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1 Der Beginn des Rundfunks und die Entwicklung bis 1945

»Achtung, Achtung, hier ist die Sendestelle Berlin im Vox-Haus auf Welle 400 Meter. Meine Damen und
Herren, wir machen Ihnen davon Mitteilung, dass am heutigen Tage der Unterhaltungsrundfunkdienst mit
Verbreitung von Musikvorführungen auf drahtlos-telephonischem Wege beginnt. Die Benutzung ist
genehmigungspflichtig ...«
So lautete die Ansage von Alfred Braun zur Einführung des Rundfunks in Deutschland am 29. Oktober 1923 um
20.00 Uhr. Das von einem Sender der Deutschen Reichspost ausgestrahlte Programm mit dem einstündigen Eröff-
nungskonzert konnte nur von wenigen Hörern, im Wesentlichen Bastlern, empfangen werden. Empfangsgeräte für
jedermann gab es noch nicht. Amtlich war der Empfang auch noch verboten. Von diesen Anfängen hat sich der Rund-
funk zu einem Massenmedium mit einer Vielzahl von Programmen für unterschiedliche Ansprüche und Verbreitung
weit über alle Grenzen hinaus entwickelt. Diese vor allem im technischen Bereich beeindruckende Entwicklung wird
in diesem Buch möglichst verständlich dargestellt.

1.1 Vorgeschichte des Rundfunks


In der Anfangsphase war Rundfunk gleichbedeutend mit Hörrundfunk, denn das Fernsehen, oder besser der Fern-
sehrundfunk für die Öffentlichkeit, startete in Deutschland erst zwölf Jahre später.
Rundfunk ist die Verbreitung von Programmen durch Sender mittels elektromagnetischer Wellen zum Empfang für
jedermann. Als später die technische Entwicklung ermöglichte, die Programme auch über Kabelanlagen zu verbreiten,
wurde die Definition des Rundfunkbegriffs neu gefasst, weil diese Verbreitung ebenfalls als Rundfunk anzusehen ist.
Für die Übertragung der Programme mit Hilfe der elektromagnetischen Wellen waren die Kenntnis und schließlich
die Erzeugung dieser Wellen eine wesentliche Voraussetzung. Der erste Physiker, der aufgrund seiner Versuche mit
der Elektrizität behauptete, dass es solche Wellen geben müsse, war der Engländer Michael Faraday. Er hatte in den
Jahren 1836/37 die elektromagnetische Induktion, das heißt die Wechselwirkung zwischen Elektrizität und Magnetis-
mus im Umfeld eines stromdurchflossenen Leiters, entdeckt. Aufgrund seiner theoretischen Überlegungen stellte er
fest, dass solche Wechselwirkungen als elektromagnetisches Feld auch in Nichtleitern, z. B. im Äther, vorhanden sein
müssten. Das Feld würde sich dort wellenartig ausbreiten.
Aus Faradays Feststellung entwickelte fast 30 Jahre später der schottische Mathematiker James Clerk Maxwell die
Theorie der elektromagnetischen Wellen. Seine Differentialgleichungen über das Zusammenwirken des elektrischen
und magnetischen Feldes und die dadurch im Äther hervorgerufenen Erscheinungen haben dann viele Wissenschaftler
davon überzeugt, dass es solche Wellen geben müsse.
Aber erst dem Physiker Heinrich Hertz gelang es, in den Jahren 1887/88 die Existenz dieser Wellen nachzuweisen.
Bei den damaligen Versuchen an der Technischen Hochschule Karlsruhe kam ihm der Zufall zu Hilfe. Bei der Beobach-
tung von elektrischen Entladungen an einer Funkenstrecke stellte er fest, dass an den Enden eines nicht mit dem
Stromkreis verbundenen und nicht ganz geschlossenen Drahtrings Funken übersprangen. Das elektromagnetische Feld
musste sich also durch den Raum dorthin übertragen haben. Hertz gelang es schließlich, die elektromagnetischen Wel-
len mit einem Sender in Form eines Dipols mit angeschlossener Funkenstrecke zu erzeugen und bis zu einer Entfer-
nung von 20 m zu empfangen. Er wies auch nach, dass sich die elektromagnetischen Wellen wie das Licht verhalten
und mit derselben Geschwindigkeit von 300.000 km/s ausbreiten.
Heinrich Hertz war zu sehr Wissenschaftler und hat daher nie an die praktische Nutzung der Wellen gedacht, die
man zu seinen Ehren als »Hertz’sche Wellen« bezeichnet. Er hätte durchaus noch die Einführung des Rundfunks erle-
ben können, wenn er nicht schon im Alter von 37 Jahren am 1. Januar 1894 gestorben wäre.
Nur wenige Jahre später gelang es dem Italiener Guglielmo Marconi und dem Russen Alexander Popow unabhängig
voneinander, einige hundert Meter mit den Hertz´schen Wellen zu überbrücken. Beide Physiker verwendeten noch
wie Heinrich Hertz eine Funkenstrecke als eigentlichen Sender. Aus dieser Art der Erzeugung der Wellen entstand der
Begriff »Funktechnik«.
Aber ein Funken, also ein elektrischer Überschlag, erzeugt nur eine stark gedämpfte Welle. Im Radio wäre eine Fun-
kenfolge nur ein hässliches Knattern, für die Übertragung von Morsezeichen zwar brauchbar, aber völlig ungeeignet
für die Übertragung von Sprache und Musik. Dafür benötigt man ungedämpfte Wellen, deren gleichmäßige Amplitude
im Takt von Sprache und Musik verändert, oder wie die Techniker sagen, moduliert werden kann. Und die Erzeugung
und Modulation ungedämpfter Wellen war in der Anfangszeit der Funktechnik auch mit den schon moderneren Licht-
bogen- und Maschinensendern nur unvollkommen möglich. Den Durchbruch brachte da erst die Erfindung der Elek-
tronenröhre etwa zeitgleich im Jahr 1906 in Europa durch den Österreicher Robert von Lieben und in den USA durch
Lee de Forest.

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1.1 | Vorgeschichte des Rundfunks

Die große Liebenröhre war die erste als Verstärkerröhre brauchbare Triode. Ihre Weiterent-
wicklung zur Hochvakuumröhre durch Telefunken machte technisch den Rundfunk überhaupt erst
möglich.

