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3DTV
2010 / 03
Inhaltsverzeichnis
1 Executive Summary............................................................................................. 3
2 3DTV – Eine erste Einordnung............................................................................ 4
3 Marktanalyse 3DTV ............................................................................................. 5
3.1 3D im Kino – eine beeindruckende Erfolgsgeschichte ................................ 5
3.2 3DTV – Aktuelle Marktentwicklungen .......................................................... 6
3.3 3DTV – Ausblick .......................................................................................... 8
4 Technische Funktionsweise von 3DTV ............................................................... 9
4.1 Produktion ................................................................................................... 9
4.2 Distribution................................................................................................... 9
4.3 Präsentation .............................................................................................. 13
4.4 Lessons Learned ....................................................................................... 14
5 Nächste Schritte ................................................................................................ 15
6 Die Autoren........................................................................................................ 17
7 Das Unternehmen ............................................................................................. 18
1 Executive Summary
Die aktuellen Erfolge im Kino haben 3D zu einem wichtigen Thema für die Filmindustrie
gemacht und treiben die Verbreitung dieses erheblich authentischeren und intensiveren
Filmerlebnisses in die privaten Haushalte voran. Gegenwärtig kündigen die meisten
führenden TV-Gerätehersteller die Einführung 3D-fähiger Fernsehgeräte an. Zugleich macht
die Standardisierung von 3DTV deutliche Fortschritte, so dass die ersten massenmarkt-
tauglichen end-to-end 3DTV-Lösungen für Mitte 2010 erwartet werden.
Dieses Opinion Paper beschreibt die Hintergründe von 3DTV, Chancen und Heraus-
forderungen für die wichtigsten Marktteilnehmer und gibt einen Ausblick, wie sich 3DTV auf
das Geschäft von TV-Plattformanbietern auswirken wird.
Nach unserer Prognose werden sich alle relevanten Marktteilnehmer in den kommenden
zwei Jahren entlang der 3DTV-Wertschöpfungskette positionieren. Wir erwarten 3D-
Initiativen von vielen Content-Providern, Aggregatoren und TV-Plattformanbietern, wobei
insbesondere 3D Blu-ray und event-basierte Inhalte forciert werden. Das weitere
Marktwachstum hängt zudem stark von einer nennenswerten Penetration von 3D-
Fernsehgeräten ab, welche frühestens ab 2012 zu erwarten ist.
Seit den Anfängen der Filmindustrie gibt es die Idee, Filme so zu produzieren, dass sie die
natürliche, dreidimensionale Wahrnehmung des menschlichen Auges ausnutzen und ein
möglichst intensives und authentisches Filmerlebnis ermöglichen. Daher wird die 3D-
Technologie oft als die „natürliche Evolution“ des Films bezeichnet.
Der Mensch sieht dreidimensional, da jedes Auge – bedingt durch den Augenabstand – ein
leicht verschiedenes Bild der Umwelt erfasst. Diese beiden Bilder werden im Gehirn zu einer
dreidimensionalen Reproduktion zusammengesetzt – unserer visuellen Wahrnehmung.
Diese Vorgänge werden durch die 3D-Technologie nachgebildet: 3D-Video vermittelt dem
Betrachter einer Szene einen Tiefeneindruck, indem für jedes Auge ein leicht verschiedenes
Bild präsentiert und damit die dreidimensionale menschliche Wahrnehmung nachgebildet
wird. Technisch müssen hierzu zwei oder mehr Bilder einer Szene aufgenommen,
verarbeitet, übertragen und schließlich für jedes Auge synchron gefiltert dargestellt werden.
Dies bedeutet, dass sämtliche Schritte der Signalkette eines 3D-Videosignals, insbesondere
Produktion und Präsentation, mit größerem Aufwand verbunden sind als bei 2D-Content.
Aus diesem Grund war die 3D-Technologie lange Zeit dem Kino vorbehalten.
1
In diesem Opinion Paper beschränken wir uns auf 3DTV der ersten Generation, welches technisch
vergleichsweise weit fortgeschritten ist und im Laufe des Jahres 2010 verfügbar sein wird. Hierbei wird der 3D-
Effekt durch zwei Bilder erzielt (stereoskopisches 3DTV). Weiterführende 3DTV-Technologien der 2. oder 3.
Generation basieren voraussichtlich auf mehreren Bildern und versprechen deutliche Vorteile (vgl. auch
Darstellung der Displaytechnologien im Kapitel 4.3), werden aber noch mehrere Jahre keine Relevanz für den
Massenmarkt haben.
3 Marktanalyse 3DTV
Aktuell ist 3D eines der wichtigsten Themen für alle bedeutenden Hollywood-Studios.
