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SÜDASIEN-INSTITUT

DER U N I V E R S I T Ä T HEIDELBERG
SOUTH ASIA I N S T I T U T E OF HEIDELBERG U N I V E R S I T Y

S O N D E R D R U C K E DER MITGLIEDER
R E P R I N T S OF P U B L I C A T I O N S OF STAFF MEMBERS

NO. 25
J E T T M A R , Karl
Die frühen Nomaden
der eurasiatischen Steppen

HU
Vom Institut überreicht • Im Buchhandel nicht erhaltlich
SÜDASIEN-INSTITUT DER UNIVERSITÄT HEIDELBERG
SOUTH ASIA INSTITUTE OF HEIDELBERG UNIVERSITY

Sonderdrucke der Mitglieder


Reprints of publications of staff members

No. 25:
JETTMAR, Karl (Seminar für Ethnologie):
Die frühen Nomaden der eurasiatischen Steppen (The early nomads in
the steppes of Eurasia).
SD aus: Saeculum Weltgeschichte, Bd. 2, 1966.
Saeculum
Weltgeschichte

2
Neue Hochkulturen in Asien
Die ersten Hochreligionen
e griechisch-römische Welt

i
SONDERDRUCK

HERDER
Originalveröffentlichung in: Saeculum Weltgeschichte, Bd. 2, 1966, S. 69-90, 607-614

IV. D I E F R Ü H E N N O M A D E N D E R E U R A S I A T I S C H E N S T E P P E N

Karl Jettmar

Etwa zwischen dem 40. und 50. Breitengrad zieht sich ein Band von Steppen
durch Eurasien, 6000 km lang. Im Norden wird es von einer siedlungsge­
schichtlich wichtigen Übergangszone, der W aldsteppe, begleitet, im Süden
liegen an vielen Stellen reiche Oasengebiete zwischen unwirtlichen W üsten,
nämlich dort, wo die Flüsse aus den begrenzenden Gebirgen austreten.
In den Eiszeiten reichte das Kaspische Meer fast bis zum Ural, im Post­
glazial bildete jener Gebirgsriegel, auf dem heute die sowjetisch-chinesische
|Grenze verläuft, die wichtigste Untergliederung. Als bequemer Durchgang
"öffnet sich nur die Dsungarische Pforte. Die Pannonische Tiefebene im W e­
sten oder das Minussinskgebiet im Norden müssen als vorgelagerte Steppen­
inseln in die Betrachtung einbezogen werden, um nur zwei Beispiele zu
nennen. Eine ähnliche Fortsetzung bilden große Teile der Mandschurei.
Selbst unter modernen Bedingungen sind von dem riesigen Raum - wie
mißglückte Ansiedlungsversuche der Sowjetmacht zeigen - weite Strecken
nur als Weide und nicht als Ackerland verwendbar. Verzichtet man auf das
gerade unter primitiven technischen Bedingungen mühsame Heumachen
und bewegt statt dessen die Herden von Ort zu Ort, dann wird nicht nur die
Grasnarbe geschont - man kann auch in nördlichen Breiten auf den Bau von
Ställen verzichten. W ährend des Winters bringt man die Tiere in geschützte
Flußniederungen, wo der Schnee nicht allzu hoch liegt und sich vor allem
keine für die Hufe undurchdringliche Eisdecke bildet. Der optimale Radius,
in dem man die Tiere bewegt, ergibt sich aus der Zusammensetzung der
Herden und aus den Bedingungen der Umwelt. In Turkmenien z. B. ist
Nomadisieren auf engstem Raum möglich, während man in Kasakstan im
Laufe eines Jahres Märsche von vielen hundert Kilometern zurücklegen muß.
IfAuch diesbezüglich haben von den Sowjets erzwungene Umstellungsver­
suche die Überlegenheit der traditionellen Praxis ergeben.
Man kann also sagen, der eurasiatische Steppengürtel ist für nomadische
Viehzucht prädisponiert, sie ist ökologisch die optimale W irtschaftsform.

/. Oasen- und Steppenbauern

Man sollte eigentlich annehmen, daß der Mensch nach kurzem Experimentier­
stadium gelernt hätte, seine Vorteile wahrzunehmen. Die Gelehrten schlös­
sen denn auch, die nomadische Viehzucht müsse in den Steppen von höch­
stem Alter sein. In dieser Auffassung fühlte man sich bestärkt, weil schon
der Vater der Geschichte, Herodot, zu melden weiß, die Menschen leb-

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Oasen- u n d Steppenbauem

ten hier nicht von der Saatfrucht, sondern v o m Weidevieh; es gäbe weder
Städte noch Befestigungen, Heimstatt sei der Wagen. Man rätselte nur noch,
ob es Jägerstämme gewesen seien, die nach dem Entstehen der Tierhaltung
spontan zum Nomadismus gelangt seien, oder ob kompliziertere Kulturen
in einem Adaptationsvorgang auf einen bereits entwickelten Feldbau ver­
zichtend zur ausschließlichen Tierhaltung übergegangen seien.
Seltsamerweise müssen wir bei unseren ganzen weiteren Untersuchungen
von der Tatsache ausgehen, daß sich das Nomadentum in Zentralasien erst
spät, nämlich während des ersten Jahrtausends v. Chr. gebildet hat. Es scheint
eine Periode vorherrschender Seßhaftigkeit vorangegangen zu sein, deren
Wirtschaftsbasis der Feldbau war. Sie dauerte in Zentralasien rund ein Jahr­
tausend, im Westen, wie wir hören werden, noch wesentlich länger. A m
dichtesten war die Besiedlung damals naturgemäß dort, wo es genug bestell-,
baren Boden gab. In ungünstigen Gebieten - wie etwa in der Gobi - scheinen"
sich Jäger mit primitivem Mikrolithinventar noch lange gehalten zu haben.
Man kann versuchen, diesen „ U m w e g " aus den technischen Bedin­
gungen heraus zu erklären: vielleicht mußte es zur Ausbildung von beweg­
lichen Behausungen (Wohnwagen oder zusammenlegbaren Jurten) kom­
men, bevor der Nomadismus attraktiv wurde. Erst mit Metallgerät ließ
sich rasch ein hochadaptiertes Instrumentar herstellen. V ielleicht war auch
eine rationale V iehnutzung viel schwerer zu erzielen, als wir uns dies heute
vorstellen. Das Pferd konnte erst Reit- und Saumtier werden, nachdem es
eine Reihe seiner Instinktreaktionen verloren hatte. Manche Gebiete eröff­
neten sich überhaupt erst, als man gelernt hatte, Brunnen anzulegen.
Häufig entsteht der Eindruck, daß man V orstöße in die Steppe dort ris­
kierte, wo als Ziel reiche Erzlager lockten. Transporttiere scheinen zunächst
im Handel verwendet worden zu sein, der sich rasch in bestimmten Routen
verfestigte.
Diese Konstellation macht verständlich, warum Südrußland während des
vierten und dritten Jahrtausends v. Chr. offenbar einen erheblichen Entwick­
lungsvorsprung gegenüber den asiatischen Teilen der Steppenzone hat^
Hier reichen die Steppen bis an die Küsten eines Meeres, an dessen südlichem
Ufer Anatolien liegt. Anatoliens erstaunliche Kulturhöhe reicht bis in die
vorkeramische Periode zurück, wie gerade die Ausgrabungen von Qatal-
hüyük zeigten. V ariantenreiche Agrarkulturen grenzen im Westen und
Nordwesten an. Erzlager finden sich nicht nur im eigenen Bereich, sondern
auch in den nahen Bergen, im Kaukasus und im Ural. Ähnlich vorteilhaft ist
die Anordnung der Wasserwege.
So ist es kein Wunder, daß sich im pontischen Raum eine ganze Sequenz
aktiver Kulturen unterscheiden läßt. Ihre Entwicklungshöhe ist von den
sowjetischen Archäologen lange verkannt worden. Erst die Ausgrabung
der befestigten Siedlung Michajlowskoje am unteren Dnjepr (vgl. Bd. I,
Seite 572) hat eine bessere Beurteilung ermöglicht. Man fragt sich heute, ob

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Einwanderung aus dem Westen

nicht der Entstehungsraum der Indogermanen hier zu suchen ist (vgl. zu den
folgenden Ausführungen Bd. I, Seite 570-602).
Auch wenn dies nicht zutreffen sollte (und es sich hier nur um ein sekundäres
Zentrum und Durchzugsgebiet dieser Völkerfamilie handelt), ist anzuneh­
men, daß bereits während des dritten Jahrtausends v. Chr. von hier aus
indogermanische Vorstöße nach dem Süden erfolgten. V o n solchen Expedi­
tionen mitgebrachter Reichtum dokumentiert sich in der Nekropole von
Maikop im Kaukasusvorland. A u f die Altgrubengräber folgt die Kata­
kombenkultur, die ohne Einbeziehung südlicher Anregungen nicht zu ver­
stehen ist. Sie kannte Schädeldeformation (als Statussymbol ?) und entwickelte
vermutlich Rauschrituale. Ein Zeugnis dafür sind die erhalten gebliebenen
„kreuzfüßigen" Räucherschalen.
| Während der Spätbronzezeit breitet sich über fast die gesamten südrussi­
schen Steppen die Balkengräberkultur aus, die ihre Toten in unterirdischen
Holzkammern bestattete und Erdhügel - Kurgane - darüber aufschüttete.
Östlich von der Balkengräberkultur, etwa jenseits der Grenze, die heute
konventionell Europa und Asien trennt, treffen wir ungefähr gleichzeitig
auf die Andronowo-Kultur. Sie ist in vieler Hinsicht mit der Balkengräber­
kultur eng verwandt, wurde ebenfalls von einer rein europiden Bevölkerung
getragen und reichte in südöstlicher Richtung bis an die Dsungarische
P forte, zeitweise schob sie sich sogar in die Steppeninsel am Jenissej, das
Minussinskgebiet, vor. Ähnliche Funde hat man in den Oasen am Aralsee, ja
in Hochtälern des T'ien-shan gemacht. Sie werden oft als eine eigene, wenn
auch verwandte Kultur: Tazabagjab, aufgefaßt. Man kann eine Reihe von
zeitlichen P hasen unterscheiden, die ungefähr v o m 17. Jahrhundert bis ins
8. Jahrhundert v. Chr. reichen. Die Vorstufen von Andronowo darf man
wohl kaum in den neolithischen Gruppen Mittelasiens vermuten. Die Uber­
einstimmungen mit der Balkengräberkultur sind so groß, daß man eine echte
Verwandtschaft annehmen muß, wobei das Ursprungszentrum im Westen -
etwa in der Altgrubengräberkultur - zu suchen ist. Ähnliches gilt auch von
feiner Vorläuferin, der nur an bestimmten P unkten des Steppenraumes faß­
baren Afanasjewo-Kultur. Sie ist durch einige spezifische Züge, z. B. durch
Rauschrituale, die sich im Vorkommen von Räucherschalen äußern, eben­
falls mit der Katakombenkultur Südrußlands verbunden.
Keine Klarheit besteht freilich in der Frage, auf welchem Wege die Ein­
wanderungen erfolgten. Es könnte sich um ein allmähliches Vorschieben im
Waldsteppengürtel handeln, aber auch um Vorstöße über große Entfer­
nungen, besonders in Gebiete, die sich durch Metallreichtum auszeichnen.
Vielleicht drang man zunächst durch die Dsungarische P forte noch viel
weiter nach Osten. Als Zwischenstation auf diesem Weg könnte man die
Zaman-Baba-Kultur betrachten (nach einem Gräberfeld bei Buchara). Sie
gehört dem gleichen zeitlichen Horizont an wie die Katakomben- und die
Afanas j ewo-Kultur.

