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Inhaltsverzeichnis
0. Vorwort .................................. -4-

1. Der Flop .................................. -6-

1.1 Ohne Position mit Initiative .................................. -6-


1.1.1 Die Continuation Bet .................................. -6-
1.1.2 Single-Raised Heads-Up Pot .................................. -7-
1.1.3 Single-Raised Multiway Pot .................................. -9-
1.1.4 3-Bet Heads-Up Pot .................................. -11-
1.1.5 3-Bet Multiway Pot .................................. -12-
1.1.6 4-Bet Pots .................................. -13-
1.1.7 Check/Call Flop .................................. -14-
1.1.8 Check/Raise Flop .................................. -17-
1.1.9 Auf dem Flop geraist werden .................................. -19-

1.2 Ohne Position mit Initiative .................................. -21-


1.2.1 Verteidigung in Single-Raised Heads-Up Pots .................................. -21-
1.2.2 Verteidigung in Single-Raised Multiway Pots .................................. -23-
1.2.3 Verteidigung in 3-Bet Heads-Up Pots .................................. -25-
1.2.4 Verteidigung in 3-Bet Multiway Pots .................................. -26-
1.2.5 Verteidigung in 4-Bet Heads-Up Pots .................................. -28-

1.3 In Position mit Initiative .................................. -28-


1.3.1 Heads-Up Pots .................................. -29-
1.3.2 Multiway Pots .................................. -30-

1.4 In Position ohne Initiative .................................. -31-


1.4.1 Flops floaten .................................. -31-
1.4.2 Flops raisen .................................. -32-

2. Der Turn .................................. -33-

2.1 Ohne Position mit Initiative .................................. -33-


2.1.1 Die Double Barrel .................................. -33-
2.1.2 Check/Call Turn .................................. -35-
2.1.3 Check/Raise Turn .................................. -37-
2.1.4 Auf dem Turn geraist werden .................................. -38-

2.2 Ohne Position und ohne Initiative .................................. -39-


2.2.1 Verteidigung in Single-Raised Heads-Up Pots .................................. -39-
2.2.2 Verteidigung in Single-Raised Multiway Pots .................................. -40-
2.2.3 Verteidigung in 3-Bet Heads-Up Pots .................................. -41-
2.2.4 Verteidigung in 3-Bet Multiway Pots .................................. -42-
2.2.5 Verteidigung in 4-Bet Heads-Up Pots .................................. -43-

2.3 In Position mit Initiative .................................. -44-


2.3.1 Heads-Up Pots .................................. -44-
2.3.2 Multiway Pots .................................. -45-
2.4 In Position ohne Initiative .................................. -46-
2.4.1 Calling & Double Floating Turns .................................. -46-
2.4.2 Raising Turns .................................. -47-

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3. Der River .................................. -51-

3.1 Ohne Position mit Initiative .................................. -51-


3.1.1 Die Triple Barrel .................................. -51-
3.1.2 Check/Call River .................................. -56-
3.1.3 Check/Raise River .................................. -57-
3.1.4 Auf dem River geraist werden .................................. -58-

3.2 Ohne Position und ohne Initiative .................................. -59-


3.2.1 Verteidigung in Single-Raised Heads-Up Pots .................................. -59-
3.2.2 Verteidigung in Single-Raised Multiway Pots .................................. -60-
3.2.3 Verteidigung in 3-Bet Heads-Up Pots .................................. -61-
3.2.4 Verteidigung in 4-Bet Pots Heads-Up .................................. -63-

3.3 In Position mit Initiative .................................. -64-


3.3.1 Heads-Up Pots .................................. -64-
3.3.2 Multiway Pots .................................. -65-

3.4 In Position ohne Initiative .................................. -66-


3.4.1 Calling & Valuebetting auf dem River .................................. -66-
3.4.2 Am River raisen .................................. -67-

4. Postflop Tipps ………………………………. -68-

4.1 Sei "Streetwise" .................................. -68-


4.2 Betsize Anpassungen .................................. -70-
4.2.1 Overbets .................................. -71-
4.2.2 Underbets .................................. -72-
4.3 Shortstack Anpassungen .................................. -73-
4.4 Deepstack Anpassungen .................................. -74-
4.5 River Pot Odds .................................. -76-

5. Nachwort .................................. -76-

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0 Vorwort

Der “natürliche” Fortschritt der Themen, die ich in meinen Guides behandle, erfordert, dass sich
dieser grüne Guide mit dem Spielen von Postflop-Situationen und Strategien und den nötigen
Anpassungen an solche Situationen in 6-Max No Limit Cashgames beschäftigt. Keine Sorge – genau
das wird er und genau wie im roten Guide werde ich versuchen, leicht anzuwendende Guidelines
zu liefern und Antworten auf die gängigsten Fragen, die mich während meiner Grinding it UP!
Challenge erreicht haben, zu geben.

Um ganz ehrlich zu sein habe ich mich zunächst nicht sehr wohl gefühlt, über dieses Thema zu
schreiben. Der Grund dafür ist, dass Postflop-Poker als Thema eine unglaubliche Tiefe mit sich
bringt und viel Fingerspitzengefühl braucht, wenn man nur an der Oberfläche kratzt. Auf
drei unterschiedlichen Straßen (Flop, Turn, River) hat man die vier verschiedene Optionen Call, Bet,
Check oder Raise mit fünf verschiedenen Karten aus einem Deck von x verbleibenden Karten, was
bereits eine enorme Anzahl an einzigartigen Situationen ergibt. Fügt man noch variables Betsizing
hinzu sind selbst Computerprogramme heutzutage mit der Kalkulation der bzw. der Annäherung an
die optimale Strategie überfordert – wobei es solche Programme bereits gibt und kluge Menschen
an der Lösung dieser Herausforderungen arbeiten während ich hier schreibe. Wenn wir jetzt noch
von tieferen Stacks ausgehen und damit jede Verhältnismäßigkeit verlieren wird klar, warum es mir
so schwerfällt, einen Guide für Postflop-Poker zu schreiben.

Es gibt bereits einige theorielastige Bücher, Videos und Programme, die den oben genannten
Ansatz der annähernd optimalen Postflop-Ranges, -Aktionen und -Betsizings in bestimmten
Situationen behandeln. Diese Parameter zu kennen und zu kalkulieren hilft uns natürlich dabei,
zwei grundlegende Dinge zu verstehen:

a) Wie wir uns am besten gegen Gegner verteidigen die versuchen uns auszunutzen
(optimaler Ansatz)

b) Wie wir einen Gegner am besten ausnutzen, wenn er davon abweicht (ausnutzender
Ansatz)

Hier ein Beispiel um diese Konzepte im Grinding it UP! Microstakes Kontext zu verstehen:

In einem 10NL 6-Max Spiel eröffnen wir UTG mit AhAs, werden vom Big Blind gecalled, fahren mit
einer Valuebet auf einem Td 9d 5c Flop fort und werden wieder gecalled. Der Turn ist die 2c, wir
betten wieder und werden erneut gecalled. Der River ist die 9s und wir wollen den “thin“ Value von
Tx oder kleineren Paaren, also betten wir...

… und kassieren ein Check/Raise.

Unser bewährtes Grinding it UP!-Bauchgefühl wird uns hier aus reiner Erfahrung heraus sagen,
dass wir nahezu immer erwarten können, dass unser Gegner mit nicht weniger als einer 9
aufwarten wird und in einer meiner Grinding it UP! Sessions würde ich hier nahezu immer Gründe
für einen disziplinierten Fold finden.

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Eine vermutlich optimale Strategie würde hingegen in dieser Situation wie folgt aussehen:

1. Alle Draw-Kombinationen (KJ, QJ, J8, 87, Diamond or Club Draws) platzen

2. Wir halten keine Blocker für diese Hand-Kombinationen (z. B. Ac, Ad)

3. Die stärksten Hände, mit denen wir einen solchen Raise auf diesem River problemlos callen
können, beschränken sich auf eine kleine Zahl (99, TT, T9, 9x)

Dies führt dazu, dass wir gegen einen Check/Raise-Bluff von intelligenten oder kreativen Spielern
anfällig sind. Um hier effektiv zu kontern ist es im Rahmen des optimalen Strategieansatzes nötig
hier trotzdem in einem gewissen Prozentsatz der Fälle das Check/Raise zu callen ODER einen
anderen Teil der Hände auf einer der vorherigen Straßen nicht für Value zu betten. Auch hier gilt,
dass diese beiden Möglichkeiten auf den Microstakes dazu führen, dass wir wertvolles Geld an den
Tischen verlieren und das Erarbeiten einer Bankroll verlangsamen. Meistens werden wir hier von
Tx oder einem Paar gecallt, wobei ein Check/Raise grundsätzlich eher selten zu sehen sein wird. Es
ist wesentlich wahrscheinlicher, dass ein typischer Freizeitspieler den River selbst mit seinen
geplatzten Draws anspielt weshalb wir hier gute Gründe für einen Call finden können, die auf der
Argumentation der oben angesprochenen optimalen Strategie basieren.

Um mehr Profit zu machen als andere Spieler im Spielerpool des gleichen Levels (mehr dazu im
roten Grinding it UP! Guide) auf dem wir spielen müssen wir meistens von der optimalen Strategie
abweichen um einen potentiell besseren EV-Spot zu finden, der auch vorhanden sein wird so lange
unsere Gegner Fehler machen.

Um auf allen möglichen Ebenen erfolgreicher als andere Spieler zu sein müssen wir unablässig den
“ausnutzenden” (exploitativen) Spielansatz verfolgen und die Fehler dieser Spieler ausnutzen
während wir uns über die potentiell schwachen Spots in unserem Spiel nicht allzu viele Sorgen
machen sollten. Offen gesagt wird die Mehrheit unserer Gegner auf den niedrigeren Stakes diese
schwachen Spots weder bemerken noch einen Vorteil daraus ziehen, da ihr ganzer Fokus auf den
eigenen Karten und dem Spaßfaktor des Spiels liegt!

Während ich meine Grinding it UP! Bankroll auf den Microstakes aufgebaut habe, habe ich den
exploitativen Spielansatz für die meisten der verschiedenen Postflop-Spots genutzt. Fragen wie
“Bluffst du jemals auf dem River?” oder “Wie kannst du das nur folden?” waren meine täglichen
Begleiter und viele Spieler konnten mit meiner Spielweise einfach nichts anfangen. Ähnlich geht es
mir häufig mit meinen privaten Schülern, die auf den Microstakes im Cashgame starten. Ihr größtes
Problem, dort beständig Geld zu machen, besteht darin, dass sie sich von ihren Ansichten, wie
“gutes” oder “schönes” Pokern aussehen soll, distanzieren müssen. Die kreativen Bluffs oder
epischen Herocalls die man auf Highstakes oder im TV sehen kann helfen einfach nicht dabei, die
eigene Bankroll wachsen zu lassen.

Wenn ich aus der Erfahrung von Millionen von gespielten Händen auf den Microstakes heraus
weiß, dass mein durchschnittlicher Gegner Top Pair auf dem River nicht folden wird, dann werde
ich nicht versuchen, ihn auf dem River zu bluffen, selbst wenn der optimale Spielansatz von mir
verlangt, dies zumindest zu einem gewissen Prozentsatz meiner Hände zu machen.

Und wenn meine Erfahrung mir sagt, dass mein Gegner nur einmal alle Jubeljahre blufft wenn er
ein Check/Raise auf dem Turn oder dem River spielt, nachdem ich selbst eine Continuation Bet
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gespielt habe, dann sollte ich Asse ohne mit der Wimper zu zucken weglegen – und glaubt mir,
diese Erfahrung kommt daher, dass ich in ähnlichen Situationen eine Menge Lehrgeld bezahlt habe.
In diesem Guide werden wir uns daher mit der exploitativen Seite jeder Aktion, jedes Range, jeder
Betsize und jedem Szenario auseinander setzen. Genau wie im gelben und roten Guide ist mein
Ziel, meine Gedanken, Ansätze und Anpassungen zu den gängigsten und wichtigsten Postflop-
Situationen auf dem Weg, eine Bankroll mittels Microstakes Cashgames aufzubauen, möglichst
praxisnah aufzuschreiben.

Ähnlich der Struktur des roten Guides werde ich die Spielsituationen nach a) Position und b)
Initiative gruppieren. Auf diesem Weg ist es einfacher, ähnliche Spots miteinander in Verbindung
zu bringen und der generellen Strategie zu folgen. Die Untergruppen beschäftigen sich dann mit
den einzelnen Aktionen, Ranges und dem Betsizing.

1. Der Flop

Der Flop ist das Traumland für jeden Freizeitspieler. Hier fängt die ganze Action erst an. Die Leute
lieben es, den Flop zu sehen. Es gibt Spieler, die einen enormen Preis dafür zahlen diese drei
Karten sehen zu können, vielleicht, weil sie “es gerade im Gefühl” haben oder weil sie ihre
“Glückshand” halten. Diese Leute spielen Poker aus anderen Gründen als Geld damit zu verdienen
und die oben genannten Ansichten sind mit die wichtigsten der Gründe. Wenn man sich das immer
vor Augen hält ist man besser darauf vorbereitet, was man erwarten kann, wenn mehrere Leute
den eigenen Open Raise callen oder eine 3- oder 4-Bet coldcallen, weil sie gerade ihre Glückshand
halten.

1.1 Out of Position mit Initiative

Als Aggressor auf dem Flop ist die natürlichste aller Optionen die klassische Continuation Bet.
Zusätzlich haben wir die Möglichkeit zu checken, wenn wir vor haben Check/Call oder Check/Raise
zu spielen um die Potgröße zu kontrollieren, über unsere Handstärke hinweg zu täuschen oder den
potentiell erreichbaren Value von verschiedenen Ranges oder gegnerischen Tendenzen zu
erhöhen.

1.1.1 Die Continuation Bet

Eines der ersten strategischen Werkzeuge, die viele Pokerspieler gleich zu Beginn ihrer Karriere
erlernen, ist die Folge-Bet als Aggressor nach dem Flop – die sogenannte “C-Bet”. Es ist die
einfachste und reinste Form der Postflop-Aggression, die den Spielball mit der Frage nach der
richtigen Strategie ins Spielfeld des Gegners oder der Gegner wirft. Eine Antwort auf die
Aggression zu finden ist in jeder Spielsituation im Poker schwierig, häufig werden hier zwei
wesentliche Fehler begangen:

a) Die beste Hand wegzulegen – oder zumindest eine, die genügend Equity hätte um weiter
zu spielen

b) Ein Call mit der schlechtesten Hand um den Showdown zu sehen

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Als Aggressor am Flop zu betten kann genutzt werden um:

1. einen großen Pot aufzubauen um Value von schwächeren Händen mit geringerer Equity
zu bekommen (z. B. AA auf einem K65 Flop zu betten um Calls von Kx, 6x, 5x oder
Straightdraws wie 87, 98 or 97 zu bekommen)

2. bessere Hände, die uns derzeit beim Showdown schlagen würden, zum Folden zu
bekommen (z. B. KQ auf einem T65 Flop zu betten um Folds von 44 oder A9 zu bekommen)

3. unserem Gegner, der nicht weiß, welche Karten er noch benötigt um eine Gewinnerhand
am Showdown zu halten, mögliche Equity zu verweigern (z. B. 44 auf einem Q22 Flop zu
betten um T9 oder A5 zum Folden zu bekommen)

1.1.2 Einfach erhöhter Pot, Heads-Up

In einem einfach erhöhten Pot in einer Heads-Up-Situation ohne Position bin ich oftmals sehr
vorsichtig damit, eine C-Bet zu bringen, da die Gegner wesentlich häufiger den Vorteil ihrer
Position nutzen indem sie die C-Bet floaten oder eine weitere Karte sehen wollen, um zu prüfen,
ob sich ihre Hand verbessert oder ob sie den Pot auf einer späteren Straße mitnehmen können. Ich
werde die folgende Checkliste mit allen potenziellen C-Bet-Kandidaten (mehr zu diesem Begriff im
roten Guide) durchgehen um zu bestimmen, ob ich davon ausgehen kann, dass eine Bet +EV ist:

1. Die Struktur des Boards am Flop (d. h. wie wahrscheinlich hat der Gegner getroffen oder
etwas gefloppt, mit dem er weiterspielen will)

2. Die zu erwartende Equity gegen die Range, mit der der Gegner weiterspielt (d. h. unsere
Chancen gegen die Hände zu gewinnen, mit denen der Gegner aller Voraussicht nach
weiterspielt)

3. Potenzielle Verbesserung der Struktur des Boards am Turn (d. h. wie oft hilft mir die
Karte am Turn dabei meine Hand zu verbessern oder meine Chancen zu erhöhen, den
Gegner aus der Hand zu bluffen)

Im Bezug auf die Höhe der Bet ist es sehr verführerisch einfach einen typischen “Standard”-Betrag
als C-Bet abzufeuern, unabhängig von Position, den Ranges und der vorangegangenen Action.
Immer dann, wenn ein bestimmter Spot beim Poker sich ständig wiederholt wird unser Hirn tätig
und versucht, uns die Dinge einfacher zu machen, indem es die zu berücksichtigenden Dinge
reduziert, wenn wir die Höhe der Bet wählen. Die voreingestellten ½ und 1/3 Pot Buttons sehen
bei solchen Gelegenheiten sehr praktisch aus. Ich kann nur immer und immer wieder darauf
hinweisen eine Pause einzulegen, wenn dieser Punkt erreicht ist, da es sehr schädlich für die
Entwicklung der Hand kurzfristig und die langfristige Entwicklung der Gewinnquote sein kann,
wenn man bei den Standard-Setzhöhen bleibt. Schließlich spielen wir No Limit Hold'em und wie im
Eröffnungs-Abschnitt beschrieben ist gerade das variable Anpassen der Setzhöhen und die Größe
der Stacks das, was dieses Spiel so herausfordernd und komplex macht.

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Ich neige dazu, meine Setzhöhe abhängig von dieser zweiten Checkliste zu machen:

a) Struktur des Boards

b) Handrange der/des Gegner(s)

c) Verhältnis der Größe des Pots zu den effektiven Größen der Stacks

Normalerweise reduziere ich die Betsize auf einem trockenen Board oder bei einem größeren Pot
mit kleineren effektiven Stacks bei den Gegnern wenn ich davon ausgehe, dass die Ranges meiner
Gegner in der Regel sich nicht sehr häufig zum Weiterspielen eignen. Das sollte dazu führen, dass
die Gegner die Hände, die sie sowieso nicht weiterspielen würden, weglegen während es dazu
führen kann, dass wir zusätzliche Action von schwächeren Händen bekommen, die wir nicht
bekommen würden, wenn wir eine höhere, einschüchternde Setzhöhe verwendet hätten. Ich
erhöhe die Größe der C-Bet wiederum, wenn ich davon ausgehen kann, dass meine Hände mit
hohem Value häufiger wegen aktionslastiger Boardtexturen oder den angenommenen Ranges der
Gegner gecallt werden. Solange der Pot sehr klein ist im Vergleich zu den verbleibenden effektiven
Stackgrößen wie bei einem Pot mit nur einem Raise sollte eine größere Bet hilfreich dabei sein
sowohl die Fold-Equity als auch den Value unserer starken Hände zu erhöhen – man sollte immer
im Hinterkopf behalten, dass viele es lieben zu floaten, wenn man sie für kleines Geld und mit
einem kleinen Pot lässt, sobald jedoch der Pot groß und die effektiv verbleibenden Stacks kleiner
sind mag eine kleinere Bet bereits sehr furchteinflößend aussehen!

Allerdings handelt es sich hierbei nur um Beispiel-Richtlinien um eine sinnvolle Setzhöhe für
wiederkehrende Spots und unbekannte Gegner festzulegen. Im Falle, dass man bereits zusätzliche
Reads auf den Gegner hat oder spezielle schwache Gewohnheiten ausnutzen will, kann man
definitiv mit der Setzhöhe experimentieren um sich einen zusätzlichen Vorteil zu erarbeiten!

Beispiel:

Hero (100bb effektiver Stack) eröffnet auf 3bb mit QhJh von UTG und der Gegner callt aus MP
(100bb), alle anderen Spieler folden. Der Flop kommt Th 5c 3s. Die Größe des Pots beträgt 7.5bb.

Hier können wir einfach unsere Checkliste abarbeiten und unseren Denkprozess stark dabei
unterstützen um zu bestimmen, ob wir hier eine C-Bet spielen wollen oder nicht. Wir müssen eine
Reihe von einfachen Annahmen herausarbeiten, vor allem, wenn wir den Gegner nicht kennen:

1. Die Struktur des Flops ist sehr trocken, so dass der Gegner sehr wahrscheinlich das Board
nicht getroffen hat (vor allem wenn er mit einer sehr loosen Range callt). Der Gegner hat
eine Eröffnung aus UTG in MP gecallt, also sollte er häufig eine Reihe von Paaren, hohe
Broadways halten, hingegen nicht sehr viele Tx oder 3x Hände, abgesehen von ein paar
Suited Broadways oder Connectors wie ATs, JTs oder T9s. Gegen diese Range sollten wir mit
einer Bet etwas Fold-Equity haben, weshalb wir an die C-Bet einen Haken machen können.

2. Wenn der Gegner trotz unserer C-Bet weiterspielt ist es sehr wahrscheinlich, dass er alle
möglichen kleinen bis großen Paare, ein paar Tx, eine starke Overcards wie z. B. AJ-AK oder
KQ plus einige Sets hält. Gegen diesen Range sollten wir immer noch um die 20-25% Equity
haben, weshalb wir nicht völlig hilflos sind. Geben wir diesem Punkt einen kleinen Haken.

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3. Jede Q oder jeder J sollte uns die beste Hand auf dem Turn machen während jede 8, 9, K
oder Herz unser Potential erhöht, die Hand später zu gewinnen. Zusätzlich sollte jede Karte
knapp unter oder über der T zusätzliche Foldequity zu unserer Aggression hinzufügen,
wenn wir uns entschließen, weiter zu betten. Das ergibt ganz klar einen Haken, den wir hier
setzen können.

Daher sollten wir nahezu immer in diesen Situationen eine C-Bet abfeuern.

Wenn wir QhJh mit einer Hand wie 22 oder Ad7d ersetzen können wir uns wieder schnell durch
unsere Checkliste durcharbeiten um herauszufinden, dass diese beiden Hände nicht gerade
optimale Kandidaten für eine C-Bet sind:

1. Der Haken in punkto trockene Boardtextur bleibt bestehen.

2. Wenn der Gegner weiterspielt wird er nicht unbedingt nur die wesentlich bessere Hand
haben, sondern darüber hinaus jede Menge Equity mit Overcards, Gutshots oder Backdoor
Flushdraws.

3. Nur wenige Karten am Turn können uns helfen, den Pot noch zu gewinnen. Mit der 22-
Hand bleiben nur beiden verbleibenden 2er, eine 4 würde uns einen open-ended
Straightdraw machen und ein A einen Gutshot. Ad7d kann nur auf eines der verbleibenden
A hoffen. Das bedeutet, dass wir uns jedes Mal, wenn wir hier eine C-Bet abfeuern ohne
uns gravierend verbessern zu können, darauf verlassen müssen, dass unser Gegner seine
Hand gegen einen hartnäckigen Bluff mit mehreren Barrels weglegt, ohne dass wir
tatsächlich Equity hätten – oder wir beginnen auf diese Weise massiv Geld zu verlieren.

Wenn wir unsere Kandidaten für eine C-Bet selektieren, sollten wir immer solche Hände
auswählen, die eine gute Chance haben sich im Verlauf von verschiedenen Boardtexturen zu
verbessern oder zu entwickeln (z. B. wäre selbst KQo besser als 22 wegen der vorgenannten
Gründe). Dies hilft uns dabei einen Gameplan zu entwickeln, der uns regelmäßig in profitable
Situationen bringt. Stellen wir uns einfach vor, wir würden einen kleinen Sicherheits-Fallschirm mit
uns herumtragen, der uns dabei hilft, die bessere Hand am River zu landen oder einen zusätzlichen
Weg aufzeigt den Pot zu gewinnen, weil unser Gegner die Hand weglegt.

Darüber hinaus müssen wir immer im Kopf behalten, dass unser Betsizing die Range der Hände,
die ein hartnäckiger Freizeitspieler oder ein aufmerksamer Regular weiterspielen, drastisch
verändert. Ein guter Spieler weiß, dass er nur 25% oder mehr Equity benötigt um gegen eine Bet in
Höhe des halben Pots weiter zu spielen, während ein hartnäckiger Freizeitspieler einfach nur
weitere Karten sehen will, solange der Preis stimmt. Diese Umstände können ihrer Turn Range eine
Reihe von Händen hinzufügen, die man ursprünglich nicht erwartet hat (z. B. ein Float mit einer
Overcard-Hand wie KQ im obigen Beispiel, die dazu führt, dass wir auf einer Q oder einem K Geld
verlieren).

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Zuletzt sehen wir uns die Betsizing Checkliste an:

a) die Board-Textur is trocken, so können wir möglicherweise mit einer kleineren Bet
davonkommen

b) Die Range des Gegners enthält einige Hände, mit denen er wie eben bereits
angesprochen weiterspielen wird, weshalb uns auch hier die kleine Betsize hilft von
Händen, die sowieso nicht weiterspielen würden, einen Fold zu bekommen während wir
den Pot gegen stärkere Hände nicht gleich zu Beginn zu sehr anfüttern.

c) Das Verhältnis der Potgröße zur Größe der effektiven Stacks ist immer noch recht klein
(d.h. 7,5bb zu 97bb), weshalb wir mit einer kleineren Bet häufiger einen Float sehen.

Aus dieser Checkliste lässt sich folgern, dass ich eine Bet in Höhe der Hälfte des Pots keinesfalls
mehr als zwei Drittel des Pots spielen werde. Habe ich die zusätzliche Information über meinen
Gegner, dass er Preflop sehr loose callt und potentiell viele Hände floatet, würde ich die Höhe
meiner Bet nach oben anpassen während ich mit einer Value-Hand in der gleichen Situation
definitiv nur den halben Pot betten würde (oder sogar weniger, um Peels oder ein Raise zu
provozieren).

1.1.3 Einfach erhöhrter Pot, Multiway

Eine Multiway-Situation erforder normalerweise von den beteiligten Kombattanten ein wenig
„ehrlicher“ Poker gegeneinander zu spielen und sich mehr auf die eigenen Karten und die Equity in
einer Hand zu konzentrieren. Nur wenige Spieler werden (und sollten) zu Bluffs neigen, wenn sie
sich mehreren Gegnern gegenüber sehen, da sich ihre Fold Equity drastisch reduziert, sobald sich
einer der Spieler am Pot interessiert zeigt. Mit einem Call oder einem Raise gegen eine Multiway C-
Bet signalisiert ein Spieler eindeutig das Bewusstsein, das seine Hand gegen zwei oder mehrere
Spieler plus weitere Action nach ihm bestehen muss.
Allerdings bedeutet das nicht, dass es keine Spots geben würde, in denen man eine Bluff C-Bet auf
dem Flop spielen kann. Tatsächlich kann man gerade auf den Microstakes sehr gute Spots dafür
wählen und die Multiway-Dynamik dazu nutzen, mit der C-Bet wesentlich stärker auszusehen. Auf
Grund des oben genannten „Ehrlichkeits“-Faktors kann man recht schnell feststellen, dass einem
die Gegner in solchen Situationen eine stärkere Hand zutrauen. Auf der anderen Seite muss ich
auch warnen, da aus dem gleichen Grund Valuebets für dünnen Value auf mehreren Straßen
weniger effektiv sein können!

Der nächste wichtige Punkt, den wir beachten müssen, wenn wir einen C-Bet-Bluff Multiway
spielen wollen, ist die Anzahl der Gegner: Wenn es „nur“ zwei weitere Spieler sind würde ich
vermutlich den gleichen C-Bet-Ansatz verfolgen, den ich in einer Heads-Up Situation auch wählen
würde. Allerdings lasse ich die Finger von C-Bet-Bluffs, wenn meine sich die Equity meiner Hand
auf keinen Fall mehr verbessern kann (z. B. keine Overcards, keine Gutshots, keine Backdoor Draws
usw.). Mit drei oder mehr Spielern würde ich nur Hände mit Equity c-betten (z. B. eine Hand mit
mindestens ~30% oder mehr Equity gegen die Calling Ranges eines oder mehrerer meiner Gegner).

Ein weiterer abschließender Faktor, den man im Hinterkopf behalten sollte, sind die verschiedenen
Ranges und Positionen aller Spieler, die in die Hand involviert sind. Der erste Caller wird vermutlich
die stärkste Hand-Range halten, während jeder weitere Caller möglicherweise sogar mit hoch-
spekulativen Händen oder schwachen Ranges in die Hand einsteigt, weil er gute Pot-Odds
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bekommt. Das wiederum bedeutet, dass auf Boards, die den ersten Caller nicht sehr häufig treffen
ein C-Bet-Bluff in einer Multiway-Situation sehr wohl mit etwas weniger Equity effektiv sein kann,
da man gegen die schwächeren Ranges der anderen Caller Fold-Equity behält!

Im Hinblick auf unser Betsizing können wir weiterhin unsere Checkliste aus dem Abschnitt über
Single-Raised Pots verwenden, wenn unsere Multiway-Bluffs oder Semibluffs aber erfolgreicher
sein sollen, dann empfehle ich eine höhere Betsize als Standard. Viele Spieler werden sehr
wahrscheinlich eine kleinere Betsize als Grund dafür wahrnehmen, mit grenzwertigen Händen
weiter zu spielen, speziell in Spots mit einem kleinen Pot und einer größeren effektiven Stacksize.
Natürlich kann man sich diesen Fakt auch zu Nutze machen und ein kleineres Betsizing wählen,
wenn man die eher loosen Tendenzen eines der involvierten Gegner ausnutzen will.

Beispiel:

Hero (100bb effektiv) eröffnet auf 3bb mit AcKc, MP callt, BU callt, BB callt (alle Spieler mit 100bb
effektiv). Der Flop kommt Jd 3c 2s. Der Pot beträgt 12.5bb.

In diesem Spot ist unsere Hand immer noch ein guter Kandidat für eine C-Bet. Gehen wir zunächst
unsere Checkliste durch:

1. Die Board-Textur lässt sich relativ schwer treffen, weshalb wir Fold Equity haben – check.

2. Gegen viele der Hände, mit denen unsere Gegner diesen Flop callen, wie z. B. Jx, kleinere
Paare oder Gutshots haben wir nach wie vor eine vernünftige Equity – check.

3. Wir haben häufig einige direkte Outs und Backdoor Outs mit zwei sehr wahrscheinlich
sauberen Overcards, jede T, Q, 4 oder 5 gibt uns zusätzliche Straight Outs und Karten mit
Kreuz für den Nutflushdraw – check.

Als nächstes betrachten wir die Ranges der involvierten Gegner und können davon ausgehen, dass
der Spieler in MP vermutlich die stärkste Calling-Range aller Beteiligten haben wird, während die
anderen unter Umständen mit spekulativeren Händen in die Hand eingestiegen sind. Wenn wir
gegen drei Gegner eine Bet abfeuern sehen wir sehr stark aus und selbst der Spieler in MP könnte
möglicherweise einige mittelstarke Paare in seinem Spot weglegen, weil er die Action mit zwei
noch folgenden Spielern nicht abschließt. Wenn wir es geschafft haben, ihn zum Fold zu bewegen,
haben wir es „nur“ noch mit den schwächeren Ranges der verbleibenden zwei Spieler zu tun.
Selbst wenn einer dieser Spieler auch nach dem Flop in der Hand bleibt behalten wir nicht nur das
meiste unserer Equity mit den zahlreichen Outs und Backdoor Draws, sondern sind darüber hinaus
in der Lage auf späteren Straßen weiter Druck auszuüben, da wir wissen, dass viele der Hände, mit
denen unsere Gegner in die Hand Preflop eingestiegen sind anfällige Treffer erzeugen (z. B. Jacks
mit schwachen Kickern, kleinere Paare). Auch wenn wir gegen so viele Gegner spielen müssen
lassen sich einige gute Argumente für einen profitablen C-Bet Spot finden. Unsere Sizing-Checkliste
sieht nun so aus:

a) trockene Board-Textur – check.

b) viele grenzwertige Hände im Großteil der Hand-Ranges unserer Gegner – check.

c) gesteigerte Pot-Size zu Stack-Size Ratio (12.5bb to 97bb).


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So wie es aussieht wollen wir hier mit einer kleineren Bet in Höhe der Hälfte des Pots
weitermachen, jedoch im Hinblick auf das, was ich in Bezug auf Multiway-Pot-Tendenzen
beschrieben habe würde ich hier wieder für 2/3 Pot argumentieren, da uns eine Bet in Höhe der
Hälfte des Pots eher Calls von Underpairs (22-TT) oder andere loose Calls einhandeln wird. Die
Größe des Pots ist relativ klein und wir wollen hier auf jeden Fall bedrohlich aussehen, wenn wir in
mehrere Gegner hineinbetten. Aus dem gleichen Grund ist es auch sinnvoll, die Bet-Size zu
reduzieren, wenn wir hier eine Value-Hand halten und die Tendenzen der Gegner ausnutzen
wollen.

1.1.4 3-Bet Pot, Heads-Up

In einem Pot mit einem Re-Raise können wir immer noch mit unserer C-Bet-Checkliste arbeiten,
müssen aber im Hinterkopf behalten, das:

a) die gegnerische Range sich je nach seiner Position drastisch verändern kann (d. h.
spekulative Ranges).

b) die Ratio von Pot- zu Stacksize kleiner ist (d. h., dass wir androhen oder bedroht werden,
früh All-In zu sein).

Der Grund für a) ist, dass die meisten Spieler mit ihren Premiumhänden und ein paar Blocker-Bluffs
dazu tendieren, eine 4-Bet zu spielen. Dies bedeutet, dass die Calling-Range eines Spielers in
Position gegen unsere 3-Bet aus einer mittelstarken Range von Paaren, Suited Connectors und
Broadway-Händen besteht, mit denen der Gegner versucht, unsere stärksten Premium-Hände zu
knacken oder uns in Position auszuspielen. Gegner, deren Position näher zum Button hin liegt,
werden eher einen weiteren Range callen weil sie von uns eine weitere 3-Bet Range erwarten.
Dieser Erfahrungswert ist für mich eine unglaublich wichtige Information, da er meinen Gameplan
in einem 3-Bet Pot sehr beeinflusst. Andere Spieler gehen sogar so weit, nur Pocket Pairs gegen
eine 3-Bet zu callen weil sie hoffen, ein Set zu treffen. Das ist natürlich eine überlebensfähige
Strategie gegen viele unaufmerksame Gegner, kann aber auch leicht gekontert werden, wenn man
solchen Spielern einfach die Action verweigert – also gilt aufmerksam zu verfolgen, was unsere
Gegner in 3-Bet Pots am Showdown zeigen!

Die Auswirkung von b) ist, dass wir im Vergleich zu einem Single-Raised Pot generell mit einer
kleineren C-Bet-Größe sowohl davonkommen können als auch sollten, da durch diese die All-In
Gefahr weit entfernt ist, bis jemand einen Raise spielt. Wenn wir also mit der Sizing Checkliste
arbeiten und feststellen, dass in einem einmal geraisten Pot eine Bet in Höhe von 2/3 Pot
angemessen wäre, sollten jedoch in einem 3-Bet Pot das Betsizing auf ungefähr ½ Pot reduzieren.
In der Regel sollte das für viele Gegner stärker als eine höhere Bet aussehen, es sollte uns Value
von den grenzwertigen Händen unserer Gegner bringen und lässt uns auch die Möglichkeit
mehrere Barrels zu spielen, ohne unseren Stack vor dem River reinstellen zu müssen. Wenn wir mit
einem effektiven Stack von 100 Big Blinds in eine Hand gehen empfehle ich tatsächlich nur sehr
selten von einer höheren Betsize als ½ Pot in einem 3-Bet Pot Gebrauch zu machen, da uns das auf
späteren Straßen in Situationen mit einem ungünstigen Potsize zu Stacksize Ratio bringt und wir
riskieren zu früh „committed“ zu sein. Situationen, in denen man ein kreatives Betsizing einsetzen
kann ergeben sich sicherlich, wenn es gegen Gegner um tiefere effektive Stacks geht oder wir gute
Reads haben.

