Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Kohn
T. Pohlemann
Operationsatlas
für die orthopädisch-
unfallchirurgische
Weiterbildung
unter Mitarbeit von E. Fritsch
1 23
Prof. Dr. med. Dieter Kohn
Universitätsklinikum des Saarlandes
Direktor der Klinik für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie
D-66421 Homburg / Saar
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Überset-
zung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikro-
verfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen,
bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von
Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheber-
rechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung
zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen
des Urheberrechtsgesetzes.
Springer Medizin
Springer-Verlag GmbH
Ein Unternehmen von Springer Science+Business Media
springer.de
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne
besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und
Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag
keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall
anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden.
SPIN 11010630
Gedruckt auf säurefreiem Papier 2111 – 5 4 3 2 1 0
V
Vorwort
Dieses Buch wurde für die Assistenzärzte unseres neuen Faches Orthopädie/Unfallchirurgie geschrieben.
Es soll ein Leitfaden für die tägliche Arbeit im Operationssaal sein für den, der das Operieren erlernt,
für den, der assistiert und vielleicht auch für den, der als Oberarzt oder erfahrener Facharzt den jungen
Operateur schult. Wir geben das weiter, was sich nach eigener Erfahrung bewährt hat. Wir sind deshalb
zu ganz besonderem Dank verpflichtet denen, die uns das Operieren gelehrt haben, Prof. Dr. em. Carl-
Joachim Wirth und Prof. Dr. em. Harald Tscherne.
Bei der Arbeit an diesem Buch haben wir ausgezeichnete Unterstützung und Hilfe erfahren. Zu aller-
erst und an vorderster Stelle ist hier Herr Prof. Dr. med. E. Fritsch zu nennen, der die Kapitel zum Thema
Wirbelsäule beigesteuert hat. Herrn Prof. W. Knopp und u. a. Frau Dr. Wencke Müller danken wir für
die große Arbeit der Bildauswahl für den unfallchirurgischen Teil. Danken möchten wir den ausgezeich-
neten Mitarbeitern des Springer Verlags, allen voran Herrn Dr. med. Fritz Kraemer. Die Idee zu diesem
Buch wurde zusammen mit Herrn Dr. Kraemer aus der Taufe gehoben. Er hat es bis zur Fertigstellung
mit nimmermüder Geduld hilfreich begleitet. Danken möchten wir unseren Sekretärinnen Frau Christa
Adolph und Frau Ingrid Hammer, die uns bei der Erstellung der Manuskripte unschätzbare Hilfe geleis-
tet haben.
Mit Herrn Jörg Kühn konnte für die Gestaltung der Abbildungen ein überaus renommierter und
erfahrener Künstler gewonnen werden. Seine aussagekräftigen, präzisen Darstellungen werden unseren
jungen Lesern eine entscheidende Hilfe bei der Erlernung ihres schönen Berufes als Ärzte für Orthopä-
die und Unfallchirurgie sein.
Dieter Kohn
Tim Pohlemann
VII
Inhaltsverzeichnis
6 Fuß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
6.1 Sprunggelenkarthroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .132
Sektion I Orthopädische Eingriffe
6.2 Außenbandrekonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .136
an den Extremitäten und 6.3 Chevron-Osteotomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .138
am Becken 6.4 Kondylenresektion nach Hohmann . . . . . . . . . . . . . . . . .141
1 Schulter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3
1.1 Schulterarthroskopie und subakromiale Sektion II Operative Versorgung
Bursoskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 von Verletzungen
1.2 Laterale Klavikularesektion, offen und
arthroskopisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .13
1.3 Subakromiale Dekompression, offen und 7 Allgemeine operative Techniken und
arthroskopisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .16 Notfallbehandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
1.4 Operation nach Weaver-Dunn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .19 7.1 Notfalloperation »Venae sectio« zur Anlage
1.5 Rotatorenmanschettenrekonstruktion . . . . . . . . . . . . . . .21 eines großvolumigen venösen Zugangs . . . . . . . . . . . .148
1.6 Rekonstruktion bei vorderer Schulterinstabilität, 7.2 Chirurgische Wundversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .150
offen und arthroskopisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 7.3 Anlage einer Thoraxdrainage (Bülau-Drainage) . . . . .154
7.4 Fixateur externe am Beckenring zur
2 Ellbogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Notfallstabilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .158
2.1 Ellbogenarthroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .32 7.5 Beckenzwinge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .161
2.2 Operation bei Epikondylitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .39 7.6 Beckentamponade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .166
2.3 Dekompression und Verlagerung des N. ulnaris . . . . . .42 7.7 Behandlungsprinzipien bei Abdominalverletzungen
2.4 Arthrolyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .46 nach Notfalllaparotomie (Tamponade) . . . . . . . . . . . . .168
7.8 Technik der Anlage eines Fixateur externe . . . . . . . . . .172
3 Handgelenk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 7.9 Operative Spaltung eines Kompartmentsyndroms . .176
3.1 Spaltung des Ligamentum carpi transversum,
offen und arthroskopisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .50 8 Verletzungen der oberen Extremitäten . . . . . 183
3.2 Ulna-Verkürzungsosteotomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .54 8.1 Osteosynthese der Klavikulafraktur . . . . . . . . . . . . . . . . .184
3.3 Ulnaköpfchenresektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .56 8.2 Stabilisierung der AC-Gelenksluxation . . . . . . . . . . . . . .189
8.3 Offene Reposition und Stabilisierung nach
4 Becken, Hüftgelenk und proximales Femur . . . 59 proximalen Humerusfrakturen mit winkelstabilem
4.1 Primäre Hüftendoprothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .60 Plattensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .194
4.2 Beckenosteotomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .68 8.4 Offene Reposition und Plattenosteosynthese
4.3 Hüftreposition beim Säugling und Kleinkind . . . . . . . . .72 der Humerusschaftfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .199
4.4 Intertrochantäre Femurosteotomie . . . . . . . . . . . . . . . . . .75 8.5 Offene Reposition und retrograde Marknagelung
4.5 Operationen bei Epiphysiolysis capitis der Humerusschaftfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .204
femoris (ECF) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .82 8.6 Versorgung der Olekranonfraktur mit
4.6 Spongiosaentnahme vom Beckenkamm . . . . . . . . . . . . .86 Zuggurtungsosteosynthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .209
8.7 Versorgung einer Radiusköpfchenmeißelfraktur . . . .214
5 Kniegelenk, distales Femur und 8.8 Versorgung der Unterarmschaftfraktur mit
proximale Tibia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Plattenosteosynthesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .218
5.1 Kniegelenkarthroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .90 8.9 Operative Stabilisierung einer distalen
5.2 Meniskektomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .98 Radiusfraktur mit Spickdrahtosteosynthese . . . . . . . . .222
5.3 Meniskusnaht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .103 8.10 Versorgung einer dislozierten distalen
5.4 Mikrofrakturierung, Abrasionsarthroplastik, extraartikulären Radiusextensionsfraktur mit
Pridiebohrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .106 palmarer winkelstabiler Plattenosteosynthese . . . . . .227
5.5 Spaltung des lateralen Retinakulum . . . . . . . . . . . . . . . .107 8.11 Operative Stabilisierung der frischen Kahnbein-
5.6 Bikondyläre Prothese und Totalprothese . . . . . . . . . . . .109 fraktur durch Zugschraubenosteosynthese . . . . . . . . .232
5.7 Monokondyläre Knieprothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .115
5.8 Tibiakopfosteotomie, valgisierend, aufklappend . . . .120 9 Verletzungen der unteren Extremitäten . . . . 237
5.9 Suprakondyläre Femurosteotomie, varisierend . . . . . .125 9.1 Osteosynthese einer medialen Schenkelhals-
5.10 Medialisierung der Tuberositas tibiae . . . . . . . . . . . . . . .128 fraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .238
VIII Inhaltsverzeichnis
9.2 Versorgung einer medialen dislozierten 12.6 Transthorakaler Zugang zur Brustwirbelsäule
Schenkelhalsfraktur mit Duokopfprothese . . . . . . . . . .245 (laterale Thorakotomie: TH4–TH11; tiefe laterale
9.3 Versorgung einer pertrochantären Femurfraktur Thorakotomie: TH10–L2) mit Korporektomie und
mit dynamischer Hüftschraube . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .252 Wirbelkörperersatz / trikortikalem Beckenspan . . . . .374
9.4 Versorgung einer subtrochantären Oberschenkel- 12.7 Retroperitonealer Zugang zur Lendenwirbel-
fraktur mit proximalem Femurnagel . . . . . . . . . . . . . . . .259 säule und zum thorakolumbalen Übergang mit
9.5 Versorgung einer geschlossenen Korporektomie und Wirbelkörperersatz /
Oberschenkelschaftfraktur mit antegrader trikortikalem Beckenspan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .380
Oberschenkelnagelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .267 12.8 Ventrale Fusionsoperationen an der Lenden-
9.6 Versorgung einer distalen Oberschenkelfraktur wirbelsäule (minimalinvasiver trans- oder
mit winkelstabiler Plattenosteosynthese . . . . . . . . . . . .275 retroperitonealer Zugang) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .383
9.7 Patellafraktur (Zuggurtungsosteosynthese) . . . . . . . . .281 12.9 Lumbale Bandscheibenprothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . .392
9.8 Versorgung der Tibiakopffraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .284 12.10 Lumbale Diskushernie: Mikrodiskektomie . . . . . . . . . .396
9.9 Stabilisierung einer geschlossenen 12.11 Mikrochirurgische (monosegmentale)
Unterschenkelfraktur mit Marknagelosteo- Dekompression bei Rezessusstenose . . . . . . . . . . . . . . .400
synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .293 12.12 Fusionsoperationen an der Lendenwirbelsäule
9.10 Stabilisierung einer Sprunggelenksluxationsfraktur . . .300 (»posterior lumbar interbody fusion«; PLIF) . . . . . . . . .403
9.11 Operative Versorgung einer Fersenbeinfraktur . . . . . .308 12.13 Fusionsoperationen an der Lendenwirbelsäule
(»transarticular lumbar interbody fusion«; TLIF) . . . . .408
10 Eingriffe an der Wirbelsäule und
am Becken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315
10.1 Geschlossene/offene Reposition und dorsale
Stabilisierung einer LWK-1-Fraktur mit Fixateur Anhang
interne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .316
10.2 Symphysenplatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .326
10.3 Spongiosaentnahme am Becken . . . . . . . . . . . . . . . . . . .330 13 Der Operationsbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413
13.1 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .414
11 Verletzungen im Kindesalter . . . . . . . . . . . . . . . 335 13.2 Gliederung und Ausführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .414
11.1 Operative Versorgung einer dislozierten 13.3 Beispielhafter Operationsbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . .414
suprakondylären Oberarmfraktur beim Kind . . . . . . . .336
11.2 Versorgung einer distalen Radiusfraktur Typ Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417
Aitken I mit geschlossener Reposition und
Spickdrahtosteosynthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .342
11.3 Versorgung einer geschlossenen
Oberschenkelschaftfraktur mit
Markdrahtungsosteosynthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .344
12 Wirbelsäule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351
12.1 Ventrale interkorporelle Fusion an der
Halswirbelsäule (C2–TH1) mit Platte und
Knochenblock/Cage oder Wirbelkörperersatz . . . . . . .352
12.2 Nukleotomie und Dekompression des Spinal-
kanals an der Halswirbelsäule mit Implantation
einer Bandscheibenprothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .356
12.3 Stabilisierung mittels Fixateur interne an der
Brust-, Lenden- und Halswirbelsäule . . . . . . . . . . . . . . . .360
12.4 Dekompression des lumbalen (thorakalen)
Spinalkanals: Laminektomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .366
12.5 Instrumentation mit Pedikel- und Laminahaken
bei Korrekturspondylodesen an der Brust- (und
Lendenwirbelsäule) bei Deformitäten . . . . . . . . . . . . . .370
I
D. Kohn
Kapitel 1 Schulter – 3
Kapitel 2 Ellbogen – 31
Kapitel 3 Handgelenk – 49
Schulter
1.5 Rotatorenmanschettenrekonstruktion – 21
Indikation
Diagnostische Arthroskopie nur noch als Ausnahmeindika-
tion, falls es trotz Einsatz aller bildgebenden Verfahren nicht
gelingt eine Diagnose zu stellen. Sonst im Vorlauf zur subakro-
mialen Dekompression, Synovektomie, Labrumrekonstruktion
bei SLAP-Läsion (Labrumschaden am Ansatz der langen Bi-
zepssehne), Kapselrekonstruktion bei Instabilität und Rekons-
truktion der Rotatorenmanschette. Während die diagnostische
Arthroskopie/Bursoskopie vom Facharztanwärter durchgeführt
werden kann, wird die folgende arthroskopische Operation nur
vom spezialisierten Facharzt, eine folgende offene Operation
dagegen in geeigneten Fällen ebenfalls vom Facharztanwärter
bewerkstelligt werden können.
Operationsprinzip
Mit der 4-mm/30°-Winkeloptik wird unter kontinuierlicher
Spülung mit Ringerlaktatlösung und bei Aufrechterhaltung eines
intraartikulären/intrabursalen Druckes von 50–100 mmHg eine
systematische Durchsicht zunächst des Gelenkraumes, dann der
Bursa subacromialis vorgenommen. Ergänzend werden wichtige
Strukturen mit einem Tasthäkchen palpiert. Eine diagnostische
Arthroskopie des Akromioklavikulargelenks ist nicht sinnvoll.
Operationsvorbereitung
Aufklärung
Besprechung möglicher operativer Konsequenzen der diagnos-
tischen Arthroskopie/Bursoskopie.
Operationstechnik
1 Die Grundausrüstung ist dieselbe wie fürs Kniegelenk. Einige
Zusatzinstrumente sind erforderlich (⊡ Abb. 1.2). Wegen des
dickeren Weichteilmantels werden die Arbeitszugänge jedoch
mit Kunststoffkanülen besetzt. Eine wesentliche Verbesserung
hat die Einführung der Hochfrequenzinstrumente gebracht,
die es erlauben, Blutungen zu beherrschen. Am Schultergelenk
können einige Zugänge von innen nach außen angelegt werden.
Dies ist ganz besonders nützlich, falls die äußeren Landmar-
ken schlecht definiert sind, also bei Schwellung und bei sehr
muskelkräftigen Patienten. Für das Umsetzen von Instrumen-
ten und Arthroskop ist die Wechselstabtechnik erforderlich
(⊡ Abb. 1.3).
Labrum glenoidale, intraartikulärer Verlauf der langen Bizeps- Wissinger-Stab eingeführt. Mit kräftigem Druck perforiert er
1 sehne, glenohumerale Ligamente und Rotatorenmanschette die vordere Gelenkkapsel und kann unter der Haut palpiert
müssen zusätzlich zur Inspektion palpiert werden, um Läsi- werden. An dieser Stelle wird gegeninzidiert (a). Der Wissin-
onen sicher einordnen zu können. Dazu wird eine Arbeits- ger-Stab wird aus der Haut nach ventral herausgedrückt. Über
kanüle in das anteriore Portal (A) eingesetzt (⊡ Abb. 1.9a–c). den Stab wird eine Kunststoffarbeitskanüle eingesetzt (b). Der
Das Arthroskop wird in das aus Oberkante der Sehne des Stab wird entfernt und das Arthroskop wieder in die Trokar-
M. subscapularis, Bizepssehne und Labrum gebildete Dreieck hülse geschoben durch die Arbeitskanüle wird der Tasthaken
vorgeschoben. Die Optik wird entfernt und der lange stumpfe eingeführt (c).
Im Operationssaal
1 Lagerung
Kap. 1.1
Offene Operationstechnik
Der Hautschnitt liegt über der geplanten Osteotomie der Klavi-
kula und verläuft längs der Langer’schen Linien auf 3 cm Länge.
Hautlappen werden nach medial und lateral sowie nach ven-
tral und dorsal unterminiert. Der Faszienperiostkapselschnitt
erfolgt quer zum Hautschnitt mit dem Elektromesser nach
Einsetzen eines Selbstspreizers. Er beginnt in der Mitte des
Akromions und endet 2 cm medial des lateralen Klavikula-
endes. Das Periost wird mit einem kleinen Raspatorium von
der Oberfläche, der Rück- und der Vorderfläche der hier sehr
breiten Klavikula abgeschoben. 2 schmale, spitze Hohmann-Re-
traktoren werden eingesetzt. Mit der schmalen (5 mm), 25 mm
langen oszillierenden Säge erfolgt die Osteotomie unter Erhalt
des Periostes auf der Unterfläche (⊡ Abb. 1.11).
Das abgetrennte Klavikulaende wird mit einer Kocher-
Klemme gefasst und mit dem 15er-Skalpell aus den noch an-
haftenden Weichteilen ausgeschält. Nun erfolgt nochmals eine
subtile Blutstillung und Spülung der Wunde.
⊡ Abb. 1.11. Laterale Klavikularesektion. Blick auf das rechte ACG von
vorne oben
Unter Sicht der 70°-Optik wird nun auch die obere Hälfte des
zu resezierenden Knochens abgefräst. Das Umsetzen des Ar-
throskops auf den anteromedialen Zugang (AM) erlaubt eine
direkte Inspektion der Resektionsflächen. Falls dorsokranial
ein Klavikulasporn verblieben ist, wird die 4-mm-Kugelfräse
direkt von dorsokranial (DK) ins Gelenk eingeführt und der
Sporn abgetragen. Die Breite des Resektionsspaltes wird durch
Vergleich mit dem bekannten Außendurchmesser der Fräsen
abgeschätzt (⊡ Abb. 1.15).
Postoperativ
Probleme
▬ Ungenügende Resektion mit verbliebenem Knochenkon-
⊡ Abb. 1.14. Beginn der Resektion der Klavikula nach arthroskopischer
takt
subakromialer Dekompression
▬ Zu großzügige Resektion mit Instabilität des lateralen Kla-
vikulaendes bei Beschädigung von Lig. trapezoideum und
bei noch weiter nach medial reichender Resektion auch des
Lig. conoideum
Nachsorge
Gilchrist-Verband oder Armschlinge zur Vermeidung von
schmerzhaftem Zug an der Resektionsstelle durch die Eigen-
schwere des Armes für 1 Woche. Pendelübungen ab dem ersten
postoperativen Tag. Sportfähigkeit und körperliche Arbeitsfä-
higkeit nach 6 Wochen gegeben.
1.3 Subakromiale Dekompression, Der Schmerz ist diffus im Gegensatz zu dem punktuell, direkt
1 offen und arthroskopisch über dem Schultereckgelenk angegebenen akromioklavikulären
Schmerz.
Indikation
Keine Besserung eines Subakromialsyndroms (SAS) trotz 3- bis Röntgen: Modifizierte ap Aufnahme mit 30 Grad zur betrof-
6-monatiger Behandlung mit nichtsteroidalen Antiphlogistika, fenen Seite gedrehtem Oberkörper und Y-Aufnahme (Outlet-
Physiotherapie und subakromialer Infiltration mit Steroiden. Aufnahme). Die ap Aufnahme dient zum Ausschluss anderer
Bei Defekt der Rotatorenmanschette nur im Ausnahmefall bei Ursachen der Schulterschmerzen wie Omarthrose, Tendinosis
kleiner Läsion (nur eine Sehne), falls Schmerzen und nicht oder Bursitis calcarea, Rotatorenmanschettendefekt mit Hu-
die Schwäche im Vordergrund der Symptomatik stehen, der meruskopfhochstand. Die Y-Aufnahme zeigt eine knöchern
Humeruskopf noch nicht nach kranial gewandert ist und der bedingte Verengung des subakromialen Raumes.
Patient geringe Ansprüche an seine Schulterfunktion stellt.
Sonographie: Zur Beurteilung von Bursa, Rotatorenman-
schette und Bizepssehne. Eine Sonographie sollte jede klinische
Operationsprinzip Erstuntersuchung der schmerzhaften Schulter ergänzen.
Der subakromiale Gleitraum, also der Raum zwischen Unterflä-
che Akromion und akromioklavikulärem Gelenk, Ligamentum Lokalanästhesietest: Die Bursa subacromialis wird von dor-
coracoacromiale und Procesuss coracoideus einerseits sowie sal punktiert und 10 ml 1%-iges Scandicain injiziert. Schmerz-
der Oberfläche der Rotatorenmanschette und des Tuberculum freie volle Beweglichkeit wenige Minuten nach der Injektion
majus andererseits, wird vergrößert. Dazu wird das Lig. cora- identifiziert die subakromiale Problematik und hilft bei der
coacromiale durchtrennt, kaudale Osteophyten entfernt und Abgrenzung zur Frozen Shoulder. Bei unveränderten oder le-
Knochensubstanz von der Unterfläche des vorderen Akromi- diglich gemilderten Schmerzen wird zusätzlich das Akromio-
onteils abgeschliffen oder abgemeißelt. So wird der Gleitraum klavikulargelenk punktiert und mit 2 ml Scandicain gefüllt.
den Supraspinatussehne und Tuberculum majus bei Abduktion Ein Verschwinden der Schmerzen daraufhin identifiziert eine
oder Elevation beanspruchen weiter und es kommt nicht mehr akromioklavikuläre Schmerzursache.
zum schmerzhaften Anstoßen (Impingement) dieser Struktu-
ren am korakoakromialen Bogen. Eine Teilresektion der Bursa
subacromialis/subdeltoidea, die den ventrolateralen Anteil des Im Operationssaal
Raumes auskleidet, ist stets Teil der Operation, wobei der Boden Lagerung
der Bursa, der dem Perimyseum der Supraspinatussehne un- Kap. 1.1
mittelbar aufliegt, nicht tangiert werden darf, um die in diesem
Bereich kritische Durchblutung der Sehne nicht zu gefährden. Offene Operationstechnik
Langzeitresultate sind nach offener und arthroskopischer 4 cm langer Hautschnitt dem Verlauf der Langer’schen Linien
subakromialer Dekompression (SAD) gleich. Vorteil der offe- folgend 1 cm lateral des Gelenkspaltes des Akromioklavikular-
nen Methode ist die Möglichkeit der digitalen Palpation des gelenks geführt; über das Akromion verlaufend und 2 cm über
Schulterdaches mit Identifikation aller Protuberanzen. Vorteil dessen vorderes Eck auf den M. deltoideus reichend (⊡ Abb. 1.16).
der arthroskopischen SAD sind die hervorragende Übersicht Nach medial und lateral wird die Haut auf 2 cm Breite mit der
über das Glenohumeralgelenk in derselber Sitzung, die gerin- Präparierschere unterminiert. Einsetzen eines Selbstspreizers.
gere Gefahr einer Infektion und die schnellere Rehabilitation
durch geringere operative Morbidität.
Operationsvorbereitung
Aufklärung
▬ Akromionfraktur, sekundäre Schultersteife, Zweiteingriff
bei Rotatorenmanschettendefekt.
▬ Bei der arthroskopischen SAD muss die Zustimmung
zum Umsteigen auf ein offenes Vorgehen bei technischen
Schwierigkeiten wie z. B. unüberwindlichen Sichtproble-
men vorliegen.
Arthroskopische Operationstechnik
1 Diagnostische Arthroskopie des Glenohumeralgelenks ⊡ Abb. 1.1.
Umsetzen des Arthroskops in den Subakromialraum. Der Ope-
rateur zieht die Optik aus der Trokarhülse und gibt Kamera/
Optik an den Assistenten. Er setzt den stumpfen Trokar ein und
zieht das System aus dem Gelenk, ohne jedoch das Hautportal
zu verlassen. Die hintere Ecke des Akromion wird mit dem Tro-
kar getastet und dann Trokar/Hülse unter Kontakt mit der Ak-
romionunterfläche nach ventral geschoben. Der stumpfe Trokar
perforiert die dünne Wand der Bursa subacromialis. Mit dem
Trokar erfühlt man das ventrale Ende des Akromion. Jetzt wird
Trokar/Hülse fächerförmig nach medial und lateral bewegt um
Verwachsungen der Bursa zu lösen. Die Kante des Lig. coracoa-
cromiale lässt sich ebenfalls mit dem Trokar ertasten. Wechsel
des stumpfen Obturators auf die Optik. Auffüllen der Bursa mit
50 mmHg Druck. Einsetzen der Arbeitskanüle (5,5 mm) in das
laterale Portal. Meist stören sowohl Zotten der Bursa als auch
herabhängendes Gewebe im Bereich des pathologischen Kon-
taktes (Impingement) am vorderen Akromionende die Sicht.
Die Spülflüssigkeit wird zudem durch Blutung aus kleinen Gefä-
ßen getrübt. Motorfräse und Elektroresektor/Elektrokoagulator
beseitigen diese Hindernisse. Danach helfen zwei Kanülen, an
der medialen und lateralen Ecke der vorderen Akromionkante
eingestochen, bei der sicheren Identifizierung der vorderen Ak-
romionkante von innen und des akromialen Ansatzes des Lig.
coracoacromiale. Die Bandstruktur ist eindeutig zu sehen.
! Nur bei einwandfreier Identifizierung des Ligamentes und Sicht
auf beide Kanülenspitzen ist die endoskopische Anatomie klar.
Nötigenfalls muss die langsamdrehende Motorfräse mit wenig
Sog und der Elektrokauter/Elektroresektor erneut verwendet
werden.
Operationsvorbereitung:
Diagnostik und Planung
Die veraltete Luxation des AC-Gelenks (Grad III oder IV nach
Rockwood) ist klinisch am Hochstand der lateralen Klavikula
und der damit verbundenen Asymmetrie der Silhouetten von
verletzter und gesunder Schulter zu erkennen. Bei Druck auf
das Schlüsselbein von oben lässt sich durch passives Anheben
des Armes und damit der Skapula des Patienten die Reposition
herbeiführen (»Klaviertastenphänomen«).
Aufklärung
▬ Stabilität des AC-Gelenks kann nicht vollständig wiederher-
gestellt werden.
▬ Eine leichte Schwäche des Armes kann verbleiben.
Im Operationssaal
Lagerung
Kap. 1.1
Operationstechnik
Der Zugang entspricht dem bei der lateralen Klavikularesek-
tion angegebenen ( Kap. 1.2) ist allerdings nach dorsal und
ventral jeweils 1,5 cm länger. Damit lassen sich breitere Haut-
bezirke unterminieren und sowohl die Akromionvorderkante
( Kap. 1.3) als auch die Oberfläche der lateralen Klavikula
auf 3 cm Länge darstellen. Das Lig. coracoacromiale wird wie
bei der offenen Technik der subakromialen Dekompression
besprochen ( Kap. 1.3) mit einem Knochenstück am Akro-
mion desinseriert. Das laterale Klavikulaende wird reseziert
( Kap. 1.2).
20 Kapitel 1 · Schulter
Postoperativ
Probleme
Lockerung und erneuter Hochstand des lateralen Klavikula-
endes bei zu früher Belastung innerhalb der ersten 12 Wochen
postoperativ
Nachsorge
Schulterorthese, die das Gewicht des Armes für 6 Wochen trägt.
Ab dem ersten postoperativen Tag darf die Schulter passiv
krankengymnastisch aus der Orthese heraus beübt werden.
Elevation und Abduktion bis 90°. Halten der Eigenschwere des
⊡ Abb. 1.22. Einziehen des Ligamentes in den Markraum der Klavikula Armes durch den Krankengymnasten. Nach 6 Wochen Frei-
gabe des Bewegungsspielraums und aktive Beübung zunächst
ohne Widerstand. Nach 12 Wochen auch wieder körperliche
Belastung.
Der Defekt wird durch Rotation des Armes und Wahl der Ab-
duktionsposition in das Zugangsfenster manövriert. Das krani-
ale Blatt der Bursa subacromialis/subdeltoidea und zerfaserte
Rissränder sowie zerstörte Teile des kaudalen Bursablattes wer-
den mit Pinzette und Skalpell entfernt. Form, Größe und Lage
der Rissstelle (»L-förmig, auf 1,5 cm Länge am Tuberculum ma-
jus abgerissen und 2 cm nach medial reichend, supraspinatus«)
werden protokolliert (⊡ Abb. 1.24).
Der Verschluss der Wunde erfolgt wie für die offene subakro-
miale Dekompression angegeben ( Kap. 1.3). Der Schlitz im
M. deltoideus wird mit 5 resorbierbaren Einzelknopfnähten
⊡ Abb. 1.27. Schnürsenkelnaht und Mason-Allen-Nähte USP 1 adaptiert.
Postoperativ
Probleme
Schmerz in der unmittelbaren postoperativen Phase. Regionale
Analgesie über einen interskalenären Verweilkatheter mit kon-
tinuierlicher oder intermittierender Gabe von Lokalanästheti-
kum kann über die ersten postoperativen Tage erforderlich sein
(Anästhesiologie).
Nachbehandlung
Postoperative Lagerung auf der Abduktionsschiene für 6 Wo-
chen (30° Abduktion, 20° Flexion, Neutralrotation).
Passive Bewegungsübungen ab dem 1. postoperativen Tag.
Dabei hilft die Angabe des Operateurs über die Beweglichkeit
der Schulter nach Knüpfen der Rekonstruktionsfäden. In die-
sem Bereich kann die Krankengymnastin gefahrlos bewegen.
! Die Bewegungsprüfung der rekonstruierten Schulter vor dem
Verschluss des M. deltoideus erlaubt es dem Operateur, die
Krankengymnastik präzise über den möglichen Bewegungs-
spielraum in den ersten 6 Wochen zu informieren.
brumschaden, Hill-Sachs-Delle zu suchen. In manchen Fällen Als nächste Schicht erscheint die fast weiße Fascia clavipec-
1 ist die letzte diagnostische Sicherheit erst während einer dia- toralis. Zum vollständigen Abschieben des M. deltoideus und
gnostischen Arthroskopie zu gewinnen. Der Operateur muss des M. pectoralis von der Faszie auf Schnittlänge und auf 2 cm
darauf vorbereitet sein, seinen Behandlungsplan aufgrund des Breite kann ein Präparierstiel verwendet werden. Einsetzen
Arthroskopiebefundes zu ändern. von je einem Roux-Haken unter den M. deltoideus und den
M. pectoralis und eines Langenbeck-Hakens ans Korakoid.
Durchtrennen der Fascia clavipectoralis neben den tastbaren,
Im Operationssaal am Korakoid inserierenden gemeinsamen Sehnen von kurzem
Lagerung Bizepskopf und Korakobrachialis. Die gemeinsame Sehne wird
Falls arthroskopische Versorgung geplant, halbsitzend ( Kap. 1.1). 1 cm unterhalb der Korakoidspitze auf 2/3 ihrer Breite von late-
Falls offene Versorgung, Rückenlagerung, flach um Armbreite ral nach medial mit dem Elektromesser eingekerbt.
zur gesunden Körperseite verschoben, so dass der zu operierende
! Der N. musculocutaneus tritt von dorsomedial in dieses Mus-
Arm in ganzer Länge sicher auf dem Operationstisch aufliegt.
kelbündel etwa 2–5 cm unterhalb der Korakoidspitze ein. Ist
Offene Operationstechnik ein Nerv so wie in diesem Fall nicht sichtbar und der Operateur
trotzdem gezwungen, in seiner Nähe zu schneiden, erlaubt die
Deltoideopektoraler Zugang. Hautschnitt von der Korakoid-
Verwendung eines Elektromessers die Sicherheit zu erhöhen:
spitze auf einen Punkt 2 cm lateral der Axillarfalte gezielt. Un-
Wenn mit dem Elektromesser in der Nähe eines motorischen
terminieren der Haut zur Darstellung der V. cephalica im unte-
Nerven gearbeitet wird, wird dieser gereizt und die zugehörige
ren Drittel des Schnitts. Mit Präparierschere und stumpf digital
Muskulatur beginnt zu zucken. Der Operateur ist gewarnt.
werden die Muskelfasern 5 mm medial der Vene auseinander
gedrängt. Wegen der zahlreichen Venenäste in den M. deltoi- Die gemeinsame Sehne wird in Krackow-Technik (Insert) ange-
deus wird die V. cephalica mit der schützenden, schmalen Mus- schlungen mit doppelt armiertem nichtresorbierbarem Material
kelmanschette nach lateral abgedrängt und dieser Wundrand der Stärke 2 USP. Der erste Assistent rotiert nun den Arm des
zunächst mit einem stumpfen Haken gehalten. Patienten nach außen. Dabei tastet der Operateur den Sulcus
bicipitalis, der in 45°-Außenrotation nach anterolateral zeigt
> Achtung 1. Assistent und das Tuberculum minus das in 45°-Außenrotation nach
Von der V. cephalica nach medial abgehende Äste müssen ventral zeigt. Nach Abschieben von etwas lockerem Bindege-
unterbunden werden. Eine Koagulation verletzt leicht den webe sieht man Muskelbauch und Sehne des M. subscapularis
Hauptstamm des Gefäßes. Der Operateur erwartet, dass die sowie das kleine Bündel der Zirkumflexagefäße am Unterrand
Technik der Unterbindung beherrscht wird. dieser Sehne (⊡ Abb. 1.30).
Der Kapselretraktor wird in die Luxationstasche geschoben und Doppelung der Rekonstruktion parallel zum Pfannenvorder-
1 findet am Skapulahals Halt. Der Humeruskopf wird mit einem rand (Insert) (⊡ Abb. 1.34).
am hinteren Pfannenrand verhakten Kopfretraktor nach dorsal
> Achtung 1. Assistent
abgedrängt. Der Arm liegt frei beweglich neben dem Patienten.
Vom Zeitpunkt des Knüpfens der Rekonstruktionsnähte an
Nun sind Skapulahals und vorderer Pfannenrand übersichtlich
darf der Arm nicht mehr über die Neutralstellung hinaus in
dargestellt und der Skapulahals wird sparsam mit einer Kugel-
Außenrotation gedreht werden oder in Retroversion kommen.
fräse angefrischt. Dann werden in der 2-, 3- und 5-Uhr-Position
Er muss durch die Assistenz bis zum festen Sitz des Verbandes
drei Nahtanker im Knochen versenkt (⊡ Abb. 1.33).
in Innenrotation und Anteversion gesichert werden.
Nachdem die Retraktoren entfernt sind, wird der laterale
Kapsellappen in Matratzentechnik mit den Armierungsfäden Die Sehne des M. subscapularis wird anatomisch mit drei
der Anker erfasst. Der Arm wird jetzt innenrotiert und die drei resorbierbaren Matratzennähten Stärke 1 USP an ihrem tu-
Nähte geknüpft. Dies bringt den Kapselrand zurück auf den berkulumseitigen Stumpf refixiert. Die Sehne von kurzem Bi-
Pfannenvorderrand. Danach muss noch eine Außenrotation zepskopf und Korakobrachialis wird mit Hilfe der vorgelegten
von 10°–20° möglich sein; sonst ist die Kapselspannung zu Armierungsnaht am Proc. coracoideus refixiert. Dabei wird
hoch und muss gelockert werden durch Versetzen der Fäden zur Wegnahme der Spannung der Arm im Ellbogen 90° ge-
am Kapselrand. Ist die Spannung gut, wird der mediale Kapsel- beugt. Redondrainage 10 Charrière. Resorbierbare Subkutan-
lappen mit den armiert und lang belassenen Fäden durchsto- nähte und fortlaufende intrakutane resorbierbare Hautnaht.
chen und auf die Nahtreihe aufgesteppt. Damit ergibt sich eine Gilchrist-Verband.
a b
⊡ Abb. 1.33a,b. a Abdrängen von Kopf und Kasel zur Anfrischung des Skapulahalses. b Verankerung von 3 Fadenschlingen am Pfannenrand
Postoperativ
⊡ Abb. 1.36. Einbringen des ersten Ankers Probleme
Einsteifung bei vollständiger Immobilisation des Armes. Die
Schulter muss ab dem 1. postoperativen Tag täglich bewegt
werden.
Lockerung der Rekonstruktion bei zu intensiver Beübung.
Bis zum Anheilen des Kapsel-Labrum-Ligament-Komplexes
ist eine krankengymnastische Muskelkräftigung nicht möglich.
Intensive krankengymnastische Behandlung in den ersten 6
Wochen ist kontraproduktiv.
Nachbehandlung
Pendelübungen ab dem 1. postoperativen Tag. Für 6 Wochen
Gilchrist-Verband zur Nacht. Tagsüber darf der Verband ab
der 5. Woche immer länger weggelassen werden. Vermeidung
von Außenrotation, Retroversion und Abduktion über 90°.
Für 4 Wochen wird der Arm nur passiv und geführt bewegt.
Dann zunehmend auch aktiv im genannten Bereich. Ab der 7.
Woche Freigabe der Beweglichkeit und Ablegen des Gilchrist-
Verbandes.
⊡ Abb. 1.37. Reposition Kapsel-Labrum-Ligament-Komplex durch 2
Matratzennähte
Literatur
Habermeyer P, Schweiberer L (1996) Schulterchirurgie. Urban & Schwarzen-
berg, München
Hedtmann A, Fett H (2002) Erkrankungen des Akromioklavikulargelenkes. In:
Gohlke F, Hedtmann A (Hrsg.) Orthopädie und orthopädische Chirurgie,
Band Schulter. Thieme, Stuttgart, S. 246–285, S. 350–366, S. 581–582
Kohn D (1997) Arthroskopie. In: Bauer R, Kerschbaumer F, Poisel S (Hrsg.)
Orthopädische Operationslehre: Schulter und obere Extremität. Thieme,
Stuttgart, S. 716–718
Kohn D (2001) Arthroscopic subacromial decompression. In: Wülker N, Man-
sat M, Fu FH (eds) Shoulder surgery. Dunitz, London, pp 187–200
Sampson TG, Nisbet JK, Glick JM (1991) Precision acromioplasty in arthrosco-
pic subacromial decompression of the shoulder. Arthroscopy 7:301–307
Wirth CJ, Kohn D (1999) Gelenkchirurgie. Thieme, Stuttgart, S. 59–60
2
Ellbogen
2.1 Ellbogenarthroskopie – 32
2.4 Arthrolyse – 46
32 Kapitel 2 · Ellbogen
2.1 Ellbogenarthroskopie
Indikation
Diagnostische Arthroskopie bei Schmerzen oder Gelenkblo-
2 ckaden, falls die Ursache trotz Einsatz bildgebender Verfahren
nicht gefunden wird. Sonst im Vorlauf zur arthroskopischen
oder offenen Operation wie Entfernung freier Körper, Be-
handlung der Osteochondrose des Capitulum humeri, Synov-
ektomie, Arthrolyse mit Osteophytenresektion, Debridement
bei Epicondylitis radialis. Wie an der Schulter eignet sich
die diagnostische Arthroskopie zur Durchführung durch den
fortgeschrittenen Facharztanwärter, während die anschließende
arthroskopische Operation dem spezialisierten Facharzt vorbe-
halten bleibt.
Operationsprinzip
Das Prinzip wurde bei der Schulterarthroskopie beschrieben
( Kap. 1.1). Für die dorsalen Gelenkabschnitte und in kleinen
Ellbogengelenken ist die Verwendung der 2,7-mm-/30°-Win-
keloptik (Außendurchmesser der Hülse 3,5 mm) samt miniatu-
risiertem Instrumentarium sinnvoll. Das Ellbogengelenk ist nur
bei Spiegelung über mehrere Zugänge beurteilbar.
! Die Ellbogenarthroskopie ist technisch deutlich schwieriger
als die Spiegelung von Knie- oder Schultergelenk. Außer dem
dorsalen liegen alle Zugänge in unmittelbarer Nähe neurovas-
kulärer Strukturen. Es gibt keine »sicheren« Areale. Die Portale
müssen deshalb in spezieller Technik angelegt werden.
Operationsvorbereitung
Aufklärung
▬ Gefahr vorübergehender oder permanenter Nervenschäden.
▬ Aufgrund der kurzen Zugangswege können leicht Synovial-
fisteln entstehen, die allerdings gute Tendenz zur Spontan-
heilung haben.
▬ Besprechung möglicher Konsequenzen einer diagnostischen
Arthroskopie.
Operationstechnik
Die Epikondylen und das Olekranon werden palpiert und auf
der Haut markiert. Die Portale werden ebenfalls eingezeichnet
(⊡ Abb. 2.2). Erster Schritt ist die Auffüllung des Gelenks über
2 das dorsoradiale Portal mit 20–30 ml Ringerlaktat (Spinalnadel
18 G, 20-ml-Spritze).
a b
Die Arthroskopie beginnt mit dem Einführen des Arthros- tauscht. Die vordere Gelenkkammer wird inspiziert. Das Radi-
kops (⊡ Abb. 2.4) in das superiore ulnare Portal (sU; ⊡ Abb. 2.2b). usköpfchen lässt sich infolge seiner Drehung bei Pro- und Sup-
Dieser Zugang liegt vor dem Septum intermusculare ulnare. nationsbewegungen des Unterarmes identifizieren und damit
Dazu werden zunächst erneut der Epicondylus ulnaris und der auch das gegenüberliegende Capitulum humeri. Die Wanderung
2 N. ulnaris palpiert. Das Portal wird angelegt wie oben beschrie- des Processus coronoideus in der Trochlea bei Beuge-Streckbe-
ben. Der Trokar wird gegen die 30°-/4-mm-Winkeloptik ausge- wegungen erlaubt die Identifizierung dieses Gelenkteils.
⊡ Abb. 2.5. Superiores ulnares Portal. Sicht auf die ventralen Anteile des humeroulnaren (links) und des humeroradialen Gelenks (rechts)
2.1 · Ellbogenarthroskopie
37 2
Der anteroradiale Zugang (aR) wird von innen nach au-
ßen angelegt. Dazu erhöht man zunächst den intraartikulären
Druck auf 100 mmHg, um die Nerven soweit als möglich von
den Portalen abzudrängen. Das Arthroskop wird quer durch
die vordere Gelenkkammer vorgeschoben und auf die radiale
Gelenkwand an der geplanten Zugangsstelle aufgesetzt. Man
entfernt die Optik aus der Hülse und ersetzt sie durch den
Wechselstab. Mit dem Wechselstab wird die laterale Kapsel
perforiert (⊡ Abb. 2.6a) und der Stab nach Gegeninzision der
Haut radial soweit herausgezogen, dass sein ulnarseitiges Ende
noch im Gelenkraum verbleibt. Das Arthroskop wird ulnar-
seits wieder in die Hülse gesetzt und die Lage des Stabendes
im Gelenk kontrolliert. Dann wird eine Kunststoffkanüle über
den Wechselstab eingesetzt und der Tasthaken durch diese
Kanüle eingeführt (⊡ Abb. 2.6b). Während die radialen Teile der
vorderen Kammer in dieser Konfiguration palpatorisch und in- a
spektorisch ideal beurteilbar sind, ist es in manchen Gelenken
erforderlich, für die ulnare Seite die Positionen von Arthros-
kop und Arbeitskanüle auszutauschen. Dies erfolgt mittels der
Wechselstabtechnik ( Kap. 1.1).
⊡ Abb. 2.7. Dorsale Portale, besetzt mit Arthroskop (2,7 mm) und Mini-
aturfräse
Postoperativ
Probleme
Aufgrund der Nähe der Portale zu den Armnerven besteht
immer ein Restrisiko von Nervenirritationen durch die Portale.
Deshalb Prüfung der Motorik und Sensibilität von Unterarm
und Hand.
Nachbehandlung
Kap. 1.1.
Literatur
Kohn D (1997) Arthroskopie. In: Bauer R, Kerschbaumer F, Poisel S (Hrsg.)
Orthopädische Operationslehre, Band III: Schulter und obere Extremität.
Thieme, Stuttgart, S. 719–729
2.2 · Operation bei Epikondylitis
39 2
2.2 Operation bei Epikondylitis Operationsvorbereitung
Aufklärung
Indikation ▬ Eine Besserung ist in 85% der Fälle zu erwarten.
Die Epicondylitis humeri radialis (»Tennisellbogen«) ist fünf- ▬ Die Wiederherstellung der vollen Gebrauchsfähigkeit des
mal häufiger als die Epicondylitis humeri ulnaris (»Golferell- Armes dauert 6–12 Wochen.
bogen«). Die Behandlung ist primär nichtoperativ durch Ver-
meidung der auslösenden Ursache, lokaler und systemischer Diagnostik
Anwendung von nichtsteroidalen Antiphlogistika, Friktions- Der lokale Druckschmerz über den betroffenen Sehnenab-
massage mit Kryotherapie und schließlich Infiltration des Are- schnitten etwas distal der Epikondylen ist zusammen mit den
als mit Kortikosteroiden. Persistieren die Beschwerden trotz Provokationstests richtungweisend. Bei der radialen Epikon-
konsequenter Behandlung über 6 Monate und sind hierdurch dylitis wird der Schmerz durch Extension der Hand gegen
auch Alltagstätigkeiten erschwert, sollte operiert werden. Widerstand provoziert. Bei der ulnaren Epikondylitis wird der
Schmerz durch Flexion der Hand gegen Widerstand ausgelöst.
b c
⊡ Abb. 2.8a,b. Anatomie und Schnittverlauf. a Lage des Hautschnitts in Relation zum Epicondylus humeri radialis (Punkt) und den Extensoren.
ECRL M. extensor carpi radialis longus, ECRB M. extensor carpi radialis brevis, ED M. extensor digitorum. b Muskulatur auf der Radialseite des Ellbo-
gengelenks und seiner Umgebung. c Ansatzzonen von ED, ECRB und ECRL
2.2 · Operation bei Epikondylitis
41 2
Die Furche zwischen der Extensorenaponeurose und dem Mus-
kelbauch des ECRL wird aufgesucht und auf der gesamten Länge
des Schnittes mit dem Skalpell im Verlauf dieser Furche 2 mm
tief inzidiert (⊡ Abb. 2.9). Die Muskelfasern des ECRL werden
nach medial von dem darunter liegenden sehnigen Anteil des
Musculus extensor carpi radialis brevis (ECRB) teils scharf, teils
stumpf abgeschoben. Der degenerativ veränderte Ansatzbereich
des ECRB wird subperiostal scharf vom Condylus radialis abprä-
pariert und entfernt. Da die Ursprungssehne des ECRB zusätz-
lich am Ligamentum anulare radii und der Extensoraponeurose
befestigt ist, kommt es nicht zu einer Distalisierung des Muskel-
bauches. Eine Eröffnung des Gelenkes lässt sich beim Ablösen
des ECRB nicht immer umgehen, ist aber belanglos.
Operationsvorbereitung
Diagnostik und Planung
Typische Symptome sind Taubheit des Kleinfingers und der
Kleinfingerseite des Ringfingers sowie des dorsoulnaren
Handrückens, Atrophie der Hypothenarmuskeln und ein po-
sitives Tinel-Zeichen beim Beklopfen der Sulkusregion. Die
elektrophysiologische Untersuchung durch den Neurologen
sichert die Diagnose durch Nachweis von Denervierungs-
zeichen der betroffenen Muskeln und Verlangsamung der
Nervenleitgeschwindigkeit. Damit ist eine Lokalisation des
Schadens möglich.
Für die Operation sind spezielle Instrumente (feine Präpa-
rierschere und Pinzetten, Präparierstielchen, bipolares Hoch-
frequenzinstrument, Myrthenblattsonde, Gefäßbändchen, feine
Overholt-Klemmen), eine Lupenbrille und eine besondere Prä-
pariertechnik erforderlich (⊡ Abb. 2.14).
Aufklärung
▬ Schädigung des Nervus ulnaris und seiner Muskeläste mit
sensorischen und motorischen Ausfallserscheinungen
▬ Rezidiv mit Notwendigkeit zur erneuten Operation
2.3 · Dekompression und Verlagerung des N. ulnaris
43 2
Im Operationssaal
Lagerung
Der Patient befindet sich in Rückenlage, Oberarmblutsperre
weit proximal. Der stark außenrotierte Arm wird auf den Arm-
tisch gelagert, der Ellbogen zusätzlich mit einer flachen Tuch-
rolle unterpolstert. Der Hautschnitt verläuft zwischen Olekra-
non und Epicondylus humeri medialis (⊡ Abb. 2.12). Vom Epi-
kondylus reicht er 8 cm nach proximal und 8 cm nach distal.
⊡ Abb. 2.15. Vorlegen der Fäden. Drei Fäden wurden durch Periost und
subkutanes Gewebes vorgelegt. Sind sie geknotet, kann der Nerv nicht
in den Sulkus zurück und liegt ventral
Postoperativ
Probleme
Unzureichende Mobilisation und Abknicken des Nerven be-
günstigen das Persistieren von Symptomen.
Nachbehandlung
Dorsale, vorgefertigte Oberarmkunststoffschiene in 70°-Beu-
gung für 3 (alleinige Dekompression) bis 6 (Vorverlagerung)
Wochen. In der zweiten Woche beginnt die geführte Bewegung
des Armes. Die Flexion wird freigegeben, die Extension bei
Verlagerung schrittweise in den folgenden 4 Wochen vergrö-
ßert. Die Geschwindigkeit der Rehabilitation hängt von der
Rückbildungstendenz der neurologischen Symptome ab. Belast-
barkeit des Armes ist nach 8 Wochen wieder gegeben.
46 Kapitel 2 · Ellbogen
Aufklärung
▬ In der Regel kein Erreichen freier Beweglichkeit, lediglich
Verbesserung des Bewegungsumfanges
▬ Lange und aufwändige Nachbehandlung mit Redressions-
schienen und Krankengymnastik
▬ Frakturmöglichkeit bei Nachmobilisation
2.4 · Arthrolyse
47 2
Postoperativ
Probleme
Die postoperative Erhaltung des intraoperativ erreichten Be-
wegungsumfangs ist schwierig. Schmerzen bei der kranken-
gymnastischen Nachbehandlung müssen soweit als möglich
ausgeschaltet werden.
Nachbehandlung
Lagern des Armes auf einer Schiene, die dem maximal erreich-
ten Beuge-/Streckwinkel entspricht. Wurde in beide Richtun-
gen mobilisiert, Anfertigung zweier Schienen und anfänglich
Wechsellagerung im 4-Stunden-Rhythmus tagsüber. Zweima-
lige tägliche Krankengymnastik. Analgesie, falls erforderlich,
auch über Skalenuskatheter.
Literatur
Mansat P, Morrey BF (1998) The column procedure: A limited lateral approach
for extrinsic contracture of the elbow. J Bone Joint Surg 80-A (1998)
1605–1612
3
Handgelenk
3.2 Ulna-Verkürzungsosteotomie – 54
3.3 Ulnaköpfchenresektion – 56
50 Kapitel 3 · Handgelenk
Indikation
Druckläsion des N. medianus im Karpalkanal. Fortbestehende
Symptomatik und Atrophie der Thenarmuskeln trotz Anwen-
dung nichtsteroidaler Antiphlogistika, Schienung über einige
Wochen und gegebenenfalls auch lokaler Steroidinjektionen.
Operationsprinzip
Spaltung des Ligamentum carpi transversum unter Schonung
des oberflächlichen Hohlhandbogens und des Ramus muscu-
laris des N. medianus endoskopisch kontrolliert oder offen.
Falls der N. medianus durch ein identifizierbares mechani-
sches Hindernis beeinträchtigt wird, muss in offener Technik
vorgegangen werden. Mögliche mechanische Hindernisse sind
Exostosen am skapho-trapezialen (ST-)Gelenk bei Arthrose,
Ganglien im Karpalkanal, ein vorstehendes Os lunatum bei
übersehener perilunärer Handgelenkluxation und die Einen-
gung des Karpalkanals durch posttraumatische Fehlstellung
des distalen Speichenendes. Allerdings ist die häufigste Form
des Karpaltunnelsyndroms idiopathisch und damit schonend
endoskopisch durch alleinige Ligamentspaltung therapierbar.
Operationsvorbereitung
Aufklärung
▬ Nachblutung bei Verletzung des oberflächlichen Hohlhand-
bogens mit Notwendigkeit zur operativen Revision und
Gefäßligatur
▬ Nervenverletzung in Form einer Schädigung des Ramus
muscularis oder des Nervenhauptstammes des N. medianus
mit motorischen und sensiblen Ausfallserscheinungen
▬ Rezidiv des Karpaltunnelsyndroms durch Vernarbung
▬ Bei endoskopischer Spaltung Notwendigkeit zum Umstei-
gen auf das offene Vorgehen bei schlechter Sicht
Offene Operationstechnik
Der Hautschnitt folgt der Linea vitalis bis zu den Handgelenk-
beugefalten und biegt dann ulnarwärts um (⊡ Abb. 3.1). Os
pisiforme und Hamulus ossis hamati sind die ulnaren Leit-
strukturen, die palpatorisch identifiziert und dann markiert
werden sollten. Die Unterarmfaszie wird ulnar der Sehne des
M. palmaris longus in Längsrichtung auf 2 cm Länge gespalten.
Die Haut wird mittels Haltefäden vom 1. Assistenten offen
gehalten. Das sensible Versorgungsgebiet des N. medianus ist
hellrot markiert.
Endoskopische Operationstechnik
Das Prinzip der Operation ist dasselbe. Über Inzision und Ge-
geninzision wird eine Schlitzkanüle unter das zuvor mit einem
Raspatorium frei präparierte Lig. carpi transversum geschoben
(⊡ Abb. 3.3a). Der Schlitz der Kanüle liegt dem Lig. direkt von
unten an (⊡ Abb. 3.3b). Mit einem in die Kanüle geschobenen
Endoskop wird das über den Schlitz gespannte Ligament kon-
3 trolliert. Eingeklemmte Nerven oder Weichteile müssen durch
Drehen der Kanüle bzw. durch Abschieben mit einem stumpfen
Instrument beseitigt werden. Die Struktur der Unterfläche des
Ligamentum carpi transversum ist eindeutig identifizierbar.
Falls sie von proximal nach distal gut einsehbar ist, kann die
Durchtrennung beginnen, sonst muss die Kanüle neu platziert
und im Zweifelsfalle auf das offene Vorgehen umgestiegen
werden.
! Keinesfalls darf mit der Durchtrennung begonnen warden,
a bevor nicht die Unterfläche des Lig. carpi transversum auf der
gesamten geplanten Schnittlänge eindeutig identifizeirt ist.
Postoperativ
Probleme
Insuffiziente Spaltung bei schlechter endoskopischer Sicht.
Nachblutung.
Nachbehandlung
Bei offenem Vorgehen Unterarmschiene in Funktionsstellung
für die erste postoperative Woche, dann zunehmende Bewe-
gungsübungen für Hand und Handgelenk unter Vermeidung
der Dorsalextension für 6 Wochen. Bei endoskopischer Arbeits-
weise kann auf die Schienung verzichtet werden. Kraftvoller
Einsatz der Hand ist frühestens in der siebten postoperativen
Woche möglich.
Literatur
Scharizer E (1997) Karpaltunnelsyndrom. In: Bauer R, Kerschbaumer F, Poisel
S (Hrsg.) Orthopädische Operationslehre, Band III. Thieme, Stuttgart, S.
365–368
Kohn D (1997) Endoskopische Spaltung des Retinaculum flexorum. In: Bauer
R, Kerschbaumer F, Poisel S (Hrsg.) Orthopädische Operationslehre, Band
III. Thieme, Stuttgart, S. 741–746
54 Kapitel 3 · Handgelenk
3.2 Ulna-Verkürzungsosteotomie
Indikation
Angeborene oder posttraumatische Verkürzung des Radius re-
lativ zur Ulna mit Handgelenkbeschwerden.
3 Operationsprinzip
Verkürzung der Ulna im distalen Drittel durch Z-förmige, rota-
tionsstabile Osteotomie. Kompressions-Plattenosteosynthese.
a
Operationsvorbereitung
X Aufklärung
▬ Pseudarthrose bei instabiler Osteosynthese, dann Notwen-
digkeit zur Re-Osteosynthese mit Spongiosaplastik
▬ Metallentfernung der subkutan liegenden Implantate in der
Regel erforderlich
Operationstechnik
Der Hautschnitt entspricht dem bei der Ulnaköpfchenresektion
gezeigten ( Kap. 3.3), ist aber 8 cm lang. Die Ulna wird subpe-
riostal im geplanten Osteotomiebereich 4–6 cm proximal des
Köpfchens dargestellt (⊡ Abb. 3.6). Der Muskelbauch des M. ex-
tensor carpi ulnaris wird nach dorsal weggehalten. Die Osteoto-
mielinie wird mit dem Elektrokauter oder einem Markierungs-
stift auf dem Knochen eingezeichnet. Ihr längs verlaufender
Anteil soll parallel zur geplanten Platte liegen, verläuft also in
dorsopalmarer Richtung. Ihre Länge beträgt die zweifache ge-
wünschte Verkürzungsstrecke (X, ⊡ Abb. 3.5b) zuzüglich 5 mm.
Sie wird als erste durchgeführt. Dann folgen die restlichen
Osteotomien in der auf ⊡ Abb. 3.5b angegebenen Reihenfolge. ⊡ Abb. 3.6. Subperiostale Darstellung der Ulna. Der Osteotomieverlauf
Die aufwändige Osteotomietechnik verhindert im Vergleich zur (rot, gestrichelt) und die zu rezierenden Knochensegmente (rosa) sind
einfachen Osteotomie eine spätere Rotationsfehlstellung. dargestellt
Postoperativ
Probleme
Bei stabiler Osteotomie kaum zu erwarten. Bei sehr dünnen
Weichteilen kann anstelle der 3,5-mm-DC-Platte ein Drittel-
rohrplättchen verwendet werden.
Literatur
Zichner L (1997) Unterarm. In: Bauer R, Kerschbaumer F, Poisel S (Hrsg.) Ortho-
pädische Operationslehre, Band III. Thieme, Stuttgart, S. 276–277
56 Kapitel 3 · Handgelenk
3.3 Ulnaköpfchenresektion
Indikation
Rheumatoide Arthritis mit Caput-ulnae-Syndrom. Dabei
auffällig vorspringendes Ulnaköpfchen, schmerzhaft einge-
schränkte Pro- und Supination sowie Dorsalflexion, lokaler
Druckschmerz.
3 Fehlstellung im distalen Radioulnargelenk posttraumatisch
mit Einschränkung der Beweglichkeit bei über 50-jährigen
Patienten ohne besondere körperliche Belastung. Posttrauma-
tische Arthrose des distalen Radioulnargelenks bei derselben
Patientengruppe.
Operationsprinzip
Das aufgrund des rheumatischen Zerstörungsprozess oder
postraumatisch subluxierte und erodierte Caput ulnae wird
reseziert. Der synoviale Pannus in diesem Bereich wird mit
entfernt. Auch die Sehne des M. extensor carpi ulnaris wird
von rheumatischem Pannus befreit. Synovektomie und Teno-
synovektomie entfallen bei posttraumatischer Arthrose und
Fehlstellung.
Operationsvorbereitung
Aufklärung
Die Ulnaköpfchenresektion bessert die vorherigen Beschwer-
den, ergibt aber kein voll belastbares und funktionsfähiges
Handgelenk. Kraftvoller Einsatz der Hand ist nicht mehr mög-
lich.
Probleme
Bei sehr fortgeschrittenem rheumatischem Krankheitsbild
kann die Sehne des M. extensor carpi radialis rupturiert sein.
In diesem Fall ist eine Sehnentransposition zu erwägen. Solche
Eingriffe gehen über den Rahmen des vorliegenden Werkes
hinaus.
3 Nachbehandlung
Unterarmkunststoffschiene für 1 Woche, dann schmerzabhän-
gige Mobilisierung des Handgelenks.
Literatur
Gschwend N (1977) Die operative Behandlung der chronischen Polyarthritis,
2. Aufl. Thieme, Stuttgart, S. 93–98
4
4.2 Beckenosteotomie – 68
Indikation
Koxarthrose jedweder Ursache (degenerativ, postentzündlich,
posttraumatisch, postnekrotisch). Hüftkopfnekrose mit schmerz-
haftem Kalotteneinbruch (ARCO-Stadium III). Veraltete kon-
genitale Hüftluxation des Erwachsenen. Schenkelhalsfraktur
mit hohem Kopfnekrose- oder Pseudarthrosenrisiko bei Pati-
enten über 65 Jahre ( Kap. 9.1). Neoplasmen des proximalen
4 Femurs und/oder des Azetabulums und/oder des Hüftgelenks.
Leidensdruck und Funktionseinbuße bestimmen bei der
Koxarthrose den Zeitpunkt des endoprothetischen Hüftgelen-
a
kersatzes.
Operationsprinzip
Bei isolierter Schädigung des proximalen Femur (Fraktur, Neo-
plasma) und geringem funktionellem Anspruch (hohes Lebens-
alter, fortgeschrittenes Tumorleiden) Hemiprothese (auch als
Kopfprothese bezeichnet; ein alleiniger Ersatz der Hüftpfanne
wird nicht durchgeführt) ohne Ersatz der Gelenkpfanne. Bei
einfachen Kopfprothesen ist der Kopf fest mit dem Konus
des Prothesenstiels verbunden. Bei Duokopfprothesen ist ein
großer Prothesenkopf über einen kleinen Kopf gestülpt, was
eine zusätzliche Rotation innerhalb des Prothesendoppelkopfes
erlaubt.
Die Totalendoprothese ersetzt Kopf und Pfanne. ⊡ Abbil-
b
dung 4.1 gibt einen Überblick über die wichtigsten Prothesen-
typen.
Das Drehzentrum des Kunstgelenks muss dem Drehzent-
rum einer intakten Hüfte entsprechen. Damit müssen Kopfzen-
trum und Pfannenzentrum von Prothese und ehemaligem in-
taktem Gelenk übereinstimmen. In Relation zum Femur muss
also der Prothesenkopf an derselben Stelle wie der Femurkopf
c
und in Relation zum Becken das Pfannendrehzentrum an sel-
⊡ Abb. 4.1a–c. Überblick über die wichtigsten Prothesentypen. a Stan- ber Stelle wie das Drehzentrum des Azetabulum stehen. Kopf-
dardprothese; von links nach rechts: zementierte Prothese, Geradschaft- halsgeometrie der Prothese und Eingangsebene der Pfanne
prothese (zementlos), anatomische Prothese (zementlos). b Neuentwick- sollen ein freies Bewegungsspiel des Gelenks ohne Anschlag
lungen; von links nach rechts: Druckscheibenprothese, Kurzschaftpro- (»Impingement«) erlauben. Im physiologischen Bewegungs-
these (zementlos), Kopfkappenprothese (zementiert). c Pfannen; von
links nach rechts: Polyethylenpfanne (wird mit Zement befestigt), Me-
sektor darf es nicht zur Luxation des Gelenks kommen. Die
tallpfanne mit rauer Oberfläche und Schraubenlöchern, Metall-Schraub- Befestigung der Komponenten am Knochen erfolgt mittels
pfanne (beide enthalten eine Gleitfläche zumeist aus Polyethylen und Knochenzement (Polymethylmetacrylat) oder durch Anwach-
werden zementlos am Knochen befestigt) sen des Knochens an die dafür speziell konzipierte Implanta-
toberfläche (Kontaktosteogenese). Letzteres erfordert für einige
Wochen mechanische Ruhe zwischen Implantat und Knochen.
Sie wird durch ein Verklemmen der Komponenten im Kno-
chenbett (»Pressfit«), pfannenseitig teils durch zusätzliche Ver-
schraubung erzielt.
Die artikulierenden Oberflächen von Kopf und Pfanne,
⊡ Tab. 4.1. Die 4 möglichen Gleitpaarungen
die Gleitpaarung, kann aus verschiedenen Materialien mit je-
Kopf Metall Keramik weiligen Vor- und Nachteilen bestehen (⊡ Tab. 4.1). Moderne
Prothesensysteme sind modular, was einerseits die Operation
Pfanne Metall Keramik
vereinfacht und andererseits ein späteres Auswechseln von Ver-
Polyethylen Polyethylen
schleißteilen ohne Ausbau des gesamten Kunstgelenks erlaubt.
4.1 · Primäre Hüftendoprothese
61 4
Operationsvorbereitung
Aufklärung
▬ Prothesenluxation
▬ Beinlängendifferenz
▬ Periartikuläre Verknöcherung mit Bewegungseinschrän-
kung
▬ Intraoperative Fraktur und Osteosynthese
▬ Postoperative Infektion
▬ Aseptische Lockerung
▬ Prothesenverschleiß
▬ Spätinfekt
Die ehemalige Form der Kopfkalotte wird durch Auflegen einer Im Operationssaal
Schablone mit konzentrischen Kreisen (sog. »Moses-Temp- Lagerung
late«) nachvollzogen und so das Hüftkopfzentrum D bestimmt. Rückenlage oder Seitenlage. Vorteil der Rückenlage ist die defi-
Durch Auflegen der Stielschablonen wählt man nun den Stiel nierte, konstante Position des Beckens. Dies erleichtert die kor-
aus, der bezüglich seiner Größe in den Markraum passt und rekte Positionierung der Pfanne. Vorteil der Seitenlage ist die
der es erlaubt, den Kopfmittelpunkt des Prothesenstiels auf das bessere Sicht auf und in den Femurschaft und der freie Zugang
natürliche Kopfzentrum zu legen. zu den hinteren Gelenkanteilen und Weichteilen. Während für
Viele Systeme bieten mittlerweile zwei Serien von Pro- die Revisionsalloarthroplastik und bei navigierter Operation
thesenstielen an: eine Serie mit großem CCD-Winkel (»val- die Seitenlage gewählt wird, hängt die Lagerung bei der primä-
4 gisch«). Das bedeutet einen geringen Versatz v des Kopfzen- ren Alloarthroplastik vom geplanten Zugang und der Vorliebe
trums von der Femurachse f. Eine zweite Serie mit kleinem des Operateurs ab.
CCD-Winkel (»varisch«) was einem großen Versatz v des
> Achtung 1. Assistent
Kopfzentrums gleichkommt. Für die Länge des Lotes vom
Bevor der Operateur den Saal betritt, sollten die Planungsbil-
Kopfzentrum D auf die Femurachse f, den Versatz v, hat
der aufgehängt werden und die Lagerung kontrolliert werden.
sich die Bezeichnung »Offset« eingebürgert. Es ist zu beach-
ten, dass im Röntgenbild nur bei innenrotierter Aufnahme
der projizierte Versatz dem anatomischen entspricht. In den Rückenlage: Patient liegt gerade. Körper ist zur Operations-
meisten Fällen wird der Versatz röntgenologisch etwas un- seite an die Tischkante verschoben. Arm der Operationsseite
terschätzt. Die Prothesenschablone zeigt die gewünschte Re- ist hochgelagert.
sektionslinie r in Relation zu den Trochanteren (Punkt T und
Distanz l) sowie den Abstand s der Prothesenschulter von der Seitenlage: Patient liegt exakt auf der Seite (⊡ Abb. 4.3). Das
Trochanterspitze. Resektionslinie und Prothesenkontur wer- Becken ist weder nach vorne noch nach hinten verkippt. Sym-
den auf das Röntgenbild übertragen. Jetzt sollte die Kopfmitte physe, Lendenwirbelsäule und Sternum sind abgestützt. Eine
D um die Höhe h über dem Pfannenzentrum C1 stehen. Nach Polsterrolle liegt unter der Axilla des unteren Armes (Plexus-
Reposition wäre damit gleiche Höhe der kleinen Trochanteren schutz). Nach Lagerung wird die Durchleuchtbarkeit der Hüft-
in Relation zum Becken und damit gleiche Beinlänge wieder region überprüft. Ob während des Eingriffs durchleuchtet wird,
hergestellt. Eine Feinjustierung ist intraoperativ durch Ver- hängt von der Vorliebe und Erfahrung des Operateurs aber
wendung verschiedener Prothesenköpfe möglich, deren un- auch vom Operationsverlauf ab. Der weniger Erfahrene sollte
terschiedlich tiefe Bohrung beim Aufsetzen auf den Stielkonus sich die Möglichkeit der intraoperativen Durchleuchtungskon-
um ca. 8 mm variable Halslängen ergibt. trolle zunutze machen.
⊡ Abb. 4.7a,b. Einsetzen einer zementlosen Pfanne. Die Metallpfanne ⊡ Abb. 4.8. Einsetzen einer zementierten Pfanne. Das Polyethylenim-
hat eine raue Oberfläche (⊡ Abb. 4.1c) und einen etwas größeren Au- plantat wird unter Beachtung der in ⊡ Abb. 4.7 genannten Winkel in den
ßendurchmesser als das gefräste Knochenbett. Sie verklemmt sich da- noch weichen Zement gedrückt. Die Absaugekanüle sorgt für Unterdruck
durch im elastischen Knochen (sog. »Pressfit«-Prinzip). a Position in der im spongiösen Knochen und damit für ein besseres Eindringen des Ze-
Frontalebene. b Kippung der Pfanneneingangsebene zusätzlich um 20° mentes in die Spongiosa. Einsetzinstrument mit Rand: grau. Links daneben
nach ventral zur Erzielung der Anteversion das Kugelinstrument zum Nachdrücken. Endgültige Pfannenposition: rot
66 Kapitel 4 · Becken, Hüftgelenk und proximales Femur
⊡ Abb. 4.9a–c. Drei mögliche Positionen des Beins und damit des pro-
ximalen Femurendes (Insert) zur Osteotomie des Schenkelhalses und
zum Einbau des Prothesenstiels. a Rückenlage, seitlicher Zugang, Hüfte
nach vorne luxiert. Adduktion 45°, Außenrotation 90°, Flexion durch
anderes Bein vorgegeben. Schenkelhals zeigt deckenwärts und etwas
nach lateral. Pfeil markiert die Richtung des Markraums. Sicht von schräg
seitlich. b Seitenlage, seitlicher Zugang, Hüfte nach vorne luxiert. Flexion
45°, Außenrotation 90°, Adduktion 20°. Steriler Beutel (rot) zum Schutz
des sterilen Fußes und Unterschenkels. Schenkelhals zeigt kopfwärts
und etwas zur Decke (Antetorsion). Sicht von oben. c Seitenlage, hinterer
Zugang, Hüfte nach hinten luxiert. Flexion 30°, Innenrotation 90°, Ad-
duktion 30°. Schenkelhals zeigt nach hinten und etwas tischwärts. Sicht
c von schräg seitlich
4.1 · Primäre Hüftendoprothese
67 4
Das Knochenbett für den Prothesenstiel wird je nach verwen- gung/Innenrotation der Luxationsweg durch einen dorsokaudal
detem System mit Raspeln oder mit Bohrern und Raspeln erhöhten Pfannenrand verbaut.
vorbereitet (⊡ Abb. 4.10). Dabei wird wie bei der Pfanne mit Der Ranawat-Test ist hilfreich zur Beurteilung der Stiel-
Instrumenten in ansteigender Größe gearbeitet. Erster Schritt Pfannenrelation: Bei korrekter Position beider Komponenten
ist die Entfernung eines Spongiosablocks aus der intertrochan- stellt sich der Prothesenkopf in Streckung und 45°-Innenrota-
tären Region. Dann wird die kleinste Raspel oder der kleinste tion maximal tief und symmetrisch in die Pfanne ein.
Bohrer vorsichtig und von Hand eingeführt. Durch Zug am Bein wird die Stabilität des Gelenks in axia-
ler Richtung geprüft. Beim relaxierten Patienten lässt sich dabei
! Das erste Instrument bereitet den Weg für alle folgenden! Es
die Kugel 3–5 mm aus der Pfanne ziehen. Eine Bildwandlerkon-
darf keine falsche Richtung nehmen oder gar aus dem Femur
trolle zeigt den Sitz der Raspel und die Höhe des Trochanter mi-
herausperforieren. Damit es sicher im Markraum läuft, sollte es,
nor in Relation zum Sitz-Schambein (⊡ Abb. 4.2). Die Beinlänge
wenn immer möglich, von Hand und nicht mit einer Maschine
kann durch Aufsetzen verlängernder Prothesenköpfe angepasst
oder mit dem Hammer eingebracht werden.
werden. Eine leichte Verlängerung ist so technisch unproblema-
Die letzte Raspel, die sich eben noch einschlagen lässt, wird mit tisch. Andererseits darf bei korrekter Weichteilspannung nicht
einem Prothesenprobekopf versehen und dann eine Probere- auf Kosten der Luxationssicherheit verkürzt werden. Luxations-
position vorgenommen. Die Luxationssicherheit der Prothese sicherheit hat Präferenz vor Beinlänge. Ist bei korrekter Bein-
wird überprüft. Kritisch sind stets Außenrotation in Streckung länge der Kopf/Pfannenkontakt zu locker, sollte geprüft werden
(mindestens 70°) und Innenrotation in 90°-Beugung (mindes- ob durch einen Stiel mit größerem Versatz (Offset; ⊡ Abb. 4.2c)
tens 45°). Luxiert das Gelenk, müssen Pfannenorientierung das Problem behoben werden kann. Die Raspel wird nun durch
und Antetorsion des Stiels überprüft werden. Es muss zudem den definitiven Prothesenstiel ersetzt, der entweder zementfrei
nach unerwünschten Kontaktzonen zwischen proximalem Fe- nach dem Verklemmungsprinzip (Pressfit) eingeschlagen oder
mur und Becken (Pfannenrandosteophyten, Osteophyten der in ein Zementlager eingesetzt wird (⊡ Abb. 4.11).
