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November 2011 Nr.

WDRPRINT DIE FREIE ZEITUNG DES WESTDEUTSCHEN RUNDFUNKS


zukunfts-
ausgabe
Für gutes
programm.

Neue Sendungen Zuschauerparla-


Foto: wdr/ndr/Marcus Krüger.

ment eingesetzt

Foto: hü, hott


Der 4. Oktober 2011 - ein histo-
rischer Tag in der Rundfunk-
geschichte. Der wdr hat den
Rundfunkrat aufgelöst und
durch ein demokratisch ge-
Fernsehdirektorin Verena Kulen- wähltes 40-köpfiges Parlament
kampff freut sich auf Formate der Zuschauer und Zuhörer er-
wie „Ein Aufwasch” mit Marga- setzt. Damit ist der Sender ard-
rethe Schreinemakers 16 Maus und Elefant setzen sich an die Spitze der Bewegung: Brüder, zum Sender, zur Freiheit! 1 weit Vorreiter. 2

Die Wende im wdr

Auferstanden von den Quoten


Tiere suchen kein „Es war ein großer Fehler, bei der Pro- Mit aufsehenerregender Selbstkritik
Zuhause grammgestaltung ständig auf die Ein- eröffnete wdr-Intendantin Monika
schaltquoten zu schielen“. Piel die Münsteraner Medientage.
Foto: stockxchng jackito

D
ie Quote“, stellte die In- Summen freigeworden“, erklärte agierte damit auf eine Welle von ein deutlicher Motivationsschub
tendantin klar, „ist ein Färber. Protesten im Sender. Jahrelang in der Redaktion zu spüren. „Ich
Instrument des Kom- Dazu plant der Sender, bei den hatten freiberufliche Autoren, fühle mich unendlich erleichtert“,
merzfernsehens, und Profite zu Bezügen und Pensionsverpflich- Kameraleute, Tontechniker, Cut- freut sich ein Kameramann in Sie-
generieren, ist nicht unser Auf- tungen für die Intendantin, die terinnen, Regisseurinnen und Re- gen. „Endlich weg vom Husch-hu-
trag.” Mit der Abkehr vom Irr- Justitiarin und die vier Direktoren gie-Assistenten zwar viel gemurrt, sch, und Schnell-schnell, von all
weg der letzten Jahre beschreite den Rotstift anzusetzen. Auch aber nicht gehandelt. Doch mit den Rotlicht-
Der wdr trennt sich von ein- der wdr nun einen anderen Weg beim Erwerb von Sportrechten ihrem großen Streik vom Dezem- einsätzen bei
schläfernden Tier-Dauersen-
– den der Qualität. Mehr hoch- werde der wdr künftig auf die ber 2010 gelang es den wdr-Frei- Unfä l len
dungen: Zu kostspielig bei zu
wenig Inhalt. Der Sender will wertige Unterhaltung, drastisch Kostenbremse steigen. Die einge- en, bundesweit Aufmerksamkeit und Brän-
sich nicht länger vorwerfen las- weniger Coaching, Quiz und sparten Mittel fließen in den Jour- zu erzielen und in die Offensive den“. HO
sen, sein Programm sei auf den Zoogeschichten. „Recherche, nalismus, in Dokumentationen zu kommen (siehe Seite 8).
Hund gekommen. 11 Hintergrund, Dokumentationen, und Kultursendungen. „Weitere Dass sich die Reformanhänger im
Kultur – damit wollen wir künftig kreative Sparvorschläge von fest- Sender durchsetzen konnten, ist
unser Profil schärfen“, sagte Moni- angestellten und freien Mitarbei- Medienfachleuten zufolge auch
ka Piel. tern und Gebührenzahlern sind der Bürgerbewegung „Wir sind
Der Kurswechsel der größten ard- uns hochwillkommen“, betonte wdr“ zu verdanken (siehe Seite
Anstalt wurde vom neugewählten Piel. (siehe Seite 3). 15). Gerüchte von der großen
wdr-Zuschauerparlament (siehe Der wdr kündigte ferner an, die Wende des wdr sickerten
Seite 2) mit großer Zustimmung Honorare für die freien Auto- bereits vor Wochen durch
aufgenommen. rinnen und Autoren deutlich zu – und sorgten in Köln und
G 44821 F

Die Qualitätsoffensive bezieht erhöhen. Sie seien „eine tragende in den Landesstudios für
sich gleichermaßen auf Fernse- Säule“ des Programms und „un- reichlich Gesprächs-
hen, Radio und Internet. Um die verzichtbar“ für den Kurswechsel, stoff. „Wir wollten es
erforderlichen Mittel bereitzustel- sagte Monika Piel. erst nicht glauben“,
len, kündigte Verwaltungsdirektor In der Vergangenheit gab der wdr sagt eine Fern-
wdr print Plagiat Vertriebsstück, Entgeld bezahlt

Hans W. Färber Umschichtungen nicht einmal Tariferhöhungen sehredakteurin


im wdr-Haushalt an. „Mit dem an die freien Mitarbeiter weiter. aus dem Studio
Wechsel von Harald Schmidt zu „Hier haben wir Fehler gemacht“, Düsseldorf.
sat1 sind bekanntlich erhebliche bekannte die Intendantin. Sie re- Doch jetzt sei

Revolutionär: Das neue Programmschema von ARD und WDR


Im Zuge der Neustrukturierung des Sendeschema für die Fernsehpro- Sendeter-
Programms des Westdeutschen gramme von ard und wdr bekannt mine nach
Rundfunks und der ard hat En- gegeben: Alle guten Sendungen 23.00 Uhr
gelbert Tacke von der Stabsstelle beginnen künftig um 20:15 Uhr verschoben. Bisher
Programmplanung und -controlling direkt nach der Tagesschau. Alle war es leider genau umge-
folgendes bahnbrechende neue schlechten Sendungen werden auf kehrt. HÖ

Zuschauer Gerd Frentzke freut sich auf’s neue Programm


(Foto: zip)
profile
Rainer Kampmann Leitende Redakteure wollen gewählt werden Reinhard Grätz

Wackelt der Stuhl des Aufgeschreckt durch die breite ein zerknirschter ehemaliger Studi- Probleme mit dem
Demokratisierungswelle sind die oleiter, der ungenannt bleiben will, Rundfunkrat
Hauptabteilungsleiters wdr-Studioleiter auf ungeahnte „und waren selbst demokratisch
Finanzen? Art kreativ geworden. Sie haben überhaupt nicht legitimiert“. Alle Akzeptanzprobleme hatte der
Rainer Kampmann, der Leiter der selbst einen revolutionären Vor- festen und freien Mitarbeiter wer- Rundfunkrat schon lange. Es war
wdr-Hauptabteilung Finanzen, schlag unterbreitet, den die neuen den bald gemeinsam über alle Lei- schwer vermittelbar, warum gera-
gerät immer stärker unter Druck. Zuschauerparlamentarier dankbar tungsfunktionen abstimmen kön- de die politischen Parteien über
„Darf man so einem Mann die aufgegriffen haben: Künftig sollen nen, vom Redaktionsleiter bis zur die Entsendung ihrer Mitglieder
Verantwortung für über eine Mil- alle Leitungsfunktionen im wdr Intendantin. „Ich freue mich schon durch den Landtag einen solchen
liarde Euro Gebührengelder über- durch Wahl bestimmt werden. „Wir darauf, dass meine Position bald Einfluss auf die Geschicke des
tragen?“ Diese Frage erklingt der- haben uns doch in den Landesstu- auch demokratisch untermauert öffentlich-rechtlichen Senders
zeit nicht nur auf den Fluren des dios zum Teil wie kleine Provinz- wird“, meint Monika Piel. Und die haben sollten. Denn die Aufgabe
Kölner Senders. Auch das neue Medienfürsten aufgeführt“, erzählt Jede Stimme zählt! (Foto: Fermat) Zuschauer freuen sich auch. HA des öffentlich-rechtlichen Jour-
wdr-Zuschauerparlament sieht nalismus ist schließlich die Kon-
Klärungsbedarf. trolle der Politik – gerade auch
Worum es geht? Rainer Kamp- aufgrund der üblen Erfahrungen

Das Zuschauerparlament
mann, seit 2006 im wdr, war mit politischer Propaganda wäh-
zuvor Kämmerer der Stadt Gel- rend der NS-Zeit. Warum sollen
senkirchen. Anfang der 2000er dann ausgerechnet die Politiker
Jahre setzte der CDU-Mann den Rundfunk kontrollieren? Gar

E
durch, gemeinsam mit der dama- nicht mehr erklärlich war, warum
ligen Oberbürgermeister Oliver ndlich haben die über das Pro- Bottrop. Dass bedeutet vor allem, zum Beispiel die Industrie- und
Wittke(CDU), dass die Stadt Gel- gramm zu entscheiden und dass künftig die Autoren, Filmema- Handelskammern oder die Wirt-
senkirchen höchst umstrittene mitzureden, für die es gemacht cher und Fachjournalisten, die zum schaftsjunioren Mitglieder in dem
Geschäfte abschloss. Es ging um ist und die es bezahlen“, freut sich überwiegenden Teil freie Mitarbeiter Gremium stellten. Bizarr wurde
die Auswahl der Gremiumsmit-

A
das so genannte Cross Border wdr-Intendantin Monika Piel. sind, eine gewichtige Stimme in allen
Leasing (CBL). glieder, als mit dem „Bundesver-
m 14. Juli redaktionellen und journalistischen
Foto: wdr/Uups

Beim CBL verkauften Kommunen band Informationswirtschaft, Tele-

B
2011 war Belangen erhalten sollen.
ihr Eigentum - Kanalnetze, Mes- es soweit: islang war es doch so, dass mit
sehallen, Straßenbahnen, Schul-
die Protestierenden allen möglichen arbeitsrecht-
oder Rathausgebäude - an einen
US-Investor. Anschließend mie- nutzten den „Tag lichen Tricks die eigentlichen
teten sie diese zurück. Der US- der offenen Tür“ Programmmacher von den Entschei-
Investor sparte dadurch Steuern im wdr-Funkhaus dungen ausgeschlossen waren“, erklärt
– und beteiligte die Kommune an Düsseldorf, um das Freiensprecher Karl Wedekind. Gipfel
seinem Gewinn. Inzwischen wur- Landesstudio sym- der Zumutungen: An offiziellen Re-
den diese Scheinverkäufe von der bolisch zu besetzen daktionskonferenzen, bei denen über
US-Regierung gestoppt. und alle Kontroll- journalistische Inhalte und deren Um-
Welche Risiken die CBL-Geschäfte funktionen für ei- setzung im Programm diskutiert und
bargen, war in den geheimen, auf
nen Tagselbst in die entschieden wird, durften diejenigen,
Englisch verfassten, oft 1.000 Der 4. Oktober 2011: Hand zu nehmen. die die Inhalte liefern, nicht teilneh-
ein historischer Tag Am folgenden Tag men. „Völlig idiotisch - man wundert
wurden die Stu- sich, wie das so lange gut gehen konn-
in der Rundfunkge- dios in Essen und te“, findet auch Zuschauerpräsidentin

K
Siegen besetzt, es Helga Jankowicz.
schichte der Bundes- folgten Dortmund, ünftig soll das Redaktionssta-
Duisburg und das tut so geändert werden, dass Ex-Rundfunkrat Reinhard Grätz
republik Deutsch- ist erleichtert über den Wandel im

D
Büro Kleve. die Rechte der freien Auto-
wdr (Foto: Kina)
land. Der WDR hat ie Rund- rinnen und Autoren gegenüber der
funkrats- Senderhierarchie besser gewahrt sind. kommunikation und neue Medien
seinen Rundfunkrat vorsitzen- Teilweise geschmäcklerische Urteile e.V.“ (BITKOM) gerade einer der
de Ruth Hieronymi sollen nicht mehr entscheiden, ob schärfsten privatwirtschaftlichen
durch ein Zuschau- Kritiker des öffentlich-rechtlichen
(CDU) trat umge- ein Bericht gesendet wird oder nicht.
Systems für den wdr-Rundfun-
er- und Zuhörerpar- hend von ihrem Die Redaktionen müssen die Krite-
krat vorschlagsberechtigt wurde
Amt zurück, der rien für ihre Arbeit offen legen und
Rainer Kampmann spielt gerne mit lament ersetzt. Rundfunkrat er- der Diskussion stellen – wobei die re-
(siehe auch unseren Beitrag „Viel
Lob für Marvin Oppong“).
großen Zahlen. (Foto: wdr/Brill) klärte sich wegen daktionelle Unabhängigkeit gewahrt Hinzu kam, dass die Berufspoli-
der vehementen werden soll. Das Zuschauerparlament tiker und Industrievertreter mit
Seiten starken Verträgen gut ver-
steckt. So stellte sich erst während Kritik einer breiten Öffentlichkeit mit zeigt sich mit diesen ersten Verhand- ihren Aufgaben im Rundfunkrat

W
der Finanzkrise ab 2007 heraus, sofortiger Wirkung als aufgelöst. Der lungserfolgen zufrieden. oft überfordert waren. Selbst
dass deutsche Städte weitrei- Weg war frei für die Demokratisie- enn ich wdr einschalte, Reinhard Grätz, jahrzehntelang
chende und teure Verpflichtungen rung des Westdeutschen Rundfunks. will ich eine breite Palette Rundfunkratsvorsitzender des
eingegangen waren, etwa gegen- Als eine der ersten Amtshandlungen von guten Themen“, er- wdr, gab zu: Die ehrenamtlichen
über dem US-Versicherungskon- Ratsmitglieder, selbst wenn sie
beschloss das neue Zuschauerparla- klärt der Gelsenkirchener Zuschauer-
zern AIG. Wie die ZEIT im Juli 2009 „erhebliche programmliche, me-
ment die Demokratisierung von Re- verteter Hubert Fahrweiler. Er betont: dienpolitische, medienwirtschaft-
meldete, gelang es Gelsenkirchen daktionsstrukturen im Sender. „Das „Was ich nicht will, ist ein Programm,
inzwischen, aus einem der CBL- liche und medientechnische
Medium in der Demokratie muss das ausschließlich vom Gutdünken Kenntnisse“ erwarben, konnten
Verträge auszusteigen. Mit 11,7
Millionen Euro Verlust. auch selbst demokratisch arbeiten“, festangestellter Redakteure abhängt, „nie mit den einzelnen Fachleuten
In den Jahren 2002 und 2003 pro- erklärte die frisch gewählte Zuschau- die sich vom Programm-Machen weit in den Häusern konkurrieren“.
testierten bundesweit viele Bür- erpräsidentin Helga Jankowicz aus entfernt haben“. HE Darüber hinaus, so Grätz, waren
ger und Lokalpolitiker, um den die Gremienmitglieder „manch-
Abschluss der dubiosen Cross mal als Ehrenamtliche zeitlich
Border Leasing-Geschäfte zu ver- überfordert“. Schließlich bestand
hindern. Was jetzt im wdr für Un- auch laut dem Berufspolitiker
mut sorgt: Rainer Kampmann hat- vermute bei CBL „schmutzige Ge- die meisten der öffentlich themati- Grätz der begründete Verdacht,
te sich öffentlich über CBL-Kritiker schäfte mit internationalen Kapi- sierten Gefahren „sind regelmäßig dass die Rundfunkräte, „Erfül-
lustig gemacht. Da auch wdr- talhaien“. Doch die Verhandlungen, gegenstandslos“. Man sei „vor un- lungsgehilfen von Politik, Parteien
Redaktionen begonnen haben, schrieb Kampmann, werden „nicht angenehmen Überraschungen im und/oder Verbänden sind“, wie
die Hintergründe der Finanzkrise mit irgendwelchen Schlapphüten Vertragsverhältnis sicher.“ „Empö- Grätz in einem Arbeitspapier mit
aufzuarbeiten, war ein Aufsatz im Schicki-Micki-Resort auf den rend“, nennt ein wdr-Mitarbeiter dem Titel „Gremien in öffentlich-
Kampmanns bekannt geworden, Cayman-Islands geführt“. Sondern diese Sätze. „Dieser Mann hätte nie rechtlichen Rundfunkanstalten:
abgedruckt im Dezember 2003 in mit „fachkundigen Rechts- und auf seinen Posten im wdr kommen Entscheidungsträger oder Erfül-
der Zeitschrift des Kommunalver- Steuerberatern in den nüchternen dürfen.“ Rainer Kampmann kün- lungsgehilfen“ schrieb, das vom
bandes Deutscher Städtetag. Konferenzräumen von international digte an, sich in der kommenden Institut für Rundfunkökonomie an
Darin spottete Kampmann unter renommierten Anwaltskanzleien Woche öffentlich zu seinem Aufsatz der Universität Köln veröffentlicht
anderem über das „Halbwissen“ in New York“. Zwar räumte Kamp- aus dem Jahr 2003 und seiner Hal- worden ist.
und den „Populismus“ der Kri- mann ein, dass diese Verträge tung zu CBL zu äußern. HÖ HÜ
Milliarden in den Sand gesetzt:
tiker. „Mancher Zeitgenosse“ „nicht völlig risikolos“ seien. Doch CBL-Vertragspartner AIG (Foto: up)

