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HYPATIA UND KYRILL

von Torsten Schwanke

Aus dem Französischen

SZENE I

HYPATIA, DIE AMME

DIE AMME
O Kindchen, ein Problem ist in der Stadt,
Auf allen Seiten rollen wie ein Abschaum,
Mit langen Bärten und zerlumpten Kleidern
Die Wüstenväter kommen aus den Gräbern,
Mit Wimpern blutig rot und wild und schlammig
Voll Hass auf deinen Namen, meine Tochter.
Sei ruhig. Nicht verlass das stille Haus,
Wo meine Arme dich getragen haben
In deiner jungen Kindheit Jahreszeit,
Wo meine Milch dich rettete und stillte,
Da sah ich wachsen deiner Kindheit Blüte,
Und wo dein Vater eloquent und fromm
Im letzten Kuss dich anvertraut den Göttern!

HYPATIA
Beruhige dich. Der Terror ist nur sinnlos.
Ich habe keinen Zorn und Hass verdient.
Was tat ich? Ich bereu mein Leben nicht.
Ihr Wüstenväter, wollt ihr meinen Tod?
Ich kenn euch nicht, und ihr kennt mich auch nicht.
Gerüchte stören Herzen, die mich lieben.

AMME
Ich hörte die Barbaren schreien. Nein!
Ich irr mich nicht. Sie fluchen deinem Namen.
Ihr Geist ist wütend und erhitzt ihr Antlitz.
Sie werden dich zerreißen, liebe Tochter,
Die Monster da in Lumpen, wilde Tiere,
Die immerdar das Böse prophezeien,
Zerfressen von Begierde und von Neid,
Blasphemisch lästernd Schönheit, Leben, Licht!
Bleib heil und muter in des Herdes Schatten.

HYPATIA
Ich hab den sichres Schild in dem Gewissen.
Die Guten warten vor dem Tor auf mich,
Wo meine Stimme sie zur Weisheit ruft.
Ich gehe, Schwester. Lange vor dem Abend
Du wirst es sehen noch, dass deine Tochter
Gehorsam ihre Hausaufgaben machte.

AMME
Ich fleh dich an, mein Kind, bei dir und mir!

SZENE II

HYPATIA, DIE AMME, DER MINISTRANT

DER MINISTRANT
Kyrill, der Bischof, steht vor deiner Tür.

HYPATIA
So soll er kommen doch in meine Wohnung.

SZENE III

DIE SELBEN UND KYRILL

KYRILL
Ich wollte mit dir reden ohne Zeugen,
Dein eigner Vorteil fordert nichts geringers.
Du rühmst dich deiner Tugend, deiner Seele,
So möge Gottes Flamme dich erleuchten.
Ich glaube. Und ich komme nicht als Feind,
Im Geist des Hasses, dich zu untergraben,
Nein, doch als Vater, der der Tochter rät
Und führt zurück sie in das Vaterhaus.
Und das ist meine Pflicht und auch mein Recht,
Ich hab die Stunden allesamt gezählt,
Dass du mit Ehrlichkeit mir Antwort gibst.
Im Sturm-Jahrhundert, in der Schreckens-Zeit
Ich lebte, wurde matt von meinen Lasten.
Heil mir, wenn ich dir in der Wahrheit Macht
Hab Licht und Heil dir in die Brust gegossen!
O Tochter, wache auf, dich ruft der HERR!
Tot sind die Götter, sinnlos ist ihr Dienst.
Bekenne du die Absolute Wahrheit!

HYPATIA
Mein Vater hat mich zum Respekt geführt
Und zu der Ehrfurcht, die mich jetzt noch antreibt,
Ich ehre die erhabenen Funktionen.
Du zeigst an mir zu viel des Interesses.
Dein Wort berührt mich, und es überrascht mich.
Erinnerung an göttliche Ideen
Führt auf dem Weg zum höchsten Ideal
Die Seelen durch den Weg der weisen Liebe.
Timäus, Phädon sind mir unvergesslich.
Sprach nicht der heilige Johannes so,
Wie Platon sprach in unbefleckter Weisheit?
Wir beide glauben an die höchste Hoffnung,
Den Gott Kyrills, den ehre ich im Herzen,
Die Biene Attikas sucht Weisheitsnektar.