-12-
Beispiel:

BU (100bb effektiv) eröffnet auf 3bb, Hero (100bb) spielt eine 3-Bet vom SB auf 10bb mit AsKc, BB
legt weg und BU callt. Der Flop kommt Td 8c 6d und die Größe des Pots beträgt 21bb.

Dies ist ein klassischer Spot in dem unser Gegner am Button in der Regel einen Range-Vorteil
haben wird, auch wenn wir wiederum einen Vorteil in Bezug auf die Equity gegenüber seiner
Calling Range Preflop hatten. Hat der Gegner aus noch früherer Position eröffnet wird sein Range-
Vorteil noch größer sein. Das Board wird den callenden Spieler wesentlich häufiger mit vielen
guten Draws, Paaren, Two Pair, Sets und selbst einer Straight treffen. Nur mit Overcards bewaffnet
hier ein C-Bet zu spielen erscheint gemäß unserer Checkliste unprofitabel und ich würde selbst mit
Overpairs sehr vorsichtig sein (vor allem JJ, QQ und alle Kombinationen mit Karo, da diese die
Hände, mit denen der Gegner einen Draw halten würde und gegen die wir gute Equity hätten, z. B.
QJ, J9, Flushdraws usw., blockieren). Ist die Boardtextur hingegen Td 6c 2d und statt dem As halten
wir das Ad können wir an dieser Stelle eine C-Bet in Höhe von ½ Pot spielen. Man sollte immer im
Hinterkopf behalten, dass eine große Bet nicht zu mehr Fold-Equity führt, da viele Spieler es lieben,
ihren Positionsvorteil auszuspielen und so viele Karten wie möglich zu sehen mit all ihren Treffern
und Draws bevor sie überhaupt darüber nachdenken, was wir gegen sie halten könnten.

1.1.5 3-Bet Pots, Multiway

Ein gesqueezter Pot kommt von Zeit zu Zeit vor, wenn der ursprüngliche Raiser sich dazu
entscheidet, unsere 3-Bet zu callen. In diesem Fall erhält der zweite Caller und alle anderen nach
ihm sehr attraktive Odds um mit spekulativen Händen zu callen, wie z. B. mit Paaren oder suited
Händen, während die relative bzw. unter Umständen auch absolute Position auf uns in manchen
Fällen gewahrt wird. Gesqueezte Pots werden größer sein als die gewöhnlichen 3-Bet Pots, so dass
man mit einem 100 Big Blind Stack das Geld schneller und früher in die Mitte bringen kann. Auf
der anderen Seite erlaubt dies auch wiederum mit kleineren Bets bedrohlich gegen mehrere
Spieler auszusehen. Ich würde meine C-Bet abhängig von unserer Checkliste hier in Höhe eines
halben Pots oder sogar noch kleiner spielen. Auch hier gilt die Regel, dass man mit einer C-Bet in
einer Multiway-Situation stärker aussieht und man überrascht sein wird, wie viele marginale
Hände wie Paare oder andere Hände, mit denen die Gegner in einer Heads-Up Situation floaten
würden, hier aufgegeben werden – einfach aus der Angst heraus, sich einem starken Multiway-
Range entgegen stellen zu müssen und noch weitere Action nach sich zu erwarten.
Beispiel:

CO (100bb effektiv) eröffnet mit 3bb, BU callt 3bb, SB foldet, Hero re-raised auf 13bb im BB mit Ad
Kh. Beide Gegner callen und der Flop kommt 2d 3c 7h. Potgröße ist 39,5bb.

Indem der Spieler am CO unseren 3-Bet Squeeze nur callt signalisiert er, dass er wahrscheinlich
nicht sehr häufig eine Premium Hand hält, es sei denn, er will uns eine Falle stellen. Ich würde in
diesem Spot keine Angst vor einer solchen Falle haben, da der Gegner sich bewusst sein muss, dass
er dem Spieler am BU einen sehr guten Preis gibt um in der Hand zu bleiben und ihm damit die
Möglichkeit eröffnet, die Premium Hand zu knacken. Darüber hinaus befindet er sich in einer
Sandwich-Position und er muss so gegen insgesamt vier unbekannte Karten antreten. Wie bereits
früher angemerkt besteht der BU-Range sehr wahrscheinlich aus vielen spekulativen Händen aus
vergleichbaren Gründen, nachdem er den ursprünglichen Raise und den Re-Raise in Position
gecallt hat.

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Dies ist ein klassisches Beispiel dafür, dass Spieler einen sogenannten „Capped“ Range halten: Man
kann davon ausgehen, dass die Premium Hände wahrscheinlich nicht dabei sind, da sie Preflop
anders gespielt werden. Diese Annahme im speziellen hilft uns als Aggressor, da wir auf
verschiedenen Board-Texturen ohne Angst vor bestimmten starken Kombinationen spielen können,
während wir selbst in der Lage sind, diese starken Kombinationen zu repräsentieren! Gegen
„Capped“ Ranges wird es generell attraktiver, Druck in den richtigen Spots auszuüben. Die im
Beispiel genannte Board-Textur versorgt uns selbst Multiway mit einer großartigen Möglichkeit
dazu. Die Checkliste stimmt in allen Aspekten zu, weshalb ich hier nur darüber nachdenken muss,
in welcher Höhe ich meine Bet spiele. Angenommen, dass der Pot bereits auf um die 40bb
aufgebläht ist und wir ungefähr das Doppelte dieses Betrags in unserem Stack übrig haben ziehe
ich eine kleine Bet in Höhe von 1/3 Pot vor, auf keinen Fall jedoch mehr als Hälfte Pot. Dies sieht
gegen zwei Spieler sehr bedrohlich aus und lässt uns die Option offen, auf dem Turn falls nötig
noch einmal klein ODER groß zu betten. Falls wir eine zu große Bet spielen würden geben wir
unseren Gegnern eigentlich nur die Möglichkeit, mit stärkeren Händen weiterzuspielen, weshalb
wir auf Turn oder River wahrscheinlich keine Fold Equity mehr haben.

1.1.6 4-Bet Pots

Heutzutage zeichnet sich ein immer deutlicherer Trend dazu ab, eine 4-Bet sowohl in Position als
auch Out of Position zu callen. Dies liegt daran, dass im Laufe der Jahre von den Spielern allmählich
4-Bet bluffs mit kleineren Betsizes nahe am Minimum der ursprünglichen 3-Bet Höhe zu ihren
Ranges hinzugefügt wurden und sie ein All-In nur mit ihren Premium-Händen callen würden. Gute
Odds, der Range-Vorteil und das Bedenken, einen Gegner Preflop All-In zu bekommen lassen es
attraktiv erscheinen, eine 4-Bet vor allem in Position zu callen. Selbst ein suited Ass, einige suited
Broadways und viele Pocket-Paare haben ausreichend Equity gegen eine typische 4-Bet Range, die
ausreichend Bluffs enthält, dass ein Call zu einer sinnvollen Option wird.

Dies bedeutet, dass wir darauf vorbereitet sein müssen, einen 4-Bet Pot häufiger Out of Position zu
spielen, herauszufinden, gegen welchen Range wir spielen und dann ein optimales Betsizing zu
wählen. Wie bereits zuvor erwähnt nehme ich an, dass viele 4-Bets mit Händen gecallt werden, die
die Gegner Preflop als eine Value 3-Bet einschätzen, aber nicht All-In gehen wollen, d. h. wir
werden uns hier häufig mittleren Paaren, suited Broadways oder stärkeren Assen und der
gelegentlichen Falle mit QQ+ oder AK gegenübersehen. Das bedeutet, dass Flops mit einem Ass
oder König zusammen mit niedrigeren Karten vernünftige Gelegenheiten für eine C-Bet bieten. In
einem 4-Bet Pot können wir alle richtig starken Hände sehr gut repräsentieren und sehr viel Druck
ausüben, während der Range unserer Gegner sehr wahrscheinlich „capped“ ist (siehe oben).

Angenommen wir halten einen Stack von effektiv 100 Big Blinds und eine 4-Betsize Preflop von
nicht mehr als dem Minimum wird der Postflop-Potsize bereits so groß sein, dass ein All-In auf dem
Turn möglich ist. Daher haben wir die Möglichkeit entweder:

a) ca. halben Pot oder mehr auf dem Flop zu betten und den Turn All-In zu stellen

b) ca. ¼ oder 1/3 Pot auf Flop und Turn zu betten und eine abschließende Bet für den River
zu ermöglichen

Option a) hat den Nachteil, dass die Range des Gegners, mit der er weiterspielt, stärker sein muss
(zur Erinnerung: Die Leute wollen mindestens eine weitere Karte sehen!), was wiederum
wahrscheinlicher macht, dass wir mit „Made Hands“ auf dem Turn gecallt werden, wenn wir uns
-14-
für einen Bluff entscheiden, weil er bereits so viel von seinem effektiven Stack investiert hat.
Option b) könnte uns dabei helfen, gegen solidere Spieler effektiver zu bluffen oder mehr Action zu
bekommen, wenn wir gegen einen wilden oder trickreichen Spieler spielen. Wir haben nach wie
vor die Option, den Turn All-In zu stellen oder eine weitere kleine Bet abzufeuern abhängig von der
Karte auf dem Turn und vom Gegner, da der Pot bereits groß genug sein wird nach einer kleineren
C-Bet auf dem Flop, wenn wir mit 100 Big Blinds effektiv begonnen haben.

Beispiel:

Hero (100bb effektiv) eröffnet As2s am CO auf 3bb, BU spielt eine 3-Bet auf 9bb, BB foldet, Hero
erhöht auf 20bb und der BU callt. Der Flop kommt 3c 5d Ks und die Größe des Pots beträgt 33bb.

In diesem Spot können wir wieder durch unsere Checkliste gehen und finden heraus, dass wir
sowohl einen Range-Vorteil als auch angemessene Equity gegen die Calling Range unseres Gegners
von Kx oder mittleren Paaren haben, da wir einen Gutshot, eine Overcard und einen Backdoor
Flushdraw halten. Eine kleine C-Bet von 11-13bb sollte sich hier aus folgendem Grund als attraktiv
herausstellen: Unser Gegner hat unsere kleine 4-Bet in Position gecallt, was seine Range auf Paare
und mittelstarke Broadway-Kombinationen wie AQ, AJ, KQ oder KJ, sowie ein paar Suited
Connectors beschränkt, die er in Position mit angemessenen Pot Odds ausnutzen will. Stärkere
Hände wie KK+ oder AK würden uns häufiger Preflop re-raisen.

Das bedeutet, dass unser Gegner nur selten eine starke Kx-Hand halten wird, die er gegen
Aggression auf mehreren Straßen verteidigen kann. Klein gegen einen solchen Range zu betten
erlaubt es uns den Versuch, mit einem billigen Bluff gegen Hände, die sowieso folden würden
davonzukommen, Geld gegen bessere Hände zu sparen und immer noch Raum für eine weitere
bedrohliche Bet zu haben. Alle marginalen Hände wie mittlere Paare die er auf dem Flop callen
könnte um zu sehen, ob wir mit unserer Aggression fortfahren, wird er vermutlich nicht weiter als
zum Turn spielen, vorausgesetzt wir wirken hochgradig committed und repräsentieren die
stärksten Hände als Aggressor in einem solchen Spot.

1.1.7 Check/Call Flop

Trotzdem man den Pot Preflop eröffnet hat gibt es Situationen, in denen man bestimmte Hände
nur checkt, weil der Flop komplett unnütz ist oder es zu riskant ist, gegen die gegnerische Range zu
betten, wenn bestimmte Texturen vorliegen. Abhängig von der Situation kann ein Check mit dem
Plan zu callen, zu raisen oder zu folden gegen eine Bet der Gegner letztendlich einen höheren EV
haben als selbst eine Bet zu spielen.

Exkursion zu EV: Man sollte im Hinterkopf behalten, dass ein Fold immer einen EV von 0 hat,
während jede andere Option sowohl negativen als auch positiven EV haben kann, weshalb sie
entweder besser oder schlechter als ein Fold sein können – es ist eigentlich überflüssig zu
erwähnen, dass viele Leute immer noch glauben, aufzugeben wäre ein „Zeichen von Schwäche“
oder dass man kein Geld machen kann, wenn man eine Hand aufgibt. Ganz genau das Gegenteil ist
jedoch der Fall im Hinblick auf die langfristige Gewinnrate!

Um zu verstehen, wann es Sinn macht, als Aggressor seine Hand zu checken, folgt eine Auflistung
von typischen Umständen zusammen mit den Vorteilen und Nachteilen dieses passiven Ansatzes:

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1. Die eigene Hand crusht die gefloppte Boardtextur (z. B. QQ mit Q22, AT mit TT4 oder AK
mit K66). Während wir bereits mit einem getroffenen Top Pair einen „blocking“ Effekt
gegen die potentiellen Hände unseres Gegners haben ist es mit getroffenen Sets oder Trips
eben noch mehr der Fall, vor allem natürlich mit Top Set/Trips. Bottom Set/Trips lässt
natürlich regelmäßig die höheren Karten für unseren Gegner offen, was uns andererseits
natürlich die Action verspricht, die wir mit einer solch starken Hand haben wollen, weshalb
wir niedrigere Sets/Trips gleich vom Flop weg schnell spielen wollen.

2. Die eigene Hand profitiert von Pot-Kontrolle (z. B. AA mit Th 9d 8c, QQ mit Kd 4s 3h, JJ
mit Qc 8d 9h). Einige eher anfällige Hände wie mittlere Paare oder auch Top Pair lassen sich
manchmal besser mit einer den Pot kontrollierenden Strategie spielen um sicherzustellen,
dass weniger Geld auf potentiell weniger Straßen den Pot aufbläht. Einen Gegner daran zu
hindern, ein Raise auf dem Flop zu spielen kann hier der Schlüssel sein und lässt ihm
gleichzeitig eine wesentlich weitere Range an Händen, selbst wenn er selbst anfängt zu
betten. Der Grund dafür ist, dass sobald wir checken viele Spieler davon ausgehen, dass wir
häufig unsere Hand aufgeben wollen und dann selbst eine Bet mit Händen spielen, mit
denen sie eine C-Bet nicht gecallt hätten. Mit einem Check schlagen wir also zwei Fliegen
mit einer Klappe indem wir zusätzlichen Value von Händen bekommen, von denen wir
normalerweise nichts bekommen würden und darüber hinaus schützen wir unsere Hand
gegen einen Raise oder Betsizes, die unseren kompletten Stack bedrohen würden.

3. Der Gegner ist sehr clever oder übermäßig aggressiv (z. B. 55 mit Qh 9h 5d). Manchmal
kann es sich auszahlen, mit mittelstarken oder auch sehr starken Händen auf dem Flop als
Aggressor zu checken mit dem Plan den Pot zu kontrollieren, zu slowplayen oder einen
Vorteil aus der aggressiven Natur von einigen sturen Gegnern zu ziehen während sich
stärkere Gegner auf diese Weise verwirren lassen. Eine starke Hand auf bestimmten Flop-
Texturen zu checken, auf denen diese Gegner eigentlich eine Bet erwarten könnte ihnen
den Eindruck vermitteln, dass unsere Range letztendlich „capped“ ist und keine solchen
Hände beinhaltet. Auf diesem Weg lassen sich potentielle Fehler, die unsere Gegner auf
Grund der Fehleinschätzung der Situation machen, sowohl hervorrufen als auch ausnutzen.

Hier ist allerdings auch Vorsicht geboten, denn manchmal kann ein Check bei der falschen
Gelegenheit auf Dauer mehr Geld kosten, da man es immer riskiert, den Gegnern freie Karten zu
geben (vor allem Multiway, wenn viele Spieler eher damit zögern, in eine größere Gruppe Gegner
zu betten) und ihnen damit die Chance geben, eine bessere Hand zu machen. Vor allem in den
oben genannten Situationen kann der Check einer mittelstarken oder starken Hand, mit denen
man zum Showdown kommen will, zu Fehlern auf einer der späteren Straßen führen. Man könnte
dazu gezwungen sein, schwierige Calldowns oder einen inkorrekten Fold zu spielen, wenn die
Board-Textur nicht zu unseren Gunsten verläuft. Der Gegner könnte plötzlich eine stärkere Hand
halten, die er eigentlich gegen Aggression auf dem Flop aufgegeben hätte oder aber er findet eine
gute Gelegenheit, gegen uns zu bluffen.

Ein weiterer Rat, den man im Hinterkopf behalten sollte, ist, bestimmte Kandidaten für einen
Check statt für eine Bet auszuwählen, indem man potentielle Kombos in der gegnerischen Range
bestimmt, von denen man auf der gegebenen Board-Textur zusätzlichen Value erhalten kann. Wie
bereits erwähnt können niedrige oder mittlere Sets/Trips sehr gute Kandidaten dafür sein, Value
durch eine Bet zu extrahieren, besonders auf Draw-lastigen Texturen. Dasselbe gilt für Top Pair mit
hohem Kicker oder Two Pair, da Gegner mit Top Pair und niedrigem Kicker irgendwann aufhören zu
betten, wenn wir vorher gecheckt haben. Wenn wir eine Straße oder einen Flush halten scheint es
-16-
häufig auch eine bessere Idee zu sein, weiter zu feuern, da mittelstarke Hände unter Umständen
Angst bekommen, selbst zu betten und man potentielle Draws oder Bluff-Kombos blockiert, die die
Gegner betten würden, wenn man selbst checkt. Wähle also am besten Kandidaten, die als wahre
Bluffcatcher wegen ihrer niedrigen Kicker und ihrer Block-Effekte fungieren.

Beispiel:

Hero (100bb effektiv) eröffnet auf 3bb mit As5s auf dem CO, BU callt und alle anderen Spieler
folden. Der Flop kommt Ad 4c 6s und der Pot beträgt 7,5bb.

In diesem Spot wird die Calling Range des BU höchstwahrscheinlich sehr weit sein, da der Hero
sehr spät vom CO eröffnet hat. Der Gegner wird mit vielen verpassten Broadways, Suited
Connectors, schwachen Paaren oder ein paar schwächeren Straightdraws (von denen wir einige
mit unserer 5 blockieren) hinter unserer Hand zurückbleiben. Man wird hier nicht in der Lage sein,
auf mehreren Straßen Value zu bekommen ohne das Risiko einzugehen, den Pot gegen seine
besseren oder sich verbessernden Hände aufzublähen und später einen großen Pot zu verlieren.
Die beste Bet an dieser Stelle ist vielmehr ein Check um die Größe des Pots zu kontrollieren und
dem Gegner die Möglichkeit zu geben, unsere Hand als Aufgabe falsch zu interpretieren. Geben wir
also hier unserem Gegner die Chance, seine verpassten Hände als Bluff zu spielen und uns selbst
die Möglichkeit, unsere Hand optimalerweise auf zwei Straßen als Bluffcatcher zu spielen. Falls der
Gegner auf drei Straßen feuert sollten wir uns überlegen die Hand aufzugeben, falls wir keine
spezifischen Reads oder eine entsprechende Historie mit diesem Gegner haben. Da wir auch
Spades und einen Backdoor-Straightdraw halten, hilft uns die Pot-Kontrolle dabei, gegen die
besseren Hände in der Range des Gegners auf dem River überraschend unsere Hand zu treffen,
falls alles andere schiefläuft.

In diesem Spot eignen sich Pocket Asse oder einige paar Two Pair-Kombinationen wie A4s/A6s als
Kandidaten für einen Check aus ähnlichen Gründen. Aufgrund unserer starken Block-Effekte ist es
sehr wahrscheinlich, dass unser Gegner den Flop komplett verpasst und falls er ein kompetenter
Gegner ist, der sich für einen Multistreet-Bluff entscheidet, weil unser Range wegen des Checks für
ihn „capped“ erscheint, halten wir ein paar extrastarke Hände als Überraschung parat.
Auf der anderen Seite würde ich es vorziehen, alle kleineren Sets und starke Top Pair-Hände hier
selbst zu betten, so dass ich bis zu drei Straßen Value extrahieren kann, da ein Check das Risiko mit
sich bringt, dass der Gegner die Gelegenheit bekommt, zurück zu checken und seine schwächeren
Ax mit Pot-Kontrolle zu spielen.

1.1.8 Check/Raise Flop

Den Flop als Preflop Aggressor zu checken ist schon etwas, was viele Spieler nicht erwarten; zu
checken, um eine Bet des Gegners zu raisen ist noch ungewöhnlicher und trickreich. Um ganz
ehrlich zu sein befindet sich diese Spielweise nicht unbedingt in meinem Arsenal an Strategien, um
die Microstakes zu schlagen und wird von mir dementsprechend selten eingesetzt, selbst wenn
sich einige Spots dafür anbieten würden. Das Verhältnis von Risiko zu Belohnung im Vergleich zu
einer simplen C-Bet ist vor allem dann sehr hoch, wenn man einen Check/Raise als Bluff oder
Semi-Bluff spielt, weshalb ich eine solche Aktion nur starten würde, wenn ich spezifische Reads auf
den Gegner habe.

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Ein Hauptgrund für mich, als der Aggressor am Flop Check/Raise zu spielen, ist wenn mein Gegner
sehr wahrscheinlich bis zu 100% seiner Range bettet, wenn zu ihm gecheckt wird und/oder häufig
meine C-Bet floaten würde, jedoch davon Abstand nimmt weiterzuspielen, wenn der Pot größer
wird. Falls jemand glaubt, dass er jedes Mal den Pot mitnehmen kann indem er eine Bet spielt,
ergibt sich für uns eine hervorragende Möglichkeit, zusätzliche Chips mitzunehmen. Man kann
immensen Value zu seinen starken Händen hinzufügen, indem man frühzeitig einen großen Pot
aufbaut oder noch wichtiger zusätzliche Fold Equity zu einigen der schwächsten Bluffs. Ein großer
Teil der Betting Range des Gegners behinhaltet nun schwache Hände oder komplette Bluffs, die
Druck in großen Pots nicht standhalten können.

Ein Vorteil dieser Technik gegenüber C-Betting ist, dass man häufig nicht von einem glücklichen
Treffer auf einer der späteren Straßen abhängig ist, wenn man den Gegner aus der Hand barreln
will. Ein Nachteil wiederum ist, dass man das Risiko eingeht, den Pot aufzublähen, während die
Flop Equities nach wie vor nahe beieinanderliegen. Deshalb sollte man sich im Klaren darüber sein,
dass Texturen, die „draw“-lastig sind, nicht zu dieser Spielweise passen, da der Gegner profitabel
weiterspielen kann, wenn er einen Draw hält. Dies ist ebenfalls sehr relevant für die starken Value-
Hände, wenn man sich für einen Check/Raise entscheidet, da je mehr für unsere Hand bedrohliche
Karten am Turn oder River kommen können, je anfälliger ist man, Out of Position in einem
aufgeblähten Pot einen Fehler zu begehen. Man macht es teurer für den Gegner, weiterzuspielen
oder mit einem Draw zu bezahlen, während es auf der anderen Seite dazu führt, dass seine
Entscheidungen leichter werden, da er genau weiß, was er benötigt, um die Hand zu gewinnen,
während man selbst im Dunkeln tappt.

Gegen einen guten Gegner sollte man zuletzt auf folgende Dinge achten:

a) Kandidaten auswählen mit zumindest ein wenig Equity gegen die potentielle Continuing-
Range des Gegners. Ein kleiner Rettungsschirm kann hier sogar immensen zusätzlichen
Value generieren, wenn der ursprüngliche Plan, den Gegner zum Fold zu bewegen,
fehlschlägt!

b) Sich der Positionen und Ranges bewusst zu sein um sowohl Fold Equity als auch Value
besser einschätzen zu können. Als Raiser in früher Position repräsentiert man eher eine
starke Value-Hand während man in Kämpfen in später Position, in denen die Ranges größer
sind, eher verdächtig aussieht.

Beispiel:

Hero eröffnet auf 3bb von MP mit KdJd, CO foldet, BU callt und die Blinds folden. Der Flop kommt
2d 3c 9h und es sind 7.5bb im Pot. Hero checkt, der Gegner bettet 5bb und Hero check/raist auf
16bb.

Auf diesem Board beinhaltet die typische Calling Range des Spielers am Button viele schwache
Paare, nicht sehr viele Draws und viele Overcards oder Ax. Eine einfache C-Bet wird auf dieser
relativ trockenen Textur häufig gefloatet und macht unsere weiteren Handlungen abhängig von
den nächsten Karten. Sobald wir jedoch stattdessen checken könnte der Gegner sich dazu
entscheiden viele oder sogar alle der oben genannten Hände zu betten und damit den Pot von
unseren verpassten Overcards zu klauen. Unser Check/Raise sollte als Raiser aus früher Position
auf einem trockenen Board sehr glaubwürdig sein, da wir jedes Overpair, starke Tx-Kombinationen
und ein paar Sets repräsentieren können. Selbst wenn wir hier von allem Möglichen (außer seinen
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stärksten Händen) gecalled werden behalten wir mit unseren zwei Overcards und den Backdoor
Flush- und Straight-Draws ausreichend Equity oder Möglichkeiten zum Barreln.

1.1.9 Auf dem Flop geraist werden

Sich nach einer C-Bet einem Raise auf dem Flop Out of Position gegenüberzusehen versetzt uns an
den Anfang eines mühseligen Kampfs, der schwer zu gewinnen ist, wenn unser Gegner versiert
oder sehr aggressiv ist. In einem einfach geraisten Pot kann ein Spieler seine Strategie so
ausrichten, dass er über alle drei Straßen die kompletten 100 Big Blinds in die Mitte bekommt,
indem er raist, weshalb wir uns darüber im Klaren sein müssen wie der Range des Gegners
aussieht, wie gefährlich das Board für unsere Made Hands werden kann und wie gut die Pot Odds,
Implied Odds und Reverse Implied Odds für unsere Draws sind, wenn wir uns auf diesen Kampf
einlassen. In einem Pot mit einer 3-Bet oder 4-Bet signalisiert ein Raise ein hohes Maß an
Verbindlichkeit unseres Gegners zu seiner Hand, da er mehr als ein Drittel seines Stacks riskieren
muss, um ein Raise in einem aufgeblähten Pot zu spielen. Einfach gesagt ermöglicht eine solche
Spielweise ihm Pot Odds von 2:1, was selbst den Call eines All-ins von uns mit angemessenen
Draws von 33% Equity (~8+ Outs) profitabel möglich macht. Behalten wir also im Hinterkopf, dass
die Gegner hier nicht raisen werden, um dann zu folden.

Die Hände, mit denen wir in Gefahr geraten, sie falsch auf späteren Straßen gegen einen Raise und
darüber hinaus zu spielen, sind unsere mittelstarken Hände wie Second Pair, Top Pair oder
Overpairs.

In Heads-Up-Situationen tendiere ich dazu, mit diesen Händen häufig trotzdem gegen unbekannte
oder speziell schwächere Gegner einen Raise zu callen, da selbst der durchschnittliche
Microstakes-Spieler normalerweise dazu in der Lage ist, nicht nur mit seinen starken Made Hands
zu raisen. Selbst auf den niedrigsten Stakes sieht man in Flop-Raise oder Check/Raise-Szenarien
mittlerweile Betting Lines wie eine C-Bet mit mittelstarken Händen um „zu sehen wo man steht“,
ein Semi-Bluff Raise mit Händen mit angemessener Equity wie z. B. Flushdraws, Straightdraws oder
Kombo-Draws oder sogar Bluffs mit kompletter Luft. Die Spieler heutzutage wissen um die Macht
einer C-Bet und versuchen dies mit einem Float oder einem Raise zu kontern, was wiederum ein
korrektes Spiel am Flop so wichtig für unsere Value-Hände macht. Auf der anderen Seite lässt es
aber auch als sinnvoll erscheinen, von Zeit zu Zeit unsere C-Bet verzögert zu spielen (siehe Kapitel
1.3.3). Wenn ich mich mit einer anfälligen Made Hand oder aber auch meinen stärksten Monstern
einem Raise entgegensehe, tendiere ich dazu, mir zunächst die Turn-Karte anzusehen und eine
mögliche Verlagerung der Equity neu einzuschätzen, bevor ich weitere Entscheidungen im Hinblick
auf potentielle Potsize oder den Versuch, die Hand zum Showdown zu bringen, treffe. Es ist
wichtig, die Range des Gegners auf der gegebenen Flop-Textur im Hinblick auf die naheliegenden
Draws zu prüfen um dann zu sehen, ob diese Draws den Turn treffen, bevor man weiterspielt. Ein
weiteres Re-Raise könnte unseren Stack mit einer ordentlichen Made Hand gegen einen Range von
Händen, die uns entweder crushen oder ungefähr die gleiche Equity haben (z. B. Kombo-Draws), in
Gefahr bringen.

Daraus folgt, dass eine 3-Bet am Flop gegen ein Raise ein ausnutzendes Werkzeug sowohl als Bluff
als auch für Value um den Pot mitzunehmen sein wird, wenn ich zu viele Bluffs in der Range
meines Gegners vermute oder wenn ich annehme, dass er sich mit seinen schwächeren Händen
dazu provoziert fühlt, den Pot weiter aufzublähen. Es ist schwer, auf diese Weise nicht sehr stark
auszusehen und schwächere Hände zum Aufgeben zu bringen oder sie rauszubluffen. Ich rate dazu,
hier die Positions-Dynamiken im Hinterkopf zu behalten, da Raises oder Check/Raises gegen
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unsere weiten Ranges (z. B. wenn wir am Button eröffnen und viele verschiedene Flop-Texturen als
Bluff c-betten) häufiger von guten Gegnern attackiert werden, während Raises gegen unsere
stärkeren Ranges eher vollständig auf Value ausgelegt sind oder als Semibluff mit viel Equity gegen
uns.

Beispiel 1:

Alle folden zum Hero am BU, der mit JsTs auf 2.5bb eröffnet, SB foldet und BB callt. Der Pot beträgt
5.5bb und der Flop kommt Jc 8d 6d. BB checkt, Hero bettet 4bb, BB raist auf 12bb und Hero callt.

Die Flop-Textur erlaubt dem BB einige gute, mittelstarke und auch schwache Draws oder
mittelstarke Made Hands wie kleine Paare zu halten. Der Hero hält eine schwache und anfällige
Hand, da ihn viele Turn-Karten nicht verbessern werden und im Gegenzug die Check/Raising Range
seines Gegners verbessern könnten (z. B. jedes Karo, Overcards oder Karten, die eine Straight
ermöglichen). Dennoch halten wir hier noch häufig die beste Hand, zumindest im Vergleich zu
Situationen, in denen wir aus früher Position eröffnet hätten. Unser Gegner könnte uns hier mit
einem schwächeren Semibluff oder einer Made Hand häufiger attackieren, weil:

a) seine Verteidigungs-Range gegen unsere Eröffnung von später Position wesentlich weiter
sein kann als seine Verteidigungs-Range gegen Eröffnungen von früher Position

b) er eine größere Erfolgsquote sieht im Versuch, uns mit unserer Hand aus einer weiten
Button Eröffnungs-Range zum Fold zu bringen als es gegen unsere stärkere Range aus
früher Position der Fall wäre

Hinsichtlich einer 3-Bet am Flop überdenken wir die gleiche Situation, in der der Hero jedoch QQ+
oder AJ hält. Wenn wir das Raise des Gegners mit einem weiteren Raise beantworten und direkt
am Flop unseren kompletten Stack riskieren, zwingen wir unseren Gegner dazu, nur noch eine
stärkere Range wie z. B. Sets, Two Pair oder starke Kombo-Draws wie Td9d, 9d7d und 7d5d
weiterzuspielen, gegen die wir im Hinblick auf die Equity maximal einen Coinflip hätten.

In anderen, sehr spezifischen Spots kann ein sofortiger Fold auf dem Flop während wir eventuell
sogar die immer noch die beste Hand halten die (ausnutzbare) optimale Spielweise sein, da zu
viele Turn- oder River-Karten uns dazu bringen können, große Fehler bei dem Versuch, einen
großen Pot mitzunehmen, zu machen. Unsere Gegner haben mehr Chancen als wir, ihre Hände
korrekt zu spielen, indem sie eine Value-Bet abgeben, wenn sich ihre Hand verbessert, ohne dass
wir das mitbekommen. Gleichermaßen können sie uns aus der Hand bluffen, wenn eine Karte
kommt, die schlecht für unseren Range ist oder indem sie sich einfach eine frei Turnkarte ansehen
können. Hier handelt es sich um ein für viele Spieler nur schwer umzusetzendes Konzept, da sie
sich dazu gezwungen fühlen, mit der vermutlich besten Hand ihre Equity „verteidigen“ zu müssen.

Behalten wir also immer im Hinterkopf, dass Poker ein Spiel über drei Straßen ist, bei dem sich die
Equity problemlos von 0 auf 100 und wieder zurück verändern kann. Man muss durch all diese
Straßen hindurchmanövrieren, weshalb die Vermeidung kostspieliger Fehler, wie auf späteren
Straßen mit anfälligen Händen fehlerhaft zu callen oder aufzugeben, tatsächlich +EV sein kann.
Dies gilt vor allem in Multiway-Pots, weil die Action, der wir uns hier entgegensehen, nach unserer
C-Bet wesentlich weniger (Semi-)Bluff-lastig im Vergleich zu Heads-Up-Situationen sein wird.

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Beispiel 2:

Hero eröffnet von UTG mit QdQc, alle folden hin zum BU, der callt, SB foldet und BB callt. Die
Potsize beträgt 9.5bb und der Flop kommt Js Ts 7d. Hero bettet 7bb, BU raist auf 20bb weshalb BB
und Hero folden.

Obwohl wir bessere Odds als 3:1 (d. h. wir brauchen nur 25% Equity oder mehr um
weiterzuspielen) und rund 30% erwartete Equity gegen einen tighten Range von Sets, Two Pair,
Straights und einige Draws halten müssen wir berücksichtigen, dass wir uns einem starken
Multiway-Raise entgegensehen, der unseren ebenfalls sehr starken UTG-Range attackiert und den
Pot derart aufbläht, dass der Gegner am Turn Pot-committed ist. Jedes Pik, jede Overcards, jede 8
oder 9 auf einer der nächsten Straßen wird extrem schwer korrekt zu spielen sein, wenn der Hero
eine weitere Bet bekommt, während nur die kleinen offsuited Karten gut für ihn sind.

1.2 Out of Position ohne Initiative

Es gibt drei wichtige Situationen, in denen man sich Out of Position ohne Initiative wiederfindet:
indem man passiv die Blinds verteidigt, einen Raise in MP oder am CO callt mit Spielern in späteren
Positionen, die callen oder indem man eine 3-Bet oder 4-Bet Out of Position callt. Wir sehen uns
nun schnell diese Spots an indem wir unsere Optionen abwägen.

Theoretisch kann man sich auch in einer solchen Situation wiederfinden, indem man limpt und
einen Raise UTG, in MP oder am CO callt, aber das ist nicht Teil unserer generellen Preflop-
Strategie, die wir im „Red Guide“ behandelt haben. Diese Spielweise wäre eine spezifische
Anpassung an bestimmte Gegner - wir würden hier einen separaten Gameplan benötigen.

1.2.1 Verteidigung von Single-Raised Heads-Up Pots

Meine Aktionen am Flop in einem Verteidigungs-Spot in den Blinds gegen einen einzelnen Raiser
hängen stark von den folgenden zwei Dingen ab:

a) die Position des Raisers und seine vermeintliche Hand-Range

b) die Board-Textur und meine vermeintliche Verteidigungs-Range

Wenn ich also gegen eine Eröffnung aus früher Position verteidige muss ich eine stärkere Range
annehmen, die Board-Texturen mit hohen Karten häufiger, Board-Texturen mit niedrigen Karten
weniger häufig trifft, aber generell trotzdem in der Lage ist viele verschiedene Texturen
abzudecken und weiterzuspielen. Dies macht meine generelle Strategie etwas mehr passiv mit der
Intention, mich zu verbessern oder zum Showdown zu kommen, indem ich mit meinen Draws,
mittelstarken Händen oder auch stärkeren Top Pairs calle statt zu check/raisen oder zu betten. Die
letzten beiden Optionen bekommen häufiger Calls von der vermeintlichen stärkeren Range des
Gegners und stärken diese Range sogar noch weiter, was dazu führen kann, dass meine Equity auf
der nächsten Straße stark sinkt. Ich würde trotzdem versuchen, Board-Texturen mit Draws oder
Bluffs zu attackieren, die den Range meines Gegners nicht allzu häufig treffen sollten, meinen
Range hingegen glaubwürdig treffen können.

