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Baudrillard: Roboter & Gadgets

Unter dem Originaltitel "Le système des objets" erschien das Werk bereits 1968. Inhalt des Bu-
ches sind eine Vielzahl von Einzelanalysen, die das Verhältnis von Mensch und Gegenstand
untersuchen; generell kreist die Thematik um das Erzeugen, Gebrauchen, Verbrauchen
und "Verpersönlichen" von Dingen. Inbegriffen darin sind detaillierte, fast mikroskopische
Untersuchungen darüber, wie Dinge in sich und im Wechselspiel mit dem Menschen
funktionieren (z.B.: "Stimmungswert Farbe", "Stimmungswert Material"). Häufig themati-
siert wird die Veränderung der Bedeutung von Gegenständen im Verlauf der Zeit; ein
Schwerpunkt ist der Vergleich zwischen vorindustriell und industriell gefertigten Din-
gen. Höhepunkte der Dingwelt wie Roboter, Autos und technische Gadgets sind Aus-
gangspunkt einer Konsum- bzw. Gesellschaftskritik des Autors. Trotz dieser spezifischen
Kritik bleibt die Gesamtintention des Buches vage. Es geht es Baudrillard nicht um eine
globale Theorie der Dinge. Die Vielzahl der Einzelanalysen, die insgesamt stets das Ver-
hältnis von Mensch und Ding thematisieren, bilden in sich eine Gesellschaftstheorie, die
besagt, dass ein soziales Gefüge geprägt ist durch die von ihm erzeugten und genutzten Ge-
genstände. Allgemeiner gesagt: Baudrillard entwirft ein in sich geschlossenes System aus
Gegenstand und Mensch, in welchem Entwicklung und Bestehen beider einander bedingen.
Dieses System charakterisiert er als einen "posthistorischen Zustand, in dem das Begehren
leerläuft ebenso wie die Systeme der Warenproduktion, der Kommunikation, der politi-
schen Institutionen etc. gesättigt sind." Man bedenke, dass diese Einsicht fast 35 Jahre alt
ist!
Problematisch sind oftmals Ausgangsannahmen, welche als Basis für Beweisketten dienen, je-
doch bereits in sich nicht nachvollzogen werden können (z.B.: "Der funktionelle Mensch ist
von vornherein ein müder Mensch.").
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über "das Verhältnis zwischen Ding und Mensch", über das Karl Sigismund Kramer in einem
feinen Aufsatz im Schweizerischen Archiv für Volkskunde schon 1962 Grundlegendes ge-
äußert hat
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- Technische Konnotation (mitschwingende subjektive Nebenbedeutung des Dings) bedeu-
tet soviel wie Automatismus.
- Negativer Automatismus: Die technische Konnotation besteht darin einen Vorgang abs-
trakter zu machen, Zusatzfeatures einzubauen. Diese sekundären Features (Auto: Chrom,
Flügel oder technisch: Anlasser) gehen auf Kosten der konkreten Struktur des technischen
Objektes. (Steigerung der Störanfälligkeit, Preise und des Verschleißes).
Zusätzlich wird durch die Automatisierung des technischen Objektes ein ausschließliches
Objekt erzeugt (es wird stereotypisiert), das die Gefahr des technischen Stillstandes mit
sich bringt. Mit dem Ausbau der automatisierten Vorrichtungen werde für andere Verwen-
dungsmöglichkeiten der Weg versperrt.
- Positiver Automatismus: Im Gegensatz ist die Maschine mit hoher technischer Leistungs-
fähigkeit ein offenes System, das den Menschen als Organisator und Interpreten benötigt.
Durch die Sicherung dieser Indetermination wird die Funktionalität erhöht.
- Automatismus ist unser Grundbegehren; nichts zu tun und dabei beobachten zu können
(Voyeurismus); aber auch zu wissen, das es für jede Verrichtung eine Maschine gibt.
- Eine weitere Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse wird gewährleistet, dadurch dass
das automatisierte Objekt mit dem autonomen Menschen Ähnlichkeit hat: Anthropo-
morphismus.
- Beim technischen Objekt sind es nicht mehr die primären Funktionen, sondern die Super-
strukturellen. ( Nicht mehr Gestik, Energie, Körperformen, sondern Autonomie des Be-
wusstseins, Individualität, die Idee seiner Person).