Kenner der Szene, wie z.B. Jeffrey Katzenberg, CEO von Dreamworks Animations, sind vom
Erfolg der 3D-Technologie überzeugt und gehen davon aus, dass in fünf Jahren alle großen
Filme in 3D produziert werden.2
Ob 3D wirklich der weithin angekündigte dritte technologische Meilenstein für die Film-
industrie wird und eine ähnlich disruptive Wirkung wie der Wechsel von Stumm- zu Tonfilm
oder von Schwarz-Weiß- zu Farbbildern haben wird, hängt auch stark davon ab, in welchem
Maße 3D dem Sprung von den Kinoleinwänden auf die heimischen Fernsehbildschirme
schafft.
Mit der bemerkenswerten Marktresonanz im Jahr 2009 ist das 3D-Kino Türöffner für die
Massenmarktfähigkeit der 3D-Technologie und Ausgangspunkt für den Erfolg von 3D im
Heimbereich. Wirtschaftlichkeitsanalysen von Filmen, die simultan als 2D- und 3D-Version in
die Kinos kamen, ergaben für 3D-Kinos im Durchschnitt 2,2-mal höhere Umsätze.3
Dieser Erfolg basiert sowohl auf höheren Besucherzahlen, als auch darauf, dass die Kino-
besucher zusätzlich bereit sind, einen signifikanten Aufschlag für das dreidimensionale
Filmerlebnis zu zahlen. So liegen die Ticketverkäufe pro 3D-Kinosaal bis zu 80% über denen
von 2D-Kinosälen – der durchschnittliche 3D-Aufschlag auf die Ticketpreise beträgt 35%.4
Das Beispiel des Films „Monsters vs. Aliens“ zeigt dies eindrucksvoll: 55% der weltweiten
Ticketverkäufe entfielen auf 3D-Kinosäle, welche nur 27% Anteil aller Kinos ausmachten. In
Nordamerika betrug der durchschnittliche Umsatz des Film pro 2D-Kino 40.500,- US-$,
während in 3D-Kinos 102.000,- US-$ erzielt wurden.5
Aufgrund dieser Effekte wurde der 3D-Film „Avatar“ vor kurzem mit Einspielergebnissen von
mehr als 2,7 Mrd. US-$ der erfolgreichste Film aller Zeiten, mit deutlichem Abstand zum
bisherigen Rekordhalter „Titanic“.
Ermutigt von diesen Erfolgen wächst die Zahl der in 3D produzierten Filme exponentiell an.
Für 2010 sind 47 3D-Filme angekündigt – 2,5 mal so viele wie 2009 und fast siebenmal
mehr als 2007.6 Ein ähnliches Wachstum wird auch für die Anzahl der 3D-Kinosäle erwartet:
sie wird sich von weltweit ca. 5.000 (Ende 2008) auf ca. 25.000 (Ende 2011) verfünffachen.7
2
Jeffrey Katzenberg auf dem 3D-Entertainment Summit, Los Angeles, Juni 2009
3
Detecon-Analyse basierend auf Screendigest 2009
4
Detecon-Analyse basierend auf screendaily.com, 2009 (z.B. zog die 2D-Version von Monsters vs. Aliens im
Schnitt 4.050 Besucher in die Kinos, die 3D-Version hingegen mehr als 7.400)
5
Screendaily.com, 2009
6
ScreenDigest, 2009
7
ScreenDigest, 2009
Derzeit befindet sich 3DTV in einer sehr frühen Marktphase. Stimuliert von den Erfolgen der
3D-Technologie in den Kinos positionieren sich mehr und mehr Marktteilnehmer entlang der
gesamten TV-Wertschöpfungskette, um sich eine gute Startposition für das erwartete
Marktwachstum zu sichern.