Trochanterregion) gesucht werden. Die Verwendung eines Wird der Stiel zementiert, erhöht sich damit der operative
asymmetrischen Pfanneneinsatzes, mit dem sich die Pfannen- Aufwand. Nach Vorbereitung mit der Raspel wird der Mark-
eingangsebene korrigieren lässt, kann bei zementlosen Pfannen raum ausgebürstet, mit dem pulsierenden Wasserstrahl gerei-
Abhilfe schaffen. So wird z. B. bei Luxationstendenz in Beu- nigt und eine Markraumplombe, am besten aus resorbierbarem
⊡ Abb. 4.10. Aufraspeln des Markraums. Transglutäaler Zugang. Position wie ⊡ Abb. 4.9a
Material, 1 cm tiefer als die Spitze des geplanten Prothesenstiels 4.2 Beckenosteotomie
positioniert. Das Knochenbett wird getrocknet. Vakuumge-
mischter hochvisköser Knochenzement wird mit einer Zemen- Indikation
tierspritze retrograd in den Markraum eingefüllt, vorkompri- Schwere Dysplasie der Hüftpfanne ohne Chance einer Nach-
miert und dann der Prothesenstiel eingesetzt. Der »Centra- reifung. Letztere besteht nur in den ersten 18 Lebensmonaten.
lizer«, ein auf die Prothesenspitze gesteckter Abstandshalter, Bei operativer Reposition einer kongenitalen Hüftluxation ab
garantiert die zentrische Position des Stiels im Zementmantel. eineinhalb Jahren kann bei schwer dysplastischer Pfanne zeit-
Zementüberstände werden entfernt und die Prothese während gleich die Beckenosteotomie erfolgen. Frühestes Operations-
des Zementaushärtens unter konstantem axialem Druck gehal- alter ist damit 1,5 Jahre. Beim Erwachsenen ist die operative
4 ten. Nach Abbinden des Zements nochmalige kräftige Spülung, Verbesserung der Gelenksituation durch eine Beckenosteoto-
Aufsetzen des Prothesenkopfs mit der zuvor bestimmten Hals- mie nur sinnvoll solange noch keine Koxarthrose besteht. Da
länge und definitive Reposition. Der Wundverschluss erfolgt sich die Dysplasiekoxarthrose in der Regel bereits im jungen
in Schichten unter Einlage einer tiefen Saugdrainage. Die Haut und mittleren Erwachsenenalter entwickelt, sind Beckenosteo-
kann genäht oder geklammert werden. tomien bis etwa zum 35. Lebensjahr zu erwägen. Das Ausmaß
der Dysplasie wird bis zum Verschluss der Y-Fuge anhand des
Probleme Pfannendachwinkels (AC-Winkel, AC = »acetabular«), danach
Fissur oder Fraktur des Femurschaftes beim Einschlagen ei- mittels des Zentrumeckenwinkels (CE-Winkel, CE = »center
nes zementlosen Prothesenstiels. Dies lässt sich in der Regel edge«) auf der Beckenübersichtsaufnahme beurteilt. »Schwer
durch Einbringen mit vielen »kleinen« Hammerschlägen, mit dysplastisch« ist eine Pfanne mit Winkelwerten jenseits der
konstantem Impuls unter Vermeidung »großer«, zu kräftiger doppelten Standardabweichung vom Mittelwert des Winkels
Schläge, insbesondere solcher mit verschiedener Amplitude, in der Gesamtpopulation. Während des Wachstums sind die
verhindern. Bei zu großem Kraftaufwand beim Einschlagen ist Werte altersabhängig.
es besser, den Stiel nochmals zu entfernen und nachzuraspeln.
Kommt es trotz aller Vorsicht zur Fissur, was der Operateur
daran erkennt, dass der zuvor fest sitzende Stiel plötzlich bei je- Operationsprinzip
dem Hammerschlag deutlich tiefer tritt, muss der Stiel zunächst Die Form des Azetabulum oder die Position des Azetabulum in
nochmals entfernt werden. Der Riss wird aufgesucht und längs Relation zum Hüftkopf werden nach teilweiser oder vollständi-
des Femur durch Abschieben der Muskulatur bis zu seinem ger Durchtrennung des Knochens in Pfannennähe korrigiert.
distalen Ende verfolgt. Ein einfacher Riss, der sich elastisch Die »Überdachung« des Hüftkopfes wird dadurch verbessert.
schließt, kann durch Drahtseilzerklagen gesichert werden. Ist Bei genügender Elastizität des Knochens und der Symphysis
jedoch ein Knochenstück ausgebrochen oder reponiert sich das pubis bzw. bei noch offener Y-Fuge genügt zur Korrektur die al-
Femur nach Entfernung der Prothese nicht völlig anatomisch, leinige Osteotomie des Os ilium. Dies ist bis zum Schulalter der
ist eine Plattenosteosynthese zu erwägen. Fall. Idealer Operationszeitpunkt ist das 4. oder 5. Lebensjahr.
Dabei gibt es 2 unterschiedliche Operationsprinzipien:
! Protrusionskoxarthrosen, Dysplasiekoxarthrosen, deformierte
▬ Bei der Pfannendachplastik wird das Os ilium knapp kra-
Femora nach Morbus Perthes und schwer osteoporotischer
nial des Azetabulum eingeschnitten und das Pfannendach
Knochen sind schlechte Voraussetzungen für den jungen
in eine bessere Position gebogen.
Operateur. Die Hybridendoprothese mit Schraubpfanne und
▬ Bei der Osteotomie nach Salter wird das Os ilium in Höhe
zementiertem Stiel bei degenerativer Koxarthrose ist die am
des Foramen ischiadicus komplett durchtrennt und danach
einfachsten zu lösende Aufgabe.
die gesamte Pfanne in eine bessere Position gedreht.
Nachbehandlung
Ab etwa 8 Jahren muss das Azetabulum durch mehrere Osteo-
Lagerung in Abduktion auf dem Rücken bei neutraler Rota-
tomien völlig aus dem Knochenverbund des Beckens gelöst,
tion des Beines zur Luxationsprophylaxe. Aufstehen noch am
neu orientiert und refixiert werden (Dreifachosteotomie nach
Operationstag. Zunehmende Belastung des operierten Beines,
Tönnis). Nach Abschluss des Knochenwachstums kann dies
abhängig von der muskulären Kontrolle. Nach Abheilen der
durch eine periazetabuläre Osteotomie z. B. nach Ganz erfol-
Operationswunde ist der Patient rehabilitationsfähig.
gen. Eine Beschreibung dieser anspruchsvollen Mehrfachosteo-
tomien würde den Rahmen des vorliegenden Buches sprengen.
Literatur
Effenberger H, Imhof M (2004) Primäre Hüftendoprothetik. In: Wirth CJ, Zich-
ner L (Hrsg.) Orthopädie und Orthopädische Chirurgie, Band: Becken
Hüfte. Thieme, Stuttgart
Gradinger R, Rechl H, Gollwitzer H (2007) Degenerative Erkrankungen. In:
Wirth CJ, Mutschler W (Hrsg.) Praxis der Orthopädie und Unfallchirurgie.
Thieme, Stuttgart
Kerschbaumer F (1994) Alloarthroplastik des Hüftgelenks, Primäreingriffe. In:
Bauer R, Kerschbaumer F, Poisel S (Hrsg.) Orthopädische Operationslehre,
Becken und untere Extremität, Band 2/1. Thieme, Stuttgart
4.2 · Beckenosteotomie
69 4
Operationsvorbereitung
Aufklärung
▬ Becken-Bein-Fußgips für 6 Wochen
▬ Metallentfernung nach 6–8 Wochen
▬ Intraoperativer Blutverlust
▬ Einbau von allogenem Knochenmaterial (Pfannendachplas-
tik)
▬ Veränderung der äußeren Beckenkontur (Salter-Osteoto-
mie)
▬ Veränderung des Geburtskanals (Salter-Osteotomie)
▬ Hüftkopfnekrose, insbesondere falls kombiniert mit offener
Hüftreposition
Im Operationssaal
Lagerung
Rückenlagerung mit Sandsack unter der zu operierenden Kör-
perseite. Gonadenschutz, steril. Bildwandler.
⊡ Abb. 4.15. Neuorientierung der Pfanne. Kranialer Abschnitt Os ilium wird durch erste Repo-
sitionszange (1) stabilisiert. Pfannentragender Anteil wird mit zweiter Repositionszange (2) nach
ventral und lateral über den Hüftkopf gezogen. Dabei Drehbewegung in der Symphyse (Pfeil). Die
Neurorientierung wird durch die Viererposition des Beins (Insert) erleichtert
4.2 · Beckenosteotomie
71 4
Einsetzen eines vom Darmbein mit der oszillierenden Säge
ausgeschnittenen Keils.
> Achtung 1. Assistent
Ihre Aufgabe ist es nun, den Keil mit einer Kocherklemme zu
sichern und die Viererposition des Beines zu halten.
Literatur
Pothmann M, Cordier W (2004) Protrahierte Hüftreifungsstörung im Kindesal-
ter. In: Wirth CJ, Zichner L (Hrsg.) Orthopädie und Orthopädische Chirur- a
gie, Band Becken, Hüfte. Thieme, Stuttgart
Salter RB (1961) Innominate osteotomy in the treatment of congential dislo-
cation and subluxation of the hip. J Bone Joint Surg (Br) 43, 518
⊡ Abb. 4.23a,b.
Kapselplastik zur Verkleine-
rung des Kapselvolumens.
a Der hintere Kapsellappen
wird reseziert. b Kapselver-
schluss mittels des vorderen
Kapsellappens b
4.4 · Intertrochantäre Femurosteotomie
75 4
Probleme 4.4 Intertrochantäre Femurosteotomie
▬ Ungenügende Sicht ins Azetabulum mit insuffizientem Aus-
räumen der Repositionshindernisse. Die Sicht muss durch Indikation
eine Erweiterung des Zuganges erzwungen werden. Fehlstellung des proximalen Femurendes (Coxa valga,
▬ Der Eingriff wird mit höherem Lebensalter und länger be- Coxa vara, Coxa antetorta, Coxa retrotorta) im Rahmen einer
stehender Luxation schwieriger. Hüftreifungsstörung, eines muskulären Ungleichgewichtes bei
▬ Wandern des transfixierenden Drahtes, falls sein Ende nicht neuromuskulären Erkrankungen, bei Epiphyseolysis capitis fe-
umgebogen wurde. moris lenta und posttraumatisch. Bei Hüftreifungsstörungen
▬ Der luxierte Kopf kann zu groß werden oder entrunden. muss primär die pfannenseitige Korrektur erwogen werden;
Dann entsteht ein Missverhältnis von Kopf- und Pfan- nur bei stark ausgeprägter oder im Vordergrund stehender
nengröße oder eine Inkongruenz. Auch in diesem Fall Fehlstellung des proximalen Femur wird die intertrochantäre
darf das kraniale Labrum, das Wachstumszentrum für den Osteotomie zusätzlich oder – selten – als isolierte Maßnahme
Pfannenerker, nicht reseziert werden. Allerdings kann dann durchgeführt. Bei der infantilen Zerebralparese kann die Wie-
ein radiäres Einschneiden des Labrum an mehreren Stellen derherstellung der normalen Geometrie des proximalen Femu-
erforderlich werden, um eine Reposition zu ermöglichen. rendes einer Hüftluxation vorbeugen; sie wird zumeist mit Te-
notomien der hüftübergreifenden Muskeln kombiniert werden.
Nachbehandlung Bei idiopathischer isolierter Coxa valga antetorta besteht im
Der Gipsverband wird für 6 Wochen belassen, danach erfolgt Kindesalter keine Operationsindikation, da die häufige spon-
die stationäre Wiederaufnahme. Der Gips wird zur Schale ge- tane Besserung im Verlaufe des Wachstums abgewartet werden
schnitten und das Kind zunächst aus der Schale remobilisiert. sollte. Bei sehr ausgeprägten Formen mit funktionellen Störun-
Wurde ein transfixierender Draht benutzt, wird dieser in Kurz- gen kann allerdings nach Wachstumsabschluss eine Osteotomie
narkose zusammen mit dem Gipsverband entfernt. nötig werden.
Umschriebene Schädigung des Caput femoris in der Be-
lastungszone. Durch die intertrochantäre Osteotomie wird der
Literatur beschädigte Anteil der Kopfkalotte aus der Belastungszone ge-
Graf R (2004) Sonographiegesteuerte Therapie von Hüftreifungsstörungen. kippt und ein intaktes Kopfsegment übernimmt die Lastüber-
In: Wirth CJ, Zichner L (Hrsg.) Orthopädie und Orthopädische Chirurgie,
tragung. Dieser Eingriff kommt bei jüngeren Patienten mit
Bd. Becken Hüfte. Thieme, Stuttgart
Morissy RT (1996) Atlas of pediatric orthopaedic surgery. Lippincott Raven,
lokal begrenzten Herden einer aseptischen Hüftkopfnekrose in
Philadelphia New York Betracht. Er muss gegen die Möglichkeit des frühzeitigen endo-
Wagner H, Wagner M (1994) Rekonstruktive Operationen an der Hüfte. In: prothetischen Gelenkersatzes abgewogen werden.
Bauer R, Kerschbaumer F, Poisel S (Hrsg.) Orthopädische Operationslehre, Tiefe Einstellung der Hüftkopfkalotte in die Hüftpfanne bei
Band II/1 Becken und untere Extremität. Thieme, Stuttgart
Morbus Perthes durch Varisierung. Die Pfanne wirkt dann wie
eine hemisphärische Gussform auf den temporär erweichten
Hüftkopf. Nach Wiederaufbau des nekrotischen Kopfkernes
resultiert damit ein sphärischer Hüftkopf. Indiziert ist die Va-
risierung, falls bei beginnender Dezentrierung des Hüftkopfes
noch eine genügende Hüftbeweglichkeit besteht.
76 Kapitel 4 · Becken, Hüftgelenk und proximales Femur
Operationsvorbereitung
Aufklärung
▬ Leichte Beinverkürzung abhängig von der Körpergröße und
dem Varisierungswinkel
▬ Entlastungsphase von 8 Wochen
▬ Metallentfernung nach 2 Jahren, je nach Durchbau, frühes-
tens nach einem Jahr
▬ Im Wachstumsalter spontane Revalgisierung möglich
⊡ Abb. 4.26. Einfluss von Varisierung und Valgisierung auf die mecha-
nische Beinachse (Traglinie). Normal (dunkelgrau): Beinachse kreuzt die
Kniemitte. Valgisierung (rot): Achse wird nach lateral verschoben, laterale
Kniehälfte wird vermehrt belastet. Varisierung (hellgrau): Achse wird nach
medial verschoben, mediale Kniehälfte wird vermehrt belastet
78 Kapitel 4 · Becken, Hüftgelenk und proximales Femur
Im Operationssaal
Lagerung
Rückenlage. Durchleuchtungsmöglichkeit. Steriler Gonaden-
schutz. Bein frei beweglich abgedeckt.
Hautschnitt an der Oberschenkelaußenseite von der Tro-
chanterspitze gerade nach distal geführt. Länge 3 cm plus Länge
des Schaftes der gewählten Platte. Spaltung der Fascia lata im
Hautschnittverlauf (⊡ Abb. 4.27). L-förmiges Einschneiden des
M. vastus lateralis.
4 > Achtung 1. Assistent
Beim Einschneiden des M. vastus lateralis blutet es meist. Bei
Kindern kommt es ganz besonders auf die Vermeidung grö-
ßerer Blutverluste an. Dies verlangt volle Aufmerksamkeit und
⊡ Abb. 4.27. Seitlicher Zugang zum proximalen Femurschaft. Nach rasche Koagulation.
Spaltung der Fascia lata wurde der M. vastus lateralis L-förmig einge-
schnitten. Abheben des Muskels vom Femur mit Kocher-Klemme (1) und Der lange Schenkel des L soll bei innenrotiertem Bein zwar
Hohmann-Haken (2). Abschieben des Muskelbauches von seiner Faszie dorsal, aber noch in der Muskelsubstanz des M. vastus lateralis
mit dem Raspatorium (3)
geschnitten werden. Auf diese Weise können beide Stümpfe
kreuzender Gefäße leicht aufgefunden und koaguliert werden.
Schneidet man noch weiter dorsal im reinen Faszienbereich,
besteht die Gefahr, dass die medialen Gefäßstümpfe retrahie-
ren und die Blutstillung damit deutlich erschwert wird. Die
Ecke der Fascia propria des M. vastus lateralis wird mit einer
Kocher-Klemme gefasst und angehoben, der Muskelbauch vom
Femur mit einem Raspatorium abgehoben und ein stumpfer
Hohmann-Retraktor ventral um das Femur gelegt. Der Muskel-
bauch lässt sich nun nach distal mit dem Raspatorium von der
Fascia propria abschieben.
! Das kräftige Gefäßbündel, das zu den Vasa perforantes I zieht
und von dorsomedial kommend in den M. vastus lateralis
eintritt, ist beim Erwachsenen etwa 5–8 cm distal des Tuber-
culum innominatum zu erwarten. Beim Kind reduziert sich
diese Distanz entsprechend der Femurgröße. Bei vorsichtigem
Abschieben der Muskelfasern mit dem Raspatorium sieht man
das Bündel, bevor es zerrissen wird. Diese Gefäße sollten isoliert
und gezielt koaguliert werden.
Auflegen eines K-Drahtes auf das Femur in Höhe der ge- Nach vollständiger Durchtrennung des Knochens wird ein 2 cm
planten Osteotomie. Markierung des Osteotomieverlaufs mit breiter Lambotte-Meißel in die Osteotomie eingeführt und die
dem Thermokauter (⊡ Abb. 4.30). Anbringen einer 1 cm langen Segmente werden damit etwas auseinander gehebelt. Jetzt wird
oberflächlichen Kerbe anterolateral am Femur mit dem Lam- das Plattensitzinstrument und damit das proximale Femurseg-
botte-Meißel zur Markierung der Rotation. ment in die Korrekturstellung gebracht. Bei Verwendung einer
Einlegen von 2 stumpfen Hohmann-Retraktoren um den 90°-Platte verläuft dabei der Plattensitzmeißel senkrecht zum
Osteotomiebereich. Osteotomie senkrecht zum Femurschaft Femurschaft und parallel zur Osteotomie. Die Relation Femur-
mit der oszillierenden Säge unter Wasserkühlung (⊡ Abb. 4.31). kopf/Pfanne wird nochmals im Durchleuchtungsbild überprüft.
Dabei wird mit der Säge ohne jeden Druck und unter einwand- Falls noch Veränderungen der Winkelstellung nötig sind, ist
4 freier Sicht längs der Markierung zunächst die ventrale Femur- später eine Veränderung des Klingenschaftwinkels der Platte
hälfte durchtrennt. Durch diesen Knochenschlitz geführt wird mittels Schränkeisen vorzunehmen. Befindet sich das proximale
dann die hintere Hälfte durchsägt. Segment in der idealen Position zur Pfanne, wird seine Basis mit
der oszillierenden Säge parallel zur Schnittfläche des unteren
! Eine unvollständige Osteotomie mit der Säge und der Einsatz
Femursegmentes bei Ausrichtung des Beines in Streckstellung
des Meißels sind nicht empfehlenswert. Beim Meißeln bricht
und Neutralrotation osteotomiert. Dies erfolgt unter voller Sicht
zu leicht ein Stück aus der harten medialen Femurkortikalis im
nach Einstellung mit Hohmann-Retraktoren. Es wird stets nur
Bereich des Kalkar aus.
ein kleiner, knapp die halbe Breite des Segmentes umfassender
Keil ausgesägt, um nicht zu viel Länge zu verlieren (Inset).
4.5 Operationen bei Epiphysiolysis capitis femoris lung (⊡ Tab. 4.2). Die Imhäuser-Aufnahme ist bei der instabilen
(ECF) ECF schmerzbedingt oft nicht durchführbar. Dann sollte eine
Lauenstein-Aufnahme erfolgen, die den Abrutsch deutlicher
Der Abrutsch der Hüftkopfkalotte bei offener Epiphysenfuge zeigt als die Beckenübersicht. Eine Hüftsonographie im Seiten-
ist die typische Hüfterkrankung im Adoleszentenalter. Er be- vergleich dient dem Nachweis oder Ausschluss eines Gelenker-
trifft vorwiegend großwüchsige, übergewichtige Jungen. Die gusses.
Behandlung ist operativ.
Operationsprinzip
Fixierung der Kalotte in situ bei leichtem Abrutsch. Reposition
und Fixierung bei mäßigem Abrutsch bei der instabilen Form.
Bei schwerem Abrutsch Fixierung und Korrekturosteotomie.
Prophylaktische Fixierung der Gegenseite. Bei einseitiger ECF
muss in 50% mit einem Abrutsch der Gegenseite im weiteren
Verlauf gerechnet werden.
Die Osteotomien der Intertrochantärregion oder des Schen-
kelhals sind anspruchsvolle Eingriffe die dem Erfahrenen vor-
behalten bleiben. Fixierung und Reposition werden hier be-
schrieben.
Operationsvorbereitung
Aufklärung
▬ Risiko der Hüftkopfnekrose 20–50%, das Risiko steigt mit
der Größe des Abrutschwinkels
▬ Verbleibende Bewegungseinschränkung bei Restfehlstellung
▬ Chondrolyse, also Ablösung des Knorpels von der Kopfka-
lotte und Pfanne mit Früharthrose
▬ Bei jungen Patienten Nachoperation wegen zu kurz wer-
dender Drähte im Verlauf des weiteren Wachstums
b
b
⊡ Abb. 4.33a,b. Durchleuchtung in Imhäuser-Position und Abrutschwin- ⊡ Abb. 4.34a,b. Stabilisierung der Kopfkalotte mit 3 Drähten bei der
kel. a Hüfte abduziert (Abduktionswinkel β = CCD-Winkel – 90°), dann 90° Epiphyseolysis capitis femoris. a Reihenfolge und Lage der Eintrits-
gebeugt. Diese Imhäuser-Position ist die zweite Ebene für Femurkopf punkte. b Korrekte Position der Drähte bei Bildwandlerkontrolle a.p.,
und Femurhals in Bezug zur a.p. Aufnahme. Sie dient der Messung des links in Hüftstreckung, rechts in Imhäuser-Position
Abrutschwinkels. b Abrutschwinkel α. Ein Lot s auf der Epiphysenbasislinie
e bildet mit der Kopf-Hals-Achse h den Abrutschwinkel α
84 Kapitel 4 · Becken, Hüftgelenk und proximales Femur
Probleme a
Ist die Kalotte nicht mobil in Relation zum Schenkelhals und
damit irreponibel, muss bei schwerem Abrutsch eine Stellungs-
korrektur durch intertrochantäre Valgisierung/Flexion und
Derotation nach Imhäuser mit gleichzeitiger Verschraubung
oder Spickung der Kopfkappe erfolgen. Bei schweren irreponib-
len Fehlstellungen wird auch die korrigierende Schenkelhalsos-
teotomie und Verschraubung angegeben. Die offene Reposition
führen wir wegen des hohen Kopfnekroserisikos nicht durch.
Ein intraartikuläres Vorstehen der Drahtspitzen muss sofort
beseitigt werden, da dies zur irreversiblen Knorpelschädigung,
zur Chondrolyse führt. Überstehende Drähte dürfen nicht mit
der Maschine zurückgedreht werden, da hierbei leicht ihre
Spitze abbricht, im Gelenk verbleibt und zu einer Arthrotomie
zwingt. Das äußere Drahtende sollte umgebogen und der Draht
dann mit einer Zange unter vorsichtigen Drehbewegungen zu-
rückgezogen werden.
Nachbehandlung
12 Wochen Sohlenkontakt bei instabiler ECF. Wurde eine sta-
bile ECF fixiert, 6 Wochen Sohlenkontakt. Röntgenkontrollen
nach 3, 6 und 12 Wochen, danach halbjährlich. Entfernung der
b
Drähte nach Fugenschluss.
⊡ Abb. 4.36a,b. Reposition bei akutem Kalottenabrutsch. Das Femur
wird gegenüber der Kalotte in eine anatomisch korrekte Position ge-
Literatur bracht. a Abgerutschte Kalotte. Position des Femurs aus Sicht des rechts
Krauspe R (2004) Epiphyseolyse. In: Wirt CJ, Zichner L (Hrsg.) Orthopädie und neben dem Operationstisch stehenden Operateurs. b Repositionsmanö-
Orthopädische Chirurge, Bd. Becken, Hüfte. Thieme, Stuttgart ver: Abduktion (1), Flexion (2), Innenrotation (3)
86 Kapitel 4 · Becken, Hüftgelenk und proximales Femur
4.6 Spongiosaentnahme vom Beckenkamm nur im Ausnahmefall (Haupteingriff in Rückenlage aber Kno-
chentransplantat vom hinteren Beckenkamm, Haupteingriff in
Autologe Knochentransplantate sind das wertvollste Knochen- ehemals entzündlichem Wundgebiet bei Rekonstruktion nach
ersatzmaterial, weil mechanisch und biologisch bislang anderen Osteomyelitis) mit der Entnahme des Knochentransplantates
Materialien überlegen. Allerdings ist die Gewinnung mit einem beginnen.
zusätzlichen Operationstrauma verbunden. Deshalb sollte man
stets prüfen, ob alternativ allogener Knochen oder syntheti-
sches Ersatzmaterial verwendet werden kann. Im Operationssaal
Lagerung
4 Indikation
Wird vom Haupteingriff bestimmt. Umlagern von der Bauch-
in die Rückenlage ist bei Entnahme vom hinteren Beckenkamm
Kortikospongiöse Knochenblöcke werden dort eingesetzt wo und Haupteingriff in Rückenlage erforderlich. Bei der Abde-
das Transplantat dauerhaft Last aufnehmen muss (Spreizen ckung kann entweder über der geplanten Entnahmestelle ein
von Osteotomien, Überbrückung von Osteotomiespalten oder »Fenster« offen bleiben, oder das gesamte Bein bleibt mitsamt
Pseudarthrosen, Arthrodesen). Spongiöser Knochen dient als der Region des Beckenkammes frei.
biologisch hochwertiges Füllmaterial, wo es auf eine Stimu-
> Achtung 1. Assistent
lierung der Knochenheilung ankommt (verzögerte Knochen-
Häufig wird über dem Beckenkamm ein zu kleines Fenster frei
heilung, Pseudarthrose, Defekt nach Ausräumung von Osteo-
gelassen oder die Möglichkeit einer Knochentransplantation
myelitisherden). Der Beckenkamm und das Os ileum sind das
bei der Abdeckung vergessen. Dies kostet später Zeit und ge-
größte Reservoir für autologen Knochen und zudem einfach
fährdet möglicherweise die Sterilität.
und relativ schonend operativ zugänglich. Für kleine und mitt-
lere Transplantate sowie für sehr stabile trikortikale Blöcke ist
der ventrale Anteil des Beckenkammes, für große Transplantat-
mengen sein dorsaler Anteil zu bevorzugen. Operationstechnik bei Entnahme vom vorderen
Beckenkamm
Die Mitte des Hautschnitts liegt 5 cm hinter der Spina iliaca
Operationsprinzip anterior superior über dem bei schlanken Patienten tastbaren
Subperiostale Darstellung der Crista iliaca und des Os ileum Tuberculum iliacum (⊡ Abb. 4.37). Seine Länge richtet sich nach
in der benötigten Ausdehnung. Ausmeißeln eines kortikalen der Größe des Knochentransplantates. Bei reiner Spongiosaent-
Fensters oder Aussägen des kortikospongiösen Spans. Spongio- nahme reichen 4 cm.
saentnahme mit scharfen Löffeln.
! Keinesfalls darf der Schnitt zu weit vorne liegen, da damit ei-
nerseits der N. cutaneus femoris lateralis gefährdet würde und
Operationsvorbereitung andererseits eine ventrale Knochenentnahme zum Abbrechen
der Spina iliaca anterior superior führen kann, mit dann erfor-
Aufklärung
derlicher Osteosynthese.
Auch an eine nur eventuell nötige Knochentransplantation
muss bei der Aufklärung gedacht werden. Der Patient ist zu
Recht erstaunt, wenn er mit einer zusätzlichen unerwarteten
Operationswunde am Beckenkamm aus der Narkose erwacht.
Risiken:
▬ Nachblutung
▬ Läsion sensibler Nervenäste mit Störung der Hautsensibili-
tät am Gesäß (Nn clunium superiores et medii) oder an der
Vorderaußenseite des Oberschenkels (N. cutanaeus femoris
lateralis)
⊡ Abb. 4.38a,b. Darstellung der Crista iliaca. a Die Haut wird nach oben
verzogen, damit die Narbe später unterhalb des Darmbeinkamms liegt.
b Wegdrücken der Bauchmuskulatur erlaubt die subperiostale Darstel-
lung (rot) ohne Muskelverletzung
Probleme
▬ Zu kleines Knochenfenster und zu wenig Transplantatma-
terial. Es sollte eher etwas zuviel Material entnommen wer-
den, so man sich zur Transplantatentnahme entschlossen
hat.
▬ Hämatombildung mit der Notwendigkeit zur Revision und
Ausräumung
▬ Bei ungewöhnlichen Schmerzen an der Entnahmestelle
Röntgenaufnahme (Ala-Aufnahme) zum Frakturausschluss
Nachbehandlung
Wundnachsorge. Dabei muss der Entnahmestelle dieselbe Sorg-
falt gelten wie der Hautinzision der entsprechenden Operation.
Es sollte nicht vorkommen, dass der Patient den Stationsarzt
auf seine »zweite Wunde« aufmerksam machen muss.
5
5.1 Kniegelenkarthroskopie – 90
5.2 Meniskektomie – 98
Operationsvorbereitung
Diagnostik und Planung
In Ergänzung zur klinischen Diagnostik, mit der bereits ein
Erguss, viele Meniskusläsionen, eine Instabilität und Arthro-
sezeichen nachgewiesen werden, darf keinesfalls auf die prä-
operative Durchführung von Röntgenaufnahmen verzichtet
werden. Aktuelle Röntgenbilder des Kniegelenks in 2 Ebenen
mit Kniescheibentangentialaufnahme sind die Mindestvoraus-
setzung. Das Übersehen knöcherner Verletzungen, kniegelen-
knaher Knochentumoren oder einer Algodystrophie könnte
für den Patienten schwere Nachteile bedeuten. Liegt allerdings
ein aktuelles Kernspintomogramm guter Qualität mit Befund
vor, kann dieses die Röntgendiagnostik ersetzen. Jeder loka-
lisierte oder generalisierte Entzündungszustand ist eine Kon-
traindikation für die Arthroskopie. Dies gilt nicht für die ar-
throskopische Behandlung intraartikulärer Infektionen. Auch
bei Ausschöpfung sämtlicher Möglichkeiten der Vordiagnostik
wird ein Teil der Kniegelenkarthroskopien völlig unerwartete
Befunde liefern. Nur der entsprechend ausgebildete, erfahrene
Operateur kann in diesen Fällen die Diagnose stellen und die
erforderlichen Konsequenzen ziehen.
Aufklärung
▬ Wie bei jedem anderen operativen Eingriff Infektion,
Thrombose, Embolie sowie Verletzung von Nerven und
Gefäßen
▬ Möglichkeit des Instrumentenbruchs
▬ Mögliche aus der Arthroskopie folgende operative Konse-
quenzen
5.1 · Kniegelenkarthroskopie
91 5
Im Operationssaal
Lagerung
Alle arthroskopischen Eingriffe am Knie erfolgen bei frei hän-
gendem Unterschenkel unter Einsatz eines Oberschenkelhalters
(⊡ Abb. 5.1). Für Eingriffe an den Menisken befindet sich der
Beinhalter exakt in Oberschenkelmitte, für Eingriffe am patel-
lofemoralen Gelenk und zur Kreuzbandplastik im proximalen
Drittel des Oberschenkels. Von Vorteil ist die Anbringung ei-
ner Blutsperrenmanschette innerhalb des Oberschenkelhalters.
Die Manschette sollte nicht routinemäßig aufgefüllt werden:
Eine Blutsperre erschwert die Diagnostik von Blutungen und
synovialen Veränderungen und erhöht das Risiko von Nerven-
läsionen. Andererseits ist die Verwendung motorisierter Inst-
rumente mit kräftiger Sogwirkung nur in Blutsperre möglich.
Deshalb regelmäßiges Anlegen einer Manschette, die nur bei
Verschlechterung der Sichtbedingungen oder gelegentlich zur
besonders festen Fixierung des Oberschenkels gefüllt wird. Um
einer Hyperlordosierung vorzubeugen, wird das Hüftgelenk des
gesunden Beines 30° angebeugt.
> Achtung 1. Assistent ⊡ Abb. 5.1. Lagerung zur Kniegelenkarthroskopie
Am Kniegelenk hängt der Erfolg einer Arthroskopie von einer
strikten Beachtung der technischen Details ab. Erfahrungsge-
mäß erscheint die Lagerung einfach und wird dem Pflegeper-
sonal überlassen. Es ist aber die Aufgabe des 1. Assistenten,
dafür zu sorgen, dass der Beinhalter tatsächlich in der Mitte
oder im proximalen Teil des Oberschenkels sitzt, dass Blut-
sperre und Polsterung den Oberschenkel perfekt umfassen
und es damit nicht zu Druckstellen kommen kann, dass der
Oberschenkel in Richtung der Längsachse des Operationsti-
sches ausgerichtet ist und dass auch das nicht zu operierende
Bein gut unterlegt und gesichert ist, so dass es nicht während
des Eingriffs seitlich über den Tisch herabrutscht. Steriles
Abwaschen und Abdecken dürfen erst beginnen, wenn sich
entweder der Operateur oder der 1. Assistent von der absolut
korrekten Lagerung überzeugt haben.
92 Kapitel 5 · Kniegelenk, distales Femur und proximale Tibia
Instrumentarium
Der arthroskopische Operateur arbeitet unter Einschaltung
eines bildgebenden Systems zwischen Auge und Operations-
situs. Wichtigstes Instrument für die Arthroskopie der großen
Gelenke ist das 4-mm/30°-Weitwinkelarthroskop (⊡ Abb. 5.2).
Das Instrument erlaubt beim Drehen um seine optische Achse
ein »Sich-Umsehen« im Gelenk. Ergänzt wird es für spezielle
Fragestellungen durch die 4-mm/70°-Weitwinkeloptik. Stets
wird die Optik unter Schutz einer Trokarhülse eingesetzt. Als
Einführhilfen für die Hülse dienen spitze und stumpfe Tro-
kare. Grundsätzlich wird das vom Arthroskop erzeugte Bild
über eine Videokette auf einem Monitor zur Darstellung ge-
5 bracht. Durch einen sterilisierbaren Adapter wird der Wech-
sel verschiedener Optiken an der sterilverpackten Kamera
vereinfacht. Die ökonomische Führung von Arthroskop und
Kamera muss erlernt werden. Das im Gelenk benötigte Licht
wird über eine Kaltlichtquelle zur Verfügung gestellt und
via Lichtleiterkabel zum Arthroskop transportiert. Gelenke
sind im nativen Zustand kapilläre Spalten. Um den nötigen
Raum für Sicht und Manipulation zu erhalten, muss das
Gelenkkavum mit einem wässrigen, im Ausnahmefalle auch
gasförmigen Medium entfaltet werden. Klare Sicht erfordert
den Einsatz eines Spülsystems mit kontinuierlichem Flüssig-
keitsdurchfluss.
e
⊡ Abb. 5.2a–e. Instrumentarium und Geräte. Fortsetzung.
b Videokette. c Spülsystem. d Führung von Arthroskop und Kamera.
Die dominierende – in der Regel rechte – Hand führt das Arthroskop
am Lichtstutzen. e falls unter arthroskopischer Sicht operiert wird, über-
nimmt eine Hand Arthroskop und Kamera und fixiert das Arthroskop in
der günstigsten Rotationsstellung
94 Kapitel 5 · Kniegelenk, distales Femur und proximale Tibia
a b c
⊡ Abb. 5.3a–c. Zugangswege zum Kniegelenk. a Der wichtigste pri- 7 Hoher anterolateraler Zugang
märe Zugang. b Sicht von anteromedial. c Sicht von anterolateral 8 Hoher parazentraler medialer Zugang
1 Zentraler Zugang, 1 cm über dem Rand des medialen Plateaus in 9 Hoher parazentraler lateraler Zugang
Kniemitte gelegen 10 midpatellarer medialer Zugang
2 Anteromedialer Zugang 11 midpatellarer lateraler Zugang
3 Anterolateraler Zugang 12 Superomedialer Zugang
4 Parazentraler medialer Zugang 13 Superolateraler Zugang
5 Parazentraler lateraler Zugang 14 Posteromedialer Zugang
6 Hoher anteromedialer Zugang 15 Posterolateraler Zugang
5.1 · Kniegelenkarthroskopie
95 5
Am 90° gebeugten Knie wird die Kante des medialen Ti-
biaplateaus getastet und markiert. Beide Epikondylen wer-
den palpiert und ihr Abstand halbiert. Die quere 7 mm lange
Hautinzision erfolgt mit dem Skalpell senkrecht zur gedachten
Mittellinie des Kniegelenks, 1 cm kranial der medialen Tibi-
aplateaukante. Unter vorsichtigen Drehbewegungen wird mit
dem in die Hülse eingesetzten spitzen Trokar das Ligamentum
patellae penetriert (⊡ Abb. 5.4). Der spitze Trokar wird gegen
den stumpfen Trokar ausgewechselt und die Hülse mit dem
stumpfen Trokar bei gestrecktem Knie in das Patellofemoralge-
lenk geschoben (⊡ Abb. 5.5).
Der stumpfe Trokar wird gegen die zuvor mit Kamera und
Lichtleitkabel konnektierte Standardoptik ausgetauscht. Nach-
dem sich der Operateur durch einen ersten Blick auf den Mo-
nitor von der intraartikulären Lage des Arthroskops überzeugt
hat, wird der Wasserzulauf angeschlossen und bei einer Druck- ⊡ Abb. 5.4. Penetration des Lig. patellae. Sie erfolgt am rechtwinklig
gebeugten Gelenk mittels kontrolliertem Druck unter Drehbewegungen
vorwahl von 100 mmHg das Gelenk über den Arthroskopschaft
von Hülse und Trokar
mit Spülflüssigkeit aufgefüllt. Bei prallem Gelenk erfolgt die
Punktion des superiomedialen Rezessus mit der Ablaufkanüle.
Sie wird mit einem Ablaufschlauch verbunden, an dem zur
Drucksteuerung eine Rollenklemme sitzt. Sobald das Spülsys-
tem in Gang gekommen ist und sich der Operateur durch einen
Blick ins Auffanggefäß vom Funktionieren des Ablaufsystems
überzeugt hat, kann der diagnostische Rundgang beginnen.
Ein Durchsehen des Gelenks nach einem konstanten (⊡ Abb. 5.6c). Durch den lateralen Rezessus, vorbei am Ansatz
Schema ist entscheidend für die Vollständigkeit der arthro- der Popliteussehne und mit der Möglichkeit, den Eingang zum
skopischen Diagnostik. Nach Kontrolle der intraartikulären Rezessus popliteus zu inspizieren, bewegt sich das Arthroskop
Lage der Abflusskanüle bewegt sich das Arthroskop über den ins laterale Kompartiment. Der Operateur lagert den Fuß des
medialen Rezessus ins mediale Kompartiment. Bereits bei die- Patienten um und öffnet bei ca. 20° Kniebeugung durch Kör-
sem ersten Schritt kann eine Plica synovialis mediopatellaris perdruck im Varussinne den lateralen Gelenkspalt.
diagnostiziert oder ausgeschlossen werden. Der Operateur lädt Bei ungenügendem Einblick hilft die sog. Viererposition
sich nun die Knöchelregion des Patienten auf die Hüfte und (⊡ Abb. 5.6d): Das Kniegelenk wird 90° gebeugt, die Knöchelre-
bewirkt durch Druck im Valgussinne eine Öffnung des medi- gion wird hochgehoben, das Bein liegt quer vor dem Operateur
alen Gelenkspaltes. Der mediale Meniskus wird inspiziert und und der laterale Spalt klafft maximal. Über den anterolateralen
über den anteromedialen Zugang palpiert (⊡ Abb. 5.6a). Das Zugang wird der laterale Meniskus mit dem Häkchen palpiert.
Arthroskop wird dann nach dorsal in den posteromedialen Das Arthroskop wird nach posterolateral vorgeschoben und
5 Rezessus vorgeschoben und hinteres Kreuzband und Rezes- der posterolaterale Rezessus am 90° gebeugten Knie analog
sus werden inspiziert. Insbesondere müssen freie Körper in zum posteromedialen Rezessus betrachtet. Letztes Komparti-
diesem »Schlammfänger des Gelenks« ausgeschlossen werden ment ist die Fossa intercondylaris mit den Kreuzbändern. Das
(⊡ Abb. 5.6b). Bei Arbeiten im hinteren medialen Rezessus wird Knie wird 60° gebeugt, der Fuß des Patienten ruht auf dem
die Standardoptik gegen die 4-mm/70°-Weitwinkeloptik ausge- Oberschenkel des Operateurs und das Arthroskop befindet
tauscht. Beim Zurückziehen des Arthroskops und Drehung der sich vor dem Eingang zur Fossa intercondylaris. Das vordere
Blickrichtung nach oben erscheint das Patellofemoralgelenk. Kreuzband kann so in seinem ganzen Verlauf übersehen und
Unter Beugung und Streckung wird die patellofemorale Arti- getastet werden (⊡ Abb. 5.6e). Die diagnostische Arthroskopie
kulation beurteilt. Durch eine intraartikuläre Drucksteigerung ist damit abgeschlossen, das Arthroskop wird entfernt, ebenso
bei Verschluss des Ablaufschlauches wird die Kniescheibe an- die Ablaufkanüle. Die Zugänge werden durch Einzelknopfnähte
gehoben und der retropatellare Knorpel kann inspiziert und oder Zugpflaster verschlossen. Ein gepolsterter Kompressions-
mit dem medial eingebrachten Tasthäkchen palpiert werden verband wird für die ersten postoperativen Stunden angelegt.
a b
⊡ Abb. 5.6a–e. Diagnostischer Gang durchs Kniegelenk mit dem Arthroskop. a Medialer Gelenkspalt. b Posteromedialer Rezessus
5.1 · Kniegelenkarthroskopie
97 5
d e
⊡ Abb. 5.6a–e. Diagnostischer Gang durchs Kniegelenk mit dem Arthroskop. Fortsetzung. c Patellofemoralgelenk. d Lateraler Gelenkspalt, Vierer-
position. e Fossa intercondylaris
98 Kapitel 5 · Kniegelenk, distales Femur und proximale Tibia
Literatur
Kohn D (1996) Arthroskopie. In: Bauer R, Kerschbaumer F, Poisl S (Hrsg.) Or-
thopädische Operationslehre, Band 2/II. Thieme, Stuttgart, S. 419–433
Aufklärung
▬ Möglichkeit einer Meniskusnaht beim peripheren Längs-
riss. Die Naht erfordert eine längere und aufwändigere
Nachbehandlung. Die Rerupturrate liegt nach Menisknaht
im stabilen Kniegelenk zwischen 0 und 10% innerhalb von
10 Jahren.
▬ Die Entfernung von Meniskussubstanz beinhaltet stets das
Risiko einer Früharthrose, wobei die Entfernung bei ent-
sprechender Symptomatik nicht zu umgehen ist.
⊡ Abb. 5.8. Der Meniskus im Kernspintomogramm. Die klinische Be-
▬ Volle Belastbarkeit nach Meniskusresektion nach 6 Wochen, deutung von Läsionen Typ 1 und 2 ist unklar. Läsionen Typ 3 und 4
Arbeitsfähigkeit in körperlich nicht belastenden Berufen entsprechen makroskopisch sichtbaren Einrissen (Einteilung nach Stoller
nach 1–2 Wochen. 1987)
100 Kapitel 5 · Kniegelenk, distales Femur und proximale Tibia
Im Operationssaal
Lagerung
Kap. 5.1.
Aufklärung
Kap. 5.2.
104 Kapitel 5 · Kniegelenk, distales Femur und proximale Tibia
Im Operationssaal
Lagerung
Kap. 5.1.
Operationstechnik
Nachdem die Indikation zur Naht gestellt ist, wird eine dor-
somediale Hilfsinzision angelegt, die es erlaubt durch einen
breiten Langenbeck-Haken die neurovaskulären Strukturen der
Kniekehle vor den durch die Kapsel austretenden Nadeln zu
schützen (⊡ Abb. 5.12).
5
⊡ Abb. 5.12. Hilfsinzision dorsomedial (Insert). Darstellung der Gelenk-
kapsel. Die vomGelenkinneren durch den Meniskus gestochene Nadel
perforiert die Gelenkkapsel in Höhe der Meniskusbasis. Ein Langenbeck-
Haken schützt die Strukturen in der Kniekehle
Probleme
Verletzung des hyalinen Gelenkknorpels bei unvorsichtigem
Hantieren mit Nahtführungskanüle und Nadel.
Gefährdung des Nervus saphenus bei Verzicht auf eine
saubere Präparation der dorsomedialen Kapsel. Der Nerv sollte
sich sicher im Subkutanlappen und unter dem Schutz des
Langenbeck-Hakens befinden.
Nachbehandlung
Belasten des operierten Beines nur in einem abnehmbaren
Tutor in Streckstellung, der für 6 Wochen getragen werden soll.
Eine Beugung über 90° soll während dieser Zeit vermieden
werden. Volle sportliche Belastung frühestens 7 Monate nach
der Operation.
Indikation
Umschriebene vollschichtige Läsion des hyalinen Gelenkknor-
pels bei intakter oder nur oberflächlich geschädigter, gegen-
überliegender Gelenkfläche. Bei degenerativen Gelenkverände-
rungen selten indiziert. Abgrenzung gegen die aufwändigeren
Maßnahmen wie Transplantation autologer, osteochondraler
Zylinder und autologe Chondrozytentransplantation. Ab einer
Defektgröße von mehr als 2 cm2 sind die markraumeröffnen-
a
den Verfahren nicht mehr indiziert.
5
Operationsprinzip
Durchbrechen der subchondralen Sklerosezone. Damit Eröff-
nung des Weges für pluripotente Zellen aus der Markhöhle auf
die defekte Gelenkoberfläche. Diese können sich dort unter
b Schutz vor mechanischer Belastung zu einer faserknorpeligen
Narbe ausdifferenzieren. Die Narbe deckt den Knorpeldefekt,
verhindert möglicherweise seine Vergrößerung, ist aber mecha-
nischer Belastung auf Dauer nicht gewachsen.
Operationsvorbereitung
Diagnostik und Planung
Die Größe und Tiefe des Defekts können an einem qualitativ
hochwertigen Kernspintomogramm abgeschätzt werden. Ein
Kernspintomogramm ist in jedem Fall erforderlich, um die
c möglichen begleitenden Läsionen der Menisken und des sub-
chondralen Knochens zu identifizieren.
⊡ Abb. 5.16a–c. Eröffnung des Markraums. a Pridiebohrung. b Abrasi-
onsarthroplastik. c Mikrofrakturierung
Aufklärung
Aufwändige Nachbehandlung mit Anwendung der Motor-
schiene und Entlastung über 6–8 Wochen.
Im Operationssaal
Der Eingriff wird im Rahmen einer Kniegelenkarthroskopie
(gleiche Seite) durchgeführt.
Die Eröffnung des Markraums kann unter Sicht des Arthro-
skops entweder durch Bohrung, durch Anfräsen des subchon-
dralen Knochens oder durch Anbringen kleiner Löcher mit
einem Pfriem (Mikrofrakturierung) erfolgen (⊡ Abb. 5.16). Die
Methodenwahl hängt von der Lokalisation ab (⊡ Abb. 5.17).
Probleme
Die Maßnahme ist nur bei entsprechender Nachbehandlung
sinnvoll. Der entstehende Knorpel hält Spitzenbelastungen
nicht mehr stand.
Nachbehandlung
6–8 Wochen Entlasten des operierten Beines. Motorschiene zur
passiven Bewegung des Gelenks für 2-mal 2 h täglich während
der Entlastungsphase. Krankengymnastik zum Erhalt der Mus-
kelkraft.
⊡ Abb. 5.17. Lokalisationsabhängiger Einsatz verschiedener Verfahren
5.5 · Spaltung des lateralen Retinakulum
107 5
5.5 Spaltung des lateralen Retinakulum und des Kniestreckapparates bei gleichzeitiger gezielter
Kräftigung des M. vastus medialis obliquus
Indikation ▬ Nachblutung mit Notwendigkeit zur operativen Häma-
Vorderer Knieschmerz bei nach lateral verschobener und ver- tomausräumung
kippter Kniescheibe nach erfolgloser mindestens dreimonatiger
krankengymnastischer Behandlung. Symptomatische begin-
nende bis mäßiggradige Retropatellararthrose mit lateralisier- Im Operationssaal
ter, verkippter Kniescheibe. In Kombination mit einer Antero- Lagerung
medialisierung der Tuberositas tibiae bei Retropatellararthrose Wie zur Kniegelenkarthroskopie ( Kap. 5.1) jedoch Unter-
des unter 50-jährigen Patienten. In Kombination mit medialer stützung der Ferse auf einem gepolsterten höhenverstellbaren
Raffung und/oder Tuberositasmedialisierung bei rezidivieren- Tisch, so dass sich das Knie in 30°-Beugung befindet.
der Kniescheibenluxation. Nach Beendigung der Arthroskopie und Lagerung wie oben
beschrieben, 3 cm lange Hautinzision etwa 1 cm lateral des
superolateralen Kniescheibenpols. Ausgehend vom Hautschnitt
Operationsprinzip wird die Subkutis bis zum Gelenkspalt vom Retinakulum ab-
Die Spaltung des Retinakulum patellae laterale wird meist kurz geschoben. Auch nach proximal erfolgt eine Unterminierung
als »Retinakulumspaltung« oder als »lateral release« bezeichnet. auf 3 cm Länge (⊡ Abb. 5.18). Der mit der Präparierschere vor-
Der Eingriff umfasst die Durchtrennung sämtlicher Schichten bereitete Raum wird dabei stumpf vom Finger des Operateurs
des Retinakulum patellae laterale, unter Mitdurchtrennung sei- erweitert.
ner Verstärkungszüge, des distalen patellotibialen Bandes und
des proximalen epikondylopatellären Bandes, 1–2 cm lateral
des Kniescheibenrandes. Das Verfahren kann arthroskopisch
von innen nach außen oder offen von außen nach innen unter
Schonung der Membrana synovialis erfolgen. Wir bevorzugen
die offene Technik via Miniinzision nach vorgängiger Arthros-
kopie, da sie eine gezielte Blutstillung erlaubt und eine Vernar-
bung der Membrana synovialis nicht zu befürchten ist.
Operationsvorbereitung
Diagnostik und Planung
Vorderer Knieschmerz, insbesondere bei Bergauf-, Bergab-
oder Treppauf-, Treppabgehen und nach längerem Sitzen mit
gebeugten Kniegelenken. Patellaanpressschmerz beim Durch-
bewegen des Gelenks. Hypomobile Kniescheibe: Beim Patella- ⊡ Abb. 5.18. Ausgehend von einer Miniinzision lateral des oberen
verschiebetest, der am gestreckten und am 30° gebeugten Knie Patellapols wird die Haut nach proximal und nach distal bis zum Ge-
bei entspannter Quadrizepsmuskulatur durchgeführt wird, lässt lenkspalt mit der Präparierschere unterminiert
sich die Kniescheibe um weniger als ein Viertel ihrer Breite
nach medial schieben. Beim Patellakipptest lässt sich unter
denselben Vorbedingungen der laterale Rand der Kniescheibe
nicht über eine Horizontalstellung hinaus anheben. Sehne des
M. vastus lateralis und laterales Retinakulum sind manchmal
druckschmerzhaft. Vermehrte retropatellare Krepitation beim
Durchbewegen unter Palpation weist auf eine Knorpelschä-
digung im patellotrochleären Gelenk hin. Die Kniescheiben-
tangentialaufnahme am 45° gebeugten Knie mit Vergleich-
saufnahme der Gegenseite ist unverzichtbar. Eine hintere
Knieinstabilität als Ursache retropatellarer Beschwerden sollte
ausgeschlossen werden. Die Indikation zur Retinakulumspal-
tung darf nur gestellt werden, wenn röntgenologisch eine nach
lateral verkippte Kniescheibe vorliegt.
Aufklärung
▬ Rezidivneigung durch Vernarbung des lateralen Retinaku-
lum mit Wiederauftreten von Beschwerden
▬ Erfolg des Eingriffs nur bei adäquater krankengymnas-
tischer Nachbehandlung mit Dehnung des Retinakulums
108 Kapitel 5 · Kniegelenk, distales Femur und proximale Tibia
Postoperativ
Probleme
Ausbildung eines Hämatoms bei unzureichender Blutstillung.
Nachbehandlung
Lagerung in 70°-Kniebeugung ohne Immobilisation. Das Knie-
gelenk darf sofort schmerzabhängig bewegt werden. Ab dem 1.
postoperativen Tag folgen Kräftigungsübungen für die Quadri-
zepsgruppe unter besonderer Betonung des M. vastus medialis
⊡ Abb. 5.20. Hautschnitt (rot, gestrichelt), Schnitt im lateralen Retin- obliquus. Mit Wiedererlangung der muskulären Kontrolle darf
akulum (rot, durchgehend) und Rete articulare genus. Die Sehne des zunehmend belastet werden. Vollbelastung gelingt zumeist 2–3
M. vastus lateralis wird nicht durchtrennt Wochen nach dem Eingriff.
5.6 · Bikondyläre Prothese und Totalprothese
109 5
5.6 Bikondyläre Prothese und Totalprothese
Operationsprinzip
Die Gelenkflächen von Tibiaplateau und Femurkondylen ein-
schließlich der Trochlea femoris werden durch Metall (Fe-
mur) und Polyäthylen (Tibia) ersetzt (bikompartimental).
Falls auch die Patellarückfläche durch Polyäthylen ersetzt
wird, ist das System trikompartimental. Achsenfehlstellun-
gen des Beines (Genu varum, Genu valgum, Genu flexum,
Genu recurvatum) werden dabei korrigiert. Der Gelenkspalt
der Prothese muss senkrecht zur Belastungsachse des Beines
ausgerichtet werden. Die Patella muss in der Trochlea der
Prothese zentriert werden. Das vordere Kreuzband wird stets
entfernt. Die tibialen Komponenten überdecken sein Inserti-
onsareal. Bei Insuffizienz anderer Bänder oder der Notwen-
digkeit zu deren Resektion muss eine zunehmende Koppelung
zwischen Femur- und Tibiakomponente die fehlende Band-
stabilität kompensieren.
Operationsvorbereitung
Präoperative Diagnostik und Planung
Klinische Diagnostik und Röntgendiagnostik: a.p. und streng
seitliche Aufnahme des Kniegelenks, Patellatangentialaufnahme
und Beinganzaufnahme a.p. sind zur Planung erforderlich. Kli-
nische Untersuchung und Röntgenuntersuchung erlauben eine
Vorentscheidung betreffs des Prothesentyps (⊡ Tab. 5.1).
Die Prothesenplanung am Röntgenbild erfolgt nach der
Indikationsstellung einige Wochen präoperativ um nötigenfalls
Prothesenkomponenten und Instrumentarium, die in der Kli-
nik nicht vorgehalten werden, bestellen zu können. Sie umfasst ⊡ Abb. 5.21. Die Beinachsen (Beispiel: Genu varus). Die Ausrichtestäbe
folgen den anatomischen Achsen von Tibia und Femur. a.p. Ganzbein-
die Planung der Ausrichtung der Komponenten in Relation
aufnahme mit Planungslinien (a Traglinie Femur, b Traglinie Tibia, c ana-
zum Knochen durch entsprechende Lage der Sägeschnitte unter tomische Achse Femurschaft, β-Winkel: Schaft-Traglinie, D Eintrittspunkt
Berücksichtigung der Achsen, sowie die ungefähre Vorherbe- für Markraumeröffnung, e Resektionslinie distaler Femur, f Resektions-
stimmung der Prothesengröße (⊡ Abb. 5.21). linie Tibia)
Im Operationsaal
Der erste Assistent überprüft die Antibiotikaprophylaxe. Er
hängt die relevanten Röntgenbilder und die Planzeichnun-
gen auf. Der Operateur vergewissert sich von der Lagerung,
die die gewünschte Beugestellung aber auch das Durchbewe-
gen des Kniegelenks und die volle Streckung erlauben muss.
Er vergewissert sich vom korrekten weit proximalen Sitz der
Blutsperrenmanschette. Auch eine eventuell nötige intraope-
rative Bildwandlerkontrolle wird vorbereitet (durchleuchtbare
Tischplatte). Vor dem sterilen Abdecken erfolgt eine Stabilitäts-
und Bewegungsprüfung des Kniegelenks in Narkose. Sie zeigt
dem Operateur das voraussichtliche Ausmaß des erforderlichen
5 Weichteilrelease an. Unter »Release« wird die chirurgische Ver-
längerung von Kapsel, Bändern und/oder von Narbengewebe
verstanden.
> Achtung
Der allgemein übliche Ausdruck »Release« ist nicht definiert.
Er kann die Durchtrennung einer Struktur, ihre Schwächung
durch mehrfache Stichinzisionen (Stichelung) oder ihre sub-
periostale Ablösung am Knochen bedeuten. Ziel ist stets die
Verlängerung einer Kapselbandstruktur.
Operationstechnik
Zugang: Der Standardzugang ist medial parapatellar (⊡ Abb. 5.22).
Seltener kommen Modifikationen wie der sog. Subvastus-Zu-
⊡ Abb. 5.22. Hautschnitt. a Median (leicht medial der Mittellinie) nie
gang oder ein lateraler parapatellarer Zugang mit oder ohne
über den höchsten Punkt von Tuberositas tibiae und Kniescheibe, da die temporäre Desinsertion der Tuberositas tibiae in Frage. Der
Narbe sonst beim Knien stört. b Lateral. Gestrichelte rote Linie: anterome- Zugang umfasst die Durchtrennung von Verwachsungen im
dialer Faszien/Kapselschnitt; gepunktete rote Linie: Subvastus-Zugang Gelenkraum, die oft zwischen Streckapparat und Kondylus
(Unterrand des Muskelbauches des M. vastus medialis). Kreuzchen-Linie: femoris lateralis und im oberen Gelenkrezessus ausgebildet
anterolateral. Dabei häufig Desinsertion der Tuberositas tibiae erforder-
sind. Er umfasst die Teilentfernung des Hoffa-Kniefettkörpers
lich. Die Markierungen am distalen Schnittende geben die übliche Länge
und die Schnittverlängerung an zur Sichtverbesserung und zur Volumenreduktion. Die Implan-
tate beanspruchen in der vorderen Kniekammer einen Teil des
Raumes, der zuvor für den Fettkörper zur Verfügung stand. Die
Restmenisken und das vordere Kreuzband werden ebenfalls
entfernt.
> Achtung 1. Assistent
Bei Gelenkeröffnung fließt zumeist reichlich Ergussflüssigkeit.
Diese sollte sofort abgesaugt und bei vorausgehenden Injek-
tionen ins Gelenk zur hygienischen Untersuchung eingesandt
werden. Beim Absetzen des Außenmeniskus dorsal des Pop-
liteusschlitzes durchtrennt der Operateur häufig ein kleines
Gefäßbündel, das kräftig nachbluten kann und deshalb ko-
aguliert werden muss.
5.6 · Bikondyläre Prothese und Totalprothese
111 5
Der Tibiakopf wird abhängig von der Beinachse in unter- gelenkseitige Fläche nach ventrolateral zeigt (⊡ Abb. 5.24). Bei
schiedlichem Ausmaß aus seinem Weichteilmantel ausgeschält gleichzeitiger Beugung und Außenrotation des Unterschenkels
(⊡ Abb. 5.23), was gleichzeitig die Übersicht verbessert und ei- bleibt die Kniescheibe in dieser Position und ist für die Zurich-
nem Release des medialen Bandapparates entspricht. tung von Femur und Tibia nicht im Wege.
Bei Varusgonarthrosen erleichtert die subperiostale Darstel-
lung des medialen Tibiakopfes die Entspannung der medialen > Achtung
Weichteile. Sie reicht in leichten Fällen bis zum Oberrand des Ein Abreißen des Lig. patellae von der Tuberositas kann in
Pes anserinus, kann diesen in schweren Fällen umfassen und dieser Phase vorkommen. Es ist eine ernste Komplikation.
schließlich auch einen Teil des Ansatzes des Lig. tibiale collate- Eine anatomisch korrekte und sichere Refixierung der Patel-
rale superficiale ablösen. Wichtig ist, dass sämtliche Weichteile larsehne ist technisch schwierig. Die Nachbehandlung wird
im Verbund abgelöst und die Schnittflächen beim Wundver- dadurch beeinträchtigt. Übergroße Spannung des Streck-
schluss wieder adaptiert werden. apparates beim Evertieren und Beugen und manchmal ein
Die Bursa infrapatellaris wird eröffnet oder bei Vernarbung deutliches Knackgeräusch beim beginnenden Abriß sind die
wieder eröffnet und damit das Lig. patellae bis zu seinem An- letzten Warnzeichen. Notfalls muss auf das Umklappen der
satz am Oberrand der Tuberositas tibiae mobilisiert. In Knie- Kniescheibe verzichtet und bei etwas weniger guter Über-
streckung lässt sich die Patella um 180° umklappen, sodass ihre sicht operiert werden.
⊡ Abb. 5.23. Ausschälen des Tibiakopfes. Subperiostale Darstellung des ⊡ Abb. 5.24. Übersichtliche Darstellung der Gelenkflächen. 1 Vordere
medialen Tibiakopfes. Etwa 4 cm distal der Gelenkfläche inserieren die Schublade; 2 Außenrotation; 3 Evertieren der Patella. Hohmann-Haken:
Sehnen des Pes anserinus. Etwa 8 cm distal der Geflenkfläche inseriert a und b halten die distale Femurepiphyse frei, c sitzt vor dem hinteren
das Lig. collaterale mediale. Diese Distanzen müssen beim medialen Kreuzband und schiebt das Tibiaplateau nach vorne, d hält den Streckap-
subperiostalen »Weichteil-Release« beachtet werden. Der Pes muss rein- parat zurück. Cave: Abriss des Lig. patellae (1); Verletzung neurovaskulä-
seriert werden, das Innenband sollte nicht vollständig abgelöst werden rer Strukturen der Kniekehle (2)
112 Kapitel 5 · Kniegelenk, distales Femur und proximale Tibia
> Achtung
Weniger das korrekte Zurechtsägen von Femur, Tibia und
Patella als vielmehr der wohldosierte Weichteilrelease ist die
technische Hürde der Operation. Die kontrakten Weichteile
müssen zwar verlängert werden, dürfen aber dabei ihre Kon-
tinuität nicht verlieren.
Danach wird auf 90° gebeugt und der Beugespalt überprüft. Nachbehandlung
Er sollte abhängig von der verwendeten Prothesenform gleich ▬ Lagerung anfänglich in Streckung
breit oder etwas breiter als der Streckspalt sein. Bei Achsen- ▬ Zunehmende Belastung des operierten Beines mit Wieder-
fehlstellung über 20° in der Frontalebene oder einer Streck- erlangung der muskulären Kontrolle. Nach 1 Woche sollten
hemmungen von mehr als 20° ist es häufig nicht möglich, das 90° Beugefähigkeit erreicht sein.
hintere Kreuzband zu erhalten und gleichzeitig Symmetrie von ▬ Laborkontrolle: Hb und CRP mehrfach postoperativ bis zur
Streck- und Beugespalt zu erzielen. Dann wird das hintere Normalisierung der CRP
Kreuzband entfernt und eine posterior stabilisierte Prothese ▬ Ziehen der Drains bei weniger als 30 ml Fördermenge pro
(PS-Prothese), die einen höheren Grad der Kopplung zwischen Tag, spätestens jedoch am 2. postoperativen Tag
Femur- und Tibiateil aufweist, eingebaut. Sind alle Bänder zer- ▬ Postoperative Röntgenkontrolle des Kniegelenks in 2 Ebe-
stört oder besteht eine extreme Kniefehlstellung ist anstelle der nen, am besten noch im Operationssaal
Gleitflächenersatzprothese (ungekoppelt oder teilgekoppelt)
5 die Totalendoprothese (gekoppelte Prothese) erforderlich, die Im Laufe der Nachbehandlung ist eine stationäre Rehabilitation
durch einen Gelenkmechanismus zwischen den Prothesenkom- zur Wiedererlangung der Gehfähigkeit üblich.
ponenten die tibiofemorale Stabilität auch ohne Bänder und
Kapsel gewährleistet
Postoperative Probleme
▬ Wundheilungsstörung, besonders bei vorbestehenden Nar-
ben am Knie
▬ Infektion, besonders bei postoperativer Hämatombildung
und/oder verlängerter Wundsekretion
▬ Lockerung der Verankerung am Knochen
▬ Verschleiß des Polyäthylens
5.7 · Monokondyläre Knieprothese
115 5
5.7 Monokondyläre Knieprothese beugbar sein. A.p. und streng seitliche Aufnahme sowie Patel-
latangentialaufnahme sind zur Planung der Knochenresektion
Indikation und der Prothesengröße sowie zur objektiven Beurteilung des
Die isolierte Varusgonarthrose ist die häufigste Indikation für Patellofemoralgelenks erforderlich. Werden zur Ausrichtung
die monokondyläre Knieprothese (Schlittenprothese, Mono- der Sägelehre die Achsen von Femur und Tibia benutzt, ist
schlitten). Bei Fehlen des vorderen Kreuzbandes, bei entzündli- eine Beinganzaufnahme a.p. nötig. Im Varus- und Valgussinne
chen Gelenkerkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis und gehaltene a.p. Aufnahmen sichern die Indikation: Während
bei erheblichem Übergewicht (BMI >30) ist der Monoschlitten die geschädigte Gelenkhälfte unter Kompression keinen oder
nicht indiziert. Die valgisierende Umstellungsosteotomie des nur noch einen Restgelenkspalt aufweist, bleibt die intakte
Tibiakopfes und die mediale monokondyläre Schlittenprothese Hälfte unter Kompression unverändert. Die Unversehrtheit der
werden beide zur Behandlung der medialen femorotibialen anderen Gelenkhälfte ist die wichtigste Voraussetzung für ein
Arthrose eingesetzt. Für Patienten, die älter als 60 Jahre sind, gutes und dauerhaftes Resultat. Der Zustand von Meniskus und
wird der Monoschlitten bevorzugt. Prothesen werden mit be- Gelenkknorpel in der intakten Gelenkhälfte sowie des Knorpels
weglichem und und mit fixiertem PE-Teil angeboten. Beide im Patellofemoralgelenk sollte präoperativ durch ein qualitativ
Designvarianten weisen Vor- und Nachteile auf. hochwertiges Kernspintomogramm beurteilt werden, falls kein
aktueller Arthroskopiebefund vorliegt.
Operationsprinzip Aufklärung
Die Gelenkflächen einer Tibiaplateauhälfte und des gegen- ▬ Infektion, Lockerung, Polyäthylenverschleiß.
überliegenden Femurkondylus werden ersetzt. Voraussetzung ▬ Zeigt sich intraoperativ ein unerwarteter Schaden in der
ist eine intakte andere Hälfte des femorotibialen Gelenks, ein »intakten« Gelenkhälfte, sollte der Operateur auf ein bikon-
asymptomatisches Patellofemoralgelenk und unversehrte Bän- dyläres Knie umsteigen. Diese Möglichkeit muss mit dem
der. Während das vordere Kreuzband beim Einbau der bikon- Patienten präoperativ erörtert werden.
dylären Prothese reseziert wird, ist seine Präsenz für ein ein- ▬ Eine Prothesenstandzeit von 10 Jahren kann in 85–95% der
wandfreies Funktionieren der monokondylären Prothese erfor- Fälle erwartet werden.
derlich. Kinematik und Bewegungsumfang eines Kniegelenks ▬ Der Verschleiß der gesunden Gelenkhälfte und/oder des
mit monokondylärer Prothese sind nahezu physiologisch. Die Patellofemoralgelenks kann zusätzlich zu den prothesenbe-
Ausrichtung der Prothesenkomponenten folgt einem anderen dingten Problemen die Reoperation erfordern. Dann ist der
Prinzip als bei der bikondylären Prothese: Die Tibiakompo- Wechsel auf eine bikondyläre Prothese angezeigt.
nente muss in der Frontal- und in der Sagittalebene parallel zur
unbeschädigten Gelenkhälfte orientiert werden. Die Femur-
komponente wird sowohl in Streckung als auch in 90°-Beugung
parallel zur Tibiakomponente ausgerichtet. Eine Korrektur von
Achsenfehlstellungen ist nur insoweit möglich, wie diese auf
Substanzverluste in der arthrotischen Gelenkhälfte zurückge-
hen, also bei der medialseitigen Arthrose eine Varusposition
oder bei der lateralseitigen Arthrose eine Valgusposition be-
stehen. Nach Einbau sollte die Belastungsachse des Beines im
Sinne einer Unterkorrektur leicht zur prothesenversorgten Ge-
lenkhälfte verschoben bleiben. Auf diese Weise wird die nicht
prothesenversorgte Hälfte entlastet und damit einer frühzei-
tigen Degeneration vorgebeugt. Dem Standardoperationsver-
fahren mit guter Übersicht-, aber größerer Operationswunde
stehen minimalinvasive Methoden mit kleinerer Inzision, aber
reduzierter Übersicht gegenüber.
Operationsvorbereitung:
Diagnostik und Planung
Bei der klinischen Untersuchung gilt der Bandstabilität und
dem Bewegungsumfang besonderes Interesse. Intakte Kreuz-
bänder und stabile Kollateralbänder sind erforderlich. Bei er-
heblicher Schädigung von Knorpel und Knochen kann eine
Defektinstabilität resultieren, die durch den Einbau des Mono-
schlittens beseitigt wird. In diesem Fall lässt sich die O-Bein-
oder X-Beinfehlstellung bei der Kollateralbandprüfung manuell
korrigieren. Das Knie sollte voll streckbar und mindestens 130°
116 Kapitel 5 · Kniegelenk, distales Femur und proximale Tibia
Im Operationssaal
Lagerung
Kap. 5.8
Operationstechnik
Zugang: Der Standardzugang ist sowohl für den medialen
als auch für den lateralen Monoschlitten medial parapatellar
mit medianem Hautschnitt (⊡ Abb. 5.31). Für den Einbau eines
medialen Schlittens wird die Patella nach lateral verschoben;
für den lateralen Schlitten muss sie zusätzlich evertiert werden.
Verwendung spezieller Retraktoren und intraoperative Bild-
wandlerkontrolle oder Navigation erlauben kürzere Zugänge
5 mit begrenzter Übersicht.
Falls keine Arthroskopie vorausging erfolgt nach der Ge-
lenkeröffnung die Inspektion und Palpation des Gelenkraumes.