Die sog. große Liebenröhre und eine zugehörige Schaltungsanordnung aus der Patentschrift von 1910. Danach
handelte es sich bei dieser echten Triode um eine Gemeinschaftserfindung des Österreichers Robert von Lieben
und seiner Mitarbeiter Dr. Eugen Reisz und Siegmund Strauss. Von Lieben nannte diese Röhre »LRS-Relais«. Mit
dieser Bezeichnung knüpfte er an die bereits 1906 patentierte, erste gasgefüllte Röhre an, die er »Kathoden-
Strahl-Relais« genannt hatte. Sein Ziel war die Entwicklung eines Telefon-Relais, das als Verstärker für den Tele-
fonbetrieb über lange Leitungsstrecken dienen sollte, denn ihm gehörte seit 1904 die frühere Telefonfabrik der
Firma Berliner in Olmütz in Mähren.
Im Jahre 1911 führte von Lieben seinen Telefonverstärker mit dem gasgefüllten und im Betrieb bläulich leuch-
tenden LRS-Relais erfolgreich in der Physikalischen Reichsanstalt in Berlin vor. Das machte sowohl die Fachleute
von Telefunken als auch der Unternehmen AEG, Siemens & Halske und Felten & Guillaume auf die Erfindung auf-
merksam und führte zum Ankauf der Lieben-Patente durch diese Unternehmen im Februar 1912.

Als der Rundfunk 1928 bereits das 5-jährige Jubiläum feiern konnte, hat Hans Bredow, den man später den »Vater
des deutschen Rundfunks« nannte, in dem nachstehenden Festbeitrag für die im gleichen Jahr den 25. Geburtstag fei-
ernde Firma Telefunken diese spannende Entwicklungsperiode der »drahtlosen Telephonie«, denn der Begriff »Rund-
funk« war in den Anfangsjahren der Funktechnik noch unbekannt, beschrieben:
Telefunken und der deutsche Rundfunk
Von Hans Bredow
»Sobald die Versuche des Dänen Waldemar Poulsen mit Bogenlampen als Sender für ungedämpfte
Schwingungen bekannt wurden, versuchte Telefunken, sich mit dem Erfinder über die Anwendung dieser
Erzeugungsart in Deutschland zu verständigen. Nachdem die Verhandlungen sich zerschlagen hatten und
der Poulsensender durch die C. Lorenz AG. im Jahre 1906 in Deutschland eingeführt wurde, warf Telefun-
ken sich sofort mit großer Energie auf die Entwicklung eines unabhängigen Systems. Es gelang Dr. C. Scha-
pira, eine Serienbogenlampe mit Siedekühlung zu konstruieren, mit der sofort ein Telephonieverkehr
möglich wurde. Um dieselbe Zeit etwa führte auch C. Lorenz der damals in Berlin tagenden Internationalen
Funkkonferenz das drahtlose Fernsprechen vor. Vom Herbst 1906 an fanden dauernd erfolgreiche Erpro-
bungen und Demonstrationen bei Telefunken statt. Erwähnenswert ist die Sprachübertragung auf 40 Kilo-
meter Entfernung zwischen dem Telefunkenlaboratorium am Tempelhofer Ufer in Berlin und Nauen in
Gegenwart des Unterstaatssekretärs im Reichspostministerium, Sydow, und die Vorführung mit Musikdar-
bietungen vor dem Kaiser durch Professor Slaby im Dezember 1906.

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1 Der Beginn des Rundfunks und die Entwicklung bis 1945

Am 4. April 1907 gelang bei einem Vortrage im Elektrotechnischen Institut zu Dresden befriedigender
Telephonieverkehr mit Nauen, also auf etwa 200 Kilometer. Alle diese Leistungen sind deshalb besonders
beachtenswert, weil beim Empfang nur der Detektor ohne Verstärkung zur Anwendung kam.
In den Jahren 1912 und 1913 begannen die Telephonieversuche mit der Hochfrequenzmaschine. Die
erste Vorführung eines hierfür gebauten Modells erfolgte im Juni 1912 durch Graf Arco bei der Internatio-
nalen Funkkonferenz in London.
Die Pionierarbeit, die zu jener Zeit für den späteren Rundfunk geleistet wurde, legte den beteiligten Fir-
men bedeutende Opfer auf, da die ständigen Neukonstruktionen von Bogenlampen und Maschinen und die
Reichweitenversuche große Mittel verschlangen, ohne dass vorläufig ein praktisches Anwendungsgebiet vor-
handen war. Tatsächlich ist auch keine der beiden genannten Erzeugungsmethoden für ungedämpfte
Schwingungen vorwiegend zur Einführung gelangt, weder für Telegraphie noch für Telephonie. Die Umwäl-
zung trat erst ein, als Telefunken und seine Stammfirmen 1912 die Verstärkerröhre zur Durchbildung für
die Praxis übernahmen und als Dr. A. Meißner den Röhrensender schuf (Rückkopplungspatent vom 10.
April 1913). Bereits während des Jahres 1914 wurde bei Telefunken mit Röhrensendern unter Verwendung
von Liebenröhren telephoniert und nachdem man noch im gleichen Jahre zur Hochvakuumröhre, zunächst
für Überlagerung und Verstärkung im Empfang, übergegangen war, wurde diese seit 1915 von Telefunken
auch für den Sendebetrieb nutzbar gemacht.
Die Einführung der Röhrensender in Deutschland durch Telefunken fällt in die
Abb. 1.1 Zeit von 1915 bis 1918, und bereits 1917 wurde es möglich, mit 20 Watt
Etwa zeitgleich im Jahr 1906 und unabhän- Antennenleistung eine einwandfreie Verbindung zwischen Deutschland und der
gig voneinander erfanden Robert von Lieben Türkei herzustellen. Von April 1917 ab machte ich (H. Bredow) gemeinschaftlich
in Österreich und Lee de Forest in den USA mit Dr. Meißner und E. von Lepel Versuche mit Röhrensendern an der Westfront
die gittergesteuerte Elektronenröhre. Lieben (Rethel), wobei sowohl telegraphiert als auch telephoniert wurde. Hierbei fanden
blieb auch bei seiner verbesserten Röhre von
1910 (Verstärkeraufbau mit der großen Lie-
Empfänger mit rückgekoppeltem Audion nach Meißner und mit Hochfrequenz-
benröhre im oberen Bild) bei einer Gasfül- verstärkung nach von Bronk (Patent vom 3. September 1911) Verwendung.
lung mit Quecksilberdampf, was die Röhre Röhrensender, Rückkopplung und Hochfrequenzverstärkung haben ihren Sie-
im Betrieb geheimnisvoll bläulich leuchten geslauf über die ganze Erde angetreten. Sie sind heute gewissermaßen Allge-
ließ. De Forests Röhre in seinem »Audion« meingut, denn fast jede Firma verwendet diese Erfindungen. Für die drahtlose
(unteres Foto) war dagegen bereits eine
Telephonie und damit den Rundfunk ist eigentlich erst durch diese bahnbrechen-
echte Vakuumröhre.
den Arbeiten die technische Grundlage geschaffen worden.
Nach dem Kriege entstand infolge der vorübergehenden Unzulänglichkeit des
deutschen Telegraphen- und Fernsprechnetzes und der unvorhergesehenen
Zunahme des Verkehrs ein Bedürfnis zur Massenverbreitung gleichlautender
Nachrichten von einer Zentralstelle aus. Bereits Anfang 1919 wurde in Deutsch-
land der erste telegraphische Presserundfunk eingeführt, und 1921 begann die
Umstellung desselben auf Telephonie; sie war zu Beginn des Jahres 1922 mit der
Eröffnung eines gesprochenen Wirtschaftsrundfunks über ganz Deutschland
beendet. Die Sendestation für Presse- und Wirtschaftsrundfunk war und blieb
die Hauptfunkstelle Königs Wusterhausen. Während sich bei uns ein geordneter
Sprechdienst dieser Art für Sonderzwecke entwickelte, wie ihn damals noch kein
anderes Land der Welt besaß, wurden gleichzeitig von Telefunken und C. Lorenz
die technischen Vorbedingungen für den 1923 eröffneten, allgemeinen Unterhal-
tungsrundfunk geschaffen. Anfangs arbeiteten Maschinen- und Röhrensender
friedlich nebeneinander, bis nach kurzer Zeit die Röhre, wie überall in der Welt,
das Feld allein beherrschte.«
(Gekürzter Auszug aus einer Festschrift der Telefunken-Gesellschaft
von 1928 anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Firma und des 5. Jahres-
tages der Einführung des deutschen Rundfunks.)