Aggregation &
Produktion Präsentation
Distribution
Native 3D Produktion Content-Aggregation & Content-Decodierung (ent-
Computer-generierte 3D Programmgestaltung weder durch Blu-ray Player,
Bilder (3D CGI) Re-Encodierung von Content Set-Top-Box oder TV-Gerät)
Aktivitäten 2D => 3D Konvertierung (z.B. für Plattformoptimierung) Darstellung des Contents auf
Content-Encodierung Distribution: non-linear (VoD, verschiedenen Endgeräten
Blu-ray) oder linear (z.B. per (z.B. TV, Monitor, Beamer)
Satellit, Kabel oder IPTV)
Ausge-
wählte
Anbieter
Erfahrung und vielfältige Cont- Bisher meist eventbasierte Erste Generation erschwinglicher
ents durch 3D-Erfolg im Kino Tests. Ankündigungen erster 3D-Fernseher für Mitte 2010
3DTV- 2D => 3D Konvertierung er- Kanäle für 2010 angekündigt
Fähigkeit möglicht Wiederverwertung Erhöhte Bandbreitenbedarfe Im Heimbereich werden aktuell
Produktion von nicht plan- über alle Plattformen 3D-Brillen benötigt
barem 3D-Livecontent Offene Standardisierung, Blu- Signifikante Marktpenetration für
herausfordernd ray & HDMI am weitesten fort- 2012 ff. erwartet
Höhere Equipmentkosten geschritten
Produktion
Präsentation
Sowohl auf der IFA 2009 als auch auf der CES 2010 war 3DTV mit Abstand der wichtigste
Trend, und die meisten großen TV-Hersteller haben ihre 3D-Fähigkeit für das Jahr 2010
angekündigt.8 Insbesondere Sony, LG, Samsung und Panasonic planen den Vermarktungs-
start ihrer 3DTV-Geräte in den kommenden Monaten. Sony geht sogar so weit, vorher-
zusagen, dass innerhalb von 3 Jahren 50% aller verkauften TV-Geräte 3D-fähig sein
werden.9
8
z.B. CNET best of CES award 2010 (category: screens) – www.cesweb.com
9
Ankündigung während der Ceatec, Oktober 2009
Verglichen mit Contentproduzenten und TV-Herstellern, befindet sich die 3D-Readiness der
meisten TV-Aggregatoren und -Distributoren aktuell noch im Anfangsstadium.
Am weitesten fortgeschritten ist 3D im Bereich der physischen Distribution. Hier hat die Blu-
ray Disc Association (BDA) Ende 2009 die Spezifikationen für einen Blu-ray-3D-Standard
verabschiedet, sodass die ersten 3D-Blu-ray-Player für das erste Halbjahr 2010 erwartet
werden. Sowohl Sony Pictures als auch Disney haben ihre ersten 3D-Blu-ray-
Veröffentlichungen angekündigt. Allerdings werden die meisten Blu-ray-Nutzer neue 3D-
ready-Blu-ray-Player anschaffen müssen, um in den Genuss dreidimensionaler Inhalte zu
kommen. Besitzer Blu-ray-fähiger Spielkonsolen, wie z.B. Sonys Playstation 3, können
hingegen ihre Hardware per Firmware-Update um 3D-Video-Funktionalitäten erweitern. Dies
bedeutet, dass Ende 2010 alleine durch Sonys Playstation 3 bereits mehr als 30 Mio. 3D-
fähige Blu-ray-Player weltweit im Markt sind.
Im Bereich nicht-physischer Distribution sind bisher nur vereinzelt Aktionen von TV-Sendern
und TV-Plattformbetreibern zu beobachten: Der Launch eines 3DTV-Testkanals der
japanischen Senderkette BS11, sowie in den letzten beiden Jahre event-basierte
Showcases und Tests, mit denen verschiedene Anbieter erste Erfahrungen mit der 3D-
Technologie sammeln wollten. Typische Beispiele hierfür sind 3D-Liveübertragungen von
Sportevents auf große Leinwände in Kinos, Stadien oder im Rahmen von Public Viewings,
wie z.B. von Orange, dem Tochterunternehmen der France Telecom, im April 2009 mit
einem Ligue-1-Fußballspiel.
Seit Ende letzten Jahres haben jedoch die 3DTV-Ankündigungen von führenden Sendern
und TV-Plattformen stark zugenommen. Der englische PayTV-Anbieter BSkyB produziert
z.B. seit geraumer Zeit ausgewählte Sportevents in 3D, hat bereits seine bestehende HD-
Infrastruktur erfolgreich auf 3D-Fähigkeit getestet und vor kurzem angekündigt, auf dieser
Basis im April 2010 einen eigenen 3D-Kanal zu starten. Zudem plant das Unternehmen, alle
Veranstaltungen der Olympischen Sommerspiele 2012 in 3DTV auszustrahlen. Ähnliche
Pläne, 3D-Kanäle auf Basis existierender HD-Infrastrukturen zu starten, sind von Orange,
BS11 und einigen südkoreanischen TV-Sendern bekannt.
Ein weiteres 3D-Highlight in 2010 wird zudem die Übertragung des Eröffnungsspiels der
Fußball-WM im Juni durch den amerikanischen Sportsender ESPN sein, der mit diesem
Event seinen 3D-Kanal starten will. Interessant ist zudem der Ansatz von Sony, IMAX und
Discovery Channel, ihre vorhandenen 3D-Erfahrungen und Contentarchive zu bündeln und
noch 2010 einen gemeinsamen 3D-Kanal zu starten, der aufgrund der vorhandenen
Contents als 24h 3D-Kanal geplant ist. Insgesamt dürfte die lineare Distribution von 3D-
Content bis Ende 2010 deutlich an Momentum gewinnen.