Zur Beurteilung der lateralen Gelenkhälfte (medialer Mono-
schlitten) wird das Knie in die Viererposition gebracht, der
Hoffa-Kniefettkörper mit einem schmalen, langen Langenbeck-
Retraktor nach anterolateral weggehalten und das Operations-
licht in die Wunde gerichtet (⊡ Abb. 5.32). Gelenkknorpel und
Meniskus werden inspektorisch und mit dem Tasthaken be-
urteilt. Bei Verwendung der Zugänge b oder c (⊡ Abb. 5.31) ist
dieser Schritt durch die vorgängige Arthroskopie zu ersetzen.
Mit der oszillierenden Säge (S1) und Stichsäge (S2) wird das
Tibiaplateau reseziert.
> Achtung 1. Assistent
Für die Resektion muss das Innenband durch einen Haken
auf Höhe des Sägeschnittes geschützt werden. Dieser Haken
darf nicht verrutschen. Das Knie muss während des Sägevor-
ganges sicher und ruhig fixiert werden, ohne dass dadurch
Druck in der Kniekehle ausgeübt wird, der die neurovaskulä- ⊡ Abb. 5.33. Sägelehre ausgerichtet zur medialseitigen tibialen Re-
ren Strukturen nach ventral gelenkwärts in die Gefahrenzone sektion (Röntgenkontrolle). t Tangente an die Oberfläche des Gelenk-
brächte (⊡ Abb. 5.34). Der Abstand beträgt – unabhängig von knorpels des intakten Kompartimentes; g Gerade, die die subchondrale
Sklerosezone annähert, wichtig für die Ausrichtung am Röntgenbild; S1
der Beugestellung – 5–6 mm zwischen hinterer Tibiakante
horizontale Resektionslinie; S2 vertikale Resektionslinie, Sägeschnitt darf
und A. poplitea. vordere Kreuzbandinsertion nicht verletzen; a Resektionshöhe entspre-
chend der Dicke der tibialen Prothesenkomponente (bei den meisten
Systemen beginnend mit 8 mm und bis 16 mm für tiefgreifende Schäden
am Plateau. Das Insert zeigt, dass bei einer Deformität der Tibia die Aus-
richtung der Sägelehre nicht an der mechanischen Tibiaachse, sondern
ausschließlich an der Tangente t erfolgen darf
⊡ Abb. 5.36. Durch die Sägeschnitte S4 und S5 wird die Form der Kondyle
der Form der Prothesenrückfläche angepasst. Hellgrau: Femorale Kompo-
nente der Schlittenprothese. Dunkelgrau: Resektion mediales Tibiaplateau
Postoperativ
Probleme
Wie in Kap. 5.6 beschrieben. Der kleinere operative Zugang,
die geringere Knochenresektion und die weniger ausgeprägte
Gelenkschädigung präoperativ führen dazu, dass sich der Pa-
tient bei geringeren Beschwerden schneller erholt als nach
bikondylärer Prothese. Probleme treten seltener auf.
Nachbehandlung
Wie in Kap. 5.6 beschrieben. Die 90°-Beugung sollte bereits ⊡ Abb. 5.38a–d. Fehlermöglichkeiten beim Einbau einer medialen mo-
nokondylären Knieprothese. a Tibiale und femorale Komponenten sind
nach 3–4 Tagen erreicht sein. nicht parallel. b Der Prothesenaufbau ist zu hoch. Aus dem O-Bein wird
ein X-Bein. c Der Beugespalt ist dorsal zu eng, da die Dorsalneigung des
Tibiaplateaus nicht berücksichtigt wurde. d Ein Überstand der medialen
Literatur Kondyle (rot) verhindert die tiefe Beugung
Reichel H (2005) Alloarthroplastik. In: Wirth CJ, Zichner L (Hrsg.) Orthopädie
und Orthopädische Chirurgie, Bd. Knie (Hrsg. D. Kohn). Thieme, Stuttgart,
S. 409–434
120 Kapitel 5 · Kniegelenk, distales Femur und proximale Tibia
Operationsvorbereitung
Aufklärung
▬ Beim Aufklärungsgespräch ist die Indikation zur Osteo-
tomie gegen die zur monokondylären Schlittenprothese
( Kap. 5.7) abzugrenzen.
▬ Vollbelastung im Alltag nach etwa 8 Wochen möglich.
▬ Durchbau der Osteotomie dauert je nach Aufklappwinkel ⊡ Abb. 5.40. Beurteilung des Gelenkspaltes am a.p. Röntgenbild unter
bis zu 18 Monate. Belastung. Bezeichnung der Tangenten wie auf ⊡ Abb. 5.39. Bei ein-
▬ Metallentfernung nach Durchbau, falls die Implantate als seitigen Gelenkschäden konvergieren die Tangenten und bilden einen
störend empfunden werden. Winkel γ
▬ Zwar ist von einer Besserung der präoperativen Kniebe-
schwerden und der Funktion auszugehen, aber in vielen
Fällen verbleiben leichte Restbeschwerden auch nach Aus-
heilung der Osteotomie.
▬ Bei großen Korrekturwinkeln Notwendigkeit zur Trans-
plantation autologer Beckenkammspongiosa.
▬ Hämatombildung durch Blutung aus den Osteotomieflä-
chen
▬ Verzögerter Durchbau der Osteotomie und Notwendigkeit
zur Reoperation mit Spongiosaplastik
Im Operationssaal
Lagerung
Rückenlage. Gesäß auf der Operationsseite so unterlegt, dass
die Kniescheibe zur Decke zeigt. Durchleuchtungsmöglichkeit
für Hüft-, Knie- und Sprunggelenk. Unsteriles Durchleuchten
und Markierung des Hüftkopfmittelpunktes auf der Haut mit-
tels EKG-Elektrode, die später durch die Abdeckungstücher
hindurch tastbar sein muss. Oberschenkelblutsperre angelegt,
aber nicht aufgeblasen. Knie- und Hüftgelenk frei beweglich.
Am 90° gebeugten Kniegelenk erfolgt der Hautschnitt
(⊡ Abb. 5.42, gestrichelt). Er beginnt 1 cm unterhalb des Ge-
lenkspaltes über dem dorsomedialen Tibiakopf, verläuft schräg
5 nach distal zur Tuberositas, schwingt nach distal um und
verläuft weiter 1 cm dorsal der vorderen Tibiakante auf 4 cm
Länge nach distal. Innenband, R. infrapatellaris/N. sapheni und
Pes anserinus werden geschont. Die Retinakulumschicht wird
⊡ Abb. 5.42. Hautschnitt (gestrichelte Linie) und Inzision des Periostes durch Bildung kleiner subkutaner Lappen von der Vorderkante
(gepunktete Linie) zur valgisierenden, aufklappenden Tibiakopfos- des Innenbandes bis zur medialen Kante des Lig. patellae und
teotomie nach distal je nach Größe des geplanten Implantates dargestellt.
Dann erfolgt die Eröffnung der Bursa infrapatellaris und die
Inzision des Periosts (⊡ Abb. 5.42, gepunktete Linie).
Nachbehandlung
Beginn mit Bewegungsübungen und 20 kg Teilbelastung am
⊡ Abb. 5.46. Röntgenologische Kontrolle der Traglinie nach Osteoto-
mie und Halten der Breite des Osteotomiespaltes mit dem Spreizer.
1. postoperativen Tag. Nach 6 Wochen Röntgenkontrolle. Bei
Bei korrekter Weite des Osteotomiespaltes verläuft die Projektion des unveränderter Position von tibialem Knochen und Implantat
röntgendichten Diathermiekabels über der Mitte von Hüftkopf und obe- im Vergleich zur postoperativen Aufnahme, darf beschwer-
rem Sprunggelenk sowie etwas lateral der Kniegelenkmitte deabhängig aufbelastet werden. Volle sportliche Belastung ist
allerdings erst nach Durchbau des Osteotomiespaltes zu emp-
fehlen.
Probleme
Bei Aufklappwinkeln >8° kommt es meist zum Bruch der
lateralen Kortikalisbrücke. Implantate mit winkelstabiler Plat-
ten-Schrauben-Verbindung erlauben auch in diesem Fall eine
stabile Osteosynthese. Nachblutungen aus den größeren spon-
giösen Knochenoberflächen führen möglicherweise zu großen
revisionsbedürftigen Hämatomen in den Weichteilen der Wade.
Arbeiten ohne Blutsperre, Abdecken des medialseitigen Korti-
kalisdefekts mit hämostiptischem Kollagenvlies und Einlegen
einer Überlaufdrainage werden als prophylaktische Maßnah-
men empfohlen.
Literatur
Lobenhoffer P, Agneskircher JD, Galla M (2007) Kniegelenknahe Osteotomien.
Thieme, Stuttgart, 2007
Paley D, Tetsworth K (1992) Mechanical axis deviation of the lower limbs –
preoperative planning of uniapical angular deformities of the tibia or the
femur. Clin Orthop 280:48–64
⊡ Abb. 5.47. Stabilisierung der Osteotomie durch einen winkelstabi-
len Plattenfixateur. Die Länge des Implantates garantiert auch in der
sagittalen Ebene eine einwandfreie Stabilität
5.9 · Suprakondyläre Femurosteotomie, varisierend
125 5
5.9 Suprakondyläre Femurosteotomie, varisierend Größe und Lage des Resektionskeiles werden genau vorgeplant.
Der Grundriss des Keiles entspricht einem gleichschenkligen,
Indikation spitzwinkligen Dreieck, dessen Spitze auf den Epikondylus
Beginnende bis mäßige laterale femorotibiale Arthrose (Grad femoris lateralis zeigt. Eine 6-Loch-AO-Halbrohrplatte wird
III, Kap. 5.8) im mittleren Lebensalter bei Genu valgum mit am Femurmodell unsteril vorgeformt. Eine Plattenhälfte wird
Lokalisation der Fehlstellung im distalen Femur. mit dem Hammer flach geklopft. Dies ist die »Plattenklinge«.
Schweres, kosmetisch entstellendes Genu valgum nach Ab- Durch das 3. Loch wird die Platte rechtwinklig gebogen und
schluss des Knochenwachstums mit Lokalisation der Fehlstel- dann die Kontur des gewölbten Teils der des distalen medialen
lung am distalen Femur. Femur am Modell eines normalen Femur angepasst. Intraope-
Der Eingriff sollte nicht bei symptomatischer Retropatel- rativ sind auf diese Weise nur noch kleine Korrekturen der
lararthrose, Schäden im medialen tibiofemoralen Gelenk, Os- Plattenform nötig. Das so vorbereitete Implantat wird verpackt
teoporose, starken Rauchern und einem Lebensalter über 60 und sterilisiert.
Jahren durchgeführt werden.
Operationsprinzip
Entnahme eines schrägen, medialbasigen kortikospongiösen
Keiles aus der distalen Femurmetaphyse unter Erhalt einer la-
teralen Knochenbrücke von 5 mm Breite. Approximierung der
Knochenflächen und Kompressionsosteosynthese mit Halb-
rohr-Klingenplatte und 1–2 Zugschrauben.
Operationsvorbereitung
Aufklärung
▬ Verzögerte Knochenheilung mit Notwendigkeit einer Reos-
teosynthese und autologer Spongiosaplastik
▬ Besserung aber in vielen Fällen keine Beseitigung der vor-
bestehenden Arthrosebeschwerden
▬ Letztendlich Fortschreiten der Arthrose mit Beteiligung
auch der medialen und retropatellaren Gelenkanteile nach
5–10 Jahren
▬ Metallentfernung nach 1–2 Jahren, falls das Material als
störend empfunden wird
▬ Teilbelastung und abnehmbarer Tutor für 8 Wochen
Im Operationssaal
Lagerung
Wie zur Tibiakopfosteotomie, aber ohne Blutsperre.
10 cm langer Hautschnitt an der Oberschenkelinnenseite,
beginnend über dem Epicondylus femoris medialis. Spalten der
Faszie über dem M. vastus medialis im gesamten Hautschnitt-
verlauf (⊡ Abb. 5.48). Stumpfes Abschieben des Muskelbauches
vom Knochen und vom Septum intermusculare mediale nach
ventral. Dabei müssen einige Ästchen der Arteria descendens
genicularis, die von dorsal kommend in den Muskelbauch
ziehen, unterbunden und durchtrennt werden. Ein Hohmann-
Hebel wird frühzeitig knapp oberhalb des Recessus superior
5 des Kniegelenks ventral um das Femur geführt und damit die
medialen und ventralen Anteile der Vastusgruppe angehoben.
Spalten des Periostes im mittleren Drittel des Zuganges parallel
zum Femurverlauf und ausgehend von diesem Schnitt subpe-
riostale Darstellung des Femurs medial, dorsal und ventral im
Bereich der geplanten Osteotomie. Schließlich wird auch dorsal
subperiostal ein Hohmann-Hebel eingesetzt.
Aus röntgendichtem Material, wie z. B. der Verpackungs-
⊡ Abb. 5.48. Subperiostale Freilegung des distalen Femur. Muskel- folie von Fäden, wird ein Dreieck geschnitten, das dem Umriss
bauch des M. vastus medialis angehoben. Kleine von dorsal kommende
des geplanten Keils entspricht. Diese Röntgenschablone wird
Gefäße werden unterbunden. Darstellung eines rechten Beins
auf die Vorderseite des Femur aufgelegt und dann exakt a.p.
durchleuchtet. Sobald die Lage der Schablone mit der Position
des Dreiecks auf der Planzeichnung übereinstimmt, werden pa-
rallel zu seinen beiden Seiten 2 Kirschner-Drähte gebohrt, die
als Führung für die oszillierende Säge dienen. Parallel zum di-
stalen Draht wird ein 3. Kirschner-Draht im geplanten Verlauf
der Plattenklinge gebohrt (⊡ Abb. 5.49).
Die Osteotomien erfolgen entlang dieser Drähte und unter
wiederholter a.p. Röntgenkontrolle am gestreckten Kniegelenk,
wobei zunächst die vorderen 2/3 des Femur unter guter Sicht
auf das Sägeblatt durchtrennt werden und dann geführt durch
diese Sägeschlitze in Beugung und unter Schutz der dorsa-
len Weichteile durch den dorsalen Hohmann-Hebel die harte
hintere Kortikalis durchsägt wird. Auf eine ventral und dorsal
gleich hohe Keilbasis ist zu achten, um keinen unerwünschten
Extensions- oder Flexionseffekt zu erzeugen.
Probleme
Durchtrennung oder Brechen der lateralen Knochenbrücke. Literatur
Beim jungen Erwachsenen gibt das intakte Periost meist soviel Stähelin T, Hardegger F, Ward J-C (2000) Supracondylar osteotomy of the
femur with use of compression. JBJS 82-A:712–722
Stabilität, dass die Operation ohne Modifikation weitergeführt
werden kann. Beim älteren Arthrosepatienten sollte der Kon-
dylus lateralis über einen kurzen Längsschnitt dargestellt und
eine zusätzliche laterale Stabilisierung der Osteotomie mit zwei
Knochenklammern erfolgen.
»Versägen« des Keils. Bei zu sparsamer Knochenentnahme
kann nachgebessert werden. Bei aggressiven Sägefehlern mit
Entnahme eines zu großen oder unförmigen Keiles muss das
spongiöse Material aus dem entnommenen Keil wieder an-
gelagert werden. Die Osteosynthese soll in diesen Fällen eine
hohe Stabilität gewährleisten und muss durch den Erfahrenen
mittels Plattenfixateur oder nach Standard-AO-Technik mit der
rechtwinkligen Klingenplatte erfolgen. Auf die dem beschriebe-
nen Verfahren inhärente knöcherne Stabilität darf nicht mehr
vertraut werden.
Nachbehandlung
Übungsstabile Osteosynthese. Aktive Bewegungsübungen mit
Erreichen der vollen Kniebeweglichkeit innerhalb von 2 Wo-
chen. Während dieser Zeit Entlastung. Nach Abschluss der
Wundheilung Anpassen eines abnehmbaren Tutors in Streck-
stellung. Im Tutor für weitere 6 Wochen Teilbelastung mit
20 kg. Der Tutor darf zur Nacht abgelegt werden. Nach 8 Wo-
chen Röntgenkontrolle und Aufbelastung.
128 Kapitel 5 · Kniegelenk, distales Femur und proximale Tibia
Indikation
Rezidivierende Patellaluxation oder -subluxation bei patho-
logisch vergrößerter TT–TG-Distanz (»tibial tuberosity« –
»trochlear groove«) im CT (⊡ Abb. 5.51). Dabei kann gleichzei-
tig ein Patellahochstand durch Distalversetzung der Tuberositas
korrigiert werden. Die lateralisierte Kniescheibe im Rahmen
einer Retropatellararthrose ist pathogenetisch anders zu sehen.
Eine isolierte Medialisierung der Tuberositas ist zu ihrer Be-
handlung nicht geeignet.
Operationsvorbereitung
Diagnostik und Planung
Die Patienten beschreiben wiederholte Subluxationen oder Lu-
xationen ihrer Kniescheibe. Es handelt sich typischerweise um
junge Erwachsene. Wichtigstes Zeichen bei der klinischen Un-
tersuchung ist das bei aktiver Beugung und Streckung auftre-
tende J-Zeichen, das ein abruptes Verschieben der Kniescheibe
von lateral nach medial beim Übergang von der Streckung in
die Kniebeugung beschreibt. Auf der seitlichen Aufnahme des
Kniegelenks bei 90°-Beugung wird die Höhe der Kniescheibe
bestimmt: Normalerweise berührt ihr kranialer Pol eine an die
ventrale Femurkortikalis gelegte Tangente.
Das CT des Kniegelenks erlaubt die genaue Vermessung
der Relation von Trochlea femoris und Tuberositas tibiae
(⊡ Abb. 5.51). Ist diese Relation normal, ist eine weichteilige
proximale Korrektur erforderlich; ist sie pathologisch, besteht
die Indikation zur Medialisierung der Tuberositas. Ergänzend
zu den genannten Untersuchungen sollten eine a.p. Aufnahme
des Kniegelenks und eine Tangentialaufnahme der Kniescheibe
bei 45°-Kniebeugung durchgeführt werden.
Die selten erforderliche operative Korrektur einer schweren
Trochleadysplasie sprengt den Rahmen dieses Buches.
Aufklärung
▬ Rezidiv der Subluxation mit Notwendigkeit einer Nachope-
ration
▬ Intraoperative Fraktur der Tuberositas mit Notwendigkeit
zur Verwendung zusätzlicher Schrauben
▬ Metallentfernung; insbesondere bei schlanken Personen
stören die Schraubenköpfe an der Tuberositas
5.10 · Medialisierung der Tuberositas tibiae
129 5
Im Operationssaal
Lagerung
Rückenlage. Weit proximal liegende Oberschenkelblutsperre in
Bereitschaft. Gesäß auf der zu operierenden Seite unterlegt, so
dass die Kniescheibe zur Decke zeigt, frei beweglich abgedeck-
tes Bein.
Operationstechnik
8 cm langer Hautschnitt, beginnend in Höhe der Patellaspitze
und längs des lateralen Randes des Ligamentum patellae ge-
rade nach distal auf der Vorderaußenseite des Unterschenkels
neben der Tuberositas tibiae verlaufend. Eröffnung der Bursa
infrapatellaris lateral des Ligamentum patellae und Inzision
längs der Lateralkante des Ligamentes auf 3 cm Länge in
Richtung Patella (⊡ Abb. 5.52). Inzision in Verlängerung des ⊡ Abb. 5.52. Darstellung der Tuberositas tibiae und des Ansatzes des
lateralen Randes des Ligamentum patellae durch die Fascia Lig. patellae von lateral
propria und die ventralsten Fasern des M. tibialis anterior bis
auf den Knochen der Lateralseite der Tuberositas. Das Skalpell
wird hierbei in der Frontalebene geführt. Mit dem Raspato-
rium wird die vordere Hälfte der Facies lateralis tibiae durch
Abschieben des M. tibialis anterior auf 5 cm nach distal frei
gelegt. Ein subkutaner Hautlappen wird über die Tuberositas
nach medial entwickelt, so dass die gesamte Tuberositas tibiae
zugänglich ist.
Die Osteotomie erfolgt auf 5 cm Länge nach distal, in
Richtung der Tibiavorderkante, flach auslaufend, proximal mit
einer 5 mm breiten horizontalen Stufe (⊡ Abb. 5.53). Dabei
wird die Stufe unter Weghalten des Ligamentum patellae nach
vorne mit einem 6 mm breiten Lambotte-Meißel in laterome-
dialer Richtung angelegt. Die Osteotomie in der Frontalebene
erfolgt mit der oszillierenden Säge. Idealerweise resultiert ein
Tuberositassegment von 5 cm Länge und knapp 1 cm maxima-
ler Dicke (⊡ Abb. 5.54)
Probleme
Übermäßige Medialisierung ohne intraoperative Kontrolle.
Hier droht die mediale Subluxation der Kniescheibe die stets
iatrogen ist. Kommt es trotz einer Versetzung um den vorbe-
rechneten Millimeterbetrag weiterhin zu Störungen der patel-
lotrochlearen Artikulation, kann deren Ursache nicht durch
übermäßige Medialisierung, sondern muss vielmehr durch eine
Korrektur anderer Instabilitätskomponenten also durch Spal-
tung des lateralen Retinakulum, mediale Raffung, Rekonstruk-
tion des medialen patellofemoralen Ligamentes oder Trochlea-
plastik behoben werden.
Nachbehandlung
Sohlenkontakt für 6 postoperative Wochen. Nach Wundhei-
lung Anmodellieren eines abnehmbaren Oberschenkeltutors in
15°-Beugung. Tägliche Krankengymnastik mit Streckung und
Beugung bis zu 70° in den ersten 4 Wochen, bis zu 90° in der 5.
⊡ Abb. 5.56. Kompressionsosteosynthese mit 2 Zugschrauben, die in und 6. Woche. Metallentfernung nach röntgenologischer Kon-
der dorsalen Kortikalis der Tibia Halt finden müssen solidierung der Tuberositas, frühestens nach 6 Monaten.
Literatur
Biedert RM (2004) Patello femoral disorders. John Wiley, Westsussex
6
Fuß
a b
⊡ Abb. 6.2a,b. Anatomie und Portale zum oberen Sprunggelenk. a Anterolaterales und anteromediales Portal, b posterolaterales Portal
134 Kapitel 6 · Fuß
⊡ Abb. 6.4. Inspektion von hinterer Kammer, lateralem talomalleolärem Gelenk und lateralem Anteil der Trochlea tali. Das Arthroskop befindet
sich im anteromedialen Portal. Die Inserts zeigen den arthroskopischen Situs in der dorsolateralen Gelenkkammer (rechts) und das laterale talo-
malleoläre Gelenk (links). Dieser Teil der Untersuchung erfolgt unter Zug am Fuß zur Distraktion des Gelenks. Eine durch das posterolaterale Portal
eingestochene Kanüle perforiert das posteriore intermalleoläre Ligament, einen Verstärkungszug der dorsalen Gelenkkapsel (Insert)
136 Kapitel 6 · Fuß
6 Operationsvorbereitung Im Operationssaal
Diagnostik und Planung Lagerung
Anamnestisch sind wiederholte Supinationstraumen ohne we- Rückenlage. Gesäß auf der zu operierenden Seite unterlegt.
sentliche Schwell- und Schmerzzustände sowie die Klage über Becken gegenseitig abgestützt. Tisch zur Gegenseite gekippt.
»fehlenden Halt« und häufiges »Umknicken« charakteristisch. Der Fuß soll in leichter Innenrotation auf einer Tuchrolle liegen
Klinisch finden sich bei Läsion des Lig. fibulotalare anterius mit freier Zugangsmöglichkeit zum Außenknöchel und zur
eine vermehrte vordere Schubladenbewegung des Fußes ge- Lateralfläche des Fersenbeins. Oberschenkelblutsperre. Die Ab-
genüber der Knöchelgabel sowie ein Einsinken der Haut über deckung endet unterhalb des Kniegelenks. Vorfuß und Zehen
dem Bandverlauf bei vorderer Schublade (»Dimple-Zeichen«; sind mit einem Handschuh überzogen.
der Ausdruck beschreibt eine Delle in der Haut, die der Delle
in der Flasche der gleichnamigen Whiskymarke gleicht). Bei Operationstechnik
zusätzlicher Läsion des Lig. fibulocalcaneare findet sich zu- Viertelskreisförmiger Hautschnitt vor und unter dem Außen-
dem eine vermehrte lateralseitige Aufklappbarkeit des obe- knöchel unter Schonung von N. suralis und des lateralen Astes
ren Sprunggelenks. Die überdehnten Peronäalsehnen können des N. cutaneus dorsalis intermedius (⊡ Abb. 6.5). Eröffnung
druckschmerzhaft sein. Eine habituelle Peronäalsehnenluxation der Peronäalsehnenscheide und Beiseitehalten der Sehne mit
ist differenzialdiagnostisch abzugrenzen. Gehaltene Röntgen- einem stumpfen Haken. Präparation der der elongierten Liga-
aufnahmen beider oberer Sprunggelenke in a.p. und seitlicher menta fibulocalcaneare und fibulotalare anterius.
Nachbehandlung
Nach Abschwellung Sprunggelenkorthese zur Vermeidung von
Supinationsbewegungen für 6 postoperative Wochen. Diese Or-
these muss permanent getragen werden. Auch bei Wiederauf-
nahme der sportlichen Tätigkeit ist die Orthese zu tragen. Dies
gilt für insgesamt 6 postoperative Monate.
Literatur
Karlsson J et al. (1997) Comparison of two anatomic reconstructions for chro-
nic lateral instability of the ankle joint. Am J Sports Med 25:48–53
⊡ Abb. 6.7. Nach Knüpfen der Fäden sind die Bänder gespannt und
gedoppelt
138 Kapitel 6 · Fuß
6.3 Chevron-Osteotomie
Indikation
Therapieresistente Beschwerden über der Pseudoexostose bei
Hallux valgus. Zunehmende Varusfehlstellung der Großzehe
mit daraus resultierenden Kleinzehendeformitäten und Schuh-
druckproblemen. Dies sind die allgemeinen Indikationen zum
operativen Eingriff beim Hallux valgus.
6 Die Chevron-Osteotomie im Speziellen wird eingesetzt bei
leichten bis mittelschweren Deformitäten mit Hallux-valgus-
Winkeln von weniger als 40° und einem Intermetatarsalwinkel
I–II von unter 15° (⊡ Abb. 6.8). Eine Altersbegrenzung gibt es
nicht.
Operationsprinzip
Abtragung der Pseudoexostose. V-förmige Osteotomie des Me-
tatarsaleköpfchens und Verschiebung desselben um 5 mm nach
lateral. (Der Ausdruck »Chevron« kommt aus dem Franzö-
sischen und bezeichnet ein V-förmiges Uniformabzeichen.)
Fixierung mit einer Schraube. Abtragung des medial überste-
henden Knochens und Raffung der medialen Kapsel-Periost-
Lamellen unter Reposition der Sesambeine unter das Metatar-
saleköpfchen.
Operationsvorbereitung
Diagnostik und Planung
Untersuchung des Fußes: Da es sich bei der Osteotomie um
einen extraartikulären Eingriff handelt, werden gelenkbedingte
Schmerzen nicht beeinflusst. Besonders wichtig ist daher die
Unterscheidung von Beschwerden, die von der Pseudoexostose
hervorgerufen werden, von artikulären Schmerzen.
Röntgenaufnahmen d.p. und seitlich unter Belastung
(⊡ Abb. 6.8). Die Achsen des 1. und des 2. Os metatarsale und
die Achse der Grundphalanx werden eingezeichnet. Sie schlie-
ßen den Intermetatarsalwinkel α (Normalwert: <10°) und den
Hallux-valgus-Winkel β (Normalwert: 8–20°) ein. Verbindet
man die mediale mit der lateralen Ecke der Gelenkfläche durch
eine Gerade, bildet diese Gelenkbasislinie mit einer senkrechten
auf der Os-metatarsale-I-Achse den nach medial offenen Meta-
tarsale-Gelenkflächenwinkel γ (Normalwert: <10°). Außer den
genannten Winkeln ist die Relation der Sesambeine zum Meta-
tarsale-I-Köpfchen ein wichtiger Parameter: Bei zunehmender
Hallux-valgus Fehlstellung disloziert das Metatarsaleköpfchen
in Relation zu den unverändert stehenden Sesambeinen nach
medial. Auf der seitlichen Aufnahme wird nach Arthrosezei-
⊡ Abb. 6.8. Messlinien auf der d.p. Belastungsaufnahme. a Achse Me-
tatarsale I, b Achse Metatarsale II, c Achse Grundphalanx I, d Gelenkbasis- chen im Großzehengrundgelenk, insbesondere nach dorsalen
linie, α Intermetatarsalwinkel I–II, β Hallux-valgus-Winkel, γ Metatarsale- Osteophyten am Metatarsaleköpfchen gesucht.
gelenkflächenwinkel
6.3 · Chevron-Osteotomie
139 6
Aufklärung
▬ Rezidiv
▬ Pseudarthrose
▬ Osteonekrose des Metatarsaleköpfchens
▬ Notwendigkeit zur Metallentfernung
▬ Einlagenversorgung bei Pes transversus auch postoperativ
erforderlich
Operationstechnik
Hautschnitt von der Mitte der Grundphalanx über die Pseu-
doexostose bis zur Mitte des Os Metatarsale I (⊡ Abb. 6.9). Bil-
dung eines 10 mm breiten Hautlappens in Richtung Fußsohle.
Durchtrennung von Periost und Gelenkkapsel parallel zum
Hautschnitt aber 5 mm fußsohlenwärts versetzt.
Subperiostale Darstellung der Pseudoexostose und der
subkapitalen Region des 1. Metatarsale. Einsetzen zweier klei-
ner spitzer Hohmann-Retraktoren subkapital und subperios-
tal und zweier scharfer Zweizinkerhaken in die Gelenkkapsel
(⊡ Abb. 6.10).
Die Pseudoexostose wird mit der oszillierenden Säge in
dorsoplantarer Richtung abgetragen. Die Ebene des Sägeschnit-
tes liegt senkrecht zur Gelenkbasislinie und damit nahezu
parallel zum medialen Fußrand. Nun wird ein 2-mm-Bohrloch
längs des Schnittverlaufs der beiden Osteotomieebenen ange- ⊡ Abb. 6.10. Subperiostale Darstellung der Exostose und Gelenk-
legt (⊡ Abb. 6.11). Es verläuft senkrecht zur Achse des Metatar- eröffnung
sale und streng medio-lateral. Der Anfänger sollte die Lage der
Bohrspindel intraoperativ mit dem Bildwandler kontrollieren.
Probleme
▬ Nekrose des Metatarsaleköpfchens. Wahrscheinlich wird
diese durch eine zusätzliche Weichteildissektion auf der
Lateralseite des Metatarsalknochens begünstigt, die folglich
unterbleiben sollte.
▬ Insuffizientes Korrekturergebnis bei Erweiterung der Indi-
kation auf schwere Hallux-valgus Fehlstellungen (s. o.)
▬ Schwellneigung des Fußes bis zu 6 Monate
⊡ Abb. 6.13. Verschiebung des distalen Segmentes durch Fingerdruck
nach lateral unter Gegenhalt am proximalen Segment mit einer Back-
haus-Klemme. Abschließend Resektion des Überstandes am proximalen
Segment
Operationsprinzip
Osteotomie der Grundphalanx proximal des Köpfchens und
senkrecht zur Schaftachse. Temporäre Stabilisierung mit einem
axialen Kirschner-Draht.
Operationsvorbereitung
Aufklärung
▬ Temporäre Drahtfixierung für 2 Wochen
▬ Schwellneigung der Zehe bis zu 6 Monaten
Im Operationssaal
Lagerung
Rückenlage. Abdeckung bis zur Knöchelgegend. Abdecken der
nicht zu operierenden Zehen z. B. durch Überstülpen abge-
schnittener Handschuhfinger. Eingriff in Leitungsanästhesie
oder Kurznarkose. Bildwandlerkontrolle am Operationsende
vorbereiten.
Operationstechnik
Querer Hautschnitt 2 mm proximal der Falten des PIP. Falls
sich ein Clavus über dem Gelenk ausgebildet hat, wird dieser
spindelförmig umschnitten und entfernt. Der Hautschnitt um-
fasst die ganze Breite der Zehe. In den Ecken dürfen die Gefäß-
nervenbündel nicht verletzt werden. Aufhalten mittels zweier
Haltefäden (Prolene, 0 USP). Längsspalten der Strecksehne und
6 der Kapsel und damit Gelenkeröffnung. Die Zehe wird im PIP
kräftig flektiert und die Kondylen damit aus der Wunde heraus-
⊡ Abb. 6.15. Subkapitale Osteotomie des Köpfchens der Zehengrund-
phalanx. Die Hautwunde wird in proximodistaler Richtung durch Halte- gedrückt. Auspräparieren der Kondylen mit dem Skalpell Gr.
fäden aufgehalten. Die beiden Haken drängen den längs gespaltenen 15 (⊡ Abb. 6.15).
Streckapparat jeweils hälftig nach medial und lateral ab Die Kondylen werden mit einer Backhaus-Klemme gefasst.
Die Haut wird samt der Weichteile mit 2 kleinen Hohmann-
Retraktoren nach medial und lateral abgedrängt und geschützt.
Die Osteotomie erfolgt mit der oszillierenden Säge. Dabei ist
zu beachten, dass das kleine Kondylenmassiv beugeseitig etwas
weiter nach proximal reicht als streckseitig. Nach Entfernung
der Kondylen und bei leichtem axialem Zug am Zehenendglied
soll zwischen der Basis der mittleren Phalanx und der Osteoto-
miefläche ein Spalt von ca. 5-mm klaffen.
Ein 1,0-mm-Kirschner-Draht wird in die Mitte der Basis
der Mittelphalanx eingebohrt. Er soll axial durch Mittel- und
Endphalanx verlaufen (⊡ Abb. 6.16).
⊡ Abb. 6.16. Mittel- und Endphalanx werden mit einem K-Draht durch-
bohrt
6.4 · Kondylenresektion nach Hohmann
143 6
Die Bohrmaschine wird auf das andere Drahtende umge-
spannt und das nun freie Drahtende mit dem Seitenschneider
schräg abgeschnitten. Dieses angeschärfte Ende wird in die
Osteotomiefläche eingedrückt und zunächst von Hand und
dann mit der langsam drehenden Maschine in die Grund-
gliedbasis vorgeschoben und dort verankert (⊡ Abb. 6.17). Bei
schlechter Knochenqualität ist auch ein zusätzliches Einbohren
in das Köpfchen des Os metatarsale mit temporärer Transfixie-
rung des Metatarsophalangealgelenks möglich. Kontrolle der
Position des Drahtes mit dem Bildverstärker in zwei Ebenen.
Das aus der Zehenkuppe hervorstehende Drahtende wird auf
2 cm gekürzt und umgebogen. Verschluss von Gelenkkapsel
und Strecksehne mit dünnen resorbierbaren Nähten. Haut-
verschluss mit 2–4 Einzelknopfnähten. Einlegen ausgezogener
Mullkompressen in die Zehenzwischenräume, Abdecken der
Operationswunde mit einer gefalteten kleinen Kompresse und
Wicklung des Vorfußes mit einer schmalen elastischen Binde
unter leichter Kompression.
Nachbehandlung
Sofortige Belastung im Verbandsschuh. Für 3–5 Tage gelockerte
Bettruhe und Hochlagerung des Fußes. Nichtsteroidale Anti-
phlogistika. Entfernung des Drahtes ohne Narkose im Gips-
raum nach 2 Wochen.
⊡ Abb. 6.17. Nach Umspannen des Bohrfutters auf das distale Draht-
ende wird dieses durch die Osteotomiefläche in die Grundphalanx
gebohrt
Literatur
Fuhrmann RA, Roth A (1998) Kleinzehendeformitäten: Kondylenresektion
an Grund- und Mittelphalanx. In: Wülker N, Stephens M, Cracchiolo A III
(Hrsg.) Operationsatlas Fuß und Sprunggelenk. Enke, Stuttgart, S. 77–84
II
⊡ Abb. 7.1. Lagerung und Abdeckung zur Venae sectio der V. sa-
phena magna am distalen Unterschenkel. Der Patient verbleibt auf
der Schockraumtrage, das Bein wird steril abgewaschen und der distale
Unterschenkel mit sterilen Tüchern abgedeckt. Die sterilen Instrumente
sind idealerweise in einem Set vorgepackt und können direkt auf einem
kleinen Instrumententisch geöffnet werden. Zum Eingriff selbst sind
Mundschutz und Haube und im Minimum sterile Handschuhe zu tragen,
besser zusätzlich ein steriler Operationsmantel
7.1 · Notfalloperation »Venae sectio« zur Anlage eines großvolumigen venösen Zugangs
149 7
Operationstechnik
Die Orientierung erfolgt im Wesentlichen am Innenknöchel,
es wird etwa 3–5 cm proximal der Innenknöchelspitze eine
etwa 3 cm lange, quer verlaufende Inzision durchgeführt. Es
ist darauf zu achten, dass die Hautinzision möglichst nur bis in
das subkutane Gewebe reicht, um nicht im ersten Schnitt die
Vene zu verletzen. Mit der stumpfen Schere wird das Gewebe
gespreizt und die Vena saphena ventral des Innenknöchels auf-
gesucht. Sie wird zunächst mit einem Klemmchen unterfahren
und ein Haltefaden (z. B. nicht resorbierbares Material, gefloch-
ten, Stärke 0) durchgezogen. Etwa 1 cm weiter distal wird ein
2. Faden (resorbierbar, ebenfalls Stärke 0) durchgezogen. Die
Vene wird mit den Haltefäden angespannt und eine kleine Que-
rinzision mit der spitzen Schere in die zugewandte Venenwand
angelegt. Alternativ kann die Venenwand auch mit einem spit-
zen Skalpell (Nr. 11) eröffnet und der Einschnitt mit der spitzen
Schere erweitert werden. Der Katheter wird in diesem Moment
bereitgehalten und direkt in die Vene eingeschoben (⊡ Abb. 7.2).
Es ist darauf zu achten, dass der Katheter nicht in Höhe einer
Venenklappe stoppt, ggf. muss eine Auffüllung des Katheters
mit Kochsalzlösung erfolgen und unter ständiger Injektion von
Kochsalzlösung vorgeschoben werden.
Ist der Katheter weit genug proximal positioniert, wird der ⊡ Abb. 7.2. Kanülierung der Vene mit großvolumigen Kathetern. Die
proximale Haltefaden geknotet und damit der Katheter in der Vene ist dargestellt und wurde mit einem Klemmchen unterfahren.
Vene fixiert. Der 2. Faden wird spätestens jetzt, ggf. auch vor Ein- Proximal der geplanten Venotomiestelle wird ein resorbierbarer Faden
schneiden der Vene, geknotet und damit die Vene distal ligiert. (Stärke 0) vorgelegt, distal davon ein gleichartiger Faden geknotet, um
eine Blutung zu vermeiden. Ein Assistent hebt die Fäden an, der Opera-
teur eröffnet die Vene mit einer spitzen Schere, indem etwa ein 1/3 der
Wundverschluss/Verband Zirkumverenz eingeschnitten wird. Der gewählte Katheter sollte die Öff-
Mit einer weiteren Naht wird nun die Wunde geschlossen und nung gerade durchqueren. Vorsichtiges Vorschieben des Katheters nach
der Katheter an der Haut fixiert, idealerweise mit Durchstich proximal. Sollten Venenklappen stören, wird der Katheter leicht zurück-
durch spezielle Fixationshülsen. Anlage eines sterilen Verban- gezogen und man versucht, unter Drehung und erneutem Vorschieben
des Katheters die Stelle zu überqueren. Anspülen des Katheters mit NaCl
des. Die notwendigen Infusionen oder Transfusionen werden, 0,9%-Lösung. Bei gutem Durchfluss wird der proximale Faden geknotet,
um die Durchflussgeschwindigkeit hoch zu halten, möglichst um die Vene abzudichten. Nach Hautverschluss wird der Katheter mit
direkt, unter Vermeidung von 3-Wege-Hähnen, angeschlossen. einer kutanen Haltenaht gesichert
150 Kapitel 7 · Allgemeine operative Techniken und Notfallbehandlungen
⊡ Abb. 7.4. Naht nach Donati. Der Einstich beginnt auf der Seite der
Wunde, auf der die Weichteilschädigung geringer ist (hier kommt auch
der Knoten zu liegen), etwa 5–8 mm vom Wundrand entfernt. Die Nadel
wird senkrecht durch die Haut gestochen und erreicht den Wundspalt
im Subkutangewebe. Hier wird sie wieder mit dem Nadelhalter gefasst
und in der Wunde die Gegenseite subkutan gestochen, und die gegen-
seitige Haut wieder etwa 8 mm vom Wundrand entfernt von innen her
durchquert. Der sog. »Rückstich« erfogt ca. 1 mm bis maximal 2 mm
vom Wundrand intrakutan bis in den Wundspalt. Dort wird die Nadel
erneut gegriffen und auf der Gegenseite intrakutan ausgestochen. Ge-
rade am Anfang ist es sinnvoll, die Lage der Haut »auf der Nadel« zu
beurteilen. Ist eine »Stufenbildung« im Hautniveau erkennbar, lag der
intrakutane Rückstich nicht in gleicher Tiefe der Haut und muss wie-
derholt werden. Ansonsten wird nun der Faden bis etwa 5 cm vor dem
Fadenende durchgezogen. Das Knoten erfolgt mit dem Nadelhalter. Die
Spannung sollte gering sein. Die Haut darf sich auf keinen Fall »aufwuls-
ten«, da durch die zwangsläufig perioperativ zunehmende Schwellung
sogar lokale Durchblutungsstörungen am Wundrand auftreten könnten.
Die Hautränder sollten lückenfrei, aber auch spannungsfrei aneinander
liegen. Der Nahtabstand hängt von der Körperregion und der Hautbe-
schaffenheit ab. In der Regel beträgt der Abstand 5–8 mm (aus Nerlich
u. Berger 2003)
152 Kapitel 7 · Allgemeine operative Techniken und Notfallbehandlungen
7
⊡ Abb. 7.5. Naht nach Allgöwer. Die Besonderheit dieser Nahtführung ist
der rein intrakutane Rückstich auf der Gegenseite. Die Wundränder sind
weniger belastet. Diese Technik ist schonender für die Haut, braucht aber
auch etwas mehr Übung, um Wundrandverwerfungen zu vermeiden (aus
Nerlich u. Berger 2003)
Nachbehandlung
Wundkontrolle am nächsten Tag und ggf. Reduktion des
Wundverbandes auf Pflasterverband, zeitgerechter Fadenzug
nach 10–14 Tagen.
⊡ Tab. 7.1. Impfungen und Prophylaxe. Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes im Verletzungsfall und nach Insektenbissen in Deutschland
Tetanus1
Anzahl der bisherigen Tetanusimpfungen Saubere, geringfügige Wunden Alle anderen Wunden
Unbekannt Ja Nein Ja Ja
0–1 Ja Nein Ja Ja
2 Ja Nein Ja Neine
Tollwut2
Exposition durch ein tollwutverdächtiges oder toll- Exposition durch ein Tollwutimpfstoffköder Immunprophylaxe
wütiges Wild- oder Haustier (tollwutverdächtig ist
auch eine Fledermaus, die sich anfassen lässt)
Berühren/Füttern von Tieren Berühren von Impfködern bei intakter Keine Impfung
Belecken der intakten Haut Haut
Knabbern an der unbedeckten Haut Kontakt mit der Impfflüssigkeit eines Impfung (nach Angaben des Herstellers)
Oberflächliche, nicht blutende Kratzer durch beschädigten Impfstoffköders mit nicht
ein Tier intakter Haut
Belecken der nicht intakten Haut
Jegliche Bissverletzung oder Kratzwunden Kontamination von Schleimhäuten und Impfung und simultan einmalig mit der
Kontamination von Schleimhäuten mit Speichel frischen Hautverletzungen mit einem ersten Impfung passive Immunisierung
beschädigen Impfstoffköder mit Tollwutimmunglobulin (20 IE/kg KG)
Personen, die in FSME-Risikobebieten für Zecken exponiert sind oder die durch FSME beruflich ge- Grundimmunisierung und Auffrisch-
fährdet sind (exponiertes Laborpersonal sowie in Risikogebieten Forstarbeiter) impfungen mit einem für Erwachsene bzw.
Kinder zugelassenen Impfstoff nach Anga-
ben des Herstellers
Zeckenbisse Borreliose
Ein in den USA entwickelter Impfstoff wurde 2002 wieder vom Markt genommen
a Kinder unter 6 Jahren Tetanusimpfstoff (T), alle anderen Tetanus-Diphtherie-Kombinationsimpfstoff (Td) mit verringertem Diphtherietoxoid-Gehalt
Indikation
Das Legen einer Thoraxdrainage ist eine wichtige Maßnahme,
die als Basistechnik im Fachgebiet Orthopädie/Unfallchirurgie
beherrscht werden sollte. Häufig muss diese Maßnahme im
Rahmen einer akuten Notfallsituation, wie z. B. einem Span-
nungspneumothorax oder einem posttraumatischen Hämato-
pneumothorax, durchgeführt werden. Es ist daher wichtig, eine
sicher anwendbare und zuverlässige Methode zu beherrschen.
Im Folgenden wird die Anlage einer Thoraxdrainage im 4.
ICR in der vorderen Axillarlinie in getunnelter Technik als
halboffene Methode beschrieben. Durch Verzicht auf das Ein-
gehen mit spitzen Trokaren ist eine iatrogene Lungenverletzung
weitestgehend ausgeschlossen, durch die Einlage von Drainage
mit ausreichendem Durchmesser (28–33 Charr.) ist die ausrei-
chende Entlastung auch eines Hämatothorax gesichert. In der
7 Regel wird die Anlage beim narkotisierten Patienten durchge-
führt. Bei einem reinen Pneumothorax kann unter ausreichen-
der Lokalanästhesie der Eingriff in gleicher Technik auch beim
wachen Patienten erfolgen. Beim spontan atmenden Patienten
muss auf eine ausreichende Abdichtung (z. B. Heimlich-Ventil)
geachtet werden.
Operationsvorbereitung
Aufklärung
In lebensbedrohlichen Situationen, beispielsweise im Rahmen
eines kreislaufwirksamen Spannungspneumothorax oder bei
einem ausgedehnten Hämatopneumothorax, muss unverzüg-
lich gehandelt werden. Hier ist das Legen der Thoraxdrainage
als lebensrettende Sofortmaßnahme anzusehen. Soll beim wa-
chen und ansprechbaren Patienten ein Resterguss oder ein Hä-
matothorax bzw. Mantelpneumothorax entlastet werden, muss
eine Aufklärung erfolgen. Folgende Punkte sind anzusprechen:
▬ Verletzung innerer Organe (Lunge, Milz, bzw. Leber, intra-
thorakaler großer Gefäße)
▬ Unzureichende Entlastung des Seroms/Hämatothorax/
Pneumothorax
▬ Wundinfektion bis zum Pleuraempyem mit Nachoperati-
onen
▬ Verletzung der Interkostalnerven mit langfristiger, schmerz-
hafter Reizung
7.3 · Anlage einer Thoraxdrainage (Bülau-Drainage)
155 7
Im Operationssaal
Vorbereitung
Der Eingriff findet im Normalfall in Intubationsnarkose statt.
Bei dem wachen Patienten wird im Bereich des betroffenen,
einschließlich des darüber und darunter liegenden Interkostal-
raumes, flächenhaft die lokale Infiltration der Haut durchge-
führt. In der Tiefe erfolgt die weitere Infiltration im Bereich des
vorgesehenen Penetrationspunktes in der Nähe des Interkostal-
nervs mit einem kurzwirksamen Lokalanästhetikum.
Günstig kann das Einzeichnen der Eintrittsstelle sein, meist
der 4. Interkostalraum (Anhaltsgröße: in »Höhe der Mamille«;
⊡ Abb. 7.7). Üblicherweise wird in der vorderen Axillarlinie
eingegangen, je nach lokalen Verhältnissen und Lage des Er-
gusses (mögliche Verkapselung) kann auch der Bereich bis zur
hinteren Axillarlinie gewählt werden. Die Hautinzision wird
einen ICR distal der Durchtrittsstelle in den Thorax gewählt,
um einen schrägen und damit selbst »dichtenden« Verlauf des ⊡ Abb. 7.7. Lagerung und Orientierungspunkte. Der Arm der betroffe-
Weichteiltunnels zu erreichen. nen Seite wird nach oben gelagert, ggf. von einer Hilfsperson gehalten.
Abzählen der Rippen und Identifikation des 4. ICR, ggf. wird eine An-
Der Eingriff wird unter sterilen Kautelen mit Haube, Mund-
zeichnung vorgenommen. Das Operationsfeld wird großzügig desinfi-
schutz, Kittel und sterilen Handschuhen durchgeführt. In der ziert und steril umdeckt. Die eigentliche Hautinzision erfolgt über der
Regel ist das notwendige Instrumentarium in einem »Thorax- nächsttieferen Rippe, der 4. ICR wird über einen subkutanen Tunnel er-
drainagenset« zusammengepackt. Folgende Instrumente, Medi- reicht, um eine bessere Abdichtung der Thoraxdrainage beim Durchtritt
kamente und Materialien werden vorbereitet: durch die Thoraxwand zu erreichen
▬ 1 grobe chirurgische Pinzette, 1 Skalpellhalter mit Klinge,
z. B. Größe 21, Metzenbaum-Schere, 2 Backhaus-Klemmen
oder Tuchklemmen, Nadelhalter sowie eine nicht resorbier-
bare geflochtene Annaht (z. B. Stärke 0–2), 2 Thoraxklemmen
(zum Abklemmen der Drainage), eine gebogene Kornzange,
Thoraxdrainage mit Trokar (28–32 Charr. je nach Indika-
tionsstellung), Kompressen, Verbandskompressen (Schlitz-
kompressen).ggf. Markierungsstift für die Haut
▬ Kurz wirksames Lokalanästhetikum mit Injektionskanülen
(10–20 ml)
▬ 1 Wasserschloss nach Bülau oder heutzutage besser als kon-
fektionierter Einmalartikel mit regulierbarer Saugstärke
▬ Einstellbare Absaugmöglichkeit (Pumpe oder Wandsaugung)
Lagerung
Der Patient wird in die Rückenlage verbracht, der betroffene
Arm wird durch einen Helfer nach oben gehalten. Steriles
Abdecken der gesamten betroffenen Thoraxseite. Die Eintritts-
stelle am Oberrand der 5. Rippe in der vorderen Axillarlinie
wird abgezählt und markiert. Die Hauteröffnung erfolgt einen
ICR weiter distal und wird ebenfalls angezeichnet.
156 Kapitel 7 · Allgemeine operative Techniken und Notfallbehandlungen
Operationstechnik
An der markierten Stelle (6. ICR) erfolgt eine etwa 2,5 cm
lange Inzision am Oberrand der Rippe. Mit der Präparierschere
(Metzenbaum-Schere) wird subkutan eingegangen und nach
kranial hin der Oberrand der 5. Rippe palpiert (⊡ Abb. 7.8).
Unter leichter Spreizung wird über den Oberrand der 5. Rippe
eingegangen und unter beständiger Spreizung der Muskulatur
die Pleura parietalis erreicht und vorsichtig eröffnet. Bei Vorlie-
gen eines Pneumothorax entweicht hörbar Luft.
Dieser Kanal wird nun mit der Schere, danach mit dem
Zeigefinger aufgeweitet. Durch Palpation im Pleuralspalt
(⊡ Abb. 7.9) können wertvolle Informationen gewonnen werden,
z. B. über die Konsistenz des Lungengewebes, Hämatomausmaß
etc.. Möglichst mit liegendem Finger wird nun die Thorax-
drainage eingeschoben (⊡ Abb. 7.10). Ist der Kanal weit genug
präpariert, kann zur Verminderung der Gefahr von iatrogenen
Verletzungen ganz auf den Trokar verzichtet werden.
7
⊡ Abb. 7.9. Austasten mit dem Finger. Mit dem Finger wird jetzt getas- ⊡ Abb. 7.10. Platzierung der Drainage mit zurückgezogenem Füh-
tet, ob der Thorax wirklich eröffnet wurde oder die Wundhöhle ggf. nur rungsspieß. Der Führungsspieß der Drainage wird etwa 3–5 cm zurück-
subkutan liegt. Palpation innerhalb des Thorax, um die Lage und Konsis- gezogen und das weiche Ende der Thoraxdrainage über den Finger in
tenz der Lunge und/oder ggf. das Zwerchfell zu tasten (cave: potenziell den Thorax geführt. Je nach Vorliegen eines reinen Pneumothorax kann
zu weit distal eingegangen!). Bestehende Verklebungen können sehr die Drainage nach kranial, bei Vorliegen eine Hämato- oder Hämato-
vorsichtig gelöst werden Pneumothorax auch nach distal dirigiert werden. Das Vorschieben ge-
schieht durch sequenzielles Zurückziehen des Führungsspießes, er sollte
immer mit der Spitze außerhalb des Brustkorbs sein
7.3 · Anlage einer Thoraxdrainage (Bülau-Drainage)
157 7
In einigen Fällen wird aber eine »Versteifung« zum Ein-
schieben benötigt. Dazu wird der Trokar soweit zurückgezogen,
bis etwa 2–2,5 cm der Spitze der Thoraxdrainage flexibel sind.
Damit lässt sich die Drainage nun ausreichend »steuern«, ohne
dass die Spitze verletzen könnte. Dieses Manöver ist insbeson-
dere hilfreich, um innerhalb der Pleurahöhle die Drainage nach
kranial oder distal-dorsal zu positionieren. Ist die Richtung
festgelegt, wird der Trokar sukzessive zurückgezogen und nur
die Drainage vorgeschoben. Besteht ein Hämatothorax bzw.
Hämatopneumothorax, wird die Drainage in den distalen, dor-
salen Rezessus eingeschoben. Beim reinen Pneumothorax wird
die Drainage nach kranial-ventral platziert. Ist die Inzision sehr
klein, kann dieses Manöver auch subkutan ohne digitale Kon-
trolle durchgeführt werden. Das Einschieben der Drainage er-
folgt dann mit einer Kornzange, allerdings mit erhöhtem Risiko
für Verletzungen des Lungengewebes.
! Es ist sicherzustellen, dass der Pleuralraum erreicht wurde
und die Drainage nicht akzidentiell im Subkutangewebe
vorgeschoben wird. Die Drainage sollte ausreichend weit
eingeschoben werden, um nicht über die Perforationen in
der Drainagewand eine Verbindung von Pleuralspalt zum
Subkutangewebe herzustellen. Dies würde zu einem ausge- ⊡ Abb. 7.11. Wasserschloss. Kommerziell erhältliches »Wasserschloss«
dehnten Luftemphysem führen. (z. B. Fa. Tyco Healthcare) mit verschiedenen Funktionen wie z. B. Kon-
trolle der Saugleistung, Sekretsammelkammer und Wasserschloss, um
Die Drainage wird zunächst digital gesichert und das Ende ab- ein Eindringen von Außenluft in den Pleuraspalt zu verhindern
gegeben und mit dem Wasserschloss konnektiert (⊡ Abb. 7.11).
In der Regel findet eine spontane Entleerung statt, bei PEEP-
Beatmung ist keine weitere Maßnahme notwendig, bei Spontan-
atmung sollte eine Saugung mit 20 mm Wassersäule erfolgen.
Um ein Herausrutschen zu vermeiden, wird nun die Drai-
nage angenäht (⊡ Abb. 7.12). Dazu wird quer zur Inzision ein-
gestochen und zunächst die Wunde verschlossen, danach über
einen »Steg« mehrfaches Umschlingen der Drainage und Si-
cherungsknoten. Durch leichten Zug an der Drainage wird die
sichere Fixation überprüft. Abschließend wird quer zur Wunde
eine U-Naht vorgelegt und am Ende vorgeknotet. Sie wird bei
der Entfernung der Drainage benötigt, um die Inzision sicher
zu verschließen. Kontrolle des guten Spiels durch Kompression
des Schlauches. Sollte die Drainage abgeknickt sein, muss ggf.
die Position korrigiert und durch Rotation der Drainage der
Knick entfernt werden. Umlegen der Inzision mit Schlitzkom-
pressen und weiteren Kompressen. Der abschließende Wund-
verschluss erfolgt mit Klebepflaster.
⊡ Abb. 7.12. Annaht und Vorlegen einer U-Naht. Die Drainage wird mit
nicht resorbierbarem Nahtmaterial (Stärke 0) an der Haut vernäht. Dazu
ist es nötig, mehrere Umschlingungen und Knoten am Drainageschlauch
selbst vorzunehmen, um ein Durchrutschen sicher zu verhindern. Eine
sog. »U-Naht« wird nur locker um die Eintrittsstelle gestochen und »lang
gelassen«. Sie dient zum Verschluss des Drainagekanals nach der Draina-
geentfernung. Das Knoten kann in der Regel ohne weitere Lokalanästhe-
sie erfolgen. Um ein akzidentielles Herausziehen zu vermeiden, wird der
lange Faden ganz am Ende geknotet. Dieser Knoten wird unmittelbar
vor Entfernung der Drainage abgeschnitten
158 Kapitel 7 · Allgemeine operative Techniken und Notfallbehandlungen
Operationsprinzip
Ein Fixateur externe am Beckenring kann prinzipiell im Be-
reich der Beckenschaufeln oder in der sog. supraazetabulären
Position im Bereich der Spina iliaca anterior inferior verankert
werden. Auf Grund der besseren Verankerungsmöglichkeiten
im Knochen und der geringeren Rate von Weichteilproblemen
setzt sich zunehmend die hier angeführte supraazetabuläre Va-
riante durch. Der Fixateur externe ist als Osteosynthesemethode
zur Stabilisierung von Typ-B-Verletzung (partiell erhaltene Sta-
bilität im hinteren Beckenring z. B. instabile Scham- und Sitz-
beinastfrakturen) ausreichend. Bei Typ-C-Verletzungen wird er
entweder als vorübergehende Notfallstabilisierungsmaßnahme
eingesetzt oder additiv nach dorsalen Osteosynthesen. Auf
Grund der rein perkutanen Technik ist er bei entsprechender
Infrastruktur auch als Notfallmaßnahme im Schockraum an-
legbar.
7.4 · Fixateur externe am Beckenring zur Notfallstabilisierung
159 7
Operationsvorbereitung
Aufklärung
▬ Thrombose-Embolie-Risiko
▬ Verletzung des Nervus cutaneus femoris lateralis (häufig!
ca. 20–40%, auch passager)
▬ »Pin-tract«-Infektion
▬ Verletzung Femoralgefäße/Nervus femoralis (äußerst selten)
▬ Hüftgelenksperforation (äußerst selten)
▬ Weichteil- und/oder Knocheninfekt
Im Operationssaal
Lagerung
Lagerung möglichst auf einem röntgendurchlässigen Operati-
onstisch bzw. in ausreichender Entfernung von der Tischsäule,
damit die Standortprojektionen (einschließlich der Inlet- und
Outlet-Aufnahmen) mit dem Bildwandler durchgeführt wer-
den können (vor dem Abdecken prüfen!) (⊡ Abb. 7.13).
Ausreichende Rasur des Operationsgebietes einschließ-
lich der Schambehaarung. Ist eine geschlossene Reposition bei
Fehlstellung notwendig, wird die betroffene untere Extremität
frei beweglich abgedeckt. Insbesondere bei mehrfachverletzten
Patienten muss auf eine ausreichende Vorreinigung des Opera-
tionsgebietes geachtet werden.
! Durchnässung der Auflageflächen mit Verbrennungsgefahr bei
Benutzung des Elektrokauters.
Zugang
Zunächst Anzeichnen der Landmarken: Spina iliaca anterior
superior und Symphyse. Eintrittspunkte je nach Größe des
Patienten 2–3 cm distal und 2–3 cm medial der Spina iliaca an- ⊡ Abb. 7.14. Orientierung und Inzision. Da die Schanz-Schrauben schräg
terior superior. Anzeichnen des Verlaufs der Arteria femoralis in das Becken eintreten, ist es nötig, die Hautinzision distal und lateral der
(Palpation!) direkt und der lateral anschließenden Vena femo- knöchernen Eintrittsstelle zu positionieren. Es besteht naturgemäß eine
Abhängigkeit von den anatomischen Gegebenheiten. In der Regel ist aber
ralis und des Nervus femoralis. Der Zugang ist ca. 2–3 cm lang eine Position 2–3 cm distal der Spina iliaca anterior superior und 2 cm bis
und verläuft schräg in den Hautspaltlinien von proximal lateral maximal 3 cm nach medial versetzt korrekt. Hier wird eine ca. 2 cm lange,
nach distal medial (⊡ Abb. 7.14). in den Hautspaltlinien verlaufende schräge Inzision angelegt
160 Kapitel 7 · Allgemeine operative Techniken und Notfallbehandlungen
Operationstechnik
Die tiefe Präparation erfolgt stumpf mit der spreizenden Schere
in einer Richtung etwa 30° nach kranial und 30° nach medial,
bis der vordere Beckenring kranial der Spina iliaca anterior
inferior erreicht wird. Mit der Spitze der Schere wird die
Knochenoberfläche abgetastet und eine erste Orientierung zur
Ausrichtung der Spina iliaca anterior inferior und der Becken-
eingangsebene erreicht (⊡ Abb. 7.15). Entfernen der Schere und
Einsetzen des dreiteiligen Trokarhülsensets zur Fixateur-Ap-
plikation. Je nach Ausdehnung des Weichteilmantels wird das
kurze oder lange Hülsenset gewählt. Es muss bei Kontakt zum
Knochen noch ausreichend mit der Hand stabilisierbar sein.
Erneute Palpation mit dem Trokar und ggf. Bildwandlerkon-
⊡ Abb. 7.15. Technik der Bohrung. Nach der Hautinzision wird der Kno-
chen durch stumpfes Präparieren mit einer Schere oder Klemme erreicht. trolle der korrekten Eintrittsstelle am Knochen, die etwa 1–2
Der Beckenkamm kranial der Spina iliaca anterior inferior ist in der Regel cm kranial der Spina iliaca anterior superior liegen sollte. Mit
gut zu tasten. Diese Position wird mit dem dreiteiligen Trokar aufgesucht dem Bildwandler erfolgt ggf. auch eine Feinkorrektur der Boh-
und durch einen Hammerschlag eine »Ankörnung« an der Eintrittstelle rerrichtung. Der Zielpunkt sollte knapp lateral des SI-Gelenks
erzeugt. Der Assistent übernimmt die Bohrhülsen und hält die Position,
7 liegen. Der Assistent hält die äußeren Hülsen in der richtigen
bis der Trokar entfernt und der Bohrer in den Kochen eingedrungen ist
Position. Durch einen leichten Hammerschlag wird mit dem
zentralen Trokar eine Vertiefung im Knochen erzeugt, um ein
späteres Abrutschen des Bohrers zu verhindern. Jetzt exakte
Stabilisierung und Entfernung des zentralen Trokars. Eingehen
mit einem langen 3,5-mm-Bohrer und Anlegen einer etwa 5 cm
tiefen Bohrung in der sog. »Schlagbohrtechnik«.
Jetzt Entfernen von Bohrer und erster Trokarhülse (cave:
hohe Abrutschgefahr der äußeren Hülse!) und Einführen einer
langen Schanz-Schraube mit T-Griff.
> Achtung 1. Assistent
Ein Abrutschen geschieht in dem Moment, wenn der spitze
Trokar aus der Bohrhülse gezogen wird. In diesem Moment
muss die führende Hand guten Kontakt mit dem Körper des
a Patienten halten und die äußeren Bohrhülsen müssen fest
und streng axial auf den Knochen gepresst werden.
> Achtung 1. Assistent nach dorsal »gezogen« werden muss. Im Zweifelsfall sollte
Der Assistent führt, wenn notwendig, die Vormontage der lieber etwas weiter dorsal und großzügig, etwa 3–5 cm lang,
Beckenzwinge durch, der Operateur orientiert sich am Situs, inzidiert werden.
deckt ab und markiert die Eintrittspunkte.
Operationstechnik
Mit einer ausreichend langen Schere wird die Glutealmusku-
Im Operationssaal latur gespreizt und der Knochen erreicht. Hier lässt sich durch
Zugang vorsichtige Palpation schon eine Orientierung gewinnen. Wird
Man beginnt auf der unverletzten Seite, da hier die anatomi- das Instrument genau parallel zur Unterlage gehalten, rutscht
schen Landmarken meist besser erkennbar sind und die Re- man kranial der Eintrittsstelle an der Schräge der Becken-
position erleichtert wird, wenn die Beckenzwinge zunächst auf schaufel ab und wird nach dorsal zum korrekten Eintrittspunkt
den »stabilen Knochen« aufgesetzt wird. Für die Hautinzision geführt, an dem die äußere Kortikalis die Richtung ändert und
ist nur eine relativ grobe Orientierung nötig. Die Inzisions- nun senkrecht zur Oberfläche der Untersuchungsliege ver-
stelle liegt am Kreuzungspunkt der Linie, die von der Spina läuft. Die kraniokaudale Orientierung ist damit ebenfalls grob
iliaca anterior superior senkrecht zur Unterlage geht, mit der abzuschätzen. Durch vorsichtige Palpation kann die Lage der
lateralen Achse des Oberschenkels (⊡ Abb. 7.17). Es ist zu be- Incisura ischiadicus majus festgestellt werden, durch die Ver-
achten, dass die Oberschenkelachse nach dorsal hin gekrümmt wendung eines stumpfen Instrumentes wird die Verletzung des
7 verläuft und daher diese »Kurve« auch in der Verlängerung glutealen Gefäß-Nerven-Bündels vermieden.
Nachbehandlung
Die Zwinge ist eine Notfallmaßnahme und wird, sobald es die
Situation erlaubt, durch eine definitive Osteosynthese ersetzt.
a
Auf Grund der meist erheblichen Weichteilschäden ist eine
ausgedehnte Sekretion aus den Eintrittsstellen zu erwarten.
Hier ist immer für trockene Verbandsauflagen zu sorgen.
Die Zwinge wird mehrfach täglich auf Lockerung kont-
rolliert und ggf. nachgespannt. Bei sichtbaren Fehllagen muss
unmittelbar eine Röntgenkontrolle erfolgen.
Kommt es im Verlauf der weiteren Tage nach Abschluss
der Blutstillung zu einer Zwingenlockerung, wird sie ersatzlos
abgenommen. Eine Osteosynthese des hinteren Beckenrings
sollte allerdings dann möglichst bald erfolgen. Alternativ wird
vorübergehend ein Verfahrenswechsel auf einen ventralen Fixa-
teur externe vorgenommen, um einer sekundären Dislokation
im hinteren Beckenring vorzubeugen.
Die Versorgung einer Beckenfraktur mit Anlage einer Be-
ckenzwinge wird beispielhaft in ⊡ Abb. 7.21 dargestellt.
7.6 Beckentamponade
Indikation
Es handelt sich um eine Notfallmaßnahme für Situationen,
in denen bei instabilen Beckenringverletzungen mit lebensbe-
drohlicher, beckenbedingter Blutung nach der mechanischen
Stabilisierung des Beckenrings ( Kap. 7.5) eine weitergehende
beckenbedingte Blutung besteht. In diesen Fällen sind diffuse
Blutungen aus den venösen Beckenplexus die Ursache für den
Blutverlust. Durch eine Tamponade des kleinen Beckens lassen
sich diese Blutungen bei rechtzeitiger Durchführung sicher
beherrschen.
Operationsvorbereitung
Eine Vorbereitung erfolgt nicht, da eine Notfallsituation besteht.
Ansonsten entsprechen die Vorbereitungen einer Notfalllapara-
7 tomie. Bereithalten eines Korb-/Siebsaugers. Darüber hinaus
ist die vorangehende ausreichende mechanische Stabilisierung
(Beckenzwinge, Fixateur externe, ggf. definitive Osteosynthese)
des instabilen Beckenrings Grundvoraussetzung, da ansonsten
kein Widerlager für die Tamponaden besteht.
Im Operationssaal
Lagerung
Der Patient wird in Rückenlage auf einem Standardoperations-
tisch gelagert. Beide Arme sind in der Regel ausgelagert, um
⊡ Abb. 7.22. Ausbreitungsgebiet eines im kleinen Becken nach Be- das komplette Abdomen und den Thorax erreichen zu können.
ckenfrakturen entstehenden retroperitonealen Hämatoms. Durch die Es werden das gesamte Abdomen, die Beckenregion bis zur
bei Beckenringinstabilitäten zerrissenen Faszienräume breitet sich eine
Blutung im kleinen Becken meist schnell nach kranial aus. Eine Auto-
Symphyse, ggf. auch der Thorax abgewaschen, um Erweiterun-
tamponade kann nicht mehr stattfinden, so dass auch die in der Regel gen und zusätzliche Eingriffe durchführen zu können.
venösen Blutungen zu hohen, lebensbedrohlichen Blutverlusten führen
können Operationstechnik
Bei gesicherter pelviner Blutung (⊡ Abb. 7.22) ohne intraabdo-
minelle Massenblutung folgt eine infraumbilikale Längsinzision
vom Nabel bis zur Symphyse (⊡ Abb. 7.23). Nach Eröffnen der
Faszie muss keine weitere Präparation durchgeführt werden, da
man auf eine mehr oder weniger ausgedehnte Hämatomhöhle
stößt, die das Ausmaß der Verletzungsregion erkennen lässt.
Es wird zunächst unter ständiger Saugung mit dem Korbsauger
mit der Hand in die Hämatomhöhle eingegangen (⊡ Abb. 7.24).
Mit den Fingerspitzen wird auf der stärker betroffenen Seite das
Os sacrum erreicht, die Hand gedreht und damit der Blase nach
medial abgedrängt.
In die entstehende Kavität zwischen der knöchernen quad-
rilateralen Fläche und der Handfläche werden nun mäanderför-
mig lange Streifen oder Bauchtücher zur Tamponade eingelegt,
bis die Blutung steht (⊡ Abb. 7.25).
Auf der Gegenseite, die meist nicht so stark betroffen ist,
wird ein entsprechend weniger ausgedehntes Manöver durch-
⊡ Abb. 7.23. Lagerung und Orientierungspunkte. In diesem Fall sind geführt. Bei Bedarf und nach Stabilisierung der allgemeinen
Becken und Abdomen abgedeckt. In Notfällen erfolgt eine Mittellini- Kreislaufsituation kann die Lage der Tamponaden nochmals
eninzision. Liegt keine freie Flüssigkeit im Abdomen bzw. kein Verdacht
verbessert werden. Die Lage und Zahl der Tamponaden werden
auf eine versorgungspflichtige intraabdominelle Parenchymverletzung
vor (Sonographie, CT), wird die Inzision nur distal des Nabels zur rein notiert und die Faszie wird durch adaptive Nähte verschlossen,
retroperitonealen Eröffnung geplant. In allen anderen Fällen wird eine um den Kompressionseffekt zu erhöhen. Der Hautverschluss
Laparotomie durchgeführt erfolgt zeitsparend mit Hautklammern.
7.6 · Beckentamponade
167 7
Postoperativ
Nachbehandlung
Auf der Intensivstation wird eine kurzfristige Überwachung
der Vitalparameter und Gerinnungssituation durchgeführt. Der
konsequenten Erwärmung des meist ausgekühlten Patienten
kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, um die physiolo-
gische Hämostasekapazität zu unterstützen. Verluste von Ge-
rinnungsfaktoren und Blut werden ausgeglichen. Sind trotzdem
weitere Blutverluste von über 2–3 Konserven pro Stunde zu
verzeichnen, wird operativ revidiert, ggf. nach klinikinternem
Behandlungsalgorithmus auch eine Angiographie/Embolisa-
tion angeschlossen.
168 Kapitel 7 · Allgemeine operative Techniken und Notfallbehandlungen
Lagerung
Der Eingriff wird auf einem Standardtisch durchgeführt
(⊡ Abb. 7.26). Es wird eine großzügige Abdeckung gewählt,
um ggf. auch eine Thorakotomie anschließen zu können bzw.
eine Beckenstabilisierung mit Tamponade durchzuführen, d. h.
die Abdeckung erfolgt von der Symphyse bis zum Manubrium
sterni. Ist eine Thoraxverletzung auszuschließen, sollte auf alle
Fälle das Xyphoid sicher erreichbar sein.