-21-
Beispiel 1:

UTG eröffnet auf 3bb, alle folden hin zum Hero im BB, der mit JsTs callt. Der Pot beträgt 6.5bb und
der Flop kommt Kd Qd 4c. Hero checkt und UTG bettet 4bb, Hero callt.

Ich checke wegen a) Ich muss annehmen, dass mein Gegner diese Textur häufig mit einigen starken
Broadway-Händen, die Top Pairs ergeben, Second Paird, Two Pair, Sets und einigen Flush- und
Straightdraws trifft. Gegen diesen Range führt ein Check/Raise oder eine führende Bet sehr
wahrscheinlich zu einem Call, was den Pot aufbläht und dazu führen kann, dass wir auf einer
späteren Straße mit Ad oder 9d, die zwar unsere Hand treffen, aber auch die unseres Gegners
verbessern können, potentiell Fehler machen. Auf der anderen Seite, wie in b) beschrieben, kann
ich nur sehr schwer starke Hände repräsentieren, ausgenommen vielleicht 44 oder KQ.

Beispiel 2:

Alle folden zum BU, der auf 2.5bb eröffnet, SB foldet und Hero callt im BB mit Tc8c. Der Pot beträgt
5.5bb und der Flop kommt 9c 6s 5h. Hero a) führt für 4bb oder b) check/raised die 4bb Bet des
Gegners auf 13bb.

In diesem Spot macht die Board-Textur viele starke Hände möglich, die sich sehr wahrscheinlich in
meiner Verteidigungs-Range befinden, wenn ich eine typisch loose Eröffnung vom Button calle. Mit
einer aggressiven Spielweise wie einer Donkbet oder einem Check/Raise repräsentiere ich viele
dieser Hände wie 9x, 87, 65, alle Sets, einige starke Flush-Draws mit Extra-Outs (z. B.
Gutshots/Overcards) und selbst ein paar schwache suited Hände wie 96s oder 95s, die ein
vertretbarer Call für den kleinen Preis und den garantierten Abschluss der Action Heads-Up sein
können. Um fair zu sein: Natürlich können alle diese Hände auch in der Range meines Gegners
sein, aber angesichts seiner Eröffnung vom Button und einer C-Bet gegen eine passive Verteidigung
vom BB könnte er auch einfach nur Overcards oder schwächere Hände zum Schutz betten, die
dann aber Aggression auf späteren Straßen nicht standhalten können.

Das Gute im Hinblick auf meinen Kandidaten für diese aggressive Spielweise ist, dass ich selbst
auch Outs in Form eines Gutshots, eines Backdoor Flush-Draws und einer potentiellen Overcard
halte. Meine Hand ist ebenfalls nicht gut genug um eine Bet von meinem Gegner zu callen, da ich
nicht weiß, ob die Odds gegen seine Hand ausreichend sind, um weiterzuspielen und ohne
Initiative und Position den Pot auf einer späteren Straße zu gewinnen. Stattdessen kann ich viel
besser in diesem Spot die Kontrolle übernehmen und Druck ausüben, da ich weiß, dass ich gegen
einen weiten Range spiele. Gegen eine Eröffnung des Gegners von UTG ist eine solche Spielweise
natürlich wesentlich weniger attraktiv!

1.2.2 Verteidigen von Single-Raised Multiway Pots

Wir unterscheiden zwischen zwei verschiedenen Szenarios, die nach einem Call auftreten können
und zwar zum einen, wenn wir relative Position haben und zum anderen, wenn wir sie nicht
haben. Der erste Fall tritt meist auf, wenn wir am Big Blind sitzen, der zweite Fall am Small Blind.
Wenn wir jedoch einen Raise am SB callen und der BB foldet, haben wir ebenfalls relative Position.

-22-
Exkursion zu relativer Position: Der Ausdruck „relative Position“ bezieht sich darauf, dass man die
Action Preflop abschließt und daher Postflop in einer guten Position in Relation zum Preflop Raiser
und dem Feld der Spieler ist. Man kann checken und die Action der anderen involvierten Spieler
beobachten, bevor man sich entscheiden muss, wie man weiterspielt. Dies ist ein großer Vorteil im
Hinblick auf die Informationen über die potentiellen Handstärken der Gegner der einem dabei
helfen kann, wesentlich bessere Entscheidungen zu treffen und potentiell „totes“ Geld in den Pot
zu bekommen. Wenn man auf Board-Texturen, die den Range des Preflop Raisers treffen, mit
einem Check startet, kann man von ihm eine Bet erwarten, gefolgt von potentiellen Calls der
anderen Spieler. Da man selbst die Action abschließt kann man spekulative Hände mit großartigen
Odds unter Umständen weiterspielen. Wichtig ist hier in jedem Fall, dass man einen Draw zu den
Nuts hält oder zumindest nahe dran, da man sich mehreren Callern gegenüber sieht, die zu einer
höheren Straße, Flushes oder Boats drawen können. Eine weitere Option kann sein, das
gesammelte „tote“ Geld im Pot mittels eines Check/Raise mit den stärksten Value-Händen oder
Draws mit sehr guter Multiway-Equity (z. B. Nutflushdraw oder Kombodraw) zu attackieren.
Grundsätzlich kann ich einen vollständigen Bluff mit einem Check/Raise in Multiway-Situationen
nicht empfehlen, ein gut getimter Semi-Bluff kann hier aber durchaus vor allem gegen gute Gegner
funktionieren.

Beispiel 1:

UTG eröffnet auf 3bb, BU callt, SB callt und Hero callt am BB mit 7h5h. Der Pot beträgt 12bb und
der Flop kommt 8h 6h 5d. Hero checkt, UTG bettet 8bb, BU foldet, SB callt and Hero raist auf 30bb.

In diesem Spot ist es sehr wahrscheinlich, dass der eröffnende Spieler von UTG eine vernünftige
Hand wie ein Overpair, Overcards mit einem Flush-Draw, einige Kombo-Draws, wenige Straight-
Draws, ein paar Sets und vielleicht noch 65s hält. Der Caller am SB gibt seine Hand als mittelstark
oder spekulativ zu erkennen, indem er callt, da ich erwarten würde, dass die meisten Sets oder
Two Pair-Hände für Value und Protection raisen würde, da viele schlechte Turn-Karten die Action
problematisch machen oder komplett ersticken würden. Unsere Hand hat in diesem Spot eine sehr
starke Multiway-Equity und sollte großer Favorit gegen beide Spieler sein. Wir können problemlos
einen +EV-Call machen, da wir die korrekten Odds bekommen. Ich würde allerdings einen Raise
bevorzugen, da unsere Hand nicht sehr gut versteckt ist, wenn wir letztendlich treffen. Die
Verringerung unserer Implied Odds und die Steigerung des potentiellen Values indem wir den Pot
gleich jetzt aufsammeln, ohne uns tatsächlich verbessern zu müssen sollte einen Raise wesentlich
besser im Hinblick auf EV dastehen lassen als einen Call. Gute Dinge können hier passieren:
Manchmal zwingen wir bessere Flush-Draws zum Aufgeben, manchmal können wir schwächere
Spieler UTG oder am SB dazu bringen, als Underdog weiterzuspielen und wir können einiges totes
Geld aufsammeln.

Eine Donk-Bet kann unseren Mangel an Position und Initiative möglicherweise kompensieren, da
wir die Kontrolle über den Pot an uns reißen und verhindern, dass die Hand einfach durchgecheckt
wird. Im obigen Beispiel kann eine Donk-Bet uns dabei helfen, auf diesem Weg einen Pot
aufzubauen, allerdings verhindert sie, tatsächlichen Value von schwächeren Händen zu
bekommen.

Wenn man eine Donk-Bet hier in Erwägung zieht, sollte man immer sicherstellen, dass man diesen
Value oder zumindest Fold Equity gegen bessere Hände generiert – was nur selten mit nur einer
Bet zu realisieren ist, vor allem da diese Bet gegenüber einem Check/Raise einen kleineren Pot
ergibt. Man sollte im Hinterkopf behalten, dass eine Donk-Bet dazu führt, dass unsere Gegner es
-23-
leichter haben, ihre Hand korrekt nach Pot Odds, Position und der Handstärke zu spielen. Auf
bestimmten Board-Texturen könnte man sich einem Raise gegenübersehen, was man mit
bestimmten Händen wie Draws oder schwächeren One Pair-Händen als allerletztes erleben will,
daher: Immer im Voraus denken!

Im oben genannten Beispiel funktioniert eine Donk-Bet in erster Linie als „Pot Sweetener“ indem
sie sicherstellt, dass der Flop, an dem unsere Equity Multiway die Größte ist, nicht zurück gecheckt
wird. Ich bevorzuge eine Donkbet, wenn ich:

a) keine relative Position habe (z. B. eine Verteidigung im SB oder MP mit mehreren
Spielern, die callen)

b) sicher sein kann, dass der Flop von allen gecheckt wird (z. b. 88 auf 9h 8c 6h)

c) eine anfällige Hand schützen will (z. B. 88 auf 236 Rainbow)

d) gute Möglichkeiten sehe, die Calling Range meiner Gegner später auspielen zu können

Vor allem der Fall d) ist sehr interessant und ich möchte ein weiteres Beispiel zur Erklärung
anführen:

Beispiel 2:

UTG eröffnet um 3bb, MP callt, 2 folden, Hero callt im SB mit Jd9d und BB callt. Der Pot beträgt
12bb und der Flop kommt 8d 7h 5h. Hero donkt für 9bb.

Mit der recht guten Equity, die wir hier floppen, bevorzuge ich eine Donkbet um die Initiative an
mich zu reißen, nachdem ich alle involvierten Hand-Ranges der Gegner berücksichtigt habe. Der
eröffnende Spieler UTG hat regelmäßig Overcards oder Overpairs auf diesem Board oder auch Sets
oder Flushdraws. Die anderen Caller haben sehr wahrscheinlich schwächere One Pair Hände,
Straight-Draws, Flush-Draws, Sets oder Two Pair. Wenn wir hier also eine Donkbet absetzen
befindet sich der Spieler UTG in einem harten Spot mit so vielen Spielern nach ihm, so dass er ein
Single Pair nicht einfach so raisen kann. Ich erwarte, dass er die Overcard-Hände sofort weglegt,
während er den Rest seiner Range callt, da ein Raise mit seinen stärksten Händen hier so stark
aussehen wird, dass es ihn potentiellen Value vom Rest des Feldes kosten wird. Nur die anderen
Caller können uns hier potentiell raisen mit ihren starken Händen, wobei wir selbst dann nicht
folden müssen, da wir ja einen starken Draw halten. Wenn wir hingegen gecallt werden, kann sich
unsere Hand verbessern oder einige großartige Turn-Karten können kommen, die unsere Hand
vervollständigen, uns Extra-Equity in Form von Diamonds oder auch zusätzliche Bluff-
Möglichkeiten mit einer 4, 9 oder jedem Herz geben. Darüber hinaus kann sogar ein J ein
zusätzliches Out sein, wenn wir von den schwächeren Ranges der anderen Spieler gecallt werden.
Alles in allem ergibt sich hier ein sehr guter Spot für eine Donkbet um den Pot zu kontrollieren, da
sich viele sehr gute Möglichkeiten ergeben um den Pot sofort oder auf einer späteren Straße
mitzunehmen.

-24-
1.2.3 Verteidigung von 3-Bet Heads-Up Pots

Dieser Spot tritt auf, wenn unsere Eröffnung vom Small Blind eine 3-Bet vom Big Blind kassiert und
wir uns dazu entscheiden zu callen. Da ein Blind Battle manchmal mit weiten Ranges und
aggressiven Spielzügen sehr hitzig werden kann, tendiere ich dazu, einen wesentlich weiteren
Range zu verteidigen, obwohl ich keine Postition und Initiative habe, wie bereits schon im Roten
Guide beschrieben. Da ich normalerweise meine stärksten Hände und auch ein paar Bluffs hier 4-
betten würde, sieht mein Range in dieser Situation eher „capped“ auf bestimmten Board-Texturen
aus. Diese Information bringt stärkere Gegner ebenfalls häufig dazu, eine größere Bluffing-
Frequenz in guten Spots zu spielen, was mich wiederum dazu animiert, in einem Blind Battle
leichter runterzucallen. Das kann durchaus auch Overcard- oder A-hoch-Hände beinhalten, die
regelmäßig gut sein können, vernünftige Equity haben oder auch Implied Odds gegen einen weiten
Betting-Range!

Beispiel 1:

Alle folden zum Hero im SB, der mit AsJs auf 3bb eröffnet, der BB 3-Bettet um 9bb. Hero callt, der
Pot beträgt 18bb und der Flop kommt 8d 5s 3d. Hero checkt, der Gegner bettet 10bb, Hero callt.

In diesem Spot ist unsere Hand gut genug um gegen die typischerweise weite 3-Bet Range vom BB
zu callen und wird auch auf dem Flop häufig die beste Hand sein. Wir schlagen viele schwächere
Ax, Broadway oder andere (schlechte) bluffing Hände und wir halten den Backdoor Nutflushdraw
plus zwei Overcards. Diese können zusätzliche Implied Odds für uns ergeben, wenn der Gegner
sich dazu entscheidet, mit Händen, die er für Scarecards gegenüber unserem Range hält,
weiterzufeuern oder wenn wir tatsächlich auf dem River die Nuts treffen. Aus diesem Grund halte
ich es für schlecht zu raisen oder auf dem Flop eine Donkbet abzusetzen, da dies uns Action von
schwächeren Händen des Gegners kostet und gleichzeitig die weiterspielende Range des Gegners
stärkt, was unsere „versteckten“ Outs weniger effektiver werden lässt.
Allerdings muss ich daran erinnern, dass solche marginalen Calldowns in diesen Spots trickreich
und schwierig sein können, vor allem wenn wir gegen einen sehr aggressiven Gegner stehen, der
gute Spots für einen Bluff erkennen kann. Gegen einen Gegner, der einfach nur eine C-Bet abfeuert
und regelmäßig im Anschluss aufgibt ist diese Spielweise wesentlich effektiver mit Händen, die
entweder selbst ausreichend Showdown Value oder ausreichend Equity haben um
weiterzumachen. In diesem Fall und wenn der Gegner am Turn zurück checkt, bekommen wir
sogar die Möglichkeit, einen potentiellen Bluff-Spot auf dem River auszuwählen. Check/Raisen
oder anspielen sind hier wieder zwei Optionen, beide sind aber nicht geeignet, um jemanden mit
einem weiteren Range und einer höheren Bluff-Frequenz auszuspielen. Ich tendiere dazu, mit
solchen Spielzügen entweder eine Situation frühzeitig zu beenden, wenn ich befürchte, dass sie auf
späteren Straßen für mich gefährlich werden könnte, oder bestimmte Action von übermäßig
schwachen oder emotionalen Gegnern auszulösen.

Beispiel 2:

Alle folden zum Hero im SB, der auf 3bb mit Ts9s eröffnet und der BB spielt eine 3-Bet um 9bb. Der
Hero callt, der Pot beträgt 18bb und der Flop kommt 8d 6s 5d. Der Hero spielt für 10bb an oder
checkt, der Gegner bettet 10bb und der Hero check/raist um ~24bb.

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Auf dieser Flop-Textur trifft der Gegner unter Umständen gar nicht, da die meisten weiteren 3-Bet
Ranges viele Broadway oder Ax-Hände beinhalten. Stattdessen trifft dieses Board viel
wahrscheinlicher unseren angenommenen Range, weshalb das Anspielen oder Check/Raisen sehr
gut als Semibluff funktionieren kann.

Verglichen mit Beispiel 1, wo wir zwei Overcards und den Backdoor-Flushdraw hielten, haben wir
hier eine ähnliche Hand plus einen Gutshot. Paradoxerweise ist die Hand aber unter Umständen
nicht von der gleichen Wertigkeit für einen Check/Call! Unsere Equity gegen die Betting Range des
Gegners, vor allem über mehrere Straßen hinweg, ist verhältnismäßig niedrig. Darüber hinaus sind
unsere Overcards in diesem Fall zu klein, weshalb wir nicht wissen können, ob sie bis zum
Showdown halten und falls wir doch unseren Gutshot treffen ist es relativ schwer, von unserem
Gegner Action zu bekommen, da die Straight relativ leicht zu bemerken ist.

Wenn wir die „Bluffs“ unseres Gegners durch das direkte anspielen des Flops oder durch einen
Check/Raise gleich zum folden bringen sparen wir uns hier eine Menge potentiellen Ärger auf den
späteren Straßen. Wenn wir gecallt oder geraist werden stört uns das nicht zu sehr, da wir wissen,
dass wir einen leichten Semibluff mit wenig Equity halten plus ein paar Optionen mit denen wir
uns verbessern würden oder die wir weiterhin anspielen können (z. B. Bluff mit einem Karo, einer 9
oder 4 gegen tighte Gegner).

1.2.4 Verteidigung in Multiway 3-Bet Pots

Um Multiway in einen 3-Bet Pot zu geraten ist entweder ein Squeeze oder ein Coldcall eines
anderen Gegners nötig. Auch hier gilt, dass man möglicherweise die relative Position hat, wenn
man die Action Preflop abschließt und man, falls nicht, gegen zwei Spieler Out of Position ist. Beide
Spots lassen sich abhängig von der Boardtextur, den Ranges und den Tendenzen der involvierten
Spieler sehr unterschiedlich spielen.

Wenn ich die relative Position innehabe bedeutet dies, dass ich sehr wahrscheinlich mit eher
spekulativen Händen auf Grund der großartigen Odds gecallt habe, da ich der letzte Spieler war,
der Geld in den Pot gegeben hat. Meine Range beinhaltet viele Sets, Two Pairs oder Draws. Mit
diesen Handtypen checke ich normalerweise, lasse den Re-Raiser betten, sehe vielleicht noch
einen Call von dem anderen Spieler und spiele dann einen Check/Raise um möglichst viel totes
Geld in den Pot zu bekommen und damit meinen Gegnern gute Odds zu geben, noch einmal zu
callen. Ohne ausreichende Equity bin ich nicht sehr glücklich darüber, in diesem Spot zu bluffen, da
der Pot nach einer 3-Bet, zwei Calls und einer C-Bet plus einem potentiellen Call bereits sehr groß
ist. Mit „ausreichend“ meine ich Draws, die garantiert mehr als um die 30% oder mehr Equity
gegen 2 Gegner haben, was normalerweise genügt um sogar einen All-In für 100 Big Blinds wegen
des ganzen toten Geldes im Pot und den Aktionen der anderen beiden Spieler rechtfertigt.

Beispiel 1:

Alle folden zum CO, der auf 3bb eröffnet, Hero callt am Button mit 6s5s, SB re-raist um 13bb, BB
foldet, CO callt und Hero callt. Der Pot beträgt 40bb und der Flop kommt 4d 7h 9s. SB bettet 20bb,
CO callt und Hero geht mit seinen übrigen 87bb All-In.

In diesem Spot hat der Re-Raiser sehr wahrscheinlich einen sehr starken Range, der im Schnitt alle
Overpairs enthalten wird, wenn er Out of Position in das gesamte Feld bettet. Abhängig davon, wie
aggressiv oder loose er spielt können wir hier ein paar Sets oder auch ein paar Overcard oder
-26-
Straightdraw bluffs erwarten. Der erste Caller kann einen etwas weiteren Range haben, bestehend
aus Overpairs, Sets oder mittleren Paaren und nur wenigen spekulativen Draws (er könnte (oder
auch nicht) mit Händen wie JTs, T8s, 86s callen). Wenn wir annehmen, dass unser All-In von den
Overpair Händen oder den stärksten Händen des Callers gecallt werden, dann finden wir mittels
einer Equity-Kalkulation heraus, dass wir mit unserem Draw bei ca. 30-35% Equity liegen. Falls wir
hier nur callen würden, würde unsere Equity signifikant sinken, wenn wir uns nicht verbessern
oder ein weiteres Karo treffen. Das bedeutet, dass wir nur eine weitere Karte sehen werden, die
uns verbessern könnte, bevor einer unserer Gegner vor uns am Turn All-In geht. Auf diesem Weg
würden wir uns unsere starke Flop Equity und den hohen Betrag an totem Geld nicht zunutze
machen. Von tighteren Squeezern oder Callern können wir von Zeit zu Zeit sogar erwarten, dass sie
ein Overpair oder eine marginal bessere Hände angesichts unseres All-Ins weglegen, was unseren
Spielzug noch mehr +EV macht. Wenn wir dann auch unsere Sets (44, 77 und 99) in der gleichen
Weise spielen, zusammen mit ein paar weiteren Draws von hoher Equity wie T8s oder 86s, machen
wir es für unsere Gegner extrem schwer im Schnitt hier einen korrekten Fold oder Call zu finden.

Beispiel 2:

Hero eröffnet auf 3bb mit 9s9h von UTG, ein Freizeitspieler callt am CO und der BU raist auf 12bb.
Hero callt, der Freizeitspieler ebenfalls. Der Flop kommt 8c 5d 3s und die Größe des Pots beträgt
37,5bb. Der Hero a) checkt, weil er plant, bei einer Bet des ursprünglichen Raisers Check/Fold zu
spielen oder b) spielt den Flop mit 14bb an.

Wie bereits als Basis-Preflop-Strategie im „Roten Guide“ beschrieben ist unser Ziel hier, unseren EV
durch den Call mit 99 zu maximieren, selbst wenn der Spieler am BU mit einem weiteren Range
squeezen könnte, um den Freizeitspieler in Position zu isolieren. Unser Ziel ist, ein Set zu floppen
oder nur auf sehr guten Boards mit großartiger Equity für unsere Hand weiterzuspielen. Das wir
hier Out of Position gegen zwei Gegner spielen müssen ist ein großer Nachteil, weshalb wir
herausfinden müssen, welche Betting Line unseren Zielen am besten zuträglich ist.

Sobald wir unsere Hand checken haben wir nur sehr kleine Chancen Out of Position mit unserer
Hand gegen vier Karten auf einem Board mit niedrigen Karten zu überleben, wenn wir davon
ausgehen müssen, dass ein halbes Deck an Overcards am Turn kommen kann. Wir können davon
ausgehen, dass der Preflop-Re-Raiser einen halbwegs starken Range hält, weil er gegen zwei
Spieler eine 3-Bet spielt und genauso wie wir weiß, dass der Freizeitspieler so oder so mit einem
weiten Range callen wird. Daher kann unser Gameplan wie folgt aussehen:

a) Check mit der Absicht, gegen jede weitere Action aufzugeben, da wir mit in der Folge nur
Ratespiele mit einer schwachen Hand als Bluffcatcher spielen können. Für den Fall der Flop
herum gecheckt wird und eine weitere niedrige Karte am Turn kommt, können wir tätig
werden und versuchen, den Pot bereits hier zu bekommen, oder zusätzlichen Value von
einer schwachen Hand des Freizeitspielers zu bekommen.

b) Den Flop anspielen um sofort Value von einer schwachen Hand des Freizeitspielers zu
bekommen und den Re-Raiser dazu zu zwingen, ehrlich im Hinblick auf seine Hand zu sein.
Unsere Hand sieht sehr stark aus, wenn wir hier Out of Position den Flop anspielen, was
sehr wahrscheinlich dazu führt, dass der Re-Raiser seine verpassten Overcards weglegt und
nur mit besserem weiterspielt. Diese Spielweise ist sehr stark ausnutzbar und kann gegen
stärkere Ranges zu einigen schwierigen Entscheidungen um unseren gesamten Stack
führen, falls wir gecallt werden. Ich empfehle, stets im Hinterkopf zu behalten, dass es
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unser Ziel ist, den Pot hier häufig aufzusammeln, wenn wir die beste Hand halten und
unsere Equity schützen oder um noch ein paar zusätzliche Chips vom Freizeitspieler zu
bekommen. Es handelt sich hier wegen des erwähnten Nachteils nicht um die optimale
Spielweise, kann jedoch ein eleganter Trick sein, um einen Pot mitzunehmen, den wir
normalerweise verlieren würden.

1.2.5 Verteidigung von 4-Bet Heads-Up Pots

Es gibt ein paar Szenarios, in denen ich eine 4-Bet sowohl in als auch Out of Position calle.
Beispiele hierzu finden sich im „Roten Guide“. Diese umfassen gute Pot Odds, tiefere Stacks oder
zu weite Bluff Ranges. Hierfür nutze ich Hände, mit denen ich eine Falle aufstellen möchte oder mit
Händen, die genügend Equity aufweisen, aber zu schwach für einen Shove sind.

Typische 4-Bet Pötte sind bereits derart aufgeblasen, dass man den kompletten Stack auf dem Flop
mittels All-In in den Pot bekommt oder man noch den Turn abwarten kann, um All-In zu gehen.
Heutzutage haben die Spieler ihre Postflop Betsizes in solchen Situationen nach unten skaliert um
in der Lage zu sein die Range des Gegners zu manipulieren und sich Möglichkeiten für weitere
Barrels auf späteren Straßen offen zu halten, um auf diese Weise stärker auszusehen. Dies
bedeutet, dass wir wesentlich bessere Pot Odds präsentiert bekommen können, wenn wir Suited
Hände flatten und einen Draw floppen. Natürlich können wir hier Kapital aus dem im Pot
befindlichen toten Geld schlagen, indem wir unsere Draws in einem 4-Bet Pot gegen eine C-Bet All-
In stellen, allerdings könnte die Fold-Equity relativ gering sein, da unser Gegner bereits ungefähr
ein Drittel seines effektiven Stacks investiert hat, wenn wir um 100 Big Blinds spielen. Falls der
Gegner einen Bluff hält könnten wir auch überlegen, kleinere Bets zu callen, um ihn dazu zu
bringen, auf Outs, die unsere Hand verbesseren, seine Bluffs weiterzuspielen oder ihm mit unseren
starken Händen eine Falle zu stellen. Ein All-In kann das Leben leichter machen und kann in vielen
Spots +EV sein, es wird allerdings nicht unbedingt immer unseren EV maximieren.

Meine Strategie hängt hier sehr stark von der Board-Textur, der erwarteten Range meines Gegners
und speziell seinem Betsizing ab. Je stärke seine Hand-Range ist, desto wahrscheinlicher spiele ich
meine Hand strikt nach den Odds. Aus dem gleichen Grund tendiere ich dazu, meine Made-Hands,
Bluffcatcher und starke Value-Hände nur zu callen. Typischerweise sind 4-Bet Preflop-Ranges auf
den kleineren Stakes sehr stark, weshalb wir einige Bluffcatcher und nicht verbesserte Hände
später folden müssen.

Beispiel:

CO eröffnet auf 3bb, Hero spielt eine 3-Bet um 9bb mit AhQh am BU, die Blinds folden und der CO
spielt eine 4-Bet und erhöht auf 20bb. Der Hero callt, der Pot beträgt 41,5bb. Der Flop kommt Th
5d 2h und der CO bettet 16bb, Hero callt.

Unseren Nutflushdraw mit zwei Overcards hier All-In zu stellen wird selbst gegen die stärkste 4-Bet
Range unseres Gegners ein +EV Spielzug sein, da wir nahezu 50% Equity halten gegen eine
realistisch angenommene Range aus starken Valuehänden und einigen Bluffs. Angesichts seines
kleinen Sizings am Flop, unserer Position und dem Fakt, dass wir nicht allzu viel Fold-Equity gegen
jedes Overpair in diesem massiven Pot haben, ist ein Call hier vermutlich am besten. Sobald wir
den Turn sehen, werden wir immer noch sehr wahrscheinlich ein All-In callen, auch wenn unsere
Equity bei vielen Karten auf 25%-30% sinken wird. Dies wiederum erlaubt uns den Versuch, die
Range unseres Gegners weiter zu halten und darauf zu hoffen, dass er blufft oder die Karten
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ausbezahlt, die uns verbessern um dadurch unseren Gesamt-EV zu erhöhen. Ich würde in diesem
Spot ähnlich mit TT oder JJ-AA weiterspielen da ich auch mit meinen schwächeren Overpairs den
Range des Gegners so weit wie möglich halten will mit der Absicht, seine potentiellen Bluffs oder
Auszahlungsfehler durch inkorrekte Calls zu erhöhen während ich gleichzeitig meine eigenen
Fehler gegen stärkere Ranges reduziere.

Es sollte wohl auch erwähnt werden, dass ich mit allen Händen genauso spielen würde, wenn das
Board Th 5d 2c bringen würde, da wir nicht vergessen dürfen, dass sowohl Overcards als auch
Backdoor Draws profitabel in Position spielbar sein können, wenn das Betsizing entsprechend klein
ist. Falls der Gegner den halben Pot oder mehr bettet, haben wir weniger Veranlassung
weiterzuspielen, es sei denn wir glauben, dass der Gegner häufig blufft. In diesem Fall ist ein All-In
gegen seine größeren Bets wieder etwas attraktiver, da wir mehr totes Geld einsammeln können
und nicht auf einen guten Turn hoffen müssen.

1.3 In Position mit Initiative

Dies ist das passendste Szenario, das wir vorzugsweise immer erzeugen wollen, wenn unsere
Eröffnung von den Blinds nur gecallt wird oder wenn wir eine Eröffnung in Position 3-Betten (4-
Betten) und gecallt werden. Alle Punkte, die wir in Kapitel 1.2 über C-Bet-Strategien
zusammengetragen haben, bleiben absolut gültig.

Allerdings mag ich es, einige kleine taktische Anpassungen in der Betsize vorzunehmen, um die
Continuing-Range bzw. die Aktionen meines Gegners zu manipulieren und meinen Positionsvorteil
so gut wie möglich auszunutzen. Wenn ich Out of Position bin weiß ich, dass andere Spieler
genauso handeln würden, weshalb ich mit stark abweichenden C-Bet-Strategien eher nicht
davonkommen würde. Im Gegenteil haben meine C-Bet Bluffs eher Erfolg, wenn meine Gegner
keine Position auf mich haben, da sie mich eher ungern floaten oder check/raisen, weil sie wissen,
dass sie auf den nachfolgenden Straßen ihre Aggression erhöhen müssen, da ich häufiger
weiterspielen werde.

1.3.1 Heads-Up Pötte

Wiederum ist es entscheidend, die Calling Range unseres Gegners in jedem möglichen Szenario in
Relation zu den jeweiligen Positionen und dem Spielertyp einzuschätzen. Wenn auf einer
bestimmten Flop-Textur unser angenommener Range stark und sein angenommener Range
schwach ist, kann es eine gute Idee sein, das C-Betsizing in ausnutzbarer Weise nach unten
anzupassen, um a) mit günstigen Bluffs wegzukommen oder b) die potentielle Action von
schwächeren Händen oder Bluffs zu erhöhen. Falls sein Range ebenfalls stark ist und man erwartet,
dass er häufig weiterspielt, weil er scheinbar ein schwächerer Freizeitspieler ist, sollte man auf
ausnutzbare Weise seine Betsize erhöhen um die den Pot weiter aufzubauen und den gesamten
Value zu erhöhen.

Beispiel:

Alle folden zum CO, der mit 3bb eröffnet, Hero 3-Bettet um 9bb mit AcQd, die Blinds folden und der
CO callt. Die Größe des Pots beträgt 19,5bb und der Flop kommt Kd Jc 2s. CO checkt und der Hero
bettet 7bb.

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Der Hero floppt einen Gutshot „to the nuts“ auf einem Board, das zwei weitere Highcards erlaubt.
Falls der Gegner eine von beiden trifft, wird er so oder so eine einzelne Bet auf dem Flop nicht
folden, weshalb es eine gute Idee sein kann eine kleinere Betsize zu wählen um ihn dazu zu
bringen seine Underpairs bis zum J oder kleine Suited Connectors und andere Ass hoch Hände zu
folden, sodass wir verhindern, dass er auf späteren Straßen anfängt zu bluffen oder zu
Valuebetten. Wir sparen so Geld mit unserem Semibluff und behalten den Positionsvorteil als auch
die Hebelwirkung, um den Druck auf späteren Straßen zu erhöhen, wenn wir das wollen.

1.3.2 Multiway Pötte

Nachdem mehrere Gegner bereits zu uns gecheckt haben, sollten wir mit einer etwas kleineren C-
Bet als Out of Position davonkommen. Es ist auch weniger wahrscheinlich, dass Gegner uns mit
einer weiteren Range floaten werden, da sie Angst davor haben, gegen eine starke
angenommenen Range zu stehen plus gegen die drohende Action der Spieler nach ihnen zu
stehen. Aus diesem Grund können wir die Voraussetzungen für unsere C-Bet Bluff-Standards
verringern und natürlich können wir den Herabsetzungstrick für unser Betsizing nutzen. Unsere
anfälligen mittelstarken Hände wie Toppair, Secondpair oder auch kleinere Paare könnten jetzt
mehr als sonst Schutz brauchen da wir gegen mehrere Hände spielen, die uns auf dem Turn
überholen könnten, wenn wir ihnen erlauben, ihn kostenlos zu sehen. Indem wir unsere Gegner
also entmutigen, mit einer weiten Range zu floaten sollten wir eher erfolgreich damit sein, den Pot
mit Made Hands zu bekommen, wenn sie noch am besten sind und vermeiden so auch unnötige
Varianz auf einer der späteren Straßen auf diesem Weg.

Beispiel:

UTG foldet, MP limpt, CO foldet, Hero raist um 4bb mit 8s7s am Button, sowohl der BB als auch der
Spieler UTG callen. Die Potsize beträgt 12,5bb und der Flop kommt 9d 7d 3s. Alle Spieler checken
zum Hero, der eine Bet in Höhe von 7bb spielt.

Unsere Bet hier ist nicht für Value gedacht, weil die meisten der Hände, die uns hier callen, uns
geschlagen haben werden oder aber zumindest sehr gute Equity mit vielen Outs zum Flush, zur
Straight oder Overcards haben. Dennoch würde ich hier eine Bet spielen, da wir die Action auf
späteren Straßen so besser kontrollieren können und gleichzeitig unsere Hand gegen
Kombinationen wie Broadways oder Ax, die sofort folden könnten. Ein Check würde es regelmäßig
schwer für uns machen, da viele Turnkarten einen unserer Gegner verbessern könnten, ohne dass
wir es wissen. Auch wenn sich unsere Hand mit einem zusätzlichen Draw verbessert, können wir
immer noch auf einer späteren Straße aus dem Pot geblufft werden und wir sind den folgenden
Karten oder den Aktionen unserer Gegner ausgeliefert. Die Besonderheit in diesem Spot ist auch,
dass wenn wir gleich zu Beginn die Initiative an uns reißen wir immer noch in der Lage sind, mit
unserer Hand in zwei Richtungen zu gehen, entweder indem wir gegen nicht verbesserte oder
passiv gespielte Draws zum Showdown kommen oder auch auf einer späteren Straße komplett
bluffen, wenn es passt.

1.4 In Position ohne Initiative

Die zweit-angenehmste Postflop-Situation kommt häufig dann auf, wenn wir einen Raise, eine 3-
oder 4-Bet in Position gecallt haben, wenn wir einen spezifischen Gameplan haben. Wenn dieser
Gameplan rund um den Gewinn des Pots ohne Showdown oder ohne hohe Implied Odds
aufgebaut ist wird er sehr gut von unserem Positionsvorteil unterstützt. Häufig entstehen solche
-30-
Spots durch einen Flatcall gegen eine Eröffnung aus früher Position, im Big Blind gegen eine
Eröffnung vom Small Blind oder gegen eine 3-Bet von den Blinds.

