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Polytrauma oder Serienverletzungen 21

PNF-Techniken 22
Sachverzeichnis 23

Margrit List
5 Aufgewachsen in Neuhaus am Schliersee und in Leverkusen, dort Abitur
5 Ausbildung zur Physiotherapeutin an der Staatlichen Berufsfachschule
für Physiotherapie an der Universität München
5 1960 Lehrkraft an dieser Schule u.a. für Chirurgie/ Unfallchirurgie
5 1962 1. Lehrerseminar in Berlin
5 1964 Austauschstudium an der New York University
5 1969–1998 Schulleiterin mit Fortsetzung der Lehrtätigkeit
5 1972 Co-Leitung der Physiotherapieabteilung bei den Olympischen
Spielen in München
5 1974 3-monatige Vortragsreise in Südafrika zum Thema »Sportmedizin«
5 1979–1983 2. Vorsitzende des Deutschen Verbandes für Physiotherapie
5 1983–1988 Präsidentin der »World Confederation for Physical Therapy«
5 1985–1991 Vorsitzende der AG leitender Lehrkräfte an PT-Schulen in
Deutschland
5 Bis 1997 Vorsitzende der AG leitender Lehrkräfte an PT-Schulen in
Bayern, Sachsen und Thüringen
5 1991 Verleihung des Bundesverdienstkreuzes
5 1995 Teilnahme an der Lehrplankommission des Instituts für Schul-
pädagogik in Bayern
5 2005 Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse

Derzeitige außerberufliche Aktivitäten:


5 Delegierte im Bayerischen Landesfrauenausschuss, Vizepräsidentin
2005–2009
5 Vorsitzende des Fachausschusses Bildungspolitik seit 2002
5 Förderung von Lesekompetenz in einer Städtischen Grundschule
5 Projektreise nach Tansania und intensives Engagement für das Schul-
projekt der Munich International School, Waisenkindern und Kindern
aus sozialschwachen Familien den Schulbesuch zu ermöglichen
5 Ehrenamtliche Tätigkeit in einem Seniorenheim
Margrit List

Physiotherapie
in der
Traumatologie
5. vollständig überarbeitete Auflage

Unter Mitarbeit von Claudia Klose

Mit 551 Abbildungen in Farbe

1 23
Margrit List
1 Schneckenburgerstr. 30
81675 München
2
Claudia Klose
Berufsfachschule für Physiotherapie der Bezirkskliniken
3 Schwaben am BKH Günzburg
Stellv. Schulleitung
4 Leitung AG Lehrer im Landesverband Bayern im ZVK
Ludwig-Heilmeyer-Str.2
5 89312 Günzburg

6
7 ISBN-13 978-3-540-68241 -7 Springer Medizin Verlag Heidelberg

8 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek


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12 Springer Medizin Verlag

springer.de
13
© Springer Medizin Verlag Heidelberg 1978, 1986, 1996, 2004, 2009

14 Printed in Germany

15 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne
besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Ge-
setzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
16
Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr über-
nommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf
17 ihre Richtigkeit überprüft werden.

Planung: Marga Botsch, Heidelberg


18 Projektmanagement: Claudia Bauer, Heidelberg
Lektorat: Maria Schreier, Heidelberg
Zeichnungen: Christine Goerigk, Ludwigshafen
19 Satz: medionet Publishing Services Ltd., Berlin
Layout und Umschlaggestaltung: deblik Berlin

20 SPIN 12027996

21 Gedruckt auf säurefreiem Papier 22/2122/cb – 5 4 3 2 1 0


V

Vorwort
Das Aufgabengebiet der Physiotherapeuten hat sich in den letzten Jahren rasant verändert und erweitert.
Die Veränderungen beruhen auf Fortschritten und Erkenntnissen in der Medizin und im Patientenma-
nagement, basierend auf der Umstrukturierung des Gesundheitswesens. Das Ziel der aktuellen Diskussi-
onen ist eine bezahlbare, möglichst hochqualitative Versorgung der Patienten mit »so wenig stationären
Behandlungen wie nötig und so vielen ambulanten Versorgungen wie möglich«!
Der demografische Wandel betrifft nicht nur die Gesellschaft, sondern auch das Gesundheitswesen un-
seres Landes und stellt eine Herausforderung an die Vorgehensweisen in Therapie und Rehabilitation von
Unfallverletzten dar.
Die Menschen werden rüstig älter und wollen am aktiven Leben unserer Gesellschaft teilhaben. Sie er-
warten eine kompetente und hochwertige medizinische Versorgung nach Verletzungen und funktionellen
Problemen. Dementgegen stehen die deutlich knapper werdenden finanziellen Mittel für stationäre, ambu-
lante und rehabilitative Maßnahmen.
So ist es nicht verwunderlich, dass die Politik nach Prävention und Eigeninitiative ruft und soziale Be-
nachteiligungen von Langzeitverletzten und alten Menschen in Kauf nimmt.
Nach operativer Versorgung werden Verletzte nach wenigen Tagen stationären Aufenthaltes in eine
ambulante oder stationäre Rehabilitationseinrichtung entlassen. Dort stehen nicht immer die Fachkräfte/
Physiotherapeuten zur Verfügung, die den ersten Heilungsprozess fachgerecht begleiten können. Alltags-
relevante Beeinträchtigungen werden oft nicht berücksichtigt und führen zu einer Überforderung der Pati-
enten. Soziale Situationen finden keinen Eingang in die Planung der postoperativen Phase. Viele Verletzte
sind in dieser Phase noch nicht rehabilitationsfähig im Sinne der Belastungsfähigkeit und evt. deshalb auch
nicht motivierbar. Sie benötigen eine weitere kurative Versorgung.
Kritisch diskutiert werden muss deshalb die Durchführung rehabilitativer Maßnahmen ohne Fachper-
sonal und die intensive Fortbildung von Therapeuten für den Rehabilitationsbereich.
Für eine erfolgreiche Rehabilitation ohne Folgeschäden und eine Rückführung in ein selbstbestimmtes
Leben müssen Patienten lernen, mit ihrem Körper und seinen Verletzungen umzugehen und die entspre-
chende Eigeninitiative zu ergreifen. Dieser Prozess muss von Therapeuten begleitet und eingeübt werden.
Patienten müssen deshalb gut informiert, aber auch motiviert werden.
Im Jahr 2006 wurden Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über Leistungen der medizi-
nischen Rehabilitation veröffentlicht, um einen bestmöglichen Rehabilitationserfolg für die Teilhabe der
Patienten an Familie, Arbeit, Gesellschaft und Beruf zu erreichen.
Den Physiotherapeuten werden spezifische Aufgaben zugeordnet; sie sind für die kurativen Behand-
lungsformen ebenso ausgebildet wie für die rehabilitativen Maßnahmen. Ihre Behandlungen müssen im-
mer einen ganzheitlichen Ansatz zeigen; sie müssen den Verletzten während der Heilungsphasen betreuen
und seine individuelle Lebenssituation, Selbständigkeit, Mobilität, Arbeitssituation, Gefühlswelt und Ge-
sellschaftsteilhabe berücksichtigen.
Für Schüler bedeutet dies, sich in der Ausbildung ein umfassendes Wissen anzueignen, darüber hinaus
jedoch ein freies selbständiges Lernen in der Praxis. Körperwahrnehmung und Körpersprache müssen
ebenso erlernt werden wie das Erfassen der Konsequenzen von Verletzungen für den ganzen Menschen.
Schüler sollen Entdecken, Erforschen und neue therapeutische Wege Finden lernen, durch selbständiges
Lernen in kleinen Gruppen und durch Projekte.
Besonders ältere Menschen werden durch eine Verletzung, z.B. eine Schenkelhals- oder Oberarmkopf-
fraktur, aus der Lebensbahn geworfen. Sie verlieren sehr schnell ihre Selbständigkeit und werden dann oft
in Pflegeheime abgeschoben. Junge Physiotherapeuten können diesen Lebenseinschnitt noch nicht in sei-
ner ganzen Tragweite verstehen; sie müssen lernen, ihn wahrzunehmen und therapeutische Konsequenzen
daraus zu ziehen.
Immobilität ist jedoch nicht nur für den älteren Menschen, sondern für jeden Verletzten ein großes
Problem. Es bedeutet den Verlust selbständigen Handelns und Lebens. Unfallchirurgen wissen um die-
se Problematik und werden daher versuchen, die verletzte Struktur so effektiv wie möglich zu stabilisieren
und belastungsfähig zu machen.
VI Vorwort

In einer Gesellschaft, die Jugend, Sportlichkeit, Attraktivität und Mobilität besonders hoch wertet, wer-
1 den Kranke und Verletzte, die dem Arbeitsmarkt längere Zeit nicht zur Verfügung stehen oder gar ausfal-
len, sehr schnell zur Seite geschoben.
2 In der schnelllebigen Zeit, in der Zeit und Geld gleichgesetzt werden, wird dem Kranken und Verletz-
ten oft nicht die Zeit eingeräumt, die er zur Heilung einer Verletzung benötigt.
Der demografische Wandel hat auch besondere Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen aller
3 Altersgruppen. Eine sorgfältige und zielgerichtete Rehabilitation nach Verletzungen kann Folgekosten ein-
sparen, eine unsachgemäße Rehabilitation jedoch Kosten verursachend sein.
Ich sehe mich herausgefordert, mein Lehrbuch gründlich auf den Prüfstand zu stellen, um einerseits
4 Schülern das »Handwerk« unseres Berufes nahezubringen und meine Erfahrungen weiterzugeben und an-
dererseits neuere Erkenntnisse der Unfallheilkunde und der Physiologie sowie Aspekte der gesellschaft-
5 lichen Anforderungen aufzunehmen.
Den Anspruch, die Möglichkeiten der physiotherapeutischen Behandlung absolut umfassend darzu-
stellen, kann dieses Buch nicht erfüllen. Ich hoffe jedoch, Anregungen für ein eigenständiges Nachdenken
6 und Umsetzen zu geben.

7 Im August 2008
Margrit List

8
In diesem Buch wird im Interesse des Textflusses und der besseren Lesbarkeit einheitlich die männliche
Form für »Therapeut«, »Schüler«, »Arzt«, »Patient« benutzt. Angesprochen werden damit selbstverständ-
9 lich alle PhysiotherapeutInnen, SchülerInnen, ÄrztInnen und PatientInnen.

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VII

Dankesworte
Diese völlig neue 5. Überarbeitung meines Lehrbuches konnte ich nicht leisten ohne die zahlreichen Anre-
gungen, Hilfen zur Erstellung des Bildmaterials, Fototermine mit Schülern und Kollegen, Zusendungen der
Abbildungen, fruchtbaren Diskussionen, Hinweise auf aktuelle Literatur und die fachkompetente Beglei-
tung durch das Fachlektorat Medizin des Springer Verlages, Frau Marga Botsch, Frau Claudia Bauer und
der externen Lektorin, Frau Maria Schreier und Frau Michaela Ecker.
So ist es mir ein besonderes Bedürfnis, mich zu bedanken bei den Menschen, die mich unterstützt ha-
ben:
5 Frau Claudia Klose, Lehrkraft für Physiotherapie in der Chirurgie an der Physiotherapieschule im
BKH Günzburg und den Schülerinnen Eva-Maria Boehm, Daniela Schneider und dem Schüler Chri-
stian Assenbrunner.
5 Frau Birgit Jaspersen, Klinik für Physikalische Medizin, Klinikum Großhadern, Universität München.
5 Frau Barbara Dopfer, Praxis für Physiotherapie und Handrehabilitation, Regine Görges-Radina, Mün-
chen.
5 Herrn Uli Engelmann und Frau Geza Sturm, Praxis »movere«, München.
5 Frau Beatrice Göhler, Frankfurt.
5 Frau Helga Slivka, Rottach-Egern.
5 Herrn Fritz Zahnd, Forch/Schweiz.
5 Frau Christine Altmann, Staatl. Berufsfachschule für Physiotherapie im Klinikum Großhadern, Uni-
versität München.
5 Herrn OA Dr. Thomas Löffler, Chirurgische Klinik, Klinikum Großhadern, Universität München.
5 Frau Ingrid Wagner
IX

Inhaltsverzeichnis
1 Behandlungsgrundlagen, Heilungsprozesse und 4.2 Volkmann-Kontraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
physiotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten . 1 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 51
1.1 Behandlungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 4.3 Phlebothrombose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
1.2 Allgemeingültige Begriffsdefinitionen . . . . . . . . . . . . . 3 Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
Stabilitätsgrade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Charkteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . . 51
Muskelarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . . 51
Tonusregulierung – Innervations-/Koordinationsschulung . 4 4.4 Embolie/Lungenembolie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
Gelenkkontraktur – Gelenkblockierung. . . . . . . . . . . . . 4 Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
Mobilisation – Mobilisierung – Aktivierung . . . . . . . . . . 4 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 52
Extension – Traktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . . 52
Unterstütztes Gehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 4.5 Infektion/Osteitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
Belastungsstufen des Gehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
Sensomotorik und Propriozeption . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
Biomechanik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 53
1.3 Heilungsprozess des Bindegewebes . . . . . . . . . . . . . . 6 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . . 53
Physiologie des Bindegewebes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
Schädigungen des Bindegewebes . . . . . . . . . . . . . . . . 7 4.6 Pseudarthrose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
Wundheilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
Knochenheilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 55
Knorpelheilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . . 55
1.4 Physiotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten . . . . . 11 4.7 Heterotope Ossifikation/Myositis ossificans . . . . . . . . . . 56
1.5 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
Behandlungsrichtlinien und therapeutische Masßnahmen 56
2 Behandlungsplanung, Befunderhebung . . . . . . . . 13 4.8 Fehlstellungen/Gelenkinstabilitäten. . . . . . . . . . . . . . . 56
2.1 Grundsätzliches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 56
2.2 Planung der physiotherapeutischen Behandlung, Kriterien 4.9 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
und Dosierung der Behandlungsmaßnahmen . . . . . . . . 15
Planung der physiotherapeutischen Behandlung . . . . . . 15 5 Distorsionen, Verletzungen der Sehnen,
Kriterien für die Behandlungsdosierung . . . . . . . . . . . . 15 Bänder und Muskeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 5.1 Sehnen-, Band- und Kapselverletzungen . . . . . . . . . . . . 60
2.3 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 5.2 Partielle Bandrupturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
Funktionsbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
Zusatzbefunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 60
Befund eines Patientenbeispiels . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . . 60
2.4 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 5.3 Komplette Bandrupturen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 63
3 Prä- und postoperative Physiotherapie . . . . . . . . . 37 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 63
3.1 Atemtherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
3.2 Thromboseprophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 5.4 Muskelverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
Therapeutische Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
3.3 Schmerztherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
Clinical Reasoning . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 65
Maßnahmen zur Schmerzreduzierung . . . . . . . . . . . . . 45 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . . 65
3.4 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
4 Früh- und Spätkomplikationen von Verletzungen . . 49 Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 5.5 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
4.1 Kompartmentsyndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 6 Wirbelfrakturen, Schleudertrauma, Rippen- und
Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 50 Sternumfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . . 50 6.1 Wirbelfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
X Inhaltsverzeichnis

Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 7.3 Luxation des Schultereckgelenks . . . . . . . . . . . . . . . . . 122


1 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 70 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
Biomechanik, Behandlungsrichtlinien und therapeutische Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 122
2 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 122
Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Spezielle Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
3 Übungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
6.2 Halswirbelfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 7.4 Sternoklavikulargelenkluxation. . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
4 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
95
7.5 Klavikulafraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
127
127
Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 95 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 127
5 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen .
Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95
96
Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen .
Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
128
129
Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 7.6 Skapulafraktur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
6 6.3 Halswirbelsäulendistorsion/Schleudertrauma/ Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
»Whiplash Associated Disorder« (WAD) Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
(vorübergehende Subluxation) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 129
7 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 7.7 Oberarmkopffraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 97 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
8 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . . 97 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 132
Spezielle Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 132
6.4 Rippenfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
9 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 100 Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
10 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen .
Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
100
100
7.8 Patientenbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Befundaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
137
137
Atembefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 ICF-Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
11 6.5 Sternumfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
100
101
7.9 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . . 101 8 Humerusschaftfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141


12 6.6 Patientenbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
Befundaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
ICF-Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 142
13 6.7 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 142
Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
7 Frakturen und Luxationen im Bereich des Schulter- Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
14 gelenks und Rotatorenmanschettenrupturen . . . . . 105 Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 8.1 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
Biomechanik des Schultergelenks . . . . . . . . . . . . . . . . 107
15 7.1 Luxationen und Instabilitäten des Schultergelenks . . . . . 109 9 Ellenbogennahe Frakturen und Ellenbogenluxation. 151
Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
16 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . .
Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen .
109
109
9.1 Distale Humerusfraktur mit Gelenkbeteiligung . . . . . . . .
Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
152
152
Komplikationen/Begleitverletzungen . . . . . . . . . . . . . 111 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
17 Spätkomplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
111
112
Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . .
Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen .
152
152
Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 9.2 Ellenbogenluxation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
18 Übungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 155
7.2 Ruptur der Rotatorenmanschette . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 155
Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 9.3 Radiusköpfchenfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
19 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 120 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 120 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 156
20 Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen 156
Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
Übungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
21
XI
Inhaltsverzeichnis

9.4 Olekranonfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 11.4 Frakturen der Handwurzelknochen . . . . . . . . . . . . . . . 199


Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 199
Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 157 Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 157 11.5 Frakturen der Metakarpalia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 199
Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
Übungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
9.5 Patientenbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 11.6 Frakturen der Grund-, Mittel- und Endphalangen . . . . . . 201
Befundaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 201
ICF-Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 11.7 Luxation des Daumengrundgelenks. . . . . . . . . . . . . . . 201
9.6 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 201
10 Unterarmfrakturen und distale Radiusfraktur . . . . . 167 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 201
10.1 Unterarmfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 11.8 Replantation/Transplantation der Finger . . . . . . . . . . . . 201
Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen 201
Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 11.9 Amputationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 169 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 169 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 204
Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
Übungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 11.10 Beugesehnenverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207
10.2 Distale oder »klassische« Radiusfraktur . . . . . . . . . . . . . 175 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207
Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207
Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 207
Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 175 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 207
Biomechanik, Behandlungsrichtlinien und therapeutische Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210
Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210
Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210
Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Komplikation: Tenolysen (Tendolysen) . . . . . . . . . . . . . 212
Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 11.11 Strecksehnenverletzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
Übungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
10.3 Patientenbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
Befundaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 213
ICF-Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 214
10.4 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
11 Handchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 11.12 Muskelverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
11.1 Verletzungen und typische Erkrankungen an der Hand . . 192 11.13 Nervenverletzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
Allgemeine Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
Allgemeine charakteristische Symptome/Leitsymptome. . 192 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 216
Allgemeines über Biomechanik, Behandlungsrichtlinien Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen 216
und therapeutische Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 11.14 Gefäßverletzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219
11.2 Os-scaphoideum-Fraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 11.15 Kombinationsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219
Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 220
Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 197 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 220
Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 197 Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220
Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220
Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220
11.3 Os-lunatum-Luxation, perilunäre Luxation. . . . . . . . . . . 198 11.16 Verbrennungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 198 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
XII Inhaltsverzeichnis

Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 221 14 Schenkelhalsfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261


1 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 221 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262
Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262
Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 262
2 Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 262
11.17 Dupuytren-Faszienfibrose (Morbus Dupuytren) . . . . . . . 223 Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269
Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270
3 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271
Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 223 Übungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
4 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen .
Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
223
224
14.1 Patientenbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Befundaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
277
277
Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 ICF-Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278
5 11.18
Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Complex Regional Pain Syndrome (CRPS) . . . . . . . . . . .
224
225
14.2 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280

Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 15 Oberschenkelfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281


6 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282
Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 225 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282
Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen 226 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 282
7 Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 282
Übungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285
11.19 Patientenbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285
8 Befundaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
ICF-Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Übungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292
11.20 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 15.1 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294
9
12 Beckenfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 16 Frakturen und Verletzungen im Bereich des
10 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
238
238
Kniegelenks. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297
Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 238 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297
11 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen .
Komplikationen und Nebenverletzungen . . . . . . . . . . .
238
240
Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . .
Physiologische Grundlagen, Behandlungsrichtlinien und
297

Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 therapeutische Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297


12 Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 16.1 Distale Femurfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301
Übungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301
12.1 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301
13 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 301
13 Frakturen und Luxationen im Bereich des Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 301
Hüftgelenks. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302
14 13.1 Azetabulumfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302
Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302
Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 16.2 Tibiakopffraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302
15 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 250 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302
Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 250 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302
16 Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Befunderhebung nach Osteosynthese in Akut- und
252 Charakteristische Symptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen .
302
303
Entlastungsphase. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 Komplikationen bei Kondylen-/Tibiakopffrakturen . . . . . 303
17 Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Übungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
253
254 16.3
Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Patellafraktur/Patellaluxation . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
303
304
13.2 Hüftgelenkluxation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304
18 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304
Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 304
Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 255 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 304
19 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen 255 Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306
Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Befunderhebung bei Frakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306
Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307
20 Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 16.4 Gelenkflächenersatz, komplette Kniegelenkprothese. . . . 307
Übungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 16.5 Kapsel-Band-Meniskus-Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . 308
13.3 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308
21
XIII
Inhaltsverzeichnis

Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356


Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 308 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 356
Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 308 Physiologische Grundlagen, Behandlungsrichtlinien und
Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 therapeutische Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356
Befunderhebung bei Kapsel-Band-Meniskus-Verletzungen 310 18.1 Frakturen, Luxationen und Luxationsfrakturen . . . . . . . . 358
Behandlungskonzepte bei Kapsel-Band-Meniskus- Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 358
Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 358
16.6 Hintere Kreuzbandverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361
Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 Befunderhebung nach Sprunggelenkfraktur mit
Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 318 bewegungsstabiler Versorgung. . . . . . . . . . . . . . . . . . 361
Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 318 Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362
16.7 Kollateralbandrupturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 18.2 Kapsel-Band-Verletzungen des Sprunggelenks . . . . . . . . 365
Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365
Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 365
Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 319 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 366
Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 319 Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366
Komplikationen bei allen Kapsel-Band-Verletzungen . . . . 320 Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367
16.8 Meniskusverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 18.3 Achillessehnenruptur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367
Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367
Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367
Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 320 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 367
Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 320 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 367
Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368
Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368
Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368
16.9 Verletzungen des Streckapparates . . . . . . . . . . . . . . . . 329 Übungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369
Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 18.4 Patientenbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369
Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 329 Befundaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369
Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 329 ICF-Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370
16.10 Traumatische Schleimbeutelverletzung . . . . . . . . . . . . 329 18.5 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372
16.11 Gelenkknorpelverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329
Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 329 19 Frakturen im Bereich des Fußes . . . . . . . . . . . . . . 373
Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 329 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374
Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 19.1 Kalkaneusfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374
Übungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374
16.12 Patientenbeispiel 1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374
Befundaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 374
ICF-Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 Biomechanik, Behandlungsrichtlinien und therapeutische
16.13 Patientenbeispiel 2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374
Befundaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377
ICF-Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377
16.14 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378
Übungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381
17 Unterschenkelfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 19.2 Talusfraktur (Talusluxationsfraktur) . . . . . . . . . . . . . . . 382
Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382
Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383
Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 340 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 383
Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 340 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 384
Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385
Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385
Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385
Übungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 19.3 Metatarsalfrakturen, Luxationen des Fußes . . . . . . . . . . 386
17.1 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386
Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386
18 Frakturen und Luxationen im Bereich der Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 386
Sprunggelenke, Band- und Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 386
Achillessehnenverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 353 Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386
Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386
XIV Inhaltsverzeichnis

19.4 Zehenfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387


1 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 387
Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 387
Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387
2 Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387
19.5 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387

3 20 Amputationen an der unteren Extremität. . . . . . . . 389


Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390
4 Behandlungsrichtlinien, therapeutische Maßnahmen und
Prothetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390
Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393
5 Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
393
394
Übungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401
6 20.1 Patientenbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403
Befundaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403
ICF-Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404
7 20.2 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405

21 Polytrauma oder Serienverletzungen . . . . . . . . . . 407


8 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408
Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408
Charakteristische Symptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408
9 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 408
Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410
10 Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
410
411
Patientenbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411
11 21.1 Patientenbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Befundaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
419
419
ICF-Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420
12 21.2 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421

22 PNF-Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423
13 22.1 Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424
PNF-Grundmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424
PNF-Übungsprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426
14 PNF-Grundprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426
PNF-Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427
Vorbereitende PNF-Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430
15 Übungsprogramm auf der Matte . . . . . . . . . . . . . . . . . 432
Rumpfaktivität/-stabilität, Rumpf-Becken-Bein-Stabilität. . 432
16 22.2
Gehschulung nach PNF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
.
.
433
434

17 23 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435

18
19
20
21
XV

Glossar
A
Aircast Sprunggelenkschiene
AMIS Hüftgelenkendoprothese
Atelektasen Verklebungen der Alveolen
Autologe Chondrozytentransplantation Verpflanzung körpereigener Chondrozyten
AVK Arteriovenöse Verschlusskrankheit

B
Bajonettstellung Dislokationsstellung einer distalen Radiusfraktur
Bankart-Läsion Verletzung und Abflachung des vorderen Pfannenrandes des
Schultergelenks
Bennett-Fraktur Fraktur der Basis des Metakarpale 1 mit medialer Abspren-
gung
Biodegradable Osteosynthese Osteosynthese mit resorbierbarem Material
Biodegradables Implantat z.B. Kollagenimplantat in einen Meniskus
Bone-tendon-bone-graft Technik bei Kreuzbandtransplantation mit Patellasehnendrittel
Bow-string-Phänomen Art Flitzebogen durch Verletzung der Ringbänder an einem
Finger

C
Canale-view-Aufnahme Röntgenbild bei Talusfraktur
CAT-CAM-Methode Form eines Prothesenschafts
CerviFix-Platte Plattenosteosynthese bei HWK-Frakturen
»Chirurgische Technik« Contract – Relax (PNF) gegen Führungskontakt (Münchener
Schule)
C-Leg Kniegelenkkonstruktion bei Oberschenkel-Modularprothese
Clinical Reasoning Anwendung von Fachwissen, Forschungsergebnissen, Fach-
praxis
Combination of Isotonics PNF-Technik mit dynamischer Muskelarbeit
Contract – Relax PNF-Entspannungstechnik
Core Stability Kernstabilität durch hohe Trainingsintensität mit globaler
Muskelarbeit
CPM Bewegungsschiene (Continuous Passive Motion)
Creep Druckwelle der Synovialflüssigkeit bei Belastung, Rückfluss bei
Entlastung
Crosslinks bindegewebige Brücken
CRP C-reaktives Protein, unspezifischer Entzündungsparameter
CRPS Complex Regional Pain Syndrome, früher Morbus Sudeck
oder Reflexdystrophie; tritt besonders nach Handverletzungen
auf
Crush Syndrome Ausgedehnter Muskelfaseruntergang bei schweren Traumen;
führt zu Nierenversagen

D
Débridement Operatives Säubern einer infizierten Wunde
Desault-Verband Schultergelenkverband
Diffusion Wanderung der Gasmoleküle zwischen Alveolarluft und
Lungenkapillarblut
XVI Glossar

Dual surface articulation-Prothese Kniegelenkprothese


1 Dynamik–Fuß Prothesenfuß

E
2 Epikondylitis Tennisellenbogen mit Reizerscheinungen am Epicondylus
lateralis humeri
3 Euler-Liljestrand-Reflex Vasokonstriktion von Lungenarteriolen, damit hypoventilierte
Alveolarbezirke auch minderdurchblutet werden. Es ist ein
Schutzmechanismus, um zu vermeiden, dass Shunt-Blut in den
4 Körperkreislauf gelangt

5 F
Fasziotomie Einschneiden von Haut und Faszien zur Entlastung des
Gewebedruckes
6 Fazilitationstechniken PNF-Verfahren zur Kontraktionsschulung eines Muskels
Flake Knochensplitter
7 Floating shoulder instabile Kombinationsverletzung der Skapula
Fourchettestellung Dislokationsstellung einer distalen Radiusfraktur

8 G
Galeazzifraktur Radiusschaftfraktur plus distale Ulnaluxation
Nagel zur Stabilisierung einer Schenkelhals- oder pertochan-
9 Gamma-Nagel
teren Fraktur
Gate-Control-Theorie Hemmung der Nozizeptoren, z.B. durch Bewegung
10 Gelenkpositionstest Test zur Diagnose einer WAD
Gilchrist-Verband Schlauchverband zur funktionellen Ruhigstellung des Schulter-
gelenks
11 Geschlossene Kette,
geschlossenes System,
12 Bewegungen im Bewegungen, bei denen der distale Körperabschnitt das Punk-
tum fixum bildet
Glasgow Coma Scale Klassifizierung von Polytraumapatienten
13 GPS Gelenkpositionstest zur Ermittlung des Bewegungs- und Lage-
empfindens der HWS
14 Guyon-Loge Loge für den N. ulnaris

H
15 Halo-Fixateur externer Fixateur bei HWS-Verletzungen
Hannoveraner Polytraumaschlüssel Klassifizierung von Polytraumapatienten
Hb Hämoglobin, roter Blutfarbstoff
16 Helix wire-Osteosynthese Drahtosteosynthese bei Oberarmkopffraktur
Hill-Sachs-Läsion Schultergelenkluxation mit dorsolateraler Impressionsfraktur
17 des Humeruskopfes
Hkt Hämatokrit, Anteil der zellulären Bestandteile am gesamten
Blutvolumen
18 Hold – Relax PNF-Entspannungstechnik
Huffing Hustentechnik
19 Hüter-Dreieck Ellenbogengelenkbeurteilung
Hypoxämie verringerte Sauerstoffsättigung im Blut

20 I
Ilizarow-Fixateur Ringfixateur nach Ilizarow
21 ICF Evaluationskonzept mit internationaler Klassifikation
XVII
Glossar

Impingement, subakromial Chronisches Syndrom nach Verletzung der Rotatorenman-


schette
IPPB Gerät Atemhilfsgerät zur Beatmung mit intermittierendem
Überdruck (Intermitted Positive Pressure Breathing)
Irradiation Overflow einer Muskelspannung auf andere Muskelgruppen
durch kraftvolle Haltearbeit
ISNY-Schaft Form eines Prothesenschaftes

J
Jet-Lavage Spülen einer infizierten Wunde
Joint-depression-type-Fraktur Typische Kalkaneusfraktur durch schräg einwirkende Gewalt
Joint-play translatorisches Gelenkspiel
Jones-Fraktur Metatarsale-V-Fraktur

K
Kallus Knochenaufbaugewebe durch eingewanderte Osteoblasten
Karpaltunnelsyndrom Kompression des N. medianus durch das Lig. retinaculum
flexorum
Klaviertastensymptom Symptom einer Klavikulafraktur
Kleinert-Gips/-Schiene Funktionsgips/-schiene nach Beugesehnennaht
Kollagensynthese Heilungsprozess von Kollagenfasern
Kompartmentsyndrom Multifaktorielle Gewebedruckerhöhung
Konsolidierungsphase Heilungsphase mit Kollagenumwandlung
Kraniozervikaler Flexionstest Test nach Hamilton zur Beurteilung der lokalen HWS-Musku-
latur

L
Lightcast Kunststoffgips
Ligne claire Beurteilung des horizontalen und vertikalen Gelenkspalts am
Sprunggelenk
Loge de Guyon Spalt zwischen Retinaculum flexorum und Kleinfingermusku-
latur

M
Malletstellung Endgliedstellung bei Strecksehnenabriss
Maisonneuve-Fraktur Tibiafraktur mit proximaler Fibulafraktur
Mobile-bearing-Prothese Kniegelenkprothese
Modularprothese Rohrskelett-Prothese
Mobilisation Maßnahme zur Verbesserung der Funktion einer Gewebe-
struktur
Mobilisierung Zurückführen eines Patienten in die Selbständigkeit
Monteggia-Fraktur Ulnaschaftfraktur und Radiusköpfchenluxation
Morbus Dupuytren Faszienfibrose einer Palmar- oder Plantaraponeurose
Mortise-view-Aufnahme Röntgenaufnahme am Sprunggelenk
Motor-Control-Stability-Training Trainingsform lokaler und globaler Muskeln
Mukoziliäre Clearance Selbstreinigung der Bronchien
Myositis ossificans Verknöcherung im Muskel durch heterotope Ossifikation

N
Neck-Disability- Index (NDI) Fragebogen zur Schmerzintensität, Sensibilität und Muskel-
funktion bei WAD
Nekrose abgestorbenes Gewebe
XVIII Glossar

Neutralstellung Ruhestellung eines oder mehrerer Gelenke, in der alle Kapsel-


1 anteile gleichmäßig entspannt sind
Non-Union Pseudarthrose
2 O
Offenes System,
3 offene Kette,
Bewegungen im Bewegungen einzelner oder mehrere Gelenke im freien Raum
Osteitis Knochen- und Weichteilinfektion (früher Osteomyelitis)
4
P
5 Parierfraktur isolierte Ulnafraktur
Pari-Pep-Gerät Atemhilfsgerät
PEP-Geräte Atemgeräte, die einen positiven Ausatemdruck/Widerstand
6 (Positive Exspiratory Pressure) erzeugen
Perfusion Durchblutung der Lungenkapillaren
7 Perfusionsdruck Druck innerhalb der Lungenkapillaren durch Blutfüllung
Phalen-Test Test zur Ermittlung eines Karpaltunnelsyndroms
Phantomgefühl, -schmerz Wahrnehmung oder Schmerzen eines amputierten Körper-
8 teiles
Piezoelektrischer Effekt Elektrische Spannungsänderung bei Formveränderung des
Kollagens
9 Pilon-tibial-Fraktur Distale Tibiafraktur mit Beteiligung der Gelenkfläche
Pilon-radial-Fraktur Gelenkfraktur des Radius analog zu Pilon-tibial-Fraktur
10 Proliferationsphase Heilungsphase der Gewebsstrukturen (5. – 21. Tag posttrau-
matisch/postoperativ), in der Fibro- und Myofibroblasten neu
aufgebaut werden
11 Propriozeption Eigenwahrnehmung des Körpers, bezogen auf das Stellungs-
oder Lageverhalten
12 Pyrogoff Vorfußamputation nach Pyrogoff
PTS Polytraumaschlüssel nach Tscherne et al.

13 Q
Quantifikation Zahlenmäßiges Erfassen von Daten
14 Quickwert Thromboseplastinzeit

R
15 RC-Cornett Atemhilfsgerät
Replikation PNF-Technik zur Schulung von Aktivitäten
Rhythmic Initiation PNF-Technik zur Bewegungseinleitung
16 Rhythmic Stabilization PNF-Technik, Rhythmische Stabilisation
Rockwood-Verletzungen Einteilung der Schultereckgelenkverletzungen
17 Rolando-Fraktur Y- oder T-Fraktur des Metakarpale I
Rotatorenmanschette Schultersehnenkappe, bestehend aus den Sehnen der Mm.
teres minor, infra- und supraspinatus, subscapularis
18
S
19 SAL-Knie (self aligning knee replacement) Knieprothese
Scarextractor Kleines Schröpfgerät zur Narbenbehandlung in der Hand-
chirurgie
20 Schanzkrawatte Weiche Schaumstoffstütze nach Halswirbelsäulenverletzungen
Schanzschraube Befestigungsschraube bei einem Fixateur externe
21 Sarmiento-Gips Unterschenkelgips mit Einschluss der Patella
XIX
Glossar

Sensomotorik Fähigkeit der Skelettmuskulatur, eine Bewegung zu steuern


Sequester Knochensplitter
Shuttle-Lock Teil einer Kniegelenkprothese
Silikon-Liner Teil einer Modularprothese
SMI-Atemtrainer Bewirkt langanhaltendes Einatmen (Sustained Maximal Inspi-
ration)
somato-viszerale Sensibilität Tiefensensibilität
Spiegeltherapie Bewegungstherapie zur Wahrnehmung von Bewegungen eines
verletzten Körperabschnittes, die die gesunde Extremität vor
dem Spiegel ausführt
Spiraldynamik nach Larsen Übungen zur Verschraubung des Fußes, Rückfuß gegen Vor-
fuß
Spongiosaplastik Auffüllen von Knochendefekten mit körpereigener Spongiosa
(meist aus dem Beckenkamm)
Stabilizing Reversals PNF Technik
»Stop and go«-Technik Technik zur Bewegungsverbesserung, bei der der Patient selbst
die Bewegungsgrenze bestimmt
Stretch kurzer Dehnreiz eines Muskels (PNF-Technik)
Sulcus-ulnaris-Syndrom N. ulnaris-Verletzung mit Sensibilitätsstörungen, D4 und D5
Syme-Amputation Exartikulation des oberen Sprunggelenks

T
Tendovaginitis auch Tenosynovitis, Sehnenscheidenentzündung
TENS Transkutane Elektrische Nervenstimulation
Timing for Emphasis PNF-Technik, Betonte Bewegungsfolge
Tinel-Test Test zur Ermittlung eines Karpaltunnelsyndroms
Tongue-type-Fraktur Frakturtyp einer Kalkaneusfraktur durch senkrechte Gewalt-
einwirkung
Tossy Einteilung der Schultereckgelenkverletzungen
Tuber-Gelenkwinkel Winkel zwischen der Subtalargelenkachse und der Tangente
des tuber calcaneus
Tubercule de Chaput Knochenfragmentabsprengung an der Tibia bei Sprunggelenk-
fraktur

U
UFN Unreamed Femoral Nail, Oberschenkelnagel

V
Vacoped Schiene zur Sprunggelenkstabilisierung
Vario-Resistance-Pressure-Gerät Atemhilfsgerät
VAS Visuelle Analogskala zur Schmerzerfassung
Vasodilatation Weitstellung der Gefäße
Vasokonstriktion Engstellung der Gefäße
Verstärkungstechnik PNF Technik mit Ausnützung von Irradiation durch kräftige
Haltespannung eines Muskels
Virchow-Trias Symptome einer Thrombose
Volkmann-Kontraktur ischämische Schädigung der Muskulatur und der peripheren
Nerven
VRP 1 Desitin-Gerät Atemhilfsgerät »Trillerpfeife«
VRP-Gerät »Flutter« Gerät, das einen veränderlichen Widerstandsdruck erzeugt,
der die Ausatemluft in Schwingungen versetzt (Vario Resis-
tance Pressure)
XX Glossar

W
1 WAD Whiplash Associated Disorder, Schleudertrauma
Winterstein-Fraktur extraartikuläre Fraktur des Metakarpale I
2 Z
Zuggurtung Osteosynthese mit Spickdrähten und Drahtschlaufe
3 Zyklopssyndrom kugelförmige Narbenbildung am Ansatz eines Kreuzband-
transplantats
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
1

Behandlungsgrundlagen,
Heilungsprozesse und physiotherapeutische
Behandlungsmöglichkeiten

1.1 Behandlungsgrundlagen – 2 1.3 Heilungsprozess des


Bindegewebes – 6
1.2 Allgemeingültige Physiologie des Bindegewebes – 6
Begriffsdefinitionen – 3 Schädigungen des Bindegewebes – 7
Stabilitätsgrade – 3
Wundheilung – 7
Muskelarbeit – 3
Knochenheilung – 9
Tonusregulierung – Innervations-/
Knorpelheilung – 10
Koordinationsschulung – 4
Gelenkkontraktur – 1.4 Physiotherapeutische
Gelenkblockierung – 4 Behandlungsmöglichkeiten – 11
Mobilisation – Mobilisierung –
Aktivierung – 4
1.5 Literatur – 12
Extension – Traktion – 4
Unterstütztes Gehen – 5
Belastungsstufen des Gehens – 5
Sensomotorik und
Propriozeption – 5
Biomechanik – 6
2 Kapitel 1 · Behandlungsgrundlagen, Heilungsprozesse und physiotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten

Die Behandlung Unfallverletzter ist ein wichtiges Aufgabenge- 5 Entstehung von Schmerz und die Möglichkeiten der
1 biet in der Physiotherapie. Physiotherapeuten stellen ihre Fach- Schmerztherapie,
kenntnisse und speziellen Techniken zur Verfügung und stim- 5 angewandte Physik, Trainings- und Bewegungslehre,
2 men in enger Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärzten 5 Elektro-, Kryo- und Wärmetherapie und deren Wirksam-
ihre Maßnahmen und Behandlungsdosierung für den Patienten keit,
ab. Dies ist umso notwendiger geworden, da die Patienten heu- 5 krankengymnastische Behandlungstechniken,
3 te unter dem Zwang der Kostenminderung schon in der frühen 5 Befunderhebung und Untersuchungstechniken,
Heilungsphase einer Verletzung nicht mehr stationär weiterbe- 5 Prävention und Rehabilitation,
handelt werden. 5 Sozialwissenschaften,
4 Das Aufgabengebiet ist heute derart umfangreich, dass eine 5 Krankheitslehre der Chirurgie/Traumatologie, Versorgung
Spezialisierung unumgänglich geworden ist. In der Ausbildung und Stabilitätsgrade der Verletzungen.
5 soll die Grundlage für eine verantwortliche und kompetente Be-
rufstätigkeit vermittelt werden. Planung einer Behandlung
Das Ziel physiotherapeutischer Behandlungen ist die Wie- Im Chirurgie-/Traumatologie-Unterricht lernen die Schüler,
6 derherstellung der bestmöglichen oder vollen Funktion aller die Zusammenhänge zwischen den allgemeinen und speziellen
Strukturen des menschlichen Körpers, um ein selbstbestimmtes Symptomen (charakteristische Symptome/Leitsymptome) ei-
7 Leben in unserer Gesellschaft und Arbeitswelt zu ermöglichen. ner Verletzung und deren Versorgung zu erkennen, Folgeschä-
Symptomorientierte Behandlungen betreffen in erster Linie den für die individuelle Lebenssituation des Patienten wahrzu-
den aktiven Bewegungsapparat und die senso- und neuromo- nehmen und alle Aspekte unter Berücksichtigung des Heilungs-
8 torische Steuerung. Wie inzwischen erforscht, können physio- prozesses in einen Therapieplan einzuordnen. In den einzelnen,
therpeutische Behandlungen einen entscheidenden Beitrag bei den spezifischen Verletzungen zugeordneten Kapiteln werden
der Regeneration verletzter Strukturen leisten. Zur Unterstüt- gesondert Leitsymptome, biomechanische Gegebenheiten, Hei-
9 zung der aktiven Bewegungstherapie werden spezifische passive lungsverlauf und ärztliche Maßnahmen beschrieben.
Maßnahmen, z.B. aus der Manuellen Therapie eingesetzt. Physi- Eine weitere Grundlage für die Planung und Durchführung
10 otherapeuten können ein sensomotorisches und propriozeptives physiotherapeutischer Maßnahmen muss die ganzheitliche und
Training durchführen, wenn z.B. durch Traumen eine sichere lokale, individuelle Befunderhebung/Evaluation sein.
und koordinierte Bewegung verloren ging. Sie verbessern damit Als Standard wird heute das Evaluationskonzept »Internati-
11 die kinästhetische Wahrnehmungsfähigkeit, Ökonomisierung onale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und
und Optimierung von Haltung und Bewegung. Gesundheit« (ICF-Modell) des DIMDI-WHO-Kooperations-
12 Physiotherapeuten haben darüber hinaus pädagogische zentrums (Stand 2005) angesehen (7 Kap. 2.1, ICF-Modell).
Aufgaben zu erfüllen. Sie müssen den Patienten motivieren, mit
seiner Verletzung positiv umzugehen und sich selbständig an Wichtig
13 der Wiederherstellung der Bewegungsfähigkeit zu beteiligen.
In der Checkliste des ICF-Modells werden mentale, sen-
sorische, medizinische und funktionelle Symptome sowie
14 Verhaltensprobleme und Beeinträchtigungen der individu-
1.1 Behandlungsgrundlagen
ellen Lebenssituation ermittelt und gewertet. Physiothera-
15 Grundlegende Kenntnisse peuten sollten diese Befunddokumentationen kennen und in
der Praxis zur Evaluation ihrer Behandlungen, aber auch für
Die Anforderungen an physiotherapeutische Behandlungen
wissenschaftliches Arbeiten nutzen.
in der Traumatologie erfordern grundlegende Kenntnisse und
16 Fähigkeiten der Schüler und der praktizierenden Physiothera-
peuten. Dabei müssen die ärztlichen Ent- und Belastungsvorgaben
17 Folgende fachliche Kenntnisse bzw. Fertigkeiten sollten zur und der jeweilige physiologische Heilungsverlauf der einzel-
Verfügung stehen: nen Strukturen Beachtung finden. Gerade in den letzten Jah-
5 angewandte Anatomie, Bau und Funktion des mensch- ren wurden wichtige Veröffentlichungen im Fachbereich »An-
18 lichen Körpers, gewandte Physiologie« (van den Berg 2001, 2003) auf den Markt
5 Physiologie, Funktion des Herz-Kreislauf-Systems, der At- gebracht, die wissenschaftlich belegen, in welchen Phasen ein
19 mung und der senso- neuro-motorischen Steuerung des Heilungsprozess abläuft. Diese Erkenntnisse können nun von
Bewegungsapparates, Physiotherapeuten bei ihren therapeutischen Tätigkeiten um-
5 angewandte Physiologie, insbesondere Normverhalten und gesetzt werden.
20 Heilungsabläufe verletzter Strukturen und deren Konse- Alle Lerninhalte sind Bestandteil der physiotherapeutischen
quenzen für die Physiotherapie, Ausbildung (s. auch Lehrplan für Berufsfachschulen der Physio-
21 therapie in den verschiedenen Bundesländern, z.B. Bayern).
1.2 Allgemeingültige Begriffsdefinitionen
3 1

Diese Lerninhalte in die klinische Arbeit in der Trauma- Stabilitätsgrade


tologie zu transferieren, ist eine wichtige Aufgabe für Schü-
ler. Dieses Buch kann diesen Transfer weder umfassend leisten Lagerungsstabilität
noch Wege des methodischen Vorgehens aufzeigen. Ich hoffe Als »lagerungsstabil« bezeichnet man die geringste Stufe eines
jedoch, dass Schüler und praktizierende Physiotherapeuten Hil- chirurgischen/orthopädischen Behandlungsergebnisses. Es
festellungen und Impulse erfahren für die Evaluation ihrer Pati- bedeutet, dass eine physiotherapeutische Behandlung weder
enten und die Planung und Durchführung ihrer Behandlungen. passiv noch assistiv oder aktiv an dem betroffenen Körperab-
Dabei sind ärztliche Versorgungen, erreichter Stabilitätsgrad, schnitt durchgeführt werden darf. In der Regel erfordern die
Heilungsverlauf und Gesamtsituation der Verletzten zu berück- Verletzungen eine äußere Ruhigstellung oder eine ruhigstel-
sichtigen. lende Lagerung. Techniken zur Verbesserung der Atmung, des
venösen und lymphatischen Rückstroms, der Durchblutung
Integration neuer Entwicklungen und der Schmerzreduktion sind proximal der Verletzung ein-
Grundlagenforschungen für die Rehabilitation von Verlet- zusetzen.
zungen führten auch Neurophysiologen und Orthopäden
durch; sie beschrieben die Bedeutung der Sensomotorik und Pro- Bewegungsstabilität
priozeption (Jerosch, Heisel 2004). Als »bewegungsstabil« bezeichnet man die Festigkeit ei-
Die sehr schnell fortschreitende Weiterentwicklung opera- ner Struktur für die Bewegung eines Gelenks oder Körperab-
tiver Techniken der Traumatologen und die Verwendung mo- schnittes in seinen physiologischen, aktuell möglichen oder
derner Materialien für Osteosyntheseverfahren verändern die therapeutisch begrenzten Bewegungsausmaßen. Die Bewegung
Be- und Entlastungszeiten nach Verletzungen. Zusätzlich zwin- kann passiv, assistiv oder aktiv gegen das Eigengewicht ausge-
gen finanzielle Engpässe im Gesundheitswesen die Patienten führt werden. Sie bedeutet eine geringe Anforderung an die Be-
sehr viel schneller in die Selbständigkeit. wegungsfestigkeit der betroffenen Struktur, fördert jedoch die
Durchblutung und unterstützt den Heilungsprozess.

1.2 Allgemeingültige Belastungsstabilität


Begriffsdefinitionen Als »belastungsstabil« bezeichnet man die physiologische Be-
lastbarkeit eines Körperabschnittes. Bewegungen und Übungen
Zur Verständigung mit Ärzten und anderen Vertretern medi- können abgestuft gegen Widerstand durchgeführt werden. In
zinischer Fachberufe bedarf es einer einheitlichen Sprache. Die der Rehabilitation bedeutet Belastungsstabilität die höchstmög-
Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) hat in ihrer liche medizinische Therapiestufe.
Sektion Physikalische Medizin (2004) rehabilitationsrelevante
Begriffe definiert, die für alle medizinischen Fachbereiche gel- Trainingsstabilität
ten. In der Physiotherapie wichtige Begriffe sind in . Über- Als »trainingsstabil« bezeichnet man die maximale Belastbarkeit
sicht 1.1 aufgelistet und nachfolgend beschrieben. einer Körperregion durch aktive Bewegungsabläufe gegen die
Schwerkraft und gegen Widerstand mit einer erhöhten Anzahl
von Übungswiederholungen. Symptome der Instabilität wie
. Übersicht 1.1. Begriffsdefinitionen Schmerz, Kraftmangel, Bewegungseinschränkungen der ver-
5 Stabilitätsgrade, letzten Strukturen dürfen nicht auftreten.
5 Muskelarbeit,
5 Tonusregulierung, Innervations-/Koordinationsschu-
lung, Muskelarbeit
5 Bewegungseinschränkungen,
5 physiotherapeutische Behandlungsformen, Statische Muskelarbeit
5 Gehformen, Mit statischer Muskelarbeit bezeichnet man die Haltearbeit
5 Belastungsstufen beim Gehen, eines Muskels gegen die Schwerkraft, bei aufliegender Kör-
5 Propriozeption und Sensomotorik, perregion gegen Handkontakt oder Widerstand. Isometrische
5 Biomechnanik. Muskelarbeit bedeutet inhaltlich das Gleiche, bezieht sich aber
auf die gleichbleibende Muskellänge.

Dynamische Muskelarbeit
Als dynamische Muskelarbeit bezeichnet man die Muskelarbeit,
die unter Veränderung der Muskellänge und Muskelspannung er-
folgt. Es gibt zwei Formen der dynamischen Muskelarbeit:
4 Kapitel 1 · Behandlungsgrundlagen, Heilungsprozesse und physiotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten

5 konzentrische Muskelarbeit und Gelenkkontraktur – Gelenkblockierung


1 5 exzentrische Muskelarbeit.
Gelenkkontraktur
2 Bei der konzentrischen Muskelarbeit nähern sich Ursprung und
Ansatz an, bei exzentrischer Muskelarbeit entfernen sich Ur-
Unter Kontraktur versteht man eine persistierende mechanische
Funktionseinschränkung von Gelenk- und/oder Weichteilstruk-
sprung und Ansatz unter Spannung. Als Punktum fixum kön- turen mit morphologischem Korrelat. Sie kann als »funktionell«
3 nen Ursprung und Ansatz auch vertauscht werden. bezeichnet werden, wenn sie durch Schonhaltung, Immobilisa-
tion oder reflektorische Muskelverkürzung entstanden ist. Sie
Isokinetische Muskelarbeit wird als »strukturell« bezeichnet, wenn sie durch eine Gelen-
4 Unter isokinetischer Muskelarbeit versteht man eine maschinell kinkongruenz, Muskel- und Bindegewebsschrumpfung, Parese
gesteuerte Bewegung mit sich veränderndem Widerstand bei oder Narbenbildung entstanden ist.
5 gleichbleibender Bewegungsgeschwindigkeit. Die Bewegungs-
grenzen werden vorgegeben. Gelenkblockierung
Unter einer Blockierung versteht man eine mechanische Funk-
6 tionseinschränkung eines Gelenks, die in allen Gelenkpositi-
Tonusregulierung – Innervations-/ onen des physiologischen Bewegungsausmaßes ohne morpho-
7 Koordinationsschulung logisches Korrelat des umgebenden Gewebes besteht.
Beide Kontrakturformen sind therapiezugänglich.
Tonusregulierung
8 Unter Tonusregulierung versteht man die Beeinflussung des in-
dividuellen Erregungs- und Spannungszustandes der Musku- Mobilisation – Mobilisierung – Aktivierung
latur durch physiotherapeutische, physikalische, psychothera-
9 peutische und medikamentöse Maßnahmen. Mobilisation
Unter Mobilisation verstehen Ärzte und Physiotherapeuten
10 Innervations-/Kontraktions-/ operative, apparative oder manuelle therapeutische Maßnah-
Koordinationsschulung men zur Verbesserung der Funktion von Gewebestrukturen
Unter »Innervationsschulung« verstehen die Autoren der DGU und/oder Körperabschnitten.
11 die Wiederherstellung und Verbesserung der motorischen und
sensiblen Innervation. Mobilisierung
12 In der einschlägigen Literatur gibt es den Begriff »Innerva- Unter Mobilisierung verstehen Physiotherapeuten und Pflege-
tionsschulung« nicht. Innervation ist eine Leistung des zentra- kräfte Maßnahmen, die den Patienten in die Selbständigkeit sei-
len und peripheren Nervensystems und bedeutet »nervale Ver- nes Alltags zurückführen sollen.
13 sorgung von Körpergeweben und Organen«. Diese kann man
nicht schulen. Aktivierung
14 Physiotherapeuten verstehen unter »Kontraktionsschulung« Unter Aktivierung verstehen Ergotherapeuten, Physiothera-
die Verbesserung der Kontraktionsfähigkeit. Eine Kontrakti- peuten und Pflegekräfte Maßnahmen, die die Wiedererlangung
onsschulung der Muskulatur ist abhängig von einem intakten oder Verbesserung der Aktivitäten des täglichen Lebens eines
15 oder sich regenerierenden zentralen oder peripheren Nerven- Patienten erreichen sollen.
system. Die Kontraktionsfähigkeit kann durch störende Einflüs-
se wie Schmerz, Gewebeverletzung oder -entzündung vermin-
16 dert sein. Extension – Traktion
Unter »Koordinationsschulung« versteht man das Einüben
17 eines geordneten Zusammenspiels von Muskeln oder Muskel- Traktion
gruppen, um eine zielgerichtete Bewegung auszuführen. Diese Unter Traktion versteht man eine passive Maßnahme an einem
muss in Muskelkraft und Kontraktionsgeschwindigkeit der An- oder mehreren Gelenken einer Extremität durch manuellen
18 forderung angepasst werden. oder apparativen Zug. Dabei werden die Gelenkpartner ohne
Winkelveränderung voneinander entfernt. Traktion bedeutet
19 Wichtig in der Traumatologie auch den Längszug einer Extremität oder
eines Körperabschnittes zur Wiederherstellung einer physiolo-
Tonusregulierung, Kontraktions- und Koordinationsschulung
gischen Extremitätenlänge oder eine Ruhigstellung von Verlet-
20 (propriozeptives, sensomotorisches Training) sind primäre
zungen (z.B. apparative Traktion bei zentraler Hüftgelenkluxa-
Behandlungsschritte für ein nachfolgendes Krafttraining.
tion).
21
1.2 Allgemeingültige Begriffsdefinitionen
5 1

Extension Minimal belastendes Gehen


Unter Extension versteht man eine aktive oder passive Gelenk- Unter einer Minimalbelastung versteht man eine geringe Bela-
bewegung um eine transversale Achse, wobei sich die Gelenk- stung des betroffenen Beins im physiologischen Bewegungsab-
partner voneinander entfernen. lauf des Gehens im Drei-Punkte-Gang. Beim Sitzen und Stehen
darf das Bein mit seinem Eigengewicht abgestellt werden.
Das minimal belastende Gehen kann mit allen Hilfsmitteln
Unterstütztes Gehen durchgeführt werden, es ersetzt die früher benutzten Begriffe
»Gehen mit Boden- oder Sohlenkontakt« und »Gehen mit 5–
Drei-Punkte-Gang 10 kg Belastung«.
Unter Drei-Punkte-Gang versteht man das Gehen mit zwei Un-
terarmstützen oder anderen Hilfsmitteln, wenn beide Stüt- Teilbelastendes Gehen
zen die Belastung eines verletzten Beins reduzieren. Sie beglei- Unter teilbelastendem Gehen versteht man Gehen mit einer
ten das zu entlastende Bein und übernehmen Gewicht in der vom Arzt in Kilogramm oder Prozentzahl/Körpergewicht vor-
Standphase, so dass immer drei Punkte den Boden berühren. gegebenen Belastung. Sie wird auf Waagen eingeübt. Gehhilfen
Die ärztliche Vorgabe der Belastung sollte dabei beachtet wer- sind dazu nötig.
den. Der Drei-Punkte-Gang ermöglicht ein entlastendes, mini-
mal- oder teilbelastendes Gehen. Vollbelastendes Gehen
Unter vollbelastendem Gehen verstehen Physiotherapeuten das
Zwei-Punkte-Gang Gehen ohne Gehhilfen. Das betroffene Bein muss das Körper-
Unter Zwei-Punkte-Gang versteht man das gleichzeitige Aufset- gewicht in jeder Schrittphase tragen. Es werden keine Hilfsmit-
zen einer Stütze mit dem kontralateralen Bein, gefolgt von Stüt- tel mehr benötigt. Ärzte verstehen darunter die erreichte Trag-
ze und Bein der jeweiligen Gegenseite. Diese Gangart kann ein fähigkeit einer verletzten Struktur (durch Fraktur, Bandläsion
Bein oder beide Beine teilweise entlasten. etc.) bezogen auf den Heilungsprozess, auch wenn die funkti-
Kritisch bewertet wird das Gehen mit einer Unterarmstüt- onelle Vollbelastung noch nicht erreicht ist, z.B. wegen einer
ze, wenn eine Entlastung indiziert ist. Ältere Menschen benut- Muskelschwäche, Schmerzen, Kontrakturen oder fehlender
zen bei Unsicherheit einen oder zwei Gehstöcke (7 Kap. 14, Ausdauer. Physiotherapeuten erarbeiten dann unter Benutzung
Gehschulung). weiterer Hilfsmittel die funktionelle Stabilität des betroffenen
Beins und seines schmerzfreien Einsatzes bei voller Belastung.
Durchschwunggang, Zuschwunggang Van den Berg (2001, 2003) bestätigt durch seine Grundlagenfor-
Unter einem Durchschwunggang versteht man das gleichzei- schung meine Meinung, dass jede Belastungssteigerung nur im
tige Durchschwingen beider Beine vor die Stützen, unter einem schmerzfreien Bereich vorgenommen werden sollte, damit eine
Zuschwunggang das gleichzeitige Schwingen beider Beine zwi- optimale Regeneration erreicht werden kann.
schen die Stützen. Die Körperlast wird dabei auf die Arme über-
tragen.
Sensomotorik und Propriozeption
Wichtig
Die Fähigkeit der Skelettmuskulatur, Kraft, Ausdauer, Ge-
Die Sonderformen Durchschwunggang und Zuschwunggang
schwindigkeit, Richtung und Bewegungsausmaß fein abgestuft
werden bei Patienten mit einer Querschnittslähmung ange-
zu steuern, wird als Sensomotorik bezeichnet (Jerosch, Heisel
wandt.
2004). Diese ist abhängig von:
5 anatomischen Gelenkstellungen,
5 intakten Gelenk- und umgebenden Gewebestrukturen und
5 einer funktionsfähigen Muskulatur.
Belastungsstufen des Gehens
Propriozeption ist die Fähigkeit der Eigenwahrnehmung des
Entlastendes Gehen Körpers, seines Stellungs- oder Lageverhaltens, seiner Kraftent-
Unter entlastendem Gehen versteht man eine völlige Entlastung wicklung und Bewegung. Sie wird auch als kinästetische Sen-
des betroffenen Beins; es berührt den Boden nicht. Entlastendes sibilität oder Tiefensensibiltät bezeichnet. Genauer beschrieben
Gehen wird heute seltener verordnet. Es kann im Gehbarren, wird sie mit somato-viszeraler Sensibilität, denn diese Bezeich-
Gehwagen, Rollator und mit Unterarmstützen (z.B. bei Versor- nung beinhaltet die Empfindungen der Haut, den Tastsinn, das
gung mit einem Liegegips) eingeübt werden. Temperaturempfinden und die Nozizeption.
6 Kapitel 1 · Behandlungsgrundlagen, Heilungsprozesse und physiotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten

Diese Fähigkeiten erlauben der Muskulatur, koordinierte Be- Sie stehen entweder im Gleichgewicht (stabile Situation) oder
1 wegungen durchzuführen, z.B.: im Ungleichgewicht, wobei Bewegung mit entsprechender Be-
5 schnell auf unterschiedliche Reize zu reagieren, schleunigung entsteht.
2 5 räumliche, zeitliche dynamische Anforderungen zu diffe-
renzieren, Gelenkstabilität
5 sich wechselnden Situationen anzupassen (Gleichgewicht), Unter Gelenkstabilität in der Bewegungsebene versteht man die
3 5 Bewegungen ausdauernd auszuführen, Fähigkeit eines Gelenks, während des gesamten Bewegungs-
5 Bewegungen unter Zeitdruck präzise und schnell auszu- weges eine adäquate funktionelle Position einzunehmen (Bur-
führen (Reaktion). stein 1997).
4 Unter Gelenkstabilität in der Transversalebene versteht man
Alle afferenten Wahrnehmungen aus Hautsensoren, Muskelspin- die Fähigkeit, laterale Bewegungen, Translations- und Rotati-
5 deln, Sehnen- und Gelenkrezeptoren werden vom ZNS aufge- onsbewegungen so zu kontrollieren, dass der zentrale Knorpel-
nommen und für Körperstellungen und -bewegungen verwertet. bereich bei der Ausführung einer physiologischen Bewegung
Die durch Traumen gestörte Sensomotorik und Proprio- mit adäquater Kompression belastet wird.
6 zeption kann durch ein gezieltes Training verbessert werden.
Ziel ist die Wiederherstellung der Ökonomisierung und Opti- Hebelgesetze
7 mierung der Abstimmung zwischen Bewegung und Haltung. Bedeutung für die physiotherapeutische Bewegungstherapie
Dies geschieht durch Schulung haben auch die Hebelgesetze und ihre Auswirkung auf die Be-
5 des Gleichgewichts, lastung der Körperteile. Eine positive Kraftübertragung ent-
8 5 der statischen und dynamischen Stabilisierung von Mus- steht, wenn der Kraftarm länger ist als der Lastarm; eine ne-
kelketten für einen ökonomischen Bewegungsablauf, gative Kraftübertragung entsteht bei kleinerem Kraftarm. Eine
5 der Stabilität der Gelenke, kleinere Kraft kann also bei entsprechend längerer Entfernung
9 5 der räumlichen und zeitlichen Wahrnehmung und vom Drehpunkt eine größere Last bewegen. Eine größere Kraf-
5 des Reaktionsvermögens. tentwickung, die am kürzeren Hebel ansetzt, beschleunigt die
10 Bewegung einer kleineren Kraft über eine größere Distanz.
In den einzelnen, den speziellen Verletzungen zugeordneten
Kapiteln wird spezifisch auf die Behandlungsmöglichkeiten für > Beispiel
11 ein sensomotorisches Training eingegangen. Das Heben eines schweren Gegenstandes, der nahe am Körper
hochgehoben wird, benötigt weniger Kraftaufwand als das He-
12 ben aus einer vom Körper entfernten Stellung.
Biomechanik
Eine größere Kraftleistung wird erforderlich bei Bewegungen
13 Biomechanische Grundlagenforschungen wurden schon vor ei- im offenen System, wobei die konzentrische oder exzentrische
nigen Jahren in die Lehrpläne der Physiotherapieschulen auf- Muskelarbeit mehr intramuskuläre Bindegewebsanteile bean-
14 genommen. Durch die Autoren der Manuellen Therapie wur- sprucht. Dies hat Bedeutung für die Anwendung von Bewe-
de die Arthrokinematik der Gelenke als Rotations-, Roll- und gungen im offenen System während der Proliferationsphase des
Gleitbewegung definiert. Dabei kann sich ein Gelenkpartner verletzten Bindegewebes.
15 gegen den anderen oder beide gleichzeitig bewegen. Die Bewe- Im geschlossenen System, wenn Fuß oder Hand das Punk-
gung der Gelenkpartner kann linear voneinander entfernend tum fixum bilden, sichert die Muskulatur die Gelenkstellung
(Traktion) oder translatorisch parallel geschehen (Joint play). (aktive Stabilität). Alle Synergisten und Antagonisten arbeiten
16 gleichzeitig; sie sichern und führen die Bewegung und stabili-
Ruhestellung – Verriegelte Stellung sieren die Gelenke. Das passive System beschränkt sich auf sei-
17 Als Ruhe- oder Neutralstellung eines Gelenks bezeichnet man ne kontrollierende Steuerfunktion der muskulären Koordinati-
die Situation, in der alle Kapselanteile gleichmäßig entspannt on (s. auch Übungsbeispiele in den nachfolgenden Kapiteln zu
sind, als verriegelte Stellung die Position kongruenter Gelenk- den speziellen Verletzungen).
18 flächen, in der alle Kapselanteile straff sind. Alle dazwischenlie-
genden Stellungen sind Spielstellungen.
19 Schonhaltungen zur Vermeidung einer Schmerzauslösung 1.3 Heilungsprozess des Bindegewebes
werden als aktuelle Ruhestellung bezeichnet.
Kräfte, die an den Gelenken wirken, sind: Physiologie des Bindegewebes
20 5 die Schwerkraft,
5 die Muskelkraft und Die physiologische Durchblutung und Innervation von Bin-
21 5 der elastische Spannungsgrad des Bindegewebes. degewebe ist bis auf manche knöchernen Ansatzstellen i.A.
1.3 Heilungsprozess des Bindegewebes
7 1

gut. Über die im Gewebe liegenden Gefäße und die interstiti- Wichtig
elle Flüssigkeit erhalten die Zellen ausreichend Sauerstoff und
Nährstoffe. Dies geschieht durch Diffusion und Osmose. Der Ein Bewegungs- und Belastungsreiz erhält und fördert die
Rücktransport von Wasser und Molekülen erfolgt über Diffu- Funktion des Bindegewebes, während Immobilisation und
sion über die interstitielle Flüssigkeit in das Venen-Lymph-Sys- vollständige Entlastung zu einer degenerativen Schädigung
tem. führen.
Seine physiologische Funktion erhält das Bindegewebe über
normale Bewegungsreize, also über Be- und Entlastung (Zug/
Dehnung und Annäherung). Die Durchblutung wird dabei Intensives Mobilisieren einer physiologischen Hypomobilität in
ebenso gefördert wie die Ausrichtung und Organisation der kol- den ersten postoperativen Wochen stört den physiologischen
lagenen Fibrillen und Mikrofibrillen. Die Formveränderungen Heilungsablauf, da Bewegungseinschränkungen in den ersten 4
des Kollagens führen zu einer elektrischen Spannungsänderung Wochen durch sog. wasserlösliche »Crosslinks« (bindegewebige
im Kollagen und im umgebenden Gewebe (piezoelektrischer Brücken) verursacht werden. Erst ab der 6. Woche verändern
Effekt) und geben diesem eine große Zugfestigkeit. sich bei Immobilität die Crosslinks der kollagenen Netzstruktur
Die Kollagensynthese findet eigentlich in allen Gewebe- und führen im weiteren Verlauf zu hartnäckigen Kontrakturen.
strukturen (Knochen, Sehnen, Muskeln, Bändern, Bandschei- Diese veränderten Crosslinks sind nicht wasserlöslich und wer-
ben, Knorpel) statt. Daher kann man davon ausgehen, dass der den als pathologische Crosslinks bezeichnet.
Heilungsprozess für alle verletzten Strukturen ähnlich abläuft. Weit verbreitet ist noch heute die begleitende Kryotherapie
Für den Erhalt der Bindegewebsfunktion in Sehnen und in der Entzündungsphase, oft auch noch darüber hinaus. Auch
Muskeln ist die Muskelkontraktion und -dehnung essenziell Physiotherapeuten haben diesbezüglich sicher Fehler gemacht,
wichtig. Gleiches gilt für Kapseln und Bänder; auch sie müssen auch wenn Eis nur über dem überwärmten Hautgebiet ange-
durch Gelenkbewegungen in vollem Bewegungsumfang diesen wendet wurde und die Patienten angeleitet wurden, die Eiskom-
Be- und Entlastungsreizen ausgesetzt werden. Knorpelstruk- presse unbedingt vor einem auftretenden Kälteschmerz wegzu-
turen (z.B. Bandscheiben, Disken und Menisken) und Kno- nehmen.
chen benötigen für ihre volle Funktion den wechselnden Druck Die kritische Betrachtung der Eisanwendung ist ein Ver-
(Kompression) durch die Schwerkrafteinwirkung und Muskel- dienst von van den Berg (2001, 2003) und muss als Langzeit-
spannung. Die Festigkeit des Knochens entsteht durch Einlage- anwendung aus den Behandlungsplänen verschwinden. In der
rungen von Mineralien (Kalzium) in das Kollagen. beginnenden vaskulären Phase des Heilungsprozesses kann ei-
Diese Erkenntnisse (van den Berg 2001, 2003) spielen für ne kontrollierte milde Eisanwendung sinnvoll sein, später wirkt
die ärztliche Versorgung von Verletzungen, aber auch für die sie einem geordneten Heilungsverlauf eher entgegen und sollte
physiotherapeutische Behandlung eine wichtige Rolle. Osteo- deshalb nicht mehr angewandt werden.
syntheseverfahren ermöglichen eine angepasste Be- und Entla-
stung des heilenden Gewebes, und die Bewegungstherapie för- Wichtig
dert die Durchblutung, den Stoffwechsel und liefert den not-
Van den Berg (2001, 2003) gibt eine Anwendung mit 5–15° C
wendigen Bewegungsreiz für die Funktion der einzelnen Ge-
kaltem Eis für die ersten 10–20 min nach einer Kapsel-Band-
webestrukturen.
Verletzung an, um eine übermäßige Blutung zu stoppen.

Schädigungen des Bindegewebes Später angewandt, schadet eine damit verbundene Vasokon-
striktion dem Heilungsprozess. Übertragen auf die postopera-
Schädigungen können durch zu starke und zu schnelle, ab- tive Phase nach einer Verletzung heißt dies, dass Eis auch nur
rupte Belastung entstehen, wenn das Bindegewebe sich der Ver- in den ersten 20 min sinnvoll angewendet werden soll. Die Ent-
formung nicht langsam anpassen kann (Sehnen-, Kapsel- oder zündungsphase bis zum 5. posttraumatischen/postoperativen
Muskelriss). Eine äußere Krafteinwirkung bei Mobilisationen Tag soll physiologisch ablaufen und den Beginn des Heilungs-
und Dehnungen kann Auslöser für eine Verletzung sein, ebenso prozesses einleiten.
wie eine abrupte Manipulation, wenn sich das Gewebe der Be-
lastung nicht anpassen kann (z.B. bei chiropraktischen Manö-
vern). Eine typische Verletzung ist der Achillessehnenriss infol- Wundheilung
ge eines reflektorischen, abrupten Geschehens beim Tennisspie-
len oder Abrutschen an der Bürgersteigkante. Wie bereits angedeutet verläuft die Wundheilung für alle
menschlichen Gewebe ähnlich ab. Die einzelnen Stadien der
Wundheilung zu kennen, ist heute besonders wichtig, weil früh-
zeitige Rehabilitationsmaßnahmen Therapeuten und Patienten
8 Kapitel 1 · Behandlungsgrundlagen, Heilungsprozesse und physiotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten

häufig dazu verleiten, zu früh zu belasten und zu mobilisieren 2. Proliferationsphase (5. – 21. Tag)
1 oder zu starke Bewegungsreize zu setzen. Ein subtiles Anpassen In der Proliferationsphase soll die Entzündung abgeschlossen
der Maßnahmen an den Heilungsprozess vermeidet Spätfolgen sein. Monozyten, Leukozyten, Lymphozyten und Makrophagen
2 und Rückschritte im Behandlungserfolg.
Van den Berg (2001, 2003) hat durch seine Forschungen
werden langsam abgebaut; das Gewebe wird durch Fibroblasten
und Myofibroblasten neu aufgebaut. Durch die Myofibroblas-
deutlich gemacht, dass ein Gewebe nicht unbedingt durch ein ten wird eine gegen große Belastung schützende Wundkontrak-
3 Ersatzgewebe ausheilen muss, sondern weitgehend seine ur- tion eingeleitet. Auch in dieser Phase ist das Gewebe nicht sehr
sprüngliche Struktur wiedererlangen kann, wenn es physiolo- belastbar und darf nur im Matrixbelastungsbereich bewegt und
gischen, schmerzfreien Bewegungsreizen und Belastungen aus- minimal belastet werden.
4 gesetzt wird. Bestehen schmerzhafte Bewegungseinschränkungen und
Meine therapeutischen Erfahrungen, besonders in frühen Entzündungszeichen, befindet sich das Verletzungsgebiet noch
5 Behandlungszeiten nach operativen Versorgungen immer im immer in einem akuten Reizzustand. Die Schmerzgrenze muss
schmerzfreien Bereich zu behandeln, werden dadurch bestä- unbedingt eingehalten werden.
tigt. Passiv/assistive hubfreie Bewegungen innerhalb der
6 Viele Diskussionen mit Traumatologen und Kollegen be- schmerzfreien Bewegungsgrenze sind Maßnahmen, die den
züglich der Dosierung von Krafteinsatz und Belastung wären Heilungsverlauf in dieser Phase unterstützen.
7 Physiotherapeuten und manchen Patienten erspart geblieben, Überdosierungen, aber auch eine vollständige Immobilisati-
wenn Physiologen schon früher darauf hingewiesen hätten. on fördern die Kontraktur- und Narbenbildung und schädigen
erneut das Gewebe.
8 Wundheilungsphasen Der Körper schützt sich vor weiterer Schädigung durch das
Die Wundheilung der Gewebe (außer Knorpel) läuft in 4 Phasen Freisetzen von Schmerzmediatoren, die ein Warnsignal vor zu
ab, die in . Übersicht 1.2 zeitlich zugeordnet sind. starker Belastung aussenden, indem sie die Reizschwelle der Re-
9 zeptoren senken. Van den Berg (2001, 2003) weist auch in die-
sem Zusammenhang auf die kontraproduktive Langzeit-Eisan-
10 . Übersicht 1.2. Wundheilungsphasen wendung hin. Diese Anwendung hemmt die Aktivität der Re-
1. Entzündungs- oder Reizungsphase, 0 – 5. Tag zeptoren und überspielt das Warnsignal. Der sog. Kälteschmerz
unterteilt in bei einer Langzeit-Eisanwendung bedeutet evt. sogar eine Schä-
11 – vaskuläre Phase 0 – 2. Tag digung der peripheren Nerven durch eine Vasokonstriktion der
– zelluläre Phase 2. – 5. Tag Gefäße in den Nerven.
12 2. Proliferationsphase 5. – 21. Tag Kritisch diskutiert werden sollte, dass der Verletzte in
3. Konsolidierungsphase 21. – 60. Tag der Proliferationsphase meist nicht mehr in stationärer kli-
4. Organisations- oder Umbauphase 60. – 360. Tag nischer Betreuung ist, sondern in eine ambulante oder stati-
13 onäre Rehabilitationseinrichtung verlegt wurde. Das bedeu-
tet, dass bis zum 21. Tag nach der Versorgung einer Verlet-
14 zung intensive Physiotherapie noch nicht angezeigt ist. The-
1. Entzündungsphase (0 – 5. Tag) rapeuten in Rehabilitationseinrichtungen, die häufig kei-
Die Entzündungsphase geht mit allen Parametern einer Entzün- ne Physiotherapeuten sind, verstehen unter Rehabilitati-
15 dung einher und kann als Reparatur des Gefäßsystems bezeich- on Selbständigkeitsschulung und Training. Die Behandlung
net werden. Schon in dieser Phase wird mit der Kollagensyn- spielt sich in Gruppenarbeit, im Bewegungsbad und an iso-
these durch die Bildung der Vorstufe (Kollagen Typ III) des spä- kinetischen Geräten ab. Eine Überforderung ist vorprogram-
16 ter voll funktionsfähigen Kollagens Typ I begonnen, damit die miert, so dass bei Wiedervorstellung der Patienten oft ein
Wunde schnell bindegewebig geschlossen wird. Das Gewebe ist Rückschritt und eine erneute, manchmal irreversible Schä-
17 sehr fragil und in keiner Weise mechanisch belastbar. digung feststellbar sind.
Schmerzangaben müssen als Warnsignal unbedingt Beach-
tung finden und respektiert werden. 3. Konsolidierungsphase (21. – 60. Tag)
18 In dieser Phase soll der Verletzungsbereich entlastet und ru- Als Konsolidierungsphase bezeichnet van den Berg (2001, 2003)
higgestellt werden. die Phase, in der sich das Gewebe durch Vermehrung der Fi-
19 broblasten und einer Umwandlung der Kollagene von Typ III in
Wichtig Typ I langsam stabilisiert. Die Belastbarkeit nimmt deutlich zu,
auch weil sich die Elastizität durch eine vermehrte Produktion
20 Auf einen ungestörten Wundheilungsverlauf ist unbedingt
der Grundsubstanz verbessert.
Rücksicht zu nehmen. Deshalb dürfen sterile Verbände erst
Dieser Zeitraum lässt eine kontinuierliche, stufenweise Be-
nach ärztlichen Angaben abgenommen werden.
21 lastungssteigerung zu, die sich an der Funktionsverbesserung
1.3 Heilungsprozess des Bindegewebes
9 1

orientiert. Am Ende des Zeitraumes wird oft eine volle Bela- Wichtig
stung erlaubt.
In dieser Phase, in der eine medizinische Rehabilitation mit Immobilisation und kalziumarme Ernährung führen zu
angepasster Muskelarbeit, schonender Mobilisation der Gelenke Demineralisierung des Knochens und Inaktivitätsatrophie.
und steigender Anforderung in der Gehschulung erfolgen sollte,
werden Patienten nach 3-wöchiger Rehabilitationszeit, i.d.R.
nach dem 28. Tag nach Hause entlassen. Vor allem ältere Men- Für eine möglichst physiologische Knochenbruchheilung gibt
schen, aber auch Familienmütter haben kaum eine Möglichkeit, es in der Literatur ähnliche Angaben wie für die Bindegewebs-
eine ambulante Rehabilitationseinrichtung aufzusuchen. Oft heilung.
erhalten sie gar keine Verordnung für weitere Behandlungen. Grundsätzlich läuft die Knochenheilung, vergleichbar mit
Mit einer adäquaten Belastung und Bewegungstherapie hinge- der Heilung des Bindegewebes (. Übersicht 1.2), auch in 3–4
gen könnte sich das verletzte Gewebe regenerieren und sich zu Stadien ab.
einem nahezu normalen Gewebe entwickeln.
1. Entzündungsphase (3–4 Tage)
4. Organisations- oder Umbauphase (60. – 360. Tag) Die Knochenheilung beginnt mit der Entzündungsphase, die
Zwischen der Konsolidierungs- und der Organisationsphase allerdings kürzer ist als der Heilungsverlauf der bindegewebigen
besteht ein fließender Übergang. Bis zum 120. Tag ist die Kolla- Strukturen.
gensynthese hoch, dann reduziert sie sich, so dass ab dem 150. Schmerz- und Entzündungsmediatoren werden freigesetzt.
Tag fast alle Kollagene Typ III durch stabiles Kollagen Typ I er- Makrophagen, Leukozyten, Mastzellen und Osteoklasten wan-
setzt sind. Für den Umbau sind Fibroblasten zuständig. dern in das zerstörte Gewebe ein. Letztere sorgen für die Re-
Durch Immobilisation bzw. Überbelastung kann dieser Hei- sorption des zerstörten Gewebes und der nekrotischen Kno-
lungsprozess jedoch nicht normal ablaufen, und es kommt evt. chenteile. Es entsteht ein ausgeprägtes Hämatom. Dieser Pro-
zu bleibenden Kontrakturen und Bewegungseinschränkungen. zess dauert nur 3–4 Tage.
Angepasstes Bewegen und Belasten sind wichtige Behand-
lungskriterien in den Heilungsphasen 2, 3, und 4 und trägt dazu 2. Proliferationsphase (ca. 3 Wochen)
bei, dass sich wieder ein belastbares Gewebe aufbauen kann. Langsam wandern Mesenchymzellen in das Verletzungsgebiet
ein, die sich zu Myofibrozyten, Chondroblasten und Osteoblas-
Wichtig ten entwickeln, und es entsteht eine Wundkontraktion (Granu-
lationsgewebe). Die Revaskularisierung erfolgt aus dem umge-
5 Nach 6–10 Wochen soll das verletzte Bindegewebe 60%
benden Gewebe.
seiner ursprünglichen Zugkraft wiedererlangt haben.
In dieser Phase werden v.a. Kollagenfasern Typ I, aber auch
5 Zwischen 2–6 Monaten kann das Bindegewebe sei-
Typ II und III synthetisiert. Sie bilden ein knorpelähnliches Ge-
ne funktionelle Anpassung erreicht haben. Bei entspre-
webe, weichen Kallus, womit die Fraktur eine erste Ruhigstel-
chendem Befund können Dehnformen im kollagenen
lung erfährt.
Bereich angewandt werden. Dabei sollen keine Schmer-
zen ausgelöst werden.
3. Konsolidierungsphase (ca. 6 Wochen)
5 Nach 12 Monaten ist der Umbau abgeschlossen; es hat
Der weiche Kallus wird etwa während des folgenden Monats
sich ein normales Bindegewebe entwickelt. Eine volle Be-
zum Fixationskallus umgebaut, der die Fraktur ruhigstellt und
lastbarkeit sollte erreicht sein.
vor weiterer Verletzung schützt.
Proliferations-, Konsolidierungs- und Umbauphase gehen
ineinander über und variieren je nach Knochengröße.

Knochenheilung 4. Umbau- und Organisationsphase (ca. 8–12 Wochen)


In der Umbauphase wird der Kallus durch Mineralisierung in ei-
In diesem Zusammenhang wird auch die Heilung von Frak- nen harten Kallus und letztendlich in seine ursprüngliche Struk-
turen näher beschrieben (van den Berg 2001, 2003). tur und Form zurückgeführt (enchondrale Verknöcherung).
Der spezifische Reiz für eine Regeneration von Knochen- Diese Phase dauert ca. 2 Monate an. Währenddessen findet ein
gewebe ist die physiologische Belastung, also der angepasste Auf- und Abbau des Knochengewebes statt, die Haver-Kanäle
Druck auf die möglichst anatomisch reponierten, Gewicht tra- bilden sich aus, und überflüssige Knochensubstanz wird durch
genden Fragmente. Als weiteres positives Kriterium gilt eine vi- Osteoklasten wieder abgebaut.
tamin- und mineralreiche Ernährung, besonders mit kalzium- In der klinischischen Praxis unterscheidet man eine primäre
reichen Lebensmitteln wie Milchprodukten und dunkelgrünem und eine sekundäre Knochenheilung. Ein dichtes Aufeinander-
Blattgemüse. stehen der Fragmente und eine innere Fixation (Osteosynthese)
10 Kapitel 1 · Behandlungsgrundlagen, Heilungsprozesse und physiotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten

unter Kompression der Fragmente kann ohne äußere Kallusbil- lastung fließt sie wieder zurück. Dieser Vorgang wird »Creep«
1 dung ablaufen. und »Stress relaxation« genannt.
Konservative Frakturversorgungen zeigen einen endostalen Negativ auf die Erhaltung der Korpelstruktur und deren
2 und periostalen Kallus.
Traumatologen gehen i.A. von einer 6- bis 8-wöchigen Frak-
Funktion wirkende Einflüsse sind:
5 Verletzungen,
turheilungszeit aus, wenn sie eine Belastungssteigerung von Mi- 5 chronische Entzündungen,
3 nimal- zu Teilbelastung verordnen. Nach 12 Wochen kann i.d.R. 5 Hämarthros,
eine Vollbelastung erarbeitet werden, was nach van den Berg 5 Kortisongaben,
(2001, 2003) dem Abschluss der Umbauphase entspricht. 5 einseitige Belastung, Überbelastung, Übergewicht,
4 Der jeweilige Stabilitätsgrad richtet sich jedoch auch nach 5 Immobilisation, Bewegungsmangel, Unterbelastung,
der Osteosynthese, den Muskel- und Gelenkfunktionen und 5 Erwärmung eines Gelenks über ca. 30°,
5 der Fähigkeit der Verletzten, die Belastung schmerzfrei in All- 5 zunehmende Verknöcherung des Knorpels.
tagsfunktionen umzusetzen (s. auch spezielle Kapitel der spezi-
fischen Verletzungen und deren Heilungsphasen). Nach Salter (1980, 1989) und van den Berg (2001, 2003) ist ei-
6 ne Regeneration des Knorpels nach Verletzung möglich, v.a. bei
Wichtig kleineren Rissen. Fraglich ist eine Heilung von größeren Verlet-
7 Der physiologische Heilungsverlauf einer Verletzung wird
zungen, auch in Kombination mit einem Trauma im subchon-
dralen Bereich. Die Bildung von Faserknorpel und die Ein-
bestimmt durch Parameter wie:
sprossung von Gefäßen sollen dabei Ursache für die Entstehung
8 5 Verletzungsart,
einer Arthrose sein.
5 ärztliche Versorgung,
Van den Berg (2001, 2003) gibt für die Knorpelregenerati-
5 erreichter Stabilitätsgrad,
on keine exakten Heilungsphasen an, jedoch kann man die für
9 5 physiotherapeutische Behandlung,
Knochen und Bindegewebe benannten Heilungsverläufe ver-
5 Verhalten des Verletzten.
gleichend heranziehen.
10 Effektiv ist in den ersten 3 Wochen eine Behandlung, in der
Physiotherapeuten können und müssen ihre Fachkenntnisse entlastetes Bewegen und Techniken mit angepasster Kompressi-
und Techniken zur Verfügung stellen und Bedingungen schaf- on im Wechsel eingesetzt werden.
11 fen, die positiv auf die Regeneration der Gewebe wirken. Eine Gehen mit Minimal- oder Teilbelastung (je nach Verord-
falsche Dosierung und Behandlungsauswahl beeinflussen den nung), aktive hubarme anguläre Bewegungen, passive Bewe-
12 Heilungsprozess negativ. gungen und Techniken der Manuellen Therapie mit/ohne in-
Die wichtigsten physiotherapeutischen Maßnahmen sind termittierende Kompression sowie Gleittechniken unterstützen
schmerzfreie Bewegungen in einer der jeweiligen Heilungspha- die Heilung des Knorpels.
13 se angepassten Dosierung.
Wichtig
14 Immer sind Symptome wie
Knorpelheilung
5 Schmerz,
15 Auch der hyaline Gelenkknorpel ist eine Form des Bindege- 5 bestehende Entzündungszeichen und
5 Gelenkeinschränkungen
webes (überwiegend Kollagen Typ II), mit der Funktion, Rei-
Warnzeichen, an denen Physiotherapeuten die Dosierung
bungs-, Scher- und besonders Druckkräfte abzufangen. Die Sy-
16 novialflüssigkeit unterstützt diese Funktion und ist Lieferant ihrer Maßnahmen ausrichten sollten. Da der Knorpel keine
Innervation besitzt, wird Schmerz nur über den subchon-
der Nährstoffe. Die Makromoleküle der Matrix binden sehr viel
17 Wasser und wirken v.a. in der oberflächlichen Schicht wie ein dralen Raum produziert. Die Dosierung muss deshalb immer
sehr niedrig gehalten werden.
Wasserkissen. Die unterste kalzifizierte Knorpelzone verbindet
Alle Maßnahmen müssen im schmerzfreien Bereich durch-
sich mit dem Knochen.
18 Unter Druck verformt sich der Gelenkknorpel; Wasser geführt werden!
wird zum Ort des niederen Druckes bewegt und bei Entlastung
19 wieder zurückgegeben. Durch Osmose und Diffusion werden
Nährstoffe und Sauerstoff von der Synovialflüssigkeit und aus
dem subchondralen Knochen in den Knorpel abgegeben.
20 Auch die Synovialflüssigkeit erfährt diese Druckwelle und
verschiebt sich in den subchondralen Knochenbereich; bei Ent-
21
1.4 Physiotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten
11 1

1.4 Physiotherapeutische enten mit Verletzungen der oberen Extremität können im ge-
Behandlungsmöglichkeiten schlossenen System das Abstützen auf weichen Materialien, ge-
gen die Wand oder einen Tisch üben.
Nachfolgend werden physiotherapeutische Maßnahmen vorge- Zum Schutz gegen Überlastung kann ein Tapeverband/eine
stellt, die den Heilungsprozess der aktuellen Heilungsphase po- Orthese angelegt werden.
sitiv beeinflussen.
3./4. Konsolidierungs- und Umbauphase
1. Entzündungsphase 5 Steigerung der Bewegungstherapie mit Bewegungen in der
5 Entlastung der verletzten Region. geschlossenen Kette und freien komplexen Bewegungen
5 Hochlagerung. (PNF) gegen manuellen Widerstand und Geräte.
5 Schmerzfreies, assistives oder passives Bewegen und Span- 5 Mobilisation mit intermittierender Traktion oder Kom-
nen im Matrixbelastungsbereich. Solange die Redon-Drai- pression (je nach Strukturbefund).
nage liegt, nur isometrisches Spannen; kontralaterale Seite 5 Mobilisation in der Funktion der Gelenke.
bewegen, wenn unverletzt. 5 Übergang (nach Befund) zu medizinischem Training: Stei-
5 Bei konservativer Versorgung auch Manuelle Lymphdrai- gerung der Intensität und Wiederholungen zur Verbesse-
nage. rung der Ausdauer, Flexibilität, Kraft, Koordination und
5 Eisanwendung nur in den ersten 10–20 min nach dem Schnelligkeit. Auch dabei müssen Schmerzfreiheit und
Trauma (Erste Hilfe) oder postoperativ. funktionelle Anpassung an die Anforderung berücksichti-
gt werden.
2. Proliferationsphase 5 Steigerung des propriozeptiven, sensomotorischen Trai-
5 Verbesserung der Durchblutung und Stoffwechselsituation nings: Stehen, Gehen, Treppensteigen, Laufen, Springen
durch Maßnahmen der Physikalischen Therapie. in allen Variationen, auf Fußkreisel, Brettchen, Kippbrett,
5 Schmerzfreies assistives, aktives oder passives Bewegen im Schaukelbrett, Trampolin und auf verschiedenen Boden-
Matrixbelastungsbereich. belägen.
5 Funktionelle Belastung in der vom Arzt vorgegebenen Be- Die Dosierung orientiert sich am Funktionsbefund, z.B. an
lastungsstufe, mit/ohne Tapeverband oder Orthese, funkti- der koordinierten, exakten Ausführung der Übungen. Zu-
onelles Beinachsentraining auf Waagen. nächst werden statische, dann dynamische Bewegungs-
5 Techniken zur Schmerzreduktion. und Kombinationsformen gewählt.
5 Niedrig dosierte Techniken der Manuellen Therapie, in- Zielsetzung in der Konsolidierungs- und Umbauphase ist
termittierende Traktion und Kompression im Matrixbela- die Verbesserung der
stungsbereich, im Wechsel mit natürlichen dynamischen – Gelenkbeweglichkeit,
Bewegungen, die den Sympathikustonus (Schutzspan- – Koordination,
nung) senken. – Propriozeption,
– Ausdauer und
! Cave – Kraft
5 Keine intensiven Mobilisationsmaßnahmen in den ersten – für alle vom Patienten gewünschten Aktivitäten. Die
4 Wochen! Patienten sollen so weit wie möglich wieder am gesell-
5 Keine Schmerzauslösung! schaftlichen Leben teilhaben können.
In Rehabilitationseinrichtungen wird vermehrt das Üben
Wichtig ist es, den Patienten in die Behandlungsplanung ein- im Bewegungsbad eingesetzt. Bei einer Wassertemperatur
zubeziehen. Nur wenn ein Patient gut informiert ist und weiß, von ca. 30 °C werden Patienten i.d.R. 20 min im Wasser be-
wie der Heilungsprozess abläuft, dass seine Schmerzangaben handelt. Selbständiges Üben muss kritisch, v.a.in der frü-
respektiert werden und sein Bewegungsverhalten dem Hei- hen Heilungsphase, diskutiert werden. Grundsätzlich sol-
lungsverlauf dient, kann eine physiologische Regeneration in len Physiotherapeuten die Bewegungen im Wasser ihren
schnellstmöglicher Weise erfolgen. Behandlungszielen zuordnen, die Ausführung kontrollie-
Komplexe Übungsformen, die die intra- und intermuskuläre ren und die Wirkung überprüfen. Gehübungen im Wasser
Koordination verbessern, sind sinnvoll. Sie sollen sich an der sind in Einzelfällen angebracht, sie sollten jedoch der re-
Funktion des betroffenen Gewebes orientieren und sowohl in alen Gehsituation entsprechen. Belastbare, sportliche Pati-
der geschlossenen Kette (Bizzini 2000) als auch in freier Form enten können in dieser Phase Aquajogging machen.
dem natürlichen Bewegungsverhalten entsprechen.
Bei Verletzungen der unteren Extremität werden die
Übungen entsprechend der vorgegebenen Belastungsstufe im
Stand, hohen Sitz und in der Fortbewegung ausgeführt. Pati-
12 Kapitel 1 · Behandlungsgrundlagen, Heilungsprozesse und physiotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten

1.5 Literatur
1
Brokmeier A (1995) Manuelle Therapie. Enke, Stuttgart
Brügger A (1980) Die Erkrankungen des Bewegungsapparates und seines
2 Nervensystems. G. Fischer, Stuttgart
Burstein A, Wright M (1997) Biomechanik in Orthopädie und Traumatolo-
3 gie. Thieme, Stuttgart New York
Jerosch J, Heisel J (2004) Das Kniegelenk, Rehabiltation nach Verletzun-
gen und operativen Eingriffen. Pflaum, München
4 Krämer J, Grifka J (2001) Orthopädie. Springer, Berlin Heidelberg New
York
Loeweneck H, Liebenstund I (1994) Funktionelle Anatomie für Krank-
5 engymnasten. Pflaum, München
Spirgi-Gantert I, Suppé B (2007) FBL Klein-Vogelbach, Functional Kinetics,
6.Aufl. Springer, Heidelberg Berlin New York Tokio
6 Klein-Vogelbach S, bearbeitet von Werbeck B und Spirgi-Gantert I (2000)
Funktionelle Bewegungslehre. Springer, Berlin Heidelberg New York
Van den Berg F (2003) Angewandte Physiologie, Bd 1, 2. Aufl. Thieme,
7 Stuttgart New York
Van den Berg F (2001) Angewandte Physiologie, Bd 3. Thieme, Stuttgart
New York
8 Weigel B, Nerlich M (2005) Praxisbuch Unfallchirurgie, Bd 1, 2. Springer,
Berlin Heidelberg
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
2

Behandlungsplanung, Befunderhebung
Beh

2.1 Grundsätzliches 2.3 Anhang – 19


Vorgehen – 14 Funktionsbefund – 19
Zusatzbefunde – 27
2.2 Planung der physio- Befund eines
therapeutischen Patientenbeispiels – 34
Behandlung, Kriterien und
Dosierung der Behandlungs- 2.4 Literatur – 36
maßnahmen – 15
Planung der physiotherapeutischen
Behandlung – 15
Kriterien für die Behandlungs-
dosierung – 15
Befunderhebung – 17
14 Kapitel 2 · Behandlungsplanung, Befunderhebung

2.1 Grundsätzliches Vorgehen


1 . Übersicht 2.1. Einteilung des Verletzungsausmaßes
Die Aufzeichnungen, die der Physiotherapeut zu Diagnostik, Ausmaß der Funktionsstörung Zahlen-Skala %-Skala
2 Kontrolle des Behandlungsverlaufes und Objektivierung einer
Behandlung vornimmt, ermöglichen eine differenzierte physi-
Problem nicht vorhanden 0 0–4%
Problem leicht ausgeprägt 1 5–24%
otherapeutische Behandlung. Genormte Befundbögen, wie sie
3 in vielen Kliniken computergerecht aufbereitet sind, erleichtern
Problem mäßig ausgeprägt
Problem erheblich ausgeprägt
2
3
25–49%
50–95%
die Dokumentation. Sie müssen jedoch die Möglichkeit offen-
halten, auch spezifische Befunde zu dokumentieren, z.B. Ge- Problem voll ausgeprägt 4 96–100%
4 lenktestverfahren nach Cyriax, Kaltenborn, Maitland, Hamil-
ton, Ganganalyse und andere Funktionstests.
5 Befunddokumentation nach dem ICF-Modell
Befunderhebung nach dem ICF-Modell In der Physiotherapie werden die Patientenbefunde heute nach
Die WHO (Stand 2005) hat internationale Klassifikationsmerk- dem ICF-Modell erhoben; sie orientieren sich in Teilen oder bzgl.
6 male für »Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit« bestimmter Bewertungsmerkmale an den internationalen Klas-
herausgegeben (ICF), um eine einheitliche Sprache zur Be- sifikationsmerkmalen und ergänzen diese durch eine Quantifi-
7 schreibung des Gesundheitszustandes einer Person zu erhalten, zierung (Angaben zu Schwere bzw. Ausmaß) der Schädigungen
die von den Angehörigen aller Gesundheitsberufe in der Kom- sowie der funktionellen und sozialen Beeinträchtigungen.
munikation verwendet wird. Diese Klassifikation wurde auch in Für Schüler ist es wichtig, das systematische Beobachten,
8 Deutschland übernommen. Aufgezeichnet werden darin: Testen, Interpretieren und Dokumentieren zu erlernen, um ei-
5 Körperstrukturen (z.B. Haut, Muskeln, Gelenke, Organe) ne physiotherapeutische Behandlung planen und die Maßnah-
und physiologische Körperfunktionen (z.B. Muskel-, Ge- men überprüfen zu können.
9 lenk-, Organ- und Nervenfunktionen, psychologische
Funktionen) sowie deren Schädigungen/Behinderungen Ê In diesem Buch wird im Anschluss an jedes Kapitel, das die
10 (z.B. durch ein Trauma: Fraktur, Kapsel-Band-Verletzung, spezifischen Verletzungen und deren Behandlung im Ein-
Verbrennung), zelnen beschreibt, ein Patientenbeispiel vorgestellt. Im In-
5 Aktivität und Teihabe (Partizipation) des Patienten an der ternet (www.springer.de/978-3-540-68241-7) finden Sie die
11 eigenen Lebensgestaltung und am sozialen Leben, auf diesen vorgestellten Patienten abgestimmten
5 Umweltfaktoren (soziales Umfeld, Arbeitsplatz, Schule) 5 Behandlungsziele,
12 und persönliche Faktoren (Alter, Geschlecht, Herkunft, Le- 5 Gesichtspunkte der Behandlung und
bensstil). 5 einen exemplarischen Therapievorschlag für eine Behand-
lungseinheit.
13 Evaluiert werden die Strukturschädigung (z.B. Kreuzbandrup-
tur), die dadurch verursachte Funktionsstörung (z.B. im Hin- Zusätzlich werden Sie aufgefordert, die wichtigsten Befunde zu
14 blick auf Belastung, Mobilität) und die daraus resultierende so- wiederholen, um den Behandlungserfolg ermitteln zu können
ziale Beeinträchtigung (z.B. Arbeitsunfähigkeit). (. Abb. 2.11, Bogen für Patientenbeispiele).
Die Einteilung des Verletzungsausmaßes orientiert sich an Die in den . Abb. 2.1–2.11 zusammengefassten Schemata
15 den Funktionsstörungen der einzelnen Körperstrukturen, z.B. der physiotherapeutischen Befunderhebungen bei Unfallver-
bezogen auf letzten bieten Schülern und Physiotherapeuten übersichtliche
5 Gelenkfunktionen: Arbeitsvorlagen für ein klassisches Vorgehen.
16 – Beweglichkeit und Für den Lernenden ist es günstig, auffällige Befunde optisch
– Stabilität. übersichtlich darzustellen, so dass der Verlauf ohne Schwierig-
17 5 Muskelfunktionen: keiten konstant nachvollzogen werden kann. Auch für eine wis-
– Tonusregulation, senschaftliche Auswertung müssen die Bögen computergerecht
– Kraftentwicklung und erstellt und nach dem ICF-Modell ausgerichtet sein. Da die Pa-
18 – Ausdauerleistung. tienten i.A. nur sehr kurz stationär behandelt werden, sollen die
Befunddaten an ambulant weiterbehandelnde Kollegen überge-
19 Die Schwere der Schädigung wird in einer Zahlen- und Pro- ben werden. Dies geschieht am besten in Form eines kurzen Ver-
zentskala angegeben, die in . Übersicht 2.1 dargestellt ist. legungsbriefes (. Abb. 2.10, Anhang).
Behandlungsplanung und Verlaufskontrolle müssen zur ei-
20 genen Überprüfung der Behandlungseffizienz und zur Rück-
meldung an den Arzt dokumentiert werden (. Abb. 2.6, An-
21 hang).
2.2 Planung der physiotherapeutischen Behandlung, . . .
15 2

2.2 Planung der physiotherapeutischen Die von der DGU (Stand 2007) angegebenen Stabilitätsgrade/
Behandlung, Kriterien Belastungsstufen der jeweiligen Heilungsphasen des verletzten
und Dosierung der Bindegewebes geben eine Basisbelastungsstufe an, die vom Pa-
Behandlungsmaßnahmen tienten unter Anleitung des Physiotherapeuten funktionell ge-
sichert werden sollte.
Planung der physiotherapeutischen Die Stabilität einer Osteosynthese, Bandnaht oder Gelenk-
Behandlung stellung wird nach DGU-Kriterien eingeteilt in:
5 Lagerungsstabilität,
Ist die Sammlung der Symptome abgeschlossen, werden sie in- 5 Bewegungsstabilität,
terpretiert und den einzelnen Behandlungsschritten schwer- 5 Belastungsstabilität und
punktmäßig zugeordnet. 5 Trainingsstabilität.
Dem ICF-Aspekt der »patientenorientierten Formulierung
von Behandlungszielen« folgend werden Nah- und Fernziele ge- Die Kriterien für einen mittels operativer Maßnahmen erreich-
meinsam mit dem Patienten festgelegt. Kenntnisse über Um- ten Stabilitätsgrad sind in . Übersicht 2.2 zusammengefasst.
weltfaktoren (z.B. zugänglicher Arbeitsplatz, Hilfsmittel) und
personenbezogene Faktoren (z.B. Trainingszustand, Compli-
ance, Motivation) fließen in die Zielentscheidung mit ein. An- . Übersicht 2.2. Stabilitätskriterien
hand der Zielvorgabe werden Funktionsfähigkeit der verletzten Stabilitätskriterien bei Osteosynthesen sind:
Struktur, mögliche Alltagsaktivitäten und Partizipation des Pa- 5 Plattenlage, Plattenlänge,
tienten am gesellschaftlichen Leben ermittelt und im ICF-Do- 5 Schraubenanzahl, Schraubensitz, Zugrichtung der
kumentationsbogen (. Abb. 2.1 b, Anhang) festgehalten. Die Schrauben,
Ziele, die der Patient erarbeiten und erreichen möchte, sind Teil 5 schlüssiger Sitz eines Nagels,
des Behandlungsplanes. 5 exakte Verriegelung,
Die Zielsetzung der einzelnen Behandlungsschritte ergibt 5 straffe Zuggurtungslage.
sich aus: Stabilitätskriterium bei Bandnähten/-plastiken und Luxa-
5 dem Behandlungsplan, tionen ist
5 dem Heilungsverlauf, 5 eine schmerzfreie und sichere Gelenkführung bei Be-
5 der ärztlichen Vorgabe, wegung und Belastung.
5 den biomechanischen Gesichtspunkten und Die Bein-Becken-Rumpf-Achse muss bei physiologischer
5 dem aktuellen Funktionsbefund. Belastung stabil gehalten werden können.
Stabilitätskriterien bei Endoprothesen sind:
Es wird eine Auswahl von Maßnahmen und Techniken getrof- 5 feste Verankerung im Knochen,
fen, die nach heutigem Wissensstand den Heilungsprozess der 5 schmerzfreie Muskelführung und
geschädigten Struktur unterstützen. In Absprache mit dem ver- 5 Belastungsfähigkeit der Extremität.
antwortlichen Arzt wird die Dosierung der physiotherapeu-
tischen Maßnahmen entsprechend dem Ausmaß der Struktur-
schädigung und dem Heilungsverlauf bestimmt. Dies gilt be-
sonders für die Belastung der Gewicht tragenden Körperteile. Physiotherapeuten müssen die strukturbezogenen Stabilitäts-
kriterien bei der Auswahl und Dosierung ihrer Maßnahmen
berücksichtigen.
Kriterien für die Behandlungsdosierung
Wichtig
Die Belastungsfähigkeit wird anhand der Röntgenbilder und
Die durch die ärztliche Versorgung (operativ/konservativ)
anderer Bild gebenden Verfahren bestimmt. Nicht alle Physio-
ereichte Stabilität muss eingehalten werden.
therapeuten können diese sicher beurteilen, sie können jedoch
funktionelle Fähigkeiten in die Diskussion über eine evt. Bela-
stungssteigerung einbringen. Das Röntgenbild stellt nicht das
alleinige Kriterium für die Behandlungsdosierung dar. Weitere Aspekte der physiotherapeutischen Behandlung
positive Kriterien für eine neue Belastungsstufe sind: Grundsätzlich hat sich die struktur- und aktivitätsbezogene phy-
5 Schmerzlosigkeit beim Umsetzen der aktuellen Belastung- siotherapeutische Behandlung bei Unfallverletzten durchge-
stufe und setzt.
5 ein koordinierter Bewegungsablauf über eine längere Zeit. Traumatologen vertreten heute die Lehrmeinung, dass die
völlige Entlastung der unteren Extremität nach einer mecha-
16 Kapitel 2 · Behandlungsplanung, Befunderhebung

nisch stabilen osteosynthetischen Versorgung der Fraktur un- Warnzeichen bedeuten nicht zwingend den Abbruch der physi-
1 günstig ist. Die Knochenheilung benötigt einen dosierten axi- otherapeutischen Behandlung; sie zeigen jedoch ein Zurückstu-
alen Druck. fen der Dosierung an, z.B. durch:
2 Ein verständiger Patient darf schon nach wenigen Tagen 5 Entlastung,
mit minimaler Belastung, die etwa einem Zehntel des Körperge- 5 Tragen von Antithrombosestrümpfen,
wichts entspricht, aufstehen. 5 medikamentöse Behandlung oder
3 Diese Belastungsstufe erlaubt neben Bewegungen in der ge- 5 niedrig dosierte Bewegungstherapie.
schlossenen Kette (Fuß ist auf dem Boden abgestellt) zudem ak-
tive, assistive und passive Bewegungen. Die heute in der postoperativen Phase (Entzündungspha-
4 Beim ersten Aufstehen wird die Spontanbelastung der Ex- se) durchgeführte Schmerztherapie sollte in die Behandlungs-
tremität auf der Waage ermittelt. In der weiteren Gehschulung planung einbezogen werden. Die Patienten erhalten individu-
5 (Drei-Punkte-Gang) wird die verordnete Belastung auf der ell nach Schmerzangabe oder auch routinemäßig für ca. 3 Tage
Waage eingeübt und kontrolliert. Schmerz reduzierende Medikamente. Diese wirken i.d.R. zen-
Wegen der heutigen kurzen Klinikaufenthalte werden dem tral und sollen mit einem Magenschutzmittel kombiniert einge-
6 Patienten bei der Entlassung exakte Verhaltensregeln und ein nommen werden. Beachtet der Physiotherapeut die erste Hei-
fortführendes Selbstübungsprogramm mit nach Hause gege- lungsphase als Entzündungsphase und schafft Rahmenbedingu-
7 ben. nen für
Der Patient muss darüber informiert sein, mit welchem Ziel 5 eine gute Durchblutung des Verletzungsgebietes,
er bestimmte Übungen machen soll, wieviel und wie lange er 5 eine schmerzfreie Lagerung und
8 belasten darf, und er muss die Belastung regelmäßig auf der 5 assistive Bewegungsformen im schmerzfreien Bereich,
Waage kontrollieren. kann die medikamentöse Schmerzdurchbrechung auf kurze
Patienten, die in eine Rehabilitationsklinik, Physiotherapie- Zeit begrenzt werden. Längerfristig sollte eine Schmerzmittel-
9 praxis oder ambulante Tagesinstitution überwiesen werden, er- gabe kritisch gesehen werden, da die Schutzfunktion (Schmerz-
halten für die weiterbehandelnden Kollegen einen Verlegungs- meldung) bei falscher Belastung des heilenden Gewebes verlo-
10 brief (. Abb. 2.10, Anhang). ren geht.
In der Proliferationsphase (5. – 21. Tag) sollte die Entzün-
dungsphase abgelaufen sein (7 Kap. 1). Wichtig
11 Treten Warnzeichen auf, die ein Weiterbestehen der Entzün-
Physiotherapeuten müssen der Schmerztherapie große
dung anzeigen, soll der Patient sofort den Arzt aufsuchen.
Beachtung schenken, da der Schmerz als Schutzfunktion
12 ausfällt (7 Kap. 3.3).
Wichtig

13 Folgende Warnzeichen deuten auf eine Entzündung hin:


5 Schmerz an der Frakturstelle, an der Sehnen-/Band-/Kap-
selnaht, in der Muskulatur und an Venendruckpunkten,
14 5 Schwellung, Rezidiv des Gelenkergusses,
5 Rötung,
15 5 Überwärmung im Verletzungsbereich,
5 Belastungsunfähigkeit, Hinken.

16
17
18
19
20
21
2.2 Planung der physiotherapeutischen Behandlung, . . .
17 2

Befunderhebung

In der Befunderhebung werden medizinische, funktionelle,


mentale und sensorische Symptome, Verhaltensaspekte und Be-
einträchtigungen der individuellen Lebenssituation erfasst. Die
Befunddaten werden mittels verbaler Kommunikation, durch
Beobachten, Messen, Palpieren und Testen zusammengestellt,
notiert und bewertet.

Beobachten und 5 Körperhaltung.


Beurteilen 5 Haut, Gelenke, Muskulatur auf z.B. Farb- und Formveränderungen, Narben, Schwellungen.
5 Bewegungsverhalten.
5 Gelenkstellungen, Gelenkbeweglichkeit, Bewegungseinschränkungen.
5 Muskelrelief, Muskelverkürzungen.
Wichtig
Alle Beobachtungen müssen im Seitenvergleich zur nicht betroffenen Körperhälfte oder zu Normwerten beurteilt
werden. Ausgangspositionen und Lage/Haltung des Körpers sind zu berücksichtigen.

Messen 5 Aktive und passive Gelenkbewegung bei Bewegungs- und Teilbelastungsstabilität.


5 Längenmaße: Beinlängendifferenz im Stand mit Brettchenunterlegung/Beckenwaage bei seitengleicher Bela-
stung. Vorläufiges Maß im Liegen mit Maßband.
5 Umfangmaße. Zu bewerten ist die Differenz an fest vorgegebenen Körperpunkten.
5 Puls, Blutdruck, Atemfrequenz.

Prüfen und Testen 5 Hautverschieblichkeit, Temperatur, Feuchtigkeit, Gewebekonsistenz, Berührungsempfindlichkeit, Sensibilität,


Narbenverschieblichkeit.
5 Muskelspannungslage, Atrophien, Schwellungen, Pulse.
5 Qualität des Bewegungsstopps bei:
– Bewegung (angulär und translatorisch),
– statischer Muskelkontraktion,
– Muskeldehnung.
5 Muskelkraft (Muskeltestskala 0–5/6):
– Stufe 1–2 bei Lagerungsstabilität,
– Stufe 3 bei Bewegungsstabilität,
– Stufe 4 bei Teilbelastungsstabilität,
– Stufe 5/6 bei voller Belastungsstabilität.
5 Muskelspannungslage/Tonus.
5 Kontrolle der Bein-Becken-Rumpf-Achse in verschiedenen Positionen.
5 Stützkraft der Arme.
5 Belastungsfähigkeit der Beine.
5 Reflexe/Reaktionen.
5 Funktionsfähigkeit der Strukturen anhand spezifischer Testverfahren (Cyriax, Hamilton, Ratschow oder Kniege-
lenktests).
5 Atembefund (. Abb. 2.3, 2.8),
5 Vitalfunktionen (Herz-Kreislauf ).
18 Kapitel 2 · Behandlungsplanung, Befunderhebung

1 Notieren und
Bewerten
5 Schmerzen, notiert nach der visuellen Analogskala ( VAS 1–10, . Abb. 2.2 b): in Ruhe, bei Bewegung, bei mini-
maler Belastung, bei Teil- und Vollbelastung,
– Schmerzlokalisation,
2 – Schmerzintensität,
– Schmerzcharakteristik: tagsüber/nachts, andauernd/wechselnd, strukturbezogen/diffus),
– Schmerzprovokation,
3 – Schmerzverminderung.
5 Sensibilität/Sensomotorik:
– Grob- und Feinsensibilität,
4 – Zwei-Punkte-Diskriminierung,
– Temperaturempfinden,
5 Tiefensensibilität/Sensomotorik:
5 – Lageempfinden der Extremitätengelenke ohne optische Kontrolle bei Lagerungsstabilität,
– Stellungsempfinden der Gelenke in der aktuellen Belastungsstufe bei Bewegungs- und Teilbelastungsstabi-

6 lität.
5 Medikation: z.B. sedierende oder Schmerz stillende Medikamente, Markumar, Insulin etc.
5 Andere Beschwerden: z.B. Schlaflosigkeit, Konzentrationsschwäche, Sehstörungen, Hörprobleme.
7 5 Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL):
– Körperpflege, Selbständigkeit, Mobilität,
– Belastbarkeit auf der Waage, im Sitzen, Stehen, Gehen.
8 – Hand- und Armaktivitäten,
– Umgang mit Hilfsmitteln.
5 Individuelle Behinderung in der selbständigen Lebensgestaltung, im Beruf, beim Sport.
9 5 Kontakt- und Übungsbereitschaft:
– Umgang mit der Situation,
– Kooperationsfähigkeit,
10 – Motivation,
– Bewusstseinslage.
5 Teilhabe an der Gesellschaft, z.B.:
11 – allgemeine Umwelt- und personenbezogene Faktoren
– soziales Umfeld, Lebensraum,

12 – Gender-spezifische Faktoren,
– Alter,
– sozialer Hintergrund,
13 – Migrationshintergrund,
– Bildung, Beruf, Erziehung,
– Erfahrungswerte (7 Kap. 3–21, Befunderhebung der spezifischen Verletzung).
14
15
16
17
18
19
20
21
2.3 Anhang
19 2

2.3 Anhang
Funktionsbefund
Patientenanamnese, ICF-Dokumentation (. Abb. 2.1 a, b)

Name des Patienten: Geburtsdatum:

Name des Therapeuten: Befunddatum:

Einweisungsdiagnose: rechts links

Zu- u. Vorname Befund am:


Nebendiagnosen:
geb.

Versorgung: operativ □ konservativ □

Operation: Datum:

Verletzungsstrukt:ur

Stabilitätsangaben im
Operationsbericht,
Röntgenbefund, andere Dorsoplantar D orsoplantar
bildgebende Verfahren

Procedere:
Medikamente

Unfallanamnese:

Patientenerfassung nach dem ICF-Modell:

Körperstruktur/
Körperfunktion

Aktivitäten

Partizipation

Umweltfaktoren

Personenbezogene Faktoren

. Abb. 2.1a.
21
19
18
17

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15
14
13
12
11
10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
20
ICF- Dokumentation
Diagnose Behandlungsziel:

. Abb. 2.1b.
Struktur / Funktion Aktivität Partizipation

Patient
.
Kapitel 2 · Behandlungsplanung, Befunderhebung

Kontextfaktoren / (+) oder (-)

Therapeut
Umweltfaktoren Personenbezogene Faktoren
(-) Oft unzugängliche Arbeitsplätze (+) ausgezeichneter Trainingszustand
(-) Hohe Gewichte und keine Hilfsmittel (+) sehr gute Compliance
(+) hohe Motivation
2.3 Anhang
21 2

Funktionsbefund, Visuelle Analogskala (. Abb. 2.2 a, b)

Körperstrukturen und Körperfunktion

Ausmaß der Schädigung von Körperstrukturenund Körperfuhktionen


0 1 2 3 4 8 9
keine leicht mäßig erheblich völlig nicht nicht an-
beurteilbar wendbar
Körperstrukturen:
Struktur Bewertung Beschreibung
s120 Struktur des Rückenmarks und im I
Zusammenhang stehenden Strukturen
s410 Struktur des kardiovaskulären Systems
s430
Struktur des Atmungssystem
s710 Struktur der Kopf- und Halsregion
s720 Struktur der Schulterregion
s730 Struktur der oberen Extremität
s740 Struktur der Beckenregion
s750 Struktur der unteren Extremität
s760 Struktur des Rumpfes
s810 Struktur der Hautregionen
Sonstige Körperstrukturen

Körperfunktionen:
b110 Funktionen des Bewusstseins
b130 Funktionen der psychischen Energie
und des Antriebs
b134 Funktionen des Schlafes
b152 Emotionale Funktionen
b180 Die Selbstwahrnehmung und die
Zeitwahrnehmung betreffende
Funktionen
b260 Die Propriozeption betreffende
Funktionen
b265 Die Berührung betreffende Funktionen

Sensibilität:

o = Anästhesie
Ø = Hypästhesie
≠ = Hyperästhesie
= Parästhesie
ªª

b280 Schmerz
Subiektjve Schmerzangaben:
VAS-Skala: Ruhe: Lokalisation: Qualität:

Bewegung: Lokalisation: Qualität:

Hypothese zur Schmerzursache

. Abb. 2.2a.
22 Kapitel 2 · Behandlungsplanung, Befunderhebung

1
2
3 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

4 . Abb. 2.2b.

5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
2.3 Anhang
23 2

Funktionsbefund (Fortsetzung) (. Abb. 2.3)

Funktionen des sympathischen


Nervensystems
b410 Herzfunktion
b415 Blutgefäßfunktionen
b420 Blutdruckfunktionen
b435 Funktionen des Immunsystems
(einschließlich Lymphgefäße)
Umfang: Messpunkt links rechts Differenz

b440 Atmungsfunktionen

Atmung:

Atembewegung: Atemweg: AF:

Sekret:

Sonstige Auffälligkeiten:

Zusatzblatt Atembefund: ja o nein 0


B455 Funktionen der kardiorespiratorischeh HF RR AF
Belastbarkeit
Ruhe

Belastung

Borg-Skala getestet bei:

b525 Defäkationsfunktionen
b620 Miktionsfunktionen
b710 Funktionen der Gelenkbeweglichkeit

Gelenk: Links Rechts


Aktiv Passiv Endgefühl Aktiv Passiv

b715 Funktionen der Gelenkstabilität Manualtherapeutische Untersuchunq:

b730 Funktionen der Muskelkraft


Muskelkraft:

. Abb. 2.3.
24 Kapitel 2 · Behandlungsplanung, Befunderhebung

Funktionsbefund (Fortsetzung) (. Abb. 2.4)


1
b735 Funktionen des Muskeltonus
2
3 Funktionen der Nervenmobilität Nervendehnfähigkeit:

4 b820 Heilfunktion der Haut Sekret:

Temperatur:
5
Verschieblichkeit der Narbe:

6 Sonstige Körperfunktionen

7
8 Aktivität und Partizipation:

Ausmaß der Beeinträchtigung von Aktivitäten und Partizipation


9 o
keine
1
leicht
2
mäßig
3
erheblich
4
völlig nicht
8 9
nicht an-
beurteil bar wendbar
10 d240 Mit Stress und anderen psychischen
Anforderungen umgehen
d410 Eine elementare Körperposition
11 wechseln
d415 In einer Körperposition verbleiben
d420 Sich ver1agern
12 d445 Hand- und Armgebrauch
d450 Gehen

13 Gang:

Spontanbelastung: Hilfsmittel:

14 Gehstrecke:

15 Auffälligkeiten in den Gangphasen:


Gangphase A u f f ä ll i g k e i t

16
17 Sonstige Anmerkungen:

18 Zusatzblatt Ganganalyse: ja D nein D


d510 Sich waschen
d520 Seine Körperteile pflegen
19 d530 Die Toilette benutzen
d550 Essen
d760 Familienbeziehungen
20 Sonstige Aktivitäten/Partizipation

21 . Abb. 2.4.
2.3 Anhang
25 2

Befundinterpretation, Behandlungsziele (. Abb. 2.5)

Umweltfaktoren
Ausmaß der Unterstützung/Behinderung durch Umweltfaktoren:
o 1- 2- 3- 4-
keine leichte mäßige erhebliche völlige Barriere 8 9
Barrierel nicht nicht
Förderfaktor 1+ 2+ 3+ 4+ beurteilbar anwendbar
Leichter mäßiger erheblicher völliger Förderfaktor

e110 Produktue und Substanzen für den


persönlichen Verbrauch
Medikamente:

e115 Produkte und Technologien zum


persönlichen Gebrauch im täglichen
Leben
e120 Produkte und Technologien zur
persönlichen Mobilität drinnen und
draußen zum Transport
e310 Engster Familienkreis
e320 Freunde
e355 Fachleute der Gesundheitsberufe
e410 Individuelle Einstellungen der
Mitglieder des engsten
Familienkreises
e420 Individuelle Einstellungen von
Freunden
e450 Individuelle Einstellungen von
Fachleuten der Gesundheitsberufe
Bewertung des Befundes (durch Lehrkraft):
Vollständigkeit des Befundes Richtigkeit der Befundaufnahme

Interpretation der Befundaufnahme (Modellblatt) Zielsetzung und Behandlungsplanung

. Abb. 2.5.
21
20
19
18
17
16
15
14
13
12
11
10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
26
BEHANDLUNGSPLANUNG UND Datum:
VERLAUFSDOKUMENTATION

Zielproblem Instrument I Testverfahren AW ZW VW1 VW2 VW3 VW4 VW5 VW6 SW

Ziel-
Intervention Instrument I AW ZW VW1 VW2 VW3 VW4 VW5 VW6 SW
Mediator
Testverfahren
Kapitel 2 · Behandlungsplanung, Befunderhebung

Zusätzliche Intervention Instrument I AW ZW VW1 VW2 VW3 VW4 VW5 VW6 SW

Mediatoren Testverfahren
Behandlungsplanung, Verlaufsdokumentation (. Abb. 2.6)

AW = Ausgangswert, ZW = Zielwert, VW = Verlaufswert, SW = Schlusswert

PRÄVENTIVE UND BEGLEITENDE MASSNAHMEN

Zielproblem Intervention Zielproblem Intervention


1 3
2 4
/

. Abb. 2.6.
2.3 Anhang
27 2

Zusatzbefunde
Muskelfunktionstest (. Abb. 2.7 a, b)

Arbeitsbogen

Muskeltest
Obere Extremität

Links Rechts
fer
Prü

Segmentale Innervation

Datum Muskel C C C C C C C C Th Nerv


1 2 3 4 5 6 7 8 1
M. sternocleidomastoideus N. accessorius
M. trapezius p. sup. N. occipitalis minor
Mm. rhomboidei N. dorsalis scapulae
M. supraspinatus N. suprascapularis
M. infraspinatus N. suprascapularis
M. deltoideus p. med. N. axillaris
M. biceps brachii, M. brachialis N. musculocutaneus
N. radialis
M. brachioradialis N. radialis
M. serratus anterior N. thoraxis longus
M. pectoralis major Nn. pectorales
Mm. extensores carpi radialis long./brev. N. radialis
M. subscapularis N. subscapularis
M. pronator N. medianus
M. triceps brachii N. radialis
M. latissimus dorsi N. thoracodorsalis
Mm. extensores digitorum communis N. radialis
M. flexor carpi radialis N. medianus
M. extensor carpi ulnaris N. radialis
M. extensor pollicis longus N. radialis
M. extensor pollicis brevis N. radialis
M. abductor pollicis longus N. radialis
M. flexor pollicis brevis N. medianus/N. ulnaris
M. opponens pollicis N. medianus
M. flexor pollicis longus N. medianus
M. flexor carpi ulnaris N. ulnaris
M. flexor digitorum super ficialis N. medianus
M. flexor digitorum profundus N. medianus/N. ulnaris
M. adductor pollicis N. ulnaris
M. abductor pollicis brevis N. medianus
Mm. interossei dorsales N. ulnaris
Mm. interossei ventrales N. ulnaris
Mm. lumbricales I–IV N. medianus/N. ulnaris
M. flexor digiti minimi N. ulnaris
M. abductor digiti minimi N. ulnaris
M. opponens digiti minimi N. ulnaris
C C C C C C C C Th
1 2 3 4 5 6 7 8 1
. Abb. 2.7a. Arbeitsbogen Muskeltest, obere Extremität
28 Kapitel 2 · Behandlungsplanung, Befunderhebung

Arbeitsbogen
1
Muskeltest
2 Rumpf und untere Extremitäten

Links Rechts
3
fer
Prü

Segmentale Innervation
4 Datum Muskel Nerv

Th 10
Th 11
Th 12
Th 1
Th 2
Th 3
Th 4
Th 5
Th 6
Th 7
Th 8
Th 9

L1
L2
L3
L4
L5
5 Mm. obliquii abd. ext. / int. Nn. intercostales

6 M. rectus abdominis Nn. intercostales et


N. iliohypogastr.

7
Th 10
Th 11
Th 12
Th 1
Th 2
Th 3
Th 4
Th 5
Th 6
Th 7
Th 8
Th 9

L1
L2
L3
L4
L5
8
Links Rechts
9
Segmentale Innervation

10 Muskel L L L L L S S S S S
1 2 3 4 5 1 2 3 4 5
Nerv

M. iliopsoas N. femoralis et
11 plexus lumbalis
Mm. adductores N. obturatorius
12 M. quadriceps femoris N. femoralis
M. tensor fasciae latae N. glutaeus superior
M. tibialis anterior N. peronaeus profundus
13 M. extensor hallucis long. N. peronaeus profundus
Mm. extensores digitorum long. N. peronaeus profundus
14 Mm. glutaei med./min. N. glutaeus superior
M. semitendinosus N. tibialis
M. semimenbranosus
15 M. biceps femoris N. ischiadicus et
N. peronaeus comm.
16 M. triceps surae N. tibialis
M. tibialis post. N. tibialis
Mm. peronaei long./brev. N. peronaeus super ficialis
17 M. glutaeus maximus N. glutaeus inferior
Mm. flexores digitorum long. N. tibialis et
18 N. plantaris medialis
Mm. flexores hallucis long./brev. N. tibialis et
N. plantaris med./lat.
19 L L L L L S S S S S
1 2 3 4 5 1 2 3 4 5
20 . Abb. 2.7b. Arbeitsbogen Muskeltest, Rumpf und untere Extremität

21
2.3 Anhang
29 2

Atembefund (. Abb. 2.8 a, b)

Arbeitsbogen

Physiotherapeutischer Atembefund:

PatientIn: Datum:

Diagnose:

Anamnese:

1. Beschwerden; subjektive Angaben:


– Atemnot:
– Husten:
– Schmerzen:
– Sonstiges:

2. Atemform:
– Ast.:
– Atemweg:
– Atemnebengeräusche:
– Atembewegungen: kostosternal: kostoabdominal:
– Atemhilfsmuskeleinsatz: inspiratorisch: exspiratorisch:
– Atemfrequenz:
– Atemrhythmus:
– Atemzeitquotient:
– Sprechdauer:

3. Thorax, -Beweglichkeit:
Wirbelsäule:
– Thoraxform, Einziehungen?
– Bauch:
– Muskulatur:
– Haut – Gewebe:
– Thoraxbeweglichkeit: Umfangmessung in Atemruhelage, max. Inspiration und maximaler Exspiration

. Abb. 2.8a. Physiotherapeutischer Atembefund


30 Kapitel 2 · Behandlungsplanung, Befunderhebung

1
Messstelle ARL maximale Inspiration maximale Exspiration Differenz

2
Achsel

3
Sternumspitze

4
untere Thoraxapertur

5
4. Haut:
6
– Farbe:
– Lippen:
7
– Gesicht:
– Nase – Munddreieck:
8
– Extremitäten:

9
5 . Pul s : RR:
– Frequenz:
10 – Rhythmus:
– Füllung:
11
6. Belastbarkeit:
12 – subjektive Angabe des Patienten

13 AF/min:

14 Dyspnoe:

15 Puls:

16 Cyanose:

17 Blutdruck:

18 Belastungsform vorher nach Min. nach 5 Min. Erholung

19 Bemerkungen

20 Koop erationsfähigk eit: A Z:

21 . Abb. 2.8b. Physiotherapeutischer Atembefund


Arbeitsbogen Name:
2.3 Anhang

Datum:

Ganganalyse
Betroffene Seite

Frontale Ebene IC LR MST TS PSw ISw MSw TSw Schrittfrequenz pro Min

Rumpfverlagerung Orthese/Prothese
Ganganalyse (. Abb. 2.9)

Asymmetrischer Armschwung Mögliche Gehstrecke Meter


Genu valgum
Gehhilfsmittel
Genu varum
Schuhe
Beckenanhebung
zu große Schrittbreite Allgemeines Gehbild

zu enge Schrittbreite Asymmetrie


Rumpf auf und nieder
Sagittale Ebene Rumpf links/rechts
Hyperlordose Dynamisches Gangbild
Verminderte Hüftextension Statisches Gangbild
Passives Gangbild
Verminderte Knieflexion
Verminderte Knieextension
Rotationen
Vermehrte Knieextension
Boden-Kontakt mit dem Vorfuß Vermehrte Schulterrotation

Boden-Kontakt mit ganzem Fuß


Verminderte Schulterrotation
Vermehrte Beckenrotation
Verminderte Plantarflexion
Verminderte Beckenrotation
Vermehrte Plantarflexion
Verminderte Dorsalextension
Bemerkungen
Verkürzte Standbeinphase z. B. Belastungsstufe
Verlängerte Standbeinphase
31

. Abb. 2.9. IC initial contact/Fersenkontakt. LR loading response/Fußsohle aufsetzen. MST midstance/mittlere Standphase. TS terminal stance/Fersenabdruckphase.
PSw pre-swing/Beginn der Schwungphase. MSw mid-swing/mittlere Schwungphase. TSw terminated swing/Ende der Schwungphase
2
32 Kapitel 2 · Behandlungsplanung, Befunderhebung

Verlegungsbrief mit physiotherapeutischem Kurzbefund (. Abb. 2.10 a, b)


1
2
Sehr geehrte Kollegin, sehr geehrter Kollege Datum:
3
Vielen Dank für die Übernahme unseres/r Patienten/In
4
Diagnose:

5 Nebendiagnosen: rechts links

Unfalldatum: Zu- u. Vorname Befund am:

6 Versorgung: operativ □ konservativ □


geb.