71
Oasen- u n d Steppenbauern

Bedenken gegen solche Ableitungen aus dem Westen ergeben sich freilich
daraus, daß am Südrand Mittelasiens, im heutigen Turkmenien, seit dem
sechsten Jahrtausend v. Chr. Oasenbauern lebten, die eine ganze R eihe von
Haustieren besaßen (vgl. Bd. I, Seite 215 f.). Die älteste Phase bezeichnet man
als Dscheitun-Kultur, die späteren verbindet man mit dem Namen des be­
rühmten Wohnhügels v o n Anau. Sowjetische Gelehrte haben, fast aus
Protest gegen die Amerikaner, die seinerzeit in Anau ausgruben, von einer
Namazgah-Kultur gesprochen. Zeitweise stand dieser Raum unter dem Ein­
fluß der orientalischen Hochkulturen, vor allem jener von El Obeid. In
einer späteren Phase glaubt man anatolische Einflüsse zu erkennen; sie
reichen weiter nach dem Osten und mögen an dem Entstehen der Lung­
shan-Kultur in Nordchina mitgewirkt haben (vgl. dazu Bd. I, Seite213u. 339).
A m Aralsee gefundene neolithische Keramik weist bemerkenswerte D e - j
korationsmuster auf: In unbeholfener Form und primitiver Technik (es
handelt sich um R itzverzierungen) sind Motive wiedergegeben, die in der
bemalten Ware des Südens üblich waren. Später haben sich die Träger der
Buntkeramik bis nach Ferghana vorgeschoben. Vielleicht standen sie unter
dem Druck neuer Zuwanderer aus Süden und Südwesten. Ist es angesichts
dieser Situation nicht besser und einfacher, anzunehmen, daß die Agrar-
kulturen der Steppe durch Anregungen entstanden sind, die unmittelbar aus
dem Süden, aus Iran über Turkmenien kamen, aus jener reichen und interes­
santen Welt, deren Einflüsse ja offenbar bis nach Ostasien verfolgt werden
können? Man hat ja immer wieder postuliert, daß die Steppenkulturen Süd­
rußlands Vorstufen in der Tiefe des asiatischen Kontinents haben müßten.
Dort suchte man das Entstehungszentrum der indogermanischen Völker.
Als Ableger der südrussischen Steppenkulturen betrachtete man dann die
Streitaxtkulturen und löste so mit eleganter Hand das gesamte Indogerma-
nenproblem. Wer sich solchen Gedankengängen verschreibt (wie etwa Gim-
butas), müßte selbstverständlich auch die These vertreten, daß Südturk-
menien die kulturelle Ausstattung für das indogermanische Zentrum gelie­
fert hat. f
Vorläufig besteht jedoch keine Notwendigkeit zu solchem Umdenken.
Es ist immer noch die Erklärung vorzuziehen, die Besiedlung des Steppen­
gürtels mit indogermanischen Steppenbauern habe sich von West nach Ost
vollzogen, und nicht umgekehrt. Auch die neuesten Forschungen des sowje­
tischen Linguisten Abajew deuten in diese R ichtung. Die Oasenbauern des
Südens haben sich offenbar nicht selbst in die Tiefe der Steppen vorgewagt.
Ihre Einflüsse auf die einheimischen Fischer und Jäger, die wohl ganz anderen
Ethnien angehörten, führten lange zu keiner entscheidenden wirtschaftlichen
Umstellung.
Während die Mongolei offenbar ein R ückzugsgebiet von Jägern und Fi­
schern (an den austrocknenden Seen) war, treffen wir auf ein Gebiet von er­
staunlicher Dynamik im äußersten Osten des Steppenraumes, in der Man-

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Lokalkulturen in der Mandschurei. Umstellungshorizont

dschurei. Hier stießen schon im Neolithikum drei mit völlig verschiedenen


technischen Traditionen ausgestattete Kulturgruppen aufeinander, nämlich
die nordasiatische Fazies, für die prismatische Nuclei und messerartige Klin­
gen charakteristisch waren; zweitens der südliche Bereich, in dem man ge­
schliffenes Steingerät verwendete; drittens eine nordpazifische Provinz, die
wohl retuschierte Steinartefakte, nicht aber die typischen Formen Sibiriens und
der Mongolei kannte. Sie war auch in Japan vertreten. Diese drei Kulturareale
gingen offenbar auf Grund von Anregungen aus dem chinesischen Kernraum
zur produzierenden W irtschaft über. Dabei bildeten sich vier Lokalkulturen,
zwei auf der Basis der sibirischen Gruppe, je eine aus den anderen Traditionen.
Es wurden verschiedene Hirsearten angebaut, an Haustieren wurden nicht
nur Rinder und Schafe, sondern auch Pferde gehalten. Die große Be­
d e u t u n g der Schweinezucht zeigt jedoch, daß das keinen Übergang zum
^Nomadismus bedeutete.
Die Datierung der Gruppen, die bisher vorgeführt wurden, muß im Rah­
men eines Systems erfolgen, das, an der Bronzezeitchronologie Mittel- und
W esteuropas gemessen, recht unsolide ist. Immerhin steht fest, daß die
Afanasjewo-Kultur in einem Horizont einsetzt, der etwa um 2000 v. Chr.
liegt, und daß die Andronowo-Kultur noch im ersten Drittel des zweiten
Jahrtausends v. Chr. beginnt. Sie endet zu Beginn des ersten Jahrtausends
v. Chr., man glaubt, daß viele Dörfer bis ins achte Jahrhundert v. Chr. weiter­
bestanden.

2. Entstehung der Reiternomaden

Bereits im fünften Jahrhundert v. Chr. werden von Herodot alle W esens­


züge nomadischer Viehzucht erwähnt. Entsprechende Vorstellungen finden
sich sogar in griechischen Quellen, die in noch frühere Jahrhunderte zurück­
reichen, etwa in der Odyssee.
Selbst wenn wir gewisse Abstriche machen müssen - die pontischen Sky-
• then verbrachten die W intermonate in großen befestigten Lagern; man
sollte in ihrem Fall also eher von Halbnomadismus oder Transhumanz spre­
chen, je nachdem wie man diese Begriffe definiert - , müssen wir doch inner­
halb sehr kurzer Zeit mit einer durchgreifenden Veränderung der W irt­
schaftsweise rechnen. Schon während des achten Jahrhunderts v. Chr. tau­
chen Kimmerier und wenig später Skythen als bewaffnete Banden im V o r ­
deren Orient auf. Das könnte als Hinweis aufzufassen sein, daß die Umstel­
lung an manchen Stellen schon vollzogen war.
W ie dem immer sei, es muß sich um eine rasche und radikale W andlung
gehandelt haben, zu rasch, um sie mit Hilfe des archäologischen Materials im
einzelnen verfolgen zu können. Um so schwieriger ist wohl die Frage zu
beantworten, welche Faktoren sie ausgelöst haben.
Grjasnow hat die Auffassung vertreten, die Umstellung sei nur die logische

73
Entstehung der Reiternomaden

F o l g e der E n t w i c k l u n g , die die Wirtschaft der A n d r o n o w o - und Balken­


gräber-Kultur genommen h a t t e . I n d i e s e n K u l t u r e n h ä t t e es e i n e strenge
Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern gegeben. D i e Frauen betreuten
die kleinen Felder i m U m k r e i s der Siedlungen, die M ä n n e r aber hüteten die
H e r d e n . A l l m ä h l i c h verlagerte sich der S c h w e r p u n k t i m m e r stärker a u f die
V i e h h a l t u n g ; die A n z a h l der Schafe, aber auch der Pferde, die m a n nicht n u r
als S a u m t i e r e , s o n d e r n a u c h als F l e i s c h - u n d Milchlieferanten (schon die
ältesten griechischen Q u e l l e n berichten v o n S t u t e n m e l k e r n ) brauchte, w ä r e
gewachsen. M a n benötigte eine A n z a h l v o n Hilfskräften und schloß sich
daher z u g r ö ß e r e n V e r b ä n d e n z u s a m m e n , deren A n f ü h r e r bereits eine erheb­
l i c h e M a c h t a u s ü b t e n . D a h e r sei es n i c h t z u v e r w u n d e r n , d a ß g e g e n Ende
des z w e i t e n J a h r t a u s e n d s v . Chr. vereinzelt große, reich ausgestattete H ü g e l ­
g r ä b e r errichtet w u r d e n . Sie b e d e u t e n einen B r u c h m i t der b i s h e r i g e n egali­
t ä r e n T r a d i t i o n . V o n d i e s e r F o r m sei d a n n e i n p l ö t z l i c h e r Ü b e r g a n g z u g r o ß ­
zügiger E r s c h l i e ß u n g der Steppe erfolgt. M a n hätte die festen Siedlungen
aufgegeben, die ganze Sippe folgte n u n den Herden. M a n baute keine Häuser
mehr, sondern übersiedelte in W o h n w a g e n . I n diesem A u g e n b l i c k bestand
n a c h G r j a s n o w die N o t w e n d i g k e i t , alle v o r h a n d e n e n W e i d e n aufzuteilen.
D a s g e s c h a h n a c h d e m R e c h t des Stärkeren, R e i t e r s c h a r e n w u r d e n einge­
setzt. S o e n t d e c k t e m a n die M ö g l i c h k e i t e n der i m m e r i n t e n s i v e r g e w o r d e n e n
Pferdezucht.
G r j a s n o w behauptet natürlich nicht, daß sich dieser V o r g a n g überall
s p o n t a n v o l l z o g e n habe. V o n einigen B r e n n p u n k t e n h a b e aber die E n t w i c k ­
l u n g so schnell, in einer A r t v o n Kettenreaktion, übergegriffen, daß der
Forscher die einzelnen Phasen nicht m e h r unterscheiden k ö n n e . S t ä m m e , die
sich nicht rasch g e n u g umstellten, k o n n t e n v e r m u t l i c h n u r weiterexistieren,
w e n n sie s i c h d e m Schutz einer militärisch überlegenen Nomadengruppe
u n t e r s t e l l t e n . Sie m u ß t e n d a n n d i e V e r s o r g u n g i h r e r H e r r e n m i t Z erealien
ü b e r n e h m e n . Selbst diesen V o r g a n g glaubt G r j a s n o w im Altaivorland in
flagranti erfassen zu k ö n n e n .
M a n w i r d der D e u t u n g G r j a s n o w s A n s c h a u l i c h k e i t u n d K o n s e q u e n z nicht
absprechen k ö n n e n . A u ß e r d e m wissen w i r , daß sich in der N e u e n W e l t z w e i ­
m a l ein ähnlicher A b l a u f v o l l z o g e n hat. N a c h der E i n f ü h r u n g des Pferdes
d u r c h die E u r o p ä e r v e r m o c h t e n die Indianer in den P a m p a s w i e in den
Prärien in sehr kurzer Z e i t z u m N o m a d i s m u s ü b e r z u g e h e n , w o b e i allerdings
i m N o r d e n d i e B ü f f e l j a g d die N a h r u n g s b a s i s lieferte.
E s ist j e d o c h s e h r d i e F r a g e , o b d i e E r k l ä r u n g a u s r e i c h t , o b sie n i c h t n u r
einen F a k t o r e r f a ß t . S o k ö n n t e a u c h d i e V e r b r e i t u n g t e c h n i s c h e r F o r t s c h r i t t e
eine wesentliche R o l l e gespielt haben. M i t der E i n f ü h r u n g der T r e n s e , die
s i c h o f f e n k u n d i g i n d e n ö s t l i c h e n S t e p p e n erst spät d u r c h s e t z t e , w a r das
P f e r d i m K a m p f w e s e n t l i c h leichter z u dirigieren. N u r aus d e m W o l g a g e b i e t
k e n n e n w i r B a c k e n s t ü c k e , die n o c h aus d e m z w e i t e n J a h r t a u s e n d v . Chr.
s t a m m e n ; sie g e h ö r t e n v e r m u t l i c h z u T r e n s e n a u s g e f l o c h t e n e n L e d e r r i e m e n .