Sowohl der technische Entwicklungsstand von 3DTV als auch des 3DTV-Marktes befinden
sich aktuell jeweils noch in einer sehr frühen Phase, so dass eine detaillierte Vorhersage
möglicher 3DTV-Marktentwicklungen zum jetzigen Stand mit erheblichen Herausforderungen
verbunden ist. Wie bereits anhand der verzögerten Einführung von HDTV in einigen
entwickelten TV-Märkten (wie z.B. Deutschland) erkennbar war, dürften auch bei 3DTV
zentrale Erfolgsfaktoren eine möglichst schnelle Standardisierung und ausreichende
Mengen an vorhandenem 3D-Content sein.
In einem optimistischen Szenario könnten sich 2014 weltweit bereits 290 Mio. 3DTV-Geräte
im Markt befinden. Dies entspräche einer 3DTV-Marktpenetration von ca. 12% aller TV-
Geräte, wobei dieser Anteil in entwickelten TV-Märkten wie Nordamerika, Westeuropa und
einigen asiatischen Ländern deutlich höher liegen dürfte. Sollten jedoch z.B. eine frühe
Standardisierung nicht erreicht werden, so könnte die Anzahl der installierten 3DTV-Geräte
im selben Jahr auch bei nur 55 Mio. liegen.10
Die Jahre 2010 und 2011 werden von deutlichen Positionierungsbemühungen führender TV-
Marktteilnehmer im 3DTV-Bereich gekennzeichnet sein. Wichtige Voraussetzungen für 3D
im Heimbereich sind erfüllt. Viele Konsumenten machen positive Erfahrungen im Kino und
sind bereit, für 3D mehr zu zahlen. Der verfügbare 3D-Content nimmt stetig zu und die
Preise für 3D-fähige Fernsehgeräte sinken fast bis zur Preisgrenze zum Eintritt in den
Massenmarkt. Mit der 3D-Fähigkeit der Blu-ray Mitte 2010 werden zunehmend auch TV-
Sender und TV-Plattformanbieter bzgl. 3DTV unter Druck geraten und müssen handeln, um
in diesem neuen TV-Marktsegment keinen Boden gegenüber der physischen Distribution zu
verlieren.
Aus unserer Sicht ist es für TV-Plattformen essentiell, mit führenden 3D-Contentanbietern
ein Kooperationsmodell finden, dass ihnen ermöglicht, schnell ein attraktives 3D-
Contentportfolio zu entwickeln, damit das innovative Image der eigenen Plattform zu stärken
und die Early Adopters für die eigene Plattform zu gewinnen.
10
Alle Forecasts in diesem Abschnitt: ScreenDigest 2009
4.1 Produktion
Bei der Produktion von 3D-Inhalten kommen drei grundlegende Ansätze zum Einsatz:
• Konvertierung von 2D zu 3D: Für 2D-Konvertierungen – wie z.B. die sich zurzeit in
Entwicklung befindende Star Wars-Reihe – werden für die Berechnung eines 3D-
Bildes Tiefeninformationen aus dem verfügbaren 2D-Material verwendet. Nach
umfangreicher Nachbearbeitung kann hierbei ein 3D-Tiefeneffekt erzielt werden,
welcher allerdings nicht an die Qualität von nativ aufgezeichneten 3D-Inhalten
heranreicht.
4.2 Distribution
Zur Zeit wird eine Vielzahl von 3DTV-Codecs entwickelt.11 MVC ist aufgrund der Einfachheit
seiner Algorithmen und Codierungs-/Decodierungsprozesse sowie der resultierenden
vergleichsweise geringen Fehlerrate und der leichten Nachbearbeitung der in der Industrie
am weitesten verbreitete 3DTV-Codec.12 Die allgemeinen Vorteile von MVC sind: Full-HD-
Videoauflösung für zwei oder mehr Videostreams (Full-HD 3DTV) und die Kompatibilität mit
zukünftigen auf Multi-View basierenden 3D-Standards. Nachteile aus Sicht von TV-
Plattformanbietern sind die im Vergleich zu 2D höheren Anforderungen an Bandbreite und
Speicherkapazität und die daraus resultierenden Investitionen in neue Infrastrukturelemente,
wie z. B. Set-Top-Boxen und Encoder.