Abb. 1.2
Hans Bredow (1879 bis 1959), der »Vater des Deutschen Rund-
funks«. Er war bis 1919 Direktor bei der auf Drängen von Kaiser
Wilhelm II. 1903 von den Unternehmen AEG und Siemens
& Halske gegründeten »Gesellschaft für drahtlose Tele-
graphie m.b.H. (System Telefunken)«, weltweit besser
bekannt unter ihrem Firmennamen Telefunken. 1919
wechselte Bredow als Abteilungsleiter für das Ressort
Funktelegraphie zum Reichspostministerium und wurde
dort bald darauf zum Staatssekretär befördert.
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1.2 | Erste Sendungen auf der Langwelle

Abb. 1.3
Hans Bredows Rundfunkexperimente während des Ersten Weltkrieges an der Westfront bei Rethel, Frankreich, 1917

1.2 Erste Sendungen auf der Langwelle


Aber noch verwendete man für die telegraphischen Übertragungen auf dem Funkwege fast ausschließlich Maschi-
nensender, deren höhere Leistungen im Langwellenbereich den Empfang über einige 1000 km in Übersee ermöglich-
ten. Maschinensender sind im Prinzip spezielle Wechselstromgeneratoren (Dynamos) mit einer sehr hohen Anzahl
schmaler Magnetpole und hoher Drehzahl, womit sich Wechselspannungen mit Frequenzen zwischen etwa 20 bis
100 kHz erzeugen lassen. Hochfrequenzmaschinen nannte man derartige Generatoren. Für die Funkübertragungen
mit Funkensendern, Lichtbogensendern und Maschinensendern war in Deutschland im Jahr 1906 von Telefunken die
Versuchs- und spätere Großfunkstelle Nauen errichtet worden, die bis 1932 im Besitz des Unternehmens verblieb und
ab 1918 von der Telefunken-Tochtergesellschaft »Transradio Aktiengesellschaft für drahtlosen Überseeverkehr«
betrieben wurde. Der kommerzielle Nachrichtenverkehr über die Nauener Sender war viel zu wichtig, als dass diese
Station bei Zukunftsüberlegungen für den Rundfunk eine Rolle spielte.
Anders war das mit der Station in Königs Wusterhausen südöstlich von Berlin, die 1915/16 von Telefunken für das
kaiserliche Militär errichtet worden war. Nach dem verlorenen Weltkrieg gelang es der Deutschen Reichspost 1919
in geschickt geführten Verhandlungen in einer von der Reichskanzlei einberufenen Reichsfunkkommission, anstelle der
Arbeiter- und Soldatenräte die Zuständigkeit für das Funkwesen in Deutschland zu erhalten. Die Reichspost erreichte
dies u. a. über eine Einbeziehung der ihr gewogenen deutschen Funkindustrie, vertreten durch Telefunken, deren kauf-
männischer Direktor Hans Bredow sogar den Vorsitz in der Reichsfunkkommission bekam. Bredow war voll auf der
Linie der Reichspost, die ihm daraufhin im Reichspostministerium die Leitung der neu geschaffenen Abteilung für Funk-
telegraphie übertrug. Bei Telefunken sah man den Wechsel von Bredow zur Reichspost gern und versprach sich von
ihm dort eine Förderung der eigenen Interessen.