⊡ Abb. 7.26. Lagerung und Abdeckung. Der Patient wird auf dem Nor-
maltisch gelagert. Beide Arme werden ausgelagert, um eine bessere
Erreichbarkeit von Thorax, Abdomen und Becken zu gewährleisten. Die
Abdeckung erfolgt mindesten vom Xyphoid bis zur Symphyse, ggf. wird
der Thorax mit eingeschlossen, um eine Erweiterungsmöglichkeit in un-
klaren Situationen zu haben. In unklaren Notfallsituationen erfolgt eine
mediane Laparotomie unter Linksumschneidung des Nabels
7.7 · Behandlungsprinzipien bei Abdominalverletzungen nach Notfalllaparotomie (Tamponade)
169 7
Operationstechnik
Bei der explorativen Laparotomie wird eine mediane Inzision
unter Längsumschneidung des Nabels durchgeführt. Diese er-
folgt großzügig, um möglichst schnell einen Überblick über
den Bauchraum zu erlangen. Da nach der Eröffnung des Perito-
neums durch die Druckreduktion von einem akuten Blutdruck-
abfall auszugehen ist, wird nach Abdeckung die Abdomeneröff-
nung erst dann durchgeführt, wenn von Seiten der Anästhesie
die Vorbereitungen zur Kreislaufsubstitution abgeschlossen
sind und möglichst die Blutkonserven zur Verfügung stehen.
Die Inzision erfolgt zunächst bis zur Faszie. Zur Erleich-
terung der Blutstillung kann nach Hautinzision die subkutane
Präparation mit dem elektrischen Messer erfolgen. Die Fas-
zien- und Peritonealeröffnung erfolgt zunächst im Bereich des
Nabels unter Anhebung der Faszie mit chirurgischen Pinzetten,
es wird zunächst nur ein vorsichtiger, etwa 1,5–2 cm langer
Schnitt durchgeführt, um eine Darmverletzung zu vermeiden
(⊡ Abb. 7.27). Meist entleert sich nun schon sehr viel Blut, so
dass der Assistent einen Siebsauger bereithalten sollte. Der
Operateur greift mit zwei oder sogar mehreren Fingern in die
kleine Öffnung und erweitert nach proximal und distal, bis
mit der Hand eingegangen werden kann und Darmschlingen b
mitsamt Omentum majus sicher abgedrängt werden können.
Unter ständigem Saugen wird nun die Laparotomie bis zum
Xyphoid und nach distal bis zur peronealen Umschlagfalte der
Blase weitergeführt. ⊡ Abb. 7.27a,b. Eröffnung des Peritoneums. a Bei der Eröffnung des
Peritoneums kann es gerade in Notfallsituationen leicht zu Organver-
! Bei den zu erwartenden massiven Blutaustritten muss unbe- letzungen kommen. Dieser Schritt muss daher sorgfältig durchgeführt
dingt mit dem Cellsaver gearbeitet werden, um in der Früh- werden. Nachdem entlang der gesamten Inzision die subkutane Präope-
ration bis zur Faszie abgeschlossen wurde, wird direkt distal des Nabels
phase ausreichend eigenes Blut zurückzugewinnen. die Faszie mit 2 Pinzetten in einer »kleinen Falte« angehoben und mit
Eine mediane Laparotomie ist ausreichend, nur in Ausnahme- Messer oder Schere eine kurzstreckige Eröffnung von Faszie und Perito-
neum durchgeführt. Die eindringende Luft lässt die Organe zurückfallen,
fällen, z. B. zur Exploration der Vena cava inferior, sind quere die weitere Eröffnung nach kranial und distal erfolgt nun unter Sicht.
Erweiterungsschnitte angezeigt. Sie sollten immer leicht schräg b Bei der Erweiterung der Inzision wird die Hand unter die Faszie ge-
oder rechtwinklig auf dem medianen Schnitt verlaufen, um schoben und schützt die Eingeweide (cave Verletzungsgefahr!)
Hautrandnekrosen zu vermeiden.
170 Kapitel 7 · Allgemeine operative Techniken und Notfallbehandlungen
Beckenbodeninspektion: Die genaue Inspektion der Blase, 7.8 Technik der Anlage eines Fixateur externe
bei Frauen auch von Uterus und Adnexen, sowie des pelvinen
Raumes beenden die systematische Exploration. Eine Eröff- Vorbemerkung
nung des pelvinen Peritoneums über einen paravesikalen Zu- Der Fixateur externe ist eine minimalinvasive Osteosynthese-
gang ist nur bei zusätzlich vorliegenden Beckenverletzungen technik, die sich auf Grund der generellen Verfügbarkeit, des
zur Tamponade dieser Blutungen erforderlich. unkomplizierten sterilen Einsatzes und dem geringen operati-
ven Aufwand als Notfallmaßnahme, in Ausnahmefällen auch
Wundverschluss/Verband als Definitivmaßnahme zur Frakturversorgung nahezu welt-
Abhängig von der Planung des weiteren Vorgehens (bereits weit durchgesetzt hat. Die ersten Systeme wiesen rechtwink-
erfolgte definitive Versorgung, in den meisten Fällen jedoch be- lige Verbindungen zwischen den Schanz-Schrauben und den
reits geplante Second-look-Operation) erfolgt nun ein schicht- Verbindungsstangen auf und setzten daher eine möglichst ge-
weiser Wundverschluss oder ein temporärer, meist oberfläch- naue Reposition der Fraktur vor Einsatz der Schanz-Schrauben
licher Wundverschluss, z. B. in fortlaufender Nahttechnik. Vor voraus. Moderne Systeme bieten eine große Auswahl an Ver-
Wundverschluss sollte mindestens eine Easyflow-Drainage in bindungsmöglichkeiten, so dass prinzipiell die Applikation der
den linken oberen (Milzbett) sowie den rechten oberen (Leber- Schanz-Schrauben proximal und distal der Fraktur unabhängig
bett) Quadranten eingelegt werden. Der Flüssigkeitsverlust, ins- voneinander ohne Ausrichtung erfolgen kann und in einem
besondere der Blutverlust aus diesen Drainagen ist regelmäßig letzten Schritt die Montage mit entsprechenden Verbindungs-
7 und häufig zu überwachen, um ggf. bei Insuffizienz der Blut- elementen nach ausreichender Reposition fixiert wird. Für die
stillungsmaßnahmen die Indikation zur Relaparatomie stellen Notfallsituation haben sich im Wesentlichen unilaterale Sys-
zu können. teme durchgesetzt, bei denen Schanz-Schrauben von einer gut
Besteht keine Eigenexpertise in der definitiven Versorgung zugänglichen Seite des Knochens eingesetzt werden. Durch-
der Leberverletzung, sollte der Patient unter suffizienter Tam- bohrende, d. h. auf der Gegenseite austretende Steinmann-Na-
ponade unverzüglich in ein Traumazentrum verlegt werden. gel- oder Schanz-Schrauben-Fixationen sind Sonderfällen vor-
Es ist darauf zu achten, dass die angelegten Tamponaden nach behalten, ebenso wie Ringfixateure, bei denen lediglich dünne,
spätestens 48 h entfernt werden sollten. ausreichend lange Kirschner-Drähte kreuzweise den Knochen
Prinzipiell sollte aber gerade bei unzureichender Erfah- durchbohren und ihre Stabilität durch eine starke Vorspannung
rung immer versucht werden, durch eine direkte Tamponade mit Hilfe von Kunststoff- oder Stahlringen erhalten (»Ilizarov-
eine Blutungskontrolle zu erreichen. Die Tamponaden werden Technik«).
dabei so platziert, dass die Verletzungsflächen gegeneinander Gerade bei Schwerverletzten und bei Serienverletzungen
gedrückt werden und durch die Tamponade von außen kom- können die Einzelfixateure gut kombiniert werden, so dass
primiert werden. Auf keinen Fall dürfen die Tamponaden in z. B. kombinierte Ober- und Unterschenkelfrakturen mit und
die Läsionen gesetzt werden, um eine weitere Aufweitung und ohne Instabilität am Kniegelenk leicht im Sinne einer externen
damit eine Zunahme der Blutung zu vermeiden. transartikulären Fixation überbrückt werden können. Nachfol-
Die Techniken der definitiven Versorgung, insbesondere gend werden die häufigsten Fixationspunkte an der oberen und
auch der Komplikationskontrolle, sind der speziellen Unfall- unteren Extremität dargestellt (⊡ Abb. 7.30 und 7.31). Detailliert
chirurgie und Viszeralchirurgie zuzuordnen und sollen daher beschrieben ist die Technik der Anlage eines ventralen Fixa-
bewusst nicht Gegenstand dieser Darstellung sein. teur externe bei kombinierter Ober- und Unterschenkelfraktur.
Für spezielle Techniken, wie z. B. diejenige der lateralen Lage
der Schanz-Schrauben am Oberschenkel zur Vermeidung von
schmerzhaften Störungen des Streckapparates am Knie, wird
auf die weiterführende Literatur verwiesen.
7.8 · Technik der Anlage eines Fixateur externe
173 7
⊡ Abb. 7.30a–c. Fixateur externe an der oberen Extremität. a Beispiel samtsystems angebracht. b Beipiel der Versorgung einer Oberarmfraktur
der Anlage des Fixateur externe zur Reposition und Stabilisierung einer mit einem Fixateur externe. Hier ist ein Standardsystem verwendet wor-
distalen Radiusfraktur. Die Schanz-Schrauben, hier »Minischrauben«, wer- den. Beim Einbringen der Schanz-Schrauben ist unbedingt auf die Lage
den vom Radius auf das Metacarpale 2 gesetzt. Die Verbindung erfolgt mit des N. radialis zu achten. Eine Reposition gelingt auch hier wieder durch
Mini-Karbonstangen. Zunächst wird über eine zusätzliche Verbindungs- den Einsatz der Verbindungsstange bei liegenden Schanz-Schrauben.
stange ausreichend Freiheit zur Durchführung der Reposition geschaffen. c Der das Ellenbogengelenk übergreifende Fixateur externe bei Ellenbo-
Nach Fixation dieser Verbindungen bei Erreichen einer ausreichenden genverletzungen oder Serienfrakturen der oberen Extremität. Bei Bedarf
Reposition wird eine weitere Verbindungsstange zur Versteifung des Ge- kann die Konstruktion auch bis zur Hand verlängert werden (⊡ Abb. 7.30a)
174 Kapitel 7 · Allgemeine operative Techniken und Notfallbehandlungen
Operationsvorbereitung
Aufklärung
Es handelt es sich um Notfallsituationen, in denen die Auf-
klärung kurz gehalten werden kann. Der Patient ist darauf
hinzuweisen, dass zwar prinzipiell eine Ausbehandlung der
Fraktur im Fixateur externe möglich ist, aber in diesen Fällen
von deutlich längeren Konsolidierungszeiten über mindestens
4–8 Wochen ausgegangen werden muss, die Gefahr der Pin-
Sekretionen steigt und ein höheres Risiko der Ausbildung von
Pseudarthrosen besteht. Es muss daher auf die Notwendigkeit
eines Verfahrenswechsels hingewiesen werden.
Im Einzelnen zu besprechen sind:
▬ Gefäß-, Nerven- oder Sehnenverletzungen bei falschen Ein-
trittspunkten und fehlerhafter Insertionstechnik
▬ Wund-, Weichteil- oder Knocheninfektionen, häufiger Se-
kretion aus den Schanz-Schraubeneintrittsstellen, ggf. »Pin-
Infekt«
7 a ▬ Unzureichende Reposition
▬ Einschränkung der Beweglichkeit der angrenzenden Ge-
lenke (transmuskuläre Applikation!)
▬ Ausriss der Schanz-Schrauben (selten)
▬ Nachfolgeoperationen, ggf. Verfahrenswechsel
Im Operationssaal
Lagerung
Es ist auf eine ausreichende Durchleuchtungsmöglichkeit zu
achten, da die Frakturreposition geschlossen unter Bildwand-
lerkontrolle durchgeführt wird. Wenn verfügbar, wird ein
röntgendurchlässiger Karbontisch verwendet. Zur Versor-
gung der oberen Extremität wird die Rückenlage mit Aus-
lagerung auf dem Armtisch bevorzugt, eine ausreichende
Durchleuchtungsmöglichkeit der Schulter ist zu prüfen. Die
untere Extremität kann auf dem Normaltisch versorgt werden,
c wobei bei der Versorgung von Oberschenkelfrakturen die
ausreichende Durchleuchtungsmöglichkeit der Hüfte sicher-
⊡ Abb. 7.31a–c. Varianten zu Anlage eines Fixateur externe an Becken zustellen ist.
und der unteren Extremität. a Beispiel einer erweiterten Konstruktion Nach Narkoseeinleitung ggf. Vorreinigung und Rasur.
zur Stabilisierung einer Beckenverletzung. Zu der besprochenen Position
der Schanz-Schrauben in der supraazetabulären Region sind jetzt noch
Schanz-Schrauben in den Beckenkamm positioniert worden. b Beispiel
Operationstechnik
der Versorgung einer Ober- und Unterschenkelfraktur. Der Oberschenkel Auf eine Blutsperre wird verzichtet. Im beschriebenen Fall der
ist in der sog. »Tube-to-tube«-Variante versorgt, d. h. beide Hauptfrag- Serienverletzung mit Ober- und Unterschenkelfraktur ist beim
mente werden getrennt gefasst und erst nach geschlossener Reposition Abwaschen auf einen ausreichenden Längszug des Beins zu
(durch den Fixateur erleichtert!) mit zwei Verbindungsstangen fixiert.
Eine Transfixation des Kniegelenks ist bei Bedarf durch eine einfache
achten, ggf. muss hier nach Abwaschen des Fußes mit steri-
gelenkübergreifende Konstruktion möglich. c Beispiel eines das Sprung- len Handschuhen gearbeitet werden. Das gesamte Bein wird
gelenk übergreifenden Fixateur externe möglichst komplett bis zur Hüfte abgewaschen, damit auch die
7.8 · Technik der Anlage eines Fixateur externe
175 7
proximalen Eintrittsstellen der Schanz-Schrauben ausreichend
Abstand von der Fraktur haben.
Der Assistent führt zu Beginn der Operation ein Repositi-
onsmanöver durch. Damit werden die Übersicht und die An-
lage des Fixateurs erheblich erleichtert. Nach Längszug am Bein
wird die Rotation korrigiert, die Patella sollte möglichst exakt
nach ventral ausgerichtet sein und der Fuß eine Außenrotation
von ca. 15° aufweisen (ggf. Kontrolle der Gegenseite). Es ist
davon auszugehen, dass das proximale Oberschenkelfragment
in einer stärkeren Außenrotationsposition liegt als von der Pa-
tellaposition zu erwarten wäre. Die Lage der Fraktur wird zur
Vereinfachung nach 2 Bildwandlerschüssen mit einem sterilen
Stift auf der Haut markiert und je nach Frakturlokalisation und a b c
-form mindestens 5 cm Abstand nach proximal und distal ein-
gehalten. Vom Prinzip her sollten die einzelnen »Fixationsclus- ⊡ Abb. 7.32a–c. Schematische Darstellung der Technik der Einbrin-
gung der Schanz-Schrauben. a Aufsetzen des Trokars auf dem Zenit
ter« möglichst in Linie liegen, um die spätere Feinreposition zu
des Knochens. b Zwei Hülsen sind eingesetzt, der Bohrer hat die gegen-
erleichtern. Die Schanz-Schrauben sollten etwa in einem Ab- seitige Kortikalis erreicht. c Eine Hülse ist verblieben, um das Bohrloch
stand von 10 cm zueinander verankert werden. In strenger a.p. sicher auffinden zu können. Die Schanz-Schraube wird vorgedreht
Projektion des Bildwandlers erfolgt nun zunächst die Markie-
rung der am weitesten proximal gelegenen Schanz-Schraube.
Erfahrene Operateure können ggf. auf die Bildwandlerkontrolle
verzichten. Es wird in streng sagittal bis ca. 10–20° nach medial
geneigt auf den Knochen zugegangen, zunächst mit der sprei-
zenden Schere unter Überwindung der Faszie, danach mit den
dreiteiligen Bohrhülsen mit Trokar.
Die Mittellinie des Knochens lässt sich durch vorsichtiges
»Überfahren« der Knochenkontur ermitteln. Bei einem ange- a
nommenen runden Querschnitt sollte genau im Zenit einge-
gangen werden. Ist dieser Punkt erreicht, fixiert der Operateur
die Doppelhülse, der zentrale Trokar wird vom Assistenten
herausgezogen und mit dem langen Bohrer eine bikortikale
Bohrung durchgeführt. Nach dem Bohren wird die innere
Führungshülse entfernt, eine Schanz-Schraube mit Kortika-
lisgewinde eingeführt und soweit eingedreht, dass die zweite b
Kortikalis sicher durchquert wird. Moderne Systeme können
auf bikortikale Fixation verzichten, lediglich die Spitze der
Schanz-Schraube verankert sich in der gegenseitigen Innen-
kortikalis.
In entsprechender Weise wird nun die am weitesten di-
stal gelegene Schraube appliziert und in Linie nun 2 weitere
Schanz-Schrauben in 5 cm Abstand von der Fraktur eingesetzt
(⊡ Abb. 7.32). Jeweils die proximalen und distalen Schrauben
werden leicht überstehend mit hohen Stangen verbunden.
Eine oder zwei kleine übergreifende Stangen werden angesetzt
und dann mit Längszug und Manipulation an den Schanz- c
Schraubenclustern die Reposition erreicht (⊡ Abb. 7.33). Ist
die Reposition befriedigend, werden nun die Verbindungsba- ⊡ Abb. 7.33a–c. Prinzip der Reposition über eine »Tube-to-tube«-Kon-
cken fixiert, im Bildwandler in 2 Ebenen nochmals die aus- struktion. a Der Vorteil dieser Vorgehensweise liegt in der unabhängi-
gen Besetzung der Schanz-Schrauben in den beiden Hauptfragmenten.
reichende Reposition gesichert, ggf. nochmals nachreponiert
Eine aufwändige und klinisch nur schwer zu haltende Vorreposition ist
und dann abschließend mit einer zweiten, idealerweise nun nicht nötig. Die Schanz-Schrauben sind in das proximale und distale
geraden durchgehenden Stange die Steifigkeit der Konstruk- Hauptfragment eingebracht und werden durch kurze Verbindungsstan-
tion erhöht. In entsprechender Weise wird am Unterschenkel gen verbunden. b Mit speziellen Verbindungselementen wird nun eine
vorgegangen, wobei hier v. a. auf die dreieckige Kontur der 3. Stange lose angebracht. Durch die guten Angriffspunkte gelingt die
Tibia zu achten ist. Reposition in der Regel einfach (Bildwandlerkontrolle!). c Die Repositi-
onsstellung wird gehalten, bis der Assistent die Verbindungsstange ver-
Sollte eine Transfixation des Gelenks notwendig sein, so riegelt hat. Durch Anbringen einer weiteren, nun beide Hauptfragmente
wird unter Einsatz der Verbindungsstangen das Kniegelenk in fassenden langen Verbindungsstange wird das Gesamtsystem stabiler
etwa 20°-Beugung überbrückend fixiert. gemacht (⊡ Abb. 7.30a)
176 Kapitel 7 · Allgemeine operative Techniken und Notfallbehandlungen
Kompartmentdruckmessung
Die erste Maßnahme besteht in dem kompletten Spalten al-
ler Verbände und Öffnen der Gipsverbände. Die erreichbaren
Kompartimente fühlen sich prall-elastisch bis »steinhart« an. In
diesen klinisch klaren Fällen, v. a. bei schon vorliegenden Sen-
sibilitäts- oder Funktionsausfällen, ist eine unmittelbare opera-
tive Kompartmentspaltung angezeigt. In unklaren Fällen wird
eine Kompartmentdruckmessung durchgeführt (⊡ Abb. 7.34);
sie kann als Einzelmessung oder zur Langzeitkontrolle als Dau-
ermessung angelegt werden.
! Falsche Messungen durch Okklusion der Kanüle!
Operationsprinzip Lagerung
7 Operative Eröffnung und Entlastung aller Faszienräume mit Lagerung auf dem Normaltisch. Muss die Osteosynthese kor-
passagerer, spannungsfreier Wunddeckung (⊡ Abb. 7.35). Nach rigiert werden (so ist z. B. die Unterschenkelmarknagelung in
gesicherter Muskelregeneration und Rückgang der Schwellung Distraktion ein erheblicher Risikofaktor für das Auftreten eines
wird im Rahmen von Folgeoperationen ein möglichst komplet- Kompartmentsyndroms), muss auf ausreichende Röntgenmög-
ter sekundärer Hautverschluss angestrebt, in Ausnahmefällen lichkeit geachtet werden. Auf eine Blutsperre wird verzichtet.
ist eine Spalthautdeckung notwendig.
Zugang
Bei frakturbedingten Kompartmentsyndromen wird ein late-
Operationsvorbereitung raler Einzelschnitt bevorzugt, um die Fraktur möglichst haut-
Wenn noch nicht vorhanden, wird vor der Operation die Ge- und muskelbedeckt zu lassen (⊡ Abb. 7.36). Längsinzision über
rinnungssituation als Notfalllaboruntersuchung überprüft. Ggf. dem gesamten Verlauf der Fibula und Durchtrennung des
muss die Gerinnungssituation vor dem Eingriff kurzfristig nor- Subkutangewebes (Cave: N. peroneus superficialis, s. u.). In Un-
malisiert werden. Längere Wartezeiten im Ausmaß von über terschenkelmitte zunächst Anlegen einer 4 cm langen queren
einer Stunde sollten keinesfalls entstehen, es handelt sich um ei- Faszieninzision (Erleichterung der Identifikation der Muskello-
nen dringenden Notfall!. Bei mehrfachverletzten Patienten Be- gen), Identifikation des N. peroneus superficialis.
reitstellung von Blutkonserven je nach Allgemeinsituation. Bei
eingeschränkter Gerinnung sollten für eine Kompartmentspal-
tung am Unterschenkel 2 Blutkonserven bereitgestellt werden.
Aufklärung
Es handelt sich um eine Notfalloperation, die nach Indikati-
onsstellung ohne Zeitverzögerung durchgeführt werden muss.
Bei Nichtbehandlung bestehen erhebliche irreversible Folgeer-
scheinungen mit ischämiebedingter Muskel- und Nervennek-
rose und nachfolgenden Kontrakturen (Funktions- und Sensi-
bilitätsverlust). Bei ausgedehnten Kompartmentsyndromen in
mehreren Regionen kann es auf Grund der zu erwartenden
Rhabdomyolyse zu lebensbedrohlichen Situationen kommen.
In derartigen Situationen können gelegentlich lebensrettende
Amputationen indiziert sein. Bei bewusstlosen Patienten auf
der Intensivstation sind insbesondere die Angehörigen über
den Hintergrund und den Verlauf zu informieren.
Im Operationssaal
Nach Narkoseeinleitung Rasur und Vorreinigung des Opera-
tionsgebietes. In der Regel ist bei verletzungsbedingtem Kom-
partmentsyndrom schon eine Stabilisierung mit Marknagel ⊡ Abb. 7.36. Querschnitt durch die Unterschenkelkompartimente.
oder Fixateur externe vorgenommen worden. Der Fixateur Schematische Darstellung der Zugangswege über eine einzelne late-
wird belassen und ebenfalls vorgereinigt. rale Inzision
7.9 · Operative Spaltung eines Kompartmentsyndroms
179 7
Operationstechnik zision ausgehend Skalpellinzision nach proximal und distal von
Es müssen am Unterschenkel 4 Kompartimente zuverlässig ge- etwa 10 cm Länge, Spaltung der Restfaszie nach proximal und
spalten werden (⊡ Abb. 7.36 und 7.37): distal mit der Schere in beschriebener Technik.
! Vorsicht bei der Spaltung nach distal: Der Nervus peroneus
Identifikation der peronealen Muskelfaszie (⊡ Abb. 7.38):
superficialis verläuft schräg direkt unterhalb der Faszie, im
Ausgehend von der Querinzision Spaltung etwa 10 cm nach
distalen Bereich subkutan, und muss geschont werden.
proximal und distal mit dem Skalpell, danach weitere Spaltung
mit der langen Schere unter digitaler Kontrolle innerhalb der Oberflächliches Beugerkompartiment: Verschiebung von
Muskelloge. Haut und Subkutangewebe nach dorsal. Die Muskelfaszie des
M. triceps surae ist dünn, sie wird mit dem Skalpell nach proxi-
! Verlauf des Nervus peroneus communis proximal (Fibula-
mal und distal gespalten. Nach distal Eingehen mit der Schere
köpfchen) und distal.
bis in Höhe der Achillessehne. Die Faszie ist mit dem Muskel
Tibialis-anterior-Loge: Dazu Verschieben von Haut und Sub- verwachsen, die Spaltung ist daher nicht so »eindrucksvoll« wie
kutangewebe auf der Faszie nach ventral und von der Querin- in den anderen Kompartimenten.
Tiefes Beugerkompartiment (⊡ Abb. 7.39): Das tiefe Beuger- ▬ Auf leichten Pinzettendruck muss eine Kontraktilität be-
kompartiment ist nicht direkt einsehbar. Zunächst wird Pere- stehen.
onalmuskulatur vom Septum intermuscularae cruris posterius ▬ Es sollten kapilläre Blutungen nachweisbar sein.
abpräpariert und mit einem Langenbeck-Haken nach ventral ▬ Die Muskelkonsistenz ist weich-elastisch.
angespannt. Zwischen der Fibula und der Fascia cruris spannt ▬ Mit digitaler Kontrolle wird nochmals in allen Kompar-
sich nun die Muskelfaszie des tiefen peronealen Komparti- timenten die komplette Spaltung der Faszien überprüft.
mentes an und kann ebenfalls primär mit dem Skalpell, dann Insbesondere bei muskelkräftigen Patienten ist die ausrei-
weitergehend mit der Schere gespalten werden. Es muss hier chende Spaltung nach proximal und distal zu bestätigen.
sehr vorsichtig vorgegangen werden, um die direkt subfaszial
gelegenen Venenplexus nicht zu verletzen. Dieser Präparati- Wundverschluss
onsschritt wird durch streng subperiostales Ablösen der Faszie Zum Wundverschluss hat sich heute die Vakuumversiege-
von der Fibula erleichtert. Die Blutstillung in diesem Bereich ist lung (⊡ Abb. 7.40) bewährt und die Wundverschlusstechni-
mühsam, muss aber in allen Fällen exakt abgeschlossen werden. ken mit Hautersatz bzw. Einlage von feuchten Bauchtüchern
Auf der anderen Seite muss die Spaltung komplett erfolgen, da nahezu vollständig verdrängt. Bei sichergestellter Bluttro-
es ansonsten zu partiellen Muskelnekrosen im Kompartiment ckenheit wird spannungsfrei ein großer Saugschwamm auf-
kommen kann. gelegt und entsprechend zugeschnitten. Die Hautränder wer-
Nach kurzer Wartezeit und sorgfältigster Blutstillung wird den mit Klammernahtgerät an den Schwamm fixiert und
7 nun der Muskelstatus überprüft: eine Folienversiegelung vorgenommen. Die Saugung mit der
▬ Die Muskelfarbe sollte schnell wieder normalisiert sein Pumpe erfolgt intermittierend mit einem maximalen Sog von
(von blass, lehmig gefleckt zu dunkelrot). 80 mmHg.
Weiterbehandlung/Arztbrief
Der Belastungsaufbau erfolgt entsprechend dem Beschwerde-
bild des Patienten. Prinzipiell ist die Belastungsfähigkeit der
Extremität durch die Fraktur definiert. Eventuelle Nervenaus-
fälle und Funktionsdefizite müssen sehr exakt im Arztbrief
angegeben werden, nicht nur als Ausgangsbefund für die Lang-
zeitbeobachtung, sondern auch aus versicherungsrechtlichen
Gründen. Der Patient wird darüber aufgeklärt, dass prinzipiell
mit einer leichten Kraftminderung der Extremität zu rechnen
ist, die aber bei entsprechendem Muskelaufbautraining funk-
tionell kompensiert werden kann. Bestanden Muskelnekrosen
oder Nervendefizite, muss von einem langwierigen Verlauf
ausgegangen werden. Nervenregenerationen sind innerhalb der
ersten 2 Jahre zu erwarten.
8
Operationsvorbereitung
Aufklärung
Auf Grund der prinzipiell möglichen konservativen Behand-
lungsoption erfolgt ein umfassendes Aufklärungsgespräch:
▬ Subklaviaverletzung (ggf. lebensbedrohlich, seltener Plexus-
schädigung)
▬ Wundheilungsstörung und Infekt
▬ Kosmetisch störende Narbe (häufig) sowie tast- und sicht-
bare Platte, besonders bei schlanken Patienten
▬ Pseudarthrose trotz Operation
Operationstechnik
Die Fraktur ist meist direkt nach der subkutanen Präparation
erkennbar, so dass nach Entfernung des Frakturhämatoms die
Frakturenden direkt mit dem scharfen Löffel vorsichtig gesäu-
bert werden können. Dazu werden die Hauptfragmente mit
kleinen scharfen Knochenhaltezangen gefasst und angehoben.
! Vorsicht bei der dorsalseitigen Präparation, die Gefäße verlau- a
fen in unmittelbarer Nähe!
⊡ Abb. 8.2. Exposition und Reposition. Die Fraktur ist nun dargestellt
und die direkte Frakturzone vorsichtig mit runden Hohmann-Hebeln
umfahren. Die Fragmente werden nicht denudiert und nur soweit mobi-
lisiert, dass eine gezielte Ausräumung und Säuberung des Frakturspaltes
möglich wird. Zum Einsatz kommen kleine Löffel, der Zahnarzthaken.
Die Kontrolle über die Hauptfragmente kann durch den Einsatz der klei-
nen Repositionszange mit Spitzen (rechts im Bild) erreiht werden
186 Kapitel 8 · Verletzungen der oberen Extremitäten
Reposition
Stabilisierung
Je nach Frakturtyp erfolgt zunächst eine interfragmentäre Zug-
schraubenosteosynthese (normalerweise 3,5-mm-Kortikalis-
⊡ Abb. 8.3. Einbringung einer interfragmentären Zugschraube. Bei schraube oder bei zierlichem Knochenbau und kleinen Frag-
freien Fragmenten und/oder schrägen Frakturverläufen wird zunächst menten ggf. auch 2,7 mm oder sogar 2,0 mm) (⊡ Abb. 8.3). Zur
eine direkte interfragmentäre Kompression durch Einbringung einer
Kompensation der hohen Biegekräfte wird zusätzlich eine Neu-
oder mehrerer Zugschrauben erreicht. Gelegentlich sind 3,5-mm-Korti-
8 kalisschrauben bei kleineren Fragmenten an der Klavikula zu voluminös. tralisationsplatte angebracht (⊡ Abb. 8.4). Die Autoren verwen-
In diesen Fällen kann man durchaus auf kleinere Schrauben (z. B. 2,0 mm den auf Grund der höheren Stabilität eine 3,5-mm-DC-Platte
aus dem Handset) zurückgreifen. Die immer notwendige Plattenosteo- bzw. LCDCP-Platte, wobei in jedem Hauptfragment mindestens
synthese schützt als »Neutralisationsplatte« auch die kleinen Zugschrau- 3 Kortikalisschrauben Halt finden sollten. Als Alternative kann
ben vor sekundärer Dislokation
auch eine winkelstabile Platte verwendet werden. Bezüglich
der Schraubengeometrie besteht hierzu noch wenig Erfahrung,
so dass bei den eigenen Patienten in jedem Hauptfragment
derzeit mindestens 1 Plattenzugschraube und 2 winkelstabile
Schrauben verwendet werden. Rekonstruktionsplatten lassen
sich zwar besser der Klavikulageometrie anformen, werden
aufgrund der geringeren Stabilität von den Autoren allenfalls in
Ausnahmesituationen eingesetzt.
Wundverschluss/Verband
Zunächst Kontrolle auf Bluttrockenheit und Wundspülung
(Vorsicht Assistent: Nierenschale rechtzeitig an den distalen
Wundpol drücken!). Einlage einer Redon-Drainage (12 Charr.),
die wundnah ausgeleitet wird. Sorgfältige Subkutannähte, um
möglichst wenig Spannung auf die Haut entstehen zu lassen
(Narbenbreite!) (⊡ Abb. 8.5). Hautverschluss mit Rückstichnäh-
ten, alternativ Intrakutannaht ( Kap. 7.2), wobei bei der Länge
der Inzision zumindest eine Fadenausleitung in der Mitte der
Wunde zu empfehlen ist. Gegebenenfalls letzte Adaptation der
Wundränder mit Klebepflaster. Danach steriler Verband und ⊡ Abb. 8.5. Wundverschluss. Die Wunde wird nach sorgfältiger Blutstil-
Anlage eines Gilchrist-Verbandes bzw. Wiederanlage eines lung schichtweise verschlossen. Zum Hautverschluss wird aus kosmeti-
konfektionierten schultermobilisierenden Verbandes. schen Gründen eine Intrakutannaht empfohlen
188 Kapitel 8 · Verletzungen der oberen Extremitäten
Postoperativ
Probleme
Spezifische Probleme nach Klavikulafrakturen sind selten und
umfassen dann in der Regel Wundheilungsstörungen und
Wundhämatome. Regelmäßige Wundkontrollen müssen sicher-
gestellt sein, in Zweifelsfällen sollte eine frühzeitige Wundre-
vision erfolgen. Sehr selten führen überlange Schrauben zu
Verletzungen der Gefäße und/oder des Plexus brachialis. Eine
sofortige postoperative und wiederholte Kontrolle von Durch-
blutung, Motorik und Sensibilität des Armes ist notwendig.
a Nachbehandlung
▬ Operationstag: Postoperative Kontrolle von DMS, Anregen
von eigenständigen Bewegungsübungen der Hand (»Faust-
schluss/Pumpen«), ggf. am Operationsabend Durchbewe-
gen des Ellenbogens, Kontrolle der Drainageflasche.
▬ Postoperativer Tag 1: Falls Drainagevolumen unter 50 ml,
Drainage unter Verband heraus entfernen, ansonsten Drai-
nage leicht mobilisieren und belassen. Bewegungsübungen
Ellenbogen und Hand, vorsichtige geführte Pendelübungen
8 des Arms. Patient kann frei mobilisiert werden.
▬ Postoperativer Tag 2: Verband entfernen, Redon-Drainage
entfernen, Pflasterverband, geführte Schulterbewegung bis
90°, konfektionierten Schulterverband anlegen, der vom Pa-
b tienten selbständig abgenommen werden kann (z. B. Shoul-
der Immobilizer®).
Weiterbehandlung/Arztbrief
Regelmäßige Wundkontrolle, Fadenentfernung nach 14 Tagen.
Geführte Schulterbewegung bis 90° für 3 Wochen, danach aktiv
bis 90°, geführt über 90°.
! Es muss hier eher zur Vorsicht geraten werden, da die Schulter-
gelenksbeweglichkeit nach Klavikulafraktur meist problemlos
erreicht wird und bei der in der Regel schnellen Schmerzfreiheit
c der Patienten ggf. schon »Kraftübungen« durchgeführt werden.
Im Operationssaal
Indikation Lagerung
Die drei zuletzt genannten Formen sind sehr seltene, schwere Der Patient wird in der »Liegestuhlposition« gelagert (⊡ Abb. 1.1).
Verletzungen, die immer operativ versorgt werden sollten.
Die AC-Gelenksdistorsion wird konservativ behandelt. Auf Zugang
Grund der unsicheren Ergebnisse der operativen Behandlung Palpieren bzw. Anzeichnen des Akromions, AC-Gelenks, la-
und der guten Rehabilitationsfähigkeit nach konservativer teralen Klavikulaendes und Verlaufs der Klavikula sowie des
Therapie wird auch bei Verletzungen des Typs Tossy II von Korakoids. Hautinzision, »Säbelhiebinzision« in Sagittalebene
den Autoren immer eine konservativ-funktionelle Therapie parallel zu den Hautspaltlinien etwa in der Mitte zwischen late-
empfohlen. ralem Klavikulaende und Korakoid (⊡ Abb. 8.7).
Strittig ist die Behandlung von Verletzungen des Typs Tossy
III, da bisher in keiner Vergleichsstudie Vorteile der operativen
Therapie nachgewiesen werden konnten. Bei den eigenen Pa-
tienten wird daher auf die relative Indikation hingewiesen und
jungen, sportlich aktiven Patienten sowie Patienten mit häufigen
»Über-Kopf-Tätigkeiten« eher zur Operation geraten. Ausnah-
men bestehen hier bei Kampfsportlern, da hier bei Wiederauf-
nahme des Sportes eine hohe Rezidivrate zu erwarten ist. Bei
geringerem Anspruch an die körperliche Aktivität wird eher zur
konservativ-funktionellen Therapie geraten. In allen Fällen wird
auf einen ggf. kosmetisch störenden Hochstand des lateralen
Klavikulaendes hingewiesen und das Risiko einer sich sekundär
entwickelnden AC-Gelenksarthrose besprochen. Eine schmerz-
hafte AC-Gelenksarthrose lässt sich sekundär mit guter Prog-
nose durch eine operative AC-Gelenksresektion behandeln.
Zur Versorgung der AC-Gelenkssprengung gibt es eine
große Zahl von Operationsverfahren, wobei die Prinzipien so-
wohl intraartikuläre Techniken mit Zuggurtungsosteosynthesen
⊡ Abb. 8.7. Topographie und Hautinzision. Die gut tastbaren Knochen-
und Plattenosteosynthesen des Gelenks als auch extraartikuläre konturen werden angezeichnet. Die Inzision erfolgt als »Säbelhiebin-
Techniken mit Bandrekonstruktionen und Verschraubungen zision« in den Hautspaltlinien direkt über dem AC-Gelenk. Roter Kreis:
umfassen. Jedes Verfahren ist mit mehr oder weniger großen Lokalisation der Bohrung durch die Klavikula
190 Kapitel 8 · Verletzungen der oberen Extremitäten
Operationstechnik
Nach Präparation durch das Subkutangewebe zunächst unter
Hakenzug Präparation auf der Klavikula nach lateral und Dar-
stellen des AC-Gelenks. Bei den eigenen Patienten werden der
Diskus komplett entfernt und eine AC-Gelenksresektion durch-
geführt, indem nach Umfahren des lateralen Klavikulaendes
mit runden Hohmann-Hebeln 5 mm der Klavikula mit der Säge
reseziert werden (⊡ Abb. 8.8).
Proc. coracoideus
⊡ Abb. 8.10. Bohrung durch die Klavikula. Die Bohrung durch die Kla-
vikula erfolgt in kraniokaudaler Richtung. Die spätere Zugrichtung der
Augmentation sollte berücksichtigt werden
a b
Reposition
Der Assistent hebt Arm und Schulter an und drückt die Klavi-
kula mit Raspatorium oder scharfen Löffel gegenläufig nach di-
stal. Bei erreichter Reposition wird das PDS-Band nun verkno-
tet und der Knoten ggf. durch eine zusätzliche durchstechende
Naht gesichert.
Da der Knoten technisch am besten nahe der Klavikula
angelegt wird, dort aber bei Resorption des recht voluminö-
sen Knotens Heilungsstörungen bis hin zu Fisteln beobachtet
wurden, wird nach endgültiger Verknotung die Knotenpor-
tion der Schlinge nach distal verschoben (⊡ Abb. 8.12). Dieses
gelingt in forcierter Repositionsstelle mit vorsichtigem Einsatz
eines »Overholds« meist problemlos. Der Knoten kommt
dadurch nahe am Korakoid und damit gut unter guter Weich-
teildeckung zu liegen. Jetzt Straffen und Knoten der Band-
naht und abschließende Kontrolle von Repositionsstellung
und Stabilität.
8
⊡ Abb. 8.12. Knotenverschieben. Die vorgelegte Bandnaht wird eben-
falls verknotet. Der voluminöse Knoten der Kordel wird in die Tiefe
geschoben, um Reizzustände unter der Haut im Rahmen der Fadenre-
sorption zu vermeiden
8.2 · Stabilisierung der AC-Gelenksluxation
193 8
Postoperativ
Probleme
Gelegentlich treten Wundheilungsstörungen auf, daher ist auch
hier auf eine sorgfältige postoperative Wundkontrolle zu achten.
Im Zweifelsfall sollte eine frühzeitige Wundrevision erfolgen.
Nachbehandlung a
▬ Operationstag: Kontrolle DMS und Drainagen. Motivation
zur Ellenbogenbewegung und Handbewegung.
▬ Postoperativer Tag 1: Bei Drainagemenge unter 50 ml Ent-
fernung der Drainage. Vorsichtig geführte Bewegung in
der Schulter bis maximal 90°. Anleitung zu Eigenübungen
Unterarm und Hand.
▬ Postoperativer Tag 2: Entfernung der Drainage, Entfer-
nung des Verbandes, allenfalls noch Pflasterverband, Rönt-
genkontrolle, Schulter a.p.
Weiterbehandlung/Arztbrief
Ruhigstellung mit eigenständiger Abnahme des immobilisie-
renden Schulterverbandes für Übungen für 3 Wochen, Schul-
terelevation für die ersten 6 Wochen bis 90° limitiert. Fadenent-
fernung nach 14 Tagen.
Nach 6 Wochen Röntgenkontrolle. Wiederaufnahme der
sportlichen Tätigkeit nach entsprechendem Muskelaufbau nach
ca. 8–12 Wochen.
Zugang
⊡ Abb. 8.15
Proc. coracoideus
M. deltoideus
Operationstechnik
Präparation durch das Subkutangewebe und Aufsuchen des
Sulcus deltoideo-pectoralis, Eröffnen der Faszie und Aufsuchen
der Vena cephalica (⊡ Abb. 8.16). Diese wird geschont und
nach lateral weggehalten, da sie den venösen Abfluss des M.
deltoideus sicherstellt. Die weitere Präparation erfolgt stumpf,
Bicepssehne bei jüngeren Patienten mit der Schere. Die Präparation muss
bis zum Proc. coracoideus weitergeführt werden. Unter leichter
Abduktion des Armes (Assistent) digitales Eingehen auf die
Rotatorenmanschette und Orientierung am Verlauf der langen
Bizepssehne. Das Ausmaß der Fraktur wird nun erkennbar.
Reposition/Stabilisation
In der Regel ist der Kopf valgisch eingestaucht, das Tuberculum-
majus-Fragment nach proximal gerutscht und es besteht ein
Einriss der Rotatorenmanschette kranial des Tuberculum-majus-
Fragmentes in unterschiedlichem Ausmaß. Die Frakturfreile-
gung sollte nur sparsam erfolgen. Eine komplette Freilegung
und Ausräumung des Frakturhämatoms ist normalerweise nicht
nötig, wichtig ist die Wiederherstellung der Form des proxima-
8 len Humerus. Ein kritischer Punkt ist dabei die Dislokation am
medialen Kopf/Schaftübergang, da hier die versorgenden Blut-
gefäße einstrahlen. Bei der Reposition des Kopfes sollte eine Ver-
schiebung in diesem Bereich unbedingt vermieden werden, ggf.
⊡ Abb. 8.16. Tiefe Präparation. Das Aufsuchen der V. cephalica kann werden vor der Varisierung des Kalottenfragmentes (»Anheben
mühsam sein, sollte aber sorgfältig erfolgen. Die Vene verbleibt lateral, des Kopfes«) Spickdrähte durch den Schaft in den distalen Kopf-
um den venösen Abfluss aus dem M. deltoideus nicht zu behindern.
anteil eingebracht, um ein »Abrutschen« zu verhindern. Da das
In diesem Intervall wird direkt auf den Knochen eingegangen und
die Fraktur identifiziert. Die lange Sehne des M. biceps wird ebenfalls Ausmaß der Varisierung nur durch eine anatomische Reposition
identifiziert; der Verlauf des Sulcus bicipitis im Knochen erleichtert die des Tuberculum-majus-Fragmentes gesichert werden kann, wer-
Orientierung über die Rotation des Oberarms den zur verbesserten Manipulation und späteren Reposition zu-
nächst Haltenähte in die Rotatorenmanschette eingelegt. Bei den
eigenen Patienten werden Sehnennähte angelegt, die gleichzeitig
den Einriss verschließen. Durch Zug an diesen Fäden kann die
Rotatorenmanschette entspannt werden und die Reposition des
Tuberculum-majus-Fragmentes wird damit erleichtert.
Zum Anheben des Kalottenfragmentes wird der Einsatz
eines scharfen Löffels ausreichender Größe bevorzugt, er gibt
in der Spongiosa eine relativ gute Auflagefläche. Gleichzeitig
Distalisieren des Tuberculum-majus-Fragmentes und Kontrolle
der anatomischen Einpassung in den Schaft. Gegebenenfalls
müssen kleinere Fragmente, die dem Periost noch anhängen,
aufgelegt werden, um die Orientierung zu verbessern. Besteht
ein zusätzliches großes Tuberculum-minus-Fragment, werden
beide Tubercula jetzt mit einer großen Repositionszange mit
Spitzen gegeneinander gepresst und ein erneutes Absinken des
Kopfes verhindert.
Besteht nur ein großes Tuberculum-majus-Fragment, legt
sich das Kalottenfragment in anatomischer Position an das
Tuberculum an. Die Rotation des Schaftes wird durch den ge-
raden Verlauf der Bizepssehne gesichert. Bei festem Knochen
lässt sich diese Rotation auch durch direkten Fragmentkontakt
im Bereich des Sulcus bicipitalis erkennen. In der Regel steht
der Schaft selbst noch in Valgusposition. Er wird mit Hilfe der
Platte indirekt reponiert. Dazu Aussuchen einer Platte geeigne-
ter Länge und Auflegen in direkter lateraler Position. Der Sul-
cus bicipitalis sollte nicht überschritten werden. Das Auflegen
kann durch den verdeckenden M. deltoideus schwierig sein.
8.3 · Offene Reposition und Stabilisierung nach proximalen Humerusfrakturen mit winkelstabilem Plattensystem
197 8
Es wird erleichtert durch ausreichende Abduktion des Armes Valgusstellung aus, der Kopf wird im Verhältnis zum Schaft in
und leichte Innenrotation, ggf. kurzfristigen Einsatz eines Hoh- die anatomische Position gedrückt. Auf eine korrekte Neutral-
mann-Hebels den Schaft medialseitig und lateralseitig umgrei- stellung in Anterior-posterior-Richtung muss geachtet werden.
fend zur Darstellung des Schaftes. Die korrekte Höhe der Platte Ist die Position palpatorisch und inspektorisch korrekt, wird das
wird durch einen eingesetzten Spickdraht direkt kranial des Kalottenfragment nun zunächst mit 2 winkelstabilen Schrauben
Tuberculum majus gesichert und kontrolliert (⊡ Abb. 8.17). vorläufig fixiert. Damit besteht ausreichende Stabilität, so dass
Es wird nun zunächst mit einer Plattenzugschraube im nun eine Bildwandlerkontrolle durchgeführt werden kann. Die
Längsloch der Platte der Schaft vorsichtig gegen die Platte re- Projektionen sollten in a.p. und axialer Richtung erfolgen. Ge-
poniert. Durch die anatomische Form der Platte gleicht sich die gebenenfalls wird nachjustiert.
⊡ Abb. 8.17a–c. Reposition und Plattenanlage. a Die in der Regel par- aufgeschraubt) geschoben wird und der kranialen ossären Begrenzung
tiell eingerissene Rotatorenmanschette wird mit Haltenähten, die in des Tub. majus direkt aufliegen soll. Die erste Fixation erfolgt gegen
Kirchmeyer-Technik gestochen werden, gefasst. Durch Anziehen der den Schaft durch das Langloch der Platte. Durch vorsichtiges Anziehen
Haltefäden lässt sich die Kopfposition während der Reposition beein- der Schraube kann auch in begrenztem Rahmen eine Reposition durch
flussen (»Valgisierung«). Die Rotation wird anhand der Lage des Sulcus Heranziehen des Schaftes gegen die Platte erreichet werden. Durch die
bicipitis kontrolliert. Die Tubercula sollten sich anatomisch einfügen, »3-Punkt-Abstützung« wird eine recht hohe Stabilität schon mit einer
um insbesondere die ausreichende Aufrichtung des Kopfes bei valgisch Schraube erreicht, die aufgrund der Überlänge in der Regel zum Ende
eingestauchten Frakturen kontrollieren zu können. Nach Einrichtung der Stabilisierung getauscht wird. b Schematische Darstellung der kra-
von Achse und Rotation wird die Plattenposition bestimmt. Die kranio- niokaudalen Plattenausrichtung mit Spickdraht in der entsprechenden
kaudale Position wird durch einen Spickdraht festgelegt, der durch eine Bohrung des Zielaufsatzes. c Bildwandleraufnahme a.p. nach Entfernen
spezielle, proximale Bohrung des Zielgerätes (passager auf die Platte des Spickdrahtes und Setzen der ersten Schrauben
198 Kapitel 8 · Verletzungen der oberen Extremitäten
Wundverschluss/Verband
Je nach Ausdehnung des Zugangs werden 1 oder 2 Redon-
Drainagen knochennah eingelegt. Die Muskeln werden entlang
der zarten Faszien sparsam mit resorbierbarem Faden und
b Einzelknopfnähten adaptiert. Der Hautverschluss erfolgt mit
Rückstichnähten. Die sterile Wundabdeckung erfolgt mit ei-
nem Klebeverband.
c d
Reposition anterolateraler
Die Reposition orientiert sich im Wesentlichen an der Fraktur- Zugang
form:
▬ Bei Querfrakturen wird unter Zuhilfenahme der Platte re-
poniert. M. brachialis
▬ Schrägfrakturen können nach entsprechender Ausformung
des Frakturspaltes durch den vorsichtigen Einsatz von gro-
ßen Repositionszangen mit Spitzen reponiert werden.
▬ Bei Mehrfragmentfrakturen und Segmentbrüchen wird
möglichst »indirekt« vorgegangen, um eine Auslösung von
Fragmenten aus dem Weichteilverbund möglichst zu ver-
meiden.
Stabilisierung
a b d
Wundverschluss/Verband Nachbehandlung
In das Implantatlager wird eine Redon-Drainage 12 Charr. ▬ Operationstag: Nach Aufwachen des Patienten DMS-Kon-
eingelegt, die nach proximal ausgeleitet wird. Da der M. bra- trolle der Hand, auf Station Kontrolle der Redon-Drainage
chialis nur gespalten wurde, genügen meist adaptierende Fas- und der DMS. Röntgenkontrolle.
ziennähte, situative Subkutannähte und Hautverschluss mit ▬ Postoperativer Tag 1: Abnahme des Gilchrist-Verbandes,
Rückstichnaht oder Klammernaht. Steriler trockener Verband leichte Pendelübungen, Strecken des Ellenbogens.
und kurzfristige Ruhigstellung im Gilchrist zur Schmerz- ▬ Postoperativer Tag 1: Entfernen von Verband und Drai-
reduktion. nage, Pflasterverband, Krankengymnastik mit geführten
⊡ Abb. 8.24 zeigt beispielhaft die Versorgung einer Hume- Bewegungen bis 90° und beginnenden aktiven Übungen
russchaftfraktur durch eine Plattenosteosynthese. im Ellenbogen, falls von den Schmerzen her möglich auch
aktive Übungen Schulter und Oberarm.
Postoperativ Weiterbehandlung/Arztbrief
Probleme Frühfunktionelle Behandlung mit aktiven, krankengymnastisch
Die Gefahr der Verletzung des N. radialis (meist Traktions- angeleiteten Übungen. Keine Abstützung, kein Anheben schwe-
schäden) ist relativ hoch. Daher sind unmittelbare Kontrollen rer Lasten (>5 kg).
der Nervenfunktion angezeigt. Wundheilungsstörungen treten Fadenzug nach 14 Tagen.
selten, in der Regel in Verbindung mit ausgedehnten Weichteil- Röntgenkontrollen nach 6 und 12 Wochen.
schäden im Rahmen der Primärverletzung, auf. Sportfähigkeit nach radiologischer Heilung, i. d. R. nach 12–16
Wochen.
204 Kapitel 8 · Verletzungen der oberen Extremitäten
Indikation
Sehr gute Indikationen für die Oberarmnagelung sind dia-
physäre Frakturen. Technisch deutlich aufwändiger zu versor-
gen sind metaphysäre Verletzungen, bei denen die Nagelung
8 eine Ausnahmeindikation darstellt, die oftmals nur mit Spe-
zialimplantaten realisierbar ist. Im eigenen Vorgehen wird die
retrograde Nagelung der antegraden vorgezogen, um iatrogen
erzeugte Vernarbungen im Bereich der Rotatorenmanschette
zu vermeiden.
Operationsvorbereitung
Aufklärung
Ausführliche Aufklärung des Patienten, da prinzipiell bei ge-
schlossenen Frakturen auch eine nichtoperative Therapie mög-
lich ist. Vorteile sind jedoch vor allem die Chance der ver-
besserten Reposition und die Möglichkeit der funktionellen
Nachbehandlung. Explizit anzusprechen sind folgende Kom-
plikationen:
▬ Allgemeine Operationsrisiken
– Thromboembolische Komplikationen (an der oberen Ex-
tremität sehr selten)
– Wund-/Weichteil-, aber in sehr seltenen Fällen auch Kno-
cheninfekt
– Sekundäre Nervenschäden, ggf. mit der Notwendigkeit
einer sofortigen Revision
– Verzögerte oder ausbleibende Frakturheilung mit der
Notwendigkeit von Folgeeingriffen
▬ Spezifische Komplikationen
– Eingeschränkte Beweglichkeit der Schulter und des El-
lenbogens durch Vernarbungen bzw. störendes Implantat;
durch frühzeitige Implantatentfernung und Adhäsiolyse
jedoch noch deutliche Verbesserungen möglich
– Ggf. störende Implantate (Verriegelungsbolzen)
– Verzögerte Frakturheilung/Pseudarthrosenbildung, dann
auch u. U. Implantatbrüche
– Implantatausrisse, Implantatversagen
– Selten kosmetisch störende Narben
– Ggf. iatrogene Knochensprengung mit der Notwendigkeit
eines Verfahrenswechsels
– Nachfolgeoperationen
8.5 · Offene Reposition und retrograde Marknagelung der Humerusschaftfraktur
205 8
Im Operationssaal
Lagerung
Der Eingriff wird in Bauchlage durchgeführt, daher in der Regel
Intubationsnarkose. Nach Narkoseeinleitung Rasur und Vorrei-
nigung des Operationsgebietes. Der Patient wird in die Bauch-
lage gebracht und entsprechend abgepolstert (⊡ Abb. 8.25). Der
Arm wird bei 90° gebeugtem Ellenbogen auf einem kurzen
Armtisch gelagert. Der Ellenbogen selbst muss etwas ȟber-
stehen«, um auch eine Beugung deutlich über 90° erreichen zu
können, damit die Olekranonspitze nicht den Eintritt des Na-
gels behindert. Die ausreichende Durchleuchtungsfähigkeit in
beiden Ebenen muss sichergestellt werden. Das spätere proxi-
male Nagelende schultergelenksnah muss ausreichend einseh-
bar sein, um eine sichere Verriegelung zu erreichen. Gegebe-
nenfalls muss der Patient umpositioniert oder die Ausrichtung
des kleinen Armtisches korrigiert werden.
Der Eingriff wird in Single-shot-Antibiotikaprophylaxe
durchgeführt (Cephalosporin der 1. Generation).
⊡ Abb. 8.26. Präparation bis zur Fossa olecrani. Die Inzision erfolgt von
der Olekranonspitze in der Mittellinie des Oberarms nach proximal. Die
Inzisionslänge beträgt etwa 7–12 cm. Nach Spaltung der Faszie wird der
M. triceps brachii im Faserverlauf gespalten und ein Wundspreizer ein-
gesetzt. Nach Aufsuchen der Fossa olecrani wird der proximale Rand der
Fossa aufgesucht und der Markraum durch einzelne Bohrungen eröffnet.
Die Bohrungen (rote Kreise) erfolgen in aufsteigendem Durchmesser
206 Kapitel 8 · Verletzungen der oberen Extremitäten
Operationstechnik
⊡ Abb. 8.27. Eröffnung des Markraums. Mit dem Konusfräser werden Reposition
die Bohrungen verbunden und die Markhöhle ovalär eröffnet. Dabei
wird die Öffnung in Richtung des medullären Kanals ausgearbeitet, um Nachdem der Markraum eröffnet ist, wird mit der Röntgen-
eine widerstandsfreie Einbringung des Marknagels zu ermöglichen schablone unter manueller Reposition der Fraktur Länge und
Durchmesser des Nagels endgültig bestimmt. Der Nagel sollte
distal sicher mit dem Knochen abschließen und nach pro-
ximal ausreichend Abstand vom Schultergelenk haben. Eine
eventuelle Kompression der Fraktur durch »Nagelrückschlag«
8 (Kompressionsmanöver nach proximaler Verriegelung) muss
mit einkalkuliert werden. Der Nagel wird mit dem Führungs-
instrumentarium vorsichtig eingeführt (⊡ Abb. 8.28), sollte er
verklemmen, muss ggf. mit der Kegelfräse nachgearbeitet wer-
den. Der Nagel sollte manuell einführbar sein, allenfalls können
sehr leichte, vorsichtige Schläge mit dem Hammer angewendet
werden. Bei Nagelverklemmung ggf. Bildwandlerkontrolle in
der seitlichen Durchleuchtung.
Der Nagel wird bis zur Fraktur vorgeschlagen, er sollte die
Fraktur um etwa 5 mm überragen. Mit guter Relaxation wird
⊡ Abb. 8.28. Einführung des Nagels. Der Marknagel wird nun einge- nun manuell die Reposition durchgeführt (⊡ Abb. 8.29). Das
führt. Je nach Modell wird zunächst ein Führungsdraht über die Fraktur- proximale Fragment kann mit einer Tuchrolle stabilisiert wer-
stelle geschoben und der Marknagel geführt platziert oder ein Solidna-
gel bis zur Fraktur vorgeschoben und dann die Reposition mit Hilfe des
den, damit ausreichend Bewegungsfreiheit für das mit dem Na-
Nagels durchgeführt gel und Führungsinstrumentarium geführte distale Fragment
besteht. Bei sehr schlanken Patienten gelingt die Reposition und
die Überquerung der Fraktur meist ohne Bildwandlerkontrolle,
bei muskelkräftigen Patienten muss ggf. unter Beibehaltung der
Reposition in einer Ebene die andere Ebene kontrolliert wer-
den, um Richtung und Ausmaß der Abweichung entsprechend
darzustellen.
a b c
⊡ Abb. 8.32a–c. Röntgenverlauf. 20-jähriger Patient mit einer isolierten, geschlossenen Oberarmfraktur am Übergang vom mittleren zum distalen
Drittel (AO12 A2). a Unfallbild. b,c 6 Wochen nach der Versorgung mit einem retrograden Nagel ist Kallusbildung zu erkennen, regelrechter Heilungs-
verlauf
8
⊡ Abb. 8.32 zeigt beispielhaft die Versorgung einer geschlosse- lung eines Hämatoms mit konsekutiver Kompression des
nen Oberarmfraktur durch eine retrograde Marknagelung. N. radialis sprechen. Dann intensiviert Kühlen und Lage-
rungstechniken. Regelmäßige Kontrollen der DMS. Auf der
Wundverschluss/Verband Station am Operationsabend Kontrolle der Produktion der
Nachdem geprüft wurde, dass kein übermäßiges Überstehen Redon-Drainage, Kontrolle von DMS.
des Nagels in die Fossa olecrani vorliegt und die Streckung
! Bei sekundär aufgetretenen Radialisläsionen ist eine Revision
im Ellenbogen komplett möglich ist, wird eine Redon-Drai-
mit Exploration der Nerven vorzunehmen.
nage eingelegt, die nach proximal ausgeleitet wird. Die Faszie
wird mit Einzelknopfnähten verschlossen, Hautverschluss mit Aus dem Verband heraus werden je nach Compliance des Pa-
Rückstichnähten. Steriler trockener Verband und Umlagern tienten eigenständige oder ggf. ausschließlich krankengymnas-
des Patienten. Auf eine weitere Ruhigstellung wird in der Re- tisch angeleitete Bewegungsübungen unmittelbar postoperativ
gel verzichtet. In besonderen Situationen kann kurzfristig ein durchgeführt. Schmerzabhängig voller Bewegungsumfang des
Gilchrist-Verband zur Schmerzreduktion eingesetzt werden. betroffenen Armes erlaubt.
▬ Postoperativer Tag 1: Falls Produktion der Drainage unter
50 ml, Entfernung der Redon-Drainage und Verbandswech-
Postoperativ sel, Pflasterverband und beginnende Pendel- und Bewe-
Probleme gungsübungen.
Probleme entstehend vorwiegend, wenn technische Probleme bei ▬ Postoperativer Tag 2: Verbandswechsel und eigenständige Be-
der Reposition und Nageleinbringung aufgetreten sind. Kritisch wegungsübungen. Röntgenkontrolle Oberarm in 2 Ebenen.
sind insbesondere Sprengungen des distalen oder proximalen
Fragments bei engem Markraum und/oder sehr distal gelegener Weiterbehandlung/Arztbrief
Fraktur. Hier sind in der Regel zusätzliche Osteosynthesen not- Frühfunktionelle Behandlung mit eigenständigen und kranken-
wendig. Problematisch sind auch Nagelungen in Distraktion. Ne- gymnastisch angeleiteten Bewegungsübungen. Rotationsbewegun-
ben der Gefahr der sekundären Schäden des N. radialis sind ver- gen in Achse des Oberarms, insbesondere gegen Widerstand, soll-
zögerte oder auch ausbleibende Frakturheilungen zu erwarten. ten während der ersten 6 Wochen unbedingt vermieden werden!
Abstützbewegungen und Anheben schwerer Lasten (>5 kg)
Nachbehandlung vermeiden.
▬ Operationstag: Nach Aufwachen des Patienten Kontrolle Fadenzug nach 14 Tagen.
der peripheren DMS, insbesondere der Nervus-radialis- Röntgenkontrollen nach 6 und 12 Wochen.
Funktion. Eine schleichende, stets gering zunehmende Sportfähigkeit nach knöcherner Heilung und ausreichender
Symptomatik im N.-radialis-Areal kann für die Entwick- Muskelkraft, i. d. R. nach 12–16 Wochen.
8.6 · Versorgung der Olekranonfraktur mit Zuggurtungsosteosynthese
209 8
8.6 Versorgung der Olekranonfraktur Operationsvorbereitung
mit Zuggurtungsosteosynthese Aufklärung
Bei dislozierten Frakturen besteht keine vernünftige Therapie-
Vorbemerkung alternative, da ansonsten mit erheblichen, behindernden Funk-
Die Versorgung einer dislozierten Olekranonfraktur, als Aus- tionsbeeinträchtigungen des Ellenbogengelenks zu rechnen ist.
druck einer Abrissverletzung, stellt besondere Anforderungen An Komplikationsmöglichkeiten sind zu nennen:
an das Osteosyntheseverfahren, da während der Heilungszeit ▬ Thromboembolische Komplikationen (an der oberen Extre-
die starken distrahierenden Zugkräfte des M. triceps brachii mität selten)
kompensiert werden müssen. Das klassische Osteosynthesever- ▬ Wundweichteil-, selten auch Gelenk- und Knocheninfekti-
fahren ist die Zuggurtungsosteosynthese, bei der nach zunächst onen
anatomischer Rekonstruktion der Gelenkfläche eine Schienung ▬ Unzureichende Gelenkreposition
mit 2 parallel verlaufenden Spickdrähten vorgenommen wird. ▬ Sekundäre Fragmentdislokationen bei unzureichend gefass-
Eine Translationsbewegung wird damit verhindert. Über eine ten Fragmenten und/oder übermäßiger postoperativer Ge-
vorgespannte Drahtschlinge (»Cerclage«) werden die bei der lenkbelastung
Beugung des Gelenks auftretenden Zugkräfte kompensiert ▬ Verzögerte Frakturheilung bis hin zur Pseudarthrosenbil-
und die Fraktur durch die zunehmende Drahtspannung unter dung
Kompression gebracht. Bei der exakten Durchführung stellt ▬ Dislokation und/oder Bruch der Implantate (ein Bruch
die Zuggurtungsosteosynthese eine zuverlässige Technik zur der Cerclage ist nach abgeschlossener Frakturheilung recht
Behandlung eines einfachen Frakturtyps dar, osteosynthesebe- häufig zu beobachten, bleibt aber ohne Konsequenzen)
dingte Probleme sind meist auf falsche Indikationsstellung und ▬ Störende Implantate (nur geringe Weichteildeckung im El-
unzureichende operative Technik zurückzuführen. Bestehen lenbogenbereich) bis hin zu implantatbedingten Hautperfo-
mehrere Fragmente und/oder ist die Olekranonfraktur Teil rationen
einer ausgedehnten Ellenbogenverletzung, wird ggf. auf Zug-
schraubenosteosynthesen mit zusätzlichen stabilen konventio-
nellen oder auch winkelstabilen Neutralisationsplatten zurück-
gegriffen. An dieser Stelle soll die Zuggurtungsosteosynthese
dargestellt werden.
Indikation
Geeignet für das Osteosyntheseverfahren sind dislozierte zwei-,
ggf. auch dreifragmentäre Olekranonfrakturen mit ausreichen-
dem Kontakt der Hauptfragmente. Undislozierte und stabile
Frakturen werden konservativ behandelt, Frakturen mit Ge-
lenkdefekten oder Trümmerzonen ohne ausreichenden Kontakt
der Hauptfragmente werden mit anderen Osteosyntheseverfah-
ren (s. o.) versorgt.
Offene Frakturen werden unmittelbar nach Aufnahme in-
nerhalb der 6-Stunden-Grenze nach Unfall, geschlossene Frak-
turen möglichst frühzeitig, idealerweise ebenfalls direkt nach
Aufnahme operativ versorgt. Bestehen Hautabschürfungen,
sollte eine möglichst unmittelbare Versorgung vorgenommen
werden, da ansonsten schon nach kurzer Zeit mit Sekundär-
kontamination zu rechnen ist und dann erst nach teilwei-
ser langwieriger Abheilung der Schürfwunden operiert wer-
den kann. Muss Zeit bis zur Operation überbrückt werden,
wird dem Patienten eine Oberarmgipsschiene angelegt, zur
Schmerzreduktion kann kurzfristig von der 90°-Stellung abge-
wichen werden und in etwa 20°- bis 40°-Beugung, selten auch
in Streckung, fixiert werden.
210 Kapitel 8 · Verletzungen der oberen Extremitäten
Im Operationssaal
Lagerung
Die Versorgung wird bevorzugt in Rückenlage durchgeführt.
Hierzu muss dann der Arm nach Abdeckung auf einer Rolle auf
dem Thorax gelagert werden (⊡ Abb. 8.33). Häufig ist hierbei
ein zusätzlicher Assistent nötig. Die Versorgung in Rücken-
lage bietet den Vorteil der nicht notwendigen Umlagerung bei
mehrfachen Eingriffen. Es ist darauf zu achten, dass eine Rönt-
genkontrolle mit dem Bildwandler durchgeführt werden kann.
Wird der Arm manuell abgespreizt gehalten, ist nach Durch-
führung des Bildwandlers auch eine exakte seitliche Einstellung
unproblematisch. Alternativ kann auch in Bauchlage versorgt
werden. Der Arm wird dabei auf einem kurzen Armtisch gela-
⊡ Abb. 8.33. Lagerung und Orientierungspunkte. Die Lagerung erfolgt
8 im eigenen Vorgehen in Rückenlage. Nach Abdeckung wird der Arm auf gert und muss im Ellenbogen 90° beugbar sein.
dem Thorax auf einem Polster gelagert. Orientierungspunkte sind die Als Narkoseverfahren kommen die Allgemeinnarkose, aber
Olekranonspitze und die gut tastbare knöcherne Kontur der Ulna. Die auch Regionalverfahren zum Einsatz.
Inzision wird von der Olekranonspitze bis zu einem Punkt etwa 5 cm Der Eingriff wird unter Single-shot-Antibiotikaprophylaxe
distal der Fraktur geführt
(Cephalosporin der 1. Generation) durchgeführt.
Im Vorbereitungsraum nach Narkoseeinleitung ausreichende
Vorreinigung des Operationsgebietes, ggf. Rasur.
Zugang
Es wird ein gerader Zugang von der Olekranonspitze über die
gut tastbare dorsale Knochenkante der Ulna etwa 10 cm nach
distal angelegt. An der Ellenbogenspitze selbst wird der Zugang
partialseitig leicht S-förmig begonnen, um eine Vernarbung im
Bereich der Ellenbogenspitze zu vermeiden.
Operationstechnik
Während die Freilegung der Fraktur i. d. R. relativ einfach ge-
lingt, können die Reposition und die Sicherung des Repositi-
onsergebnisses durchaus schwierig sein. Es ist darauf zu achten,
dass durch entsprechende Streckung (Fragmente mobiler) oder
Beugung (Gelenkflächenkongruenz leichter zu halten) im El-
lenbogengelenk die einzelnen Operationsschritte unterstützt
werden.
8.6 · Versorgung der Olekranonfraktur mit Zuggurtungsosteosynthese
211 8
Reposition/Stabilisierung
⊡ Abb. 8.34
Damit lässt sich die exakte Lage der zur Vorspannung anzule-
genden Drahtwendel bestimmen. Es werden 2 Wendel angelegt,
da sonst eine asymmetrische Kompression resultieren würde.
Die Wendel sollten möglichst so gelegt werden, dass eine spä-
tere Implantatentfernung über einen örtlich begrenzten Zugang
möglich ist. Nach den ersten beiden Umschlingungen Kürzen
des Drahtes und unter leichter Streckung des Ellenbogenge-
⊡ Abb. 8.36. Einbringen der Drahtcerclage. Die Cerclage (1,25 mm) wird
lenks wechselseitiges Anspannen, wobei darauf zu achten ist,
achtförmig über die Fraktur gelegt. Im Bereich der Trizepssehne wird die dass der Draht mit der Zange zunächst vom Knochen abgeho-
Sehne mit einer dicken Kanüle unterfahren, distal der Fraktur wird die ben wird und während der Drehbewegung der Zange langsam
8 Cerclage durch eine Bohrung (2,0 mm) im Knochen geführt. Um eine
gleichmäßige Anspannung der Cerclage zu erreichen, werden 2 Wirbel
zurückgeführt wird. Dann wird ein gleichmäßiger Zug erzeugt.
Ein Überschlagen des Drahtes mit der Gefahr des Drahtbruches
möglichst nah an der Eintrittsstelle der Kirschner-Drähte angelegt. Das
Anspannen erfolgt durch wechselseitiges Verdrillen
wird damit verringert. Kürzen der Wendel auf etwa 7–10 mm;
mit der spitzen Flachzange werden die Drahtwendelenden zum
Knochen hin umgebogen.
! Drillrichtung der Wendel beachten, um eine Lockerung durch
diesen Vorgang zu vermeiden!
Nachbehandlung
▬ Operationstag: Kontrolle der peripheren DMS, Kontrolle
der Redon-Drainage. Der Patient sollte aktive Greifübun-
gen mit der Hand durchführen. a b
▬ Postoperativer Tag 1: Kontrolle der Redon-Drainage, Pro-
duktion und Mobilisation der Drainage, krankengymnas-
tisch assistierte Bewegungsübungen im Verband, ggf. schon
eigenständige Übungen.
▬ Postoperativer Tag 2: Abnahme des Verbandes, Entfernen
der Redon-Drainage, Pflasterverband, funktionelle Nachbe-
handlung mit eigenständigen Übungen unter krankengym-
nastischer Anleitung, bei starken Schmerzen Anlage einer
Oberarmkunststofflagerungsschiene, die sequenziell und
zur Nacht angelegt wird.
Weiterbehandlung/Arztbrief
Regelmäßige Wundkontrollen.
Fadenzug nach 14 Tagen.
Röntgenkontrollen nach 4 und 8 Wochen. c
Intensive Krankengymnastik zur Wiedererlangung des voll-
ständigen Bewegungsumfangs situationsbezogen nach 4–6 Wo-
chen, davor vorsichtige Bewegungsübungen.