74
„Politische W a n d e r u n g " . Südbewegung der A n d r o n o w o - S t ä m m e

Andere Deutungen suchen die treibenden Kräfte außerhalb der eigent­


lichen Steppenzone. So meint Heine-Geldern, daß sich im Pontikum ger­
manische, thrakische und nordkaukasische Scharen zu einem Vorstoß zu­
sammenschlössen, der sie bis nach China führte. Die sogenannten tochari-
schen Dialekte, die noch im ersten Jahrtausend n. Chr. in manchen Oasen
des Tarimbeckens gesprochen wurden, schreibt er den Nachkommen von
Kriegergruppen zu, die sich in einem der Durchzugsgebiete angesiedelt
hätten. Die Hauptmacht habe zunächst die Chou zur Verlegung ihrer Haupt­
stadt gezwungen (771 v.Chr.) (vgl. Bd. I, Seite 351), später sei sie durch
Westchina nach Süden gezogen. Sie bilde eine Komponente der Dongson-
Kultur im nördlichen Annam.
Eine neue These ist vor kurzem von Akischew aufgestellt worden, einem
^Mitarbeiter der Kasakischen Akademie. Er meint, daß in den späteren
^•hasen der Andronowo-Kultur von den bisherigen Zentren, die im Bereich
der Flüsse Tobol, Ischim, Irtysch, Ob und Jenissej lagen, mehrere Vorstöße
nach dem Süden erfolgt seien. Zunächst brach man in die Oasengebiete ein
und verdrängte bzw. assimilierte die bisherigen Besiedler. So bildeten sich
die seßhaften iranischen Völker - Choresmier, Baktrier, Sogdier, Arier und
Parther (die späteren Parther sind Nomaden, die den Namen der unterworfe­
nen Vorbewohner übernahmen). Aus' den am weitesten nach Süden vorge­
drungenen Gruppen formierten sich die Stammesbünde der Meder und Per­
ser. Diese erfolgreichen Eroberungen hatten zur Folge, daß späte Südwande-
. rer aus der Andronowo-Kultur den Weitermarsch versperrt fanden. Sie
mußten sich also an die Trockensteppen adaptieren, und das bedeutete den
Übergang zum Nomadismus.
Damit ist bereits das starre, rein mit wirtschaftlichen Abläufen argumentie­
rende Schema Grjasnows aufgelockert. Vermutlich könnte man jedoch auf
dem von Akischew beschrittenen Weg noch weitergehen.
Noch in der ersten Hälfte des zweiten Jahrtausends v. Chr. tauchen
Namen im hurritischen Milieu auf, die den Indern, also den nächsten Sprach-
Äverwandten der Iranier, zuzuweisen sind. Die Streitwagenherren, die das
Mitannireich gründeten, stammten aus diesem Volkstum. Auch die Kassi-
ten hatten eine Herrenschicht gleicher Abkunft. Es ist nun sehr wahrschein­
lich, daß es daneben Gebiete gab, in denen die Masse der Bevölkerung indisch
war. Nur aus einem solchen Reservoir kann die Besiedlung des Pandschab
erfolgt sein. Wären die arischen Inder direkt aus Europa gekommen oder
aus der Tiefe des Steppenraums, dann wären sie in ihren neuen Sitzen
deutlich als fremde Schicht zu erkennen, was zum Leidwesen der Archäo­
logen nicht zutrifft. Wenn man nun überlegt, wo nähere Stützpunkte der
Inder gelegen sein könnten, dann stößt man unvermeidlich auf Nord­
iran und Südturkmenien. Der sowjetische Gelehrte Masson hält die Kultur
von Namazgah V und V I , Diakonow den gesamten Komplex Anau III,
d. h. Namazgah I V , V und V I , für indoiranisch. Der belgische Gelehrte

75
Entstehung der Reiternomaden

Vanden Berghe hat einen ähnlichen Nachweis für die schwarzgraue Kera­
mik Nordirans führen wollen. Seine Meinung wird von vielen westlichen
Fachleuten geteilt. Man braucht nun keine besondere Phantasie, um sich
ausmalen zu können, wie eine aus diesem Raum nach Osten und Südosten
gerichtete Abwanderung auf die Steppennachbarn im Norden wirken
mußte. Die verringerte Besiedlungsdichte ermöglichte es ihnen, ihrerseits
nach Süden vorzustoßen. Dabei muß es eine erhebliche Rolle gespielt haben,
daß die sprachlichen Unterschiede zwischen den bisherigen Herren Nord­
irans und ihren Steppennachbarn gering waren. Vielleicht gerieten die ira­
nischen Andronowobauern in Bewegung und wurden schließlich Nomaden,
weil sie von ihren erfolgreichen indischen Brüdern im Süden wußten und
von diesen technische und organisatorische Anregungen übernommen hat­
ten. So würde auch der im Fundgut sich deutlich abzeichnende Vorspruna
des Wolgagebiets zu erklären sein. A u f dem Seeweg über das Kaspische Meer
war es verhältnismäßig leicht möglich, den Kontakt mit den Kulturzentren
Nordirans herzustellen. Neben der Abwanderungstendenz aus dem Norden,
die vielleicht durch einen Klimawechsel bedingt wurde, kann also auch die
Verlockung des Südens die Dynamik ausgelöst haben.
Die Landnahme der Iranier durchbrach bisherige Grenzen, ermöglichte
eine KulturdifFusion v o m Plateau in den Steppenraum. Es ist sicher kein
Z ufall, daß gerade in dieser Periode eine Gefäßform südlicher Herkunft, die
sog. „brandy bowl", in Z entralkasakstan auftaucht.
Ähnlich bedeutende Einbrüche, über die allerdings die schriftlichen
Quellen nur wenige Hinweise enthalten, müssen auf dem Boden des heutigen
Afghanistan erfolgt sein. Einzelne iranische Gruppen stießen vielleicht
schon damals bis an den Indus vor.
Die Ausgrabungstätigkeit konzentrierte sich lange Z eit auf die Wald­
steppe, wo es eine dichte russische Besiedlung gab und wo daher auch die
meisten Streufunde abgeliefert wurden. Dadurch entstand der Eindruck,
die stärksten und reichsten Nomaden hätten wiederum hier, im ehemaligen
Kerngebiet der Andronowo-Kultur, gelebt. Neue Grabungen haben das|
Bild korrigiert. Die politischen Zentren der Nomaden lagen vielmehr am Syr-
Darja und im Vorland des T'ien-shan bis zur Dsungarischen Pforte -
wo man sie nach den Nachrichten Herodots vermuten muß. Hier saßen jene
Saken und Massageten, die sich dem Perserkönig entgegenstellten, im
Kampf mit ihnen ist Kyros der Große gefallen.
Hier muß es wie im Schwarzmeerraum unter dem Einfluß fremder Ideen
zur Ausbildung eines religiös verankerten Königtums gekommen sein, das
läßt sich aus der Aufdeckung monumentaler Grabanlagen erschließen. Im
Syr-Darja-Gebiet sind nach Tolstow die fürstlichen Toten in runden Hüt­
ten verbrannt worden, deren Fundamente später zu einem Denkmal um­
gebaut wurden (Nekropole von Tagisken). Im Iii-Gebiet errichtete man für
die Herrscher oberirdische Grabkammern mit einem kurzen Korridor, an

76
Grabanlagen

dessen E n d e eine A r t B r u n n e n s c h a c h t nach o b e n führte. D a s Material bilde­


ten g r o ß e B a u m s t ä m m e , die aus e n o r m e r E n t f e r n u n g ( A k i s c h e w vermutet
Strecken v o n 200-250 Kilometer!) herbeigeschleppt werden mußten. Eine
S t e i n s c h ü t t u n g u m h ü l l t e diese w o h l s c h o n z u L e b z e i t e n errichtete Anlage.
N a c h der Beisetzung durch den n o c h offenen K a m i n verdeckte ein Hügel
die gesamte Konstruktion. In einem Fall wurden zu dessen Errichtung
50000 K u b i k m e t e r E r d - u n d Steinmaterial bewegt. D i e A u f s c h ü t t u n g er­
folgte, w i e sich in einzelnen Fällen n a c h w e i s e n läßt, in m e h r e r e n Phasen,
zwischen denen vielleicht Jahre lagen. D e n Komplex umgaben zu einer
Spirale a n g e o r d n e t e Opferstellen, an d e n e n m a n megalithische Steinsetzun­
g e n errichtete. U n t e r d e m H ü g e l entdeckte m a n ein S y s t e m unterirdischer
G ä n g e . D e r V e r f a s s e r h a t s i c h b e m ü h t , n a c h z u w e i s e n , d a ß ein V o r b i l d d i e s e r
.komplizierten Totendenkmäler die „Katakomben" (Nischengräber) der
feronzezeit waren, die auch den t y p o l o g i s c h e n A u s g a n g s p u n k t für die G r a b ­
anlagen der k ö n i g l i c h e n S k y t h e n in S ü d r u ß l a n d bilden. V ielleicht w a r e n die
beiden Herrengruppen durch irgendwelche V erwandtschaftsbande ver­
knüpft. V ielleicht g e h ö r t e n sie auch n u r d e m gleichen K u l t v e r b a n d an, der
sich s c h o n in der B r o n z e z e i t gebildet hatte.
W i e d e m a u c h sei, d e r Ü b e r g a n g z u m N o m a d i s m u s m u ß e i n k o m p l i z i e r t e r
V o r g a n g g e w e s e n sein, bei d e m klimatische, wirtschaftliche, militärische,
aber auch religiöse Faktoren mitspielten.
E r ist n u r i m R a h m e n d e r a l l g e m e i n e n S i t u a t i o n W e s t a s i e n s v e r s t ä n d l i c h .
Die Umstellung auf intensive Pferdezucht erfolgte auch, weil Kavallerie­
v e r b ä n d e die M ö g l i c h k e i t b o t e n , in ein Spiel einzugreifen, in d e m bereits
S t a m m v e r w a n d t e eine g r ö ß e r e R o l l e gespielt hatten, jene, die eben v o n der
B ü h n e abgetreten waren.