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1 Der Beginn des Rundfunks und die Entwicklung bis 1945

Hans Bredow war aber eben nicht nur von der Funktelegraphie, sonder auch von der Zukunft der Funktelephonie
überzeugt. In einem Experimentalvortrag »Die Bedeutung der Funkentelegraphie für Presse und Nachrichtenwesen«
im November 1919 in Berlin hat Hans Bredow die Übertragung von Musik und Sprache über einen Röhrensender vor-
geführt und erstmals von der Möglichkeit eines »Rundfunks an alle« gesprochen. Ihm wird damit die Einführung des
Wortes »Rundfunk« zugeschrieben.
Bredows Ideen wurden zuerst 1920 realisiert, als der Bremer Kaffee-Großhändler Ernst, Ludwig Voss und der Lega-
tionsrat Ludwig Roselius aus dem Auswärtigen Amt die »Eildienst für amtliche und private Handelsnachrichten
GmbH« gründeten, deren Wirtschaftsnachrichten über einen Langwellensender in Königs Wusterhausen ausgestrahlt
wurden. Die Nachrichten konnte man in großen Postämtern empfangen und an die Empfänger weiterleiten. Die Eil-
dienst GmbH entwickelte daraus die verbesserte Geschäftsidee einer Verbreitung ihres »Wirtschaftsrundspruchs«
über Telephoniesender und den Direktempfang bei ihren Kunden, wie Banken und großen Unternehmen. Die benö-
tigten Empfänger bezog die Reichspost von den drei großen deutschen Funkunternehmen der damaligen Zeit. Das
waren neben Telefunken die Berliner Firmen C. Lorenz AG und Dr. Erich Franz Huth GmbH. Am 1.9.1922 ging der
Wirtschaftsrundspruch, im Grundsatz Deutschlands erster Rundfunksender, auf Sendung.
In seiner neuen Funktion bei der Reichspost hatte Hans Bredow das Postpersonal in Königs Wusterhausen ange-
regt, eigene Versuche zur Übertragung von Musik durchzuführen. So wurde am 22. Dezember 1920 das erste Instru-
mentalkonzert von Postmitarbeitern mit Geige, Harmonium und Chorgesang über einen 5-kW-Sender auf der Lang-
welle 2700 m übertragen. Empfangsberichte, selbstverständlich ebenfalls über Funk, kamen unter anderem aus Mos-
kau (1700 km), Karlsborg (700 km) und Sarajewo (1500 km). Der Funkspruch aus Sarajewo ist bemerkenswert: »Ihr
heutiges Telephonkonzert war ausgezeichnet, ebenso der Gesangsvortrag Ihres Hahnes. Beglückwünschen Ihren
Erfolg und Gruß.«
Für das ausgesendete Signal gab man damals noch die Wellenlänge und nicht die Frequenz an. Die benutzte Wellen-
länge von 2700 m entspricht der Frequenz von 111 kHz, die unterhalb des heute für den Rundfunk zugewiesenen

Abb. 1.4
Ansicht der Sendestelle Königs Wusterhausen um 1920

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1.3 | Die Einführung des Rundfunks im Jahre 1923

Langwellenbereichs von 148,5 bis 283,5 kHz liegt. Erst mit der in den 30er-Jahren zu Ehren von Heinrich Hertz einge-
führten Einheit »Hertz« für die Anzahl der Schwingungen pro Sekunde setzte sich die Angabe der Sendefrequenz in
Hz bzw. den Vielfachen kHz (1 kHz entspricht 1000 Hz), MHz (1 MHz
entspricht 1000 kHz bzw. 1 Mio. Hz) und GHz (1 GHz entspricht
1000 MHz) durch.
Ein zweites größeres Instrumentalkonzert der Postmitarbeiter aus
dem Senderaum Königs Wusterhausen wurde am 23. März 1921 zum
Osterfest auf der Langwelle ausgestrahlt. Bereits am 8. Juli desselben
Jahres gelang die Übertragung der Aufführung der Oper »Madame
Butterfly« aus der Staatsoper in Berlin. Ein deutscher Dampfer auf der
Höhe von Gibraltar meldete damals einen guten Empfang der Opern-
sendung.
Für die weiteren Versuchssendungen zur Verbesserung der Sprach-
und Musikübertragungen bauten die Postmitarbeiter in Königs Wus-
terhausen selbst einen Sender mit fünf Röhren und 1,5 kW Leistung.
Mitte Juli 1923 begann dann die Reihe der regelmäßigen Sonntagskon-
zerte, die über den selbst gebauten Sender von Königs Wusterhausen
auf der Langwelle ausgestrahlt wurden. Die Sonntagskonzerte jeweils Abb. 1.5
von 11.00 Uhr bis 13.00 Uhr fanden in ganz Europa begeisterte Zuhö- Sonntagskonzert von Postmitarbeitern in einer Dienst-
wohnung in Königs Wusterhausen, das über einen
rer. Die beliebten Konzerte wurden sogar noch eine Zeitlang beibehal- Langwellensender übertragen wurde, 25. November
ten, als man den Rundfunk mit einem Mittelwellensender in Berlin 1921
bereits eingeführt hatte. Erst am 24. Januar 1926 stellte man die Kon-
zertübertragungen ganz ein.
Schwierigkeiten bereitete bei den Konzerten das Zusammenwirken
von mehreren Mikrophonen für die Instrumente. Auch durch Watte-
polster für die Lagerung der Kohle-Telephonmikrophone konnten die
Probleme nicht gelöst werden. Schließlich musste auf jedem Instru-
ment ein Mikrophon fest angebracht und die gegenseitige elektrische
Beeinflussung durch Trennverstärker behoben werden. Damit war es
erstmals möglich, den gesamten Klangeindruck durch Regelung der
Einzelmikrophone elektrisch zu beeinflussen.

