) + krück ∙ c(B) uf des Edukts
mit Δt hin A1 Stellen Sie den Konzentrationsverla
sprogramm
und Produkts im Tabellenkalkulation
Δc(B) + k ∙ c(A) c (A) = 1 mol/L und einem
bzw. Δt = –krück ∙ c(B) hin mit einem Diagramm für 0
mol/L dar.
Diagramm für c0(A) = 100
(A) + krück ∙ c0(B)] ∙ Δt Diagramme
c1(A) = c0(A) + [–khin ∙ c0 Vergleichen Sie die beiden
(B) + khin ∙ c0(A)] ∙ Δt
c1(B) = c0(B) + [–krück ∙ c0 (Informationen zur Diagrammerstellung 06011-05
in 06011-05).
Gleichungen zur Berechnung unter QR-/Mediencode
3. Übertragen Sie die auf das
sprogramm (B1). Beschreiben Sie die Auswirkungen
wenn a) khin halbiert wird,
A2
das Tabellenkalkulation
dass diese Werte bei der chemische Gleichgewicht,
(Hinweis: $ kennzeichnet, c) khin und krück 0,005 1/s
für spätere Zeitpunkte b) k 0,009 1/s ist und
Übernahme der Formeln
rück
sind.
gleich bleiben.)

UND CHEMISCHE
GLEICHGEWICH TE
EXKURS E
56 REAKTIONSGES CHWINDIGKEIT

Info
eiche
wichte und Korallenbl
2.4.4 Säure-Base-Gleichge
bei vie-
Kohlenstoffdioxid, welches
len industriellen Verbrennungspro-

Keine Wissenschaft kommt heute noch


bei zahlrei-
zessen entsteht, spielt
gewichten
chen Säure-Base-Gleich
Rol-
in der Natur eine bedeutende
gehalt
le. Der Kohlenstoffdioxid
verschiede-
ist für die Einstellung
tionen ent-

Hier und da
ner Gleichgewichtsreak
Um-
scheidend und für zahlreiche
So
weltphänomene verantwortlich.

ohne andere Wissenschaften aus. Auf


ist letzlich auch die Korallenbleiche am Great Barrier Reef in
Australien
Australien Lebendige und tote Korallen
am Great Barrier Reef in
B1

auf einen steigenden Kohlenstoff-


dioxidgehalt in der Atmosphäre Phänomen wird als Korallenbleiche

finden Sie kleine


Ca2+ (aq) + 2 HCO3 (aq)
-

zurückzuführen (B1). CaCO3 (s) + CO2 (g) + 2


H O (l)  bezeichnet.
der Kohlen-
Der weltweite Anstieg
in der Luft
Dieses Gleichgewicht
ist abhängig stoffdioxidemissionen
Gelöst in Wasser bildet Kohlenstoffdi- von der Temperatur und
vom pH- trägt nicht nur zum Treibhauseffekt

den Seiten Exkurs können Sie „über den


H CO . durch eine
oxid zunächst Kohlensäure 2 3 Wert des Wassers. Im schwach
sau- bei, sondern führt auch
(1,013 bar) fnahme
Bei 0 °C und Normaldruck ren und neutralen Bereich
kann sich erhöhte Kohlenstoffdioxidau

Fachmethoden-
bei der
lösen sich 1,7 L Kohlenstoffdioxid, nur wenig Kalk abscheiden,
da Koh- im Meerwasser zur Versauerung
L Kohlen-
20 °C jedoch nur noch 0,9 lenstoffdioxid hauptsächlich
gebun- Meere. Dies schadet den
Korallen
Wasser:
stoffdioxid in einem Liter den als gelöstes Hydrogencarbonat und reduziert ihre Wachstumsrate.
CO2 (g) CO2 (aq)  vorliegt. Mit steigendem pH-Wert Durch den erhöhten Kohlenstoff-
O (l) H CO (aq) daraus Carbonat-Ionen dioxideintrag kommt es durch die
CO2 (aq) + 2H 3 entstehen
 und schwerlösliches Calciumcar- Bildung von Kohlensäure (, )
2

Tellerrand blicken“. Spannende Themen, Kästen in der ent-


 als Erhöhung zu einer Absenkung des
pH-Werts
Die Kohlensäure protolysiert bonat fällt aus. Durch des
Anteil an zu einem Abbau
zweiprotonige Säure in
zwei Stufen, der Temperatur sinkt der  und damit Lösung:
und es Calciumcarbonats in saurer
wobei als Anionen Hydrogencarbo- gelöstem Kohlenstoffdioxid
nat-Ionen HCO3  oder
- Carbonat- wird ebenfalls mehr Calciumcarbo- (s) + 2 H O +
(aq)
saure nat gebildet .
 CaCO3 2+ 3
(g)
Ionen CO3  und schwach Ca (aq) + H2O (l) + CO2
2-

sprechenden Farbe
Lösungen entstehen: Auswirkungen auf das
Ökosystem der Mee-
Damit hat die Versauerung
H2CO3 (aq) + H2O (l) + Folgen für Riffe und alle

z. B. aus Biologie, Physik, Medizin, Umwelt


Meer
HCO3- (aq) + H3O (aq)  Meerwasser ist mit einem pH-Wert re negative mit einem Schutzman-
wodurch sich Meerestiere
HCO3 (aq) + H2
- O (l) um 8 leicht alkalisch,
wie bei den tel aus Calciumcarbonat.
CO (aq) + H O (aq)
2-
3
+  kalkbasierte Strukturen
3
Steinko-
Korallen bilden können.

auch auf anderen


in Gegen-
In neutraler Lösung fällt rallen sind Meerestiere,
die Calci-
die gelöst
wart von Calcium-Ionen, umcarbonat einlagern
und dadurch AUFGABEN
geeigneter
das schwer- sind auf A1 Erläutern Sie anhand
im Wasser vorliegen, Skelette bilden. Die Farben dass
CaCO 3 Gleichgewichtsreaktionen,
lösliche Calciumcarbonat eingelagerte Algen zurückzuführen,

oder Erdkunde, werden wie in einer Zeit-


rbo- der pH-Wert des Meerwassers
(Kalk) aus. Calciumhydrogenca die mit ihnen in Symbiose
leben.
gut was- sinkt, wenn der Kohlenstoffdi-
nat Ca(HCO3)2 ist dagegen zu stark

Seitentypen.
Steigt die Wassertemperatur oxidgehalt der Luft steigt.
serlöslich. Es steht im Gleichgewicht an, sterben die Algen
und in Folge Zusammen-
und A2 Erklären Sie den
mit festem Calciumcarbonat auch die Korallen ab. Der
Korallen-
wobei hang zwischen Klimaerwär-
gelöstem Kohlenstoffdioxid, stock bleicht aus, sichtbar
bleibt
Hinreaktion mung und Korallenbleiche.
folgende endotherme nur das helle Korallengerüst.
Dieses
abläuft:

schrift vorgestellt.
117
SÄURE-BASE-R EAKTIONEN
Übersicht: Laborgeräte

Laborgeräte
Reagenzglas mit Erlenmeyer- Messzylinder Standzylinder Messkolben
Reagenzglas seitlichem Ansatz kolben

Becherglas
Glaswanne

Kristallisier- Trichter U-Rohr Rundkolben Kolbenprober


schale

Petrischale

Glasrohr
Bürette
Gaswaschflasche
Glasstab Messpipette
Thermometer Pipette Stativ- Stativ-
Muffe klemme stange

Dreifuß Verbrennungs- Reagenzglas-


Drahtnetz löffel halter
Gasbrenner

Stativfuß

Gummi- Mörser mit Pistill


schlauch
Tiegelzange Abdampfschale
Spritz-
flasche
Tondreieck Spatel

Porzellantiegel
Uhrglas
Stopfen,
durchbohrt

Magnesiarinne
Chemie
Gesamtband

11 – 12
Baden-Württemberg

C. C. Buchner
Chemie Baden-Württemberg – Sek II
Herausgegeben von Claudia Bohrmann-Linde und Ilona Siehr

Chemie Gesamtband 11 – 12
Bearbeitet von Claudia Bohrmann-Linde, Sandra Eberhardt, Rebekka Englberger, Stefanie Faas,
Andrea Frings, Birgit Goerz, Nina Heldt, Katharina Hundt, Selina Jauernik, Christian Karus,
Simon Kleefeldt, Jochen Krüger, Miriam Lässle, Nico Meuter, Jean Marc Orth, Klaus Schneiderhan,
Alexander Schönborn und Ilona Siehr unter Beratung von Michael Tausch

Zu diesem Lehrwerk werden folgende Zusatzmaterialien geplant:


· Digitales Lehrermaterial click & teach Gesamtband 11 – 12 Einzellizenz, WEB 060121
· Digitales Lehrermaterial click & teach Gesamtband 11 – 12 Box (Karte mit Freischaltcode),
ISBN 978-3-661-06012-5
Weitere Materialien finden Sie unter www.ccbuchner.de.

Dieser Titel wird auch als digitale Ausgabe click & study unter www.ccbuchner.de erscheinen.

Teildruck
1. Auflage, 1. Druck 2021
Dieses Werk folgt der reformierten Rechtschreibung und Zeichensetzung. Ausnahmen bilden Texte,
bei denen künstlerische, philologische oder lizenzrechtliche Gründe einer Änderung entgegenstehen.

Die Mediencodes enthalten ausschließlich optionale Unterrichtsmaterialien, die der Verlag in eigener
Verantwortung zur Verfügung stellt. An keiner Stelle im Schülerbuch dürfen Eintragungen vorgenom-
men werden. Haftungshinweis: Die Versuchsvorschriften in diesem Buch wurden sorgfältig, auf prak-
tischen Erfahrungen beruhend, entwickelt. Da Fehler aber nie ganz ausgeschlossen werden können,
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dankbar angenommen.

© 2021 C. C. Buchner Verlag, Bamberg


Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Nutzung in anderen als den gesetzlich
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gestellt werden. Dies gilt auch für Intranets von Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen.

Redaktion: Theresa Brückner, Thomas Juli


Layout und Umschlag: Petra Michel, Amberg
Satz: mgo360 GmbH & Co. KG, Bamberg
Illustrationen: H
 elmut Holtermann, Dannenberg
Stelzner Illustration & Grafikdesign, Frankfurt
Stefan Dangl, München
Manfred Koch, Oberweißbach
Angelika Kramer, Stuttgart
Druck und Bindung: mgo360 GmbH & Co. KG, Bamberg

www.ccbuchner.de

ISBN der genehmigten Auflage 978-3-661-06011-8


Vorwort

Liebe Schülerin, lieber Schüler,

Sie haben das Fach Chemie weiter belegt – herzlichen Glückwunsch zu dieser Wahl! Das Fach
Chemie ist Grundlage und Teil zukunftsweisender Forschung und Entwicklung, die die Lebens-
umstände der bisherigen, jetzigen und kommenden Generationen in entscheidender Wei-
se beeinflussen. Chemische Kenntnisse unterstützen über ein besseres Verständnis unserer
Umwelt, unseres Körpers und die Herstellung von Alltagsprodukten hinausgehend auch die
Erschließung anderer Naturwissenschaften und der Medizin.

Mit diesem Buch können Sie nun in der Sekundarstufe II Ihr bisher erworbenes Grundlagen-
wissen der Chemie erweitern und auf neue, zukunftsrelevante Themenfelder anwenden.
Sie lernen das Konzept des chemischen Gleichgewichts kennen, dass sich aufgrund seiner
Dynamik von anderen Gleichgewichten unterscheidet. Dieses können Sie auf die großen The-
menfelder der Säuren und Basen bzw. der Elektrochemie anwenden, wobei Sie korrespondie-
rende Säure-Base-Paare bzw. korrespondierende Redoxpaare betrachten. Sie unterteilen die
Naturstoffe in Kohlenhydrate, Fette und Proteine und lernen typische Strukturmerkmale und
sich daraus ergebende Eigenschaften kennen. Anhand der Erarbeitung ausgewählter Reakti-
onsmechanismen verstehen sie den Verlauf chemischer Reaktionen genauer.

Mit dem neu erworbenen Wissen werden Sie Fragen wie z. B. die folgenden beantworten kön-
nen:
Was hat die Löslichkeit von Kohlenstoffdioxid mit Korallensterben zu tun?
Warum hat das Blut im menschlichen Körper so einen stabilen pH-Wert?
Was sind Energielieferanten für den Körper und was bedeutet der Brennwert?
Aus welchen Naturstoffen ist der menschliche Körper aufgebaut?
Nachhaltigkeit und Kunststoffe – ein Widerspruch?
Wie funktionieren energieeffiziente Leuchtmittel?
Welche Prozesse laufen in einem Lithium-Ionen-Akku ab?
Was ist „grüner“ Wasserstoff?

Außerdem schulen Sie Ihre digitalen Kompetenzen und lernen, Molekülstrukturen digital zu
zeichnen und daraus Informationen abzulesen sowie digitale Messwerterfassung zu nutzen.

Vielleicht leistet dieses Buch auch einen Beitrag dazu, Sie für das Fach Chemie weiter zu inter-
essieren und für sich eine berufliche Perspektive zu entdecken. Bezogen auf das Fach Chemie
gibt es eine Vielzahl von beruflichen Tätigkeitsfeldern, denn die chemische Industrie ist nach
der Autoindustrie und dem Maschinenbau die drittgrößte Branche. Auf jeden Fall erhalten Sie
die Gelegenheit, die Chemie in Ihrem Alltag weiter zu entdecken.

Bei all Ihren Vorhaben wünschen wir Ihnen viel Erfolg!


Die Herausgeberinnen

3
Inhalt

0 Grundlagen aus Klasse 8 – 10 12


I. Stoffe, ihre Eigenschaften und ihr Aufbau 14
II. Chemische Reaktionen 16
III. Elemente und Periodensystem 18
IV. Ionische Verbindungen 20
V. Molekulare Verbindungen 22
VI. Übersicht – chemische Bindungstypen
und zwischenmolekulare Wechselwirkungen 24
VII. Chemisches Rechnen 26
VIII. Saure und alkalische Lösungen 28
IX. Kohlenwasserstoffe 30
X. Alkohole und ihre Oxidationsprodukte – Teil I 32
XI. Alkohole und ihre Oxidationsprodukte – Teil II 34
XII. Nachweise organischer Stoffklassen 35
XIII. Übersicht – Stoffklassen der organischen Chemie 36
XIV. Nachweise anorganischer Stoffe und Ionen 38
XV. Ausgewählte Modelle im Überblick 39

1 Reaktionsgeschwindigkeit
und chemische Gleichgewichte 40
Startklar? 42

1.1 Reaktionsgeschwindigkeit
1.1.1 Versuche und Material 44
1.1.2 Reaktionsgeschwindigkeit und Stoßtheorie 46
1.1.3 Beeinflussung der Reaktionsgeschwindigkeit 48

1.2 Chemisches Gleichgewicht


1.2.1 Versuche und Material 50
1.2.2 Hin- und Rückreaktion im Gleichgewicht 52
1.2.3 Einstellung des chemischen Gleichgewichts 54
1.2.4 MEDIENKOMPETENZ: Das chemische Gleichgewicht simulieren 56
1.2.5 Massenwirkungsgesetz 57
1.2.6 FACHMETHODE: Berechnungen mit dem Massenwirkungsgesetz durchführen 58

1.3 Beeinflussung des Gleichgewichts


1.3.1 Versuche und Material 60
1.3.2 Einfluss der Konzentration 62
1.3.3 Einfluss der Temperatur und des Drucks 64
1.3.4 Das Prinzip von Le Chatelier 66
1.3.5 EXKURS: Ozon – der Filter für unser Leben 67

1.4 Haber-Bosch-Verfahren
1.4.1 Versuche und Material 68
1.4.2 Die technische Ammoniaksynthese 70
1.4.3 Reaktionsbedingungen 72

4
Inhalt

1.4.4 Fritz Haber 74


1.4.5 EXKURS: Großtechnische Synthese von Schwefelsäure 76

1.5 Löslichkeitsgleichgewichte
1.5.1 Versuche und Material 78
1.5.2 Lösen und Fällung von Salzen 80
FACHMETHODE: Mit der Löslichkeitskonstante rechnen 81

Alles im Blick 82
Zum Üben und Weiterdenken 84
Ziel erreicht? 86
Klausuraufgaben 88

2 Säure-Base-Reaktionen 90
Startklar? 92

2.1 Säure-Base-Reaktionen im Alltag und im Labor


2.1.1 Versuche und Material 94
2.1.2 Säure-Base-Reaktionen 96
2.1.3 Protolysegleichgewichte 98

2.2 Der pH-Wert


2.2.1 Versuche und Material 100
2.2.2 Die Autoprotolyse des Wassers und der pH-Wert 102

2.3 Starke und schwache Säuren und Basen


2.3.1 Versuche und Material 104
2.3.2 Säure- und Basenstärke 106
2.3.3 Säure-Base-Gleichgewichte 108
2.3.4 Berechnung von pH-Werten 110
 FACHMETHODE: Den pH-Wert von Lösungen starker Säuren
und Basen berechnen 110
FACHMETHODE: Den pH-Wert von Lösungen schwacher Säuren berechnen 111

2.4 Puffersysteme
2.4.1 Versuche und Material 112
2.4.2 Wirkungsweise eines Puffersystems 114
2.4.3 EXKURS: Lebensnotwendige Puffersysteme im Blut 116
2.4.4 EXKURS: Säure-Base-Gleichgewichte und Korallenbleiche 117

2.5 Indikatoren
2.5.1 Versuche und Material 118
2.5.2 Indikatoren und ihre Auftrennung 120
FACHMETHODE: Eine Dünnschichtchromatografie durchführen 121

5
Inhalt

2.6 Titrationen
2.6.1 Versuche und Material 122
2.6.2 Säure-Base-Titration 124
FACHMETHODE: Titrationen auswerten 125
2.6.3 pH-metrische Titration und Konduktometrie 126
2.6.4 FACHMETHODE: Titrationskurven beschreiben 128
2.6.5 MEDIENKOMPETENZ: Messwerte einer Titration digital erfassen 130

Alles im Blick 132


Zum Üben und Weiterdenken 134
Ziel erreicht? 136
Klausuraufgaben 138

3 Aminosäuren und Proteine 140


Startklar? 142

3.1 Spiegelbildisomerie und optische Aktivität


3.1.1 Versuche und Material 144
3.1.2 Spiegelbildisomerie 146
3.1.3 FACHMETHODE: Fischer-Projektionsformeln zeichnen 148
3.1.4 Optische Aktivität 150
3.1.5 MEDIENKOMPETENZ: Molekülstrukturen digital zeichnen und darstellen 152

3.2 Aminosäuren und Peptidbindung


3.2.1 Versuche und Material 154
3.2.2 Strukturen der Aminosäuren 156
3.2.3 Nachweis und Eigenschaften der Aminosäuren 158
FACHMETHODE: Aminosäuren und Proteine nachweisen 158
3.2.4 Von der Aminosäure zum Peptid 160
3.2.5 EXKURS: Biologische Bedeutung der Aminosäuren 161

3.3 Struktur und Denaturierung der Proteine


3.3.1 Versuche und Material 162
3.3.2 Strukturen der Proteine 164
3.3.3 Denaturierung von Proteinen 166
3.3.4 EXKURS: Modelle für Eiweißstrukturen 168
3.3.5 EXKURS: Biochemie im Friseursalon 169

Alles im Blick 170


Zum Üben und Weiterdenken 172
Ziel erreicht? 174
Klausuraufgaben 176

6
Inhalt

4 Kohlenhydrate 178
Startklar? 180

4.1 Glucose und Fructose


4.1.1 Versuche und Material 182
4.1.2 Glucose – ein Kohlenhydrat 184
4.1.3 Glucose in Halbacetaldarstellung 186
4.1.4 Fructose 188
4.1.5 FACHMETHODE: Die Fischer- in die Haworth-Projektion überführen 190

4.2 Saccharose und andere Disaccharide


4.2.1 Versuche und Material 192
4.2.2 Acetalbildung in Disacchariden 194
4.2.3 Saccharose 196
4.2.4 Lactose 198
4.2.5 EXKURS: Zuckerersatzstoffe 199

4.3 Cyclodextrine, Stärke und Cellulose


4.3.1 Versuche und Material 200
4.3.2 Oligosaccharide 202
4.3.3 Polysaccaride 204
4.3.4 EXKURS: Nukleinsäuren 206

4.4 Nachwachsende Rohstoffe


4.4.1 Versuche und Material 208
4.4.2 Folien und Fasern aus Pflanzen 210

Alles im Blick 212


Zum Üben und Weiterdenken 214
Ziel erreicht? 216
Klausuraufgaben 218

5 Fettsäuren und Fette 220


Startklar? 222

5.1 Fette und Fettsäuren


5.1.1 Versuche und Material 224
5.1.2 Fette und Öle – natürliche Ester 226
5.1.3 Molekülstruktur und Eigenschaften von Triglyceriden 228
5.1.4 FACHMETHODE: Aus der Strukturformel die Skelettformel entwickeln 230
5.1.5 EXKURS: Biodiesel 231
5.1.6 Die elektrophile Addition 232
5.1.7 MEDIENKOMPETENZ: Ein Erklärvideo erstellen 234

7
Inhalt

5.2 Tenside
5.2.1 Versuche und Material 236
5.2.2 Seifen und ihre Waschwirkung 238
5.2.3 Moderne waschaktive Substanzen 240

Alles im Blick 242


Zum Üben und Weiterdenken 244
Ziel erreicht? 246
Klausuraufgaben 248

6 Chemische Energetik 250


Startklar? 252

6.1 Energie und Reaktionswärme


6.1.1 Versuche und Material 254
6.1.2 Systeme und Energieformen 256
6.1.3 Chemische Reaktionen und Reaktionswärme 258
6.1.4 FACHMETHODE: Kalorimetrische Messungen durchführen und auswerten 260
6.1.5 EXKURS: Lichtenergie für nachhaltige Technik 262

6.2 Reaktionsenthalpie und Bildungsenthalpie


6.2.1 Versuche und Material 264
6.2.2 Reaktionsenergie und Reaktionsenthalpie 266
6.2.3 Verbrennungsenthalpie, Heiz- und Brennwert 268
6.2.4 Standardisierung und Berechnung von Reaktionsenthalpien 270
FACHMETHODE: Standardreaktionsenthalpien berechnen 271
6.2.5 EXKURS: Energieumwandlungen bei Fotosynthese und Atmung 272
6.2.6 EXKURS: Physikalische und physiologische Brennwerte 273

6.3 Entropie und freie Enthalpie


6.3.1 Versuche und Material 274
6.3.2 Spontaneität und Unordnung 276
6.3.3 Entropie als Maß für Unordnung 278
6.3.4 Spontane Prozesse und freie Reaktionsenthalpie 280
6.3.5 EXKURS: Energetische Betrachtung des chemischen Gleichgewichts 282
6.3.6 MEDIENKOMPETENZ: Chemische Sachverhalte bewerten 284

Alles im Blick 286


Zum Üben und Weiterdenken 288
Ziel erreicht? 290
Klausuraufgaben 292

8
Inhalt

7 Aromatische Verbindungen 294


Startklar? 296

7.1 Benzol
7.1.1 Versuche und Material 298
7.1.2 Benzol – ein Alltagsstoff? 300
7.1.3 Strukturaufklärung von Benzol 302
7.1.4 Mesomerie und Aromatizität 304
7.1.5 Das Orbitalmodell 306

7.2 Aromaten in Natur, Alltag und Technik


7.2.1 Versuche und Material 308
7.2.2 Aromaten in unserem Körper 310
7.2.3 Genussmittel, Drogen und Medikamente 312
7.2.4 Aromaten in der Technik 314

7.3 Farbstoffe aus Aromaten


7.3.1 Versuche und Material 316
7.3.2 Wie entsteht Farbigkeit? 318
7.3.3 Aromatische Farbstoffe 320
7.3.4 Aromatische Farbstoffe als Indikatoren 322
7.3.5 MEDIENKOMPETENZ: Aromatizität digital unterstützt untersuchen:
Molekülgeometrie und Elektronendichteverteilungen darstellen 323
7.3.6 EXKURS: Azofarbstoffe 324

7.4 Reaktionen von Aromaten


7.4.1 Versuche und Material 326
7.4.2 Die elektrophile Substitution 328

Alles im Blick 330


Zum Üben und Weiterdenken 332
Ziel erreicht? 334
Klausuraufgaben 336

8 Kunststoffe 338
Startklar? 340

8.1 Struktur und Eigenschaften von Kunststoffen


8.1.1 Versuche und Material 342
8.1.2 Eigenschaften der Kunststoffe 344
8.1.3 EXKURS: Geschichte der Kunststoffe 345
8.1.4 Klassifizierung der Kunststoffe 346

8.2 Die radikalische Polymerisation


8.2.1 Versuche und Material 348
8.2.2 Wichtige Polymerisate 350

9
Inhalt

8.2.3 Mechanismus der radikalischen Polymerisation 352


8.2.4 Beeinflussung der Polymerisation 354
8.2.5 Andere Radikale – andere Produkte: die radikalische Substitution 356

8.3 Die Polykondensation


8.3.1 Versuche und Material 358
8.3.2 Wichtige Polykondensate 360
8.3.3 Synthese von Polyestern 362
8.3.4 Synthese von Polyamiden 364

8.4 Die Polyaddition


8.4.1 Versuche und Material 366
8.4.2 Die Polyaddition und ihre Produkte 368

8.5 Kunststoffe in Alltag, Industrie und Umwelt


8.5.1 Versuche und Material 370
8.5.2 Die Verarbeitung von Kunststoffen 372
8.5.3 Spezialkunststoffe 374
8.5.4 Wertstoffkreisläufe und Recycling 376
8.5.5 EXKURS: Mikroplastik 378
8.5.6 EXKURS: Notruf der Meeresbewohner: Wir versinken im Plastikmüll! 379

Alles im Blick 380


Zum Üben und Weiterdenken 382
Ziel erreicht? 384
Klausuraufgaben 386

9 Elektrochemie 388
Startklar? 390

9.1 Oxidation und Reduktion


9.1.1 Versuche und Material 392
9.1.2 Elektronenübertragungsreaktionen 394
9.1.3 Korrespondierende Redoxpaare bei chemischen Reaktionen 396
9.1.4 FACHMETHODE: Aufstellung einer Reaktionsgleichung für eine Redoxreaktion 397

9.2 daniell-Element
9.2.1 Versuche und Material 398
9.2.2 Stromfluss durch chemische Reaktionen 400

9.3 Galvanische Zellen – Stromfluss durch chemische Reaktionen


9.3.1 Versuche und Material 402
9.3.2 Redoxpaare im Vergleich 404
9.3.3 Die Spannungsreihe und deren Erweiterung 406
9.3.4 Der Einfluss der Konzentration 408
9.3.5 FACHMETHODE: Die Spannung galvanischer Zellen berechnen 410
9.3.6 EXKURS: Redoxtitration 411

10
Inhalt

9.4 Korrosion und Korrosionsschutz


9.4.1 Versuche und Material 412
9.4.2 Die Korrosion 414
9.4.3 Schutz vor Korrosion 416

9.5 Batterien – verpackte Energie


9.5.1 Versuche und Material 418
9.5.2 Tragbare Energie 420
9.5.3 Die Vielfalt der modernen Batterien 422

9.6 Elektrolysen wässriger Lösungen


9.6.1 Versuche und Material 424
9.6.2 Die Elektrolyse 426
9.6.3 Die Faradayschen Gesetze und ihre Bedeutung 428
9.6.4 Die Chlor-Alkali-Elektrolyse 430
9.6.5 EXKURS: Gewinnung von Aluminium 432
9.6.6 EXKURS: Raffination von Kupfer 433

9.7 Akkumulatoren und Brennstoffzellen


9.7.1 Versuche und Material 434
9.7.2 Der Akkumulator 436
9.7.3 Die Brennstoffzelle 438
9.7.4 EXKURS: Gegenwart und Zukunft der Batterieforschung 440
9.7.5 EXKURS: Energieversorgung und Energiespeicherung 441
9.7.6 EXKURS: Nanostrukturen 442

Alles im Blick 444


Zum Üben und Weiterdenken 446
Ziel erreicht? 448
Klausuraufgaben 450

Verknüpfende Klausuraufgaben 452

Anhang463
Lösungen zu Startklar? und Ziel erreicht? 464
Internationale Bezeichnung von Gefahrstoffen und Entsorgung von Gefahrstoffabfällen 494
H-Sätze und P-Sätze 496
Chemikalienliste zu den Versuchen 498
Glossar 504
Anhang 512
Stichwortverzeichnis 523

11
0 Grundlagen aus Klasse 8 – 10

12 GRUNDLAGEN AUS KLASSE 8 – 10


Arbeitsblatt unter
QR-/Mediencode
06011-01

KATIONEN ANIONEN

EDELGASE MOLEKULARE STOFFE SALZE


Atome Ionen

ELEMENTE VERBINDUNGEN

METALLE
Atome
REINSTOFFE

STOFFE

STOFFGEMISCHE

NEBEL RAUCH GASGEMISCH

SUSPENSION

EMULSION HETEROGEN HOMOGEN LÖSUNG

SCHAUM

PORÖSER STOFF GEMENGE LEGIERUNG

GRUNDLAGEN AUS KLASSE 8 – 10 13


I Grundwissen

I Stoffe, ihre Eigenschaften und ihr Aufbau

Reinstoffe, Gemische mithilfe des einfachen Teilchenmodells zu er-


und Stoffeigenschaften klären. Man nimmt dazu an, dass die Teilchen
eines Stoffes sehr klein sind und zwischen den
Stoffgemische sind Mischungen verschiedener
einzelnen Teilchen leerer Raum ist. Die Teilchen
Reinstoffe. Kann man die Bestandteile mit dem
verschiedener Stoffe unterscheiden sich in ihrer
Mikroskop oder dem Auge noch erkennen, nennt
Größe und Masse. Zwischen den Teilchen wirken
man ein Stoffgemisch heterogen (z. B. Gemenge,
Anziehungskräfte, die bei verschiedenen Stoffen
Suspension, Emulsion, Rauch, Nebel). Sind die
unterschiedlich stark sind.
einzelnen Bestandteile nicht mehr unterscheid-
Alle Teilchen sind in ständiger und ungerichte-
bar, so nennt man es homogen (z. B. Lösung, Le-
ter Bewegung. Diese Eigenbewegung der Teil-
gierung, Gasgemisch). Ein Reinstoff besteht aus
chen erklärt die selbstständige und gleichmäßige
einer Teilchensorte und ist durch eine Kombi-
Durchmischung (Diffusion) der Stoffe in Lösun-
nation von Stoffeigenschaften (z. B. elektrische
gen oder in einem Gasgemisch. In einer Lösung
Leitfähigkeit, Dichte, Löslichkeit, Schmelz- und
verteilen sich Teilchen des gelösten Stoffes zwi-
Siedetemperatur) identifizierbar.
schen den Teilchen des Lösemittels (B2).
Aufgrund der unterschiedlichen Stoffeigenschaf-
ten lassen sich Stoffgemische mithilfe geeigne-
ter Trennverfahren (z. B. Filtrieren, Extrahieren,
Destillieren) in die einzelnen Reinstoffe trennen.
Stoffe können die Aggregatzustände fest, flüs-
sig und gasförmig annehmen. Schmelz- und
Siedetemperaturen nennt man die Tempe-
raturen, bei denen ein Stoff vom festen in den
flüssigen bzw. vom flüssigen in den gasförmigen
Zustand übergeht (B1).

gasförmiger B2 Diffusion eines Farbstoffs auf Teilchenebene


Zustand

Bausteine eines Atoms


ko

und Kern-Hülle-Modell
n
ere

nd
n

en
mi

Atome sind aus den Elementarteilchen aufge-


ier

sie
bli

sie
lim

ren
su

de

baut. Im Kern-Hülle-Modell nach RUTHERFORD


ub

n
res

(B3) ist der Atomkern sehr klein und enthält


positiv geladene Teilchen, die Protonen. Diese
schmelzen
fester flüssiger haben eine Masse von 1 u. Die Atomhülle ist
Zustand Zustand überwiegend leerer Raum und enthält negative
erstarren
Ladungsträger, die Elektronen. Sie sind beweg-
B1 Aggregatzustände und Übergänge lich, haben nur eine sehr geringe Masse und kön-
nen von einem Atom auf ein anderes übertragen
Stoffe können wasserlöslich oder -unlöslich sein. werden. Im Atomkern befinden sich neben Pro-
Wasserlösliche Stoffe können mit Wasser saure, tonen auch Neutronen. Diese sind nicht geladen
alkalische oder neutrale Lösungen bilden. und haben eine Masse von 1 u.
Die Masse eines Atoms in u wird durch die Sum-
me der Protonen- und Neutronenzahl bestimmt
Teilchenmodell
(B4). Sie wird auch Nukleonenzahl genannt und
Die messbaren oder mit den Sinnen wahrnehm- steht im Periodensystem der Elemente (PSE)
baren Eigenschaften eines Stoffes versucht man links oben am Elementsymbol. Die Ladung des

14 GRUNDLAGEN AUS KLASSE 8 – 10


Grundwissen I

ähnliche Eigenschaften auf. Die verschiedenen


Stoffklassen unterscheiden sich in ihrem Aufbau
auf Teilchenebene.
Metalle bestehen aus regelmäßig in einem Me-
tallgitter angeordneten Atomen. Sie zeichnen
++
++ sich durch elektrische Leitfähigkeit, Wärmeleit-
++
fähigkeit, Verformbarkeit und metallischen Glanz
aus.
Edelgase bestehen aus einzelnen Atomen, die
relativ weit voneinander entfernt sind und sich in
unregelmäßiger Bewegung zueinander befinden.
Sie gehen fast keine chemischen Reaktionen ein.
Salze sind harte, spröde Stoffe, die hohe
B3 Das Kern-Hülle-Modell eines Atoms nach Ruth- Schmelztemperaturen haben. Ihre Eigenschaf-
erford
ten erklären sich durch ihren Aufbau aus positiv
Atomkerns ist durch die Anzahl der Protonen geladenen Teilchen (Ionen), den Kationen, und
festgelegt. Sie wird im PSE durch die Kernla- negativ geladenen Teilchen, den Anionen.
dungszahl (bzw. Ordnungszahl) links unten am Die Verhältnisformel bzw. die Ionengruppe gibt
Elementsymbol angegeben (B5). Im ungelade- das zahlenmäßige Verhältnis von Kationen und
nen Atom ist die Anzahl der Elektronen gleich Anionen im Ionengitter an. Zum Beispiel ist bei
der Anzahl der Protonen. Die Atome eines Ele- Natriumchlorid das Verhältnis der Kationen und
ments haben stets die gleiche Anzahl an Proto- Anionen zueinander 1 : 1, die Ionengruppe heißt
nen im Kern. Na+Cl-. Daraus leitet sich die Verhältnisformel
NaCl ab.
HauptgruppenProton Neutrom Elektron Molekulare Stoffe haben im Vergleich zu Metal-
Symbol p+ n e- len und Salzen niedrige Siedetemperaturen. Ihre

V VI
Ladung in
Elemen-
tarladun-
+1
VII VIII
Kap_04_08_B6
0 -1
Teilchen sind Moleküle, die aus zwei oder meh-
reren gebundenen Atomen bestehen.
Man kann sie gut mit dem Kugelmodell nach
gen 4,0
DALTON darstellen. Dieses beschreibt Atome als
Masse 1u 1u
He
0,0005 u
Kugeln, die sich je nach Atomsorte in Größe und
B4 Elementarteilchen eines Atoms Helium +
Masse unterscheiden. Die Zusammensetzung
von Molekülen wird durch eine Molekülformel
2 angegeben (B6).
<A
 tommasse in u
14,0 16,0 19,0 = Massenzahl 20,2
2 Wasserstoff- 1 Sauerstoff-
N O F Ne
= Nukleonenzahl
= Anzahl der Protonen Moleküle
Kugelmodell MolekülFormel
chemische
+ Anzahl der Neutronen nach Dalton
Elementsymbole
Stickstoff Sauerstoff <Fluor
Kernladungszahl Neon für Wasserstoff und
7 8 9 10 Sauerstoff

H2O
(Ordnungszahl)
= Anzahl der Protonen
31,0 32,1 35,5 39,9
B5 Die Ziffern zum Elementsymbol geben Informati-

P S Cl Ar
Der Index gibt die Zahl
onen zu den Elementarteilchen der Atome. der im Molekül vor-
handenen Atome an.
Zwei Wasserstoff-Atome Er bezieht sich auf das
Phosphor Stoffklassen
Schwefel und ihre
Chlor Argon sind mit einem Sauerstoff- links davon stehende
Grundbausteine 2 Wasser-Moleküle
Atom zu einem Wasser- Elementsymbol.
15 16 17 18 Molekül verbunden.
Reinstoffe können in die Stoffklassen Metalle,
74,9 79,0 Salze und 79,9
Edelgase, molekulare Stoffe83,8
eingeteilt B6 Darstellung eines Wasser-Moleküls im Kugelmo-

As Se Br
werden. Die Reinstoffe einer Stoffklasse weisen
Kr dell nach DALTON und als chemische Formel

Arsen Selen Brom Krypton


33 34 35 36 GRUNDLAGEN AUS KLASSE 8 – 10 15
121,8 127,6 126,9 131,3
II Grundwissen

II Chemische Reaktionen

Stoffumwandlung Eisen (s) + Schwefel (s) Eisensulfid (s)


 | exotherm
Stoffumwandlungen, bei denen aus Edukten
Silbersulfid (s) Silber (s) + Schwefel (s)
Produkte mit anderen Eigenschaften entstehen,
 | endotherm
nennt man chemische Reaktionen. Die Produk-
te haben bleibende Eigenschaften, die sich von Die meisten chemischen Reaktionen laufen nicht
den Eigenschaften der Edukte unterscheiden von selbst ab. Auch bei exothermen Reaktionen
(B1). muss man einen Energiebetrag, die Aktivie-
rungsenergie, aufwenden, um die Reaktion zu
2– 2+ 2– 2+ 2– 2+
Atom starten. In Anwesenheit eines Katalysators fin-
2+ 2– 2+ 2– 2+ 2–
det die Stoffumwandlung der Edukte in die Pro-
fel-Atom
+ 2– 2+ 2– 2+ 2– 2+ dukte über einen anderen Reaktionsweg statt, bei
Kation 2+ 2– 2+ 2– 2+ 2– dem weniger Aktivierungsenergie aufgebracht
2– 2+ 2– 2+ 2– 2+ werden muss. Der Katalysator liegt nach der Re-
Anion
2+ 2– 2+ 2– 2+ 2–
aktion unverändert vor.
B1 Eisen und Schwefel reagieren zu Eisensulfid.
Energie

Feststoff s (solid), Eine chemische Reaktion schreibt man verkürzt Aktivierungs- nicht
energie katalysierte
Flüssigkeit l als Reaktionsschema. Die Namen der Edukte Reaktion
(liquid),
Gas g (gaseous),
(Ausgangsstoffe) stehen links, die Namen der Aktivie-
rungs- katalysierte
in Wasser gelöster Produkte (Endstoffe) rechts. Sie sind durch ei- energie Reaktion
Stoff aq (aqueous) nen Reaktionspfeil verbunden, z. B.:
Edukte Reaktions-
Eisen (s) + Schwefel (s) Eisensulfid (s)
energie
Elemente (z. B. Eisen, Schwefel) sind Reinstoffe, Produkte
die sich nicht weiter zerlegen lassen. Sie beste- Reaktionsweg
hen nur aus einer Atomsorte. Aus Elementen
kann man eine Vielzahl von Verbindungen her- B2 Energiediagramm einer exothermen Reaktion mit
stellen. Aktivierungsenergie
Verbindungen (z. B. Eisensulfid) sind Reinstof-
fe, die durch eine chemische Reaktion in andere Grundgesetze bei chemischen
Reinstoffe zerlegt werden können. Reaktionen
Gesetz von der Erhaltung der Masse: Bei che-
Energiebeteiligung mischen Reaktionen in geschlossenen Systemen
ändert sich die Gesamtmasse aller beteiligten
Energie wird weder erzeugt noch vernichtet.
Stoffe nicht. Die Massen der Edukte entsprechen
Energie kann von einer Energieform in andere
den Massen der Produkte.
Energieformen umgewandelt werden. Bei einer
chemischen Reaktion findet neben der Stoffum- Gesetz der konstanten Massenverhältnisse:
wandlung auch immer ein Energieumsatz statt. Reaktionspartner reagieren immer in einem be-
Hierbei werden entweder energiereiche Stoffe in stimmten Massenverhältnis miteinander. Da
energieärmere Stoffe umgewandelt oder umge- jedes Atom eine typische Masse hat, stehen
kehrt. Die dabei abgegebene oder aufgenomme- auch die Massen der Elemente, aus denen eine
ne Energie nennt man Reaktionsenergie. Verbindung gebildet wird, in einem konstanten
Bei exothermen Reaktionen wird Energie abge- Verhältnis.
geben (B2). Bei endothermen Reaktionen muss
ständig Energie zugeführt werden, um den Ab-
lauf der Reaktion zu ermöglichen.

16 GRUNDLAGEN AUS KLASSE 8 – 10


Grundwissen II

Von Verhältnis- und Molekülformel Bei der Reaktion von Metallen mit Sauerstoff
zur Reaktionsgleichung entstehen Metalloxide (Salze), z. B.:
2 Fe (s) + O2 (g) 2 FeO (s)
Aus dem Verhältnis der Massen der Elemente,
Bei der Reaktion von Nichtmetallen mit Sauer-
die eine Verbindung bilden, lässt sich die Ver-
stoff entstehen Nichtmetalloxide (molekulare
hältnisformel ableiten. Sie gibt die Zahlenver-
Stoffe), z. B.:
hältnisse der Ionen in einer salzartigen Verbin-
C (s) + O2 (g) CO2 (g)
dung wieder z. B.:
FeCl2: Im Eisen(II)-chlorid sind Eisen(II)-Kat- Edle Metalle können durch Erhitzen aus Metall-
ionen Fe2+ und Chlorid-Anionen Cl- im oxiden gewonnen werden. Diese Reaktion, bei
Verhältnis 1 : 2 enthalten. der eine Sauerstoffabgabe erfolgt, nennt man
Al2O3: Im Aluminiumoxid sind Aluminium- Reduktion, z. B.:
Kationen Al3+ und Oxid-Anionen O2- im 2 Ag2O (s) 4 Ag (s) + O2 (g)
Verhältnis 2 : 3 enthalten.
Die Molekülformel gibt die Zahlenverhältnis- Redoxreaktionen
se der Atome in einer molekularen Verbindung
Bei einer Redoxreaktion finden gleichzeitig eine
wieder z. B.:
Oxidation und eine Reduktion statt z. B.:
H2O: In einem Wasser-Molekül sind zwei Was-
serstoff-Atome und ein Sauerstoff-Atom Reduktion
gebunden.
CO2: In einem Kohlenstoffdioxid-Molekül sind CuO (s) + Zn (s) Cu (s) + ZnO (s)
ein Kohlenstoff-Atom und zwei Sauer- Oxidation
stoff-Atome gebunden.
Nach einer erweiterten Definition sind Redoxre-
Kennt man die Formeln der Edukte und Produk-
aktionen Elektronenübertragungsreaktionen.
te einer chemischen Reaktion, so lässt sich diese
Stoffe, die andere Stoffe oxidieren können, heißen
symbolhaft durch eine Reaktionsgleichung dar-
Oxidationsmittel. Sie werden dabei selbst redu-
stellen. Die Atombilanz muss auf beiden Seiten
ziert. Stoffe, die andere Stoffe reduzieren können,
ausgeglichen sein. Dies erreicht man durch eine
heißen Reduktionsmittel. Sie werden dabei selbst
schrittweise Anpassung der Koeffizienten z. B.:
oxidiert. Reduktionsmittel setzt man z. B. ein, um
1. Al + O2 Al2O3
ein Metalloxid zum Metall zu reduzieren (B3).
2. Al + 3 O2 2 Al2O3
3. 4 Al + 3 O2 2 Al2O3 Reduktionsvermögen nimmt zu

Oxidation und Reduktion Magne- Alumi- Zink Eisen Kupfer Silber Gold
sium nium Zn Fe Cu Ag Au
Verbrennungen sind exotherme chemische Re- Mg Al
aktionen mit Sauerstoff, bei denen Wärme und
Licht frei werden. Als Produkte entstehen Oxide, B3 Reihung der Metalle nach Reduktionsvermögen

z. B. Kohlenstoffdioxid oder Eisen(II)-oxid. Allge-


meiner nennt man eine chemische Reaktion mit Je weiter links ein Metall in dieser Reihe steht,
Sauerstoff unter Bildung von Oxiden Oxidation. desto unedler ist es, desto höher ist seine Affi-
Verbrennungen sind Oxidationen. Für den Ver- nität zu Sauerstoff und desto größer ist sein Re-
lauf einer Oxidation gilt: Sie verläuft umso hefti- duktionsvermögen.
ger, je größer der Zerteilungsgrad des brennbaren Auch die Nichtmetalle Kohlenstoff und Wasser-
Stoffes und je höher der Anteil des Sauerstoffs stoff reagieren mit vielen Metalloxiden in einer
im Reaktionsraum ist. Redoxreaktion und reduzieren diese zum ele-
mentaren Metall.

GRUNDLAGEN AUS KLASSE 8 – 10 17


III Grundwissen

III Elemente und Periodensystem

Periodensystem der Elemente


Das Periodensystem der Elemente (PSE) um-
fasst derzeit 118 Elemente. Diese sind nach fort-
laufender Ordnungszahl in waagrechten Zeilen,
den Perioden geordnet. Die Ordnungszahl ent-
spricht dabei der Anzahl der Protonen im Kern.
Elemente mit ähnlichen chemischen Eigenschaf-
ten stehen in senkrechten Spalten, den Haupt-
gruppen, untereinander. Daher nennt man die
Elemente einer Hauptgruppe auch Elementfa-
milie. Die Alkalimetalle (I. Hauptgruppe), die
Erdalkalimetalle (II. Hauptgruppe), die Haloge-
ne (VII. Hauptgruppe) und die Edelgase (VIII.
Hauptgruppe) sind Beispiele für Elementfamilien.

B1 Reaktion von Lithium und mit Thymolphthalein-


Wichtige Elementfamilien Indikator versetztem Wasser

Wasserstoff: Wasserstoff (H) steht zwar gemein-


bilden sich alkalische Lösungen und Wasserstoff:
sam mit den Alkalimetallen in der I. Hauptgruppe,
Ca (s) + 2 H2O (l)
ist aber ein Nichtmetall und nimmt daher im PSE
H2 (g) + Ca2+ (aq) + 2 OH- (aq)
eine Sonderstellung ein.
Wasserstoff ist bei Raumtemperatur gasförmig und
Edelgase: Zu den Edelgasen gehören Helium (He),
hat von allen Stoffen die niedrigste Dichte. Wasser-
Neon (Ne), Argon (Ar), Krypton (Kr), Xenon (Xe),
stoff ist brennbar, unterhält die Verbrennung aber
Radon (Rn) und Oganesson (Og). Diese Elemente
nicht. Er bildet mit Sauerstoff ein hochexplosives
sind reaktionsträge und gehen nur unter ganz be-
Gemisch, das Knallgas, welches mit der Knallgas-
sonderen Bedingungen chemische Reaktionen mit
probe nachgewiesen werden kann.
anderen Elementen ein.
Alkalimetalle: Bei den Alkalimetallen handelt es
sich um eine Gruppe unedler, weicher Leichtme-
Ionisierungsenergien, Energiestufen
talle. Zu diesen zählen die Elemente Lithium (Li),
und Schalen
Natrium (Na), Kalium (K), Rubidium (Rb), Caesi-
um (Cs) und Francium (Fr). Die Metalle reagieren Die Ionisierung ist die Bildung eines Ions durch
sofort mit Luftsauerstoff und bilden eine Oxid- Abspaltung eines Elektrons von einem Atom.
schicht, z. B.: Die dazu erforderliche Energie heißt Ionisie-
4 Li (s) + O2 (g) 2 Li2O (s) rungsenergie. Die Ionisierungsenergien für die
schrittweise Abspaltung von Elektronen aus ei-
Mit Wasser reagieren Alkalimetalle zu Wasserstoff
nem Atom nehmen ungleichmäßig zu. Je nach
und der entsprechenden Lösung des Alkalimetall-
Atomart kommt es an einer bestimmten Stelle
hydroxids, z. B. von LiOH (B1):
zu einem sprunghaften Anstieg (B2).
2 Li (s) + 2 H2O (l)
Auf dieser Grundlage basiert das Energiestufen-
H2 (g) + 2 Li+ (aq) + 2 OH- (aq)
modell, bei dem sich die Elektronen der Hülle
Erdalkalimetalle: Zu den Erdalkalimetallen ge- aufgrund ihres Energiegehalts bestimmten Ener-
hören Beryllium (Be), Magnesium (Mg), Calcium giestufen zuordnen lassen (B3). Die Energiestu-
(Ca), Strontium (Sr), Barium (Ba) und Radium fen werden ausgehend von der energieärmsten
(Ra). Auch die Erdalkalimetalle sind unedel. Calci- Stufe mit n = 1, 2, 3 usw. bezeichnet. Die Elekt-
um, Strontium und Barium reagieren deutlich mit ronen der höchsten Energiestufe nennt man Va-
Wasser zu ihren Hydroxiden, z. B. Ca(OH)2. Dabei lenz- oder Außenelektronen.

18 GRUNDLAGEN AUS KLASSE 8 – 10


Grundwissen III

Ionisierungsenergie in eV
1800
1600
1400
1200 K L M 11+
1000
800
600
400
Energie
200 abge-
trenntes
0 n=3
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.11. Elektron
n=2
B2 Ionisierungsenergien für die Elektronen in einem
Natrium-Atom

Die Energiestufen können jeweils nur eine be- n=1

stimmte Anzahl an Elektronen insgesamt auf-


nehmen. Die maximale Anzahl an Elektronen B3 Schalenmodelle und Energiestufenmodell der
Elektronen in einem Natrium-Atom
erhält man rechnerisch aus der Energiestufe n
mit der Formel 2 ∙ n2.
Außenelektronen und Edelgasregel
Die Verteilung der Elektronen eines Atoms auf
die verschiedenen Energiestufen bezeichnet Die Außenschale kann in der Regel mit maximal
man als Elektronenkonfiguration. Für das Na- acht Elektronen besetzt werden. Die Außenscha-
trium-Atom lautet diese: len der Edelgas-Atome (außer Helium) enthal-
ten acht Elektronen. Hierbei handelt es sich um
122831 (Energiestufe, Anzahl an Elektronen)
eine besonders stabile Elektronenverteilung, die
Räumlich kann man sich die Verteilung der Edelgaskonfiguration. Atome anderer Elemen-
Elektronen besser mithilfe des Schalenmodells te können diese stabile Elektronenkonfiguration
vorstellen. Die Schalen werden von innen nach durch Aufnahme oder Abgabe von einem oder
außen mit K, L, M usw. bezeichnet (B3). mehreren Außenelektronen erreichen. Gemäß der
Edelgasregel sind sie dann besonders stabil (B4).
Die Verteilung der Elektronen auf die Energie-
stufen bzw. Schalen erfolgt stets von innen nach
Elektronenzahl
außen, ausgehend von der ersten Energiestufe
Ca
(n = 1) bzw. Schale (K-Schale). Je größer die Ent- 20 K
P3- S2- Cl-
fernung eines Elektrons vom Atomkern ist, umso 18 n = 3,
Edelgaskonfiguration von Argon Ar K+ Ca2+ M-Schale
kleiner ist die Energie zur Abspaltung des Elek- 16 Cl
S
trons. Die Elektronen in der Außenschale lassen 14 Al
Si
P
sich am leichtesten abtrennen. 12 Na
Mg

N3- O2- F-
Die Atome der Elemente einer Hauptgruppe 10
Edelgaskonfiguration Ne Na+ Mg2+Al3+ Si4+
n = 2,
L-Schale
haben die gleiche Anzahl an Elektronen in der 8 von Neon
O
F Metall-Atom
C Halbmetall-Atom
Außenschale. Die Hauptgruppennummer ent- 6 B N
Nichtmetall-Atom
Be
spricht der Anzahl der Außenelektronen. 4 Li
Kation
Anion
H-
2 n = 1,
H He Li+ Be2+ Edelgaskonfiguration von Helium K-Schale
H+
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 Ordnungszahl

B4 Bildung von Ionen mit Edelgaskonfiguration

GRUNDLAGEN AUS KLASSE 8 – 10 19


IV Grundwissen

IV Ionische Verbindungen

Bildung von Salzen Eigenschaften von Salzen


Salze können durch Reaktion eines Metalls mit Salze sind in Wasser löslich, wobei ihre Löslich-
einem Nichtmetall hergestellt werden. Die Ele- keit begrenzt ist. Salzlösungen, aber auch Salz-
mente der VII. Hauptgruppe, die Halogene, sind schmelzen, enthalten frei bewegliche Ionen und
bekannte Salzbildner. Bei der Salzbildung finden sind daher elektrisch leitfähig. Salze haben im
Elektronenübertragungsreaktionen statt: Me- Allgemeinen eine hohe Schmelztemperatur, die
tall-Atome geben Elektronen ab, Nichtmetall- mit der Gitterenergie zusammenhängt. Je höher
Atome nehmen in der Regel Elektronen auf (B1). die Gitterenergie, desto mehr thermische Energie
Die so gebildeten Ionen lagern sich zu einem muss bis zum Erreichen der Schmelztemperatur
Ionengitter zusammen. Die bei der Bildung des des Salzes zugeführt werden. Salzkristalle sind
Gitters freiwerdende Gitterenergie ist umso spröde, d. h. sie können nicht verformt werden,
größer, je kleiner die Ionen sind und je höher die sondern zerspringen bei Druckeinwirkung.
Ionenladungszahl ist.
z
Iod-Atom

53+

12+
y

x
Magnesium- Chlorid-Anion Natrium-Kation
Atom 53+

B2 Gittermodell von Natriumchlorid. Ein Natrium-


Ion ist oktaedrisch von sechs Chlorid-Ionen umgeben
und umgekehrt.
Iod-Atom

B1 Elektronenübertragung von einem Magnesium- Elektronenübergänge


Atom auf zwei Iod-Atome
Bei Redoxreaktionen finden zwischen den re-
agierenden Teilchen Elektronenübergänge statt.
Ionenbindung und Gitterstrukturen
Das Teilchen, das Elektronen abgibt, ist der Elek-
In einem Ionengitter verursachen elektrostati- tronendonator und das Teilchen, das Elektronen
sche Anziehungskräfte zwischen den Anionen aufnimmt der Elektronenakzeptor. Dabei redu-
und Kationen einen starken Zusammenhalt. ziert der Elektronendonator einen anderen Stoff
Dieser Zusammenhalt wird als Ionenbindung und ist daher das Reduktionsmittel. Der Elektro-
bezeichnet. Die Anziehungskräfte zwischen nenakzeptor oxidiert einen anderen Stoff und ist
den verschieden geladenen Ionen wirken in alle folglich das Oxidationsmittel.
Raumrichtungen.
Die Struktur eines Ionengitters (B2) ist sowohl Beispiel: Kupfer (Reduktionsmittel) reagiert mit
abhängig vom Anzahlverhältnis der Anionen und Chlor (Oxidationsmittel) zu Kupfer(II)-chlorid.
Kationen als auch vom Verhältnis der Ionenra- Oxidation: Cu Cu2+ + 2 e-
dien zueinander. Das zahlenmäßige Verhältnis Reduktion: Cl2 + 2 e-
2 Cl-
der Ionen ergibt sich aus der Verhältnisformel Redoxreaktion: Cu + Cl2 CuCl2
(Ionengruppe).

20 GRUNDLAGEN AUS KLASSE 8 – 10


Grundwissen IV

Elektrolyse
unedeledel
Die Elektrolyse ist eine Redoxreaktion, bei der Li Ca Mg Al Zn Fe Sn Pb Cu Ag Pt Au
die Elektronenübertragung durch Anlegen einer
hohes Bestreben, oxidiert zu werden
elektrischen Spannung erzwungen wird. Dabei
guter Elektronendonator
wird eine Verbindung mithilfe von elektrischer
 guter Elektronenakzeptor
Energie zerlegt. Bei der Elektrolyse einer Salzlö-
 hohes Bestreben, reduziert zu werden
sung oder Salzschmelze wandern die Kationen
zum Minuspol (Kathode) und werden dort redu- Li+ Ca2+ Mg2+ Al3+ Zn2+ Fe2+ Sn2+ Pb2+ Cu2+ Ag+ Pt2+ Au3+
ziert. Die Anionen wandern zum Pluspol (Ano-
de) und werden dort oxidiert. B4 Redoxreihe der Metalle

Beispiel: Elektrolyse einer Kupfer(II)-chloridlö-


sung (B3).
Oxidation (Pluspol): 2 Cl- Cl2 + 2 e-
Reduktion (Minuspol): Cu + 2 e
2+ -
Cu
Redoxreaktion: CuCl2 Cu + Cl2

B5 Eisennagel nach dem Eintauchen in eine


Kupfer(II)-sulfatlösung

2+ Cl Cl
Cl
Cu 2+
Cl Cl– FM Oxidationszahlen ermitteln
Cl–
2+
2+
Cl–
Cu
Cl– Cl–
VORGEHEN
Cl– 2+
Cl–
1. Elemente erhalten immer die Oxidationszahl 0.

B3 Elektrolyse einer Kupfer(II)-chloridlösung 2. Die Summe der Oxidationszahlen aller Atome in einer
neutralen Verbindung ergibt immer 0. Es gilt:
a) Metalle haben in Verbindungen stets positive Oxida-
Redoxreihe der Metalle
tionszahlen.
In der Redoxreihe der Metalle (B4) sind die b) Fluor-Atome erhalten in Verbindungen immer die
Metalle nach ihrer Tendenz, Elektronen abzuge- Oxidationszahl -I.
ben, angeordnet. Je unedler ein Metall ist, desto c) Wasserstoff-Atome erhalten in Verbindungen die
leichter lassen sich seine Atome oxidieren. Je Oxidationszahl +I, wenn dadurch a) nicht verletzt wird.
edler ein Metall ist, desto leichter lassen sich sei- d) S auerstoff-Atome erhalten in Verbindungen die
ne Kationen reduzieren. Metalle reagieren daher Oxidationszahl -II, wenn dadurch b) oder c) nicht
nur mit anderen Metallsalzlösungen, wenn das verletzt werden.
eingetauchte Metall unedler ist als das Metall,
3. Bei einfachen Ionen entspricht die Oxidationszahl der
dessen Kationen die Metallsalzlösung enthält.
Ionenladungszahl.
Ein Eisennagel überzieht sich beim Eintauchen in
eine Kupfersulfatlösung mit einer Kupferschicht 4. Die Summe aller Oxidationszahlen eines Molekül-Ions
(B5), ein Kupfernagel verändert sich aber nicht ist stets gleich der Ionenladungszahl.
beim Eintauchen in eine Eisensulfatlösung.

GRUNDLAGEN AUS KLASSE 8 – 10 21


V Grundwissen

V Molekulare Verbindungen

Die Elektronenpaarbindung Das Elektronenpaarabstoßungsmodell


Der Zusammenhalt zwischen zwei Atomen in Das Elektronenpaarabstoßungsmodell (EPA-
einem Molekül erfolgt durch eine gemeinsame Modell) beschreibt den räumlichen Bau einfa-
Elektronenpaarbindung. Je nach Anzahl der cher Moleküle. Ein Atom in einem Molekül ist
gemeinsamen, bindenden Elektronenpaare liegt nach der Edelgasregel von vier Elektronenpaaren
eine Einfach-, Doppel- oder Dreifachbindung umgeben, die aufgrund ihrer negativen Ladung
vor. Nicht an einer Bindung beteiligte Elektro- den größtmöglichen Abstand zueinander haben.
nenpaare werden als nichtbindende oder freie Von diesem zentralen Atom ausgehend bildet
Elektronenpaare bezeichnet. sich oft eine Tetraederstruktur mit einem Tet-
raederwinkel von jeweils 109,5°.
Durch die gemeinsamen Elektronen der Elektro-
Im EPA-Modell haben nichtbindende Elektro-
nenpaarbindung und die weiteren nicht an einer
nenpaare einen größeren Raumbedarf als bin-
Bindung beteiligten Außenelektronen besitzt je-
dende Elektronenpaare und Mehrfachbindungen
des Atom im Molekül die stabile Edelgaskonfigu-
werden formal wie Einfachbindungen behandelt.
ration desjenigen Edelgases, das in der gleichen
Dadurch ergeben sich neben Tetraedern auch
Periode des PSE steht.
trigonal planare, lineare, pyramidale und ge-
winkelte Molekülstrukturen (B2).
LEWIS-Schreibweise und
Strukturformel Methan Formaldehyd Kohlenstoffdioxid
H
In der LEWIS-Schreibweise werden der Atom- H
kern und die inneren Schalen als Elementsymbol H C H C O O C O
dargestellt. Die Außenelektronen werden durch
H
H
Punkte und die Elektronenpaare durch Striche
um die Elementsymbole herum gezeichnet (B1). 109,5°

Bei Molekülen kommt die Strukturformel zum


Einsatz: Dabei werden die bindenden Elektro- 120°
180°
nenpaare als Striche zwischen die Elementsym-
bole und die freien Elektronenpaare als Striche tetraedrisch trigonal linear
um die Elementsymbole herum angeordnet (B1). planar

F· ·F F F Ammoniak Wasser Chlorwasserstoff

H N H O
nichtbindendes H Cl
Elektronenpaar H H H
bindendes Elektronenpaar

B1 LEWIS-Schreibweise von zwei Fluor-Atomen und


einem Fluor-Molekül
107° 104,5°

Für das Aufstellen von korrekten Strukturformeln pyramidal gewinkelt linear


muss u. a. die Edelgasregel beachtet werden.

B2 Räumlicher Bau von Molekülen ohne (oben) und


mit freien Elektronenpaaren am Zentralatom (unten)

22 GRUNDLAGEN AUS KLASSE 8 – 10


Grundwissen V

Polare und unpolare Zwischenmolekulare Wechselwirkungen


Elektronenpaarbindungen
VAN-DER-WAALS-Wechselwirkungen beschrei-
Atome, genauer Atomkerne, verschiedener Ele- ben die Wechselwirkungen zwischen Dipolen.
mente ziehen gemeinsame bindende Elektro- Permanente Dipole sind Moleküle mit polaren
nenpaare unterschiedlich stark an. Die Elektro- Elektronenpaarbindungen und dauerhaft räum-
negativität (B3) ist ein Maß für die Stärke eines lich getrennten Ladungsschwerpunkten (B4).
Atoms in einem Molekül, bindende Elektronen- Temporäre Dipole bilden sich aufgrund kurz-
paare an sich zu ziehen. fristiger, ungleicher Verteilungen von Elektronen
in Molekülen mit unpolaren Elektronenpaarbin-
H He dungen.
2,1 –
Li Be B C N O F Ne Wasserstoffbrücken (H-Brücken) sind zwi-
1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 – schenmolekulare Wechselwirkungen zwischen
Na Mg Al Si P S Cl Ar
0,9 1,2 1,5 1,8 2,1 2,5 3,0 – einem stark positiv polarisierten Wasserstoff-
K Ca Ga Ge As Se Br Kr Atom und dem nichtbindenden Elektronenpaar
0,8 1,0 1,6 1,8 2,0 2,4 2,8 –
Rb Sr In Sn Sb Te I Xe eines stark negativ polarisierten Sauerstoff-,
0,8 1,0 1,7 1,8 1,9 1,9 2,5 –
Stickstoff- oder Fluor-Atoms (B4).
Cs Ba Tl Pb Bi Po At Rn
0,7 0,9 1,8 1,8 1,9 2,0 2,2 –
Fr Ra Ionenbindung 600 – 2 000 kJ/mol
0,7 0,9
Bindungen Elektronenpaarbindung 150 – 1 000 kJ/mol
B3 Elektronegativitätswerte nach LINUS PAULING Metallbindung 100 – 500 kJ/mol
Wasserstoffbrücken 10 – 100 kJ/mol
Wechsel-
Van-der-Waals (permanente Dipole) 5 – 10 kJ/mol
Je größer die Elektronegativitätsdifferenz wirkungen
Van-der-Waals (temporäre Dipole) 0,1 – 6 kJ/mol
(ΔEN) zwischen zwei miteinander verbundenen
Atomen ist, desto mehr sind die Bindungselekt- B5 Energie der Wasserstoffbrücke im Vergleich zu
ronen zum elektronegativeren Atom verschoben: anderen Wechselwirkungen und Bindungsarten
Die Bindung ist polar. Bei Atomen des gleichen
Elements oder bei Atomen mit ähnlicher Elektro- Wasserstoffbrücken bestimmen die besonderen
negativität liegt eine unpolare Elektronenpaar- Eigenschaften des Wassers, wie die Oberflä-
bindung vor. Man kann wie folgt abschätzen: chenspannung, seine Dichteanomalie und seine
ΔEN ≤ 0,4 → nahezu unpolare Bindung vergleichsweise hohe Siedetemperatur.
ΔEN ≥ 0,4 → polare Bindung
Bei einer polaren Bindung erhalten die Bindungs-
Wasser als Lösemittel
partner eine negative (δ-) und eine positive Teil-
ladung (δ+). Beim Lösen eines Salzes in Wasser bilden Was-
ser-Moleküle eine Hydrathülle um die Ionen.
Zwischen den Teilladungen der Atome in den
H + – + – + Wasser-Molekülen und den Ionen des Salzes
– O H O H kommt es zu Ionen-Dipol-Wechselwirkungen.
O Beim Lösevorgang muss Gitterenergie aufgewen-
+ + +
H H H det werden und Hydratationsenergie wird frei. Ist
a) b)
der Betrag der Gitterenergie kleiner als der Be-
trag der Hydratationsenergie, ist der Lösevorgang
H-Brücke exotherm und die Lösung erwärmt sich aufgrund
B4 Das Wasser-Molekül ist bindende
ein permanenter Dipol
Elektronenpaare
mit räumlich getrennten Ladungsschwerpunkten der freiwerdenden Löseenergie. Ist der Betrag
nichtbindende Elektronenpaare
und (a). Wasser-Moleküle bilden untereinander der Gitterenergie größer als der Betrag der Hydra-
Wasserstoffbrücken --- aus (b).
tationsenergie, ist der Lösevorgang endotherm
und die Lösung kühlt sich ab.

GRUNDLAGEN AUS KLASSE 8 – 10 23


VI Grundwissen

VI Übersicht – chemische Bindungstypen und


zwischenmolekulare Wechselwirkungen

I. Chemische Bindungstypen

+ +

Ionen- Elektronenpaar- Metall-


bindung bindung bindung

+ + + + +
– – –
– –


– II.


+ + + + +
– + – + – –
– – + + + + +
+ – + – +
– + +
– + – + – –
– –
+ – + – + + Atomrumpf

– + – + – frei bewegliches Elektron
des Elektronengases

Elektrostatische Anziehungs- Die Atome in Molekülen wer- Im Metallgitter besetzen posi-


III.
kräfte zwischen den Anionen den durch gemeinsame Elekt- tiv geladene Atomrümpfe feste
und Kationen eines Ionengit- ronenpaare (Bindungselektro- Gitterplätze. Um sie herum
ters wirken in alle Raumrich- + +
nen) zusammengehalten. Die befinden sich die frei bewegli-
tungen. Sie sind der Grund für Bindungselektronen können chen Elektronen des Elektro-
den starken Zusammenhalt der zu einem Atom hin verscho- nengases. Die Metallbindung
Ionen im Gitter. Dieser ist umso ben sein (= polar, ∆EN 0,4) resultiert aus den Anziehungs-
größer, je kleiner die Ionen sind oder sich genau zwischen den kräften zwischen den positiv
und je höher die Ladung der beiden Atomen bevorzugt auf- geladenen Atomrümpfen und
Ionen ist. halten (= unpolar, ∆EN 0,4). dem Elektronengas.

2 000 – 600 1 000 – 150 500 – 100

24 GRUNDLAGEN AUS KLASSE 8 – 10


Grundwissen VI

Zwischenmolekulare Wechselwirkungen

Wasserstoffbrücke van-der-Waals-
(H-Brücke) Wechselwirkungen zwischen

permanenten temporären
Dipolen Dipolen

temporärer Dipol
– 2
– 8+ 8+ + – 8+ 8+ +
+ 8+
1 –
+
– + – +
O H O H 8+ 8++ + + 8+ 8+ -
+
+ + 3
H H
H-Brücke zwischen
Wechselwirkung Anziehende Wechselwirkungen zwischen den Molekülen eines Stoffes
bindende Elektronenpaare
einem stark positiv polarisier-
nichtbindende Elektronenpaare durch ungleichnamige Partialladungen
ten Wasserstoff-Atom und
dem nichtbindenden Elektro-
Damit ein Molekül als perma- Sind in der Atomhülle kurzfris-
nenpaar eines stark negativ
nenter Dipol vorliegt, muss das tig Elektronen ungleich verteilt,
polarisierten Sauerstoff-,
Molekül eine polare Elektro- liegen Moleküle als temporäre
Stickstoff- oder Fluor-Atoms
nenpaarbindung aufweisen Dipole mit verschiedenen
und die Ladungsschwerpunkte Partialladungen vor.
dürfen nicht zusammenfallen.

100 – 10 10 – 5 6 – 0,1

Energie der Bindung bzw.


Wechselwirkung in kJ/mol

GRUNDLAGEN AUS KLASSE 8 – 10 25


VII Grundwissen

VII Chemisches Rechnen

Die molare Masse


Die Stoffmenge n beschreibt die Anzahl der
Teilchen in einer Stoffportion. Die Stoffmenge n +
zählt zu den Stoffgrößen und hat die Einheit Mol.
1 mol eines Stoffes entspricht der riesigen Zahl 2 cm

von 6,022 · 1023 Teilchen. B1 1 mol Eisen und 1 mol Schwefel reagieren zu 1 mol
Bei NA = 6,022 ∙ 1023 /mol handelt es sich um die Eisen(II)-sulfid.
AVOGADRO-Konstante.
Bei bekannter Stoffmenge lässt sich auch die Mithilfe der molaren Masse und der Reaktions-
Teilchenzahl N bestimmen. Dabei ist unerheb- gleichung kann man ermitteln, welche Massen
lich, ob es sich um Atome, Moleküle oder Ionen- an Edukten notwendig sind, um eine bestimmte
gruppen handelt: Masse an Produkt zu gewinnen (Rechenbei-
2 mol Wasser enthalten 2 ∙ 6,022 · 1023 Wasser- spiel) oder auch, wie viel Produkt aus einer be-
Moleküle, 3 mol Wasser enthalten 3 ∙ 6,022 · 1023 stimmten Eduktmenge gewonnen werden kann.
Wasser-Moleküle, 1 mol Argon enthält 1 ∙ 6,022 · 1023
Argon-Atome usw.
FM Rechenbeispiel
Die molare Masse M (B1) eines Stoffes entspricht
der Masse einer Stoffportion, die 6,022 · 1023
Teilchen enthält. Die molare Masse ist der Quoti- Ermitteln Sie die Massen der Edukte für
ent aus der Masse m und der Stoffmenge n: die Herstellung von 5 g Eisen(II)-sulfid.
m VORGEHEN
M= n Einheit g/mol
1. Formulieren Sie die Reaktionsgleichung.
Fe (s) + S (s) FeS (s)
2. Ermitteln Sie die Stoffmenge des
FM Die molare Masse bestimmen
Produkts mit einer Masse von 5 g.
m(FeS) 5g
n(FeS) = M(FeS) = 87,9 g/mol
Bestimmen Sie die molare Masse von Eisen(II)-sulfid.
= 0,057 mol
VORGEHEN
3. Ermitteln Sie die benötigten Stoff-
1. Lesen Sie die Atommasse eines Eisen-Atoms und eines
mengen der Edukte mit Bezug auf die
Schwefel-Atoms aus dem PSE ab und übertragen Sie
Reaktionsgleichung.
den Zahlenwert auf ein Mol Eisen bzw. Schwefel.
Die Edukte reagieren im Stoffmengen-
m(1 Fe) = 55,8 u, M(Fe) = 55,8 g/mol verhältnis 1 : 1 und es gilt:
n(Fe) = n(S) = n(FeS) = 0,057 mol.
m(1 S) = 32,1 u, M(S) = 32,1 g/mol
4. Berechnen Sie die Massen der Edukte.
2. Addieren Sie alle an der Verbindung beteiligten Teilchen
m(Fe) = M(Fe) ∙ n(Fe) =
gemäß der Formel der Verbindung. Kommt in einer
55,8 g/mol ∙ 0,057 mol = 3,2 g.
Formel eine Teilchensorte mehrfach vor, ist die Masse
mehrfach zu berücksichtigen. Analog erhält man für m(S) 1,8 g.
M(FeS) = 1 ∙ M(Fe) + 1 ∙ M(S) = Für die Herstellung von 5 g Eisen(II)-
1 ∙ 55,8 g/mol + 1 ∙ 32,1 g/mol = sulfid benötigt man 3,2 g Eisen und 1,8 g
87,9 g/mol Schwefel.

26 GRUNDLAGEN AUS KLASSE 8 – 10


Grundwissen VII

Einfacher geht es mit Gasen –


der Satz von AVOGADRO FM Den Stoffumsatz einer Reaktion berechnen
Gleiche Volumina verschiedener Gase enthal-
ten bei gleicher Temperatur und gleichem Druck
Der Grenzwert für den Kohlenstoffdioxidausstoß für Pkws soll
gleich viele Teilchen. Die Art der Teilchen (Ato-
bei 95 g pro km liegen. Ein Pkw verbraucht auf 100 km fünf
me, Moleküle) ist dabei unerheblich. Da gleiche
Liter Benzin. Es wird angenommen, dass Benzin aus reinem
Volumina verschiedener Gase gleich viele Teil-
Isooctan (C8H18, ρ = 690 g/L) besteht.
chen (B2) und damit auch gleiche Stoffmengen
a) B
 erechnen Sie den Verbrauch an Isooctan in Gramm pro
enthalten, ist das Volumen von 1 mol eines Stof-
Kilometer.
fes bei gleichem Druck und gleicher Temperatur
b) Ermitteln Sie, ob der Grenzwert für den CO2-Ausstoß über-
gleich.
schritten wird.
Der Quotient aus Volumen und Stoffmenge ist
c) B
 erechnen Sie das Volumen des entstehenden Kohlen-
das molare Volumen Vm. Bei 25 °C und 1 bar be-
stoffdioxidgases.
trägt das molare Volumen eines Gases 24,5 L/mol,
bei 0 °C und 1,013 bar beträgt es 22,4 L/mol. VORGEHEN
1. Formulieren Sie die Reaktionsgleichung.
2 C8H18 + 25 O2 16 CO2 + 18 H2O
2. Berechnen Sie die Masse des Stoffes mit bekannter
Dichte / Volumen.
m(C8H18) = ρ(C8H18) ∙ V(C8H18) =
690 g/L ∙ 5 L = 3450 g (pro 100 km)
Dies entspricht 34,5 g/km (a).
3. Berechnen Sie die Stoffmenge dieses Stoffes mithilfe
B2 Gleiche Volumina von Wasserstoffgas (links) und der (molaren) Masse.
Wasserdampf (rechts) enthalten gleich viele Teilchen.
m(C H ) 34,5 g
n(C8H18) = M(C8H18) = 114 g/mol = 0,30 mol
8 18

Beziehungen zwischen Größen


4. Entnehmen Sie der Reaktionsgleichung die Koeffizien-
Aus der molaren Masse M kann die Berechnung ten der beteiligten Stoffe. Bilden Sie das Zahlenverhält-
der Masse m und schließlich die Berechnung der nis der Stoffmengen und lösen Sie nach der Stoffmenge
Stoffmenge n eines Stoffes abgeleitet werden. des gesuchten Stoffes auf.
Ebenso können die Masse m, die Stoffmenge n n(CO2) 16 mol
und das Volumen V über die gezeigten Größen- n(C8H18) = 2 mol ; n(CO2) = 8 ∙ n(C8H18) =
gleichungen ineinander überführt werden (B3). 8 ∙ 0,30 mol = 2,4 mol
5. Berechnen Sie die Masse des gesuchten Stoffes.
Atommasse ma m(CO2) = n(CO2) ∙ M(CO2) =
Teilchen-
Masse m
zahl N 2,4 mol ∙ 44 g/mol = 106 g
Der Grenzwert wird überschritten (b).
AVOGADRO-
Molare Masse M Konstante 6. Multiplizieren Sie die Stoffmenge mit dem molaren
NA
Volumen.
Volumen Stoff- V(CO2) = Vm ∙ n(CO2) =
V menge n 24,5 L/mol ∙ 2,4 mol = 58,8 L
Molares
Volumen Vm Es entstehen 58,8 L Kohlenstoffdioxidgas (c).

B3 Beim chemischen Rechnen sind diese Beziehun-


gen wichtig.

GRUNDLAGEN AUS KLASSE 8 – 10 27


VIII Grundwissen

VIII Saure und alkalische Lösungen

pH-Wert und Indikatoren Die saure Lösung des Gases Chlorwasserstoff


heißt Salzsäure.
Der pH-Wert ist ein Maß dafür, wie sauer oder
Wässrige Lösungen von Säuren gehören zu den
alkalisch eine Lösung ist oder ob eine neutra-
sauren Lösungen, z. B. die wässrige Lösung der
le Lösung vorliegt. Die pH-Skala enthält Werte
Schwefelsäure:
zwischen pH = 0 und pH = 14.
H2SO4 (l) + 2 H2O (l)
• pH < 7: saure Lösung  2 H3O+ (aq) + SO42- (aq)
• pH = 7: neutrale Lösung
• pH > 7: alkalische Lösung
Saure Lösungen entstehen auch bei der Reaktion
von Nichtmetalloxiden mit Wasser, z. B. die koh-
Mit Indikatoren kann man bestimmen, ob eine lensaure Lösung:
Lösung sauer, neutral oder alkalisch ist (B1). Je CO2 (aq) + H2O (l) H2CO3 (aq)
nach Art des Indikators hat dieser abhängig vom
H2CO3 (aq) + H2O (l)
pH-Wert der Lösung eine andere Farbe (B1, B2).
 H3O+ (aq) + HCO3- (aq)
sauer neutral alkalisch

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
Alkalische Lösungen
• färben Universalindikator grün bis blau,
Bromthymolblau • leiten den elektrischen Strom und
• enthalten Hydroxid-Ionen OH-.

Magensaft Seifenlösung
Zitronensaft reines Wasser Kalkwasser Diese sind entweder in den zu lösenden Stoffen
saurer Regen menschliche Haut Natronlauge bereits enthalten oder werden in Wasser erst ge-
bildet. Je alkalischer eine Lösung ist, desto höher
B1 Farben von Bromthymolblau je nach pH-Wert ist der pH-Wert und umso höher ist die Konzen-
tration der darin enthaltenen OH--Ionen und
Rotkohlsaft Thymolphthalein damit die elektrische Leitfähigkeit.
sauer neutral alkalisch sauer neutral alkalisch
Löst man Metallhydroxide in Wasser, so entste-
hen alkalische Lösungen, die man allgemein als
Laugen bezeichnet.
Universalindikator Bromthymolblau Alkalische Lösungen bilden sich auch bei der Re-
sauer neutral alkalisch sauer neutral alkalisch aktion von unedlen Metallen und deren Oxiden
mit Wasser, z. B.:
Ca (s) + 2 H2O (l)
 Ca2+ (aq) + 2 OH- (aq) + H2 (aq)
B2 Farben verschiedener Indikatoren CaO (s) + H2O (l) Ca2+ (aq) + 2 OH- (aq)

Saure Lösungen
Der Säure-Base-Begriff nach Brønsted
• färben Universalindikator gelb bis rot,
• leiten den elektrischen Strom,
Nach der Definition von BRØNSTED sind Säuren
• reagieren mit unedlen Metallen zu Wasserstoff
Stoffe, deren Teilchen bei einer chemischen Re-
aktion Protonen abgeben. Man nennt sie Proto-
und einem gelösten Salz und
• enthalten Oxonium-Ionen H O+.
nendonatoren.
3
Stoffe, deren Teilchen bei einer chemischen Re-
Je saurer eine Lösung ist, desto niedriger ist ihr aktion Protonen aufnehmen, bezeichnet man als
pH-Wert und umso höher ist die Konzentration Basen bzw. Protonenakzeptoren.
der darin enthaltenen H3O+-Ionen und damit die Säure-Base-Reaktionen sind Protonenübertra-
elektrische Leitfähigkeit. gungsreaktionen.

28 GRUNDLAGEN AUS KLASSE 8 – 10


Grundwissen VIII

Ampholyte sind Stoffe und deren Teilchen, die Die Stoffmengenkonzentration


sowohl als Säure als auch als Base wirken können.
Die Stoffmengenkonzentration c ist der Quotient
Zum Beispiel ist Wasser ein Ampholyt. Wasser-
aus der Stoffmenge n des gelösten Stoffes und
Moleküle können in Abhängigkeit vom Reakti-
dem Gesamtvolumen V einer Lösung.
onspartner Protonen aufnehmen oder abgeben
n
(B3). c= V Einheit mol/L

H

Säure-Base-Titrationen
+
O + H A H O + A
H H Säure Um die Konzentration einer sauren bzw. alkali-
H
Oxonium- Säurerest-
schen Lösung unbekannter Konzentration, der
Ion Ion Probelösung, zu bestimmen, tropft man so viel
alkalische bzw. saure Lösung bekannter Kon-
z. B.: H2O (l) + HCl (g) zentration, die Maßlösung, zu, bis sich die Farbe
 H3O+ (aq) + Cl- (aq) des zugesetzten Indikators ändert. Damit ist der
Base Säure Äquivalenzpunkt erreicht und die Neutralisati-
on abgeschlossen.
– +
O + B H O +H B Am Äquivalenzpunkt liegen gleiche Stoffmen-
H H Hydroxid- gen n an Hydroxid- und Oxonium-Ionen vor.
Base Ion

z. B.: H2O (l) + NH3 (g)


FM Eine Säure-Base-Titration auswerten
 OH- (aq) + NH4+ (aq)
Säure Base

B3 Wasser ist ein Ampholyt. Z. B.: Für die Titration von 20 mL Natronlauge unbekannter
Konzentration wurden 10 mL Salzsäure mit der Konzen-
tration c = 0,1 mol/L verbraucht. Berechnen Sie die Konzentra-
Neutralisation
tion der Natronlauge.
Bei einer Neutralisation reagieren gleiche Stoff-
VORGEHEN
mengen Oxonium-Ionen und Hydroxid-Ionen
1. Formulieren Sie die Reaktionsgleichung dieser
miteinander zu Wasser-Molekülen (B4).
Neutralisation.
Na+ (aq) + OH- (aq) + H3O+ (aq) + Cl- (aq)
H
 Na+ (aq) + Cl- (aq) + 2 H2O (l)
– +
H O + H O O + O
H H H H 2. Lesen Sie das Stoffmengenverhältnis der Ionen ab:
H n(OH-) : n(H3O+) = 1 : 1
Danach ist n(OH-) = n(H3O+) und n(NaOH) = n(HCl).
B4 Neutralisation auf Teilchenebene
3. Formulieren Sie die Stoffmengenbeziehung gemäß
n = c ∙ V um.
Salze können durch Neutralisation hergestellt
c(NaOH) ∙ V(NaOH) = c(HCl) ∙ V(HCl)
werden.
4. Formulieren Sie die Größengleichung nach der
Stoffmengenkonzentration der Lösung unbekannter
Konzentration um und berechnen Sie diese.
c(HCl) · V(HCl) 0,1 mol/L · 10 mL
c(NaOH)= V(NaOH) = 20 mL
= 0,05 mol/L

GRUNDLAGEN AUS KLASSE 8 – 10 29


IX Grundwissen

IX Kohlenwasserstoffe

Zusammensetzung und Struktur Zum Beispiel werden beim Butan die beiden
Stoffe n-Butan mit unverzweigten Molekülen
Organische Stoffe sind Verbindungen, in denen
und Isobutan mit verzweigten Molekülen unter-
die Elemente Kohlenstoff und Wasserstoff ge-
schieden. Auch cis/trans- bzw. (Z)/(E)-Isomere
bunden sind. Die gesättigten Kohlenwasserstof-
können eindeutig benannt werden, z. B. als cis-
fe (Alkane) haben die allgemeine Molekülformel
But-2-en und trans-But-2-en (B2).
CnH2n+2. In ihren Molekülen, z. B. dem Ethan-
Molekül, sind die Kohlenstoff-Atome in Form
eines Tetraeders mit vier Bindungspartnern über H H H
H
Einfachbindungen und mit Bindungswinkeln von C C H C
H H H
jeweils 109,5° verknüpft (B1, links). C C C C
Die Moleküle ungesättigter Kohlenwasserstoffe HH H
H H C H
verfügen über eine oder mehrere Mehrfachbin- H
H
dungen. Dazu gehört die Stoffklasse der Alkene
mit der allgemeinen Molekülformel CnH2n. Ihre B2 Strukturformeln der Isomere von But-2-en:
Moleküle enthalten C=C-Doppelbindungen. Da- cis-But-2-en (links) und trans-But-2-en (rechts)
durch ergibt sich z. B. beim Ethen-Molekül eine
planare Struktur mit Bindungswinkeln von jeweils
Eigenschaften
ca. 120° (B1, rechts).
Die Moleküle der Kohlenwasserstoffe enthalten
unpolare Bindungen. Wegen der kurzfristigen
ungleichen Verteilung von Elektronen bilden
sich temporäre Dipole aus. Diese ziehen sich
aufgrund von VAN-DER-WAALS-Wechselwirkun-
gen an.
Da die Wahrscheinlichkeit für einen temporä-
B1 Kugelstabmodell des Ethan-Moleküls (links) und ren Dipol mit zunehmender Elektronenzahl und
des Ethen-Moleküls (rechts) Oberfläche der Moleküle steigt, nehmen auch
die Wechselwirkungen mit der Molekülgröße zu.
Aus diesem Grund steigen Siedetemperatur
Homologe Reihe und Isomere
und Viskosität (Zähflüssigkeit) innerhalb der
Eine homologe Reihe lässt sich über eine allge- homologen Reihen der Alkane und Alkene an.
meine Molekülformel darstellen. Die Reihe ist Alkane und Alkene lassen sich nicht in Wasser
nach aufsteigender Zahl an Kohlenstoff-Atomen lösen, sind also hydrophob (= wassermeidend).
angeordnet, wobei jedes Molekül eines Vertre- Da sie jedoch Fette und fettähnliche Stoffe lö-
ters immer eine CH2-Gruppe mehr aufweist, als sen, werden sie auch als lipophil (= fettliebend)
das vorherige. bezeichnet.
Homologe Reihe der Alkane:
n-Butan C4H10 CH3–(CH2)2–CH3
n-Pentan C5H12 CH3–(CH2)3–CH3
n-Hexan C6H14 CH3–(CH2)4–CH3
Alkan CnH2n+2 CH3–(CH2)n-2–CH3
Stoffe, die die gleiche Molekülformel (Anzahl
an gleichartigen Atomen im Molekül), aber eine
unterschiedliche Konstitution (Anordnung der
Atome im Molekül) aufweisen, werden als Iso-
mere bezeichnet.

30 GRUNDLAGEN AUS KLASSE 8 – 10


Grundwissen IX

FM Nach IUPAC-Regeln Kohlenwasserstoffe benennen

Die IUPAC-Regeln sind international einheitliche der Seitenketten sollen möglichst kleine Zah-
Empfehlungen zur Benennung chemischer Verbin- len erhalten. Beginnen Sie die Nummerierung
dungen. Mit ihnen erhält man zum Beispiel für das der längsten Kette am entsprechenden Ende.
Isobutan den IUPAC-Namen 2-Methylpropan. Benennen Sie die Lage der Seitenketten durch
die Nummern der Kohlenstoff-Atome, an denen
VORGEHEN
sich die Alkyl-Gruppe befindet.
1. Ermitteln Sie den Stammnamen der Verbindung.
Bestimmen Sie dazu die längste, nicht verzweig- 4. Geben Sie die Anzahl durch die Zahlwörter di-,
te Kette aus Kohlenstoff-Atomen. Sie erhält tri-, tetra-, penta-, hexa-, usw. an, wenn eine
die Vorsilbe aus der homologen Reihe und die Alkyl-Gruppe mehrfach vorhanden ist.
Endung -an. Unverzweigte Alkane erhalten die
5. Ordnen Sie die verschiedenen Alkyl-Gruppen
Bezeichnung n-, z. B. n-Octan.
alphabetisch.
2. Benennen Sie die Seitenketten (Alkyl-Gruppen) H
nach der Anzahl der Kohlenstoff-Atome. Die H H C H H
Bezeichnung entspricht der des Alkans mit der
H C H H C H H C H
gleichen Anzahl an Kohlenstoff-Atomen. Die
H H H H H
Endsilbe lautet -yl statt -an, z. B. methyl-, ethyl-,
propyl- usw. H C C C C C C C C H
8 7 6 5 4 3 2 1
3. Nummerieren Sie die Kohlenstoff-Atome der H H H H H H H H
längsten Kette und kennzeichnen Sie damit z. B.:
die Position der Alkyl-Gruppen. Die Positionen 4-Ethyl-2,7-dimethyloctan
4-Ethyl-2,7-dimethyloctan
4-Ethyl-2,7-dimethyloctan

4-Ethyl-2,7-dimethyloctan
Reaktionen: Verbrennung, Eine chemische Reaktion, bei der Atome oder
Substitution und Addition Atomgruppen4-Ethyl-2,7-dimethyloctan
durch andere Atome oder Atom-
gruppen ersetzt werden, nennt man Substituti-
4-Ethyl-2,7-dimethyloctan
Bei einer vollständigen Verbrennung von Koh-
on, z. B.:
lenwasserstoffen entstehen ausschließlich die nicht 2,7-Dimethyl-4-ethyloctan
Produkte Kohlenstoffdioxid und Wasser. H H H H
Licht
C3H8 (g) + 5 O2 (g) 3 CO2 (g) + 4 H2O (g) H C C H + Br Br H C C H + H Br
 | exotherm H H H Br
Reicht die Stoffmenge an Sauerstoff für eine
vollständige Verbrennung nicht aus, findet eine Eine chemische Reaktion, bei der ein Molekül
unvollständige Verbrennung statt, bei der zu- unter Aufspaltung einer Doppelbindung ande-
sätzlich Kohlenstoffmonooxid und Kohlenstoff re Atome oder Atomgruppen zusätzlich bindet,
gebildet werden. nennt man Addition, z. B.:
H H Br H
C C + Br Br H C C H
H H H Br

GRUNDLAGEN AUS KLASSE 8 – 10 31


X Grundwissen

X Alkohole und ihre Oxidationsprodukte – Teil I

Ethanol mel CnH2n+1OH. Hier unterscheidet man primä-


re, sekundäre und tertiäre Alkanole (B2).
Trinkalkohol (Ethanol, C2H5OH) muss durch
Vergärung aus Glucose hergestellt werden:
H H H H Butan-1-ol

Hefezellen H C C C C O H
C H O (s) H OH (l (g)
anaerobe Bedingungen H H H H Butan-2-ol
Glucose
primäres C-Atom
H H H H
Ethanol-Moleküle sind aus einem Ethyl-Rest und H H C C C C H
einer Hydroxy-Gruppe (OH-Gruppe) zusam- H C H H H O H
mengesetzt. H H
Die Hydroxy-Gruppe enthält eine polare Elek- H
H C C C H
tronenpaarbindung, während die Bindungen im sekundäres C-Atom
Ethyl-Rest unpolar sind. Aufgrund dieser Struk- H O H
turmerkmale ist Ethanol in hydrophilen und in li- H 2-Methylpropan-2-ol
pophilen Stoffen löslich (B1). Zwischen den po- tertiäres C-Atom
laren Hydroxy-Gruppen der Ethanol-Moleküle
bilden sich Wasserstoffbrücken. Deshalb hat B2 Drei Isomere des Butanols im Überblick

Ethanol eine vergleichsweise hohe Siedetempe-


ratur (78 °C). Homologe Reihe primärer Alkanole:
Methanol CH3OH CH3–OH
unpolare Bindungen polare Bindungen Ethanol C2H5OH CH3–CH2–OH
(Pentan-Molekül) (Wasser-Molekül)
Propan-1-ol C3H7OH CH3–(CH2)2–OH
H H H H H (n-Propanol)etc.
H C C C C C H O
Stoffe nicht H H
H H H H H ineinander Eigenschaften der Alkohole
löslich
Innerhalb der homo-
H H H H H
logen Reihe der Alka-
Stoffe H C C O H Stoffe nole nehmen die Sie- H C C C H
ineinander ineinander
löslich H H löslich detemperatur und die O O O
Viskosität mit zuneh-
unpolar polar H H H
mender Kettenlänge
(Ethanol-Molekül)
der Alkanol-Moleküle zu. Die polare Hydroxy-
B1 Struktur-Eigenschaftsbeziehung bei der Löslich- Gruppe bewirkt bei kurzkettigen Alkanol-Mo-
keit von Ethanol lekülen durch Bildung von Wasserstoffbrücken
mit Wasser-Molekülen die Löslichkeit in Wasser.
Mit steigender Anzahl der Kohlenstoff-Atome
Alkanole und mehrwertige Alkohole
nimmt die Löslichkeit in Wasser ab.
Die Moleküle der Alkohole zeichnen sich durch
Die Moleküle mehrwertiger Alkohole besitzen
mindestens eine funktionelle Hydroxy-Gruppe
mehr als eine Hydroxy-Gruppe (z. B. Glycerin –
aus. Unter dem Begriff Alkohole subsummiert
Propan-1,2,3-triol).
man die Gruppe der Alkanole. Bei Alkanol-Mo-
Mit jeder weiteren Hydroxy-Gruppe erhöht sich
lekülen ist formal ein Wasserstoff-Atom durch
die Anzahl möglicher Wasserstoffbrücken zu
eine Hydroxy-Gruppe ersetzt.
benachbarten Molekülen. Dies führt zu einer
Die Moleküle einwertiger Alkanole haben eine besseren Wasserlöslichkeit und einer höheren
Hydroxy-Gruppe und die allgemeine Molekülfor- Siedetemperatur dieser Alkohole.