3. Politische Geschichte der Steppenvölker

H e r o d o t hat u n s die N a c h r i c h t überliefert, die p o n t i s c h e n S k y t h e n seien aus


d e m O s t e n g e k o m m e n u n d hätten die bisher herrschenden K i m m e r i e r ver­
d r ä n g t , s o d a ß sie flüchtend d e n K a u k a s u s überschritten, u m ein abenteuer­
liches D a s e i n i m D i e n s t e der Militärstaaten zu b e g i n n e n . D i e s e Nachricht,
die ü b r i g e n s bei H e r o d o t n e b e n der A n g a b e steht, die S k y t h e n seien A u t o -
c h t h o n e , hat m a n zunächst akzeptiert, später scharf abgelehnt, d a n n w i e d e r
a u f g e g r i f f e n , a b e r d a h i n g e h e n d i n t e r p r e t i e r t , d a ß es n u r e i n e l a n g s a m e T r i f t
der B a l k e n g r ä b e r s t ä m m e n a c h d e m W e s t e n g e g e b e n hätte. D i e T r ä g e r der
Katakombenkultur, die man mit den Kimmeriern identifizierte, wurden
dabei allmählich assimiliert o d e r verdrängt. H e u t e rechnet m a n wenigstens
bei e i n e m T e i l der s o w j e t i s c h e n A r c h ä o l o g e n wieder m i t einer Einwande­
r u n g aus der T i e f e des asiatischen S t e p p e n r a u m e s , e t w a aus d e m sakischen
G e b i e t . Sicher m u ß j e d o c h das A u f t r e t e n k i m m e r i s c h e r Scharen i m V o r d e r e n

77
Politische Geschichte der Steppenvölker

O r i e n t nicht u n b e d i n g t m i t einer Niederlage i m Heimatgebiet in V e r b i n d u n g


gebracht w e r d e n (vgl. S eite 200). V i e l wahrscheinlicher ist eine E i n m i s c h u n g
in die A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n des S üdens, weil d o r t K o l o n i a l b o d e n u n d B e u t e
lockten. V o r b i l d e r f ü r solche Z ü g e g a b es in Mittelasien, aber auch in O s t ­
europa war m a n w ä h r e n d der B r o n z e z e i t weitausgreifenden Eroberungs­
z ü g e n nicht a b h o l d ( S e e v ö l k e r w a n d e r u n g : v g l . B d . I, S eite 561 f.).
D i e Ereignisse, die sich n u n i m V o r d e r e n O r i e n t abspielen, k ö n n e n aus
den s o r g e n v o l l e n oder auch t r i u m p h i e r e n d e n Ä u ß e r u n g e n der betroffenen
S taaten, aus deren Inschriften u n d d e m Reflex in den A u f z e i c h n u n g e n der
griechischen H i s t o r i k e r rekonstruiert w e r d e n . S ie sind bereits i m ersten
B a n d e dieses W e r k s auf einem breiten H i n t e r g r u n d dargestellt w o r d e n , so
daß es hier genügt, zusammenfassend z u konstatieren, daß sich nach d e m
ersten S chock jene S taaten, die damals die gepanzerte F l a n k e des V o r d e r e n —
O r i e n t s bildeten ( A s s u r , Urartu), sehr w o h l der N e u a n k ö m m l i n g e z u b e d i e l
nen w u ß t e n . S ie setzten sie gegen die bereits fest etablierten M e d e r u n d Per­
ser ein, aber selbstverständlich auch gegeneinander. D i e s e Politik hatte zur
F o l g e , daß es die f r e m d e n Reiter sehr bald zu eigenen Herrschaften brachten,
ja eine Zeitlang waren offenbar die S k y t h e n die stärkste M a c h t in d e m
gesamten S piel. S ie v e r m o c h t e n bis an die G r e n z e n Ä g y p t e n s v o r z u s t o ß e n .
N a c h der V e r n i c h t u n g A s s u r s u n d der E r r i c h t u n g einer H e g e m o n i e der
M e d e r war es daher deren erste S orge, sich dieser gefährlichen V e r b ü n d e t e n
z u entledigen. D i e Perser haben diese P o l i t i k beibehalten, sie haben eine
R e i h e v o n P r ä v e n t i v k r i e g e n gegen die S t e p p e n v ö l k e r geführt. Zunächst
w a n d t e n sie sich gegen die sakischen Herren Mittelasiens u n d dann gegen
die S kythen jenseits des Meeres, d. h. i m P o n t i k u m . D i e erste K e t t e v o n
A k t i o n e n führte unter D a r i u s zu einem E r f o l g , den er in seinen Reliefs v e r ­
herrlichen ließ. U n t e r den G e f a n g e n e n erscheint auch der Fürst der „ S a k e n
m i t den spitzen M ü t z e n " . D e r F e l d z u g gegen die pontischen S kythen, v o n
d e m w i r eine anschauliche S childerung besitzen, führte zwar fast zur V e r ­
n i c h t u n g der persischen A r m e e , hatte aber auf die D a u e r d o c h die g e w ü n s c h t e
Wirkung.
M ö g l i c h e r w e i s e haben diese kriegerischen Ereignisse bewirkt, daß sich
einzelne freiheitsliebende S t ä m m e wieder nach d e m N o r d e n z u r ü c k z o g e n .
Jedenfalls dürfte etwa u m 500 v . Chr. ein E i n b r u c h mittelasiatischer S t ä m m e
ins M i n u s s i n s k b e c k e n stattgefunden haben, der in der B i l d u n g der K u l t u r
v o n T a g a r I I seinen Niederschlag fand. A u c h die Herrenschicht der S t ä m m e
i m A l t a i m i t ihren großartigen, wohlerhaltenen Grabanlagen, die uns n o c h
beschäftigen werden, scheint u m diese Zeit eingewandert zu sein. V e r m u t ­
lich unterwarfen oder verdrängten n o c h i n der gleichen Phase N o m a d e n
jene S tämme, die in der W a l d s t e p p e saßen oder die d o r t h i n nachgeströmt
waren, als sich die H a u p t m a s s e der A n d r o n o w o b e v ö l k e r u n g in den S üden
verschob.
D i e pontischen S kythen haben offenbar weitausgreifende E x p e d i t i o n e n

78
Kulturelle Expansion der skythischen W e l t

unternommen. Wie weit sie nach Nordwesten reichten, verrät der Fund von
Vettersfelde in der Mark Brandenburg (vgl. S eite 206). In Gebieten, die sich
für Viehhaltung gut eigneten, kam es zur Landnahme, so zum Beispiel in der
pannonischen Tiefebene.
Vielleicht war diese Expansion nur deshalb nicht stärker und nachhaltiger,
weil sich gleichzeitig auf eigenem Boden ungeahnte Möglichkeiten boten.
Die pontischen S kythen traten in ein festes symbiotisches Verhältnis zu den
griechischen Kolonialstädten. Über diese Handelszentren exportierten sie
Getreide, das ihnen ihre Untertanen liefern mußten, aber auch Holz, S kla­
ven und Rauchwerk, das sie von ihren Hintersassen in Mittelrußland bezo­
gen. Dafür strömten Luxusgüter ins Land, Produkte des griechischen Kunst­
gewerbes und vor allem Wein.
_ Nördliche Nachbarstämme fügten sich, so gut es eben ging, in dieses
PBystem ein. Großartige Erfolge erzielte eine verhältnismäßig kleine Gruppe
im Kama- und Wolga-Gebiet, die die Ananino-Kultur trug. S ie übernahm
den Metallhandel mit den nördlichen Jägerstämmen und exportierte Waffen
und Geräte teils eigener, teils skythischer Prägung bis an die Küsten des
Weißen Meeres. Erhebliche Unterschiede der wirtschaftlichen und sozialen
Position sind festzustellen; es wurden S klaven gehalten, vermutlich auch
nach S üden exportiert. Wahrscheinlich haben die uralischen Völker viele
Kulturgüter - und deren Namen - aus dieser Quelle erhalten.
Eine ähnliche kulturelle Expansion der skythischen Welt läßt sich im
Nordkaukasus feststellen. Manche S tämme bedienten sich skythischer
Waffen und Würdezeichen, besonders in der Nähe der Pässe.
Das eigenartige „Wirtschaftswunder" im pontischen Raum, das durch
die engen Handelsverbindungen mit der Agäis ausgelöst wurde, hat die
grandios ausgestatteten Grabanlagen der skythischen Könige ermöglicht,
deren reichste wohl dem Herrenvolk, den „königlichen S kythen", zuzu­
schreiben sind. Griechische Keramik und griechische Goldschmiedearbeiten
gehören hier zur normalen Ausstattung.
^ Dieses S ystem hatte freilich zur Folge, daß viele tributpflichtige S tämme
" n i c h t in den Genuß der Überschüsse kamen, die sie produzierten. Die Macht
der Skythen hatte keine breite Basis. S chon dieser Umstand gab den benach­
barten S armaten, die zunächst weit weniger hierarchisch organisiert waren,
die Chance, langsam nach Westen vorzudringen. Erst unter dieser Bedro­
hung kam es bei den S kythen zur Bildung eines festgefügten S taates, zu
spät, um sich auch gegen neue Feinde aus dem Westen und S üdwesten
durchsetzen zu können. Die Niederlage des S kythenkönigs Atheas (339
v. Chr.) gegen Philipp von Makedonien zeigt die S ituation. V o n da ab wird
das skythische Territorium immer weiter reduziert, bis schließlich die K r i m
und der Kolonialboden in der Dobrudscha die letzten Zufluchtsgebiete bilden.
Erstaunlicherweise folgt in Mittelasien auf die gewaltige Dynamik der
Entstehungszeit eine verhältnismäßig stabile Periode. S ie entspricht der

79
Politische Geschichte der Steppenvölker

Achämenidenherrschaft und reicht in die Phase griechischer Vorherrschaft


über Asien hinein. Damals haben sich offenbar die Saken und ihre Stammes­
verwandten begnügt, gegeneinander oder in den Heeren der Perserkönige
zu kämpfen. Sie exportierten G o l d oder profitierten von dem Handel, der
schon damals zwischen China und dem Westen bestand.
So war es möglich, daß selbst jene Oasengebiete, die dem unmittelbaren
Zugriff der Nomaden ausgesetzt waren, wie Choresm und Sogdien, zwar
belästigt, aber nicht überrannt wurden, ein Zustand, der sich in den T exten
des Awesta widerspiegelt. Das enge Verhältnis zeigt sich auch darin, daß
Nomaden und seßhafte Mittelasiaten, die auf den Reliefs von Persepolis ab­
gebildet sind, sich in ihren T rachten nur wenig unterscheiden.
Im zentralen T eil des Steppenraums mag es mehrere Machtzentren gege­
ben haben. Sicher lebte in der Dsungarei ein bedeutender Stammesverband.
Faßbar sind uns nur jene Gruppen, die ihre Weiden auf heute sowjetischen^
Gebiet hatten und dort ihre Kurgane errichteten. Die Nekropolen gliedern
sich in Gruppen mit deutlich unterschiedenen Bestattungsritualen - ein
Hinweis auf ethnische, soziale, vielleicht auch rein religiöse Unterschiede.
In Nordkasakstan markierte man die Gräber nicht nur durch Hügel, sondern
auch durch zangenförmig auseinanderlaufende Steinwälle, im Altai war die
Beigabe von Pferden von größter Wichtigkeit, im Minussinskgebiet gab
man sehr bald statt der Waffen nur mehr verkleinerte Modelle mit ins Grab,
ein Brauch, den es auch in den chinesischen Randprovinzen gab. Im vierten
Jahrhundert V. Chr. läßt sich dann im Altai ein plötzliches Anschwellen der
chinesischen Importe feststellen, was sicher auf irgendeinen Kontakt mit
der Randzone Chinas deutet, sei er nun auf friedlichem oder auf kriegerischem
Wege erfolgt.
In der Mandschurei und großen T eilen der Mongolei, also einem riesigen
Areal, bildete sich im neunten und achten Jahrhundert v. Chr. die Platten­
gräberkultur. (Die Übersetzung „Steinkistengräberkultur" würde der
Sache besser gerecht, bietet aber eine Verwechslungsmöglichkeit mit anderen
Gruppen.) Sie schmilzt vermutlich unter westlichen Einflüssen alle jem
Lokalkulturen ein, die wir während der vorausgehenden Periode kennen
lernten, und ist daher kaum einer sprachlich einheitlichen Bevölkerung zu­
zuschreiben. Die Kerngebiete Chinas hat die Plattengräberkultur erstaunlich
wenig beeinflußt, so daß dort der Streitwagen bis ins vierte Jahrhundert
v. Chr. weiterverwendet wurde (vgl. Seite 308 f.). Offenbar lag zwischen dem
Plattengräberbereich und dem chinesischen Hochkulturzentrum noch ein
Gürtel seßhafter, aber doch über Reiterei verfügender Randstämme. Einer
davon mag den Handel organisiert haben, der auf der Route der späteren
Seidenstraße nach dem Westen führte. So erklärt sich das Auftreten von
Gußeisen (das in dieser Periode fast nur in China feststellbar ist; vgl. Seite
314) bei sakischen Stämmen westlich der Dsungarischen Pforte im fünften
und vierten Jahrhundert v. Chr.