Operationsdatum:
7
Versorgung:

8
9 Stabilität:

Dorsoplantar D orsoplantar

10
11 Procedere:

12
13 Unfallanamnese:

14
Körperfunktion
15
Aktivitäten
16
Partizipation
17
Umfeld:
18
Persönliche Probleme
19
20
. Abb. 2.10a.
21
2.3 Anhang
33 2

Phvsiotherapeutischer
Kurzbefund
Sichtbefund:

Tastbefund:

Gelenkbeweglichkeit:

Muskeltestwert:

Aktivitäten:

Gehfähigkeit:

Behandlungszeitraum:
Schwerpunkte der stationären
Behandlung:

Beurteilung des
Behandlungsverlaufes:

Mit freundlichen Grüßen

Behandelnde /r
Therapeut/in

. Abb. 2.10b.
34 Kapitel 2 · Behandlungsplanung, Befunderhebung

Befund eines Patientenbeispiels (. Abb. 2.11)


1
2
3 Physiotherapeutische Behandlungen in der Traumatologie
Name des/r Patienten/in:
4
Name des/r Therapeuten/in:
5
Einweisungsdiagnose:

6 Nebendiagnosen: rechts links

Zu- u. Vorname Befund am:

7 geb.

8
Versorgung: operativ □ konservativ □
9 Operation: Datum:

10 Versorgung:

Dorsoplantar D orsoplantar
11
12 Stabilität:

13
14 Procedere:

15
16 Unfallanamnese:

17
18
19 . Abb. 2.11.

20
21
ICF- Dokumentation
Diagnose Behandlungsziel:
2.3 Anhang

Struktur / Funktion Aktivität Partizipation

Patient
.

Kontextfaktoren / (+) oder (-)

Therapeut
Umweltfaktoren Personenbezogene Faktoren
(-) Oft unzugängliche Arbeitsplätze (+) ausgezeichneter Trainingszustand
(-) Hohe Gewichte und keine Hilfsmittel (+) sehr gute Compliance
(+) hohe Motivation

. Abb. 2.11. (Fortsetzung)


2 35
36 Kapitel 2 · Behandlungsplanung, Befunderhebung

2.4 Literatur
1
Borg G (2004) Anstrengungsempfinden und körperliche Aktivität. Dtsch.
Ärzteblatt 101, A 1016–1021
2 DGU (aktualisiert 2007) Leitlinien für die Physiotherapie in der Unfallchi-
rurgie
3 Hislop H et al. (1999) Daniels und Worthinghams Muskeltests, 7. Aufl. Ur-
ban & Fischer, München Jena
Hüter-Becker A et al. (2005) Das neue Denkmodell in der Physiotherapie,
4 Bd 2. Thieme, Stuttgart
WHO (Stand Oktober 2005) Internationale Klassifikation der Funktions-
fähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF). www.dgu-online.de/
5 de/dgu/gruppierungen/sektion/physikalische.jsp
Peterson Kendall F, Kendall McCreary E (2005) Muscles: Testing and Func-
tion with Posture and Pain, 5th ed. Lippincott, Williams & Wilkings,
6 Baltimore London
Spirgi I, Suppé B (2007) FBL Klein-Vogelbach Functional Kinetics, 6. Aufl.
Springer, Berlin Heidelberg New York
7 Van den Berg F et al. (2001) Angewandte Physiologie, Bd 3. Thieme, Stutt-
gart New York

8
Den Verlegungsbrief stellten mir Frau Chr. Altmann und Frau Birgit Jas-
persen, Klinikum Großhadern, Chirurgische Universitätsklinik München,
9 zur Verfügung.

10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
3

Prä- und postoperative Physiotherapie

3.1 Atemtherapie – 38 3.3 Schmerztherapie – 43


Befunderhebung – 38 Clinical Reasoning – 44
Behandlungsmöglichkeiten – 38 Maßnahmen zur
Schmerzreduzierung – 45
3.2 Thromboseprophylaxe – 43
Therapeutische Maßnahmen – 43 3.4 Literatur – 48
38 Kapitel 3 · Prä- und postoperative Physiotherapie

3.1 Atemtherapie Die moderne Anästhesie verwendet bei infektgefährdeten Pati-


1 enten eher keine Allgemein- sondern Regionalanästhesien wie
Im Rahmen der Unfallchirurgie wird die prä- und postoperative z.B. Plexusnarkosen. Sie werden ergänzt durch eine Leitungs-
2 Atemtherapie nicht den Raum einnehmen wie z.B. in der abdo-
minalen Chirurgie, auf der Intensivstation und in der Inneren
oder Spinalanästhesie. Durch optimierte Osteosyntheseverfah-
ren erübrigen sich i.A. lange Liegezeiten. Die Indikation zur
Medizin. Besondere atemtherapeutische Maßnahmen sind je- operativen Knochenversorgung wird gerade aus diesen Grün-
3 doch erforderlich bei: den gestellt. Die gewonnene Übungsstabilität erlaubt dem Pati-
5 älteren Patienten, enten ein frühestmögliches Bewegen und Aufstehen. So ist die
5 Patienten auf der Intensivstation, gefürchtete Bronchopneumonie nach traumatologischen Ope-
4 5 polytraumatisierten Patienten, rationen von nicht intensivpflichtigen Patienten ein eher sel-
5 Verletzten, die teneres Krankheitsbild geworden.
5 – eine längere Ruhigstellung benötigen oder
– bereits eine Atemwegserkrankung mitbringen.
Befunderhebung
6 Ziel der Atemtherapie ist die Vermeidung von Sekundärschäden
durch eine optimale Ventilation aller Lungenabschnitte. Der Befund ermittelt nach Ehrenberg (1998) das sog. »Atem-
7 In der postoperativen Phase sind die Verletzten meist bettlä- muster« in Ruhe, beim Sprechen und Bewegen. Befundpunkte
gerig. Durch die einseitige Rückenlage und den Bewegungsman- sind:
gel werden besonders die unteren Lungenabschnitte schlecht be- 5 subjektiv genannte Beschwerden beim Atmen und Bewe-
8 lüftet. Die Schwerkraft bewirkt, dass die pulmonalen Kapilla- gen,
ren v.a. im unteren Lungenabschnitt prall mit Blut gefüllt sind. 5 Atembewegungen und Atemweg,
Der Perfusionsdruck (Druck innerhalb der Kapillaren durch 5 Atemmuskeleinsatz, z.B. Einsatz von Atemhilfsmuskeln,
9 Blutfüllung) ist durch die Schwerkraftwirkung auf die alveo- 5 Verkürzung der Atemhilfsmuskeln, Einsatz der Bauchmus-
laren Kapillaren erhöht. Es findet kein ausreichender Gasaus- keln bei der Ausatmung,
10 tausch statt, die Alveolen kollabieren, und es kommt zu Verkle- 5 Atemnebengeräusche wie z.B. exspiratorische Rasselge-
bungen der Alveolen durch mangelnde Belüftung (Atelektasen). räusche,
Die Sauerstoffsättigung des arteriellen Blutes nimmt ab (Hypo- 5 Giemen, Brummen oder Pfeifen, inspiratorischer Stridor,
11 xämie). 5 Atemfrequenz.
Normalerweise wirkt der »Euler-Liljestrand-Reflex« diesem
12 Zustand entgegen. Durch Vasokonstriktion (Engstellung der Diese Ermittlungen zeigen die individuelle Erfordernisatmung
Kapillaren) wird durch diesen Mechanismus die Durchblu- auf.
tung an die Belüftung des betreffenden Lungenabschnittes an-
13 gepasst. Wichtig
Funktioniert dieser Mechanismus nicht, können Sekret-
Blutdruck, Puls und Atmung müssen vor jedem Aufstehen
14 ansammlungen und Bakterien zu Bronchopneumonien führen.
kontrolliert werden, besonders bei älteren und polytraumati-
Besonders infektanfällig sind ältere Menschen und polytrauma-
sierten Patienten. Anschließend soll die Erholungszeit über-
tisierte Patienten, die eine längere Vollnarkose erhalten haben
15 und sediert wurden. Eine zusätzliche Gefahr besteht dadurch, prüft werden, durch Zählen der Atem- und Pulsfrequenz. Zu
bewerten sind auch die Medikamente, die der Patient erhält
dass ältere Patienten unbeweglich im Bett liegen und nicht ge-
(7 Kap. 2.3 Atembefund).
nügend trinken.
16 Patienten mit reduzierter Abwehrkraft vertragen Narkotika
und »Pressure Breathing« besonders schlecht. Darüber hinaus
17 ist ihre »mukoziliäre Clearance« (Selbstreinigungsmechanismus)
meist reduziert. Die mukoziliäre Clearance beruht auf einer in- Behandlungsmöglichkeiten
takten Schleimhautschicht. Ist sie geschädigt, wird Sekret in der
18 Lunge zurückgehalten, der Atemwegswiderstand wird erhöht, In . Übersicht 3.1 sind die physiotherapeutischen Zielsetzungen
es bilden sich Atelektasen. Es besteht Infektionsgefahr. der Atemtherapie für die Pneumonieprophylaxe zusammenge-
19 fasst.
! Cave
Eine Pneumonieprophylaxe ist für Patienten mit reduzierter
20 Abwehrkraft von besonderer Bedeutung.

21
3.1 Atemtherapie
39 3

. Übersicht 3.1. Gesichtspunkte der Atemtherapie


1. Vermeiden von Atelektasen und ihre Behandlung
durch Vertiefung der Atmung.
2. Umverteilung der Blutzirkulation in den Lungenab-
schnitten.
3. Verbesserung der mukoziliären Clearance.
4. Reduktion der Infektanfälligkeit durch Sekretmobilisati-
on und -eliminierung, Atemgeräte.
5. Verbesserung der Diffusion (Euler-Liljestrand-Reflex)
und Perfusion (Durchblutung).
6. Anpassen der Atmung an körperliche Mehrbelastung.

. Abb. 3.2. Atmen gegen Handkontakt zu einer Thoraxseite


1. Vermeiden von Atelektasen und ihre
Behandlung durch Vertiefung der Atmung
Zur Vermeidung von Atelektasen (. Abb. 3.1) kommen als Ein- 5 Griffe aus der klassischen Massage und der Bindegewebs-
atemtechniken in Frage: massage (. Abb. 3.4),
5 Wahrnehmen des Atemmusters durch Handkontakt und 5 Packegriffe aus der Lösungstherapie,
Basaltexte nach Ehrenberg (1998), 5 aktive oder passive Dehnzüge an Armen und Beinen, mo-
5 langsames, tiefes Einatmen durch die Nase, kurzes Anhal- difiziert nach der Verletzung,
ten und langsames Ausatmen (ca. 2–5 Wiederholungen), 5 aktives Bewegen mit Anpassung an den Atemrhythmus
5 Nasenstenose, (. Abb. 3.5),
5 Schnüffeln und Gähnen, 5 Umlagerungen soweit möglich, individuell an die Verlet-
5 die Atembewegung nach hinten/unten lenken (. Abb. 3.2, zung angepasst,
3.3), 5 modifizierte Dehnlage nach Schaarschuch-Haase, z.B.
5 Stretch am Ende der Ausatmung, Strecklage.

a b

. Abb. 3.1a,b. Lungenbelüftung a vor, b nach der Atemtherapie


40 Kapitel 3 · Prä- und postoperative Physiotherapie

Als Ausatemtechniken werden die dosierte und lange »Lippen-


1 bremse« eingesetzt. Ein- und Ausatemtechniken können auch
kombiniert werden.
2 2. Umverteilung der Blutzirkulation in den
Lungenabschnitten
3 Die Verbesserung der Lungendurchblutung wird am besten
durch Lagewechsel erreicht, so dass entsprechende Lungenab-
schnitte durch die schwerkraftbedingte Umverteilung des Lun-
4 genblutes unterschiedlich durchblutet werden.
Umlagerungen werden zeitlich und technisch dem Pati-
5 enten angepasst. Nicht jeder verletzte Patient kann in Seitenla-
ge, Bauchlage oder in flacher Rückenlage liegen.

6 Wichtig
. Abb. 3.3. Atmen gegen Handkontakt an beiden unteren Rippen-
bögen Anzustreben, allerdings nicht immer durchführbar, sind 2-
7 malige Umlagerungen am Tag über einen Zeitraum von 20
Minuten.
8
Tiefe Atemzüge, unterstützt durch Dehnungen und Handkon-
takte, tragen zur Verbesserung der Ventilation bei.
9
3. Verbesserung der mukoziliären Clearance
10 Die Schutzfunktion der Lunge, »mukoziliäre Clearance« oder
im Alltagssprachgebrauch auch »Waschanlage der Lunge« ge-
nannt, wird durch ausreichendes Trinken und Feuchtinhalation
11 verbessert (Brocke 2003).
Ältere Patienten trinken immer zu wenig und werden im
12 Krankenhaus auch zu selten ausreichend mit Getränken ver-
sorgt. Inhalieren wird auf traumatologischen Stationen selten
durchgeführt; es fehlt an Oszillationsgeräten und an korrekter
13 Anleitung zu ihrer Anwendung.
. Abb. 3.4. Hautrollungen Physiotherapeuten sollten ältere Patienten zum Trinken
14 motivieren und auch das Pflegepersonal entsprechend dazu auf-
fordern.
Zusätzlich können IPPB-Geräte in Kombination mit einem
15 Vernebler oder der VRP-Cornet angewandt werden (7 Punkt
4).

16 4. Reduktion der Infektanfälligkeit,


Sekretmobilisation und -eliminierung, Atemgeräte
17 Zur Infektabwehr muss das Sekret mobilisiert, transportiert
und eliminiert werden. Die Sekretmobilisation ist abhängig von
einem feuchten Milieu und der Möglichkeit, dass Luft unter das
18 Sekret kommt. Dies geschieht durch tiefe Atemzüge und den
Einsatz von Atemhilfsgeräten. Eine Kombination mit einer In-
19 halationstherapie ist sinnvoll.
Atemhilfsgeräte werden (im Zusammenhang mit den Punk-
ten 1, 3, 4 und 5) individuell eingesetzt (Gärtner et al. 2000):
20 5 SMI-Geräte (Sustained maximal inspiration, unterstützte
maximale Einatmung),
21 . Abb. 3.5. Bewegen und Atmen 5 Totraumvergrößerer (Giebelrohr),
3.1 Atemtherapie
41 3

5 Vario-Resistance-Pressure-Geräte wie Wichtig


– Flutter- oder RC-Cornet-Gerät,
– VRP1 Desitin, Die Atmung durch das Giebelrohr bewirkt eine Ventilations-
5 Pari-PEP-Gerät (Cegla), steigerung mit tiefen Atemzügen (Ehrenberg 1998) und
5 Intermittent Positive Pressure Breathing-Geräte. gilt als Prävention für Mikroatelektasen, fördert den Sekret-
transport und beseitigt ventilatorische Verteilungsstörungen.
SMI-Geräte (Sustained Maximal Inspiration). Es werden Flow Der Nachteil besteht in einer möglichen Atemfrequenzstei-
orientierte und Volumen orientierte Geräte verwendet. Zu gerung.
den Flow orientierten Geräten zählen z.B. Inspirix, Mediflo und
Triflo II, zu den Volumen orientierten Geräten z.B. der Coach
oder der Voldyne. Vario-Resistance-Pressure-Gerät: Flutter- oder RC-Cornet-Ge-
Nach Gärtner (2000) soll der Patient langsam und maximal rät und VRP1 Desitin. Der RC-Cornet besteht aus einem Mund-
in diese Geräte hineinatmen und, ohne die Luft anzuhalten, bei stück, einem Ventilschlauch, einem Schalldämpfer und einer ge-
offener Stimmritze ausatmen. Nach Ehrenberg (1998) soll die bogenen Röhre (. Abb. 3.6). Beim Ausatmen wird der Schlauch
Luft angehalten werden. Flow orientierte Geräte messen, ob der in der gebogenen Röhre vor seinem Knick gestaut, dann wird
Patient den vorgegebenen »inspiration flow« erreicht; sie kön- der Schlauch gerade geformt, das Schlauchende geht nach oben
nen jedoch eine falsche Atemmechanik nicht ausschließen. Vo- und knickt den Schlauch erneut ab. So entsteht eine Flatterbe-
lumen orientierte Geräte messen Volumen und Flow. SMI-Ge- wegung mit definiertem Druck und Flussschwankungen. Nach
räte sind für eine Ventilationsverbesserung und Atemschulung langsamer Einatmung wird die Luft kurz angehalten und dann
hilfreich. gegen den Widerstand des Schlauches ausgeatmet. Bei dieser
Ausatmung wird die Luft in den Bronchien in Schwingung ver-
Variabler künstlicher Totraumvergrößerer. Ein Giebelrohr be- setzt, das Sekret wird mobilisiert und kann leichter eliminiert
steht aus einem Mundstück und Rohrsegmenten à 100 ml Luft- werden. Nach ca. 10–15 Atemzügen kann das Sekret oft abge-
raum. Als Test gilt die Durchführung mit zwei bis drei Teilstü- hustet werden.
cken für ca. 3 Minuten. Vor und nach dem Test wird die Atem- Druck- und Flusswiederholungen werden nach Cegla et al.
frequenz gezählt. Die Wahl der Teilstücke richtet sich nach der (1997) bis zum Ende der Exspiration weitgehend gleichgehal-
Atemfrequenz, sie soll 20–24 Atemzüge nicht überschreiten. Bei ten. Im Gegensatz zu anderen Geräten wird mit dem RC-Cor-
zugeklemmter Nase soll der Patient durch die getestete Giebel- net über eine längere Zeit ein positiver Exspirationsdruck beibe-
rohrlänge 3–6 Minuten ein- und ausatmen. halten. Die mukoziliäre Clearance wird erhöht. Das Gerät ist si-
Das Giebelrohr erhöht die CO2-Konzentration in der Al- gnifikant wirksam und wird von Patienten gut akzeptiert.
veolarluft im arteriellen Blut. Um den PCO2-Gehalt wieder zu
normalisieren, reagiert der Körper mit einer Steigerung der Ge- Wichtig
samtventilation. Dabei soll die erhöhte Atemarbeit nicht nur
Das RC-Cornet-Gerät wird in der Physiotherapie zunehmend
über eine Frequenzsteigerung, sondern auch über eine gestei-
für die Behandlung postoperativer Atelektasen eingesetzt.
gerte Atemvertiefung erfolgen.

. Abb. 3.6a,b. Einsatz des RC-Cor-


net-Gerätes (Cegla)
42 Kapitel 3 · Prä- und postoperative Physiotherapie

Der VRP1 Desitin ähnelt einer Trillerpfeife. Er besteht aus einem


1 gebogenen Rohrstück (»Pfeife«), einem Trichter, einer Kugel
und dem durchlöcherten Kopfteil. Bei der Ausatmung soll die
2 Kugel aus dem Trichter angehoben werden. Wenn die Luft ent-
weicht, sinkt der Druck am Mundstück, und die Kugel fällt in
ihr Bett zurück. Durch wiederholtes Anheben und Zurückrollen
3 der Kugel entsteht eine mehrmalige Unterbrechung des Ausat-
mungsstromes.Diese Schwingungen setzen sich in den Bronchi-
en fort und lösen das Sekret. Nach mehreren Atemzügen kann
4 das Sekret wie beim RC-Cornet-Gerät abgehustet werden.

5 Pari-PEP-Gerät (Cegla). Es besteht aus einer Maske und einem


System, das einen positiven Ausatemdruck erzeugt. Der Patient
atmet tief ein, hält kurz die Luft an und atmet gegen den Wider-
6 stand des Gerätes aus. Der Ausatemwiderstand kann durch ver-
schieden große »Stenoselöcher« variiert werden. Nach ca. 10–20
7 Atemzügen wird die Maske abgenommen und die »Huff«-Hu- . Abb. 3.7. Hustentechnik
stentechnik durchgeführt. Diese fördert die Mobilisation und
Eliminierung des Schleims. Nach Ehrenberg (1998) wirkt diese
8 Technik wie die dosierte Lippenbremse. Wichtig

Bei allen Maßnahmen zur Sekretelimination sollte der


Intermittent Positive Pressure Breathing-Geräte (IPPB). Diese
9 Geräte, z.B. »Bird«, »Salvia Alveola« bewirken einen intermit- Oberkörper, wenn erlaubt, höher gelagert sein. Ist eine
Oberkörperhochlagerung nicht erlaubt, kann das Bettende
tierenden Überdruck in den Atemwegen. Das Gerät bläht über
10 einen eingestellten Druck die Lunge passiv auf. Das Ventil öff- abgesenkt werden.
net sich durch eine entsprechende Triggerpunkt-Einstellung
bei Beginn der Inspiration (z.B. 1–1,5 mbar) und schaltet bei Bei polytraumatisierten Patienten mit zusätzlichen Abdominal-
11 erreichtem Inspirationshöhepunkt in die Ausatmung um. Die verletzungen ist eine angepasste Bauchmuskelspannung beson-
Ventilation wird verbessert; Mikroatelektasen werden geöffnet. ders wichtig. Auch eine Fixation der Rippen oder der Wun-
12 Zum Einsatz kommen die Geräte auch zur Sekretmobilisation. den im Abdominalbereich mit großflächig angelegten Händen
des Therapeuten kann die fehlende Gegenkraft ersetzen und
Weitere Behandlungstechniken. Perkussionstechniken und Schmerzen verringern. Bei Thoraxverletzungen kann auch ein
13 Vibrationen finden zusätzlich Anwendung. weiches, flaches Kissen unter die fixierenden Hände gelegt wer-
den.
14 Wichtig
5. Verbesserung der Diffusion (Euler-Liljestrand-
Beim Husten ist darauf zu achten, dass der Schmerz abge- Reflex) und Perfusion (Durchblutung)
15 fangen wird und keine Kompression durch ein evt. Pressen
Die Veränderung der Diffusion ist abhängig von der Lungen-
entsteht.
durchblutung. Die Lunge ist dort gut belüftet, wo sie ausrei-
chend durchblutet ist. Dazu werden tiefe Atemzüge, Umlage-
16 Man kann den Patienten anlernen, nach der Einatmung etwas rungen, SMI-Geräte therapeutisch und prophylaktisch einge-
Luft abzuatmen und dann zu husten. Als Technik der Wahl gilt setzt.
17 heute die sog. »Huffing«-Technik. Dabei soll die Luft nach ei-
ner tiefen Einatmung kurz angehalten und anschließend bei of- ! Cave
fener Glottis auf »Huff« schnell ausgestoßen werden. Vor dem Kompressionseffekte müssen vermieden und regelmäßig ein
18 Hustenstoß muss eine Bauch- und Rückenspannung aufgebaut Lagewechsel vorgenommen werden.
werden (. Abb. 3.7).
19 Die Gabe von Schmerz reduzierenden Medikamenten kann 6. Anpassung der Atmung an körperliche
das schonende Abhusten erleichtern (7 Abschn. 3.3, »Schmerz- Mehrbelastung
therapie«). Heute werden Patienten bereits am 1. postoperativen Tag gene-
20 Über die Anwendung autogener Drainagelagerungen ist in- rell mobilisiert, d.h., sie müssen aufstehen. Dies bedeutet eine
dividuell zu entscheiden. Oft muss eine Inhalationstherapie die körperliche Anstrengung. Besonders beim Gehen im Gehwa-
21 Atemtherapie ergänzen. gen oder beim Hüpfen auf einem Bein können ältere Patienten
3.3 Schmerztherapie
43 3

ihre Atmung nicht an die geforderte Leistung anpassen. Die Pa- Die Übungen werden als freie, langsame, aktive Umkehrbe-
tienten entwickeln eine Belastungsdyspnoe. wegungen für mindestens 10 min ausgeführt, z.B. Treten mit
Gehen mit entsprechenden Pausen, gleichmäßiges Weiterat- den Füßen gegen ein weiches Kissen, Beugen und Strecken eines
men und ein Anpassen der Schrittfolge an die Atmung kann Beins mit schleifender Ferse, Bewegen der einzelnen Arm- und
hilfreich sein. Um ein Pressen zu vermeiden, muss dem Pati- Beingelenke in PNF-Mustern (Muskel-Venen-Pumpe). Ist ak-
enten bewusst gemacht werden, in kleinen Atemzügen weiter- tives Bewegen nicht möglich, wird passiv bewegt.
zuatmen. Als niedrige Belastungsstufe kann das Gehen mit einer
In den Pausen können z.B. im Sitz dynamische Umkehrbe- Schrittfolge von 80 Schritten/min angesehen werden; dieses ent-
wegungen der Arme im Rhythmus der Atmung sowie Entspan- spricht einer Leistung von 20 Watt auf dem Fahrradergome-
nungstechniken durchgeführt werden. ter. Jedoch erfordert das Gehen mit Belastung nur eines Beins
Individuelle Probleme bei polytraumatisierten Patienten (Hüpfen auf dem gesunden Bein) oder auch das Gehen mit mi-
oder bei Verletzten, die bereits eine obstruktive Atemwegser- nimaler Belastung eine erheblich höhere Herz-Kreislauf- und
krankung haben, erfordern eine individuelle am Befund orien- Atemarbeit. Bei dieser Kreislaufbelastung steigt der Sauerstoff-
tierte Atemtherapie. verbrauch um ein Vielfaches an. Vermutlich ist eine erhöhte sta-
tische Muskelarbeit dafür verantwortlich.
Wichtig Beim Gehen mit minimaler Belastung ist die Herzleistung et-
was geringer, liegt aber gegenüber dem normalen Gehen immer
Vermehrte körperliche Arbeit steigert das Atemminutenvo-
noch im Stressbereich. Dies ist v.a. bei Polytraumatisierten und
lumen durch erhöhte Atemfrequenz bei kleinerem Atemzug-
alten Menschen zu beachten!
volumen, also auf Kosten der Atemzugtiefe (Ehrenberg 1998).
Antithrombosestrümpfe, Kompressionsstrümpfe oder Ban-
dagieren der Beine wird heute nicht mehr als Routinemaßnah-
me verordnet. Unerlässlich sind diese jedoch bei starken Öde-
men und Risikopatienten mit entsprechender Anamnese.
3.2 Thromboseprophylaxe Empfohlen wird das Tragen der Strümpfe in den ersten
postoperativen 24 Stunden. Manche Kliniken belassen die Anti-
Therapeutische Maßnahmen thrombosestrümpfe auch über eine Woche und länger.
Die Strümpfe sollten individuell angepasst werden und fal-
Ärztliche Behandlung tenfrei sitzen. Wenn dies nicht möglich ist, wird mit abneh-
In der postoperativen Phase wird heute routinemäßig Risiko ad- mendem Druck vom Fuß bis zum proximalen Oberschenkel
aptiertes, niedermolekulares Heparin für einen Zeitraum von 10 gewickelt.
Tagen und mehr zur Thromboseprophylaxe gegeben. Die Pati- Alle betroffenen Extremitäten werden jedoch routinemäßig
enten werden angewiesen, sich auch zu Hause das Heparin wei- hochgelagert. In manchen Kliniken wird zusätzlich ein Bett-
terzuspritzen, solange sie immobilisiert sind (ca. 10–14 Tage). fahrrad eingesetzt.
Ein Kreislauftraining im sportmedizinischen Sinne, z.B. mit
Physiotherapeutische Behandlung dem Fahrradergometer oder Laufband, kann mit Unfallverletz-
Während der postoperativen Phase sollen Physiotherapeuten ten oder operierten Patienten im postoperativen Stadium nicht
zur Früherkennung einer Thrombose die Venendruckpunkte durchgeführt werden.
kontrollieren (7 Kap. 2, Befunderhebung und 7 Kap. 4, Throm-
bose).
Die Patienten sollen frühzeitig mobilisiert werden, d.h., sit- 3.3 Schmerztherapie
zen, stehen und gehen.
Übungen in dynamischer Ausführung und unter geringer Die Schmerzempfindung ist eine eigenständige Sinneswahr-
Kraft beeinflussen den Körper- und den Lungenkreislauf posi- nehmung (somatosensible Wahrnehmung), die eine Verände-
tiv. rung des Körperzustandes registriert (Damasio 1997, in Tie-
Zwischen Atmung und Kreislauf enger Zusammenhang; da- mann 2005). Schmerzreize werden durch Neurotransmitter ins
her wirken Maßnahmen der Atemtherapie auch auf den Kreis- Gehirn übermittelt.
lauf und umgekehrt. Einatemübungen mit mäßiger Intensität
können somit auch zur Thromboseprophylaxe eingesetzt wer- Schmerzentstehung
den. Bei einer Reizung der Nervenendigungen durch Entzündung
Nach Ehrenberg sollen kleine bis mittelgroße Muskelgrup- oder Verletzung in einem Körperabschnitt vermerkt das Ge-
pen in dynamischer und statischer Muskelarbeit beansprucht hirn diese Zustandsänderung im Kortex als Schmerz. Grund-
werden. Die lokale aerobe Ausdauer wird dadurch verbessert. sätzlich gesehen ist der Schmerz eine Gefahrenmeldung, um das
Bewusstsein über eine mögliche Verletzung und Schädigung
44 Kapitel 3 · Prä- und postoperative Physiotherapie

des Körpers zu informieren. Noxen lösen die Schmerzempfin- Wichtig


1 dung aus; diese können durch schädigende Bewegungen oder
durch Ausschüttung Gewebe schädigender Stoffe bei Verlet- Die Schmerzcharakteristik kann den unterschiedlichen
2 zungen hervorgerufen werden. Schmerzen ermöglichen des-
halb eine Abwehr gegen Noxen und setzen den Heilungspro-
Fasertypen zugeordnet werden:
5 Ein punktueller, lokaler, stechender oder scharfer
zess in Gang. Schmerz entstammt den A-Delta-Fasern,
3 Butler (2001) definiert in Anlehnung an die »Internatio- 5 bohrende, diffuse, brennende oder dumpfe Schmerzen
nal Association for the Studies of Pain« (IASP) Schmerz als … den C-Fasern.
»unangenehmes sensorisches und emotionales Erlebnis, das in
4 Verbindung mit tatsächlichen oder drohenden Gewebeschä-
digungen auftritt oder unter Bezugnahme auf solche Gewebe-
5 schädigungen beschrieben wird.« Beteiligung des sympathischen Nervensystems
Klinische Beobachtungen lassen vermuten, dass das sympa-
Schmerzleitung zum Gehirn und thische Nervensystem an der Erzeugung von Schmerzen und
6 Schmerzwahrnehmung anderen Veränderungen nach Traumen beteiligt ist (van den
Inzwischen hat die Wissenschaft Nervenzellen, Nozizeptoren, Berg 2003). Er sieht eine Beteiligung am Entzündungsschmerz,
7 nachgewiesen, die spezifisch schmerzhafte Reize aufnehmen wenn die Nozizeptoren für mechanische Reize sensibilisiert
und kodieren können. werden. Folglich kann eine Behandlung im Grenzstrangbereich
In Zusammenhang mit einem Trauma oder einer Operati- die Aktivität des N. symphaticus reduzieren und Schmerzen
8 on werden aktuell oder potenziell Gewebe geschädigt. Diese bil- verringern. Eine Zuordnung ergibt sich in den Bereichen:
den noxische Reize und verursachen damit eine Schmerzsituati- 5 Th10–L2 für LWS, ISG, Hüftgelenk und Bein,
on. Jeder Schmerz hat komplexe sensorische, affektive, vegeta- 5 Th4–Th8 für Schultergelenk und Arm,
9 tive, motorische und kognitive Komponenten. 5 C8–Th4 für HWS und Nacken (7 Kap. 11, Komplexes Regi-
Unterschiedliche afferente Nerven weisen unterschied- onales Schmerzsyndrom).
10 liche Strukturen und Leitungsgeschwindigkeiten auf, die für
die Schmerzwahrnehmung Bedeutung haben: Die Leitungsge-
schwindigkeit bei dicken markhaltigen A-Alpha/-Beta-Fasern Clinical Reasoning
11 beträgt ca. 40–90 m/sec, bei dünnen markhaltigen A-Delta-Fa-
sern ca. 2–40 m/sec und bei marklosen C-Fasern ca. < 2 m/sec. Unter dem Begriff »Clinical Reasoning« verstehen Slater (2000
12 Bis auf den Knorpel haben alle Strukturen Nozizeptoren. Die in van den Berg 2000) und Klemme (2004) die Anwendung von
dünnen Nervenfasern brauchen besonders starke und länger Fachwissen, Methodenwissen, Forschungsstand und fachprak-
andauernde Reize, um Aktionspotenziale auszulösen. tischen Fähigkeiten, um eine individuelle effektive Behandlung
13 des Patienten durchführen zu können.
Wichtig Die Untersuchung von Schmerzpatienten erfasst Daten über
14 Schmerzen nach struktureller Schädigung, z.B. an Muskel,
verbale Äußerungen, nonverbale Verhaltensbeobachtungen und
deren sorgfältige Interpretation. Anhand dieser Informationen
Band, Kapsel, Periost, werden hauptsächlich durch die C-
kann der Physiotherapeut eine Arbeitshypothese aufstellen, die
15 Fasern vermittelt.
er bei der Durchführung seiner Maßnahmen ständig überden-
ken und überprüfen muss.
Von der geschädigten Struktur ausgehend werden die Reize Dieses Vorgehen ist ein dynamischer Prozess, der den neu-
16 über das Rückenmark/Hinterhorn und den Hinterstrang/Vor- en Informationen und Reaktionen angepasst werden muss. Pa-
derseitenstrang zu Thalamus und Kortex weitergeleitet. tient und Physiotherapeut arbeiten dabei partnerschaftlich zu-
17 Bei peripheren Verletzungen und langem Weg zum ZNS ge- sammen.
schieht die Schmerzwahrnehmung in zwei Phasen, unterbro- In . Übersicht 3.2 sind die für Physiotherapeuten wichtigen
chen von einem kurzen Intervall, da zunächst die A-Delta-Fa- Patienteninformationen für eine effektive Behandlung zusam-
18 sern den Reiz aufnehmen und nach einer Pause zunehmend die mengefasst.
C-Fasern (Klinke, Silbernagel 2003).
19
20
21
3.3 Schmerztherapie
45 3

sicht des Anästhesisten, andere geben die Medikamente nur


. Übersicht 3.2. Untersuchung von Schmerzpatienten bei Bedarf.
Die spezielle Untersuchung von Schmerzpatienten erfasst:
5 charakteristische Äußerungen des Patienten und ty-
Wichtig
pische Untersuchungsbefunde (Maitland 1996, Slater Als Richtlinie kann jedoch gelten, dass eine Basisanalgesie
2000, Tiemann 2005), verabreicht werden soll, bevor die Schmerzen für den Pati-
5 detaillierte Angaben über die Lokalisation des enten sehr stark werden. Diese vorausschauende Schmerz-
Schmerzes und die Zuordnung zu Verhaltensformen, therapie führt zu geringeren Dosierungen und zu einer
5 Angaben zur Vorgeschichte, vermehrten Schmerzfreiheit für den Patienten.
5 Äußerungen des Patienten über sein Hauptproblem,
5 Zuordnen der Symptome in eine Tabelle (Qualität,
Dauer, Lokalisation, Beziehung zwischen mehreren Nach dem Prinzip der Patienten kontrollierten Analgesie (PCA-
Symptomen), Pumpe oder »Schmerzpumpe«) werden Dosis und Dosisinter-
5 Angaben über das Auftreten der Symptome im täg- vall vom Patienten selbst bestimmt. In Kliniken mit einem ent-
lichen Leben und evt. hilfreiche Eigenbehandlungen sprechenden Anästhesiedienst kann dies in seltenen Fällen auch
des Patienten, mithilfe eines überwachten Epiduralkatheters geschehen. Beide
5 Angaben über medizinische oder physiotherapeu- Therapieformen sollen nur wenige Tage durchgeführt werden.
tische Vorbehandlungen, In Ausnahmefällen wird eine Sympathikusblockade durchge-
5 Wahrnehmung der Behandlung, führt, z.B. bei einer ausgeprägten CRPS. Gleichermaßen selten
5 Angaben bzgl. der psychosozialen Situation des Pati- entschließt sich ein Traumatologe bei ausgeprägter Schmerz-
enten (Familie, Arbeitssituation, Angst vor Invalidität). symptomatik zur Gabe eines Antidepressivums.
Hinzu kommen Befunderhebungen der neuro-muskulo- Die Schmerzwahrnehmung ist bei Verletzten sehr unter-
skelettalen Systeme mit funktionellen und strukturspezi- schiedlich ausgeprägt, Angst verstärkt sie. Grundlagenforscher
fischen Testverfahren (7 Kap. 2). haben zudem auf eine Auswirkung auf das Immunsystem hin-
gewiesen.
In der ambulanten Chirurgie werden zentralwirkende An-
algetika nicht verwendet. Üblich ist eher eine Behandlung mit
Diclofenac für 10–14 Tage oder die Gabe von Novalgin und Tra-
Maßnahmen zur Schmerzreduzierung mal bei Bedarf.

Schmerz ist ein akutes Symptom in der ersten Phase des Hei- Wichtig
lungsprozesses (1. – 5. Tag), das mit der klinischen Zielsetzung
Schmerz ist in der ersten Heilungsphase ein nützliches Symp-
therapiert wird, peri- und postoperativen chronischen Schmer-
tom!
zen entgegenzuwirken. Über die Dauer und Konsequenzen für
die physiotherapeutische Bewegungstherapie müssen Physio-
therapeuten gut informiert sein.
Physiotherapeutische Behandlung
Ärztliche Behandlung Schmerzen als Folge eines Traumas oder eines operativen Ein-
Grundsätzlich können von ärztlicher Seite zentral- oder regio- griffes werden, wie bereits erwähnt, durch Gewebeverletzung
nal-lokal wirkende Analgetika (Schmerzmedikamente) verabrei- und Nozizeption hervorgerufen. Sie entstehen durch Freiset-
cht werden. zung von Entzündungsmediatoren, durch Gefäßerweiterungen
Opiate hemmen die aufsteigenden Reize, so dass die Wahr- und die Entwicklung eines Hämatoms oder Ödems. Die An-
nehmung des Schmerzes unterbunden wird. Tramadol oder satzpunkte physiotherapeutischer Maßnahmen zur Schmerzre-
Fentanyl sind zentralwirksame Analgetika, die während der duzierung sind deshalb Förderung der Gewebeheilung und Re-
Anästhesie und in der frühen postoperativen Phase verord- duzierung der nozizeptiven Impulse.
net werden. Wegen einer möglichen Atemdepression ist bei Selbstverständlich müssen die Schmerzursachen exakt er-
diesen Substanzen eine gute Überwachung der Patienten im mittelt, den einzelnen Strukturen zugeordnet und bewertet wer-
Aufwachraum oder auf der Station erforderlich. Opiate kön- den.
nen vorteilhaft mit anderen Substanzen, z.B. Novalgin oder Die Grundlagenforschung hat ergeben, dass durch mecha-
nichtsteroidalen Antiphlogistika wie Diclofenac oder Voltaren nische Stimulation eine Hemmung der Nozirezeptoren stattfin-
kombiniert werden. In der Praxis sind die Auffassungen un- det (Gate-Control-Theorie), z.B. bei Bewegungen im geschlos-
terschiedlich. Manche Kliniken bevorzugen postoperativ ei- senen System über Fußsohlen-Bodenkontakt oder Handkon-
ne routinemäßig durchgeführte Schmerztherapie unter Auf- takt auf feststehender Fläche.
46 Kapitel 3 · Prä- und postoperative Physiotherapie

Aktives, assistives und passives Bewegen reicht. Es besteht eine mögliche Koppelung zwischen postgan-
1 Aktives, assistives und passives Bewegen nimmt eine zentrale glionären sympathischen Neuronen und afferenten Neuronen,
Stellung in der Behandlung von Patienten mit Schmerzen ein. evt. über die Blutgefäße oder eine chemische Koppelung (Nor-
2 Nicht nur die Stimulation der Mechanorezptoren durch aktive
Übungsformen führt zu einer Hemmung der Nozizeptoren,
adrenalin) in der Peripherie. Neben der Beeinflussung der bei-
den vegetativen Systeme ist eine Erregung der nozizeptiven affe-
sondern auch die Freisetzung von Opiaten. Besonders bei groß- renten Neurone auch abhängig von den Rezeptoren. Diese Vor-
3 en, langsamen Bewegungen werden die Mechanorezeptoren sti- gänge sind noch nicht endgültig erforscht. Klinische Beobach-
muliert, die dann Impulse über das Rückenmark in den Thala- tungen beim Complex Regional Pain Syndrome (CRPS) und ei-
mus aussenden. Dort werden endogene Opiate freigesetzt, die ne erfolgreiche schmerzmindernde Sympathikusblockade wei-
4 eine Schmerzhemmung bei Bewegungen einleiten können (Su- sen auf mögliche Zusammenhänge hin.
kiennik, Wittink 2002 in Tiemann 2005).
5 Eine Wechselwirkung von aktiven Bewegungen und Massage/Manuelle Lymphdrainage
Schmerzminderung oder von Schmerzerwartung und geringem Bei allen Arten von Massageanwendungen werden mechano-
Bewegungsverhalten als Schutz vor Gewebeschädigung muss rezeptive Afferenzen ausgelöst, die wie beim passiven, aktiven
6 von Physiotherapeuten erkannt werden. Die Führung eines Pa- oder assistiven Bewegen schmerzhemmende Mechanismen ak-
tienten, Bewegungen und Aktivitäten im schmerzfreien Bereich tivieren und darüber hinaus neuroreflektorische, biochemische
7 auszuführen, wird der richtige therapeutische Weg sein. und psychologische Wirkungen aufweisen. Der mechanische
Die aktive Therapie muss ständig an das Leistungsvermögen Effekt entsteht durch die Mobilisation der Gewebeschichten
des Patienten angepasst werden. Dann wird der Patient ein Er- und Herabsetzung des Muskeltonus. Im schmerzfreien Bereich
8 folgserlebnis haben und motiviert werden, selbst aktiv zu sein. sollen Physiotherapeuten Massagen als nützliche und heilungs-
Van den Berg sieht auch in der passiven Bewegung der Ge- fördernde Maßnahme einsetzen.
lenke eine sinnvolle Therapie, andere Autoren betonen die ak- Zur Förderung des Lymphabflusses ist die Manuelle Lymph-
9 tive Übungsform. Es ist anzunehmen, dass es auf das Geschick drainage besonders wirksam. Damit verbunden ist ebenfalls ei-
des Physiotherapeuten ankommt, das passive Bewegen so be- ne Dämpfung der Nozizeptoren durch Absenken des Sympathi-
10 hutsam auszuführen, dass keine Schmerzen und Gewebeschä- kotonus, aber auch eine Entlastung des Kapillar- und intersti-
digungen entstehen. tiellen Druckes. Eine verbesserte Durchblutung und Resorpti-
on des Ödems sind die Folge, welche sich günstig auf die Gewe-
11 Bindegewebsmassage beheilung auswirkt. Entzündungsmediatoren, das Exsudat und
Die Rolle des sympathischen Nervensystems bei der Sensibili- das zerstörte Gewebe werden leichter abtransportiert und ver-
12 sierung von Nozizeptoren ist bisher nicht endgültig erforscht. mindern die Gefahr einer Fibrosierung im Verletzungsbereich
Jedoch weiß man aus den Wirkungsmechanismen der Binde- (Yates 1999). Die Funktionsfähigkeit des Gewebes wird dadurch
gewebsmassage (Teirich-Leube), dass nach einer Bindegewebs- deutlich verbessert.
13 massage eine deutliche Senkung der sympathischen Aktivitäten Einige Schmerz reduzierenden Massagetechniken werden
im sympathischen Ursprungsgebiet der Brustwirbelsäule zu er- mit kleinen Gelenkbewegungen kombiniert, sie werden als mo-
14 kennen ist. Voraussetzung ist die Auslösung eines den A-Beta- bilisierende Massage (Dr. Terrier), Funktionsmassage (FBL) oder
und A-Delta-Fasern zuzuordnenden schneidenden, scharfen Pumpmassage (Teirich-Leube) bezeichnet.
Gefühls während der Durchführung. Bei einer Fehlreaktion, Auch die Periostmassage nach Vogler kann als inten-
15 z.B. durch ein dumpfes, drückendes länger anhaltendes Gefühl, sive Druck-Punkt-Massage zur Schmerzreduzierung einge-
wird die sympathische Reflexaktivität eher gesteigert, da dünn- setzt werden. Dabei wird eine Art »Friktion« solange auf einem
faserige C-Fasern gereizt werden (Sato und Schmidt 1973). Schmerzpunkt gehalten, bis der Schmerz abnimmt. Durch die-
16 se Technik werden Entzündungsmediatoren freigesetzt, die die
Hubfreie Mobilisation Wundheilung verbessern.
17 Bewegungsreize, z.B. als hubfreie Mobilisation im Brustwirbel- Allgemein betrachtet, kann Massage nach van den Berg
säulenbereich (Ursprungsgebiet des N. sympathicus) können (2003) ebenfalls einen positiven Einfluss auf das Immunsystem
einen positiven neuroreflektorischen Effekt auf das vegetative haben und durch den Abbau von Stresshormonen zu einer
18 System haben. Schmerzverminderung führen. Die Patienten äußern ein Wohl-
Das vegetative System zeigt auch biochemische Auswir- befinden, was die Physiotherapeuten lange Zeit dazu verleite-
19 kungen, die Einfluss auf die Gewebeheilung haben. Der N. sym- te, Massage nicht als medizinisch/physiotherapeutisch erforder-
pathicus setzt am Ende des 2. Neurons Noradrenalin frei, wo- lich zu halten.
durch eine Blutgefäßverengung an den postganglionären Fasern
20 des Sympathikus entsteht. Die vasodilatatorische Wirkung wird Wärme- und Kälteanwendungen
von sympathischen und parasympathischen Nerven durch Aus- Wärmeanwendungen sind in ihrer Wirkungsweise noch wenig
21 schüttung von Azetylcholin (ACH) am Ende des 1. Neurons er- erforscht, jedoch wird angenommen, dass die Abwehrspan-
3.3 Schmerztherapie
47 3

nung der Muskulatur und des Bindegewebes Ursache und Fol- vasoaktiven Stoffen, die eine Hemmung der Übertragung von
ge der Aktivitäten der Nozizeptoren ist. Eine direkte oder in- Schmerzreizen und eine Aktivierung deszendierender nervaler
direkte Schmerzminderung kann durch Hemmung der Weiter- Hemmsysteme begünstigen.
leitung nozizeptiver Informationen, aber auch durch Entspan- Abschließend sind in . Übersicht 3.3 alle physiotherapeu-
nung des betroffenen Gewebes erfolgen. Milde Wärmeanwen- tischen Maßnahmen zusammengefasst, die Schmerzempfin-
dungen werden deshalb zum Spannungsabbau eingesetzt, wenn dungen abbauen können.
sie die Entzündungssymptomatik nicht negativ beeinflussen,
d.h. steigern.
Kälteanwendungen führen zu einer Vasokonstriktion und . Übersicht 3.3. Schmerzlindernde
einer Schmerzunterdrückung durch Desensibilisierung der Re- physiotherapeutische Maßnahmen
zeptoren im peripheren Nervensystem und Inhibition im zen- 5 Lagerung in aktueller, schmerzfreier Ruhestellung.
tralen Nervensystem. Eine Abkühlung der Haut unter 10°C für 5 Passives und aktives Bewegen.
10 sec verringert die Sensibilität der C-Fasern deutlich (van den 5 Konzentratives Bewegen.
Berg 2003), was im Sport mit Kältesprays ausgenützt wird. Bei 5 Hubfreies Bewegen im BWS-Bereich.
längerer Anwendung tritt ein unangenehmer Kälteschmerz auf, 5 Klassische Massage, Bindegewebsmassage, Periost-
der zu einer schädigenden Nervenblockade führen kann. massage.,
5 Manuelle Lymphdrainage.
Wichtig 5 Mobilisierende Massage, Funktionsmassage.
5 Wärmeanwendungen.
Aus diesen Grundlagenforschungen ergibt sich, dass Eis 5 Kälteanwendungen (7 Kap. 1).
heute nur in der posttraumatischen/-operativen Situation 5 Enspannungs- und Lösungstherapie nach Schaar-
in Form von Kompressen, ohne Auslösung eines Kälte- schuch-Haase.
schmerzes, angewandt werden darf (7 Kap. 1). 5 Transkutane Elektrische Nervenstimulation (TENS).
5 Kombinationen von Akupunktur und Manueller The-
rapie.
Transkutane Elektrische Nervenstimulation (TENS) 5 Kognitive Verhaltensschulung und Aufzeigen der Mög-
Die Begründer der Gate-Control-Theorie Melzack und Wall lichkeiten der Schmerzkontrolle im Alltag.
(Gifford 2000) nahmen an, dass A-Beta-Fasern, die für die In- 5 Information über den Heilungsablauf des geschädigten
nervation der Mechanorezeptoren zuständig sind, hemmend auf Gewebes.
die Hinterhörner im Rückenmark einwirken. Mit TENS werden 5 Aufbau einer Vertrauensbasis, so dass der Patient die
die A-Beta-Faserkerne im Hinterhorn derart gereizt, dass eine Therapiemaßnahmen mitbestimmen und Ängste ab-
Inhibition für das spinothalamische Neuron der 2. Ebene ein- bauen kann.
tritt, über ein inhibitorisches Interneuron. Diese Methode funk-
tioniert jedoch nur, wenn die Schmerzen nicht chronisch und
die Hinterhörner nicht strukturell verändert sind (Tiemann
2005). TENS als nicht invasive Therapieform kann unterstüt- Schmerzvermeidung in der Physiotherapie
zend zur Schmerzreduzierung, vor allem aber zur verbesserten Ein signifikanter Zusammenhang wird in der Literatur (Mayr
Durchblutung eingesetzt werden. Der lokale Stoffwechsel in der et al. 2000, van den Berg 2003, Tiemann 2005) zwischen chro-
betroffenen Struktur wird gesteigert, so dass sich deren Funkti- nischen sowie intensiven prä- und perioperativen Schmerzen
on normalisieren kann. Die TENS-Therapie ist v.a. in der pri- und deren Auslösung durch postoperative rigorose Physiothera-
mären Heilungsphase sinnvoll, zumal die Patienten diese auch pie nachgewiesen. Dies gilt v.a. für die Entwicklung einer Ar-
selbständig durchführen können. Um Fehler zu vermeiden, be- throfibrose nach Gelenkverletzungen, wenn Physiotherapeuten
darf es jedoch einer guten Einführung. in den Schmerz hinein üben oder passiv unter Schmerzen be-
wegen.
! Cave
Bei der TENS-Therapie ist zu beachten, dass der Abstand zu Me- ! Cave
tallimplantaten mindestens 10 cm beträgt. Physiotherapeuten müssen besonders in der postoperativen
Phase alle Maßnahmen vermeiden, die Schmerzen auslösen.
Akupunktur
Auch die eigenständige Behandlung von Akupunkturpunkten Schmerzen entstehen, wenn die betroffene Struktur über- oder
durch PuTENS hat eine schmerzlindernde Wirkung. Nach van unterbelastet wird. Gelenke reagieren schmerzhaft auf Immobi-
den Berg (2003) kommt es dabei zu einer Ausschüttung von lisation, große Belastung und starke Bewegung, Gelenkkapseln
körpereigenen, schmerzhemmenden Neurotransmittern und reagieren auf vermehrten Zug/Dehnung und Muskeln auf exzes-
48 Kapitel 3 · Prä- und postoperative Physiotherapie

sive Dehnung oder Kontraktion. Physiotherapeuten sollten die-


1 se Kenntnisse für ihre Befunderhebung und die zu planenden
Maßnahmen nutzen.
2 Durch provokative Testverfahren können Physiotherapeuten
frühzeitig eine Schmerzauslösung erkennen, sie einer Gewebe-
schädigung zuordnen und versuchen, ihre Ursache zu ermit-
3 teln. Sie haben große Verantwortung in der postoperativen Pha-
se und müssen ihre Beobachtungen bzgl. der Veränderung von
Schmerzintensität und -charakteristik dokumentieren, den Ver-
4 lauf beobachten und mit den zuständigen Ärzten besprechen.
So lassen sich frühzeitig Komplikationen erkennen und abfan-
5 gen.

6 3.4 Literatur

7 Brocke M (2003) Aktuelle Atemtherapie in der Physiotherapiepraxis.


Pflaum, München
Butler DS (2001) Schmerzerlebnis und die kraniofasziale Region. In: von
8 Pieckartz H. Hrsg. Kraniofasziale Dysfunktionen und Schmerzen.
Thieme, Stuttgart
Butler D (1995) Clinical Reasoning. In: Butler D. Hrsg. Mobilisation des Ner-
9 vensystems. Springer, Berlin Heidelberg New York
Cegla UH et al. (1997) Physiotherapie bei Patienten mit COAD und trache-
obronchialer Instabilität – Vergleich zweier oszillierender PEP-Sys-
10 teme (RC-Cornet, VRP1 Desitin). Pneumologie 51
Damasio AR (1997) Descartes Irrtum – Fühlen, Denken und das mensch-
liche Gehirn. List, München
11 Ehrenberg H (1998) Atemtherapie. Pflaum, München
Gärtner U, Roth G (2000) Physiotherapie in der Intensivmedizin. Pflaum,
München
12 Göhring H (2002) Atemtherapie, Therapie mit der Atmung. Thieme, Stutt-
gart New York
13 Hüter-Becker A et al. (2005) Physiotherapie in der Traumatologie/Chirur-
gie. Thieme, Stuttgart New York
Klemme B (2006) Clinical Reasoning, Therapeutische Denkprozesse
14 lernen. Thieme, Stuttgart
Klinke R, Silbernagl S (2003) Lehrbuch der Physiologie, 4. Aufl. Thieme,
Stuttgart
15 Mayr H et al. (2000) Arthrolyse nach vorderer Kreuzbandläsion, Ar-
throskopie. Springer, Berlin Heidelberg New York
Sato A, Schmidt RF (1973) Somatosympathic Reflexes: afferent fibres, cen-
16 tral pathways, discharge characteristics. Physiol Rev 53(4): 916–47
Tiemann H (2005) Physiotherapie und chronischer Schmerz. Pflaum,
München Bad Kissingen Berlin Düsseldorf Heidelberg
17 Trentz O, Bühren V (2001) Checkliste Traumatologie. Thieme, Stuttgart
New York
Van den Berg F (2000) Angewandte Physiologie, Bd 2. Thieme, Stuttgart
18 Van den Berg F (2003) Angewandte Physiologie, Bd 3 und 4. Thieme,
Stuttgart
19 Yates JA ( 1999) Physicians Guide to therapeutic Massage, its Physiolog-
ic Effects and Treatment Application, 2nd edn. Vancouver, Massage
Therapists Association of British Columbia
20
Die Abbildungen 3.2–3.7 verdanke ich Frau Claudia Klose, PT-Schule am
21 BKH Günzburg.
4

Früh- und Spätkomplikationen von


Verletzungen

Einteilung – 50 4.5 Infektion/Osteitis – 52


Ursachen – 53
4.1 Kompartmentsyndrom – 50 Risikofaktoren – 53
Ursachen – 50
Charakteristische Symptome/
Charakteristische Symptome/
Leitsymptome – 53
Leitsymptome – 50
Behandlungsrichtlinien und
Behandlungsrichtlinien und
therapeutische Maßnahmen – 53
therapeutische Maßnahmen – 50
Komplikationen – 55
4.2 Volkmann-Kontraktur – 51 4.6 Pseudarthrose – 55
Charakteristische Symptome/
Ursachen – 55
Leitsymptome – 51
Charakteristische Symptome/
4.3 Phlebothrombose – 51 Leitsymptome – 55
Risikofaktoren – 51 Behandlungsrichtlinien und
Charkteristische Symptome/ therapeutische Maßnahmen – 55
Leitsymptome – 51
4.7 Heterotope Ossifikation/
Behandlungsrichtlinien und
Myositis ossificans – 56
therapeutische Maßnahmen – 51
Ursachen – 56
4.4 Embolie/Lungenembolie – 52 Behandlungsrichtlinien und
Risikofaktoren – 52 therapeutische Masßnahmen – 56
Charakteristische Symptome/
4.8 Fehlstellungen/
Leitsymptome – 52
Gelenkinstabilitäten – 56
Behandlungsrichtlinien und
Behandlungsrichtlinien und
therapeutische Maßnahmen – 52
therapeutische Maßnahmen – 56

4.9 Literatur – 57
50 Kapitel 4 · Früh- und Spätkomplikationen von Verletzungen

Einteilung Behandlungsrichtlinien und therapeutische


1 Maßnahmen
In der Traumatologie müssen Physiotherapeuten mit typischen
2 Komplikationen rechnen, die ein Überdenken der geplanten
Behandlung und eine enge Zusammenarbeit mit dem Opera-
Am häufigsten kommt ein Kompartmentsyndrom an den ante-
roventralen und dorsalen Unterschenkellogen vor, seltener am
teur erfordern. Solche Komplikationen sind z.B.: Fuß, am dorsalen Unterarm oder an der Hand.
3 5 Kompartmentsyndrom, Haben Physiotherapeuten bei ihrer Befunderhebung den
5 Volkmann-Kontraktur, Verdacht auf ein Kompartmentsyndrom, müssen sie umgehend
5 Phlebothrombose, den Arzt verständigen.
4 5 Embolie/Lungenembolie,
5 Infektion/Osteitis, ! Cave
5 5 Pseudarthrosen, Bei Verdacht auf ein Kompartmentsyndrom keine Hochlage-
5 heterotope Ossifikation/Myositis ossificans, rung vornehmen!
5 Fehlstellungen von Extremitäten/Gelenkinstabilitäten.
6 Ärztliche Behandlung
Als Sofortmaßnahme soll eine Druckentlastung erfolgen. Die
7 4.1 Kompartmentsyndrom Extremität wird von der Unterlage freigelegt (evt. aufgehängt),
ein Gips wird gespalten, ein Verband wird aufgeschnitten, Ner-
Nach Trentz und Bühren (2001) entsteht das Kompartmentsyn- vendruckpunkte werden entlastet (z.B. Fibulaköpfchen/N. pe-
8 drom durch eine multifaktorielle Gewebedruckerhöhung in roneus). Die Hand soll flach gelagert werden, da der arteriove-
einem durch Faszien geschlossenen Raum. Folgen sind: nöse Druckgradient abfällt, und es zu einer Ischämie kommen
5 eine Störung der Mikrozirkulation, würde.
9 5 eine Endothelzellschädigung, Bei drohendem Kompartmentsyndrom wird eine notfallmä-
5 eine Kapillarleckbildung und ßige Fasziotomie über kleine Hautinzisionen gemacht. An der
10 5 ein Proteinverlust. Hand können Hautinzisionen von dorsal und palmar notwen-
dig werden. Bei bestehendem Kompartmentsyndrom muss ei-
Bei längerem Bestehen entwickelt sich daraus eine Gewebsne- ne konsequente Fasziotomie aller betroffenen Kompartments
11 krose mit Funktionsverlust der Nerven und Muskeln. durchgeführt werden (Débridement); an der Hand werden al-
le Faszien der Mm. interossei gespalten. Die Wunden müssen
12 offen bleiben und regelmäßig kontrolliert werden. Sie können
Ursachen erst geschlossen werden, wenn keine Hautspannung mehr be-
steht. Dann kann eine Spalthautdeckung (Mesh-graft) notwen-
13 5 enge Verbände, Druckverband, zirkulärer Gips, dig werden.
5 starke Nachblutungen, arterielle Verletzungen, Eine antiphlogistische Behandlung wird in Kombination mit
14 5 postoperative oder posttraumatische Schwellungen, einer entsprechenden Volumentherapie eingeleitet oder inten-
5 Lagerung mit Kompression, Schiene, siviert.
5 Extensionsbehandlung, Bei frühzeitiger Behandlung kann ein Kompartmentsyn-
15 5 Crush-Syndrom. drom vollständig ausheilen, bei verspätetem operativem Vorge-
hen bleiben Schäden im Sinne von Muskel- und Nervennekro-
sen mit entsprechenden Ausfällen und Kontrakturen.
16 Charakteristische Symptome/Leitsymptome
Wichtig
17 Als Erstsymptome gelten Parästhesien und Schmerzen bei Druck
Der Physiotherapeut hat ebenso wie der Arzt die Möglichkeit,
auf den Muskel (z.B. M. gastrocnemius). Bei starker Schwellung
anhand der Leitsymptome ein Kompartmentsyndrom früh
erstrecken sich die Symptome auf die ganze Extremität. Gleiches
18 gilt auch für die stark geschwollene Hand bei Druck auf die in- zu erkennen und geeignete Maßnahmen einzuleiten.
trinsische Muskulatur.
19 Es besteht ein Dehnschmerz des betroffenen Muskels. Bei
andauernder Kompression nimmt der Schmerz zu und wird Physiotherapeutische Behandlung
als stechend oder bohrend empfunden. Der Muskel ist deut- Da Physiotherapeuten gemeinsam mit dem Pflegepersonal für
20 lich verspannt. Die Sensibilitätsstörungen nehmen zu; es kann die Lagerung einer verletzten Extremität zuständig sind, müs-
zu motorischen Ausfällen und letztendlich zu Paresen kommen. sen sie für eine druckfreie Lagerung sorgen und zu enge Ver-
21 Der periphere Puls ist vorhanden. bände lösen.
4.3 Phlebothrombose
51 4

Den Zeitpunkt, wann mit aktiven Übungen begonnen wer- Risikofaktoren


den darf, bestimmt der Arzt. Frühzeitiges passives Bewegen in-
nerhalb der Schmerzgrenze ist sinnvoll, meist kann nach einer Ein hohes Risiko besteht bei/nach:
Woche mit aktiven Übungen begonnen werden. 5 polytraumatisierten Patienten,
5 Hüft- und Kniegelenkprothesen,
5 Achillessehnennaht mit anschließender Gipsbehandlung,
4.2 Volkmann-Kontraktur 5 Patienten mit Oberschenkelgips.

Die Volkmann-Kontraktur wird als eine ischämische Schädi- Weitere generelle Risikofaktoren siehe Embolie/Lungenembo-
gung durch einen zu engen Verband, Gips oder die Fehlstellung lie (7 Abschn. 4.4).
einer Fraktur (z.B. Radius-, Ellenbogenfraktur) hervorgerufen.
Es entsteht ein erhöhter Druck auf die arteriellen und venösen
Gefäße, weil Hämatom und Ödem posttraumatisch/postopera- Charkteristische Symptome/Leitsymptome
tiv nicht abfließen können. Durch die in den ersten 24 Stunden
zunehmende mangelhafte Durchblutung der Weichteile entste- Bei einer Beinvenenthrombose kann z.B. ein deutlicher
hen massive, oft irreparable Schäden an Muskulatur und peri- Schmerz
pheren Nerven. 5 an der Fußsohle,
5 hinter den Malleolen,
5 zwischen den Gastrocnemiusköpfen,
Charakteristische Symptome/Leitsymptome 5 über dem Adduktorenkanal und
5 in der Leistenbeuge
Als typische Symptome gelten bei einer ischämischen Kontrak- durch Druck ausgelöst werden, ebenso durch Dehnung des M.
tur der Hand: gastrocnemius. Es besteht außerdem eine schmerzhafte Schwel-
5 Beugestellung der Hand- und Fingergelenke (später Kon- lung.
traktur), Bei einer Armvenenthrombose sind die Druckpunkte in der
5 Schmerzen bei Bewegung, Mitte der Axilla (V. axillaris) und in der Ellenbogenbeuge me-
5 Kraftminderung, dial der Bizepssehne (V. basilica) schmerzhaft.
5 kalte Hand,
5 fehlender A.-radialis-Puls,
5 Sensibilitätsstörungen, Behandlungsrichtlinien und therapeutische
5 Parese. Maßnahmen
Wichtig Bei einer Thrombose besteht eine sog. »Virchow-Trias« mit fol-
genden strukturellen/funktionellen Veränderungen:
Bei ersten Anzeichen einer Druckläsion muss der Verband/
5 Veränderung der Veneninnenwand,
Gips bis zur untersten Schicht aufgeschnitten werden.
5 Verlangsamung des Blutstromes,
5 Thrombozytenaggregation sowie -adhäsion.

Ärztliche Behandlung
4.3 Phlebothrombose Zur Abklärung werden eine Sono-Phlebographie, eine Ma-
gnetresonanztomografie (MRT) oder neuerdings auch eine di-
Eine Thrombose ist ein teilweiser oder völliger Verschluss eines rekte Thrombusdarstellung mit einer Magnetresonanztech-
venösen Gefäßes.Vor allem die tiefe Beinvenenthrombose ist ei- nik (MRDTI, Magnet Resonance Direct Thrombus Imaging)
ne ernst zu nehmende Komplikation nach Verletzungen, Ope- und eine Bestimmung des Quick-Wertes (Thromboplastinzeit)
rationen mit Vollnarkosen oder Immobilisation. Die Mehrzahl durchgeführt.
der Phlebothrombosen ensteht in den 3–4 postoperativen Ta- Differenzialdiagnostisch unterscheidet sich eine Thrombo-
gen. se von einem Kompartmentsyndrom durch eine deutliche Über-
wärmung im Bereich der druckempfindlichen Schwellung. Sie
Wichtig wird durch eine Doppler-Sonographie diagnostiziert. Der Pati-
ent zeigt allgemeine Symptome wie z.B. Fieber. Ein ischämischer
Auslöser für eine Phlebothrombose kann das erste Aufste-
Prozess kann durch fehlenden peripheren Puls und eine kalte
hen nach längerer Bettlägrigkeit sein.
Haut von einer Thrombose abgegrenzt werden.
52 Kapitel 4 · Früh- und Spätkomplikationen von Verletzungen

Therapeutisch wird von ärztlicher Seite eine niedermoleku- Charakteristische Symptome/Leitsymptome


1 lare Heparinisierung vorgenommen und evt. eine Markumar-
behandlung eingeleitet. Sinnvoll ist eine prophylaktische He- Typische Zeichen einer Lungenembolie sind z.B.:
2 paringabe schon 12 Stunden vor der Operation. Der Arzt ent- 5 akute Luftnot,
scheidet, wie lange der Patient heparinisiert wird (manchmal 5 Husten und
bei Hüftgelenksersatz bis zum 35. postoperativen Tag). 5 thorakale Schmerzen.
3 Als Standard gilt das Anlegen richtig angepasster und fal-
tenfrei sitzender Antithrombosestrümpfe, die Tag und Nacht ge- Die Patienten sind kaltschweißig und tachykard; sie klagen über
tragen werden sollen. Durch die Kompression wird die Blutströ- Angst, Beklemmungsgefühle und Übelkeit.
4 mungsgeschwindigkeit erhöht. Heute ist man der Auffassung,
dass Patienten mit einer Unterschenkelvenenthrombose sofort
5 mobilisiert werden können (Mayer et al. 1999). Behandlungsrichtlinien und therapeutische
Maßnahmen
Physiotherapeutische Behandlung
6 Eine Behandlung nach abgeklungener Thrombose wird nach glei- Ärztliche Behandlung
chen Gesichtspunkten durchgeführt wie in 7 Kap. 3, »Thrombo- Die Diagnose kann durch Echokardiografie, digitale Substrakti-
7 seprophylaxe« beschrieben. Besondere Bedeutung hat die Akti- onsangiografie, Blutgasanalyse, EKG, Duplex-Sonografie, Mes-
vierung der Muskelpumpe. sen des zentralen Venendruckes und Röntgen gestellt werden.
Als Sofortmaßnahme wird Sauerstoff zugeführt. Falls dies
8 nicht ausreicht, wird intubiert und beatmet. Zudem wird eine
4.4 Embolie/Lungenembolie Schmerztherapie und vorsichtige Sedierung eingeleitet.
Zur Rezidivprophylaxe wird für 10 Tage Heparin gege-
9 Eine Embolie ist ein arterieller, eine Lungenembolie ein pulmo- ben und bis zu 10–14 Tage Bettruhe verordnet, damit sich der
nal-arterieller Gefäßverschluss. Thrombus an der Gefäßwand fixieren und verkleinern kann. In
10 Löst sich ein Thrombus aus den Becken- oder Beinvenen, seltenen Fällen und nur bei schweren Lungenembolien wird ei-
kann er einen akuten Verschluss der arteriellen oder pulmonal- ne Thrombolyse-Therapie durchgeführt. Da diese nicht unge-
arteriellen Gefäße verursachen. Es besteht aber auch die Mög- fährlich ist, muss eine strenge Kontrolle der Gerinnung erfol-
11 lichkeit, dass nach Schaftfrakturen/Marknagelung und Gefäß- gen. Gelingt es nicht, den Patienten zu stabilisieren, wird eine
operationen, manchmal auch bei Punktionen, eine Fett- oder Embolektomie vorgenommen.
12 Luftembolie auftritt.
Bei ausgedehntem Verschluss nimmt die Sauerstoffsätti- ! Cave
gung des Blutes ab, der Gasaustausch wird gestört und durch Bei Risikopatienten können
13 den Strömungswiderstand im kleinen Blutkreislauf auch die 5 Bewegen der unteren Extremitäten,
Rechtsherzbelastung erhöht. Es gelangt weniger Blut in den 5 tiefe Atemzüge,
14 Körperkreislauf, die Herzleistung sinkt. 5 erstes Aufstehen nach Operationen und Verletzungen
eine Embolie auslösen.

15 Risikofaktoren Physiotherapeutische Behandlung


Den Zeitpunkt, wann der Patient wieder mobilisiert werden
Risikofaktoren für Thrombose, Embolie und Lungenembolie darf, und wann die physiotherapeutische Behandlung der Erst-
16 sind: verletzung/nach OP fortgesetzt werden kann, entscheidet der
5 Immobilität, Arzt.
17 5 Operationen,
5 Varikosis,
5 Östrogen- oder Kortikosteroideinnahme, 4.5 Infektion/Osteitis
18 5 hochdosierte Diuretikaeinnahme,
5 Rauchen, Bei der Osteitis verursachen Strepto- und Staphylokokken
19 5 Adipositas. (auch Mischinfektionen) eine Infektion der Weichteile und des
Knochens. Da immer alle Strukturen des Knochens betroffen
sind, wurde der Begriff »Osteitis« eingeführt; er ersetzt den Be-
20 griff »Osteomyelitis«.

21
4.5 Infektion/Osteitis
53 4

Ursachen Die Behandlungsmaßnahmen richten sich nach dem Infek-


tionszeitpunkt.
5 herabgesetzte allgemeine Abwehrlage des Patienten, 5 Bei einer Frühinfektion (2–4 Wochen posttraumatisch) soll
5 erhöhte Zahl, Virulenz und Resistenz eindringender Erre- möglichst umgehend revidiert werden, d.h., eine Faszi-
ger, enöffnung durchgeführt und nekrotische sowie schlecht
5 verschmutztes Milieu am Unfallort, durchblutete Weichteile entfernt werden (Débridement).
5 instabile Osteosynthese. Anschließend wird eine Jet-Lavage durchgeführt. Gleich-
zeitig muss überprüft werden, ob die Stabilität der Fraktur
gegeben ist (Stabilität der Osteosynthese). Versucht wird,
Risikofaktoren Stabilität zu erreichen, ohne das Implantat entfernen zu
müssen.
Erhöhtes Risiko besteht bei Patienten mit: 5 Bei verzögerten Infekten (4–12 Wochen nach OP) müssen
5 arteriellen Gefäßverschlusserkrankungen, die Implantate entfernt werden, und es wird ein Fixateur
5 Diabetes mellitus, externe angelegt.
5 Krebserkrankungen, bei 5 Bei einer Spätinfektion (nach 12 Wochen) wird eine Fistel-
5 Rauchern und darstellung gemacht und diese vollständig ausgeräumt;
5 Drogenabhängigen. auch abgestorbenes Knochengewebe und Weichteilnekro-
sen müssen entfernt werden. Gleichzeitig wird nach Re-
sistenzprüfung eine systemische Antibiotikabehandlung
Charakteristische Symptome/Leitsymptome durchgeführt (Weigel, Nerlich 2005).

Die charakteristischen Symptome sind die einer lokalen Entzün- ! Cave


dung mit zunehmenden Allgemeinreaktionen wie: Bei Markrauminfektionen keine Lavage!
5 Fieber,
5 Schüttelfrost und Mit lokalen Antibiotikaträgern konnten zusätzlich positive Ef-
5 Abgeschlagenheit. fekte erreicht werden. Heute besteht die Tendenz, resorbierbare
Antibiotikaträger zu verwenden. Sie üben keinen Druck auf das
Lokal bestehen: Gewebe aus und müssen nicht entfernt werden. In der Regel
5 Rötung, wird auch eine Drainage gelegt. Die Weichteile müssen span-
5 Überwärmung, nungsfrei verschlossen werden. Wenn dies nicht gelingt, wird
5 Schwellung und die Wunde vakuumversiegelt.
5 Schmerz. Das Débridement und die spezifische Antibiotikabehand-
lung werden nach einem Infektmonitoring geplant. Eine endgül-
Aus der Wunde kommt ein trübes Sekret. tige Hautdeckung und Frakturversorgung mittels einer internen
Osteosynthese wird ggfs. sekundär nach Entfernung des Fixa-
teurs erfolgen (Trentz und Bühren 2001). Meist können nach 1½
Behandlungsrichtlinien und therapeutische –2 Wochen die Drainagen und Ketten entfernt werden, so dass
Maßnahmen mit der aktiven Physiotherapie begonnen werden kann.
Erst nach vollständiger Ausheilung des Infektes kann der
Die Behandlung einer Knocheninfektion erfolgt nach einem Defekt mit einer Spongiosaplastik aufgefüllt werden. Muss ein
Stufenplan. größerer Bereich eines Knochernschaftes reseziert werden, wird
ein Fixateur externe oder ein Ilizarow-Fixateur angelegt. De-
Ärztliche Behandlung fekte von Gelenkanteilen erfordern einen Gelenk übergreifen-
Die Röntgendiagnostik zeigt erst nach ca. 10 Tagen Zeichen ei- den Fixateur externe oder Ringfixateur. Sie enden manchmal in
ner Infektion. Im Röntgenbild zeigt sich eine Destrukturierung einer Arthodese (. Abb. 4.1– 4.3).
des Knochens und evt. eine Sequesterbildung. Die Laborwerte
können evt. auch erst verspätet Infekthinweise geben, z.B. ei- Physiotherapeutische Behandlung
ne Leukozytose, Erhöhung der BKS und CRP. Die Sonographie Die Physiotherapie umfasst die Behandlung nicht betroffener
kann das Muskelödem und den Sekretrückstand zeigen; Sekret- Gelenke und berücksichtigt die Stabilität der verletzten Struk-
abstriche können Keime nachweisen. Klinische Entzündungszei- turen.
chen weisen schon eher auf eine Infektion hin. CT und MRT Nach 2 infektfreien Abstrichen werden i.d.R. Mobilisation
ermöglichen eine exaktere Beurteilung des Knochens und der und Muskelaufbau im betroffenen Bereich verordnet und be-
Weichteile. fundbezogen durchgeführt (. Abb. 4.4, 4.5).
54 Kapitel 4 · Früh- und Spätkomplikationen von Verletzungen

1
2
3
4
5
6 . Abb. 4.1. Osteitis . Abb. 4.4. Unterstützes Bridging

7
8
9
10
11
12
. Abb. 4.2. Ringfixateur bei Osteitis im Kniegelenkbereich

13 . Abb. 4.5. Verstärkungstechnik über linkes Bein in Flexion/Adduktion

14
Müssen erneute chirurgische Eingriffe durchgeführt werden
(Sequesterausräumung, Hautdeckung, Spongiosaplastik, end-
15 gültige Osteosynthese), muss die Behandlung unterbrochen
werden und beginnt erneut nach entsprechenden Intervallen.
16 ! Cave
Bei Infektionen ist Vorsicht geboten bei der Anwendung von Eis
17 oder Wärme!

Die Dosierung aller physiotherapeutischen Maßnahmen muss


18 sich an den Infektzeichen orientieren:
5 Schmerz,
19 . Abb. 4.3. Kniegelenk übergreifender Fixateur. Mobilisation des
5 Rötung,
5 Schwellung,
Sprunggelenks
5 Temperaturerhöhung.
20
21
4.6 Pseudarthrose
55 4

Die Belastung der Extremität muss langsam und sorgfältig auf- Charakteristische Symptome/Leitsymptome
gebaut werden; sie richtet sich nach dem knöchernen Durchbau
und der Reizlosigkeit des Gewebes. Durch die Instabilität entstehen Schmerzen bei Bewegung und
Belastung an der Frakturstelle sowie Achsen- oder Rotations-
Wichtig fehlstellungen. Bei infektbedingten Pseudarthrosen sind alle
Entzündungsparameter vorhanden.
Die knöcherne Konsolidierungsphase dauert bis zu 8 Wochen!

Behandlungsrichtlinien und therapeutische


Maßnahmen
Komplikationen
Bei der atrophen oder avitalen Pseudarthrose verhindern Ne-
5 Infektpseudarthrose (7 Abschn. 4.6), krosen und Sequester (Knochensplitter, freie Knochenstücke),
5 langwährender Infektprozess, wie sie bei der fortgeschrittenen Osteitis entstehen, die Heilung
5 Organschäden. des Knochens. Eine Instabilität mit nachfolgender Pseudarthro-
se kann auch durch einen Osteosynthesematerialbruch oder ei-
Die physiotherapeutische Befunderhebung und Behandlungs- ne Implantatlockerung entstehen.
planung richtet sich nach dem aktuellen Heilungsverlauf der Bei mechanisch bedingten vitalen Pseudarthrosen finden
ursprünglichen Verletzung (s. spezielle Kapitel). Frakturfragmente nach einer Reposition keinen Kontakt; sie
sind nicht exakt durch die Osteosynthese oder durch äußere
Ruhigstellung stabilisiert. Der Körper versucht dann selbst, ei-
4.6 Pseudarthrose ne Stabilität zu erreichen und lagert über den gut durchblu-
teten Fragmentenden vermehrt Kallus an. Man spricht von ei-
Eine Pseudarthrose ist eine schmerzhafte, manchmal auch ner »überschießenden Kallusbildung«, einem Knochenaufbau-
schmerzlose Beweglichkeit einer nicht ausgeheilten Fraktur gewebe, das vom Periost oder Endost als Zwischenform ent-
(»non-union«). Ursache ist eine gestörte Frakturheilung. wickelt wird, bevor die Fraktur endgültig mit spezifischen Zel-
len ausheilt. Misslingt dies, entsteht eine hypertrophe Pseudar-
Wichtig throse.
Zeitliche Richtwerte der Frakturheilung: Ärztliche Behandlung
5 Normalerweise heilt eine Fraktur in 12–16 Wochen aus.
Zur Diagnostik werden Bild gebende Verfahren wie Röntgen,
5 Ist eine Konsolidierung nach 20–24 Wochen nicht er-
CT, Sonografie, Tomografie und Drei-Phasen-Skelettszinitigra-
kennbar, spricht man von einer verzögerten Frakturhei-
fie eingesetzt. Ebenso wichtig ist eine Kontrolle der peripheren
lung.
Durchblutung.
5 Ist eine Frakturheilung nach 8 Monaten noch nicht ab-
Bei einer vitalen Pseudarthrose ist eine stabile Osteosynthe-
geschlossen, bezeichnet man dies als Pseudarthrose
se angezeigt und ein früher Beginn der Physiotherapie mit min-
(»non-union«).
maler Belastung und aktiven/assistiven Bewegungen.
Bei Infektpseudarthrosen beinhaltet die Therapie eine Ent-
Von einer vitalen Pseudarthrose spricht man, wenn das Frak- fernung des lockeren Materials, Ausräumung der Sequester,
turgebiet weitgehend durchblutet ist und eine geringe Kallusbil- Setzen einer neuen stabilen Osteosynthese und Auffüllen des
dung sichtbar ist. Die avitale Pseudarthrose zeigt ebenso wie die Defektes mit Spongiosa oder einem kortikospongiösen Span.
Infektpseudarthrose keine Kallusbildung; letztere ist eine Kom-
plikation einer Osteitis. Physiotherapeutische Behandlung
Bei Pseudarthrosen an der unteren Extremität nützt der Physio-
therapeut die gewonnene Stabilität der Fraktur durch eine Geh-
Ursachen schulung mit angepasster Belastung (10–15 kg) und einem ent-
sprechend dosierten Übungsprogramm.
5 Instabilität, fehlender Fragmentkontakt, Gewebeinterponat, An der oberen Extremität wird ein entsprechendes Übungs-
5 Knochendefekte, programm zunächst in der geschlossenen Kette durchgeführt.
5 Nekrosen (abgestorbenes Gewebe, Gewebstod),
5 Materialbruch oder Osteosyntheselockerung,
5 chronischer Infekt,
5 arterielle Verschlusskrankheit.
56 Kapitel 4 · Früh- und Spätkomplikationen von Verletzungen

Wichtig
Physiotherapeutische Behandlung
1 Physiotherapeutische Maßnahmen wie passives, aktives und as-
Bis zur Anhaftung einer Knochentransplantation darf ein sistives Bewegen, auch eine angepasste Belastung haben keinen
2 Muskel, der über diesen Bereich verläuft, nicht dynamisch
geübt werden.
Einfluss auf die Entstehung einer heterotopen Ossifikation, so-
fern sie sich mit der Dosierung an den Heilungsphasen (Pro-
liferations- und Konsolidierungsphase) orientieren (van den
3 Berg 2003). Übermäßge Reize jedoch fördern die Heilungsent-
gleisung. Die Befunderhebung muss deshalb häufig wiederholt
4 4.7 Heterotope Ossifikation/Myositis werden und die Maßnahmen korrekt dem Heilungsstatus ange-
ossificans passt werden.

5 Unter einer heterotopen Ossifikation versteht man die Verknö-


cherung eines Muskel- oder Bindegewebes. Am häufigsten wer- 4.8 Fehlstellungen/Gelenkinstabilitäten
den Ossifikationen nach posttraumatischen Operationen an
6 Hüft- und Ellenbogengelenken beobachtet, jedoch kommen Bei Mehrfragmentbrüchen und gelenknahen Frakturen sind
diese nach Einsatz einer Hüftgelenkendoprothese auch in der anatomische Repositionen manchmal nicht möglich. Auch
7 Gluteal- oder Adduktorenmuskulatur vor. Nach Ellenbogen- Stückbrüche im Schaftbereich eines Knochens können zu Fehl-
frakturen ist meist der M. biceps brachii betroffen. stellungen (Rotationsfehlstellungen) führen.
Verkürzungen, Achsenabweichungen und Rotationsfehl-
8 stellungen sind Folgen unzureichender Reposition und haben für
Ursachen die Statik und Dynamik des Körpers eine große Bedeutung. Sie
stellen eine ernst zu nehmende posttraumatische/postoperative
9 5 Überbelastung bei Sportlern, Komplikation dar und erhöhen die Gefahr einer Arthrose.
5 Frakturen,
10 5 Weichteilverletzungen, > Beispiel
5 ausgeprägte Hämatome, Als Beispiele für Fehlstellungen/Instabilitäten sind zu nennen:
5 Schädel-Hirn-Traumen, 5 Genu valgum/varum/recurvatum nach Kniegelenkfrakturen
11 5 Querschnittsläsionen. und Bandverletzungen mit Instabilität,
5 Coxa vara/valga nach Schenkelhalsfraktur,
12 5 »traumatischer Plattfuß« nach Kalkaneusfraktur,
Behandlungsrichtlinien und therapeutische 5 posttraumatischer Knickfuß nach Sprunggelenkfraktur,
Maßnahmen 5 Bajonettstellung nach Radiusfraktur,
13 5 Cubitus valgus/varus nach suprakondylärer Humerusfrak-
Histologisch zeigt sich, dass sich Mesenchymzellen in Osteo- tur,
14 blasten und Osteozyten umwandeln und letztendlich ein mi- 5 Wirbeldeformitäten nach Wirbelfrakturen,
neralisiertes Osteoid entsteht. Durch die Kalkeinlagerungen 5 Instabilitäten nach Kapsel-Band-Verletzungen, z.B.
in Muskulatur, Kapsel oder Sehnen entsteht eine langsam zu- – habituelle Schulter- oder Patellaluxation,
15 nehmende schmerzhafte Bewegungseinschränkung, die im – instabiles Kniegelenk.
schlimmsten Fall zu einer Gelenkversteifung führt. Die Verknö-
cherungen beginnen postoperativ etwa nach 3–6 Wochen und
16 nehmen kontinuierlich bis zu 6–12 Monaten zu. Auslöser für die Behandlungsrichtlinien und therapeutische
Störung des normalen Heilungsverlaufes im Sinne einer Stoff- Maßnahmen
17 wechselstörung können ein massives Hämatom und zu starke
Bewegungsreize sein. Fehlstellungen, die die Gesamtstatik der Bein-Becken-Rumpf-
Achse verändern, müssen unbedingt korrigiert werden.
18 Ärztliche Behandlung
Um ein ausgeprägtes Hämatom (als Ursache) frühzeitig abflie- Ärztliche Behandlung
19 ßen zu lassen, werden Antiphlogistika gegeben (Diclofenac, In- Ist die Frakturheilung noch nicht fortgeschritten, kann eine er-
dometacin). Rezidive werden operativ entfernt und anschlie- neute Reposition mit entsprechender Retention erfolgen.
ßend für 6 Wochen mit Indometacin behandelt (Wick et al. Wenn knöcherne manifeste Fehlstellungen bestehen, wird zu
20 1999). Gute Erfolge zeigen auch Röntgenbestrahlungen, die am einem späteren Zeitpunkt eine Korrekturosteotomie mit nach-
1. postoperativen Tag durchgeführt, am effektivsten sein sollen. folgender Osteosynthese vorgenommen. Verkürzungs- oder
21 Verlängerungsosteotomien werden häufig mit einem speziellen
4.9 Literatur
57 4

Fixateursystem durchgeführt, z.B. Wagner-Apparat, Ilizarow-


Fixateur. Für Rotationskorrekturen nach Schaftfrakturen bietet
sich eine Osteosynthese mit einem Verriegelungsnagel an.
Nicht ausreichend behandelte Bandverletzungen zwingen
zu Kapsel-Band-Plastiken oder -Nähten (s. spezielle Kapitel).

Physiotherapeutische Behandlung
Die physiotherapeutische Befunderhebung und Behandlung
nach einer Korrektur beginnt unter den gleichen Gesichtspunk-
ten wie bei der ursprünglichen Verletzung und beachtet die in-
dividuellen Heilungsphasen der betroffenen Strukturen und
Stabilitätsgrade.
Ist keine operative Korrektur möglich, muss die Physiothera-
pie Wege finden, um die Fehlstellungen zu kompensieren, z.B.
bei einer Beinverkürzung durch eine Schuherhöhung.

4.9 Literatur
Gärtner U, Roth G (2000) Physiotherapie in der Intensivmedizin. Pflaum,
München Berlin Heidelberg
Hüter-Becker A et al. (2005) Physiotherapie in der Traumatologie/Chirur-
gie. Thieme, Stuttgart New York
Idelberger KH (1993) Lehrbuch der Orthopädie. Springer, Berlin Heidel-
berg New York
Krämer J, Grifka J (2001) Orthopädie, 5. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg
New York
Jäger M, Wirth CJ (1992) Praxis der Orthopädie. Thieme, Stuttgart New
York
Mayer A, et al. (1999) Thromboembolische Komplikationen bei Patienten
mit Becken- und Azetabulumfrakturen. Unfallchirurgie (25): 183–192
Trentz O, Bühren V (2001) Checkliste Traumatologie. Thieme, Stuttgart
New York
Weigel B, Nerlich M (2005) Praxisbuch Unfallchirurgie, Bd 2. Springer, Ber-
lin Heidelberg New York
Wick M et al. (1999) Surgical excision of herterotopic bone after surgery
followed by oral indomethacin application. Arch Orthop. Trauma
Surg. (119): 151–155

Die Abbildungen verdanke ich Frau Birgit Jaspersen, Klinik für Physika-
lische Medizin, Klinikum Großhadern der LMU München.
5

Distorsionen, Verletzungen der Sehnen,


Bänder und Muskeln

5.1 Sehnen-, Band- und 5.4 Muskelverletzungen – 65


Kapselverletzungen – 60 Einteilung – 65
Ursachen – 65
5.2 Partielle Bandrupturen – 60 Charakteristische Symptome/
Ursachen – 60
Leitsymptome – 65
Charakteristische Symptome/
Behandlungsrichtlinien und
Leitsymptome – 60
therapeutische Maßnahmen – 65
Behandlungsrichtlinien und
Komplikationen – 66
therapeutische Maßnahmen – 60
Befunderhebung – 66
5.3 Komplette Bandrupturen – 63 Behandlungsmöglichkeiten – 66
Charakteristische Symptome/
5.5 Literatur – 67
Leitsymptome – 63
Behandlungsrichtlinien und
therapeutische Maßnahmen – 63
Komplikationen – 63
Befunderhebung – 64
Behandlungsmöglichkeiten – 64
60 Kapitel 5 · Distorsionen, Verletzungen der Sehnen, Bänder und Muskeln

5.1 Sehnen-, Band- und trie aufrechtzuerhalten. Diese Aufgabe übernehmen synergis-
1 Kapselverletzungen tisch und antagonistisch wirkende Muskelketten. Die Kontrol-
le der anterior-posterioren Stabilität und der Rotationsstabilität
2 Sehnen übertragen die Muskelaktivität auf den Knochen und
ermöglichen damit Bewegung. Nach van den Berg (2001, 2003)
des Kniegelenks wird beim Gehen durch die Hüft- und Knie-
muskulatur ausgeübt (M. gluteus maximus, M. biceps femoris,
bestehen sie überwiegend aus Kollagenfasern Typ I, nur mit Mm. pes anserinus, M. quadriceps, Mm. gastrocnemii, M. sole-
3 einem geringen Anteil an Kollagenfasern Typ III. Ihre Aufga- us). Dies geschieht v.a. exzentrisch in der Phase »Fersenkontakt
be ist es, während der Kontraktion oder Dehnung eines Mus- – Mittelstand – Vorfußbelastung« (7 Kap. 16, »Kapsel-Band-
kels Zugbelastungen aufzunehmen. Wie bei allen Bindegewe- Meniskus-Verletzungen« und 18, »Frakturen im Sprunggelenk-
4 ben wird ihre Funktion über ständiges Be- und Entlasten auf- bereich«).
rechterhalten. Die Belastbarkeit einer Sehne wird durch Immo-
5 bilisation stark gemindert. Aktivitäten fördern die Kollagen-
synthese. Allerdings soll die Sehne durch starke Belastung, z.B. 5.2 Partielle Bandrupturen
hartes Training an Stabilität zunehmen, an Elastizität jedoch ab-
6 nehmen, wodurch ihre Verletzungsgefahr steigt. Sehnen besit- Ursachen
zen Golgi-Rezeptoren, die propriozeptive Reize aufnehmen und
7 weiterleiten. 5 direktes oder indirektes Trauma, z. B. durch Zerrung,
Überdehnung, Schlag, Überbelastung bei Arbeits- oder
Wichtig Sportunfällen,
8 5 chronische Überlastungsschäden,
Sehnen reißen eher partiell als total.
5 Kortisonbehandlung.
9
Kapseln umschließen die Gelenke. Sie werden verstärkt durch Charakteristische Symptome/Leitsymptome
10 Bänder, die intra-, extra- oder interkapsulär liegen können. Die
Kapseln produzieren die Syniovialflüssigkeit, sorgen für eine In der posttraumatischen Phase:
ausreichende Ernährung des Knorpels und ermöglichen den 5 intra- oder paraartikuläre Blutungen, Schwellung,
11 reibungslosen Ablauf der Bewegungen. Gelenkkapseln enthal- 5 Überwärmung,
ten viele Rezeptoren, die das Zentralnervensystem über Stel- 5 spontane Schmerzen,
12 lung und Bewegung der Gelenke informieren. 5 Druckempfindlichkeit,
5 Instabilitätsgefühl,
Wichtig 5 mangelnde Kraft,
13 5 eingeschränkte Beweglichkeit der betroffenen Gelenke.
Gelenkkapseln können bei Überbelastung einreißen.

14 Bei chronischen Schädigungen:


5 Atrophien,
Bänder begrenzen und steuern die Bewegungen. Sie besit- 5 harte Schwellung, Verklebungen,
15 zen ebenso wie die Sehnen Golgi-Rezeptoren mit hoher Reiz- 5 Dauerschmerz bei Belastung, v.a. am Sehnenansatz,
schwelle, die bei Überbelastung aktiviert werden, um vor Ver- 5 Instabilitätsgefühl bei Belastung.
letzungen zu schützen. Gleich allen Bindegewebsstrukturen be-
16 nötigen Kapseln und Bänder zum Erhalt ihrer Funktion den Be-
wegungsreiz. Behandlungsrichtlinien und therapeutische
17 Maßnahmen
Wichtig
Der Häufigkeit nach sind folgende Bänder und Sehnen verlet-
18 Bänder reißen eher an ihren Ansatzstellen ab, manchmal
zungsgefährdet:
auch mit einem Knochenstück.
5 Lig. fibulotalare anterius, Lig. fibulocalcaneare und Syndes-
19 mose (Syndesmosis tibiofibularis),
Nach Bizzini (2001) und anderen Autoren betragen die Boden- 5 Achillessehne,
reaktionskräfte beim Fersenkontakt ungefähr das 2- bis 3-fache 5 Supraspinatussehne,
20 des Körpergewichts. Gegenüber der Schwerkraft und den Bo- 5 Kapsel und Bänder des Schultereckgelenks,
denreaktionskräften muss der Körper beim Gehen ständig re- 5 Quadrizepssehne,
21 agieren, um die Stabilität, das Gleichgewicht und die Symme- 5 Aponeurose der Fingerextensoren,
5.3 Komplette Bandrupturen
61 5

5 Sehne des M. extensor pollicis longus, Ärztliche Behandlung


5 Sehne des langen Bizepskopfes. In der Regel werden »kleine Sehnen-, Kapsel- und Bandver-
letzungen« konservativ behandelt. Bei ausgeprägter Instabilität
Infolge der oben genannten Mechanismen kommt es zu Teil- der Gelenke oder bei funktionseinschränkenden, chronischen
rupturen oder Überdehnungen einzelner Sehnen oder Bänder, Schäden werden Nähte oder Plastiken durchgeführt. Diese wer-
den sog. »kleinen Sehnen- und Kapsel-Band-Verletzungen«. den in den entsprechenden Kapiteln beschrieben.

Wichtig Wichtig

Distorsionen oder Zerrungen sollten exakterweise als Sublu- Grundsätzlich heilen partielle Rupturen der Bindegewebs-
xationen mit spontaner Selbstreposition bezeichnet werden. strukturen gut aus, die Narbenbildung ist gering.

Chronische Symptome werden häufig an vorgeschädigten Seh-


nen beobachtet; typische Beispiele sind die Achilles- und die Physiotherapeutische Behandlung
Bizepssehne. Überlastungsschäden an den Sehnen der Hand- Akute kleinere Sehnen- und Bandverletzungen werden i.A.
und Fingerextensoren, besonders an deren Ansatz- und Ur- durch Kühlung unmittelbar nach dem Trauma und mit einem
sprungsstellen, sind die Epikondylitis und die Tendovaginitis festen Tapeverband oder einer Aircast-Schiene behandelt
(Tennisellenbogen). Die strukturelle Schwächung wird durch ei- (. Abb. 5.1–5.3).
ne Querschnittszunahme kompensiert. Dies kann Ursache für Nach anfänglicher Hochlagerung sollen die Gelenke frühzei-
Verklebungen, mangelnde Gleitfähigkeit und Kraftminderung tig in dem Umfang bewegt werden, den Verband, Schiene und
der Sehnen sein. Schmerzen zulassen.

. Abb. 5.1. Stützverband


1 2 3

4 5 6

7 8
62 Kapitel 5 · Distorsionen, Verletzungen der Sehnen, Bänder und Muskeln

. Abb. 5.2. Tapeverband


1
2
8
2 7
3 1

4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
. Abb. 5.4. Vacoped-Schiene

19 . Abb. 5.3. Aircast-Schiene

20
21
5.3 Komplette Bandrupturen
63 5

Die Belastbarkeit ist herabgesetzt; deshalb ist eine niedrige Behandlungsrichtlinien und therapeutische
Dosierung der Belastung und Bewegungstherapie in der Ent- Maßnahmen
zündungs- und Proliferationsphase ratsam (bis 3 Wochen nach
dem Trauma, 7 Kap. 1). Ärztliche Behandlung
Patienten mit Distorsionen und Teilrupturen an den Sprung- Die Arthroskopie wird heute als das geeignete Diagnoseverfah-
gelenkbändern sollen mit einem festen Verband, einer Kunst- ren angesehen. Sinnvoll ist auch die operative Versorgung in
stoffschiene oder einem Spezialschuh gehen und, soweit es die demselbigen Verfahren.
Schmerzen zulassen, auch be- oder teilbelasten, z.B. mit einer Die Ruhigstellungszeiten nach operativ versorgten Sehnen-
Vacoped-Schiene (. Abb. 5.4). Meist gelingt dies nach kurzer und Bandnähten sind unterschiedlich. Spezielle Richtlinien,
Zeit. Bewegungsbegrenzungen und Entlastungszeiten sind zu beach-
Bewegungen im geschlossenen System fördern die Gelenk- ten.
sicherheit und den Heilungsprozess. Nach einer Bandnaht oder -plastik an der unteren Extre-
Zur Sicherung der Sprung- oder Kniegelenke wird eine mität waren bis vor kurzem Orthesenbehandlungen und lan-
Vielzahl von Hilfsmitteln angeboten. ge Entlastungszeiten angezeigt. Heute wird bei geeigneten Pati-
enten ohne Orthese behandelt und frühzeitig in geschlossenen
Muskelketten, d.h., mit minimaler oder Teilbelastung geübt. Bei
5.3 Komplette Bandrupturen fraglicher Stabilität und bestimmten Patienten werden Knieor-
thesen für wenige Wochen leihweise verordnet, wenn sie sich
Komplette Rupturen mit Stabilitätsverlust der Gelenke erfor- damit sicherer fühlen, sich dadurch mehr bewegen und gehen.
dern arthroskopische Band- und Sehnennähte oder -plastiken.
Sie zählen nicht zu den »kleinen Band- und Sehnenverlet- Physiotherapeutische Behandlung
zungen«. Generell gilt, dass Operateur, Physiotherapeuten und Patienten
Von besonderer Bedeutung sind: gemeinsam ein individuelles Behandlungsprogramm planen, das
5 Sehnenverletzungen an der Hand (7 Kap. 11), die Heilungsphasen der betroffenen Struktur und die Bedürf-
5 Bänderverletzungen des Knie- und Sprunggelenks nisse des Patienten berücksichtigt.
(7 Kap. 16 und 18),
5 Kapsel-Band-Verletzungen des Schulter- und Akromiokla- Wichtig
vikulargelenks (7 Kap. 7).
Die Gelenke sollen unter bestimmten Kriterien belastet, aber
nicht überlastet werden!
Komplette Bandrupturen werden in den Kapiteln der Gelenk-
Zu den Kriterien der physiologischen Vollbelastung gehö-
verletzungen ausführlich beschrieben (7 Kap. 7, 11, 16, 18).
ren:
5 Beachtung der Heilungsphasen,
5 Schmerzfreiheit,
Charakteristische Symptome/Leitsymptome
5 ausreichende Tragfähigkeit,
5 ausreichende Beweglichkeit,
5 Schmerzen bei Bewegung, Belastung und auf Druck,
5 ausreichende Muskelfunktion,
5 Ödem.
5 ausreichende Koordinationsfähigkeit.

Komplikationen
5 Band- oder Gelenkinstabilität,
5 Narbenadhäsionen,
5 Kontrakturen,
5 Arthrose.
64 Kapitel 5 · Distorsionen, Verletzungen der Sehnen, Bänder und Muskeln

Befunderhebung 2. Proliferationsphase (bis 21. Tag)


1 5 Erhalten der Gelenkbeweglichkeit durch limitiertes ak-
tives/assistives Bewegen.
Beurteilen 5 Gelenkkontur und -stellung.
2 5 Ödem, Narben, Muskelrelief.
5 Minimale Teilbelastung mit Verband oder Orthese im
5 Röntgenbild (gehaltene Aufnah- schmerzfreien Bereich, entsprechend der ärztlichen Ver-
me). ordnung.
3 5 Ausschluss knöcherner Verlet- 5 Aktive Muskelentspannungstechniken.
zungen, evt. Sonographie zur Klä- 5 Kräftgung der das Gelenk sichernden Muskulatur.
rung der Ergusslage. 5 Aktivitätsbezogene Übungsformen im geschlossenen Sys-
4 tem.
Messen 5 Aktives, erlaubtes Bewegungsaus-
maß (auch in der Schiene).
5 5 Umfang. 3./4. Konsolidierungs-/Umbauphase (ab 21. Tag)
5 Stufenweise Steigerung des Bewegungsausmaßes, auch
Prüfen 5 Art der Schwellung, Temperatur.
durch Bewegen gegen angepassten Widerstand.
6 5 Sensibilität.
5 Lösen der Verklebungen.
5 Qualität des Bewegungsstopps.
5 Bewegungsumfang.
5 Funktionsmassage.
7 5 Geschwindigkeit. 5 Cyriax-, Frisch- oder Maitland-Techniken, die durch ak-
5 Konstanz. tive endgradige Umkehrbewegungen gegen angepassten
5 Genauigkeit von Bewegungsab- Widerstand oder gegen Führungskontakt ergänzt werden.
8 läufen. 5 Bei chronischer Symptomatik zusätzlich spezielle Massage-
5 Muskelkraft, (Muskeltestwerte). griffe, Ultraschall, Diadynamik und vorsichtiges passives
5 Gleitfähigkeit der Patella. Dehnen.
9 Wichtig 5 Stufenweise Steigerung der Belastung ohne Verband/Or-
Spezielle Testverfahren für die Prü-
these, je nach Schwere der Verletzung Vollbelastung zwi-
10 fung einer Gelenkinstabilität werden
nur in Absprache mit dem Arzt vorge-
schen 21. und 60. Tag. Zusätzlich Muskeltraining für den
nommen.
progressiven Aufbau der Muskulatur, die das betroffene
Gelenk sichern soll.
11 Notieren und 5 Art, Lokalisation, Intensität und 5 Verbesserung der Propriozeption/Koordinationsfähig-
Bewerten Auftreten der Schmerzen. keit für persönliche alltägliche und sportliche Aktivitäten
5 Eingeschränkte Aktivitäten.
12 5 Eingeschränkte Belastbarkeit.
(PNF-Techniken und FBL-Übungsformen im offenen Sys-
tem sowie Techniken, die in der geschlossenen Muskelket-
5 Einschränkungen im Alltag, Sport,
te eine Kokontraktion antagonistischer und synergistischer
13 Beruf.
5 Eigene Zielvorstellungen. Muskelgruppen fördern) (. Abb. 5.5–5.8 und 7 Kap. 16, 18).
5 Psychosoziale Situation.
14
. Abb. 5.5. Training am
Zuggerät
15 Behandlungsmöglichkeiten
Grundsätzliches Vorgehen
16 1. Entzündungs- und frühe Proliferationsphase (0–4. Tag)
5 Resorptionsförderung des Ödems.
17 5 Durchblutungsverbesserung.
5 Eisbehandlung nur posttraumatisch und Anlegen eines
leichten Kompressionsverbandes für wenige Stunden, dann
18 evt. Tapeverband ((. Abb. 5.2).
5 Erhalten der Gelenkbeweglichkeit durch limitiertes ak-
19 tives/assistives Bewegen.
5 Minimale Teilbelastung mit Verband oder Orthese
(. Abb. 5.3) im schmerzfreien Bereich, entsprechend der
20 ärztlichen Verordnung.

21
5.4 Muskelverletzungen
65 5

5.4 Muskelverletzungen
Zu den Muskelverletzungen zählt man Verletzungen, Risse bzw.
Abrisse der Muskelfasern im Muskel oder im Sehnen-Muskel-
Bereich.

Einteilung

Grad I Einriss weniger Fasern, intakte Faszie (Muskelzerrung)

. Abb. 5.6a,b. a Einbeinstand auf einem Schaumstoffkissen, b Schritt Grad II Einrisse einer größeren Anzahl von Fasern, intakte
auf ein Schaumstoffkissen Faszie (lokales Hämatom)

Grad III Riss einer größeren Anzahl von Fasern bei Faszienlücke
(diffuse Blutung unter die Haut und in den Muskel)
. Abb. 5.7. Stabilisation
gegen das Zuggerät im Grad IV Kompletter Riss des Muskels und der umgebenden
Stand Faszie

Ursachen
5 direkte oder indirekte Traumen, z.B.
– Kontusion,
– Prellung,
– Riss, Einriss,
– Stich, Schnitt,
– Sport-, Arbeits- oder Verkehrsunfälle,
5 Folge von Übermüdung; bei Sportlern nach unzurei-
. Abb. 5.8. Stabilisation chender Aufwärmzeit vor der Wettkampfleistung.
auf dem Trampolin

Charakteristische Symptome/Leitsymptome
5 starke Blutung, Hämatom (Spätzeichen),
5 krampfartiger, ziehender Schmerz bei Kontraktion und
Dehnung,
5 geschwächte oder aufgehobene Muskelkontraktion bei
komplettem Riss,
5 tastbare Delle bei Riss im Muskel-Sehnen-Übergang,
5 Narben einer chronischen Verletzung quer zum Faserver-
lauf.

Behandlungsrichtlinien und therapeutische


Maßnahmen

Muskelrisse oder -einrisse kommen häufig bei folgenden Mus-


keln vor:
5 M. gastrocnemius,
5 Mm. adductores,
5 Mm. ischiocrurales,
66 Kapitel 5 · Distorsionen, Verletzungen der Sehnen, Bänder und Muskeln

5 M. quadriceps, Befunderhebung
1 5 M. biceps brachii.
Beurteilen 5 Muskelrelief, Hämatom, Schwel-
Ärztliche Behandlung
2 Dehnungen, Zerrungen und Muskelfaserrisse werden mittels So-
lung, Hauttemperatur.

nographie diagnostiziert. Diese gelten als einfache Verletzungen Messen 5 Aktives und passives Bewegungs-
3 und werden konservativ behandelt. ausmaß.
Komplette Muskelabrisse mit tast- und sichtbarer Dellenbil- 5 Umfang an vorgegebenen Stellen.
dung werden operativ mittels einer direkten Naht versorgt.
4 Prüfen 5 Temperatur.
5 Sensibilität.
Wichtig 5 Pulse.
5 Wegen der sehr guten Muskeldurchblutung, guten Innerva-
5 Muskelteststufe 2< 3.
5 Muskelfunktion, Koordinations-
tion und Regenerationsfähigkeit können Muskelverletzungen fähigkeit.
6 völlig ausheilen und ihre normale Funktion zurückgewinnen. 5 Qualität des Bewegungsstopps.
Die Heilungsphasen der verschieden klassifizierten Muskel-
verletzungen haben eine unterschiedlich lange Dauer. Nach Notieren und 5 Schmerz bei Kontraktion, Deh-
7 van den Berg, Ryan (2001) können Verletzungen nach deren
Bewerten nung.
5 Art des Schmerzes, Intensität und
Gradeinteilung spezifisch belastet werden, Verletzungen
Lokalisation.
8 5 Grad I nach 14 Tagen, 5 Narben.
5 Grad II nach 3–4 Wochen, 5 Schutzspannung.
5 Grad III nach 4–6 Wochen, 5 Einschränkungen bzgl. Alltags- ,
9 5 Grad IV nach 6–12 Wochen. beruflicher und sportlicher Akti-
vitäten.
5 Eigene Zielvorstellungen.
10 Eine kontinuierliche Regeneration der Muskelfasern und des in-
5 Psychosoziale Situation.
tramuskulären Bindegewebes ist entsprechend den vier Stadi-
en eines Heilungsverlaufes möglich. Besonders wichtig für eine
11 völlige Rehabilitation sind physiologisch funktionelle und Stoff-
wechsel anregenden Reize, also eine gut dosierte Bewegungsthe- Behandlungsmöglichkeiten
12 rapie, die durch physikalische Maßnahmen unterstützt wird.
Entscheidend sind die richtige, mit dem Patienten abge- Grundsätzliches Vorgehen
stimmte Dosierung der Trainingreize und der systematische, 1. Entzündungsphase (0–4. Tag)
13 physiologische, auch gender-spezifische Trainingsaufbau. 5 Posttraumatische Hämatomresorption unmittelbar nach
Frauen benötigen für die Bewältigung ihres Alltags wesentlich Trauma/Operation durch Auflegen milder Eiskompressen
14 weniger Kraftaufbautraining als Männer. Männer hingegen de- für 20 min, anschließend Eisabreibung für 20–30 sec und
finieren sich eher über Kraftleistung (7 Kap. 18). schmerzfreies Bewegen für 2–3 min, 1 min Pause, 3–4 Wie-
Die physiotherapeutische Behandlung beginnt nach der chi- derholungen.
15 rurgischen Versorgung oder/und kurzzeitiger Ruhigstellung 5 Nach 24 h evt. Diadynamik, 5 min MF, 5 min CP oder Ul-
entsprechend dem Heilungsprozess und der ärztlich vorgege- traschalltherapie mit sehr niedriger Dosierung im Randge-
benen Belastungsstufe. biet des Hämatoms.
16 5 Hochlagerung für 24 h, mechanische Entlastung.
5 Kompressionsverband.
17 Komplikationen 5 Aktive/assistive dynamische und/oder statische Bewe-
gungen im schmerzfreien Bereich.
5 Kompartmentsyndrom, 5 Milde Wärmetherapie.
18 5 Myositis ossificans, 5 Manuelle Lymphdrainage.
5 Narben,
19 5 Kontrakturen. ! Cave
Kontraindiziert sind alle Massagegriffe, Elektrotherapie und
Mobilisationstechniken im Verletzungsgebiet. Intensive Maß-
20 nahmen führen zu erneuter Traumatisierung! Gefahr der Myosi-
tis ossificans!
21
5.5 Literatur
67 5

2. Proliferationsphase (bis 21. Tag) 5.5 Literatur


5 Aktive, assistive, passive Bewegungen.
5 Milde Wärmebehandlung. Bizzini M (2001) Sensomotorische Rehabilitation nach Beinverletzungen.
5 Weiche Massagegriffe nach ca. 10 Tagen. Thieme, Stuttgart New York
5 Ultraschall. Engelhardt M, Neumann G (1994) Sportmedizin. BLV, München
Jerosch J, Heisel J (2004) Das Kniegelenk, Rehabilitation nach Verletzun-
5 Aktive schmerzfreie Dehn- und Entspannungstechniken.
gen und operativen Eingriffen. Plaum, München Bad Kissingen Ber-
5 Mobilisation mittels myofaszialer Techniken nach Mait-
lin
land, Cyriax, Frisch. Hüter-Becker A et al. (1997) Sportmedizin. Physiotherapie Bd 13. Thieme,
5 Neuromuskuläre Übungsformen in der geschlossenen Stuttgart New York
Muskelkette zur Förderung der Koordination/Propriozep- Hüter-Becker A et al. (1999) Biomechanik, Arbeitsmedizin, Ergonomie.
tion. Physiotherapie Bd 1. Thieme, Stuttgart New York
5 Beginn niedrig dosierter medizinischer Trainingsformen Scherer MA (1993) Biomechanische Untersuchungen zur Veränderung der
(z.B. Fahrradergometer im aeroben Stoffwechselbereich), Patellasehne nach Transplantatentnahme. Aktuelle Traumatol 23: 12
die sich an der reduzierten Belastbarkeit orientieren. Hüter- BeckerA et al. (2005) Physiotherapie in der Traumatologie/Chirur-
gie. Thieme, Stuttgart New York
Trentz O, Bühren V (2001) Checkliste Traumatologie. Thieme, Stuttgart
Schwerpunkte in dieser Phase sind Koordinationsschulung und
New York
verbesserte Bewegungskontrolle.
Van den Berg F (2001) Angewandte Physiologie Bd 3. Thieme, Stuttgart
New York
3./4. Konsolidierungs-/Umbauphase (ab 21. Tag)
5 Unterwassermassage (Spätphase), Sprudelbad.
5 Weiche Massagegriffe. Die Abbildungen 5.3 und 5.4 verdanke ich Frau Claudia Klose, PT-Schule
5 Steigerung der medizinischen Trainingsformen, angepasst Günzburg am BKH. Die Übungsbeispiele konnte ich in der Praxis »move-
an den Befund. re«, unter Mithilfe von Ulrich Engelmann und Geza Sturm, fotografieren.
5 Training von Aktivitäten (. Abb. 5.7, 5.8).
5 Belastungssteigerung entsprechend der Alltags-, beruf-
lichen oder sportlichen Aktivitäten unter Berücksichtigung
der Befunde unterschiedlicher Verletzungsgrade.

! Cave
In der Phase des biomechanischen Umbaus des Muskelgewe-
bes und verminderter Belastbarkeit besteht die Gefahr neu-
er Muskeleinrisse. Daher ist vor einer frühzeitigen Muskelbela-
stung, auch bei der Arbeit oder im Sport, zu warnen.
6

Wirbelfrakturen, Schleudertrauma,
Rippen- und Sternumfrakturen

6.1 Wirbelfrakturen – 70 Charakteristische Symptome/


Einteilung – 70 Leitsymptome – 97
Ursachen – 70 Behandlungsrichtlinien und
Charakteristische Symptome/ therapeutische Maßnahmen – 97
Leitsymptome – 70 Spezielle Befunderhebung – 98
Biomechanik, Behandlungs- 6.4 Rippenfrakturen – 100
richtlinien und therapeutische Ursachen – 100
Maßnahmen – 70 Charakteristische Symptome/
Komplikationen – 79 Leitsymptome – 100
Befunderhebung – 80 Behandlungsrichtlinien und
Behandlungsmöglichkeiten – 81 therapeutische Maßnahmen – 100
Übungsbeispiele – 93 Komplikationen – 100
6.2 Halswirbelfrakturen – 94 Atembefund – 100
Einteilung – 94 6.5 Sternumfraktur – 100
Ursachen – 95 Ursachen – 101
Charakteristische Symptome/ Behandlungsrichtlinien und
Leitsymptome – 95 therapeutische Maßnahmen – 101
Behandlungsrichtlinien und
therapeutische Maßnahmen – 95 6.6 Patientenbeispiel – 101
Komplikationen – 96 Befundaufnahme – 101
Befunderhebung – 96 ICF-Dokumentation – 101

6.3 Halswirbelsäulendistorsion/ 6.7 Literatur – 103


Schleudertrauma/
»Whiplash Associated Disorder«
(WAD) (vorübergehende
Subluxation) – 97
Einteilung – 97
Ursachen – 97
70 Kapitel 6 · Wirbelfrakturen, Schleudertrauma, Rippen- und Sternumfrakturen

6.1 Wirbelfrakturen C-Frakturen sind:


1 5 Frakturen der Gelenkfortsätze mit Klaffen der Dornfort-
Einteilung sätze,
2 5 Wirbelbogenverletzungen.
5 Wirbelkörperfraktur,
5 Dornfortsatzfraktur,
3 5 Querfortsatzfraktur. Ursachen
Für die Therapie ist die Einteilung in primär stabile und primär 5 Fall aus größerer Höhe,
4 instabile Frakturen von Bedeutung. Bisher wurden Wirbelfrak- 5 Verkehrs-, Reit-, Sport- und Tauchunfälle durch Distrak-
turen nach der Klassifikation von Junghanns (1966) eingeteilt tions-, Kompressions- oder Rotationsmechanismus,
5 und dabei das Bewegungssegment »Bandscheibe – Wirbelkör- 5 Osteoporose und pathologische Knochendestruktionen
per – Gelenkfortsätze – Bandverbindung« bewertet. Heute ist (Tumoren, Metastasen).
die Klassifikation nach Wolter und Magerl (1994), Trentz und
6 Bühren (2001) in A-, B- und C-Frakturen üblich. Manche Auto-
ren geben das Drei-Säulen-, andere das Zwei-Säulen-Modell an. Charakteristische Symptome/Leitsymptome
7 Wichtig ist nur die Beurteilung der Stabilität.
Ist die vordere Säule allein betroffen, besteht eine weitge- 5 Schmerzen in Ruhe, bei Bewegung und Belastung, lokal,
hende Stabilität. Von Bedeutung ist auch die mögliche Einen- 5 Schonhaltung, Muskelhartspann,
8 gung des Spinalkanals bei Frakturen der hinteren Säule. 5 instabile Kopfhaltung bei HWK-Frakturen,
Nach Wolter und Magerl (1994) werden Wirbelfrakturen in 5 bei neurologischer Symptomatik
A- , B- und C-Frakturen eingeteilt. – neurogener Schmerz,
9 – neuropathischer Schmerz,
A-Fraktur Wirbelkörperfraktur mit Kompression – Parästhesien und
10 B-Fraktur Wirbelkörperfraktur mit Distraktion
– motorische Beeinträchtigungen in dem der Fraktur-
höhe zugeordneten Segment, bei entsprechenden Seg-
menten Plexusbeeinträchtigungen,
11 C-Fraktur Wirbelkörperfraktur mit zusätzlicher Rotation
5 Beeinträchtigung der Aktivitäten.

12 Patienten mit primär stabilen Verletzungen (A-Frakturen) kön-


nen, abhängig von der Schmerzsituation, sofort oder auch erst Biomechanik, Behandlungsrichtlinien und
nach ca. 3 Wochen aufstehen. 85 aller Verletzungen sind pri- therapeutische Maßnahmen
13 mär stabile Frakturen.
A-Frakturen sind: Wirbelfrakturen im Bereich des thorakolumbalen
14 5 isolierte Bandscheibenverletzungen, Überganges
5 isolierte Wirbelkörperfrakturen ohne Bandscheibenbeteili- Frakturen im Bereich des thorakolumbalen Überganges treten
gung, Kompressionsfrakturen, häufig auf und sind zudem sehr instabile Frakturen.
15 5 isolierte Wirbelbogenfrakturen, Die nachfolgenden biomechanischen Aspekte haben große
5 Wirbelkörperfrakturen mit Bandscheibenverletzung, wenn Bedeutung für die frühe Behandlungsphase nach Wirbelfrak-
– ventraler Achsenknick ≤ 15° (seitliche exakte Röntgen- turen im thorakolumbalen Bereich.
16 aufnahme) ,
– kein sagittaler Knick, Belastung der Bewegungssegmente im thorakolumbalen
17 – keine Subluxation, Übergang
– geringes bzw. kein Auseinanderweichen der Dornfort- Auf den thorakolumbalen Wirbelsäulenabschnitt wirken hohe
sätze. statische und dynamische Kräfte ein, denen die Wirbel ausge-
18 setzt sind. Die Belastung eines Bewegungssegmentes (Wirbel,
B-Frakturen sind: Wirbelgelenke und Bandscheiben) errechnet sich aus:
19 5 Luxationsfrakturen der Wirbel, meist HWS, 5 den Teilgewichten der darüberliegenden Körperabschnitte,
5 bestehende Trümmerfraktur mit Interposition des Band- 5 der Spannung der autochthonen Muskulatur,
scheibengewebes und Dislokation der Fragmente nach 5 der Bänderspannung und
20 ventral und dorsal, 5 äußeren Gewichten und Widerständen.
5 Luxationsfrakturen mit Knickbildung von ≥ 25°.
21
6.1 Wirbelfrakturen
71 6

α β

FN

a b

. Abb. 6.1a,b. a Kraftverteilung in Ruhestellung, bei Extension/Flexion, Lateralflexion und Rotation (nach Kapandji), b Stabilitätsverlust bei Wirbel-
fraktur

Nach Kapandji (2001) teilt sich diese Belastung auf in eine Druck- kp
kraft, die auf die Wirbelkörper wirkt, und eine Schubkraft, die 300
auf die Wirbelbogengelenke ausgerichtet ist. Drehbewegungen 275
des Kopfes, des Schultergürtels, des Beckens und der Beine wir-
250
Bandscheibenbelastungsdruck

ken als Drehkraft auf die zervikothorakalen und thorakolumba-


len Bewegungssegmente (. Abb. 6.1). 225
Die stärkste Belastung erfahren die Bewegungssegmente 200
der Lendenwirbelsäule . Abb. 6.2). Folgende Belastungen wer-
175
den von Krämer (Krämer u.Grifka 2001) für das Bewegungsseg-
ment L3 angegeben. 150
125
Rückenlage (ausschließlich Muskel- und 15 kp
100
Bänderspannung)
75
Seitenlage 30 kp
50
Freier Sitz ohne Ankehnen 140 kp
25
Entlasteter Sitz mit Rückenlehne 70 kp 0
Aufrechter Stand 100 kp
. Abb. 6.2. Belastungsdrucke (Krämer u. Grifka 2001)
Stand mit Rumpfbeuge vorwärts 150 kp

Stand mit leichter Vorbeugung und einem über 200 kp


Gewicht von 20 kg in den Händen
72 Kapitel 6 · Wirbelfrakturen, Schleudertrauma, Rippen- und Sternumfrakturen

In der aufrechten Haltung überwiegen die längsgerichteten Kräf- sierenden Muskulatur und entsprechende Osteosynthese stabi-
1 te; sie verteilen sich gleichmäßig auf Wirbelkörper und Band- lisiert werden kann. Dabei ist die zeitliche Abfolge offenbar von
scheiben. Eine ausgewogene ventrale und dorsale Muskelspan- entscheidender Bedeutung: Die stabilisierende Muskulatur muss
2 nung stellt sicher, dass die Schub- und Rotationskräfte verrin-
gert werden.
zeitlich gesehen vor der bewegenden Muskulatur aktiviert wer-
den (van den Berg 2005).
Bei jeder Rumpfvorbeuge vergrößern sich die Schubkräfte, In . Übersicht 6.1 sind die Rumpfmuskeln nach ihrer Funk-
3 bei einseitiger Belastung (z.B. Einbeinstand, Gehen ohne Bela- tion eingeteilt.
stung für ein Bein) die Rotationskräfte.
4 Stabilisierende Kräfte der Wirbelsäule . Übersicht. 6.1. Einteilung der Rumpfmuskeln in
Nach Panjabi (1992) setzt sich das stabilisierende System zusam- Stabilisatoren und Mobilisatoren
5 men aus: Zu den intersegmentalen (lokalen) Muskeln im LWS-Be-
5 passiven Strukturen (Gelenk, Kapsel, Bänder), reich zählen:
5 aktiven Strukturen (Muskeln, Sehnen) und 5 M. multifidius (lumbaler Bereich),
6 5 Steuersystem (Propriozeptoren, peripheres und zentrales 5 M. transversus abdominis,
Nervensystem). 5 hintere Stränge des M. psoas major,
5 Diaphragma und
7 5 Beckenbodenmuskulatur.
Das stabilisierende System hat die Aufgabe, die »neutrale Zone«
eines Wirbelgelenks zu halten. Diese Muskeln werden als wichtige aktive lokale Stabilisa-
8 toren bezeichnet. Besonders wirksam ist eine Therapie, die
Wichtig spezifisch an diesen Muskeln ansetzt (Richardson 2004).
Zu den globalen Stabilisatoren gehören:
9 Die »neutrale Zone« eines Gelenks wird definiert als die 5 M. obliquus abdominis und
Position im mittleren Bewegungsbereich der angulären und 5 M. spinalis.
10 translatorischen Bewegungsmöglichkeit eines Gelenks, in
dem die passiven Strukturen nur minimal gespannt sind.
Die beiden Muskeln sind wenig für die segmentale Stabili-
sierung geeignet.
Zu den globalen Mobilisatoren werden gerechnet:
11 Für die Wirbelsäule beschreibt diese Definition den mittle- 5 M. iliocostalis
ren Bereich des Bewegungsumfanges der Belastungs-Verschie- 5 M. rectus abdominis,
12 bungs-Kurve eines spinalen Segmentes. Bei größerem Bewe- 5 M. obliquus abdominis externus,
gungsausschlag müssen die tiefliegenden Muskeln mit segmen- 5 M. erector spinae.
talen Ansätzen die Bewegungen kontrollieren. Sie beschränken Diese Muskeln haben einen großen Bewegungsradius. Es
13 die Grenzen der neutralen Zone und verhindern auf diese Wei- sind schnelle, kraftvolle Muskeln, die i.A. konzentrisch arbei-
se die Entstehung von Mikrotraumen (Panjabi 1991). ten. Sie haben eine große Zugkraft und können das Gleich-
14 Garant für die Stabilität der Wirbelsäulensegmente ist die gewicht halten.
Muskulatur (Gibbons 2001), bestehend aus langsamen tonischen
und schnellen phasischen motorischen Einheiten:
15 5 Langsame motorische Einheiten besitzen eine geringe Kon-
traktionsgeschwindigkeit sowie eine niedrige Kontrakti- Funktion der globalen und lokalen Muskelsysteme
onskraft und ermüden weniger schnell. Eine gestörte Stabilisierungsfunktion kann im lokal/global sta-
16 5 Schnelle motorische Einheiten haben eine hohe Kontrakti- bilisierenden System als fehlende Kontrolle der Neutralstellung
onsgeschwindigkeit und Kontraktionskraft. Sie ermüden auftreten, also zu Instabilität, Dysfunktion und Schmerzen füh-
17 schnell. ren (Gibbons 2001). Umgekehrt können auch Schmerzen ande-
rer Genese zu einem Defizit der primär stabilisiernden Musku-
Grundsätzlich haben alle Rumpfmuskeln stabilisierende und latur führen.
18 mobilisierende Funktionen. Auch die intersegmentalen Muskeln Insgesamt scheint durch eine Vielzahl von Tests nachge-
der Wirbelsäule, die als lokale Muskeln bezeichnet werden, kön- wiesen, dass zwischen einer Dysfunktion der globalen Mus-
19 nen v.a. durch ihre tiefe Lage und ihre fächerförmige Bündelung keln, deren Muskelschwäche und der Entwicklung von Rücken-
zwischen den Dornfortsätzen wie auch zu den nächsten lumba- schmerzen kein Zusammenhang besteht, so dass eine Kraftver-
len und sakralen Segmenten zur Stabilisierung beitragen (Pan- besserung kaum einen positiven Effekt zeigt. Die Funktionsver-
20 jabi et al. 1991). besserung der lokalen Muskulatur ist jedoch als wirksam bestä-
Infolge eines Traumas mit Verletzung der Wirbelsäule ent- tigt (Richardson und Jull 2004). Gelenkschutz bieten die loka-
21 steht eine Instabilität, die aktiv durch Kokontraktion der stabili- len Muskeln auch durch ihre sog. »Federsteifigkeit« (Basmajan
6.1 Wirbelfrakturen
73 6

1978, Hogan 1990, Johansson 1991). Unter diesem Begriff ver- Das therapeutische Umsetzen der wissenschaftlichen Er-
steht man die viskoelastische Eigenschaft eines Muskels oder ei- kenntnisse ist v.a. für die lokale intersegmentale Stabilisierung
ner Bindegewebestruktur (Kapsel, Band). des lumbalen Wirbelsäulenbereiches notwendig. FBL- und an-
Durch hohe Belastungen werden eher die schnellen moto- dere Autoren (Hamilton 2006, Zahnd 2005) haben Techniken
rischen Einheiten rekrutiert, so dass ein Krafttraining sogar ei- angegeben, die gezielt angewandt, wirksamer sind.
ne Dysfunktion der lokalen motorischen Kontrolle verstärkt
(Gibbons 2001). Propriozeption/Koordination
Vielfach wird in Rehabiltationseinrichtungen ein intensives Im Verlauf des Heilungsprozesses von Frakturen und begleiten-
Krafttraining angeboten zur Verbesserung der »Kernstabilität« den Gewebeverletzungen spielt die Propriozeption für die Aus-
(Core stability). Unter »Kernstabilität« (Gibbons 2001) versteht richtung des Gewebes eine große Rolle. Sie ist die Basis einer
man ein Training mit hoher Intensität der proximalen Musku- funktionellen Medizinischen Trainingstherapie, die auf eine zu-
latur, das eine Kokontraktion aller Muskeln des betreffenden lo- nehmende adäquate Belastungsfähigkeit, Stabilität und Mobili-
kalen und globalen Wirbelsäulenbreiches bewirkt. In erster Li- tät hinsichtlich der Alltagsfunktionen ausgerichtet ist.
nie werden dabei die schnellen motorischen Einheiten mit ho- Übungsformen in der geschlossenen Kette in Anlehnung an
her Reizschwelle, nicht die langsamen motorischen Einheiten funktionelle Bewegungsmuster des Alltags (FBL, PNF, Bizzini
mit niedriger Reizschwelle angesprochen. Das hochdosier- 2001) fördern das natürliche Bewegungsverhalten und werden
te Krafttraining zielt also nicht auf die Rekrutierung der moto- entsprechend den vorgegebenen Bewegungs- und Belastungs-
rischen Einheiten mit langsamer niedriger Reizschwelle und ist einschränkungen ausgeführt.
deshalb nicht muskelspezifisch. Eine segmetale Stabilisierung ist In der Proliferations- und Konsolidierungsphase können be-
deshalb nicht zu erwarten. reits propriozeptive/neuromuskuläre Techniken in niedriger
Zudem müsste in Betracht gezogen werden, dass normale Dosierungsstufe angewandt werden. Das Ziel einer vollstän-
Alltagsaktivitäten nur sehr selten eine hohe Belastung erfordern. digen, sicher gesteuerten, harmonischen Bewegungsausfüh-
Für Sportler und schwer arbeitende Berufstätige hingegen kann rung wird erst unter Vollbelastung nach Abnahme des Korsetts
diese Therapieform erforderlich sein, nicht jedoch für den Wir- erreicht.
belsäulenverletzten. Frauen benötigen nur für den Leistungs-
sport ein spezielles intensives Kraftraining. Wichtig
Muskelkräftigungsprogramme gehen zudem nicht auf Kom-
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Rekrutie-
pensations-/Ausweichbewegungen ein, die für den Erhalt der
rung langsamer motorischer Einheiten durch ein Training
physiologischen Funktionsfähigkeit notwendig sind. Aus the-
mit geringer oder minimaler Belastung (≤ 25% der willkür-
rapeutischer Sicht müssen solche Kompensationsbewegungen
lich aufgebrachten Maximalkraft) eine optimale Stabilität
stabilisiert/widerlagert werden, damit die eingeschränkten Be-
und Haltung erreicht. Lokale Stabilisatoren sind am besten
wegungen mobilisiert werden können.
geeignet, um eine lumbale Bewegungsstörung zu kontrollie-
Wichtig ren (Motorcontrol-Stability-Training) (Gibbons 2001, 2002).