Unsere Optionen hier sind ähnlich zu denen, die wir bereits in Kapitel 1.2 erarbeitet haben, aber
unser Positionsvorteil erlaubt es uns, wesentlich looser zu spielen und trotzdem in der Lage zu
sein, später in der Hand einen Profit zu zeigen. Unser Showdown-Potential mit jeder Made Hand,
unsere möglichen Implied Odds mit Draws oder unsere Chancen, einen Bluff durchzubringen sind
durch den Informationsvorteil (der Gegner muss immer als erstes agieren) verbessert. Dieser
Umstand erlaubt es uns, wesentlich genauere Annahmen über die tatsächliche Hand-Range
unseres Gegners zu treffen, was uns bei der Optimierung unseres Gameplans hilft.

Eine Warnung muss ich jedoch aussprechen: Wenn clevere Gegner uns die Initiative auf
Boardtexturen, die sie normalerweise C-Betten würden (z. B. Axx oder Kxx Rainbow Flops),
übergeben. Ich würde hier ohne eine gute Hand nicht versuchen, den Pot durch ein Anspielen des
Flops mitzunehmen, da der Gegner eventuell Pot Control mit schwächeren Top Pairs betreibt, die
sie auch später nicht folden wollen. Der Range des Gegners mag gecapped aussehen, allerdings
kann er sich dieser Tatsache sehr wohl bewusst sein und daher eher gewillt sein, uns
herunterzucallen. Wenn wir gegen solide Regulars mit einem Semibluff oder Bluff anfangen, sollten
wir immer sicherstellen, dass unsere Bluff-Story Sinn macht und es ausreichend glaubwürdige
Hände gibt, die wir auf späteren Straßen repräsentieren können, um den Gegner von einem
schwachen Top Pair zu bluffen.

1.4.1 Den Flop floaten

Zusätzlich zu den Optionen, die wir in Kapitel 1.2 behandelt haben, können wir hier unser Spiel
erweitern und versuchen, den ein oder anderen Pot mitzunehmen wenn unsere Equity eigentlich
niedrig erscheint, aber unsere Chancen, den Pot auf einer späteren Straße zu gewinnen sehr groß
sind. Der Ausdruck „floaten“ beim Pokern bezieht sich auf die Situationen, in denen wir eine Bet
auf einer bestimmten Straße mit einer Hand callen, die genau genommen eine zu geringe Equity
für die Pot Odds hat, die sie präsentiert bekommt, nur um auf einer späteren Straße mit einem
Bluff zu gewinnen oder mit einem Longshot-Draw weiterzuspielen, der auf Grund der
Verschleierung große Auszahl-Potential hat. Allerdings ist die Auswahl der Spots gegen den
richtigen Gegnertyp hier ausschlaggebend. Um wirklich das Beste aus dem Floaten mit einer
schwachen Hand in Position herauszuholen würde ich vorziehen:

a) den Gegner auf eine möglichst weite Range festlegen zu können

b) den Gegnertyp zu haben, der bereit dazu ist, auf späteren Straßen, speziell bei
Scarecards, leicht aufzugeben

c) die unmittelbaren Odds oder die potentiellen Implied Odds die ich durch verschleierte
Backdoor-Treffer habe, sind attraktiv

d) die Board-Textur trifft den Range meines Gegners weniger häufiger als meine eigene

e) viele potentielle Turns oder Riverkarten können kommen, die sowohl meine Implied
Odds, als auch die Chance erhöhen, erfolgreich zu bluffen

-31-
Beispiel 1:

Alle folden zum SB, der auf 3bb eröffnet und der Hero callt im BB mit QdJc. Die Größe des Pots
beträgt 6bb und der Flop kommt 9d 6c 4d. SB spielt eine Bet um 3.5bb und der Hero callt.

Der Gegner kann in einem typischen Blind Battle Szenario eine sehr weite Range eröffnen und C-
Betten, weshalb a) wir sogar mit nur zwei Overcards, einer Backdoor-Straight und einem Backdoor-
Flushdraw gegen diesen Range ausreichend Equity haben. Im Hinblick auf c) haben wir darüber
hinaus auch die Position und die Pot Odds sind recht attraktiv, da sie bei unserem Float 2,5:1
betragen. Backdoor einen Queen-high Flush zu halten wäre weniger wert als eine Straight zu
bekommen, dennoch können beide Overcards häufig hinreichende Outs sein. Diese Outs haben
zusätzlich Implied Odds, da unser Gegner uns nicht sehr häufig auf diese Karten setzen würde.
Darüber hinaus können wir, e) berücksichtigend, potentiell einen Semibluff versuchen und
vielleicht auf dem River mit ankommenden Frontdoor Flush- oder Straightkarten bluffen wenn
unser Gegner Schwäche zeigt.

1.4.2 Flops raisen

Die Kehrseite davon, mit einer weiten Range in Position zu floaten, zeigt sich, wenn wir gegen sehr
aggressive Gegner bestehen müssen oder wenn das Board es uns nicht erlaubt unsere Hand häufig
genug zu verbessern um am Showdown ab und an die Gewinnerhand zu zeigen, nachdem unsere
Bluffs oder Semibluffs gecallt wurden. Indem wir hier zu schwache Hände floaten liefern wir uns
der Entscheidung des Gegners aus, seine Aggression fortzusetzen oder nicht und ob eine gute
Turn- oder Riverkarte kommt. In solchen Fällen ist ein Raise am Flop gegenüber einem Float
vorzuziehen, vorausgesetzt, die 5 Parameter aus 1.4.1 sind immer noch gültig. Eine wichtige
Ausnahme muss hier im Hinblick auf c) gemacht werden, da ein Raise attraktiver wird, wenn die
Pot Odds für einen Call nicht ausreichen und die Stacks tiefer sind. Je größer der effektive Stack ist,
um den wir nach dem Raise auf dem Flop spielen, je größer ist der Druck, den wir auf den weiteren
Straßen aufrecht erhalten können, ohne selbst mit einem All-In zu drohen oder von einem bedroht
zu werden.

Beispiel:

Alle folden zu einem aggressiven Spieler am SB, der auf 3bb eröffnet. Der Hero am BB callt mit
7h5h. Der Pot beträgt 6bb und der Flop kommt 9d 8d 4h. SB spielt eine Bet von 5bb und der Hero
raist auf 16bb.

Der Hero hat eine Hand mit etwas Equity gegen eine C-Betting Range, aber sie ist relativ nah am
sogenannten „Nut Low“ auf dieser Boardtextur mit Undercards, einem Gutshot und einem
Backdoor-Flushdraw. Floaten ist eine Option, jedoch werden wir über jeden Turn, der nicht ein
weiteres Herz oder eine Zehn bringt, ziemlich unglücklich sein, selbst wenn wir ein Paar machen
sofern der Gegner seine Aggression fortsetzt. Unsere Hand kann einfach nicht oft genug
ausreichend Showdown-Value generieren, weshalb wir an irgendeinem Punkt so oder so
semibluffen oder bluffen müssen. Die Pot Odds sind weniger attraktiv und mit 100bb-Stacks
können wir nach einem Raise immer noch drei Straßen gehen, weshalb das meine bevorzugte
Spielweise wäre.

-32-
2. Der Turn

Ich mag den Namen dieser Straße wirklich sehr, da es eine einfache und akkurate Beschreibung des
Phänomens ist, welches hier häufig passiert. Der Turn ist die Straße, auf der sich Equities auf viele
Weisen verbessern oder aber wertlos werden können. Unsere Made Hands können sich in
wertlose Bluffcatcher verwandeln, unsere Draws können sich verbessern, wir können zusätzliche
Equity aufsammeln oder verlieren. Die Krux ist, so gut wie möglich zu erkennen, welche Karten am
Turn gut oder schlecht für unsere jeweilige Hand, für unsere erwartete Hand-Range und am
wichtigsten für die Range unserer Gegner sind.

2.1 Out of Position mit Initiative

Eine grundsätzliche Beobachtung beim Pokern ist die, dass alle möglichen Spielertypen mindestens
eine zusätzliche Karte nach dem Flop sehen wollen. Sobald sie den Flop gesehen haben,
entscheiden sie darüber, ob ihre Hand das Potential hat, weiterzuspielen, oft genug jedoch ohne zu
berücksichtigen ob die Hand ein realistisches Potential hat, die Hand oft genug gemäß den Odds zu
gewinnen. Sie wollen einfach eine weitere Karte, eine weitere Straße sehen und einen möglichen
Weg zu finden, diesen Spot zu gewinnen, wenn ihre Hand den „potentiellen Erwartungen“
entspricht.

Aus diesem Grund müssen wir davon ausgehen, dass viele Spieler auf den Microstakes häufig
mindestens bis zum Turn in der Hand bleiben, wo sich Equities und Erwartungen stark verändern
können. Dies verbessert unseren Value mit starken Händen und erlaubt uns, einen großen Pot
aufzubauen, allerdings müssen wir vorsichtig sein und erkennen, wann wir weiterfeuern können
oder wann es Zeit ist, ein sinkendes Schiff zu verlassen.

2.1.1 Die Double Barrel

Am Turn eine Bet zu spielen ist eine sehr effektive Waffe in einem Feld oder Pool von Spielern, die
im Schnitt eher passiv unterwegs sind und am Flop eine weitere Karte mit was auch immer sehen
wollen. Man wir manchmal darüber staunen, mit welchen Händen Microstakes-Spieler zum Turn
oder auch zum River kommen, wenn man mehrere Male gefeuert hat. Eines der besten Beispiele
für Hände, die immer wieder bis zum River oder Showdown gespielt werden, sind Premium
Overcards wie AK oder AQ, da viele Freizeitspieler diese einfach nicht aufgeben wollen bis alle
Gemeinschaftskarten auf dem Tisch liegen oder sie wirklich davon überzeugt sind, dass man nicht
blufft (was sehr selten sein kann!).

Aus den oben genannten Gründen ist es entscheidend für uns, die meisten unserer Value-Hände
und Draws mit hoher Equity am Turn zu betten. Ich würde sogar so weit gehen, viele schwächere
Draws wie Gutshots mit Overcards oder Händen mit ausreichend Showdown Value abhängig
davon, wie loose ich den Gegner einschätze, gegen die Draws und den schwächeren Teil der
gegnerischen Range zu betten. Ich möchte einfach dem Gegner keine freien Karten oder ihm die
Chance geben, mich rauszubluffen, wenn ich stark davon überzeugt bin, dass er durchschnittlich
mit einer zu weiten Range am Flop eine weitere Karte sehen will.

Um festzustellen, ob meine Hand für eine weitere Bet am Turn gut genug ist oder nicht wollen wir
zu unserer Flop-C-Bet-Checkliste zurückgehen und sie an den Turn anpassen:

-33-
1. Das Verhältnis der Karte am Turn zur Floptextur (d. h. wie wahrscheinlich verbessert sich
die Flop Calling Range des Gegners)

2. Geschätzte Equity gegen den Range, die der Gegner weiterspielt (d. h. meine Chance
gegen die Hände zu gewinnen, von den wir einen Call erwarten)

3. Potentielle Verbesserung des Boards am River (d. h. wie oft hilft mir eine Karte am River
um entweder meine Hand oder die Chance, den Gegner erfolgreich zu bluffen, verbessern)

Wie wir sehen können, können alle drei Punkte leicht in Zusammenhang gebracht werden und für
die Entscheidung genutzt werden, ob wir am Turn weiterspielen wollen oder nicht.

Beispiel 1:

Hero eröffnet auf 3bb mit QhJh von UTG und der Gegner callt in MP, alle anderen Spieler folden.
Der Flop kommt Th 5c 3s. Die Größe des Pots beträgt 7,5bb. Der Hero spielt den Flop mit 5bb an
und der Gegner callt. Der Turn ist ein K und der Pot beträgt 17,5bb. Hero bettet 13bb.

Dies ist unser Flop C-Bet Beispiel erweitert um den Turn um zu zeigen, wie wichtig es ist, die
Entwicklung der Boardtextur von einer Straße zur anderen zu verstehen, den Fokus auf den Calling
Range unseres Gegners auf dem Flop und unsere Chance, die Hand zu gewinnen, wenn er callt, zu
haben. Im Blick auf unsere Checkliste sollten wir sehen, dass:

1. der Gegner vermutlich den Flop mit vielen kleinen oder mittleren Paaren (z. B. JJ, KTs,
T9s, 77, A5s), gutshots mit oder ohne Overcards (A4s, 76s), einigen reinen Overcards wie
KJ, KQ, AJ, AQ oder sogar AK und ein paar Sets (TT, 55, 33) callen wird. In diesem Range
finden wir nicht sehr viele Kings und der King am Turn ist für die meisten der aufgelisteten
Hände eine Scarecard. Aus diesem Grund sollten wir mit einer Bet eine ordentliche Fold
Equity gegen die meisten mittelstarken oder schwachen Hände, mit denen der Gegner den
Flop callt, haben. Wenn wir dieses Szenario in den späteren Positionen oder in den Blinds
(d. h. SB vs BB) haben können wir davon ausgehen, dass die Preflop und Flop Calling Ranges
des Gegners eher noch weiter werden und wir daher noch wahrscheinlicher erfolgreich
sein werden, wenn wir den Turn auf Grund der Fold Equity weiter barreln.

2. ich davon ausgehen würde, dass die weiterspielende Range unseres Gegners am Turn
meistens Tx, Sets, Kx und ein paar mögliche Backdoor Nutflushdraws (z. B. Ah5h oder Ah4h)
beinhaltet. Wenn die Karte am Turn der Kh ist, haben wir vermutlich bis zu 36% Equity
gegen seinen Range und immer noch rund 25%, wenn der K eine andere Farbe hat. Dies ist
eine positive Veränderung der Equity in meine Richtung.

3. generell alle meine Outs hier über die Backdoor kommen und es schwer zu erkennen ist,
mit was ich bisher meine Bets gespielt habe. Falls der Gegner ein Set slowplayed, mit Tx
runtercallt oder selbst einen Kx am Turn trifft sollte ich ausreichend Implied Odds haben
um bezahlt zu werden. Aus dem gleichen Grund würde ich nicht davon ausgehen, dass ein
Bluff auf einem anderen River erfolgreich sein würde, aber ich nehme an, dass selbst eine Q
oder ein J auf dem River mir genügend Showdown Value gibt, um herunter zu checken und
den Pot im Schnitt wenigstens zu einem gewissen Prozentsatz mitzunehmen.

-34-
Eine Bet bringt mich in eine sehr gute Position den Pot gleich hier oder am River mitzunehmen,
während ich dem Gegner eine schwierige Entscheidung auferlege. Ganz klar bevorzuge ich hier
eine Bet in 100% aller Fälle gegen jeden beliebigen Gegner.

Beispiel 2:

Der Hero eröffnet auf 3bb von UTG mit KdKc, MP callt und alle anderen Spieler folden. Der Flop
kommt Qs Jh 5s und der Pot beträgt 7,5bb. Hero spielt eine C-Bet um 5bb und der Gegner callt. Der
Turn kommt 7h und der Pot beträgt 17,5bb, also spielt der Hero eine Bet in Höhe von 12bb.

Völlig gegensätzlich sollte es in diesem Beispiel sehr offensichtlich sein, warum wir den Turn gegen
einen unbekannten Gegner betten sollten. Jede Hand, die eine C-Bet am Flop callt, sollte auch eine
Turn C-Bet sehr oft callen können. Jede Q, jeder J, jeder Straight- oder Flushdraw wird hier seinen
Positionsvorteil nutzen und unsere tatsächliche Handstärke am River einschätzen wollen. So lange
sich zwei Draws auf dem Board befinden wird jeder Spieler mit einer Made Hand glauben, dass wir
einen Draw so spielen und jeder Draw (vor allem die, die auf dem Turn zusätzliche Outs wie ein
Spade treffen) wird den River in Position sehen wollen. Dies ist auch der Grund dafür, dass wir sehr
wahrscheinlich entweder selbst betten oder planen, jede Blank auf dem River, die nicht die
offensichtlichen Straigt- oder Flushdraws (sowohl Front- als auch Backdoor) verbessern, zu
check/callen. Den Turn zu checken kann dem Gegner einen freien River geben und es uns schwer
machen, auf verschiedenen Riverkarten oder gegnerischen Aktionen eine gute Entscheidung zu
treffen, während wir es verpassen, mit unserer starken Hand Value zu extrahieren.

2.1.2 Check/Call Turn

Die Aufgabe, der wir uns stellen müssen, wenn wir eine Hand über mehrere Straßen planen, sollte
sein, dass wir herausfinden, wie viele Straßen wir insgesamt für Value gehen wollen bevor wir zum
Showdown kommen. Nun wird jeder sagen: „Aber das ist doch etwas, das wir schon am Flop
machen können!“ – ja, natürlich. Aber im Hinblick auf meine Erfahrung mit dem Flop als einzige
Straße, auf der die Leute auf nahezu allen Stakes – und noch wesentlich mehr auf den Microstakes
– dazu tendieren, eine weitere Karte sehen zu wollen oder sowieso selbst mit ihren schwächsten
Händen weiterzuspielen würden wir im Schnitt einiges an Value verpassen, wenn wir nicht
zumindest alle unsere Value Hände (z. B. Top Pair oder besser) zum Ausnutzen der Situation betten
würden. Wie in Kapitel 1 beschrieben sollten wir nur davon abweichen, wenn wir uns an die
Spielweise von sehr aggressiven oder starken Gegnern anpassen wollen. Daraus folgt, dass die
erste Gelegenheit, zu der wir uns dazu entscheiden müssen, ob wir zwei oder drei Straßen an
Value aus der Hand mitnehmen wollen, meist der Turn sein sollte. Checken können wir an dieser
Stelle aus den folgenden drei Gründen:

a) Unter Beachtung einer Boardtextur, die es dem Gegner nicht erlaubt, schwächere Hände
gerne herunter zu callen, wenn er nicht annehmen kann, dass wir „overbluffen“ (d. h. zu
häufig bluffen) oder dass er selbst extrem loose spielt.

b) Die Größe des Pots auf einer Turnkarte, die besser für die Range des Gegners als für
unsere eigene ist, zu kontrollieren.

c) Die aggressiven Tendenzen eines bestimmten Gegners auszunutzen, wenn er zu häufig


blufft oder einen soliden Spieler zu täuschen, wenn er von uns eine Bet erwartet, was
unsere Chancen auf Value jetzt oder am River verbessern.
-35-
Beispiel 1:

Hero eröffnet auf 3bb von UTG mit AdKs, MP callt, alle anderen Spieler folden. Der Pot beträgt
7,5bb und der Flop kommt Kc Jd 6s. Der Hero spielt eine Bet um 5bb und der Gegner callt. Die
Größe des Pots beträgt 17,5bb und die Karte am Turn ist Js. Hero checkt.

In dieser Situation ist unsere Hand sehr wahrscheinlich gut für zwei Straßen Value. Wenn wir diese
Turnkarte weiter anspielen würden, riskieren wir, den Pot gegen zu viele bessere Hände in der
Calling Range des Spielers in MP zu groß zu machen. Der Gegner kann einige Jx-Hände halten, die
den Flop immer callen würden, darüber hinaus 3 Kombinationen von 66, ein paar Kx (die wir aber
blockieren) und einige Straightdraws wie QTs, T9s, AQ oder ATs. Eine Bet hier würde den Pot über
drei Straßen derart anschwellen lassen, dass der Gegner seinen Range perfekt gegen uns spielen
kann, indem er schwächere Draws am Turn oder schwächere Kx am River weglegt und mit seinen
stärkeren Händen callen oder raisen kann. Wenn wir checken kann der Gegner hingegen selbst
anfangen zu betten und Jx mit seinen schwachen Draws zu repräsentieren, während wir die Größe
des Pots kontrollieren und möglicherweise für eine Value-Bet am River gehen können, wenn er
zurückcheckt. Gegen sehr tighte Gegner, von denen wir wissen, dass sie „underbluffen“ (d. h.
selten in Spots bluffen, wo es eigentlich angemessen wäre), würde ich sogar empfehlen, den Turn
mit dem Plan, auf dem River zu folden, zu callen. Gegen aggressive Spieler, die sehr häufig bluffen
können wir auf diesem Weg sogar eine zusätzliche Straße Value erhalten, indem wir unsere
Spielweise auf Check/Call umstellen. Unter Umständen müssen wir auf diesem Weg die Jx unseres
Gegners ab und an ausbezahlen, aber sehr wahrscheinlich verlieren wir so weniger auf diesem
Weg während wir unseren Profit maximieren, falls er sich für einen Semibluff oder großen Bluff
entscheidet.

Beispiel 2:

Hero eröffnet um 3bb von UTG mit AcQc, alle folden bis zum BU, welcher callt und die Spieler in
den Blinds folden. Der Pot beträgt 7,5bb und der Flop kommt Tc 9c 3d. Hero spielt eine Bet um 5bb
und der BU callt. Der Turn kommt 8s und der Hero checkt.

Auf diesem Board wird der Range, den der Gegner weiterspielen wird, nahezu immer für eine
weitere Bet in der Hand bleiben oder uns sogar raisen, weil die Turnkarte seine Range im Schnitt
stark verbessern kann. Alle Suited Connectors sammeln hier zusätzliche Paare oder Outs auf,
während einige Straßen treffen und Sets oder langsam gespielte Two Pairs ein Problem darstellen
können. Wie in Kapitel 1 beschrieben gibt es einen Grund dafür, als Aggressor gegen bestimmte
Gegner auf dieser Textur den Flop zu checken, aber eine Bet hier würde viele kleinere Paare
unterhalb der 9er rausfolden, während wir einen guten Pot aufbauen für den Fall, in dem wir uns
verbessern. Der Turn verbessert gleichzeitig unsere Equity gegen die Flop Calling Range unseres
Gegners, aber er gibt uns keine zusätzliche Fold Equity, weshalb ein Check mit dem Plan, nahezu
jede Bet zu callen mir nun deutlich attraktiver erscheint. Gegen eine starke Range der oben
genannten Hände sollten wir immer noch rund 50% Equity haben, was einen Call einer wie auch
immer bemessenen Bet (selbst Potsize oder größer) +EV machen sollte.

Unsere starke Range hier zu betten wird mit so viel Equity natürlich nicht unprofitabel sein, aber
das Problem hier ist, dass wir einfach nur den Pot aufblasen und dabei riskieren, selbst ein Raise zu
kassieren während wir unserem Gegner nicht die Möglichkeit bieten, mit seiner Hand einen Fehler
zu machen oder unsere Hand falsch zu interpretieren. Das können wir erreichen, indem wir auf
-36-
Check/Call umstellen, was es wesentlich schwieriger macht, uns auf einen Flush oder eine Straight
zu setzen, wenn wir am River treffen. Wir können immer noch schwächere oder passive Gegner
ausnutzen, indem wir auf dem River wieder selbst anspielen, wenn wir getroffen haben oder
darauf hoffen, dass eher aggressive Gegner uns bluffen oder diese Karten selbst anspielen.

2.1.3 Check/Raise Turn

Als ich mit Poker angefangen habe, gab es die Strategie den Flop anzuspielen mit der Absicht, am
Turn ein Check/Raise zu spielen, die unter dem Namen „stack-a-donk“ sehr populär war. Die Idee
dahinter ist sehr geradlinig, da man versucht, den Gegner dazu zu bringen, den Flop mit einer
hoffentlich weiten Range zu floaten und ihm die Möglichkeit zu geben, den Float in einen größeren
Bluff am Turn zu verwandeln um dann selbst mit den starken Made Hands zu raisen. Auf diesem
Weg konnte man eine zusätzliche Bet von Händen bekommen, die eine Turnbet normalerweise
gefoldet hätten während man schwächeren Händen, die immer noch bis zum River gespielt
wurden, eine Falle stellte.

Der Nachteil dieser Strategie ist, dass die Spieler heutzutage wesentlich achtsamer oder bewusster
solche starken Spielzüge auf dem Turn oder River wahrnehmen, weshalb sie nicht mehr so
bereitwillig mit schwachen One Pairs All-In gehen wollen. Man muss also wesentlich vorsichtiger
damit sein, gegen welche Gegner, mit welchen Karten und Boardtexturen sich so spielen lässt. Mit
einem Stack von effektiv 100 Big Blinds oder auch tieferen Stacks hat der Gegner häufig genug den
richtigen Preis, um mit vielen Draws auf dem Turn und einem aufgeblähten Pot mit guten Implied
Odds gegen unsere starken Hände weiterzuspielen. Darum sind Hände wie Overpairs oder Top
Pair/Top Kicker nicht länger dazu geeignet, den Pot aufzublähen, es sei denn unser Gegner ist ein
sehr schwacher Spieler, der mit schlechteren Onepairs immer noch callt.
Was wir mit dieser Spielweise machen können ist, sie gegen sehr spezielle Gegner, deren Range wir
auf wenige Hände reduzieren können, die wir schlagen und uns ausbezahlen oder zum Fold
bringen, als Werkzeug einzusetzen. Ohne entsprechende Reads und eine angemessene Beurteilung
von Positionen, Gegnertyp und der Historie würde ich eine solche Spielweise aber nicht nutzen.

Beispiel:

Der Hero eröffnet um 3bb mit AcAd von MP, CO foldet, ein sehr looser und schwacher Spieler am
BU callt, die Blinds folden. Die Größe des Pots beträgt 7,5bb und der Flop kommt Tc 2d 3h. Der
Hero spielt eine Bet um 5bb und der Gegner callt. Die Größe des Pots beträgt 17,5bb und am Turn
kommt 2s. Hero checkt, der Gegner spielt eine Bet um 12bb und der Hero ein Check/Raise um
32bb.

Der Plan des Heros in diesem Spot ist offensichtlich der Versuch, den Gegner in einer Situation, in
der er regelmäßig „nur“ drei Straßen an Value erhalten würde, zu stacken. Das zusätzliche Geld,
das am Turn in den Pot kommt stellt sicher, dass der Hero die meisten River für Value All-In stellen
kann. Im Hinblick auf Handkombinationen ist es sehr unwahrscheinlich, dass der Gegner hier viele
starke Hände hält, abgesehen von TT, 33 und einer Kombination von 22. Angenommen, dass wir
gegen einen loosen und schwachen Spieler stehen, können wir tatsächlich gegen mehr 2x
Kombinationen spielen als wir es von einem tighteren oder soliden Gegner sehen würden. Wir
riskieren es, unseren Stack gegen solche Hände zu verlieren, während wir darauf hoffen, unseren
Value von Händen wie Tx oder schwächeren Paaren zu maximieren oder eine zusätzliche Bet von
potentielle Flop-Floats mit schwächerem wie Overcards oder Gutshots zu bekommen. Dieser Spot
hat eine hohe Ratio von möglichem Gewinn zu hohem Risiko und sollte auch so behandelt werden.
-37-
Heutzutage würde ich sehr vorsichtig damit sein und es nur gegen Gegner nutzen, auf die ich gute
Reads habe. Verändern wir die Boardtextur zu Td 9d 5c 6c würde ich weniger wahrscheinlich diese
Strategie nutzen. Das Problem ist, dass hier zu viele Draws oder bessere Hände möglich sind, die
wir zwar nicht alle berücksichtigen können, denen wir aber erlauben perfekt gegen unsere
Spielweise zu spielen (d. h. mit den korrekten Odds und Implied Odds zu callen). Wir können
natürlich sofort All-In gehen, um die zusätzliche Bet aufzusammeln und den Draws unseres
Gegners die Odds zu verweigern, würden aber gegen alle besseren Hände jedes Mal unseren
kompletten Stack verlieren. Das ist generell in keiner Weise eine angemessene Ratio von Risiko zu
Belohnung.

Diese Spielweise auf beiden Boards als Bluff oder Semibluff anzuwenden gibt unseren Gegnern auf
der anderen Seite genauso die Chance, ihre Hand perfekt gegen uns zu spielen. Solide Gegner
haben mit ihren starken Händen oder Draws leichte +EV Entscheidungen. Wir können nur
versuchen, sie mit ihren einfachen Floats oder sehr schwachen mittleren Paaren, mit denen sie den
Pot nach unserem Turncheck mitnehmen wollen, in einen unangenehmen Spot zu bringen.
Nochmals: Damit diese Strategie erfolgreich ist benötigen wir eine angemessene Einschätzung
darüber, wie oft der Gegner mit einer dieser schwächeren Hände feuert im Vergleich zu seinen
soliden Made Hands oder Draws.

2.1.4 Auf dem Turn geraist werden

Einen Raise bei einem Pot zu spielen, der bereits über drei Straßen aufgebläht wurde, sieht nach
einem sehr starken und für effektiv 100 Big Blinds verpflichtenden Spielzug aus. Tatsächlich spielen
die meisten Spieler auf den Microstakes dies normalweise mit einer kleinen Bet (d. h. Minraise)
rein für Value mit dem Plan, alle ihre Chips am River in den Pot zu bekommen und um gleichzeitig
„den Gegner nicht mit einer zu großen Bet abzuschrecken“. Meine Erfahrung auf diesen Leveln und
selbst auf höheren Stakes gegen schwächere Spieler besagt, dass eine Spielweise, die mit einer
ähnlich starken Spielweise in einer soliden und geradlinigen Weise konfrontiert ist, normalerweise
eine wirklich starke Hand wiederspiegelt. Unsere am stärksten anfälligen Hände, die die Mehrheit
der Spieler in diesen Spots überbewertet sind Overpairs oder Top Pair, da ein Raise am Turn
deutlich macht, dass unser Gegner sich auf Two Pair oder besser verbessert hat – vor allem, wenn
die Karte am Turn die offensichtlichste im Hinblick auf die Verbesserung seiner angenommenen
Range ist und man sich sagt, dass der Gegner einen genau aus diesem Grund zu bluffen versucht.
Mein Rat gleich hier zu Beginn des Lernprozesses und dem Aufbau der Bankroll ist, One Pair Hände
gegen einen Raise am Turn in Heads-Up-Situationen öfter abzulegen, erst recht in Multiway-
Situationen. Als generelle Faustregel im Hinblick auf die relative Handstärke - es sei denn wir haben
einen wirklich guten Read auf den Gegner oder dessen Stack ist so klein, dass wir effektiv ein All-In
mit angemessenen Odds callen können - sollte gelten, dass wir bei einem Raise auf dem Turn mit
weniger als einer Handkategorie, die die meisten verbesserten Hände schlagen kann oder
ausreichend Equity hat, nicht weiterspielen können.

Beispiel:

Der Hero eröffnet auf 3bb mit AdAc von UTG, alle folden bis zum BU der callt, die Blinds folden. Der
Flop kommt Ts 6c 5s und die Größe des Pots beträgt 7,5bb. Der Hero spielt eine Bet um 6bb und der
BU callt. Die Turnkarte ist die 9s und die Größe des Pots beträgt 19,5bb. Der Hero spielt eine Bet
um 12bb, der BU raist um 28bb und der Hero legt weg.

-38-
Die Floptextur ist, auch wenn wir keine Backdoors haben, für unser Overpair brauchbar, sodass wir
sofort damit beginnen sollten, von allen Paaren und Draws Value zu generieren. Wir könnten uns
dazu entscheiden, unsere anfällige Hand zwecks Potkontrolle gegen allzu aggressive oder
kompetente Gegner passiv mit einem Check/Call zu spielen und so auch unsere Handstärke
verbergen, aber generell ist einfaches Valuebetten und beschützen der Hand auf den Microstakes
die profitabelste Spielweise. Die offensichtlichen Frontdoor Draws treffen beide auf dem Turn und
wir könnten damit beginnen zu checken, was uns allerdings im Dunkeln darüber lässt, ob wir dem
Gegner nun die Chance gegeben haben, eine beliebige schwächere Hand in einen Bluff zu
verwandeln, während ein Call bei einer Bet hier uns in noch schwierigere Spots am River bringen
kann. Indem wir eine Bet spielen extrahieren wir Value von Tx, schwächeren Paaren und
Kombinationen von Paaren mit Straight oder Spade Draws, während wir die Initiative nicht
aufgeben. Mit seinem Spielzug repräsentiert unser Gegner genau die Art von Händen, die unser
One Pair jetzt schlagen (z. B. T9, 87, Flush, Sets oder Two Pair). Er könnte den Turn mit einer
besseren Hand, die nicht unbedingt ein Flush sein muss, aus vielen Gründen raisen, der
Hauptgrund wird aber Value und Information für ihn sein. Mit unserer starken Linie haben wir ein
ebenso starkes Argument dafür bekommen, unser Overpair mit wenig oder keiner Equity gegen
jede dieser repräsentierten besseren Hände wegzulegen.

Einige unserer cleveren und trickreichen Gegner könnten bemerken, dass diese Spielweise sehr
stark ist und dies ausnutzen, wenn ihre Hand nicht gut genug für einen Call ist, sie aber das Gefühl
haben, dass wir vorsichtig genug und fähig dazu sind, One Pair Hände wegzulegen. In diesen Fällen
müssen wir unseren soliden Ansatz anpassen, dennoch bleibt es dabei, dass die Hand schwer zu
spielen ist, da ein Call hier häufig darin resultiert, dass wir einen River sehen, auf dem sich der
Gegner verbessern könnte oder eine weitere Chance hat, uns aus dem Pot zu bluffen.

Um nach einem Turn-Raise weiterspielen zu können, ist unsere letzte Option, All-In zu gehen, da
Stacktiefe und Potgröße für ein 100 Big Blind Szenario passend sind, sodass wir unserem Gegner
einen angemessenen Preis für einen Call geben, während wir eine weitere Entscheidung am River
vermeiden. Dennoch müssen wir dafür Sorge tragen, dass der Gegner loose genug spielt, um mit
einer schwächeren Hand zu callen, wenn wir diese Linie für Value spielen, damit dieser Spielzug
besser als ein Call ist. Wenn wir diese Linie als (Semi-)bluff in Erwägung ziehen sollten wir Spots
auswählen, in denen wir von Fold Equity gegen bessere Hände oder viele Bluffs profitieren können,
während wir zusätzliche Pot Equity haben, falls wir gecallt werden. Ein Beispiel wäre der obige Spot
mit einer Kombination mit dem As in der Hand des Heros, welches sowohl als Blocker zu den Nut-
Kombinationen unseres Gegners und damit zur Erhöhung unserer Fold Equity wie auch als Booster
für unsere Pot Equity funktioniert, da wir selbst den Nutflushdraw halten. Dennoch sollte man
immer im Hinterkopf behalten, dass eine starke Linie mit einem All-In die relativen Handstärken
auf beiden Seiten sehr stark einschränkt!

2.2 Out of Position ohne Initiative

Um an einen solchen Punkt zu gelangen macht es einen Check/Call am Flop nötig, weshalb ein
Blick auf Kapitel 1.2 hier sinnvoll sein kann. Meine Strategie gegen weitere Aggression
weiterzuspielen hängt sehr stark von meiner Einschätzung ab:

a) Wie stark beeinflusst die Turnkarte sowohl die angenommenen Range meines Gegners
als auch meine eigene Equity
b) Wie verhält sich der Spieler-Pool durchschnittlich und wie sind die Tendenzen des
spezifischen Gegners
-39-
Einige Karten fügen meiner eigenen Hand zusätzliche Outs hinzu (z.B. 8d7d auf einem 9d6c4h Flop
und einem Karo am Turn), reduzieren die möglichen starken Kombinationen in der Range meines
Gegners (z. B. wenn zu einem A auf dem Board ein weiteres hinzukommt) und werden häufig
geblufft (z. B. ein A am Turn). Es gibt Spieler-Pools und Gegner, die regelmäßig mit ihren
mittelstarken Händen für Pot-Kontrolle zurückchecken oder ihre Bluffs hier aufgeben, während
andere schlicht den Plan verfolgen, den ich in Kapitel 2.1 beschrieben habe (d. h. eine Bet spielen
während wir erwarten, noch genügend Equity und Fold Equity zu haben).

Wir müssen hier vernünftig beurteilen, wie sich unser durchschnittlicher Gegner in solchen
Situationen verhält und entsprechend looser callen oder disziplinierter weglegen. In diesem Kapitel
werde ich einige Anhaltspunkte dafür, wann welche dieser Spielweisen Sinn macht, ansprechen.