80
Rekonstruktion der Sozialstruktur

4. So^ialstruktur und Religion

Überblickt man diesen Ablauf, der in seinen Details, aber nicht in der all­
gemeinen Tendenz angezweifelt werden kann, so erkennt man, daß die
frühen Nomaden (das ist ein offizieller Terminus der sowjetischen Archäo­
logie) nach einem dynamischen Auftakt, der. zur Um- und Neubesiedlung
weiter Steppengebiete führte, zu einer Stabilisierung kamen, die den Seß­
haften eine Atempause gab. Es ist symptomatisch, daß die Sarmaten nicht
lange die stärkste Macht im Pontikum blieben, sondern die Vorherrschaft
den Goten überließen, also einem V o l k nichtnomadischer germanischer
Herkunft. Auch das China der Chouzeit hätte sich solche schweren inneren
Auseinandersetzungen nicht leisten können, wenn es gefährliche Nachbarn
zu Gegnern gehabt hätte. Eine Erklärung dieses Phänomens liegt sicher
^ darin, daß die frühen Nomaden noch immer nicht über jene technische Aus­
rüstung verfügten, an die wir bei ihrer Erwähnung denken würden. Sie be­
nutzten noch keine Steigbügel und besaßen nur äußerst dürftige Sättel. Wenn
sie dennoch gelegentlich gepanzert und mit schwerer Bewaffnung zum
Kampf antraten, so setzte das eine fast akrobatische Geschicklichkeit voraus.
Wichtiger waren jedoch Eigentümlichkeiten der geistigen Haltung, die in
sozialen Institutionen ihren Niederschlag fanden. Sie lassen sich zum Teil
als Relikte aus der früheren, auf Feldbau basierenden Phase erklären. Ande­
res muß in Zusammenhang mit dem Zeitgeist verstanden werden, der auch
die seßhaften Nachbarkulturen prägte. Wagen wir uns tastend in diesen
Bereich, so können wir von den sorgfältigen Grabungen im Räume der
nördlichen Andronowo-Kultur ausgehen, die schon Grjasnow als Basis
für seine These des spontanen Übergangs zum Nomadismus dienten. Scharf­
sinnige Untersuchungen der letzten Jahre haben aus dem Vergleich zahl­
reicher Grabinventare die Existenz einer Dualorganisation bei patrilinearer
Deszendenz erschlossen. Die soziale Differenzierung sei hingegen relativ
gering. Daß es ähnlich wie bei rezenten indo-iranischen Völkern (Kafiren,
Darden) eine klare Aufteilung der Pflichten nach Geschlechtern gab, wurde
^ s c h o n erwähnt. Für beide Geschlechter gab es offenbar eine Gliederung
nach Altersklassen, von einer mobilen Jungmannschaft der Männer hören
wir in der Amazonenlegende. V o n einer politischen Zentralinstanz ist nichts
zu bemerken. Wenn trotzdem die Andronowo-Kultur über enorme Entfer­
nungen hin ein einheitliches Bestattungsritual aufweist, dann kann wohl auf
das Vorhandensein eines Kultverbands geschlossen werden. Bei den Sied­
lungen sind Opferplätze gefunden worden.
Die wirtschaftlichen Aspekte der Altersklassenorganisation wurden
schon erwähnt; in der Übergangsphase zum Nomadentum mag sie eine noch
größere m i l i t ä r i s c h e Bedeutung erlangt haben. Durch Ktesias wissen wir,
daß der Heerbann der Perser nach Altersklassen gegliedert war, er war es
ebenfalls, vielleicht unter iranischem Einfluß, bei den Urartäern. Alters-

81
Sozialstruktur und Religion

klassen scheinen nun auch bei den Feldzügen der Skythen eine große Rolle
gespielt zu haben. Vermutlich waren die Aufgebote, die ihren Weg nach dem
Süden nahmen, nicht irgendwelche Söldnerhaufen, sondern Jungmann­
schaften. Sie gehorchten gleichzeitig einem religiösen Gebot. Die Herr­
schaftsperiode der Skythen über Vorderasien dauerte nach Herodot 28 Jahre.
Das entspricht kaum der Realität, man hat hier eine Z ahl eingesetzt, die in
dem von Ktesias beschriebenen System eine besondere Rolle spielt.
Im Süden gerieten die Söhne der Steppen in eine agonale Welt, in der
Rivalitäten, erbeutete Schätze, Trophäen und prunkvolle Feste das Leben
bestimmten. Der Ehrgeiz - und seine Befriedigung - spielte eine ungeheure
Rolle. Nicht nur daß die Könige untereinander wetteiferten und ihre Erfolge
in Monumenten und Reliefs verkündeten - bei den freien Stämmen der
Berge war die Sucht nach Verdiensten und Statussymbolen nicht geringer.
In den Tälern des Kaukasus und des Z agros bestimmte offenbar der Besitz]
an Bronzegerät, an Waffen, Nadeln und Kultobjekten das individuelle A n ­
sehen. Kriegerische Macht stützte sich gerade hier auf die Kontrolle über
reiche Erzlager. Nach dem Tode folgte dieser prunkende Reichtum dem
Mächtigen ins Grab.
Leider ist eben dieser Faktor im Gefüge des Nahen Ostens besonders
schwer zu fassen. Im Kaukasus begann man schon im 19. Jahrhundert zu
graben - recht dilettantisch. Die Gräber von Luristan werden bis heute
ohne Gnade ausgeplündert. Die Raubgräberei hat inzwischen auf die ebenso
wichtigen Täler Nordwestpersiens übergegriffen. Wir können aber mit
Sicherheit annehmen, daß gerade hier die Mannschaften aus den Steppen auf
eine verwandte Sinnesart stießen, wenn sie auch infolge ihrer höheren Be­
weglichkeit und ohne eigene Metallreserven nach anderen Ausdrucksformen
suchen mußten. Sie bildeten daher eine abstraktere Ehrenordnung aus, in
der ein anderes System von Graden und Verdiensten vorgezeichnet war.
Daß dabei Schädeltrophäen, Skalpierung, rituelles Z utrinken (von Herodot
berichtet) und Standarten eine Rolle spielten, ist sicher.
Es liegt nun nahe, mit dem System der Coups zu vergleichen, das die nord­
amerikanischen Indianer, ebenfalls nach dem erfolgreichen Übergang zum1
Reiterkriegertum, entwickelten. Ein fast sportlicher Ehrgeiz bewahrte dort
den Gegner oft vor völliger Vernichtung. Berühren des unverwundeten
Feindes wurde höher bewertet als dessen Tötung. In ähnlicher Weise muß
auch hier eine Ordnung, die nicht auf reinen Machtgewinn abgestellt war,
als Regulativ gewirkt haben. Man könnte auch an die Radschputen erinnern,
in denen ohnedies das Erbe der Steppenkrieger nachlebt, die in Indien ein­
fielen. Trotz geradezu hysterischen Heldentums waren sie so in ihrem
Ehrenkodex befangen, daß sie sich nicht für eine zielbewußte Expansions­
politik eigneten.
Dabei erwartete die Gemeinschaft nicht allein kämpferische Dienste,
sondern jenen Ruhmgewinn, der ohne Freigebigkeit, ja Verschwendung

82
Seelenvorstellungen der Steppenvölker

nicht möglich ist. Tat und Fest bildeten zusammen die Stufen zu einem
höheren Grad der Unsterblichkeit.
Im Gegensatz zu vielen Weltreligionen stellte man sich nämlich diese
Erfolgsleiter gewissermaßen ins Jenseits verlängert vor. Man nahm an, daß
erworbene soziale Positionen auch ins Jenseits hinüberreichen, wenn näm­
lich ein entsprechendes Begräbnis den Anschluß herstellt. Da aber auch
noch andere Vorstellungen von der Einheit der Sippe, v o m Z urückkehren
des Toten in ihren Schoß weiterbestanden, versöhnte man die Divergenz,
indem man auf die Idee von der Existenz mehrerer Seelensubstanzen zurück-
griff. Diese Situation liefert uns die Erklärung, warum im Bereich der
Steppenvölker gerade während der stabilen Blüte der frühen Nomaden ein
solcher Reichtum an komplizierten Varianten im Grabritual vorhanden ist.
Durch differenzierte Behandlung suchte man der stammesmäßigen und sozia-
W len Eigenart des Toten, gewissermaßen seinem Persönlichkeitswert, gerecht
zu werden. Die Gemeinschaft, die solche Mühen auf sich nahm, erwarb
damit ja auch einen mächtigeren Beschützer. Dem Nebeneinander der ver­
schiedenen Seelensubstanzen wurde man durch eine mehrstufige Beisetzung
mit gesonderter Behandlung von Fleisch und Knochen gerecht. Die „Seele
des Fleisches" kehrte wieder in den Kreis der Verwandten zurück. V o n
Herodot wissen wir, daß hiezu gelegentlich ein Kommunionritus diente:
Man verzehrte Fleisch des Toten beim Trauermahl.
Wenn man nach rezenten Parallelen zu diesem Komplex von Vorstellungen
und Institutionen sucht, dann findet man sie konzentriert bei jenen Völkern,
die im Rahmen von Verdienstfesten Megalithdenkmäler errichten. Ver­
gleiche mit den Naga und den Kafiren bieten sich geradezu an. Tatsächlich
scheint die Tendenz zur Errichtung gewaltiger Denkmäler, für die sich der
unvergängliche Stein naturgemäß als geeignetes Baumaterial anbietet, auf
dem asiatischen Kontinent im ersten Jahrtausend v. Chr. besonders stark
gewesen zu sein, im Gegensatz zum mediterranen Raum und Westeuropa,
wo die maximale Entfaltung bereits zu Beginn des zweiten Jahrtausends
^ v . Chr. zu beobachten ist.
™ Es ist heute so gut wie sicher, daß die Hügelgräber des asiatischen Steppen­
raumes analog den Steinsetzungen im Verlauf von Festen aufgeschüttet
wurden. Das erklärt die vielen Phasen, die man jetzt in der Errichtung der
Kurgane festgestellt hat. In einem Falle ist das Grab bereits ausgeraubt
worden, als der Hügel noch nicht aufgeschüttet war und Steinkreise als vor­
läufige Markierung dienten (Tuekta).
Um die Mitte des ersten Jahrtausends v. Chr. setzt sich auch im Steppen­
raum die Tendenz durch - vielleicht unter dem Einfluß antiker Mysterien­
religionen - , den Toten mit der Gottheit zu identifizieren, damit er an ihrer
Form von Unsterblichkeit teilhabe. Dann aber gewinnen die Totendarstel­
lungen, wie man für Choresm in außerordentlich spannender Weise nach­
gewiesen hat, wieder individuelle Z üge. Die realistische Statue aber; die auf

83
Entstehung und Bedeutung des Tierstils

Grund dieser fremden Anregung entstand, wird von da ab in den Dienst


des traditionellen Verdienststrebens gestellt. Wie noch bei den Ugriern des
frühen zwanzigsten Jahrhunderts scheint man sich eine weitere Seelensub­
stanz in Tiergestalt vorgestellt zu haben. V o n nordamerikanischen Indianer­
stämmen wissen wir, daß die Hilfsgeister gerade in dieser Ebene auftreten,
ebenfalls als Tiere.
Andererseits war vermutlich der Kult der höchsten Gottheiten bildlos, ja
es fehlten die Tempel. Er entzieht sich daher der Neugier des Archäologen;
wir sind auf gelegentliche Bemerkungen Herodots angewiesen.