Ist das stabilisierende System nicht in der Lage, die neutrale


Segmentstellung bei niedriger Belastung zu halten, besteht Ärztliche Behandlung
i.A. (Jander 1985) eine Überaktivität der globalen Mobilisa-
In der Regel heilt eine Kompressionsfraktur im spongiösen Be-
toren. Infolge kommt es zu einer Instabilität bei Belastung.
reich am besten, wenn die Einstauchung belassen wird. Darü-
ber hinaus besteht bei Verletzungen bis zum 50. Lebensjahr nur
Hinzu kommt, dass bei Kräftigungsprogrammen die Bewe- eine geringe Gefahr, dass der gebrochene Wirbelkörper weiter
gungen häufig in der Sagittalebene stattfinden und die Rotati- zusammensintert.
on vernachlässigt wird.
Die rotatorische Kontrolle der Gelenkstellungen ist jedoch Wichtig
ein wichtiges Kriterium für die lokale und globale Stabilisati-
Am häufigsten treffen Kompressionsfrakturen
on und die Bewahrung der Körperhaltung bei alltäglichen Ak-
5 die Halswirbel 4–6,
tivitäten.
5 die Brustwirbel 10–12 und
Klein-Vogelbach wies schon vor Jahren darauf hin, dass die
5 die ersten 3 Lendenwirbel.
dynamische Stabilisation der Wirbelsäule eine Voraussetzung
für die optimale Funktion der Extremitäten darstellt. Auch das
System der PNF-Übungen betont die rotatorische Komponente
der Gelenke für die dynamische Stabilität.
74 Kapitel 6 · Wirbelfrakturen, Schleudertrauma, Rippen- und Sternumfrakturen

Operatives/konservatives Vorgehen Bei Densfrakturen werden kortikospongiöse Späne aus dem


1 B- und C-Frakturen werden heute operativ versorgt mit der Ziel- Beckenkamm in Verbindung mit Schraubenosteosynthesen
setzung der verwendet. Letzere können mit kanülierten Schrauben stabili-
2 5 Aufrichtung dislozierter Kompressionsfrakturen, siert werden. Halswirbelfrakturen der unteren Halswirbelsäu-
5 Stabilisation der Wirbelfraktur, le werden häufig von ventral mit einer kleinen Platte nach Mor-
5 frühen Entlastung des Rückenmarks und der Nerven- scher stabilisiert (. Abb. 6.6). Im Gegensatz zu früheren Jahren
3 bahnen, werden der Halo-Fixateur-externe (7 Abschn. 6.2, »Halswirbel-
5 Vermeidung von Spätschäden. frakturen«) oder die Crutchfield-Klammer nur noch sehr selten
angewandt. Zur Anwendung kommen Halskrawatten mit und
4 Möglich ist die Anbringung eines Fixateur interne von dorsal ohne Verstrebungen.
(. Abb. 6.3). Zusätzlich zur dorsalen Osteosynthese wird bei
5 schwerer Instabilität eine ventrale Spondylodese/Abstützung Wirbelfrakturen im Bereich des thorakolumbalen Über-
durchgeführt (. Abb. 6.4). ganges. Bei konservativer Behandlung der Frakturen reicht of-
fenbar die Stabilität auch bei konsequentem Tragen eines Drei-
6 HWS-Wirbelfrakturen. Im HWS-Bereich werden ventral Ver- punktkorsetts nicht aus. Die Belastungskräfte können nicht aus-
riegelungsplatten, dorsal Hakenplatten (nach Magerl 1994) und reichend abgefangen werden.
7 CerviFix-Platten (nach Jeanneret 1996) verwendet. Die Plat- Loew (1992) hat in einer Nachuntersuchung bestätigt, dass
ten können mehrere Segmente stabilisieren und sich der ana- sich der Kyphosewinkel am thorakolumbalen Übergang inner-
tomischen HWS-Lordose anpassen. Der Vorteil besteht darin, halb der ersten 3 Monate nach einer Wirbelfraktur signifikant
8 dass die Backen mit den Bohrlöchern verschiebbar sind und die um 1,5–2,5° vergrößerte. Alle Patienten wurden mit einem Drei-
Schrauben jeweils ideal angebracht werden können. Zusätzliche punktkorsett behandelt.
Spananlagen sind bei allen Methoden möglich (kortikospongi- Heute werden die Wirbelfrakturen sorgfältig auf Instabilität
9 öser Span aus dem Beckenkamm). Als Ersatz für pathologisch geprüft und häufiger operativ versorgt. Bei der Entfernung des
veränderte Wirbelstrukturen und bei schweren B- und C-Frak- Fixateurs interne nach 9 Monaten konnte zwar auch festgestellt
10 turen wird ein Titankorb eingesetzt (. Abb. 6.5). Bei bestehen- werden, dass die Schrauben locker waren, die Frakturen waren
der Einengung des Spinalkanals wird eine Hemilaminektomie jedoch i.d.R. durchbaut.
oder Laminektomie vorgenommen.
11
12
13
14
15
16
17
18
19
a b c
20
. Abb. 6.3a-c. a Fraktur des LWK 1, b Fixateur interne, c Seitenansicht der Osteosynthese

21
6.1 Wirbelfrakturen
75 6

a b c d

. Abb. 6.4a-d. 2-Etagen-Fraktur mit dorsaler und ventraler Osteosynthese

a b c

. Abb. 6.5a-c. a Fraktur des LWK 1, b, c Titankorb- und Plattenosteosynthese


76 Kapitel 6 · Wirbelfrakturen, Schleudertrauma, Rippen- und Sternumfrakturen

. Abb. 6.6a,b. a HWK-Frakturen in Vorder- und Sei-


1 tenansichten, b Plattenosteosynthesen

2
3
4
5
6
7 a

8
9
10
11
12
13
14 b

15
Stabile Brust- und Lendenwirbelfrakturen werden funkti-
Wichtig
onell behandelt. Die Verletzten dürfen sich entsprechend der
16 Schmerzsituation mit gestreckter Wirbelsäule drehen und auch
Wichtig ist, dass das Dreipunktkorsett zuverlässig getragen
wird, alle Bewegungsübergänge und Übungen mit Korsett aufstehen.
17 ausgeführt werden und normales Sitzen erst nach 6 Wochen Patienten mit Frakturen unterhalb BWK 10 erhalten ein Drei-
beginnen soll. punktkorsett (. Abb. 6.7), das sie 12 Wochen tragen sollen. Dies
gilt für konservativ und operativ behandelte Patienten. Die Pa-
18 tienten dürfen 6 Wochen nicht frei auf einem normalen Stuhl
LWS-Wirbelfrakturen. Im Lendenwirbelbereich werden dor- sitzen.
19 sale Stabsysteme mit/ohne Querverstrebungen und ein Fixa- Patienten mit Halswirbelfrakturen erhalten, der erreichten
teur interne verwendet. Damit kannn man monosegmental, bi- Stabilität entsprechend, postoperativ eine weiche Schanzkra-
segmental oder mehrsegmental fusionieren. Durch endosko- watte für ca. 8 Wochen (. Abb. 6.8).
20 pisches Vorgehen haben sich die Zugänge wesentlich verein-
facht. Der Fixateur interne soll nach 9 Monaten wieder entfernt
21 werden. Manche Autoren geben 12 Monate an.
6.1 Wirbelfrakturen
77 6

. Abb. 6.7. Dreipunkt- . Abb. 6.9. Stehbrett, Zu-


korsett behör und Rutschbretter für
den Transfer

135°
. Abb. 6.8. Weiche Schanz-
10
krawatte °

45°

10°

. Abb. 6.10. Entlastender Sitz (Krämer u. Grifka 2001)


Physiotherapeutische Behandlung
Wie die Frakturen an den Extremitäten unterliegen Wirbelfrak-
turen einem physiologischen Heilungsprozess. Der natürliche,
schmerzfreie Bewegungsreiz fördert die Frakturheilung, wenn Da die Belastung im normalen Sitz hoch ist, soll der Sitz in
das Bewegungsausmaß und die Belastung solange reduziert den ersten 6 Wochen vermieden werden. Genutzt werden kann
werden, bis der Knochenumbau abgeschlossen ist. der entlastende Sitz (Krämer u. Grifka 2001) in einem Rekonva-
Eine schädliche Belastung der Fraktur in deren Heilentzün- leszentenstuhl (. Abb. 6.10).
dungsphase wird durch Limitierung der Wirbelsäulenbewe- In der Proliferations- und frühen Konsolidierungsphase (van
gungen im Korsett und eine flache Lagerung vermieden. Die den Berg 2001) sollen natürliche schmerzfreie, langsam ausge-
Fraktur wird v.a. belastet bei/im: führte, niedrig dosierte Bewegungen zur Heilungsunterstüt-
5 Bewegungsübergängen, zung genutzt werden.
5 freien Sitz und Oberstes Ziel der frühen physiotherapeutischen Behand-
5 Aktivitäten im Stand (. Abb. 6.2). lungen muss die lokale muskuläre Sicherung des betroffenen
Wirbelsäulenabschnittes in der Neutralstellung der Wirbelsäu-
Ist Stehen nicht möglich, z.B. bei einem polytraumatisierten Pa- le sein.
tienten, wird auf dem Stehbrett ein Kreislauftraining absolviert Man erreicht dies am besten durch selektives Anspannen der
(. Abb. 6.9 und 7 Kap. 21). primär stabilisierenden Muskulatur (van den Berg 2001, Gib-
78 Kapitel 6 · Wirbelfrakturen, Schleudertrauma, Rippen- und Sternumfrakturen

bons 2002) und durch Ganzkörperspannungen nach Brunkow


1 oder PNF-Mustern.
Dabei sollen in gerader Rücken-, Seiten- oder Bauchlage
2 Muskelketten gegen manuellen Kontakt/angepassten manuel-
len Widerstand statisch beansprucht werden (. Abb. 6.11). Die
Übungen werden selektiv (lokale Stabilisation), aber auch kom-
3 plex unter Kokontraktion (globale Stabilisation) langsam und in
niedriger Belastungastufe durchgeführt.
Die lokale Muskelspannung soll zeitlich immer vor dyna-
4 mischen Extremitätenbewegungen erfolgen. (. Abb. 6.12–6.14).
Viele Autoren (Bizzini, Brügger, Göhler, Hamilton, Klein-
5 Vogelbach, McKenzie und Zahnd) haben Übungsprogramme
entwickelt, aus denen geeignete Übungen ausgewählt werden
können, die das Motorcontrol-Stability-Training aktivieren und . Abb. 6.12. Drehen en bloc in die gerade Seitenlage, Stabilisation
6 die lokale und globale Stabilisation durch Rekrutierung der
langsamen motorischen Einheiten verbessern (Gibbons 2001).
7 Das Stabilitätstraining umfasst folgende Punkte:
5 Kontrolle der neutralen Wirbelsäulenstellung,
5 Verbesserung der Propriozeption/Rekrutierung langsamer
8 motorischer Einheiten,
5 muskuläre Kontrolle während des gesamten Bewegungs-
ablaufes.
9
10 . Abb. 6.11. Stabilisation bei
Wirbelfraktur
11
. Abb. 6.13. Stabilisation der Wirbelsäule in Rückenlage, Betonung der
12 Abduktions-Extensions-Spannung

13
14
15
16
17
18 . Abb. 6.14. Stabilisation über schräge Bauchmuskulatur im PNF-Pro-
gramm

19
20
21
6.1 Wirbelfrakturen
79 6

Zahnd (2005) und Hamilton (1989) haben mittels stabilisie- Bauchlage drehen, durch Abstützen der Hände in den Stand
render Kissen (Blutdruckmessgerät oder Stabilizer, Pressure Bio- kommen und über den umgekehrten Weg wieder zurück in die
Feedback Devices (Chattanooga Group, 4717 Adams Road Hix- Rückenlage gelangen (. Abb. 6.15 a). Häufig ist dieser Transfer
son, TN 37343 USA) gezielte Kontraktionsmöglichkeiten für die für Patienten ungewohnt und schwierig; dann darf der Patient
tiefe lokale Muskulatur angegeben (. Abb. 6.32). Diese lokale sich über die Seite in den hohen Bettkantensitz bewegen. Durch
Muskelspannung wird auch als Test angewandt. seitliches Abstützen kann der Rücken dann nahezu gestreckt
Patienten können damit selbständig kontrollierend mit vor- bleiben. Besteht die Notwendigkeit der Entlastung eines zusätz-
gegebener Intensität üben und die Ausdauer verbessern. lich frakturierten Beines, muss der Stand über das Stehbrett er-
folgen (. Abb. 6.9).
! Cave Der entlastende Sitz (ca. 0–45–45° Hüftbeugestellung) mit
Bis zur Konsolidierung der Fraktur sind zu vermeiden: angelehntem Rücken darf z.B. in einem Reko-Stuhl eingenom-
5 endgradige dynamische Flexions-, Lateralflexions- und Ro- men werden (. Abb. 6.10). Entlastendes Sitzen ist kurzfristig
tationsbewegungen der Wirbelsäule, die auch über weiter- auch möglich durch Gewichtabgabe auf die hinter dem Körper
leitende Bewegungen von den Extremitäten aus erfolgen abgestützten Hände. Später ist der Sitz auf einem hohen Stuhl
können, und Sitzkeil möglich. Zur Entlastung sollen die Unterarme auf
5 schnelle, abrupte und stark belastende Übungen. dem Tisch abgelegt werden.
Kraftübungen, die für die lokale stabilisierende Muskulatur eine Vor Entlassung aus der Klinik erhalten die Patienten einen
hohe Belastung bedeuten, erhöhen das Risiko einer Dysfunk- Sitzkeil und einen Toilettenaufsatz, den sie nach Hause oder in
tion. Krafttraining ist für die Heilung geschädigter Strukturen die Rehabilitationsklinik mitnehmen. Hilfsmittel wie Strumpfan-
schädlich, es fördert die Entstehung von Dysfunktionen. ziehhilfe oder Greifzange, um etwas vom Boden aufzuheben,
werden ebenfalls mitgegeben.
In der Regel müssen die Patienten keine Bettruhe einhalten. Pa- Patienten mit Wirbelfrakturen oberhalb BWK 10 dürfen sich
tienten mit Frakturen unterhalb BWK 10 erhalten ein Dreipunkt- über die Seite aufsetzen; sie brauchen i.d.R. keine Hilfsmittel.
korsett. Wenn Schmerzfreiheit besteht und das individuell an- Zu Ende der Proliferationsphase (Ende 3./4. Woche) kann ein
gepasste Dreipunktkorsett geliefert wurde, dürfen die Patienten niedrig dosiertes medizinisches Training unter Aufsicht durch-
am 2. postoperativen Tag aufstehen (. Abb. 6.7). geführt werden. Es soll eher die Ausdauer- als die Kraftentwick-
Das Korsett wird möglichst über die Bridging-Position an- lung fördern. Natürliche Bewegungen, wie sie im Alltag und im
gelegt. Diese soll durch Spannen der lokalen Muskulatur vorge- beruflichen Leben vorkommen, können in freier Übungsform,
übt werden: Zunächst wird die quere Bauchmuskulatur ange- aber auch an Geräten sinnvoll sein.
spannt und die LWS zum Bett gedrückt; dann erst soll mit die- Besonders überdacht werden müssen freie Bewegungsab-
ser Spannung das Becken etwas abgehoben werden, so dass die läufe in Bezug auf weiterlaufende Bewegungen in das versteifte
Pelotte untergeschoben werden kann. Wenn dies nicht möglich Bewegungssegment. Hingegen können propriozeptive Bewe-
ist, wird das Korsett auch über die gestreckte Seitenlage ange- gungen im geschlossenen System sehr positiv auf die Wirbel-
zogen. säulenstabilisation wirken.
Es hat sich bewährt, Patienten nach einer operativen dor-
salen/ventralen Stabilisation auch mit einem Dreipunktkorsett
zu versorgen. Es dient dann als »Gedächtnisstütze« für die auf- Komplikationen
rechte Haltung.
Belastende Positionen dürfen nicht vor Konsolidierung der 5 Querschnittslähmung,
Fraktur eingenommen werden. 5 Schädel-Hirn-Trauma,
Bewegungsübergänge sollen möglichst in Streckstellung des 5 Polytrauma,
Wirbelsäulenabschnittes und unter minimaler Rotation ausge- 5 Serienfrakturen,
führt werden. 5 Nebenverletzungen:
Alle Patienten mit Frakturen unterhalb BWK 10 sollen sich – Thrombose/Embolie,
en bloc von der Rückenlage über die gestreckte Seitenlage und – Kyphosebildung.
80 Kapitel 6 · Wirbelfrakturen, Schleudertrauma, Rippen- und Sternumfrakturen

Befunderhebung
1
Beurteilen 5 Allgemeinzustand (Patient liegt evt. auf der Intensivstation).
2 5 Atmung, Kreislaufsituation, Begleitverletzungen.
5 Lagerung. Schonhaltung.
5 Dornfortsatzabstand, Prellmarken.
3 5 Röntgenbefund Übergänge von Os occipitale zu HWK 1 und 2, zervikothorakaler und thorakolumbaler Über-
gang, evt. Schrägaufnahmen.
Wichtig
4 Zu beurteilen sind: Luxations- oder Translationsstellung, Deck- oder Grundplatteneinbruch, ungleiche Abstände der
Wirbelbögen, Verschiebung der Wirbelhinterkanten zum nächsten Wirbel, Wirbelverformung, Achsenknickbildung,
5 ventral-dorsale Dislokationen, Klaffen der Dornfortsätze, Spinalkanaleinengung.
5 Stabilität der Wirbelsäule.
5 Computertomogramm.
6 5 Weitere Bild gebende Verfahren, sonstige Befunde.

Prüfen 5 Hautdurchblutung, Temperatur.


5 Sensibilität auf Berührung, Lagesinn.
7 5 Muskelkontraktionsfähigkeit, in flacher Rückenlage nur auf Teststufe 2, dynamische Stabilisation der primär sta-
bilisierenden Muskeln, z.B. im Lumbalbereich M. transversus abdominis, M. mulifidus (Rotation) > 2.
8 5 Muskelverspannungen.
5 Kennmuskeln:
– C1: Kopfrotatoren
9 – C2–C4: M. trapezius, Diaphragma (C3,C4)
– C5: M. supraspinatus, M. infraspinatus, M. deltoideus
– C6: M. brachioradialis, M. biceps brachii, M. extensor carpi radialis
10 – C7: M. abductor pollicis brevis, Mm. thenari, M. flexor carpi radialis, M. triceps brachii
C8: M. abductor digitorum V, M. adductor pollicis, Hypothenarmuskulatur, M. triceps brachii
– Th1: M. interosseus palmaris III
11 – Th6–Th12: Bauchmuskeln
– L1–L3: Hüftbeuger und Adduktoren
– L4–S1: Glutealmuskulatur
12 – L5: Mm. extensores des Fußes und Mm. peronei
– S1: M. gastrocnemius
5 Dermatome zur groben Orientierung (Weigel, Nerlich 2005):
13 – C2: oberer Halsteil und Nacken
– C4: Schultergürtel
14 – C6: Daumen
– C7: Zeige- und Mittelfinger
– C8: Ring- und kleiner Finger
15 – Th6: Proc. xyphoideus
– Th10: Nabel
– L1: Leiste
16 – L3/4: Oberschenkel und Knie
– L5: Großzehe
– S1: Ferse und Kleinzehe
17 – S3–S5: Perianalgebiet

18
19
20
21
6.1 Wirbelfrakturen
81 6

Notieren und 5 primäre Stabilität; operativ, Korsett, Schanzkrawatte (. Abb. 6.7, 6.8).
Bewerten 5 Mobilität (Verordnung), Belastungsfähigkeit.
5 Symptome und ihre Provokation nach Zeit, Lokalisation, Intensität und Qualität (Systematik nach Triano).
5 Schmerzen, wann, wo, wie (VAS 1–10); lokal, paravertebral, ohne/mit Ausstrahlung nach proximal, distal, radiku-
lär oder segmental.
– Hamilton-Stabilitätstest der lokalen LWS-Muskulatur mit Blutdruckgerät (. Abb. 6.32).
– Mit neurologischem Befund (Sensibilitätsstörungen, motorische Schwächen oder Paresen, Blasen-Darm-Stö-
rungen) postoperativ, beständig oder wechselnd, akut oder chronisch, mit der Verletzung zuzuordnenden
oder gelegentlichen Beschwerden. Provokation durch Bewegung, Druck und Klopfen.
5 Sensibilitätsausfälle.
5 Medikamentöse Schmerztherapie und ihre Konsequenz für die Physiotherapie.
– In individuellen Fällen 3–5 Tage Basis- Schmerztherapie mit zentral wirkenden Medikamenten.
5 Muskelkontraktionsfähigkeit, Muskelfunktion der Extremitätenmuskulatur entsprechend Belastungsfähigkeit
und Heilungsprozess.
5 Beeinträchtigungen bei selbständigen Aktivitäten wie Körperpflege, Sitzen, Stehen, Gehen, Beruf.
5 Hauptproblem des Patienten in der postoperativen/posttraumatischen Situation oder in der Proliferations- und
Konsolidierungsphase.
5 Einschätzung der Probleme durch den Patienten, eigene Zielvorstellungen.
5 Kooperationsbereitschaft, psychosoziale Situation.
5 Notwendige Hilfsmittel: Greif- und Anziehhilfe, Toilettenaufsatz, Sitzkeil, Spiegel, Prismabrille.

Manche Patienten geben im postoperativen Zustand diffuse Grundsätzliches Vorgehen bei Wirbelfrakturen
Schmerzen an, die weniger mit einer Einengung der Nerven- ohne neurologische Symptomatik
wurzel als mit einer Irritation neuromeningealer Strukturen er- In . Übersicht 6.2 sind die Schwerpunkte der physiotherapeu-
klärt werden können. Eine Nachblutung oder ein Ödem kann tischen Behandlung nach Wirbelfrakturen zusammengefasst.
ebenfalls solche Schmerzen auslösen. Schmerzen verursachen
eine reflektorische Abwehrspannung der Muskulatur, die den
Patienten davon abhält, sich zu bewegen. Daraus erwächst auch . Übersicht 6.2. Gesichtspunkte der Behandlung
die Gefahr einer Thrombose. Bis zur 4. Woche
Segmentale oder auch radikuläre Schmerzen können die 1. Atemtherapie, wenn erforderlich.
Atembewegungen behindern und zu einer Bronchopneumonie 2. Thromboseprophylaxe, Resorption des Hämatoms/
führen. Zur Schmerzunterbrechung wird deshalb heute eine Ödems.
Schmerztherapie durchgeführt (7 Kap. 3). 3. Lagerungskontrolle.
Bestehen Paresen und/oder Blasen- und Darmfunktions- 4. Detonisierung der verspannten Muskulatur, Schmerzre-
störungen, die vor der Operation nicht vorhanden waren, muss duzierung.
ein neurologischer Befund durchgeführt und evt. ein suprapu- 5. Sicherung des betroffenen Wirbelsäulenabschnittes in
bischer Katheter gelegt werden (»Puffi«). Unter Umständen, der Neutralstellung.
wenn es z.B. zu einer Nachblutung gekommen ist. ist eine er- 6. Schulen von Aktivitäten, Bewegungsübergängen mit
neute Entlastungsoperation angezeigt. Korsett unter Vermeidung von Schub-und Rotations-
In der Konsolidierungsphase einer Wirbelfraktur konzen- kräften.
triert sich die Befunderhebung auf 7. Gehschulung, Koordinationstraining.
5 die Bindegewebe-, Muskel- und Gelenkfunktionen, 8. Behandlung im Bewegungsbad mit Korsett (frühestens
5 deren sensomotorischen/propriozeptiven Einsatz, nach 2 Wochen).
5 deren zunehmende Belastbarkeit und 4. – 7. Woche (Konsolidierungsphase)
5 die individuell zu erreichenden Aktivitäten. 9. Fortführung der Schulung lokaler und globaler Stabili-
satoren.
10. Schulung weiterer Aktivitäten für Alltag, Beruf und ge-
Behandlungsmöglichkeiten sellschaftliche Teilhabe.
8. – 12. Woche
Die Bewertung der biomechanischen Kräfte, der physiolo- Eigenständiges Üben zu Hause.
gischen Kriterien, der Frakturheilungsphase und der Befunder- 6
hebung führen zu dem im Folgenden erläuterten grundsätz-
lichen Vorgehen.
82 Kapitel 6 · Wirbelfrakturen, Schleudertrauma, Rippen- und Sternumfrakturen

ton 2006, Richardson 1998). Eine gleichzeitige übermäßige Ak-


1 Nach 12 Wochen tivität der globalen Muskulatur soll nicht erfolgen, z.B. auch
11. Haltungsschulung und Vorüben von Aktivitäten und kein Anhalten der Atmung.
2 Bewegungsübergängen ohne Korsett. Abtrainieren des Das Ziel der lokalen Muskelspannung oder der Übungen des
FBL- oder PNF- Programmes ist die präzise, schmerzfreie Ein-
Korsetts.
12. Sportliche Aktivitäten. haltung der Neutralstellung bei geringer Anstrengung der glo-
3 balen Muskeln. Das Einhalten der Neutralstellung der Halswir-
belsäule wurde von Hamilton ebenso beschrieben (7 Abschn.
»Halswirbelsäulenverletzungen«).
4 Entzündungs- und Proliferationsphase (bis 4. Woche) Die visuelle Kontrolle über das Einhalten der LWS-Neutral-
1./2. Atemtherapie/Thromboseprophylaxe stellung ist nach Hamilton (2006) und Zahnd (2005) dadurch
5 Siehe dazu in 7 Kap. 2, »Prä- und postoperative physiotherapeu- möglich, dass man dem Patienten in Rückenlage eine Blutdruck-
tische Behandlung«. manschette unter die LWS legt und diese gering aufpumpt. Der
vorgegebene Druck muss während der Übung beibehalten wer-
6 3. Lagerungskontrolle den. Die Hand des Therapeuten kann natürlich diese Kontrolle
Die Lagerung soll flach sein auf einer festen Matratze, evt. kann auch übernehmen (. Abb. 6.32).
7 auch ein Quaderbett mit einer Schaumstoffauflage benutzt wer- Üblich ist auch ein Vorgehen nach Brunkow. Bei dieser
den. Die Kniegelenke werden mit einem kleinen Schaumstoff- Methode wird eine komplexe Grundspannung in korrigierter
kissen oder zusammengerollten Frotteetuch nur wenig unterla- flacher Rückenlage mit oder ohne leicht angestellte Beine auf-
8 gert, die Fersen freigelegt und die Füße am Bettende weich ab- gebaut (Kokontraktion). Die Spannung beginnt bei den Füßen
gestützt. (Dorsalextension), die Fersen schieben nach kaudal, so dass die
Zum Essen kann das Bettende leicht schräg nach unten ge- Spannung gleichermaßen über die Bauch- und Rückenmus-
9 stellt werden. Für die ersten Tage nach der Operation kann ein keln weitergeleitet wird. Der Scheitelpunkt des Kopfes schiebt
Spiegel am »Galgen« angebracht werden. Der Haltegriff wird nach kranial. Die Arme sind leicht gebeugt, die Hände sind dor-
10 weggenommen, damit der Patient sich nicht zum Sitz hochzie- salflektiert, und die Handwurzeln schieben nach kaudal. Die-
hen kann. Auch ein kippbarer Standspiegel ist geeignet. se Position muss dann gegen Führungskontakt oder zu gege-
bener Zeit auch gegen manuellen Widerstand gehalten werden.
11 4. Detonisierung der verspannten Muskulatur, Schmerzredu- Der Physiotherapeut gibt Kontakt an Becken und Thorax und
zierung wandert dann mit den Händen von dorsal nach ventral, krani-
12 Weiche Massagegriffe, vom Operationsbereich entfernt, Manu- al und distal. Auf diese Weise können symmetrische und diago-
elle Lymphdrainage oder milde Wärmepackungen können an- nale Muskelketten beansprucht werden. Die Lendenwirbelsäu-
gewandt werden. Sie tragen zur Unterstützung des Heilungs- le muss dabei in der Mittel- oder Neutralstellung gehalten wer-
13 prozesses bei, vorausgesetzt, der Patient darf en bloc gedreht den. Das Gesäß soll dabei nicht abheben.
werden (. Abb. 6.12). Können diese Übungen schmerzfrei ausgeführt werden,
14 Übungen der Progressiven Muskelrelaxation (PMR) sind gut kann die Hebellänge vergrößert werden. Die Hände des Thera-
einzusetzen. Vor allem das Erlernen der Wahrnehmung, die peuten wechseln zum Schultergürtel und an die Oberschenkel,
Einhaltung der Neutralposition des Wirbelsäulenabschnittes Unterschenkel usw.
15 und selektive Bewegungen vermindern den Schmerz. Die Spannung soll langsam aufgebaut, gehalten und dann
langsam gelöst werden (. Abb. 6.11–6.13). Nach gleichem Prin-
5. Aktive Stabilisierung des Frakturbereiches: Erarbeiten ei- zip kann diese Grundspannung auch in anderen Ausgangsstel-
16 ner ausgewogenen Muskelspannung von ventral, dorsal, kau- lungen (. Abb. 6.18, 6.20) aufgebaut werden.
dal und kranial Diagonale ventrale und dorsale Muskelketten werden mit
17 Die Stabilisation des betroffenen Bewegungssegmentes ist zen- der gleichen Technik beansprucht. Behutsam kann auch eine
traler Bestandteil der frühen Behandlungsphase, sie wird selek- statische Rotationsspannung aufgebaut werden. Diese Übungs-
tiv und komplex durchgeführt, d.h, dass eine lokale Stabilisation muster haben, wie schon erwähnt, Brunkow und Klein-Vogel-
18 mittels Beanspruchung der bach für Patienten mit Rückenbeschwerden entwickelt. Sie sind
5 Zwerchfellmuskulatur (bei Einatmung, Koaktivierung des auch für die Behandlung der Wirbelfrakturen gut einzusetzen.
19 Beckenbodens durch Steigerung des intraabdominalen Eingeleitet werden diese Übungen mit Dorsalextension der Fü-
Druckes), ße und Druck der Fersen auf die Unterlage sowie mit Dorsal-
5 queren Bauchmuskulatur und extension der Hände und Druck der Handwurzeln auf das Bett,
20 5 Mm. multifidii im geschlossenen System
erreicht werden kann. Erweitert wird diese Grundspannung Soll die Kokontraktion von Bauch- und Rückenmuskeln auf-
21 über eine statische Arbeit der schrägen Bauchmuskeln (Hamil- gebaut werden, muss die Beinstellung exakt festgelegt werden.
6.1 Wirbelfrakturen
83 6

Bei Spondylodesen im Segment L3–L5 sollte das Hüftgelenk nur Zum Aufstehen aus dem Bett wird dieses entsprechend der
20–30° gebeugt sein. Als weitergeleitete Bewegung wirkt die Fe- Körpergröße des Patienten hochgestellt. Von der geraden Sei-
murflexion im Hüftgelenk zunehmend im Sinne einer nicht ge- tenlage dreht sich der Patient in die Bauchlage und rutscht an
wünschten Abflachung der Lendenlordose. Dies geschieht um- die Bettkante bis die Beine nach unten abgesenkt werden kön-
so mehr je früher die Dehngrenze der ischiokruralen Muskula- nen. Über den Unterarm- und Armstütz steht der Patient auf
tur erreicht ist (. Abb. 6.14). (. Abb. 6.15).
Hat der Patient Schmerzen oder ist noch in einem schlech-
Wichtig ten Allgemeinzustand, werden ihm Gehhilfen angeboten (Geh-
wagen, Achsel- oder Unterarmstützen). Meist muss man das
Folgende Maßgaben geben einen Anhaltspunkt, bei
Korsett im Stand nochmals nachziehen, damit die Pelotte fest
5 L3- bis L5-Frakturen ist die Flexion bis 20–30° erlaubt,
anliegt. In speziellen Fällen wird der Patient im Strehbrett mo-
5 L1- und L2-Frakturen eine Flexion bis 60° und
bilisiert.
5 Th10-, Th11- und Th12-Frakturen eine Flexion bis 90°.
Patienten mit BWK-Frakturen oberhalb BWK 10 und diejeni-
gen, die einen stabilen Titankorb erhalten haben, dürfen über
Alle Bewegungs- und Halteformen der Hüftgelenke sollen ent- Rotation und Unterarmstütz direkt in den Sitz kommen. Zwi-
sprechend dieser Vorgaben aus den zugeordneten Flexionsstel- schen den einzelnen Phasen der Positionswechsel können Hal-
lungen beginnen oder dort enden. In der frühen Behandlungs- tephasen eingebaut werden. Die Bewegungsübergänge sollen
phase werden sie hubfrei und unter Beachtung der verordne- dem physiologischen und biomechanischen Bewegungsverhal-
ten Bewegungsgrenzen durchgeführt. Voraussetzung für freies ten entsprechen.
Bewegen der Extremitäten ist die Einhaltung der LWS-Neutral- In den ersten postoperativen Tagen soll der Patient mög-
stellung (. Abb. 6.30). lichst schnell selbständig werden, d.h., er muss lernen, sein Kor-
Da in der modernen Wirbelsäulenchirurgie lange Liege- sett selbst anzuziehen und den Transfer von der Rückenlage
zeiten entfallen, ist eine besondere Behandlung der Extremi- über Seitenlage, Bauchlage, hohen Sitz in den Stand allein aus-
täten nicht erforderlich, es sei denn, der Patient hat noch an- zuführen.
dere Verletzungen an den Beinen oder eine Querschnittssym- Zum Anziehen des Korsetts soll der Patient zunächst die
ptomatik. Bridging-Position über Spannen der lokalen Stabilisatoren
(s.o.) beherrschen, damit er die Pelotte unter die LWS schieben
6. Schulen von Aktivitäten/Bewegungsübergängen kann.
Kann das Dreipunktkorsett am 2. postoperativen Tag geliefert Gelingt in den ersten Tagen ein selbständiges Aufstehen
und angepasst werden, darf der Patient damit drehen und über nicht oder hat der Patient Teilschwächen oder Schmerzen, wird
die Bauchlage aufstehen. Das selbständige Anziehen des Kor- das Stehbrett benutzt (. Abb. 6.9).
setts wird eingeübt (s.o.). Nach primär stabilen Wirbelfrakturen Einüben des entlastenden Sitzes und Stabilisation (. Abb. 6.18,
dürfen die Patienten mit geradem Rücken auch über Seitenlage 6.19, 6.21).
und Seitsitz aufstehen. Toilettenaufsatz und Keilkissen für einen hohen Stuhl sind
Mit Korsett dürfen sich die Patienten en bloc auf die Seite Hilfsmittel, die es dem Patienten kurzfristig erlauben, mit Kor-
drehen, wobei die Wirbelsäule ganz gestreckt bleiben soll. Das sett im entlastenden Sitz zu sitzen. Hilfsmittel, die das Aufheben
später oben liegende Bein und der Arm spannen dabei in Ex- von heruntergefallenen Gegenständen erleichtern, und Anzieh-
tension/Abduktion (. Abb. 6.12). hilfen für Schuhe und Strümpfe werden über die Ergotherapeu-

. Abb. 6.15a,b. Aufstehen aus der


Bauchlage
84 Kapitel 6 · Wirbelfrakturen, Schleudertrauma, Rippen- und Sternumfrakturen

tin oder den Orthopädiemechaniker geliefert und ihre Anwen-


1 dung eingeübt.
In seltenen Fällen muss von der Krankenkasse für sehr lan-
2 ge Patienten ein höhenverstellbares Klinikbett für zu Hause aus-
geliehen werden.
Zu Hause soll sich der Patient tagsüber öfter hinlegen, da-
3 zwischen spazierengehen und die Stabilisationsübungen als
Hausaufgabenprogramm durchführen.
4 ! Cave
Das Tragen von Gewichten ist bei Wirbelfrakturen nicht erlaubt!
5
7. Gehschulung
Im Allgemeinen stellt das Gehen kein Problem dar. Die Pati-
6 enten haben nach wenigen Tagen keine Schmerzen, wenn die
Osteosynthese stabil ist. . Abb. 6.17a,b. Stabilisation in Schrittstellung, a von ventral, b von
7 Das Korsett zwingt den Patienten zu einer geraden Hal- dorsal
tung, so dass die längsgerichteten Kräfte zur Stabilität beitragen.
Das etwas steife Gehen ohne Rotation und mit leichter Rück-
8 lage muss in Kauf genommen werden (. Abb. 6.16). Die Stabi-
lisation im Stand und beim Gehen erfolgt über manuellen Wi-
derstand (. Abb. 6.17–6.20) und durch Stehen auf labilen Unter-
9 stützungsflächen wie Matten, Fußkreisel, Schaukelbrett o.Ä. Di-
ese Übungen fördern die Propriozeption und schulen die Kon-
10 trolle der Bein-Becken-Rumpf-Achse.
Eine Haltungsschulung wird dann notwendig, wenn das
Korsett abtrainiert wird, oder wenn in der frühen Behandlungs-
11 phase kein Korsett verordnet wurde. Schlüsselpunkt für die
Aufrichtung der Wirbelsäule ist die BWS-Streckung über sym-
12 metrische Arm- und Beinspannung (. Abb. 6.23–6.25).

13 . Abb. 6.18a,b. Stabilisation der Wirbelsäule im hohen Sitz

14
15
16
17
18
19
20
. Abb. 6.16a,b. Freies Gehen auf der Treppe . Abb. 6.19. Aufstehen aus dem hohen Sitz
21
6.1 Wirbelfrakturen
85 6

. Abb. 6.20. Spannungs- ! Cave


aufbau nach Brunkow im 5 Im Wasser kein Anbeugen der Beine über 90° bei Frak-
Stand turen unterhalb BWK 10.
5 Der Cross-Trainer soll wegen seiner Rotationskomponente
nicht zm Einsatz kommen.

Behandlungsphase außerhalb des Akutkrankenhauses (inner-


halb der Proliferationsphase)
Im Anschluss an einen kurzen Klinikaufenthalt (meist 5–7 Tage)
werden die Patienten häufig in einer Rehabilitationsklinik oder -
einrichtung weiterbehandelt. Zu dem Zeitpunkt ist die Prolife-
rationsphase noch nicht abgeschlossen (bis ca. 21 Tage). Subtiles
Vorgehen ist deshalb gefordert.
Die Dosierung muss an den aktuell erreichten Heilungs-
stand angepasst werden. Die Maßnahmen sollen den Heilungs-
prozess unterstützen und so, wie sie in der Akutklinik begonnen
wurden, fortgeführt werden. Es ist deshalb unumgänglich, für
jeden Patienten einen Verlegungsbericht mit aktuellem Kurzbe-
fund und exaktem Prozedere an die Rehabilitationseinrichtung
mitzugeben. Heute übernehmen diese Einrichtungen die Auf-
8. Bewegungsbad gaben einer Akutklinik.
Nach Fädenentfernung (10–14 Tage) und reizlos abgeheilter Der Übergang von der Proliferations- zur Konsolidierungs-
Wunde können Patienten mit Korsett im Bewegungsbad behan- phase ist fließend.
delt werden (spezielle wassertaugliche Anfertigung).
Der Auftrieb des Wassers kann genutzt werden, um die Ge- 9. Schulung lokaler und globaler Stabilisatoren
wichtsbelastung zu reduzieren. Ebenso kann der Wasserwider- 4.–7. Woche (Konsolidierungsphase)
stand zur Stabilisation der Wirbelsäule eingesetzt werden. Sta- In der Konsolidierungsphase kann die Behandlung gesteigert
bilisationsübungen können mit und ohne Auftriebskörper und werden, abhängig von
in allen Lagen durchgeführt werden, wenn sie keine Schmer- 5 Schmerzen,
zen auslösen. 5 Muskel- und Gelenkstatus,
Schwimmen in ruhigem Tempo und mit symmetrischen 5 Röntgenbefund.
Arm- und Beinbewegungen ist erlaubt. Erst nach Konsolidie-
rung der Fraktur kann langsam ausgeführtes Aquajogging er- Oberstes Ziel bleibt die Stabilität der Wirbelsäule bei den alltäg-
gänzend eingesetzt werden, da bei schnellen Bewegungen in- lichen Aufgaben und Aktivitäten.
tensive Turbulenzen und eine große Hebelwirkungen entste- Das Koordinationstraining erfolgt im Stand und in rele-
hen! Auch Rückenkraulschwimmen wird erst nach der Kon- vanten, auch labilen Ausgangspositionen. Patienten mit LWS-
solidierungsphase empfohlen, da es mit einer starken Rotation Frakturen tragen dabei für 12 Wochen das Korsett (. Abb. 6.16–
verbunden ist. 6.20).
Flexions- und Rotationsmuster der Rumpfmuskulatur sind Nach der 6. Woche kann normales Sitzen mit Korsett einge-
zu vermeiden, die globale und lokale Stabilisation des Wirbel- übt werden. Wie bereits erwähnt, wird das Korsett i.d.R. nach
säulenabschnittes kann jedoch geschult werden. Ob die Pati- der 12. Woche abtrainiert. In der Umbauphase können der Wir-
enten nach einer derart schweren Verletzung mit/ohne Operati- belsäule zunehmend normale Bewegungsabläufe und größere
on kreislaufstabil genug sind, um eine Behandlung im warmen Belastungen zugemutet werden.
Wasser zu tolerieren, muss vom Arzt entschieden werden. Be- Natürliches Bewegungsverhalten, Einüben von Bewegungs-
achtet werden sollte, dass viele ältere Patienten sich im Wasser übergängen, Arbeitspositionen, Tragen von Gegenständen und
nicht wohlfühlen. Sie sollten selbst entscheiden, ob sie ins Be- Bücken mit geradem Rücken sind die Ziele der Einzel- und
wegungsbad gehen wollen. Physiotherapeuten sollten die Pati- Gruppenbehandlungen.
enten nicht unbeaufsichtigt lassen. Die Behandlung im Bewe- Mit Musik und dem Einsatz kleiner Geräte, z.B. Tücher, Luft-
gungsbad hat nur geringe Bedeutung für das normale Bewe- ballons, Säckchen, Keulen und Bälle, können die Übungen var-
gungsverhalten, erhöht aber bei vielen Patienten das Wohlbe- riiert werden und die Bewegungsfreude fördern. Leichte medi-
finden und fördert die Schmerzfreiheit. zinische Geräte kommen unter fachlicher Aufsicht zum Einsatz.
Sie schulen Ausdauer und individuell erforderliches Bewegungs-
verhalten; sie sind jedoch kein Krafttraining (. Abb. 6.21).
86 Kapitel 6 · Wirbelfrakturen, Schleudertrauma, Rippen- und Sternumfrakturen

1
2
3
4
5
. Abb. 6.22. Wärmeanwendung im BWS-Bereich
6
. Abb. 6.21a,b. Hoher Sitz, Bewegen eines Stabes
7
Wichtig
8
5 Das Dreipunktkorsett soll 12 Wochen lang getragen
werden.
9 5 Alle Bewegungsübergänge werden mit Korsett ausge-
führt.
5 Normales Sitzen ist 6 Wochen lang nicht erlaubt!
10
Bei einer Wirbelkörperfraktur oberhalb BWK 10 kann die Neutral-
11 stellung der Brustwirbelsäule über die Skapulaextension/-ad-
duktion stabilisiert werden. Kann der Patient die Seitenlage ein-
12 nehmen, bewährt sich eine milde Wärmebehandlung in Form
einer Heißen/Warmen Rolle im BWS-Bereich zur Dämpfung
der N.-sympasthicus-Erregung (. Abb. 6.22). Auch die Flexion/
13 Abduktion/Außenrotation beider Arme und das Herausschie-
ben des Kopfes verbessern die Aufrichtung der Brustwirbelsäu-
le (. Abb. 6.23). . Abb. 6.23. Hoher Sitz: Aufrichten der BWS über PNF-Armmuster
14
Nicht erlaubt sind Flexions-/Anteversionsmuster der Ska-
pula oder Flexions-/Rotationsmuster des Kopfes. Diese Bewe-
15 gungen würden in eine Flexion der Brustwirbelsäule weiterge- Im Sitz auf einem Therapieball wird zunächst eine gestreckte
leitet. Bedingt einsetzbar sind symmetrische Stützmuster der Wirbelsäulenhaltung/Neutralstellung eingenommen. Anschlie-
Arme, wenn sie neben dem Körper begrenzt werden. Ungünstig ßend wird die Rolle seitlich, nach vorne und hinten oder im
16 sind Extensionsbewegungen der Arme hinter die Körpermittel- Kreis bewegt (. Abb. 6.28, 6.29, 6.30, 6.31).
linie; sie leiten ebenfalls eine Flexion der Hals- und Brustwirbel- Kräftigung der Rücken-, Bauch- und Schultergürtelmuskula-
17 säule ein. Das Ziel ist eine Aufrichtung der Brustwirbelsäule und tur gegen die Rumpfschwere.
ihre Rotationsstabilität. Unter dieser Zielsetzung eignen sich
am besten Armmuster in Flexion/Abduktion/Außenrotation ! Cave
18 aus dem PNF-Programm. Bevorzugt sollen Übungen in der ge- Mobilisationstechniken werden bei Brustwirbelverletzungen
schlossenen Kette (Bizzini 2001) eingeübt werden (. Abb. 6.24). nicht angewandt!
19 Auch leichte Zuggeräte oder Therabänder kommen zur Anwen-
dung (. Abb. 6.25). Diese Behandlungsplanung kann häufig nicht umgesetzt wer-
Übungen mit der Rolle (Slivka 2006), schmerzfrei und in klei- den, denn die Patienten werden in Rehabilitationseinrich-
20 nen Bewegungsausschlägen, können Anwendung finden, z.B. in tungen höchstens 3 Wochen betreut. Die Knochenheilung be-
Rückenlage auf der Rolle. Zunächst wird das Wahrnehmen der findet sich zu diesem Zeitpunkt im Übergang zur Konsolidie-
21 Neutralstellung der Wirbelsäule eingeübt (. Abb. 6.26, 6.27). rungsphase, d.h., die Belastbarkeit ist noch sehr gering. Die an-
6.1 Wirbelfrakturen
87 6

. Abb. 6.24a-c. Rückenlage: Stabilisation der BWS im geschlossenen System

. Abb. 6.26. Rückenlage auf der Feldenkraisrolle. Wahrnehmung der


Neutralstellung der Wirbelsäule (Slivka 2006)

. Abb. 6.27. Rückenlage auf Feldenkraisrolle. Kleine Bewegungen der


Knie zur rechten und linken Seite. Die Wirbelsäule muss in Mittelposition
bleiben (auch mit Korsett)
. Abb. 6.25a-c. Stabilisation der Rumpf-Becken-Bein-Achse mit dem
Theraband
88 Kapitel 6 · Wirbelfrakturen, Schleudertrauma, Rippen- und Sternumfrakturen

. Abb. 6.28. Sitz auf Thera-


1 pieball, Kopf und Hände auf
der Rolle. Wahrnehmen der
Wirbelsäulenposition (auch
2 mit Korsett möglich)

3
4
5
6
7
. Abb. 6.30a,b. Rückenlage auf der Rolle. PNF-Muster für schräge
Bauchmukulatur bei stabiler Wirbelsäulenposition
8
. Abb. 6.31. Hoher Sitz auf
9 der Rolle. Kleine Wirbelsäu-
lenbewegungen aus der Lot-
10 stellung nach Korsettent-
fernung

11
12
13
14
15 . Abb. 6.29a,b. Sitz auf Therapieball. Kleine Bewegungen der Rolle zur
Seite oder im Kreis (auch mit Korsett möglich)
16
17 schließende physiotherapeutische Weiterbehandlung ist ab- Wichtig
hängig von der ärztlichen Verordnung, die meist nur für 6 wei-
tere ambulante Behandlungen gegeben wird. Eine Überforde- Wichtigstes Ziel der Bewegungstherapie ist die
18 rung ist vorprogrammiert, wenn Patienten nicht umfassend 5 dynamische Stabilisation der Wirbelsäule in Neutralstel-
über den Heilungsverlauf informiert sind, nicht weiterhin phy- lung und
19 siotherapeutisch betreut werden und sich selbst überschätzen. 5 Sicherung der Wirbelsäule bei Bewegungsübergängen
Schlechte Ergebnisse wie die Lockerung des implantierten Ma- und Alltagsaktivitäten.
terials und eine Zunahme des Kyphosewinkels mit chronischen Eine Mobilisation der Wirbelsäulenabschnitte ist kontraindi-
20 Rückenschmerzen sind die Folge. Der fachkompetenten Bera- ziert oder nicht notwendig. Der Heilungsprozess wird durch
tung durch den Physiotherapeuten kommt daher große Bedeu- Stabilisation und schmerzfreies Bewegen gefördert.
21 tung zu.
6.1 Wirbelfrakturen
89 6

Fortführung der Schulung lokaler und globaler Stabilisatoren derholung, Pausenverkürzung und Erhöhung der muskulären
Leichtes medizinisches Training mit Korsett kann in Rückenla- Belastbarkeit in schwierigeren Ausgangsstellungen.
ge, Bauchlage und Stand beginnen, wenn dies schmerzfrei ge- Verschiedene Armhaltungen verlängern die Hebellänge
schieht. Die Bewegungen sollen ohne Widerstand im Sinne ei- und verbessern die Muskelfunktion. Wie im Liegen werden
ner Ausdauerverbesserung und Stoffwechselanregung ausge- auch im hohen Sitz und Stand komplexe Spannungsformen im
führt werden. Die vorgegebenen Bewegungslimitierungen sind geschlossenen System bevorzugt eingeübt, aber auch mit frei-
zu beachten. Komplexe Bewegungen, z.B. am Zugapparat, sol- en Bewegungen kombiniert. Weiterlaufende Bewegungen müs-
len ohne Widerstand erfolgen (evt. Negativgewichteinsatz), da- sen auf den Stabilitätstgrad des betroffenen Wirbelsäulenab-
mit das versteifte Segment unbelastet bleibt. schnittes abgestimmt werden. Dies gilt v.a. für Übungen gegen
Stabilisationsübungen können stufenweise gesteigert wer- angepassten manuellen Widerstand.
den, gegen angepassten Widerstand oder in instabilen Positi- In manchen Praxen und Kliniken ist eine Behandlung auf
onen, z.B. auf Feldenkreisrolle (Slivka 2006), Therapieball, Fuß- dem »Total Gym« (. Abb. 6.33 a), wie von Zahnd vorgestellt,
kreisel, Schaukelbrett, Ballkissen und im Türrahmen (Göhler durchführbar. Dieses Gerät besteht aus einer kippbaren Leiter,
2007). Die Intensität wird erhöht durch gesteigerte Übungswie- auf der ein gepolstertes Brett nach oben und unten rollen kann.
Der Widerstand ist die Schwerkraft. Es kann im geschlossenen
und offenen System geübt werden. Ein Zugsystem kann unter-
stützend oder erschwerend zur Stabilisierung der LWS- und Be-
ckenstellung eingesetzt werden (. Abb. 6.33 b, c).
Die Wirbelsäule kann in Neutralstellung entlastend stabili-
siert werden. Eine Blutdruckmanschette, in Rückenlage unter
der LWS positioniert, ermöglicht es dem Patienten, die LWS-
Position selbst zu kontrollieren (. Abb. 6.32). Hamilton (2006)
hat diese Form der Aktivierung der lokalen Muskulatur aus der
Bauchlage angegeben.
Widerlagernde Bewegungen können durch Positionierung
der Beine, aber auch aktiv mit dem Total-Gym-Gerät ausge-
führt werden.

10. Schulung weiterer Aktivitäten (ADL)


Patienten sollen frühestmöglich ihre Selbständigkeit wiederer-
langen und ihr Bewegungsverhalten den persönlichen Anfor-
. Abb. 6.32. Üben der lokalen Stabilisatoren mit Blutdruckgerät (Ha- derungen anpassen. Dazu müssen Alltagsaktivitäten individuell
milton 2006) eingeübt werden: Bücken mit geradem Rücken (mit Korsett bis

. Abb. 6.33a-c. a Total-Gym-Gerät nach Zahnd (2005), b Stabilisieren der LWS-Beckenstellung, c Becken-Rumpf-Stabilisation
90 Kapitel 6 · Wirbelfrakturen, Schleudertrauma, Rippen- und Sternumfrakturen

8. – 12. Woche
1 Fortsetzung der Schulung weiterer Aktivitäten
Das weitere Üben von Aktivitäten mit Korsett findet in komple-
2 xen Bewegungsmustern statt, um Muskelfunktionen, Ausdauer,
Schnelligkeit sowie Reaktions- und Koordinationsfähigkeit zu
verbessern.
3 In der Regel können Patienten die erlernten Übungen mit
Korsett, z.B. im geschlossenen System, selbständig weiterüben.
Möglich sind Walking, Bewegungsbad, Schwimmen mit Kor-
4 sett, Aquajogging, Steppertraining oder Rückenschule.

5 Nach der 12. Woche


11. Haltungsschulung und Schulung der Aktivitäten ohne
Korsett, Abtrainieren des Korsetts
6 Einzel- und Gruppenbehandlungen zur Schulung der physiolo-
gischen Bewegungsabläufe und des Bewegungsverhaltens er-
7 . Abb. 6.34. Korrekter Sitz am Arbeitsplatz gänzen die bisherige Behandlung.
Alle schon vorgeübten Übungen zur Verbesserung der All-
tagsaktivitäten soll der Patient nun ohne Korsett selbständig
8 zu 12 Wochen), korrekte Sitzhaltung am Arbeitsplatz, z.B. vor ausführen; bei der Haltungsschulung ist noch auf die neutrale
dem Computer (. Abb. 6.34), Heben, Tragen, Knien, entlasten- Wirbelsäulenposition zu achten. Schulen des physiologischen
des Stehen (mit einem aufgestellten Bein), Aufstehen aus ver- Bewegungsverhaltens, Betonung der Wirbelsäulenrotation und
9 schiedenen Positionen. deren Aufrichtung und Verbesserung der Muskelfunktionen
Nach 6 Wochen dürfen Übungen im freien Sitz mit Korsett ohne Korsett (. Abb. 6.35–6.37).
10 begonnen werden. Eingeübt werden auch Aktivitäten für den Stabilisation auf Therapieball, Ballkissen oder mit Geräten
Alltag, Beruf und die persönlichen Lebensvorstellungen. (. Abb. 6.38–6.42).
11
. Abb. 6.35a,b. a Finden des korrekten Sitzes
12 auf dem Hocker, b Stabilisation der Mitte im Tür-
rahmen (Göhler 2007)

13
14
15
16
17
18
19
b
20 a

21
6.1 Wirbelfrakturen
91 6

. Abb. 6.36a,b. Aufrichten der Wirbelsäule


mit symmetrischem PNF-Muster. a Ausgangs-
position, b Endposition (Göhler 2007)

a b

a b c

. Abb. 6.37a-c. a Stabilisation der Wirbelsäule im Türrahmen im geschlossenen System, b Stabilisation über Rotation im geschlossenen System,
c Kombination von geschlossenem System und freier Armbewegung, Kopf folgt der Bewegung (Göhler 2007)
92 Kapitel 6 · Wirbelfrakturen, Schleudertrauma, Rippen- und Sternumfrakturen

Dynamische Extremitätenbewegungen in Kokontraktion,


1 auch aus dem hohen Sitz und mit leichten Geräten, können nun
ausgeführt werden.
2 Hinzu kommen Übungen im geschlossenen System, leichte
Medizinische Trainingstherapie ohne Korsett.)
Rücken schonendes Sitzen auf hohem Stuhl (höher als Unter-
3 schenkellänge), Barhocker, Sitzen auf schräger Fläche, z.B. Keil-
kissen, Anlehnmöglichkeit im LWS-Bereich, Arme ablegen.
Verhaltenstraining für Alltagsverrichtungen, z.B. im Beruf,
4 sportliche Aktivitäten, Hobbies:
5 Ein- und Aussteigen in/aus der Badewanne,
5 5 Ein- und Aussteigen in/aus dem Bett,
5 Ein- und Aussteigen in/aus dem Auto,
5 Rückenlehne des Autositzes schonend einstellen,
6 5 Hausarbeiten erledigen, z.B. Staubsaugen,
5 Heben und Tragen von kleinen Gewichten.
. Abb. 6.38. Stabilisation auf dem Ballkissen
7
In den ersten 12 Wochen (Konsolidierungs-/Umbauphase) be-
steht die Gefahr des Zusammensinterns der Fraktur durch eine
8 zu hohe Belastung. Das Korsett soll die vermehrt auftretenden
Schub- und Rotationskräfte der Alltagsbewegungen abfangen.
Nach der 12. Woche wird das Korsett langsam abtrainiert,
9 und der Patient soll sich natürlich bewegen. Dies wird ihm zu-
nächst ungewohnt sein, da er bis dahin ständig aufgefordert
10 wurde, sich gerade zu halten. Der Besuch einer Rückenschu-
le oder das Einüben eines Hausaufgabenprogramms, z.B. Wal-
king, Übungen aus FBL nach Klein-Vogelbach, PNF-orien-
11 tierte Übungen, Übungen im Türrahmen (Göhler 2007) oder
Übungen mit der Rolle (Slivka 2006) werden intensiviert und
12 sollen zu normalen Aktivitäten überleiten.

12. Sportliche Aktivitäten


13 Die Sportfähigkeit gibt der behandelnde Arzt an. In der Regel
darf ein Jahr nach der Osteosynthese und ¼ Jahr nach der Materi-
14 alentfernung kein Sport getrieben werden, der den Rücken be-
lastet.
Besondere Vorsicht ist bei Ballsportarten, Fitnesstraining
15 mit Geräten der Trainingstherapie, aber auch bei Yoga und ex-
zessiven Gymnastiksportarten geboten.
16 Wichtig

17 Bei Erwachsenen ist mit einer physiologischen Beweglich-


keit des betroffenen Bewegungssegmentes nicht mehr . Abb. 6.39a,b. Stabilisation des Standes durch Bewegen des Feder-
zu rechnen. Die übrigen Segmente kompensieren die feh- stabes
18 lende Beweglichkeit, sind aber gerade deshalb gefährdet,
hypermobil zu werden und Funktionsstörungen hervorzu-
rufen.
19
20
21
6.1 Wirbelfrakturen
93 6

. Abb. 6.42. Üben mit dem


Bauchmuskeltrainer

. Abb. 6.40. Unterarmstütz auf dem Therapieball

Übung
5 Anspannen der queren Bauchmuskulatur und der Mm.
multifidii durch leichten Druck auf die Manschette, Halten
der Spannung.

Übung
5 Einnehmen der Brunkow-Grundspannung.
5 Stabilisation der LWS gegen Handkontakt.
5 Erweiterung der Kontakte nach kranial, kaudal und diago-
nal (. Abb. 6.20).

Übung
5 Minibridging bei Unterlagerung der Kniegelenke mit fester
Rolle. Dabei Bauchmuskeln anspannen, LWS in Neutral-
stellung bringen und dann erst Becken leicht abheben (s.
Vorübung zum Anziehen des Dreipunktkorsetts).

Übung
. Abb. 6.41. Gerade Bauchlage auf dem Therapieball, Stabilisation der 5 Vorübung für Transfer von RL in SL: PNF-Muster »Exten-
Wirbelsäule sion/Abduktion/Innenrotation« aus 30° Flexion/ Addukti-
on/Außénrotation.
Technik: Bewegen – Halten.
Übungsbeispiele
Übung mit Korsett
Die folgenden Übungsbeispiele beziehen sich auf eine LWK-Frak- 5 Stabilisation in Seitenlage nach Drehen en bloc
tur mit Fixateur-interne-Osteosynthese von LWK2 –4. (. Abb. 6.12).

Proliferationsphase Übung
Ausgangsposition 5 Bewegungsübergang in Bauchlage, Stand, zurück in
Rückenlage. LWS mit gefalteter Blutdruckmanschette unterla- Bauchlage und gestreckt über Seitenlage in Rückenlage.
gert.
94 Kapitel 6 · Wirbelfrakturen, Schleudertrauma, Rippen- und Sternumfrakturen

Ausgangsposition Übung
1 Rückenlage. Blutdruckmanschette oder kleines Gelkissen un- 5 Beine sind aufgestellt. Ein Bein anbeugen und mit der Fer-
ter der Lendenwirbelsäule. se auf das andere Knie tippen. Position halten.
2 Übung ohne Korsett Übung
5 Quere Bauchmuskeln anspannen und LWS leicht gegen die 5 Symmetrisches PNF-Armmuster »Extension/Abduktion/
3 Blutdruckmanschette drücken. Spannung halten. Innenrotation« bis zur Körpermittellinie. Stabilisation der
Position.
Ausgangsposition
4 Bauchlage. Ausgangsposition
Stand.
5 Übung ohne Korsett
5 Skapulae beidseits nach hinten-unten ziehen und gegen Übungen
Handkontakt halten. 5 Einnehmen der Brunkow-Grundspannung.
6 5 Kopf herausstrecken und nach rechts, links drehen. 5 Stabilisation im Stand mit Handkontakt am Becken oder
an den Armen.
7 Transfer in den Stand mit Korsett
5 Aufstehen aus Bauchlage (im Stand nochmals Korsett fest- Übungen
ziehen). 5 »Eckensteher«, dabei die Hände gegen die Wand stützen.
8 Position stabilisieren.
Ausgangsposition 5 Rumpfstabilisation im Stand mit Zuggeräten, Federstab,
Hanteln und Therabändern (s. auch weitere Abbildungen
9 Hoher Sitz, hoher Halbsitz mit Korsett.
in diesem Kapitel).
Stabilisationsübungen
10 5 Stabilisation im Sitz gegen Handkontakt ohne Rotations-
widerstand. 6.2 Halswirbelfrakturen
5 Bein-Becken-Rumpf-Stabilisation gegen Handkontakt.
11 5 Rumpf leicht aus dem Lot bewegen und wieder in Neutral- Einteilung
stellung zurückfinden.
12 5 Dasselbe mit den Händen auf der senkrecht vor dem Pati- Halswirbelfrakturen werden nach Müller et al. (1990) und Ma-
enten aufgestellten Rolle. gerl et al. (1991) in drei Typen eingeteilt; die Klassifizierung um-
5 Skapulamuster »Depression/Adduktion« gegen Handkon- fasst auch die Verletzungen der Bindegewebsstrukturen.
13 takt.
5 Stabilisation im hohen Sitz gegen leichtes Theraband oder Typ A Kompressionsfrakturen ohne Zerreißung der dorsalen
14 durch Bewegen eines Stabes. Bänder

A1 Impaktion bei intakter Hinterwand


Ausgangsposition
15 Sitz auf Therapieball. Feldenkraisrolle ist senkrecht vor dem A2 Spaltbildung
Patienten aufgestellt.
A3 Berstung mit Hinterkantenbeteiligung
16 Übung
5 Hände und Kopf auf der Rolle. Wirbelsäulenstellung wahr- Typ B Verletzung durch Distraktion der hinteren und
17 nehmen (. Abb. 6.28). vorderen Elemente mit Extension; große Instabilität
5 Neutralstellung beibehalten und Rolle mit den Händen zur
B1 Vorwiegend ossäre Verletzung der hinteren Elemente
Seite bewegen. Kopf dreht zur Gegenseite, Augen schau-
18 en zur Rolle. B2 Vorwiegend ligamentäre Verletzung der hinteren
5 Neutralstellung beibehalten und Rolle mit den Händen im Bänder, Luxation und/oder Fraktur der kleinen Wirbel-
19 Kreis bewegen. gelenke

B3 Verletzung der Bandscheibe mit/ohne Knochenfraktur


Ausgangsposition
20 Rückenlage auf Therapieball. Arme stützen gegen die Wand.

21
6.2 Halswirbelfrakturen
95 6

Eine absolute Operationsindikation (Blauth, Tscherne 1998)


Typ C Verletzung der hinteren und vorderen Elemente durch
Rotation
besteht:
5 bei fortdauernder Kompression des Myelons,
C1 Mit Typ A kombinierte Luxationsfraktur 5 bei hochgradiger Instabilität oder
5 wenn sich neurolologische Ausfälle verschlechtern,
C2 Mit Typ B kombinierte einseitige Luxation
5 wenn die Kyphosestellung > 15– 20° beträgt.
C3 Spezielle Läsion mit Abtrennung des Gelenkmassivs
Eine relative Operationsindikation besteht bei:
5 Einengung des Spinalkanals ohne neurologische Ausfälle,
Die einzelnen Typen werden in weitere Unterstufen eingeord- 5 geringer Instabilität (Typ A),
net, die jedoch für die Physiotherapie nicht von elementarer Be- 5 kyphotischer Abknickung (Typ B) oder
deutung sind. 5 Patienten, denen man eine Halo-Fixateur-Behandlung für
3 Monate nicht zumuten kann.

Ursachen Anwendung finden Schraubenosteosynthesen, dorsale Spondy-


lodesen mit Kleinfragment-Hakenplatten (Magerl 1994) oder
5 Auffahr-, Tauch-, Arbeits- und Sportunfälle. Cervifix (Fa. Synthes, Weigel, Nerlich 2005) und ggfs. auch eine
ventrale Stabilisation.

Charakteristische Symptome/Leitsymptome Wichtig

Die wichtigste primäre Maßnahme bei einer HWS-Verlet-


Siehe Symptome bei Wirbelfrakturen und Halswirbeldistorsi-
zung ist die geschlossene Reposition!
onen.

Neben einer bedarfsorientierten Schmerztherapie mit nichtste-


Behandlungsrichtlinien und therapeutische roidalen Antiphlogistika und Muskelrelaxanzien kann die Phy-
Maßnahmen siotherapie schon früh mit subtilen Techniken einsetzen.

Ärztliche Behandlung Physiotherapeutische Behandlung


Konservatives/operatives Vorgehen Zusammenfassend sind in . Übersicht 6.3 die Maßnahmen
Weitgehend stabile A-Frakturen werden konservativ behandelt, nach Halswirbelfrakturen im Akutstadium und für die nachfol-
wenn sie keine neurologischen Ausfälle zeigen. In Frage kom- genden Tage aufgeführt.
men feste Halskrawatten, Schanzkrawatten, ein Minerva-Gips
oder seltener auch der Halo-Fixateur (. Abb. 6.43).
. Übersicht 6.3. Physiotherapeutische Maßnahmen
nach Halswirbelfrakturen
. Abb. 6.43. Halo-Fixateur
Im Akutstadium:
5 Flache, schmerzfreie Lagerung mit kleinem Kopfkissen,
damit die Halskrawatte hohl liegt und die HWS in Neu-
tralstellung hält.
5 Unterlagerung der Arme, damit keine Zugspannung
auf die HWS wirken kann.
5 Eiskrawatte für kurze Zeit nach der Operation.
5 Viel Ruhe, v.a. bei bestehenden Kopfschmerzen.
5 Manuelle Lymphdrainage im Schultergürtel-Thorax-
Bereich, die frühestmöglich nach dem Trauma beginnt
und am besten täglich ausgeführt wird.

6
96 Kapitel 6 · Wirbelfrakturen, Schleudertrauma, Rippen- und Sternumfrakturen

! Cave
1 Nach einigen Tagen: Im Halswirbelsäulenbereich sollen Massagetechniken nicht an-
5 Entspannungstechniken für die Nackenmuskulatur gewandt werden.
2 über Schulterblatt-Pattern und Techniken nach Jacob-
Die Patienten sollen sich gerade halten, gerade sitzen mit ange-
son (1990), Scharschuch-Haase (1985).
5 Einüben der Neutralstellung der Halswirbelsäule lehntem Rücken und die Arme ablegen (Vermeiden von Zug-
3 durch minimalen Druck auf ein kleines Gelkissen oder spannung).
Stabilizer (Hamilton 2006) (7 Abschn. »Schleuder- Sie werden angeleitet, keine schweren Gegenstände zu tra-
gen und dynamische Rotationsbewegungen in den ersten Wo-
4 traumabehandlung«).
chen zu vermeiden.
5 Stabilisation der Halswirbelsäule über Handkontakt,
global im Sinne der komplexen Grundspannung und Im Übrigen gelten die gleichen Behandlungsprinzipien wie
5 Wahrnehmung der Kopfhaltung (keine Widerstände!). bei lumbalen Frakturen. Die Rekrutierung motorischer Ein-
5 Augenbewegungen unter Beibehaltung der Neutral- heiten der lokalen und globalen Stabilisatoren und die Förde-
rung der Koordination sind Schlüsselpunkte der Behandlung
6 stellung der Halswirbelsäule.
5 Milde Wärmeanwendung im Brustwirbelsäulenbe- (. Abb. 6.29, 6.32).
reich, nicht im Nackenbereich. Eine Mobilisation der Halswirbelsäule sollte kritisch gesehen
7 5 Haltungsschulung und Entlastungsstellungen, z.B. werden; auch in der späteren Umbauphase dürfen keine pas-
Kopf abstützen mit den Händen im Sitz. siven Techniken angewandt werden. In der Regel stellt sich ein
natürliches Bewegungsverhalten nach Entfernung der Hakskra-
8 watte ein, wenn vorher schmerzfrei und unter Beachtung der
Heilungsprozesse behandelt wurde.
Patienten mit Halswirbelfrakturen erhalten oft eine weiche,
9 wenn notwendig eine feste Halskrawatte, die 6 Wochen getra- ! Cave
gen werden sollen. 5 Keine Mobilisationstechniken und keine Dehntechniken bei
10 Grundsätzlich gilt eine Bewegungseinschränkung für dyna- Halswirbelfrakturen!
mische Bewegungen wie bei den lumbalen Wirbelfrakturen. 5 Bei einer Spondylodese nach Halswirbelfrakturen oder
Besonders ist auf eine schmerzfreie Lagerung und das sorg- Plattenosteosynthese über mehrere Segmente dürfen
11 fältige Tragen der Krawatte zu achten. weder aktive/passive Rotationsbewegungen oder Flexi-
ons-/Extensionsmuster noch translatorische Bewegungen
12 Wichtig durchgeführt werden!

Der Kopf soll in Neutralstellung und der Schultergürtel


13 gerade auf der Unterlage liegen bleiben!
Komplikationen

14 Der Transfer von Rückenlage zum Sitz soll über die Seitenlage 5 chronische Schmerzentwickung,
erfolgen, evt. muss der Kopf anfangs vom Physiotherapeuten 5 Instabilität,
oder der Schwester gehalten werden. 5 Degeneration nicht betroffener Gelenkstrukturen,
15 Weiche Massagegriffe/Streichungen oder eine Manuelle 5 chronische Kopfschmerzen, Schwindelgefühl.
Lymphdrainage im Thoraxbereich können zu einer Reduzie-
rung der Aktivitäten des sympathischen Nervensystems füh-
16 ren. Befunderhebung

17 Siehe Befunderhebung bei Wirbelfrakturen.

18
19
20
21
6.3 Halswirbelsäulendistorsion/Schleudertrauma/»Whiplash Associated Disorder« (WAD)
97 6

Spezielle Befunderhebung
Prüfen 5 Schmerzsituation und Provokation der Schmerzen; wann, wo, wie, lokale/ausstrahlende Schmerzen (VAS).
5 Muskeltonus.
5 Kontraktionsfähigkeit der lokalen tiefen Muskulatur im HWS-Bereich (Kraniozervikaler Flexionstest und Gelenk-
positionstest erst nach Gips- oder Schanzkrawattenentfernung (. Abb. 6.44, 6.45).
5 Dehnfähigkeit und Kraft < MTW 3 der globalen Halsmuskulatur, erst zu Ende der Konsolidierungsphase.
5 Aktive Beweglichkeit, wenn die Ruhigstellungsphase beendet werden soll.
5 Sensibilität, Kontraktionsfähigkeit, wenn eine neurologische Symptomatk vorhanden ist
5 Kopfhaltung.
5 Ausweichbewegungen.
Wichtig
Kennmuskeln und Oberflächensensibilität überprüfen!

Erfragen und 5 Individuelles Gefühl (Angst).


Bewerten 5 Beeinträchtigung von Aktivitäten in Alltag, Sport und Beruf.

6.3 Halswirbelsäulendistorsion/ Charakteristische Symptome/Leitsymptome


Schleudertrauma/»Whiplash
Associated Disorder« (WAD) Die meisten Patienten, die in die Physiotherapiepraxis kom-
(vorübergehende Subluxation) men, haben ein Schleudertrauma II. Grades.
5 Schmerzen treten meist mit einer Verzögerung von 6–24
Einteilung Stunden auf und konzentrieren sich auf den Nackenbe-
reich und das Hinterhaupt.
Halswirbelsäulendistorsionen werden nach Spitzer, Slovron 5 Zunehmend klagen die Patienten über eine deutliche Ver-
(1995) und Hamilton (2006) klassifiziert. spannung der Nackenmuskulatur, die Bewegungen in alle
Richtungen einschränkt.
Typ 0 Keine körperlichen Beeinträchtigungen oder Nacken- 5 Im späteren Verlauf tritt eine Steilstellung der HWS auf.
schmerzen
Bei WAD III. Grades beschreiben die Patienten eine Ausstrahlung
Typ I Nackenschmerzen ohne körperliche Beeinträchtigung
der Schmerzen und Empfindungsstörungen in den Arm, evt.
Typ II Nackenschmerzen und körperliche Beeinträchti- begleitet von motorischen Ausfällen aufgrund des Druckes auf
gungen, reduziertes Bewegungsausmaß, Hyperalgesie sensible und motorische Nerven in den entsprechenden Seg-
menten. Wenn das Labyrinth mitgeschädigt wurde, sind die Pa-
Typ III Nackenschmerzen, körperliche Beeinträchtigung und
neurologische Defizite
tienten durch Schwindelgefühle sehr beeinträchtigt.
In seltenen Fällen werden Unkonzentriertheit, Schwerhö-
Typ IV Nackenschmerzen und Fraktur/Subluxation rigkeit, Tinnitus, Seh-, Schluck- oder Schlafbeschwerden ange-
geben.

Ursachen Behandlungsrichtlinien und therapeutische


Maßnahmen
Auffahrunfälle mit einem sog. »Whiplash« (Peitschenschlag)
mit unterschiedlichen Ausprägungen, je nachdem wie der Pati- Aufgrund einer abrupten Weichteilschädigung entsteht eine Hy-
ent sich auf die Situation einstellen konnte. Kopf und Halswir- permobilität in der Halswirbelsäule, die vom Körper reflekto-
belsäule werden abrupt beschleunigt und wieder abgebremst. risch mit einer Tonuserhöhung zum Schutz vor weiterer Schä-
Deshalb wird auch von einem »Schleudertrauma«, im eng- digung beantwortet wird. Nozizeptoren werden aktiviert, die
lischen Sprachgebrauch von »Whiplash Associated Disorder« zu einer länger andauernden Schmerzsituation führen können.
(WAD) gesprochen. In der Regel reponiert sich die Subluxati- Stoffwechsel und Durchblutung werden durch die zunehmende
onsstellung von selbst, es sei denn, Bänder, Kapselanteile und Spannung der Muskulatur vermindert, so dass viele Faktoren
Muskeln reißen ein. Sehr selten werden zervikale Bandscheiben den Heilungsbeginn der kollagenen Fasern verzögern. Deshalb
mitverletzt. kann man beobachten, dass die Patienten länger anhaltende Be-
98 Kapitel 6 · Wirbelfrakturen, Schleudertrauma, Rippen- und Sternumfrakturen

schwerden angeben (bis zu 3 Wochen). Falls sie länger bestehen, der ängstliches Verhalten noch forsches Überspielen ist richtig
1 muss erneut eine Diagnostik beginnen. (Weigel, Nerlich, 2005).
Da ein Ödem zu erwarten ist, das für schmerzhafte Verkle-
Ärztliche Behandlung
2 Konservatives Vorgehen
bungen des Bindegewebes verantwortlich sein kann, soll die
Manuelle Lymphdrainage eingesetzt werden, um die Resorption
Das Röntgenbild in zwei Ebenen ist oft wenig aussagekräftig; des Ödems zu fördern und Schmerzen zu reduzieren.
3 das MRT verifiziert die Weichteilschädigung. Zur Schmerzre- Chronische Beschwerden können, je nach Befund, nach
duktion und Entlastung der Nackenmuskulatur wird bei kon- Maitland und Cyriax behandelt werden. Reagieren der Plexus
servativem Vorgehen eine temporäre Ruhigstellung mit einer brachialis und andere neuromeningeale Strukturen, soll unter
4 weichen Halskrawatte für ca. 2 Wochen verordnet. Bei Nachlas- Entlastung geübt werden (7 Kap. 7, »Schultergelenk«).
sen der Beschwerden darf sie abgenommen werden, damit die Objektiv sind morphologische Ursachen für die vielfältigen
5 Muskulatur nicht zu stark atrophiert und ein Circulus vitiosus Beschwerden meist nicht nachweisbar. Deshalb sollten Physi-
entsteht. otherapeuten alle Symptome ernst nehmen, möglichst inter-
Wie lange die Krawatte getragen werden soll, wird kontro- diszipliär abklären und die Behandlung behutsam planen und
6 vers diskutiert: durchführen.
5 Ein zu langes Tragen kann Bewegungseinschränkungen
7 verursachen und die aufrichtende Muskulatur von ihren Wichtig
Aufgaben entwöhnen.
Eine Massage darf nur im Schulterblatt- und Schulterbereich,
5 Eine zu kurze Tragezeit bei massiver muskulärer Instabili-
8 tät kann die Schmerzproblematik deutlich verstärken. nicht im Nackengebiet durchgeführt werden.

Patienten sind oft unsicher und ängstlich, tragen die Krawat-


9 te entweder zu lang oder empfinden sie als lästig und tragen sie
nicht lange genug. Sinnvoll ist das Tragen der Halskrawatte in Spezielle Befunderhebung
10 der Nacht, um unkontrollierte Bewegungen im Schlaf abzufan-
gen. Die Krawatte darf zur Behandlung abgenommen werden. Zusätzlich zu den routinemäßig durchgeführen Befunderhe-
bungen bei Wirbelsäulenverletzungen, die evt. kein deutliches
11 Wichtig Beschwerdebild ergeben, haben Sterling und Rebbeck (2005)
den sog. »Neck Disability Index« (NDI) angegeben, der
Nach 2–3 Wochen sollten die Beschwerden bei Schädi-
12 gungsgrad I und II abgeklungen sein. Chronische Beschwer-
5 Anamnese,
5 Schmerzintensitätsskala,
den sind Folgen nicht beachteter Anfangssymptome!
5 Sensibilitäts- und Muskelfunktionsprüfungen
13 mit einem speziellen Fragebogen ergänzt.
Hamilton (2006) hat Warnsignale und psychosoziale Faktoren Hamilton (2006) beschreibt zwei spezielle Testverfahren, die
14 beschrieben, die möglicherweise zu chronischen Beeinträchti- die tiefen lokalen Nackenmuskeln und die Wahrnehmung der
gungen führen können, z.B.: Gelenkpositionen physiotherapeutisch effizient erfassen (Jull
5 welches Ausmaß die funktionellen Beschwerden haben, 2000, Kristjansson 2004, Sterling 2004).
15 5 wie der Patient die Probleme beschreibt und
5 welche individuelle Bewertung der Unfall für den Pati- Kraniozervikaler Flexionstest (KZFT) (. Abb. 6.44)
enten hatte. Der kraniozervikale Flexionstest betrifft die tiefen Halswirbel-
16 säulenbeuger M. longus colli und M. longus capitis, deren Ko-
Physiotherapeutische Behandlung ordination und Ausdauer. Sie sind die wichtigsten Stabilisatoren
17 Durch eine verlängerte Schmerzperiode werden sekundär ande- der Halswirbelsäule.
re Strukturen geschädigt, die zu chronischen Beschwerden füh- Testdurchführung:
ren können. Individuell muss ausgelotet werden, welche Maß- 5 Der Patient liegt in Rückenlage. Unter die obere HWS
18 nahmen befundbezogen effektiv sind, wobei eine Rückmeldung wird ein Druckkissen gelegt (Stabilizer Pressure Bio-Feed-
des Patienten dringend erforderlich ist. Die Behandlung muss back, Chattanooga Group, 4717 Adams Road, Hixson, TN
19 schmerzfrei und auf die Bedürfnisse und Wahrnehmungen 37343), das bei Abflachung/Flexion der HWS zusammen-
der Patienten abgestimmt sein. Physiotherapeuten sollen die gedrückt wird.
Beschwerden der Patienten ernst nehmen und durch gute In- 5 Diese kleine Bewegung soll langsam ohne Kokontraktion
20 formation und behutsames Vorgehen das Vertrauen der Pati- der globalen Muskeln (M. sternocleidomastoideus, Mm.
enten gewinnen. Patienten sollen den richtigen Weg finden zwi- scaleni, Mm. hyoidei, M. trapezius) erfolgen.
21 schen Ruhigstellung und normalem Bewegungserhalten. We-
6.3 Halswirbelsäulendistorsion/Schleudertrauma/»Whiplash Associated Disorder« (WAD)
99 6

. Abb. 6.44. Kraniozervikaler Flexionstest (Hamilton 2006) . Abb. 6.45. Gelenkpositionstest mit Laserpointer (Hamilton 2006)

5 Man kann dies palpatorisch oder auch aufwendiger durch 5 Eine Abweichung von der Ausgangsposition, Mitte der
eine Elektromyographie kontrollieren. Scheibe, lässt sich dann messen. Wenn der Patient die Au-
5 Ausweichbewegungen des Kopfes sollen korrigiert werden. gen öffnet, kann er selbst die Abweichung beurteilen und
5 Bei 10-maliger Wiederholung soll optimalerweise, ausge- diesen Test als Übung wiederholen.
hend von einem Wert von 20 mmHg, ein Druck von 26–28
mmHg für 10 sec gehalten werden. Dokumentiert wird di- Beide Testverfahren eignen sich als eigenständiges Übungs-
es als 6–8 mmHg x 10 x 10. programm, wenn sie gut vorgeübt wurden. Ebenso sind ande-
5 Bei einer Halswirbelsäulendistorsion Grad II gelingt jedoch re Kombinationen von Kopfbewegungen nach demselben Mu-
meist nur eine Steigerung um +2 mmHg. Wir verwen- ster möglich und sinnvoll. Abweichungen werden als Fehl-
den eine normale 3-fach gefaltete Blutdruckmanschette funktionen der Muskelspindeln gedeutet, entsprechen nicht
(7 Abschn. »LWS-Fraktur«). den Normwerten und sind ein Hinweis auf ein gestörtes Bewe-
gungs- und Lageempfinden.
Gelenkpositionstest (GPS) (. Abb. 6.45) Andere Autoren benutzen Augen-Kopf-Arm-Koordiationsü-
Treleaven et al. (2003) zeigten, dass eine deutliche Übereinstim- bungen (PNF, Feldenkrais, Kristjansson et al. 2004), z.B. durch
mung zwischen einem zervikogenen Schwindel nach einem Fixieren eines Punktes bei Kopfbewegungen oder gegengleiche
Schleudertrauma/WAD Grad II und einem mangelhaften GPS- Augenbewegung zur Kopfbewegungsrichtung. Diese Übungen
Test besteht (Hamilton 2006). Wissenschaftlich wird dieser Test können auch in der Rückenlage oder erschwerend in labilen
mit Bewegungssensoren in einem elektromagnetischen Feld ge- Ausgangsstellungen durchgeführt werden (Stand auf Kreisel,
messen. Nicht so exakt, aber zur Ermittlung eines gestörten Be- Sitz auf Ball o.Ä.) und sind vielseitig zu verändern.
wegungs- und Lageempfindens durchaus geeignet, ist eine ein- Viele Patienten sind 4 Wochen nach einem Auffahrun-
fachere Methode. fall noch nicht beschwerdefrei und werden mit der Diagnose
Testdurchführung mit einem Laserpointer und einer Ziel- »posttraumatisches Stress-Syndrom« an Psychologen überwie-
scheibe: sen. Physiotherapeuten können jedoch in den ersten Wochen
5 Der Patient sitzt frei auf einem Hocker in einem Abstand bereits die Muskelfunktionsstörung der tiefen Nackenmusku-
von 1,5 m gegenüber der Zielscheibe. An seinem Kopf ist latur erkennen und beurteilen. Sie sollten bei einer neurolo-
ein Laserstrahler befestigt. Der Lichtstrahl soll die Mit- gischen und intensiven Schmerzsymptomatik, globalen Be-
te der 31,6 cm großen Scheibe treffen; dann entspricht ei- wegungseinschränkungen und deutlichen Defiziten im GPS-
ne Markierung von 1,5 cm auf der Zielscheibe einer Abwei- und KZF-Test eine multidisziplinäre, psychosoziale Behand-
chung von 6°. Der Patient soll die eigene Kopfhaltung mit lung anregen.
geschlossenen Augen nachspüren und den Kopf innerhalb Bei Einzelbefunden wird die physiotherapeutische Behand-
seiner Schmerztoleranz nach rechts und links drehen (evt. lung erfolgreich sein (Hamilton 2006).
auch bis ca. 30°) und wieder zur Mitte führen.
100 Kapitel 6 · Wirbelfrakturen, Schleudertrauma, Rippen- und Sternumfrakturen

6.4 Rippenfrakturen Konservatives Vorgehen


1 Eine ausreichende Schmerztherapie stellt sicher, dass die Pati-
Rippenfrakturen entstehen meist infolge eines stumpfen enten eine ausreichende Atemfunktion haben, ansonsten be-
2 Traumas. Sie kommen einzeln oder als Serienfrakturen vor. steht die Gefahr einer sekundären Komplikation, z.B. Pneumo-
nie. In der Regel bestehen starke Schmerzen in Ruhe und bei
Druck, die bei der Atmung zunehmen. Manchmal ist auch ei-
3 Ursachen ne Krepitation zu hören. Bei schlechtem Allgemeinzustand und
bei älteren Patienten muss die Schmerztherapie umso wirk-
5 Verkehrs-, Sport- und Arbeitsunfälle, samer sein. Bei auftretenden Komplikationen, z.B. einem Pneu-
4 5 Osteoporose, mothorax, wird eine Bülau-Drainage gelegt.
5 Karzinommetastasen.
5 Physiotherapeutische Behandlung
Die Patienten erhalten eine intensive Atemtherapie und sollen
Charakteristische Symptome/Leitsymptome diese selbst weiterführen. Der Behandlungsschwerpunkt kon-
6 zentriert sich auf die Einatemtechniken (7 Kap. 3, »Prä- und
5 Schmerzen in Ruhe, zunehmend bei der Atmung, postoperative physiotherapeutische Behandlung«).
7 5 evt. paradoxe Atmung bei Serienfrakturen, Bei einseitigen Rippenfrakturen eignet sich die Seitenla-
5 lokaler Druckschmerz, ge auf der gesunden Seite zur Atemlenkung in die betroffene
5 Krepitation bei Serienfrakturen. Thoraxseite. In dieser Position kann mit weichem Handkontakt
8 gezielt eine Verbesserung der Atembewegung erfolgen. Ange-
nehm und Schmerz reduzierend wirken die bereits erwähnten
9 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen zur Dämpfung der N.sympathikus Aktivität im
Maßnahmen BWS-Bereich, z.B. eine milde Wärmeanwendung und paraver-
tebral ausgeführte weiche Massagegriffe.
10 Ärztliche Behandlung Wichtig ist das Anleiten von Fraktur schonenden und
Einzelne Rippenfrakturen werden symptomatisch behandelt. Zur Schmerz reduzierenden Bewegungsübergängen von der Lage
Diagnostik werden Röntgenaufnahmen in zwei Ebenen angefer- zum Sitz über die nicht betroffene Seite, mit Fraktur sichernden
11 tigt, sicherer ist jedoch ein CT. Ein Pneumo- oder Hämatotho- Griffen am Thorax und unter Beachtung des Atemflusses. Auch
rax kann im CT bestätigt bzw. ausgeschlossen werden. beim Husten muss die betroffene Thoraxseite gut gehalten wer-
12 Bestehen keine Komplikationen, wird i.d.R. konservativ be- den.
handelt. Jüngere Patienten erhalten evt. einen Tapeverband; bei
älteren Patienten soll kein ruhigstellender Verband angelegt
13 werden, um die Atmung nicht zu behindern. Komplikationen
Von einer Rippenserienfraktur spricht man, wenn mehr als
14 3 Rippen gebrochen sind. Sie sind immer auf eine große Ge- 5 Pneumo-, Hämatothorax, Pneumonie,
walteinwirkung zurückzuführen und werden daher oft beglei- 5 Instabilität des Thorax,
tet von weiteren thorakalen, abdominalen oder Skelettverlet- 5 Lungenkontusion,
15 zungen (Polytrauma). Ein Hämatopneumothorax ist häufig. Da- 5 Begleitverletzungen:
zu kommt oftmals eine Thoraxinstabilität. Die Atmung ist be- – Polytrauma.
einträchtigt, manchmal sogar paradox. In diesen Fällen lie-
16 gen die Patienten auf der Intensivstation. Sie sind vital gefähr-
det, werden intubiert und maschinell beatmet, was einer inne- Atembefund
17 ren Schienung gleichkommt. Zusätzlich erhalten sie eine Bülau-
Drainage und werden überwacht wie Patienten nach thoraka- Atembefund und Atemtherapie siehe 7 Kap. 2 und 3.
len Eingriffen.
18 Nach Verlegung auf eine Normalstation wird die befundbe-
zogene Atemtherapie weitergeführt (7 Kap. 2, Atembefund). In 6.5 Sternumfraktur
19 der Regel ist eine schmerzhafte Schonhaltung des Thorax zu er-
warten. Die geringe Atembewegung verursacht eine schlech- Sternumfrakturen sind eher selten.
te Lungenbelüftung und die Entwicklung von Atelektasen
20 (7 Kap. 2, 3). Individuell ist zu entscheiden, ob eine Schmerz-
therapie durchgeführt werden muss.
21
6.6 Patientenbeispiel
101 6

Ursachen Versorgung:
Konservativ mit Dreipunktkorsett.
5 große Gewalteinwirkung, Bettruhe bis Lieferung des Korsetts.
5 forcierte Reanimation. Flache Lagerung mit schräg gestelltem Bett.
Stabilität:
Primär bewegungsstabil, senkrechte Belastung nur mit
Behandlungsrichtlinien und therapeutische Korsett.
Maßnahmen Procedere:
Korsettpflicht für 12 Wochen in der Vertikalen.
Ärztliche Behandlung BWS- und LWS-Rotation, Lateralflexion und Flexion
Diagnostisch gibt ein Röntgenbild evt. wenig Aufschluss, das CT nicht erlaubt für 6 Wochen. Danach hubfreie/-arme Bewe-
ist effektiver. Am wichtigsten ist jedoch ist die klinische Unter- gungen bis zur 12. Woche.
suchung. Bewegungsbegrenzung der Hüftgelenke bei 60° Flexion für
Therapeutisch wird behandelt wie bei Rippenfrakturen, zu- 6 Wochen. Kein normaler Sitz für 6 Wochen. Aufstehen
nächst v.a. durch eine intensive Schmerztherapie. Nur sehr sel- über BL, SL und hohen Sitz erlaubt.
ten ist ein operatives Vorgehen indiziert. Nach 12 Wochen volle Belastung und Beweglichkeit erar-
Längsfrakturen können wie nach einer Sternotomie mittels beiten.
Draht-Cerclagen operativ versorgt werden. Röntgenkontrollen bei Klinikentlassung, nach 4 und 12
Danach sollten bis einschließlich der 5. Woche postoperativ Wochen.
keine Flexions-, Rotations- und Lateralflexionsbewegungen der Unfallanamnese:
Wirbelsäule ausgeführt werden. Der Patient stürzte beim Baumschneiden von der Leiter.
Notarzt veranlasste Einweisung in die Klinik.
Physiotherapeutische Behandlung
Die physiotherapeutische Behandlung wird wie bei Rippenfrak-
turen durchgeführt (7 Kap. 3, Atemtherapie). ICF-Dokumentation

Name/Alter: Herr S., 72 J.


6.6 Patientenbeispiel Diagnose: Kompressionsfraktur des 1. Lendenwirbelkörpers,
Herzrhythmusstörungen, arterielle Hypertonie, Herzinsuffizi-
Befundaufnahme enz NYHA Grad II
Unfall vor 7 Tagen
Name des Patienten: Herr S., 72 J.
Name des Therapeuten: Frau M.
Einweisungsdiagnose: Verdacht auf Lendenwirbelfraktur L1
Nebendiagnosen:
Herzrhythmusstörungen,
arterielle Hypertonie,
Herzinsuffizienz NYHA Grad II
Medikamente: Heparin, Ibuprofen, Novalgin. Vom Hausarzt
übernommen Aspirin, Betablocker
Röntgenbefund/CT: L1-Kompressionsfraktur des Wirbelkörpers
Typ A
Versorgung: operativ Q konservativ Q
x
Befunddatum: 7. posttraumatischer Tag
21
20
19
18
17
16
15
14
13
12
11
10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
Struktur/Funktion Aktivität Partizipation
102

Patient gibt an, Patient gibt an, Patient gibt an,


5 er habe Schmerzen mittig am Rücken, die in beide 5 ihm seien Aufstehen und Gehen nur mit Korsett 5 falls Treppengehen noch nicht möglich sei, kön-
Seiten ausstrahlen, erlaubt, ne ein Schlafplatz im Erdgeschoss eingerich-
5 er habe oftmals hohen Blutdruck. 5 er könne das Korsett nur mit Hilfe anziehen, tet werden,
5 das Aufstehen sei mühsam und schmerzhaft, 5 die Ehefrau könne bei der Körperpflege helfen,
5 nach dem Gehen über eine Flurlänge würden 5 das Versorgen der Kleintiere (Kaninchen) sei
Schmerzen und Ermüdung verstärkt auftreten, nicht alleine möglich, da er sich dabei bücken
5 Körperpflege und An-/ Entkleiden der Beine und und heben müsse.
Füße sei nicht ohne Hilfe möglich, 5 Autofahren sei nicht möglich, da ein zu tiefes
5 das Verbot des normalen Sitzens sei lästig, nur Sitzen im Auto nicht erlaubt sei. Hausbesuche

Patient
Liegen, Stehen und Gehen sei unangenehm. des Physiotherapeuten seien notwendig.

– Leichte Aufquellung des Gewebes auf Frakturhöhe, 5 Stand mit Korsett: 5 Aufgrund stationären Aufenthaltes nicht beur-
ca. Handteller groß. – Symmetrische Beinbelastung, in Knie- und teilbar.
– Schmerzen: Hüftgelenk + Flex. beidseits. 5 Siehe Patientenperspektive.
– Lokalisation: auf Frakturhöhe, bilateral ausstrahlend. – Becken ventral gekippt, ++ LWS, + BWS, +
– Schmerzqualität: ziehend. HWS.
– Schmerzquantität: VAS 2 im Liegen, VAS 5 bei Trans- – Konstitution: ++ Bauchgewichte.
fers, Stehen und Gehen. 5 Gehen mit Korsett:
5 Tonus der Bauch- und Rückenmuskulatur deutlich – Gehstrecke 20 m, dann Schmerzzunahme,
erhöht. subjektive Erschöpfungszeichen und Erhö-
5 Oberflächensensibilität Beine und Rumpf o.B. hung der Vitalwerte.
5 Kennmuskeltests untere Extremitäten o.B. – Gangtempo verlangsamt, 30 Schritte/min.
5 MFT: Bauch-/Rückenmuskeln nur auf Wert 2 getestet in – Treppengehen aufgrund von Schmerzen und
abgewandelter Testposition. geringer Belastbarkeit noch nicht möglich.
5 Neurale Provokationstests (SLR, PKB) o.B. 5 Transfers mit Korsett: RL–SL–BL–Stand, hoher
Kapitel 6 · Wirbelfrakturen, Schleudertrauma, Rippen- und Sternumfrakturen

5 Vitalwerte: Sitz–Stand und umgekehrt nur mit Schmerzen


möglich. Geringe rotatorische WS-Bewegungen
in Ruhe nach Belastung trotz Korsett beobachtbar. Patient hält immer
(20 m Gehen) wieder die Luft an.
RR 135/95 mm/Hg 170/100 mm/Hg 5 Körperpflege und Ankleiden der Beine nur mit
Hilfe möglich. Toilettengang mit Sitzerhöhung.
Herzfrequenz 92 Schläge/min 128 Schläge/min Bücken und Heben nicht möglich.
Pulsfüllung o.B. o.B.
Pulsrhythmus regelmäßig regelmäßig
Atemfrequenz 18 Atemzüge/min 26 Atemzüge/min

Umweltfaktoren Personenbezogene Faktoren


(+) Haus; Schlafen und Wohnen im Erdgeschoss möglich (+/–) mittelmäßige Motivation
(+) Unterstützung und Hilfe durch Ehefrau (–) geringes Verständnis für die Notwendigkeit von Bewegungslimita-
(+/–) Beruf: Rentner, früher Dreher tion und Therapie
(+–) Hobby: Kleintierzucht (–) Alter: 72 Jahre
(+) Medikamente: Heparin, Betablocker, Antiarrhythmika; Schmerzmittel: Ibuprofen, Novalgin (–) kardiovaskuläre Nebenerkrankungen
(+) Hilfsmittel: Sitzkeil, Toilettenaufsatz, Dreipunktkorsett, Lordosestütze, Strumpfanziehhilfe, lange

Therapeut
Greifzange
6.7 Literatur
103 6

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7

Frakturen und Luxationen


im Bereich des Schultergelenks und
Rotatorenmanschettenrupturen

Einteilung – 107 Komplikationen – 121


Biomechanik des Befunderhebung – 121
Schultergelenks – 107 Behandlungsmöglichkeiten – 121
Übungsbeispiele – 122
7.1 Luxationen und Instabilitäten
des Schultergelenks – 109 7.3 Luxation des
Ursachen – 109 Schultereckgelenks – 122
Charakteristische Symptome/ Einteilung – 122
Leitsymptome – 109 Ursachen – 122
Behandlungsrichtlinien und Charakteristische Symptome/
therapeutische Maßnahmen – 109 Leitsymptome – 122
Komplikationen/ Behandlungsrichtlinien und
Begleitverletzungen – 111 therapeutische Maßnahmen – 122
Spätkomplikationen – 111 Komplikationen – 124
Befunderhebung – 112 Spezielle Befunderhebung – 125
Behandlungsmöglichkeiten – 113 Behandlungsmöglichkeiten – 125
Übungsbeispiele – 118
7.4 Sternoklavikular-
7.2 Ruptur der Rotatoren- gelenkluxation – 127
manschette – 120
Ursachen – 120
7.5 Klavikulafraktur – 127
Ursachen – 127
Charakteristische Symptome/
Charakteristische Symptome/
Leitsymptome – 120
Leitsymptome – 127
Behandlungsrichtlinien und
Behandlungsrichtlinien und
therapeutische Maßnahmen – 120
therapeutische Maßnahmen – 128
Komplikationen – 129
106 Kapitel 7 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Schultergelenks und Rotatorenmanschettenrupturen

7.6 Skapulafraktur – 129 7.8 Patientenbeispiel – 137


1 Einteilung – 129 Befundaufnahme – 137
Ursachen – 129 ICF-Dokumentation – 138
2 Charakteristische Symptome/
Leitsymptome – 129
7.9 Literatur – 139
3 Behandlungsrichtlinien und
therapeutische Maßnahmen – 129
4 Komplikationen – 130

5 7.7 Oberarmkopffraktur – 131


Ursachen – 131
6 Charakteristische Symptome/
Leitsymptome – 132
7 Behandlungsrichtlinien und
therapeutische Maßnahmen – 132
8 Komplikationen – 135
Befunderhebung – 135
9 Behandlungsmöglichkeiten – 135

10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
7 Frakturen und Luxationen im Bereich des Schultergelenks und Rotatorenmanschettenrupturen
107 7

Einteilung
5 Frakturen:
– Klavikulafraktur,
– Skapulafraktur,
– Oberarmkopffraktur;
5 Luxationen:
– Humeruskopfluxation,
– Schultereckgelenkluxation.

Biomechanik des Schultergelenks

Als Kugelgelenk hat das Schultergelenk in Kombination mit


den Schultergürtelgelenken und der skapulothorakalen Ver-
schiebemöglichkeit eine große Beweglichkeit. Das Missverhält-
nis zwischen der kleinen, flachen Pfanne und dem großen Hu-
meruskopf wird durch die Einstellung der Pfanne auf den Hu-
meruskopf ausgeglichen. Der Humeruskopf hat nur zu 25–30
Kontakt mit der Gelenkpfanne. Die Gelenkfläche wird durch ei-
nen fibrokartilaginären Ring, das Labrum glenoidale, vergrö-
ßert. Die bei Bewegung des Glenohumeralgelenks entstehende
Rollgleitbewegung bedeutet eine ständige Achsenverschiebung
(. Abb. 7.1). Die Rotatorenmanschette stellt die Gelenkpfanne
immer in Richtung der stärksten Humeruskopfbelastung ein,
sie zentriert den Kopf. Das Schultergelenk hat daher keinen fi-
xen Drehpunkt und ist multiaxial. Bei Ab-/Adduktion und bei
Innenrotation kommt es zu einer Achsenverschiebung von bis
zu 5 mm.
Das Schultergelenk und die Skapula bilden gemeinsam mit
dem Akromioklavikular- und dem Sternoklavikulargelenk ei- . Abb. 7.1. Rollgleiten des Humeruskopfes (Cailliet 1975)
ne Funktionseinheit, die besondere Bedeutung für alle Verlet-
zungen des Schultergelenks hat.
eine weitere Rotation um 30° (. Abb. 7.3, 7 Abschn. »Luxation
Flexion und Abduktion im Schultergelenk des Schultereckgelenks«).
Nach Cailliet (1975) bewegt sich bei Flexion oder Abduktion des
Arms die Skapula jeweils um die Hälfte der Wegstrecke, die der Außen- und Innenrotation im Schultergelenk
Humerus zurücklegt (. Abb. 7.2); das bedeutet z.B., dass sich Funktionell ebenso bedeutungsvoll ist die Außenrotationsbewe-
bei 90° Schulterabduktion die Skapula 30° nach lateral bewegt gung des Humerus bei Armhebung; dadurch kann das Tuber-
und der Humerus 60° abduziert. Konsequenterweise soll eine culum majus unter dem Lig. coracoacromiale durchschlüpfen.
passive/aktive Fixation des Schulterblattes nicht in Nullstellung Bei Innenrotation stößt der Humeruskopf bei ca. 60° Abdukti-
erfolgen, wenn der Arm über die Horizontale mobilisiert wer- on dort an und verursacht Schmerzen der in diesem Bereich
den soll. verletzten Strukturen. Auf engem Raum befinden sich dort die
Loeweneck (1994) hat für das Akromioklavikulargelenk ei- Bursa subacromialis, die Supraspinatussehne, ein Teil der Bi-
nen Bewegungsumfang von 40° für die Schwenkbewegung zepssehne und die oberen Kapselanteile. Funktionelle Tests
nach ventrolateral und von 45° für die Rotation angegeben; für können exakt ermitteln, welche Struktur mit Schmerz reagiert
das Sternoklavikulargelenk 55–0–5° für das Heben und Senken (7 Abschn. 7.1, Cyriax-Test).
der Klavikula und 14–0–15° für das Vor- und Zurückführen. Die Cailliet (1975) hat auch die Funktion der langen Bizepsseh-
Klavikularotation beträgt ebenfalls 45°, wenn der Arm über 90° ne untersucht und beschrieben, wie wichtig ihr Gleiten für die
angehoben wird. schmerzfreie Bewegung des Arms ist (. Abb. 7.4). Sie durch-
Cailliet (1975) beschreibt eine Kippbewegung der Klavikula läuft die Kapsel und wird deshalb bei Verletzungen des Gelenks
um 30° bei Armhebung bis 90°, bei zunehmender Flexion bis 180° meist in Mitleidenschaft gezogen.
108 Kapitel 7 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Schultergelenks und Rotatorenmanschettenrupturen

1
ac 30°

2 H
60°
Maximale
3 90° Klavikula-
anhebung
4 um 30°

H
5 S H
S
30°
S
S 30 ___
_= __ 60 _1
6 =
H 60 120 2
=
H
Skapularotation 30°

7
Rotation
120° der
8 180° Klavikula
60°

9 H

10 60° Schultergelenkflexion
S bis 180°
11
S

12 . Abb. 7.2. Skapulabewegung bei Armhebung (Cailliet 1975)


Keine weitere
Klavikula-
13 anhebung

Wichtig
14 Eine typische Schmerzauslösung des M. biceps erfolgt bei
Anspannung des M. biceps bei 70–80° Abduktion/Flexion.
15 Skapulaschwenkung
bis 60°
Schultergelenkkapsel
16 Nicht weniger wichtig für die volle Funktion des Schultergelenks . Abb. 7.3. Skapula- und Klavikulabewegung bei Armflexion (Cailliet
ist die Kapsel. Die Rotatorenmanschette mit ihren Sehnenan- 1975)
17 sätzen und die wenigen schwachen Kapselbänder lassen in der
Kapsel Schwachstellen entstehen, durch die der Humeruskopf
leicht luxieren kann. Die schlaffe Kapsel wird durch die Sehnen Innervation des Schultergelenks/Nervale Strukturen im Schul-
18 der Rotatorenmanschette gestrafft. Der kaudale Abschnitt wird tergelenkbereich
bei Abduktion gespannt und begrenzt die Bewegung. Alle Strukturen des Schultergelenkbereiches werden aus den
19 Segmenten C4 und C 5 innerviert. Bestehende Sensibilitätsstö-
! Cave rungen können den entsprechenden Hautdermatomen zuge-
Schrumpft die Kapsel durch Ruhigstellung in Adduktion des ordnet werden (7 Kap. 1, Befunderhebung). Eine Prüfung hin-
20 Schultergelenks (z.B. bei länger anliegendem Gilchrist- oder sichtlich Sensibilitätsstörungen ist deshalb zwingend erforder-
Desault-Verband), entsteht eine Adduktionskontraktur. lich. Es muss auch über die Irritation neuromeningealer Struk-
21 turen und ihre Auswirkungen auf die Funktion des Arms nach-
7.1 Luxationen und Instabilitäten des Schultergelenks
109 7

7.1 Luxationen und Instabilitäten des


Schultergelenks
A
LBS
KBS Ursachen
Lig. inter- 5 Sturz auf die Schulter,
tubercularis 5 Rotation des Rumpfes bei feststehendem Arm (z.B. Ski-
stock),
5 Sportart mit forcierten Würfen (extreme Außenrotations-
und Abduktionsstellung des Arms),
5 Verkehrsunfälle,
5 Raufereien.

B Die seltene hintere Luxation erfolgt über ein direktes Trauma bei
adduziertem, innenrotiertem Arm. Habituelle Instabilitäten be-
schreiben eine Luxation ohne adäquates Trauma, nach vorange-
gangenen mehrfachen Traumen. Patienten können sie oft selbst
wieder reponieren.

Charakteristische Symptome/Leitsymptome
5 tastbare subakromiale Dellenbildung,
C 5 federnde Fixation bei geringer Abduktion und Außenrota-
tion (= Luxation nach vorne/unten),
5 tastbare Dellenbildung und fixierte Innenrotation (= Luxa-
tion nach dorsal),
5 Schmerzhafitgkeit,
5 Bewegungsunfähigkeit.

. Abb. 7.4. Bizepsgleitmechanismus. LBS lange Bizepssehne, KBS kur- Behandlungsrichtlinien und therapeutische
ze Bizepssehne (Cailliet 1975) Maßnahmen

Bei 95 aller Patienten mit einer Luxation rutscht der Hume-
gedacht werden. Der Plexus brachialis (C5–Th1) ist von seiner ruskopf nach vorne-unten (subkorakoidal), seltener nach hinten
Lage her bei Verletzungen im Schultergelenkbereich gefährdet, (subglenoidal) oder nach hinten-oben (subspinal). Ein Abriss
ebenso seine Äste des Tuberculum majus ist eine häufige Begleiterscheinung.
5 N. suprascapularis,
5 N. subclavius und Ärztliche Behandlung
5 N. axillaris. Klinik und Röntgenbild lassen eine Luxation des Schulterge-
lenks eindeutig erkennen; der Humeruskopf luxiert am häu-
Wird der Plexus brachialis durch eine Luxation oder eine Frag- figsten nach vorne-unten zwischen die Zügel der Ligg. gleno-
mentdislokation unter Druck gesetzt, können auch die Armner- humerale und coracohumerale (. Abb. 7.5). Es besteht eine fe-
ven dernde Fixation mit starker Schmerzhaftigkeit.
5 N. radialis, Nach möglichst frühzeitig erfolgter Reposition nach Arlt
5 N. ulnaris und oder Hippokrates legen deshalb die meisten Traumatologen ei-
5 N. medianus nen Gilchrist-Verband (. Abb. 7.6) an und fordern bei jüngeren
irritiert werden. Bestimmte Dehn- oder Entlastungsstellungen Patienten unter 45 Jahren, dass er strikt für 3–4 Wochen getra-
können zur Diagnostik beitragen (7 Abschn. 7.1, Befunderhe- gen wird. Ältere Patienten haben eine geringere Rezidivgefahr,
bung). deshalb kann die Ruhigstellungszeit kürzer sein (Weigel, Ner-
lich 2005).
110 Kapitel 7 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Schultergelenks und Rotatorenmanschettenrupturen

. Abb. 7.6. Gilchrist-Ver-


1 band

2
3
4
5
6
7 . Abb. 7.5. Luxation des Humeruskopfes

8
Reposition/operatives Vorgehen ren Strukturen zugeordnet. Am häufigsten liegt eine Innenrota-
Bleibt der Schmerz nach der Reposition und Ruhigstellung beste- tions- und Abduktionseinschränkung vor. Bei einer engen Kap-
9 hen, sollte man an eine zusätzliche Verletzung der Rotatoren- sel steht die Schulter durch den Hochstand des Humeruskopfes
manschette, an Verletzungen der neuromeningealen Strukturen höher. Ist der Humeruskopf nach kaudal abgerutscht ist, steht
10 oder an einen vorderen Pfannenrandabriss denken. Zusätzlich sie tiefer.
besteht häufig eine Abrissfraktur des Tuberculum majus. Das Hämatom kann der Schwerkraft nach absacken und
oberflächlich entlang der Bizepsloge und an der Thoraxwand
11 Wichtig sichtbar werden.
In den meisten Fällen werden Schmerzen, auch bei kurzer
Die beiden wichtigsten Repositionsmanöver bei einer vor-
12 deren Schultergelenkluxation sind die nach Arlt und Hippo-
Ruhigstellung angegeben an:
5 Bizepssehne,
krates.
5 Supraspinatussehne,
13 5 Subskapularissehne,
Knöcherne und ligamentäre Begleitverletzungen können eine 5 Tuberculum majus oder
14 operative Behandlung erfordern. Es kommen offene und ar- 5 Bursa subdeltoidea.
throskopische Stabilisationen zur Anwendung, mit Schrauben-
osteosynthesen oder einer Zuggurtungsosteosynthese. Kapselverklebungen durch das Hämatom, Mikrotraumata oder
15 Bei Muskelverletzungen besteht ein Kontraktions- oder Los- ein Abriss des Tuberculum majus können als Ursache für die
lassschmerz. Bei inkompletten Einrissen der Rotatorenmanschet- Schmerzen angesehen werden. Die oft auftretende Schmerz-
te tritt eine deutliche Schwäche der Außenrotatoren auf. Falls haftigkeit der langen Bizepssehne resultiert aus ihrer intrakap-
16 keine Kontraktion zu spüren ist, besteht eine komplette Rup- sulären Lage und der Verhaftung unter dem intertuberkulären
tur; sie ist diagnostisch eindeutig, wenn keine Sensibilitätsstö- Band (. Abb. 7.4).
17 rungen vorliegen. Der Patient hat dann auch ein unsicheres/in-
stabiles Gefühl im Schultergelenk. Bei Muskelrissen der Rotato- Physiotherapeutische Behandlung
renmanschette werden operative Rekonstruktionen vorgenom- Nach Reposition
18 men. Das therapeutische Vorgehen bei der Erstversorgung ist ent-
Nach Cyriax (1978) wird die Bewegungseinschränkung Au scheidend für eine Ausheilung oder eine Rezidivneigung.
19 ßenrotation>Abduktion>Innenrotation als Kapselmuster inter- In der Konsolidierungsphase, ca. 3–8 Wochen nach dem
pretiert. Bei eingeschränkter Außenrotation ist konsequenter- Trauma, kann zunehmend die Bewegung erweitert werden, die
weise auch die Flexion eingeschränkt (Cailliet 1975, Kapandji Außenrotation soll jedoch nicht vor Ablauf der 6. Woche geübt
20 1984). Alle anderen Bewegungseinschränkungen werden ande- werden.

21
7.1 Luxationen und Instabilitäten des Schultergelenks
111 7

Wichtig 5 Verletzung und Abflachung des vorderen Pfannenrandes


(Bankart-Läsion),
Die für die Stabilisierung des Schultergelenks wichtigsten 5 Verletzung am dorsolateralen Humeruskopf (Hill-Sachs-
Muskeln sind: Läsion) im Sinne einer Impressionsfraktur.
5 M. deltoideus,
5 M. biceps brachii, Wichtig
5 Rotatorenmanschette.
Nicht ausgeheilte traumatische Luxationen führen zu einer
habituellen Luxation.
Nach Bankart-Operation
Nach der Operation einer Bankart-Verletzung (Abriss des ven- Bestand beim Erstunfall eine Nebenverletzung des N. axillaris/
trokaudalen Pfannenrandes) wird für 4 Wochen ein 40°-Abduk- Plexus brachialis, soll der Arm in ca. 40–60° Abduktion, 30° An-
tionskissen angelegt (. Abb. 7.7). Die Armschwere wird bei die- teversion und in geringer Innenrotation für ca. 6 Wochen auf
sem Modell von den Schlaufen abgenommen. Dadurch kann ei- einer Schiene ruhiggestellt werden. Auf der Schiene kann der
ne geringe Instabilität hervorgerufen werden, die bei dem Mo- M. deltoideus im Sinne einer Innervationsschulung (Overflow-
dell der Fa. Kurtze (München) nicht gegeben ist. Für Frakturen Technik, Einsatz von Kontraktionshilfen) behandelt werden.
des Humerus ist letzeres daher besser geeignet (. Abb. 8.1). Retroversion und Extension sind bis zur Ausheilung der Kap-
Für die physiotherapeutische Behandlung mit geführten, sel nicht erlaubt. Eine Adduktions-Extensions-Kontraktur entwi-
hubarmen Bewegungen darf das Kissen abgenommen werden; ckelt sich schnell durch die spontane Atrophie des M. deltoideus
jedoch muss eine Bewegungsbegrenzung von 40° Abduktion und der Rotatorenmanschette, über die Kapselschrumpfung im
und 70° Flexion in Rotationsnullstellung in dieser Zeit einge- kaudalen Bereich sowie über eine schmerzhafte Behandlung.
halten werden. Während der vorgegebenen Bewegungseinschränkungen
Die M.-deltoideus-Spannung soll frühzeitig zur Gelenksi- muss der Physiotherapeut sorgfältig die Ausgangs- und End-
cherung aufgebaut werden. In der Frühphase nach dem Unfall stellungen sowie die Fixationsstellungen der Skapula festlegen
oder einer Operation eignen sich die PNF-Skapulamuster be- und darauf achten, schmerzfrei zu behandeln.
sonders gut dazu.
Ab der 5. Woche darf die Innenrotation, ab der 7. Woche auch
die Außenrotation (s.o.) dynamisch beübt werden. Komplikationen/Begleitverletzungen

Bei nicht ausgeheilter Luxation 5 Verletzung des Plexus brachialis, besonders


Ursachen für eine verzögerte Ausheilung sind: 5 Verletzung des N. axillaris,
5 erweiterte Kapsel, gedehnte Bänder (Lig. glenohumerale 5 Verletzung der Rotatorenmanschette,
medium und inferius, Kapselansätze des M. subscapularis 5 Abriss des Tuberculum majus (selten Tuberculum minus),
und typische erweiterte Schwachstellen der Kapsel), 5 Hill-Sachs-Läsion,
5 Bankart-Läsion,
5 Läsion der A. und V. axillaris,
5 Impingement-Syndrom.

Spätkomplikationen
5 habituelle Instabilität,
5 Periarthropathia humeroscapularis,
5 Arthrose des Schultergelenks,
5 Kalzifikationen.

. Abb. 7.7. Abduktionskissen (BKH Günzburg)


112 Kapitel 7 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Schultergelenks und Rotatorenmanschettenrupturen

Befunderhebung
1
Beurteilen 5 Hautverfärbung.
2 Sichtbares Hämatom, evt. abgesunken entlang der Muskelloge des M. biceps oder M. pectoralis major.
5 Atrophie, besonders M. deltoideus. Spannungserhöhungen der Schultergürtelmuskulatur, Nackenmuskulatur,
M. biceps.
3 5 Armhaltung, Humeruskopfstellung gegenüber der Pfanne (hoch, tief, ventral).
5 Spontanbewegungen mit und ohne Skapulabewegungen.
5 Schultergelenk-, Skapula- und Humeruskopfstellung in Röntgenbildern und Skapula-Y-Aufnahme.
4 Wichtig
Dorsale Luxationen werden leicht übersehen!
5 Messen 5 Aktives Bewegungsausmaß des Schultergelenks in vorgegebenem
Bewegungsausmaß, Abduktion (Rotationsnullstellung). Horizontale Adduktion bis Nullstellung (Rotationsnull-
stellung).
6 5 Ellenbogenbewegungen: Extension, Flexion, Pro- und Supination.
5 Hand- und Fingerbewegungen.
5 Umfangmaße (genormte Abstände).
7
Prüfen 5 Schmerz bei Bewegung, in Ruhe, am Bewegungsstopp bzgl. Intensität, Qualität (VAS), Lokalisation, Ausbreitung.
5 Neuromeningeale Strukturen (C5–Th1) auf Entlastung/Annäherung und Dehnung/Schmerzauslösung oder
8 Sensibilitätsstörung (Butler 1998).
5 Plexus brachialis, Entlastung der Schulter nach kranial, ventral, Kopf in Lateralflexion und Rotation zur gleichen
9 Seite (medialer Faszikulus), Rotation zur Gegenseite (dorsaler Faszikulus).
5 Armnerven:
– N. radialis, Entlastung durch Annäherung in Innenrotation, Ellenbogenflexion, Supination, Dorsalextension.
10 – N. ulnaris, Entlastung in Innenrotation, Ellenbogenextension, Supination und Palmarflexion.
– N. medianus, Entlastung in Außenrotation, Pronation, Ellenbogenflexion, Palmarflexion.
5 Qualität und Bewegungsausmaß/Bewegungsstopp.
11 5 Skapulamitbewegung (Cailliet, . Abb. 7.2, 7.3).
5 Muskelfunktionstest der Hand- und Ellenbogenmuskulatur; besonders die Kennmuskeln M. deltoideus und
M. pectoralis sollen bis zur Frakturkonsolidierung oder Kapselheilung nur auf Teststufe 2 geprüft werden.
12 5 BWS-Mobilität.
5 Komplexes Bewegungsverhalten von Arm, Skapula und Klavikula und belastende Aktivitäten dürfen erst am
Ende der Konsolidierungsphase getestet werden, z.B. Stützen, Tragen von Gewichten.
13 5 Test nach Cyriax (s.u.)
Wichtig
Erlaubt sind während der ersten 6–8 Wochen nur Test 1, 2, 11 und 12. Rücksprache mit dem Operateur ist
14 notwendig.

Notieren und 5 Sensibilität: Autonomgebiet des N. axillaris, Segment der Armnerven (7 Kap. 2, Funktionsbefund).
15 Bewerten 5 Einschränkungen der Aktivitäten im Alltagsablauf (ADL).
5 Einschränkung der Selbständigkeit, Partizipation.
16 Wichtig
Bestehen nach Reposition einer Luxation noch Schmerzen, kann dies hindeuten auf:
5 Verletzung der Rotatorenmanschette,
17 5 Hill-Sachs- Läsion,
5 Bankart-Läsion,
5 Tuberculum-majus-Abriss,
18 5 Armplexusschädigung oder
5 Ablösung des Labrum glenoidale.

19
Cyriax-Test 3. Schmerzhafter Bogen (über Abduktion zur Flexion); wird
Der Cyriax-Test beinhaltet 13 Prüfungen: bei ca. 70° ein Schmerz ausgelöst, ist die Supraspinatusseh-
20 1. Aktive Armhebung. ne verletzt).
2. Passive Armhebung. 4. Passive Abduktion.
21 5. Passive Innenrotation (nach 5 Wochen).
7.1 Luxationen und Instabilitäten des Schultergelenks
113 7

6. Passive Außenrotation (nach 8 Wochen). 1. Sicherung der Gelenkführung


7. Adduktion gegen Haltewiderstand. Vorrangig ist der Aufbau einer Muskelspannung der Muskeln,
8. Abduktion gegen Haltewiderstand. die den Kopf in der Pfanne halten: M. deltoideus, lange Bi-
9. Innenrotation gegen Haltewiderstand (nach 6 Wochen). zepssehne, M. subscapularis, Mm. supra- und infraspinatus, M.
10. Außenrotation gegen Haltewiderstand (nach 8–9 Wochen). teres minor und M. pectoralis major.
11. Ellenbogenflexion gegen Haltewiderstand. Die Kräftigung des M. deltoideus wird aus sicherer Gelenk-
12. Ellenbogenextension gegen Haltewiderstand. stellung durchgeführt, d.h., der Arm wird nicht aus dem Ab-
13. Passive horizontale Adduktion. duktionskissen genommen. Im Liegen soll darauf geachtet wer-
den, dass der Humeruskopf von dorsal gut unterpolstert ist. Das
Ergeben sich Anzeichen für eine Irritation der neuromeningealen Abduktionskissen verrutscht in der Rückenlage leicht, deshalb
Strukturen, müssen ergänzende Tests vorgenommen werden. verordnen manche Ärzte auch eine Abduktionsschiene. Die
Bei Anzeichen für eine Kapselverkürzung mit Einschränkung Kräftigung der Rotatorenmanschette mit dynamischen Span-
der intraartikulären Rollgleitbewegungen sollen Testverfahren nungsformen muss aus biomechanischen Gründen zurückge-
der Manuellen Therapie (Maitland, Kaltenborn) durchgeführt stellt werden.
werden (7 Kap. 2, ICF-gestützte Befunderhebung). Abschlie- Als Techniken kommen zur Anwendung:
ßend ist eine Bewertung aller erhobenen Befunde notwendig! 5 Bewegen unter abgenommener Armschwere bis max. 70°
Abduktion (. Abb. 7.8).
5 Isometrisches Spannen gegen Führungskontakt, später am
Behandlungsmöglichkeiten Ende der Konsolidierungsphase gegen angepassten Wider-
stand).
Die physiotherapeutische Behandlung richtet sich nach dem 5 Bewegen und Halten der Skapula (. Abb. 22.13– 22.15,
Befund der einzelnen Strukturen. PNF-Skapulamuster).
Während der funktionellen Ruhigstellung im Gilchrist- oder
Desault-Verband (. Abb. 7.6) können über die Handmuskulatur Das Ausnutzen von Overflow-Spannungen über Widerstands-
und das Anspannen des M. deltoideus alle übrigen Armmus- übungen des kontralateralen Arms in Abduktionsmustern ist
keln stimuliert werden. Manche Autoren verordnen, wie be- ebenfalls sinnvoll. Gleiches gilt für den Spannungsaufbau der
reits erwähnt, für jüngere Patienten ein 40°-Abduktionskissen Rotatorenmanschette und des M. pectoralis major. Auch wenn
(. Abb. 7.7, Modell BKH Günzburg). die dynamischen Rotationsbewegungen nicht erlaubt sind, kann
Grundsätzlich soll eine frühe Bewegungstherapie die Hei- über die Anspannung der Hand- und Unterarmmuskulatur ge-
lung der Kapsel im Sinne einer verbesserten Durchblutung und gen Führungskontakt eine geringe isometrische Rotationsspan-
Stoffwechselsituation unterstützen. nung aufgebaut werden.
Wie für alle Verletzungen im Schultergürtelbereich gilt, Dynamische und statische Übungsformen für die Ellenbo-
dass primär eine Schmerztherapie, eine kurzfristige Kälte-, spä- genmuskulatur können bei passiver Fixation des Oberarms ge-
ter milde Wärmebehandlung und eine Manuelle Lymphdrainage gen angepassten manuellen Widerstand deren Funktion erhal-
ergänzend angewendet werden. Zusätzlich bewähren sich BWS ten.
mobilisierende Bewegungen zur Dämpfung der N.-sympathi-
cus-Aktivität (. Abb. 7.10, 8.13).

Grundsätzliches Vorgehen
In . Übersicht 7.1 sind die Gesichtspunkte der physiotherapeu-
tischen Behandlung nach Luxationen und Instabilitäten des
Schultergelenks zusammengefasst.

. Übersicht 7.1. Gesichtspunkte der Behandlung


1. Sicherung der Gelenkführung durch Muskelspannung
(Kräftigung).
2. Beseitigung von Schmerzen.
3. Entspannung von M. trapezius, M. biceps.
4. Mobilisation der Adduktions-Extensions-Kontraktur des
Schultergelenks nach 6–8 Wochen.
5. Funktionsschulung.
6. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten. . Abb. 7.8. Bewegen des Arms unter abgenommener Armschwere bis
maximal 70° Abduktion
114 Kapitel 7 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Schultergelenks und Rotatorenmanschettenrupturen

Tipp den, besonders die schmerzhafte Retroversions- und Innenro-


1 tationsstellung muss vermieden werden. Die Hand soll immer
Zeigt der M. biceps eine deutliche Schwäche und einen höher liegen als der Ellenbogen. Vor allem nachts muss die La-
2 Loslassschmerz, muss an eine Mitverletzung der langen
Bizepssehne gedacht werden.
gerung schmerzfrei sein.
Bei Zeichen einer Irritation neuromeningealer Strukturen soll
in Richtung der Entlastung dieser Strukturen vorsichtig passiv/
3 aktiv unterstützt bewegt werden. Immer müssen die Angaben
Die Behandlungen auf dem Abduktionskissen sind am besten des Patienten über Schmerzverbesserung oder -verschlechte-
im Sitz durchzuführen. Darf der Arm aus dem Abduktionskis- rung beachtet werden. Reflektorische Abwehrspannungen ver-
4 sen genommen werden, ist der Sitz ebenfalls die sicherste Aus- stärken i.d.R. die Schmerzen und lassen einen Circulus vitiosus
gangsposition. Dabei soll der Arm auf einem kippbaren Tisch- entstehen. Es sollte auch eine hubfreie BWS-Mobilisation und
5 chen oder auf dem schräggestellten Kopfteil einer Behandlungs- eine Halswirbelsäulenbehandlung durchgeführt werden.
liege gelagert sein. Frühzeitiges aktives/passives Bewegen des Schultergelenks
Wenn aus anderen Gründen die Rückenlage zwingend vor- im vorgegebenen Bewegungsausmaß (0–0–60<90° Abduktion)
6 gegeben ist, soll der Arm auf einem Armkeil in 30° Abdukti- und unter minimaler Traktion verhindert schmerzhafte Kon-
on und 30° Anteversion und in Rotationsnullstellung liegen. trakturen und unterstützt den Heilungsprozess. Zur Anwen-
7 Der Armkeil muss dann den Humeruskopf gut unterstützen dung kommen dynamische Umkehrbewegungen und Bewe-
(. Abb. 8.7). gen und Halten gegen Führungskontakt. Dieser muss eindeu-
tig angelegt werden, damit der Patient spürt, in welche Richtung
8 ! Cave er spannen soll. Voraussetzung für eine isolierte Bewegung ist
5 Bis zur 5. Woche ist die dynamische Innenrotation, bis zur auch die manuelle Fixation des Schulterblatts am lateralen Ska-
pularand oder mit dem Daumenballen gegen die Spina scapu-
9 7. Woche die dynamische Außenrotationsbewegung ver-
boten. lae. Am Besten fragt man den Patienten, ob der Griff angenehm
5 Kontraindiziert sind alle Bewegungen hinter die Körper- und doch sicher ist und kontrolliert die Gewebereaktion.
10 mittellinie und Bewegungseinleitungen mit Stretch. Die- Immer werden Skapulabewegungen vorgeschaltet
se Bewegungen belasten die Kapselschwachstellen erneut. (. Abb. 7.9). Alle Bewegungen müssen kurz vor Schmerzbeginn
Reluxationsgefahr! beendet werden. Es braucht einige Erfahrung, um diesen Punkt
11 rechtzeitig zu erspüren.
Nach 6 Wochen kann i.d.R. das Abduktionskissen abtrainiert Chronische Schmerzen, die über viele Wochen bestehen und
12 werden. zu erheblichen Bewegungseinschränkungen führen, können
Bei bestehender Plexus-brachialis-Verletzung müssen die evt. Behandlungsfehlern in der Frühbehandlung oder nicht be-
Schwächen oder Paresen der betroffenen Muskeln mit entspre- achteter Fehlstellungen des Schultergelenks zugerechnet wer-
13 chenden Techniken, z.B. Halten in Endstellung, Mentaltraining, den.
Einsatz von Kontraktionshilfen und Verstärkungsmustern be-
14 handelt werden. Die Patienten benötigen eine Zug entlastende
Armschlinge.