Bei Set-Top-Boxen kann vorhandene Hardware in Einzelfällen eventuell durch ein Update
der Firmware 3D-Inhalte decodieren. Weitere Faktoren legen jedoch den Einsatz neuer Set-
Top-Boxen nahe. Hierzu zählen neben dem höheren Bandbreiten- und Speicherbedarf auch
die Notwendigkeit von HDMI 1.4, welches gegenüber HDMI 1.3 statt zwei 1080i HD-
Videostreams zwei simultane 1080p HD-Streams ermöglicht. Aus ähnlichen Gründen sind
Blu-ray-Kunden ebenfalls gezwungen, sich neue 3D-fähige Blu-ray-Disc Player zu kaufen,
es sei denn sie verfügen über upgrade-fähige Abspielgeräte, wie zum Beispiel die
Playstation 3.
Je nach verwendetem Verfahren und Codec benötigt 3DTV de facto gegenüber 2D etwa die
1,2- bis 1,7-fache Videobandbreite, wobei zu erwarten ist, dass dieser Faktor bei zukünftigen
Multi-View-Technologien mit multiplen Videostreams sogar noch höher liegen wird.
Wäre es vor diesem Hintergrund sinnvoll, wenn TV-Plattformanbieter jetzt in neue 3DTV-
Infrastrukturen investieren, nachdem der Roll-Out von HDTV-Infrastruktur erst vor kurzem
abgeschlossen wurde? Für die nähere Zukunft lautet die Antwort: Nein, da sich 3D-
Bildschirme nur langsam im Markt durchsetzen werden und eine ausreichende Penetration
mit 3D-Displays frühestens für das Jahr 2012 erwartet wird. Stattdessen sollten TV-
Plattformanbieter Möglichkeiten in Betracht ziehen, ihre HD-Infrastruktur zur Bereitstellung
von 3DTV zu nutzen.
11
Unter anderem Multi-View Video (MVC), Video-Plus-Depth (VPD), Multi-View Video-Plus-Depth (MVD), Layered-
Depth-Video (LDV) und Depth-Enhanced-Stereo (DES).
12
Daher ist MVC bereits Teil der MPEG2- und H.264/AVC-Codec-Familien und wurde von der Blu-ray Disc
Association standardisiert, so dass alle 3DTV-Inhalte auf Blu-ray Discs im MVC-Format ausgeliefert werden.
Um die Distribution von 3DTV über eine vorhandene HD-Infrastruktur zu ermöglichen, muss
der 3D-Inhalt in einen herkömmlichen 2D-HD-Videostream eingebettet werden. Hierfür
werden Techniken wie “side-by-side” und “over-under” verwendet, die zwei 2D-Videostreams
stauchen und in einem einzelnen HD-Videostream übertragen. Dadurch wird die horizontale
oder vertikale Auflösung für das jeweilige Auge halbiert (räumliche Kompression - siehe
Abbildung 2). Aufgrund dieser geringeren Auflösung für das jeweilige Auge bietet das HD-
Format 1080p somit im Vergleich zu 720p oder 1080i eine deutliche bessere 3D-
Videoqualität – stärker noch wahrnehmbar als bei 2DTV. Als Konsequenz bedingt die 3DTV-
Distribution über existierende HD-Infrastrukturen somit in jedem Fall Kompromisse in der
Bildqualität. Nachdem das Signal über einen vorhandenen HD-Stream übertragen wurde,
wandelt der 3D-fähige Bildschirm das Bild für ein räumliches Videoerlebnis.
Da die oben beschriebenen Signale mit verringerter Auflösung wie herkömmliche HD-
Signale transportiert werden, sind keine Probleme entlang der Infrastrukturkette zu erwarten.
Tatsächlich verliefen erste Tests eines bedeutenden IPTV-Plattformanbieters unter
Verwendung eines Standard-WMV-Codec über HD-Infrastruktur positiv. Plattformanbieter
wie BSkyB oder Virgin Media nutzen in ihren Pilotprojekten ähnliche Ansätze zur
Übertragung von 3DTV in die privaten Haushalte. Um eine entsprechende Kompatibilität
sicherzustellen, wird allerdings eine Durchführung entsprechender end-to-end-Analysen
empfohlen.
Trotz der geringeren Videoauflösung und der damit notwendigen Kompromisse bei der 3D-
Qualität, liegen die Vorteile einer Distribution über die HD-Infrastruktur für Anbieter von TV-
Plattformen auf der Hand: Zusätzliche Investitionen in Netzelemente, Bandbreite oder
Speicherkapazität sind nicht erforderlich, und bestehende Codecs sowie auf HDMI 1.3
basierende HD-Set-Top-Boxen können von Endkunden weiter genutzt werden. Dieser
Ansatz maximiert das Potenzial, mit bestehender HD-Infrastruktur 3DTV in die Haushalte zu
distribuieren und ist daher insbesondere für Kabel-, Satelliten- und IPTV-Anbieter mit
beschränkten Bandbreitenkapazitäten von Bedeutung. Er ermöglicht TV-Plattformen zudem
einen schnellen Marktzugang, um von der Chance 3DTV zu profitieren, da Zuschauer
lediglich einen 3D-fähigen Bildschirm erwerben müssen.