5. Entstehung und Bedeutung des Tierstils

Noch bevor man ahnte, daß es eine so eigenartige Welt der frühen Nomaden H
gab, wurde man mit ihren gewaltigen künstlerischen Schöpfungen konfron­
tiert. 1715 wurde der Z arin anläßlich der Geburt eines Sohnes ein Gold­
schatz dargebracht, der aus den Grabhügeln Sibiriens stammte, welche
eben das Z iel einer eifrigen Raubgräberei geworden waren. Der Dekor der
Stücke zeichnete sich durch eine fast manische Vorliebe für Tiermotive aus.
Meist handelte es sich um Schließen für Prunkgewänder, schwere Platten,
die die Kämpfe von Tieren und Fabeltieren zeigten. Viele Stücke wirkten
nicht wie modelliert, sondern wie Schnitzarbeiten, die man in Gold nachge­
gossen hatte. Die Oberfläche der Reliefs war in geschwungene Flächen zer­
legt, zwischen denen scharfe Grate standen. Neben gekonnter Realistik
gab es prägnante Stilisierung. Es ging nicht um die Bewegung selbst, es
sollte offenbar die Spannung ausgedrückt werden, die Kraft und die Gier
des Angreifers. Rätselhaft blieb zunächst die Vorliebe für manche unnatür­
liche Posen. Die Körperteile waren zum Kreis zusammengebogen, zu einer
S-Spirale, sie waren in Voluten und Wirbelmuster gespannt. Manche Details
wurden stereotyp wie durch Symbole wiedergegeben. Attribute verschie­
dener Tiergattungen konnten mit größter Freiheit kombiniert werden. ^
Immer waren die Darstellungen zum Schmuck persönlichen Geräts gebraucht. ™
Die Merkmale dieser „Tierstilkunst" fand man nun nicht nur in jenen
Goldsachen wieder, die in den nächsten Jahrzehnten dem aufmerksam
gewordenen Peter dem Großen abgeliefert wurden und heute zusammen
mit dem ursprünglichen Demidow-Geschenk den Stolz der Eremitage
bilden. Sie wurden später auf Gegenständen gefunden, die aus Hügelgrä­
bern im pontischen Raum stammten. Da sie hier mit gut zu datierenden
griechischen Importwaren vergesellschaftet auftraten, war ihre Z eitstellung
in die Jahrhunderte vor und um Christi Geburt klar, man konnte sie ohne
besondere Bedenken den Skythen und ihren von Herodot beschriebenen
Nachbarvölkern zuweisen. Manches Stück stammte sicher aus griechischer
Künstlerhand, die sich dem Geschmack barbarischer Auftraggeber an-

84
Herkunftsthesen

bequemt hatte. Eine von griechischen Einflüssen freie Spielart der gleichen
Kunst lernte man im Wolgaraum kennen, eine andere wurde durch Z ufalls­
funde und Raubgrabungen im Minussinskbecken festgestellt, einem Gebiet,
das sich durch eine unerhörte Fülle von Grabanlagen auf engstem Raum
aus2eichnet. Vereinzelte Streufunde deuteten weitere verwandte Stilpro­
vinzen im asiatischen Steppenraum an. Ableger schienen tief in die Wald­
gebiete Osteuropas und Sibiriens hineinzureichen.
Z unächst hatte man vermutet, diese Tierstilkunst sei aus Anregungen der
frühen ionischen Kunst entstanden. Schon vor dem ersten Weltkrieg zog
jedoch der Engländer Minns eine eigenständige Herkunft aus innerasiati­
schem Erbe in Erwägung: der Tierstil verwende Formen, die in anderem
Material entwickelt worden seien.
Seine These erhielt Gewicht, als in den zwanziger Jahren Tierstilbronzen
" a u s den nordchinesischen Grenzgebieten, vor allem aus der Ordossteppe,
auf dem internationalen Antiquitätenmarkt auftauchten. Vor allem aber
stieß man im Hochaltai auf den ersten Pazyrykkurgan, der zwar noch außer­
halb des ewig gefrorenen Bodens angelegt war, unter dessen Aufschüttung
sich aber durch ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren eine Eislinse gebildet
hatte, die den gesamten vergänglichen Inhalt der Grabkammer konserviert
hatte. Die Grabräuber, die im Altertum eingebrochen waren, hatten sich nur
für Gold- und Metallgegenstände interessiert, daher hatte man erstmalig
ein Fundgut, das viele Tierstilobjekte in Holz, aber auch Textilien sowie
Leder- und Fellarbeiten enthielt. Man erinnerte sich nun, daß es ähnliche
Meisterwerke in der Sammlung Florow und in den lange zurückliegenden
Funden Radioffs gab.
Annähernd zur gleichen Z eit wurde durch Moorfunde klar, daß in der
nördlichen Waldzone schon während der Bronzezeit Holzschnitzereien
angefertigt wurden, die von einer hervorragenden Technik und vollendeten
Beherrschung des Tierkörpers zeugten. Sie erinnerten an Plastiken des
Jungpaläolithikums.
k So konnte Borowka mit gutem Gewissen die Auffassung vertreten, der
™ Tierstil sei eigentlich die Schöpfung nordasiatischer Jäger, die ihre Schnitz­
technik und ihre Tendenz, die Tierdarstellung den engbegrenzten Werk­
stücken anzupassen, auch dann beibehielten, als sie die Steppen eroberten
und in Kontakt mit der Hochkultur traten. Das erkläre nicht nur das scharfe
Erfassen des Tiercharakters, sondern gleichzeitig die Vorliebe für die Dar­
stellung gerade derjenigen Tiere, die in der Wirtschaft der Nomaden eine
geringe Rolle spielten, wie etwa der Hirsch. Auch das Fehlen von Vorstufen
im Steppenraum selbst könne so erklärt werden.
Diese These blieb lange Z eit herrschend. Noch 1945 wurde sie von Minns
meisterhaft formuliert.
Allerdings beruhte die lange Stabilisierung auch auf einer Lähmung der
sowjetischen Forschung. Borowka selbst ging in den Verfolgungen der

85
Entstehung und Bedeutung des Tierstils

stalinistischen Periode zugrunde. Die Freude an der Spekulation erlosch,


da man sich überspitzten Ideologien (vor allem den Thesen Marrs) beugen
mußte.
Damit ging die Führung an westeuropäische Gelehrte über, denen sich
durch neue Funde auf dem iranischen Plateau (S chatz von Ziwiyah, bereits
im ersten Band S . 259 besprochen) und durch Funde in An-yang, der Haupt­
stadt der S hangdynastie Chinas (ebenfalls erster Band, S . 340ff.) günstige
Ansatzpunkte boten.
Man rückte von der Auffassung, der Tierstil sei die Schöpfung nördlicher
Jäger, wieder ab und besann sich darauf, daß im frühen ersten Jahrtausend
v. Chr. fast bei allen Partnern der Reiternomaden - in China nicht anders als
in Iran oder im Kaukasus - eine Vorliebe für Tiermotive, aber auch deren
Verwendung im persönlichen S chmuck, festzustellen ist. Transkaukasien,
Aserbeidschan oder China wurden als Quellen für die wichtigsten Motive
genannt. Man vertrat die Auffassung, der Tierstil sei von den Mannäern auf
dem iranischen Plateau geschaffen und durch die Verschleppung von Hand­
werkern in die S teppen übertragen worden.
S eltsamerweise lieferten die sensationellen Ausgrabungen Rudenkos im
Hochaltai nach dem zweiten Weltkrieg - Pazyryk-, Tuekta- und Baschadar-
Kurgane - , obwohl sie auch Anlagen des fünften, ja vielleicht sechsten Jahr­
hunderts v. Chr. miterfaßten, kaum Gegenargumente. Es zeigten sich
nämlich unverkennbar Einflüsse, die v o m iranischen Plateau ausgingen,
auch Importgut wurde festgestellt.
Die sowjetischen Gelehrten, die sich nun mit besseren Detailkenntnissen,
als je ein westlicher Archäologe aufweisen könnte, neuerlich dem Problem
zuwandten, schlössen sich daher meist der S üd-These an. S ie wiesen die
Entlehnung wichtiger, ja entscheidender Motive aus dem Vorderen Orient
nach. S elbst die Eigentümlichkeiten der S chnitztechnik sollen nach Tschle-
nova nicht beim Arbeiten in Knochen oder Horn - also Materialien des
Nordens - , sondern in S teatit entwickelt worden sein. S teatit diente im
Orient zur Herstellung von S iegeln.
Es ist nicht anzunehmen, daß sich die These jägerischer, nördlicher Her­
kunft des Tierstils gegen dieses reichliche Material je wieder durchsetzen
wird. Dennoch bleiben die Steppen- und Waldsteppenkulturen, die während
der turbulenten Entstehungszeit der Reiternomaden, also um die Wende
vom zweiten zum ersten Jahrtausend v. Chr. existierten, von größtem Inter­
esse. Die Forschungen in allerjüngster Zeit wenden sich gerade ihnen zu.
Die Traditionen dieser Kulturen haben nämlich jeweils die Auswahl unter
den vom S üden angebotenen Motiven bestimmt. S ie haben eine Reihe von
tektonischen Prinzipien hinzugefügt, wobei sie allerdings selbst bereits unter
Einflüssen aus dem S üden standen. Man sieht heute, daß selbst die jung-
paläolithisch anmutende Kunst der nördlichen Waldsteppe nicht ohne Ein­
wirkungen des S üdens denkbar war. Deshalb kennt man Darstellungen von

86
Tierstil des sechsten Jahrhunderts: Inbegriff aller frühen Nomadenkunst

W i l d s c h a f e n aus d e n W ä l d e r n ö s t l i c h v o m U r a l , w o es diese T i e r e n i e g e ­
g e b e n hat.
E i n e f r ü h e E n t l e h n u n g aus d e m A g r a r b e r e i c h scheint ein Spiralstil g e ­
w e s e n z u s e i n ; er ist in d e n S t e p p e n bereits i m n e u n t e n u n d achten J a h r h u n d e r t
v . C h r . n a c h w e i s b a r . A l s es später u n t e r n e u e n s ü d l i c h e n E i n f l ü s s e n mög­
lich w u r d e , T i e r b i l d e r z u m S c h m u c k v o n W a f f e n u n d G e r ä t z u v e r w e n d e n
( w a s v e r m u t l i c h l a n g e d u r c h ein T a b u v e r h i n d e r t w u r d e ) , arrangierte m a n
sie in F o r m einer S - S p i r a l e u n d erhielt so die u n n a t ü r l i c h e P o s e d e r I n v e r ­
s i o n , bei der d e r H i n t e r l e i b n a c h o b e n g e k l a p p t erscheint. D a s Hirschbild
w i e d e r u m scheint b e s o n d e r s d o r t eine g r o ß e R o l l e gespielt z u h a b e n , wo
die K a t a k o m b e n k u l t u r n a c h w i r k t e . V i e l l e i c h t w a r es u r s p r ü n g l i c h Symbol
einer A m p h i k t y o n i e .