2 November 2011 • WDRPRINT


das thema
Monika Piel: Offener Brief

Mutig in die Zukunft


Liebe Zuschauerinnen – das waren Begriffe, die im Haus davon hat sich auch noch im Pro- diese gesellschaftliche Fehl- me mich dafür.
unter der Hand die Runde mach- gramm wiedergefunden – nach entwicklung lange Zeit Wir werden künftig unseren
und -Zuschauer, liebe ten. Gestatten Sie mir ein persön- Mitternacht. Als Sender insgesamt nicht entschieden genug „Freien“ - die ja 90 Prozent un-
liches Wort: Das ist mir nicht ver- müssen wir jedoch einräumen, hinterfragt haben. Im Gegenteil: seres Programms bestreiten
Mitarbeiterinnen borgen geblieben - und es hat mir dass w i r Eine Tendenz zur Programm- – endlich wieder anständige Ho-
und Mitarbeiter, weh getan. verflachung war in den 90er und norare zahlen; Honorare, von de-
2000er Jahren unverkennbar: nen sie leben können und die es
Dennoch – auch diese Kritik Buntes statt investigativer Jour- möglich machen, hochwertigen

i
n unserem Haus hat es in müssen mein Führungsteam und nalismus, „Service“ statt Hin- Journalismus abzuliefern. Au-
den letzten Wochen wichtige ich uns gefallen lassen – haben tergrund, „Menscheln“ statt ßerdem wollen wir ihre Arbeits-
Veränderungen gegeben, die wir nicht aus eigener Kraft ver- Analysieren, „Quote“ statt bedingungen auf allen Ebenen
als „Wende Im wdr“ bundesweit mocht, eine Wende zum Besse- Qualität – das war wdr-Haus- verbessern. Wir hoffen, so den
großes Aufsehen erregt haben. ren einzuleiten. Vielmehr muss politik. Exodus kluger Köpfe aufzuhalten
Und – diese zukunftsweisende unser Dank an dieser Stelle all Kein Zweifel: Die große Kri- und künftig wieder mehr kreative
Ausgabe von wdr print zeigt es jenen gelten, die uns mit ihren en- se der Gesellschaft war und ist junge Menschen mit Rückgrat für
deutlich – wir im wdr haben uns gagierten Protesten, klaren Positi- auch eine Krise unzureichend die Mitarbeit am wdr-Programm
vorgenommen, unseren neuen onen und konstruktiven Al- wachsamer Medien. Leider galt begeistern zu können.
Weg konsequent weiter zu gehen. ternativen den richtigen das bisher auch für uns. Lassen Sie mich jetzt zu einem
Es ist mir ein Bedürfnis, ihn auch Weg gewiesen haben: Mit der großen „Wende wichtigen Thema kommen, das
mit persönlichen Worten zu be- Dem Bürgerbündnis im wdr“ wollen wir uns die nächsten Jahre weiter be-
gleiten. „Wir sind wdr“, dem dies nun gemeinsam schäftigen wird: Die Finanzen.
Ganz besonders freue ich mich Zusammenschluss ändern. Lassen Sie es Sicherlich stehen uns deutlich
über den Zuspruch, den ich der- der freien Mitarbei- mich an dieser Stel- weniger Mittel zur Verfügung
zeit im Haus erfahre. Wo auch ter, vielen couragier- le klar aussprechen: als früher. Aber auch hier hat
immer ich mit Mitarbeiterinnen ten fest angestellten Niemand steht hier die Wende im wdr bereits vieles
und Mitarbeitern ins Gespräch Kolleginnen und mehr in der Pflicht zum Besseren verändert. In den
komme: Überall schlägt mir eine Kollegen und auch als wir, der größte vergangenen Wochen gab es viele
Aufbruchstimmung entgegen, die einer kritischen Me- öffentlich-rechtliche sehr konkrete und konstruktive
ich – das muss ich ehrlich zugeben dienöffentlichkeit. Sender. Unsere Auf- Sparvorschläge von Kolleginnen
– noch vor ein oder zwei Jahren Geholfen hat uns al- gabe ist weder, dem und Kollegen. Sie gehen weder
nicht für möglich gehalten hätte. len sicher auch eine vermeintlichen auf Kosten der Programmquali-
Bevor ich jedoch auf unsere mu- gesamtgesellschaft- Zeitgeist hinterher tät noch zu Lasten der Honorare
tigen Zukunftspläne eingehe, liche Erkenntnis: zu laufen, noch, Po- und führen auch nicht zu einer
möchte ich noch einmal die Fehl- Spätestens seit der litik und Wirtschaft weiteren Arbeitsverdichtung. Das
entwicklungen der Vergangenheit großen Finanzkrise zu gefallen oder de- zeigt: Es lässt sich durchaus intel-
deutlich ansprechen. Denn nur 2008 ist klar, dass ren Vorgaben nach- ligent sparen – wenn es nicht von
eine kritische Analyse lässt uns der neoliberale zuplappern. Unse- oben angeordnet, sondern von
alle aus Fehlern lernen – ich selbst Entwicklungsweg, re Aufgabe ist es, allen als gemeinsame Aufgabe be-
nehme mich da ausdrücklich den die Bundes- Fehlentwicklungen griffen wird.
nicht aus. republik ab 1989 aufzuzeigen und Zudem werden wir auf manch
eingeschlagen die Zukunftsfragen überteuerte Prestigeprojekte in
Lassen Sie es mich an dieser Stelle hatte, gescheitert dieser Gesellschaft den Bereichen Unterhaltung und
einmal deutlich aussprechen: In ist. Seine Bilanz zu diskutieren. Da- Sport verzichten, um uns mehr
den vergangenen 20 Jahren sind auf allen Ebenen für leistet sich dieses auf unsere journalistischen Kern-
wir – die Führungsebene des wdr ist katastrophal: Land ein öffentlich- aufgaben zu konzentrieren. In
- einem falschen Zeitgeist hinter- Wi r t s ch af t l i ch rechtliches Rundfunk- diesem Zusammenhang bedauere
hergelaufen: Wir haben die neoli- stehen wir vor system. Darauf haben ich übrigens keinesfalls, dass der
berale Umgestaltung der Gesell- einem Rekord- die Zuschauerinnen Wechsel von Günther Jauch zur
schaft - durchgesetzt von einem schuldenberg, so- und Zuschauer Anspruch ard an seinen völlig überzogenen
Interessengeflecht aus Politik und zial verzeichnen wir – und darauf warten Sie. Wir Geldforderungen gescheitert ist.
Wirtschaft - nicht nur viel zu kri- eine tiefe Spaltung nehmen diesen Auftrag ernst; Vor allem aber gilt: Ein besseres
tiklos akzeptiert; wir haben sie der Gesellschaft, öko- viele Beispiele neuer Sen- Programm liefert uns sehr viel
auch im eigenen Haus umgesetzt. logisch bedroht uns dungen in dieser wdr print- bessere Argumente für die neue
Allzu oft haben wir ein Denken der Klimawandel. Ausgabe sind dafür Beleg. Gebührenrunde 2013. Wir freuen
in Marktanteilen (die wir „Quote“ Vor allem jedoch Sehr wichtig ist mir persönlich, uns über das Lob, das uns derzeit
nennen) und „Effizienz“ (von uns hat die langjäh- auch im Haus mehr Demokratie von Kirchen, Gewerkschaften und
nur als Kostensenkung verstan- rige Politik der zu wagen. Das soll die Motivation sozialen Bewegungen, vor allem
den) zur obersten Maxime unseres angeblich „al- aller Menschen im wdr fördern aber von den Bürgern selbst zu-
Handelns gemacht – und dabei die ter nat iv los en – besonders die unserer freien teil wird. Immer mehr Menschen
Programmqualität vernachlässigt. S a c h z w ä n g e“ Autorinnen und Autoren, deren erkennen, wie wichtig ein starker
Und weil das Programm immer der Demokra- Engagement und Kompetenz für öffentlich-rechtlicher Rundfunk
seichter wurde, haben wir damit tie in diesem uns unersetzlich ist. Gerade hier dabei ist, die tiefen Krisen dieser
das höchste Gut beschädigt, das Land schweren ist eine Wende überfällig – auch Gesellschaft in einem demokra-
wir im wdr haben: Die Motivati- Schaden zuge- bei den Honoraren für die „Frei- tischen Aufbruch zu überwinden.
on unserer Mitarbeiterinnen und fügt. en“. In Folge vieler Kürzungen, Ich habe keinen Zweifel daran:
Mitarbeiter. Sicher haben „Nullrunden“ und immer höherer Das öffentlich-rechtliche Rund-
Schon Anfang der 90er Jahre hat sich einzelne Zusatzanforderungen sind sie in funksystem in Deutschland ist
dieser Prozess begonnen, als wir engagierte fe- manchen Hörfunk-Sendungen das Erfolgsmodell einer demokra-
uns die Unternehmensberatung ste und freie und Fernseh-Landesstudios tischen, zukunftsfähigen Gesell-
„Roland Berger“ ins Haus geholt Kolleginnen zuletzt nahe Hartz-IV-Niveau schaft. Lassen Sie uns gemeinsam
hatten. Damit hat ein falsches und Kollegen gesunken. Und das, obwohl daran weiterarbeiten.
Denken im wdr Einzug gehalten, schon im- unsere „Freien“ gut ausge-
das viele kreative und engagierte mer bemüht, bildet sind und viel Erfah-
Menschen entmutigt hat. Vielen hier journali- rung mitbringen. Das
blieb zuletzt nur noch der Spott: stische Auf- ist für einen Sender
wdr – Warum denn recherchie- klärung zu lei- wie den wdr un-
ren?“ oder „Quoten für Idioten“ sten. Manches Monika Peel kämpft für den wdr. (Foto: MontAG) würdig – ich schä-

WDRPRINT • November 2011 3


Es geht ja doch

Konferenzquote für mehr Qualität.


„Tut mir leid, Frau Dr. Geschäftsleitung, das Konferenz- beschluss gesendet wurden, da-
gebaren grundsätzlich unter die runter das Jugend-Chill-Magazin
Müller ist gerade in einer Lupe zu nehmen und den KonFu „Immer frei“ und die zeitgemäße
ZiUs-Bericht in Auftrag zu geben. Fortführung der Politsatire von
Konferenz“. Diesen Satz Das Ergebnis stellte den wdr- Wolfgang Menge „Ein Herz für
wird man künftig im wdr Alltag auf den Kopf und das Pro- zehn Seelen“ mit Ekel Kachel-
gramm auf die Füße. mann. Unmittelbar nach Einfüh-
nicht mehr hören. Was Der Wendepunkt war die mitt- rung der Konferenzquote ent-
zu dieser überaus er- lerweile schon legendäre „Anti- stand auch die Erfolgsserie „Don
Konferenz-Konferenz“, bei der Camillo und Döner ohne“, in der
staunlichen Entwicklung die Konferenzquote verbindlich ein Imam samt Moscheeverein
festgelegt wurde. Seitdem dürfen und ein pädophiler Gemeinde-
geführt hat, erklären nur noch 5% der Arbeitszeit in kaplan in unmittelbarer Nach-
unsere Kölner Gast- Konferenzen verbracht werden. barschaft der „Giordano-Bru-
Außerdem wurde festgelegt, dass no-Stiftung“ um ein friedliches
autoren Jürgen Becker keine Beschlüsse gefasst werden Miteinander ringen. Die Sendung
dürfen, die schon einmal gefasst erhielt kürzlich den Integrations-
und Rolf Bringmann.

D
worden waren und im Programm preis der Landes NRW, den Civis
er Anfang 2011 veröf- Freuen sich riesig über das Ende der Konferenzitis: Jürgen Becker und wdr- zu nichts geführt hatten. Medienpreis, den Fernsehpreis
fentlichte Bericht der Urgestein Rolf Bringmann (Foto: Knipsomat-Agentur) Das waren laut Untersuchung der Erwachsenenbildung, den
KonFuZiUs (Konferenz de stets von anderen Konferenzen wdr geboren wurden und auch 90 Prozent der Konferenz-Be- Publikumspreis der Marler Grup-
für Funktions- und Zieluntersu- berichtet, die wiederum Beschlüs- nur in diesem Apparat überleben schlüsse der letzten 30 Jahre. Die pe, den Bayerischen Fernsehpreis,
chung) rüttelte alle auf: Bis zu se vorausgegangener Konferenzen konnten, „Konferenzgänger“. Sie Verwendung der Argumente: „ den Deutschen Fernsehpreis, den
50% der Arbeitszeit verbrachten konferierten. Es gab Programm- ähnelten „Friedhofsgängern“, die Das haben wir immer schon so Bambi, den Bimbo und den auf-
wdr-Redakteure und Pro- verantwortliche, die in der Konfe- zu Beerdigungen gehen - egal wer gemacht“, „Das will der Zuschau- gebundenen Bären.
grammverantwortliche im Jah- renzschleife buchstäblich hängen beerdigt wird. er sehen“, „Das kriegen wir oben Doch auch damit könnte bald
resdurchschnitt in Konferenzen! blieben, ihre gesamte Arbeitszeit Nach MoSi (Montagssitzung), nicht durch“ etc. (insgesamt 150 Schluss sein: Nach Abschaffung
Schillernde Kürzel wie Dirsi incl. Überstunden in Konferenzen DiSi, MiSi, DoSi, und FreiSi stan- aufgelistete Konferenz-Standards) der Konferenzen steht nun die
(Direktorensitzung), DiSi (Diens- zubrachten. den zuletzt die SaSi und SoSi nahm seit deren Veröffentlichung Abschaffung der Fernsehpreise
tagssitzung beim Direktor), PGL Andere verstanden es, in Konfe- kurz vor ihrer Einführung. Das im „Anti-Innovations-Katalog“ auf der Agenda. Solche Gebüh-
(Programmgruppenleitersit- renzen zu blenden oder zu anti- war des Guten zu viel. Erbitterter rapide ab. renzahler-Geisterbahnen aus
zung), Schalte (Schaltkonferenz), chambrieren. Prompt wurden sie Widerstand der Belegschaft, un- Nach anfänglichen Schwierig- Selbstbeweihräucherung und Ei-
AK (Abteilungskonferenz), RK bei der nächsten Pöstchen-Ver- terstützt von den beiden Kirchen keiten setzte ein enormer Kre- telkeiten sind in Zukunft als das
(Redaktionskonferenz) etc. konn- gabe berücksichtigt, kletterten („Ohne Sonntage gibt’s nur noch ativitätsschub ein. In der neu anzusehen, was sie schon immer
ten nicht länger darüber hinweg- so unaufhaltsam in der Hierar- Konferenztage!“) und ver.di war gewonnenen Arbeitszeit entwi- waren: Privatsache.
täuschen: Die Konferenz war der chie nach oben und führten neue der Anfang der Wende. Der Er- ckelten die Redakteure zahlreiche Der neue Leitsatz lautet: Der Sen-
Zeitfresser Nummer eins. Konferenzen ein. Man nannte folg der Konferenzstreiks („Weg neue Formate, die dann dank der der frei von Lobhudelei.
Innerhalb der Konferenzen wur- solche Menschen, die im Apparat mit SaSi & SoSi!“) veranlasste die Konferenzquote ohne Konferenz- Jürgen Becker & Rolf Bringmann

wdr-Intendanz: Kritik lohnt sich immer

Viel Lob für Marvin Oppong


E
r war hartnäckig – und hat ten könnten. wdr bislang jede Auskunft da-
dem wdr schließlich die Unter anderem stieß er bei sei- rüber, ob er in den vergangenen
Augen geöffnet,“ dankte nen Recherchen auf einen Ein- Jahren Aufträge an die Barmer
Monika Piel dem freien Journa- trag auf der wdr-Homepage. Da Ersatzkasse vergeben hat“, so Op-
listen Marvin Oppong im Rah- hieß es, dass ein Rundfunkrats- pong. Außerdem fand der Jour-
men einer Feierstunde im Kleinen mitglied beruflich „Banken und nalist heraus, dass Gabriele Beh-
Sendesaal. Sichtlich bewegt nahm Medienunternehmen“ berät. Op- ler, die Ex-Bildungsministerin des
Oppong eine Urkunde und einen pong. wollte wissen, ob zu die- Landes NRW, im wdr Verant-
Scheck über 2.000 Euro entgegen. sen Medienunternehmen auch wortung trägt. „Sie sitzt im Auf-
Damit seien seine Kosten, erklärt der wdr gehört. „Wenn ja“, er- sichtsrat der wdr-Gebäudema-
die Intendantin, für die aufwän- klärt der angehende Jurist, „wäre nagement-GmbH“, so Oppong.
digen Recherchen abgegolten. das ein Verstoß gegen das wdr- „Ich frage mich, aufgrund welcher
„Wir möchten junge Journalisten“, Gesetz.“Doch der Sender weiger- Qualifikation?“ Dem Eindruck,
so Monika Piel, „ermutigen, uns te sich, zu antworten. „Ein grober dass Mitglieder in wdr-Gremien
auch künftig kritisch zu beglei- Fehler“, räumt Monika Piel heute Monika Piel dankt dem wdr-Kritiker Marvin Oppong (Foto: dpi)
aus ihrer Position wirtschaftliche
ten.“ ein. Oppong entdeckte zudem, Vorteile ziehen könnten, will der
Oppong, der in Bonn Jura stu- dass der langjährige Rundfun- lenhalle sein Geld verdient, eine der Barmer Ersatzkasse – und Sender jetzt entschieden entge-
diert, hatte gegen den größten kratschef Reinhard Grätz und Halle, in der immer wieder Events gehörte seit 2000 als Vertreterin gentreten. Zudem soll in Zukunft
öffentlich-rechtlichen Sender vor der wdr-Verwaltungsratsvorsit- mit wdr-Beteiligung stattfinden. des Deutschen Journalisten-Ver- gar nicht erst der Verdacht auf-
dem Verwaltungsgericht in Köln zende Ludwig Jörder Anteile an So präsentierte 1live dort im bandes (DJV) dem wdr-Rund- kommen, dass ehemalige Politiker
und dem Oberverwaltungsge- der wdr-Mediagroup halten. Die April 2010 das Techno-Festival funkrat an. Seit 2009 amtiert für Wohlverhalten vom Sender
richt in Münster geklagt. Grund: Mediagroup vermarktet unter an- Mayday. „Gibt es da eine Interes- Rüsberg-Uhrig als Vorsitzende belohnt würden.
Der wdr wollte dem Journalisten derem Werbezeiten und verkauft senverquickung?“, wollte Oppong des wdr-Programmausschusses. Ab jetzt, so verspricht Intendantin
generell nicht verraten, an welche Lizenzen. Sind Grätz und Jörder wissen. Der Kölner Sender be- Rüsberg-Uhrig ist als Pressespre- Monika Piel, werde der wdr um-
private Unternehmen er Aufträge etwa mit eigenem Geld dort en- hauptete bislang keinen Konflikt cherin der Barmer inzwischen im fassend für Aufklärung sorgen.
vergibt. Ein Unding, fand Op- gagiert?, wollte Marvin Oppong erkennen zu können. Ruhestand. Erster Schritt: In vier Wochen
pong. Und berief sich auf das In- wissen. Der wdr hatte argumen- In der Frankfurter Rundschau „In der Berichterstattung des wdr beruft der wdr eine Pressekonfe-
formationsfreiheitsgesetz (IFG). tiert, dass beide nicht als Privat- berichtete der Bonner Journalist tauchte die Barmer relativ häu- renz ein. „Dann machen wir rei-
Er berichtete zuvor in Zeitungen personen, sondern „qua Amt über eine weitere wdr-Persona- fig auf “, wunderte sich Oppong. nen Tisch,“ so Piel und stellt klar:
und einem Blog über Anhalts- treuhänderisch“ beteiligt seien. lie, die aus seiner Sicht Fragen „Oft wurde dabei positiv über die „Die Unabhängigkeit und Glaub-
punkte, nach denen Mitglieder „Außerdem fiel mir auf, dass Lud- aufwirft. Dabei geht es um Su- Krankenkasse berichtet.“ Zufall würdigkeit des wdr und all jener,
von WDR-Gremien Geschäftsbe- wig Jörder als Hauptgeschäfts- sanne Rüsberg-Uhrig. Seit 1997 oder nicht? die in Gremien Verantwortung
ziehungen zum Sender unterhal- führer der Dortmunder Westfa- leitete sie die Presseabteilung „Auf Anfrage verweigerte der tragen, sind ein hohes Gut.” HA