1.3 Die Einführung des Rundfunks


im Jahre 1923
 Wie kam es zum Programm?
Die Musiksendungen aus Königs Wusterhausen erregten weit über Abb. 1.6
Aufnahmeraum für die traditionellen Sonntagskonzerte
die Grenzen Deutschlands hinaus das Interesse an dieser Art der
in Königs Wusterhausen mit Mehrfach-Kohlemikro-
drahtlosen Unterhaltung. Das griffen auf Anregung von Bredow phon und nachhallregelnder Mikrophonverkleidung
zunächst die Unternehmen Telefunken und Lorenz auf und beantrag- (im Bild hinten rechts), 1924
ten im Mai 1922 bei der Reichstelegraphenverwaltung (RTV) die Lizenz
zum Aufbau und Betrieb eines deutschlandweiten Sendernetzes einschließlich der Programmproduktion und der
Finanzierung durch den exklusiven Verkauf von Empfängern. Schließlich hatte man in den USA schon 1920 Lizenzen
für solche Sendungen erteilt.
Nur wenige Persönlichkeiten konnten in jener Zeit ahnen, wie sich der Rundfunk einmal entwickeln würde und wel-
che kulturelle Bedeutung er bekommen könnte. Lediglich die damals gegründeten Funkvereine und Radio-Clubs befür-
worteten die Einführung des Rundfunks. Sie forderten sogar die Freigabe des Rundfunks wie in den USA. Daran hatten
aber das Reichspostministerium wegen der Wahrung des Telegraphengeheimnisses und das Reichsministerium des
Inneren in Anbetracht der politischen Lage in Deutschland kein Interesse. Der Antrag der beiden Firmen wurde daher
abgelehnt. Bredow forderte vor allem eine Beteiligung des dritten deutschen Senderherstellers Dr. Erich Franz Huth
GmbH. Dem zuzustimmen fiel Telefunken wegen der ständigen Patentstreitereien gerade mit diesem Unternehmen
sehr schwer. Zwei Jahre früher hatte man sogar Albert Einstein um ein Privatgutachten über eine Patentanmeldung
der Firma Huth (Huth-Kühn Oszillatorschaltung) bemüht. Dennoch folgte man Bredow und die drei maßgebenden Fir-
men der deutschen Funkindustrie gründeten die gemeinsame »Rundfunk-Gesellschaft mbH« unter Führung von Tele-
funken. Sie wollten weiterhin die Sendeanlagen selbst bauen und betreiben sowie den Vertrieb der Empfangsgeräte
übernehmen.

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1 Der Beginn des Rundfunks und die Entwicklung bis 1945

Nach dem Vorbild der in England im Jahre 1922 gefundenen Regelung für die Einführung des Rundfunks hatte sich
inzwischen noch eine weitere private Gesellschaft für die Verbreitung von Rundfunksendungen interessiert. Es
handelte sich um die »Deutsche Stunde, Gesellschaft für Drahtlose Belehrung und Unterhaltung mbH«, gegründet am
22. Mai 1922, eine Tochtergesellschaft der Eildienst GmbH.
Die »Deutsche Stunde« plante einen Saalfunk, das heißt, sie wollte über einen zentralen Sender in Berlin öffentliche
Lokale in Deutschland mit Programm versorgen, das man dort dem Publikum gegen Entgelt anbieten wollte. Die Tech-
nik sollte Sache der Reichspost sein, der man 50 % der Gesellschaftsanteile überlassen wollte. Später einigten sich die
Antragsteller und die Reichspost noch auf eine Regionalisierung der ursprünglich zentral gedachten Programmproduk-
tion.
Die Deutsche Reichspost lehnte beide Konzepte ab. Sie war vor allem nicht bereit, auf ihr alleiniges Recht zum
Betrieb von Funksendern für die neu zu errichtenden Rundfunksender zu verzichten und diese Aufgabe einem privaten
Sendemonopol zu übertragen. Und ein Saalfunk entsprach nicht Bredows Vorstellungen eines Rundfunks für alle.
Außerdem wollte die Deutsche Reichspost den Hörern keine Einschränkungen in der Auswahl der Empfangsgeräte
auferlegen, wie es der alleinige Vertrieb der Geräte der drei Firmen bedeutet hätte. Bei diesem Vertrieb der Geräte
spielten natürlich patentrechtliche Gründe eine große Rolle. Nach den Plänen der Deutschen Reichspost sollten nur
Empfänger von solchen Firmen vertrieben werden, die amtlich für die Fertigung der Geräte zugelassen waren. Diese
Firmen erhielten die Auflage, den Empfangsbereich auf den damaligen Mittelwellenbereich von 250 bis 700 m, entspre-
chend 428 bis 1200 kHz, zu beschränken. Außerdem durften die Geräte durch die verwendete Rückkopplungsschal-
tung selbst keine Funkwellen erzeugen.
Die schwierigen Verhandlungen mit den beiden genannten Sendegesellschaften führten schließlich zu der Entschei-
dung der Deutschen Reichspost, die Errichtung und den Betrieb der Sender selbst zu übernehmen und die Programm-
gestaltung privaten Gesellschaften zu überlassen. Da die privaten Programme auch allgemeine Nachrichten umfasst
hätten, erhob der Reichsminister des Inneren Bedenken. Um die Interessen des Reiches zu wahren, sollte es sich
daher an diesen Gesellschaften beteiligen. Es entstand schließlich der weitere Kompromiss, die Nachrichtensendungen
der dem Reichsminister des Inneren nahe stehenden Gesellschaft »Drahtloser Dienst AG für Buch und Presse« (Dra-
dag) zu übertragen. Die Unterhaltungssendungen sollte die »Deutsche Stunde« übernehmen. Das Reichspostministe-

Abb. 1.7
Das Reichspostministerium in Berlin 1923. In dem Gebäude befindet sich heute das
Museum für Kommunikation. Die beiden Postminister auf der Postkarte waren 1923
nicht im Amt und damit auch nicht die Väter des Rundfunks. Das war allenfalls der
Postminister Dr. Anton Höfle im Kabinett Stresemann. Aber den hat man
nicht abbilden wollen, denn er war in einen Finanz- und Korruptionsskandal
verwickelt und musste vorzeitig seinen Hut nehmen.

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1.3 | Die Einführung des Rundfunks im Jahre 1923

rium schloss dazu mit beiden Gesellschaften einen Vertrag für die Verbreitung von Unterhaltungs- und Nachrichten-
sendungen in Berlin und Umgebung ab. Für die Übernahme und Ausübung der Sendelizenz gründeten die beiden
Gesellschaften mit wesentlicher Beteiligung des durch den Schallplattenvertrieb bekannten Vox-Konzerns die »Radio-
Stunde AG«. Mit ihrem Programm wurde der Rundfunk aus dem Vox-Haus in Berlin, Potsdamer Straße 4, am 29.
Oktober 1923 eröffnet. Für die Aufnahme des Programms und die technischen Einrichtungen zur drahtlosen Übertra-
gung standen damals in der 3. Etage des Hauses einige Räume zur Verfügung.