- Die Traditionellen Gegenstände sind Symbole unserer Körperorgane. Die technische Ob-
jekte weisen auf eine virtuelle Energie hin, und sind träger unseres eigenen Bildes.
- Dadurch wird der Mensch zum schönsten Modell aller Instrumente, die Gegenstände wer-
den Personalisiert und die Beziehung zum Menschen verwirklicht.
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- Der Barock leitet das moderne Zeitalter ein, indem er alle Themen und Vorstellungen einer
technizistischen Epoche vorwegnimmt.
- Der Gegenstand wird weitab von seiner sachlichen Bestimmung, ganz vom imaginären er-
fasst, dadurch überwuchert bei ihm das nebensächliche.
- Concours Lépine: Wettbewerb der Amateur-Erfinder. Überflüssige mechanische Werke,
wie der Eieröffner mit Hilfe der Sonnenenergie.
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- Während die Maschine infolge ihrer Eingliederung in den sozialen Arbeitsprozess ein
Gattungsbegriff ist und eine reale Zweckmäßigkeit besitzt, hat das ausgefallene Zeugs etwas
sinnbildliches, dient einer imaginären Zweckmäßigkeit und wiederstrebt einer Bestimmung.
- Die Maschine ist eine strukturierte, praktische Einheit. Die Tauglichkeit des Zeugs ist in
der Wirklichkeit minimal, aber im Imaginären zauberhaft. (Dadurch wird die Vorstellung
bekräftigt, das es für praktische und psychologische Probleme eine Lösung in Form eines
technischen Objektes gibt.) (Ultraschall Geschirrspülmaschine, Brotröster mit 9 verschiedenen
Nuancen, Zusatzgerät für einen Staubsauger, mit dem man den oberen Teil eines Kastens
reinigen kann).
- Unser Wortschatz ist im Verhältnis zur Fülle der technischen Dinge unzureichend.
- Wir befinden uns in einer Zeit der Sonntagsfahrer, die sich nie über ihren Motor gebeugt
haben und für die die Dinge nicht nur eine Funktion haben, sondern auch ein Geheimnis
ihrer Funktion.
- Der Mythos des Zeugs wurzelt im Trugbild von der Natur im Sinne ihres technischen
Prinzips (Natur als Automat; Zweckmäßigkeit der Welt).
- Die Zauberkraft, welche das Zeugs ausübt, kommt aus dem Bereich des Unbewussten. Es
ist ein Ersatz des Phallus, ein Werkzeug der Funktion an sich. Je mehr es an praktischer
Anwendung verliert, desto mehr wird es mit libidinöser Instrumentalität besetzt. (Spielzeug
des Kindes, Stock des Primitiven, Kugelschreiber des nicht Zivilisierten, das alte Objekt des
Zivilisierten.)
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- Auch das sinnlose Abrakadabra des Science Fiktion hat mit der zukünftigen technischen
Entwicklung nichts gemein. (Nein!) Weltraumfahrt, drahtlose Telekommunikation, Robo-
ter, Astronomische Theorien (Wurmlöcher), beamen.
- Roboter gehört in den Bereich des Science Fiktion; hat mit der zukünftigen technischen
Entwicklung nichts zu tun. (Nein!) (Industrieroboter, Betreuung von Pflegebedürftigen,
Militärischer Bereich (Minenentschärfung, Spionageroboter), Spielzeugindustrie, Raum-
fahrt)
- Kraft einer magischen und infantilen Regression, kommt der Mensch auf die Idee,
der Roboter könne sich identisch reproduzieren. (Nein!) „Jordan Pollack“ und „Hod
Lipson“ aus dem Bereich der Alife verbanden das Computerprogramm mit Maschi-

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nen, die auf schnelle Weise den evolutionierenden Wesen die Möglichkeit boten, ein
Äußeres aus Plastikgehäusen und Kugelgelenkverbindungen zu erzeugen.
- Als menschlicher Doppelgänger würde er Furcht einflößen, deshalb zeigt er seine
Mechanik. (E.T.A. Hoffmann: Der Sandmann, 1817).
- Der Roboter ist im Unbewussten das bedeutendste aller Objekte, weil er sich unterscheidet
und eindeutig Objekt und Sklave ist.