Neben dem oben beschriebenen linearen Fernsehen (LiveTV) kann 3DTV auch über
bestehende HD-VoD-Infrastrukturen distribuiert werden. Dies bietet die Möglichkeit, 3D-
Inhalte zunächst auf die Set-Top-Boxen herunterzuladen. Für VoD sind daher konstant hohe
Bandbreiten nicht so unverzichtbar wie bei linearem Fernsehen und der Kompromiss einer
möglicherweise geringeren Videoauflösung kann vermieden werden. Download-to-Own
(DTO) und Download-to-Play (DTP) können daher als kurz- bis mittelfristige 3DTV-
Alternativen von TV-Plattformanbietern eingesetzt werden, um mit dem auf Blu-ray Discs
angebotenem Full-HD-3DTV zu konkurrieren.
Abbildung 3 gibt einen Überblick über Vor- und Nachteile unterschiedlicher 3DTV-Formate:
Vergleichsweise
Verwendung von farb- Kann mit jedem
schlechte Qualität Anaglyph
Farbcodierung codierten Bildern für das 2D-Farbbildschirm
und beschränktes (rot/grün)
linke bzw. rechte Auge genutzt werden
3D-Erlebnis
Kompatibel zur
Kompression der Bilder bestehenden Geringere
Räumliche Side-by-side,
für das linke und rechte Infrastruktur, Videoauflösung
Kompression Over-under
Auge in ein 2D-Bild braucht nur 2D- pro Auge
Bandbreite
Multiplexen jedes Bildes
für das linke und rechte
Erhält die volle Vergrößerung der
Zeit-Multiplex- Auge in der Multi-View
Videoauflösung Bandbreite um
Verfahren Zeitdimension und damit Video (MVC)
(Full-HD-3DTV) Faktor 1,2 - 1,7
Steigerung der
Bildfrequenz um 100%
2D-Gerät
Komplex und
Nutzung eines 2D-Bildes (Bildschirm, STB)
derzeit mit hohen Video-Plus-
2D + Tiefe plus Tiefenbild für jedes und Codec-
Fehlerraten Depth (VPD)
Einzelbild Kompatibilität
verbunden
(MPEG2, AVC)
4.3 Präsentation
Die Darstellung der für einen Tiefeneindruck beim Betrachter notwendigen mindestens zwei
Bilder ist eine erhebliche technische Herausforderung. Daher blieb die 3D-Technologie bis
heute weitestgehend dem Kino vorbehalten. Insbesondere mit seinen – im Vergleich zum
Heimbereich – kontrollierbaren Sitzpositionen und entsprechenden Blickwinkeln auf die
Leinwand, bietet das Kino bessere Voraussetzungen für die dreidimensionale Darstellung
von Content. Zudem hat das Kino keine Bandbreitenbeschränkung, da der Film entweder
auf Datenträger ausgeliefert oder bereits vor der Vorstellung vollständig heruntergeladen
wird. Und nicht zuletzt sind im Kino die einzelnen technischen Komponenten als
Komplettlösung perfekt aufeinander abgestimmt. Im Heimbereich hingegen müssen
unterschiedliche Geräte u.U. verschiedener Hersteller perfekt zusammenspielen. Dies trifft
insbesondere auf Set-Top-Box und Displays zu.
Autostereoskopisches 3DTV beruht in der Regel auf mehreren Bildern (multi-view 3DTV)
und benötigt keine 3D-Brillen. Allerdings sind autostereoskopische 3DTV-Displays derzeit
qualitativ noch nicht ausgereift und ihre Produktion verursacht erhebliche Kosten, sodass
hier nicht vor 2015 mit einer Massenmarktrelevanz zu rechnen ist.
Stereoskopisches 3DTV erzielt den 3D-Effekt mittels zwei Bildern und erfordert spezielle 3D-
Brillen. Im Bereich der stereoskopischen Technologien bietet sowohl die Active Shutter-
Technologie als auch der Ansatz der Polarisation gute 3D-Ergebnisse.
• Polarisation zeigt beide Bilder gleichzeitig am Bildschirm an, wobei jeweils die
Informationen einer Bildzeile für ein Auge bestimmt sind und durch die Brille gefiltert
werden. Nachteil ist die Halbierung der vertikalen oder horizontalen Auflösung.