15 2. Beseitigung der Schmerzen, des Hämatoms und Ödems


In der Regel bestehen nach Reposition und/oder operativer Sta-
bilisation des Gelenks und adäquater Ruhigstellung keine inten-
16 siven Schmerzen. Starke Schmerzen weisen auf die im allgemei-
nen Teil beschriebenen Nebenverletzungen hin; sie erfordern
17 eine der Struktur zugeordnete Behandlung.
Ausgeprägte Hämatome/Ödeme können z.B. als Schmerz-
ursache angesehen werden. Sie führen zu Abwehrspannungen
18 und Bewegungseinschränkungen.
Die Resorption des Hämatoms kann über kurzzeitige Eisbe-
19 handlung, in Verbindung mit Spannen im Sekundenrhythmus
gefördert werden. Die Reduktion des Ödems wird durch Manu-
elle Lymphdrainage oder milde Wärmeapplikation und entspre-
20 chende Lagerung des Arms erreicht.
Eine sachgerechte Lagerung des Arms ohne Belastung der
. Abb. 7.9. Skapulabewegung in posteriore Depression
21 verletzten Kapselstellen ist wichtig, um Schmerzen zu vermei-
7.1 Luxationen und Instabilitäten des Schultergelenks
115 7

Solange die Kapsel nicht ausgeheilt ist (ca. 60 Tage nach der lich versucht der Patient, die lokalen Halswirbelmuskeln anzu-
Reposition), darf nicht exzessiv mobilisiert oder gekräftigt wer- spannen, unter Ausschaltung der globalen Muskulatur.
den. Die meisten Patienten sprechen auf weiche, detonisieren-
de Massagegriffe, warme Kompressen oder eine Heiße Rolle im
Tipp BWS-Bereich (. Abb. 6.22) gut an.
Hubarme Mobilisationen der Brustwirbelsäule (. Abb. 7.10)
Schmerzhafte Schultergelenkbewegungen sollen hubarm
und paravertebrale Massage- oder Bindegewebsmassagegriffe
oder unterstützt bewegt, nicht forciert mobilisiert werden.
im Brustwirbelbereich Th4–Th8 können die sympathische Re-
Bewegungen, die im Alltag benötigt werden, sind bevorzugt
flexaktivität senken (7 Kap. 6).
zu üben.
Alle Bewegungen sollen bis kurz vor die Dehnschmerzgren-
ze ausgeführt werden, auch wenn die bestmögliche Bewegungs-
Die zuvor in der Befunderhebung genannten Testverfahren, amplitude angestrebt werden soll. Techniken wie Progressive
Bild gebenden Diagnoseverfahren und Röntgenkontrollbilder Muskelrelaxation oder »Stop and Go« eignen sich ebenso wie
ermitteln die Strukturzugehörigkeit der Schmerzen und be- PNF-Entspannungstechniken.
stimmen die Behandlungstechniken. In vielen Kliniken wird heute auch eine kurzfristige
Schmerztherapie mit Medikamenten durchgeführt. Die reflek-
3. Entspannung der Mm. trapezius und biceps brachii torische Abwehrspannung des M. biceps muss in Zusammen-
Die reflektorische Spannungserhöhung des M. trapezius, der hang mit der Einengung seiner langen Sehne oder der Verhaf-
den Schultergürtel hochzieht, um das Schultergelenk und des- tung im Sulcus intertubercularis gesehen werden.
sen Strukturen zu entlasten, wirkt sich ungünstig auf die Funk- Aktive Entspannungstechniken nach PNF, besonders
tion der Schultergelenkmuskulatur aus. Die Schulter erscheint »Rhythmische Stabilisation – Entspannen – aktives Weiterzie-
verschmälert, der Muskelrand tritt als Strang hervor. Ziehende hen« sind effektiv einsetzbar. Steht der Humeruskopf zu hoch
Schmerzen behindern den Patienten. unter dem Akromion, kann mit einer minimalen Traktion nach
Zunächst muss die Schmerzursache erkannt und behandelt kaudal/dorsal eine Entlastung der Bizepssehne erreicht werden
werden. Techniken, die Schmerzen abbauen, werden auch die (Maitland- Kaltenborn-Technik). Ob diese Techniken einge-
reflektorische Abwehrspannung verringern. Eine kurzzeitig an- setzt werden dürfen, muss mit dem behandelnden Arzt bespro-
gelegte Eiskrawatte, um den Nacken gelegt, die beidseitig bis chen werden.
zum Akromion reichen soll, kann die Spannung des M. trapezi-
us reduzieren. Langzeit-Eisanwendungen sind jedoch nicht an- 4. Mobilisation des Schultergelenks
gezeigt (van den Berg 2001). Entsprechend der 6-wöchigen Armstellung auf dem Abduk-
Kopf- und Schulterblattbewegungen gegen Führungskon- tionskissen und der vorgegebenen Bewegungsgrenze entsteht
takt können geeignete Maßnahmen sein (. Abb. 22.8). Zusätz- eine Adduktions-Extensions-Kontraktur mit zusätzlicher Ein-
schränkung der Rotationen.
Bis zu diesem Zeitpunkt musste die Mobilisation des Schul-
tergelenks zurückgestellt werden. Erst bei erlaubter Außenrota-
tion kann die Armhebung über die Horizontale sinnvoll erar-
beitet werden (7 Kap. 7, Biomechanik). Ist die Bewegungsein-
schränkung auf Muskelverkürzungen zurückzuführen (7 Ab-
schn. 7.1, Test nach Cyriax), werden aktive Entspannungstech-
niken in verschiedenen Dosierungsstufen eingesetzt.

Wichtig

Unseres Erachtens bewährt es sich, wenn zunächst Abduk-


tion im Schultergelenk, dann horizontale Adduktion und
anschließend Flexion mit Außenrotation über die Horizon-
tale hinaus erarbeitet werden.

! Cave
Flexion/Außenrotation im Schultergelenk erst ab der 8. Woche!
. Abb. 7.10. BWS-Mobilisation in Seitenlage. Der betroffene Arm des
Patienten muss gelagert werden
116 Kapitel 7 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Schultergelenks und Rotatorenmanschettenrupturen

1
2
3
4
5 . Abb. 7.11a-c. Manuelle Therapie. a Kaudalgleiten, b Dorsalgleiten, c Traktion lateral

6 Bei allen Mobilisationstechniken muss die Stellung der Skapu- . Abb. 7.13. Hubarmes
la und deren passive Fixation beachtet werden. Wie bereits er- Bewegen auf der Felden-
7 wähnt, spielt dabei die Grifftechnik eine große Rolle. Sie muss kraisrolle
bei Mobilisationstechniken besonders sorgfältig mit dem Pa-
tienten abgestimmt sein. Das Prinzip der PNF-Entspannungs-
8 techniken kann ebenso Anwendung finden. Die Originalbewe-
gungsmuster müssen jedoch abgeändert werden.
Bei einem Kapselmuster und einem zähen oder festen Be-
9 wegungsstopp werden Techniken aus der Manuellen Therapie
(Cyriax, Maitland, Kaltenborn) angewandt (. Abb. 7.11). Der
10 gewonnene Bewegungsweg soll anschließend durch weiche, un-
terstützte dynamische Umkehr-, Pendel- oder unterstützte hub-
freie Bewegungen aktiv ausgenutzt werden (. Abb. 7.12–7.14,
11 auch 6.29). Das Bewegen der senkrecht vor dem Patient aufge-
stellten Rolle wird jetzt bei stabilem Sitz und beweglichen Arm-
12 gelenken ausgeführt, im Gegensatz zur Ausführung für die Wir-
belsäulenmobilisation. Die Arme bleiben dabei gestreckt.
Als Hausaufgabenprogramm können kleine Pendelbewe-
13 gungen aus der lotrechten Armstellung Verwendung finden.
Der Patient beugt sich aus dem Sitz oder Stand im Rumpf nach
14
. Abb. 7.14. Hubarmes
15 Bewegen auf der Felden-
kraisrolle in Seitenlage

16
17
18
19
20
. Abb. 7.12. Hubarmes unterstütztes Bewegen in Seitenlage
21
7.1 Luxationen und Instabilitäten des Schultergelenks
117 7

5. Funktionsschulung
Das Schultergelenk ist in seiner Funktion abhängig von einem
Zusammenspiel der drei Schultergürtelgelenke und der Koordi-
nation aller dort wirksamen Muskelgruppen.
Aktive Übungen der Skapulabewegungen sind die Basis für
einen koordinierten Bewegungsablauf der Skapula- und Hume-
ruskopfbewegungen. Zudem muss die Skapula als Punktum fi-
xum dienen, wenn der Arm Belastungen ausgesetzt ist. Die
muskuläre Sicherung des Humeruskopfes in der Pfanne muss
durch gezielte Kräftung erreicht werden.
In der Umbauphase soll die Stabilität des Schultergelenks in
der geschlossenen Kette eingeübt werden (7 Kap. 22, Matten-
übungen). Der Patient lernt bei diesen Übungen, den Hume-
ruskopf in verschiedenen Positionen zu zentrieren, von proxi-
. Abb. 7.15a,b. Zeigen von Punkten auf dem Boden. Pendelbewegung mal über eine Skapulabewegung oder von distal über Appro-
durch Gewichtsverlagerung aus dem Sitz nach vorne und zur Seite ximation.
Die Aufrichtung der Wirbelsäule, besonders der Brustwir-
belsäule, bewirkt eine Optimierung der Skapulafunktionen,
vorne, bis der Arm senkrecht nach unten hängt, pendelt leicht deshalb muss bei jeder Schultergelenkbehandlung auch eine
aus der Lotstellung heraus oder zeigt auf verschiedene Punkte Haltungsschulung vorgenommen werden.
am Boden (. Abb. 7.15). Das Üben in komplexen Bewegungsmustern ist nach dem
Erreichen der freien Beweglichkeit effektiv. Der Patient muss
! Cave lernen, den Arm in verschiedenen Positionen zu stabilisieren.
Kontraindiziert sind Pendel- oder Schwungübungen aus dem Techniken mit betonter Bewegungsfolge, wiederholter Stretch
aufrechten Stand! oder Verstärkungstechniken werden eingesetzt. Zu achten ist
auf das »normale Timing« des Bewegungsablaufes. Gezielt sol-
Mobilisationstechniken werden aus dem Sitz oder der Rücken- len Skapula- und Schultergelenkfunktionen auch in wechseln-
lage des Patienten unter leichter Traktion ausgeführt. Die ge- den Ausgangsstellungen eingeübt werden.
eignete Ausgangsstellung muss individuell entschieden werden. Bestehen Kraftdefizite, werden die PNF-Übungen gegen op-
Wichtig ist die Kontrolle der Ausweichbewegungen der Skapula timalen Widerstand mit Techniken der betonten Bewegungs-
und Wirbelsäule (. Abb. 8.11 a). folge ausgeführt.
Zunächst soll der Patient versuchen, die Skapula aktiv zu Für das Erlernen geschickter Bewegungsabläufe werden
fixieren. Falls dies misslingt, muss passiv oberhalb der Spina Umkehrbewegungen mit/ohne leichte Geräte wie Theraband,
scapulae oder am lateralen Skapularand fixiert werden. Diese kurzer Stab, Keule, Ball, 4-fach gefaltetes Seil, Tücher und Säck-
Fixation soll das vorzeitige, unphysiologische Bewegen der Ska- chen ausgeführt. Das Festhalten beider Hände an kurzen Gerä-
pula ausschalten. Immer kann in möglicher Abduktions- oder ten garantiert, dass die Bewegungen nicht hinter die Körpermit-
Flexionsstellung des Arms die Skapulabewegung nach kaudal- tellinie geführt werden. Bei Verwendung von Zuggeräten wer-
medial zur Wirbelsäule dynamisch gefordert werden (poste- den nur geringe Widerstände eingestellt.
riore Depression). Dies bedeutet ein Vertauschen von Punk- Natürlich können zu diesem Zeitpunkt auch Übungsformen
tum fixum und mobile. Bei richtiger Lagerung des Oberarms in der Funktionellen Bewegungslehre angewandt werden, wenn sie
Nullstellung können Skapulabewegungen auch gut aus Seitenla- der Biomechanik des Schultergelenks angepasst werden.
ge durchgeführt werden.
Zu vorgeschriebener Zeit kann die Innen- und Außenro- 6. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten
tation in 90°-Abduktionsstellung mobilisiert werden. Die aus- Die volle Funktion des Arms wird am Besten anhand alltäg-
zuwählende Technik richtet sich nach der Qualität des Bewe- licher Aktivitäten geschult.
gungsstopps; es können »Rhythmische Stabilisation – Entspan- Alle Bewegungen, die dem Patienten Probleme bereiten,
nen mit aktivem, evt. aktiv-passivem Weiterziehen«, »Lang- z.B. Kämmen, Haare waschen, Rasieren, Krawatte oder Schür-
same Umkehr – Halten – Entspannen« oder Techniken aus der ze binden, in den Ärmel schlüpfen, Abstützen und Tragen von
Manuellen Therapie wirkungsvoll sein. leichten Gegenständen sollen vorgeübt werden. Anwendung
findet z.B. die Technik »Replikation«
(7 Kap. 22). Natürlich darf die Belastung erst nach entspre-
chender Ausheilung erfolgen.
118 Kapitel 7 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Schultergelenks und Rotatorenmanschettenrupturen

Der Patient muss über luxationsgefährdende Situationen in- Ohne Abduktionskissen


1 formiert werden. Ausgangsposition
Berufsbezogene Bewegungsmuster sollen erfragt und vor- Rückenlage, Sitz.
2 geübt werden. Besonders sind Arbeitshaltungen und sportliche
Bewegungsabläufe zu überdenken. Übung
Über die Sportfähigkeit für Ballsportarten, Skifahren, Rei- 5 Oberarm in 40°-Abduktionstellung. Skapula bewegt in
3 ten etc. entscheidet der Arzt. anteriore und posteriore Depression. Armschwere wird
durch Therapeut gehalten (7 Kap. 22).
Wichtig
4 Übung
Häufig wird Schwimmen verordnet, was u.E. kritisch bewer-
5 »Rhythmische Stabilisation« der Skapula in der 2. PNF-Di-
tet werden sollte. Rückenschwimmen mit Armbewegungen
5 neben dem Körper kann empfohlen werden. Dagegen sind
agonale mit nachfolgender langer Entspannungszeit.
Brustschwimmen, Vorwärts- oder Rückwärtskraulen gefähr-
Übung
6 liche Schwimmstilarten.
5 Sitz, Rumpfvorbeuge. Arm senkrecht hängen lassen und
mit der Hand auf einzelne Punkte am Boden zeigen (Pen-
7 del!) (. Abb. 7.15).

Übungsbeispiele Übung
8 5 Sitz, Rumpfseitbeuge. Arm senkrecht hängen lassen und
Die Übungsbeispiele beziehen sich auf eine Schulterluxation oh- leicht aus dem Lot nach lateral pendeln.
ne neuromeningeale Irritationen.
9 Übung
Mit Abduktionskissen 5 Horizontale Adduktion des Arms bei ausgeschalteter Arm-
10 Ausgangsposition schwere (aus Sitz) oder gegen die Schwere aus Rückenlage,
Sitz. Arm in Abduktionskissen oder auf dem Tisch mit gebeugtem Ellenbogen.
(. Abb. 7.7).
11 Übung
Übung 5 Flexion gegen Führungskontakt. Der Physiotherapeut steht
12 5 Skapula in anteriore Depression. Schieben des Ellenbogens dabei am Kopfende und hat den Unterarm des Patienten
in Verlängerung des Oberarms weg vom Ohr. auf dem Arm. Beginn bei 90° Flexion, wenn die Bewe-
gungslimitation aufgehoben ist.
13 Übung
5 Dynamische Umkehrbewegung: Ellenbogenflexion- und Ausgangsposition
14 extension im schmerzfreien Bewegungsausmaß. Stabile Sitzposition mit etwas breit gestellten Beinen, Sitzhöhe
angepasst an die Höhe der Rolle (eher hoher Sitz). Die Felden-
Übung kraisrolle steht senkrecht zwischen den Beinen, die Hände lie-
15 5 Isometrisches Spannen, Armabduktion, »Endstellung – gen oben auf der Rolle, die Ellenbogen sollen seitlich, soweit
Halten« bei aktiver Fixation der Skapula. schmerzfrei möglich, angehoben werden.
5 Dasselbe mit Bewegen und Halten gegen Führungskontakt.
16 5 Dasselbe mit gestrecktem Ellenbogen und Kontakt an der Übung
Handwurzel. 5 Eigenständiges Üben mit der Feldenkraisrolle (Slivka
17 5 Dasselbe mit Verstärkung über die kontralaterale Seite 2006) (. Abb. 6.29, 7.13).
durch Spannen des Arms in Extension, Abduktion, Innen- 5 Kreisen der Rolle, soweit es die natürliche Armbewegung
rotation bei gestrecktem Ellenbogen gegen die Unterlage. erlaubt, durch Beugen und Strecken der Arme in der Hori-
18 zontalen bei stabiler Sitzposition.
5 Bewegen der Rolle von der Mittelposition zur Seite nach
19 rechts und links mit gestreckten Armen.

20
21
7.1 Luxationen und Instabilitäten des Schultergelenks
119 7

Ausgangsposition ! Cave
Seitenlage. Ausweichbewegungen und Schmerzen sind Zeichen einer
falschen Dosierung!
Übung
5 Hubarmes Bewegen der Rolle aus Seitenlage (. Abb. 7.14). Übung
5 »Dynamische Umkehr – Halten – Entspannen und ak-
Nach 5 Wochen tives Weiterziehen«, evt. aktiv-passives Weiterziehen. Im
Übung Anschluss an die Mobilisationstechnik, z.B. für die ein-
5 Dynamische Innenrotation aus Rotationsnullstellung. geschränkte Flexion des Schultergelenks, soll die gewon-
Technik: Bewegen – Halten, Endstellung – Halten gegen nene Position gehalten werden. Da der Rückweg zur Null-
Führungskontakt. stellung oft einen deutlichen Bizepsschmerz auslöst, sollte
5 Dasselbe mit Extension/Abduktion und Extension/Adduk- man möglichst gegen Führungskontakt und unter Zug in
tion. die Ausgangsstellung zurückgehen.
5 Dasselbe mit »Betonter Bewegungsfolge«.
Tipp
Übung
5 Innerhalb des Übungsprogrammes können immer wie-
5 Stützen auf weiche Matte, Ball oder Wand unter minimaler
der die beschriebenen Entspannungsmaßnahmen für
Belastung mit Kontrolle der Gelenkstabilität und Schmerz-
den M. trapezius eingeschoben werden.
freiheit.
5 Bei bestehendem Kapselmuster werden Techniken wie
Nach 7 Wochen Traktion und Gleiten nach lateral, dorsal und kaudal aus
der Manuellen Therapie angewandt.
Ende der Konsolidierungsphase, Beginn der Umbauphase.

Übung
5 Dynamische Außenrotation. Schulung von Aktivitäten
Technik: Bewegen – Halten, Rhythmische Stabilisation mit Ausgangsposition
Betonung der aktiven Rotation gegen Führungskontakt. Sitz.

Übung Übungen zur Schulung von Aktivitäten


5 PNF-Muster in der 1. und 2. Diagonale mit Betonung der 5 PNF-Übungen mit Geräten vor dem Körper. Werden Zug-
Rotation und gegen angepassten Widerstand. Übungen mit geräte eingesetzt, muss der Widerstand gering sein und die
Hanteln und am Zuggerät können begonnen werden, wenn Anzahl der Übungen gesteigert werden (. Abb. 7.16).
die Widerstände gering sind (. Abb. 7.16, 7.17). Die Hante- 5 Haltungsschulung gegen angepassten Widerstand mit
lübung in der Sagittalen soll zunächst nur bis zur Körper- Aufrichtung der Wirbelsäule. PNF: Kopf-, Skapula- und
mittellinie durchgeführt werden, dann auch hinter die Mit- Rumpfmuster kombiniert mit Flexion/Abduktion des
tellinie in Extension, wie im Bild gezeigt. Arms.

. Abb. 7.16a,b. Dynamische Stabilisation des Schultergelenks mit . Abb. 7.17a,b. Stabilisation des Schultergelenks am Zuggerät
Hanteln
120 Kapitel 7 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Schultergelenks und Rotatorenmanschettenrupturen

. Abb. 7.18a,b. Stabilisation der


1 Schultergelenke auf labiler Unterla-
ge, a mit Fußkreisel und b mit Keu-
len
2
3
4
5
6 5 Schattenboxen in variablem Tempo, aus dem Stand oder Ursachen
Gehen auf der Stelle, mit Gewichtverlagerung und wech-
7 selnden Richtungen. Bei Musik ausgeführt machen sie als 5 Luxation des Schultergelenks,
Hausaufgaben mehr Spaß. 5 Vorschädigung durch Impingement,
5 Stabilisation des Schultergelenks gegen das Körpergewicht 5 degenerative Vorschädigungen (50),
8 auf labilen Unterstützungsflächen wie Keulen, Therapie- 5 wiederholte Mikrotraumen,
ball, Fußkreisel, (Klein-Vogelbach FBL, PNF) (. Abb. 7.18). 5 Tragen sehr schwerer Lasten,
5 Stützen aus belastenden Ausgangspositionen wie z.B. 5 Sportunfälle, Sturz auf den gestreckten Arm.
9 Bauchlage, Vierfüßerstand, Seitsitz oder Stand (7 Kap. 11,
»Handchirurgie« und 7 Kap. 22, Mattenprogramm).
10 Charakteristische Symptome/Leitsymptome
Tipp
5 bei frischer Ruptur während des Unfalls heftiger Schmerz,
11 5 Das Vorüben der Bewegungsmuster ist notwendig.
5 typische Funktionseinschränkungen bei Ruptur der Supra-
5 Alle Bewegungsformen, die eine extreme Außenrota-
spinatussehne, z.B. Druckschmerz am Tuberculum majus,
tion beinhalten, sind nach einer Schultergelenkluxation
12 bis zur völligen Ausheilung zu vermeiden. Dies betrifft
5 Schwäche bei Außenrotation und Abduktion des Arms,
evt. sogar aufgehobene Funktion,
die meisten Ballsportarten.
5 bewegungsabhängiger chronischer Schmerz bei Abduktion
13 (schmerzhafter Bogen bei 60–120°) bei inkomplettem Riss.

14
7.2 Ruptur der Rotatorenmanschette Behandlungsrichtlinien und therapeutische
Maßnahmen
15 Wichtig
Ärztliche Behandlung
Die Diagnose der am häufigsten betroffenen Supraspinatusseh-
16 Die Rotatorenmanschette besteht aus folgenden Muskeln:
ne wird durch Sonografie, Kernspintomografie, MRT oder Ar-
5 M. supraspinatus,
5 M. infraspinatus, throskopie gestellt. Sie kann eine Begleitverletzung der Schul-
17 5 M. teres minor und tergelenkluxation sein, mit einem knöchernen Ausriss.
5 M. subscapularis.
Konservatives/operatives Vorgehen
18 Wegen der Prävalenz bei älteren Patienten werden isolierte Ro-
Die Muskeln der Rotatorenmanschette stabilisieren den Hume- tatorenmanschettenrisse überwiegend konservativ versorgt.
19 ruskopf in der Pfanne und ermöglichen das Tragen schwerer Gründe für die konservative Behandlung sind nach Weigel,
Lasten. Sie können teilweise oder komplett reißen. Rotatoren- Nerlich (2005):
manschettenrupturen kommen gehäuft im Alter über 50 Jah- 5 hohes Alter,
20 re vor. 5 Inaktivität,
5 schleichender Beginn,
21
7.2 Ruptur der Rotatorenmanschette
121 7

5 fehlende Compliance, Komplikationen


5 passive Bewegungseinschränkungen.
5 fibrogene Kontraktur,
Konservativ versorgte Rotatorenmanschettenrupturen werden 5 Reruptur,
nach kurzer Ruhigstellung symptomatisch behandelt, unter 5 weitere Komplikationen siehe Schulterluxation.
Beachtung des Heilungsprozesses (7 Kap. 5 und 7 Abschn. 7.1,
»Schultergelenkluxation«).
Jüngere Patienten werden operativ versorgt, jedoch sollte Befunderhebung
das Schultergelenk vor der geplanten arthroskopischen oder of-
fenen Operation (»mini-open-repair«) frei beweglich sein. Grundsätzlich wird bei der Befunderhebung ebenso verfahren
Die Patienten werden kurzfristig in einem Gilchrist-Ver- wie bei allen Schultergelenkverletzungen. Spezielle Tests ermit-
band oder einem Abduktionskissen ruhiggestellt und schmerz- teln jedoch die Verletzung der Rotatorenmanschette noch ex-
therapeutisch mit Analgetika und nichtsteroidalen Antiphlogi- akter.
stika behandelt.
Nach Sehnennaht wird ein Abduktionskissen angelegt, das M.-supraspinatus-Test nach Jobe. Der Arm soll in ca. 45° Ab-
für ca. 6 Wochen getragen werden soll (. Abb. 7.7). duktion und leichter Flexion aktiv oder gegen manuellen Wi-
Am 1. postoperativen Tag kann eine milde Kältebehandlung derstand gehalten werden. Treten Schmerzen auf, und kann der
durchgeführt werden. Arm nicht gehalten werden, ist der Test positiv. Im Seitenver-
Nach Entfernung der Redon-Drainagen wird das Schulter- gleich ist das Ausmaß der Schädigung besonders gut zu beur-
gelenk schmerzfrei passiv in Rotationsnullstellung bis maximal teilen.
70° Abduktion bewegt (. Abb. 7.19). Unter Umständen kann
auch eine CPM-Schiene benutzt werden, wenn sie korrekt ein- Drop-Armtest. Der Arm wird ca. 90–120° abduziert und soll
gestellt ist und nicht zu Schmerzen führt. dann aktiv gehalten werden. Sinkt er schmerzbedingt ab, wird
Schonendes Bewegen des Schultergelenks geschieht durch dies als positiver Test gewertet.
hubarmes Bewegen und Skapulabewegungen (Vertauschen von
Punktum fixum und mobile). Test des M. infraspinatus. In Nullstellung des Schulterge-
Für die volle Funktion des Schultergelenks im Zusammen- lenks und bei gebeugtem Ellenbogen wird eine Außenrotati-
spiel mit den Skapula- und Klavikulabewegungen spielt die Ro- on des Arms gegen Widerstand ausgeführt. Schmerzen oder ei-
taorenmanschette eine besondere Bedeutung. Voraussetzung ne Schwäche weisen auf eine Schädigung des M. infraspinatus
für alle Bewegungen ist die Stabilität des Humeruskopfes in der hin.
Pfanne durch die zentralisierende Wirkung der Rotatoren.
M.-subscapularis-Test. Der Arm wird aktiv oder gegen Wider-
stand innenrotiert (auch hinter den Rücken). Schmerzen und/
oder Schwäche weisen auf eine Schädigung des M. subscapula-
ris hin. Die Hand darf dabei nicht am Thorax abgestützt wer-
den.

Behandlungsmöglichkeiten

Wichtig

Das Schultergelenk reagiert auf chronische Schmerzen mit


einer schwer zu therapierenden Kontraktur, daher darf nie-
mals »in den Schmerz hinein« geübt werden.

Grundsätzliches Vorgehen
Nach Rekonstruktion der Supra-/Infraspinatussehne
Die Rekonstruktion der Supra-/Infraspinatussehne erfordert
ein subtiles physiotherapeutisches Vorgehen.

. Abb. 7.19. Passives Bewegen bis maximal 70° Abduktion


122 Kapitel 7 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Schultergelenks und Rotatorenmanschettenrupturen

Für die Nachbehandlung einer spannungsfreien Rekonstruk- 7.3 Luxation des Schultereckgelenks
1 tion wird im Klinikum Großhadern der Universität München
das Tragen einer Med-II-Schlinge für 4 Wochen empfohlen. Einteilung
2 In der Proliferationsphase, in den ersten 3 Wochen, wird ei-
ne Bewegungslimitation von 0–0–60° für Abduktion und Flexi- Üblich ist heute die Einteilung nach Tossy (1963), erweitert
on des Schultergelenks verordnet. Die Bewegungen sollen pas- durch Rockwood (1984).
3 siv/assistiv durchgeführt werden.
In der Konsolidierungsphase, 4. – 6. Woche kann die Beweg- Tossy I Distorsion des ACG = Rockwood I
lichkeit aktiv/assistiv ohne Schmerzauslösung erweitert wer-
4 den.
Tossy II Subluxation des ACG, Ruptur der akromioklavi-
kulären Bänder, Zerrung der korakoklavikulären
Nach der 6. Woche kann die freie Beweglichkeit langsam auf-
Bänder = Rockwood II
5 gebaut werden, so dass nach 10 Wochen eine selbständige, ak-
tive, schmerzfreie Bewegungsfähigkeit erreicht wird. Tossy III Komplette Luxation, Ruptur beider Bandgruppen
Nach 3–4 Monaten darf wieder mit Sport begonnen werden. = Rockwood III
6 Ball- und Wurfsportarten sollen jedoch erst nach 6 Monaten Rockwood IV Klavikulaluxation in der Horizontalebene, laterales
durchgeführt werden. Klavikulaende kann sich im M.trapezius verhaken
7 Rockwood V Ausgeprägter Klavikulahochstand und ausge-
Nach Akromioplastik
Gelingt die spannungsfreie Rekonstruktion nicht, werden eine dehnte Ablösung der muskulären Ursprünge,
8 Akromioplastik und ein Débridement der gerissenen Supraspi- Instabilität in allen Richtungen
natussehne durchgeführt. Rockwood VI Verhakung der Klavikula unter dem Proc. cora-
Bleibt eine Restspannung erhalten, werden die Patienten mit
9 einem Schulterabduktionskissen (40–60°) versorgt.
coideus

Dynamische Abduktionsbewegungen sind in den ersten 3


10 Wochen nicht erlaubt.
Isometrisches Spannen der Schultermuskulatur regt die Ursachen
Durchblutung und den Stoffwechsel an.
11 Aktiv geübt werden alle Finger-, Hand- und Ellenbogenmus- 5 Stauchungsmechanismus,
keln. 5 Sturz auf die Schulter bei abduziertem Arm, z.B. vom
12 Eine Bewegungslimitation von 40/60–90° für das Schul- Fahrrad oder Pferd,
tergelenk muss anschließend bis zum Ende der 6. Woche einge- 5 Motorrad-/Fahrradunfälle, Sportunfälle.
halten werden. Geübt wird aktiv/assistiv. Es können alle Bewe-
13 gungsmuster angewandt werden, wenn sie diese Bewegungs-
grenzen einhalten. Charakteristische Symptome/Leitsymptome
14 Ab der 7. Woche wird langsam die Beweglichkeit vergrößert
und ein Muskelkräftigungsprogramm begonnen. Das Abdukti- 5 Schwellung, Druck- und Bewegungsschmerz direkt über
onskissen kann schrittweise abtrainiert werden, wenn die Ge- dem ACG,
15 lenk sichernden Muskeln einen Testwert von mindestens Stu- 5 schmerzhafte Bewegungseinschränkung,
fe 3 haben. 5 Arm in Innenrotation am Rumpf gehalten,
Nach 12 Wochen soll die Beweglichkeit frei sein. 5 Stufe zwischen Klavikula und Akromion durch Zug des M.
16 Die Patienten sollen erst nach 16 Wochen ihren Sport auf- sternocleidomastoideus und Schwere des Arms,
nehmen, Ball- und Wurfsportarten sind erst nach 6 Monaten er- 5 Klaviertastenphänomen.
17 laubt.

Behandlungsrichtlinien und therapeutische


18 Übungsbeispiele Maßnahmen

19 Die Übungen können aus den genannten Beispielen für die Funktionell gesehen, ist das Akromioklavikulargelenk (ACG)
Schulterluxation (7 Abschn. 7.1) übertragen werden. ein Kugelgelenk, das, wie schon beschrieben, eine Rotations-
und Schwenkbewegung bei der Armflexion und -abduktion
20 ausführt. Eine horizontale Parallelverschiebung ist ebenfalls
möglich (. Abb. 7.3).
21
7.3 Luxation des Schultereckgelenks
123 7

Die Führung des Gelenks, das keine knöcherne Begrenzung


besitzt, übernehmen die Ligg. acromioclavicularia und das Lig.
coracoclaviculare.
Mit zunehmender Gewalt auf Akromion und Klavikula rei-
ßen die Ligg. acromioclavicularia, wenn die Skapula um den
Fixpunkt Korakoid rotiert. Infolge können die Ligg. coracocla-
vicularia reißen, so dass es zur Luxation des ACG kommt. Die
Klavikula wird durch den M. sternocleidomastoideus nach kra-
nial gezogen, die Schwere des Arms zieht nach kaudal, und das
ACG wird disloziert.

Ärztliche Behandlung
Konservatives/operatives Vorgehen
Tossy I. Bei Tossy-I-Verletzungen kann die aktive Beweglich-
keit des Arms frei und schmerzlos sein, die passive Abduktion
ist jedoch am Ende der Bewegungsbahn schmerzhaft. In die-
ser Situation beginnt die Rotation der Klavikula. Der Schmerz
bleibt lokal.
Tossy-I (Rockwood-I)-Verletzungen werden konservativ
behandelt. Sie werden nicht ruhiggestellt und schmerzabhängig
funktionell behandelt.

Tossy II. Die Symptome sind gegenüber der Tossy-I-Verletzung


geringfügig verstärkt, evt. besteht Druckschmerzhaftigkeit am . Abb. 7.20. ACG-Sprengung
ACG und eine Schmerzauslösung bei Armflexion.
Bei der Behandlung von Tossy-II (Rockwood-II)-Verlet-
zungen sind die Meinungen geteilt. Konservative und operative Die operativen Verfahren für die Behandlung der ACG-Ver-
Maßnahmen kommen infrage, wobei eine Tendenz zur konser- letzungen sind vielfältig; bei allen gibt es Vor- und Nachteile.
vativen Therapie mit Gilchrist-Verband für 1–2 Wochen zu er- Zur Anwendung kommen:
kennen ist (Weigel 2005). 5 augmentierte Bandnähte mit resorbierbarem Material,
5 Zuggurtungsverfahren,
Tossy III. Die charakteristischen Symptome der Tossy-III-Ver- 5 Bandersatzoperationen,
letzung sind stark ausgeprägt, z.B. das sog. »Klaviertastenphä- 5 Hakenplatten,
nomen«; die Klavikula steht zu weit oben. Bei seitlicher Armhe- 5 korakoklavikuläre Verschraubung nach Bosworth/Poigen-
bung ist die Bewegung bis ca. 60° frei, dann beginnen die Be- fürst (1990).
schwerden bei zunehmender Skapula- und Klavikularotation
(. Abb. 7.3). Rahmanzadeh (in Voigt 1994) hat eine Gelenkplatte entwickelt,
Ein beidseitiges Röntgenbild unter einer Gewichtsbelastung die eine frühfunktionelle Übungsbehandlung erlaubt, da sie die
von 10 kg und eine Sonographie werden zur Objektivierung Rotations- und Schwenkbewegungen der Klavikula mitmacht.
der klinischen Diagnose durchgeführt. Letztere hat den Vorteil, Des Weiteren wird eine modifizierte Balserplatte in Kombinati-
dass auch die Rotatorenmanschette mitbeurteilt werden kann on mit einer Bandnaht verwendet.
(. Abb. 7.20). Nach Versorgung mit einer Balserplatte tragen die Patienten
Bei Tossy-III- (Rockwood-III)-Luxation des ACG wird v.a. entweder für wenige Tage einen Gilchrist-Verband (. Abb. 7.22)
bei Sportlern, Überkopfarbeitern und aktiven, jungen Personen oder sie dürfen am 1. postoperativen Tag passiv bis 90° bewegt
ein operatives Vorgehen bevorzugt (. Abb. 7.21). Die Patienten werden und z.B. aus dem im Lot hängenden Arm kleine Bewe-
sollen auf jeden Fall selbst entscheiden, wie sie versorgt wer- gungen ausführen. Gegen die Schwerkraft darf der Arm bis ca.
den wollen. Zu diskutieren ist bei konservativer Behandlung ein 60° assistiv abduziert oder flektiert werden.
evt. unbefriedigendes Repositionsergebnis, bei operativem Vor- Nach 6 Wochen wird die Platte entfernt und der Bewegungs-
gehen eine Narbe. umfang hubarm und gegen die Schwerkraft bis 90° erweitert.
Nach 8–10 Wochen kann die volle Funktion erarbeitet wer-
Rockwood IV, V, VI. Diese Verletzungen werden immer opera- den.
tiv versorgt. Die vielfach durchgeführte Zuggurtungsosteosynthese wird
in der Literatur ebenfalls positiv beurteilt, sie ist technisch ein-
124 Kapitel 7 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Schultergelenks und Rotatorenmanschettenrupturen

. Abb. 7.21. Intraoperatives Rönt-


1 genbild eines Schultergelenks

2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
facher als die übrigen Osteosynthesen. Anschließende Ruhig-
14 stellung im Thoraxabduktionsgips bringt keine Vorteile und
wird heute kaum noch praktiziert. Winkler (1994) gibt eine Ru-
higstellung im Desault-/Gilchrist-Verband von 4–7 Tagen an.
15 Die OP-Ergebnisse sind positiv, wenn eine Bewegungsbegren-
zung von 90° Abduktion für 6 Wochen eingehalten wird.

16
Komplikationen
17
5 Schultergelenkkontraktur,
5 Arthrose,
18 5 dauerhafter Kraftverlust durch bestehende Instabilität,
5 eingeschränkte Bewegungsfähigkeit,
19 5 Kalzifikation,
5 Infektion.

20 Nach operativem Vorgehen:


5 Repositionsverlust durch vorzeitiges Resorbieren des biolo-
. Abb. 7.22a,b. Gilchrist-Verband. a Ansicht von vorne, b von der Seite
21 gischen Nahtmaterials,
7.3 Luxation des Schultereckgelenks
125 7

5 Verletzung des N. musculocutaneus, 5 Haken sperrt im Gelenk,


5 Wanderung der Kirscher-Drähte, 5 Bosworth-Schraube verursacht Klavikulafraktur oder ist
5 Impingement-Syndrom, vorzeitig gelockert.

Spezielle Befunderhebung

Zur allgemeinen Befunderhebung siehe Luxation des Schulter-


gelenks (7 Abschn. 7.1).

Beurteilen 5 Röntgenbild bei Gewichtsbelastung mit 15 kg (. Abb. 7.20).


5 Postoperatives Röntgenbild, MRT (. Abb. 7.21).

Prüfen Spezielle Tests nach Frisch und Cyriax sind bei Tossy I und II möglich, postoperativ nach Rücksprache mit dem Opera-
teur unter Beachtung der vorgegebenen Bewegungslimitationen.
5 1. Schultern aktiv hochziehen, Ellenbogen in 90°-Stellung gebeugt, passive Abduktion beider Arme: Skapula-
schwenkung seitengleich 10–12 cm nach kranial.
5 2. Schultern senken, beide Skapulae nach unten schieben: Seitengleiche Bewegung von ca. 10–12 cm nach kaudal.
5 3. Sitz mit gebeugtem Rücken, Schultern nach vorne ziehen, beide Skapulae passiv nach vorn schieben: Seiten-
gleiche Bewegung von ca. 5 cm.
5 4. Aufrechter Sitz, Schultern zurückziehen, beide Skapulae passiv nach medial drücken: Seitengleiche Bewegung
von ca. 5 cm.
5 5. Schmerzhaftes Schulterblattkrachen am Ansatz der Mm. levator scapulae und rhomboidei.
5 6. Passive Bewegungen des Schultergelenks bis 60° bzw. 90° Flexion und Abduktion bei Palpation des ACG und
SCG: Bei schmerzfreier seitengleicher Bewegung darf keine Stufe zu tasten sein.
5 7. Translatorische Bewegung im SCG, kraniokaudales Gleiten bei passiv aufgerichteter Wirbelsäule.
5 8. Palpation der Muskulatur auf Schmerzhaftigkeit und Spannung (M. trapezius, M. levator scapulae).
5 9. Palpation des Plexus brachialis zwischen den Mm. scaleni bei Lateralflexion des Kopfes, Rotation zur Gegenseite
und maximaler Inspiration.
5 10. Schultergelenkbeweglichkeit:
– Abduktion bis 60° bei Außenrotation,
– Abduktion bis 60° bei Innenrotation.
5 11. Tests nach Cyriax nach 6 Wochen (7 Abschn. 7.1): Ein lokaler Schmerz (C4), der nicht in den Arm ausstrahlt,
deutet auf eine Schultereckgelenkverletzung hin. Eine Schmerzerleichterung tritt bei flektiertem Unterarm und
Abnahme der Armschwere ein.

Wichtig
. Übersicht 7.2. Gesichtspunkte der Behandlung
Es ist festzuhalten, welche Maßnahmen eine Schmerzerleich- (nach Osteosynthese)
terung bringen, und welche den Schmerz provozieren. 1. Aktivieren der Schultergelenkmuskulatur unter Vermei-
Weitere Befunderhebung s.o. dung von Zug- oder Druckbelastung des Schultereck-
gelenks.
2. Durchblutungsverbesserung.
3. Verbesserung der Beweglichkeit des Schultergelenks
Behandlungsmöglichkeiten und der Skapula.
4. Vorbereitung und Schulung der Hand-, Ellenbogen-
Grundsätzliches Vorgehen nach Osteosynthese und Schultergelenkfunktionen im Zusammenspiel mit
In der Regel wird für wenige Tage eine Schmerztherapie durch- den Schultergürtelgelenken.
geführt (7 Abschn. 7.1, »Schultergelenkluxation«). 5. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten.
In . Übersicht 7.2 sind die Schwerpunkte der physiothera-
peutischen Behandlung nach osteosynthetischer Versorgung ei-
ner Schultereckgelenkluxation zusammengefasst.
126 Kapitel 7 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Schultergelenks und Rotatorenmanschettenrupturen

1. Aktivierung der Schultergelenkmuskulatur nach Entfer- 7.24). Manche Ärzte erlauben heute ein unterstützes Bewegen
1 nung der Redon-Drainagen bis 90° Abduktion oder Flexion in der frühen Proliferations-
In der Proliferations- und Konsolidierungsphase (bei Rock- phase (BKH Günzburg). Dann ist besonders sorgsam auf die
2 wood-III-, IV- und V-Verletzungen) wird zur Entlastung des
Schultereckgelenks bis zu 6 Wochen unter Abnahme der Schwe-
Ausweichbewegung der Skapula zu achten. Mögliche Ausgangs-
positionen sind:
re oder hubarm aus Seitenlage geübt. Das Bewegungsausmaß 5 Stand mit Rumpfbeuge nach vorne oder zur Seite,
3 soll in der Proliferationsphase Abduktion 60–0–0°, anschlie- 5 Sitz,
ßend 90–0–-0° nicht überschreiten. Schmerzfreiheit und der 5 Seitenlage (. Abb. 7.12, 7.13, 7.14) oder
biomechanische Bewegungsrhythmus von Skapula und Hume- 5 Rückenlage
4 ruskopf sind Kriterien der Bewegungslimitation (. Abb. 7.23,
Die Armschwere wird durch den Physiotherapeuten gehalten;
5 bei Übungen mit Rumpfbeuge hängt der Arm im Lot.
Geübt werden die Abduktion/Außenrotation und die hori-
zontale Adduktion bis zur Nullstellung mit der Technik »Unter-
6 stütztes Bewegen und Halten gegen Führungskontakt«.
Hubarm kann auch aus dem Sitz mit der Feldenkraisrol-
7 le bewegt werden, wenn die vorgegebenen Schultergelenk-
stellungen eingehalten werden. Es muss dann aus dem hohen
Sitz an der Bettkante oder auf dem Therapieball geübt werden
8 (. Abb. 6.29).

Wichtig
9
5 Bis zur 7. Woche sind Bewegungen über die Nullstellung
10 hinaus in Richtung horizontale Adduktion und Retrover-
sion nicht erlaubt.
5 Bei Abduktion mit Innenrotation soll entsprechend der
11 Biomechanik des Schultergelenks die Bewegung bei 60°
begrenzt werden.
. Abb. 7.23. Unterstütztes Bewegen bis 60° Flexion (frühe Prolifera- 5 Ab der 7. Woche besteht i.d.R. keine Bewegungsbegren-
12 tionsphase) zung mehr.

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16
. Abb. 7.24a,b. a Unterstützes Be-
17 wegen bis 90° Flexion/Abduktion, b
unterstütztes Bewegen gegen Füh-
18 rungskontakt in Ellenbogenflexion aus
Abduktionsstellung des Arms

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21
7.5 Klavikulafraktur
127 7

Die bereits erwähnten kleinen Pendelbewegungen aus der Lot- 4. Funktionsschulung für das Schultergelenk in Kombination
stellung des Arms durch die Rumpfvorbeuge können nach ven- mit dem Schultergürtel
tral, lateral und als kleine Kreisbewegungen erweitert werden Siehe Luxationen und Instabilitäten des Schultergelenks in
(. Abb. 7.15). 7 Abschn. 7.1.
Patienten mit einer Gelenkplattenosteosynthese nach Rah-
manzadeh dürfen nach ca. 2 Wochen ihren Arm ohne Bewe- 5. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten
gungsbegrenzung aktiv bewegen. Widerstandsübungen sind je- Der natürliche Gebrauch von Arm und Hand im Alltag muss
doch nicht erlaubt. nach ACG-Luxationen entsprechend des Ausprägungsgrades
(Tossy/Rockwood), der gewählten Operationsmethode und ei-
! Cave ner länger andauernden Bewegungslimitation geübt werden. In
5 Freies Bewegen mit langem Hebel, z.B. Armheben in Flexi- der Umbauphase kommen Übungen in der geschlossenen Ket-
on oder Abduktion gegen die Schwerkraft ist unbedingt zu te mit freien Bewegungen, z.B. auch gegen Zuggeräte und Ge-
vermeiden. wichte, zur Anwendung . Abb. 7.16, 7.17).
5 Pendelbewegungen sollen nicht aus dem aufrechten Sportspezifische Bewegungen und Gelenkbelastungen in
Stand ausgeführt werden. Wurfsportarten sollen erst nach der Umbauphase eingeübt und
mit dem Operateur abgesprochen werden (7 Abschn. 7.1).
2. Durchblutungsverbesserung/Resorptionsförderung
In der ersten postoperativen Zeit können Eiskompressen zur Re-
sorption von Hämatomen aufgelegt werden, später milde Wär- 7.4 Sternoklavikulargelenkluxation
meapplikationen (7 Abschn. 7.1, »Schultergelenkluxation«).
Manuelle Lymphdrainage und weiche Massagegriffe fördern Eine Luxation des Sternoklavikulargelenks ist sehr selten. Das
die Entspannung der Schultergürtelmuskulatur. Prinzip der physiotherapeutischen Behandlung unterscheidet
Die Durchblutung der Mm. trapezius, levator scapu- sich nicht vom Vorgehen nach einer Akromioklavikulargelenk-
lae, rhomboidei etc. wird am besten durch Entspannungstech- verletzung.
niken und dynamische oder statische Muskelarbeit erreicht (z.B,
Kopfmuster, 7 Kap. 22). Wichtig

Die um die Längsachse der Klavikula mögliche Rotation bei


3. Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit
Armhebung über 90° muss bis zur Konsolidierung der Ster-
Bindegewebige Verklebungen können durch Cyriax-Techniken,
noklavikulargelenkluxatiom vermieden werden.
Friktionen, Querdehnungen und Griffe aus der Bindegewebs-
massage sowie durch Techniken aus der Manuellen Therapie ge-
löst werden. Sie kommen erst nach 6 Wochen zur Anwendung.
Kontrakturen des Schultergelenks werden heute selten be-
obachtet, wenn das Schultergelenk in den ersten 6 Wochen 7.5 Klavikulafraktur
komplikationslos passiv oder unterstützt bewegt wurde (0–0–
60/90°). Ursachen
Die Skapulabewegungen dürfen im schmerzfreien Bereich
passiv und aktiv ausgeführt werden, wenn der Arm in Kapsel Siehe Verletzungen des Schultereckgelenks in 7 Abschn. 7.3.
entlastender Stellung (30° Abduktion und Anteversion) gelagert
ist. Die Gleitfähigkeit der Skapula wird meist durch langsame
Umkehrbewegungen in PNF-Mustern gut erhalten. Bis zur 7. Wo- Charakteristische Symptome/Leitsymptome
che werden modifizierte PNF-Armübungen bis 60–90°Abdukti-
on und 60–90° Flexion begrenzt: 5 sicht- und tastbare Stufenbildung,
5 Diagonale aus Armstellung neben dem Körper bis Flexi- 5 Klaviertastensymptom,
ons-/Adduktionsnullstellung mit aktueller Außenrotation 5 Verkürzung der Klavikula im Seitenvergleich,
und zurück. 5 Druckschmerzhaftigkeit,
5 Diagonale aus Armstellung neben dem Körper bis 90°-Fle- 5 Schmerzen bei Bewegung,
xions-/geringe Abduktionsstellung mit aktueller Außenro- 5 eingeschränkte aktive Beweglichkeit.
tation und zurück. Der Ellenbogen kann gebeugt werden.
128 Kapitel 7 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Schultergelenks und Rotatorenmanschettenrupturen

Behandlungsrichtlinien und therapeutische der Armschwere folgend nach unten verschoben, der M. pec-
1 Maßnahmen toralis major zieht es nach vorne; das mediale Fragment wird
durch den Zug der Mm. sternocleidomastoideus und trapezi-
2 Die Klavikula ist ein wichtiger Hebel des Schultergürtels für
die physiologischen Kombinationsbewegungen der Schulter-,
us nach oben hinten gezogen. Eine Stufe ist sowohl sicht- als
auch tastbar. Gleichzeitig steht der Arm in Adduktion und In-
Akromioklavikular- und Sternoklavikulargelenke (. Abb. 7.3). nenrotation, da der Stützpfeiler als Gegenkraft für den M. pec-
3 Die Möglichkeit, sich bei Armhebung um ihre Längsach- toralis fehlt.
se zu drehen, erweitert den Bewegungsradius des Schulterge-
lenks. Die Betrachtung der koordinierten Schultergelenk- und Konservatives/operatives Vorgehen
4 Skapulabewegung muss deshalb auch die Klavikulabewegung Geringgradig dislozierte Frakturen des mittleren Drittels werden
miteinbeziehen. i.d.R. konservativ für 4 Wochen mit einem Rucksackverband
5 Klavikulafrakturen treffen am häufigsten jugendliche Pa- behandelt. Dieser erfüllt jedoch nur seine Wirkung, wenn der
tienten. Sie wird unter denselben biomechanischen Gesichts- Patient überwiegend sitzt, steht oder geht. Der Verband muss
punkten wie die ACG-Luxation behandelt. Die Unfallmechanis- ca. alle 2 Tage nachgezogen werden.
6 men sind ebenfalls gleich. Anstelle einer Bandzerreißung bricht
die Klavikula eher im mittleren Drittel, wo sie am dünnsten ist. ! Cave
7 Ärztliche Behandlung
Der Verband darf nicht in der Achsel einschneiden, da es sonst
zu Sensibilitätsstörungen oder einem venösen Rückstau kom-
Eine Klavikulafraktur ist röntgenologisch und klinisch einfach zu men kann.
8 diagnostizieren (. Abb. 7.25, 7.26). Das laterale Fragment wird
In der Proliferationsphase wird die Stellung der Klavikulafraktur
röntgenologisch und klinisch kontrolliert. Geringfügig entste-
9 hende Frakturfehlstellungen bei einer konservativen Behand-
lung behindern meist nicht die Armfunktion. Größere Disloka-
10 tionen müssen operativ beseitigt werden.
Operative Verfahren (Weigel, Nerlich 2005) sollen bei einer
Klavikulafraktur im mittleren Drittel zurückhaltend vorgenom-
11 men werden. Es besteht das Risiko einer Pseudarthrose und ei-
ner kosmetisch nicht schönen Narbe. Es gibt jedoch Indikati-
12 onen, z.B. eine Gefäß- oder Plexus-brachialis-Verletzung, die
eine Operation notwendig machen.
Eingesetzt werden:
13 5 AO-Platten (. Abb. 7.26),
5 Zuggurtungen,
14 5 resorbierbare Biofixstifte,
5 Balserplatte oder
. Abb. 7.25. Klavikulafraktur 5 Gelenkplatte nach Rahmanzadeh.
15
16 . Abb. 7.26. Plattenosteosynthese bei
Klavikulafraktur

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7.6 Skapulafraktur
129 7

Das Osteosynthese-Material soll frühestens nach 6 Monaten, 7.6 Skapulafraktur


besser nach 12 Monaten, entfernt werden.
In den letzten Jahren wurde eine Prevot-Nagelung (Jubel et Einteilung
al. 2002) vorgeschlagen, die die unbefriedigenden Resultate der
konservativen Behandlung ausgleichen soll. Es ist jedoch tech-
Typ A Korpusfraktur
nisch schwierig, das Material in das engere mittlere Drittel der
Klavikula einzubringen. Der Vorteil besteht darin, dass keine Typ B Fortsatzfraktur, Spina scapulae, Akromion, Korakoid
Ruhigstellung notwendig ist. Langzeiterfahrungen stehen noch Typ C Kollumfraktur mit/ohne ACG-Sprengung, Klavikula-
aus. Der Nagel soll nach 8 Monaten entfernt werden. fraktur

Physiotherapeutische Behandlung Typ D Gelenkfraktur, Pfannenrandabbrüche, Glenoidfraktur


Nach Rucksackverband
Ärztlicherseits wird eine Bewegungsbegrenzung von 0–0–60°
Abduktion für 6 Wochen festgelegt. Ursachen
Nach 6 Wochen kann angepasster Widerstand gegeben wer-
den, wenn Klinik und Röntgenbild dies erlauben. 5 Große Gewalteinwirkung bei Unfällen.
Erst nach 12 Wochen und erneuter Röntgenkontrolle ist das
Stützen und Heben schwerer Gegenstände erlaubt (Weigel, Ner-
lich 2005). Charakteristische Symptome/Leitsymptome

! Cave Häufig beobachtet man eine Prellmarke über der Skapula.


Übungen in der geschlossenen Kette gegen das Körpergewicht Der Arm kann aktiv nicht gehoben werden; es bestehen loka-
auch erst nach 12 Wochen! le Schmerzen.

Nach Osteosynthese
Nach bewegungsstabiler Versorgung kann am 2. postoperativen Behandlungsrichtlinien und therapeutische
Tag mit aktiven Schulterblattpattern und isolierter Abduktions- Maßnahmen
bewegungdes Schultergelenks unter Abnahme der Armschwere
hubarm mit kurzem Hebel begonnen werden. Die Behandlung Die funktionelle Bedeutung der freien Beweglichkeit der Ska-
gleicht der Behandlung der ACG-Luxation (Tossy/Rockwood pula in drei Ebenen und ihre Stabilisation durch die Schulter-
III). Das Bewegungsausmaß für die Abduktion wird ebenfalls gürtelmuskulatur ist für das Schultergelenk besonders wichtig.
mit 0–0–60/90° bis zur 7. postoperativen Woche begrenzt. Da- Frakturen, die in die Gelenkfläche hineinreichen, sind deshalb
nach werden die Begrenzungen aufgehoben. funktionell besonders ernst zu nehmen (. Abb. 7.27, 7.28).
In der Umbauphase werden zur Erlangung der Sportfähig- Die Bedeutung der Gleit-Dreh-Bewegungen der Skapu-
keit und nomalen Aktivität Zuggeräte, Hanteln und belastende la für die physiologischen Armbewegungen wurde bereits be-
Übungen im geschlossenen System eingesetzt (. Abb. 7.16–7.18 schrieben (. Abb. 7.2, 7.3).
und 22.16–22.19).
Die physiotherapeutische Behandlung unterscheidet sich Ärztliche Behandlung
nicht von der Behandlung anderer Schultergürtelverletzungen. Skapulafrakturen entstehen nur bei großer Gewalteinwirkung.
Häufig bestehen daher Begleitverletzungen am/an der
5 Thorax,
Komplikationen 5 Klavikula,
5 Plexus brachialis,
5 Gefäß- oder Nervenverletzung im Bereich des Plexus bra- 5 Halswirbelsäule und
chialis, 5 Kopf.
5 Pleuraanspießung mit nachfolgendem Hämatopneumo-
thorax (Auskultieren der Lunge!), Zur Bestätigung der Diagnostik werden ein CT und Röntgen-
5 Verkürzung der Klavikula mit Funktionseinbußen nach aufnahmen in 3 Ebenen gemacht. Wenn dies schmerzbedingt
konservativer Behandlung, möglich ist, wird außer der normalen a.-p.-Aufnahme eine axi-
5 Pseudarthrose. ale Aufnahme gemacht. Diese gibt Aufschluss über die Stellung
des Humeruskopfes in der Pfanne. Als dritte Aufnahme ist die
Y-Aufnahme eine wertvolle Möglichkeit, eine Skapulakorpus-
fraktur zu beurteilen.
130 Kapitel 7 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Schultergelenks und Rotatorenmanschettenrupturen

Die im Zusammenhang mit einer Schultergelenkluxation ent-


1 standene Bankart-Läsion wird bei jüngeren Patienten opera-
tiv mit einer Kleinfragmentschraubenosteosynthese behandelt.
2 Auch eine intraartikuläre Fraktur, die eine Stufe aufweist, wird
offen reponiert und stabilisiert.

3 Physiotherapeutische Behandlung
Abhängig von der erreichten Stabilität kann die Ruhigstellung
im Gilchrist-Verband kurz sein.
4 Die Therapie wird schmerzabhängig dosiert. Ein Kraftver-
lust der Armmuskulatur ist zu erwarten. Als Ursache dafür wer-
5 den Schmerzen und der fehlende Gegendruck der Pfanne bei
Armbewegungen angesehen.
Funktionelle Einschränkungen des Schultergelenks müssen
6 entsprechend dem physiotherapeutischen Befund symptoma-
tisch behandelt werden.
7 Die Gleitfähigkeit der Skapula kann erhalten werden, wenn
keine Stufe zurückgeblieben ist. Passive und aktive Skapulaum-
kehrbewegungen werden so früh wie möglich durchgeführt,
8 um einer Kapselschrumpfung entgegenzuwirken und die Hei-
lung zu unterstützen.
9
. Abb. 7.27. Skapulafraktur
Komplikationen
10
Konservatives/operatives Vorgehen 5 Stufenbildung, eingeschränkte Gleitfähigkeit der Skapula,
Die meisten Skapulafrakturen werden konservativ behandelt. 5 Bewegungseinschränkung des Schultergelenks,
11 Sie heilen gut, weil die Skapula muskulär eingebettet ist. 5 Impingement-Syndrom.
Nur in seltenen Fällen, wenn das Schultergelenk durch eine
12 Kombinationsverletzung instabil ist, z.B. bei Kollum-, Akromi- Impingement-Syndrom
on-, Spinafrakturen und Bandzerreissungen, der sog. »floating Als Komplikation wird v.a. das Impingement-Syndrom in der Li-
shoulder« muss operativ stabilisiert werden. Einsetzbar sind: teratur beschrieben (Neer 1983). Darunter versteht man das An-
13 5 augmentierte Nähte der akromiokorakoklavikulären Bän- stoßen des Humerus an das Akromion und ein schmerzhaftes
der, Einquetschen der Supraspinatussehne bei Abduktion des Arms
14 5 Plattenosteosynthese mit Rekonstruktions- oder Drittel- zwischen 60–120° (»subakromiales Impingement«).
rohrplatten.

15
. Abb. 7.28. Plattenosteosynthese der Skapulafraktur
16
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7.7 Oberarmkopffraktur
131 7

Der Cyriax-Test zur Ermittlung des »schmerzhaften Bogens«


(Armabduktion und Flexion) ist zwischen 60/70–120° positiv.
Bei horizontaler Adduktion kann ein subkorakoidales Impinge-
ment-Syndrom am Lig. coracoacromiale entstehen und zu einer
schmerzhaften Funktionsstörung führen.
Diese Bewegung kann als Provokation eingesetzt werden
und damit ebenso der Diagnostik dienen wie der Test nach Jobe,
bei dem der abduzierte Arm, Ellenbogengelenk 90° gebeugt, in-
nenrotiert wird. Ebenfalls kann nach Hawkins der 90° flektierte
Arm, Ellenbogen gebeugt, innenrotiert und als Test eingesetzt
werden. Bei allen Tests muss die Skapula fixiert werden.
Zum Ausschluss eines Impingements kann nach Neer (1983)
die gleichzeitige passive Adduktion, Innenrotation und Flexion
des Arms gelten. In Nähe der Horizontalen werden bei einem
positiven Test Schmerzen provoziert.
Als Ursache der Schmerzsymptomatik in Ruhe und bei Be-
wegung gelten zudem:
5 alte Rotatorenmanschettenverletzungen,
5 Kalkablagerungen in der Supraspinatussehne, . Abb. 7.29. Oberarmkopffraktur mit Luxation
5 Osteophyten am Akromion,
5 Bursitis subacromialis,
5 Tendopathie der langen Bizepssehne.

Zur Diagnostik wird ein MRT oder eine Sonografie gemacht.


Die Behandlung ist i.A. konservativ, z.B. Infiltrationen von Lo-
kalanästhetika und nichtsteroidalen Antiphlogistika. Kortison-
infiltrationen sind kritisch zu bewerten; sie können erneute
Bindegewebsschäden setzen.
Physiotherapeutisch kann kurzfristig mit Eis behandelt wer-
den, später mit Wärme, Manueller Therapie, Osteopathie und
einem schmerzfreien Muskelaufbauprogramm.

7.7 Oberarmkopffraktur
Oberarmkopffrakturen kommen am häufigsten bei älteren
Menschen/Frauen in Höhe des Collum chirurgicum vor. Hu-
meruskopffrakturen werden nach Habermeyer und Schweibe-
rer (1989, 1996, 2001) eingeteilt.

Typ 0 Nicht dislozierte Fraktur

Typ A Abriss des Tuberculum majus oder minus . Abb. 7.30. Schraubenosteosynthese nach Oberarmkopffraktur

Typ B 2–4-Fragment-Fraktur im Collum chirurgicum

Typ C 2–4-Fragment-Fraktur im Collum anatomicum


sind heute keine Seltenheit mehr. Sie werden wie stark dislo-
Typ X Fraktur mit vorderer oder hinterer Luxation zierte Stückbrüche mit einer Humeruskopfprothese behandelt
(. Abb. 7.32).

Bei massiver Stauchung und gleichzeitiger Drehung kommt es


nicht selten zum Abriss des Tuberculum majus und einer Lu- Ursachen
xation des Humeruskopfes. Man spricht dann von einer Lu-
xationsfraktur (. Abb. 7.29–7.31). Pathologische Frakturen 5 Sturz auf Schulter, Ellenbogen oder Hand.
132 Kapitel 7 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Schultergelenks und Rotatorenmanschettenrupturen

Physiotherapeuten kommt die verantwortungsvolle Auf-


1 gabe zu, schmerzfrei und behutsam vorzugehen, um den Hei-
lungsverlauf und die Fragmentstellung nicht zu gefährden.
2 Konservatives/operatives Vorgehen
Die Entscheidung, ob konservativ oder operativ behandelt wird,
3 hängt von der Dislokation der Fragmente ab. Eine mäßige Dis-
lokation eines abgerissenen Tuberculum majus kann ein deut-
liches Impingement-Syndrom mit beträchtlichen Funktionsstö-
4 rungen verursachen. Das Abrutschen kann auch noch während
der Proliferationsphase bei einer aktiven physiotherapeutischen
5 Behandlung geschehen.
In der Regel werden eingestauchte Humeruskopffrakturen
konservativ mittels Gilchrist- bzw. Desault-Verband oder einer
6 Armschlinge versorgt.
Bei Patienten über 60 Jahre soll der Arm nur ca. 8–10 Tage
7 . Abb. 7.31a,b. a Oberarmkopffraktur, b Plattenosteosynthese ruhiggestellt werden, da die Neigung zu Kontrakturen im Schul-
tergelenk zunimmt. Von einem genormten Schaumstoffabduk-
tionskissen, wie bei der Behandlung der Schultergelenkluxation
8 Charakteristische Symptome/Leitsymptome oder Humerusschaftfraktur, wird inzwischen abgesehen. Auch
die feste Abduktionsschiene kann den Frakturbereich nicht ex-
5 ausgeprägte lokale Schmerzen im Bereich des Humerus- akt unterstützen; sie wirkt eher als Hypomochlion. Es entstehen
9 kopfes, dann Hebelwirkungen an der Fraktur. Üblich ist deshalb heute
5 Schmerzen bei Bewegung, eine Ruhigstellung im Gilchrist-Verband. Selbst bei erheblicher
10 5 Bewegungseinschränkung, Fehlstellung erreichen ältere Patienten nach konservativer Be-
5 Hämatom entlang der Thoraxwand und in der Bizepsloge handlung eine ausreichende Funktion.
(wird nach wenigen Stunden an der Haut sichtbar). Jüngere Patienten und Patienten mit einer dislozierten Frak-
11 tur werden operativ versorgt, z.B. mit einer Klee-, Philos- oder
NCB-Platte sowie mit Schraubenosteosynthesen. Wenn erfor-
12 Behandlungsrichtlinien und therapeutische derlich, wird das Tuberculum majus refixiert.
Maßnahmen Trümmerfrakturen erfordern bei älteren Patienten eine Hu-
meruskopfprothese (. Abb. 7.32 c). Diese Patienten werden
13 Ärztliche Behandlung tempörär mit einem Abduktionskissen versorgt (. Abb. 8.1).
Die Diagnose wird anhand der Röntgenaufnahmen in drei Ebe- In den Tagen nach der Verletzung haben Patienten, die kon-
14 nen (a.-p.-Aufnahme, Skapula-Y-Aufnahme und Velpeau-Auf- servativ behandelt werden, starke Schmerzen. Probleme bereitet
nahme) gestellt. Bei Mehrfragmentfrakturen kann ein CT nö- die Lagerung. Der Humeruskopf muss gut unterlagert werden,
tig sein. Ellenbogen und Hand höher liegen als die Schulter.
15
16 . Abb. 7.32a-c. a, b Trümmerfrak-
tur des Humeruskopfes, c Humerus-
kopfprothese
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7.7 Oberarmkopffraktur
133 7

Vor allem nachts klagen die Patienten über Schlafstörungen Patienten mit einer bewegungsstabilen Osteosynthese ha-
wegen starker Schmerzen im Frakturbereich. Der häufigste ben i.d.R keine Frakturschmerzen, weniger Probleme mit dem
Grund dafür ist das Absinken des Humerus nach dorsal (Re- Hämatom und der Lagerung des Arms.
troversion) oder ein nicht fixiertes Tuberculum majus. Der Gil- Pathologische Frakturen werden nach Tumorexstirpation
christ-Verband vermag evt. die Fraktur nicht ausreichend ru- auch mit einer Humeruskopfprothese versorgt (. Abb. 7.32 c).
higzustellen. Bei diesen Patienten ist, entsprechend der Grundkrankheit, eine
Ältere Patienten leiden an Atembeschwerden, wenn der Un- vorsichtige Dosierung der Bewegungstherapie erforderlich. Me-
terarm zu fest am Thorax fixiert ist. Die Thoraxbewegung ist chanisch gesehen, besteht Bewegungsstabilität.
dann eingeengt. Ein ausgeprägtes Hämatom und Ödem sind zu- Bei Kombinationsverletzungen, z.B. Luxationsfraktur mit
sätzliche Ursachen für Schmerzen. Das Hämatom sackt entlang Beteiligung des N. axillaris oder Plexus brachialis, werden ent-
der Muskellogen ab und wird nach einigen Stunden am Thorax, lastende Verbände oder ein individuell angepasstes Abdukti-
an der Innenseite des Oberarms und sogar am Unterarm sicht- onskissen angelegt. Geht die Schwellung nicht zurück, muss ein
bar. Zusätzlich entwickelt sich sehr bald eine ausgeprägte Atro- Armstützstrumpf angepasst werden.
phie des M. deltoideus, der Rotatorenmanschette und Ober- Auch bei röntgenologisch schlechtem Befund kann das funk-
armmuskulatur (7 Kap. 8, »Humerusschaftfraktur). tionelle Ergebnis einer Oberarmkopffraktur durchaus befriedi-
Deshalb wird heute die Indikation zur operativen Versor- gend werden. Eine längerfristige, fachgerechte physiotherapeu-
gung und Refixation des Tuberculum majus häufiger gestellt als tische Behandlung hat deshalb ihre Berechtigung und sollte
früher. Unter Berücksichtigung von Alter und Aktivität des Pa- nicht zu früh abgebrochen werden.
tienten wird eine Entscheidung für bzw. gegen eine geschlos- In der Regel werden Oberarmkopffrakturen frühfunktionell
sene oder offene Reposition und Osteosynthese getroffen. nachbehandelt, wenn es die Stabilität zulässt.
Eingesetzt werden:
5 Schraubenosteosynthesen, Physiotherapeutische Behandlung
5 Plattenosteosynthese, Kleeblatt-, Philos- oder NCB-Platte, Alte Menschen haben weniger Kraft, Ausdauer und Koordina-
5 Zuggurtungsverfahren, tion als junge. Ihre Behandlung muss deshalb entsprechend do-
5 proximaler Humerusnagel, siert werden. Statische Muskelarbeit kann nicht im gleichen
5 minimal invasive perkutane Osteosynthese mit kanülierter Umfang wie bei anderen Trainingsprogrammen gefordert wer-
Schraube, den (Atmung beachten!). Es sollte überlegt werden, ob leichte
5 Wendeldrähte aus Titan, sog. »helix-wire« (Spiralen mit re- Aktivitäten sinnvoller und effektiver sind.
lativer Instabilität nach Laminger und Traxler 1999), Patienten, die nach den Prinzipien der AO mechanisch be-
5 K-Drähte. wegungsstabil versorgt wurden, können das Schultergelenk ab
dem 2. postoperativen Tag aktiv dynamisch beüben. Dadurch
K-Drähte wandern jedoch leicht im weichen Knochen und irri- wird die Beweglichkeit des Schultergelenks sehr viel schneller
tieren den Weichteilmantel; sie können sogar die Haut durch- zurückgewonnen. Jedoch darf dies den Physiotherapeuten nicht
stoßen. Sie sind meist locker bevor die Fraktur konsolidiert ist dazu verleiten, vorzeitig Widerstand unterhalb der Fraktur zu
und eignen sich deshalb nicht für poröse Knochen bei älteren geben.
Patienten. Ergänzt wird die Methode deshalb mit einem sog. Wird in den ersten Tagen eine Schmerztherapie durch-
»Humerusblock« nach Resch (2003). geführt, muss der Physiotherapeut dies beachten, denn der
Heute wird in den ersten Tagen nach dem Unfall eine Schmerz als Schutzmechanismus bei zu intensiven Bewegungen
Schmerztherapie mit zentral wirkenden Medikamenten durch- fällt aus. Jede Form von Belastung ist auch bei diesen Patienten
geführt. Zusätzlich wird bei bewegungsstabilen Osteosynthesen erst nach der Knochenheilung erlaubt.
eine niedrig dosierte Übungsbehandlung zur Unterstützung der In Ergänzung zu den Heilungsphasen haben manche Kli-
Knochenheilung schon in den ersten postoperativen Tagen be- niken Richtlinien für die Nachbehandlung von Humerusfrak-
gonnen. turen und deren Begleitverletzungen aufgestellt, an denen Phy-
In ausgewählten Fällen, wenn mehrere Fragmente nicht zu siotherapeuten sich orientieren können.
stabilisieren sind, kommt eine prothetische Versorgung in Frage. Beispielhaft sollen hier einige Richtlinien für besondere
Die beiden Tubercula müssen refixiert werden, um eine Sublu- Verfahren aufgeführt werden, wie sie am Klinikum Großhadern
xationsstellung der Prothese zu vermeiden. Die Rotatorenman- der LMU München gehandhabt werden. Die Angaben sind je-
schette benötigt eine Grundspannung, damit sie den Kopf in doch nicht unkritisch umzusetzen, sondern als Richtwerte zu
der Pfanne zentrieren kann. Ist diese zu gering, kommt es zu verstehen. Heilungsverlauf und aktueller Befund bestimmen
einer erheblichen Bewegungsbeeinträchtigung. Alternativ wird letztendlich immer die Maßnahmen. In den 7 Übersichten 7.3–
bei diesen Patienten auch eine Verbundosteosynthese durchge- 7.6 sind verschiedene postoperative Behandlungspläne angege-
führt. ben.
134 Kapitel 7 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Schultergelenks und Rotatorenmanschettenrupturen

1 . Übersicht 7.3. Behandlungsplan nach . Übersicht 7.5. Behandlungsplan nach


Humeruskopffraktur und Osteosynthese mit Philos- Humeruskopfprothese
2 Platte, NCB-Platte oder Kleeblatt-Platte 1. – 2. Woche
Für alle Patienten ist die Schmerz-, Ödem- und Hänatombe- 5 Lagerung in max. 30°-Abduktionskissen in Rotations-
handlung gleich. nullstellung,
3 1. – 7. Tag 5 passives Bewegen; Bewegungsgrenze für Abduktion
5 Armschlinge oder Gilchrist-Verband darf bei der Physi- 30–0–60° vom Abduktionskissen aus, schmerzabhän-
4 otherapie abgenommen werden), gige Flexion, Rotation 20–0–20°,
5 aktiv/assistives Bewegen bis 60° Flexion/Abduktion, 5 aktives Bewegen der Ellenbogen- und Handgelenke;
5 aktiv/assistives Bewegen bis 20° Rotation (20–0–20°), Abduktionskissen soll 6 Wochen lang getragen werden,
5 5 aktives Bewegen der Hand- und Ellenbogengelenke, Bewegungsbegrenzung bleibt solange erhalten.
5 Haltungsschulung. 3. – 4. Woche
6 2. – 4. Woche 5 Beginn assistiven/aktiven Bewegens und isometrischer
5 Armschlinge, wenn Arm nicht gelagert ist, jedoch auf Muskelspannungen bei vorgegebener Limitation; das
jeden Fall nachts, Abduktionskissen darf zur Behandlung abgenommen
7 5 Narbenbehandlung, werden.
5 aktiv/assitives Bewegen bis 80° Flexion/Abduktion. 5. – 6. Woche
8 5. – 6. Woche 5 freies aktives Bewegen und Halten in vorgegebener
5 Armschlinge nach Befinden ablegen, Bewegungsbegrenzung.
5 aktiv/assistives Bewegen bis 120° Flexion, Rotation
9 aktiv isometrisch.
Nach 6 Wochen
5 Abtrainieren des Abduktionskissens und Erarbeiten des
Ab der 7. Woche MTW 3, Abduktion 90°, Rotation frei,
10 5 schmerzabhängige Bewegungserweiterung, 5 langsame Steigerung der Übungen gegen angepassten
5 langsam steigernde Muskelkräftigung, Widerstand.

11 5 Koordinations- und Stabilisationstraining in der ge- 8. – 10. Woche


schlossenen Kette und in freien Bewegungen. 5 Erabeiten der Schultergelenkstabilität und freien Be-
weglichkeit in freier und geschlossener Muskelkette.
12 Sport ist nach Rücksprache mit dem Arzt, frühestens nach
3 Monaten, möglich.
13 . Übersicht 7.4. Behandlungsplan bei zusätzlichem
Abriss des Tuberculum majus
Ist als Begleitverletzung das Tuberculum majus abgerissen,
14 wird die Bewegungsgrenze länger eingehalten. . Übersicht 7.6. Behandlungsplan nach inverser
1. – 4. Woche Schulterprothese, Typ Delta 3 (Depuy), modifiziert
15 5 Bewegungsgrenze für Flexion/Abduktion bei 0–0–60°, nach Seebauer
1. – 6. Woche
5 Arm wird in Abduktionskissen ruhiggestellt; es darf zur
Behandlung abgenommen werden. 5 Ruhigstellung in ca. 40°-Schulterarmkissen.
16 Ab der 5. Woche Ab 1. Tag postoperativ
5 aktiv/assistives Bewegen bis 80° Abduktion, 5 passive/aktive Skapulabewegungen und Stabilisation,
17 5 Kissen kannn langsam abtrainiert werden, 5 Schultergelenkabduktion und -flexion im schmerz-
5 Nullstellung der Adduktion/Extension wird erlaubt, freien Bereich,
5 aktiv/assistives Bewegen in Rotation 30–0–30°. 5 AR/IR nur auf dem 40°-Abduktionskissen,
18 Ab der 7. Woche
limitiert 20–0–20°,
5 keine Extension/Retroversion und Adduktion,
5 aktiv/assistives Bewegen bis 120° Flexion (schmerzab-
5 Kräftigung der Gelenk sichernden Muskulatur auf MTW
19 hängige Steigerung),
3 innerhalb der ersten 3 Wochen (Proliferationsphase).
5 weitere Behandlungen . Übersicht 7.1, 7.3.
6
20
21
7.7 Oberarmkopffraktur
135 7

Prüfen 5 Muskeltest bis Stufe 3 der Hand-


4. – 6. Woche und Ellenbogenmuskulatur bei
5 assistives Bewegen unterhalb der Horizontalen im passiver Fixation der Fraktur.
Sinne der Alltagsfunktionen. 5 Qualität des Bewegungsstopps.
5 Test der neuromeningealen Struk-
Ab 5. Woche
turen.
5 aktive Rotation im schmerzfreien Bereich.
5 Tests für eine Bizepssehnenver-
Ab 7. Woche letzung.
5 Kräftigung des M. deltoideus und der Rotatorenman- Wichtig
schette, Kein Testen nach Cyriax, bevor die Be-
5 MTW < 5 gegen angepasstem Widerstand, keine Bewe- wegungsgrenze aufgehoben wurde
gungslimitation mehr. und die Konsolidierung erfolgte.

Ab 8. Woche Notieren und 5 Intensität, Qualität und Lokalisati-


5 Beginn mit Rückenschwimmen. Bewerten on von Schmerzen (VAS).
5 Beeinträchtigung im Alltag, Teilha-
be an der Gesellschaft.
5 Fähigkeit, ein selbständiges Leben
zu führen (7 Kap. 2),

Komplikationen

5 Abriss des Tuberculum majus (selten Tuberculum minus), Testung einer Bizepssehnenverletzung
5 verzögerte Heilung, Pseudarthrose, Es gibt drei Tests, die eine Bizepssehnenverletzung bestätigen
5 Kopfnekrose, können.
5 nicht haltende Reposition,
5 Impingement-Syndrom, Test nach Yergason
5 Weichteilschädigung, Zur Ermittlung der Schädigung der langen Bizepssehne soll der
5 Subluxationsstellung mit schlechter Funktion, Ellenbogen aktiv/gegen Widerstand (wenn Widerstand erlaubt
5 neurovaskuläre Verletzungen, ist) supiniert und leicht gebeugt werden. Der Therapeut palpiert
5 Verletzung der Bizepssehne im Sulcus intertubercularis. dabei den Sulcus intertubercularis. Beurteilungskriterien sind
Schmerz und Schwäche.

Befunderhebung Palm-up-Test
Ist angepasster Widerstand erlaubt, kann der Palm-up-Test
durchgeführt werden. Der Arm soll in Abduktion und leichter
Beurteilen 5 Röntgenbild im Hinblick auf Frak-
horizontaler Adduktion, im Unterarm supiniert und leicht ge-
turstellung und Konsolidierung.
5 Lage des Osteosynthesematerials.
beugt, gehalten werden. Schmerzen im Sulcus intertubercularis
5 Stellung des Tuberculum majus. weisen auf eine Bizepssehnenverletzung hin.
5 Lagerung des Arms, Stellung des
Schultergürtels und Kopfes. Schnapptest
5 Hämatom (ansonsten s. auch Auch der sog. Schnapptest kann eine Bizepssehnenverletzung
Schulterluxation). ermitteln. Der horizontal abduzierte und gebeugte Arm wird
passiv innen- und außenrotiert. Durch Palpation am Sulcus in-
Messen 5 Umfang.
5 Ellenbogen- und Handgelenkbe-
tertubercularis können Schmerzen und ein Schnappen ausgelöst
weglichkeit nach Abnahme des Gil- werden.
christ-Verbandes.
5 Aktive Schultergelenkbeweglich-
keit, soweit nicht ärztlicherseits be- Behandlungsmöglichkeiten
grenzt.
Grundsätzliches Vorgehen
In . Übersicht 7.7 sind die Gesichtspunkte der physiotherapeu-
tischen Behandlung nach Oberarmkopffrakturen zusammenge-
fasst.
136 Kapitel 7 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Schultergelenks und Rotatorenmanschettenrupturen

5 unterstütztes schmerzfreies Bewegen in den vorgegebenen


1 . Übersicht 7.7. Gesichtspunkte der Behandlung Bewegungsbegrenzungen.
1. Größtmögliche Schmerzfreiheit.
2 2. Resorption des Hämatoms. Nach Entfernung der Fäden darf nach einigen Tagen mit einer
vorsichtigen Narbenbehandlung begonnen werden.
3. Sicherung der Fraktur/Osteosynthese durch aktive
Muskelspannung.
3 4. Kräftigung des M. biceps, M. triceps; M. deltoideus, M. 3. Sicherung der Fraktur/Osteosynthese
pectoralis und der Mm. supra- und infraspinatus (ge- Die physiotherapeutische Übungsbehandlung muss in den er-
sten 6 Wochen (Proliferations- und Konsolidierungszeit) die
4 gen Widerstand erst nach 6 Wochen).
muskuläre Sicherung der Fraktur erreichen und den Heilungs-
5. Mobilisation des Schultergelenks, Entspannung des M.
trapezius. prozess unterstützen. Geeignete Techniken sind »Endstellung –
5 6. Funktionserhaltung der Ellenbogen-, Hand- und Fin- Halten« und »Bewegen – Halten« gegen Führungskontakt bei
gergelenke. abgenommener Armschwere. Als Endstellung gilt die indivi-
duelle Schmerzgrenze oder die verordnete Bewegungsbegren-
6 7. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten des Schul-
tergelenks. zung.
Zur Kontraktionsschulung kann Eisabtupfen oder -reiben
7 über dem Muskel als Stimulation effektiv sein. In der frühen
Konsolidierungsphase sind die manuellen Griffe bei diesen Pa-
1. Reduzieren der Schmerzen tienten besonders schwierig, da man mit der Hand nicht sicher
8 Schmerztherapeutisch werden nichtsteroidale Analgetika und unter den Humeruskopf kommt. Die Führung gebende Hand
Antophlogistika verabreicht. sollte immer dicht unter dem Akromion angelegt sein, wenn
Die Lagerung des Arms ist in der posttraumatischen oder der Arm im freien Raum bewegt wird. Ist der Arm gelagert,
9 postoperativen Zeit ein wichtiger Behandlungspunkt zur Lin- kann der Kontakt für die M.-deltoideus-Aktivierung am Olek-
derung der Schmerzen (s. allgemeiner Teil). Wenn das Abduk- ranon sein. Für eine sichere Technik fehlt eigentlich immer ei-
10 tionskissen 24 Stunden getragen werden muss, gestaltet sich die ne dritte Hand.
Lagerung im Bett schwierig. Kann der Arm bei ausgeschalteter Armschwere (hubarm)
Der Oberarm muss in ganzer Länge (bis unter den Hume- abduziert werden, wird gegen die Schwere geübt. Der Schwer-
11 ruskopf!) im Abduktionskissen mit einem kleinen Schaum- punkt liegt auf der Erarbeitung der Teststufe 3 für den M. deltoide-
stoffkeil so weit unterlagert werden, bis der Ellenbogen etwas us. Es bewährt sich, mit Skapulabewegungen in der 2. Diagona-
12 höher liegt als der Rumpf. In manchen Fällen ist eine Schmerz- le zu beginnen (. Abb. 8.9 und 22.14 und 7 Abschn. 7.1, Behand-
linderung nur durch den entlasteten Sitz im Bett möglich. Die- lungsmöglichkeiten, 7 Kap. 8, »Humerusschaftfraktur«).
ser soll jedoch nicht als Dauerlösung gewählt werden (Schwel-
13 lung, Hämatom!). 4. Kräftigung des M. biceps und M. triceps
Nach einiger Zeit, wenn die akuten Schmerzen nachlassen, Eine Kräftigung wird bei passiver Fixation der Fraktur distal am
14 wird der Arm nachts auf einem Schaumstoffkeil (30° Abdukti- Oberarm mit der PNF-Technik »Betonte Bewegungsfolge« ge-
on und 30° Anteversion) gelagert. Diese Lagerung wird auch für gen angepassten Widerstand oder mit anderen Bewegungs- und
operierten Patienten empfohlen. Halteformen erreicht.
15 Bei der Lagerung auf dem Armkeil kann zusätzlich ein Fell Bei schmerzhafter Bizepsspannung und -dehnung muss ei-
unter den Unterarm gelegt werden, das am Ende zusammenge- ne Entspannungstechnik vorgeschaltet werden. Dies kann durch
rollt wird. Dadurch liegen das Olekranon frei und die Hand lo- die PNF-Technik »Rhythmische Stabilisation – Entspannen –
16 cker über einer Rolle. Drehpunkt Ellenbogengelenk« geschehen oder durch »stop-
and-go«-Techniken.
17 2. Resorption des Hämatoms/Ödems, Narbenbehandlung Die Kräftigung des M. deltoideus und der Schultergelenkro-
Die Hochlagerung trägt zur Resorption der Schwellung und des tatoren gegen angepassten Widerstand darf erst nach 6 Wochen
Hämatoms bei. Eiskompressen oder Umschläge mit kühlen Tü- erfolgen, wenn das Röntgenbild eine Teilbelastung erlaubt.
18 chern sowie Spannungsübungen im Sekundenrhythmus wer-
den nur in der ersten Behandlungsphase angewandt. Effektive 5. Mobilisation des Schultergelenks
19 Maßnahmen sind: Die typischen Bewegungseinschränkungen nach Humeruskopf-
5 Massage für die Schultergürtelmuskulatur, frakturen sind Flexion und Außenrotation im Schultergelenk
5 Manuelle Lymphdrainage, sowie vorzeitiges Mitbewegen der Skapula. Die Ausweichbewe-
20 5 milde Wärmebehandlung der Schultergürtelmuskulatur gungen der Skapula müssen zugunsten der Funktion toleriert
und werden, wenn die Koordination von Skapula und Klavikula mit
21 dem Humeruskopf nicht mehr erreicht wird.
7.8 Patientenbeispiel
137 7

Die aktive oder passive Fixation der Skapula ist Vorausset- den die komplexen Bewegungsmuster mit 4-fach gefaltetem
zung für eine erfolgreiche Mobilisation des Schultergelenks. Seil, kurzem Stab, Keule, Ball oder leichtem Theraband.
Häufig wird die Abduktion nur durch vorzeitiges Schwenken Ab der 7. Woche können Stützübungen im geschlossenen
der Skapula nach lateral/kranial vorgetäuscht. Bei alten Men- System begonnen und befundbezogen gesteigert werden.
schen wird man jedoch zugunsten der Funktion Kompromisse Die Patienten können nun auch zusammen in Gruppen
schließen und nicht hartnäckig auf der exakten Skapulastellung üben. Ältere Menschen werden dadurch oft sehr positiv zu grö-
beharren. Die vorab genannte Bewegungseinschränkung resul- ßerer Eigenaktivität motiviert.
tiert aus dem Ungleichgewicht der Kräfte: Armschwere, Mus- Ein einfach ausgearbeitetes Übungsprogramm zum Selbstü-
kelzug und Stabilisation der Pfanne in der für die Bewegungs- ben muss exakt vorgeübt und kontrolliert werden. Die in 7 Ab-
achse richtigen Stellung. schn. 7.1 angegebenen Übungsbeispiele können übernommen
Als Techniken kommen in Frage: werden, wenn die Griffe ganz proximal angesetzt werden, und
5 »Chirurgische Technik« (PNF), die Auswahl der Maßnahmen den Gesichtspunkten der Be-
5 Rhythmische Stabilisation – Entspannen – Weiterziehen handlung von Oberarmkopffrakturen untergeordnet werden.
ohne Rotation oder
5 Dynamische Umkehrbewegung – Entspannen – aktiv Wei-
terziehen« in Rotationsnullstellung. 7.8 Patientenbeispiel
Wichtig Befundaufnahme
Unter Beachtung des Heilungsverlaufes wird zunächst die
Name des Patienten: Herr U.
Abduktion, dann die horizontale Adduktion und anschlie-
48 J., Geschäftsführer
ßend die Flexion mit Außenrotation mobilisiert.
Rechtshänder
Name des Therapeuten: Frau L.
Die schon beschriebenen kleinen Pendelbewegungen aus dem Einweisungsdiagnose: Schultergelenkverletzung rechts
Lot können ebenfalls angewandt werden, wenn der Arm im Lot Nebendiagnosen: Keine
hängen kann. Diese Übungen sollen nicht durchgeführt wer- Röntgenbefund: Sprengung des Akromioklavikulargelenkes
den, wenn der M. biceps verkürzt ist und ein lockeres Hängen rechts, Rockwoodverletzung III
des Arms verhindert. Versorgung: 2 Tage nach Unfall operativ Q x konserva-
Erst nach Konsolidierung der Fraktur dürfen passive oder tiv Q
aktiv-passive Techniken zur Mobilisation angewandt werden Operation: Zuggurtungsostesynthese und Bandnaht am rechten
(7 Abschn. 7.1, Behandlungsmöglichkeiten). Schultereckgelenk
Beruht die Bewegungseinschränkung nicht auf einer mus- Versorgung:
kulären Verkürzung, sondern auf einer Kapselschrumpfung, s.o.; postop. Gilchrist-Verband und 2 Tage stationäre Auf-
kommen Techniken der Manuellen Therapie zur Anwendung nahme.
(. Abb. 7.11). Die Konsolidierung der Fraktur und die Interpre- Schmerzmedikation: Ibuprofen 4x400 mg (p.o.), bis
tation des Befundes geben die Auswahl der Mobilisationstech- Schmerzen ≥ 3 VAS.
niken an. Eine sorgfältige Kontrolle der Symptome und Dosie- Redon-Drainage.
rung der Maßnahmen ist notwendig. Stabilität:
Bewegungsstabilität für assistive Bewegung bei Bewe-
6. Funktionserhaltung der Ellenbogen-, Hand- und Fingerge- gungsbegrenzung (s. Procedere).
lenke Procedere:
Diese Gelenke sollen bei passiver Fixation der Fraktur in al- Gilchrist-Verband für 1 Woche.
len Bewegungsrichtungen von Anfang an mit manuellen Tech- Bewegungsgrenze für 6 Wochen:
niken endgradig geübt werden. Bei Erreichen der Muskeltest- Abduktion 0–0–60° assitiv bei abgenommener Arm-
stufe 3 können auch kleine Handgeräte wie kurzer Stab, Keule, schwere,
Ball etc. dazugenommen werden. Voraussetzung für den Ein- Flexion 0–0–90° hubarm und aus dem Lot.
satz von Geräten ist, dass gegen Eigenschwere des Arms geübt Schmerzabhängig Armschlinge benutzen.
werden darf. Röntgen nach 4 und 8 Wochen, Sportfähigkeit nicht vor 9
Monaten, Arztentscheidung.
7. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten Unfallanamnese:
Sind die Einzelbewegungen des Schultergelenks fast frei, kön- Patient hatte einen Reitunfall an einem Samstag, ging erst
nen komplexe Bewegungen in PNF-Mustern oder deren Ab- am Montag zum Hausarzt, der ihn in die Klinik einwies.
wandlungen nach Klein-Vogelbach geübt werden. Variiert wer- Dort Röntgen. Patient entschied sich für Operation, die
dann abends durchgeführt wurde.
138 Kapitel 7 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Schultergelenks und Rotatorenmanschettenrupturen

ICF-Dokumentation
1
Name/Alter: Herr U., 48 J. Behandlungsziel: Völlige Wiederherstellung des ACG und der Arm-
2 Diagnose: ACG-Sprengung Rockwood III rechts aktivitäten
Zuggurtungsosteosynthese und Bandnaht vor 1 Woche, Gilchrist-
Verband darf abgenommen werden
3 Befund nach 1 Woche postop.

Struktur/Funktion Aktivität Partizipation


4 Patient gibt an, Patient gibt an, Patient gibt an,
5 er habe geringe ziehende Schmerzen an der 5 er könne sich nicht selbständig 5 sich zu ärgern, dass er nicht
5 Operationsnarbe,
5 er habe keine Kraft im rechten Arm,
an- und ausziehen und waschen,
5 er sei absoluter Rechtshänder
Auto fahren könne und ab-
hängig sei von Personen, die
5 er habe nachts Probleme, den rechten Arm zu lagern, und könne bisher eigentlich ihn fahren müssen
6 5 er habe ein Steifheitsgefühl im Ellenbogen. nichts machen außer spazieren
gehen,
5 er könne sein Pferd nicht
bewegen,
5 er fühle sich heute nach 5 er fühle sich in seinem Privat-
Patient

7 Abnahme des Gilchrist-Ver- leben beeinträchtigt.


bandes unsicher.

5 Gilchrist-Verband zur Befunderhebung abgenommen. 5 Patient ist bisher durch Gilchrist- 5 Patient wurde mit dem Auto
8 5 Fäden noch vorhanden, Wunde reizlos in Abheilung. Verband in seinen Aktivitäten gebracht, ist weitgehend un-
5 Atrophie M.deltoideus, rechter Humeruskopf steht et- eingeschränkt. selbständig und ist darüber
9 was tiefer als linker. unglücklich.
5 VAS > 3 bei Druck auf ACG und hängendem Arm in Null- 5 Ist jedoch zu Hause gut ver-
stellung. Schmerzfrei bei abgenommener Armschwere sorgt durch Ehefrau und
10 und gebeugtem Ellenbogen. Patient nimmt keine Hilfskraft.
Schmerzmittel mehr. 5 Möchte baldmöglichst wie-
5 Geringer Schulterhochstand rechts. der arbeiten und reiten.
11 5 Tonuserhöhung M. trapezius, M. biceps.
5 Gelenkbeweglichkeit:
– Schultergelenkabduktion/-flexion bei abgenom-
12 mener Armschwere frei bis 60°.
– Außen-/Innenrotation in Nullstellung des Oberarms
seitengleich.
13 – Skapulabewegungen nicht getestet.
– Ellenbogenflexion rechts: aktiv 150–10–0°, passiv
14 frei; links 150–0–0°.
– Bei endgradiger Ellenbogenextension Spannungs-
gefühl im M. biceps; Bewegungsstopp weich.
15 – Pro-/Supination seitengleich.
– Finger- und Handgelenke frei.
5 Keine Sensibilitätsstörungen.
16 5 MTW:

M. deltoideus 2 (nur auf 2 getestet, s. erlaubtes


17 Bewegungsmaß)
M. triceps 2–3 (nicht gegen Schwerkraft getestet)
18 M. biceps 4 (nur Ellenbogengelenke)

5 Röntgenkontrolle: ACG-Position regelrecht, Material fest.


19
Kontextfaktoren / (+) oder (–)

20 Umweltfaktoren Personenbezogene Faktoren


Therapeut

(+) im häuslichen Bereich gut versorgt (+) gute körperliche Verfassung


(–) derzeit noch keine Möglichkeit, berufstätig zu sein (+) sehr gute Compliance
21 (+) hohe Motivation
7.9 Literatur
139 7

Ê Im Internet (www.springer.de/978-3-540-68241-7, unter Voigt C (1994) Die Behandlung der akromioklavikulären Luxation mit der
dem Link »Patientenbeispiele«) erfahren Sie mehr über Gelenkplatte nach Ramanzadeh. Aktuelle Traumatol 24:128
Herrn U. und den weiteren Therapieverlauf: die Behand- Weigel B, Nerlich M (2005) Praxisbuch Unfallchirurgie Bd 1 und 2. Spring-
er, Berlin Heidelberg New York
lungsziele, die bei ihm wichtigen Gesichtspunkte der Be-
Winkler H (1994) Die Behandlung der Akromioklavikulargelenkver-
handlung und einen Therapievorschlag für eine Behand-
renkung durch Zuggurtung und Bandnaht. Aktuelle Traumatol 24:
lungseinheit. 133

7.9 Literatur Die Röntgenbilder 7.31 und 7.32 verdanke ich OA Dr. Thomas Löffler, Cir-
urgische Universitätsklinik Großhadern, Universität München.
Buck M. et al. (2001) PNF in der Praxis 4. Aufl. Springer, Heidelberg Ber- Die Abbildungen 7.6–7.10, 7.19, ebenso die Abbildungen 7.22–7.24
lin New York verdanke ich Frau Claudia Klose.
Burstein AH, Wright TM (1997) Biomechanik in der Orthopädie und Trau- Die Fotos zur Manuellen Therapie, Abb. 7.11. verdanke ich Frau Bar-
matologie. Thieme, Stuttgart New York bara Dopfer, Praxis für Physiotherapie und Handrehabilitation Görges- Ra-
Butler DS (1998) Die Mobilisation des Nervensystems, 2. Nachdruck. dina, München.
Springer, Berlin Heidelberg New York Die Abbildungen 7.12–7.17 konnte ich freundlicherweise in der Pra-
Cailliet R (1975) Shoulder Pain. Davis, Philadelphia, pp 78–84 xis »movere« bei Uli Engelmann und Geza Sturm, München, anfertigen.
Cyriax J (1978) Textbook of orthopedic medicine, 7. Aufl. Bailliere Tindall,
London
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4. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg New York
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Van den Berg F et.al. (2001) Angewandte Physiologie Bd 3. Thieme, Stutt-
gart
8

Humerusschaftfrakturen

Einteilung – 142
Ursachen – 142
Charakteristische Symptome/
Leitsymptome – 142
Behandlungsrichtlinien und
therapeutische Maßnahmen – 142
Komplikationen – 143
Befunderhebung – 145
Behandlungsmöglichkeiten – 145

8.1 Literatur – 149


142 Kapitel 8 · Humerusschaftfrakturen

Einteilung 5 verminderte oder ausgefallene Sensibilität im entspre-


1 chenden Versorgungsgebiet,
5 Rotationsbrüche, Spiralbrüche, 5 Neuropraxie (Axone und Nervenhülle erhalten),
2 5 Querbrüche, 5 Axonotmesis (Axone gequetscht),
5 Biegungsbrüche, 5 Neurotmesis (Axone und Nervenhülle durchtrennt),
5 Trümmerbrüche.
3 Entsprechend ist die Nervenleitgeschwindigkeit herabgesetzt
Nach Müller et al. (1992) werden Humerusschaftfrakturen in oder aufgehoben.
Typ A, B und C eingeteilt. Bei Gefäßdurchtrennung:
4 5 Ischämie.
Typ A Einfache Frakturen
5 A1 Spiralförmige Frakturen
Behandlungsrichtlinien und therapeutische
A2 Schräge Frakturen Maßnahmen
6
A3 Quere Frakturen
Der Humerus ist im Schaftbereich von Muskulatur umgeben,
7 die für die Heilung der Schaftfrakturen eine gute Vaskularisie-
Typ B Keilfrakturen rung bieten. Ungünstig hingegen ist die enge Beziehung zum N.
radialis, der im mittleren Bereich durch den Sulcus n. radialis
8 B1 Mit Drehkeil verläuft und häufig verletzt wird.
B2 Mit Biegungskeil
Ärztliche Behandlung
9 B3 Mit fragmentiertem Keil Zur Diagnostik werden Röntgenaufnahmen in zwei Ebenen ge-
macht. Wird eine Marknagelung gewählt, kann die Aufnahme
10 Typ C Komplexe Frakturen
des gesunden Oberarms zur Längenbestimmung des Nagels
dienen. Die Oberarmschaftfraktur wird heute zunehmend ope-
C1 Spiralförmige Frakturen rativ mit einer DC-Platte oder einem ungebohrten, verriegelten
11 Marknagel behandelt. Sie ist bewegungsstabil und benötigt kei-
C2 Etagenförmige Frakturen
ne äußeren Ruhigstellungsmaßnahmen.
12 C3 Irreguläre Frakturen Bei Marknagelung ohne beidseitige Verriegelung darf al-
lerdings keine Rotationsbewegung im Schultergelenk bis zur 6.
Woche durchgeführt werden.
13
Ursachen Konservatives/operatives Vorgehen
14 Wird die Fraktur konservativ behandelt, kommen als ruhigstel-
5 Sturz auf den Ellenbogen, die Hand oder direkter Schlag lende Maßnahmen infrage:
(Autounfall), 5 Gilchrist- oder Desault-Verband (. Abb. 7.7),
15 5 pathologische Frakturen. 5 Abduktionskissen mit Keilaufbau (. Abb. 8.1) für ca. 6 Wo-
chen. Dieses Modell garantiert eine exakte Lagerung des
Oberarms in ca. 40° Abduktion und gibt dem Unterarm ei-
16 Charakteristische Symptome/Leitsymptome ne gute Unterstützungsfläche (Fa. Kurtze, München),
5 Sarmiento-Brace nach Gilchrist-Verband bis zur 7. Woche.
17 5 Bewegungsschmerz,
5 Bewegungsunfähigkeit, Das Hauptproblem besteht dabei in der Ruhigstellung des pro-
5 Achsenabweichung, ximalen Fragmentes, das nur muskulär gehalten wird und sehr
18 5 Schwellung, leicht disloziert.Achsenfehlstellungen von bis zu 10° und geringe
5 Krepitation. Rotationsfehler werden toleriert.
19 Eine Operationsindikation besteht bei:
Bei N.-radialis-Verletzung: 5 Achsenabweichungen von mehr als 10° und deutlicher Ro-
5 Überdehnung, selten Durchtrennung (Einklemmung oder tationsfehlstellung,
20 Aufspießung durch Fragmente), 5 Läsion des N. radialis,
5 Fallhand, 5 offenen Frakturen oder wenn die Fragmente operativ bes-
21 ser zu reponieren sind,
8 Humerusschaftfrakturen
143 8

Besteht eine N.-radialis-Komplikation, wird die Nervenleitge-


schwinigkeit gemessen und ein neurologischer Status erhoben.
Erhärtet sich der Verdacht, muss eine Dekompression und ggfs.
eine Nervennaht gemacht werden. Bei Auftreten einer Ischämie
ist eine postoperative Kontrollangiografie indiziert.
Bei der Materialentfernung ist zu beachten, dass der N. ra-
dialis über einer Plattenosteosynthese leicht zu verletzen ist.
Auch bei Entfernung eines Marknagels bestehen Probleme, z.B.
wegen einer erneuten Öffnung der Rotatorenmanschette oder
Ausschneidung eines größeren Knochenfensters. Wenn keine
zwingende Situation besteht, sollte das Material nicht entfernt
werden.

. Abb. 8.1a,b. Abduktionskissen a von hinten, b von vorne


Komplikationen
5 polytraumatisierten und adipösen Patienten, 5 N.-radialis-Schädigung (primär oder sekundär, auch bei
5 beidseitigen Frakturen, Plattenentfernung),
5 primären Gefäßschäden (Ischämie), 5 A.-brachialis-Verletzung,
5 Kettenfrakturen und Pseudarthrosen (. Abb. 8.2–8.4). 5 Pseudarthrose,
5 Infekt.
Häufig wird primär schon eine Spongiosaplastik durchgeführt.
Bei pathologischen Frakturen besteht immer eine zwingende
Indikation zur Operation. Nach Ausräumung des Tumors wird
eine Humerusschaftprothese eingesetzt (. Abb. 8.5, 8.6). In sel-
tenen Fällen muss bei schweren Weichteilverletzungen ein Fi-
xateur externe angelegt werden, später wird dann eine Platten- ,
Nagel- oder Schraubenosteosynthese eingebracht. Die Versor-
gung sollte bewegungsstabil sein, um frühfunktionell nachbe-
handeln zu können.

. Abb. 8.2a,b. a Oberarmschaftfraktur,


b Osteosynthese nach Oberarmschaftfraktur
144 Kapitel 8 · Humerusschaftfrakturen

. Abb. 8.3. Oberarmschaft- . Abb. 8.5. Pathologische Hu-


1 fraktur merusschaftfraktur

2
3
4
5
6
7 . Abb. 8.4. Oberarmschaftfraktur,
Osteosynthese mit Verriegelungsnagel

8
9
. Abb. 8.6. Humerusschaftprothese
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
8 Humerusschaftfrakturen
145 8

Befunderhebung

Beurteilen 5 Hautverfärbung (Hämatom).


5 Atrophie der Mm. biceps, triceps, deltoideus.
5 Schwellung und Temperatur.
5 Muskuläre Spannungserhöhung.
5 Gelenkstellung und Kontur des Schulter- und Ellenbogengelenks.
5 Röntgenbild: Frakturstellung, Osteosynthese und Konsolidierung entsprechend den Heilungsphasen.
5 Schonhaltung.

Messen 5 Aktives Bewegungsausmaß des Schulter- und Ellenbogengelenks.


5 Umfangmaße an Ober- und Unterarm

Prüfen 5 Muskeltest entsprechend der Stabilitätsgrade:


– lagerungsstabil,
– bewegungsstabil,
– belastungsstabil,
– trainingsstabil.
Nach Osteosynthese ist die Fraktur meist bewegungsstabil.
5 Sensibilität im Versorgungsgebiet des N. radialis (täglich prüfen!).
5 Kontraktionsfähigkeit der vom N. radialis versorgten Muskulatur (täglich prüfen!).
5 Qualität des Bewegungsstopps in Schulter- und Ellenbogengelenk.
5 Puls.
5 Gebrauchsbewegungen.

Notieren und Qualität, Intensität und Lokalisation von Schmerzen und sonstigen Beschwerden der Armfunktion (VAS).
Bewerten

Behandlungsmöglichkeiten 1. Sicherung der Oberarmschaftfraktur/Osteosynthese oder


Prothese
Grundsätzliches Vorgehen Die Sicherung der Fraktur ist vorrangiges Ziel der frühfunktio-
In . Übersicht 8.1 sind die Gesichtspunkte der physiotherapeu- nellen Behandlung. Dabei spielt es keine Rolle, welche ärztliche
tischen Behandlung nach Humerusschaftfrakturen zusammen- Behandlungsform gewählt wurde. Lediglich der Zeitpunkt des
gefasst. Behandlungsbeginns ist unterschiedlich und die Dosierung der
Maßnahmen.
Konservativ versorgte Frakturen werden ca. 6 Wochen ru-
. Übersicht 8.1. Gesichtspunkte der Behandlung higgestellt. Aus der Schiene/dem Abduktionskissen heraus kön-
1. Sicherung der Fraktur durch gleichmäßige Muskelspan- nen Ellenbogen-, Hand- und Fingergelenke geübt werden, um
nung. in der Proliferations- und Konsolidierungsphase die Heilung zu
2. Resorptionsförderung von Schwellungen und Häma- unterstützen.
tomen. Platten- und verriegelte Marknagelosteosynthesen sind be-
3. Entspannung der verspannten Muskulatur. wegungsstabil, ebenso die zementierte Schaftprothese. Die Pa-
4. Erhalten der freien Gelenkbeweglichkeit, Kontrakturbe- tienten dürfen nach Entfernung der Redon-Drainage aktiv/un-
handlung der Schulter- und Ellenbogenkontrakturen. terstützt statisch und dynamisch üben. Ziel ist das freie Halten
5. Kräftgung/Funktionsschulung der Oberarm-, Unter- und Bewegen des Arms gegen die Schwere.
arm- und Handmuskulatur. Der Muskeltest gibt Aufschluss über die Spannungsquali-
6. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten. tät des M. biceps, M. triceps, M. brachialis, und M. deltoideus.
Schwerpunktmäßig werden die schwächeren Muskelgruppen in
ihrer Funktion verbessert, bis alle Muskeln eine gleiche Kon-
traktionsfähigkeit in Muskelteststufe 3 zeigen.
Sicheres Fixieren der Fraktur ist dabei ebenso wichtig wie
die exakte Lagerung des ganzen Oberarms auf einer geraden
und festen Unterlage (. Abb. 8.7).
146 Kapitel 8 · Humerusschaftfrakturen

Hebelwirkungen an der Fraktur entstehen, wenn ein Teil ideus weitergeleitet wird, z.B. durch leichten axialen Druck an
1 des Oberarms nicht unterlagert ist, der Ellenbogen tiefer liegt der Handwurzel, Dorsalextension der Handgelenke oder durch
als das Schultergelenk (Extension hinter Körpermittellinie) einen festen Fausstschluss (. Abb. 8.9, 8.10).
2 oder die Hand des Therapeuten nicht sicher genug den distalen
Oberam hält.
Vorbereitend für alle Bewegungen des Schultergelenks wer-
den Stabilität und Beweglichkeit der Skapula geübt. Sie sollen bei
jeder Behandlung geübt und vom Patienten deutlich wahrge-
3 Wichtig nommen werden (. Abb. 8.11, 22.13, 22.14).
Schmerzauslösung an der Frakturstelle beachten! Eine stabil Wichtig
4 versorgte Fraktur verursacht keine Schmerzen, wenn der Sta-
bilitätsgrad bei der Dosierung der Maßnahme beachtet wird. Nur bei konservativer Behandlung einer Oberarmschaftfrak-
tur ist eine Rotationsbewegung im Schultergelenk kontrain-
5 diziert, ansonsten besteht keine Bewegungseinschränkung.
Ist das Schultergelenk frei beweglich, kann im Sitz an der Be-
handlungsbank oder dem Handtisch geübt werden. Ist es da-
6 gegen eingeschränkt, empfiehlt es sich, die Rückenlage als Aus- Grundsätzlich sollte der Behandlungsplan den gleichmäßigen
gangsstellung zu wählen. Die Bauchlage kann bei jüngeren Pati- Spannungsaufbau des gesamten Muskelmantels des Oberarms
7 enten gewählt werden, um den M. triceps gegen die Unterarm- berücksichtigen, damit ein ausgewogener Druck auf die Frak-
schwere zu üben. tur erfolgt.
Als Techniken werden bei Teststufe 2 »Endstellung – Halten«
8 gegen Führungskontakt und unterstütztes »Bewegen – Halten«
gewählt. Kontraktionshilfen und Verstärkungsmuster über die
kontralaterale Seite verbessern die Spannung der schwachen
9 Muskeln. Effektiv ist eine von den Fingern aus aufgebaute kom-
plexe Spannung (. Abb. 8.8), die nach proximal zum M. delto-
10
11
12
13
. Abb. 8.9. Anbahnen der Kontraktion des M. deltoideus in Rückenla-
14 ge

15 . Abb. 8.7. Postoperative Lagerung des Arms . Abb. 8.10. Anbahnen der
Kontraktion des M. deltoide-
us im Sitz
16
17
18
19
20
. Abb. 8.8. Komplexer Spannungsaufbau des gelagerten Arms
21
8 Humerusschaftfrakturen
147 8

3. Entspannung der verspannten Muskulatur


Durch die nahe Lage zur Fraktur, aber auch durch die gewohnte
Schonhaltung neigt der M. biceps zur Kontraktur. Außerdem
ist der M. biceps ein typischer Antigravitationsmuskel mit einer
physiologisch höheren Grundtonuslage, welche die Kontraktur-
neigung verstärkt. Die Verkürzung des M. triceps ist i.d.R. we-
niger ausgeprägt. Beide Bewegungseinschränkungen können
schmerzbedingten muskulären Kontrakturen zugeordnet wer-
den. Bei Verletzung des N. radialis mit Parese des M. triceps
wird der M. biceps besonders schnell kontrakt.
Daher ist es besonders wichtig, frühzeitig mit der Bewe-
gungstherapie und weichen, unterstützten Umkehrbewegungen
zu beginnen, die den M. biceps schmerzfrei bis zur Bewegungs-
oder Dehngrenze führen (. Abb. 8.12).
Zusätzlich können in den ersten postoperativen Stunden
milde Eisanwendungen hinzugenommen werden.
. Abb. 8.11. Aktive Skapulabewegung gegen Führungskontakt in pos- Sinnvoll sind auch Entspannungstechniken aus dem PNF-
teriore Depression Programm, z.B. »Rhythmische Stabilisation – Entspannen – ak-
tiv Weiterziehen« gegen Führungskontakt, »Dynamische Um-
kehr« oder »Chirurgische Technik« (7 Kap. 22).
In der Regel ist die M.-biceps-Kontraktur Behandlungen zu-
gänglich, wenn der Physiotherapeut auf Schmerzvermeidung
achtet, und der Patient vermeidet, den Arm im Stand und beim
Gehen mit gebeugtem Ellenbogen hängen zu lassen. Als ty-
pischer Antigravitationsmuskel muss der M. biceps in dieser
Stellung ständig Haltearbeit leisten. Das permanente Tragen ei-
ner Armschlinge wird nicht gern gesehen, jedoch kann der Pati-
ent bei längerem Stehen und Gehen seine Hand in einen Gürtel
oder eine Hosentasche stecken oder auch mal ein Tuch verwen-
den und dadurch das Gewicht des Arms abfangen.
Die gleichen Mobilisationstechniken werden bei der M.-tri-
ceps-Kontraktur angewandt.
Reflektorische Verspannungen der Schultergürtelmusku-
latur können wie in 7 Kap. 7.1, »Schultergelenkluxation« be-
schrieben, behandelt werden.
Techniken aus dem Schaarschuch-Haase-Programm oder
der Progressiven Muskelrelaxierung nach Jacobson können
. Abb. 8.12. Bewegen des Ellenbogengelenks
auch lokal zur Muskelentspannung eingesetzt werden. Wich-
tig ist, dass der Patient selbst wahrnimmt, wann die Muskula-
tur ge- oder entspannt ist. Mit der »Stop and go«-Technik über-
In der Regel bestehen keine Einschränkungen der Schulter- lässt man dem Patienten selbst die Entscheidung, wann er be-
gelenk- oder Skapulabewegungen wie bei den Schultergürtel- reit ist, weiterzubewegen.
oder Schultergelenkverletzungen. Bestehen jedoch solche Be- Massagegriffe für die Schultergürtelmuskulatur sind durch-
einträchtigungen, wird behandelt wie in 7 Kap. 7 beschrieben. aus sinnvoll, ebenfalls paravertebral im Brustwirbelsäulenbe-
reich. An der Oberarmmuskulatur sind sie in der frühen Be-
2. Resorptionsförderung von Schwellungen und Hämatom, handlungsphase kontraindiziert. Empfohlen wird jedoch eine
Schmerzbehandlung Manuelle Lymphdrainage.
Grundsätzlich unterstützen weiche, schmerzfrei Bewegungen Wie bei anderen Rumpf- oder Schultergürtelverletzungen
den Heilungsprozess. Eine Kombination aus passivem Bewegen erweist sich die BWS-Mobilisation zur Dämpfung der sympa-
und unterstütztem Mithelfen sind in der Proliferationsphase ein thischen Reflexaktivität als effektiv (. Abb. 8.13).
probates Mittel (7 Kap. 3.3, »Schmerztherapie«).
148 Kapitel 8 · Humerusschaftfrakturen

. Abb. 8.13. Mobilisation Gleiches gilt für das Ellenbogengelenk (. Abb. 8.12). Bei
1 der BWS aktiven oder assistiven Bewegungen im Ellenbogengelenk soll
der Oberarm ganz aufliegen und die Fraktur nahe am Ellbo-
2 gen passiv fixiert werden. Jeglicher Schmerz an der Bruchstelle
ist zu vermeiden. Als angenehm wird es der Patient empfinden,
wenn das Olekranon frei gelagert ist und nicht durch die fixie-
3 rende Hand gegen die Unterlage gedrückt wird. Techniken aus
dem PNF-Programm und der Manuellen Therapie bewähren
sich gut. Die Mobilisationstechnik wird entsprechend der Qua-
4 lität des Bewegungsstopps ausgewählt und ihre Wirkung bewer-
tet. Bleibt das Gelenk reizlos und gewinnt an Beweglichkeit, war
5 die Technik richtig.

Wichtig
6
Das Ellenbogengelenk ist ein sehr empfindliches Gelenk; es
verträgt keine harten Mobilisationstechniken.
7 Wichtig

8 Alle natürlichen Bewegungen und Armstellungen sind


5. Kräftigung und Funktionsschulung der Armmuskulatur
richtig; der Patient darf zu keiner schmerzhaften Bewegung
Ein gewonnener Bewegungsweg lässt sich auf die Dauer nur
veranlasst werden.
halten, wenn die schwächere Muskulatur im Anschluss an ei-
9 ne Mobilisationstechnik intensiv gekräftigt wird. Wie bereits er-
wähnt ist der M. triceps der schwächere Muskel und muss des-
10 4. Erhalten der freien Gelenkbeweglichkeit, Kontrakturbe- halb vorrangig geübt werden.
handlung Bei jüngeren Patienten und Bewegungsstabilität kann als
Einschränkungen der Beweglichkeit im Schultergelenk kom- Ausgangsstellung die Bauchlage gewählt werden; der Oberarm
11 men bei konservativen Behandlungen und Osteosynthesen mit ist 90° abduziert, liegt ganz auf, der Unterarm hängt im Lot (IR)
einer Schaftprothese vor. herab. Diese Ausgangsstellung ist auch aus dem Sitz mit Lage-
12 Wenn sich ältere Menschen mit einer pathologischen Frak- rung des Arms auf einem höhenverstellbaren und kippbaren
tur ausreichend bewegen können, werden Armaktivitäten geübt, Handtisch möglich (Operationstisch in der Handchirurgie). Bei
um den Arm im täglichen Gebrauch einsetzen zu können. Die MTW 2 kann eine Oberarmposition auf einem Armkeil gewählt
13 Patienten werden ermuntert, ihre alltäglichen Arbeiten weitest- werden. Bei Bewegungsstabilität ist auch ein Üben des M. tri-
möglich selbständig zu erledigen. ceps gegen die Schwerkraft aus Rückenlage bei 90° Schulterge-
14 Bei anderen Patienten kann das Schultergelenk schon ab lenkflexion möglich.
dem 1. postoperativen Tag unter Abnahme der Armschwere ge- Die Techniken »Dynamische Umkehr« und »Betonte Bewe-
zielt bewegt werden. Der richtungsweisende Kontakt liegt zwi- gungsfolge« (Kombination von statischen und dynamischen Be-
15 schen Fraktur und Schultergelenk. wegungsfolgen) aus dem PNF-Programm und alle Bewegungs-
Besteht Bewegungsstabilität, dürfen alle Schultergelenkbe- und Halteformen gegen Führungskontakt (angepasster Wider-
wegungen endgradig geübt werden. stand erst in der Konsolidierungsphase) sind richtige Maßnah-
16 Da erst nach ca. 6 Wochen (Konsolidierungsphase) mit ei- men.
ner Grundfestigkeit der Fraktur gerechnet wird, müssen alle In der Umbauphase bieten sich vielfältige Möglichkeiten
17 Mobilisationstechniken entsprechend des Stabilitätsgrades do- mit Geräten wie z.B. Hanteln, Therabänder und Züge an. Häu-
siert werden. Patienten mit einer Oberarmschaftfraktur werden figes Testen der Oberarmmuskulatur wird Übungsauswahl und
keine manifesten Kontrakturen im Schulter- oder Ellbogenge- Dosierung für die Beuge- und Streckmuskulatur bestimmen.
18 lenk entwickeln, wenn sie gelernt haben, ihren Arm gleich nach Zu Beginn der Behandlung werden Verstärkungsmöglich-
der Operation frei zu bewegen. Eine deutliche Kapseleinschrän- keiten über die kontralateralen Muskelketten genutzt.
19 kung beobachtet man bei Patienten mit einer Schaftprothese. Im weiteren Behandlungsverlauf wird die Anforderung
Techniken der Manuellen Therapie (nach Kaltenborn, isoliert an den zu kräftigenden Muskel gestellt. Die Übungs-
Frisch, Maitland) bieten dann die besten Möglichkeiten, um serien werden verlängert und die Pausen verkürzt. Dem Pati-
20 Kontrakturen zu behandeln (7 Kap. 7). Schüler sollen das Rönt- enten wird empfohlen, das Hausaufgabenprogramm konsequent
genbild bzgl. der Prothesenfestigkeit beurteilen und den Arzt durchzuführen.
21 fragen!
8 Humerusschaftfrakturen
149 8

Stützen und Stemmen gegen manuellen Widerstand/das 8.1 Literatur


Körpergewicht sind effektive Übungsformen in der geschlos-
senen Kette (7 Kap. 7, 9, 10, 11). Die Übungen werden stufen- Buck M, Beckers D, Adler S (2004) PNF in der Praxis, 5. Aufl. Springer, Ber-
weise gesteigert, beginnend mit dem Stützen auf weichen Un- lin Heidelberg New York
terlagen. Für jüngere Patienten eignen sich Ausgangsstellungen Hüter-Becker A (2005) Physiotherapie in der Traumatologie/Chirurgie.
Thieme, Stuttgart New York
wie Vierfüßlerstand und Seitsitz. Das Stützen auf einer labilen
Krämer J, Grifka J (2001) Orthopädie, 5. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg
Unterstützungsfläche, z.B. Sportkreisel, stellt eine hohe Anfor-
New York
derung an die Fähigkeit, den Arm dynamisch zu stabilisieren. Loeweneck H (1994) Funktionelle Anatomie für Krankengymnasten.
Diese Übungen sollen deshalb erst nach erreichter Belastungs- Pflaum, München
stabilität ausgeführt werden. Trentz O, Bühren V (2001) Checkliste Traumatologie, 5. Aufl. Thieme, Stutt-
gart New York
6. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten Spirgi-Gantert I, Suppé B (2007) FBL Klein-Vogelbach, Functional Kinetics.
Tätigkeiten des alltäglichen Lebens können in komplexen Bewe- Die Grundlagen. 6. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg
gungsmustern mit Umkehrbewegungen vorgeübt werden. Be- Weigel B, Nerlich M (2005) Praxisbuch Unfallchirurgie, Bd 1 und 2. Sprin-
wegungen, die die Körperpflege, Essen und Trinken betreffen, ger, Berlin Heidelberg New York
sind ebenso wichtig wie das Holen und Abstellen von Geräten,
das Umgehen mit Werkzeugen und das Abstützen bei Positi- Abbildung 8.1 zeigt das Abduktionskissen der Fa. Orthopädietechnik Kurt-
onswechsel. ze, München, welches im Klinikum Großhadern der Universität Müchen
In Physiotherapiepraxen können komplexe Bewegungen verwendet wird. Die Abbildung verdanke ich Frau Birgit Jaspersen, Klinik
an Rollenzuggeräten mit leichten bis mittelschweren Gewichten für Physikalische Medizin, Klinikum Großhadern, Universität München.
Die Abbildungen 8.3 und 8.7 –8.13 hat mir freundlicherweise Frau
vorgeübt werden.
Claudia Klose, PT-Schule am BKH Günzburg, zur Verfügung gestellt.
Durch das Ausrichten der Zugrichtung und die Ausgangs-
stellung des Patienten sind natürliche Bewegungsabläufe zu
wählen.
Unerwünschte Ausweichbewegungen können schnell er-
kannt werden; sie lassen sich z.B. durch reduzierte Gewichte
und Übungszeiten bei verlängerten Pausen korrigieren.

Wichtig

Ziel der physiotherapeutischen Arbeit muss die Selbständig-


keit des Patienten im häuslichen und beruflichen Alltag sein,
so dass eine Partizipation am sozialen Leben möglich wird!
Gutes Vorüben und Kontrollieren der notwendigen Bewe-
gungsmuster werden die Kranken motivieren, erfolgreich
selbst weiterzuüben.
9

Ellenbogennahe Frakturen und


Ellenbogenluxation

Einteilung – 152 9.4 Olekranonfraktur – 157


Einteilung – 157
9.1 Distale Humerusfraktur mit
Ursachen – 157
Gelenkbeteiligung – 152
Charakteristische Symptome/
Einteilung – 152
Leitsymptome – 157
Ursachen – 152
Behandlungsrichtlinien und
Charakteristische Symptome
therapeutische Maßnahmen – 157
/Leitsymptome – 152
Komplikationen – 158
Behandlungsrichtlinien und
Befunderhebung – 159
therapeutische Maßnahmen – 152
Behandlungsmöglichkeiten – 159
9.2 Ellenbogenluxation – 155 Übungsbeispiele – 162
Charakteristische Symptome/
9.5 Patientenbeispiel – 163
Leitsymptome – 155
Befundaufnahme – 163
Behandlungsrichtlinien und
ICF-Dokumentation – 164
therapeutische Maßnahmen – 155
9.6 Literatur – 165
9.3 Radiusköpfchenfraktur – 156
Einteilung – 156
Ursachen – 156
Charakteristische Symptome/
Leitsymptome – 156
Behandlungsrichtlinien und
therapeutische Maßnahmen – 156
Behandlungsmöglichkeiten – 157
152 Kapitel 9 · Ellenbogennahe Frakturen und Ellenbogenluxation

Einteilung 5 Fehlstellung des Ellenbogengelenks,


1 5 evt. Sensibilitätsstörungen (N. ulnaris, N. medianus).
5 Humeruskondylenfraktur,
2 5 suprakondyläre Fraktur,
5 Radiusköpfchenfraktur, Behandlungsrichtlinien und therapeutische
5 Olekranonfraktur, Maßnahmen
3 5 Ellenbogenluxation.
Das Ellenbogengelenk setzt sich aus drei Teilgelenken zusam-
men und ist funktionell ein Scharnier-Dreh-Gelenk, dessen Bän-
4 9.1 Distale Humerusfraktur mit der bei allen Bewegungen in Teilbereichen angespannt werden.
Gelenkbeteiligung Das Gelenk ist sehr empfindlich und hat nur eine geringe Kno-
5 chenführung. Der Bewegungsumfang (Extension/Flexion 0–0–
Einteilung 150°, Pro-/Supination 80–0–80°) ist von der Bänder- und Mus-
kelführung abhängig. Aus diesem Grunde sind Reizzustän-
6 Distale Frakturen reichen häufig bis in die Gelenkfläche hinein de mit nachfolgenden Kalzifikationen besonders funktionsein-
und sind als schwere Verletzungen anzusehen. schränkend.
7 Nach Müller et al. (1992) werden distale Humerusfrakturen Für die Beurteilung des Ellenbogengelenks ist das Hueter-
in Typ A, B und C eingeteilt. Dreieck von Bedeutung. In Streckstellung befinden sich Epicon-
dylus medialis humeri, Epicondylus lateralis humeri und Ole-
8 Typ A Extraartikuläre Fraktur kranonspitze auf einer Linie. Bei Beugung bilden die drei Eck-
punkte ein gleichschenkeliges Dreieck (. Abb. 9.1).
A1 Apophysärer Abriss
9 Wichtig
A2 Metaphysärer Abriss

10 A3 Metaphysärer mehrfragmentärer Abriss Bei Epikondylen- und Olekranonfrakturen verändert sich


die Form des Dreiecks.

11 Typ B Partiell artikuläre Fraktur

B1 Lateral-sagittale Fraktur

12 B2 Medial-sagittale Fraktur

B3 Frontale Fraktur
13
Typ C Vollständig artikuläre Fraktur
14 C1 Artikuläre und metaphysäre einfache Fraktur
Streckung

15 C2 Artikulär einfache, metaphysär mehrfragmentäre


Fraktur

C3 Mehrfragmentäre fraktur
16
17 Ursachen
Beugung
5 direkte oder indirekte Gewalteinwirkung,
18 5 Sturz auf den Ellenbogen,
5 Arbeits- oder Verkehrsunfälle.
19
Charakteristische Symptome/Leitsymptome
20
5 schmerzhafte Bewegungseinschränkung und -unfähigkeit,
21 5 rasch einsetzende Schwellung, . Abb. 9.1. Hueter-Dreieck
9.1 Distale Humerusfraktur mit Gelenkbeteiligung
153 9

Ärztliche Behandlung Operatives Vorgehen


Durch Zug des M. pronator teres weichen die Frakturenden bei Ellenbogengelenknahe Frakturen und Luxationen werden heu-
der distalen Humerusfraktur leicht in Varusstellung ab. Rönt- te operativ, möglichst in den ersten Stunden nach dem Unfall
genaufnahmen in zwei Ebenen, evt. Schrägaufnahmen im 45°- versorgt, denn die Gefahr eines Kompartmentsyndroms durch
Winkel und ein CT sind für die Diagnostik unverzichtbar. Zu exzessive Blutung ist groß (. Abb. 9.2–9.5). Die anatomische Re-
überprüfen ist immer die Zirkulation (A. radialis, A. ulnaris) position der Frakturenden ist besonders wichtig.
und die Innervation (N. ulnaris, N. medianus).