Reposition/Stabilisierung
In der Regel ist das Fragment nach distal abgerutscht und
am Radiushals noch im Periostverbund. Dieser Periostverbund
sollte möglichst geschont werden, um die Restdurchblutung des
Fragmentes nicht zu gefährden. Die Fraktur wird sehr vorsich-
tig minimal gespreizt und mit dem Zahnarzthaken ausgeräumt.
Oftmals gelingt es schon durch Einsatz des Zahnarzthakens in
die Fraktur, das Fragment anzuheben und durch Druck auf das
Fragment zu reponieren (⊡ Abb. 8.41). Idealerweise schließt sich
die Gelenkfläche spaltfrei. Bestehen zusätzliche kleine Frag-
mente, sollten sie zwischen die Hauptfragmente eingeklemmt
oder entfernt werden.
! Als Grundregel gilt, dass ein Radiusköpfchen, das sich nicht mit
maximal 3 Schrauben (⊡ Abb. 8.42) stabil versorgen lässt, eher
reseziert werden sollte.
Nachbehandlung
▬ Operationstag: Kontrolle von DMS, Fingerbeweglichkeit
und der Produktion der Redon-Drainage.
▬ Postoperativer Tag 1: Bei Redon-Drainage unter 50 ml
diese entfernen, ansonsten bis zum 2. postoperativen Tag
belassen. Vorsichtiges Durchbewegen des Ellenbogenge-
lenks, Anhalten des Patienten zur Rotationsbewegung.
▬ Postoperativer Tag 2: Entfernung der Drainage, Pflaster-
verband der Wunde, unter krankengymnastischer Anlei-
tung werden Eigenübungen durchgeführt, schmerzabhän-
gig wird die Schiene für mehrere Stunden täglich abgenom-
men, Röntgenkontrolle des Ellenbogens exakt in 2 Ebenen
⊡ Abb. 8.42. Einbringen der Schrauben. Stabilisierung erfolgt mit klei- ohne Drainage.
nen Zugschrauben (z. B. 2 mm aus dem Handset), die die Spickdrähte
ersetzen. Cave: Die Schraubenläge muss sehr exakt gemessen werden, Weiterbehandlung/Arztbrief
damit auch nach Versenken des Schraubenkopfes und Kompression des
Frakturspaltes kein Überstehen der Schraubenspitze resultiert. Es muss Fädenentfernung 14 Tage postoperativ, Weiterführung der Be-
eine radiologische, besonders aber auch sehr genaue klinische Rotati- wegungsübungen unter krankengymnastischer Anleitung so-
onsprüfung erfolgen (Reibegeräusche!) lange das volle Bewegungsausmaß noch nicht erreicht wird.
Röntgenkontrolle nach 6 Wochen, danach forcierte Kran-
kengymnastik.
Implantatentfernung bei gut positionierten Schrauben nicht
vorgesehen.
8.7 · Versorgung einer Radiusköpfchenmeißelfraktur
217 8
a b
c d
⊡ Abb. 8.43a–d. Röntgenverlauf. 61-jährige Patientin mit Radiusköpfchenmeißelfraktur nach Sturz. a,b Unfallbilder. c,d Kontrolle nach 6 Wochen: freie
Funktion
218 Kapitel 8 · Verletzungen der oberen Extremitäten
Vorbemerkung
Indikation
Akzeptierte Indikationen zur operativen Therapie sind derzeit:
▬ Verschobene Frakturen beider Knochen
▬ Luxationsfrakturen wie z. B. vom Typ Monteggia, Galeazzi
und Essex-Lopresti
▬ Offene Frakturen
▬ Refrakturen
Operationsvorbereitung
8 N. radialis
Aufklärung
Da bei Ausheilung in Fehlstellung erhebliche Einschränkungen
der Unterarms-, Handgelenks- und Ellenbogenbeweglichkeit
M. brachioradialis zu erwarten sind, gibt es keine vernünftigen Behandlungsal-
R. superficialis ternativen bei dislozierten Frakturen. Im Einzelnen anzuspre-
chend sind:
R. profundus ▬ Thromboembolische Komplikationen am Unterarm (sehr
selten)
▬ Wundweichteil-, aber auch Knocheninfektionen
▬ Gefäß- oder Nervenschaden (Gefäßschäden sehr selten,
Nervenschaden insbesondere des Ramus profundus nervi
radialis bei Radiusfrakturen im proximalen Drittel)
▬ Verzögerte oder ausbleibende Frakturheilung
▬ Ausbildung einer funktionsbehindernden Synostose
⊡ Abb. 8.45. Anatomie. Im Schnittbild sind die Unterarmkomparti- ▬ Implantatentfernung nur bei störendem Implantat emp-
mente zu erkennen. Eine exakte Präparation in den Faszienintervallen fohlen
ist zur Schonung der Nerven und Gefäße unabdingbar. Es ist auf eine
standardisierte Lagerung des Unterarms zur Planung der Hautinzision Diagnostik und Planung
zu achten, da sich die Lage der Muskellogen bei der Unterarmdrehung
erheblich verändert. Besonders zu beachten ist bei proximalen Radius- Zur Analyse der Verletzung müssen Aufnahmen des Unter-
frakturen die Lage des R. profundus des N. radialis armes in 2 Ebenen sowie Zielaufnahmen von Ellenbogen und
Handgelenk in 2 Ebenen vorliegen.
Die Frakturen sollten möglichst direkt nach dem Unfall
operiert werden, bei infrastrukturbedingten Verzögerungen ist
auf eine frühe achsengerechte Einrichtung und Ruhigstellung
zu achten. In diesen Fällen muss eine regelmäßige DMS-Kon-
trolle erfolgen und die Weichteile im Gips müssen präoperativ
beurteilt werden.
Im Operationssaal
Lagerung
⊡ Abb. 8.46. Landmarken und Inzision, ulnarer Zugang. Die Ulna ist in Der Eingriff wird in Rückenlage unter Auslagerung des be-
ihrer gesamten Länge gut subkutan zu tasten. Die Orientierung gelingt troffenen Armes auf dem Armtisch durchgeführt (⊡ Abb. 8.44).
daher einfach, der Zugang befindet sich auf einer Linie zwischen Olekra- Nach Positionierung auf dem Armtisch ist die Bildwandlerein-
nonspitze proximal und dem Proc. styloideus ulnae distal. Die Linie wird
angezeichnet und die Inzision über der Fraktur begonnen und zunächst
stellungsfähigkeit zu prüfen.
ca 8–12 cm proximal und distal der Fraktur verlängert Es wird eine Single-shot-Antibiotikaprophylaxe mit einem
Cephalosporin der 1. Generation durchgeführt.
8.8 · Versorgung der Unterarmschaftfraktur mit Plattenosteosynthesen
219 8
Zugang
Die Versorgung der Unterarmfrakturen wird über 2 Zugänge
durchgeführt, um das Weichteiltrauma möglichst gering zu
halten. Da sich die Reposition von Radius und Ulna während
der Unterarmdrehung ändert, ist bei der Einzeichnung der
Orientierungspunkte auf Streckung im Ellenbogen und Su-
pination zu achten (⊡ Abb. 8.45). Der Abstand zwischen den
eingezeichneten Zugängen sollte mindestens 5 cm betragen. Ist
diese Distanz nicht sicher zu realisieren, liegt wahrscheinlich
⊡ Abb. 8.47. Tiefe Präparation, ulnarer Zugang. Die tiefe Präparation
ein Orientierungsproblem vor. erfolgt in der Grenze zwischen Unterarmbeugern und -streckern. Das
Die Ulna ist über ihre gesamte Länge subkutan zu tasten, Periost wird möglichst intakt gelassen, der Knochen allenfalls direkt im
die Orientierung ist damit einfach (⊡ Abb. 8.46 und 8.47). Frakturbereich sparsam freigelegt und zur Erleichterung der Reposition
Beginnend von der Olekranonspitze kann eine Inzision poten- mit Hohmann-Hebeln umfahren. Auch bei »biologischen« Osteosynthe-
sen müssen Achse, Länge und Rotation exakt wiederhergestellt sein, um
ziell bis zum Proc. styloideus ulnae verlängert werden. Nur im die Unterarmdrehung nicht zu behindern. Die Orientierung ist in der
sehr distalen Bereich ist der Ramus subcutaneus des N. ulnaris Regel nur durch eine möglichst anatomische Reposition der Hauptfrag-
potenziell in Gefahr. Ansonsten wird je nach Lage der Fraktur mente zu erreichen. Eine Denudierung von einzelnen Fragmenten sollte
eine Inzision von etwa 15 cm Länge zentriert auf die Fraktur aber unbedingt vermieden werden
angelegt.
Der Knochen wird in der Trennlinie zwischen Unterarmex-
tensoren und -flexoren erreicht, wird sparsam direkt im Frak-
turbereich zur Säuberung der Frakturfläche freigelegt und vor-
sichtig mit Hohmann-Hebeln umfahren.
Eine komplette Exposition des Radius gelingt über den
anterioren Zugang nach Henry, der von den Autoren allerdings
nur bei sehr proximal gelegenen Radiusfrakturen eingesetzt
wird (Verlauf des R. profundes nervi radialis!) (⊡ Abb. 8.48).
Bei den typischen Frakturen im mittleren und distalen Drittel
wird der dorsolaterale Zugang bevorzugt. Hier sind die Orien-
tierungspunkte der Epicondylus radialis humeri und der Proc.
styloideus radii. Auf einer geraden Verbindungslinie wird auch
hier ein etwa 15 cm langer Zugang zentriert über die Fraktur
angelegt. Lediglich im distalen Anteil ist der Ramus superficia- ⊡ Abb. 8.48. Zugang zum Radius nach Thompson. Landmarken der In-
lis des N. radialis potenziell in Gefahr. zision sind der Epicondylus humeri radialis und Radiusköpfchen proximal
und das Lister-Tuberkel distal. Für die typische Fraktur in Schaftmitte bzw.
Nach der Subkutanpräparation wird das Intervall zwischen im Übergang zum distalen Drittel wird die Inzision auf das mittlere und
M. extensor carpi radialis brevis und des M. extensor digitorum distale Schaftdrittel begrenzt. Cave: eine Verlangerung nach proximal ist
aufgesucht (⊡ Abb. 8.49). Beide Muskelgruppen werden entlang aufgrund der Verletzungsgefahr des R. profundus des N. radialis gefähr-
des Septums intermusculare getrennt, wobei günstigerweise lich. Diese Erweiterung sollte dem erfahrenen Chirurgen vorbehalten sein
direkt proximal des Muskelbauches des M. abductor pollicis
longus eingegangen wird. Müssen noch weiter distal liegende
Bereiche des Radius erreicht werden, werden der M. extensor
pollicis brevis und M. abductor pillicis longus gemeinsam un-
terfahren und angeschlungen. Dadurch können beide Muskeln
je nach geforderter Übersicht wechselseitig nach distal oder
proximal retrahiert werden.
Nach proximal wird die Inzision durch die quer verlaufen-
den Fasern des M. supinator begrenzt, der dem Radius direkt
aufliegt. Es ist darauf zu achten, dass auch kein Hakenzug in
diesem Bereich erzeugt wird, da hier der Ramus profundus
des N. radialis rechtwinklig durch die Muskelfasern verläuft.
Eine subperiostale Ablösung in diesem Bereich ist nur möglich,
wenn der Nerv etwa 4 cm distal des Radiusköpfchens getastet,
auspräpariert, mobilisiert und angeschlungen wird. ⊡ Abb. 8.49. Tiefe Präparation Radius. Nach der subkutanen Präpa-
ration wird das Septum intermuskulare zwischen M. extensor carpi
radialis brevis und M. extensor digitorum getrennt und auf den Knochen
eingegangen. M. extensor pollicis brevis und M. abductor pillicis longus
verlaufen schräg durch die Wunde und müssen bei Bedarf unterfahren,
angehoben und zur Manipulation am Knochen wechselseitig nach proxi-
mal oder distal verlagert werden
220 Kapitel 8 · Verletzungen der oberen Extremitäten
Reposition/Stabilisierung
Das Ziel bei einfachen Frakturformen des Typs A oder B nach
AO-Klassifikation (⊡ Abb. 8.50) muss die absolut anatomische Re-
position und stabile Fixation sein. Lediglich bei ausgedehnten
Trümmerzonen kann eine sog. Überbrückungsosteosynthese bio-
logisch günstiger sein. Die Orientierung hinsichtlich der Wieder-
⊡ Abb. 8.50. Typische Fraktur. Typische Konfiguration einer Unterarm-
fraktur mit Biegungskeil (AO22 B3) herstellung von Länge, Achse und Rotation ist allerdings in diesen
Fällen sehr anspruchsvoll, so dass eine derartige Osteosynthese
dem erfahrenen Unfallchirurgen vorbehalten sein sollte.
Welcher der beiden Knochen günstigerweise zunächst sta-
bilisiert wird, hängt wesentlich von der Frakturform ab. In der
Regel ist es vorteilhaft, mit der Ulna zu beginnen bzw. mit dem
Knochen, der durch eine einfache Osteosynthese die Wiederher-
stellung von Länge, Achse und Rotation erlaubt. Es sollte immer
zunächst eine vorläufige Fixation erfolgen, da ggf. zur Reposi-
⊡ Abb. 8.51. Typische Plattenkonfiguration. Versorgungsbeispiel mit
Kleinfragmentplatten. Radial ist die Frakturzone überbrückt, auf jeder tion des zweiten Knochens nochmals eine Lösung der Fixation
Seite sind »6 Kortizes« (3 jeweils bikortikal fest verankerte Schrauben) ge- notwendig sein kann. Günstig ist es dann, wenn man durch par-
fasst, ulnar wurde eine interfragmentäre Plattenzugschraube verwendet tielles Lösen einer Schraube oder die Entfernung einer Schraube
bei persistierender Plattenlage nach Reposition der Gegenseite
die anatomische Position schnell wieder erreichen kann.
8 Bei Schrägfrakturen wird typischerweise nach sparsamer
Freilegung der Fraktur die Frakturfläche sorgfältig mit kleinem
Löffel und Zahnarzthaken gesäubert und unter manuellem
Längszug sowie korrekter Rotation mit Hilfe der kleinen Re-
positionszange mit Spitzen komprimiert und »eingerastet«. Bei
sehr schrägen Frakturverläufen oder nur kleinen Kontaktflä-
chen kann es günstig sein, die gewählte Platte zunächst einseitig
zu fixieren, um ein Abrutschen der Fraktur während des Repo-
sitionsvorganges zu vermeiden.
Dabei ist natürlich peinlichst genau auf die notwendige An-
formung der Platte zu achten, da ansonsten nach Anziehen der
Schrauben Fehlstellungen fixiert werden können. Im Regelfall
⊡ Abb. 8.52. Zugschraubenosteosynthese, 1. Schritt. Technik der Repo-
erfolgt zunächst eine vorläufige Fixation mit einer interfrag-
sition mit Platte und interfragmentärer Plattenzugschraube: Die Platte
wird in einem Fragment verankert, die Plattenlage verhindert ein »Ab- mentären Zugschraube. Sie sollte so geplant werden, dass sie
rutschen« der Fraktur. Die Repositionsstellung wird mit einer kleinen sicher außerhalb des Plattenlagers liegt oder direkt durch die
Repositionszange mit Spitzen weichteilschonend gesichert Platte als Plattenzugschraube angelegt wird.
Bestehen Fragmentkeile oder Segmentfrakturen, kann es
notwendig sein, diese kleinen Fragmente mit Kleinfragment-
schrauben oder sogar mit Minischrauben aus dem Handsieb
zu fixieren (⊡ Abb. 8.51). Es ist auf alle Fälle aber darauf zu
achten, dass die Einzelfragmente möglichst im Weichteilver-
bund verbleiben. Eine komplette Auslösung ist zu vermeiden.
Um die Einrichtung zu erleichtern, kann ggf. auch eine indi-
rekte Reposition unter Verwendung der Platte erfolgen. Bei
a dieser sog. »Push-pull-Technik« wird die Platte zunächst an
einem Hauptfragment fixiert und über die Platte eine Distrak-
tion erreicht (⊡ Abb. 8.52 bis 8.54). Das heißt, im gegenseitigen
Wundverschluss/Verband
⊡ Abb. 8.54a,b. Zugschraubenosteosynthese, 3. Schritt. a Die Schraube
Nach sorgfältiger Blutstillung Einlage von 2 Redon-Drainagen, wird angezogen, die Fraktur kommt unter Kompression. b Als Alter-
die idealerweise nach proximal ausgeleitet werden. Bei starker native kann auch die Plattenzugschraube als erste Schraube bzw. bei
Schwellung wird auf einen Faszienverschluss verzichtet, an- Variationen des Frakturverlaufes auch als freie Schraube besetzt wer-
den. Die Platte wird dann als »Neutralisationsplatte« eingesetzt, die
sonsten die Faszie mit Einzelknopfnähten refixiert. Nach Sub-
Plattenschrauben werden in neutraler Position (»grüne Bohrhülse«) in
kutannähten sorgfältige Hautnähte mit Rückstichnähten und den Plattenlöchern positioniert. Eine mögliche Abfolge der Bohrungen
Anlage eines sterilen trockenen Kompressenverbandes bis zum ist angegeben. Jedes Loch sollte einzeln gebohrt und sofort mit einer
Oberarm. Schraube besetzt werden
a b c d
⊡ Abb. 8.55a–d. Röntgenverlauf. 51-jähriger Patient nach Sturz vom Gerüst. a,b Unfallbilder. c,d Ausheilung 11 Monate nach Plattenosteosynthese
222 Kapitel 8 · Verletzungen der oberen Extremitäten
Im Operationssaal
Bruchspaltanästhesie
Im Gipsraum wird der Arm zunächst auf eine flache Unterlage
gelegt und von dorsal her eine Bruchspaltanästhesie durchge-
führt, um die weiteren Maßnahmen schmerzfrei vornehmen ⊡ Abb. 8.56. Schema der Bruchspaltanästhesie bei abgelegtem Arm.
zu können (⊡ Abb. 8.56). Etwa 5–7 cm proximal der Frakturlinie Die Bruchspaltanästhesie wird zur schnelleren Schmerzbekämpfung am
zunächst lokale Infiltration, nach kurzer Wartezeit Eingehen günstigsten vor der Reposition am auf einem Armtisch abgelegten
Unterarm durchgeführt. Der distale Unterarm und das Handgelenk wer-
mit der langen Nadel bis auf den Knochen im schrägen Winkel den steril abgewaschen und von proximal her mit einer dünnen Injek-
und Vorschieben bis in den Frakturspalt. Da bei der typisch tionsnadel (Nr. 12) der Knochen erreicht. Die Nadelspitze »rutscht« in
eingestauchten nach dorsal abgekippten Fraktur die distale dieser Technik auf der Kortikalis in den dorsal impaktierten Bruchspalt.
Kortikalis die proximale Kortikalis überdeckt, ist nur in dieser Durch Aspiration von Hämatom aus dem Frakturspalt wird die Position
Technik ein sicherer Eingang in den spongiösen Bereich zu gesichert und etwa 10 ml langwirksames Lokalanästhetikum (z. B. Me-
pivacain 1%) langsam injiziert. Nach kurzer Wartezeit kann dann das
finden. Die Aspiration zeigt Frakturhämatom. Dann langsame »Aushängen« und die Reposition in der Regel schmerzfrei durchgeführt
Injektion von etwa 5 ml Lokalanästhetikum, weitere subkutane werden. Bei fehlender Erfahrung kann eine Durchleuchtung das Aufsu-
Infiltration im Bereich des Proc. styloideus radii. Gegebenen- chen der richtigen Injektionsstelle erleichtern.
falls dorsal über der Fraktur, falls eine intrafokale Spickung
nach Kapandji vorgesehen ist.
Reposition/Stabilisierung
Nach kurzer Wartezeit Aushängen der Fraktur in Rückenlage
des Patienten (⊡ Abb. 8.57). Dazu wird primär der Daumen mit
einem sog. »Mädchenfänger« gefasst (dient der radialen Aufrich-
tung). Der zweite, ggf. auch dritte Finger kann zur Rotationssi-
cherung ebenfalls gefasst werden. Bei starker Verschiebung wird
mit einem Ledergurt am Oberarm mit etwa 2–5 kg extendiert.
Der Bildwandler wird so positioniert, dass eine a.p. und seitliche
Durchleuchtung durchgeführt werden kann, ohne den Arm des
Patienten drehen zu müssen (Rotation des Bildwandlerbogens!).
Nach einer Wartezeit von 5–10 Minuten zunächst Kontrolle
des Repositionsergebnisses unter Aushang, dann endgültige
manuelle Reposition unter Längszug und Volarkippung. Bei
befriedigender Reposition jetzt Vorbereitung des Eingriffs. Der
Eingriff wird unter sterilen Kautelen vorgenommen mit Haube,
Mundschutz und Kittel sowie sterilen Handschuhen. Steriles
Abwaschen des Operationsbereiches im Aushang, Abkleben
mit wasserdichten, selbstklebenden Tüchern, wobei der ge- ⊡ Abb. 8.57. »Aushängen«. Die Hand wird durch Ansetzen von sog. »Mäd-
samte Unterarm frei bleiben sollte zur Anlage der dorsalen chenfängern« am Daumen, zur Rotationssicherung sekundär auch an
Gipsschiene. Zur Versorgung benötigt werden: Zeigefinger und ggf. auch am 3. Finger, gefasst und bei rechtwinklig ge-
beugtem Ellenbogen »ausgehängt«. Ein am Oberarm mit Lederschlinge
▬ Kleines Wundversorgungsset
befestigtes Gewicht (2–5 kg) führt zu einer langsamen, kontinuierlichen
▬ Bohrmaschine, bevorzugt kleine Akkubohrmaschine und Distraktion und Wiederherstellung der »Länge«. Die Restreposition wird
Spickdrähte von 1,8 mm Durchmesser durch Fingerdruck erreicht. Der Bildwandler wird parallel zum Boden ein-
▬ Seidenschneider zur Kürzung der Spickdrähte gestellt und muss sich 90° zur Ansicht beider Ebenen rotieren lassen
224 Kapitel 8 · Verletzungen der oberen Extremitäten
Operationstechnik
Der Operateur tritt an das Operationsgebiet heran, der steril abge-
deckte Bildwandler wird herangeführt, Kontrolle der Reposition.
Bei der typischen fächerförmigen Spickdrahtosteosynthese vom
Proc. styloideus radii ausgehend wird nach Kontrolle der kom-
pletten Anästhesie der Proc. styloideus radii getastet, zuvor der
ausreichende Abstand zur A. radialis kontrolliert (⊡ Abb. 8.58).
Ca. 1 cm lange Hautinzision vom Proc. styloideus radii nach dis-
tal, Spreizen der Weichteile mit einem Klemmchen und Palpation
des Knochens (⊡ Abb. 8.59). Der erste Spickdraht wird auf den
Knochen aufgesetzt und im Bildwandler die korrekte Position
gesichert (⊡ Abb. 8.59). Einbohren bis kurz vor den Frakturspalt.
Dann in forcierter Repositionsstellung Überqueren des Frak-
turspaltes und sicheres Einbohren in die proximale Kortikalis
des Radiusschaftes (⊡ Abb. 8.60). Ist die Repositionsstellung nur
schwierig zu erreichen, übernimmt ein Helfer die Reposition.
⊡ Abb. 8.59. Orientierung der Drähte. Der erste Spickdraht wird auf den
Knochen aufgesetzt und dann die Eintrittsrichtung festgelegt. Bei geringer ⊡ Abb. 8.60. Endposition nach konventioneller Spickdrahtosteosyn-
Erfahrung sollte dieser Schritt im Bildwandler kontrolliert werden, ansons- these. Alle Drähte sind jetzt positioniert und ergeben eine gute Abstüt-
ten werden lediglich die Repositionsstellung und der ausreichende Eintritt zung des distalen Hauptfragments. Bei besonderen Fraktursituationen
der Spickdrähte in die Gegenkortikalis durch Bildwandleraufnahmen be- müssen ggf. modifizierte Techniken angewendet werden (⊡ Abb. 8.61).
stätigt. Geplant werden mindestens 3 Drähte, die sich in jeder Ebene um Wird diese Technik z. B. bei einfachen intraartikulären Frakturtypen an-
etwa 25–30° in der Richtung unterscheiden, möglichst nicht alle in der gewendet, sollte zunächst ein parallel zur Gelenkfläche eingebrachter
Fraktur kreuzen und einen festen Halt in der Gegenkortikalis haben Draht die Reposition des Gelenkfragments sichern
8.9 · Operative Stabilisierung einer distalen Radiusfraktur mit Spickdrahtosteosynthese
225 8
bleiben. Danach werden die Spickdrähte gekürzt, so dass sie Wundverschluss/Verband
den Knochen ca. 5 mm überragen, aber möglichst keine Haut- Mobilisation von eventuell gefassten Weichteilen mit einem
irritationen hervorrufen. Bei eng aneinander liegenden Dräh- Klemmchen, Verschluss der Inzision mit 1 oder 2 Hautnähten.
ten kann es hilfreich sein, mit einem U-förmig umgebogenen Unter Beibelassen des Aushangs wird nun eine dorsale, bis zur
Spickdraht geringen Durchmessers, z. B. 1,4 mm, die Weichteile Mittellinie umgreifende Unterarmgipsschiene angelegt, wobei
zu retrahieren, um einen besseren Ansatz mit dem Seiten- während der Aushärtezeit die Repositionsstelle bei Neutralstel-
schneider zu bekommen. lung im Handgelenk gehalten wird (⊡ Abb. 8.62).
Postoperativ Nachbehandlung
Probleme ⊡ Abb. 8.63 zeigt beispielhaft die Versorgung einer intraartikulä-
Gerade am Anfang kann die Orientierung und damit die Be- ren Radiusfraktur durch eine Spickdrahtosteosynthese.
stimmung der korrekten Drahtrichtung schwierig sein. Hier
hilft die Orientierung am Radiusschaft. Ggf. kann auch ein Spickdrahtentfernung
Draht mit Klebeband in der vorgesehenen Richtung auf die Die Spickdrahtentfernung kann bei tastbaren Spickdrahten-
Haut aufgeklebt und die Position mit der Durchleuchtung gesi- den in örtlicher Betäubung ambulant durchgeführt werden.
chert bzw. ggf. korrigiert werden. Das Kürzen der Drähte sollte Lediglich bei »gewanderten« Spickdrähten, die nach intraossär
sorgfältig erfolgen, im eigenen Vorgehen werden die Drähte verlagert sind, ist eine Entfernung in Regionalanästhesie oder
subkutan versenkt. Die Haut und die Weichteile sollten aber Vollnarkose im Operationssaal erforderlich.
auf alle Fälle spannungsfrei zu liegen kommen (ggf. Inzision Die Spickdrahtentfernung wird etwa 4–6 Wochen nach der
verlängern). Versorgung durchgeführt und richtet sich im Wesentlichen
a b c
d e f
⊡ Abb. 8.63a–f. Röntgenverlauf Kapandji-Technik. Distale intraartikuläre Radiusfraktur (AO23 C1). a,b Unfallbilder. c,d Versorgung. e,f Nach 6 Wo-
chen ist die Fraktur fest verheilt, die Funktion des Handgelenks ohne Einschränkungen wiederhergestellt. Die Spickdrähte wurden in Lokalanästhesie
4 Wochen nach der Spickdrahtosteosynthese entfernt
8.10 · Offene Reposition und Plattenosteosynthese der Humerusschaftfraktur
227 8
nach den lokalen Wundverhältnissen und den infrastrukturel- 8.10 Versorgung einer dislozierten distalen
len Planungen zur Durchführung dieses Eingriffs. extraartikulären Radiusextensionsfraktur mit
palmarer winkelstabiler Plattenosteosynthese
Durchführung: Tasten und ggf. Markieren der Spickdraht-
enden, Desinfektion des Operationsgebietes und Setzen von Vorbemerkung
Lokalanästhesie. In der Regel kann bei der Injektion das Spick- Diese seit etwa 10 Jahren zunehmend favorisierte Technik
drahtende schon »gefühlt« werden. Nach Abwartezeit steriles erlaubt es, die meist vorliegende dorsale Trümmerzone un-
Abwaschen und Abdecken des Operationsgebietes auf einem berücksichtigt zu lassen, eine zuverlässige Reposition und
Armtisch. Stabilisierung durch das winkelstabile Implantat zu erreichen
Der Eingriff wird unter sterilen Kautelen mit Haube, Mund- und eine ausreichende Abdeckung des Implantates durch den
schutz, Kittel und sterilen Handschuhen durchgeführt. Im Ide- M. pronator quadratus zu haben, so dass Sehnenirritationen
alfall Tasten des Spickdrahtendes und Anspannen der Haut, und die Notwendigkeit einer sekundären Implantatentfernung
Stichinzision mit einem Skalpell Größe 11. Bei gut überste- minimiert werden. Die Vorteile dieses Verfahrens liegen in der
henden Drähten lässt sich der Draht durch Manipulation der Möglichkeit, eine funktionelle Nachbehandlung ohne weitere
Haut vorverlagern und problemlos fassen. Ansonsten Eingehen Gipsruhigstellung durchführen zu können.
mit einem Klemmchen und Spreizen der Weichteile, bis das
Drahtende identifiziert ist. Schwierig kann die Identifikation
der Drahtrichtung sein. Hierzu müssen die aktuellen Röntgen- Indikation
bilder sichtbar sein, um eine ausreichend genaue Orientierung Die Indikationen werden derzeit relativ weit gestellt und um-
im Raum zu erreichen. Ist die Orientierung klar, wird mit der fassen dislozierte Radiusextensionsfrakturen vom Typ B und
spitz zulaufenden Flachzange eingegangen und der Draht in C, gelegentlich auch Typ A, um die Vorteile einer frühfunkti-
Längsrichtung gefasst und unter leicht rotierenden Bewegun- onellen Nachbehandlung nutzen zu können. Bei ausgeprägten
gen extrahiert. dorsalen Trümmerzonen muss einkalkuliert werden, dass eine
Gegebenenfalls kann das Auffinden schwierig sein, hier ist indirekte Reposition der Gelenkfläche von volar her ggf. nicht
es sinnvoll, die Inzision etwas zu verlängern und ggf. kleine gelingt und eine zusätzliche dorsale Freilegung, ggf. auch Stabi-
scharfe Haken durch einen Assistenten einsetzen zu lassen. lisierung nötig wird. Diese Frakturen, wie auch alle Frakturen
Ist der Draht per se nicht tastbar, wird er unter Bildwandler mit multifragmentären Gelenkbrüchen, stellen Operationen
aufgesucht, am liegenden Arm wird dann zunächst eine Kanüle des hohen Schwierigkeitsgrades dar und sollten immer durch
in Verlängerung des Drahtes eingestochen und möglichst mit erfahrene Kollegen begleitet werden!
der Spitze das Drahtende erreicht. Ist die Orientierung weiter-
hin schwierig, wird zunächst in einer Ebene mit einer Kanüle
markiert und dann in der zweiten Ebene mit einer zweiten Operationsvorbereitung
Kanüle die Feinausrichtung vorgenommen. Hautinzision dann Aufklärung
im Bereich des Austritts der Kanüle aus der Haut und Spreizen Typische Komplikationsmöglichkeiten sind:
entlang der Kanüle, bis der Draht gefunden wurde. Alternativ ▬ Gefäß- und Nervenschaden, v. a. Nervus medianus bei un-
kann auch eine orthograde Einstellung des Spickdrahtes mit günstigem Hakenzug sowie eine Verletzung der A. radialis
dem Bildwandler die Orientierung erleichtern. ▬ Unzureichend Reposition
Die komplette Entfernung aller Drähte wird mit einer Bild- ▬ Pseudarthrosenbildung, z. B. bei Implantatversagen
wandleraufnahme in einer Ebene dokumentiert (Ausdruck für ▬ Gegebenenfalls Sehnenirritation auf der Dorsalseite bei
die Akte). Spülung und Hautverschluss mit Einzelnaht, bei der Schraubenperforation bis hin zu Sehnenrupturen
kleinen Inzision kann ggf. auch mit Klammerpflaster verschlos- ▬ Wund-, Weichteil-, selten Knocheninfekte
sen werden.
Diagnostik und Planung
Weiterbehandlung Vor dem Operationstag, wenn keine Versorgung unmittelbar
Bei sehr guter Beweglichkeit kann auf eine krankengymnasti- nach dem Unfall erfolgte, sollte die Schwellung ausreichend
sche Nachbehandlung verzichtet werden, ansonsten wird kran- zurückgegangen sein. Die örtlichen Hautverhältnisse sowie die
kengymnastische Bewegungstherapie und vorsichtige Gelenk- Durchblutung, Motorik und Sensibilität der Hand werden ex-
mobilisation rezeptiert. Der Patient sollte die Hand zunehmend akt geprüft und dokumentiert. Bei extraartikulären Frakturen
schmerzabhängig einsetzen und wird zu eigenständigen Bewe- sowie Frakturen mit minimaler Gelenkverschiebung sind als
gungsübungen angehalten. Diagnostik gut eingestellte Nativaufnahmen des Handgelenks
in 2 Ebenen ausreichend. Bestehen Gelenkfrakturen, sollte zur
exakten Planung eine Computertomographie erfolgen.
228 Kapitel 8 · Verletzungen der oberen Extremitäten
Im Operationssaal Operationstechnik
Lagerung Nach Anlage der Blutsperre Inzision auf die Sehne und im Seh-
Der Patient wird in Rückenlage auf dem Normaltisch ge- nenbett unter Retraktion der Sehne nach ulnar, ggf. auch radial
lagert, der betroffene Arm auf einem Armtisch ausgelagert vorsichtiges Eingehen in die Tiefe, Darstellen des M. pronator
(⊡ Abb. 8.64). Auf ausreichende Durchleuchtungsmöglichkeit quadratus. Dieser ist durch seine parallelen, quer zum Unterarm
muss geachtet werden! verlaufenden Muskelfasern gut erkennbar. Retraktion der Weich-
teile nach radial und Aufsuchen des radialen Ursprungs. Hier
Zugang wird der Muskel scharf vom Knochen abgelöst und mit 2 Halte-
Als Zugang wird der palmare Zugang gewählt, der sich im fäden gefasst. Er wird nach ulnar hin abgeschoben (⊡ Abb. 8.65).
Wesentlichem am Verlauf der Sehne des M. flexor carpi ra- Damit ist die Fraktur exponiert und der Frakturspalt erkennbar.
dialis orientiert. Der zur Darstellung des Radius abgehobene Da die Kortikalis in der Regel übereinander geschoben ist und
M. pronator quadratus bedeckt später die Platte. Daher sind der Gelenkblock nach dorsal verkippt ist, ist das Ausmaß der
nach diesem Zugang Weichteilirritationen eher die Ausnahme. Fraktur von palmar her nicht direkt erkennbar.
M. pronator quadratus
Wundverschluss/Verband
Eröffnen der Blutsperre, Kontrolle auf Bluttrockenheit und Spü-
lung, Einlage einer Redon-Drainage 10 Charr., der M. pronator
quadratus wird über die Platte gelegt und mit 3 resorbierbaren
Nähten am Periost refixiert. Ein Verschluss der Sehnenscheide
des M. flexor carpi radialis muss nicht durchgeführt werden,
Subkutannähte und Hautverschluss mit Rückstichnaht, steriler
trockener Verband.
⊡ Abb. 8.70 zeigt beispielhaft die Versorgung einer extraar-
tikulären Radiusextensionsfraktur durch eine Plattenosteosyn-
a these.
Postoperativ
8 Probleme
Probleme sind bei korrekter Operationstechnik eher selten.
Gelegentlich treten bei nicht atraumatischer Operationstechnik
Irritationen des N. medianus auf. Problematisch sind dorsal
überstehende Schraubenspitzen, die zu Irritationen, gelegent-
lich auch zu Rupturen der Strecksehnen führen können. Sollten
Beschwerden auftreten, wird eine frühzeitige Implantatentfer-
nung empfohlen.
Nachbehandlung
Postoperativ wird die Anlage einer dorsalen Gipslagerungs-
schiene empfohlen, um die Schmerzen zu minimieren. Diese
Schiene wird für Bewegungsübungen abgenommen.
Verbandswechsel am 2. postoperativen Tag, dann Ziehen
b der Redon-Drainage und Pflasterverband, krankengymnasti-
sche und eigenständige Bewegungsübungen ohne Schiene. Zur
⊡ Abb. 8.68a,b. Röntgendarstellung der Reposition. a Platte distal ver- Nacht und zur Schmerzreduktion intermittierende Anlage der
ankert. b Platte an den Schaft gedrückt und verschraubt dorsalen Gipsschiene.
Bei den eigenen Patienten wird am 2. Tag eine Kunststoffla-
gerungsschiene angefertigt, die der Patient selbständig an- und
abwickeln kann.
Weiterbehandlung/Arztbrief
Regelmäßige Wundkontrollen.
Fadenzug nach 10–14 Tagen.
Krankengymnastisch angeleitete Bewegungsübungen sofort.
Röntgenkontrolle nach 4 Wochen.
Intensivierte Krankengymnastik zur Wiedererlangung des voll-
ständigen Bewegungsausmaßes nach 4–6 Wochen.
⊡ Abb. 8.69. Reposition. Schematische Darstellung der reponierten und Implantatentfernung nur bei Beschwerden, i. d. R. dann nach
stabilisierten Fraktur 1 Jahr.
8.10 · Offene Reposition und Plattenosteosynthese der Humerusschaftfraktur
231 8
a b c
d e f
⊡ Abb. 8.70a–f. Röntgenverlauf. Dislozierte distale extraartikuläre Radiusextensionsfraktur. a,b Unfallbilder. c,d Reposition im Gips. e,f Postoperative
Bilder nach Plattenosteosynthese
232 Kapitel 8 · Verletzungen der oberen Extremitäten
8.11 Operative Stabilisierung der – Lokale Wund-, Weichteil- und auch Knocheninfekte
frischen Kahnbeinfraktur durch – Gefäß- und Nervenverletzungen, v. a. Ramus superficialis
Zugschraubenosteosynthese des Nervus radialis und Arteria radialis
▬ Spezifische Komplikationen
Vorbemerkung – Selten Sehnenverletzungen
Die Kahnbeinfraktur ist die häufigste Fraktur der Handwurzel. – Verzögerte Frakturheilung bis hin zur Pseudarthrosen-
Bedingt durch die großen Gelenkanteile der Knochenoberflä- bildung trotz Osteosynthese mit der Notwendigkeit von
che, der großen Mobilität und der spezifischen Blutversorgung Folgeeingriffen
von distal her stellt sie aber eine »kritische Verletzung« dar, mit – Überstehende Implantate können ggf. eine Implantatent-
einer hohen Rate von verzögerten Frakturheilungen, Pseudar- fernung nötig machen, die bei korrekter Schraubenlage
throsenbildung und im Endstadium sogar der Möglichkeit des und Beschwerdefreiheit des Patienten nicht indiziert ist
karpalen Kollaps. – Partialnekrose des Skaphoids mit der Notwendigkeit von
Nachoperationen, ggf. stabilisierend bis hin zur Arthro-
dese
Indikation – Implantatbrüche
Die konservative Therapie ist langwierig, eine 12-wöchige Ru-
higstellung wird empfohlen, sowohl im Oberarm- als auch Diagnostik und Planung
Unterarmgipsverband, wobei nach diesen Ruhigstellungszeiten Vor dem Operationstag, da dieser Eingriff häufig ambulant
mit einer hohen Rate von Muskelatrophien und ruhigstel- durchgeführt wird, muss im Rahmen des Vorbereitungsgesprä-
lungsbedingten (Bewegungs-)Einschränkungen der beteiligten ches die DMS der Hand geprüft und dokumentiert werden. Die
8 Gelenke gerechnet werden muss. Daher wird die Indikation zur lokale Schwellung und Weichteilbeschaffenheit ist zu prüfen.
operativen Stabilisierung von frischen Frakturen zunehmend
großzügig gestellt und besteht auf alle Fälle bei:
▬ Verschobenen Frakturen einschließlich Diastasen Im Operationssaal
▬ Offenen Frakturen und Kombinationsverletzungen Lagerung
Der Eingriff wird in Rückenlage auf dem Armtisch in Blutsperre
Aber auch bei unverschobenen oder wenig verschobenen Frak- durchgeführt (⊡ Abb. 8.71). Eine ausreichende Durchleuchtungs-
turen kann nach einer erfolgreichen Zugschraubenosteosyn- möglichkeit der Handwurzel einschließlich der Möglichkeit einer
these auf eine Ruhigstellung verzichtet werden, in vielen Fällen Schrägprojektion muss gegeben sein und sollte vor der Abde-
ist sogar der Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nach 4 Wochen ckung geprüft werden.
realisierbar, was im Vergleich zu einer 4- bis 6-monatigen Ar- Der Eingriff kann sowohl in Regional- als auch in Vollnar-
beitsunfähigkeit bei konservativer Behandlung durchaus ein kose durchgeführt werden. Es ist auf die Vollständigkeit der
wichtiges Argument für die Operation sein kann. bildgebenden Diagnostik zu achten.
Im Folgenden wird die operative Versorgung der typischen
Querfraktur im mittleren Drittel über einen dorsalen Zugang Zugang
mit einem kanülierten Doppelgewindeschraubensystem vor- Die Tabatiere wird aufgesucht und ggf. der Verlauf der Sehne
gestellt (AO Typ B2). Insbesondere bei Frakturen des distalen, des M. abductor pollicis longus und abductor pollicis brevis
speziell aber auch des proximalen Drittels sowie bei Mehrfrag- angezeichnet. Nach Anlage der Blutsperre (Arm ausreichend
ment- und Trümmerfrakturen müssen spezielle Techniken an- lange – mindestens 1–2 Minuten – elevieren), ggf. nach proxi-
gewendet werden, ggf. auch über palmare Zugänge oder Kom- mal hin »ausstreichen«, um blutarme Verhältnisse zu erreichen.
binationszugänge. Hier handelt es sich jedoch um Eingriffe aus Dann Aktivieren der Blutsperre. Der Zugang erfolgt längs, etwa
dem Bereich der speziellen Handchirurgie. 5 cm lang, direkt über der Tabatiere.
Operationstechnik
Operationsvorbereitung ⊡ Abb. 8.72 und 8.73
Aufklärung
Da bei wenig verschobenen Frakturen prinzipiell auch eine
konservative Therapie möglich ist, muss ein intensives Ge-
spräch mit dem Patienten erfolgen, das auch die persönlichen
Lebensumstände, die berufliche Tätigkeit und das Anforde-
rungsprofil umfasst. In den meisten Fällen stellt die Option der
operativen Stabilisierung und der frühfunktionellen Behand-
lung die sichere und für den Patienten angenehmere Therapie-
option dar.
▬ Allgemeine Operationsrisiken
– Thromboembolische Komplikationen (an der oberen Ex-
tremität sehr selten)
8.11 · Operative Stabilisierung der frischen Kahnbeinfraktur durch Zugschraubenosteosynthese
233 8
Sehne des
M. flexor
carpi radialis
⊡ Abb. 8.71. Lagerung, Abdeckung und Orientierungspunkte. Der Pa- ⊡ Abb. 8.72. Hautinzision und Exposition Kahnbein. Nach der Hautinzi-
tient liegt in der Rückenlage auf dem Normaltisch. Der betroffene Arm sion wird die Sehnenscheide des M. flexor carpi radialis eröffnet und die
ist auf einem Armtisch ausgelagert. Das Handgelenk wird auf einer klei- Sehne retrahiert. Nach Längsinzision des Sehnengrundes erreicht man
nen Tuchrolle überstreckt. Die Orientierung erfolgt entlang der Sehne direkt das Kahnbein
des M. flexor carpi radialis
Reposition/Stabilisierung
Bei Frakturen im mittleren Drittel kann man durch Retraktion
der Gelenkkapsel einen ausreichenden Überblick über die Frak-
tur erlangen, so dass unter Einsatz des Zahnarzthakens und des
Elevatoriums die Fraktur reponiert werden kann. Die Ausräu-
mung von Frakturhämatomen erfolgt sparsam, eine Freilegung
sollte auf alle Fälle vermieden werden. Mit Einsatz eines feinen
gebogenen Hakens in den proximalen Pol kann eine Kompres-
sion der Fraktur erreicht werden, bei instabiler Situation wird
zunächst vorläufig mit einem Spickdraht (1,2 oder 1,4 mm)
stabilisiert (⊡ Abb. 8.74).
Da moderne Doppelgewindeschraubensysteme kanüliert
sind, kann oftmals aber auch schon primär der Führungsdraht
direkt eingesetzt werden. Er misst nur 1,9 mm Durchmesser
und sollte dementsprechend eher »kurz eingespannt« werden,
um eine ausreichende Navigationskontrolle zu erreichen. Er
sollte parallel zur Längsachse des Kahnbeins verlaufen und die
Frakturfläche möglichst senkrecht überqueren.
Sind die Drähte positioniert (⊡ Abb. 8.75), erfolgt die Bild-
wandlerkontrolle in mehreren Ebenen, die einerseits die kor-
8 rekte Position des Skaphoids mit anatomischer Reposition si-
chert und andererseits die korrekte Länge des Spickdrahtes, der
zwar in der Gegenkortikalis des proximalen Pols verankert sein,
⊡ Abb. 8.74. Instrumentarium: »Herbert-Schraube« (Doppelgewinde-
schraube). Das Instrumentarium der Doppelgewindeschraube erlaubt
diesen aber nicht überragen sollte, demonstriert (⊡ Abb. 8.76).
eine Kompression der Fragmente und dient gleichzeitig als Zielinstru- ! Sind Nachrepositionen nötig, sollte sehr vorsichtig vorgegan-
mentarium für die Bohrung. Moderne Versionen der Schraube sind kanü-
liert, damit über einen Führungsdraht auch eine perkutane Applikation,
gen werden, um nicht durch den übermäßigen Einsatz von
z. B. bei unverschobenen Frakturen, möglich ist zusätzlichen Spickdrähten die Knochenstruktur weiter zu stören
bzw. die Blutversorgung der Fragmente zu reduzieren.
⊡ Abb. 8.75a,b. Repositionsstellung und eingebrachter Führungsdraht. a Die Fraktur ist reponiert, der Führungsdraht eingebracht und überbohrt.
b Die Schraube wird eingebracht und soweit eingedreht, dass das zweite Gewinde vollständig im Knochen verschwindet. Damit ist die maximale
Kompression erreicht, ohne dass ein störender Schraubenkopf die Knochenoberfläche überragt
8.11 · Operative Stabilisierung der frischen Kahnbeinfraktur durch Zugschraubenosteosynthese
235 8
a b c
d e f
g h i
Bei ideal liegendem Draht wird nun hierüber eine Längenmes- Behandlung der Kahnbeinpseudarthrose (Spaninterposition,
sung durchgeführt und eine entsprechende Schraube, je nach Plattenosteosynthese etc.) zurückgegriffen werden.
Frakturform 2–4 mm kürzer als der gemessene Längsdurch-
messer des Skaphoids, gewählt. Es ist darauf zu achten, dass Nachbehandlung
beide Gewindeanteile sicher jenseits der Frakturebene liegen ▬ Operationstag: Direkt postoperativ DMS-Kontrolle. Der
und das Skaphoid nicht überragen. Patient sollte die Finger bewegen, der Arm wird hochgela-
Je nach System erfolgt nun eine Überbohrung mit einem gert. Da der Eingriff in vielen Fällen ambulant durchgeführt
kanülierten Bohrer, wobei darauf zu achten ist, dass es wäh- wird, muss der Patient instruiert werden, dass u. U. in den
rend des Bohrvorgangs nicht zu einer Rotation der Fragmente Abendstunden der elastische Verband gelockert werden
kommt. Ein zusätzlich eingebrachter Hilfsspickdraht kann diese muss, ansonsten erfolgt ein Verbandswechsel.
Rotationsbewegung zuverlässig verhindern. Eine weitere Ge- ▬ Postoperativer Tag 1: Hier kann die Wunde mit einem
fahr besteht darin, beim Entfernen des Bohrers den Spickdraht Pflasterverband abgedeckt werden. Soll eine kurzfristige
ebenfalls herauszuziehen. Hier muss durch einen zusätzlichen Ruhigstellung zur Schmerzreduktion erfolgen, wird eine
Draht, der durch die Bohrmaschine in den kanülierten Bohrer dorsale Unterarmgipsschiene angepasst, sie kann durch den
eingeführt wird, die Position des Zieldrahtes beim Herauszie- Patienten selbstständig abgenommen werden.
hen des Bohrers gesichert werden.
Die Schraube der entsprechenden Länge wird über den Weiterbehandlung/Arztbrief
Führungsdraht eingebracht und zunächst soweit eingedreht, Die Fäden werden 10–14 Tage postoperativ entfernt. Bei un-
dass das Gegengewinde den distalen Pol sicher fasst, aber der verschobenen Frakturen wird vor Wiedereintritt der Arbeits-
Kopf noch nicht komplett im Knochen verschwindet. In dieser fähigkeit nach 4 Wochen eine Röntgenkontrolle durchgeführt,
8 Situation sollte schon eine leichte Kompression im Bereich ansonsten wird nach 6 und 12 Wochen eine Röntgenkontrolle
des Frakturspaltes erkennbar sein. Jetzt muss der Hilfsdraht veranlasst.
entfernt werden, um eine »Sperre« zu vermeiden. Das weitere Kann nach 12 Wochen eine knöcherne Durchbauung noch
Eindrehen der Schraube muss nun sehr vorsichtig erfolgen, um nicht gesichert werden, wird zusätzlich eine computertomogra-
eventuell auftretenden Rotationsbewegungen der Fragmente phische Untersuchung durchgeführt.
entgegenwirken zu können. Die Fraktur sollte nun gut unter In der Nachbehandlungszeit wird der Patient angehalten,
Kompression kommen. Die Schraube wird soweit eingedreht, den Arm für alltägliche Verrichtungen schmerzadaptiert einzu-
dass sie 1 mm tiefer, zumindest jedoch eben mit der Kortikalis setzen, ggf. unter Anlage der dorsalen Unterarmgipsschiene für
abschließt. Der Frakturspalt sollte gut komprimiert und stufen- den Zeitraum von 2 bis maximal 4 Wochen zur Schmerzstillung.
und distanzfrei zur Darstellung kommen. Die Schiene wird regelmäßig zweimal täglich abgenommen und
Der Führungsspickdraht wird entfernt und die Implan- eigenständige Bewegungen des Handgelenks durchgeführt.
tatlage sowie die anatomische Reposition durch eine erneute Eine weitergehende krankengymnastische Therapie wird
Durchleuchtung in mehreren Ebenen gesichert. Dokumenta- bei den eigenen Patienten nur bei Vorliegen von Bewegungs-
tion der entsprechenden Bilder. Mit dem Elevatorium wird einschränkungen frühestens nach 6 Wochen verordnet.
sehr sorgfältig die stufenfreie Gelenkfläche gesichert und nach
Spülung des Gelenks die Blutsperre eröffnet.
Literatur
Wundverschluss/Verband Rüedi T (2008) AO-Prinzipien des Frakturmanagementes. Thieme, Stuttgart
Scharf H, Rüter A, Pohlemann T, Marzi M, Kohn D, Günther HP (2008) Orthopä-
Nach ausgiebiger Spülung wird i. d. R. nur die Haut mit Ein-
die und Unfallchirurgie: Facharztwissen nach der neuen Weiterbildungs-
zelknopfnähten verschlossen. Auf eine Redon-Drainage wird ordnung. Elsevier, München
meist verzichtet. Nach der sterilen Abdeckung wird ein leichter Schmit-Neuerburg KP, Letsch R, Towligh H (2001) Tscherne Unfallchirurgie.
Druckverband angelegt. Dieser kann nach einigen Stunden, Ellenbogen, Unterarm, Hand. Springer, Berlin Heidelberg New York
falls der Patient Beschwerden angibt, gelockert werden.
Postoperativ
Probleme
Probleme können auftreten, wenn bei unzureichender Reposi-
tion eine geschlossene Verschraubung versucht wird. Im Zwei-
felsfall sollte die Repositionsgüte offen kontrolliert werden.
Bestehen Trümmerzonen und damit kein ausreichend stabi-
ler Kontakt der Hauptfragmente unter Kompression, ist das
beschriebene Osteosyntheseverfahren überfordert. In diesen
Fällen ist eine andere Osteosynthesetechnik, z. B. die Plattenos-
teosynthese zu bevorzugen. Bei älteren Frakturen, insbesondere
bei ausgedehnten Zystenbildungen, muss ggf. auf Verfahren zur
9
Vorbemerkung
Die Inzidenz der medialen Schenkelhalsfraktur steigt derzeit
im Rahmen der sich ändernden Altersstrukturen deutlich an.
Bei geschwächter Knochenstruktur tritt sie in der Regel als Bie-
gungsfraktur schon bei Bagatelltraumen auf. Bis vor wenigen
Jahren wurde im deutschen Sprachraum fast ausnahmslos der
endoprothetische Hüftgelenksersatz als Therapieoption bevor-
zugt. Auf Grund der ermutigenden Ergebnisse aus dem skandi-
navischen Raum und der für die Patienten deutlich weniger be-
lastenden Operationen finden rekonstruktive Verfahren wie die
minimalinvasive perkutane Schenkelhalsverschraubung oder
alternativ die Versorgung mit der dynamischen Hüftschraube
zunehmend Verbreitung. Eine Reihe von Untersuchungen zei-
gen, dass zur Vermeidung einer Sekundäroperation auf Grund
von sich entwickelnden Hüftkopfnekrosen oder ausbleibender
Heilung die Indikation differenziert betrachtet werden sollte.
Indikation
In der eigenen Klinik wird die Schenkelhalsosteosynthese bei
9 folgenden Indikationen durchgeführt (⊡ Abb. 9.1):
▬ Immer bei Frakturen Typ Garden I und II unabhängig von
dem Intervall nach Unfall
▬ Frakturen Typ Garden III i. d. R., wenn der Unfall weniger
als 6 h, längstens 12 h zurückliegt
▬ Patienten im guten Allgemeinzustand mit biologischem
Alter unter 60 Jahren
▬ Bei Patienten ohne Nebenerkrankungen im Alter unter 50
Jahren bei allen Frakturtypen
Operationsprinzip
Im Standardvorgehen wird eine geschlossene Reposition auf
dem Extensionstisch durchgeführt und im Bildwandler in bei-
den Ebenen das Repositionsergebnis gesichert und dokumen-
tiert. Es erfolgt eine perkutane Versorgung mit kanülierten
Schrauben oder Bolzen, die sich im Sinne einer Dreipunkt-
abstützung am Adam-Bogen und an der lateralen Kortikalis
des Oberschenkels abstützen. Bei jungen Patienten bzw. bei
Vorliegen von Trümmerzonen im Schenkelhals, die eine sichere
Dreipunktabstützung verhindern, wird alternativ die dynami-
sche Hüftschraube mit oder ohne zusätzliche Zugschraube ein-
gesetzt.
9.1 · Osteosynthese einer medialen Schenkelhalsfraktur
239 9
⊡ Abb. 9.1a–c. Einteilung der Schenkelhalsfrakturen nach Garden – Typ Garden III: komplette Fraktur mit »teilweiser Verschiebung« (medi-
(1964). Der Zeichnung (a) sind jeweils beispielhafte Röntgenaufnahmen ale Trabekel nicht in Kontinuität)
in der a.p. (b) und seitlichen (c) Projektion beigefügt. – Typ Garden IV: komplette Fraktur, komplette Verschiebung (Kopf
– Typ Garden I: inkomplette Fraktur, valgisiert eingestaucht wieder in die ursprüngliche Position im Azetabulum zurückgeglit-
– Typ Garden II: komplette Fraktur, »unverschoben« ten)
240 Kapitel 9 · Verletzungen der unteren Extremitäten
Operationsvorbereitung Im Operationssaal
Aufklärung Lagerung
Die Aufklärung sollte vermitteln, dass einerseits keine akzep- Die Lagerung erfolgt auf dem Extensionstisch mit etwa 20–30°
table konservative Therapieoption besteht, mit dem perkutan Abduktion des betroffenen Beins (⊡ Abb. 9.2). Auf eine ausrei-
durchführbaren Eingriff andererseits eine relativ verlässliche chende Polsterung des Zentralpollers muss geachtet werden,
Option zur späteren Frühmobilisation und Rehabilitation exis- um Druckschäden des Nervus pudendus zu vermeiden. Das
tiert. Risiken sind: gegenseitige Bein wird bei ausreichender Beweglichkeit in der
▬ Thrombose/Embolie gynäkologischen Beinstütze in der Hüfte gebeugt, um eine bes-
▬ Ausriss der Implantate mit ggf. erneuter Operation und sere Einstellungsmöglichkeit für die seitliche Durchleuchtung
endoprothetischem Ersatz zu bekommen.
▬ Hüftkopfnekrose (frühestens 3–6 Monate postoperativ er- Bevor mit der Abdeckung begonnen wird, erfolgt die Kon-
kennbar) mit Notwendigkeit eines nachfolgenden Hüftge- trolle der Bildwandlereinstellung und Reposition der Fraktur
lenksersatzes (⊡ Abb. 9.3). Dazu wird zunächst in a.p. Durchleuchtung durch
▬ Irritationen am Tractus iliotibialis durch Zusammensinte- Regulierung von Abduktion/Adduktion und Extensionsstärke
rung der Fraktur und konsekutiv überstehenden Schrauben die Fraktur eingerichtet, wobei eine leichte Valgisation einer
mit ggf. Notwendigkeit einer vorgezogenen Implantatent- eher varischen Stellung vorzuziehen ist. Der Kopf sollte sich
fernung idealerweise an der lateralen Kortikalis des distalen Fragments
»aufhängen«. Danach Umschwenken des Bildwandlers in die
Zur Verringerung des Risikos einer sich sekundär durch in Dis- seitliche Projektion. Hier muss durch Innenrotation des Beins
lokationsstellung abgeknickter hüftkopfversorgender A. circum- ein Absinken des Oberschenkels kompensiert werden. Gege-
flexa femoris medialis entwickelnden Hüftkopfnekrose wird die benenfalls ist es notwendig, eine zusätzliche Beinschale am
Operation im Grundsatz als Notfalloperation günstigstenfalls Extensionsbügel einzusetzen, um den Oberschenkel anzuhe-
innerhalb von 6 h nach dem Unfall, spätestens 12 h nach dem ben. Selten gelingt die geschlossene Reposition nicht. In die-
9 Unfall bei allen dislozierten Frakturen (Garden III und IV) sen Fällen muss Vorbereitung getroffen werden, intraoperativ
durchgeführt. Eingestauchte Frakturen (»Abduktionsfraktur«) durch Eröffnung der ventralen Hüftgelenkskapsel eine offene
können auch nach entsprechender Vorbereitung im elektiven Reposition durchzuführen.
Operationsprogramm operiert werden. Nach Sicherung der Repositionsstellung Fixieren aller Ge-
lenke des Extensionstisches und steriles Abwaschen und Ab-
Diagnostik und Planung decken.
Da es sich in der Regel um geriatrische Patienten handelt, muss Die Operation kann auch simultan mit 2 Bildwandlern oder
eine umfassende Untersuchung zur Sicherung der allgemeinen mithilfe eines biplanaren Bildwandlers durchgeführt werden.
Operationsfähigkeit durchgeführt werden. Die Anlage eines Hierzu sind spezielle Abdeckungen nötig, ggf. ist die Aktions-
transurethralen Blasenkatheters ist empfehlenswert. freiheit des Operateurs etwas eingeschränkt. Vorteile liegen in
der besseren Visualisierung beider Ebenen gleichzeitig. In zu-
nehmendem Maße kommen auch Navigationsgeräte zum Ein-
satz, auf Grund der speziellen Vorbereitungen haben sie sich
aber noch nicht im allgemeinen Routineeinsatz durchgesetzt.
⊡ Abb. 9.4. Zugang und Einsetzen des Zielgerätes. Es wird eine ca.
5–10 cm lange Inzision entlang der lateralen Femurachsen, beginnend
vom Tuberculum innominatum nach distal, angelegt. Nach Spalten des
Tractus iliotibialis wird im Faserverlauf des M. vastus lateralis direkt auf
den Knochen eingegangen
9.1 · Osteosynthese einer medialen Schenkelhalsfraktur
243 9
c d
e f
⊡ Abb. 9.5a–f. Platzierung der Zieldrähte. Mit der Zielbohrbüchse wird giosastruktur). b Mit der Parallelbohrhülse lässt sich proximal dorsal ein
zunächst der Zielbohrer (ggf. auch Bohrdraht) für die distale Schraube zweiter Führungsdraht platzieren, der sich insbesondere an der dorsalen
eingebracht. Es soll eine 3-Punkt-Abstützung der Schraube resultieren Kortikalis des Schenkelhalses abstützen soll. c,d Bildwandlerkontrolle der
(Hüftkopf – distale Schenkelhalskortikalis – laterale Femurkortikalis). a Der Einbringung des 1. Zieldrahtes in a.p. (c) und seitlicher (d) Durchleuch-
Bohrer muss daher etwa 5 mm kranial der distalen Schenkelhalskortikalis tung. e Der erste Draht ist mit dem Stufenbohrer überbohrt und bleibt
verlaufen und sollte in der axialen Durchleuchtung möglichst zentral in situ. Der 2. Führungsdraht wird parallel dazu mithilfe der Doppelbohr-
liegen bzw. in den dorsalen Anteil des Hüftkopfes zielen (stabilere Spon- büchse eingebracht. f Stufenbohrung über den 2. Draht
244 Kapitel 9 · Verletzungen der unteren Extremitäten
Operationsvorbereitung Im Operationssaal
Aufklärung Lagerung
Konservative Therapiealternativen bestehen nicht, so dass v. a. Bei den eigenen Patienten wird der Eingriff in Seitenlage
auf die alternative Osteosynthese versus endoprothetischen Er- durchgeführt (⊡ Abb. 9.7), die im Folgenden beschrieben wird.
satz eingegangen werden muss. Folgende Punkte sind anzu- Dies hat den Vorteil der besseren Exposition und bietet v. a.
sprechen: in Ausbildungskliniken die bessere Übersicht für Operateur
▬ Allgemeine Operationsrisiken und Assistenz. Alternativ kann der Eingriff auch in Rückenlage
– Thromboembolische Komplikationen durchgeführt werden.
– Wund-, Weichteil-, Gelenk- oder Knocheninfektion Perioperative Antibiotikaprophylaxe mit einem Cephalo-
– Nachblutung oder Serombildung sporin der 1. Generation.
– Selten Nervenschäden (Traktionsschaden Nervus ischia- Der Eingriff kann sowohl in Spinal- oder Periduralanästhe-
dicus), langwierige Rehabilitation sie als auch in Vollnarkose durchgeführt werden.
▬ Spezifische Komplikationen: Nach Narkoseeinleitung Vorreinigung des Operationsge-
– Beinlängendifferenzen bietes, ggf. Rasur. Der Patient wird auf einem regulären Tisch
– Luxationen des Gelenks, v. a. in den ersten 6–12 Wochen in die Seitenlage gebracht. Es ist auf eine ausreichende Abstüt-
– Schaftauslockerung mit Notwendigkeit der Nachfolge- zung bei frei beweglich verletztem Bein zu achten. Im Regelfall
operation werden Abstützungspolster an Thorax und Schulterblatt sowie
– Selten zunehmende Arthrose im Azetabulum mit der Symphyse und Os sacrum angebracht. Auf eine ausreichende
Notwendigkeit der Indikation zur Implantation einer To- Polsterung der unten liegenden Extremität (cave: N. peroneus!)
talprothese und insbesondere die korrekte Lage der Arme (cave: Plexus-
– Selten pulmonale Komplikationen bei der Zementein- dehnung!) ist zu achten. Der gleichseitige Arm wird über eine
bringung Stütze mit fixiertem Ellenbogen auf die Vorderseite des Körpers
▬ Beratung über die ggf. notwendige Anschlussheilbehand- angehoben.
9 lung in einer Rehabilitationseinrichtung Die Abdeckung erfolgt mit frei beweglichem Bein, die Tro-
chanterregion muss gut zugänglich sein.
Diagnose und Planung
In der Regel handelt es sich um multimorbide Patienten, nicht
selten werden sie erst einige Zeit nach einem Sturz aufgefun-
den. Daher sind nach Diagnosestellung die Überprüfung und
möglicherweise Stabilisierung des Allgemeinzustandes vor-
dringlich. Idealerweise wird auch nach dieser Verletzung die
Versorgung direkt unmittelbar nach Aufnahme durchgeführt.
In vielen Fällen bestehen aber Begleiterkrankungen, die die
Einnahme von oralen Antikoagulantien notwendig machen, so
dass zumindest eine Normalisierung der Gerinnungssituation
vorgeschaltet werden muss.
Zur Diagnostik werden eine Beckenübersichtsaufnahme so-
wie eine Aufnahme der betroffenen Hüfte axial durchgeführt.
Idealerweise sollte während der a.p. Aufnahme des Beckens
eine passive Innenrotation beider Oberschenkel durchgeführt
werden, um eine optimale Darstellung des Schenkelhalses zu
ermöglichen (erkennbar am »Verschwinden« oder »Kleiner-
werden« des Trochanter minor). Anhand dieser Aufnahmen
lässt sich schon eine grobe Schätzung der Prothesengröße vor-
nehmen, insbesondere ist die Form des Markraums zu beach- ⊡ Abb. 9.7. Lagerung. Der Patient wird in der Seitenlage gelagert. Es
erfolgt eine gute Abstützung, damit der Patient unter der Abdeckung
ten. Meist werden zementierte Prothesen eingesetzt; nur bei
nicht »kippt«. Das betroffene Bein ist beweglich abgedeckt. Der Opera-
einer ideal konvergierenden (»trichterförmigen«) Schaftgeome- teur steht dorsal, der erste Assistent gegenüber. Wichtigste Landmarke
trie können bei jüngeren Patienten auch zementfreie Systeme ist der Trochanter major. Die Länge der Inzision richtet sich nach dem
zum Einsatz kommen. subkutanen Weichteilmantel und beträgt in der Regel 10–15 cm
9.2 · Versorgung einer medialen dislozierten Schenkelhalsfraktur mit Duokopfprothese
247 9
Operationstechnik
Zugang
Der Eingriff wird mit dem geraden lateralen Zugang nach
Bauer durchgeführt. Getastet werden die Trochanterspitze so-
wie der Verlauf des Femurs. Es wird eine gerade Inzision je
nach Ausmaß des Subkutangewebes von 12–25 cm angelegt von
der Trochanterspitze nach proximal und distal.
Operationstechnik
Nach Eröffnen des Subkutangewebes wird der Tractus ilioti-
bialis dargestellt. Die Exposition ist einfach, da die Weichteile
schwerkraftbedingt nach ventral und dorsal »wegfallen«. Vor
der Inzision des Tractus iliotibialis wird nochmals die genaue
Lage des Trochanters bestimmt, um genau in der Mittellinie
zu spalten. Es wird ausreichend nach proximal und distal ge-
spalten, so dass nach Einsetzen eines Wundsperrers unter die
Faszie der Trochanter gut exponiert wird (⊡ Abb. 9.8). Ein huf-
eisenförmiges muskelfreies Intervall am Übergang vom Ansatz
der Abduktoren zum Ursprung des M. vastus lateralis wird
erkennbar. Es wird das ventrale Drittel des M. vastus lateralis
sowie der Abduktoren abgelöst (⊡ Abb. 9.8). Dazu wird der
Schnittverlauf mit dem elektrischen Messer angezeichnet und ⊡ Abb. 9.8. Subfasziale Präparation. Nach Präparation des Subkutan-
zunächst in Längsrichtung der Muskelfasern der M. vastus gewebes wird die Faszie (Tractus iliotibialis) dargestellt. Jetzt kann der
lateralis gespalten und bis zum Knochen inzidiert. Diese In- Trochanter major gut getastet werden. Die Faszieninzision erfolgt genau
zision wird bis zur Trochanterspitze fortgeführt und dort im mittig über dem Trochanter in Faserrichtung des Traktus. Dieser Schritt
Verlauf der Fasern des M. gluteus medius leicht geschwungen ist wichtig, da bei zu weit ventraler oder dorsaler Spaltung die Präpara-
tion des Schaftes nach Luxation der Hüfte erschwert ist. Die Abduktoren
nach ventral präpariert. Die Präparation sollte möglichst direkt und der M. vastus lateralis werden nach ventral abgelöst. Dabei bleiben
auf dem Knochen erfolgen, die frei präparierten Muskellappen die dorsalen 2/3 der Muskeln am Oberschenkel, das ventrale 1/3 wird mit
können später zur leichteren Identifikation mittels Haltenähten dem elektrischen Messer abgelöst
markiert werden.
> Achtung 1. Assistent
Der Assistent hält das ventrale Muskelpaket mit Langenbeck-
Haken, bei sehr schlanken Patienten mit scharfen Haken unter
ständiger Spannung. Der 2. Assistent saugt den entstehenden
Rauch bei der Elektropräparation beständig ab. Der 1. Assis-
tent führt nun eine zunehmende Außenrotation des betroffe-
nen Beins durch, so dass kontinuierlich auf die Hüftgelenks-
kapsel präpariert werden kann.
! Ein 90° Langenbeck-Haken, der parallel zur lateralen Kortikalis Je nach ermitteltem Befund werden nun die endgültigen
des Femurs angelegt wird, sollte den Prothesenkonus etwa Komponenten ausgesucht. Unter Einsatz eines einzinkigen Ha-
3–4 mm unterhalb seines proximalen Endes kreuzen. kens wird die Prothese erneut luxiert und die Position zur
Einsicht in den Oberschenkelschaft wieder hergestellt. Heraus-
Je nach verwendetem Prothesensystem und Erfahrungsgrad er- nahme der Probekomponente, danach Spülung des Schaftes,
folgt jetzt eine Probereposition. Dazu wird auf den Probeschaft Einsetzen der Markraumsperre. Es ist darauf zu achten, dass sie
ein Kopf mittlerer Halslänge und eine Duokopfkomponente weit genug in den Schaft getrieben wird, um ein »Auflaufen«
im zuvor bestimmten Durchmesser des resezierten Hüftkopfes der Prothese zu vermeiden. Der Zementmantel sollte sich bis
aufgesetzt und die Probereposition durchgeführt. etwa 1–1,5 cm distal der Prothesenspitze ausdehnen. Nachdem
Hierzu muss zunächst die im Azetabulum liegende Kom- die Originalkomponenten geprüft und ausgepackt wurden, er-
presse entfernt werden. Der 1. Assistent übernimmt das Bein, folgt das Anrühren des Zements, bevorzugt in Vakuumtechnik.
der 2. Assistent oder die OP-Pflegekraft assistiert bei der He- Die Oberschenkeleingangsebene inklusive des Azetabulums
rausnahme aus dem sterilen Beutel, der Operateur steuert die werden mit Tüchern umlegt und ein »Entlüftungsschlauch«
Kopfkomponente mit einem Polyethylenstößel. Die Kapsel wird in den Markraum eingelegt. Kurz vor dem Einbringen des
dabei an den Haltefäden nach ventral und dorsal weggehal- Zements nochmals Spülung und Absaugen der Spülflüssigkeit.
ten. Unter beginnendem Längszug, vorsichtiger Innenrotation Danach Auffüllen des Markraums von distal nach proximal,
und schließlich Extension sollte die Reposition ohne großen ggf. unter Absaugung durch das Entlüftungsrohr. Die Prothese
Kraftaufwand möglich sein. Bei kräftigen Weichteilen muss ggf. wird nun zunächst manuell vorsichtig eingedrückt, dabei wird
zusätzlich in Langenbeck-Haken eingesetzt werden, um den gleichzeitig der Entlüftungsschlauch vorsichtig durch den As-
Repositionsweg freizuhalten. Auf eine entsprechende Relaxa- sistenten herausgezogen.
tion in Allgemeinnarkose ist zu achten.