» Diese Lokaltraditionen

stark d i v e r g i e r e n d e
w a r e n s o stark, d a ß es i m achten u n d

Lokalgruppen, nur oberflächlich d u r c h die


siebten
J a h r h u n d e r t v . C h r . n i c h t einen T i e r s t i l g a b , es e n t w i c k e l t e n sich v i e l m e h r
Vorliebe
für - recht h e t e r o g e n e - T i e r m o t i v e geeint. Seit k u r z e m w i s s e n w i r , daß
eine d a v o n sich a u f die D a r s t e l l u n g v o n H a u s t i e r e n spezialisierte, eine a n d e r e
v e r h a r r t e in d e m p l u m p e n R e a l i s m u s , der f ü r die B r o n z e g i e ß e r des M i n u s -
sinskgebiets w ä h r e n d der K a r a s u k - P e r i o d e typisch w a r .
E r s t E i n f l ü s s e d e r m e d i s c h e n u n d a c h ä m e n i d i s c h e n K u n s t , die z u m T e i l
d i r e k t ( d u r c h S ö l d n e r w a n d e r u n g e n ) , z u m T e i l aber d u r c h das M e d i u m d e r
O a s e n b e w o h n e r d e n e i g e n t l i c h e n S t e p p e n r a u m erreichten, h a b e n d a n n j e n e n
T i e r s t i l des sechsten J a h r h u n d e r t s v . C h r . entstehen lassen, der sich fast
ü b e r a l l d u r c h s e t z t e u n d d e n E r f o r s c h e r n als I n b e g r i f f aller f r ü h e n N o m a d e n ­
k u n s t erschien.
B e i aller B e a c h t u n g , d i e d i e A b l e i t u n g v o n M o t i v e n u n d T e c h n i k e n ver­
dient, d ü r f e n w i r j e n e n s o z i a l e n H i n t e r g r u n d n i c h t v e r g e s s e n , d e n w i r , b e ­
s o n d e r s aus d e m T o t e n r i t u a l , erschließen k o n n t e n . N u r K u l t u r e n , die d e r
S t e i g e r u n g d e r P e r s o n , d e m i n d i v i d u e l l e n A u f s t i e g s s t r e b e n eine s o l c h e B e ­
d e u t u n g z u m e s s e n , setzen s o v i e l P h a n t a s i e u n d L i e b e f ü r die A u s f o r m u n g
Ä u n d d e n S c h m u c k v o n A u s r ü s t u n g u n d G e r ä t ein. M a n suchte o f f e n b a r d i e
A d d i t i o n v o n Dekorationselementen, w i e man Verdienstfeste aneinander­
reihte. D i e M e i s t e r g e h ö r t e n o f f e n b a r n o c h meistens d e m e i g e n e n S t a m m a n ;
nichts v e r r ä t , d a ß sie g e r i n g g e a c h t e t g e w e s e n w ä r e n .
D i e unstete L e b e n s w e i s e v e r h i n d e r t e , d a ß sich ein allzu g r o ß e r Ballast
an W ü r d e z e i c h e n bildete. I n v e r s t e c k t e n K a u k a s u s t ä l e r n g o ß m a n B r o n z e ­
n a d e l n , die m a n ihrer L ä n g e w e g e n (über 1 M e t e r ) n i c h t m e h r tragen k o n n t e ,
die P r u n k ä x t e e i g n e t e n sich n i c h t m e h r z u m Z u s c h l a g e n . D i e bronzenen
P f e r d e g e b i s s e , die m a n in L u r i s t a n d e n T o t e n u n t e r d e n K o p f legte, w a r e n
unbrauchbar und führten Formen weiter, die längst antiquiert waren.
D a v o n ist in d e n S t e p p e n k e i n e R e d e . A b g e s e h e n v o n Feldzeichen und
m a n c h e n S a t t e l d e c k e n hatte jedes S t ü c k n o c h eine p r a k t i s c h e F u n k t i o n z u
erfüllen.

87
D e r Übergang zu den späteren Nomadenkulturen

Die angestellten Überlegungen helfen uns, auch den religiösen Gehalt des
Tierstils zu erfassen. Die Tierbilder können keine Gottheiten dargestellt
haben, sonst hätte man sie nicht zum Schmuck der Person freigegeben, wohl
aber mögen sie magische Kräfte verkörpern, Hilfsgeister, deren Schutz man
erstrebte. Bestimmte Motivkombinationen setzen Mythen voraus.

6. Der Ubergang %u den späteren Nomadenkulturen

Das Achämenidenreich war der wichtigste Partner der Steppenvölker


gewesen, sein Zusammenbruch muß daher einen erheblichen Schock verur­
sacht haben. Dennoch kam es zu keiner raschen Reaktion - vielleicht weil
sich die Aufgebote vieler Steppenvölker an der sarmatischen Invasion S ü d - j
rußlands beteiligten.
Erst im dritten Jahrhundert v. Chr. richteten sich Vorstöße von Mittel­
asien aus nach dem Süden. Vermutlich muß man in dieser Phase mit einem
engen Zusammenspiel von seßhaften und nomadischen Iraniern rechnen.
Die Parther führten die Stoßlanze und schützten sich mit einem komplizier­
ten, den ganzen Körper bedeckenden Schuppenpanzer; zu dessen Anferti­
gung benötigte man große Werkstätten. Tatsächlich sind solche Panzer­
fragmente in den befestigten Siedlungen am Aralsee gefunden worden.
Auch das Sozialsystem verlor seinen egalitären Charakter. Es trat erblicher
Adel auf. Nach der Eroberung Irans entwickelte sich ein kompliziertes
Feudalsystem, dessen Statussymbole, etwa Trinkhörner aus Elfenbein, man
durch sowjetische Ausgrabungen kennengelernt hat. Die entscheidenden
Ereignisse erfolgten aber im äußersten Osten des Steppenraumes: Hier
wurde China im dritten Jahrhundert v. Chr. nach einer Periode rücksichts­
loser Kämpfe von Ch'in zu einem Einheitsstaat von fast totalitärem Charakter
zusammengeschweißt (vgl. Seite 310 ff.).
Vielleicht unter dem Einfluß ähnlicher Ideen kam es im Steppenbereich
auf dem Boden der Plattengräberkultur zu einer Reichsgründung, zu der|
der Hsiung-nu. Sie verfügte bald über eine Adelsschicht, innerhalb deren
eine Hierarchie erblicher Würden bestand. Die Zeiten des individuellen
Rangstreits waren endgültig vorüber, das genealogische Prinzip setzte sich
gegenüber dem agonalen durch, eine ausgreifende Machtpolitik wurde
erstrebenswert und möglich.
Zwischen China und diesem neuen Machtpol in den Steppen wurden die
bisherigen Randvölker Chinas zerrieben; sie wurden assimiliert oder abge­
drängt. Abwanderer werden von den Schriftquellen als Kampfgenossen
jener sakischen Stämme geschildert, die noch im zweiten Jahrhundert v. Chr.
das griechische Kolonialreich in Baktrien liquidierten. Andere Abwanderer
sind archäologisch in Tuwa und im Minussinskgebiet faßbar, wo es zur
Bildung der Taschtykkultur kommt. Vermutlich reichen die Einflüsse noch

88
K e i n e zweite „sarmatische" Blüte des Tierstils

f..

kj, U

Kara
Kum

Oasenbauern
M
f—- \ S r. Y

a- CHOU-
CK
SKYTHEN Völker.diemit Fundg ruppen
/V- ^RÜtJK/
identifiziert werden können
Archaoloqische Fundgruppen, die nicht
sicher mtt Völkernamen der antiken
Autoren zu verbinden sind: Seßhafte Völker mit iranschen
I Bereich der Ananinokultur

v^l
Sprachen:
II Fundraum des sibirischen Goldes
III Tag arkuitur im Mjnussinskg ebiet B Baktrier
IV Altai-Kultur CH Choresmier
V Platteng räberkultur S Sog dier

Wichtigste Stämme und Fundgruppen im Steppenraum zur Zeit der frühen Nomaden

viel weiter. Sie führten üb erall dazu, daß sich nationale Formen der Krieg­
führung und politischen Organisationen durchsetzten. Das ab er sind Ereig­
nisse, die b ereits in anderem Zusammenhang b ehandelt werden müssen, sie
führten schließlich zur Bildung des europäischen Hunnenreichs.
Es b leib t noch die Auswirkung dieser Umstellung auf die Kunst zu er­
wähnen. Lange Zeit unterschied die Forschung zwischen einem skythischen
und einem sarmatischen Tierstil. Man glaub te, der letzte sei später ent­
standen, er gehöre den Jahrhunderten um Christi Geb urt an; für ihn seien
Goldschmiedearb eiten mit Einlagen aus b unten Steinen charakteristisch.
Fälschlich wurden Stücke aus der Sammlung Peters des Großen, die noch im
fünften oder vierten Jahrhundert v. Chr. angefertigt wurden, dieser Phase
zugewiesen.
Heute weiß man, daß man damit einer Täuschung unterlag. Der Tierstil
erleb te keine zweite, „sarmatische" Blüte. Er hatte seit dem dritten Jahr­
hundert v. Chr. seinen agonalen Hintergrund verloren, die einheimischen
Meister wurden oft durch fremde ersetzt, die aus der seßhaften Bevölkerung

89
D e r Übergang zu den späteren Nomadenkulturen

stammten. Dami t gi ng ei ne sozi ale Abwertung konform. Es bi ldete si ch ei n


Zustand, der bi s zum Ende der Nomadenwelt i m zwanzi gsten Jahrhundert
andauerte. Di e besten ei genen Arbei ten kamen von da an aus Frauenhand.
Zuglei ch wandte man si ch anderen Formen des Dekors zu. Schuppen- und
Rankenmuster standen neben reali sti sch modelli erten Reli efs. E i ne Wei le
verwendete man Ti erornamente noch für das Geschmei de der Frauen.
V o n di eser Regel gi bt es ei ni ge Ausnahmen, nämli ch dort, wo Ti ersti l­
moti ve als Wappen oder reli gi öse Symbole erstarrten. Der neu entstandene
Steppenadel betonte sei ne Herkunft aus ei ner älteren heroi schen Welt. Das
erklärt, warum i n den Fürstengräbern der Hsi ung-nu i n den Bergen v o n
No i n Ula, die der Zeit um Chri sti Geburt angehören, noch Ti erkampfszenen
archai schen Charakters auftreten, während das Gerät ganz andere Schmuck­
pri nzi pi en zei gt - sowei t es nicht überhaupt chi nesi scher Herkunft i st.

90
T A F E L III: Die frühen Nomaden der eurasiatischen Steppen (1)

4& lÜ^t'
,4-\
M

- «-

F i s c / j , a a s Goldblech getrieben. — T e i l e des K ö r p e r s sind zu Tierformen ausgestaltet, größere Flächen mit


Tierkampfszenen oder Tieren besetzt (6. J h . v . Chr.). — Arbeit eines griechischen M e i s t e r s in skythischem
Auftrag, wohl aus der Bestattung eines A n f ü h r e r s , der bei einem w e i t a u s h o l e n d e n Beutezug starb. D a s in
Südrußland gefertigte Stück wurde in Vettersfelde in der M a r k Brandenburg gefunden.