. Abb. 9.2a-d. a Ellenbogenfrak-


tur, b Osteosynthese (Osteotomie
des Olekrenon), c, d zwei Beispiele
für Osteosynthesen

a b c

. Abb. 9.3a-c. a Radiusköpfchenfraktur, b T-Plättchen-Osteosynthese, c Seitenansicht


154 Kapitel 9 · Ellenbogennahe Frakturen und Ellenbogenluxation

1
2
3
4
5
6
7
. Abb. 9.4a-d. a, b Olekranonfraktur, c, d Zuggurtungsosteosynthese
8
. Abb. 9.5a-c. Kondylenfraktur und
9 Schraubenosteosynthese

10
11
12
13
14 a b c

15
Eine zwingende Indikation zur operativen Behandlung der Vorab muss das Olekranon durchtrennt werden, um bes-
16 distalen Humerusfrakturen besteht (Weigel, Nerlich 2005) bei: ser an die Frakturstelle zu kommen. Dies erfordert eine zusätz-
5 Frakturen mit Gelenkbeteiligung, liche Zuggurtungsosteosynthese am Ende der Operation. Für
17 5 dislozierten Frakturen, die Frakturstabilisation kommen infrage:
5 offenen Frakturen, 5 Zuggurtungsosteosynthese,
5 Kompartmentsyndrom, 5 Plattenosteosynthese und
18 5 unfallbedingter Nervenläsion, 5 Schraubenosteosynthesen mit/ohne Spickdrähte.
5 unfallbedingter Gefäßverletzung,
19 5 Polytrauma. Stückbrüche sind oft schwer zu stabilisieren. Wenn sie offen
sind, wird primär ein stabil verstrebter Fixateur externe ange-
A- und B-Frakturen können mit Spongiosaschrauben fixiert wer- legt. Nach einiger Zeit kann kann die Verstrebung gelöst werden
20 den. C-Frakturen erfordern ein technisch schwierigeres Vorge- und der Patient kann damit bewegen (. Abb. 9.6 c).
hen, um eine anatomische Reposition der Fragmente zu errei-
21 chen.
9.2 Ellenbogenluxation
155 9

9.2 Ellenbogenluxation Behandlungsrichtlinien und therapeutische


Maßnahmen
Zu den schwersten Verletzungen gehört die Ellenbogenluxation
(. Abb. 9.6). Vorzugsweise luxíert der Unterarm durch Aushe- Ärztliche Behandlung
belung des Olekranons nach dorsal. Wie bei jeder Luxation wer- Zur klinischen Diagnostik werden Durchblutung, Sensibilität
den Bänder und Kapsel zerrissen; diese heilen jedoch i.d.R. oh- und Motorik überprüft und eine Schmerzanamnese erstellt.
ne Einschränkungen aus. Bandläsionen sind druck- und stressempfindlich. Bei vollstän-
diger Durchtrennung besteht eine Seiteninstabilität mit gerin-
ger Schmerzhaftigkeit (Trentz, Bühren 2001). Das Röntgenbild
Charakteristische Symptome/Leitsymptome in zwei Ebenen bestätigt die Diagnose.

5 federnde Fixation, Konservatives/operatives Vorgehen


5 Weichteilschwellung, Die Reposition soll möglichst schnell erfolgen. Sie kann konser-
5 starke Schmerzen, vativ oder operativ vorgenommen werden. Anschließend er-
5 evt. seitliche Instabilität. folgt eine Stabilitätsprüfung. Heute besteht die Meinung, dass
Bandnähte oder -plastiken keine wesentlich besseren Ergeb-
nisse erbringen.

. Abb. 9.6a-c. a Ellenbogenluxation, b Reposition, c Fixateur

b
156 Kapitel 9 · Ellenbogennahe Frakturen und Ellenbogenluxation

Eine äußere Ruhigstellung im Oberarmgips soll 3 Wochen Behandlungsrichtlinien und therapeutische


1 nicht überschreiten. Maßnahmen
Schon nach wenigen Tagen soll aus der Schiene heraus ak-
Ärztliche Behandlung
2 tiv/assistiv bewegt werden.
Passive Bewegungen innerhalb der schmerzfreien Bewe- Konservatives/operatives Vorgehen
gungsgrenze sind erlaubt, jedoch ist von einer passiven Deh- Frakturen Typ I und IV werden konservativ versorgt, die Ergeb-
3 nung über das aktuelle Bewegungsende oder über die Schmerz- nisse sind i.d.R. gut.
grenze abzusehen. Bei Frakturtyp II, III und V besteht die Indikation für ein ope-
Die Indikation für ein operatives Vorgehen besteht bei: ratives Vorgehen. Verwendung finden Minischrauben und Mini-
4 5 unfallbedingter Gefäß- oder Nervenverletzung, plättchen (. Abb. 9.3). Biodegradable Stifte werden heute kri-
5 offener Luxation, tisch bewertet; sie verursachen nicht selten Komplikationen
5 5 Reluxationstendenz nach Reposition, (Weigel, Nerlich 2005), wenn sie zu früh resorbieren und da-
5 Frakturen als Begleitverletzung, durch das Repositionsergebnis auflösen. Ergebnisse von Radi-
5 osteochondralen Fragmenten. usköpfchenfrakturen, die mit Biofixstäben stabilisiert wurden,
6 sind nicht überzeugend genug, um diese Methode zu befürwor-
ten.
7 9.3 Radiusköpfchenfraktur Bei Frakturtyp III und V ist neben einer Schraubenosteosyn-
these die Resektion des Radiusköpfchens im Halsbereich ein er-
Einteilung folgreiches Vorgehen, v.a. dann, wenn eine Bewegungsstabilität
8 nicht erreicht werden kann. Funktionell zu beachten ist jedoch
Radiusköpfchenfrakturen werden nach Typ I-V klassifiziert (Ba- die Möglichkeit eines Ulnavorschubs mit Auswirkungen auf die
kalim 1970). Hand- und Ellenbogenfunktionen. In der Regel sind die Ergeb-
9 nisse jedoch gut. Diskutiert werden heute auch Radiusköpfchen-
Typ I Nicht lozierte Radiusköpfchenfraktur prothesen; bisher zeigt sich jedoch kein entscheidender funkti-
10 Typ II Dislozierte Radiusköpfchenfraktur
oneller Vorteil.
Nach einer Schraubenosteosynthese/Resektion wird i.A. ei-
ne laterale Oberarmschiene für 1 bis maximal 3 Wochen angelegt
11 Typ III Radiusköpfchentrümmerfraktur
(Weigel, Nerlich 2005). Entscheidend sind Beschwerdefreiheit,
Typ IV Nicht dislozierte Radiushalsfraktur
Weichteilverhältnisse und Stabilität des Ellenbogengelenks.
12 Typ V Dislozierte Radiushalsfraktur Nach Entfernung der Redon-Drainagen wird aktiv/assistiv
aus der Schiene bewegt.

13 Physiotherapeutische Behandlung
Ursachen Wichtig
14
5 Sturz auf den gestreckten Arm. Wie bei allen Frakturen im Ellenbogenbereich darf in der
Proliferationsphase, wie bereits oben erwähnt, nicht passiv
15 mobilisiert (nachgedehnt) werden.
Charakteristische Symptome/Leitsymptome
16 5 schmerzhaft eingeschränkte Pro- und Supinationsbewe- Die Literatur ist bzgl. der Nachbehandlung uneinheitlich. Es
gung, herrscht jedoch die Meinung, dass frühfunktionelle, subtil do-
17 5 Schmerzhaftigkeit des Radiusköpfchens während der Be- sierte Behandlungen bessere Ergebnisse erbringen (Weigel,
wegung, Nerlich 2005).
5 punktueller Druckschmerz über dem Radiusköpfchen, Je nach erreichter Stabilität kann auf eine Ruhigstellung ver-
18 5 Schwellung, zichtet werden. Der Operateur gibt das Bewegungsausmaß für
5 diffuser Schmerz distal im N.-radialis-Bereich. Beugung und Streckung des Ellenbogens an.
19 Drehbewegungen sind während der Proliferationsphase (ca.
Die Symptome sind diagnostisch relevant. 4 Wochen) nicht erlaubt. Dies ist bei der Befunderhebung zu
berücksichtigen.
20
21
9.4 Olekranonfraktur
157 9

! Cave 5 Schwellung,
Bei Radiusköpfchenfrakturen und -luxationen sind Pro- und 5 Bewegungsschmerz,
Supinationsbewegungen in den ersten 4 Wochen nicht erlaubt. 5 Abwehrspannung des M. biceps.

Besondere Bedeutung für die Behandlung erhält die Qualität


der Funktion des M. biceps und dessen Schmerzhaftigkeit bei Behandlungsrichtlinien und therapeutische
Kontraktion oder Dehnung. Die Funktion des Humeroradial- Maßnahmen
gelenks ist abhängig von der anatomischen Reposition des Ra-
diusköpfchens und seiner Drehfähigkeit im Lig. anulare radii. Ärztliche Behandlung
Angezeigt ist ein besonders vorsichtiges Bewegen während Im Röntgenbild (zwei Ebenen) ist die Fraktur i.d.R. gut zu se-
der ersten 4 postoperativen Wochen. Jede Reizerscheinung muss hen (. Abb. 9.4).
beachtet werden; die Behandlung sollte dann niedriger dosiert,
aber nicht zwingend abgebrochen werden. Operatives Vorgehen
Das Behandlungsverfahren der Wahl ist die Zuggurtung, die
den Zug des M. triceps in eine Kompression der Fragmente ver-
Behandlungsmöglichkeiten wandelt.
Bei Typ-I-Absprengung kommt eine Resektion der Olekra-
Siehe physiotherapeutische Behandlung. nonspitze infrage.
Eine Olekranonfraktur wird heute immer operativ versorgt.
Wichtig Als unproblematisch erweist sich die Behandlung der isolierten
Olekranonfraktur, wenn sie anatomisch wiederhergestellt wer-
Die physiotherapeutische Behandlung der Ellenbogenge-
den konnte. Funktionell ungünstig ist eine verbleibende Stufen-
lenkfrakturen gehört unbedingt in die Hand erfahrener Phy-
bildung oder, wenn die K-Drähte zu lang sind und deutlich aus
siotherapeuten.
der lateralen Olekranonkortikalis hinausragen. Nicht gut in der
medialen Olekranonkortikalis verankerte Drähte können wan-
dern und verursachen Schmerzen und Bewegungsbeeinträch-
tigungen.
9.4 Olekranonfraktur Bei einer Olekranonfraktur Typ IV wird eine Plattenosteo-
synthese angelegt.
Einteilung
Physiotherapeutische Behandlung
Olekranonfrakturen werden nach therapeutischen Kriterien Bei erreichter Bewegungsstabilität können alle Bewegungsrich-
(Weigel, Nerlich 2005) in Typ I–IV eingeteilt. tungen im Ellenbogengelenk aktiv getestet und die Muskulatur
unter Beachtung der Bewegungsgrenze bis zu Teststufe 3 geprüft
Typ I Abriss der Olekranonspitze werden. Die Bewegungsgrenze für Extension/Flexion 0–0–60°
ist allerdings einzuhalten.
Typ II Quer- oder Schrägfraktur, evt. mit 3. Fragment
Besondere Bedeutung erhält die Qualität der Funktion des
Typ III Trümmerfraktur M. triceps bei Kontraktion und Dehnung. Die aktive Streckung
soll die Wirksamkeit der Zuggurtung unterstützen, eine Deh-
Typ IV Monteggia-Äquivalent
nung des M. triceps bei endgradiger Beugung jedoch vermie-
den werden.
Hubarmes Bewegen aus der Seitenlage kann in der ersten
Ursachen Heilungsphase eine effektive Maßnahme sein.

5 direkt durch Sturz auf den gebeugten Ellenbogen, ! Cave


5 indirekt durch reflektorische Zugspannung des M. triceps Bis zur Ausheilung der Fraktur sind passive Dehnung des M. tri-
auf den nicht völlig gestreckten Arm. ceps und Üben aus der maximalen Ellenbogenbeugestellung
gegen Widerstand zu vermeiden!

Charakteristische Symptome/Leitsymptome Nach anatomischer Reposition und Fixation durch die Zuggur-
tungsosteosynthese kann eine Restitutio ad integrum erwartet
5 tastbare Distraktion der Fragmente, werden. Eine Ruhigstellungsschiene wird meist nur bis zum Ab-
5 eingeschränkte Streckung des Ellenbogengelenks, schluss der Wundheilung angelegt.
158 Kapitel 9 · Ellenbogennahe Frakturen und Ellenbogenluxation

Wie bei der Radiusköpfchenfraktur beginnt die Physiothe-


1 rapie nach Entfernung der Redon-Drainage. In der Regel kann
das Osteosynthesematerial nach 9 Monaten entfernt werden.
2 Frühfunktionelles Üben setzt voraus, dass der Physiothera-
peut einen exakten Befund aufnimmt und die Symptome bei je-
der Behandlung kontrolliert.
3
Wichtig

4 Wegen der großen Gefahr einer periartikulären Verkalkung


dürfen passive Mobilisationen (passives Nachdehnen) in der
Proliferationsphase nicht durchgeführt werden.
5
Aktive Bewegungen im freien Raum, auch gegen Führungskon-
6 takt, sind mit zunehmender Heilung der ellenbogennahen Frak- a b
turen erlaubt. In der Konsolidierungsphase( ab 5.Woche) darf
7 auch mit der aktiven Rotation begonnen werden. Je nach Kon- . Abb. 9.7a,b. Kalzifikation nach Polytrauma und Ellenbogenfraktur
solidierung der Fraktur darf man nach Beurteilung des Rönt-
genbildes mit angepasstem Widerstand beginnen (Zeitraum 6.
8 – 8. Woche).
Mobilisationstechniken aus der Manuellen Therapie sind Wichtig
meist nach der 6. Woche erlaubt. Geringe Traktionen aus dem
9 Maitland-Programm können u.U. früher angewandt werden. Besonders das frühzeitige Bewegen auf der »Continuous
Passive Motion«- (CPM-)Schiene wie auch die Anwendung
Bewegungen von Rumpf, Skapula und Humerus können bei
10 Frakturen des proximalen Unterarms die Ellenbogenbeweglich- passiver Manipulationen sind mögliche Gründe für Kalzifika-
tionen. Wie bereits erwähnt, zählt das Ellenbogengelenk zu
keit fördern. Dafür bieten sich Ausgangsstellungen wie Seitenla-
den empfindlichsten Gelenken des Körpers.
ge und Sitz mit unterlagertem Unterarm an.
11 Bei allen Maßnahmen ist auf Schmerzlosigkeit zu achten.
Die CPM-Schiene sollte erst nach der Proliferationsphase
12 eingesetzt werden; sie darf keine Schmerzen auslösen.
Komplikationen
Wichtig
13 5 periartikuläre Verkalkungen, heterotope Ossifikation,
Eine Schwellungszunahme und Überwärmung, verbunden
5 ischämische Kontraktur, A.-brachialis-Verletzung,
mit zunehmender Schmerzhaftigkeit, sind ernst zu neh-
14 5 arthrogene Kontraktur,
mende Symptome, die Rücksprache mit dem Arzt, erneutes
5 Arthrose, irreversibler Knorpelschaden,
Röntgenbild, Rücknahme der Dosierung und Änderung des
5 Infektion,
15 Behandlungsplanes erfordern.
5 N.-ulnaris-Kompressionssyndrom,
5 wandernde K-Drähte,
Mehrfachverletzte Patienten neigen nach einigen Wochen zu 5 selten: Abrisse des Proc. coronoideus.
16 deutlichen Kalzifikationen.
Physiotherapeuten müssen bei diesen Patienten beson-
17 ders behutsam vorgehen und auf erste Reizsymptome achten
(. Abb. 9.7).
18
19
20
21
9.4 Olekranonfraktur
159 9

Befunderhebung

Beurteilen 5 Röntgenbild, Stufenbildung, Repositionsergebnis, Osteosynthesenlage, Hueter-Dreieck, Gelenkstellung von


proximalem Radioulnargelenk, Ellenbogen- und Handgelenk.
5 Operationsnaht.
5 Hautduchblutung, Schwellung, Hämatom.
5 Hauttemperatur.

Messen 5 Aktives Bewegungsausmaß (ohne Pro-/Supination, wenn kontraindiziert).


5 Umfang.

Prüfen 5 Muskeltest unterschiedlich bei einzelnen Frakturen, bis Stufe 2 oder bis 3.
5 Rotationsbewegungen sind nur nach Erlaubnis durch den Arzt zu testen.
Wichtig
Die passive anguläre Gelenkbeweglichkeit ist bei Humeruskondylen- und suprakondylären Frakturen nur erlaubt,
wenn tatsächlich eine bewegungsstabile Osteosynthese erreicht wurde. Bei ins Gelenk reichenden Frakturen sind
passive Prüfungen des Bewegungsstopps nicht vor der 5. postoperativen Woche erlaubt. (Nach Röntgenkontrolle!)
5 Sensibilität, v.a. im N.-ulnaris- und N.-medianus-Bereich.
5 Durchblutung von Aa. radialis und ulnaris.
5 Tests der neuromeningealen Strukturen (nach Rücksprache mit dem Operateur, evt. nicht vor der 5. Woche
(Butler 1995).
5 Qualität des Bewegungsstopps in Beugung und Streckung.
5 Prüfung der seitlichen Stabilität.

Notieren und 5 Qualität, Intensität und Lokalisation von Schmerzen (VAS).


Bewerten 5 Behinderungen bei alltäglichen Aktivitäten.
5 Beeinträchtigung der Selbständigkeit, im Beruf etc.

Behandlungsmöglichkeiten 1. Verbesserung der Durchblutung, Resorption des Ödems


Um die Schwellung zu resorbieren und die lokale Überwärmung
Grundsätzliches Vorgehen zu senken, wird der Arm auf einem Schaumstoffkeil hochgela-
In . Übersicht 9.1 sind die relevanten Schwerpunkte der physi- gert und in der ersten postoperativen Zeit gekühlt. Selbstver-
otherapeutischen Behandlung nach Kondylen- und suprakon- ständlich darf keine Feuchtigkeit an die frische Operationsnar-
dylären Frakturen zusammengefasst. be gelangen.
Spannungsübungen der Oberarmmuskulatur im Sekun-
denrhythmus können gegen Führungskontakt bei aufliegendem
. Übersicht 9.1. Gesichtspunkte der Behandlung Arm angewandt werden.
nach Kondylen- und suprakondylären Frakturen Intensive Kälte ist zu vermeiden.
1. Verbesserung der Durchblutung.
2. Spannungsabbau. ! Cave
3. Verbesserung der Beweglichkeit. Wärmemaßnahmen sind im Bereich des Ellenbogengelenks
4. Verbesserung der Muskelkraft, Ausdauer und Geschick- kontraindiziert; sie verstärken die Reizempfindlichkeit!
lichkeit.
5. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten. Das Ellenbogengelenk reagiert in der postoperativen Phase po-
sitiv auf weiche, eher »spielerische« Umkehrbewegungen, wel-
che die Schmerzgrenze nicht überschreiten, sowie auf eine be-
Eine Olekranonfraktur und Radiusköpfchenluxation oder - gleitende Manuelle Lymphdrainage proximal der Verletzung.
fraktur werden nach gleichem Schema behandelt wie die El- In den ersten postoperativen Tagen wird i.d.R. eine Schmerz-
lenbogengelenkluxation oder distalen Humerusfrakturen, je- therapie durchgeführt (7 Kap. 3.3).
doch unterscheiden sich die Behandlungsschwerpunkte. In je-
dem Fall gibt der funktionelle Befund die Zielsetzung und Do- 2. Spannungsabbau
sierung der Behandlung an. Die vom Arzt vorgegebenen Bewe- Entsprechend der Frakturlokalisation werden unterschiedliche
gungsgrenzen müssen eingehalten werden. Muskeln eine reflektorische Abwehrspannung zeigen. Bei supra-
und perkondylären Humerusfrakturen sowie Radiusköpfchen-
160 Kapitel 9 · Ellenbogennahe Frakturen und Ellenbogenluxation

frakturen lässt sich eine deutliche Abwehrspannung des M. bi- 5 Mini-Kapseltechniken nach Maitland, Kaltenborn und
1 ceps erkennen (7 Kap. 8). Frisch,
Olekranonfrakturen lassen den M. triceps in Abwehrspan- 5 PNF-Muster »Dynamische Umkehr – Halten – Entspan-
2 nung geraten; er zieht das proximale Fragment deutlich nach
kranial. Nach der Osteosynthese ist deshalb mit einer ver-
nen mit aktivem/passivem Weiterziehen«,
5 Kräftigung gegen leichten manuellen Widerstand in »Be-
mehrten Abwehrspannung dieses Muskels zu rechnen. tonter Bewegungsfolge« (PNF),
3 Als Entspannungstechniken können angewandt werden: 5 Kombinationen aller Spannungsformen (PNF),
PNF-Techniken, Techniken nach Schaarschuch-Haase und Ja- 5 Replikation (PNF, 7 Kap. 22),
cobson, spielerisches Bewegen bis kurz vor die Schmerzgrenze. 5 Üben in der geschlossenen Kette,
4 Bewusstes Anspannen und Entspannen mit bewusstem 5 Einsatz der CPM-Schiene.
Nachspüren der Hand- und Armstellung kann ebenfalls aus-
5 probiert werden. Der Patient soll die Spannungslage der Arm- Bei allen Mobilisationstechniken müssen auftretende Schmer-
muskulatur erspüren. Für die Entspannung der Muskulatur ist zen als Schutzsymptom durch übermäßiges Bewegen beachtet
auch die Lagerung wichtig. Häufig kommt es nur darauf an, wie werden. In der Kapsel oder im Muskel kann es zu Mikrotrau-
6 man den Patienten sprachlich und manuell anleitet, damit er men kommen, die zu einer Kalzifikation führen können.
selbst lernt, zu entspannen. Bei Humeruskondylenfrakturen wird der Oberarm fixiert,
7 Die »Stop and go«-Technik kann ebenfalls sehr wirkungs- und der Unterarm wird zum bewegenden Hebel (. Abb. 9.8).
voll angewandt werden. Dabei vereinbart der Physiotherapeut Bei einer Olekranon- oder Radiusköpfchenfraktur wird der Un-
mit dem Patienten ein Zeichen (z.B. Anheben des Zeigefin- terarm aktiv ruhig gehalten, und der Oberarm bewegt sich. Die
8 gers der anderen Hand) oder eine Äußerung, wenn die Bewe- Schlussstreckung des Ellenbogens kann über Außenrotation
gung schmerzhaft wird. Der Physiotherapeut muss das Zeichen und Anteversion des Oberarms, die Beugung/Supination über
wahrnehmen und die Bewegung sofort wieder ein Stückchen Retroversion/Innenrotation des Oberarms eingeleitet werden.
9 zurücknehmen. Der Patient entscheidet, wann er weiterbewe- Es ist von großer Bedeutung, dass Patienten Vertrauen in die
gen möchte. Maßnahmen der Physiotherapeuten haben und diese reflektie-
10 rend äußern, wenn Behandlungformen funktionsfördernd bzw.
3. Verbesserung der Beweglichkeit funktionsmindernd wirken.
Kann die betroffene Muskulatur erfolgreich entspannt werden,
11 wird sich die Beweglichkeit des Ellenbogengelenks spontan ! Cave
verbessern, es sei denn, knöcherne oder kapsuläre Einschrän- Die verletzten Gelenkanteile müssen immer passiv oder aktiv
12 kungen lassen dies nicht zu. fixiert werden!
Folgende PNF-Techniken sind zu empfehlen, um eine voran-
gegangene Spannung und Entspannung zu nutzen: Nicht nur bei polytraumatisierten Patienten entstehen in den
13 5 Rhythmische Stabilisation gegen Führungskontakt – Ent- ersten Monaten nach dem Unfall Kalzifikationen in der Gelenk-
spannung – aktives Weiterziehen. Die Technik lässt feine kapsel und im M. biceps (. Abb. 9.7), zum anderen entstehen
14 Rotationsbewegungen im Ellenbogengelenk zu, falls die- diese durch Behandlungsfehler, Überdosierung und Nichtbe-
se erlaubt sind. achten von Schmerzen bei der Bewegungstherapie. Eine Entfer-
5 »Chirurgische Technik« ohne Rotation mit aktivem, ge- nung muss besonders sorgfältig geplant werden; auch auch eine
15 führtem Weiterziehen. Verlegung des N. ulnaris muss mit in Betracht gezogen werden.
5 Dynamisches Bewegen mit vertauschtem Punktum mobile Günstig wäre das Abwarten bis zur möglichen, jedoch vorgezo-
und fixum (Rumpf-Oberarm-Bewegungen). genen Materialentfernung.
16 Anschließend muss die physiotherapeutische Behandlung in
Hubarmes Bewegen der Schulter- und Ellenbogengelenke, z.B. Abstimmung mit dem Patienten noch behutsamer, aber konse-
17 mit der Feldenkraisrolle, ist als eigenständige Übung effektiv quent durchgeführt werden.
(. Abb. 7.13, 7.14).
Nach mehrmaliger Ausführung der gewählten Technik soll Wichtig
18 ein betonter Spannungsaufbau der schwächeren Muskelgruppe
Ein wichtiges Therapieziel ist das Erreichen der Ellenbogen-
erfolgen, z.B. durch »Endstellung – Halten« gegen Führungs-
beweglichkeit von
19 kontakt (7–10 sec) bei gleichzeitigem Einsatz von Verstärkungs-
5 120° Flexion und
techniken. Diese Dosierungsstufen gelten ca. für die ersten 4–6
5 80° Supination,
postoperativen Wochen.
20 In der sich anschließenden Behandlungszeit (Konsolidie- so dass der Patient seine Alltagsaktivitäten frei durchführen
kann.
rungs-/Umbauphase) kommen je nach Befund folgende Tech-
21 niken zur Anwendung:
9.4 Olekranonfraktur
161 9

. Abb. 9.8a-d. a, b Ellenbogenflexi-


on gegen Führungskontakt bei pas-
siver und aktiver Fixation der supra-
kondylären Fraktur, c »Betonte Bewe-
gungsfolge« im PNF-Muster, d Ellen-
bogenextension mit Supination/Au-
ßenrotation

4. Verbesserung der Muskelkraft, Ausdauer und Geschick- 5 Techniken mit wechselnden Drehpunkten gegen ange-
lichkeit passten Widerstand,
Die Muskelkraft wird durch Anpassen des manuellen Wider- 5 Kombinationen von Bewegen und Halten gegen ange-
standes bei allen Übungsformen verbessert. Die Spannungs- passten Widerstand (. Abb. 9.8),
zeit soll mindestens 7–10 sec betragen. Die Übungsanzahl wird 5 Replikation.
erhöht, die Pausendauer zwischen den einzelnen Übungen ge-
kürzt. Alle Widerstandsübungen für die Beugemuskulatur können
Bei Reizlosigkeit des Gelenks kann der Widerstand gestei- unter leichter Traktion ausgeführt werden; die Streckmuskula-
gert werden. Während der Konsolidierungsphase müssen Kon- tur wird durch eine weiche Approximation an der Handwur-
dylen- oder suprakondyläre Frakturen gut passiv über der Frak- zel stimuliert.
tur fixiert werden. Bei Olekranon- und gelenknahen Radius-
köpfchenfrakturen muss die Widerstand gebende Hand an- 5. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten
fangs in Frakturhöhe liegen, später kann sie dann distal ange- Komplexes Üben in PNF- oder anderen Gebrauchsmustern soll
setzt werden. die Bewegungen vorüben, die der Patient im Alltag, im Beruf
An manuellen Techniken aus dem PNF-Programm kommen oder für seine sportlichen Aktivitäten benötigt.
zur Anwendung: Übungen in der geschlossenen Kette im Sinne des Stützens
5 Betonte Bewegungsfolge gegen angepassten Widerstand, auf feste und labile Unterlagen (7 Kap. 10, 11) sind Schwer-
5 Verstärkungstechniken, punkte in der Umbauphase.
162 Kapitel 9 · Ellenbogennahe Frakturen und Ellenbogenluxation

Armbewegungen mit kleinen Handgeräten wie Stab, ge- Anschließend »Endstellung – Halten« in der möglichen
1 spanntes Seil, Theraband, Ball, Hantel sind möglich. Streckstellung oder »Bewegen – Halten«.
Zuggeräte bieten Möglichkeiten, entsprechend der Konso-
2 lidierung ein vielseitiges Übungsprogramm zusammenzustel-
len (. Abb. 7.17 a, b). Der Patient soll lernen, seinen Ellenbogen
Techniken
5 Schaarschuch-Entspannungstechnik.
möglichst natürlich zu gebrauchen. 5 »Stop and go«-Technik.
3 5 Hubarmes Bewegen des Ellenbogengelenks aus Sitz seitlich
Wichtig an der Behandlungsbank bei abgenommener Armschwere.
4 5 Zu vermeiden sind ruckhafte, unkontrollierte oder Nach ca. 4–6 Wochen
schwunghafte Bewegungen, die zu Ausweichbewe-
Übung
gungen im Schultergelenk/in den Schultergürtelgelen-
5 ken führen.
5 Dynamische Bewegungsfolge für M. biceps und M. triceps
gegen angepassten Widerstand mit Betonung der Supinati-
5 Das Tragen schwerer Gegenstände sowie Stützen und
on/Pronation.
6 Schieben sollte bis zur Ausheilung der Fraktur vermie-
den werden (Röntgenkontrolle, Arztentscheidung ab-
Übung
warten!).
7 5 Hoher Sitz, Feldenkraisrolle senkrecht zwischen den Füßen
aufgestellt, Hände in Schultergürtelhöhe auf der Rolle. Be-
wegen der Rolle nach vorne, zur Seite und im Kreis (Slivka
8 2006) (. Abb. 6.29).
Übungsbeispiele
Tipp
9 Die Übungsbeispiele beziehen sich auf eine suprakondyläre Hu-
Wird der Rumpf stabil gehalten, bewegen sich die Armge-
merusfraktur. Die Fraktur ist bewegungsstabil. Die Kunststoff-
10 schiene kann zur Behandlung abgnommen werden.
lenke hubfrei (Vertauschen von Punktum fixum und mobile).
Die Übungen können also sowohl für die Rumpfmobilisation
Nach 2 Wochen postoperativ als auch für das hubfreie Bewegen der Armgelenke ange-
11 Ausgangsposition wandt werden.
Rückenlage oder Sitz an einem kippbaren Tisch oder an der Be-
12 handlungsbank. Ober- und Unterarm liegen vollständig auf, das
Olekranon ist frei gelagert. Übung
Die erste Behandlung beginnt möglichst in der gewohnten 5 Schultergelenkbewegungen im PNF-Muster gegen Wider-
13 Schienen-Armposition, entsprechend wird die Tischfläche ge- stand proximal der Fraktur mit Führungskontakt distal an
kippt oder ein Schaumstoffkeil benutzt. der Hand:
14 – 1. Diagonale: Extension/Abduktion/Innenrotation mit
Übung neutralem Ellenbogen, Flexion/Adduktion/Außenrota-
5 Isometrisches Spannen gegen Führungskontakt im Sekun- tion mit neutralem Ellenbogen.
15 denrhythmus für M. biceps, M. triceps und M. deltoideus. – 2. Diagonale: Flexion/Abduktion/Außenrotation mit
neutralem Ellenbogen, Extension/Adduktion/ Innen-
Übung rotation mit neutralem Ellenbogen.
16 5 Aktiv/assistive Umkehrbewegung im schmerzfreien Bewe- Technik: Betonte Bewegungsfolge, Bewegen – Halten.
gungsumfang gegen Führungskontakt:
17 – Extension – Flexion in Rotationsnullstellung, Manuelle Therapie
– Flexion/Supination – Extension/Pronation, 5 Weiche Traktion, Radius translatorisch verschieben (7 Kap.
– Flexion/Pronation – Extension/Supination. 10, »Radiusfraktur«).
18 Fixation: Oberarm liegt auf, Fixation über der Fraktur.
Ausgangsposition
19 ! Cave Sitz auf Hocker vor dem Spiegel.
Kein Widerstand, kein Stretch, nur minimale Traktion! 5 Vor dem Körper das 4-fach zusammengelegte Seil waage-
recht spannen und vom Körper aus nach vorne bewegen,
20 Technik bis die größtmögliche Ellenbogenstreckung erreicht ist.
5 »Chirurgische Technik« (PNF).
21 Fixation: Über der Fraktur passiv.
9.5 Patientenbeispiel
163 9

Übung Nach 6–8 Wochen


5 Gespanntes Seil oder Stab so nahe wie möglich an das Die Konsolidierung der Fraktur ist röntgenologisch gesichert.
Brustbein ziehen.
5 Gespanntes Seil waagerecht durch Strecken des einen Übung für junge Patienten
Arms, dann des anderen Arms nach rechts und links ver- 5 Stützen im Seitsitz, Vierfüßlerstand, über dem Therapieball
schieben. oder auf labilem Untergrund (7 Kap. 7, 10).
5 Gespanntes Seil senkrecht vor dem Körper drehen.
5 Mit dem gespannten Seil größtmögliche Figuren, z.B. eine Übung für ältere Patienten
8 oder einen Kegel, beschreiben. 5 Stützen gegen die Wand (7 Kap. 10, 11) oder »Eckensteher«
5 Arbeiten an Zügen mit leichtem Widerstand. nach Klein-Vogelbach (. Abb. 9.9).

Übung
5 Hanteltraining aus verschiedenen Armstellungen, auch in
. Abb. 9.9. »Eckensteher«
PNF-Diagonalen (. Abb. 9.10, 7 Kap. 7).
nach Klein-Vogelbach
5 Arbeiten an Zügen gegen Widerstand (7 Kap. 7).

Übung
5 Vorbereitung auf sportliche Aktivitäten: Stabilisation mit
dem Federstab (. Abb. 11.45).

9.5 Patientenbeispiel
Befundaufnahme

Name des Patienten: Herr St.


47 J., Gärtner
Befunddatum: 2 Wochen postop.
Name des Therapeuten: Frau L.
Einweisungsdiagnose: Verdacht auf Ellenbogenfraktur rechts
Nebendiagnosen: Prellungen rechter Thorax, Gehirnerschütte-
rung
Röntgenbefund: Olekranonquerfraktur Typ II rechts
Versorgung: am Unfalltag operativ Qx konservativ Q
Medikamente: VAS-abhängig 4 x 400 mg Ibuprofen (p.o.) oder 4
x 40 Tr. Novalgin; absetzen bei VAS ≥ 3

. Abb. 9.10a,b. Hanteltraining.


a Isolierte Dorsalextension, b unter-
stützend fixiert die andere Hand den
distalen Unterarm
164 Kapitel 9 · Ellenbogennahe Frakturen und Ellenbogenluxation

Versorgung: Keine Widerstands- oder belastenden Übungen im ge-


1 Zuggurtungsosteosynthese rechts. schlossenen System bis zur 5. Woche. Röntgenkontrolle
Keine Ruhigstellung. nach 4 und 8 Wochen.
2 Redon-Drainage, steriler Verband.
Stabilität:
Arbeitsfähigkeit nach 10 Wochen.
Materialentfernung nach 9 Monaten.
Bewegungsstabilität, Extension bis 0–0–60° für 4 Wochen. Unfallanamnese:
3 Procedere: Patient stürzte beim Baum Schneiden von der Leiter und
Nach Entfernung der Redon-Drainage aktiv/assistiv Ellen- fiel auf die rechte Körperseite und den Ellenbogen. Er
bogenstreckung erarbeiten. konnte den Ellenbogen nicht mehr strecken und hatte
4 Ellenbogenbeugung nur bis 60°. große Schmerzen und Atembeschwerden. Ein Arbeitskol-
Hochlagerung. lege verständigte den Rettungsdienst, der ihn in die Kli-
5 nik brachte.

6 ICF-Dokumentation

7 Name/Alter: Herr St., 47 J., Gärtner Behandlungsziel: Restitutio ad integrum


Diagnose: Olekranonfraktur rechts

8 Befunderhebung 2 Wochen postop.

Struktur/Funktion Aktivität Partizipation

9 Patient gibt an, Patient gibt an, Patient gibt an,


5 er habe geringe Schmerzen bei Bewegung, nehme 5 er sei Rechtshänder, 5 er könne nicht arbeiten,
keine Schmerzmedikamente mehr, 5 er könne nicht viel mit dem Arm ma- nicht zum Kartenspielen
10 5 nachts wisse er nicht, wie er liegen soll, chen und brauche Hilfe zum Anziehen, gehen, nicht Auto fahren,
5 der Ellenbogen sei geschwollen und verspannt, Kämmen etc. von seiner Frau, sei auf seine Frau ange-
und er habe keine Kraft in der Hand, 5 Liegen mache ihm Probleme, wiesen, die allerdings auch
11 5 am Brustkorb habe er einen blauen Fleck, er könne 5 nachts könne er nicht schlafen, weil er halbtags arbeite,
aber fast wieder normal atmen, den Arm nicht schmerzfrei legen könne, 5 i.A. käme er aber zurecht.
Patient

5 gelegentlich habe er noch Kopfschmerzen. 5 er benutze eine Armschlinge beim Spa-


12 zierengehen.

5 Röntgenbefund postop.: Hueter-Dreieck regel- 5 Hand und Arm sind durch Bewegungs- 5 Keine Berufstätigkeit, kei-
13 recht, keine Stufenbildung, Osteosynthese o.B. einschränkung und Belastungs- ne Geselligkeit, kein Auto
5 Fäden gezogen, Op.-narbe reizlos. begrenzung im Beruf (Gärtner) nicht fahren, fühlt sich zu Hau-
5 Leichte Schwellung, Umfangmaß am Ellenbogen
14 + 1,5 cm.
einsetzbar.
5 Stützen, Tragen von schwereren Ge-
se unnütz.

5 Gelenkbeweglichkeit: genständen oder handwerkliche Tätig-


15 aktiv passiv
keiten im Haus sind nicht möglich.

Ellenbo- re 0–15–60° 0–10–60°


16 gelenkext. (begrenzt) (begrenzt)
li 0–0–140° 0–0–140°
17
Therapeut

Pro-/Supi- re 60–0–60°
nation

18 li 70–0–70°

19
20
21
9.6 Literatur
165 9

Struktur/Funktion Aktivität Partizipation

5 Bewegungsstopp bei Ellenbogengelenkext. durch


Abwehrspannung des M. biceps/M. triceps.
5 Bewegungsstopp bei Pro-/Supination leicht
ziehend.
5 Sensibilität o.B.
5 VAS 2 bei endgradiger Bewegung in Extension/
Flexion und Supination.
5 Schultergürtelmuskulatur und BWS- Mobiltät o.B.
5 Bluterguss am rechten Thorax nur noch blass sicht-
bar, Atembewegung gering eingeschränkt.
5 Druckempfindlichkeit beim Liegen auf der rech-
ten Seite.

Kontextfaktoren/ (+) oder (–)

Umweltfaktoren Personenbezogene Faktoren


Therapeut

(+) kommt tagsüber zurecht, ist ausreichend versorgt (++) motiviert, wieder zu arbeiten
(–) Beruf erfordert handwerkliche Schwerarbeit (+) sehr kooperativ
(–) langweilt sich ohne handwerkliche Arbeit zu Hause

Ê Im Internet (www.springer.de/978-3-540-68241-7, unter Die Röntgenbilder 9.2 und 9.4 wurden mir freundlicherweise von OA Dr.
dem Link »Patientenbeispiele«) erfahren Sie mehr über Th. Löffler, Chirurgische Universitätsklinik Großhadern, München, über-
Herrn St. und den weiteren Therapieverlauf: die Behand- lassen.
lungsziele, die bei ihm wichtigen Gesichtspunkte der Be- Die Abbildungen 9.8 und 9.9 erstellte Frau Birgit Jaspersen, Klinik für
Physikalische Medizin, Klinikum Großhadern der Universität München.
handlung und einen Therapievorschlag für eine Behand-
Die Abbildungen 9.10 und 9.11 entstanden in der Praxis »movere«,
lungseinheit.
Uli Engelmann und Geza Sturm, München.

9.6 Literatur
Bakalim C (1970) Fractures of radial head and their treatments. Acta Scan-
dinav (41): 320–331
Buck M, Beckers D, Adler S (2004) PNF in der Praxis, 5. Aufl. Springer, Hei-
delberg Berlin
Jacobson E (1990) Progressive Relaxation in Theorie und Praxis. Pfeiffer,
München
Jacobson E (2002) Entspannungstraining. In: Bernstein D (Hrsg) Handbuch
der progressiven Muskelentspannung, 8. Aufl. Pfeiffer, München
Loeweneck H (1994) Funktionelle Anatomie für Krankengymnasten, 2.
Aufl. Pflaum, München
Müller ME et al. (1992) Manual der Osteosynthese, 3. Aufl. Springer, Berlin
Heidelberg New York Tokio
Schaarschuch A (1979) Der atmende Mensch, 4. Aufl. Turm, Bietigheim
Slivka H (2006) Der individuelle Patient, Übungen mit der Rolle. Müller-
Steinicke, München
Trentz O, Bühren V (2001) Checkliste Traumatologie. Thieme, Stuttgart
New York
Weigel B, Nerlich M (2005) Praxisbuch Unfallchirurgie. Springer, Heidel-
berg Berlin New York Tokio
10

Unterarmfrakturen und distale Radiusfraktur

10.1 Unterarmfrakturen – 168 10.3 Patientenbeispiel – 186


Einteilung – 168 Befundaufnahme – 186
Ursachen – 169 ICF-Dokumentation – 187
Charakteristische Symptome/
Leitsymptome – 169
10.4 Literatur – 188
Behandlungsrichtlinien und
therapeutische Maßnahmen – 169
Komplikationen – 171
Befunderhebung – 171
Behandlungsmöglichkeiten – 172
Übungsbeispiele – 173

10.2 Distale oder »klassische«


Radiusfraktur – 175
Einteilung – 175
Ursachen – 175
Charakteristische Symptome/
Leitsymptome – 175
Biomechanik, Behandlungs-
richtlinien und therapeutische
Maßnahmen – 175
Komplikationen – 180
Befunderhebung – 180
Behandlungsmöglichkeiten – 180
Übungsbeispiele – 182
168 Kapitel 10 · Unterarmfrakturen und distale Radiusfraktur

10.1 Unterarmfrakturen 5 In Verbindung mit einer Luxation des distalen Ulnaköpf-


1 chens wird die Radiusschaftfraktur als Galeazzi-Fraktur be-
Einteilung zeichnet (. Abb. 10.3, 10.4).
2 5 Die isolierte Ulnaschaftfraktur nennt man Parierfraktur
Unterarmschaftfrakturen kommen an beiden Unterarmkno- (. Abb. 10.5). Zusätzlich können eine Sprengung des Radi-
chen isoliert und kombiniert vor. oulnargelenks und eine Handwurzelluxation auftreten.
3 5 In Verbindung mit einer Luxation des Radiusköpfchens
heißt die Ulnaschaftfraktur Monteggia-Fraktur (. Abb. 10.1, Häufig brechen beide Unterarmknochen (. Abb. 10.6).
10.2).
4
. Abb. 10.1. Monteggia- . Abb. 10.2. Osteo-
5 Fraktur synthese nach
Monteggia-Fraktur
6
7
8
9
10
11
12
13
. Abb. 10.3a,b. a Galeazzi-Fraktur,

14 b Osteosynthese

15
16
17
18
19
20
a b
21
10.1 Unterarmfrakturen
169 10

. Abb. 10.4a,b. a Galeazzi-Fraktur mit Ulnavor-


schub, b Plattenosteosynthese und Stellhaken

a b

Ursachen
5 indirekte Gewalteinwirkung, z.B. bei Abfangen eines
Sturzes,
5 direkte Gewalteinwirkung, z.B. Schlag, Abwehrreaktion
zum Schutz des Gesichtes,
5 Autounfall.

Charakteristische Symptome/Leitsymptome
5 Schmerzen lokal über der Fraktur und bei Bewegung,
5 Ödem,
5 Fehlstellung, Instabilität bei Fraktur beider Unterarmkno-
chen.

a b
Behandlungsrichtlinien und therapeutische
Maßnahmen
. Abb. 10.5a,b. a Parierfraktur mit Luxation des distalen Radioulnar-
gelenks, b Plattenosteosynthese, Spickung bei Radioulnargelenkspren- Unterarmfrakturen können offen oder geschlossen sein. Bei
gung und perilunärer Luxation
Kindern bleibt der Periostschlauch oft noch intakt; diese Art
der Fraktur bezeichnet man als Grünholzfraktur.
Unterarmfrakturen werden in Typ I–III eingeteilt. Die Funktion der Hand ist in besonderem Maße von der in-
takten Umwendbewegung des Unterarms abhängig. Pro- und
Typ I Isolierte oder komplette einfache Fraktur mit oder Supination sind Bewegungen der beiden Radioulnargelenke; sie
ohne Biegungskeil erlauben die exakte Einstellung der Hand für das differenzierte
Typ II Isolierte oder komplette komplexe Frakturen Greifen von Gegenständen.
Funktionell werden Umwendbewegungen mit Hand- und
Typ III Isolierte Ulna- oder Radiusfraktur mit Luxation des Ellenbogengelenkbewegungen kombiniert. Bei Pronation dreht
intakten Röhrenknochens (s. Monteggia oder Galeazzi- sich der Radius um die Ulna und beschreibt das Segment eines
fraktur)
Kegels. Seine Längsachse verläuft dann schräg nach vorne.
170 Kapitel 10 · Unterarmfrakturen und distale Radiusfraktur

. Abb. 10.6a-c. a Komplette Unter-


1 armfraktur, b seitliche Aufnahme,
c Unterarmnagelung

2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
Wichtig Konservatives/operatives Vorgehen
12 Unterarmfrakturen im mittleren und proximalen Bereich werden
Pro- und Supination können durch Schultergelenkbewe- i.d.R. operativ behandelt. Zum Einsatz kommen Kleinfragment-
gungen wie durch Rumpfrotation und -lateralflexion vergrö- LCDC-Platten oder Nägel. Die Stabilität der Osteosynthese der
13 ßert werden. Eine fehlende Pronation kann durch Abduktion Unterarmschaftfrakturen und die Kapsel- bzw. Bandläsion mit
im Schultergelenk, eine fehlende Supination durch Außen- oder ohne Naht bestimmen den Beginn der physiotherapeu-
14 rotation und Adduktion im Schultergelenk vorgetäuscht tischen Behandlung (7 Kap. 9).
werden. Die stabile Plattenosteosynthese ohne Kombinationsverlet-
zungen erfordert keine Ruhigstellung (. Abb. 10.6). Sie kann
15 frühfunktionell behandelt werden.
Frakturen der Unterarmknochen und Luxationen der Radioul- Offene Frakturen erhalten meist einen Fixateur externe. Sie
nargelenke bewirken eine gravierende Funktionsstörung. Ver- benötigen keine zusätzliche Ruhigstellung. Sie sollen notfallmä-
16 kürzungen behindern die Funktion der Radioulnargelenke. Fol- ßig operiert werden (s. auch distale Radiusfraktur, . Abb. 10.14,
gen sind eine verzögerte Frakturheilung oder Pseudarthrose. 10.15).
17 Bei Radiusfrakturen im proximalen Bereich ist der N. radia- Bei einer zusätzlichen Luxation des Radius/der Ulna wird
lis verletzungsgefährdet, im distalen Bereich die A. radialis. evt. eine Stellschraube oder ein Gelenk überbrückender Spick-
draht eingebracht. In diesem Fall wird eine Oberarm-, Prothe-
18 Ärztliche Behandlung ra- oder Gipsschiene für 3–4 Wochen angelegt. Die Schiene darf
Zur Ermittlung einer exakten Diagnostik müssen Röntgenauf- zum Üben abgenommen werden. Jedoch darf nur aktiv gebeugt
19 nahmen in zwei Ebenen in voller Länge der Unterarmknochen und gestreckt, nicht supiniert oder proniert werden.
mit Einsicht auf die Hand- und Ellenbogengelenke gemacht Von besonderer Bedeutung für die Wiederherstellung der
werden. vollen Hand- und Ellenbogengelenkfunktion ist die anato-
20 mische Reposition des proximalen Handgelenks und des hume-
roradialen Gelenks.
21
10.1 Unterarmfrakturen
171 10

Der Physiotherapeut sollte die Gelenkstellungen klinisch Dynamische Bewegungen werden erst nach Entfernung der
und röntgenologisch beurteilen und bewerten können. Bei be- Redon-Drainagen eingesetzt.
stehendem Radius- oder Ulnavorschub ist die Handgelenk-
funktion arthrogen eingeschränkt (. Abb. 10.13 und 7 Ab- ! Cave
schn. 10.2). Patienten mit einer Monteggia- oder Galeazzi-Fraktur dürfen in
Wurde eine stabile Osteosynthese erreicht und die anato- den ersten 3–4 Wochen keine dynamischen Umwendbewe-
mische Länge von Ulna oder Radius wiederhergestellt, repo- gungen ausführen.
niert sich das Radius- oder Ulnaköpfchen von selbst. In diesem
Fall wird oft auf eine Bandnaht verzichtet.
Die kindlichen Grünholzfrakturen werden in einem Ober- Komplikationen
armgips ruhiggestellt.
Bei Unterarmschaftfrakturen ohne proximale oder distale 5 Nervenverletzung, z.B. des N. radialis in Form einer Teil-
Luxation werden die Osteosynthesen als bewegungsstabil ge- oder kompletten Parese der Hand- und Fingerstreckmus-
wertet, eine Bewegungseinschränkung besteht nicht. kulatur,
Die mittlere Konsolidierungszeit für Unterarmfrakturen 5 Infektion nach offenen Frakturen,
wird mit 7 Wochen angegeben (Weigel, Nerlich 2005), eine volle 5 Pseudarthrose,
Belastung darf erst nach 12 Wochen erfolgen. Die Osteosynthese 5 Implantatlockerung,
sollte nicht vor 18 Monaten entfernt werden. 5 Brückenkallus,
Die physiotherapeutische Behandlung beginnt bei bewe- 5 CRPS (Complex Regional Pain Syndrome).
gungsstabilen Osteosynthesen am 1. postoperativen Tag mit iso-
metrischen Spannungsformen und kühlenden Maßnahmen.

Befunderhebung

Beurteilen 5 Narben/Operationswunden.
5 Hautdurchblutung.
5 Schwellung/Hämatom.
5 Unterarmachse und Hand-Ellenbogen-Stellung.
5 Atrophien.
5 Röntgenbild: Frakturstellung, Osteosynthesestabilität, proximales Handgelenk auf Radius- bzw. Ulnavorschub,
Radiusköpfchenstellung.

Messen 5 Aktive Gelenkbeweglichkeit.


5 Umfang in festgelegten Abständen vom Olekranon aus.

Prüfen 5 Muskeltest aller Handgelenkbeuger und -strecker auf Teststufe 3. Pro-/Supinatoren nur, wenn erlaubt.
5 Qualität des Bewegungsstopps von Ellenbogen- und Handgelenken.
5 Sensibilität:
– 2-Punkte-Diskriminierung,
– Spitz-Stumpf-Unterscheidung,
– Temperaturempfindung,
– Vibration,
– Lageempfinden.
5 Beweglichkeit von Schulter- und Ellenbogengelenk, Skapula, BWS.
5 A.-radialis-Puls.
5 Hoffmann-Tinel-Zeichen, Phalen-Test (. Abb. 10.9, 10.10).

Notieren und 5 Schmerzen, deren Qualität, Intensität und Lokalisation (VAS).


Bewerten 5 Auffälligkeiten.
5 Aktivitäten des alltäglichen Lebens, Selbständigkeit.
5 Einschränkungen der gesellschaftlichen Teilhabe.
172 Kapitel 10 · Unterarmfrakturen und distale Radiusfraktur

Behandlungsmöglichkeiten 5 Aktive »Betonte Bewegungsfolge« ohne Kontakt, evt. mit


1 Widerstand am Oberarm.
Grundsätzliches Vorgehen 5 Aktive Stabilisation des Unterarms und dynamisches, ak-
2 In . Übersicht 10.1 sind die Schwerpunkte der physiotherapeu- tives Bewegen des Oberarms (Vertauschen von Punktum
tischen Behandlung nach Unterarmfrakturen zusammenge- fixum und mobile).
fasst. 5 Replikation.
3 5 Rhythmische Berwegungseinleitung.

. Übersicht 10.1. Gesichtspunkte der Behandlung Alle Übungen beginnen mit einer distalen Grundspannung von
4 1. Verbesserung der Durchblutung, Resorption von Ödem der Hand aus. Führungskontakt soll proximal der Fraktur an-
und Hämatom. gelegt werden. Der Oberarm wird aktiv oder passiv fixiert. Der
5 2. Sicherung der Fraktur durch aktive Muskelspannung. Unterarm wird bei den dynamischen Bewegungen des Ober-
3. Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit. arms unterstützt.
4. Funktionsverbesserung: Muskelkraft, Ausdauer und Ge-
6 schicklichkeit. 3. Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit
5. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten. Selten kommt es bei isolierten Unterarmschaftfrakturen zu ma-
7 nifesten Kontrakturen. Die vorab angewandten Techniken rei-
chen i.d.R. aus, um die Gelenke freizuhalten. Ausnahmen sind
offene Frakturen mit großer Weichteilschädigung, die mit einem
8 1. Verbesserung der Durchblutung, Resorption des Ödems Fixateur externe versorgt sind. Die Monteggia- und die Galeazzi-
Nach Knutsson (1969) wird die Kontraktionsbereitschaft eines Fraktur nehmen aufgrund der Gelenkbeteiligungen ebenfalls ei-
Muskels nach Kurzzeit-Eisanwendung angeregt, z.B. durch Ab- ne Sonderstellung ein.
9 tupfen mit dem Eisbeutel oder Abreiben mit einem Eislolly. Die
Kontraktionsbereitschaft kann sehr günstig genutzt werden, um Wichtig
10 über Pumpbewegungen die Ödemresorption zu fördern und
Bei der Monteggia-Fraktur besteht aufgrund der Mitverlet-
den Muskelstoffwechsel anzuregen.
zung der Membrana interossea und des Kapsel-Band-Appa-
Langzeit-Eisanwendungen sollen nur in den Anfangsstunden
11 angewandt werden; sie werden heute als kontraproduktiv für rates eine Kontrakturgefahr für Pro- und Supination.
eine optimale Durchblutung angesehen (van den Berg 2003).
12 Isometrisches Spannen im Sekundenrhythmus oder Pump- Feine translatorische Gleitbewegungen aus der Manuellen The-
bewegungen der Hand sind effektiv. Die Übungen sollen selb- rapie können die Verklebungen der humeroradialen Gelenkkap-
ständig mehrmals am Tag wiederholt werden und können bei sel lösen und eine aktive Technik vorbereiten. Zur Anwendung
13 hochgelagertem Arm zur Ödemresorption genutzt werden. kommen »Chirurgische Entspannungstechnik« und »Rhyth-
Ratschow-Umlagerungen (Ehrenberg 1994) sollen als Haus- mische Stabilisation – Entspannen« aus dem PNF-Programm,
14 aufgabenprogramm ebenfalls selbständig vom Patienten durch- aber auch alle unter Punkt 2 angeführten Bewegungen, wenn sie
geführt werden. unter leichter Traktion endgradig ausgeführt werden. Auch die
Bei allen offenen Frakturen steht zunächst die Wundheilung »stop-and-go«-Technik ist gut anwendbar (7 Kap. 9).
15 im Vordergrund, d.h., die Wunde darf nicht unter Zugspan- Bei der Galeazzi-Fraktur besteht eher eine Einschränkung
nung geraten. der Dorsalextension und je nach Ulna-/ Radiusvorschub eine
Einschränkung der Ulna-/Radialabduktion. In beiden Fällen ist
16 2. Sicherung der Frakturen durch aktive Muskelspannung die Supinationsbewegung behindert.
Plattenosteosynthesen an Ulna und/oder Radius sind bewe- Traktion und translatorische Gleitbewegungen im proxima-
17 gungsstabile Osteosynthesen, d.h., dass die Unterarmmuskula- len Handgelenk werden anhand des Röntgenbildes und kli-
tur aktiv oder aktiv/assistiv, nicht jedoch gegen Widerstand ar- nischen Befundes festgelegt. Dabei wird der Unterarm nahe am
beiten kann. Handgelenk passiv fixiert. Zum Einsatz kommen diese Tech-
18 Sind Umwendbewegungen erlaubt, sollen die Ellenbogen- niken erst nach 12 Wochen (. Abb. 10.25).
bewegungen mit kleinen Drehbewegungen kombiniert werden. Im Anschluss an die Manuelle Therapie folgen dynamische
19 Dies entspricht dem physiologischen Bewegungsmuster der El- Bewegungen und die oben erwähnten Techniken aus dem PNF-
lenbogengelenke. Programm.
Geeignete PNF-Techniken sind: Der gewonnene Bewegungsweg soll gehalten werden. Es hat
20 5 Dynamische Umkehr mit und ohne Halten gegen Füh- sich bewährt, an die Mobilisationstechnik die Technik »Endstel-
rungskontakt. lung – Halten« gegen Führungskontakt anzuschließen.
21 5 Endstellung – Halten gegen Führungskontakt.
10.1 Unterarmfrakturen
173 10

Das neue Bewegungsmaß soll in alltagstypischen Aktivitäten, Schwerpunktmäßig sollen Umwendbewegungen in spiele-
z.B. Körperpflege, Essen, Trinken, oder in berufsrelevanten Be- rischer Form ausgeführt werden.
wegungsabläufen umgesetzt werden (7 Kap. 11, »Handchirur- Festes Umgreifen der Geräte bewirkt eine Kokontraktion al-
gie«). ler Unterarmmuskeln, die sich positiv als axiale Druckspan-
nung auf die Fraktur auswirken kann.
! Cave Eine Steigerung erfolgt erst nach 8–12 Wochen (s.o.) mit
An dieser Stelle wird nochmals davor gewarnt, über eine län- Geräten, die einen Widerstand setzen, z.B. Hanteln, stärkere
gere Zeit Eiskompressen oder -beutel auf das Ellenbogenge- Therabänder, Zuggeräte oder das Körpergewicht. Ihr Einsatz
lenk zu legen. Folge kann eine lokale Ischämie oder Eisverbren- setzt die Konsolidierung der Fraktur voraus und kann i.A. nach
nung sein! 8 Wochen niedrig dosiert beginnen (. Abb. 10.22, 9.10 und
Der analgetische Effekt wird u.U. so groß, dass der Patient sein 7 Kap. 7, 11).
Gefühl für die Bewegungsgrenze verliert, da der Schmerz als Wichtig für alle Positionswechsel ist das Üben im geschlos-
Schutzfunktion ausfällt. Nachfolgend können bei diesem emp- senen System, v.a. für die Handgelenkstabilität (. Abb. 10.19,
findlichen Gelenk Mikrotraumen, Fibroarthosen oder eine Myo- 10.23).
sitis ossificans entstehen. Das Erarbeiten wichtiger Alltagsaktivitäten (Körperpflege,
Haushaltsarbeiten, Stützen, individuelle berufliche und sport-
4. Funktionsverbesserung: Muskelkraft, Ausdauer und Ge- liche Tätigkeiten) darf nicht vergessen werden.
schicklichkeit Alle Übungen werden vorgeübt, korrigiert, kontrolliert und
Training eines Muskels oder einer Muskelgruppe bedeutet die dann als Hausaufgabenprogramm zusammengestellt. Der Pati-
Verbesserung von Ausdauer, Kraft und ökonomischem Einsatz ent muss auf Warnsignale, die bei falschem Üben auftreten, hin-
der Hand für notwendige Alltagsverrichtungen. gewiesen werden. Die PNF-Technik »Replikation« eignet sich
Erreichbar ist dieses Ziel durch wiederholtes Üben, syste- sehr gut als Vorübung für Hand-Arm-Aktivitäten (7 Kap. 22).
matische Steigerung des Widerstandes, Verlängerung der Span-
nungszeiten und Einüben methodisch aufgebauter komplexer ! Cave
Bewegungsmuster. Eine Überdosierung führt zu Reizzuständen und Kalzifikati-
Bis zur Konsolidierung der Fraktur darf keine Hebelwirkung onen!
an der Fraktur erfolgen; sie würde den Heilungsablauf stören.
Daher muss der Widerstand für die Ellenbogenbewegungen
zwischen Ellenbogen und Fraktur platziert werden. Bei Hand- Übungsbeispiele
bewegungen muss zwischen Fraktur und proximalem Handge-
lenk passiv fixiert werden. Ist dies z.B. bei einer Fixateur-exter- Die Übungsbeispiele beziehen sich auf eine bewegungsstabile
ne-Osteosynthese nicht möglich, wird auf distalen Widerstand Unterarmschaftfraktur.
verzichtet.
Wie bei allen Techniken muss die Dosierung des Wider- Proliferationsphase
standes auf den aktuellen Muskel- und Gelenkbefund abge- Ausgangsposition
stimmt sein. Schmerzen, Muskelzittern, Nichterreichen des Sitz. Ober-, Unterarm und Hand liegen auf gekipptem Hand-
möglichen Bewegungsausmaßes und Ausweichbewegungen tisch.
zwingen zu einer Dosierungreduzierung.
Übungen zur Verbesserung der Ausdauer sollen mit nied- Übung
rigem Widerstand, jedoch mit höherer Übungsanzahl und ge- 5 Isometrisches Spannen des M. triceps.
ringen Pausen gewählt werden. Ein adäquates Hausaufgaben- Technik: Endstellung – Halten.
programm ist unerlässlich. 5 Dasselbe mit vorherigem aktiven Strecken und Spreizen
Die reduzierte Belastbarkeit lässt Übungen in der geschlos- der Finger.
senen Kette gegen das Körpergewicht erst nach der Konsolidie- Technik: Bewegen – Halten, Bewegen – Halten – Bewegen.
rungszeit (je nach Operateur 8–12 Wochen) zu. Sie werden lang-
sam gesteigert. Übung
5 Ellenbogenextension.
5. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten Technik: Betonte Bewegungsfolge gegen Führungskontakt,
Das Üben mit kleinen Handgeräten darf postoperativ nach ca. 6 nach 4 Wochen evt. gegen angepassten proximalen Wider-
Wochen beginnen, wenn die Fraktur/Luxation ausreichend ge- stand.
heilt ist (Röntgenkontrolle, Erlaubnis vom Arzt).
Kleine Handgeräte wie Tücher, Seil, Ball, Stab, leichte The-
rabänder etc. werden für alle Formen des Greifens eingesetzt.
174 Kapitel 10 · Unterarmfrakturen und distale Radiusfraktur

Übung Übung
1 5 Oberarm zieht gegen Führungskontakt in Adduktion/Au- 5 Oberarm zieht gegen Führungskontakt in Schulterabduk-
ßenrotation bis zur möglichen Streckung (Vertauschen von tion/-retroversion und mögliche Beugung im Ellenbogen-
2 Punktum fixum und mobile), dort Haltewiderstand. gelenk.

Ausgangsposition Ausgangsposition
3 Im freien Raum. Sitz.

Übung Übung
4 5 PNF-Muster »Extension/Abduktion/Innenrotation zur El- 5 PNF-Muster »Flexion/Adduktion/Außenrotation zur El-
lenbogenextension«, mit wechselndem Drehpunkt Ellen- lenbogenbeugung«.
5 bogengelenk. Technik: Betonte Bewegungsfolge gegen Führungskontakt,
Technik: Betotonte Bewegungsfolge mit Haltewiderstand am Ende der Konsolidierungsphase gegen distalen ange-
am Oberarm und Führungskontakt distal. passten Widerstand.
6
Übung Übung
7 5 PNF-Muster »Flexion/Abduktion/Außenrotation zur El- 5 PNF-Muster »Flexion/Abduktion/Außenrotation zum ge-
lenbogenextension«. beugten Ellenbogen«.
Technik: Aktive Bewegungsfolge im Ellenbogengelenk, Hal- Technik: Betonte Bewegungsfolge am Ende der Konsolidie-
8 tewiderstand am Oberarm. rungsphase.

9 Übung
5 PNF-Muster »Flexion/Adduktion/Außenrotation zum ge-
Ausgangsposition
Sitz. Feldenkraisrolle zwischen den Füßen senkrecht aufge-
strecktem Ellenbogen« (Trizepsstoßbewegung oder Thrust- stellt, Hände auf der Rolle.
10 Pattern) in Abänderung des Originalmusters mit Dorsal-
extension und Faustschluss als Kokontraktion (7 Kap. 22). Übung
Der Therapeut steht auf der anderen Seite des zu übenden 5 In stabilem Sitz hubarmes Bewegen der Rolle mit den Hän-
11 Arms. den in Flexions- und Extensionsstellung der Ellenbogen-
gelenke.
12 Ausgangsposition 5 Dasselbe kreisend oder zur Seite.
Arm liegt auf gekipptem Tisch.
Ausgangsposition
13 Übung Unterarm liegt flach auf einem Tisch, Handgelenk an der Kan-
5 Isometrisches Spannen der Ellenbogenbeuger in weitest- te.
14 möglicher Beugestellung.
5 Dasselbe mit vorgezogenem aktivem Faustschluss. Übung
5 Dorsalextension, Palmarflexion, Radial- und Ulnarabduk-
15 Übung tion im Handgelenk, Fingerflexion und -extension.
5 Ellenbogenflexion. Techniken: Bewegen – Halten, Betonte Bewegungsfolge
Technik: Bewegen – Halten – Bewegen, Bewegen – Halten mit Haltewiderstand proximal der Fraktur, »Chirurgische
16 gegen Führungskontakt. Technik«, Dynamische Umkehr – Halten – Entspannen,
Rhythmische Stabilisation – Entspannen entsprechend
17 Übung dem aktuellen Bewegungsstopp.
5 Ellenbogenflexion.
Technik: Betonte Bewegungsfolge gegen Führungskontakt. Übung
18 5 Spielerischer Umgang mit Ball, Tüchern, Seil, Bändern, Be-
Übung steck, Schreibgeräten etc., mit Betonung der Umwendbe-
19 5 Ellenbogenflexion mit Supination und Fingerflexion bei wegungen als Vorübung für Aktivitäten.
aufliegendem Oberarm.
Umbauphase (8–12 Wochen postoperativ)
20 Übung Manuelle Therapie
5 Ellenbogenflexion mit Pronation und Fingerextension bei 5 Traktion am proximalen Radius, Gleiten nach ventral/kau-
21 aufliegendem Oberarm. dal. Traktion des Radius in leichter Beugestellung des El-
10.2 Distale oder »klassische« Radiusfraktur
175 10

lenbogengelenks, anschließend weiche Umkehrbewe- frakturiert der distale Radius bei Volarstellung des Handge-
gungen. lenks.

Übung
5 Stabilisationsübungen mit Hanteln oder elastischen Zügeln Charakteristische Symptome/Leitsymptome
(. Abb. 7.16).
5 Druck- und Bewegungsschmerz,
Übung 5 Fehlstellung, z.B. Bajonett- oder Fourchettestellung,
5 Übungen in der geschlossenen Kette, Stützübungen 5 Schwellung,
(. Abb. 7.18, 11.46). 5 Guyon-Logen-Syndrom bei N.-ulnaris-Druckverletzung,
5 Sulcus-ulnaris-Syndrom mit Sensibilitätsstörungen D4
! Cave und D5.
Der Patient darf erst stützen, prellen oder hart fangen, wenn die
Fraktur konsolidiert ist!
Biomechanik, Behandlungsrichtlinien und
therapeutische Maßnahmen
10.2 Distale oder »klassische«
Radiusfraktur Biomechanik
Handgelenkbewegungen
Einteilung Funktionell gesehen, sind die beiden Handgelenke ein Eige-
lenk:
Distale Radiusfrakturen werden nach der AO-Klassifikation in 5 Das proximale Handgelenk wird von den Gelenkflächen
drei Typen eingeteilt. des Radius, Os scaphoideum, Os lunatum und Os triquet-
rum gebildet.
Typ A Extraartikuläre Fraktur 5 Das distale Handgelenk setzt sich aus der proximalen und
der distalen Handwurzelreihe zusammen.
A1 Fraktur der Ulna, Radius intakt

A2 Fraktur des Radius, einfach In gemeinsamer Funktion sind beide Handgelenke an der Dor-
salextension/Palmarflexion (80/85–0–80/85°) und Radial-/Ulnar-
A3 Fraktur des Radius mit Trümmerzone
abduktion (20–0–45°) beteiligt:
5 Dorsalextension: Nach Lanz (1959)/Loeweneck (1994) ist
Typ B Partiell artikuläre Fraktur des Radius das distale Handgelenk mit ca. 50° an der Dorsalextension
beteiligt, das proximale mit ca. 35°.
B1 Sagittal
5 Palmarflexion: Bei dieser Bewegung ist es umgekehrt; das
B2 Dorsal (Barton) proximale Handgelenk ist mit 45–50°, das distale mit 30–
35° beteiligt.
B3 Volar (Smith II)
5 Radialabduktion: Nach Lanz (1959)/Loeweneck (1994) dreht
sich bei Dorsalextension und Radialabduktion die proxi-
Typ C Vollständig artikuläre Fraktur des Radius male Handwurzelreihe etwas um die eigene Achse. Das
Skaphoid wird bei Radialabduktion nach palmar, bei Ulna-
C1 Artikulär und metaphysär einfache Fraktur (T-Bruch)
rabduktion nach dorsal verschoben. Die Handwurzelreihe
C2 Artikulär einfache, metaphysär mehrfragmentäre gleitet in entgegengesetzter Richtung zur Handbewegung.
Fraktur Bei eingeschränkter Dorsalextension besteht häufig auch
C3 Artikuläre und mehrfragmentäre Fraktur eine Kontraktur in Richtung Radialabduktion.
5 Ulnarabduktion: Die Bewegung findet bevorzugt im proxi-
malen Handgelenk statt und ist häufig eingeschränkt, wenn
die Palmarflexion nicht frei ist.
Ursachen
Pro- und Supination finden in den Radioulnargelenken und im
5 Abfangen eines Sturzes. Humeroradialgelenk statt; sie werden durch die straffen Bänder
auf die Hand übertragen. Der Bewegungsumfang der Pro-/Su-
Die Radiusfraktur ist insgesamt die häufigste Fraktur und ge- pination misst 80–0–80°.
schieht bei einem Extensionswinkel zwischen 40–90°. Seltener
176 Kapitel 10 · Unterarmfrakturen und distale Radiusfraktur

Für die Beurteilung einer Radiusfraktur werden anhand des


1 Röntgenbildes der sog. Basiswinkel und der dorsale Kippwinkel
30° ausgemessen (. Abb. 10.7, 10.8).
2 10°
Biomechanik und Pathologie
Biomechanik der Handgelenke und Pathologie der Verletzung
3 müssen zum einen bei der Frakturversorgung der distalen Ra-
diusfraktur, zum anderen bei der anschließenden ärztlichen
und physiotherapeutischen Behandlung besondere Beachtung
4 finden.
Die Gefäße der Hand zweigen überwiegend aus der A. radi-
5 a b
alis ab. Von besonderer Bedeutung sind der oberflächliche und
tiefe Hohlhandbogen. Liegt bei Radius- oder Skaphoidfrak-
. Abb. 10.7a,b. Beurteilung des Basiswinkels und des dorsalen Kipp- turen der Gips zu eng an, können beide Hohlhandbögen abge-
6 winkels drückt werden. Dadurch kann ein Complex Regional Pain Syn-
drome (CRPS) entstehen.
7 Die venösen und lymphatischen Gefäßnetze werden von vo-
lar nach dorsal abgeleitet; daher zeigen sich Ödeme und venöse
Stauungen besonders auf dem Handrücken.
8 Die gelenknahe Radiusfraktur kann durch die typische Dislo-
kationsstellung (Fourchette- und Bajonettstellung) (. Abb. 10.8)
oder einen zu engen Gips zu Stauungen und Druckbelastungen
9 des N. medianus und der Gefäße im Bereich des Retinaculum fle-
xorum (Lig. carpi transversum) führen. Die daraus entstehen-
10 den Beschwerden werden als »traumatisches Karpaltunnelsyn-
drom« bezeichnet. Ein kraftvolles Greifen ist dann nicht mög-
lich, die Daumen- und Kleinfingermuskulatur atrophiert, die
11 Bewegungen der Handgelenke sind schmerzhaft. Es kann zu
Parästhesien und motorischen Ausfällen der vom N. median-
Radius
12 us versorgten Muskulatur kommen (Hoffmann-Tinel-Zeichen,
Phalen-Test, . Abb. 10.9, 10.10). Ein totaler Ausfall der Sensibi-
lität ist nicht zu erwarten, da zwischen den einzelnen Nerven
13 zahlreiche Anastomosen bestehen.
Der distale Radius bricht am häufigsten im Bereich der ehe-
14 maligen Epiphysenfuge. Das distale Fragment kippt in typischer
Weise nach dorsal/radial und verursacht eine Fourchette- oder
Bajonettstellung. Zusätzlich kann es zu einem Ulnavorschub
15 kommen, der die Funktion des proximalen Handgelenks sehr
beeeinträchtigt. Werden die Fragmente nicht korrekt reponiert,
Ulna Os Lunatum drücken sie den Inhalt des Karpaltunnels gegen das straffe Re-
16 tinaculum flexorum. Infolge kann ein Karpaltunnelsyndrom,
aber auch ein Complex Regional Pain Syndrome (CRPS) entste-
17 hen (. Abb. 10.11, 10.12).
Eine bleibende Fehlstellung der Fragmente verursacht ei-
ne Inkongruenz im Radioulnargelenk mit nachfolgend einge-
18 schränkten Pro- und Supinationsbewegungen. Calliet (1975)
Radius gibt bei Dorsalextension eine 3-fache Drucksteigerung im Kar-
19 paltunnel an. Bei Fehlstellungen der Radiusgelenkfläche erhöht
Os Skaphoideum sich dieser Wert um ein Vielfaches. Radius- und Ulnavorschub
müssen deshalb korrigiert werden (. Abb. 10.13).
20 . Abb. 10.8a-c. Mechanismus der Dislokation

21
10.2 Distale oder »klassische« Radiusfraktur
177 10

. Abb. 10.9. Karpaltunnelsyndrom: Tinel-Test . Abb. 10.10. Phalen-Test zur Ermittlung eines Karpaltunnelsyndroms

. Abb. 10.12a,b. Minimalosteosynthese, a a.-p.-Aufnahme, b seitliche


Aufnahme

. Abb. 10.11a,b. Radiusfraktur, a a.-p.-Aufnahme, b seitliche Aufnahme


178 Kapitel 10 · Unterarmfrakturen und distale Radiusfraktur

. Abb. 10.13a-c. a Ulnavorschub,


1 b Verkürzungsosteotomie, c Ergebnis

2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14 Ärztliche Behandlung schwellung in einen zirkulären Gips oder »light cast« vervoll-
Operatives/konservatives Vorgehen ständigt wird. Der Daumen kann bis zum Grundgelenk mitein-
15 Die Versorgung der Fraktur ist abhängig von der Frakturfehl- gegipst sein. Die Gipszeit beträgt 5 Wochen, bei jüngeren Pati-
stellung und dem Alter des Patienten. Die häufigste Form ist enten evt. etwas weniger (. Abb. 10.11).
die Extensionsfraktur. Sie ist instabil, wenn drei der nachfolge- Der Gips darf nie zu eng sein. Auch heute gilt der zu enge
16 nen Symptome vorliegen (Weigel, Nerlich 2005): Gips als Hauptursache für die Entstehung einer CRPS oder eines
5 Die Gelenkfläche ist mehr als 20° abgekippt. Karpaltunnelsyndroms. In der ersten Zeit sind engmaschige
17 5 Es besteht eine Trümmerzone. Röntgenkontrollen, z.B. 2-mal wöchentlich, nötig, um frühzei-
5 Der Ulnavorschub ist größer als 3 mm. tig ein Abrutschen der Fraktur zu erkennen. Zudem müssen die
5 Der Proc. styloideus ulnae ist abgerissen. Patienten angeleitet werden, auf Schmerzen und Engegefühl zu
18 5 Die Fraktur reicht ins Gelenk. achten und ggf. den Arzt aufzusuchen.
5 Der Patient ist über 60 Jahre alt. Bei instabilen Radiusfrakturen Typ B und C empfehlen viele
19 Traumatologen eine operative Versorgung, um frühfunktionell
Diese Frakturen bedürfen der operativen Versorgung. behandeln zu können. Bei diesen Frakturen wird von palmar
Die stabile Radiusfraktur wird auch heute konservativ be- eine Plattenosteosynthese mit einer sog. winkelstabilen T-Plat-
20 handelt. Nach Reposition der Fraktur wird die Hand in leich- te angebracht.
ter Palmarflexion und Ulnarabduktion ruhiggestellt. Zunächst Bei Smith-Frakturen oder wenn die Reposition nicht gelingt,
21 wird ein aufgeschnittener Gips angelegt, der dann nach Ab- ist eine Kirschner-Draht-Osteosynthese mit nachfolgender
10.2 Distale oder »klassische« Radiusfraktur
179 10

. Abb. 10.14a-d. a, b Radius- und


Ulnafraktur (Pilon-radial-Fraktur), c Os-
teosynthese mit Fixateur externe und
K-Drähten, d klinisches Bild

. Abb. 10.15a-c. a Radiusfraktur mit Fixateur-externe-Versorgung, Abriss des Proc. styloideus ulnae. b Entwicklung einer CRPS nach 5 Wochen, 3.
Schanzschraube ist locker. c Materialentfernung
180 Kapitel 10 · Unterarmfrakturen und distale Radiusfraktur

Gipsbehandlung angezeigt. Diese birgt zwar das Risiko von se- Behandlungsmöglichkeiten
1 kundären Dislokationen, Implantatlockerungen und Algodys-
trophien (Weigel, Nerlich 2005), wird aber als einfache Versor- Die Auswahl der physiotherapeutischen Techniken richtet sich
2 gung noch häufig angewandt (. Abb. 10.12). nach der ärztlichen Behandlung und dem Befund. Sie können
Trümmerfrakturen mit Zerstörung der Gelenkfläche und zu unterschiedlichen Zeiten Anwendung finden. Der Behand-
Spongiosaimpression (Pilonradialfraktur) und offene Frakturen lungsbeginn kann am 2. postoperativen Tag oder erst nach 5
3 werden mit einem Fixateur externe behandelt (. Abb. 10.14, Wochen sein.
10.15). Zusätzlich können K-Drähte zum Auffädeln der Frak- Während der Gipsbehandlung muss durch gut angeleitetes
turstücke eingebracht werden. Der Fixateur externe wird Ge- eigenständiges Üben darauf geachtet werden, die freien Gelenke
4 lenk übergreifend angelegt. funktionstüchtig zu erhalten, Durchblutungsstörungen zu ver-
Empfehlenswert ist das zusätzliche Anlegen einer leichten meiden und Komplikationen frühzeitig abzufangen.
5 palmaren Schiene, die zum Üben abgenommen werden kann. Bei Verdacht auf ein CRPS soll die Stellung der Fraktur über-
Die kleinen, nicht gefassten Fragmente rutschen leider schnell prüft und ggf. operativ behandelt werden. Auch der Gips muss
ab. ggf. geweitet oder erneuert werden. Die physiotherapeutischen
6 Geübt werden dürfen nur die freien Fingergelenke und die Maßnahmen haben zum Ziel, die Schwellung abzubauen, die
Beuge- und Streckbewegungen im Ellenbogengelenk. Pro- und Druckläsion zu vermindern und die Handgelenkstellung zu
7 Supinationsbewegungen sind untersagt. verbessern.
Nach 5 Wochen werden Kirschner-Drähte, Gips oder Fi-
xateur externe entfernt und der Beginn der aktiven Übungsbe- Grundsätzliches Vorgehen
8 handlung für Hand- und Radioulnargelenke festgelegt. In . Übersicht 10.2 sind die Gesichtspunkte der physiotherapeu-
Gipsfrei behandelte Patienten können umgehend nach der tischen Behandlung nach klassischen Radiusfrakturen zusam-
Osteosynthese aktiv/assistiv üben, die Osteosynthese muss je- mengefasst.
9 doch bewegungssstabil sein.

10 Wichtig . Übersicht 10.2. Gesichtspunkte der Behandlung


1. Verbesserung der Durchblutung.
Besondere Kontrolle und Sorgfalt ist bei der Anlage eines 2. Spannungsaufbau.
11 Unterarmgipses erforderlich: Die Mittelhand darf nicht 3. Entspannen der Handbinnenmuskulatur.
zusammengedrückt werden. Alle Fingergrundgelenke und 4. Mobilisation der Handgelenke.
das Ellenbogengelenk sollen frei bleiben.
12 5. Verbesserung der Muskelkraft, Ausdauer und Geschick-
lichkeit.
Die Behandlung des Karpaltunnelsyndroms geschieht durch ei- 6. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten.
13 ne Spaltung des Retinaculum flexorum. Eine vorherige Abklä-
rung, ob die Sensibilitätsstörungen nicht durch ein Halswirbel-
14 säulensyndrom hervorgerufen sind, ist unbedingt erforderlich
(7 Kap. 11, Komplikationen bei CRPS). 1. Verbesserung der Durchblutung und Ödemresorption
Siehe 7 Abschn. 10.1, »Unterarmfraktur«.
15
Komplikationen 2. Spannungsaufbau der Fraktur sichernden Muskulatur
Da proximales und distales Handgelenk an allen vier Bewe-
16 5 Refraktur, gungsrichtungen der Hand beteiligt sind, soll die Spannung
5 Pseudarthrose, möglichst komplex aufgebaut werden.
17 5 Karpaltunnelsyndrom, Die Fraktur wird am besten durch eine Kokontraktion der
5 CRPS, langen Fingerbeuger mit den Handgelenkstreckern gesichert.
5 Fehlstellung der Handgelenke, Die Palmarflexion wird entsprechend mit der Extension der
18 5 Infektion. Finger ausgeführt. Gut geeignet sind die Techniken »Endstellung
– Halten«, »Bewegen – Halten« in allen Variationen mit Faust-
19 schluss oder gestreckten Fingern.
Befunderhebung Die Dosierungsstufe ist Führungskontakt. Bei isoliertem
Üben wird dicht über dem proximalen Handgelenk passiv fi-
20 Siehe Befunderhebung in 7 Abschn. 10.1, »Unterarmfraktur«. xiert. Komplexe Übungsformen mit Rotationsbewegungen sind
erst nach 5 Wochen erlaubt.
21
10.2 Distale oder »klassische« Radiusfraktur
181 10

Übungen aus dem PNF-Programm mit wechselndem Dreh- Selten ist das Endgefühl weichelastisch; dann sollen aktive PNF-
punkt der Handgelenke sind abzuwandeln, dann aber eine will- Entspannungstechniken gewählt werden.
kommene Abwechslung: In der Regel ist der Bewegungsstopp v.a. für die Dorsale-
Die Trizepsstoßbewegung wird in der 1. Diagonalen origi- xtension und Radialabduktion fest. Techniken nach Maitland,
nal mit einer radialen Dorsalextension und Fingerextension an- Kaltenborn und Frisch sind dann die geeigneten Maßnah-
gegeben. Lässt man die Finger zur Faust schließen, wird die- men. Ein translatorisches Verschieben von Os scaphoideum,
se Übung zu einer wertvollen Übungsform bei der Behand- Os lunatum und der übrigen Handwurzelknochen des distalen
lung der Radiusfraktur. Das Handgelenk kann dann aktiv be- Handgelenks ist nach entsprechender Untersuchung angezeigt
tont üben. (7 Kap. 11, Manuelle Therapie). Weiche Umkehrbewegungen
Eine Änderung der PNF-Muster »Flexion/Abduktion/Au- unter Traktion verbessern ebenfalls die Handfunktion.
ßenrotation« und »Extension/Abduktion/ Innenrotation« mit In der Konsolidierungsphase wird auch die Motorschiene
Fausschluss ist ebenso möglich. eingesetzt, wenn sie schmerzfrei eingestellt wird (. Abb. 10.16).
Entsprechend werden alle PNF-Muster, die mit Palmarfle-
xion des Handgelenks geplant sind, mit Fingerextension einge- Wichtig
leitet.
Der Physiotherapeut muss anhand des Röntgenbildes und
klinischen Befundes entscheiden,
3. Entspannen der Handbinnenmuskulatur
5 wo er gezielt ansetzen möchte, und
Jede Form der Ruhigstellung bewirkt eine Schrumpfung der Kap-
5 ob ein bestehender Ulna- bzw. Radiusvorschub oder ei-
seln, Bänder und Muskeln an der Hand. Nur eine gipsfreie Be-
ne Bajonett-Stellung die Funktion der Handgelenke blei-
handlung und die entsprechende Möglichkeit, die Finger von
bend einschränkt.
Anfang an frei bewegen zu können, bewahrt die Hand vor einer
Kontraktur der Mm. lumbricales und interossei. Sie bilden sehr
schnell Kontrakturen und geben Anlass für einen vermehrten Bei der Mobilisation von Pro- und Supination soll die Hand zum
Druck auf den tiefen Hohlhandbogen mit nachfolgender Min- Schutz der Fraktur immer zur Faust geschlossen werden.
derdurchblutung der Hand. Bevorzugt werden Mobilisationstechniken, bei denen der
Auch die häufig geübte primäre Behandlung der Radius- Patient beim An- und Entspannen beteiligt ist. Schmerzhafte
fraktur mit einem Fixateur externe zeigt die gleiche Symptoma- Verspannungen dürfen nicht überspielt werden. Es ist wichtig,
tik. nach deren Ursache zu forschen und die Maßnahmen neu zu
Physiotherapeuten sollen daher besonderen Wert auf die bedenken.
Funktion der Binnenmuskulatur legen. Zur Mobilisation der Umwendbewegungen eignen sich
Das Entspannen der Mittelhandmuskulatur ist aktiv, aber »Rhythmische Stabilisation – Entspannen« mit Betonung der
auch durch minimale Gleitbewegungen der Mittelhandknochen Rotation, wenn die Frakturheilung es zulässt, sowie Techniken
zu erreichen. Diese können jedoch erst nach der Ruhigstellung nach Maitland und Frisch.
(Entfernung von Gips oder Fixateur externe) angewandt wer- Die Beweglichkeit des Schultergelenks, der Skapula und
den. Halswirbelsäule soll immer überprüft und entsprechend mit
komplexen Bewegungsfolgen beübt werden.
4. Mobilisation
Kontrakturen der Handgelenke ergeben sich aus der Gips- oder ! Cave
Fixateurbehandlung. Zu beachten ist die besondere Beteiligung Intensive Wärmeanwendungen sind kontraindiziert!
der beiden Handgelenke an den eingeschränkten Funktionen.

. Abb. 10.16a,b. Handgelenk-


Motorschiene
182 Kapitel 10 · Unterarmfrakturen und distale Radiusfraktur

5. Verbesserung der Muskelkraft und Ausdauer Stiften oder Besteck geübt werden, für belastungsstabile Frak-
1 Zum Training der geschwächten Unterarmmuskulatur sind fol- turen können Bewegungsabläufe wie das Betätigen von Arma-
gende Techniken geeignet: turen oder Fenster- und Türklinken erarbeitet werden.
2 5 Endstellung –Halten, Als PNF-Technik kann die »Replikation« eingesetzt werden
5 Bewegen – Halten in allen Variationen und gegen ange- (7 Kap. 22).
passten Widerstand, Das Tragen schwerer Gegenstände und das Abstützen sind
3 5 Betonte Bewegungsfolge mit Drehpunkt Handgelenk, bis zum Ende der Konsolidierungsphase (ca. 8 Wochen) nicht
5 Wiederholte Kontraktion. erlaubt (. Abb. 11.31 a, b).
Röntgenbild, klinischer Befund und ärztliche Erlaubnis be-
4 Die Dosierung richtet sich nach der Konsolidierung der Frak- stimmen das Vorgehen.
tur und variiert durch die Anzahl der Wiederholungen, die An-
5 passung des manuellen Widerstandes, die Spannungs- und Pau- Wichtig
sendauer.
Ist aufgrund weiterer Verletzungen an der unteren Extremität
Anzustreben ist die Stabilisation des Handgelenks in leich-
6 ter Dorsalextension als Voraussetzung für das kraftvolle Grei- das Gehen mit Stützen erforderlich, müssen Achselstützen
verwendet werden!
fen der Finger.
7
6. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten
Alle Formen des Greifens erfordern die volle Funktionsfähig-
8 keit der Hand- und Ellenbogengelenke. Der geschickte Ge- Übungsbeispiele
brauch der Finger ist sowohl von der Gleitfähigkeit der ela-
stischen Strukturen, der Stabilisation der einzelnen Gelenke als Die Übungsbeispiele beziehen sich auf eine distale Radiusfrak-
9 auch von einer intakten Sensibilität abhängig. tur, die mit einem Fixateur externe stabilisiert wurde.
Wenn alle Wunden abgeheilt sind, soll der Pateint seine
10 Hand spielerisch in einem Bohnen-, Linsen- oder Körnerbad Mit Fixateur externe
bewegen (7 Kap. 11). Übung
Greifen und Halten von Gegenständen aller Art kommen Aktive Fingerstreckung über Verstärkung mit PNF-Muster »Fle-
11 als Kombinationsbewegungen vor. Kleine, leichte Geräte wie xion/Abduktion/Rotationsnullstellung« (. Abb. 10.17 a) und ak-
z.B. Seil, kurzer Stab, Keule, kleiner Ball, Tuch oder Knetmasse tive Fingerflexion über die Umkehrbewegung (. Abb. 10.17 b).
12 können frühzeitig in der Physiotherapie eingesetzt werden.
Federhanteln, Geräte mit elastischen Zügen oder Hanteln Übung
können erst nach Konsolidierung der Fraktur zur Anwendung 5 Greifen einer Münze, eines Glases (. Abb. 10.18).
13 kommen.
Auch hier gilt, dass die Hand möglichst natürlich im All- Übung
14 tag eingesetzt werden soll. Für bewegungsstabile Verletzungen 5 Öffnen der Tür (. Abb. 10.19).
können leichte Tätigkeiten wie z.B. das Greifen von Münzen,

15
. Abb. 10.17a,b. Üben mit Fixateur
16 externe.Umkehrbewegungen,
a Fingerextension und b Fingerflexion

17
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20
21
10.2 Distale oder »klassische« Radiusfraktur
183 10

. Abb. 10.18a,b. a Greifen einer


Münze, b Greifen eines Glases

Ausgangsposition Übung
Sitz. Unterarm und Hand flach auf dem gekippten Handtisch 5 Radialabduktion/Dorsalextension (. Abb. 10.20).
gelagert. Hand liegt leicht höher als Ellenbogen. Rückenlage bei Technik: Betonte Bewegungsfolge.
polytraumatisierten Patienten. 5 In den Übungspausen wird eine Eisabtupftechnik (Reiben
mit dem Eisball) über der zu beanspruchenden Muskulatur
Nach Entfernung des Fixateur externe/bei als Kontraktionsreiz durchgeführt.
bewegungsstabilen Osteosynthesen
Übung Ausgangsposition
5 Aktive Dorsalextension des Handgelenks mit Faustschluss. Handgelenk in Nullstellung. Kleinfingerseite liegt auf etwas
Techniken: Endstellung – Halten, Bewegen – Halten – Be- niedriger gestelltem Handtisch.
wegen und Betonte Bewegungsfolge.
Übung
Übung 5 Supination mit aktivem Faustschluss.
5 Aktive Haltearbeit der Handextensoren, dynamische Um- Technik: Bewegen – Halten, Rhythmische Stabilisation, Be-
kehrbewegungen von Daumenabduktion und -extension, tonte Bewegungsfolge.
Fingerflexion und -extension. 5 Dasselbe für Pronation mit aktivem Faustschluss.

Übung Ausgangsposition
5 Radialabduktion. Hand liegt flach auf dem Tisch an der Tischkante, Unterarm
Technik: Endstellung – Halten. liegt auf.
5 Dasselbe für die Ulnarabduktion.

. Abb. 10.20. Betonte Bewegungsfolge: Dorsalextension/Radialabduk-


. Abb. 10.19. Bewegen der Türklinke tion mit Faustschluss
184 Kapitel 10 · Unterarmfrakturen und distale Radiusfraktur

Übung
1 5 »Extension/Adduktion/Innenrotation zum gebeugten oder
gestreckten Ellenbogen«, mit Fingerextension und Palmar-
2 flexion.
5 Dasselbe mit Technik »Wiederholte Kontraktion«, Dreh-
punkt Handgelenk.
3
! Cave
Solange die Fraktur nicht durchbaut ist, darf kein Stretch und
4 kein Widerstand distal der Fraktur gegeben werden.

5 Mobilisation
5 Palmarflexionskontraktur.
Techniken: Halten – Entspannen mit feiner Traktion an der
6 . Abb. 10.21. Betonte Bewegungsfolge: Palmarflexion mit Fautschluss
proximalen Handwurzelreihe (anfangs evt. Faustschluss
beibehalten). Befundbezogen alternativ Rhythmische Sta-
7 Übung bilisation – Entspannen und »Chirurgische Technik« (An-
5 Palmarflexion und Fingerstreckung/Faust. spannen – Entspannen).
Techniken: Bewegen – Halten, Endstellung – Halten, Be-
8 tonte Bewegungsfolge (. Abb. 10.21). Nach ca. 6–7 Wochen und Befund
Alle Übungen können nun gegen angepassten manuellen Wi-
derstand ausgeführt werden. Die Pro- und Supinationsbewe-
9 Ausgangsposition
Arm in Extension/Abduktion/Innenrotation, Ellenbogen und gungen sollen betont werden. Anfangs können Verstärkungs-
Handgelenk gebeugt, Finger gestreckt. techniken angewandt werden; bei zunehmender Kraftverbesse-
10 rung wird ohne Kontraktionshilfen geübt (. Abb. 10.22).
Übung
5 Modifizierte Trizepsstoßbewegung (7 Kap. 22). Der Physio- Übung im geschlossenen System
11 therapeut steht auf der Gegenseite. 5 Stützen (. Abb. 10.23).
5 Dasselbe mit Technik »Betonte Bewegungsfolge«, Dreh-
12 punkt Handgelenk.

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. Abb. 10.22a,b. a Bilaterale Verstärkung des Musters »Flexion/Adduktion/Außenrotation zum gebeugten Ellenbogen« über die gesunde Hand, die
21 gegen das Theraband spannt. b Bilaterale Verstärkung gegen Theraband mit »Betonter Bewegungsfolge« der Fingerextension links
10.2 Distale oder »klassische« Radiusfraktur
185 10

. Abb. 10.23. Vom Sitzen


zum Stehen mit Abstützen

. Abb. 10.24. Öffnen der Tür

. Abb. 10.25a-d. Manuelle Mobili-


sation am Handgelenk, a distales Ra-
dioulnargelenk, b ulnare Handwur-
zelreihe, c, d proximales Handge-
lenk durch Verschieben des Os luna-
tum und gleichzeitige Bewegung des
Handgelenks in Dorsalextension/Pal-
marflexion

Üben der Greifformen und Aktivitäten Ausgangsposition


5 Präzisionsgriffe, Kraftgriffe, z.B. mit kleinen Geräten, Oberarm liegt auf dem Tisch, Unterarm ist senkrecht in Rotati-
Knetmasse, kleinem Ball, Münzen, Wäscheklammern, zu- onsnullstellung aufgestellt.
nehmend auch mit Hanteln, elastischen Zügen oder Thera-
netz, auch Tür öffnen (. Abb. 10.24). Dabei soll das Hand- Manuelle Therapie
gelenk aktiv stabilisiert werden (7 Kap. 11). 5 Mobilisation der Pronations-, Palmar- und Supinations-
kontraktur (. Abb. 10.25).
186 Kapitel 10 · Unterarmfrakturen und distale Radiusfraktur

Übungen Stabilität:
1 5 Selbständiges Üben und Narbenpflege (7 Kap. 11). Bewegungsstabilität für Gelenke distal des Fixateur exter-
5 Ergänzend kann die CPM-Handschiene eingesetzt wer- ne.
2 den, wenn das Bewegungsausmaß im Handgelenk nicht zu
klein ist und die Bewegung schmerzlos ist (. Abb. 10.16).
Procedere:
Heute, 6 Wochen postop. Fixateur- und K-Draht-Entfer-
nung, Röntgenkontrolle.
3 Beginn aktiver Physiotherapie für die Handgelenke. Keine
10.3 Patientenbeispiel Pro-/Supination erlaubt bis zur Materialentfernung (Radi-
oulnargelenk).
4 Befundaufnahme Beginn mit angepasstem Widerstand und Üben im ge-
schlossenen System nach 8 Wochen, entsprechend der wei-
5 Name des Patienten: Frau K. teren Verbesserung der Befunde.
45 J., Krankenschwester im ambulanten Pflegedienst Unfallanamnese:
Befunddatum: 6 Wochen postop. Patientin rutschte auf dem Weg zur Arbeit auf glatter Stra-
6 Name des Therapeuten: Frau L. ße aus und verletzte sich am rechten Handgelenk. Sie ging
Einweisungsdiagnose: Verdacht auf Radiusfraktur rechts zum Hausarzt, der sie in die Klinik einwies. Dort wurde sie
7 Nebendiagnosen: Keine operativ versorgt.
Röntgenbefund: Pilon-radial-Fraktur rechts
Röntgenbefund 6. Woche postop.: Ulnavorschub, Gelenkfläche
8 des Radius geringgradig nach radial verschoben; Fraktur fast
durchbaut
Versorgung: Vor 6 Wochen, am Unfalltag
9 operativ Qx konservativ Q
Medikamente: Keine
10 Versorgung:
K-Drähte und Gelenk übergreifender Fixateur externe
rechts.
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10.3 Patientenbeispiel
187 10

ICF-Dokumentation

Name/Alter: Frau K. Behandlungsziel: Wiederherstellung der Handfunktion und der erforder-


Diagnose: Pilon-radial-Fraktur rechts lichen Aktivitäten
Heute Röntgen und Entfernung des Osteosynthesematerials
Befund 6 Wochen postoperativ

Struktur/Funktion Aktivität Partizipation

Patientin gibt an: Patientin ist Rechtshänderin und Patientin gibt an,
5 Steifes Gefühl in Hand- und Daumengelenken, gibt an: 5 sie könne nicht Auto fahren, nicht
5 Kraftlosigkeit, 5 Unvermögen, die Hand zur alleine ihren Haushalt bewälti-
5 geringe ziehende Bewegungsschmerzen. Faust zu schließen und zu dre- gen, nicht berufstätig sein, keinen
hen, was besonders beim Wa- Sport ausüben, z.B. Volleyball,
schen, Kämmen, Körperpflege 5 sie sei unsicher beim Busfah-
Patient

und Essen hinderlich sei. ren, weil sie sich schlecht festhal-
ten könne.

5 Geringe Schwellung im Handgelenkbereich. 5 Spitzgriff D1 und D2 möglich, 5 Viele Arbeiten im Haushalt und
5 Hautdurchblutung o.B. nicht jedoch zu D3–D5. Körperpflege sind nur mit Ehe-
5 Handgelenkstellung 10° nach radial verschoben. 5 Hakengriff und Faust einge- mann möglich.
5 Atrophien der Unterarm- Daumenballen- und Bin- schränkt, FKHA 2 cm. 5 Die Patientin ist nicht selbständig
nenmuskulatur. 5 Grobgriff, Schneiden, Tragen und arbeitsfähig.
5 Gelenkbeweglichkeit: von Tellern, Tassen etc., Käm-
men, Gesicht waschen und
aktiv passiv
Münzen aufnehmen etc. ist
Dorsalext. re 0–0–30° 20–0–35°
nicht möglich.
li 70–0–65° 85–0–85°
Radialabd. re 10–0–10° 15–0–10°
li 20–0–45° 20–0–45°
– Supination nicht bis Nullstellung möglich.
5 Bewegungsstopp:
– Dorsalext. fest,
– Palmarflex. elastisch,
– Radialabd. elastisch,
– Ulnarabd. festelastisch.
5 Umfangmaße: HG +0,5 cm, Unterarm –1,5 cm.
5 MTW:
M. ext. carpi rad. Ulnaris 2 K (Kontraktur)
M. flexor carpi rad. Ulnaris 2–3 K
M. flexor poll. longus et brevis 2–3
5 A.-radialis-Puls o.B.
5 Sensibilität o.B.
5 Hoffmann-Tinel-Test +, Phalentest nicht möglich.
5 Ziehende Schmerzen bei endgradiger Bewegung
(VAS 3) im Handgelenkbereich.
5 Ellenbogen-/Schultergelenke frei (nicht Supination!).
5 BWS o.B.
5 Röntgenbefund: Geringe Gelenkfehlstellung, Ulna-
vorschub, Fraktur bewegungsstabil.

Kontextfaktoren/(+) oder (–)

Umweltfaktoren Personenbezogene Faktoren


Therapeut

(–) tagsüber allein, abends von Ehemann versorgt (+) ausgezeichneter Trainingszustand
(+) sehr gute Compliance
(+) hohe Motivation
188 Kapitel 10 · Unterarmfrakturen und distale Radiusfraktur

Ê Im Internet (www.springer.de/978-3-540-68241-7, unter


1 dem Link »Patientenbeispiele«) erfahren Sie mehr über
Frau L. und den weiteren Therapieverlauf: die Behand-
2 lungsziele, die bei ihr wichtigen Gesichtspunkte der Be-
handlung und einen Therapievorschlag für eine Behand-
lungseinheit.
3
4 10.4 Literatur
Brokmeier A (1995) Manuelle Therapie. Enke, Stuttgart
5 Buck M, Beckers D, Adler S (2004) PNF in der Praxis, 5. Aufl. Springer, Ber-
lin Heidelberg
Frisch H (1990) Programmierte Untersuchung des Bewegungsapparates,
6 4. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg New York
Hüter-Becker A, Dölken M (2005) Physiotherapie in der Traumatolotgie/
Chirurgie. Thieme, Stuttgart New York
7 Knutsson E (1969) Effects of local cooling on Monosynaptic Reflexes in
Man. Scan J Rehab Med 1 :126–132
Lanz v T, Wachsmuth W (2003) Praktische Anatomie, Bd 1/3 Arm. Springer,
8 Berlin Heidelberg New York
Loeweneck H (1994) Funktionelle Anatomie für Krankengymnasten, 2.
Aufl. Pflaum, München
9 Maitland G (1996) Manipulation der peripheren Gelenke, 2. Aufl.
Springer, Berlin Heidelberg New York
10 Trentz O, Bühren V (2001) Traumatologie Checkliste. Thieme, Stuttgart
New York
Van den Berg F (2003) Angewandte Physiologie, Bd 1, 2. Aufl. Thieme,
11 Stuttgart New York
Weigel B, Nerlich M (2005) Praxisbuch Unfallchirurgie, Bd 1. Springer, Ber-
lin Heidelberg New York
12
Die Abbildungen 10.6, 10.11, 10.12 verdanke ich Herrn OA Dr. Th. Löffler,
Chirurg. Klinik, Klinikum Großhadern der Universität München.
13 Die Abbildungen 10.13–10.25 verdanke ich Frau Barbara Dopfer, Pra-
xis für Physiotherapie und Handrehabilitation Görges-Radina, München.

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Handchirurgie

11.1 Verletzungen und 11.4 Frakturen der Handwurzel-


typische Erkrankungen an knochen – 199
der Hand – 192 Ursachen – 199
Einteilung – 192 Behandlungsrichtlinien und
Allgemeine Ursachen – 192 therapeutische Maßnahmen – 199
Allgemeine charakteristische Komplikationen – 199
Symptome/Leitsymptome – 192
Allgemeines über Biomechanik, 11.5 Frakturen der Metakarpalia – 199
Behandlungsrichtlinien und Ursachen – 199
therapeutische Maßnahmen – 192 Behandlungsrichtlinien und
Komplikationen – 195 therapeutische Maßnahmen – 199
Befunderhebung – 196 Komplikationen – 200
Behandlungsmöglichkeiten – 197 Befunderhebung – 201

11.2 Os-scaphoideum- 11.6 Frakturen der Grund-, Mittel- und


Fraktur – 197 Endphalangen – 201
Ursachen – 197 Behandlungsrichtlinien und
Charakteristische Symptome/ therapeutische Maßnahmen – 201
Leitsymptome – 197 11.7 Luxation des Daumengrund-
Behandlungsrichtlinien und gelenks – 201
therapeutische Maßnahmen – 197 Ursachen – 201
Komplikationen – 198 Charakteristische Symptome/
Befunderhebung – 198 Leitsymptome – 201
11.3 Os-lunatum-Luxation, Behandlungsrichtlinien und
perilunäre Luxation – 198 therapeutische Maßnahmen – 201
Ursachen – 198
Behandlungsrichtlinien und
therapeutische Maßnahmen – 198
190 Kapitel 11 · Handchirurgie

11.8 Replantation/Transplantation 11.12 Muskelverletzungen – 215


1 der Finger – 201
Behandlungsrichtlinien und 11.13 Nervenverletzungen – 215
2 therapeutische Maßnahmen – 201 Einteilung – 216
Ursachen – 216
3 11.9 Amputationen – 204 Charakteristische Symptome/
Ursachen – 204 Leitsymptome – 216
Behandlungsrichtlinien und Behandlungsrichtlinien und
4 therapeutische Maßnahmen – 216
therapeutische Maßnahmen – 204
Komplikationen – 205 Komplikationen – 217
5 Befunderhebung – 205 Befunderhebung – 217
Behandlungsmöglichkeiten – 205 Behandlungsmöglichkeiten – 218
6
11.10 Beugesehnen- 11.14 Gefäßverletzungen – 219
7 verletzungen – 207
Einteilung – 207 11.15 Kombinationsverletzungen – 219
Ursachen – 207 Charakteristische Symptome/
8 Charakteristische Symptome/ Leitsymptome – 220
Leitsymptome – 207 Behandlungsrichtlinien und
9 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen – 220
therapeutische Maßnahmen – 207 Komplikationen – 220
10 Komplikationen – 210 Befunderhebung – 220
Befunderhebung – 210 Behandlungsmöglichkeiten – 220
11 Behandlungsmöglichkeiten – 210 11.16 Verbrennungen – 221
Komplikation: Tenolysen Einteilung – 221
12 (Tendolysen) – 212 Ursachen – 221
11.11 Strecksehnen- Charakteristische Symptome/
13 verletzungen – 213 Leitsymptome – 221
Einteilung – 213 Behandlungsrichtlinien und
14 Ursachen – 213 therapeutische Maßnahmen – 221
Charakteristische Symptome/ Komplikationen – 222
Befunderhebung – 222
15 Leitsymptome – 213
Behandlungsmöglichkeiten – 222
Behandlungsrichtlinien und
16 therapeutische Maßnahmen – 214 11.17 Dupuytren-Faszienfibrose
Komplikationen – 215 (Morbus Dupuytren) – 223
Behandlungsmöglichkeiten – 215
17 Einteilung – 223
Ursachen – 223
18 Charakteristische Symptome/
Leitsymptome – 223
Behandlungsrichtlinien und
19 therapeutische Maßnahmen – 223
Komplikationen – 224
20 Befunderhebung – 224
Behandlungsmöglichkeiten – 224
21
191 11

11.18 Complex Regional Pain 11.19 Patientenbeispiel – 234


Syndrome (CRPS) – 225 Befundaufnahme – 234
Einteilung – 225 ICF-Dokumentation – 234
Ursachen – 225
Charakteristische Symptome/ 11.20 Literatur – 236
Leitsymptome – 225
Behandlungsrichtlinien und
therapeutische Maßnahmen – 226
Behandlungsmöglichkeiten – 227
Übungsbeispiele – 234
192 Kapitel 11 · Handchirurgie

Die Handchirurgie ist heute ein eigenständiges Fachgebiet im Allgemeine Ursachen


1 Rahmen der Unfallchirurgie. Durch zunehmende Spezialisie-
rung, v.a. in der Mikrochirurgie, erweiterten sich auch die spe- Traumen:
2 zifischen Nachbehandlungsformen in der Physiotherapie. Wer 5 Schnitt-, Quetsch- und Rissverletzungen, Verbrennungen,
in diesem faszinierenden Fachgebiet arbeiten möchte, muss sich Kreissägen-, Maschinen-, Glasscherbenverletzungen.
nicht nur mit der Fachliteratur beschäftigen, sondern auch Er-
3 fahrungen in handchirurgischen Abteilungen, Kliniken und Erkrankungen:
Praxen sammeln. 5 Dupuytren-Faszienfibrose (auslösende Faktoren 7 Ab-
schn. 11.18),
4 5 Complex Regional Pain Syndrome (Ursachen 7 Ab-
11.1 Verletzungen und typische schn. 11.19).
5 Erkrankungen an der Hand
Einteilung Allgemeine charakteristische Symptome/
6 Leitsymptome
Verletzungen an der Hand sind:
7 5 Frakturen, Nach Weigel, Nerlich (2005) sind folgende Symptome charak-
5 Luxationen, teristisch:
5 Amputationen, 5 Schwellung,
8 5 Sehnenverletzungen, 5 Bewegungseinschränkung oder -unfähigkeit (bei knö-
5 Muskelverletzungen, cherner Fehlstellung, Gelenkkontraktur, Sehnenverlet-
5 Nervenverletzungen, zungen),
9 5 Gefäßverletzungen, 5 lokaler Druckschmerz (bei Fraktur),
5 Kombinationsverletzungen von Knochen, Sehnen, Nerven 5 unspezifischer Schmerz (bei chronischer Instabilität, Ner-
10 und Gefäßen, z.B. bei Fingerabtrennung oder Quetschver- venkompression, Subluxation),
letzung, 5 Durchblutungsstörung (bei Embolie, CRPS),
5 Replantationen, 5 Nervenfunktionsstörung,
11 5 Verbrennungen. 5 Sensibilitätsstörungen (bei Kompression durch anato-
mische Engstellen, Narben),
12 Zu den wichtigsten Verletzungen der Handwurzel gehören: 5 funktionsbeeinträchtigende Narben.
5 Skaphoidfraktur,
5 Lunatumluxation,
13 5 perilunäre Luxation. Allgemeines über Biomechanik,
Behandlungsrichtlinien und therapeutische
14 Im Bereich der Metakarpalia und Phalangen gibt es alle Fraktur- Maßnahmen
typen, die auch sonst an Röhrenknochen vorkommen. Gelenk-
frakturen des Os metacarpale I sind die Bennett- oder Rolando- Biomechanik
15 Fraktur. Bei den Fingerluxationen oder -subluxationen hat die Greifformen
Luxation des Daumen-MP-Gelenks eine besondere Bedeutung. Die Hand hat als ein sehr differenziertes Organ des Menschen
Sie wird auch als »Skidaumen« bezeichnet. die Funktion, feine und grobe Greifformen auszuführen. Sie ist
16 Frakturen an der Hand sind häufig offene Frakturen mit einem eines der wichtigsten Instrumente für die Teilhabe an der Ge-
ausgeprägten Hautdefekt. Die Verletzungen anderer Strukturen sellschaft.
17 als Begleiterscheinung zu den Frakturen geben den Schwere- Nach Napier, Loeweneck und Liebenstund (1994) werden
grad der Verletzung an. die Greifformen eingeteilt in:
Typische Erkrankungen an der Hand sind: 5 Präzisionsgriffe (. Abb. 11.1),
18 5 Dupuytren-Faszienfibrose, 5 Kraftgriffe (. Abb. 11.2),
5 Complex Regional Pain Syndrome (CRPS). 5 Spitzgriff (. Abb. 11.1).
19
Andere Autoren beschreiben die Griffe nach ihrer Funktion, z.B.:
5 Schlüssel- oder Klemmgriff (. Abb. 11.3),
20 5 lumbrikaler Griff (. Abb. 11.4),
5 Grobgriffe (. Abb. 11.5),
21 5 Trage- oder Hakengriff (. Abb. 11.6).
11.1 Verletzungen und typische Erkrankungen an der Hand
193 11

. Abb. 11.1a-d. Präzisionsgriffe

. Abb. 11.2a-c. Kraftgriffe

. Abb. 11.3a,b. Schlüssel- oder Klemmgriff

. Abb. 11.4. Lumbrikaler Griff


194 Kapitel 11 · Handchirurgie

. Abb. 11.5a,b. Grobgriffe


1
2
3
4
5
Eine Besonderheit stellen die Mittelgelenke der Langfin-
6 ger dar, da der dorsale Kapselanteil mit dem Mittelzügel der
Strecksehne verbunden ist. Der komplizierte Strecksehnenap-
7 parat wird von den Sehnen der intrinsischen Muskulatur und
den Strecksehnen der vom Unterarm kommenden Streckmus-
kulatur gebildet. Die intrinsischen Muskeln beugen die Grund-
8 gelenke der Finger und strecken die distalen Gelenke (lumbri-
kaler Griff ).
9 Wichtig

10 . Abb. 11.6. Haken- oder Tragegriff


Um Immobilisationsschäden zu vermeiden, werden ruhig-
stellende Schienen oder Verbände angelegt, wobei die
Gelenke möglichst in folgender Stellung positioniert werden
11 Bei allen Greifformen spielt der Daumen eine wichtige Rolle. sollten:
5 Handgelenk: 35° Dorsalextension.
Seine Bewegungsmöglichkeiten im Sattelgelenk sind:
5 Fingergrundgelenke: 70–90° Flexion.
12 5 Opposition,
5 End- und Mittelgelenke: 0–10° Streckung.
5 Reposition,
In dieser »Intrinsic-Plus-Stellung« werden Kontrakturen
5 Ab- und Adduktion,
13 5 Innenrotation des Os metacarpale I bei der Oppositionsbe- vermieden.
wegung von ca. 30°.
14 In Ruhestellung ist die Hand normalerweise proniert und ul-
Um die Fingergreifformen im Raum und auf das Objekt opti- narabduziert, beim Tragen von Objekten ist sie eher supiniert
mal einstellen zu können, muss die Hand sowohl dorsal-/pal- und radialabduziert. Zum Greifen eines Gegenstandes wird die
15 marflektiert, pro- und supiniert wie auch ulnar- und radialab- Hand nach Kapandji (1984) in ca. 40° Dorsalextension und 15°
duziert werden können. Ulnarabduktion eingestellt, um den Mm. flexores digitorum ei-
ne optimale Zugfähigkeit durch Vordehnung zu ermöglichen.
16 Strukturen der Hand
Die Hand- und Fingerknochen werden von zahlreichen Bän- Wichtig
17 dern gehalten, die die einzelnen Handwurzelknochen und Fin-
Funktionell ist es von Bedeutung, dass distales Radioul-
gergelenke stabilisieren. Die Mittel- und Endgelenke der Lang-
nargelenk, Handgelenke und proximales Radioulnargelenk
finger und auch das Daumengrund- und Daumenendgelenk
18 sind reine Scharniergelenke. Die Grundgelenke der Langfinger koordiniert eingesetzt werden können.
sind eigentlich Kugelgelenke, deren Kollateralbänder bei Beu-
19 gung gespannt sind und in Streckstellung entspannt sind, an Die Funktion der langen Fingerbeuger ist von der Gleitfähigkeit
den PIP- und DIP-Gelenken ist es umgekehrt. in den Sehnenscheiden (osteofibröse Kanäle) und dem Span-
Die Gelenkkapsel des Daumengrundgelenks wird entspre- nungszustand der Kollateralbänder abhängig. Die Mm. flexor
20 chend ihrer Wichtigkeit ligamentär und muskulär durch die digitorum profundus III–V haben einen gemeinsamen Mus-
Mm. adductor pollicis, abductor pollicis brevis und flexor pol- kelbauch und beugen die Fingerendgelenke (DIP). Der M. fle-
21 licis brevis verstärkt. xor digitorum superficialis hat i.A. separate Muskelbäuche und
11.1 Verletzungen und typische Erkrankungen an der Hand
195 11

beugt die PIP-Gelenke. Ringbänder sorgen für die korrekte Für die Griffhaltung des Therapeuten ist der seitliche Gefäß-
Zugrichtung zur Beugeachse. Während sich der Zeigefinger ge- verlauf an den Langfingern zu beachten. Man drosselt leicht die
rade zum Handgelenk in einer sagittalen Achse beugt, bewe- Fingerdurchblutung durch hartes seitliches Fixieren oder Ver-
gen sich die anderen drei Finger bei Beugung in Richtung des bände, die die Finger eng aneinanderdrücken.
Skaphoids; sie können also etwas opponieren. Physiotherapeuten müssen ruhigstellende Verbände darauf-
Ringbandverletzungen an den Grund- und Mittelphalangen hin kontrollieren, ggf. ändern und ihre Fixationsgriffe so wählen,
haben einen störenden Einfluss auf die Fingerfunktion, denn dass sie die Mittelhand nicht zusammendrücken oder die seit-
dabei ensteht das sog. »Bow-String-Phänomen« (»Flitzebogen«). lich an den Langfingern verlaufenden Gefäße abschnüren.
Adhäsionen, die durch Narbenbildung nach Verletzungen ent-
stehen, verhaken die Sehnen und behindern die Zugkraft. Ärztliche Behandlung
Die Gewölbekonstruktion der Hohlhand wird durch die Im Rahmen der Diagnostik sollten zunächst immer eine kli-
Handwurzel- und Mittelhandknochen geformt und stabilisiert. nische Untersuchung der Hand und eine exakte Anamnese er-
Während die Mm. interossei die Mittelhandknochen verspan- folgen, ehe Bild gebende Verfahren eingesetzt werden. Zu be-
nen, hält das Retinaculum flexorum die ulnaren und radialen werten sind auch die Aktivitäten des Patienten und seine Teilha-
Handwurzelknochen zusammen. Bedeutung hat die Handar- be an der Gesellschaft z.B. Beruf, Sportinteressen, Musikinstru-
chitektur bei der Behandlung von Handverletzungen und deren ment spielen, Hobbies etc.
Ruhigstellung: Ein enger Gips verändert die Stellung der Me- Als ärztliche Standardbehandlung nach Handverletzungen
takarpalköpfchen und zerstört die feinen Bewegungsmöglich- und Operationen muss heute eine Schmerztherapie und Throm-
keiten zwischen Karpus und Metakarpalia. boseprophylaxe mit low-dose niedermolekularem Heparin an-
In dem engen Karpaltunnel verlaufen der N. medianus und gesehen werden.
die Flexorensehnen. Sie können bei Verletzungen und der nach- Ausführliche therapeutische Maßnahmen werden in den
folgenden Ruhigstellung einer zusätzlichen Druckläsion ausge- Abschnitten der spezifischen Verletzungen beschrieben.
setzt sein (Karpaltunnelsyndrom, CRPS, 7 Kap. 10, »Radius-
fraktur«).
Die intakte Durchblutung der Hand bestimmt weitgehend Komplikationen
den Heilungsverlauf. Entgleisungen haben schwere Funktions-
schäden zur Folge (CRPS). 5 Wundheilungsstörungen,
Der Bezug der Binnenmuskulatur zum arteriellen, tiefen 5 Infektionen,
und oberflächlichen Hohlhandbogen und das vorab beschrie- 5 Complex Regional Pain Syndrome (CRPS),
bene Handgewölbe spielen eine Rolle für die Heilung jeder Ver- 5 Karpaltunnelsyndrom,
letzung, besonders bei der Entstehung des Complex Regional 5 Nekrosen,
Pain Syndrome (CRPS). Der erhöhte Druck behindert die arte- 5 Pseudarthrosen,
rielle Durchblutung und den Abfluss von Ödem und Hämatom. 5 Arthrosen,
Patienten geben ein »Klammergefühl« an der Hand an, das bild- 5 Narben, Keloide,
haft die entstandene Ischämie und Dystrophie beschreibt. 5 Paresen, Sensibilitätsverlust.
196 Kapitel 11 · Handchirurgie

Befunderhebung
1
Die Befunderhebungen werden bei den einzelnen Verletzungen
2 je nach deren Behandlungsbeginn zu unterschiedlichen Zeiten
vorgenommen.

3 Beurteilen 5 Narben und Operationswunden.


5 Hautdurchblutung.
5 Beschaffenheit von Haut und Nägeln.
4 5 Schwellung am Handrücken und Fingern.
5 Hand- und Fingerstellung (besonders im Verband).
5 Atrophie der Thenar-, Hypothenar-, Binnenmuskulatur.
5 5 Röntgenbild: Verletzung, Reposition, Osteosynthese.
5 Evt. Engstellung des proximalen Handgelenks, Verschmälerung der Mitelhand.
5
6 5
Position des distalen Radioulnargelenks.
Reizleitungsgeschwindigkeit (bei Nervenkompression verlängert).

Messen 5 Aktive Gelenkbeweglichkeit der Finger- und Handgelenke, wenn erlaubt passive Beweglichkeit unter Beach-
7 tung der vorgegebenen Bewegungsgrenzen.
5 Skapulagleitbewegungen.
5 Beweglichkeit der BWS (Manuelle Therapie).
8 5 Umfang der Mittelhand, des Handgelenks.
5 Fingerkuppen-Hohlhand-Abstand.
9 Prüfen 5 Muskeltest, unter Beachtung der Heilungsphasen in der Proliferationsphase auf Teststufe 0–3, entsprechend in
der Konsolidierungsphase auf Stufe 4–6 für:
10 – Fingerbeuger und -strecker,
– Mm. interossei,
– Mm. lumbricales,
11 – Thenar- und Hypothenarmuskulatur.
5 Muskelverkürzungen.
5 Palpation des Muskeltonus am Muskelbauch.
12 5 Sensibilität (7 Kap. 2, Befunderhebung, alle standardisierten Tests, auch Lageempfinden und Vibration).
5 Hoffmann-Tinel-Test (elektrisierende Missempfindung durch Klopfen auf N. medianus-Eintrittsstelle in Karpal-
tunnel, . Abb. 10.9).
13 5 Phalen-Test: Druck auf den Karpaltunnel durch Beugestellung der Hand- und Fingergrundgelenke,
(. Abb. 10.10). Die Zeit, bis eine Missempfindung auftritt, wird gemessen. Beträgt diese 15–20 sec, besteht ein
Karpaltunnelsyndrom.
14 5 Qualität des Bewegungsstopps. Im Seitenvergleich kann der physiologische Bewegungsstopp bei Dorsal-
extension der Handgelenke schmerzfrei und evt. hart-elastisch, bei den anderen Hand- und Fingergelenk-
bewegungen eher fest-elastisch sein.
15 5 Test für nervale Mobilität nach Butler (1995) für Handnerven, Plexus brachialis und Dura mater.
5 Translatorische Gelenktests (Frisch, Kaltenborn, Maitland u.a.).
5 Dehnbarkeit der Bindegewebestrukturen.
16 5 Narbenkonsistenz und Verschieblichkeit.
5 Tests auf Rumpfstabilität, z.B. »Functional Reach Test« (BWS-Aufrichtung bei Armbewegungen) (. Abb. 11.47).
17 5 Physiologische Gleichgewichtsreaktionen.
5 Aktivitäten, Greifformen (wenn erlaubt): Präzisionsgriffe, Kraftgriffe auch in unterschiedlichen Positionen.

18 Notieren und
Bewerten
5 Schmerzen, deren Intensität, Charakteristik, Lokalisation und Zeitpunkt des Auftretens (VAS).
5 Druckschmerzhaftigkeit in der Tabatière (zwischen der Sehne des M. abductor pollicis longus und der Sehne des
M. extensor pollicis longus; darunter liegt das Skaphoid, das bei Fraktur schmerzhaft reagiert).
19 5 Druckschmerzhaftigkeit des Ramus profundus des N. ulnaris in der Guyon-Loge zwischen Retinaculum flexorum
und Muskeln des Kleinfingers.
5 Andere Beschwerden und Behinderungen, z.B. HWS- und Schultergelenkprobleme.
20 5 Alltagsbezogene Probleme bei Körperpflege, Beruf, Sport.
5 Teilhabe an der Gesellschaft.
5 Psychische Verarbeitung der Verletzung.
21 5 Kooperationsfähigkeit und Motivation zur Mitarbeit.
11.2 Os-scaphoideum-Fraktur
197 11

Behandlungsmöglichkeiten
Die in . Übersicht 11.1 aufgelisteten allgemeinen physiothera-
peutischen Behandlungsmöglichkeiten sind für alle Frakturen
und Luxationen der Hand und Finger gültig. (Siehe auch grund-
sätzliches physiotherapeutisches Vorgehen in 7 Abschn. 11.18).

. Übersicht 11.1. Gesichtspunkte der Behandlung


5 Durchblutungsverbesserung und Ödemresorption.
5 Narbenbehandlung.
5 Manuelle Lymphdrainage.
5 Entspannen der intrinsischen Muskulatur, Förderung
des Heilungsprozesses durch Bewegung.
5 Thoraxmobilisation zur Unterstützung des sympa-
thischen Systems.
5 Mobilisieren der betroffenen Gelenke entsprechend
der Qualität des Bewegungsstopps und dem Heilungs-
verlauf.
5 Lösen von Verklebungen.
5 Kräftigen der Finger- und Handmuskulatur. . Abb. 11.7. Skaphoidfraktur
5 Erhalten der Armmuskelfunktionen.
5 Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten.
5 Bewegungsbeeinträchtigung in den Handgelenken,
5 Schmerzen bei passiver Pro-/Supination und Radialabduk-
tion,
11.2 Os-scaphoideum-Fraktur 5 Kraftlosigkeit,
5 Schwellung.
Die Skaphoidfraktur (. Abb. 11.7) wird häufig bei den ersten
Röntgenaufnahmen übersehen. Bei Verdacht auf eine Skapho-
idfraktur, z.B. bei Tabatière-Druckschmerz, Schmerz bei radi- Behandlungsrichtlinien und therapeutische
aler Abduktion oder Daumenstauchungsschmerz sollte neben Maßnahmen
der Standardröntgenaufnahme die sog. »Stecher-Aufnahme« ge-
macht werden. Dabei befindet sich die Hand in Faustschluss Ärztliche Behandlung
und Ulnarabduktion, so dass das Skaphoid in ganzer Länge dar- Skaphoidfrakturen kommen als Quer- oder Schrägfrakturen
gestellt werden kann (Weigel, Nerlich 2005). Unter Umständen meist im mittleren Drittel vor.
macht man nach einigen Tagen ein CT, wenn die Diagnose un- Bewegungen in Palmarflexion lassen den Bruchspalt dor-
sicher ist und die Beschwerden weiterhin bestehen. sal klaffen, in Dorsalextension wird der Bruch volar auseinan-
dergezogen (. Abb. 11.8, 11.9). Bei Ulnarabduktion werden die
Fragmente distrahiert; bei Radialabduktion wird das Skaphoid
Ursachen gedreht und die Fragmente rutschen aneinander vorbei.

5 Sturz auf die Hand. Konservatives/operatives Vorgehen


Wegen der erhöhten Gefahr einer Pseudarthrose werden
Alle Bewegungen der Handgelenke irritieren die Fraktur, da das Skaphoidfrakturen heute eher operativ versorgt. Die übliche
Skaphoid bei allen Flexions-, Translations- und Rotationsbewe- Ruhigstellung bei konservativer Behandlung durch einen Unter-
gungen beteiligt ist. armkunststoffverband mit Daumeneinschluss über 12 Wochen
kann durch eine Osteosynthese erheblich verringert werden.
Eine exakte Reposition ist anzustreben. Der früher verwandte
Charakteristische Symptome/Leitsymptome Oberarmgips wird nicht mehr verwendet.
Zum Einsatz kommen perkutane Schraubenosteosynthe-
5 Schmerz bei Druck auf die Tabatière, sen, z.B. Doppelgewindeschraube nach Herbert, Minischrau-
5 Schmerz bei Stauchen und Zug am Daumen, ben oder alternativ Ender-Platten für alle instabilen und of-
198 Kapitel 11 · Handchirurgie

Physiotherapeutische Behandlung
1 Die physiotherapeutische Behandlung beginnt befundbezo-
gen nach Abnahme der Schiene. Nach der Ruhigstellungszeit
2 steht die Mobilisation im Vordergrund. Zur Anwendung kom-
men dann befundbezogene Techniken aus der Manuellen The-
rapie (nach Kaltenborn, Maitland und Frisch). Die Funktions-
3 schulung wird, wie im allgemeinen Teil beschrieben, sympto-
matisch durchgeführt und ist auf die erwünschten Aktivitäten
Cap ausgerichtet.
4 Ska
ph
oid Lun

Radius
5 Komplikationen

5 Skaphoidpseudarthrose,
6 Ulnarabduktion Radialabduktion 5 Knochennekrose.
Neutral-Nullstellung

7 . Abb. 11.8. Gleitbewegung des Skaphoids bei Handgelenkab-/ad-


duktion Befunderhebung
8 Siehe Befunderhebung in 7 Abschn. 11.1 und auch in 7 Kap. 2.

9 11.3 Os-lunatum-Luxation, perilunäre


Luxation
10
Ursachen
11 5 Sturz auf die gestreckte Hand.

12
Behandlungsrichtlinien und therapeutische
Maßnahmen
13
Ärztliche Behandlung
14 Das Os lunatum luxiert i. d. R. nach palmar; diese Luxation
kommt jedoch eher selten vor.
. Abb. 11.9. Klaffen des Bruchspaltes bei Dorsal- und Palmarflexion

15 Operatives Vorgehen
Bei Os-lunatum-Luxation besteht eine zwingende Operations-
fenen Skaphoidfrakturen. Die anschließende Ruhigstellung indikation, mit sofortiger Reposition und Ruhigstellung für 3–
16 dauert ca. 3 Wochen. 4 Wochen.
Das Hauptproblem besteht nicht in der Stabilisation der Perilunäre Luxationen gehen meist mit einer Fraktur des
17 Fraktur, sondern in der arteriellen Versorgung des Skaphoids Skaphoids einher. Das distale Skaphoidfragment und die Hand-
mit nur einer Endarterie. Die Gefahr der Bildung einer Kno- wurzelreihe luxieren. Diese Handverletzung birgt die Gefahr
chennekrose und einer Pseudarthrose ist groß. einer schwerwiegenden Durchblutungsstörung für die betrof-
18 Erst nach 6 Wochen sind Übungen gegen angepassten Wi- fenen Handwurzelknochen mit nachfolgender Nekrosebildung
derstand oder Übungen in der geschlossenen Kette erlaubt. des Skaphoids oder Lunatums (Lunatummalazie) und einer Ge-
19 Nach 8 Wochen darf die Hand normal belastet werden. fügestörung der Handwurzelknochen. Kirschner- Drähte fixie-
Sekundäre Osteosynthesen mit einem kortikospongiösen ren die Handwurzelreihe. Die Ruhigstellungsphase ist deshalb
Span sind keine Seltenheit (Operation nach Matti-Russe). Die besonders lang (bis zu 12 Wochen).
20 Dauer der Ruhigstellung richtet sich in diesen Fällen nach dem Zunehmende Schmerzen im Handgelenk bei Belastung, Be-
Röntgenbefund und liegt zwischen 8–12 Wochen. wegungseinschränkung und Kraftverlust weisen auf eine Kno-
21
11.5 Frakturen der Metakarpalia
199 11

chennekrose hin. Sie erfordern eine intensive Röntgendiagnos- Die therapeutischen Maßnahmen konzentrieren sich auf die
tik, evt. ein MRT. Entlastung des Os lunatum, z.B. durch eine minimale Verkür-
zung des Radius.
Physiotherapeutische Behandlung
Die physiotherapeutische Behandlung beginnt nach Gipsabnah-
me und muss sich an den Symptomen orientieren. 11.5 Frakturen der Metakarpalia
Eine Belastbarkeit der Hand für handwerkliche Tätigkeiten
besteht erst nach ca. 16 Wochen. Ursachen

Am häufigsten brechen die Metakarpalia II–V bei Schlag- und


11.4 Frakturen der Handwurzelknochen Quetschverletzungen (. Abb. 11.10, 11.11).

Ursachen
Behandlungsrichtlinien und therapeutische
5 Arbeits-, Sport- und Verkehrsunfälle. Maßnahmen
Ärztliche Behandlung
Behandlungsrichtlinien und therapeutische Konservatives/operatives Vorgehen
Maßnahmen In der Regel werden geringfügig dislozierte Metakarpalfrak-
turen konservativ behandelt. Kleine Achsenabweichungen wer-
Frakturen des Os trapezium sind häufiger, Frakturen der übrigen den toleriert, jedoch ist für die Funktion der Hand eine anato-
Handwurzelknochen (Os lunatum, Os triquetrum, Os trape- mische Reposition wünschenswert. Besonders wichtig für kraft-
zoid, Os capitatum, Os hamatum und Os pisiforme) hingegen volles Greifen ist die exakte Reposition des Metakarpale III.
eher selten. Sie sind dann mit anderen Frakturen kombiniert.