• Active Shutter-Systeme zeigen beide Bilder nacheinander an, wobei die Brille jeweils
kurz ein Glas undurchsichtig stellt und somit die Informationen für das jeweilige
Auge filtert. Dies hat den Vorteil, dass Full-HD-3D ermöglicht wird, also beide für
den 3D-Effekt erforderlichen Bilder die volle HD-Auflösung haben. Allerdings ist die
Active Shutter-Technik in Bezug auf die verwendeten 3D-Brillen teurer und erfordert
weitere Investitionen für eine Infrarot-Steuereinheit, um Fernseher und 3D-Brille zu
synchronisieren. Eine weitere Herausforderung der Active Shutter-Technologie ist
die aktuell noch fehlende Standardisierung des Zubehörs. Somit sind Kunden heute
noch auf 3D-Brillen ihres TV-Geräteherstellers angewiesen, was sich letztlich
negativ auf die 3DTV-Marktdurchdringung auswirken kann.
Spezieller Polari-
Zumeist hori-
sationsscreen LCD-Bildschirme Halbiert i.d.R. die
zontale oder
Polarisation oder metall- nutzbar. Gute 3D- Auflösung. Farben und
vertikale Licht-
beschichtete Qualität Helligkeit reduziert
wellenfilterung
Leinwand
Synchronisier-
Bildschirm mit
tes Ein-/Aus- Hohe Hardwarean-
hoher Bildwieder-
blenden der Gute 3D-Qualität. forderungen und teure
holungsrate. Extra
Active Shutter Bilder je Auge Vollständige Brillen. Potenzielle
Steuerungseinheit
bei hoher Bild- Helligkeit für 2D Synchronisations-
f. Synchronisation
wiederholungs- fehler Brille/Bildschirm
mit 3D- Brille
rate
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass 3DTV in allen technologischen Bereichen der TV-
Wertschöpfungskette marktreif ist:
• Die Produktion von 3D-Inhalten stellt hohe Anforderungen, aber viele Produzenten
haben mit Kinoproduktionen bereits erste Erfahrung gesammelt. Ergänzend zur nativen
und zur computer-generierten Produktion erweitert die 2D-Konvertierung das Portfolio
verfügbarer 3D-Inhalte.
TV-Plattformanbieter können bereits in naher Zukunft von 3DTV profitieren und sollten sich
entsprechend vorbereiten, indem sie 3D-Content über vorhandene HD-Infrastrukturen z.B.
als Video-on-Demand anbieten. Welche konkreten Schritte sollten TV-Plattformanbieter
somit unternehmen, um im 3DTV-Markt erfolgreich zu sein?
5 Nächste Schritte
• Als zweiter Schritt wird zusätzlich empfohlen, 3DTV in die strategische Planung
aufzunehmen, inklusive einer Abstimmung mit Partnern wie Geräteherstellern (z. B.
Set-Top-Boxen) und IPTV-Infrastrukturanbietern (z. B. Middleware).
Um zum einen Early Adopters anzulocken und zum anderen ihren Innovationsanspruch
unter Beweis zu stellen, sollten TV-Plattformanbieter sich mittelfristig aktiv als 3D-ready im
Markt positionieren. Erste Schritte für eine 3D-Positionierung können sein:
• Herausgabe von Pressemitteilungen, die 3D-Fähigkeit oder den 3D-Betastatus
ankündigen (evtl. in Abstimmung mit potenziellen Partnern)
• die 3D-Fähigkeit der Plattform auf Veranstaltungen demonstrieren (z. B.
Flagship Stores, Konferenzen, Messen)
• die bestehende HD-Infrastruktur nutzen, um exemplarisch 3D-Inhalte zu liefern
(z. B. 3D-Loop Channel, event-basierte 3D-Inhalte)
• ein Portfolio von 3D-Inhalten mit einer begrenzten Anzahl von Blockbustern in
hoher Qualität über VoD anbieten (z. B. Avatar, Ice Age 3, Coraline)
• Partnerschaften mit Produzenten schließen (z. B. Hollywood Studios,
Displayhersteller), welche Möglichkeiten zum Markteintritt suchen.
Alle oben genannten Schritte können mit einem vertretbaren Aufwand über bestehende HD-
Infrastrukturen realisiert werden. Zugleich haben diese einen starken positiven Effekt auf das
Image des TV-Plattformanbieters im Markt.