32 GRUNDLAGEN AUS KLASSE 8 – 10


Grundwissen X

Alkanale und Alkanone der Carboxy-Gruppe. Bei der Abspaltung dieses


Protons entsteht ein Säurerest-Ion, das nach
Aldehyde, die durch Oxidation von Alkanolen
IUPAC als Ethanoat- und trivial als Acetat-Ion
entstehen, heißen Alkanale. Alkanal-Moleküle
bezeichnet wird.
bestehen aus einem Alkyl-Rest und einer end-
ständigen Aldehyd-Gruppe (–CHO) (B3). H O H O +
Homologe Reihe der Alkanale: H C C + O H C C + H O H
Methanal HCHO HCHO H H O
H O H H – H
Ethanal CH3CHO CH3–CHO Ethanoat-Ion Oxonium-Ion
Propanal C2H5CHO CH3–CH2–CHO
etc. Carbonsäuren
Da Alkanal-Moleküle untereinander keine Was- Die Moleküle der Carbonsäuren besitzen min-
serstoffbrücken ausbilden, sind die Siedetem- destens eine Carboxy-Gruppe (–COOH) als
peraturen der Alkanale niedriger, als die Siede- funktionelle Gruppe. Besteht der Molekülrest
temperaturen der entsprechenden Alkanole; sie aus einer Alkyl-Gruppe, liegen Alkansäure-
nehmen jedoch mit steigender Kettenlänge der Moleküle mit der allgemeinen Molekülformel
Moleküle zu. CnH2n+1COOH vor.
Ketone, die durch Oxidation von sekundären Al-
Homologe Reihe der Alkansäuren: Für die Hydroxy-
kanolen entstehen, bezeichnet man als Alkano- Gruppe und die
Methansäure HCOOH HCOOH
ne. Alkanone enthalten eine nicht endständige Carboxy-Gruppe
Ethansäure CH3COOH CH3–COOH
Carbonyl-Gruppe (>C=O), die an zwei C-Ato- liest man manch-
Propansäure C2H5COOH CH3–CH2–COOH mal „Hydroxyl-
me gebunden ist (Keto-Gruppe) (B3).
etc. Gruppe“ und
Aldehyd-Gruppe „Carboxyl-Grup-
H H H O Die Löslichkeit der Alkansäuren nimmt mit zu- pe“. Sie haben
Keto-Gruppe
+ CuO H O HH C C C+I + Cu +H HO nehmender Länge der Alkyl-Gruppe in den dieselbe Bedeu-
2O H tung, es handelt
Molekülen in hydrophilen Lösemitteln ab und
0 H +II sich jedoch um
H C C C HH H + CuO H C C C H + Cu + inHlipophilen
2O Lösemitteln zu. Bei kurzkettigen Al- veraltete Begriffe.
Propanal
H H H H H kansäuren entstehen Dimere, die über Wasser-
Propan-2-ol Propanon stoffbrücken zwischen den Carboxy-Gruppen
stabilisiert werden.
B3 Strukturformel eines Alkanal-Moleküls (links) Alkansäuren, deren Moleküle lange Alkyl-Reste
und eines Alkanon-Moleküls (rechts)
tragen, sind Fettsäuren. Enthalten die Alkyl-Res-
te eine oder mehrere Doppelbindungen, so sind
Essigsäure sie ungesättigt.
Carbonsäure-Moleküle können weitere Carboxy-
Carbonyl- oder andere funktionelle Gruppen aufweisen
Gruppe (z. B. Hydroxycarbonsäuren, Dicarbonsäuren).
H δ–
Alkansäuren bestehen aus einer Carboxy-Grup-
δ+
O

H C C Carboxy- pe und einem Alkyl-Rest. Liegen bei einer orga-


Gruppe
nischen Verbindung eine oder mehrere Carboxy-
H δ– H
O
Gruppen vor (z. B. Citronensäure), spricht man
δ+
Hydroxy- auch von Carbonsäuren.
Gruppe

Essig ist eine Lösung von Essigsäure (Ethan-


säure) in Wasser. Eine saure Lösung entsteht
erst beim Verdünnen mit Wasser in einer Säure-
Base-Reaktion durch Abspaltung des Protons

GRUNDLAGEN AUS KLASSE 8 – 10 33


XI Grundwissen

XI Alkohole und ihre Oxidationsprodukte – Teil II

Vom Alkanol zur Alkansäure


FM Oxidationszahlen in
Alkansäuren entstehen bei der Oxidation eines organischen Verbindungen
primären Alkanols durch Oxidationsmittel über bestimmen
das entsprechende Alkanal. Sekundäre Alkanole
werden zum jeweiligen Alkanon oxidiert, während
tertiäre Alkanole nicht oxidiert werden können. Die Oxidationszahl eines in einem
Molekül gebundenen Atoms zeigt die
H O O Ladung, die das Atom hätte, wenn die
–I (Ox) (Ox) Ox = Oxidation Bindungselektronen dem elektronegative-
R C O H R C +I R C +III R = Alkyl-Rest
ren Bindungspartner zugerechnet werden.
H H O H Die Bestimmung von Oxidationszahlen
primäres Alkanol Alkanal (Aldehyd) Alkansäure
bei Redoxreaktionen hilft, die Oxidation
R R R und die Reduktion nachzuvollziehen. Für
0 (Ox) +II +I organische Verbindungen ermittelt man
R C O H C O R C O H
die Oxidationszahlen der Atome in einem
H R R Molekül anhand der Strukturformel.
sekundäres Alkanol Alkanon (Keton) tertiäres Alkanol
Bestimmen Sie die Oxidationszahlen aller
Atome im Ethanol-Molekül.
Ester – Produkte aus Alkanolen
und Alkansäuren VORGEHEN
1. Zeichnen Sie die Strukturformel.
Alkansäurealkylester entstehen in einer Kon-
densationsreaktion von Alkansäuren und Al- 2. Ordnen Sie für alle Bindungen im
kanolen unter Abspaltung von Wasser und Bil- Molekül die Bindungselektronen jeweils
dung der Ester-Gruppe als funktionelle Gruppe. dem Bindungspartner mit dem höheren
Aufgrund der geringen Polarität der Ester-Grup- Elektronegativitätswert zu.
pe bilden Ester-Moleküle nur schwache Wech-
3. Sind die Elektronegativitätswerte zwi-
selwirkungen zwischen den permanenten Dipo-
schen zwei Atomen gleich, teilen Sie das
len der Ester-Gruppen aus. H H
Bindungselektronenpaar auf, jedem Atom
H H H H
H zugerechnet.
wird somit ein Elektron C C O H
O Kata- O
lysator
H C C + H O C C H H C C H H + O 4. Zählen Sie die Elektronen, H ein Atom
H die
Schwefel-
H H
H O H H H säure
H O C C H umgeben. Vergleichen SieH diese
H Anzahl
H Anzahl an Außenelektronen im
H der
mit
H H
H C C O H
Ester-Gruppe H ungeladenen
C C O (elementaren)
H Zustand
des Atoms. Die DifferenzH aus
H der Zahl
Ester haben daher niedrige Siedetemperatu- H H
der Außenelektronen des H Atoms
H im
ren und lösen sich gut in lipophilen Lösemit-
Element
H H und der Zahl der Außenelek-
teln. Ester mit kurzkettigen Molekülen finden in H C C O H
Fruchtaromen, Ester mit langkettigen Molekülen H tronen im ungeladenen
C C O H
Atom der Ver-
bindung entspricht der HOxidationszahl.
H
als Wachse Verwendung. Öle bzw. Fette sind Es- H H
ter aus Glycerin und Fettsäuren. Bei Fettsäuren +I +I
H H H H
handelt es sich um Alkansäuren, deren Moleküle +I -III -I
-II +I
sehr lange Alkyl-Gruppen tragen. H C C O H H 2
C 1
C O H
H H H H
+I +I
+I +I
B1 Schritte
H H zur Bestimmung der Oxidations-
zahlen -II +I
+I -III im-IMolekül
H 2
C C
1
O H
H H
+I +I
34 GRUNDLAGEN AUS KLASSE 8 – 10
Grundwissen XII

XII Nachweise organischer Stoffklassen

Alkane

Reaktion mit Halogenen


bei intensiver Belichtung:
Entfärbung: Ein Wasser-
stoff-Atom in einem Alkan-
Molekül wird bei intensiver
Belichtung durch ein
Halogen-Atom (z. B. Chlor,
Brom) substituiert. Neben
dem Halogenalkan wird Ha-
logenwasserstoff gebildet,
der in Lösung geht.

Aldehyde Mehrfachbindungen

Tollens-Probe: Aldehyd-Mo- Entfärbung: Doppelbindungen


leküle reduzieren Silber-Ionen (z. B. Alkene) oder Dreifachbin-
zu Silber-Atomen (Silberspie- dungen (z. B. Alkine) addieren
gel). Halogen-Atome (z. B. Brom,
Iod).
Bendedict-Probe: Alde-
hyd-Moleküle reduzieren
Kupfer(II)-Ionen zu Kupfer(I)-
Ionen (rotbrauner Nieder-
schlag).

Primäre, sekundäre und tertiäre Alkanole

primäres sekundäres
Alkanol Alkanol Farbänderung: Versetzt man primäre und sekundäre Alkanole
mit alkalischer Kaliumpermanganatlösung, wird das Kaliumper-
manganat reduziert und die Farbe der Lösung ändert sich abhängig
vom verwendeten Alkanol. Bei tertiären Alkanolen findet keine
Reaktion statt.

tertiäres Alkanol

GRUNDLAGEN AUS KLASSE 8 – 10 35


XIII Grundwissen

XIII Übersicht – Stoffklassen der organischen Chemie

gesättigte Kohlenwasserstoffe: Alkane Alkohole

haben nur C–C-Einfachbindungen 


funktionelle Gruppe:
allgemeine Molekülformel: CnH2n+2 Hydroxy-Gruppe / –OH

z. B.: Isomere des Butans C4H10 einwertige Alkohole



Alkanole
H
H C H 
haben eine Hydroxy-Gruppe
H H H H H H 
allgemeine Molekül-
H C C C C H H C C C H formel: CnH2n+1OH
H H H H H H H 
z. B.: Isomere des Butanols C4H9OH
unverzweigt: n-Butan verzweigt: Isobutan
Butan-1-ol (n-Butanol)
2-Methylpropan
H H H H
H C C C C O H
ungesättigte Kohlenwasserstoffe:
H H H H
Alkene und Alkine primäres Alkanol primäres C-Atom

zusätzlich eine oder mehrere Mehrfachbindungen Butan-2-ol


H H H H
Alkene: C C-Doppelbindungen
H C C C C H
allgemeine Molekülformel für Alkene: CnH2n
z. B.: Isomere des Butens C4H8 H H O H
H
sekundäres Alkanol sekundäres C-Atom
H H
H H H H 2-Methylpropan-2-ol
C C
H H H
H C C C C H C C
HH H C H
H H H H H H
n-But-1-en n-But-2-en H C C C H
cis-But-2-en oder (Z)-But-2-en
H O H
H
H H tertiäres Alkanol tertiäres C-Atom
H
H C H H C
H
H H C C mehrwertige Alkohole
H C C C H H
C H mehr als eine Hydroxy-Gruppe
H
H H z. B.: Glyce-
H H H
rin (Propan-
Isobuten n-But-2-en
1,2,3-triol) H C C C H
2-Methylpropen trans-But-2-en oder (E)-But-2-en als dreiwer-
O O O
tiger Alkohol
Alkine: C C-Dreifachbindungen H H H

36 GRUNDLAGEN AUS KLASSE 8 – 10


Grundwissen XIII

Aldehyde Ketone

funktionelle Gruppe: R R funktionelle Gruppe: R R


Aldehyd-Gruppe / –CHO C O C O Keto-Gruppe / –C–CO–C–C O C O
R = Alkyl-Rest = CnH2n+1 oder H R H
R = Alkyl-Rest = CnH2n+1 oder
R = Alkyl-Rest
R R = Alkyl-Rest
anderer Kohlenwasserstoff-Rest tw. anderer Kohlenwasserstoff-Rest
mit weiteren funktionellen Gruppen tw. mit weiteren funktionellen Gruppen

Alkanale Alkanone
haben eine Aldehyd-Gruppe haben eine Keto-Gruppe
H Keto-Gruppe
allgemeine
H H H Molekülformel: H H
Aldehyd-Gruppe RCOR mit R = Alkyl-Rest =
O H O H H O H
CnH2n+1CHO CnH2n+1
H C C C O H + CuO H C C C + Cu + H2O H C C C H + CuO H C C C H + Cu +
z. B.: Propanal C2H5CHO z. B.: Propanon CH3COCH3
H H H H H H H H H H H
Propan-1-ol Propanal Propan-2-ol Propanon

Carbonsäuren Ester

funktionelle Gruppe: funktionelle Gruppe:


Carboxy-Gruppe / −COOH Ester-Gruppe / −COO−

Alkansäuren Alkansäurealkylester
haben eine endständige Carboxy-Gruppe aus der Reaktion einer Alkansäure
allgemeine Molekülformel: CnH2n+1COOH mit einem Alkanol

z. B.: Ethansäure CH3COOH RCOOR mit R = Alkyl-Rest = CnH2n+1


z. B.: Ethansäureethylester CH3COOC2H5
Nomenklatur: Alkan
Carbonyl-
Gruppe
H O H O H H H
Carboxy- Katalysator
H C C Gruppe H C C + H O C C H H C
Schwefelsäure
H O H Hydroxy- H O H Alkansäure
H H+ Alkyl-Rest + „-ester“ H
Nomenklatur:
Gruppe des Alkohols
Est
H O H H H O
Katalysator
H C C + H O C C H H C C H H + O
Schwefelsäure
H H
H O H H H H O C C H
H H
Ester-Gruppe

GRUNDLAGEN AUS KLASSE 8 – 10 37


XIV Grundwissen

XIV 
Nachweise anorganischer Stoffe und Ionen

Kohlenstoffdioxid Ammonium-Ionen

Kalkwasserprobe: Kalkwas- Kreuzprobe: Auf einem Uhrglas rea-


ser (Calciumhydroxidlö- giert ein Ammonium-Salz mit Natron-
sung) trübt sich nach dem lauge. Ein befeuchtetes und auf einem
Einleiten von Kohlenstoff- zweiten Uhrglas, welches die Reaktion
dioxid. abdeckt, befestigtes Universalindikator-
papier färbt sich blau.

Sauerstoff

Glimmspanprobe:
Ein glimmender Holzspan
flammt auf.

Wasserstoff Wasser Oxonium- und Hydroxid-Ionen

Knallgasprobe: Zu Blaufärbung: Farbänderung: Mit Indi-


hören ist ein Pfeifen, Watesmo- katoren in flüssiger Form
Knall oder Plopp. Papier färbt sich oder auf pH-Papier kann
mit Wasser blau. man feststellen, ob eine
Lösung sauer, neutral
( )
oder alkalisch ist und die
entsprechenden Oxoni-
um- oder Hydroxid-Ionen
( )
enthalten muss.

Halogenid-Ionen Metall-Ionen

Niederschlag: Halo- Flammen-


genid-Ionen (Chlorid, färbung:
Bromid, Iodid) bilden Bestimmte
in einer Silbernitrat- Metall-Ionen
lösung unlösliches, erzeugen
weißes bis gelbliches atomartspezi-
Silberhalogenid. fische Flammen-
AgCl AgBr Agl färbungen. Li+ Na+ K+

38 GRUNDLAGEN AUS KLASSE 8 – 10


Grundwissen XV

XV 
Ausgewählte Modelle im Überblick

Atommodell von Dalton


Um die Beobachtungen bei chemischen Reaktionen zu erklären, reicht das einfache Teilchenmodell nicht aus.
Hier hilft das von Dalton entwickelte Atommodell weiter: Die chemischen Elemente sind aus Atomen aufge-
baut, die bei chemischen Reaktionen ungeteilt bleiben. Die Atome eines Elementes haben die gleiche Masse
und die gleiche Größe. Bei chemischen Reaktionen werden die miteinander verbundenen Atome eines Stoffes
getrennt und in einer neuen Kombination wieder zusammengefügt.
Mit dem Atommodell von Dalton
kann das Gesetz der Erhaltung Modell
+
der Masse erklärt werden. Dieses
Modell wird bei allen stöchiometri- Bedeutung 4 Formeleinheiten 8 Silber- 2 Sauerstoff-
schen Berechnungen angewendet. Silberoxid Atome Moleküle
Teilchenanzahl- N(Ag2O) : N(Ag) : N(O2)
verhältnis 2 : 4 : 1
Massen- m(Ag2O) : m(Ag) : m(O2)
verhältnis 2 (2 · 107 + 16) u : 4 · 107 u : 32 u

Kern-Hülle-Modell und Elektronenschalenmodell


Das Atommodell von Dalton macht keine Aussage über den Aufbau eines Atoms. Dies leistet das Kern-Hül-
le-Modell: Atome bestehen aus einem winzigen Atomkern in einer vergleichsweise riesigen Atomhülle (Elekt-
ronenhülle). Der Atomkern ist elektrisch positiv geladen und enthält mehr als 99,9 % der Masse des Atoms. Er
besteht aus den positiv geladenen Protonen (Masse 1 u) und den ungeladenen Neutronen (Masse 1 u). In der
Hülle bewegen sich die nahezu masselosen Elektronen.
Na Na+
Das Elektronenschalenmodell beschreibt den Aufbau der
Elektronenhülle: Mit diesem Modell ist es möglich, die ähnlichen
Eigenschaften der Elementgruppen des Periodensystems zu erklä-
ren. Diese beruhen auf der gleichen Anzahl von Elektronen in der 11+ 11+
äußersten Schale, den Valenzelektronen. Das Elektronenschalen-
modell ist beispielsweise geeignet, die Bildung von Ionenverbin-
dungen zu erklären.

Elektronenpaar-Abstoßungs-Modell
Das Elektronenschalenmodell reicht nicht aus, um den räumlichen Bau von
Molekülen und die aus der Molekülstruktur resultierenden Stoffeigenschaften
zu erklären. Dazu nutzt man das Elektronenpaar-Abstoßungs-Modell: Die
109,5° Valenzelektronen von in Molekülen aneinander gebundener Atome bilden Elek-
tronenpaare, die sich aufgrund ihrer negativen Ladung gegenseitig abstoßen.
Die bindenden und nichtbindenden Elektronenpaare ordnen sich so um das
zentrale Atom an, dass sie den größtmöglichen Abstand voneinander haben.
In Molekülen wie z. B. dem Methan-Molekül, in dem vier gleiche Atome an das
zentrale Atom gebunden sind, ergibt sich eine tetraedrische Anordnung.

GRUNDLAGEN AUS KLASSE 8 – 10 39


1 Reaktionsgeschwindigkeit
und chemische
Gleichgewichte

40 REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE


Arbeitsblatt unter
QR-/Mediencode
06011-02

AMMONIAK­
SYNTHESE

INDUSTRIE
REVERSIBILITÄT
VON REAKTIONEN
NATUR

LÖSLICHKEITS-
STOFFUMSATZ GLEICHGEWICHTE
BEI CHEMISCHEN
REAKTIONEN

STOSSTHEORIE

GESCHLOS-
REAKTIONS­ CHEMISCHE SENES
GESCHWINDIGKEIT GLEICHGEWICHTE SYSTEM

KATALYSATOR

DYNAMISCH PRINZIP VON MASSEN­


LE CHATELIER WIRKUNGSGESETZ

DRUCK TEMPERATUR KONZENTRATION

REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE 41


KC KOMPETENZCHECK

Startklar?

Schätzen Sie Ihre Kompetenz in den Bereichen A bis G ein und prüfen Sie sich anhand
der entsprechenden Aufgaben (Arbeitsblatt unter QR-/Mediencode 06011-03).
06011-03

Kompetenz sehr gut gut schwierig


A Nachweisreaktionen von Gasen beschreiben
B Den Energieumsatz von chemischen Reaktionen beschreiben
C Den Einfluss des Zerteilungsgrades auf chemische Reaktionen erklären
D Die Veresterung als Reaktionstyp zwischen Alkohol und Carbonsäure
formulieren
E Den Aufbau von Salzen beschreiben und Ionenbindungen benennen
F Reaktionsgleichungen für Säure-Base-Reaktionen formulieren
und das Prinzip einer Titration erklären
G Chemische Berechnungen durchführen

KOMPETENZ A: Nachweisreaktionen von Gasen be- B2 Definieren Sie die Begriffe Aktivierungsenergie und
schreiben Reaktionsenergie.
A1 Die Glimmspanprobe, die Kalkwasserprobe und die B3 Ordnen Sie die Knallgasprobe und die Elektrolyse
Knallgasprobe sind charakteristische Nachweisre- von Wasser den Energiediagrammen aus B1 zu.
aktionen für drei wichtige Gase.
a) Ordnen Sie die drei Proben denjenigen Gasen zu,
die sich damit nachweisen lassen. KOMPETENZ C: Den Einfluss des Zerteilungsgrades auf
b) Beschreiben Sie jeweils kurz Durchführung und chemische Reaktionen erklären
Beobachtung der Nachweisexperimente.
C1 Eisenspäne verbrennen in der Brennerflamme in
c) E
 rklären Sie die Beobachtungen dieser Reaktio-
einer exothermen Reaktion mit orangen Funken.
nen in Worten oder mit Reaktionsgleichungen.
Erklären Sie, dass Brandschutztüren trotzdem aus
massivem Stahl, einer Legierung mit dem Hauptbe-
standteil Eisen, bestehen können.
KOMPETENZ B: Den Energieumsatz von chemischen
Reaktionen beschreiben

B1 Beschreiben Sie die beiden abgebildeten Ener- KOMPETENZ D: Die Veresterung als Reaktionstyp
giediagramme a) und b) unter Verwendung von zwischen Alkohol und Carbonsäure formulieren
Fachbegriffen.
D1 Zeichnen Sie die Strukturformeln für die Moleküle
von Butan-1-ol und Propansäure. Benennen Sie
a) E b) E
jeweils die funktionelle Gruppe und ordnen Sie die
Moleküle entsprechenden Stoffklassen zu.
D2 Butan-1-ol und Propansäure können miteinander
unter Abspaltung von Wasser reagieren. Formulie-
ren Sie die Reaktionsgleichung dafür unter Verwen-
Reaktionsverlauf Reaktionsverlauf
dung von Strukturformeln.

42 REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE


1

D3 Markieren Sie die Ester-Gruppe in der Reaktionsglei-  B


 ei Säure-Base-Reaktionen werden Protonen
chung aus D2 und benennen Sie den Reaktionstyp. von der Base auf die Säure übertragen.
 E
 ine Neutralisation bezeichnet die Reaktion
einer Säure mit einer Base unter Bildung von
KOMPETENZ E: Den Aufbau von Salzen beschreiben Wasser und einem Salz.
und Ionenbindungen benennen  E
 in pH-Indikator gibt Aufschluss über die Kon-
zentration einer Lösung.
E1 Beschreiben Sie den Aufbau von Kochsalz (Na-
triumchlorid) auf Teilchenebene unter Verwendung F2 Formulieren Sie die Neutralisationsreaktion zwi-
der folgenden Fachbegriffe: schen Salzsäure und Natronlauge.
Ionengitter – Kationen – Anionen – Ionenbindung.
E2 Stellen Sie die Verhältnisformeln für die folgenden
KOMPETENZ G: Chemische Berechnungen
Salze auf:
durchführen
a) Aluminiumchlorid b) Natriumoxid
G1 Ergänzen Sie die Tabelle:
E3 Bei Säure-Base-Reaktionen entstehen oft Salze,
deren Kationen oder Anionen Molekül-Ionen sind. chem. Größe Größenzeichen Einheit Formel
Beispiele hierfür sind
Stoffmenge n
a) Ammoniumchlorid NH4Cl
m g m=M·n
b) Kaliumnitrat KNO3
M g/mol
Geben Sie jeweils die Namen und Formeln der
Ionen an, aus denen die beiden Salze bestehen. Konzentration c=
m3 oder L = Vm · n

G2 Berechnen Sie das Volumen einer Kochsalzlösung


KOMPETENZ F: Reaktionsgleichungen für Säure-Base-
der Konzentration c = 0,5 mol/L, in der eine Stoff-
Reaktionen formulieren und das Prinzip einer Titration
menge n(Na+) = 0,35 mol gelöst ist.
erklären

F1 Kreuzen Sie alle richtigen Aussagen an. Verbessern


Sie falsche Aussagen.

Vergleichen Sie Ihre Antworten mit den Lösungen auf Seite 464 und geben Sie sich die entsprechende Punktzahl.

Kompetenz sehr gut gut schwierig zum Nachlesen

A Nachweisreaktionen von Gasen beschreiben 18 – 14 13 – 9 8–5 S. 18, 38


Den Energieumsatz von chemischen Reaktionen
B 14 – 11 10 – 7 6–4 S. 16
beschreiben
Den Einfluss des Zerteilungsgrades auf chemische
C 3 2 1 S. 17
Reaktionen erklären
Die Veresterung als Reaktionstyp zwischen Alkohol
D 12 – 10 9–6 5–4 S. 34
und Carbonsäure formulieren
Den Aufbau von Salzen beschreiben und Ionen-
E 16 – 13 12 – 8 7–5 S. 20
bindungen benennen
Reaktionsgleichungen für Säure-Base-Reaktionen
F 9–7 6–5 4–3 S. 28 – 29
formulieren und das Prinzip einer Titration erklären
G Chemische Berechnungen durchführen 15 – 12 11 – 7 6–5 S. 26 – 27

REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE 43


1.1 Reaktionsgeschwindigkeit
Sollen lästige Kalkflecken in Bad oder Küche entfernt werden, greift man oftmals auf
Essigreiniger zurück. Wie schnell reagiert der Reiniger nach dem Auftragen mit dem
Kalk und welche Möglichkeiten gibt es, den Prozess zu beschleunigen?

1.1.1 Versuche und Material

V Ermitteln der Reaktionsgeschwindigkeit 5 7

Kalkflecken werden oftmals mit Essig entfernt. Was AUSWERTUNG


passiert dabei genau und wie schnell reagiert der a) Benennen Sie das Gas aus V1 .
Reiniger nach dem Auftragen mit dem Kalk? b) Notieren Sie Ihre Messwerte bei V2 tabellarisch.
c) Ergänzen Sie die Tabelle um die Masse m und die
V1 Legen Sie Kalk in Pulverform in einem Reagenz-
Stoffmenge n von Kohlenstoffdioxid.
glas vor und geben Sie 5 mL Essigsäurelösung
d) Tragen Sie die Stoffmenge n von Kohlenstoffdi-
(c = 1 mol/L) hinzu. Leiten Sie das entstehende Gas
oxid grafisch gegen die Zeit t auf. Begründen Sie,
in Kalkwasser (GHS 5 | 7).
dass die Stoffmengenänderung an Kohlenstoffdi-
V2 Geben Sie in einen 250 mL-Erlenmeyerkolben oxid in einem bestimmten Zeitintervall Auf-
8 g gekörnten Kalk (Calciumcarbonat) und stellen schluss über die Geschwindigkeit der Reaktion
Sie den Kolben auf eine Waage. Messen Sie in einem gibt.
Messzylinder 50 mL Essigsäurelösung (c = 1 mol/L) e) Beschreiben Sie die Änderung der Reaktionsge-
ab, stellen Sie diesen ebenfalls auf die Waage und schwindigkeit im Verlauf der Reaktion anhand
tarieren Sie die Waage auf Null. Geben Sie in einem des Graphen aus Aufgabe d). Stellen Sie eine
Guss die Essigsäurelösung zum Kalk und stellen Sie Hypothese zur Ursache dieser Änderung auf.
den Messzylinder sofort wieder auf die Waage. Lesen
ENTSORGUNG A, R, G1
Sie in Zeitabständen von jeweils 30 s die Massenan-
zeige ab.

44 REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE


Versuche und Material 1.1

V Beeinflussung der Reaktionsgeschwindigkeit

Welchen Einfluss haben Konzentration, Zertei- Führen Sie die Experimente nach Rücksprache mit
lungsgrad und Temperatur auf die Reaktionsge- Ihrer Lehrkraft durch.
schwindigkeit?
AUSWERTUNG
V3 Stellen Sie je eine Hypothese auf und planen Sie a) Überprüfen Sie die eingangs aufgestellten Hypo-
Experimente mit folgenden Materialien: thesen mithilfe der durchgeführten Experimente.
b) Formulieren Sie ableitend von den Versuchsbe-
• Essigsäurelösung (c = 1 mol/L), Essigsäurelösung
obachtungen bei V3 jeweils eine je-desto-
(c = 0,5 mol/L), Kalkpulver, gekörnter Kalk, Kalk-
Beziehung für den Einfluss der Konzentration,
stück
des Zerteilungsgrads und der Temperatur auf die
• Messzylinder, Heizplatte, Thermometer, Kol- Reaktionsgeschwindigkeit.
benprober, Waage, Stativmaterial, Spatel, Rea-
ENTSORGUNG A
genzgläser, Bechergläser, Uhr

V Katalysatoren 5 7

Manche Reaktionen laufen unter Standardbedin- in ein Becherglas. Füllen Sie ca. 5 mL Wasserstoff-
gungen (T = 273,15 K = 0 °C; p = 1,013 bar = 1 atm) peroxidlösung (30 %) in ein Reagenzglas. Geben Sie
nur langsam oder gar nicht ab. Wie können diese eine kleine Menge Kartoffelsaft hinzu und halten Sie
Reaktionen beschleunigt werden, ohne die Konzen- einen Glimmspan in die Reagenzglasöffnung.
tration, den Zerteilungsgrad oder die Temperatur zu
V6 Wiederholen Sie V5 mit zunächst auf 80 °C
verändern?
bis 90 °C erhitztem und anschließend abgekühltem
V4 Legen Sie zwei Platin-Aluminium-Pellets Kartoffelsaft.
(ersatzweise Braunstein) in einem Reagenzglas
AUSWERTUNG
vor und geben Sie 3 mL Wasserstoffperoxidlösung
a) Beschreiben Sie das Aussehen der Pellets in V4
(30 %, GHS 5 | 7) hinzu. Halten Sie einen glühenden
vor und nach dem Versuch.
Glimmspan in die Reagenzglasöffnung. Entnehmen
b) Platin fungiert in V4 als Katalysator. Erklären Sie
Sie die Pellets mit einer Pinzette und geben Sie sie
die Bedeutung des Begriffs.
in frische Wasserstoffperoxidlösung. Führen Sie die
c) Entwickeln Sie anhand der Beobachtungen eine
Glimmspanprobe über 2 mL Wasserstoffperoxid-
Reaktionsgleichung für die Reaktion in V4.
lösung in einem Reagenzglas zum Vergleich ohne
Hinweis: Als Nebenprodukt entsteht Wasser.
Pellets durch.
d) Vergleichen Sie V4 und V5 hinsichtlich der Reak-
V5 Zerreiben Sie Kartoffeln mit einer Reibe, sodass tionsbedingungen und Versuchsergebnisse.
ein feiner Brei entsteht. Mörsern Sie den Brei mit e) In Kartoffeln wirken Enzyme als Biokatalysato-
Sand und etwas Wasser und filtrieren Sie den Saft ren. Stellen Sie anhand Ihrer Beobachtungen zu
V6 eine begründete Hypothese auf, was bei der
Verwendung eines Biokatalysators zu beachten ist.
f) Wasserstoffperoxid ist ein Zellgift, das in Stoff-
wechselprozessen entstehen kann. Erläutern Sie
mithilfe dieses Hintergrundwissens die biolo-
gische Bedeutung des Enzyms Katalase in der
Kartoffel.
ENTSORGUNG A, R
B1 Kartoffeln reiben

REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE 45


1.1 Reaktionsgeschwindigkeit

1.1.2 Reaktionsgeschwindigkeit und Stoßtheorie

Reaktionsgeschwindigkeit Betrachtet man die Reaktionsgeschwindigkeit


als die Konzentrationsabnahme eines Eduktes in
Im Alltag verwendet man saure Lösungen, die
einem Zeitintervall, so hat ihr Wert ein negatives
z. B. Essigsäure enthalten, um Kalkreste zu ent-
Vorzeichen. Bezieht man sich hingegen auf die
fernen. Dabei reagiert die saure Lösung mit dem
Zunahme der Konzentration eines Produkts, er-
Calciumcarbonat (Kalk) unter Bildung von Koh-
hält sie ein positives Vorzeichen.
lenstoffdioxid und Wasser (V1):
2 H3O+ (aq) + CaCO3 (s)
Momentangeschwindigkeit
 CO2 (g) + 3 H2O (l) + Ca2+ (aq)
Bei der Verwendung solcher Entkalker im Haus- Von der mittleren Reaktionsgeschwin-
_
halt stellen sich vor allem zwei Fragen: Wie digkeit vr , der Geschwindigkeit der
schnell wirkt der Reiniger und wie kann die Re- Reaktion in einem Zeitintervall, wird
aktion beschleunigt werden? Zur Beantwortung die Momentangeschwindigkeit vr
dieser Fragen muss die Reaktionsgeschwindigkeit abgegrenzt, bei der t1 mathematisch als
näher betrachtet werden. Grenzwert definiert wird, d. h. als ein
gegen Null gehendes Zeitintervall.
Reaktionsgeschwindigkeiten messen
Die Reaktionsgeschwindigkeit beschreibt den
Stoffumsatz bei einer chemischen Reaktion in Änderung der Reaktions-
Abhängigkeit zur Reaktionszeit. So kann man bei geschwindigkeit
der Reaktion von Essigsäure mit Kalk die Mas-
Wie schnell reagiert Essigsäurelösung nun mit
senänderung des Reaktionsgemischs auf einer
Kalk? Diese Frage ist nicht eindeutig zu beant-
Waage untersuchen. Mit fortlaufender Bildung
worten, denn die Kalkentfernung scheint direkt
von Kohlenstoffdioxid, das aus dem Reaktions-
nach der Zugabe des Essigreinigers schneller
gefäß entweicht, nimmt die Masse des Reakti-
abzulaufen als nach einigen Minuten. Offenbar
onsansatzes ab (V2). Diese Massenänderung
verändert sich die Reaktionsgeschwindigkeit im
entspricht der Masse des gebildeten Kohlen-
Verlauf des Experiments. Die Messdaten bestä-
stoffdioxids. Aus den Messwerten lassen sich die
tigen diesen Eindruck.
gebildeten Stoffmengen an Kohlenstoffdioxid
Aus B1 lässt sich ablesen, dass im Zeitintervall
berechnen. Trägt man diese gegen die Zeit auf,
von 0 bis 60 s ca. 4,5 mmol Kohlenstoffdioxid
lässt sich aus dem Diagramm die Reaktionsge-
gebildet werden. Nach einiger Zeit wird die in ei-
schwindigkeit als Änderung der Stoffmenge Δn
nem vergleichbar großen Zeitintervall gebildete
in einem Zeitintervall Δt berechnen (B1).
Stoffmenge an Gas kleiner. Im Zeitintervall von
Diese Änderung der Stoffmenge Δn eines Edukts
oder Produkts in einem bestimmten Zeitintervall
n(CO2) in mmol
Δt wird mittlere Reaktionsgeschwindigkeit Tangente Sekante
_ 10
vr (vgl. Info Momentangeschwindigkeit) genannt. Die mittlere Reaktions-
geschwindigkeit vr ent-
8 spricht der Steigung der
_ Δn _ mol
vr = [ vr ] = 1 = 1 mol ∙ s-1 Sekante, die die Kurve
Δt s 6 in t1 und t2 schneidet.
Für Reaktionen in Lösungen bezieht man sich auf 4
Die Momentan-
n geschwindigkeit vr zum
die Stoffmengenkonzentration c = und defi- Zeitpunkt t1 entspricht
V 2 der Steigung der
niert: t1 t2 Tangente in t1.
_ Δc _ mol 0
vr = Δt [ vr ] = 1 = 1 mol ∙ L-1 ∙ s-1 0 100 200 300 400 t in s
L∙s
Dies ist die üblichere Darstellungsweise. B1 Zeit-Stoffmengen-Diagramm bei der Reaktion
von Kalk mit einer sauren Lösung

46 REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE


Reaktionsgeschwindigkeit 1.1

120 bis 180 s sind es nur ca. 0,6 mmol. Nach ca. Unter der Annahme, dass die Momentange-
300 s kommt es zu keiner Gasbildung mehr. Zu schwindigkeit vr proportional zur Stoßzahl z ist,
diesem Zeitpunkt ist die Reaktionsgeschwindig- gilt für die Reaktionsgeschwindigkeit:
keit gleich Null. Die Reaktion kommt zum Er-
vr = k · c(A) · c(B)
liegen. Womit lässt sich diese Veränderung der
Reaktionsgeschwindigkeit erklären? In dieser Geschwindigkeitsgleichung stellt k die
Geschwindigkeitskonstante dar. Sie hat für jede
Reaktion unter bestimmten Bedingungen einen
Stoßtheorie
charakteristischen Wert.
Die Stoßtheorie besagt, dass Edukt-Teilchen
wirksam zusammenstoßen müssen, damit sie
Die mittlere Reaktionsgeschwindigkeit
miteinander reagieren können. In einer Lösung
beschreibt die Änderung der Stoffmen-
ist die Anzahl der möglichen Stöße zwischen
ge bzw. der Stoffmengenkonzentration
den Edukt-Teilchen und damit die Reaktions-
eines Reaktanten in einem bestimmten
geschwindigkeit umso größer, je mehr Teilchen
Zeitintervall:
in einem bestimmten Volumen enthalten sind,
_ Δn _ Δc
je höher also die Stoffmengenkonzentration ist. vr = Δt bzw. vr = Δt
Da bei fortschreitender Reaktion immer mehr
Sie nimmt im Laufe der Reaktion ab.
Edukt-Teilchen zu Produkt-Teilchen reagieren,
ist die Konzentration der reaktionsfähigen Edukt-
Teilchen am Anfang am höchsten und nimmt im
AUFGABEN
Laufe der Reaktion ab. Somit kann die Reaktion
A1 Magnesium wird mit Methansäure (Amei-
zu Beginn an vielen Stellen gleichzeitig ablaufen
sensäure) versetzt. Es entsteht ein Gas, bei
und die Reaktionsgeschwindigkeit ist höher als
dessen Nachweis die Knallgasprobe positiv
nach einiger Zeit. Sind nicht mehr ausreichend
ausfällt. Stellen Sie eine Reaktionsgleichung
reaktionsfähige Teilchen vorhanden, kommt die
auf. Formulieren Sie eine begründete Ver-
Reaktion gänzlich zum Erliegen.
mutung über die zeitabhängige Gasent-
Die Grafik B2 zeigt das genaue mathematische
wicklung und skizzieren Sie diese.
Verhältnis von Konzentration und möglichen
A2 Bei der Reaktion von 100 mL Salzsäure
Stößen: Die Stoßzahl z ist proportional zum Pro-
(c = 0,5 mol/L) mit Magnesium bilden
dukt der Teilchenanzahlen in einem bestimmten
sich in fünf Minuten 10 mL Wasserstoff.
Volumen, also proportional zum Produkt der
Berechnen Sie die mittlere Reaktionsge-
Konzentrationen der beiden Edukte A und B:
schwindigkeit in Bezug auf Magnesium-
z ~ c(A) · c(B) chlorid und Salzsäure.

… Edukt A

N(A) Teilchen

N(B) Teilchen

… Edukt B

4 Stöße (2 x 2) 8 (4 x 2) 8 (2 x 4) 16 (4 x 4) N(A) · N(B) Stöße

B2 Modell zur Abhängigkeit der möglichen Stoßanzahl von der Edukt-Teilchen-Konzentration

REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE 47


1.1 Reaktionsgeschwindigkeit

1.1.3 Beeinflussung der Reaktionsgeschwindigkeit

Einfluss der Konzentration Einfluss eines Katalysators


Die Stoßtheorie erklärt auch, wie die Reaktions- Ein weiterer Faktor, der besonders für technische
geschwindigkeit beeinflusst werden kann. Die Synthesen wichtig ist, ist der Einsatz eines Kata-
Gasbildung verläuft bei Zugabe einer höher kon- lysators.
zentrierten Essigsäurelösung zu Kalk lebhafter Gibt man Platinpellets in Wasserstoffperoxid-
und damit schneller als bei Zugabe einer Lösung lösung, bilden sich Gasbläschen (V4). Ohne die
niedrigerer Konzentration (V3). Platinpellets ist dies nicht beobachtbar. Die Pla-
Der Grund dafür ist, dass in der höher konzentrier- tinpellets ermöglichen erst das Stattfinden der
ten sauren Lösung mehr reaktionsfähige Teilchen Reaktion, bei der Sauerstoff und Wasser entste-
vorhanden sind, die zusammenstoßen können. hen.
Der Katalysator nimmt zwar auch an der Reaktion
teil, er geht daraus aber unverändert wieder her-
Einfluss des Zerteilungsgrades
vor. Lange Zeit waren die Prozesse an Katalysa-
Ebenso erklärt die Stoßtheorie die unterschied- toroberflächen gar nicht genau bekannt, obwohl
lich heftige Reaktion bei der Zugabe von Essig- Katalysatoren bereits großtechnisch, z. B. bei der
säurelösung zu Kalk als Pulver, in gekörnter Form Ammoniak-Synthese, eingesetzt wurden. Bei der
oder als Stück. Je feiner zerteilt der Kalk ist, d. h. katalysierten Reaktion von Wasserstoff mit Sau-
je größer der Zerteilungsgrad ist, desto heftiger erstoff kommt es an der Katalysatoroberfläche
und schneller verläuft die Reaktion (V3). Der zunächst zu ihrer Adsorption. Dabei bilden sich
Grund dafür ist, dass bei einem Feststoff nur die Wechselwirkungen zwischen den Edukt-Teilchen
Teilchen, die sich an der Oberfläche befinden, und den Atomen von der Katalysatoroberfläche
reagieren können. Je größer der Zerteilungsgrad, aus. Das führt zur Lockerung oder gar Spaltung
desto größer ist die Oberfläche des Kalks, an der der Bindungen in den Edukt-Molekülen und ver-
nun gleichzeitig an vielen Stellen die Reaktion setzt sie in einen „aktiven“ reaktionsfähigen Zu-
stattfinden kann. stand. Es folgt die eigentliche Reaktion, also die
Umgruppierung der Atome aus den Edukt-Mo-
lekülen zu den Produkt-Molekülen, dann deren
Einfluss der Temperatur
Desorption von der Katalysatoroberfläche und
Auch die Temperatur beeinflusst die Reaktions- schließlich die Diffusion in die Umgebung (B3).
geschwindigkeit. Wird die Essigsäurelösung vor Die Funktionsweise eines Katalysators basiert
der Zugabe zum Kalk erwärmt, ist die Gasbildung also darauf, dass ein anderer Reaktionsweg mit
lebhafter als bei Zugabe einer Lösung mit Raum- niedrigerer Aktivierungsenergie eingeschlagen
temperatur (V3). Auch dieses Phänomen kann
mit der Stoßtheorie erklärt werden. Wasserstoff- Wasser-
Damit es zu einer Reaktion zwischen zwei Edukt- Moleküle Moleküle

Teilchen kommen kann, müssen die Teilchen Sauerstoff-


über eine gewisse Mindestenergie verfügen bzw. Moleküle
mit einer ausreichend hohen Geschwindigkeit
zusammenstoßen. Bei höherer Temperatur be-
wegen sich die Teilchen schneller, es kommt zu
mehr Zusammenstößen.
Reicht der Energiegehalt der Teilchen nicht aus,
muss von außen Aktivierungsenergie zugeführt
Platin-Atome des Katalysators
werden. Damit erhöht man die Zahl der Teilchen,
die die notwendige Mindestenergie enthalten. Adsorption Reaktion Desorption
Bei höheren Temperaturen haben mehr Teilchen
die notwendige Mindestenergie. B3 Teilschritte der Katalyse

48 REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE


Reaktionsgeschwindigkeit 1.1

wird (B4). Insgesamt führt der Katalysatoreinsatz zählen daher zu den sogenannten Katalysator-
dazu, dass die Reaktionsgeschwindigkeit steigt. giften.
Neben herkömmlichen Katalysatoren werden Die spezifische Katalysatorwirkung der Enzyme
bei technischen Synthesen auch Biokatalysato- macht man sich auch außerhalb lebender Orga-
ren eingesetzt. nismen zunutze. So enthalten viele Waschmittel
eiweiß- und fettspaltende Enzyme.
Biokatalysatoren
Die Reaktionsgeschwindigkeit wird
Biokatalysatoren bzw. Enzyme sind nicht nur
durch die Konzentration der Reaktanten,
bei technischen Synthesen, sondern bei nahezu
den Zerteilungsgrad, die Temperatur
allen chemischen Reaktionen in lebenden Or-
und die Gegenwart eines Katalysators
ganismen, z. B. bei der Verdauung oder anderen
beeinflusst. Die Stoßtheorie erklärt
Stoffwechselprozessen, von Bedeutung. Heute
dieses Phänomen. Sie besagt, dass für
kennt man etwa 2 700 verschiedene Enzyme,
das Stattfinden einer Reaktion Edukt-
die im menschlichen Organismus wirken, und es
Teilchen mit einer Mindestenergie
werden ständig neue Enzyme entdeckt.
zusammenstoßen müssen.
Genau wie technische Katalysatoren erhöhen
Enzyme die Geschwindigkeit der Reaktionen,
indem sie andere Reaktionswege mit niedrigeren
Aktivierungsenergien ermöglichen. So kann z. B.
ein Enzym-Molekül des Enzyms Katalase, das in
Kartoffeln vorkommt, in jeder Sekunde 40 Millio-
AUFGABEN
nen Wasserstoffperoxid-Moleküle in Sauerstoff-
A1 Benennen Sie die Bedingungen der Stoß-
und Wasser-Moleküle zerlegen (V5).
theorie für das Zustandekommen einer
Die Aktivität von Enzymen wird durch zahlreiche
chemischen Reaktion.
Faktoren beeinflusst, z. B. durch die Temperatur
A2 Erklären Sie unter Bezug auf die Stoßtheo-
(V6). Bei zu hohen Temperaturen kann ein En-
rie, wie man die Reaktionsgeschwindigkeit
zym zerstört werden. Die Enzymaktivität kann
einer Verbrennung verändern kann.
auch durch die Anwesenheit von Schwermetall-
A3 Recherchieren Sie den Begriff RGT-Regel.
Ionen beeinflusst werden. Hierauf beruht z. B. die
Stellen Sie einen Bezug zur Bedeutung
giftige Wirkung von Schwermetall-Salzen auf den
dieser Regel in Lebewesen her.
menschlichen Organismus. Schwermetall-Salze
A4 Recherchieren Sie ein Beispiel für die Be-
deutung von Katalysatoren in der Technik.
Energie
Ea = Aktivierungsenergie A5 Die Grüne Chemie, auch „Green Che-
ΔE = Reaktionsenergie mistry“ genannt, strebt Umweltverträg-
lichkeit und Nachhaltigkeit an. Eines ihrer
Prinzipien lautet: „Katalysatoren sind
nicht katalysierte stöchiometrischen Reagenzien zu bevorzu-
Ea
Reaktion
gen.“ Erklären Sie diese Aussage.
Ea katalysierte A6 Manche Kontaktlinsenpflegemittel enthal-
Reaktion
ten eine die Augen reizende Wasserstoff-
Edukte
ΔE peroxidlösung. Bevor sie danach genutzt
werden können, müssen sie zur „Neutrali-
Produkte
sation“ für einige Stunden in ein spezielles
Reaktionsweg
platinhaltiges Gefäß. Begründen Sie dieses
B4 Energieprofile einer katalysierten und nicht kata- Vorgehen. Beurteilen Sie, ob der Begriff der
lysierten Reaktion Neutralisation für diese Reaktion passt.

REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE 49


1.2 Chemisches Gleichgewicht
Vielen Kuchen und Desserts werden bei der Zubereitung Aromastoffe zugesetzt. Bei
diesen Aromastoffen handelt es sich oft um Ester, die bei falscher Aufbewahrung
ihren Geschmack und Geruch verlieren oder sogar ungenießbar werden können. Was
passiert mit Estern, wenn sie nicht verschlossen, kühl und trocken gelagert werden?

1.2.1 Versuche und Material

V Umkehrbare Reaktionen im offenen 5 6 7 9


und geschlossenen System

Einige Aromastoffe verlieren mit der Zeit ihren V2 Wiederholen Sie V1 . Legen Sie das Filterpapier
charakteristischen Geruch. Diese und andere stark in einen Standzylinder und verschließen Sie diesen
riechende Stoffe zersetzen sich sukzessive wieder in mit einer Glasplatte.
ihre Edukte. Man sollte sie verschlossen aufbewah-
AUSWERTUNG
ren. Warum ist dies so?
a) Erklären Sie die Färbung und Entfärbung auf dem
V1 Tropfen Sie etwas Thymolphthalein-Indikator- Filterpapier mithilfe von Reaktionsgleichungen.
lösung auf ein angefeuchtetes Filterpapier. b) Ordnen Sie den beiden Versuchen die Begriffe
Entnehmen Sie mit einer 20 mL-Spritze Ammo- offenes und geschlossenes System zu.
niakgas (GHS 5 | 6 | 9) aus der Gasphase über c) Erklären Sie, welche Stoffe im geschlossenen
konzentrierter Ammoniaklösung (GHS 5 | 7| 9) und Standzylinder nebeneinander vorliegen.
düsen Sie es auf das Filterpapier. Schwenken Sie das
ENTSORGUNG R
Filterpapier.

50 REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE


Versuche und Material 1.2

V Gleichgewichtseinstellung 2 5 7

Die Veresterung ist eine Gleichgewichtsreaktion. Ihre AUSWERTUNG


Rückreaktion ist die Esterhydrolyse. Wie viel Carbon- a) Notieren Sie den Verbrauch an Natronlauge
säure wird hierbei umgesetzt bzw. gebildet? tabellarisch und berechnen Sie die Mittelwerte
der jeweiligen Titrationsergebnisse.
V3 Setzen Sie in je einem 100 mL-Erlenmeyerkol-
b) Stellen Sie Reaktionsgleichungen für die Vereste-
ben die folgenden Mischungen an. Vermengen Sie
rung und die Esterhydrolyse auf.
dazu die angegebenen Edukte in einem Messzylinder
c) Berechnen Sie mithilfe des Ergebnisses für die
und füllen Sie sie mit Aceton als Lösemittel auf ein
Blindprobe, welches Volumen an Natronlauge
Gesamtvolumen von 50 mL auf.
bei den anderen beiden Ansätzen jeweils auf die
A Veresterung: 0,25 mol (15 g) Essigsäure CH3COOH Neutralisation der Essigsäure entfällt. Vergleichen
(GHS 2 | 5), 0,25 mol (11,5 g) Ethanol CH3CH2OH Sie die Volumina.
(GHS 2 | 7) und 0,005 mol (0,48 g) konz. Schwe- d) Zwischen der Stoffmenge n, der Konzentration c
felsäure (GHS 5) und dem Volumen V besteht die Beziehung
B Esterhydrolyse: 0,25 mol (22 g) Essigsäureethyles- n = c ∙ V. Das Stoffmengenverhältnis für die
ter CH3COOCH2CH3 (GHS 2 | 7), 0,25 mol Neutralisation von Essigsäure mit Natronlauge ist
(4,5 g) Wasser und 0,005 mol konz. Schwefelsäure n(CH3COOH) : n(NaOH) = 1 : 1. Berechnen Sie
C Blindprobe: 0,005 mol konz. Schwefelsäure mithilfe dieser Angaben die Stoffmenge n von Es-
sigsäure in beiden Ansätzen. Beachten Sie, dass
Verschließen Sie die Ansätze und rühren Sie A und B
Sie nur 1 mL des Ansatzes titriert haben.
drei bis vier Tage mittels Magnetrührer. Entnehmen
e) Berechnen Sie die Stoffmenge an Ethanol, Essig-
Sie jedem Versuchsansatz 1 mL und verdünnen Sie
säureethylester und Wasser für beide Ansätze im
diesen mit ca. 50 mL Wasser. Setzen Sie einige Tropfen
Gleichgewicht aus der Ausgangsstoffmenge n0
Thymolphthalein-Indikatorlösung hinzu und titrieren
und der experimentell ermittelten Stoffmenge an
Sie mit Natronlauge (c = 0,1 mol/L, GHS 5) bis
Essigsäure.
zum Farbumschlag (Durchführung einer Titra-
tion unter QR-/Mediencode 06011-04). ENTSORGUNG G3
06011-04

V Modellversuch zum chemischen Gleichgewicht

Im chemischen Gleichgewicht ändert sich die AUSWERTUNG


Konzentration der Edukte und Produkte nicht mehr. a) Dokumentieren Sie die Wasserstände in einer
Kommt die Reaktion dabei zum Erliegen? Tabelle und tragen Sie den Wasserstand grafisch
gegen die Anzahl der Wiederholungen auf.
V4 Füllen Sie einen 100 mL-Messzylinder A mit
b) Erklären Sie anhand des Diagramms aus a), dass
70 mL Wasser. Ein zweiter 100 mL-Messzylinder B ist
der Versuch als Modellversuch zum chemischen
zunächst leer. Stellen Sie nun zwei Glasrohre a und b
Gleichgewicht herangezogen werden kann.
mit unterschiedlichen Durchmessern in die Zylinder
c) Beantworten Sie die Frage in der Einleitung zu V4
und verschließen Sie die Rohre oben mit Ihren Fin-
anhand Ihrer Erkenntnisse zum Modellversuch.
gerkuppen. Entleeren Sie die Glasrohre in den jeweils
d) Formulieren Sie eine Hypothese zum Ausgang
anderen Zylinder. Stellen Sie nun Glasrohr a erneut in
des Experiments, wenn man nicht Zylinder A,
Zylinder A und Glasrohr b in Zylinder B. Wiederholen
sondern Zylinder B mit 70 mL Wasser befüllen
Sie die Überführungsprozedur. Notieren Sie nach
würde und Zylinder A zunächst leer wäre. Über-
jeder Überführung die Füllstände in den Zylindern.
prüfen Sie Ihre Hypothese experimentell.
Beenden Sie den Versuch, wenn sich die Füllstände in
den Messzylindern nicht mehr ändern. ENTSORGUNG A

REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE 51


1.2 Chemisches Gleichgewicht

1.2.2 Hin- und Rückreaktion im Gleichgewicht

Umkehrbare Reaktionen Offene und geschlossene Systeme


Aromastoffe aus Estern sind aufgrund ihres Düst man Ammoniakgas auf ein mit Wasser ange-
charakteristischen Geschmacks zur Verfeine- feuchtetes und mit Thymolphthalein-Indikatorlö-
rung von Speisen sehr beliebt. Lagert man sie sung beträufeltes Filterpapier, färbt sich der Indika-
jedoch falsch, können sie ungenießbar werden. tor blau und zeigt an, dass eine alkalische Lösung
Der Grund dafür ist, dass die Ester wieder in die entstanden ist (V1). Bei der chemischen Reaktion
Alkohole und Carbonsäuren gespalten werden, entstehen neben Ammonium-Ionen Hydroxid-
aus denen sie ursprünglich durch Veresterung Ionen, die zur Färbung des Indikators führen.
entstanden sind. Die chemische Reaktion, die
NH3 (g) + H2O (l) NH4+ (aq) + OH- (aq)
bei der Veresterung stattfindet, läuft dabei um-
gekehrt ab. Nach einiger Zeit verschwindet die Farbe des In-
Zunutze macht man sich die Umkehrung einer dikators jedoch wieder (V1). Es findet die Rückre-
chemischen Reaktion zum Beispiel bei der Ver- aktion statt, bei der aus den Produkten wieder die
wendung von Akkus. Im Akku läuft eine chemi- Edukte Ammoniak und Wasser gebildet werden.
sche Reaktion ab, die die Energie freisetzt, um ein
NH4+ (aq) + OH- (aq) NH3 (g) + H2O (l)
Gerät zu betreiben. Beim Laden wird die chemi-
sche Reaktion durch Energiezufuhr wieder um- Da es sich um ein offenes System handelt, bei
gekehrt, sodass der Akku wieder benutzt werden dem ein Stoffaustausch mit der Umgebung
kann. stattfinden kann, diffundiert das Ammoniakgas
mit der Zeit in die Raumluft. Seine Konzentration
Energie wird so gering, dass kein Ammoniak mehr für die
Licht Hinreaktion zur Verfügung steht.
O2
C6H12O6 Wiederholt man den Versuch in einem geschlos-
senen System, das keinen Stoffaustausch mit der
Chlorophylle Enzyme
u. a. u. a. Umgebung erlaubt, z. B. in einem verschlossenen
Standzylinder, entfärbt sich das Filterpapier nicht
CO2 wieder (V2). Auch in diesem Fall findet die Rück-
H2O
mechanische und reaktion statt. Da der neu gebildete Ammoniak
thermische Energie
jedoch nicht aus dem Standzylinder entweichen
Fotosynthese- C- und O- Zellatmungs- kann, steht er wieder als Edukt für die Hinreakti-
apparat Kreislauf apparat
on zur Verfügung.
B1 Durch Zellatmung gewinnt unser Körper Energie: Die Hin- und Rückreaktion laufen hier gleichzei-
Kohlenhydrate werden mit Sauerstoff zu Kohlenstoff- tig nebeneinander ab. Solche Reaktionen nennt
dioxid und Wasser oxidiert. Durch Fotosynthese wird man Gleichgewichtsreaktionen und kennzeich-
diese chemische Reaktion umgekehrt, sodass Kohlen-
net sie mit einem Gleichgewichtspfeil in der Re-
stoffdioxid und Wasser durch Energiezufuhr wieder zu
Kohlenhydraten und Sauerstoff reagieren. aktionsgleichung.
NH3 (g) + H2O (l) NH4+ (aq) + OH- (aq)
Manchmal ist die Umkehrung einer chemischen
Reaktion vielschrittig und kompliziert, wie z. B.
Chemisches Gleichgewicht
bei Fotosynthese und Zellatmung (B1). Prinzipiell
ist jedoch jede chemische Reaktion umkehrbar Anhand der Veresterung und ihrer Rückreak-
(reversibel). Ausschlaggebend dafür, ob die Hin- tion, der Esterhydrolyse, kann man den Verlauf
oder die Rückreaktion abläuft, sind die Reakti- von Gleichgewichtsreaktionen untersuchen. In
onsbedingungen. jeweils einem geschlossenen System verestert
man 0,25 mol Essigsäure mit 0,25 mol Ethanol
bzw. hydrolysiert 0,25 mol Essigsäureethylester
mit 0,25 mol Wasser (V3).

52 REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE


Chemisches Gleichgewicht 1.2

Veresterung
CH3COOH (l) + CH3CH2OH (l) Da die Konzentration der Essigsäure in beiden
Esterhydrolyse
Ansätzen konstant bleibt, bleiben auch die Kon-
CH3COOCH2CH3 (l) + H2O (l)
zentrationen von Ethanol, Essigsäureethylester
Aus beiden Reaktionsansätzen wird täglich eine und Wasser konstant.
Probe entnommen und mit Natronlauge titriert. Diese Beobachtungen gelten auch für ande-
Bei der Titration wird die im Reaktionsansatz re Gleichgewichtsreaktionen in geschlossenen
enthaltene Essigsäure neutralisiert. Je mehr Systemen. Die Reaktionen verlaufen unvoll-
Natronlauge zur Neutralisation benötigt wird, ständig und nach einiger Zeit liegen alle Edukte
desto höher ist die Konzentration der Essigsäu- und Produkte in konstanten Konzentrationen im
re im Ansatz. Bei der Veresterung nimmt der Reaktionsansatz vor. Diesen Zustand nennt man
Verbrauch an Natronlauge im Laufe der Zeit ab, chemisches Gleichgewicht.
wohingegen er bei der Hydrolyse zunimmt. Nach Gleichgültig, ob man von der Hin- oder der Rück-
einigen Tagen ist der Verbrauch an Natronlauge reaktion ausgeht, stellt sich ein identisches che-
bei beiden Ansätzen identisch und verändert misches Gleichgewicht ein.
sich auch in den darauffolgenden Tagen nicht
mehr. Das bedeutet, dass auch die Konzentrati-
Gleichgewichtsreaktionen kennzeichnet
on der Essigsäure in beiden Ansätzen gleich groß
man in Reaktionsgleichungen durch
und konstant ist (B2).
einen Gleichgewichtspfeil:

n(Essigsäure) in mol c in mol/L A+B C+D


0,25 5
Die energetische Angabe hinter einer
Reaktionsgleichung bezieht sich immer
0,20
auf die von links nach rechts abgebildete
Veresterung Hinreaktion.
3
In geschlossenen Systemen laufen
0,10 Gleichgewichtsreaktionen nicht voll-
Esterhydrolyse ständig ab, sodass sich bei konstanter
1 Temperatur nach einiger Zeit ein chemi-
sches Gleichgewicht einstellt, in dem die
0 Konzentrationen aller an der Reaktion
0 1 2 3 4 5
Zeit in Tagen beteiligten Stoffe konstant bleiben.

B2 Änderung der Stoffmenge bzw. Konzentration


von Essigsäure bei der Veresterung und bei der Ester-
hydrolyse im geschlossenen System.
AUFGABEN
Da in beiden Ansätzen nach Tagen noch Essig- A1 Beschreiben Sie, unter welchen Bedingun-
säure enthalten ist, müssen beide Reaktionen gen sich auch in einem offenen System ein
unvollständig abgelaufen sein. Bei der Veres- chemisches Gleichgewicht einstellen kann.
terung hat nur ein Teil der Essigsäure mit einem A2 Lesen Sie aus dem Diagramm in B2 die
Teil des Ethanols zu Essigsäureethylester und ungefähre Konzentration der Essigsäure im
Wasser reagiert. Der Rest der Edukte liegt neben chemischen Gleichgewicht ab und bestim-
den Produkten im Reaktionsgemisch vor. Ebenso men Sie damit die Konzentration des Esters
hat bei der Esterhydrolyse nur ein Teil des Essig- im chemischen Gleichgewicht.
säureethylesters mit Wasser zu Essigsäure und A3 „Chemisches Gleichgewicht“ bedeutet,
Ethanol reagiert und liegt neben den Produkten dass alle Stoffe die gleiche Konzentration
der Reaktion im Reaktionsgemisch vor. haben.“ Beurteilen Sie diese Aussage.

REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE 53


1.2 Chemisches Gleichgewicht

1.2.3 Einstellung des chemischen Gleichgewichts


Im chemischen Gleichgewicht ändern sich die ist ein Beispiel für die einfachste Gleichgewichts-
Konzentrationen und Stoffmengen aller beteilig- reaktion:
ten Stoffe nicht mehr. Wie kann man sich diesen A B
Gleichgewichtszustand vorstellen?
Modell und Estergleichgewicht
Modellversuch
Überträgt man die Vorgänge des Modellversuchs
Die Vorgänge während der Gleichgewichtsein- aus V4 auf das Estergleichgewicht, entspricht das
stellung veranschaulicht ein Modellversuch (V4, Überführen der Flüssigkeit von A nach B der Hin-
B3). Am Anfang befindet sich nur in Zylinder A reaktion (Veresterung) und das Überführen der
Flüssigkeit. Beim Eintauchen der Rohre in die Flüssigkeit von B nach A der Rückreaktion (Es-
beiden Zylinder füllen sich diese abhängig da- terhydrolyse). Die Flüssigkeitspegel in den Zylin-
von, wie viel Flüssigkeit im Zylinder ist. Im ers- dern stehen für die Stoffmengen der Edukte (A)
ten Schritt füllt sich nur Rohr a mit Flüssigkeit, bzw. Produkte (B) und die Flüssigkeitsportionen
die in Zylinder B überführt wird. Beim nächsten in den Rohren a und b repräsentieren die Stoff-
Schritt befindet sich in beiden Zylindern Flüssig- mengenänderungen der Edukte (a) bzw. Produk-
keit, sodass sich beide Rohre füllen. Da in Zylin- te (b) während der Reaktion.
der A mehr Flüssigkeit ist als in Zylinder B und Die Gleichgewichtsreaktion startet mit der Hin-
Rohr a einen größeren Durchmesser hat als Rohr reaktion, indem Carbonsäure und Alkohol mit-
b, wird aus Zylinder A mehr Flüssigkeit in Zylin- einander zu Ester und Wasser reagieren. Mit
der B überführt als Flüssigkeit von Zylinder B in Bildung der Produkte setzt die Rückreaktion ein.
Zylinder A überführt wird. Der Flüssigkeitspegel Der Ester wird mit Wasser wieder in die Carbon-
nimmt deshalb in Zylinder A ab und in Zylinder B säure und den Alkohol gespalten. Zu Beginn ist
zu. Nach einiger Zeit hat sich der Flüssigkeitspe- der Stoffumsatz bei der Hinreaktion größer, so-
gel so eingestellt, dass sich die beiden Rohre mit dass die Stoffmengen der Edukte ab und die der
identischen Flüssigkeitsportionen füllen. Die aus Produkte zunehmen. Im Laufe der Zeit nimmt
dem jeweiligen Zylinder entnommene Flüssig- der Stoffumsatz der Rückreaktion zu und der
keitsportion entspricht dann der in den Zylinder Stoffumsatz der Hinreaktion schwächt sich ab.
überführten Flüssigkeitsportion. Die Flüssigkeits- Entsprechend der konstanten Flüssigkeitspegel
pegel in den Zylindern ändern sich daher nicht im Modellversuch bleiben hier die Stoffmengen
mehr, obwohl weiterhin Flüssigkeit zwischen aller Stoffe irgendwann konstant, obwohl die
ihnen ausgetauscht wird. Dieser Modellversuch Hin- und die Rückreaktion weiterhin stattfinden.

b a b a b a

x-mal
a b a b a b

A B A B A B A B A B A B
Füllen Entleeren Füllen Entleeren Gleichgewicht
Flüssigkeit gelangt von A nach B, Nun gelangt auch Flüssigkeit von B Nach einiger Zeit sind die in den
wenn die Rohre a und b gleichzeitig zurück nach A. Es findet auch eine Rohren im gleichen Takt beförder-
oben mit dem Finger verschlossen „Rückreaktion“ statt. Die „Hin- ten Flüssigkeitsportionen gleich groß
und dann über Kreuz entleert reaktion“ wirkt sich aber noch stär- geworden. Die „Hinreaktion“ und
werden. Die „umkehrbare Reaktion“ ker aus als die „Rückreaktion“. „Rückreaktion“ heben sich gegen-
setzt mit der „Hinreaktion“ ein. seitig auf: Modell des Gleichge-
wichtszustandes.

B3 Durchführung und Ergebnis des Modellversuchs zum chemischen Gleichgewicht

54 REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE


Chemisches Gleichgewicht 1.2

Da genauso viele Produkte aus Edukten gebildet werden, wie Produkte in Edukte zerlegt werden,
werden, wie gleichzeitig Produkte in Edukte ge- ändern sich die Stoffmengen und damit die Kon-
spalten werden, entspricht die Stoffmengenän- zentrationen der Edukte und Produkte nicht
derung der Edukte der der Produkte: Das chemi- mehr. Da die Änderung der Stoffmenge in einem
sche Gleichgewicht hat sich eingestellt. Weil sich Zeitintervall die Reaktionsgeschwindigkeit be-
Stoffmengen und Konzentrationen der Stoffe schreibt, kann man sagen, dass im chemischen
nicht ändern, obwohl die Hin- und die Rückre- Gleichgewicht die Reaktionsgeschwindigkeit der
aktion nicht zum Erliegen kommen, spricht man Hinreaktion der Reaktionsgeschwindigkeit der
von einem dynamischen Gleichgewicht. Rückreaktion entspricht: vhin = vrück (B4).
Für die Gesamtreaktionsgeschwindigkeit im
Gleichgewicht vGG gilt: vGG = vhin - vrück = 0 (B4).
Vorgänge auf Teilchenebene
Warum gleichen sich die Stoffmengenänderun- v
Gleich-
gen während der Einstellung des chemischen gewicht
vhin
Gleichgewichts an?
Am Beispiel des Estergleichgewichts kann man
sich die Vorgänge auf Teilchenebene so vorstel-
vhin = vrück
len: Zu Beginn der Veresterung liegen ausschließ-
lich Carbonsäure- und Alkohol-Moleküle vor.
Stoßen ein Carbonsäure- und ein Alkohol-Mo- Stoßtheorie
lekül aufeinander, findet eine Reaktion statt, bei vhin–vrück • S. 47
vrück
der aus ihnen ein Ester- und ein Wasser-Molekül vhin–vrück = 0
gebildet werden. Mit der Zeit nimmt die Anzahl Zeit
der Carbonsäure- und der Alkohol-Moleküle und
damit auch die Anzahl ihrer Zusammenstöße ab. B4 Änderung der Reaktionsgeschwindigkeiten der
Hin- und Rückreaktion und der Reaktionsgeschwin-
Es entstehen immer weniger Ester- und Wasser- digkeit im Gleichgewicht
Moleküle. Gleichzeitig findet bei einem erfolgrei-
chen Zusammenstoß eines Ester-Moleküls mit
einem Wasser-Molekül die Rückreaktion statt Das chemische Gleichgewicht ist ein
und ein Carbonsäure- und ein Alkohol-Molekül dynamisches Gleichgewicht, in dem die
werden gebildet. Anfänglich kommen solche Hin- und die Rückreaktion weiterhin
Zusammenstöße selten vor, da es nur wenige zeitgleich ablaufen. Die Konzentrationen
Ester- und Wasser-Moleküle gibt. Mit der Zeit aller beteiligten Stoffe sind konstant, da
nehmen die Zusammenstöße jedoch zu und aus zeitgleich identische Stoffmengen an
den Produkt-Teilchen werden immer mehr Car- Produkten und Edukten gebildet und
bonsäure- und Alkohol-Moleküle gebildet. zerlegt werden. Im chemischen Gleich-
Sobald genauso viele Ester- und Wasser-Mole- gewicht gilt:
küle aus Carbonsäure- und Alkohol-Molekülen vhin = vrück
gebildet werden, wie gleichzeitig Ester- und
Wasser-Moleküle in Carbonsäure- und Alkohol-
Moleküle gespaltet werden, hat sich das chemi- AUFGABEN
sche Gleichgewicht eingestellt. A1 Vergleichen Sie das Gleichgewicht auf einer
Wippe mit dem chemischen Gleichgewicht.
A2 Unter Reaktionsgeschwindigkeit vr versteht
Reaktionsgeschwindigkeit
man bei Stoffen in Lösung die Änderung
im Gleichgewicht
der Konzentration Δc eines Reaktionsteil-
Da im chemischen Gleichgewicht pro Zeitinter- nehmers in einem Zeitintervall Δt. Begrün-
vall genauso viele Produkte aus Edukten gebildet den Sie, dass im Gleichgewicht vr = 0 gilt.

REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE 55


MK MEDIENKOMPETENZ

1.2.4 Das chemische Gleichgewicht simulieren

Um den Einfluss der Ausgangskonzentration c0 und der c1(A) = c0(A) + [–khin ∙ c0(A) + krück ∙ c0(B)] ∙ Δt
Geschwindigkeitskonstanten k auf die Einstellung des B6 = B5 + (-B$2 * B5 + C$2 * C5 ) * A$2
chemischen Gleichgewichts zu untersuchen, kann man c1(B) = c0(B) + [–krück ∙ c0(B) + khin ∙ c0(A)] ∙ Δt
dieses mithilfe eines Tabellenkalkulationsprogramms si- C6 = C5 + (-C$2 * C5 +B$2 * B5) * A$2
mulieren. Übernehmen Sie die Formeln für die übrigen
Zeitpunkte, indem Sie in der Formel B5 bzw. C5 au-
Während der Einstellung des chemischen Gleichgewichts tomatisch durch B6 bzw. C6 usw. ersetzen. Klicken
bei der Gleichgewichtsreaktion A B reagiert Edukt A Sie dazu die Zelle B5 bzw. C5 an und fahren Sie mit
Δc(A)
mit der Geschwindigkeit vhin = Δt = khin ∙ c(A) zu Pro- dem Cursor auf die untere rechte Ecke der Zelle.
dukt B. Gleichzeitig reagiert Produkt B mit der Geschwin- Ziehen Sie das erscheinende + bei gedrückter linker
Δc(B)
digkeit vrück = Δt = krück ∙ c(B) zu Edukt A. Mit Δc(A) und Maustaste nach unten.
Δc(B) kann man c(A) und c(B) zu verschiedenen Zeit-
A B C D
punkten berechnen. 1 Zeitintervall [s] khin krück
Gegeben sind c0(A) = 1 mol/L; khin = 0,005 1/s; 2 60 0,005 0,001
c0(B) = 0 mol/L und krück = 0,001 1/s. 3
4 t [min] c(A)[mol/L] c(B)[mol/L]
Berechnen Sie das Verhältnis von Produkt zu Edukt im 5 0 1,000 0,000
Gleichgewichtszustand, wenn c0(A) um das 100-Fache 6 1 =B5+(-B$2*B5+C$2*C5)*A$2
erhöht wird.
B1 Ansicht im Tabellenkalkulationsprogramm
VORGEHEN
4. Lesen Sie ab, wann sich das Gleichgewicht ein-
1. Benennen Sie die Felder A1−C1 mit Zeitintervall [s],
gestellt hat und berechnen Sie mit den Gleich-
khin, krück und die Felder A4−C4 mit t [min], c(A)
gewichtskonzentrationen cGG(A) und cGG(B) das
[mol/L], c(B) [mol/L]. Tragen Sie die bekannten
Verhältnis von Produkt und Edukt.
Werte ein und legen Sie das Zeitintervall auf 60 s
Das Gleichgewicht hat sich nach 16 Minuten mit
fest. Legen Sie unter t [min] 50 Zeitpunkte mit fort-
cGG(A) = 0,167 mol/L und cGG(B) = 0,833 mol/L
laufender Nummerierung, beginnend mit 0, an (B1).
eingestellt. Das Verhältnis von Produkten zu Edukten
2. Nach einer Minute hat sich die Anfangskonzen- ist ≈ 4,99. (Hinweis: Je nach Rundung können die
tration von A c0(A) bzw. B c0(B) um Δc(A) bzw. Werte abweichen).
Δc(B) verändert. Da A bei der Reaktion von A zu B
5. Erhöhen Sie c0(A) auf 100 mol/L und beschreiben
verbraucht und gleichzeitig bei der Reaktion von B
Sie, wie sich das Verhältnis von Edukt und Produkt
zu A gebildet wird, hängt Δc(A) von den Reaktions-
im Gleichgewichtszustand verändert.
geschwindigkeiten von A und B ab. Stellen Sie die
Das Verhältnis zwischen Produkten zu Edukten im
Gleichung zur Berechnung von c(A) und c(B) zum
Gleichgewichtszustand beträgt unverändert 4,99.
Zeitpunkt 1 auf.
c1(A) = c0(A) + Δc(A) bzw. c1(B) = c0(B) + Δc(B)

Δc(A)
mit Δt = –khin · c(A) + krück · c(B) AUFGABEN
A1 Stellen Sie den Konzentrationsverlauf des Edukts
Δc(B)
bzw. Δt = –krück ∙ c(B) + khin ∙ c(A) und Produkts im Tabellenkalkulationsprogramm
mit einem Diagramm für c0(A) = 1 mol/L und einem
c1(A) = c0(A) + [–khin ∙ c0 (A) + krück ∙ c0(B)] ∙ Δt Diagramm für c0(A) = 100 mol/L dar.
c1(B) = c0(B) + [–krück ∙ c0(B) + khin ∙ c0(A)] ∙ Δt Vergleichen Sie die beiden Diagramme
(Informationen zur Diagrammerstellung
3. Übertragen Sie die Gleichungen zur Berechnung in
unter QR-/Mediencode 06011-05). 06011-05

das Tabellenkalkulationsprogramm (B1).


A2 Beschreiben Sie die Auswirkungen auf das
(Hinweis: $ kennzeichnet, dass diese Werte bei der
chemische Gleichgewicht, wenn a) khin halbiert wird,
Übernahme der Formeln für spätere Zeitpunkte
b) krück 0,009 1/s ist und c) khin und krück 0,005 1/s
gleich bleiben.)
sind.

56 REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE


Chemisches Gleichgewicht 1.2

1.2.5 Massenwirkungsgesetz
Bei allen Gleichgewichtsreaktionen stellt sich aA+bB cC+dD
nach einer gewissen Zeit das chemische Gleich-
cc(C) · cd(D)
gewicht ein. Untersucht man diese Gleichge- Kc =
ca(A) · cb(B)
wichte näher, zeigt sich, dass man drei Gleich-
gewichtszustände unterscheiden kann: Mithilfe des Werts von Kc kann man eine Aus-
sage über die Lage des Gleichgewichts machen:
1. Die Konzentration der Edukte ist höher als die
der Produkte. Die Konzentration der Edukte ...
2. Die Konzentrationen der Edukte und Produk-
Kc  1 ... ist größer als die der Produkte.
te sind gleich.
Kc = 1 ... ist gleich der der Produkte.
3. Die Konzentration der Produkte ist höher als
die der Edukte. Kc  1 ... ist kleiner als die der Produkte.

Wie lassen sich die Gleichgewichtzustände Das MWG wurde bereits Mitte des 19. Jahr-
quantitativ beschreiben? hunderts von den Forschern CATO MAXIMILIAN
GULDBERG und PETER WAAGE aufgestellt. Sie un-
Dazu betrachtet man eine allgemeine Modellre-
tersuchten dazu über 300 Gleichgewichte und
aktion: A + B C+D
konnten zeigen, dass Kc unabhängig von den An-
Ein Kennzeichen des chemischen Gleichge-
fangskonzentrationen der Stoffe, aber abhängig
wichts ist es, dass die Reaktionsgeschwindig-
von der Temperatur ist.
keiten der Hin- und der Rückreaktion gleich groß
sind: vhin = vrück
Das MWG beschreibt das konstan-
Neben der Geschwindigkeitskonstanten k hän-
te Verhältnis der Konzentration von
gen die Reaktionsgeschwindigkeiten von den
Produkten zu Edukten im chemischen
Konzentrationen der beteiligten Stoffe ab:
Gleichgewicht.
vhin = khin · c(A) · c(B)
Die stöchiometrischen Faktoren aus der
vrück = krück · c(C) · c(D)
Reaktionsgleichung gehen als Exponen-
Also gilt beim Gleichgewicht: ten der Konzentration in das MWG ein.
khin · c(A) · c(B) = krück · c(C) · c(D)
Durch Umformen erhält man:
AUFGABEN
khin c(C) · c(D)
= A1 Formulieren Sie das MWG für die folgen-
krück c(A) · c(B)
den Reaktionen.
Den Quotienten der Geschwindigkeitskonstan- a) H2O (l) + HCl (g) H3O+ (aq) + Cl- (aq)
ten fasst man als Gleichgewichtskonstante Kc b) CH4 (g) + NH3 (g) HCN (l) + 3 H2 (g)
zusammen. c) 2 SO2 (g) + O2 (g) 2 SO3 (g)
A2 a) S tellen Sie für die Reaktion von Essigsäu-
c(C) · c(D)
Kc = re mit Ethanol das MWG auf und geben
c(A) · c(B)
Sie die Einheit für Kc an.
Dieser Zusammenhang zwischen den Konzen- b) Erklären Sie, dass die Einheit für Kc bei
trationen der Edukte und denen der Produkte einer anderen Reaktion auch L/mol sein
im chemischen Gleichgewicht wird als Massen- kann.
wirkungsgesetz (MWG) bezeichnet. Für eine A3 Für die Herstellung von Essigsäureethyles-
Reaktionsgleichung mit verschiedenen Stöchio- ter gilt im Gleichgewicht bei 20 °C: Kc = 4.
metriefaktoren gilt: Leiten Sie daraus ab, ob im Gleichgewicht
der Anteil der Produkte oder der Edukte
überwiegt.

REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE 57


FM FACHMETHODE

1.2.6 Berechnungen mit dem Massenwirkungsgesetz


durchführen
Die Gleichgewichtskonstante Kc wurde für viele Reaktio- 4. Setzen Sie die Größen in das MWG ein und berech-
nen mithilfe experimentell gemessener Gleichgewichts- nen Sie den Wert für Kc.
konzentrationen berechnet und tabelliert. Mit ihrer Hilfe (0,1 mol/L)2 2 2
kann man z. B. bestimmen, ob sich das Gleichgewicht Kc = 3 = 2,41 ∙ 10 L /mol
-3

einer Reaktion bereits eingestellt hat und wie hoch die


(1,01 mol/L) · (1,6 mol/L)
Konzentrationen der Stoffe im Gleichgewicht sind. Au-
VORGEHEN: Beispiel b)
ßerdem kann man damit vorhersagen, wie hoch die Aus-
1. 2 SO2 (g) + O2 (g) 2 SO3 (g)
beute eines gewünschten Produkts ist.
c2(SO3 )
2. Kc = c2(SO2 ) · c(O2 )
Die Gleichgewichtskonstante einer Reaktion
3. gegeben gesucht
berechnen
c0(SO2) = 8 mol/L cGG(SO2)
a) In einem Behälter mit dem Volumen V = 5 L hat sich c0(O2) = 5 mol/L cGG(O2)
zwischen Stickstoff (nGG = 5,05 mol), Wasserstoff
cGG(SO3) = 7,56 mol/L
(nGG = 8 mol) und Ammoniak (nGG = 0,5 mol) ein
Gleichgewicht eingestellt. Berechnen Sie die Gleich- cGG(SO2) und cGG(O2) lassen sich mithilfe ihrer Aus-
gewichtskonstante Kc für die Reaktion. gangskonzentrationen c0 und der Konzentration von
b) Zur Herstellung von Schwefelsäure wird Schwefel- Schwefeltrioxid im Gleichgewicht cGG(SO3) berechnen.
dioxid (c0 = 8 mol/L) mit Sauerstoff (c0 = 5 mol/L) Aus den stöchiometrischen Faktoren in der Re-
bei 726 °C zu Schwefeltrioxid oxidiert. Im Gleichge- aktionsgleichung lässt sich der Zusammenhang
wicht beträgt die Konzentration von Schwefeltrioxid zwischen der Konzentration von Schwefeltrioxid
7,56 mol/L. Berechnen Sie die Gleichgewichtskons- mit den Konzentrationen von Schwefeldioxid und
tante Kc für die Reaktion. Sauerstoff im chemischen Gleichgewicht ableiten.
Das Verhältnis von Schwefeldioxid zu Schwefel-
VORGEHEN: Beispiel a)
trioxid ist 1 : 1. Das Verhältnis von Sauerstoff zu
1. Formulieren Sie eine Reaktionsgleichung.
Schwefeltrioxid ist 1 : 2. Durch Umformen kann man
N2 (g) + 3 H2 (g) 2 NH3 (g)
daraus die Konzentration von Schwefeldioxid und
2. Geben Sie den mathematischen Ausdruck für die Sauerstoff aus der Konzentration von Schwefeltri-
Gleichgewichtskonstante Kc an. oxid bestimmen:
c2(NH ) c(SO2) 1
Kc = c(N ) · c3(H
3
) =
c(SO3 ) 1
⇒ c(SO2) = c(SO3 )
2 2

3. Entnehmen Sie die Größen, die zur Berechnung c(O2) 1 1


= ⇒ c(O2) = 2 c(SO3 )
notwendig sind, aus der Aufgabenstellung oder, falls c(SO3 ) 2

nötig, berechnen Sie diese mithilfe der Angaben.


Bei der Bildung von Schwefeltrioxid verringern sich
Berechnen Sie die Stoffmengenkonzentrationen.
die Anfangskonzentrationen von Schwefeldioxid um
gegeben gesucht die Konzentration des gebildeten Schwefeltrioxids.
Die Anfangskonzentration von Sauerstoff verringert
V=5L
sich um die Hälfte der Konzentration des gebildeten
nGG(N2) = 5,05 mol cGG(N2)
Schwefeltrioxids:
nGG(H2) = 8 mol cGG(H2)
cGG(SO2 ) = c0(SO2 ) - cGG(SO3 )
nGG(NH3) = 0,5 mol cGG(NH3) 1
cGG(O2 ) = c0(O2 ) - 2 cGG(SO3 )
nGG(N2) 5,05 mol
cGG(N2) = V = 5L = 1,01 mol/L
SO2 O2 SO3
nGG(H2) 8 mol c0 [mol/L] 8 5 0
cGG(H2) = V = 5L = 1,6 mol/L
cGG [mol/L] (8 - 7,56) (5 - 12
∙ 7,56) 7,56
nGG(NH3) 0,5 mol = 0,44 = 1,22
cGG(NH3) = V = 5L = 0,1 mol/L

58 REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE


FACHMETHODE FM

Der Wert für x2 kann daher nicht der Konzentration


(7,56 mol/L)2
4. Kc = = 241,98 L/mol des Esters entsprechen.
(0,44 mol/L)2 · (1,22 mol/L) Berechnen Sie mit dem Wert für x1 die Konzentratio-
nen aller Stoffe im chemischen Gleichgewicht:
Die Konzentrationen im chemischen Gleich- CH3COOH C2H5OH CH3COOC2H5 H2O
gewicht und die Ausbeute des Produkts be-
cGG [mol/L] 2,5 − 1,81 3 − 1,81 1,81 1,81
rechnen = 0,69 = 1,19
In einem Rückflusskühler werden Essigsäure (c0 = 2,5 mol/L)
5. Würde die Reaktion vollständig verlaufen, würde die
und Ethanol (c0 = 3 mol/L) zur Reaktion gebracht. Bei 20 °C
komplette Essigsäure (c0 = 2,5 mol/L) zu Essigsäure-
ist die Gleichgewichtskonstante des Estergleichgewichts
ethylester umgesetzt werden und die Konzentration
für Essigsäureethylester Kc = 4.
des Esters würde c = 2,5 mol/L betragen. Da der
Berechnen Sie die Konzentration von Essigsäureethyl-
Umsatz aufgrund des Gleichgewichts unvollständig
ester im Gleichgewicht und dessen Ausbeute .
ist, lässt sich nur eine Konzentration des Esters von
VORGEHEN c = 1,81 mol/L erreichen.
1. CH3COOH (l) + C2H5OH (l) Berechnen Sie die Ausbeute  des Esters, indem Sie
 CH3COOC2H5 (l) + H2O (l) den Quotienten aus der Konzentration des Esters im
c(CH3COOC2H5) ∙ c(H2O) Gleichgewicht und der maximal möglichen Konzen-
2. Kc = c(CH COOH) ∙ c(C H OH)
3 2 5 tration des Esters bei vollständiger Umsetzung bilden:
3. gegeben gesucht 1,81 mol/L
(CH3COOC2H5) = = 0,72 = 72 %
c0(CH3COOH) = 2,5 mol/L cGG(CH3COOH) 2,5 mol/L
c0(C2H5OH) = 3 mol/L cGG(C2H5OH)
Die Ausbeute an Ester beträgt 72 %.
Kc = 4 cGG(CH3COOC2H5)
cGG(H2O)
 (CH3COOC2H5)
AUFGABEN
A1 In einem 2 L-Gefäß werden 4 mol Sauerstoff mit
 as Verhältnis von Essigsäure, Ethanol und Wasser zu
D
6 mol Wasserstoff zur Reaktion gebracht. Im
Essigsäureethylester ist jeweils 1 : 1. Da die Konzentration
Gleichgewichtszustand liegen 4 mol Wasser vor.
von Essigsäureethylester im Gleichgewicht unbekannt ist,
Überprüfen Sie, ob sich das Gleichgewicht
gilt: cGG(CH3COOC2H5) = x.
(Kc = 5,9 ∙ 1067 L/mol) bereits vollständig eingestellt
CH3COOH C2H5OH CH3COOC2H5 H2O hat.
c0 [mol/L] 2,5 3 0 0 A2 Zwischen Iod (c0 = 1,5 ∙ 10-2 mol/L), Wasserstoff
cGG [mol/L] 2,5 - x 3-x x x (c0 = 0,9 ∙ 10-2 mol/L) und Iodwasserstoff stellt
sich in einem geschlossenen Behälter bei 458 °C
x·x x2
4. 4 = (2,5 - x) · (3 - x) ⇒4= x 2
- 5,5x + 7,5
ein Gleichgewicht ein (Kc = 48,75). Berechnen Sie
die Konzentration aller Reaktionsteilnehmer im
 tellen Sie die Formel nach Multiplikation mit dem
S Gleichgewicht.
Nenner so um, dass eine quadratische Gleichung der A3 Methanol kann technisch aus Synthesegas herge-
Form ax2 + bx + c = 0 entsteht. stellt werden. Das Synthesegasgemisch enthält am
Anfang Wasserstoff (c0 = 0,3 mol/L) und Koh-
4x2 - 22x + 30 = x2 ⇔ 3x2 - 22x + 30 = 0
lenstoffmonooxid. Berechnen Sie, wie hoch die
Lösen Sie die quadratische Gleichung: Anfangskonzentration des Kohlenstoffmonooxids
x1 = 1,81 und x2 = 5,52. sein muss, damit der Wasserstoff nach der Gleich-
Da die Ausgangskonzentration der Essigsäure nur gewichtseinstellung (Kc = 0,7 L2/mol2) zu 80 % zu
2,5 mol/L ist, lässt sich damit im Gleichgewicht keine Methanol umgesetzt wird. Berechnen Sie außerdem
Esterkonzentration von 5,52 mol/L erreichen. die Ausbeute an Methanol im Gleichgewicht.

REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE 59


Kohlensäurehaltige Ge tränke im
ern!
Sommer nicht im Auto lag
Auto durch die Son-
Im Sommer kann sich ein
aufheizen. Lagert man
ne schnell auf über 80 °C
ke bei diesen Tem-
kohlensäurehaltige Geträn
können Flaschen und
peraturen länger im Auto,
r Sic herheit sollten diese
Dosen explodieren. Zu
Kofferraum aufbewahrt
unter dem Sitz oder im
werden.

1.3 Beeinflussung des Gleichgewichts


Kohlensäurehaltiges Mineralwasser stellt man her, indem man unter hohem Druck
Kohlenstoffdioxid in Mineralwasser einpresst. Bei der Reaktion zwischen Kohlen-
stoffdioxid und Mineralwasser stellt sich ein chemisches Gleichgewicht ein. Durch
welche Bedingungen lässt sich das Gleichgewicht und damit der Kohlensäuregehalt
des Mineralwassers beeinflussen?