Ärztliche Behandlung
Konservatives/operatives Vorgehen
Frakturen der Handwurzelknochen werden in der Regel konser-
vativ behandelt. Bei Dislokation der Fragmente besteht die Indi-
kation zur Osteosynthese mit einer Mini-Herbertschraube oder
K-Drähten.
In der Regel werden alle Verletzungen der Handwurzel-
knochen für ca. 4 Wochen in einer dorsalen Schiene ruhigge-
stellt. Anschließend erfolgt eine befundbezogene physiothera-
peutische Behandlung.
Os-trapezium-Frakturen sind von ihrer Lage her fast immer
Kombinationsverletzungen, die im Skaphoidgips/Kunststoff- a
verband ruhiggestellt werden. Als Spätfolge kann eine Rizarthro-
se entstehen.

Komplikationen

Nicht erkannte Os-lunatum-Frakturen, z.B. bei Arbeiten mit


Pressluftgeräten, führen manchmal zu einer von Kienböck
(1910) beschriebenen Lunatummalazie/-nekrose.
Symptome der Lunatummalazie sind:
5 langsam zunehmende Schmerzen im Handgelenk, bei Be-
lastung, später auch in Ruhe,
5 Bewegungseinschränkung, b
5 Kraftverlust.
. Abb. 11.10a,b. a Fraktur Metakarpale II, b Osteosynthese mit T-Plätt-
chen
200 Kapitel 11 · Handchirurgie

. Abb. 11.11a,b. a Fraktur Meta-


1 karpale V, b Osteosynthese mit Mini-
platten

2
3
4
5
6
7
8
9 Eine Operationsindikation besteht bei: lungen bestehen, müssen sie osteotomiert und korrigiert wer-
5 Verkürzung > 5 mm, den.
10 5 Serienfrakturen, Metakarpale-I-Frakturen bilden eine Ausnahme:
5 dorsaler Abkippung > 30°, 5 Die Bennett-Fraktur betrifft die Basis des Metacarpale I mit
5 Mehretagenfrakturen, einer Abscherung eines medialen Knochenecks.
11 5 dislozierten Spiralfrakturen, 5 Die Rolando-Fraktur beschreibt die T- oder Y-förmige Frak-
5 offenen Frakturen, turlinie an der Basis des Metakarpale I.
12 5 Rotationsfehlern > 10° (Schäfer, Siebert 2000), 5 Als Winterstein-Fraktur bezeichnet man die extraartikuläre
5 subkapitale Frakturen mit Abkippung ≥ 25/50°, Fraktur des Metakarpale I.
5 Pseudo-Bennett-Frakturen.
13 Alle Frakturen erfordern eine Schraubenosteosynthese, da die
Zur Anwendung kommen Schrauben, Platten, intramedulläre Reposition meist nicht gehalten werden kann.
14 K-Drähte, jedoch keine K-Drähte über die Metakarpalköpf- Gelingt eine bewegungsstabile Osteosynthese, kann die
chen hinaus! Diese führen zu Knorpelschädigungen und ar- physiotherapeutische Behandlung nach wenigen Tagen begin-
throtischen Veränderungen. nen, wenn die Wundheilung gesichert ist.
15 Zur Stabilisierung einer offenen Fraktur wird ein Minifixa- Wie bei jeder bewegungsstabilen Osteosynthese werden zu
teur eingesetzt. Anfang aktive und geführte Bewegungen durchgeführt.
Es ist unabdingbar, dass Physiotherapeuten die Lage des Vor allem werden Techniken angewendet, die die Handwur-
16 Osteosynthesematerials im Röntgenbild erkennen, um die Sta- zelreihe aktiv ruhig halten und eine dynamische Bewegung über
bilität der Frakturen und v.a die K-Draht-Lage zu beurteilen. den Radius erzeugen (Vertauschen von Punktum fixum und
17 In der Proliferationsphase dürfen keine Irritationen durch mobile).
Bewegungen gesetzt werden, die zu einer Heilungsverzögerung Wurde keine bewegungsstabile Osteosynthese erreicht,
führen. muss eine Ruhigstellung für ca. 6 Wochen in einer Daumen-
18 Gelingt die Achsenausrichtung, kann die Behandlung kon- Unterarm-Schiene erfolgen.
servativ mit einem Unterarmggips in »Intrinsic-Plus- Stellung«
19 für 3–4 Wochen durchgeführt werden. Längere Ruhigstellungs-
zeiten sollen vermieden werden, um einer Kontraktur in den Komplikationen
Grundgelenken entgegenzuwirken.
20 Nur in seltenen Fällen heilen Metakarpalfrakturen nicht 5 Kompartmentsyndrom (7 Kap. 4),
aus. Bleiben nach konservativer Behandlung Rotationsfehlstel- 5 Arthrose,
21 5 Rizarthrose.
11.8 Replantation/Transplantation der Finger
201 11

Befunderhebung aus der Schiene heraus beugen. Es ist wichtig, dass die Schiene
palmar so weit ausgeschnitten ist, dass das Endgelenk D1 end-
Siehe Befunderhebung in 7 Abschn. 11.1 und auch in 7 Kap. 2. gradig bewegt werden kann; ansonsten entstehen sehr rigide
Streckkontrakturen.
Die Physiotherapie wird befundbezogen durchgeführt.
11.6 Frakturen der Grund-, Mittel- und Verletzungen der Handstrukturen betreffen auch Band- und
Endphalangen Kapselverletzungen mit Luxationen und Subluxationen im Kar-
pometakarpalbereich sowie an den Fingergelenken. Die Ruhig-
Behandlungsrichtlinien und therapeutische stellungszeiten variieren zwischen 2–6 Wochen.
Maßnahmen Bei K-Draht-Osteosynthesen werden die Drähte nach 6
Wochen entfernt und die Hand zur spezifischen Physiothera-
Ärztliche Behandlung pie freigegeben.
Diese Frakturen sind oft disloziert und werden mit Spickdräh- Während der Ruhigstellung sollen jedoch die freien Ge-
ten lagerungsstabil fixiert. Eine Schienenruhigstellung ist für 3– lenke bewegt, eine Ödemprophylaxe und eine Schmerzreduk-
4 Wochen nötig. Bestehen keine Dislokationen, werden die Frak- tionsbehandlung durchgeführt werden.
turen mit einer Schiene für 3–4 Wochen ruhiggestellt.
Endgliedfrakturen im Bereich des Nagelkranzes oder
Schaftes werden häufig mit einer Stack-Schiene versorgt. Zu 11.8 Replantation/Transplantation der
achten ist auf eine Streckstellung des Endgelenks und druck- Finger
freies Anlegen der Schiene, um eine ausreichende Durchblu-
tung zu gewährleisten. Die Nachbarfinger werden nach heutiger Eine Replantation ist die Wiederherstellung der Gefäße und
Auffassung nicht mehr ruhiggestellt. wichtigsten Strukturen eines abgetrennten Fingers, Teil eines
Fingers oder der Hand.

11.7 Luxation des Daumengrundgelenks


Behandlungsrichtlinien und therapeutische
Ursachen Maßnahmen

Ursache für eine Luxation oder Subluxation des Daumengrund- Ärztliche Behandlung
gelenks ist ein Fall auf den abgespreizten Daumen, z.B. beim Das operative Verfahren gehört in die Hand eines in der Mikro-
Skifahren durch Hängenbleiben in der Skistockschleife. Die chirurgie erfahrenen Handchirurgen.
Verletzung wird deshalb als »Skidaumen« bezeichnet. Die Replantation total abgetrennter Finger wird heute kri-
tisch beurteilt. Der Patient muss über die Erfolgsaussichten ehr-
lich informiert sein und die Entscheidung mittragen.
Charakteristische Symptome/Leitsymptome Bei einer subtotalen Amputation spielen Restdurchblutung
und sensible Versorgung eine große Rolle. Eine zwingende In-
5 instabiles und druckempfindliches Gelenk, dikation zur Mikroreplantation/Transplantation besteht jedoch
5 kraftvolles Greifen bei Spitz- oder Klemmgriff ist nicht für:
möglich und schmerzhaft. 5 Abtrennung des Daumens (. Abb. 11.12, 11.13),
5 isolierte D2-Abtrennung, wenn D3 fehlt,
5 Abtrennung mehrerer Langfinger,
Behandlungsrichtlinien und therapeutische 5 alle Mittelhand- und Handabtrennungen und
Maßnahmen 5 alle Amputationen bei Kindern.

Ärztliche Behandlung Die nachfolgenden Abbildungen stellen Aktivitäten vor und


Konservatives/operatives Vorgehen nach der Operation dar, um die Notwendigkeit der Transplan-
Bei ausgeprägter Symptomatik ist ein operatives Vorgehen tation des Daumens zu verdeutlichen (. Abb. 11.12–11.14).
(Bandnaht) angezeigt. Ist das ulnare Seitenband knöchern aus- Eine erfolgreiche Replantation hängt von vielen Faktoren ab,
gerissen, wird es transossär mit einem Ausziehdraht refixiert. z.B.:
Die Ruhigstellung dauert ca. 4–5 Wochen. 5 Transport des Amputats vom Unfallort zur Klinik (mög-
Bei einer Subluxation mit weitgehend stabilem Grundge- lichst in steriler, kühler Flüssigkeit),
lenk kann konservativ behandelt werden. Die Schienenbehand- 5 schon verstrichene Zeit,
lung (Stack-Schiene) dauert ca. 3 Wochen. Der Daumen soll 5 Lokalisation,
202 Kapitel 11 · Handchirurgie

5 Weichteilschaden und Amputatzustand,


1 5 Begleitverletzungen (Polytrauma),
5 Nervenregenerationsfähigkeit,
2 5 Alter des Patienten und v.a. seiner Entscheidung dazu,
5 Wiederherstellung der Revaskularisation (Durchblutung).

3 Es ist mit bleibenden Schäden wie Sensibilitätsstörungen, evt.


Neurombildung, Bewegungseinschränkungen, Durchblutungs-
problemen und einer ausgeprägten Kälteempfindlichkeit zu
4 rechnen.
. Abb. 11.12. Daumenamputation
5 Physiotherapeutische Behandlung
Die physiotherapeutische Behandlung muss individuell mit
dem Operateur abgesprochen werden.
6 In den ersten 6 Tagen muss die Durchblutung sorgfältig kon-
. Abb. 11.13.
trolliert werden, auch von Physiotherapeuten, die für Lagerung/
Transplantation des 2. Zehs
7 als linker Daumen Umlagerung der Hand und für die Verbandslage ebenso verant-
wortlich sind wie das Pflegepersonal. In der Regel wird der Pa-
tient antikoaguliert, erhält ein Breitspektrumantibiotikum und
8 wird schmerztherapeutisch betreut.

! Cave
9 Bei replantierten Fingern darf bis zur gesicherten Durchblutung
des Fingers (ca. bis zum 10. postoperativen Tag) keine Kurzzeit-
10 und Langzeit-Eisanwendung vorgenommen werden.

Die Revaskularisierung muss erst abgewartet werden. Die Ver-


11 besserung der arteriellen Durchblutung erweist sich als schwie-
rig, da über längere Zeit ein aktives Üben nicht möglich ist.
12 Die Kirschner-Draht-Osteosynthesen sind nur lagerungs-
stabil; es sind temporäre Arthrodesen, so dass aktives und pas-
sives Bewegen bis zur 4. – 6. Woche nur eingeschränkt erlaubt
13 ist (. Abb. 11.15).
Die Behandlung ausgeprägter Ödeme muss sorgfältig ge-
14 genüber der ausreichenden arteriellen Durchblutung abgewo-
gen werden. Dies gilt v.a. für das Anlegen eines Kompressions-
handschuhs.
15
16
17
18
19
20
. Abb. 11.14a-c. Aktivitäten des neuen Daumens
21
11.8 Replantation/Transplantation der Finger
203 11

a
d

. Abb. 11.15a-e. a Kreissägeverletzung mit Fingerabtrennung, Replanta-


tion und Osteosynthese mit Kirschner-Drähten, b Heilungsergebnis nach 14
c Tagen, c Fazilitation der Fingerbeuger, d Replantationsergebnis nach 4 Mo-
naten, e Fazilitation der Fingerextensoren

Zur Ödemresorption soll die Hand intermittierend hochge- geführt. Dabei muss der Physiotherapeut besonders auf weiche
lagert werden. Eine Dauerhochlagerung ist ebenso falsch wie Griffe achten.
ein andauerndes Hängenlassen der Hand. Die Manuelle Lymph- Aktive Übungsformen nutzen Fazilitationstechniken zur
drainage kann sehr wirksam eingesetzt werden. Kontraktionshilfe. Der Finger soll dabei weich in Endstellung
Bis zur 4. postoperativen Woche wird eine sehr behutsame der Gelenke gehalten werden.
passive Bewegungstherapie der angrenzenden Gelenke durch- Behandlungen replantierter Finger erfordern vom Physi-
otherapeuten ein umfassendes Denken und Handeln; sie sind
204 Kapitel 11 · Handchirurgie

Für den Erfolg ist die Mitarbeit des Patienten entscheidend;


1 konsequentes selbständiges Üben und Narbenpflege sind erfor-
derlich.
2 Eine Narbenverschiebung quer, kreisend und längs zu ihrem
Verlauf kann isoliert Anwendung finden, aber auch in Kombi-
nation zur Bewegung erfolgen (. Abb. 11.17).
3 Dank der fortschrittlichen mikrovaskulären Operations-
techniken können Hand- und Fingerabtrennungen oft erfolg-
reich replantiert werden.
4
5 11.9 Amputationen
Bei irreversiblen Gefäßschäden und Kombinationsverletzungen
6 an der Hand sowie bei nicht einheilenden Fingerreplantationen
muss eine Amputation vorgenommen werden.
. Abb. 11.16. Hochlagerung zur Behandlung
7
Ursachen
8 keinesfalls schematisch durchzuführen. Da alle Strukturen der
Hand verletzt sind, müssen folgende Behandlungspunkte sorg- 5 Traumen (Arbeitsunfälle, Verkehrsunfälle),
fältig mit dem Operateur abgestimmt werden: 5 misslungene Replantationen,
9 5 Kontraktur- und Narbenbehandlung, 5 Tumoren,
5 Dosierung der Übungsformen, 5 Infektionen,
10 5 Grifftechnik und 5 Dupuytren-Faszienfibrose im Endstadium,
5 Schwerpunkte der Behandlung. 5 arterielle Verschlusskranheiten,
5 Diabetes mellitus.
11 Wichtig

Fixationsgriffe müssen weich und diagonal am Finger ange-


12 setzt und immer wieder gelöst werden!
Behandlungsrichtlinien und therapeutische
Maßnahmen
13 Eine Finger- oder Handabtrennung ist ein schwerer Schock für Ärztliche Behandlung
einen Patienten, mit einer einschneidenden Veränderung sei- Wird nach einer Amputationsverletzung eine Replantation ab-
14 nes persönlichen Lebens, seiner beruflichen Situation und sei- gelehnt oder ist nach den oben genannten Kriterien nicht sinn-
ner Zukunftsplanung. Der ehrliche Umgang mit dem Patienten voll, wird nur eine Stumpfabdeckung vorgenommen. Wich-
und ein realistisches Angebot physiotherapeutischer Maßnah- tig sind ein guter Weichteilmantel für die Sensibilität und die
15 men sind deshalb besonders wichtig (7 Abschn. 11.16, »Kombi- Durchblutung. Um eine Neurombildung zu vermeiden, werden
nationsverletzungen«). die Nerven möglichst weit proximal reseziert.
16
17
18
19
20
. Abb. 11.17a-c. a, b Palmare manuelle Narbenbehandlung mit Fingerextension, c dorsale Narbenbehandlung mit Palmarflexion des Handgelenks
21
11.9 Amputationen
205 11

Muss die Entscheidung für eine Amputation zu einem spä- Komplikationen


teren Zeitpunkt getroffen werden, ist sie ungleich schwieriger.
Der mögliche Erhalt der Funktion eines Fingers ist abhängig 5 Neurom-, Phantom- oder trophische Schmerzen,
von der Amputationshöhe. Jeder Finger ist für bestimmte Akti- 5 Hautnekrose bei zu geringer Hautdeckung,
vitäten und Greifformen wichtig und wertvoll: 5 unförmiger Stumpf bei zu großem Weichteilmantel,
5 Der Daumen als Gegenspieler zu den Langfingern ist 5 Infektion,
für die Feinmotorik von größter Bedeutung. Spitz- und 5 Nachamputation,
Klemmgriffe sind nicht möglich, wenn der Daumen zu 5 Kontrakturen,
kurz ist oder gar fehlt. 5 Funktionslosigkeit.
5 Der Längenverlust des Zeigefingers ruft schwere Einbußen
in der Handfunktion hervor, allerdings ist der Klemmgriff
dann noch möglich. Befunderhebung
5 Bei allen Endgliedamputationen fehlt der Ansatz des M. fle-
xor dig. longus, wodurch die Kraft der Fingerbeugung er- Siehe Befunderhebung in 7 Abschn. 11.1 und auch in 7 Kap. 2.
heblich vermindert wird.
5 Da der Mittelstrahl der Hand für die Stabilisierung des Me- Wichtig
takarpalbogens zuständig ist, muss unbedingt die Basis der
Bei der Befunderhebung sind wichtige zu beachtende
Grundphalanx erhalten bleiben. Ist dies nicht möglich, ver-
Punkte:
liert die Hand erheblich an Kraft.
5 Wundheilung,
5 Gleiches gilt für die Funktion der Ring- und Kleinfinger.
5 Narbenbildung,
In Stadium IV einer Dupuytren-Faszienfibrose, wenn die
5 Restfunktionen für
Beugekontraktur das Greifen von Gegenständen deutlich
– die alltäglichen Aktivitäten und
behindert, wird eine Amputation am Ringfinger-Mittelge-
– ein selbständiges Leben.
lenk vorgenommen.
5 Kritisch wird die Verschmälerung der Hand durch Klein-
fingerstrahlamputation wegen des Kraftverlustes gesehen
(Weigel, Nerlich 2005).
Behandlungsmöglichkeiten
Wichtig
Die physiotherapeutische Behandlung beginnt nach Redon-
Wünschenswert ist ein sensibler, gut beweglicher und
Entfernung am 2. postoperativen Tag. In der Regel wird kein
schmerzfreier Stumpf.
ruhigstellender Verband angelegt. Wenn dieser in Ausnahme-
fällen (Dupuytren-Kontraktur) notwendig ist, soll er in »Intrin-
Amputationen an der Hand bewirken ebenso wie andere schwe- sic-plus-Stellung« durchgeführt werden. Ist die Schwellung sehr
re Handverletzungen eine Schocksituation für den Patienten. stark, kann nach Entfernung der Fäden ein Kompressionshand-
Das Trauma und die spätere Amputation sind einschneidende schuh verordnet werden. Üblich ist heute auch eine Schmerz-
Ereignisse für die Selbständigkeit eines Patienten, das erst lang- therapie (7 Kap. 3.3).
sam verarbeitet werden muss (7 Kap. 20). Die Patienten leiden Die Wundheilung mit möglichst geringer Narbenbildung
sehr unter der kosmetischen Veränderung der Hand, verstecken wird gefördert durch weiche, schmerzfreie Bewegungen und
sie und benutzen sie wenig. Vor allem Frauen empfinden eine kurzzeitiges mildes Kühlen der Hand in der Entzündungspha-
Amputation an der Hand als Makel. se.
Die psychische Situation ist begleitet von vielen Fragen, z.B.
nach Ursachen der Amputation, evt. Eigen- oder Fremdver- ! Cave
schulden und Zukunftsaussichten im Beruf, selbständigen all- Keine Langzeit-Eisbehandlung!
täglichen Aktivitäten und Hobbies.
Die berufliche Situation, eine mögliche Umschulung, Beren- Wegen der häufig bestehenden Kälteempfindlichkeit und einem
tung oder Arbeitslosigkeit muss bedacht werden, wobei ältere Sensibilitätsverlust soll eine Eisbehandlung sehr zurückhaltend
Patienten sicher größere Schwierigkeiten zu überstehen haben angewendet werden. Milde Wärme wird eher toleriert. Die Pati-
als jüngere. Die Teilhabe an sportlichen Aktivitäten kann evt. enten selbst schützen ihre Hand gern mit einem Handschuh.
unmöglich werden (Schröder 1999). Paraffin- oder angewärmte Körnerbäder (s.u. Desensibili-
sierung) fördern die Durchblutung und werden von Patienten
als angenehm empfunden, da sie die Hand locker machen. Sie
206 Kapitel 11 · Handchirurgie

können zur Anwendung kommen, wenn das Ödem abgeklun-


1 gen ist.
Zur Ödemresorption wird eine Manuelle Lymphdrainage
2 proximal der Amputationsstelle durchgeführt. Nach Fädenent-
fernung ist das Ausstreichen des Handrückens und der Finger
sinnvoll. Dabei soll keine Spannung auf das Stumpfende ausge-
3 übt werden. Man kann den Weichteilmantel während des Aus-
streichens weich in die Gegenrichtung verschieben und halten.
Zu diesem Zeitpunkt können Roban-Verband oder Fingersocks
4 (Schröder 1999) unterstützend wirken. Die arterielle Durchblu-
tung darf jedoch davon nicht betroffen sein (. Abb. 11.16).
5 Die nicht betroffenen Finger, das Hand-, Ellenbogen- und
Schultergelenk sollen selbständig mehrmals am Tag endgradig
bewegt werden. Die Hand soll nicht für längere Zeit herunter-
6 hängen, sondern immer wieder hochgelagert werden. . Abb. 11.18. Desensibilisierung mit der Zahnbürste
Bei starken Schwellungen soll die Hand 5- bis 6-mal pro Tag
7 für 45 min hochgelagert werden. Dazu eignen sich zu Hause ein
höhenverstellbares Bügelbrett mit einer Kissenauflage oder ein 5 In manchen Klinken werden lauwarme Handbäder mit Ei-
Keilkissen auf der Sofaarmlehne. Die Hand soll höher liegen als chenrindenextrakt zur Abhärtung durchgeführt (wie beim
8 das Schultergelenk. Es ist wichtig, die Lagerung vorzuüben und Gerben einer Tierhaut).
zu kontrollieren. 5 Sinnvoll ist eigenständiges Üben in Wannen, die mit Raps- ,
Zur Erhaltung der Beweglichkeit, aber auch zur lokalen Linsen- oder Kieselsteinen gefüllt sind. Letztere können
9 Stoffwechselanregung werden aktive/assistive Bewegungen auch elektrisch warm gemacht werden (Rapsbad). Zwi-
endgradig durchgeführt. Wie bei allen anderen Fingerverlet- schen den kleinen Rapskügelchen können Kastanien, Ei-
10 zungen werden diese zunächst isoliert geübt. Um schmerzarm cheln, Nüsse etc. versteckt sein, die es zu finden gilt.
zu behandeln, soll der Weichteilmantel am Stumpfende bei Be- 5 Auch Bürsten mit unterschiedlichen Härtegraden und elek-
wegung leicht nach distal verschoben werden. Auf Schmerzver- trische Zahnbürsten werden zur Desensibilisierung einge-
11 meidung ist an der Hand immer besonders zu achten. setzt (. Abb. 11.18).
Zur Kontrakturenprophylaxe werden entsprechende Mobili- 5 Maier und Glaudo (Bochum) haben die von Ramachand-
12 sationstechniken eingesetzt. Sind Wunden und Operationsnähte ran (1996) in USA entwickelte »Spiegeltherapie« in Kom-
verheilt, können die Narben durch gezielte Massage- und manu- bination mit der Schmerztherapie aufgegriffen und Geräte
elle Dehngriffe verschieblich gemacht werden (. Abb. 11.17). dafür entwickelt (7 Abschn. 11.18, »CRPS«). Benutzt wird
13 Die Stumpfenden sind zunächst nicht in der Lage, Gegen- diese Therapieform bei Schlaganfallpatienten und Amputa-
stände zu erfühlen und die Kraft des Greifens und Haltens da- tionen, aber sie zeigt offenbar auch Erfolge in der Schmerz-
14 rauf einzustellen. Das Greifen unterschiedlicher Materialien therapie. Ziel ist eine Konzentration und Wahrnehmung auf
ruft ein unangenehmes Gefühl hervor und ist schmerzhaft. spiegelbildliche Hand- und Fingerbewegungen der gesun-
Dieses versuchen die Patienten zu vermeiden. den Hand, so dass der Patient die Vorstellung eines norma-
15 Die Patienten müssen behutsam an die Desensibilisierung len Bewegungsablaufes erhält. Es entsteht die Illusion, die
herangeführt werden: betroffene Hand führe die Bewegung aus.
5 Zunächst sollen die Patienten mit den eigenen Fingern den
16 Stumpf berühren oder leicht massieren, dann ihn ein wenig
Biomechanik
mit den Fingerkuppen der anderen Hand beklopfen.
Eine Studie zur Spiegeltherapie steht offenbar noch aus,
17 5 Später können sie z.B. auf Holz, Handytasten oder andere
jedoch sind die Erfolge bei länger andauerndem Training
weiche und harte Materialien klopfen, verschiedene glatte
zur Schmerzreduktion bei Amputationen und Handverlet-
und rauhe Stoffe greifen und die verschiedensten kleinen
18 Gegenstände, die sie im Alltag benutzen müssen (Knöpfe,
zungen vielversprechend.
Der beobachtete Erfolg könnte darin begründet sein, dass
Gürtelschnallen, Schrauben, Schlüssel, Büroklammern,
sich durch den visuellen Input Erinnerungsbilder im prämo-
19 Münzen, Stifte, Scheren, Schraubenzieher etc.), aufnehmen
torischen Kortex bilden. Van den Berg (2003) vermutet, dass
und halten.
motorische Pläne und die Aktivierung absteigender Kon-
5 Natürlich können auch Spielfiguren bei Schach, Mensch-
20 ärgere-dich-nicht, Halma, Mühle oder Rummikub zum
trollsysteme durch kognitive Aktivität in Gang gesetzt wer-
den.
Abhärten gewählt werden, wenn Eltern auch sonst gern
6
21 mit ihren Kindern spielen.
11.10 Beugesehnenverletzungen
207 11

Behandlungsrichtlinien und therapeutische


Er postuliert, dass ein stufenweise gesteigertes, syste- Maßnahmen
matisches Training zur Normalisierung einer Bewegung
den sensorischen Input auf subkortikaler, kortikaler und Ärztliche Behandlung
Rückenmarksebene modulieren kann. Ebenso kann durch Klinische Untersuchungen der Funktionen der oberflächlichen
aufmerksame, bewusste und wiederholte Aktivierung von und tiefen Beugesehnen der Langfinger oder des Daumens er-
Muskelgruppen der nozizeptive Input vermindert wer- geben schnell eine sichere Diagnose.
den, v.a. wenn Stress- und Angstreaktionen abgebaut wer-
den. Einige Entspannungstechniken, die Physiotherapeuten Operatives Vorgehen
angewandt haben, beweisen empirisch den Erfolg dieses Bei einem Riss der oberflächlichen Beugesehne sind die Funk-
Prinzips. tionen der langen Beuger geschwächt, aber möglich. Bei Ausfall
Physiologische Abläufe können evt. auch mit mentalem beider Sehnen können das PIP- und das DIP-Gelenk nicht mehr
Training und visuellen Bewegungsbildern angebahnt wer- gebeugt werden. Entsprechend kann das Grund- und Endge-
den. Sie können ebenfalls motorische Aktivitäten auslösen. lenk des Daumens nicht mehr gebeugt werden, wenn die Sehne
des M. flexor pollicis longus gerissen ist.
Aufgrund der engen Platzverhältnisse in Zone 2 durch die
Sehnenscheiden und Durchtrittsstellen der beiden Beugeseh-
nen entstehen nach Verletzungen und Sehnennähten häufiger
11.10 Beugesehnenverletzungen Verklebungen als in anderen Zonen. Die Endresultate sind des-
halb häufig schlechter.
Einteilung Grundsätzlich sollen alle Beugesehnendurchtrennungen
primär innerhalb der ersten 24 Stunden nach Unfall genäht wer-
Eine Einteilung der Beugesehnenverletzungen der Langfinger in den. Die Sehnenstümpfe schlüpfen zurück, verwachsen mit dem
5 Zonen und des Daumens in 3 Zonen nach Pechlaner (1998) hat Bindegewebe und erschweren eine spätere Sehnennaht. Mög-
sich durchgesetzt, z.B.: lich sind Sehnennähte auch noch zwischen dem 2. und 14. Tag.
5 Digitus palmar von distal nach proximal: DP1–DP5, 5 Wochen nach dem Unfall soll jedoch keine Sehnennaht,
5 Pollex palmar von distal nach proximal: PP1–PP3. sondern eine ein- oder zweizeitige Sehnentransplantation
durchgeführt werden.
Die Hauptprobleme der Behandlung der Beugesehnen-
Ursachen durchtrennung liegen in der Verhaftung der Nahtstellen im
Sehnenscheidenbereich. Handchirurgen bemühen sich deshalb
Ihrer Funktion entsprechend werden Beugesehnen besonders um ein operatives Vorgehen, welches das frühzeitige Gleiten der
häufig durchtrennt bei: Sehne ohne Zugbelastung erlaubt, wobei sich eine Nahttechnik
5 Schnittverletzungen, nach Zechner (1985) besonders bewährt hat.
5 Quetsch-, Biss-, oder Rissverletzungen.

Der Schweregrad der Beugesehnendurchtrennung ist abhän-


gig von der Lokalisation und der Mitverletzung der ring- und
kreuzförmigen Haltebänder sowie der Sehnenscheiden und
Begleitverletzungen.

Charakteristische Symptome/Leitsymptome

5 Beugesehnenfunktionsschwäche oder -aufhebung


(. Abb. 11.19).

. Abb. 11.19. Durchtrennung der Beugesehne D3


208 Kapitel 11 · Handchirurgie

Unterschiedliche anatomische Gegebenheiten erfordern un- chen ein Handgelenkverband angelegt. Daran werden die Zügel
1 terschiedliches Vorgehen. Der Operateur muss bemüht sein, die in gleicher Weise befestigt, so dass der Patient die Streckung der
Gleitfähigkeit der Sehnen und deren Führung durch die Ring- PIP- und DIP-Gelenke weiterhin üben kann.
2 bänder zu erhalten. Ihre Rekonstruktion ist von besonderer Be-
deutung. Entfernt sich die Sehne bei Spannung vom Drehpunkt,
Während der ersten 5 postoperativen Wochen darf nur pas-
siv gebeugt werden. Niemals sollte ein Druck auf den Fingerna-
gehen Kraft und Bewegungsausmaß verloren. gel ausgeübt werden, um die Flexion im PIP- und DIP-Gelenk
3 Im Bereich der Handwurzel und der Metakarpalia fehlen i.A. zu erweitern. Alle Griffe werden seitlich und mit einer ganz fei-
die Sehnenscheiden; daher ist der Erfolg einer Sehnennaht hier nen Traktion angesetzt.
größer. Der Gummizügel wird mit einer Sicherheitsnadel an einer
4 Daumen und Kleinfinger haben eine durchgehende Sehnen- vorgegebenen Stelle (Zugrichtung zum Skaphoid) eingehängt,
scheide. Dies hat klinische Bedeutung bei einer Phlegmone. Die so dass die Zugrichtung immer konstant bleibt.
5 Infektion kann sich von einem Finger zum nächsten ausbrei- Nach 5 Wochen darf mit einer leichten aktiven Beanspru-
ten. chung der Beugesehne begonnen und langsam die Nullstellung
des Handgelenks und der Fingergrundgelenke erreicht wer-
6 Nachbehandlung (Adhäsionsprophylaxe) den.
Üblich ist heute die Nachbehandlung nach Kleinert (Chir- Nach 7 Wochen kann gegen leichten manuellen Widerstand
7 urg in Louisville/Kentucky). Nach einer Sehnennaht/ -plastik geübt werden, der symptomatisch gesteigert werden darf.
wird eine Gipsschiene nach Kleinert (. Abb. 11.20) angelegt. Der Üben in der geschlossenen Kette ist je nach Verträglichkeit
Kleinert-Gips hält: nach 8 Wochen möglich (. Abb. 11.31).
8 5 das Handgelenk in 20–30 Palmarflexion (Trentz, Bühren Nach 12 Wochen soll die Arbeitsfähigkeit erreicht sein.
40°, 2001), Schröder beschreibt ferner ein »Early Active Movement«-
5 das Grundgelenk (MP) in 30–40° Flexion (Trentz, Bühren Konzept nach Hoffmann-Elliott, das sie nach primärer Beuge-
9 50°), sehnennaht anwendet.
5 Mittel- und Endgelenke (PIP, DIP) in Streckung. Die anfängliche Behandlung unterscheidet sich nicht von
10 der Nachbehandlung nach Kleinert. Der Physiotherapeut beugt
Gummizügel werden zwischen den Fingerkuppen und dem passiv den betroffenen Finger. Die Modifikation betrifft den Stel-
proximalen palmaren Handgelenk an Gips oder thermopla- lungswechsel der Finger. Nach jeder Behandlung ändert man
11 stischem Verband befestigt. Der Zug ist bei Beugesehnenverlet- stündlich die Stellung der Finger:
zungen D2–D5 zum Skaphoid hin ausgerichtet und garantiert 5 in Flexionsstellung durch Zugerweiterung des Gummi-
12 die gewünschte Entlastungsstellung der Sehnennaht. Die Fin- bandes und
ger sollen ohne große Anstrengung gegen den Gummizügel ge- 5 in Streckstellung der Finger mittels eines weichen, breiten
streckt werden können. Bandes und Lösen des Gummibandes.
13 Die Schiene bleibt ca. 3–5 Wochen, dann wird ein Verband
angelegt. Die stationär aufgenommen Patienten kommen anfangs stünd-
14 Physiotherapeutische Behandlung
lich in die Physiotherapieabteilung, um die Fingerstellung zu
wechseln; später lernen sie es selbst.
Konzept nach Schröder Die aktive Beugung des Fingers und die Weiterbehandlung
15 Für die physiotherapeutische Behandlung hat Schröder (1999) unterscheiden sich nicht von der Behandlung nach Kleinert.
das nachfolgende Konzept ausgearbeitet. Besteht eine Kombinationsverletzung mit Nervenbeteili-
Nach 3–4 Wochen kann die Annäherung aufgegeben werden. gung, wird vom Ergotherapeuten eine entsprechende Schiene
16 Die Kleinert-Schiene wird abgenommen und für weitere 2 Wo- angefertigt und symptomatisch behandelt.

17
. Abb. 11.20a,b. Kleinert-Schiene
18 nach Beugesehnennaht D2.
a Aktive Streckung gegen Zügel,
b passive Beugung
19
20
21
11.10 Beugesehnenverletzungen
209 11

Bei primären Beugesehnennähten des M. flexor pollicis


longus wird ebenfalls eine Kleinert-Schiene angelegt, und die
Physiotherapie verläuft analog zu der zuvor beschriebenen Beu-
gesehnenbehandlung.
Bei Beugesehnenverletzungen mit zusätzlichen Verlet-
zungen anderer Strukturen werden heute primär Sehnentrans-
plantate, bei älteren Verletzungen zweizeitig, durchgeführt. Die
anschließende Behandlung wird, wie bereits beschrieben, mit
einem Funktionsgips nach Kleinert fortgesetzt.

Nach der Gipsentfernung


Die Stellung des Kleinert-Gipses ist auch die Ausgangspositi-
on für die erste physiotherapeutische Behandlung nach der Gip-
sentfernung.
Zur Anwendung kommen dann alle Techniken, die eine . Abb. 11.21. Fazilitation der D2-Beugesehne über Haltearbeit von D1
Förderung der Kontraktionsbereitschaft bewirken (. Abb. 11.21, und radiale Handgelenkflexion
11.22) wie manueller Kontakt, Setzen von Kontraktionshilfen
nach PNF oder Verstärkungstechniken.
Andere Physiotherapeuten (Dopfer, Görges-Radina, Mün-
chen in Zusammenarbeit mit der TU Klinik München) befür-
worten heute ein früheres assistiv/aktives Beugen.
Nach der Entzündungsphase/zu Beginn der Proliferati-
onsphase beginnen sie, nach Rücksprache mit dem Operateur,
mit einem aktiven Halten der Beugestellung. Dadurch sollen
die Sehnenstrukturen frühzeitig ihre Zugrichtung ausrichten
(. Abb. 11.23, 11.24). Damit der Patient nicht zu stark anspannt,
wird an der gesunden Hand eine weiche Spannung vorgeübt.
Zwischen dem 7. und 15. Tag werden die Maßnahmen ausgesetzt,
da in dieser Zeit eine erste Umorganisierung der Sehnennaht
erfolgt und die Rissgefahr sehr groß ist.
Diese frühe aktive Kontraktion einer genähten Beugesehne
ist noch in der Erprobung und kann nur von erfahrenen Kolle-
. Abb. 11.22a,b. a Fazilitation über Haltewiderstand für Handgelenk-
gen durchgeführt werden.
und Fingerflexion D3–D5, b Fazilitation über Haltewiderstand für D1 und
In der Regel wird die Proliferationsphase abgewartet und
D5, Opposition
nach 5 Wochen mit dynamischen Beugebewegungen begonnen.
Abhängig von der gewählten Fingerposition unterscheidet
sich das Gleitverhalten der Sehnen:
5 Bei Faustschluss gleiten die M.-flexor-dig.-profundus-Seh-
nen am weitesten in der Sehnenscheide.
5 Bei Krallen- oder Hakenposition gleiten die beiden Beuge-
sehnen maximal gegeneinander.
5 Bei Fausthaltung mit geraden Endgelenken kommt es zum
maximalen Gleiten der M.-flexor-dig.-superficialis-Seh-
nen.

Es ist daher wichtig, alle drei Aktivitäten zu üben.

Wichtig

Auch hier gilt: Weiches Bewegen ist effektiver als hartes


Mobilisieren!

. Abb. 11.23. Passives Beugen von D5


210 Kapitel 11 · Handchirurgie

. Abb. 11.24a,b. a Bewegen DIP


1 und PIP unter Beibehaltung der
Kleinert-Stellung, b Fazilitation des M.
flexor digitorum profundus. D5 in An-
2 näherung und in Kleinert-Stellung

3
4
5
6 Komplikationen schmerzfreien Bereich passiv gebeugt werden. Für die endgra-
dige Streckung kann der Zügel etwas gelockert werden.
7 5 Reruptur, Darf die Schiene zur Behandlung abgenommen werden, soll
5 Verwachsungen, der Physiotherapeut zum Üben der vollständigen Streckung der
5 Beugekontraktur der Fingergelenke, PIP- und DIP-Gelenke die Stellung beibehalten (. Abb. 11.25).
8 5 selten Infektionen. Der Patient wird zum selbständigen Wiederholen der Bewe-
5 CRPS gungen (mehrmals am Tag!) angeleitet. Dies darf jedoch in der
Proliferationsphase nur mit Schiene geschehen.
9 In der anfänglichen Proliferationsphase soll die Schiene
Befunderhebung nicht abgenommen werden, sie muss 24 Stunden getragen wer-
10 den. Nach Rücksprache mit dem Operateur besteht nach ca. 3
Siehe Befunderhebung in 7 Abschn. 11.1 und auch 7 Kap. 2. Wochen bei verständigen Patienten die Möglichkeit, die Schie-
ne zum Waschen der Hand abzunehmen; besser geschieht dies
11 jedoch unter Aufsicht des Physiotherapeuten. (Schüler sollten
Behandlungsmöglichkeiten die Schiene nicht abnehmen.) Der Patient sollte immer wieder
12 darauf hingewiesen werden, sich an den Vorgaben des Physio-
Das grundsätzliche Vorgehen einer handchirurgischen physio- therapeuten zu orientieren, da ein fehlerhaftes Verhalten zu er-
therapeutischen Behandlung (Regelfall) wird in 7 Abschn. 11.18 neutem Reißen der Sehne führen kann.
13 (Ende dieses Kapitels) ausführlich beschrieben. Propriozeptives Training, Desensibilisierung (. Abb. 11.26,
In . Übersicht 11.2 sind die Inhalte der physiotherapeu- 11.18) im Körnerbad oder mit verschiedenen Bürsten und Ma-
14 tischen Behandlung nach Beugesehnenverletzungen zusam- terialien ist für jede Handverletzung ein wichtiger Behand-
mengefasst. lungspunkt. Ohne eine normale Sensomotorik gibt es kein ziel-
gerichtes, fein abgestuftes Greifen (7 Abschn. 11.10, Spiegelthe-
15 rapie).
. Übersicht 11.2. Gesichtspunkte der Behandlung Während der Proliferationsphase sollen die Bewegungen
5 Durchblutungsverbesserung und Ödemresorption. niedrig dosiert ausgeführt werden. Die Rerupturgefahr besteht
16 5 Lösen der Verklebungen, Narbenbehandlung. v.a. zwichen dem 7. –15. postoperativen Tag. Patienten müssen
5 Schulen der Kontraktionsfähigkeit. deshalb gut angeleitet werden (s.o. und auch Komplikation Ten-
17 5 Kräftigung der Beugemuskulatur der Hand. dolyse).
5 Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten. Kann ohne Schiene behandelt werden, wird die Narbe zu-
nächst mit vorsichtigen manuellen Techniken (. Abb. 11.27)
18 oder einem Vibrator und einer Silikongel-Folie behandelt, spä-
Verbesserung der Durchblutung und Verminderung des posto- ter mit dem sog. »Scarextractor« (. Abb. 11.28), einem kleinen
19 perativen Ödems durch Manuelle Lymphdrainage, Ellenbogen- Schröpfgerät, das die Narbe durch Unterdruck von der Unterla-
und Schulterbewegungen, Hochlagerung. ge abhebt. Die Silikonauflage schließt die Narbe luftdicht ab und
Zur Verbesserung der Gleitfähigkeit der Beugesehnen soll wirkt dadurch wie eine feuchte Kammer, die die Narbe weich
20 der Finger in vorgegebener Stellung mit geringem Kraftauf- werden lässt. Anfangs wird sie 24 Stunden belassen, dann nur
wand aktiv gestreckt (bis zur 5. postoperativen Woche) und im nachts angeklebt (Fa. Aromando Medizin Technik GmbH, Düs-
21 seldorf).
11.10 Beugesehnenverletzungen
211 11

. Abb. 11.25. Aktive Streckung PIP und DIP von D5 in Kleinert-Stellung . Abb. 11.26. Körnerbad (Raps und Bohnen)

. Abb. 11.27a-c. Narbenbehandlung

. Abb. 11.28. Scarextractor . Abb. 11.29. Minimassagestab, Bürsten, Scarextractor


212 Kapitel 11 · Handchirurgie

1
2
3
4
5
. Abb. 11.30a-c. a Greifen von Münzen, b Halten eines Glases, c Kugelschreiber öffnen und schließen
6
7 Form und in der Kontrakturbehandlung langsam sytematisch
gesteigert.
Die Übungsformen im geschlossenen System werden vorge-
8 übt und weiterhin selbständig durchgeführt, z.B. durch Stützen ge-
gen die Wand, den Tisch oder instabile Geräte (. Abb. 11.31). Da-
bei soll darauf geachtet werden, dass die Schulterblätter beim Stüt-
9 zen die Stabilisierung der Hand- und Armgelenks unterstützen.

10
Komplikation: Tenolysen (Tendolysen)
11 Wegen der Adhäsionsgefahr der Sehnennarbe muss auch bei al-
len operativen Methoden mit einer Tenolyse nach ca. 6 Mona-
12 ten gerechnet werden. Die Sehne wird dann aus ihrer Verkle-
. Abb. 11.31a,b. a Stabilisation des Schultergelenks und Stützen auf bung/Verwachsung gelöst.
labile Unterlage, b Stützen auf stabilen Tisch Nach Tenolysen muss sofort physiotherapeutisch behan-
13 delt werden. In den ersten Tagen wird heute eine Schmerzthe-
rapie durchgeführt (7 Kap. 3.3). Aktive und passive Bewegungs-
14 Ist die Narbe fest verbacken, kann der Minimassagestab ein- formen kommen zum Einsatz (s.o.). Das Operationsergebnis
gesetzt werden, der mit seinem kleinen vibrierenden Kopf die soll so schnell wie möglich erreicht werden, dabei spielt die Mit-
Narbe gut lockert. Die Patienten können sich ca. 10 min auch arbeit des Patienten eine große Rolle. »Stop and go«-Techniken
15 selbst damit behandeln (Narbe vorher mit Vaseline eincremen) ermöglichen es dem Patienten, seine Schmerzgrenze besser zu
(. Abb. 11.27 c). kontrollieren. Kurzzeitiges Kühlen der Hand, Ausstreichen der
Die Kontraktionsschulung der Fingerflexoren beginnt ab- Hand und weiches Verschieben der Metakarpalia sowie eine
16 hängig von der jeweiligen Klinik zu unterschiedlichen Zeit- zwischengeschaltete Lymphdrainage nehmen den postopera-
punkten mit aktiv/assistiver/passiver Beugung in verschiedene tiven Reizzustand zurück (. Abb. 11.32).
17 Positionen. Nach der Wundheilung kann mit einer weichen Narbenmas-
Kontrakturbehandlung nach ca. 6 Wochen mit niedrig do- sage begonnen werden (s.o.). Geübt wird vorzugsweise aktiv ge-
sierten Techniken. gen Führungskontakt.
18 Werden die Gummizügel nach 5–6 Wochen entfernt, begin- Dehnungen und Gelenkmobilisationen müssen v.a. während
nt die Schulung leichter Aktivitäten für den Alltag (. Abb. 11.30). der kritischen Zeit zwischen dem 7. –15. Tag und evt. bis zum
19 Schwierigere Aktivitäten wie das Öffnen von Schraubver- 20. postoperativen Tag mehrmals täglich besonders feinfühlig
schlüssen, das Greifen und Halten von schweren Gegenstän- durchgeführt werden. In dieser Zeit besteht erhöhte Rissgefahr.
den oder das Öffnen und Ziehen schwer zu öffnender Knöpfe Wenn möglich, soll 3- bis 4-mal täglich kurz behandelt werden.
20 oder Reißverschlüsse etc. sind erst in der Konsolidierungspha- Darüber hinaus wird der Patient angehalten, selbst zu üben.
se (8 Wochen postoperativ) erlaubt. Dann wird die Belastung Quengelverbände sind in letzter Zeit wieder häufiger disku-
21 der Sehne durch Übungsformen in freier oder geschlossener tiert worden. Sie sind kritisch zu bewerten, da der Druck auf die
11.11 Strecksehnenverletzungen
213 11

. Abb. 11.32a,b. Entspannen der


Handbinnenmuskulatur durch wei-
ches Bewegen

5 Zone 4: Grundgliedbereich,
5 Zone 5: Grundgelenkbereich,
5 Zone 6: Handrückenbereich,
5 Zone 7: Handgelenkbereich,
5 Zone 8: Unterarmbereich.

Für den Daumen gelten fünf Zonen bis zum Handgelenk.

Ursachen

Strecksehnenverletzungen an Hand und Fingern entstehen


. Abb. 11.33. Streckquengelschiene durch:
5 Schnitt-, Säge-, Stich-, Biss-, Sportverletzungen.

Gefäße zu ischämischen Symptomen führen kann. Dynamische Sie kommen u.a. als knöcherne Ausrissverletzung vor.
Übungsschienen können diese Nebenwirkung vermeiden und Am Endglied kommen sie am häufigsten als Sehnenabriss-
sind in manchen Fällen sinnvoller einsetzbar (. Abb. 11.33). verletzung vor, z.B.:
Je weicher und behutsamer man mit der Hand umgeht, um- 5 beim Bettenmachen,
so schneller wird sie zu natürlichen Bewegungen zurückfinden. 5 bei Ballsportarten wie Basket-, Volley- oder Handball.

! Cave Aufgrund der exponierten Lage der Strecksehnen entstehen oft


Niemals darf gegen Schmerzen rigoros passiv mobilisiert wer- offene Verletzungen.
den. Jede Härte wird zu neuer Abwehrspannung und zu Verkle-
bungen führen.
Charakteristische Symptome/Leitsymptome

11.11 Strecksehnenverletzungen 5 Ausgedehntes Ödem am Handrücken.


5 Im Endgelenkbereich, Zone 1: Streckdefizit von ca. 40°
Einteilung (Malletstellung).
5 Bei Verletzung in Zone 2: Unvollständige Streckfunktion,
Strecksehnenverletzungen werden nach Pechlaner et al. (1998) wenn seitliche Zügel noch intakt sind; Streckdefizit, wenn
in acht verschiedene Zonen eingeteilt. Die ungeraden Zonen be- beide seitlichen Zügel mitverletzt sind.
zeichnen die Gelenkbereiche, die geraden die Schaftbereiche: 5 Bei kompletter Durchtrennung des Mittelzügels und intak-
5 Zone 1: Endgliedbereich, evt. knöcherner Ausriss, ten Seitenzügeln in Zone 3: Gelenk kann nicht dynamisch
5 Zone 2: Mittelgliedbereich, gestreckt, aber in Endstellung gehalten werden.
5 Zone 3: Mittelgelenkbereich,
214 Kapitel 11 · Handchirurgie

5 Seitenzügel mitverletzt in Zone 3: PIP in 50–80°-Beugestel-


1 lung, Knopflochdeformität.
5 Offene Verletzungen in Zone 4: Bei kompletter Durchtren-
2 nung deutliches Streckdefizit im PIP.
5 Durchtrennung der Sehne distal des Connexus intertendi-
neus in Zone 5: Ca. 40° Streckdefizit im MP.
3 5 Strecksehnenruptur in Zone 6: Ca. 20° Streckdefizit im MP.
5 In Zone 7: Umfangreiches Verletzungsbild, evt. Kreissäge-
verletzung im Handgelenkbereich.
4 5 In Zone 8: Unterschiedliche Streckdefizite entsprechend des
Verletzungsausmaßes.
5 . Abb. 11.34. »reversed Kleinert-Schiene«
Behandlungsrichtlinien und therapeutische
6 Maßnahmen
Strecksehnenverletzungen im Grundgliedbereich (Zone 4)
7 Ärztliche Behandlung kommen in Kombination mit einer Durchtrennung der Apo-
Konservatives/operatives Vorgehen neurose, z.B. bei Kreissäge- und Schnittverletzungen und zu-
In Zone 1 steht das Endgelenk bei Totalruptur in ca. 20–40° Fle- sätzlichen Knochenverletzungen vor. Es sind i.d.R. offene Ver-
8 xionsstellung, bei Teilruptur in ca. 20° Flexion. Bei knöchernen letzungen.
Ausrissen ist das Streckdefizit noch geringer. Diese Fehlstellung Bei Strecksehnendurchtrennungen distal der Connexus in-
wird als Hammer- oder Malletfinger bezeichnet. Der Grund für tertendinei, im Bereich der Grundgelenke (Zone 5), der Mittel-
9 das isolierte Endgelenkstreckdefizit liegt in den anatomischen hand (Zone 6) und in Höhe des Handgelenks (Zone 7) sind die
Gegebenheiten: Die Strecksehnen werden breitflächig auf der Streckdefizite sehr gering, da die intrinsische Muskulatur funk-
10 Dorsalseite der Gelenkkapseln verankert. tionsfähig bleibt.
Subkutane Rupturen in Zone 1–3 können konservativ behan- Strecksehnendurchtrennungen im Bereich der Grundge-
delt werden, mit einer Stack- oder Winterstein-Schiene in Über- lenke, Mittelhand oder des Handgelenks werden ebenso wie alle
11 streckung des Endgelenks. Die Schiene muss konsequent 6 Wo- kompletten Strecksehnendurchtrennungen der Zonen 2–4 pri-
chen, besser 8 Wochen getragen werden. mär genäht. Anschließend wird die Hand in einer sog. »rever-
12 Der Nachteil einer Stack-Schiene liegt darin, dass sie in- sed Kleinert-Schiene« (. Abb. 11.34) dynamisch ruhiggestellt:
dustriell vorgefertigt ist; sie passt oft nicht exakt und hält des- 5 PIP- und DIP-Gelenk in Nullstellung,
halb die Streckstellung des Endgelenks nicht zuverlässig. Zu- 5 MP-Gelenk in 20–40° Beugestellung,
13 dem kann der Patient sie leicht selbst abnehmen, da sie nur mit 5 Handgelenk in 40° Dorsalextension.
einem Klettverschluss befestigt ist. Das Endglied muss immer
14 passiv in Überstreckung gehalten werden. Jedes geringfügige Manche Operateure benutzen für distale Verletzungen auch
Absinken in die Beugung, z.B. bei selbständiger Abnahme der Kirschner-Drähte, die nach ca. 4 Wochen entfernt werden.
Schiene, führt zu einer erneuten Ruptur. Gelingt die konserva- Die ärztlichen Maßnahmen richten sich nach der Verlet-
15 tive Behandlung nicht, können eine temporäre Arthrodese mit zungszone und der Form der Strecksehnen in den einzelnen
Kirschner-Drähten und eine Lengemann-Ausziehnaht durchge- Zonen: Im Handgelenkbereich sind sie rund, im Handrücken-
führt werden. bereich halbrund und im Fingerbereich flach.
16 Im Mittelgliedbereich (Zone 2) besteht ein geringes Streck-
defizit, wenn die seitlichen Zügel erhalten sind. Wichtig
17 Verletzungen der Strecksehne im Mittelgelenkbereich (Zo-
Je distaler die Verletzung der Strecksehnen, umso länger
ne 3) sind häufig offene Verletzungen. Wenn der Mittelzügel
ist die Ruhigstellungszeit. Als Mittelwert gelten bei Verlet-
allein durchtrennt ist, kann der passiv in Streckung gebrachte
18 Finger durch die in- und extrinsischen Zügel in dieser Stellung zungen
5 des Handgelenks: 3 Wochen,
gehalten werden. Eine aktive Streckung aus der Beugung ist
5 der Mittelhand: 4 Wochen,
19 nicht möglich. Typisch ist die sog. »Knopflochdeformität«. Das
5 der Grund- und Mittelgelenke: 4–5 Wochen,
Grundgliedköpfchen des PIP-Gelenks schlüpft bei Beugung wie
5 des Endgelenks/distal: 6 Wochen.
ein Knopf durch die Lücke der Sehne und verhindert die Stre-
20 ckung. Die seitlichen Zügel liegen dann volar der Beugestreck-
achse und ziehen das PIP-Gelenk in Beugung, das DIP-Gelenk
21 in Überstreckung.
11.13 Nervenverletzungen
215 11

Komplikationen die Strecksehnenverletzungen des Daumens. Sie zeigen selten


Komplikationen und bedürfen nur einer kurzfristigen physio-
5 Hautnekrosen bei K-Draht-Stabilisierung, therapeutischen Behandlung.
5 Abrutschen des DIP bei Stack-Schiene, Bei Strecksehnenverletzungen im Handrückenbereich be-
5 Verklebungen, Kontrakturen, steht oft ein ausgeprägtes Ödem.
5 CRPS, Alle Ödem resorbierenden Maßnahmen, anfangs mildes
5 Infektionen bei Kombinationsverletzungen. Kühlen, Hochlagerung, Pumpbewegungen der proximalen Ge-
lenke und die Manuelle Lymphdrainage können angewendet
werden.
Behandlungsmöglichkeiten Erst nach 6 Wochen (Konsolidierungsphase) kann die Do-
sierung, z.B. durch Üben gegen angepassten Widerstand oder
In . Übersicht 11.3 sind die Behandlungspunkte nach Streck- in der geschlossenen Kette, verstärkt werden.
sehnenverletzungen zusammengefasst. Bei Verletzungen im Endgelenkbereich wird zu diesem Zeit-
punkt erst mit aktiven oder geführten Übungsformen begon-
nen. Es empfiehlt sich, die Schiene nachts weiterhin zu tragen.
. Übersicht 11.3. Gesichtspunkte der Behandlung Da sich Narben sehr einschränkend auf die Funktion der
5 Durchblutungsverbesserung und Ödemresorption. Hand auswirken, ist eine intensive Narbenbehandlung erforder-
5 Lösen der Verklebungen, Narbenbehandlung. lich, z.B. Silikonauflagen, Massage mit Vibration (Minimassa-
5 Schulen der Kontraktionsfähigkeit. gestab), klassische Massagegriffe, Ultraschall oder Scarextrac-
5 Kräftigung der Streckmuskulatur der Hand. tor (. Abb. 11.28).
5 Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten. Erst nach 10–12 Wochen ist bei Strecksehnenverletzungen
mit der vollen Belastbarkeit der Hand für einen handwerklichen
Beruf zu rechnen.
Die physiotherapeutische Behandlung beginnt am 1./2. posto-
perativen Tag nach Entfernung der Redon-Drainagen mit ei-
ner Behandlung der Nachbarfinger, Handgelenk und Armge- 11.12 Muskelverletzungen
lenken.
Der Beginn der spezifischen Behandlung richtet sich nach Muskelverletzungen gibt es durch Schnitt-, Quetsch- oder Riss-
den oben genannten Ruhigstellungszeiten. verletzungen an der Handbinnen-, Kleinfingerballen- und Dau-
Die Bewegungstherapie bei temporärer Arthrodese muss menballenmuskulatur.
individuell vom Operateur festgelegt werden. In der Regel ge- Sie können Begleitverletzungen von Frakturen und Luxati-
schieht dies nach Entfernung der Kirschner-Drähte nach 4 Wo- onen sein. Die Funktionen der betroffenen Muskulatur können
chen. nicht mehr oder nur eingeschränkt ausgeführt werden.
Bei einer »reversed Kleinert-Schienenbehandlung« geht man Operatives Vorgehen ist zwingend. Die offenen Verletzungen
analog zur Beugesehnenverletzung vor, d.h., mit passiver Stre- erfordern eine schnelle Wundversorgung. In Kombination mit
ckung und aktiver Beugung. Frakturen wird oft eine Ruhigstellung mit einem Fixateur exter-
Die Gesichtspunkte der physiotherapeutischen Behandlung ne vorgenommen.
müssen den Besonderheiten der Strecksehnenverletzungen in
den unterschiedlichen Zonen Rechnung tragen. Dies gilt v.a.
für die Wahl spannungsfreier Ausgangsstellungen und die ange- 11.13 Nervenverletzungen
passte Dosierung der Techniken zur Schulung der Kontraktions-
fähigkeit und Mobilisation der Gelenke. Die motorische und sensible Versorgung der Hand wird be-
Zu bedenken ist, dass die Grundspannung der Beugesehnen stimmt von:
immer größer ist als die der frisch genähten und noch nicht aus- 5 N. radialis,
geheilten Strecksehne. 5 N. medianus,
5 N. ulnaris.
! Cave
Forciertes Beugen der Finger ist in der frühen Behandlungs- Je proximaler die Nerven verletzt sind, umso deutlicher ist der
phase nicht erlaubt! motorische Ausfall: Die motorischen Fasern des N. medianus
versorgen die Muskulatur des Daumenballens, der R. profun-
Im Vergleich mit den Beugesehnen neigen Strecksehnen ver- dus des N. ulnaris die Muskeln des Kleinfingerballens
mehrt zu Verwachsungen und heilen langsamer, evt. muss spä-
ter eine Tenolyse durchgeführt werden. Eine Ausnahme bilden
216 Kapitel 11 · Handchirurgie

Einteilung
1
Nach Sunderland (1951) werden Nervenschädigungen nach ihrer
2 Regenerationsfähigkeit eingeteilt.

Neuropraxie Unterbrechung der Nervenleitfähigkeit. Axone intakt, so dass eine vollständige Wiederherstellung
3 möglich ist

Axonotmesis Das Axon ist verletzt, das Endoneurium jedoch intakt. Vollständige Wiederherstellung ist möglich
4 Axonale Verletzung bei faszikulärer Eine unvollständige Regeneration zwingt zu operativem Vorgehen
Strukturverletzung, auch des Endo-
5 neuriums

Neurombildung Ausreichende Nervenregeneration ist unwahrscheinlich, deshalb besteht Operationsindikation


6 Neurotmesis Vollständige Nervendurchtrennung. Keine Regeneration möglich. Eine Nervennaht ist zwingend

7
Ursachen 5 Ausfall der Motorik für Binnen-, Daumenballen- und Klein-
8 fingerballenmuskulatur bei Schäden im Karpaltunnelbe-
5 Kompression oder Überdehnung, reich oder distal davon. Betroffen sind N. ulnaris in der
5 Schnitt-, Riss-, Quetsch-, Stich- oder Schussverletzungen, Guyon-Loge und N. medianus im medialen Bereich;
9 5 Frakturen, 5 trophische Störungen, Atrophie.
5 Ischämie,
10 5 thermische Verletzungen. Nach Highet (in Schröder 1999) werden die Sensibilitätsstörun-
gen in 4 Grade eingeteilt.
11 Charakteristische Symptome/Leitsymptome S0 Keine Sensibilität vorhanden

S1 Schmerzempfinden im Innervationsgebiet
12 5 Sensibilitätsverlust in den jeweiligen Versorgungsgebieten,
5 Schmerzen, S2 Geringe oberflächliche Sensibilität
5 motorische Ausfälle in Thenar- und Hypothenarmuskula-
13 tur, S3 Intakte oberflächliche und tiefe Sensibilität, vorhan-
dene Zwei-Punkte-Diskriminierung (unter 5 mm)
5 Kraftminderung.
14 5 positives Hoffmann-Tinel-Zeichen bei länger bestehen- S4 Normale seitengleiche Sensibilität
der Läsion,
5 typische Handstellungen:
15 – Krallenhand bei N.-ulnaris-Läsion, Paresen der Handmuskeln müssen nicht immer zu einem to-
– Schwurhand bei N.-medianus-Läsion. talen Ausfall der entsprechenden Muskulatur führen. Es gibt
viele Anastomosen oder Lageveränderungen der Nerven an der
16 Eine Fallhand durch eine N.-radialis-Läsion erfolgt nur bei pro- Hand, die eine Teilfunktion noch ermöglichen.
ximaler Schädigung.
17 Ärztliche Behandlung
Angestrebt wird eine primäre Nervennaht. Dieser Eingriff hat ei-
Behandlungsrichtlinien und therapeutische ne bessere Prognose und kann noch innerhalb von 24 Stunden
18 Maßnahmen nach der Verletzung durchgeführt werden. Ist dies nicht mög-
lich, wird eine frühzeitige Sekundärnaht angestrebt (5–7 Ta-
19 Bei den genannten Verletzungen können der N. medianus und/ ge nach dem Unfall). Die Nahtstelle soll immer spannungsfrei
oder der N. ulnaris gezerrt oder durchtrennt werden. Als Folge sein. Gelingt dies nicht, wie z.B. bei Defekten, wird ein Trans-
entstehen: plantat zwischengeschaltet.
20 5 Sensibilitätsverlust für Berührung, Zwei-Punkte-Diskrimi- Nach einer spannungsfreien Nervenkoaptation ist eine Ru-
nierung, Warm-/Kalt- und Spitz-/Stumpfempfinden, Vi- higstellung in einer Gips- oder Kunststoffschiene für 2 Wochen
21 brations- und Lageempfinden. einzuhalten. Bleibt eine Restspannung, verlängert sich die Ru-
11.13 Nervenverletzungen
217 11

higstellung um 1 Woche. Bei Verletzung der sensiblen Nerven Die Wahrnehmung von Berührung wird mit verschiedenen
reicht eine Ruhigstellung von 14 Tagen in Annäherung der be- Materialien und mit Gegenständen des alltäglichen Lebens ge-
troffenen Nerven. schult. Zunächst sollen die Gegenstände mit offenen Augen
wahrgenommen, dann mit geschlossenen Augen erkannt wer-
Wichtig den (Sensibilitätstraining, s.o.)
Maßnahmen zu Funktionsstörungen und eingeschränkten
Entlastende Stellungen für die Unterarmnerven sind:
Aktivitäten können aus den vorangegangenen Abschnitten ab-
5 N. medianus: Ellenbogenflexion, -pronation, Handge-
gerufen werden.
lenkpalmarflexion.
5 N. radialis: Ellenbogenflexion, -supination, Handgelenk-
dorsalextension.
Komplikationen
5 N. ulnaris: Ellenbogenextension, -supination, Handge-
lenkpalmarflexion.
5 Wundheilungsstörungen,
5 Neurombildung.
Ist ein operatives Vorgehen auch an anderen Handstrukturen
notwendig, z.B. eine Beugesehnennaht, werden Nervennähte
primär in der gleichen Sitzung durchgeführt. Befunderhebung
Die frühfunktionelle Behandlung beginnt wegen der Verkle-
bungsgefahr schon am 3. postoperativen Tag (Weigel, Nerlich Siehe Befunderhebung in 7 Abschn. 11.1 und auch 7 Kap. 2.
2005). Bei einer Läsion des R. profundus n. ulnaris werden charakte-
Bei einer Druckläsion mit erhaltenen Axonen kommt es zur ristische Funktionsstörungen erkennbar, durch Schwäche/Aus-
Spontanheilung. Operatives Vorgehen ist deshalb nicht erfor- fall folgender Muskeln:
derlich. 5 M. adductor pollicis und M. opponens D5 (. Abb. 11.35 a,
d, e),
Physiotherapeutische Behandlung 5 M. adductor D1 (. Abb. 11.35 a),
Die physiotherapeutische Behandlung beginnt nach Ruhigstel- 5 Mm. lumbricales (. Abb. 11.35 b),
lung in entlastender Stellung des Nervs mit Techniken zur Schu- 5 Mm. interossei (. Abb. 11.35 c).
lung der Kontraktionsbereitschaft der paretischen Muskulatur
(7 Kap. 7, Neuromeningeale Strukturen und deren Behandlung).

. Abb. 11.35a-e. Funktionsstörungen der linken Hand bei Verletzung des R. profundus n. ulnaris
218 Kapitel 11 · Handchirurgie

Aussagekräftig für die Beurteilung der Resensibilisierung sind 5 Traktion oder Approximation der Gelenke, wenn keine
1 das Hoffmann-Tinel-Zeichen und die Zwei-Punkte-Diskrimi- Gelenkfrakturen bestehen,
nierung, aber auch andere Sensibilitätstests. Nach ca. 12 Wo- 5 Bürsten mit der Rood-Technik,
2 chen ist auch die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit sinn- 5 Statisches Spannen der Nachbarfinger in die gleiche Bewe-
voll. Ergebnisse bzgl. der motorischen Reinnervation können gungsrichtung.
erst nach 4 Wochen mittels EMG erwartet werden.
3 Muskeln, die die Kontraktionsfähigkeit unterstützen, sind für
die
Behandlungsmöglichkeiten 5 Fingerbeuger: M. extensor carpi radialis und ulnaris,
4 M. opponens, M. flexor pollicis, M. flexor carpi radialis
In . Übersicht 11.4 sind die Gesichtspunkte der physiothera- und ulnaris, M. biceps brachii.
5 peutischen Behandlung nach Nervenverletzungen zusammen- 5 Langfingerstrecker: M. abductur pollicis, Mm. interossei,
gefasst. Mm. extensores radialis und ulnaris.

6 Zu empfehlende Fazilitationstechniken sind:


. Übersicht 11.4. Gesichtspunkte der Behandlung 5 Mentales Training: Der Patient soll dabei die kontralaterale
5 Durchblutungsverbesserung der Hand, Ödemresorp-
7 tion.
Muskulatur fest anspannen und sich vorstellen, dies auch
mit der betroffenen Hand zu tun. Er soll sich das Greifen
5 Erhalten der Beweglichkeit der Fingergelenke und des von gewohnten Gegenständen intensiv vorstellen und im-
8 Handgelenks. mer wieder bewusst machen.
5 Verhindern von Dehnstellungen des Nervs und der 5 Vojta (Peters 1980) gibt Techniken an, die den peripheren
Muskulatur. Muskel zur Kontraktion bringen können; sie beruhen auf
9 5 Fördern der Kontraktionsbereitschaft (Fazilitation). einer maximalen Overflow-Reaktion gegen gezielt angesetz-
5 Sensibilitätstraining. ten Druck (Grundprinzip der Vojta-Methode).
10 5 Vermeiden von Fehlstellungen der Fingergelenke, Sta- 5 Da das Bewegungsgefühl häufig verloren gegangen ist,
bilisation der Gelenke. wird der Patient zur optischen Kontrolle der Bewegung auf-
5 Schienenbehandlung. gefordert. Auch das symmetrische Mitüben der kontralate-
11 5 Hautpflege. ralen Seite erleichtert die Kontraktion. Zum eigenständigen
5 Vorbereiten und Schulen von Aktivitäten. Üben eignet sich besonders gut das Spiegeltraining.
12
Für das Einbeziehen paretischer Muskeln in eine Komplexbe-
Da bis zu einer normalen Kontraktionsfähigkeit mit langen wegung sind PNF-Verstärkungstechniken, wie bereits oben er-
13 Zeiträumen gerechnet werden muss, werden bei Nervenverlet- wähnt, günstig. Der Erfolg der Behandlung ist umso besser, je
zungen oft individuelle Nachtschienen in Funktionsstellung der größer die Reizsummation ist. Als PNF-Techniken bieten sich
14 Hand und Finger, in korrigierter Stellung oder in Annäherung an:
der paretischen Muskulatur angefertigt. Sie werden zum Üben 5 Rhythmische Bewegungseinleitung,
abgenommen und können aus Gips, Lightcast, Orthoplast oder 5 Dynamische Umkehr,
15 ähnlichen Materialien hergestellt sein. 5 Kombination von Dynamischer Umkehr und Replikation.
In der Regel darf vorsichtig aus der Gelenkmittelstellung bis
zur Muskelannäherung passiv bewegt werden, es sei denn, bei Bei allen Maßnahmen sollen Kontraktionshilfen, Blickkontakt,
16 zusätzlichen Frakturen stabilisieren Kirschner-Drähte die Ge- verbale Stimulation und eine normale zeitliche Bewegungsfolge
lenke. Keinesfalls sollten Nervennähte vor ihrer Ausheilungs- genutzt werden (7 Kap. 22).
17 zeit gedehnt werden.
Ausgangsposition für den Spannungsversuch ist die Muskel- Tipp
annäherung (Gelenkendstellung). Als Kontraktionshilfen kön-
18 nen eingesetzt werden: Die Behandlung paretischer Muskeln ist für die betroffene
Hand sehr ermüdend. Deshalb empfiehlt es sich, 2-mal täg-
5 Eisabtupf- oder Eisabreibetechnik über der paretischen
lich 20 min zu üben.
19 Muskulatur,
5 Tapping über der Muskulatur, wenn in diesem Bereich kei-
ne Fraktur vorhanden ist, Die Bewegungsmuster müssen zur Behandlung neuromeninge-
20 5 Streichen über dem dazugehörenden Hautbezirk, aler Strukturen (Butler 1991) entsprechend modifiziert werden.
5 Streichen über der Sehne,
21 5 Greifen in den Muskel,
11.15 Kombinationsverletzungen
219 11

! Cave Nahtstelle etwas geöffnet und das Hämatom entleert werden


Bewegen in Dehnstellungen der betroffenen Muskulatur ver- (Gefahr des Kompartmentsyndroms).
meiden bei Teststufe ≤ 2–3! Intensives Kühlen ist auch in der Entzündungsphase bei ar-
teriellen Gefäßzerreißungen zu vermeiden, später ohnehin kon-
In der Konsolidierungsphase, wenn Muskelteststufe 3 fast er- traindiziert.
reicht ist, kann aus der Dehnstellung mit vorsichtigem Stretch Die Lagerung der Hand muss häufig zwischen mäßiger
geübt werden. Dies sollte in Absprache mit dem Arzt gesche- Hoch- und Tieflagerung wechseln.
hen.
Die Kontraktionsfähigkeit eines Muskels steht in engem Zu-
sammenhang mit der Sensibilität. Eine Hand, die nicht fühlt, 11.15 Kombinationsverletzungen
wird nie voll gebrauchsfähig sein, denn sie wird niemals unbe-
wusst eingesetzt werden. Propriozeption und Sensibilität sollten Kombinationstraumen aller Strukturen an der Hand sind oft ei-
daher möglichst frühzeitig geschult werden, durch Bewusst- ne Folge schwerer Verkehrs- oder Arbeitsunfälle, z.B. Kreissä-
seinslenkung auf verschiedene Materialien, Wahrnehmen von gen-, Explosions-, Strom- oder Schussverletzungen.
Handpositionen und -bewegungen, durch Handkontakt des Meist sind es offene, sehr verschmutzte Verletzungen mit
Physiotherapeuten und Berührung der eigenen Finger. totaler oder teilweiser Abtrennung von Fingern (. Abb. 11.36,
Die ersten sensiblen Reinnervationen sind etwa 4 Monate und 11.15 »Replantation/Transplantation«).
nach der Naht, die motorischen 6–9 Monate postoperativ zu
erwarten. Eine erste Resensibilisierung zeigt sich in Kribbeln
(Hoffmann-Tinel-Zeichen) und dem Gefühl »eingeschlafener«
Hautareale.
Der Erfolg einer Nervennaht ist abhängig von der Gefäßver-
sorgung im Nahtbereich, der Nervengleitfähigkeit im umge-
benden Gewebe und der Spannungslosigkeit des Nervs. Auch
das Alter des Patienten spielt eine Rolle; Patienten unter 40 Jah-
ren und besonders Kinder haben eine bessere Prognose.
Weigel (2005) beschreibt eine 50ige Regeneration der sen-
siblen und motorischen Fasern des N. medianus bei technisch
einwandfreier Naht. Für den N. ulnaris ist die Prognose deut-
lich ungünstiger.

11.14 Gefäßverletzungen
Bei jeder ausgeprägten Handverletzung kommt es zu arteriel-
len und venösen Gefäßverletzungen wichtiger Hand- und Fin- a
gerarterien. Quetschverletzungen bieten die größte Gefahr für
Zerreißungen des Hohlhandbogens und eine nachfolgende Is-
chämie der Finger.

Ärztliche Behandlung
Mikroskopische Nähte des oberflächlichen und tiefen Hohl-
handbogens werden meist nur in handchirurgischen Spezial-
abteilungen vorgenommen. Bei einer Fingerreplantation ist das
Gelingen der Operation entscheidend davon abhängig, ob die
Fingerdurchblutung erreicht werden kann. Drittgradige Hautde-
fekte und Mangeldurchblutung der Hand können zu Nekrosen,
CRPS und Infekten führen, die schwerwiegende Folgen für die
Funktion der Hand haben.
Die ruhigstellenden Verbände müssen locker sein und täg- b
lich kontrolliert werden. Jegliche Form des Druckes von außen,
aber auch von innen durch eine Nachblutung oder ein Ödem . Abb. 11.36a,b. a Kreissägeverletzung nach Unfall, b klinisches Bild
muss vermieden werden. Bei einem prallen Hämatom muss die nach der Versorgung
220 Kapitel 11 · Handchirurgie

Charakteristische Symptome/Leitsymptome Müssen sekundäre Hautverpflanzungen nach vorheriger


1 Abdeckung mit Epigard vorgenommen werden, wird die Hand
5 offene, schwer zerstörte Hand, i.d.R. 8–10 Tage nicht behandelt. Nach dem ersten Verbands-
2 5 Funktionslosigkeit verschiedener Strukturen mit unter- wechsel entscheidet der Operateur, ob mit der Bewegungsthera-
schiedlichen Schädigungsgraden, pie begonnen werden darf.
5 starke Schmerzen,
3 5 starke Ödemneigung,
5 später Kälteempfindlichkeit. Komplikationen
4 5 Ischämie,
Behandlungsrichtlinien und therapeutische 5 Kompartmentsyndrom,
5 Maßnahmen 5 CRPS,
5 Infektionen,
Ärztliche Behandlung 5 Nekrosen.
6 Weichteilverletzungen an der Hand in Kombination mit Frak-
turen, Gefäß-, Sehnen- und Nervenverletzungen erfordern ein
7 umfangreiches Prüfen des Verletzungsausmaßes. Befunderhebung
Die Patienten haben sehr starke Schmerzen, so dass eine in-
tensive Schmerztherapie eingeleitet werden muss (7 Kap. 3.3). Siehe Befunderhebung in 7 Abschn. 11.1 und auch in 7 Kap. 2.
8 In der Erstversorgung wird zunächst die Wunde behandelt,
verschmutzte Teile ausgeschnitten und wenn möglich, die Wun-
9 de geschlossen. Erweiternde Hautschnitte, die eine Verletzung Behandlungsmöglichkeiten
tieferer Schichten zu erkennen versuchen, dürfen nie senkrecht
zur Gelenkbeugefalte vorgenommen werden. Sie können zu Die Behandlung von Kombinationsverletzungen und nach Fin-
10 irreversiblen Narbenkontrakturen führen. Eine Z-Plastik ist ge- gerreplantationen gehört in die Hand erfahrener und speziell
eignet, um die Narbenbildung zu verringern. weitergebildeter Physiotherapeuten. Besondere Bedeutung für
Kann eine Wunde nicht spannungsfrei geschlossen werden, einen befriedigenden Behandlungserfolg bringen auch die prä-
11 sind Hautplastiken anzuwenden, z.B.: und postoperative Schmerztherapie und eine Schmerz vermei-
5 ein freies Hauttransplantat, dende Physiotherapie.
12 5 lokale Schwenk- oder Verschiebelappen, Eine systematische allgemeine Behandlungsplanung und
5 vaskuläre oder neurovaskuläre gestielte Nah- und Fernlap- Durchführung ist nicht möglich. Physiotherapeuten müssen in-
pen wie eine Cross-Finger-Lappenplastik, dividuell entscheiden, welche Schwerpunkte sie in der Prolifera-
13 5 Hautlappen mit mikrovaskulären Anastomosen (Weigel, tions-, Konsolidierungs- und Umbauphase der jeweiligen Ver-
Nerlich 2005). letzung setzen.
14 In . Übersicht 11.5 sind die Gesichtspunkte der Behandlung
Die Frakturen werden notfallmäßig mit Kirschner-Drähten nach Kombinationsverletzungen zusammengefasst.
(. Abb. 11.15 a) oder mit einem Fixateur externe versorgt. Die
15 Finger 1–4 werden, falls abgetrennt, evt. replantiert. Wenn dies
technisch nicht möglich ist, werden Teilamputationen vorge- . Übersicht 11.5. Gesichtspunkte der Behandlung
nommen. In den folgenden Tagen wird unter Antibiotikaschutz 5 Fördern der Wundheilung in der Proliferations- und
16 vorrangig die Wunde behandelt. Konsolidierungsphase. Vermeiden aller Heilungsirrita-
In den ersten Tagen wird eine individuell dosierte Schmerz- tionen z.B. durch Manuelle Lymphdrainage im proxi-
17 therapie zusätzlich zur antiphlogistischen Therapie durchge- malen Unterarm-, Oberarm- und Thoraxbereich.
führt. 5 Beanspruchung der verletzten Strukturen nach ihrer
Funktion und in adäquater Dosierung, z.B. schmerzfrei
18 Physiotherapeutische Behandlung bewegen und belasten.
Entsprechend der Kombinationsverletzung mit anderen Struk- 5 Unterstützung der Schmerztherapie durch Dämpfung
19 turen wird individuell entschieden, wann die Physiotherapie der N.-sympathikus-Aktivität im BWS-Bereich.
5 Vermeiden von Verklebungen und Verwachsungen.
beginnen soll, und welche Behandlungsschwerpunkte gesetzt
werden. Das entscheidende Kriterium ist die Durchblutung 5 Integration des Patienten in die alltäglichen Aktivi-
20 der Hand (7 Abschn. 11.14, »Gefäßverletzungen« und 7 Ab- täten, auch wenn eine volle Wiederherstellung nicht
schn. 11.8, »Replantation«). mehr erreicht werden kann.

21
11.16 Verbrennungen
221 11

Nicht selten müssen weitere Operationen folgen, so dass die Das Verbrennungsausmaß wird bei Erwachsenen entsprechend
Behandlung bei komplexen Handverletzungen langwierig ist; der Körperoberfläche (KOF) abgeschätzt, bezogen auf die Hand-
manchmal dauert es bis zu einem Jahr. Manche Patienten benö- verbrennung wird bei Erwachsenen und Kindern eine Handflä-
tigen ein Umtrainieren der Handaktivitäten, das in Zusammen- chen- und Fingerverbrennung mit 1 der KOF gewertet.
arbeit mit Ergotherapeuten erarbeitet wird.
Physiotherapeuten sollen die Patienten zur Mitarbeit moti-
vieren, ihnen auch geringe Erfolgsergebnisse bewusst machen Charakteristische Symptome/Leitsymptome
und sie ermutigen, nicht aufzugeben.
Die Probleme, eine schwer verletzte Hand anzunehmen, Lokal entsprechend der Verbrennungsgrade; siehe Einteilung.
werden im Alltag deutlich. Nicht alle Patienten können damit
umgehen; sie meiden die Öffentlichkeit, Freunde und die Nä-
he von Familienangehörigen. Sie träumen immer wieder von Behandlungsrichtlinien und therapeutische
ihrem Unfall und machen sich Sorgen um ihre berufliche Exi- Maßnahmen
stenz. Diese Patienten brauchen psychologische Hilfe durch ei-
ne Fachkraft mit Einbeziehung der Angehörigen. Bei einer Gewebeschädigung durch Hitze kann es zu einer pri-
mären und sekundären Gewebeschädigung, dem sog. »Nach-
brennen«, und zu einer Freisetzung von Mediatoren (Zytokine,
11.16 Verbrennungen Proteinase) kommen. Der Kapillarschaden führt zu einer grö-
ßeren Permeabilität und zu einem interstitiellen Ödem bei in-
Einteilung travasalem Flüssigkeitsmangel.

Verbrennungen werden in vier Kategorien eingeteilt. Tipp

Eine frisch verbrannte Hand soll schnellstmöglich für ca. 15


Verbrennung 1. Grades Rötung der Haut. Ohne Blasenbildung
wie bei einem Sonnenbrand Minuten unter kaltes Wasser gehalten werden, damit eine
Schädigung tieferer Schichten vermieden wird. Alternativ
Verbrennung 2. Grades Betrifft die Schichten Stratum und Ko- können wassergetränkte kalte Kompressen aufgelegt wer-
(oberflächlich und tief) rium. Blasenbildung. Sensibilitätsstö- den.
rungen sind möglich. Feuchte Wunde.
Schmerzen bei Berührung

Verbrennung 3. Grades Betrifft die Epidermis, Subkutis und ! Cave


Fettschicht. Grau-weißliche Verfär-
Die Kaltwasserbehandlung darf nicht zu intensiv sein und
bung. Keine Schmerzen, da Schmerz-
nicht zu lange andauern, um Gefäßschädigungen zu vermei-
rezeptoren zerstört sind. Sensibili-
den!
tätsverlust und Narbenbildung. Keine
Hautregeneration möglich
Ärztliche Behandlung
Verbrennung 4. Grades Schädigung der Muskeln, Sehnen und Verbrennungen 1. Grades können mit einer feuchtigkeitsspen-
Knochen führt zu Nekrosen durch Ver- denden Wund- oder Heilsalbe behandelt werden. Die Hand er-
kohlung
hält keinen Verband und soll natürlich bewegt werden.
Bei oberflächlichen Verbrennungen 2. Grades wird meist
Ein Hautbezirk kann mehrere Schweregrade nebeneinander nach Reinigung der Wunde feucht behandelt, z.B. mit Betaisa-
aufweisen. donna in einer Feuchtkammer (Plastikhandschuh).
Nach 2–3 Tagen kann der Patient selbständig in einem küh-
len Handbad üben, wenn nötig, unter Anleitung und Führung
Ursachen des Physiotherapeuten.
Bei tieferen Verbrennungen 2. und 3. Grades wird operativ
5 Feuer, vorgegangen und ein Debridement bis zur gut durchbluteten
5 heißes Wasser/Dampf, Schicht durchgeführt. Die Wunde wird unter sterilen Bedin-
5 heiße Herdplatte, gungen und unter Narkose gesäubert und anschließend mit ei-
5 heiße Chemikalien, ner sterilen Folie abgedeckt. Manchmal ist dies mehrfach nötig.
5 Starkstrom. Je nach Ausmaß kann eine frühe oder sekundäre Hautdeckung
durchgeführt werden (mesh graft, Spalthautdeckung).
222 Kapitel 11 · Handchirurgie

1
2
3
4
. Abb. 11.37a-d. Verbrennung 4. Grades
5
Je nach Kombinationsverletzung mit anderen Strukturen
6 wird individuell entschieden, wann die Physiotherapie beginnen
. Übersicht 11.6. Gesichtspunkte der Behandlung
soll und welche Behandlungsschwerpunkte gesetzt werden.
5 Kontrakturenprophylaxe.
7 Verbrennungen 4. Grades (. Abb. 11.37) reichen bis zur Fett-
5 Hautpflege.
schicht und zum Knochen. Sie zeigen nekrotisches oder sogar
5 Schmerztherapie.
verkohltes Gewebe. Ärztlicherseits bleibt deshalb oft nur die
5
8 Amputation.
5
Narbenbehandlung nach Wundverschluss.
Sensibilitätstraining und -verbesserung.
Bei großflächigen Verbrennungen 3. und 4. Grades werden
5 Mobilisation der Gelenke.
die Patienten notfallmäßig auf der Intensivstation behandelt.
9 Intensive Atemtherapie und Thromboseprophylaxe stehen
5 Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten.
5 Herstellen von Lagerungsschienen.
dann im Vordergrund.
5 Herstellen und Einsetzen von Hilfsmitteln (wenn mög-
10 Pflegepersonal und Physiotherapeuten müssen aseptische
lich Absprache mit Ergotherapeutin).
Verhältnisse beachten.
5 Anlegen von Kompressionsverbänden.
Keloide und Narbenkontrakturen erfordern im Spätstadium
11 ein individuelles Vorgehen (Narbenmassage, Querdehnungen,
spezielle Mobilisationstechniken).
12 Bei Verbrennungen eines größeren Körperbereiches wird die Bei Verbrennungen 1. Grades wird nicht physiotherapeutisch be-
Verlegung in eine Spezialklinik erforderlich. handelt.
Bei Verbrennungen 2. Grades kommt eine Behandlung in der
13 Feuchtkammer infrage, falls der Patient nicht selbst ausreichend
Komplikationen übt. Die Gelenke müssen in ihrem vollständigen Bewegungs-
14 ausmaß bewegt werden, u.U. wird eine begleitende Schmerzthe-
5 Narbenbildung, Kontrakturen, rapie durchgeführt. Alternativ kann im Handbad geübt werden.
5 Funktionsverlust, Evt. wird eine Lagerungsschiene in »Intrinsic-Plus-Stel-
15 5 Keloidbildung. lung« oder eine die Wunde berücksichtigende Schiene angefer-
tigt und nachts angelegt.
Da Narben zurückbleiben können, muss besonders auf Nar-
16 Befunderhebung benbehandlung und Hautpflege geachtet werden.
Bei Verbrennungen 3. und 4. Grades muss die individu-
17 Siehe Befunderhebung in 7 Abschn. 11.1 und auch in 7 Kap. 2. elle Situation der Hauttransplantation, der massiven Kontrak-
turen, Narbenbildung, Funktionslosigkeit oder Amputation Be-
achtung finden. Ein schematisches Vorgehen ist nicht möglich.
18 Behandlungsmöglichkeiten Handverbrennungen 3. und 4 Grades gehören in die Behand-
lung eines erfahrenen und speziell weitergebildeten Physiothe-
19 In . Übersicht 11.6 sind die Schwerpunkte der physiotherapeu- rapeuten.
tischen Behandlung bei Verbrennungen an der Hand zusam-
mengefasst.
20
21
11.17 Dupuytren-Faszienfibrose (Morbus Dupuytren)
223 11

11.17 Dupuytren-Faszienfibrose (Morbus Zudem bestehen familiär bedingte Zusammenhänge.


Dupuytren) Verlauf, Lokalisation und Rezidivneigung sind sehr unter-
schiedlich. Selten ist der 2. oder 3. Finger, am häufigsten ist der
Im strengen Sinne gehört die Behandlung der Dupuytren-Fas- 5. Finger betroffen. Die fibrösen Veränderungen an der Palmar-
zienfibrose nicht in den Fachbereich der Traumatologie, jedoch aponeurose verhindern je nach Schweregrad die Streckung der
durchaus zum Fachgebiet der Handchirurgie (. Abb. 11.38). Fingergelenke.
Traumen gelten unter anderem als Auslöser der Dupuytren- Bei Männern zwischen 40–60 Jahren tritt der Morbus Du-
Faszienfibrose; deshalb wird hier die physiotherapeutische Be- puytren 4-mal häufiger auf als bei Frauen. Die Patienten suchen
handlung dargestellt. meist erst dann den Arzt auf, wenn sich die Kontrakturen be-
Bei der Dupuytren-Faszienfibrose (DF) handelt es sich um reits manifestiert haben (Stadium 2–4). Dies erschwert die Re-
eine bisher nicht erklärbare Erkrankung der Palmaraponeuro- habilitation der Hand.
se mit Knötchenbildung und fortschreitenden Kontrakturstel-
lungen der Finger.
Charakteristische Symptome/Leitsymptome

Einteilung 5 Schmerzfreiheit,
5 Patienten bemerken die Knötchenbildung erst, wenn sie
Nach Iselin (1959) unterscheidet man vier Schweregrade der Du- beim Greifen zudrücken,
puytren-Faszienfibrose: 5 Zunahme von Gewebesträngen und Knötchen,
5 Hängenbleiben eines Fingers beim Handschuheanziehen,
Stadium 1 Knötchenbildung in der Palmaraponeurose Bettenmachen, Greifen in Hosen- oder Rocktasche,
5 Beugekontraktur der Fingergelenke MP, PIP von 45–135°,
Stadium 2 plus Kontraktur im Bereich der Grundgelenke
5 im schlimmsten Falle Überstreckung des DIP.
Stadium 3 plus Kontraktur im Bereich der Grund- und Mittel-
gelenke (MP, PIP)
Behandlungsrichtlinien und therapeutische
Stadium 4 zusätzliche Überstreckbarkeit der Endgelenke (DIP)
Maßnahmen

Die Palmaraponeurose ist eine derbe bindegewebige Platte, in


die die Sehnen der Mm. palmaris longus und brevis einstrahlen.
Ursachen Die seitlichen Teile werden von den Faszien der Thenar- und
Hypothenarmuskulatur gebildet. Der mittlere Teil ist die ei-
Diese wurden bis heute nicht geklärt; eine genetische Kompo- gentliche Palmaraponeurose, die die Strukturen der Hohlhand
nente wird diskutiert. schützt und mit Cutis und Subcutis fest verbunden sind.
Auslöser für die Erkrankung können sein:
5 wiederholte Traumen, Ärztliche Behandlung
5 Diabetes mellitus, Die chirurgische Behandlung ist zwingend. Die totale Aponeur-
5 Lebererkrankungen oder ektomie ist das Mittel der Wahl, dabei scheint der Zeitpunkt der
5 Akoholismus. Operation eine Rolle zu spielen. Zu frühes Operieren reizt das

. Abb. 11.38a-c. a Morbus Dupuytren D4, Stadium 3–4, b D5 nach Z-Plastik, c D5 Faustversuch
224 Kapitel 11 · Handchirurgie

Gewebe und kann zu Rezidiven führen. Andererseits besteht Behandlungsmöglichkeiten


1 auch die Meinung, dass jüngere Patienten früher operiert wer-
den sollen. Ein zu langes Warten manifestiert die Gelenkkont- In . Übersicht 11.7 sind die Gesichtspunkte der physiotherapeu-
2 rakturen und erfordert oft eine Z-Plastik oder Hauttransplanta-
tion. In Stadium 3 und 4 ist manchmal eine Arthrodese oder so-
tischen Behandlung einer Dupuytren-Faszienfibrose nach chi-
rurgischem Eingriff zusammengefasst.
gar Endgliedamputation unvermeidbar.
3 Aponeurektomien in Stadium 1 und 2 haben i.A. eine gute
Prognose. Die Patienten erreichen nach wenigen Behandlungen . Übersicht 11.7. Gesichtspunkte der Behandlung
ihre volle Funktion zurück. Lange bestehende Kontrakturen des 5 Resorption des Hämatoms und postoperativen Ödems.
4 Typs 3 und 4 haben hingegen eine schlechte Prognose. 5 Narbenbehandlung, Abhärten der Narbe.
Der Erfolg der Aponeurektomie hängt auch von der Be- 5 Entspannung der verspannten Handbinnenmuskulatur.
5 schaffenheit der Hand, der begleitenden Erkrankung und einem 5 Verbesserung der Gleitfähigkeit der Beugesehnen (s.
schonenden Operieren ab. Eine besonders sorgfältige Blutstil- verschiedene Faustschlussformen).
lung verbessert ebenfalls das Ergebnis. 5 Kontrakturbehandlung.
6 Postoperativ wird zusätzlich zur Redon-Drainage ein Druck- 5 Schulung aller Handmuskeln in freier und geschlos-
verband angelegt, um eine Nachblutung zu verhindern. Falls sener Form.
5
7 dennoch eine Nachblutung mit Hämatombildung entsteht,
5
Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten.
Erstellen thermoplastischer Lagerungsschienen
muss eine Nahtstelle geöffnet werden. Eine Ruhigstellung ist
nicht erforderlich; sie wird eher als kontraindiziert angesehen. (. Abb. 11.39).
8
Physiotherapeutische Behandlung
In der Regel beginnt die physiotherapeutische Behandlung nach Nach Wundheilung und Fädenentfernung sollen die Hand- und
9 Entfernung der Redon-Drainage. Einschränkungen im Sinne Fingergelenke in vollem Umfang bewegt werden.
einer verordneten Bewegungsbegrenzung bestehen nicht. Der Patient soll mehrmals am Tag, wenn möglich stünd-
10 Die Übungsbehandlung muss individuell dosiert und eine lich, selbst die Narbe massieren (s.o.) und seine Finger endgra-
Belastung der Naht vermieden werden. Der Funktionsbefund dig bewegen. Bewegen in warmen, nicht heißen Paraffinbädern
gibt Dosierung und Belastung bei der Behandlung an. oder Üben in einem Raps- oder Bohnenbad sind günstige Maß-
11 Die Patienten sollen so früh wie möglich schmerzfrei end- nahmen.
gradig bewegen. Die Hand soll zunehmend an sinnvolle und gewohnte Akti-
12 vitäten herangeführt werden (Greifen, Stützen).
Eine Behandlung mit Quengelschiene ist kritisch zu be-
Komplikationen werten, da es leicht zu einer ischämischen Druckläsion kom-
13 men kann, die den Stoffwechsel beeinträchtigt und die Heilung
5 Rezidive, stört.
14 5 Wundinfektionen, Die PIP- und DIP-Gelenke zeigen oft harte Kontrakturen, die
5 bleibende Kontrakturen, schwer zu mobilisieren sind. Nicht selten entwickelt sich aus der
5 CRPS. übermäßig angespannten Binnenmuskulatur ein Dauerdruck
15 auf den Hohlhandbogen. Als Folge kann ein Complex Regional
Pain Syndrome auftreten (7 Abschn. 11.18). Es wird beobachtet,
16 Befunderhebung dass Frauen eher zu dieser Komplikation neigen.
Bei Patienten mit Kontrakturen muss der Physiotherapeut
Siehe Befunderhebung in 7 Abschn. 11.1 und auch in 7 Kap. 2. besonders sorgfältig und einfühlsam behandeln. Rezidive, wie
17
. Abb. 11.39a,b. Thermoplastische
18 Fingerschiene

19
20
21
11.18 Complex Regional Pain Syndrome (CRPS)
225 11

sie bei allen Kollagenosen vorkommen, sind durch physiothera- Besondere Gefahr besteht bei:
peutische Behandlungen jedoch nicht zu vermeiden. 5 Mikrotraumen,
5 Kontusionen,
5 Distorsionen,
11.18 Complex Regional Pain Syndrome 5 konservativ behandelten Frakturen an der Hand,
(CRPS) 5 Kompression durch zu engen Gips,
5 Karpaltunnelsyndrom,
Jedes Trauma heilt normalerweise über den Weg der physiolo- 5 unzureichende Frakturreposition einer Radiusfraktur,
gischen Entzündung aus. Sudeck (1900) hat eine Entgleisung 5 Gefäß- und Nervenverletzungen,
dieses normalen Vorganges beschrieben; nach ihm wurde der 5 Dupuytren-Faszienfibrose,
sehr typische Symptomenkomplex über viele Jahrzehnte als 5 Infektionen,
»Sudeck-Dystrophie« bezeichnet. Später wurde nach de Takats 5 Herzinfarkt und Gefäßerkrankungen.
(1937) der Begriff »sympathische Reflexdystrophie« verwendet.
Heute hat sich der Begriff »Complex Regional Pain Syndrome«
durchgesetzt. Charakteristische Symptome/Leitsymptome
Nach Trentz und Bühren (2001) definiert man diesen Symp-
tomenkomplex als »Schmerzsyndrom mit begleitendem Funk- Stadium I
tionsverlust und Nachweis einer autonomen Dysfunktion«. Im Die Symptome zeigen die entzündlichen Veränderungen aller
Wesentlichen handelt es sich nach Trentz und Bühren (2001) Strukturen der Hand in längerem zeitlichem Abstand zur Ver-
um eine: letzung oder Operation. Nach van den Berg beträgt der Norm-
5 Fehlverarbeitung schmerzhafter Afferenzen auf segmen- zeitraum 3–4 Tage. Symptome sind:
taler Ebene, 5 blau-rote, fleckige Hautverfärbung (Zyanose),
5 Verbreitung auf Nachbarsegmente, 5 Schwellung, Streckfalten verschwunden (. Abb. 11.40),
5 vermehrte Sympathikusaktivität, 5 Überwärmung,
5 vermehrte Erregung der Nozizeptoren, 5 vermehrte Schweißsekretion, glänzende Haut, dunkler
5 Freisetzung von Schmerzmediatoren. Haarwuchs,
5 erhöhte Muskelspannung der in- und extrinsischen Mus-
Zentral wird die sympathische Erregbarkeit verstärkt, ebenso kulatur,
die übergeordnete Steuerung des Affektes (psychische Kompo- 5 eingeschränkte Verschieblichkeit der Metakarpalia, »Klam-
nente). Klinisch handelt es sich um eine entzündliche Knochen- mergefühl«,
atrophie. 5 aktive Bewegungseinschränkung des Handgelenks, der
Finger- und Daumengelenke,
5 starke Schmerzen in Ruhe oder bei Bewegung, die evt.
Einteilung nicht in Relation zum Initialtrauma stehen,

Das Complex Regional Pain Syndrome (CRPS) wird in 3 Stadi-


en eingeteilt:
5 Stadium I: Akute Phase.
5 Stadium II: Subakutes Stadium mit klinisch verlängerter
Entzündungsphase.
5 Beide Phasen gehen fließend ineinander über und sind bei
richtiger Behandlung reversibel.
5 Stadium III: Chronische Phase; kann bis zu 9 Monaten nach
einem Trauma auftreten; es bleiben Funktionsschäden zu-
rück.

Ursachen

Als Ursache wird eine chronische Vasodilatation angenommen,


die zu autonomen, motorischen und sensorischen Störungen in
allen Gewebestrukturen führt.
. Abb. 11.40. CRPS nach schwerer Quetschverletzung
226 Kapitel 11 · Handchirurgie

5 nachts oft Schultergelenkschmerz,


1 5 Schonhaltung,
5 allgemeine Müdigkeit,
2 5 evt. andere vegetative Symptome wie Magen-Darm-Be-
schwerden, innere Unruhe,
5 psychische Verstimmungen.
3
Stadium II
Das subakute Stadium II dauert bis ca. 8 Wochen nach der Ver-
4 letzung oder Operation an.

5 Wichtig

Bei bereits bestehender akuter klinischer Symptomatik kann


6 das Röntgenbild noch für einige Zeit unauffällig sein.

7 Nach ca. 4 Wochen sind erste fleckige Entkalkungen im Rönt-


genbild zu sehen (. Abb. 11.41). Zur diagnostischen Abklärung
können eine Szintigraphie, ein Ninhydrintest oder eine Ther-
8 mographie hilfreich sein.
Es zeigen sich folgende charakteristische Symptome:
5 stärkere Schmerzen, die bei adäquater Bewegungstherapie
9 stets abnehmen,
5 zunehmende Kontraktur der Fingergelenke,
10 5 Nagelwachstumsstörungen,
5 Schultergelenkschmerzen, v.a. nachts,
5 Halswirbelsäulenbeschwerden,
11 5 blasse Haut,
5 Abnahme der Schwellungen,
12 5 deutliche Atrophie der Binnen-, Daumen- und Kleinfin-
germuskulatur.
. Abb. 11.41. CRPS nach Radiusfraktur
13 Stadium III
In Stadium III (chronisches Stadium) verstärken sich die Funk-
14 tionsstörungen zunehmend: Behandlungsrichtlinien und therapeutische
5 kühle Hand mit starker Kälteempfindlichkeit, Maßnahmen
5 deutliche Atrophie der Haut und Muskulatur,
15 5 harte Kontrakturen der Gelenke durch Kapselschrump- Grundsätzlich sind alle Gewebestrukturen im Bereich spongi-
fung, öser Knochen betroffen.
5 Funktionslosigkeit bis zu Ankylose, Am häufigsten tritt das CRPS posttraumatisch oder posto-
16 5 Verschlechterung durch Belastung und perativ an der Hand auf. Dort muss auch mit Dauerschäden ge-
5 psychische Probleme. rechnet werden.
17 Wie schon von Sudeck (1900) beschrieben, ist klinisch zu
Im Röntgenbild wird die Strukturveränderung der Spongi- beobachten, dass ein bestimmter Patiententyp, der mit sich und
osa deutlich sichtbar; die Kompakta erscheint als dünne Li- der Umwelt in einem Spannungsfeld steht, eher zu einer CRPS
18 nie (Knochendystrophie). Besonders die Gelenkspalte der di- neigt. Vor einer vorschnellen Beurteilung des Patienten möch-
stalen Fingergelenke sind schmal, oft kaum noch erkennbar te ich jedoch warnen. Wesentlich häufiger können wiederhol-
19 (. Abb. 11.41). te Schmerzen verursachende Einwirkungen wie mehrfaches Re-
ponieren nach abgerutschten Frakturen, Zweitoperationen und
Wichtig Ischämien, Ödeme mit Kompression auf den tiefen Hohlhand-
20 bogen als Ursache angesehen werden.
Die Stadieneinteilung I–III gilt auch für das CPRS am Fuß.

21
11.18 Complex Regional Pain Syndrome (CRPS)
227 11

Ärztliche Behandlung Behandlungsmöglichkeiten


Routinemäßig werden alle Patienten nach einer Handoperation
prophylaktisch mit einer low dose-Heparingabe versorgt. Als Das CRPS ist ein so vielschichtiger Symptomenkomplex, dass
Standardbehandlung ist auch die Redon-Drainage für 48 Stun- ihm hier ein ausführlicheres Behandlungskonzept gewidmet
den anzusehen. wird. Ganzheitliches Denken ist nötig, um die komplexe Pro-
Liegen die Redons in einem Gelenk oder Muskel, werden blematik zu erfassen und den Patienten zu führen. Neben seg-
keine aktiven dynamischen Übungen durchgeführt. mentalen Störungen sind, wie bereits beschrieben, eine erhöhte
Um frühfunktionell behandeln zu können, wird heute posto- N.-sympathicus-Aktivität, eine Beteiligung des Zentralnerven-
perativ eine Schmerztherapie angeboten, die individuell genutzt systems und übergeordneter Zentren auslösende Faktoren. Sie
werden kann, um den zentralen Schmerz zu verringern. Bei Ru- führen zu einem Circulus vitiosus. Neben der Behandlung der
heschmerz wird eine ruhigstellende Schiene kurzfristig angelegt lokalen Symptome muss die ganzheitliche Behandlung eine be-
und die Hand hochgelagert. gleitende Schmerztherapie und die Akzeptanz des Patienten
Nichtsteroidale Antiphlogistika (z.B. Diclofenac) oder mit- einschließen. Auch wenn Physiotherapeuten überwiegend lokal
telstarke Opioide (z.B. Tramadol) werden zusammen mit No- behandeln, spielen dennoch Anteilnahme, respektvolles Umge-
valgin kurzfristig bei Bedarf oder routinemäßig für 10–14 Ta- hen mit dem Patienten und das Eingehen auf dessen Schmerzen
ge verabreicht. eine entscheidende Rolle.
Wenn erforderlich, kann eine Regionalanästhesie mit Sym- In . Übersicht 11.8 sind die Schwerpunkte der physiothera-
pathikusblockade (2- bis 3-mal in 3-tägigem Abstand) oder ei- peutischen Behandlung bei CRPS zusammengefasst.
ne Transkutane Elektrische Nervenstimulation (TENS) durch-
geführt werden. In Ausnahmefällen wird ein Antidepressivum
(z.B. Saroten) in niedriger Dosierung verordnet. . Übersicht 11.8. Spezifische Gesichtspunkte der
Behandlung eines CRPS
Physiotherapeutische Behandlung 1. Vermeidung äußerer Irritationen an der Verletzung und
Physiotherapie spielt im Gesamtprogramm der Behandlung ei- enger ruhigstellender Verbände.
ne wichtige Rolle. Techniken aus der Atem- und Lösungsthe- 2. Verbesserung der Durchblutung in den einzelnen Sta-
rapie, behutsame Mobilisationstechniken, angepasste Bewe- dien, Resorption von Ödemen.
gungsformen für die individuellen Probleme und patientenge- 3. Entspannung der Hand- und Armmuskulatur, der Na-
rechte Umgangsformen können den Circulus vitiosus frühzei- cken- und Schultergürtelmuskulatur.
tig durchbrechen. 4. Freihalten des Ellenbogen- und Schultergelenks und
1996 hat Ramachandran (USA) eine Therapieform entwi- der Halswirbelsäulenbewegungen.
ckelt, die als »Spiegeltherapie« Erfolge in der Schmerztherapie 5. Mobilisation der Gelenke.
bei Patienten mit Phantomschmerzen, Schlaganfall oder CRPS 6. Kräftigung der Hand- und Fingermuskulatur.
aufweisen. Ch. Maier und die Ergotherapeutin S. Glaudo (BG- 7. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten der Hand.
Kliniken Bergmannsheil, Universität Bochum) haben zwei Trai- 8. Ergotherapie, Spiegeltherapie (Maier, Glaudo).
ningsgeräte entwickelt, die das Üben vor dem Spiegel in der Kli-
nik, Praxis oder zu Hause ermöglichen.
Die Patienten sitzen vor einem Spiegel, und die verletz-
te Hand wird abgedeckt. Der Spiegel wird so platziert, dass der Gesichtspunkte der Behandlung in Stadium I und II
optische Eindruck entsteht, nicht die gesunde, sondern die ver- 1. Vermeidung äußerer Irritationen, Schmerzreduzierung in
letzte Hand greife verschiedene Gegenstände oder würde mit Stadium I
unterschiedlichen Materialien berührt (Bürstchen, Steckspiele). Da ein zu enger Verband oder Gips die Durchblutung der Hand
Noch einfacher für das tägliche Üben ist es, wenn der Patient und Finger drosselt, müssen Verbände oder ein fest angelegter
sich vor den Badezimmerspiegel stellt, mit der gesunden Hand Gips wenige Stunden nach der Operation oder Verletzung auf-
Bewegungen und Aktivitäten ausführt und diese dabei konzen- geschnitten werden. Vor allem der tiefe Hohlhandbogen muss
triert beobachtet. Platz haben; die Mittelhand darf nicht eingeschnürt sein.
Der Erfolg dieser Behandlung liegt offenbar in der konzen- Physiotherapeuten sollen routinemäßig die Handverbände
trierten optischen Wahrnehmung, bei der der Input über die kontrollieren und evt. korrigieren. Besonders zu achten ist da-
Augen z.T. die fehlenden Eingangssignale im Gehirn ersetzt; der bei auf die physiologische Stellung der Finger, einen nicht ein-
Schmerz wird reduziert und für eine Weile aufgehoben. Eine engenden Verband oder Gips, die Bewegungsfreiheit der an-
längere regelmäßige Übungszeit ist jedoch nötig, bis erste Er- grenzenden Gelenke (z.B. freie Grundgelenke im Radiusgips
folge spürbar werden (7 Abschn. 11.19 »Amputationen«). oder Intrinsic-plus-Stellung) und die richtige Hochlagerung
(. Abb. 8.7).
228 Kapitel 11 · Handchirurgie

Wichtig ist außerdem, dass die Patienten schmerzfrei be- Auch die Lymphdrainage bewährt sich als effektive Unter-
1 handelt werden. Techniken zur Behandlung neuromeninge- stützung der aktiven Maßnahmen. Zu diskutieren ist auch eine
aler Strukturen werden bevorzugt eingesetzt. Dabei handelt es Bindegewebsmassage in den Rumpfzonen.
2 sich um kleine Umkehrbewegungen einzelner Gelenke bei An-
näherung der schmerzhaften Struktur innerhalb der komplexen ! Cave
Armmuster. Keinesfalls sollten die Spannungsübungen als Haltearbeit im
3 Unterstütztes Üben, das eher als »Spielen mit den Gelenken« Sinne einer Trainingsspannung ausgeführt werden.
bezeichnet werden kann, bewährt sich in den ersten Wochen.
Ist die verletzte Hand deutlich wärmer als die andere, kann im
4 ! Cave Handbereich selbst kurzzeitig milde gekühlt werden. Der sterile
5 Schmerzen und reflektorische Abwehrspannung sollen in Verband darf jedoch nicht abgenommen werden.
5 jedem Fall vermieden werden. Dazu gehört auch eine wei-
che Grifftechnik! ! Cave
5 Wärmeanwendungen und Massagegriffe aus der klas- In Stadium I–II dürfen keine warmen Handbäder oder ande-
6 sischen Massage sind in Stadium I und II kontraindiziert, re Wärmeanwendungen im Handbereich durchgeführt werden,
können aber proximal der Verletzung angewandt werden. wenn die Hand noch überwärmt ist!
7
Nach Abheilung der Operationswunden kann man die Hand Empfohlen werden Techniken zur vegetativen Umstimmung,
weich ausstreichen und eine Manuelle Lymphdrainage anwen- z.B. Bindegewebsmassage in den Rumpf- und Armzonen. Als
8 den. Standardbehandlung gilt heute auch die Manuelle Lymphdrai-
Eine hubarme BWS-Mobilisation zur Dämpfung der N.-sym- nage. Manchmal ist auch ein Kompressionshandschuh sinn-
pathicus-Erregung in Kombination mit einer Heißen/Warmen voll.
9 Rolle über der BWS-Muskulatur kann erfolgreich sein (Th4– Auf aktive Spannungsübungen und dynamische Pumpbe-
Th8) (7 Kap. 3 und . Abb. 6.22, 7.10 und 8.13). wegungen darf nicht verzichtet werden. Sie sollen stündlich
10 Mechanische Reize, z.B. mittels Bürstungen, Vibrationen, selbständig vom Patienten ausgeführt werden.
detonisierender Massagegriffe, Bindegewebsmassage, sind an- Durchblutung und Rückgang der Schwellung sind im Hand-
wendbar. bereich im Wesentlichen abhängig vom Spannungsgrad der Bin-
11 Eine Behandlung der Schultergürtelmuskulatur mit wei- nenmuskulatur. Deshalb muss auf eine Entspannung der Binnen-
chen Skapulabewegungen bei gelagertem Arm ist ein guter Ein- muskulatur und eine Normalisierung der Durchblutung geach-
12 stieg in die Behandlung. tet werden. Erst wenn die Streckfalten über den Grund-, Mittel-
Auch die Spiegeltherapie nach Ramachandran (1996) und und Endgelenken wieder sichtbar werden, wenn die Hand keine
Maier, Glaudo ist sinnvoll. Hitze mehr ausstrahlt und sich die Beweglichkeit spontan ver-
13 Milde Kälteanwendungen in Form von Umschlägen sollen bessert, kann die Handbehandlung intensiviert werden.
nur in der anfänglichen postoperativen Zeit Anwendung fin- Ratschow-Umlagerungen, als Wechsel von Hoch- und Tief-
14 den. Anwendbar sind jedoch gekühlte Dinkelsäckchen, die man armhaltungen und das Hochlagern der Hand werden dem Pa-
um das Handgelenk legen und mit Klettverschlüssen befestigen tienten als Hausaufgabe mitgegeben und müssen entsprechend
kann. Gleichzeitig übt der Patient mit einem Igelball, mit Ku- kontrolliert werden. Die Hand soll in den ersten Tagen häu-
15 geln oder anderen kleinen Geräten. fig auf einem Armkeil hochgelagert werden. Ein zusammenge-
Alle Patienten werden angehalten, den Arm nicht in einer rolltes Frotteetuch oder Fell kann die Lagerung verbessern. Zu
Schlinge zu tragen, ihn nicht ständig nach unten hängen zu las- empfehlen ist eine tägliche Hochlagerungszeit von mindestens
16 sen und sich nicht in die Sonne zu legen. Jedoch sollen sie häufig 45 min, wenn der Patient ansonsten nicht an Bettruhe gebun-
die Schulter-, Ellenbogen- und freien Fingergelenke bewegen. den ist.
17 Beim Aufstehen kann der Patient in der Klinik seine Hand
2. Verbesserung der arteriellen Durchblutung und Resorpti- in eine Schlinge, die an einem rollenden Infusionsständer ange-
on von Ödemen bracht ist, einhängen und auf diese Weise entspannt hochhalten.
18 Bei Bewegungsstabilität kommen im Frühstadium aktive Span- Ungern werden ruhigstellende Schienen angelegt; sie drosseln
nungsübungen der Oberarm-, Unterarm-, Hand- und Finger- eher die Durchblutung und führen zu unnötigen Kontrakturen
19 muskulatur infrage, soweit keine anderen ärztlichen Vorga- an den sonst nicht betroffenen Gelenken.
ben bestehen. Isometrisches Spannen gegen Handkontakt wird Musste wegen einer starken Nachblutung ein Kompressi-
im Sekundenrhythmus durchgeführt. Die Übungen werden in onsverband angelegt werden, sollte man unbedingt darauf ach-
20 3 Serien 10- bis 15-mal stündlich wiederholt. Sie werden wech- ten, dass er nicht zu lange angelegt bleibt. Auch heute noch zählt
selweise mit der Eisabtupftechnik über der Unterarmmuskula- ein zu enger Verband zu den häufigsten Ursachen des CRPS
21 tur ausgeführt. (7 Kap. 10, »Radiusfraktur«, Karpaltunnelsyndrom).
11.18 Complex Regional Pain Syndrome (CRPS)
229 11

3. Entspannung der Hand-, Nacken- und Schultergürtelmus- Die Wahl der Technik hängt vom Erfolg ab. Es ist besonders
kulatur darauf zu achten, dass die Pausen lange genug andauern und der
Da das CRPS häufig mit Schultergelenk- und Halswirbelsäulen- Patient sich gedanklich darauf einstellen kann.
schmerzen einhergeht, kommt der Behandlung der Nacken- , Ganz besonders wichtig scheinen die positive Mitarbeit
Schultergürtel- und Armmuskulatur eine besondere Bedeu- des Patienten und dessen Angaben zu den Schmerzen zu sein.
tung zu. Sie sollte als Einstieg in die Handbehandlung gewählt Der Patient muss sich darauf verlassen können, dass die Bewe-
werden. gungen nicht über die Schmerzgrenze hinaus erzwungen wer-
Über Kontakt oder manuellen Widerstand und Übungs- den. Handverletzte Patienten, die schlechte Erfahrungen ge-
auftrag wird das Bewusstsein auf Schultergelenkbereich, Ober- macht haben, werden in der Erwartung von Schmerz nicht ent-
und Unterarm gelenkt. Das Anspannen muss deutlich und kurz spannen können. Der erfahrene Physiotherapeut wird jede Be-
sein, die Entspannungsphase lang und bewusst. wegung behutsam an die Bewegungsgrenze heranführen und
Skapulaumkehrbewegungen aus dem PNF-Programm dabei eine vorsichtige Traktion setzen.
(. Abb. 11.42) senken die Abwehrspannung des M. trapezius
ebenso wie weiches Bewegen der Schulter-, Ellenbogen- und Wichtig
Handgelenke in Annäherung der neuromeningealen Struk-
Schülern ist zu raten, eher etwas weniger zu dosieren als
turen. Weiche Massagegriffe, paravertebral ausgeführt, wirken
zuviel.
entspannend. Manchmal senken auch eine warme Kompresse
sowie hubfreies Mobilisieren der BWS die Reflexaktivität des N.
sympathicus und tragen zur Entspannung bei. Ein deutliches Kriterium dafür, ob die Hand wirklich zur Ent-
Normalisiert sich der Muskeltonus in der Schulter-Nacken- spannung gebracht wurde, ist das Spreizen der Finger. Gelingt es
Muskulatur, werden auch die Maßnahmen an der Hand wirk- nicht, die Finger wenigstens ein wenig voneinander abzusprei-
samer. Die zuvor beschriebene Behandlung zur Durchblutungs- zen, war die Technik nicht erfolgreich. Bewegungsformen, die
verbesserung und Schmerzreduktion bewirkt auch eine Ent- Punktum fixum und mobile vertauschen, oder Techniken, die
spannung der Handmuskulatur. Es bewährt sich deshalb, ei- zunächst den Schultergürtel- und Nackenbereich entspannen,
ne Kombination der genannten Maßnahmen mit gezielt wir- können dann den erwünschten Effekt erbringen.
kenden Entspannungstechniken durchzuführen.
Bei schmerzfreier Lagerung der Hand, z B. auf einem indi- Gesichtspunkte der Behandlung in Stadium III
viduell eingestellten Handtisch, wird das bewusste Anspannen 2. Durchblutungsverbesserung und Ödemresorption (Alter-
der Finger für die nachfolgende ausführliche Entspannung ge- nativvorschlag)
nutzt. Im Übergang von Stadium II zu III kann die Hand zunehmend
Infrage kommen alle aktiven PNF-Techniken, besonders auch kühl und kälteempfindlich werden. Lauwarme Kompressen,
die »Stop-and-go«-Technik, bei der der Patient den Bewegungs- Dinkelsäckchen, Körner- oder Paraffinbäder werden als ange-
stopp angibt und nach einer bewusst wahrgenommenen Pause nehm empfunden und lockern die Hand.
selbst bestimmt, ob die Bewegung fortgesetzt werden soll. Nach einer Behandlungspause kann wieder eine Bindege-
websmassage angesetzt werden.
Die Patienten werden angeleitet, die Hand zu bürsten und
. Abb. 11.42. BWS-Be-
viel zu bewegen. Vielfach werden auch auf- oder absteigende
handlung im Sitz Bäder oder Wechselduschen empfohlen.

Wichtig

Am effektivsten ist der selbstverständliche Gebrauch der


Hand.

Da evt. mit einer bleibenden Schädigung gerechnet werden


muss, sollten Patienten mit einem CRPS im Spätstadium so viel-
seitig wie möglich gefordert werden. Je intensiver geübt wird,
umso erfolgreicher endet die Behandlung. In diesem Sinne er-
weisen sich eine zusätzliche Ergotherapie und eine intensive
Schulung von Aktivitäten als dringend notwendig.
230 Kapitel 11 · Handchirurgie

Grundsätzliches Vorgehen in der Handchirurgie Bei Anwendung milder Kälte soll darauf geachtet werden,
1 Eine frühestmögliche physiotherapeutische Behandlung ver- dass die Hand vor der Behandlung warm ist. Die gewünsch-
meidet Durchblutungsschäden und erhält die Elastizität der te Eigenregulation der Hautgefäße kann nur ausgelöst werden,
2 Sehnen und Muskulatur. Dies ist für die Greiffunktion der Hand
ebenso wichtig wie eine intakte Sensibilität. Zugleich muss eine
wenn ein Temperaturgefälle vorhanden ist. Eine Langzeit-Eis-
behandlung kommt nur in der Zeit unmittelbar nach der Ope-
Störung des Heilungsverlaufes vermieden werden; die Dosie- ration oder Verletzung infrage.
3 rung richtet sich deshalb nach dem aktuellen Heilungsverlauf Zur Durchblutungs- und Stoffwechselförderung eignen sich
(7 Kap. 1, »Heilungsphasen«). eine Bindegewebsmasssage oder Manuelle Lymphdrainage so-
In . Übersicht 11.9 sind die Gesichtspunkte der physiothe- wie paravertebrale Massagegriffe und hubarmes Mobilisieren
4 rapeutischen Behandlung in der Handchirurgie zusammenge- der BWS. Die beste Durchblutungsförderung ergeben aktive/as-
fasst. sistive Bewegungen.
5
2. Entspannung der Handmuskulatur
. Übersicht 11.9. Allgemeine Gesichtspunkte einer Nach Handverletzungen klagen Patienten häufig über die Funk-
6 handchirurgischen Behandlung tionslosigkeit und ein unangenehmes Spannungsgefühl an der
1. Verbesserung der Durchblutung. Hand. Sie haben das Gefühl, ihre Hand sei »von einem Eisen-
7 2. Entspannung der Handmuskulatur.
3. Aktivierung der inaktiven Muskulatur, Schulen der Kon-
ring umklammert«. Die Finger kleben aneinander, der Hand-
teller ist verschmälert; ein lockeres Ablegen der Hand ist nicht
traktionsbereitschaft, spezielle Maßnahmen bei Kombi- möglich. Die physiotherapeutischen Maßnahmen zur Entspan-
8 nations-, Gefäß-, Nerven- und Sehnenverletzungen. nung der Hand verbessern auch deren Durchblutung. Vor allem
4. Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit. muss die Abwehrspannung der Handbinnenmuskulatur abge-
5. Narbenpflege. baut werden, um den Hohlhandbogen zu entlasten.
9 6. Verbesserung der Kraft, Ausdauer und Geschicklichkeit. Es können allgemeine Entspannungstechniken wie z.B. das
7. Erhalten der Beweglichkeit (proximale Gelenke, Ellen- bewusste Entspannen und Nachempfinden von Hand- und
10 bogen- und Schultergelenk, Skapula) und der Funktion Armpositionen nach Schaarschuch-Haase angewandt werden,
der Armmuskulatur. aber auch Techniken aus dem PNF-Programm, Progressive
8. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten. Muskelrelaxation (nach Jacobson 1995) sowie Formen der kon-
11 zentrativen Entspannung (nach Wilda-Kiesel 1993) und die be-
reits erwähnte »Stop-and-go«-Technik. Die meisten Techniken
12 Die Behandlungspunkte 4–8 unterscheiden sich nur insofern nutzen den Effekt der bewussten Anspannung und der anschlie-
von Behandlungen anderer Handverletzungen als zum ei- ßenden bewussten Wahrnehmung der Spannungslösung.
nen der Zeitpunkt, wann welche Technik schwerpunktmäßig Milde Kälteanwendungen können den Effekt der Entspan-
13 eingesetzt wird, zum anderen die Dosierung unterschiedlich nungstechniken unterstützen; sie werden kurzzeitig mit kühlen
ist. Alle Maßnahmen müssen auf den aktuellen Befund abge- Tüchern oder Dinkelsäckchen während der Behandlung ausge-
14 stimmt sein. Daher werden die Gesichtspunkte 4–8 folgend führt.
in »Behandlungsmöglichkeiten in der Handchirurgie« beschrie- Da Schmerz und Spannung der Muskulatur sich gegenseitig
ben. verstärken, muss der therapeutische Ansatz zur Entspannung
15 die schmerzfreie Behandlung sein.
Wichtig In den ersten Tagen nach einer operativen Behandlung
wird eine Schmerztherapie durchgeführt (7 Kap. 3.3 und 11.19
16 Entscheidend ist, wie der Physiotherapeut mit dem Patienten
»CRPS«).
und dessen Problemen umgeht: Er soll auftretende Schmer-
17 zen beachten, analysieren und darf keinesfalls rigoros darü-
ber hinweg behandeln. Dies gilt für jede Technik.
Wichtig

5 Als ein vermeidbarer Schmerzauslöser kann das feste,


18 punktuelle Greifen des Physiotherapeuten angesehen
werden. Physiotherapeuten müssen exakt fixieren – der
1. Verbesserung der Durchblutung
Griff soll weich und möglichst flächig sein.
19 Die intakte Durchblutung an der Hand bestimmt weitgehend
5 Der Griff muss sofort geändert werden, wenn er Schmer-
den Heilungsverlauf. Entgleisungen der Durchblutung haben
zen auslöst!
schwere Funktionsschäden zur Folge (s.o.).
20 Zur Anwendung kommen alle in 7 Kap. 10, »Unterarmfrak-
tur und distale Radiusfraktur« und in 7 Abschn. 11.19, »CRPS« Der Physiotherapeut soll eher spielerisch mit der Hand umge-
21 beschriebenen Maßnahmen. hen und geduldig warten, bis ein Muskel seine Spannung lösen
11.18 Complex Regional Pain Syndrome (CRPS)
231 11

kann. Im Schnellverfahren ist dies nicht möglich. Darüber hi-


naus muss der Patient über die Behandlungsform unterrichtet
sein und aktiv daran teilnehmen.
Letztendlich muss der Patient lernen, selbst mit seiner Hand
umzugehen, damit er sie wieder natürlich einsetzen kann.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch eine bequeme,
schmerzfreie Lagerung. Patienten mit Handverletzungen (Aus-
nahme: Fingerre- oder transplantationen!) sollen ihre Hand
leicht erhöht ablegen. Nachts liegt der Arm günstig auf einem
Keilkissen. Zur Behandlung kann der kippbare Operations-
handtisch gute Dienste leisten.
Zur Kontrolle und zur Spannungslösung der Binnenmusku-
latur können die Mittelhandknochen weich gegeneinander be-
wegt werden.
. Abb. 11.43a,b. a Schulen von Aktivitäten über Verstärkungstechnik,
! Cave b Verstärkung über Ellenbogenflexion/Supination gegen Widerstand
Kontraindiziert ist der Griff bei Frakturen der Metakarpalkno-
chen und Kirschner-Draht-Osteosynthesen.
Mm. flexor digitorum longus und superficialis durch die Dorsal-
Schmerzfreies bzw. -armes Behandeln heißt auch, dass der Pati- extensoren der Hand wirkt sich günstig auf das Kraftmoment
ent sich äußern kann, wenn Schmerzen auftreten. Der Physi- der Fingerbeuger aus.
otherapeut soll darauf reagieren, z.B. mit einem Griffwechsel, Nicht zu unterschätzen ist die Supination für alle Handakti-
einer anderen Technik, einer Übungspause oder einer anderen vitäten des Tragens und Heranführens von Gegenständen zum
Handstellung. Gesicht. Die Kontraktionsverbesserung der Fingerstrecker er-
Bewusstes An- und Entspannen kann durch den verbalen reicht man über eine intensive Muskelarbeit des M. triceps, z.B.
Auftrag des Physiotherapeuten unterstützt werden. Er soll ver- beim Stützen oder in der 2. PNF-Diagonale Flexion/Abduktion/
deutlichen, dass es sich nicht um eine statische Haltearbeit han- Außenrotation mit Betonung der Supination.
delt. Auch bilaterale Übungsformen mit Betonung der Irradiation
von der gesunden Seite zur betroffenen Hand fördern die Kon-
! Cave traktionsbereitschaft schwächerer Muskelgruppen (7 Kap. 10).
Schmerzen bedeuten immer eine Störung des Heilungsver- Längeres Üben einer Bewegungsrichtung in vielen Variati-
laufes. Eine überdosierte Handbehandlung führt zu Mikrotrau- onen ist effektiver als wechselnde Übungsformen für antagonis-
men, CRPS und schweren Funktionsstörungen. tische Muskelgruppen. Kann täglich 2-mal behandelt werden,
ist es günstig, pro Sitzung einen Schwerpunkt zu setzen.
3. Aktivierung der inaktiven Muskulatur, Schulung der Kon- Die Kontraktionsschulung für innervierte Finger- und
traktionsbereitschaft Handmuskeln muss auch isoliert erfolgen. Das exakte Fixieren
Auch wenn Handchirurgen heute versuchen, nach Möglichkeit der Nachbargelenke ermöglicht ein gezieltes Üben der einzel-
die verletzte Hand nicht einer längeren Ruhigstellung auszuset- nen Flexoren und Extensoren. Als Technik können die betonte
zen, kommt es an einem nicht gebrauchsfähigen Arm zu Atro- Bewegungsfolge oder alle Formen des Bewegens und Haltens
phien der gesamten Unterarm- und Handmuskulatur. und die Technik »Replikation« gewählt werden.
Durch das Üben in Muskelketten, die alltäglichen Aktivi-
täten entsprechen, können Overflow-Reaktionen genutzt wer- Wichtig
den. Die stärkeren proximalen Muskeln sollen statisch gegen
Die Dosierung der Übungsformen muss die Verletzung
Widerstand spannen. Von den schwächeren Muskeln werden
und deren spezielle Symptomatik, den Heilungsprozess, die
dynamische Übungsformen mit der PNF-Technik »Betonte Be-
Ruhigstellungszeit und die ärztlichen Richtlinien berücksich-
wegungsfolge«, aktiv oder gegen Führungskontakt gefordert
tigen.
(. Abb. 10.20, 10.21, 10.22). Dabei bewähren sich die bekannten
Greifmuster.
Fingerflexoren erfahren Verstärkung durch die Haltearbeit Unterstützend können Eisabreibungen maximal 15–20 sec
des M. biceps, M. supinator, M. extensor carpi radialis oder fle- durchgeführt werden, gefolgt von aktiven Übungen für ca. 2
xores carpi radialis und ulnaris gegen Widerstand. Auch über min. Nach van den Berg (2003) sollten diese 3- bis 4-mal wie-
die Oppositionsbewegung D1 gegen D5 lässt sich gut ein Ver- derholt werden.
stärkungsmuster aufbauen (. Abb. 11.43). Eine Vordehnung der
232 Kapitel 11 · Handchirurgie

Nervenverletzungen an der Hand wurden in 7 Abschn. 11.13 Behandlung muss intensiv und dennoch schmerzarm sein. Die
1 beschrieben. Entsprechend wichtig ist ein abgestimmtes Haus- Spannung der Hand darf nicht erhöht werden, sonst entsteht
aufgabenprogramm. (. Übersicht 11.3, spezielle Behandlung pa- ein Circulus vitiosus. Erfahrungsgemäß sind besonders die Mit-
2 retischer Muskulatur). tel- und Endgelenke kontrakt.
Ist der Bewegungsstopp fest, werden Maitland-Techniken
4. Mobilisation eingesetzt.
3 Die Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit ist ein Behand- Im Anschluss an jede Mobilisation soll die Technik »End-
lungspunkt in der Konsolidierungsphase. Sie resultiert aus stellung –Halten« oder eine dynamische Umkehrbewegung
dem Spannungsabbau der Hand- und Unterarmmuskulatur. durchgeführt werden.
4 Die Mobilisation eines Gelenks kann aktiv oder aktiv-pas-
siv die Bewegungsgrenze erweitern, dies bedeutet eine Bela- 5. Narbenpflege
5 stung für das Bindegewebe. Es muss also eine Belastungssta- In der Konsolidierungsphase spielt die Narbenpflege und -deh-
bilität vorliegen (7 Kap. 10, »Unterarmfraktur und distale Ra- nung einen wichtigen Behandlungspunkt dar. Wie mehrfach
diusfraktur«). beschrieben, werden verschiebende Massagegriffe, Vibrator,
6 In der akuten postoperativen Zeit muss auf passive Manipu- Scarextractor, Minimassagestab, Silikongel-Folien und Deh-
lationen und auf jegliche Form lokaler Wärmeanwendung ver- nungen im freien und geschlossenen System durchgeführt
7 zichtet werden. (. Abb. 11.44, 11.17, 11.27, 11.28 und 11.29).
Bei bewegungsstabiler Versorgung darf sofort aktiv geübt
oder weich bis zum aktuellen Bewegungsstopp bewegt werden. 6. Verbesserung der Funktion, Kraft und Ausdauer
8 Eine minimale Traktion wirkt Schmerz reduzierend (Maitland- Unter der Zielsetzung der Verbesserung der Muskelkraft und
Technik). Ausdauer werden Geräte wie z.B. Theraband oder Federstab
Translatorisches Gleiten und therapeutische Traktionen über eingesetzt (. Abb. 11.45). Für das Üben in geschlossener Form
9 die erste Stufe hinaus dürfen erst nach klinischer Heilung der ist Stützen möglich, gegen die Wand oder den Tisch, auf Keulen,
Struktur Anwendung finden (Konsolidierungsphase) (7 Kap. 10, Flaschen oder Fußkreisel (. Abb. 11.44 und 11.46). Vorausset-
10 Manuelle Therapie, . Abb. 10.25). zung ist, dass die verletzte Struktur ausreichend belastbar ist.
Reaktionen wie Schwellungen, Schmerzen und lokale Tem- Die Verbesserung der Muskelkraft kann ebenso im freien
peraturerhöhung bestimmen die Dosierung. Zur Anwendung System mit Verstärkungstechniken und komplexen Bewegungs-
11 kommen alle PNF-Entspannungstechniken, wenn sie ohne Ro- mustern gegen angepassten Widerstand erreicht werden.
tation für die Fingergelenke, mit gelenknaher Fixation und ge- Als Bewegungsmuster werden die zuvor genannten Hand-
12 zielt an dem jeweils betroffenen Gelenk angesetzt werden. und Armstellungen für das Greifen, Tragen und Stützen ge-
Bei der Mobilisation der Grundgelenke ist auf die konver- wählt. Als Techniken kommen kon- und exzentrische sowie sta-
gierende Bewegungsrichtung der ulnaren Finger zu achten. Bei tische Kontraktionskombinationen mit 5- bis 8-maliger Wie-
13 Sehnen- oder Nervenverletzungen ist es wichtig, die vorgege- derholung infrage.
bene temporäre Bewegungsbegrenzung des Handgelenks oder Die Gesamtspannungszeit jeder Sequenz sollte 7– 10 sec
14 der Fingergelenke einzuhalten. nicht unterschreiten. Anschließend erfolgt eine Erholungspau-
In Stadium II–III der CRPS ist die Mobilisation der Fingerge- se. Eine Dosierungssteigerung wird angestrebt durch längere
lenke eine schwierige Aufgabe für den Physiotherapeuten. Die Übungszeiten, Verkürzungen der Pausen und Erhöhung des
15
. Abb. 11.44a,b. Narbendehnung durch
16 Abstützen a beim Aufstehen,
b gegen die Wand
17
18
19
20
b
21
11.18 Complex Regional Pain Syndrome (CRPS)
233 11

Alle Bewegungen sollen bis zum Ende der Bewegungsbahn


durchgeführt werden und die Rotation im Schultergelenk be-
tonen.
Hanteln, Therabänder und Züge eignen sich besonders gut,
um in freien Muskelketten zu üben.
Ist die individuelle strukturelle Belastbarkeit erreicht, wer-
den, wie vielfach beschrieben, Übungen in der geschlossenen
Kette hinzukommen.
Die Dosierung der Übungsserien legt der Physiotherapeut
ebenso fest wie die Steigerung der Übungen.
Der Patient muss wissen, welche Symptome er beachten
muss, wenn die Übungen zu hoch eingestellt sind, z.B. dass der
Verlust des Bewegungsweges, das Auftreten von Schmerzen, ein
Zittern des Muskels auf eine Ermüdung hinweisen.

8. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten


Ein Vorüben der verschiedenen Greifformen setzt voraus, dass
. Abb. 11.45a,b. Verbesserung der Muskelfunktion mit Federstab der Physiotherapeut über das berufliche Tätigkeitsfeld des Pati-
enten informiert ist. Die Probleme können sich für einen Hand-
Widerstandes, z.B. durch Geräte wie Knetmasse, Theraband, arbeiter, einen Künstler, eine Sekretärin oder eine Hausfrau sehr
Züge oder Hanteln. unterschiedlich darstellen. Für einen EDV-Arbeiter bedeutet ei-
Sinnvollerweise wird die Hand in mäßiger Dorsalexten- ne unzureichende Pronationsfähigkeit ein großes Problem, ein
sion aktiv stabilisiert, wenn kraftvolles Greifen gefordert wird Kellner hingegen kann ohne freie Supinationsbewegung seinen
(. Abb. 11.2, 11.5). Beruf nicht ausüben.
Aktivitäten betreffen natürlich auch alle Handlungen für die
Wichtig eigene Körperpflege, den alltäglichen Ablauf der Selbstversor-
gung im Haushalt, die Partizipation in der Gesellschaft und da-
Die Ausdauer wird verbessert durch längere Übungsserien
mit für die Selbständigkeit.
bei geringerem Widerstand.
Einüben von Aktivitäten heißt, dass alle Arm- und Schulter-
gürtelbewegungen sowie die Rumpfhaltung entsprechend der
geplanten Handfunktion koordiniert eingesetzt werden. Dies
7. Erhalten der Beweglichkeit (proximale Gelenke, Ellen- bedeutet, dass für das Halten und Bewegen unterschiedliche
bogen- und Schultergelenke, Skapula) und der Funktion der Techniken angewendet werden müssen (. Abb. 11.47). Nicht
Armmuskulatur immer ist ein kraftvolles Greifen sinnvoll. Feine Präzisionsgriffe
Für dieses Behandlungsziel eignet sich am besten das PNF-Pro- erfordern eine lockere Handbewegung, z.B. bei einem Musiker,
gramm in seiner Vielfalt: Kopf- und Schulterblattpattern, Arm- der ein Streichinstrument spielt.
muster isoliert oder kombiniert mit Kopf- und Schulterblatt- Eine verletzte Hand kann erst nach längerer Schulung dif-
mustern, unilateral oder bilateral. Ein Übungsprogramm zum ferenzierte Greifformen mit selektivem Einsatz der Finger aus-
Selbstüben muss entsprechend vorgeübt werden. führen. Neben der Motorik müssen Propriozeption und Sen-

. Abb. 11.46a-c. Stützen auf a Hanteln, b Fußkreisel, c Keulen


234 Kapitel 11 · Handchirurgie

11.19 Patientenbeispiel
1
Befundaufnahme
2 Name des Patienten: Herr L.
48 J., Glasermeister
3 Rechtshänder
Befunddatum: Beginn 5. postop. Woche
Name des Therapeuten: Frau L.
4 Einweisungsdiagnose: Durchtrennung beider Beugesehnen D3
rechts, Zone DP2
5 Nebendiagnosen: Keine
Versorgung: Am Unfalltag operativ Q x konservativ Q
. Abb. 11.47. Komplexes Greifmuster: »Functional Reach Out« Medikamente: Keine
6 Versorgung:
Sehnennaht, Redon-Drainage, Kleinert-Schiene.
7 sibilität ein gezieltes Greifen ermöglichen. Ein Fehlverhalten Stabilität:
kann durch mangelndes Training und eine ungenügende Bewe- Eingeschränkte Beweglichkeit im Rahmen der Kleinert-
gungsanalyse entstehen, aber auch dadurch, dass eine vollstän- Schiene.
8 dige Rehabilitation nicht mehr erreicht werden kann. Naht für 6 Wochen instabil, besonders rissgefährdet zwi-
Zunächst wird das grobe Greifen eingeübt, dann folgen, schen dem 7. und 15. postoperativem Tag.
dem Patienten angepasst, spezielle Greifformen mit entspre-
9 chend ausgewählten Geräten (7 Abschn. 11.1, physiologische
Procedere:
6 Wochen Kleinert-Schiene, nur zur PT abzunehmen. (Be-
Greifformen). wegungsbegrenzung s. Kleinert-Position.)
10 Eine ergänzende Behandlung sollte mit der Ergotherapeu- Nach Redonentfernung passive Fingerbeugung, aktive oder
tin gemeinsam geplant werden. Auch hier gilt, dass Aktivitäten geführte Streckung gegen den Gummizügel.
der Körperpflege, der Haushaltsführung, im Beruf oder bezo- Nach 16. postop. Tag aktives Halten in spannungsfreier
11 gen auf ein Hobby in möglichst realer Situation eingeübt wer- Beugeposition.
den sollen. Nach 6 Wochen Beginn der aktiven dynamischen Beu-
12 Selbständiges Üben ist unumgänglich. Der Patient muss je- gung.
doch gut angeleitet werden, damit er möglichst wenige Aus- Nach 8 Wochen Üben im geschlossenen System (unter-
weichbewegungen macht und bzgl. seiner Leistungsfähigkeit schiedliche Literaturangaben je nach Operateur).
13 richtig eingestellt ist. Der Physiotherapeut muss Übungszeiten, Arbeitsaufnahme nach 12 Wochen.
Pausen und zu beobachtende Ermüdungszeichen genau mit Narbenpflege.
14 dem Patienten besprechen. Unfallanamnese:
Patient hat sich beim Einsetzen einer Fensterscheibe ge-
Wichtig schnitten. Er wurde sofort in eine Klinik eingewiesen und
15 am gleichen Tag operiert. Keine Beugefunktion von D3.
5 Die Dosierung der Übungen richtet sich nach den ärzt-
lichen Verordnungen und dem Heilungsstand der betrof-
16 fenen Struktur.
ICF-Dokumentation
5 Führungskontakt oder angepasster Widerstand sind in-
17 nerhalb der vorgegebenen Bewegungsgrenzen individu-
ell anzuwenden.
Patient/Alter: Herr L., 48 J.
Diagnose: Beugesehnendurchtrennungen D3 rechts
5 Eine stufenweise Rückführung in den Beruf ist sinnvoll!
Befund zu Beginn der 5. postoperativen Woche
18
19
Übungsbeispiele
20 Da die Verletzungsmuster in der Handchirurgie sehr unter-
schiedlich sind, werden hier keine Übungsbeispiele aufgeführt.
21
11.19 Patientenbeispiel
235 11

Struktur/Funktion Aktivität Partizipation

Patient gibt an, Patient gibt an, Patient gibt an,


5 seinen 3. Finger nicht allein beugen zu können, 5 nicht fest greifen zu können, 5 eine Berufsausübung sei un-
5 kein normales Gefühl an der Fingerkuppe zu haben, Gegenstände fielen ihm aus möglich,
5 geringe Schmerzen zu haben, der Hand, 5 er habe keine Selbständigkeit
5 eine feste Narbe zu spüren, 5 er sei Rechtshänder und kön- im Alltag,
5 sein Finger sei geschwollen. ne nicht selbständig essen, sich 5 könne nicht Auto fahren und
Patient

nicht alleine anziehen, waschen muss zur Physiotherapie ge-


oder rasieren. fahren werden.

5 Operationsnarbe reizlos, Verlauf volar-medial D3. 5 Kein Spitz- oder Pinzettengriff 5 Patient braucht Hilfe zur Be-
5 Gelenkbeweglichkeit: mit D3. wältigung des Alltags.
5 Keine Faust.
aktiv passiv
5 Kein Hakengriff.
Palmarflex. HG re 40–0–0° 40–0–0°
li 80-0-80° 80–0–80°
Flexion MP D3 re – 50–0–0°
li 90–0–0° 90-0-0
Flexion PIP D3 re – 30–0–0°
li 100-0-0 100–0–0°
Flexion DIP D3 re – 10–0–0°
li 10-0-0 10–0–0°

5 Bewegungsstopp:
– Handgelenkextension weichelastisch,
– Handgelenkflexion weichelastisch,
– D3 MP elastisch,
– D3 PIP elastisch,
– D3 DIP elastisch.
5 MTW:

M. flex dig. prof. D3 –2


M. flex. dig. superf. D3 2 (nur auf 2 getestet)

5 FKHA passiv 0.
5 Sensibilität bei Berührung und 2-Punkte-Diskriminie-
rung im Narbenbereich und distal an der Fingerkuppe
geringfügig reduziert.
5 Schmerzen VAS 2–3 bei endgradiger passiver Beugung.
5 Temperaturempfinden o.B.
5 Narbe fest verhaftet.
5 Skapula- und BWS-Mobilität o.B.

Umweltfaktoren Personenbezogene Faktoren


(+) Hilfe zu Hause vorhanden (– –) macht sich Sorgen wegen der Berufsausübung als selbständiger
Therapeut

(–) Berufsausübung nicht möglich Handwerker


(++) Motivation
(++) sehr gute Compliance, trägt Kleinert-Schiene gewissenhaft

Ê Im Internet (www.springer.de/978-3-540-68241-7, unter


dem Link »Patientenbeispiele«) erfahren Sie mehr über
Herrn L. und den weiteren Therapieverlauf: die Behand-
lungsziele, die bei ihm wichtigen Gesichtspunkte der Be-
handlung und einen Therapievorschlag für eine Behand-
lungseinheit.
236 Kapitel 11 · Handchirurgie

11.20 Literatur
1
Buck M et al. (2004) PNF in der Praxis, 5. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg
Butler DS (1991) Mobilisation of the Nervous System. Churchill Livingston,
2 Melbourne
Butler DS (1995) Mobilisation des Nervensystems. Springer, Berlin Heidel-
3 berg New York
Haase H, Ehrenberg H, Schweizer M (1985) Lösungstherapie in der Kran-
kengymnastik. Pflaum, München
4 Herbert TJ, Fisher WE (1984) Management of the fractured scapoid using
a new bone screw. J Bone Joint Surg. Br (66): 114–12
Iselin M (1959) Chirurgie der Hand. Thieme, Stuttgart
5 Jacobson E (1990) Entspannung als Therapie. Pfeiffer, München
Kapandji I (1984) Funktionelle Anatomie der Gelenke. Obere Extremität.
Enke, Stuttgart
6 Loeweneck H, Liebenstund I (1994) Funktionelle Anatomie für Kranken-
gymnasten, 2. Aufl. Pflaum, München
Maier C, Glaudo S (2006/2007) Presseinformation Ruhr-Universität,
7 Spiegeltherapie nach Ramachandran VS (1996). Wikipedia
Maitland GD (2004) Manipulation der peripheren Gelenke. 3. Aufl. Sprin-
ger, Berlin Heidelberg New York
8 Pechlaner S et al. (1998) Operationsatlas Handchirurgie. Thieme, Stuttgart
New York
9 Schröder B (1999) Handtherapie. Thieme, Stuttgart New York
Sunderland S (1951) A classification of peripheral nerve injuries, produ-
cing loss of function. Brain (74): 491–516
10 Trentz O, Bühren V (2001) Traumatologie. Thieme, Stuttgart New York
Van den Berg F (2001, 2003) Angewandte Physiologie Bd 1, 3 und 4.
Thieme, Stuttgart New York
11 Weigel B, Nerlich M (2005) Praxisbuch Unfallchirurgie Bd 1. Springer, Ber-
lin Heidelberg New York
Zechner W, Buck-Gramcko D et al. (1985) Überlegungen zur Verbesserung
12 der Nahttechnik bei Beugesehnenenverletzungen. Klinische und ex-
perimentelle Studie. Handchirurgie (17): 8–13
Wilda-Kiesel A (1993) Die konzentrative Entspannung. Lau-Ausbil-
13 dungssysteme, Reinbek

14 Herrn OA Dr. Thomas Löffler, Chirurgische Universitätsklinik, Klinikum


Großhadern, München, danke ich für die Abbildung 11.11.
Frau Barbara Dopfer, Praxis für Physiotherapie und Handrehabilita-
15 tion Görges-Radina, München, hat mir dankenswerterweise die Abbil-
dungen 11.12–11.46 zur Verfügung gestellt.
Die Präzisions- und Kraftgriffe wurden von Frau Claudia Klose, BFS
16 Physiotherapie Günzburg, und mir fotografiert.

17
18
19
20
21
12

Beckenfrakturen

Einteilung – 238
Ursachen – 238
Charakteristische Symptome/
Leitsymptome – 238
Behandlungsrichtlinien und
therapeutische Maßnahmen – 238
Komplikationen und
Nebenverletzungen – 240
Befunderhebung – 241
Behandlungsmöglichkeiten – 241
Übungsbeispiele – 245

12.1 Literatur – 247


238 Kapitel 12 · Beckenfrakturen

Einteilung 5 Hämatom, Kontusionsmarke, lokal,


1 5 Blutung aus After, Scheide, Harnröhre,
Beckenfrakturen werden nach Weigel, Nerlich (2005) und 5 Instabilität bei Kompression beider Beckenkämme,
2 Trentz, Bühren (2001) in drei Typen eingeteilt. 5 Beckeninkongruenz, Fehlstellung,
5 Belastungsunfähigkeit.
Typ A Stabile Fraktur des »sakroiliakalen Komplexes«
3 ohne osteoligamentäre Verletzung

A1 Randfraktur, Abrissfraktur Behandlungsrichtlinien und therapeutische


Maßnahmen
4 A2 Beckenschaufel und Schambeinastfrakturen ein-
oder beidseitig Die Zunahme schwerer Verkehrs- und Bauunfälle führt häu-
5 A3 Querfraktur des Os sacrum figer als früher zu Beckenfrakturen; dennoch sind sie im Ver-
gleich zu anderen Verletzungen eher selten. Sie zeigen eine Viel-
falt von Bruchformen; diejenigen, die in die Hüftgelenkpfanne
6 Typ B Partiell instabile Verletzung. Rotationsinstabil, ver-
(Azetabulumfraktur) hineinreichen, gelten als schwere Gelenk-
tikal stabil; mit inkompletter Unterbrechung der os-
teoligamentären Strukturen des dorsalen Becken-
frakturen (. Abb. 13.1–13.3, 7 Kap. 13, »Frakturen und Luxati-
7 ringes onen im Bereich des Hüftgelenks« und 7 Kap. 21, »Polytrau-
ma«).
B1 Außenrotationsverletzung Das Os ilium überträgt die vom 5. Lendenwirbel kommende
8 B2 Lateral compression, ipsilateral, vorderer Beckenring Kraft weiter auf das Os sacrum, Iliosakralgelenk und das Hüft-
gelenk. Daher haben Frakturen, die den geschlossenen Becken-
B3 »Open book« mit Symphysensprengung, laterale
ring unterbrechen, eine wesentliche Auswirkung auf die Statik
9 Kompression; die vorderen Bänder des Sakrums sind
(. Abb. 12.1). Da die Krafteinwirkung auf die dorsale Becken-
zerrissen, die hinteren intakt, so dass das Becken auf-
geschlagen ist wie ein Buch
10
Typ C Völlig instabile Beckenverletzung mit vertikaler
11 Verschiebung; rotatorische und translatorische Insta-
bilität mit Zerreißung der Symphyse und eines Iliosa-
kralgelenks, Ruptur des Bandapparates
12
C1 Unilaterale Beckenfraktur, Gegenseite ist stabil

13 C2 Unilaterale Beckenfraktur, Gegenseite ist partiell in-


stabil

C3 Instabile Beckenfraktur
14
Entscheidend für das weitere Vorgehen ist die dreidimensionale
15 Stabilität bzw. Instabilität des hinteren Beckenringes.
a

16 Ursachen

17 5 Verkehrsunfälle,
5 Bauunfälle,
5 Verschüttungen,
18 5 Sturz aus großer Höhe, Fallschirmspringen, Gleitflugab-
stürze.
19
Charakteristische Symptome/Leitsymptome
20 b
5 starke Schmerzen bei Bewegung,
21 5 starker Druckschmerz, . Abb. 12.1a,b. a Beckenfraktur, b Osteosynthese
12 Beckenfrakturen
239 12

seite wesentlich größer ist als auf die ventrale, ist dieses deutlich 5 Teilinstabilität besteht bei Rotationsverschiebungen des
kräftiger ausgebildet. An der ventralen Beckenseite treten eher asymmetrischen inneren Beckenringes, wobei die iliosa-
Zugkräfte auf (Weigel, Nerlich 2005). kralen Ligamente ganz oder teilweise erhalten sind.
Das Os sacrum und die Ossa ilia sind über die beiden Iliosa-
kralgelenke durch straffe Bänder, die wie eine Zuggurtung wir- Instabile Beckenverletzungen sind eine zwingende Operationsin-
ken, miteinander verbunden (Weigel, Nerlich 2005). Bei verti- dikation. Anwendung finden:
kalen Frakturen mit Verschiebung der Hüftknochen reißt daher 5 Plattenosteosynthesen,
häufig der Querfortsatz des 5. Lendenwirbels ab, und der dorsa- 5 Fixateur externe bei vorderer Beckeninstabilität,
le Beckenring wird instabil. 5 Fixateur interne bei hinterer Beckeninstabilität (analog zur
Die Rotationsbewegungen des Beckens werden durch die Wirbelsäulenchirurgie),
sakrotuberalen und -spinalen Bänder eingeschränkt. Nach Wal- 5 Iliosakralverschraubung. (. Abb. 12.2, 12.3).
ker (1986) ist eine Rotation von 3 mm möglich, die allerdings im
höheren Alter abnimmt. Bei starkem axialem Druck nach ven- Beckenfrakturen mit geringgradigen Verschiebungen heilen
tral und dorsal ist eine geringe horizontale Verschiebung des Os i.d.R. durch den dicken Muskelmantel gut aus.
sacrum möglich, die mit einer Schwerpunktverlagerung einher-
geht. Diese Verschiebung im Iliosakralgelenk hat Folgen für die Belastungsstabilität
Statik der Wirbelsäulen- und Beingelenke. Beckenringfrakturen mit bewegungsstabilen Osteosynthesen
können in der 2. – 4. postoperativen Woche schrittweise bela-
Ärztliche Behandlung stet werden.
Beckenfrakturen passieren immer durch eine sehr große Ge- Bei vertikalen Beckenfrakturen mit bewegungsstabilen Oste-
walteinwirkung, so dass mit Begleitverletzungen zu rechnen ist osynthesen werden 8–10 Tage Bettruhe empfohlen, dann Bewe-
(7 Komplikationen). gungsbad. Der Beginn der Teilbelastung richtet sich nach dem
Diagnostisch wertvoll ist der Unfallhergang bzgl. der Be- Röntgenbild /Konsolidierung, der Schmerzsituation und der
gleitverletzungen. Symptome wie Schwellungen, Prell-Kontu- Muskelfunktion.
sions-Marken, Wunden, Abschürfungen und Blutungen wei- Bei Beckenfrakturen mit Azetabulumverletzung und Oste-
sen auf die Gewalteinwirkung hin. Bestätigt wird die Diagnose osynthesen (7 Kap. 13, ausführliche Behandlung) sind 3–4 Wo-
durch eine einmalige, vorsichtige Stabilitätsprüfung, eine Sono- chen Bettruhe indiziert, anschließend Bewegungsbad und Teil-
graphie, einen neurologischen Status und eine Sensibilitätsprü- belastung von 20 kg für 6 Wochen. Ab der 11./12. Woche kann
fung an Fuß und Unterschenkel. zunehmend vollbelastet werden.
Röntgenaufnahmen zur Beckenübersicht und eine »Inlet- Operativ versorgte Iliosakralgelenk-Verletzungen werden
Outlet-Projektion« können die Dislokation und die Instabili- 12 Wochen lang entlastet.
tät aufzeigen. Bei Azetabulumfrakturen werden eine Ala- und
eine Obturator-Projektion gemacht. Ein CT kann notwendig
werden, wenn Verletzungen am dorsalen Beckenring nicht gut
zu erkennen sind. Besteht der Verdacht auf eine Urethraverlet-
zung, muss ein urologisches Konzil angefordert werden.

Konservatives/operatives Vorgehen
Vordere Beckenringverletzungen, Typ-A- oder stabile Typ-B-Frak-
turen, können konservativ behandelt werden.
Dorsale Beckenringinstabilitäten finden heute größere Be-
achtung. Ventrale und dorsale Stabilisierungsverfahren stehen
zur Verfügung, um eine anatomische Rekonstruktion zu ge-
währleisten. Nur dann kann eine frühe Mobilisation des Pati-
enten erfolgen (7 Kap. 21).
Entscheidend für die Beurteilung der Stabilität des knöcher-
nen Beckenringes ist die Integrität des hinteren Ringsegmentes,
dem sog. »sakroiliakalen Komplex« (Os sacrum, Iliosakralge-
lenk, Os ilium):
5 Ein vollständiger Stabilitätsverlust zeigt sich in vertikalen
Verschiebungen (einseitiger Hochstand, Dislokation der
Fragmente) mit Asymmetrie des inneren Beckenringes. . Abb. 12.2. Osilium-Fraktur mit Verletzung des Iliosakralgelenks
240 Kapitel 12 · Beckenfrakturen

Physiotherapeutische Behandlung
1 Die Frühbehandlungsphase erfolgt wie in 7 Kap. 3 beschrieben.
Auf Schmerzauslösung muss geachtet werden, v.a. beim
2 Aufstehen, Gehen mit Unterarmstützen und Teilbelastung. Un-
ter Umständen gibt ein CT Auskunft über eine evt. übersehene
Instabilität des hinteren Beckenringes.
3 Beckenrandbrüche zeigen kaum eine nennenswerte Sym-
ptomatik. Sie werden selten physiotherapeutisch behandelt.
4
Komplikationen und Nebenverletzungen
5
5 Polytraumatisierung mit zusätzlichen Verletzungen wie:
– Schädel-Hirn-Traumen,
6 – Thoraxtraumen,
– Wirbelsäulen- und Extremitätenverletzungen,
7 – Kreislaufinstabilität, Thrombose, Embolie,
– Ateminsuffizienz bei Zwerchfellirritation oder -verlet-
zung,
8 – Milz- und/oder Leberruptur,
– Organverletzungen im Beckenbereich (Urethra bei
Männern, Rektum, Vagina),
9 . Abb. 12.3. Osteosynthese – Verletzung des N. ischiadicus,
– Symphysen- und Iliosakralgelenksprengung.
10
Bei konservativer Versorgung stabiler Frakturen ist für ma- Frühkomplikationen verhindern den frühen Beginn der phy-
ximal 6 Wochen Aufstehen mit Minimalbelastung/Bodenkon- siotherapeutischen Behandlung. Häufig muss der Patient zu-
11 takt angezeigt, Bewegungsbad und eine Teilbelastung für 10– nächst auf der Intensivstation überwacht werden.
12 Wochen, die anschließend befundbezogen langsam gestei- Spätkomplikationen:
12 gert wird. 5 Infektionen,
Patienten mit vorderen Ringbrüchen ohne Stabilitätsverlust 5 Beinverkürzung als Spätfolge,
und ohne Azetabulumbeteiligung dürfen wenige Tage nach 5 Arthrose der Hüftgelenkpfanne bei Mitverletzung,
13 dem Unfall aufstehen. Die Schmerzsituation gibt an, wieviel der 5 Hüftkopfnekrose,
Patient selbst belastet. 5 Kalzifikationen der Weichteile.
14 Ist eine postoperative Ruhigstellung mit Bettruhe nötig,
wird eine Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem He-
parin und bei Bedarf auch eine Schmerztherapie durchgeführt.
15
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12 Beckenfrakturen
241 12

Befunderhebung

Beurteilen 5 Röntgenbild, Bezug der Frakturlinien zur Muskeltopographie, CT.


5 Allgemeinzustand, Gesichtsfarbe, Gesichtsausdruck, Atmung, Laborwerte, Ausscheidung.
5 Pulsfrequenz und -qualität.
5 Durchblutung der Beine und Füße.
5 Tonus der Muskulatur.
5 Turgor der Haut, Hämatome, Schwellungen.
5 Trophik.

Messen 5 Aktives Bewegungsausmaß der Sprunggelenke, der Kniegelenkextension und -flexion im seitlichen Überhang.
5 Umfangmaße der Beine.

Prüfen 5 Muskeltest der Fußheber:


– Zehenextensoren, Plantarflektoren, Pro-/und Supinatoren bei guter Fixation auf Wert 5,
– Hüft- und Kniegelenkmuskulatur je nach Stabilitätsgrad ggfs. nur auf Wert 1 oder 2 (s.u.)
5 Kennmuskeln des N. ischiadicus.
5 Qualität des Bewegungsstopps.
5 Sensibilität.

Notieren und 5 Subjektive Angaben über Schmerzen und Beschwerden (VAS).


Bewerten 5 Ganganalyse bei Belastungsstabilität.
5 Rumpf-Becken-Bein-Achse und deren Stabilität (Lagerungs-, Bewegungs- und Belastungsstabilität).
5 Belastbarkeit (mit Waage).
5 Umgang mit Gehhilfen.
5 Persönliche Situation: Angst, Bewusstseinslage, Kooperation, Motivation, Problembewusstsein, Selbständigkeit
in der Klinik, bei Entlassung in das häusliche Umfeld oder eine Rehabilitationseinrichtung.
5 Zu gegebenem Zeitpunkt Aktivitäten wie
– Gehen, Stehen, Bücken,
– Aufstehen mit und ohne Hilfsmittel, selbständige Körperpflege und Alltagsaktivitäten.

Wichtig Behandlungsmöglichkeiten
5 Der M. iliopsoas wirkt irritierend auf vertikale Becken- Grundsätzliches Vorgehen
ringbrüche, die Mm. adductores scherend bei vorderen In . Übersicht 12.1 sind die Schwerpunkte der physiotherapeu-
Ringbrüchen, wenn sie gegen Eigenschwere des Beins tischen Behandlung nach Beckenfrakturen zusammengefasst.
getestet werden. Das Röntgenbild gibt Aufschluss über
die Zugrichtung der Muskulatur und die Lokalisation der
Fraktur. . Übersicht 12.1. Gesichtspunkte der Behandlung
5 Bei konservativ behandelten Frakturen ist ein Muskeltest 1. Pneumonie-, Thrombose- und Embolieprophylaxe.
der auf die Fraktur scherend wirkenden Hüftgelenkmus- 2. Dekubitusprophylaxe.
kulatur über Teststufe 2 hinaus nicht erlaubt! 3. Lagerungskontrolle.
4. Erhalten der Armkraft.
5. Erhalten der Beinkraft auf der nicht betroffenen Körper-
Für die Behandlungsplanung müssen alle Hauptprobleme und hälfte.
Symptome mit der Verletzungsart, dem Verletzungsmuster und 6. Aktive Stabilisation des Beckenringes.
dem aktuellen Heilungsprozess betrachtet und bewertet wer- 7. Wiederherstellung der Muskelfunktionen (Vorbereitung
den. Begleitverletzungen sind ebenso zu beachten wie der per- des Gehmusters im Liegen).
sönliche Zustand des Patienten. Daraus ergeben sich folgende 8. Erhalten der Beweglichkeit der Knie- und Sprung-
Fragen: gelenke.
5 Welche Verletzung muss vorrangig behandelt werden und 9. Erarbeiten der Beweglichkeit in den Hüftgelenken, so-
warum? weit der Befund es erlaubt (Mobilisation im Spätstadium).
5 Welche Nah- und Fernziele müssen festgelegt werden? 10. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten, Geh-
5 Welche Maßnahmen müssen dem aktuellen Heilungspro- schulung.
zess zugeordnet werden?
242 Kapitel 12 · Beckenfrakturen

1. Pneumonie- und Thromboseprophylaxe dass sich bei jeder Form von Widerstandsarbeit Verstärkungs-
1 Die Prophylaxe steht in den ersten Tagen im Vordergrund der muster aufbauen. Sie können an der Beckengegenseite scherend
physiotherapeutischen Behandlung (7 Kap. 3, »Prä- und post- wirken. So kann eine erhöhte Spannung der Mm. adductores,
2 operative physiotherapeutische Behandlung«). des M. iliopsoas oder des M. rectus femoris irritierend auf ver-
tikal verlaufende Frakturen wirken.
2. Dekubitusprophylaxe
3 Längeres Liegen auf dem Rücken führt bei ungenügender Pfle- Wichtig
ge sehr häufig zu einem Dekubitus.
Allgemein gilt: Die Adduktoren verstärken die Adduktoren
Zur Vorbeugung wird der Patient angehalten, möglichst
4 häufig seine Gesäßmuskeln anzuspannen und über minimales der Gegenseite, die Extensoren verstärken die Flexionsspan-
nung auf der gegenüberliegenden Seite und umgekehrt
Bridging das Gesäß zu entlasten.
(Gehmuster).
5 Bei bewegungsstabilen Osteosynthesen soll der Patient im
Sinne der Frühmobilisation baldmöglichst entlastet aufstehen,
um einer Thrombose oder Pneumonie vorzubeugen. Nach Interpretation des Verletzungsmusters und des Röntgen-
6 befundes wird entschieden, welches Muster geübt und welches
3. Lagerung vermieden werden soll.
7 Erfahrungsgemäß ist die sachgerechte Lagerung dem Aufga- Die Druckentlastung des betroffenen Beins muss beim Üben
bengebiet der Physiotherapeuten und des Pflegepersonals zu- konsequent visuell und taktil kontrolliert werden.
geordnet.
8 Bei instabilen Frakturen wird ein Quaderbett/Dekubitusbett 6. Aktive Stabilisation des Beckenringes im Liegen durch die
benutzt. Instabile Beckenverletzungen dürfen nicht umgelagert Muskeln, die Druckkräfte auf die Fraktur setzen können
werden. Wenn möglich, sollte der dekubitusgefährdete Patient
9 auf einem Schaffell oder einer Schaumstoffmatte liegen.
Wichtig

Schwestern und Physiotherapeuten sollen darauf achten, Um die aktive Stabilisation üben zu können, muss ärztlicher-
10 dass die Hüftgelenke in Nullstellung gelagert sind, d.h., keine seits Bewegungsstabilität vorgegeben sein!
Flexions-/Adduktions- oder Außenrotationsstellung haben. Die
Füße sollen in 90° Dorsalextension (Nullstellung) positioniert
11 sein. Die meisten Patienten benötigen eine kleine Schaumstoff- Isometrische Spannungsübungen der ventralen und dorsalen
polsterung unter dem Kniegelenk, um es zu entlasten. Muskelketten zwischen Rumpf und Beinen stabilisieren das Be-
12 Zu vermeiden ist eine zu starke Oberkörperhochlagerung, cken.
wenn Atmung und Kreislaufsituation dies zulassen. In korrigierter Mittellage werden diagonale Spannungen
Das Bettenmachen oder der Transfer auf das Stehbrett/eine aufgebaut zwischen der schrägen Bauchmuskulatur und den
13 Trage ist bei Patienten mit längeren Liegezeiten eine besonde- Mm. gluteus medius und minimus oder über M. latissimus dor-
re Herausforderung für Pflegepersonal und Physiotherapeuten. si und M. quadratus lumborum zu den Mm. gluteus medius
14 Rückengerechte und dennoch sichere Transfers bieten Steckla- und minimus der anderen Seite.
ken und Plastikfolien sowie Plastikbretter, mit denen man zie- Die Stabilisation der Beckenabduktion (Herausschieben der
hen kann und nicht heben muss. Das Laken verlängert die eige- Ferse) ist meist eine der ersten Übungen bei Frakturen Typ A, die
15 ne Hebellänge der Arme; durch Gewichtsverlagerung wird die am Becken selbst ausgeführt werden kann.
Armzugkraft unterstützt. Immer sollten zwei Kollegen zusam- Bei korrigierter Rückenlage können diese Übungen
menarbeiten und dabei ihren Rücken gerade halten (Gesetz- schon frühzeitig gegen Führungskontakt begonnen werden
16 liche Unfallversicherung 2002). (. Abb. 14.10).
Üben in geschlossener Muskelkette ist möglich, wenn ein
17 4. Erhalten der Armkraft Polster zum Abstützen der Füße verwendet wird. Stellt man ei-
Als Vorübung für das Gehen mit Unterarmstützen kann der Pa- ne Waage zwischen Fußsohle und Fußteil des Bettes, kann der
tient selbst mit Expandern, Therabändern oder Hanteln üben. Patient exakt kontrollieren, wieviel er belastet.
18 Widerstandsübungen kommen in allen Formen des Bewe- Das bilaterale Armpattern in »Flexion/Abduktion/Außenro-
gens und Haltens in komplexen Mustern zur Anwendung. tation« in Rückenlage mit Fußsohlen-Wand-Kontakt ist beson-
19 Das Hausaufgabenprogramm wird vorgeübt. ders geeignet, um die gesamte dorsale Beinmuskulatur zu ak-
tivieren. In unilateraler Ausführung können Spiel- und Stand-
5. Erhalten der Beinkraft bei Verletzung einer Beckenseite beinphase gangtypisch gebahnt werden.
20 auf der nicht betroffenen Seite Soll das Becken in Neutralstellung stabilisiert werden, bieten
Während an den Armen alle Bewegungsmuster möglich sind, sich assistive Übungen unter Abnahme der Beinschwere an.
21 muss bei den komplexen Beinmustern daran gedacht werden,
12 Beckenfrakturen
243 12

Hubarme Bewegungen sind, wenn die Beckenstabilität es er- . Abb. 12.4.


laubt, gut im Schlingentisch durchzuführen. Abduktion/Adduktion des
Bei Frakturen mit Verschiebung des Iliosakralgelenks muss Beckens
die Behandlung individuell dosiert werden. Bei instabilen dor-
salen Beckenfrakturen, die mit Platten und Schrauben versorgt
wurden, muss die Bewegungsstabilität mit dem Operateur ge-
klärt werden. Eine frühfunktionelle Behandlung ist nicht im-
mer möglich.
Vor allem Rotationsbewegungen müssen kritisch bewer-
tet werden und dürfen erst in der fortgeschrittenen Konsolidie-
rungsphase dynamisch ausgeführt werden.
Bei zunehmender Konsolidierung der Frakturen werden in
Rückenlage, bei einseitigen Frakturen in Seitenlage, alle PNF-Be-
ckenmuster in Nullstellung der Beine ausgeführt.
. Abb. 12.5.
Beckenrotation
Wichtig

Die Beckenbewegungen werden statisch und dynamisch


wie folgt definiert:
5 Abduktion: Herunterziehen der gleichen Becken-
seite (. Abb. 12.4) oder Herausschieben des Beins
(. Abb. 14.10).
5 Adduktion: Heraufziehen des Beckenkammes der glei-
chen Seite (. Abb. 12.4).
5 Extension: Drehen des Beckens nach dorsal.
5 Flexion: Drehen des Beckens nach ventral.
5 Außenrotation: Vordrehen der gleichen Beckenseite, Zu-
rückdrehen der anderen Seite (. Abb. 12.5). . Abb. 12.6.
5 Innenrotation: Vordrehen der Gegenseite, Zurückdrehen Beckenbewegung in der
der gleichen Seite (. Abb. 12.5). Mittelstandphase

Bei allen Beckenbewegungen werden Punktum fixum und mo-


bile so geordnet, dass das Femur zum Punktum fixum und das
Becken zum Punktum mobile wird. Im Mittelstand bewegt sich
das Becken der Standbeinseite in posteriore Depression und
Innenrotation und wird zum Kraftüberträger für das belastete
Bein (. Abb. 12.6).
Ist Sitzen erlaubt, werden Beckenstabilisation und Becken-
bewegungen in Extension/Abduktion/Innenrotation mit Mini-
malbelastung/Bodenkontakt der Füße eingeübt (geschlossene
Kette).

7. Wiederherstellen der Muskelfunktion, Vorbereitung des


Gehmusters im Liegen
Die Muskelfunktionen können durch Stabilisationsübungen
(Haltephasen ca. 7 sec), aber auch durch dynamische Übungen
in konzentrisch und exzentrisch dynamischer Spannungsform
erarbeitet werden. Beweglicher Hebel kann das Becken oder der
Femur sein.
Die Übungen können reinachsig, isoliert oder komplex in
PNF-Mustern durchgeführt werden. Verstärkungsmuster müs-
sen abgebaut werden, wenn die Einzelleistungen der Mm. glute-
us medius, minimus und maximus verbessert werden sollen.
244 Kapitel 12 · Beckenfrakturen

Sind Bewegungsübergänge erlaubt, kann aus Bauchlage Wichtig


1 oder Vierfüßlerstand geübt werden.
Das Becken kann im Sinne der Der Einsatz der CPM-Schiene muss kritisch bewertet werden
5 1. Diagonale in Flexion/Adduktion (= ant. Elevation) und
2 Extension/Abduktion (= post. Depression) oder
und immer unterhalb der Schmerz- und endgradigen Bewe-
gungsgrenze liegen.
5 2. Diagonale in Extension/Adduktion (= post. Elevation)
3 und Flexion/Abduktion (= ant. Depression)
gegen Kontakt oder Widerstand bewegt werden. 10. Vorbereiten und Schulen von Aktivitäten, Gehschulung
Die Ausführung kann mit »Endstellung –Halten« in allen Das Gehmuster kann in Rückenlage vorgeübt werden. Schwung-
4 Variationen des Bewegens und Haltens oder mit »Wiederholter und Stützphasen der Beine und Arme werden für den Zwei-
Kontraktion« erfolgen. Punkte- oder Drei-Punkte-Gang geschult. Dabei wird je nach
5 Die Bewertung der Frakturlage, bezogen auf die Muskelket- Vermögen einzeln oder komplex vorgeübt. Alternativ können
te, die Festigkeit der Osteosynthese/Fraktur (konservative Be- drei Extremitäten statisch in entsprechenden Mustern gegen
handlung) bestimmen Dosierung und Übungsauswahl. die Unterlage spannen, während eine Extremität dynamisch
6 übt (. Abb. 12.7). Um aus dem Bett zu kommen, sollte anfangs
8. Erhalten der Beweglichkeit der Knie- und Sprunggelenke unterstützt, dann auch selbständig ein Minibridging (7 Kap. 6)
7 Aktive Umkehrbewegungen im vollen Bewegungsmaß sind bei eingeübt werden. Später kann die Bridging-Position vollständig
der vorgeschriebenen flachen Lagerung anfangs nur im seit- geschult werden (. Abb. 12.8). Wichtig ist das Vorüben der Mit-
lichen Überhang des Unterschenkels möglich. Bei passiver Fixa-
8 tion des Oberschenkels dicht oberhalb der Patella ist ein Üben
. Abb. 12.7. Rückenlage:
der Knieflexion in vollem Umfang durchzuführen.
Gehmuster gegen Zuggerät
Sollte bei verspätetem Übungsbeginn von Schwerverletzten
9 eine Kontraktur entstanden sein, können zunächst aktive Ent-
spannungstechniken wie »Langsame Umkehr – Halten – Ent-
10 spannen – aktives Weiterziehen« oder »Rhythmische Stabilisa-
tion – Entspannen – aktives Weiterziehen« angewandt werden.
11 ! Cave
Das Kniegelenk darf bei aktiven Techniken nicht rotiert werden.
12
Als Ausgangsposition bieten sich Rücken- und Bauchlage an.
Die Entspannungstechniken werden nie aus der Seitenlage aus-
13 geführt.
Das Sprunggelenk muss v.a. gegen die Neigung zur Spitzfuß-
14 stellung mobilisiert und die Fußheber gekräftigt werden. Ein in-
tensives Auftrainieren dieser Muskeln ist täglich durchzufüh-
ren.
15 Der Patient sollte angehalten werden, selbst zu üben und auf
exakte Lagerung zu achten.
16 9. Erarbeiten der Hüftgelenkbeweglichkeit
Erst nach Konsolidierung der Fraktur kann eine intensive Mobi-
17 lisation der Hüftgelenke erfolgen.
Zuerst werden Extension (15°) und Innenrotation schwer-
punktmäßig mobilisiert. Im Schlingentisch oder im Was-
18 ser kann dies schonend durchgeführt werden. Die Hüftgelenk-
flexion wird zuletzt erarbeitet.
19 Die CPM-Schiene (. Abb. 17.6), die eigentlich zur Bewe-
gungserhaltung des Kniegelenks konzipiert wurde, kann u.U.
auch für die Hüftgelenkbewegungen eingesetzt werden. Dabei
20 darf der Oberschenkel nicht auf der Schiene festgebunden wer-
den, da das physiologische Rollgleiten des Hüftgelenks behin-
. Abb. 12.8. Stabilisation der Bridging-Position
21 dert wird.
12 Beckenfrakturen
245 12

. Abb. 12.9. »Eckensteher« Hinsetzen eingeübt und stabilisiert (7 Kap. 15–19). In verschie-
als Grundposition denen Winkelstellungen werden Haltephasen eingeübt (ge-
schlossenes System).
Nach ca. 10 Tagen dürfen Patienten mit stabilen Osteosyn-
thesen 20 kg belasten. Die Belastung kann gesteigert werden,
wenn keine Ausweichbewegungen (Trendelenburg- oder Du-
chenne-Hinken), Schmerzen oder Ermüdungszeichen auftre-
ten. Dann werden Einbeinstand und Schrittfolge mit entspre-
chender Belastungsvorgabe geschult.
Becken- und Rumpfstabilisationsübungen auf dem Pezziball
ermöglichen eine Vielzahl statischer und dynamischer Bewe-
gungsfolgen (. Abb. 12.10), vorausgesetzt, der Patient darf und
kann voll belasten.
Liegen zusätzlich weitere Verletzungen vor, muss die Bela-
stung u.U. zurückgenommen werden. Das Stehen kann auch
mit minimaler Belastung auf dem kippbaren Stehbrett bzw. Tilt
Table vorgeübt werden (. Abb. 21.1). Auch im Schlingengerät
kann das Becken statisch und dynamisch stabilisiert werden.

Übungsbeispiele

Die Übungsbeispiele beziehen sich auf eine Beckenringfraktur


mit bewegungsstabiler Osteosynthese.

3. Woche postoperativ
Ausgangsposition
telstands- und Fersenablösungsphase der Beine (. Abb. 12.9, Rückenlage. Becken in Neutralstellung.
12.6) v.a. im geschlossenen System (7 Kap. 14 – 19).
Umkehrübungen zur Schulung des Bewegungsablaufes las- Übung
sen sich besser gegen manuellen Widerstand ausführen. Zur 5 Stabilisation des Beckens zwischen Oberschenkel und Tho-
Stabilisation wie bei der Technik »Dynamische oder Stabili- rax, Haltephase möglichst 7–10 sec.
sierende Umkehr« kann das Theraband ausgezeichnet benutzt Kontakt/Widerstand:
werden. Die ersten Belastungsübungen werden auf Anordnung – Becken lateral und am anderen Oberschenkel lateral,
des Arztes mit Gehhilfen und auf Waagen vorgenommen. Aus – Becken dorsal und am anderen Oberschenkel dorsal,
dem hohen Sitz werden Aufstehen in den Zweibeinstand und – Becken ventral und am anderen Oberschenkel ventral,

. Abb. 12.10a,b. Rückenlage auf


dem Pezziball: a Zweibein-Bridging,
b Einbein-Bridging
246 Kapitel 12 · Beckenfrakturen


Becken dorsal und an der Gegenschulter dorsal, Übung
1 –
Becken ventral und an der Gegenschulter dorsal u.Ä. 5 Sitzstabilisation, ein Bein abheben, den Ball zu allen Sei-
5 Dasselbe mit Hebelverlängerung durch Kontakt/Wider- ten rollen etc.
2 stand an Armen oder Beinen, Diagonalspannungen, Nut-
zen von Mustern aus der Brunkow-Technik. Ausgangsposition
Rückenlage auf dem Therapieball mit aufgestellten Beinen.
3 Übung
5 Beckenabduktion. Übung
Technik: Wiederholte Kontraktion (. Abb. 14.10). 5 Beckenstabilisation auf dem Therapieball.
4 5 Später Bridging-Position, mit den Füßen auf der Stelle tre-
Übung ten oder ein Bein in die Luft strecken.
5 5 Abduktion/Innenrotation des Beins, isometrisch und mit
»Betonter Bewegungsfolge«. Übung
5 Aufstehen zum Zweibeinstand, Stabilisation des Standes
6 Übung in leichter Beugestellung der Knie- und Hüftgelenke (evt.
5 Extension/Außenrotation des Beins, isometrisch oder mit auch mit Stützen oder am Gehbarren).
7 »Wiederholter Kontraktion«.
Übung
Übung 5 Unterarmstütz auf dem Pezziball, Kniegelenke abheben
8 5 Minibridging und Bridging: Assistiv oder gegen die Eigen- und Position stabilisieren (. Abb. 6.40).
schwere aus Rückenlage, Beine sind angestellt; auch als dy-
namisch konzentrische und exzentrische Bewegung. Ende der Konsolidierungsphase
9 Die Belastung darf nach ca. 6 Wochen gesteigert werden.
Konsolidierungsphase
10 Seitenlage ist erlaubt. Übung
5 Stabilisation des Zweibein- und Einbeinstandes.
Übung
11 5 Beckenpattern aus Seitenlage. Übung
5 Gehmuster aus Seitenlage, Rückenlage und Stand gegen
12 Übung Zuggeräte »Extension/Abduktion/Innenrotation zum ge-
5 Bewegungsübergänge über die schmerzfreie Seite, mit streckten Bein« als Umkehrbewegung.
Grundspannung nach Brunkow. Technik: Bewegen – Halten, Endstellung – Halten.
13
Ausgangsposition Übungen (Hausaufgabenprogramm)
14 Bauchlage. Knie sind gebeugt. 5 Bauchmuskeltraining über PNF-Muster.
5 Gehschulung und Korrektur.
Übung
15 5 Abheben des Oberschenkels gegen die Eigenschwere mit Belastungsphase
Führungskontakt oder gegen Widerstand. Übungen
5 Dasselbe mit »Betonter Bewegungsfolge«. 5 Standbein gegen Theraband in verschiedenen Stellungen
16 stabilisieren.
Ausgangsposition 5 Standbein auf unebenem Boden oder instabiler Unterla-
17 Vierfüßlerstand. ge stabilisieren, z.B. weiche Matte, Fußkreisel, Trampolin
(. Abb. 12.11, 12.12, auch 5.6).
Übung 5 Wechsel von Gehen und Anhalten in verschiedenen Stel-
18 5 Stabilisation des Beckens. lungen einüben (7 Kap. 14, »Schenkelhalsfraktur« und
7 Kap. 16, »Knieverletzungen«).
19 Ausgangsposition
Hoher Sitz oder Sitz auf Therapieball.

20
21
12.1 Literatur
247 12

12.1 Literatur
Bizzini M (2000) Sensomotorische Rehabilitation nach Beinverletzungen.
Thieme, Stuttgart New York
Buck M, Beckers D, Adler S (2004) PNF in der Praxis, 5. Aufl.. Springer, Ber-
lin Heidelberg
Bundesverband der Unfallkassen, GUV I – 8535 (2002) Rückengerechter
Patiententransfer in der Kranken- und Altenpflege. München
Göhler B (1993) PNF und Alltag. Pflaum, München
Loeweneck H, Liebenstund I (1994) Funktionelle Anatomie für Kranken-
gymnasten. Pflaum, München
Trentz O, Bühren V (2001) Checkliste Traumatologie. Thieme, Stuttgart
New York
Walker JM (1986) Age-related differences in the human sacroiliac joint:
a historical study; implication for therapy. J Orth Sports, Phys Ther
7: 325
Weigel B, Nerlich M (2005) Praxisbuch Unfallchirurgie Bd 1. Springer, Ber-
lin Heidelberg New York

. Abb. 12.11a,b. Stabilisation der Bein-Becken-Rumpf-Achse in PNF-


Mustern gegen Zuggerät Die Abbildungen 12.7–12.12 konnte ich freundlicherweise in der Praxis
»movere«, Uli Engelmann, Geza Sturm, München fotografieren.

. Abb. 12.12a,b. a Zweibeinstand gegen Zuggerät, b Einbeinstand ge-


gen Zuggerät, das andere Bein steht entlastet auf dem Kasten
13

Frakturen und Luxationen im Bereich


des Hüftgelenks

13.1 Azetabulumfraktur – 250 13.2 Hüftgelenkluxation – 255


Einteilung – 250 Einteilung – 255
Ursachen – 250 Ursachen – 255
Charakteristische Symptome/ Charakteristische Symptome/
Leitsymptome – 250 Leitsymptome – 255
Behandlungsrichtlinien und Behandlungsrichtlinien und
therapeutische Maßnahmen – 250 therapeutische Maßnahmen – 255
Komplikationen – 252 Komplikationen – 256
Befunderhebung nach Osteo- Befunderhebung – 257
synthese in Akut- und Entlastungs- Behandlungsmöglichkeiten – 257
phase – 252 Übungsbeispiele – 258
Behandlungsmöglichkeiten – 253
Übungsbeispiele – 254
13.3 Literatur – 259
250 Kapitel 13 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Hüftgelenks

13.1 Azetabulumfraktur Kapandji (1985) zitiert ein Experiment der Brüder Weber,
1 die nachwiesen, dass der Luftunterdruck die beiden Gelenk-
Einteilung partner fest aneinanderpresst, ähnlich dem physikalischen Ge-
2 Azetabulumfrakturen werden in Typ A, B und C eingeteilt.
setz der Magdeburger Halbkugeln. Bohrt man ein Loch in die
Pfanne, kann der Femurkopf leicht von der Pfanne getrennt
werden.
3 Typ A Ein-Pfeiler-Fraktur Der ausgeglichene Gelenkflächenkontakt des Hüftkopfes
entsteht auch über die Muskelspannung und die straffen Hüft-
Typ B Querfraktur mit Teilstabilität des Pfannendaches
gelenkbänder. Die Muskulatur, die das Hüftgelenk hauptsäch-
4 Typ C Zwei-Pfeiler-Fraktur mit totaler Instabilität lich stabilisiert, liegt auf der Dorsalseite, die meisten stabilisie-
renden Bänder auf der Ventralseite.
5
Grundsätzlich beschreiben sie einfache und kombinierte Frak- Ärztliche Behandlung
turen (Letournel 1998). Zur Bestätigung der Diagnose werden, neben der normalen Be-
6 ckenübersichtsaufnahme, Ala- und Obturator-Röntgenaufnah-
men angefertigt. Zusätzlich wird heute ein CT gemacht, damit
7 Ursachen eine operative Versorgung gut geplant werden kann.

5 Autoauffahrunfälle (Dashbord injury), Konservatives/operatives Vorgehen


8 5 Motorradunfälle (Crushing injury), Die ärztliche Behandlung kann bei Pfannenrandbrüchen oh-
5 Stürze aus großer Höhe bei Bauarbeiten. ne Luxationstendenz konservativ erfolgen. Instabile, dislozierte
oder Zwei-Pfeiler-Frakturen werden so schnell wie möglich ope-
9 rativ versorgt (. Abb. 13.1, 13.2).
Charakteristische Symptome/Leitsymptome Heute wird ein operatives Vorgehen mit Schraubenosteo-
10 synthese in Kombination mit einer Rekonstruktionsplatte und
5 schmerzhafte Bewegungseinschränkung, Hakenplättchen bevorzugt. Wichtig ist ein Muskel schonendes
5 Belastungsunfähigkeit des Beins, Operieren.
11 5 Beinverkürzung in Außen- oder Innenrotation bei Kombi- Der Zustand des Pfannendaches ist ausschlaggebend für das
nation mit Luxation, operative Vorgehen:
12 5 evt. sensomotorische Ausfälle des N. ischiadicus bei dorsa- 5 A-Frakturen werden ohne Extension konservativ versorgt.
ler Luxation. 5 B-Frakturen werden meist operativ behandelt.
5 C-Frakturen zwingen zur Operation.
13
Behandlungsrichtlinien und therapeutische
14 Maßnahmen

Unter einer Azetabulumfraktur versteht man die Fraktur der


15 Hüftgelenkpfanne. Bei einer Gewalteinwirkung von vorne, z.B.
einem dashboard injury besteht die Gefahr, dass der Hüftkopf
die Pfanne durchstößt, zusätzlich nach dorsal luxiert und den
16 dorsokranialen Pfannenrand abschert.
Von besonderer statischer Bedeutung sind die Verletzungen
17 der ventral oder dorsal tragenden Pfeiler. Die Frakturform wird
von der Richtung der Gewalteinwirkung und der momentanen
Position des Hüftkopfes bestimmt. Nach Tile (1995) besteht eine
18 Korrelation zwischen Unfallmechanismus und Frakturtyp.
Bei zusätzlicher N.-ischiadicus-Läsion zeigt sich ein entspre-
19 chender Sensibilitätsverlust und Muskelfunktionsausfall, z.B.
Fußheber, M. gastrocnemius und Mm. ischiocrurales.
Von besonderer Bedeutung für die Behandlung von Pa-
20 tienten mit einer Azetabulumfraktur sind die mechanischen
Druckverhältnisse im Hüftgelenk (7 Kap. 14, »Schenkelhalsfrak-
. Abb. 13.1. Azetabulumfraktur
21 tur«).
13.1 Azetabulumfraktur
251 13

Die Patienten sollten instruiert werden, das Bettoberteil im-


mer wieder flach zu stellen, damit das Hüftgelenk nicht stän-
dig gebeugt ist.

Physiotherapeutische Behandlung
Die frühfunktionelle Behandlung muss eine längere Entla-
stungsphase beachten. Auch hier ist eine sorgfältige Thrombo-
seprophylaxe für 6 Wochen angezeigt. Hubarmes Bewegen un-
terstützt den Heilungsverlauf.
Der Belastungsaufbau richtet sich nach Heilungsverlauf,
Symptomen und Stabilität des Hüftgelenks unter Minimal-, Teil-
und Vollbelastung: Bei guter Muskelsicherung und schmerz-
freier Bewegung darf in der Proliferationsphase nach ca. 4 Wo-
chen, minimal belastet und von der 5. –11. Woche die Teilbela-
stung stufenweise gesteigert werden. Ab der 12. Woche beginnt
die stufenweise Erarbeitung der Vollbelastung. Die volle Bela-
stung (freies Gehen) kann nach 16 Wochen erreicht werden, so-
fern das Röntgenbild in Ordnung ist.
Ziel der physiotherapeutischen Maßnahmen nach einer
Azetabulumfraktur ist es, den Gelenkdruck klein zu halten, um
der Fraktur die Heilung und dem Knorpel die Regenerierung zu
. Abb. 13.2. Schraubenosteosynthese ermöglichen. Daher muss die Spannung der Glutealmuskulatur,
des M. tensor fasciae latae und der ventralen Bänder reduziert
werden. Wie auch bei anderen Gelenkfrakturen hat sich jedoch
Ziel der Osteosynthese ist die Bewegungsstabilität. Bei der Ent- die Meinung durchgesetzt, dass eine völlige Entlastung nicht
scheidung, ob konservative oder operative Vorgehensweise förderlich ist. Nur bei schweren Gelenkschädigungen wird in
müssen Faktoren wie Allgemeinzustand, Nebenverletzungen, den ersten Wochen ganz entlastet, meist dürfen die Patienten
Frakturtyp, Alter oder Aktivitäten des Patienten bedacht wer- mit Minimalbelastung/Bodenkontakt gehen.
den. Funktionell sollen die Muskeln eingesetzt werden, die Druck
In äußerst seltenen Fällen, wenn Nebenerkrankungen eine entlastend auf das Hüftgelenk wirken. Dies sind bei der zentra-
Operation nicht zulassen, wird heute eine Extensionsbehand- len Pfannenfraktur ohne Luxationstendenz die Adduktoren und
lung durchgeführt (. Abb. 13.3). Diese Maßnahme kann die alle außenrotierenden Hüftgelenkbeuger und -strecker.
Wartezeit bis zur Operation überbrücken und zieht den Femur- Das Hüftgelenk soll im schmerzfreien Bereich hubarm ak-
kopf durch Zugsysteme nach lateral und kaudal. tiv/assistiv und passiv bewegt werden. Behutsame Traktion und
Die Gefahr einer Thrombose oder Pneumonie sowie wei- langsame Umkehrbewegungen sind geeignete Techniken, um
terer Immobilisationsschädigungen am Bewegungsapparat ist dieses Ziel zu erreichen. Die Beckenabduktion/-extension soll
groß; daher sollte diese Behandlung nicht zu lange andauern. in der Rückenlage geschult werden (. Abb. 14.10).
Eine ausreichende Thromboseprophylaxe ist notwendig
(7 Kap. 3.2).

. Abb. 13.3a-c. Azetabulumfraktur links. a Röntgenbild, b Extensionsbehandlung, c seitlicher Zug


252 Kapitel 13 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Hüftgelenks

! Cave Befunderhebung nach Osteosynthese in Akut-


1 5 In der Proliferationsphase müssen alle Übungen unter Aus- und Entlastungsphase
schaltung der Schwere und ohne äußere Widerstände er-
2 folgen.
5 Während der ersten 4 Wochen ist eine intensive Muskelar-
Beurteilen 5 Operationsnarbe, Wunden, Atro-
phien, Hämatome, Schwellungen.
beit der Mm. gluteus medius/minimus und der Hüftbeuger 5 Stellung des Beins, Lagerung.
3 in der offenen Kette zu vermeiden. Diese Übungsform be- 5 Röntgenbilder, CT.
lastet das Hüftgelenk um das 2,5-fache des Körpergewichts
(Bergmann et al. 1989). Messen 5 Sprunggelenkbeweglichkeit. Knie-
4 und Hüftgelenkbeweglichkeit bei
abgenommener Schwere im Sei-
Unter Einhaltung des Bodenkontaktes kann aus dem hohen Sitz
tenvergleich.
5 und bei Absetzen des Beins auf einer Waage in der geschlos-
5 Umfangmaße des Beins an den
senen Kette stabilisiert werden. vorgegebenen Stellen.
Ab der 5./6. Woche wird nach ärztlicher Verordnung der
6 Zwei- und Einbeinstand mit angepasster Belastung auf der Waa- Prüfen 5 Beinlänge (später Kontrolle im
ge eingeübt (7 Kap. 14). Stand mit Beckenwaage und Brett-
chenunterlegung).
7 5 Sensibilität.
! Cave
5 Muskeltest:
Kein Anheben des Beins aus Rückenlage, kein Anheben des
8 Beins aus Seitenlage!
– Teststufe 2 der Hüftgelenk- und
Oberschenkelmuskeln,
– Normwerte am Unterschenkel/
9 Komplikationen
Fuß, bei aufliegendem Bein.
5 Armkraft zum Gehen mit Hilfsmit-
teln.
10 5 N.-ischiadicus-Verletzung, 5 Qualität des Bewegungsstopps.
5 N.-fibularis-Parese,
Notieren und 5 Schmerzen: Wann, wo, wie, wie lan-
5 Symphysen- und Iliosakralgelenkverletzung,
11 5 Verletzung der A. iliaca interna (großes Hämatom),
Bewerten ge (VAS).
5 Sonstige Beschwerden.
5 Verletzung der A. iliaca externa,
12 5 Kreislaufinstabilität durch starke Blutung,
5 tiefe Beckenvenenthrombose, Embolie. Befundergänzung
13 Spätfolgen:
Akutphase 5 Atembefund.
(besonders 5 Puls, Blutdruck.
5 Koxarthrose, bei Mehrfach- 5 Bewusstseinslage, Orientierung zur
14 5 Beinverkürzung bei konservativer Behandlung, verletzten) Person, im Raum etc.
5 Hüftkopfnekrose, 5 Kooperationsfähigkeit.
5 Kalzifikationen. 5 Neurologischer Befund.
15 5 Psychische Verfassung des Pati-
enten, Bewältigung der Kliniksitu-
ation.
16
Konsolidierungs- 5 Ganganalyse.
und Umbauphase 5 Muskelstatus.
17 (Teil- und 5 Trainingstatus.
Vollbelastung) 5 Gelenkbeweglichkeit und Stabilität
der Rumpf-Becken-Bein-Achse bei
18 Belastung.
5 Aktivitäten, Selbständigkeit.
5 Schmerzsituation (VAS).
19
20
21
13.1 Azetabulumfraktur
253 13

Behandlungsmöglichkeiten 5. Dekubitusprophylaxe
Falls der Patient eine längere Liegezeit hat, sollte er auf einer
Grundsätzliches Vorgehen Schaumstoffmatte, einem Schaffell oder Dekubitusbett gelagert
In der Proliferationsphase konzentrieren sich die physiothera- werden.
peutischen Maßnahmen auf Thrombose- und Pneumoniepro- Auf korrekte Körperpflege ist zu achten.
phylaxe sowie auf die Unterstützung des Heilungsverlaufes für
Knorpel, Knochen und Bindegewebsstrukturen. 6. Erhalten der Funktion der nicht betroffenen Extremitäten
In . Übersicht 13.1 sind die Schwerpunkte der physiothe- Übungen in der geschlossenen Kette zum Erhalt der Beweglich-
rapeutischen Behandlung nach Azetabulumfrakturen zusam- keit und Kraft der Muskulatur.
mengefasst. Zur Erhaltung der Elastizität und Kraft der Muskulatur der
Arme und des gesunden Beins sollen Widerstandsübungen z.B.
mit Theraband überwiegend als Hausaufgabenprogramm geübt
. Übersicht 13.1. Gesichtspunkte der Behandlung werden. Zu beachten ist jedoch, dass die Übungen vorgeübt und
Frühstadium richtig ausgewählt werden.
1. Thrombose- und Embolieprohylaxe.
2. Pneumonieprophylaxe. ! Cave
3. Lagerungskontrolle. Durch Widerstandsarbeit des gesunden Beins entstehende
4. Verbesserung der Durchblutung. Overflow-Reaktionen, die Abduktionsspannung auf die Azeta-
5. Dekubitusprophylaxe. bulumfraktur übertragen, müssen vermieden werden. Sie wür-
6. Erhaltung der Funktion der nicht betroffenen Extremi- den eine Druckbelastung erzeugen. Daher sollten die Bewe-
täten. gungsmuster Extension/Abduktion und Flexion/Abduktion auf
7. Herabsetzen der Muskelspannung und Entlastung des der nicht betroffenen Seite nur gegen Führungskontakt ge-
Hüftgelenks (Schwerpunkt der Frühbehandlung). übt werden.
8. Einschleifen der Hüftgelenkbeweglichkeit unter Zug
(abgenommene Schwere des Beins). Bei Widerstandsübungen für die Unterschenkel- und Fußmusku-
9. Bewegungsbad. latur muss der Oberschenkel passiv fixiert werden. Die Übungen
Nach ca. 4 Wochen erfolgen aus der Rückenlage mit seitlichem Überhang des Un-
10. Einüben der verschiedenen Belastungsstufen. terschenkels.
11. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten, Gehschu-
lung. 7. Reduzierung der Muskelspannung der betroffenen Hüft-
gelenkmuskulatur
Unter der Zielsetzung der Druckentlastung des Hüftgelenks soll
die Spannungserhöhung der Mm. gluteus medius und minimus
1./2. Thrombose- und Pneumonieprophylaxe abgebaut werden.
Siehe 7 Kap. 3, »Prä- und postoperative physiotherapeutische Mögliche Verfahren sind:
Behandlung«. 5 bewusstes Entspannen nach Schaarschuch-Haase,
5 entspannte Lagerung,
3. Lagerungskontrolle 5 bewusstes Anspannen und Lösen der Spannung,
Nullstellung im Hüftgelenk in Schaumstoff-U-Stellung. 5 »Rhythmische Stabilisation – Entspannen«, gegen Füh-
Bei Extensionsbehandlung für Hüft- und Kniegelenk so ge- rungskontakt und mit weicher Traktion (ohne Rotation),
streckt wie möglich, mit Abstützmöglichkeit des Fußes. 5 weiche Massagegriffe, wenn alle Operationsnarben reizlos
verheilt sind.
4. Verbesserung der Durchblutung
Spannen im Sekundenrhythmus. 8. Schulen der Hüftgelenkbeweglichkeit des betroffenen
Resorption des postoperativen Ödems bzw. Hämatoms Beins
durch kühlende Umschläge nur am ersten Tag. Dazu können dynamische Umkehrbewegungen unter Abnahme
Bettende etwas hochstellen bei ansonsten möglichst flacher der Beinschwere und unter Traktion aus Rücken- und Seiten-
Lagerung. Pumpbewegungen mit dem Fuß. lage ausgeführt werden. Mögliche Bewegungsrichtungen sind
Manuelle Lymphdrainage. von:
5 Nullstellung in Adduktion/Außenrotation,
5 Nullstellung in Adduktion/Flexion/Außenrotation,
5 Flexion/Rotationsnullstellung in Extension/Adduktion/
Außenrotation.
254 Kapitel 13 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Hüftgelenks

Infrage kommen Beckenbewegungen im PNF-Muster. Dabei Das Gehen mit Unterarmstützen wird durch Schrittfolgen über
1 werden Punktum fixum und mobile vertauscht. Waagen kontrolliert und auf die ärztlich vorgegebene Belastung
Hubarmes Bewegen ist außerdem im Schlingengerät und eingestellt (7 Kap. 16).
2 im Bewegungsbad möglich. Anfangs kann die CPM-Schie-
ne im schmerzfreien Bewegungsbereich eingesetzt werden
Ausweichbewegungen (z.B. Trendelenburg- oder Duchen-
ne-Hinken) werden korrigiert; die Belastung muss ggfs. durch
(. Abb. 17.6). den Einsatz von Gehhilfen reduziert werden.
3 In jedem Fall muss der Patient die zunehmende Belastung
9. Bewegungsbad beim Gehen beschwerdefrei umsetzen können. Tragfähigkeit
Im Bewegungsbad kann durch die Auftriebskräfte des Wassers und Belastung müssen aufeinander abgestimmt werden. Auf-
4 entlastend geübt werden. tretende Ermüdungszeichen und Schmerzen müssen Beach-
tung finden.
5 Wichtig Erst zwischen 12 und 16 Wochen soll das freie Gehen ohne
Gehhilfen erarbeitet bzw. erreicht werden.
Schwimmstile, die die Glutealmuskulatur vermehrt belasten,
6 sollen vermieden werden. Die Bewegungen sollen langsam
ausgeführt werden. Zu berücksichtigen ist zudem der Allge-
Übungsbeispiele
meinzustand des Patienten. Das warme Bewegungsbad stellt
7 eine hohe Anforderung an den Kreislauf. Proliferations- und Konsolidierungsphase
Ausgangsposition
8 Seitenlage. Bein in Nullstellung.
10. Einüben der Minimalbelastung und weiterer Belastungs-
9 steigerungen
Gehen mit Teilbelastung wird eingeübt, wenn das Röntgenbild
Übung
5 Beckenadduktion und -außenrotation.
nach ca. 5 Wochen eine Steigerung der Belastung erlaubt. Kontakt: Beckenkamm und Spina ilica anterior superior.
10 Eine Belastung ≥ 15 kg soll erst nach 12 Wochen erfolgen.
Diese setzt voraus, dass bereits eine funktionelle Tragfähigkeit Übung
erreicht ist. Die Glutealmuskulatur und der M. tensor fasciae la- 5 Beckenadduktion, -flexion und -außenrotation.
11 tae müssen in ihrer Funktion geschult werden, d.h., sie müssen
das Becken über dem Standbein in der Waage halten können. Ausgangsposition
12 Die Belastungssteigerung ist abhängig von der sensomoto- Rückenlage. Bein in Flexions-/Extensionsnullstellung.
rischen Kontrolle des Hüftgelenks beim Stehen und Gehen und
von dessen Schmerzfreiheit. Übung
13 5 »Flexion/Adduktion/Außenrotation zum gebeugten Knie«.
11. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten Technik: Dynamische Umkehrbewegung mit Traktion und
14 Bis zur 12. Woche mit Teilbelastung Führungskontakt.
Die Funktion der kleinen Glutäen wird in der geschlossenen
Kette optimal eingeübt. Vorbereitend wird das Gehmuster im Ausgangsposition
15 Liegen geübt. Alle Übungsformen nutzen die Eigenschwere des Schmerzfreie Flexionsstellung, Adduktions-/Abduktionsnull-
Körpers oder externe Widerstände aus. Die Übungen sollen va- stellung, Knie gebeugt. Das gesunde Bein liegt in leichter Ab-
riiert werden durch verschiedene Ausgangsstellungen, stabile duktion auf der Unterlage.
16 oder labile Unterstützungsflächen, Techniken wie »Betonte Be-
wegungsfolge« gegen manuellen Widerstand und den Einsatz Übung
17 von Geräten (Theraband, Zuggeräte, Laufbänder, Trampolin, 5 »Extension/Adduktion/Außenrotation zum gestreckten
Fußkreisel). In der Konsolidierungsphase kontrolliert der Pati- Knie«.
ent seine Belastungsstufe auf der Waage. Technik: Dynamische Umkehrbewegung mit Traktion und
18 In verschiedenen Positionen werden Haltewiderstände ge- Führungskontakt.
setzt. Stufenweise eingeübt und kontrolliert werden: 5 Dasselbe aus Seitenlage.
19 5 Aufstehen aus dem hohen Sitz, 5 Zwischengeschaltet werden feine Traktionen in entlasteter
5 Stehen, Hüftgelenkstellung.
5 Gehen,
20 5 Treppensteigen auf-und abwärts.

21
13.2 Hüftgelenkluxation
255 13

Übung Wichtig
5 Bewegungsübergang von Rücklage über die gesunde Seite
zum hohen Sitz an der Bettkante und in den Einbeinstand Mittels der Gehübungen sollen Gehfehler und Hinkformen
auf dem gesunden Bein. korrigiert werden!

Übung
5 Im hohen Sitz Stabilisation im Einbeinstand. Gewichts-
verlagerung nach vorne, hinten, zur Seite sowie freie Arm- 13.2 Hüftgelenkluxation
und Rumpfbewegungen zur Kontrolle der Beinstabilität.
Einteilung
Spätstadium (nach der 10. Woche)
Übung Die Luxation wird nach der Luxationsrichtung benannt:
5 Bridging mit kon- und exzentrischer Bewegungsfolge; ak- 5 Luxatio posterior iliaca,
tiv, gegen angepassten Widerstand oder auf instabiler Un- 5 Luxatio posterior ischiadica,
terlage, z.B. Ballkissen oder Therapieball (7 Kap. 6, 12). 5 Luxatio anterior pubica,
5 Luxatio anterior obturatoria,
Ausgangsposition 5 zentrale Luxation (= Azetabulumfraktur).
Stand.

Stabilisationsübungen Ursachen
5 Im Stand und in verschiedenen Schrittstellungen auf der
Waage unter Beachtung der vorgegebenen Belastung. 5 massive direkte oder indirekte Gewalteinwirkung, oft mit
5 Bei Freigabe der Belastung Stabilisation auf dem Sport- Rotationsmechanismus in Beugestellung des Hüftgelenks,
kreisel, Ballkissen, Schaukelbrett oder Trampolin in sta- z.B. bei Auffahrunfall, wenn das Knie gegen das Armatu-
tisch und dynamisch stabilisierten Positionen nach Bizzini renbrett prallt,
(2000) (7 alle folgenden Kapitel). 5 Aufprall auf den Trochanter aus großer Höhe,
5 Motorradunfall (sehr selten).
Gehschulung
Unter Beachtung der vorgegebenen Belastungssteigerung bei
entsprechender Tragfähigkeit. (Weiche Sohlen, feste Schuhe!) Charakteristische Symptome/Leitsymptome
5 Aufstehen aus dem hohen Sitz oder vom Therapieball in
den Zweibein- oder Einbeinstand. Haltearbeit, Stabilisati- 5 federnde Fixation,
on der Bein-Becken-Rumpf-Achse in verschiedenen Positi- 5 Beinverkürzung,
onen (7 Kap. 6, 12). 5 starke Schmerzen,
5 Gehen mit Unterarmstützen ohne Ausweichbewegungen. 5 typische Position des Hüftkopfes,
5 Gehen auf unebenem, weichem oder hartem Boden, auch 5 Bewegungsunfähigkeit,
auf der Stelle gegen Widerstand des Zuggerätes, vorwärts 5 Peroneuslähmung bei N.-ischiadicus-Verletzung.
oder seitwärts gehen (. Abb. 12.11, 12.12).
5 Gehen mit Tempo- und Richtungswechsel.
5 Stand auf dem Trampolin, Auf- und Absteigen auf das/ Behandlungsrichtlinien und therapeutische
vom Trampolin (. Abb. 5.8). Maßnahmen
5 Treten auf dem Trampolin. Gegengleiche Armbewegungen
oder Werfen und Fangen eines Balls. Eine Luxation entsteht, wenn die verursachende Kraft auf das
5 Gehen, aufwärts und abwärts auf der Treppe und der Ram- gebeugte Hüftgelenk einwirkt.
pe. Luxationen betreffen Patienten der Altersgruppe von 20–40
Jahren; da der Knochen noch sehr stabil ist. Bei Patienten an-
Abtrainieren der Gehhilfen (zwischen 12. und 16. Woche) derer Altersgruppen würde der Schenkelhals oder die Epiphyse
5 Gehen auf Laufband, leichtes Lauftraining, Gehen gegen brechen. Die Bandverbindungen des Hüftgelenks sind sehr fest.
Widerstände. Damit es zu einer Luxation kommt, bedarf es einer sehr groß-
en Gewalteinwirkung.
Bei einer dorsalen Luxation wird häufig der N. ischiadicus
geschädigt (N. fibularis). Bei einer ventralen Luxation können
256 Kapitel 13 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Hüftgelenks

die Gefäße in der Leiste abgeschnürt werden, was eine erheb- ! Cave
1 liche Durchblutungsstörung nach sich zieht. 5 Bei der dorsalen Luxation dürfen keine Bewegungen in
Flexion/Adduktion/Innenrotation geübt werden. Die Hüft-
Wichtig
2 gelenk belastende Bridging-Position und der Sitz sind zu
vermeiden.
5 Bei einer Luxation nach dorsal steht das Bein in Innen-
5 Entsprechend sind bei der ventralen Luxation forcierte Be-
3 rotation/Adduktion und leichter bis stärkerer Flexion des
Hüftgelenks.
wegungen in die Extension/Außenrotation zu vermeiden.

5 Bei einer Luxation nach ventral (Motorradunfall) steht


Es sollte eine genaue Verordnung des Operateurs vorliegen. Er
4 das Bein in Außenrotation bei leichter Flexion und brei-
wird die Bewegungsrichtungen nach seinem Befund begrenzen
ter Abduktion.
(z.B. 60/90° Flexion und 10° Innenrotation). Wie lange der Pa-
In beiden Fällen besteht eine Beinverkürzung.
5 tient entlastet mit Bodenkontakt oder teilbelastet gehen soll, ist
unterschiedlich. Manche Traumatologen verordnen eine Bela-
stung mit 15 kg Körpergewicht bis zu 6 Wochen, andere bis zu
6 Ärztliche Behandlung 12 Wochen. Diese Belastung entspricht einer Bewegungsstabili-
Zur Diagnostik wird eine Beckenübersichtsaufnahme gemacht. tät und Minimalbelastung.
7 Nach der Reposition wird die Aufnahme wiederholt und eine Zur Wiederherstellung der Gelenk- und Muskelfunktionen
axiale Aufnahme gemacht, um mögliche osteochondrale Ab- werden Beckenabduktions-/Innenrotationsbewegungen in Ex-
sprengungen erkennen zu können. Auf eine Computertomo- tensions-/Flexionsnullstellung des Beins passiv und assistiv
8 graphie (CT) sollte heute nicht verzichtet werden, hingegen ist durchgeführt.
eine Magnetresonanztomographie (MRT) nicht zwingend er- Vor einer stufenweise zunehmenden Belastungssteigerung
forderlich. empfiehlt sich eine Szintigraphie, um eine Hüftkopfnekrose aus-
9 zuschließen (Weigel, Nerlich 2005).
Konservatives/operatives Vorgehen
10 Zunächst wird versucht, den Hüftkopf geschlossen zu reponie-
ren. Gelingt dies nicht, wird operativ vorgegangen. Komplikationen
Nach sofortiger Einrenkung in Vollnarkose wird der Patient
11 in Extensions-/Flexions- und Rotationsnullstellung des Hüftge- 5 N.-ischiadicus-Verletzung (N. fibularis),
lenks gelagert. Ärztlicherseits darf der Patient, je nach Schmerz- 5 Fraktur am Femurkopf,
12 freiheit, nach 1–2 Tagen ohne Belastung aufstehen. Vorgegeben 5 Pfannenrandabbruch,
ist dann der Drei-Punkte-Gang. 5 Azetabulumfraktur,
5 Begleitverletzungen an Wirbelsäule, Femur, Knie,
13 Physiotherapeutische Behandlung 5 Devitalisierung des Femurkopfes (Femurkopfnekrose),
Bewegen unter Druckentlastung ist in der Frühbehandlungspha- 5 heterotope Kalzifikationen, v.a. in Kombination mit Azeta-
14 se die geeignete Technik, um den geschädigten Knorpel funkti- bulumfraktur.
onsfähig zu erhalten. Alle Übungen werden unter ausgeschal-
teter oder abgenommener Schwere als dynamische Umkehrbe- Spätkomplikation:
15 wegungen durchgeführt. 5 Arthrose.

16
17
18
19
20
21
13.2 Hüftgelenkluxation
257 13

Befunderhebung

Beurteilen 5 Allgemeinzustand, Atmung, Blutdruck, Pulsfrequenz/-qualität.


5 Durchblutung der Beine und Füße.
5 Atrophien.
5 Tonus der Haut und Muskulatur.
5 Schwellung, Hämatome.
5 Stellung beider Hüftgelenke in Rückenlage.
5 Röntgenbild, CT.

Messen 5 Funktionelle und anatomische Beinlänge im Seitenvergleich. Die funktionelle Beinlänge ist später im Stand mit
Beckenwaage und Brettchenunterlegung zu überprüfen.
5 Umfangmaße.
5 Aktive Gelenkmaße:
– Abduktion, Flexion bis 60/90°,
– Innenrotation 10°,
– Extension im Hüftgelenk bis Nullstellung,
– Knieflexion und -extension,
– Dorsalextension, Plantarflexion, Pro- und Supination im Sprunggelenk.

Prüfen 5 Qualität des Bewegungsstopps.


5 Muskeltest:
– Mm. gluteus medius, minimus, maximus, M. tensor fasciae latae und M. quadriceps (Ausgangsposition
s. obige Bewegungsbegrenzung) auf Stufe 3.
– M. tibialis, Zehenextensoren, Mm. peronei ohne Begrenzung.
5 Sensibilität: Nn. peronei profundus und superficialis.
5 Ganganalyse mit Unterarmstützen oder anderen Gehhilfen.
5 Exakte Belastung (15 kg) auf der Waage.
Wichtig
Ausgangsposition beachten! Reluxationsgefahr besteht besonders bei Flexions-/Adduktions-/Innenrotationsbewe-
gungen und entsprechend bei Hyperextension/Außenrotation.

Notieren und 5 Schmerzen: Wann, wo, wie.


Bewerten 5 Sonstige Beschwerden.
5 Selbständigkeit.
5 Einschränkungen der Aktivitäten und Teilhabe an der Gesellschaft.
5 Persönliche Einschätzung und Zielsetzung.

Behandlungsmöglichkeiten 1./2. Pneumonie- und Thromboseprophylaxe


Siehe 7 Kap. 3, »Prä- und postoperative physiotherapeutische
Grundsätzliches Vorgehen Behandlung«.
In . Übersicht 13.2 sind die Schwerpunkte der physiotherapeu-
tischen Behandlung nach Hüftgelenkluxationen zusammenge- 3. Lagerungskontrolle
fasst. Das Bein wird am sichersten in einer Schaumstoff-U-Schiene
gelagert. Das Hüftgelenk soll in 20–30° Abduktion und Rota-
tionsnullstellung liegen. Ist keine U-Schiene zur Hand, sollte
. Übersicht 13.2. Gesichtspunkte der Behandlung ein festes Kissen zwischen die Beine gelegt werden.
1. Pneumonieprophylaxe.
2. Thromboseprophylaxe. 4. Erhalten der Funktion der nicht betroffenen Extremitäten
3. Lagerungskontrolle. Intensives Training gegen Widerstand ist hierzu erforderlich. Es
4. Erhalten der Funktion der nicht betroffenen Extremi- soll vorwiegend in der geschlossenen Kette komplex, mit und
täten. ohne Gerät geübt werden. Bevorzugt sollen Bewegungsmuster
Schwerpunkt ist: aufgebaut werden, die die Stützfunktion der Arme für das Ge-
5. Funktionsschulung des Hüftgelenks und der Muskulatur hen mit Unterarmstützen und die Gehleistung des gesunden
unter Berücksichtigung des Befundes. Beins verbessern.
258 Kapitel 13 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Hüftgelenks

Wichtig Übungsbeispiele
1
Overflow-Reaktionen richtig einsetzen! Bei Übungen im Proliferationsphase
2 geschlossenen System verstärken sich die Abduktoren
gegenseitig (7 Kap. 12, »Beckenfrakturen«).
In dieser Phase werden Bewegen und Halten gegen Führungs-
kontakt bei ausgeschalteter Schwerkraft ausgeführt.

3 Ausgangsposition
5. Funktionsschulung des Hüftgelenks und der Muskulatur Rückenlage.
des betroffenen Beins
4 Geeignete Techniken sind z.B. kontrollierte dynamische Um- Übung
kehrbewegungen unter manueller Traktion und mit abgenom- 5 Beckenabduktion.
5 mener Beinschwere (hubfreie Bewegungen). Dabei sind die 5 Dasselbe mit Beckeninnenrotation.
vom Arzt vorgegebenen Bewegungsbegrenzungen zu beachten.
Bei allen hinteren Luxationen ist Extension/Abduktion/ Übung
6 Rotationsnullstellung oder bis 10° IR in freier Form möglich. 5 Dynamische Abduktion unter Abnahme der Beinschwere.
Günstig ist auch das PNF-Beckenmuster im Liegen oder als 5 Dasselbe mit Beckenextension.
7 Übung im geschlossenen System aus dem hohen Sitz (7 Kap. 6,
12, 14). Ausgangsposition
Hoher Sitz am Bettende, betroffenes Bein auf einer Waage ab-
8 ! Cave gestellt.
Die Gefahr der Reluxation besteht am häufigsten bei Adduk-
9 tionsbewegungen, v.a. in Kombination mit Außenrotation und
Flexion.
Übung
5 Dynamische Beckenabduktion durch Schieben der Ferse in
Richtung Waage, bis die erlaubte Teilbelastung erreicht ist
10 Nach 6–8 Wochen sind Übungsformen gegen manuellen Wider- und Position halten.
stand und unter Teilbelastung im geschlossenen System mög-
lich. Dabei muss die vorgegebene Belastungsstufe eingehalten Übung
11 werden. 5 Aufstehen in Einbeinstand auf der gesunden Seite. Becken-
Weitere Aktivitäten des verletzten Beins, die den Patienten Rumpf-Kontrolle durch Stabilisationsübung.
12 wieder in die volle Selbständigkeit, Belastungsfähigkeit, in Be-
ruf und sportliche Betätigung führen sollen, sind den Behand- Übung
lungszielen der Umbauphase zugeordnet. Um einer drohenden 5 Gewichtsübernahme, z.B. Minimalbelastung von 15 kg auf
13 Hüftkopfnekrose vorzubeugen, müssen jedoch die zeitlichen der Waage in verschiedenen Gelenkpositionen: Zweibein-
Vorgaben des Arztes beachtet werden. stand, Schrittstellung, betroffenes Bein vorne oder hinten.
14 Voraussetzung für eine optimale Muskelsicherung des Hüft-
Nach ca. 6 Wochen
gelenks ist die physiologische Funktion der Glutealmuskulatur
im Stand und beim Gehen (. Abb. 12.12). Alle bisher genannten Übungen können jetzt gegen Theraband,
15 Bei Bewegungseinschränkungen werden entsprechend der Züge oder manuelle Widerstände ausgeführt werden.
Qualität der Bewegungsstopps PNF-Entspannungstechniken
oder Techniken der Manuellen Therapie (Maitland, Kaltenborn, Übung
16 Frisch) ausgeführt. 5 Unterstütztes Bridging gegen die Eigenschwere; gegen an-
Übungen im Bewegungsbad sind geeignet, um das Hüftge- gepassten Widerstand erst in der Konsolidierungsphase.
17 lenk entlastet zu mobilisieren. Zu beachten ist jedoch das Luxa- Techniken: Endstellung – Halten, Betonte Bewegungsfolge.
tionsmuster und die entsprechende Reluxationsgefahr. 5 Dasselbe, mit den Füßen auf der Stelle treten, ein Bein ab-
heben, jedoch erst in der Umbauphase.
18 ! Cave
Bis zur 6./7. Woche sind Flexionsübungen nur bis 60/90° auszu- Ausgangsposition
19 führen, je nach Verordnung! Bauchlage.

Übung (bei dorsaler Luxation)


20 5 Anheben des Beins mit leicht gebeugtem Knie gegen ma-
nuellen Widerstand.
21
13.3 Literatur
259 13

Ausgangsposition 13.3 Literatur


Seitenlage auf nicht betroffener Seite.
Bergmann G et al (1989) Gelenkkraftmessungen an einem Patienten
Übung mit beidseitiger Hüftendoprothese, Fortschritte in der Orthopädie
5 Verbesserung der Hüftgelenkextension mit PNF-Entspan- (Sonderdruck). Thieme, Stuttgart New York
Bizzini M (2000) Sensomotorische Rehabilitation nach Beinverletzungen.
nungstechnik »Langsame Umkehr – Halten – Entspan-
Thieme, Stuttgart New York
nen«.
Buck M, Beckers D, Adler S (2004) PNF in der Praxis, 5. Aufl. Springer, Ber-
lin Heidelberg New York
Ausgangsposition Hüter-Becker A (2005) Physiotherapie in der Traumatologie/Chirurgie.
Rückenlage. Thieme, Stuttgart New York
Lanz v T, Wachsmuth W (2000) Praktische Anatomie, Bein und Statik.
Übung Springer, Berlin Heidelberg New York
5 PNF-Gehmuster »Extension/Abduktion/Innenrotation« Göhler B (2007) Komplexbewegung contra Einseit-Haltung. Pflaum,
für die Mittelstandphase. Das gesunde Bein ist aufgestellt. München New York
Technik: Betonte Bewegungsfolge, Bewegen – Halten. Göhler B (1993) PNF und Alltag. Pflaum, München New York
Kinzl L, Gebhardt F (2001) Traumataschenbuch. Springer, Berlin Heidel-
5 Dasselbe Gehmuster. Zusätzlich beide Arme in »Extension/
berg New York
Abduktion/Innenrotation« gegen die Bettunterlage stützen.
Loeweneck H, Liebenstund I (1994) Funktionelle Anatomie für Kranken-
gymnasten. Pflaum, München
Ausgangsposition Pauwels F (1975) Gesammelte Abhandlungen zur funktionellen Anatomie
Stand. des Bewegungsapparates. Springer, Berlin Heidelberg New York
Spirgi-Gantert I, Suppé B, Eicke-Wieser K (2006) FBL Klein-Vogelbach
Übung Functional Kinetics: Therapeutische Übungen, 5. Aufl. Springer, Ber-
5 Gesundes Bein steht auf einem dicken Brett. Ferse des be- lin Heidelberg
troffenen Beins nach unten schieben und Bein aus dem Lot Tscherne H, Pohlemann T (1998) Becken und Acetabulum. Springer, Berlin
heraus zur Seite führen, auch gegen gegen Theraband am Heidelberg New York Tokio
Trentz O, Bühren V (2001) Checkliste Traumatologie. Thieme, Stuttgart
proximalen Oberschenkel.
New York
5 Dasselbe nach vorne und hinten.
Van den Berg F (2003, 2001) Angewandte Physiologie, Bd 1 und 3. Thieme,
Stutgart New York
Übung Weigel B, Nerlich M (2005) Praxisbuch Unfallchirurgie. Springer, Berlin Hei-
5 Stabilisation der Bein-Becken-Rumpf-Achse auf Schaukel- delberg New York Tokio
brett, Fußkreisel, weicher Matte, Trampolin.

Übung Die Abbildung 13.3 stellte mir Frau Claudia Klose, PT-Schule am BKH
5 In statisch stabilisiertem Zweibeinstand: Günzburg, zur Verfügung.
– statisch Einbeinstand stabilisieren,
– dynamisch Zweibeinbeugestellung (3-Flex-Stand) sta-
bilisieren,
– dynamisch Einbeinbeugestellung (4-Flex-Stand) stabi-
lisieren (7 Kap. 5, 6, 12 und 16).

Gehschulung
Siehe 7 Kap. 13.1, »Azetabulumfraktur« und 7 Kap. 12, 14 und
16.
14

Schenkelhalsfraktur

Einteilung – 262 14.1 Patientenbeispiel – 277


Ursachen – 262 Befundaufnahme – 277
Charakteristische Symptome/ ICF-Dokumentation – 278
Leitsymptome – 262
Behandlungsrichtlinien und 14.2 Literatur – 280
therapeutische Maßnahmen – 262
Gesamtproblematik bei
geriatrischen Patienten – 269
Komplikationen – 269
Befunderhebung – 270
Behandlungsmöglichkeiten – 271
Übungsbeispiele – 275
262 Kapitel 14 · Schenkelhalsfraktur

Einteilung Konservatives/operatives Vorgehen


1 Bei eingestauchten stabilen Adduktionsfrakturen (Pauwels-I-
5 mediale Schenkelhalsfraktur (intrakapsulär), Frakturen, Garden-I-Frakturen) ist eine konservative Therapie
2 5 intermediäre Schenkelhalsfraktur, ausreichend.
5 laterale Schenkelhalsfraktur (extrakapsulär). Schenkelhalsfrakturen und pertrochantere Frakturen werden
heute überwiegend operativ versorgt. Dies bedeutet, dass bei be-
3 Vom therapeutischen Standpunkt aus können per- und subtro- wegungs-/belastungsstabilen Osteosynthesen oder nach Einsatz
chantere Frakturen den Femurfrakturen zugeordnet werden. von Endoprothesen direkt am nächsten Tag oder nach Entfer-
Dem Mechanismus nach werden die Frakturen auch in Ab- nung der Redon-Drainagen eine Behandlung beginnen kann.
4 duktions-/Adduktions- und Abscherfrakturen eingeteilt. Kli- Die Entscheidung für die Osteosyntheseart richtet sich nach
nisch relevant sind die Klassifizierungen nach Pauwels (1995) Frakturlage, Frakturwinkel, Stellung des medialen Fragmentes,
5 (. Abb. 14.8) oder nach Garden (s. Schatzker 1996). Sie richten Durchblutungsverhältnissen, Grundkrankheit und Aktivitäten
sich nach den Stellungen des Hüftkopffragmentes. des Patienten.
Bei instabilen Frakturen kommen als Osteosyntheseverfah-
6 Garden I In Adduktions-/Valgusstellung eingestauchte Fraktur ren zur Anwendung:
5 kanülierte Spongiosaschrauben bei jüngeren Patienten,
Garden II Nicht dislozierte Fraktur
7 5 dynamische Hüftschrauben (. Abb. 14.1) bei Patienten mit
Garden III In Abduktions-/Varusstellung disloziert guter Knochenstruktur,
5 Spongiosaschrauben oder kanülisierte Schrauben
8 Garden IV Starke Dislokation
(. Abb. 14.2),
5 Y-Nagel (. Abb. 14.3),
5 Endoprothese, zementiert, unzementiert bei Osteporose
9 oder Koxarthrose (. Abb. 14.4) oder
Ursachen 5 Totalendoprothese, zementiert, unzementiert (. Abb. 14.5),
10 5 Variokopf-, Duokopf-, Langschaft- oder Krückstockpro-
5 indirekte und direkte Gewalteinwirkung durch Sturz auf these (. Abb. 14.6),
das Knie oder den Trochanter, 5 Verbundosteosynthese bei pathologischen Frakturen.
11 5 Spontanfraktur bei bestehender Osteoporose oder Osteoly-
se, u.a. onkologische Patienten. Seit einiger Zeit werden durch minimale invasive Verfahren
12 sog. AMIS-Endoprothesen (Anterior Minimal Invasive Surge-
ry) implantiert.
Charakteristische Symptome/Leitsymptome Trochantere Frakturen können mit einer dynamischen Hüft-
13 schraube (DHS), einem Gamma-Nagel oder einer Endoprothe-
5 Außenrotationsstellung und Beinverkürzung, se versorgt werden. DHS und Gamma-Nagel sind mechanisch
14 5 Schwellung, belastungsstabile Osteosynthesen. Wegen der notwendigen
5 Belastungsunfähigkeit, Weichteilheilung finden alle Behandlungskriterien der Entzün-
5 Bewegungs- und Klopfschmerz, dungs-, Proliferations-, Konsolidierungs- und Umbauphase Be-
15 5 Bewegungsunfähigkeit gegen die Schwerkraft. achtung (van den Berg 2003).

Wichtig
16 Behandlungsrichtlinien und therapeutische
5 Alle Osteosynthesen werden entsprechend ihrer mecha-
Maßnahmen
17 nischen Stabilität bewertet. Der erreichte Stabilitätsgrad
richtet sich nach der Art der verwendeten Osteosynthe-
Aufgrund der reduzierten motorischen Koordinationsfähigkeit
se und dem Zustand der knöchernen Struktur (Osteopo-
im Alter und der zunehmenden Osteoporose ist die Schenkel-
18 halsfraktur eine typische Fraktur des älteren Menschen. rose).
5 Eine vom Arzt erlaubte axiale Vollbelastung bedeutet
noch keine Trainingsstabilität.
19 Ärztliche Behandlung
Zur Diagnostik werden Beckenübersichts- und Lauensteinauf-
nahmen gemacht. Die axiale Röntgenaufnahme ermittelt eine Richtungsweisende Faktoren für die ärztliche Versorgung sind:
20 Dislokation in der axialen Ebene, die evt. sonst übersehen wür- 5 Durchblutungssituation im Frakturbereich (. Abb. 14.7),
de. Bei Verdacht auf Hüftkopfnekrose wird ein Szintigramm ge- 5 Knochendichte,
21 macht. 5 Unfallmechanik (Adduktions- oder Abduktionsfraktur),
14 Schenkelhalsfraktur
263 14

a b c

. Abb. 14.1a-c. a Schenkelhalsfraktur, b Osteosynthese mit DHS und Zugschraube, c seitliche Aufnahme der Osteosynthese

a b c

. Abb. 14.2a,b. a Schenkelhalsfraktur Pauwels III, b Schraubenosteosynthese

5 Frakturwinkel nach Pauwels (. Abb. 14.8), kelablösungen können die Entwicklung einer heterotopen Kalzi-
5 mediale Abstützung am Adam-Bogen und fikation hervorrufen.
5 Alter des Patienten (biologisches Alter). Mediale und intermediäre Schenkelhalsfrakturen sind intra-
kapsuläre Frakturen. Der Hüftkopf wird zu fast 100 durch die
Auch Schnittführung und Blutstillung scheinen sich auf die Kapselgefäße ernährt. Das kleine Gefäß im Lig. capitis femoris
Frakturheilung auszuwirken. Hämatome und großzügige Mus- spielt schon im Alter von 30 Jahren keine Rolle mehr. Die Kap-
264 Kapitel 14 · Schenkelhalsfraktur

. Abb. 14.5. Zementierte


1 Totalendoprothese

2
3
4
5
6
a b

7 . Abb. 14.3a,b. a Pertrochantere Fraktur, b Osteosynthese mit Gam-


ma-Nagel . Abb. 14.6. Krückstock-
8 prothese mit Langschaft

9 . Abb. 14.4. Moore-Prothese


nach Schenkelhalsfraktur

10
11
12
13
14 Kapselgefäß der
A. circumflexa
femoralis lateralis
15
16
A. femoralis

17 A. circumflexa
femoralis medialis

18 A. circumflexa
femoralis lateralis
A. femoralis Arteriae
19 profunda nutriae des
Femurkopfes

20 Rechtes Hüftgelenk von dorsal gesehen

. Abb. 14.7. Normale Durchblutung des Femurkopfes


21
14 Schenkelhalsfraktur
265 14

selgefäße verlaufen dorsal-kranial in der Synovia bis zum Fe- Scherkräfte verzögern die Heilung der Fraktur und sollen des-
murkopfknorpel und weiter in den Knochen. Die metaphysären halb vermieden werden.
Gefäße verlaufen intraossär zum Hüftkopf. Für den Zusammenhalt des Hüftgelenks ist nach Kapandji
(1985) und den Brüdern Weber der Luftunterdruck verantwort-
Wichtig lich (Magdeburger Halbkugeleffekt, 7 Kap. 13). Darüber hinaus
wirken alle Bänder des Hüftgelenks (Ligg. iliofemorale, pubofe-
5 Bei einer medialen Fraktur sind die subkapitalen Ge-
morale, ischiofemorale) in der Streckstellung stabilisierend. Sie
fäße unterbrochen, und das Hüftkopffragment wird nicht
strahlen in die Zona orbicularis ein und können auf diese Wei-
mehr versorgt.
se den Femurkopf in der Pfanne zentrieren. Ihre Wirkungswei-
5 Bei intermediären und lateralen Frakturen wird der
se ändert sich jedoch bei Beugung, so dass diese Stellung, v.a.
Hüftkopf nur über die metaphysären Gefäße ernährt. Zu-
mit Adduktion und Außenrotation verbunden, eine instabile
dem komprimiert das Frakturhämatom die venösen Kap-
Gelenkstellung ergibt.
selgefäße. In manchen Unfallkliniken wird das Hämatom
Nach Loeweneck (1994) reduziert sich die Kraft aufneh-
daher präoperativ punktiert.
mende Kontaktfläche der Pfanne im Laufe des Lebensalters auf
ein kleines Gebiet am Pfannendach.
Um eine Hüftkopfnekrose zu vermeiden, muss notfallmäßig Nach Bonnaire (1991, 1992) ist die günstigste stabile, trag-
operiert werden. Es besteht nur dann die Chance, den Hüft- fähige Osteosynthese am lateralen Schenkelhals die dynamische
kopf zu erhalten, wenn neue Gefäße in den Hüftkopf einsprie- Hüftschraube, vorzugsweise ergänzt mit einer Zugschraube. Sie
ßen können. Die Ischämiezeit beträgt 6 Stunden (Weigel, Ner- hält einer 1962-N- (200 kp-)Belastung stand. Die Verformungen
lich 2005). nehmen im Einbeinstand (Beckenadduktion) leicht zu. Voraus-
Es ist einsehbar, dass ein konservatives Vorgehen nur für setzung ist allerdings eine gute Knochenstruktur.
jüngere Patienten geeignet ist, die eine gute Spongiosastruk- Beim Gehen koordinieren die axial und spiralförmig ange-
tur besitzen und körperlich in der Lage und zudem zuverlässig ordneten Muskelketten die Beinachse und den Bewegungsab-
sind, das Bein 3 Monate lang zu entlasten. lauf. Mm. gluteus maximus, medius und minimus, M. tensor
fasciae latae, M. quadriceps und M. gastrocnemius sind die Ga-
Anforderungen an die Osteosynthese ranten der Standbeinphase. Der M. sartorius wird im Hüftge-
Die Beurteilung der biomechanisch wirksamen Kräfte in Scher- lenk- und Kniegelenkbereich gedehnt und gleicht einem straf-
und Druckkräfte erfolgt nach Pauwels (. Abb. 14.8). Die Eintei- fen Band. Durch seinen spiralförmigen Verlauf gibt er Knie-
lung wird entsprechend den Frakturwinkeln in Pauwels I, II, und Hüftgelenk eine Rotationsstabilität. Er unterstützt das me-
oder III vorgenommen. Zug- und Scherkräfte müssen mittels diale Seitenband des Kniegelenks und die Innenrotationswir-
der Osteosynthese in Druckkräfte umgewandelt werden, um ei- kung des M. tibialis anterior auf den Unterschenkel (Bizzini
ne mechanische Stabilität zu gewährleisten. 2000, Beinachsentraining im geschlossenen System).
Funktionell wirken die Spannungskräfte der Mm. gluteus Diese Überlegungen müssen bei der zu planenden opera-
medius und minimus als Druckkräfte auf die Fragmente; ab- tiven Versorgung der Schenkelhalsfraktur und der anschlie-
scherend wirken Mm. gluteus maximus, iliopsoas, rectus fe- ßenden Bewegungstherapie miteinbezogen werden.
moris, Mm. adductores, Außenrotatoren und die Schwerkraft.

30° 50° 70° 70° R

Z
Ks

a 1 2 3 b

. Abb. 14.8a,b. a Einteilung der Schenkelhalsfrakturen nach Pauwels, b Scherkräfte bei Pauwels-III-Fraktur. R Resultierende des Kräfteparallelo-
gramms, Z Zugkraft, K Körpergewicht, O Drehpunkt
266 Kapitel 14 · Schenkelhalsfraktur

Implantation einer Endoprothese Langzeitergebnisse über Risiken und Vorteile der AMIS-Tota-
1 Nach v. Lanz u. Wachsmuth (2003) hat die Pfannenebene beim lendoprothese stehen noch aus. Neue Implantatmaterialien und
Erwachsenen einen Winkel von 41° nach laterokaudal und 40° -formen werden ständig weiterentwickelt, um Methoden und
2 nach ventral. Bei der Implantation einer Totalendoprothese
muss der Pfanneneingangswinkel der künstlichen Pfanne zur
Langzeitstabilität der Implantate zu verbessern, z.B. Modulpro-
thesen, die individuell angepasst werden können.
Horizontalen und Sagittalen die gleiche Stellung erhalten, um Alle Patienten haben nach einer primär stabilen Endopro-
3 eine sichere Stellung des Prothesenkopfes in der Pfanne zu ga- these keine Frakturschmerzen mehr. In der Literatur wird für
rantieren. Bei steilerem Pfanneneingangswinkel und zu großem alle Implantate eine Langzeitstabilität von 10–15 Jahren angege-
Prothesenkopf besteht Luxationsgefahr! ben. Jüngere Patienten müssen sich auf einen Prothesenwech-
4 sel einstellen.
Wichtig Eine erfolgreiche Langzeitstabilität der Endoprothese ist
5 Traditionell sind Totalendoprothesen durch drei Zugänge
auch abhängig von einer sorgfältigen physiotherapeutischen Be-
handlung und Einstellung der Belastung auf das Hüftgelenk in
möglich (Weigel, Nerlich 2005):
der Proliferationsphase.
6 5 anterolateral (nach Watson-Jones),
5 lateral, transgluteal (nach Bauer), Wichtig
5 dorsal (nach Moore).
7 Alle Belastungen auf das Hüftgelenk sollen in den ersten 6
Wochen grundsätzlich unter dem 2-fachen Wert des Körper-
8 Vorderer Zugang. Der vordere Zugang hat den Vorteil, dass die gewichts liegen (Wirtz, Heller, Niethard 1998).
Kapsel ohne große Präparation erreicht wird (s. auch AMIS-En-
doprothese). Der Nachteil besteht darin, dass man den M. glu-
9 teus medius an der Trochanterspitze abtrennen und später wie- Stabilität der Implantate
der inserieren muss. Daraus resultiert häufig eine postoperative Die Belastung des Hüftgelenks variiert je nach Körperposition.
10 Schwäche der Glutealmuskulatur. Der Vorteil des dorsalen Zu- Bergmann et al. (1989, 1992) beschreiben Messungen der Hüft-
gangs liegt in der guten Übersicht; Nachteil ist die erhöhte Luxa- gelenkbelastung mit einer telemetrischen Messendoprothese im
tionsgefahr nach dorsal. Verhältnis zum Körpergewicht.
11
Transglutealer Zugang. Beim transglutealen Zugang wird die Ausgangsposition Vielfaches des
12 Glutealmuskulatur gespalten, ebenso die Fascia latae. Die Über- Körpergewichts
sicht ist sehr gut, es besteht jedoch die Gefahr der Verletzung
Rückenlage 0,3-faches
des N. femoralis und der Schwächung der kleinen Glutäen.
13 Sitzen 0,3-faches
AMIS-Endoprothese. Die AMIS-Endoprothese eignet sich für
Aufstehen ohne Händeabstützen 2,2-faches
14 schlanke, junge und gesunde Patienten und bedarf einer sorg-
fältigen Evaluation vor dem Eingriff. Sie erfordert vom Ope- Aufstehen mit Händeabstützen 1,1-faches
rateur eine große Erfahrung. Durch zwei kleine Schnitte vent-
15 ral und lateral wird die Glutealmuskulatur in geringerem Ma- Stand auf beiden Beinen 0,7-faches
ße gespalten oder abgetrennt als bei den traditionellen Zugän- Gehen 4,5-faches
gen. Das Implantat unterscheidet sich nicht. Bei der Implan-
16 tation hat der Operateur keine Sicht, daher muss das Einbrin-
gen unter Röntgenkontrolle geschehen. Nach AAOS (Ameri- Mit Unterarmstützen kann im Drei-Punkte-Gang die Belastung
17 can Academy of Orthopedic Surgeons) dauert eine AMIS-To- um 25 gesenkt werden.
talendoprothesen-Operation 2- bis 3-mal länger als eine kon- Die Gehgeschwindigkeit verstärkt die Belastung des Hüft-
ventionelle Endoprothesenoperation. Zudem stellen Strahlen- gelenks:
18 belastung und - dauer ein gewisses Risiko dar. Vorteile dieser 5 Gehen mit einer Geschwindigkeit von 0,8 m/sec erhöht die
Methode sind: Belastung um das 4,1-fache,
19 5 kosmetisch kleinere Narben, 5 Gehen mit einer Geschwindigkeit von 1,6 m/sec um das
5 geringere Muskelschädigungen und 6,9-fache des Körpergewichts (Röhrle et al. 1984).
5 schnellere Mobilisierung.
20
21
14 Schenkelhalsfraktur
267 14

Wichtig Dekubitus, zu vermeiden und Übungsformen alltäglicher Ak-


tivitäten in der geschlossenen Kette bei geringer Belastung zu
Bezogen auf physiotherapeutische Maßnahmen ergaben schulen.
die Messungen von Bergmann (1989, 1992) folgende Hin- Die meisten Patienten werden jedoch operativ versorgt. Bei
weise: der fortschrittlichen Entwicklung der Anästhesie ist es heute
5 Assistives/aktives Üben aus der Rückenklage erhöht die möglich geworden, auch älteren Patienten eine schonende Nar-
Hüftgelenkbelastung um das 0,5-fache, kose zu geben (evt. Lumbalanästhesie).
5 statische Übungen um das 1,5-fache, Bei Hüftkopf erhaltenden Gleitosteosynthesen wird am Tag
5 Üben gegen Widerstand, je nach Hebellänge um das der Entfernung der Redon-Drainagen 1-mal belastet und an-
1,0- bis 2,8-fache des Körpergewichts. schließend eine Röntgenkontrolle durchgeführt. Ist diese ohne
Befund, kann der Patient eine Belastung von 15 kg einüben. Die-
se soll er bis zur 6. Woche einhalten und anschließend befund-
Diese biomechanischen Aspekte spielen auch eine große Rolle bezogen langsam steigern. Ab der 10. Woche soll die Vollbela-
bzgl. der Belastungsfähigkeit einer zementfreien Totalendopro- stung erarbeitet, ab der 12. Woche erreicht sein.
these (Wirtz, Heller, Niethard 1998). Patienten mit einer kanülierten Schraubenosteosynthe-
Relativbewegungen (kleine Bewegungen zwischen Knochen se sollen 7–8 Wochen mit einer Teilbelastung von 15 kg gehen.
und Prothesenschaft) und Gelenkbelastungen fördern eine Im- Wenn das Gehen schmerzfrei und die Rumpf-Becken-Bein-Sta-
plantatlockerung. Besonders Rotationsbelastungen, die bei al- bilität erreicht ist, kann diese wöchentlich um 10–15 kg gestei-
ternierendem Treppensteigen, Aufstehen ohne Abstützen mit gert werden.
den Armen, Gehen ohne Unterarmstützen oder Widerstands- Bei fraglicher medialer Abstützung wird langsamer gestei-
übungen mit langem Hebel vorkommen, lösen eine Prothesen- gert. Bis zur 6. Woche wird entlastet, dann minimal belastet
schaftlockerung aus. Eine Osteointegration zementfreier Im- und erst in der 8. Woche mit 15–20 kg belastet. Dieses Procede-
plantate ist durch diese Relativbewegungen nicht möglich. re wird auch bei jüngeren Patienten mit einer zementfreien Pro-
Bei zementfreien Totalendoprothesen muss die Primärstabi- these empfohlen.
lität durch eine ossäre Integration vervollständigt werden, die Zementierte Teil- oder Totalendoprothesen, AMIS-Endopro-
in der ersten Stufe etwa 3 Monate, bis zum vollständigen, dauer- thesen und Verbundosteosynthesen sind primär teilstabile Ver-
haften lamellären Knochenumbau bis zu 24 Monaten andauert. sorgungen. Sie lassen bei gutem Allgemeinzustand, nach gesi-
Abhängig ist die Osteointegration auch von der präoperativen cherter Wundheilung und muskulärer Sicherung des Hüftge-
Knochenstruktur. Ein osteoporotischer Knochen eignet sich lenks eine sofortige Teilbelastung zu.
u.U. nicht für ein zementfreies Implantat. Untersuchungen (Gallob et al. 1999) zur tatsächlichen Be-
Pfannenlockerungen entstehen eher durch eine zu hohe Be- lastung oder Teilbelastung nach Hüftgelenktotalendoprothesen
lastung und weniger durch Rotationskräfte. Dies liegt vermut- ergaben, dass i.d.R. eine 15- oder 20-kg-Teilbelastung um 45
lich an den heute verwendeten Gleitpaarungen (Polyäthylen, übertroffen wurde. Man kann davon ausgehen, dass v.a. ältere
Keramik, Titan) mit zementfreien »Press-fit-Pfannen« oder mit Patienten nicht in der Lage sind, die vorgegebene Belastungs-
Schraubpfannen, die eine geringere Reibung erzeugen. stufe einzuhalten, da ihnen das Körpergefühl und die Einschät-
Zementierte Implantate zeigen bei allen Messungen eine ho- zung der abgestuften Belastung fehlen, auch wenn diese auf
he Primärstabilität. Waagen eingeübt wurde. Die Ursachen für eine Implantatlocke-
rung und eine mangelnde Osteointegration können also schon
! Cave in der frühen postoperativen Phase liegen. Hinzu kommt, dass
Bei unzementierten Totalendoprothesen sind Rotationsbela- bei korrekt sitzender Totalendoprothese keine Schmerzen auf-
stungen, Üben gegen Widerstand mit langem Hebel, alternie- treten, die als Warnsignale gelten könnten.
rendes Treppensteigen oder Bridging in der Proliferationspha- Gehen über eine längere Strecke, in der mehrere Waagen
se unbedingt zu vermeiden! oder Kraftmessplatten in den Boden eingelassen sind, wäre
wünschenswert, ist aber in den wenigsten Kliniken vorhanden.
Belastungsstabilität
Da die Schenkelhalsfraktur besonders ältere Menschen be- Wichtig
trifft, spielt die Frühmobilisierung eine große Rolle. Die weni-
Die Belastung wird symptomatisch gesteigert, so wie es
gen nicht dislozierten, eingekeilten Pauwels-I-Frakturen werden
Belastbarkeit, Bewegungskoordination und Ausdauervermö-
auch bei konservativer Behandlung früh mobilisiert und bis zur
gen des Patienten zulassen.
Schmerzgrenze minimal belastet (Gehwagen, Gehbarren, Rol-
lator, Stützen).
Das frühe Aufstehen trägt dazu bei, gefürchtete Komplika-
tionen bei älteren Menschen, z.B. Pneumonie, Thrombose oder
268 Kapitel 14 · Schenkelhalsfraktur

Leider halten sich ungeduldige Patienten oder Ärzte nicht an 5 hoher Sitz in strecknaher Hüftgelenkposition mit ange-
1 die sehr sinnvollen Belastungsstufen, so dass die Ergebnisse lehntem Rücken,
nicht immer gut sind. 5 Stand mit Hilfsmitteln oder
2 Nach 8–12 Wochen kann eine Totalendoprothese i.d.R. voll 5 Halbsitz auf der Therapiebank bei erlaubter Teilbelastung
belastet werden. (. Abb. 14.9).
Bei Patienten mit Trochanterabtrennung oder intraopera-
3 tiver Ablösung der Mm. gluteus medius und minimus muss ei- Die biomechanischen Gesetzmäßigkeiten gelten für alle Ver-
ne entsprechend niedrige Belastungsstufe gewählt werden. Das sorgungen. Physiotherapeuten müssen verantwortlich abwä-
Training der Mm. gluteus medius und minimus bis Testwert 3 gen, welche Belastungsstufe sie in der Frühbehandlung vom Pa-
4 dauert lange (Becken-Bein-Stabilisation im Einbeinstand). tienten fordern. Am besten unterstützt der Wechsel von Bewe-
Bei Einsetzen von Variokopf- oder Langschaftprothesen wer- gung und adäquater Belastung den Heilungsprozess.
5 den die Glutäen an der Prothese fixiert. Diese Prothesen sind
besonders luxationsgefährdet und bedürfen einer mindestens Wichtig
4-wöchigen Entlastungszeit. Auch bei diesen Patienten ist die
6 Funktion der kleinen Glutäen nur sehr langsam zu erreichen. Als häufigste Ursachen für eine schlechte Ausheilung der
Fraktur oder eine Luxation der TEP gelten:
5 Bewegungsmuster mit scherender Wirkung wie Flexion/
7 Wichtig
Adduktion/Außenrotation, z.B.:
Schüler sollten sich die Informationen über operative Versor- – Sitzen mit übergeschlagenen Beinen,
8 gung aus OP-Bericht und Röntgenbild einholen. – Drehen von Rückenlage in Seitenlage über die ge-
sunde Seite und in den Sitz,
– Sitzen in tiefen Sesseln,
9 Physiotherapeutische Behandlung – Sitzen im Bewegungsbad, Flexionsübungen am Be-
ckenrand,
Eine Bewegungsstabilität sinnvoll zu nutzen, bedeutet, exakt die
5 Brustschwimmen,
10 Muskelspannung oder das Körpergewicht auf die Osteosynthe-
5 zu starke Belastung des Hüftgelenks in Beugestellung.
se zu bringen, die deren Tragfähigkeit zulässt. Übungen im ge-
Alle diese Bewegungsmuster sind streng zu vermeiden, da
schlossenen und offenen System müssen entsprechend niedrig
11 dosiert werden. sie zu einer TEP-Lockerung oder Refraktur führen können.
Während der ersten 6 postoperativen Wochen wird die Be-
12 handlung folgendermaßen eingestellt:
. Abb. 14.9. Hoher Halb-
Aktiv/assistives Üben der Muskulatur, die Druck auf die Frag-
sitz an Bankkante, Standbein
mente ausübt (abgenommenes Beingewicht), jedoch nicht mit
13 langem Hebel und nicht gegen die Schwerkraft.
auf der Waage zur Kontrolle
der Belastungsstufe

14 Wichtig

Keine normale Seitenlage!