Wir empfehlen, dass Anbieter trotz offener Fragen hinsichtlich 3D-Standards, Schnittstellen
und Spezifikationen jetzt mit einem Anfangsangebot in den 3DTV-Markt eintreten und ihr
initiales Angebot weiterentwickeln sollten, sobald sich ein 3DTV-Markt etabliert hat. Zu
warten, bis sich alle offenen Fragen geklärt haben, kann die Gelegenheit einer führenden
Positionierung im entstehenden 3DTV-Markt gefährden.
Aktive 3DTV-Player, wie beispielsweise BSkyB im UK und DirectTV in den USA, haben
bereits 3D-Angebote angekündigt. Wie erwähnt, kann Video-on-Demand für Anbieter mit
knappen Bandbreitenkapazitäten – wie IPTV-Anbieter – eine Alternative bieten: Download-
to-play (DTP) kann im direkten Wettbewerb mit Blu-ray verwendet werden.
Wir erwarten, dass 3DTV ab 2012 einen großen Einfluss auf das Kerngeschäft von TV-
Plattformanbietern haben wird, da sich zu diesem Zeitpunkt voraussichtlich ausreichend
viele 3D-fähige Bildschirme im Markt befinden, Standards vereinbart wurden und
hochwertige 3D-Inhalte in ausreichendem Umfang für kaufkräftige Marktsegmente zur
Verfügung stehen. Ab 2012 wird die Produktion von 3DTV-Inhalten nicht allein auf
Hollywood-Studios beschränkt sein, sondern sich allmählich vom event-basierten VoD und
Blu-ray-Inhalten zu einer Ausstrahlung im Massenmarkt über das tägliche 24h-Live-
Fernsehen entwickeln.
Vor diesem Hintergrund ist die in Kapitel 4.2 dargestellte Möglichkeit, zumindest kurzfristig
3DTV über eine HD-Infrastruktur zu verteilen, langfristig nicht tragfähig. TV-
Plattformanbietern ist daher zu raten, die eigenen Geschäftsmodelle, Technologien und
Infrastrukturen vor dem Hintergrund dieser Entwicklung zu bewerten und sich aktiv an der
Definition und Einführung neuer Industriestandards zu beteiligen um die Eignung der
eigenen TV-Plattform zu sichern.
Die Frage ist nicht, ob TV-Plattformanbieter sich auf 3DTV vorbereiten sollten, sondern
lediglich wie.
6 Die Autoren
Tobias Hiddemann ist Consultant in der Competence Practice Strategy & Marketing der
Detecon International GmbH und spezialisiert auf Strategieentwicklung im Telco-Umfeld.
Nach Abschluss seines Studiums der Betriebswirtschaft im Jahr 2006 begann er seine
berufliche Laufbahn bei Detecon und ist vorwiegend in Service-Launch-, Post-Merger-
Integration- und IPTV-Projekten tätig.
Sie erreichen Tobias Hiddemann telefonisch unter +49 151 118 165 82 oder per E-Mail über
Tobias.Hiddemann@detecon.com
André Seltitz ist Senior Consultant in der Competence Practice Information Technology der
Detecon International GmbH und spezialisiert auf IT-fokussierte Geschäftsstrategien. Er hat
mehr als fünf Jahre ICT-Erfahrung, sowohl in der Industrie als auch in der Beratung. Sein
aktueller Projektfokus liegt in den Bereichen M2M, IPTV, HDTV und 3DTV.
Sie erreichen André Seltitz telefonisch unter +49 171 767 00 83 oder per E-Mail über
Andre.Seltitz@detecon.com
7 Das Unternehmen
Unsere Unternehmensgeschichte beweist dies: Detecon International ging aus der Fusion
der 1954 gegründeten Management- und IT-Beratung Diebold und der 1977 gegründeten
Telekommunikationsberatung Detecon hervor. Unser Leistungsschwerpunkt besteht dem-
nach in Beratungs- und Umsetzungslösungen, die sich aus dem Einsatz von Informations-
und Kommunikationstechnologien, engl. Information and Communications Technology (ICT),
ergeben. Weltweit profitieren Kunden aus nahezu allen Branchen von unserem
ganzheitlichen Know-how in Fragen der Strategie und Organisationsgestaltung sowie beim
Einsatz modernster Technologien.
Das Know-how der Detecon bündelt das Wissen aus erfolgreich abgeschlossenen
Management- und ICT-Beratungsprojekten in über 160 Ländern. Wir sind global durch
Tochter- und Beteiligungsgesellschaften sowie Projektbüros vertreten. Detecon ist ein
Tochterunternehmen der T-Systems International, der Geschäftskundenmarke der
Deutschen Telekom. Als Berater profitieren wir daher von der weltumspannenden
Infrastruktur eines Global Players.