- Er bedroht den Menschen auch nicht, da er kein Geschlecht hat (Der Mensch ist phalli-
scher Herrscher der Welt). Der Roboter in seiner Bändigung seiner Aggressiven Neigun-
gen, ungeschlechtlich.
- Der Mensch hat jedoch auch Angst vor dem Aufstand der Maschinensklaven. (Matrix,
Terminator)
- Das Gegenstück wird durch die Autodestruktion gebildet. Die Technik die ihren eigenen
Untergang herbeiführt erfüllt den Menschen mit Genugtuung. Sinnbildlich wird die Auflö-
sung der menschlichen Sexualität vor Augen geführt, die der Mensch feiert, um sich von
seiner Angst zu befreien.
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- Die Dysfunktionalität des Gegenstandes hängt mit dem sozio-ökonomischem System der
Erzeugung und dem psychologischen System der Projektion zusammen.
Das erste System macht das Objekt vergänglich und führt somit zu einer Quelle der Ent-
täuschung, das zweite lässt den Gegenstand durch astrukurelle Elemente (Automatismen,
unnützes Beiwerk) schlechter werden - steht dem Fortschritt im Weg. (Beide dienen aber
der Erzeugung von Gütern)
- Lewis Mumford ist der Meinung, dass der mit kommerziellem Profit assoziierten Mode
und Geschmack sich der Materialverschwendung schuldig macht und so ein Hindernis der
Maschinenentwicklung ist.
- Zwischen Technik und Profit besteht Opposition.
- Ernest Dichter ist der Meinung, das es für jeden persönlichen oder kollektiven Konflikt,
einen entsprechenden Gegenstand gibt, der zur Entspannung und Lösung beiträgt.
- Der Wagen, z.B. wurde durch die parasitären Funktionen des Prestiges, des Komforts und
der unbewussten Projektion überlagen und kann deshalb nicht als ein Faktor der zwi-
schenmenschlichen Beziehungen dienen, sondern ist nur noch Verbrauchsobjekt.

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- Die Entwicklung hat sich auf folgenden 3 Ebenen verlangsamt und schließlich aufgehört:
durch die technische Strukturierung des Objekts: Konvergenz der Funktionen, Konkre-
tisierung, Wirtschaft
durch die Strukturierung der Welt: bezwungener Raum, kontrollierte Energie, mobili-
sierte Materie.
durch die Strukturierung der menschlichen Praxis: größere Relativität, Mobilität, Öko-
nomie analog zu den Gegenständen.
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- Der Mensch kann nicht den Willen aufbringen und hat auch nicht die Möglichkeit die ar-
chaischen Strukturen der Projektion zu überwinden.
- Die astrukturellen, technikhinderlichen Elemente sind: Konnotation, Personalisation,
Mode und Automatismus.
- Der Mensch scheint eher die phantastische, allegorische und unbewusste Kommestibilität
der Objekte zu genießen, als die wirkliche Funktionalität der Dinge in Anspruch zu nehmen
- bremst damit die Evolution.
- Laut Mumford und Dichter kann die Technik zwischen Mensch und Welt eine Vermitt-
lerrolle einnehmen; sie bieten aber nur eine imaginäre Lösung, wobei sich die Energien bei-
der Systeme erschöpfen. Somit ist das System der Dinge nur Alibi.
- Der Mensch hat sich ein 2-faches Unterfangen als Ziel gesetzt: Bändigung der äußeren
natürlichen Energien und der libidinösen Kräfte, durch die er sich beide bedroht fühlt.
Dies bringt in Bezug auf das System der Dinge einen doppelten Vorteil: Berherschung der
Natur und Erzeugung von Gütern.
Aber auch ein doppeltes Risiko: Die Sexualität wird ausgeschaltet und die technische Ent-
wicklung gestört.
- Das Versagen eines Gegenstandes wird zwiespältig aufgenommen. Es enttäuscht die Er-
wartung (Verzweiflung), bekräftigt aber die ständigen Einwände (Genugtuung).
- Eine Welt ohne Fehler, wäre die entgültige Abschaffung der Fatalität, dadurch auch der
Sexualität. Durch den Fehler erwacht für einen Augenblick die Fatalität.
- Die organisierte Vernichtung der Gegenstände sichert das Gesamtsystem (Nihilismus der
Konsumation [Morin]).

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