1.3.1 Versuche und Material

V Einfluss der Konzentration 5 7 9

Gleichgewichtsreaktionen stellen für Synthesen in V3 Fügen Sie in Reagenzglas 4 einige Tropfen


der chemischen Industrie eine besondere Herausfor- Silbernitratlösung (w = 2 %, GHS 5 | 9) und in Rea-
derung dar. Da die Edukte nicht vollständig umge- genzglas 5 einige Tropfen Natronlauge (c = 0,1 mol/L,
setzt werden, ist die Ausbeute an den gewünschten GHS 5) hinzu.
Produkten geringer als theoretisch möglich. Kann
AUSWERTUNG
man durch Konzentrationsänderungen die Produk-
a) Vergleichen Sie die Farbe der Lösung in Reagenz-
tausbeute erhöhen?
glas 1 mit der Farbe der Lösungen in V2 und V3.
V1 Vermischen Sie 25 mL einer Eisen(III)-chlorid- b) Eisen(III)-Ionen Fe3+ und Thiocyanat-Ionen
Hexahydratlösung (GHS 5 | 7) mit dem gleichen SCN- reagieren nach der folgenden vereinfachten
Volumen einer Kaliumthiocyanatlösung (GHS 7). Reaktionsgleichung zu Eisen(III)-thiocyanat-
Verteilen Sie die Lösung gleichmäßig auf fünf Rea- Ionen:
genzgläser und nummerieren Sie diese von 1 bis 5. Fe3+ (aq) + SCN- (aq) [Fe(SCN)]2+ (aq)
Übernehmen Sie die Reaktionsgleichung und
V2 Fügen Sie in Reagenzglas 2 eine kleine Menge
notieren Sie darunter die Farben der Lösungen
festes Eisen(III)-chlorid-Hexahydrat und in Rea-
(V1).
genzglas 3 eine kleine Menge festes Kaliumthiocya-
c) Notieren Sie Ihre Beobachtungen aus V2 und
nat hinzu.
beziehen Sie diese auf die Reaktionsgleichung.

60 REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE


Versuche und Material 1.3

d) Formulieren Sie mithilfe der Versuchsergebnisse Niederschläge. Notieren Sie unter jede Formel
aus V2 eine begründete Aussage darüber, ob die die Farbe der Lösungen bzw. Niederschläge.
Bildung von Eisen(III)-thiocyanat-Ionen in V1 f) Vergleichen Sie die Farbänderung von V2 mit den
vollständig abläuft. Beobachtungen in Reagenzglas 4 und 5.
e) Die in den Reagenzgläsern 4 und 5 gebildeten g) Erklären Sie die Beobachtungen aus V2 und V3
Niederschläge bestehen aus schwerlöslichem als „Antwort des Systems im Gleichgewicht auf
Silberthiocyanat AgSCN bzw. schwerlöslichem die Veränderung der Konzentrationen der Edukte“.
Eisen(III)-hydroxid Fe(OH)3. Entwickeln Sie
ENTSORGUNG G3
die Reaktionsgleichungen für die Bildung dieser

V Einfluss der Temperatur und des Drucks 2 7

Leitungswasser wird mithilfe von Kohlenstoffdioxid, zum Luer-Lock-Verschluss siehe QR-/Me-


das sich im Wasser löst, zum Sprudeln gebracht. diencode 06011-06). Erzeugen Sie in den
Wie kann man ein Mineralwasser mit einem hohen Spritzen einen Unterdruck, indem Sie den 06011-06
Kohlensäuregehalt herstellen? Stempel kräftig nach oben ziehen. Fixieren
Sie den Stempel, indem Sie einen Nagel durch das
V4 Füllen Sie eine
Loch im Stempel stecken. Entfernen Sie vorsichtig
50 mL-Spritze mit
den Nagel aus einer der Spritzen und drücken Sie den
20 mL Leitungswasser
Stempel in die Spritze. Schütteln Sie die Spritze dabei
(Raumtemperatur) und
leicht und wiederholen Sie das Zusammendrücken
befüllen Sie eine weitere
bei Bedarf. Die andere Spritze dient als Vergleich.
Spritze mit 30 mL Koh-
lenstoffdioxid. Verbinden AUSWERTUNG
Sie beide Spritzen mit a) Vergleichen Sie die Volumina in V5 und for-
einem Dreiwegehahn mulieren Sie eine je-desto-Beziehung für die
B1 Befüllen der Spritze mit
(B1) und drücken Sie Löslichkeit von Kohlenstoffdioxid in Wasser mit
Kohlenstoffdioxid
das Gas vorsichtig in unterschiedlichen Temperaturen.
die mit Wasser gefüllte Spritze. Verschließen Sie die b) Das Lösen von Kohlenstoffdioxid in Wasser
befüllte Spritze mit dem Hahn und schrauben Sie die verläuft exotherm. Der umgekehrte Vorgang, bei
leere Spritze ab. dem Kohlenstoffdioxid freigesetzt wird, verläuft
demzufolge endotherm. Leiten Sie aus Ihren Be-
V5 Stellen Sie insgesamt drei Ansätze nach V4 her.
obachtungen in V5 den Einfluss der Temperatur
Lagern Sie eine Spritze bei Raumtemperatur, eine
auf das chemische Gleichgewicht ab.
Spritze in einem Wasserbad bei 50 °C und die letzte
c) Bromthymolblau-Indikator färbt sich im sauren
Spritze in Eiswasser. Schütteln Sie die befüllte Spritze
Milieu gelb, im neutralen grün und im alkalischen
vorsichtig und stellen Sie sie auf den Stempel. Lesen
blau. Erklären Sie vor diesem Hintergrund die
Sie das restliche Gasvolumen ab, sobald es sich nicht
Beobachtung von V6 auch mithilfe von Reakti-
mehr verändert.
onsgleichungen.
V6 Stellen Sie einen Ansatz nach V4 her. Geben d) Formulieren Sie mithilfe von V6 eine je-desto-
Sie dieses Mal zunächst so viele Tropfen Bromthy- Beziehung für die Löslichkeit von Kohlenstoffdi-
molblau-Indikatorlösung (GHS 2 | 7) zur besseren oxid in Wasser bei Druckänderung.
Sichtbarmachung in das Wasser, bis sich dieses e) Leiten Sie aus Ihren Beobachtungen in V6 den
deutlich verfärbt. Verteilen Sie die Lösung gleichmä- Einfluss des Drucks auf die Lage des chemischen
ßig auf zwei weitere Spritzen und verschließen Sie die Gleichgewichts ab.
Spritzen mit einem Luer-Lock-Verschluss. (Anleitung
ENTSORGUNG A
zum Vorbereiten der Spritze und Informationen

REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE 61


1.3 Beeinflussung des Gleichgewichts

1.3.2 Einfluss der Konzentration


c([Fe(SCN)]2+)
Erhöhung der Eduktkonzentration Kc =
c(Fe3+) ∙ c(SCN-)
Wie lässt sich die Ausbeute eines gewünschten
Auf die Erhöhung der Konzentration der
Produkts bei Gleichgewichtsreaktionen durch
Eisen(III)- oder Thiocyanat-Ionen reagiert
Veränderung der Konzentrationen der Stoffe
das System im Gleichgewicht, indem mehr
beeinflussen?
Eisen(III)-thiocyanat-Ionen gebildet werden:
Gibt man die wässrigen Lösungen von Eisen(III)-
Die Hinreaktion zur Bildung von Eisen(III)-thio-
chlorid und Kaliumthiocyanat zusammen, färbt
cyanat-Ionen wird gegenüber der Rückreaktion,
sich die Lösung rot (V1). Die Eisen(III)-Ionen
bei der diese wieder in Eisen(III)- und Thiocy-
Fe3+ reagieren in einer Gleichgewichtsreaktion
anat-Ionen zerfallen, begünstigt. Die Konzen-
mit den Thiocyanat-Ionen SCN- zu Eisen(III)-
tration der Eisen(III)-thiocyanat-Ionen steigt
thiocyanat-Ionen [Fe(SCN)]2+, die der Lösung
und die Konzentration von Eisen(III)-Ionen und
die rote Farbe verleihen.
Thiocyanat-Ionen fällt. Dadurch verändert sich
das Zahlenverhältnis der Konzentrationen von
Bei [Fe(SCN)]2+ Fe3+ (aq) + SCN- (aq) [Fe(SCN)]2+ (aq)
handelt es sich Produkten und Edukten. Die Konzentration der
um eine eine Eisen(III)-thiocyanat-Ionen im Zähler steigt und
sogenannte Kom- [Fe(SCN)]2+ (aq) die Konzentrationen der Eisen(III)- und Thiocy-
plexverbindung, anat-Ionen im Nenner sinken. Das System re-
die nach außen
agiert solange auf die Veränderungen, bis das ur-
zweifach positiv + KSCN (s) + FeCl3 (s)
geladen ist. Man sprüngliche Verhältnis der Konzentrationen von
kennzeichnet Produkten zu Edukten hergestellt ist und damit
sie durch eckige den Wert von Kc erreicht.
Klammern.

B1 Erhöhung der Konzentration der Edukte Verringerung der Eduktkonzentration


Erhöht man die Konzentration der Edukte durch Gibt man andere Substanzen als die Edukte zum
Zugabe von Eisen(III)-chlorid oder Kaliumthio- Gemisch, können ganz andere Beobachtungen
cyanat (V2 , B1), vertieft sich die Farbe der Lö- gemacht werden. Die Zugabe von Silbernitrat-
sung, da sich die Konzentration an Eisen(III)- lösung bzw. Natronlauge zur Eisen(III)-thiocya-
thiocyanat-Ionen ebenfalls erhöht. Zusätzlich natlösung führt zu einer deutlichen Aufhellung.
zu den gebildeten Eisen(III)-thiocyanat-Ionen Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich die
müssen noch sowohl Thiocyanat-Ionen als auch schwerlöslichen Salze Eisen(III)-hydroxid bzw.
Eisen(III)-Ionen in der Lösung vorgelegen haben, Silberthiocyanat bilden.
die Reaktion ist also nicht vollständig abgelaufen.
Fe3+ (aq) + 3 OH- (aq) Fe(OH)3 (s)
Diese noch vorhandenen Ionen reagieren nun
Ag+ (aq) + SCN- (aq) AgSCN (s)
mit den hinzugegebenen Edukten. In beiden Fäl-
len bilden sich zusätzliche Eisen(III)-thiocyanat- Die in den ausgefallenen Salzen gebundenen Io-
Ionen in der Lösung. nen nehmen nicht mehr an der Gleichgewichts-
reaktion teil. Die Eisen(III)-thiocyanatlösung
hellt sich auf, da sich auch die Konzentration an
Wiedereinstellung des Gleichgewichts
Eisen(III)-thiocyanat verringert (V3).
Das chemische Gleichgewicht der Reaktion wird
durch die Konzentrationsänderung gestört. Es
Wiedereinstellung des Gleichgewichts
wird wieder hergestellt, sodass das Verhältnis
von Produkten zu Edukten wieder dem ursprüng- Durch die Konzentrationsverringerung der Eduk-
lichen Verhältnis im Gleichgewicht und damit Kc te wird das chemische Gleichgewicht gestört und
entspricht. muss wieder vom System eingestellt werden. Um
das ursprüngliche Verhältnis von Produkten zu

62 REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE


Beeinflussung des Gleichgewichts 1.3

Edukten wieder zu erreichen, muss die Rück- Wird die Konzentration des Produkts erhöht,
reaktion, bei der die entfernten Stoffe gebildet wird die Rückreaktion begünstigt, die das Produkt
werden, gegenüber der Hinreaktion begünstigt in seine Edukte zerlegt.
werden: Es zerfällt mehr Eisen(III)-thiocyanat, Wird die Konzentration des Produkts verringert,
als neu gebildet wird. Die Konzentration von wird die Hinreaktion begünstigt, die zur Bildung
Eisen(III)-thiocyanat verringert sich und die des Produkts führt. Besonders diese Möglichkeit
Konzentrationen von Eisen(III)- und Thiocya- ist für die Ausbeute bei der Synthese eines Pro-
nat-Ionen erhöhen sich, bis ihr Verhältnis wieder dukts interessant. Entfernt man bei einem groß-
dem ursprünglichen Wert von Kc entspricht. chemischen Prozess konstant das gewünschte
Produkt (z. B. durch Destillation) aus dem Reak-
Die Erhöhung der Konzentration eines Edukts tionsgemisch, wird dieses stets nachgebildet und
verlagert das Gleichgewicht auf die Seite der damit ein vollständiger Umsatz der Edukte und
Produkte. eine hohe Ausbeute ermöglicht.

Fe3+ SCN-
Fe3+ (aq) + SCN- (aq) [Fe(SCN)]2+ (aq) Gleichgewichtsreaktionen lassen sich
Fe3+ SCN- durch Konzentrationsänderung der
Edukte und Produkte beeinflussen.
Die Verringerung der Konzentration eines Edukts
verlagert das Gleichgewicht auf die Seite der Das System reagiert bei Konzentrations-
Edukte. änderungen immer so, dass die Reaktion
begünstigt wird, die den Stoff, dessen
Konzentration erhöht wurde, verbraucht
Einfluss der Produktkonzentration
bzw. den Stoff, dessen Konzentration
Anstelle der Eduktkonzentration kann man die verringert wurde, nachbildet.
Konzentration eines Produkts ebenfalls verän-
Der Wert von Kc bleibt unverändert.
dern. Auch hier reagiert das System auf die Kon-
zentrationsänderung:

AUFGABEN
A1 Erläutern und begründen Sie die Wirkungen
der auf dieser Seite dargestellten Konzen-
trationsänderungen beim Gleichgewicht
Fe3+ (aq) + SCN- (aq) [Fe(SCN)]2+ (aq)
mithilfe des MWG.
A2 Bananenaromastoff (Essigsäurepentyles-
ter) wird durch Veresterung von Essigsäure
mit Pentan-1-ol hergestellt. Formulieren Sie
die Reaktionsgleichung. Erklären Sie, wie
man eine hohe Ausbeute an Ester erhält.
A3 Acetylsalicylsäure-Tabletten wurden früher
in Gläsern aufbewahrt (B2). Bildete sich
an feuchter Luft ein Geruch nach Essig,
sollten die Tabletten nicht mehr verwendet
werden. Begründen Sie diese Empfehlung
unter Verwendung einer Reaktionsglei-
chung. Erklären Sie diese Lagerempfehlung
B2 Früher wurden Medikamente häufig in Gläsern im Hinblick auf die Einstellung des chemi-
gelagert. schen Gleichgewichts bei der Veresterung.

REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE 63


1.3 Beeinflussung des Gleichgewichts

1.3.3 Einfluss der Temperatur und des Drucks

Gekoppelte Gleichgewichte B3), da das Lösen von Kohlenstoffdioxid in Was-


ser  und die darauffolgende Bildung von Koh-
Kohlensäurehaltiges Mineralwasser ist sehr be-
lensäure , Hydrogencarbonat- und Oxonium-
liebt. Das Trinkwasser wird dazu mit Kohlenstoff-
Ionen  insgesamt exotherm verläuft.
dioxid versetzt. Dabei löst sich das Gas in Wasser
Nimmt die Temperatur zu, passt sich das Gleich-
 und ein Teil des gelösten Kohlenstoffdioxids gewicht der neuen Temperatur an und die endo-
reagiert mit dem Wasser zu Kohlensäure . Die
therme Bildung von gasförmigem Kohlenstoffdi-
sehr instabilen Kohlensäure-Moleküle reagieren
oxid  wird begünstigt. Umgekehrt nimmt die
mit Wasser-Molekülen in einer Säure-Base-Re-
Löslichkeit von Kohlenstoffdioxid in Wasser bei
aktion zu Hydrogencarbonat-Ionen und Oxoni-
geringerer Wassertemperatur zu: Das System re-
um-Ionen  , die für den sauren Charakter der
agiert auf die Abkühlung, indem der exotherme
Lösung verantwortlich sind.
Lösungsvorgang von Kohlenstoffdioxid in Wasser

 CO2 (g) CO2 (aq)  und die Bildung von Kohlensäure, Hydrogen-
carbonat- und Oxonium-Ionen  begünstigt
 CO2 (aq) + H2O (l) H2CO3 (aq)
wird.
 H2CO3 (aq) + H2O (l)
Ist bei einer Gleichgewichtsreaktion die Hinreak-
HCO3- (aq) + H3O+ (aq)
tion exotherm, ist die Rückreaktion endotherm
und umgekehrt. Somit führt eine Temperaturver-
In diesen Gleichgewichten fungiert ein Produkt
ringerung zu einer Begünstigung der exothermen
aus der einen Reaktion als Edukt in der nächsten.
Hinreaktion, eine Temperaturerhöhung zu einer
Man spricht von gekoppelten Gleichgewichten.
Begünstigung der endothermen Rückreaktion.

Einfluss der Temperatur


Neueinstellung des Gleichgewichts
Stellt man sein kohlensäurehaltiges Mineralwas-
Stellt sich ein chemisches Gleichgewicht auf-
ser zuhause mithilfe eines Wassersprudlers selbst
grund von Temperaturänderung neu ein, beein-
her, wird empfohlen, möglichst kaltes Wasser zu
flusst dies auch die Gleichgewichtskonstante Kc.
verwenden, wenn man viel Kohlenstoffdioxid
Bei einer exothermen Hinreaktion wird Kc bei
im Wasser lösen möchte. Auf der anderen Seite
Temperaturabnahme größer und bei Tempera-
kommt es leicht zum Übersprudeln von kohlen-
turzunahme kleiner, vorausgesetzt, die Reakti-
säurehaltigen Getränken, wenn man diese im
onsgleichung der exothermen Reaktion ist von
Sommer unvorsichtig öffnet.
links nach rechts notiert.
Die Löslichkeit von Kohlenstoffdioxid in Wasser
nimmt mit steigender Wassertemperatur ab (V5,
Einfluss des Drucks
In einem geschlossenen System stellt sich ein
Gleichgewicht zwischen gasförmigem und in
Wasser gelöstem Kohlenstoffdioxid ein  (V4).
Vermindert man den Druck in dem System, kann
man beobachten, dass sich Gasblasen bilden und
sich die Farbe der Lösung ändert. Der Bromthy-
molblau-Indikator zeigt an, dass sich der pH-
Wert erhöht (V6, B4).
Durch die Druckverminderung verschiebt sich
50 °C 20 °C 0 °C
das chemische Gleichgewicht zur Seite des gas-
förmigen Kohlenstoffdioxids. Die Konzentrati-
B3 In 20 mL Wasser (mit Bromthymolblau-Indika-
tor) wurden 30 mL Kohlenstoffdioxid gelöst. Wasser- on des im Wasser gelösten Kohlenstoffdioxids
temperatur: 50 °C, 20 °C, 0 °C. nimmt ab und die chemischen Gleichgewichte in

64 REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE


Beeinflussung des Gleichgewichts 1.3

V2 p2<p1 V2 p3>p2

V1 p1 CO2
HCO3-
H3O+

Gleichgewicht I Druckverminde- Gleichgewicht II


(7 Teilchen in rung bzw. Volu- (10 Teilchen in
der Gasphase) menvergrößerung der Gasphase)
B4 Löslichkeit von Kohlenstoffdioxid in Wasser bei
Normaldruck (links) und bei vermindertem Druck B5 Modell zum Einfluss des Drucks
(rechts)

 und  begünstigen die Bildung der Edukte. Bei Gleichgewichtsreaktionen be-


Die Abnahme der Konzentration der Oxonium-
günstigt eine Temperaturerhöhung
Ionen führt zu einer Erhöhung des pH-Werts.
den Ablauf der endothermen und eine
Erhöht man den Druck wieder, verschiebt sich
Temperaturverminderung den Ablauf
das chemische Gleichgewicht in die umgekehr-
der exothermen Reaktion. In diesem
te Richtung. Durch das verringerte Volumen der
Fall stellt sich ein neues chemisches
Gasphase löst sich das gasförmige Kohlenstoffdi-
Gleichgewicht mit einem neuen Wert
oxid im Wasser. Die Systeme in den chemischen
für Kc ein. Kc ist eine temperaturabhängi-
Gleichgewichten  und  reagieren entspre-
ge Konstante.
chend auf die Erhöhung der Konzentration des in
Wasser gelösten Kohlenstoffdioxids und werden Gleichgewichtsreaktionen, an denen
zur Seite der Produkte verschoben: Die Konzen- gasförmige Stoffe beteiligt sind, werden
tration der Oxonium-Ionen steigt und der pH- durch Druckänderung beeinflusst. Eine
Wert sinkt (V6). Druckerhöhung begünstigt die Reaktion,
bei der die Teilchenanzahl in der gas-
förmigen Phase geringer ist. Umgekehrt
Wiedereinstellung des Gleichgewichts
verschiebt eine Druckverminderung die
Bei Gleichgewichtsreaktionen, an denen Gase Reaktion, bei der die Teilchenanzahl in
beteiligt sind, lässt sich die Lage des chemischen der Gasphase höher ist. Kc bleibt unver-
Gleichgewichts durch Druckänderung beeinflus- ändert.
sen.
Wird der Druck vermindert, stellt sich das che-
mische Gleichgewicht erneut ein, indem sich die
Anzahl der Moleküle in der Gasphase erhöht.
Eine Druckerhöhung hingegen führt dazu, dass
sich die Anzahl der Moleküle in der Gasphase AUFGABEN
vermindert (B5). A1 Bei der Herstellung von kohlensäurehal-
Die Druckänderung beeinflusst die Gleichge- tigem Mineralwasser wird unter hohem
wichtskonstante Kc (genauso wie bei der Kon- Druck Kohlenstoffdioxid in das Wasser
zentrationsänderung) nicht. Durch die Volu- eingeleitet. Öffnet man die Mineralwas-
menvergrößerung nimmt die Konzentration der serflasche, bilden sich im Wasser kleine
gasförmigen Stoffe ab. In Reaktion  nimmt Gasblasen. Erklären Sie diese Beobachtung.
daher die Konzentration beider Stoffe ab. Es A2 Erläutern Sie die Temperaturabhängig-
entsteht solange gasförmiges Kohlenstoffdioxid, keit von Kc anhand der auf dieser Seite
bis der Quotient im MWG wieder den Wert von beschriebenen Versuchsergebnisse und
Kc erreicht. mithilfe des MWG.

REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE 65


1.3 Beeinflussung des Gleichgewichts

1.3.4 Das Prinzip von LE CHATELIER

Das „Prinzip vom kleinsten Zwang“


AUFGABEN
Bereits im Jahr 1884 beschrieb dies der franzö-
A1 Gegeben sind folgende Reaktionsgleichun-
sische Chemiker HENRI LE CHATELIER in dem nach
gen:
ihm benannten Prinzip von LE CHATELIER bzw.
dem Prinzip vom kleinsten Zwang. 2 NO (g) + O2 (g) 2 NO2 (g)
| exotherm
„Übt man auf ein im Gleichgewicht befindliches
CO (g) + NO2 (g) CO2 (g) + NO (g)
System durch Änderung der äußeren Bedingungen
 | endotherm
einen Zwang aus, so reagiert das System derart, dass
es dem äußeren Zwang ausweicht.“ 3 N2O (g) + 2 NH3 (g)
 4 N2 (g) + 3 H2O (g)
| exotherm
Wirkung äußerer Zwänge
Leiten Sie für diese Reaktionen begründet
Bei Konzentrationsänderung eines Stoffes re-
ab, welche der folgenden Maßnahmen
agiert das System so, dass der zugesetzte Stoff
jeweils eine Erhöhung der Produktkonzen-
verbraucht wird, bis sich das System wieder im
tration zur Folge hat:
Gleichgewicht befindet.
Temperaturerhöhung, Druckverminderung,
Temperaturverminderung, Druckerhöhung.
Ändert sich der Druck, weicht das System so aus,
A2 a) Im geschlossenen System stellt sich
dass die Druckänderung teilweise kompensiert
zwischen braunem Stickstoffdioxid
wird:
und farblosem Distickstofftetraoxid ein
Druckerhöhung führt dazu, dass die Reaktion
Gleichgewicht ein:
begünstigt wird, die unter Volumenabnahme er-
folgt. Bei Druckverminderung hingegen wird die 2 NO2 (g) N2O4 (g)
Reaktion begünstigt, die unter Volumenzunahme braun farblos
erfolgt.
Komprimiert man das Gasgemisch, hellt
sich die Farbe des Gemischs auf.
Die Beeinflussung der Temperatur führt dazu,
Erklären Sie diese Beobachtung.
dass bei Temperaturerhöhung die endotherme
b) Erwärmt man das Gemisch, färbt es sich
Reaktion begünstigt wird, um die Energiezufuhr
deutlich dunkler.
zu kompensieren. Temperaturverminderung hin-
Erklären Sie mithilfe dieser Beobach-
gegen begünstigt die exotherme Reaktion.
tung, ob es sich bei der Bildung von Di-
stickstofftetraoxid um eine endotherme
oder eine exotherme Reaktion handelt.

Änderung …. begünstigt die Reaktion, die ….

Konzentration …. den Stoff mit erhöhter Konzentration verbraucht.

Konzentration …. den Stoff mit verminderter Konzentration entstehen lässt.

Druck …. unter Volumenabnahme erfolgt.

Druck …. unter Volumenzunahme erfolgt.

Temperatur …. endotherm verläuft.

Temperatur …. exotherm verläuft.

66 REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE


EXKURS E

1.3.5 Ozon – der Filter für unser Leben

„Wir leben am Grunde eines Oze- λ < 240 nm


O2 O+O
ans aus Luft“ – stellte im Jahr 1640 hν1
der italienische Physiker EVANGE- O + O2 + M O3 + M
LISTA TORRICELLI fest. Dieser Oze-
an ist unsere Atmosphäre. Das ge- O3 + O 2 O2
samte Ozon aus der Atmosphäre, λ < 300 nm
vom Erdboden bis in die obere Stra- O3 O2 + O
hν2
tosphäre, ergäbe in reiner Form bei
normalem Luftdruck eine nur 3 mm + hν1; –Δ
3 O2 2 O3
dünne Schicht. Ungefähr 90 % des + hν2
Ozons befinden sich in Höhen zwi- B1 Links: Aus dem Weltall sieht man die Atmosphäre als dünne Schicht über der
schen 15 und 35 km. In dieser so- Erde; rechts: Reaktionen beim Ozon-Gleichgewicht in der Stratosphäre („M“ ist ein
genannten Ozonsphäre wird Ozon Stoßpartner, ein reaktionsträges Molekül, das Wärmeenergie Δ aufnimmt)
ständig aus Sauerstoff aufgebaut
und wieder zu Sauerstoff abgebaut.
Wie kommt es dazu?
lung erzeugtes und aufrecht ge- Reaktionszyklen beteiligt, die erst
Die Erdatmosphäre gleicht einem haltenes Gleichgewicht, ein. Dabei durch das UV-Licht in der Strato-
riesigen Fotoreaktor, der in zwei wird kurzwelliges UV-Licht teils in sphäre ausgelöst werden und zum
Kammern gegliedert werden kann: längerwelliges Licht, teils in Wärme Ozon-Abbau führen. Dabei werden
unten in die Troposphäre und oben umgewandelt. Der Energiegehalt Chlor-Radikale Cl• und Chlormo-
in die Stratosphäre. Dazwischen liegt von Licht kann durch das Produkt nooxid-Radikale ClO•, beides sehr
die um ca. 50 °C kältere Tropopause, der Frequenz des Lichts ν und der reaktive Teilchen mit ungepaarten
durch die der Stoffaustausch stark Konstante h, dem sog. Planck‘schen Elektronen, gebildet. Reaktionszyk-
gehemmt ist. Die größten Ozonkon- Wirkungsquantum, angegeben wer- len, bei denen Ozon abgebaut wird,
zentrationen finden sich in Höhen den. Ozon wird durch energiereiche- bezeichnet man als Ozon-Senken.
zwischen 20 und 30 km. res UV-Licht hν1 gebildet und durch
λ < 340 nm
Das Ozon in der Stratosphäre dient energieärmeres UV-Licht hν2 zerlegt. CCl2F2 F2ClC• + Cl•

als Filter für die sehr energiereiche
UV-Strahlung. Dadurch wird die Das Ozonloch Cl• + O3 ClO• + O2
Biosphäre vor einer zu hohen Inten- Das Ozon-Gleichgewicht in der
ClO• + O Cl• + O2
sität an schädlicher UV-Strahlung Stratosphäre ist für das Leben auf
geschützt. unserem Planeten unentbehrlich. Winter
ClO• + NO2• ClNO3
Seit dem Jahr 1984 wird das soge- Frühjahr
Bildung und Spaltung von Ozon nannte Ozonloch beobachtet und
In der Stratosphäre werden Sauer- dessen Größe intensiv gemessen
stoff-Moleküle durch energiereiches, und untersucht. Im Jahr 1995 erhiel- AUFGABEN
sehr kurzwelliges Licht (Wellenlänge ten P. J. CRUTZEN, M. J. MOLINA und A1 Erläutern Sie den Einfluss der
λ < 240 nm) in Sauerstoff-Atome F. S. ROWLAND den Chemie-Nobel- Reaktionen aus dem Text auf
gespalten, die wiederum mit Sau- preis für eine auch heute noch allge- das fotostationäre Gleichge-
erstoff-Molekülen zu Ozon-Mole- mein anerkannte Erklärung zum Ab- wicht.
külen reagieren (B1 rechts). Diese bau des Ozons. Es gilt als gesichert, A2 Begründen Sie, dass das foto-
absorbieren ebenfalls UV-Licht im dass die FCKW, die Fluorchlorkoh- stationäre Gleichgewicht aus B1
Wellenlängenbereich von 200 nm lenwasserstoffe, zur Ausbildung des nicht auf die troposphärische
bis 300 nm. Zwischen molekularem Ozonlochs beitragen. Sie gelangen Bildung von Ozon anzuwenden
Sauerstoff O2 und Ozon O3 stellt als anthropogene Emissionen in die ist.
sich ein fotostationäres Gleichge- Atmosphäre. FCKW wie z. B. Di- A3 Recherchieren Sie die Bildung
wicht, d. h. ein durch Lichteinstrah- chlordifluormethan CCl2F2 sind an von bodennahem Ozon.

REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE 67


HABER-BOSCH-Verfahren
1.4 
Stickstoff ist eines der wichtigsten Elemente, die Pflanzen für ihr Wachstum benöti-
gen. Als Bestandteil pflanzlicher und tierischer Eiweiße ist Stickstoff auch für uns un-
entbehrlich. Doch nur sehr wenige Organismen können Stickstoff direkt aus der Luft
aufnehmen, wo er in riesigen Mengen vorhanden ist. Die meisten Lebewesen können
Stickstoff nur in Form von reaktiveren Verbindungen verwerten. Wie lässt sich der
reaktionsträge Luftstickstoff in eine nutzbare Form umwandeln?

1.4.1 Versuche und Material

M Stickstofffixierung in der Natur

M1 Stickstoff ist das vierthäufigste Element, das in steht Wasserstoff. Die notwendige Energie für den
Lebewesen vorkommt. Gebunden in Protein- und in Aufbruch der Dreifachbindung im Stickstoff-Molekül
DNA-Molekülen sind Stickstoff-Atome essenziell liefert der Energieträger ATP.
für sie. Doch obwohl Stickstoff mit 78 % Luftanteil
Der entstandene Ammoniak wird im Anschluss zur
in nahezu unerschöpflichen Mengen vorhanden ist,
Bildung von Aminosäuren verwendet.
können ihn in dieser elementaren Form nur wenige
Organismen nutzen: Zu stabil ist die Dreifachbin- Jedes Jahr werden etwa 200 bis 300 Millionen Ton-
dung im Stickstoff-Molekül, zu energieaufwändig die nen Stickstoff auf diese Weise biotisch fixiert – das ist
Spaltung und Überführung in Verbindungen. deutlich mehr,
als die chemi-
Manche Mikroorganismen ohne Zellkern sind spe-
sche Industrie
zialisiert auf diese Stickstofffixierung. Diese leben
technisch
entweder frei (z. B. Cyanobakterien) oder in Symbi-
herstellt.
ose mit anderen Pflanzen (B1), denen sie Stickstoff-
Verbindungen liefern (z. B. Knöllchenbakterien bei
Hülsenfrüchtlern). Sie reduzieren die Stickstoff-
Moleküle aus der Luft mithilfe eines Biokatalysators,
dem Enzymkomplex Nitrogenase, zu Ammoniak-
Molekülen. Als Nebenprodukt der Reaktion ent- B1 Die Erle in Symbiose mit
stickstofffixierenden Bakterien

68 REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE


Versuche und Material 1.4

AUSWERTUNG
a) Erklären Sie, dass die Stickstofffixierung einen oder Lupinen zur Bodenverbesserung eine wich-
Engpass beim Pflanzenwachstum darstellen kann, tige Rolle, da viele Mineraldünger dort verboten
obwohl Stickstoff in großen Mengen in der Luft sind. Erklären Sie diesen Sachverhalt.
verfügbar ist. c) Recherchieren Sie Vor- und Nachteile der Grün-
b) Besonders in der ökologischen Landwirtschaft düngung gegenüber dem Einsatz mineralischer
spielt der Anbau von Hülsenfrüchtlern wie Klee Stickstoffdünger.

M Technische Stickstofffixierung nach dem HABER-BOSCH-Verfahren

Erzeugung Synthesegasgemisch Synthese von Ammoniak


Vorwärmer Abhitzkessel
CH4 , H2O (g) N2 , H2 , CO2 N2 , H2 NH3, N2 , H2 Dampf

E
H Wasser
NH3,
A C D N2 ,
Kat. Kat. H2 Kühlmittel
800 °C H2O (l) G
350 °C
Kühler
CH4 , 450 °C N2 , H2
CO, N2 , I Abscheider
H2 H2
30 MPa
N2 , O2 B
NH3 (l)
(Luft)
1 000 °C Tank
F
Kom- N2 , H2
N2 , H2 , CO pres-
H2O (g) H2O, sor NH3 (l)
CO2 J

B2 Schema der technischen Stickstofffixierung mit dem HABER-BOSCH-Verfahren

M2 Die Abbildung B2 zeigt schematisch den Ablauf d) Stellen Sie die Reaktionsgleichung für den zentra-
der verschiedenen Schritte zur technischen Stick- len Vorgang im Reaktor auf.
stofffixierung nach dem HABER-BOSCH-Verfahren. e) Beschreiben Sie die Vorgänge, die im Abhitzkes-
sel sowie im Abscheider ablaufen.
AUSWERTUNG
f) Begründen Sie die Funktion von Abhitzkessel
a) Notieren Sie für alle Edukte und Produkte des
und Abscheider mit Bezug auf das im Reaktor
Prozesses jeweils Stoffname, Molekülformel und
bestehende Gleichgewicht.
Strukturformel inkl. aller freien Elektronenpaare.
g) Vergleichen Sie die biotische (M1) und die techni-
b) In den Kesseln – findet die Herstellung
sche Stickstofffixierung.
des Synthesegasgemisches durch sogenannte
Dampfreformierung statt. Stellen Sie mithilfe
der Abbildung die Reaktionsgleichungen für die
M3 Einen möglichen Laboraufbau für die
Vorgänge auf, die in den Kesseln , und
Ammoniaksynthese aus den Elementen
ablaufen.
finden Sie unter QR-/Mediencode
c) Beschreiben Sie die Vorgänge, die bei , und
06011-07. 06011-07
stattfinden.

REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE 69


1.4 HABER-BOSCH-Verfahren

1.4.2 Die technische Ammoniaksynthese

Bedeutung verwendet, ohne die unser tägliches Leben nicht


denkbar wäre (B1).
Alle Lebewesen brauchen für ihr Wachstum
Stickstoff: Seine Atome stellen einen zentralen
Bestandteil pflanzlicher, tierischer und mensch- Fasern & Plastik
Proteine licher Proteine dar. Im Ackerbau wird Mist und -
• Kap. 3.3 m
Kompost auf die Felder ausgebracht, um den iu
on rat Sprengstoff
Pflanzen ausreichend Stickstoffverbindungen zur m it

N
Am n

ylo
Ac
Verfügung zu stellen. Abgesehen vom Luftstick-

n
ryl
Anilin Farbstoffe

Ca
stoff, der nur von wenigen Organismen genutzt

nit
pr

ril
ola
werden kann (M1), existieren auf der Erde nur Harnstoff

cta
Am mi
vereinzelt stickstoffhaltige Mineralien.

m
A
in de
Diammonium-

e&
hydrogen- Düngemittel
phosphat
Historischer Kontext Ammonium-
nitrat
In Chile gibt es Lagerstätten von Natriumnitrat.
Diese wurden im 19. Jahrhundert in großem Maß- Sonstige Anwendungsgebiete: Kältetechnik,
Stahlindustrie, Reinigungsmittel, Chemikalien,
stab abgebaut und als Chilesalpeter nach Europa Arzneimittel, Zellstoff & Papier, etc.
exportiert, um als Mineraldünger das Pflanzen-
wachstum zu verbessern. Der profitable Abbau B1 Verwendung von Ammoniak
führte um 1880 sogar zum Salpeterkrieg mehre-
rer Länder um diese Lagerstätten.
Im HABER-BOSCH-Verfahren (B2 auf S. 69) wird
Verbesserte Lebensbedingungen während der
Ammoniak aus den Elementen Stickstoff und
Industriellen Revolution hatten eine enorme
Wasserstoff synthetisiert. Während Stickstoff in
Zunahme der Bevölkerung zur Folge, die von der
der Luft bereits elementar vorliegt, muss Was-
Landwirtschaft ernährt werden musste. Der briti-
serstoff in einem vorgeschalteten Prozess erst
sche Chemiker WILLIAM CROOKES warnte deshalb
erzeugt werden.
1898 vor einer weltweiten Hungersnot durch
fehlenden Stickstoffdünger und veranlasste,
verstärkt nach Möglichkeiten zu forschen, den Erzeugung des Synthesegasgemischs
Stickstoff aus der Luft in für Pflanzen nutzbare
Wasserstoff lässt sich durch Reduktion von
Stickstoffverbindungen umzuwandeln. „Brot aus
Wasser herstellen. Großtechnisch wird diese
Luft!“ avancierte zum Schlagwort der Zeit.
Reduktion mit einer Oxidation kohlenstoffhal-
Nach jahrelangen Forschungen gelang es Anfang tiger Energieträger kombiniert – früher haupt-
des 20. Jahrhunderts Wissenschaftlern und In- sächlich Kohle, heute fast ausschließlich Erdgas.
genieuren um FRITZ HABER und CARL BOSCH, einen Da die resultierende Redoxreaktion bei hohen
Prozessablauf zu entwickeln, mit dem Luftstick- Temperaturen abläuft, liegt das Wasser dabei als
Ammoniak stoff großtechnisch in Form von Ammoniak ge- Wasserdampf vor. Man spricht deshalb auch von
farbloses, bunden werden kann. Dampfreformierung (engl. steam reforming).
stechend
riechendes Gas Im Primärreformer wird Wasserdampf mit
mit der Molekül- Herstellung heute entschwefeltem Erdgas (v. a. Methan) in einer
formel NH3
stark endothermen Reaktion zu Wasserstoff und
Heute stellt Ammoniak eine wichtige Grundche-
Kohlenstoffmonooxid bei etwa 800 °C an einem
mikalie dar: Über 200 Millionen Tonnen werden
Katalysator umgesetzt:
jährlich weltweit produziert. 80 % davon werden
zu Düngemitteln umgewandelt, der Rest wird CH4 (g) + H2O (g) CO (g) + 3 H2 (g)
zur Herstellung zahlreicher anderer Produkte  | endotherm

70 REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE


HABER-BOSCH-Verfahren 1.4

Im Primärreformer setzt sich das Methan nur Anschließend wird das Gasgemisch aus Am-
unvollständig um. Erhöht wird die Ausbeute von moniak, Wasserstoff und Stickstoff abgekühlt,
Wasserstoff im Sekundärreformer durch die sodass Ammoniak kondensiert und im Abschei-
Zufuhr von Luft bei ca. 1 000 °C. Der Luftsau- der als Flüssigkeit abgetrennt werden kann.
erstoff oxidiert verbleibendes Methan in einer Stickstoff und Wasserstoff werden wieder kom-
exothermen Reaktion zu Kohlenstoffmonooxid. primiert und erneut im Kreislauf dem Reaktor
Dabei wird weiterer Wasserstoff freigesetzt: zugeführt (B2).
2 CH4 (g) + O2 (g) 2 CO (g) + 4 H2 (g) Abbildung zum
Synthese- HABER-BOSCH-
| exotherm reaktor
Verfahren und
Durch die Luftzufuhr kommt an dieser Stelle Erdgas Reaktionsglei-
Wasser chungen mit
auch der für die Synthese benötigte Stickstoff zu
Luft Standard-
dem Gasgemisch. Er reagiert jedoch aufgrund der reaktions-
stabilen Dreifachbindung seiner Moleküle unter enthalpien unter
diesen Reaktionsbedingungen noch nicht. Durch Erzeugung
3 H2+ N2
QR-/Medien-
von code 06011-08
Steuerung der zugeführten Luftmenge lässt sich 3 H2+ N2 2 NH3
bereits hier das richtige Volumenverhältnis von
Stickstoff zu Wasserstoff auf 1 : 3 einstellen. B2 Überblick über das HABER-BOSCH-Verfahren
06011-08
Neben Stickstoff und Wasserstoff liegt im Gas-
gemisch nun auch Kohlenstoffmonooxid vor, das
Das HABER-BOSCH-Verfahren ermöglicht
als Katalysatorgift wirkt. Um es zu entfernen, wird
die großtechnische Umwandlung von
das Gasgemisch als nächstes in der Konvertie-
Luftstickstoff in eine reaktive Stick-
rungsanlage mit weiterem Wasserdampf
stoffverbindung:
versetzt. Damit reagiert das Kohlenstoffmono-
oxid an einem Katalysator in einer exothermen Aus Methan, Luft und Wasserdampf
Reaktion zu weiterem Wasserstoff und Kohlen- wird über mehrere Gleichgewichtsreak-
stoffdioxid: tionen Ammoniak erzeugt.
CO (g) + H2O (g) CO2 (g) + H2 (g)
| exotherm
AUFGABEN
Das Kohlenstoffdioxid lässt sich durch Gaswä-
A1 Nennen Sie wichtige Chemikalien, die aus
sche entfernen.
Ammoniak hergestellt werden, sowie deren
Bedeutung in unserem Alltag (B1).
Synthese von Ammoniak A2 Analysieren Sie für die vier aufgeführten
Gleichgewichtsreaktionen im HABER-
Das so vorliegende Gasgemisch aus Stickstoff
BOSCH-Verfahren jeweils, welche Möglich-
und Wasserstoff wird nun durch einen Wärme-
keiten bestehen, um das Gleichgewicht auf
tauscher geleitet und dort vorgewärmt. Anschlie-
die Seite der Produkte zu verschieben.
ßend wird es in einem Kompressor verdichtet
A3 Erklären Sie, warum das Volumenverhält-
und in den Reaktor geleitet. Bei einer Tempe-
nis von Stickstoff zu Wasserstoff auf 1 : 3
ratur von ca. 400 – 500 °C und einem Druck von
eingestellt wird.
ca. 15 – 30 MPa entsteht hier an einem Katalysa-
A4 Das Auswaschen von Kohlenstoffdioxidgas
tor in einer exothermen Reaktion Ammoniak als
wird z. B. mit Kaliumcarbonatlösung
Stickstoffverbindung:
durchgeführt. Formulieren Sie eine Reakti-
N2 (g) + 3 H2 (g) 2 NH3 (g) onsgleichung dafür.
| exotherm A5 Begründen Sie die Abhängigkeit des Ammo-
niakpreises vom Preis fossiler Brennstoffe.

REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE 71


1.4 HABER-BOSCH-Verfahren

1.4.3 Reaktionsbedingungen

Reaktionsbedingungen der Synthese Wie im Diagramm B3 ersichtlich wird, ist die


Ausbeute an Ammoniak unter den in der Indus-
Der Hauptteil des HABER-BOSCH-Verfahrens, die
trie gewählten Bedingungen eher gering. Eine
eigentliche Synthese von Ammoniak aus den
deutliche Verbesserung der Gleichgewichts-
Elementen im Reaktor , lässt sich wie bereits
lage ließe sich durch eine weitere Erhöhung
dargestellt mit folgender Reaktionsgleichung be-
des Drucks erreichen. Dies ist allerdings einge-
schreiben:
schränkt durch die Umsetzbarkeit – die erfor-
derliche Hochdrucktechnik stellt die Industrie
N2 (g) + 3 H2 (g) 2 NH3 (g)
vor große Herausforderungen.
 | exotherm

Großtechnische Umsetzung
Dabei handelt es sich um eine exotherme Re-
aktion, bei der sich das Gasvolumen verringert. In HABERs Laboraufbau fand die Synthese von
Prinzip von Nach dem Prinzip von LE CHATELIER begünstigen Ammoniak bei 17,5 MPa und 550 °C an einem
LE CHATELIER eine niedrige Temperatur und ein hoher Druck Osmiumkatalysator statt. Dabei wurde eine
• S. 66
die Bildung von Ammoniak im Reaktor, indem Ausbeute von 8 % Ammoniak erzielt. Da HABER
die Gleichgewichtslage auf die Produktseite ver- inzwischen mit der BASF (Badische Anilin- und
schoben wird. Warum wird die Reaktion trotz- Sodafabrik) in Ludwigshafen zusammenarbei-
dem bei 450 °C durchgeführt? tete, beschäftigte sich der dort angestellte CARL
Bei Raumtemperatur lässt sich im Reaktor keine BOSCH von 1909 bis 1913 mit der großtechnischen
Bildung von Ammoniak beobachten: Der Stick- Umsetzung dieses Laboraufbaus.
stoff ist so reaktionsträge, dass der Gleichge- Insbesondere der hohe benötigte Druck bei
wichtszustand der Reaktion nicht erreicht wird. gleichzeitig hoher Temperatur stellte BOSCH
Die Aktivierungsenergie für die Reaktion ist zu dabei vor Probleme: Üblicherweise wurden in
hoch. Erst mithilfe eines Katalysators lässt sich der Industrie Stahlreaktoren verwendet. Der im
die Reaktion so weit beschleunigen, dass sich Stahl enthaltene Kohlenstoff reagierte allerdings
das Gleichgewicht einstellt. Da dieser Kataly- unter dem erforderlichen hohen Druck mit dem
sator aber erst ab 450 °C ausreichend wirksam Wasserstoff zu Methan, wodurch die Stahlreak-
ist, wählt man trotz ungünstigerer Gleichge- toren spröde wurden und Risse bekamen. BOSCH
wichtslage diese Temperatur im Reaktor – als ließ die Reaktoren daher von innen mit reinem,
Kompromiss zwischen ausreichend hoher Reak- weichem Eisen beschichten, welches den äuße-
tionsgeschwindigkeit und brauchbarer Gleichge- ren, stabilen Stahlmantel vor dem Wasserstoff
wichtslage. schützte. Außerdem versah er den Mantel mit
kleinen Entgasungslöchern.
Volumenanteil (NH3) in % 100 MPa Für die Entwicklung chemischer Hochdruckver-
100 30 MPa fahren wurde CARL BOSCH 1931 der Nobelpreis für
90 20 MPa
80 10 MPa Chemie verliehen.
3 MPa
70
0,1 MPa
60
50 Funktionsweise des Katalysators
40
30
Des Weiteren beschäftigten sich CARL BOSCH und
20 sein Assistent ALWIN MITTASCH mit der Suche
10 nach einem für die Industrie geeigneten Kataly-
0 sator. Im Labor hatte HABER hierfür gute Ergeb-
200 300 400 500 600 700
Temperatur in °C nisse mit Osmium erzielt, das jedoch selten und
deshalb teuer war. In unzähligen Experimenten
B3 Ammoniak-Ausbeute in Abhängigkeit von Druck testete MITTASCH verschiedene Katalysatoren
und Temperatur

72 REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE


HABER-BOSCH-Verfahren 1.4

1 „Eisen-Insel“ 2 3 4
N2
H2

Heterogenes System Adsorption und Desorption der gebildeten


aus Katalysator Dissoziation am Ammoniak-Moleküle vom
(„Eisen-Insel“) und Katalysator Katalysator
Gasphase (Wasser-
stoff- und Stickstoff-
Moleküle)

In drei Schritten werden an


jedes Stickstoff-Atom drei
Wasserstoff-Atome angelagert.

B4 Modell der heterogenen Katalyse bei der Ammoniaksynthese

auf ihre Wirksamkeit bei der Ammoniaksyn-


these und fand schließlich ein überzeugendes Da Stickstoff sehr reaktionsträge ist,
Katalysatorsystem aus Eisen(II)-Eisen(III)-oxid erfordert seine Reaktion mit Wasserstoff
mit Zusätzen von Aluminiumoxid, Kaliumoxid, einen Katalysator. Dieser funktioniert
Calciumoxid und Siliciumdioxid. erst ab Temperaturen von ca. 450 °C.
Noch heute ist der damals entwickelte Katalysa- Die hohe Temperatur wirkt sich aller-
tor fast unverändert im Einsatz der zahlreichen dings ungünstig auf die Ammoniak-Aus-
Ammoniak-Produktionsanlagen weltweit. Wie beute im Gleichgewicht aus. Teilweise
genau diese Katalyse funktioniert, wurde erst kompensieren lässt sich dieser Faktor
Jahrzehnte später herausgefunden: GERHARD durch einen hohen Druck im Reaktor.
ERTL erhielt 2007 den Nobelpreis für Chemie für Die herausfordernde Entwicklung der
die vollständige Aufklärung der zugrundeliegen- dafür notwendigen Hochdrucktechnolo-
den Mechanismen (B4). gie gelang BOSCH.

Umweltproblematik
AUFGABEN
Weltweit werden jedes Jahr über 150 Millionen
A1 Erläutern Sie die Wahl der Reaktionsbe-
Tonnen Ammoniak durch das HABER-BOSCH-
dingungen im Reaktor mit Bezug auf die
Verfahren hergestellt. Etwa 80 % davon wird
Abbildung B3.
zu Düngemitteln weiterverarbeitet. Der hohe
A2 Beschreiben Sie Probleme und Lösungen
Energieaufwand, die Entstehung von Kohlen-
bei der Übertragung der Ammoniaksynthe-
stoffdioxid in der Dampfreformierung sowie die
se vom Laborexperiment in den großindus-
Emission von Ammoniak und Stickstoffoxiden in
triellen Maßstab.
die Atmosphäre beschleunigen über den Treib-
A3 Beschreiben Sie die Funktionsweise des Ka-
hauseffekt den Klimawandel.
talysators bei der Ammoniaksynthese (B4).
Die Allzeitverfügbarkeit günstiger Dünger be-
A4 Ermitteln Sie mithilfe von B3 die Ausbeute
förderte die Entstehung der industriellen Ag-
an Ammoniak, wenn man einen Katalysator
rarproduktion. Dies führt heute vielerorts zur
finden würde, der die Reaktion bei 600 °C
Überdüngung der Böden und Gewässer, was
und einem Druck von 20 MPa ermöglicht.
eine Verringerung der Artenvielfalt und eine Be-
A5 Recherchieren Sie zur Eutrophierung von
lastung von Grund- und Trinkwasser durch hohe
Gewässern und stellen Sie einen Bezug zur
Nitratwerte bewirkt.
Grundchemikalie Ammoniak her.

REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE 73


1.4 HABER-BOSCH-Verfahren

1.4.4 FRITZ HABER

Umstrittenes Genie rere Städte setzen sich mit Forderungen nach der
Umbenennung von FRITZ-HABER-Straßen ausein-
Die Entdeckung eines großindustrietauglichen
ander, und auch der heutige Name des 1911 von
Verfahrens für die technische Stickstofffixierung
HABER gegründeten Kaiser-Wilhelm-Instituts für
läutete ein neues Zeitalter in der Landwirtschaft
Physikalische Chemie und Elektrochemie in Ber-
ein. Durch die Ammoniaksynthese konnten
lin, seit 1953 das Fritz-Haber-Institut, wird regel-
Düngemittel in großem Maßstab hergestellt und
mäßig stark kritisiert und eine Namensänderung
die drohende Gefahr einer Hungersnot rasch
gefordert. Was ist der Grund dafür?
gebannt werden. Im Jahr 1913 nahm die BASF die
erste Anlage nach dem HABER-BOSCH-Verfahren
in Betrieb. HABERs Rolle im Ersten Weltkrieg
Als 1914 der Erste Weltkrieg in Europa ausbrach,
meldete HABER sich sofort freiwillig und stellte
seine Forschungen in der Folgezeit ganz in den
Dienst des deutschen Kriegsministeriums.
Für die Kriegsführung entwickelte er zunächst ein
neues Produktionsverfahren für Ammoniumni-
trat, welches für die Herstellung von Sprengstoff
wichtig war: Durch Oxidation von Ammoniak
konnte Salpetersäure hergestellt werden, welche
sich mit weiterem Ammoniak zu Ammoniumni-
trat neutralisieren ließ.
In der Folgezeit konzentrierte sich HABER in sei-
B5 Nachbau der Apparatur, in der HABER bei 550 °C nen Forschungen auf ein noch viel brisanteres
und 17,5 MPa in Gegenwart eines Osmium-Katalysa-
tors 80 g Ammoniak pro Stunde synthetisierte. Eine Feld: die Entwicklung von Giftgasen als erste
vergleichbare Apparatur steht heute im Deutschen chemische Massenvernichtungswaffen. Er pro-
Museum in München. pagierte zunächst die Verwendung von Chlorgas
und überwachte persönlich den ersten Einsatz
Für seine Forschungen zur Ammoniaksynthese
1915, der den Beginn des Gaskriegs markierte.
wurde FRITZ HABER der Nobelpreis für Chemie
Da Chlor eine höhere Dichte als Luft aufweist,
für das Jahr 1918 verliehen.
sank es in die französischen Schützengräben und
Diese Entscheidung des Nobel-Komitees wurde
führte dort zu tausenden Verletzten und Toten.
bereits damals von großen internationalen Pro-
Im weiteren Verlauf wurden unter HABERs Regie
testen begleitet. Auch heute noch wird HABER
auch Senfgas und Phosgen als Giftgase einge-
als Person und der Umgang mit ihm und seinem
setzt. Insgesamt starben durch diesen Gaskrieg
Lebenswerk immer wieder heftig diskutiert: Meh-
zwischen 1915 und 1918 ungefähr 90 000 Sol-
daten, etwa 1,2 Millionen Menschen wurden da-
durch verletzt.
FRITZ HABER selbst zeigte keinerlei moralische
Bedenken. Er war der Meinung, dass ein Wis-
senschaftler „im Frieden der Menschheit, im
Krieg dem Vaterland“ gehöre. Seine Beförderung
zum Hauptmann nach den erfolgreichen Gift-
gaseinsätzen nahm er voller Begeisterung an. In
dem von ihm geleiteten Kaiser-Wilhelm-Institut
beschäftigten sich 1918 fast 1 450 Mitarbeiter mit
B6 Die „Karlsruher Lösung“ nach Diskussionen über der Entwicklung von Gaskampfstoffen und Gas-
eine Umbenennung der FRITZ-HABER-Straße schutzmasken.

74 REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE


HABER-BOSCH-Verfahren 1.4

„Ich war einer der


mächtigsten Män-
ner in Deutschland“,
schrieb HABER später.
„Ich war mehr als ein
großer Heerführer,
mehr als ein Indus-
triekapitän.“
Allerdings war der
Einsatz von Giftgas
schon damals durch
die auch vom Deut-
schen Reich unter- B7 FRITZ HABER (links), Gaskrieg 1917 (Mitte) und CLARA IMMERWAHR (rechts)

zeichnete Haager
Landkriegsordnung
untersagt. Wegen des Verstoßes dagegen wurde BERs Regie erschoss sie sich während des Fests zu
HABER nach dem Ende des Ersten Weltkrieges seiner Beförderung im Garten mit seiner Dienst-
zeitweise von den Alliierten als Kriegsverbrecher waffe. Noch am selben Tag reiste HABER an die
gesucht. Ostfront.
Auch heute wird in manchen Kriegen Giftgas
eingesetzt, obwohl dies gegen das internationale Nach dem Ersten Weltkrieg forschte HABER an
Verbot von Entwicklung und Einsatz chemischer der Entwicklung von Pestiziden. Eines davon,
Waffen durch die Chemiewaffenkonvention von Zyklon B, wurde im Zweiten Weltkrieg in den
1997 verstößt, die von fast allen Staaten der Welt Gaskammern deutscher Konzentrationslager
unterzeichnet wurde. im Holocaust eingesetzt. HABER erlebte dies al-
lerdings nicht mehr: Er starb 1934, nachdem er
Deutschland wegen seiner jüdischen Wurzeln
CLARA IMMERWAHr
ein Jahr zuvor verlassen hatte.
Ähnlich rücksichtslos wie in seiner militaristi-
schen Forschung zeigte HABER sich auch in sei-
FRITZ HABER wurde für sein Verfahren zur
nem Privatleben. Als Doktorand lernte er CLARA
Ammoniaksynthese der Nobelpreis für
IMMERWAHR, geboren 1870 in Schlesien, kennen.
das Jahr 1918 verliehen.
Gegen alle Widerstände der damaligen Zeit er-
langte diese über Umwege mit Sondergenehmi- Auf Grundlage dieser Forschungen wur-
gungen das Abitur und die Erlaubnis, Vorlesun- de eine drohende Hungerkatastrophe
gen an der Universität Breslau zu besuchen. Dort gebannt.
erhielt sie im Jahr 1900 als erste Frau an der Uni-
Im Ersten Weltkrieg war er federführend
versität Breslau und zweite Frau deutschlandweit
bei der Entwicklung von Giftgas als
den Doktortitel der Chemie – ein Meilenstein für
Massenvernichtungswaffe.
das Studium von Frauen in Deutschland. Im fol-
genden Jahr nahm IMMERWAHR den Heiratsantrag
von FRITZ HABER an und wurde in dieser Ehe zu
ihrem Leidwesen rasch aus der Wissenschaft und AUFGABEN
in die typische Frauenrolle der damaligen Zeit ge- A1 Diskutieren Sie die Vergabe des Nobel-
drängt. preises an FRITZ HABER im Hinblick auf sein
Im Ersten Weltkrieg setzte sie sich zunehmend Lebenswerk.
laut gegen HABERs Giftgasforschung ein. Kurz A2 Beurteilen Sie die „Karlsruher Lösung“ zur
nach dem ersten großen Giftgaseinsatz unter HA- FRITZ-HABER-Straße (B6).

REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE 75


E EXKURS

1.4.5 Großtechnische Synthese von Schwefelsäure

Neben Ammoniak gibt es einen


zweiten wichtigen Grundstoff, der
überwiegend zur Herstellung mi-
neralischer Düngemittel verwen-
det wird: Schwefelsäure.
In der Natur entsteht Schwefel-
säure nur selten unter extremen
Bedingungen wie im Geothermal-
gebiet Dallol (B1) oder in der At-
mosphäre als Bestandteil des sau-
ren Regens – die Bildung scheint
nicht trivial zu sein.
Mit einer Weltjahresproduktion
von etwa 150 Millionen Tonnen
ist Schwefelsäure jedoch eine der
weltweit meistproduzierten anor-
B1 Natürlich entstandener Schwefelsäuretümpel im Geothermalgebiet Dallol
ganischen Chemikalien. Wie wird
in Äthiopien
Schwefelsäure industriell herge-
stellt?
 Oxidation von Schwefeldioxid: als „rauchende Schwefelsäure“ be-
Als Edukte für die Synthese von Das heiße Schwefeldioxid-Luft- zeichnet wird. Das enthaltene
Schwefelsäure H 2SO 4 wird neben Gemisch wird durch einen Abhitze- Schwefeltrioxid entweicht leicht aus
Luft und Wasser nur Schwefel be- kessel geleitet und gelangt so auf ca. der Lösung und bildet dann mit der
nötigt. Dieser wird überwiegend aus 450 °C gekühlt in den Kontaktkessel. Luftfeuchtigkeit einen Nebel aus
Schwefelwasserstoff gewonnen, der Dort findet die katalytische Oxidati- Schwefelsäuretröpfchen.
in großen Mengen als Abfallprodukt on von Schwefeldioxid zu Schwefel-
bei der Entschwefelung fossiler Roh- trioxid statt:  Reaktion mit Wasser:
stoffe wie Erdgas und Erdöl anfällt. Durch Zufluss von Wasser zur rau-
Außerdem wird Schwefel in man- 2 SO2 (g) + O2 (g) 2 SO3 (g) chenden Schwefelsäure hydrolysiert
chen Ländern auch in Schwefella-  | exotherm diese in einem zweiten Schritt zu kon-
gerstätten abgebaut. zentrierter Schwefelsäure (w = 98 %):
Die großtechnische Synthese erfolgt  Reaktion mit Schwefelsäure:
heute fast überall im sogenannten Das gebildete Schwefeltrioxid re- H2S2O7 (l) + H2O (l) 2 H2SO4 (l)
Doppelkontaktverfahren (B2). agiert nur langsam und in gerin-
gem Ausmaß direkt mit Wasser zu Sowohl rauchende als auch konzen-
Überblick Schwefelsäure. Deshalb leitet man trierte Schwefelsäure sind gefragte
Generell lässt sich die Synthese in das Gas aus dem Kontaktkessel Chemikalien im Handel.
drei Schritte unterteilen: zunächst in konzentrierte Schwe-
felsäure ein, die in den Absorbern SO2/SO3-Gleichgewicht
 Verbrennung von Schwefel: vorliegt. In Schwefelsäure löst sich im Kontaktkessel
Im Verbrennungskessel wird flüssi- das Schwefeltrioxid vollständig und Der entscheidende Schritt bei der
ger, auf ca. 150 °C erhitzter Schwefel bildet dabei Dischwefelsäure: Synthese der Schwefelsäure ist die
fein zerstäubt mit Luft umgesetzt. Oxidation von Schwefeldioxid zu
Dabei reagiert der Luftsauerstoff mit SO3 (g) + H2SO4 (l) H2S2O7 (l) Schwefeltrioxid im Kontaktkessel.
dem Schwefel zu Schwefeldioxid: Ähnlich wie bei der Ammoniaksyn-
Es entsteht ein Gemisch aus Di- these im HABER-BOSCH-Verfahren
S (l) + O2 (g) SO2 (g) schwefelsäure, Schwefelsäure und handelt es sich auch hier um eine
 | exotherm gelöstem Schwefeltrioxid, das auch exotherme Reaktion, deren Pro-

76 REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE


EXKURS E

Abhitzkessel
Wasser- Abgase
dampf (N2 , SO2 )
Wasser
Zwischen- End-
1. Horde Kat. 450 °C absorber absorber
SO2 , 60 % Umsatz O2 , SO2 , N2
O2 , 620 °C
N2 konz. Schwefel-
2. Horde Kat. 450 °C
säure (w = 98 %)
90 % Umsatz Wärme-
510 °C tauscher H2SO4
H2SO4 H2SO4
3. Horde Kat. 450 °C
Schwefel 95 % Umsatz O2 , SO3 , H2O
475 °C
(S)
SO2 , N2 rauchende
430 °C Schwefelsäure
Luft 4. Horde Kat. SO3 , H2S2O7, H2SO4
(N2 , O2) > 99,5 %
Umsatz 450 °C

SO3 , N2 , SO2
Verbrennungskessel Kontaktkessel

B2 Schematischer Aufbau einer Anlage zur Schwefelsäuresynthese nach dem Doppelkontaktverfahren

duktanteil im Gleichgewicht mit Schwefeltrioxid steigt entsprechend


steigender Temperatur sinkt. Nach bei jedem Schritt. Nachdem die
dem Prinzip von LE CHATELIER wäre Gase drei Horden durchdrungen ha-
deshalb für eine hohe Ausbeute ben, werden sie durch konzentrierte
an Schwefeltrioxid eine möglichst Schwefelsäure im Zwischenabsorber
geringe Temperatur günstig. Dabei geleitet. Dabei wird dem Gasgemisch
sinkt allerdings auch die Reaktions- das bereits entstandene Schwe- AUFGABEN
geschwindigkeit so stark, dass die feltrioxid entzogen; es reagiert zu A1 Recherchieren Sie Einsatzfelder
Reaktion fast zum Erliegen kommt. Dischwefelsäure. Nach dem Prinzip für Schwefelsäure für die Her-
Durch den Einsatz eines Katalysators von LE CHATELIER wird seine Nach- stellung von Produkten in und
aus Vanadium(V)-oxid V2O5 lässt bildung an der vierten Horde durch außerhalb der Landwirtschaft.
sich die Reaktionsgeschwindigkeit Entzug des Produkts gefördert. Wei- A2 Fassen Sie alle Aspekte zu-
ausreichend beschleunigen. Der Ka- tere Maßnahmen zur Beeinflussung sammen, die im Kontaktkessel
talysator ist allerdings nur zwischen des Gleichgewichts im Kontaktkessel einen möglichst hohen Anteil
ca. 420 °C und 620 °C wirksam. Die sind ein deutlicher Überschuss an an Schwefeltrioxid im Gleich-
freigesetzte Reaktionswärme muss Luft sowie in manchen Anlagen ein gewicht bewirken. Begründen
deshalb zwischendurch mehrfach erhöhter Druck. Sie die Effekte der eingesetzten
mittels Wärmetauschern abgeführt Reaktionsbedingungen.
werden. Der Kontaktkessel ist des- Durch den Einbau des Zwischenab- A3 Erläutern Sie den Aufbau des
halb als Hordenkontaktofen aufge- sorbers (Doppelkontakt) wurde der Kontaktkessels sowie die Vor-
baut. Der Katalysator liegt auf insge- Anteil des nicht umgesetzten Schwe- teile des Doppelkontaktverfah-
samt vier Horden (Rosten), die das feldioxids im Vergleich zu früheren rens in Bezug auf die Umwelt.
Gasgemisch aus Luft, Schwefeldioxid Anlagen deutlich verringert. Das ist A4 Vergleichen Sie die Reaktions-
und zunehmend mehr Schwefeltri- besonders wichtig, da das verblie- bedingungen zur Beeinflussung
oxid durchströmt. Nach jeder Hor- bene Schwefeldioxidgas als Abgas des Gleichgewichts bei der
de werden die Produktgase durch in die Luft geleitet wird und dort zur Ammoniaksynthese nach dem
einen Wärmetauscher geleitet und Bildung von saurem Regen beiträgt. HABER-BOSCH-Verfahren (Kap.
so wieder auf eine günstige Tem- 1.4.2) mit denen der Schwefel-
peratur abgekühlt. Die Ausbeute an säuresynthese.

REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE 77


1.5 Löslichkeitsgleichgewichte
In unterirdischen Höhlen und tiefen Gesteinsspalten findet man manchmal Kristall-
höhlen oder Kristallklüfte: Dort haben sich Minerale in Form von wunderschönen
Kristallen gebildet. Viele dieser Minerale wie Topas und Smaragd bestehen aus Sal-
zen. Wie entstehen ihre Kristalle?

1.5.1 Versuche und Material

V Herstellung gesättigter Salzlösungen 3 5 7 9

Wenn in Spalten oder Höhlen Grundwasser ein- Lassen Sie die beiden Lösungen mit Bodensatz min-
dringt, löst dieses oft über lange Zeit Mineralsalze destens einen Tag stehen.
aus dem umgebenden Gestein. So bilden sich dort
AUSWERTUNG
Salzlösungen. Wovon hängt ihre Konzentration ab?
a) Beschreiben Sie die Beobachtungen bei V1 .
V1 Geben Sie 100 mL Wasser in ein Becherglas und Formulieren Sie eine Gleichung für den Lösevor-
rühren Sie so viel Kaliumnitrat (GHS 3) ein, bis die gang von Kaliumnitrat in Wasser und erarbeiten
Lösung gesättigt ist, d. h. bis das Salz einen Boden- Sie eine Aussage zur Temperaturabhängigkeit
satz bildet. Erwärmen Sie das Gemisch anschließend. mithilfe von geeigneten Formeln und Symbolen.
b) Vergleichen Sie die Massen der Salze in V2 , die
V2 Füllen Sie 100 mL Wasser in ein Becherglas
zur Herstellung der gesättigten Lösungen nötig
und erwärmen Sie es auf ca. 40 °C. Geben Sie dann
sind. Berechnen Sie die Konzentrationen der
in kleinen Portionen Kupfer(II)-sulfat-Pentahydrat
darin enthaltenen Ionen.
CuSO4 · 5 H2O (GHS 5 | 7 | 9) dazu, bis sich das Salz
c) Fassen Sie die Bedingungen zusammen, unter
auch nach längerem Umrühren nicht mehr voll-
denen sich bei V1 und V2 gesättigte Lösungen
ständig löst. Notieren Sie die ungefähre Masse des
bilden. Vergleichen Sie diese mit Bedingungen in
gelösten Salzes. Wiederholen Sie V2 mit Kaliumalaun
der Natur.
KAl(SO4)2 · 12 H2O.
ENTSORGUNG V1: A; V2: Aufbewahren für V3

78 REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE


Versuche und Material 1.5

V/M Züchten von Kristallen 5 7 9

Gesättigte Salzlösungen sind die Voraussetzung für AUSWERTUNG


das Entstehen und Wachsen von Kristallen. Welche a) Beschreiben Sie die Produkte von V3 in den
Reaktionsbedingungen sind dafür günstig? beiden Bechergläsern. Diskutieren Sie Ursachen
für die unterschiedlichen Formen der Kristalle.
V3 Filtrieren Sie die beiden gesättigten Salzlösun-
b) Erklären Sie das Wachstum von Kristallen mit
gen aus V2 in saubere Bechergläser und stellen Sie
Bezug auf die Gleichgewichtsstörungen, die Sie in
sie für einige Tage an einen ruhigen Ort mit gleich-
Kapitel 1.3 kennengelernt haben.
bleibender Temperatur.
ENTSORGUNG G2
M4 Ein Experiment zur Züchtung größerer
Kristalle finden Sie als Video unter QR-/
Mediencode 06011-09. 06011-09

V Effekte beim Mischen von Lösungen mit gleichen Ionen 3 5 7 8

Oft liegen viele verschiedene Gesteine und Minerale In RG 3 werden 5 mL Perchlorsäure HClO4
nebeneinander vor und lösen sich in eindringen- (w = 60 %, GHS 3 | 5 | 7 | 8) hinzugegeben.
dem Wasser. Es entstehen Lösungen, die mehrere
AUSWERTUNG
Ionensorten enthalten. Wieso kommt es auch dabei
a) Beschreiben Sie die Beobachtungen in den drei
manchmal zur Ausfällung von Mineralen?
Reagenzgläsern.
LV5 In drei Reagenzgläser (RG) wird jeweils bis zur b) Formulieren Sie die Reaktionsgleichung für den
Hälfte heiß gesättigte Kaliumperchloratlösung Lösevorgang von Kaliumperchlorat in Wasser.
KClO4 (aq) (GHS 3 | 7) vorgelegt. Anschließend c) Erklären Sie die unterschiedlichen Beobachtun-
werden je 5 mL folgender Lösungen zugegeben: gen in den drei Reagenzgläsern mit Bezug auf das
Prinzip von LE CHATELIER.
In RG 1 werden 5 mL gesättigte Kaliumchloridlösung
hinzugefügt. Zu RG 2 werden 5 mL gesättigte Natri- ENTSORGUNG G2
umchloridlösung gegeben.

M Behandlung von Bariumvergiftungen

Das Mineral Baryt ist die häufigste Quelle für das AUSWERTUNG
Element Barium. Aus ihm werden zahlreiche Bari- a) Stellen Sie eine Hypothese zur Wirkung von Na-
umverbindungen gewonnen, die zum Beispiel in der triumsulfatlösung bei der Behandlung einer Ba-
Medizin als Kontrastmittel eingesetzt werden. riumvergiftung auf. Beziehen Sie sich dabei auch
auf die Löslichkeitsprodukte von Bariumsalzen
M6 Bei versehentlicher oder beabsichtigter Auf-
(B2 auf S. 81): Je kleiner das Löslichkeitsprodukt
nahme von Bariumnitrat oder Bariumchlorid kommt
ist, desto schlechter löst sich das Salz in Wasser.
es zu Muskelkrämpfen und Herzstörungen, die bis
b) Formulieren Sie eine Reaktionsgleichung für
zum Tod führen können. Ursächlich hierfür sind die
die Wirkung der Natriumsulfatlösung bei einer
Barium-Ionen. Als schnell wirksames Gegenmittel
Bariumvergiftung. Treffen Sie eine Aussage zur
wird Natriumsulfatlösung eingesetzt, die zum Trinken
Gleichgewichtslage dieser Reaktion.
verabreicht und in schweren Fällen zusätzlich intra-
venös in die Blutbahn eingeleitet wird.

REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE 79


1.5 Löslichkeitsgleichgewichte

1.5.2 Lösen und Fällung von Salzen

Vorgänge in einer Salzlösung


Beim Lösen von Salzen müssen Ionenbindun- +

gesättigte
gen zwischen den Ionen der Salzkristalle über- Lösung
wunden werden. Dabei lösen sich die einzel- +

nen Ionen aus dem Ionengitter des Salzes. Die +


+
+
+
+
+
+
+
+
+
Boden-
Wasser-Moleküle bilden sofort Hydrathüllen satz
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+

um die Ionen, was den Löseprozess energetisch


begünstigt. Auch die Rückreaktion, die Fällung
von Salzen aus einer Salzlösung, ist möglich: Hy- B1 Vorgänge in einer gesättigten Salzlösung
dratisierte Ionen lagern sich unter Freisetzung
der Wasser-Moleküle der Hydrathüllen wieder
Diese neue Konstante wird als Löslichkeitspro-
zu einem Ionengitter zusammen. Welche der
dukt KL bezeichnet. Allgemein formuliert ergibt
beiden Reaktionen überwiegt, ist abhängig von
sich für die Lösung eines Salzes AxBy:
Gesättigte Lösung: den Reaktionsbedingungen. In einer gesättigten
Lösung, in der die Kaliumnitratlösung mit einem Bodensatz aus un- KL(AxBy) = cx(Aa+) · cy(Bb-)
maximal mögliche
gelöstem Salz (V1) besteht an der Phasengrenze
Menge eines Stof- Das Löslichkeitsprodukt KL ist ein Maß für die
fes gelöst ist ein Gleichgewicht zwischen Lösungs- und Fäl-
Löslichkeit eines Salzes bei einer gegebenen
lungsreaktion (B1):
Temperatur: Je größer KL ist, desto mehr Ionen
Der dargestellte Lösen
Prozess wird auch befinden sich in der gesättigten Lösung, und
KNO3 (s) K+ (aq) + NO3- (aq)
als Dissoziation Fällung desto besser löst sich das Salz in Wasser. Die
bezeichnet. Löslichkeitsprodukte von Salzen unter Standard-
Da es sich bei dem Bodensatz um einen Feststoff
bedingungen sind in Formelsammlungen tabella-
handelt, bei der darüber befindlichen Salzlösung
risch angegeben (B2).
hingegen um eine Flüssigkeit, ist dieses Löslich-
keitsgleichgewicht ein Beispiel für ein heteroge-
nes Gleichgewicht. Störungen des Gleichgewichts
In einer gesättigten Lösung mit Bodensatz be-
Löslichkeitsprodukt steht ein dynamisches Gleichgewicht: Die Kon-
zentration der Ionen in der Lösung bleibt da-
Formuliert man für die oben genannte Reaktion
durch konstant.
das Massenwirkungsgesetz (MWG), so ergibt
Änderungen der Konzentrationen oder der Tem-
sich:
peratur bewirken auch hier eine Neueinstellung
c(K+) · c(NO3-)
Kc = c(KNO3)
des Gleichgewichts nach dem Prinzip von LE CHA-
TELIER. Je nachdem, ob dafür Hin- oder Rückre-
Für die Konzentrationen der gelösten Ionen ist es
aktion kurzzeitig verstärkt ablaufen, kommt es
allerdings irrelevant, wie viel Bodensatz sich im
dabei zum Lösen des Bodensatzes oder zur Fäl-
Reaktionsgefäß befindet. Seine Konzentration
lung von Salz aus der Lösung.
lässt sich deshalb als konstant ansehen. Multi-
Die Ionenkonzentration verändert sich beispiels-
pliziert man diese konstante Konzentration des
weise durch das Hinzufügen von Lösungen, die
Bodensatzes mit der Gleichgewichtskonstante
eine Ionenart der ursprünglichen gesättigten
Kc, so erhält man eine neue Konstante KL:
Lösung enthält (LV5). Auch das Verdunsten von
KL(KNO3) = Kc · c(KNO3) = c(K+) · c(NO3-) Wasser führt zu höheren Ionenkonzentrationen
in der Lösung (V3, M4). In beiden Fällen kommt
es zur Fällung von Salz aus der Lösung.

80 REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE


Löslichkeitsgleichgewichte 1.5

Der Einfluss der Temperatur auf das Löslichkeits-


gleichgewicht hängt davon ab, ob der Lösevor- FM Mit der Löslichkeitskonstante rechnen
gang des entsprechenden Salzes exotherm oder
endotherm ist. Wie bei anderen reversiblen Re-
aktionen begünstigt eine Temperaturerhöhung Berechnen Sie die Konzentration c der Ionen einer gesättigten
das Ablaufen der endothermen Reaktion und Calciumsulfatlösung.
umgekehrt (V1).
VORGEHEN
1. Formulieren Sie die Gleichung für die Lösungsreaktion.
Entstehung von Salzkristallen CaSO4 (s) Ca2+ (aq) + SO42- (aq)
Wie kommt es in der Natur oder im Experiment 2. Bestimmen Sie das Löslichkeitsprodukt für diese Reaktion.
(V3, M4) zur Entstehung von formschönen, gro- KL = c(Ca2+) · c(SO42-)
ßen Kristallen statt eines gewöhnlichen, feinkör-
3. Bestimmen Sie anhand der Reaktionsgleichung das Kon-
nigen Bodensatzes?
zentrationsverhältnis der beteiligten Ionen:
Zugrunde liegt in beiden Fällen eine Störung des c(Ca2+) = c(SO42-)
ehemals im Gleichgewicht befindlichen Systems
4. Stellen Sie die Gleichung für das Löslichkeitsprodukt nach
einer gesättigten Lösung 
der gesuchten Größe um: c(Ca2+) = KL
• entweder durch Konzentrationsänderungen,
5. Setzen Sieden tabellarisierten Wert für KL ein.
meist durch Verdunstung von Wasser aus der
 c(Ca2+) = 2,4 · 10-5 mol2/L2  0,005 mol/L
Lösung
• oder durch eine Temperaturänderung.
Sättigungs-
Kristalle bilden sich, wenn sich die einzelnen In einer gesättigten Salzlösung herrscht konzentration:
Ionenkonzentrati-
Ionen eines Salzes ganz geordnet zu einem ein- ein Gleichgewicht zwischen dem Löse-
on in einer gesät-
zigen, großen Ionengitter zusammenlagern. Da- vorgang und der Fällung von Salz aus der tigten Salzlösung
durch entsteht ein großer, regelmäßiger Salzkris- Lösung. Die Lage dieses Gleichgewichts
tall, dessen äußere Form die innere geometrische lässt sich durch das Löslichkeitsprodukt
Anordnung der Ionen im Gitter wiedergibt. Prin- KL beschreiben, welches ein Maß für die
zipiell ist es energetisch etwas günstiger, wenn Löslichkeit eines Salzes bei einer gege-
sich Ionen an einem bereits bestehenden Salz- benen Temperatur darstellt.
gitter anlagern. Damit dieser kleine energetische
Unterschied auch zum Tragen kommt, müssen
die Reaktionsbedingungen ein langsames Fällen AUFGABEN
des Salzes ermöglichen: Schnelle Temperaturän- A1 Zu einer gesättigten Bleiiodidlösung mit
derungen oder rasches Verdunsten des Wassers Bodensatz gibt man weiteres festes Blei-
sind dabei kontraproduktiv. iodid, das radioaktive Iod-Isotope enthält.
Erklären Sie, dass nach einiger Zeit auch in
Salz Löslichkeitsprodukt KL bei 20 °C der Lösung radioaktive Ionen auftreten.
BaSO4 1,6 ∙ 10-9 mol2/L2 A2 Ordnen Sie die Salze von B2 nach steigen-
Ba(NO3)2 4,6 ∙ 10-3 mol3/L3 der Löslichkeit in Wasser. Vergleichen Sie
CaSO4 2,4 ∙ 10-5 mol2/L2 die Löslichkeiten der beiden Bariumsalze
CaCO3 4,7 ∙ 10-9 mol2/L2 (M6) und begründen Sie, dass das Trinken
PbCl2 1,6 ∙ 10-5 mol3/L3 einer Bariumsulfatsuspension vor dem
PbI2 1,4 ∙ 10-8 mol3/L3 Röntgen unbedenklich ist.
AgBr 5,0 ∙ 10-13 mol2/L2 A3 Berechnen Sie jeweils die Sättigungskon-
zentrationen von Bariumnitrat und von
B2 Löslichkeitsprodukte einiger Salze in Wasser Bleichlorid.

REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE 81


BW BASISWISSEN

Alles im Blick

1 Reaktionsgeschwindigkeit

Unter Reaktionsgeschwindigkeit versteht man den Die Reaktionsgeschwindigkeit ist hoch, wenn …
Stoffumsatz einer chemischen Reaktion in Abhängig-
… die Konzentration der Reaktanten hoch ist.
keit zur Reaktionszeit.
Da die Reaktionsgeschwindigkeit sich während der … der Zerteilungsgrad der Reaktanten hoch ist.
Reaktion verändert, unterscheidet man zwischen
_ … die Temperatur hoch ist.
der mittleren Reaktionsgeschwindigkeit vr und der
Momentangeschwindigkeit vr. Die mittlere Reak- … ein Katalysator zum Einsatz kommt.
tionsgeschwindigkeit beschreibt die Änderung der
Die Beeinflussung der Reaktionsgeschwindigkeit
Stoffmenge ∆n oder (bei Lösungen) der Konzentrati-
kann auf Teilchenebene mit der Stoßtheorie erklärt
on ∆c eines Stoffes in einem bestimmten Zeitintervall
werden. Sie besagt, dass für die Umwandlung von
∆t.
Edukt-Teilchen in Produkt-Teilchen die Edukt-Teil-
_ Δn _ mol
vr = Δt [ vr ] = 1 s = 1 mol ∙ s-1 bzw. chen mit einer ausreichend hohen Geschwindigkeit
zusammenstoßen müssen. Die dafür nötige Min-
_ Δc _ mol
vr = Δt [ vr ] = 1 = 1 mol ∙ L-1 ∙ s-1 destenergie entspricht der Aktivierungsenergie der
L∙s
Reaktion.
Für die Momentangeschwindigkeit wird ∆t als ein
gegen Null strebendes Zeitintervall definiert. Da die
Konzentration der Reaktanten im Verlauf der Reakti-
on abnimmt, wird auch die Reaktionsgeschwindigkeit
geringer. Es gilt:
vr = k ∙ c(A) ∙ c(B) (k: Geschwindigkeitskonstante)

2 Chemisches Gleichgewicht

Chemische Reaktionen sind reversibel. Bei Gleich- Die Konzentration der Edukte ...
gewichtsreaktionen laufen Hin- und Rückreaktion Kc  1 ... ist größer als die der Produkte.
gleichzeitig ab, wodurch Edukte und Produkte nur Kc = 1 ... ist gleich der der Produkte.
unvollständig umgesetzt werden. Gleichgewichts- Kc  1 ... ist kleiner als die der Produkte.
reaktionen kennzeichnet man mit einem Gleichge-
wichtspfeil ( ). Im geschlossenen System stellt
Kennzeichen des chemischen Gleichgewichts:
sich bei konstanter Temperatur ein Gleichgewichts-
zustand, das chemische Gleichgewicht, ein. • im Gleichgewichtszustand konstante Konzent-
rationen der Edukte und Produkte
Die Lage des chemischen Gleichgewichts wird mit-
hilfe des Massenwirkungsgesetzes (MWG) durch • zeitgleiche Bildung und Zerlegung identischer
den Wert der Gleichgewichtskonstante Kc beschrie- Stoffmengen an Produkten und Edukten (dyna-
ben: misches Gleichgewicht)
cc(C) · cd(D)
aA+bB cC+dD Kc = a • gleich große Reaktionsgeschwindigkeiten der
c (A) · cb(B)
Hin- und der Rückreaktion (vHin = vRück)
Kc besitzt bei gegebener Temperatur für jede Reakti-
on einen charakteristischen Wert. Es gilt:

82 REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE


1

3 Das Prinzip von LE CHATELIER

Stört man ein System im chemischen Gleichgewicht Die Verwendung eines Katalysators beeinflusst das
durch Änderung der äußeren Bedingungen (Konzen- chemische Gleichgewicht nicht, führt aber dazu, dass
tration, Druck, Temperatur), weicht das chemische sich der Gleichgewichtszustand schneller einstellt.
Gleichgewicht diesem äußeren Zwang aus. Dazu
Änderung ... begünstigt die Reaktion, die …
findet die Reaktion verstärkt statt, die der Änderung
Konzentration ... den Stoff mit erhöhter Konzentration
entgegenwirkt. Nach LE CHATELIER bezeichnet man
verbraucht.
dies als Prinzip vom kleinsten Zwang.
Konzentration ... den Stoff mit verminderter Konzen-
Nach Konzentrations- oder Druckänderungen stellt tration entstehen lässt.
sich der ursprüngliche Gleichgewichtszustand wieder Druck ... unter Volumenabnahme erfolgt.
ein und der Wert für Kc verändert sich nicht. Druck ... unter Volumenzunahme erfolgt.
Nach Temperaturänderungen stellt sich ein neuer
Temperatur ... endotherm verläuft.
Gleichgewichtszustand ein und Kc nimmt den für die
neue Temperatur charakteristischen Wert an. Temperatur ... exotherm verläuft.

4 Die technische Ammoniaksynthese

Großtechnisch wird Ammoniak nach dem HABER- zwischen ausreichend hoher Reaktionsgeschwindig-
BOSCH-Verfahren unter Verwendung eines Kataly- keit und brauchbarer Gleichgewichtslage.
sators bei 400 – 500 °C und ca. 15 – 30 MPa aus
Volumenanteil (NH3) in % 100 MPa
Luftstickstoff und Wasserstoff hergestellt: 100 30 MPa
90 20 MPa
N2 (g) + 3 H2 (g) 2 NH3 (g) 80 10 MPa
3 MPa
70
0,1 MPa
Bei der exothermen Hinreaktion handelt es sich um 60
eine Reaktion unter Volumenabnahme. Um eine 50
40
maximale Ausbeute zu erreichen, wären eine niedrige 30
Temperatur und ein hoher Druck nötig. Da der Kata- 20
lysator jedoch erst ab 450 °C ausreichend wirksam 10
0
ist, wählt man trotz ungünstigerer Gleichgewichts- 200 300 400 500 600 700
Temperatur in °C
lage diese Temperatur im Reaktor – als Kompromiss

5 Löslichkeitsgleichgewichte

Beim Lösen von Salzen stellt sich in gesättigten Lö- Ein großer Wert für KL drückt aus, dass das Salz gut
sungen ein Löslichkeitsgleichgewicht zwischen dem löslich ist.
Feststoff am Boden und der Salzlösung darüber ein.
Löslichkeitsgleichgewichte reagieren nach dem
Das Löslichkeitsgleichgewicht wird durch das Lös- Prinzip von LE CHATELIER auf Konzentrations- und
lichkeitsprodukt KL beschrieben: Temperaturveränderungen. Ein Beispiel dafür ist die
Entstehung von Salzkristallen.
KL(AxBy) = cx(Aa+) ∙ cy(Bb-)

REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE 83


A AUFGABEN

Zum Üben und Weiterdenken


A1 Mit der folgenden Apparatur wird im Laborversuch d) Wenn gasförmige Stoffe an der Gleichgewichts-
die Reaktionsgeschwindigkeit der Reaktion von reaktion beteiligt sind, kann sie durch Druckän-
Zink mit Salzsäure untersucht. derung beeinflusst werden.
e) Erhöht man die Konzentration der Edukte einer
Gleichgewichtsreaktion, erhöht sich auch Kc.

A4 Bei der Synthese von Ammoniak stellt sich ein


Salzsäure
chemisches Gleichgewicht ein:
Zinkpulver Wasser 3 H2 + N2 2 NH3
a) Beschreiben
a) Stellen Sie die Reaktionsgleichung für die gezeig- Sie den Kur- Volumenanteil (NH3) in %
te Reaktion auf. venverlauf im 50
mit Katalysator
b) Erklären Sie, wie mithilfe der Apparatur die Re- Hinblick auf 40
ohne Katalysator
aktionsgeschwindigkeit ermittelt werden kann. die Steigung, 30
c) Schlagen Sie eine Möglichkeit vor, wie die die Reakti- 20
Reaktionsgeschwindigkeit der Reaktion erhöht onsgeschwin-
10
werden kann. digkeit und
0
d) Erklären Sie, dass man die Apparatur nicht nut- den Gleichge- Zeit
zen kann, um die Reaktionsgeschwindigkeit der wichtszustand.
Reaktion von Kalk mit Essigsäure zu ermitteln. b) Leiten Sie aus dem Diagramm ab, ob die Gleich-
gewichtskonstante kleiner oder größer Eins ist.
A2 Die Stoffmenge an Wasserstoff, die während
c) Beschreiben Sie den Einfluss des Katalysators
der Reaktion von
n(H2) in mol auf die Einstellung des Gleichgewichtszustands.
Zink mit verdünn-
ter Schwefelsäure
A5 In einem geschlossenen Kolben (1 L) werden
entsteht, verändert
0,4 mol Methansäuremethylester mit 0,4 mol Was-
sich während der
ser hydrolysiert und die Konzentration der entste-
Reaktion.
henden Methansäure bestimmt. Nach
a) Beschreiben Sie t in s
15 Minuten bleibt die Konzentration der Methan-
die Veränderung
säure konstant bei 0,15 mol/L. Berechnen Sie die
der entstehenden Stoffmenge an Wasserstoff im
Gleichgewichtskonstante Kc.
Verlauf der Reaktion.
b) Leiten Sie aus dem Kurvenverlauf die Verände- A6 Gießt man kohlensäurehaltiges Mineralwasser zu
rung der Reaktionsgeschwindigkeit während des Fruchtsaft, kommt es aufgrund der in den Säften
Versuchs ab. enthaltenen Fruchtsäuren zur Schaumbildung.
c) In einem zweiten Ansatz wird die Reaktion durch a) Stellen Sie die Reaktionsgleichungen für die
Kupfer-Ionen katalysiert. Erklären Sie, wie sich gekoppelten Gleichgewichtsreaktionen der
die Reaktionsgeschwindigkeit dadurch verän- Kohlensäure in (Mineral)wasser auf.
dert. b) Erklären Sie die Beobachtung beim Mischen
von Fruchtsaft mit Mineralwasser mithilfe des
A3 Entscheiden Sie begründet, ob folgende Aussagen
Prinzips von LE CHATELIER.
zum chemischen Gleichgewicht zutreffen oder nicht:
a) Ein chemisches Gleichgewicht kann sich nur im A7 Alkene werden großtechnisch durch Cracken
geschlossenen System einstellen. von Alkanen langkettiger Moleküle, die in Erdöl
b) Im chemischen Gleichgewicht verändern sich enthalten sind, hergestellt. Aus der Fraktion, die
die Konzentrationen der Edukte und der Produk- die vier isomeren Butene C4H8 enthält, wird 2-Me-
te nicht. thylpropen (Isobuten) mithilfe des Prozesses,
c) Die Reaktionsgeschwindigkeit der Hinreaktion wie in der Abbildung dargestellt, abgetrennt. Man
beträgt im Gleichgewichtszustand null. nutzt dabei die Tatsache, dass von den Isomeren

84 REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE


1

nur Isobuten bei den angegebenen Temperaturen Prinzip von LE CHATELIER, Konzentration, Druck,
reagiert. Temperatur, Katalysator, exotherm, endotherm,
HABER-BOSCH-Verfahren.
4 isomere Butene
A12 Kalkwasser (Calciumhydroxidlösung) trübt sich
3 isomere Butene
beim Einleiten von Kohlenstoffdioxid durch das
Wasseraddition Wasserabspaltung entstehende Calciumcarbonat. Leitet man weiter
40 – 100 °C ca. 150 °C Kohlenstoffdioxid ein, verschwindet die Trübung,
Wasser (mit Schwefelsäure) Isobuten da in Folge lösliches Calciumhydrogencarbonat
CH3 CH3 entsteht.
(H2SO4) a) Stellen Sie die Reaktionsgleichungen für die
HO C CH2 C CH2 + H2O
beiden Reaktionen auf.
CH3 H CH3 b) Leiten Sie aus den Beobachtungen eine quali-
2-Methylpropan-2-ol 2-Methylpropen tative Aussage über das Löslichkeitsprodukt der
(tert. Butanol) (Isobuten)
beiden Salze ab.
c) Wenden Sie die Erkenntnisse aus dem Versuch
a) Geben Sie die Strukturformeln und Namen der
auf die Beobachtung an, dass die Muschelscha-
isomeren Butene an.
len in den Meeren aufgrund des zunehmenden
b) Beschreiben Sie die Vorgänge beim Trennver-
Kohlenstoffdioxid-Ausstoßes und der damit ver-
fahren. Gehen Sie dabei auch auf den Kreislauf
bundenen Versauerung der Weltmeere immer
eines Teils der eingesetzten Stoffe ein.
dünner werden.
c) Leiten Sie aus den Angaben in der Abbildung
den Einfluss der Temperatur auf das Gleich- A13 Zur Untersuchung von schwerlöslichen Salzen wur-
gewicht zwischen tert-Butanol und Isobuten den vier Salzlösungen einem Kreuzungsexperiment
ab und erläutern Sie seine Bedeutung für die unterzogen. In der nachfolgenden Tabelle ist mit „x“
Verwirklichung des Verfahrens. gekennzeichnet, ob ein Niederschlag entstanden ist:
d) Erklären Sie die Funktionsweise eines Kataly-
sators am Beispiel des tert-Butanol/Isobuten- Pb(NO3)2 NaCl Na2SO4 AgNO3
(aq) (aq) (aq) (aq)
Gleichgewichts.
Pb(NO3)2 (aq) – x x
A8 Planen Sie einen Versuch, mit dem Sie die Tempe- NaCl (aq) x – x
raturabhängigkeit des Eisen(III)-thiocyanat-Gleich- Na2SO4 (aq) x –
gewichts (s. S. 62) untersuchen können. Erklären
AgNO3 (aq) x –
Sie, wie sie damit herausfinden können, welche der
Reaktionen im chemischen Gleichgewicht exo-
a) Stellen Sie die Formeln der Salze auf, die Nieder-
therm ist.
schläge gebildet haben, z. B. NaCl (s).
A9 Erläutern Sie, wie beim HABER-BOSCH-Verfahren b) Schlagen Sie ein Experiment vor, mit dem man
eine möglichst hohe Ausbeute an Ammoniak herausfinden kann, ob es sich bei der Bildung
erreicht wird. der Niederschläge um Gleichgewichtsreaktionen
handelt.
A10 Bewerten Sie FRITZ HABERS Leistungen als Wissen-
c) In einem Becherglas befindet sich eine gesättigte
schaftler.
Lösung von Bariumsulfat mit Bodensatz. Folgen-
A11 Stellen Sie den Zusammenhang der folgenden des Gleichgewicht liegt vor:
Begriffe zum chemischen Gleichgewicht in einer
BaSO4 (s) Ba2+ (aq) + SO42- (aq)
Concept-Map dar:
Chemisches Gleichgewicht, dynamisches Gleich- Geben Sie an, welche Auswirkungen eine Zuga-
gewicht, umkehrbare Reaktion, Hinreaktion, be der Lösungen von Blei(II)-nitrat, Natrium-
Rückreaktion, Gleichgewichtspfeil, Gleichgewichts- chlorid bzw. Natriumsulfat auf dieses Gleichge-
konstante, Kc > 1, Kc < 1, Massenwirkungsgesetz, wicht hat und begründen Sie jeweils.

REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE 85


KC KOMPETENZCHECK

Ziel erreicht?
Verfügen Sie über die Kompetenzen dieses Kapitels? Lösen Sie die entsprechenden Aufgaben
(Arbeitsblatt unter QR-/Mediencode 06011-10) und bewerten Sie sich mithilfe der Tabelle rechts unten.
06011-10

KOMPETENZ A: Die Reaktionsgeschwindigkeit zur Be- KOMPETENZ C: Mithilfe des Massenwirkungsgesetzes


schreibung und Steuerung von Reaktionen verwenden (MWG) die Lage homogener Gleichgewichte beschrei-
ben und Berechnungen dazu durchführen
A1 In einem Experiment werden Zinkspäne in Salz-
säure der Konzentration c = 0,5 mol/L gegeben. Es C1 Definieren Sie den Begriff Massenwirkungsgesetz.
entstehen Wasserstoffgas und eine Salzlösung. Beschreiben Sie, welche Aussagen über eine Reak-
a) Formulieren Sie eine Reaktionsgleichung. tion mit dem MWG ermöglicht werden.
b) Definieren Sie den Fachbegriff Reaktionsge-
C2 Bei der Veresterung von Essigsäure mit Ethanol bei
schwindigkeit. Beschreiben Sie zwei experimen-
einer Temperatur von 20 °C ergibt sich aus dem
telle Möglichkeiten, mit denen Sie die Reakti-
MWG die Gleichgewichtskonstante Kc = 4.
onsgeschwindigkeit dieser Reaktion ermitteln
a) Stellen Sie die Reaktionsgleichung und das
können.
MWG für diese Reaktion auf.
c) Nennen Sie mögliche Faktoren, mit denen Sie
b) Beurteilen Sie die Lage dieses Gleichgewichts.
die Reaktion beschleunigen können. Begründen
Sie mithilfe der Stoßtheorie den Ablauf chemi- C3 Übertragen Sie die folgende Tabelle in Ihr Heft und
scher Reaktionen. füllen Sie die leeren Felder aus. Ergänzen Sie die
fehlenden Einheiten bei Kc.

KOMPETENZ B: Einstellung und Zustand eines chemi- Reaktion MWG Kc Gleichge-


wichtslage
schen Gleichgewichts erläutern
2A+B 2C Kc = 0,5 ....
B1 Beurteilen Sie, ob folgende Aussagen richtig sind Kc = Kc = 2,7 ....
und korrigieren Sie falsche Aussagen. c2(E) · c(N)
a) Bei jeder chemischen Reaktion stellt sich nach c(K)
einer gewissen Zeit ein Gleichgewicht ein. 2X+Y 2Z auf Seiten
b) Wenn sich in einem System ein chemisches der Produkte
Gleichgewicht eingestellt hat, liegen Edukte und
C4 In einem 1 Liter-Kolben werden 8,1 mol Wasser-
Produkte in gleicher Konzentration vor.
stoffgas zusammen mit 2,94 mol Iod auf 448 °C
c) Im Gleichgewicht ändern sich die Konzentratio-
erhitzt. Nach Einstellung des Gleichgewichts liegen
nen von Edukten und Produkten nicht mehr.
5,64 mol Iodwasserstoff im Kolben vor.
d) Sobald sich in einem System ein chemisches
a) Berechnen Sie die Stoffmengen an Wasserstoff
Gleichgewicht eingestellt hat, kommen Hin- und
und Iod im Gleichgewicht.
Rückreaktion zum Erliegen und die Konzentrati-
b) Bestimmen Sie die Gleichgewichtskonstante.
onen aller Stoffe bleiben konstant.
C5 Das Löslichkeitsprodukt von Calciumfluorid beträgt
B2 Die Abbildung zeigt eine Waage in einem statischen
KL = 4 · 10-11 mol3/L3.
Gleichgewichtszustand. Erläutern Sie die Unter-
a) Erklären Sie den Unterschied zwischen Kc und
schiede zum chemischen Gleichgewicht.
KL und erläutern Sie, wann sich die Verwendung
von Kc statt KL anbietet.
b) Berechnen Sie die Konzentration c der Ionen in
einer gesättigten Calciumfluoridlösung.
c) Beurteilen Sie, ob sich Calciumcarbonat
(KL = 4 · 10-9 mol2/L2) besser oder schlechter als
Calciumfluorid in Wasser löst.

86 REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE


1

KOMPETENZ D: Die Beeinflussung der Lage chemi- Wasserstoff und Stickstoff. Analysieren Sie daran
scher Gleichgewichte mithilfe des Prinzips von günstige Reaktionsbedingungen bezogen auf das
LE CHATELIER erklären Prinzip vom kleinsten Zwang.
D1 Das Prinzip von LE CHATELIER wird auch als „Prinzip E2 Tatsächlich findet die Ammoniaksynthese im Reak-
vom kleinsten Zwang“ bezeichnet. Erläutern Sie tor bei ca. 450 °C statt. Erklären Sie diese Tempera-
dies und benennen Sie mögliche „Zwänge“. turwahl.
D2 Kreuzen Sie alle richtigen Aussagen an.
 Wird der Druck auf ein System erhöht, läuft die
KOMPETENZ F: Die Leistungen von HABER und BOSCH
Hinreaktion verstärkt ab.
darstellen und die gesellschaftliche Bedeutung der
 Wird die Konzentration eines Reaktionsprodukts
Ammoniaksynthese erläutern
erhöht, fördert das die Rückreaktion, die Produk-
te verbraucht und mehr Edukte erzeugt. F1 Für sein Verfahren zur Ammoniaksynthese wurde
 Ändert man Konzentration, Druck oder Tem- FRITZ HABER mit dem Nobelpreis für Chemie geehrt.
peratur eines im Gleichgewicht befindlichen Fassen Sie seine Leistung in ein bis zwei Sätzen
Systems, weicht das System stets so aus, dass zusammen.
sich der ursprüngliche Wert von Kc einstellt.
F2 Nennen Sie die beiden zentralen Herausforderun-
D3 Beim ersten Öffnen einer Sprudelwasserflasche gen bei der Übertragung des Laboraufbaus in einen
zischt es und es steigen kleine Gasbläschen auf. großtechnischen, industriellen Prozess.
Erklären Sie dies mit dem Prinzip von LE CHATELIER.
F3 Formulieren Sie je eine Aussage zur gesellschaft-
lichen Bedeutung der Ammoniaksynthese bezogen
auf:
KOMPETENZ E: Die Wahl der Reaktionsbedingungen
a) die Nahrungsmittelproduktion und Strukturwan-
bei der Ammoniaksynthese unter dem Aspekt der
del in der Landwirtschaft
Erhöhung der Ammoniakausbeute begründen
b) die Auswirkungen auf die Umwelt
E1 Formulieren Sie die Reaktionsgleichung für die c) die Sprengstoffproduktion
exotherm ablaufende Ammoniaksynthese aus

Vergleichen Sie Ihre Antworten mit den Lösungen auf Seite 464 und kreuzen Sie auf dem Arbeitsblatt an.

Kompetenz ja nein zum Nachlesen

Die Reaktionsgeschwindigkeit zur Beschreibung und Steuerung von


A S. 46 – 49
Reaktionen verwenden
B Einstellung und Zustand eines chemischen Gleichgewichts erläutern S. 52 – 55
Mithilfe des Massenwirkungsgesetzes (MWG) die Lage homogener
C S. 57 – 59
Gleichgewichte beschreiben und Berechnungen dazu durchführen
Die Beeinflussung der Lage chemischer Gleichgewichte mithilfe des
D S. 62 – 66
Prinzips von LE CHATELIER erklären
Die Wahl der Reaktionsbedingungen bei der Ammoniaksynthese unter
E S. 72 – 73
dem Aspekt der Erhöhung der Ammoniakausbeute begründen
Die Leistungen von HABER und BOSCH darstellen und die gesellschaftliche S. 70 – 71,
F
Bedeutung der Ammoniaksynthese erläutern 74 – 75

REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE 87


KC KOMPETENZCHECK

Klausuraufgaben
T1 Reinigung von Kontaktlinsen

Bei der Reinigung von Kontaktlinsen t in s 0 20 40 60 80 100


wird Wasserstoffperoxid H2O2 verwen- V(O2) in mL 0 44,6 89,0 99,0 111,7
det, welches in Wasser und Sauerstoff n(O2) in mol 0 0,00364 0,00400 0,00431 0,00457
zerfällt. Der Sauerstoff oxidiert organi-
n(H2O2) in mol 0,01 0,00635 0,00272 0,00137 0,00085
sche Ablagerungen, sodass sich diese
von der Linsenoberfläche ablösen. Au- c(H2O2) in mol/L
ßerdem ist Wasserstoffperoxid für alle
B1 Messergebnisse beim Zerfall von Wasserstoffperoxid (Standardbedingungen)
Mikroorganismen stark toxisch, wodurch
die Kontaktlinsen gleichzeitig desinfiziert werden. Nach Sauerstoff und beschreiben Sie die Durchführung
der Reinigung durch Oxidation muss jedoch Wasser- des Versuchs.
stoffperoxid vollständig verbraucht sein, da dieser Stoff A2 Formulieren Sie die Reaktionsgleichung für den
auch für menschliche Zellen gefährlich sein kann. Daher Zerfall von Wasserstoffperoxid. Berechnen Sie aus
wird die Konzentration des Wasserstoffperoxids in der den Angaben in B1 die fehlenden Stoffmengen von
Gebrauchslösung so eingestellt, dass es nach einer be- Sauerstoff und Wasserstoffperoxid. Ermitteln Sie
stimmten Zeit verbraucht ist. zusätzlich die Stoffmengenkonzentrationen von
Zur Entwicklung einer Gebrauchsanweisung wurde die Wasserstoffperoxid.
Geschwindigkeit des Zerfalls von Wasserstoffperoxid ge- A3 Stellen Sie Ihre erhaltenen Ergebnisse aus B1 in
messen. Es wurden 100 mL einer Wasserstoffperoxidlö- geeigneter Weise in einem Diagramm dar. Interpre-
sung der Stoffmengenkonzentration von c = 0,1 mol/L mit tieren Sie das Diagramm.
einem Katalysator zur Reaktion gebracht (B1). A4 Skizzieren Sie in das Diagramm aus A3 den zu
erwartenden Reaktionsverlauf für eine um 10 K
AUFGABEN höhere Reaktionstemperatur. Begründen Sie Ihre
A1 Skizzieren Sie eine geeignete Versuchsanordnung Entscheidung.
zur Ermittlung des in B1 angegebenen Volumens an

T2 Das BOUDOUARD-Gleichgewicht

Bei der Gewinnung von Eisen aus Eisenoxiden im Hoch- des Volumenverhältnisses von Kohlenstoffmono-
ofenprozess wird im unteren Teil des Hochofens der Koks oxid und Kohlenstoffdioxid zeigt.
zunächst zu Kohlenstoffdioxid verbrannt. Das entstande- Interpretieren Sie das Diagramm unter Einbezie-
ne Kohlenstoffdioxid reagiert aufgrund sehr hoher Tem- hung des Prinzips von LE CHATELIER.
peraturen in einer endothermen Gleichgewichtsreaktion A3 Formulieren Sie für diese Reaktion das Massenwir-
(BOUDOUARD-Gleichgewicht) mit dem in Koks gebunde- kungsgesetz und erläutern Sie daran die Verände-
nen Kohlenstoff zu Kohlenstoffmonooxid, das als Reduk- rung der Gleichgewichtskonstante mit steigender
tionsmittel fungiert. Temperatur.
A4 Vergleichen Sie das BOUDOUARD-Gleichgewicht mit
AUFGABEN dem Ammoniak-Gleichgewicht hinsichtlich günsti-
A1 Formulieren Sie die Reaktionsgleichung für die ger Reaktionsbedingungen.
Reaktion von Eisen(III)-oxid mit Kohlenstoffmo-
nooxid. Berechnen Sie die Masse von Kohlen-
stoffdioxid, die bei der Reduktion von einer Temperatur in °C 450 500 600 700 800 900 950
Tonne Eisen(III)-oxid entsteht. Volumenanteil in % 2 5 23 58 90 97 99
A2 Zeichnen Sie ein Diagramm anhand der Mess- B2 Ausbeute an Kohlenstoffmonooxid in Abhängigkeit von der
werte aus B2 , das die Temperaturabhängigkeit Temperatur

88 REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE


1

T3 Salpetersäure

Salpetersäure ist eine der wichtigsten Industriechemi- Normbedingungen, dass zur Herstellung von 1 200
kalien für die Produktion von Düngemitteln und einer Tonnen Salpetersäure (wmax. ≈ 68 %) benötigt wird.
Vielzahl stickstoffhaltiger Chemikalien. Sie wird durch A3 Formulieren Sie die Reaktionsgleichung für die Re-
moderne Versionen des dreistufigen OSTWALD-Verfahrens aktion bei der Abgasreinigung. Bewerten Sie diesen
hergestellt. In einer modernen Anlage können täglich bis Prozess im Hinblick auf ökologische und ökonomi-
zu 1 200 Tonnen Salpetersäure (wmax. ≈ 68 %) hergestellt sche Aspekte.
werden. A4 Erläutern Sie an diesem Verfahren die Wirkungs-
Bei diesem Verfahren wird zunächst Ammoniak am Pla- weise eines Katalysators unter Zuhilfenahme einer
tinkatalysator in Gegenwart von Sauerstoff zu Stickstoff- Skizze für den Energie-Reaktions-Verlauf. Begrün-
monooxid umgesetzt (Reaktion 1, ∆rH = – 908 kJ/mol). den Sie den Einfluss eines Katalysators auf die Lage
Zur Vermeidung von Nebenreaktionen darf das Gasge- eines chemischen Gleichgewichts.
misch nur kurzzeitig im Kontaktofen verweilen. Das Stick- A5 Nennen und erläutern Sie zwei Merkmale des che-
stoffmonooxid reagiert im Oxidationsturm mit Sauerstoff mischen Gleichgewichtes anhand der Reaktion 2.
in einer Gleichgewichtsreaktion zu Stickstoffdioxid (Re- Leiten Sie nach dem Prinzip von LE CHATELIER die für
aktion 2, ∆rH = – 114 kJ/mol). Im letzten Schritt wird durch diese Reaktion theoretisch günstigsten Reaktions-
Einleiten von Stickstoffdioxid in Wasser unter Sauerstoff- bedingungen ab. Stellen Sie diese den praktischen
zufuhr Salpetersäure gebildet (Reaktion 3). Bedingungen in B3 gegenüber und begründen Sie
Das restliche Gas enthält am Ende des Absorptionsturms mögliche Unterschiede.
noch ca. 0,02 – 0,05 % Stickstoffoxide (abgekürzt NOx). A6 Nehmen Sie an, dass im Oxidationsturm ein
Diese sind umweltschädlich und werden daher bei der technischer Defekt auftritt. Begründen Sie die
Abgasreinigung in „DeNOx-Anlagen“ entfernt. Dabei re- Auswirkungen folgender Veränderungen auf die
agieren die Stickstoffoxide an einem Katalysator bei einer Stickstoffdioxid-Ausbeute:
Temperatur von etwa 400 °C mit zugesetztem Ammoni- 1. der Druck steigt an,
ak zu Stickstoff und Wasser. 2. die Temperatur steigt an,
3. d
 ie Zufuhr von Sauerstoff in den Oxidationsturm
AUFGABEN geht zurück.
A1 Skizzieren Sie ein Fließdiagramm zur technischen A7 Bei Temperaturen von 2 300 °C reagieren die in
Herstellung von Salpetersäure. Geben Sie ein bei der Luft enthaltenen Gase Stickstoff (ca. 80 %)
diesem Verfahren angewandtes technisches Prinzip und Sauerstoff (ca. 20 %) in einem geschlossenen
an. System unter Bildung von Stickstoffmonooxid. Die
A2 Formulieren Sie die Reaktionsgleichungen für die Gleichgewichtskonstante dieser Reaktion beträgt
drei Schritte zur Herstellung von Salpetersäure. Kc = 6,8 ∙ 10-2. Berechnen Sie die Ausbeute an Stick-
Berechnen Sie das Volumen von Ammoniak unter stoffmonooxid.

Kontaktofen Oxidationsturm Absorptionsturm


NH3 Restgas
Luft NO Luft Wasser

Katalysator

Wasser
Wasser (l) (g)
NO2 HNO3

B3 Anlage zur Gewinnung von Salpetersäure

REAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND CHEMISCHE GLEICHGEWICHTE 89


2 Säure-Base-Reaktionen

90 SÄURE-BASE-REAKTIONEN
Arbeitsblatt unter
QR-/Mediencode
06011-11

AUTOPROTOLYSE
DES WASSERS

INDIKATOREN pH-WERT PUFFER

SÄURE-BASE-
REAKTIONEN

KORRESPON­
PROTOLYSEGLEICH- DIERENDES
GEWICHTE SÄURE-BASE-PAAR

BRØNSTED- BRØNSTED-
SÄURESTÄRKE BASENSTÄRKE
SÄURE BASE

NEUTRALISATION

TITRATION

KONDUKTOMETRIE pH-METRIE

SÄURE-BASE-REAKTIONEN 91
KC KOMPETENZCHECK

Startklar?

Schätzen Sie Ihre Kompetenz in den Bereichen A bis E ein und prüfen Sie sich anhand
der entsprechenden Aufgaben (Arbeitsblatt unter Mediencode 06011-12).
06011-12

Kompetenz sehr gut gut schwierig

A Eigenschaften saurer und alkalischer Lösungen be-


schreiben und erklären

B Säuren und Basen klassifizieren


C Das chemische Gleichgewicht und das Massen-
wirkungsgesetz auf Reaktionen anwenden

D Mit Exponenten und Logarithmen rechnen

E Stoffmengen und Konzentrationen ermitteln

KOMPETENZ A: Eigenschaften saurer und alkalischer a) Erläutern Sie die Vorgänge auf Stoff- und auf
Lösungen beschreiben und erklären Teilchenebene und formulieren Sie eine Reakti-
onsgleichung.
A1 Übernehmen Sie die Tabelle zu sauren und alkali-
b) Geben Sie den pH-Wert der entstehenden
schen Lösungen und vollständigen Sie sie.
Lösung an und beschreiben Sie die Farben, die
Merkmale saure alkalische die in A1 genannten Indikatoren in dieser Lösung
Lösungen Lösungen annehmen.
pH-Wert c) Dampft man die Lösung ein, bleibt ein weißer
Farbe des Indikators:
Feststoff zurück. Benennen Sie diesen Stoff und
 hymolphthalein
• T geben Sie dessen Verhältnisformel an.
 romthymolblau
• B

 niversalindikator
• U

enthalten ...-Ionen Formel: Formel: KOMPETENZ B: Säuren und Basen klassifizieren


elektrische Leitfähigkeit B1 Säuren und Basen bilden in wässrigen Lösungen
Reaktion mit unedlen unterschiedliche Ionen.
Metallen a) F
 ormulieren Sie die Reaktionsgleichung für die
Reaktion der Säure Chlorwasserstoff mit Wasser
A2 Erklären Sie die elektrische Leitfähigkeit saurer und
zu Salzsäure.
alkalischer Lösungen.
b) F
 ormulieren Sie die Reaktionsgleichung für die
A3 Saure Lösungen reagieren mit unedlen Metallen Reaktion der Base Ammoniak mit Wasser zu
unter Bildung von Wasserstoff. Ammoniaklösung.
a) Vervollständigen Sie die Reaktionsgleichung: c) Säuren werden als Protonendonatoren und Ba-
Mg (s) + H3O+ (aq) … sen als Protonenakzeptoren bezeichnet. Erklären
b) Beschreiben Sie, wie Sie das entstehende Was- Sie diesen Zusammenhang anhand der Reakti-
serstoffgas nachweisen können. onsgleichungen aus a) und b).
A4 Vereinigt man gleiche Volumina an Salzsäure und B2 Benennen Sie die folgenden Säurerest-Ionen:
Natronlauge gleicher Konzentration, findet eine CH3COO-, HCO3-, CO32-, HSO4-, SO42-.
exotherme Reaktion statt.

92 SÄURE-BASE-REAKTIONEN
2

KOMPETENZ C: Das chemische Gleichgewicht und das D2 Vereinfachen Sie die Ausdrücke in der Tabelle ohne
Massenwirkungsgesetz auf Reaktionen anwenden Zuhilfenahme des Taschenrechners, indem Sie die
Potenz- und Logarithmusgesetze anwenden.
C1 Ermitteln Sie die fehlenden Konzentrationen und
leiten Sie daraus die Lage des chemischen Gleich- a) 10-9 ∙ 10-10 = 4 ∙ 10-5 ∙ 0,25 ∙ 10-5 =
gewichts ab.
b) lg 10 =
-5
- lg 10-5 ∙ (-lg 10-3) =
12 1/2
A + B C + D c) (10 ) = √ 1012 =
c0 [mol/L] 1 0,9 d) lg (10x) = lg 105x =

cGG [mol/L] 0,1

C2 Zwischen Kohlenstoffdioxid und Wasser stellt sich in KOMPETENZ E: Stoffmengen und Konzentrationen
einem geschlossenen System ein Gleichgewicht ein: ermitteln
CO2 (g) + 2 H2O (l) HCO3- (aq) + H3O+ (aq)
E1 Die Stoffmengenkonzentration c [mol/L] lässt sich
a) Stellen Sie das MWG für diese Reaktion auf. aus der Stoffmenge n [mol] und dem Volumen V [L]
n
b) Erklären Sie, welche Aussage Sie aus einem klei- wie folgt berechnen: c = V
nen bzw. großen Wert für Kc über die Lage des a) E
 rmitteln Sie die Stoffmenge an Natrium-Ionen
Gleichgewichts einer Reaktion ableiten können. in 1 mL Natriumchloridlösung der Konzentration
c) Das Gleichgewicht wird durch die Zugabe von c = 0,1 mol/L.
Natronlauge beeinflusst. Beschreiben Sie die b) 1 mL der Natriumchloridlösung aus a) wird mit
Auswirkung auf die Konzentrationen der Edukte 9 mL Wasser verdünnt. Ermitteln Sie die Kon-
und Produkte. zentration an Natrium-Ionen in dieser Lösung.
c) 1 mL der Lösung aus b) wird erneut mit 9 mL
Wasser verdünnt. Ermitteln Sie um welchen Fak-
KOMPETENZ D: Mit Exponenten und Logarithmen tor die Lösung im Vergleich mit der Lösung aus a)
rechnen und der Lösung aus b) verdünnt wurde.
D1 Geben Sie folgende Dezimalzahlen als Zehnerpo-
tenzen an: 0,01; 0,000000000001; 1; 10000.

Vergleichen Sie Ihre Antworten mit den Lösungen auf Seite 464 und geben Sie sich die entsprechende Punktzahl.

Kompetenz sehr gut gut schwierig zum Nachlesen

Eigenschaften saurer und alkalischer Lösungen


A 35 – 28 27 – 17 16 – 10 S. 28 – 29
beschreiben und erklären

B Säuren und Basen klassifizieren 15 – 12 11 – 7 6–5 S. 28 – 29

Das chemische Gleichgewicht und das Massen-


C 12 – 10 9–6 5–4 S. 52 – 55, 57 – 59
wirkungsgesetz auf Reaktionen anwenden

D Mit Exponenten und Logarithmen rechnen 12 – 10 9–6 5–4

E Stoffmengen und Konzentrationen ermitteln 5–4 3–2 1 S. 26 – 27, 29

SÄURE-BASE-REAKTIONEN 93
2.1 Säure-Base-Reaktionen im Alltag
und im Labor
Säuren und Basen kommen in vielen Alltagsprodukten und in der Umwelt vor. Saure
Zitrusfrüchte, Milchprodukte und Essig kennt jeder, ebenso Seifen, Laugen und Lau-
gengebäck. Was versteht man unter einer Säure und was unter einer Base?

2.1.1 Versuche und Material

V Eigenschaften von Säuren und Basen 7

Im Alltag begegnen uns viele Produkte, die Säuren AUSWERTUNG


oder Basen enthalten. In Zitronen ist z. B. Citronen- a) Halten Sie Ihre Beobachtungen in einer Tabelle
säure, in Speisenatron Natriumhydrogencarbonat fest.
enthalten. Welche Eigenschaften haben diese Stoffe b) Beschreiben Sie die Rolle des Wassers in Bezug
und ihre Lösungen? auf die Beobachtungen am Universalindikatorpa-
pier in V1 .
V1 Geben Sie in eine Petrischale eine Spatelspitze
c) Schließen Sie aus Ihrer Beobachtung in V2 auf die
Citronensäure (GHS 7) und in eine weitere Petri-
in der jeweiligen Lösung enthaltene Teilchensor-
schale eine Spatelspitze Natriumhydrogencarbonat.
ten.
Halten Sie ein Stück Universalindikatorpapier an die
Feststoffe. Lösen Sie die beiden Feststoffe jeweils in ENTSORGUNG R
destilliertem Wasser. Halten Sie anschließend Uni-
versalindikatorpapier in die Lösungen.
V2 Prüfen Sie die elektrische Leitfähigkeit der
beiden Lösungen.

94 SÄURE-BASE-REAKTIONEN
Versuche und Material 2.1

V Reaktionen zwischen Säuren und Basen 2 5 7 9

Die Säuren und Basen, die in vielen Alltagsprodukten mithilfe einer Pipette tropfenweise konzentrierte
enthalten sind, können auch miteinander reagieren. Salzsäure (GHS 5 | 7) hinzugefügt. Die Eintropfstelle
Was passiert, wenn man Säuren und Basen zusam- wird beobachtet.
mengibt?
V6 Wiederholen Sie LV5 mit verdünnten Lösungen
V3 Füllen Sie in einen Gefrierbeutel jeweils ein hal- und geben Sie einige Tropfen Bromthymolblaulösung
bes Päckchen Speisenatron und Citronensäure (GHS 2 | 7) in die Ammoniaklösung. Tropfen Sie
(GHS 7). Mischen Sie den Inhalt gut durch und solange Säure hinzu, bis ein deutlicher Farbumschlag
beobachten Sie die Veränderungen. Geben Sie dann sichtbar ist.
einige Milliliter Wasser hinzu und verschließen Sie den
Gefrierbeutel sofort. Beobachten Sie erneut genau. AUSWERTUNG
a) Beschreiben und vergleichen Sie Ihre Beobach-
LV4 Der Versuch wird nach B1 aufgebaut und
tung vor und nach dem Hinzufügen des Wassers
durchgeführt.
in V3.
LV5 Es werden 2 mL konzentrierte Ammoniaklö- b) Das in V3 gebildete Gas trübt Kalkwasser. Be-
sung (GHS 5 | 7 | 9) in ein Becherglas gegeben und nennen Sie dieses Gas.
c) Vergleichen Sie Ihre Beobachtungen in LV4 und LV5.
Filterpapier, mit konz. d) Formulieren Sie die Reaktionsgleichungen für
Salzsäure getränkt LV4 und LV5.
Becherglas e) Lisa sagt: „Säuren sind immer flüssig.“
Schnappdeckelglas Nehmen Sie begründet Stellung zu dieser Aussage.
mit konz. Ammoniak-
lösung f) Deuten Sie die beobachteten farblichen Verän-
Glasplatte derungen in V6.
B1 Versuchsaufbau zu LV4 ENTSORGUNG G1

V Reaktionen der Salze von Säuren und Basen 2 5 6 7 9

Säuren und Basen können Salze bilden. Können Salze Geben Sie in jedes Reagenzglas einige Tropfen
sauer oder basisch sein? Bromthymolblaulösung (GHS 2 | 7).
V7 Stellen Sie in sechs Reagenzgläsern (RG)
AUSWERTUNG
folgende Lösungen her, indem Sie die angegebenen
a) Halten Sie Ihre Beobachtungen in einer Tabelle
Stoffe in ca. 15 mL Wasser lösen:
fest.
RG 1: einige Tropfen konzentrierte Essigsäure b) Teilen Sie die untersuchten Lösungen in Klassen
(GHS 2 | 5) ein, je nachdem, ob sie sauer, neutral oder alka-
lisch reagieren.
RG 2: einige Tropfen konzentrierte Ammoniaklösung
c) Beschreiben Sie, ob die in b) durchgeführte
(GHS 5 | 6 | 9)
Unterteilung Ihren Erwartungen entspricht.
RG 3: eine Spatelspitze Natriumacetat
ENTSORGUNG R, G4
RG 4: eine Spatelspitze Ammoniumchlorid (GHS 7)
RG 5: eine Spatelspitze Kaliumcarbonat (GHS 7)
RG 6: eine Spatelspitze Natriumhydrogensulfat
(GHS 5)

SÄURE-BASE-REAKTIONEN 95
2.1 Säure-Base-Reaktionen im Alltag und im Labor

2.1.2 Säure-Base-Reaktionen

Säuren und Basen Protonenübertragungsreaktionen


Säure und Base werden in der Chemie als Begriffs- Durch die unterschiedliche Färbung der Univer-
paar verwendet. Ist dies analog zu dem Begriffs- salindikatorpapiere kann man darauf schließen,
paar Addition und Subtraktion in der Mathema- dass die Citronensäure und das Natriumhydro-
tik? Was ist eine Säure und was eine Base? Was gencarbonat auch unterschiedlich mit Wasser
unterscheidet sie von sauren und alkalischen Lö- reagieren.
sungen? Im Falle der Citronensäure werden Protonen
Viele Säuren, wie Essigsäure, Milchsäure, Schwe- H+ von Citronensäure-Molekülen auf Wasser-
felsäure und Salpetersäure, sind im reinen Zustand Moleküle übertragen. Es bilden sich Oxonium-
flüssig. Es gibt aber auch Ionen H3O+. Diese sind für die Orangefärbung
feste Säuren, wie Citro- des Universalindikatorpapiers verantwortlich.
nensäure und Ascor- Reagiert Natriumhydrogencarbonat NaHCO3
binsäure (Vitamin C) mit Wasser, wird jeweils ein Proton vom Was-
(B1), und gasförmige ser-Molekül auf je ein Hydrogencarbonat-Ion
Säuren, beispielswei- HCO3- übertragen. Die dabei gebildeten Hydro-
se Chlorwasserstoff. xid-Ionen OH- sind für die Blaufärbung des Uni-
Auch Basen gibt es versalindikatorpapiers verantwortlich.
in verschiedenen Ag- In beiden Fällen handelt es sich um eine Proto-
gregatzuständen. Was nenübertragungsreaktion. Solche Protonen-
passiert, wenn man übertragungen werden Protolysen genannt.
Säuren und Basen in Protolysen finden auch beim Lösen von Chlor-
B1 Säuren in verschiedenen Aggregatzuständen Wasser löst? wasserstoff HCl und beim Lösen von Ammoniak
NH3 in Wasser statt.
Eigenschaften saurer und alkalischer Protonen-
Protonen-
Protonen-
Protonen-
Lösungen Protonen-
übertragung
übertragung
übertragung übertragung
– übertragung – H HH H
δδ– δ– δ– δδ+– δδ–δ+ δ+ δδ+– δ– δ–
Hält man ein Stück Universalindikatorpapier an O + OH OHO + Cl
N+H+HHCl
H Cl Cl
H
+
O H H+N
HO
O ClH
++ +– +
O+ +Cl+H
Cl ClO
– – ––

die Feststoffe Citronensäure und Natriumhy- H ++ H δH++ H


δ++H+ H
+ H
δ+
δ+δ δ δ δ Hδ +δ
+ +

drogencarbonat, kann keine Färbung des Uni-


δ
δ H HH H
δ Oxonium-Ion
versalindikatorpapiers festgestellt werden. Löst Protonen-
H
man die beiden Stoffe jedoch in Wasser und gibt δ – übertragung δ –
+ –
davon je einen Tropfen auf Universalindikatorpa- O + H N H H N H + H O
H+ H+ δ+ δ+
pier, so färbt sich dieses orange bzw. blau (V1). δ δ H H
δ+ Hydroxid-Ion
Bei Citronensäurelösung handelt es sich um eine
saure, bei Natriumhydrogencarbonatlösung um
Wie man erkennen kann, ist ein Wasser-Molekül
eine alkalische Lösung. Die wässrigen Lösungen
dazu in der Lage, sowohl Protonen aufzunehmen
von Citronensäure und Natriumhydrogencarbo-
als auch abzugeben. Solche Stoffe nennt man
nat sind elektrisch leitfähig (V2).
Ampholyte bzw. amphotere Stoffe.
Feste Citronensäure und festes Natriumhydro-
gencarbonat zeigen keine typischen Eigenschaf-
ten wie saure und alkalische Lösungen. Dazu Der Säure-Base-Begriff
müssen sie erst in Wasser gelöst werden. Dabei nach BRØNSTED
gehen Citronensäure und Natriumhydrogencar-
Protonenübertragungsreaktionen definierte der
bonat mit Wasser eine Reaktion ein. Da die Lö-
dänische Chemiker JOHANNES NICOLAUS BRØN-
sungen elektrisch leitfähig sind, müssen bei die-
STED 1923 als Säure-Base-Reaktionen. Säuren
ser Reaktion Ionen entstehen. Um welche Ionen
sind nach dieser Auffassung Stoffe, deren Teil-
handelt es sich?
chen bei einer chemischen Reaktion Protonen

96 SÄURE-BASE-REAKTIONEN
Säure-Base-Reaktionen im Alltag und im Labor 2.1

abgeben. Man spricht von Protonendonatoren. moniumchlorid, das sich aufgrund seiner guten
Stoffe, deren Teilchen bei einer chemischen Reak- Löslichkeit in Wasser schnell wieder löst.
tion Protonen aufnehmen, bezeichnet man nach Nach tropfenweiser Zugabe von verdünnter
BRØNSTED als Basen bzw. Protonenakzeptoren. Salzsäure in eine mit Bromthymolblau versetzte
verdünnte Ammoniaklösung kann man beobach-
ten, dass die durch den Indikator blau gefärbte
Reaktionen von Säuren mit Basen
Lösung immer heller wird, bis sie schließlich eine
Mischt man die Feststoffe Citronensäure und grüne Farbe annimmt (V6). Dies zeigt eine neu-
Speisenatron, so beobachtet man erst nach trale Lösung an. Die für saure bzw. alkalische Lö-
Zugabe von Wasser eine Reaktion (V3). Ist für sungen charakteristischen Oxonium- bzw. Hy-
Reaktionen von Säuren mit Basen immer Wasser droxid-Ionen liegen in der neutralen Lösung
nötig? nicht mehr vor. Bei dieser Neutralisation findet
Stellt man ein Schnappdeckelglas mit konzen- eine Protonenübertragung von den Oxonium-
trierter Ammoniaklösung unter ein umgekehrtes Ionen der Salzsäure auf die Hydroxid-Ionen in
Becherglas, an dessen Boden ein mit konzen- der Ammoniaklösung statt. Dabei entstehen
trierter Salzsäure getränktes Filterpapier klebt, Wasser-Moleküle. Außerdem liegen Ammoni-
bildet sich dazwischen ein weißer Rauch (LV4). um- und Chlorid-Ionen in der Lösung vor.
Aus den entsprechenden Lösungen entweichen
die farblosen Gase Chlorwasserstoff und Am- OH- (aq) + H3O+ (aq) 2 H2O (l)
moniak, die im Gasraum miteinander zu festem H
Ammoniumchlorid reagieren. Die Entstehung – +
dieses Salzes lässt sich nur durch eine Protonen- H O + H O O + O
H H H H
übertragungsreaktion erklären. Chlorwasserstoff- H
Moleküle geben jeweils ein Proton ab, Ammoni-
ak-Moleküle nehmen jeweils ein Proton auf. Eine neutrale Lösung entsteht nur, wenn die
Stoffmengen der Oxonium- und Hydroxid-Io-
NH3 (g) + HCl (g) NH4Cl (s) nen, die miteinander reagieren, gleich groß sind.
Protonen- Neutralisationsreaktionen sind Salzbildungsre-
übertragung
H aktionen.
δ+ δ– δ+ δ+ δ– + –
H N H + H Cl H N H + Cl
Hδ+ H BRØNSTED-Säuren sind Protonendona-
Ammoniak- Chlorwasserstoff- Ammonium- Chlorid- toren, BRØNSTED-Basen sind Protonen-
Molekül Molekül Ion Ion
akzeptoren. Protolysen sind Protonen-
übertragungsreaktionen.
Das Ammoniak-Molekül ist in diesem Fall der
Protonenakzeptor (BRØNSTED-Base) und das
Chlorwasserstoff-Molekül der Protonendonator
(BRØNSTED-Säure).

AUFGABEN
Reaktionen von sauren
A1 Wenn man die Lösungen aus LV5 und V6
mit alkalischen Lösungen
eindampft, erhält man einen weißen Fest-
Es können jedoch nicht nur die Gase der Am- stoff. Erklären Sie diesen Sachverhalt.
moniaklösung und der Salzsäure miteinander A2 Versetzt man Kalilauge K+ (aq) + OH- (aq)
reagieren, sondern auch die Lösungen selbst. tropfenweise mit einer Säure, bildet sich
Tropft man konzentrierte Salzsäure in konzen- nach einiger Zeit eine Kaliumchloridlösung.
trierte Ammoniaklösung, trübt sich die Lösung Erläutern Sie, mit welcher Säure diese
an der Eintropfstelle (LV5). Es bildet sich Am- Reaktion stattfindet.

SÄURE-BASE-REAKTIONEN 97
2.1 Säure-Base-Reaktionen im Alltag und im Labor

2.1.3 Protolysegleichgewichte

Gleichgewichte bei Säure-Base- ein korrespondierendes Säure-Base-Paar.


Reaktionen
NH4+ + H2O NH3 + H3O+
Saure Getränke und Speisen werden mitunter in
An jeder Säure-Base-Reaktion sind stets zwei
der Küche durch Speisenatron „abgestumpft“.
korrespondierende Säure-Base-Paare beteiligt.
Ebenso werden in Fischzuchten, Gartenteichen
HA und HB stehen für beliebige BRØNSTED-Säu-
und Aquarien Hydrogencarbonate oder Carbo-
ren.
nate als Wasserchemikalien eingesetzt, um zu korrespondierend
vermeiden, dass die Gewässer sauer werden. Mit
HA + B- A- + HB
den genannten Salzen lassen sich also Säuren
korrespondierend
neutralisieren.
Bei der Reaktion von Salzsäure mit Natronlauge Säure 1 + Base 2 Base 1 + Säure 2
entsteht eine Natriumchloridlösung, die neutral
ist. Löst man Natriumchlorid in Wasser, so hat
Einprotonige und mehrprotonige
die Lösung einen pH-Wert von 7. Es ist erstaun-
Säuren
lich, dass beim Lösen anderer Salze Lösungen mit
pH-Werten über oder unter pH = 7 entstehen. Salpetersäure HNO3 ist ein wichtiger industriel-
Natriumacetat, das Salz der Essigsäure, und ge- ler Grundstoff für die Herstellung von Düngemit-
löstes Kaliumcarbonat, das Salz der Kohlensäu- teln, Kunststoffen und Sprengstoffen.
re, bilden alkalische Lösungen (Blaufärbung von Salpetersäure ist eine einprotonige Säure, d. h.
Bromthymolblau). Die in Wasser gelösten Salze das Salpetersäure-Molekül gibt ein Proton ab
Ammoniumchlorid und Natriumhydrogensulfat und es entsteht ein Nitrat-Ion NO3-.
bilden dagegen saure Lösungen (Gelbfärbung
HNO3 + H2O NO3- + H3O+
von Bromthymolblau, V7).
Im Gegensatz zum Lösen von Natriumchlorid Das Salz Kaliumnitrat KNO3 ist z. B. ein wichtiges
finden hier Protolysereaktionen statt. Acetat-Io- Düngemittel.
nen reagieren mit Wasser-Molekülen unter Auf-
Schwefelsäure H2SO4 ist einer der wichtigsten
nahme je eines Protons zu Essigsäure-Molekülen
Ausgangsstoffe der chemischen Industrie. Sie
und Hydroxid-Ionen.
wird hauptsächlich für die Synthese von Dün-
CH3COO- + H2O CH3COOH + OH- gemitteln, zur Herstellung von Tensiden und zur
Aufbereitung von Erzen verwendet.
In diesem Fall ist das Acetat-Ion die BRØNSTED-
Schwefelsäure ist eine zweiprotonige Säure,
Base und das Wasser-Molekül die BRØNSTED-
was bedeutet, dass das Schwefelsäure-Molekül
Säure. Die Reaktion ist eine Gleichgewichtsre-
in zwei aufeinanderfolgenden Protolysestufen je
aktion, es liegt ein Protolysegleichgewicht vor.
ein Proton abgeben kann.
Die Indikatorfärbung zeigt, dass die Bildung der
Hydroxid-Ionen begünstigt wird. H2SO4 + H2O HSO4- + H3O+
Das beteiligte Teilchenpaar CH3COOH/CH3COO-
HSO4- + H2O SO42- + H3O+
unterscheidet sich nur in einem Proton. Ein sol-
ches Paar von Teilchen nennt man korrespon- Die gebildeten Basen werden als Hydrogensul-
dierendes Säure-Base-Paar. Aus einer Säure fat-Ion HSO4- und Sulfat-Ion SO42- bezeichnet.
bildet sich bei einer Protolyse ihre korrespon- Die Salze der Schwefelsäure werden nach ihren
dierende Base und aus einer Base ihre korres- korrespondierenden Basen benannt, z. B. Calci-
pondierende Säure. umsulfat CaSO4 (Gips) oder Natriumhydrogen-
sulfat NaHSO4.
Ammonium-Ionen reagieren mit Wasser-Mo-
lekülen unter Abgabe je eines Protons zu Am- Kohlensäure H2CO3 ist als Reinstoff instabil und
moniak-Molekülen und Oxonium-Ionen. Das zerfällt unter Alltagsgegebenheiten zu Kohlen-
beteiligte Teilchenpaar NH4+/NH3 ist ebenfalls stoffdioxid und Wasser (vgl. S. 117).

98 SÄURE-BASE-REAKTIONEN
Säure-Base-Reaktionen im Alltag und im Labor 2.1

Name des Säurerest-Ions Formel


Chlorid-Ion Cl-
Nitrat-Ion NO3-
Carbonat-Ion CO32-
Hydrogencarbonat-Ion HCO3-
Sulfit-Ion SO32-
B2 Säuren werden auch für Erfrischungsgetränke
verwendet. Hydrogensulfit-Ion HSO3-
Sulfat-Ion SO42-
Kohlensäure ist eine zweiprotonige Säure, d. h. Hydrogensulfat-Ion HSO4-
die Moleküle der Kohlensäure können bis zu zwei
Phosphat-Ion PO43-
Protonen abgegeben. Als Anionen entstehen bei
Hydrogenphosphat-Ion HPO42-
der Protolyse Hydrogencarbonat-Ionen HCO3-
bzw. Carbonat-Ionen CO32-. Dihydrogenphosphat-Ion H2PO4-
Acetat-Ion CH3COO-
H2CO3 + H2O HCO3- + H3O+
HCO3- + H2O CO32- + H3O+ B3 Namen und Formeln einiger Säurerest-Ionen

Natriumhydrogencarbonat NaHCO3 und Natri-


umcarbonat Na2CO3 (Soda) nutzt man beim Ba- An jeder Säure-Base-Reaktion sind stets
cken als Backtriebmittel, da sie Kohlenstoffdioxid zwei korrespondierende Säure-Base-
freisetzen. Paare beteiligt.
In wässriger Lösung liegen Protolyse-
Phosphorsäure H3PO4 ist eine dreiprotonige
gleichgewichte vor.
Säure. Ihre Salze werden als Düngemittel ver-
wendet oder spielen als Bestandteil von Zahn-
schmelz eine Rolle. Bei der schrittweisen Pro-
tolyse mit Wasser entstehen nacheinander die
Säurerest-Ionen Dihydrogenphosphat H2PO4-,
Hydrogenphosphat HPO 42- und Phosphat AUFGABEN
PO43-. A1 Benennen Sie in den folgenden Protolyse-
gleichgewichten die korrespondierenden
H3PO4 + H2O H2PO4- + H3O+
Säure-Base-Paare.
H2PO4- + H2O HPO42- + H3O+ a) CO32- + H2O HCO3- + OH-
b) HSO4 + H2O
-
SO42- + H3O+
HPO42- + H2O PO43- + H3O+
A2 Begründen Sie, dass man das Hydrogensul-
Zahnschmelz besteht aus Hydroxylapatit fat-Ion als Ampholyt bezeichnen kann.
Ca5(PO4)3(OH), einem Calciumphosphat-Io- A3 Einige Antazida zur Neutralisation der
nengitter, in das Hydroxid-Ionen eingelagert sind. Magensäure enthalten Aluminiumhydroxid
Calciumdihydrogenphosphat Ca(H2PO4)2 ist ein Al(OH)3, andere Natriumhydrogencarbo-
wesentlicher Bestandteil von Phosphatdüngern. nat NaHCO3. Formulieren Sie Reaktions-
gleichungen, in denen deutlich wird, wie
Citronensäure (vereinfachend H3Cit benannt)
jeweils die Basen aus diesen Verbindungen
ist auch eine dreiprotonige Säure. Jedes Citro-
mit Oxonium-Ionen reagieren. Geben Sie
nensäure-Molekül kann drei Protonen abspal-
jeweils die korrespondierenden Säure-
ten. Neben den Oxonium-Ionen entstehen als
Base-Paare an.
Säurerest-Ionen letztlich die Citrat-Ionen.
A4 Recherchieren Sie die Wirkungsweise von
H3Cit + 3 H2O Cit3- + 3 H3O+ Phosphorsäure bei der Rostentfernung.

SÄURE-BASE-REAKTIONEN 99
Xylikau
Zahnpflege-
Kaugummi
enthält Fluorid
und Xylit

20 Stück, zuckerfrei

2.2 Der pH-Wert


Nach einer Mahlzeit sinkt der pH-Wert des Speichels in den sauren Bereich. Durch
das Kauen von Zahnpflegekaugummis soll der saure pH-Wert angeblich neutralisiert
werden. Wie kann man den pH-Wert einer Lösung, wie den pH-Wert des Speichels
vor und nach dem Kauen des Zahnpflegekaugummis, berechnen?

2.2.1 Versuche und Material

V pH-Wert und Leitfähigkeit von Wasserproben

Das in der Natur verbreitete Wasser ist niemals ein AUSWERTUNG


Reinstoff, sondern enthält u. a. Salze, Gase, organi- a) Tragen Sie Ihre Messdaten in eine Tabelle ein, die
sche Verbindungen, Bakterien und Stäube. Enthält Sie nach den Angaben aus B1 anlegen. Erklären
reines Wasser, d. h. vollentsalztes oder destilliertes Sie Ihre Messergebnisse in V1 und V2 und benen-
Wasser, nur Wasser-Moleküle? nen Sie die Teilchen, die für die Eigenschaft in der
jeweiligen Spalte verantwortlich sind.
V1 Bestimmen Sie mit einer pH-Elektrode (oder mit
b) Misst man die Leitfähigkeit von vollentsalztem
Spezialindikatorpapier) den pH-Wert und mit einem
Wasser mit einem sehr empfindlichen Messgerät,
Leitfähigkeitsmessgerät die elektrische Leitfähig-
so ermittelt man eine geringe Leitfähigkeit. Dampft
keit verschiedener Wasserproben: Mineralwasser,
man das Wasser ein, erhält man keinen festen
Leitungswasser, Wasserprobe aus einem fließenden
Rückstand. Leiten Sie eine Hypothese zur Ursache
bzw. stehenden Gewässer, Regenwasser, destilliertes
dieser Befunde mithilfe von Fachbegriffen ab.
Wasser und vollentsalztes Wasser.
c) Stellen Sie eine entsprechende Reaktionsglei-
V2 Bestimmen Sie mithilfe von Schnelltestverfah- chung zu Ihrer Hypothese aus b) auf.
ren (Wasseruntersuchungskoffer/Teststäbchen) in
ENTSORGUNG A
den Wasserproben aus V1 den Nitratgehalt und die
Wasserhärte (Gesamthärte, Carbonathärte).

Probe pH-Wert Leitfähigkeit Gesamthärte Carbonathärte Nitratgehalt

B1 Tabellenkopf zur Auswertung von V1 und V2

100 SÄURE-BASE-REAKTIONEN
Versuche und Material 2.2

V Verdünnungsreihe von Salzsäure 2 5 7

Saure Lösungen weisen einen pH-Wert kleiner 7 AUSWERTUNG


auf. Wovon genau hängt der pH-Wert einer sauren a) Notieren Sie zu jedem Reagenzglas 1 - 6 die
Lösung ab? beobachtete Indikatorfarbe und den mithilfe der
Farbskala des Herstellers ermittelten pH-Wert.
V3 Befüllen Sie das erste von sechs Reagenzgläsern
b) Beschreiben Sie den Zusammenhang zwischen
mit 10 mL Salzsäure mit pH = 2 (GHS 5 | 7). Geben
der Verdünnung und der Änderung des pH-Wer-
Sie nun in alle sechs Reagenzgläser 2 Tropfen Uni-
tes.
versalindikatorlösung (GHS 2 | 7) und schütteln Sie
c) Erklären Sie, auf welches Volumen man 10 mL
vorsichtig mit einem aufgesetzten Stopfen das erste
Salzsäure mit pH = 3 verdünnen muss, um daraus
Reagenzglas. Legen Sie 9 mL Wasser in den übrigen
Salzsäure mit pH = 6 herzustellen.
fünf Reagenzgläsern vor. Entnehmen Sie nun mit ei-
ner Pipette genau 1 mL Salzsäure aus dem ersten Re- ENTSORGUNG G1
agenzglas und geben Sie die Salzsäure in das zweite
Reagenzglas. Schütteln Sie vorsichtig. Entnehmen Sie
1 mL Salzsäure + 9 mL Wasser usw.
anschließend mit einer Pipette genau 1 mL der Ver-
dünnung aus dem zweiten Reagenzglas und geben
Sie diese Lösung in das dritte Reagenzglas. Schütteln
Sie vorsichtig. Fahren Sie damit fort, bis das letzte
Reagenzglas mit 10 mL Flüssigkeit gefüllt ist (B2).

10 mL Salzsäure je 2 Tropfen Universalindikator

B2 Versuchsaufbau zu V3

M Kauen statt Putzen?

tion um das 10-Fache angeregt. Kaugummihersteller


Plaque-pH-Wert saurer Bereich normaler Bereich
8 nach einer
werben damit, dass der pH-Wert daher nach 25-mi-
während des nach dem
normalen Kaugummi- Kaugummikauen nütigem Kauen auf ca. pH = 7 steigt. Was passiert bei
Mahlzeit kauens
7 einer Verzehnfachung des Speichelvolumens?
Speichelstimulation
durch einen Zahn- AUSWERTUNG
6 pflegekaugummi
a) Bewerten Sie das Werbemittel B3 aus fach-
5 sprachlicher Sicht und nennen Sie alternative
Begriffe für fachsprachlich kritische Formulierun-
ohne
4
Speichelstimulation
gen.
b) Beantworten Sie die oben gestellte Einstiegsfrage.
3 Nehmen Sie hierbei Bezug zu den Ergebnissen
0 10 20 30 40 50 60 t in min
aus V3.
B3 Änderung des pH-Werts durch Kaugummikauen c) Beurteilen Sie die Aussage des Kaugummiher-
stellers, dass der pH-Wert des Speichels durch
M4 Nach einer Mahlzeit liegt der pH-Wert des Verzehnfachung des Speichelvolumens von
Speichels bei ca. pH = 4. Durch das Kaugummikauen pH = 4 auf pH = 7 steigt.
von Zahnpflegekaugummis wird die Speichelproduk-

SÄURE-BASE-REAKTIONEN 101
2.2 Der pH-Wert

2.2.2 Die Autoprotolyse des Wassers


und der pH-Wert

Wasser reagiert mit sich selbst KW = c(H3O+) · c(OH-) = 10-14 mol2/L2, ϑ = 25 °C


Je mehr Salze im Wasser gelöst sind, umso höher Da die Konstante KW das Produkt der Konzentra-
ist die Leitfähigkeit einer Wasserprobe (V2). Es tionen der im Wasser enthaltenen Ionen angibt,
muss also Ionen enthalten. Genaue Messungen spricht man vom Ionenprodukt des Wassers.
an reinstem Wasser zeigen, dass auch dieses eine
geringe elektrische Leitfähigkeit besitzt (V1), ob-
Der pH-Wert
wohl beim Eindampfen kein Rückstand zu sehen
ist. Bei den im Wasser enthaltenen Ionen handelt Um die Oxonium-Ionenkonzentration c(H3O+)
es sich um Oxonium-Ionen und Hydroxid-Ionen. einer Lösung durch eine kleine positive Zahl
pH Sie bilden sich bei der Autoprotolyse des Was- angeben zu können, hat man den pH-Wert ein-
frz. puissance de sers: geführt. Das ist der negative dekadische Loga-
hydrogène oder lat.
rithmus des Zahlenwertes der Konzentration der
pondus hydrogenii, H2O + H2O H3O+ + OH-
Hochzahl des Oxonium-Ionen H3O+ einer Lösung:
Säure I Base II Säure II Base I
Wasserstoffs
pH = −lg c(H3O+)
Anhand dieses Gleichgewichts wird erneut deut-
lich, dass ein Wasser-Molekül ein amphoteres Misst man den pH-Wert von den in V3 schrittwei-
Teilchen ist, also sowohl als Protonendonator als se verdünnten Salzsäurelösungen, so stellt man
auch als Protonenakzeptor wirken kann. fest, dass dieser mit jedem Verdünnungsvorgang
weiter ansteigt. Um die Salzsäure mit dem an-
fänglichen pH-Wert von 2 auf pH = 3 zu erhöhen,
Das Ionenprodukt des Wassers
muss die Lösung um das 10-Fache verdünnt wer-
Das Autoprotolysegleichgewicht des Wassers den. Es würde also nicht ausreichen, das Volumen
liegt sehr stark auf der linken Seite, die Rückre- der Lösung zu verdoppeln. Der durch die Verdün-
aktion ist also gegenüber der Hinreaktion bevor- nung der Salzsäure ansteigende pH-Wert steht im
zugt. Der Wert der Gleichgewichtskonstanten Zusammenhang mit der Oxonium-Ionenkonzent-
Kc konnte aus Leitfähigkeitsmessungen bestimmt rationen der verdünnten Lösungen.
werden: Ermittelt man die Konzentration der Oxonium-
Ionen in der verdünnten Salzsäure mit pH = 3
c(H3O+) · c(OH-)
Kc = = 3,258 ∙ 10-18, ϑ = 25 °C durch Titration, so stellt man fest, dass diese
c2(H2O)
c(H3O+) = 0,001 mol/L bzw. 10-3 mol/L beträgt.
Die Konzentration von Wasser bei 25 °C ist Einer verdünnten Salzsäure mit pH = 4 kann
c(H2O) = 55,398 mol/L. Die Konzentration durch die 10-fache Verdünnung also c(H3O+) =
ergibt sich aus der Masse von 1 L Wasser 0,0001 mol/L bzw. 10-4 mol/L zugeordnet wer-
m(H 2O) = 998 g und der molaren Masse den. Die 10-fache Verdünnung der Salzsäure
M(H2O) = 18 g/mol. Die Abnahme der Stoffmen- bringt also nicht nur den Anstieg des pH-Wertes
ge n(H2O) durch die Hinreaktion des Autopro- um eine Stufe mit sich, sondern auch die 10-fa-
tolysegleichgewichts ist so gering, dass sie sich che Verringerung der Konzentration der Oxoni-
selbst auf die dritte Stelle hinter dem Komma um-Ionen. Je größer der pH-Wert einer Lösung,
bei c(H2O) nicht auswirkt. Man bezieht daher desto niedriger ist die Stoffmengenkonzentration
die Konzentration des Wassers in die Gleichge- c(H3O+) der darin enthaltenen Oxonium-Ionen
wichtskonstante Kc mit ein und erhält eine neue, H 3 O+ .
temperaturabhängige Konstante Kw:
Kc · c2(H2O) = c(H3O+) · c(OH-) = KW Der pOH-Wert
Durch Einsetzen der Zahlenwerte für Kc und Die obige Definition des pH-Wertes hängt von
c(H2O) ergibt sich: der Konzentration der Oxonium-Ionen H3O+ ab,

102 SÄURE-BASE-REAKTIONEN
Der pH-Wert 2.2

die in allen sauren Lösungen vorliegen. In alkali- c(H3O+) pH pOH c(OH-)


schen Lösungen befinden sich jedoch Hydroxid-
10 = 1
0
0 14 10-14
Ionen OH-. Wie kann man den pH-Wert von 10-1 1 13 10-13
alkalischen Lösungen berechnen? 10-2 2 12 10-12
sauer
Zur Erklärung muss man sich das Ionenprodukt 10-3 3 11 10-11
des Wassers anschauen. Dieses gilt nicht nur 10-4 4 10 10-10
für reines Wasser, sondern auch für verdünnte 10-5 5 9 10-9
wässrige Lösungen bei ϑ = 25 °C. Mit dem Ionen- 10-6 6 8 10-8
produkt ist jeder Oxonium-Ionenkonzentration 10-7 7 neutral 7 10-7
eine Hydroxid-Ionenkonzentration zugeordnet 10-8 8 6 10-6
und umgekehrt. Setzt man in die Gleichung für 10-9 9 5 10-5
c(H3O+) die Konzentration c = 10-3 mol/L ein, 10-10 10 4 10-4
so erhält man für c(OH-) die Konzentration 10-11 11 3 10-3
c = 10-11 mol/L (B1). In einer sauren Lösung mit 10-12 12 alkalisch 2 10-2
pH = 3 liegt durch die Autoprotolyse des Wassers 10-13 13 1 10-1
auch eine geringe Konzentration an Hydroxid- 10-14 14 0 100 = 1
Ionen vor. Selbiges gilt für alkalische Lösungen:
Eine alkalische Lösung mit pH = 11 enthält mit B1 Zusammenhang zwischen Oxonium-Ionenkon-
c(H3O+) = 10-11 mol/L eine sehr geringe Konzen- zentration, pH-Wert, Hydroxid-Ionenkonzentration
und pOH-Wert. Die Konzentrationen der Ionen sind in
tration an Oxonium-Ionen, jedoch im Vergleich mol/L angegeben.
mit c(OH-) = 10-3 mol/L eine hohe Konzentration
an Hydroxid-Ionen. Der pOH-Wert bezieht sich
daher auf die Konzentration der Hydroxid-Ionen Umformungen
Durch die Autoprotolyse des Wassers beim Rechnen
OH- und ist analog zum pH-Wert definiert:
liegen in reinem Wasser und in ver- mit dem dekadi-
pOH = -lg c(OH-) dünnten wässrigen Lösungen Oxonium- schen Logarith-
Ionen und Hydroxid-Ionen vor. Das mus unter QR-/
Setzt man die Definition für den pH- und pOH- Mediencode
Produkt der Konzentration dieser Ionen 06011-13
Wert in das Ionenprodukt des Wassers ein, so
nennt man das Ionenprodukt des Was-
erhält man folgenden Zusammenhang:
sers. Bei ϑ = 25 °C ist:
−[lg c(H3O+) + lg c(OH-)] = −lg 10-14
Kw = c(H3O+) ∙ c(OH-) = 10-14 mol2/L2.
pH + pOH = 14 06011-13
Der pH-Wert ist der mit −1 multiplizierte
Man kann also aus dem pH-Wert den pOH-Wert dekadische Logarithmus des Zahlenwer-
berechnen und umgekehrt. tes der Oxonium-Ionenkonzentration.

AUFGABEN
A1 Berechnen Sie mithilfe des Ionenprodukts
Kw die Konzentration der Oxonium-Ionen
c(H3O+) in reinem Wasser bei ϑ = 25°C.
A2 Die pH-Werte wässriger Lösungen sind bei
25 °C:
a) 1 b) 5 c) 9 d) 11 e) 12,5
Berechnen Sie jeweils c(H3O+) und c(OH-).
A3 Bewerten Sie Angaben in B2 mit dem Wis-
sen, dass die menschliche Haut leicht sauer
ist. B2 Label auf einem Duschgel

SÄURE-BASE-REAKTIONEN 103
2.3 Starke und schwache Säuren und Basen
Gemessen am Schmerz beim Berühren einer Brennnessel oder beim Biss einer Amei-
se würde man die Ameisensäure als starke Säure bezeichnen. Tatsächlich ist sie aber
nur eine mittelstarke Säure, während die sehr starke Säure Chlorwasserstoff gelöst
in Wasser als Salzsäure in unserem Magensaft enthalten ist. Die schwache Blausäure
(Wasserstoffcyanid) ist ein starkes Gift. Diese Beispiele zeigen, dass die Stärke einer
Säure nichts mit ihrer Giftigkeit oder Gefährlichkeit zu tun hat. Wann spricht man von
einer starken und wann von einer schwachen Säure?

2.3.1 Versuche und Material

V pH-Werte saurer Lösungen gleicher Ausgangskonzentration 5

Salzsäure und Essigsäure unterscheiden sich in ihrer


Säurestärke. Wie kann man herausfinden, welches
die starke und welches die schwache Säure ist?
V1 Geben Sie in ein Reagenzglas jeweils 5 mL
Salzsäure (GHS 5) und Essigsäurelösung mit den
Anfangskonzentrationen c0(HA) = 0,1 mol/L und
0,01 mol/L. Messen Sie die pH-Werte dieser vier
Lösungen mit einem pH-Meter (B1).

B1 Versuchsaufbau zu V1: Bestimmung des pH-Werts


mit einem pH-Checker

104 SÄURE-BASE-REAKTIONEN
Versuche und Material 2.3

AUSWERTUNG
a) Übertragen Sie die Tabelle B2 in Ihr Heft und c) Formulieren Sie das Protolysegleichgewicht bei
notieren Sie die gemessenen pH-Werte. der Reaktion von Chlorwasserstoff HCl mit Was-
b) Berechnen Sie aus den gemessenen pH-Werten ser.
die Oxonium-Ionenkonzentration c(H3O+) und d) Formulieren Sie das Protolysegleichgewicht bei
tragen Sie diese in die entsprechende Spalte der der Reaktion von Essigsäure CH3COOH mit
Tabelle ein. Wasser.
e) Stellen Sie eine begründete Hypothese auf, die
Säure c0(HA) pH c(H3O+) erklärt, worauf die Unterschiede in den pH-
Werten bei gleicher Ausgangskonzentration c0
Salzsäure 0,1 mol/L
beruhen könnten.
Salzsäure 0,01 mol/L
Essigsäurelösung 0,1 mol/L ENTSORGUNG G1
Essigsäurelösung 0,01 mol/L

B2 Tabelle zu V1

V Reaktion saurer Lösungen gleicher Ausgangskonzentration 2 5


mit unedlen Metallen

Starke und schwache Säuren unterscheiden sich


auch in ihrer Reaktion mit unedlen Metallen. Wie
kann man dies experimentell herausfinden? Worauf
beruht diese unterschiedliche Reaktionsfähigkeit?
V2 Füllen Sie in ein Reagenzglas je 5 mL Salzsäure
(GHS 5) und Essigsäurelösung mit der Ausgangs-
konzentration c0(HA) = 0,1 mol/L. Testen Sie die
Reaktionen der Lösungen mit jeweils zwei Spatelspit-
zen Magnesiumgries (GHS 2).
V3 Wiederholen Sie die Reaktionen aus V2 mit den Gas- pneumatische
gleichen Mengen Magnesium in einem Reagenzglas entwickler Wanne
mit seitlichem Schlauchansatz. Fangen Sie jeweils
das entstehende Gas in einem kleinen Reagenzglas B3 Versuchsaufbau zu V3

pneumatisch auf und führen Sie die Knallgasprobe


durch (B3).
AUSWERTUNG
a) Notieren Sie Ihre Beobachtungen aus V2 und d) Stellen Sie eine begründete Hypothese auf, die
vergleichen Sie die Reaktionen miteinander. erklärt, worauf die unterschiedliche Heftigkeit
b) Benennen Sie das entstandene Gas und begrün- der Reaktionen von verdünnter Essigsäure und
den Sie. Salzsäure mit Magnesium zurückzuführen sein
c) Vergleichen Sie die Beobachtungen in V3 und könnte.
formulieren Sie zu den Reaktionen die Reaktions-
gleichungen. ENTSORGUNG G1

SÄURE-BASE-REAKTIONEN 105
2.3 Starke und schwache Säuren und Basen

2.3.2 Säure- und Basenstärke

pH-Werte saurer Lösungen Säure-Base-Gleichgewichte


Vergleicht man bei der Salzsäure die Werte für
Salzsäure Essigsäure- die Anfangskonzentration c0(HA) und die Oxo-
lösung nium-Ionenkonzentration c(H3O+), so stellt man
fest, dass diese genau identisch sind. Das heißt,
dass alle Chlorwasserstoff-Moleküle HCl ihr
Proton abgegeben haben und das Säure-Base-
c0 = 0,1 mol/L c0 = 0,1 mol/L Gleichgewicht fast vollständig auf der Seite der
Oxonium-Ionen liegt. Daher kann man die Reak-
tionsgleichung vereinfacht mit dem „normalen“
Reaktionspfeil schreiben:
HCl (g) + H2O (l) Cl- (aq) + H3O+ (aq)
Im Unterschied dazu haben nur etwa ein Prozent
pH = 1 pH = 2,9 der Essigsäure-Moleküle CH3COOH ein Proton
abgegeben, sodass das Säure-Base-Gleichge-
wicht der Reaktion von Essigsäure mit Wasser
weitgehend auf der Eduktseite liegt. Die Reak-
B1 Gleiche Ausgangskonzentrationen der Säuren, aber unterschiedliche pH- tionsgleichung schreibt man mit dem Gleichge-
Werte der Lösungen
wichtspfeil:
Misst man die pH-Werte von Salzsäure und CH3COOH (l) + H2O (l)
Essigsäurelösung gleicher Konzentration, z. B. CH3COO- (aq) + H3O+ (aq)
c0(HA) = 0,1 mol/L, so stellt man fest, dass diese
Die höhere Oxonium-Ionenkonzentration in
nicht gleich sind. Bei der Salzsäure beträgt der
Salzsäure verglichen mit der Essigsäurelösung
pH-Wert 1,0, bei der Essigsäurelösung dagegen
ist verantwortlich für die heftigere Reaktion mit
etwa 2,9 (V1, B1). Erwartungsgemäß reagiert die
Magnesium (V2).
Salzsäure wesentlich schneller und heftiger mit
Chlorwasserstoff-Moleküle sind bessere Proto-
Magnesium als die Essigsäurelösung (V2). Dabei
nendonatoren als Essigsäure-Moleküle. Damit
reagiert Magnesium mit Salzsäure unter Bildung
ist Chlorwasserstoff eine stärkere Säure als Es-
von Wasserstoff, welcher sich mit der Knallgas-
sigsäure.
probe nachweisen lässt (V3):
Je vollständiger die Protonenübertragung bei ei-
Mg (s) + 2 H3O+ (aq) + 2 Cl- (aq) ner Protolyse erfolgt, desto mehr liegt das Säure-
Mg2+ (aq) + H2 (g) + 2 Cl- (aq) + 2 H2O (l) Base-Gleichgewicht auf der Seite der Produkte
und umso stärker ist die betrachtete Säure bzw.
Definition des Aus den gemessenen pH-Werten lassen sich die
pH-Werts Base (vgl. Info Stärke versus Wirkung).
Konzentrationen der Oxonium-Ionen c(H3O+)
• S. 102
berechnen (B2).
Stärke versus Wirkung
Säure Salzsäure Essigsäure
c0(HA) 0,1 mol/L 0,1 mol/L Die Stärke von Säuren ist nicht gleichzu-
pH 1 2,9 setzen mit ihrer aggressiven Wirkung. So ist
Ameisensäure nur eine mittelstarke Säure,
c(H3O+) 0,1 mol/L 0,001 mol/L
kann aber schlimme Verätzungen verursa-
B2 pH-Wert und Oxonium-Ionenkonzentration chen, ebenso wie die schwache Flusssäure
saurer Lösungen HF, die als eine der reaktivsten Säuren gilt
und sogar Glas angreifen kann.

106 SÄURE-BASE-REAKTIONEN
Starke und schwache Säuren und Basen 2.3

Säure- und Basenkonstanten Säure Säure- Basen- korrespondierende


stärke stärke Base
Die Protolysereaktion einer beliebigen Säure HA
pKS pKB
mit Wasser lässt sich mit dem Massenwirkungsge-
HCI -6,00 20,00 CI-
setz folgendermaßen beschreiben:
H2SO4 -3,00 17,00 HSO4-

Säurestärke nimmt zu >


HA + H2O A- + H3O+ H3O+ -1,74 15,74 H2O
HNO3 -1,32 15,32 NO3-
c(H3O+) ∙ c(A-)
MWG: Kc = H2C2O4 1,46 12,54 HC2O4-
c(HA) ∙ c(H2O)
HSO4- 1,92 12,08 SO42-
H2SO3 1,96 12,04 HSO3-
In verdünnten Lösungen ist die Konzentration von
H3PO4 1,96 12,04 H2PO4-
Wasser-Molekülen c(H2O) sehr viel größer als
HCOOH 3,77 10,23 HCOO-
die der anderen am Säure-Base-Gleichgewicht
CH3COOH 4,76 9,24 CH3COO-
beteiligten Teilchen. Der Wert c(H2O) verändert
H2CO3 6,52 7,48 HCO3-
sich bei der Einstellung des Gleichgewichts nur
H2S 6,90 7,10 HS-
so gering, dass die Konzentration des Wassers als
HSO3- 7,04 6,96 SO32-

Basenstärke nimmt ab >


konstant angesehen werden kann. Daher bezieht
H2PO4- 7,12 6,88 HPO42-
man sie in die Gleichgewichtskonstante Kc mit ein
NH4+ 9,24 4,76 NH3
und erhält die Säurekonstante KS:
HCN 9,40 4,60 CN-
c(H3O+) ∙ c(A-) HCO3- 10,40 3,60 CO32-
Kc ∙ c(H2O) = KS, also KS =
c(HA) HPO42- 12,32 1,68 PO43-
HS- 13,00 1,00 S2-
Für die Protolysereaktion einer Base B erhält man H2O 15,74 -1,74 OH-
in der gleichen Weise die Basenkonstante KB: OH- 24,00 -10,00 O2-

H2O + B OH- + HB+ B3 Stärke von Säuren und ihren korrespondierenden Basen

c(HB+) ∙ c(OH-)
MWG: Kc =
c(B) ∙ c(H2O)
Die Säurekonstante KS und die Basen-
c(OH-) ∙ c(HB+) konstante KB sind ein Maß für die Säure-
Kc ∙ c(H2O) = KB, also KB =
c(B) bzw. Basenstärke.
Der pKS-Wert einer Säure bzw. der
Anstelle des KS- oder KB-Werts wird häufig der
pKB-Wert einer Base ist der negative
pKS- bzw. pKB-Wert angegeben, der wiederum
dekadische Logarithmus des jeweiligen
dem negativen dekadischen Logarithmus des je-
KS- bzw. KB-Werts.
weiligen KS- bzw. KB -Werts entspricht:
Je kleiner der pKS- bzw. pKB-Wert ist,
pKS = −lg KS KS = 10-pKS mol/L
desto stärker ist die Säure bzw. Base.
pKB = −lg KB KB = 10-pKB mol/L
pKS- und pKB-Werte ermöglichen eine Einteilung
von Säuren und Basen nach ihrer Stärke. So ist AUFGABEN
die Ameisensäure eine stärkere Säure als die A1 Propansäure mit c0(HA) = 0,1 mol/L hat
Essigsäure, aber eine schwächere Säure als die den pH-Wert 2,94. Berechnen Sie den
Salzsäure (B3). KS- und den pKS-Wert.
A2 Begründen Sie unter Berücksichtigung von
B1, dass es bei genauen Messungen hilfreich
ist, zusätzlich zu pH-Papier mit elektroni-
scher Messwerterfassung zu arbeiten.

SÄURE-BASE-REAKTIONEN 107
2.3 Starke und schwache Säuren und Basen

2.3.3 Säure-Base-Gleichgewichte

Zusammenhang von KS und KB bei Einteilung von Säuren und Basen


korrespondierenden Säure-Base-
Salzsäure reagiert bei gleicher Konzentration
Paaren
heftiger mit Magnesium als die Essigsäure (V2).
Die Reaktion einer Säure HA und ihrer korres- Chlorwasserstoff ist mit pKS = −6 die stärkere
pondierenden Base A- mit Wasser können als Säure als die Essigsäure mit pKS = 4,76. Chlor-
Gleichgewichtsreaktionen betrachtet werden: wasserstoff zählt zu den starken, Essigsäure zu
den schwachen Säuren.
HA + H2O A- + H3O+ Die Säure- und Basenkonstante KS und KB bzw.
der pKS- und pKB-Wert einer Säure bzw. Base
c(H3O+) ∙ c(A-)
KS = sind konzentrationsunabhängige Größen, die
c(HA)
die Stärke der Säure bzw. Base eindeutig durch
A- + H2O HA + OH- einen Zahlenwert charakterisieren. Damit ist es
möglich die Säuren und Basen nach ihrer Stärke
c(OH-) ∙ c(HA)
KB = zu ordnen (B3 , S. 107) und die pH-Werte von
c(A-)
Lösungen zu berechnen.
Der KS-Wert einer Säure HA und und der KB-
Säuren kann man wie im Falle des Chlorwasser-
Wert ihrer korrespondierenden Base A- hängen
stoffs und der Essigsäure nach ihrem jeweiligen
voneinander ab. Dieser Zusammenhang zeigt
pKS-Wert in starke und schwache Säuren eintei-
sich, wenn man die Gleichgewichtskonstanten
len. Eine entsprechende Einteilung nach ihrem
durch Multiplikation zusammenfasst:
pKB-Wert liegt bei den Basen vor.
c(H3O+) ∙ c(A-) c(OH-) ∙ c(HA) • S
 tarke Säuren bzw. Basen haben einen
KS ∙ KB = ·
c(HA) c(A-) pKS bzw. pKB  1,5.
• S
 chwache Säuren und Basen haben einen
Daraus ergibt sich durch Kürzen das Ionenpro- pKS bzw. pKB  4,75.
dukt des Wassers KW:
Dazwischen befinden sich die mittelstarken Säu-
KS ∙ KB = c(H3O+) ∙ c(OH-) = KW
ren und Basen (B4).
Bei 25 °C gilt: Stärke der pKS- bzw. pKB-Wert
KS ∙ KB = 10-14 mol2/L2. Säure bzw. Base
Daher gilt folgender quantitativer Zusammen- stark pKS bzw. pKB  1,5
hang: mittelstark 1,5  pKS bzw. pKB  4,75
pKS + pKB = pKW = 14. schwach pKS bzw. pKB  4,75

Folglich kann man bei korrespondieren Säure- B4 Einteilung von Säuren und Basen
Base-Paaren bei bekanntem pKS-Wert den pKB-
Wert der korrespondierenden Base berechnen,
Starke Säuren und Basen reagieren nahezu voll-
und umgekehrt (B3, S. 107).
ständig mit Wasser. Daher haben alle wässrigen
Aus der Gleichung lässt sich ebenfalls ableiten: Je
Lösungen starker Säuren bzw. starker Basen bei
stärker eine Säure, desto schwächer ist ihre kor-
gleicher Konzentration den gleichen pH-Wert.
respondierende Base. Je stärker die Base, desto
schwächer ist ihre korrespondierende Säure.

108 SÄURE-BASE-REAKTIONEN
Starke und schwache Säuren und Basen 2.3

Protolyse von Salzen ist für die Bildung einer sauren, neutralen oder
alkalischen Lösung entscheidend, ob die Säure-
Ob die Lösung eines Salzes sauer, neutral oder
oder Basenstärke überwiegt. Dies gilt nur, wenn
alkalisch ist, hängt von den pKS- und pKB-Werten
die Kationen keine Protolyse mit Wasser-Mole-
der Ionen ab.
külen eingehen. Ist bei dem Anion pKS  pKB, so
reagiert das Anion als Säure und es entsteht eine
Neutrale Salzlösungen
saure Lösung. Wenn umgekehrt für das Anion
Sind die Kationen und Anionen eines Salzes sehr
pKS  pKB gilt, reagiert es als Base und es entsteht
schwache Säuren oder Basen, findet keine merk-
eine alkalische Lösung (B5).
liche Säure-Base-Reaktion zwischen den Ionen
Beispiele: NaHSO4, K2HPO4.
und den Wasser-Molekülen statt. Die entstehen-
de Lösung ist neutral. Anion pKS pKB Lösung
Beispiele: NaCl, K2SO4.
HSO4 -
1,92  12,08 sauer
HPO42- 12,32  1,68 alkalisch
Saure und alkalische Salzlösungen
Hat ein Ion einen deutlich kleineren pKS- bzw. B5 Bildung saurer und alkalischer Salzlösungen bei
pKB-Wert als das andere Ion eines Salzes, reagiert amphoteren Anionen
es als Säure bzw. Base mit Wasser. Die entste-
hende Lösung ist sauer bzw. alkalisch.
Für korrespondierende Säure-Base-
So entsteht bei der Protolyse von Ammonium- Paare HA/A- ist das Produkt aus KS(HA)
chlorid NH4Cl mit Wasser eine saure Lösung, da und KB(A-) gleich dem Ionenprodukt des
der pKS-Wert von NH4+ mit 9,24 deutlich kleiner Wassers KW.
ist als der pKB-Wert von Cl- mit 20.
Bei 25 °C gilt: pKS + pKB = pKW = 14.
NH4Cl (s) + H2O (l)
Je stärker einer Säure HA, umso schwä-
 NH3 (g) + Cl- (aq) + H3O+ (aq)
cher ist ihre korrespondierende Base A-.
Bei der Protolyse von Natriumcarbonat Na2CO3
Starke Säuren und Basen protolysieren
mit Wasser entsteht eine alkalische Lösung, da
nahezu vollständig und haben einen
pKB(CO32-) = 3,60 klein ist und Na+-Ionen keine
pKS- bzw. pKB-Wert  1,5.
Protolyse mit Wasser-Molekülen eingehen.
Bei Salzen entscheidet der pKS- bzw.
Na2CO3 (s) + H2O (l)
pKB-Wert der Anionen und Kationen, ob
 2 Na+ (aq) + HCO3- (aq) + OH- (aq)
bei der Reaktion mit Wasser eine saure,
Bei einigen Salzen sind die Anionen Ampholyte alkalische oder neutrale Lösung vorliegt.
(z. B. HSO4-, HPO42-). Bei amphoteren Anionen

AUFGABEN
A1 Bei einer Säurelösung wird ein pH-Wert beträgt der pH-Wert der Lösung 2 und die
von 3 gemessen. Erläutern Sie, dass es an- Konzentration c(HSO4-) = 0,008 mol/L.
hand dieses Messwerts nicht möglich ist zu a) Stellen Sie das Massenwirkungsgesetz
entscheiden, ob eine starke oder schwache für die Definition von KS(HSO4-) auf.
Säure vorliegt. b) B erechnen Sie KS(HSO4-) und KB der
A2 Entscheiden Sie begründet, ob eine wässri- korrespondierenden Base.
ge Lösung von Natriumacetat NaCH3COO A4 Erläutern Sie, ob bei den folgenden
sauer, neutral oder alkalisch ist. Ampholyten die Säure- oder Basenstärke
A3 Das Salz Natriumhydrogensulfat NaHSO4 überwiegt: a) HCO3-, b) H2PO4-, c) HPO42-.
wird in Wasser gelöst. Im Gleichgewicht

SÄURE-BASE-REAKTIONEN 109
2.3 Starke und schwache Säuren und Basen

2.3.4 Berechnung von pH-Werten

pH-Wert von Lösungen starker Säuren pH-Wert von Lösungen schwacher


und Basen Säuren und Basen
Starke Säuren und Basen haben sehr kleine oder Die Moleküle oder Ionen schwacher Säuren und
negative pKS- bzw. pKB-Werte. Die Moleküle oder Basen protolysieren nicht vollständig, sondern
Ionen starker Säuren und Basen liegen in wäss- in nur sehr geringen Anteilen. Es stellt sich in
riger Lösung nahezu vollständig protolysiert vor. wässriger Lösung ein Protolysegleichgewicht ein,
Daher kann die Oxonium-Ionenkonzentration welches weitgehend auf der Eduktseite liegt. Die
c(H3O+) mit der Anfangskonzentration c0(HA) Gleichgewichtskonzentration c(HA) bzw. c(B) ist
der Säure gleichgesetzt werden. Der pH-Wert viel größer als der protolysierte Anteil c(A-) bzw.
der Lösung lässt sich einfach aus der Ausgangs- c(HB+). Daher ist die Gleichgewichtskonzentra-
konzentration c0 berechnen: pH = −lg c0(HA). tion von HA bzw. B nahezu gleich der Ausgangs-
Entsprechendes gilt für starke Basen: Die Hydro- konzentration.
xid-Ionenkonzentration c(OH-) ist annähernd •  ür schwache Säuren pKS  4,75 gilt:
F
gleich groß wie die Ausgangskonzentration der
c(HA)  c0(HA)
Base. Damit ist pOH = −lg c0(B) und pH = 14 – •  ür schwache Basen pKB  4,75 gilt:
F
pOH.
c(B)  c0(B)
• Für starke Säuren pKS  1,5 gilt:
Für das Protolysegleichgewicht einer schwachen
c(H3O+) = c0(HA)
Säure gilt:
• Für starke Basen pKB  1,5 gilt:
c(OH-) = c0(B) HA + H2O H3O+ + A-
Setzt man in die aus dem MWG abgeleitete Glei-
chung die Anfangskonzentration c0(HA) anstelle
FM Den pH-Wert von Lösungen
von c(HA) ein, kann der pH-Wert durch mathe-
starker Säuren und Basen
matische Umformung ermittelt werden. Für die
berechnen
Säurekonstante gilt:
Berechnen Sie den pH-Wert von Salzsäure c(H3O+) ∙ c(A-)
KS =
der Konzentration c0(HA) = 0,25 mol/L. c(HA)
VORGEHEN Aus der Autoprotolyse des Wassers ergibt sich:
1. Formulieren Sie die Gleichung für die c(A-) = c(H3O+)
Protolyse.
Einsetzen von c0(HA) anstelle von c(HA) und
HCl (g) + H2O (l) H3O+ (aq) + Cl- (aq)
Berücksichtigung der obigen Gleichung ergibt:
2. Klassifizieren Sie die Säure bzw. Base. c2(H3O+)
KS =
Chlorwasserstoff ist mit pKS = −6 c0(HA)
eine starke Säure. Damit gilt:
KS ∙ c0(HA) = c2(H3O+)
c(H3O+) = c0(HA) = 0,25 mol/L 
c(H3O+)= KS ∙ c0(HA)
3. Wenden Sie die Definition des
pH-Werts an. 2 pH = pKS – lg c0(HA)
pH = −lg c(H3O+) = −lg 0,25 = 0,6 1
pH = 2 (pKS – lg c0(HA))
Entsprechend kann der pOH-Wert der
Die Oxonium-Ionenkonzentration c(H3O+) wird
Lösung starker Basen aus der Aus-
hierbei vernachlässigt.
gangskonzentration c0(B) berechnet
werden: Der pH-Wert schwacher Basen kann auf ähnli-
pOH = −lg c0(B); pH = 14 − pOH che Weise berechnet werden. Für das Protoly-
segleichgewicht einer schwachen Base gilt:

110 SÄURE-BASE-REAKTIONEN
Starke und schwache Säuren und Basen 2.3

H2O + B OH- + HB+


FM Den pH-Wert von Lösungen schwacher
Für die Basenkonstante gilt:
Säuren berechnen
c(OH-) ∙ c(HB+)
KB =
c(B) Berechnen Sie den pH-Wert einer Essigsäurelösung der
Konzentration c0 = 0,25 mol/L.
Aus der Autoprotolyse des Wassers ergibt sich:
c(HB+) = c(OH-) VORGEHEN
1. Formulieren Sie die Gleichung für die Protolyse.
Einsetzen von c0(B) anstelle von c(B):
CH3COOH (aq) + H2O (l) H3O+ (aq) + CH3COO- (aq)
c2(OH-)
KB =
c0(B) 2. Klassifizieren Sie die Säure.
Essigsäure ist mit pKS = 4,76 eine schwache Säure.
KB ∙ c0(B) = c2(OH-)
 Damit gilt:
c(OH-)= KB ∙ c0(B) c(CH3COOH) = c0(CH3COOH)
2 pOH = pKB – lg c0(B) 3. Berechnen Sie c(H3O+) mithilfe von KS.
1 c(H3O+) ∙ c(CH3COO-)
pOH = 2 (pKB − lg c0(B)) KS = = 10-pKS
c(CH3COOH)

Der pH-Wert lässt sich dann über die Bezie-
Da c(H3O+) = c(CH3COO-) und
hung pH = 14 − pOH ermitteln:
c(CH3COOH) = c0(CH3COOH) ist, folgt:
1
pH = 14 − 2 (pKB − lg c0(B))
c2(H3O+)
KS =
 und schließlich
Die Hydroxid-Ionenkonzentration c(OH ) wird -
c0(CH3COOH)
hierbei vernachlässigt. 
c(H3O+)= KS ∙ c0(CH3COOH)
4. Wenden Sie die Definition des pH-Werts an.
Starke Säuren und Basen protolysieren
pH = -lg c(H3O+) = 21 (pKS – lg c0(CH3COOH)) =
vollständig. Der pH-Wert der Lösung 1
2 (4,76 – lg 0,25) ≈ 2,68
lässt sich daher einfach aus der Aus-
gangskonzentration c0 berechnen:
pH = -lg c0(HA)
pOH = -lg c0(B); pH = 14 − pOH
AUFGABEN
Schwache Säuren und Basen protolysie-
A1 Berechnen Sie die pH-Werte folgender
ren in wässriger Lösung nur wenig. Für
Lösungen: Salzsäure mit c0 = 0,01 mol/L
die entsprechenden Lösungen gilt daher:
und Essigsäurelösung mit c0 = 0,5 mol/L.
1
pH = 2 (pKS − lg c0(HA)) Erläutern Sie Ihre unterschiedliche Vorge-
1 hensweise bei der Berechnung der pH-Werte.
pH = 14 - (pKB − lg c0(B))
2
A2 Berechnen Sie mithilfe von B6 den pH-
Wert einer Propansäurelösung mit
c0 = 0,25 mol/L.
Säure pKS-Wert A3 Berechnen Sie jeweils die Anfangskon-

HCOOH (Ameisensäure) 3,77 zentration c0 der Säure in den folgenden


CH3COOH (Essigsäure) 4,76 Lösungen: Salzsäure mit pH = 0,5 und
Essigsäurelösung mit pH = 4,76.
CH3CH2COOH (Propansäure) 4,88
A4 Berechnen Sie die pH-Werte folgender
ClCH2COOH (Monochloressigsäure) 2,81
Lösungen: Natronlauge mit c0 = 1 mol/L und
B6 pKS-Werte einiger organischer Säuren Ammoniaklösung mit c0 = 0,2 mol/L.

SÄURE-BASE-REAKTIONEN 111
2.4 Puffersysteme
Blut ist eine Flüssigkeit mit einem durchschnittlichen pH-Wert von 7,4. Unser Wohl-
befinden hängt davon ab, dass der pH-Wert des Blutes nur in einem engen Bereich
von pH = 7,4 ± 0,5 schwankt. Lebensmittel beeinflussen den Säure-Base-Haushalt
des Blutes. Ihre Wirkung ist jedoch nicht abhängig von deren pH-Wert, sondern von
dem, was nach der Verdauung übrig bleibt und ins Blut resorbiert wird. Z. B. schme-
cken Zitronen zwar sauer, aber ihre Mineralstoffe, die letztlich in unser Blut gelangen,
wirken basisch. Der Genuss von zu viel Fleisch kann zu einer Übersäuerung, einer so
genannten Acidose des Blutes führen und damit wichtige Enzymreaktionen stören.
Warum kann unser Körper in der Regel mit solchen pH-Wert-Schwankungen
umgehen?

2.4.1 Versuche und Material

V Wirkungsweise von Puffersystemen 5

Blut enthält sogenannte Puffersysteme, die es trotz V1 Stellen Sie jeweils 50 mL der folgenden drei
äußerer Einflüsse schaffen, Belastungsspitzen zu Pufferlösungen her, indem Sie jeweils 25 mL der
vermeiden und den pH-Wert in einem engen Bereich angegebenen Lösungen in ein Becherglas füllen und
annähernd konstant zu halten. Aus welchen Baustei- mit einem Glasstab durch Rühren vermischen.
nen setzt sich ein solches Puffersystem zusammen
Acetat-Puffer:
und wie wirkt es dem Zusatz von Säuren und Basen
Essigsäurelösung c(HAc) = 0,1 mol/L
entgegen?
Natriumacetatlösung c(Ac-) = 0,1 mol/L
Hinweis: Eine arbeitsteilige Durchführung ist hier
sinnvoll. Hinweis: HAc ist eine gebräuchliche Abkürzung für
CH3COOH, Ac- eine gebräuchliche Abkürzung für
CH3COO-.