! Rechtzeitige Information der Anästhesie, da Zementpartikel
Ist die Reposition gelungen, kontrolliert der Operateur zu-
durch die Linea aspera des Oberschenkels in die Blutbahn
nächst die Antetorsion des Schaftes, dazu hält er das Knie in
9 90°-Beugung in Neutralposition der Hüfte. Der 1. Assistent
geschwemmt werden und pulmo-embolische Probleme, in
seltenen Fällen bis zum akuten Herzstillstand, beobachtet
retrahiert die Weichteile nach ventral, die Antetorsion ist durch
wurden!
lateralen Einblick leicht erkennbar. In dieser Neutralstellung
kann auch durch »Peilung« über die Trochanterspitze Rich- Sobald der Widerstand zunimmt und ein manuelles Eindrü-
tung Drehzentrum die Beinlänge recht genau abgeschätzt wer- cken der Prothese nicht mehr möglich ist, wird sie mit dem
den. Danach Durchbewegen der Hüfte unter Palpation der Stößel vorgetrieben, der Assistent kontrolliert hierbei die Ante-
Kopfkomponente in alle Richtungen zur Prüfung der Luxati- torsion durch leichten Druck auf den Prothesenkonus. Bei Un-
onstendenz (⊡ Abb. 9.14). Zu testender Bewegungsumfang: E/F sicherheiten bezüglich der korrekten Antetorsion sollte schon
0–0–90°, IR/AR 10–0–10, Abduktion 20°. Ebenfalls kritisch ist mit der Probeprothese eine Markierung des Knochens erfolgen,
in Streckung des Kniegelenks das mögliche Impingement des um die vorbestimmte Antetorsion von etwa 10–15° sicher
Schenkelhalses. Bei Adduktion und Außenrotation sollte es reproduzieren zu können. Die Prothese wird bis zur vorbe-
nicht zum Anschlagen des Schenkelhalses am Azetabulumrand stimmten Tiefe eingeschlagen, danach sofort der überschüssige
kommen. Zement entfernt. In der eigenen Klinik wird dazu einmal mit
dem Skalpell entlang der Resektionsebene durch den Zement-
köcher geschnitten, der ausgetretene Zement lässt sich dann in
toto entfernen und der prothesenumgebende Zementmantel
bleibt auch proximal unberührt.
> Achtung 1. Assistent
Der 1. Assistent achtet auf nun ausreichende Außenrotation,
um einen Kontakt des Schenkelhalses mit den Weichteilen zu
vermeiden, die Aushärtung wird nun abgewartet.
a b c
d e
⊡ Abb. 9.17a–e. Lagerung auf Extensionstisch, Landmarken und Zugang. a Der Patient wird in Rückenlage auf dem Extensionstisch gelagert, das
gegenseitige Bein auf der Beinstütze ausgelagert (Posterung Fibulaköpfchen beachten!). b,c Die Durchleuchtungsmöglichkeit mit dem Bildwandler
muss für den a.p. (b) und seitlichen Strahlengang (»durchgeschwenkt«; c) problemlos möglich sein. d,e Die Einrichtung erfolgt wie in ⊡ Abb. 9.3
dargestellt durch Längszug und Rotation
254 Kapitel 9 · Verletzungen der unteren Extremitäten
Operationstechnik
Zugang
Nach Abdeckung erfolgt die Orientierung am Tuberculum in-
nominatum und im Längsverlauf des Schaftes. Die Inzisions-
länge beträgt etwa 7–10 cm.
Operationstechnik
Es wird ein lateraler Zugang gewählt, d. h. nach Durchtrennung
von Haut und Subkutangewebe wird direkt durch den Tractus
iliotibialis eingegangen und die Muskulatur des im Bereich des
Tuberculum innominatum entsprechend dem Vastus lateralis
gespalten. Die Freilegung erfolgt sparsam und muss nur bei
Notwendigkeit einer offenen Reposition nach ventral erweitert
werden. In diesen Fällen wird nach Ablösung der Muskulatur
mit dem Raspatorium eine Retraktion der Weichteile und ggf.
⊡ Abb. 9.18. Schematische Darstellung der Zieldrähte. Der ventral auf
auch eine Sicherung der Reposition mit in das proximale Frag-
den Schenkelhal aufgelegte Spickdraht definiert die Antetorsion des ment eingesetztem spitzem Hohmann-Hebel erreicht. Ist die
Schenkelhalses. Er wird vorübergehend kurzstreckig im Kopf verankert. Reposition schon geschlossen ausreichend exakt, wird lediglich
Der zeite, weiter proximal eingebrachte Draht sichert die Rotation im die laterale Oberfläche des Femurs vom Tuberculum innomina-
Frakturbereich. Wird er streng parallel zum ersten Draht eingebracht, tum bis etwa 5 cm distal beigelegt. Hier können sehr vorsichtig
markiert auch er die Antetorsion. Der erste Draht kann dann wieder
entfernt werden
ventral und dorsal Hohmann-Hebel eingesetzt werden, um die
Exposition zu erleichtern.
Bei ausreichender Reposition wird zunächst ein Spickdraht
9 in etwa 130–140°-Winkel zur Schaftachse auf die ventrale Kor-
tikalis aufgelegt, die Gelenkkapsel perforiert und der Draht
leicht in den Kopf eingeschlagen (⊡ Abb. 9.18). Die Drahtposi-
tion wird im Bildwandler in a.p. Ebene, bei wenig Erfahrung
auch in der seitlichen Durchleuchtung gesichert. Bei ausrei-
chender Reposition werden nun parallel zu diesem Draht im
proximalen Drittel des Schenkelhalsdurchmessers 2 Drähte von
lateral her in das proximale Fragment eingebracht und damit
die Rotation und Position gesichert. Danach nun Aufsetzen der
135°-Zielhülse (nur bei speziellen Situationen mit sehr steilem
Collum-Diaphysen-Winkel oder bei bewusster Valgisierung
wird die 150°-Schablone benutzt) (⊡ Abb. 9.19). Dieser Draht
wird so ausgerichtet, dass er im Verlauf etwa 5 mm proximal
des Adam-Bogens im Schenkelhals verläuft und der physiologi-
schen Antetorsion des Schenkelhalses folgt (dies kann anhand
der Antetorsion des auf die ventrale Kortikalis aufgelegten
Spickdrahtes überprüft werden).
Bei gesicherter Position wird unter festem Aufpressen der
Schablone auf die laterale Kortikalis der kanülierte Führungs-
draht ein- und bis in die subchondrale Kortikalis des Hüftkop-
⊡ Abb. 9.19. Einbringen des Führungsdrahtes. Das Zielinstrument (kor- fes vorgebohrt (⊡ Abb. 9.19). Idealerweise verläuft er etwa 5 mm
rekten Winkel des Zielgerätes beachten, hier 135° übereinstimmend zur kranial des Adam-Bogens (⊡ Abb. 9.18) und kommt zentral
ausgewählten dynamischen Hüftschraube!) wird distal des Tuberculum
innominatum aufgesetzt, die Antetorsion kontrolliert (parallel zum Si-
mittig oder leicht im dorsalen Kopfanteil zu liegen, da hier auch
cherungsdraht) und der Führungsdraht unter Bildwandlerkontrolle ein- bei Osteoporose die Knochenqualität relativ gesehen noch am
gebracht besten ist.
9.3 · Versorgung einer pertrochantären Femurfraktur mit dynamischer Hüftschraube
255 9
! Die Zug- und Drucktrabekel des Hüftkopfes und Schenkelhalses
sind auch bei starker Osteoporose noch gut zu erkennen. Die
Schraubenposition sollte distal der Zugtrabekel verlaufen, um
eine gute Auflage auf die Schraube zu gewährleisten.
a
c
b d
⊡ Abb. 9.22a–d. Radiologische Kontrolle des Bohrvorgangs. Der Stu- erkennen, sowie vor Erreichen der Drahtspitze (b). Eine höhere Sicher-
fenbohrer wird auf die korrekte Länge eingestellt und auf den Führungs- heit ist durch den anfangs erwähnten proximalen Sicherungsdraht (c)
draht aufgesetzt. a,b Bildwandlerkontrollen sind nötig, wenn die Fraktur gewährleistet. d Nach dem Gewindeschneiden (nur bei harter Spon-
überquert ist (a), um ggf. auftretende Fragmentrotationen frühzeitig zu giosa nötig!) wird die entsprechende Schraube eingebracht
9.3 · Versorgung einer pertrochantären Femurfraktur mit dynamischer Hüftschraube
257 9
Bei unkomplizierten Frakturen mit ausreichender me- Kompressionsschraube eingeführt und unter Bildwandlerkon-
dialer Abstützung ist eine 2-Loch-Platte ausreichend. Bei trolle eine Kompression der Fraktur erreicht (⊡ Abb. 9.23). Der
sehr schwacher Knochenqualität bzw. Frakturen im Bereich Frakturspalt sollte sich damit möglichst anatomisch schließen.
des Trochanter majors ist eine 4-Loch-Platte vorzuziehen Die Schraube kann sowohl belassen als auch herausgedreht
(⊡ Abb. 9.24). werden. Bei den eigenen Patienten wird sie in der Regel ent-
Diese Platte wird aufgesetzt und mit einem speziellen Stö- fernt. Jetzt Besetzen der beiden Plattenschrauben mit 4,5 mm
ßel über die Schenkelhalsschraube eingebracht (⊡ Abb. 9.23). bikortikalen Schrauben.
Bei Blockade kann ggf. eine Fehlrotation der Schraube beste- Es ist darauf zu achten, dass beide Schrauben möglichst
hen. Die Platte ist dann leicht zu drehen, um sie aufzusetzen, im Raum verschränkt werden und gut in der Gegenkortikalis
ggf. muss mit einer Repositionszange eine Rotation in die fixiert sind, um eine ausreichende Sicherung gegen Auszug und
Schaftachse erfolgen. Nach Aufbringen der Lasche wird eine Ausriss zu erhalten.
a
b
Wundverschluss/Verband
Dann Verschluss der Faszie mit Einzelknopfnähten. Gegebe-
a nenfalls Einlage einer subkutanen Redon-Drainage, Subkutan-
nähte und Hautverschluss. Es wird ein trockener steriler Ver-
band angelegt und der Patient vom Extensionstisch genommen
und auf dem Normaltisch gelagert. Danach Anlage eines Hüft-
Spicaverbandes, um das eventuelle Auftreten von postoperati-
ven Nachblutungen zu minimieren.
! Zu feste Wicklung bei AVK vermeiden! Regelmäßige Durch-
blutungskontrollen!
c a b
⊡ Abb. 9.24a–c. Einbringen der Platte in der Bildwandlerdarstellung. ⊡ Abb. 9.25a,b. Postoperative Röntgenkontrollen. Röntgenkontrollen
a Einbringen der Platte. In diesem Fall wurde eine 4-Loch-Platte ver- eine Woche nach der Versorgung. Der Patient ist zwischenzeitlich mit
wendet, um eine bessere Haltekraft in dem osteoporotischen Knochen Vollbelastung mobilisiert
zu erreichen. b,c Die Fraktur steht valgisiert (günstig), aber mit leichter
Diastase. Daher wird der Frakturspalt durch die passager eingebrachte
Kompressionsschraube (b) angenähert (c)
9.4 · Versorgung einer subtrochantären Oberschenkelfraktur mit proximalem Femurnagel
259 9
Postoperativ 9.4 Versorgung einer subtrochantären
Probleme Oberschenkelfraktur mit proximalem
Intraoperative Probleme treten vor allem auf, wenn die Repo- Femurnagel
sition nicht exakt (ggf. offen reponieren) und/oder die exakte
Platzierung des Führungspickdraht nicht gelingen (gute Bild- Vorbemerkung
wandlerdarstellbarkeit in beiden Ebenen ist obligat!). Bei sehr Die Versorgungsstrategie von pertrochantären und subtrochan-
osteoporotischen Knochen ist auf einen ausreichenden Platten- tären Oberschenkelfrakturen hängt ganz wesentlich vom Aus-
halt am Oberschenkelschaft zu achten (ggf. längere Platte unter maß der Frakturstabilität bzw. -instabilität ab. Insbesondere bei
Berücksichtung der Biomechanik verwenden!). den sog. »instabilen Frakturen«, bei denen kein belastungsfähi-
Postoperative Probleme sind in der Regel auf den All- ger Kontakt der Hauptfragmente im medialen Bereich besteht,
gemeinzustand der geriatrischen Patienten zurückzuführen. kann eine Stabilisierung mit winkelstabilen Plattensystemen
Daher ist eine postoperative Überwachung (Intensivstation, (Klingenplatten, DHS, DCS) schwierig sein und ggf. zu Hei-
Intermediate-Care-Station) empfehlenswert. lungsstörungen führen. Die Einführung der sog. proximalen
Femurnägel (z. B. Gammanagel, PFN etc.) erleichtert die Ver-
Nachbehandlung sorgung derart instabiler Frakturen, da durch die Einbringung
▬ Operationstag: Nach Narkoseausleitung Kontrolle der eines intramedullären Kraftträgers in Kombination mit min-
DMS, je nach Allgemeinzustand des Patienten ggf. inten- destens einem winkelstabilen, durch den Nagel in Schenkelhals
sivmedizinische Überwachung. Kontrolle des Blutverlustes und -kopf eingebrachten Lastträger eine sehr stabile, bei geria-
aus der Drainage am Abend des Operationstages und auch trischen Patienten in der Regel voll belastungsfähige Situation
am nächsten Tag, bei stärkeren Blutverlusten muss eine Re- geschaffen wird.
vision mit Blutstillung und Hämatomausräumung erfolgen. Trotz aller Vorteile eines »minimalinvasiven Verfahrens«
▬ Postoperativer Tag 1: Mobilisation; wenn vom Patienten darf aber auf keinen Fall übersehen werden, dass bei der Ver-
her vertretbar, wird eine Teilbelastung für 6 Wochen durch- wendung derartiger Implantate eine möglichst anatomische Re-
geführt, ansonsten, insbesondere bei Frakturen mit guter position in Kombination mit einer weichteilschonenden Ope-
medialer Abstützung voll belastet. rationstechnik die sicherste Voraussetzung für eine zeitgerechte
▬ Postoperativer Tag 2: Entfernung des Spiekerverbandes, Heilung sind. Exemplarisch wird an dieser Stelle die operative
Entfernung der Redon-Drainage und Pflasterverband der Versorgung einer subtrochantären Oberschenkelfraktur (Frak-
Wunde. Der Patient wird mit Antithrombosestrümpfen ver- turzone direkt bis etwa 3 cm distal des Trochanter minors) dar-
sorgt und die Mobilisation spätestens zu diesem Zeitpunkt gestellt. Bei der Verwendung derartiger Nagelsysteme für per-
begonnen. Röntgenkontrolle in 2 Ebenen. trochantäre Frakturen sind keine wesentlichen Änderungen der
Operationstechnik zu berücksichtigen. Da sich die verfügbaren
Die Rehabilitationsfähigkeit ist gegeben, sobald der Patient mit Nagelsysteme in Details wie z. B. der Sequenz der Einbringung
krankengymnastischer Anleitung mobil ist. der queren Lastträger und im Instrumentarium unterscheiden,
sollte vor Durchführung der Operation eine sorgfältige Vorbe-
Weiterbehandlung/Arztbrief reitung erfolgen, um Instrumentarium und den technischen
Fadenentfernung nach 14 Tagen, Röntgenkontrolle in 2 Ebenen Ablauf exakt zu beherrschen.
nach 6 Wochen, danach Steigerung der Belastung bei instabi-
len Frakturtypen und abschließende Röntgenkontrolle nach
12 Wochen. Indikation
Implantatentfernung nur bei lokalen Beschwerden, v. a. im Subtrochantäre Femurfrakturen treten einerseits als Frakturen
Trochanterbereich. geriatrischer Patienten im Niedrigenergiebereich auf, seltener
sind sie als Hochrasanztraumen nach Abstürzen und Verkehrs-
unfällen zu beobachten. Es sollte eine sofortige Versorgung
erfolgen, um den Nachteilen einer andauernden Frakturinsta-
bilität zu begegnen. Bei geriatrischen Patienten muss allerdings
die allgemeine Operationsfähigkeit bestehen oder hergestellt
werden.
260 Kapitel 9 · Verletzungen der unteren Extremitäten
Operationsvorbereitung Im Operationssaal
Aufklärung Lagerung
Sinnvolle nichtoperative Therapievarianten liegen heutzutage Der Eingriff wird auf dem Extensionstisch durchgeführt
nicht mehr vor, so dass in der Regel die operative Stabilisierung (⊡ Abb. 9.26). Nach Narkoseeinleitung zunächst Vorreinigung
durchgeführt wird. Da zur Stabilisierung sowohl auf konventi- und Rasur des Operationsgebietes und Anlage des Extensions-
onelle winkelstabile Platten und Plattenschraubensysteme, aber schuhs. Nachdem der Patient auf dem Extensionstisch gelagert
auch auf die hier beschriebenen Nagelsysteme zugegriffen wer- wurde, wird das gegenseitige Bein in 90° Hüftbeugung und 90°
den kann, hängt die Implantatwahl ganz wesentlich von der be- Kniebeugung leicht außenrotiert ausgelagert, so dass eine freie
stehenden Frakturform, aber auch von den hausinternen oder Durchleuchtbarkeit in beiden Ebenen gewährleistet ist. Unter
auch persönlichen Präferenzen ab. Es ist nicht notwendig, diese Bildwandlerkontrolle wird nun die Fraktur eingerichtet. Um
technischen Alternativen mit dem Patienten zu besprechen. eine Dislokation nach dorsal auszugleichen, kann zusätzlich
Folgende Punkte müssen aber angesprochen werden: mit einer Beinstütze gearbeitet werden, um das distale Frag-
▬ Allgemeine Operationsrisiken ment anzuheben.
– Thromboembolische Komplikationen Single-shot-Antibiotikaprophylaxe (Cephalosporin der 1.
– Wundinfektion bis hin zur Osteomyelitis Generation).
– Gefäß- und Nervenschäden Nach befriedigender Einrichtung und gesicherter Bildwand-
– Gefahr der unzureichenden Reposition mit der Notwen- lerdarstellbarkeit, v. a. auch der lateralen Schenkelhalsansicht,
digkeit einer offenen Einrichtung steriles Abwaschen und Abdecken des Operationsgebietes. Da
– Blutverluste bei ausgedehnteren Weichteilschäden der Eingriff größtenteils perkutan über eine kleine Inzision
▬ Spezifische Komplikationen durchgeführt wird, hat der Assistent insbesondere die Aufgabe,
– Implantatdislokation und Fragmentverschiebung, Im- die endgültige Reposition der Fraktur herzustellen und diese
plantatbrüche bis zur Überquerung mit dem Nagel zu sichern.
– Verzögerte oder ausbleibende Frakturheilung mit der
9 Notwendigkeit von Reeingriffen
– Ggf. Implantatentfernung, v. a. bei störenden Verriege-
lungsschrauben
Zugang
Es wird ein kleiner, etwa 3–5 cm langer Zugang, etwa 7–10 cm
proximal der Trochanterspitze angelegt (⊡ Abb. 9.27). Der Ein-
gangspunkt ist je nach Nagelsystem etwas verschieden und
liegt bei proximal »geraden« Nägeln in der Fossa trochanterica,
spezielle gebogene Nagelsysteme können auch über einen eher
lateral gelegenen Zugang an der Trochanterspitze eingebracht
werden. Der Zugang selbst sollte exakt in der Verlängerung der
Oberschenkelachse liegen. Dabei ist zu beachten, dass diese
Linie auf Grund der gebogenen Kontur des Oberschenkels nach
dorsal hin abweicht. Gegebenenfalls muss eine Anzeichnung
erfolgen.
a
Operationstechnik
Nach Durchführung der Inzision und Präparation durch das
Subkutangewebe wird die Faszie auf etwa 5 cm gespalten und
mit der Schere in Längsrichtung der Muskulatur durch den M.
gluteus medius auf die Trochanterspitze eingegangen. In der
Regel lässt sich die Trochanterspitze und auch die Gluteussehne
b
sehr gut tasten. Bei Systemen, die mit Führungsdraht und
Führungshülsen arbeiten, kann prinzipiell unter digitaler Kon-
trolle der Führungsdraht aufgesetzt werden, ansonsten muss
eine sparsame Ablösung der Muskulatur erfolgen, um einen
9 Wundspreizer oder auch Hohmann-Hebel vorsichtig um Tro-
chanter und Schenkelhals einsetzen zu können.
a d g
b e h
c f
⊡ Abb. 9.30a–i. Endgültige Einbringung von Schenkelhalsschraube und Verriegelung. a Nachdem der Nagel
ausreichend eingeschoben wurde (* Markierung am Übergang zum Einbringinstrumentarium) wird der Füh-
rungsdraht für die Schenkelhalsschraube eingebracht. b Die Schenkelhalsschraube sollte im distalen Drittel des
Schenkelhalses, möglichst zentral, ggf. auch leicht dorsal, auf keinen Fall ventral, zu liegen zu kommen. c,d Nach
Kontrolle der Drahtposition und Längenmessung wird mit dem Stufenbohrer aufgebohrt, ggf. wird ein Gewinde
angeschnitten und die Schenkelhalsschraube (d) eingebracht. Am Zielbügel gelingt die distale Verriegelung rela-
tiv einfach. e,f Nach Längenmessung (e) wird die Verriegelungsschraube eingebracht (f). g,h Postoperative Kon-
trolle. In diesem Fall musste bei schwer zu reponierendem Trochanter-major-Fragment eine zusätzliche Fixation
mit einer Cerclage durchgeführt werden. i Schematische Übersicht der Nagellage i
266 Kapitel 9 · Verletzungen der unteren Extremitäten
Im Operationssaal
Lagerung
Bei den eigenen Patienten wird die Operation auf dem Stan-
dardtisch in Rückenlage durchgeführt, zur Verbesserung der
seitlichen Durchleuchtung kann das gegenseitige Bein auf ei-
ner Beinstütze in 90°-Beugung der Hüfte ausgelagert werden
(⊡ Abb. 9.31). Allerdings wird damit die Möglichkeit der direk-
ten klinischen Rotations- und Längenkontrolle unmöglich.
Single-shot-Antibiotikaprophylaxe (Cephalosporin der 1.
Generation).
Nach Narkoseeinleitung und Lagerung des Patienten unter
Sicherung der Durchleuchtungsmöglichkeiten (insbesondere
distal muss zur Verriegelung eine absolut seitliche Einstellung
möglich sein) Markierung der Nageleinstrittsstelle in Verlän-
gerung der Trochanterspitze (⊡ Abb. 9.31 und 9.32). Danach
steriles Abwaschen und Abdecken, die Abdeckung muss einen
guten Zugang zum Trochanter ermöglichen und ausreichend
⊡ Abb. 9.31. Lagerung und Einstellung des Bildwandlers. Der Patient
Raum für das Einbringen des Nagels ermöglichen. Auf der
liegt auf dem Rücken auf einem röntgendurchlässigen Standardoperati- Operationsseite müssen die Abdecktücher daher nahezu paral-
onstisch. Zur besseren Durchleuchtungsfähigkeit des proximalen Femurs lel zur Längsausrichtung des Tisches ausgerichtet werden.
(Nageleintrittsstelle) wird das gegenseitige Bein in der Hüfte gebeugt und
auf einer Beinstütze gelagert. Durch Herausnehmen der entsprechenden
Beinplatte wird die Zugänglichkeit zum betroffenen Bein und damit die
Möglichkeiten der geschlossenen Reposition nochmals verbessert
9
Nach Eingehen in die Spongiosa wird nun eine Bildwandler- Gegenkortikalis erreicht, hier sollte der Draht nach lateral
kontrolle in beiden Ebenen durchgeführt, diese bestätigt die abgleiten. Ist die Eintrittsstelle gesichert, wird mit einem
Eintrittsstelle in Anterior-posterior-Richtung. In der Regel speziellen, über den Draht geführten Markraumeröffnungs-
ist die achsengerechte Einbringung nur unter Vorbiegung des instrumentarium unter rotierend-schneidenden Bewegungen
Drahtes oder sehr starker Adduktion des Beins zu erreichen. durch die Spongiosa eingegangen und der Markraum eröffnet
Der Draht wird mit dem Hammer vorsichtig vorgeschla- (⊡ Abb. 9.34). Führungsdraht und Instrument können nun ent-
gen, bis er sicher im Markraum einsitzt und die mediale fernt werden. Je nach System wird ggf. aufgebohrt.
a b
c d
⊡ Abb. 9.34. Radiologische Kontrolle der Markraumeröffnung. a,b Aufsuchen der Eintrittsstelle, hier mit dem Pfriem. c Einsetzen des Führungs-
drahtes, Adduktion des Beins und Vorschieben des Drahtes in den Markraum. d Endgültige proximale Eröffnung bei korrekt liegendem Führungs-
draht mit dem kanülierten Eröffnungsbohrer. Entsprechende Führungshülse zum Weichteilschutz verwenden!
9.5 · Versorgung einer geschlossenen Oberschenkelschaftfraktur mit antegrader Oberschenkelnagelung
271 9
Reposition
Vor Einbringung des Nagels müssen Länge und Durchmesser
bestimmt werden. Ist die Röntgenanalyse nicht eindeutig zu
interpretieren gewesen, wird nun mit einem speziellen Län-
genlineal Länge und Durchmesser bestimmt. Dazu wird das
Lineal unter genau a.p. Durchleuchtung in die vorbestimmte
Position etwa 2 cm proximal des Kniegelenksspaltes entlang
der Achse des Oberschenkels auf die ventrale Hautoberfläche
aufgelegt. Der Längszug des Beins wird beibehalten und mit
einem nächsten a.p. Bild die Fraktur dargestellt. Hier sollten
nun keine wesentlichen Verkürzungen oder Distraktionen vor-
handen sein, eventuell Ausgleich durch Zug am Bein. Anhand
dieser Aufnahme kann nun auch der engste Markraumdurch-
messer durch Markierung am Lineal abgelesen werden. Jetzt
unter Beibehaltung des Längszuges a.p. Aufnahme im Bereich
der Trochanterregion und Ablesen der exakten Nagellänge. Der
Nagel sollte mit der Trochanterspitze abschließen, um eine ggf.
notwendige Nagelentfernung nicht unnötig zu erschweren. a
Der Operateur dirigiert mit dem Einschlaginstrument das pro- mit dem Winkelgetriebe. Der Bohrer wird zunächst schräg auf
ximale Ende des Nagels und versucht, in die distale Markhöhle den Knochen aufgesetzt, bis die Spitze genau in Projektion des
einzutauchen. Ist in dieser Technik die Reposition nicht mög- Lochs liegt. Dann wird die Bohrrichtung parallel zum Zen-
lich, muss mit einer seitlichen oder leicht schrägen Durchleuch- tralstrahl des Bildwandlers ausgerichtet und nochmals eine
tung das Ausmaß der Dislokation in Sagittalebene verifiziert Kontrollaufnahme gemacht. Die eingearbeiteten röntgendich-
9 werden, um ggf. das Hypomochlion in der Position zu ändern ten Kreise sollten nun konzentrisch um das Verriegelungsloch
und die Zugrichtung zu korrigieren. Zur Überquerung der zu liegen kommen.
Fraktur kann der Nagel auch extraanatomisch gedreht werden,
! Diese Position muss unbedingt gehalten werden, dazu muss
um in Richtung auf die Markraumöffnung zu »steuern«. Ist
der Operateur eine sichere Standposition haben. Die Orientie-
der distale Markraum erreicht, wird der Nagel etwa 1,5–2 cm
rung im Bildwandler kann schwierig sein, daher ist vor genauer
vorgeschlagen und dann sukzessive in die reguläre Position
Justierung eine Ausrichtung erforderlich. Der auf der Gegen-
zurückgebracht. Vorsichtiges Einschlagen des Nagels, bis der
seite stehende Bildschirm muss sowohl in kraniokaudaler als
Nagel proximal im Knochen versinkt (entsprechende Markie-
auch anteroposteriorer Ausrichtung mit der Lage des Patienten
rungen sollten vor dem Verschwinden des Nagels nochmals
übereinstimmen.
angesehen werden, damit die Röntgenkontur sicher wiederer-
kannt wird!). Der Knochen wird jetzt »angekörnt« unter vorsichtigem Anlau-
Wenn keine wesentliche Diastase besteht, wird der Nagel fen des Bohrers, danach Durchqueren der nahen Kortikalis, das
etwa 5 mm tiefer eingeschlagen und der Oberschenkel klinisch Nagelquerschnitts und der Gegenkortikalis. Die Bolzenlänge
in die korrekte Rotation verbracht (die Patella sollte streng nach wird mit dem Längenmessgerät bestimmt. Ist die Länge nicht
kranial zeigen). In dieser Situation wird das Bein nun im Knie- sicher zu eruieren, muss ggf. durch Umschwenken des Bild-
gelenk auf eine Rolle gelegt und die seitliche Durchleuchtung wandlers in a.p. Ebene die Längenmessung gesichert werden.
des Bildwandlers eingerichtet.
! Gegebenenfalls kann der Längenmesser nicht ausreichend auf
> Achtung 1. Assistent den Knochen geführt werden, wenn die Inzision im Bereich des
Der Assistent hält dabei das Bein kontinuierlich in der erreich- Tractus iliotibialis zu kurz gewählt wurde!
ten Position.
Einbringen einer entsprechenden Verriegelungsschraube. Sie
Die Verriegelungslöcher werden nun genau rund in Bildschirm- wird ganz in den Knochen eingedreht und sollte auf der Ge-
mitte (Zentralstrahlprojektion!) dargestellt (ggf. Ausgleich genseite etwa 3–4 mm überstehen, um einen guten Halt zu
durch Adduktion/Abduktion des Beins oder Veränderungen haben. Die weiter proximal gelegene Schraube wird in gleicher
der Bildwandlerposition) und ggf. die Vergrößerungsoption Technik besetzt. Danach wird nun eine Rotationskontrolle des
eingestellt (⊡ Abb. 9.37). Auf der lateralen Seite muss ausrei- Oberschenkels durchgeführt. Lassen sich durch Bildwandler-
chend Platz sein, um mit Bohrer und Winkelgetriebe den Ober- einstellungen keine Kortikalisstufen zwischen proximalem und
schenkel zu erreichen. Gegebenenfalls muss dazu die Stellung distalem Fragment nachweisen, ist die Fraktur ggf. sogar »ein-
des Bildwandlers verändert werden. gerastet«, ggf. kann die Rotationskontrolle mit diesen Informa-
Mit einer Klemme wird nun das Zentrum des rund darge- tionen abgeschlossen werden. Ansonsten wird die Antetorsion
stellten Loches auf der Haut markiert und dort eine etwa 1,5 cm des Schenkelhalses mit dem Bildverstärker bestimmt. Kontrolle
lange Längsinzision als Stichinzision durchgeführt. Diese In- der Gegenseite vor Abdeckung! Genau seitliche Durchleuch-
zision wird durch den Tractus bis auf den Knochen geführt, tung der Femurkondylen, ohne Beugung des Beines wird der
stumpfes Spreizen der Inzision mit der Schere. Jetzt Eingehen Bildverstärker dann nach proximal gefahren und die Antetor-
9.5 · Versorgung einer geschlossenen Oberschenkelschaftfraktur mit antegrader Oberschenkelnagelung
273 9
sion des Schenkelhalses beurteilt. Der Nagel wird nun »zurück-
geschlagen«, um einen besseren Frakturkontakt (Kompression)
zu erreichen, ggf. ist damit eine Verzahnung der Fraktur mög-
lich.
Jetzt erfolgt die proximale Verriegelung, die mit dem Ver-
riegelungsbügel durchgeführt wird. Bestehen Querfrakturen
mit ausreichendem Kontakt der Hauptfragmente, kann eine
rein dynamische Verriegelung im Langloch erfolgen, ansonsten
wird zunächst die statische Verriegelung gewählt. Dazu wird
die Führungshülse auf die Haut aufgesetzt, an der markierten
Stelle eine Längsinzision von etwa 2 cm durchgeführt, wobei
auch hier der Traktus zu spalten ist. Die Führungshülse wird
mit Trokar bis auf den Knochen aufgesetzt, der Trokar entfernt
und die Bohrung durch Knochen und Nagel durchgeführt. Bei
Erreichen der Gegenkortikalis wird bei den meist verwendeten
gradierten Bohrern eine Ablesung bei fest auf dem Knochen
a
aufsitzender Bohrhülse durchgeführt. Gewöhnlich ist die Ge-
genkortikalis etwa 5 mm dick, so dass der gemessene Wert mit
einer Zugabe von etwa 7–10 mm die Schraubenlänge darstellt.
Einbringen zunächst der statischen, dann der dynamischen
Verriegelungsschrauben.
Danach Abnehmen des Einschlaginstrumentariums und
Aufsetzen der Abschlusskappe. Dazu muss das Bein nochmals
adduziert werden. Es erfolgt nun eine abschließende Rotations-
prüfung der Hüfte, sowohl Innen- als auch Außenrotation soll-
ten problemlos möglich sein und idealerweise mit den Werten
der Gegenseite übereinstimmen.
! Eine abschließende Bildwandlerkontrolle ist unbedingt not-
wendig, insbesondere muss in der seitlichen Durchleuchtung
gesichert werden, dass keine Schraube unter Verfehlung des
Nagellochs ventral oder dorsal am Nagel vorbeigeht. Eventuell
müssen die Schrauben nochmals nachgezogen werden, damit
sie sicher mit dem Schraubenkopf auf der Kortikalis aufliegen.
b
a b c
d e f
⊡ Abb. 9.38a–f. Röntgenverlauf. Geschlossene Oberschenkelschaftfraktur (Typ AO12 A3) rechts einer 80-jährigen Patientin nach häuslichem Trep-
pensturz. a,b Unfallbilder. c–f Versorgung mit Oberschenkelverriegelungsnagel in a.p. (c,d) und seitlicher (e,f) Projektion
9.6 · Versorgung einer distalen Oberschenkelfraktur mit winkelstabiler Plattenosteosynthese
275 9
In der postoperativen Phase können Weichteilschwellungen 9.6 Versorgung einer distalen Oberschenkelfraktur
problematisch werden, hier sollten engmaschige Kontrollen mit winkelstabiler Plattenosteosynthese
erfolgen.
Die Rotationskontrolle ist beim Oberschenkel erfahrungs- Vorbemerkung
gemäß schwierig. Postoperativ muss genau auf Differenzen In der Versorgung der distalen Oberschenkelfrakturen hat es
geachtet werden, in Zweifelsfällen wird eine Rotationsbestim- in den letzten Jahren eine erhebliche Änderung der Thera-
mung durch die CT angestrebt. piestrategie gegeben. Waren mit dem früheren Konzept der
offenen anatomischen Reposition mit stabiler Fixation häufig
Nachbehandlung verzögerte Frakturheilungen des suprakondylären Frakturan-
▬ Operationstag: Kontrolle der peripheren DMS, Kontrolle teils zu sehen, konnte durch den Einsatz der minimalinvasiven
der Schwellung des Oberschenkels und der Produktion der Techniken die primäre Heilungsrate deutlich erhöht werden.
Redon-Drainagen. Obwohl minimalinvasive Techniken (MIPO = minimalinvasive
▬ Postoperativer Tag 1: Der Patient steht vor dem Bett, es perkutane Plattenosteosynthese) auch mit den Standardim-
werden geführte krankengymnastische Übungen durchge- plantaten wie Kondylenplatte, dynamische Kondylenschraube,
führt mit Hüftbeugung und Kniebeugung, bei geringer DCS oder regulären Platten durchführbar sind, konnte durch
Produktion aus der Redon-Drainage Entfernung derselben, die Entwicklung von anatomisch adaptierten winkelstabilen
ansonsten belassen bis zum 2. Tag. Implantaten eine nochmalige deutliche Verbesserung von
▬ Postoperativer Tag 2: Entfernung der Verbände, Mobili- Handling, Übersicht und Eingriffsdauer erreicht werden. An
sation des Patienten an Unterarmgehstützen. Bei gutem dieser Stelle soll daher die typische Versorgung einer supra-
Kontakt der Hauptfragmente und Querfraktur ist schmerz- diakondylären Oberschenkelfraktur mit einem winkelstabilen
abhängig eine Vollbelastung sofort möglich. Plattensystem dargestellt werden. Es sei darauf hingewiesen,
dass unter Einsatz der beschriebenen Prinzipien natürlich
Rotationsbewegungen während der Krankengymnastik sollten auch mit alternativen Implantaten sehr gute Ergebnisse erzielt
möglichst vermieden werden, um eine zu starke Belastung werden können.
der Verriegelungsbolzen zu vermeiden. Röntgenkontrolle nach
Entfernung der Drainagen.
Indikation
Weiterbehandlung/Arztbrief Supradiakondyläre Oberschenkelfrakturen werden mit Aus-
Entlassung bei sicherer Mobilisation des Patienten und Zurück- nahme von geriatrischen Patienten in der Regel im Rahmen
gehen der Schwellung möglich. Treppen sollten eigenständig von Hochrasanztraumen erlitten. Kommen sie als isolierte Ver-
bewältigt werden. letzungen vor, ist idealerweise eine Sofortversorgung nach Aus-
Fadenzug 10–14 Tage postoperativ. schluss von Begleitverletzungen angezeigt. Bestehen mehrere
Je nach Frakturform Teil- oder Vollbelastung, Röntgenkont- Begleitverletzungen im Sinne einer Polytraumatisierung, wird
rolle nach 6 und 12 Wochen. Beginnende Heilungszeichen soll- eine primäre Notfallstabilisierung mit einem gelenküberbrü-
ten nach 6–8 Wochen erkennbar sein, der komplette Durchbau ckenden Fixateur externe vorgenommen ( Kap. 1.8) und die
zwischen 12 und 16 Wochen erfolgen. endgültige Osteosynthese nach Stabilisierung der Allgemeinsi-
Zunehmende Belastung mit abnehmenden Beschwerden, tuation vorgesehen.
Sportfähigkeit und schwere körperliche Arbeitsfähigkeit erst
nach radiologisch sicherem Durchbau (unter Beurteilung bei-
der Ebenen der Fraktur sollten radiologisch mindestens 3 Cor-
tices komplett durchbaut sein).
Implantatentfernung
Nach Oberschenkelfrakturen im Regelfall frühestens nach 1,5–2
Jahren, bei Beschwerden im Bereich der Verriegelungsbolzen
(insbesondere medial am distalen Oberschenkel bei überste-
hendem Verriegelungsbolzen) nach 6–12 Monaten möglich.
276 Kapitel 9 · Verletzungen der unteren Extremitäten
Operationsvorbereitung Im Operationssaal
Aufklärung Lagerung
Eine sinnvolle nichtoperative Behandlungsoption besteht bei Der Eingriff wird auf dem Standardtisch durchgeführt
derartigen Verletzungen nicht, auf Vor- und Nachteile eventu- (⊡ Abb. 9.39). Eine ausreichende Durchleuchtungsmöglichkeit
eller Alternativverfahren wie z. B. retrograder intramedullärer muss gegeben sein.
Verfahren ( Kap. 3.5) muss ggf. hingewiesen werden. Anzu- Antibiotikaprophylaxe mit Cephalosporin der 1. Genera-
sprechen sind: tion.
▬ Allgemeine Operationsrisiken Der Eingriff kann in Regional- und Allgemeinnarkose
– Thrombembolische Komplikationen durchgeführt werden. Auf eine ausreichende Muskelentspan-
– Wund-, Weichteil- oder Knocheninfektion nung während des Repositionsvorganges sollte geachtet wer-
– Gefäß- und Nervenschäden den. Eine Blutsperre wird nicht vorgesehen.
– Verzögerte oder ausbleibende Frakturheilung Nach Narkoseeinleitung sorgfältige Vorreinigung und Ra-
– Längen-, Achsen- oder Rotationsfehlstellungen sur. Ein liegender Fixateur wird bei sauberen Pins und vernünf-
▬ Spezifische Komplikationen tiger Repositionsstellung belassen, wobei die Zahl der Verbin-
– Ungenügende Gelenkreposition mit ggf. frühzeitiger Ar- dungsstangen auf das Minimum reduziert wird. Danach steriles
throse, insbesondere bei Achsenfehlstellung und/oder Abwaschen und Abdecken des gesamten Beins. Dieses muss
primären Knorpelschäden frei beweglich sein und bis zur Spina iliacae anterior superior
– Störende Implantate, insbesondere bei medialer Schrau- frei bleiben, um eine Orientierung über die Beinachsenbestim-
benperforation mung zu haben. Es ist sinnvoll, vor dem endgültigen Abdecken
– Notwendigkeit der Teilbelastung für mindestens 6–12 Wo- Rotationsprüfungen der Gegenseite vorzunehmen und zu do-
chen kumentieren ( Kap. 3.5).
– Implantatentfernungen sind nicht routinemäßig vorge-
sehen, insbesondere bei schlanken Patienten bei lokal Operationstechnik
9 störenden Platten aber relativ häufig Es handelt sich um ein minimalinvasives Verfahren, d. h. eine
direkte Exposition findet nur dort statt, wo chirurgische Re-
Diagnostik und Planung positionen erfolgen bzw. Implantate eingebracht werden. Zur
Präoperativ müssen Aufnahmen des kompletten Oberschenkels Repositionskontrolle muss ein guter Einblick in das Kniegelenk
in 2 Ebenen sowie gezielte Aufnahmen des Kniegelenks in 2 möglich sein. Dazu wird das Bein leicht erhöht gelagert und
Ebenen vorliegen, zusätzlich Aufnahmen des Hüftgelenks bzw. ein Abklappen im Kniegelenk auf etwa 60° durch Absenken
der Beckenübersicht und der Hüfte axial zum Ausschluss von der Beinplatte möglich gemacht. In dieser Position sollte zu-
proximalen Frakturen. mindestens das mittlere und distale Drittel des Femurs bei
Sorgfältige Prüfung der lokalen Weichteilverhältnisse, ins- durchgeschwenktem Bildwandler störungsfrei darstellbar sein.
besondere bei liegendem Fixateur externe muss auf Zeichen Angezeichnet wird die Patella, das Ligamentum patellae und
einer Pininfektion geachtet werden, Kontrolle und Dokumenta- der laterale Femurkondylus.
tion der peripheren DMS. Die Hauptinzision erfolgt anterolateral auf etwa 7 cm Länge
parallel zum lateralen Patellarand (⊡ Abb. 9.40). Nach Spaltung
des Retinaculums Arthrotomie und Einsehen in das Gelenk. In
dieser Position kann nun der obere und laterale Recessus eröff-
net werden, so dass es möglich ist, unter Retraktion der Weich-
teile nach dorsal eine Platte lateral an das Femur einzuschieben.
Dieser Weg wird mit dem langen Raspatorium vorpräpariert.
⊡ Abb. 9.39. Lagerung und Zugang. Die Lagerung erfolgt auf einem
röntgendurchlässigen Standardtisch. Das gegenseitige Bein wird leicht
abgesenkt, um eine ausreichende seitliche Durchleuchtungsmöglichkeit
zu erhalten. Der Zugang erfolgt durch eine anterolaterale, parapatellare
Inzision, um ausreichend Überblick über die Gelenkanteile der Fraktur
zu erhalten
9.6 · Versorgung einer distalen Oberschenkelfraktur mit winkelstabiler Plattenosteosynthese
277 9
a
a
viel kleiner ist und von daher die Schrauben absteigend ein- Hierüber kann nun eine verschraubte Zielhülse eingesetzt wer-
gebracht werden müssen. Nach Reposition des Gelenkblockes den, sie fixiert die korrekte Position des Zielbügels, so dass In-
wird nun die Platte eingeschoben (⊡ Abb. 9.42). Die suprakon- kongruenzen durch Verwindung unmöglich gemacht werden.
dyläre Frakturzone sollte dabei möglichst schonend ohne wei- Die Platte wird nun proximal vorläufig fixiert, dazu wird durch
9 tere Freilegung überquert werden. Da das Einführen der Platte die Zielhülse ein Spickdraht in die Kortikalis eingebracht. Die
bei möglichst genauer Achsausrichtung vereinfacht ist, sollte richtige Position kann »ertastet« werden, indem die Platte
spätestens zu diesem Zeitpunkt eine Repositionskontrolle mit zunächst leicht ventral, dann leicht dorsal überstehend gehal-
dem Bildwandler erfolgen. Eventuelle Verschiebungen in Sa- ten wird, die Schaftmitte liegt genau im »Zenit« dieser Kno-
gittalebene können entweder durch Ummontage des Fixateurs chenrundung (⊡ Abb. 9.43). Obwohl nun Länge und Rotation
oder entsprechende Unterpolsterung und/oder Lageänderung bestimmt sind, bestehen in der Regel noch Achsabweichungen,
des Beins ausgeglichen werden. sie können durch Manipulation am Bein oder durch Einsetzen
Es wird eine ausreichende lange Platte gewählt, die mög- spezieller Zuginstrumentarien ausgeglichen werden. Diese Ins-
lichst langstreckig im proximalen Fragment verankert werden trumentarien erlauben es, über Stichinzisionen weitere Hülsen
kann. Da in der Regel nur monokortikale Schrauben verwendet einzubringen und z. B. das distale Ende des proximalen Schaft-
werden, sollten mindestens 5–6 Schraubenlöcher sicher im fragments indirekt über ein Gewinde gegen die Platte zu repo-
unverletzten Segment zu liegen kommen. Die entsprechende nieren. Liegen alle Fragmente nun streng parallel zur Platte,
Platte wird nun auf das Führungsinstrument aufmontiert und ein direkter Kontakt ist aufgrund der Winkelstabilität nicht
die richtige Ausrichtung zu den Schraubenlöchern überprüft. unbedingt erforderlich, und sind Achse und Rotation gesichert,
Die Platte wird von distal her eingeschoben. erfolgt nun die Besetzung mit winkelstabilen Schrauben.
Hilfreich ist es, mit der Plattenspitze möglichst immer Kon- Im Bereich des Femurkondylus sind die Schraubenrichtun-
takt zum Periost zu halten. gen vorgegeben, so dass hier ein optimaler Halt gewährleistet
Nachdem die Platte weit genug eingeschoben ist, erfolgt ist. Die Schraubenlängen können anhand einer Tabelle entspre-
zunächst distal eine vorläufige Fixation mit einem oder zwei chend der ermittelten Kondylengröße ausgesucht werden, sie
Spickdrähten. Das Gelenkfragment und das Schaftfragment sind selbstbohrend und werden nach maschineller Einbringung
sollten möglichst parallel zur anatomisch ausgeformten Platte mit dem Drehmomentschraubenzieher definiert angezogen.
zu liegen kommen, dazwischen liegende Fragmente bleiben Proximal werden monokortikale Schrauben über weitere Sti-
unberücksichtigt. Vor der Fixation im proximalen Schaftanteil chinzisionen eingebracht, sie sind bei guter Knochenqualität
ist die Rotationsstellung (z. B. durch die Ermittlung der Kontur zur Stabilisierung ausreichend.
des Trochanter minors) zu ermitteln und ggf. zu korrigieren. Bei geriatrischen Patienten und bei schlechter Knochen-
Ist ein Fixateur in Position, ist die Rotationsstellung damit im qualität sollte zumindestens die am weitesten proximal liegende
Normalfall gesichert. Ansonsten kann durch Einbringen einer Schraube bikortikal eingebracht werden, um ein Ausreißen der
Schanz-Schraube im Bereich des Trochanter major die Rotation Platte zu verhindern. Nach Abnahme des Zielgerätes erfolgt nun
des proximalen Fragments kontrolliert werden. Die korrekte nochmals eine komplette Bewegungsprüfung von Hüfte und
Länge muss ebenfalls radiologisch gesichert werden. Vor allem Kniegelenk sowie die abschließende Sicherung der Beinachse
bei ausgedehnten Trümmerzonen kann dies schwierig sein und (z. B. Kabelmethode), der Rotation (Innen- und Außenrotation
man ist unter Umständen auf eine Seitenvergleich angewiesen. der Hüfte seitengleich) und ggf. der Beinlänge. Die Röntgenkon-
Im Bereich des proximalsten Plattenloches wird nun eine trolle hat sorgfältig in beiden Ebenen zu erfolgen, um sicherzu-
Stichinzision gesetzt und das Gewebe bis zur Platte gespreizt. stellen, dass alle Schrauben auch im Knochen liegen.
9.6 · Versorgung einer distalen Oberschenkelfraktur mit winkelstabiler Plattenosteosynthese
279 9
e
c d
⊡ Abb. 9.43a–e. Feinpositionierung am Schaft und indirekte Repositi- Führungshülse eingebrachten Spickdraht bzw. auch direkt mit dem Boh-
onsmechanismen. a,b Zur Kontrolle der subkutan liegenden Platte sind rer bewährt. c Die Bohrung selbst wird durch die Hülse mit Wasserküh-
neben der Bildwandlerkontrolle spezielle Techniken notwendig. Damit lung vorgenommen. d,e Spezielle Ansätze erlauben ein »Heranziehen«
die Platte proximal in der Schaftmitte zu liegen kommt, hat sich die Pal- des Knochens an die Platte
pation des »Zenits« der Femurschaftzirkumferenz mit einem durch die
! Auch ein komplettes Überstehen der Platte wird bei dem Ein- Wundverschluss/Verband
drehen der Schrauben nicht bemerkt, da die Verschraubung im Nach Einlage einer Redon-Drainage in das distale Plattenlager
Plattenloch einen festen Halt vortäuscht! Verschluss des Gelenks und des Retinaculums, Verschluss
von Subkutangewebe und der Haut sowie der Stichinzision.
⊡ Abb. 9.44 zeigt beispielhaft die Versorgung einer suprakon- Steriler trockener Verband und leichter Kompressionsver-
dylären Femurfraktur mit einer Plattenosteosynthese. band.
280 Kapitel 9 · Verletzungen der unteren Extremitäten
a b c
d e f
g h i
⊡ Abb. 9.44a–l. Röntgenverlauf. Suprakondyläre Femurfraktur bei einer 97-jährigen Patientin. a–c Kontrolle der Plattenlage und Fixierung mit K-
Drähten. d Besetzen der distalen Schrauben. e,f Indirekte Reposition. g–i Postoperative Röntgenkontrolle
9.7 · Patellafraktur (Zuggurtungsosteosynthese)
281 9
Postoperativ 9.7 Patellafraktur (Zuggurtungsosteosynthese)
Probleme
Intraoperative Probleme sind in der Regel in einer unzurei- Operationsprinzip
chenden Orientierungsmöglichkeit bei der rein perkutanen Die »klassische Osteosynthese« bei Vorliegen einer Patellaquer-
Technik begründet. Besonders die Rotationskontrolle kann fraktur ist die Zuggurtungsosteosynthese. Mehrfragmentäre
problematisch sein. Derartige Eingriffe sind daher einer höhe- Frakturen und bestehende Trümmerzonen können Modifika-
ren Schwierigkeitskategorie zuzuordnen und sollten am Anfang tionen der Techniken nötig machen, auch Schraubenosteosyn-
ausschließlich mit erfahrener Assistenz durchgeführt werden. thesen mit und ohne Kombination von Gurtungen werden
Postoperative Probleme bereiten häufig die bei diesen Ver- angewendet. Entscheidend für den Erfolg der Osteosynthese
letzungen ausgeprägten Weichteilschäden. Engmaschige klini- ist die zuverlässige Kompensation der hohen Zugkräfte des M.
sche Kontrollen sind daher unerlässlich. quadrizeps femoris, um eine sekundäre Diastase zu vermeiden.
Da die intraoperative Achsen- und Rotationskontrolle ein- An dieser Stelle soll daher eine typische Versorgung bei ge-
geschränkt ist, sollte frühzeitig eine genaue klinische und ggf. schlossener Patellaquerfraktur dargestellt werden.
auch radiologische Kontrolle (evtl. auch mit Rotations-CT)
erfolgen, um evtl. schon frühzeitig korrigieren zu können.
Operationsvorbereitung
Nachbehandlung Aufklärung
▬ Operationstag: Nach Abklingen der Narkose DMS-Kon- Bei dislozierten Frakturen gibt es keine vertretbaren Behand-
trolle, Anhalten zu eigenständigen Spannungsübungen, lungsalternativen, um die Streckfähigkeit des Kniegelenks zu
Kontrolle des Füllungsstandes der Redon-Drainage. erhalten. Typische Komplikationsmöglichkeiten sind:
▬ Postoperativer Tag 1: Entfernung der Drainage bei geringer ▬ Thrombose-, Embolierisiko
Produktion (unter 50 ml). Beginnende Mobilisation in Ab- ▬ Wund-, Weichteil-, selten Kniegelenks- und Knocheninfekte
hängigkeit vom Allgemeinzustand. Kniebewegungsschiene ▬ Sekundäre Diastasen mit Pseudarthrosenbildung
mit möglichst zügiger Steigerung auf 90° Kniebeugung. ▬ Retropatellare Arthrosen, insbesondere bei primär ausge-
▬ Postoperativer Tag 2: Entfernung der Drainagen, Ver- prägten Knorpelschäden oder unzureichender Reposition
bandswechsel, Pflasterverband, Kompressionsstrümpfe, ▬ Lokale implantatbezogene Schmerzen
Mobilisation an Unterarmgehstützen, Weiterführung der
Bewegungsschienentherapie bis sicher 90° erreicht werden. Da postoperativ die Beugung des Kniegelenks für 6 Wochen
auf 60° begrenzt wird, ist die präoperative Bereitstellung eines
Postoperative Röntgenkontrolle Oberschenkel in 2 Ebenen, »Bewegungs-Braces« mit einstellbarer Kniebeugung sinnvoll.
Kniegelenk in 2 Ebenen.
Nach Mobilisation sorgfältige klinische Prüfung von Bein- Diagnostik und Planung
länge und Rotationsdifferenzen, im Zweifelsfall Durchführung Alle frischen Frakturen, auch die Patellaquerfraktur, sollten
eines Rotations-CT. bei bestehender Indikation idealerweise unmittelbar nach dem
Unfall operativ versorgt werden. Insbesondere bei bestehenden
Weiterbehandlung/Arztbrief Weichteilverletzungen oder den häufigen Schürfungen ist mit
Fadenzug nach 14 Tagen. einer unmittelbaren Versorgung das Infektionsrisiko gemin-
Teilbelastung für 6 Wochen, danach Röntgenkontrolle in dert. Ansonsten muss die sichere Konsolidierung der Weich-
exakt 2 Ebenen. Je nach Heilungsfortschritt zunehmender Be- teile abgewartet werden.
lastungsaufbau. Weitere Röntgenkontrolle nach 12 Wochen,
dann Übergang auf Vollbelastung. Endgültige Heilung nach
12–16 Wochen zu erwarten. Volle Belastungsfähigkeit nach
12–16 Wochen.
282 Kapitel 9 · Verletzungen der unteren Extremitäten
Im Operationssaal
Lagerung
Die Lagerung erfolgt auf dem Standardtisch (⊡ Abb. 9.45). In-
operative Bildwandlerkontrollen sind notwendig, am Kniege-
lenk aber kein Problem.
Vorreinigung und Rasur. Eine Oberschenkelblutsperre
kann verwendet werden, muss aber ausreichend proximal am
Oberschenkel angelegt werden. Bei den eigenen Patienten wird
darauf verzichtet.
⊡ Abb. 9.45. Lagerung und Zugang. Der Patient wird in Rückenlage auf
Zugang
einem normalen Operationstisch gelagert. Das Bein wird frei beweglich Orientierungspunkte sind die gut tastbare Patella (oftmals ist
abgedeckt. Die Inzision erfolgt median über der in der Regel gut tastba- sogar die Frakturdiastase palpabel und/oder sichtbar). Es erfolgt
ren Fraktur eine etwa 15 cm lange Längsinzision mittig über der Patella.
> Achtung 1. Assistent
Es kann ein erheblicher Hämarthros vorliegen, der bei Eröff-
nung unmittelbar abgesaugt werden muss.
Operationstechnik
Nach Präparation durch das Subkutangewebe wird die Frak-
turstelle sofort erreicht. Es erfolgt nun die weitere Freilegung
der Quadrizepssehne und des Lig. patellae, so dass der vorhan-
9 dene Einriss des Retinakulums sichtbar wird (⊡ Abb. 9.46). Die
beiden Hauptfragmente werden angehoben, dazu werden sie
jeweils mit der großen Repositionszange mit Spitzen seitlich
gefasst.
Es kann jetzt die Femurkondyle und die knorpelige Rück-
⊡ Abb. 9.46. Darstellung der Fraktur. Nach Eröffnung des Retinakulums fläche der Kniescheibe inspiziert werden. Freie Knorpelfrag-
sind Fraktur und Kniegelenk durch die Fraktur meist schon gut einzuse- mente werden entfernt, abstehende Knorpelstücke geglättet.
hen. Je nach Frakturlokalisation wird die Inzision als laterale oder medi- Das Kniegelenk wird ausgedehnt gespült und durch Beugung
ale parapatellare Inzision erweitert, um die Reposition der Gelenkfläche auf 90° auf weitergehende Verletzungen inspiziert. Nach Säube-
ausreichend kontrollieren zu können
rung der Frakturflächen kann nun die Reposition erfolgen.
Reposition/Stabilisierung
Die Schwierigkeit besteht in der Kontrolle der anatomischen
Reposition, da nach Kompression der Hauptfragmente die Pa-
tellarückfläche meist nicht mehr eingesehen werden kann. Es
wird daher in der Überstreckstellung des Kniegelenks (Assis-
tenz: Tuchrolle unter den distalen Unterschenkel legen!) mit
Hilfe der angelegten Zangen die Zusammenführung der Haupt-
fragmente durchgeführt und die lückenlose Reposition durch
den über die Retinakulumverletzung eingeführten Zeigefinger
kontrolliert (⊡ Abb. 9.47).
In dieser Situation wird die Reposition durch Einsetzen
einer großen Repositionszange mit Spitzen in kraniokaudaler
Richtung gesichert und die Fraktur in anatomischer Position
komprimiert. Da bei einfachen Frakturformen eine sehr gute
Verzahnung der Hauptfragmente stattfindet, ist die Reposition
so auch stabil zu halten. Oftmals gelingt es auch, die Patella
leicht anzukippen, und durch den bestehenden Einriss des
⊡ Abb. 9.47. Repositionsstellung und Einbringen der Spickdrähte. Die Retinaculums ggf. unter leichter Erweiterung des Einrisses die
Reposition erfolgt in Streckung des Gelenks unter Sicht bzw. digita- Rückfläche nochmals zu inspizieren, ansonsten zu palpieren.
ler Kontrolle der Gelenkfläche. Zunächst wird die Reposition mit einer Nach gesicherter Reposition wird die endgültige Osteosynthese
großen Repositionszange mit Spitzen gehalten. Danach werden zwei
kräftige Spickdrähte (2,0 mm) parallel zueinander, gelenkflächennah von
vorbereitet.
distal her eingebracht. Die Drähte stehen proximal über, um ein ausrei- Entsprechend des Zuggurtungsprinzips wird durch 2 pa-
chendes Widerlager für die Cerclage zu gewährlisten rallel zueinander und zur Knorpeloberfläche eingebrachte
9.7 · Patellafraktur (Zuggurtungsosteosynthese)
283 9
Spickdrähte von mindestens 2,0 mm Durchmesser eine sekun-
däre Verschiebung der Hauptfragmente ausgeschlossen. Eine
Verschiebung entlang der Achse der Spickdrähte wird durch
die »Zuggurtungscerclage« verhindert bzw. bei Beugung des
Kniegelenks die interfragmentäre Kompression noch erhöht.
Die Einbringung der Spickdrähte erfolgt von distal nach
kranial. Dazu werden im Abstand von etwa 2 cm medial und
lateral kleine Längsinzisionen in der Patellarsehne durchge-
führt und der Spickdraht unter Einsatz seiner Führungshülse
direkt auf den Knochen aufgesetzt. Der Assistent stabilisiert die
Führungshülse, so dass der Operateur unter digitaler Kontrolle
der Patellarückfläche den Spickdraht frei ausrichten kann und
parallel zur Knorpelfläche nach kranial bohrt.
a
! Der Knochen ist in der Regel sehr hart, beim Abrutschen be-
steht Verletzungsgefahr. Beim Überhitzen des Drahtes erfolgt
eine Kühlung durch Spülflüssigkeit.
Nach Abschluss der Osteosynthese wird eine vorsichtige 9.8 Versorgung der Tibiakopffraktur
Bewegungsprüfung bis 90° Beugung des Kniegelenks durchge-
führt. Der Cerclagedraht sollte sich gut anspannen und unter Vorbemerkung
der Anspannung keine Verschiebung der Fragmente, insbe- Tibiakopffrakturen weisen ein breites Spektrum von Schweregra-
sondere im Bereich der Gelenkfläche auftreten. Abschließende den und Begleitverletzungen auf. Die im Wesentlichen verwen-
Röntgenkontrolle im Bildwandler in beiden Ebenen, danach deten Klassifikationssysteme der AO nach Schatzker orientieren
ausgiebige Spülung, auch des Kniegelenks. sich vor allem an der Frakturmorphologie. Für die Beurteilung
des Schweregrades ist aber insbesondere die Differenzierung
Wundverschluss/Verband zwischen den sog. Luxationsfrakturen (Einteilung nach Moore)
Einlage einer intraartikulären Redon-Drainage, Verschluss des und den Kompressionsfrakturen sinnvoll. Die Luxationsfrak-
Retinakulums mit resorbierbarer Naht der Stärke 0, Subkutan- turen umfassen zwar nur etwa 20% aller Frakturen, sind aber
nähte und Hautverschluss mit Rückstichnähten. Steriler tro- sehr viel häufiger mit lokalen Begleitverletzungen (Verletzungen
ckener Verband und postoperative Anlage eines »Bewegungs- der Popliteagefäße in 2%, Nervenverletzungen, insbesondere N.
Braces« der in der Beugung auf 60°-Beugung limitiert wird. peroneus, in 4% der Fälle) und Kompartmentsyndromen verge-
sellschaftet. Hochgradig verdächtig für Luxationsfrakturen sind
Frakturformen, die unter Einschluss der Eminentia intercon-
Postoperativ dylaris des Tibiakopfes auf die Gegenseite verlaufen bzw. dort
Probleme isolierte Fragmente aufweisen.
Besondere Gefahren liegen in der sekundären Dislokation. Bei derartigen Frakturformen muss auch bei primär nur
Der Patient sollte instruiert werden, dass bei zunehmenden geringer Verschiebung mit spontanen Dislokationen gerechnet
Schmerzen und/oder Hämatom- und Ergussbildungen eine so- werden, so dass schon zur Notversorgung eine Ruhigstellung
fortige Wiedervorstellung mit Röntgenkontrolle erfolgen muss. im Brace, der Oberschenkelgipsschale oder sogar im Fixateur
externe angeraten ist. Die operative Rekonstruktion einer Tibia-
9 Nachbehandlung kopfluxationsfraktur kann chirurgisch äußerst anspruchsvoll
▬ Operationstag: Kontrolle der Drainagen und des Verban- sein und ist daher als Eingriff im Wesentlichen erfahrenen
des. Der Patient sollte zu eigenständigen Übungen ange- Fachärzten vorbehalten. Um das Grundverständnis zu erhö-
halten werden mit leichter aktiver Kniebeugung und Bewe- hen, eine fachgerechte Assistenz zu erleichtern und ggf. Teile
gung des Fußes zur Thromboseprophylaxe. des beschriebenen Eingriffs für die Versorgung von einfachen
▬ Postoperativer Tag 1: Mobilisation, bei geringer Draina- Spalt- oder Spaltimpressionsfrakturen zu verwenden, wird an
genförderung unter 50 ml Entfernung, ansonsten nach 48 h. dieser Stelle die Versorgung einer typischen 4-Teile-Fraktur
Einsatz der Kniebewegungsschiene mit kontinuierlicher mit größerem interkondylärem Fragment und anhängendem
Steigerung der Beugung bis 60°. Kreuzbandursprung beschrieben. Trotz der hohen Variabilität
der Frakturverläufe bestehen gewisse Gemeinsamkeiten, die die
Weiterbehandlung/Arztbrief Entwicklung einer einheitlichen Repositions- und Stabilisati-
Mobilisation unter Teilbelastung des Beins für 6 Wochen, im onsstrategie vereinfachen und dabei helfen, die Zugangsgröße
Anschluss Röntgenkontrolle und zunehmende Belastungsstei- in einem bezüglich der Weichteildeckung kritischem Gebiet
gerung. möglichst minimal zu halten.
Bei geringer Compliance wird der »Bewegungs-Brace« für Je nach Frakturverlauf wird lediglich die anterolaterale In-
6 Wochen belassen. Röntgenkontrollen nach 6 und 12 Wochen. zision zur Versorgung verwendet, z. B. bei lateralen Spalt- oder
Implantatentfernung nach 12 Monaten, bei lokalen Be- Spaltimpressionsbrüchen. Auch bei diesen »relativ einfachen«
schwerden frühestens nach 6 Monaten bei sicherer knöcherner Frakturformen besteht auf Grund der parallel zur Fraktur ein-
Konsolidierung. wirkenden Kräfte ein hohes Dislokationsrisiko, wenn nicht eine
ausreichende Fragmentabstützung erfolgt. Von daher ist an
sich immer der Einsatz zumindestens einer distalen »Antigleit-
platte« indiziert. Bei sehr weicher Knochenstruktur sollte eine
durchgehende Platte als »Neutralisationsplatte«, idealerweise
sogar unter Einsatz von winkelstabilen Schrauben, verwendet
werden.
9.8 · Versorgung der Tibiakopffraktur
285 9
a b c d
e f
g h i
⊡ Abb. 9.50a–i. Klassifikation der Tibiakopffrakturen. a Spaltbruch. dialer oder lateraler Kondylenbruch. g Typ 3, Randabrissbruch (»Segond-
b Impressionsfraktur. c Impressions-Spaltbruch. d Bikondyläre Fraktur. Fragmente«). h Typ 4, Randkompressionsfraktur medial oder lateral.
Die selteneren Luxationsfrakturen werden nach Moore (1981) eingeteilt i Typ 5 Vier-Teile-Bruch
in: e Typ 1, mediodorsaler Kondylenspaltbruch. f Typ 2, kompletter me-
286 Kapitel 9 · Verletzungen der unteren Extremitäten
Operationsprinzip Operationsvorbereitung
Bei der Analyse der Tibiakopfluxationsfrakturen wird man fest- Aufklärung
stellen, dass typischerweise das mediale Fragment in Beziehung Da keine sinnvollen nichtoperativen Therapieoptionen zur
zum Femur verbleibt. Das heißt, es findet eine Verschiebung Verfügung stehen, ist bei instabilen Frakturen, bei Fraktu-
zwischen femoraler Gelenkkomponente und anhängendem ren mit Gelenkstufenbildung über 2 mm und/oder potenziell
medialem Tibiakopffragment gegenüber dem Unterschenkel instabilen Frakturen die offene Einrichtung und interne Fi-
statt, wobei die Verletzung des interkondylären und lateralen xation die Therapieoption der Wahl. Die Komplikationsrate
Kompartiments variabel ist. Im vorgestellten Fall (⊡ Abb. 9.51) hängt ganz wesentlich vom Ausmaß der Begleitverletzung,
ist es zu einem großen, wenig verschobenen Ausbruch der aber auch der operativen Technik ab. Die Aufklärung sollte
Interkondylärregion gekommen. Zusätzlich besteht eine Dislo- den Patienten auch auf einen evtl. verlängerten postoperati-
kation im lateralen Schienbeinkopfkompartiment als tief impri- ven Verlauf und notwendige Folgeeingriffe vorbereiten. Zu
mierter Spaltimpressionsbruch. besprechen sind:
Aus diesem typischen Dislokationsmuster erschließt sich ▬ Relativ hohe Rate an thromboembolischen Komplikationen
recht einfach die Versorgungsstrategie: ▬ Wund-, Weichteil-, Knocheninfektionen
▬ In einem ersten Schritt wird eine Grobeinrichtung mit ▬ Ggf. Unmöglichkeit des primären Wundverschlusses mit
Längszug am Unterschenkel durchgeführt, um das umge- Vakuumversiegelung und sekundärer Wundnaht
bende Gewebe zu entlasten. In vielen Fällen wird dies im ▬ Unzureichende Gelenkrekonstruktion bei ausgeprägter
Rahmen eines Notfalleingriffs mit Hilfe eines ventralen Knorpelzerstörung und konsekutiver Entwicklung einer
gelenküberbrückenden externen Fixateurs erreicht. posttraumatischen Früh- oder Spätarthrose trotz anatomi-
▬ Durch eine anatomische Reposition des medialen Frag- scher Reposition
ments gegen die Tibia ist die »Gesamtlänge« der Extremität ▬ Sekundäre Dislokation bei inadäquater Nachbehandlung
festgelegt. Die weitere Versorgung kann nun entsprechend ▬ Gefäß- oder Nervenläsion
einer »Impressionsfraktur« erfolgen. ▬ Persistenz einer Kniebandinstabilität
9 ▬ Da im interkondylären Fragment die Kreuzbänder an- ▬ Ggf. Verwendung von autogener Spongiosa aus dem Be-
setzen, muss dafür Sorge getragen werden, dass keine ckenkamm oder Knochenersatz-material bei ausgedehnten
sekundäre Dislokation dieses Fragments erfolgt. Bei gro- spongiösen Defekten.
ßen Fragmenten kann durch ein »Einklemmen« zwischen
lateralem und medialem Fragment durch Zugschrauben Diagnostik und Planung
eine ausreichende Fixation erreicht werden, ansonsten In der Akutphase sind Begleitverletzungen wie Gefäßabrisse,
müssen, insbesondere bei Zertrümmerung des Interkon- sekundäre Thrombosen nach Intimaläsion oder Nervenver-
dylärraums, die Bandstümpfe mit nicht resorbierbarem letzungen auszuschließen und regelmäßige Überwachung von
Faden gefasst und durch die Fraktur ausgeleitet und ver- Durchblutung, Motorik und Sensibilität anzuordnen. Auch ein
knotet werden. Kompartmentsyndrom darf keinesfalls übersehen werden. In
▬ Die Versorgung des lateralen Tibiaplateaus entspricht dem der Regel wird der Eingriff aber elektiv unter optimalen infra-
der isolierten Kompressionsfraktur. Über einen anterolate- strukturellen Bedingungen durchgeführt. Zur Analyse und Pla-
ralen Zugang wird nach Durchtrennung des Lig. menisco- nung sind Aufnahmen des Kniegelenks in 2 Ebenen, ggf. auch
tibiale eine gute Einsicht in das Gelenk gewonnen, einge- des gesamten Unterschenkels in 2 Ebenen nötig. Zur Beurtei-
presste Knorpelfragmente werden durch die Fraktur nach lung des Ausmaßes der Gelenkimpression und der Fraktur-
kranial gestößelt und das meist schalenförmige laterale ausdehnung v. a. in den posterioren Gelenkabschnitten ist die
Fragment stabil fixiert. Durchführung einer Computertomographie mit multiplanaren
Reformationen dringend zu empfehlen.
Da bei dieser Art von Verletzung erhebliche Kräfte übertragen Vor dem Eingriff wird die periphere DMS und die lokale
werden müssen, auf der anderen Seite aber ein erhebliches Haut- und Weichteilsituation sorgfältig geprüft. Insbesondere
Infektrisiko besteht, müssen die Implantate situationsgerecht, bei bestehenden Hautschürfungen oder nach operativ gespal-
biomechanisch optimal platziert werden. Da das mediale Ti- tenen Kompartmentsyndromen muss das Risiko eines Wund-
biakopffragment in der Regel eine in Sagittalebene von vent- und Weichteilinfektes sorgfältig abgewogen werden.
ral nach dorsal schräg abfallende Frakturoberfläche aufweist,
ist das Anbringen einer mediodorsalen sog. »Antigleitplatte«
wichtig. Richtig platziert weist auch ein sehr kleines Implan-
tat, wie ein H-Plättchen oder T-Plättchen, eine sehr hohe
Stabilität auf. Nach Rekonstruktion der Gelenkfläche muss
eine ausreichende Neutralisation der auftretenden Kräfte er-
folgen. Daher ist lateral, bei guter Weichteildeckung durch die
Extensoren, die Anlage einer speziellen Tibiakopfplatte oder
sogar winkelstabilen Tibiakopfplatte notwendig. Mit dieser
Implantatkombination ist eine frühfunktionelle Nachbehand-
lung möglich.