Tierkampfplatten aus dem Sibirischen Schatz Peters d. Großen (Eremitage, Leningrad). — Diese paarig
vorhandenen Stücke dienten als Schließen für Prunkgewänder. Sie sind aus G o l d gegossen und waren mit
E i n l a g e n aus b u n t e n Steinen versehen. O b e r e s S t ü c k : vielleicht u m 400 v. Chr. U n t e r e s S t ü c k :
v i e l l e i c h t 3. J h . v. Chr. Der Schatz Peters d. Gr. stammt aus K u r g a n e n in Ostkasachstan, die zu Beginn
des 18. Jahrhunderts von Grabräubern geöffnet wurden. Er repräsentiert bis h e u t e fast allein eine west­
sibirische G r u p p e des f r ü h e n Nomadentierstils.
T A F E L IV: Die frühen Nomaden der eurasiatischen Steppen (2)

Hyür
vJ*

Schnitzarbeiten aus den Pazyrykkurganen im Altai. —


L i n k s : Hirsch (Teil eines D i a d e m s ? ) a us H o l z , mit
p ha n ta s t i s c h übersteigertem Geweih (a u s dickem Lc­
der geschnitten). Höhe nur 12 cm. K u r ga n II.
R e c h t s : Kopf eines H i r s d i c s im Ma ul eines Wolfs
(Holzschnitzerei). Länge 10 c m . K u r g a n IV. Vermut­
lich B e g i n n des 4 . J h . v. Chr. D e r Tierstil w u r d e hier
von einem für uns na m e n l o s e n S ta m m zu größter
Sicherheit u n d Freiheit entwickelt. — Die Gegenstände
befinden sidi heute in der Eremita ge L e n i n g ra d .

Ordosbronzen, d. h. B r o n z e n a us R a u b g r a b u n g e n im
nordchinesischen Grenzgebiet, von ( na m e n l o s e n ) ver­
mutlich ha lbseßha ftcn Stämmen etwa i m 5. u n d 4. Jh.
v. Chr. unter dem Einfluß westlicher Noma den •
gestellt. L i n k s : Der Hirsdi ( e t wa s v e r k l e i n e r t ) w..r
wohl eine Sta nda rtcnbckrönung. R e c h t s : Sdimuck-
p al t t c n der Rüstung ( e t wa ein Drittel n
a türlicher
Größe).

n
Literaturverzeichnis

i
IV. Die früh en Nomaden der eurasiatischen Steppen

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610
Summary

!•' . ,
Any attempt to explain the typical featu res of the pastoral cu ltu res of the steppe belt
of Asia mu st be based on its evidence given by Soviet — and recently Chinese — archae-
ologists which su ggests that we have no positive proof for nomadism before the first
millenniu m B. C.
In the West we know a grou p of cu ltu res tied together by close affinities. They perhaps
grew ou t of several waves of immigration starting from the beginning of the second mil­
le nnium B. C. and all coming from the West, that is from the Pontic are a. This is rather
Äsurprising be cause to the e ast of the Turcomania oasis we find a se rie s of agricultural
»ce ntre s going back at le ast to the IVth mille nnium B. C. But appare ntly the highly
spe cialize d population of this southe rn are a was not re ady to adapt the mse lf to the
e nvironme nt of the steppes and fore st ste ppe s.
The e conomy of the we ste rn ste ppe culture s (one of the be st known is the Andronovo
culture ) was base d on husbandry and agriculture — this me ans a marke d supe riority
ove r tribe s in the eastern part of the steppe belt. The re , in the Gobi culture , hunters and
fishe rme n live d re lative ly undisturbe d for a long time . In Manchuria howe ve r we find
the me rging of thre e "ne olithic" groups of diffe re nt origin. One of the m brought the
cultivation of whe at and dome stic animals and this was de cisive for the level of the local
cultures that finally sprung up, but still we find no hints for nomadism.

Ye t during the first mille nnium, be ginning with the 7th Ce ntury B.C., such hints can be
found in many place s in the ste ppe be lt, so that a rapid transition to a nomadic way
of life , including mounte d warfare must be pre sume d. The re are se ve ral atte mps to
e xplain the me chanics of such a cultural change .
Grjaznov, the leadingSoviet archaeologist in this field, put forward the theory that the tran-
ksition was actually the logical consequence of the economic development which took place
^in the heyday of the agricultural ste ppe cultures. The re e xiste d a strict division of labour
be twe e n the sexes, tilling of the fields was the task of the women, while animal husbandry
was that of me n. Looking for ne w me adows, the me n pushe d furthe r and furthe r away
from the village s into the lone ly ste ppe s. Finally a part of the m broke loose , taking
the ir wives with the m, and housing he nce forth in the ir carts. This ne w mobility e nable d
the m to raise more horse s than e ve r be fore and to gain, by this way, supe rior military
stre ngth. This force d othe r groups to join the ne w patte rn of life , and in this way
warlike nomadism was diffuse d, like a chain re action throughout the whole ste ppe be lt.
This the ory ce rtainly give s us a use ful mode l for what had actually happe ne d during
the se dark ce nturie s. However, the local aspects are surely ove re mphasize d, in accordance
with a ge ne ral te nde ncy which only has le ft Sovie t archae ology in the last fe w ye ars.
In point of fact we have to re ckon with important Stimuli Coming from outside . In the
last ye ars antiquitie s of Thraco-Cimmte rian appe arance have be e n found e ast of Lake
Aral. This pe rhaps means that there occurred a migration which starte d from the western

>/
Pontic area. This was presumed by Heine-Geldern many years ago. O n the other hand,
the Iranians who c onquered the plateau to the south of Middle Asia still kept c ontac t
with their relatives who remained in the home c ountry. So the road was opened for
the impac t of many new ideas and these ideas favoured the rising of politic al c entres
and of a graded soc iety.

3.
W e have seen that nomadic c ultures of Middle Asia matured in a period when natural
boundaries lost their importanc e. Their growth was c onnec ted with the overwhelming
importanc e of the horse for trade and warfare. This explains w h y during this period of
transition hordes of riders from the steppes invaded the Near East.
As early as the 8th Century B.C. the Cimmerians made their inc ursions by way of the
Cauc asus. They served as auxiliary forc es for the established powers in their c ontest for
supremac y. In the 7th Century, however, the Sc ythians were playing the same role and(
we assume similar movements to Eastern Iran, whic h are not rec orded by Greek
historians.
This explains the c ampaigns of the early Ac haemenians. After serious set-bac ks, (Cyrus
the Great feil in the battle against the queen of the Massagetae) these had the intended
effec t: further invasions were stopped and men from the steppes henc eforth moved
south only to bec ome merc enaries in the royal army. Perhaps some tribes not wishing
to c ome under the sway of the Persians left their homes and withdraw to the north or
the east. The c ultural c hange observed in the Minussinsk basin around 500 B.C. is ex-
plained in this way.
W e may presume the existenc e of several tribal federations. Tribes were united by reli-
gious beliefs, so we c an trac e them by a study of the burial c ustoms. But only in a few
areas do the federations bec ome the basis of a permanent politic al unit, that is, a State.
This was the c ase in the Pontic area, where the ruling tribe of the Sc ythians c ontrolled
peoples of different origin, many of them settled farmers. These dependants were
thoroughly exploited by their overlords who harvested enormous profits by trade
with the Greek c olonies on the shores of the Blac k Sea. This explains why this State
c ould not resist when attac ked by the Sarmatians, their far more democ ratic neigh-
bours, who oc c upied almost the whole territory.
In many other parts of the steppe belt the Situation remained surprisingly stable duringj
the last c enturies B.C. Even in the Far East we do not find the perpetual n o m a d i *
agressors typic al of later times.
We see now a c hain of arc haeologic al groups surrounding the north-western frontiers
of China. They are all impregnated with western elements, but it is not c lear whether they
represent nomadic tribes or not.

4.
This stability prevailed for several c enturies in the steppes. This may sound rather im­
probable, but a glance at the economic and social Systems may giv e us the key to a better
understanding of the Situation.
The "Early Nomads" (a term coined by Sov iet archaeologists) had still in many respects
preserv ed the heritage of their pre-nomadic days. Ev idently they preserv ed close relations
with settled groups, farmers and artisans. Age-grades were highly important to them.

tlK
and young warriors had their own Organisation. Indeed bands of them started out on
raids of their own.
Sheer political power alone was not all important, military success not decisive. Victory
had to be presented to the Community as a whole and formally accepted. In this w a y
it was transferred to a higher level and preserved for the next world.
This task was accomplished by trophy hunting, feasts of merit and the erection of
megalithic monuments. Today it is clear that most of the kurgans (erected mounds on
top of graves) in the steppes belong to this period and were provided with rings of stones,
menhirs etc. As a consequence the burial rites were extremely elaborate and diversified.
They were intended to perpetuate the social and ritual position of the dead man.
In the oases also settled by Iranians similar ideas were expressed by other means. Por-
traiture of the deceased was evidently considered as a specific means of securing immor-
tality.
W e know some gods of the Pontic Scythians but may presume that in the Asiatic steppes
|bther deities prevailed with close affinities to those mentioned in the Avesta. Besides,
we have to reckon with a System of demons and helpful spirits, some of them appearing
in the shape of animals.

5.
Before anything was known of prehistory of the steppes wonderful works of art made
during this time were found by grave robbers in the kurgans of Western Siberia.
Thanks to the interest of Peter the Great part of these riches were preserved, as the
famous Siberian gold now exhibited in the Hermitage.
Later, similar obj ects were discovered in Eastern Europe and in many parts of Northern
Asia. Surprisingly the system of decoration was everywhere based on the use of animal
forms. By comparing the different groups, a specific system of composition was dis­
covered. It becam e usual to speak of a "Scythian Anim al-Style" or an "Anim al Style
of the Early Nom ads". A t the sam e tim e, it becam e the interest of m any scholars to trace
the origins of this style.
The anim al style — today we distinguish several variants — cannot be described in
brief, although its m ost probable derivations m ay be m entioned. During pre-nom adic
tim es in the steppe belt som e anim als were evidently considered sacred, and this is
|)erhaps the reason why their im ages were not used for decoration or as private sym bols.
When com m unication with the Near East was m uch intensified during the transitional
period to nom adism , this concept radically changed. The taboo was suddenly lifted,
and not only the principle of figural decoration was taken over, but m any m otives and
technical details as well. It is an exciting study to exam ine from what particular area
the elem ents were borrowed.
O n the other hand we m ust consider the Pontic m igration (used as an approxim ative
term to designate several com plicate m ovem ents) as having brought stylistic elem ents
from the western Pontic area to Central Asia, e.g. to the zone east of Lake Aral. Thus
Thraco-Cim m erian features were taken over from this secondary centre into the later
art of the steppes. Accordingly we find anim al figures contorted to form a spiral, or
com posed as an elegant pattern of curved lines. It was perhaps through the sam e m edium ,
a tribe of western origin settled in the southern part of Central Asia, that Chinese m otives
were drawn into the art of the steppes. Som e types found in this area are clearly of Far
Eastern origin.

O}
It is evident that a value System as described above, not recognizing any merits without
giving them a suitable expression, was favourable for artistic competition. The great
kurgans excavated in the High Altai by Rudenko show that many masters put their
Imagination at the disposal of the mighty.

6.
The time of the Early Nomads came to an end when in the East the nomadic empire
of the Hiung-nu arose, ready to contest with a China which at the same time was be-
coming a centralised power. The frontier tribes on the southern fringe of the Gobi were
ground between the mill-stones of great rivals. Many of them drifted to the West. We
can recognize emigrants from this area at several points, e. g. in Tuva and in the Minu-
sinsk basin from 3rd Century B. C. onward.
In order to match the new political tasks the social System became much more utilitarian*
The nobility of the Hiung-nu was organized in a rigid System of hereditary ranksy
The system of values changed considerably. To acquire personal merits for the next life
was no longer an important Stimulus.
The effect on the handicrafts is quite evident. The Hiung-nu took many Chinese artisans
into their service. Obj ects of daily use were decorated in a more schematic way, and
animal motives were preserved only in religious context, becoming fossils of the past.
The artisan lost his former social position and the herdsman had only one avocation,
namely, mounted warfare. The leading forces in this development were men of mongolid
appearance, perhaps speaking Turkish languages. Düring the next centuries they took
over almost the whole steppe belt, replacing the Iranians.

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