4 November 2011 • WDRPRINT


FÜNKCHEN
Nr. 1
November
2011

Berufsbilder
Der Job des
Henning Meisner
Chillout-ecke
Kulenkampff
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WDR FÜNKCHEN November 2011
• 5
Der Job des Henning Meisner

„Wir löschen alles“


260 Stunden Radio- und Fernsehprogramm sen-
det der wdr täglich. Dabei entsteht natürlich auch
viel Rohmaterial, das nicht archiviert werden soll.
Löschkassettenwart Henning Meisner sorgt dafür,
dass überschüssige Aufnahmen professionell
gelöscht werden.

B
etriebsame Stille herrscht im Raum U 421
im Filmhaus. Voll konzentriert schaut Hen-
ning Meisner auf drei Bildschirme – alle
sind schwarz. Aus den Boxen daneben klingt nur
ein leichtes Grundrauschen. Dann ein leises me-
chanisches Klicken. Auf dem mittleren Monitor
erscheint das typische Bildrauschen. Für Henning
Meisner das Signal: Hier ist nichts mehr drauf. Mit
einem sanften Surren schnurrt eine Mini-DV-Kas-
sette aus dem Geräteschacht. Genauso ergeht es
auch den vielen anderen Bändern, die die Hightech-
Löschdrossel durchlaufen. Gerade versieht Meisner
eine alte VHS-Kassette und eine Beta SP mit neu-
en, unbeschrifteten Etiketten. In die Rubrik „LKW“ Henning Meisner in action (Foto: DDR-Print)
trägt er sein Kürzel ein: HeMe. LKW - das ist kein
Fahrzeug; LKW - das ist die wdr-Abkürzung für Löschkassettenwart löschen. Dazu benutzt er vom das schon interessieren“, räumt er ein. Immerhin: In
Löschkassettenwart. Damit übernimmt Meisner wdr mitentwickelte Speziallöschrekorder mit digi- Ausnahmefällen darf er doch Einblick nehmen in
die volle Verantwortung für die korrekte Löschung taler Hinterbandkontrolle. „Die Maschinen löschen das zu löschende Material.
der Kassette. „Schon aus datenschutztechnischen nicht nur alle Bildinformationen auf den Speicherme- „Wir sind berechtigt und verpflichtet, den Inhalt
Gründen“, so der 49-Jährige, „muss die Löschung dien, sondern überspielen sie zur letzten Sicherheit eines Bandes zu überprüfen, wenn Zweifel bestehen,
hundertprozentig sein. Schließlich löschen wir auch zusätzlich noch mit Schwarzbild. Das ist dann das, was dass die Aufnahme wirklich gelöscht werden soll.
Outtakes - Aufnahmen, die unbrauchbar sind, zum wir auf den Bildschirmen sehen. Auf der Tonebene Schließlich sind die Dinge, die wir einmal löschen,
Beispiel peinliche Versprecher oder Antworten aus passiert im Prinzip das Gleiche, nur eben mit Stille.“ für immer verloren. Wenn sich also aus dem Lauf-
nicht autorisierten Interviews.“ Im Laufe der Jahre kamen immer mehr Formate zettel, der jeder Kassette beiliegt, Zweifel ergeben,
Bandlöscher dazu: Erst die Optical Discs, dann Speicherkarten oder kein Laufzettel vorhanden ist, schauen wir uns
aller Art. „Eigentlich löschen wir alle Speicherme- das Band an und recherchieren, ob eine Löschung
Henning Meisner, („nicht verwandt oder verschwä- dien, die bei der Radio- und Fernsehproduktion vorzunehmen ist. Zwei, drei Mal im Jahr kommt das
gert mit dem Kardinal“), begann seine Lösch-Karri- genutzt werden“, sagt Meisner. „Die Berufsbezeich- schon vor. Das Härteste war mal ein Irrläufer aus
ere vor 25 Jahren beim Hörfunk. „Damals waren die nung ‚Löschkassettenwart’ ist im Prinzip veraltet, dem Archiv, wenn ich da nicht aufgepasst hätte, hät-
Bereiche noch getrennt. Ich machte eine Ausbildung aber alle Versuche, Begriffe wie ‚Deleting Control te ich Kennedys Spruch mit dem Berliner gelöscht.”
zum ‚Bandlöscher/Kassettenlöscher Hörfunk‘. Was Manager’ einzuführen, sind gescheitert - der tradi-
kaum jemand weiß: Wir waren Anfang der Neun- tionelle Begriff ‚Löschkassettenwart’ hat sich einfach
ziger die erste Abteilung im wdr, die bimedial ge- durchgesetzt. “
arbeitet hat.“ Meisner absolvierte eine zweijährige Eine Tradition, die im wdr vor kurzem noch zur
berufsbegleitende Zusatzausbildung und durfte sich Disposition stand. Bis vor einem halben Jahr ging der
fortan „Löschkassettenwart Hörfunk/TV” nennen. Trend dahin, immer mehr Löschaufträge an Fremd-
„Das war für mich als Radiomann schon eine Um- firmen zu vergeben. Doch diese Pläne sind vom
stellung. Der Beruf ist unheimlich abwechslungs- Tisch. Prof. Jürgen Melchior, Direktor Löschwesen:
reich. Man muss ja bedenken, dass wir alles löschen: „Neben Themen wie Qualitätssicherung und Daten-
Unterhaltung, Information, Sport ...“ schutz sprach langfristig auch die Wirtschaftlichkeit
Wegen seiner elementaren Bedeutung bildet der für eine Lösung im Hause.“ Der Wirtschaftlichkeit
Bereich Löschwesen seit langem eine eigene, fünfte dienen auch geplante Umstrukturierungen in der
wdr-Direktion (neben Fernsehdirektion, Hörfunk- Direktion: Im Zuge der Wende im wdr wird jetzt
direktion, Verwaltungsdirektion und der Direktion sogar über flachere Hierarchien im wdr-Löschwe-
Produktion und Technik). Geleitet wird diese Direk- sen nachgedacht.
tion vom international renommierten wdr-Lösch-
direktor Prof. Jürgen Melchior. Ihm unterstehen der Das Reich im vierten Tiefkeller Der Schrott muss weg (Foto: DDR-Print)
Hauptabteilungsleiter Löschwesen, der Abteilungs- Zurück in Henning Meisners Reich im vierten
leiter Löschwesen, seine drei Stellvertreter sowie die Tiefkeller des Filmhauses. Nur eine Kleinigkeit be- „Aber unter uns gesagt,“ meint Meisner schmunzelnd
Hauptabteilung Löschcontrolling. dauert er hin und wieder: Der Löschkassettenwart “der Ausschnitt ist so oft gelaufen, den will doch eh’
Bis zu drei Bänder gleichzeitig kann ein erfahrener sieht nicht, was er löscht. „Manchmal würde mich keiner mehr sehen“. HU

Wie wird man Löschkassettenwart?


„Wir bilden im Rahmen der Neuausrichtung wieder Ausbildung um ein Jahr die Bewerber vom Betriebspsychologen auf diese
jedes Jahr einen Auszubildenden oder eine Auszubil- verkürzen. Zugleich sind Fähigkeiten hin getestet. Jürgen Melchior empfiehlt
dende zum Löschkassettenwart beziehungsweise zur allerdings auch beson- jungen Menschen, die sich für die Löschkassetten-
Löschkassettenwartin Hörfunk/TV aus,“ sagt Jürgen dere Persönlichkeits- wart-Laufbahn interessieren, vorher eine selbstkri-
Melchior, Leiter der wdr-Direktion Löschwesen. Jeder merkmale gefragt. „Wer tische Analyse: „Wer gern Mikado oder Halma spielt,
mit einer guten Mittleren Reife oder Abitur und einem ständig externe Reize könnte für uns in Frage kommen. Auch ein Praktikum
überdurchschnittlichen technischen Verständnis kann braucht, ist in unserer als Leuchtturmwärter oder im wdr-Studio Solingen
sich um die dreijährige Ausbildung beim wdr bewer- Direktion vielleicht nicht kann eine gute Vorbereitung sein.“
ben. Melchior: „Wir erwarten aber auch die Bereit- am richtigen Platz. Bei
schaft, sich nach der Ausbildung ständig fortzubil- uns zählen mehr Eigen- Wer einmal eine Ausbildung zum Löschkassettenwart
den, weil der ‚LKW’ immer mit dem rasanten Wandel schaften wie Beharr- absolviert hat, dem stehen dann allerdings auch inter-
der Technik mithalten muss. In der Ausbildung selber lichkeit, Verlässlichkeit national alle Türen offen: „Das deutsche Löschwesen
nehmen EDV-Kenntnisse einen immer breiteren Raum und innere Ruhe.“ In ist international führend“, sagt Melchior stolz, „das
ein.“ Prof. Jürgen Melchior, aufwändigen und zeit- hat man mir erst kürzlich auf der ‚Smart-Deleting-In-
Wer eine bereits eine vergleichbare Ausbildung mit- Leiter Löschwesen raubenden psycholo- ternational-Business-Conference’ in Vancouver versi-
(Foto: stock.xchng, blogman)
bringt (etwa Mediengestalter Bild und Ton) kann die gischen Tests werden chert.“ HO

6 WDR FÜNKCHEN • November 2011


Die Idee des Monats

Wellness + Working = WDR Personal-Chronik


Immer noch im wdr
Recht auf Entspannung: Auch Innenarchitektonisch setzt der Westdeutsche Rundfunk Jörg Schönenborn, vormals Chefredaktion Fernsehen, jetzt
erster gewählter Leiter des neuen Regionalstudios Solin-
künftig Maßstäbe. gen. Volker Schaeffer, Leiter Aktuelle Kultur wdr 3 und

V
wdr 5, wechselt zum 1. Oktober 2011 ins Regionalstudio
on üppigen Teppichen gedämpftes Lachen schallt chenstunden im Sender für brandaktuelle Produktionen“, Kleve des WDR. Dort wird sich der Lyrik-Liebhaber inten-
herüber. In der Chillout-Ecke zocken ein paar freie verrät er weiter. Und die inoffiziellen Räume waren eine siv um die kulturellen Beziehungen zu unseren niederlän-
Autoren Tischkicker und Flipper. Eine Jukebox Zumutung: Dreier-Sichtplätze auf 15 qm, in die sich teils dischen Nachbarn kümmern. „Ich freue mich auf die neue
läuft. sechsköpfige Autoren-Teams quetschten und gegenseitig Aufgabe“, betont er, „auch wenn mir der Abschied von Köln
Wer während einer anstrengenden Produktione eine bei der Arbeit störten. Schlecht gelüftete Abstellräume nicht leicht fällt“. Prof. Dr. Karl Karst, Wellenleiter wdr 3,
Pause benötigt, kann sich in der Water-Lounge auf einen im Gebäudeinneren ohne Fenster oder Tageslicht. Mö- folgt seinem Kollegen Schaeffer nach Kleve. Wann das al-
lerdings soweit ist, steht noch nicht fest. Möglicherweise
Massagestuhl kuscheln. Abgedunkeltes Licht und lei-
erst im Januar 2012, wenn der Erweiterungsbau im Studio
se blubbernde Riesenaquarien helfen beim Entspannen Kleve voll bezugsfertig sein wird. Mathias Hoheisel, Abtei-
oder auch schnellen Einschlafen. Selbst Ranga Yogeshwar lungsleiter Produktion Wort & Sprecherensemble, bleibt in
nimmt hier öfter einen „Power-Nap“. dieser Funktion auch weiterhin dem wdr erhalten. Gerüchte,
Das ist die neue wdr-Zentrale. Gestresste, ausgepowerte er würde Ende 2011 zur wdr mediagroup GmbH wechseln,
Mitarbeiter trifft man hier nur noch selten an. Die neue entbehren jeder Grundlage. Besonders seine Zuständigkeit
Dependance, gleich neben dem Funkhaus, genießt unter für die „wirtschaftliche Herstellung künstlerischer Wortpro-
festen und freien Mitarbeitern den allerbesten Ruf. Das duktionen“ sowie die „außerrundfunkmäßige Verwertung“
liegt daran, dass vor Baubeginn Architekten und Psycho- dieser Produktionen schätzt er an seiner jetzigen Tätigkeit.
logen die Mitarbeiter gezielt nach ihren Bedürfnissen be-
fragt haben. Die neue wdr-Zentrale – eine in Deutschland
Nicht mehr im wdr
Helfried Spitra reizen neue Herausforderungen bei einem
einzigartige Kathedrale für Wellness & Working. privatem Sender. Viele haben es kommen sehen. Nun hat er
„Die Produktivität unserer Mitarbeiter hat sich schon Ernst gemacht. Helfried Spitra, anerkennend Mr. ILV (interne
nach wenigen Monaten um über 20 % gesteigert“, freut Leistungsverrechnung) genannt, verlässt den Sender, um
sich WDR-Intendantin Monika Piel. „Finanziert haben ab sofort die Intendanz von Center-TV zu übernehmen. Er
wir den umfassenden Umbau mit Geldern aus einem ist für diese Aufgabe die beste