9.8 · Versorgung der Tibiakopffraktur
287 9
a b c d
e f g h
⊡ Abb. 9.51. Röntgenanalyse. Eine exakte Analyse der Fraktur ist un- sind das »posterior-mediale Schlüsselfragment« (c,d), das »laterale Frag-
umgänglich, um Repositionstaktik und Stabilisierung gut vorplanen zu ment« (e,f) und das »Eminentia-intercondylaris-Fragment« (g,h). i In
können. a,b Die a.p. (a) und seitliche (b) Röntgenaufnahmen stellen der CT-Analyse lässt sich die typische geometrische Beziehung leicht
trotz der geringen Verschiebung eine hochgradig instabile Tibiakopflu- nachvollziehen und damit allein schon die biomechanisch günstigste
xationsfraktur dar (4-Teile-Fraktur nach Moore). c–h Typische Fragmente Implantatposition erkennen
288 Kapitel 9 · Verletzungen der unteren Extremitäten
Wundverschluss/Verband
Nach ausgiebiger Spülung werden nun die Haltenähte über
die um wenige Millimeter zurückgedrehten und dann wieder
fixierten Tibiakopfzugschrauben fixiert. Einlage einer platten-
nahen Redon-Drainage, Refixation von Faszie und Extenso-
rengruppe mit fortlaufender PDS-Naht (⊡ Abb. 9.56), ggf. Ein- a
lage einer subkutanen Redon-Drainage und Hautverschluss,
posteromedial ebenfalls Einlage einer tiefen Redon-Drainage,
adaptierender Verschluss der Faszie und Hautverschluss mit
Rückstichnähten. Steriler trockener Verband und leichte An-
lage eines Kompressionsverbandes.
⊡ Abb. 9.56 und 9.57 zeigen beispielhaft die Versorgung ei-
ner Tibiakopffraktur.
a b c
9
d e
⊡ Abb. 9.57a–e. Röntgenverlauf. Die einzelnen Repositions- und Sta- kommt damit unter Kompression, die Platte zieht sich an den Knochen
bilisationsschritte lassen sich im radiologischen Verlauf gut nachvoll- heran. d,e Plattenfixation mit weiteren Schrauben, im Bereich des Tibia-
ziehen: a Tibiakopffraktur vom Typ V nach Moore (»Vier-Teile-Fraktur«) kopfes mit Zugschrauben (d), distal mit regulären Plattenschrauben (e).
in der a.p. und seitlichen Ansicht. b Die posteromediale Abstützung ist Die ausschließliche Besetzung des letzten distalen Loches dieser relativ
mit einer »H-Platte« erfolgt, das laterale Fragment wird angehoben und langen Platte ist biomechanisch sehr günstig, daher in diesem Fall abso-
in diesem Fall mit Spickdrähten gesichert. c Einschieben der lateralen lut ausreichend und kann perkutan durchgeführt werden
Platte und zunächst Sichern mit einer Plattenzugschraube. Der Tibiakopf
a b
Operationsvorbereitung Im Operationssaal
Aufklärung Lagerung
▬ Allgemeine Operationsrisiken Lagerung auf dem Normaltisch (⊡ Abb. 9.59). Die Durchleuch-
– Thrombose, Embolie, Wundheilungsstörung tungsfähigkeit in a.p. und seitlicher Ebene muss gegeben sein,
– Auftreten eines Kompartmentsyndroms ggf. Absenken der Beinplatte des gegenseitigen Beins. Ein Ex-
– Infektion bis hin zur Markraumphlegmone tensionstisch wird in unserer Klinik nicht verwendet. Zur ver-
– Sehnen- und Nervenirritationen durch Verriegelungs- einfachten Lagerung kann eine sterile Beinstütze verwendet
schrauben werden, die in der Kniekehle des betroffenen Beins ansetzt
– Verzögerte oder ausbleibende Frakturheilung (H-förmige Rahmenkonstruktion aus Karbon-Fixateurstangen
– Fixation in Fehlstellung im Bereich der Kniekehle mit Tuchumschlingung gepolstert)
▬ Spezielle Operationsrisiken und so den Unterschenkel freischwebend anhebt.
– Implantatbruch (vor allem Verriegelungsschrauben) Perioperative Antibiotikaprophylaxe (Cephalosporin der 1.
– Auftreten eines Kompartmentsyndroms Generation).
Nach Narkoseeinleitung Vorsäubern des Unterschenkels,
Diagnostik und Planung ggf. Rasur und Vordesinfektion. Dabei ist auf manuellen Längs-
Kontrolle des Allgemeinzustandes des Patienten sowie der loka- zug zu achten, um zusätzliche Weichteilschäden zu vermeiden.
len Weichteilverhältnisse. Bei vorausgegangener Gipsbehand- Auf eine Blutsperre wird bei den eigenen Patienten verzich-
lung muss der Gips gespreizt und die Haut, der Schwellungs- tet. Das gesamte Bein wird bis zum Oberschenkel abgewaschen
zustand des Unterschenkels sowie die periphere Durchblutung, (zunächst Abwaschen des Fußes, dann Längszug unter Einsatz
Motorik und Sensibilität beurteilt werden. Hautirritationen im von sterilen Handschuhen, Abdeckung bis Mitte Oberschen-
Bereich der Nageleintrittsstelle und auch der Verriegelungs- kel).
bolzen sollten auf keinen Fall vorliegen. Die Vollständigkeit
der Röntgenbilder wird überprüft. Insbesondere sollten Auf- Zugang
9 nahmen von Kniegelenk und Sprunggelenk sowie des Unter- In Streckstellung des Beins wird die Tibiaachse angezeichnet
schenkels komplett vorliegen, um evtl. minimal verschobene und ihr Schnittpunkt mit dem Tibiaplateau markiert (ggf. Bild-
Frakturlinien, die nach distal in das Sprunggelenk ziehen, zu wandler benutzen) (⊡ Abb. 9.60). An dieser Stelle wird eine etwa
erkennen. 5 cm lange Längsinzision, beginnend am distalen Patellapol,
angelegt (⊡ Abb. 9.61).
9.9 · Stabilisierung einer geschlossenen Unterschenkelfraktur mit Marknagelosteosynthese
295 9
⊡ Abb. 9.59. Lagerung und Abdeckung. Der Patient wird auf einem
röntgendurchlässigen Operationstisch gelagert, das betroffene Bein frei
beweglich abgedeckt. Mit einem speziellen Lagerungsrahmen (aus Stan-
dardteilen des Fixateur-externe-Sets zusammengesetzt) lässt sich das
Bein aufstellen und das Knie über 90° beugen, um Nageleintritt und
Reposition zu erleichtern
⊡ Abb. 9.60. Zugang. Die Bestimmung von Länge und Durchmesser des ⊡ Abb. 9.61a–c. Aufsuchen der Eintrittsstelle. a Das Lig. patellae ist im
Nagels erfolgt analog der bei der Oberschenkelmarknagelung beschrie- Faserverlauf gespalten und wird mit Haken distrahiert. b,c Die korrekte
benen Technik bei gestrecktem Unterschenkel (⊡ Abb. 9.33). Es wird eine Eintrittsstelle wird mit dem Führungsdraht a.p. median (b) und seitlich
mediane Inzision gewählt, die von etwa Mitte der Patella bis ca. 2 cm (c) aufgesucht und der Draht in die Markhöhle vorgeschlagen. Eröffnen
proximal des Tibiaplateaus reichen sollte des markraums mit dem über den Führungsdraht eingebrachten »Spon-
giosaschneider« (a)
296 Kapitel 9 · Verletzungen der unteren Extremitäten
a a
b c
a b c d
e f g
⊡ Abb. 9.67a–g. Röntgenverlauf. Geschlossene Unterschenkelfraktur nach Fahrradsturz im Übergang zum distalen 1/3 bei einem 51-jährigen Pati-
enten. a–c Unfallbilder. Nach auswärtiger Anlage eines Oberschenkelgipsverbandes und Zuverlegung wird die Indikation zur Unterschenkelmarkna-
gelung gestellt. d,e Postoperative Kontrollen nach geschlossener Unterschenkelmarknagelung. Da die Fraktur sehr weit distal bis in den Gelenkbe-
reich auslief, musste vor der Nagelung eine gelenknahe Verschraubung des Gelenkblocks erfolgen. f,g Kontrolle 6 Wochen postoperativ. Der Patient
ist zwischenzeitlich zur Vollbelastung übergegangen, da Kallus erkennbar ist. Schmerzen bestehen nicht mehr
300 Kapitel 9 · Verletzungen der unteren Extremitäten
Außenknöchelosteosynthese
Der Unterschenkel wird auf einer Tuchrolle gelagert, das Fer-
senbein bleibt frei, der 2. Assistent (gegenüberliegende Tisch-
seite) führt eine Innenrotation des Unterschenkels durch (steht
nur 1 Assistent zur Verfügung, muss er diese Funktion mit
übernehmen und steht dann am besten dem Operateur gegen-
über). Die Inzision erfolgt gerade, normalerweise von der Knö-
chelspitze bis zu einem Punkt etwa 3–4 cm proximal der Frak-
tur. Es wird direkt auf den Knochen präpariert, Peronealsehnen
und Peronealmuskelbäuche werden nach dorsal retrahiert. Eine
ausreichend lange Inzision verhindert Weichteilspannungen
durch übermäßigen Hakenzug, der bei den gesamt kritischen
Weichteilen häufig zu Hautrandnekrosen führt. Die Fraktur
selbst wird möglichst sparsam freigelegt, wobei eingeschlagenes
Periost zu entfernen ist und insbesondere die Fragmentspit-
zen vollständig dargestellt werden müssen, um eine lückenlose
anatomische Reposition zu erreichen. Nach ausreichender Säu-
berung der Frakturfläche mit scharfem Löffel, Zahnarzthaken
und Spülung wird bei direktem Kontakt der Hauptfragmente
⊡ Abb. 9.69. Repositionsmanöver Außenknöchel. Die Fraktur ist frei-
gelegt. Hohmann-Haken können eingesetzt werden, sollten aber nur
eine Reposition durchgeführt (⊡ Abb. 9.69).
ganz kurzfristig angespannt werden (wenn Übersicht benötigt wird), um > Achtung 1. Assistent
Hautnekrosen in diesem bezüglich der Durchblutung kritischen Gebiet
zu vermeiden. Säubern der Fraktur mit dem Löffel, Reposition durch Ma-
Der Assistent wechselt dabei in der Regel zum Fußende und
9 nipulation am Fuß und Einsatz der Repositionszange mit Spitzen führt durch Zug am Bein den Längenausgleich, bevorzugt
auch schon einen Rotationsausgleich, durch.
Innenknöchelosteosynthese
Im typischen Frakturverlauf besteht eine Abrissfraktur des In-
nenknöchels. Eine absolut anatomische Reposition ist notwen-
dig, um eine Medialisierung bzw. Lateralisierung des Talus zu
vermeiden und die ausreichende Gelenkkongruenz sicherzu-
stellen. Es muss daher unter Sicht reponiert werden, perkutane
Stabilisierungen sind bei fehlender Kontrollmöglichkeit der
Rotation nur in extremen Ausnahmefällen zu empfehlen.
Nach Abstopfen der lateralen Wunde wird nun eine Außen-
rotation des Unterschenkels durchgeführt. Es erfolgt ein gerader
oder leicht geschwungener Schnitt von der Innenknöchelspitze
⊡ Abb. 9.72. Prüfung der Syndesmoseninstabilität. Mit dem »Einzin- bis ca. 3 cm proximal der Fraktur (⊡ Abb. 9.74). Der Schnitt ist
kerhaken« wird die Fibula unter Bildwandlerkontrolle nach lateral ge-
zogen. Jede Erweiterung im Syndesmosenspalt ist verdächtig auf eine
ebenfalls ausreichend lang zu wählen, um die Weichteilspan-
Syndesmoseninstabilität! nung gering zu halten. Es wird direkt auf den Knochen und
die Fraktur präpariert. In der Regel ist Periost eingeschlagen,
was lokal reseziert werden muss. Die Präparation wird auf dem
Knochen bis zur ventralen Gelenkkapsel weitergeführt, die Ge-
lenkkapsel eröffnet und mit einem kleinen Langenbeck-Haken
9 von ventral her Einsicht in das Gelenk geschaffen.
Unter vorsichtiger Retraktion des Innenknöchelfragmentes
mit dem Zahnarzthaken lässt sich in den meisten Fällen ein
guter Überblick über die Talusoberfläche gewinnen und die
tibiale Gelenkfläche inspizieren. Das Gelenk wird ausgespült,
eventuelle Knorpelflakes entfernt und Schäden dokumentiert.
! Besteht ein sog. Volkmann-Fragment, kann jetzt nach ent-
sprechender Erweiterung des Schnitts die Reposition unter
Sicht erfolgen. Dazu wird am Übergang zur Metaphyse streng
a subperiostal nach dorsal präpariert und der »Frakturspitze« des
Volkmann-Fragments aufgesucht. Von proximal her Säubern
der Frakturflächen und Reposition unter Einsatz der speziellen
Malleolarzangen nach Weber. Neben dem »Einrasten« des
proximalen Frakturausläufers kann über den aufgeklappten
Innenknöchel insbesondere die anatomische Reposition der
Gelenkfläche eingesehen oder zumindest mit dem Tasthaken
kontrolliert werden.
a b
c d
e f
⊡ Abb. 9.76a–k. Röntgenverlauf. Bimalleoläre Sprunggelenksverrenkungsfraktur Typ Weber C. a,b Unfallbilder. c Intraoperative Röntgenkontrolle
nach Reposition des Außenknöchels. d Stabilisierung durch Zugschraube und Platte. e Prüfung der Syndesmosenstabilität, eine Aufweitung im
Syndesmosenspalt wird dynamisch erkennbar. f,g Einbringung einer Stellschraube. h,i Situation nach Innenknöchelosteosynthese. j,k Situation nach
Ausheilung (6 Wochen)vor Entfernung der Stellschraube
9.10 · Stabilisierung einer Sprunggelenksluxationsfraktur
307 9
g h
i j
k
308 Kapitel 9 · Verletzungen der unteren Extremitäten
medial
lateral
a b
c d e
⊡ Abb. 9.77a–e. Einteilung der Fersenbeinfrakturen nach Sanders. a,b Typ II: eine Frakturlinie, zwei Fragmente an der posterioren Facette.
Klassifikation anhand koronarer CT-Schichten des Subtalargelenks: An- c,d Typ III: zwei Frakturlinien, drei Fragmente an der posterioren Facette.
zahl und Lokalistion der Hauptfragmente der subtalaren (hinteren) e Typ IV: mehr als zwei Frakturlinien, vier Fragmente an der posterioren
Gelenkfläche. Typ I: alle nicht dislozierten Frakturen (nicht dargestellt). Facette
Im Operationssaal
Lagerung
Der Patient wird in Seitenlage operiert bei frei beweglichem
betroffenem Bein (⊡ Abb. 9.78). Auf eine ausreichende Unter- ⊡ Abb. 9.78. Lagerung, Abdeckung und Position von Operateur und
stützung und Abpolsterung muss geachtet werden. Die Anlage Assistenz. Der Patient liegt in der Seitenlage, das Bein ist frei beweglich,
einer Blutsperre wird bei geringem Weichteilschaden durchge- abgewaschen und abgedeckt und im Knie ca. 60° gebeugt. Der Ope-
rateur steht auf der dorsalen Seite des Patienten, der erste Assistent in
führt, bei stärkeren Weichteilschäden verzichten wir bei unse-
diesem Fall links neben ihm, der zweite Assistent auf der Gegenseite
ren Patienten darauf.
Single-shot-Antibiotikaprophylaxe mit Cephalosporinen
der 1. Generation.
Die Operation wird i. d. R. in Allgemeinnarkose, in Aus- Durchleuchtung sowohl in seitlicher Projektion (a.p. Strahlen-
nahmefällen auf Wunsch des Patienten auch in Spinal- oder gang des Bildwandlers in Seitenlage des Patienten), als auch
Periduralanästhesie durchgeführt. Operationsdauer von durch- im axialen Strahlengang zum Fersenbein (durchgeschwenkter
schnittlich 2 h. In Narkose Vorreinigung des Fußes. Bildwandler) möglich sein, ggf. Prüfung vor endgültiger Po-
Der Operateur sitzt an der Dorsalseite des Patienten. 1. sitionierung, falls kein strahlendurchlässiger Operationstisch
und 2. Assistent stehen gegenüber. Intraoperativ muss eine verwendet wird.
310 Kapitel 9 · Verletzungen der unteren Extremitäten
Zugang
Nach sterilem Abwaschen erfolgt das Abdecken, dann in Recht-
winkelstellung des Sprunggelenks Anzeichnen der Fibulalängs-
achse und der Fibulaspitze. Die Mitte der Verlängerung von
Fibulaspitze bis zur Fußsohle wird angezeichnet, ebenso die
½ ½ ½ Mitte der rechtwinklig nach dorsal verlaufenden Linie von der
Fibulaspitze bis zur Achillessehne (⊡ Abb. 9.79).
½
Operationstechnik
In den angezeichneten Linien L-förmige Inzision mit Umbie-
gung in relativ kleinem Radius. Die Inzision wird direkt durch
die subkutanen Weichteile bis auf den Knochen durchgeführt
und beginnend vom angezeichneten Winkel der gesamte Haut-
⊡ Abb. 9.79. Markierungspunkte für den Zugang, Anzeichnung. Die und subkutane Lappen vom Periost abgelöst (⊡ Abb. 9.80). Der
Orientierung erfolgt von der Hinterkante der Fibula und der Knöchel-
gesamte Lappen sollte in toto verbleiben und bei Erreichen der
spitze aus. Der erweitert laterale Zugang wird großzügig angezeichnet
und sollte möglichst weit nach proximal und distal geführt werden, um Peronealsehnen auch diese mit der Sehnenscheide angehoben
Weichteilspannungen zu vermeiden werden. In der Lappenecke sowie jeweils 2 cm nach ventral und
kranial davon werden Haut- und Subkutangewebe mit Haltefä-
den armiert und der Lappen sehr vorsichtig eleviert. Ein Ha-
kenzug sollte vermieden werden. Weitere scharfe Präparation
auf der i. d. R. frakturierten und in sich verschobenen lateralen
Kalkaneusoberfläche.
Wichtig ist, dass die Inzisionen weit genug nach proximal
9 und distal gezogen werden, damit ein vollkommen spannungs-
freies Anheben des Hautlappens bei guter Einsicht in das
Subtalargelenk gelingt. Sobald das Subtalargelenk erreicht ist,
wird der Fuß mit einer kleinen Tuchrolle unterpolstert und ein
Varusstress auf den Kalkaneus ausgeübt. Man erhält so Einsicht
in das Subtalargelenk und auf die talare Gelenkfläche. Direkt
kranial der subtalaren Gelenkfläche werden 3–4 Spickdrähte
mit 2 mm Durchmesser in etwa 2 cm Abstand in den Talus
a eingebohrt und diese Drähte dann nach ventral abgebogen. Der
Lappen, ggf. in ein feuchtes Tuch eingeschlagen, liegt so voll-
kommen spannungsfrei auf, ohne dass eine weitere Retraktion
notwendig wird.
a b c
**
*
***
d e
f g
⊡ Abb. 9.83a–g. Röntgenverlauf. Fraktur vom Typ »joint depression«, Sowohl die Gelenkflächen (*), der Böhler-Winkel (**) als auch der Gissane-
Sanders II. a,b Präoperative Röntgenaufnahmen. c CT Analyse. d,e Intra- Winkel (***) sind gut rekonstruiert. Die axiale Aufnahme zeigt keine
operative Kontrollen in der seitlichen (d) und axialen (e) Durchleuchtung. nennenswerte Varisierung. f,g Kontrolle nach 12 Wochen. Die Fraktur ist
Gut erkennbar sind die eingesetzten Spickdrähte zur Weichteilretraktion. zwischenzeitlich verheilt, der Patient vollständig rehabilitiert
314 Kapitel 9 · Verletzungen der unteren Extremitäten
Wundverschluss/Verband
An den Kanten werden versenkte Subkutannähte eingesetzt,
um den Lappen spannungsfrei zu halten. Danach sehr sorgfäl-
tige Hautnaht in Allgöwer-Rückstichtechnik mit Position des
Knotens nach distal und dorsal (⊡ Abb. 9.84). Abschließender
vorsichtiger Kompressionsverband.
Postoperativ
Probleme
Probleme bereiten insbesondere die Weichteile. Schon die Ein-
schätzung der Operationsfähigkeit verlangt klinische Erfahrung.
Kalkaneusosteosynthesen sind als schwierige Osteosynthese
einzustufen und sollten daher während der Weiterbildung nur
⊡ Abb. 9.84. Wundverschluss mit Allgöwer-Nähten mit erfahrener Assistenz durchgeführt werden.
Nachbehandlung
▬ Operationstag: Kontrolle DMS und Redon-Drainage am
Operationsabend. Bei Schmerzen ggf. Lösen des Kompres-
sionsverbandes.
▬ Postoperativer Tag 1: Leichte Mobilisation der Redon-Drai-
nage unter dem Verband (Drehen, um ein Verkleben zu
vermeiden). Hochlagerung. Eigenständige Bewegungsübung
mit Dorsalextension/Plantarflexion im oberen Sprunggelenk
9 und Kreisbewegung des Fußes. Kurzfristige Mobilisation am
Bettrand und Stehen unter Sohlenkontakt des Fußes, vorwie-
gend aber Bettruhe und Hochlagerung, ggf. Kühlen.
▬ Postoperativer Tag 2: Abnahme des Verbandes. Bei tro-
ckener Wunde Pflasterverband und ATS. Ansonsten tro-
ckener Verband mit sterilen Kompressen und Wicklung
bis zu absoluten Wundtrockenheit. Bei trockener Wunde
erste kurzfristige Gehversuche mit Abrollen des Fußes und
Teilbelastung. Bei bestehender Wundsekretion vorwiegend
Hochlagerung und Bewegungsübungen im Bett.
Weiterbehandlung/Arztbrief
Entlassung bei trockener Wunde möglich. Fadenentfernung
14 Tage postoperativ. Teilbelastung im normalen Schuh an
Unterarmgehstützen für 6 Wochen, danach Röntgenkontrolle.
Bei einfachen Frakturtypen Übergang zur Vollbelastung bis
zur 8. Woche, bei komplizierten Frakturtypen und Einsatz von
Spongiosatransplantationen bzw. Knochenersatzmaterialien
Teilbelastung für 12 Wochen.
Implantatentfernung bei lokalem Druckschmerz bzw.
schmerzhafter Einschränkung der Beweglichkeit des unteren
Sprunggelenks nach einem Jahr.
Literatur
Tscherne H, Szyskowitsch R (2003) Tscherne Unfallchirurgie. Unterschenkel.
Springer, Berlin Heidelberg New York
Rüedi T (2008) AO-Prinzipien des Frakturmanagementes. Thieme, Stuttgart
Zwipp H (1994) Chirurgie des Fußes. Springer, Wien
10
⊡ Abb. 10.1. Lagerung. Der Patient wird auf einem röntgendurchlässi- sene Reposition angezeigt, wird der Bildwandler in die seitliche Position
gen Operationstisch in Bauchlage gelagert. Thorax und Becken werden geschwenkt und unter dosiertem Längszug an Oberkörper und Beinen
mit festen Kissen unterstützt, um eine ausreichende Atemexkursion eine akzentuierte Lordosierung durch Druck mit der Hand durchgeführt.
zu ermöglichen. Gleichzeitig wird dadurch die zur Reposition nötige Die erreichte Aufrichtung des Wirbelkörpers wird sequenziell in der
Lordose verstärkt. Die Bildwandlereinstellung wird vor dem Abdecken Durchleuchtung verfolgt. Die Inzision erfolgt direkt über dem betroffe-
überprüft, der Bildwandler sollte frei schwenkbar sein. Ist eine geschlos- nen und dem oben und unten angrenzenden Wirbelkörper
318 Kapitel 10 · Eingriffe an der Wirbelsäule und am Becken
Operationstechnik
Nach Abdeckung und Hautdesinfektion erfolgt die Inzision in
etwa 15 cm Länge in der Mittellinie entlang der Dornfortsätze
direkt über dem markierten Wirbelkörper. Unter ständiger
Blutstillung wird zunächst das Subkutangewebe gespalten und
die Fascia thoracolumbalis sparsam freigelegt. Einsetzen eines
oder ggf. auch zweier Wundspreizer zum Weghalten des subku-
tanen Fettgewebes. Beidseits der Dornfortsätze erfolgt jetzt eine
Inzision der Faszie und zunächst ein sparsames Ablösen der
Muskulatur. Die Muskulatur wird dann mit dem langen Ras-
patorium en bloc von Dornfortsatz und Wirbelbogen bis nach
lateral zu den Facettengelenken vorsichtig abgeschoben.
10
a b
Wundverschluss/Verband
Nach ausgiebiger Spülung und Entfernung der Wundspreizer
werden nekrotische Muskelanteile sorgfältig debridiert und
2 Redon-Drainagen eingelegt, die mit ausreichendem Abstand
vom Wundrand seitlich ausgeleitet werden. Die Fixation der
thorakolumbalen Faszie muss sehr sorgfältig erfolgen, so dass
eine lückenlose Adaptation an die Lig. interspinosa erreicht
wird (⊡ Abb. 10.9). Subkutanfaszie und Haut werden ebenfalls
sorgfältig verschlossen, um Hohlräume zu vermeiden. Nach
Anlage eines sterilen trockenen Verbandes wird der Patient in
die Rückenlage umgelagert und nach Extubation, möglichst
schon im Operationssaal, DMS der unteren Extremitäten
geprüft.
⊡ Abb. 10.9. Wundverschluss. Refixation von Faszie und Muskulatur ⊡ Abb. 10.10 zeigt beispielhaft die Versorgung einer LWK1-
durch sichere Naht an die Dornfortsätze und die Ligg. interspinosi, um Fraktur im Rahmen einer Mehrfachverletzung.
spätere Serombildung zu vermeiden
10
a b
⊡ Abb. 10.10a–j.
Röntgenverlauf nach einer
BWK12-Fraktur (Berstungs-
bruch, ohne Neurologie) im
Rahmen einer Mehrfachver-
letzung nach Pkw-Unfall.
a–c Unfall-Röntgenbilder
und CT-Schnitte zur besseren
Darstellung und Analyse der
c
Verletzung
10.1 · Geschlossene/offene Reposition und dorsale Stabilisierung einer LWK-1-Fraktur mit Fixateur interne
325 10
d e f
g h i j
⊡ Abb. 10.10a–j. Röntgenverlauf nach einer BWK12-Fraktur (Berstungsbruch, ohne Neurologie) im Rahmen einer Mehrfachverletzung nach
Pkw-Unfall. d–f Zustand nach operativer dorsaler Versorgung am Aufnahmetag und sekundärer Spondylese durch thorakoskopische Interposition
eines kortikospongiösen Beckenkammspans. g,h Ausheilung nach 1 Jahr. i,j Metallentfernung 19 Monate nach Unfall
326 Kapitel 10 · Eingriffe an der Wirbelsäule und am Becken
Nachbehandlung
▬ Operationstag: Der Patient sollte möglichst auf dem Rücken Operationsprinzip
liegen, um Nachblutungen in die Wunde zu vermeiden. Die Nach Darstellung der Symphysenregion unter möglichst weit-
Sekretion in die Redon-Drainagen ist zu kontrollieren. Bei gehender Schonung der Ansätze des M. rectus abdominis
stärkerer Nachblutung muss die Drainage ggf. für einige Stun- wird nach Reposition der Symphyse eine Osteosynthese mit
den durch Einstechen einer sterilen Kanüle entlüftet werden. Kompressionsplatten durchgeführt. Eine Plattenposition di-
Danach sollte aber wieder Sog angelegt werden, um die Aus- rekt dorsal der Rektusansätze erlaubt mit 40–60 mm eine aus-
bildung eines größeren Wundhämatoms zu vermeiden. reichende Schraubenlänge zum sicheren Halt im spongiösen
▬ Postoperativer Tag 1: Der Patient sollte in die Senkrechte Knochen.
mobilisiert werden, ggf. unter physiotherapeutischer Hilfe
einige Schritte gehen. Während des Liegens soll eine ausrei-
chende Bewegung der unteren Extremitäten sichergestellt Operationsvorbereitung
10 werden, um das Thromboserisiko zu minimieren. Aufklärung
▬ Postoperativer Tag 2: Der Verband wird abgenommen, die ▬ Thrombose-/Embolierisiko
Drainage entfernt und ein erneuter steriler Verband, ggf. ▬ Iatrogene Blasen-/Urethraverletzung
schon ein Pflasterverband, angelegt. Röntgenkontrolle des ▬ Erektile Dysfunktion, in der Regel als Verletzungsfolge, hy-
thorakolumbalen Übergangs in 2 Ebenen. Der Patient kann pothetisch auch als Operationsfolge
schmerzabhängig frei mobilisiert werden. ▬ Ausriss der Osteosynthese (in der Regel bei Fehleinschät-
zung der Gesamtverletzung oder unkontrollierter Mobilisa-
! Es ist auf Blasen- und Mastdarmstörungen zu achten, um nicht
tion des Patienten)
einen paralytischen Ileus zu übersehen.
▬ Wundweichteilinfekt (relativ häufig, bis 10%, in der Regel
Im eigenen Vorgehen wird zu diesem Zeitpunkt eine erneute durch frühzeitige Revision folgenlos beherrschbar)
CT-Kontrolle zur Sicherung der korrekten Implantatlage und ▬ Osteomyelitis bei weiterschreitendem Infekt (sehr selten,
zur Planung des ventralen Eingriffs durchgeführt. aber schwierig zu behandeln)
Der Eingriff der ventralen interkorporellen Spondylodese ▬ Narbenhernie
entspricht im Wesentlichen den im Teil Wirbelsäule ( Kap. 12.6,
12.7 und 12.8) beschriebenen orthopädischen Techniken, so dass Vor dem Operationstag müssen die lokalen Hautverhältnisse
an dieser Stelle nicht gesondert darauf eingegangen wird. inspiziert werden. Der Patient wird auf die Einlage eines tran-
surethralen Urinkatheters (wenn nicht schon liegend) sowie auf
Weiterbehandlung/Arztbrief die Rasur von Abdomen und Schamhaaren vorbereitet.
Röntgenkontrollen nach 6 und 12 Wochen, bei persistierenden Be-
schwerden auch noch zu einem späteren Zeitpunkt. Im Falle einer Diagnostik und Planung
dorsalen bisegmentalen Stabilisierung und rein monosegmentalen Da bei Beckenfrakturen ein hohes Thromboembolierisiko be-
ventralen Spondylodese ist die Durchführung einer Implantatent- steht, muss die lückenlose Thromboembolieprophylaxe nach
fernung etwa 12–18 Monate nach dem primären Eingriff angera- einem leitliniengerechten Hochrisikoschema durchgeführt und
ten, um einerseits ein zusätzliches Bewegungssegment freizugeben, dokumentiert sein. Ansonsten erfolgt z. B. bei zuverlegten Pa-
andererseits einen Bruch der Implantate zu vermeiden. Die Be- tienten ohne ausreichende Dokumentation ein Screening mit
wegungsfähigkeit zur krankengymnastischen Übungsbehandlung minimal Duplexsonographie, besser CT oder MRT.
ist spätestens nach Durchführung der ventralen Spondylodese Das Vorliegen einer Blasen- oder Urethraverletzung muss
gegeben, körperliche Belastungen mit sportlicher Betätigung und ausgeschlossen sein (bei primär blutigem Urin bzw. Blutaustritt
Anheben von Gewichten sollte frühestens 2–4 Monate postopera- aus dem Meatus urethrae erfolgt die entsprechende Diagnostik
tiv wieder aufgenommen werden. Auch Rotationsbewegungen im mit Urethradarstellung, Zystographie, ggf. erweiterte Nieren-
LWS-Bereich sollten bis dahin vermieden werden. diagnostik).
10.2 · Symphysenplatte
327 10
Im Operationssaal
Lagerung
Es wird geprüft, ob der transurethrale Urinkatheter liegt und
fördert. Die teilweise ausgedehnte Rasur sollte im Vorberei-
tungsraum durchgeführt werden und Haare komplett mit Kleb-
streifen entfernt werden. Danach ausgedehnte Vorreinigung
mit Wasser und Seife.
Lagerung des Patienten auf einem röntgendurchlässigen
Operationstisch oder soweit distal der Tischsäule, dass In-
let- und Outletprojektionen durchgeführt werden können (ggf.
Prüfung vor Abdeckung) (⊡ Abb. 10.11).
Das Bein der instabilen Beckenhälfte sollte frei beweglich
abgedeckt werden.
Beim Abwaschen ist darauf zu achten, dass die Flüssigkeit
ausreichend aufgenommen wird, damit der Patient keinesfalls
im Feuchten liegt. Die Abdeckung umfasst den distalen Anteil ⊡ Abb. 10.11. Lagerung, Abdeckung und Orientierungspunkte. Der
des Abdomens vom Bauchnabel bis zur Schamgrenze, ein Bein Patient liegt auf dem Rücken auf einem möglichst röntgendurchlässigen
ist frei beweglich abgedeckt (⊡ Abb. 10.11). Operationstisch. Die Symphysenregion wird sorgfältig abgedeckt, bei
stärkeren Dislokationen kann es hilfreich sein, das Bein der instabileren
Seite frei beweglich abzudecken. Die Orientierung erfolgt anhand der
Operationstechnik
meist gut tastbaren Symphyse. Bei elektiven Operationen erfolgt eine
Orientierungspunkte sind die Spina iliaca anterior superior Querinzision 1–2 Querfinger kranial der Symphyse von 7–12 cm Länge,
sowie die Symphyse (Palpation; ⊡ Abb. 10.11). Bei schlanken Pa- bei Notfalloperation wird eine mediane Inzision gewählt
tienten ist gelegentlich auch schon die Symphysenlücke tastbar.
In elektiven Situationen wird die quere Inzision etwa 1–2
Finger kranial der palpablen Symphyse durchgeführt. In Not-
fallsituationen, in denen ggf. eine Laparatomie angeschlos-
sen werden muss, wird eine infraumbilikale Längsinzision von
ebenfalls etwa 6–10 cm Länge gewählt. In beiden Fällen Prä-
paration durch das Subkutangewebe und stumpfes Darstel-
len der Faszie des M. obliquus externus und M. pyramidalis
und der Mittellinie. Die etwa 6–10 cm lange Längsinzision der
Faszie erfolgt in der Mittellinie nach distal bis zur Symphyse
(⊡ Abb. 10.12). In der Regel ist bei einer frischen Verletzung die
klaffende Symphyse schon jetzt nach Entfernung von Häma-
tomkoageln sichtbar oder palpabel. Ansonsten Präparation bis
zu den Schambeinästen und mit einem Spatel oder gebogenen
runden Hohmannhebel vorsichtiges Abdrängen der Blase nach
dorsal. Zur Verbesserung der Übersicht müssen die Ansätze
des M. rectus abdominis beidseits eingekerbt werden. Es ist da-
rauf zu achten, dass die Muskelansätze nicht komplett abgelöst
werden, da die Gefahr einer sich im Verlauf ausbildenden Nar-
benhernie besteht. In der Regel ist der Muskel ein-, gelegentlich
auch beidseits schon eingerissen, so dass keine weitere Präpa-
ration erforderlich ist. Die Exposition wird so weit geführt, bis
2 spitze Hohmann-Hebel im Bereich der Tubercula pubica ein-
gesetzt werden können und das Operationsgebiet ausreichend
freigelegt ist (⊡ Abb. 10.13). ⊡ Abb. 10.12. Faszienpräparation. Nach Darstellung der Bauchwandfas-
zie wird die Mittellinie aufgesucht und längs inzidiert. Cave: Blasenver-
Der Diskus ist in der Regel einseitig vom Knochen abge-
letzungen! Immer auf entleerte Blase bei einliegendem Blasenkatheter
rissen, seine Ausdehnung kann mit einer Kanüle oder kleinem achten! In der Regel ist auf der instabileren Seite der Ansatz des M. rectus
Spickdraht kanalisiert werden, um die exakte Lage der Mittelli- abdominis eingerissen. Eine Ablösung sollte sehr sparsam erfolgen, um
nie zu bestimmen. Der Diskus selbst bleibt aber in situ. spätere Bauchwandhernien zu vermeiden
328 Kapitel 10 · Eingriffe an der Wirbelsäule und am Becken
10
⊡ Abb. 10.14. Reposition. Die Reposition gelingt in der Regel durch den ⊡ Abb. 10.15. Orientierung der Bohrerrichtung. Nach Reposition und
Einsatz der großen Repositionszange mit Spitzen, die beidseits in den Plattenauswahl wird die Platte fixiert. Wichtig ist die Plattenlage dorsal
Knochen, bei erforderlichen größeren Repositionskräften auch in den der Rektusansätze und die durch Palpation meist gut bestimmbare
lateralen Rand des Foramen obturatum gesetzt werden können. Die Ab- Schraubenrichtung, um ausreichenden Schraubenhalt zu gewährleisten
bildung zeigt die variablen Positionen, es wird eine Zange verwendet (Schraubenlänge 50–60 mm anstreben)
10.2 · Symphysenplatte
329 10
In der Regel wird ein oszillierender Bohrer eingesetzt, der
die Verwendung einer Bohrhülse entbehrlich macht. Mit Ein-
satz der beiden symphysennahen Schrauben kommt die Sym-
physe nochmals unter zusätzliche Kompression. Die restlichen
Schrauben werden wechselseitig eingebracht, um die Stabilität
zu erhöhen (⊡ Abb. 10.16).
Implantat- und Repositionskontrolle mit dem Bildwandler
in Inlet- und Outletprojektion.
Die Rektusansätze werden gegen das Periost, ggf. auch
durch Plattenbohrungen, fixiert.
⊡ Abb. 10.17 zeigt beispielhaft die Versorgung einer Sym-
physensprengung mit einer Plattenosteosynthese.
a b
c d
⊡ Abb. 10.17. Röntgenverlauf. a Die Symphyse ist gesprengt, hier wurde schon in einem auswärtigen Krankenhaus eine Notfallversorgung mit
Fixateur externe ( Kap. 8) vorgenommen. b–d Versorgung mit Plattenosteosynthese und postoperative Röntgenkontrollen in a.p. (b), Inlet- (c) und
Outlet-Projektion (d)
330 Kapitel 10 · Eingriffe an der Wirbelsäule und am Becken
Zugang
Landmarken sind die Spina iliaca anterior superior sowie der
Verlauf des Beckenkamms. Es wird eine Sicherheitszone von
2 cm von der Spina iliaca anterior superior nach dorsal einge-
halten, da hier potenziell der N. cutaneus femoris lateralis das
Operationsgebiet kreuzen kann. Die Hautinzision wird nach
Größe der geplanten Entnahme und Dimension der subkuta-
nen Fettschicht zwischen 4 cm und 15 cm Länge geplant. Die
Inzision verläuft etwas lateral des Beckenkamms. ⊡ Abb. 10.18. Lagerung, Abdeckung und Landmarken. Die Lagerung
erfolgt in Rückenlage, der Beckenkamm wird mit ausreichendem Sicher-
Operationstechnik heitsabstand abgewaschen und abgedeckt. Ggf. muss die Abdeckung
variiert werden, da die Spongiosaentnahme in der Regel Teil einer an-
Unter ständiger Blutstillung wird zunächst auf die Muskelfaszie
deren Operation ist. Die Inzision beginnt ca. 2 cm dorsal der Spina iliaca
präpariert. In der Regel überragt der Muskelbauch des M. ob- anterior superior (cave: N. cutaneus femoris lateralis) und folgt dem
liquus externus den Beckenkamm etwas lateral, so dass relativ Beckenkamm nach dorsal. Die Inzision sollte etwas weiter lateral als der
weit nach distal präpariert werden muss, um den sehnigen An- tastbare Beckenkamm angelegt werden, um in der tiefen Präparation
satz in Beziehung zur Faszie des M. gluteuas medius zu errei- den etwas »überhängenden« Muskelbauch der Bauchwandmuskulatur
zur vermeiden und sicher eine Ablösung im sehnigen Übergang zum
chen (⊡ Abb. 10.19). Hier wird bis an den Knochen präpariert,
Knochen durchführen zu können
um eine Muskeldurchtrennung zu vermeiden. Dazu wird der
Muskelbauch vorsichtig mit einem scharfen Haken nach kranial
gestreckt. Mit dem Skalpell erfolgt nun zunächst das scharfe
Abtrennen des Faszienansatzes vom Beckenkamm, dann wird
die weitere Präparation mit dem Raspatorium durchgeführt. Es
wird das gebogene Raspatorium benutzt, damit auch im weite-
ren Verlauf nach medial immer in direktem Kontakt zum Kno-
chen, subperiostal in die Fossa iliaca präpariert werden kann.
Nachbehandlung
▬ Operationstag: Schon im Operationssaal und Aufwach-
raum Kontrolle der Füllung der Redon-Drainage. Bei sehr
starkem Blutverlust zunächst Entlüftung der Drainage, bei
weitergehender Blutung Revision. Ansonsten wird nach
einigen Stunden oder am nächsten Morgen der Sog wieder
probeweise oder dauerhaft angelegt.
Belassen der Redon-Drainage für 2 Tage. ⊡ Abb. 10.22. Zuggurtungsosteosynthese mit Platte. Gerade bei der
Sorgfältige Wundkontrollen, bei Hämatomverdacht Sono- Entnahme größerer Späne ist das Risiko einer späteren Abrissfraktur
des ventralen Beckenkamms nicht zu vernachlässigen. Bei den eigenen
graphie und ggf. frühzeitige Revision. Patienten wird daher nach vorheriger Aufklärung immer eine »Zuggur-
Ausreichende Schmerzmedikation, da alle Körperbewegun- tungsosteosynthese« mit einfacher Titan-Drittelrohrplatte vorgenom-
gen in der Regel als schmerzhaft empfunden werden. men. Es ist ausreichend, auf jeder Seite nur eine Schraube zu besetzen.
Entfernung des Nahtmaterials nach 14 Tagen. Diese Platte hält die Kontur des Beckenkamms und erleichtert die Refi-
xation der Muskulatur
! Sollten im Rahmen der Mobilisation sehr starke Schmerzen auf-
treten, unmittelbare Röntgenkontrolle, da ggf. eine Abrissfrak-
tur des Beckenkamms aufgetreten sein kann.
Weiterbehandlung/Arztbrief
Eine eingebrachte Platte muss im Arztbrief erwähnt werden,
eine spezifische Nachbehandlung ist nicht notwendig.
Literatur
Tscherne H, Blauth M (1998) Tscherne Unfallchirurgie. Wirbelsäule. Springer,
Berlin Heidelberg New York
Tscherne H, Pohlemann T (1998) Tscherne Unfallchirurgie. Becken. Springer,
Berlin Heidelberg New York
Rüedi T (2008) AO-Prinzipien des Frakturmanagementes. Thieme, Stuttgart
Scharf H, Rüter A, Pohlemann T, Marzi M, Kohn D, Günther HP (2008) Orthopä-
die und Unfallchirurgie: Facharztwissen nach der neuen Weiterbildungs-
ordnung. Elsevier, München
Verletzungen im Kindesalter
a b c d e
⊡ Abb. 11.1a–e. Anatomische Orientierung. Lage der Epiphysenfugen Normalerweise verläuft die sog. Rogers-Hilfslinie in der seitlichen Pro-
am distalen Humerus in der a.p (a) und seitlichen (b) Projektion. Mit jektion zentral durch den Knochenkern der distalen Humerusepiphyse
einer Hilfslinie, die an die ventrale Kortikalis des Oberarmschaftes ange- (c). Bei Extensionsfrakturen verläuft sie ventral des Knochenkerns (d), bei
legt wird, ist die Beurteilung einer eventuellen Fehlstellung erleichtert. Flexionsfrakturen dorsal des Knochenkerns (e)
11.1 · Operative Versorgung einer dislozierten suprakondylären Oberarmfraktur beim Kind
337 11
Im Operationssaal
Lagerung
Nach Narkoseeinleitung wird das Kind in der Rückenlage ge-
lagert, der Arm wird abduziert und mit einem kleinen, durch-
leuchtungsfähigen Armtisch abgestützt (⊡ Abb. 11.2). Ggf. muss
die Durchleuchtungsfähigkeit kontrolliert werde. Dabei sollten
unter Längszug des Arms gleich Standardaufnahmen in a.p.
und seitlicher Projektion angefertigt und ausgedruckt werden.
Single-shot-Antibiotikaprophylaxe mit Cephalosporinen der
1. Generation.
⊡ Abb. 11.7a–c. Einbringen des ersten Drahtes. a Der Assistent hält die
Reposition, der Operateur kontrolliert die korrekte Reposition mit dem
Zeigefinger und gewinnt damit zusätzlich ausreichend Orientierung für
die Richtung Drahtpositionierung (a). Bei sehr instabilen Frakturen mit
wenig Kontaktfläche kann es günstiger sein, zunächst von radial her
einen Draht einzubringen. Danach wird der ulnare Draht in perkutaner
Technik eingebracht (b,c). Bei starker Schwellung und sehr schwieriger
Reposition kann es nötig werden, auch einen zweiten ulnaren Zugang c
anzulegen. Dabei muss allerdings der N. ulnaris aufgesucht und ange-
schlungen werden b
340 Kapitel 11 · Verletzungen im Kindesalter
Postoperativ
Probleme
Gerade bei stark dislozierten Frakturen können Weichteil-
schwellungen im peri- und postoperativen Management Pro-
bleme bereiten. Eine gute Dokumentation des präoperativen
Zustandes, insbesondere der neurologischen Situation darf
daher nicht vergessen werde. Gefahren bestehen vor allem
bei übersehenen oder sekundär auftretenden Gefäßläsionen
oder -verschlüssen, die unmittelbar operativ behandelt werden
müssen.
Nachbehandlung
▬ Operationstag: Direkt postoperativ nach Aufwachen des
Kindes wird die DMS kontrolliert und ggf. Pulskontrollen
angeordnet. Das Kind sollte möglichst frühzeitig eigenstän-
dig die Finger bewegen. Bei stark dislozierten Frakturen
kontinuierliche Kontrolle der peripheren Durchblutung mit
der Pulsoxymetrie.
▬ Postoperativer Tag 1: Der Gips wird gespreizt, der Verband
gespalten, ggf. erneuert, um Verklebungen des Verbandes
durch Blut zu entfernen. Bei nur geringer Produktion aus
der Redon-Drainage Entfernung derselben. Erneuter ste-
riler Verband und elastische Wicklung, Wiederanlage des
Gipses.
▬ Postoperativer Tag 2: Erneuter Verbandswechsel, Röntgen-
kontrolle, ggf. vorsichtiges Durchbewegen des Ellenbogens
durch den Operateur. Das Kind kann in der Regel am
2. postoperativen Tag entlassen werden. Nach endgültiger
11 Abschwellung, etwa 3.–5. Tag, Anlage eines geschlossenen
Oberarmgipses in 90°-Stellung.
Weiterbehandlung/Arztbrief
Der geschlossene Gips verbleibt für 3 Wochen. In dieser Zeit
Gipskontrollen durch Hausarzt, nach 3 Wochen Abnahme des
Gipsverbandes und vorsichtige Bewegungsübungen. In der Re-
gel werden die Spickdrähte 4–5 Wochen postoperativ in Allge-
meinnarkose entfernt. Danach je nach Bewegungsumfang des
Ellenbogens intensive Krankengymnastik.
Bei offenem Vorgehen werden die Fäden 10–12 Tage post-
operativ entfernt.
Röntgenkontrollen nach 3 Wochen und nach Entfernung
der Spickdrähte.
11.1 · Operative Versorgung einer dislozierten suprakondylären Oberarmfraktur beim Kind
341 11
a b
c d
e f
⊡ Abb. 11.8a–f. Röntgenverlauf. Typische Extensionsfraktur bei einem 7-jährigen Mädchen nach Schaukelsturz. a,b Unfallbilder. c,d Geschlossener
Reposition in Narkose. e,f Versorgung mit perkutaner Spickdrahtosteosynthese
342 Kapitel 11 · Verletzungen im Kindesalter
Vorbemerkung
Distale Epiphysenlösungen mit metaphysärer Keilbildung sind
in der Regel »gutartige« Frakturen, die unter konservativer
Behandlung folgenlos ausheilen. Allerdings sollten gerade bei
älteren Kindern Fehlstellungen über 10° und Verkürzungen
ausgeglichen werden. Da repetitive Repositionsversuche auf
Grund der erzeugten Schmerzen vermieden müssen, wird die
Reposition in Operationsbereitschaft durchgeführt (Eingriffs-
raum oder Operationssaal), um bei nicht ausreichender Stabi-
lität nach Reposition eine sofortige operative Stabilisierung mit
Spickdrahtosteosynthese durchführen zu können.
a b
⊡ Abb. 11.9a,b. Typische distale Radiusfraktur beim Kind (Typ Aitken I, Operationsvorbereitung
metaphysärer Keil). a.p. (a) und seitliche (b) Projektion Aufklärung
▬ Risiken einer Ausheilung in Fehlstellung mit fehlender Kor-
rekturmöglichkeit
▬ Wund- oder Weichteilinfektionen an der Drahteintritts-
stelle
▬ Sekundäres Abrutschen trotz Fixation mit der Notwendig-
keit einer Nachoperation
▬ Verletzungen und Perforationen von Sehnen
Im Operationssaal
Reposition und Eingriff werden als Notfall direkt nach Verlet-
zung durchgeführt. Vorhanden sein muss eine ausreichende
Durchleuchtungsmöglichkeit und Instrumentarium zur perku-
tanen Spickdrahtosteosynthese. Eine »Single-Shot«-Antibiose
ist normalerweise nicht erforderlich.
Lagerung
Der Eingriff wird in der Regel in Rückenlage auf dem Armtisch
durchgeführt (⊡ Abb. 11.10). Die Abdeckung erfolgt bis zum
Oberarm bei freiem Ellenbogengelenk, um einen maximalen
⊡ Abb. 11.10. Lagerung und Abdeckung. Lagerung im Aushang; zuvor Bewegungsspielraum des Arms zu garantieren. Die Zugänglich-
wurde eine Bruchspaltanästhesie durchgeführt ( Kap. 8.9), Bildwandler
keit und Position des Bildwandlers muss schon vor dem Abde-
in Position. Der Bildwandler ist horizontal geschwenkt, damit a.p. und
seitliche Projektion ohne Drehung des Unterarms realisiert werden kön- cken kontrolliert und der Bildwandler so positioniert werden,
nen. Zur kontinuierlichen Reposition wird ein Gewicht von ca. 2–3 kg am dass er ohne Verzögerung und Störung des Operationsablaufes
gepolsterten Oberarm befestigt eingebracht werden kann.
11.2 · Versorgung einer distalen Radiusfraktur Typ Aitken I mit geschlossener Reposition und Spickdrahtosteosynthese
343 11
Operationstechnik
Nach Narkoseeinleitung zunächst geschlossene Reposition un-
ter Längszug und Palmarflexion unter manuellem Druck auf
das distale radiale Fragment (⊡ Abb. 11.11). Häufig kommt es
zum merkbaren »Einrasten« der Fuge und des metaphysären
Keils. In diesem Fall jetzt Bildwandlerkontrolle in 2 Ebenen,
Durchbewegen des Handgelenkes zur Prüfung der Stabilität.
Kommt es auch unter Dorsalextension nicht zu einem
sekundären Abrutschen, wird in typischer Weise eine dorsale
Unterarmgipsschiene mit »Delle« direkt proximal des distalen
Radiusfragments angelegt.
Ist ein Abrutschen der Fraktur nach dorsal in der seitlichen
Durchleuchtung erkennbar, wird die Reposition unter Palmar-
flexion gesichert und nach Stichinzision vom Proc. styloideus
c
radii her ein Spickdraht 1,8 mm schräg in das Schaftfragment
transepiphysär eingebracht. In der Regel ist 1 Draht ausrei-
chend, bei älteren Kindern kann noch ein 2. gekreuzter Draht a b
eingebracht werden (⊡ Abb. 11.12).
⊡ Abb. 11.11a–c. Repositionsmanöver. In der Regel ist die Epiphyse
Wundverschluss/Verband nach dorsal abgerutscht, metaphysär ein mehr oder weniger großer
Knochenkeil ausgebrochen. Das Repositionsmanöver beginnt mit der
Zunächst Kontrolle auf Bluttrockenheit und Wundspülung. Extension (a), dann wird mit Fingerdruck die Epiphyse nach volar ge-
Hautverschluss. Hier genügen im Normalfall Einzelknopfnähte. drückt und ggf. das Handgelenk maximal flektiert (b,c). Idealerweise
Nun Stabilitätskontrolle unter Bewegung des Handgelenkes, verspürt man ein regelrechtes »Einrasten« der Wachstumsfuge
danach steriler Verband und Anlage der dorsalen Unterarm-
gipsschiene.
Postoperativ
Probleme
Je nach Dislokationsgrad und Schwierigkeiten bei der geschlos-
senen Reposition können erhebliche Weichteilschwellungen
auftreten. Bei unklaren Situationen ist eine stationäre Überwa-
chung angezeigt.
Nachbehandlung
▬ Operationstag: DMS-Kontrolle postoperativ, der Eingriff
kann prinzipiell ambulant durchgeführt werden.
▬ Postoperativer Tag 1: Gipskontrolle. Sorgfältige Dokumen-
tation von DMS.
Weiterbehandlung/Arztbrief
Nach Abschwellung Wechsel auf geschlossenen Unterarmgips
a b
für 3 Wochen bis zum Alter von 8 Jahren, danach 4 Wochen (auf
eine ausreichende Polsterung der subkutan versenkten Drahten-
⊡ Abb. 11.12a,b. Spickdrahtosteosynthese. Ist das Repositionsergebnis
den ist zu achten). Gipsabnahme nach 4 Wochen mit Röntgen- nicht absolut stabil, wird mit 2 fugenübergreifenden Spickdrähten sta-
kontrolle, Spickdrahtentfernung je nach Compliance des Kindes bilisiert. Die Technik der Einbringung entspricht der beim Erwachsenen
in Lokal- oder Allgemeinnarkose in den folgenden Tagen. beschriebenen ( Kap. 8.9)
344 Kapitel 11 · Verletzungen im Kindesalter
Im Operationssaal
Lagerung
Nach Narkoseeinleitung Vorreinigung des Operationsgebietes.
Der Eingriff wird auf dem Standardtisch durchgeführt. Da eine
geschlossene indirekte Reposition vorgesehen ist, müssen aus-
reichende Durchleuchtungsmöglichkeiten gegeben sein. Eine c
sterile Abdeckung ist erforderlich, darf aber in keinem Fall die
Durchleuchtungsmöglichkeiten am proximalen Oberschenkel
behindern (ggf. vor Abdeckung überprüfen!).
Single-shot-Antibiotikaprophylaxe mit Cephalosporinen
der 1. Generation.
Das betroffene Bein wird komplett bis zur Hüfte frei beweg-
⊡ Abb. 11.14a–c. Hautinzisionen. a Die Inzisionen erfolgen lateral und
lich steril abgewaschen und abgedeckt. medial am distalen Femur direkt über der Wachstumsfuge (Bildwandler-
markierung!). Bedingt durch die schräge Einbringung muss die Hautinzi-
sion weiter distal als die beabsichtigte Eintrittsstelle am Knochen liegen.
Operationstechnik b Mit dem Pfriem wird die Spongiosa eröffnet und die Eintrittsrichtung
Zugang festgelegt (ebenfalls Bildwandlerkontrolle). c Bei härterem Knochen er-
folgt die stufenweise Aufbohrung bis 4,5 mm
Die Eintrittspunkte für die Drähte liegen für die Hautinzisi-
onen medial und lateral an den femoralen Epikondylen, der
Eintritt in den Knochen liegt etwa 1 cm proximal der femoralen
kniegelenksnahen Epiphysenfuge.
Operationstechnik
Die Hautinzisionen werden medial und lateral angelegt und
die Eintrittsstellen durch Spreizen mit der Schere stumpf dar-
gestellt (⊡ Abb. 11.14). Die Eröffnung des Markraums erfolgt
mit dem spitzen Pfriem. Er wird unter Bildwandlerkontrolle an
346 Kapitel 11 · Verletzungen im Kindesalter
a b c
d e
f g
⊡ Abb. 11.16a–g. Röntgenverlauf. Typische Oberschenkelschaftfraktur bei einem 9 Jahre alten Kind nach Fahrradunfall. a,b Unfallbilder. c–e Versor-
gung mit Markdrahtung durch elastische Titandrähte. f,g Zustand nach 9 Monaten. Die Fraktur ist verheilt, die Drähte entfernt
348 Kapitel 11 · Verletzungen im Kindesalter
Wundverschluss/Verband
Kontrolle auf Bluttrockenheit und Wundspülung. Verschluss
der Inzision mit Rückstichnähten. Steriler trockener Verband.
Postoperativ
Probleme
Postoperative Schmerzen und Weichteilschwellungen können
Probleme bereiten. Eine gute Lagerung in einer Schaumstoff-
schiene mit unterstützender Eiskühlung sollte immer eingesetzt
werden. Ansonsten sollte auf eine gute analgetische Abdeckung
in der Akutphase geachtet werden.
Nachbehandlung
▬ Operationstag: DMS-Kontrolle postoperativ, ausreichende
Schmerzmedikation.
▬ Postoperativer Tag 1: Je nach Schmerzausprägung Aufsit-
zen am Bettrand, ggf. Standübungen.
▬ Postoperativer Tag 2: Je nach Schmerzverlauf kranken-
gymnastisch assistierte Mobilisation an Unterarmgehstüt-
zen. Aufbelastung wird je nach Schmerzausprägung im
Ermessen des Kindes erlaubt.
11
Weiterbehandlung/Arztbrief
Röntgenkontrollen nach 4 Wochen und 8 Wochen.
Fadenzug zeitgerecht nach 10–14 Tagen.
Drahtentfernung bei Kindern unter 6 Jahren nach 4 Mona-
ten, bei 6–12 Jahren nach 6–9 Monaten, darüber nach 1 Jahr.
Literatur
Laer L, Kraus K, Linhart E (2007) Frakturen und Luxationen im Kindesalter.
Thieme, Stuttgart
Rüedi T (2008) AO-Prinzipien des Frakturmanagementes. Thieme, Stuttgart
Tscherne H, Weinberg A (2006) Tscherne Unfallchirurgie. Unfallchirurgie im
Kindesalter. Springer, Berlin Heidelberg New York
III
E. Fritsch
Wirbelsäule
Operationstechnik
Längsschnitt am Vorderrand des M. sternocleidomastoideus
oder Querschnitte in den Hautfalten (beginnend ca. 1 cm
jenseits der Mittellinie und 4–5 cm diesseits der Mittelli-
nie), wenn nur 1 oder 2 Segmente freigelegt werden müssen
(⊡ Abb. 12.1).
Es gelten folgende Anhaltspunkte:
▬ Wirbelkörper C3 und C4: Inzision 2 QF unter der Mandi-
bula in Höhe des Zungenbeins
▬ Wirbelkörper C4 und C5: Inzision in Höhe des Schildknor-
pels
▬ Wirbelkörper C5 und C6: Inzision in Höhe des Ringknor-
pels ⊡ Abb. 12.2. Situs nach Durchtrennung von Subkutis und Platysma.
▬ Wirbelkörper C6 und C7: Inzision 2 QF oberhalb der Klavi- Spaltung der oberflächlichen Halsfaszie parallel zum Vorderrand des
kula M. sternocleidomastoideus. Querverlaufende Venen werden ligiert und
durchtrennt
! Für C6 und darunter ist beim linksseitigen Eingehen eine gerin-
gere Gefahr der Schädigung des N. recurrens gegeben, dieser
verläuft rechts unregelmäßiger und höher.
Operationstechnik
Im Operationssaal Ventraler Zugang zur HWS wie oben beschrieben.
Lagerung Nach Konfirmierung der korrekten Höhe erfolgt die Be-
Rückenlagerung des Patienten auf einem strahlendurchlässigen stimmung der Mittellinie mittel eines in die Bandscheibe
Operationstisch, der uneingeschränkt zulässt, dass der Rönt- oder in den Wirbelkörper eingebrachten Spickdrahtes (Titan,
genbildwandler nach oben und unten verschoben werden kann 1,4 mm) im a.p. Strahlengang (⊡ Abb. 12.9).
und ein exakte laterale und a.p. Bildwandlerdarstellung der Unter Kontrolle im seitlichen Strahlengang werden die Pins
HWS möglich ist. Seitliches Anlagern der Arme mit Polsterung für den Spreizer gesetzt: Bei Versorgung mit einer Prothese
in der Axilla. Zug an jedem Arm über eine gepolsterte Man- ohne Kiel können diese in beiden Dimensionen mittig im Wir-
schette von maximal 1,5 kg oder Herunterzügeln der Arme. belkörper liegen. Bei Versorgung mit einer Prothese mit Kiel
Unterpolstern des Nackens mit einer individuell in der Dicke und monosegmentaler Versorgung sollten die Pins am oberen
adaptierten festen Rolle aus Baumwolle (Widerstand für die bzw. unteren Drittelpunkt des benachbarten Wirbels liegen und
HWS beim Einschlagen der Prothese). bei monosegmentaler Versorgung mittig. Bei bisegmentaler
Neutralrotation des Kopfes. Im a.p. Strahlengang Überprü- Versorgung muss der mittlere Pin mittig im Wirbel aber neben
fung der Neutralrotation der HWS (Orientierung an den Procc. der Mittellinie eingebracht werden, um den Kiel nicht zu be-
uncinati). Überprüfung der röntgenologischen Darstellbarkeit hindern (⊡ Abb. 12.10).
Der Durchmesser der Distraktionspins variiert je nach Sys- werden. Auf besonders ausgiebige Spülung des Operationsge-
tem. Die Länge sollte so gewählt werden, dass die hintere Wir- bietes ist zu achten, um Knochenbröckel oder Knochenmehl
belkortikalis erreicht oder gerade eben mitgefasst wird. weitestgehend zu entfernen.
Es folgen die Aufdehnung des Segmentes mittels der Dis- Ventrale Osteophyten sollten nicht abgetragen werden. Das
traktionspins, danach die Nukleotomie und die eventuell not- hintere Längsband sollte – wenn es die Pathologie nicht er-
wendige Dekompression mit weiterer schrittweiser Segmentdis- fordert – nach Möglichkeit nicht reseziert werden. Verhindert
traktion, die mittels eines kleinen Wirbelkörperspreizers vorge- ein kontraktes hinteres Längsband jedoch die notwendige Seg-
nommen werden sollte, um die Pins nicht zu überlasten. mentdistraktion, so muss es ebenfalls reseziert werden.
Im großen Unterschied zur Fusion an der HWS sollte nicht Nach der Nukleotomie/Dekompression erfolgt die Implan-
mit einer hochtourigen Fräse gearbeitet werden, um so wenig tation der Prothese, nachdem die korrekte Größe mittels Pro-
wie möglich Osteoblasten freizusetzen, die zu einer sekundären bierprothesen bestimmt wurde (dabei röntgenologische Konfir-
knöchernen Überbrückung führen könnten. Die Deck- und mation der optimalen Lage) (⊡ Abb. 12.11).
Bodenplatten sollten mit einer feinen Ringkürette entknorpelt Die Prothese sollte vom Proc. uncinatus bis zum Proc.
werden, Retrospondylophyten und Spondylophyten, die die uncinatus reichen und von der vorderen bis zur hinteren Wir-
Foramina einengen, sollten nach Möglichkeit mit einer feinen belbegrenzung. Das Einschlagen bis zur korrekten Tiefe erfolgt,
(1 mm/2 mm) Knochenstanze ohne Einsatz der Fräse entfernt wie auch das Einbringen der Probierprothese, unter ständiger
12
Postoperativ
Probleme
Ein Verlust der Beweglichkeit des mit einer Bandscheibenpro-
these versorgten Segmentes durch überbrückende ventrale oder
dorsale Spondylophyten ist mit unterschiedlicher Häufigkeit für
alle der bisher erhältlichen Systeme beschrieben. Eine Indika-
tion zur Revision ergibt sich alleine aus diesem Umstand nicht.
Bei postoperativen Problemen gilt für alle Prothesen, dass
die Region hinter der Prothese weder im CT noch im MRT in-
folge der Artefakte beurteilt werden kann. Dies begründet sich
dadurch, dass fast alle Prothesen aus Chrom/Kobalt/Molybdän-
Stahl gefertigt sind, der besonders ausgeprägte Auslöschungs- a
artefakte sowohl im CT als auch im MRT produziert. Lediglich
ein im Jahre 2007 auf den Markt gekommenes Modell ist aus
Titan gefertigt. Ob bei dieser Prothese die Probleme geringer
sind, muss abgewartet werden. Oft ist daher der Bereich hinter
der Prothese nur mittels einer zervikalen Myelographie sichtbar
zu machen.
Nachbehandlung
▬ Mobilisation am 1. postoperativen Tag
▬ Entfernung der Redon-Drainage am 1. oder 2. postoperati-
ven Tag
▬ Frei bewegliche Lagerung (eventuell weiche Halskrawatte
bis zur Wundheilung)
▬ Vermeiden des Hebens und Tragens von schweren Lasten
für 12 Wochen
▬ Sofortiger Beginn der Physiotherapie mit isometrischen b
Übungen möglich
Besonderheiten
Eine Prothesenrevisionsoperation ist an der Halswirbelsäule
grundsätzlich wesentlich einfacher als an der Lendenwirbel-
säule, so dass die Voraussetzungen für einen Prothesenwechsel
an der HWS deutlich besser sind als an der LWS. Dies kann bei
der Indikationsstellung berücksichtigt werden.
Erste Studien, die nachweisen, dass auf Dauer die Ergebnisse
zervikaler Bandscheibenprothesen besser als die der lumbalen
sind, wurden publiziert. Jedoch existiert noch keine Studie, die
belegt, dass Anschlussdegenerationen nach Bandscheibenpro-
thesen geringer auftreten als nach Fusionen.
Literatur
Fritsch E, Pitzen T (2006) Zervikale Bandscheibenprothesen. Orthopäde 35: c
347–61
Patel AI, Talbert SD, Lam Ch, Jannsen ME (2004) Comparison of single level ⊡ Abb. 12.12a–c. Prothesenimplantation. a Einbringen der Prothese;
ADCF versus Prodisc-C: Preliminary result of a randomized prospective danach »Entspannen« des Spreizers. b Im seitlichen Strahlengang Kont-
study. Poster #9. Annual Meeting Cervical Spine Research Society rolle der korrekten Dimension und Tiefe. c Im a.p. Strahlengang Kontrolle
Phillips FM, Garfin SR (2005) Cervical disc replacement. Spine 30:S27–S33 der korrekten Dimension und Positionierung
360 Kapitel 12 · Wirbelsäule
12.3 Stabilisierung mittels Fixateur interne Durch die Anwendung von Navigationssystemen (CT-, fluoro-
an der Brust-, Lenden- und Halswirbelsäule skopisch, ISO-C-3D- oder elektromagnetisch basiert) lässt sich
die Fehlplatzierungsgefahr von Pedikelschrauben nachweislich
Indikation dramatisch vermindern. Auch werden die Durchleuchtungszei-
▬ Verbesserung der Biomechanik bei Spondylodesen (mit ten drastisch reduziert. Die Anwendung eines Navigationssys-
nachgewiesen deutlich verbesserten Spondylodeseraten) bei: tems ist auch aus medikolegaler Sicht unbedingt empfehlens-
– Intersomatischen Spondylodesen (trikortikaler Becken- wert. Auch intraoperatives Neuromonitoring, wobei ein Reiz-
span, Cages) strom auf die eingebrachte Pedikelschraube appliziert wird, ist
– Dorsolateralen Spondylodesen geeignet, eine Kompromittierung einer Wurzel zu entdecken;
– Interlaminären Spondylodesen im positiven Fall ist die Fehllage dann aber schon eingetreten.
▬ Zur Therapie von:
– Degenerativen Wirbelsäulenleiden (vor allem erosiver Diagnostik und Planung
Osteochondrose, Spinalkanalstenose) Eine Wirbelsäulenerkrankung, bei der eine operative Therapie
– Spondylolisthesis unter Verwendung eines Fixateur interne indiziert ist, muss zwei-
– Instabilitäten (posttraumatisch, postoperativ) felsfrei nachgewiesen sein. Ein spezielles Augenmerk ist darauf
▬ Instrumentation zur Korrektur bei Skoliosen und Kypho- zu richten, ob es bei ventralen Operationsverfahren zur Therapie
sen einer solchen Erkrankung alternative ventrale Instrumentationen
▬ Dorsale Stabilisierung und Korrektur bei Frakturen der gibt, die einen zusätzlichen dorsalen Eingriff zur Anlage eines
Wirbelsäule Fixateur interne überflüssig machen. Eine Vielzahl von ventralen
▬ Zusätzliche Stabilisierung bei Korporektomien und kom- winkelstabilen Schrauben-/Plattensystemen ist in letzter Zeit ent-
pletten Vertebrektomien bei Deformitäten und Anomalien, wickelt worden. Daneben gibt es Cages mit integrierten Platten
Tumoren oder Entzündungen oder Hohlschrauben, die einen Einsatz des Fixateurs überflüssig
machen. Das erhöhte Risiko eines u. U. erweiterten ventralen Zu-
gangs zur zusätzlichen Montage eines Schrauben-/Plattensystems
Kontraindikation (relativ) muss dann gegen das Risiko des zusätzlichen dorsalen Eingriffs
Schwere Osteoporose. Durch Augmentation der Pedikelschrau- für den Fixateur interne abgewogen werden. Eine bestehende
ben mit Knochenzement lässt sich auch in diesem Fall ein guter schwere Osteoporose muss diagnostiziert sein, wobei in diesem
Halt erreichen, insbesondere, wenn polysegmental instrumen- Fall mehrere Segmente in die Instrumentation und/oder Zemen-
tiert wird. taugmentation der Pedikelschrauben miteinbezogen werden.
Operationstechnik
Die Hautinzision erfolgt streng in der Mittellinie und orien-
tiert sich an der vorab durchgeführten Höhenlokalisation. Eine
Erweiterung des Hautschnittes nach kranial ist bei Versorgung
einer lumbosakralen Spondylolisthesis notwendig, da die Ein-
gangsebene zur Bandscheibe L5/S1 in der Regel sehr schräg ist.
Im Falle einer angestrebten posterolateralen Spondylodese ist der
Hautschnitt ebenfalls großzügiger zu wählen, da die Weichteile
weiter nach lateral freipräpariert werden müssen. Gleiches gilt für
eine Situation, bei der eine Tumorentfernung oder Vertebrektomie
von dorsal durchgeführt werden soll (Tomita-Technik); hier ist
eine extrem weit laterale Präparation der Weichteile notwendig.
Nach Durchtrennung der Subkutis wird die Dornfortsatzreihe
sichtbar. Die Fascia thoracolumbalis wird mit dem Diathermie-
messer beidseits der Dornfortsätze knochennah abgelöst. Das Li-
gamentum supraspinale bleibt intakt. Der Musculus erector spinae
wird von den Dornfortsätzen und den Wirbelbögen subperiostal
z. B. mit einem Cobb-Rasparatorium abgeschoben (⊡ Abb. 12.13). a
⊡ Abb. 12.15. Bestimmung der Pedikeleintrittspunkte an der LWS ⊡ Abb. 12.17. Schraubeneintrittspunkte am Sakrum
nach Magerl. Das Eröffnen der Kortikalis mit einer Fräse verhindert ein
Abrutschen des Pfriems oder Bohrers
⊡ Abb. 12.16. Anatomisch korrekte Schraubeneintrittspunkte an der ⊡ Abb. 12.18. Bildwandlerkontrolle. Die orthograde Einstellung des
Lendenwirbelsäule in Bezug auf die horizontale Mittellinie durch die Bildwandlers auf den Pedikel führt zur punktförmigen Abbildung des
Querfortsätze Kirschner-Drahtes im Zentrum des »Auges« (»Owl’s eye view«)
364 Kapitel 12 · Wirbelsäule
ler Frakturen vielfach ungeeignet, da der eingefädelte Längs- 12.4 Dekompression des lumbalen (thorakalen)
träger nicht als Widerlager für die Distraktion/Kyphosierung Spinalkanals: Laminektomie
verwandt werden kann. Eine dorsolaterale oder interlaminäre
Spondylodese ist mit diesen perkutanen Systemen nur unzu- Indikation
reichend möglich. In neuerer Zeit werden diese Systeme mit Symptomatische primäre oder sekundäre lumbale Spinalkanal-
minimalinvasiven Techniken zur intersomatischen Fusion (mi- stenose mit typischem Beschwerdebild mit/ohne neurologische
nimalinvasiver TLIF) kombiniert. Defizit (sekundäre Spinalkanalstenose durch Tumor/Metastase
mit Rückenmarkskompression/Kompression der Nervenwur-
zeln).