Abb. 1.8
Briefmarkensatz von 1973 zur Erinnerung an die historischen Ereignisse der
Entstehung des deutschen Rundfunks 1923 und des Fernsehens 1935

Wegen ihrer schwierigen Lage konnte sich die Deutsche Reichspost nicht an der Finanzierung der Gesellschaft
beteiligen. Sie übernahm die Aufgabe, die gesamten technischen Einrichtungen, das heißt die Aufnahmegeräte und die
Sender, bereitzustellen. Dadurch sollte mit den Erfahrungen der Post und der Funkindustrie ein einheitlicher Aufbau
der Sendeanlagen und ein von den Interessen der Programmgesellschaften unabhängiger Sendebetrieb erreicht wer-
den.

 Der Postsender im Vox-Haus eröffnet den Rundfunk


Ende 1920 war zur Grundlagenforschung und zur Koordinierung der Entwicklungs- und Bautätigkeit, insbesondere
im Funkbereich, das »Telegraphentechnische Reichsamt« (TRA) gebildet worden, das dem Reichspostministerium
direkt unterstand. Aus finanziellen Gründen war die Post im Jahr 1923 nicht in der Lage, für die Einführung des Rund-
funks einen Sender bei der Funkindustrie in Auftrag zu geben. Außerdem hatte das Reichsfinanzministerium der Post
untersagt, neue Dienstzweige, für die Geld benötigt wurde, einzurichten. Daher und wegen der großen Eile nach
Abschluss der organisatorischen Vorarbeiten für das Programm musste die Post von dem eigenen Personal den ersten
Rundfunksender bauen lassen. Erst am 19. September 1923 wurde auf Veranlassung von Hans Bredow dazu der Auf-
trag an das Telegraphentechnische Reichsamt erteilt. Der Sender sollte aus Labor-Mitteln gebaut werden, denn, so
hieß es in dem Auftrag, »Kosten dürften nicht entstehen«. Schon am 1. Oktober, das heißt in nur elf Tagen, war der
Sender unter Leitung von Friedrich Weichart mit dem erfahrenen Personal seines Laboratoriums für Sendertechnik

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1 Der Beginn des Rundfunks und die Entwicklung bis 1945

fertig gestellt. Er wurde dann im Dachgeschoss des Vox-Hauses aufgebaut und konnte bereits am 18. Oktober 1923
mit Sendeversuchen beginnen.

Abb. 1.9
Das Vox-Haus in Berlin, die eigentliche Wiege des
Rundfunks in Deutschland

Drei Tage vorher kündigte Hans Bredow auf einer Pressekonferenz im Hörsaal des Telegraphentechnischen Reichs-
amtes die Freigabe des Unterhaltungsrundfunks in Deutschland an. Jedermann, der eine Genehmigungsurkunde
erwirbt, dürfe das Programm empfangen. Um zu demonstrieren, dass die technischen Voraussetzungen dazu gegeben
waren, ließ Hans Bredow von der Hauptfunkstelle Königs Wusterhausen ein mit mehreren Mikrophonen aufgenom-
menes Rundfunkkonzert auf der Langwelle aussenden, das im Telegraphentechnischen Reichsamt empfangen wurde.
Die Gäste konnten das Konzert über Lautsprecher hören und sich von der Qualität der Wiedergabe überzeugen. In
einer der Pressenotizen hieß es damals: »Musik und Sprache kamen entzückend klar. Es ist lebendige Musik, die man
hört.«
Der erste Mittelwellensender für die Einführung des Rundfunks war auf einer Holzschalttafel montiert und arbei-
tete mit einer Modulations- und nur einer Senderöhre (beides RS 15). Seine Leistung betrug 0,25 kW. Damals lagen
über den Bau von Mittelwellensendern mit Röhren keinerlei Erfahrungen vor. Selbst der erste vom Postpersonal in
Königs Wusterhausen gebaute Röhrensender war nur für die Langwelle geeignet. Der erste Mittelwellensender auf
der Welle 400 m, entsprechend 750 kHz, arbeitete mit einer induktiven Rückkopplungsschaltung zur Schwingungser-
zeugung. Nach dem Grundprinzip eines Senders wird dieser Schwingung, der Hochfrequenz, das Programmsignal, die
Niederfrequenz, aufmoduliert. Bei der Amplitudenmodulation entspricht dann die Hüllkurve der Schwingungen der
vom Sender abgestrahlten Hochfrequenz oder Trägerfrequenz genau dem aufmodulierten Niederfrequenzsignal.

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1.3 | Die Einführung des Rundfunks im Jahre 1923

Die von der Endröhre des Senders abgegebene Leistung wurde induktiv über ein Variometer auf die 30 m lange
Reusenantenne übertragen. Sie war zwischen zwei 18 m hohen Masten auf dem Vox-Haus und dem Hotel Esplanade
in der Bellevuestraße mit 80 m Abstand aufgespannt.

Abb. 1.11
Schaltbild des Mittelwellensenders der
Deutschen Reichspost im Vox-Haus

Abb. 1.10
Das erste deutsche Rundfunkprogramm bei
der Eröffnung

Nach den erfolgreichen Sendeversuchen gab das Reichspostministerium am 24. Oktober


1923 in seinem Nachrichtenblatt die Verfügung Nr. 815 über die Einführung des Unterhaltungs-
rundfunks in Deutschland bekannt. Darin hieß es, dass am 29. Oktober zunächst versuchsweise
und in beschränktem Umfang der »Unterhaltungsrundfunk« eröffnet wird, dessen Aufgabe es
ist, Vorträge künstlerischen und unterhaltenden Inhalts, Musikvorführungen und dergleichen auf
drahtlos telephonischen Wege zu verbreiten.
Die Verfügung enthielt schon eine erste Anweisung darüber, wie die Anträge auf Erteilung der
Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Rundfunkempfangsanlage zu behandeln
waren. In dieser Verfügung und auch in der Verfügung Nr. 490 vom 24. August 1925 mit den aus-
führlichen Anweisungen verwendete man noch die Bezeichnung »Unterhaltungsrundfunk«. Erst
am 17. August 1926 teilte das Reichspostministerium in seiner Verfügung Nr. 393 mit, dass diese
bisherige Bezeichnung durch das Wort »Rundfunk« ersetzt wird.