2.2.1 Single-Raised Pot Heads-Up verteidigen

Sofern wir uns nicht dazu entschieden haben, aus irgendeinem Grund Out of Position mit einem
kompletten Bluff zu floaten (was ich auf den Microstakes grundsätzlich nicht empfehlen kann),
impliziert ein Check/Call auf dem Flop, dass wir bereits etwas mit Equity gefloppt haben. Abhängig
von unserer Position und davon, wie weit wir den Betting Range unserer Gegner am Flop
einschätzen, halten wir hier ein paar Gutshots, Overcards, bessere Draws, eine vernünftige Made
Hand oder ein paar langsam gespielte Monster.

Da die Turnkarte für unsere Draws eine große Veränderung der Equity bedeuten kann, werden wir
normalerweise gegen eine Bet größer als der halbe Pot ohne passende Implied Odds für den River
nicht weiterspielen können. Der Grund dafür ist, dass sich Gutshots, Open Ended Straightdraws
und Flushdraws in weniger als 20% am River verbessern werden. Nur Kombinationen von
verschiedenen Draws mit zusätzlichen oder versteckten Outs (z. B. Straight- plus Flushdraws, Paare
plus Draws oder Draws mit Overcards, die noch gewinnen können) sind brauchbare Hände, mit
denen man im Hinblick auf die reine Mathematik weiterspielen kann. Out of Position ohne
Initiative zu sein führt darüber hinaus dazu, dass unsere Implied Odds sehr niedrig sind falls wir
nicht gegen einen schwachen Spieler stehen, der uns regelmäßig bezahlt, indem er blufft oder eine
Bet von uns auf dem River bezahlt.

Vorausgesetzt, dass wir mit unseren Premium Paaren oder Top Pair/Top Kicker Gelegenheiten fast
immer Preflop eine 3-Bet und mit unseren starken Draws Check/Raise gespielt haben werden wir
uns meistens in einer Situation wiederfinden, in der wir die Equity einer mittelstarken Hand wie
Top Pair/Decent Kicker oder schlechter herausfinden müssen. Wir werden uns zwei Beispiele
ansehen, wie wichtig es ist, nicht nur die absolute Handstärke, wie sie auf den vorherigen Straßen
erschienen ist, zu beurteilen, sondern sie auch in den Kontext von Gegnerstärke, seiner
positionsabhängigen Range Preflop, seiner Betting Range am Flop, der Boardtextur und wie die
Turnkarte seine Range oder seine Spielweise beeinflusst (d. h. unsere „relative Handstärke), zu
bringen. Hände, die auf einer der vorherigen Straßen noch stark waren, können einiges dieser
Stärke auf der nächsten Straße verlieren, während andere sich verbessern – obwohl das auf den
ersten Blick nicht so aussieht!

-40-
Beispiel 1:

UTG eröffnet um 3bb und alle folden bis zum Hero im BB, der mit TsTd callt. Die Größe des Pots
beträgt 6,5bb und der Flop kommt 9c 6d 5c. Der Hero checkt, der Gegner spielt eine Bet um 5bb
und der Hero callt. Die Größe des Pots beträgt 16,5bb und die Karte am Turn ist Js. Der Hero
checkt, der Gegner spielt eine Bet um 12bb und der Hero...

In dieser Situation haben wir eine enge Entscheidung zwischen einem Call und einem Fold. Der
Spieler UTG hat, was wir einen Range-Vorteil nennen, da er sowohl mit einigen 87s oder 65s, Sets,
Overpairs, starken Draws und aufgesammelten Jx-Kombinationen auf dem Turn eine Bet spielen
kann. Die meisten seiner guten Flushdraws enthalten genau genommen einen Jack (z. B. AcJc, KcJc,
QcJc, JcTc) und seine schwächsten Draws oder (Semi-)Bluffs werden sehr wahrscheinlich Hände wie
77, 88, QTs oder KQ sein. Unsere Equity gegen diesen Range beläuft sich auf weniger als 30% und
die meisten River werden uns nicht gefallen. Zu beachten ist noch, dass die Equities sich leicht
verändern, falls wir Tc halten, welche ein paar Flushdraws blockiert.

In engen Situationen wie dieser tendiere ich dazu, meinen Reads über den Playerpool oder
spezifischen Reads über den Gegner zu folgen und einzuschätzen, ob ich annehmen kann, dass er
hier eine eher ungewöhnliche Spielweise verfolgt, indem er Preflop zu loose (z. B. könnten auch
ein paar 9x-Kombinationen in der Range sein, die den Turn betten) oder mit seinen Gutshots oder
Overcards übermäßig aggressiv unterwegs ist. Generell vermeide ich zu dünne Calls wie diesen
lieber, wenn die Boardtextur mich der Gnade meines Gegners, ob er seine Aggression am River
einstellt, ausliefert. Wenn er jeden beliebigen River anspielt – selbst wenn es eine der
verleibenden Ts ist – werde ich über keinen Call glücklich sein, was meinen Turncall in Frage stellt.

Beispiel 2:

BU eröffnet um 2,5bb, der SB foldet und der Hero callt mit QsJs am BB. Die Größe des Pots beträgt
5,5bb und der Flop kommt Jc 8d 6d. Der Hero checkt, der Gegner spielt eine Bet um 4bb und der
Hero callt. Die Karte am Turn ist Kc, Hero checkt, der Gegner spielt eine Bet um 10bb in einen Pot
von 13,5bb und der Hero callt.

Wir stehen einer ziemlich weiten Eröffnungsrange vom Button entgegen, der einige schwächere
Paare oder vernünftige Draws auf diesem Board eher als richtig starke Hände treffen wird.
Overpairs, Sets und ein paar Two Pair-Kombinationen wie 86s oder J8s sind alle in der Range des
Gegners am Flop und am Turn, genauso wie sehr viele Draws wie QT, T9, 97, Diamonds oder
Backdoor Clubs. Die Turnkarte verbessert nur ein paar King high Flushdraws und KJ, aber sie fügt zu
ein paar der oben genannten Hände Outs hinzu während sich die Equity gegen unsere spezifische
Hand mit anderen Karten verschlechtern würde. Ich denke, dass wir ziemlich sicher annehmen
können, dass unsere Gegner über alle denkbaren Stakes hinweg diesen Turn mit ihren Draws und
selbst mit ein paar Bluffs anspielen werden, um uns mit einer 8 oder 6 zum Folden zu bringen.
Halten wie dies im Hinterkopf so verbessert sich die Equity unserer QJs-Hand vom Flop zum Turn
und ich würde empfehlen, gegen nahezu jeden Gegner eine Turnbet zu callen!

2.2.2 Verteidigung von Single-Raised Multiway Pötten

Dies wird ein relativ kurzes Kapitel sein, da die durchschnittliche relative Stärke einer Bet auf dem
Turn von den zwei oder mehr anderen Spielern wiedergespiegelt werden wird. Je mehr Spieler und
je mehr Bets in einen Pot gehen, je wahrscheinlicher ist es, dass derjenige, der die Action anführt,
-41-
mindestens Top Pair schlagen kann. Das beste Szenario, auf das wir hoffen können, ist, dass ein
Spieler, der hier eine Bet spielt, einen starken Draw mit vielen Outs hält, während er davon
ausgeht, dass die Turnkarte seiner Spielweise zusätzliche Fold Equity hinzufügt oder er davon
profitiert, dass der Pot größer wird. Wenn man die Action nicht abschließt sollte man hier meiner
Erfahrung nach nicht callen (selbst wenn man Position auf ihn hat), da man zu häufig von einem
weiteren involvierten Spieler getrappt werden kann der slowplayed oder seine Hand verbessert.
Das trifft vor allem dann zu, wenn bestimmte Draws auf dem Turn ankommen. Aus dem gleichen
Grund verschlechtert sich die Spielbarkeit und der Value unserer Draws auch wenn wir vernünftige
Odds bekommen. Wir wissen einfach nicht, ob wir den River für den ursprünglich gesetzten Preis
sehen werden und zur gleichen Zeit verringern sich unsere Implied Odds, da unsere Gegner unsere
Hand wesentlich besser lesen können und unsere Made Hands oder die exakten Draws bestimmen
können.

Beispiel:

UTG eröffnet um 3bb, Hero callt am BU mit AdJd und der BB callt ebenfalls. Die Größe des Pots
beträgt 9,5bb und der Flop kommt Js 8h 5s. BB checkt, UTG spielt eine 6bb Bet, Hero und BB callen.
Die Größe des Pots beträgt 27,5bb und die Turnkarte ist 9c. BB checkt, UTG spielt eine Bet um 20bb
und der Hero legt weg.

Der Knackpunkt an diesem Fold, der auf den ersten Blick tight erscheint, hat zwei Seiten:

a) UTG feuert in ein Feld von Gegnern, was eine stärkere Range von Beginn an repräsentiert
b) er hat keine Angst vor den zwei Draws (d. h. 76, QT) und den Twopair-Kombinationen,
die treffen können

UTG wird sehr wahrscheinlich alle möglichen Overpairs, Sets, einige der oben genannten Nut-
Kombinationen plus ein paar sehr starke Flushdraws mit zusätzlichen Outs halten. Selbst wenn wir
hier callen müssen wir noch den Spieler am BB berücksichtigen, der als letzter Spieler agiert und er
derjenige ist, der eine der genannten Hand-Kombinationen in seiner Overcalling Range Preflop
hält, da er als letzter agierender Spieler einfach einen günstigen Flop sehen wollte. Auf diese Weise
können unsere 20bb gegen die Ranges beider Spieler bereits totes Geld sein weshalb wir einen
tighten Fold in Erwägung ziehen sollten, obwohl wir die absolute Position und eine relativ starke
Hand mit Top Pair/Top Kicker haben.

2.2.3 Verteidigung von Heads-Up-Pötten nach einer 3-Bet

Angenommen, dass wir ein Check/Call am Flop gespielt haben um an diesen Punkt zu kommen,
sollten wir unseren ursprünglichen Plan noch einmal überarbeiten und daran anpassen, wie die
Turnkarte unsere eigene und die angenommene Range unseres Gegners beeinflusst. Außerdem
müssen wir berücksichtigen, dass der Pot bereits eine Größe erreicht haben kann wo beide
involvierten Spieler nur noch eine Bet in Höhe des Pots oder weniger nach dem Turn überhaben,
wenn es um 100 effektive Big Blinds geht.

Die Hand-Typen, die wir hier am häufigsten am Flop check/callen sind mittelstarke Bluffcatcher wie
kleine Overpairs, Top- oder Midpairs. Das hat mit dem Fakt zu tun, dass wir unsere stärksten und
schwächsten Bluffhände Preflop normalerweise 4-betten, während wir die mittleren Pocketpairs,
gut spielbare Broadways oder Suited Connectors callen würden. Gegen schwächere oder passivere
Gegner entwickelt sich das normalerweise nicht zum Problem, da wir bis zu dem Punkt
-42-
runtercallen können, an dem wir noch das Gefühl haben, dass er (Semi)-blufft oder aufgeben wird.
Gegen stärkere Gegner kann unsere Range hier wieder „capped“ aussehen, was uns anfällig macht,
wenn eine Turnkarte kommt, die für ihre Range sehr gut ist und eher schlecht für unsere
vermeintliche Range.

Zur gleichen Zeit kann das Board mehr drawlastig werden oder zusätzliche Outs zur Betting Range
unseres Gegners hinzufügen, welche uns dazu zwingen können, nach seiner Bet All-In zu gehen um
zu verhindern, dass er perfekt gegen uns spielen kann. Ich meine damit, dass er seine Bluffs,
Aufgaben und mittelstarken Showdown-Hände zurückchecken kann, während er nur die Karten
blufft oder eine Valuebet spielt, die große Schwierigkeiten für unsere Range bedeuten (z. B. die
Karten, die einen Front- oder Backdoor Draw vervollständigen). Wenn ich davon ausgehen kann,
dass mein Gegner weiter blufft oder eine inkorrekte Valuebet auf so vielen Riverkarten wie
möglich spielen wird, dann ist mein grundsätzlicher Ansatz hier zu callen und aus diesem Grund
mir vor Augen zu führen wie „gut“ oder „schlecht“ der River für unsere beiden Ranges ist.

Beispiel:

Der Hero eröffnet um 3bb vom CO mit AdQc und der BU spielt eine 3-Bet um 9bb, die Blinds folden
und der Hero callt. Die Größe des Pots ist 19,5bb und der Flop kommt Qs Tc 4c. Der Hero checkt,
der Gegner spielt eine Bet um 10bb und der Hero callt. Die Turnkarte ist die 7s und die Größe des
Pots beträgt 39,5bb. Der Hero checkt, der Gegner spielt eine Bet um 22bb und der Hero…

... könnte All-In gehen oder eine weitere Straße in der Hoffnung callen, dass er am River eine
bessere Entscheidung treffen kann. Das Problem hier ist, dass sehr viele Karten am River den
Gegner mit seinen 3-Bet und Barrel-Ranges besser treffen können. Jedes Kreuz, Pik, J, 6, K oder ein
A können seine Draws möglicherweise verbessern. Die einzigen guten Karten am River für uns sind
Offsuited 2 oder 5, die das Board paaren. Auf diesen Karten ist es sehr unwahrscheinlich, dass der
Gegner blufft, da alle seine Draws nicht treffen und es Zeit für ihn ist, aufzugeben. Selbst wenn wir
also eine Blank treffen wird der Gegner nur für Value All-In gehen und falls er auf einer der
Scarecards All-In geht, haben wir eine sehr schwere Entscheidung zu treffen. In diesem Fall ist es
also die bessere Alternative, selbst am Turn All-in zu gehen um den Pot gegen die Draws des
Gegners mitzunehmen und ihm eine Verwirklichung seiner Equity zu verweigen.

2.2.4 Verteidigung von 3-Bet Multiway Pötten

Dieser Spot wird meiner Erfahrung nach nicht sehr häufig vorkommen, da es gewaltiger relativer
Handstärken von mehreren Gegnern bedarf, um aneinander zu geraten. Wenn eine Bet abgefeuert
und von zwei oder mehr Spielern inklusive uns auf dem Flop gecallt wurden haben wir entweder
einen starken Draw mit genügend Equity, den wir nicht sofort All-In stellen wollen oder wir haben
eine starke Hand wie Top Pair/Top Kicker oder besser. Jede schwächere Hand sollte nicht die
benötigte durchschnittliche Stärke haben um gegen zwei Gegner mit starken Ranges zu bestehen
und sollten am Flop gefoldet worden sein. Wegen der Größe des Pots werden wir uns
wahrscheinlich einer All-In-Entscheidung gegenübersehen, wenn jemand weiter feuert und wir
können unseren Gegnern die gleiche Entscheidung auferlegen. Unabhängig davon, ob die
Turnkarte Draws verbessert ist es unwahrscheinlich, dass wir ein All-In mit weniger als unseren
langsam gespielten Monstern callen, da jedes All-In gegen zwei Spieler signalisiert, dass Toppair im
Schnitt nicht mehr gut sein wird, falls wir keinen konkreten Read auf die Tendenzen der Spieler
haben.

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Beispiel:

Der Hero eröffnet um 3bb mit AhQh in MP, alle folden zum SB, der callt und der BB squeezt um
12bb. Hero und SB callen beide, die Größe des Pots beträgt 36bb und der Flop kommt As Js 8d. Der
SB checkt, der BB spielt eine Bet um 14bb, Hero callt und SB callt. Die Turnkarte ists 3c und die
Größe des Pots beträgt 78bb. SB checkt, der BB geht für 64bb All-In und der Hero legt weg.

AQs ist natürlich gut genug um in Position gegen ein Squeeze zu verteidigen. Selbst wenn wir
hintenliegen haben wir ordentliche Equity und sorgen uns nur um AK oder AA (welche wir beide
mit unserem A blockieren). Wir haben auch nichts gegen den weiteren Caller am SB, da sich unsere
Hand sich Multiway gut spielt.

Auf dem Flop haben wir einen mehr als guten Bluffcatcher, da wir gegen die meisten Ax und Draw-
Kombinationen vorne liegen. Weil der BB gegen zwei Spieler eine C-Bet spielt, müssen wir ihm
einen angemessene Range glauben, die wohl keine reinen Bluffs beinhaltet. Der SB wird vermutlich
eine ähnliche Range haben, da er callt, kann aber zusätzlich auch ein paar schwächere Draws
halten. Wenn der BB nun am Turn All-In geht macht er klar, dass er nahezu jede Ass schlagen kann,
weil er erwarten muss, dass mindestens einer seiner Gegner eines hält. Die schwächsten
Semibluffs, die er in diesem Fall All-In stellen kann wenn er Preflop mit einem etwas weiteren
Range einen Squeeze spielt, sind vermutlich Kombodraws wie KsQs, KsTs, QsTs, Ts9s, 8s7s etc. Sein
Value Range beinhaltet vermutlich AK, AQ, AJ, AA, JJ, weshalb wir nur noch mit 25% oder weniger
Equity gegen seine komplette All-In-Range stehen. Wir wissen ebenfalls noch nicht, wie stark die
Range des Spielers am SB tatsächlich ist, da er die Action abschließen wird. Wegen der
Drawlastigen Textur des Boards ist es zwar nicht sehr wahrscheinlich, aber er könnte dennoch eine
sehr starke Hand slowplayen.

Alle diese Aspekte zusammen genommen sollten wir hier einen Fold sehr stark in Betracht ziehen,
es sei denn, wir haben sehr spezifische Reads oder Infos auf unsere Gegner in dieser Hand, die uns
glauben lassen, dass der BB einen kompletten Bluff, einen schwächeren Draw oder eine Made
Hand oft genug hält.

2.2.5 Verteidigen von 4-Bet Heads-Up Pots

Um mit einer Hand Out of Position gegen eine 4-Bet zum Turn zu kommen sollten wir ganz genau
wissen, warum wir den passiven Weg gewählt haben. Wir sollten diese Strategie verfolgen, wenn
wir eine starke Hand wie QQ+ oder auch AK slowplayen um diese gegen einen stärkeren Gegner,
der seine Bluffs folden wird, verstecken wollen. Wir wollen, dass er seine Bluffs weiter anspielt und
wir machen uns keine Sorgen um eine freie Karte auf dieser Boardtextur, da wir eine aggressive
Linie am Flop wählen konnten, wenn wir das Gefühl gehabt hätten, dass unsere Hand Schutz
benötigt. Dies trifft auch auf unsere Beispielsituation aus 1.2.5 zu, in der wir weiterhin gecheckt
hätten, wenn wir uns verbessern.

Wir werden ebenfalls mit schwächeren Paaren oder Draws wegen der sehr guten Pot Odds durch
das kleine Sizing am Flop gecallt haben, wenn wir entweder planen gegen eine weitere Betting
Range einen Bluff aufzudecken oder nicht erwarten Fold Equity gegen eine stärkere Range zu
haben. In diesen Fällen müssen wir manchmal gegen ein All-In ohne die richtigen Pot Odds folden
oder die Bluff-Frequenzen unseres Gegners auf dieser Boardtextur sehr gut einschätzen können.

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Wenn der Flop durchgecheckt wurde würde ich normalerweise annehmen, dass mein Gegner
entweder mit einem Bluff aufgibt oder eine Hand mit Showdown Value gecheckt hat mit der er
plant einen Bluff von mir aufzudecken. In diesem Fall werde ich mit meinen Draws oder mittleren
bis starken Händen die Initiative für Value an mich reißen. Mein Sizing hängt meist stark von der
Boardtextur ab, generell würde ich aber eine kleinere Bet in Höhe von 1/3 bis ½ Pot unter der
Annahme spielen, dass meine Bluffs von seinen Give-Ups nicht gecallt werden während ich gegen
Hände mit Showdown Value, die er so für Potkontrolle spielt, Geld spare. Dieses Sizing erhöht auch
den potentiellen Value wenn der Gegner eine schwache Hand hält und sich auf einem dazu
entscheidet, dass er in der Hoffnung weiterspielt, sich mit etwas wie einem aufgesammelten Draw
zu verbessern oder mit einer noch marginaleren Hand den Bluff aufdeckt.

Beispiel:

Alle folden zum CO, der um 2,5bb eröffnet, der BU foldet und der Hero spielt eine 3-Bet auf 8,5bb
mit TsTc vom SB, der BB foldet und der CO erhöht auf 18bb. Der Hero callt, die Höhe des Pots
beträgt 37bb und der Flop kommt Jd 2c 6s. Der Hero checkt, der CO checkt ebenfalls, die Turnkarte
ist 9d und der Hero spielt eine Bet von 14bb.

Preflop will ich mein Geld ohne sehr gute Reads mit TT gegen eine CO 4-Bet Range auf den
niedrigeren Stakes äußerst ungern in den Pot bekommen. Wenn es eine ausreichende Historie mit
3-Bet und 4-Bet Bluffs gibt, können wir einen sehr dünnes All-In für Value spielen aber die
Standard-Ranges werden sehr Valuelastig sein und nur so viele Bluffs beinhalten, dass unsere Hand
gut genug für einen Call ist und wir einen Flop für angemessene Pot Odds sehen.

Mit dem Check behind des Gegners am Flop wird es relativ offensichtlich, dass er sehr
wahrscheinlich kein Toppair oder Overpair halten wird, da er am Flop zu viel Value verpassen
würde, wenn er nicht selbst eine Bet spielt. Die Floptextur ist sehr trocken und erlaubt nicht sehr
viele stärkere Hände abgesehen von langsam gespielten JJ oder versteckt gespielten Jx. Zur
gleichen Zeit muss gesagt werden, dass er auch sehr wahrscheinlich nur wenige Bluffs mit
Overcards oder Backdoor Outs in seiner Range haben wird, da die meisten Spieler solche Hände
am Flop anspielen würden, um den Pot gleich da mitzunehmen. Also bleiben in seiner Range eher
Ass hoch Kombinationen mit Showdown-Möglichkeiten wie Overcards oder kleine Paare übrig (z.
B. AK, A2s, A6s).

Mit der Turnkarte entsteht nun eine Anzahl an verschiedenen möglichen Händen, die von
weiterem Interesse für unseren Gegner. Falls er Preflop einen 4-Bet Bluff mit Suited Händen
gespielt hat (z. B. mit Suited Diamond Assen oder Königen) oder selbst mit schwächeren Händen,
die er auf dem Flop bereits zurück gecheckt hat, könnte er am Turn einen Backdoor Straight- oder
Flushdraw getroffen haben. Diese Hände werden sicherlich eine Bet callen, die die richtigen Odds
ermöglichen, wohingegen der Gegner sich mit Showdown-fähigen Händen wie Ax für einen
Bluffcatch oder dafür entscheidet, einen River anzusehen, je nachdem wie drawlastig die Textur
wird. Um den Gegner zumindest zu ein paar looseren Calls zu ermutigen empfehle ich eine Bet von
weniger als dem halben Pot, da wir ihm sonst nicht den Preis geben, welchen er benötigt und er im
Schnitt vermutlich um die 25% Equity halten sollte. Zur gleichen Zeit glaube ich, dass meine Hand
hier ein wenig Schutz benötigt, da ein Check dem Gegner eine weitere Chance gibt, mit seiner
Hand zu bluffen und uns am River eine sehr schwierige Entscheidung aufzuzwingen (z. B. jede(r)
Diamond, 8, Overcard und selbst eine der verbleidenden T). Der häufige Vorteil einer Bet auf den
Micro- und Smallstakes ist darüber hinaus, dass die Spieler in der Regel den River nicht bluffen,
sobald wir die Initiative an uns gerissen haben und nach dem Call unserer Bet zum Showdown hin
-45-
checken. Das macht es uns einfacher einen Fold zu finden, falls unser Gegner den River selbst
anspielt, sobald wir ihm die Initiative wieder überlassen.

2.3 In Position mit Initiative

Am Turn mit Initiative und in Position zu agieren erlaubt uns, kreativer oder flexibler mit unserer
Strategie und Betsizings zu sein. Wir müssen sicherstellen, dass wir keinen Value verpassen,
solange unsere Gegner nur einen Draw halten und willens sind, für den River zu bezahlen. Zur
selben Zeit sollten wir ebenfalls abschätzen, wie groß die Verschiebung der Equity mit einer
bestimmten Turnkarte möglich ist um zu ermitteln, ob ein Checkback unserer Hand Schaden zufügt
oder uns hilft, am River bezahlt zu werden. Das kann auf zwei Wegen geschehen: Entweder sehen
wir mittels eines Checkbacks schwächer aus, als wir tatsächlich sind und wir bekommen eine letzte
Straße Value am River, indem wir selbst eine Bet spielen oder wir bringen unseren Gegner aus dem
gleichen Grund zum Bluffen.

2.3.1 Heads-Up Pötte

Genau wie am Flop können wir unser Betsizing angemessen nach unten oder oben anpassen und
gegebenenfalls zurückchecken um die weiterspielende Range unseres Gegners stark zu
manipulieren. Unsere starken und mittelstarken Hände sollen weiterhin Value generieren, solange
genügend Hände in der Calling Range unseres Gegners am Flop sind, mit denen er immer einen
River sehen will. Dies trifft normalerweise dann zu, wenn das Board einen oder mehrere Draws
erlaubt und einem eher passiven Gegner entgegenstehen, der eher nicht blufft oder semiblufft,
wenn wir eine Bet spielen.

Das schlimmste, was uns hier passieren kann ist ein Raise, wenn wir eine mittelstarke Hand
angespielt haben, da dies den Pot auf ein Niveau aufbläht, das wir ursprünglich nicht haben
wollten. Dies trifft natürlich auch dann zu, wenn wir wie in Kapitel 2.1.2 beschrieben Out of
Position mit Initiative sind.

Unser Ziel sollte immer sein, die weiten Calling Ranges unserer Gegner am Flop auch am Turn so
weit wie möglich zu halten, während wir mit unseren mittelstarken Händen die Höhe des Pots
kontrollieren. Ich empfehle hier immer, unseren ursprünglichen Plan darauf zu überprüfen, für wie
viele Straßen Value unsere Hand gut ist. Wir sollten ebenfalls im Hinterkopf behalten, dass kleine
Bets am Flop oder schwache Flop Calling Ranges generell nicht dazu in der Lage oder willens sind,
größere Turnbets zu callen, weshalb ein Checkback oder ein kleine Bet hier angemessen sind.
Damit schlagen wir drei Fliegen mit einer Klappe: Potsize kontrollieren, einen Raise vermeiden und
möglicherweise Action am River veranlassen.

Beispiel:

Alle folden zum Hero am CO, der mit QsJs um 3bb eröffnet. BU foldet, SB foldet un der BB callt. Der
Flop kommt Qd 8c 5d und die Größe des Pots beträgt 6,5bb. BB checkt, der Hero spielt eine Bet um
4bb und der Gegner callt. Die Größe des Pots beträgt nun 14,5bb und die Turnkarte ist 9s. BB
checkt und der Hero checkt hinterher.

Wir würden hier auf jeden Fall noch einmal für Value betten wollen, wenn wir wüssten, dass unser
Gegner ein passiver Spieler ist, der es liebt, alle fünf Karten mit seinen schwachen Showdown-
fähigen Händen und all seinen Draws sehen will, jedoch selten am River blufft, wenn er nicht trifft.
-46-
Allerdings ist unsere Hand generell nicht stark genug, für drei Straßen Value zu gehen, da die
meisten Hände, die einen River callen entweder bessere Queens oder Draws mit genügend Outs
sind, die regelmäßig am River treffen. Sofern unser Gegner nicht dem genannten Typ angehört
werden wir vermutlich keine Fehler von unseren Gegnern erwarten können, die von einer Bet
verursacht würden. Ebenfalls wollen wir unbedingt vermeiden, auf einer Karte geraist zu werden,
die verschiedene den Flop callenden Kombinationen verbessert. 8x-Kombinationen folden
normalerweise am Turn sofern sie keine zusätzlichen Draw-Outs beinhalten, darüber hinaus
können solche Draw-Kombinationen auch hier als Semibluff gespielt werden. Stattdessen
bevorzuge ich die passive Linie gegen unbekannte oder solide Gegner um die Situation auf
verschiedenen Riverkarten und Aktionen neu zu beurteilen. Wir können einen Bluff von
Flushdraws oder schwächeren Händen wie Gutshots oder kleinen Paaren auf diesem Weg
hervorrufen, da solche Hände durch einen Check in der Range unseres Gegners gehalten werden.

2.3.2 Multiway Pötte

Wenn wir uns am Turn immer noch in einer Multiway-Situation wiederfinden, wird es selbst in
Position etwas trickreicher. Ein Checkback mit einer mittelstarken Showdown-fähigen Hand um
den Pot zu kontrollieren könnte immer noch wie in Heads-Up-Situationen notwendig sein, aber es
ist wesentlich weniger wahrscheinlich, dass wir zusätzliches Geld von hervorgerufenen Bluffs am
River bekommen, da die Leute eher ungern versuchen, gegen mehrere Gegner den Pot
mitzunehmen. Darüber hinaus ist es wesentlich schwieriger unsere Hand am River vernünftig
einzuschätzen, da wir gegen mehrere Karten stehen, die sich am River noch verbessern können.

Unsere relative Handstärke für eine Valuebet am Turn muss im Schnitt etwas höher gegen zwei
Gegner sein, da wir uns darüber im Klaren sein müssen, dass die Flop Calling Ranges der beiden
Spieler bereits tighter sein müssen. Unsere Toppairs sollten daher bessere Kicker haben als in
Heads-Up-Situationen. Allerdings sind die Chancen dafür größer, dass keiner von beiden ein
Monster slowplayed, wenn beide den Flop nur callen (vor allem auf einer Textur mit vielen
möglichen Draws) und es wird wahrscheinlicher, dass mindestens einer von ihnen einen Draw hält.
Aus diesem Grund können wir manchmal eher damit davonkommen unsere marginalen Hände zu
betten um sie zu schützen oder unsere Semibluffs oder Draws zu betten um unsere Fold Equity zu
maximieren da eine Bet in einer Multiway-Situation meist wesentlich stärker aussehen.
Ich würde immer empfehlen, einen zweiten Blick auf unsere ursprüngliche C-Bet-Checkliste zu
werfen um sicherzustellen, dass wir ein gutes Verständnis davon haben, wie weit die
ursprünglichen Preflop Ranges oder Flop Calling Ranges sein können und wie die Turnkarte diese
Ranges, unsere eigene Equity und Fold Equity beeinflusst.

Beispiel:

Alle folden zum Hero am BU, der um 2,5bb mit Tc9c eröffnet und beide Blinds callen. Der Pot
beträgt 7,5bb und der Flop kommt 8s 7s 3c. SB und BB checken, der Hero spielt eine Bet um 5bb
und beide callen. Die Größe des Pots beträgt jetzt 22,5bb und die Turnkarte ist der Kd. Beide Blinds
checken wieder, der Hero spielt eine Bet von 16bb.

Mit dieser bestimmten Turnkarte könnte unsere Fold Equity tatsächlich sogar wesentlich höher
sein als in einem Heads-Up Pot. Angenommen, dass die Karte selbst die Flop Calling Ranges von
vielen Spieler nicht verbessert (d. h. die meisten weiterspielenden Hände werden Draws oder
schwache Paare sein), können wir eine weitere Bet in einer Höhe spielen, die die meisten
marginalen Draws unbezahlbar machen während wir stark genug aussehen, schwächere Paare zum
-47-
folden zu bringen. Selbst wenn wir gecallt werden haben wir hier eine angemessene Anzahl an
Outs plus ein paar versteckte Outs in Form von T oder 9, die uns manchmal die stärkste Hand
gegen kleinere Paare oder dominierende Draws wie den Nutflushdraw bescheren.

2.4 In Position ohne Initiative

Unser Range, mit der wir in Position eine Bet am Flop gecallt haben, wird sehr wahrscheinlich aus
Händen bestehen, die zumindest etwas Equity oder wenigstens erwarteter Fold Equity auf
späteren Straßen haben werden. Es bieten sich Optionen wie ein weiterer Call, ein Raise oder ein
Fold, wenn unser Gegner einen weiteren Barrel spielt oder eine Bet oder ein Checkback, wenn der
Gegner zu uns checkt. Das führt zu einem etwas komplizierteren Entscheidungsbaum, aber wir
haben einen immensen Informationsvorteil, da wir anhand seiner Aktionen sehen können, wie die
Turnkarte die Range unseres Gegners beeinflusst. Unsere Position erlaubt es uns, im Vergleich zu
einer typischen Situation in Kapitel 2.2 wesentlich looser zu sein, aber sie kann uns manchmal zu
sehr in Sicherheit wiegen, weshalb man vorsichtig sein sollte, wenn man sich die Situation mit zu
schwachen Händen gegen die falschen Gegner oder Ranges zunutze machen will.

2.4.1 Den Turn callen oder floaten

Alle Konzepte aus Kapitel 2.2 bestehen hier immer noch. Die Optionen, noch einmal zu floaten
oder am Turn zu raisen sind zusätzliche Boni, die wir basierend auf den zusätzlichen Informationen,
die wir über die Ranges unserer Gegner bekommen haben, nutzen können. Da unser Gegner die
Initiative hat und Out of Position agiert sollte man hier im Hinterkopf haben, dass seine einzige
Option mit seinen schwachen Draws und Made Hands, von denen er nicht weiß, ob sie die Besten
sind, eine weitere Bet ist. Aus diesem Grund will ich hier in Position mit einem wesentlich weiteren
Range aus Made Hands wie Toppair mit schwächerem Kicker oder auch Secondpair callen, wenn
meine Chancen zum Showdown zu kommen oder meine Optionen, meine Hand auf dem River in
einen Bluff zu verwandeln, erhöht sind. Das gleiche gilt für potentielle „Doublefloats“ mit
schwachen Draws. Um also herauszufinden, wie ich weiterspielen will, muss ich folgende
Einschätzungen treffen:

a) Die Pot Odds und Chance, beim Showdown die bessere Hand als der Gegner zu haben
(Equity) b) Implied UND Reverse Implied Odds
c) Die Bereitschaft, meine Hand am River in einen Bluff zu verwandeln (Fold Equity)

Beispiel:

Alle folden zum CO, der um 3bb eröffnet, der Hero callt am BU mit 8h9h und die Blinds folden. Der
Flop kommt 2s 5s 7h und die Größe des Pots beträgt 7,5bb. Der CO spielt setzt 5bb und der Hero
callt. Die Turnkarte ist Tc und die Größe des Pots beträgt 17,5bb. CO setzt 12bb und der der Hero
callt.

Auf dem Flop floatet der Hero mit einem Gutshot, zwei Overcards und einem Backdoor Flushdraw
in Position wie in Kapitel 1.4 beschrieben. Möglicherweise werden wir mit unserem versteckten
Gutshot groß ausbezahlt und manchmal machen wir sogar mit einer 7 oder 8 die beste Hand.
Unser Positionsvorteil erlaubt es uns am Turn mit diesen Händen bessere Entscheidungen zu
treffen, nachdem wir die Aktionen unseres Gegners nach unterschiedlichen Karten gesehen haben,
was den Call am Flop noch besser macht. Am Turn bekommen wir Pot Odds von über 2,5:1, was
eigentlich für einen weiteren Call nicht gut genug ist. Ich würde hier aus vielen verschiedenen
-48-
Gründen dennoch weitermachen: Sowohl Spades und Clubs, J oder 6 können unserem Gegner den
Flush oder die Straight machen, aber wir sehen die Aktion unseres Gegners auf verschiedenen
Riverkarten zuerst, so dass wir seine Linie und sein Betsizing mit einem Flush recht gut lesen
können. Zur gleichen Zeit, falls der Gegner eine Bet spielt und jeder seiner Draws am River platzt,
können uns eine 8 oder 9 immer noch die beste Hand machen während unsere Position uns
erlaubt, zum Showdown zu kommen. Darüber hinaus geben uns Spades oder Clubs eine
Gelegenheit zum bluffen, wenn der Gegner checkt. Es gilt jedoch zu beachten, dass unser Plan
gegen loose/passive Spieler oder kompetente, aggressive Gegner aus verschiedenen Gründen
fehlschlagen kann. Speziell auf den Microstakes kann es extrem schwer sein, einen
durchschnittlichen Freizeitspieler auf einer Scarecard am River von seiner besten Hand zu bluffen.
Die aggressiven Spieler wiederum ergreifen selbst die Gelegenheit zu bluffen oder den River für
dünnen Value anzuspielen, weshalb wir darauf vorbereitet sein müssen, am River ein Bluff-Raise zu
spielen. In solchen Fällen ist ein Fold oder ein Raise am Turn unter Umständen die bessere Option.