Foto: MontAG
Topf, aus dem ursprünglich Günther Jauch und mein Wahl, heißt es von der dortigen
neuer gläserner Intendanz-Aufzug in den 5. Stock der Geschäftsleitung. „Billiger ist
Arkaden bezahlt werden sollten. Das Wohlbefinden un- besser“, mit diesem Leitspruch
hat der ehemalige Leiter der Ab-
serer Mitarbeiter war mir ein Herzenswunsch.“ Frischer
teilung Zentrale Aufgaben Fern-
Wind weht durch alle architektonisch-innovativen Abtei- sehen konsequent gezeigt, wie
Umbau in vollem Gange (Foto: DDR-Print)
lungen des neuen Gebäudes: Zu den wenigen Konferenzen man mit immer weniger Qua-
ziehen sich die Mitarbeiter in Loungehöhlen, rheinische lität immer mehr Quote machen
Seilbahngondeln oder Iglukapseln zurück. Die kostenlose bliert mit defekten Bürostühlen und ausrangierten alten kann. Das hat ihn für die Privat-
Kantine erreichen sie auch über eine Feuerwehr-Rutsche. Rechnern.“Wer dort arbeiten wollte, musste regelmäßig en zu einem unentbehrlichen-
Auf jeder Etage gibt es zusätzlich kleine Küchen mit ita- erstmal den Techniker anrufen. Da lief nichts“, erinnert Spin Doktor werden lassen. Bei
lienischen Kaffeemaschinen. Die Kühlschränke sind stets sich der Gebäude-Manager. „Wir schämen uns heute über Center-TV will er die Produktion
gefüllt mit Energieriegeln, Obst und frischen Sandwiches. die damaligen Missstände. Wie im Mittelalter! Das kann konsequent auf Handy-Kameras umstellen – „dann können
sogar Schülerpraktikanten Programm machen“. Wir wün-
„Keiner unserer Mitarbeiter soll weiter als 30 Meter von man sich kaum noch vorstellen“, meint Schmiedel und
schen ihm dabei viel Erfolg... Zurück nach Siegen zieht es
einer Mikroküche entfernt arbeiten. Das gilt vor allem für zeigt stolz auf die Vollspektrum-Lampen, die ergono- Fernsehredakteur Gisbert Baltes. „Von dort komme ich und
freie Autoren – unsere Zugpferde in der aktuellen Pro- mische Möblierung und die 24-Zoll-Monitore. dort gehöre ich auch hin“, verriet der bekennende Siegerlän-
gramm-Produktion.“ Birand Bingül, neuer wdr-Presse- Die neuen offenen, gut klimatisierten open-space Büros der Fünkchen. Mit etwas Wehmut denkt er an die „herrlichen
sprecher, betont das ausdrücklich. haben auch einen gesundheitlichen Effekt: Die für manche Sendungen, die ich für unser Publikum machen durfte.“ Ein
Auch nach 20 Uhr strahlen die Mitarbeiter hier noch gute wdr-Gebäude typischen Atemwegserkrankungen sind si- Höhepunkt in Baltes Erinnerung: wie Chris Howland auf ei-
Laune aus. Kein Wunder: die Büros sind schick, hell, ha- gnifikant zurückgegangen, berichten HNO-Ärzte. „Die al- nem Hühnerhof im Bergischen Land noch einmal seinen Hit
ben hohe Decken und sind auf offene Kommunikation hin ten Klimaanlagen schleuderten Bakterien und Pilzsporen „Ich denk, ich wär’ ein Huhn“ gesungen hat. Außerordentlich
ausgerichtet. durch die Luft. Außerdem konnten wir einfach nicht das auch die Begegnung mit der Schlagersängerin Margot Es-
kens („Tiritomba“), die er 2005 in der Reihe „Musiklegen-
Das open-space Büro bietet durch ausgeklügelte Möbel- Problem der zu niedrigen Luftfeuchtigkeit in den Griff be-
den“ vorstellte. Auf einem Wasserskiboot ging´s in hohem
Module dennoch genug Raum für Privatsphäre und Kre- kommen“, verrät ein Gebäude-Techniker. Tempo quer über den Wörthersee und „dabei wäre ich fast
ativität. Schlechte, trockene Luft ist Vergangenheit – nicht zuletzt ins Wasser gefallen“, weiß er noch. Ohne ihn muss künftig
Nach und nach sollen nach dem Vorbild dieses neuen Ge- durch eine neuartige vertikale Wandbegrünung. „Die auch seine heiß geliebte Kölner Prinzenproklamation und
bäudes auch die anderen wdr-Gebäude in der Kölner In- Zeiten, in denen Mitarbeiter verzweifelt versuchten, ihre die Übertragung des Rosenmontagszugs auskommen. Aber,
nenstadt umgestaltet und zu einem einheitlichen Komplex Büro-Ecke mit einer Topfprimel aufzupeppen, sind gott- tröstet er sich selbst: „Irgendwann einmal, geht jede Ära zu
werden. Früher, in den alten 18 über die Stadt verteilten lob vorbei“, sagt Monika Piel stolz. Und lächelnd fügt sie Ende!“ – Stimmt, Gisbert.
Gebäuden, saßen die Abteilungen noch abgeschottet von- hinzu: „Unser Hauspsychologe klagt mittlerweile über
einander. Die notdürftigen, mit Brücken verbundenen Ge- Arbeitsmangel“. Die wdr-Intendantin hat gut lachen: Neu im wdr
Ayshe Eklaczi, jetzt Leiterin des neuen wdr-eigenen Reini-
bäude hatten auf jeder Etage eine andere Raumaufteilung. Nach der Deutschen Bank, Sixt und Brose hat der wdr
gungsunternehmens; sie arbeitet seit 16 Jahren für den Sen-
„Praktikanten brauchte oft wochenlang, um die katakom- mit seinem einzigartigen open-space-Konzept auch die der, allerdings bislang bei verschiedenen Dienstleistungsun-
benartigen Wege zu erfassen. Wir haben befürchtet, dass Google-Zentrale überrundet. Der „Innovationspreis ternehmen angestellt. Igor Popolski, jetzt festangestellter
wir irgendwann in einer Ecke ein Skelett finden. Da gab es 2011“ ist unsere schönste Auszeichnung, freut sich Piel: Empfangschef; seit 6 Jahren für den wdr tätig, zuletzt als
einfach kein Konzept“, witzelt Bernd Schmiedel, der Chef „Wir haben hier Spitzenkräfte und sie verdienen einen Angestellter der Firma Dussmann. 28 weitere Kolleginnen
des neuen Gebäude-Managements. Spitzen-Arbeitsplatz“, sprach’s und massierte im Vorbei- und Kollegen, die nach vielen Jahren des Outsourcings künf-
„Schlimmer noch: Für unsere Autoren existierten offiziell gehen scherzhaft einem freien Mitarbeiter den Nacken. tig als wdr-Festangestellte Lohn und Sozialleistungen erhal-
gar keine Räume - dabei verbrachten sie oft bis zu 60 Wo- HI ten, werden in der nächsten wdr print-Ausgabe genannt.

Pensionäre und Prominente fördern freie Mitarbeiter


Erster Geburtstag für den „Ernst-Huberty-Solidaritätsfonds“. Euro konnte der nach dem früheren wdr-Sportchef Ernst sein. Zur Jury gehören unter anderem Fritz Pleitgen und Hel-
Seit einem Jahr spenden gutsituierte wdr-Pensionärinnen Huberty benannte Solidaritäts- ga Kirchner. „Damit möchten wir freie Autoren in schwierigen
und -Pensionäre für freie Mitarbeiter des Senders. „Vielen fonds im vergangenen Jahr aus- Zeiten ermutigen, dem wdr treu zu bleiben“, sagt Gisela
von uns geht es finanziell gut“, bekannte Fondssprecherin schütten - für erkrankte freie Au- Marx zum Ziel des Preises. Der „Ernst-Huberty-Solidaritäts-
Gisela Marx, die ehemalige langjährige Hörfunkredakteurin toren, Kameraleute, Cutterinnen fonds“ wird künftig in der Lage sein, den wdr-Freien einen
und TV-Produzentin. „Jetzt geben wir etwas ab.“ Prominente oder Tontechniker. Kinderzuschlag zu zahlen. Pro Kind acht Prozent Aufschlag
wdr-Moderatoren verkündeten nun, dass sie die Initiative Der Fonds lobt zudem einen auf jedes Honorar, vorausgesetzt, Tochter oder Sohn gehen
mit einer Millionenspende unterstützen. „Unser Geburts- Journalistenpreis für freie wdr- noch zur Schule, studieren oder machen eine Berufsausbil-
tagsgeschenk für den Fonds“, so Bettina Böttinger. Autoren aus. Dreimal 4.000 Euro dung. Zu den Geldgebern zählen neben Bettina Böttinger
Geldzuwendungen des Fonds können vor allem jene wdr- stehen pro Jahr zur Verfügung. auch Reinhold Beckmann und Frank Plasberg. Alfred Bio-
Freie beantragen, die wegen Krankheit nicht arbeiten können „Prämiert werden hervorra- lek, der Grandseigneur des gepflegten Talk, schloss sich
und keine Einnahmen beziehen. Zwar gibt es laut Tarifvertrag gende Beiträge in den Katego- an. Alle sind sich einig, dass sie ohne den wdr nicht das
Krankengeld auch für freie wdr-Mitarbeiter. Eine wichtige rien TV, Radio und Internet“. Sie geworden wären, was sie heute sind: Gut ausgebildet, be-
Absicherung, findet Gisela Marx. „Doch viele gehen leer aus, Alfred Biolek (Foto: cfd) sollen investigativ und originell rühmt und wohlhabend. „Wer teilt, gewinnt dazu – das war
weil die Voraussetzungen für diese Zahlungen eng definiert sein, die Vielfalt des Landes NRW abbilden und müssen im schon immer mein Motto“, bekennt Alfred Biolekmit einem
sind, und der wdr ist nicht bereit, diese zu lockern“. 24.000 zurückliegenden Kalenderjahr vom wdr ausgestrahlt worden Lächeln. HU

WDR FÜNKCHEN November 2011 • 7


Die Verwandlung der freien Journalistin Nadia R.

„Für mich hat sich vieles verändert“


sondern auf Honorarbasis. „Für das bescheidene
Honorar hat der Sender ganz schön was verlangt“,
wertet Nadia R. rückblickend. Wer mittelfristig sei-
ne Honorarstelle halten wollte, musste vor allem
zwei Bedingungen erfüllen: Das Budget der Sen-
dung unterschreiten und trotzdem gute Qualität bei
den freien Autoren einkaufen. Die Quadratur des
Kreises. Aber Nadia R. kam auf eine Idee: Sie würde
ihren Autoren künftig nur noch dann einen Auftrag
erteilen, wenn die ein fertiges Manuskript vorlegten.
Zunächst ließen sich die Freien, manche murrend,
darauf ein. Dann beschwerte sich ein Autor beim
Redaktionsleiter. Er müsse unbezahlte Vorarbeiten
leisten. Nadia R. kassierte eine Abmahnung. Sie
habe eigenmächtig gehandelt, lautete der Vorwurf.
Wütend sorgte sie dafür, dass dieser Autor nie mehr
einen Auftrag erhielt. „Wie tief war ich gesunken“
schüttelt sie heute den Kopf.
Die Wende
Dann kam die Wende. Zunächst klagte eine Redak-
tionskollegin ihr Leid: Eine Kollegin sei mit einem
Nervenzusammenbruch in die psychiatrische Ab-
teilung der Uniklinik eingeliefert worden. Wegen
Arbeitsüberlastung. Doch beim wdr, erzählte die
Kollegin, tue sich jetzt was. Die Freien hätten die
Schnauze voll. Wollten nicht ständig mehr arbeiten
für immer weniger Geld. Ob sie nicht mitkommen
wolle zur großen Versammlung der Freien. Nadia R.
ging mit. „Von da an hat sich vieles für mich verän-
dert“, sagt sie. Einige schlugen vor, die Sendestudios
Nadia R.: Früher weltweit im Einsatz. (Foto: dpi)
des wdr zu besetzen oder die Intendanz in ihren
Räumen einzusperren, nach dem Vorbild des „Boss-
Schon früh träumte sie davon, Journalistin zu den zu kommen. Aber da die Honorare seit Jahren Napping“ in Frankreich. Aber das war Nadia R. und
nicht mehr erhöht wurden, musste sie immer mehr anderen zu gefährlich, auch die Gewerkschaft wollte
werden. Was aber dann im Laufe der Jahre daraus arbeiten. Dann strich der Sender die Bezahlung nicht mitmachen. Einigen konnten sich die Freien
wurde, hätte sich Nadia R. nicht träumen lassen. von Sonderleistungen, z.B. das zusätzliche Honorar, schließlich auf einen Streik.
wenn sie ihre Beiträge im Studio selbst sprach. Die
Redaktionen forderten zudem, dass sie Internet-
Das Echo

A
m Anfang war Neugier. Schon als Jugendli- und Pressetexte als honorarfreie Zusatzleistungen Die Presse war niederschmetternd für den wdr:
che träumte sie davon, Journalistin zu wer- lieferte. Für Kurzbeiträge akzeptierte der wdr nur „Skandalös – Mitarbeiter legen Sender lahm“, schrieb
den. Im Volontariat produzierte sie ihre erste noch Buy-out-Verträge, die dem Sender die unein- die Bild-Zeitung. Einige seriöse Zeitungen bemüh-
Radioreportage. Es folgten Rechercheaufenthalte in geschränkten Urheberrechte garantierten. Was üble ten sich, die Ursachen für den Streik zu ergründen.
Südasien. „Die fremde Kultur, die Menschen dort, Folgen hatte: Wurde eine Sendung erneut ausge- Die Freienvertreter wurden zu Gesprächen mit der
das hat mich ungeheuer fasziniert“, schwärmt Na- strahlt, fiel das Wiederholungshonorar weg. Intendanz geladen. Die NRW-Landesregierung hat-
dia R. Als freie Autorin berichtete sie für den wdr te sich mit Monika Piel bereits in Verbindung ge-
über Krisen, politische Bewegungen und Menschen-
Das Geld reicht nicht setzt: Von einem öffentlich-rechtlichen Sender wie
rechtsverletzungen. Jahrelang hatte sie Erfolg. Das Geld reichte hinten und vorne nicht“, erinnert dem wdr dürfe kein falsches Signal ausgehen. Der
sich Nadia R. Sie versuchte es mit Journalistenprei- Streik finde möglicherweise Nachahmer in anderen
Bunt soll es sein sen. Vor allem die Wettbewerbe der Pharmaindustrie Sektoren. Die Intendanz knickte ein – und einigte
Doch dann hieß es in den Redaktionen immer öf- und der Sparkassenverbände schienen interessant zu sich mit den Streikenden. Die Honorare für alle frei-
ter, es gebe „einen Schwere-Themen-Stau“, man sein. Für Beiträge über bestimmte Krankheiten oder en Mitarbeiter sollten endlich angehoben und die
wolle lieber „etwas Leichtes, Buntes“. Nadja R. zog den Einsatz von Kreditkarten konnte man mehrere Rechte der Autoren an ihren Werken gewährleistet
die Konsequenz. Nach Jahren im Ausland kehrte Tausend Euro Preisgeld ergattern. „Einmal habe ich werden. Die Budgetkürzungen für die Redaktionen
sie zurück - in ihr Heimatdorf in der Nähe Kölns. sogar gewonnen“, sagt Nadia R, „aber das war nicht wurden zurückgenommen. Nadia R. arbeitet heute
Das Leben wurde bürgerlicher: Heirat, Kinder, die mehr als ein gutes Zubrot und ich brauche regelmä- wieder als Freie für des Westdeutschen Rundfunk.
Lebenshaltungskosten stiegen. Zuerst versuchte sie, ßiges Einkommen“. Sie hörte, dass ein privater Ra- Sie ist zufrieden. „Man kann etwas ändern, wenn man
als freie Autorin für den wdr weiter über die Run- diosender Redakteure suchte. Nicht festangestellt, sich mit anderen zusammentut“. HÄ

peinlich, peinlich
„Eine peinliche Geschichte, das Ganze“, musste lerin Maryanne Wolf von der amerikanischen Tufts
auch Hörfunkdirektor Wolfgang Schmitz zugeben. In University, die in ihrem Buch „Das lesende Gehirn“
Zukunft werde er noch größeres Augenmerk auf die nachdrücklich vor den Gefahren des ausschließlich
Eignung der neu einzustellenden Redakteure werfen. digitalen Lesens für die ganze Gesellschaft warnt. Das
Vor kurzem wurde ein Kulturredakteur eingestellt, der Internet verführe Erwachsene und vor allem Kinder zur
offen zugab, keine Bücher mehr zu lesen. Das Internet unkonzentrierten Informationssuche, die das selbst-
halte für ihn alle Kurzinformationen bereit, die er für ständige Denken untergrabe.
seine tägliche Arbeit benötige. Hier habe offensicht- „Daran, dass wir das Thema offensiv angehen, es im
lich das „assessment center versagt“, so Schmitz Hause selbst und nach außen kommunizieren“, so
weiter. Gerade der wdr, der eng mit der Stiftung Le- Schmitz, sehe man, wie ernst man die Angelegenheit
sen zusammen arbeite, bemühe sich in diversen Sen- nehme. „Und den betreffenden Kollegen werden wir
dungen wie etwa dem Kinderprogramm „Lilipuz“ oder ermuntern, vielleicht doch einmal in das ein oder an-
den Magazinsendungen „Gutenbergs Welt“ und wdr dere gebundene Druckwerk zu schauen.“ HI
5 Bücher“ „um das gute Buch“.
Ausdrücklich verwies Schmitz in diesem Zusammen- Mal wieder ein Buch in die Hand nehmen.
hang auf die Untersuchungen der Neurowissenschaft- (Foto: Leserschutzbund)

WDR PRINT Sonderausgabe auch auf www.freienseiten.de und http://dju-nrw.verdi.de

8 WDR FÜNKCHEN • November 2011


INFO
Auslandsstudios wdr-Haushalt bald transparent zurück zum fair play

Bohrende Fragen
Change? Yes we can! Historischer Tag für die
Die gemeinsam von wdr-Direk- wdr-Freien
toren und dem wdr-Integrations- Dass der wdr nun endlich wieder
beauftragten 2009 eingesetzte auf fairen Umgang mit seinen Pro-
Arbeitsgruppe „IFV“ (Inhalt, Form grammmachern setzt, konnte der
und Veränderung) hat die viel- freiberufliche Fernsehjournalist
fältigen Probleme und Heraus-
Strich der wdr 100 Herbert Steilmann erst gar nicht
forderungen bei der Auslands- Vollzeitbeschäfti- glauben. Steilmann ist einer von
berichterstattung analysiert, fast 2000 Freiberuflern, die ei-
Lösungsvorschläge und Regeln gungsverhältnisse für nen Großteil der Ideen fürs wdr-
erarbeitet und diese auch teil- Programm liefern und umsetzen.
weise bereits umgesetzt. Bei freie Mitarbeiter? Dafür gibt der Sender, inklusive
der öffentlichen Präsentation Sozialleistungen, rund 8 Prozent
des Abschlussberichtes durch Die neue Etatdurch- seines Etats aus.
die Direktoren und den Integra- „Viel zu viel“, in dem Punkt wa-
tionsbeauftragten wurden einige leuchterin Özlem Kekilli ren sich Intendantin Monika Piel
Beispiele anschauliche hervor- und ihr Vorgänger Fritz Pleitgen
gehoben: „Die USA-Wahlbericht- sorgt für Transparenz. bisher immer einig. Über 15 Jahre