Abb. 1.12
Reichskanzler Wilhelm Marx
richtet am 25. Dezember 1923
einen »politischen Weihnachts-
gruß« an die Rundfunkhörer

Abb. 1.13
Auszug aus der Verfügung
Nr. 815 des Reichspost-
ministeriums zur Einführung des
Unterhaltungsrundfunks
in Deutschland vom
24. Oktober 1923

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1 Der Beginn des Rundfunks und die Entwicklung bis 1945

Abb. 1.14
Der zweite, von Telefunken gelieferte Mittelwellensender im Vox-Haus, Ende 1923

Abb. 1.15
Senderöhre RS 15 von Telefunken. Dieser Röhrentyp wurde in den ersten deutschen Mittelwellen-Rundfunksendern ab 1923 verwendet.

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1.3 | Die Einführung des Rundfunks im Jahre 1923

Ende 1923 übernahm der erste von Telefunken gebaute Sender


die Programmabstrahlung vom Vox-Haus. Er war ebenfalls noch auf
einem Tisch mit offener Paneelrückwand montiert und nur mit
zwei Röhren bestückt. Seine Leistung von 0,25 kW wurde über
eine Doppel-T-Antenne abgestrahlt, die zwischen den für den ers-
ten Sender auf den Gebäuden errichteten Masten aufgespannt war.
Die offene und den damaligen VDE-Vorschriften nicht entspre-
chende Bauweise des Telefunken-Senders erwies sich auf die Dauer
als zu wenig betriebssicher. Der Sender wurde daher im Juli 1924
durch einen vom Telegraphentechnischen Reichsamt gebauten Sen-
der gleicher Leistung ersetzt.

Abb. 1.16
Studio-Signaltableau und Kohlekörner-Mikrofon,
System E. Reisz, aus den Anfängen des Rundfunks

 Ein neuer Sender für Berlin am Magdeburger Platz


Die räumlich begrenzte Antennenanordnung auf dem
Vox-Haus war der Grund für die unbefriedigende Reich-
weite des Senders. Vor allem aus der Richtung Potsdam
kamen Klagen über den schlechten Empfang. Für eine bes-
sere Versorgung waren höhere Leistungen und günstigere
Abstrahlungsverhältnisse von der Antenne erforderlich. Die
Deutsche Reichspost übernahm daher eine von der Firma
Dr. Erich Franz Huth GmbH für Sendeversuche am Magde-
burger Platz, Lützowstraße 32, errichtete bessere Anten-
nenanlage. Sie war als Doppel-T-Antenne mit 45 m Länge
zwischen zwei fischbauchförmigen Holzmasten mit 25 m
und 35 m Höhe über den Dächern aufgespannt. Da ein Sen-
der für den neuen Standort nicht kurzfristig geliefert wer-
den konnte, verwendete die Deutsche Reichspost auch den
Versuchssender der Firma und nahm ihn am 12. Mai 1924 in
Betrieb. Der Sender gab mit zwei parallel geschalteten Sen-
deröhren bereits eine Leistung von 0,75 kW ab. Dieser ins-
gesamt mit fünf Röhren bestückte Sender war nicht mehr
auf einem Tisch, sondern in getrennten Holzgestellen für die
Abb. 1.17
Röhren und für die Abstimmmittel montiert. Das Programm Mittelwellensender der Firma Dr. Erich Franz Huth GmbH am
erhielt der Sender über eine Fernsprechleitung von den Auf- Magdeburger Platz in Berlin, 1924
nahmeräumen im Vox-Haus.
Die Versorgung von diesem Standort war zwar besser, aber für das Gebiet von Berlin noch unbefriedigend. Im
Herbst 1926 stürzte einer der Holzmasten um, weil ein Halteseil durchgerostet war. Zehn Tage konnte dann nicht
gesendet werden. Für die Wiederaufnahme der Sendungen spannte man die Antenne behelfsmäßig auf. Der Sender

Abb. 1.18
Die Doppel-T-Antenne des Senders am Magdeburger
Platz mit 35 m hohen Masten. Einer dieser Masten
stürzte am 21. Juli 1926 auf die Straße.

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1 Der Beginn des Rundfunks und die Entwicklung bis 1945

am Magdeburger Platz auf der Welle 500 m wurde im Jahr 1924 tagsüber anstelle des Senders im Vox-Haus auf der
Welle 430 m und abends parallel zu diesem Sender betrieben, um die Versorgung weiter zu verbessern. An dem Stand-
ort Magdeburger Platz waren bis September 1927 nacheinander fünf verschiedene Sender, zuletzt noch ein Sender des
Telegraphentechnischen Reichsamtes, in Betrieb. Bemerkenswert ist, dass bei einem dieser Sender erstmalig für die
Mittelwelle die Sendefrequenz durch Maschinen mit anschließender Verdopplung und nicht durch Röhren erzeugt
wurde.

Abb. 1.19
Eine Planungskarte der deutschen Mittelwellensender aus dem Jahre 1924

 Der Funkturm beginnt zu senden


Den Plänen der Deutschen Reichspost, selbst einen für die Abstrahlung besser geeigneten Standort für den Sender
Berlin auszubauen, kamen die Interessen des Verbandes der Radio-Industrie entgegen. Sie hatte im Frühjahr 1924 auf
der Leipziger Messe erstmals mit einer Sonderschau für ihre Geräte geworben. Nach der Messe beschloss der Ver-
band, im Herbst desselben Jahres eine Funkausstellung in Berlin zu veranstalten. Die dafür gegründete Messegesell-
schaft erhielt von der Stadt Berlin ein Darlehen von 2,5 Mio. Reichsmark für den Bau einer Ausstellungshalle auf dem
Messegelände am Kaiserdamm in Witzleben. Der Verband der Radio-Industrie verpflichtete sich damals, jedes Jahr im
Herbst eine Funkausstellung zu veranstalten.
Die aus Holz gebaute Halle mit beachtlichen Ausmaßen war in nur vier Monaten fertig gestellt. Aber es sollte ja
auch der Sendebetrieb vorgeführt werden. Nach den ersten Plänen wollte man für die Antenne drei kleine Masten
errichten. Aber schließlich fand der Plan, einen einzigen hohen Funkturm zu bauen, mehr Zustimmung. Die Pläne dazu
waren zwar im Juli 1924 fertig gestellt, doch für den Bau des Turms benötigte man zwei Jahre. So konnte auf der ersten
»Großen Deutschen Funkausstellung« vom 4. bis 12. Dezember 1924 in der neuen Ausstellungshalle, dem »Haus der