112 SÄURE-BASE-REAKTIONEN
Versuche und Material 2.4

Phosphat-Puffer: b) Stellen Sie eine begründete Hypothese auf, die


Natriumdihydrogenphosphatlösung die Unterschiede in den Änderungen der pH-
c(H2PO4-) = 0,1 mol/L Werte bei destilliertem Wasser im Vergleich zu
Natriumhydrogenphosphatlösung den Pufferlösungen erklärt.
c(HPO42-) = 0,1 mol/L c) In jeder der drei Pufferlösungen ist ein korres-
pondierendes Säure-Base-Paar enthalten. Geben
Carbonat-Puffer:
Sie dieses für das jeweilige Puffersystem an und
Natriumhydrogencarbonatlösung
formulieren Sie die Säure-Base-Reaktion, bei der
c(HCO3-) = 0,1 mol/L
die Säure in wässriger Lösung in ihre korrespon-
Natriumcarbonatlösung
dierende Base übergeht.
c(CO32-) = 0,1 mol/L
d) Formulieren Sie aufgrund Ihrer gemachten
Füllen Sie ein weiteres Becherglas mit 50 mL destil- Beobachtungen eine Definition für den Begriff
liertem Wasser. Dieses dient Ihnen zum Vergleich. „Puffersystem“.
e) Im Blut sorgen verschiedene Puffersysteme dafür,
Bestimmen Sie mit einem pH-Meter die pH-Werte
dass der pH-Wert annähernd konstant bleibt.
von destilliertem Wasser und den drei Pufferlösungen.
Das Kohlensäure-Hydrogencarbonat-Puffersys-
V2 Teilen Sie die Pufferlösungen sowie das de- tem (H2CO3/HCO3-) spielt dabei die wichtigste
stillierte Wasser aus V1 jeweils zur Hälfte auf zwei Rolle. Bei diesem Puffersystem laufen u. a. die
Bechergläser auf. folgenden Reaktionen im Blut ab.
Geben Sie in das Becherglas mit destilliertem Wasser Ausscheidung über die Lunge
und in das Becherglas mit der Pufferlösung je 0,5 mL
Salzsäure (c = 1 mol/L, GHS 5). Rühren Sie mit CO2 + H2O H2CO3
einem Glasstab um und bestimmen Sie jeweils den H2CO3 + H2O HCO3- + H3O+
pH-Wert. Führen Sie den gleichen Vorgang noch je
dreimal durch. Ausscheidung über die Niere
Geben Sie in das Becherglas mit destilliertem Wasser Kommt es durch saure Stoffwechselprodukte zu
und in das Becherglas mit der Pufferlösung je 0,5 mL einer Erniedrigung des pH-Werts im Blut, fangen
Natronlauge (c = 1 mol/L, GHS 5). Rühren Sie mit Hydrogencarbonat-Ionen die Oxonium-Ionen
einem Glasstab um und bestimmen Sie jeweils den ab, wobei Kohlensäure-Moleküle entstehen, die
pH-Wert. Führen Sie den gleichen Vorgang noch je wiederum in Kohlenstoffdioxid- und Wasser-
dreimal durch. Moleküle zerfallen. Das entstandene Kohlen-
stoffdioxid kann dann über die Lunge abgeatmet
AUSWERTUNG werden.
a) Übertragen Sie die Tabelle B1 in Ihr Heft und Erläutern Sie anhand der Reaktionsgleichungen
notieren Sie die unter V1 und V2 gemessenen die Vorgänge, die ablaufen, wenn durch basische
pH-Werte vor und nach Zugabe von Salzsäure Stoffwechselprodukte eine Erhöhung des
bzw. Natronlauge. Vergleichen Sie die Änderun- pH-Wertes eintritt.
gen der gemessenen pH-Werte.
ENTSORGUNG G1

pH-Wert zu Beginn nach Zusatz von Salzsäure nach Zusatz von Natronlauge
0,5 mL 1 mL 1,5 mL 2 mL 0,5 mL 1 mL 1,5 mL 2 mL
destilliertes Wasser
Acetat-Puffer
Phosphat-Puffer
Carbonat-Puffer

B1 Tabelle zu V1 und V2

SÄURE-BASE-REAKTIONEN 113
2.4 Puffersysteme

2.4.2 Wirkungsweise eines Puffersystems


Der pH-Wert des Blutes (B1) schwankt nur sehr Ac- + H3O+ HAc + H2O
wenig um den Bereich von pH 7,4, obwohl über
Bei Zugabe von Hydroxid-Ionen fangen die
den Stoffwechsel ständig Säuren oder Basen in
Essigsäure-Moleküle die Hydroxid-Ionen ab, in-
den Blutkreislauf gelangen. Dagegen kann man
dem sie mit diesen zu Acetat-Ionen und Wasser-
bei Zugabe von Salzsäure bzw. Natronlauge zu
Molekülen reagieren. Auch hier ändert sich der
destilliertem Wasser eine deutliche pH-Ände-
pH-Wert kaum:
rung beobachten (V1, V2). Eine wässrige Lösung,
die gleiche Stoffmengen von Essigsäure und Na- HAc + OH- Ac- + H2O
triumacetat enthält, hat einen pH-Wert von 4,75.
Die schwache Säure gibt Protonen zur Neutra-
Gibt man zu diesem Essigsäure-Acetat-Puffer
lisation der Hydroxid-Ionen ab und reagiert als
(HAc/Ac-) Salzsäure oder Natronlauge in nicht
Protonendonator, während ihre korrespondie-
allzu großer Stoffmengenkonzentration, ändert
rende Base als Protonenakzeptor fungiert.
sich der pH-Wert des Puffers nur geringfügig.
Puffersysteme können auch aus einer schwa-
Der pH-Wert einer Hydrogencarbonat-
chen Base und ihrer korrespondierenden Säure
Carbonat-Pufferlösung (HCO3-/CO32-) liegt
bestehen. Ein Beispiel hierfür ist der Ammoni-
im alkalischen Bereich (pH = 10 – 11), der
ak-Ammonium-Puffer (NH3/NH4+-Puffer). Bei
pH-Wert einer Dihydrogen-
Körperflüssigkeit pH-Wert diesem Puffersystem fangen Ammoniak-Mole-
phosphat-Hydrogenphos-
küle Oxonium-Ionen ab, indem sie mit diesen
Blut 7,4 phat-Pufferlösung (H2PO4-/
zu Ammonium-Ionen und Wasser-Molekülen
Milch 6,6 – 6,9 HPO42-) im neutralen Bereich
reagieren. Ammonium-Ionen reagieren als Pro-
Galle 7,8 (pH = 7 – 8). Auch diese
tonendonatoren und fangen Hydroxid-Ionen ab:
beiden Pufferlösungen sind
Magensaft 0,9 – 2,0
„pH-unempfindlich“ gegen- NH3 + H3O+ NH4+ + H2O
Harn 6,0
über Salzsäure und Natron-
Lebersekret 8,0 NH4+ + OH- NH3 + H2O
lauge (V1, V2).
Darmflüssigkeit 7,7 In einer Lösung mit Phosphat-Puffer fangen Hy-
Lösungen, die bei Zugabe
Rückenmarksflüssigkeit 7,4 drogenphosphat-Ionen Oxonium-Ionen ab und
von Säuren oder Basen ihren
Speichel 7,2 bilden vermehrt Dihydrogenphosphat-Ionen.
pH-Wert nur geringfügig än-
Tränen 7,2 Anders herum fangen Dihydrogenphosphat-
dern, nennt man Säure-Ba-
Ionen Hydroxid-Ionen ab und bilden vermehrt
B1 pH-Werte verschiedener Körperflüs- se-Puffer (Pufferlösungen,
Hydrogenphosphat-Ionen (B2).
sigkeiten Puffersysteme).

H2PO4¯
Wirkungsweise eines Puffersystems HPO42¯
+ OH¯ H2O + H3O+
Pufferlösungen bestehen aus einer schwachen
Pufferlösung
Säure HA und ihrer korrespondierenden Base A-.
Pufferlösungen wie der Essigsäure-Acetat-Puffer H2PO4¯ H2PO4¯
(HAc/Ac--Puffer) können sowohl Oxonium-Io- HPO42¯ HPO42¯
nen als auch Hydroxid-Ionen abfangen. Die Re- H2O H2O
aktionsgleichung der Protolysereaktion ist: Pufferlösung Pufferlösung
nach Basenzugabe nach Säurezugabe
HAc + H2O Ac- + H3O+
B2 Bei Base- oder Säurezugabe zu einer Pufferlö-
Bei Zugabe von Oxonium-Ionen fangen die
sung (hier: Phosphat-Puffer) bleiben die Säure- und
Acetat-Ionen die Oxonium-Ionen ab, indem sie Base-Teilchen in der Lösung die gleichen, es ändern
mit diesen zu Essigsäure- und Wasser-Molekülen sich aber ihre Konzentrationen (Abnahme, Zunahme).
reagieren. Dabei bleibt der pH-Wert annähernd
konstant:

114 SÄURE-BASE-REAKTIONEN
Puffersysteme 2.4

pH-Wert einer Pufferlösung


Ein Puffersystem kann nicht beliebig viele Oxo-
nium-Ionen bzw. Hydroxid-Ionen abfangen.
Beim allmählichen Verbrauch der betreffenden
Pufferkomponenten verschwindet die Fähigkeit
des Systems Oxonium- oder Hydroxid-Ionen ab-
zupuffern, d. h. die Pufferkapazität ist erschöpft.
Der pH-Wert einer Pufferlösung lässt sich mit der
HENDERSON-HAsSELBALCH-Gleichung berechnen. B3 Biogasgewinnung (bis zu 70 % Methan) aus dem
Klärschlamm kommunaler Kläranlagen. Methanbak-
Zu einem Puffersystem, das die schwache Säure terien produzieren aus Biomasse Methan. Dabei muss
HA und ihre korrespondierende Base A- enthält, der pH-Wert im Behälter konstant zwischen pH = 5,8
lauten die Protolysegleichung der Säure und das und pH = 6,5 gehalten werden.
MWG:
HA + H2O H3O+ + A- Puffersysteme sind Lösungen schwacher
Säuren (Basen) und ihrer korrespon-
c(H3O ) ∙ c(A )
+ -
KS = dierenden Base (Säure). Sie ändern
c(HA)
innerhalb des Pufferbereichs ihren
Die Umformung nach c(H3O+) ergibt: pH-Wert trotz Zugabe von Oxonium-
bzw. Hydroxid-Ionen nur wenig.
c(HA)
c(H3O+) = KS ∙
c(A-)
Diese Gleichung wird logarithmiert:
AUFGABEN
c(HA)
-lg c(H3O+) = - lg KS - lg A1 Stellen Sie für das Puffersystem Dihydro-
c(A-)
genphosphat-Hydrogenphosphat (H2PO4-/
c(HA)
oder pH = pKS - lg HPO42-) jeweils eine Reaktionsgleichung für
c(A-)
die Zugabe von Oxonium- bzw. Hydroxid-
c(A-)
bzw. pH = pKS + lg Ionen auf.
c(HA)
A2 Formulieren Sie analog zu B2 ein Schema für
Danach ist der pH-Wert einer Pufferlösung, bei das Kohlensäure-Hydrogencarbonat-Puf-
dem c(A-)/c(HA) = 1 : 1 ist, gleich dem pKS-Wert fersystem (H2CO3/HCO3–), dem Oxonium-
der Säure. Wird die Konzentration der Säure bzw. Hydroxid-Ionen zugesetzt werden.
gegenüber der Konzentration der Base auf das A3 Im Blut wird Kohlenstoffdioxid in gelöster
10-fache erhöht, so sinkt der pH-Wert um nur Form transportiert. Es liegen Kohlensäure-
eine Einheit und umgekehrt. Ein Essigsäure- Moleküle und Hydrogencarbonat-Ionen vor.
Acetat-Puffer mit c(Ac-)/c(HAc) = 1 : 1 hat einen a) Geben Sie die zugehörigen Gleichge-
pH-Wert von 4,76. Dieser sinkt beispielsweise wichtsreaktionen an und berechnen Sie
bei c(Ac-)/c(HAc) = 1 : 10 auf 3,76. Den Bereich das Verhältnis c(H2CO3)/c(HCO3–), wenn
zwischen pKS + 1 bzw. pKS - 1 bezeichnet man als der pH-Wert des Blutes den Wert 7,36
Pufferbereich. einnimmt.
b) Erläutern Sie mithilfe von Reaktions-
Säure-Base-Puffer kommen in vielen natürlichen
gleichungen, dass das Ausatmen von
und technischen Systemen vor, in denen die zu-
Kohlenstoffdioxid den pH-Wert im Blut
lässigen pH-Schwankungen begrenzt sind. Ohne Exkurs
ansteigen lässt. Lebensnotwendi-
Puffersysteme würden ökologische Systeme zu-
A4 Eine Essigsäure-Acetat-Pufferlösung hat ge Puffersysteme
sammenbrechen, Organismen sterben und viele
einen pH-Wert von 5. Berechnen Sie das im Blut
technische Anlagen nicht funktionieren (B1, B3). • S. 116
Verhältnis c(Ac-)/c(HAc).

SÄURE-BASE-REAKTIONEN 115
E EXKURS

2.4.3 Lebensnotwendige Puffersysteme im Blut

Der pH-Wert des menschlichen


Blutes muss in einem engen Be-
Gewebe Blut
reich zwischen 7,35 und 7,45 annä-
hernd konstant gehalten werden, CO CO O H CO
da nur so gewährleistet werden
H CO O HCO -
O
kann, dass Stoffwechselprozesse
optimal ablaufen. Bereits geringe
pH-Wert-Schwankungen können
lebensbedrohlich werden, da die HCO -
Aktivität wichtiger Enzyme durch
Veränderungen in ihrer Molekül- CO HO
struktur verringert wird. Fällt der
pH-Wert unter den Wert von 7,35, Lunge Niere
kann eine Acidose zu irreparablen
Zellschäden führen. Steigt der pH- B2 Kohlensäure-Hydrogencarbonat-Puffersystem
Wert über 7,45, tritt eine Alkalo-
se ein.
HCO3- + H3O+ H2CO3 + H2O Die Wirkungsweise des Hämoglo-
H2CO3 CO2 + H2O bin-Puffersystems kann vereinfacht
mit folgender Gleichung beschrie-
Umgekehrt können bei einer Erhö-
ben werden:
hung des pH-Werts Kohlensäure-
Moleküle als Protonendonatoren Hb + H3O+ HbH+ + H2O
reagieren und so den pH-Wert an-
Neben dem Hämoglobin-Puffer-
nähernd konstant halten (B2).
system und dem Kohlensäure-
H2CO3 + H2O HCO3- + H3O+ Hydrogencarbonat-Puffer sorgen
weitere Puffersysteme wie z. B. der
Allerdings hat das Blut auch die
Hydrogenphosphat-Puffer für einen
Aufgabe, das Kohlenstoffdioxid,
konstanten pH-Wert des Blutes.
welches in den Zellen des Gewe-
bes produziert wird, aufzunehmen
B1 Puffersystem Blut und zur Lunge zu transportieren, wo
es letztlich wieder ausgeschieden AUFGABEN
Im Blut (B1) sorgen verschiedene wird. Die ins Blut aufgenommenen A1 Erläutern Sie mithilfe von B2 ,
Puffersysteme dafür, dass der pH- Kohlenstoffdioxid-Moleküle werden welche Vorgänge bei einer
Wert annähernd konstant bleibt. katalytisch in Oxonium-Ionen und Acidose ablaufen, um den
Das Kohlensäure-Hydrogencarbo- Hydrogencarbonat-Ionen umge- pH-Wert annähernd konstant
nat-Puffersystem spielt dabei die wandelt: zu halten.
wichtigste Rolle. Kommt es durch A2 Erläutern Sie mithilfe von B2 ,
CO2 + 2 H2O HCO3- + H3O+
saure Stoffwechselprodukte zu ei- welche Vorgänge bei einer
ner Erniedrigung des pH-Werts im Die so erzeugten Oxonium-Ionen Alkalose ablaufen, um den
Blut, fangen Hydrogencarbonat- werden hauptsächlich durch das pH-Wert annähernd konstant
Ionen die Oxonium-Ionen ab, wobei Hämoglobin-Puffersystem (Hb/ zu halten.
Kohlensäure-Moleküle entstehen, Hb+-Puffer) abgefangen. Nach dem A3 Erklären Sie nach dem Prinzip
die wiederum in Kohlenstoffdioxid- Prinzip von LE CHATELIER führt diese von LE CHATELIER, wie die Auf-
und Wasser-Moleküle zerfallen. Das Beeinflussung der Gleichgewichtsre- nahme von Kohlenstoffdioxid
entstandene Kohlenstoffdioxid kann aktion zu einer erhöhten Aufnahme aus den Gewebezellen ins Blut
dann über die Lunge abgeatmet wer- von Kohlenstoffdioxid aus den Kör- durch das Hämoglobin-Puffer-
den (B2). perzellen ins Blut. system begünstigt wird.

116 SÄURE-BASE-REAKTIONEN
EXKURS E

2.4.4 Säure-Base-Gleichgewichte und Korallenbleiche

Kohlenstoffdioxid, welches bei vie-


len industriellen Verbrennungspro-
zessen entsteht, spielt bei zahlrei-
chen Säure-Base-Gleichgewichten
in der Natur eine bedeutende Rol-
le. Der Kohlenstoffdioxidgehalt
ist für die Einstellung verschiede-
ner Gleichgewichtsreaktionen ent-
scheidend und für zahlreiche Um-
weltphänomene verantwortlich. So
ist letzlich auch die Korallenbleiche
am Great Barrier Reef in Australien B1 Lebendige und tote Korallen am Great Barrier Reef in Australien
auf einen steigenden Kohlenstoff-
dioxidgehalt in der Atmosphäre
zurückzuführen (B1). Ca2+ (aq) + 2 HCO3- (aq) Phänomen wird als Korallenbleiche
CaCO3 (s) + CO2 (g) + H2O (l)  bezeichnet.
Der weltweite Anstieg der Kohlen-
Gelöst in Wasser bildet Kohlenstoffdi- Dieses Gleichgewicht ist abhängig
stoffdioxidemissionen in der Luft
oxid zunächst Kohlensäure H2CO3 . von der Temperatur und vom pH-
trägt nicht nur zum Treibhauseffekt
Bei 0 °C und Normaldruck (1,013 bar) Wert des Wassers. Im schwach sau-
bei, sondern führt auch durch eine
lösen sich 1,7 L Kohlenstoffdioxid, bei ren und neutralen Bereich kann sich
erhöhte Kohlenstoffdioxidaufnahme
20 °C jedoch nur noch 0,9 L Kohlen- nur wenig Kalk abscheiden, da Koh-
im Meerwasser zur Versauerung der
stoffdioxid in einem Liter Wasser: lenstoffdioxid hauptsächlich gebun-
Meere. Dies schadet den Korallen
den als gelöstes Hydrogencarbonat
CO2 (g) CO2 (aq)  und reduziert ihre Wachstumsrate.
vorliegt. Mit steigendem pH-Wert
CO2 (aq) + H2O (l) H2CO3 (aq) Durch den erhöhten Kohlenstoff-
entstehen daraus Carbonat-Ionen
  dioxideintrag kommt es durch die
und schwerlösliches Calciumcar-
Die Kohlensäure protolysiert als Bildung von Kohlensäure (, )
bonat fällt aus. Durch Erhöhung
zweiprotonige Säure in zwei Stufen, zu einer Absenkung des pH-Werts
der Temperatur sinkt der Anteil an
wobei als Anionen Hydrogencarbo-  und damit zu einem Abbau des
gelöstem Kohlenstoffdioxid und es
nat-Ionen HCO3-  oder Carbonat- Calciumcarbonats in saurer Lösung:
wird ebenfalls mehr Calciumcarbo-
Ionen CO32-  und schwach saure
nat gebildet .  CaCO3 (s) + 2 H3O+ (aq)
Lösungen entstehen:
Ca2+ (aq) + H2O (l) + CO2 (g)
Auswirkungen auf das Ökosystem
H2CO3 (aq) + H2O (l)
Meer Damit hat die Versauerung der Mee-
HCO3- (aq) + H3O+ (aq)  Meerwasser ist mit einem pH-Wert re negative Folgen für Riffe und alle
HCO3- (aq) + H2O (l)
um 8 leicht alkalisch, wodurch sich Meerestiere mit einem Schutzman-
CO32- (aq) + H3O+(aq)  kalkbasierte Strukturen wie bei den tel aus Calciumcarbonat.
In neutraler Lösung fällt in Gegen- Korallen bilden können. Steinko-
wart von Calcium-Ionen, die gelöst rallen sind Meerestiere, die Calci-
im Wasser vorliegen, das schwer- umcarbonat einlagern und dadurch AUFGABEN
lösliche Calciumcarbonat CaCO3 Skelette bilden. Die Farben sind auf A1 Erläutern Sie anhand geeigneter
(Kalk) aus. Calciumhydrogencarbo- eingelagerte Algen zurückzuführen, Gleichgewichtsreaktionen, dass
nat Ca(HCO3)2 ist dagegen gut was- die mit ihnen in Symbiose leben. der pH-Wert des Meerwassers
serlöslich. Es steht im Gleichgewicht Steigt die Wassertemperatur zu stark sinkt, wenn der Kohlenstoffdi-
mit festem Calciumcarbonat und an, sterben die Algen und in Folge oxidgehalt der Luft steigt.
gelöstem Kohlenstoffdioxid, wobei auch die Korallen ab. Der Korallen- A2 Erklären Sie den Zusammen-
folgende endotherme Hinreaktion stock bleicht aus, sichtbar bleibt hang zwischen Klimaerwär-
abläuft: nur das helle Korallengerüst. Dieses mung und Korallenbleiche.

SÄURE-BASE-REAKTIONEN 117
2.5 Indikatoren
Viele Blüten und Früchte sind rot, violett oder blau gefärbt. Je nach Umgebung kön-
nen sie ihre Farbe wechseln. Dafür ist der in ihnen enthaltene Farbstoff Cyanidin
verantwortlich, dessen Farbigkeit vom pH-Wert der Umgebung abhängig ist. Neben
natürlichen Farbstoffen können auch synthetisch hergestellte Farbstoffe je nach Um-
gebung ihre Farbe wechseln. Wie kommt es dazu?

2.5.1 Versuche und Material

V Naturstoffe als Indikatoren 2 5 7

Im Verlauf der Blüte ändert sich die Farbe von rosa V2 Stellen Sie aus geschnittenen Rotkohlblättern
Rosenblüten allmählich. Je nach Zubereitung kocht einen Rotkohlsaft her, indem Sie wie in V1 vorgehen.
man Rotkohl oder Blaukraut. Wie werden die Farben Geben Sie jeweils 1 mL des hergestellten Rotkohlsafts
durch den pH-Wert beeinflusst? zu den folgenden Stoffen: a) Citronensäure,
b) Natron bzw. Soda, c) Backpulver, d) Entkalker,
V1 Zerreiben Sie ca. 20 g rote oder rosa Rosenblät-
e) Seifenlösung, f) Natronlauge (c = 0,1 mol/L),
ter mit Sand und ca. 20 mL dest. Wasser. Filtrieren
und g) Salzsäure (c = 0,1 mol/L). Notieren Sie jeweils
Sie die Suspension nach einigen Minuten und vertei-
die Farben des Rotkohlsafts.
len Sie das Filtrat auf zwei Reagenzgläser.
Fügen Sie einem der Reagenzgläser 2 mL Natronlau- AUSWERTUNG
ge (c = 0,1 mol/L, GHS 5) und dem zweiten Reagenz- a) Beschreiben Sie den Zusammenhang zwischen
glas 2 mL Salzsäure (c = 0,1 mol/L, GHS 5) hinzu. dem Farbstoff der Rosenblätter und dem pH-
Vereinigen Sie anschließend die beiden Lösungen. Wert in V1 .
b) Ordnen Sie den untersuchten Proben aus V2 die
Begriffe sauer oder alkalisch zu.
c) Erklären Sie die Bezeichnung Rotkohl bzw. Blau-
kraut.
ENTSORGUNG A

118 SÄURE-BASE-REAKTIONEN
Versuche und Material 2.5

V Vergleich verschiedener Indikatoren 2 7

Bromthymolblau, Thymolphthalein, Universalindika- AUSWERTUNG


tor, Methylrot, … – die Liste verfügbarer Indikatoren a) Halten Sie ihre Beobachtungen aus V3 tabella-
lässt sich noch weiter fortsetzen. Können sie für alle risch fest.
Zwecke gleichermaßen gut eingesetzt werden? b) Ermitteln Sie aus den Ergebnissen aus V3 für jede
Farbänderung, über wie viele pH-Einheiten sie
V3 Der Versuch eignet sich als arbeitsteiliger Gruppen-
sich erstreckt.
versuch.
c) Beurteilen Sie die verschiedenen Indikatoren
Befüllen Sie arbeitsteilig je 14 Reagenzgläser mit ca. hinsichtlich ihrer Tauglichkeit für die Anzeige des
4 mL Lösung der pH-Werte 1 – 14. Fügen Sie den pH-Werts einer Lösung.
Lösungen jeweils einige Tropfen einer der folgenden d) Begründen Sie, welcher verwendete Indikator
Indikatorlösungen hinzu: Rosenblätterlösung, Rot- sich am besten eignet, eine Lösung mit pH = 6
kohlsaft, Himbeersaft, Bromthymolblaulösung von einer Lösung mit pH = 8 zu unterscheiden.
(GHS 2 | 7), Methylrotlösung (GHS 2 | 7), Thymol-
ENTSORGUNG A
phthaleinlösung (GHS 2 | 7) und Universalindikator-
lösung (GHS 2 | 7).
Gleichen Sie beim Einsatz des Universalindikators
mit der Farbskala auf der Verpackung den pH-Wert
ab.

V Dünnschichtchromatografie eines Universalindikators 2 5 7

Universalindikatoren sind Gemische aus mehreren nungen der Bestandteile des Indikatorgemischs
Indikatoren. Welche Indikatoren sind dies? von der Startlinie.
c) Ermitteln Sie durch Vergleich der Laufstrecken
V4 Führen Sie eine Dünnschichtchromatografie
die Bestandteile des Universalindikators.
(DC) eines Universalindikators mit den Lösungen der
Vergleichssubstanzen Bromthymolblau (GHS 2 | 7), ENTSORGUNG R, G3
Methylrot (GHS 2 | 7), Thymolblau (GHS 2 | 7) und
Thymolphthalein (GHS 2 | 7) jeweils mit einem sau-
ren und einem alkalischen Laufmittel durch (vgl. FM
Eine Dünnschichtchromatografie durchführen,
S. 121). Stellen Sie als saures Laufmittel eine Lösung
aus 10 mL Salzsäure (c = 0,1 mol/L, GHS 5) und
1 mL Ethanol (GHS 2 | 7) her. Verwenden Sie für das
alkalische Laufmittel Natronlauge (c = 0,1 mol/L,
GHS 5) statt Salzsäure. Als stationäre Phase dient je-
weils eine mit Cellulose beschichtete DC-Platte (B1). Startlinie

AUSWERTUNG
a) Fotografieren oder zeichnen Sie die DC-Platte ab, Universal- Methyl- Thymol-
nachdem sie aus der DC-Kammer entnommen indikator rot phthalein
wurde. Bromthymol- Thymol-
b) Notieren Sie die Laufstrecken, d. h. die Entfer- blau blau
nungen der Vergleichssubstanzen und die Entfer-
B1 Vorbereitung der DC-Platte

SÄURE-BASE-REAKTIONEN 119
2.5 Indikatoren

2.5.2 Indikatoren und ihre Auftrennung

Farbänderungen zeigen sche Lösung hinzu, nimmt die Konzentration der


pH-Änderungen Indikator-Säure (Farbe A) zugunsten der Kon-
zentration der Indikator-Base (Farbe B) weiter
Mit Erhöhung des pH-Werts im Zellsaft roter
ab.
und rosafarbener Rosenblüten färben sich diese
Erst wenn das Konzentrationsverhältnis von
zunehmend blauviolett (B1). Bei violettem Rot-
Indikator-Base zu Indikator-Säure mindestens
kohlsaft, der sich mit steigendem pH-Wert blau
10 : 1 bzw. der pH-Wert der Lösung mindestens
färbt, ist dies ebenso. Der Grund für die Farb-
pKS(HInd) + 1 beträgt, kann das menschliche
veränderung ist der in den Blüten und dem Kohl
Auge Farbe B deutlich wahrnehmen. Genauso
enthaltene Farbstoff Cyanidin, der je nach pH-
wird Farbe A erst deutlich wahrgenommen, wenn
Wert seine Farbe ändert (V1 und V2).
die Konzentration der Indikator-Säure mindes-
Natürliche Farbstoffe aus Blüten und Früchten
tens das 10-Fache der Indikator-Base beträgt,
oder synthetische Farbstoffe wie Thymolphthale-
bzw. pH = pKS(HInd) - 1 gilt. Der Umschlagsbe-
in oder Bromthymol-
reich eines Indikators (B2) erstreckt sich daher
blau, die sich aufgrund
über ca. zwei pH-Einheiten. Mehrprotonige In-
ihrer Farbveränderung
dikatorsäuren besitzen entsprechend ihrer Pro-
zur Unterscheidung
tolysestufen mehrere Umschlagsbereiche.
von sauren und al-
kalischen Lösungen
pH 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
eignen (V3 ), nennt
Methylorange
man Säure-Base-In- Bromthymolblau
B1 Rosenblüte in Ammoniakgas dikatoren. Neutralrot
Phenolphthalein
Thymolphthalein
Säure-Base-Paare als Indikatoren
Säure-Base-Indikatoren sind korrespondierende B2 Umschlagsbereiche gängiger Indikatoren

Die Protolyse führt Säure-Base-Paare schwacher Säuren oder Basen,


durch Strukturän- die bei Protolysereaktionen ihre Farbe ändern. Universalindikatoren
derungen in den
Die Indikator-Säure HInd färbt die Lösung in
Molekülen bzw. Anders als die Indikatoren aus B2 verfügt ein
Molekül-Ionen zur der Farbe A und die Indikator-Base Ind- in der
Universalindikator über eine große Zahl von Um-
Verschiebung von Farbe B. Zwischen HInd/Ind- stellt sich ein Pro-
Bindungselekt- schlagsbereichen zwischen pH = 1 und pH = 14.
tolysegleichgewicht ein:
ronen und freien Wie kann das sein?
Elektronenpaaren, HInd + H2O Ind- + H3O+ Führt man eine Dünnschichtchromatografie
was sich auf deren Farbe A Farbe B mit Universalindikatorlösung und zum Vergleich
Absorption von
Licht bestimmter Da in saurer Lösung fast ausschließlich die Indi- mit Lösungen anderer Indikatoren durch (V4),
Wellenlänge („Far- kator-Säure vorliegt, hat die Lösung die Farbe A. kann man auf dem Chromatogramm erkennen,
be“) auswirkt. Gibt man eine alkalische Lösung hinzu, wird die dass sich der Universalindikator in eine ganze
Indikator-Säure deprotoniert. Ihre Konzentration Reihe verschiedener Farbflecke auftrennt. Davon
nimmt ab, während die Konzentration der Indi- befinden sich einige auf dem Chromatogramm
kator-Base zunimmt. Folglich nimmt der Anteil auf gleicher Höhe wie die Flecken der einzelnen
an Farbe A in der Lösung ab, und der Anteil an Vergleichssubstanzen. Daraus kann man schlie-
HENDERSON- Farbe B zu. ßen, dass diese ebenfalls im Universalindikator
HASSELBALCH- Entspricht der pH-Wert der Lösung dem pKS- vorhanden sein müssen. Ein Universalindikator
Gleichung
Wert der Indikator-Säure, ist das Konzentrati- ist ein Gemisch aus mehreren Indikatoren, deren
• S. 115
onsverhältnis von Indikator-Säure und Indikator- Umschlagsbereiche möglichst gleichmäßig über
c(Ind-)
Base 1 : 1 (pH = pKS(HInd), da lg c(HInd) = 0). die pH-Werte verteilt sind. Sie zeigen dadurch je
Die Lösung ist dann in der Mischfarbe aus Farbe nach pH-Wert charakteristische Mischfarben der
A und Farbe B gefärbt. Gibt man weiterhin alkali- enthaltenen Indikatoren.

120 SÄURE-BASE-REAKTIONEN
Indikatoren 2.5

Prinzip der Dünnschicht-


chromatografie (DC) FM Eine Dünnschichtchromatografie
durchführen
Diese Trennmethode beruht darauf, dass sich die
einzelnen Komponenten eines Gemischs auf-
grund der Polarität ihrer Moleküle unterschied- Ermitteln Sie mittels DC die Indikatoren, die für einen Universa-
lich gut in einem Lösemittel lösen und an einer lindikator gemischt wurden.
Oberfläche adsorbieren. Das Lösemittel, mobile
VORGEHEN
Phase bzw. Laufmittel, durchfließt dabei einen
1. Befüllen Sie die Chromatografiekammer ca. 1 cm hoch mit
auf einem Trägermaterial fein verteilten Fest-
Laufmittel und verschließen Sie sie.
stoff, die stationäre Phase. Das Stoffgemisch ist
auf der stationären Phase aufgetragen, auf der 2. Zeichnen Sie auf der DC-Platte ca. 1,5 cm von einer kurzen
die mobile Phase aufgrund der Kapillarkraft von Kante entfernt vorsichtig mit Bleistift die Startlinie. Tragen
unten nach oben strömt. Sie das Gemisch und die Vergleichssubstanzen nebenein-
Wenn die mobile Phase auf das Stoffgemisch ander mit je einer Kapillare als Punkte (ø 2 mm, Abstand
trifft, verteilen sich die Komponenten entspre- 1,5 cm) auf diese Linie auf. Notieren Sie deren Reihenfolge.
chend der Polarität ihrer Moleküle unterschied-
3. Stellen Sie die DC-Platte in die Chromatografiekammer, wo-
lich stark in den beiden Phasen.
bei das Gemisch und die Vergleichssubstanzen nicht in das
Von den Komponenten, die besser an der statio-
Laufmittel eintauchen dürfen. Verschließen Sie die Kammer.
nären Phase adsorbieren als sie sich in der mobi-
len Phase lösen, wird nur ein geringer Anteil mit 4. Entnehmen Sie die DC-Platte, sobald die Laufmittelfront
der weiter strömenden mobilen Phase auf der 1,5 cm unterhalb der oberen Kante angekommen ist. Markie-
stationären Phase vorangetrieben. Mit der weiter ren Sie mit einem Bleistift die Höhe der Laufmittelfront.
nach oben strömenden mobilen Phase kommen
5. Vergleichen Sie die Laufstrecken der Vergleichssubstanzen
die Komponenten immer wieder mit der stati-
mit den Laufstrecken der Gemischkomponenten auf der
onären Phase in Kontakt, sie bewegen sich nur
DC-Platte (Chromatogramm), um die Komponenten des
langsam mit der mobilen Phase nach oben.
Gemischs zu identifizieren.
Von den Komponenten, die schlechter adsorbie-
ren und sich besser in der mobilen Phase lösen, 6. Bestimmen Sie ggf. zusätzlich die Rf-Werte der Substanzen
bleibt nur ein geringer Anteil auf der stationären des Chromatogramms. Dividieren Sie dazu die Laufstrecke
Phase zurück und der größte Anteil strömt weiter der Substanz durch die Laufstrecke der mobilen Phase.
mit der mobilen Phase nach oben.
Unter gleichen Bedingungen ist das Verhältnis
zwischen der Laufstrecke einer Komponente Rf =
SS Chromatografiekammer
SF mit Deckel
und der Laufstrecke der mobilen Phase konstant. Laufmittelfront
Diese Größe nennt man den Retentionsfaktor
stationäre Phase
bzw. Rf-Wert.
Laufmittel (SF)
Substanz (SS)

(DC-Platte)
Laufstrecke

Laufstrecke

Startpunkte
Säure-Base-Indikatoren sind schwache Startlinie

Säuren oder Basen, deren korrespon- mobile Phase (Laufmittel)


Gemisch Vergleichssubstanzen
dierende Säure-Base-Paare Lösungen
unterschiedlich färben.
B3 Dünnschichtchromatografie (DC)
Ein Indikatorgemisch kann mittels
Dünnschichtchromatografie in seine
AUFGABE
Komponenten aufgetrennt werden.
A1 Beschreiben Sie welche Umschlagsberei-
che sich ergeben, wenn Thymolblau und
Bromthymolblau gemischt werden.

SÄURE-BASE-REAKTIONEN 121
2.6 Titrationen
Indikatorfarbstoffe verfärben sich in Abhängigkeit des pH-Werts der Umgebung.
Lassen sie sich zur Konzentrationsbestimmung saurer und alkalischer Lösungen
einsetzen? Welche Alternativen gibt es, wenn Farbstoffe nicht zur Konzentrationsbe-
stimmung eingesetzt werden können?

2.6.1 Versuche und Material

V Konzentrationsbestimmung durch Titration 2 5 7

Mit der in Zitronen- und Limettensaft enthaltenen AUSWERTUNG


Citronensäure kann man Speisen und Getränke a) Stellen Sie eine vereinfachte Reaktionsgleichung
säuern. Wie lässt sich mit einem pH-abhängigen (mit der Formel H3Cit) für die Neutralisationsre-
Farbstoff ermitteln, in welchem der beiden Säfte die aktion auf.
Konzentration der Citronensäure höher ist? b) Bestimmen Sie mithilfe der Informationen auf
S. 125 die Konzentration der Citronensäure in
V1 Informieren Sie sich auf S. 124 über die Titration.
Zitronen- und Limettensaft.
Planen Sie zur Konzentrationsbestimmung der
c) Vergleichen Sie die Massen an Citronensäure in
Citronensäure C6H8O7 (H3Cit) in jeweils 25 mL frisch
jeweils 100 mL Saft.
gepresstem und gefiltertem Zitronen- und Limet-
tensaft eine Titration mit Natronlauge (c = 1 mol/L, ENTSORGUNG A, G1
GHS 5) und Thymolphthaleinlösung (GHS 2 | 7)
als Indikator. Fertigen Sie eine Skizze Ihres Versuchs
an und führen Sie den Versuch nach Absprache mit
Ihrer Lehrkraft durch.

122 SÄURE-BASE-REAKTIONEN
Versuche und Material 2.6

V pH-metrische Titration 2 5 7

Während einer Titration verändert sich der pH-Wert AUSWERTUNG


der Vorlage durch die Zugabe der Maßlösung. Wie a) Stellen Sie die Messwerte aus V2 und V3 grafisch
lässt sich mithilfe der Änderung des pH-Werts der dar (x-Achse: V(Natronlauge), y-Achse: pH-
Äquivalenzpunkt bestimmen (vgl. S. 124)? Wert) und zeichnen Sie eine Ausgleichskurve.
b) Ermitteln Sie den zu erwartenden Verbrauch an
V2 Titrieren Sie 100 mL Salzsäure (c = 0,1 mol/L,
Natronlauge bis zum Äquivalenzpunkt in V2 und
GHS 5) und einige Tropfen Bromthymolblaulösung
V3 rechnerisch mithilfe der Angaben im Durch-
(GHS 2 | 7) mit Natronlauge (c = 1 mol/L, GHS 5).
führungstext.
Verwenden Sie bei der Titration zusätzlich eine
c) Beschreiben Sie die Änderung der pH-Werte in
pH-Elektrode. Ermitteln Sie damit den pH-Wert der
den Titrationskurven aus a) im Bereich des Äqui-
Vorlage vor Beginn der Titration und dann jeweils
valenzpunktes.
nach Zugabe von 1 mL Natronlauge, solange, bis Sie
d) Vergleichen Sie die pH-Werte am Umschlags-
18 mL Natronlauge verbraucht haben. Notieren Sie
punkt der in V2 und V3 verwendeten Indikatoren.
die entsprechenden pH-Werte sowie denjenigen pH-
Wert, an dem sich die Farbe des Indikators ändert. ENTSORGUNG A, G1, G3
V3 Wiederholen Sie V2 mit Essigsäure (c = 0,1 mol/L)
statt Salzsäure und unter Verwendung von Thymol-
phthaleinlösung (GHS 2 | 7) als Indikator.

M Leitfähigkeit von Ionen

M4 Die elektrische Leitfähigkeit wässriger Lösun- +


gen ist auf das Vorliegen von Ionen zurückzuführen. H O H O H O H O H
Kann man diese für analytische Verfahren, z. B. für H H H H
Titrationen nutzen? +
In sauren bzw. alkalischen Lösungen sind Oxonium- H O H O H O H O H
Ionen bzw. Hydroxid-Ionen und weitere Ionen H H H H
enthalten. Von allen Ionen haben Oxonium-Ionen
und Hydroxid-Ionen die höchsten Leitfähigkeiten. B2 Ladungstransport durch Oxonium-Ionen im elektri-
Für einen Vergleich sind molare Leitfähigkeiten schen Feld
verschiedener Ionen in der Tabelle dargestellt (B1).
Die Leitfähigkeit von Oxonium- und Hydroxid-Ionen
AUSWERTUNG
ist in wässrigen Lösungen besonders hoch, weil die
a) Bei der Titration von Salzsäure unbekannter Kon-
Ionen nicht durch die Lösung wandern, sondern die
zentration mit Natronlauge wird die elektrische
Ladung sehr viel schneller durch aufeinanderfolgen-
Leitfähigkeit der Lösung gemessen. Sie ist zunächst
de Protonenübertragung zwischen Wasser-Molekü-
sehr hoch und nimmt bei der Zugabe von Natron-
len transportiert wird (B2).
lauge zunächst ab. Erläutern Sie diesen Sachverhalt.
Kation λ+ in (S · m2)/mol Anion λ- in (S · m2)/mol b) Wenn bei der Titration alle Oxonium-Ionen
H3O+ 35,0 · 10-3 OH- 19,9 · 10-3 reagiert haben, liegen bei weiterer Zugabe von
Li +
3,87 · 10 -3
F -
5,54 · 10-3
Natronlauge zunehmend mehr Hydroxid-Ionen
vor. Die Leitfähigkeit der Lösung steigt wieder,
Na +
5,01 · 10 -3
Cl -
7,64 · 10-3
allerdings weniger stark als die Abnahme der
K +
7,35 · 10 -3
CH3COO -
4,09 · 10-3
Leitfähigkeit vor Erreichen des Neutralpunkts.
B1 Molare Leitfähigkeiten einiger Ionen bei 25 °C Begründen Sie dies mit B1 .

SÄURE-BASE-REAKTIONEN 123
2.6 Titrationen

2.6.2 Säure-Base-Titration
n
Orangensaft hat einen charakteristisch säuerli- c = V ⇔n=c∙V
chen Geschmack, der durch die darin enthaltene
n(H3O+) = c(H3O+) ∙ V(saure Lösung)
Citronensäure entsteht. Dass Zitronensaft mehr
bzw.
Citronensäure enthält als Orangensaft, lässt sich
n(OH-) = c(OH-) ∙ V(alkalische Lösung)
schon beim Probieren feststellen. Um quantita-
tiv zu bestimmen, wie viel Citronensäure genau Durch Einsetzen in Gleichung  erhält man:
in Zitronensaft enthalten ist, bestimmt man ihre
Stoffmengenkonzentration im Zitronensaft mit-  c(H3O+) ∙ V(saure Lösung)
= c(OH-) ∙ V(alkalische Lösung)
hilfe einer Titration (V1).
Bei einer Titration sind zwei der Größen in Glei-
Konzentrationsbestimmung durch chung  bekannt: Die Stoffmengenkonzentrati-
Titration on der Maßlösung und das Volumen der Lösung
mit unbekannter Stoffmengenkonzentration, der
Bei einer Titration bestimmt man die Stoffmen-
Vorlage (B1). Das Volumen der Maßlösung, das
genkonzentration einer Säure bzw. Base in wäss-
bis zum Erreichen des Äquivalenzpunktes nötig
riger Lösung, indem man sie mit einer starken
ist, wird experimentell bestimmt. Dazu wird die
Base bzw. Säure bekannter Stoffmengenkonzen-
Maßlösung mithilfe einer Bürette solange zur
tration neutralisiert. Sobald die Stoffmengen der
Vorlage hinzugefügt, bis der Äquivalenzpunkt er-
Oxonium-Ionen und der Hydroxid-Ionen gleich
reicht ist (B1). Anschließend kann man dann die
groß sind, ist der Äquivalenzpunkt erreicht und
gesuchte Stoffmengenkonzentration errechnen.
die Titration beendet.
Wahl des Bei einer Neutralisationsreaktion reagieren die
Indikators Oxonium-Ionen einer sauren Lösung mit den Erkennen des Äquivalenzpunkts
• S. 120
Hydroxid-Ionen einer alkalischen Lösung prak-
Fügt man der Vorlage vor Beginn der Titration
pH-metrische tisch vollständig zu Wasser-Molekülen:
Titration einige Tropfen einer geeigneten Indikatorlösung
• S. 126 H3O+ (aq) + OH- (aq) 2 H2O (l) hinzu, erkennt man das Erreichen des Äquiva-
lenzpunktes am Farbumschlag des Indikators.
Leitfähigkeits- Ein Mol Oxonium-Ionen neutralisiert dabei ge-
titration Außerdem lässt sich der Äquivalenzpunkt durch
nau ein Mol Hydroxid-Ionen. Ihre Stoffmengen
• S. 127 die Änderung des pH-Werts und der elektri-
n sind somit identisch:
schen Leitfähigkeit erkennen.
An der Bürette liest man das benötigte Volumen
n(H3O+) 1 der Maßlösung ab. Somit sind drei der vier Grö-
 n(OH-) = 1 ßen in Gleichung  bekannt und die gesuchte
0  ⇔ n(H3O+) = n(OH-) Stoffmengenkonzentration kann durch Einset-
Bürette mit zen in die Gleichung und Umstellen berechnet
Kennt man eine der bei-
Maßlösung werden.
den Stoffmengen, lässt sich
daraus die jeweils andere
Stoffmenge berechnen. Da Wahl des Indikators
Indikator
bei Titrationen Lösungen
Die Lage des Äquivalenzpunktes wirkt sich dar-
eingesetzt werden, kann
Natronlauge
auf aus, welchen Indikator man für eine Titration
man die Beziehung zwi-
? mol/L

Rühr-
verwenden kann. Ein genaues Ergebnis erreicht
Vorlage fisch schen der Stoffmenge n, der
Lösung man nur, wenn der Äquivalenzpunkt im Um-
Magnet-
unbekannter Stoffmengenkonzentration
rührer schlagsbereich des Indikators liegt.
Rotation Konzentration c und dem Volumen V zur
Auswertung der Titration
on
off

nutzen:
B1 Aufbau einer Säure-Base-Titration

124 SÄURE-BASE-REAKTIONEN
Titrationen 2.6

n(H3O+) 1
= ⇔ n(H3O+) = 31 · n(OH-)
FM Titrationen auswerten n(OH-) 3

Das Stoffmengenverhältnis muss bei der Be-


rechnung der Stoffmengenkonzentration der
Bei einer Titration von 35 mL Salzsäure
Citronensäure im Zitronensaft berücksichtigt
werden bis zum Farbumschlag des Indi-
werden:
kators 20 mL Maßlösung (Natronlauge,
c(Citronensäure) ∙ V(Saft) =
c = 0,1 mol/L) verbraucht. Berechnen Sie
1
die Konzentration der Salzsäure. 3 ∙ c(Natronlauge) ∙ V(Natronlauge) ⇔
1 c(Natronlauge) · V(Natronlauge)
VORGEHEN c(Citronensäure) = 3∙ V(Saft)
1. Formulieren Sie eine Reaktionsglei-
Die Masse an Citronensäure in einem bestimm-
chung für die Neutralisationsreaktion.
ten Volumen Citronensäurelösung bekannter
H3O+ (aq) + Cl- (aq) + Na+ (aq) + OH- (aq)
Konzentration lässt sich mithilfe der Stoffmenge
 Na+ (aq) + Cl- (aq) + 2 H2O (l)
und der molaren Masse der Citronensäure über
2. Bestimmen Sie darin das Stoffmengen- die Beziehung m = n · M bestimmen.
verhältnis von Säure zu Base.
n(H3O+) 1
n(OH-) = 1 ⇔ n(H3O+) = n(OH-) Bei einer Titration bestimmt man den
Äquivalenzpunkt, an dem die Stoffmen-
3. Geben Sie die Stoffmengen der Säure
gen der Oxonium- und Hydroxid-Ionen
und der Base mithilfe von Konzentra-
gleich groß sind. Daraus ermittelt man
tion und Volumen ihrer Lösungen an.
die Stoffmengenkonzentration einer
c(Salzsäure) ∙ V(Salzsäure) =
sauren oder alkalischen Lösung.
 c(Natronlauge) ∙ V(Natronlauge)
4. Formen Sie die Gleichung nach der
gesuchten Größe um.
c(Natronlauge) · V(Natronlauge)
c(Salzsäure) = V(Salzsäure)

5. Berechnen Sie die gesuchte Größe,


indem Sie die bekannten Werte in die AUFGABEN
Gleichung einsetzen. A1 40 mL Ammoniaklösung werden mit Salz-
0,1 mol/L · 0,02 L säure (c = 0,5 mol/L) titriert. Nach einem
c(Salzsäure) = 0,035 L ≈ 0,57 mol/L
Verbrauch von 15 mL Salzsäure schlägt der
Indikator um. Berechnen Sie die Konzen-
tration der Ammoniaklösung und die Masse
Auswertung für mehrprotonige Säuren
des darin gelösten Ammoniaks.
Bei mehrprotonigen Säuren wird bei der Reakti- A2 Zur Bestimmung der Stoffmengenkon-
on mit Wasser pro Mol Säure mehr als ein Mol zentration von Äpfelsäure (2-Hydroxy-
Oxonium-Ionen gebildet. butandisäure) in Quittensaft werden
Die in Zitronensaft enthaltene Citronensäure 25 mL Saft auf ein Volumen von 100 mL
H3Cit ist eine dreiprotonige Säure. Zur Neutra- mit Wasser verdünnt und titriert. Bis zum
lisation mit Natronlauge werden daher pro Mol Farbumschlag des Indikators werden 45 mL
Citronensäure drei Mol Natronlauge benötigt. Maßlösung (Natronlauge, c = 0,1 mol/L)
verbraucht.
3 H3O+ (aq) + Cit3- (aq) + 3 Na+ (aq) + 3 OH- (aq)
a) Ermitteln Sie die Stoffmengenkonzen-
 Cit3- (aq) + 3 Na+ (aq) + 6 H2O (l)
tration c der Äpfelsäure im Quittensaft.
Das Stoffmengenverhältnis von Säure zu Base ist b) Ermitteln Sie die Masse an Äpfelsäure,
daher 1 : 3. die in 100 mL Quittensaft enthalten ist.

SÄURE-BASE-REAKTIONEN 125
2.6 Titrationen

2.6.3 pH-metrische Titration und Konduktometrie

pH-metrische Titration hinzu, steigt er zunächst nur unwesentlich, da


sich eine sehr große Menge Oxonium-Ionen in
Die Konzentration der Essigsäure (Ethansäure) in
der Lösung befindet. Der Wendepunkt auf der
einem Balsamico-Essig lässt sich wegen der Eigen-
Kurve entspricht dem Äquivalenzpunkt, der bei
farbe der Lösung nicht durch Titration mit einem
pH = 7 liegt. Nach dem pH-Sprung ändert sich
Indikator bestimmen. Alternativ lässt sich der
der pH-Wert kaum, da nun Natronlauge, eine
Äquivalenzpunkt durch Beobachtung der Ände-
starke Base, im Überschuss vorliegt.
rung des pH-Werts bestimmen. Bei einer solchen
Titriert man Essigsäure, eine schwache Säure,
pH-metrischen Titration misst man in kontinu-
die zunächst nur in geringem Maße protolysiert
ierlichen Abständen den pH-Wert der Vorlage.
vorliegt, liegt der anfängliche pH-Wert deutlich
Zur Auswertung erstellt man eine Titrationskur-
höher als bei Salzsäure. Zu Beginn der Titration
ve, indem man die gemessen pH-Werte gegen das
führt die Zugabe von Hydroxid-Ionen dazu, dass
Volumen der verbrauchten Maßlösung in einem
aufgrund des Prinzips von LE CHATELIER zuneh-
Diagramm aufträgt (B2).
mend mehr Essigsäure-Moleküle protolysieren.
Vor dem pH-Sprung liegt ein Acetat-Puffer
Titrationskurven H3CCOOH / H3CCOO- vor (vgl. S. 112). Am ers-
ten Wendepunkt der Kurve, wo die Steigung am
Titriert man eine saure mit einer alkalischen Lö-
geringsten ist, liegt der Halbäquivalenzpunkt
sung, steigt der pH-Wert der Vorlage. Im Über-
(HÄP), bei welchem gilt:
gangsbereich von der sauren zur alkalischen Lö-
c(H3CCOOH) = c(H3CCOO-).
sung erfolgt dies sprunghaft. Die Titrationskurve
Der entsprechende pH-Wert entspricht dem
zeigt dort die größte Steigung und hat in der Mit-
pKs-Wert der Säure.
Titrationskurven te des pH-Sprungs einen Wendepunkt. Das ist
beschreiben Der Verbrauch an alkalischer Lösung bis zum
der Äquivalenzpunkt (ÄP) der Titration (B2).
• FM S. 128 Äquivalenzpunkt ist bei der starken und der
Den Verbrauch an Maßlösung bis zum Äquiva-
schwachen Säure gleich. Der pH-Wert am Äqui-
lenzpunkt liest man auf der x-Achse ab.
valenzpunkt ist bei der Essigsäure in den alkali-
schen Bereich verschoben. Am Äquivalenzpunkt,
pH-Wert Essigsäure Salzsäure
14 dem Punkt auf der Kurve, an welchem die Stei-
12 gung maximal ist, liegt eine Natriumacetatlösung
10 Thymolphthalein vor, deren pH-Wert im alkalischen Bereich liegt.
8
Bromthymolblau Dies erklärt sich durch die Protolyse der Acetat-
6
4
Methylrot Ionen, einer BRøNSTED-Base.
2 Äquivalenzpunkt Nach Erreichen der Äquivalenzpunkte verlaufen
0 die Titrationskurven identisch (B2).
5 10 15 20 V(NaOH) in mL

B2 Titrationskurven mit Natronlauge


Mehrprotonige Säuren
Bei der Protolyse mehrprotoniger Säuren liegen
Starke und Schwache Säuren
mehrere Protolysegleichgewichte vor. Daher tre-
Titriert man starke Säuren wie Salzsäure und ten bei der Titration entsprechend der Anzahl
schwache Säuren wie Essigsäure gleicher Kon- der abspaltbaren Protonen der Säure-Moleküle
zentration und gleichen Volumens mit einer mehrere Äquivalenzpunkte auf. Titriert man die
starken Base wie Natronlauge (V2 , V3), unter- Lösung von Ethandisäure (Oxalsäure), zeigt die
scheiden sich die Titrationskurven erheblich. Titrationskurve aufgrund der zweistufigen Proto-
Bei der Titration von Salzsäure, einer starken lyse zwei pH-Sprünge (B3).
Säure, ist der pH-Wert zu Beginn wegen der
vollständigen Protolyse deutlich niedriger als bei
einer schwachen Säure. Gibt man Natronlauge

126 SÄURE-BASE-REAKTIONEN
Titrationen 2.6

am Äquivalenzpunkt ab. Die Oxonium-Ionen der


pH-Wert
14 Salzsäure reagieren mit den Hydroxid-Ionen der
12 Natronlauge zu Wasser-Molekülen und werden
10
ÄP2
Thymolphthalein durch die weniger leitfähigen Natrium-Ionen aus
8 der Natronlauge ersetzt. Die Konzentrationsver-
Bromthymolblau
6 pH = pKs2 Methylrot minderung durch Erhöhung des Volumens ver-
4
2 ÄP1 nachlässigt man.
0 H3O+ (aq) + Cl- (aq) + Na+ (aq) + OH- (aq)
5 10 15 20 V(NaOH) in mL
 2 H2O (l) + Na+ (aq) + Cl- (aq)
B3 Titrationskurven von Oxalsäure mit Natronlauge
I in
I in
mAmA I in
I in
mAmA
Die pKS-Werte der Oxalsäure betragen 1,46 und Salzsäure
Salzsäure Essigsäure
Essigsäure
4,29. Entsprechend dieser pKS-Werte der Säure-
Moleküle der 1. und 2. Protolysestufe – Oxalsäu-
re und Hydrogenoxalat-Ion – verläuft die Titra-
V(Natronlauge)
V(Natronlauge)inin
mLmL V(Natronlauge)
V(Natronlauge)inin
mLmL
tionskurve bis zum ersten Äquivalenzpunkt wie
die einer starken, danach wie die einer schwa- B5 Konduktometrische Titrationskurve von Salzsäure und
chen Säure (B3). Essigsäurelösung

Der Anstieg der Leitfähigkeit bei der Titration


Leitfähigkeitstitration
von Essigsäurelösung mit Natronlauge ist auf die
(Konduktometrie)
Natrium- und Acetat-Ionen zurückzuführen, die
Da sich während der während der Titration gebildet werden und die
Titration die Leitfähig- nicht protolysierten, ungeladenen Essigsäure-
keit (M4) der Vorlage Leitfähig- Moleküle ersetzen. Bei beiden Titrationen füh-
keitsprüfer
ändert, kann man auch ren die überschüssigen Natrium- und Hydroxid-
durch deren Messung Ionen nach dem Erreichen des Äquivalenzpunkts
den Äquivalenzpunkt zu einer stärkeren Zunahme der Leitfähigkeit.
bestimmen. Bei der
Konduktometrie misst
Am Äquivalenzpunkt zeigen Säure-
man mithilfe eines B4 Versuchsanord-
nung einer Leitfähig- Base-Titrationen einen pH-Sprung und
Leitfähigkeitsprüfers keitstitration
eine deutliche Änderung der Leitfä-
die elektrische Leitfä-
higkeit. Beide Merkmale nutzt man zur
higkeit (B4) oder alternativ die dazu proportio-
Bestimmung des Äquivalenzpunkts.
nale Stromstärke I (B5).

Titrationskurven und Äquivalenzpunkt


Den Zusammenhang aus dem Volumen der AUFGABEN
hinzugefügten Maßlösung und der Leitfähigkeit A1 Berechnen Sie den pH-Wert von 100 mL
(bzw. Stromstärke I) stellt man in einer Titrati- Salzsäure (c = 0,1 mol/L) nach der Zugabe
onskurve dar (B5). Durch Verlängerung der bei- von 9 mL, 9,9 mL, 9,99 mL, 10 mL und
den linearen Kurvenbereiche erhält man einen 10,01 mL Natronlauge (c = 1 mol/L) und
Schnittpunkt, an dem man den Verbrauch der beziehen Sie Ihre Ergebnisse auf B2 .
Maßlösung bis zum Äquivalenzpunkt auf der A2 Erläutern Sie, wie sich die Leitfähigkeit
x-Achse abliest. verändert, wenn das bei der Titration ent-
Bei der Titration von Salzsäure mit Natronlauge stehende Salz schwerlöslich ist und aus der
nimmt die Leitfähigkeit bis zu ihrem Minimum Lösung ausfällt.

SÄURE-BASE-REAKTIONEN 127
FM FACHMETHODE

2.6.4 Titrationskurven beschreiben

Die Form und der Verlauf einer Titrationskurve sind bei genten senkrecht liegende Strecke.
der Titration der Lösung einer einprotonigen Säure mit Der Schnittpunkt der Mittelsenkrechten dieser
der Lösung einer starken Base wie Natronlauge abhängig Strecke mit dem Graphen entspricht dem gesuchten
von der Stärke der entsprechenden Säure (B1). Äquivalenzpunkt.
Beispiel: Der Äquivalenzpunkt von Essigsäure liegt im
pH-Wert alkalischen Bereich, der Äquivalenzpunkt von Salzsäure
Überschuss an OH--Ionen
13 liegt bei pH = 7.
11 Äquivalenzpunkt Essigsäure
9 liegt im Basischen 2. Der Halbäquivalenzpunkt (HÄP)
7 Äquivalenzpunkt Salzsäure Bei der pH-metrischen Titration schwacher Säuren
4,76 Fall 2
5 = Neutralpunkt ist zusätzlich der Halbäquivalenzpunkt von Bedeu-
3 tung. Am Halbäquivalenzpunkt ist die Hälfte der
Fall 1
1
Stoffmenge der zu analysierenden Säure HA neutra-
HÄP ÄP V(Natronlauge)
lisiert. In der Vorlage liegen nun gleiche Stoffmengen
B1 Titrationskurven der pH-metrischen Titration von Salzsäu- an Säure und ihrer korrespondierenden Base A- vor:
re und Essigsäurelösung mit Natronlauge (je c = 0,1 mol/L) n(HA) = n(A-)
In der HENDERSON-HASSELBALCH-Gleichung (vgl.
Ermitteln Sie die charakteristischen Punkte der Titrati- S. 115)
c(A-)
onskurven von Salzsäure und Essigsäurelösung und be- pH = pKS + lg c(HA)
schreiben sowie interpretieren Sie deren Verlauf.
nimmt der Quotient somit den Wert 1 an und die
VORGEHEN Gleichung vereinfacht sich zu: pH = pKS. Der pH-
1. Der Äquivalenzpunkt (ÄP) Wert des Halbäquivalenzpunktes entspricht dem
Am Äquivalenzpunkt sind die Stoffmengen der pKS-Wert der zu analysierenden schwachen Säure.
Säure HA in der Vorlage und der mit der Maßlösung
Ermitteln Sie den Halbäquivalenzpunkt der Titration
zugegebenen Base B äquivalent. Es gilt:
aus der Titrationskurve wie folgt:
n(HA) = n(B) • B
 estimmen Sie die Koordinaten des Punktes an
der Stelle, die dem halben Volumen des Äquiva-
pH-Wert
lenzpunktes entspricht (B1, B2).
1 3
Beispiel: Für die Essigsäure hat der Halbäquivalenz-
2
pKs punkt den pH-Wert 4,76 (B1).
ÄP

HÄP 3. Verlauf bei starken Säuren (B3)


Starke Säuren liegen in wässriger Lösung vollständig
protolysiert vor. Die Anfangskonzentration c0 der
1/2 V(ÄP) V(ÄP) V(Maßlösung) Säure HA ist gleich der Oxonium-Ionenkonzentra-
tion in der Lösung. Für die Berechnung des pH-
B2 Tangenten-Methode Wertes zu Beginn der Titration gilt (vgl. S. 110):
pH = −lg c(H3O+) = −lg c0(HA)
Ermitteln Sie den Äquivalenzpunkt der Titration Beispiel: Der pH-Wert der Salzsäure beträgt zu Beginn
mithilfe der Tangenten-Methode aus der Titrations- pH = 1 (B1).
kurve (B2). Gehen Sie dabei wie folgt vor:
• Am Äquivalenzpunkt besitzt der Graph die
Der pH-Wert ändert sich im Verlauf der Titration
zunächst nur gering. Kurz vor dem Äquivalenzpunkt
maximale Steigung. Zeichnen Sie im Bereich der
steigt er sprunghaft an. Am Äquivalenzpunkt liegt
größten Krümmung vor und nach dem Bereich der
eine Lösung des aus der Neutralisation hervorge-
maximalen Steigung zwei parallele Tangenten an
henden Salzes vor.
den Graphen.
• Verbinden Sie diese durch eine auf beiden Tan-
Beispiel: Bei der Titration von Salzsäure mit Natron-

128 SÄURE-BASE-REAKTIONEN
FACHMETHODE FM

lauge liegt am Äquivalenzpunkt eine Natriumchlo- Zugabe pH-Wert der Vorlage


ridlösung vor. Dieses Salz ist ein Neutralsalz, dessen Maßlösung „starke Base“ „starke Säure“
Lösungen den pH-Wert 7 annehmen. Der Äquivalenz- vor der Zugabe pH = - lg c0(HA)
punkt entspricht daher dem Neutralpunkt (B1). HÄP −
Bei Zugabe von Maßlösung über den Äquivalenz- ÄP 7
punkt hinaus wird der pH-Wert in der Probenlösung über den ÄP hinaus strebt asymptotisch gegen
durch die Konzentration der zugegebenen Base B pH = 14 + lg c(B)
bestimmt. Aufgrund der Stärke der Base gilt (vgl. Wendepunkte ein Wendepunkt:
am Äquivalenzpunkt
S. 111):
pH = 14 – pOH = 14 + lg c(B) Pufferbereich −
Beispiel: Der pH-Wert nähert sich bei der Titration der B3 Verlauf der Titrationskurven starker Säuren
Salzsäure gegen Natronlauge asymptotisch dem pH-
Wert 13 an (B1). Zugabe pH-Wert der Vorlage
Maßlösung „starke Base“ „schwache Säure“
4. Verlauf bei schwachen Säuren (B4)
1
Schwache Säuren liegen in wässriger Lösung kaum vor der Zugabe pH = 2
· (pKS - lg c0(HA))
protolysiert vor. Sie bilden ein chemisches Gleich- HÄP pH = pKS
gewicht aus, das mithilfe der Säurekonstante KS
1
beschrieben werden kann (vgl. S. 107). ÄP pH = 14 - 2
· (pKB - lg c0(A-))
Mit der Annahme, dass die Konzentration der über den ÄP hinaus strebt asymptotisch gegen
schwachen Säure im Gleichgewicht der Anfangs- pH = 14 + lg c(B)
konzentration c0 entspricht, ergibt sich für den pH- Wendepunkte zwei Wendepunkte:
Wert einer Lösung einer schwachen Säure zu Beginn am Halbäquivalenzpunkt und
am Äquivalenzpunkt
der Titration (vgl. S. 111):
1 Pufferbereich um den Halbäquivalenzpunkt:
pH = 2 · (pKS - lg c0(HA)) pH ≈ pKS ± 1
Beispiel: Der pH-Wert der Essigsäurelösung beträgt zu B4 Verlauf der Titrationskurven schwacher Säuren
Beginn pH = 2,88 (B1).
Nach einem kurzen Anstieg ändert sich der pH-
AUFGABEN
Wert auch hier um den Halbäquivalenzpunkt nur
A1 Bestätigen Sie durch Rechnung die in den Beispie-
gering (Pufferbereich, vgl. S. 115). Kurz vor dem
len angegebenen pH-Werte.
Äquivalenzpunkt steigt er wieder sprunghaft an. Am
A2 Skizzieren Sie den Verlauf der Titrationskurven
Äquivalenzpunkt liegt eine Lösung des aus der Neu-
einer Titration von 20 mL einer Propansäurelösung
tralisation hervorgehenden Salzes vor. Der pH-Wert
(c = 0,5 mol/L), pKS = 4,87, mit Natronlauge
einer schwach basischen Lösung (vgl. S. 111) wird
(c = 1 mol/L). Bestimmen Sie dazu die pH-Werte
berechnet durch
der charakteristischen Punkte rechnerisch.
1
pH = 14 - 2 · (pKB - lg c0(A-)) A3 100 mL einer Ammoniaklösung werden mit Salpe-
tersäure der Konzentration c(HNO3) = 0,01 mol/L
Beispiel: Bei der Titration von Essigsäurelösung mit
titriert, wobei nach Zugabe von 8,5 mL Säure
Natronlauge liegt am Äquivalenzpunkt eine Natrium-
der Äquivalenzpunkt erreicht ist. Geben Sie den
acetatlösung vor, die schwach basisch reagiert. Es ergibt
Namen der Lösung an, die am Äquivalenzpunkt
sich ein pH-Wert von pH = 8,72 (B1).
vorliegt und nennen Sie einen für diese Titration
Bei Zugabe von Maßlösung über den Äquivalenz- geeigneten Indikator. Begründen Sie Ihre Wahl.
punkt hinaus wird der pH-Wert erneut nur durch die A4 Stellen Sie eine Hypothese auf, die den Verlauf der
Konzentration der zugegebenen Base in der Proben- Titrationskurve einer pH-metrischen Titration einer
lösung bestimmt (vgl. Titration einer starken Säure). schwachen Base mit einer starken Säure erklärt.

SÄURE-BASE-REAKTIONEN 129
BW BASISWISSEN

Alles im Blick

1 BRØNSTED Säure-Base-Theorie

Nach BRØNSTED sind Säuren Protonendonatoren, Korrespondierende Säure-Base-Paare sind Teil-


d. h. Teilchen, die Protonen abgeben. Basen sind chenpaare, die sich nur um ein Proton unterscheiden.
Protonenakzeptoren, d. h. Teilchen, die Protonen Bei Protolysen stehen immer zwei korrespondierende
aufnehmen. Säure-Base-Reaktionen sind Protonen- Säure-Base-Paare im Gleichgewicht.
übertragungsreaktionen, welche auch als Protoly- korrespondierend
sen bezeichnet werden.
HA + B- A- + HB
Teilchen, die sowohl als Protonendonator als auch
korrespondierend
als Protonenakzeptor reagieren können, nennt man
amphotere Teilchen. Säure 1 + Base 2 Base 1 + Säure 2

2 pH-Wert

Wasser-Moleküle sind amphoter und bilden durch Für die Konzentration der Oxonium- und Hydroxid-
Autoprotolyse in sehr geringer Konzentration Oxo- Ionen in Wasser gilt damit:
nium- und Hydroxid-Ionen: c(H3O+) = c(OH-) = 10-7 mol/L.
H2O + H2O H3O+ + OH-
Der pH-Wert einer Lösung entspricht dem negativen
Säure I Base II Säure II Base I
dekadischen Logarithmus des Zahlenwertes der Kon-
 Kc = 3,258 ∙ 10-18
zentration der Oxonium-Ionen:
Da das Gleichgewicht fast vollständig auf der Seite pH = -lg c(H3O+).
der Edukte liegt, betrachtet man die Konzentration
Der pOH-Wert wird analog aus der Konzentration
des Wassers als konstant und leitet über das MWG
der Hydroxid-Ionen bestimmt:
das Ionenprodukt des Wassers (KW) ab:
pOH = -lg c(OH-).
Kc · c2(H2O) = c(H3O+) · c(OH-) = KW
 KW = 10-14 mol2/L2 Außerdem gilt: pH + pOH = 14.

3 Säure- und Basenstärke

Die Säure- und die Basenstärke lassen auf die Lage Analog zum pH-Wert verwendet man pKS- bzw. pKB-
eines Protolysegleichgewichts schließen. Starke Säuren Werte, mit denen Säuren und Basen klassifiziert wer-
und Basen protolysieren in wässriger Lösung fast voll- den:
ständig, schwache Säuren und Basen hingegen kaum. Stärke der Säure bzw. Base pKS- bzw. pKB-Wert
Quantitativ gibt man die Säure- bzw. Basenstärke mit
stark pKS bzw. pKB  1,5
der Säure- bzw. Basenkonstante (KS bzw. KB) an. Die-
mittelstark 1,5  pKS bzw. pKB  4,75
se beschreiben das Konzentrationsverhältnis zwischen
schwach pKS bzw. pKB  4,75
protolysierten Produkt-Teilchen und unprotolysierten
Edukt-Teilchen einer Säure bzw. Base: Für korrespondierende Säure-Base-Paare gilt:
pKS + pKB = 14.
c(H3O+) ∙ c(A-) c(OH-) ∙ c(HA)
KS = bzw. KB =
c(HA) c(A-)

132 SÄURE-BASE-REAKTIONEN
2

4 Berechnung von pH-Werten

Da starke Säuren und Basen vollständig protolysie- Schwache Säuren und Basen protolysieren nicht
ren, gilt für diese: vollständig, für diese gilt:
c(H3O+) = c0(HA) bzw. c(OH-) = c0(B) c(HA) ≈ c0(HA) bzw. c(B) ≈ c0(B)
und der pH- bzw. pOH-Wert kann aus der Anfangs- und der pH- bzw. pOH-Wert wird näherungsweise
konzentration c0 berechnet werden. berechnet.
starke Säure starke Base schwache Säure schwache Base
1 1
pH = -lg c0(HA) pH = 14 - (-lg c0(B)) pH = 2 (pKS – lg c0(HA)) pH = 14 - 2 (pKB – lg c0(B))

5 Puffer und Indikatoren

Puffersysteme (Säure-Base-Puffer) sind wässrige Als Indikatoren verwendet man korrespondierende


Lösungen korrespondierender Säure-Base-Paare Säure-Base-Paare schwacher Säuren bzw. Basen, die
schwacher Säuren bzw. Basen. Innerhalb der Puf- bei der Protolyse ihre Farbe verändern.
ferkapazität (Pufferbereich) ändert sich ihr pH-Wert Zwischen der Indikator-Säure und der korrespon-
bei Zugabe von Hydroxid- und Oxonium-Ionen dierenden Indikator-Base stellt sich ein Protolyseg-
kaum. Den pH-Wert eines Puffersystems bestimmt leichgewicht ein, das durch Zugabe von Oxonium-
man mit der HENDERSON-HASSELBALCH-Gleichung: oder Hydroxid-Ionen beeinflusst wird.
c(A-) Je nach Lage des Gleichgewichts verändert sich die
pH = pKS + lg c(HA) Farbe der Lösung.
Der Pufferbereich eines Puffersystems liegt bei:
HInd + H2O Ind- + H3O+
pH = pKS ± 1. Farbe A Farbe B

Der Umschlagsbereich eines Indikators liegt bei:


pH = pKS (HInd) ± 1.

6 Titrationen

Eine Titration ist ein analytisches Verfahren zur Er- Der Äquivalenzpunkt lässt sich durch den Farbum-
mittlung der Konzentrationen saurer bzw. alkalischer schlag eines geeigneten Indikators oder durch die
Lösungen. Bei einer Titration findet die Neutralisa- deutliche Veränderung der Leitfähigkeit der Vorla-
tion der Lösung in der Vorlage mit der Maßlösung ge bestimmen.
in der Bürette statt. Am Äquivalenzpunkt sind die
In wässrigen Lösungen starker Säuren bzw. Basen
Stoffmengen n(H3O+) und n(OH-) gleich. Aus dem
liegt der Äquivalenzpunkt bei pH = 7. In wässrigen
Volumen und der Konzentration der verbrauchten
Lösungen schwacher Säuren bzw. Basen ist er in den
Maßlösung sowie dem Volumen der Lösung in der
alkalischen bzw. sauren Bereich verschoben.
Vorlage, lässt sich die unbekannte Konzentration
berechnen.

SÄURE-BASE-REAKTIONEN 133
A AUFGABEN

Zum Üben und Weiterdenken


A1 Ein Mitschüler definiert Säuren und Basen folgen- A6 In 10 mL Wasser (Lösung 1) bzw. 100 mL Wasser
dermaßen: „Säuren sind Flüssigkeiten, in denen (Lösung 2) werden jeweils 0,741 g Calciumhydroxid
Oxonium-Ionen vorliegen, Basen sind Flüssigkeiten, Ca(OH)2 gelöst.
in denen Hydroxid-Ionen vorliegen.“ Bewerten Sie a) Berechnen Sie die Konzentration der Hydroxid-
diese Aussage mithilfe der Definition des Säure- Ionen in beiden Lösungen.
Base-Begriffs nach BRØNSTED. b) Erklären Sie, ob sich der pOH-Wert in Lösung 1
ändert, wenn man 90 mL Lösung daraus ent-
A2 Löst man jeweils Methansäure (Ameisensäure),
nimmt.
Natriumphosphat Na3PO4 und Kaliumhydroxid
KOH in Wasser, ändert sich der pH-Wert der Lö- A7 Die Tabelle zeigt die ϑ in ºC KW in mol2/L2
sung, was durch Zugabe einiger Tropfen Bromthy- Temperaturabhängigkeit
10 0,36 · 10-14
molblaulösung sichtbar gemacht werden kann. des Ionenprodukts des
18 0,74 · 10-14
a) Erläutern Sie unter Verwendung von Reaktions- Wassers.
20 0,86 · 10-14
gleichungen, welche Färbung des Indikators Sie a) Leiten Sie aus den
25 1,00 · 10-14
in den Lösungen erwarten würden. Werten für KW ab, ob
30 1,89 · 10-14
b) Kennzeichnen Sie wo es möglich ist jeweils die die Ionenbildung bei
Säure-Base-Paare in den Reaktionsgleichungen der Autoprotolyse des 50 5,60 · 10-14
aus a). Wassers endotherm
oder exotherm verläuft.
A3 Erklären Sie den Begriff „Ampholyt“ anhand der
b) Diskutieren Sie, ob sich eine Temperaturer-
Neutralisationsreaktion zwischen Oxonium- und
höhung bzw. -verringerung auf den pH-Wert
Hydroxid-Ionen.
auswirkt.
A4 a) Stellen Sie die Moleküle der folgenden Säuren A8 Planen Sie einen Versuch, wie Sie mithilfe einer
und ihrer korrespondierenden Basen in der 5 mL-Vollpipette und eines 100 mL-Messzylinders
LEWIS-Schreibweise dar: Bromwasserstoff, Koh- aus Salzsäure mit der Konzentration von c = 1 mol/L
lensäure, Schwefelwasserstoff und Essigsäure. 50 mL Salzsäure mit einem pH-Wert von 4 herstel-
b) Klassifizieren Sie die Säuren aus a) in ein- und len können.
mehrprotonige Säuren.
A9 Erklären Sie mit dem MWG, dass starke Säuren
c) Formulieren Sie für die mehrprotonigen Säuren
hohe KS-Werte und schwache Säuren niedrige KS-
die Reaktionsgleichungen für die einzelnen
Werte besitzen.
Protolysestufen.
d) Kennzeichnen Sie alle Ampholyte in c). A10 Ordnen Sie gleich konzentrierte, verdünnte wässri-
e) Erklären Sie, wie sich die Zugabe einer sauren ge Lösungen von Butansäure (pKS = 4,82), Salpe-
bzw. einer alkalischen Lösung auf die Protolysen tersäure, Schwefelsäure und Monochloressigsäure
in c) auswirkt. nach aufsteigendem pH-Wert. Begründen Sie Ihre
Anordnung.
A5 Korrigieren Sie, falls nötig, die Aussagen zum pH-
bzw. pOH-Wert: A11 Gibt man Kalk jeweils zu Salzsäure (pH = 3),
• In alkalischen Lösungen liegen neben Hydroxid- Schwefelsäure (pH = 3) und Essigsäure (pH = 3),
Ionen auch Oxonium-Ionen vor. beobachtet man bei Salzsäure und Schwefelsäu-
• Bei pH = 5 gilt c(H O+) = 0,00001 mol/L. re eine gleich starke Gasentwicklung, die jedoch
3
• Der pOH-Wert entspricht dem negativen Zeh- schwächer ist als die Gasentwicklung bei Essigsäure.
nerlogarithmus des Zahlenwertes der Konzen- a) Stellen Sie die Reaktionsgleichung für die Reakti-
tration der Hydroxid-Ionen. on von Kalk (Calciumcarbonat CaCO3) in saurer
• Lösungen sind neutral, wenn in ihnen nur Lösung auf.
Wasser-Moleküle vorliegen. b) Erklären Sie die unterschiedliche Gasentwick-
• Die Einheit des pH-Werts und des pOH-Werts lung mit der Säurestärke.
ist mol/L.

134 SÄURE-BASE-REAKTIONEN
2

A12 Arbeitet man im Labor mit Cyaniden, muss unbe- b) Begründen Sie, in welcher Konzentration die
dingt darauf geachtet werden, dass die Salze kei- Pufferbase vorliegen muss, wenn die Konzentra-
nesfalls mit starken Säuren in Kontakt kommen, da tion der Puffersäure c = 0,7 mol/L beträgt.
es sonst zu lebensgefährlichen Unfällen kommen
A17 Die Titrationskurve zeigt den pH-Verlauf bei der
kann. Beschreiben Sie die Gefahr, die von Cyaniden
Titration von 50 mL Ammoniaklösung unbekannter
ausgeht.
Konzentration mit Salzsäure der Konzentration
A13 Ammoniumcarbonat (NH4)2CO3 wird in Lebens- c = 0,1 mol/L.
mitteln als Backtriebmittel und Säureregulator
eingesetzt. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts setzte pH-Wert
man dieses Salz auch als Riechsalz zur Behandlung 14
13
von Ohnmacht und Schwindel ein. 12
11
a) Beim Backen zersetzt sich Ammoniumcarbo- 10
nat u. a. zu Ammoniak, das dem Gebäck einen 9
8
charakteristischen Geschmack, ähnlich dem von 7
Laugengebäck, verleiht. Begründen Sie, worauf 6
5
dies zurückzuführen ist. 4
b) Säureregulatoren verwendet man in Lebensmit- 3
2
teln, um zu verhindern, dass sich deren pH-Wert 1
verändert. Leiten Sie aus dem Aufbau von Am- 0
0 10 20 30 40
moniumcarbonat dessen Einsatz als Säureregu- V(Salzsäure) in mL
lator ab.
c) Die Verwendung als Riechsalz beruht darauf, a) Ermitteln Sie den Äquivalenzpunkt und die
dass geringe Mengen Ammoniak aus dem Salz Konzentration der titrierten Ammoniaklösung.
entweichen. Erläutern Sie den Vorgang anhand b) Nennen Sie einen für diese Titration geeigneten
der Säurestärke von Ammonium-Ionen und Indikator. Begründen Sie Ihre Wahl.
Hydrogencarbonat-Ionen. c) Nennen Sie die Teilchen, die bei V(Salzsäure) =
d) In einigen Sportbereichen wird Ammoniumcar- 0 mL, 10 mL, 20 mL und 30 mL vorliegen und
bonat noch heute verwendet. Recherchieren ordnen Sie diese für jedes Volumen nach abstei-
und beurteilen Sie den dortigen Einsatz des gender Konzentration.
Salzes. d) Vergleichen Sie die Titrationskurve mit der
Kurve, die Sie für die Titration von Natronlauge
A14 Berechnen Sie die pH-Werte der folgenden Lösun-
identischer Konzentration erwarten würden.
gen.
a) 0,32 g Sorbinsäure C5H7COOH mit einem pKS- A18 Natriumbenzoat C6H5COONa wird als Konser-
Wert von 4,76 werden in 250 mL Wasser gelöst. vierungsstoff z. B. für Ketchup oder Mayonnaise
b) 1,56 g Natriumoxid Na2O werden in 750 mL verwendet. Im Magen (pH = 1,4) stellt sich ein
Wasser gelöst. Gleichgewicht zwischen Benzoesäure C6H5COOH
und Benzoat-Ionen C6H5COO- ein. Berechnen Sie
A15 Ermitteln Sie die Masse an Natriumhydrogencarbo-
das Verhältnis von c(C6H5COOH) zu c(C6H5COO-)
nat NaHCO3, die in 100 mL Wasser gelöst werden
im Magen nach dem Verzehr von Pommes frites mit
muss, um eine Lösung mit pH = 10 herzustellen.
Ketchup. Der pKS-Wert von Benzoesäure beträgt
A16 Der saure Geschmack von Rhabarber beruht auf 4,2.
seinem Gehalt an Oxalsäure HOOCCOOH mit den
pKS-Werten von 1,46 und 4,29.
a) Auf der Basis von Oxalsäure kann eine Puf-
ferlösung hergestellt werden. Erläutern Sie die
Vorgänge, die beim Abpuffern einer zugesetzten
alkalischen Lösung ablaufen.

SÄURE-BASE-REAKTIONEN 135
KC KOMPETENZCHECK

Ziel erreicht?
Verfügen Sie über die Kompetenzen dieses Kapitels? Lösen Sie die entsprechenden Aufgaben
(Arbeitsblatt unter QR-/Mediencode 06011-14) und bewerten Sie sich mithilfe der Tabelle rechts unten.
06011-14

KOMPETENZ A: Säure-Base-Reaktionen als Protolysen KOMPETENZ C: Den pH-Wert mithilfe der Autoproto-
mit korrespondierenden Säure-Base-Paaren beschrei- lyse bestimmen und für Lösungen starker und schwa-
ben cher Säuren und Basen berechnen

A1 Entscheiden Sie begründet, ob es sich bei den C1 a) Vervollständigen Sie die Tabelle.
folgenden Reaktionen um Säure-Base-Reaktionen
handelt. Beschriften Sie korrespondierende Säure- c(H3O+) pH c(OH-) pOH
[mol/L] [mol/L]
Base-Paare.
a) I- + NH4+ HI + NH3 2
b) 3 HCl + Al(OH)3 Al3+ + 3 Cl- + 3 H2O 5 ∙ 10-9
c) Ca + 2 H2O Ca + 2 OH- + H2
2+
10
d) Li2O + H2O 2 Li+ + 2 OH-
e) HCO3 + HS
- -
CO2 + H2O + S2-
b) G eben Sie den Faktor an, um den sich die Kon-
A2 Kennzeichnen Sie alle amphoteren Teilchen in A1 . zentration der Oxonium-Ionen verändert, wenn
der pH-Wert von 2 auf 4 steigt.
c) Das Ionenprodukt des Wassers KW ist tempera-
KOMPETENZ B: Die Säure- und Basenstärke zur Be- turabhängig. Bei 50 °C beträgt sein Wert etwa
schreibung von Säure-Base-Gleichgewichten anwen- 5,6 ∙ 10-14 mol2/L2. Berechnen Sie den pH-Wert
den und Reaktionsverhalten damit begründen von Wasser bei dieser Temperatur.
B1 Erläutern Sie anhand der pKS-Werte, ob bei einer C2 Berechnen Sie die pH-Werte folgender Lösungen
Konzentration von c = 1 mol/L der pH-Wert von der angegebenen Konzentrationen:
Salpetersäure oder Blausäure HCN niedriger ist. a) Salpetersäure c = 0,05 mol/L
b) Natronlauge c = 1 mol/L
B2 Löst man 0,1 mol Methansäure (Ameisensäure) in
c) Schwefelsäure c = 0,02 mol/L
1 L Wasser, beträgt die Konzentration der Metha-
d) Ammoniumchloridlösung c = 0,01 mol/L
noat-Ionen (Formiat-Ionen) im Gleichgewicht
c = 0,004 mol/L. C3 Der pH-Wert einer Essigsäurelösung ist 3,1. Ermit-
a) Stellen Sie eine Reaktionsgleichung für die Proto- teln Sie die Anfangskonzentration c0 der Essigsäure
lysereaktion auf. in der Lösung.
b) Erklären Sie anhand der Konzentrationen der
Methanoat-Ionen im Gleichgewicht, dass Me-
thansäure keine starke Säure ist. KOMPETENZ D: Die Wirkungsweise von Puffersyste-
c) Ermitteln Sie durch Berechnung des pKS-Werts, men erklären
ob es sich bei Methansäure um eine mittelstarke
D1 Erläutern Sie, wie sich die Konzentrationen der
oder eine schwache Säure handelt.
Teilchen in einem Puffersystem bei Zugabe einer
B3 a) Ermitteln Sie mithilfe von pKS-Werten die sauren bzw. alkalischen Lösung verändern.
pKB-Werte für HSO3-, HS-, HCl, HC2O4- und O2-.
D2 Eine H2PO4-/HPO42--Pufferlösung soll einen pH-
b) Leiten Sie aus pKS- und pKB-Werten ab, ob die
Wert von 7,1 aufweisen. Berechnen Sie, in welchem
wässrigen Lösungen der folgenden Salze sauer,
Konzentrationsverhältnis die beiden Ionensorten
neutral oder alkalisch sind: Natriumchlorid,
hierzu in der Pufferlösung vorliegen müssen.
Natriumacetat und Ammoniumchlorid.

136 SÄURE-BASE-REAKTIONEN
2

D3 Ergänzen Sie die folgendeTabelle: a) Am zweiten Wendepunkt der Titrationskurve


befindet sich der …. Es gilt: n(…) = n(Maßlösung).
Puffersystem Name Pufferbereich b) Der … -äquivalenzpunkt, an dem die Hälfte der
HAc/Ac- Stoffmenge der schwachen Säure neutralisiert
/CO32-
ist, ist erreicht, wenn der pH-Wert dem … der
Säure entspricht. Die Stoffmengen der Säure und
6,12 – 8,12
ihrer … sind an diesem Punkt ….
Ammoniak-Am- c) D er pH-Wert am Anfang der Titration entspricht
monium-Puffer
-lg c(HA), da die Säure … protolysiert vorliegt.
d) D er … -bereich liegt bei pH = pKS ± 1. Dort ändert
sich der pH-Wert ….
KOMPETENZ E: Titrationskurven erklären und damit
e) D er Äquivalenzpunkt befindet sich nicht bei
Konzentrationen ermitteln
pH = 7, da die korrespondierende Base mit
E1 Vervollständigen Sie die Sätze zum Verlauf der Wasser … reagiert.
Titrationskurve einer schwachen Säure. Ordnen Sie f) A
 m Ende der Titration beträgt der pH-Wert der
die Beschreibungen a) – f) den entsprechenden Lösung ….
Bereichen der abgebildeten Titrationskurve zu.
E2 Berechnen Sie die Konzentration der Säure in E1 .
Es wurde 50 mL Säure gegen Natronlauge mit einer
pH-Wert
14 Konzentration von c = 0,1 mol/L titriert.
13
12 E3 50 mL Kalilauge KOH (aq) werden mit Salzsäure
11
10 der Konzentration c = 0,2 mol/L titriert. Die Farbe
9
8 des Indikators schlägt nach dem Verbrauch von
7 V(Salzsäure) = 25 mL um. Berechnen Sie die Kon-
6
5 zentration der titrierten Kalilauge sowie die Masse
4
3 des in der Kalilauge enthaltenen Kaliumhydroxids.
2
1
0
0 5 10 15 20 25
V(Maßlösung) in mL

Vergleichen Sie Ihre Antworten mit den Lösungen auf Seite 464 und kreuzen Sie auf dem Arbeitsblatt an.

Kompetenz ja nein zum Nachlesen

Säure-Base-Reaktionen als Protolysen mit korrespondierenden


A S. 96 – 99
Säure-Base-Paaren beschreiben
Die Säure- und Basenstärke zur Beschreibung von Säure-Base-
B Gleichgewichten anwenden und Reaktionsverhalten damit S. 106 – 109
begründen
Den pH-Wert mithilfe der Autoprotolyse bestimmen und für Lösun- S. 102,
C
gen starker und schwacher Säuren und Basen berechnen 110 – 111
D Die Wirkungsweise von Puffersystemen erklären S. 114 – 115
E Titrationskurven erklären und damit Konzentrationen ermitteln S. 124 – 129

SÄURE-BASE-REAKTIONEN 137
KC KOMPETENZCHECK

Klausuraufgaben
T1 Treibmittel

Soda, Natron und Hirschhornsalz sind bekannte Stoffe AUFGABEN


im Haushalt. A1 Geben Sie die Reaktionsgleichung für die Zerset-
Soda (Natriumcarbonat) spielt z. B. als Bestandteil von zung von Natron beim Backen an.
Geschirrspülmitteln für die Spülmaschine eine wichtige A2 Einige Treibmittel enthalten neben Natron auch
Rolle. Natron (Natriumhydrogencarbonat) ist wesentli- feste Säuren, z. B. Citronensäure. Erläutern Sie die
cher Bestandteil von Backpulvern (E 405), Brausetablet- besondere Eignung dieses Gemisches als Backtreib-
ten bzw. von Tabletten gegen Übersäuerung des Magens. mittel unter Einbeziehung von Reaktionsgleichun-
Als Backtreibmittel, das seine volle Aktivität bei Backtem- gen.
peraturen von über 60 °C entfaltet, wird Hirschhornsalz Wenden Sie auf die Beschreibung der Reaktion das
(Ammoniumhydrogencarbonat, E 503) verwendet (B1). Donator-Akzeptor-Prinzip an.
A3 Formulieren Sie die Gleichungen für das Lösen
von Natron, Soda und Hirschhornsalz in Wasser.
Berechnen Sie die pH-Werte dieser Lösungen mit
der Stoffmengenkonzentration c = 0,1 mol/L.
A4 Begründen Sie die Tatsache, dass Soda im Ge-
gensatz zu Natron keinen Einsatz als Mittel gegen
Sodbrennen findet.

B1 Beim Kuchenbacken werden häufig Backtreibmittel


verwendet.

T2 Entkalker

Entkalker sind säurehaltige Reinigungsmittel zum Entfer- pH-Wert


nen von Kalkablagerungen, welche im Wesentlichen aus 14
Calciumcarbonat bestehen. 12
10
Einige Entkalkerlösungen enthalten neben einer Säure
8
den Indikatorfarbstoff Methylorange, der im pH-Bereich
6
3,1 – 4,4 seine Farbe von rot nach gelb ändert. 4
Zur Bestimmung des Säuregehaltes eines flüssigen Ent- 2
kalkers wird 1 mL der Entkalkerlösung auf 100 mL ver- 0
dünnt und mit Natronlauge der Konzentration c = 1 mol/L 0 10 20 30 40
V(Natronlauge) in mL
unter Verwendung eines pH-Meters titriert. Man erhält
die in B2 dargestellte Kurve. B2 Titrationskurve eines flüssigen Entkalkers mit Natronlauge

AUFGABEN
A1 Formulieren Sie die Reaktionsgleichung für den Berechnen Sie die Stoffmengenkonzentration und
Entkalkungsvorgang. die Masse der in einem Liter der Entkalkerlösung
A2 Interpretieren Sie den Verlauf der Titrationskurve in enthaltenen Säure.
B2 . Kennzeichnen Sie in der Kurve die markanten Leiten Sie daraus Schlussfolgerungen für den Um-
Punkte und geben Sie ihre Bedeutung an. gang mit Entkalkerlösungen ab.
A3 Ermitteln Sie die Säure, die in der Entkalkerlösung A4 Formulieren Sie eine begründete Vermutung über
enthalten sein könnte. die Rolle von Methylorange in der Entkalkerlösung.