K
erstattung im Herbst 2008 z.B. lang senkten sie Etats von Redak-
ist ja leider suboptimal gelaufen. aum im Amt, sorgte sie tionen, zum Teil drastisch.
Dabei besitzen wir dort das mit bereits für Zündstoff: Licht im Dunkel der Anstalt (Foto: Porst)
Das war einmal. Denn die Etatde-
Abstand grösste, schönste und „Wie kann es sein, dass ckelungen gingen zu Lasten der
kostspieligste Studio, den teu- der wdr bei den Honoraren 3,1 Piel zur Amtseinführung Kekil- Pensionsrückstellungen wurden Programmqualität. Warnungen
ersten Mitarbeiterkader und die lis erklärt. Ihre Stelle wird durch 2009 weitere 157.000 Euro ge- der Programmmacher habe die
Millionen Euro strich, ohne die
modernste Technik!“, stellte die Umschichtungen im Etat der In- zahlt. Monika Piel erhielt 308.000 Intendanz viele Jahre konsequent
Fernsehdirektorin klar. Obwohl Tarifkommission anzuhören?“,
tendantin bezahlt. Sie hat die Auf- Euro an Bruttobezügen, zuzüglich ignoriert, teilt nun die wdr-Pres-
man sich so sehr bemüht hatte, empörte sich Özlem Kekilli. Sie sestelle mit. Die Etats habe man
landete die ard in der Wahlnacht ist die neue Etat-Durchleuchterin gabe, die Haushaltsunterlagen zu 23.000 Euro als „Einmalzahlung
Jahr für Jahr immer weiter ge-
damals leider nur auf dem dritten des Kölner Senders. sichten. Zudem sammelt sie Anfra- wegen 25jähriger Betriebszugehö-
deckelt und parallel dazu nach
Platz, hinter dem zdf und einem Gewerkschaft und Personalrat gen der festangestellten und freien rigkeit“. (Quelle: wdr-Geschäfts- außen einfach behauptet, der
Privatsender. „Das können wir, verlangten eine Stellungnahme Mitarbeitern zu den Ausgaben des bericht 2009, Seite 94). wdr produziere weiter ein Quali-
und das werden wir bei der kom- vom Verwaltungsdirektor. Özlem Senders. „Wir möchten, dass sich Was kosten die Fahrten des „Pen- tätsprogramm.
menden Wahl besser machen. Um Kekilli hatte die wdr-Geschäfts- alle Beschäftigten, auch die freien, delbusses“, der mehrmals täglich „Die Honorare blieben in etwa auf
dieses Ziel zu erreichen, wurden mit Sparvorschlägen an uns wen- Fernsehkassetten aus dem Archiv dem Stand von 1995 , nicht nur
berichte der Jahre 2007 bis 2009
verbindliche Regeln erarbeitet,“ den“, betonte die Intendantin. Fra- in Köln-Bocklemünd ins Archiv-
so die Direktorin weiter. studiert. „Dabei fiel mir auf “, be-
richtete die 32jährige Betriebswir- gen und Vorschläge werden dem haus in der Kölner Innenstadt
Für die Zukunft wurde nun zum
Beispiel festgelegt, dass Korre- tin, „dass die Ausgaben für Hono- Verwaltungsdirektor vorgelegt. transportiert – und wieder zu-
spondenten die Landessprache rare in diesem Zeitraum von 84,6 Der muß sich binnen drei Wo- rück? Welche Alternativvorschlä-
sehr gut beherrschen müssen. In Millionen Euro auf 81,5 Millionen chen dazu äußern, im Rahmen ei- ge wurden bislang geprüft und mit
der Vergangenheit hatte sich ge- Euro gefallen sind“. ner Personalversammlung, zu der welchem Ergebnis? Wie viel Per-
zeigt, dass mangelnde Sprach- „Honorare“ steht für den Etat- auch Freie eingeladen sind. sonalkosten hat der wdr in den
kenntnisse die Integration von Posten, aus dem freie Autorinnen vergangenen Jahren in Sachkosten
Korrespondenten blockiert. „Wer
Wieder mehr Qualität
und Autoren, Kameraleute, Tech- umgewandelt - in dem er Stellen
nur gut Deutsch, aber kein Eng-
niker und Grafikerinnen und an- Monika Piel hatte den Posten der abbaute und die entsprechenden
lisch spricht, der demonstriert Etat-Durchleuchterin durchge-
dere freie Mitarbeiter bezahlt wer- Aufgaben von Freien erledigen Gammel-TV: Schnee von gestern?
einen mangelnden Integrati- setzt, damit die Sparpolitik des
onswillen und den. „Gehen wir mal optimistisch lässt? In welchem Maße ging der (Foto: GammelTV)
davon aus, dass ein regelmäßig wdr nicht zu Lasten der Qualität wdr dazu über, Freie nur noch
sollte seine bei mir, auch bei freiberuflichen
Arbeit besser beschäftigter Freier im Schnitt des Programms geht. Wie bekannt, über Produktionsfirmen zu be- Kameraleuten und Cuttern“, klagt
in der Heimat 30.000 Euro Jahresumsatz mit muß der wdr allein bis Ende 2012 schäftigen? Wieviel hat der Sender Herbert Steilmann. Viele seiner
verrichten“, fin- dem Sender macht.“ Dann, so die einen Fehlbetrag von rund 140 dadurch pro Jahr an Sozialleistun- Kollegen haben dem wdr längst
det auch Jörg Deutschtürkin, entspreche der ge- Millionen Euro ausgleichen. Ein gen gespart? den Rücken gekehrt. Herbert
Schönenborn.
kürzte Betrag dem Äquivalent von Defizit, das durch sinkende Ge- Steilmanns Überlebensstrategie:
Obama hatte es bühren, Zinsen und Werbeein- Das Fest ist aus Er produzierte journalistisch an-
ja vorgemacht. gut 100 Vollzeitbeschäftigungsver-
hältnissen für Freie. Oder kommt nahmen entsteht. Wie viel spart der wdr, wenn spruchsvollere Beiträge lieber für
Jetzt will der Folgende Fragen hat die Etat- das neue Zuschauerparlament da- Redaktionen anderer Sender, die
wdr nachzie- die Einsparung dadurch zustande, sich den Aufwand noch leisten
dass zahlreiche wdr-Redakti- Durchleuchterin bislang gesam- rauf verzichtet, die üppige Weih-
hen. In der Tat wollten. Die anspruchsloseren
J. Schönenborn kann der wdr onen nicht mehr freie Mitarbeiter melt: Wie kann nachtsfeier des
Geschichten oder solche ohne
(Foto: Fanfoto) bereits gute beauftragten, sondern Produk- es sein, dass Rundfunkrats größeren Aufwand bekam dann
Ergebnisse vorweisen:Korrespon- tionsfirmen? „Dann werden die der wdr nur 6 („Pfef ferku - der wdr. Als Tausende von Brie-
denten müssen z. B. ab sofort bei Ausgaben nicht mehr unter dem Prozent seiner chensitzung“) fen den wdr erreichten, die die
der Bewerbung beste Sprach-
Posten Honorar verbucht“, erläu- Einnahmen fortzufüh- Banalisierung des Programms
und Landeskenntnisse nachwei-
tert Kekilli. Auch dieses Verfahren für die Hono- ren? Warum anprangerten, kam auch Moni-
sen. „Es kann nicht jeder überall rare von frei- ist der wdr ka Piel nicht darum herum, sich
spielen“, so der Integrationsbe- bringt empfindliche Nachteile für mit dieser Entwicklung ausein-
die freien Mitarbeiter. Besteht der en Mitarbei- mit 1,29 Mil-
auftragte weiter. Technisch wird anderzusetzen: „Wir hatten es
Vertrag nicht mehr mit dem wdr, terinnen und lionen Euro
man sich wieder am Mutterhaus einfach abgelehnt, uns mit den
orientieren und auch den Wün- sondern mit einer Produktionsfir- Mitarbeitern an der radio
Menschen zu befassen, von de-
schen der Kollegen vor Ort ein Ohr ma, so verliert der Freie Anspruch ausgibt, ob- nrw GmbH in nen unser Sender zu fast hundert
schenken. Selbstverliebte und ex- auf wdr-Sozialleistungen. „So wohl die doch O b e r h au s e n Prozent lebt.” Monika Piel weiter:
trem kostspielige Alleingänge bei oder so – ich habe den Eindruck, den Groß- beteiligt, die „Wir haben sie nicht fair behan-
der Technikbeschaffung sollen
dass Freie bislang die Hauptlast teil des jour- das Rahmen- delt und dadurch ein Programm
endgültig der Vergangenheit an-
der Einsparungen im Sender tra- nalistischen programm für bekommen, das sich von den öf-
gehören. „Ein trauriges Beispiel, Programms die wdr-Kon- fentlich-rechtlichen Zielen immer
wie persönliche Befindlichkeiten gen“, sagt Kekilli. „Gut, dass der weiter entfernt hat. Das wollen
wdr diesen Kurs in Zukunft nicht liefern und kurrenz, die
der zuständigen Führungskräfte wir jetzt ändern.“ Der wdr plant
mehr verfolgen will.“ viel zum Un- 46 privaten
damals dazu geführt haben, Ge- Özlem Kekilli schaut ganz genau hin, jetzt, einschließlich Soziallei-
te rha ltu ng s - wenn’s um’s Geld geht. L o k a l radios
bühren zu verschleudern“, so die Neuer Kurs programm
(Foto: Gregor)
in NRW, pro-
stungen, zehn statt acht Prozent
Direktoren. seines Etats für die Programmma-
Selbst bei der Beschäftigung von Özlem Kekilli stammt aus So- beisteuern? (Quelle: wdr-Ge- duziert? (Quelle: wdr-Jahres- cher auszugeben. Steilmann und
Praktikanten gibt es Fortschritte. lingen-Ohligs und arbeitet seit schäftsbericht 2009, Seite 63). abschluss 2008, Seite 18). Wozu seine Kollegen verdienen jetzt
Praktikanten werden nicht mehr Dezember 2010 als Etat-Durch- Wieviel lässt sich künftig an den benötigten Rundfunkrat und Ver- endlich wieder mehr und können
illegal beschäftigt, sondern erhal- leuchterin im wdr. „Sie ist eine Gehältern und Pensionsverpflich- waltungsrat bislang 1,439 Millio- so auch anspruchsvollere Bei-
ten in Zukunft ein Arbeitsvisum, ausgezeichnete Kennerin der Ma- tungen sparen, die die Intendan- nen Euro pro Jahr? (Quelle: wdr- träge erstellen. „Das gleicht die
werden versichert und auch ent- terie und soll helfen, das Haus- tin, die Justitiarin und die vier Di- Budget 2010). HÄ hohen Verluste der vergangenen
lohnt. Das alles klingt wie eine Jahren zwar bei weitem nicht aus,
haltschinesisch und die Zahlen- rektoren erhalten? So bekam allein
kleine Revolution, „aber Obama ist aber ein Schritt in die richtige
hat das ja auch geschafft“, heißt
kolonnnen des 1,35 Milliarden Fernsehdirektorin Verena Kuhlen- Sparvorschläge und Fragen
Richtung“, resümiert Herbert
es kämpferisch im Haus. HI schweren wdr-Etats verständlich kampff in 2009 Bruttobezüge von per Fax an: Steilmann. HE
zu machen“. Das hatte Monika 205.000 Euro. Für Kuhlenkampffs (0221) 220 23 04

WDRPRINT November 2011


• 9
Foto: HOTT

im wald bei Arnsberg:

Geheimes Landesstudio entdeckt


wdr print deckt auf: 16-Stunden-Tage, unbe- ließ sich schlecht lüften“, erinnert Landesstudios, die ihre Autoren können“, räumt Gabi Ludwig ein.
sich Biggi Müller. am liebsten 26 Tage im Monat Informiert über das Geheimpro-
zahlte Wochenenddienste, keine Sozialleistun- Auch Kultur und Politik sollten einsetzen möchten. „Wer im „Stu- jekt waren weder der damalige
im geheimen Landesstudio nicht dio 12“ arbeiten wollte, musste Rundfunkrat noch der Verwal-
gen – wie die selbstdrehenden Reporterinnen zu kurz kommen. bei einer eigens gegründeten Pro- tungsrat.
und Reporter im „Studio 12“ schuften mußten. Doch vor allem galt, so die freie duktionsfirma anheuern“, erzählt Landesstudios

E
wdr-Reporterin: „Worüber die Biggi Müller. „Dadurch arbeiteten
in angerostetes Eisentor, arbeitete, musste unter härtesten zogen nach
Menschen morgens in der Stras- die Leute offiziell gar nicht für den
Vorhängeschloss, Stachel- Bedingungen produzieren“, be- senbahn reden oder wie sich die wdr, also fielen auch keine Pro- Was „Studio 12“ entwickelte, un-
draht. Dahinter verschwin- richtet die 28jährige. 16 Arbeits- Brötchen- oder Benzinpreise ent- gnosetage an“. Weiterer, für den bemerkt auch von Personalrat
det ein schmaler Weg zwischen stunden am Tag, Nachtdienst, nur wickeln, das sollten die wdr-Zu- damaligen wdr hochwillkom- und Gewerkschaft, wurde an-
den Bäumen. Niemand ahnte, jedes dritte Wochenende war frei. schauer abends auf dem Schirm mener Nebeneffekt: Die Freien schließend Zug um Zug in den
dass der wdr in diesem abgele- „Ich drehte, machte parallel dazu haben.“ verloren das Recht, Urlaubs- und Landesstudios eingeführt. „Den-
genen Waldstück ein Geheimnis den Ton und schnitt anschlie- Für Biggi Müller gab es verschie- Krankengeld vom Sender zu be- ken Sie nur an das Projekt, statt
hütete: Das „Studio 12“, in dem ßend den Beitrag im Studio“, so dene Gründe, im „Studio 12“ mit- ziehen. Denn diese Sozialleistun- freien Mitarbeitern Studenten
der Kölner Sender jahrelang neue gen gibt es nur für jene, die eine einzusetzen“, so Gabi Ludwig.
Produktionsmethoden für die elf Mindestmenge Prognosetage „Das haben wir zunächst im
Landesstudios entwickelte und im zurückliegenden halben Jahr Arnsberger Geheimstudio aus-
testete. „Mir sind immer die blau- nachweisen können. probiert“. Auch die Idee mit den
weißen Motorroller aufgefallen, „Das geheime Studio war ein La- Pauschalen gehe auf „Studio 12“
die im Wald verschwanden“, er- bor, um Programm zu extrem zurück. Freie Autorinnen und
zählt Bauer Waldemar Wiech- niedrigen Kosten zu produzieren“, Autoren wurden nicht mehr nach
mann aus dem benachbarten urteilt wdr print-Redakteurin den Honorarziffern des Tarifver-
Neheim-Hüsten. „Aber was dort Claire Sommerfeld. „Es ging nur trags bezahlt. Sondern erhielten
passierte, das wusste niemand“, um Schnell-schnell und Billig-bil- eine niedrige Pauschale, die eine
sagt der 57jährige. lig“, bestätigt ein Kollege von Big- Vielzahl von Einzelleistungen ab-
Die wdr print-Redaktion, die in- gi Müller. „Qualität spielte keine deckte. Fernsehredaktionen wie
zwischen unabhängig und kritisch Rolle“, ergänzt der junge Mann. die „ServiceZeit“-Magazine be-
über den wdr berichtet, legte Fo- Das fertig produzierte tägliche schäftigten immer weniger freie
tos, Augenzeugenberichte und Lokalzeit-Angebot wurde nicht Autoren. Stattdessen beauftrag-
eidesstattliche Versicherungen ausgestrahlt. Sondern lediglich ten sie Produktionsfirmen – nach
vor. Derart unter Druck gesetzt, einem kleinen Kreis via wdr-In- dem Vorbild von „Studio 12“. Die
gaben die wdr-Hierarchinnen tranet zugänglich gemacht. „Nur beschäftigen Freie oft unter Tarif.
schließlich ihr Schweigen auf und Die Rückseite des Schlaftraktes in “Studio 12” (Foto: HOTT) die elf Landesstudioleiter und ”Damit haben wir Millionen ge-
bestätigten die Rechercheergeb- zwei, drei wdr-Hierarchen hatten spart“, fasst Verena Kulenkampff
nisse. So gaben sie zu, dass „Stu- Müller. Kameraleute, Tontech- zuarbeiten: Das Renommee des die Erlaubnis, sich die Sendungen zusammen.
dio 12“ zwanzig freie Mitarbeiter niker und Cutterinnen gab es im wdr, der eigene Macherstolz und anzuschauen und anzuhören“, be-
beschäftigte. Allesamt jung, moti- „Studio 12“ nicht. Entsprechend der Glauben, eine gesellschaftlich richtet wdr print-Redakteurin Gabi Ludwig bedauert
viert, flexibel, ehrgeizig, ohne ko- verwackelt oder falsch belichtet wichtige Arbeit zu tun. „Ich war Sommerfeld. Deren Zugriff auf Mit dem neuen Kurs des WDR ist
stentreibendes Anspruchsdenken. waren oft die Bilder, übersteuert glücklich, in meinem Traumbe- das geheime Landesstudio indes „Studio 12“ überflüssig geworden.
Lästige Tarifverträge kümmerten der Ton, Schnittfehler waren an ruf Medien zu landen“, erzählt die war total. „Die konnten sich über Doch Intendanz und Landespro-
sie nicht. der Tagesordnung. Doch das habe Paderbornerin. Drei-Wochen- diverse Webcams jederzeit in den grammleitung versuchten, das
die Chefin des „Studio 12“ nicht Schnellkurs, dann ging es ab zum- Redaktionsräumen ansehen, wer Projekt weiter geheim zu halten.
Qualität spielt keine Rolle
gestört. Dreh. gerade was sagt oder tut.“ „Das war denen wohl zu peinlich,
Eine von ihnen ist Biggi Müller, Der wdr verlangte, dass die Au- Wie wdr print erfuhr, geht „Stu- eine Art Gulag im Wald betrieben
Sozialleistungen:
28 Jahre alt, ehemalige Politik- toren Motorroller und Videoaus- dio 12“ auf eine Idee zurück, die zu haben“, urteilt Claire Sommer-
und Germanistik-studentin aus Weg damit!
rüstung selbst finanzierten. Wer wdr-Fernsehdirektorin Verena feld. Jetzt gab die wdr-Spitze ihre
Paderborn. Sie sauste mit ihrem hier arbeitete, musste sich zudem Im „Studio 12“ testete der wdr Kulenkampff und die Landespro- Verweigerungshaltung auf. Und
Zweirad zum Einsatzort: Zum vertraglich verpflichten, auf dem außerdem, wie sich die Progno- gramm-Chefredakteurin Gabi räumte ein, die Verantwortung für
Brand eines Dreifamilienhauses, Gelände zu wohnen: Vierer-Zim- seregelung aushebeln lässt. Eine Ludwig vor Jahren entwickelten. das Projekt zu tragen. „Wir möch-
zum Auffahrunfall auf der Bun- mer mit Kippfenster und Doppel- Arbeitsbeschränkung, die ver- „Wir wollten beweisen, dass wir ten uns dafür entschuldigen“, er-
desstraße oder zur Prügelei in stockbetten. Um jederzeit einsatz- hindern soll, dass sich Freie ein- kostenmäßig mit Privatsendern klärte Gabi Ludwig jetzt. „Es war
der Gaststätte. „Wer für Studio 12 bereit zu sein. „Es roch modrig, klagen. Denn die stört auch die in Ungarn oder Litauen mithalten ein Fehler“. HE