2.4.2 Raise am Turn

Wenn wir am Turn mit einer weiteren Bet konfrontiert werden sieht ein Raise sehr stark aus, wenn
wir also einen Raise hier als Bluff benutzen sollten wir sicherstellen, dass die angenommene Range
unseres Gegners weit genug ist und wir ausreichendes Verständnis seiner typischen Tendenzen
haben. Es gibt eigentlich keinen Grund, gegen die typischen schwachen, loosen und passiven
Spieler auf den Microstakes einen Raise oder einen Bluff zu spielen während es mehr und weniger
zu einem wichtigen Mittel wird, wenn wir gegen stärkere oder kompetentere Gegner antreten, die
mit ihren anfälligen Händen zu einem Laydown in der Lage sind. Unsere Erfolgsrate hängt hier sehr
stark davon ab:

a) was der Hero bei einer bestimmten Turnkarte glaubwürdig repräsentieren kann (z. B.
ankommende Flushes oder Straights)
b) wie weit seine Barrel-Range ist (z. B. loose Preflop Ranges, aggressive Tendenzen)
c) sein Verständnis von relativer Handstärke (d. h. ist er in der Lage eine Hand aufzugeben)

Meine Faustregel in solchen Fällen besagt, dass wenn meine Pot Equity nicht gut genug für einen
Call bei den gegebenen Odds ist und bestimmte Riverkarten meine Hand machen, aber:

1. Gleichzeitig die Range meines Gegners verbessern (z. B. eine Straße machen, wenn ein
Flush möglich ist)
2. Ich nur selten ausbezahlt werde (z. B. einen offensichtlich Frontdoor-Flush oder eine 4-
Karten Straight machen)

dann und nur dann ziehe ich einen Fold oder einen Raise als Bluff einem Call vor. Wenn mein
Gegner loose, passiv, beharrlich oder übermäßig aggressiv ist, würde ich in jedem Fall folden.

Beispiel 1:

Alle folden zu einem Regular am SB der auf 3bb erhöht und der Hero callt im BB mit 7h5h. Die
Größe des Pots beträgt 6bb und der Flop kommt 8h 4s 2s. Der SB setzt 4bb und der Hero callt. Die
Größe des Pots beträgt nun 14bb und die Turnkarte ist 3c. Der SB setzt 10bb und der Hero raist auf
28bb.

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Wir könnten bereits am Flop als Semibluff raisen, aber wir repräsentieren mit diesem Raise nicht
sehr viele starke Valuehände, weshalb wir uns unsere Position zunutze machen und uns erstmal
den Turn ansehen. Der Turn verbessert unseren Draw zu einem Open-Ender, aber unsere Equity
gegen bessere Made Hands oder Draws ist für einen Call nicht ausreichend. Wir müssten
sicherstellen, dass wir eine zusätzliche Bet am River spielen können, wenn wir unsere Hand
machen, was problematisch sein kann. Wenn wir die oben genannten Kriterien berücksichtigen
wird klar, dass es schwer sein wird, mit einem A oder 3s am River noch Geld zu gewinnen, da beide
für die Range unseres Gegners Scarecards darstellen. Auf der anderen Seite verlieren wir
vermutlich mehr, wenn ein Spade ankommt und der Gegner am River noch einmal setzt. In einem
Kampf um die Blinds kann der Gegner mit einigen spekulativen Händen wie Ax-Kombos, schwache
Paare oder Draws wie kleine Spades oder Gutshots barreln, die wir vielleicht zur Aufgabe bringen
können. Die Chancen dafür sind möglicherweise erhöht, da der Gegner ein solider Spieler ist, der
sehr wahrscheinlich versteht, was wir hier repräsentieren.

Andererseits müssen wir ganz ähnliche Aspekte berücksichtigen, wenn wir mit einer Bet oder
einem Raise in Position für Value gehen um sicherzustellen, dass unsere Spielweise für einen eher
soliden Gegner wie ein Bluff aussieht und die Karte ihm genügend Anreiz gibt mit seinen guten
Draws oder mittelstarken Made Hands weiterzumachen. Aus diesem Grund macht ein Raise mit
einer mittelstarken oder sogar starken Hand für Value und Schutz vor schlechten Riverkarten Sinn,
wenn wir uns nicht sicher sind, was für einen Gegner wir vor uns haben. Das Ziel in solchen
Situationen kann sein, zusätzlichen Value von Ranges zu bekommen, die viele schlechtere Hände
beinhalten und kein zusätzliches Geld in den Pot bezahlen, solange die Draws sich nicht verbessern
oder eine harmlose Riverkarte für ihre Made Hand kommt. Zur gleichen Zeit können wir so
vermeiden selbst am River geblufft zu werden da wir die Initiative an uns reißen und sollten
erwarten, dass der Spieler ohne Initiative zu uns checkt und uns erlaubt, zurück zu checken, wenn
wir erwarten keinen zusätzlichen Value von schlechterem bekommen zu können.

Beispiel 2:

Alle folden zum SB, der 3bb setzt und der Hero callt im BB mit AhTh. Die Größe des Pots beträgt
6bb und der Flop kommt Ts 9d 4d. Der SB setzt 4bb und der Hero callt. Die Potgröße beträgt nun
14bb und die Turnkarte ist 3c. Der SB setzt 10bb und der Hero erhöht auf 28bb.

In diesem knappen Spot können wir versuchen, zusätzlichen Value von schwächeren Paaren oder
vielen Draws wie QJ, 87 und Diamonds zu bekommen, während ein Call diesen Händen erlauben
würde, sich am River zu verbessern und uns zu einer schwierigen Entscheidung zwingen würde,
wenn der Gegner eine Broadway-Karte, eine 8 oder ein Diamond selbst anspielen würde. Ein Raise
führt zwar dazu, dass wir gegen bessere Hände wie Sets oder Overpairs Geld verlieren, allerdings
würden wir den gleichen Betrag oder sogar mehr auf vielen Blanks am River sowieso verlieren.

-50-
3. Der River

In meinen Augen ist der River die wichtigste und komplexeste Straße von allen. Auf einmal haben
wir entweder 0% oder 100% Equity (wenn man eine Teilung als Gewinn zählt), so dass es keine
Grauzonen mehr gibt und wir eine Entscheidung über die tatsächliche Stärke unserer Hand in
Relation zu denen unserer Gegner treffen müssen.

Fehler auf vorherigen Straßen sind normalerweise weniger schwerwiegend wenn man
berücksichtigt, dass selbst schwächere Draws oder Paare gegen bessere Hände noch einen
gewissen Prozentsatz Equity haben. Darüber hinaus können viele loose Calls Preflop, am Flop oder
Turn mit inkorrekten Pot Odds immer noch wegen guter Implied Odds oder der Chance eines Bluffs
auf dem River sinnvoll sein.

Weiterhin wird der Pot auf dieser Straße am größten sein, da die Größe des Pots exponentiell
wächst und jedes Geld, dass hier eingezahlt wird genauestens durchdacht sein muss, da es unsere
langfristige Gewinnrate massiv beeinflusst. Einen Fehler unserer Gegner zu callen oder zu bluffen
ist das was wir wollen um diese Gewinnrate zu erhöhen, während wir unsere eigenen potentiellen
Fehler, wie mit 0% Equity zu bluffen oder unverhältnismäßige Bets mit Händen, die eine
unpassende relative Handstärke haben, zu bezahlen, so gering wie möglich halten wollen.

Meine Erfahrungen auf den Microstakes waren eigentlich immer ungefähr die gleichen und haben
sich im Verlauf der Jahre nur minimal verändert. Den größten Fehler, den ich bei meinen
durchschnittlichen Gegnern immer wieder gesehen habe, ist der Widerwille, eine mittelstarke oder
Showdown-fähige Hand in großen Pötten zu folden. Dafür gibt es auf den ersten Blick sehr logische
Gründe, da die Leute nichts mehr hassen als:

a) einen großen Pot aufzugeben, in den sie über 3 Runden Geld eingezahlt haben
b) den Showdown zu verpassen mit dem Gefühl, geblufft worden zu sein

Auf höheren Levels oder in Spielen mit kompetenteren Gegner mag sich abhängig vom Skill-Level
das um ein kleineres oder größeres Ausmaß verändern, da das strategische Verständnis vom Spiel
höher ist und emotionale Gründe wie b) weniger eine Rolle spielen. Mit einem Bluff oder einem
Bluffcatch in guten Spots hier Geld zu machen kann unter Umständen profitabler sein, als für Value
zu betten. Allerdings will ich betonen, dass das letztere ein Schlüssel-Skill ist, den man in jedem
beliebigen Spiel und speziell auf den Microstakes haben muss.

3.1 Out of Position mit Initiative

Nachdem alle Karten gedealt wurden müssen wir nun beurteilen, wie gut unsere derzeitige Hand
im Vergleich zur angenommenen Range unserer Gegner tatsächlich ist. Da wir hierher gelangt sind,
nachdem wir zwei Mal auf den vorherigen Straßen gesetzt haben ist es sehr wahrscheinlich für
unseren Gegner, dass er eher mit mittelstarken Händen und Draws als mit langsam gespielten
Monsterhänden gecallt hat. Wir haben bisher noch keinen Raise gesehen, so dass die Hände, die
wir auf den vorherigen Straßen gut genug für eine Valuebet gehalten haben, auch am River für
eine weitere Valuebet gut sind, wenn die Riverkarte nicht viel verändert. Im Gegensatz dazu wird
ein Bluff in der gleichen Situation wesentlich weniger wahrscheinlich funktionieren. Wir müssen
erwägen, wie stark die Riverkarte die Range unserer Gegner beeinflusst und dann entscheiden, ob
wir einen Bluff, eine Valuebet oder einen „Bluffcatcher“ spielen wollen, oder ob wir aufgeben.

-51-
3.1.1 Der Triple Barrel

Die Fragen, die wir uns hier stellen müssen, sind: Glauben wir, dass eine Bet am River…

a) häufig genug eine bessere Hand zum folden bringt? (Bluff)


b) von mehr schlechteren als besseren Händen gecallt wird? (dünner Value)

Wir werden hier nur langfristigen Profit generieren, wenn wir eine der beiden Fragen mit Ja
beantworten können bevor wir eine weitere Bet abfeuern. Je größer unser Riskio ist je häufiger
muss unser Bluff funktionieren, damit wir langfristig daran verdienen können. Wir müssen
abhängig vom gewählten Betsizing, welches wir weiter unten erarbeiten werden, mit unseren
Bluffs erfolgreich sein. Alles Geld, was wir am River für Value in den Pot einbezahlen muss in mehr
als 50% der Fälle wieder zu uns zurückkommen und je näher wir an die 50% kommen, umso
„dünner“ wird der Value.

Das Konzept von „dünnem Value“ ist etwas, dass ich in meiner Grinding it UP!-Serie auf YouTube
im Übermaß genutzt und promotet habe, da meine Erfahrung gezeigt hat, dass es gerade auf den
Microstakes der Geldmacher schlechthin ist. Erinnert ihr euch vielleicht daran euch selbst gefragt
zu haben „Wie kann er das nur callen?“, als ihr diese Spiele gespielt habt?

Es ist überraschend und auch verblüffend, was die Leute selbst gegen eine große Bet am River
noch callen. Das hat hauptsächlich mit dem Fakt zu tun, dass Freizeitspieler Poker nur zum Spaß,
wegen der Spannung und ein bisschen Risiko spielen. Sie spielen nicht, um am River den
großartigen Fold zu machen um ein paar zusätzliche Dollar zu sparen, wenn sie bereits so viel in
den Pot investiert haben. Sie sind eher da, um den großen Herocall zu machen oder den großen
Bluff auszupacken, was natürlich sehr gute Gründe sind, unser geliebtes Spiel zu spielen – und das
sollte man aus den offensichtlichen Gründen auch respektieren!

Lasst mich dieses Konzept in ein zweckmäßigeres Licht setzen: Es trifft auf Situationen zu, wo wir
die beste Hand häufig genug halten, aber Angst davor haben, sie für Value zu betten, da wir
befürchten, dass unser Gegner unsere Bet mit schwächeren Händen nicht oft genug bezahlt, um
einen Profit zu machen. Das trifft in der Regel dann zu, wenn wir annehmen, dass unsere Gegner
solides Poker spielen und bemerken, wenn ihre Hand nicht mehr gut genug ist. Aus verschiedenen
Gründen trifft es nicht auf die meisten unserer Gegner auf den Microstakes zu (z. B.
Unerfahrenheit, emotionale Entscheidungsfindung, Tilt usw.) weshalb wir dünnen Value in
Situationen haben, in denen wir ihn gegen kompetentere Gegner nicht haben. Dies hat auch damit
zu tun, dass schwächere Spieler eine Hand mit einem viel weiteren Handrange eröffnen und damit
auch auf den Postflop-Straßen weiterspielen, was wir von einem soliden Spieler nie erwarten
würden. Das erhöht unseren potentiellen Value auch auf den späteren Straßen, wenn
offensichtliche Draws treffen!

Beispiel 1:

Der Hero setzt 3bb mit AsJd von UTG und alle folden bis zum BU, der ein sehr looser, passiver und
schwacher Spieler ist. Er callt, die Blinds folden, die Größe des Pots beträgt 7,5bb und der Flop
kommt Js Td 6s. Der Hero setzt 5bb und der BU callt. Die Potgröße beträgt nun 17,5bb und am Turn
kommt 5c. Der Hero setzt 13bb und der BU callt wieder, der Pot beträgt 43,5bb. Die Karte am River
ist 9s und der Hero setzt 28bb.

-52-
Auch wenn das Board am River mit den offensichtlichen Flush- und Straightdraws zusammen mit
ein paar Twopair-Kombinationen beängstigend wirkt können wir profitabel gegen den loosen,
passiven und schwachen Gegner für dünnen Value setzen da er uns mit jedem Jx, Tx oder
niedrigeren Paar callen kann, weil er glaubt, wir würden bluffen. Er wird vermutlich bereits Preflop
mit einer sehr weiten Range gecallt haben, die viele Jx oder Tx-Kombinationen enthält, die ein
besserer Spieler weggelegt hätte. Darüber hinaus sind die Gründe, aus denen er einen großen Call
am River macht andere als die, die wir haben, um profitables Poker zu spielen.

Exkursion: Wasted Pair Theorem

Wenn die Leute bereits viel Geld in ihre Draws auf den vorherigen Straßen investiert haben und
damit zum River kommen, sind sie wesentlich seltener bereit, einen Fold zu finden, sobald sie
genügend Showdown Value zusammenbekommen, um unsere Bluffs zu schlagen. Sie tendieren
regelmäßig dazu, denn das menschliche Gehirn versucht, ihnen weiß zu machen, dass ihre Hand
sich ausreichend „verbessert“ hat, auch wenn das auf die relative Handstärke gegen die Betting
Range ihres Gegners nicht zutrifft. Dieses Phänomen nenne ich „Wasted Pair Theorem", da das
Paar, welches sie in solchen Situationen auf dem River treffen „verschwendet“ ist. Ich habe das
Theorem auch nach dem berüchtigten World Championship of Online Poker 2013 Sieger
„PlayinWasted“ benannt, der mir geholfen hat, dieses Konzept zu entdecken und es in die richtigen
Worte zu fassen. Wann immer man einen solchen Spot entdeckt, in dem es für einen Gegner
wahrscheinlich ist, dass er ein verschwendetes Paar am River trifft, sollte man sicherstellen, dass
man versucht, dünnen Value zu bekommen, da der Gegner wesentlich wahrscheinlicher willens ist,
eine Bet zu bezahlen.

Beispiel:

Der Hero eröffnet mit AdAc um 3bb von UTG, alle folden zum BU, der callt und die Blinds folden.
Der Flop kommt Th 9h 5d und die Größe des Pots beträgt 7,5bb. Der Hero setzt 6bb und der BU
callt. Die Turnkarte ist 3s und die Größe des Pots beträgt 19,5bb. Der Hero setzt 15bb und der BU
callt wieder. Die Riverkarte ist Qd und der Pot beträgt 49,5bb. Der Hero setzt 36bb.

Wenn der Gegner uns auf dieser Boardtextur zwei Mal callt hat er sehr wahrscheinlich einen
soliden Draw, JJ, einige Tx oder 9x. Von all diesen Händen haben alle Draws mit einer Q am River
ein „wasted“ Pair, da die Betting Range des Heros in diesem Spot extrem stark ist, vor allem, da der
Gegner potentielle Draw-Kombos mit Händen wie QJ oder Qhxh selbst blockiert. Seine Hand hat
sich in seinen Augen verbessert und er wird sehr wahrscheinlich nun eine große Bet callen,
weshalb wir hier einen tollen Spot haben, um für dünnen Value zu gehen!

Lasst uns nun mit dem Thema a) beschäftigen, was in der Theorie sehr interessant ist, aber aus
oben genannten Gründen für den Aufbau von profitablen Riverstrategien auf den Microstakes
nicht sehr hilfreich sein muss. Man sollte aber nicht denken, dass ein Verzicht auf Bluffs auf den
Microstakes immer die optimale Strategie ist! Es wird auch gute Spots gegen wo selbst unsere
Microstakes-Gegner bereit sind, gegen einen gut getimten Bluff zu folden. Allerdings unterscheiden
sich diese Spots wahrscheinlich von denen, die man für große Bluffs erwarten würde, bevor man
diesen Guide liest.

Zu guter letzt müssen wir auch darüber sprechen, wie wir am River sinnvoll bluffen können, um
gegen kompetentere und stärkere Gegner auf den höheren Leveln zu bestehen. Um damit
anzufangen will ich einen kleinen Ausflug in die Mathematik machen:
-53-
Exkursion: Die Mathematik hinter Bluffs am River

Diese kleine Exkursion in die Mathematik trifft auch auf alle bisherigen Bets zu, aber ich hatte den
Eindruck, dass es am meisten Sinn macht, die Theorie hinter dem Setzen hier zu beleuchten, da der
River die wichtigste aller Straßen ist und weil das erfolgreiche Setzen auf den vorherigen Straßen
eher mit den praktischen als den theoretischen Aspekten des Spiels verbunden ist, vor allem auf
den kleineren Stakes. Um aus dieser Exkursion in der Zukunft praktischen Nutzen zu ziehen muss
man nicht unbedingt der reinen Mathematik dahinter folgen, aber es hilft, sich die benötigte
prozentuale Fold Equity zu merken, die benötigt wird um einen Bluff langfristig profitabel zu
machen und damit optimaleren Betsizings für einen Bluff auswählen zu können.

Stellen wir uns vor, dass wir zu 100% sicher sind, dass wir den Pot beim Showdown auf keinen Fall
gewinnen können. Wenn ich eine Bet B mache um den Pot P zu gewinnen, will ich, dass mein
Gegner sofort weglegt und ich P häufiger gewinne, als ich wegen einem Call des Gegners verliere.

Wenn wir das in eine mathematische Schreibweise umwandeln und f die Wahrscheinlichkeit ist,
dass mein Gegner weglegt (Fold Equity) dann können wir unseren Profit so berechnen:

[1] Profit = f*(P) - (1-f)*(B)

Wenn wir wollen, dass unser Profit > 0 ist, dann setzen wir Profit > 0:

[2] f*(P) - (1-f)*(B) > 0

Wir wollen wissen, wieviel Fold Equity f unser Bluff Betsizing benötigt, also lösen wir nach f:

[3] f*(P) - (1-f)*(B) > 0 <=> f*P - B + f*B > 0 <=> f*(P + B) - B > 0 <=> f > B / (P + B)

Wir können nun [3] benutzen um die benötigte Fold Equity f für verschiedene Betsizes zu finden.
Wenn wir aus Gründen der Einfachheit annehmen, dass die Potgröße 1 ist und B als Bruchteil von P
benutzen können wir P = B = 1 testen und bekommen:

[4] f > 1/2 = 50%

Für unsere verschiedenen Standard-Betsizings bekommen wir folgendes Resultat:

Betsize Benötigte Foldequity


1/3rd Pot 25.00%
1/2 Pot 33.00%
3/4 Pot 43.00%
Pot 50.00%

Dies ist einer der Gründe, warum wir uns unser Betsizing sehr gut überlegen müssen, da es
grundsätzlich in Beziehung zum potentiellen Erfolg von unseren Zielen a) und b) steht. Wenn unser
Ziel ist, den Gegner regelmäßig zum Fold eines schwachen Teils seines Ranges am River zu bringen
bedeutet das nicht, dass wir immer groß setzen müssen, um erfolgreich zu sein. Da starke Hände
sowieso callen oder bluffen würden können wir auf diesem Weg potentiell viel Geld sparen!
-54-
Beispiel 2:

Der Hero setzt 3bb am CO mit 5c4c, BU callt und die Blinds folden. Der Flop kommt 9s 2c 6s und die
Größe des Pots beträgt 7,5bb. Der Hero setzt 5bb und der BU callt. Die Turnkarte ist Qc und im Pot
sind 17,5bb. Der Hero setzt 13bb und der BU callt. Der River ist 7d und im Pot sind 43,5bb. Der
Hero setzt 22bb.

In dieser Situation repräsentieren wir einige Draws, die am River nicht getroffen haben, da wir
normalerweise nicht sehr viele starke Hände außer Overpairs, ein paar Qx oder Sets haben
werden. Aus diesem Grund, falls der Gegner sich für einen Bluffcatch mit einer Made Hand wie A9s
oder TT entscheidet, wird er dies unabhängig von unserem Betsizing machen. Auf was wir mit
einer Bet abzielen sind schwache 9x und Draw-Hände, die wir selbst nicht schlagen, wie z. B. Spade
Draws, 87s oder einige Floats mit Overcards und Backdoor Draws. Nebenbei sei gesagt, dass, auch
wenn wir aus diesem Grund mit einer kleineren Bet davonkommen können, wir dem dem Gegner
erlauben, als Bluff All-In zu gehen. Darum würde ich unbefähr halben Pot setzen, aber definitiv
nicht mehr als das.

Vor diesem Hintergrund können größere Valuebets für einen Gegner mehr wie ein Bluff aussehen,
wenn er erwartet, dass wir einen geplatzten Draw halten, während kleinere Bluff Bets sehr effektiv
sein können, wenn der Gegner eine eher schwache Range hält und erwartet, dass wir so spielen
würden, um ausbezahlt zu werden. Es ist extrem wichtig, ein gutes Verständnis für die Boardtextur
zu haben und dafür, wie sie sich gegenüber den potentiellen Händen, auf die wir mit einer
Valuebet oder einem Bluff abzielen, verhält.

Beispiel 3:

Der Hero setzt 3bb mit AsAd am CO und der BU callt. Im Pot sind 7,5bb und der Flop kommt Qd 9s
4s. Der Hero setzt 5bb und der BU callt. Im Pot sind 17,5bb und die Turnkarte ist 2d. Der Hero setzt
13bb und der BB callt. Der Pot beträgt 43,5bb, der River ist 2c und der Hero setzt 35bb.

Dies ist ein sehr guter Spot für ein Triple Barrel. Der BU wird häufig eine weite Range von Händen
haben, mit denen er spielen will, aber da wir sowohl am Flop und am Turn betten reduziert sich
der Range eher auf Qx und geplatzte Draws. Wir blocken den Nutflushdraw mit unserem As,
weshalb die Kombinationen von Bluffs, mit denen der Gegner selbst setzen würde, wenn wir
checken, JT oder schwächere Spade Draws sein würden. Wenn wir also checken würde der Gegner
die meisten Qx, außer vielleicht KQ, nur zurückchecken und damit zufrieden sein, den Pot so gegen
unsere Bluffs oder schwächeren Paare mitzunehmen. Im Gegenteil könnten wir selbst hier so
wahrgenommen werden, dass wir selbst mit einer weiteren Range am CO unterwegs sind während
wir unsere Draws Postflop anspielen. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass uns selbst schwache
Qx in diesem Spot callen, da diese alle geplatzten Draws schlagen würden. Falls wir gegen einen
sehr aggressiven Gegner spielen oder wir einen Read haben, dass er mit schwachen Händen zwei
Mal floaten würde und der dazu in der Lage ist, Qx selbst auf dem River anzuspielen, dann sollten
wir uns überlegen, statt selbst zu setzen einfach zu checken.

Aus den gleichen Gründen, wenn wir im Gegensatz dazu selbst JT oder KsJs halten würden, würde
dieser Spot ein sehr schlechter zum Bluffen sein. Wir blockieren dann einige potentielle Draw-
Kombinationen, mit denen unser Gegner folden würde, falls wir eine Bet spielen.

-55-
3.1.2 Check/Call River

Im Gegensatz zu der Situation in Beispiel 1 aus Kapitel 3.1.1, als wir mit einer Made Hand am River,
die möglicherweise nicht gut genug für eine Bet für dünnen Value ist, müssen wir uns überlegen,
ob wir checken und uns die Option offenhalten, ob wir nach einer Bet des Gegners callen oder
folden wollen.

Eine kleine, witzige Nebenbemerkung: Ich hatte einen langjährigen Freund in unseren
Homegames, der mir jahrelang erzählt hat, dass er nicht versteht, warum ich bestimmte
mittelstarke Hände am River für dünnen Value mit der Intention anspiele, gegen einen Raise zu
folden, wenn ich doch mit einem Check/Call den Showdown für den gleichen Preis gesehen hätte.
Er kann gleichzeitig richtig und falsch liegen! Das Dilemma, dass er hier beschreibt ist eher
emotionaler als rationaler Natur, da er es einfach hassen würde, geblufft zu werden. Lasst uns also
sehr rational an die Sache herangehen und einen Weg finden, wie wir die Profitabilität jeder
Entscheidung hier herausfinden können. Letzten Endes wollen wir die Entscheidung treffen, die
uns langfristig den größtmöglichen Value beschert – das Hauptziel in Cashgames. Lasst uns also
festlegen:

A: = {schlechteste Hand im Range unseres Gegners, die eine Valuebet callen kann}
B: = [schlechtere Hände in seiner Range, die gegen eine Valuebet folden und selbst
anspielen, wenn wir checken}
C: = {bessere Hände in seiner Range die eine Valuebet callen oder raisen und selbst
anspielen, wenn wir checken}

Wenn wir annehmen können, dass A > (B + C) müssen wir für Value setzen. Nur wenn wir denken,
dass unser Gegner zu viele seiner A-Hände folden würde, sollten wir besser checken, da er selbst
anfangen könnte, Hände aus A und B anzuspielen, da er unseren Check als Schwäche
fehlinterpretiert und selbst für dünnen Value oder einen Bluff geht. Allerdings muss unser Gegner
selbst ein wenig aggressiver und gewillt sein, Geld in die Hand zu nehmen - was ein Charakterzug
ist, den die wenigsten unserer Gegner auf den Microstakes besitzen. Wir werden viele Gegner
erleben, die mittelstarke oder Showdown Hände aus der Kategorie A nur zurückchecken, weil sie
bereits glücklich mit der Größe des Pots sind und keinen Grund dafür sehen, selbst für Value zu
setzen. Aus diesem Grund setze ich gegen schwächere Spieler auf den Microstakes lieber selbst
und mache zusätzlichen Profit aus A > (B + C).

Checken und callen erfordert, dass ich die stärksten Hände in der Range meines Gegners so oder
so ausbezahle, weshalb ich genauso gut die Option wählen kann, die mir Geld von den
schwächeren Teilen seiner Ranges bringen wird. Dieser Teil wird am River aktiv, wenn ich gecheckt
habe und folgende Bedingungen eingehalten wurden:

a) offensichtliche Draws platzen


b) wir blockieren einige mittelstarke oder starke Hände in der Kategorie A (Topkarten,
Nutflush)
c) wir blockieren nicht den größten Teil der offensichtlichen potentiellen Draw-
Kombinationen

-56-
Beispiel:

Der Hero eröffnet von UTG für 3bb mit AhKd und alle folden zu einem schwächeren Spieler am BU,
der callt. Beide Blinds folden. Im Pot sind 7,5bb und der Flop kommt Ks Ts 8c. Der Hero setzt 6bb
und der BU callt. Im Pot sind nun 17,5bb und die Turnkarte ist 5c. Der Hero setzt 15bb und der BU
callt. Im Pot sind nun 47,5bb und die Riverkarte ist 3d. Hero checkt.

Auf dieser Textur müssen wir uns nur fragen, welche Handtypen unser schwächerer Gegner hier
herunter callt und abwägen, wie sich seine Range auf die Kategorien A, B und C verteilt. Natürlich
callt er jede Kx, mittlere Paare wie Tx plus einige offensichtliche Draw-Kombinationen wie QJ, J9,
97 und alle Flushdraws. Da wir den K selbst blockieren wird Kategorie A eher ein kleiner Teil seiner
Range sein, während wir keine der eben genannten Draw-Kombinationen blockieren. Das erhöht
die möglichen Hände in Kategorie B stark! Da der Gegner bisher auf einem sehr koordinierten und
drawlastigen Board nur gecallt hat ist die Wahrscheinlichkeit, dass er eine bessere Hand hat als wir,
sehr gering und reduziert Kategorie C auf ein Minimum. Daher gehe ich davon aus, dass in diesem
Spot A < (B + C) ist und ein Check uns potentiell mehr Value bringt, weil der Gegner vielleicht einen
geplatzten Draw blufft!

3.1.3 Check/Raise River

Da wir auf den vorherigen Straßen die Initiative hatten sollte ein Check/Raise auf dem River eine
selten genutzte Strategie speziell auf den kleineren Stakes sein. Dies ist eine Spielweise, die uns
hochspezifische und Read-basierte strategische Resultate in einem Spot bringen soll, in dem wir
davon ausgehen, dass unser Gegner sehr wahrscheinlich a) gegen eine Bet folden würde oder b)
selbst sehr oft mit einem großen Teil seiner Ranger einen Bet spielen wird. Unser Gegner muss
jemand sein, der für sehr dünnen Value geht oder häufig blufft, wenn seine Draws platzen,
weshalb wir die Spots für einen Check/Raise sehr genau auswählen müssen. Bei effektiven Stacks
von 100 Big Blinds oder weniger wird unser Raise in der Regel nämlich bedeutet, dass wir All-In
gehen. Eine kreative Linie wie diese könnte daher eher für tiefere Stacks geeignet sein. Meine
bevorzugten Spots, um mit dieser Spielweise Value zu bekommen, sind Gelegenheiten, bei denen
ich ziemlich sicher bin, dass mein Gegner selbst einen Draw hält oder sich auf eine Hand
verbessert hat, die er für „relativ“ stark hält, obwohl sie weiterhin schlechter ist als meine. Das
kommt häufiger vor, wenn wir viele mittelstarke Value-Kombinationen blockieren, die eine
Riverbet callen können, sodass wir selbst mit unseren stärksten Händen nicht sehr viel Value durch
den Check verlieren.

Beispiel:

Hero setzt 3bb mit JcJd, alle folden zum BU, der callt und die Blinds folden. Im Pot sind 7,5bb und
der Flop kommt Jh Th 4s. Der Hero setzt 5bb und der BU callt. Der Turn kommt 6s und im Pot sind
17,5bb. Der Hero setzt 13bb und der BU callt. Die Karte am River ist 6h und der Pot beträgt 43,5bb.
Der Hero checkt, der Gegner setzt 28bb und der Hero geht mit seinen verbliebenen 79bb All-In.

Die großartigen Aspekte in diesem speziellen Spot, die mich hier so spielen lassen statt selbst zu
setzen, sind:

a) wir blockieren Toppairs und der Gegner hat nur selten Overpairs wegen des Preflop Calls
b) Secondpair oder schwächere Paare callen nur selten eine Bet am River, es sei denn, sie
erwarten viele Bluffs von uns
-57-
c) die Riverkarte verbessert die Flushdraws des Gegners und der offensichtliche
Straigthdraw mit KQ platzt
d) der Gegner wird nur selten erwarten, dass wir eine Hand nahe den Nuts am River
checken würden

Mit einer Bet bekommen wir normalerweise einen Call von allen Händen, die selbst betten würden
plus zusätzlichen Value von potentiellen Bluffs während wir nicht viel Value von schwächeren
Showdown-fähigen Händen verpassen.

3.1.4 Am River geraist werden

Vergleichbar oder erst recht ist ein River Raise eine sehr starke Linie und man wird es sehr selten
als Bluff von den durchschnittlichen Gegnern auf den Micro- bis Smallstakes sehen. Da die Spieler
jetzt wissen, ob sie entweder 0% oder 100% Equity haben, sollte die Entscheidung, gegen eine
weitere große Bet nach drei vorherigen Straßen mit einer Bet Geld in den Pot einzubezahlen,
wesentlich souveräner sein. Das trifft vor allem auf Check/Raises am River zu, die vom Gegner
erfordern, dass er ein ausreichendes Verständnis von unserer aktuellen Handrange hat, da er
riskiert, dass wir zurückchecken. Diese durchdachte Spielweise werden wir eher von sehr
intelligenten und Spielern auf den höheren Stakes sehen, die uns große Laydowns zutrauen (oder,
um es noch ein Level weiter zu spinnen, glauben, dass wir sie auf einen Bluff setzen!)

Die folgenden Kapitel 3.2 und 3.3 enthalten viele Richtlinien, wie man mit Bets von unseren
Gegnern am River umgehen kann, und wir folgen diesen natürlich auch, wenn wir am River geraist
werden aber wir müssen im Hinterkopf behalten, dass die gegnerischen Ranges in der Regel
wesentlich stärker sein werden.

Meine generelle Faustregel hier ist, dass solange ich meine Hand als Gewinnerhand in mehr als
50% der Fälle einschätze ich trotz Furch vor einem Raise immer für dünnen Value gehen sollte
während ich keine Informationen über meinen Gegner habe oder ihn als schwächeren Spieler
einschätze. Dabei plane ich mit meinen mittelstarken Händen wie Overpairs, Top Pairs (oder
manchmal auch schlechter) gegen ein Raise wegzulegen. Es gibt sogar Fälle, in denen ich das in
ausnutzender Weise auf einem Board mache, das verschiedene bessere Hände erlaubt.

Beispiel:

Der Hero eröffnet um 3bb von UTG mit AsKd und alle folden zu einem schwächeren Spieler am BB,
der callt. Der Flop kommt Ad 7d 6c und im Pot sind 6,5bb. Der BB checkt, der Hero setzt 5bb und
der BB callt. Am Turn kommt 2c und im Pot sind 16,5bb. Der BB checkt und der Hero setzt 12bb, die
der BB callt. Am River kommt Jd und im Pot sind 40,5bb. BB checkt, der Hero setzt 22bb, BB raist
auf 44bb und der Hero legt weg.

Dies ist einer der klassischsten Value Spots, da die Calling Range vom BB bis zum River sehr leicht
wahrnehmbar aus vielen Ax, Flushdraws oder Straightdraws plus ein paar seltenen Sets oder Two
Pair besteht (in vielen Fällen werden diese bereits am Flop oder Turn geraist haben). Gegen jedes
Ax können wir für Value gehen während unser Kd als Nutflushblocker funktioniert und die
potentiellen Flushkombos in seiner Range reduziert. Bei der Beschreibung des Spielers können wir
erwarten, dass er gegen eine Bet callt und nur raist, wenn er uns geschlagen hat. Auch wenn wir
mit verführerischen Pot Odds durch die Höhe seines Raises konfrontiert sind, sollten wir dennoch
in der Erwartung folden, dass er fast immer mindestens AJ oder einen Flush hat.
-58-
3.2 Out of Position ohne Initiative

Wenn wir ohne Initiative zum River kommen haben wir entweder Made Hands oder Draws
herunter gecallt oder unser Gegner, der vorher die Initiative hatte, hat am Turn zurück gecheckt.
Der erste Grund kann uns unter Umständen in große Schwierigkeiten bringen, da wir nun neu
bewerten müssen, ob unsere Hand genügend Hände in der Betting Range unseres Gegners am
River schlagen kann. Es ist außerdem interessant verschiedene mögliche Optionen wie eine
Leadbet zu berücksichtigen, falls unsere Hand gut genug für eine Valuebet ist und wir mit unseren
verpassten Draws und schwächsten Made Hands, die bei einem Showdown häufig nicht gut sind,
tatsächlich nach einem Check am Turn bluffen müssen oder wollen.