138 SÄURE-BASE-REAKTIONEN
2

T3 Helicobacter pylori

Harnstoff (NH2)2CO war der erste organische Stoff, der


pH-Wert
aus anorganischen Ausgangsstoffen hergestellt werden
14
konnte. Durch hydrolytische Spaltung wird Harnstoff in
Ammoniak und Kohlenstoffdioxid zersetzt. 7
Die Harnstoffzersetzung wird bei der Erkennung des Bak-
teriums Helicobacter pylori im Körper genutzt. Das Bakte- 0
rium siedelt sich bevorzugt im Magen an und verursacht 0 100 200 t in s
Schmerzen und Veränderungen der Magenschleimhaut.
Es trägt auf seiner Oberfläche das Enzym Urease (Enzym B3 Messergebnisse eines HU-Tests

für die hydrolytische Spaltung von Harnstoff). Helicobac-


M1 Modell-Experiment: „Überlebensstrategie“ von
ter pylori kann auch selbst Ammoniak bilden.
Helicobacter pylori im Magen:
Zwei Petrischalen werden mit Salzsäure befüllt
AUFGABEN
und mit einigen Tropfen Mischindikator versetzt.
A1 Erläutern Sie die Charakteristika einer Säure-Base-
Ein Schaumstoffstreifen wird mit 3 – 4 Tropfen
Reaktion am Beispiel der Reaktion von gasförmigem
Ammoniaklösung, ein anderer mit 3 – 4 Tropfen
Ammoniak mit Wasser.
Wasser versetzt und in die Petrischalen überführt.
A2 Bei der Reaktion aus A1 stellt sich in einem ver-
Nach etwa 5 Minuten treten Farbveränderungen
schlossenen Gefäß ein Gleichgewicht ein. Die
auf (B4).
Lösung besitzt einen pH-Wert von 11.
M2 Medizinische Tests zur Identifizierung von Heli-
Berechnen Sie die Konzentration von Oxonium-
cobacter pylori:
und Hydroxid-Ionen in dieser Lösung.
A: HU-Test (Helicobacter-Urease-Test)
Das Gefäß wird über längere Zeit geöffnet. Dabei
Es wird eine Gewebeprobe des Magens entnom-
findet eine Veränderung des pH-Wertes statt.
men und in ein Testmedium gegeben, welches
Erklären Sie diese Beobachtung.
aus einer Nährlösung für Bakterien, Harnstoff und
A3 Gedankenexperiment:
einem Säure-/Base-Indikator besteht. Die Far-
Zu einer Ammoniaklösung (pH = 9) werden einige
breaktion des Indikators zeigt eine Infektion mit
Tropfen Universalindikator gegeben. Anschließend
Helicobacter pylori an (B3).
gibt man in kleinen Portionen festes Ammonium-
B: Atem-Test
chlorid hinzu, bis eine deutliche Farbveränderung
Dem Patienten wird Harnstoff mit markiertem
auftritt.
Kohlenstoff (z. B. Isotop 13C) verabreicht. Direkt vor
Beschreiben und erklären Sie die zu erwartenden
der Verabreichung und 30 Minuten danach wird
Beobachtungen.
die ausgeatmete Luft auf das Vorhandensein dieses
A4 Entwickeln Sie eine Tabelle, aus der der Zusam-
Isotops untersucht.
menhang zwischen Modell und Wirklichkeit im
Modellexperiment aus M1 dargestellt wird.
Erläutern Sie die „Überlebensstrategie“ von Helico-
bacter pylori im Magen.
A5 Formulieren Sie die Reaktionsgleichung für die
hydrolytische Zersetzung von Harnstoff.
Erläutern Sie die Grundlagen des HU-Tests.
Interpretieren Sie das in B3 dargestellte Diagramm.
Leiten Sie begründet einen geeigneten Säure-/
Base-Indikator für den HU-Test ab.
A6 Vergleichen Sie die Grundlagen der beiden Tests
zum Erkennen einer Helicobacter-Infektion. B4 „Überlebensstrategie“ von Helicobacter pylori im Magen

SÄURE-BASE-REAKTIONEN 139
3 Aminosäuren und Proteine

140 AMINOSÄUREN UND PROTEINE


Arbeitsblatt unter
QR-/Mediencode
06011-15

OPTISCHE SPIEGELBILD­
POLARIMETRIE AKTIVITÄT ISOMERE

FISCHER-
PROJEKTIONS-
ZWITTERION FORMEL

α-AMINOSÄUREN
PRIMÄRSTRUKTUR

PEPTIDBINDUNG
SEKUNDÄRSTRUKTUR

TERTIÄRSTRUKTUR PROTEINE

QUARTÄRSTRUKTUR

FUNKTIONEN IM
DREIDIMENSIONALE
MENSCHLICHEN
STRUKTUREN
KÖRPER

DENATURIERUNG

NACHWEISMETHODEN

BIURET- NINHYDRIN- XANTHOPROTEIN-


NACHWEIS REAKTION REAKTION

AMINOSÄUREN UND PROTEINE 141


KC KOMPETENZCHECK

Startklar?

Schätzen Sie Ihre Kompetenz in den Bereichen A bis E ein und prüfen Sie sich anhand
der entsprechenden Aufgaben (Arbeitsblatt unter QR-/Mediencode 06011-16).
06011-16

Kompetenz sehr gut gut schwierig

A IUPAC-Nomenklaturregeln anwenden und Moleküle


Stoffklassen zuordnen

B Säure-Base-Theorie nach BRØNSTED anwenden

C Zwischenmolekulare Wechselwirkungen und


Bindungsarten benennen

D Struktur-Eigenschafts-Beziehungen erläutern

E Kondensation am Beispiel erläutern

H H H H H H H e)
O H H H O H
H IUPAC-Nomenklaturregeln
KOMPETENZ A: C C C O anwenden H C C C C C H C C C
und Moleküle Stoffklassen zuordnen
H H H H H H H H O H O O
A1 Benennen Sie folgende Moleküle nach der IUPAC- H
Nomenklatur und ordnen Sie diese einer zugehöri-
Entwickeln Sie die Strukturformeln folgender
A2
gen organischen Stoffgruppe (z. B. Alkane) zu.
Verbindungen und kennzeichnen Sie jeweils die
a) H H H H H H H O H funktionelle
H Gruppe.
H O H
H C C C O H C C C C C
a) Butan-2-ol d) Ethan-1,2-diol
H C C C
b) Propanal e) Methansäure
H H H H H H H H O H O O
c) Propanon f) 2,3-Dihydroxybutansäure
H
H
H O H H b) H O H H
KOMPETENZ B: Säure-Base-Theorie nach brØnsted
H C C C C H H C C C C H anwenden
H H H H H H H
B1 Wenden Sie die Definition einer Säure und Base
Butan-2-ol Butan-2-on
nach BRØNSTED an je einem Beispiel an.
H H H c) H H H H O H H H OB2 HFormulieren Sie die Reaktionsgleichung der Protoly-
H C C C O H C C C C C H C C C se von Essigsäure mit Wasser und kennzeichnen Sie
H H H H H H H H O H O O die Brønsted-Säure und die Brønsted-Base.
H
B3 Milchsäure (2-Hydroxypropansäure) wird mit
O Natronlauge versetzt. Formulieren Sie die Reakti-
d) H O
H C H onsgleichung für diese Reaktion in Strukturformel-
H C C C C schreibweise.
H H H H H
H

142 AMINOSÄUREN UND PROTEINE


3

B4 Formulieren Sie die Reaktionsgleichung für die Reak-


tion von Ammoniak mit Chlorwasserstoff und kenn- KOMPETENZ D: Struktur-Eigenschafts-Beziehungen
zeichnen Sie korrespondierende Säure-Base-Paare. erläutern

D1 Ordnen Sie die Stoffe n-Butan, Isobutan und Pro-


pan begründet nach steigender Siedetemperatur.
KOMPETENZ C: Zwischenmolekulare Wechselwirkun-
gen und Bindungsarten benennen D2 Alkane sind häufig in Mitteln zur Fleckentfernung
von Fettflecken enthalten. Begründen Sie diese
C1 Geben Sie die Art der zwischenmolekularen Wech-
Verwendung.
selwirkungen an, die zwischen folgenden Molekü-
len wirken: D3 Erläutern Sie die Ursache dafür, dass n-Heptan bei
a) Wasser-Moleküle Raumtemperatur flüssig und n-Dodecan zähflüssig
b) Ammoniak-Moleküle ist.
c) Methan-Moleküle
D4 In der biochemischen Forschung und medizini-
d) Propan-1,2,3-triol-Moleküle
schen Diagnostik spielt die Methode der Dünn-
e) Essigsäure-Moleküle
schichtchromatografie eine immer größere Rolle.
C2 Geben Sie die Art der chemischen Bindung zwi- Erläutern Sie dieses Stofftrennverfahren anhand
schen den Teilchen in folgenden Stoffen an: einer Skizze.
a) Natriumchlorid
b) Magnesium
c) Wasserstoff KOMPETENZ E: Kondensation am Beispiel erläutern
d) Chlorwasserstoff
E1 Essigsäureethylester entsteht durch eine Konden-
e) Aluminiumoxid
sationsreaktion.
f) Ethanol
a) Formulieren Sie die Reaktionsgleichung für diese
g) Eisen
Reaktion.
b) Erklären Sie an diesem Beispiel den Reaktionstyp
Kondensation.

Vergleichen Sie Ihre Antworten mit den Lösungen auf Seite 464 und geben Sie sich die entsprechende Punktzahl.

Kompetenz sehr gut gut schwierig zum Nachlesen

IUPAC-Nomenklaturregeln anwenden und


A 17 – 14 13 – 8 7–5 S. 31, 36 – 37
Moleküle Stoffklassen zuordnen

B Säure-Base-Theorie nach BRØNSTED anwenden 14 – 11 10 – 7 6–4 S. 96 – 97

Zwischenmolekulare Wechselwirkungen und


C 12 – 10 9–6 5–4 S. 22 – 25
Bindungsarten benennen

D Struktur-Eigenschafts-Beziehungen erläutern 20 – 16 15 – 10 9–6 S. 30 – 33, 121

E Kondensation am Beispiel erläutern 5–4 3–2 1 S. 34, 52 – 53

AMINOSÄUREN UND PROTEINE 143


de
hen r Milc
re
Mit

Mit rechtsd

hs
COOH

äure (L+)
lebenden
Joghurt-
HO C* H kulturen

CH3
L(+)-Milchsäure
de
hen r Milc
re
Mit

Mit rechtsd

hs
äure (L+)
lebenden
Joghurt-
kulturen

3.1 Spiegelbildisomerie
und optische Aktivität
In Joghurt ist häufig als Inhaltsstoff rechtsdrehende Milchsäure angegeben, die von
lebenden Joghurtkulturen erzeugt wird. Was bedeutet rechtsdrehend? Gibt es auch
eine linksdrehende Milchsäure? Was dreht sich eigentlich bei rechts oder linksdre-
hender Milchsäure? Ist eine ungesünder als die andere?

3.1.1 Versuche und Material

M Bild oder Spiegelbild? – Das ist hier die Frage.

In Sauermilchprodukten wie z. B. Buttermilch oder AUSWERTUNG


Joghurt ist Milchsäure enthalten. Doch Milchsäure a) Vergleichen Sie Ihre Milchsäure-Moleküle aus M1 .
ist nicht gleich Milchsäure. Es gibt die sogenannte D- b) Informieren Sie sich auf S. 148 über die FISCHER-
Milchsäure und L-Milchsäure. Worin unterscheiden Projektion. Zeichnen Sie beide Milchsäure-Mole-
sich die Moleküle dieser beiden Formen? küle aus M1 in dieser Darstellung.
c) Zeichnen Sie das Molekül des Glycerinaldehyds
M1 Bauen Sie mit dem Molekülbaukasten ein Mo-
aus M2 in der FISCHER-Projektion.
dell des Milchsäure-Moleküls (2-Hydroxypropansäu-
d) Bestimmen Sie, ob es sich bei M2 um das Molekül
re-Molekül). Versuchen Sie ein zweites Modell des
des D- oder L-Glycerinaldehyds handelt (vgl.
Milchsäure-Moleküls zu bauen, welches sich vom
S. 146)
ersten unterscheidet. Die Konstitution (Reihenfolge
der Verknüpfung der Atome im Molekül) der Mole-
küle muss dabei erhalten bleiben.
M2 Bauen Sie mit dem Molekülbaukasten ein
Modell des Glycerinaldehyd-Moleküls (2,3-Dihydro-
xypropanal-Molekül).

144 AMINOSÄUREN UND PROTEINE


Versuche und Material 3.1

V Rechtsdrehend oder linksdrehend?

Bei der Milchsäure, aber auch bei den Kohlenhydra- Polarisationsfilter


ten, wie der Glucose und der Fructose, unterscheidet als Analysator
man die rechtsdrehenden von den linksdrehenden
Formen. Was bedeutet dies und was wird hier eigent-
lich gedreht?
V3 Stellen Sie durch Lösen von 50 g α-D-Glucose Analysator
in 200 mL destilliertem Wasser 200 mL D-Gluco-
selösung her und füllen Sie damit einen Zylinder
20 cm hoch. Platzieren Sie das Polarimeter auf einem
gelbe Zylinder
eingeschalteten Tageslichtprojektor oder einer Glas- mit Lösung
anderen Lichtquelle und stellen Sie den Analysator scheibe
(vgl. B1) so ein, dass bei der Anzeige 0 Grad kein Polarisator
Aluminiumfolie
Lichtfleck auf der Projektionsfläche zu sehen ist und 5 cm
vollständige Dunkelheit herrscht. Bringen Sie den
Zylinder mit der α-D-Glucoselösung in den Strahlen-
gang des Polarimeters und beobachten Sie die Pro-
jektionswand. Drehen Sie den Analysator so, dass der Licht
Lichtfleck wieder ganz verschwindet (B1 auf S. 150).
Lesen Sie den Drehwinkel der α-D-Glucoselösung B1 Polarimetrie mit Tageslichtprojektor und gelbem
Licht (λ = 600 nm). Bei der Bezeichnung optisch aktiver
ab. Substanzen gibt man die Richtung, in die sie die Ebene des
polarisierten Lichts drehen, mit (+) bzw. (-) an. Eine Dre-
V4 Stellen Sie durch Lösen von 50 g D-Fructose
hung im Uhrzeigersinn bei Blick in Richtung zur Lichtquelle
in 200 mL destilliertem Wasser 200 mL D-Fructose- bezeichnet man mit (+), „rechtsdrehend“.
lösung her und füllen Sie damit einen Zylinder
20 cm hoch. Verfahren Sie wie in V3 beschrieben
und bringen Sie die Lösung in den Strahlengang
(B1 auf S. 150). Lesen Sie den Drehwinkel der D-
Fructoselösung ab.

AUSWERTUNG
a) Vergleichen Sie ihr Ergebnis aus V3 mit den in der Erläutern Sie mithilfe Ihrer Ergebnisse aus V3 und
Tabelle B2 (S. 151) angegebenen Drehwinkeln. V4, ob man aus der Zugehörigkeit zur D- oder
Stellen Sie eine Vermutung auf, die erklärt, worauf L-Form einer Substanz ableiten kann, ob diese
Unterschiede in den Drehwinkeln zurückzufüh- rechtsdrehend oder linksdrehend ist.
ren sein könnten. d) Planen Sie eine Versuchsreihe mit dem Polari-
b) Vergleichen Sie ihr Ergebnis aus V4 mit dem meter aus B1, mit der man rechtsdrehende von
Drehwinkel der α-D-Glucoselösung aus V3. linksdrehender Milchsäure unterscheiden kann.
c) Rechtsdrehende Substanzen drehen die Schwin- e) Erläutern Sie den Strukturunterschied zwischen
gungsebene des in der Apparatur erzeugten rechts- und linksdrehender Milchsäure.
polarisierten Lichts (S. 150) im Uhrzeigersinn,
ENTSORGUNG A
d. h. vom Betrachter aus gesehen nach rechts und
werden mit (+) gekennzeichnet. Linksdrehende
Substanzen, die die Schwingungsebene (S. 150)
des polarisierten Lichts gegen den Uhrzeigersinn
und damit vom Betrachter aus nach links drehen,
kennzeichnet man mit (-).

AMINOSÄUREN UND PROTEINE 145


3.1 Spiegelbildisomerie und optische Aktivität

3.1.2 Spiegelbildisomerie

Enantiomere man als asymmetrisch substituiertes Kohlen-


stoff-Atom oder Chiralitätszentrum. Es wird als
1848 beobachtete der französische Chemiker
C* gekennzeichnet. Im Beispiel des Milchsäure-
und Mikrobiologe LOUIS PASTEUR, dass einige
Moleküls trägt das asymmetrisch substituierte
chemische Verbindungen in zwei verschiedenen
Kohlenstoff-Atom ein Wasserstoff-Atom, eine
Formen vorkommen: so auch die Milchsäure
Methyl-Gruppe, eine Hydroxy-Gruppe und eine
(2-Hydroxypropansäure).
Carboxy-Gruppe (B1). Auch bei Glycerinaldehyd
Baut man verschiedene Modelle eines Milch-
handelt es sich um eine chirale Verbindung mit
säure-Moleküls (M1 , B1) und vergleicht diese
einem Chiralitätszentrum. Mit dem Molekülbau-
miteinander, so stellt man fest, dass sich nicht
kasten können zwei Enantiomere gebaut werden
alle Modelle zur Deckung bringen lassen und
(M2 , B3), die sich wie Bild und Spiegelbild ver-
deshalb nicht identisch sein können. Es existieren
halten.
zwei Milchsäure-Moleküle, die sich wie Bild und
Spiegelbild verhalten (B1). Man bezeichnet sie
als chirale Moleküle (griech. cheir, Hand). Dieses Diastereomere
Phänomen finden wir auch im Alltag (B2): Hän-
Moleküle, die vier asymmetrisch substituierte
Im Gegensatz zu de und Füße sind chiral. Von chiralen Molekülen
Kohlenstoff-Atome tragen, z. B. Glucose-Mo-
Stereoisomeren existieren zwei Spiegelbildisomere oder Enan-
unterscheidet sich leküle (B3), besitzen 24 = 16 Chiralitätszentren
tiomere (griech. enantios, entgegengesetzt). Die-
bei der Struk- und damit 16 Stereoisomere, wobei sich je zwei
se Art der räumlichen Isomerie bezeichnet man
turisomerie die Moleküle zueinander wie Bild und Spiegelbild
Reihenfolge der auch als Stereoisomerie.
verhalten. Die Stereoisomere, die sich nicht wie
Atome im Molekül. Chiralität liegt dann vor, wenn in einem Molekül
Bild und Spiegelbild verhalten, nennt man Dia-
an ein Kohlenstoff-Atom vier unterschiedliche
stereomere. Sie treten immer dann auf, wenn
Reste, sogenannte Substituenten, gebunden
Moleküle mehrere Chiralitätszentren haben. Bei
sind. Ein solches Kohlenstoff-Atom bezeichnet
Molekülen mit z Chiralitätszentren gibt es maxi-
mal 2z Stereoisomere.

H O H O
C C
Zur Unterschei-
dung von Enantio- HO C* H H C* OH
meren wird dem
Molekülnamen ein CH2OH CH2OH
D bzw. L vorange- L D
stellt. B1 Zwei Milchsäure-Moleküle, die sich wie Bild und Glycerinaldehyd
• FM S. 148 Spiegelbild verhalten
H O H O
Spiegel
C C
HO C* H H C* OH
H C* OH HO C* H

linke Hand rechte Hand HO C* H H C* OH


Spiegelebene
HO C* H H C* OH
CH2OH CH2OH
L D
Objekt-Molekül Spiegelbild-Molekül Glucose

B2 Die linke und die rechte Hand B3 Stereoisomere von Glycerinaldeyd-


sind chirale Objekte. und Glucose-Molekülen

146 AMINOSÄUREN UND PROTEINE


Spiegelbildisomerie und optische Aktivität 3.1

Meso-Formen des Limonens und riecht nach Zitronen, sein


Spiegelbild, das D-Limonen, duftet jedoch nach
Das Molekül der Weinsäure (2,3-Dihydroxybu-
Orangen (B5).
tandisäure) besitzt zwei asymmetrisch substitu-
ierte Kohlenstoff-Atome (B4). Demnach müss-
ten 22 = 4 Stereoisomere existieren. Baut man
jedoch die zugehörigen Molekülmodelle, stellt
man fest, dass zwei davon identisch sind, da sie
in Überdeckung gebracht werden können.
Diese Moleküle sind symmetrisch gebaut und
trotz zweier asymmetrisch substituierter Kohlen-
stoff-Atome nicht chiral. Man bezeichnet diese
Form der Weinsäure auch als Meso-Weinsäure.
CH3 CH3 CH3 CH3
Die Moleküle der D-Weinsäure und der L-Wein-
C C C C
säure sind dagegen nicht symmetrisch
HC gebaut
CH2 HC CH2 HC CH2 HC CH2
und damit chiral. Es handelt sich um Enantiome-
H2C CH2 H2C CH2 H2C CH2 H2C CH2
re. CH CH CH CH

C C C C
COOH COOH
H3C CH2 H3C CH2 H3C CH2 H3C CH2
H C* OH HO C* H
D-Limonen L-Limonen D-Limonen L-Limonen
HO C* H H C* OH
COOH COOH B5 Enantiomere von Limonen-Molekülen: L-Limo-
nen (Zitronenduft) und D-Limonen (Orangenduft)
L-Weinsäure D-Weinsäure

COOH COOH Moleküle, die sich wie Bild und Spie-


HO C* H identisch H C* OH gelbild verhalten, nennt man Spiegel-
mit bildisomere oder Enantiomere.
HO C* H H C* OH Kohlenstoff-Atome mit vier verschie-
COOH COOH denen Substituenten heißen asymme-
trisch substituierte Kohlenstoff-Atome
Meso-Weinsäure
(Chiralitätszentren) und werden als C*
gekennzeichnet.
B4 Isomere Weinsäure-Moleküle
Stereoisomere, die keine Enantiomere
sind, bezeichnet man als Diastereo-
Wechselwirkungen mit anderen
mere.
chiralen Molekülen
Enantiomere unterscheiden sich in ihren Wech-
selwirkungen mit anderen chiralen Molekülen.
Dies kann Unterschiede in ihrem Verhalten in AUFGABEN
biochemischen Reaktionen hervorrufen. Spiegel- A1 Begründen Sie, dass es von Milchsäure zwei
bildisomere können im Körper auch unterschied- Enantiomere, die D- und die L-Milchsäure,
liche toxikologische oder pharmakologische gibt.
Wirkungen haben und sogar sensorisch unter- A2 Recherchieren Sie nach zwei Beispielen von
schiedliche Sinneswahrnehmungen auslösen. So Stoffen, deren Enantiomere unterschiedli-
ist der Duftstoff in Zitronen das L-Enantiomer che physiologische Wirkungen haben.

AMINOSÄUREN UND PROTEINE 147


FM FACHMETHODE

3.1.3 FISCHER-Projektionsformeln zeichnen

Betrachtet man den räumlichen Bau eines Milchsäure-


Moleküls, erkennt man, dass dieses nicht in einer Ebe-
ne liegt, sondern dass das asymmetrisch substituierte
Kohlenstoff-Atom tetraedrisch von vier verschiedenen
Substituenten umgeben ist (B1). Zur räumlichen Dar-
stellung von Molekülen verwendet man die Keilstrich-
Schreibweise. Dabei symbolisieren fett gedruckte Keile
dem Beobachter zugewandte Elektronenpaarbindungen,
die aus der Papierebene herausragen, gestrichelte Keile
symbolisieren Elektronenpaarbindungen, die hinter die
Papierebene zeigen. Durch Striche dargestellte Elektro-
nenpaarbindungen liegen in der zweidimensionalen Pa-
pierebene (B1).

COOH
B2 Schattenbild des Milchsäure-Moleküls
C H
H3C
OH Zeichnen Sie die Fischer-Projektion des Milchsäure-
Moleküls aus B1.
B1 Milchsäure-Molekül in der Keilstrich-Schreibweise mit VORGEHEN
räumlicher Orientierung der Substituenten und Verdeutlichung
der tetraedrischen Struktur 1. Zeichnen Sie dabei das Molekül so, dass die längste
Kohlenstoff-Kette senkrecht angeordnet ist (B3).
Eine solche dreidimensionale räumliche Darstellung von
+III
Molekülen in die zweidimensionale Papierebene zu über- COOH
tragen, stellt eine zeichnerische Herausforderung dar.
HO C* H
Um die räumlichen Strukturen der Spiegelbildisomere
-III
in die Papierebene zu übertragen, benutzte FISCHER (vgl. CH3
Info Emil Fischer) das Schattenbild bzw. die Projektions-
formeln der Moleküle (B2) und formulierte die rechts B3 Senkrechte Anordnung der längsten Kohlenstoff-Kette des
Milchsäure-Moleküls
stehenden Regeln.

Das Kohlenstoff-Atom mit der höchsten Oxidati-


EMIL FISCHER
onszahl befindet sich oben in der Kette.
Der deutsche Nobelpreis- 2. Bringen Sie alle asymmetrisch substituierten Kohlen-
träger EMIL FISCHER (1852 stoff-Atome nach und nach in die Papierebene (B4).
– 1919) entwickelte eine
Vorgehensweise für die COOH
zweidimensionale Darstel- COOH
lung chiraler Moleküle, mit HO C* H
der sich Bild und Spiegelbild C H
H3C CH3
voneinander unterscheiden OH
lassen. Die Darstellungsform wird ihm zu Ehren
heute noch als FISCHER-Projektion bezeichnet. B4 Übertragung der asymmetrischen Kohlenstoff-Atome in
die Papierebene

148 AMINOSÄUREN UND PROTEINE


FACHMETHODE FM

Betrachten Sie dabei ein asymmetrisch substituier- Bei der Benennung von Kohlenhydraten und Amino-
tes Kohlenstoff-Atom so, dass die beiden senkrech- säuren haben die FISCHER-Projektionsformeln eine große
ten Bindungen vom Betrachter weg und die beiden Bedeutung. Die D/L-Enantiomere unterscheiden sich da-
seitlichen Bindungen zum Betrachter hin zeigen. bei nur durch die Stellung der funktionellen Gruppe am
Kohlenstoff-Atom, das sich am weitesten entfernt vom
3. Befindet sich die funktionelle Gruppe am asym-
höchst oxidierten Kohlenstoff-Atom befindet (B5).
metrisch substituierten Kohlenstoff-Atom auf der
Die Bezeichnungen D- und L-Enantiomer sind in der
rechten Seite, gehört das Molekül zu den D-En-
FISCHER-Projektionsformel willkürlich gewählt, während
antiomeren (lat. dexter, rechts). Steht die funktio-
es sich bei der Drehrichtung der Schwingungsebene von
nelle Gruppe links, zählt man das Molekül zu den
linear polarisiertem Licht um eine rein experimentell be-
L-Enantiomeren (lat. laevus, links).
obachtbare Eigenschaft handelt.
Bei der Milchsäure aus B1 handelt es sich um die L-
Aus der Bezeichnung D- bzw. L-Form lässt sich also
Milchsäure.
nicht auf die Drehrichtung des linear polarisierten Lichts
4. Besitzt ein Molekül mehrere asymmetrisch substi- schließen (vgl. S. 150).
tuierte Kohlenstoff-Atome, treffen Sie die D/L-
Zuordnung an dem asymmetrisch substituierten
Kohlenstoff-Atom, welches am weitesten vom
höchst oxidierten Kohlenstoff-Atom entfernt ist.
AUFGABEN
A1 Bauen Sie ein Molekülmodell des Alanin-Moleküls
H O H O (2-Aminopropansäure). Zeichnen Sie beide Spie-
C C gelbildisomere in der FISCHER-Projektionsformel
und benenne Sie diese.
HO C* H H C* OH
Hinweis: Die Formel für die Amino-Gruppe lautet
CH2OH CH2OH –NH2.
L D A2 Zeichnen Sie die Enantiomere von 2,3-Dihydroxy-
H Glycerinaldehyd
O H O butanal in der FISCHER-Projektionsformel. Kenn-
C C zeichnen Sie alle asymmetrisch substituierten
H COOHO H COOH
O Kohlenstoff-Atome und benennen Sie die Moleküle.
HO C*
C H H C*
C OH
HO C* H H C* OH A3 Bei der Fischer-Projektionsformel von 3-Chlor-
HO C* 32OH
CH
CH H H C* 2OH
CH
CH OH 2-hydroxybutansäure stehen beide Substituenten
3
L D auf der rechten Seite. Geben Sie an, um welches
H LC* OH HO D
C* H
Glycerinaldehyd
Milchsäure Isomer es sich hierbei handelt.
HO C* H H C* OH A4 Bestimmen Sie die Anzahl an Stereoisomeren bei
H O H O 2,3,4-Trihydroxybutanal. Zeichnen Sie die FISCHER-
HO C
C* H H C
C* OH
Projektionsformeln der möglichen Enantiomeren-
HO CH2OH
C* H CH2OH
H C* OH paare.
L D A5 Benennen Sie folgendes Molekül und zeichnen
H C* OH HO C* H
Glucose
Sie das entsprechende Spiegelbildisomer in der
HO C* H H C* OH FISCHER-Projektionsformel:
HO C* H H C* OH
COOH
CH2OH CH2OH
L D H C* OH
Glucose
HO C* H
B5 Fischer-Projektionsformeln der Enantiomere von COOH
Glycerinaldehyd-, Milchsäure- und Glucose-Molekülen

AMINOSÄUREN UND PROTEINE 149


3.1 Spiegelbildisomerie und optische Aktivität

3.1.4 Optische Aktivität

Wechselwirkungen mit Licht den kommt es jedoch nicht. Lediglich Säuglinge


sollten im ersten Lebensjahr keine linksdrehende
Enantiomere wie die L- und die D-Milchsäure
Milchsäure aufnehmen, da ihr Stoffwechsel noch
haben aufgrund ihrer gleichen strukturellen
nicht voll ausgereift ist.
Verknüpfung nahezu identische chemische und
physikalische Eigenschaften. Sie verhalten sich
Ein 1 : 1-Gemisch aus Enantiomeren, wie der
jedoch gegenüber linear polarisiertem Licht
L(+)-Milchsäure und der D(-)-Milchsäure be-
(vgl. Info Linear polarisiertes Licht) unterschied-
zeichnet man als Racemat. Da sich die Dreh-
lich (V3 , V4). Chirale Moleküle sind optisch
richtungen der beiden Enantiomere gegenseitig
aktiv, d. h., dass sie die Schwingungsebene von
aufheben, sind Racemate optisch inaktiv.
linear polarisiertem Licht drehen. Daher spricht
Auch die meso-Weinsäure (B4 auf S. 147) ist op-
man auch von optischen Isomeren.
tisch inaktiv, da ihre Moleküle trotz vorhandener
asymmetrisch substituierter Kohlenstoff-Atome
Linear polarisiertes Licht nicht chiral sind.
Asymmetrisch substituierte Kohlenstoff-Atome
Licht verhält sich einerseits wie ein führen also nicht zwingend zur optischen Aktivi-
Strahl aus winzigen Teilchen (Photonen, tät. Auch das Racemat der D- und L-Weinsäure
Lichtquanten), andererseits wie eine ist optisch inaktiv, während die Enantiomere, die
Folge von elektromagnetischen Wellen, D-Weinsäure und L-Weinsäure, optisch aktiv
d. h. Schwingungen eines elektrischen sind (B4 auf S.147, B2).
und magnetischen Feldes. Bei unpolari-
siertem Licht erfolgen die Schwingungen
Polarimetrie
in allen Ebenen. Durch den Polarisati-
onsfilter gelangt jedoch nur noch Licht Die optische Aktivität kann mit einem Polari-
einer Schwingungsebene. meter untersucht werden (B1). Darin wird Licht
durch einen Polarisator gelenkt, der nur eine
Schwingungsebene des Lichtes durchlässt, es
So dreht die L(+)-Milchsäure die Schwingungs-
entsteht linear polarisiertes Licht. Steht ein zwei-
ebene von linear polarisiertem Licht nach rechts,
ter Polarisator, der Analysator, im 90°-Winkel
während die D(-)-Milchsäure die Schwingungs-
ebene von linear pola-
risiertem Licht um den Betrachter
gleichen Betrag nach
links dreht. Bildschirm
90°
Für Menschen ist Analysator
die rechtsdrehende
L(+)-Milchsäure ein
natürliches Zwischen- Probenrohr Probenrohr
mit L-Milch- mit D-Milch-
produkt des Stoff- säure säure
wechsels. Sie wird
mittels eines spezifi-
schen Enzyms abge- Polarisator
baut. Die linksdrehen-
de D(-)-Milchsäure
wird im Organismus
Lichtquelle
langsamer abgebaut,
zu Gesundheitsschä-
B1 Funktionsweise eines Polarimeters

150 AMINOSÄUREN UND PROTEINE


Spiegelbildisomerie und optische Aktivität 3.1

zum Polarisator, wird kein Licht durchgelassen


(Dunkelheit). Die Fähigkeit einer optisch aktiven
Bringt man nun wie in B1 eine optisch aktive Sub- Verbindung, die Schwingungsebene von
stanz im Probenröhrchen, z. B. eine Lösung von linear polarisiertem Licht zu drehen, wird
Milchsäure, zwischen Polarisator und Analysa- optische Aktivität genannt.
tor, so tritt eine Aufhellung ein. Dreht man den
Bei optisch aktiven Stoffen unterschei-
Analysator, bis wieder vollständige Dunkelheit
det man je nach Drehrichtung rechts-
herrscht, kann man ablesen, um welchen Win-
und linksdrehende Stereoisomere.
kel das polarisierte Licht durch die optisch aktive
Lösung gedreht wurde. Der so bestimmte Dreh- Von den Bezeichnungen der Spiegelbild-
winkel α gibt den Wert an, um den eine optisch isomere mit „D“ und „L“ lässt sich nicht
aktive Substanz die Schwingungsebene von line- auf die Drehrichtung des linear polari-
ar polarisiertem Licht dreht. sierten Lichts schließen. Die Bezeich-
nung D- bzw. L-Form bezieht sich also
Die Angabe des Drehwinkels erfolgt in Grad und nur auf die Anordnung der Substituen-
bezieht sich auf eine bestimmte Temperatur, ten in der FISCHER-Projektionsformel.
Konzentration der Probelösung, die Schichtdicke
der Probe und eine definierte Wellenlänge des
Lichts. Der Drehwinkel erhält je nach Drehrich-
tung ein positives oder ein negatives Vorzeichen
(B2).

Der spezifische Drehwinkel αsp ist eine charakte-


ristische Größe für optisch aktive Verbindungen
(B2). Es gilt der folgende Zusammenhang:
AUFGABEN
α cm3
αsp = [° · = ° · cm3 · g-1 · dm-1] A1 Auf Joghurtbechern wird oftmals mit
β·І g ∙ dm
rechtsdrehender Milchsäure geworben.
Dabei ist α der gemessene Drehwinkel in °, β die Beurteilen Sie diese Aussage kritisch.
Massenkonzentration der Lösung in g · cm-3 und A2 Diskutieren Sie den Zusammenhang zwi-
І die Schichtdicke der Lösung in dm. schen der Benennung der L- und D-Milch-
säure und der Bezeichnung rechtsdrehende
Verbindung Spezifischer und linksdrehende Milchsäure.
Drehwinkel in
° · cm3 · g-1 · dm-1 A3 Ein 1 : 1-Gemisch aus L(+)-Alanin und
D(+)-Glucose + 52
D(-)-Alanin wird in ein Probenröhrchen
gefüllt und in den Strahlengang eines Po-
α-D(+)-Glucose + 112
larimeters gebracht. Erläutern Sie mithilfe
β-D(+)-Glucose + 19 von B2 , welchen Drehwinkel Sie erwarten.
D(-)-Fructose - 92 A4 In der Lebensmittelchemie wird die Polari-
Saccharose + 66 metrie zur Konzentrationsbestimmung von
L(+)-Alanin + 1,6 Zuckerlösungen verwendet. Erläutern Sie
diese Tatsache.
D(-)-Alanin - 1,6
A5 Für eine α-D-Glucoselösung unbekann-
L(+)-Weinsäure + 12,7
ter Konzentration wird im Polarimeter
D(-)-Weinsäure - 12,7 (Probenrohrlänge = 1 dm) der Drehwinkel
bestimmt. Der gemessene Drehwinkel be-
B2 Spezifischer Drehwinkel einiger wässriger
Lösungen von Stoffen bei Verwendung von Gelblicht trägt +101°. Berechnen Sie die Massenkon-
(λ = 600 nm) zentration der eingesetzten Glucoselösung.

AMINOSÄUREN UND PROTEINE 151


MK MEDIENKOMPETENZ

3.1.5 Molekülstrukturen digital zeichnen und darstellen

Die Vielfalt an organischen Verbindungen ist groß. Immer Veranschaulichung von Molekülen, z. B. in 3D-Modellen.
wieder stößt man bei der Benennung von Strukturformeln Die wichtigsten Grundfunktionen der verschiedenen
auf Probleme. Gerade bei komplexen Formeln fällt es Programme sind im Wesentlichen identisch. Wie erstellt
schwer, sich den räumlichen Bau des dargestellten Mole- man die chemische Struktur eines Milchsäure-Moleküls
küls vorzustellen. Computerprogramme können hier wei- (2-Hydroxypropansäure-Molekül)?
terhelfen. Sie dienen neben Recherchezwecken auch der

Molekülstrukturen mithilfe eines Symbol- Bezeichnung Beschreibung


Computerprogramms zeichnen beispiele
Elektronen- Mit diesem Tool erstellen Sie eine Elek-
VORGEHEN paarbindung tronenpaarbindung. Durch Doppelklick
erhalten Sie eine Doppelbindung.
1. Zeichnen Sie zunächst eine Elektronen-
paarbindung. Das Formelprogramm geht H O
in der Regel automatisch davon aus, dass H O C C O H
zwei Kohlenstoff-Atome miteinander ver-
knüpft werden sollen. Wählen Sie ansons- H C H
ten das gewünschte Atom-Symbol aus. Er- H
weitern Sie das Molekül im Anschluss um
„clean Ordnen Sie die Atome eines Moleküls
weitere Elektronenpaarbindungen. structure“ räumlich korrekt an und ergänzen Sie
ggf. fehlende Wasserstoff-Atome.
2. Verwenden Sie die Funktion „clean struc-
O O
ture“, wenn beim Zeichnen Wasserstoff-
O H C H C
Atome im Molekül nicht automatisch H
C O
H H
O
C O
H

ergänzt werden. Neben der Korrektur der


H C H H C H
räumlichen Darstellung werden auch feh-
H H
lende Wasserstoff-Atome ergänzt. Kom- D-Milchsäure L-Milchsäure
plexere Moleküle werden dabei in der
schwarzer Keil Atome bzw. Atomgruppen am breiten
Keilstrichschreibweise dargestellt. Fett schwarzen Keilende ragen aus der
gedruckte Keile bedeuten, dass die Atome Papierebene heraus.
oder Atomgruppen aus der Papierebene Atome bzw. Atomgruppen am
gestrichelter gestrichelten breiten Keilende zeigen
herausragen, wohingegen gestrichelte Kei-
Keil hinter die Papierebene.
le Atome oder Atomgruppen beschreiben,
Tools Struktur Wählen Sie im Menü der Computerpro-
die sich hinter der Papierebene befinden.
benennen gramme unter der Bezeichnung „Tools“
3. Wählen Sie im Menü unter „Tools“ die eine Funktion aus und lassen Sie sich mit-
hilfe derer den Namen eines gezeichneten
Funktion zur Benennung des gezeichne- Moleküls anzeigen.
ten Moleküls aus. Diese verbirgt sich z. B.
hinter der Bezeichnung „generate name Systematic name
for structure“. Alternativ erstellen manche 2-hydroxypropanoic acid

Programme ein ausführliches Datenblatt


2D to 3D 3D-Anzeige Dieses Tool ermöglicht das Betrachten
über das gezeichnete Molekül. einer Strukturformel als 3D-Animation,
z. B. im Kugelstabmodell (B2).
4. Lassen Sie sich das gezeichnete und be-
nannte Molekül auch als 3D-Animation
anzeigen, um das Molekül zu drehen und
von verschiedenen Seiten zu betrachten. B1 Schritte zur chemischen Struktur

152 AMINOSÄUREN UND PROTEINE


MEDIENKOMPETENZ MK

Programme rund um chemische Strukturformeln gibt Wählen Sie dabei im Menü zwischen den Modellen
es viele. Sie sind für Desktop-PCs, Tablets und teilweise „Wireframe“ (Drahtgittermodell), „Stick“ (Stabmodell),
auch auf dem Smartphone verfügbar. Einfache „Ball and Stick“ (Kugelstabmodell) und „Spacefill“ bzw.
Varianten lassen sich ohne Installation direkt im „VAN DER WAALS Spheres“ (Kalottenmodell). Verwenden
Internet-Browser abrufen. Unter QR-/Medien- Sie eine der letzten beiden Optionen, um einen Eindruck
code 06011-17 finden Sie passende Vorschläge. 0 6 0 1 1 - 1 7 von der äußeren räumlichen Gestalt des gezeichneten
Moleküls zu erhalten.
Informationen aus Moleküldarstellungen
herauslesen
Häufig wird zur dreidimensionalen Darstellung von organi-
schen Molekülen das Kugelstabmodell verwendet. Die als
verschiedenfarbige Kugeln dargestellten Atome sind über
Stäbe, die die Elektronenpaarbindungen symbolisieren,
miteinander verbunden (B2). Bindungswinkel lassen sich
in diesem übersichtlichen Modell besonders gut erkennen.
Da aber die unterschiedlichen Atomgrößen häufig kaum
berücksichtigt sind, lassen sich keine genauen Aussagen
über die äußere räumliche Gestalt treffen. Hierfür muss
eine andere Moleküldarstellung gewählt werden.
Im Kalottenmodell werden die Atome raumfüllend, ge-
mäß ihrer relativen Größe und Bindungslängen zueinan-
der dargestellt (B2).

VORGEHEN
Moleküle lassen sich in den meisten Programmen drei- B2 Kugelstabmodell (oben) und Kalottenmodell (unten) des
dimensional in verschiedenen Modelltypen darstellen. Glycerinaldehyd-Moleküls (2,3-Dihydroxypropanal-Molekül)

AUFGABEN
A1 Vom Glycerinaldehyd-Molekül (2,3-Dihydroxypro- A3 Glycin und Alanin sind beides Aminosäuren.
panal-Molekül) existieren zwei Spiegelbildisomere. Suchen Sie in der Datenbank des Strukturformel-
Zeichnen Sie mithilfe eines Strukturformelpro- programms nach den Molekülstrukturen beider
gramms beide Enantiomere und benennen Sie die- Aminosäuren.
se. Nutzen Sie dabei das Strukturformelprogramm a) Untersuchen Sie die Moleküle von Alanin und
wie folgt als Hilfestellung: Übertragen Sie die Glycin auf ihre Chiralität und begründen Sie Ihre
Halbstrukturformeln in das Programm und führen Ergebnisse.
Sie die „clean structure“-Funktion aus. Kontrollie- b) Suchen Sie mögliche Enantiomere in der Daten-
ren Sie anschließend Ihre Benennung mithilfe des bank des Strukturformelprogramms und lassen
Programms. Sie sich diese in der Keilstrichschreibweise und
A2 Zeichnen Sie mithilfe eines Strukturformelpro- im Kugelstab-Modell darstellen. Erläutern Sie
gramms die Molekülstrukturen beider Spiegelbil- strukturelle Unterschiede der Moleküle. Benen-
disomere des Milchsäure-Moleküls (2-Hydroxy- nen Sie alle Molekülstrukturen und kontrollieren
propansäure-Molekül). Lassen Sie sich die beiden Sie anschließend Ihre Benennung mithilfe des
Molekülstrukturen der Enantiomere mit dem Programms.
Kugelstab-Modell darstellen und vergleichen Sie
diese im Hinblick auf ihren räumlichen Bau.

AMINOSÄUREN UND PROTEINE 153


3.2 Aminosäuren und Peptidbindung
Aminosäuren sind die Bausteine der Proteine. Proteine sind wichtige Baustoffe im
Körper, so bestehen beispielsweise Muskeln, Haare und Nägel aus Proteinen. Eine
aminosäurehaltige Ernährung spielt deshalb eine wichtige Rolle. Auch Sportler er-
gänzen ihre Ernährung häufig durch protein- oder aminosäurehaltige Präparate. Wie
kann man herausfinden, welche Lebensmittel Proteine enthalten?

3.2.1 Versuche und Material

V Nachweis von Aminosäuren und Proteinen 3 5 6 7 9

In vielen Nahrungsmitteln wie Hülsenfrüchten, V2 Biuretreaktion: Geben Sie zu je 3 mL Lösung


Fleisch, Fisch, Milchprodukten und Ei sind Prote- der oben genannten Stoffe je 1 mL Natronlauge
ine und deren Grundbausteine, die Aminosäuren, (c = 1 mol/L, GHS 5). Fügen Sie anschließend je
enthalten. Wie kann man diese in Lebensmitteln 10 Tropfen Kupfer(II)-sulfatlösung (c = 0,1 mol/L,
experimentell nachweisen? GHS 7 | 9) hinzu.
Hinweis: Die Versuche V1, V2 und LV3 werden LV3 Xanthoproteinreaktion (Abzug): 3 mL Lösung
mit wässrigen Lösungen von Eiklar, Gelatine (oder der oben genannten Stoffe werden zu je 4 mL konz.
Gummibärchen) und einigen Aminosäuren, bei- Salpetersäure (GHS 3 | 5 | 6) gegeben und vorsichtig
spielsweise Glycin und Tyrosin durchgeführt. Um die erhitzt.
Stoffe leichter zu lösen, kann sehr vorsichtig erwärmt
werden. AUSWERTUNG
Notieren Sie Ihre Beobachtungen zu V1, V2 und LV3
V1 Ninhydrinreaktion: Geben Sie in Reagenzgläser
tabellarisch.
zu je 3 mL Lösung der oben genannten Stoffe je eine
Spatelspitze Ninhydrin (GHS 7). Verschließen Sie die
ENTSORGUNG G1, G2
Reagenzgläser mit einem Stopfen und schütteln Sie
kräftig. Entfernen Sie dann die Stopfen und erhitzen
Sie die Lösungen im Wasserbad auf ca. 80 °C.

154 AMINOSÄUREN UND PROTEINE


Versuche und Material 3.2

V Dünnschichtchromatografischer Nachweis von Aminosäuren 2 5 7

Sportler trinken bei ihrem Training häufig Protein-


Shakes. Diese enthalten Peptide, die aus bis zu 100 Chromato-
grafiekammer
Aminosäure-Bausteinen bestehen, oder Aminosäu-
ren. Mit welcher Methode kann man herausfinden,
Laufmittel-
welche Aminosäuren in einem Protein-Shake enthal- front
ten bzw. in einem Peptid miteinander verknüpft sind?
stationäre
V4 Geben Sie in zwei Erlenmeyerkolben je 0,3 g Phase
Glutathion (Peptid aus den drei Aminosäuren Glut- (DC-Platte)
aminsäure Glu – Cystein Cys – Glycin Gly) und Par-
mesankäse. Fügen Sie 8 mL Wasser und 20 mL konz.
Salzsäure (GHS 5 | 7) hinzu. Schütteln Sie gut durch
und stellen Sie die Proben über Nacht mit gesicher- Startlinie
tem Schliffstopfen bei 100 °C in den Trockenschrank. mobile Phase
(Laufmittel)
Bringen Sie die Produkte der auf diese Weise durch-
geführten Hydrolyse mit Natronlauge (c = 1 mol/L,
GHS 5) auf pH = 5. Führen Sie dann eine dünn- B1 Schematische Darstellung einer
Dünnschichtchromatografie
schichtchromatografische Trennung (DC) auf
Kieselgel durch (B1, B2 , siehe FM Eine Dünnschicht- Besprühen Sie das getrocknete Chromatogramm zur
chromatografie durchführen, S. 121). Sichtbarmachung der Flecken im Abzug mit Ninhyd-
rin-Sprühreagenz (GHS 7) und entwickeln Sie es bei
Benutzen Sie als Vergleichsproben Lösungen einiger
110 °C für 5 – 10 Minuten im Trockenschrank oder
Aminosäuren, beispielsweise Glycin Gly, Alanin Ala,
auf einer Heizplatte.
Glutaminsäure Glu, Cystein Cys oder Methionin Met.
Verwenden Sie als Laufmittel für die DC ein Gemisch
AUSWERTUNG
aus Butan-1-ol (GHS 2 | 5 | 7), Eisessig (GHS 2 | 5)
a) Zeichnen Sie Ihr Dünnschichtchromatogramm ab
und Wasser in den Volumenanteilen 4 : 1 : 1.
und beschriften Sie es.
b) Ermitteln Sie die Rf-Werte der in V4 mittels DC
aufgetrennten Substanzen.
Hinweis: Unter dem Rf-Wert (= Retentionsfaktor)
versteht man den Quotienten aus der Laufstre-
cke der Substanz zur Laufstrecke des Laufmittels
Laufmittelfront (B2). Er ist unter identischen Versuchsbedingun-
gen charakteristisch für eine Substanz.
c) Interpretieren Sie die DC-Ergebnisse durch Ver-
Laufstrecke gleich der in b) bestimmten Rf-Werte. Leiten Sie
des Laufmittels
Substanz- aus dem jeweiligen Versuchsergebnis ab, welche
fleck Aminosäuren in den Hydrolyseprodukten von
Glutathion und Parmesankäse enthalten sind.
Laufstrecke d) Erläutern Sie, in welcher Probe Glutaminsäure am
der Substanz besten erkennbar ist.
Startlinie

ENTSORGUNG G1, G3

B2 Dünnschichtchromatogramm

AMINOSÄUREN UND PROTEINE 155


3.2 Aminosäuren und Peptidbindung

3.2.2 Strukturen der Aminosäuren

Aminosäuren – Bausteine der Proteine che unterschiedliche Reste aufweisen. Die in der
Natur am häufigsten vorkommenden Amino-
Proteine sind wichtige Baustoffe in unserem
säuren sind die α-Aminosäuren. Die Proteine im
Körper. So bestehen Muskeln, Haare und Finger-
menschlichen Körper bestehen aus Makromole-
nägel aus Proteinen. Sie sind auch als Hormone
külen, in denen die einzelnen Bausteine aus „nur“
und Enzyme an vielen biochemischen Reakti-
20 verschiedenen Aminosäuren bestehen. Die
onen im Organismus beteiligt. Eiweiße sollten
einzelnen Aminosäuren unterscheiden sich le-
etwa 12 % unserer Nahrung ausmachen. Zu den
diglich in ihren Seitenketten (Resten R). Je nach
eiweißreichen Lebensmitteln gehören Milch,
Rest werden unpolare, polare, saure und basische
Käse, Ei, Fleisch, Fisch und Hülsenfrüchte.
Aminosäuren unterschieden (B3).
Bei der Verdauung werden Proteine unter Mit-
wirkung von Enzymen durch Hydrolyse, also Carboxy-
O O H Gruppe
Spaltung durch Reaktion mit Wasser, in ihre Bau- 1
C
steine, die Aminosäuren, aufgetrennt. H
Amino-
Die freien Aminosäuren in den Reaktionspro- Gruppe N 2C H
dukten der Hydrolyse können mit der Methode H
R
der Dünnschichtchromatografie getrennt und Seitenkette
identifiziert werden, indem man verschiedene (organischer Rest)
Aminosäuren als Vergleichssubstanzen mitlau-
fen lässt (V4, B1). B2 Allgemeine Struktur von Aminosäuren
in der FISCHER-Projektionsformel

Viele natürliche Aminosäuren wurden schon vor


der Einführung der IUPAC-Nomenklatur ent-
deckt. Deshalb tragen sie alle Trivialnamen (B3).
Z. B. wurde die Asparaginsäure (systematischer
Name: 2-Aminobutan-1,4-disäure) im Spargel
(Asparagus officinalis) entdeckt und nach ihm
benannt.

Parmesan Cys Glu Gly Met Glutathion Essenzielle Aminosäuren können vom Körper
B1 Ausschnitt aus dem Dünnschichtchromatogramm nicht selbst hergestellt werden, sondern müssen
zu V4 mit der Nahrung aufgenommen werden. Neun
Aminosäuren sind für den Menschen essenziell
Bau von Aminosäuren (in B3 blau gekennzeichnet).
Aminosäuren sind, wie der nach IUPAC eigent-
lich richtige Name „Aminocarbonsäuren“ schon Aminosäure-Moleküle besitzen mindes-
andeutet, spezielle Carbonsäuren, deren Mole- tens je eine Carboxy-Gruppe und eine
küle neben der Carboxy-Gruppe (-COOH) noch Amino-Gruppe.
mindestens eine Amino-Gruppe (-NH2) tragen.
22 in der Natur vorkommende α-Ami-
Dabei ist eine Amino-Gruppe jeweils an das
nosäuren unterscheiden sich in ihren
Kohlenstoff-Atom gebunden, das der Carboxy-
Resten.
Gruppe benachbart ist (B2). Dieses C-Atom wird
als α-C-Atom bezeichnet, die entsprechenden Aminosäuren, die der Körper nicht
Aminosäuren nennt man α-Aminosäuren oder selbst herstellen kann, nennt man
2-Aminosäuren. Theoretisch sind tausende ver- essenziell.
schiedener Aminosäuren synthetisierbar, wel-

156 AMINOSÄUREN UND PROTEINE


Aminosäuren und Peptidbindung 3.2

neutrale Aminosäuren mit unpolarem Rest saure Aminosäuren


Glycin Gly Alanin Ala Valin Val Asparaginsäure Asp
neutrale Aminosäuren mit unpolarem Rest saure Aminosäuren
COOH COOH COOH COOH
Asparaginsäure Asp
Glycin Gly Alanin Ala Valin Val
H2N C COOH
H H2N C COOH
H H2N C COOH
H H2N C COOH
H

H2NH C H H2NCHC3 H C2NC CCHH3


H3H COOH
H2NCHC2 H

H CH3 H3C H C CH3 CH2 COOH


Leucin Leu Isoleucin Ile H Phe
Phenylalanin Glutaminsäure Glu

COOH COOH COOHPhe COOH


Glutaminsäure Glu
Leucin Leu Isoleucin Ile Phenylalanin
H2N C COOH
H H2N C COOH
H H2N C COOH
H H2N C COOH
H

H2NCHC2 H C2NC CCHH2 CH3


H3H H2NCHC2 H CH2 COOH
H2NCHC2 H
H3C CH
C CH H3C H C CH2 CH3 CH
CH2 CH2 CH2 COOH
2 3
HC CH
H3C H C CH3 H CH basische Aminosäuren
HC
HC CHCH
H CH Lysin Lys
Prolin Pro Methionin Met
basische Aminosäuren
HC CH COOH
COOH
Prolin Pro
COOH
Methionin Met CH Lysin Lys

HN C COOH
H H2N C COOH
H H2N C COOH
H
H2C CH2 CH2 CH2 NH2
CHHN
2 CH
C2 H CH2 S
H2NCHC2 H CH3 H2NCHC2 H
H2C CH2 CH2 CH2 CH2 NH2
CH2 CH2 CH2 CH2 S CH3
neutrale Aminosäuren mit polarem Rest Arginin Arg
Serin Ser Cystein Cys Selenocystein Sec
neutrale Aminosäuren mit polarem Rest
COOH
Arginin Arg
COOH
Serin Ser
COOH
Cystein Cys
COOH
Selenocystein Sec H2N C COOH
H
H2N C COOH
H H2N C COOH
H H2N C COOH
H CH2 CH2 NH
H2NCHC2 H C NH
H2NCHC2 H
OH H2NCHC2 H
SH H2NCHC2 H
SeH CH2 CH2 CH2 NH NH
C2 NH
Histidin His
CH2 OH CH2 SH CH2 SeH NH2
Threonin Thr Asparagin Asn Glutamin Gln COOH
Histidin His
COOH
Threonin Thr
COOH
Asparagin Asn
COOH
Glutamin Gln H2N C COOH
H
N
H2N C COOH
H H2N C COOH
H H2N C COOH
H C
H2NCHC2 H CH
N
H2NC C OH
H H H2NCHC2 H
C NH2 H2NCHC2 H
CH2 C NH2 HC
CH2 C NHCH
HCH
C3 OH CH2O C NH2 CH2 CH2O C NH2 HC NH
Pyrrolysin Pyl
CH3 Trp
Tryptophan O Tyr
Tyrosin O COOH
Pyrrolysin Pyl
COOH
Tryptophan Trp
COOH
Tyrosin Tyr H2N C COOH
H
H2N C COOH
H H2N C COOH
H CH2 CH2 CH2 NH O
CH H2NCHC2 H
CH C
H2NCHC2 H
CH C H2NCHC2 H CH2 CH2 CH2 CH2 NH O
CH H 3C
HC C CH
CH C CH2 CHC
CH2 CH C
NH CH HC CH HC N
HC C CH C H3C CH
HC CHCH H2C
HC CHN
NH CH HC
C
HC CH H2C CH
OHC
OH essenzielle Aminosäuren

essenzielle Aminosäuren
B3 Die 22 natürlich vorkommenden Aminosäuren in Proteinen

AUFGABEN A3 Auf dem Dünnschichtchromatogramm in Rf (Retentionsfaktor):


A1 Erklären Sie den Begriff α-Aminosäure. B1 zeigen die Aminosäuren unterschied- Quotient aus der Lauf-
strecke der Aminosäu-
A2 Erläutern Sie, dass Lysin und Arginin zu den liche Laufstrecken und somit unterschied-
re und der Laufstrecke
basischen Aminosäuren gehören. liche Rf-Werte. Erläutern Sie, worauf die des Laufmittels
Rf-Werte bei verschiedenen Aminosäuren • S. 155
zurückzuführen sind.

AMINOSÄUREN UND PROTEINE 157


3.2 Aminosäuren und Peptidbindung

3.2.3 Nachweis und Eigenschaften der Aminosäuren

Bei allen Lösungen wird in V1 bei der Ninhydrin-


FM Aminosäuren und Proteine reaktion eine Violettfärbung sichtbar.
nachweisen In V2 ist bei Durchführung der Biuretreaktion
bei allen Lösungen ein Farbumschlag von Hell-
blau nach Violett zu beobachten.
Aminosäuren und Proteine können mit In LV3 zeigen Aminosäuren wie Tyrosin und Pro-
der Ninhydrinreaktion, der Biuretre- teine wie Gelatine oder Eiklar eine Gelbfärbung
aktion und der Xanthoproteinreaktion und damit eine positive Xanthoproteinreaktion,
nachgewiesen werden. Auch Lebens- da aromatische Bausteine in ihren Molekülen
mittelproben wie Eier und Milch kann enthalten sind. Die Farben sind darauf zurückzu-
man so untersuchen. Wie führt man die führen, dass Aminosäuren und Peptide mit den
Nachweise durch? Testreagenzien farbige Stoffe bilden.
Damit ist nachgewiesen, dass alle Lösungen Pro-
VORGEHEN
teine oder Aminosäuren enthalten (vgl. FM).
1. Ninhydrinreaktion
Versetzen Sie 3 mL der zu untersuchen-
den Lösung mit einer Spatelspitze Aminosäuren in der FISCHER-Projektion
Ninhydrin und erhitzen Sie im
Die einfachste Aminosäure ist Glycin mit einem
Wasserbad auf ca. 80 °C.
Wasserstoff-Atom als Rest im Molekül. In al-
Hinweis: Mit der Rot-/Violettfärbung
len anderen Aminosäuren sind die α-C-Atome
werden Aminosäuren und Proteine
asymmetrisch substituierte Kohlenstoff-Atome
nachgewiesen.
mit vier verschiedenen Resten. Damit existieren
2. Biuretreaktion von allen Aminosäuren mit Ausnahme von Glycin
Versetzen Sie 3 mL der zu untersuchen- jeweils die D- und die L-Form als Spiegelbildiso-
den Lösung mit 1 mL Natronlauge mere bzw. Enantiomere (B5). In der Natur kom-
(c = 1 mol/L) und 10 Tropfen men jedoch fast ausschließlich L-α-Aminosäuren
Kupfer(II)-sulfatlösung (c = 0,1 mol/L). vor. Um die Spiegelbildisomere voneinander zu
Hinweis: Der Farbumschlag von hellblau unterscheiden, dient das von EMIL FISCHER ent-
nach violett ist ein positiver Nachweis auf wickelte System (vgl. FM , S. 148), wobei sich die
Aminosäuren oder Proteine (B4 , links). Zuordnung zur D- bzw. L-Form nach der Stellung
der Amino-Gruppe am asymmetrisch substitu-
3. Xanthoproteinreaktion
ierten C-Atom im Molekül richtet.
3 mL der zu untersuchenden Lösung
werden mit 4 mL konz. Salpetersäure
versetzt.
Hinweis: Mit der Gelbfärbung (B4 , rechts)
werden Aminosäuren und Proteine mit O O H H O O
C C
aromatisch aromatischen Bausteinen nachgewiesen. H H
• S. 305
N C* H H C* N
H H
R R
L- α -Aminosäure D- α -Aminosäure

R = organischer Rest
C* = asymmetrisch
substituiertes
B4 Biuretreaktion (links – negativ: hellblau C-Atom
und rechts – positv: Violettfärbung); positive
Xanthoproteinreaktion (rechts) B5 FISCHER-Projektionsformeln stereoisomerer
α-Aminosäuren

158 AMINOSÄUREN UND PROTEINE


Aminosäuren und Peptidbindung 3.2

Zwitterionenstruktur den Molekülen ab. Enthält die Seitenkette keine


Gruppen, die Protonen aufnehmen oder abgeben
Glycin ist wie Kochsalz ein weißer, kristalliner
können, dann liegt der IEP im neutralen Bereich
Feststoff, der sich bei Erhitzen ab ca. 260 °C zer-
(z. B. Glycin). Bei Zugabe von Hydroxid-Ionen
setzt, ohne dabei zu schmelzen. Die salzartigen
zur wässrigen Lösung reagieren die Aminosäure-
Eigenschaften aller Aminosäuren ergeben sich
Zwitterionen als Protonendonatoren (Säuren)
daraus, dass sie nicht als Moleküle, sondern als
und bilden Carboxylat-Anionen. Bei Zugabe von
Ionen in einem Kristallgitter vorliegen. Die saure
Oxonium-Ionen reagieren sie als Protonenak-
Carboxy-Gruppe gibt als Protonendonator ein
zeptoren (Basen) und werden zu Ammonium-
Proton ab, welches die basische Amino-Gruppe
Kationen. Damit sind Aminosäuren Ampholyte Puffer
als Protonenakzeptor aufnimmt. Es kommt zur • S. 114
und können als Puffer wirken (B7).
Bildung von sogenannten Zwitterionen mit je
einer positiven und einer negativen Ladung (B6).
Zwitterionen


O O H O O In unserem Körper (pH = 6,8 – 7,5)

H
C H C liegen Aminosäuren meist als Zwitter-
+ ionen vor.
N C H H N C H
H Zwitterionen sind elektrisch neutral, weil
R H R
sich im Zwitterion die positive und die
Molekül Zwitterion negative Ladung aufheben. Sie können
dann in einem elektrischen Feld weder
B6 Bildung der Zwitterionenstruktur
zum Minus- noch zum Pluspol wandern.

Isoelektrischer Punkt
Aminosäure-Moleküle erzeugen Zwit-
In wässrigen Lösungen reagieren die funktionel-
terionen durch intramolekulare Protoly-
len Gruppen der Zwitterionen ebenfalls nach
se. Sie können als Ampholyte reagieren.
dem Donator-Akzeptor-Prinzip. Es stellt sich
Der isoelektrische Punkt (IEP) ist der
ein Säure-Base-Gleichgewicht mit einem be-
pH-Wert, bei dem eine Aminosäure in
stimmten pH-Wert ein (vgl. Info Zwitterionen).
Form von Zwitterionen vorliegt.
Wässrige Lösungen von Glycin sind annähernd
neutral. Der pH-Wert, bei dem die höchste Kon-
zentration von Aminosäure-Teilchen in wässriger
Lösung als Zwitterion vorliegt, wird als isoelekt- AUFGABEN
rischer Punkt (IEP) bezeichnet. Der isoelektri- A1 Geben Sie die Enantiomere von Alanin in
sche Punkt ist für alle Aminosäuren unterschied- der FISCHER-Projektion an.
lich und hängt von der jeweiligen Seitenkette in A2 Zeichnen Sie B7 analog für Leucin.

– –
COOH COO COO
+ +OH–, –H2O + +OH–, –H2O
H3N C H H3N C H H2N C H
+H3O+, –H2O +H3O+, –H2O
H H H
Kation Zwitterion Anion
(stark saurer pH-Bereich) (annähernd neutraler pH-Bereich) (stark alkalischer pH-Bereich)

B7 Ladung des Ions von Glycin in Abhängigkeit des pH-Werts

AMINOSÄUREN UND PROTEINE 159


3.2 Aminosäuren und Peptidbindung

3.2.4 Von der Aminosäure zum Peptid

Kondensation – Bildung von Peptiden Peptid Beispiel


Bei der Proteinsynthese werden Aminosäuren Dipeptid Der Süßstoff Aspartam
durch Kondensationsreaktionen miteinander aus 2 ist aus Asparagin (Asp)
Aminosäure- und Phenylalanin (Phe)
verknüpft (B8). Auf molekularer Ebene reagiert
Resten aufgebaut.
dabei jeweils die Carboxy-Gruppe des einen
Aminosäure-Moleküls mit der α-Amino-Gruppe Oligopeptid Das beim Geburts-
aus 2 – 10 vorgang Wehen
eines anderen Aminosäure-Moleküls, wobei
Aminosäure- auslösende Hormon
unter Abspaltung eines Wasser-Moleküls eine Resten, Oxytocin ist ein
Die Peptid- Peptid-Gruppe als neue funktionelle Gruppe je nach Anzahl unter- Nonapeptid.
Gruppe ist gebildet wird. Aus zwei Aminosäuren entsteht scheidet man Di-, Tri-,
gleichzeitig eine Tetrapeptid usw.
ein Dipeptid, welches an beiden Enden des
Amid-Gruppe.
Moleküls noch eine Amino- und eine Carboxy- Polypeptid Das den Blutzucker
Gruppe besitzt. Daran können weitere Konden- aus 11 – 100 regulierende Hormon
Peptid (griech. Aminosäure- Insulin ist ein
peptos, verdaut) sationen zum Tripeptid aus drei Aminosäuren,
Resten Polypeptid.
Tetrapeptid aus vier Aminosäuren usw. stattfin-
den. Nach der Anzahl der Aminosäure-Baustei- Protein Enzyme (Biokata-
ne im Molekül unterteilt man die Peptide in Di-, aus mehr als 100 lysatoren) bestehen aus
Aminosäure- Proteinen.
Oligo-, Polypeptide und Proteine (B9).
Resten
Zur systematischen Benennung der Peptide
werden der Name der Aminosäure mit der freien B9 Bezeichnung von Peptiden
Amino-Gruppe + yl sowie die Namen aller wei-
teren Aminosäuren in der entsprechenden Rei-
Aminosäure-Moleküle reagieren in einer
henfolge aneinander gehängt z. B. Glycylalanin.
Kondensationsreaktion zu Peptid-Mole-
külen. Darin sind die Aminosäure-Reste
Hydrolyse – Spaltung von Peptiden durch Peptid-Gruppen miteinander
verbunden.
Die Spaltung eines Peptid-Moleküls wird als
Hydrolyse bezeichnet und läuft z. B. bei der Durch Hydrolyse werden Peptid-Mo-
Verdauung im Körper ab. Dabei entstehen unter leküle wieder in Aminosäure-Moleküle
Anlagerung von Wasser-Molekülen wieder die gespalten.
Aminosäure-Moleküle (B8).

Peptid-Gruppe

H O CH3 H O CH3
Kondensation
H2N C C +H N C COOH H2N C C N C COOH + H2O
Hydrolyse
H O H H H H H H
Glycin Gly Alanin Ala Glycylalanin Gly-Ala

B8 Bildung und Hydrolyse von Peptiden

AUFGABEN
A1 Formulieren Sie die Reaktionsgleichung für A2 Formulieren Sie die möglichen Reaktions-
die Hydrolyse des Süßstoffes Aspartam in gleichungen für die Synthese des Tripeptids
Asp (mit freier Amino-Gruppe) und Phe aus je einem Molekül der Aminosäuren
(mit freier Carboxy-Gruppe). Valin Val, Glycin Gly und Isoleucin Ile.

160 AMINOSÄUREN UND PROTEINE


EXKURS E

3.2.5 Biologische Bedeutung der Aminosäuren

Neben den Aminosäuren, die im Lebensmittel freies gebundenes


Körper in Proteinen gebunden Glutamat Glutamat
mg/100 g mg/100 g
sind, spielen noch etwa 250 wei-
tere Aminosäuren im Stoffwechsel Parmesankäse 1 200 9 800
des Menschen eine wichtige Rolle. Hühnerfleisch 45 3 300
Rindfleisch 35 2 800
Glutaminsäure Schweinefleisch 25 2 300
Im Gehirn ist die γ-Aminobutter- Lammfleisch 20 2 700
säure, GABA (4-Aminobutansäu- Eier 25 1 600
re), als Botenstoff von Bedeutung. Makrelen 35 2 400
Sie wird durch Abspaltung von Koh- Lachs 20 2 200
lenstoffdioxid aus Glutaminsäure Mais 130 1 800
gebildet und ist ein wichtiger Boten- Tomaten 140 240
stoff im Zentralen Nervensystem. Bohnen 200 5 600
γ β α B2 Kartoffelchips und Fer-
Kartoffeln 100 270
H2N–CH2–CH2–CH2–COOH tiggerichte – lecker auch dank
Möhren 35 200
γ-Aminobuttersäure, GABA Natriumglutamat
B1 Natriumglutamat in Lebensmitteln
Glutamate
Der Japaner KIKUNAE IKEDA fand 1908 Diese Präparate enthalten oft auch Phenylalaninquelle“. Dieser Hinweis
heraus, dass es außer süß, sauer, die Aminosäure Lysin. Eine eiweiß- ist für Menschen von Bedeutung,
bitter und salzig noch eine fünfte reiche Ernährung ist sicher sinnvoller, die an der Krankheit Phenylketonu-
Geschmacksrichtung gibt. Er gab um den Bedarf an essenziellen Ami- rie leiden, da sie diese Aminosäure
diesem Geschmack den Namen nosäuren wie Lysin zu decken. nicht enzymatisch abbauen können.
umami (jap. fleischig, herzhaft). Der Unbehandelt kann Phenylketonurie
Umami-Geschmack wird haupt- zu schweren geistigen Schäden füh-
sächlich durch das Natriumsalz der ren. Wird die Krankheit jedoch früh-
Glutaminsäure, dem Natriumglu- zeitig erkannt, kann eine lebenslan-
tamat, hervorgerufen. Viele Fertig- ge, eiweißarme Ernährung die Folgen
gerichte enthalten Natriumglutamat verhindern.
(B1 , B2) als Geschmacksverstärker
E 621, obwohl es im Verdacht steht,
Allergien auszulösen. Auch der als B3 Lysinhaltige Präparate zum AUFGABEN
Geschmacksverstärker zugesetzte Muskelaufbau A1 Vergleichen Sie mithilfe von B1
Hefeextrakt enthält hauptsächlich das Verhältnis freies/gebunde-
Glutamat. Die Verwendung von Lysin trägt zur Bildung von Enzy- nes Glutamat bei Fleisch und
Natriumglutamat in Lebensmitteln men, Hormonen und Antikörpern bei Gemüse.
ist nicht unumstritten, da es durch bei. Diese Aminosäure unterstützt A2 Beschreiben Sie, wodurch sich
seine appetitanregende Wirkung zu zudem das Knochenwachstum, die ein Alanin-Molekül von einem
Übergewicht führen soll. Zellteilung und Wundheilung. Au- Phenylalanin-Molekül unter-
ßerdem wird ihr eine antivirale Wir- scheidet. Vergleichen Sie hierzu
Lysin kung zugeschrieben, weshalb sie B3 auf S. 157.
Die essenzielle Aminosäure spielt auch gegen Herpes empfohlen wird. A3 Recherchieren Sie, woher die
vor allem beim Muskelaufbau eine Krankheit Phenylketonurie ih-
wichtige Rolle ( B3). Bodybuilder Phenylalanin ren Namen hat.
nehmen häufig protein- und amino- Diese Aminosäure ist in der Ernäh- A4 Begründen Sie, ob es sinnvoll
säurehaltige Präparate zu sich, damit rung wichtig. Auf vielen Lebensmit- ist, Lysin über Nahrungsergän-
ihre Muskeln schneller wachsen. teln steht der Vermerk: „Enthält eine zungsmittel zuzuführen.

AMINOSÄUREN UND PROTEINE 161


3.3 Struktur und Denaturierung der Proteine
Proteine weisen komplexe räumliche Strukturen auf. Diese sind notwendig, um ihre
Funktionen im Organismus zu erfüllen. Bestimmte Faktoren können jedoch zu einer
Veränderung der dreidimensionalen Proteinstruktur führen. Häufig geht dabei die
biologische Aktivität eines Proteins verloren. Welche Faktoren können diese Verände-
rung herbeiführen und was geschieht dabei auf molekularer Ebene?

3.3.1 Versuche und Material

M Die Aminosäuresequenz

M1 Die Reihenfolge der Aminosäure-Reste in ist Asp – Phe die Aminosäuresequenz des Süßstoffes
einem Protein-Molekül wird als Aminosäuresequenz Aspartam.
bezeichnet. Sie bestimmt maßgeblich die Struktur
AUSWERTUNG
des fertigen Proteins.
a) Bauen Sie mit dem Molekülbaukasten alle
Die Aminosäuresequenz kann man verkürzt darstel-
möglichen Modelle für ein Tripeptid aus den
len, indem die Kürzel der in einem Peptid auftreten-
drei Aminosäuren Glycin (Gly), Alanin (Ala) und
den Aminosäuren in der richtigen Reihenfolge notiert
Cystein (Cys).
werden. Der links stehende Aminosäure-Rest trägt
b) Formulieren Sie entsprechend die Aminosäurese-
dabei eine freie Amino-Gruppe, der rechts stehende
quenzen für Ihre Molekülmodelle aus Aufgabe a).
Aminosäure-Rest eine freie Carboxy-Gruppe. Z. B.

V/M Tee mit Milch und Zitrone – Ist das eine gute Idee?

Tee mit Milch oder Tee mit Zitrone – jedes Mal erhält V2 Füllen Sie ein Becherglas etwa zur Hälfte mit
man ein wohlschmeckendes Getränk. Ein Mischen Tee und geben Sie drei kräftige Spritzer Zitronensaft
aller drei Komponenten ist nicht empfehlenswert – zu. Gießen Sie dann etwas Milch zu, bis eine Verän-
warum? derung zu beobachten ist.

162 AMINOSÄUREN UND PROTEINE


Versuche und Material 3.3

M3 Beim Erhitzen von Eiern wird die räumliche


Struktur der darin enthaltenen Protein-Moleküle
verändert. B1 zeigt schematisch die Veränderungen,
die bei Zerstörung einer Proteinstruktur, z. B. der Pro-
teine in der Milch, auf molekularer Ebene stattfinden.

AUSWERTUNG
a) Notieren Sie Ihre Beobachtungen aus V2 und
stellen Sie eine begründete Hypothese auf,
welcher Stoff die Veränderung des Proteins in der
Milch herbeiführt.
b) Geben Sie an, wie die Versuchsdurchführung in B1 Veränderung der Proteinstruktur durch äußere
Einflüsse
V2 geändert werden muss, damit Ihre Hypothese
aus a) belegt wird.
c) Interpretieren Sie die Darstellung aus B1 . Stellen
der Ursachen und der möglichen Vorgänge auf
Sie mithilfe von B1 eine Vermutung darüber auf,
Teilchenebene.
wie die Veränderung der Proteinstruktur in V2 auf
e) Notieren Sie weitere Beispiele aus Ihrem Alltag,
Teilchenebene ablaufen könnte (S. 166).
bei denen ebenfalls Proteinstrukturen durch
d) Vergleichen Sie das im Einstiegstext geschilderte
äußere Einflüsse zerstört werden.
Problem mit V2 bezüglich der Beobachtungen,
ENTSORGUNG A

V Wirkung von Säuren, Basen, Alkohol, Hitze 2 5 7 9


und Schwermetallen

Viele Stoffe aus dem Alltag können schädliche RG 3: Pipettieren Sie 10 mL Ethanol
Einflüsse auf körpereigene Eiweiße und damit auch (c = 1 mol/L, GHS 2 | 7) zu.
auf unseren Organismus haben. Um welche Stoffe
RG 4: Pipettieren Sie 5 mL Kupfer(II)-sulfatlösung
handelt es sich dabei?
(w = 2 %, GHS 7 | 9) zu.
Am Beispiel von Eiklarlösung soll stellvertretend für
RG 5: Erhitzen Sie das Reagenzglas in der rauschen-
ein Protein die Wirkung dieser Stoffe untersucht
den Flamme des Brenners.
werden.
V4 Stellen Sie eine Eiklarlösung her, indem Sie das AUSWERTUNG
Eiklar eines Hühnereis mit 200 mL Wasser verrühren a) Notieren Sie Ihre Beobachtungen aus V4 tabella-
und eine Spatelspitze Kochsalz zugeben. Geben Sie risch.
mit einer Pipette in je fünf Reagenzgläser (RG) 5 mL b) Vergleichen Sie Ihre Beobachtungen in RG 1 – 5.
der Eiklarlösung und führen Sie folgende Versuche c) Schließen Sie mithilfe von M3 auf mögliche Ursa-
durch: chen der Beobachtungen in RG 1 – 5 auf moleku-
larer Ebene.
RG 1: Pipettieren Sie 3 mL Salzsäure
(c = 1 mol/L, GHS 5 | 7) zu. ENTSORGUNG RG 1 + 2: G1
RG 3: G3
RG 2: Pipettieren Sie 3 mL Natronlauge
RG 4: G2
(c = 1 mol/L, GHS 5) zu.
RG 5: A

AMINOSÄUREN UND PROTEINE 163


3.3 Struktur und Denaturierung der Proteine

3.3.2 Strukturen der Proteine


Jedes Protein besitzt eine charakteristische schiedlichen Reste der Aminosäure-Bausteine
dreidimensionale Struktur. Um diese besser be- weisen nach außen (B2).
schreiben zu können, unterteilt man sie modell-
haft in vier Ebenen: Die Primär-, die Sekundär-,
die Tertiär- und die Quartärstruktur. R
R
H-Brücke
Primärstruktur R

Die Primärstruktur gibt die Aminosäuresequenz, R


also die Reihenfolge der Aminosäure-Bausteine R
an, in der diese über Peptid-Gruppen im Peptid-
Molekül miteinander verknüpft sind (B1). Verein- R R
facht gibt man zur Darstellung der Primärstruk-
tur die am Aufbau beteiligten Aminosäuren mit R
den aus drei Buchstaben bestehenden Kürzeln R
Kürzel der an. Dabei wird die Aminosäuresequenz so dar-
Aminosäuren gestellt, dass die freie Amino-Gruppe (N-ter- R
• B3, S. 157
minales Ende) links steht und die Aminosäure
R
mit der freien Carboxy-Gruppe (C-terminales R
Ende) rechts (M1).

R R

B2 α-Helixstruktur

Die β-Faltblattstruktur wird durch Wasser-


stoffbrücken zwischen nebeneinanderliegenden
Abschnitten einer Peptid-Kette stabilisiert. Die
Cys-Tyr-Ile-Gln-Asn-Cys-Pro-Leu-Gly Reste der Aminosäure-Bausteine stehen ab-
B1 Primärstruktur des Oxytocin-Moleküls, ein wechselnd oberhalb und unterhalb der Faltblatt-
Wehen auslösendes Hormon aus 9 Aminosäure- ebene (B3).
Bausteinen Häufig kommen in einem Protein-Molekül so-
wohl Bereiche mit α-Helices als auch mit β-Falt-
Sekundärstruktur blattstrukturen vor.
Die Sekundärstruktur beschreibt die räumliche
R R R
Anordnung einzelner Abschnitte einer Peptid-
R R R
Kette, die sich regelmäßig wiederholen. Zwi-
schen der N–H-Gruppe des einen und der C=O-
Gruppe eines anderen Aminosäure-Bausteins
bilden sich Wasserstoffbrücken aus (B2). In der
α-Helixstruktur (griech. helix, Spirale) windet
sich das Molekül zu einer rechtsgängigen Spirale
R R R
auf. Dabei stehen die N–H-Gruppen einer Win-
dung und die C=O-Gruppe des vierten darauf- R R R
folgenden Aminosäure-Bausteins übereinander
und bilden Wasserstoffbrücken aus. Die unter- B3 β-Faltblattstruktur

164 AMINOSÄUREN UND PROTEINE


Struktur und Denaturierung der Proteine 3.3

Tertiärstruktur eines Proteins enthält die Information für seine Exkurs


auszuübende biologische Funktion. Beispiele für Modelle für Ei-
Die Tertiärstruktur beschreibt die gesamte drei- weißstrukturen
Proteine mit Quartärstrukturen sind das Hormon
dimensionale Architektur eines Protein-Mole- • S. 168
Insulin und der rote Blutfarbstoff Hämoglobin.
küls. Sie beruht auf den Wechselwirkungen zwi-
schen den Aminosäure-Resten (B4).
Für die Ausbildung der Tertiärstruktur sind fol- Die Proteinstruktur wird modellhaft in
gende Bindungen und zwischenmolekulare die Primär-, Sekundär-, Tertiär- und
Wechselwirkungen verantwortlich: Quartärstruktur eingeteilt. Die Stabili-
sierung der dreidimensionalen Struktur
1. Ionenbindungen zwischen positiv und negativ
erfolgt durch Ionenbindungen, Disul-
geladenen Seitenketten
fidbrücken, Wasserstoffbrücken und
2. Disulfidbrücken über Elektronenpaarbindun-
VAN-DER-WAALS-Wechselwirkungen.
gen zwischen Schwefel-Atomen, die aus zwei
Cystein-Resten entstehen
3. Wasserstoffbrücken
4. VAN-DER-WAALS-Wechselwirkungen zwischen AUFGABEN
Seitenketten mit unpolaren Bindungen A1 Zeichnen Sie die Strukturformel des Oxyto-
cin-Moleküls (vgl. B1).
Sowohl die Sekundär- als auch die Tertiärstruk-
A2 Erläutern Sie, welche Wechselwirkungen
tur eines Protein-Moleküls sind bereits durch die
u. a. die Tertiärstruktur von Proteinen
Aminosäuresequenz, d. h. durch die Primärstruk-
stabilisieren, die besonders viele Cystein-
tur vorgegeben.
Bausteine enthalten.
A3 Drucken Sie das Arbeitsblatt unter QR-/
Quartärstruktur
Mediencode 06011-18 aus. Umkreisen
Besteht ein Protein aus mehreren Peptid-Ketten Sie die Peptid-Bindungen in den Mo- 06011-18

oder weist es zusätzlich Bindungen zu anderen lekülausschnitten der α-Helix und der
Molekülen auf, spricht man von der Quartär- β-Faltblattstruktur und schreiben Sie die
struktur. Dabei werden die einzelnen Peptid-Ket- passenden Atomsymbole hinein. Beschrei-
ten durch die gleichen Kräfte zusammengehalten ben Sie die räumliche Anordnung der
wie bei der Tertiärstruktur. Die Quartärstruktur Atome in einer Peptidbindung.

Gly Cys Ile


Lys Val Tyr Asn Val
Ser Leu Gln
Val Lys
Glu CH2 Arg His CH2 Phe
Ser Val Gln
Gly Cys Leu
CH2 Glu C CH2 Ser
O N H Glu
CH2 CH2 CH Ile
H HC CH Leu
CH2 S CH
HCHC CHCH Cys
N H S CH Gln
+ H HC CH
H Leu
– H CH2 CH
H N O Val
O O C
C Cys Thr CH2 Leu
Leu Ser
His CH2 Tyr
CH2 Ala Phe Leu
Gln Val Ala
Phe Asp TyrVal Pro CH2
Cys
Gly Tyr
Tyr Gln Asn Glu

Ionenbindung Disulfidbrücke Wasserstoffbrücken van-der-waals-


Wechselwirkungen

B4 Wechselwirkungen und Bindungen, zu denen es zwischen den Aminosäure-Resten


in Protein-Molekülen kommen kann.

AMINOSÄUREN UND PROTEINE 165


3.3 Struktur und Denaturierung der Proteine

3.3.3 Denaturierung von Proteinen

Denaturierung knüpft und Wechselwirkungen zwischen den


Seitenketten eingegangen. Auf diese Weise ent-
Proteine sind unter physiologischen Bedingun-
steht ein weit verzweigtes Molekülnetz des de-
gen, d. h. bei pH = 7,4 und einer Temperatur von
naturierten Proteins, das wasserunlöslich ist und
37 °C äußerst stabil. Ihre Strukturen sind jedoch
ausfällt (B6).
gegenüber einigen Umgebungseinflüssen emp-
findlich. Wenn Proteine auf über 60 °C erhitzt
oder mit Säuren, Laugen, organischen Lösemit- Hitze
teln oder Schwermetallsalzen versetzt werden,
Durch Hitze werden Ionenbindungen, Disulfid-
findet ihre Denaturierung statt (B5).
brücken, Wasserstoffbrücken und VAN-DER-
WAALS-Wechselwirkungen aufgebrochen und es
bilden sich neue Bindungen und Wechselwirkun-
gen zwischen den Molekülen. Dadurch verändert
sich die räumliche Struktur des Proteins. Durch
diese Vorgänge kommt es z. B. zu den sichtbaren
Veränderungen beim Kochen eines Eis (B5, M3).
Beim Braten von Fleisch (B7) entsteht aus dem
Kollagen des Bindegewebes durch Denaturie-
rung Gelatine, die das Fleisch zart macht.
B5 Denaturierung von Eiklar im Experiment (links)
und beim Kochen eines Eis (rechts)

Dabei wird die räumliche Struktur eines Proteins


verändert (B6) und häufig geht damit auch sei-
ne biologische Funktion verloren. Meist ist der
Vorgang der Denaturierung irreversibel, d. h. er
ist nicht wieder rückgängig zu machen. Auf mo-
lekularer Ebene werden bei der Denaturierung
die zwischenmolekularen Wechselwirkungen
und Bindungen, die die Sekundär-, Tertiär- und
Quartärstruktur stabilisieren, zerstört. Anschlie- B7 Denaturierung durch Hitze beim Braten von
ßend werden ganz regellos neue Bindungen ge- Fleisch

B6 Schematische Darstellung der Veränderung der Protein-Molekülstruktur bei der Denaturierung

166 AMINOSÄUREN UND PROTEINE


Struktur und Denaturierung der Proteine 3.3

pH-Wert-Änderungen reagieren Proteine mit dem Schwermetallsalz FM Aminosäuren


Kupfer(II)-sulfat, wobei die Cu2+-Ionen mit den und Proteine nach-
Bei der Denaturierung können auch chemische weisen
Stickstoff-Atomen der Peptid-Gruppe in Wech-
Prozesse ablaufen, beispielsweise die Bildung • S. 158
selwirkung treten. Dabei wird die Sekundärstruk-
von Ester-, Peptid- oder Etherbrücken zwischen
tur zerstört. In alkalischer Lösung beobachtet
Aminosäure-Resten. Diese Reaktionen werden
man eine Violettfärbung, die als Nachweis von
von Säuren und Laugen katalysiert. Dadurch
Proteinen dient.
wird die Ausbildung von Wasserstoffbrücken
aufgehoben (V2 , V4). Während der Verdauung
werden die in Nahrungsmitteln enthaltenen Pro- Denaturierung im Alltag
teine durch die Magensäure denaturiert und so
Denaturierungsprozesse spielen auch bei der
die Eiweißverdauung eingeleitet. Ebenso führen
technologischen Herstellung von Lebensmitteln
Laugen zu Veränderungen in den Ladungsver-
eine wichtige Rolle. So werden z. B. bei der Kä-
hältnissen der Aminosäure-Reste und damit zur
seherstellung die Caseine der Milch durch Säure
Denaturierung.
oder Enzyme ausgeflockt. Ebenso führt die von
Milchsäurebakterien gebildete Milchsäure durch
Ethanol Ausflockung zum Sauerwerden von Milch.
Ethanol-Moleküle führen durch ihre polaren Beim Haarstyling werden gezielt Denaturie- Exkurs Biochemie
Hydroxy-Gruppen zur Zerstörung der Wasser- rungsprozesse genutzt. So werden beim Dauer- im Friseursalon
• S. 169
stoffbrücken und damit zur Veränderung der wellverfahren Disulfidbrücken durch die Wirkung
Sekundär- und Tertiärstruktur (V4). Auf diesen eines Reduktionsmittels gespalten und später
Vorgängen beruht auch die konservierende und neu geknüpft. Aufgrund dessen behält die Dau-
desinfizierende Wirkung von Ethanol. Die Prote- erwelle länger ihre Form.
ine der Mikroorganismen werden dadurch verän-
dert und verlieren ihre biologische Funktion.
Bei Denaturierungsvorgängen kommt
es zur meist irreversiblen Veränderung
Schwermetallsalze der räumlichen Proteinstruktur. Dabei
werden die Bindungen und Wechsel-
Schwermetall-Ionen bilden mit den Anionen
wirkungen der Sekundär-, Tertiär- und
der Aminosäure-Reste Ionenbindungen aus und
Quartärstruktur verändert.
führen so zur Zerstörung der Tertiärstruktur und
damit zur Denaturierung (V4). Beispielsweise
sind Quecksilber- und Bleisalze hochgiftig, da
sie die aus Proteinen bestehenden Enzyme des AUFGABEN
Organismus denaturieren. Damit werden le- A1 Erläutern Sie auf molekularer Ebene die
benswichtige Stoffwechselprozesse gestört. Man Vorgänge, die beim Sauerwerden von Milch
spricht auch von der irreversiblen Hemmung ei- ablaufen.
nes Enzyms. A2 Erläutern Sie, welche molekularen Vor-
gänge an den Aminosäure-Resten eines
Protein-Moleküls bei Zugabe einer Lauge
Proteinnachweis und Denaturierung
zur Denaturierung führen.
Die Denaturierung kann man auch beim Nach- A3 Begründen Sie die Wichtigkeit einer
weis von Eiweißen durch die Xanthoproteinreak- sicheren Entsorgung schwermetallhaltiger
tion beobachten (LV3, S. 154). Durch die Reakti- Batterien und Akkus im Alltag.
on mit Salpetersäure flocken die Proteine aus und A4 Erklären Sie die Vorgänge, die bei lebensbe-
färben sich bei Anwesenheit aromatischer Bau- drohlich hohem Fieber im Körper ablaufen, aromatisch
steine gelb. Bei der Biuretreaktion (V2 , S. 154) auf molekularer Ebene. • S. 305

AMINOSÄUREN UND PROTEINE 167


E EXKURS

3.3.4 Modelle für Eiweißstrukturen

Proteine erfüllen in unserem Kör- (His) NH


Häm-Gruppe
per lebenswichtige Aufgaben. Um
biologisch aktiv zu sein, muss nicht COOH N

nur jede einzelne Polypeptid-Ein- CH2 CH3


CH3
CH2 CH
heit in einem Protein die richti- N CH
ge Tertiärstruktur haben, die Ein- HC
Fe
N
CH2
heiten müssen auch genau in der CH2
N
N
CH

richtigen räumlichen Ausrichtung CH2


CH3
CH CH3

zueinander und zu den übrigen COOH CH


O2
Bestandteilen des Systems zusam- CH2

mengefügt sein. Diese Quartär-


B1 Quartärstruktur des Hämoglobins B2 Häm-Gruppe
struktur enthält nun die Infor-
mation für seine auszuübende
dabei als schraubenförmig gewun-
biologische Funktion. Die Quar-
dene Bänder, β-Faltblattstrukturen
tärstruktur des Hämoglobins (B1)
als Pfeile und ungeordnete Bereiche
ist ein Beispiel dafür, dass auch
als röhrenförmige Elemente darge-
kleinste biologische Funktionsein-
stellt (B3).
heiten aus mehreren chemischen
Komponenten bestehen.
Das Strukturprotein unserer Haare
Hämoglobin ist ein Transportprote- ist das α-Keratin (vgl. Exkurs S. 169).
in, das aufgrund seiner kugelförmi- Es gehört ebenso wie die Kollagene
gen Gestalt zu den globulären Pro- in der Haut und in den Knochen zur
teinen gehört. Seine Quartärstruktur B3 Modell des Proteinteils von Hämo- Gruppe der fibrillären Proteine, wel-
globin
besteht aus vier Peptid-Ketten, an che aus langgestreckten Molekülen
die je eine Häm-Gruppe gebunden partner geliefert, während der andere aufgebaut sind. Sie besitzen durch
ist (B2). Im Zentrum der Häm-Grup- eine „Elektronenlücke“ aufweist. zahlreiche Wasserstoffbrücken zwi-
pe befindet sich ein Eisen(II)-Ion, schen den benachbarten Polypeptid-
welches Sauerstoff reversibel binden Modelle mit Bänderstrukturen Ketten eine hohe Festigkeit, während
kann und mit dem freien Elektronen- (Ribbons) sind häufig verwendete sie im Bereich der α-Helixstrukturen
paar der Stickstoff-Atome des Ring- Modelldarstellungen für die räum- dehnbar und elastisch sind. So be-
systems eine koordinative Bindung liche Struktur von Proteinen. Sie steht das Kollagen-Molekül aus ei-
eingeht (B2). Dabei werden beide stellen die Peptid-Kette ohne die ner verdrehten Tripelhelix. Mehrere
Elektronen von einem Bindungs- Seitenketten dar. α-Helices werden dieser nebeneinander liegenden
Tripelhelices bilden wiederum eine
Kollagenfibrille Kollagenmikrofibrille und bewirken
so die hohe Zugfestigkeit (B4).