10 November 2011 • WDRPRINT


fernsehen
programmtipp Satire statt comedy
„Gesucht wird...” Kein Witz: neues
„Gesucht wird...”, die investiga- wöchentliches Satirefor-
tive Top-Reportagereihe der ard, mat geplant
ist wieder da. „Wir haben uns zu lange auf un-
Das von den wdr-Redakteuren seren Kabarettplätzen ausgeruht
Gert Monheim und Werner Filmer und mussten uns den Vorwurf ge-
in den achtziger Jahren entwi- fallen lassen, bei der Entwicklung
ckelte Format wird wieder produ- neuer Formate für ein junges,
ziert. So beschlossen es die ard- politikinteressiertes Publikum zu
Intendanten einstimmig auf ihren phantasielos gewesen zu sein“,
letzten Sitzung in München. Die- formulierte Verena Kulenkampff
se spannende und journalistisch auf der letzten Sitzung der Pla-
sehr anspruchsvolle ard-Reihe nungsgruppe „Neue Formate“.
bannte Millionen Menschen vor Das soll nun anders werden. ndr
den Bildschirm und wurde mit vie- und br machen mit ihren Sen-
len Grimme-Preisen ausgezeich- dungen „Extra3“ und „Quer“ seit
net. Seichte und bei Privatsen- langem vor, dass Satire einen
dern abgekupferte Formate sollen festen Platz im Programm ver-
durch hochwertige Produktionen dient hat. Seit vor 2 Jahren sogar
ersetzt werden. das zdf satiremäßig in die Offen-
Im wdr soll gleichzeitig auch sive ging, wirkte der wdr doch
Schluss sein mit der Unterfinan- ziemlich angegammelt. Wenn das
zierung der Reihen ‚die story’ 28.September 2008: Die Kurse stürzen dramatisch ab – und mit ihnen die Demokratie… (Foto: HRE)
Programm älter aussieht als sein
und ‚Menschen hautnah’. Hier Publikum, dann stimmt etwas
sind künftig zusätzliche Mittel Dreiteiliges Doku-Drama nicht, so die einheilige Meinung

Die Krise
eingeplant. „Denn mit Etats, die in der Planungsgruppe.
in den achtziger Jahren noch aus- Ab Januar 2012 wird es – zunächst
reichend waren, können unsere im wdr-Fernsehen - perspekti-
Autoren und Produzenten heute visch aber auch für die ard – wie-
nicht mehr die journalistische der eine wöchentliche Satiresen-
und bildliche Qualität liefern, die dung geben. 45 Minuten auf einem
unsere Zuschauer zu Recht von herausgehobenen Sendeplatz auf
uns erwarten“, so die wdr-Pres- Es geht um den wohl größten Skandal in der Geschichte der Bundesrepublik:
sestelle. Den Anfang der wieder-
Die milliardenschwere „Bankenrettung“ in jener dramatischen Krisen-Nacht-
sitzung vom 28./29. September 2008 nach dem Lehman-Zusammenbruch.

W
ie war es möglich, jede schäftsmodell der Bank bekannt jetzt eine dringend notwendige
demokratische Kon- war. Dennoch reagierten weder Regulierung des Finanzsektors
trolle auszuhebeln und der damalige „Superminister“ durchzusetzen? In eindrucks-
das Rettungspaket in wenigen Ta- Wolfgang Clement noch später vollen Spielszenen wird auch für
gen durch alle Instanzen zu pau- Peer Steinbrück, Staatssekretär Zuschauer ohne wirtschaftliche
ken? Wer hat daran verdient und Asmussen oder andere Verant- Vorkenntnisse deutlich, in welch Moderator: bleibt vorerst noch
geheim (Foto: yuhuu)
Durchblick gesucht (Foto: Dort) wessen Geld wurde „gerettet“? wortliche. verhängnisvolle Abhängigkeiten
Trotz strikter Geheimhaltung ge- In „Die Krise“ geht es aber auch um sich gewählte Politiker begeben der neuen 20:15-Schiene, „eben
aufgenommenen Reihe in der ard lingt es dem Dreiteiler erstmals, die aktuelle Entwicklung: Warum haben und wie sehr die Demokra- da, wo wir die guten Sendungen
macht die Folge „Gesucht wird… haben wollen“, verspricht Verena
diese Frage auf der Basis inten- sind deutsche und europäische tie dadurch bereits ausgehöhlt ist.
der unabhängige Staat – über die Kulenkampff. Interessierte freie
siver Recherchen zu beantworten. Politiker- trotz aller vollmundigen Fest steht: Ohne grundlegenden AutorInnen sind aufgefordert ,
erstaunlichen Verbindungen zwi- Unser Doku-Drama zeigt auch: Ankündigungen - nicht willens Politikwandel werden noch unsere
schen der Bundesregierung und sich mit Vorschlägen am Konzept
Das Desaster war die Folge einer oder nicht in der Lage, wenigstens Enkel jene aberwitzigen Schulden der neuen Sendung zu beteiligen
Josef Ackermann.“
Gesucht wird... Die Reportagerei- jahrelangen, von Politikern wie abbezahlen, zu deren Übernahme und sich einen einen griffigen
he. Dienstag 20.15 Uhr, ard. Gerhard Schröder, Wolfgang Cle- Die Sendezeiten sich die Bundesrepublik in jener Namen dafür einfallen zu lassen.
ment und Angela Merkel gezielt dramatischen Nacht verpflichtet Vielleicht setzt sich ja der Name
im Überblick durch, den Verena Kulenkampff
Ausweichen gilt nicht: betriebenen Deregulierungs- und hat.
persönlich vorgeschlagen hat:
Die Debatte vor Ort Liberalisierungspolitik der Fi- 1.Teil: Sonntag, 25. Dezember Mit Götz George in der Rolle des
„Kein Witz!“ HE
Am Montag startet diese neue nanzmärkte. 20.15 Uhr (ard) Josef Ackermann, Gottfried John
Live-Sendereihe, die einmal mo- Die Drehbuch-Autoren fanden als Wolfgang Clement, Joachim „Demokratie-Forum”
natlich mit top-recherchierten auch Beweise dafür, dass der Bun- 2.Teil: Montag, 26. Dezember Krol als Peer Steinbrück und Hei- Braucht die Bundesrepublik ei-
Hintergrundbeiträgen über einem desregierung im Fall der Hypo 20.15 Uhr (ard) ke Makatsch als Angela Merkel. nen grundlegender Politikwan-
lokalen Skandal beginnt. Danach Real Estate schon seit einer Kri- Kritiker sprechen nach den Pres- del? Gibt es überhaupt Alter-
stellen sich die direkt Verantwort- 3.Teil: Samstag, 31. Dezember nativen zum Status Quo? Und
sensitzung im Kanzleramt im Jahr 20.15 Uhr (ard)
sevorführungen bereits jetzt vom
2003 das verantwortungslose Ge- „Fernsehereignis des Jahres“. wie könnten die konkret aus-
sehen? Unsere neue politische
Diskussionssendung über die

Potthässlich: Mit Tamina Kallert durch NRW entscheidenden Zukunftsfragen


unserer Gesellschaft. Mit aus-
führlichen Hintergrundbeiträgen
Zugegeben – Nordrhein-Westfalen – und mit der Zeit, auszureden…
ist in weiten Teilen kein wirklich
schönes Bundesland. Unsere neue Die beiden nächsten Folgen:
Vor-Ort-Sendung steht dazu – und „Green New Deal“
sucht den Charme im Hässlichen, Die Rückbesinnung auf einen
Ausweichen gilt nicht (Foto: Uturn) die Atmosphäre im Banalen, die reglementierten Kapitalismus,
Geschichten hinter den Dingen. verbunden mit massiven Investiti-
lichen aus Kommunalpolitik und „Bislang hatten wir ja immer den onen in „grüne“ Wachstums-Tech-
Verwaltung vor wdr-Kameras Postkartenblick, aber dann waren nologien. Ist das realistisch?
den ungeschminkten Fragen der wir verblüfft, wie viel Scheußlich- Mittwoch, 9. November von 20.15
Betroffenen. Die Devise: „Auswei- keiten ein einziges Bundesland so Uhr bis 23.00 Uhr, ard
chen gilt nicht“. aufbringen kann“, berichtet Redak- „Gemeinwohl statt Gewinn“
Erste Folge: „Organisierte Ver- teur Richard Hofer. Jürgen Roth und Neue Wirtschaftsmodelle setzen
antwortungslosigkeit. Der Archiv- Raik Wieland, die Herausgeber des an am Kernpunkt unseres heu-
einsturz in Köln“. Nächsten Monat Standardwerks „Öde Orte“ haben tigen Wirtschaftssystems: Der Ge-
dann: „Müllverwertung in Essen. die Fachberatung der Sendung Du bist NRW! Und Tamina Kallert zeigt Dir Deine Heimat. Höhepunkt der ersten winnorientierung. Ist es denkbar,
‚Potthässlich’-Folge: Der Turbo-Grill in Würselen. (Foto: Red. Wunderschön)
Statt moderner Sortiertechnik übernommen. der Wirtschaft stattdessen demo-
unnötige Bürgermillionen für den Ab Dezember führt uns Tamina derbarsten 70er-Jahre-Rathäusern entdeckt zu werden – und zwar so, kratisch ein neues Ziel zu geben:
„Grünen Punkt“. Kallert zu den bedenklichsten Au- des Landes; zwischen Bottrop und wie es wirklich ist: Potthässlich. Das Gemeinwohl?
Ausweichen gilt nicht. Die Live- tobahnkreuzen, umstrittensten Quadrath-Düsseldorf wartet ein Jetzt neu im wdr-Fernsehen, jeden Mittwoch, 16. November von 20.15
Debatte. Montag 20.15 Uhr, ard Supermarktparkplätzen und son- ganzes Bundesland darauf, neu ersten Freitag im Monat, 22.00 Uhr Uhr bis 23.00 Uhr, ard

WDRPRINT November 2011


• 11
Info
Hörfunktipp Ein medienhistorischer

Die mediale Selbsten


Funkhaus Wallraf-
platz setzt AKZENTE:
„Redakteure haben
eine Meinung!“
Ab November 2011 setzt
Funkhaus Wallrafplatz jeden
ersten Samstag im Monat Ak-
zente. Redakteure des wdr
stellen sich den Fragen ihrer
Kaum zu glauben. Aber damals, im Jahr 2010, ver-
Hörer und Hörerinnen. Sie be- suchte die ard tatsächlich, das „Wer wird Millio-
richten von ihrer Arbeit, von
neuen Formaten und Ideen. när?“-Aushängeschild Günther Jauch von rtl zu
Der „oft gehörte Vorwurf“, verpflichten. Ausgerechnet er sollte den „politisch-
so Vera Dreckmann, stellver-
tretende Wellenchefin wdr en Moderator“ bei den Öffentlich-Rechtlichen ge-
5, „sich an jeden Trend dran
zu hängen und selbst keine
ben. Dies war Ausdruck der tiefen Krise, in der wdr
journalistischen Akzente zu und Co. damals steckten. Wie die öffentlich-rech-
setzen, hat uns schon sehr
betroffen gemacht“. Deshalb tlichen Sender aus diesem Tief herausfanden und
„werden wir den HörerInnen
welche Protestbewegungen dem vorangingen, da-
vermitteln“, so Dreckmann
weiter, „dass wdr-Redak- ran erinnert Medienwissenschaftler Prof. Dr. Timo
teure und -Redakteurinnen
durchaus Profil haben und Sachlage. Dazu schalten wir um – ins Jahr 2015.
meinungsfreudig sind”. Funk-
haus Wallrafplatz Akzente von Prof. Dr. Timo Sachlage* kein Denkfehler, das war nicht
werde deutlich machen, dass einmal ein Gedanke. Doch fort-

E
der wdr kreativ und investi- s mag heute – im Jahr 2015 an bestimmte der Quotenterror
- ein wenig vereinfacht das Geschehen – zunächst beim
klingen, doch der wdr war Fernsehen, später dann beim
federführend, als es um das Jahr Radio. Durchhörbarkeit nann-
2010 darum ging, den öffent- te sich das Programm-Ideal.
lich-rechtlichen Rundfunk aus Ein anderes gab es nicht, außer
seiner damaligen tiefen Krise in der verblassenden Rhetorik
zu führen. Bis in die 80er Jahre peinlicher Sonntagsreden.
schien das staatliche Rundfunk-
wesen im Großen und Ganzen Alles ist Mitte
so zu funktionieren, wie es ihre Das zweite Problem bestand
Erfinder vorgesehen hatten. Das in der Verschiebung der poli-
erste große Problem, an dem die tischen Landschaft. Spätestens
öffentlich-rechtlichen Sender zu ab Mitte der 90er Jahre rückten
scheitern drohten, war die Ein- die politischen Parteien so eng
führung des Privatfernsehens in zusammen, dass sie schier un-
den 80er Jahren. unterscheidbar wurden. Gleich- Das historische Portal einer der größten Rundfunkanstalten Europas.
Messung im zeitig rückten fast alle Medien
in die Mitte. Die FAZ wurde so einem Kandidaten der Oppositi- Gabriel (SPD-Vorsitzender um
Es geht wieder aufwärts mit dem Minutentakt
grün wie die TAZ reaktionär. on ein Mikrophon vor die Nase 2010) anzudrehen, hätte man
Wortanteil im Hörfunk
(Foto: Knipsomat)
Damit kam die sogenannte Wie die Parteien, unterschieden halten musste, um die Haltung endlich mal riskantere Wahrneh-
Quotenmessung auf, d.h. in sich auch die Medien nur noch der Regierung kritisch darzustel- mungen des Wirklichen riskie-
Minutenschritten ließ sich ver- im Design. Die Gesellschaft samt len, fiel diese Dimension ganz ren können - jenseits scheinhaft
gativ zugleich arbeite und das folgen, welches Programm der ihrer Medien verkümmerte also weg. Statt kontrovers Inhalte zu objektiver Stereotypen. Doch die
Feld des nachforschenden Zuschauer unter Strom hatte. unter der Dunstglocke einer diskutieren, wurden Scheinun- Medienlandschaft insgesamt und
und aufklärerischen Journa- Quotenmessung mag für die ganz, ganz großen Koalition. terschiede aufgeblasen. der öffentlich-rechtlich Funk im
lismus’ keineswegs „den sehr werbefinanzierten Privatsender Auch hier fanden die Öffent- Besonderen dümpelte lieber als
geschätzten Kollegen“ von von Bedeutung gewesen sein, lich-Rechtlichen nicht zu einer
Vergebene Chancen Zentralorgan der Mitte vor sich
Süddeutscher Zeitung oder um den Preis für Werbeminuten eigenen Haltung. Es regierte Das wäre die große Chance des hin. Niemand schien sich zu fra-
Spiegel überlasse. Die Zeiten, zu ermitteln. Doch die Öffent- vielmehr der pedantische Kon- öffentlich-rechtlichen Rund- gen, wie man denn jenseits der
in denen der Abteilungslei- lichen-Rechtlichen hielten die formismus mit der parlamen- funks gewesen: Statt Tag für Tag vorgegebenen Zentralperspekti-
ter Kollegen zurückgepfif- Quote für eine Messung gelin- tarischen Mitte, also mit einem dem Publikum ein Weltbild aus ve die Welt mit journalistischen
fen habe mit dem Hinweis, gender Kommunikation. Also: eher neckischen Rumpf-Plura- der Perspektive zwischen Merkel Mitteln darstellen könnte und
„schreiben Sie einfach das, an = gut; aus = schlecht. Das war lismus. Während man früher nur (CDU-Kanzlerin um 2010) oder ob sie dadurch nicht wirklicher
was Sie eh schon wissen, für
Recherchen haben wir kein
Geld“, seien endgültig vorbei,
so Dreckmann, die seit langer