3.2.1 Single-raised Pötte Heads-Up verteidigen

Mir hilft es sehr, wenn ich mir zwei einfache Fragen stellen, bevor ich eine Entscheidung darüber
treffe, ob ich Check/Calle oder Check/Folde: Kann ich annehmen, dass der Gegner genügend
Hände bettet...

a) ...als Bluff
b) ...für Value mit schwächeren Händen

damit ich einen profitablen Call machen kann? In manchen Fällen kann es auch auf die Pot Odds
ankommen, aber lasst euch nicht auf den falschen Dampfer bringen, indem ihr denkt, dass allein
die Pot Odds einen Bluffcatch oder einen zu schwache Made Hand, die nicht genügend Value
Hands aus der Range des Gegners schlägt, einen Call rechtfertigen. Man muss realistische
Annahmen darüber treffen, mit was unser durchschnittlicher ODER der spezifische Gegner auf den
jeweiligen Stakes in der Lage ist, eine Bet zu spielen. Auf den Microstakes wurde und wird zum
Beispiel der Spieler im Schnitt meiner Erfahrung nach nur selten am River bluffen, weshalb man
ohne spezifische Reads auf den Gegner unbedingt b) berücksichtigen muss, bevor man eine
Entscheidung anhand der Pot Odds trifft. Wenn man nur noch erwarten kann, dass man reine
Bluffs schlägt und die Gegner sehr selten einen Bluff spielen, dann können selbst die großartigsten
Pot Odds der Welt den Call nicht profitabel machen.

Was man allerdings immer machen kann und sollte, ist, die Anazhl von potentielle Kombinationen
geplatzter Draws auf jeder bestimmten Boardtextur festzustellen. Wenn man genug davon finden
kann, dann ist plötzlich ein Call für angemessene Pot Odds eine wesentlich attraktivere und
potentiell profitable Option!

Beispiel 1:

Alle folden zum BU, der 2,5bb setzt, der SB foldet und der Hero callt am BB mit JhTh. Im Pot sind
5,5bb und der Flop kommt Ts 9c 4s. Der Hero checkt, BU setzt 4bb und der Hero callt. Im Pot sind
13,5bb und die Turnkarte ist 5c. Der Hero checkt, BU setzt 10bb und der Hero callt. Im Pot sind
33,5bb und der River ist 3h. Der Hero checkt, BU setzt 18bb und der Hero callt.

Bis zum River zu callen ist in diesem Fall eine notwendige Standard-Spielweise, da wir viele Draws
und schwächere Made Hands aus der möglichen Barreling Range des Gegners schlagen. Sobald er
jedoch eine dritte kleinere Bet am River spielt, sind wir natürlich gegen bessere Tx, Overpairs,
Twopair oder eine Straight durch die Backdoor in Schwierigkeiten. Zur selben Zeit platzen einige
offensichtliche Draws (z. B. QJ, 87, Spades und Gutshots) und wir bekommen Pot Odds von knapp
-59-
3:1. Wir müssen hier in rund 25% der Fälle gewinnen, um einen profitablen Call zu machen und
gegen tighte Gegner oder auf den Microstakes erscheint ein Fold als beste Option. Auch wenn
unser durchschnittlicher Gegner den River nur selten in einer höheren Frequenz blufft, rate ich
dazu, in diesem Spot gegen nahezu jeden Gegner zu callen, auch mit einem schwachen
Bluffcatcher, wie wir ihn haben aus dem einfachen Grund, dass der Gegner zu viele potentielle
Bluff-Kombinationen halten kann, mit denen er hier so oder so weiterspielt.

Lasst uns nun annehmen, dass der Turn von allen gecheckt wurde. In diesem kann und sollte der
Hero sicherlich eine dünne Valuebet spielen, selbst mit einer schwachen Hand wie T mit J als
Kicker! Durch den Check am Turn signalisiert der Gegner vermutlich, dass er entweder seine Bluffs
aufgibt oder keine Valuebet mit einer besseren Hand gefunden hat und stattdessen versucht, sich
am River zu verbessern oder den Showdown zu gewinnen. Unter Berücksichtigung des zweiten
Szenarios kann der Gegner leicht einen Herocall mit Händen wie Ass hoch oder kleineren Paaren
wie 9x finden, wenn er uns auf einen geplatzten Draw setzt. Das ist auf dieser Textur definitiv der
Fall, da wir bereits darauf hingewiesen haben, dass wir aus dem gleichen Grund bluffcatchen
können, wenn wir ein Barrel auf dem Turn gecallt haben.

3.2.2 Single-Raised Multiway Pötte verteidigen

Eine Multiway-Situation am River ist eher selten, da dafür nötig ist, dass zwei Spieler auf zwei
vorherigen Straßen gecallt oder heruntergecheckt haben. Für jede Bet und jeden in die Hand
involvierten Spieler verstärkt sich die relative Handstärke unserer Gegner extrem. Aus diesem
Grund sollten mit unseren mittelstarken Made Hands und Bluffcatchern sehr vorsichtig sein, da es
unwahrscheinlicher wird, dass wir am River einem Multiway Bluff entgegensehen. Wenn jemand
auf der letzten Straße in zwei Gegner hinein setzt benötigen wir schon sehr spezifische Reads oder
eine sehr spezielle Bluff-Dynamik um mit einer schwächeren Hand als Top Pair/Top Kicker zum
Showdown zu kommen. Das interessanteste Szenario um ein Bluffcatch überhaupt in Erwägung zu
ziehen benötigt zumindest einen guten Read auf den dritten involvierten Spieler wegen seiner
Preflop und Flop-Aktionen (z. B. Overcall im BB mit einem weiten Range und ein Call am Flop auf
einer drawlastigen Textur, wenn er der letzte handelnde Spieler ist). In solchen Fällen sollten wir
mit unseren mittelstarken Händen selbst für Value setzen (z. B. Top Pair mit sehr gutem Kicker)
während wir die schwächeren Hände in unseren Fold oder Bluffcatch-Range verschieben sollten.

Beispiel:

UTG eröffnet um 3bb, Hero callt mit QdJd am SB und der BB callt. Im Pot sind 9bb und der Flop
kommt Qc Td 7c. Der Hero checkt, BB checkt und UTG setzt 6bb. Hero und BB callen. Im Pot sind
nun 27bb und am Turn kommt 4d. Der Hero checkt und alle anderen checken ebenfalls. Am River
kommt 5h und der Hero checkt.

In dieser Situation können wir relativ sicher annehmen, dass UTG unsere Hand nicht geschlagen
hat, da er keine, in meinen Augen klare, Valuebet mit seinen stärksten Händen gegen zwei Gegner
auf einem drawlastigen Board gespielt hat. Der BB overcallt sowohl Preflop als auch am Flop, was
auf einen schwachen Range hinweist. Aus diesem Grund haben wir die Option, selbst eine
Valuebet zu spielen oder Check/Call als Bluffcatcher. Voraussichtlich ist der Spieler am BB
derjenige, der einen Bluff versucht, so dass ich mit exakt QdJd bluffcatchen bevorzuge, da wir nicht
viel Value von schwächeren Qx erwarten können. Tauschen wir unsere Hand mit AdQd aus, würde
ich hier eine Valuebet in Betracht ziehen, da wir hier zu viele andere Qx schlagen (und Tx, die sich
von Zeit zu Zeit für einen Bluffcatch entscheiden).
-60-
Lasst uns annehmen, dass im obigen Beispiel UTG am Turn noch einmal setzt. Mit unserer Hand
würden wir natürlich noch einmal callen, da wir vermuten, dass wir genügend Equity gegen viele
der besseren Hände und einigen Semibluffs des Gegners haben. Falls der BB die Turnbet ebenfalls
gecallt hat und UTG noch einmal am River feuert sollten wir folden da es sehr unwahrscheinlich
wird, dass er gegen zwei Caller blufft, die Interesse an drei Straßen mit Action zeigen. Seins
Valuerange hat vermutlich sogar unsere „besseren“ mittelstarken Hände wie AdQd geschlagen.

3.2.3 3-Bet Pötte Heads-Up verteidigen

Auch hier haben wir meistens eine Made Hand entweder als Bluffcatcher oder weil wir glauben,
schlechtere Hände zu schlagen, die der Gegner für Value anspielt und wir gleichzeitig davon
profitieren, dass er gleichzeitig seine Bluffs anspielt, herunter gecallt. Für einen effektiven Stack
von 100 Big Blinds werden wir einen River Spot sehen, in dem der Pot groß genug ist, dass wir uns
entweder einem All-In entgegen sehen oder selbst All-in gehen können. Das letzte wäre eine eher
inkonsistente Linie, da durch ein All-In von uns, nachdem wir vorher nur gecallt haben, alle
potentiellen Bluffs in der Range unseres Gegners zur Aufgabe bringt und erfordert, dass wir
glauben, dass wir hier unter sehr speziellen Umständen Geld von Händen machen, die zu oft nur
zurückchecken würden.

Ich habe Spieler gesehen, die diese Linie aus reiner Panik gewählt haben, da sie Angst haben
potentiellen Value zu verlieren, wenn sie dem Gegner erlauben, zurück zu checken. Das kann ein
Zeichen dafür sein, dass sie resultatorientiert spielen und sich nicht darauf konzentrieren,
langfristige +EV-Entscheidungen zu treffen. Sobald man also glaubt, dass man mehr Profit daraus
schlägt, indem man dem Gegner eine Chance für einen Bluff am Flop und am Turn gibt, dann sollte
man diesen Plan am River weiterverfolgen. Das trifft natürlich auch auf das vorherige Kapitel oder
auch jede Situation zu, in der wir Out of Position ohne Initiative heruntercallen, aber es ist noch
wichtiger in 3-Bet oder 4-Bet Pötten, da es hier meistens um die kompletten 100 Big Blinds in
unserem Stack geht.

Allerdings gibt es einen Ausnahmefall, in dem ein All-In für Value Out of Position ohne Initiative
Sinn macht, der besonders auf niedrigeren Stakes vorkommt, wenn wir gegen Freizeitspieler oder
eher schwache Spieler einen Draw halten. Wenn ein Semibluff oder ein Fold unserer Draws und
schwächerer Made Hands bereits wegen der hohen Implied Odds oder dem Fehlen von Fold Equity
keine guten Optionen waren können wir manchmal Geld damit machen, indem wir selbst All-In
gehen, wenn wir uns verbessern, nachdem wir den Betting Range unseres Gegners auf mehr Made
Hands als Draws festgelegt haben.

Beispiel 1:

Der Hero eröffnet vom CO um 3bb mit AdQd, ein unbekannter Spieler am BU erhöht auf 9bb, die
Blinds folden und der Hero callt. Im Pot sind 19,5bb und der Flop kommt Td 5s 2s. Der Hero checkt,
BU setzt 10bb und der Hero callt. Im Pot sind 39,5bb und am Turn kommt Ah. Der Hero checkt, der
Gegner setzt 22bb und der Hero callt. Am River kommt 7c und der Hero checkt wieder in einen Pot
von 83,5bb.

Wenn wir den potentiellen Barreling Range hier berücksichtigen wollen, müssen wir Preflop
anfangen. Am Button kann er natürlich versuchen, den CO mit einem weiteren Range als üblich zu
attackieren, was einige potentielle Overcard Bluffs ergibt (z. B. AK, AQ, AJ, KQ, KJ), schwächere
Paare (z. B. AT, KT, JTs, 99, 88, A5s, A2s), ein paar Flushdraws oder Wheel-Draws (z. B. A4s, A3s) und
-61-
völlige Airballs wie Suited Connectors in der falschen Farbe.

Selbst gegen alle Overpairs und TT sehen wir hier gegen diesen Range mit rund 45-50% Equity
generell recht gut aus, obwohl wir nur Overcards und den Backdoor Flushdraw halten. Daher
haben wir einen klaren Call an dieser Stelle und der Turn trifft unsere Hand, was großartig ist, da
diese Karte unseren Gegner dazu ermutigen kann, weiter zu bluffen oder zu semibluffen, während
er denkt, dass wir eine wesentlich schwächere Hand halten, als es tatsächlich der Fall ist. Gegen die
vorher angenommene Range steigt unsere Equity auf über 70%, weshalb wir ein weiteres Mal
checken und callen können, um die Range unseres Gegners so weit wie möglich zu halten. Wenn
wir uns für ein All-In entscheiden, könnte der Gegner viele schwächere Hände und einige Draws
mit wenig Equity folden, während er keinen Fehler damit macht, seine besseren Hände zu callen.

Da die Riverkarte keine der Hände verbessert, gegen die wir hier am Turn vorne sind, sollten wir
wieder checken und unserem Gegner die Chance gegen, schwächere Hände für Value All-In zu
stellen oder seine geplatzten Draws und Airballs zu bluffen. Auch wenn das letztere Szenario sehr
selten vorkommt sollte ein Check einen wesentlich höheren EV haben als alle anderen Optionen.
Wir müssen Szenarios kreieren, in denen wir es unserem Gegner überlassen einen Fehler zu
machen, indem er eine Bet für zu dünnen Value spielt oder blufft, während eine Bet von uns ein
solches Szenario nicht möglich macht und ein Check/Fold riskiert, dass wir die beste Hand zu
häufig aufgeben.

Beispiel 2:

Der Hero eröffnet um 3bb mit Td9d am CO und ein eher passiver Freizeitspieler am BU erhöht auf
7bb, die Blinds folden und der Hero callt. Im Pot sind 15,5bb und der Flop kommt 8s 5d Kd. Der
Hero checkt, BU setzt 10bb und der Hero callt. Im Pot sind 35,5bb und der Turn ist 4s. Der Hero
checkt und der BU setzt 16bb, die der Hero callt. Im Pot sind nun 67,5bb, die Riverkarte ist Qd und
der Hero geht für die verbliebenen 67bb All-In.

Spielertypen wie diese sind in der Regel sowohl Preflop als auch Postflop sehr stark, wenn sie diese
eindeutige Spielweise wählen. Sie können meiner Erfahrung nach mit ihren starken Händen auch
sehr dickköpfig und beharrlich sein, was unsere Fold Equity stark reduziert, auf der anderen Seite
aus dem gleichen Grund jedoch die Implied Odds stark erhöht. Im Range des Gegners befinden
sich ein paar potentielle Bluffs und ein paar höhere Flushdraws, aber meistens werden sie genau
das haben, was sie hier repräsentieren (d. h. starke Kx, KK oder AA), weshalb unser Plan hier ist,
dass wir unsere Hand machen. Unser Call am Flop sollte mehr als korrekt sein, da wir annehmen
können 35% oder mehr Equity selbst gegen die stärksten Hände des Gegners zu haben. Ich rate auf
jeden Fall dazu, den Turn mit angemessenen Implied Odds zu callen, auch wenn wir hier Out of
Position, ohne Initiative und mit wenig mehr als 3:1 stehen. Wir verbessern uns nur in weniger als
20% der Fälle, so dass unser Call gerade so an der Schwelle zur Profitabilität ist, aber wir können
darauf zählen, dass wir eine zusätzliche große Bet bekommen, auch wenn wir sie selbst spielen
müssen, wenn wir uns verbessern. Für unseren Gegner ist die Karte am River wahrscheinlich eine
Scarecard und er wird vielleicht zurückchecken, aber er wird ein All-In oft genug callen.

Je besser wir die Range und die Tendenzen unseres Gegners eingrenzen können je optimaler
können wir gegen sie spielen und manchmal selbst mit einem spekulativeren Call auf den späteren
Straßen davonkommen. Wenn wir erwarten, dass unser Gegner nur wenige Bluffs und viele starke
Made Hands in seiner Range hat, mit denen er gerne zum Showdown kommen will, sollte unser
genereller Plan sein, selbst zu setzen, wenn sich unsere Hand verbessert – unabhängig von unserer
-62-
Position und der Initiative. Eine weitere gute Sache, die sich hier ergibt, ist, dass mit Kd und Qd auf
dem Board nur sehr wenige höhere Flushkombinationen in der Range unseres Gegners möglich
sind und wir häufiger eine gute Chance auf die beste Hand haben, was unseren loosen und
spekulativen Turncall rechtfertigt. Lasst uns annehmen, dass wir hier KQ halten und uns am River
auf Twopair verbessern, würde ich ein All-In für Value auf die gleiche Weise empfehlen, um
unseren Value von AA und AK zu maximieren. Wie bereits erwähnt sollte der Gegner nur sehr
wenige Flush-Kombinationen in seiner Range haben wir müssen uns keine Gedanken darum
machen, Value von den wenigen verbliebenen Draws zu verlieren.

3.2.4 4-Bet Pötte verteidigen

Dieses Szenario ergibt sich wesentlich seltener als alle vorherigen, weil wir nur ganz selten eine 4-
Bet Out of Position flatten und die Stacks im Schnitt wesentlich früher in einem 4-Bet Pot mit
kleineren effektiven Stacks All-In gehen. Der einzige Weg, auf dem sich ein River ergibt, auf dem
wir Out of Position und ohne Initiative sind, ist, wenn unser Gegner sich für sehr kleine Bets auf
den vorherigen Straßen entscheidet, während wir einen Draw halten oder bluffcatchen und der
Gegner sich für einen Check am Turn entscheidet und wir uns am River für eine Valuebet oder
einen Bluff um den verbliebenen Stack entscheiden müssen. Im ersten Fall spielt sich unsere Hand
ähnlich wie in einem 3-Bet Pot, wir müssen nur berücksichtigen, dass unser Gegner eine potentiell
stärkere (oder blufflastigere) 4-Bet Range Preflop hält.

Beispiel 1:

Der BU setzt 2bb, Hero erhöht auf 7bb mit AhJh vom SB, BB legt weg, BU spielt eine 4-Bet und
erhöht auf 15bb, der Hero callt. Im Pot sind 31bb und der Flop kommt Jd 2s 3s. Der Hero checkt
und der BU setzt 11bb, die der Hero callt. Im Pot sind nun 52bb und die Turnkarte ist Td. Der Hero
checkt und der BU setzt 24bb, die der Hero callt. Im Pot sind nun 100bb und am River kommt 6h.
Der Hero checkt, BU setzt 50bb, der Hero callt.

Wenn wir annehmen können, dass der Gegner Preflop in manchen Fällen bluffen kann, dann
haben wir Preflop vernünftige Equity gegen seine komplette Range inklusive aller Overpairs und
dominierenden Assen, um selbst Out of Position einen Call zu machen. Am Flop sind wir damit
gegen die meisten Bluffs oder bessere Asse vorne und wir müssen auf passive Weise
weitermachen, damit wir alle Hände, die wir schlagen, in seiner Range auf den späteren Straßen
halten. Das gleiche gilt für den Turn, wo es langsam attraktiv wird, All-In zu gehen und damit
unsere Hände gegen unschöne River wie Spades, Diamonds, Q, K oder 9 zu schützen, da alle diese
Karten die potentielle Bluffing Range unseres Gegners verbessern würden (z. B. AsKs, KQ, Ad4d,
98s etc.). Der River ist eine Blank für einen Teil seiner Range und obwohl wir immer noch gegen
TT+ verlieren wollen und müssen wir mit 3:1 Pot Odds auf jeden Fall callen. Mit unserer passiven
Linie haben wir sogar die Range unseres Gegners derart manipuliert, dass er genügend der
vorgenannten Hände beinhaltet, die wir schlagen.

Diese Hand würde sich für ähnlich spielen, wenn wir statt AJ hier QQ haben würden. Wir könnten
natürlich überlegen, eine 5-bet zu spielen oder für Value Preflop All-In zu gehen und damit unsere
Hand vor ein paar unschönen Flops zu schützen, aber selbst unsere Premium Paare leisten hier als
Bluffcatcher sehr gute Arbeit, da jede weitere Preflop Action nach der kleinen 4-Bet die Bluffing
Range des Gegners komplett zum Aufgeben bringt, sodass wir uns einer Range von QQ+ und AK
gegenübersehen, sobald das Geld in die Mitte geht. Wir werden auf diesem Weg langfristig kein
Geld verlieren, aber wir können unter Umständen mehr Geld machen, wenn wir unsere Premium
-63-
Paare hier passiv spielen. Potentielle Postflop Spots, die hier durch unser Slowplay entstehen
können natürlich etwas mehr tricky sein als die geradlinige Preflop-Alternative und uns zu Fehlern
verleiten, wenn wir fehlerhaft heruntercallen oder folden, können uns aber einen größeren Profit
dadurch bescheren, dass wir auf jeder Straße die gegnerische Range so weit wie möglich halten.

3.3 In Position mit Initiative

Nachdem wir selbst gebarrelt haben und zwei Mal gecallt wurden ist es ausschlaggebend
herauszufinden ob eine dünne Valuebet oder ein Bluff notwendig ist, nachdem der Gegner zu uns
gecheckt hat. In Anbetracht seiner Spielweise können wir normalerweise annehmen, dass, solange
der Gegner nicht sehr stark oder trickreich spielt, die Range unseres Gegners auf mittelstarke
Made Hands oder schwächere Draws gecappt sein wird (siehe Kapitel 1.1.5). Eine dünne Valuebet
oder ein Bluff mit den richtigen Riverkarten kann gegen eine solche Range einer der größten und
bestimmenden Faktoren für unsere langfristige Gewinnrate sein, da unser potentieller Ertrag so
viel größer verglichen mit vorherigen Potgrößen ist.

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass wir das Privileg haben, die zusätzlichen Informationen zu
benutzen, die wir bekommen, weil der Gegner zuerst handeln muss und damit die erwarteten
Ranges wesentlich besser einengen können, was uns erlaubt, unser Betsizing zu optimieren und
größeren Erfolg damit zu haben, bessere Hände zum Fold zu bringen oder von schlechteren gecallt
zu werden!

3.3.1 Heads-Up Pötte

Solange die Riverkarte keinen offensichtlichen Frontdoor Draw (d. h. ein Draw, der schon seit dem
Flop vorliegt) komplettiert und nicht sehr häufig die gegnerische Range verbessert würde ich
immer empfehlen mit Händen wie Top Pair/Good Kicker oder auch besser für dünnen Value zu
gehen, selbst wenn man manchmal „denkt“, dass kein vernünftiger Spieler hier mit schlechterem
callen kann – glaubt mir, schwächere Spieler werden es tun, vor allem auf den kleineren Stakes. Die
Leute sind dazu in der Lage, uns in diesem Fall auf geplatzte Draws zu setzen und bleiben mit ihren
Top oder Medium Paaren stur. Seht nach, was ich zu Beginn des Kapitels 3 geschrieben und es wird
verständlich, aus welchen Gründen man hier ausbezahlt wird, wenn man gedacht hat, dass dafür
keinerlei Chance besteht. Ein weiterer großer Fehler, den ich bei vielen Leuten sehe: Viele denken,
dass alle anderen genauso Poker spielen wie sie selbst. Dies ist und wird wirklich nur sehr selten
der Fall sein und wir sollten dankbar dafür sein, dass diese „Vielfalt in der Herangehensweise“ und
Potential für Fehler das ist, was das Pokerspielen für uns, die wir die Fehler, die im Schnitt zu häufig
gemacht werden, erkennen können, zu allererst profitabel macht. Wenn man eine dünne Valuebet
oder einen Bluff am River nach zwei Bets in Erwägung zieht, dann sollte man immer
berücksichtigen, mit welcher Preflop Range und Gegnertyp man es zu tun hat. Wenn man in später
Position eröffnet hat und der Gegner seinen Big Blind verteidigt und man vorher eine Valuebet mit
einem angemessenen Top Pair gesetzt hat, kann man sich hier unter Umständen auch
schwächeren Top Pair oder Medium Pair gegenübersehen.

Beispiel:

Der Hero eröffnet auf 2,5bb mit QhTc am BU, SB foldet und der BB verteidigt. Im Pot sind 5,5bb und
der Flop kommt Ts 8d 4d. Der BB checkt, Hero setzt 4bb und der BB callt. Am Turn kommt 3s und es
sind 14,5bb im Pot. BB checkt und der Hero setzt 10bb, die der BB wieder callt. Im Pot sind nun
34,5bb und der River ist 2h. BB checkt und der Hero setzt 22bb.
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In diesem Spot ist es sehr unwahrscheinlich, dass wir geschlagen sind, nachdem wir zwei Mal
gecallt wurden und am River mit einer Range nur zu uns gecheckt wird, von der wir erwarten, dass
er bei der Verteidigung des BB relativ weit ist. Jede 8x oder Tx wird hier auf jeden Fall mindestens
zwei Straßen callen, während stärkere Hände wie Two Pair oder Sets uns vermutlich bereits vorher
für Value und Protection geraist hätten. Es ist auch relativ unwahrscheinlich, dass wir gegen
Overpairs oder selbst Top Set stehen, da TT+ in den meisten Fällen gegen eine Eröffnung vom BU
meistens eine 3-Bet für Value spielen würden. Die einzigen starken Hände, die wir hier fürchten
müssen, sind AT und KT während wir hier problemlos auch von JT oder T9 zusammen mit einigen
anderen potentiellen Bluffcatchern in der Range des Gegners gecallt werden können: kleinere
Paare wie 8x oder Ass hoch könnten möglicherweise eine Bet am River callen, weil der Gegner
davon ausgeht, dass wir die ganze Zeit einen Front- oder Backdoor Draw angespielt haben.

Je schwächer mein Gegner in solchen Fällen ist, je eher werde ich hier für dünnen Value gehen. Ich
würde selbst in Spots wie oben eine dünne Valuebet in Erwägung ziehen, wenn ein Front- oder
Backdoor Draw sich am River komplettiert. Wir können diese natürlich zu einem gewissen Teil
schlagen, aber wenn unser Gegner schwach genug ist nehme ich an, dass er nur selten eine
verbesserte Hand checken würde, weil er nicht riskieren will, dass ich zurückchecke.

Ich würde selbst wenn der Gegner einen großen Betrag setzt versuchen, einen Bluff zu catchen,
aus dem gleichen Grund aus dem mein Gegner es gegen mich versuchen würde: Alle Draws platzen
und ich habe bisher nicht angenommen, dass mein Gegner trickreich genug spielt um eine sehr
starke Hand auf einer drawlastigen Textur wie hier vorliegen langsam zu spielen!

3.3.2 Multiway Pötte

Wenn zwei oder mehr Gegner am River zu uns checken wird unsere Aktion sehr stark von den
vorherigen Straßen abhängig. Ich empfehle, zurück zur Preflop-Planung unserer Hand zu gehen
und zu überlegen, für wie viele Value-Straßen wir zunächst gehen wollten. Wenn die Antwort für
einen Heads-Up pot drei ist, wollen wir gegen zwei oder mehr Gegner unter Umständen lieber bei
zwei Straßen bleiben, wenn die Antwort zwei ist, ist es vermutlich clever unsere mittelstarken
Hände wie schwache Top Pairs nur zurückzuchecken.

Allerdings sollten wir auch nicht vergessen, dass unsere Gegner durch ihren Check signalisieren,
dass sie Hände halten, die nicht stark genug für eine Bet sind oder die sie nicht bluffen wollen. Es
wird sehr unwahrscheinlich, dass sie einen Bluffraise planen, so dass für uns ok sein sollte, selbst
für dünnen Value zu gehen, wenn es für uns passt und unser Betsizing mit Hilfe der zusätzlich
gesammelten Informationen (siehe Kapitel 2.3) anzupassen. Etwas, was meiner Erfahrung nach
auch auf Heads-Up Pötte zutrifft, ist, dass ein Check/Raise am River speziell auf den Microstakes
äußerst selten ist, sodass die Angst davor uns nicht von einer dünnen Valuebet abhalten sollte!
Das klingt relativ offensichtlich, dennoch muss ich es stark betonen, denn in meiner Erfahrung mit
so vielen meiner Schüler, die hier eine irrationale Angst davor haben, sowohl in als Out of Position
mehr Geld zu verlieren als eine Bet und Fold gegen ein Raise je verlieren würden. Sich von einer
mittelstarken Hand zu trennen, wenn man mit einer starken Spielweise wie eben einem Raise am
River konfrontiert wird, ist besonders auf Stakes, auf denen der durchschnittliche Gegner nicht
kreativ oder trickreich genug ist, um eine solche Spielweise als Bluff zu nutzen, absolut notwendig.
Auch auf den höheren Stakes sieht man meiner Erfahrung nach solche Moves nur von den
härtesten Gegnern, woraus sich ergibt, dass die Bet/Fold-Linie für dünnen Value einfach eine Sache
der Disziplin ist, damit sie profitabel wird.

-65-
Beispiel:

Der Hero setzt 2,5bb am BU mit Kd6d und beide Blinds callen. Im Pot sind 7,5bb und der Flop
kommt Ks Jc 7h. Die Blinds checken, der Hero setzt 4bb und beide Binds callen. Die Turnkarte ist 3s
und im Pot sind 15,5bb. Die Blinds checken und der Hero checkt. Am River kommt 5h, beide Blinds
checken und der Hero setzt 8bb.

Der Hero wählt einen kleineren Betsize auf einem halbwegs koordinierten Flop um sicherzustellen,
dass er von jedem Jx gecallt wird und um sich gleichzeitig vor den anderen vier Karten in den
Händen der Gegner zu schützen und ihnen keine freie Turnkarte zu erlauben. Die Blinds werden
vermutlich relativ schwache Ranges halten, nachdem sie Preflop nur gecallt haben, speziell der BB,
der für einen guten Preis gecallt hat und es steht nicht zu erwarten, dass einer von beiden einen
besseren Kx hält. Mit zwei Calls am Flop erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für einen K bei einem
der beiden ein wenig, weshalb eine Bet am Turn nicht mehr zu attraktiv aussieht, es sei denn, wir
wählen eine kleinere Bet gegen schwächere Spieler als Valuebet und zum Schutz unserer Hand.
Das Problem ist der aufgeblähte Pot und dass wir gegen zwei statt nur einem Gegner spielen. Die
Riverkarte als Blank für alle Draws und die Tatsache, dass keiner der Gegner den River selbst
anspielt signalisieren, dass wir hier mit Kx nahezu immer gut sein sollten und nun die Jx-Hände mit
einer kleineren dünnen Valuebet ins Visier nehmen können. Ein trickreicher Gegner könnte einen
besseren K hier checken, allerdings ist es eher wahrscheinlich, dass er bereits vorher gegen andere
Kx und Jx für Value angespielt hätte.

3.4 In Position ohne Initiative

Der Titel dieses Kapitels klingt, als wären solche Situationen relativ einfach und unkompliziert zu
spielen. Alle bereits in Kapitel 3.2 angesprochenen Aspekte darüber, ob wir genügend Equity gegen
die Betting Range unserer Gegner haben, bleiben bestehe, ich habe allerdings einige Ergänzungen.

3.4.1 Am River callen und für Value betten

Meine Erfahrung auf den Microstakes zeigt, dass man, nachdem man zwei Barrel von einem
Gegner gecallt hat, sehr wählerisch mit seinen mittelstarken Made Hands umgehen muss, wenn
man einen Bluffcatch versucht, da die durchschnittlichen Spieler auf diesen Stakes vor einem Bluff
am River normalerweise zurückschrecken. Das lässt uns mit der Entscheidung zurück, ob der
Gegner hier genügend schlechtere Hände hält, die er für Value anspielt. Genau die gleichen Spieler
folden auch extrem selten, wenn sie bereits so viel Geld investiert haben, weshalb ein Bluff bei
geplatzten Draws und wenn zu uns gecheckt wurde oder ein All-In als Bluff ohne spezifische Reads
vermutlich keine profitable Option hier ist.

Aus dem gleichen Grund ist es aber essentiell, hier für dünnen Value zu gehen (siehe auch Kapitel
3.1.1)! Wenn am River zu uns gecheckt wird und unsere Hand dem Gefühl nach oft genug am
Showdown gut sein wird, wenn wir checken würden, dann gibt es keinen Grund dafür, nicht für
Value zu setzen – auch wenn wir uns nicht vorstellen können, dass eine schwächere Hand callt.
Besonders auf den kleineren Stakes bin selbst ich manchmal ratlos, warum jemand mit einem
schwachen Bluffcatcher wie 3rd Pair oder Ass hoch callt, wenn das Board nicht mal mehr ein paar
potentielle Bluff-Kombinationen erlaubt. Die Erklärung dafür, die hauptsächlich auf schwächere
Spieler zutrifft, ist, dass, sobald sie viel Geld in einen großen Pot eingezahlt haben, sie einfach nicht
glücklich damit sind, aufzugeben und aus äußerst irrationalen Gründen befürchten, dass sie
geblufft worden sind.
-66-
Zur selben Zeit sollten wir keine Angst davor haben, durch ein Check/Raise am River in eine
schwierige Situation zu kommen, da diese kreativen Linien entweder nur mit den Nuts gespielt
werden oder ganz selten von erfahrenen Spielern als Bluff genutzt werden. Gegen die Bluffs
können wir mit unseren dünnsten Valuebets auch einfach zurückchecken um nicht ausgenutzt zu
werden.

Wenn unseren dünnen Valuebets hier nicht gecallt werden, müssen wir auch keinen Showdown
sehen, was als kleiner Bonus dazu führt, dass es schwerer wird, gegen uns zu spielen und uns dabei
hilft, dass wir so irreführend wir möglich spielen können.

Beispiel:

Der CO eröffnet um 3bb, Hero callt am BU mit QsJs und die Blinds folden. Im Pot sind 7,5bb und der
Flop kommt Js 5d 6d. Der CO setzt 5bb und der Hero callt. Im Pot sind nun 17,5bb und die Turnkarte
ist 2c. Der CO setzt 10bb und der Hero callt. Die Riverkarte ist 7h um im Pot sind 37,5bb. CO checkt
und der Hero setzt 24bb.

Preflop, am Flop und Turn müssen wir callen, es sei denn, wir haben einen read-basierten Grund
für Value zu raisen (z. B. könnten wir am Turn wie in Kapitel 2.4.1 klein raisen). Angesichts der Linie
des Gegners und dem schwächeren Betsizing am Turn gibt es keinen Grund dafür zu glauben, dass
wir am River hinten liegen.

In diesem Spot sollte unser Gegner:

1. alle seine Sets, Straights, Overpairs oder bessere Jx selbst für Value anspielen (in diesen
Fällen können wir in Erwägung ziehen gegen ein drittes Barrel zu folden ODER zu aus den
vorher genannten Gründen zu Check/Raisen)
2. in der Lage sein, uns auf einen geplatzten Frontdoor Diamond Flushdraw zu setzen
3. nur schwerlich eine mittelstarke Made Hand wie TT, 99, 88 oder selbst ein Wasted Pair
mit so etwas wie 87s (siehe auch Kapitel 3.1.1) folden, nachdem er bereits drei Mal in den
Pot investiert hat

Diese Faktoren erhöhen unsere Chancen, von schlechterem gecallt zu werden, was wiederum dazu
führt, dass unsere Gewinnrate stark steigen sollte.

3.4.2 Am River raisen

Eine wichtige Linie, die uns gegen die durchschnittlich schwachen und passiven Gegner auf den
Microstakes zusätzliches Geld bringen kann, ist, für dünnen Value zu raisen und gegen ein Re-Raise
oder All-In zu folden. Es gibt Spots, in denen unsere Gegner selbst für dünnen Value anspielen,
ohne, dass sie es selbst wissen, einfach, weil sich das für sie „stärker“ anfühlt als zu checken. Wenn
wir unsere Hand am River machen oder eine stärkere Hand langsam gespielt haben und es sehr
wahrscheinlich ist, dass unser Gegner oft genug die zweitbeste Hand hält, dann sollte man nicht
zögern für Value zu raisen, selbst wenn es nur ein kleiner Betrag ist. Genau wie die Calls, die ich in
Kapitel 3.4.1 beschrieben habe, wird man hier ähnlich sture und beharrliche Verhaltensweisen
nach einem Raise sehen. Darüber hinaus ist mir nur selten ein Spot begegnet, in dem ich immer
noch die beste Hand gehalten habe, nachdem ich ein Re-Raise gecallt habe, gerade auf einem
Level, auf dem die Kreativität der Spielweisen limitiert ist. Das heißt, dass wir eine Hand, die nicht
die Nuts repräsentiert, nach einem Raise für dünnen Value hier weglegen können.
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Gegen schlauere, tightere und eher solide Gegner, die ein gutes Verständnis von Ranges am River
haben kann es eine gute Option sein, eine Made Hand in einen Bluff zu verwandeln, da ihre
Betting Ranges auf optimalere Weise aus Value-Händen und Bluffs besteht, weshalb ein Call mit
einem Bluffcatcher uns keinen langfristigen Profit bringt. Fürs Erste will ich das den Spieltheorie-
Experten auf höheren Leveln überlassen und vielleicht später in einem anderen Guide behandeln.
Für unsere Zwecke, uns eine Bankroll aufzubauen, während wir auf den Microstakes spielen,
empfehle ich, sich auf die primären Spielweisen, die uns Geld bringen, zu konzentrieren und ein
Bluff am River gehört da zunächst nicht dazu.