KYRILL
Johannes zu vermischen mit dem Platon
Ist Blasphemie, ist geistliche Demenz.
Doch solche Blindheit braucht die Gnade Gottes.
Der Gott, den ich verehre, dessen Blut
Die Sünde nimmt dem menschlichen Geschlecht,
Der sprach nicht, wie zur Zeit der alten Welt,
Sophisten bei Platanen des Illissus.
Wenn Platon hat gewisse Klarheit doch
In seiner heidnischen Umnachtung, dann
Das Licht des Herrn erstrahlte schon in ihm.
Gott ist gekommen, wie vorhergesagt,
Er ist die ewge Weisheit, schöne Liebe,
Er hat den Tod besiegt, für neue Himmel
Das Herz gereinigt einer alten Welt,
Mit Einem Atemhauch er fegte weg
Jahrtausende der sündigen Befleckung,
Vertrieb von den Altären die Dämonen
Und kehrte nach der eignen Opfergabe
Zurück gen Himmel, um die Huld zu spenden
Und Gnade für das Leben der Nationen.
Ist das denn der Charakter eines Menschen?
Vergleiche Jesus Christus, den Erlöser,
Mit irgend einem Weisen dieser Erde,
Der Weisen Stolz vergleich mit Christi Demut.

HYPATIA
Er sorgte sich zu viel um Eitelkeit!
Verdient doch jede Tugend Huldigung
Und immer spricht ein Gott in weisen Männern.
Ich geb zurück, was ich verdank den Sehern,
Den inspirierten göttlichen Propheten,
Und du, o Vater, du bist auch mir heilig.
Dich wisse du auch von Gerechtigkeit,
Man geht von einem Meister nicht zum andern.
Sei nur gerecht. Denn was verklagst du mich?
Sehn wir nicht auch gestürzte Tempel und
Gebrochne Gräber, die beleidigt wurden?
Da sind die Priester eines stummen Himmels,
Schiffbrüchige von einem großen Kult,
Die Erben, sicher nicht des alten Schatzes,
Die ohne Kraft sind und zerstreut. Was brauchst du?
Die Zeiten sind nicht schlecht für deine Kirche,
Mein Vater, aber mich verschmäht dein Stolz,
Uns, die nicht lehren, tief in der Versenkung,
Die lieben Studium, Meditation und Frieden.
Wend deinen Blick zurück in die Vergangenheit,
Erinnre dich im innersten Gedächtnis
Ans Schicksal in den Tagen unsres Ruhmes!
Sind unsre Götter nur ein Traum gewesen?
Und haben sie gelogen und betrogen?
Sieh nur, was ihrer Hände ewge Welt ist,
Dies lebende Symbol, die schöne Arbeit,
Von ihrem Genius, in ihrem Bild,
Verehrungswürdig, was sie da geboren,
Das soll gedeihn in Ordnung und in Klarheit.
Was? Die Vergangenheit wär nur ein Traum?
Ein Nachtgespenst, belebt vom Geist der Lüge?
Ein Fehler, wo wir selbstzufrieden waren?
Du stammelst ihre Sprache und Lektionen,
Ich hör, wie von Homeros und Virgil,
Den Klang, der mich erschüttert, griechisch und
Latein hör ich das Evangelium.
Das Echo der Vergangenheit, die glorreich
Gewesen ist, vernehme du das Echo,
Kyrill, und du wirst besser mich verstehen.
Am Meeresufer, oben auf den Bergen,
Der goldne Rhythmus strömt von heilgen Lippen,
Der eloquente Marmor, da die Künstler
Im Parthenon verklären ewge Götter,
Und unter dem Azurblau des Jahrhunderts
Sieh Jonien und Salamis im Meer,
Die Liebe sieh zur Heimat und zur Freiheit,
Triumph auf dem Altar der heilgen Schönheit!
In strenger Ruhe an dem Herd des Hauses
Besiedelt wurden Republiken von
Den großen Gebern der Gesetze, Weisen,
Die spionierten aus die bittren Wege,
Sieh Menschengeist in seiner höchsten Größe!
Von ihrem Buche reiße diese Seite,
Die Sonne sinkt dann unter tote Sterne.
Geh! Meine Pflicht ist ohne Ende, lacht,
Ich lache über deine eitle Mühe!
O Götter der Hellenen! Göttin-Mutter,
O Muse, welche inspiriert Homer,
Du warst und bist und du wirst sein und kommst!
Ich fluch euch nicht, o Mächte und Dämonen,
Die einmal gut genug der Menschenrasse,
Ich sehe euch in euren schönen Werken!

KYRILL
Gut. Sieh die Früchte, die sie vorgebracht,
Die höllischen Dämonen, bösen Geister,
Die schön besungnen Göttinnen und Götter,
Die nur mit Gift die Seele infizierten,
Die Seele in dem Schmutze zu ersticken,
Und unterm goldnen Kleid der eitlen Schönheit
Versteckte sich die Nichtigkeit der Unzucht!
Wenn Menschen sich von solchen Lehren nähren,
Wie trockne Stämme von verdorrten Wurzeln,
Die draußen blühen, Tod im Busen tragen,
In Asche fallen vor dem Schlag des Eisens,
Dem rachesüchtigen – der ewgen Roma
Gelangs, das schöne Hellas zu versklaven.

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