Geheimes Redakteurstagebuch: jetzt auch der


Zeit in der Journalistenaka-
demie der Konrad-Adenauer-
Stiftung engagiert ist.
In der ersten Sendung, am
5. November, bei der Vera Auch in geschlossenen An- Dafür hatte der festangestell- großen Wende im wdr fand er Chefin war mit den Minuten-
Dreckmann Rede und Ant- stalten macht sich so man- te wdr-Redakteur sich jeden jetzt den Mut, seine Erlebnisse schritten nicht zufrieden und
wort steht, geht es denn auch cher sehr offene Gedanken. Abend hingesetzt und seine in der Anstalt der Öffentlichkeit hat ihn runtergemacht. Wollte
um die brisante Frage: „Was Die meisten behalten sie für Zweifel, Verbiegungen und fau- zugänglich zu machen. Ein Akt erst widersprechen, dann aber
darf Recherche kosten?“ sich. Nicht so Günter D. (Name len Kompromisse schonungs- der persönlichen Befreiung - doch die Klappe gehalten. Mich
geändert). los zu Papier gebracht. Nur die wenn auch unter Pseudonym. mal wieder geschämt.“
Akzente. Redakteure Live. Re- engsten Freunde und einige Auszug: „Fand den Beitrag der Oder: „Neueste Control-
daktion Wilhelm Schlichting Eigentlich wollte sich Günter D. Kollegen wussten von dem Ta- freien Autorin in der Sendung ling-Analyse warnt vor ‚Gut-
Samstag ab 05.11.2011 9.20 den alltäglichen Frust nur ganz gebuch, das er vier Jahre lang von gestern eigentlich gut re- menschen-Themen’. Brächten
– 10.00 Uhr, wdr 5 privat von der Seele schreiben. führte. Doch angesichts der cherchiert und kreativ. Aber die keine Marktanteile. In der Kon-

12 November 2011 • WDRPRINT


Rückblick aus dem Jahr 2015 Wolfgang Schmitz

ntfesselung des wdr


Trüffelschweine
Humorvoll ging es zu, als
sich Winfried Fechner, der
langjährige Manager des
Rundfunkorchesters, in den
wohlverdienten Ruhestand
verabschiedete. Bei deftiger
Kartoffelsuppe und Kölsch
die Öffentlichkeit des Vorgangs, de bewegende Debatten darüber
musste der Pensionär viel Lob
denn Brender hatte ja auch nur geführt, wie dieser Auftrag zeit-
über sich ergehen lassen.
mit dezenter Unabhängigkeit gemäß zu definieren sei . Die alte
Hörfunkdirektor Wolfgang
von sich reden gemacht. technokratische Führung wurde
Schmitz nutzte die Chan-
schlicht und einfach abgewählt .
Keiner sieht mehr fern ce und philosophierte über
Denn mit der Aufgabe, qualita-
das journalistische „Trüffel-
Den Öffentlich-Rechtlichen lief tive Konzepte medialer Kommu-
schwein“.
das Publikum weg und bald wur- nikation zu entwickeln, war sie
Immer „neugierig“, immer
de auch das Geld immer knap- komplett überfordert. Diese Ini-
auf „der Suche nach ausge-
per, weil immer mehr Menschen tialzündung beim wdr führte
fallenen Ideen für unser Pro-
die Rundfunkgebühren nicht schließlich dazu, dass innerhalb
gramm“, „manchmal bockig
mehr bezahlen konnten. Und die erstaunlich kurzer Zeit der Fun-
bis stur“, so charakterisierte
Verantwortlichen wollten doch ken auf viele andere Medienbe-
er den scheidenden Orche-
tatsächlich einen Günther Jauch triebe übersprang.
stermanager. „Immer wenn
verpflichten, einen hoch erfolg- ich ihn angerufen habe“, so
reichen medialen Lausbub, der Schmitz, „war er unterwegs“.
auf einmal als journalistisches Erst viel später, beim Blick in
Urgestein der ard proklamiert die Programmfahnen, habe
wurde und dafür noch immens er dann verstanden, weshalb
viel Geld bekommen sollte . „ich mir die Finger wund tele-
Wir wissen heute, dass das Auf- foniert hatte“.
tauchen von Gegenbewegungen Mit seinen „Symphonic Fanta-
wie z.B. der Plagiat-Gruppe 2010 sies“ sei ihm etwas „Ausser-
in Köln die drohende Verrohung ordentliches“ gelungen. Er
und Verdumpfung der Medi- habe Orchester und Chor
en zunächst aufhielt und den ermuntert, Computerspiele-
Prozess am Ende gar umkehrte. Musik in einem klassischen
Die Plagiat-Gruppe bestand aus Prof. Dr. Timo Sachlage Rahmen wie der Kölner Phil-
(Foto: stockxchng/Livinus)
verschiedenen Medienarbeitern harmonie aufzuführen und
im Umfeld des wdr mit dem damit dieses Genre einem
kleinsten programmatischen *Prof. Dr. Timo Sachlage,
jungen Publikum geöffnet.
Nenner, dass sie die Nase voll 56 Jahre, stammt aus Dass die CD in Japan auf Platz
davon hatten, immer schlechter Mettlach im Saarland. Er ar- Eins der Hitparaden stehe, sei
bezahlte Zuarbeiter eines auf Li- beitete zunächst als Journa- ebenfalls ein Verdienst des
nie gebrachten riesigen Medien- list bei SPIEGEL und DIE ZEIT. „umtriebigen Enthusiasten“.
apparats zu sein. Das allein hätte Dann schlug er eine akade- Bis zur großen Wende im wdr
natürlich nicht genügt. mische Laufbahn ein. Heute
(Foto: Knipsomat)
Frustrierte Seelen ist er Professor am Institut
würde, wenn schon nicht „objek- Käufern/Zuschauern/Zuhörern für Publizistik und Kommu-
tiv“. Die Frage hätten die meisten gingen die Werbeeinnahmen Doch mit ihrer Provokation kam nikationswissenschaft der
Kollegen damals erst gar nicht dramatisch zurück, Zeitungen ans Tageslicht, wie viele frustrier- Universität Wien. Er gilt als
verstanden. fusionierten wie verrückt, Pay- te Seelen sich seit Jahren über die ausgewiesener Kenner des
TV und Privatfernsehen wurden Gänge dieses Medienmolochs öffentlich-rechtlichen Rund-
Krisenbeschleuniger zu riskanten Geschäften. Der öf- schleppten. Und so waren es erst funks und hat im Januar 2011
Was schließlich die Krise der fentlich-rechtliche Sektor blieb einige wenige, die längst verges- ein umfangreiche Studie zu
Medien radikal beschleunigte, im Würgegriff der Parteien. Als sen geglaubte Begriffe wieder den Gründen der Erneuerung
war die rasante Verbreitung des 2009 der hessische Ministerprä- ins Spiel brachten, wie z. B. die der BBC veröffentlicht. Er
Internets, die Versorgung mit sident Roland Koch durchsetzen Unabhängigkeit der Redakti- beriet die Regierungen von
Breitbandleitungen und schließ- konnte, dass der Vertrag des da- onen oder Kriterien für journa- Estland und Litauen beim
lich Web 2.0 als Chance für je- maligen zdf-Chefredakteurs Ni- listische Qualität. Doch bald be- Aufbau eines staatsfernen
den, zum Sender zum werden. kolaus Brender nicht verlängert gann man auf erstaunlich breiter Rundfunksystems. Für wdr
Jedenfalls ging dem sogenann- wurde, ging ein Murren durch Front , sich auf den Sendeauftrag print hat er einen Blick in In Zukunft wieder saumäßig gute
ten Qualitätsjournalismus all- die Anstalten. Nicht mehr. Und der öffentlich-rechtlichen An- die Vergangenheit unseres Recherchen
(Foto: stock.xchng/patbain)
mählich die Puste aus. Mit den wahrscheinlich betraf das eher stalten zu besinnen und es wur- Senders gewagt. HU
hatte es ja für viele den An-
schein, als seien solche ‚Trüf-
felschweine’ im Sender nicht
mehr gefragt und deshalb
Öffentlichkeit zugänglich vom Aussterben bedroht.
Doch das war gestern. Heute
legen die Programmverant-
ferenz gewitzelt über die alten lichkeiten mit real existierenden wortlichen wieder Wert auf
Zeiten, als wir noch die Gesell- Redaktionen sind nicht zufällig. Querdenker. Schmitz betonte
schaft verbessern wollten. Ti- Doch zum Glück sind solche deshalb, er wünsche sich
cken wir eigentlich noch ganz Zeiten nun ja vorbei… HA künftig wieder viele Exem-
richtig? Übergebe mich in der plare solcher Spezies in sei-
Funkhaustoilette.“ nen Redaktionen.
Ein erschütterndes Dokument, „Sie können sich sicher sein,
das mit seiner schonungslosen dass ich keinem Trüffel-
Offenheit und seinem unsen- Das ganze Tagebuch im Netz schwein ein Hindernis in den
timentalen Stil verblüfft. Ähn- unter: www.jetzt-ist-schluss.de Das Originaltagebuch von Günter D. (Foto: privat) Weg lege“. HÖ

WDRPRINT November 2011


• 13
Medienpolitisches
Kooperation mit br wdr stoppt Cross-Promotion keine Kooperation mehr
Aus „Westpol“

Absage an Pleitgen
wdr beendet Zusam-
wird „Südpol“ menarbeit mit der WAZ-
Der Bayrische Rundfunk und der Mediengruppe
wdr haben eine bahnbrechende Der wdr liefert ab sofort keine
Kooperation vereinbart. Der Radio- und Fernsehbeiträge mehr
Kölner Sender übernimmt die für das Online-Angebot der WAZ-
Berichterstattung über die baye- Gruppe. Dies verkündete wdr-
rische Landesregierung und den
bayerischen Landtag, der BR be-
Als Chef der Veranstal- Intendantin Monika Piel jetzt auf
einer medienpolitischen Tagung
richtet dafür über die Regierung tungsreihe Ruhr.2010 in Münster.
in Düsseldorf. „Zu unserem Kurswechsel passt
war Fritz Pleitgen in nicht, dass ein privater Medien-
konzern unsere hochwertigen,
seinem Element. Nun gebührenfinanzierten Beiträ-
ge nutzen darf“, erklärte die
tritt der Ex-Intendant Intendantin. Bodo Hombach,
des wdr an, um die Geschäftsführer der WAZ-Medi-
engruppe mit Sitz in Essen, kriti-
bundesweite Russisch- sierte die Entscheidung.
Damit endet eine Kooperation,
Olympiade 2012 in die der Kölner Sender und der
Essener Medienkonzern im März
Hamm-Uentrop zum 2008 beschlossen hatten. Gut
drei Jahre lang veröffentlichte die
Erfolg zu führen. Der WAZ-Gruppe regionale wdr-Bei-
träge, etwa aus den Lokalzeit-Re-
wdr entschied jedoch, daktionen, auf ihrem Onlineportal
DerWesten.de. Als „richtungs-
diesen Sprachwettbe- weisende Zusammenarbeit“, die
Schaut künftig der csu auf die
Finger: Gabi Ludwig werb nicht als „Kultur- „Modellcharakter“ auch für ande-
(Foto: wdr/Dieter Jacobi) re öffentlich-rechtliche Anstalten
Die Kooperation sieht vor, dass br
partner“ zu begleiten. habe, wurde die Partnerschaft
damals gefeiert. Wieviel die WAZ-
und wdr Personal austauschen - Er will kritische Distanz Gruppe pro wdr-Beitrag bezahlte,
vor allem auf Leitungsebene. Aber blieb geheim.
auch Ursula Heller, Moderatorin wahren. „Ich bedau- Bereits 2008 stieß die Koopera-
der „Münchner Runde”, gehört zu tion auf heftige Kritik. „Erstens
dem jetzt in Düsseldorf eingetrof- re das sehr”, so der verschwimmen die Grenzen zwi-
fenen br-Team. Intendantin Moni- Organisiert die
schen privaten Unternehmen
ka Piel machte bei der Begrüßung sichtlich enttäuschte Russisch-Olympiade:
Prof. Dr. h.c. Fritz Pleitgen und öffentlich-rechtlichem Rund-
der Münchener Kollegen im Düs- (Foto: WDR/Aug) funk“, schrieb das Medienmaga-
seldorfer Studio deutlich, welche ehemalige wdr-Chef. zin „Message“. Zweitens, so das
Hoffnungen auf ihrer Arbeit ru- Magazin, werde der wdr mögli-

N
hen: „Wir möchten gerne, dass cherweise nicht mehr allein nach
die Bayern ihr NRW-kritisches och für die Veranstal- trebko, eine Ska-Band aus Mur- Geschehen zu gewährleisten.“ Für
dem Gebot der Grundversorgung
Potential in kritische Berichte tungsreihe Ruhr.2010 mansk und vier Dortmunder ungläubiges Kopfschütteln im Zu-
produzieren. Sondern auch, um
umsetzen.“ Das erwarte sie um- hatte der wdr per Cross- Bergmannschöre haben wir auch schauerparlament sorgte zudem, die Nachfrage seines privaten
gekehrt von den leitenden wdr- Promotion monatelang die PR- schon unter Vertrag“, berichtete dass der wdr damals selbst den Partners zu befriedigen.
Redakteuren, die ihren kritischen Trommel geschlagen. Zur Rus- der Ex-Intendant. Allerdings wird „Tatort“ für PR-Zwecke nutzte. Die jetzt gestoppte Zusammen-
Blick nun auf die Münchener Ver- sisch-Olympiade vom 6. bis 8. der Technomusik-Schwerlaster Sven Hagemann, Abgeordneter
hältnisse richten - und künftig März 2012 erwarten die Veran- von 1live, der als „Float“ zuletzt im Zuschauerparlament, zitierte
stalter 600 Russischschülerinnen auf der Duisburger Loveparade aus der „print“-Ausgabe von Janu-
und –schüler aus dem gesamten unterwegs war, nicht mit von der ar 2010: „Einen Tatort im Ersten
Bundesgebiet. Schirmherren der Partie sein. Das entschied 1live- zu platzieren, der den Fokus auf
Russisch-Olympiade sind Vitali Wellenchef Jochen Rausch. das Ruhrgebiet lenkt, gehört wo-
Klitschko, Wladimir Putin und möglich zu den pfiffigsten Ideen
Kritische Distanz
Gerhard Schröder. Als Haupt- der wdr-Planer.“ Und: „Bezüge
sponsor wurde Gazprom gewon- Zwei Tage vor der Pressekonferenz zur Ruhr.2010 sind von Kaspar
nen. hatte das neugewählte wdr-Zu- Heidelbach, Regie, Jürgen Werner,
Pressekonferenz im Rathaus von schauerparlament über die Hal- Buch, und Katja De Bock, Redak-
Hamm-Uentrop. Fritz Pleitgen tung des Senders debattiert. Tenor tion, durchaus gewollt.“
tritt ans Podium. „Ich bedauere, der meisten Redebeiträge: Es sei
Pflicht des wdr, stets kritisch Di- „Tatort“ machte PR
dass der wdr dieses Projekt nicht
als engagierter Multiplikator un- stanz zu wahren. Auch hier dürfe Ihm sei unerklärlich, so Hage-
terstützt“, erklärte der Ex-Inten- man keine Ausnahme machen. mann, „wie die Gremien so was
Neuer Einsatzort in Düsseldorf: dant. „Das hat doch bei Ruhr.2010 Helga Jankowicz erinnerte kritisch genehmigen konnten.“ Eine
Ursula Heller, Bayerischer Rund- an die Rolle, die wdr-Verantwort- Äußerung, die vom Zuschauer-
funk (Foto: BR/Wilschewski)
so gut geklappt.“ Das wdr-Zu-
schauerparlament hatte den Gre- liche zu Ruhr.2010 eingenommen parlament mit Applaus bedacht Not amused: Bodo Hombach
mien untersagt, Gebührengelder hatten. Zum Beispiel Monika Piel. wurde. Der vom wdr verantwor- (Foto: WDR/Dirk Borm)
dort auch ihren Arbeitsort haben. „Die Ruhr.2010 wird weit über die tete Ruhr.2010-Tatort („Klassen-
für PR-Aktionen zugunsten der
Die wdr-TV-Sendung „Westpol“
Russisch-Olympiade zu verwen- Grenzen hinaus für Aufmerksam- treffen“, mit den Kommissaren arbeit beruhte auf einer Idee des
wird in „Südpol“ umbenannt, und damals amtierenden NRW-Mini-
Gabi Ludwig, Chefredakteurin den. „Das ist nicht Aufgabe des keit sorgen und wir freuen uns, Max Ballauf und Freddy Schenk)
einen Teil dazu beizutragen“, hatte wurde am 10.Januar 2010 ausge- sterpräsidenten Jürgen Rüttgers
wdr-Landesprogramme, mode- WDR“, stellte Helga Jankowicz,
(CDU). Er hatte im Rahmen des
riert künftig im br die „Münchner die Präsidentin des Zuschauerpar- die Intendantin im Januar 2010 er- strahlt. „Den hab ich gesehen“,
Medienforums NRW vorgeschla-
Runde“. „Ich freue mich sehr auf laments, klar. „Wir werden über klärt. Hörfunk-Direktor Wolfgang erinnerte sich Zuschauervertrete- gen, wdr und WAZ mögen doch
diese Aufgabe”, sagt Gabi Lud- den Wettbewerb aber in unserem Schmitz war damals „ständiger rin Melanie Burgenmüller. „Und am runden Tisch ihre jeweiligen
wig. „Ich mag Bayern seit meiner Programm berichten - unabhän- Koordinator und Ansprechpart- direkt davor, in der Tagesschau, Online-Interessen diskutieren.
Kindheit. Und ein Dirndl habe ich gig und sachlich“, so Jankowicz. ner“. In wdr print hatte Schmitz wurde Pleitgen vom wdr-Kame- Rüttgers war es auch, der später
auch schon im Kleiderschrank.” erklärt: „Wir freuen uns darauf, rateam als Ruhr.2010-Manager zur Pressekonferenz in die Düs-
Mehr journalistische Neutrali- 1live nicht mit im Boot dass wir als Landessender die Er- interviewt“. seldorfer Staatskanzlei einlud.
tät durch Rollentausch - dieses Dort präsentierten Piel und WAZ-
Modell stößt ard-weit auf große
Pleitgen erzählte vom umfang- eignisse in Hörfunk, Fernsehen Dies dürfe sich nicht wiederholen,
reichen deutsch-russischen Kul- und Internet einem breiten Pu- fand Zuschauervertreter Hubert Boss Bodo Hombach die Koope-
Aufmerksamkeit. Damit sich der ration. „Dass der wdr damals in
Effekt nicht verschleißt, wird eine turprogramm, das den Sprach- blikum zugänglich machen kön- Fahrweiler. Das Parlament schritt
der gesetzlich vorgeschriebenen
Rotation ins Auge gefasst – der wettbewerb einrahmen wird. nen.“ anschließend zur Abstimmung. Staatsferne agierte, davon kann
Mitteldeutsche und der Hessische Autoren aus Düsseldorf, Kleve, Und: Insbesondere die regionalen Der Antrag, eine Kulturpartner- keine Rede sein“, bekannte die
Rundfunk haben sich bereits inte- Wolgograd und Perm sagten zu, Landesstudios im Sendegebiet schaft mit der Russisch-Olympiade Intendantin jetzt selbstkritisch.
ressiert gezeigt. HÖ bei Lesungen aufzutreten. „Die seien gefordert, „eine optimale abzulehnen, erhielt drei Viertel der HE
russische Operndiva Anna Ne- Ruhr.2010-Bewältigung nah am Stimmen. HA