Beispiel:

UTG setzt 3bb und alle folden zum Hero am BU, der mit AsTs callt. Der Flop kommt 4s 9s Qd und im
Pot sind 7,5bb. UTG setzt 5bb, die der Hero callt. Am Turn kommt Qh und im Pot sind 17,5bb. UTG
checkt und der Hero checkt zurück. Am River kommt Js, im Pot sind 17,5bb und UTG setzt 11bb.
Hero raist auf 32bb, UTG geht All-In für weitere 60bb und der Hero legt weg.

Preflop und am Flop callt der Hero, um seinen Positionsvorteil zu nutzen. Ein Raise am Flop ist
sicherlich eine angemessene Option, aber gegen eine typische Eröffnung von einem unbekannten
Spieler UTG fällt es schwer, die Fold Equity korrekt einzuschätzen. Außerdem wollen wir mit
unserem Nut-Draw keine 3-Bet sehen und damit den Pot zu sehr aufblähen und dem Gegner die
Gelegenheit zu geben, uns aus dem Pot zu zwingen, wenn wir uns am Turn nicht verbessern. Am
Turn entscheidet sich der Hero für ein Checkback, da der Spieler UTG keine besseren Hände folden
würde, außer kleinere Paare oder Ass hoch, aber die können wir auch noch am River zur Aufgabe
bringen. Abermals würde ein Call oder ein Re-Raise unserer Bet hier den Pot in einer schwierigen
Situation, in der unsere Outs nicht mehr sauber sind, zu sehr aufblähen (d. h. der Gegner kann ein
Full House machen, wenn wir unseren Flush treffen oder auch Trips, wenn wir nur ein Paar haben).
Am River spielt der Gegner nach seiner Passivität am Turn wieder selbst an, was seine Range auf
viele mittelstarke Hände wie Twopair oder Trips oder slowplayed Full House oder auf ein Full
House verbesserte Hände (z. B. JJ, QJ) einengt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass der Gegner selbst
einen Flush hält, nachdem er am Turn keine C-Bet gespielt hat, weshalb wir uns sicher fühlen
können, hier mit der Absicht für dünnen Value zu raisen, gegen ein All-In wegzulegen, da wir bei so
einer beängstigenden Riverkarte, die beide Ranges trifft, nur von besseren Händen ein All-In
erwarten können.

4 Postflop Tipps

Dieses Kapitel dreht sich um zusätzliche praktische Tipps aus meiner Spielerfahrung zu vielen
verschiedenen Themen, die nicht in die vorherigen Kapitel gepasst haben.

4.1 Seit „gerissen“

„Gerissen“ im Hinblick auf die Poker-Terminologie bezieht sich auf das, was ich in Kapitel 2.1.3
beschrieben habe und bedeutet, dass man in seiner „Stadt“ (d. h. im jeweiligen Spiel) genau weiß,
welche Straßen man nimmt und welche man vermeidet – entweder, weil sie Sackgassen sind, oder
weil fragwürdige Leute einen in Schwierigkeiten bringen könnten.

Bevor man mit einer bestimmten Made Hand am Flop weitermacht, sollte man sich immer
überlegen, welche relative Stärke die Hand besitzt, indem man berücksichtigt:

-68-
a) die Flop-Textur und potentielle bedrohliche Turn- oder River-Veränderungen der Textur
b) die Positionen und Ranges der involvierten Spieler
c) die Gegnertypen

Diese Punkte sagen uns, wie groß der Pot sein kann, um den wir im Schnitt spielen wollen und wie
viele Bets insgesamt in den Pot gehen sollten, bevor wir zu häufig eine Hand sehen, die uns
schlägt. Dann überlegen wir uns, auf welchen Straßen wir eine Bet spielen wollen, welche Beting
Lines und Betsizings uns von schlechteren Karten bezahlt werden. Außerdem sollte man
berücksichtigen, welche Karten auf welchen Straßen uns in Schwierigkeiten können und was wir
machen müssen, um das zu vermeiden.

Auf diesem Weg sind wir unter Umständen in der Lage, eine zusätzliche Straße Value von
schlechteren Händen zu bekommen oder eine Straße weniger gegen bessere Hände zu verlieren.
Hier ein Beispiel zur Erklärung:

Beispiel:

Der Hero eröffnet am CO um 3bb mit AhQs, ein sehr aggressiver und kompetenter Gegner am BU
callt und die Blinds folden. Der Flop kommt Qc 9d 8d.

Bevor ich in diesen Pot einen weiteren Cent einbezahle, ist mein erster Schritt, für den Rest der
Hand einen Plan zu erstellen und meine relative Handstärke einzuschätzen um später pfiffiger
agieren zu können. Ich habe Top Pair/Top Kicker…

a) ...auf einem koordinierten Flop, mit einige möglichen bedrohlichen Karten auf Turn oder
River (z. B. jeder K, J, T, Diamond)
b) ...in einer CO vs BU Situation, in der ich mich einer weiten Range von guten und
spekulativen Händen gegenübersehe
c) ...gegen einen härteren Gegner

Wenn die Floptextur meine relative Handstärke bis zum River nicht sehr verändert, würde ich
vermutlich willens sein, bis zu drei Bets speziell gegen schwächere Spieler reinzubekommen. Punkt
b) sagt mir, dass ich eine Chance habe, gegen schwächere Hände etwas Value zu extrahieren, da
ich eine angemessen starke Hand gegen eine weitere Range habe und häufig vorne sein werde,
solange sich die Boardtextur nicht verändert. Die Punkte a) und c) sagen mir, dass ich darauf
vorbereitet sein muss, den Pot auf den späteren Straßen zu kontrollieren, da mein trickreicher
Gegner möglicherweise seinen Positionsvorteil gut nutzt, um bessere Hände zu treffen oder mich
in schwierige Spots zu bringen, wenn die Boardtextur bedrohlicher wird.

Diese Aspekte lassen mich zögern, mit meinem ursprünglichen Plan über drei Straßen
weiterzumachen und stattdessen im Schnitt auf zwei Straßen abzuzielen oder meine Hand auf eine
Weise zu spielen, die den Pot kontrolliert und die Range meines Gegners weiter und seine
potentiellen Blufffrequenzen höher zu halten. In der Praxis bedeutet „gerissen“ zu sein in diesem
Fall, dass wir gegen einen schwächeren, passiven Spieler hier drei Mal (groß) für Value setzen
können, angenommen, dass Turn und River kooperieren, während wir auf bestimmten Straßen
checken müssen oder kleinere Betsizings gegen kompetentere Gegner nutzen müssen. Das hilft
uns sowohl dabei, unsere tatsächliche Handstärke zu verstecken, als auch dabei, die Range unseres
Gegners so weit wie möglich zu halten und ihm die Gelegenheit zu geben, auf einer der späteren
Straße mit einer falschen Valuebet oder einem Bluff einen Fehler zu begehen.
-69-
Im obigen Beispiel würde ich empfehlen, regelmäßig ein Check am Flop oder Turn in den
Gameplan zu mischen, abhängig von den spezifischen Tendenzen unseres Gegners. Wenn er gerne
raist oder häufig versucht, den Pot mitzunehmen, wenn zu ihm gecheckt wird, dann ziehe ich eine
passive Bluffcatch-Linie vor. Wir könnten schwächere Damen in unserer Range wählen, um diesen
Job zu erledigen, aber zur gleichen Zeit würden wir es hassen, ein Raise am Flop selbst mit unseren
stärksten Onepair oder Top Kicker-Händen zu sehen, da dies dem Gegner erlaubt, den Hebeleffekt
in Position mit einer Range von Händen, die Onepair schlagen oder gute Equity gegen Onepair
haben, zu maximieren. Das bringt uns in schwierige Situationen in aufgeblähten Pötten auf vielen
Turns oder Rivers, weshalb wir pfiffigerweise solche Situationen vermeiden, indem wir die
möglichen Szenarios vor unserer Aktion im Kopf durchspielen.

4.2 Betsizing Anpassungen

Betsizing ist eine Kunst. Wenn man über ein gutes Betsizing nachdenkt, sollte man erst darüber
nachdenken, wie die Leinwand am Ende aussehen soll und welche Farben oder Pinsel man
benötigt, um das Bild fertig zu malen. Auf Micro- und Smallstakes ist für mich der Schlüssel, nur auf
die gegnerische Range der potentiellen Hände und seine durchschnittlichen Tendenzen bedacht zu
sein, um den Effekt meines Betsizings anzupassen. Meiner Erfahrung nach werden die Leute
häufig:

a) den Flop mit einer weiteren Range, als man sich vorstellen kann, anzusehen (z. B. nur eine oder
zwei Overcards)
b) bis zum Showdown mit einer Onepair-Hand callen, selbst wenn das Board extrem bedrohlich ist
c) Draws nachjagen und die größtmögliche Bet oder den größtmöglichen Raise spielen, wenn sie
treffen

Diese Umstände erfordern eine sehr geradlinige Strategie, die sich stark davon unterscheidet, was
viele Leute gerne beim Pokerspielen sehen würden, weil sie es als Gedankensport ansehen und
ihre Gegner lieber mit geistreichen Strategien ausspielen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass
beim Pokern jemanden „auszuspielen“ bedingt, dass man eine Strategie verwendet, die die des
Gegners ausnutzt, negiert oder kontert. Wenn die Strategie meines Gegners sowohl a), b) und c)
beinhaltet, ist meine Strategie, mit der ich das ausnutzen will, meine mittelstarken und starken
Hände für so viel Value und mit so großen Bets wie möglich zu spielen – selbst wenn einige
offensichtliche und bedrohliche Draws ankommen. Mein durchschnittlicher Gegner wird mich
durch einen Raise oder indem er selbst eine Bet spielt wissen lassen, wenn er seine Hand getroffen
hat und mir damit ein sehr deutliches Signal gibt, meine Hand wegzulegen.

Auf höheren Stakes oder gegen clevere Gegner muss man auf einem viel tieferen Level nicht nur
über die Hand Range nachdenken, sondern auch über den eigenen und was man mit bestimmten
Betsizings repräsentieren kann oder will. Um eine Valuebet von einer schwächeren Hand gecallt zu
bekommen, muss der Gegner dazu in der Lage sein, uns auf einen Bluff zu setzen, genauso wie er
denken soll, dass man eine Valuebet spielt, wenn man tatsächlich aber blufft. Man muss also
sicherstellen, dass man seine Betsizings entsprechend justiert, um den Gegner ausbeuten zu
können, wenn man seine Tendenzen etwas besser kennt. Gegen sehr gute Gegner werden kleine
Bets (d. h. kleiner als Pot) mit unseren Bluffs unter Umständen am effektivsten sein, während man
gegen andere groß setzen muss oder sogar eine Overbet!

-70-
4.2.1 Overbets

In ein paar sehr seltenen Spots mag ich eine Overbet für Value (oder als Bluff), vor allem, wenn es
während der Hand mehr und mehr offensichtlich wird und die Linie meines Gegners bisher den
Eindruck macht, dass er sehr wahrscheinlich eine bestimmte Hand hält, die er oft genug gegen
große Bets callt (oder foldet).

Beispiel 1:

Der Hero eröffnet auf 3bb am CO mit AhQh, BU und SB folden während ein schwacher Spieler mit
einem Stack von 82bb am BB callt. Im Pot sind 6,5bb und der Flop kommt 6s Th Js. Der BB checkt
und der Hero setzt 5bb, die der BB callt. Die Turnkarte ist 5h und im Pot sind 16,5bb. BB checkt,
Hero setzt 12bb und der BB callt wieder. Am River kommt 9h und im Pot sind 40,5bb. Der BB checkt
und der Hero geht für die verbleibenden 65bb All-In.

In diesem Spot wird ein schwacher und passiver Gegner sehr wahrscheinlich mit Jx, einem Draw
wie KQ, 87, 98 oder Spades heruntercallen. Wenn ein kleineres Betsizing weniger als Pot wählen
können wir hier sicher auch von schwächerem gecallt werden, aber gegeben, dass wir die
gegnerischen Calling Range auf so spezifische Hände eingeengt haben, die sehr oft die zweitbesten
sind und unsere Hand ist sehr gut durch die Backdoor-Möglichkeiten versteckt. Gegen schwächere
Spieler kann eine Overbet hier eine sehr starke Strategie sein, da sie weniger wahrscheinlich mit
schwächerem selbst raisen würden, wenn man eine kleinere Bet spielen würde, uns aber auf einen
großen Bluff setzen, wenn wir die Overbet abfeuern.

Stellen wir uns die gleiche Situation gegen einen härteren Gegner vor und wir können tatsächlich
recht erfolgreich damit sein, mit unseren geplatzten Spades (z. B. AsQs) eine Overbet zu spielen
(selbst zwei Mal Pot, falls nötig) da es sehr wahrscheinlich sein wird, dass unsere besseren Gegner
nur schwache showdownfähige Hände haben werden, da sie Draws, Two Pair oder Sets passiv von
Out of Position nicht allzu oft heruntergecallt hätten. Aus diesem Grund können wir bei einem
River 9s und derselben Hand die gleiche Spielweise verwenden. Die meisten regulären Spieler auf
den Smallstakes werden dazu in der Lage sein und uns sehr wahrscheinlich auf KQ oder Backdoor-
Hearts setzen und mit Jx hier im Gegenzug häufig genug folden.

Eine Overbet kann ebenfalls ein nützliches Werkzeug in ähnlichen Situationen am Flop oder Turn
sein, wenn der Stacksize unseres schwächeren Gegners relativ klein ist und das Board verschiedene
Draws in einem bereits aufgeblähten Pot erlaubt. Der häufigste Spot für eine Overbet gegen
Freizeitspieler mit einer passiven Tendenz, der mir immer wieder unterkommt, ist mit Overpairs
oder Top Pair-Händen auf einem Board mit Flush- und/oder Straightdraws in einem 3-Bet Pot.

Beispiel 2:

Ein schwacher Spieler mit einem Stack von 78bb eröffnet am BU auf 3bb und der Hero spielt eine 3-
Bet vom SB auf 10bb mit QhQs, der BB legt weg und der BU callt. Im Pot sind 21bb und der Flop
kommt 3h 7s 8h. Der Hero setzt 11bb und der BU callt. Die Turnkarte ist 5s und im Pot sind 43bb.
Der Hero geht für 58bb All-In.

In dieser Situation hat unser schwächerer Gegner vermutlich ein einzelnes Paar, einen
Straightdraw, Flushdraw oder eine Kombination aus diesen Händen. Er kann auf dem Turn auch ein
paar zusätzliche Outs mit Händen wie 66, 76 oder Backdoor Spades aufgesammelt haben. Eine
-71-
Overbet kann folgende drei Ziele gleichzeitig erreichen:

a) unser Gegner kann unsere Hand als Semibluff lesen und eher willens sein, mit einem Paar zu
bluffcatchen
b) schwächere Spieler mögen es, einen Draw zu callen, wenn sie bereits einen großen Teil ihres
Stacks investiert haben
c) wir schützen unsere Hand vor vielen unangenehmen Karten am River, die wir möglicherweise
falsch spielen würden

4.2.2 Underbets

Wie bereits vorher erwähnt kann es sehr effektiv sein, gegen eher reguläre, kompetente und
nachdenkende Gegner mit dem Betsizing zu spielen.

Gegen sehr aggressive oder übermäßig passive Spieler kann eine Underbet (d. h. eine Bet weniger
als Hälfte Pot) ein sehr gutes Werkzeug dafür sein, Action von einem bestimmten Teil der Range
dieser Gegner zu bekommen. Um unser Valueziel hier zu erreichen müssen wir sicherstellen, dass
wir ein sehr genaues Verständnis dafür haben, mit was der Gegner auf den vorherigen Straßen
gecallt hat und dazu führt, mit zu vielen schwachen Händen da zu stehen, mit denen er eine
größere Bet nicht callen kann oder selbst nicht betten wird, wenn wir zu ihm checken.

Beispiel 1:

Der Hero eröffnet auf 3bb vom CO mit KsKc, ein schwacher, aggressiver und bluff-freudiger Gegner
am BU callt, während die Blinds folden. Der Flop kommt Kd Jc 8d und im Pot sind 7,5bb. Der Hero
setzt 5bb und der BU callt. Im Pot sind 17,5bb und die Turnkarte ist 6c. Der Hero setzt 12bb und der
BB callt. Im Pot sind nun 41,5bb und am River kommt 4s. Der Hero setzt 16bb.

Während wir viele Top Pair-Kombinationen blockieren können wir davon ausgehen, dass der
Gegner mit Händen heruntercallt, die einer Range von vielen geplatzten Draws (z. B. QT, T9,
Diamonds, Clubs) beinhalten, während die stärksten Bluffcatcher Jx sein sollten. Gegen diese
Range kann es wesentlich besser für uns sein, den River zu checken oder eine Underbet zu spielen
um einen Call von Jx zu bekommen, die zurückchecken würden, wenn wir checken. Eine kleine Bet
kann unter Umständen mehr Value abwerfen, wenn unser Gegner sich zu einem großen Bluff
veranlasst sieht.

Sein Betsizing nach unten anzupassen, wenn man eigentlich einen Fold haben will, kann auf jeder
gegebenen Straße eine sehr gute Option sein, da die Gegner kleinere Bets als Versuch
interpretieren, Action von schwächeren Händen zu provozieren oder häufiger bezahlt zu werden,
während eine große Bet die Range eher Blufflastig erscheinen lässt. Aus diesem Grund kann es
auch sein, dass sie eine kleinere Bet weniger häufig als Bluff raisen, da sie befürchten, dass dies
genau das ist, was man beabsichtigt hat. Die oben genannten Faktoren machen eine Underbet in
typischen C-Bet oder Riverbluff-Spots recht attraktiv wo eine große Bet die eigentlich erwartete
Spielweise ist.

Wenn man eine Underbet spielen will sollte man vorher zunächst gut überlegen, welchen Teil der
gegnerischen Range man auf einer bestimmten Straße zur Aufgabe bringen will. Um mit einer
kleinen Bet erfolgreich zu bluffen sollten in meinen Augen die folgenden zwei Bedingungen
zusätzlich zu der oben genannten vorliegen:
-72-
a) mein Gegner kann genügend Hände in seiner Range haben, die unabhängig vom
Betsizing folden
b) meine Range wird so wahrgenommen, dass er eine bestimmte Textur oder Karte
häufiger als der meines Gegners trifft

Beispiel:

Der Hero eröffnet auf 2,5bb vom CO mit KsQs und ein solider Spieler am BU callt während beide
Blinds folden. Im Pot sind 6,5bb und der Flop kommt 6d 8d 2s. Der Hero setzt 5bb und der BU callt.
Am Turn kommt As und im Pot sind 16,5bb. Der Hero setzt 13bb und der BU callt. Im Pot sind
42,5bb und die Riverkarte ist Jh. Der Hero setzt 16bb.

Eine kleine Riverbet gegen einen denkenden Gegner kann in Spots wie diesem Wunder wirken. Die
Preflop Range unseres Gegners kann sehr weit sein, da er unsere Eröffnung vom CO am BU nur
callt. Daher kann er hier viele schwache Paare und Draws halten mit denen er sich in Position dazu
entscheidet, ein oder zwei Mal zu floaten, weil er weiß, dass wir das Ass als Scarecard barreln.
Unsere Betting Range trifft das Board mit vielen Ax-Kombinationen während unser Gegner nicht
sehr viele davon halten wird, abgesehen von Diamond Nutflushdraws (was uns einen Haken für
Punkt b) gibt). Er wird uns wahrscheinlich mit den weniger Ax-Kombinationen in seiner Range so
oder so heruntercallen, weshalb es keinen Grund dafür gibt, am River eine große Bet zu spielen,
wenn nicht verbesserte Hände oder schwache Bluffcatcher wahrscheinlich sowieso aufgeben –
dies gibt uns auch für a) einen Haken! Aber Vorsicht! Gegen schwache, passive Gegner auf den
Microstakes kann diese Linie nach hinten losgehen. Wenn sich die Hand nicht verbessert ist auf
den niedrigeren Stakes die beste Option, überhaupt am River zu bluffen!

4.3 Anpassungen an Shortstacks

Es gibt viele verschiedene Typen von Shortstack-Spielern in Cashgames, aber die Mehrheit derer,
die sich für weniger als einen vollen 100 Big Blind Stack einkaufen und nicht automatisch wieder
auffüllen, sind sehr wahrscheinlich Freizeitspieler oder schwächere Spieler mit wenig Erfahrung.
Ausnahmen sind reguläre Spieler, die sich Short einkaufen um ihren Stack schnell wachsen lassen
wollen oder ein bestimmtes Spiel an mehreren Tischen für höheren Ertrag durch Volumen und
Rakeback spielen. Wenn wir von Shortstacks sprechen, meinen wir 50bb oder weniger als
effektivem Stacksize.

Generell kann man die Faustregel nutzen, dass, je kleiner der effektive Stack ist, je weiter oben ist
die relative Handstärke einer bestimmten Made Hand anzusiedeln, wenn es zu Postflopaktionen
kommt. Das wurde bereits im Red Guide in Bezug auf mittelstarke Postflop Hände (z. B. TT, JJ, AQ
etc.) behandelt, mit denen man eher bereit sein sollte, um den Stack zu spielen, wenn man einen
Gegner mit einem Shortstack gegen sich hat. Ein ähnliches Konzept trifft Postflop zu, wenn unsere
Top Pairs selbst mit schwachem Kicker zusammen mit Draws mit genügend Equity zu wesentlich
wertvolleren Händen werden, da der Gegner mit Shortstack nur wenige Optionen hat uns auf einer
späteren Straße auszuspielen und darüber hinaus nur sehr geringe Implied Odds hat. In vielen
Situationen sind sowohl schwächere als auch solide Gegner mit einem Shortstack dazu gezwungen
nachzuziehen und mit mittelstarken Händen oder Draws um ihren Stack zu spielen. In solchen
Fällen sollte man sicherstellen, dass man willens ist, etwas leichter gegen einen Raise oder eine
große Bet auf dem Flop oder Turn All-In zu gehen – vor allem, wenn zu viele Karten auf den
-73-
folgenden Straßen die Range unseres Gegners verbessern können oder die potentielle Action
killen.
Beispiel:

Der Hero eröffnet auf 3bb mit KsJs vom CO, BU und SB folden und BB (46bb effektiv) callt. Im Pot
sind 6,5bb und der Flop kommt Jd 9d 7c. BB checkt, Hero setzt 5bb, BB check/raist auf 18bb und
der Hero geht für den verbleibenden Stack All-In.

Auch wenn der Hero hier „nur“ Top Pair mit zweitbestem Kicker hält und niemals bereitwillig 100
Big Blinds oder tiefere Stacks reinstellen würde, hat er, und auch der Gegner, in diesem Fall keine
andere Wahl. Der Gegner kann viele potentielle Draws (z. B. QTs, KTs, KQ, Flushdraws), einige
schlechtere Hände wie QJ und JT oder auch bessere Hände wie AJ, Two Pair, Sets und gefloppte
Straights raisen. Allerdings sollte unsere Equity gegen diese Range gut genug sein, um ein All-In für
„nur“ ~38bb zu einem +EV-Spielzug zu machen während ein Call und erst am Turn die
Entscheidung zu treffen, ob unsere Hand die beste ist, dazu führen kann, dass wir auf vielen
unschönen Diamond oder Straight-Turnkarten einen Fehler machen oder Value verpassen.

4.4 Anpassungen an Deepstacks

Wie ich bereits in meinem Vorwort erwähnt habe, kann die Stacktiefe unsere benötigte Strategie
sehr stark beeinflussen und macht wesentliche Anpassungen notwendig. Effektive Stacks von 100
Big Blind sind heutzutage immer noch der Standard in No Limit Hold’em Cashgames und
bestimmte Spielweise oder Betsizings wurden durch reguläre Spieler etabliert. Den effektiven
Stack zu vergrößern kann das Spiel hin zu mehr möglichen Strategien und Betsizings öffnen, was
auf der anderen Seite die Dynamik des Spiels verändert und eine Verlagerung des Schwerpunkts
nötig macht.

Das Schlüsselkonzept hier ist das der relativen Handstärke. Die Stärke einer Top Pair oder Overpair-
Hand verringert sich deutlich, wenn der Pot größer wird und ein Gegner vor allem auf den
späteren Straßen oder auf bedrohlichen Boardtexturen anfängt zu raisen. Mit tieferen Stacks
steigen die Implied Odds für jeden Gegner, von uns wesentlich mehr Geld auf jeder gegebenen
Straße zu erhalten, sehr stark, wenn wir dazu tendieren, mittelstarke Hände zu überschätzen. Aus
diesem Grund ist es in Deepstack-Cashgames wesentlich wichtiger, den Pot zu kontrollieren,
ähnlich der Situation früh in Turnieren, wo man sein Turnierleben schützen will. Dieser Aspekt wird
in 3-Bet oder 4-Bet Pötten sehr offensichtlich, da unser Gegner mit ausreichend tiefen Stacks seine
Verteidigungs- und Continuing-Ranges mit der Hoffnung auf gute Implied Odds stark erweitern
kann. Plötzlich findet man sich auf späteren Straßen in Spots wieder, in denen sich unsere
Premiumhände nur noch schwer spielen lassen, sobald eine heikle Karte kommt und der/die
Gegner Druck ausübt/ausüben.

Beispiel 1:

BU (250bb tief) eröffnet auf 2,5bb, der Hero (250bb tief) spielt eine 3-Bet auf 10bb vom BB mit
KhKs und der BU callt. Im Pot sind 20,5bb und der Flop kommt Td 8c 5c. Der Hero setzt 12bb und
der BU callt. Die Turnkarte ist 4d, der Hero setzt 26bb und der BU raists auf 62bb.

Preflop spielt der Hero seine 3-Bet etwas größer, um dem Gegner einen höheren Preis dafür
abzuverlangen, den Flop mit spekulativen Händen oder kleineren Paaren für Setmining zu sehen.
Auf diesem Weg können wir angesichts der Stacksizes ein paar Big Blinds mehr machen, da der
-74-
Gegner sehr wahrscheinlich trotzdem weiterspielt, um sich seine Position und die Stacktiefe
zunutze zu machen. Richtigerweise, da diese Faktoren den Gegner selbst mit einem Nachteil bei
den Karten oder der Equity begünstigen. Der Schlüssel zum Erfolg mit tiefen Stacks ist die optimale
Nutzung von Druck auf den späteren Straßen, so wie wir es in diesem Beispiel sehen: Ein Raise am
Turn stellt den Hero vor eine Entscheidung nicht nur im Hinblick auf das Geld, wenn er immer noch
gegen viele Draws vorne sein kann, sondern vor allem am River, auf dem viele problematische
Karten kommen können und wir einen Pot von über 150 Big Blinds haben!

Wie wir sehen können benötigen unsere Standard Betting Lines und Ranges, mit denen wir im Red
Guide und Green Guide bisher gearbeitet haben, eine Überarbeitung, da ihre Effektivität mit
tieferen Stacks und der Anzahl an potentiellen Problemen oder harten Spots sinkt. Die Optionen
des Heros in solchen Situationen beinhalten wesentlich häufiger Potcontrolling gegen aggressive
oder trickreiche Gegner mit mittelstarken Overpairs durch ein Check am Flop und/oder am Turn,
um dadurch dem Gegner die Möglichkeit zu verweigern, einen Raise zu spielen und gleichzeitig
seine Range so weit wie möglich zu halten.

Auf der anderen Seite erhöht sich der Value von Nut-Händen oder Nut-Potential mit tieferen
effektiven Stacks drastisch. Suited Asse, Connectors, One-Gapper oder sogar Two-Gapper haben
dieses Potential und spielen sich sehr gut, sobald mehr Optionen dazu hat:

a) alle fünf Karten auf dem Board zu sehen (All-Ins von Shortstacks oder ein aufgeblähter Pot
können diese Chance zunichtemachen)
b) den Pot durch sehr durchdachte Semibluffs oder Bluffs zu gewinnen

Dies macht ein weiterspielen mit den richtigen spekulativen Händen Preflop attraktiver, wie bereits
im Red Guide beschrieben. Es eröffnet ebenso Chancen für uns, diese Handtypen gut zu
verstecken, indem wir sie in unsere 3-Bet oder sogar 4-Bet Ranges gegen stärkere Eröffnungs-
Ranges aufnehmen. Das interessante an der Sache ist, dass wir plötzlich, indem wir mit diesen
Händen weiterspielen, viele Optionen, unsere Hand aggressiv zu betten, zu floaten oder zu raisen,
haben, die wir mit einem effektiven Stack von 100 Big Blinds nicht hätten. Die Notwendigkeit, den
Pot mit Händen zu kontrollieren, die sonst unsere Premium-Hände wären, erhöht sich, während
die Attraktivität von gut versteckten spekulativen Händen wie Gutshots oder Backdoor Draws sich
wegen der massiven Implied Odds stark erhöht. Der Grund dafür ist, dass wir von unseren
durchschnittlichen Micro- und Smallstakes Gegnern erwarten können, dass sie genau das Gegenteil
von dem machen, zu was ich vorher geraten habe, indem sie ihr Spiel nicht an die höheren
Stacksizes und den Veränderungen der relativen Handstärken gut genug anpassen. Meiner
Erfahrung nach werden sie nach wie vor einen großen Pot mit ihren früheren Premium-Händen
aufbauen wollen, während sie nicht bemerken, dass sich unsere Pre- und Postflop Ranges drastisch
verändert haben.

Beispiel 2:

Alle folden zum CO (250bb effektiv), der auf 3bb eröffnet. Hero spielt eine 3-Bet auf 10bb mit 6s5s
oder As5s am BU, die Blinds folden und CO entscheidet sich für eine 4-Bet auf 25bb, die der Hero
callt. Der Flop kommt 7s 4h 2h und im Pot sind 51,5bb. CO setzt 28bb und der Hero callt. Die
Turnkarte ist 9s und im Pot sind 107,5bb. Der CO setzt 55bb, die der Hero callt. Am River kommt 3s
und im Pot sind 217,5bb. Der CO hat nun eine weitere schwere Entscheidung für 157bb.

Mit spekulativen Händen wie dieser eine 3-Bet zu spielen verbessert ihre Spielbarkeit stark, wenn
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wir uns sowohl den Positionsvorteil als auch den größeren Druck durch die tieferen Stacks zunutze
machen können. Sowohl 65s als auch A5s haben das Potential auf verschiedenen Wegen durch
Straight- und Flushdraws zu den Nuts zu drawen. Schön ist in dieser Situation, dass im Gegensatz
zu den typischen 100 Big Blind Situationen uns selbst eine 4-Bet nicht davon abhalten kann, diese
Hand profitabel in Position zu spielen! Darüber hinaus haben wir zwei weitere ausschlaggebende
Vorteile gegenüber unserem Gegner, die unsere Implied Odds verbessern und unseren
Entscheidungsfindungsprozess stark vereinfachen:

a) seine Aktionen machen es für uns einfacher, seine Hand Range auf Premiumhände einzuengen
b) er wird Schwierigkeiten haben, unsere Hand zu lesen, da unsere Continuing Range wesentlich
weiter ist

Falls er den Flop oder Turn verpasst können wir uns immer noch die Option offen halten zu
semibluffen oder selbst einen großen Bluff auf einer der späteren Straßen zu versuchen, wenn die
Boardtextur unangenehm für ihn ist. In diesem Beispiel feuert der Gegner zwei Mal, was primär
auf eine Range von starken Overpairs hindeuet, die einen potentiell großen Ertrag für unsere gut
versteckten Straights und Backdoor Flushes versprechen. Daher sollte ein Call am Flop, um eine
weitere Karte zu sehen, selbst bei einer ungewöhnlich großen Bet eine hochprofitable Spielweise
sein mit unserem Positionsvorteil, dem Potential, einen massiven Pot zu gewinnen, wenn wir
unsere Hand machen oder den Pot später zu gewinnen, wenn die Situation gut für uns und
schlecht für ihn aussieht (z. B. wenn ein weiteres Heart kommt oder er checkt).

4.5 River Pot Odds

Ich habe das Gefühl, dass ich zum Abschluss noch einmal auf die Pot Odds am River hinweisen
muss, da viele Spieler dazu neigen sie in Situationen, in denen sie sich einer Bet oder einem Raise
gegenübersehen, zu überschätzen. So belanglos wie es klingt, muss ich doch noch einmal
wiederholen: Es kommt keine weitere Karte und wir haben entweder 0% oder 100% Equity,
weshalb wir sehr sicher darüber sein müssen, wie oft unsere tatsächliche Hand die Value- und
Bluffing Range unseres Gegners (falls er überhaupt eine Bluffing Range hat) schlägt. Manchmal
sehen wir uns kleinen Bets oder Minraises gegenüber, die uns bessere Pot Odds als 3:1 geben, aber
in solchen Situationen nach drei Straßen mit Bets wird die Range unseres Gegners so stark sein,
dass wir nur noch einen seltenen Bluff und keine anderen Hände häufig genug schlagen. Wir
müssen sicherstellen, dass wir ein gutes Verständnis davon haben, welche Gegner wir haben
(regular, schwach, clever, stur, aggressiv, passiv) und was seine wahrscheinlichsten Bluffhände sein
können, wenn wir an seiner Stelle wären. Wenn wir nicht eine ausreichende Anzahl an potentiellen
Bluff-Kombinationen ausmachen können, dann sollten wir selbst für die großartigsten Pot Odds
einen Fold finden.

5 Nachwort

Als Zusammenfassung für meinen dritten Guide habe ich das Bedürfnis zu betonen, dass alle
behandelten Strategien und Taktiken auf meiner persönlichen Erfahrung von Millionen von
gespielten Händen auf Micro- und Smallstakes 6-max No Limit Hold’em Cashgames basieren. Poker
ist und wird immer Veränderungen und Fortschritt erfahren, auch was die durchschnittlichen
Gegner angeht, so dass man immer Ausschau nach neuen Mustern, Betting Lines oder
strategischen Entwicklungen halten sollte, wenn sie häufiger an den Tischen vorkommen um den
Zeitpunkt für eine Anpassung daran nicht zu verpassen!

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Zur gleichen Zeit glaube ich stark daran, dass Poker auf den Micro- und Smallstakes genügend
Raum für eine Mehrzahl an Spielern bieten wird, die nicht dazu in der Lage sind, kleine
Geldbeträge ernst zu nehmen und einer Strategie oder taktischer Disziplin zu folgen. Ich bin davon
überzeugt, dass der größte Teil des Erfolgs den ich hatte, als ich Midstakes-Bankrolls von kleinen
Einzahlungen erarbeitet habe, wieder und wieder daher rührte, dass ich striktes Bankroll
Management und meinen strategischen Gameplan für die jeweiligen Level verfolgt habe und die
Flexibilität hatte, mich an die Taktiken einzelner Gegner anzupassen. Es geht nicht darum,
möglichst „schön“, elegant oder theoretisch korrekt Poker zu spielen, sondern darum, die
praktikabelsten und ertragreichsten Spielweisen mit einer disziplinierten Arbeitsmoral zu finden.

Somit ist es jetzt Zeit, aufzustehen, den Guide zur Seite zu legen und mit „Grinding it UP!“
loszulegen!

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