Literatur
Ebraheim NA, Rollins JR Jr., Xu R, Yeasting RA (1996)Projection of the lumbar
pedicle and its morphometric analysis. Spine 21(11):1296–1300 Kontraindikation
Fischgrund JS, Mackay M, Herkowitz HN, Brower R, Montgomery DM, Kurz
LT (1997) Volvo Award winner in clinical studies. Degenerative lumbar
▬ Unklares klinisches Zustandsbild mit fehlendem segmen-
spondylolisthesis with spinal stenosis: a prospective, randomized study talem Bezug und/oder Diskordanz zur bildgebenden Diag-
comparing decompressive laminectomy and arthrodesis with and wi- nostik
thout spinal instrumentation. Spine 22(24):2807–12 ▬ Instabilitäten (vor allem Spondylolisthesis vera, degenera-
Fritsch E, Duchow J, Seil R, Grunwald I, Reith W (2002) Genauigkeit der fluoro-
tive Spondylolisthesis, postoperative Instabilität)
skopischen Navigation von Pedikelschrauben. CT basierte Evaluation der
Schraubenlage. Orthopäde 31(4):385–91
▬ Drehgleiten mit De-novo-Skoliose
Kim Yj, Lenke LG, Bridwell KH, Cho YS, Riew KD (2004) Free hand pedicle screw ▬ Sagittale Deterioration der Lendenwirbelsäule mit treppen-
placement in the thoracic spine: is it safe? Spine 29(3):333–42 förmiger mehrsegmentaler degenerativer Spondylolisthesis
Nolte LP, Steffen R, Krämer J, Jergas M (1993) Fixateur interne: eine verglei- ▬ Stenose des Recessus lateralis (»superior facet syndrome«)
chende biomechanische Studie verschiedener Systeme. Aktuelle Trau-
mit monoradikulärem Beschwerdebild mit/ohne radiku-
matol 23(1):20–6
O’Brian MF, LenkeLG, Mardjetko S, Lowe TG, KongY, Eck K, Smith D (2000)
läres neurologische Defizit, die einer mikrochirurgischen
Pedicle morphology in thoracic idiopathic scoliosis: is pedicle fixation an stabilitätskonformen Dekompression gut zugänglich ist
anatomically viable technique? Spine 25(18):2285–93 ▬ Durch anderweitige neurologische Erkrankungen hervor-
Rechtine GR, Sutterlin CE, Wood GW, Boyd Rj, MansfieldFL (1996) The efficacy gerufene Symptome (z. B. Neuritis, Radikulitis, Polyneuro-
of pedicle screw/plate fixation on lumbar/lumbosacral autogenous bone
pathie)
graft fusion in adult patients with degenerative spondylolisthesis. J Spi-
nal Disord 9(5):382–91
▬ Durch eine arterielle Verschlusskrankheit hervorgerufene
Vahldiek MJ, Panjabi MM (1998) Stability potential of spinal instrumentations Symptome
in tumor vertebral body replacement surgery. Spine 23(5):543–50
12 Operationsprinzip
Eine mono- oder polysegmentale Stenose des lumbalen Wir-
belkanals kann kongenital oder erworben sein. Die erheblich
häufigere erworbene Form (am häufigsten betroffen L3/L4 und
L4/5) entsteht durch die Degeneration der Bandscheiben und
den darauf zurückzuführenden Veränderungen ( Kap. 12.11).
Liegt eine ausgeprägte Einengung auch des sagittalen Durch-
messers des Spinalkanals neben der Einengung des Recessus
lateralis durch eine hypertrophierte superiore Gelenkfacette
vor, so ist eine mikrochirurgische Dekompression wie bei der
Rezessusstenose beschrieben alleine nicht ausreichend. Das
Prinzip der operativen Therapie ist die Erweiterung des Reces-
sus lateralis durch Entfernung der Osteophyten an den Gelenk-
facetten und die Beseitigung der sagittalen Enge durch Entfer-
nung eines hypertrophen Lig. flavum und des Wirbelbogens
(Laminektomie). Durch weitgehenden Erhalt der kleinen Wir-
belgelenke (>2/3 sollten erhalten werden) wird die Stabilität der
Wirbelsäule erhalten und eine Fusion ist u. U. nicht notwendig.
! Bei der sekundären Spinalkanalstenose wird deren Ursache,
nämlich die degenerative Diskopathie nicht behandelt, aus-
schließlich die Folgen. Daher sind Rezidive durch erneute
Osteophytenbildungen an den Gelenkfacetten nicht selten. Re-
Operationen sind erheblich komplikationsträchtiger aufgrund
der Vernarbungen. Dies muss im Gesamtbehandlungskonzept
mit berücksichtigt werden.
12.4 · Dekompression des lumbalen (thorakalen) Spinalkanals: Laminektomie
367 12
An der Brustwirbelsäule stellen Kompressionssyndrome durch treppenförmigen Pseudospondylolisthesen. Erkrankungen, die
Tumoren/Metastasen die Hauptindikation zur Laminektomie das klinische Bild imitieren, z. B. Osteolysen, osteoporotische
dar. In den allermeisten Fällen ist eine zusätzliche Stabilisierung Frakturen).
durch eine Instrumentation notwendig.
! Auch eine sekundäre Spondylolisthesis (degenerative Spondy-
lolisthesis) ist eine definierte Instabilität. Eine zusätzliche Fusion
Operationsvorbereitung ist hier unbedingt durchzuführen.
Aufklärung
▬ Duraschädigung mit Liquoraustritt; Liquorverlustsyndrom CT: Dünnschicht-CT, u. U. mit Rekonstruktion: Informationen
▬ Liquorfistel über die Lokalisation und das Ausmaß der knöchernen Hyper-
▬ An der BWS (bis ca. L1): Rückenmarksirritation und Schä- trophien. Nachweis von zusätzlicher Pathologie wie Protrusion,
digung bis zur kompletten bleibenden Querschnittsläh- Prolaps, Sequester, Darstellung einer primäre Spinalkanalste-
mung nose, Differenzialdiagnose hinsichtlich osteolytischer Prozesse.
▬ Nervenwurzelschaden mit passageren oder bleibendem
(sensiblem/motorischem) Defizit MRT: Informationen über eventuell zusätzlich vorhandene Pa-
▬ Zusätzliche neurologische Defizite bei Anomalien (»conjoi- thologie wie: Protrusion, Prolaps, Sequester, Hinweise auf eine
ned root«) durch Zug diskogene Schmerzkomponente insbesondere bei Ödemen der
▬ Schädigung der Cauda equina mit passageren oder bleiben- Deck- und Bodenplatten (Modic-I- und -II-Komplex). Dif-
den Störungen von Miktion, Defäkation und Vita sexualis ferenzialdiagnose hinsichtlich osteolytischer Prozesse. Myelo-
▬ Diszitis oder Spondylodiszitis (0,3–1,5%) mit eventuell not- MRT-Ableitungen können u. U. eine Myelographie ersetzen, da
wendiger chirurgischer Therapie hier die gesamte LWS dargestellt wird.
▬ Narbenbedingtes Beschwerden entsprechend einem Post-
diskotomiesyndrom Funktionsmyelographie mit Myelo-CT: Zur Operationspla-
▬ Rezidive nung unbedingt zu empfehlen, da die gesamte LWS dargestellt
▬ Lagerungschaden wird, und zwar auch dynamisch! Die abgehenden Nervenwur-
zeln sind in der Myelographie weit besser zu beurteilen als im
Diagnostik und Planung NMR.
Anamneseerhebung und klinische Untersuchung wie in
Kap. 12.10 beschrieben. Besonderes Augenmerk ist auf die ty-
pische Claudicatio-spinalis-Symptomatik mit Kreuzschmerzen
und nach einer gewissen Gehstrecke auftretenden beidseiti-
gen ischialgieformen Beschwerden, gelegentlich verbunden mit
Parästhesien und Schwächegefühl in den Beinen, zu richten.
Typisch ist die Besserung dieser Beschwerden bei Entlordosie-
rung. Die ersten neurologischen Ausfälle sind meist Blasenstö-
rungen. Ein besonderes Augenmerk ist auf die Untersuchung
der Gefäße zu richten.
Im Operationssaal
Lagerung
Wie zur Mikrodiskektomie oder zum Fixateur interne ( Kap. 12.3
und 12.10). Bei mehrsegmentalen Laminektomien ist die Lage-
rung wie zum Fixateur interne beschrieben ( Kap. 12.3) günsti-
ger, da hier in 2 Ebenen durchleuchtet werden kann.
Operationstechnik
Höhenlokalisation: Wie zur Mikrodiskektomie ( Kap. 12.10)
oder zum Fixateur interne ( Kap. 12.3).
a b c
Im Operationssaal
Lagerung
Wie zum Fixateur interne ( Kap. 12.3). Noch vor der Desinfek-
tion und Abdeckung sollte sichergestellt werden, dass die Fusi-
onsstrecke gut in beiden Bildwandlerstrahlengängen dargestellt
werden kann.
Operationstechnik
Höhenlokalisation: Klinische Orientierung an der Anatomie
und Höhenbestimmung bei der unsterilen Überprüfung der
Darstellung mit dem Bildwandler.
Nach der Mehrfachdesinfektion und Abdeckung Zugang
zur Brust-/Lendenwirbelsäule wie in Kap. 12.3 beschrieben.
Ist zusätzlich zu einer interlaminären Spondylodese im Len-
denwirbelsäulenbereich eine dorsolaterale Knochenanlagerung
⊡ Abb. 12.26. Pedikelhaken: partielle Resektion des unteren Gelenk- geplant, so müssen die Wirbelgelenke und Querfortsätze depe-
fortsatzes
riostiert werden und zusätzlich die Facetten der Wirbelgelenke
reseziert werden.
b
⊡ Abb. 12.31a, b. Dekortikation. a Dekortizieren im Be-
reich der kleinen Wirbelgelenke (links) und Überbrückung
mit Knochenmaterial. b Dekortikation der dorsalen Lami-
nae (links); Anlagerung von Knochenspänen (rechts) a
374 Kapitel 12 · Wirbelsäule
Im Operationssaal
Der Patient sollte mit einem Doppellumentubus intubiert sein.
Bei allen nicht entzündlichen oder tumorösen Operationsindi-
kationen sollte ein Cell-Saver zum Einsatz kommen.
Lagerung
Prinzipiell ist der Zugang zur Brustwirbelsäule sowohl von
rechts als auch von links möglich. Der rechtsseitige Zugang bie-
tet Vorteile dahingehend, dass die Aorta linksseitig verläuft. Bei
Skoliosen ist der Zugang immer auf der Seite der Konvexität.
Der Patient wird in Seitlage gebracht mit Unterpolste-
rung der Axilla (Plexusschutz), des Beckens und des unten-
liegenden Knies (N. peronaeus). Zwischen die Beine wird ein
Schaumstoffkissen platziert. Der obenliegende Arm wird in
einem Armhalter mit Gelmattenpolsterung desselben gelagert
(⊡ Abb. 12.32).
Durch Seitenstützen am Schulterblatt, der Symphyse und
am Kreuzbein wird eine kippstabile Abstützung erreicht. Es er-
folgt die Abkippung des Kopf/Oberkörperteils und gegenläufig
des Beinteils und so eine Aufdehnung der Zugangsseite. Noch ⊡ Abb. 12.32. Lagerung und Schnittführung
376 Kapitel 12 · Wirbelsäule
vor der Desinfektion und Abdeckung sollte sichergestellt wer- Nach Durchtrennung der Subkutis (⊡ Abb. 12.33) wird
den, dass die Fusionsstrecke gut in beiden Bildwandlerstrahlen- der M. latissimus dorsi stumpf dargestellt und elektrochirur-
gängen dargestellt werden kann. Die Abdeckung erfolgt ventral gisch quer zur Faserrichtung durchtrennt (möglichst kaudal,
knapp unterhalb der Mamillen, dorsal bis zu den Dornfortsät- um die Nervenversorgung (N. thoracodorsalis) zu schonen
zen, kaudal so weit, dass der Beckenkamm frei ist, und kranial (⊡ Abb. 12.34).
soweit, dass die Axilla noch sichtbar ist. Der nun sichtbar werdende M. serratus anterior wird elek-
trochirurgisch quer zur Faserrichtung durchtrennt – ebenfalls
Operationstechnik möglichst kaudal, um die Nervenversorgung (N. thoracicus
Laterale Thorakotomie: Klinische Orientierung an der Ana- longus) zu schonen.
tomie: Im Allgemeinen ist der Zugang wegen des schrägen Das Periost der zu resezierenden Rippe wird mit dem Dia-
Rippenverlaufes 2 Rippen höher als das Zentrum der Läsion. Es thermiemesser von oben bis an die Knorpel-Knochen-Grenze
gelten folgende Anhaltspunkte: durchtrennt (⊡ Abb. 12.35). Mit verschiedenen Rippenraspara-
▬ TH5–TH11: Resektion der 5.Rippe torien wird die Rippe subperiostal dargestellt (⊡ Abb. 12.36).
▬ TH6–Th12: Resektion der 6. Rippe Die Rippe wird ventral an der Knorpel-Knochen-Grenze
▬ TH7–L1: Resektion der 7. Rippe mit der Rippenschere durchtrennt, dann abgehoben und dorsal
ca. 4 cm lateral des Kostotransversalgelenks ebenfalls durch-
Eine exakte Höhenbestimmung kann im a.p. und seitlichen trennt. Die Pleura kann nun inzidiert werden (⊡ Abb. 12.37).
Strahlengang unter Zuhilfenahme eines Metallstabes bei der Anschließend wird die Lungenhälfte von der Beatmung ab-
unsterilen Überprüfung der Darstellung mit dem Bildwandler gekoppelt. Die kollabierende Lunge kann dann beiseite gehalten
erfolgen. Der Zugangsweg ist dann vorgegeben. Bei räumlich werden. Die Wirbelsäule ist nun sichtbar. Ein Rippenspreizer
begrenzter Pathologie (vor allem bei Frakturen, Spondylitis wird eingesetzt.
über nur ein Segment oder Tumoren mit nur einem betroffe-
! Bei Entzündungen können die Pleurablätter und die Lunge
nen Wirbel) kann dann der Zugang wesentlich kleiner ausge-
erheblich miteinander verbacken sein. Dann ist die Präparation
führt werden.
äußerst schwierig. Ist der Operateur in der Dekortikation der
Der Hautschnitt erfolgt leicht S-förmig mit kaudaler Um-
Pleura unerfahren, muss ein Thoraxchirurg hinzugezogen wer-
schneidung der Skapula über der gewählten Rippe. Er beginnt
den. Fatalerweise sind solche Verwachsungen präoperativ nicht
ca. 10 cm oberhalb der Dornfortsatzreihe und verläuft nach
sicher diagnostizierbar. Ein Stand-by des Thoraxchirurgen sollte
vorne bis zur Knorpel-Knochen-Grenze. Bei exakter Höhenlo-
daher bei der operativen Therapie einer thorakalen Spondylitis
kalisation kann der Hautschnitt so minimiert werden, dass er
vereinbart werden.
von der hinteren bis zur vorderen Axillarlinie verläuft.
12
⊡ Abb. 12.33.
Situs nach Durchtrennen
von Kutis und Subkutis
12.6 · Transthorakaler Zugang zur Brustwirbelsäule mit Korporektomie und Wirbelkörperersatz / trikortikalem Beckenspan
377 12
12
12.7 Retroperitonealer Zugang zur Lenden- ▬ Komplikationen durch den eventuell verwendeten metalli-
wirbelsäule und zum thorakolumbalen schen Wirbelkörperersatz (Dislokation, Subsidience, Ein-
Übergang mit Korporektomie und bruch)
Wirbelkörperersatz / trikortikalem Beckenspan ▬ Pseudarthrosen mit eventuell notwendiger Re-Operation
▬ Ungenügend mögliche Korrektur bei Deformitäten
Indikation ▬ Korrekturverlust bei Spanresorption
▬ Ventrale Korrekturspondylodese bei Kyphosen oder Skolio- ▬ Fakultative Notwendigkeit einer Korsettimmobilisation
sen
▬ Ventrale Spondylodese bei Frakturen Diagnostik und Planung
▬ Ventrale Korporektomie bei Tumoren oder Spondylitis Die operativ zu behandelnde Erkrankung muss umfassend di-
agnostiziert sein. Besonderer Wert ist hierbei auf die Erhebung
des neurologischen Status, u. U. mittels apparativer neurolo-
Kontraindikation (relativ) gischer Untersuchungen, zu legen. Die differenzialtherapeu-
▬ Kardiopulmonale Insuffizienz tischen Erwägungen müssen ergeben, dass der beste Weg zur
▬ Manifeste Gerinnungsstörungen operativen Therapie in der ventralen Behandlung der Patholo-
▬ Schwere Osteoporose gie besteht.
Zur Operationsplanung sollten folgende bildgebenden Ver-
fahren angewandt werden:
Operationsprinzip
Ventrale Fusion eines oder mehrerer Bewegungssegmente Röntgen: Lendenwirbelsäule mit thorakolumbalen Übergang
im Bereich der Lendenwirbelsäule und des thorakolumbalen (falls möglich) im Stehen in 2 Ebenen. Bei Skoliosen und Ky-
Übergangs von einem retroperitonealen Zugang aus über einen phosen: Ganzaufnahme der Wirbelsäule in 2 Ebenen inklusive
Flankenschnitt in Linksseitenlage des Patienten. Je nach Patho- Bending-Aufnahmen (Planung der Spondylodesestrecke).
logie Entfernung einer oder mehrerer Bandscheiben mit Kno-
cheninterposition und ventraler Instrumentation (bei Kyphosen CT: Dünnschicht-CT, u. U. mit Rekonstruktion: Informati-
und Skoliosen); Entfernung einer oder mehrerer Bandscheiben onen über die Lokalisation und das Ausmaß der knöchernen
und partielle oder komplette (en bloc) Korporektomie (ein Verletzung/entzündlichen Zerstörung/tumorösen Zerstörung.
oder mehrere Wirbel) bei Frakturen, Tumoren, Entzündungen Darstellung der Dimensionen der Wirbelkörper (präopera-
mit Implantation eines trikortikalen Beckenspans oder metalli- tive Einschätzung der Knochenspandimension/Dimension des
schen Wirbelkörperersatzes optional mit zusätzlicher ventraler metallischen Wirbelkörperersatzes), Differenzialdiagnose hin-
Instrumentation. sichtlich osteolytischer Prozesse.
12
MRT: Informationen über eventuell zusätzlich vorhandene
Operationsvorbereitung Weichteilpathologie wie: Bandscheibenverletzung, Lokalisation
Aufklärung und Ausdehnung des weichteiligen Anteils bei Tumoren, Loka-
▬ Verschlechterung des neurologischen Status durch Verlet- lisation und Ausdehnung von Abszessen. Differenzialdiagnose
zung des Rückenmarkes, der Nervenwurzeln und Teilen des hinsichtlich osteolytischer Prozesse. Ausmaß der Spinalkanalei-
sympathischen Nervensystems mit sensiblen/motorischen nengung in der Myelo-MRT-Ableitung.
Ausfällen bis hin zur Querschnittslähmung
▬ Sympathektomie-ähnliche Symptome
▬ Blasen-Mastdarmstörungen
▬ Störungen der Vita sexualis bei Kompromittierung des Ple-
xus hypogastricus
▬ Störungen der Bauchwandinnervation
▬ Verletzung von Milz (Splenektomie), Niere, Ureter, Perito-
neum, Darm
▬ Verletzung großer Gefäße (Aorta, V. cava, A. und V. iliaca)
mit gefäßchirurgischer Intervention bis hin zum Verblu-
tungstod
▬ Eventuelle Notwendigkeit der Transfusion von Blut und
Blutbestandteilen mit ihren Risiken (vor allem Hepatitis B
und C, HIV-Infektion)
▬ Risiken der Entnahme eines trikortikalen Beckenspans
▬ Falls infrage kommend: Risiken bei der Verwendung von
Knochen aus der Knochenbank
▬ Falls infrage kommend: Risiken bei Verwendung von allo-
genen Knochentransplantaten (»femoral rings«)
12.7 · Retroperitonealer Zugang zur Lendenwirbelsäule und zum thorakolumbalen Übergang
381 12
Im Operationssaal
Lagerung
Prinzipiell ist der Zugang zur Lendenwirbelsäule sowohl von
rechts als auch von links möglich. Der linksseitige Zugang bie-
tet Vorteile dahingehend, dass die Aorta im Abdominalraum
rechtsseitig verläuft. Bei Skoliosen ist der Zugang immer auf
der Seite der Konvexität.
Der Patient wird in Seitlage gebracht mit Unterpolsterung ⊡ Abb. 12.38. Lagerung und Schnittführung zum retroperitonealen
der Axilla (Plexusschutz), des Beckens und des unten lie- LWS-Zugang
genden Knies (N. peronaeus). Zwischen die Beine wird ein
Schaumstoffkissen platziert. Der oben liegende Arm wird in
einem Armhalter gelagert mit Gelmattenpolsterung desselben
(⊡ Abb. 12.38).
Eine kippstabile Abstützung wird durch Seitenstützen am
Schulterblatt, der Symphyse und am Kreuzbein erreicht. Es er-
folgen die Abkippung des Kopf-/Oberkörperteils und gegenläu-
fig des Beinteils und so die Aufdehnung der Zugangsseite. Nun
sollte noch vor der Desinfektion und Abdeckung sichergestellt
werden, dass die Fusionsstrecke gut in beiden Bildwandler-
strahlengängen dargestellt werden kann. Die Abdeckung erfolgt
ventral knapp unterhalb der Mamillen, dorsal bis zu den Dorn-
fortsätzen, kaudal so weit, dass der Beckenkamm frei ist und
kranial soweit, dass die Axilla noch sichtbar ist.
Operationstechnik
Höhenlokalisation: Eine exakte Höhenbestimmung kann im
a.p. und seitlichen Strahlengang unter Zuhilfenahme eines Me-
tallstabes bei der unsterilen Überprüfung der Darstellung mit
dem Bildwandler erfolgen. Der Zugangsweg ist dann vorgege-
ben. Bei räumlich begrenzter Pathologie (vor allem bei Frak-
turen, Spondylitis über nur ein Segment oder Tumoren mit nur
einem betroffenen Wirbel) kann dann der Zugang wesentlich
kleiner ausgeführt werden.
Ansonsten erfolgt zum Erreichen der oberen Lendenwirbelsäule
der Hautschnitt leicht S-förmig, beginnend nahe der Mittellinie
in Höhe des Dornfortsatzes Th11, dann entlang der 12. Rippe
und schräg nach vorne bis in die Nähe der Rektusscheide ver-
laufend. Soll die mittlere Lendenwirbelsäule erreicht werden,
kann der Hautschnitt mittig zwischen Rippenbogen und Be-
ckenkamm angelegt werden. Um die untere Lendenwirbelsäule
zu erreichen, erfolgt der Schnitt über dem Beckenkamm oder
es wird der pararektale oder transabdominelle Zugang gewählt.
Nach Durchtrennung der Subkutis wird der M. latissimus
dorsi stumpf dargestellt und elektrochirurgisch quer zur Fa-
serrichtung durchtrennt. Der sich nach vorne anschließende
M. obliquus externus kann teilweise in Faserrichtung gespalten ⊡ Abb. 12.39. Durchtrennung von M. latissimus dorsi und M. obliquus
werden (⊡ Abb. 12.39). externus
382 Kapitel 12 · Wirbelsäule
Besonderheiten
Durch den Einsatz der Lumboskopie und endoskopischer Ope- Operationsprinzip
rationstechniken, die für manche der an der Lendenwirbelsäule Intersomatische Spondylodese an der LWS von ventral unter
möglichen Operationen entwickelt worden sind, kann der be- Verwendung von entsprechend zurechtgeschnittenen trikor-
schriebene Zugang ersetzt werden. Vorteile der endoskopischen tikalen Beckenspänen oder meist trapezförmigen Implantaten
Technik sind eindeutig in dem wesentlich geringeren Zugang- (Cages) aus Titanlegierung oder PEEK (Polyetheretherketon)
strauma zu sehen, das die Rehabilitation deutlich erleichtert. von einem kleinen transperitonealen- oder retroperitonealen
Die Komplikationsquote durch die Wirbelsäulenoperation Zugang aus unter Verwendung eines darauf abgestimmten Re-
selbst ist nicht geringer. Lumboskopische Operationstechniken traktorsystems. Zielsetzung ist die Minimierung der Zugangs-
sind schwierig zu erlernen, die Lernkurve ist sehr flach und es morbidität und dadurch die Verbesserung der Rehabilitation.
ist eine beständige Übung und Anleitung notwendig. Die Frage, Eine zusätzliche Instrumentation des Segmentes mit einer ven-
ob 5 Inzisionen von 1–2 cm und eine 3-mal längere Operations- tralen (winkelstabilen) Platte oder einem dorsalen Fixateur
zeit minimalinvasiver sind als eine 15 cm lange Inzision, ist wie interne (der perkutan eingebracht werden kann) ist notwendig.
immer in der Diskussion über weniger invasive Operationsver- Bei neueren Implantaten ist der Cage mit einer entsprechenden
fahren zu bedenken. Neben den lumboskopischen Techniken Platte fest montiert. Die zusätzliche suffiziente Stabilisierung
sind Mini-Open-Techniken unter Zuhilfenahme eines Retrak- erfolgt ebenfalls mit ventralen Schrauben.
torsystems von einem streng lateralen Zugangsweg möglich.
Insbesondere bei einer monosegmentalen intersomatischen
Spondylodese lässt sich hierdurch der Zugang auf 6–7 cm mi-
nimieren. Die Behandlung einer lumbalen ausgedehnten Spon-
dylitis oder eine Vertebrektomie ist mit dieser Technik jedoch
nicht möglich.
384 Kapitel 12 · Wirbelsäule
Operationstechnik
Transabdomineller Mini-Zugang: Der Hautschnitt ist ca.
6–7 cm lang, entweder pfannenstielartig quer oder längs in der
Mittellinie (⊡ Abb. 12.44).
Die Rektusfaszie wird nach Durchtrennen der Subkutis dar-
gestellt, zwischen 2 Pinzetten inzidiert, stumpf mit der Schere
unterminiert und dann in der Linea alba längs gespalten (eben-
falls 6–7 cm) (⊡ Abb. 12.45).
Dann wird zwischen den beiden Bäuchen des M. rectus ab-
dominis auf das Peritoneum eingegangen. Dieses wird mit zwei
Pinzetten angehoben, gespalten und dann nach Beiseitehalten
der Därme mit tupferbewehrten Kornzangen weiter gespalten.
Es folgt die Darstellung des Promontoriums.
! Die korrekte Darstellung des Promontoriums ist schwierig. Es
⊡ Abb. 12.44. Möglichkeiten der Hautinzision zum transabdominellen ist darauf zu achten, dass sich das Mesosigma nicht vor das
Zugang L5/S1 Promontorium legt. Hilfreich ist eine Kopftieflage des Patienten
unter Anhebung der Bauchdecken durch die Assistenten und
ein schrittweises Entwickeln des Situs mittels eingebrachter
feuchtwarmer Bauchtücher.
12
12
Nachbehandlung
▬ Physiotherapie sofort postoperativ mit isometrischen Übun-
gen
▬ Mobilisation des Patienten möglichst früh
▬ Vermeiden von Torsionsbewegungen für 3 Monate
▬ Vermeiden von Heben und Tragen von Lasten über 10 kg
für 3 Monate
▬ Vermeiden von wirbelsäulenbelastenden Zwangshaltungen
(Bücken/Verwinden/Überstrecken) für 3 Monate
▬ »Bandscheibengerechtes« Verhalten zeitlebens
Besonderheiten
Der Einsatz von trikortikalen Beckenspänen oder Cages ohne
zusätzliche winkelstabile Instrumentation (Stand-alone) ist aus
Gründen der Biomechanik abzulehnen. Der Einsatz von zylin-
drischen Cages ist in Europa ebenfalls fast zur Gänze verlassen
worden. Eine additive dorsale perkutane Fixateur-interne-Ins-
trumentation ist möglich. Auch kann eine ventrale Platte mit
winkelstabiler Schraubenfixation in den benachbarten Wirbel-
körpern angebracht werden.
Auch ein Cage mit integrierter Platte zur winkelstabilen
Verankerung von Schrauben in den benachbarten Wirbelkör-
pern ist entwickelt worden.
392 Kapitel 12 · Wirbelsäule
Im Operationssaal
Operationsvorbereitung:
Spülung des Magen-Darm-Traktes mit einem speziellen salini-
schen Abführmittel (Clean-Prep) wie zu einer Darmoperation
mit mindestens 4 Litern am Vorabend der Operation. Unter
keinen Umständen sollte hierauf verzichtet werden. Eine Mi-
nimierung des Zugangsweges kann nur so erreicht werden.
Auch hinsichtlich des Risikos der Verletzung intraabdomi-
neller Strukturen unbedingt zu empfehlen. Bei eingetretener
Darmverletzung sind die Folgen bei sauberem Darm ungleich
weniger dramatisch.
Lagerung
Wie zum minimalinvasiven ventralen Zugang zur LWS
( Kap. 12.8). Noch vor der Desinfektion und Abdeckung sollte a
sichergestellt werden, dass der zu operierende LWS-Abschnitt
gut in beiden Bildwandlerstrahlengängen dargestellt werden
kann. Eine Überprüfung der horizontalen Lage des Patienten
ist im a.p. Strahlengang möglich: Der Abstand der »Pedikel-
augen« zur lateralen Wirbelbegrenzung sollte gleich sein; eine
Orientierung am Dornfortsatz hingegen ist unsicherer.
Die Höhenlokalisation kann noch vor der Desinfektion und
Abdeckung wie beim minimalinvasiven ventralen Zugang zur b
LWS beschrieben erfolgen. Die Alternative der Fusion ist bei
⊡ Abb. 12.52a,b. Unterbindung der Vena iliolumbalis. a Doppelte Un-
der Abdeckung zu beachten: Ein Beckenkamm muss mit desin- terbindung/Clip proximal und einfache Unterbindung/Clip distal der V.
fiziert werden, um notwendigenfalls einen Span oder Spongiosa iliolumbalis vor der Durchtrennung. b Anatomische Varianten der V. ilio-
zu gewinnen. lumbalis
394 Kapitel 12 · Wirbelsäule
Die Mobilisation der Strukturen und die Darstellung der mentäre Sequester können entfernt werden. Analog zur HWS
Bandscheiben müssen weit nach beiden Seiten erfolgen. Die können die Neuroforamina mit einer Stanze (2 mm) erweitert
Retraktorblätter werden fixiert und die Mittellinie mit einem werden. Blutungen aus epiduralen Venen müssen mit Kolla-
eingebrachten 2-mm-Spickdraht markiert. Es erfolgt eine Kon- genschwämmen gestillt werden. Es folgen die Implantation
trolle im a.p. Strahlengang: Die Retraktorblätter sollten jenseits einer Probierprothese und die Überprüfung der korrekten
einer gedachten Linie mittig durch die »Pedikelaugen« liegen. Lage und Dimension in beiden Bildwandlerstrahlengängen
Der Spickdraht sollte in der Mitte des Wirbelkörpers zu liegen (⊡ Abb. 12.54).
kommen. Die Exzision der Bandscheibe und das Anfrischen Danach wird die Originalprothese mit dem entsprechenden
der Deck- und Bodenplatten mit Küretten schließen sich an. Instrumentarium implantiert. Im seitlichen Strahlengang wird
Peinlich ist darauf zu achten, dass diese nicht verletzt werden, sie bis zur korrekten Tiefe eingeschlagen (⊡ Abb. 12.55).
um ein Einbrechen der Prothese zu verhindern. Mit einem Dis- Nun erfolgt die Abschlusskontrolle in beiden Bildwandler-
traktor kann das Segment aufgedehnt werden (⊡ Abb. 12.53). strahlengängen. Danach die schrittweise Entfernung der Re-
Falls notwendig, müssen der hintere Anteil des Anulus traktorblätter und der weitere Wundverschluss wie in Kap. 12.8
fibrosus und das hintere Längsband reseziert werden. Subliga- beschrieben.
12
⊡ Abb. 12.54. Implantation der Probierprothese ⊡ Abb. 12.55. Implantation der Originalprothese
12.9 · Lumbale Bandscheibenprothese
395 12
Postoperativ Literatur
Probleme LeHuec JC, Kiaer T, Friesem T, et al. (2003) Schock absorption in lumbar
disc prosthesis: a preliminary mechanical study. J Spinal Disord Tech
Zusätzlich zu den in Kap. 12.8 beschriebenen Schwierigkeiten
16(4):346–351
kann es bei lumbalen Bandscheibenprothesen zu folgenden Mayer HM (2005) Total lumbar disc replacement. J Bone Joint Surg [Br]:
Problemen kommen: Ein sekundäres Einbrechen der Prothese 87:1029–1037
in die Deck- oder Bodenplatte kann bei zu klein gewähltem Im- Modic MT (2007) Modic type I and type 2 changes. J Neurosurg Spine
plantat oder unterschätzter Osteoporose auftreten. Oft zwingt 6(2):150–1
dies zu einer Fusion. Eine iatrogene Bandscheibenhernie oder
eine zu weit nach hinten eingeschlagene Prothese machen sich
durch ein monoradikuläres Schmerzbild bemerkbar, das oft erst
nach Tagen auftritt. Die Unterscheidung zu ebenfalls häufig
auftretenden ISG-Irritationen ist dann schwierig.
Bei postoperativen Problemen gilt für alle Prothesen, dass
die Region hinter der Prothese infolge der Artefakte weder im
CT noch im MRT beurteilt werden kann. Dies begründet sich
dadurch, dass alle Prothesen aus Chrom/Kobalt/Molybdän-
Stahl gefertigt sind, der besonders ausgeprägte Auslöschungs-
artefakte sowohl im CT als auch im MRT produziert. Daher
ist der Bereich hinter der Prothese nur mittels einer lumbalen
Myelographie sichtbar zu machen.
Ventrale Dislokationen von Bandscheibenprothesen sind
beschrieben und stellen ein ernstes Problem dar: Eine Revision
vom gleichen Zugang kann durchgeführt werden, ist jedoch
extrem anspruchsvoll. Eine vom retroperitonealen Zugang aus
eingebrachte Prothese L5/S1 kann transabdominell revidiert
werden. Retroperitoneal eingebrachte Prothesen bei L4/5 oder
höher können von der Gegenseite aus revidiert werden. Dies
ist gefährlicher wegen der rechtseitigen Lage der V. cava. Alle
Revisionseingriffe sollten immer unter Hinzuziehung eines er-
fahrenen Abdominalchirurgen erfolgen.
Ultima ratio ist eine Entfernung der Bandscheibenprothese
mit angrenzenden Wirbeln im Sinne einer Hemikorporektomie
und eine Beckenspanspondylodese von einem Flankenschnitt
aus mit zusätzlicher Fixateur-interne-Instrumentation. Dies stellt
auch die Therapieoption bei septischer Prothesenlockerung dar.
Nachbehandlung
▬ Physiotherapie sofort postoperativ mit isometrischen Übun-
gen
▬ Mobilisation des Patienten möglichst früh
▬ Vermeiden von Torsionsbewegungen für 3 Monate
▬ Vermeiden von Heben und Tragen von Lasten über 10 kg
für 3 Monate
▬ Vermeiden von wirbelsäulenbelastenden Zwangshaltungen
(Bücken/Verwinden/Überstrecken) für 3 Monate
▬ »Bandscheibengerechtes« Verhalten zeitlebens
Besonderheiten
Grundsätzlich unterscheiden sich lumbale Bandscheibenprothe-
sen zum einen in der Gleitpaarung und zum anderen im Grad
der Bewegungsfreiheiten. Zu differenzieren sind Metall/Metall-
Gleitpaarungen und Metall/Polyäthylen-Gleitpaarungen. Auch
gibt es Prothesen mit und ohne Kiel. Grundsätzlich können
Bandscheibenprothesen die Pufferfunktion der Bandscheiben
nicht wiederherstellen, so dass die Belastungsfähigkeit der LWS
(besonders im beruflichen Sinne wichtig) durch Implantation
einer Bandscheibenprothese nicht verbessert werden kann.
396 Kapitel 12 · Wirbelsäule
Operationstechnik
Höhenlokalisation der Diskotomie: Nach Lagerung des Pa-
tienten Einstellung der unteren Lendenwirbelsäule im seitlichen
Strahlengang mit dem Bildwandler. Eine exakte Positionierung
ist dabei unbedingt zu beachten; im exakt seitlichen Strah-
lengang bilden sich die Deck- und Bodenplatten strichförmig
ab und die Pedikelgrenzen überdecken sich vollständig. Nach
Desinfektion des Operationsgebietes mit einem schnell wirk- ⊡ Abb. 12.56. Intraoperativer Situs nach Ablösung der Muskulatur
samen Hautdesinfektionsmittel wird eine Einmalkanüle auf
der kontralateralen Seite des Prolapses senkrecht eingesteckt.
Die Nadelspitze soll genau auf die zu operierende Bandscheibe
zeigen. Das Ergebnis muss dokumentiert werden.
! Segmentationsstörungen der unteren Lendenwirbelsäule müs-
sen in jedem Fall erkannt und beachtet werden.
Postoperativ
Probleme
Nach kranial sequestrierte Bandscheibenvorfälle sind schwierig
zu erkennen und zu entfernen, da eine vollständige Hemilami-
nektomie möglichst vermieden werden sollte.
Weit laterale intraforaminäre oder extraforaminäre Band-
scheibenvorfälle sind mit der beschriebenen Technik in der Re-
gel nicht behandelbar. Hier müssen perkutane endoskopische
Verfahren oder eine laterale Nukleotomie von einem Wiltse-
⊡ Abb. 12.59. Beiseitehalten der Nervenwurzel über den Prolaps. Inzi- Zugang aus durchgeführt werden.
sion des hinteren Längsbandes und des Anulus fibrosus (wenn notwen- Bei großen Vorfällen – vor allem medialen – sind Dura und
dig) Entfernen des Prolaps mit einem feinen Rongeur Nervenwurzel stark gegen das Lig. flavum gedrückt mit der
12.10 · Lumbale Diskushernie: Mikrodiskektomie
399 12
Gefahr der Dura- bzw. Wurzelverletzung beim Eröffnen des
Lig. flavum. Unter Umständen muss sogar von der Gegenseite
eingegangen werden (⊡ Abb. 12.60). Die präoperative Schnitt-
bilddiagnostik ist unbedingt diesbezüglich zu studieren.
Ein Ausräumen des Prolapses »durch die Wurzelachsel«
sollte grundsätzlich wegen der höheren Komplikationsgefahr
vermieden werden. Bei sehr großen Vorfällen ist jedoch ein
Verkleinern des Prolapses durch Teilsequesterentfernung durch
die Wurzelachsel manchmal notwendig, um die Wurzel über-
haupt über den Prolaps mobilisieren zu können.
Bei einer intraoperativen Duraverletzung ist diese zu ver-
sorgen. Kleinere Risse können geklebt werden, wobei hier strikt
darauf geachtet werden muss, dass Fibrinkleber nicht intra-
thekal gelangt (Arachnitis!). Größere Risse müssen mit nicht
resorbierbarem Fadenmaterial der Stärke 5×0 oder 6×0 genäht
werden. ⊡ Abb. 12.60. Querschnitt des Spinalkanals bei Massenprolaps. Starke
Kompression von Dura und Nervenwurzel gegen das Lig. Flavum
Nachbehandlung
▬ Ziehen der Drainage nach 24–48 h
▬ Mobilisierung des Patienten am 1. postoperativen Tag
▬ Isometrische Krankengymnastik ab dem 1. postoperativen
Tag
▬ Unterweisung über bandscheibengerechtes Verhalten (»Rü-
ckenschule«)
▬ Keine grundsätzlichen Beschränkungen für das Sitzen (neu-
ere Druckmessungen am Lebenden zeigten im Sitzen kei-
nen höheren Bandscheibendruck als im Stehen, der Druck
ist sogar im Sitzen geringer; ein Verbot des Sitzens postope-
rativ ist daher sinnlos!)
▬ Kein schweres Heben und Tragen (>15 kg) für 6 Wochen
▬ Keine wirbelsäulenbelastenden Zwangshaltungen für 12
Wochen
▬ Eine stationäre Rehabilitation ist erst nach 3 Wochen sinn-
voll (erst nach Konsolidierung der Weichteile)
Literatur
Krämer J (2006) Offene Operation des lumbalen Bandscheibenvorfalls –
Diskotomie. In: Krämer J (Hrsg.) Bandscheibenbedingte Erkrankungen.
Thieme, Stuttgart New York, S. 262–276
McNally DS, Adams MA, Goodship AE (1992) Development and validation of
a new transducer for intradiscal pressure measurement. J Biomed Eng
14(6):495–8
Sator K, Kikuchi S, Yonvezawa T (1999) In vivo intradiscal pressure measure-
ment in healthy individuals and in patients with ongoing back problems.
Spine 24(23):2468–74
Wilke HJ, Rohlmann A., Neller S, Graichen F, Claes L, Bergmann G (2003) A
novel approach to determine trunk muscle forces during flexion and
extension: a comparison of data from an in vitro experiment an in vivo
measurements. Spine 28(23):2585–93. Erratum in: Spine 29(16):1844
400 Kapitel 12 · Wirbelsäule
Indikation
▬ Stenose des Recessus lateralis (»superior facet syndrome«)
mit monoradikulärem Beschwerdebild mit/ohne radikulä-
res neurologisches Defizit
▬ Am häufigsten betroffen L4/5 und L5/S1
Kontraindikation
▬ Unklares klinisches Zustandsbild mit fehlendem segmen-
talem Bezug und/oder Diskordanz zur bildgebenden Diag-
nostik
▬ Instabilitäten (vor allem Spondylolisthesis vera, degenera-
tive Spondylolisthesis, postoperative Instabilität)
▬ Vollbild des Syndroms des engen Spinalkanals mit hohem
Anteil an lokalen Beschwerden und Claudicatio intermit-
tens spinalis
▬ Durch andere neurologische Erkrankungen hervorgeru-
fene Symptome (z. B. Neuritis, Radikulitis, Polyneuropa-
thie)
▬ Durch eine arterielle Verschlusskrankheit hervorgerufene
Symptome
Operationsprinzip
⊡ Abb. 12.61. Spondylophytäre Ausziehungen am kleinen Wirbelge-
Die Degeneration der Bandscheiben führt zu vielfältigen Ver-
lenk rechts änderungen. Der Zwischenwirbelraum wird schmäler, da-
durch verkleinert sich der Querschnitt des Nervenaustrittska-
nals. Bandscheibenvorwölbungen und Retrospondylophyten
12 können zu einer Einengung des Spinalkanals von ventral
führen. Die überlastungsbedingte Degeneration der Facet-
tengelenke hat in der Regel eine Osteophytenausbildung zur
Folge (⊡ Abb. 12.61).
Die osteophytären Ausziehungen der Facettengelenke,
insbesondere der oberen Facette, führen zu einer Einen-
gung des Recessus lateralis, in dem die Nervenwurzel ver-
läuft, und können zu einer Nervenwurzelkompression führen
(⊡ Abb. 12.62).
Die Verdickung des Lig. flavum – bedingt durch die dege-
nerativen Veränderungen des Bewegungssegmentes – kann zu
einer zusätzlichen Einengung des Spinalkanals führen. Liegt
überwiegend eine Einengung des Recessus lateralis durch eine
hypertrophierte superiore Gelenkfacette vor, so entsteht ein
meist monoradikuläres Schmerzbild, das sich von den Symp-
tomen eines engen Spinalkanals (Kreuzschmerzen, beidseitige
ischialgiforme oder pseudoischialgiforme Beschwerden, Clau-
dicatio intermittens spinalis) deutlich unterscheidet.
Das Prinzip der operativen Therapie ist die Erweiterung
des Recessus lateralis durch Entfernung der Osteophyten an
den Gelenkfacetten und Entfernung eines hypertrophen Lig.
flavum. Der operative Eingriff kann mit dem gleichen Retrak-
torsystem, wie dies bei einer Mikronukleotomie zum Einsatz
kommt, vorgenommen werden. Die Länge der Hautinzision ist
⊡ Abb. 12.62. Einsicht in den Spinalkanal. Die Spondylophyten am ebenfalls nicht größer. Optische Hilfsmittel kommen in gleicher
Proc. articularis superior führen zur Nervenwurzelkompression Weise wie bei der Mikronukleotomie zum Einsatz, daneben ist
12.11 · Mikrochirurgische (monosegmentale) Dekompression bei Rezessusstenose
401 12
in der Regel jedoch eine hochtourige Fräse notwendig. Infolge MRT: Informationen über eventuell zusätzlich vorhandene Pa-
des kleinen Zugangs, der Verwendung von Retraktorsystemen thologie wie: Protrusion, Prolaps, Sequester, Hinweise auf eine
und optischen Hilfsmitteln wird die Operation als mikrochir- diskogene Schmerzkomponente insbesondere bei Ödemen der
urgische Dekompression bezeichnet. Deck- und Bodenplatten (Modic-I- und -II-Komplex).
! Die Ursache der Rezessustenose, nämlich die degenerative Myelographie mit Myelo-CT: Nur noch im Ausnahmefall
Diskopathie, wird nicht behandelt, ausschließlich die Folgen. indiziert.
Daher sind Rezidive durch erneute Osteophytenbildungen
an den Gelenkfacetten nicht selten. Re-Operationen sind er-
heblich komplikationsträchtiger aufgrund der Vernarbungen. Im Operationssaal
Dies muss im Gesamtbehandlungskonzept mit berücksichtigt Lagerung
werden. Wie zur Mikrodiskektomie ( Kap. 12.10).
Operationstechnik
Operationsvorbereitung Höhenlokalisation: Wie zur Mikrodiskektomie ( Kap. 12.10).
Aufklärung
▬ Duraschädigung mit Liquoraustritt; Liquorverlustsyndrom Eigentliche Operation: Vorgehen wie zur Mikrodiskektomie
▬ Liquorfistel ( Kap. 12.10) bis zur Flavektomie. Bei starker Hypertrophie
▬ Nervenwurzelschaden mit passagerem oder bleibendem der Gelenkfacetten ist das interlaminäre Fenster sehr klein
(sensiblem/motorischem) Defizit oder gar nicht mehr vorhanden. Dann muss die Präparation
▬ Zusätzliche neurologische Defizite bei Anomalien (»conjoi- mit der Hochtourenfräse beginnen. Zunächst müssen 5–6 mm
ned root«) durch Zug von der oberen Lamina abgetragen werden (Erweiterung des
▬ Schädigung der Cauda equina mit passageren oder bleiben- interlaminären Fensters), dann das mediale Drittel des Pro-
den Störungen von Miktion, Defäkation und Vita sexualis cessus articularis inferior bis zur Gelenkfläche. Diese kann
▬ Diszitis oder Spondylodiszitis (0,3–1,5%) mit eventuell not- ohne nennenswerte Gefährdung neuraler Strukturen mit der
wendiger chirurgischer Therapie Hochtourenfräse bewerkstelligt werden, da bei der Fensterung
▬ Narbenbedingte Beschwerden entsprechend einem Postdis- der Duralsack durch das Lig. flavum geschützt wird und die hy-
kotomiesyndrom pertrophierte obere Gelenkfacette die darüberliegende untere
▬ Rezidive Gelenkfacette überragt (⊡ Abb. 12.63).
▬ Lagerungschaden
Besonderheiten
Die dargestellte Operationstechnik kann auch zur beidseitigen
Dekompression einer beidseitigen lateralen Spinalkanalstenose
ohne sagittale Einengung eingesetzt werden. Auch kann mit der
dargestellten Technik bei mehrsegmentaler lateraler Stenose
vorgegangen werden, um eine Laminektomie zu vermeiden.
Bei operativer Versorgung von mehreren Segmenten ist in
der Regel jedoch der Zugang zur LWS so ausgedehnt, dass die
Operation ohne Einsatz optischer Hilfsmittel vorgenommen
werden kann. Auch sollte in diesem Fall die Lagerung des
Patienten wie zum Fixateur interne ( Kap. 12.3) beschrieben
gewählt werden.
Mit der dargestellten Technik ist es in der Regel möglich,
genügend Platz und Übersicht zu schaffen, um eine intersoma-
tische Spondylodese mit (vorzugsweise) Cages durchzuführen.
Eine Kombination mit einem Fixateur interne ist dann not-
wendig.
12.12 · Fusionsoperationen an der Lendenwirbelsäule (»posterior lumbar interbody fusion«; PLIF)
403 12
Postoperativ 12.12 Fusionsoperationen an der
Nachbehandlung Lendenwirbelsäule (»posterior lumbar
▬ Ziehen der Drainage nach 24–48 h interbody fusion«; PLIF)
▬ Mobilisierung des Patienten am 1. postoperativen Tag
▬ Isometrische Krankengymnastik ab dem 1. postoperativen Indikation
Tag ▬ Zusätzlich zur Dekompression bei ein- oder mehrsegmen-
▬ Unterweisung über bandscheibengerechtes Verhalten (»Rü- talen Spinalkanalstenosen, mit ausgedehnter Resektion der
ckenschule«) Facettengelenke und zu befürchtender Instabilität
▬ Keine grundsätzlichen Beschränkungen für das Sitzen (neu- ▬ Degenerative Segmentinstabilitäten
ere Druckmessungen am Lebenden zeigten im Sitzen kei- ▬ Spondylolisthesis vera (außer Spondyloptose)
nen höheren Bandscheibendruck als im Stehen, der Druck ▬ Spinalkanalstenose bei degenerativer Spondylolisthesis
ist sogar im Sitzen geringer; ein Verbot des Sitzens postope- ▬ Zur intersomatischen Spondylodese bis L3/4 (L2/3) bei
rativ ist daher sinnlos!) Korrekturspondylodesen der LWS bei zugrunde liegender
▬ Kein schweres Heben und Tragen (>15 kg) für 6 Wochen. Bandscheibendegeneration
Keine wirbelsäulenbelastenden Zwangshaltungen für 12 ▬ Postnukleotomiesyndrom nach Ausschöpfung aller konser-
Wochen vativen Therapiemaßnahmen
▬ Eine stationäre Rehabilitation ist erst nach 3 Wochen sinn- ▬ Chronisches lumbales Schmerzsyndrom nach Ausschöp-
voll (erst nach Konsolidierung der Weichteile) fung aller Therapiemaßnahmen (falls keine geeignete Indi-
kation zur Bandscheibenprothese gegeben ist)
Literatur
Reulen H-J (1991) Stenosen im lumbalen Wirbelkanal. In: Bauer R, Kersch- Kontraindikation
baumer F, Poisel S (Hrsg.) Orthopädische Operationslehre; Wirbelsäule.
▬ Spondyloptosen (hier ist immer ein ventrales oder kombi-
Thieme, Stuttgart New York, pp 340–45
niertes Vorgehen angezeigt)
▬ Rentenbegehren (aufgrund der sozialmedizinischen Prob-
lematik kann ein gutes Operationsergebnis nicht erwartet
werden)
▬ Schwere Osteoporose (durch die schlechte Knochenqualität
ist hier ein Einbruch des Cages zu erwarten)
▬ Vorbestrahlung im Operationsbereich; schlechte Vorausset-
zungen für die Durchstrukturierung der Fusion
▬ Oberhalb L2/3
Operationsprinzip
Intersomatische Spondylodese von dorsal unter Verwendung
von meist trapezförmigen Implantaten (Cages) aus Titanle-
gierung oder PEEK (Polyetheretherketon) oder entsprechend
zurechtgeschnittenen trikortikalen Beckenspänen. Nach Inst-
rumentation des Segmentes mit Pedikelschrauben erfolgt eine
bilaterale Fenesterotomie meist in Kombination mit einer Re-
zessusdekompression oder eine Laminektomie. Dann wird die
Bandscheibe beidseits durch Beiseitehalten des Duralsackes
dargestellt. Nach bilateraler Inzision und Ausräumung der
Bandscheibe wird das Segment schrittweise mittels speziel-
ler im Bandscheibenraum aufzustellender Distraktoren auf-
gedehnt. Danach wird die Präparation (Entknorpelung) der
Deck- und Bodenplatten durchgeführt. Nach Einbringen von
Knochenspänen nach ventral und zur Mitte erfolgt die Inser-
tion der Cages, mit anschließender Adjustierung der Cage-Po-
sition. Anschließend Vervollständigung der Fixateur-interne-
Montage mit segmentaler Kompression zur Vermeidung einer
Cage-Dislokation. Beim PLIF muss bilateral fenesterotomiert
und die Bandscheiben auf beiden Seiten dargestellt werden,
was beim Postnukleotomiesyndrom mit Narbenbildungen von
Nachteil ist. Durch den Erhalt der Facettengelenke erfolgt ide-
alerweise keine wesentliche Destabilisierung der Wirbelsäule.
404 Kapitel 12 · Wirbelsäule
Die PLIF-Spondylodese kann mit einer dorsolateralen Spondy- trophien. Nachweis von zusätzlicher Pathologie wie Bandschei-
lodese kombiniert werden. Die PLIF Spondylodese ist maximal benprotrusion, -prolaps, -sequester, Darstellung einer primäre
bis zur Höhe L2/3 möglich; darüber ist die Gefahr einer neuro- Spinalkanalstenose, Differenzialdiagnose hinsichtlich osteoly-
logischen Komplikation zu hoch (Conus medullaris; horizontal tischer Prozesse.
abgehende Nervenwurzeln).
MRT: Informationen über eventuell zusätzlich vorhandene
Pathologie wie: Bandscheibenprotrusion, -prolaps, -sequester,
Operationsvorbereitung Hinweise auf eine diskogene Schmerzkomponente insbeson-
Aufklärung dere bei Ödemen der Deck- und Bodenplatten (Modic-I-
▬ Risiken des Fixateur interne ( Kap. 12.3) und -II-Komplex). Differenzialdiagnose hinsichtlich osteoly-
▬ Risiken der Dekompressionsoperation ( Kap. 12.4 und tischer Prozesse. Myelo-MRT-Ableitungen können u. U. eine
Kap. 12.11) Myelographie ersetzen, da hier die gesamte LWS dargestellt
▬ Eventuelle Notwendigkeit der Transfusion von Blut und wird.
Blutbestandteilen mit ihren Risiken (vor allem Hepatitis B
und C, HIV-Infektion) Funktionsmyelographie mit Myelo-CT: Liegt als Operati-
▬ Anstreben einer Eigenblutspende, wenn kein Cell-Saver zur onsindikation eine Spinalkanalstenose vor, so ist eine Funkti-
Anwendung kommt onsmyelographie mit Myelo-CT zur Operationsplanung unbe-
▬ Falls infrage kommend: Risiken bei der Verwendung von dingt zu empfehlen, da die gesamte LWS dargestellt wird, und
Knochen aus der Knochenbank zwar auch dynamisch! Die abgehenden Nervenwurzeln sind in
▬ Falls infrage kommend: Risiken bei Verwendung von allo- der Myelographie weit besser zu beurteilen als im NMR.
genen Knochentransplantaten (»femoral rings«)
▬ Komplikationen durch den verwendeten Cage (Retropul- Knochendichtebestimmung: Bei Verdacht einer schweren
sion, Subsidience, Einbruch) Osteoporose (Röntgen) empfehlenswert, um die Fusion u. U. als
▬ Pseudarthrosen mit eventuell notwendiger Re-Operation dorsolaterale Fusion auszuführen und u. U. die Pedikelschrau-
▬ Fakultative Notwendigkeit einer Korsettimmobilisation ben mit Knochenzement zu augmentieren.
Nun wird der erste Cage, der mit ortsständigem (vom Zu-
gang her anfallendem) möglichst spongiösem Knochen gefüllt
wurde, eingeschlagen (bei liegendem Distraktor auf der Gegen-
seite) (⊡ Abb. 12.67).
Danach wird auch der zweite Distraktor entfernt und der
zweite Cage eingebracht (⊡ Abb. 12.68).
Das Einschlagen des 2. Cages kann erleichtert werden, indem
das Segment mittels einer Distraktionszange, die an den Pedikel-
schrauben ansetzt, vorsichtig aufgespreizt wird. Ein Nachschlagen
der Cages mit Impaktoren sollte im seitlichen Bildwandlerstrah-
lengang erfolgen, um die Cages auf gleiches Niveau zu bringen
und sicherzustellen, dass die Cages ca. 2–5 mm unterhalb der
Wirbelhinterkante zu liegen kommen.
Nach visueller Kontrolle des Situs und Entfernung eventuell
beim Einschlagen der Cages herausgefallenen Knochenbröckel
erfolgt eine abschließende Blutstillung am Spinalkanalboden
mit der bipolaren Koagulationspinzette und wenn nötig einem
Hämostyptikum.
Eine Spongiosaentnahme aus dem Beckenkamm zur Fül-
⊡ Abb. 12.67. Einschlagen des Cages lung von Cages ist meist nicht notwendig. Durch die opti-
male biomechanische Festigkeit der PLIF-Spondylodese und
insbesondere durch den Umstand, dass ein Cage sich nicht
resorbiert, kann eine u. U. längere Zeit bis zur knöchernen
Fusion beim Einsatz ortsständigen Knochens im Vergleich zu
Beckenkammspongiosa toleriert werden, auch unter dem Ge-
sichtpunkt der Vermeidung der Morbidität einer Beckenkamm-
spongiosaentnahme. Ist genügend Knochenmaterial vorhan-
den, so kann eine ventrale Knochenplastik vor Einbringen des
Cages erfolgen, um die Fusion zu verbessern. Eine zusätzliche
dorsolaterale Knochenanlagerung verfolgt das gleiche Ziel, ist
aber nur möglich, wenn die Facettengelenke intakt sind (an-
12 sonsten besteht die Gefahr einer Nervenwurzelirritation oder
-schädigung durch den lateral angelagerten Knochen).
Die Montage der Längsträger schließt sich an (unter Kom-
pression zur Vermeidung einer dorsalen Cage-Dislokation). Da-
nach erfolgt der Wundverschluss wie in Kap. 12.3 beschrieben.
Es folgt die Abschlussbildwandlerkontrolle im a.p. und seit-
lichen Strahlengang mit Dokumentation.
Nachbehandlung
▬ Physiotherapie sofort postoperativ mit isometrischen Übun-
gen
▬ Mobilisation des Patienten möglichst früh
▬ Vermeiden von Torsionsbewegungen
▬ Versorgung mit einem Korsett je nach Gesamtsituation
Besonderheiten
Der Einsatz von Cages ohne zusätzliche Fixateur-interne-Inst-
rumentation (»Stand-alone«) ist aus Gründen der Biomechanik
abzulehnen und zwischenzeitlich fast gänzlich verlassen wor-
den. Fast alle Cage-Hersteller geben an, dass ihre Produkte nur
in Verbindung mit einem Fixateur interne zu verwenden seien.
Der Einsatz von zylindrischen Cages ist in Europa ebenfalls
fast zur Gänze verlassen worden.
Der Einsatz von nur einem mittigen Cage (Kostengründe)
ist aus mechanischen Überlegungen heraus abzulehnen.
408 Kapitel 12 · Wirbelsäule
Operationsprinzip
Intersomatische Spondylodese von dorsal unter Verwendung
von speziell geformten (bananenförmigen) Implantaten (Cages)
aus Titanlegierung oder PEEK. Nach Instrumentation mit Pedi-
kelschrauben und Aufdehnung des Segmentes mittels spezieller
mit den Schrauben konnektierter Distraktoren erfolgt die Dar-
stellung der Bandscheiben lateral im Neuroforamen nach ein-
seitiger kompletter Resektion des Facettengelenks. Nun kann
12 unter nur geringem Weghalten des Duralsacks nach medial
und der austretenden Nervenwurzel nach kranial uniportal die
Bandscheibe ausgeräumt werden, gefolgt von der Präparation
(Entknorpelung) der Deck- und Bodenplatten.
Nach Einbringen von Knochenspänen nach ventral und zur
Gegenseite erfolgt die uniportale Insertion des bananenförmi-
gen Cages, mit anschließender Adjustierung der Cage-Position
und (fakultativ) Anlagern von Knochenspänen dorsal des Ca-
ges. Danach Vervollständigung der Fixateur interne Montage
mit segmentaler Kompression zur Vermeidung einer Cage-
Dislokation. Beim TLIF muss nicht bilateral fenesterotomiert
und die Bandscheiben auf beiden Seiten dargestellt werden,
sondern nur auf einer Seite. Dies ist beim Postnukleotomie-
syndrom mit Narbenbildungen von Vorteil. Die notwendige
komplette Facettektomie stellt jedoch eine Destabilisierung der
Wirbelsäule dar.
Die TLIF-Spondylodese kann mit einer gegenseitigen dor-
solateralen Spondylodese kombiniert werden. Die TLIF-Spon-
dylodese ist maximal bis zur Höhe L2/3 möglich; darüber ist
die Gefahr einer neurologischen Komplikation zu hoch (Conus
medullaris; horizontal abgehende Nervenwurzeln).
12.13 · Fusionsoperationen an der Lendenwirbelsäule (»transarticular lumbar interbody fusion«; TLIF)
409 12
Im Operationssaal
Lagerung
Kap. 12.12
Operationstechnik
Höhenlokalisation, Zugang zur Lendenwirbelsäule und Inst-
rumentation mit Pedikelschrauben wie in den entsprechenden
Kapiteln beschrieben.
Es erfolgt nun eine Hemilaminektomie und eine komplette
einseitige Resektion des Facettengelenks. Dieses sollte vorzugs-
weise mit einer 4 oder 5 mm Knochenstanze durchgeführt
werden. Der hierbei anfallende ortsständige Knochen kann zur
Füllung des Cages und zur Knochenanlagerung verwandt wer-
den, so dass eine Spongiosaentnahme aus dem Beckenkamm in
aller Regel nicht notwendig ist.
Nun wird der Distraktor an die Pedikelschrauben montiert ⊡ Abb. 12.69. Situs nach Hemilaminektomie und Foraminotomie. Das
und das Segment distrahiert (⊡ Abb. 12.69). Segment wird mittels eines in den Pedikelschrauben verankerten Sprei-
zers aufgedehnt
! Die Segmentdistraktion über die Pedikelschrauben sollte
vorsichtig erfolgen, um ein Ausbrechen der Schrauben zu ver-
hindern; insbesondere, wenn schon eine gewisse Osteoporose
vorhanden ist.
Postoperativ
Probleme
Es können die gleichen Probleme wie im Kapitel PLIF-Spon-
dylodese auftreten. Eine Cage-Retropulsion ist bei der TLIF-
Spondylodese aufgrund der Orientierung und der Form des
Cages nahezu auszuschließen.
Anders als bei der PLIF-Spondylodese, bei der die beiden
Cages fast immer auf der tragfähigen Ringapophyse des Wirbel-
körpers aufliegen, ist es beim TLIF oft so, dass der Cage im Zen-
trum des Wirbels zu liegen kommt. Hier ist die Tragfähigkeit
des Knochens schlechter und die Gefahr einer Subsidence oder
Einbruch des Cages größer. Bei osteoporotischem Knochen
12 sollte daher der PLIF-Technik der Vorzug gegeben werden.
Nachbehandlung
Kap. 12.12. Da biomechanisch gesehen der TLIF-Cage eine
größere Kipp- und Rotationsstabilität aufweist als 2 PLIF-Ca-
ges, kann eher auf eine Korsettruhigstellung verzichtet werden
⊡ Abb. 12.72. Ausrichten des Original-Cage
als beim PLIF.
Besonderheiten
Auch für den TLIF gilt, dass der Einsatz von Cages ohne
zusätzliche Fixateur-interne-Instrumentation (»stand alone«)
aus Gründen der Biomechanik abzulehnen ist. Fast alle Cage-
Hersteller geben vor, dass ihre Produkte nur in Verbindung mit
einem Fixateur interne zu verwenden seien.
Literatur
Cutler AR, Siddiqui S, Mohan AL, Hillard VH, Cerabona F, Das K (2006) Compa-
rison of polyetheretherketone cages with femoral cortical bone allograft
as a single-piece interbody spacer in transforaminal lumbar interbody
fusion. J Neurosurg Spine 5(6):534–9
Hackenberg L, Halm H, Bullman V, Vieth V, Schneuder M, Lijenquist U (2005)
Transforaminal lumbar interbody fusion; a safe technique with satisfac-
tory three to five year results. Eur Spine J 14(6):551–8
Lauber S, Schulte TL, Lijenquist U, Halm H, Hackenberg L (2006) Clinical and
radiological 2–4 year results of transforaminal lumbar interbody fusion
in degenerative and isthmic spondylolisthesis grade 1 and 2. Spine
31(15):1693–8
Anhang
T. Pohlemann
Der Operationsbericht
Beckenosteotomie 68
A Beckenring C
– Fixateur externe 158, 174
Abhebetest 21 – Kompression 164 Cage 352, 403
Abnahme, Fixateur externe 176 – Notfallstabilisierung 158, 161 Caput femoris, Schädigung 75
Abrasionsarthroplastik 106 Beckenringverletzung 158 Caspar-Spreizer 354
Akromioklavikulargelenk – instabile 161 Cauda-equina-Kompressionssyndrom
– Arthrose 13, 19, 189 Beckenspan, trikortikaler 374, 380 396
– Luxation 19, 189 Beckentamponade 166 Chevron-Osteotomie 138
– Resektion 190 Beckenverletzung 174
Akromionfraktur 16 Beckenzwinge 161
Antigleitplatte 284 Beinachsen 109
Arthroskopie, diagnostische 4 Belly-press-Test 21
D
Aufrichtungsspondylodese 365 Bending-Aufnahme 371
Außenbandrekonstruktion 136 Beugerkompartiment Dekompression 4
Außenknöchelosteosynthese 302 – oberflächliches 179 – subakromiale 15, 16
– tiefes 180 De-novo-Skoliose 366
Blutung, pelvine 166 Diskographie, provokative 393
Bruchspaltanästhesie 223 Diskotomie, Höhenlokalisation 397
B Brustwirbelsäule Diskushernie, lumbale 396
– Deformität 370 Duokopfprothese 245
Bandscheibenprothese 356 – Dekompression 370
– lumbale 392 – Stabilisierung 370
Bandscheibenvorfall 352, 356 – transthorakaler Zugang 374
– subligamentärer 354 Brustwirbelsäulenfraktur, Stabilisierung
E
Bauchdruck-Test 21 360
Beach-chair-Position 5 Bülau-Drainage 154 Einzelknopfnaht 151
Beckenbodeninspektion 172 Bündelnagelung 344 Ellbogen
Beckenfraktur 326 Bursa subacromialis, Zugang 8 – Arthrolyse 46
Beckenkamm, Spongiosaentnahme 86 Bursoskopie 4 – Zugänge 34
418 Stichwortverzeichnis
Ellbogenarthroskopie 32
– Instrumentarium 36 H K
– Lagerung 33
Epicondylitis humeri radialis 32, 39 Hallux valgus 138, 141 Kahnbeinfraktur
Epicondylitis humeri ulnaris 39 Halswirbelsäule – operative Stabilisierung 232
Epiphysiolysis capitis femoris 82 – instabile 352 – Zugschraubenosteosynthese 232
Extremität, Fixateur externe 173 – ventrale interkorporelle Fusion 352 Kapandji-Technik 223, 225
– ventrale Nukleotomie 356 Klaviertastenphänomen 19
Halswirbelsäulenfraktur, Stabilisierung Klavikula
360 – abrunden 14
F Hämatom, retroperitoneales 166 – Knochennekrose 13
Hämatopneumothorax 154 Klavikulafraktur, Osteosynthese 184
Facetteninfiltration, probatorische 393 Headsplit-Verletzung 194 Klavikularesektion, laterale 13, 19
Femurfraktion, Reposition 263 Heimlich-Ventil 154 Kniearthrose, Klassifikation 120
Femurfraktur Hemiprothese 60 Knieendoprothese
– distale 275 Herbert-Schraube 234 – bikondyläre 109
– Osteosynthese 275 Hill-Sachs-Läsion 25 – monokondyläre 115
– pertrochantäre 252 Hochrasanztrauma 259 – totale 109
– Reposition 277 Hoffa-Kniefettkörper 116 Kniegelenkarthroskopie
– subtrochantäre 259 Hüftendoprothese, primäre 60 – diagnostisch 90
Femurnagel, proximaler 259 Hüftgelenk, Zugänge 63, 72 – Instrumentarium 92
Femurosteotomie Hüftkopfnekrose 60 – Lagerung 91
– intertrochantäre 75 Hüftluxation, verschleppte 72 – Operationstechnik 94
– suprakondyläre 125 Hüftreposition 72 Knochenblock 352
Femurschaftfraktur 267 Hüftschraube, dynamische 252 Knochentransplantat, autologe 86
– Markdrahtosteosynthese 344 Humerusfraktur Kompartmentdruckmessung 177
– Reposition, geschlossene 271 – instabile 194 Kompartmentsyndrom, Operative Spaltung
– Reposition, offene 274 – offene Reposition 194 176
Fenesterotomie 403 – Osteosynthese 199 Kondylenresektion, nach Hohmann 141
Fersenbeinfraktur 308 – proximale 194 Korbhenkelentfernung 100
– Einteilung 309 – Verriegelung 207 Korbhenkelläsion, mediale 100
– Reposition 311 Humerusplatte 194 Korporektomie 352, 374, 380
Fixateur externe Humerusschaftfraktur – ventrale 374, 380
– Anlage 172 – offene Reposition 199, 204 Korrekturosteomie, intertrochantäre 76
– Beckenring 158 – Plattenosteosynthese 199 Korrekturspondylodese 370
– Montage 160 – retrograde Marknagelung 204 – ventrale 374, 380
Fixateur interne Koxarthrose 60
– Lendenwirbelsäule 403
– LWK-1-Fraktur 316
– Schraubenausbruch 365
I
– Schraubenbruch 365
L
– Schraubenlockerung 365 Ilizarov-Technik 172
– Wirbelsäulenfraktur 360 Imhäuser-Position 83 Labrumrekonstruktion 4
Freihandtechnik 207 Impfung 153 Laminahaken 370
FSME-Impfung 153 Impingement 60, 132 – thorakaler 372
Fusion, ventrale interkorporelle 352 Innenknöchelosteosynthese 304 Laminektomie 366, 368
interbody fusion 403 Laparotomie, explorative 169
Intrakutannaht 151 Leber, Mobilisation 171
Lebertamponade, Mobilisation 171
G Leberverletzung 171
Lendenwirbelsäule
Glenohumeralgelenk, Luxation 25
J – Fusion 403, 408
Golferellbogen 39 – Mini-Zugang, retroperitonealer pararek-
Joint-depression-Fraktur 308 taler 385
Joystick 277 – Mini-Zugang, transabdomineller 385
– retroperitonealer Zugang 380
– ventrale Fusion 383
419
Stichwortverzeichnis
U
Ulna, Verkürzungsosteotomie 54
Ulnaköpfchen, Resektion 56
U-Naht 157
Unterarmfraktur, Reposition 220
Unterarmkompartimente 218
Unterarmschaftfraktur, Plattenosteo-
synthese 218
Unterschenkelfraktur
– geschlossene 293
– Marknagelosteosynthese 293
V
Vakuumversiegelung 180
Varusgonarthrose 115
Venae sectio 148
Volkmann-Dreieck 303