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1.3 | Die Einführung des Rundfunks im Jahre 1923

Funkindustrie«, noch kein Sendebetrieb vorgeführt werden. Man musste sich damit begnügen, einen noch nicht
betriebsfähigen Sender aufzustellen, um den damals schon über 100.000 Ausstellungsbesuchern die Technik eines
Rundfunksenders zu zeigen. Erst zur zweiten »Großen Deutschen Funkausstellung« vom 4. bis 13. September 1925
stand ein Behelfsmast mit 80 m Höhe für das Aufspannen der Antenne zur Verfügung. Der Funkturm konnte erst ein
Jahr später eingeweiht werden.
Nach den Plänen der Deutschen Reichspost sollten von 1925 an die Sender durch stärkere 1,5-kW-Sender ersetzt
werden. Der erste dieser damals übertrieben als »Großsender« bezeichneten Sender der zweiten Generation war
der, den Telefunken für die Funkausstellung 1924 dort aufgebaut hatte. Der zweistufige Sender arbeitete mit einer
Röhre im Steuersender und sechs parallel geschalteten Röhren in der Endstufe, die eine Leistung von 1,5 kW abgab.
Der Steuersender in Dreipunktschaltung konnte für den gesamten Bereich 500 bis 1200 kHz abgestimmt werden.
Beide Stufen des Senders, Steuersender und Röhrenteil sowie Zwischenkreis und Antennenteil, waren in schalttafel-
artigen Gestellen mit gemeinsamer Holzverkleidung untergebracht. Auch dieser Sender erhielt das Programm über
eine Fernsprechleitung von den Aufnahmeräumen im Vox-Haus, die man im Herbst 1924 erheblich erweitert hatte.
Während der Funkausstellung vom 24. September 1925 an konnte der Sender nur zeitweilig betrieben werden, um
die Aussteller beim Vorführen ihrer Geräte mit Fernempfang nicht zu stören.
Zum Beginn der dritten »Großen Deutschen Funkausstellung« am 3. September 1926 konnte der 138 m hohe
Funkturm, das neue Wahrzeichen Berlins, mit einer würdigen Feier in Anwesenheit von Ministern und von Hans Bre-

Abb. 1.20
Der im Jahre 1926 für den Mittelwellensender Berlin-Witzleben erbaute Funkturm, Höhe 138 m, mit
der 1935 abgebrannten, hölzernen Ausstellungshalle (rechts vorn), dem sog. Haus der Funkindustrie

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1 Der Beginn des Rundfunks und die Entwicklung bis 1945

dow, dem neuen Rundfunkkommissar des Reichspostministers, eingeweiht werden. Aus dem vom Chefsprecher der
Berliner Funkstunde vorgetragenen Weihegedicht sei hier ein Auszug wiedergegeben:
»Hoch vom Berliner Himmel umblaut
Ist ein stählerner Turm gebaut
Steil in die Berliner Luft,
Umleuchtet vom letzten Sommerduft.
Im neuen Berlin im Berliner Wind
Das allerjüngste Berliner Kind!
Berliner Jahre werden gehn:
Sturm wird kommen der Turm wird stehn ...!«
Mit der Fertigstellung des Funkturms stand neben dem Behelfsmast nun der zweite, weit höhere Stützpunkt für das
Aufspannen der Fünffach-T-Antenne zur Verfügung.
Die Antenne mit 10 m Breite und 68 m Länge befand
sich 70 m über dem Erdboden. Aber schon die ersten Ver-
suchssendungen ließen Schwierigkeiten in den Abstrah-
lungsverhältnissen erkennen. Trotz Verdopplung der Sen-
deleistung gegenüber dem Sender am Magdeburger Platz
war die Reichweite des Senders vor allem in Richtung
Osten schlechter. Der Funkturm stand zwar mit seinen
vier Füssen auf Porzellanisolatoren, er war aber durch den
Aufzug zum Restaurant und zur Aussichtsplattform sowie
durch die Versorgungsleitungen doch mit der Erde ver-
bunden. Dadurch und die Tatsache, dass die Grundschwin-
gungszahl des Turms etwa der Wellenlänge des Senders
entsprach, wurde die Abstrahlung stark behindert. Man
musste daher noch zwei Jahre neben dem Sender Witzle-
ben den Sender am Magdeburger Platz auf einer anderen
Welle weiterbetreiben. Im Januar 1929 wurde zur besse-
ren Versorgung im Osten Berlins noch ein von der Firma
Lorenz gebauter 0,5-kW-Sender im Dachgeschoss des
Postgebäudes in der Boxhagener Straße 111 errichtet.
Abb. 1.21
Die Dreifach-T-Antenne für den Mittelwellen- Der als »Berlin-Ost« bezeichnete Sender arbeitete als
sender Berlin-Witzleben zwischen dem Muttersender für das erste Gleichwellen-Sendernetz.
Funkturm und einem 80 m hohen Am Funkturm wurden in den Jahren von 1926 bis 1930
Behelfsmast, 1926 ein Sender von der Firma Telefunken als Reservesender
und zwei Sender von der Firma Lorenz aufgebaut. In den
Jahren war die Sendertechnik noch nicht so weit entwi-
ckelt, dass höhere Leistungen als 1,5 kW erzielt werden
konnten. Die weiteren Sender mussten für die Frequenz-
wechsel aufgebaut werden, die beim Inkrafttreten neuer
internationaler Wellenpläne für den Rundfunk in den Jah-
ren 1926 und 1929 durchgeführt werden mussten. Damit
waren auch Änderungen an den Antennen verbunden. Ein
Schaden an der Antenne soll hier erwähnt werden: Im
Dezember 1933 zerriss ein Postflugzeug aus London, das
auf dem Reichssportfeld notlanden musste, die Antennen-
drähte. Aber nach wenigen Stunden waren die Drähte
erneuert und der Sender konnte weiter das Programm
ausstrahlen.

Abb. 1.22
Der Hauptsender Berlin-Witzleben, Leistung 1,5 kW,
Telefunken, 1926

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1.3 | Die Einführung des Rundfunks im Jahre 1923

Abb. 1.23
Der Berliner Funkturm in seinem heutigen Erscheinungsbild 17

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