Kollagen- AUFGABEN
Faser A1 Diskutieren Sie anhand des Hä-
moglobins (B1 und B3) die Vor-
Kollagen-
mikrofibrille und Nachteile der Darstellung
eines Proteins im Modell.
A2 Erklären Sie die hohe Zugfes-
tigkeit eines Kollagen-Moleküls
und erläutern Sie die bei
Polypeptidkette Kollagen-Molekül (Trippelhelix)
Zugbelastung ablaufenden Pro-
B4 Kollagen: ein fibrilläres Protein zesse auf molekularer Ebene.

168 AMINOSÄUREN UND PROTEINE


EXKURS E

3.3.5 Biochemie im Friseursalon

Eine Fönfrisur ist ruiniert, wenn Anzahl 90 000 – 150 000


man mit ihr durch den Regen Haardichte ca. 200/cm2
läuft. Dagegen hält eine Dauerwel-
Durchmesser 0,04 – 0,1 mm Cys S S Cys + HS CH2 COO – NH4+
le mehrere Monate, auch bei täg- Ammoniumthioglycolat
monatliches 1 cm
lichem Waschen und Fönen der Wachstum
Haare. Diese Vorgänge, die beim
gesamte täg- 30 m
Umformen von Haaren ablaufen, liche Produktion
Cys SH + HS Cys +
lassen sich durch die Veränderung Belastbarkeit 100 g/Haar
der Proteinstruktur erklären. bis zu
Dehnbarkeit 50 % H4N+ – OOC CH2 S S CH2 COO – NH4+
Aufbau eines Kopfhaares bis zu
Das Strukturprotein unserer Haa- täglich aus- 50 – 100 . Schließen der Disulfid-Brücken
re ist das α-Keratin. Es gehört zur fallende Haare
Gruppe der fibrillären Proteine, wel-
B2 Eigenschaften der Haare Cys SH + HS Cys + H2O2
che aus langgestreckten Molekülen
aufgebaut sind. Aufgrund der star-
ken zwischenmolekularen Wechsel-
wirkungen zwischen den faserartigen α-Helix des Keratin-Moleküls in
Proteinsträngen sind die fibrillären eine β-Faltblattstruktur um. Diese Cys S S Cys + H2O

Proteine nicht wasserlöslich. Umwandlung kann nur im feuchten


Die Sekundärstruktur des Keratins Zustand erfolgen, da durch Anlage-
besteht aus einer α-Helixstruktur, rung von Wasser-Molekülen Ionen- B3 Chemie der Dauerwelle
wobei zwei dieser Helices eine als bindungen und Wasserstoffbrücken
Superhelix bezeichnete Doppelhelix gelöst werden. Trocknet das Haar serstoffperoxid behandelt. In der
bilden. Zwei Superhelices umwickeln wieder, werden neue Bindungen veränderten Position werden im Ke-
sich wiederum zu einer Protofibril- und zwischenmolekulare Wechsel- ratin-Molekül wiederum neue Disul-
le. Acht dieser Protofibrillen bilden wirkungen zwischen den Amino- fidbrücken ausgebildet (B3). Nach
sogenannte Mikrofibrillen, die Be- säure-Resten der Keratin-Moleküle dem Auswaschen der verwendeten
standteile der Makrofibrillen des ausgebildet. Diese Veränderungen Chemikalien sind die neuen Disulfid-
Haares sind (B1). bleiben auch nach der Zugbelastung brücken stabil und die Frisur hält, bis
bestehen, werden aber durch erneu- die Locken herausgewachsen sind.
Mikrofibrille Superhelix tes Einwirken von Feuchtigkeit wie-
aus zwei
Makrofibrille α-Helices der rückgängig gemacht. Daher sind
Zellen des Protofibrille Föhnfrisuren nicht wetterbeständig. AUFGABEN
Faserstammes
A1 Erklären Sie die gute Elastizität
Die Chemie der Dauerwelle eines Haares und erläutern Sie
Mikro- Möchte man sich in einem Friseursa- die bei Zugbelastung ablaufen-
fibrille lon eine Dauerwelle machen lassen, den Prozesse auf molekularer
dann wird dieser zum Chemielabor. Ebene.
Durch Verwendung von Redukti- A2 Erläutern Sie, dass eine Föhnfri-
B1 Aufbau eines Kopfhaares
onsmitteln wie Ammoniumthiogly- sur im Unterschied zur Dauer-
colat werden die Disulfidbrücken welle nicht wetterbeständig ist.
Föhnfrisuren zwischen den Cystein-Bausteinen A3 Die Prozesse, die beim Dauer-
Haare sind sehr belastbar und be- aufgebrochen (B3). Nach der Re- wellverfahren ablaufen, können
sonders in feuchtem Zustand sehr duktion werden die Haare durch auch als reversible Denaturie-
dehnbar ( B2). Dies macht man Lockenwickler in die gewünschte rung bezeichnet werden. Erläu-
sich bei Föhnfrisuren zunutze. Bei Form gebracht. Dann werden sie mit tern Sie diese Bezeichnung auf
Zugbelastung wandelt sich die einem Oxidationsmittel wie Was- molekularer Ebene.

AMINOSÄUREN UND PROTEINE 169


BW BASISWISSEN

Alles im Blick

1 Spiegelbildisomerie und fischer-Projektionsformeln

Chirale Moleküle (griech. cheir, Hand) verhalten sich bei gleicher Konstitution nur in der Anordnung der
zueinander wie Bild und Spiegelbild. Dieses Phänomen Atome und Atomgruppen im Raum unterscheiden.
finden wir auch im Alltag: Hände und Füße sind chiral. Um die räumlichen Strukturen der Spiegelbildisome-
Moleküle, die sich wie Bild und Spiegelbild verhalten, re in die Papierebene zu übertragen, formulierte
nennt man Spiegelbildisomere oder Enantiomere. fischer folgende Regeln:
Kohlenstoff-Atome mit vier verschiedenen Substitu- 1. Die längste Kohlenstoff-Kette wird beim Zeich-
enten heißen asymmetrisch substituierte Kohlen- nen von oben nach unten angeordnet. Das
stoff-Atome (Chiralitätszentren) und werden als C* C-Atom mit der höchsten Oxidationszahl steht
gekennzeichnet. oben.
2. Chiralitätszentren werden nach und nach in die
COOH COOH COOH COOH
Papierebene gebracht. Die senkrechten Bindun-
H C* OH HO C* H H C* OH HO C* gen H zeigen vom Betrachter weg, die seitlichen
CH3 CH3 CH3 CH3 Bindungen zum Betrachter hin.
D-Milchsäure L-Milchsäure D-Milchsäure 3.  Befindet
L-Milchsäure sich die funktionelle Gruppe am C*-Atom
auf der rechten (linken) Seite, gehört das Molekül
Stereoisomere, die keine Enantiomere sind, bezeich- zu den D-Enantiomeren (L-Enantiomeren).
net man als Diastereomere. 4. Die D/L-Zuordnung wird an dem Chiralitätszent-
Diese Art der räumlichen Isomerie nennt man auch rum getroffen, welches am weitesten vom höchst
Stereoisomerie. Stereoisomere sind Isomere, die sich oxidierten C-Atom entfernt ist.

Ethyl-Gruppe
2 Optische Aktivität

Die Fähigkeit einer optisch aktiven Verbindung, die sich bei der Drehrichtung der Schwingungsebene
Schwingungsebene von linear polarisiertem Licht von linear polarisiertem Licht um eine rein experi-
(Licht einer Schwingungsebene) zu drehen, wird op- mentell beobachtbare Eigenschaft handelt. Aus der
tische Aktivität genannt. Bei optisch aktiven Stoffen Bezeichnung D- bzw. L-Form lässt sich also nicht
unterscheidet man je nach Drehrichtung rechts- (+) auf die Drehrichtung des linear polarisierten Lichts
und linksdrehende (-) Stereoisomere. Die Bezeich- schließen.
nungen D- und L-Enantiomer sind in der fischer- Die optische Aktivität kann mit einem Polarimeter
Projektionsformel willkürlich gewählt, während es untersucht werden.

3 Aminosäuren

Aminosäuren sind spezielle Carbonsäuren, deren bezeichnet, die Carboxy-


O O H Gruppe
Moleküle neben der Carboxy-Gruppe (−COOH) entsprechenden C
1
noch mindestens eine Amino-Gruppe (−NH2) Aminosäuren nennt H
Amino-
tragen. Dabei ist eine Amino-Gruppe jeweils an man α-oder 2-Ami- Gruppe N 2C H
H
das C-Atom gebunden, das der Carboxy-Gruppe nosäuren. R
benachbart ist. Dieses C-Atom wird als α-C-Atom Seitenkette
(organischer Rest)

170 AMINOSÄUREN UND PROTEINE


3


Aminosäure-Moleküle bilden in wässriger Lösung
O O H O O Zwitterionen. Sie können als Ampholyte reagieren.
H
C H C Der isoelektrische Punkt (IEP) ist der pH-Wert, bei
+
N C H H N C H dem Aminosäure-Moleküle in wässriger Lösung in
H Form von Zwitterionen-Teilchen vorliegen.
R H R
Molekül Zwitterion

4 Bildung von Peptiden

Aminosäuren reagieren in einer Kondensationsre- spaltung eines Wasser-Moleküls wird eine Peptid-
aktion zu Peptiden. Dabei reagiert jeweils die Gruppe als neue funktionelle Gruppe gebildet. Die
Carboxy-Gruppe des einen mit der α-Amino-Gruppe Spaltung eines Peptid-Moleküls durch Anlagerung
eines anderen Aminosäure-Moleküls. Unter Ab- eines Wasser-Moleküls wird als Hydrolyse bezeichnet.

Peptid-Gruppe

H O CH3 H O CH3
Kondensation
H2N C C +H N C COOH H2N C C N C COOH + H2O
Hydrolyse
H O H H H H H H
Glycin Gly Alanin Ala Glycylalanin Gly-Ala

5 Strukturen der Proteine und ihre Denaturierung

Die Proteinstruktur wird modellhaft in die Primär- Proteine sind unter physiologischen Bedingungen,
(Aminosäuresequenz), Sekundär- (räumliche An- d. h. bei pH = 7,4 und einer Temperatur von 37 °C
ordnung einzelner Abschnitte), Tertiär- (dreidi- äußerst stabil. Wenn Proteine jedoch auf über 60 °C
mensionale Proteinstruktur) und Quartärstruktur erhitzt oder mit Säuren, Laugen, organischen Löse-
(mehrere Peptidketten) eingeteilt. Ein Beispiel für ein mitteln oder Schwermetallsalzen versetzt werden,
Protein mit Quartärstruktur ist der rote Blutfarbstoff findet ihre Denaturierung statt. Dabei kommt es zur
Hämoglobin. Die Stabilisierung der dreidimensiona- meist irreversiblen Veränderung der räumlichen Pro-
len Struktur erfolgt durch Ionenbindungen, Disul- teinstruktur, die Bindungen und Wechselwirkungen
fidbrücken, der Sekundär-, Tertiär- und Quartärstruktur werden
Wasserstoff- Häm-Gruppe zerstört.
brücken und
van-der-
waals-Wech-
selwirkungen.

AMINOSÄUREN UND PROTEINE 171


A AUFGABEN

Zum Üben und Weiterdenken


A1 Alanin ist eine nicht essenzielle Aminosäure, die
häufig als Baustein in Proteinen zu finden ist. COOH
a) Geben Sie beide Enantiomere von Alanin in der H2N C H
fischer-Projektion an. CH2
b) Erläutern Sie, dass Alanin wie fast alle in der Na-
tur vorkommenden Aminosäuren optisch aktiv H C
C N
ist.
c) Beschreiben Sie, wie man mithilfe eines Expe- N C
H H
riments D- und L-Alanin voneinander unter-
scheiden kann.
Histidin
A2 Die Aminosäure Cystein ist ein Feststoff mit folgen-
der Struktur: a) Geben Sie die Strukturformel von Histamin unter
Berücksichtigung der Angaben in der Aufgabe an.
COO– b) Erklären Sie, dass es sich bei der Aminosäure
+ Histidin um einen Ampholyt handelt.
H3 N C H
c) S chmerzhafte Rötungen und Nesseln lassen sich
CH2 SH nach einem Wespenstich auch mit einem soge-
nannten „Stichheiler“ behandeln. Dabei handelt
a) Erhitzt man Cystein sehr stark, so schmilzt die es sich um einen elektrischen Stift, welcher
Verbindung unter Zersetzung. Erklären Sie diese durch kurzzeitiges Erwärmen auf ca. 50 °C eine
Beobachtung. Schmerzlinderung verspricht.
b) Eine wässrige Lösung von Cystein hat den iso- Erläutern Sie die Wirkungsweise des „Stichheilers“
elektrischen Punkt (IEP) von 5,0. Erläutern bei der Behandlung von Rötungen und Nesseln
und begründen Sie den Begriff IEP an diesem nach einem Wespenstich.
Beispiel.
A4 Rote Blutkörperchen enthalten in hoher Konzen-
c) Zu der wässrigen Lösung von Cystein wird ein-
tration das Tripeptid Glutathion.
mal verdünnte Salzsäure gegeben, ein anderes
a) G
 eben Sie die Aminosäurebausteine an, aus
Mal verdünnte Natronlauge.
denen Glutathion aufgebaut ist.
Formulieren Sie die entsprechenden Reakti-
b) B
 ei Glutathion handelt es sich aufgrund der be-
onsgleichungen und beschreiben Sie die jeweils
sonderen Peptidbindungen nicht um ein echtes
ablaufenden Vorgänge.
Tripeptid. Erläutern Sie diesen Sachverhalt.
d) Erläutern Sie die besondere Rolle der Amino-
säure Cystein im Zusammenhang zur räumli-
chen Struktur von Eiweiß-Molekülen. H H
HOOC CH2 N C CH N C CH2 CH2 CH COOH
A3 Histamin ist neben vielen anderen Komponenten
wie Proteinen, Aminosäuren und Enzymen ein O CH2 O NH2
Bestandteil des Wespengifts, das allergische Reak- SH
tionen wie die Nesselbildung auslösen kann.
Histamin wird im Körper mithilfe von Enzymen aus
c) E
 rläutern Sie die Art der zwischenmolekularen
der Aminosäure Histidin durch Abspaltung von
Wechselwirkungen und chemischen Bindungen,
Kohlenstoffdioxid gebildet.
die Aminosäure-Reste im Glutathion-Molekül
zu anderen Glutathion-Molekülen ausbilden
können.

172 AMINOSÄUREN UND PROTEINE


3

A5 Bei einem Tripeptid stellt man folgende Amino- Kamin“) zeigt die größte Hitzeresistenz und kann
säuresequenz fest: Glycin-Lysin-Glutaminsäure sich bei einer Temperatur von 113 °C sogar noch
(Glycin: 2-Aminoethansäure, Lysin: 2,6-Diamino- vermehren.
hexansäure, Glutaminsäure: 2-Aminopentandi- a) S
 tellen Sie eine Vermutung auf, was man norma-
säure). lerweise für die Proteine dieser Organismen bei
a) Geben Sie die Strukturformel dieses Tripeptids den hohen Temperaturen erwarten würde. Erläu-
an. tern Sie unter Verwendung von Fachbegriffen.
b) Mit diesem Tripeptid werden die Biuretreaktion b) Erläutern Sie, welche Besonderheiten in der
und die Xanthoproteinreaktion durchgeführt. Proteinstruktur dieser Mikroorganismen die
Beschreiben Sie diese Nachweisreaktionen und Ursache für die hohe Hitzetoleranz sein könnten.
begründen Sie die zu erwartenden Beobach- Diskutieren Sie verschiedene Möglichkeiten.
tungen.
c) In der biochemischen Forschung und medizini- A7 Das Enzym Urease ist ein Protein, welches beson-
schen Diagnostik spielt die Spaltung von Prote- ders in Pflanzensamen, wirbellosen Tieren, Bakte-
inen und die Identifizierung der Aminosäure- rien und Pilzen vorkommt. Urease spaltet das Sub-
Bausteine eine immer größere Rolle. Erläutern strat Harnstoff, wobei unter anderem Ammonium-
Sie ein Verfahren zur Spaltung dieses Tripeptids Ionen NH4+ und Hydroxid-Ionen OH- entstehen.
in seine Aminosäure-Bausteine. Nennen Sie den Um die Wirkung der Urease zu untersuchen, wird
Reaktionstyp. folgendes Experiment durchgeführt: In ein Becher-
d) Geben Sie ein Verfahren an, mit dem man die glas gibt man 40 mL einer Harnstofflösung. Nach
Aminosäuren aus c) nach der Hydrolyse des einer Minute werden 10 mL Urease-Suspension
Tripeptids identifizieren kann. Erläutern sie die zugesetzt und nach weiteren drei Minuten wird
Verfahrensweise und die Möglichkeit zur Identi- eine Spatelspitze eines wasserlöslichen Bleisalzes
fizierung. zugegeben. Während des gesamten Versuchs wird
bei konstanter Temperatur laufend die elektrische
A6 In sehr heißen Quellen, z. B. im Yellowstone Natio- Leitfähigkeit gemessen. Die Messwerte sind in fol-
nalpark in Wyoming (USA), findet man überra- gendem Diagramm vereinfachend dargestellt.
schenderweise noch Lebewesen mit funktionsfähi-
gen Proteinen. Leitfähigkeit in mS

0 1 2 3 4 5 6 7 8 Zeit in min

a) B
 eschreiben Sie den Verlauf des Graphen.
b) Erklären Sie den im Diagramm dargestellten
Verlauf der elektrischen Leitfähigkeit.
c) E
 rläutern Sie die Wirkung der Blei-Ionen auf die
Diese hitzeresistenten Mikroorganismen tolerieren
Urease auf Teilchenebene.
Temperaturen bis knapp über 100 °C. Solche hohen
Temperaturen werden in heißen Quellen am Mee- A8 Als Sekundärstrukturen bilden sich α-Helices vor-
resboden erreicht, wo geothermisch erhitztes Was- wiegend intramolekular und β-Faltblätter vorwie-
ser unter höherem Druck steht. Der Mikroorganis- gend intermolekular. Erläutern und begründen Sie
mus Pyrobolus fumarius („der Feuerlappen aus dem diesen Sachverhalt.

AMINOSÄUREN UND PROTEINE 173


KC KOMPETENZCHECK

Ziel erreicht?
Verfügen Sie über die Kompetenzen dieses Kapitels? Lösen Sie die entsprechenden Aufgaben
(Arbeitsblatt unter QR-/Mediencode 06011-19) und bewerten Sie sich mithilfe der Tabelle rechts unten.
06011-19

KOMPETENZ A: fischer-Projektionsformeln aufstellen B3 Erklären Sie, dass ein äquimolares Gemisch von D-
und L-2,3-Dihydroxypropanal (Glycerinaldehyd)
A1 Geben Sie die D- und L-Form für 2,3-Dihydroxy-
optisch inaktiv ist.
propanal (Glycerinaldehyd) in der fischer-Projekti-
onsformel an.
Kennzeichnen Sie asymmetrisch substituierte Koh-
KOMPETENZ C: Struktur und Eigenschaften der Ami-
lenstoff-Atome. H O H O
C C nosäuren erläutern
A2 Zeichnen Sie Propan-1,2,3-triol (Glycerin) in der
C1 Erklären Sie den Begriff L-α-
fischer-ProjektionH
undC* OH HO
begründen C*eine
Sie, ob H D- COOH
Aminosäure an folgendem
bzw. L-Form möglich ist.
CH OH CH OH
2 2 Beispiel: H 2N C H
A3 Folgende Formel zeigt ein D Enantiomer des L Glucose-
CH2
Glycerinaldehyd
Moleküls in der fischer-Projektion.
a) Erläutern Sie, ob es sich H3C C CH3
H O H O H
bei der dargestellten C C
fischer-Projektions-
formel um das D- HoderC* OH HO C* H C2 Beschreiben Sie, was man unter einer essenziellen
L-Enantiomer HO handelt.
C* H H C* OH Aminosäure versteht.
b) Geben Sie das entspre-
H C* OH HO C* H C3 Begründen Sie die Einteilung der 22 natürlich
chende Spiegelbildiso-
vorkommenden Aminosäuren in Aminosäuren mit
mer zur dargestellten
H C* OH HO C* H
unpolaren und polaren Resten in den Molekülen
Form des Glucose-Mo-
CH2OH CH2OH sowie in saure und basische Aminosäuren.
leküls an.
D L
C4 Geben Sie die Aminosäure Glycin in der fischer-
Glucose
Projektionsformel an.
KOMPETENZ B: Spiegelbildisomerie und optische Erläutern Sie daran, dass Glycin eine optisch inak-
Aktivität erklären tive Aminosäure ist.
B1 Weinsäure ist der Trivialname für 2,3-Dihydroxybu- C5 Begründen Sie, dass Aminosäure-Moleküle als
tandisäure. Ampholyte fungieren können.
a) Geben Sie die Strukturformeln von D- und L-
C6 Aminosäuren zeigen am isoelektrischen Punkt
Weinsäure und meso-Weinsäure in der fischer-
(IEP) keine Wanderung im elektrischen Feld. Er-
Projektion an.
läutern Sie diese Beobachtung.
b) Erläutern Sie, dass D- und L-Weinsäure optisch
aktiv sind, meso-Weinsäure jedoch nicht.
c) Erläutern Sie eine Eigenschaft, in der sich D- und
KOMPETENZ D: Nachweismethoden für Aminosäuren
L-Weinsäure voneinander unterscheiden.
und Proteine beschreiben
d) Beschreiben Sie ein Experiment, mit dem man
nachweisen kann, dass D- bzw. L-Weinsäure D1 Beschreiben Sie ein Experiment, mit dem man
optisch aktiv sind. nachweisen kann, dass in Milchprodukten Proteine
enthalten sind.
B2 Erläutern Sie, ob es sich bei Propan-1,2,3-triol (Gly-
cerin) um eine chirale Substanz handelt. D2 Mit folgenden Lebensmitteln wird die Biuretreak-
tion durchgeführt:

174 AMINOSÄUREN UND PROTEINE


3

Gelatine, Fisch, Joghurt und Orangensaft. a) Geben Sie die Aminosäurebausteine des Dipep-
Beschreiben Sie die zu erwartenden Beobachtun- tids an und benennen Sie es.
gen und erklären Sie diese. b) Formulieren Sie die Bildungsreaktion des gezeig-
ten Dipeptids.
D3 Glutathion ist ein Tripeptid aus den drei verschie-
c) Benennen Sie den Reaktionstyp der Bildungsre-
denen Aminosäuren Glutaminsäure, Cystein und
aktion.
Glycin. Gluthathion ist in fast allen Zellen des
d) M it denselben Aminosäurebausteinen kann man
Menschen in hoher Konzentration enthalten. Es
auch ein anderes Dipeptid erhalten.
gehört zu den wichtigsten als Antioxidans wirken-
Geben Sie seine Strukturformel an und benen-
den Stoffen im menschlichen Körper.
nen Sie dieses.
Erläutern Sie ein Experiment, mit dem man diese
drei Aminosäuren aus dem Tripeptid zurückge- E2 Erläutern Sie die Ursachen, die zur Ausbildung der
winnen und eindeutig identifizieren kann. Tertiärstruktur eines Proteins führen können.
E3 Erläutern Sie die Vorgänge, die beim Braten eines
Spiegeleis auf Teilchenebene ablaufen.
KOMPETENZ E: Struktur und Denaturierung von Pro-
teinen erläutern E4 Magensäure spielt bei der Eiweißverdauung und bei
der Abtötung von Krankheitserregern eine wichtige
E1 Die Strukturformel zeigt ein Dipeptid.
Rolle.
Erläutern Sie diese Funktionen der Magensäure.
H O CH3
E5 Blut gerinnt im Gegensatz zu Eiklar auch bei Raum-
H 2N C C N C COOH
temperatur und ohne Zusatz von weiteren Stoffen.
CH2 H CH3 Erklären Sie diesen Sachverhalt.
H 3C C CH3 E6 Nennen Sie Aminosäure-Reste, zwischen denen
H bei der Denaturierung eines Proteins die folgenden
Strukturelemente gebildet werden können:
a) Esterbrücken
b) Peptidbrücken

Vergleichen Sie Ihre Antworten mit den Lösungen auf Seite 464 und kreuzen Sie auf dem Arbeitsblatt an.

Kompetenz ja nein zum Nachlesen

A fischer-Projektionsformeln aufstellen S. 148 – 149


S. 146 – 147,
B Spiegelbildisomerie und optische Aktivität erklären
150 – 151
Struktur und Eigenschaften der Aminosäuren
C S. 156 – 159
erläutern
Nachweismethoden für Aminosäuren und Proteine
D S. 154, 158
beschreiben
S. 160,
E Struktur und Denaturierung von Proteinen erläutern
164 – 167

AMINOSÄUREN UND PROTEINE 175


KC KOMPETENZCHECK

Klausuraufgaben
T1 Eiklar

AUFGABEN
A1 Nennen Sie die Gemeinsamkeiten im Aufbau aller
biogenen Aminosäuren.
Ordnen Sie begründet die angegebenen Aminosäu-
ren den neutralen, sauren oder basischen Amino-
säuren zu.
Geben Sie die Strukturformel eines möglichen
Isomers von Serin an.
A2 Im Gegensatz zu Monocarbonsäuren vergleichbarer
Molekülmasse sind Aminosäuren nicht flüchtige,
kristalline Stoffe mit hoher Schmelztemperatur.
B1 Beim Backen von schaumig geschlagenem Eiklar entstehen Begründen Sie diese Unterschiede.
Baisers. A3 Beschreiben Sie den Aufbau eines Proteins.
Zeichnen Sie den Strukturformelausschnitt des
Eiklar besteht zu 90 % aus Wasser und zu 10 % aus ku- Ovalbumin-Moleküls mit allen bindenden und
gelförmig verknäulten Proteinen, überwiegend Ovalbu- nichtbindenden Elektronenpaaren.
min, dessen Molekül die Reste der Aminosäuren in der Kennzeichnen Sie die hydrophoben bzw. hydrophi-
Sequenz -Ser-Ile-Ile-Asn- enthält. len Seitenketten und erklären Sie die gute Wasser-
Wenn man Eiklar schaumig schlägt, entsteht zähflüssig- löslichkeit des Ovalbumins.
fester Schaum. Werden beim Schlagen ein wenig Zitro- A4 Erklären Sie die Veränderungen des Ovalbumins
nensaft und Zucker zugesetzt, wird der Schaum fester. beim Schlagen und Backen.
Lässt man den gezuckerten Schaum länger als 15 Minuten Begründen Sie die Wirkung des Zusatzes von
an der Luft stehen, zerfließt er. Beim Backen innerhalb Zitronensaft und das Zerfließen des gezuckerten
von ca. 90 Minuten bei ca. 120 °C erhält man Baisers (B1). Eiweißschaumes an der Luft.

T2 Das Faserprotein Keratin

R R Um Locken oder Wellen in den Haaren


Polypeptidkette zu erzeugen, müssen zunächst beste-
hende Bindungen im Keratin zerstört
CH2 S S H2C und neue ausgebildet werden. Wäh-
COOH COOH COOH
rend Föhnfrisuren nur bis zur nächsten
H2N C H H2N C H H2N C H
Haarwäsche halten, sind Dauerwellen
H2C SH H2C S S H2C bleibend. Eine neue Form der Dauer-
R R Cystein Cystin welle ist die Cystein-Dauerwelle. Sie
erfolgt in zwei Schritten.
B2 Disulfidbrücken im Protein und Strukturformeln des Cystein- und Cystin-Moleküls
Schritt 1: Das Haar wird zunächst mit
Das menschliche Haar besteht zu 90 % aus α-Keratin, einer Cysteinlösung behandelt. In der ausgespülten Cys-
einem wasserunlöslichen Protein. Keratin enthält die teinlösung kann Cystin nachgewiesen werden (B2).
Aminosäure Cystein, in der eine -SH-Gruppe gebunden Schritt 2: Nachdem die Haare in die gewünschte Form
ist. Diese ermöglicht die Bildung von stabilen Disulfidbrü- gebracht worden sind, behandelt man sie mit einer Was-
cken zwischen Polypeptidketten (B2). serstoffperoxidlösung. Diese fixiert die Dauerwelle.

176 AMINOSÄUREN UND PROTEINE


3

AUFGABEN
A1 Beschreiben Sie die Struktur der Aminosäure Cys- A3 Formulieren Sie eine begründete Vermutung zu den
tein und leiten Sie aus der Struktur begründet zwei chemischen Prozessen der Cystein-Dauerwelle.
Eigenschaften für diese Verbindung ab (B2). Erläutern Sie die Rolle von Wasserstoffperoxid auch
A2 Berechnen Sie den Massenanteil der im Keratin unter Verwendung einer Reaktionsgleichung.
gebundenen Cysteinbausteine. Gehen Sie davon A4 Beurteilen Sie die Aussage des Herstellers, wonach
aus, dass Keratin einen Massenanteil an Schwefel der Einsatz von Cystein als Entwickler das Haar
von 5 % aufweist. minimal belastet.

T3 L-Lysin

L-Lysin (2,6-Diaminohexansäure) ist eine für den Men- A4 In B3 ist eine Titrationskurve für die Titration von
schen und andere Säugetiere essenzielle Aminosäure und Lysin mit Natronlauge dargestellt.
gehört gemeinsam mit L-Arginin und L-Histidin zu der Kennzeichnen Sie in der Kurve die pKS-Werte und
Gruppe der basischen Aminosäuren. die Äquivalenzpunkte.
Lysin wird u. a. zur Wirkbeschleunigung bei schmerzhem- Geben Sie für die an den Punkten A – G vorliegen-
menden Medikamenten verwendet, insbesondere in Ver- den Teilchen die Strukturformeln und ihre Stoff-
bindung mit Ibuprofen. mengenverhältnisse an.
Zur Bestimmung der pKS– bzw. pKB–Werte von Amino- A5 Leiten Sie begründet aus der Kurve den IEP für
säuren kann das Verfahren der Titration verwendet wer- Lysin ab. Beurteilen Sie, ob Lysin Bedeutung für die
den. Dafür werden 10 mL einer Aminosäurelösung mit Pufferung des Blutes (pH ≈ 7,4) haben kann.
Salzsäure versetzt, sodass eine vollständige Protonierung A6 1,22 g Lysin werden in 25 mL Salzsäure (c = 1 mol/L)
der Aminosäure-Moleküle erreicht wird. Anschließend gelöst. Ermitteln Sie rechnerisch, ob dadurch eine
wird mit Natronlauge titriert und der pH-Wert mit einem vollständige Protonierung möglich wäre.
pH-Messgerät gemessen. Aus der Titrationskurve kön-
nen die entsprechenden Werte für die beteiligten Teil- pH-Wert
chen entnommen werden. 14 G
13
12 F
AUFGABEN 11
A1 Beschreiben Sie am Beispiel von Lysin den Aufbau 10 D E
von Aminosäuren unter Angabe der Strukturformel 9
8
in FISCHER-Projektion. 7
Begründen Sie die Zuordnung von Lysin zu der 6
C
Gruppe der basischen Aminosäuren. 5
A2 Essigsäurelösung besitzt einen niedrigeren pH-Wert 4
3 B
als eine Lysinlösung gleicher Stoffmengenkonzen- 2
tration. 1
Begründen Sie diesen Sachverhalt. 0 A
V(Natronlauge)
A3 Beide Lösungen aus A2 werden einmal mit
verdünnter Salzsäure und einmal mit verdünnter B3 Titrationskurve für die Titration von Lysin mit Natronlauge
Natriumhydroxidlösung versetzt.
Formulieren Sie für die drei ablaufenden che-
mischen Reaktionen die Reaktionsgleichungen.
Erklären Sie anhand einer der Gleichungen, dass es
sich um eine Säure-Base-Reaktion nach BRØNSTED
handelt.

AMINOSÄUREN UND PROTEINE 177


6 Chemische Energetik

250 CHEMISCHE ENERGETIK


Arbeitsblatt unter
QR-/Mediencode
06011-29

OFFENES GESCHLOSSENES ISOLIERTES


SYSTEM SYSTEM SYSTEM

ENERGIEAUSTAUSCH KALORIMETER

ENTROPIE­
ÄNDERUNG

SATZ
VON
HESS
REAKTIONS­ REAKTIONS­ REAKTIONS­
ENERGIE ENTHALPIE ENTROPIE

EXOTHERME ENDOTHERME
REAKTIONEN REAKTIONEN
GIBBS-
HELMHOLTZ-
GLEICHUNG

ENERGIEUMWANDLUNG

ENERGIEFORMEN FREIE REAKTIONSENTHALPIE

EXERGONISCHE ENDERGONISCHE
REAKTIONEN REAKTIONEN

CHEMISCHE ENERGETIK 251


KC KOMPETENZCHECK

Startklar?

Schätzen Sie Ihre Kompetenz in den Bereichen A bis D ein und prüfen Sie sich anhand
der entsprechenden Aufgaben (Arbeitsblatt unter QR-/Mediencode 06011-30).
06011-30

Kompetenz sehr gut gut schwierig

A Energetische Erscheinungen bei chemischen


Reaktionen erklären

B Die Begriffe exotherm und endotherm erklären


und entsprechenden Phänomenen zuordnen

C Energetische Zustände der Edukte und Produkte


exothermer und endothermer Reaktionen vergleichen

D Die Zufuhr von Energie als Voraussetzung


zum Start chemischer Reaktionen erklären

KOMPETENZ A: Energetische Erscheinungen bei KOMPETENZ B: Die Begriffe exotherm und endotherm
chemischen Reaktionen erklären erklären und entsprechenden Phänomenen zuordnen

A1 Geben Sie die Erscheinungsformen von Energie an, B1 Beschreiben Sie die Beobachtungen, die für eine
die im Verlauf folgender Vorgänge auftreten: exotherme bzw. eine endotherme Reaktion in der
a) Eine Kerze brennt. Regel charakteristisch sind.
b) Ein Knicklicht leuchtet (B1).
B2 Ordnen Sie den Vorgängen in A1 die Begriffe
c) Im Verlauf der Elektrolyse einer wässrigen Zin-
exotherm bzw. endotherm zu. Begründen Sie Ihre
kiodidlösung scheiden sich an den Elektroden
Auswahl.
metallisches Zink bzw. Iod ab.
d) Zinkpulver reagiert in einem Reagenzglas mit B3 Ein stöchiometrisches Gemisch aus Wasserstoff-
verdünnter Salzsäure. Über das Reagenzglas wird und Sauerstoffgas (Knallgas) reagiert nach kurzer
ein Luftballon gestülpt, der sich während des Zündung in einem Reagenzglas unter Bildung von
Reaktionsverlaufs aufbläht. Wasser. Dabei kann an der Reagenzglaswand eine
e) Eine an eine Zitronenbatterie angeschlossene Temperaturerhöhung festgestellt werden.
Diode leuchtet (B1). a) Geben Sie die bei dieser chemischen Reaktion
auftretenden Erscheinungsformen von Energie
an.
b) Begründen Sie, ob es sich um eine exotherme
oder eine endotherme chemische Reaktion
handelt.
c) Beschreiben Sie davon ausgehend ein mögliches
Vorgehen zur Umkehrung dieses Prozesses.

B1 Leuchtende Knicklicher (links) und Zitronenbatterie im


Stromkreis mit einer Leuchtdiode (rechts)

252 CHEMISCHE ENERGETIK


6

KOMPETENZ C: Energetische Zustände der Edukte KOMPETENZ D: Die Zufuhr von Energie als
und Produkte exothermer und endothermer Voraussetzung zum Start chemischer Reaktionen
Reaktionen vergleichen erklären

C1 Zeichnen Sie für folgende Vorgänge jeweils ein D1 Erläutern Sie die Bedeutung der im Folgenden be-
vollständig beschriftetes Energiediagramm. schriebenen experimentellen Schritte auf Teilchen-
a) Bei Zugabe einiger Tropfen Wasser zu wasser- ebene und vergleichen Sie die Art der Aktivierung
freiem Kupfer(II)-sulfat bildet sich umgehend der Reaktionen.
tiefblaues Kupfer(II)-sulfat-Pentahydrat. Im a) Ein Streichholz wird entzündet, indem man
Reaktionsgemisch kann eine Temperaturerhö- damit an einer rauen Oberfläche entlangstreicht.
hung gemessen werden. b) Ein Gemisch aus Wasserstoff- und Chlorgas re-
b) Bei starkem Erhitzen von festem Quecksilber- agiert explosionsartig, nachdem einige Sekunden
oxid in einem schwer schmelzbaren Reagenz- lang Tageslicht einstrahlte.
glas entstehen Quecksilber und Sauerstoffgas, c) Trockenes Iodstickstoffpulver NI3 zersetzt sich
solange die Wärmezufuhr anhält. explosiv, nachdem mit einem Stab darauf ge-
c) Ein Stück metallisches Magnesiumband wird schlagen wurde.
in der Brennerflamme entzündet. Nach dem
Herausnehmen aus der Brennerflamme hält die
Verbrennung an.
C2 Begründen Sie, welchen der folgenden Aussagen
Sie zustimmen bzw. nicht zustimmen.
Die x-Achse eines
Energiediagramms bezieht
Auf der x-Achse
sich auf ein einzelnes
eines Energiedia-
Die x-Achse eines Teilchen.
gramms muss die
Energiediagramms be-
Zeit stehen.
schreibt den Weg von den
Ausgangsstoffen zu den
Reaktionsprodukten einer
Reaktion.

Vergleichen Sie Ihre Antworten mit den Lösungen auf der Seite 464 und geben Sie sich die entsprechende Punktzahl.

Kompetenz sehr gut gut schwierig zum Nachlesen

Energetische Erscheinungen bei chemischen


A 12 – 10 9–6 5–4
Reaktionen erklären

Die Begriffe exotherm und endotherm erklären


B 13 – 10 9–6 5–4 S. 16
und entsprechenden Phänomenen zuordnen

Energetische Zustände der Edukte und Produkte


C 15 – 12 11 – 7 6–5 S. 16
exothermer und endothermer Reaktionen vergleichen

Die Zufuhr von Energie als Voraussetzung


D 6–5 4–3 2
zum Start chemischer Reaktionen erklären

CHEMISCHE ENERGETIK 253


6.1 Energie und Reaktionswärme
Im Verlauf chemischer Reaktionen treten neben neuen Stoffen auch verschiedene
Erscheinungsformen von Energie auf. Dies nutzt man in Alltag und Technik. Eine
Verbrennungsreaktion setzt z. B. Energie in Form von Wärme frei. In Batterien wird
der Hauptteil der in den enthaltenen Stoffen gespeicherten Energie hingegen in
elektrische Energie umgewandelt. Explosive Kraftstoffgemische wiederum
können bei ihrer Umsetzung mechanische Arbeit verrichten.

6.1.1 Versuche und Material

V Energieumwandlungen bei chemischen Reaktionen 2 5 7

Im Verlauf chemischer Reaktionen werden verschie- V3 Stellen Sie eine wässrige Lösung aus 2 g rotem
dene Erscheinungsformen von Energie ineinander Blutlaugensalz und 2,5 g Ammoniumeisen(III)-citrat
umgewandelt. Welche Energieumwandlungen kann in 50 mL Wasser her. Tauchen Sie ein Stück weißen
man beobachten? Karton in die Lösung, lassen Sie diesen abtropfen und
bedecken Sie ihn mit einem Stück Aluminiumfolie,
V1 Geben Sie in eine Porzellanschale 2 g wasser-
in das Sie vorher ein Muster geschnitten haben. Be-
freies Calciumoxid CaO (GHS 5 | 7) und fixieren Sie
lichten Sie dann für ca. 5 min auf dem Tageslichtpro-
ein Thermometer so, dass es in das Pulver eintaucht.
jektor oder in der Sonne, und tauchen Sie den Karton
Versetzen Sie das Calciumoxid anschließend vorsich-
abschließend in eine Petrischale mit verdünnter
tig tropfenweise mit Wasser.
Salzsäure (GHS 5).
V2 Bauen Sie eine Lithium-Kupfer-Batterie (GHS
V4 Aktivieren Sie ein Knicklicht in einem abgedun-
2 | 5) und erproben Sie diese. Formulieren Sie Hypo-
kelten Raum.
thesen, durch welche Maßnahmen sich die Leistung
dieser Batterie steigern lassen könnte und
untersuchen Sie diese nach Absprache mit
Ihrer Lehrkraft. (Anleitung zum Bau der
Batterie unter QR-/Mediencode 06011-31). 0 6 0 1 1 - 3 1

254 CHEMISCHE ENERGETIK


Versuche und Material 6.1

AUSWERTUNG
wie aus dem Reaktionsprodukt erneut Calcium-
a) Beschreiben Sie die Beobachtungen, durch die
oxid hergestellt werden kann.
in den Versuchen V1 bis V4 deutlich wird, dass
d) Bei V2 werden Lithium-Atome oxidiert und
bei chemischen Reaktionen neben Stoff- auch
Kupfer(II)-Ionen reduziert. Erläutern Sie unter
Energieumwandlungen auftreten.
Verwendung von Reaktionsgleichungen das
b) Nennen Sie die Erscheinungsformen von Energie,
Zustandekommen eines Stromflusses.
die bei V1 bis V4 auftreten.
e) Erläutern Sie anhand Ihrer Beobachtungen in V3,
c) Das in V1 gebildete Reaktionsprodukt ist ein
dass für die dort ablaufende chemische Reaktion
schwerlösliches Salz, das in wässriger Lösung
Energie in Form von Licht notwendig ist.
einen Farbumschlag des Universalindikators
f) Vergleichen Sie die Beteiligung von Licht an den
nach Blau verursacht. Stellen Sie die Reaktions-
ablaufenden Reaktionen in V3 und V4.
gleichung für die in V1 ablaufende chemische
Reaktion auf. Formulieren Sie einen Vorschlag, ENTSORGUNG G1, R, A

V Bestimmung einer Reaktionswärme 2 7

Die bei einer chemischen Reaktion auftretende Re- c) Formulieren Sie die Reaktionsgleichung für die
aktionswärme kann mithilfe eines Kalorimeters expe- Reaktion aus V6.
rimentell ermittelt werden. Dazu muss im Folgenden d) Stellen Sie Ihre Messergebnisse aus V6 grafisch
zunächst die Wärmekapazität CK des Kalorimeters dar und ermitteln Sie daraus die Temperaturdiffe-
bestimmt werden. renz Δ im Verlauf der Reaktion (vgl. FM S. 260).
e) Berechnen Sie die Reaktionswärme Qr sowie
V5 Bauen Sie die Messapparatur wie in B1 auf und
die molare Reaktionswärme Qr,m der Reaktion
geben Sie 40 g Wasser (Raumtemperatur) hinein.
zwischen Eisen und Schwefel (vgl. FM S. 260).
Ermitteln Sie die exakte Temperatur des Wassers, so-
f) Diskutieren Sie mögliche Fehlerquellen Ihrer
bald diese konstant ist. Fügen Sie anschließend 40 g
Messanordnung und begründen Sie Maßnahmen,
warmes Wasser hinzu, dessen Temperatur (zwischen
die zu deren Minimierung beitragen können.
50 – 60 °C) Sie vorher exakt bestimmt haben. Ver-
rühren Sie das Gemisch und bestimmen Sie dessen
konstante Mischungstemperatur. Thermometer

V6 Füllen Sie in das Reagenzglas des Kalorimeters 4 g


Reagenzglas
eines Eisen-Schwefel-Gemisches aus 1,6 g Schwefel
(GHS 7) und 2,8 g Eisenpulver (GHS 2). Füllen Sie das
Kalorimeter anschließend mit einer genau abgewoge- Aluminiumfolie
nen Wasserportion und messen Sie deren konstante
ineinander gestellte
Anfangstemperatur. Zünden Sie das Eisen-Schwefel- Bechergläser (400 mL
Gemisch mithilfe eines glühenden Drahts und messen und 600 mL, hohe Form)
Sie unter Rühren fortlaufend in regelmäßigen Zeitab- Rührfisch
ständen die Temperatur des Kalorimeterwassers.
Magnetrührtisch
AUSWERTUNG
a) Erläutern Sie die Bedeutung der Aluminiumfolie
sowie der beiden ineinander gestellten Becher- B1 Kalorimeter-Apparatur
gläser in der verwendeten Messanordnung (B1).
b) Ermitteln Sie aus den Messergebnissen von V5 Hinweis: Die Temperatur kann in °C (ϑ) und in K (T)
die Wärmekapazität CK des Kalorimeters angegeben werden.
(vgl. FM S. 260).
ENTSORGUNG R, G2

CHEMISCHE ENERGETIK 255


6.1 Energie und Reaktionswärme

6.1.2 Systeme und Energieformen

Relevanz von Energieumwandlungen betrachtet. Dazu lässt man diese in einem durch
enge Grenzen festgelegten Raum ablaufen, der
Mischt man in einem Eimer Zementpulver mit
als System bezeichnet wird. Alle Komponenten
Wasser und berührt den Eimer von außen, so
außerhalb der definierten Systemgrenzen nennt
stellt man fest, dass sich dieser und das darin be-
man Umgebung.
findliche Gemisch erwärmt haben. Die Ursache
Beim oben beschriebenen Anmischen von Ze-
dafür ist eine chemische Reaktion zwischen dem
ment ist ein Austausch von Energie mit der Um-
„gebrannten Kalk“ CaO im Zement und dem zu-
gebung des Systems (also mit der Eimerwand
gegebenen Wasser, in welcher auch Wärme frei-
und der Umgebungsluft) möglich. Darüber hi-
gesetzt wird. Diese Temperaturerhöhung kann
naus kann ein Teil des zugegebenen Wassers
man auch im Labormaßstab beobachten (V1).
durch die bei der Reaktion freiwerdende Energie
Ein Teil dieser Energie wird nicht nur auf das Ge-
verdunsten und entweichen. Es findet also auch
fäß übertragen, sondern auch an die Umgebung
ein Stoffaustausch mit der Umgebung statt. Sol-
abgegeben.
che Systeme bezeichnet man als offen (B2 , a).
Der beschriebene Versuchsaufbau ermöglicht
Unterbindet man diesen Stoffaustausch, sodass
nicht, den Energieumsatz dieser Reaktion quan-
nur Energie mit der Umgebung ausgetauscht
titativ vollständig zu erfassen. Technisch kann
werden kann, dann ist das System geschlossen
gerade dies jedoch von großer Bedeutung sein,
(B2 , b). Solche Systeme sind für die exakte quan-
denn die bei der Umsetzung von gebranntem
titative Erfassung von Energieumsätzen chemi-
Kalk mit Wasser freigesetzte Energie wird in
scher Reaktionen besonders interessant. Gestal-
experimentellen Reaktoren z. B. auf flüssiges
tet man den Versuchsaufbau schließlich so, dass
Wasser übertragen. Der bei anderen Prozessen
auch kein Energieaustausch mit der Umgebung
gezielt gebildete Wasserdampf kann zum Antrieb
möglich ist, dann ist das System vollständig iso-
von Wasserdampfturbinen genutzt werden, mit
liert (B2 , c). Allerdings wäre dann auch eine
denen Strom erzeugt wird (B1).
messtechnische Erfassung der auftretenden
Energiebeträge und damit eine Quantifizierung
des Energieumsatzes einer chemischen Reaktion
unmöglich.

Stoff-
austausch

Energie- Energie-
austausch austausch
B1 Darstellung einer historischen Wasserdampf-
turbine Stoff- und Energie- Kein Stoffaustausch Weder Stoff- noch
austausch mit der mit der Umgebung. Energieaustausch
Umgebung Energieaustausch mit der Umgebung
jedoch möglich
Systeme und ihre Umgebung
Zur Beurteilung der Energieeffizienz und damit B2 Beispiele für ein offenes (a), geschlossenes (b)
und isoliertes System (c)
der Wirtschaftlichkeit solcher chemisch-techni-
scher Verfahren ist eine exakte messtechnische
Innere Energie eines Systems
Erfassung der dabei auftretenden Energiebe-
träge von entscheidender Bedeutung. Dies ist Jedes chemische System verfügt über einen
jedoch nur möglich, wenn man den dabei rele- bestimmten Betrag an Energie, der als innere
vanten chemischen Vorgang, hier die Reaktion Energie U [kJ] bezeichnet wird. Sie befähigt das
von Calciumoxid mit Wasser, möglichst isoliert System, z. B. Arbeit an seiner Umgebung zu ver-

256 CHEMISCHE ENERGETIK


Energie und Reaktionswärme 6.1

richten. Ihr Gesamtbetrag setzt sich u. a. aus den gen, sodass sich diese zufällig und ungeordnet
folgenden Teilbeträgen zusammen: bewegen. Diese Form der Energieübertragung
• aus den Energiebeträgen, die in den Bewe- bezeichnet man als Wärme.
gungen der Stoffteilchen enthalten sind, In V2 führt die Abgabe von Energie in der Um-
• aus den Energiebeträgen, die in den chemi- gebung hingegen zu einer gerichteten Bewegung
schen Bindungen bzw. Wechselwirkungen von Teilchen, hier von Elektronen, die sich in ei-
enthalten sind. nem metallischen Leiter bewegen, was wiederum
Die innere Energie U ist eine wegunabhängige als Stromfluss messbar ist. Wird durch Stromfluss
Zustandsgröße, denn sie beschreibt den ener- ein Motor angetrieben, nennt man diese Form
getischen Zustand eines Systems zu einem der Energieübertragung Arbeit.
bestimmten Zeitpunkt, unabhängig davon, auf Wärme und Arbeit sind verschiedene Erschei-
welchem Weg das System in diesen Zustand ge- nungsformen der allgemeinen Größe Energie.
langt ist. Ihr Betrag kann nicht direkt gemessen Vereinfachend wird im Folgenden der Begriff
und deshalb nicht als Absolutwert angegeben Energieform verwendet.
werden. Anders verhält es sich mit dem Betrag,
um den sich die innere Energie eines Systems Kunststoffröhrchen
(z. B. im Verlauf eines physikalischen Prozesses Glasröhrchen
oder einer chemischen Reaktion) verändert. Im
Falle der Reaktion von Calciumoxid mit Wasser Farbstofflösung
(B3) kann z. B. über die gemessene Tempera- Oxidationsmittel
turänderung in der Umgebung des Systems im
Verlauf der Reaktion errechnet werden, um wel- B4 Modellhafte Darstellung der Funktionsweise
chen Energiebetrag sich die innere Energie dieses eines Knicklichts
Systems im Reaktionsverlauf verändert.
Die innere Energie U eines Systems ist
nicht absolut bestimmbar. Die Energie-
beträge, die ein System in Form von
Wärme bzw. Arbeit mit der Umgebung
austauscht, lassen aber Rückschlüsse
auf die Änderung seiner inneren Energie
zu.

AUFGABEN
A1 a) Diskutieren Sie für die Versuche V2
B3 Chemische Reaktion zwischen Zement und Was-
ser. Es wird Wärme freigesetzt. und V3, welche Komponenten zum
jeweiligen System und welche zu dessen
jeweiliger Umgebung gehören.
Formen der Energieübertragung:
b) Beurteilen Sie, um welche Art von Sys-
Arbeit und Wärme
tem es sich in diesen Fällen handelt.
Wird im Verlauf einer chemischen Reaktion wie c) Erklären Sie, wie der jeweilige Versuchs-
der von Calciumoxid mit Wasser (V1) oder der aufbau abgewandelt werden muss, so-
in der Lithium-Kupfer-Zelle (V2) Energie vom dass das betrachtete System geschlos-
System an die Umgebung abgegeben, so nimmt sen ist.
die innere Energie U des jeweiligen Systems ab. A2 Beschreiben Sie die Funktionsweise eines
Mikroskopisch gesehen wird in V1 Energie auf die Knicklichts und benennen Sie die dabei
Teilchen in der Umgebung des Systems übertra- beteiligten Energieformen (B4).

CHEMISCHE ENERGETIK 257


6.1 Energie und Reaktionswärme

6.1.3 Chemische Reaktionen und Reaktionswärme

„Thermische Energie“ versus Wärme Die Differenz aus den Beträgen der inneren Ener-
gie nach der Reaktion und vor der Reaktion ist
Umgangssprachlich unterscheidet man verschie-
dann negativ:
dene Energieformen wie z. B. chemische Ener-
gie, thermische Energie, Licht oder elektrische Qr = Unach – Uvor < 0
Energie. Diese Hilfsbegriffe sollen deutlich ma-
Für den Fall, dass das System im Prozessverlauf
chen, wie die Übertragung von Energie zwischen
jedoch Energie (z. B. in Form von Wärme) auf-
System und Umgebung erkennbar wird. Bei der
nimmt und seine innere Energie zunimmt, gilt
Herstellung von Blaupausen (V3) wird Licht in
hingegen:
chemische Energie umgewandelt. Schließt man
z. B. die Pole einer Batterie an einen Stromkreis Qr = Unach – Uvor > 0
an, dann laufen in ihrem Inneren chemische Re-
Der Vorgang wird dann als endotherm bezeich-
aktionen ab, bei denen Energie freigesetzt wird.
net.
Diese führt in der Umgebung des Systems, im
metallischen Leiter, zu einem messbaren Strom-
fluss (V2). Man kann also sagen, dass im Verlauf Bestimmung der Reaktionswärme
dieses Vorgangs die in den Inhaltsstoffen der
Der Betrag der Reaktionswärme Qr eines physi-
Batterie gespeicherte chemische Energie in elek-
kalischen Vorgangs oder einer chemischen Reak-
trische Energie umgewandelt wird. Tatsächlich
tion kann meist experimentell bestimmt werden.
führt die Übertragung von Energie an die Umge-
Dazu kann z. B. die Temperaturänderung in der
bung jedoch zu einer gerichteten Bewegung von
Umgebung eines Systems, in dem der betreffen-
Elektronen im Leiter, es wird also Energie in Form
de Vorgang abläuft, erfasst werden. Um den Be-
von Arbeit übertragen. Zudem wird in der Umge-
trag der Reaktionswärme dabei möglichst exakt
bung der Batterie mit der Zeit auch eine Tempe-
bestimmen zu können, müssen folgende Bedin-
raturerhöhung messbar, was bedeutet, dass ein
gungen erfüllt sein:
Teil der freigesetzten Energie in Form von ther-
mischer Energie frei wird. Tatsächlich führt dieser
1. Das gewählte System muss geschlossen sein,
übertragene Energieanteil zu einer ungerichteten
sodass es lediglich Energie mit seiner Umge-
Teilchenbewegung in der Umgebung, es handelt
bung austauschen kann. Bei einem zusätz-
sich dabei also um die Übertragung von Energie
lichen Stoffaustausch könnte (z. B. über die
in Form von Wärme.
Abgabe von Reaktionsgasen) auch ein Teil
der an die Umgebung abgegebenen Energie
Exotherme und endotherme ohne messtechnische Erfassung aus dem
Reaktionen System entweichen.
2. Es muss sichergestellt sein, dass der im Ver-
Der bei einem physikalischen Vorgang (z. B. ei-
lauf einer Reaktion in Form von Wärme über-
ner Aggregatzustandsänderung) bzw. einer che-
tragene Betrag an Energie vollständig mit der
mischen Reaktion auftretende Betrag an Wärme
Umgebung ausgetauscht wird, sodass aus ei-
wird als Reaktionswärme Qr [kJ] bezeichnet. Er
ner Temperaturveränderung der Umgebung
ist bei zahlreichen technischen Prozessen von
direkt auf den Betrag an ausgetauschter Wär-
besonderer Bedeutung (etwa bei der Verbren-
me geschlossen werden kann.
nung von Holz, Kohle, Heizöl o. Ä.) und macht
nicht selten den Hauptanteil des Energieumsat- Dafür muss die Umgebung künstlich auf einen
zes eines physikalischen oder chemischen Pro- sehr kleinen Bereich eingegrenzt werden, der
zesses aus. Überträgt ein System im Verlauf eines die gesamte Reaktionswärme aufnimmt bzw.
solchen Prozesses einen Teil seiner inneren Ener- an das System abgibt. Eine solche Umgebung
gie (z. B. in Form von Wärme) auf die Umgebung, nennt man Kalorimeter. Es besteht meist aus
so bezeichnet man diesen Vorgang als exotherm. einem wärmeisolierten Gefäß, in dem sich ein

258 CHEMISCHE ENERGETIK


Energie und Reaktionswärme 6.1

Rührer und eine Kalorimeterflüssigkeit mit ho- Die spezifische Wärmekapazität c ist von Stoff zu Wärme-
her Wärmekapazität (i. d. R. Wasser) befinden Stoff unterschiedlich, für z. B. Wasser beträgt sie kapazität C:
Betrag an Wärme,
(B5). Im Inneren des Kalorimeters wird ein Re- in etwa c = 4 200 J/(kg · K) (B6).
den man einer
aktionsgefäß platziert, in welchem der unter- Die Reaktionswärme Qr des untersuchten Vor- Stoffportion zu-
suchte Vorgang kontrolliert abläuft, während die gangs errechnet sich wie folgt: führen muss, um
Temperaturänderung der Kalorimeterflüssigkeit deren Temperatur
Qr = −(CK + CW) · ΔT = −(CK + cW · mW) · ΔT um 1 K zu erhöhen:
kontinuierlich verfolgt wird.
Q J
Sie kann auch als molare Reaktionswärme Qr,m C=
ΔT K
[kJ/mol] bezogen auf den Stoffumsatz eines am
Thermometer
elektrische Zünddrähte Prozess beteiligten Stoffes angegeben werden:
Rührer Q spezifische
Qr,m = r Wärmekapazität c:
n
Deckel Betrag an Wärme,
wärmeisolierende den man einem
c in J/(kg · K)
Schicht Stoff pro Gramm
4.000
bzw. Kilogramm
Luftisolierung 3.000
2.000 dieses Stoffes
Wasser 1.000 zuführen muss, um
0
Verbrennungsbehälter seine Temperatur
um n

s
ft

or

se olz

r
ld

W l
pf

se
Ei
ho
Al Eise

to
um 1 K zu erhöhen:

Lu
iu
mit reinem Sauerstoff

op
Go

am
H

as
Be

ko
in

yr

rd

Al
St
Q J

as
C=

W
m · ΔT g · K
zu verbrennender
B6 Die spezifische Wärmekapazität von verschiede-
Stoff
nen Stoffen

B5 Schematische Darstellung eines Kalorimeters


Ein Kalorimeter ist die künstlich be-
grenzte Umgebung eines physikalischen
Die Wärmekapazität und die
oder chemischen Prozesses. Die dabei
spezifische Wärmekapazität
auftretende Reaktionswärme Qr ist
Vernachlässigt man den Betrag an Wärme, der proportional zur Temperaturdifferenz
im Reaktionsgefäß des Kalorimeters verbleibt, ΔT, die dabei im Kalorimeter gemessen
kann angenommen werden, dass die von der werden kann.
Kalorimeterflüssigkeit aufgenommene Wärme
Q zur gemessenen Temperaturdifferenz ΔT [K]
proportional ist. Der Betrag dieser Wärme ent-
AUFGABEN
spricht dem negativen Betrag der Reaktionswär-
A1 Nennen Sie je zwei Beispiele für exo- bzw.
me Qr, die im Verlauf des Prozesses abgegeben
endotherme Prozesse in Ihrem Alltag.
oder aufgenommen wird:
A2 Begründen Sie das Vorwärmen von Tellern
Q = C · ΔT = −Qr in Gaststätten, bevor die Speise auf den
Teller gegeben und das Gericht serviert
Die Proportionalitätskonstante dieser Gleichung
wird.
ist die Wärmekapazität C der gesamten Mes-
A3 In einem Kalorimeter (CK = 120 J/K) mit
sanordnung. Sie setzt sich als Summe aus der
500 g Trichlormethan als Kalorimeterflüssig-
Wärmekapazität CK des Kalorimeters und der
keit werden 0,35 mol eines Stoffes in einer
Wärmekapazität CW [J/K] des Kalorimeterwas-
kontrollierten Reaktion umgesetzt. Dabei
sers zusammen. Letztere lässt sich aus der spe-
wird eine Temperaturänderung von 21,6 °C
zifischen Wärmekapazität cW [J/(g · K)] und der
auf 25,3 °C beobachtet. Berechnen Sie die
Masse mW des Kalorimeterwassers berechnen:
Reaktionswärme sowie die molare Reakti-
CW = cW · mW onswärme dieser chemischen Reaktion.

CHEMISCHE ENERGETIK 259


FM FACHMETHODE

6.1.4 Kalorimetrische Messungen durchführen und auswerten

Mithilfe eines Kalorimeters lassen sich Prozesswärmen phy- 3. Fügen Sie anschließend 40 g warmes Wasser hinzu,
sikalischer Vorgänge bzw. Reaktionswärmen chemischer dessen Temperatur (zwischen 50 – 60 °C) Sie vor-
Reaktionen experimentell bestimmen. Dazu lässt man den her exakt bestimmt haben.
jeweiligen Vorgang innerhalb des Kalorimeters kontrolliert
4. Verrühren Sie das Gemisch und bestimmen Sie die
ablaufen und misst dabei die Temperaturänderung Δ der
konstante Gemischtemperatur.
Kalorimeterflüssigkeit. Außerdem müssen die spezifische
Wärmekapazität cW der Kalorimeterflüssigkeit sowie die 5. Berechnen Sie mithilfe Ihrer Messwerte gemäß B2
Wärmekapazität CK des Kalorimeters bekannt sein. die Wärmekapazität CK ihrer Kalorimeter-Apparatur.
Die Portion kalten Wassers besitzt die Masse m1 und
a) D
 ie Wärmekapazität die Temperatur 1. Die Portion warmen Wassers besitzt
des Kalorimeters ermitteln die Masse m2 und die Temperatur 2. Die gemessene
Mischtemperatur beider Wasserportionen ist misch.
Mischt man z. B. 40 g Wasser mit einer Temperatur von 80 °C
in einem Gefäß mit 40 g Wasser einer Temperatur von Q2 Q1
20 °C, so erwartet man eine Gemischtemperatur von
Das warme Wasser gibt Das kalte Wasser nimmt die
50 °C. Experimentell stellt man jedoch fest, dass die tatsäch- beim Mischen die Wärme Wärme Q1 auf. Q1 ist folglich
lich gemessene Temperatur etwas niedriger ist, denn das Q2 an seine Umgebung ab. positiv:
hinzugegebene Wasser mit höherer Temperatur gibt nicht Q2 ist folglich negativ:
nur Wärme an die Wasserportion mit niedrigerer Tempera- Q2 = −C · Δ Q1 = +C · Δ
tur, sondern auch das Gefäß ab, in dem sich das Gemisch Mit Δ = 2 – misch und Mit Δ = misch – 1 und
befindet. Das Absinken der Gemischtemperatur unter den CW = cW · mW folgt: C = CK + cW · mW folgt:
erwarteten Temperatur-Mittelwert kann man nun zur Er- Q2 = (cW · mW) · (misch − 2) Q1 = (CK + cW · mW) · (misch – 1)
mittlung der Wärmekapazität CK des Kalorimeters nutzen. Gemäß des Energieerhaltungssatzes gilt:
Qgesamt = Q1 + Q2 = 0
Ermitteln Sie die Wärmekapazität CK des folgenden Ka-
Folglich ergibt sich aus der Addition der Terme für die Wärme
lorimeters.
Q1 und Q2 und der anschließenden Umformung nach CK:

( )
VORGEHEN 2 - misch
CK = cW ∙ m2 ∙ - m1
1. Bauen Sie die Kalorimeter-Apparatur in B1 auf. misch − 2
2. Geben Sie 40 g Wasser (Raumtemperatur) in die B2 Herleitung zur Berechnung der Wärmekapazität CK
Messapparatur und ermitteln Sie dessen exakte
Temperatur, sobald diese konstant ist.
Beispiel: Für cW = 4,19 J/(g · K), m1 = m2 = 40 g,
Thermometer 1 = 20 °C, 2 = 80 °C und misch = 45,3 °C erhält man:

CK= 4,19
J
g∙K (
∙ 40 g ∙
80 °C - 45,3 °C
45,3 °C - 20 °C )
- 40 g ≈ 62,3
J
K

Styroporplatte
b) D
 ie Reaktionswärme
ineinander gestellte einer Redoxreaktion ermitteln
Bechergläser
Ermitteln Sie die Reaktionswärme Qr und die molare Re-
Rührfisch aktionswärme Qr,m bei der Reaktion von Kupfer mit Sil-
bernitratlösung.
Magnetrührtisch
VORGEHEN 2 5 9

1. Entleeren Sie zunächst die Kalorimeter-Apparatur.

B1 Kalorimeter mit ebenem Boden 2. Geben Sie 100 mL Silbernitratlösung (c = 0,2 mol/L,

260 CHEMISCHE ENERGETIK


FACHMETHODE FM

GHS 5 | 9) in das Kalorimeter und messen Sie des- Berechnen Sie außerdem die molare Reaktionswärme
sen konstante Anfangstemperatur. Qr,m der Reaktion (bezogen auf den Umsatz an Silber-
Ionen).
3. Fügen Sie 2 g Kupferpulver (GHS 2 | 9) hinzu und
Qr,m
verfolgen Sie unter ständigem Rühren in Abständen Qr,m =
n
von 30 Sekunden den Temperaturverlauf (auch über
Hierzu muss zunächst die Stoffmenge n an Silber(I)-
die erreichte Maximaltemperatur hinaus).
Ionen berechnet werden, die in 100 mL (also 0,1 L)
4. Stellen Sie Ihre Messergebnisse grafisch dar (B3). Silbernitratlösung der Stoffmengenkonzentration
c = 0,2 mol/L enthalten ist. Es gilt:
ϑ in °C n(Ag+)
28 c(Ag+) =
V(Lösung)
27
A2
26
Daraus ergibt sich durch Umformung:
ΔT
25 mol
n(Ag+) = c(Ag+) · V(Lösung) = 0,2 · 0,1 L
24 A1 L
23
= 0,02 mol
22
0 5 10 15 20 25 30 t in min Damit ergibt sich für Qr,m:
-2,9 kJ kJ
B3 Grafische Auswertung einer kalorimetrischen Messung Qr,m = = −145
0,02 mol mol

5. Verlängern Sie die Abschnitte des Graphen unmit-


telbar vor bzw. nach dem starken Temperaturanstieg c) D
 ie Reaktionswärme
(hellblaue Geraden). einer Säure-Base-Reaktion ermitteln
6. Ermitteln Sie die beobachtete Temperaturdifferenz Ermitteln Sie die Reaktionswärme Qr und die molare Re-
Δ. Diese entspricht der senkrechten Strecke (rot). aktionswärme Qr,m bei der folgenden Neutralisation.
Es handelt sich um die Verbindungsstrecke zwischen
den beiden extrapolierten Geraden, sodass die VORGEHEN 5

Flächen A1 und A2 ungefähr gleich groß sind. 1. Entleeren und spülen Sie die Kalorimeter-Apparatur.

7. Die Kalorimeterflüssigkeit, welche die bei der Reak- 2. Geben Sie 100 mL Natronlauge (c = 1 mol/L, GHS 5)
tion freiwerdende Wärme aufnimmt, entspricht in in das Kalorimetergefäß und bestimmen Sie dessen
diesem Fall dem flüssigen Anteil des Reaktionsgemi- konstante Anfangstemperatur.
sches. Für sie gelten folgende Annahmen:
• Es handelt sich um eine verdünnte Lösung, deren
3. Geben Sie rasch 100 mL Salzsäure (c = 1 mol/L,
GHS 5) hinzu und messen Sie unter Rühren die
Dichte in etwa der von reinem Wasser ( = 1 g/cm3)
konstante Mischungstemperatur.
entspricht. Ihre Masse mW beträgt 100 g.
• Ihre spezifische Wärmekapazität c entspricht 4. Bestimmen Sie die Temperaturdifferenz Δ.
W
etwa der von reinem Wasser
5. Fahren Sie mit den Schritten 7 und 8 wie in b) fort.
(cW = 4,19 J/(g · K)).
Berechnen Sie mithilfe dieser Annahmen sowie der
ermittelten Temperaturdifferenz Δ gemäß fol-
AUFGABEN
gender Gleichung die bei der Reaktion auftretende
A1 Ermitteln Sie die Wärmekapazität CK Ihres Kalori-
Reaktionswärme Qr.
meters.
Qr = −(CK + CW) · Δ = −(CK + cW · mW) · Δ
A2 Führen Sie anschließend c) durch und berechnen Sie
Beispiel: Für Δ = 6,0 °C (6,0 K) erhält man: anhand Ihrer Messwerte die Reaktionswärme Qr sowie
J J die molare Reaktionswärme Qr,m der Neutralisation.
Qr = −(62,3 + 4,19 · 100 g) · 6,0 K
K g∙K A3 Erläutern Sie die Unterschiede im Vorgehen zur Er-
= −2 887,8 J = −2,9 kJ mittlung der Temperaturdifferenz Δ bei b) und c).

CHEMISCHE ENERGETIK 261


E EXKURS

6.1.5 Lichtenergie für nachhaltige Technik

Glühbirnen hielten sich über 150


Jahre nach ihrer Erfindung als be-
vorzugte Lichtquelle, bevor sie
allmählich aufgrund möglicher
Energieeinsparung durch effizien-
tere Leuchtmittel wie anorgani-
sche oder organische Leuchtdio-
den (LEDs) ersetzt wurden. LEDs
strahlen Licht aus, ohne dass sie
sich annähernd so stark erhitzen
wie Glühbirnen (B1), an denen man B1 Glühbirnen mit LEDs sind besonders energieeffizient, langlebig und erlauben
gestalterische Möglichkeiten.
sich sogar verbrennen konnte. Die
Einführung energieeffizienter Lö-
sungen in Alltag und Technik kann silber-Atome durch Elektronen an- Lichtquellen mit genau definierter
einen wichtigen Beitrag zu einer geregt. Sie übertragen Lichtquan- Lichtfarbe herzustellen.
nachhaltigeren Energiewirtschaft ten aus dem UV-Bereich mit einer
leisten. Wellenlänge von λ = 254 nm an die a) E Minuspol
Leuchtstoffschicht (sog. „Phos- niedrigste unbesetzte
phor“), mit der die Röhre ausgeklei- Energiestufe
In Glühlampen auf der Basis von
det ist. Diese strahlt dann sichtbares
Wolframdraht als Glühdraht wurde
Licht aus (B2).
bis zu 95 % der elektrischen Energie höchste unbesetzte
nicht, wie eigentlich gewünscht, in Energiestufe
Extraktion eines Elektrons
Licht, sondern in Wärme umgewan- Leuchtdioden: LEDs am Pluspol, Injektion eines
Pluspol Elektrons am Minuspol
delt. Dies hatte zur Folge, dass solche
Die Funktionsweise anorganischer b) E
Glühlampen mittlerweile in der EU niedrigste unbesetzte
und organischer LEDs (Light Emitting
verboten wurden. Energiestufe
Diodes), deren Effizienz die der Ener-
giesparlampen bei weitem übertrifft,
Energiesparlampen unterscheidet sich hiervon. Gemein höchste unbesetzte
mit Leuchtstoffröhren ist den LEDs, h+ Energiestufe
Durch den Einsatz von Energie- Elektron-Loch-Paar
dass jeweils sog. „kaltes“ Licht emit-
sparlampen und Leuchtstoffröhren c) E
tiert wird. In beiden Fällen erfolgt die
kann eine Einsparung an elektrischer niedrigste unbesetzte
Lichtemission aus einem elektronisch Energiestufe
Energie von bis zu 80 % erfolgen.
angeregten Zustand (B3b). Bei den
In ihnen sind Argon und eine sehr E=h·v
LEDs bestehen die lichtemittieren-
geringe Menge Quecksilber enthal-
den Schichten aus anorganischen höchste unbesetzte
ten, das beim Einschalten der Lam- Energiestufe
bzw. organischen Halbleitern. Darin h+
pe zunächst verdampft und dann Rekombination von Elektron
wird der angeregte Zustand direkt und Loch: Lichtemission
als Energieträger fungiert. In einer
durch Injektion und Abzug von Elek-
Leuchtstoffröhre werden Queck- B3 Elektrolumineszenz: Emission von
tronen in das Material mithilfe einer
Licht nach Anlegen einer Spannung
sichtbares Licht „Phosphor“
Gleichspannungsquelle (Anlegen
Kathode einer geringen Spannung zwischen
Licht treibt chemische Prozesse an
254 nm
e- 6 V – 20 V) erzeugt (B3a). Man nennt
Elektronen Hg*
Richtung diese Art der Lichtemission Elektro- In Leuchtmitteln kommt es zur
Anode
lumineszenz. Hierbei wird elektrische Emission von Licht. In umgekehrter
Energie in Lichtenergie umgewandelt. Weise kann Lichtenergie chemische
B2 Schematische Darstellung der Ener-
gieumwandlungen in einer Leuchtstoff- Je nach eingesetztem Halbleiterma- Reaktionen in Gang setzen. Dabei
röhre terial ist es bei LEDs möglich, gezielt werden zunächst Lichtquanten, d. h.

262 CHEMISCHE ENERGETIK


EXKURS E

kleinste „Energiepakete“, absor- „Grüner“ Wasserstoff durch Licht


biert. Darauf folgt die Umwandlung AUFGABEN
Die Spaltung von Wasser mit Licht
ihrer Energie in elektronische An- A1 Begründen Sie, dass Leucht-
wird mit der Option beforscht, Was-
regungsenergie in Molekülen oder stoffröhren nicht in den Haus-
serstoff, den umweltfreundlichsten
anderen Teilchen des reagierenden müll gehören.
unter allen Energieträgern, mithilfe
Systems. In der Natur absorbieren A2 Recherchieren Sie Vorteile
von Sonnenlicht zu gewinnen.
z. B. Chlorophyll-Moleküle bei der und Nachteile des Einsatzes
Fotosynthese Lichtquanten aus dem H 2O H2 + ½ O2 | endotherm anorganischer und organischer
blauen und roten Bereich des elekt- Leuchtdioden.
Wenngleich die fotokatalytische
romagnetischen Spektrums (B5). Für A3 Vergleichen Sie die Energieum-
Wasserspaltung schon lange er-
die Technik interessant sind lichtab- wandlung in LEDs mit der in
forscht wird, basiert aktuell noch
sorbierende Fotokatalysatoren, bei- Solarzellen.
immer der Großteil an produziertem
spielsweise die Anatas-Modifikation A4 Stellen Sie mithilfe von B5
Wasserstoff auf Erdgas, einem fos-
von Titandioxid TiO2. einen Zusammenhang zwi-
silen Brennstoff. Mit weiterer For-
Titandioxid gehört zur Gruppe der schen der Farbe von Licht,
schung und durch politische Impulse
anorganischen Halbleiter. Titandi- der Wellenlänge und dem
kann die Gewinnung von „grünem“
oxid-Partikel, die oft in Form von Energiegehalt der enthaltenen
Wasserstoff vorangetrieben werden.
Nanopartikeln verwendet werden, Lichtquanten her.
absorbieren Lichtquanten aus dem
violetten und ultravioletten Spektral- Nachhaltige Chemie Farbe Wellenlängen- Energiebereich
bereich Δλ in nm von Lichtquanten
bereich mit Wellenlängen von unter in kJ/mol
Das Prinzip der Nachhaltigkeit im
λ  388 nm (B5). Das liegt darin be- violett 440 bis 400 271 bis 298
Bereich der Chemie bedeutet einen
gründet, dass der Abstand zwischen blau 480 bis 440 248 bis 271
ressourcenschonenden Einsatz von
den Energiestufen, die hier mit Va- grünblau 490 bis 480 243 bis 248
Stoffen und die Entwicklung von
lenz- bzw. Leitungsband bezeichnet blaugrün 500 bis 490 238 bis 243
Prozessen, die es dauerhaft ermög-
werden, im Titandioxid mit einer sog.
lichen, unsere heutigen Bedürfnisse grün 560 bis 500 213 bis 238
Bandlücke Eg (engl.: energy gap) von
zu befriedigen, ohne dabei die Be- gelb 595 bis 580 200 bis 206
über Eg  3,2 eV relativ groß ist (B4).
dürfnisse zukünftiger Generationen rot 700 bis 605 170 bis 197
Nach der Absorption von Lichtquan-
zu beeinträchtigen. Einen wesentli-
ten liegen die Titandioxid-Partikel
chen Beitrag leisten dabei die Effi- IR UV
in einem elektronisch angeregten
zienzsteigerung von Prozessen und 700 600 500 400 nm
Zustand vor. Dann kann Titandi-
Geräten sowie die Verringerung oder
oxid durch die in B4 angedeuteten
die Vermeidung von deren Nutzung.
Elektronenübertragungen eine Re- B5 Zusammenhang Lichtfarbe – Wel-
In jedem Fall sollte immer auch be- lenlänge – Energie
doxreaktion katalysieren, die selbst-
trachtet werden, wie Produkte her-
tätig (ohne Energiezufuhr) gar nicht
gestellt und wie sie umweltschonend A5 In Brennstoffzellen reagiert der
möglich wäre.
entsorgt werden können. Dem ent- Energieträger Wasserstoff mit
spricht auch das from cradle to cradle- Sauerstoff in einer exothermen
E TiO2-Korn
A-
Prinzip, nach welchem Materialien Reaktion unter Bildung von
Leitungsband Reduktion und Rohstoffe endlos zirkulieren Wasser als Abgas. Bewerten
A können sollten. Dies erfordert ganz- Sie den Slogan eines Herstel-
hv Eg = 3,2 eV heitliches und zukunftsorientiertes lers von Brennstoffzellen-
D
+ Oxidation Denken bei der Produktentwicklung betriebenen Autos: „Besonders
Valenzband D+
hv, Kat.
und ein bewusstes sowie verantwor- umweltfreundlich – dank zero
A+D A- + D+ tungsvolles Verbraucherverhalten. emission!“.

B4 Funktionsweise von Titandioxid als


Fotokatalysator für Redoxreaktionen

CHEMISCHE ENERGETIK 263


6.2 Reaktionsenthalpie und Bildungsenthalpie
Die Höhe der Energiebeträge, die bei physikalischen Vorgängen (z. B. dem Schmelzen
oder Lösen von Stoffen) oder bei chemischen Reaktionen (z. B. Verbrennungsreakti-
onen) umgesetzt werden, hängt nicht nur von den Stoffumsätzen dieser Vorgänge ab,
sondern auch von den Bedingungen, unter denen sie stattfinden. Um diesem Um-
stand Rechnung zu tragen, wurde eine weitere Zustandsgröße, die Enthalpie einge-
führt.

6.2.1 Versuche und Material

M Reaktionswärme bei konstantem Druck bzw. Volumen

B1 zeigt einen Modellversuch, in dem die bei der Ver- Dabei wird die Temperatur der Kalorimeterflüssigkeit
brennung von 1 mol flüssigem Heptan auftretende in regelmäßigen Zeitabständen gemessen.
Reaktionswärme Qr unter verschiedenen Bedingun-
M1 Der Hahn der Apparatur bleibt im Verlauf der
gen kalorimetrisch bestimmt werden kann.
Verbrennung der Heptan-Portion geschlossen.

Thermometer M2 Während die Heptan-Portion verbrannt wird,


100
40
20

60

80
0

ist der Hahn dauerhaft geöffnet.


Kolbenprober
verschließbarer Hahn
Aus den Messergebnissen von M1 wird eine Reakti-
Kalorimeter onswärme von Qr = −233,1 kJ ermittelt.
Kalorimeterflüssigkeit AUSWERTUNG
a) Beschreiben Sie die jeweiligen zu erwartenden
Reaktionsgefäß
Versuchsbeobachtungen in den Teilexperimen-
ten M1 und M2 .
Sauerstoffgas
b) Formulieren Sie eine Hypothese bezüglich des
Heptan
Betrags der Reaktionswärme Qr, die im Verlauf
des Teilexperiments M2 im Vergleich zu M1 ermit-
B1 Modellversuch zur Bestimmung der Reaktionswärme telt werden kann.
bei konstantem Druck bzw. konstantem Volumen

264 CHEMISCHE ENERGETIK


Versuche und Material 6.2

V Bestimmung von Reaktionswärmen

Reaktionswärmen können mithilfe eines Kalorime- Dose, dass der Abstand zwischen Flammenspitze
ters experimentell ermittelt werden. und Dosenboden ca. 1 cm beträgt. Messen Sie nun
über einen Zeitraum von 5 Minuten in regelmäßigen
V3 Bauen Sie ein Verbrennungskalorimeter wie in
Abständen die Temperatur des Kalorimeterwassers.
B2 auf und bestimmen Sie dessen Wärmekapazität CK.
Löschen Sie nach 3 Minuten die Flamme. Bestimmen
V4 Befüllen Sie die Getränkedose dieses Kalori- Sie nach Abschluss der Messungen durch Wägung
meters mit einer exakt abgewogenen Menge Wasser des Teelichts die Masse des verbrannten Paraffins.
und bestimmen Sie dessen konstante Anfangstem-
AUSWERTUNG
peratur. Entzünden Sie anschließend ein Teelicht
a) Stellen Sie Ihre Temperatur-Messwerte aus V4
bekannter Masse und stellen Sie dieses so unter die
grafisch dar. Ermitteln Sie daraus die Temperatur-
differenz Δ.
Thermometer
b) Berechnen Sie davon ausgehend die Reaktions-
wärme Qr der Verbrennung von 1 g Paraffin.
c) Begründen Sie, dass für die Verbrennung von Pa-
Getränkedose
raffin keine molare Reaktionswärme Qr,m berech-
net werden kann.
d) Beurteilen Sie die Messgenauigkeit der Kalorime-
Teelicht
ter-Apparatur in B2 .
B2 Verbren-
nungskalorimeter ENTSORGUNG A, R
für V3 und V4

M Energiegehalt von Lebensmitteln

Auf Lebensmittelverpackungen finden sich Angaben wünschten Lebensmittels unterstützen. Wie werden
zum Energiegehalt von Lebensmitteln und Speisen. diese Angaben ermittelt?
Diese werden in verschiedenen Einheiten angegeben
M5 Die Abbildung B3 zeigt in Tabellenform die An-
und sollen den Verbraucher bei der Auswahl des ge-
gaben zu Nährwertinformationen eines Lebensmittles
auf der Rückseite einer herkömmlichen Lebensmittel-
Nährwert- pro 100 g pro Portion % RM
informationen (40 g)
verpackung.
Brennwert 2268 kJ/ 907 kJ/ 11 % AUSWERTUNG
543 kcal 217 kcal a) Ermitteln Sie den Umrechnungsfaktor zwischen
Fett 30,8 g 12,3 g 18 % der klassischen SI-Einheit (kJ) sowie der histori-
- davon gesättigte 18,2 g 7,3 g 37 % schen Maßeinheit (kcal) der Energie anhand der
Fettsäuren in B3 dargestellten Werte.
Kohlenhydrate 59,2 g 23,7 g 9% b) Formulieren Sie eine Vermutung, wie die auf der
- davon Zucker 50,1 g 20,0 g 22 % Verpackung dargestellten Brennwerte ermittelt
Ballaststoffe 0,4 g 0,2 g – werden.
Eiweiß 6,9 g 2,8 g 6% c) Planen Sie einen Versuch, um den Energiegehalt
Salz 0,23 g 0,10 g 2% dieses Lebensmittels experimentell zu ermitteln.
Formulieren Sie eine exakte Versuchsdurchfüh-
B3 Nährwertinformationen werden tabellarisch auf der
rung.
Verpackung eines Lebensmittels dargestellt. RM entspricht
der Referenzmenge für einen durchschnittlichen Erwachse-
nen (8400 kJ/2000 kcal).

CHEMISCHE ENERGETIK 265


6.2 Reaktionsenthalpie und Bildungsenthalpie

6.2.2 Reaktionsenergie und Reaktionsenthalpie

Die exotherm verlaufende Verbrennung fossi- Bei Reaktionen, die wie in M1 ohne Volumenän-
ler Rohstoffe (z. B. Erdgas, Heizöl oder Benzin) derung verlaufen, kommt die Änderung der in-
spielt im Alltag eine große Rolle (B1). Die dabei neren Energie des Systems lediglich durch die
freigesetzte Wärme kann z. B. zum Heizen oder Abgabe oder Aufnahme von Wärme zustande.
zur Erzeugung von elektrischem Strom genutzt In diesem Fall kann man über die Ermittlung des
werden. In Verbrennungsmotoren verrichten die Betrags an auftretender Reaktionswärme Qr,V
dabei entstehenden Gase durch Volumenvergrö- folglich direkt auf den Betrag der Änderung der
ßerung Arbeit. inneren Energie U des Systems schließen. Es gilt:
Qr,V = ΔrU

Reaktionswärme und Volumenarbeit


als wegabhängige Größen
Bleibt der Hahn der Apparatur in M2 (B1, S. 264)
hingegen geöffnet, dann können sich die gebil-
deten Reaktionsgase ausdehnen und der Kolben
der Apparatur wird nach außen gedrückt. Folglich
vergrößert sich das Volumen V des Reaktionsge-
misches im Verlauf der Reaktion, während der
B1 Bei einem Gasherd kommt zur Zubereitung von Druck p im Reaktionsgefäß konstant bleibt. Die
Speisen Erdgas zum Einsatz. unter diesen Bedingungen bestimmte Reaktions-
wärme wird als Qr,p bezeichnet.
Die bei der Verbrennung freiwerdende Reak-
Reaktionswärme vs. Reaktionsenergie
tionsenergie ΔrU wird in diesem Fall allerdings
Das Modellexperiment in M1 und M2 veran- nicht nur in Form von Wärme, sondern z. T. auch
schaulicht am Beispiel der Verbrennung von in Form von Arbeit freigesetzt, da die gebildeten
Heptan (einem Hauptbestandteil von Benzin), Reaktionsgase den Kolben der Apparatur nach
dass der Betrag der Reaktionswärme einer Reak- außen drücken, also eine gerichtete Bewegung
tion entscheidend davon abhängt, unter welchen von Teilchen in der Umgebung des Systems ver-
Bedingungen diese Reaktion abläuft. ursachen. Der Betrag der dabei auftretenden Re-
In M1 (B1, S. 264) bleibt das Volumen V des Re- aktionswärme Qr,p ist folglich kleiner als in M1 . Er
aktionsgemisches bei geschlossenener Appa- beträgt −224,0 kJ.
ratur konstant. Durch die Bildung von Kohlen-
Die Reaktionsenergie ΔrU ergibt sich in diesem
stoffdioxidgas und gasförmigem Wasser erhöht
Fall aus der Summe der Energiebeträge der auf-
sich im Verlauf der Verbrennung der Druck p im
tretenden Reaktionswärme Qr,p und der auftre-
Reaktionsgefäß. Die unter diesen Bedingungen
tenden Arbeit:
bestimmte Reaktionswärme wird als Qr,V be-
ΔrU = Qr,p + W
zeichnet. Sie beträgt −233,1 kJ.
Geht man davon aus, dass in beiden Teilexpe- Arbeit, welche wie im Teilexperiment M2 durch
rimenten M1 und M2 jeweils identische Stoff- eine Volumenveränderung verrichtet wird, nennt
mengen an Edukten (Heptan, Sauerstoffgas) man Volumenarbeit WVol [kJ] (vgl. Info Berech-
eingesetzt werden und die Verbrennung jeweils nung der Volumenarbeit).
vollständig verläuft, dann ändert sich die inne-
Mit WVol = – p · ΔV gilt dann:
re Energie U des Reaktionsgemisches in beiden
ΔrU = Qr,p + WVol = Qr,p – p · ΔV
Fällen um den gleichen Betrag. Dieser Betrag
ΔrU [kJ] wird als Reaktionsenergie bezeichnet.
Es gilt:
ΔrU = Unach – Uvor

266 CHEMISCHE ENERGETIK


Reaktionsenthalpie und Bildungsenthalpie 6.2

Für die unter konstantem Druck auftretende Re-


Berechnung der Volumenarbeit aktionswärme Qr,p gilt folglich:
Qr,p = Hnach − Hvor = ΔrH
WVol = −p · ΔV
Der Betrag ΔrH [kJ] wird als Reaktionsenthalpie
Dabei kann die Volumenveränderung
bezeichnet. Die Beträge der wegabhängigen Pro-
der an der Reaktion beteiligten Fest-
zessgrößen Qr,V und Qr,p können folglich jeweils
stoffe bzw. Flüssigkeiten vernachlässigt
als Differenz aus den Beträgen einer wegunab-
werden. (Das negative Vorzeichen des
hängigen Zustandsgröße berechnet werden:
Terms sagt aus, dass die Arbeit gegen
eine äußere Gegenkraft verrichtet wer- Qr,V = Unach – Uvor = ΔrU bzw.
den muss).
Qr,p = Hnach − Hvor = ΔrH

Letztendlich zeigen die Ergebnisse der Teilexpe- Bei konstantem Volumen entspricht
rimente M1 und M2 , dass Wärme Q und Arbeit die Reaktionswärme Qr,V der Reakti-
W, im Gegensatz zur inneren Energie U, wegab- onsenergie ΔrU. Bei konstantem Druck
hängige Prozessgrößen sind. Ihr Betrag hängt entspricht die Reaktionswärme Qr,p der
davon ab, auf welchem Weg ein System von ei- Reaktionsenthalpie ΔrH, also der Diffe-
nem Zustand in einen anderen gelangt. renz aus Reaktionsenergie und auftre-
tender Arbeit.
Reaktionswärme vs.
Reaktionsenthalpie
Elektrochemische Reaktionen verlaufen ohne
Druck- bzw. Volumenänderung, da in der Regel AUFGABE
keine gasförmigen Stoffe daran beteiligt sind. A1 In einem Experiment werden 2 mol Methan
Aber auch industrielle Prozesse (z. B. Verbren- vollständig verbrannt. Es wird eine Reakti-
nungsreaktionen zur Energiebereitstellung) lau- onswärme von Qr,p = −1 775 kJ bestimmt.
fen in der Regel ohne Druckerhöhung ab, wenn a) Formulieren Sie die Reaktionsgleichung.
sich die gebildeten Reaktionsgase ausdehnen b) Berechnen Sie die im Verlauf der Reakti-
können. Meist ist jedoch nicht die dabei auftre- on auftretende Volumenveränderung ΔV
tende Volumenarbeit, sondern der Betrag der unter der Annahme, dass die Verbren-
auftretenden Reaktionswärme Qr,p interessant. nung bei einer Temperatur von  = 25 °C
Dieser berechnet sich wie folgt: stattfindet und dabei nur gasförmige
Reaktionsteilnehmer berücksichtigt
Qr,p = ΔrU – WVol = ΔrU + p · ΔV
werden müssen. Hinweis: p = 1,013 bar,
Mit ΔrU = Unach – Uvor und ΔV = Vnach – Vvor ergibt molares Volumen von Gasen bei
sich daraus:  = 25 °C: Vm = 24,5 L/mol.
c) Ermitteln Sie die Volumenarbeit WVol,
Qr,p = (Unach + p · Vnach) – (Uvor + p · Vvor)
die aus der auftretenden Volumenver-
Da die Größen U, p und V wegunabhängige Zu- änderung resultiert, und erläutern Sie
standsgrößen sind, kann auch der kombinierte die Bedeutung des Vorzeichens ihres Enthalpie
Term (U + p · V) als Zustandsgröße aufgefasst Betrags. griech. en: in
und thalpein:
werden. Diese Größe erhält die Bezeichnung En- d) Berechnen Sie davon ausgehend die Re-
erwärmen
thalpie und das Größensymbol H [kJ]. Für sie aktionswärme Qr,V, die auftreten würde,
Größensymbol H
kann, ebenso wie für die innere Energie U, kein wenn diese Verbrennungsreaktion ohne engl. heat content:
Absolutwert angegeben werden. Volumenveränderung ablaufen würde. Wärmeinhalt

CHEMISCHE ENERGETIK 267


6.2 Reaktionsenthalpie und Bildungsenthalpie

6.2.3 Verbrennungsenthalpie, Heiz- und Brennwert

Messtechnische Bestimmung Molare und spezifische


von Verbrennungsenthalpien Verbrennungsenthalpien
Die Verbrennung fossiler oder regenerativer Der Betrag der Reaktionsenthalpie einer che-
Brennstoffe spielt für die Energieversorgung eine mischen Reaktion hängt von ihrem Stoffumsatz
große Rolle. Die dabei auftretende Reaktionswär- ab. Um die Reaktionsenthalpie verschiedener
Index „c“ me Qr,p wird häufig als Verbrennungsenthalpie chemischer Reaktionen miteinander vergleichen
engl. combustion: ΔcH angegeben. Da Verbrennungen meist exo- zu können, bezieht man diese auf den molaren
Verbrennung
therm verlaufen, besitzt ΔcH in der Regel ein ne- Stoffumsatz der Reaktion und erhält dadurch die
gatives Vorzeichen. molare Reaktionsenthalpie ΔrHm [kJ/mol]:
In V4 wurde die bei der Verbrennung einer Paraf-
ΔrH Qr,p
finkerze auftretende Reaktionswärme mithilfe ΔrHm = =
n n
einer Low-Cost-Apparatur (B2 , S. 265) nähe-
rungsweise bestimmt. Exakte Messungen sind Im Falle von Verbrennungsreaktionen bezieht
damit allerdings nicht möglich, weil ein Teil der sich die molare Verbrennungsenthalpie cHm
Reaktionsgase aufgrund der offenen Bauweise auf die Stoffmenge des verbrannten Reinstoffes.
der Apparatur entweicht, ohne dass die Reakti- Bei vielen Brennstoffen, z. B. bei Heizöl oder Erd-
onswärme vollständig an das Kalorimeterwasser gas, aber auch bei Paraffin (V4), handelt es sich
in der Getränkedose abgegeben wird. jedoch um Stoffgemische. Die bei deren Ver-
Eine etwas exaktere Bestimmung bietet die Ver- brennung auftretende Reaktionsenthalpie kann
wendung eines Verbrennungskalorimeters, in folglich nicht auf einen einheitlichen Stoffumsatz
dem die Probe im Luftstrom verbrannt wird. Die bezogen werden. Man gibt in einem solchen Fall
gebildeten Reaktionsgase werden durch eine stattdessen die spezifische Verbrennungsen-
Kühlspirale nach außen geleitet und geben dabei thalpie cHspez [kJ/kg oder kJ/m3] an. Diese
Wärme an die Kalorimeterflüssigkeit ab. Da die bezieht sich auf die Masse (bei festen oder flüs-
Verbrennung unter konstantem Druck verläuft, sigen Brennstoffgemischen) bzw. auf das Volu-
kann man mithilfe der ermittelten Reaktionswär- men (bei gasförmigen Brennstoffgemischen) an
me Qr,p direkt auf die Verbrennungsenthalpie ΔcH verbranntem Brennstoffgemisch.
des Brennstoffes schließen.
Dass die Reaktionsgase tatsächlich den voll-
Heizwert und Brennwert von Stoffen
ständigen Betrag an Reaktionswärme an das
Kalorimeter abgeben, lässt sich lediglich durch Viele der heute verwendeten Brennstoffe, z. B.
Verwendung eines Bombenkalorimeters si- Holz, Benzin oder Erdgas, sind organische Stoffe
cherstellen. Darin wird die Brennstoffprobe unter (B2), bei deren vollständiger Verbrennung zum
Sauerstoffüberschuss in einem verschlossenen Großteil Kohlenstoffdioxid und Wasser entstehen.
Druckgefäß verbrannt, welches vollständig von
einer Kalorimeterflüssigkeit umgeben ist. Da die Stoff Heizwert Brennwert Dichte
in kJ/g in kJ/g in g/cm3
Verbrennungsreaktion dabei ohne Volumenän-
derung verläuft, während der Druck im Gefäß Holz 15 19 0,50
durch die Bildung von Reaktionsgasen steigt, Ethanol 27 30 0,80
entspricht die ermittelte Reaktionswärme Qr,V in Heizöl 40 42 0,85
diesem Fall der Verbrennungsenergie ΔcU. Aus Benzin 44 47 0,80
diesem Wert kann die Verbrennungsenthalpie Diesel 42 45 0,85
ΔcH rechnerisch ermittelt werden. Erdgas 50 55 0,81
(Methan)
Wasserstoff 120 143 0,08

B2 Heizwerte, Brennwerte und Dichten verschiede-


ner Brennstoffe

268 CHEMISCHE ENERGETIK


Reaktionsenthalpie und Bildungsenthalpie 6.2

Es hat sich bewährt, für solche Stoffe lediglich chen, für einen Organismus nutzbaren Energie-
den Betrag der molaren bzw. spezifischen gehalt eines Nahrungsmittels in Abhängigkeit
Verbrennungsenthalpie (also einen positiven von dessen Gehalt an energieliefernden Nähr-
Wert) anzugeben. Die Höhe dieses Betrags hängt stoffen angeben (M5).
allerdings davon ab, ob das bei der Verbrennung Der physikalische Brennwert eines Nahrungs-
gebildete Wasser zum Zeitpunkt der Messung mittels kann mithilfe eines Bombenkalorimeters
der Verbrennungsenthalpie (also bei Verbren- bestimmt werden, in welchem das Nahrungsmit-
nungstemperatur) gasförmig vorliegt oder (nach tel bis zur Asche verbrannt wird. Allerdings muss
Abkühlung auf  = 25 °C) bereits kondensiert ist. berücksichtigt werden, dass ein Organismus
Im ersten Fall bezeichnet man den Betrag der nicht alle in einem Nahrungsmittel enthaltenen
molaren bzw. spezifischen Verbrennungsen- energieliefernden Nährstoffe vollständig auf-
thalpie als Heizwert Hi [kJ/kg oder kJ/m3]. Im nehmen und verwerten kann, sondern einen Teil Index „i“
zweiten Fall wird durch die Kondensation des ungenutzt wieder ausscheidet. engl. inferior:
niedriger
gebildeten Wassers zusätzlich ein bestimm- Der physiologische Brennwert eines Nahrungs-
ter Betrag an Kondensationswärme frei, so- mittels ergibt sich aus dessen physikalischem
dass der Betrag der molaren bzw. spezifischen Brennwert folglich abzüglich dieses nicht nutz-
Verbrennungsenthalpie, den man unter diesen baren Energiebetrags.
Bedingungen als Brennwert Hs [kJ/kg oder Index „s“
kJ/m3] bezeichnet, höher ist als der Heizwert. engl. superior:
Der Heizwert ist ein Maß für die Reak- überlegen
Moderne Brennwertheizungen in Wohnhäusern
tionswärme, die bei der Verbrennung
nutzen diese zusätzlich freiwerdende Kondensa-
eines Stoffes auftritt. Der Brennwert
tionswärme zum Heizen (B3).
eines Stoffes ist um den Betrag der
Kondensationswärme höher, die bei
160 °C 40 °C
der Kondensation des dabei gebildeten
Wassers frei wird.