14 November 2011 • WDRPRINT


Profile
Literaturtipp
Durch das Jahr mit
Christine Westermann
Christine Westermann präsen-
tierte in der Kölner Bahnhofs-
buchhandlung Ludwig ihr neues
Buch: „Durch das Jahr mit Christi-
ne Westermann“. Zwölf Kapitel,
für jeden Monat eines.
Im Januar geht es um Häkelmütz-
chen, selbstgemacht. Der Februar
präsentiert Schminktipps für den
Karneval. Im März folgt „Balkon-
blumen – welche passen zu mir?“
Der April bringt „Obstsäfte gegen
die Frühjahrsmüdigkeit“, der Mai
„Volkstänze unterm Mai-Baum“.
Das Juni-Kapitel erklärt „Heira-
ten in Italien - worauf ich achten
muß“. Für den Juli ließ sich die
62jährige etwas besonderes ein-
fallen: „Die Götz-Alsmann-Haar-
tolle, mal ohne Margarine“. Auf
den August-Seiten zeigt sie: „San
Francisco privat - aus meinem Fo-
toalbum“.
Mehr soll an dieser Stellen nicht
verraten werden. Nur so viel: Das
Buch bietet auch Schnittmuster,
„Ruhe vor dem Sturm” – Die neue Wirkungsstätte des erweiterten Personalrats. (Foto: HOTT) Kreuzworträtsel und ein Preisaus-
schreiben. Dazu Kochtipps für die
wdr mit neuer Mitarbeitervertretung Krise von Frank Plasberg. „Ver-

Zwei „Freie“ im Personalrat


fasst mit Liebe zum Detail“, be-
kennt die beliebte wdr-Modera-
torin und „Zimmer frei“-Frontfrau.
Sie läßt sich als Moderatorin auch
gerne von Ministerien und Unter-
nehmen für Veranstaltungen bu-

A
chen, wie sie auf ihrer Homepage
ls „Arbeitnehmerähn- Bei der jüngsten Personalratswahl wurden rund wurden die beiden, nachdem die
verrät.
liche“ gelten jene Freien, Gewerkschaften und anschlie-
die ihr tarifvertragliches 1.500 „arbeitnehmerähnliche“ freie Mitarbeiterin- ßend auch der wdr Lobbyarbeit
Haupturlaubsgeld vom wdr be- gemacht hatten - für eine Ände-
ziehen. Aus ihrer Mitte wählten sie
nen und Mitarbeiter zu Pionieren in NRW. rung des Landes-Personalvertre-
Stefanie Katrein und Dragan Dsu- verantwortlich ist. Weiteres The- die Freie ohne zusätzliche Bezah- tungsgesetzes. Auch wdr-Per-
jic als Personalratsvertreter. Die ma: Über eine Abspeckung bei lung in den vergangenen Jahren sonalchef Kurt Schumacher ist
Neuen haben in Zukunft viel vor, den vielen Aufgaben verhandeln, übernehmen mussten. Gewählt überzeugt: „Freie Mitarbeiter
denn aus ihrer Sicht liegt bei der sind unsere gleichberechtigten
Zusammenarbeit mit den Freien Vertragspartner. Sie dürfen nicht
jede Menge im Argen. Wichtiges als rechtlose Zulieferer herum ge-
Thema laut Stefanie Katrein: Ka- schubst oder in ihren Interessen
meraleute, Techniker und andere ignoriert werden.“
werden oft gezwungen, über Ar- Katrein und Dsujic sind beide
beitnehmerüberlassungsfirmen freigestellt und werden als Perso-
für den wdr zu arbeiten. „Damit nalräte vom wdr bezahlt. Aber die
verlieren sie Einkommen und ta- beiden Vollblutjournalisten sehen
Foto: MontAG

riflichen Rechte“, sagt sie. „Wir ihren Personalratsjob nicht als


wollen erreichen, dass sie wieder Dauerstellung. Nach der Wahl-
direkt für den wdr arbeiten kön- periode wollen beide wieder als
nen.“ Freie arbeiten. Denn, so Stefanie
Durch das Jahr mit Christine We-
Erste Aufgabe in dem Zusammen- Katrein, „es ist seit der Wende im stermann. Kiepenheuer & Witsch,
hang: Herausfinden, wer eigentlich Dragan Dsujic Stefanie Katrein wdr wieder richtig schön, freie 240 Seiten, 19,95 Euro.
für den betreffenden Beschluss (Foto: stockxchng/Takilci) (Foto: stockxchng/Graat) Mitarbeiterin zu sein.“ HO

„Wir sind wdr”


Foto: Zappzerapp Agentur

Ein erboster Gebührenzahler gab vater. Im Herbst 2010 gründete er


den Anstoß und 8000 Bürger gin- mit Freunden das Bürgerbündnis.
gen in Köln für ihren Sender auf Binnen weniger Wochen traten
die Straße. Damit hatte niemand weit über 16.000 Menschen dem
gerechnet. Verein bei. Prominente wie Günter
Wallraff, Jürgen Becker und Wilfried
Medienfachleute erklären den Kurs- Schmickler unterstützen „Wir sind
wechsel des Kölner Senders auch wdr“.
mit dem öffentlichen Druck, den Am 9. November 2010 stellte das
das Nordrhrein-Westfalen-weite Bündnis in Köln eine Demonstration
Bürgerbündnis „Wir sind wdr“ ge- auf die Beine. 8.000 Frauen, Män-
macht hat. Immer neue Kochshows, ner und Kinder zogen mit Transpa-
Rate- und bei den Privaten abge- renten und Trillerpfeifen über die
guckte Ranking-Sendungen auf der Severinsbrücke zum Appellhof-
einen Seite, immer weniger fun- platz. „Wir sind die Gebührenzah-
dierte Berichterstattung und Quali- ler“, skandierte die Menge. Und:
tätsunterhaltung auf der anderen – „Wir sind wdr“. Dass die Proteste
das hatte Adrian Kellermann, einen nun Früchte tragen, freut Adrian
Polizeikommissar in Oberhausen, Kellermann und seine Mitstreiter.
auf die Palme gebracht. „Warum „Damit steigt die Akzeptanz des
soll ich dafür Gebühren zahlen?“, Senders in der Öffentlichkeit“, ist
schimpfte der 43-jährige Familien- sich Kellermann sicher. HÜ

WDRPRINT November 2011


• 15
Personen & Programme
Brief an die Anstalt wdr wird effizient Brief aus der Anstalt

Ein Aufwasch
Sehr geehrte Frau Piel, Liebe Leserin, lieber
Wir freuen uns, dass der wdr Leser
künftig verstärkt über die Finanz- möglicherweise ist der Eindruck
not der Kommungen berichten entstanden, bei der vorliegenden
will. Das wdr-Zuschauerparla- Zukunftsausgabe der wdr print
ment hat eine entsprechende handele es sich um eine Satire.
Empfehlung ausgesprochen. Ziel Ein altbekanntes Gesicht kehrt zurück zum wdr: Margarethe Schreinemakers Dieser Eindruck ist falsch – diese
soll vor allem sein, die Ursachen Ausgabe ist die einzig wahre.
der schlimmen finanziellen Lage übernimmt das neue Flaggschiff der wdr-Unterhaltung – die „All-in-One“- Die Zeitung, die seit vielen Jahren
in den Städten und Gemeinden unter dem Namen „wdr print“ er-
aufzudecken. Sendung „Ein Aufwasch“, ein revolutionär neues Format. scheint, ist dagegen eine plumpe
Bei uns in Mülheim an der Ruhr Fälschung und schlechte Satire.
wurde die Finanznot zum Anlass Gern verzichten wir auf den Bei-
genommen, fragwürdige Priva- fall verlogener Verlegerknechte,
tisierungen durchzusetzen, die bis die den öffentlich-rechtlichen
heute erhebliche Folgen haben. In Rundfunk lieber heute als morgen
diesem Zusammenhang möchten abschaffen möchten.
wir einen Vorfall aufgreifen, der Zur Finanzierung bitten wir alle,
uns bis heute beschäftigt: Am 5. die unser Projekt unterstützen
und 6 März 2006 brachte wdr 5 möchten, um eine Spende auf un-
das Feature „Mülheim oder Das ser Konto. Sie darf gerne großzü-
große Schweigen“. Darin schil- gig ausfallen.
derte der Kölner Publizist Werner
Rügemer die dubiosen und desas-
Bankverbindung: SEB-Bank
trösen Verkäufe städtischer Un-
Pascal Plagiat
ternehmen, z.B. der Wasserwerke
BLZ: 370 101 11
an Investoren wie RWE.
Konto: 296 747 55 00
Da die Mehrheitsparteien die
wahrheitsgemäße Information fragen an die Redaktion
unterdrückten und auch die regio- E-Mail: wdr_plagiat@yahoo.com
nale Presse dazu schwieg, hatte Telefon: (0157) 86 08 1008
das wdr-Feature große Resonanz.
Viele Bürger erfuhren zum ersten Und zum Schluss
Mal etwas über Hintergründe lieben Dank an alle Beteiligten.
und Folgen und lobten den wdr. Über 50 Menschen (Feste, Freie
Wie üblich wurde das Sendem- und Außenstehende) haben
anuskript vom wdr online gestellt mitgeschrieben, Informationen
und das Manuskript wurde zahl- besorgt, redigiert, fotografiert,
reich heruntergeladen. gestaltet, beraten, gedruckt und
verteilt. Ihr seid toll.
Doch auf Ihre Anweisung, Frau Danke auch für den Druckkosten-
Piel, als damalige Hörfunkdirek- zuschuss der Fachgruppe Medien
torin, entfernte der wdr einige im ver.di-Landesbezirk NRW.
Wochen nach der Ausstrahlung Die Redaktion
das Manuskript der Sendung von Von wegen weichgespült: Margarethe putzmunter (Foto: MontAG)
der wdr-website. Sie taten das, PS: Diese Zukunftsausgabe wurde

Z
weil der ehemalige Mülheimer strahlungsarm hergestellt. Tiere
um ersten Mal werden hier wir mehr unterbringen in der neu- dann auch das Geld, auf diesen kamen nicht zu Schaden.
OB und spätere Staatssekretär
im NRW-Wirtschaftsministerium,
fast alle derzeit gängigen en Sendung. Zweitens ist sie als Sendeplätzen endlich ein gutes
Dr. Baganz (CDU), sich über ei- Unt e r h a l t u n g s f o r m at e Frau natürlich ein geborenes Mul- Programm zu machen.“ Verena
nige angebliche Recherchefehler zusammengeführt: Margarethe ti-Tasking-Talent. Und drittens ist Kulenkampff schmunzelt: „Das ist
in der Sendung beschwerte. Die kocht, stellt Quizfragen, richtet ihr Marktwert derzeit recht über- eine Win-Win-Situation für alle
Beschwerde landete bei Ihnen. fremde Wohnungen ein, gibt Er- schaubar – das macht die Sache Beteiligten.“
Sie warteten nicht die Stellung- ziehungstipps, testet Produkte, für uns finanziell so reizvoll.“ Derweil sind bereits erste Pilot-
nahme des Autors ab, stattdes- singt Heimatlieder, präsentiert Hauptziel der neuen Sendung sendungen im Kasten. Wie ernst
sen entschuldigten Sie sich bei Rankings, liefert Servicehinweise, ist es nämlich, andere bisherige Margarethe Schreinemakers die
Dr. Baganz.
reist durch reizvolle Landschaften Formate überflüssig zu machen neue Aufgabe nimmt, beweist sie
Viele Medien, etwa die Tageszei-
in NRW – und das alles gleichzei- und so Mittel und Sendeplätze auch damit, dass sie extra für „Ein
tungen Die Welt und taz, berich- tig in nur 45 Minuten! für neue Projekte zu gewinnen. Aufwasch“ ihren Wohnsitz zurück
teten über den Fall. Mehrere Hör- „Dafür ist niemand besser geeig- „Durch ‚Ein Aufwasch’ werden im nach Köln verlagert hat: Aus Bel-
er und Hörerinnen wandten sich net als sie“, erläutert Fernsehdirek- wdr-Fernsehen pro Woche vier gien ins Belgische Viertel. HÜ
wiederholt an Sie mit der Bitte, torin Verena Kulenkampff. „Er- Hauptabendtermine um 20.15 Die Redaktion v.l.n.r.: HA, HE, HI,
Ihre Entscheidung rückgängig zu stens spricht niemand so schnell Uhr frei“, rechnet die Fernseh- Ein Aufwasch. Die „All-in-One”- HO, HU, HÄ, HÜ, HOTT (Foto: privat)
machen. Damals blieben Sie stur. wie Margarethe – deshalb können direktorin vor. „Und wir haben Show. dienstags 20.15 Uhr, wdr

Umso mehr freuen wir uns, daß wdr fällt vom glauben ab: Das letzte wort zum sonntag
Sie jetzt offensichtlich zu Selbst-
Tutzing, 22. Oktober: Auf einer gemeinsamen wdr print hat er den Text der Redaktion zum “Wahrlich, wahrlich, ich aber sage Euch: da, wo
kritik und Veränderung bereit sind
Sitzung in der Medienakademie Tutzing be- Vorabdruck zur Verfügung gestellt. der Selbstgerechte sein eitel gepudertes Maul
- herzlichen Glückwunsch!
schlossen die Kirchen, sich in Zukunft restlos aufreißt, da, wo der angeblich Auserwählte
aus allen Angelegenheiten des wdr und auch seine bigotten Tiraden erbricht und auch da,
Ihre zwischenzeitlich frustrierten,
der anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkan- wo der von eigenen Gnaden Gebenedeite seine
aber nun erfreuten und hoff-
stalten heraus zu halten. scheinheiligen Litaneien rauf und runter rhabar-
nungsvollen Bürgerinnen und
In der Begründung heißt es wörtlich: „Kirche bert, überall da verschließt Eure Ohren und
Bürger aus Mülheim an der Ruhr!
und Demokratie – das passt nicht zusammen. wendet Euch ab.
Sollten Sie für Ihren neuen Kurs
Denn wer mehr Demokratie wagt, der wendet Denn bei all den verfilzten Bärten der blinden
Unterstützung benötigen – mit
sich letztendlich gegen die natürliche Autorität Propheten, wenn der Erdball erbebt vom Ge-
uns können Sie rechnen.
der natürlichen Autoritäten. Die aber erhalten schrei der Gesalbten und sich der Himmel ver-
ihre Legitimation bekanntlich vom Himmel finstert beim Gezeter der Erleuchteten, dann
hoch.“ kennen die Götter nur ein einzig Gebot und das
Gewählte Zuschauerparlamente – wie jetzt lautet: einfach mal den Sabbel halten. Und zwar
Mit freundlichen Grüßen
im wdr – erhielten ihre Legitimität dage- alle, restlos alle.
i.A. Lothar Reinhard
gen vom Volk und seien für Religionsge- Also, ihr geifernden Eiferer, ihr vom eigenen
Mülheimer Bürgerinitiativen
meinschaften deshalb unakzeptabel. Sendungsbewusstsein gestörten Gardinen-
Kohlenkamp 1
Immerhin verabschieden sich die großen prediger, ihr mit dem Klingelbeutel kreuzweise
45465 Mülheim/ Ruhr
Kirchen mit einem letzten Wort zum Sonntag gegeißelten Scharlatane:
am kommenden Montag (07.11., 22.45 Uhr, Von jetzt an kein einziges Wort mehr! Keins zum
ard). Diese ehrenvolle Aufgabe wird der Kölner Sonntag, keins zum Montag und schon gar keins
Schreibischof Monsignore Wilfried Schmickler Ein Mann mit Sendungsbewußtsein: Schrei- von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen!”
übernehmen. Exklusiv für diese Ausgabe von bischof Schmickler (Foto: kardinal media group) Von Schreibischof Schmickler

16 November 2011 • WDRPRINT

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