90 % 98 %

AUFGABEN
A1 Begründen Sie, dass die Angabe der Dichte
Heizwertkessel Brennwertkessel
in B2 relevant ist.
B3 Gegenüberstellung von Heizwert und Brennwert A2 Bei der vollständigen Verbrennung von 10 g
Glucose (C6H12O6) in einem Bombenka-
lorimeter wird eine Verbrennungsenergie
Kohlenhydrate und Fette
von ΔcU = −155,0 kJ ermittelt. Das dabei
als biologische Energieträger
entstehende Wasser ist flüssig.
Auch der Abbau von Kohlenhydraten und Fet- a) Formulieren Sie die Reaktionsgleichung
ten in den Zellen eines Organismus führt zu den dieser Verbrennung.
Produkten Kohlenstoffdioxid und Wasser. Um- b) Begründen Sie, dass der ermittelte Ener-
gangssprachlich nennt man dies ebenfalls eine giebetrag näherungsweise der Verbren-
„Verbrennung“, weil diese Nährstoffe in den Mi- nungsenthalpie entspricht.
tochondrien der Zellen unter Energiefreisetzung c) Ermitteln Sie aus den experimentellen
mit Sauerstoff umgesetzt werden. Tierische Daten den spezifischen physikalischen
Organismen erhalten diese Nährstoffe durch Brennwert von Glucose. Beurteilen Sie,
Verdauung der aufgenommenen Nahrung. Des- inwiefern der physiologische Brennwert
halb hat es sich bewährt, auch für Lebensmittel von Glucose von diesem Wert abwei-
Brennwerte anzugeben, die den durchschnittli- chen wird.

CHEMISCHE ENERGETIK 269


6.2 Reaktionsenthalpie und Bildungsenthalpie

6.2.4 Standardisierung und Berechnung


von Reaktionsenthalpien

Molare Standardreaktionsenthalpien Der Satz von HESS


Der Betrag der Reaktionsenthalpie einer chemi- Kann eine chemische Reaktion experimentell
schen Reaktion hängt nicht nur von deren Stoff- z. B. nicht als isolierter Vorgang durchgeführt
umsatz ab, sondern auch von der Temperatur, bei werden, dann ist auch ihre Reaktionsenthalpie
der die Reaktion abläuft. Um eine Vergleichbar- kalorimetrisch nicht zugänglich. In solchen Fäl-
keit molarer Reaktionsenthalpien zu gewährleis- len ist es möglich, die Reaktionsenthalpie mathe-
ten, erfasst man die molare Reaktionsenthalpie matisch zu ermitteln. Da die Enthalpie H eines
ΔrHm einer chemischen Reaktion in der Regel bei Systems eine wegunabhängige Zustandsgröße
In der chemi- festgelegten Standardbedingungen, d. h. bei einem ist, hängt auch der Betrag ihrer Änderung H im
schen Energetik Luftdruck von 1,013 bar und einer Temperatur von Verlauf eines physikalischen oder chemischen
nutzt man in der
 = 25 °C. Man erhält dadurch die molare Stan- Prozesses im betrachteten System nicht vom
Regel folgende
Standardbe- dardreaktionsenthalpie ΔrH0m [kJ/mol]. Prozessweg ab. Zerlegt man also z. B. die betrach-
dingungen zur Der Betrag der Reaktionsenthalpie ändert sich in tete chemische Reaktion in gedachte Teilschritte,
Tabellierung Abhängigkeit von der Reaktionstemperatur nur deren Reaktionsenthalpien bekannt sind, dann
thermodynami-
scher Daten:
sehr geringfügig, insofern sich dabei die Aggre- ergibt sich die Reaktionsenthalpie der Gesamtre-
gatzustände der beteiligten Stoffe nicht ändern. aktion als Summe aus den Reaktionsenthalpien
 = 25 °C bzw.
T = 298,15 K In diesem Fall kann man die molare Standard- dieser Teilschritte. Diese Erkenntnis geht auf den
reaktionsenthalpie eines Prozesses betrachten, Chemiker GERMAIN HENRI HESS (1840) zurück und
p = 1,013 bar bzw.
101 300 Pa auch wenn dieser nicht bei Standardtemperatur wurde als Satz von HESS bekannt (B4).
[N/m2] abläuft. Andernfalls ist es notwendig, die Enthal- Allgemein lässt sich die Reaktionsenthalpie einer
pieänderungen der auftretenden Aggregatzu- chemischen Reaktion als Differenz aus den Bil-
standsänderungen mit zu berücksichtigen. Es dungsenthalpien der an der Reaktion beteiligten
hat sich bewährt, die molaren Standardprozes- Produkte und Edukte unter Standardbedingun-
senthalpien verschiedener prinzipiell ähnlicher gen ermitteln (FM). Es gilt:
Prozesse zu tabellieren.
ΔrH0 =
∑(nProdukte · ΔfH0Produkte ) − ∑(nEdukte · ΔfH0Edukte )
Molare Standardbildungsenthalpie
Index „f“ Die molare Standardbildungsenthalpie fH0m
engl. formation: [kJ/mol] eines Stoffes bezieht sich auf die Bil- Elemente A + B + C + D
Bildung
dung von 1 mol einer Verbindung aus elemen-
Umkehrreaktion
in der Bildung
der Edukte

taren Stoffen unter Standardbedingungen. Die


entsprechende chemische Reaktion wird als Bil- ΔfH (Edukte)
Bildung der Produkte

dungsreaktion bezeichnet:
Enthalpie H

C + O2 CO2 | ΔfH0m(CO2) = −393,8 kJ/mol Edukte AB + CD ΔfH (Produkte)

Für elementare Stoffe kann eine solche Bildungs-


Reaktions-
enthalpie

reaktion nicht formuliert werden. Sie werden ΔfH


stattdessen als Bezugszustand mit einer absolu-
ten Standardenthalpie von H0 = 0 definiert. Ihre
Bildungsenthalpie ΔfH0m beträgt folglich eben- Produkte AD + BC
falls 0.
B4 Berechnung von Reaktionsenthalpien aus Bil-
dungsenthalpien. Die molare Standardbildungsenthal-
pie aller Elemente ist gleich null.

270 CHEMISCHE ENERGETIK


Reaktionsenthalpie und Bildungsenthalpie 6.2

FM Standardreaktions- Um die Enthalpieänderungen prinzi-


enthalpien berechnen piell ähnlicher Prozesse untereinander
vergleichen zu können, tabelliert man
diese als molare Größen, bezogen auf
Berechnen Sie die Reaktionsenthalpie einen festgelegten Stoffumsatz und für
der Reaktion von Kupfer(II)-oxid mit festgelegte Standardbedingungen.
Wasserstoff unter Standardbedingungen.
Die Reaktionsenthalpie einer Reaktion
VORGEHEN ist gleich der Summe der Reaktionsen-
1. Formulieren Sie die Reaktions- thalpien einer Folge von Reaktionen, in
gleichung. welche die betreffende Reaktion formal
CuO + H2 Cu + H2O (0) zerlegt werden kann (Satz von HESS).
2. Zerlegen Sie die Reaktion formal in
Teilschritte.
CuO Cu + ½ O2 (I)
½ O2 + H2 H2O (II) AUFGABEN
A1 Begründen Sie anhand der Verbrennungs-
3. Ermitteln Sie die Reaktionsenthalpien
enthalpien von Methan und Ethan, dass es
der Teilreaktionen.
irreführend wäre, die Reaktionsenthalpien
Für die beiden Teilreaktionen I und II
in den entsprechenden Reaktionsgleichun-
sind die Reaktionsenthalpien experi-
gen rH0 in der Einheit kJ/mol anzugeben.
mentell zugänglich.
A2 Wenden Sie das allgemeine Schema aus B4
Die Reaktionsenthalpie rH0(II) ent-
auf die Reaktion in der links abgebildeten
spricht der Bildungsenthalpie von
Fachmethode an.
1 mol Wasser:
A3 Berechnen Sie mit dem Satz von Hess
ΔrH0(II) = 1 mol · ΔfH0m(H2O) = −286 kJ
die molare Reaktionsenthalpie ΔrH0m der
Die Reaktionsenthalpie ΔrH0(I) ent- Reaktion einer Kupfer(II)-sulfatlösung mit
spricht der negativen Bildungsenthal- einer Konzentration von c = 0,1 mol/L mit
pie für 1 mol Kupfer(II)-oxid, da dieser Zinkpulver.
Teilschritt der Umkehrreaktion der A4 Butan kann bei Reaktion mit Sauerstoff
Bildungsreaktion von Kupfer(II)-oxid entweder vollständig verbrannt
aus den Elementen entspricht: (ΔrH0m = −2880 kJ/mol) oder aber kataly-
ΔrH0(I) = −1 mol · ΔfH0m(CuO) = 156 kJ tisch zu Butan-1-on und Wasser umgesetzt
werden (ΔrH0m = −2880 kJ/mol). Berech-
4. Berechnen Sie aus den Reaktionsen- Enthalpiewerte un-
nen Sie mithilfe dieser Angaben die molare ter QR-/Medien-
thalpien der Teilreaktionen die Reak-
Verbrennungsenthalpie ΔrH0m von Butan- code 06011-32
tionsenthalpie ΔrH0(I+II) der Gesamt-
1-on (vgl. FM).
reaktion (0).
A5 Bei der Verbrennung von Hydrazin N2H4
ΔrH0(I+II) = ΔrH0(I) + ΔrH0(II)
entsteht Distickstoffmonooxid N2O,
= 156 kJ + (−286 kJ)
welches unter dem Trivialnamen Lachgas 06011-32
= −130 kJ
besser bekannt ist und in der Medizin häu-
Da die Bildungsenthalpien der an der
fig zu Narkosezwecken eingesetzt wird, und
Reaktion (0) beteiligten elementaren
Wasser. Berechnen Sie molare Bildungsen-
Stoffe Kupfer und Wasserstoff 0 be-
thalpie ΔfH0m von Hydrazin, wenn bei der
tragen, tauchen sie in dieser Gleichung
Verbrennung von 240 g dieses Stoffes eine
nicht auf (vgl. S. 270).
Reaktionswärme von 846 kJ freigesetzt
wird (ΔfH0 (N2O) = 82 kJ/mol).

CHEMISCHE ENERGETIK 271


6.3 Entropie und freie Enthalpie
Weshalb kühlt sich eine heiße Schokolade „wie von selbst“ ab oder verbrennt ein
Stück Holz „von alleine“? Was treibt diese Prozesse an und warum laufen sie spontan
in diese und nicht in die umgekehrte Richtung ab? Die chemische Energetik liefert
auch darauf Antworten und ermöglicht Vorhersagen darüber, unter welchen
Bedingungen physikalische bzw. chemische Vorgänge spontan ablaufen.

6.3.1 Versuche und Material

M Ordnung in Systemen und Wahrscheinlichkeit von Zuständen

Im Folgenden wird eine aus 20 Teilchen bestehen- M1 Der flüchtige Stoff wird von Raumtemperatur
de Stoffportion eines flüchtigen Stoffes betrachtet. zum Zeitpunkt t0 (B1) auf 40 °C zum Zeitpunkt t1
Dieser Reinstoff besitze eine Schmelztemperatur erwärmt.
von 50 °C und eine Siedetemperatur von 85 °C. Die
M2 Anschließend wird der Stoff von 40 °C auf
Abbildungen B1 und B2 zeigen die Anordnung der
95 °C erwärmt und diese Temperatur konstant
Teilchen dieses Stoffes zu verschiedenen Zeitpunk-
gehalten. B2 zeigt die Teilchenanordnung zu zwei
ten.
verschiedenen Zeitpunkten t2 und t3.

B1 Teilchenanordnung zum B2 Teilchenanordnungen zu den Zeitpunkten t2 (links)


Zeitpunkt t0 und t3 (rechts)

274 CHEMISCHE ENERGETIK


Versuche und Material 6.3

AUSWERTUNG
a) Erläutern Sie die Unterschiede, die zwischen den c) Formulieren Sie eine Hypothese, die erklärt, wel-
Zeitpunkten t0 und t1 auf Teilchenebene beob- che der beiden Teilchenanordnungen bei t2 bzw.
achtet werden können. t3 unter den in M2 gegebenen Bedingungen mit
b) Vergleichen Sie die Teilchenbilder zu den Zeit- höherer Wahrscheinlichkeit im Stoff beobachtet
punkten t0, t2 und t3. werden kann.

V Triebkräfte spontaner Prozesse 2 3 5 7 8 9

Ob physikalische Vorgänge bzw. chemische Reaktio- beiden Salze auf Teilchenebene. Verwenden Sie
nen spontan ablaufen oder nicht, hängt von verschie- dazu B3 sowie folgende Fachbegriffe: 2

denen Voraussetzungen ab. Diese Voraussetzungen Ionenbindung, Gitterenergie, Hydrathülle, Hydra-


sollen im Zuge der folgenden Experimente unter- tation, Hydratationsenergie.
sucht werden.
V3 Platzieren Sie eine mit Wasser gefüllte Petri- +

schale möglichst erschütterungsfrei auf einem Tisch


und geben Sie mithilfe einer Pinzette ein Körnchen +

Kaliumpermanganat (GHS 3 | 5 | 7 | 8 | 9) in die Mit-


+ + + + +
te der Schale. Beobachten Sie den Inhalt der Schale + + + + +

im Verlauf der Unterrichtsstunde.


+ + + + +
+ + + + +

V4 Lösen Sie jeweils einen gehäuften Spatellöffel


der Salze Natriumhydroxid (GHS 5) bzw. Ammo-
niumnitrat (GHS 3 | 7) in jeweils 100 mL Wasser. B3 Lösevorgang eines Salzes auf Teilchenebene

Verfolgen Sie den Temperaturverlauf der jeweiligen


Lösevorgänge.
c) Beschreiben Sie Ihre Versuchsbeobachtungen
V5 Tränken Sie einen in einer Porzellanschale aus V5 und erklären Sie diese auf der Teilchen-
platzierten Wattebausch unter dem Abzug vollstän- ebene.
dig mit Pentan (GHS 2 | 7 | 8 | 9) und messen Sie die d) Beschreiben Sie Ihre Versuchsbeobachtungen
Temperatur der getränkten Watte. aus LV6.
e) Ein Reaktionsprodukt der chemischen Reaktion
LV6 In einem Becherglas wird jeweils ein Spatellöf-
in LV6 ist Bariumthiocyanat Ba(SCN)2 (GHS 7).
fel Bariumhydroxid-Octahydrat Ba(OH)2 · 8 H2O
Formulieren Sie eine entsprechende Reaktions-
(GHS 5 | 7) und Ammoniumthiocyanat (Abzug!
gleichung zur Bildung dieses Reaktionsprodukts.
GHS 5 | 7) vermischt. Der Temperaturverlauf des
f) Beurteilen Sie ausgehend von Aufgabe a), ob es
Reaktionsgemischs wird verfolgt. Anschließend wird
sich bei den in V4, V5 und LV6 beobachteten
der Gasraum des Becherglases mit einem feuchten
Vorgängen um spontane Vorgänge handelt.
Universalindikatorpapier geprüft.
g) Formulieren Sie eine Hypothese, die erklärt,
welche Triebkräfte die Richtung eines spontanen
AUSWERTUNG
Vorgangs bestimmen können.
a) Erklären Sie die Versuchsbeobachtungen aus V3
und nennen Sie aus Ihrer Sicht wesentliche Kenn- ENTSORGUNG G2, G1, A, G3
zeichen eines spontan ablaufenden Vorgangs.
b) Erklären Sie die in V4 beobachtete Tempera-
turänderung während des Lösevorgangs der

CHEMISCHE ENERGETIK 275


6.3 Entropie und freie Enthalpie

6.3.2 Spontaneität und Unordnung


Im Alltag lassen sich zahlreiche Vorgänge be- Allerdings existieren auch zahlreiche Beispiele
obachten, die mit Ausnahme einer eventuellen für endotherme Vorgänge, die spontan ablau-
energetischen Aktivierung selbsttätig, d. h. ohne fen. So löst sich z. B. Ammoniumnitrat spontan
weitere aktive äußere Einwirkung ablaufen. So in Wasser (V4) und organische Stoffe wie Pen-
lösen sich Zucker oder Salze in Wasser (V3 und tan verdunsten spontan (V5). Beide Vorgänge
V4), heiße Getränke kühlen sich in einer kälte- verlaufen unter Aufnahme von Energie in Form
ren Umgebung ab, und ein Streichholz verbrennt von Wärme aus der Umgebung, und damit nicht
nach dem Reiben an einer Zündfläche ohne wei- unter Erreichen eines Energieminimums.
teres Zutun (B1). Was treibt diese spontanen Vorgänge also an?

Spontane und nicht spontane Maximale „Unordnung“ als


Vorgänge Triebkraft spontaner Vorgänge
Derartige Vorgänge bezeichnet man als spon- Betrachtet man die spontan ablaufenden Vor-
tane Vorgänge. Sie sind prinzipiell umkehrbar. gänge aus den Versuchen V3, V4 und V5 auf der
Dennoch kann z. B. nicht beobachtet werden, Teilchenebene, so lässt sich unabhängig vom
dass Zucker oder Salze ohne äußere Einwirkung energetischen Verlauf des jeweiligen Prozesses
aus einer wässrigen Lösung auskristallisieren, eine wesentliche Gemeinsamkeit feststellen:
oder dass sich ein heißes Getränk in einer küh- Beim Lösen eines Salzes in Wasser oder beim
leren Umgebung wieder erwärmt. Folglich laufen Verdunsten eines Stoffes gehen die jeweiligen
Vorgänge stets nur in eine Richtung spontan ab. Teilchen (also z. B. die Ionen eines Salzes oder
Wodurch wird bestimmt, in welche Richtung ein die Moleküle eines flüchtigen Stoffes) von einer
Vorgang spontan abläuft? vergleichsweise „kompakten“ und regelmäßigen
Anordnung (z. B. in einem Ionengitter, oder im
Falle des Pentans in einem „Pentan-Molekül-
Cluster“) in einen Zustand über, in dem sie sich
freier bewegen können und dabei unregelmäßi-
ger angeordnet sind. Oft spricht man von einer
Zunahme der „Unordnung“ auf der Teilchen-
ebene. Spontane Vorgänge können also schein-
bar ebenso vom Erreichen eines möglichst ho-
B1 Eine Brausetablette reagiert mit Wasser spontan.
Ein Streichholz verbrennt ohne weiteres Zutun. Bei-
hen Grads an Unordnung angetrieben werden.
spiele für spontane Vorgänge.

Ordnung vs. Ästhetik


Energieminimum als Triebkraft
Dass diese Ordnung bzw. Unordnung auf Teil-
spontaner Vorgänge
chenebene nur bedingt mit unserer alltäglichen,
Viele der oben genannten spontanen Vorgän- ästhetischen Auffassung von Ordnung bzw.
ge verlaufen exotherm, also unter Abgabe von Unordnung zu tun hat, zeigen die Modellexpe-
Energie. Besonders deutlich wird dies beim Lösen rimente M1 und M2 .
von Natriumhydroxid in Wasser (V4), was unter Tatsächlich sind die Teilchen des dort betrach-
Wärmeabgabe erfolgt, oder bei der Verbrennung teten Stoffes im festen Aggregatzustand zum
eines Streichholzes, die unter Abgabe von Wär- Zeitpunkt t0 (B1 , S. 274) sehr regelmäßig an-
me und Licht verläuft (B1). Beobachtungen wie geordnet und daher nach unserem Empfinden
diese legen die Schlussfolgerung nahe, dass die „ordentlicher“ als zu den Zeitpunkten t2 bzw. t3
Triebkraft eines spontanen Vorgangs das Errei- (B2 , S. 274), an denen der Stoff im gasförmigen
chen eines energiearmen Zustands (eines Ener- Zustand vorliegt. Vergleicht man die Teilchen-
gieminimums) sein kann. darstellungen im Gas, so erscheint die Anord-

276 CHEMISCHE ENERGETIK


Entropie und freie Enthalpie 6.3

nung zum Zeitpunkt t3 „ordentlicher“ zu sein als vereinigen lassen. Der beschriebene Aufteilungs-
zum Zeitpunkt t2. Dennoch sind beide Zustände vorgang führt also gewissermaßen zu einem sta-
gleich wahrscheinlich, da die Gas-Teilchen bei bileren, von selbst nicht vollständig umkehrbaren
gleichen äußeren Bedingungen (also konstantem Zustand, nämlich dem einer größeren Unord-
Druck und konstanter Temperatur) zu beiden nung.
Zeitpunkten die gleiche mittlere Energie besit- Wird einem Feststoff Energie in Form von Wär-
zen und stetig in Bewegung sind. Dass sie zum me zugeführt, nehmen dessen Teilchen eben-
Zeitpunkt t3 regelmäßiger angeordnet zu sein falls kleine Energiepäckchen davon auf. Auch
scheinen, ist aufgrund ihrer stetigen, freien und hier wird eine größere Unordnung erzeugt. Da
unregelmäßigen Bewegung zufällig und hängt zu- diese Energiepäckchen in M1 nicht ausreichen,
dem vom Blickwinkel des Betrachters ab. um die Anziehungskräfte zwischen den Teilchen
so weit zu überwinden, dass eine Aggregatzu-
standsänderung erfolgt, bleibt die „ordentliche“,
Unordnung auf Teilchenebene
gitterartige Anordnung der Teilchen erhalten. Sie
Das Verdunsten von Pentan (V5) erfordert Ener- schwingen jedoch heftiger um ihre Gitterplätze.
gie. Diese wird in Form von Wärme als „kompak-
tes Energiepaket“ von der Umgebung auf das
Die Richtung spontaner Vorgänge wird
zunächst flüssige Pentan übertragen und in viele
durch das Erreichen eines Zustands
„kleine Energiepäckchen“ aufgeteilt, die von den
minimaler Energie bzw. maximaler Un-
einzelnen Molekülen des Pentans aufgenommen
ordnung bestimmt.
werden (B2).

AUFGABEN
A1 Begründen Sie ausgehend von Ihren
Beobachtungen sowie der entsprechenden
Reaktionsgleichung, dass in LV6 die Unord-
nung zunimmt.
A2 Erläutern Sie ausgehend von A1 , dass das
kompaktes in Form von kleinen Energie-
„Energiepaket“ päckchen fein verteilte Energie Erreichen einer maximalen Unordnung
die übergeordnete Triebkraft spontaner
B2 Modellhafte Darstellung der Entstehung von Vorgänge ist.
Unordnung A3 Formulieren Sie eine Vermutung, die erklärt,
inwiefern man bei dem in B2 dargestellten
Vorgang von einer „Entwertung“ von Ener-
Diese Energieaufnahme führt zur teilweisen gie sprechen kann.
Überwindung der anziehenden Wechselwirkun- A4 Erläutern Sie unter Berücksichtigung von
gen zwischen den Pentan-Molekülen, welche Fachbegriffen den in B3 dargestellten Vor-
sich dadurch freier und unregelmäßiger bewe- gang.
gen. In der Folge kommt es zu einer Aggregatzu-
standsänderung des Stoffes.
Durch die Aufteilung des kompakten Energiebe-
trags auf viele kleine Energiepäckchen entsteht
im betrachteten System eine gewisse Unord-
nung. Die Richtung dieses spontanen Vorgangs
wird dadurch bestimmt, dass sich die fein verteil-
ten Energiepäckchen nicht „von selbst“ wieder B3 Farbstoffe aus einem Teebeutel lösen sich in
vollständig zu dem ursprünglichen Energiepaket Wasser

CHEMISCHE ENERGETIK 277


6.3 Entropie und freie Enthalpie

6.3.3 Entropie als Maß für Unordnung

Unordnung und Teilchenbewegung Entropie als absolute Zustandsgröße


Je größer die Anzahl an Energiepäckchen ist, in Sowohl die Teilchenanzahl als auch die Bewe-
welche die in einem System vorhandene Energie gungsmöglichkeiten der Teilchen innerhalb ei-
aufgeteilt werden kann, desto größer ist auch die nes Stoffes lassen sich auf der Grundlage ihres
Unordnung der Teilchen. Daraus kann zunächst geometrischen Baus absolut bestimmen. Es ist
geschlussfolgert werden, dass der Grad an Un- folglich möglich, den Grad an Unordnung in ei-
ordnung in einem System proportional zur An- nem System unter festgelegten äußeren Bedin-
zahl der darin vorhandenen Teilchen ist. gungen mithilfe einer absoluten Zustandsgröße
Entropie Die Teilchen in einem System wandeln die ihnen anzugeben. Diese Größe ist die Entropie S [J/K].
griech. en: in und zur Verfügung stehende Energie in verschiedene
trope: Umkehr,
Arten von Bewegungen um, z. B. in
Wende Entropie am absoluten Nullpunkt
• die Bewegung der Teilchen in verschiedene

Richtungen des Raums, Bei der Angabe der absoluten Entropie einer
•  Drehbewegungen der Teilchen um sich Teilchenportion geht man davon aus, dass diese
selbst, Teilchen, insofern sie untereinander alle iden-
• Schwingungsbewegungen der Teilchen bzw. tisch sind (also einem Reinstoff angehören), bei
der Atome innerhalb der Teilchen gegenein- einer absoluten Temperatur von 0 K ein absolut
ander. regelmäßiges Teilchengitter bilden, in dem auf-
Wie viele Bewegungsmöglichkeiten den Teilchen grund der fehlenden Bewegungsenergie keinerlei
eines Stoffes zugänglich sind, hängt wiederum Teilchenbewegung stattfindet. Diesem Zustand
vom Aggregatzustand des Stoffes und vom geo- ordnet man eine absolute Entropie von 0 J/K zu.
metrischen Bau und der Art der Teilchen ab.
Größere Moleküle haben mehr Dreh- und
Molare Standardentropien
Schwingungsmöglichkeiten als kleine Moleküle
(B4). Je mehr Bewegungsmöglichkeiten die Teil- Die Unordnung in einem System hängt nicht nur
chen in einem System haben, desto mehr Ener- von der Teilchenanzahl (und damit der Stoff-
giezustände können sie folglich annehmen, und menge), sondern auch vom im System insgesamt
desto größer ist prinzipiell auch die Unordnung verfügbaren Betrag an Bewegungsenergie (und
im betrachteten System. damit der Temperatur) ab. Aus diesem Grund
tabelliert man zur besseren Vergleichbarkeit die
molare Standardentropie S0m als auf Standard-
bedingungen bezogene Größe:
Wasserstoff-
Wasserstoff- Wasser-
Wasser-S⁰ J
Molekül
Molekül S0m =
Molekül
Moleküln K ∙ mol
HH22 HH
2O
2O

Reaktionsentropie
Im Verlauf der Löse- bzw. Verdunstungsvorgänge
in V3 bis V5 nehmen die Bewegungsmöglichkei-
ten der Teilchen (also der Ionen bzw. der Mole-
stoff-
ff- Wasser-
Wasser-
kül Molekül küle), die am jeweiligen Vorgang beteiligt sind, zu.
Molekül
2 H2OH2O Folglich erhöht sich auch der Grad an Unordnung
im jeweiligen System. Man sagt, es wird Entropie
„erzeugt“, weil die Entropie des Endzustands grö-
ßer als die des Ausgangszustands ist. Entropieän-
B4 Maximale Bewegungsmöglichkeiten von Wasser- derungen können auch bei chemischen Reaktio-
stoff- bzw. Wasser-Molekülen im Vergleich nen auftreten. So lösen sich in LV6 die Ionen der

278 CHEMISCHE ENERGETIK


Entropie und freie Enthalpie 6.3

beteiligten Salze im Wasser, das im Verlauf der


Reaktion gebildet wird. Sie werden folglich frei
beweglich. Zudem entsteht Ammoniakgas, in
dem sich Ammoniak-Moleküle frei und unregel-
mäßig bewegen können. Es wird also zusätzlich
Entropie erzeugt. Die auftretende Entropieände-
rung bezeichnet man als Reaktionsentropie ΔrS:
J
ΔrS = Snach – Svor > 0
K
Würde man die Prozesse in V3 bis LV6 umkeh-
ren, so würde im Verlauf dieser Vorgänge Entro-
pie „vernichtet“ werden, weil der Grad an Unord-
nung (etwa beim Auskristallisieren eines gelösten
Salzes aus einer Lösung oder dem Kondensieren B5 Wärmebildaufnahmen der Reaktion von Citro-
eines gasförmigen Stoffes) nach dem Prozess ge- nensäure mit Natriumcarbonat-Pentahydrat
ringer als vorher ist. Es würde dann gelten:
der Folge erhöht sich die Entropie im jeweiligen
ΔrS = Snach – Svor < 0 System, während die Entropie der Umgebung
durch den Entzug von Energie abnimmt. Spontan
Erfolgt innerhalb des betrachteten Systems im
können die jeweiligen Vorgänge deshalb ablau-
Zuge der Wärmeübertragung eine chemische
fen, weil dabei trotz des endothermen energeti-
Reaktion, dann kann die Reaktionsentropie ΔrS
schen Verlaufs so viel Entropie erzeugt wird, dass
näherungsweise mit dem Satz von Hess aus den Satz von HESS
die Gesamtentropie von System und Umgebung • S. 270
molaren Standardentropien der an der Reaktion
zunimmt. Für spontane Vorgänge gilt folglich:
beteiligten Stoffe berechnet werden:
ΔSgesamt = ΔSSystem + ΔSUmgebung > 0
ΔrS0 = ∑(nProdukte · S0m(Produkte)) − ∑(nEdukte · S0m(Edukte))

Die Entropie S ist ein absolutes Maß für


Entropieänderung bei spontanen
die Unordnung der Teilchen in einem
Vorgängen
System. Bei spontanen Vorgängen
Bei endothermen, spontanen Vorgängen wie in nimmt die Gesamtentropie eines Sys-
V4 bis LV6 wird jeweils Wärme aus der Umge- tems und seiner Umgebung zu.
bung auf das betrachtete System übertragen. In

AUFGABEN
A1 Erläutern Sie die Unterschiede zwischen A4 Ammoniakgas kann großtechnisch aus den
den molaren Standardentropien folgender Elementen hergestellt werden.
Stoffe: a) Schätzen Sie ausgehend von der Re-
a) flüssiges bzw. gasförmiges Wasser aktionsgleichung das Vorzeichen der
b) Wasserstoff- bzw. Ammoniakgas Reaktionsentropie ΔrS ab.
c) Wasserstoff- bzw. Stickstoffgas b) Überprüfen Sie Ihre Abschätzung rech-
Entropiewerte un-
A2 Bei der vollständigen Verdunstung von 10 g nerisch. ter QR-/Medien-
Heptan bei 25 °C tritt eine Enthalpieände- A5 Die Abbildung B5 zeigt das Versuchsergeb- code 06011-33
rung von ΔH = +3,6 kJ auf. Berechnen Sie nis der endotherm verlaufenden Reaktion
die Reaktionsentropie ΔrS. der kristallinen Feststoffe Citronensäure
A3 Berechnen Sie die Standardreaktionsen- und Natriumcarbonat-Pentahydrat. Stellen
tropie ΔrS0 der Reaktion in LV6. Deuten Sie Sie eine Vermutung auf, warum die Reakti- 06011-33

das Vorzeichen. on selbsttätig abläuft.

CHEMISCHE ENERGETIK 279


6.3 Entropie und freie Enthalpie

6.3.4 Spontane Prozesse und freie Reaktionsenthalpie

Die Gewinnung von Roheisen aus Eisenerz im die gesamte Entropieänderung im Verlauf einer
Zuge des Hochofenprozesses (B6) ist ein in- chemischen Reaktion aus den Entropieänderun-
dustriell sehr bedeutsames, aber energetisch gen von System und Umgebung ergibt:
höchst aufwändiges Verfahren. Es ist nur dann
ΔSgesamt = ΔSUmgebung + ΔSSystem
energetisch effizient, wenn die dabei relevanten
chemischen Reaktionen (etwa die Erzeugung des Die Ursache der Entropieänderung ΔSUmgebung,
Reduktionsmittels Kohlenstoffmonooxid oder die im Verlauf einer Reaktion stattfindet, ist die
die Reduktion von Eisenoxid unter Bildung von Reaktionswärme Qr,p. Diese wird entweder vom
elementarem Eisen) optimal aufeinander abge- System abgegeben und von der Umgebung auf-
stimmt sind. Eine wesentliche Voraussetzung genommen oder umgekehrt. In jedem Fall lässt
dafür kann der spontane Verlauf dieser Reakti- sich die auf die Umgebung übertragene Wärme
onen unter den extremen Bedingungen sein, die als negativer Betrag der vom System abgegebe-
im Hochofen herrschen. Da diese Bedingungen nen Wärme ausdrücken:
bei der Planung solcher Verfahren nur schwer zu
Qr,p,Umgebung = −Qr,p,System = −ΔrH
simulieren sind, kann man sich mathematischer
Q
Abschätzungsverfahren bedienen. Diese ermög- Mit ΔS = ergibt sich daraus:
T
lichen auch ohne praktische Durchführung eine ΔH
ΔSUmgebung = − r
Aussage darüber, ob die relevanten Prozesse un- T
ter den gegebenen Reaktionsbedingungen spon-
Die Entropieänderung ΔSSystem des reagierenden
tan ablaufen.
Systems kann z. B. mit dem Satz von HESS berech-
net werden. Damit ergibt sich für die Entropieän-
Eisenerz + Zuschläge + Koks
derung insgesamt:
Reaktionsgase
ΔSgesamt = ΔSUmgebung + ΔSSystem
Vorwärmzone
zum ΔH
Winderhitzer Indirekte Reduktion = − r + ΔrS
3 Fe2O3 + CO 2 Fe3O4 + CO2 T
Fe3O4 + CO 3 FeO + CO2 Eine Multiplikation dieses Terms mit (−T) ergibt
500 °C schließlich:
Reduktionszone
900 °C Direkte Reduktion −T · ΔSgesamt = ΔrH − T · ΔrS
FeO + CO Fe + CO2
Wasser- 1000 °C
kühlung Heißluft CO2 + C 2 CO
vom Die Terme (−T · ΔSgesamt) sowie (T · ΔrS) sind,
1000 °C Wind-
erhitzer
Kohlungsszone
mathematisch betrachtet, die Beträge von Re-
1400 °C
aktionswärmen bzw. Enthalpieänderungen. Der
Heißluft-
Ringleitung 2000 °C Term (−T · ΔSgesamt) wird dabei als freie Reakti-
onsenthalpie ΔrG bezeichnet.
Schmelzzone
C + O2 CO2
Analog zur Enthalpieänderung ΔH entspricht
sie der Differenz einer Zustandsgröße, die der
Chemiker JOSIAH GIBBS (1839 − 1903) als freie
Schlacke Roheisen
Enthalpie G definierte. Sie setzt sich gemäß der
B6 Schematische Darstellung der Vorgänge in einem Hochofen GIBBS-HELMHOLTZ-Gleichung aus den Zustands-
größen Enthalpie H, Temperatur T und Entropie
S zusammen:
GIBBS-HELMHOLTZ-Gleichung
Eine Möglichkeit zur mathematischen Abschät- G=H–T·S
zung der Spontaneität von Prozessen liefert die
sogenannte GIBBS-HELMHOLTZ-Gleichung . Bei
deren Herleitung geht man davon aus, dass sich

280 CHEMISCHE ENERGETIK


Entropie und freie Enthalpie 6.3

Berechnung freier Reaktions- Freie Reaktionsenthalpie in


enthalpien metastabilen Systemen
Mithilfe der GIBBS-HELMHOLTZ-Gleichung ist es Die Knallgasreaktion, bei der Wasserstoffgas
möglich, die freie Reaktionsenthalpie eines Vor- mit Sauerstoffgas explosionsartig unter Bil-
gangs aus der Reaktionsenthalpie sowie der Re- dung von Wasser reagiert, besitzt bei Raum-
aktionsentropie dieses Vorgangs zu berechnen. temperatur eine freie Reaktionsenthalpie von
Verwendet man dazu tabellierte molare Enthal- ΔrG0 = −474 kJ/mol und verläuft damit exergo-
pie- bzw. Entropiewerte, die sich auf Standardbe- nisch. Man würde folglich erwarten, dass sich ein
dingungen (p = 1013 hPa, T = 298,15 K) beziehen, entsprechendes Gasgemisch spontan entzündet,
erhält man die freie Standardreaktionsenthalpie. was jedoch nicht beobachtet werden kann. Die
Es gilt dann: Ursache dafür liegt in der relativ hohen Aktivie-
rungsenergie, die für diese Reaktion erforderlich
ΔrG0 = ΔrH0 − T · ΔrS0
ist. Wasserstoff- und Sauerstoffgas befinden sich
Es hat sich bewährt, neben den molaren Stan- als Knallgasgemisch in einem metastabilen Zu-
dardbildungsenthalpien ΔfH0m von Stoffen auch stand. Solche Systeme nennt man kinetisch ge-
deren molare freie Standardbildungsenthalpien hemmt und sie reagieren nur in Anwesenheit ei-
ΔfG0m zu tabellieren. Die freie Standardreaktions- nes Katalysators oder wenn sie aktiviert werden,
enthalpie kann folglich auch aus diesen Werten z. B. durch einen Zündfunken.
über den Satz von HESS ermittelt werden.
Näherungsweise kann man die jeweils auf Stan-
Ein Vorgang läuft bei gegebener Tempe-
dardbedingungen bezogenen tabellierten Ent-
ratur T spontan ab, wenn dabei die freie
halpie- bzw. Entropiewerte auch zur Berechnung
Reaktionsenthalpie ΔrG des Systems
der freien Reaktionsenthalpie bei anderen Tem-
abnimmt, die Änderung der freien
peraturen als der Standardtemperatur einsetzen.
Enthalpie ΔG also negativ ist. Solche
Prozesse sind exergonisch.
Exergonische vs. endergonische
Vorgänge
Errechnet man für einen Vorgang eine negative
AUFGABEN
freie Reaktionsenthalpie, so handelt es sich um
A1 2 mol Methangas werden bei Raumtempe-
einen exergonischen Vorgang, der spontan ab-
ratur vollständig verbrannt.
läuft. Vorgänge, deren freie Reaktionsenthalpie
a) Formulieren Sie die Reaktionsgleichung.
positiv ist, sind hingegen endergonisch und lau-
b) Berechnen Sie die Standardreaktionsen-
fen nicht spontan ab.
thalpie ΔrH0, die Standardreaktionsen-
Aus der GIBBS-HELMHOLTZ-Gleichung geht hervor,
tropie ΔrS0 sowie die freie Standardreak-
dass es von der jeweils vorherrschenden Tempe-
tionsenthalpie ΔrG0.
ratur abhängt, ob ein Vorgang exergonisch oder
A2 Zeigen Sie durch Berechnungen, dass die
endergonisch ist. Z. B. ist die Bildung von elemen-
Bildung von Eisen aus Eisen(II)-oxid durch
tarem Eisen aus Eisen(II)-oxid durch Reaktion
Reaktion mit Kohlenstoffmonooxid bei
mit Kohlenstoffmonooxid (B6) bei 25 °C eine
25 °C exergonisch, bei 1 000 °C hingegen
exergonische Reaktion, verläuft bei ca. 1000 °C
endergonisch ist.
im Hochofen aber nicht spontan.
A3 Ermitteln Sie die Grenztemperatur, bis zu
welcher die Reaktion von Eisen(II)-oxid mit
Kohlenstoffmonooxid exergonisch ist.
A4 Betrachten Sie B5 auf Seite 279 und erläu-
tern Sie die Beobachtungen unter Verwen-
dung der Gibbs-Helmholtz-Gleichung.

CHEMISCHE ENERGETIK 281


E EXKURS

6.3.5 Energetische Betrachtung des chemischen


Gleichgewichts
Viele chemische Reaktionen ver-
laufen zwar spontan, aber unvoll-
Veresterung Esterhydrolyse
ständig, da in ihrem Verlauf ein dy-
namischer Gleichgewichtszustand
erreicht wird. In diesem Zustand
läuft neben der exergonischen Re- Ethanol-Molekül Essigsäure-Molekül Wasser-Molekül
Essigsäureethylester-Molekül
aktion auch die endergonische
Rückreaktion in messbarem Um- B1 Modellhafte Betrachtung der Bildung bzw. Hydrolyse von Essigsäureethylester auf
fang ab. Wie kann eine Reaktion, Teilchenebene
die energetisch eigentlich erzwun-
gen werden muss, in solchen Fällen Die Esterhydrolyse kann also eigent-
G freie Enthalpie G
selbsttätig ablaufen? lich nur unter energetischem Zwang
ablaufen. Dennoch reagieren mit
Bildung von Essigsäureethylester ΔrGhin = –ΔrGrück
fortschreitendem Stoffumsatz der
Zur Klärung dieser Frage wird bei- Veresterung einige der entstande-
spielhaft der energetische Verlauf nen Essigsäureethylester-Moleküle
der Veresterung (abgekürzt mit V) mit Wasser-Molekülen wieder zu
von Essigsäure mit Ethanol zu Essig- Edukten. Ein vollständiger Stoffum- Reaktionsverlauf
säureethylester betrachtet: satz aller eingesetzten Edukte wird 100 % Edukte 0%
0% Produkte 100 %
Essigsäure + Ethanol daher nicht erreicht.
 Essigsäureethylester + Wasser Die Ursache für diesen scheinbaren S Entropie S
Widerspruch ist, dass durch eine
Die Berechnung der freien Reak-
teilweise Rückreaktion der Produkt-
tionsenthalpie Δ rG 0 der Reakti- ΔrShin = –ΔrSrück
Moleküle hier ein Zustand erreicht
on gemäß dem Satz von HESS (vgl.
wird, dessen Entropie S größer ist als
S. 270) zeigt, dass diese Reaktion
die Entropie des Ausgangszustands
unter Standardbedingungen exergo-
bzw. des Zustands bei vollständigem
nisch verläuft: Reaktionsverlauf
Stoffumsatz der Edukte. 100 % Edukte 0%
ΔrG = [(-337,07) + (-237,2)
0
V In einem Gemisch, in dem Edukt- 0% Produkte 100 %
- (-174,77) - (-392,5)] kJ/mol = und Produkt-Teilchen in ähnlichen
- 7 kJ/mol Anteilen nebeneinander vorliegen, B2 Änderung der freien Enthalpie G
(oben) sowie der Entropie S (unten) im
kann die Unordnung folglich größer Verlauf einer exergonischen Reaktion, die
Zu Beginn der Reaktion liegen im Re-
sein als bei vollständigem Umsatz unter Entropiezunahme verläuft
aktionsgemisch ausschließlich Essig-
aller Edukt-Teilchen (B1).
säure- und Ethanol-Moleküle im stö-
lung des chemischen Gleichgewichts
chiometrischen Verhältnis vor. Diese
Trägt man für das Beispiel der Reak- ebenfalls exergonisch verläuft (Ab-
reagieren unter den entsprechenden
tion von Essigsäure mit Ethanol die nahme der freien Enthalpie).
Bedingungen spontan unter Bildung
freie Enthalpie G bzw. die Entropie S
von Essigsäureethylester- und Was-
des Reaktionsgemisches in Abhängig-
ser-Molekülen miteinander. Dabei Verbrennung von Kohlenstoff
keit vom Stoffumsatz qualitativ auf, so
nimmt die freie Enthalpie G des Ge-
zeigen die entsprechenden Graphen Betrachtet man die Verbrennung
misches kontinuierlich ab (B2, oben).
lokale Extrema (B2). Diese kenn- von Kohlenstoff an Luft, so handelt
Die Rückreaktion der exergonischen
zeichnen den dynamischen Gleich- es sich auch hierbei um eine exergo-
Veresterung ist die Esterhydrolyse
gewichtszustand (vgl. S. 55). nische Reaktion, die bei Raumtem-
(abgekürzt mit H). Sie verläuft folg-
B2 zeigt außerdem, dass die insgesamt peratur und unter Zufuhr der ent-
lich insgesamt endergonisch. Es gilt:
endergonisch verlaufende Rückreakti- sprechenden Aktivierungsenergie
ΔrG0H = −ΔrG0V = +7 kJ/mol on, die Esterhydrolyse, bis zur Einstel- spontan abläuft:

282 CHEMISCHE ENERGETIK


EXKURS E

Kohlenstoff + Sauerstoff ∆rG0 in kJ/mol Gleichgewichtslage Kc


Kohlenstoffdioxid -30 < ∆rG0 < 0 Das Gleichgewicht liegt auf der Seite der Produkte. >1
ΔrG0hin = −394 kJ/mol - (0 kJ/mol 0 < ∆rG0 < +30 Das Gleichgewicht liegt auf der Seite der Edukte. >1
+ 0 kJ/mol) = -394 kJ/mol 0 Im Gemisch liegen zu 50 % Edukte bzw. Produkte vor. =1

Auch diese Reaktion ist prinzipiell B4 Beurteilung der Gleichgewichtslage


umkehrbar. Die Rückreaktion ist un-
ter Standardbedingungen endergo- Weshalb kommt es im Falle der Ver-  ΔrG0 ≤ −30 kJ/mol
nisch. Es gilt: esterung von Essigsäure zu einer Die Reaktion ist exergonisch. Sie ver-
Gleichgewichtseinstellung, während läuft spontan und nahezu vollständig
ΔrG 0
= −ΔrG 0
= +394 kJ/mol
rück hin
die Verbrennung von Kohlenstoff (Stoffumsatz fast 100 %). Die Rückre-
vollständig abläuft? aktion läuft kaum ab.
Führt man diese Reaktion unter
Einsatz stöchiometrischer Mengen
Die Antwort auf diese Frage liegt im  ΔrG0 ≤ +30 kJ/mol
Betrag der freien Reaktionsenthalpie Die Reaktion ist endergonisch. Sie läuft
an Kohlenstoff bzw. Sauerstoffgas
ΔrG0 der jeweiligen Hin- bzw. Rück- nahezu gar nicht ab (Stoffumsatz fast
durch, können nach Ablauf der Re-
reaktion. Je stärker exergonisch eine 0 %).
aktion im Reaktionsgemisch keine
messbaren Mengen an Edukten
chemische Reaktion ist, desto näher  −30 kJ/mol < ΔrG0 < +30 kJ/mol
liegt der Zustand minimaler freier En- Die Reaktion ist eine Gleichgewichtsre-
mehr nachgewiesen werden. Die
thalpie bzw. maximaler Entropie am aktion. Im Reaktionsgemisch befinden
Reaktion verläuft vollständig.
Endzustand der Reaktion, also bei ei- sich messbare Mengen an Edukten und
Gleichgewicht liegt weit rechts; Reaktion nach rechts
nem Stoffumsatz von nahezu 100 % Produkten.
Gleichgewicht liegt nahezu
G verläuft
Gleichgewicht
weit rechts;
liegt nahezu
Reaktion
vollständig
weit rechts; G nach
Reaktion
rechts (B3, oben). Für stark endergonische Zudem ermöglicht die Berechnung
G verläuft vollständig G nach rechts
G verläuft nahezu vollständig G Reaktionen ist es entsprechend um- von ΔrG0 die Beurteilung der Gleich-
gekehrt (B3, Mitte). gewichtslage (B4).
ΔrG << 0
ΔrG << 0
ΔrG << 0 Liegen die freien Enthalpien des Der Zahlenwert der Gleichgewichts-
Ausgangs- bzw. Endzustands hin- konstante K c hängt dabei nähe-
Gleichgewicht Reaktions- gegen nahe beieinander, ist der Be- rungsweise über folgenden mathe-
Gleichgewicht Reaktions-
Gleichgewicht verlauf
Reaktions-
100 % Edukte 0 % verlauf
verlauf
trag der freien Reaktionsenthalpie matischen Zusammenhang mit der
100
0%% Edukte
% Produkte 1000 %
%
100 Edukte
0 % Produkte 100 %
0% ΔrG0 der Hin- bzw. der Rückreaktion freien Reaktionsenthalpie ΔrG0 einer
0 % liegtProdukte
Gleichgewicht 100 % nach rechts
weit links; Reaktion
Gleichgewicht liegt weit
G verläuft links;nicht
nahezu Reaktion
Gnach rechts sehr gering. Dann laufen Hin- und chemischen Reaktion zusammen:
Gleichgewicht liegt weit links;nicht
Reaktion
G verläuft nahezu Gnach rechts
G verläuft nahezu nicht G Rückreaktion mit einem messba-
ΔrG0 = −5,7 kJ/mol · lg Kc
ren Stoffumsatz ab und es kommt
ΔrG >> 0 zur Einstellung eines dynamischen
ΔrG >> 0
ΔrG >> 0
Gleichgewichtes bei einem mittle-
Gleichgewicht Reaktions- ren Stoffumsatz beider Reaktionen
Gleichgewicht Reaktions-
Gleichgewicht verlauf
Reaktions- (B3, unten).
100 % Edukte 0 % verlauf
100 % Edukte 0% verlauf
0%
100 % Produkte
Edukte 100
0% %
0 % Produkte 100 %
0 % Produkte 100
G „mittleres“ Gleichgewicht G%
G „mittleres“
G „mittleres“
Gleichgewicht
stellt sich ein
Gleichgewicht
stellt sich ein
G
G Abschätzung der
stellt sich ein
Gleichgewichtslage
AUFGABE
ΔrG ~ 0
ΔrG ~ 0
ΔrG ~ 0 Ausgehend von der freien Reaktions- A1 Beurteilen Sie, ob bei den
enthalpie ΔrG0 einer chemischen Re- folgenden Reaktionen bei
Gleichgewicht
Gleichgewicht
Gleichgewicht
Reaktions-
Reaktions- aktion kann also abgeschätzt werden, 298 K bzw. 1 500 K der Anteil
verlauf
Reaktions-
100 % Edukte 0 % verlauf
verlauf
ob eine Reaktion vollständig verläuft der Edukte oder der Produkte
100
0% Edukte
% Produkte 0
100 %
%
100 % Edukte
0 % Produkte
0%
100 % oder ob es sich um eine Gleichge- im Gemisch überwiegt:
0 % Produkte 100 %
wichtsreaktion handelt. Für prakti- a) CO + H2O CO2 + H2
B3 Qualitative Abschätzung der sche Anwendungen hat sich folgende b) C + CO2 2 CO
Gleichgewichtslage Fallunterscheidung bewährt: c) C + H2O CO + H2

CHEMISCHE ENERGETIK 283


BW BASISWISSEN

Alles im Blick

1 Energie und Reaktionswärme

Die Untersuchung von Energieumwandlungen im Wird im Verlauf einer chemischen Reaktion Wärme
Verlauf physikalischer bzw. chemischer Prozesse ist an die Umgebung abgegeben, so ist die Reaktion im
nur innerhalb eines durch enge Grenzen definierten System exotherm:
Raums, dem sogenannten System möglich. Alle Qr = Unach – Uvor < 0
Komponenten außerhalb der definierten System-
Wird dabei hingegen Wärme vom reagierenden Sys-
grenzen gehören zu dessen Umgebung.
tem aufgenommen, so ist die Reaktion endotherm:
Es werden offene, geschlossene und isolierte Qr = Unach – Uvor > 0
Systeme unterschieden. Dies hängt davon ab, ob ein
Der Betrag von Reaktionswärmen kann mithilfe
Stoff- bzw. Energieaustausch zwischen System und
einer künstlich stark eingeengten Umgebung, einem
Umgebung möglich ist.
sogenannten Kalorimeter, experimentell bestimmt
Stoff- werden. Das Kalorimeter tauscht dabei die gesamte
austausch
Reaktionswärme mit dem untersuchten System aus.
Dieser Austausch führt im Kalorimeter zu einer Tem-
peraturänderung ΔT, die proportional zum Betrag
der vom Kalorimeter aufgenommenen Wärme Q ist.
Der Betrag dieser Wärme entspricht dem negativen
Energie- Energie-
austausch austausch Betrag der Reaktionswärme Qr:
Stoff- und Energie- Kein Stoffaustausch Weder Stoff- noch Q = C · ΔT = -Qr
austausch mit der mit der Umgebung. Energieaustausch
Umgebung Energieaustausch mit der Umgebung
jedoch möglich Die Proportionalitätskonstante C ist die Wärmekapa-
zität der gesamten Versuchsanordnung. Sie setzt sich
als Summe aus der Wärmekapazität CW der Kalo-
Energie kann im Verlauf von chemischen Reaktionen
rimeterflüssigkeit und der Wärmekapazität CK des
in Form von Wärme oder Arbeit zwischen System
Kalorimeters zusammen.
und Umgebung ausgetauscht werden. Im ersten Fall
spricht man von Reaktionswärme Qr. Durch diesen Bezieht man den Betrag der Reaktionswärme auf den
Energieaustausch ändert sich die innere Energie U Stoffumsatz der Reaktion, so erhält man die molare
des Systems. Die Änderung ΔU der inneren Energie Reaktionswärme Qr,m:
bezeichnet man als Reaktionsenergie. Q
Qr,m = r
n

2 Reaktionsenthalpie und Bildungsenthalpie

Bei chemischen Reaktionen, die ohne Volumenände- Differenz der Reaktionsenergie und dem Betrag an
rung ablaufen, entspricht der Betrag der Reaktions- auftretender Volumenarbeit:
wärme Qr,V der Reaktionsenergie ΔrU.
Qr,p = ΔrU – WVol = ΔrU + p · ΔV
Bei chemischen Reaktionen, in deren Verlauf es zu
Volumenveränderungen kommt, tritt ein Teil der Die Reaktionswärme Qr,p wird als Reaktionsenthal-
Reaktionsenergie ΔrU nicht in Form von Wärme, pie ΔrH bezeichnet. Reaktionsenthalpien verschiede-
sondern von Volumenarbeit WVol in Erscheinung. ner Prozesse sind nur dann miteinander vergleichbar,
Die Reaktionswärme Qr,p errechnet sich dann aus der wenn sie auf den Stoffumsatz der Reaktion und eine

286 CHEMISCHE ENERGETIK


6

festgelegte Temperatur (meist 25 °C bzw. 298,15 K) tende Verbrennungsenthalpie ΔcH meist als posi-
bezogen werden: tiver Betragswert angegeben. Dieser Wert wird auch
als Heizwert Hi bezeichnet und gilt für den Fall, dass
ΔrH Qr,p
ΔrH0m = = bei der Verbrennung gebildetes Wasser gasförmig
n n
vorliegt. Kondensiert dieses Wasser, so wird zusätz-
Für die Bildung von Verbindungen aus elementaren lich Kondensationswärme frei, wodurch der Betrag
Stoffen werden molare Standardbildungsenthalpi- der Verbrennungsenthalpie steigt. Dieser höhere
en ΔfH0m tabelliert. Betrag wird dann als Brennwert Hs bezeichnet.
Ist die Reaktionsenthalpie einer chemischen Reakti- Heiz- bzw. Brennwerte von Brennstoffen beziehen
on experimentell nicht zugänglich, kann sie mithilfe sich meist auf die Verbrennungstemperatur und kön-
des Satzes von HESS näherungsweise aus den mola- nen nur dann als molare Größen angegeben werden,
ren Standardbildungsenthalpien der an der Reaktion wenn es sich bei den Brennstoffen um Reinstoffe
beteiligten Edukte und Produkte berechnet werden: handelt. Für Brennstoffgemische gibt man hingegen
spezifische Heiz- bzw. Brennwerte an. Deren Beträ-
ΔrH0 = Σ(nProdukte · ΔfH0Produkte) – Σ(nEdukte · ΔfH0Edukte)
ge beziehen sich auf die Masse bzw. das Volumen an
Für Brennstoffe wird die bei der Verbrennung auftre- verbranntem Brennstoffgemisch.

3 Entropie und freie Reaktionsenthalpie

Vorgänge laufen stets nur in die Richtung spontan, Spontane Vorgänge zeichnen sich dadurch aus, dass
d. h. ohne weitere aktive äußere Einwirkung ab, in der die Gesamtentropie von System und Umgebung
auf Teilchenebene ein maximaler Grad an Unord- zunimmt:
nung erreicht wird. Unordnung entsteht immer dann,
Sgesamt = ΔSSystem + ΔSUmgebung > 0
wenn die vorhandene Energie in kleinere Energie-
päckchen aufgeteilt wird. Die freie Reaktionsenthalpie ΔrG ist ein Maß dafür,
ob eine Reaktion bei gegebener Temperatur T spon-
Die Entropie S ist ein absolutes Maß für die Unord-
tan abläuft. Sie kann mithilfe der GIBBS-HELMHOLTZ-
nung in einem System. Sie beträgt für einen Reinstoff
Gleichung näherungsweise unter Berücksichtigung
am absoluten Nullpunkt (T = 0 K) S = 0.
der Standardreaktionsenthalpie und der Standardre-
Der Wert der Entropie eines Stoffes ist sowohl aktionsentropie der betrachteten Reaktion berechnet
temperatur- als auch stoffmengenabhängig, weshalb werden:
die Entropien verschiedener Reinstoffe als molare
ΔrG0 = ΔrH0 - T · ΔrS0
Standardentropien S0m tabelliert werden:
Alternativ ist auch hier eine Berechnung aus den
S0
S0m = freien Standardbildungsenthalpien der am Vorgang
n
beteiligten Edukte und Produkte mit dem Satz von
Die Entropieänderung kann im Verlauf eines Prozes- HESS möglich.
ses näherungsweise über den Satz von HESS aus den
molaren Standardentropien der beteiligten Edukte
und Produkte berechnet werden:
ΔrS0 = Σ(nProdukte · S0m(Produkte)) - Σ(nEdukte · S0m(Edukte))

CHEMISCHE ENERGETIK 287


A AUFGABEN

Zum Üben und Weiterdenken


A1 In einer Kalorimeterbombe werden 10 g Kupfer(II)- A3 In einem Röhrenofen wird Magnesiumcarbonat so
oxid CuO mit Kohlenstoff zur Reaktion gebracht. stark erhitzt, dass Kohlenstoffdioxid entsteht, der
Die dabei freiwerdende Reaktionswärme beträgt bei konstantem Druck (p = 1013 hPa) entweichen
Qr = -10,5 kJ. kann. Berechnen Sie die Grenztemperatur, bei der
die Zersetzung in Kohlenstoffdioxid CO2 und Mag-
Rührer + – elektrische nesiumoxid MgO beginnt. Benennen Sie den Fehler,
Zünddrähte der bei dieser Berechnung in Kauf genommen wird.
Thermometer
A4 Schätzen Sie für folgende Reaktionen die Reak-
„Stahlbombe“, tionsentropie grob ab (nimmt zu, nimmt ab oder
Verbrennungsbehälter bleibt etwa gleich), begründen Sie die Aussage kurz
mit reinem Sauerstoff
und berechnen Sie für zwei oder drei geeignete
Kalorimeterwasser
Beispiele ΔrS dann mithilfe der Tabellenwerte.
10 g CuO + C
a) Magnesium verbrennt.
b) Methan verbrennt, wobei flüssiges Wasser ent-
steht.
a) Formulieren Sie die Reaktionsgleichung. c) Kohlenmonooxid verbrennt.
b) Begründen Sie, dass der Betrag der Reaktions- d) Ein Kochsalz-Kristall wird in Wasser gelöst.
wärme unter diesen Bedingungen näherungs- e) Wasser verdunstet in einem offenen Gefäß.
weise dem Betrag der Reaktionsenergie ΔrU der f) Ein Kochsalz-Kristall wird in Benzin gegeben.
Reaktion entspricht. g) Ein Liter Meerwasser wird mit einem Liter destil-
c) Berechnen Sie das Volumen des gasförmigen lierten Wasser vermischt.
Reaktionsprodukts bei vollständiger Umsetzung h) Bromdampf und Luft vermischen sich.
der Menge an Kupferoxid.
Hinweis: molares Volumen von Gasen: Der Brennwert von Erdgas (Hauptbestandteil: Me-
A5
Vm = 24,5 L/mol. than) soll experimentell bestimmt werden. Dafür
d) Berechnen Sie die Volumenarbeit WVol, die auf- steht lediglich ein Verbrennungskalorimeter zur
treten würde, wenn diese Reaktion außerhalb der Verfügung. Darin werden 50 g Erdgas im Sauerstoff-
Kalorimeterbombe unter Standardbedingungen strom vollständig verbrannt. Das dabei entstehende
ablaufen würde. Deuten Sie deren Vorzeichen. Wasser entweicht gasförmig. Aus der gemessenen
Hinweis: p = 1,013 bar = 101 300 N/m2. Temperaturänderung des Kalorimeterwassers wird
e) Ermitteln Sie mithilfe Ihres Ergebnisses aus d) anschließend die bei der Verbrennung freigesetzte
die Standardreaktionsenthalpie ΔrH0 dieser Wärmemenge errechnet.
Reaktion. Überprüfen Sie die Richtigkeit Ihres Sie beträgt Q = -2 390,5 kJ.
Ergebnisses anschließend durch eine entspre- a) Berechnen Sie ausgehend von diesen Daten nä-
chende Berechnung mit dem Satz von HESS. herungsweise den spezifischen Heizwert sowie
den spezifischen Brennwert von Erdgas in der
A2 In Heizkraftwerken werden die verschiedensten Einheit kJ/kg.
Stoffe verbrannt, unter anderem auch Kunststoff-  Hinweis: molare Kondensationswärme von Was-
abfälle. Aus einer Kunststofffabrik werden Restbe- ser: -44 kJ/mol.
stände des Feststoffs Phenol C6H5OH angeliefert. b) Vergleichen Sie die von Ihnen errechneten
a) Berechnen Sie die Reaktionsenthalpie für die Werte mit Literaturwerten und erläutern Sie
Verbrennung von 1 mol Phenol, wobei das dabei mögliche Gründe für eventuelle Abweichungen.
gebildete Wasser als Wasserdampf das Kraft-
werk verlässt.
b) Ermitteln Sie den Heizwert von Phenol in MJ/kg.
c) Schätzen Sie die Entropieänderung bei der Ver-
brennung ab und begründen Sie Ihre Antwort.

288 CHEMISCHE ENERGETIK


6

A6 Berechnen Sie die Standardreaktionsenthalpien für menge vom Heizkörper auf die Raumluft perfekt
folgende chemische Reaktionen: isoliert ist.
a) 2 g Kupfer(II)-oxid reagieren mit Kohlenstoff b) Begründen Sie, dass die tatsächlich auftretende
vollständig zu Kupfer und einem gasförmigen Entropieänderung im Raum von der zu erwar-
Produkt, mit dem die Kalkwasserprobe positiv tenden Entropieänderung abweicht.
verläuft. c) Begründen Sie, dass die Übertragung einer iden-
b) 5 g Ammoniakgas werden mit Sauerstoffgas zu tischen Wärmemenge auf die Luft im Klassen-
Stickstoffgas und einem weiteren Produkt umge- raum bei einer höheren Ausgangstemperatur der
setzt, welches ebenfalls gasförmig ist. Raumluft zu einer geringeren Entropieänderung
c) Die in b) beschriebene Reaktion wird unter führt.
Reaktionsbedingungen durchgeführt, bei denen
das in b) genannte weitere Reaktionsprodukt A9 Auch Holzgas versuchte man früher für den Antrieb
flüssig ist. von Autos zu nutzen (S. 268). Im Holzgasgenerator
wurde Holz zu Holzkohle verschwelt, die anschlie-
A7 Auch für die Bildung von Elektronenpaarbindungen ßend hauptsächlich zu Kohlenstoffmonooxid
zwischen Atomen gleicher oder verschiedener Ele- vergast wurde. Nennen Sie Gründe, aus welchen
mente können molare Enthalpiewerte, sogenannte Benzin der bevorzugte Kraftstoff für den Antrieb
molare Standardbindungsenthalpien, angegeben von Autos wurde.
werden. Da bei der Bildung von Elektronenpaar-
bindungen Energie freigesetzt wird, haben diese
Enthalpiewerte stets ein negatives Vorzeichen.
Im Folgenden soll die Verbrennungsreaktion von
Ethingas betrachtet werden, das beim sogenannten
Acetylen-Schweißen zum Einsatz kommt.
a) Formulieren Sie die Reaktionsgleichung für die
vollständige Verbrennung von Ethin mithilfe von
Strukturformeln mit allen bindenden und nicht
bindenden Elektronenpaaren.
b) Ermitteln Sie durch eine Bilanzierung der
entsprechenden Enthalpiewerte
(vgl. QR-/Mediencode 06011-34) nä-
herungsweise die molare Standardre-
aktionsenthalpie für die Verbrennung
von Ethin. 06011-34
A10 Wasserstoff und Chlor bilden in einem stöchio-
c) Berechnen Sie die molare Standardreaktionsen-
metrischen Stoffmengenverhältnis von 1 : 1 das
thalpie dieser Reaktion anschließend mit dem
sogenannte Chlorknallgas. Eine Reaktion der beiden
Satz von HESS. Vergleichen Sie dieses Ergebnis
Gemisch-Komponenten erfolgt erst, nachdem das
mit dem Ergebnis aus b) und geben Sie mögliche
Gemisch einem Lichtblitz oder erhöhter Tem-
Gründe für eventuelle Abweichungen an.
peratur ausgesetzt wurde. Als Reaktionsprodukt
A8 Die Raumluft in einem leeren Klassenraum soll im entsteht Chlorwasserstoffgas.
Winter durch einen Heizkörper von 12 °C auf eine a) Formulieren Sie die entsprechende Reaktions-
Temperatur von 23 °C erwärmt werden. Die Außen- gleichung.
temperatur beträgt konstant -4 °C. b) Ermitteln Sie rechnerisch, dass es sich dabei um
a) Erläutern Sie die Entropieänderung, die im eine exotherme Reaktion handelt, die auch unter
Verlauf der Erwärmung im Klassenraum auftritt, Berücksichtigung der Entropie begünstigt ist.
wenn angenommen wird, dass der Raum bei c) Erklären Sie an diesem Beispiel den Begriff des
Übertragung einer entsprechenden Wärme- metastabilen Zustands.

CHEMISCHE ENERGETIK 289


KC KOMPETENZCHECK

Ziel erreicht?
Verfügen Sie über die Kompetenzen dieses Kapitels? Lösen Sie die entsprechenden Aufgaben
(Arbeitsblatt unter QR-/Mediencode 06011-35) und bewerten Sie sich mithilfe der Tabelle rechts unten.
06011-35

KOMPETENZ A: Merkmale offener, geschlossener und b) Berechnen Sie den Be- Thermometer

isolierter Systeme beschreiben trag der Wärme Q, die im Rührer


Verlauf des Experiments
A1 Ordnen Sie begründet den gezeigten Beispielen die
vom Kalorimeterwasser
Begriffe offenes System, geschlossenes System und
aufgenommen wird.
isoliertes System zu.
c) Ermitteln Sie die Ver- 500 g Wasser

brennungsenthalpie ΔcH
der Kohlenstoff-Portion 1 g Kohlenstoff

im Kalorimeter sowie die


Stopfen
molare Verbrennungs-
Sauerstoff
enthalpie ΔcHm von
Kohlenstoff.
d) Vergleichen Sie den von Ihnen ermittelten Wert
für die molare Verbrennungsenthalpie von Koh-
lenstoff mit dem Literaturwert und erläutern Sie
zwei mögliche Begründungen für eine eventuelle
Abweichung.
KOMPETENZ B: Eine kalorimetrische Messung
auswerten
KOMPETENZ C: Reaktionsenthalpien und Bildungsen-
B1 Die molare Verbrennungsenthalpie ΔcHm von thalpien mit dem Satz von Hess berechnen
Kohlenstoff soll experimentell bestimmt werden.
C1 Berechnen Sie mithilfe tabellierter Werte die
Dazu wird 1 g Kohlenstoff in einem Verbrennungs-
Enthalpieänderungen für folgende Reaktionen,
kalorimeter (CK = 100 J/K) im Luftstrom verbrannt.
bezogen auf den jeweils angegebenen Stoffumsatz:
Dabei wird der zeitliche Temperaturverlauf des
Kalorimeterwassers (mW = 500 g, cW = 4,19 J/(g · K)) a) 2 Mg (s) + O2 (g) 2 MgO (s)
gemessen. (bezogen auf die Bildung
Es ergeben sich folgende Messwerte: von 2 mol Magnesiumoxid)

t in s 0 15 30 45 60 75 90 b) C2H5OH (l) + CuO (s)


 CH3-CHO (l) + Cu (s) + H2O (l)
ϑ in °C 21,0 20,8 20,9 21,3 21,5 23,0 25,0 (bezogen auf die Umsetzung
t in s 105 120 135 150 165 180 195 von 1 mol Ethanol)
ϑ in °C 27,5 29,5 31,0 32,5 34,0 34,5 34,5 c) CaCl2 (s) Ca2+ (aq) + 2 Cl- (aq)
t in s 210 225 240 255 270 285 300 (bezogen auf die Bildung
von 1 mol freier Chlorid-Ionen)
ϑ in °C 34,5 34,0 34,2 34,2 34,5 34,3 34,0
d) H2O (g) H2O (l)
a) Erstellen Sie für die kalorimetrische Messung ein (bezogen auf die Kondensation
Temperatur-Zeit-Diagramm und ermitteln Sie von 0,5 mol Wasserdampf)
grafisch die Temperaturdifferenz ΔT des Kalori-
C2 Für folgende Verbrennungsreaktionen sind die
meterwassers.
zugehörigen Reaktionsenthalpien experimentell
zugänglich:

290 CHEMISCHE ENERGETIK


6

(1) C + O2 CO2 ΔrHm = -394 kJ/mol a) C (s) + O2 (g) CO2 (g)


(2) CO + ½ O2 CO2 ΔrHm = -282 kJ/mol b) NH3 (g) + HCl (g) NH4Cl (s)
Ermitteln Sie davon ausgehend die molare Standard- c) SO3 (g) + H2O (l) H2SO4 (l)
bildungsenthalpie ΔfH0m von Kohlenstoffmonooxid.
d) 2 NH4NO3 (s) 4 H2O (g) + 2 N2 (g) + O2 (g)
C3 10 g flüssiges Propan können an einem geeigneten
D3 Überprüfen Sie Ihre Ergebnisse aus Aufgabe D2
Katalysator mit Sauerstoff zu Propanal umgesetzt
rechnerisch.
werden (ΔrH = -85 kJ). Propanal verbrennt vollstän-
dig zu Kohlenstoffdioxid und Wasser (ΔrHm =
-1848 kJ/mol). Ermitteln Sie mithilfe dieser Anga-
KOMPETENZ E: Berechnungen mithilfe der GIBBS-
ben die molare Verbrennungsenthalpie ΔcHm von
HELMHOLTZ-Gleichung durchführen, um chemische
Propan.
Reaktionen energetisch zu klassifizieren

E1 Erklären Sie die Begriffe exergonischer Vorgang bzw.


KOMPETENZ D: Änderungen der Entropie bei chemi- endergonischer Vorgang.
schen Reaktionen erläutern und Reaktionsentropien
E2 Entscheiden Sie auf Grundlage entsprechender
mit dem Satz von HESS berechnen
Berechnungen, ob folgende Prozesse bei 25 °C bzw.
D1 Eine Portion Stickstoffgas (m = 10 g) wird unter bei 100 °C spontan ablaufen können.
Standardbedingungen erwärmt. Dabei wird eine Hinweis: Die Temperaturabhängigkeit der entspre-
Wärmemenge von Q = 20 kJ vollständig auf die chenden tabellierten Werte kann dabei vernachläs-
Stickstoffportion übertragen. Berechnen Sie die sigt werden.
daraus resultierende Reaktionsentropie ΔrS.
a) 2 NO2 (g) N2O4 (g)
D2 Schätzen Sie das Vorzeichen der Entropieänderung b) 2 SO2 (g) + O2 (g) 2 SO3 (g)
bei den folgenden chemischen Reaktionen ab. Be-
c) 2 Cu2S (s) + 3 O2 (g) 2 Cu2O (s) + 2 SO2 (g)
gründen Sie Ihre Abschätzungen auf Teilchenebene.

Vergleichen Sie Ihre Antworten mit den Lösungen auf Seite 464 und kreuzen Sie auf dem Arbeitsblatt an.

Kompetenz ja nein zum Nachlesen

Merkmale offener, geschlossener und isolierter


A S. 256 – 257
Systeme beschreiben
B Eine kalorimetrische Messung auswerten S. 258 – 261
Reaktionsenthalpien und Bildungsenthalpien
C S. 270 – 271
mit dem Satz von HESS berechnen
Änderungen der Entropie bei chemischen Reaktionen
D erläutern und Reaktionsentropien mit dem Satz von S. 278 – 279
HESS berechnen
Berechnungen mithilfe der GIBBS-HELMHOLTZ-
E Gleichung durchführen, um chemische Reaktionen S. 280 – 281
energetisch zu klassifizieren

CHEMISCHE ENERGETIK 291


KC KOMPETENZCHECK

Klausuraufgaben
T1 Kalorimetrie

In einem Schülerversuch soll die Reaktionsenthalpie fol- AUFGABEN


gender Reaktion (Reaktion 1) bestimmt werden: A1 Beschreiben Sie die Durchführung des Experiments.
Werten Sie die Messergebnisse aus.
CuSO4 (s) + 5 H2O (l) CuSO4 ∙ 5 H2O (s)
A2 Begründen Sie anhand einer Berechnung, dass
Dazu werden zwei Experimente durchgeführt. 29 mL das korrekte Wasservolumen für das zweite
V1 In ein Kalorimeter werden 30 mL Wasser gefüllt und Experiment war.
1,75 g wasserfreies Kupfer(II)-sulfat hinzugegeben. Die A3 Berechnen Sie die molare Lösungsenthalpie für die
Temperatur steigt von 20,1 °C auf 25,9 °C. Lösevorgänge aus V1 und V2 .
A4 Ermitteln Sie rechnerisch die Lösungsenthalpien
V2 In ein Kalorimeter werden 29 mL Wasser gefüllt und
mit dem Satz von Hess (B1). Vergleichen Sie Ihre
2,74 g Kupfer(II)-sulfat-Pentahydrat hinzugegeben. Die
Ergebnisse mit den erhaltenen Werten aus A3.
Temperatur sinkt von 20,1 °C auf 19,5 °C.
A5 Berechnen Sie die molare Reaktionsenthalpie der
Reaktion 1.
A6 Zeichnen Sie ein Enthalpie-Diagramm, das die En-
thalpieänderungen der Experimente V1 und V2 mit
der Enthalpieänderung der Reaktion 1 verknüpft.

Formel CuSO4 (s) CuSO4 ∙ 5 H2O (s) SO42- (aq) Cu2+ (aq) H2O (l)

∆fH [kJ/mol] -771 -2280 -909 +65 -286

B1 Ausgewählte molare Standardbildungsenthalpien

T2 Raketentreibstoffe

In der Technik werden Stoffumwandlungsprozesse so- AUFGABEN


wohl zur Herstellung von Stoffen als auch zur Umwand- A1 Bei der Wärme- und Energieerzeugung in der In-
lung von Energie, z. B. zum Antrieb von Motoren, genutzt. dustrie erweist sich die Verwendung von Bildungs-
Der Treibstoff der Mondlandefähre, die im Juli 1969 die und Verbrennungsenthalpien von Brennstoffen für
ersten Menschen auf den Mond brachte, wird als Aero- Berechnungen als unpraktisch.
zin 50 bezeichnet und bestand aus einem Gemisch aus a) Nehmen Sie zu dieser Aussage begründet Stel-
Hydrazin N2H4 (ΔfH = -246 kJ/mol) und 1,1-Dimethylhy- lung.
drazin H2N-N(CH3)2. b) Beschreiben Sie eine Möglichkeit, die Effektivität
Bei der Verbrennung beider Stoffe entstehen Stickstoff von verschiedenen Brennstoffen zu vergleichen.
und Wasserdampf. Als Oxidationsmittel dient flüssiges A2 Prüfen Sie durch entsprechende Berechnungen, ob
Distickstofftetraoxid N2O4 (ΔfH = 9 kJ/mol). Undecan oder Hydrazin der bessere Brennstoff ist.
A3 a) Berechnen Sie die Masse von Undecan und Sau-
Das Falcon (dt. Falke) ist ein Transportsystem für Satel-
erstoff in 21 000 kg Treibstoff. Gehen Sie dabei
liten und Astronauten, das von der US-amerikanischen
von einem stöchiometrischen Verhältnis aus.
Firma SpaceX entwickelt wurde. Als Treibstoff wird ein
b) Berechnen Sie die Reaktionsenthalpie bei der
Gemisch aus Kerosin (im wesentlichen Undecan) und
Verbrennung von 21 000 kg dieses Treibstoffs.
flüssigem Sauerstoff eingesetzt.

292 CHEMISCHE ENERGETIK


6

T3 Kartoffelchips

schen Gesellschaft für Ernährung aus 55 % Kohlenhyd-


rate, 30 % Fett und 15 % Eiweiß zusammensetzen.

AUFGABEN
A1 Beschreiben Sie den molekularen Aufbau von drei
in Kartoffelchips enthaltenen Nährstoffen, die in B3
aufgeführt sind.
A2 Formulieren Sie eine Reaktionsgleichung für den
B2 Kartoffelchips Abbau vom Kohlenhydrat Amylose (Stärke) unter
Verwendung von Strukturformeln.
Aus 50,5 g Stärke werden bei dieser Reaktion
Kartoffelchips sind beliebte Snacks, die aus frittierten
ca. 56 g Glucose gebildet. Begründen Sie die Zu-
Kartoffelscheiben hergestellt werden.
nahme der Masse.
Die in Kartoffeln enthaltene Stärke besteht aus Amylose
A3 Berechnen Sie die molare Standardreaktionsen-
und Amylopektin. Bei der Verdauung findet ein hydro-
thalpie und die molare Standardreaktionsenergie
lytischer Abbau von Stärke statt, wobei Glucose ent-
für die vollständige Verbrennung des Kohlenhydrats
steht, über das Blut in die einzelnen Zellen transportiert
Glucose, dem Fett Tripalmin und der Aminosäure
und durch biologische Oxidation abgebaut wird.
Alanin (B4).
Die Oxidation von Nährstoffen in der Zelle liefert dem A4 Weisen Sie am Beispiel der Verbrennung von Glu-
Organismus die Energie, die er zur Aufrechterhaltung cose den spontanen Verlauf dieser Reaktion bei
der Lebensprozesse benötigt. Die Energiemenge, die bei 37 °C nach.
Oxidation von einem Gramm des Nährstoffs zu Kohlen- A5 a) Berechnen Sie den physikalischen Brennwert für
stoffdioxid, Wasser und ggf. Harnstoff (NH2)2CO in der Glucose, Tripalmin und Alanin (B4).
Zelle freigesetzt wird, bezeichnet man als physiologi- b) Für Glucose und Tripalmin stimmen jeweils ihr
schen Brennwert. physiologischer und physikalischer Brennwert
überein. Bei Alanin ist der physiologische Brenn-
Die pro Gramm Nährstoff bei der vollständigen Oxidati-
wert deutlich geringer als der physikalische.
on zu Kohlenstoffdioxid, Wasser und Stickstoff freige-
Erklären Sie diesen Unterschied.
setzte Energie wird als physikalischer Brennwert eines
A6 Ein Jugendlicher, der schon 8 000 kJ zu sich ge-
Nährstoffs bezeichnet.
nommen hat, möchte noch ein Tüte Kartoffelchips
Für Jugendliche im Alter zwischen 15 und 19 Jahren (100 g) essen. Prüfen Sie durch entsprechende
mit leichten körperlichen Aktivitäten wird eine durch- Berechnung, ob er dabei seine täglich empfohlene
schnittliche tägliche Energiezufuhr von ca. 10 894 kJ Energiezufuhr überschreiten würde.
empfohlen. Diese sollte sich laut Empfehlung der Deut- A7 Überprüfen Sie rechnerisch, ob Kartoffelchips der
von der Deutschen Gesellschaft empfohlenen
Durchschnittlicher Gehalt an Inhaltsstoffen je 100 g Nährstoffrelation entsprechen.
Fette 34,0 g
Kohlenhydrate 50,5 g Nährstoff Formel ΔfH [kJ/mol]
Ballaststoffe 4,0 g
Glucose C6H12O6 -1274
Eiweiß 3,5 g
Tripalmin C51H98O6 -2468
Salz 2,5 g
Alanin CH3CH(NH2)COOH -561
Sonstige 5,5 g
B4 Bildungsenthalpien ausgewählter Nährstoffe
B3 Angaben auf einer Tüte Kartoffelchips

CHEMISCHE ENERGETIK 293


BILDNACHWEIS

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BILDNACHWEIS
Periodensystem der Elemente (PSE)

Periode Hauptgruppen

I II
Schale

1,0
1 23,0
H
mittlere Atommasse in u

K 1
6,9
Wasserstoff
2,1
9,0
Na Elementsymbol

2 Li Be Natrium Elementname

L 3
Lithium
1,0 4
Beryllium
1,5
Ordnungszahl 11 0,9 Elektronegativität

23,0 24,3
3 Na Mg Nebengruppen

M 11
Natrium
0,9
Magnesium
12 1,2 III IV V VI VII VIII
39,1 40,1 45,0 47,9 50,9 52,0 54,9 55,8 58,9
4 K Ca Sc Ti V Cr Mn Fe Co
Kalium Calcium Scandium Titan Vanadium Chrom Mangan Eisen Cobalt
N 19 0,8 20 1,0 21 1,3 22 1,5 23 1,6 24 1,6 25 1,5 26 1,8 27 1,8
85,5 87,6 88,9 91,2 92,9 95,9 [98] 101,1 102,9
5 Rb Sr Y Zr Nb Mo Tc* Ru Rh
Rubidium Strontium Yttrium Zirconium Niob Molybdän Technetium Ruthenium Rhodium
O 37 0,8 38 1,0 39 1,3 40 1,4 41 1,6 42 1,8 43 1,9 44 2,2 45 2,2
132,9 137,3 178,5 180,9 183,8 186,2 190,2 192,2
6 Cs Ba Hf Ta W Re Os Ir
Caesium Barium Hafnium Tantal Wolfram Rhenium Osmium Iridium
P 55 0,7 56 0,9 72 1,3 73 1,5 74 1,7 75 1,9 76 2,2 77 2,2
[223] 226,0 [261] [262] [266] [264] [277] [268]
7 Fr* Ra* Rf* Db* Sg* Bh* Hs* Mt*
Francium Radium Rutherfordium Dubnium Seaborgium Bohrium Hassium Meitnerium
Q 87 0,7 88 0,9 104 105 106 107 108 109

Lanthanoide 6. Periode
138,9 140,1 140,9 144,2 [145] 150,4

La Ce Pr Nd Pm* Sm
Lanthan Cer Praseodym Neodym Promethium Samarium
57 1,1 58 1,1 59 1,1 60 1,2 61 1,2 62 1,2
227,0 232,0 231,0 238,0 [237] [244]

* radioaktives Element
Ac* Th* Pa* U* Np* Pu*
Actinium Thorium Protactinium Uran Neptunium Plutonium
89 1,1 90 1,1 91 1,5 92 1,7 93 1,3 94 1,3
[Atommasse eines
wichtigen Isotops] Actinoide 7. Periode
340
Hauptgruppen

III IV V VI VII VIII


4,0

He
Helium
2
10,8 12,0 14,0 16,0 19,0 20,2

B C N O F Ne
Bor Kohlenstoff Stickstoff Sauerstoff Fluor Neon
5 2,0 6 2,5 7 3,0 8 3,5 9 4,0 10
27,0 28,1 31,0 32,1 35,5 39,9

Al Si P S Cl Ar
I II Aluminium
13 1,5 14
Silicium
1,8 15
Phosphor
2,1 16
Schwefel
2,5 17
Chlor
3,0 18
Argon

58,7 63,5 65,4 69,7 72,6 74,9 79,0 79,9 83,8

Ni Cu Zn Ga Ge As Se Br Kr
Nickel Kupfer Zink Gallium Germanium Arsen Selen Brom Krypton
28 1,8 29 1,9 30 1,6 31 1,6 32 1,8 33 2,0 34 2,4 35 2,8 36
106,4 107,9 112,4 114,8 118,7 121,8 127,6 126,9 131,3

Pd Ag Cd In Sn Sb Te I Xe
Palladium Silber Cadmium Indium Zinn Antimon Tellur Iod Xenon
46 2,2 47 1,9 48 1,7 49 1,7 50 1,8 51 1,9 52 1,9 53 2,5 54
195,1 197,0 200,6 204,4 207,2 209,0 [209] [210] [222]

Pt Au Hg Tl Pb Bi Po* At* Rn*


Platin Gold Quecksilber Thallium Blei Bismut Polonium Astat Radon
78 2,2 79 2,4 80 1,9 81 1,8 82 1,8 83 1,9 84 2,0 85 2,2 86
[271] [272] [277] [284] [289] [288] [293] [293] [294]

Ds* Rg* Cn* Nh* Fl* Mc* Lv* Ts* Og*


Darmstadtium Roentgenium Copernicium Nihonium Flerovium Moscovium Livermorium Tenness Oganesson
110 111 112 113 114 115 116 117 118

152,0 157,3 158,9 162,5 165,0 167,3 168,9 173,0 175,0

Eu Gd Tb Dy Ho Er Tm Yb Lu
Europium Gadolinium Terbium Dysprosium Holmium Erbium Thulium Ytterbium Lutetium
63 1,2 64 1,1 65 1,2 66 1,2 67 1,2 68 1,2 69 1,2 70 1,2 71 1,2
[243] [247] [247] [251] [252] [257] [258] [259] [262]

Am* Cm* Bk* Cf* Es* Fm* Md* No* Lr*


Americium Curium Berkelium Californium Einsteinium Fermium Mendelevium Nobelium Lawrencium
95 1,3 96 1,3 97 1,3 98 1,3 99 1,3 100 1,3 101 1,3 102 1,3 103 1,3

341
T06011

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