15
Aktive/assistive Erarbeitung der Hüftgelenkstreckung für den
Stand.
16 Transfer aus dem Bett in den hohen Sitz über die operierte
Seite ohne Adduktion/Außenrotation.
17 Hilfestellung und Abstützen mit den Armen beim Aufste-
hen.
Stand auf beiden Beinen mit Hilfsmitteln, Korrektur der
18 Beinachsen, Becken- und Rumpfstellung ohne Rotation.
Gehschulung mit Gehhilfen, Minimalbelastung oder 15–20
19 kg Teilbelastung unterhalb der Schmerzgrenze und ohne Ab-
weichung von den Beinachsen im Drei-Punkte-Gang.
Treppensteigen mit Anstellschritt: Gesundes Bein zuerst hi-
20 nauf, operiertes Bein zuerst hinab.
Günstige Ausgangsstellungen für die Stabilisation der Bein-
21 achse sind:
14 Schenkelhalsfraktur
269 14

Da Patienten heute frühzeitig in Rehabilitationseinrichtungen Wichtig


überwiesen werden, müssen sie die vom Operateur aufgestell-
ten Richtlinien der Behandlung gut kennen, um die Heilung mit- Physiotherapeuten sollten im Umgang mit älteren Patien-
zutragen. ten den physiologisch verlangsamten Bewegungen, dem
Der Schwerpunkt der Physiotherapie muss auf Gelenkstabi- Nachlassen der Konzentrations- und Merkfähigkeit sowie der
lisierung ausgerichtet sein, nicht auf Mobilisierung. Abnahme von Ausdauer, Kraft und Geschicklichkeit Rech-
Vor allem das Bewegen im Bewegungsbad kann kontraindi- nung tragen. Im Sinne einer ganzheitlichen Therapie müs-
ziert sein. Zudem macht es wenig Sinn, einen älteren Patienten, sen Nebenerkrankungen und Multimorbidität berücksichtigt
der auch sonst nie schwimmt, einer Wasserbehandlung auszu- werden.
setzen. In Einzelfällen kann jedoch eine individuelle Behand-
lung im Wasser sinnvoll sein.
Leider ist heute das Erlernen der Selbständigkeit und Ausfüh-
Gesamtproblematik bei geriatrischen Patienten ren einfacher Tätigkeiten in der verkürzten Krankenhauszeit
Neben den Kenntnissen der Biomechanik und der ärztlichen nur selten möglich. Alte Patienten werden aus vielerlei, nicht
Versorgung muss in die Überlegungen, wie stark die Endo- zuletzt auch aus finanziellen Gründen, frühzeitig in Pflege-
prothese belastet werden kann, auch die Wahrnehmung des heime oder kleine Privatkliniken entlassen, wo sie selten ausrei-
Patienten in seiner aktuellen Situation miteinfließen. chende physiotherapeutische Behandlung erfahren, um wieder
Neben den physischen Kräften muss die geistige und psy- selbständig zu werden.
chische Situation des Patienten berücksichtigt werden. Patienten Der Beratung von Patienten im Hinblick auf eine weiter-
und auch Physiotherapeuten müssen die altersbedingten Ein- führende ambulante Physiotherapie, z.B. durch Hausbesuche,
schränkungen akzeptieren und entsprechend damit umgehen. kommt eine große Bedeutung zu. Nicht immer ist eine Verle-
Ein übermäßiges Korrigieren von Haltung oder Beinach- gung in eine orthopädische Rehabilitationsklinik sinnvoll.
se kann falsch sein und den Patienten entmutigen und demo- In . Übersicht 14.1 sind Richtlinien für den Umgang mit ge-
tivieren. riatrischen Patienten zusammengefasst.
Alte und sehr alte Menschen haben oft Probleme, mit der
ungewohnten Krankenhaussituation und dem Verletzungsge-
schehen umzugehen. Sie verlieren ihre Selbständigkeit. Als Fol- . Übersicht 14.1. Richtlinien für den Umgang mit
ge der Verletzung, Operation und Medikation oder auch, weil geriatrischen Patienten
sie zu wenig trinken/zu trinken bekommen, werden alte Men- 5 Sich Zeit nehmen, keinen Zeitmangel zeigen.
schen oft apathisch, unflexibel, ängstlich, manchmal sogar ver- 5 Geduldig sein, auch mal zuhören können.
wirrt. Sie können die Belastungsmöglichkeit einer stabilen Os- 5 Sicherheit geben.
teosynthese ohne Hilfe nicht ausnutzen. 5 Motivieren, reale Hoffnung und positives Feedback ge-
Im Krankenhaus sollten daher Pflegepersonal, Ergothera- ben.
peuten und Physiotherapeuten sinnvoll zusammenarbeiten, um 5 Blickkontakt halten, wenige Aufträge klar, einfach,
diese Patienten vielseitig zu fordern und zu fördern, gleichzeitig deutlich und laut geben.
jedoch nicht zu überfordern und zu ermüden. 5 Schmerzen und Ermüdung beachten.
Weder das Abschieben in einen Sessel noch das Überfor- 5 Einfache Übungen in Sequenzen ausführen.
dern durch ständiges Aufstehen ist richtig. Auch ein behinder- 5 Ausreichende Pausen einfügen, Atmung beachten und
ter, alter Mensch wird i.d.R. einfache Aktivitäten des Alltags wie- Atemtherapie zwischenschalten.
dererlernen und weiterführen können, wenn er sinnvoll ange- 5 Genügend Wiederholungen setzen.
lernt wird. 5 Alltagsbezogene Übungen auswählen.
Aktivitäten, die ihm geläufig sind wie z.B. Aufsetzen, Auf-
stehen, Stand (mit entsprechenden Hilfsmitteln), Schrittfolgen,
Hinsetzen oder -legen, Körperpflege etc. sollen in Sequenzen
eingeübt, schrittweise gesteigert und behutsam korrigiert wer-
den. Komplikationen

Bei Hüftkopf erhaltenden Osteosynthesen:


5 Pneumonie,
5 Thrombose,
5 Dekubitus,
5 Femurkopfnekrose,
5 Infektion,
270 Kapitel 14 · Schenkelhalsfraktur

5 Pseudarthrose, Bei Totalendoprothesen:


1 5 später Arthrose. 5 Hämatom,
5 Infektion,
2 Bei pertrochanteren Frakturen mit Gamma-Nagel: 5 Luxation der Totalendoprothese (TEP),
5 distale Schaftperforation, 5 Lockerung des Prothesenschafts.
5 Rotationsfehler,
3 5 Hämatom, Serom,
5 Wundinfektion, Osteitis,
5 tiefe Beinvenenthrombose.
4
5
Befunderhebung
6
Beurteilen 5 Allgemeine Symptome (7 Kap. 12, »Beckenfraktur«).
5 Röntgenbild: Lage und Stellung der Fraktur, Konsolidierung, Pfanneneingangswinkel bei TEP.
7 5 Stellung des Beins, Beinachse, z.B. Außenrotationsposition, Beinlänge im Seitenvergleich.
5 Wundheilung, später Narbe.
5 Durchblutung, Schwellung, Hämatom.
8
Messen 5 Aktives Bewegungsmaß der Abduktion unter abgenommener Schwere. Die Adduktion darf nicht gemessen
werden.
9 5 Aktives Bewegungsmaß der Hüftgelenkextension bei aufliegendem Bein durch Hüftgelenkflexion der Gegen-
seite (Thomas-Handgriff ).
5 Innenrotation nach Rücksprache mit Arzt und bei dorsalem OP-Zugang. Außenrotation darf nicht gemessen
10 werden bei ventralem Zugang und nicht in Kombination mit Hüftgelenkflexion. In Zweifelsfällen wird nur die
Korrektur aus einer Fehl- in die Nullstellung beurteilt. Alle Maße müssen im Seitenvergleich notiert werden.
5 Aktives Bewegungsausmaß der Knie- und Sprunggelenke. (Das Kniegelenk des betroffenen Beins kann evt. im
11 Überhang gemessen werden.)
5 Umfangmaße, soweit es der Verband ermöglicht.
12 Prüfen 5 Muskelteststufe 2 für Mm. gluteus medius und minimus.
5 Beckenkontrolle in Mittelstellung im Stand.
5 M. quadriceps ohne Hüftkomponente Teststufe < 3; Mm. ischiocrurales, triceps surae je nach Stabilitätsgrad.
13 5 Qualität des Bewegungsstopps (Endgefühl) je nach Stabilitätsgrad.
Wichtig
14 Nicht getestet werden dürfen die Mm. iliopsoas, adductores, rectus femoris, Außen- oder Innenrotatoren und glute-
us maximus, d.h., Kombinationsbewegungen sollen nicht geprüft werden, um eine Dislokation oder Luxations zu
vermeiden.
15 5 Kontrolle der Rumpf-Becken-Bein-Stabilität, ohne Rotation; bei vorgegebener Belastungsstufe im hohen Sitz
und Stand auf Waagen und mit Hilfsmitteln.
5 Stützvermögen der Arme, Umgang mit Gehhilfen.
16 5 Sensibilität.
5 Hauttemperatur, Narbe, soweit der Verband es zulässt.
5 Muskelverhärtungen, Abwehrspannungen der Mm. adductores und Tractus iliotibialis.
17
Notieren und 5 Schmerzen und Beschwerden: Wann, wo, wie, in Ruhe, bei Bewegung; bei Belastung evt. ziehend, scharf, ste-
Bewerten chend (VAS).
18 5 Kooperationsfähigkeit.
5 Medikamenteneinnahme und Nebenerkrankungen.
5 Individuelle Situation des Patienten bzgl. Selbständigkeit, Aktivitäten.
19 5 Kooperation, Motivation.
5 Zukunftsplanung, Teilhabe an Gesellschaft.
5 Umweltfaktoren (Familie, Freunde, Nachbarn, finanzielle Situation).
20
21
14 Schenkelhalsfraktur
271 14

Behandlungsmöglichkeiten Wie bei anderen Verletzungen soll eine Eisbehandlung. nur


in der Entzündungsphase angewendet werden. Meist fühlen
Grundsätzliches Vorgehen sich alte Menschen bei Kälteanwendungen ohnehin nicht wohl.
In . Übersicht 14.2 sind die Schwerpunkte der physiotherapeu-
tischen Behandlung nach Schenkelhalsfrakturen zusammenge- 3. Dekubitusprophylaxe
fasst. Auch wenn heute die Liegezeit nach Schenkelhalsfraktur für
die Patienten kurz geworden sind, muss in manchen Fällen mit
Druckstellen im Kreuzbeinbereich oder an den Fersen gerechnet
. Übersicht 14.2. Gesichtspunkte der Behandlung werden. Gerade alte Menschen liegen oft im Bett, ohne sich ge-
1. Pneumonie- und Thromboseprophylaxe. nügend zu bewegen.
2. Unterstützung des Heilungsprozesses. Prophylaktisch hat es sich bewährt, eine handelsübliche De-
3. Dekubitusprophylaxe. kubitusmatratze oder ein Schaffell als Unterlage zu verwenden
4. Lagerungskontrolle und Patiententransfer. und die prominenten Stellen des Körpers frei zu lagern.
5. Erhalten der nicht betroffenen Arm- und Beinfunkti- Die Patienten werden aufgefordert, in Eigenübung mehr-
onen. mals am Tag die Gesäß- und die Bauchmuskeln anzuspannen,
6. Mobilisation der Knie- und Sprunggelenke. das Becken ganz leicht abzuheben und dabei mit den Händen
Frühbehandlung fest auf die Matratze zu drücken.
7. Aufbau einer Muskelspannung zur Sicherung der Frak- Eine weitere Eigenübung wäre: Knie strecken, Gesäß an-
tur/Stellung der TEP. spannen und Kopf lang herausschieben.
8. Verbesserung der Funktion der Hüftgelenkmuskula- Problematisch ist meist das Umlagern in Seitenlage: Liegt
tur unter Berücksichtigung des Befundes: Koordination, das gebrochene Bein oben, muss es in Beckenbreite unterlagert
Kraft, Ausdauer. sein; das Knie darf nicht in eine Adduktions-/Innenrotations-
9. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten, Gehschu- stellung absinken. Mit dem üblichen Lagerungsmaterial gelingt
lung. dies meist nicht; deshalb verwendet man besser feste Schaum-
stoffkissen.
Wird eine Druckstelle zu spät entdeckt, und ist sie bereits
aufgebrochen, muss Druck entlastend gelagert werden.
1. Pneumonie- und Thromboseprophylaxe
Siehe 7 Kap. 3, »Prä- und postoperative physiotherapeutische 4. Lagerung und Patiententransfer
Behandlung«. In der Frühphase sollte darauf geachtet werden, dass die Betten
Bei ausgeprägter Schwellung ist eine Manuelle Lymphdrai- mit dem Kopfteil nur so weit hochgestellt werden, dass die Pati-
nage wirksam. enten nicht in der Atmung behindert sind.
Als aktive Maßnahmen zur Thromboseprophylaxe sollen die Das betroffene Bein wird i.d.R. in einer Schaumstoff-U-
Patienten frühzeitig mehrmals am Tag stehen und entlastet sit- Schiene gelagert. Darin liegt das Bein in Hüftgelenknullstellung
zen (z.B. Rekonvaleszentenstuhl in halbhoher Einstellung) und, aller Bewegungsrichtungen, auch in Rotationsnullstellung. Da
wenn möglich, angeregt werden, die nicht betroffenen Extremi- ein durchgestrecktes Kniegelenk als sehr unangenehm empfun-
täten mehrmals am Tag zu bewegen. den wird, soll ein kleines Schaumstoffpolster unter das Knie ge-
legt werden.
2. Unterstützung des Heilungsprozesses Zu kontrollieren ist, dass die Ferse frei liegt und das Sprung-
Für das zu erwartende ausgeprägte Hämatom (Innenseite des gelenk in Nullstellung bleibt.
Oberschenkels) und die starke Schwellung im Operationsbe- Zur Abschwellung des postoperativen Ödems wird das Bett-
reich ist eine Manuelle Lymphdrainage, nach Fädenentfernung ende hochgestellt. Ist dies aus technischen Gründen nicht mög-
eine weiche Narbenmassage sinnvoll (7 Kap. 11, Narbenbe- lich, muss mit Lagerungsmaterial hochgelagert werden. Diese
handlung). Maßnahme sollte aber spätestens am 3. – 4. postoperativen Tag
Die Spannung des M. tensor fasciae latae behindert häufig abgebaut werden. Eine dauerhafte Lagerung in Hüftgelenkflexi-
die Kniegelenkfunktion. Entspannende vorsichtige Massage- on muss vermieden werden.
griffe können die Spannung lösen und die Durchblutung ver- Bei luxationsgefährdeten Patienten wird das Bein in leichter
bessern. Abduktion gelagert (Spreizkissen zwischen die Beine), manch-
Am wichtigsten sind aktive/assistive oder passive Bewe- mal sogar fixiert.
gungen zur Resorption des Ödems, Hämatoms und zur Verbes- Transfer zur Bettkannte, Umlagern und Positionswechsel
serung der Durchblutung. macht man am besten zu zweit und mit Hilfsmitteln wie Steck-
laken und Plastikfolien. Das Prinzip ist »nicht zu heben, wo ge-
zogen werden kann«. Wenn möglich, sollte nicht aus den Ar-
272 Kapitel 14 · Schenkelhalsfraktur

men, sondern durch Gewichtsverlagerung und aus der Bein- Vom 1. Tag an können die Sprunggelenke in alle Richtungen
1 kraft gearbeitet werden. gegen angepassten manuellen Widerstand dynamisch geübt
Selbstverständlich muss das Bett auf die richtige Arbeitshöhe werden.
2 eingestellt werden. Mit den heute höhenverstellbaren und kipp-
baren Betten kann der Patient mit oder entgegen der Schwer-
Die fehlende Beugung des Kniegelenks wird im seitlichen
Überhang bei unveränderter Hüftgelenkstellung mobilisiert.
kraft bewegt werden. Auch dies schont den Rücken der Thera- Der Patient liegt dabei leicht schräg im Bett, und der Oberkör-
3 peuten (7 Rückengerechter Patiententransfer in der Kranken- per kann leicht erhöht liegen.
und Altenpflege, GUV 2002). Aktive Techniken wie »Dynamische Umkehr – Halten –
Der Patient sollte möglichst bald aktiv beim Transfer mit- Entspannen« oder »Rhythmische Stabilisation – Entspannen«
4 helfen. reichen aus, um die muskuläre Abwehrspannung zu lösen. Das
Der Transfer vom Sitz zum Stand wird grundsätzlich über Femur wird oberhalb des Kniegelenks passiv fixiert, damit die
5 die betroffene Seite durchgeführt. Über kleine assistive Brid- Spannung nicht in den Frakturbereich weitergeleitet wird.
gingbewegungen des gesunden Beins soll das Becken in klei-
nen Schritten zur Bettkannte bewegt werden. Dabei hält der ! Cave
6 Physiotherapeut das operierte Bein leicht in Abduktion. Beim Bei aktiven PNF-Techniken entfällt jegliche Rotationsbewegung
Drehen in den hohen Sitz an die Bettkante stützt sich der gleich- im Kniegelenk.
7 seitige Arm an der Bettkannte ab, der gegenseitige Arm hält
an der Schulter des Therapeuten fest. Dann senkt der Thera- Häufig hindert die laterale Narbe die Dehnfähigkeit der
peut das Bein langsam zum Boden ab. Der Stand muss durch Mm. tensor fasciae latae und vastus lateralis des M. quadriceps.
8 Abstützen der Arme auf Unterarmstützen oder den Gehwagen Daraus entsteht eine schmerzhafte Kontraktur im Kniegelenk.
erfolgen. Nach Abheilung der äußeren Wunde können weiche Mas-
Können Patienten nicht in den Sitz oder Stand gebracht sagegriffe, eine Lymphdrainage und Narbendehnungen zur Lo-
9 werden, werden Ratschow-Umlagerungen mit dem höhenver- ckerung des Gewebes zwischengeschaltet werden.
stellbaren und kippbaren Bett gemacht. Bei Transfermöglich- Aktiv-passive Mobilisationsmaßnahmen kommen infrage,
10 keiten kommen auch Stehbrett oder Tilt Table zum Einsatz wenn der Bewegungsstopp festelastisch ist und der Messbefund
(. Abb. 6.9, 21.1, 16.20, 16.21). keine Bewegungsverbesserung ergibt. Es werden PNF-Tech-
niken mit aktiv-passivem Weiterziehen angewandt.
11 5. Erhalten der nicht betroffenen Arm- und Beinfunktionen Weiche, minimale translatorische Bewegungen und Be-
Siehe auch 7 Kap. 12, »Beckenfraktur« und 7 Kap. 13, »Frak- wegen unter Traktion finden Anwendung, wenn eine Kapsel-
12 turen und Luxationen im Hüftgelenkbereich«. schrumpfung als Ursache der Kontraktur angenommen wird
Entsprechend der individuellen Patientensituation müssen (am Ende der Konsolidierungsphase).
die Kräftigungsübungen bzgl. Ausdauer und Krafteinsatz gut
13 dosiert werden. 7. Aufbau der Muskelspannung zur Sicherung der Fraktur/
Alte Menschen können Verständnisschwierigkeiten zeigen, Stellung der Totalendoprothese
14 weshalb einfache Übungsformen und klare Übungsaufträge ge- Von besonderer Bedeutung ist der Spannungsaufbau der
wählt werden. Mm. gluteus medius/minimus und tensor fasciae latae, um
PNF-Übungen können selten perfekt ausgeführt werden. die Knochenheilung durch eine adäquate Druckspannung der
15 Das Prinzip jedoch ist gut verwendbar. Schieben, Stoßen, Zie- Fragmente aufeinander zu unterstützen. Diese wird durch die
hen, Stemmen in den Diagonalen sind verständliche Bewe- Spannung der abduzierenden Muskulatur gefördert.
gungsmuster. Häufiges Wiederholen gleicher Übungen ist si- Mit aktiv/assistiven und hubarmen Bewegungen ist die Do-
16 cher günstiger als ständiger Wechsel zu raffiniert ausgedachter sierungsstufe erreicht. Bei Kontrolle auf der Waage kann auch
Übungsformen. im geschlossenen System stabilisiert werden.
17 Bei Verstärkungstechniken sollte beachtet werden, dass die Jede Übungsserie beginnt mit Beckenabduktion. Möglich
Patienten nicht die Luft anhalten. sind isometrische Spannungsübungen gegen Führungskontakt
bei aufliegendem Bein (. Abb. 14.10) oder unterstützt durch
18 ! Cave den Arm des Physiotherapeuten dynamisch-assistive Übungs-
Übungen mit langem Hebel, gegen die Beinschwere oder äuße- formen.
19 ren Widerstand in der offenen Kette sind kontraindiziert. Kontakt wird seitlich am Becken angelegt, zur Kontrakti-
onshilfe wird approximiert. Die zweite Hand liegt plantar an
6. Mobilisation der Knie- und Sprunggelenke der Ferse oder am Fuß, wenn dieser in Plantarflexion span-
20 Die Mobilisation der Knie- und Sprunggelenke soll so früh wie nen soll.
möglich einsetzen, mindestens aber in der 1. postoperativen Anfangs kann die Beckenabduktion mit und ohne Verstär-
21 Woche. kungshilfen über den gegenseitigen Arm oder das andere Bein
14 Schenkelhalsfraktur
273 14

. Abb. 14.10. Abduktion des Beins in Rückenlage

geübt werden (. Abb. 14.11 und 7 Kap. 22, PNF-Beckenmu- . Abb. 14.11. Extensions-/Abduktionsspannung bei aufgestelltem ge-
ster). sunden Bein als Verstärkung im Sinne des Gehmusters
Beckenextension und -innenrotation werden von der betrof-
fenen Seite oder der Gegenseite aus eingeleitet (. Abb. 12.4–
12.6). Abhängig von der Schnittführung gibt der Operateur die werden. Wegen der hohen Belastung für das Hüftgelenk soll das
Erlaubnis zur Rotation. Bridging in der Proliferationsphase assistiv (Halten des fraktu-
Die Beckenkontrolle wird im hohen Sitz durch Gewichtsver- rierten Beins) oder mit wenig Hub erfolgen. Das gesunde Bein
lagerung auf die betroffene Seite geschult. Der Fuß steht dabei wird aufgestellt. Die Arme können durch Abstützen gegen das
auf einer Waage, so dass die vorgegebene Belastungsstufe kon- Bett mithelfen (. Abb. 4.4).
trolliert werden kann. Der Rumpf soll dabei so weit wie möglich Wenn das Bett hochgepumpt werden kann, ist der hohe Sitz
über dem Becken in der Vertikalen stehen oder angelehnt sein. an der Kante möglich. Das betroffene Bein kann in Nullstellung
Die Arme können sich hinter der Körpermittellinie abstützen. auf der Waage oder auf dem Boden abgesetzt werden. In dieser
Eine weitere Möglichkeit ist das Einüben der Belastung aus dem Position kann die Stabilisation von Rumpf, Becken und Bein in
hohen Halbsitz an der Bankkante. Das betroffene Bein steht in der geschlossenen Kette erfolgen.
Knie- und Hüftgelenk gestreckt auf einer Waage (. Abb. 14.9).
9. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten, Gehschu-
8. Verbesserung der Funktion der Hüftgelenkmuskulatur un- lung
ter Berücksichtigung des Befundes: Ausdauer, Kraft, Koordina- Zunächst muss der Transfer vom Liegen über den Sitz in den
tion unbelasteten, minimal belasteten, teilbelasteten oder belasteten
Im Normfall soll baldmöglichst Muskelstufe 3 (Beckenkontrol- Stand eingeübt werden. Mit und ohne visuelle Kontrolle soll der
le) erarbeitet werden (7 Kap. 12, 15, 16). Patient die entsprechende Belastungsstufe auf der Waage wahr-
Für den Transfer zur Bettkante oder auf die Bettschüssel nehmen, den Einsatz der Gehhilfen koordinieren und in einer
sollte die Grundspannung des M. gluteus maximus erarbeitet Schrittfolge umsetzen.
274 Kapitel 14 · Schenkelhalsfraktur

Die Vorbereitung schließt mit ein, dass der Patient die ein- Zu Anfang ist die Beckenkontrolle besser über einen Seit-
1 zelnen Schritte des Transfers bis zum Stand kennt und entspre- wärtsschritt zu erreichen, später wird der Einbeinstand im Lot
chende Unterstützung erfährt. Die Unterarmstützen können und aus der Schrittstellung erarbeitet.
2 auch im Liegen auf die richtige Höhe eingestellt werden.
Bei den ersten Versuchen unterstützt eine zweite Person den
Bestehen Belastungsschmerzen, oder sinkt in der Standpha-
se des gebrochenen Beins die gegenüberliegende Beckenseite
Transfer und kontrolliert in der Sitzpause Puls und Blutdruck. ab (Trendelenburg), darf nicht gesteigert werden. Zur Kontrol-
3 Am besten platziert man vorsorglich einen Stuhl in Bettnähe, le wird der Patient auf Waagen gestellt, und die Belastung wird
falls der Patient Kreislaufprobleme bekommt. zurückgenommen.
Grundsätzlich kann die Belastung für die verbesserte Trag- Oft wird zu Anfang ein Gehwagen mit Schulterstützen, dann
4 fähigkeit des Femurs/der TEP und die dazugehörige muskuläre evt. ohne benutzt. Manche Patienten bevorzugen den Rollator
Kontrolle nur synchron vorgenommen werden. Dies bedeutet, oder Unterarmstützen. Selten werden heute noch Achselstützen
5 dass die mechanische Belastbarkeit in die Aktivität des Stehens benutzt, es sei denn, andere Begleitverletzungen verhindern das
und Gehens umgesetzt werden kann. Stützen beider Arme. Das Gehen in einem Gehbarren bedeu-
Der Patient darf bis zur Schmerzgrenze oder entsprechenden tet für Patienten mit geringer Armkraft eine größere Sicherheit.
6 Vorgabe belasten, wenn er dies ohne Ausweichbewegungen Allerdings muss dieser exakt auf die Größe des Patienten einge-
(Hinken, Verlust der Beinachse) kann. Dazu sind zum einen ei- stellt werden.
7 ne ausreichende Funktion der die Becken-Bein-Achse stabili- Zur Erreichung der Selbständigkeit sollten jedoch baldmög-
sierenden Muskulatur, zum anderen der geschickte Einsatz der lichst Unterarmstützen verwendet werden. Der Drei-Punkte-
Hilfsmittel und eine normale Belastungsfähigleit des gesunden Gang ist die sicherste Gehform. Nach Bergmann soll der Wech-
8 Beins nötig. Kompromisse sollen nur bei dringender Indikation sel zum Zwei-Punkte-Gang nicht vor 6 Wochen nach der Opera-
und spezieller Verordnung gemacht werden. tion und erst bei erreichter Teststufe 4 der das Hüftgelenk sta-
Grundsätzlich soll der Patient über die betroffene Seite bilisierenden Muskeln erfolgen. Der Zeitpunkt muss individuell
9 aufstehen. Vorübungen sind im gekippten Bett, auf dem Steh- bestimmt werden, in Abhängigkeit von der präoperativen Mus-
brett oder Tilt Table möglich. Das betroffene Bein kann auf ei- kelsituation und der Schnittführung.
10 ner Waage stehen und in entsprechender Belastungsstufe stabi- In der Proliferationsphase soll der Patient mit Nachstell-
lisiert werden. Holzbrettchen gleichen die Höhendifferenz zum schritt die Treppe bewältigen, d.h. beim Aufwärtsgehen das
gesunden Bein aus, wenn die Waage nicht in den Boden einge- gesunde Bein zuerst, beim Abwärtsgehen das betroffene Bein
11 lassen ist (7 Kap. 16). zuerst aufsetzen. Diese Form des Treppensteigens soll vor der
Zur Kontrolle der Belastungsverteilung, aber auch zur eige- Entlassung aus dem Krankenhaus eingeübt werden. Alternie-
12 nen Wahrnehmung des Bodenkontakts, kann der Patient ohne rendes Treppensteigen wird bei guter Muskelsicherung (Test-
Schuhe auf die Waagen gestellt werden. Zur Stand- und Gangsi- stufe 4) erst nach 6–8 Wochen eingeübt (Bergmann 1992). Es be-
cherheit sollen jedoch immer Schuhe getragen werden. währt sich, an der Treppenseite zu üben, an der auch zuhause
13 Kooperative Patienten können, je nach Befund, das Bein das Geländer ist. Die zweite Unterarmstütze kann mit der ande-
mit 15 kg belasten. Erst nach 6 Wochen erfolgt eine stufenwei- ren Hand mitgeführt werden.
14 se Steigerung. Dies gilt auch für Übungen in der geschlossenen Manche sehr alte Patienten kommen zuhause besser mit
Kette und gegen angepassten Widerstand mit kurzem Hebel einem Rollator zurecht, andere fühlen sich mit ihrem ge-
(7 Kap. 15, 16). Patienten mit einer Schraubenosteosynthese wohnten Stock oder zwei Stöcken sicherer. Physiotherapeuten
15 dürfen erst nach 12 Wochen die Belastung steigern. sollten dies zulassen und nicht ändern.
Patienten mit einer zementierten Totalendoprothese oder Der Patient muss auch im Sinne einer Sturzprophylaxe be-
Endoprothese haben keine Belastungseinschränkungen; sie raten werden. Wenn er nach Hause entlassen wird, müssen Tep-
16 dürfen entsprechend der funktionellen Tragfähigkeit belasten. piche, Kabel etc. entfernt werden.
Vor dem Aufstehen sollen feste Schuhe und die notwen- Wichtig ist, dass der Nachttisch auf der Seite des betroffenen
17 digen Gehhilfen bereitstehen. Das gebrochene Bein wird in den Beins steht (Operationszugang vorne), damit keine Außenrota-
ersten postoperativen Tagen bandagiert. tionsbewegung entsteht, entsprechend auf der anderen Seite bei
Beherrscht der Patient den Stand sicher, werden Stabilisa- hinterem Zugang.
18 tionsübungen gemacht. Der Physiotherapeut versucht dabei, Der Patient darf nicht in einem tiefen Sessel sitzen und soll
den Patienten vorsichtig aus der korrigierten Stellung zu bewe- weder im Liegen noch im Sitzen die Beine übereinanderschla-
19 gen. Diese Übungen sind für ältere Menschen sehr ungewohnt gen.
und anstrengend, so dass ausreichend lange Pausen eingeschal- Das Üben der Aktivitäten, die im Alltag immer wieder vor-
tet werden sollten. Die Steigerung der Belastung muss der Trag- kommen, bedeutet Sicherheit und Selbständigkeit für einen äl-
20 fähigkeit des Beins entsprechen. teren Menschen. Im Allgemeinen stehen Patienten nach einem
Sturz mit Frakturfolge und einem Klinikaufenthalt dem bevor-
21 stehenden Alltag ängstlich gegenüber. In Zusammenarbeit mit
14 Schenkelhalsfraktur
275 14

dem Sozialdienst, einem ambulanten Pflegedienst oder einer Neben Gruppentherapien werden in den Rehabilitations-
Rehabilitationsmaßnahme sollen die Probleme individuell ge- zentren Übungen im Bewegungsbad angeboten. Für Patienten
löst werden. mit einer Totalendoprothese besteht v.a. bei Gruppenbehand-
Physiotherapeuten fällt die Aufgabe zu, den Patienten lungen im Wasser eine erhöhte Luxationsgefahr.
schnellstmöglichst in die Selbständigkeit zu führen, Hilfen an- Nicht geeignet für alte Menschen ist eine Wassertherapie
zubieten, Familie oder Pflegepersonal anzulernen oder Kolle- bei:
ginnen zu suchen, die Hausbesuche machen und sie über die 5 Blasenschwäche,
Probleme zu informieren. 5 Herzinsuffizienz,
Inzwischen gibt es auch Tagesstätten, die in der Übergangs- 5 Kreislauf- Blutdruck-Problemen oder
zeit bis zur Selbständigkeit genutzt werden können. Wird ein ei- 5 Angst vor Wasser.
genständiges Leben nicht mehr möglich sein, muss der Patient
bedauerlicherweise einen Pflegeplatz erhalten. Auch dort soll Eine Einzelbehandlung, bei der auch der Therapeut mit im Was-
der Patient physiotherapeutisch weiterbehandelt werden! ser ist, kann jedoch für jüngere Patienten motivierend und ent-
Als Hilfsmittel sollen die Patienten einen Sitzkeil oder ein spannend sein. Anschließend sollten in jedem Falle Ruhezeiten
Arthrodesekissen und einen Toilettenaufsatz bekommen, um eingeplant werden.
das Hüftgelenk beim Aufstehen und Hinsetzen zu entlasten und Sinnvoll ist eine Nachbehandlung in gut geführten geriat-
den tiefen Sitz zu vermeiden. Entsprechend muss die Wohnung rischen Rehabilitationszentren, die fachgerecht auf die Bedürf-
mit Handgriffen und Hilfsmitteln ausgestattet werden, um den nisse und den aktuellen Zustand der verletzten alten Menschen
Patienten davor zu schützen, erneut zu stürzen. vorbereitet sind.
Weitere Hilfsgeräte sind z.B. eine Greifzange, ein langer
Schuhlöffel und ein Strumpfanzieher.
Vorgeübt werden müssen besonders: Übungsbeispiele
5 Hinsetzen und Aufstehen auf einen/von einem hohen
Stuhl, auf das/aus dem Bett, Die Übungsbeispiele beziehen sich auf eine stabile Osteosynthe-
5 Treppen bewältigen mit und ggfs. ohne Stützen, se.
5 Ein- und Aussteigen in die/aus der Badewanne, Benutzen
eines Hockers in der Dusche, Proliferationsphase
5 Einsteigen in ein Auto, Ziel der folgenden Übungen ist der Aufbau der Muskelspan-
5 Anziehen von Schuhen und Strümpfen mit Hilfsmitteln, nung.
5 Aufheben von Gegenständen mit Hilfsmitteln,
5 Türen öffnen beim Gehen mit Unterarmstützen, Ausgangsposition
5 Überqueren der Straße, Fahren mit Rolltreppen, Rückenlage. Bein leicht abduziert, in Rotationsnullstellung auf
5 Gehen auf unebenem Boden und Rampen mit und ggfs. der Unterlage liegend.
ohne Stützen/Stock.
Übung
Es wird davon abgeraten, die zweite Unterarmstütze vorzeitig 5 Beckenabduktion in Rotationsnullstellung durch Heraus-
abzulegen. Kann der Patient die volle Belastung kontrollieren, schieben des Beins nach kaudal.
sollte dennoch an den Gebrauch eines Stockes gedacht werden.
Alte Menschen fühlen sich besonders auf nassen und eisigen Übung
Straßen ohne Stock unsicher. Sie sollten jedoch den Stock un- 5 Beckeninnenrotation bei ventralem Zugang, auch kombi-
eingeschränkt benutzen, wenn sie sicherer damit gehen. Meist niert mit Beckenabduktion.
hat die Unsicherheit nichts mit der überstandenen Verletzung 5 Dasselbe, eingeleitet durch Zurückdrehen der gleichen Be-
zu tun, sondern ist durch schwankenden Blutdruck, schlechtes ckenseite.
Sehen und Hören, Schwindelgefühle oder andere Alterserkran-
kungen verursacht. Übung
Aus ökonomischen Gründen werden Patienten heute im 5 Beckenabduktion/Innenrotation bei ventralem Zugang,
Anschluss an einen kurzen Klinikaufenthalt in ein Rehabilita- eingeleitet über Plantarflexion und Pronation des gleichsei-
tionszentrum überwiesen. Dies sollte für ältere Patienten durch- tigen Fußes.
aus kritisch diskutiert werden. Eine individuelle Betreuung des 5 Beckenabduktion mit Außenrotation bei dorsalem Zugang,
älteren Menschen ist dort selten möglich. In der gewohnten hei- eingeleitet über Plantarflexion, Supination.
mischen Umgebung finden sich diese Patienten besser zurecht.
Voraussetzung ist jedoch, dass Angehörige oder eine Hilfe die
Betreuung übernehmen.
276 Kapitel 14 · Schenkelhalsfraktur

Übung 5 Dasselbe mit diagonalem Vorschieben des gegenseitigen


1 5 Isometrisches Spannen der kleinen Glutäen mit Verstär- Arms, z.B. an Schulter des Physiotherapeuten.
kung über das andere Bein, das in Flexion/Abduktion 5 Dasselbe mit Stemmen des gleichseitigen Arms seitlich
2 spannt. nach vorne und nach unten.

Ausgangsposition Übung
3 Rückenlage. Bein liegt in Abduktions-/Adduktionsnullstel- 5 PNF: Skapula- und Armmuster.
lung. Technik: Stabilisierende Umkehr (7 Kap. 6, 22).

4 Übung Übung
5 Dynamische Abduktion des Beins unter Abnahme der 5 Stabilisation des korrigierten Sitzes.
5 Schwere (auch mit Innenrotation, wenn ärztlicherseits er-
laubt). Ausgangsposition
5 Dasselbe mit Extension im seitlichen Überhang. Sitz an der Bettkante.
6 5 Dasselbe mit PNF-Techniken
Technik: Dynamische Bewegungsfolge, Bewegen – Halten Mobilisation des Kniegelenks
7 gegen Führungskontakt. 5 »Rhythmische Stabilisation – Entspannen – aktiv Weiter-
5 Alle Übungen mit Verstärkung: ziehen – aktiv/passiv Weiterziehen« ohne Rotation oder
– Das gesunde Bein ist aufgestellt und spannt gegen an- »Dynamische Umkehr – Halten – Entspannen – aktiv, ak-
8 gepassten Widerstand in Flexion/Abduktion. tiv/passiv Weiterziehen« werden ebenso wie Techniken der
– Beide Arme spannen in Extension/Abduktion gegen Manuellen Therapie befundbezogen eingesetzt.
das Bett. Fixation: Passive Fixation bei allen Mobilisationstechniken.
9 – Der gegenseitige Arm spannt in Extension/Abduktion
gegen den Widerstand des Physiotherapeuten. Ausgangsposition
10 Halbsitz, hoher Sitz.
Ausgangsposition
Rückenlage. Seitlicher Knieüberhang, Oberschenkel liegt auf. Schulen von Aktivitäten der nicht betroffenen Extremitäten
11 5 PNF-Übungen gegen angepassten Widerstand. Sie sollen
Übung schwerpunktmäßig das Gehmuster beinhalten.
12 5 »Dynamische Umkehr – Halten« ohne Rotation für 5 Aufstehen aus dem hohen Sitz. Stabilisation im Zweibein-
M. quadriceps und ischiokrurale Muskulatur (dabei den und Einbeinstand auf der gesunden Seite.
Patienten in den hohen Sitz bringen). 5 Hinsetzen unter kontrollierter Becken-Rumpf-Stabilisati-
13 5 Dasselbe isoliert mit »Betonter Bewegungsfolge«. on.
5 Widerstandsübungen für die Armmuskulatur, z.B. in PNF-
14 Übung Mustern. Vorzugsweise werden Stützmuster für das Gehen
5 Assistives Bridging mit geringem Bewegungsausschlag und mit Unterarmstützen vorgeübt. Geräte wie Seil, Stab, Ex-
Unterstützung des Beckens. Arme spannen gegen die Un- pander und Therabänder gestalten die Übungen abwechs-
15 terlage. lungsreicher.
Technik: Bewegen – Halten, Endstellung – Halten.
Konsolidierungsphase
16 Ausgangsposition Nach 6 Wochen wird die Belastung gesteigert. Die Gehschulung
Hoher, etwas breitbeiniger Sitz an der Bettkante. Becken in gilt exemplarisch für alle Verletzungen der unteren Extremität.
17 Mittelstellung, beide Füße auf einem Hocker oder auf Waagen. Alle Übungen sind auch mit Gehwagen oder Rollator möglich.
Hüftgelenke in ca. 60° Beugung, oder
Ausgangsposition
18 Halbsitz auf der Bank. Betroffenes Bein steht auf der Waage. Stand vor dem Spiegel auf zwei Waagen. Unterarmstützen
Erarbeitung der Hüft- und Knieextension bei vorgegebener Be- sind in gleicher Höhe mit den Fußspitzen aufgesetzt. Wahrneh-
19 lastungsstufe, auch durch manuelle Kontakte. men des korrekten Standes, Stabilisation durch manuellen Kon-
takt (7 Kap. 16).
Übung
20 5 Gewichtsverlagerung zur betroffenen Seite (Becken nach
dorsal/lateral).
21
14.1 Patientenbeispiel
277 14

Gehschulung 2. Patient übernimmt kein Gewicht, »hängt« in den Schulter-


5 Gewichtsverlagerung auf das verletzte Bein, entsprechend stützen des Gehwagens oder zieht das betroffene Bein nach
der Anordnung bis zur Schmerzgrenze, Teilbelastung 15 kg, Korrektur:
dann Stabilisation. 5 Üben der Bein- und Armkraft. Hausaufgabenprogramm.
5 Dasselbe in Schrittstellung; betroffenes Bein vorne, dann 5 Üben der Belastung im hohen Sitz, im Stand vor dem Spie-
hinten. gel.
5 Dasselbe ohne optische Kontrolle.
5 Dasselbe mit Abheben des gesunden Beins und entspre- 3. Hinken, ungleiche Schrittlänge und zu schnelles Vorsetzen
chender Gewichtsübernahme auf die Unterarmstützen. des gesunden Beins
Korrektur (nachdem Schmerz und Instabilität ausgeschlossen
Gehen mit Gehhilfen wurden):
5 Schrittfolge von 2–3 Schritten vor dem Spiegel; seitwärts 5 Kleine, gleichgroße Schritte machen lassen.
zur betroffenen Seite, vorwärts und rückwärts; mit exakten 5 Großen Schritt des gesunden Beins fordern.
Kontraktionshilfen am Becken (7 Kap. 6). 5 Belastung im Stand wiederholen.
5 Drei-Punkte-Gang. 5 Kleine Glutäen kräftigen durch Beckenstabilisation und
5 Gehen mit großem Schritt des gesunden Beins und Gewichtsverlagerung.
kleinem Schritt des verletzten Beins. 5 Belastung zurücknehmen auf die Arme.
5 Zwei-Punkte-Gang mit betonter Rotation nach 6–8 Wo-
chen. 4. Außenrotation des betroffenen Beins
5 Gehen mit Tempoangabe. Korrektur:
5 Treppensteigen; alternierend erst nach 6–8 Wochen. 5 Beckenstellung korrigieren, wenn Röntgenbild keine Ursa-
5 Gehen auf unebenem Boden. che zeigt.
5 Gehen auf vorgezeichneter Linie.
Vollbelastung
Vollbelastung ist nach 12 Wochen (bei Hüftkopf erhaltender Os- 5. Positives Trendelenburg-Zeichen (Duchenne-Hinken)
teosynthese, zementfreier TEP) erlaubt. Der Patient kann nun Korrektur (wenn röntgenologisch keine Ursache zu finden ist):
aus Sicherheitsgründen auf seinen gewohnten Stock zurückgrei- 5 Training der Glutealmuskulatur in der geschlossenen Ket-
fen. te.
Gleichmäßiges, ökonomisches Gehen wird meist durch Ab- 5 Verstärktes Einsetzen der Gehhilfen.
lenken auf Gegenstände im Raum oder durch Ansagen des
Tempos und rhythmisches Mitgehen des Physiotherapeuten er- 6. Vorgebeugte Haltung, Kopf nach unten
reicht. Komplizierte Aufträge und übermäßige Korrekturansa- Korrektur:
gen verwirren den Patienten. 5 Optisches Ziel in Augenhöhe geben.
5 Wirbelsäulenaufrichtung verbessern.
Gehschulung bei jüngeren Patienten 5 Hilfestellung verbessern.
5 Stabilisation des betroffenen Beins im Einbeinstand gegen 5 Angst abbauen.
Zuggerät oder Theraband (. Abb. 12.11, 12.12). 5 Sehvermögen, Hören beachten.
5 Stabilisation des betroffenen Beins in definierten Winkel- 5 Armstützen höher einstellen.
stellungen; dynamisch und statisch.
5 Gehen gegen den Widerstand von Zügen oder Therabän-
dern. 14.1 Patientenbeispiel
5 Stabilisation auf Fußkreisel oder Trampolin (7 Kap. 16).
5 Einbeinstand gegen Zuggerät. Stabilisation des Schritts zur Befundaufnahme
Seite (7 Kap. 12, 16).
Name des Patienten: Frau Th., 81 J.
Korrekturen von Geh- und Haltungsfehlern Befunddatum: 1 Woche postop.
1. Körpergewicht liegt auf der gesunden Seite und zu weit Name des Therapeuten: Frau L.
hinten Einweisungsdiagnose: Verdacht auf mediale Schenkelhalsfrak-
Korrektur: tur links
5 Einstellen der Armstützen. Nebendiagnosen:
5 Üben der Hüftgelenkextension. Maculadegeneration bds.
5 Üben der Becken-Rumpf-Stellung im Sitz. Hypertonie
5 Üben der Belastung in Zweibein- und Einbeinstand. Mastektomie plus Axillaausräumung vor 10 Jahren links
278 Kapitel 14 · Schenkelhalsfraktur

Medikamente: Blutdruck senkendes Mittel, Aspirin von Haus- ICF-Dokumentation


1 arzt übernommen, Heparin
Röntgenbild: mediale Schenkelhalsfraktur links, Pauwels III Name/Alter: Frau Th., 81 J.
Versorgung: 1 Tag nach dem Unfall operativ Q x
2 konservativ Q
Diagnose: Zustand nach Schenkelhalsfraktur links, Prellung am
linken Oberarm, Femurkopfprothese (Endoprothese), Macula-
Versorgung: degeneration, Zustand nach Mastektomie vor 10 Jahren, Hyper-
3 Femurkopfprothese. tonie
Stabilität: Befund 1 Woche postop.
Belastungsstabilität; Belastung entsprechend Muskelfunk-
4 tion und Schmerzfreiheit möglich.
Procedere:
5 Frühmobilisation mit Gehwagen oder Unterarmstützen.
Selbständigkeitstraining.
Unfallanamnese:
6 Patientin stürzte zu Hause über den Teppich. Sie konnte
die Tochter anrufen, die den Transport in die Klinik ver-
7 anlasste.

8
9
10
11
12
13
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20
21
14.1 Patientenbeispiel
279 14

Struktur/Funktion Aktivität Partizipation

Patientin gibt an: Patientin gibt an, Patientin gibt an,


5 Schmerzen außen an der Hüfte, Wundschmerz, 5 sie könne nicht selbständig aufste- 5 dass sie vorher ihren
5 Sehschwäche, hen und würde gerne öfter mit Hil- Haushalt selbständig
5 Schwellung und Bluterguss am linken Unterarm und fe aufstehen und gehen, führte und mit ihrer
Patient

Ellenbogen, 5 Körperpflege sei nur mit Hilfe mög- Tochter spazieren gehen
5 Kraftlosigkeit am linken Bein und an den Armen. lich. konnte.

5 Schmerz VAS 2 bei Belastung, eher in der Muskulatur 5 Transfer von Bett zum Sitz und 5 Derzeit Klinikaufenthalt,
ziehend. Stand mit Hilfe, jedoch nicht selb- 5 später soll ein ambu-
5 Schwellung linker Unterarm bis zum Ellenbogen, an ständig. lanter Pflegedienst ein-
allen Messpunkten +1,0 bis 1,5 cm durch Prellung und 5 Hoher Sitz an Bettkante schmerz- gesetzt werden.
Hämatom. frei möglich.
5 Hautverfärbung. 5 Körperpflege des unteren Körper-
5 Schürfwunden an Ellenbogen, Unterarm und Knie links. bereiches nicht möglich.
5 Kraftdefizit beider Arme, rechtes Bein altersgerecht. 5 Stand vor dem Bett im Gehwagen,
5 MTW: Spontanbelastung 20 kg.
5 Gehen mit Gehwagen/Achselstüt-
M. quadriceps li 3 (Kniegelenkkomponente)
zen und Spontanbelastung etwa 4
Mm. gluteus med./ li 2 Zimmerlängen, Hilfe zum Aufste-
min. hen ist nötig.
M. ilipsoas li nicht getestet (s. 60° Flexion) 5 Schrittlänge rechts kleiner als links,
Patientin schaut auf den Boden,
Fußheber li 3
Stützkraft vermindert.
Therapeut

M. gastrocnemius li 2–3 (seitl. Überhang an Bett- 5 Patientin muss durch Pflegeper-


(Kniegelenk) kante) sonal ausreichend zu trinken be-
Palmarflexoren li 3–4 kommen.

5 Gelenkbeweglichkeit:

aktiv passiv
Abduktion, Adduk- li 20–0°–nicht 20–0°–nicht
tion nicht erlaubt gemessen gemessen
re 30–0–20° 30–0–20°
Flexion begrenzt li 60–0–0° 60–0–0°
re 90–0–0°
Innenrotation, li 10–0°–nicht 10–0°–nicht
Außenrotation gemessen gemessen
nicht erlaubt
re 10-0-20°

5 Blutdruck 160/90 mm/Hg, Puls 90 Schläge/min; RR ist


leicht schwankend, aber für die Erfordernisse der Patien-
tin medikamentös eingestellt.

Umweltfaktoren Personenbezogene Faktoren


(–) Wohnung im 1. Stock, ohne Lift (–) Alter, Sehschwäche, allein lebend
(+) Gehwagen, Blindenstock, Lupe, Sitzkeil, Toilettenaufsatz vorhanden, (+) geistig fit, motiviert, gute Compliance, will nicht in eine
Schuh-/Strumpfanziehhilfe, Greifzange verordnet Rehaklinik
(+) Möglichkeit des ambulanten Pflegedienstes ist vorhanden (++) Patientin kommt in ihrem bekannten häuslichen Um-
(+) Hausarzt kommt regelmäßig und stellt RR ein feld besser zurecht und ist von Tochter und zwei Enkeln gut
versorgt
280 Kapitel 14 · Schenkelhalsfraktur

Ê Im Internet (www.springer.de/978-3-540-68241-7, unter Schatzker J (1996) Subcapital and intertrochanteric fractures, Rational of
1 dem Link »Patientenbeispiele«) erfahren Sie mehr über operative fracture care, 2nd edn. Springer, Berlin Heidelberg New York
Frau Th. und den weiteren Therapieverlauf: die Behand- Tokio
Weigel B, Nerlich M (2005) Praxisbuch Unfallchirurgie, Bd 1. Springer, Ber-
2 lungsziele, die bei ihr wichtigen Gesichtspunkte der Be-
handlung und einen Therapievorschlag für eine Behand-
lin Heidelberg New York Tokio
Wirtz C, Heller KD, Niethard F (1998) Biomechansiche Aspekte der Belas-
lungseinheit. tungsfähigkeit nach totalendoprothetischem Ersatz des Hüftglenkes.
3 Z Orthop 136: 310–316. Enke, Stuttgart

4 14.2 Literatur
Die Abbildung 14.9 konnte ich freundlicherweise in der Praxis »movere«,
Bergmann G et al. (1989) Gelenkkraftmessungen an einem Patienten Uli Engelmann, Geza Sturm, München, machen.
5 mit beidseitiger Hüftendoprothese, Fortschritte in der Orthopädie
(Sonderdruck). Thieme, Stuttgart New York
Die Abbildungen 14.10 und 14.11 verdanke ich Frau Birgit Jaspersen,
Klinik für Physikalische Medizin Großhadern, Universität München.
Bergmann G et al. (1989) In vivo-Messung der Hüftgelenkbelastung, 1. Teil
6 Krankengymnastik. Z Orthop 127, 672–679
Bergmann G et al. (1992) In vivo-Messung der Belastung von Hüftendo-
prothesen – Konsequenzen für die Rehabilitation. In Hipp, Gradinger,
7 Ascherl (Hrsg) Die zementlose Hüfte. Demeter, Gräfelfing
Bergmann G et al. (1995) Is staircase walking a risk for the fixation of hip
inplants? J Biomech 28: 535
8 Bizzini M (2000) Sensomotorische Rehabilitation nach Beinverletzungen.
Thieme, Stuttgart New York
Bonnaire F (1991) Experimentelle Untersuchungen zum Stabilitätsverhal-
9 ten am koxalen Femurende nach Montage und Entfernung von DHS-
Implantaten am nicht frakturierten Leichenfemur. Unfallchirurg 94:
10 366–371
Bonnaire F (1992) Früh- und Spätergebnisse nach 200 DHS-Osteosynthe-
sen zur Versorgung pertrochanterer Femurfrakturen. Unfallchirurg
11 94: 246–253
Bundesverband der Unfallkassen (2002) Rückengerechter Patiententrans-
fer in der Kranken- und Altenpflege. Gesetzliche Unfallversicherung
12 GUV-Informationen, München
Euler E et al. (1991) Traumatologie beim alten Menschen – Problematik
exemplarisch aufgezeigt an Schenkelhalsfrakturen. Aktuelle Trauma-
13 tol 3: 91
Gallob O, Auracher M (1999) Manuelle Therapie 3. Thieme, Stuttgart New
York
14 Hüter-Becker A et al. (2002) Das neue Denkmodell der Physiotherapie. Bd
1. Thieme, Stuttgart New York
Hüter-Becker (2005) Physiotherapie in der Traumatologie. Thieme, Stutt-
15 gart New York
Soyka M., Hermann S (2002) Rückengerechter Patiententransfer in der

16 Kranken- und Altenpflege – ein ergonomisches Training. Huber,


Hamburg
List M (1995) Physiotherapie und Belastung an der unteren Extremität
17 nach Verletzungen. Langenbecks Arch Chir Suppl II. Kongressbericht
Loeweneck H, Liebenstund I (1994) Funktionelle Anatomie für Kranken-
gymnasten, 2. Aufl. Pflaum, München
18 Pauwels F (1995) Gesammelte Abhandlungen zur funktionellen Anato-
mie des Bewegungsapparates. Der Schenkelhalsbruch. Springer, Ber-
lin Heidelberg New York
19 Runge M, Rehfeld G (2001) Mobil bleiben – Pflege bei Gehstörungen und
Sturzgefahr. Schlütersche, Hannover
Röhrle H et al. (1984) Joint forces in human pelvic-leg skeleton during
20 walking. J Biomech 17: 409–424

21
15

Oberschenkelfraktur

Einteilung – 282
Ursachen – 282
Charakteristische Symptome/
Leitsymptome – 282
Behandlungsrichtlinien und
therapeutische Maßnahmen – 282
Komplikationen – 285
Befunderhebung – 285
Behandlungsmöglichkeiten – 286
Übungsbeispiele – 292

15.1 Literatur – 294


282 Kapitel 15 · Oberschenkelfraktur

Einteilung Ärztliche Behandlung


1 Femurschaftfrakturen machen eine Belastung des Beins unmög-
5 subtrochantere Femurfraktur, lich. Starke Muskelzügel dislozieren die Fragmente in dreidi-
2 5 Femurschaftfraktur, mensionale Richtungen. Durch den Zug des Tractus iliotibialis
5 suprakondyläre Fraktur, wird das distale Fragment in Außenrotation gezogen.
5 Kondylenfraktur. Zur Diagnostik reicht eine Röntgenaufnahme mit Aufnah-
3 me des Hüft- und Kniegelenks. Das klinische Bild ist so ein-
Entsprechend der Frakturform werden Oberschenkelfrakturen deutig, dass eine zweite Ebene nicht erforderlich ist. Bei poly-
nach der unfallchirurgischen ICPM- Klassifikation eingeteilt traumatisierten Patienten muss standardmäßig Thorax, Becken,
4 (Weigel, Nerlich 2005). Wirbelsäule und Schädel geröntgt werden.

5 Typ A Einfache Fraktur: spiralförmig, schräg, quer Operatives Vorgehen


Bei Erwachsenen und Jugendlichen besteht eine zwingende In-
Typ B Keilfraktur: Drehkeil, Biegungskeil, fragmentierter
dikation zur operativen Osteosynthese.
6 Keil
Für die Osteosynthese bei subtrochanteren Femurfrak-
Typ C Komplexe Fraktur: spiralförmig, etagenförmig, turen wird heute am häufigsten ein Gamma-Nagel eingesetzt
7 ausgedehnte Trümmerzone (. Abb. 15.1), bei Schaftfrakturen der unaufgebohrte Marknagel
(UFN), bei ausgedehnten Weichteilverletzungen auch ein Fixa-
teur externe.
8 Wegen der entstehenden Periostverletzungen bei Plattenos-
Ursachen teosynthesen und den damit verbundenen Heilungsproblemen
werden diese kaum noch verwendet. Bei der Nagelung rekons-
9 5 starke, indirekte Gewalteinwirkung, Biegung, Drehung truiert man nur die Länge, die Achse und die Rotationstellung
oder Stauchung, des Oberschenkels, nicht mehr die Adaptation der einzelnen
10 5 direkte Gewalt bei Verkehrs- und Bauunfällen; bei poly- Fragmente.
traumatisierten Patienten oft in Zusammenhang mit Seri- Das Vorgehen der unaufgebohrten Marknagelung nennt
enfrakturen. man »biologische Osteosynthese«, da die Durchblutung vom
11 Periost aus erhalten bleibt. Um eine Bewegungsstabilität zu er-
reichen, werden die Nägel verriegelt. Besonders geeignet ist ei-
12 Charakteristische Symptome/Leitsymptome
5 Krepitation,
13 5 Außenrotation des distalen Fragments/Unterschenkels,
5 starkes Hämatom,
14 5 starkes Ödem,
5 starke Schmerzen,
5 angrenzende Gelenke können nicht bewegt werden.
15
16 Behandlungsrichtlinien und therapeutische
Maßnahmen

17 Das Femur ist Kraftüberträger zwischen Becken und Unter-


schenkel und umgekehrt. Es ist dreidimensional spiralig ange-
legt. Im Erwachsenenalter weist die Schenkelhalsachse einen
18 Antetorsionswinkel von ca. 12° im Verhältnis zur Kondylenach-
se auf.
19 Da am Hüftgelenk die Außenrotatoren, am Kniegelenk die
Innenrotatoren überwiegen, entsteht eine Verschraubung, die
in der Anordnung der Spongiosabälkchen deutlich wird und
20 sich in der Kraftlinie des Schaftes fortsetzt.

. Abb. 15.1a,b. a Subtrochantere Femurfraktur, b Verriegelungsnagel


21
15 Oberschenkelfraktur
283 15

a b c

. Abb. 15.2a-c. a Zwei-Etagen-Oberschenkelfraktur, b Verriegelung proximal, c Verriegelung distal

ne Marknagelung bei Querbrüchen, kurzen Schrägbrüchen, Brü- Bei Trümmer- oder Stückfrakturen werden DC- oder elasti-
chen mit verzögerter Heilung und Pseudarthrosen. sche Überbrückungsplatten eingebracht.
Bei mehrfragmentären Schaftfrakturen ist eine Nagelung oft Die suprakondylären und kondylären Frakturen sind Gelenk-
nicht möglich, zur Stabilisation bietet sich eine elastische Plat- frakturen. Sie werden nach der AO-Klassifikation in Gruppe A,
tenosteosynthese an. Der Trümmerbereich wird nicht mehr mit B1–B3 und C1–C3 eingeteilt. Wie alle Gelenkfrakturen sollen sie
Schrauben besetzt, sodass die Durchblutung weniger unterbro- so früh wie möglich nach dem Unfall operativ versorgt werden.
chen wird. Suprakondyläre und kondyläre Frakturen werden mit Kon-
Der Operateur gibt die erreichte Stabilität der Fraktur an, dylenplatten (. Abb. 15.3) oder dynamischen Kompressions-
welche Physiotherapeuten dem aktuellen Heilungnsprozess bei schrauben (DCS) und/oder Zugschrauben behandelt. Primä-
ihrer Behandlungsplanung zuordnen müssen. re Spongiosaplastiken sind häufig notwendig. Bei Infekten muss
Die Behandlung sub- und pertrochanterer Frakturen gleicht ein Kniegelenk übergreifender Fixateur externe oder ein Ringfi-
der Versorgung einer Schenkelhalsfraktur (7 Kap. 14). Wahl- xateur angelegt werden. (. Abb. 4.2, 4.3).
weise stehen Gamma-Nagel, Classic-Nagel, »unreamed femo-
ral nail« (UFN) mit Spiralklinge und »proximal femoral nail« Belastungsstabilität
(PFN) zur Verfügung. In manchen Fällen kommt eine Osteo- Je nach Schwere der Gesamtverletzung und der Stabilität der
synthese mit dynamischer Hüftschraube (DHS) oder dyna- Osteosynthese kann eine sofortige Teilbelastung mit bis zu 20 kg
mischer Kompressionsschraube (DCS) infrage. für 6–10 Wochen erfolgen. Der Operateur wird individuell ent-
Meist sind die Osteosynthesen mechanisch belastungssta- scheiden, wieviel belastet werden darf.
bil und werden entsprechend der Muskel- und Gelenkfunktion Die Entlastungszeiten bei bewegungs- und teilbelastungs-
symptomatisch belastet. Eine Vollbelastung soll ab der 12. Wo- stabilen Osteosyntesen sind als Richtwerte zu verstehen. Die
che erarbeitet werden. Belastung kann erst dann in die Tat umgesetzt werden, wenn es
Femurschaftfrakturen werden mit anterograden unge- die Funktion erlaubt, d.h. eine entsprechende Muskelfunktion
bohrten Verriegelungsnägeln stabilisiert (. Abb. 15.2); sie sind erreicht ist, keine Schmerzen und kein Gelenkerguss besteht,
rotationsstabil. der Frakturbereich äußerlich reizlos ist und der Patient die vor-
284 Kapitel 15 · Oberschenkelfraktur

synthese soll dann so früh wie möglich erfolgen. Empfohlen


1 wird heute die biologische Marknagelosteosynthese ohne Auf-
bohrung des Markkanals (UFN) und eine Antibiotikaprophyla-
2 xe. Eine Schmerztherapie wird individuell dosiert und für eini-
ge Tage durchgeführt (7 Kap. 3.3).
Bei Fixateur-externe-Behandlung wird mit minimaler Be-
3 lastung begonnen, wenn die Weichteile abgeheilt sind. Ist im
Röntgenbild eine knöcherne Überbrückung zu sehen, kann die
Fraktur wie eine bewegungsstabile Osteosynthese behandelt
4 werden (Osteosynthesewechsel).
Bei pathologischen Frakturen werden Verbundosteosynthe-
5 sen verwendet. Sie sind i.d.R. belastungsstabil.
Bei bestehenden Defekten und gesunden Knochen werden
Spongiosaplastiken eingesetzt. Diese sind i.A. bewegungsstabil,
6 wenn die Spongiosaauffüllung nicht direkt unter der Muskula-
tur liegt.
7 Befindet sich der Defekt direkt unter der Muskulatur, wird
mit der Bewegungsbehandlung 10 Tage gewartet.
a b
8 Physiotherapeutische Behandlung
. Abb. 15.3. Kondylenfraktur mit 90°-Winkelplatte Je nach anatomisch gelungenem Operationsergebnis kann das
Kniegelenk unter abgenommener Schwere im schmerzfreien Be-
9 wegungsausmaß geübt werden. Wegen der hohen Belastung des
gegebene Belastung sicher mit den entsprechenden Gehhilfen Kniegelenks durch das Körpergewicht und die Zugspannung
10 umsetzen kann. des M. quadriceps, der rotatorisch wirkenden Pes-anserinus-
Nach ca. 6 Wochen kann der Nagel dynamisiert werden, Muskulatur und der Bänder wird das Bewegungsausmaß auf 0–
d.h., die beiden distalen Verriegelungsschrauben werden ent- 20–60° begrenzt.
11 fernt. Alle Gelenkfrakturen bluten in das Gelenk ein und verursa-
Die Belastung kann anschließend symptomatisch und par- chen einen Gelenkerguss.
12 allel zur Funktionsverbesserung der Muskulatur gesteigert wer- Der Gelenkerguss des Kniegelenks wird mithilfe des Tests
den. Eine Vollbelastung wird nach der 12. Woche angestrebt. »tanzende Patella« sorgfältig überprüft (. Abb. 16.9) und vor-
Bei Femurschaftfrakturen ist mit einer erheblichen Blu- rangig behandelt (7 Kap. 16, Effekt auf Chondrozyten, Störung
13 tung ins Gewebe zu rechnen. Die Weichteilschädigung kann der gesamten Leistungsfähigkeit).
ein Hauptproblem bei der Erstversorgung mit einem Verriege- Erster Schwerpunkt der physiotherapeutischen Frühbehand-
14 lungsnagel werden. Die Patienten haben oft einen schlechten lung der Femurschaftfraktur ist die gleichmäßige muskuläre Si-
Allgemeinzustand. Das Infektrisiko ist hoch, das ausgedehnte cherung der Fraktur. Alle Muskelgruppen am Oberschenkel sol-
Hämatom wird nur langsam resorbiert. len Teststufe 3 erreichen (Sichern der Beinachse bei Bodenkon-
15 Funktionell besteht die Gefahr der Organisation des Häma- takt). Ein gleichmäßiger Spannungsdruck auf die Fraktur ga-
toms und der Verklebung von Muskelfasern und Bindegewebe. rantiert den bestmöglichen Knochendurchbau.
Häufig entsteht aus dieser Symptomatik eine Kontraktur. Kann Da der M. quadriceps und die Mm. adductores am
16 das Hämatom nicht abfließen, besteht die Gefahr des Kompart- schnellsten atrophieren, müssen sie vorrangig geübt werden.
mentsyndroms oder einer nachfolgenden Kalzifikation (hetero- Bei allen Übungen muss auf eine korrekte Beinachse geachtet
17 tope Ossifikation). werden.
Eine elastische, überbrückende Plattenosteosynthese ist pri- In der Proliferationsphase müssen intensive Korrekturen der
mär bewegungsstabil. Während der Operation wird das Häma- Rotation von Becken/Femur bzw. Gegenrotation von Kniege-
18 tom abgesaugt und das Blut sorgfältig gestillt, was möglicher- lenk und Fuß unterbleiben.
weise die Heilungstendenz positiv unterstützt. Weitere Schwerpunkte der Frühbehandlung sind Förderung
19 Nach gesicherter Wundheilung wird eine Belastungsstufe der Resorption des Hämatoms/Ödems, Beseitigung von Ver-
von maximal 15 kg für 6–8 Wochen gewählt. klebungen und Reduzierung der Schmerzen. Sie sind Voraus-
Bei schweren Verletzungen, z.B. bei polytraumatisierten Pa- setzung für eine erfolgreiche Kontraktionsschulung eines Mus-
20 tienten, bei Patienten mit Mehretagenfrakturen oder Kombi- kels.
nationsverletzungen mit schweren Weichteilverletzungen wird
21 ein Fixateur externe angelegt. Ein Wechsel zur Marknagelosteo-
15 Oberschenkelfraktur
285 15

Wichtig Mechanisch teilbelastungsstabile Osteosynthesen erlau-


ben eine Teilbelastung von 15–20 kg für 6–8 Wochen. Übungs-
Ein Muskel, der schmerzt, der unzureichend durchblutet ist, formen in der geschlossenen Kette müssen diese Belastungen
und dessen Fasern verklebt sind, kann seine Kraft- und Aus- auf der Waage berücksichtigen (7 Kap. 14, 16). Alle ärztlichen
dauerleistung nicht verbessern. Maßnahmen und Verordnungen, aber auch die Reaktionen der
Patienten müssen bei der Planung der physiotherapeutischen
Behandlung berücksichtigt werden.
Die Osteosynthese erreicht nur eine mechanische Stabilität. Die-
se funktionell umzusetzen, heißt, dass Muskelkraft und Trag-
fähigkeit des Femur/der Osteosynthese im Verhältnis zur Belas- Komplikationen
tung ausgeglichen sein müssen. Besteht ein Missverhältnis der
Kräfte oder eine mangelnde Ernährung des Frakturbereiches re- 5 polytraumatisierte Patienten (Serienfraktur),
agiert der Körper mit 5 Fettembolie,
5 Schmerzen, 5 offene Fraktur, Infekt,
5 Ausweichbewegungen, Achsenabweichungen (Hinken), 5 Kompartmentsyndrom,
5 Abwehrspannungen, 5 Pseudarthrose,
5 Schwellungen und Entzündungszeichen, 5 Verletzung der A. femoralis,
5 Einlagerungen von Kalksalzen und 5 tiefe Beinvenenthrombose,
5 verzögerter Knochenheilung. 5 Schocklungensyndrom.

Wichtig Spätkomplikationen:
5 Pseudarthrose,
Bei Überbelastung stellt der Körper den Bewegungsab-
5 Infektion (Osteitis),
schnitt selbst ruhig!
5 in Rotationsfehlstellung verheilte Fraktur,
5 Beinverkürzung,
Alle mechanisch bewegungsstabilen Osteosynthesen erlauben 5 Gonarthrose,
nach Entfernung der Redon-Drainagen das aktive Üben. Als 5 heterotope Ossifikation.
Ausnahme gelten primäre Spongiosaplastiken, die je nach Kli-
nik mit einer 8- bis 14-tägigen Ruhezeit behandelt werden.

Befunderhebung

Beurteilen 5 Allgemeinbefund (7 Kap. 12, »Beckenfraktur«), Laboruntersuchungen, Hb, Hkt.


5 Röntgenbild (Fragmentstellung und Stabilität der Osteosynthese.
5 Gelenkkontur.
5 Muskelrelief.
5 Ödem, Hämatom, Tonus, Atrophie, Wunden, Operationsnarben.
5 Beinachse, besonders Rotationsstellung, Kniegelenk- und Fußstellung.

Messen 5 Aktive Hüft-, Knie- und Sprunggelenkbeweglichkeit.


5 Anatomische Beinlänge, später funktionelle Beinlänge im Stand.
5 Umfangmaße, soweit es der Verband erlaubt.

Prüfen 5 Qualität des Bewegungsstopps (Schwerpunkt: Knie- und Hüftgelenke).


5 Muskeltest bis Teststufe 3.
5 Sensibilität.
5 Pulse.
5 Temperatur.
5 Vorgegebene Belastung auf Waage.
5 Rumpf- Becken- Bein-Achse bei Stand auf der Waage mit vorgegebener Belastungsstufe.
5 LWS-Mobilität (N. sympathikus Th10–L2, Grenzstrangbereich), wenn möglich.

Notieren und 5 Subjektive Angaben über Schmerzen; wann, wo, wie (VAS).
Bewerten 5 Sonstige Beschwerden.
286 Kapitel 15 · Oberschenkelfraktur

Behandlungsmöglichkeiten Dynamische Übungen/Bewegungen werden ausgesetzt, bis


1 die Drainagen in der Muskelloge gezogen sind. Auf diese Weise
Grundsätzliches Vorgehen vermeidet man weitere Mikrotraumen.
2 In . Übersicht 15.1 sind die Schwerpunkte der physiotherapeu- Routinemäßig wird eine Manuelle Lymphdrainage durchge-
tischen Behandlung nach Oberschenkelfrakturen zusammen- führt.
gefasst.
3 3. Lagerungskontrolle
Für die Ruhelage des Oberschenkels ist es besonders wichtig,
. Übersicht 15.1. Gesichtspunkte der Behandlung dass dieser in einer U-Schiene oder auf einer festen Matratze völ-
4 1. Verbesserung der lokalen Durchblutung. lig aufliegt. Dazu sollte ein schmales Schaumstoffpolster oder
2. Förderung der Resorption des Hämatoms und Ödems. ein gefaltetes Tuch unter das Kniegelenk gelegt werden. Ein
5 3. Lagerungskontrolle. hohl liegendes Kniegelenk verursacht Schmerzen. Funktionell
4. Wiederherstellung des Muskelspannungsgleichge- wichtig erscheint es uns, dass möglichst wenig Knieflexion ent-
wichts am Oberschenkel. steht und eine feste Abstützung des Fußes der Tendenz zu Au-
6 5. Kräftigung der gesamten Oberschenkelmuskulatur mit ßenrotation des Beins und Spitzfußstellung entgegenwirkt. Zur
dem Ziel einer gleichmäßigen Kraftentwicklung. Dauerhochlagerung sollte das Bettende hochgestellt werden.
7 6. Mobilisation des Kniegelenks mit Schwerpunkt der Er-
arbeitung der Kniestreckung.
Eine Sandsacklagerung erfüllt die genannten Bedingungen
nicht und ist daher nicht zu empfehlen. Vorgefertigte Schaum-
7. Erhalten der Funktion des nicht betroffenen Beins und stoffschienen passen selten zur individuellen Beinlänge eines
8 der Fußmuskulatur des verletzten Patienten, daher ist die Krapp-Schiene oft ungeeignet.
Beins.
8. Vorbereiten und Schulen von Aktivitäten, Gehschu-
9 lung.
4. Wiederherstellung des Spannungsgleichgewichts
Um am Femur möglichst gleichmäßige Spannungsverhältnisse
zu erreichen (. Abb. 15.4), muss zu Beginn der Übungsbehand-
10 lung ein genauer Muskeltest auf Teststufe 3 (= Halten gegen Ei-

1. Verbesserung der lokalen Durchblutung


11 Im frühen postoperativen Stadium können folgende Maßnah- . Abb. 15.4. Gleichgewicht der
Muskelspannung
men zur Anwendung kommen:
12 5 Eisabtupf- und Abreibetechnik, kühle Dinkelsäckchen so-
weit es der sterile Verband erlaubt. Zuerst wird 20 sec ge-
kühlt, anschließend folgen aktive Spannungsübungen für 2
13 min. Kühlphasen und Spannungsübungen werden 3- bis 4-
mal wiederholt.
14 5 Aktives, isometrisches Spannen gegen Führungskontakt im
Sekundenrhythmus bei korrekt gelagertem Bein (s.u.)

15 ! Cave
In der postoperativen Behandlungsphase sind Massagegriffe,
Wärmeanwendungen und Elektrotherapie kontraindiziert.
16
2. Resorption des Hämatoms und Ödems
17 Zur Resorption einer diffusen Nachblutung aus der Muskulatur
kann in den ersten Stunden nach der Operation ein Kompres-
sionsverband und eine in einen Kissenbezug gepackte Eiskom-
18 presse aufgelegt werden. Später ist sie kontraindiziert.
Nach der Entzündungsphase besteht die Möglichkeit, mit
19 milder Wärme und Elektrotherapie zu behandeln.
Das Spannen aller Oberschenkelmuskeln im Sekunden-
rhythmus verstärkt die Resorption. Grundsätzlich bleiben die
20 Redon-Drainagen so lange liegen, bis sie weniger als 20 ml Hä-
matomblut fördern.
21
15 Oberschenkelfraktur
287 15

genschwere und Beibehalten der korrekten Beinachse bei Mi- . Abb. 15.5.
nimal- oder Teilbelastung von 15 kg) durchgeführt werden. Er- Gelenknahe Griffe
fahrungsgemäß atrophiert der M. vastus medialis des M. quad- zur Fixation der
Kondylenfraktur
riceps zuerst und muss daher besonders sorgfältig geübt wer-
und für den
den. Genaue Kenntnisse der Frakturlage sind nötig, um ma-
Führungskontakt
nuelle Kontakte und Fixationsgriffe richtig anlegen zu können.
Dies bedeutet, dass der Physiotherapeut die Möglichkeit haben
muss, Röntgenbilder anzusehen.
Bis zur beginnenden Konsolidierung der Fraktur (ca. 6 Wo-
chen) soll auch bei bewegungsstabilen Osteosynthesen zwi-
schen Fraktur und Kniegelenk passiv fixiert werden.
Hat der M. quadriceps noch keinen Testwert 3, soll der Phy-
siotherapeut den Unterschenkel mit seinem Arm unterstützen.
Zur Anwendung kommen Übungen in freier Form:
5 Endstellung-halten,
5 Bewegen – Halten in allen Variationen,
– bei abgenommener Schwere,
– später gegen die Schwere und gegen Führungskontakt
und
5 Übungen in der geschlossenen Kette, z.B. Stabilisierung
der Beinachse gegen manuellen Kontakt bei vorgegebener
Belastungsstufe.

Liegt die Fraktur im Schaftbereich, können proximale Kontakte


über ein gefaltetes Handtuch oder ein breites Theraband zur
Anspannung der Hüftgelenkmuskulatur gesetzt werden.

! Cave
Ist die volle Streckung des Kniegelenks noch nicht erreicht,
müssen alle PNF-Übungen in Rotationsnullstellung des Hüftge-
lenks erfolgen!

5. Kräftigung der Oberschenkelmuskulatur


Nach Oberschenkelfrakturen tritt besonders schnell eine Atro-
phie der Oberschenkelmuskulatur, besonders des M. quadri-
ceps, auf. Ziel der physiotherapeutischen Übungen ist es, diese
möglichst aufzuhalten. . Abb. 15.6. Aktive dynamische Umkehr in kontrolliertem Bewegungs-
Erlaubt es die Konsolidierung der Fraktur, werden Übungen ausmaß aus dem Sitz
in geschlossener Form, also in der vorgegebenen Belastungsstu-
fe mit auf dem Boden/Waage aufgesetzten Fuß ausgeführt. Die
Übungen in freier Form sollen Komplexbewegungen (z.B. PNF) werden. Hilfsmittel sind ein Winkelmesser und die Hand des
gegen angepassten Widerstand sein. Bei Beanspruchung der Therapeuten, zu der das Knie maximal bewegt werden soll
Hüftgelenkmuskeln muss der Widerstand proximal der Frak- (. Abb. 15.6).
tur liegen. Für die Übungen in Adduktion/Extension kann eine Eine Kräftigung der gesamten Oberschenkelmuskulatur
Handtuchschlaufe oder ein breites Theraband benutzt werden. mit dem Ziel einer gleichmäßigen Kraftentwicklung ist durch
Zur Kräftigung des M. quadriceps und der Kniegelenkfunk- manuelle Techniken, aber auch mit Geräten zu erreichen. Der
tion der Mm. ischiocrurales muss der Oberschenkel dicht ober- Schwerpunkt sollte auf die Arbeit der Mm. quadriceps (M. va-
halb der Patella passiv fixiert werden. Ausgangsstellung kann stus medialis), adductores und ischiocrurales gelegt werden
Rückenlage oder Sitz sein (. Abb. 15.5). Besonders sicher lässt (. Abb. 15.7).
sich die Fraktur aus der Bauchlage fixieren, die für jüngere
Patienten eine geeignete Ausgangsstellung ist. ! Cave
Bei angeordneter Bewegungsbegrenzung kann aktiv, dy- Die Seitenlage ist zu vermeiden, da Rotationskräfte am Kniege-
namisch in kon- und exzentrischer Bewegungsfolge geübt lenk nicht sicher abgefangen werden können.
288 Kapitel 15 · Oberschenkelfraktur

1
2
3
4
. Abb. 15.7a-c. a Aktivierung des M. quadriceps, vastus medialis, b Betonung des M. vastus lateralis, c Verstärkungstechnik

5
Als Techniken kommen »Betonte Bewegungsfolge« und die Die Stabilisierung der Beinachsen unter Belastungsbegren-
6 Kombination von dynamischer Muskelarbeit und Verstärkungs- zung im Zweibeinstand muss auf einer Waage und mit Stützen
techniken infrage, die zu gegebener Zeit gegen angepassten oder geübt werden (7 Kap. 16).
7 optimalen Widerstand ausgeführt werden. Wenn die Frakturkonsolidierung es erlaubt, können Wider-
Zur Verstärkung für den M. quadriceps können M. glute- stände von allen Seiten gesetzt werden. Erst nach Konsolidie-
us maximus und/oder die Fußheber dienen. Den besten Over- rung der Fraktur (nach 6–8 Wochen) kann Rotationswiderstand
8 flow-Effekt erzielt man über den gegenseitigen Arm und die wei- oder distaler Trainingswiderstand gegeben werden. Dann ist es
terlaufende Spannung auf die schräge Bauchmuskulatur (auch möglich, mit Therabändern und Zuggeräten zu üben.
mit beiden Armen gut einzusetzen). Der Arm stützt dabei im Eine vollständige Ausheilung ist nicht selten erst nach
9 PNF-Muster »Extension/Adduktion/Innenrotation« gegen den 20 Wochen erreicht, wonach Kraft- und Ausdauertraining un-
Ellenbogen der fixierenden Hand des Therapeuten oder gegen ter sportlichen Gesichtspunkten durchgeführt werden können.
10 dessen Schulter. Die Spannung von M. gastrocnemius und Ze-
henflexoren aktiviert weiterlaufend die Mm. ischiocrurales, im 6. Mobilisation des Kniegelenks
Sinne des Gehmusters verstärkt sie den M. quadriceps des ge- Auch bei frühzeitigem Beginn der physiotherapeutischen Be-
11 genseitigen Beins. Als Ausgangsstellungen eignen sich Sitz an handlung kann durch überwiegendes Liegen oder eine Ver-
der Bettkante oder Bauchlage (. Abb. 15.8). Als Technik kann klebung der Muskelfasern durch die ausgedehnte Blutung ei-
12 man die betonte Bewegungsfolge gut einsetzen. ne muskuläre Streckkontraktur im Kniegelenk entstehen. Durch
Zum selbständigen Üben der Mm. quadriceps und gas- die Insuffizienz des M. quadriceps einerseits und der Pes-anse-
trocnemius eignet sich das in verschiedenen Stärken erhältliche rinus-Gruppe andererseits kann sich ebenfalls ein Streckdefizit
13 Theraband gut (. Abb. 15.9). entwickeln, das funktionell wesentlich bedeutungsvoller für die
Es sollte darauf geachtet werden, dass alle zweigelenkigen Stabilität des Kniegelenks ist.
14 Muskelgruppen in ihrer vollen Funktion geübt werden, z.B. Sta- Primär wird an der Erreichung der vollen Streckung gear-
bilisation der Hüft- und Kniegelenke in der geschlossenen Kette beitet. Angewandt werden »Chirurgische Technik«, »Rhyth-
für den M. quadriceps. Hoher Sitz oder Halbsitz sind geeignete mische Stabilisation – Entspannen« und »Dynamische Umkehr
15 Ausgangspositionen, um niedrige Belastungsstufen einzuhalten – Entspannen« aus dem PNF-Programm. Bei den Techniken
und das Bein z.B. auf der Waage zu stabilisieren. soll nicht dynamisch rotiert und nur aktiv weiterbewegt werden.
16
. Abb. 15.8a,b. a Bauchlage: Betonte Bewegungsfolge für
17 M. gastrocnemius, b Sitz: Spannung von M. gastrocnemius und
Mm. ischiocrurales
18
19
20
a
21
15 Oberschenkelfraktur
289 15

. Abb. 15.9a,b. a Spannung von M.


quadriceps und M. gluteus maximus
durch Stemmen gegen das Thera-
band, b Aktivierung der Flexoren über
Plantarflexion des Fußes

Nach jeder Technik folgt die Kräftigung der schwächeren stützen. Wenn evt. Nebenverletzungen und die Mobilität des Pa-
Muskelgruppe. Zu Anfang ist »Endstellung – Halten« die beste tienten es erlauben, soll vorzugsweise für das spätere Gehen mit
Technik, um das gewonnene Bewegungsausmaß zu halten. Unterarmstützen in der geschlossenen Kette geübt werden. Es
Unterstützen kann man die Kontraktion des M. quadriceps können alle Variationen der PNF-Techniken mit und ohne Ge-
durch einen feinen Stretch an der Patella. Ist die Patella verklebt rät ausprobiert werden (z.B. gegen Therabänder oder Zugge-
und in ihrer Gleitfähigkeit eingeschränkt, kann man sie wäh- räte) (7 Kap. 5, 6, 16, 19).
rend des Spannungsaufbaus nach kranial-medial verschieben Diese vorgeübten Bewegungsaufgaben soll der Patient auch
(Griff, . Abb. 16.27). zu Hause selbständig und regelmäßig üben.
Techniken aus der Manuellen Therapie wie Patellagleiten
und eine weiche Traktion an der Tibia, verbunden mit vorsich- 8. Vorbereiten und Schulen von Aktivitäten, Gehschulung
tigem Ventralgleiten, sind wichtige unterstützende Maßnah- Schon im Liegen kann das Gehmuster in einzelnen Bewegungs-
men zu den aktiven Mobilisationstechniken. Unterstützend abschnitten vorgeübt werden.
wirkt sich auch das Patellagleiten nach kaudal und eine Trakti- Werden die Einzelbewegungen der vier Extremitäten be-
on mit vorsichtigem Dorsalgleiten der Tibia aus. herrscht, können sie als eine kombinierte Übung zusammen-
In der Frühbehandlung dürfen keine Massagegriffe an der gesetzt werden (PNF-Gehmuster). Begonnen wird mit rezipro-
Muskulatur angewendet werden. Die Gefahr der Nachblutung ken Umkehrbewegungen (Dynamische Umkehr) für die Fuß-
ist zu groß. Weiches Streichen oder eine Manuelle Lymph- und Unterschenkelmuskulatur. Dosierung ist Führungskontakt
drainage kann nach der Wundheilung effektiv zum Abbau der und später angepasster Widerstand. Variationen ergeben sich
Schwellung beitragen. In der Proliferationsphase kann eine ent- aus verschiedenen kon- und exzentrischen Bewegungsfolgen.
spannende Massage jedoch durchaus den Heilungsprozess un- Wichtig ist, dass der Oberschenkel stabil auf der Unterlage und
terstützen. die Beinachse gerade bleibt (. Abb. 15.10).
Kurzes Abreiben mit einem Eislolly kann die Kontrak-
tionsfähigkeit der Muskulatur fazilitieren; Langzeit-Eisanwen-
dungen werden heute nach der Entzündungsphase nicht mehr
eingesetzt.
Im Spätstadium kommen verschiebende Griffe, Querdeh-
nungen der Narbe und der Minimassagestab am Ansatz des
M. biceps femoris oder am Pes anserinus infrage (7 Kap. 11,
»Handchirurgie«).
Das Üben im Bewegungsbad kann eine generelle Entspan-
nung der Beinmuskulatur bewirken, gezielt lassen sich jedoch
die Probleme nicht angehen.
Kapseltechniken aus der Manuellen Therapie sind das Mit-
tel der Wahl, wenn die Fraktur fest ist und ein spezieller Bewe-
gungsstopp behandelt werden muss.

7. Erhalten der Funktion der nicht betroffenen Extremitäten


Beide Arme und das kontralaterale Bein können in der frühen
Behandlungsphase in alle Richtungen gegen angepassten Wi-
derstand trainiert werden. Das betroffene Bein soll jedoch sei- . Abb. 15.10. Reziprokes Gehmuster, Betonte Bewegungsfolge für die
ne Lage dabei nicht verändern und nicht gegen die Unterlage Knie- und Sprunggelenke
290 Kapitel 15 · Oberschenkelfraktur

Ist die Fraktur noch nicht durchbaut, muss der manuelle hen überprüft werden. Aus hygienischen Gründen dürfen die
1 Widerstand proximal der Fraktur liegen oder ganz weggelassen Schuhe nicht schon im Bett getragen werden.
werden. Der Patient soll im Stand auf der Waage die vorgegebene Be-
2 Die Vorbereitung der Belastung kann durch Stützen des
Fußes gegen die Wand, einen Fußkreisel oder eine Waage ein-
lastung des betroffenen Beins einüben. Dem folgt das Schulen
der Bewegung vom hohen Sitz in den Stand mit Gehhilfen.
geübt werden (. Abb. 17.7, 17.8). Auch der Tilt Table kann zum Im Zweibeinstand und in Schrittstellung können Stabili-
3 Einsatz kommen (. Abb.16.18, 16.20). sationsübungen gegen manuellen Kontakt durchgeführt wer-
Nach Entfernung der Redon-Drainagen dürfen nicht po- den.
lytraumatisierte Patienten i.d.R. mit Gehwagen oder Unterarm- Anschließend werden Schrittfolgen vorwärts, rückwärts,
4 stützen aufstehen. Das betroffene Bein wird gewickelt. seitwärts und Treppensteigen kontrolliert eingeübt. Wegen der
Günstig ist das Üben auf Waagen, die in den Boden einge- hohen Belastung auf den Femurschaft soll der Patient Treppen
5 lassen sind. Ist dies nicht möglich, werden zwei Personenwaa- bis zur 6. – 8. Woche postoperativ im Nachstellschritt hochge-
gen benutzt. Die Höhe zum Boden muss durch Brettchen aus- hen.
geglichen sein, sodass sich die Unterarmstützen dort sicher ab- Nach Konsolidierung und auf ärztliche Verordnung kann ca.
6 stützen können. ab der 11. Woche voll belastet werden.
Minimal- oder vorgegebene Teilbelastung werden exakt auf Dann wird die Stabilisation im Einbeinstand (10° Knieflexi-
7 der Waage eingeübt (. Abb. 16.17, 16.19). Die Unterarmstützen onsstellung) mit und ohne Unterarmstützen, auch gegen Ge-
stehen neben der Waage. Günstig ist das Stehen auf zwei Waa- rätezug (. Abb. 5.5, 5.7) eingeübt.
gen, so dass die beiden Skalen seitlich zu sehen sind. Der Pati- Stabilisationsübungen können in Kombination mit Bewe-
8 ent soll in Schritt- oder Schlussstellung das Körpergewicht von gungsfolgen auf dem Schaukelbrett, Sportkreisel, Ballkissen
der gesunden Seite auf das verletzte Bein verlagern und die kor- oder Trampolin abwechslungsreich gestaltet werden (. Abb. 5.8,
rekte Beinachse beibehalten (alle 7 Kap. über Verletzungen der 16.23).
9 unteren Extremität). Zuggeräte können unterstützend oder erschwerend einge-
Optische Kontrolle vor dem Spiegel erleichtert die korrekte setzt werden. Zum Steigen auf einen Hocker und Abstoßen der
10 Ausführung; später soll ohne Augenkontrolle geübt werden, um Ferse kann das Zuggerät mit schweren Gewichten unterstüt-
das Körpergefühl für die richtige Belastung zu schulen. zend wirken (negative Belastung).
Übungsformen zur Belastungsübernahme können durch Die Patienten sollen nicht ohne ein Hausaufgabenpro-
11 Zuggeräte nicht nur erschwert, sondern auch erleichtert wer- gramm aus der physiotherapeutischen Behandlung entlassen
den. Gewichte können als Hubunterstützung eingesetzt werden, werden. Göhler (2007) hat effektive Übungen in der geschlos-
12 z.B. beim Steigen auf einen Hocker. In der Rehabilitationsphase senen Kette zum selbständigen Üben im Türrahmen entwickelt
werden Zuggeräte als Widerstand eingesetzt, um die volle Be- (. Abb. 6.35–6.37). Dabei werden stabile Elemente mit dyna-
lastungsfähigkeit zu schulen. mischen PNF-Bewegungsfolgen kombiniert, um die Vollbelas-
13 tung zu erarbeiten.
Gehschulung im Stand Aus der Grundposition »Stand im Türrahmen« sind viele Be-
14 Wichtig
wegungsvariationen möglich:
5 Ausgangsstellung: Füße leicht gespreizt, Knie- und Hüft-
Vor der Gehschulung ist es wichtig, im Stand die Beinlänge gelenke in Neutralstellung, Arme gestreckt, außenrotiert
15 zu messen und bei einer Beinverkürzung ≥ 0,5 cm die Diffe- und so weit abduziert, dass die Hände auf gleicher Hö-
renz durch eine Schuherhöhung auszugleichen! Die Schuhe he mit den Handflächen jeweils an den hinteren Türblen-
den liegen.
16 sollen fest sein und weiche bzw. Luftpolstersohlen haben.
5 Grundspannung: Die Hände stützen gegen den Türrahmen,
während die Bauch- und Glutealmuskeln angespannt wer-
17 Aufstehen aus dem hohen Sitz in den Zweibeinstand auf Waa- den.
gen mit Unterarmstützen.
Der Patient soll Bodenkontakt/Minimalbelastung oder vor- Bei gehaltener Grundspannung können Gewichtsverlagerungen
18 gegebene Teilbelastung wahrnehmen. In den ersten Tagen soll und dynamische Bewegungen des gleichseitigen Arms und ge-
das verletzte Bein bandagiert werden. Die Unterarmstützen genseitigen gesunden Beins zur Stabilisierung der Beinachse
19 müssen richtig eingestellt werden. Wenn die Unterarmstützen durchgeführt werden, z.B. Standbein und Gegenarm im Stütz-
neben den Fußspitzen positioniert sind, soll der Patient gera- muster, gesundes Bein und gleichseitiger Arm im Schwung-
de stehen, ohne die Schultern hoch oder nach vorne zu ziehen. phasenmuster. Durch den Druck gegen den Rahmen kann jede
20 Beim ersten Mal kann die Einstellung der Stützen in gerader Position stabilisiert werden (geschlossene Kette) und ein Arm
Rückenlage geschehen; sie muss jedoch im Stand mit den Schu- oder Bein in freier Form bewegt werden.
21
15 Oberschenkelfraktur
291 15

. Abb. 15.11. Grund- . Abb. 15.13. Einbeinstand


position im Türrahmen (Göh- mit gekreuztem Spielbein
ler 2007)

. Abb. 15.12. Einbeinstand


im Türrahmen

. Abb. 15.14a,b. a Einbeinstand mit gekreuztem Spielbein als Aus-


gangsposition für b Extensions/-Abduktions-/Innenrotationsbewegung

Die korrekte Beinachse des betroffenen Beins kann durch den on im Hüftgelenk lässt sich die Beckenstellung (Trendelenburg)
gekreuzten Einbeinstand stabilisiert werden, bei dem das gesun- korrigieren (. Abb. 15. 11, 15.12, 15.13, 15.14). Die Übungen
de Bein das Standbein überkreuzt und der Fuß mit der Außen- können, vor dem Spiegel ausgeführt, die optische Wahrneh-
kante neben dem Standbeinfuß auf den Zehen abgestellt wird. mung der Becken-Bein-Rumpf-Achse schulen.
Mit leichtem Druck durch eine kleine Innenrotationsbewe-
gung und eine anschließende Entspannung durch Außenrotati-
292 Kapitel 15 · Oberschenkelfraktur

Besonderheiten bei der Behandlung nach Übung


1 Kniegelenkfrakturen 5 Isometrisches Spannen des M. quadriceps aus Rotations-
Aufgrund der Empfindlichkeit des Kniegelenks sind bei Ge- nullstellung (. Abb. 15.5).
2 lenkfrakturen besondere Aspekte zu berücksichtigen:
Bei einem Hämarthros darf die Knieflexion bis 60° nicht
Kontakt/Fixation: Gelenknaher Griff.

durchgeführt werden. Empfohlen wird eine Flexionsbewegung Übung


3 von maximal 0–20/30° und isometrische Spannungsübungen 5 Isometrisches Spannen der Mm. adductores gegen Füh-
ohne Rotationskomponente. Wichtig ist auch die Reduzierung rungskontakt.
der Belastung. 5 Dasselbe in Extension/Adduktion, Extension/Abduktion,
4 Da bei gelenknahen Frakturen die passive Fixation nur un- Flexion/Adduktion und Flexion/Abduktion.
zureichend gelingt, müssen alle Übungen niedrig dosiert wer- 5 Bei flach aufliegendem Bein kann proximal der Fraktur an-
5 den. Übungen gegen Führungskontakt sind die adäquate Do- gepassster Widerstand mit einer Handtuchschlaufe gege-
sierungsstufe. ben werden. Die Beinachse muss immer exakt beibehal-
Selten kann das Bein regelrecht auf der CPM-Schiene gela- ten werden.
6 gert werden. Der Einsatz der Motorschiene ist an sich richtig; es
ist jedoch schwierig, die Bewegung so einzustellen, dass keine Übung
7 Hebelwirkung auf die Fraktur entsteht. Als Folge irritierender 5 Unter Abnahme der Beinschwere in Kniestreckung und ca.
Wackelbewegungen bildet sich ein schmerzhaftes »Reizknie« 50–70° Hüftbeugung.
aus (7 Kap. 16). Der Unterschenkel darf keinesfalls fixiert wer- Technik: Endstellung – Halten.
8 den. Daher wird die CPM-Schiene nur im schmerzfreien Be- 5 Dasselbe in Flexions-/Adduktionsstellung.
reich eingesetzt und findet keine Anwendung, wenn der Bewe- 5 Dasselbe in Flexions-/Abduktionsstellung.
gungsspielraum zu klein ist (. Abb. 17.6). 5 Verstärkungsmuster können entweder durch das Stemmen
9 Wichtige Behandlungspunkte bei allen Beinverletzungen des gegenseitigen Arms gegen Ellenbogen bzw. Schulter
sind Gehschulung, Vorbereitung auf den Alltag, Berufsleben des Therapeuten oder durch Extensionsspannung des ge-
10 und ausgeübter Sport. genseitigen Beins gegen manuellen Widerstand/die Unter-
lage aufgebaut werden.
11 Übungsbeispiele Tipp

Verstärkungsmuster werden vor den Übungen für die


12 Die folgenden Übungsbeispiele beziehen sich auf eine Fe-
betroffene Extrimtät geübt.
murschaftfraktur nach Marknagelung mit Verriegelungsnagel
(UFN).
13
Spannungsaufbau und Kräftigung Übung bei Rotationsstabilität
14 Alle Übungen werden in den ersten Wochen gegen Führungs- 5 Aktive Formen von Bewegen und Halten für die Hüftge-
kontakt oder angepassten Widerstand oberhalb der Frakturhö- lenkflexion: »Flexion/Adduktion/Außenrotation«, »Fle-
he durchgeführt. Die Spannungszeit sollte mindestens 7–10 sec xion/Abduktion/Innenrotation mit gehaltener Kniestre-
15 andauern. Passive Fixation ist nötig. ckung« (7 Kap. 22).

Ausgangsposition Ausgangsposition
16 Rückenlage. Bein in Nullstellung, Oberschenkel flach unterla- Sitz an der Bettkante. Oberschenkel liegt flach auf der Bank.
gert.
17 Übung
Übung 5 Aktive dynamische Kniestreckung, z.B. als aktive konzen-
5 Isometrisches Spannen des M. quadriceps, M. vastus me- trische und exzentrische Kniestreckung gegen die Eigen-
18 dialis gegen Führungskontakt; Spannungseinleitung durch schwere des Unterschenkels im vorgegebenen Bewegungs-
M. tibialis anterior. ausmaß. Es darf keine Oberschenkelrotation zugelassen
19 5 Dasselbe mit Verstärkung durch das gegenseitige Bein als werden.
Overflow-Reaktion (. Abb. 16.18). 5 Dasselbe mit »Betonter Bewegungsfolge« für die Sprungge-
lenke bei statisch arbeitendem M. quadriceps.
20
21
15 Oberschenkelfraktur
293 15

Übung tener Konsolidierung darf ein Ventral- oder Dorsalgleiten


5 Verstärkung über den gegenseitigen Arm des Patienten der Tibia Anwendung finden.
(. Abb. 15.7 c).
5 Dasselbe, eingeleitet durch Dorsalextension/Supination Vorbereitung des Gehmusters
oder Dorsalextension/Pronation der Sprunggelenke. Ausgangsposition
Rückenlage, möglichst weit am Fußende. Der Physiotherapeut
Übung steht am Fußende.
5 Statische Knieflexion bei passiver Fixation des Oberschen-
kels von dorsal (. Abb. 15.9). Übung
5 Beide Beine führen alternierend ein PNF-Gehmuster als
Ausgangsposition dynamische Umkehrbewegung durch, von der »Flexion/
Bauchlage. Adduktion/Außenrotation zum gebeugten Knie« in »Ex-
tension/Abduktion/Innenrotation zum gestreckten Knie«.
Übung Das gesunde Bein übt gegen Widerstand, das verletzte ak-
5 Kniebeugung bei passiver Fixation der Fraktur. tiv gegen die Eigenschwere oder gegen Führungskontakt.
Techniken: Bewegen – Halten, Betonte Bewegungsfolge, Jede Sequenz wird einzeln vorgeübt, dann erst werden bei-
Stabilisierende Umkehr (. Abb. 15.8 a). de Beine gegengleich bewegt.

Übung Ausgangsposition
5 Kniebeugung und Hüftstreckung. Sitz an der Bettkante. Oberschenkel liegt flach auf.

! Cave Übung
Vor Ausheilung der Fraktur darf bei verriegelten Marknagel- 5 Reziprokes Gehmuster mit Betonung der Kniegelenkfunk-
oder elastischen Plattenosteosynthesen aktiv im Hüftgelenk, tion (. Abb. 15.10, 7 Kap. 22).
nicht jedoch gegen distalen Widerstand rotiert werden.
Vorbereiten und Schulen von Aktivitäten
Ausgangsposition Für die verletzte Extremität besteht TeilbelastungsstabilitätDie
Sitz oder Halbsitz. Dosierung der Übungen richtet sich nach dem Heilungspro-
zess und der Belastbarkeit. Alle Übungen können durch Hebel-
Übung verkürzungen, angepassten Widerstand oder Kontakt und im
5 Bein- Becken-Rumpf-Stabilisation in der geschlossenen geschlossenen System auf Waagen mit entsprechender Bela-
Muskelkette gegen Theraband. Ferse gegen das Theraband stungsstufe ausgeführt werden.
schieben und Fuß dorsalflektieren, Knie strecken und Posi-
tion halten (. Abb. 6.25). Ausgangsposition
5 Dasselbe in der Rückenlage und im Stand. Hoher Sitz an der Bettkante, hoher Halbsitz oder Zweibein-
stand auf der Waage.
Mobilisation des Kniegelenks
Ausgangsposition Übung
Sitz oder Bauchlage. 5 Stabilisation der Rumpf-Becken-Kniegelenk-Fuß-Stellung
im Zweibeinstand (Bizzini 2000).
Übungen
5 PNF: »Chirurgische Technik« mit aktivem Weiterziehen, Übungen
»Rhythmische Stabilisation – Entspannen – aktiv Weiter- 5 Übungen im Türrahmen als Hausaufgabenprogramm
ziehen« ohne Rotation, »Dynamische Umkehr – Halten – (. Abb. 15.11–15.14, 6.37).
Entspannen – aktiv Weiterziehen« ohne Rotation.
5 Im Anschluss an die jeweils gewählte Technik soll der ge- Ausgangsposition
wonnene Bewegungsweg 7–10 sec gehalten werden. Ein Hoher Halbsitz an der Bankecke. Fuß des betroffenen Beins auf
Übungsprogramm zur Kräftigung der geschwächten Mus- der Waage. Becken in Mittelstellung, Hüft- und Kniegelenk fast
kelgruppe in der geschlossenen Kette schließt sich an. gestreckt (. Abb. 16.28).
5 Je nach Befund werden die aktiven Entspannungstech-
niken ergänzt durch Techniken aus der Manuellen Thera- Übung
pie, z.B. Patellagleiten und Traktion. Erst bei fortgeschrit- 5 Stabilisation der Beinachse im Extensionsmuster durch
manuellen Kontakt oder Theraband, auch über Gewichts-
294 Kapitel 15 · Oberschenkelfraktur

verlagerung des Rumpfes und der Arme (. Abb. 6.25,


1 7 Kap. 19).
5 Stabilisation der Becken- und der Rumpfposition, auch ro-
2 tierend, wenn die Beinachse gerade gehalten werden kann
und die Fraktur rotationsstabil ist (nach 6–8 Wochen).
5 In Einrichtungen, in denen ein Total-Gym-Gerät vorhanden
3 ist, ist dieses sehr gut zur Stabilisation der Becken-Bein-
Achse einsetzbar (Zahnd 2005, . Abb. 6.33).
4
15.1 Literatur
5
Bizzini M (2000) Sensomotorische Rehabilitation nach Beinverletzungen.
Thieme, Stuttgart New York
6 Buck M, Becker D, Adler S (2004) PNF in der Praxis, 5. Aufl. Springer, Ber-
lin Heidelberg
Göhler B (2007) Komplexbewegung contra Einseit-Haltung. Pflaum,
7 München
Hüter-Becker A (2005) Physiotherapie in der Traumatologie/Chirurgie.
Thieme, Stuttgart New York
8 Trentz O, Bühren V (2001) Checkliste Traumatologie. Thieme, Stuttgart
New York
9 Spirgi-Gantert I, Suppé B, Eicke-Wieser K (2006) FBL Klein-Vogelbach
Functional Kinetics: Therapeutische Übungen. Springer, Berlin Hei-
delberg
10 Van den Berg F et al. (2001) Angewandte Physiologie, Bd 3. Thieme, Stutt-
gart New York
Weigel B, Nerlich M (2005) Praxisbuch Unfallchirurgie. Springer, Berlin Hei-
11 delberg New York Tokio
Zahnd F (2005) Trainingsmaßnahmen bei schmerzhaften Funktions-
störungen der LWS. Manuelle Therapie 9: 161–170. Thieme, Stuttgart
12 New York

13 Die Abbildungen 15.6–15.10 haben mir freundlicherweise Frau Claudia


Klose, PT-Schule am BKH Günzburg, die Abbildungen 15.11–15.14 Frau
Beatrice Göhler, Frankfurt, zur Verfügung gestellt.
14 Abbildung 15.5 verdanke ich Frau Birgit Jaspersen, Phys. Med. Kli-
nikum Großhadern, München; Abbildung 15.1 OA Dr. Th. Löffler, Chirur-
15 gische Universitätsklinik, Klinikum Großhadern, München.

16
17
18
19
20
21
16

Frakturen und Verletzungen im


Bereich des Kniegelenks

Einteilung – 297 16.3 Patellafraktur/


Ursachen – 297 Patellaluxation – 304
Charakteristische Symptome/ Einteilung – 304
Leitsymptome – 297 Ursachen – 304
Physiologische Grundlagen, Charakteristische Symptome/
Behandlungsrichtlinien und Leitsymptome – 304
therapeutische Maßnahmen – 297 Behandlungsrichtlinien und
therapeutische Maßnahmen – 304
16.1 Distale Femurfraktur – 301 Komplikationen – 306
Einteilung – 301 Befunderhebung bei Frakturen – 306
Ursachen – 301 Behandlungsmöglichkeiten – 307
Charakteristische Symptome/
Leitsymptome – 301 16.4 Gelenkflächenersatz, komplette
Behandlungsrichtlinien und Kniegelenkprothese – 307
therapeutische Maßnahmen – 301
Komplikationen – 302 16.5 Kapsel-Band-Meniskus-
Befunderhebung – 302 Verletzungen – 308
Behandlungsmöglichkeiten – 302 Einteilung – 308
Ursachen – 308
16.2 Tibiakopffraktur – 302 Charakteristische Symptome/
Einteilung – 302 Leitsymptome – 308
Ursachen – 302 Behandlungsrichtlinien und
Charakteristische Symptome – 302 therapeutische Maßnahmen – 308
Behandlungsrichtlinien und Komplikationen – 310
therapeutische Maßnahmen – 303 Befunderhebung bei Kapsel-Band-
Komplikationen bei Kondylen-/ Meniskus-Verletzungen – 310
Tibiakopffrakturen – 303 Behandlungskonzepte bei Kapsel-
Behandlungsmöglichkeiten – 303 Band-Meniskus-Verletzungen – 312
296 Kapitel 16 · Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks

16.6 Hintere Kreuzbandverlet- 16.9 Verletzungen des


1 zung – 318 Streckapparates – 329
Ursachen – 318 Ursachen – 329
2 Charakteristische Symptome/ Charakteristische Symptome/
Leitsymptome – 318 Leitsymptome – 329
3 Behandlungsrichtlinien und Behandlungsrichtlinien und
therapeutische Maßnahmen – 318 therapeutische Maßnahmen – 329

4 16.7 Kollateralbandrupturen – 319 16.10 Traumatische Schleimbeutel-


Einteilung – 319 verletzung – 329
5 Ursachen – 319
Charakteristische Symptome/ 16.11 Gelenkknorpelverletzungen – 329
Leitsymptome – 319 Charakteristische Symptome/
6 Behandlungsrichtlinien und Leitsymptome – 329
therapeutische Maßnahmen – 319 Behandlungsrichtlinien und
7 Komplikationen bei allen therapeutische Maßnahmen – 329
Kapsel-Band-Verletzungen – 320 Behandlungsmöglichkeiten – 330
Übungsbeispiele – 330
8 16.8 Meniskusverletzungen – 320
Einteilung – 320 16.12 Patientenbeispiel 1 – 332
9 Ursachen – 320 Befundaufnahme – 332
Charakteristische Symptome/ ICF-Dokumentation – 333
Leitsymptome – 320
10 Behandlungsrichtlinien und
16.13 Patientenbeispiel 2 – 335
Befundaufnahme – 335
therapeutische Maßnahmen – 320
11 ICF-Dokumentation – 335
Komplikationen – 321
Befunderhebung – 321 16.14 Literatur – 336
12 Behandlungsmöglichkeiten – 322

13
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16 Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks
297 16

Einteilung tatorischen Kräfte der spiralförmig angeordneten Muskeln ge-


fordert.
5 Kondylenfraktur, Autoren wie Hislop, Montgomery, Bose, Richardson, Bul-
5 Patellafraktur, lock, Valerius, Hamilton, van den Berg bezeichnen die lokalen,
5 Tibiakopffraktur, tiefen, kurzen und querliegenden Muskelzüge Typ I als Stabili-
5 Kapsel-Band-Läsionen: Dehnungen, Einrisse/Risse der satoren des Kniegelenks. Sie unterscheiden sich von den globa-
Ligg. collateralia mediale und laterale und der Ligg. crucia- len, oberflächlichen, langen, ein- oder zweigelenkigen Muskeln
ta anterius und posterius, mit Typ II-a-Fasern (Janda 1996, van den Berg 1999), welche die
5 Läsionen der Menisken, Aufgabe haben, schnelle Bewegungen optimal einzuleiten und
5 Läsionen der Patellasehne, des Reservestreckapparates und für kürzere Zeit mit mäßiger Kraft zu halten (myofasziales Sys-
der Bursae, tem durch enge Verbindung zur Kapsel).
5 Läsionen des Gelenkknorpels. Die Fasern des M. vastus medialis verlaufen distal fächerför-
mig schräg zur Patella und setzen medial-kranial an der Patella
an, so dass sie diese nach medial-kranial ziehen. Sie gelten als lo-
Ursachen kale Stabilisatoren und werden von manchen angelsächsischen
Autoren als »Vastus medialis obliquus« bezeichnet. Meines Er-
5 indirekte Gewalteinwirkung, insbesondere Drehmechanis- achtens ist diese Bezeichnung irreführend, denn funktionell
men beim Sport und Verkehrsunfällen, sind es kurze, schräge Faserzüge des Vastus medialis mit der ge-
5 direkte Gewalteinwirkung wie Schlag und Kompression. nannten Funktion. Folgerichtig müsste der M. quadriceps als
»M. quintceps« bezeichnet werden, wenn er »5 Köpfe« hätte.
Diese Bezeichnung ist jedoch in den deutschen Anatomiebü-
Charakteristische Symptome/Leitsymptome chern nicht zu finden.
Unumstritten ist die wichtige Funktion des M. quadriceps
Die verletzungsspezifischen Symptome sind jeweils in den ein- und seines Vastus medialis, der seine Zugkraft besonders gut bei
zelnen Kapiteln beschrieben. Außenrotation des Hüftgelenks einsetzen kann. Schon vor mehr
als 50 Jahren hat Gebardt dem PNF sehr ähnliche Übungen ent-
wickelt, die v. Mülmann an der Münchner Physiotherapieschu-
Physiologische Grundlagen, le als sog. »Innenbandübungen« gelehrt hat.
Behandlungsrichtlinien und therapeutische
Maßnahmen Physiologische Beinachse
Analog zur Definition der »Neutralstellung der Wirbelsäule«
Physiologische Grundlagen kann man für das Kniegelenk eine Position in Streckung fest-
Das Kniegelenk ist ein hochempfindliches und kompliziertes legen, in der maximaler Gelenkschutz bei minimaler Muskelspan-
Drehscharniergelenk. Es muss in jeder belasteten Beinstellung nung besteht. Vielfach wird diese Stellung als »physiologische
muskulär stabilisiert werden und ist durch seine dreidimensi- Beinachse« bezeichnet, die es zu stabilisieren gilt. Kniegelenke
onalen Bewegungskomponenten besonders in Beugestellungen sind deshalb in ihrer Neutralstellung deutlich weniger schmerz-
verletzungsgefährdet. haft als in belasteter Beugestellung (Abwärtsgehen auf der Trep-
Femur-, Tibia- und Patellagelenkflächen, neuromuskuläre pe). Physiologischerseits kommt es in der Schwungphase zu ei-
Strukturen, Sehnen und Bänder bilden ein kompliziertes Sys- ner minimalen Verschraubung des Oberschenkels gegen den
tem, das die Gelenke bei allen Belastungen stabilisiert. Unterschenkel und in der Standphase zu einer Entschraubung
(Hüter-Becker et al. 1999). Die Entschraubung im Sinne einer
Kniegelenk stabilisierende Muskulatur Innenrotation des Femurs und Außenrotation der Tibia wird
M. quadriceps, M. sartorius und die Mm. ischiocrurales sind in bei einem Streckdefizit unvollständig; es bleibt eine Instabilität.
der Fersenkontakt- und Mittelstandphase die wichtigsten ak- Langfristig entsteht daraus eine Gonarthrose.
tiven Stabilisatoren des Kniegelenks. Sie agieren exzentrisch Die kurzen, tiefen, schrägen Muskelfasern des Vastus media-
synergistisch. Das Kniegelenk hat in Flexion/Hyperextension ein lis verhindern größere Roll-, Gleit- und Scherbewegungen und
Bewegungsausmaß von 135–0–10°. lassen dennoch die gewünschte Bewegung zu. Sie wirken wie ei-
Bei voller Kniestreckung ist der M. quadriceps entspannt ne elastische Federkraft (Hogan 1990). Bei dynamischen Knie-
und entlastet das Femoropatellar- und das Femorotibialgelenk. gelenkbewegungen verändern sie ihre Zugrichtung kaum (>
In belasteter Beugestellung wirkt neben dem Körpergewicht 20) und können daher ihre stabilisierende Funktion in jeder
auch der Spannungsdruck des M. quadriceps auf die kleinere Gelenkposition dauerhaft ausführen.
Belastungsfläche, um einem Einknicken des Kniegelenks ent- Durch gezieltes Anspannen des Vastus medialis kann die
gegenzuwirken. In der Kniebeugestellung sind vermehrt die ro- »Federsteifigkeit« und damit die Stabiltät des Kniegelenks er-
298 Kapitel 16 · Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks

höht werden. Die lokale Stabilität wird gesteigert durch Kokon- tung. Bei fixierter Patella bleibt der Belastungsdruck auf der
1 traktion der antagonistischen Muskeln (Üben im geschlossenen gleichen Stelle.
System, Bizzini 2000).
Wichtig
2 Lokale und eingelenkige Muskeln atrophieren schneller und
neigen zu Hypotonus, was Physiotherapeuten bei Kniegelenk-
5 Für die axiale Belastung des Beins nach Frakturen, be-
verletzungen sehr schnell und deutlich am Vastus medialis be-
3 obachten können. Auch das Gefühl für Spannung und Kontrak- sonders aber auch bei einer dorsomedialen oder -late-
ralen Instabilität, muss die volle Kontrolle der Beinachse
tionsvermögen geht eher verloren als bei mehrgelenkigen Mus-
durch die genannte Muskulatur vorhanden sein.
keln wie z.B. den Mm. ischiocrurales, die eher eine erhöhte Ak-
4 tivität zeigen. 5 Die ischiokrurale Muskulatur sichert das Kniegelenk bei
einer anteromedialen Instabilität.
Für die Rotationsstabilität in der Zehenabdruckphase
5 Bei voller Streckung übernimmt der gesamte periphere
5 (Streckphase) ist in besonderem Maße der M. sartorius verant-
und zentrale Bandapparat die passive Stabilisierung des
wortlich, der in den Pes anserinus einstrahlt. Bei voller Knie-
Kniegelenks.
streckung sichert er, gemeinsam mit dem medialen Kollateral-
6 band, das Kniegelenk an der medialen Seite.
Der M. gastrocnemius stabilisiert das Kniegelenk von dorsal,
7 wenn das Körpergewicht über die Lotstellung nach vorne oben Kniegelenk stabilisierende Bänder
gebracht wird. Er supiniert und plantarflektiert die Ferse und Das Kniegelenk ist, wie bereits erwähnt, ein sehr empfindliches
löst dadurch die Gegenpronation des Fußes und die Belastung Gelenk (Drehscharniergelenk), das hohen Rotations- und Be-
8 auf den Großzehballen aus. lastungskomponenten ausgesetzt ist. Der Rollgleitmechanismus
beginnt bereits bei ca. 15–20° Knieflexion und verursacht eine
Drehachsenverschiebung.
9 Patella
Aus biomechanischer Sicht spielt die Patella eine wichtige Rol- Nach Wirth (1978) wird das Innenband am vorderen Rand
le für die Funktion des Kniegelenks. Neben ihrer schon er- bei zunehmender Beugung, der hintere Rand in Streckung ge-
10 wähnten Gleitfähigkeit und ihrer engen Bindung zu den Seh- spannt. Der mittlere Abschnitt wird bei voller Streckung oder
nen der einzelnen Quadrizepsköpfe ist sie ein wichtiger Kraft- ca. 50° Beugung maximal gestrafft. Valgusstress und Außenro-
überträger auf den Unterschenkel. Über das Femoropatellarge- tation verursachen eine Spannungszunahme.
11 lenk werden große Kräfte, z.T. bis zum 7-fachen des Körperge- Das Außenband ist bei Überstreckung gespannt und wird
wichts (Kapandji 1985) auf die Tibia übertragen. bei Beugung entspannt.
12 Die retropatellare Knorpelschicht ist die dickste im ganzen Das vordere Kreuzband zeigt mit allen Teilzügen seine Ma-
Körper; nach Kapandji (1985) beträgt sie 4–5 mm. Auf diese ximalspannung bei Überstreckung oder ca. 100° Beugung. Va-
Weise wird bei Kniestreckung der Kraftarm verlängert und die russtress und Innenrotation erhöhen die Spannung, Valgusstress
13 Kraft für die Endstreckung um bis zu 60 gesteigert. und Außenrotation verringern die Spannung.
Wird die Patella reseziert, wird auch der Kraftarm des M. Das hintere Kreuzband ist von der vollen Streckung bis ca.
14 quadriceps deutlich kleiner, so dass er v.a. für die Endstreckung 60° Beugung mäßig gespannt, bei weiterer Beugung wird es
an Zugkraft verliert. Eine Indikation zur Resektion der Patella zunehmend straffer. Es zeigt eigentlich immer einen mittleren
sollte deshalb eng gestellt werden. Spannungsgrad.
15 Bei fehlender Streckfähigkeit des Kniegelenks wird auch das
Hüftgelenk in Flexion belastet, der M. gluteus maximus verliert Wichtig
seine Zugkraft, und es entsteht ein Circulus vitiosus. Wenn das
16 Kniegelenk eine Beugekontraktur aufweist oder in Beugung, Innenband und vorderes Kreuzband sind in einer belasteten
Flexions- und Rotationsstellung besonders verletzungsge-
z.B. in einer Schiene/Orthese fixiert ist, kann der Patient nur
17 mit einem sehr kräftigen M. quadriceps und M. gastrocnemi- fährdet.
us stehen. Das erhöht unnötigerweise die Belastung auf die bei-
den Kniegelenke und kann Ursache einer sich entwickelnden Die Rollgleit- und Beuge-/Streckbewegung des Kniegelenks
18 Arthrose sein. als Viergelenkkette (mediales/laterales Meniskofemoral- und
Gleichermaßen schädlich für die Entwicklung einer femo- mediales/laterales Meniskotibialgelenk, Löweneck 1994) wird
19 ropatellaren Arthrose ist es, wenn die Patella nach lateral ver- durch die Kinematik der Kreuzbänder bestimmt. Drehpunkte
schoben ist, z.B. durch eine Schwäche des M. vastus medialis. sind die jeweiligen Kreuzungspunkte der Kreuzbänder. Sie sind
Im Normfall gleitet die Patella bei Beugung und Streckung ca. der Zentralpfeiler des Kniegelenks und kontrollieren passiv die
20 5–6 cm in kaudal-kraniale Richtung, und die belastete Zone an Dreh- und Torsionskräfte des Beins.
der Patellagelenkfläche wandert in die entgegengesetzte Rich-
21
16 Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks
299 16

Die vernetzten peripheren Band- und Kapselstrukturen,


die das Kniegelenk umgeben, haben die Funktion des Gelenk-
Quadrizepssehne
schutzes.
In . Übersicht 16.1 sind die Kniegelenk stabilisierenden
Fq
Strukturen im Überblick zusammengefasst. Femuropatellar-
Femur
q Gelenk

. Übersicht 16.1. Stabilisatoren des Kniegelenks R5


K
In Streckstellung ist das Kniegelenk durch die Verschrau-
bung der Kondylen nach medial und der Gegenbewegung t
der Tibiagelenkfläche nach lateral stabil. Anders ist dies bei
I3
Flexionsstellungen des Kniegelenks, dabei ist immer eine Patella
aktive Stabilisation notwendig. Ft
Aktive globale Stabilisatoren bei Belastung sind für die
drei Hauptebenen:
Patellarsehne
5 anterior-posterior: M. quadriceps und alle Kniegelenk-
beuger. Die Mm. ischiocrurales entlasten das vordere
Tibia
Kreuzband, der M. sartorius das mediale Kollateralband
und der M. quadriceps das hintere Kreuzband und die
Kollateralbänder;
5 transversal: Mm. pes anserinus, M. tensor fasciae latae.
In der Phase der Schlussstreckung rotiert die Tibia nach . Abb. 16.1. Druckverteilung auf die Kniegelenke (Hofmann 1992)
außen, der Vastus medialis des M. quadriceps und die
Muskeln des Pes anserinus sichern das Gelenk;
5 horizontal: M. quadriceps, M. pes anserinus und semi-
membranosus.
Für die lokale Stabilität des Kniegelenks ist v.a. der distale
Teil des M. quadriceps, der M. vastus medialis zuständig. Er
gilt als lokaler Muskel.
SG
b
FG
ψ
Belastung des Kniegelenks bei Bewegung F4
H
Nach Bizzini (2000) schwanken die Gelenkreaktionskräfte im
Standbeinknie zwischen dem 2-fachen des Körpergewichts im FG Fb
Mittelstand (mid stance) und dem 4-fachen bei der Fersenab-
lösung (terminal stance). Die Muskulatur arbeitet exzentrisch,
während bei der Schwungbeinphase (terminal swing-Phase)
eine geringe konzentrische Muskelarbeit die Kontrolle über-
nimmt. β K F5
Die Belastung des femorotibialen Gelenks erreicht nach Fq
Ft
Hofmann (1992) z.B. beim Treppensteigen oder bei der Knie- Fg Fg
beuge das 3- bis 4-fache des Körpergewichts (. Abb. 16.1, 16.2).
τ
Auch das Femoropatellargelenk erfährt bei Beugung (40–60°)
die größte Belastung. Beim Aufstehen aus der Hocke oder Ge- g
hen in die Hocke beträgt die Belastung das 6-fache. Sp
Im Mittelstand (Nullstellung des Knie- und Hüftgelenks)
sind die Druckkräfte ausgeglichen; M. quadriceps und M. glu-
teus maximus sind entspannt. . Abb. 16.2. Belastung der Kniegelenke (Hofmann 1992)
Bei der physiologischen Gewichtsverlagerung während
des Gehens, vom Fersenkontakt zur Mittelstandphase, sichern
nach Cailliet (1975) die Mm. gluteus maximus, tibialis anteri-
or und gastrocnemius die Gewichtsverlagerung nach vorne.
300 Kapitel 16 · Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks

Die Hüftstrecker ziehen den Femur zwischen 0–40° nach hin-


1 ten (. Abb. 16.3, 16.4). Nachfolgend kann der M. gastrocnemius
das Gewicht halten, wenn die Lotstellung überschritten wird.
2 Wird die Hüft- und Kniegelenkstreckung nicht erreicht
(Schwäche der Hüft- und Kniegelenkstrecker), kann der M. gas-
X
G
trocnemius das Gewicht nicht halten. Das Kniegelenk wird in
3 einer instabilen Stellung belastet, extreme Druckkräfte lasten Q
auf dem Gelenk und führen langfristig zu einer Gonarthrose.
Auch das Femoropatellargelenk wird durch die andauernde M.-
4 quadriceps-Arbeit überlastet und arthrotisch verändert.
X
5 Physiotherapeutische Richtlinien
Für das therapeutische Vorgehen ist es interessant, dass eine
Muskelkraftverbesserung auch zu einer Verbesserung der pro-
6 priozeptiven Fähigkeiten wie Koordination und Reaktionszeit S
führt (Jerosch 2004). Die Zunahme an Muskelkraft ist abhän- S
7 gig von der Schmerzfreiheit; deshalb müssen physiotherapeu-
tische Kräftigungsübungen immer unterhalb der Schmerzgren-
ze stattfinden.
8 Der beste propriozeptive Gelenkschutz besteht in streck-
und beugenaher Stellung, was erklärt, dass der mittlere Bewe-
gungsbereich des Kniegelenks besonders verletzungsgefähr- . Abb. 16.3. Muskelsicherung des Kniegelenks in der Mittelstandphase
9 det ist (Sportunfälle). Unter diesem Gesichtspunkt sind die von
Bizzini (2000) u.a. vorgeschlagenen Übungsformen im geschlos-
10 senen System wichtige Behandlungsmaßnahmen in der moder-
nen Physiotherapie.
. Abb. 16.4. Muskelaktion
11 Wichtig bei Gewichtsverlagerung
nach vorne
GL
Physiologische Grundlagen und biomechanische Vorgänge
12 müssen bei der Behandlung aller Kniegelenkverletzungen
bzgl. Belastbarkeit und Wiederherstellung der propriozep- T
13 tiven/sensomotorischen Kniegelenkfunktion Beachtung fin-
Q
den. Vor allem muss kritisch überlegt werden, unter welchen
Bedingungen das Gelenk teil- oder vollbelastet werden darf,
14 und warum Bewegungsbegrenzungen in der Heilungsphase
der Bänder und Knochenstrukturen eingehalten werden
15 müssen.

Da bei allen Verletzungen im Kniegelenkbereich eine körper- G


16 liche Schonung auch bei frühfunktioneller Behandlung er-
folgt, sind in den ersten Wochen eine Thromboseprophylaxe mit S
17 einem niedermolekularen Heparin und eine Ergussprophylaxe
mit einem nichtsteroidalen Antiphlogistikum und begleitender
Magenschutzmedikation wichtig.
18 Bei Verletzungen, die eine Flexionsbewegung bis 60° erlau-
ben, kann unterstützend die Motorschiene Verwendung finden
19 (. Abb. 17.6).
Postoperativ wird das Bein hochgelagert und bandagiert.
Besondere Beachtung findet die Behandlung des Hämarth-
20 ros im Kniegelenk (van den Berg 2001). Bei Verletzung der Syn-
ovialmembran, die besonders wichtig für die Trophik der Me-
21 nisken und des Gelenkknorpels ist, wird die Synthese gestört.
16.1 Distale Femurfraktur
301 16

Es werden Entzündungsmediatoren freigesetzt (Synovitis), die 5 Schwellung,


den Knorpel schädigen. Die Funktion und Belastbarkeit des ge- 5 Achsenverschiebung des Kniegelenks.
samten Bewegungssegmentes wird eingeschränkt. Die Regene-
ration der Synovialmembran dauert etwa 7–14 Tage. In dieser
Zeit ist es empfehlenswert, das Gelenk schmerzfrei zu bewegen Behandlungsrichtlinien und therapeutische
und abwechselnd leicht zu komprimieren, aber nicht extrem zu Maßnahmen
belasten. Daher wird der Gelenkerguss posttraumatisch oder
während des operativen Eingriffs punktiert. Kondylenfrakturen, die in das Kniegelenk hineinreichen, stel-
Von Beginn an ist die Manuelle Lymphdrainage eine ge- len eine schwere Schädigung des empfindlichen Kniegelenks
eignete Maßnahme zum Abbau der Schwellung (van den Berg dar. Sie verändern die Beinachse und sind eine zwingende Indi-
2001). kation zu deren Wiederherstellung. Diese Frakturen entstehen
Das Bein wird auf einer Krapp-Schiene, mit der z.B. indi- oft durch große Gewalt, z.B. bei starkem Aufprall des gebeugten
rekt eine Muskelspannung aufgebaut werden kann, hochgela- Kniegelenks gegen das Armaturenbrett, so dass die Patella die
gert (. Abb. 16.8). Kondylen wie ein Keil spaltet (Auffahrunfall). Bei Traumen auf
Die Griffe werden proximal der Verletzung angesetzt. das gestreckte Bein meißelt der Tibiakopf die Kondylen ausein-
Wenn die Schwellung abnimmt, sinkt der Druck auf die Ge- ander, und es entsteht eine Abscherfraktur. Die meisten Pati-
fäße, so dass auch die arterielle Durchblutung gefördert wird. enten erleiden Mehrfachverletzungen oder sind polytraumati-
Vor allem in der Proliferationsphase brauchen die Fibroblasten siert. Als Begleitverletzungen werden Gefäß- und Nervenverlet-
einen guten Stoffwechsel, um Syntheseleistung und Bildung von zungen in der Kniekehle, Meniskus- und Gelenkknorpelschä-
Kollagen Typ III zu ermöglichen. digungen beobachtet. Fast die Hälfte der intraartikulären Frak-
Aktive/assistive Bewegungen und Aktivitäten müssen indi- turen sind offene Frakturen (Weigel, Nerlich 2005).
viduell auf die Struktur, deren aktuelle Heilungsphase und Be-
lastungsfähigkeit eingestellt werden (7 Kap. 1, »Heilungspro- Ärztliche Behandlung
zess«). Klinisch sind Kondylenfrakturen kaum zu übersehen, dennoch
muss eine exakte Diagnostik mit Röntgenaufnahmen in zwei
Ebenen, CT oder MRT gemacht werden, um Frakturverläufe
16.1 Distale Femurfraktur und Begleitverletzungen zu ermitteln.

Einteilung Konservatives/operatives Vorgehen


Frakturen im Kniegelenkbereich zwingen zur operativen Stabi-
Distale Femurfrakturen werden nach Typ A, B und C unterschie- lisation mit Osteosynthese (. Abb. 16.5, 21.12). Damit ist eine
den. Frühmobilisation möglich, die posttraumatische Risiken ver-
meidet. Weichteilschäden und evt. Gefäßverletzungen zwingen
Typ A Extraartikuläre Frakturen ohnehin zu einem raschen operativen Handeln.
Zur Anwendung kommen vorzugsweise:
Typ B Partiell artikuläre, monokondyläre und frontale
5 Titan-Kondylenplatten mit und ohne Zugschrauben,
Frakturen
5 DCS-Platten,
Typ C Vollständig artikuläre, bikondyläre, mehrfach 5 retrograder Verriegelungsnagel (A- und B-Frakturen),
artikuläre Frakturen 5 Schraubenosteosynthesen oder
5 Fixateur externe bei Trümmerfrakturen.

In letzter Zeit wird auch ein inneres Plattenfixateursystem, das


Ursachen sog. LISS System (Less Invasive Stabilization System) verwen-
det. Die Schrauben werden dabei perkutan über ein Zielgerät
5 Verkehrsunfälle (Motorradunfälle), eingebracht und sind selbstschneidend (Babst 2001 in Weigel,
5 Bauunfälle. Nerlich 2005).
Durch die neuen Weichteil schonenden Verfahren ist die
Spongiosaplastik seltener geworden. Wird sie dennoch zur Be-
Charakteristische Symptome/Leitsymptome handlung bei verzögerter Knochenheilung nötig, wird Spongi-
osa perkutan vom Beckenkamm entnommen und unter Bild-
5 starke Schmerzen, wandlerkontrolle eingebracht. Bei größeren Defekten muss of-
5 Krepitation, fen ein Beckenkammspan eingelegt werden.
5 Bewegungs- und Belastungsunfähigkeit,
302 Kapitel 16 · Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks

Befunderhebung
1
Befunderhebung, geltend für alle Frakturen, siehe 7 Ab-
2 schn. 16.3, »Patellafraktur«.

3 Behandlungsmöglichkeiten
Grundsätzliches Vorgehen
4 Kondylenfrakturen sind schwere Gelenkfrakturen, die häufig
innerhalb einer Frakturserie vorkommen (Polytrauma).
5 Die Dosierung einer frühen Übungsbehandlung richtet sich
nach dem Gelenkerguss, der Stabilität der Osteosynthese (Kon-
dylenplatte) und dem Allgemeinzustand des Patienten.
6 Die Patella kann frühzeitig mobilisiert werden.
Bewegungsstabilität kann für Beuge- und Streckbewegung
7 im Kniegelenk, jedoch nicht für die Rotation bestehen. Dyna-
mische Rotationsbewegungen des Oberschenkels sind deshalb
a b
nicht erlaubt. Muskeln, die das Kniegelenk und die Fraktur si-
8 chern, dürfen auf Teststufe 3 beansprucht werden; dies ent-
spricht einer Stabilisation des Beins mit Bodenkontakt/Mini-
malbelastung. Bei Unterschenkelbewegungen wird passiv, ge-
9 lenknah über/unter den Kondylen fixiert.
Der Einsatz der Motorschiene darf nur im schmerzfreien Be-
10 reich erfolgen. Der Fuß darf nicht fixiert sein, der Oberschen-
kel muss ganz aufliegen. Zunächst wird die Schiene in maxima-
ler Extension von 0–20–60° eingestellt.
11 Gehen mit Bodenkontakt/Minimalbelastung ist für 6–8 Wo-
chen vorgesehen, danach kann die Belastung je nach Funktions-
12 verbesserung individuell gesteigert werden. Bei guter Konsoli-
dierung kann ab der 10. –12. Woche mit der Vollbelastung be-
gonnen werden. Dann muss die Beinachse absolut stabil sein.
13
14 16.2 Tibiakopffraktur
Einteilung
15 c d
Tibiakopffrakturen werden nach den gleichen Kriterien wie Kon-
dylenfrakturen in A-, B- und C-Frakturen eingeteilt.
16 . Abb. 16.5a-d. a, b Kondylenfraktur, c Osteosynthese mit Abstützplat-
te, anterior-posteriore Ansicht, d seitliche Aufnahme

17 Ursachen
Physiotherapeutische Behandlung
Siehe physiotherapeutische Behandlung in 7 Abschn. 16.2, »Ti- 5 Kompression durch Auffahrunfall,
18 biakopffrakturen«; Besonderheiten bei der Nachbehandlung 5 Sturz aus großer Höhe.
von Kondylenfrakturen siehe folgenden 7 Abschn. »Behand-
19 lungsmöglichkeiten«.
Charakteristische Symptome
20 Komplikationen Siehe 7 Abschn. 16.1, »Distale Femurfraktur«.

21 Siehe 7 Abschn. 16.2, »Tibiakopffraktur«.


16.2 Tibiakopffraktur
303 16

Behandlungsrichtlinien und therapeutische riegelungsnagel dürfen die Belastung evt. etwas früher steigern.
Maßnahmen Dies hängt jedoch immer vom funktionellen Befund und Rönt-
genbefund ab.
Ärztliche Behandlung Wie bei allen Frakturen werden in der Proliferationsphase
In der Regel kommen Impressionsfrakturen vor, die mit einer aktiv/assistive Übungen und weiches passives Bewegen zur Un-
Abstützplatte und Spongiosaauffüllung behandelt werden, um terstützung des Heilungsprozesses durchgeführt. Hinzu kom-
die Beinachse wiederherzustellen. Zusätzliche Band- und Me- men Maßnahmen zur Resorption des Hämatoms/Ödems und
niskusläsionen (Kreuzbandverletzungen) werden oft sekundär zur Verbesserung der Durchblutung aus der physikalischen Me-
versorgt. Bei jungen Patienten kann eine Minimalosteosynthese dizin und eine Manuelle Lymphdrainage.
mit Schrauben angewendet werden (. Abb. 16.6, 21.14). Ab dem 8. postoperativen Tag kann evt. die CPM-Schiene
(. Abb. 17.6) eingesetzt werden, wenn sie exakt unterhalb der
Physiotherapeutische Behandlung Schmerzgrenze eingestellt und die Wunde geschlossen ist.
Stabile Osteosynthesen an den Femurkondylen/am Tibiakopf er- Im Allgemeinen darf nach erneuter Röntgenkontrolle ab
lauben eine frühe Physiotherapie. der 12. Woche mit der Belastungssteigerung zur Vollbelastung
In der Entzündungs- und frühen Proliferationsphase kom- begonnen werden. Diese Entscheidungen trifft der Arzt.
men alle Maßnahmen zur Prävention einer Thrombose oder Em-
bolie zur Anwendung (7 Kap. 3). Dies trifft v.a. für Mehrfach-
verletzte zu, die nicht gleich mobilisiert werden können. Komplikationen bei Kondylen-/
Eine Ruhigstellung ist nur bei Begleitverletzungen, z.B. Tibiakopffrakturen
Knieinstabilität durch eine Orthese oder einen Gips indiziert.
Nach Redonentfernung kann i.d.R. mit Mobilisierung und Vor allem bei Auffahrunfällen können folgende Komplikationen
Übungsbehandlung begonnen werden. Die Belastung wird für auftreten:
6 Wochen auf 15 kg begrenzt. Patienten mit retrogradem Ver- 5 Kombinationsverletzung: hinteres Kreuzband und Menis-
ken,
5 Zwei-Etagen-Femurfraktur,
5 Azetabulumfraktur,
5 Gefäß- und Nervenverletzungen,
5 Kniegelenkluxation,
5 Infektion des Kniegelenks (Emphyem),
5 Arthrose mit Spätfolge einer Kniegelenkendoprothese,
5 bleibende Instabilität und Fehlstellung,
5 Pseudarthrose,
5 Arthrofibrose.

Behandlungsmöglichkeiten
Grundsätzliches Vorgehen
Die Tibiakopffraktur ist ebenfalls eine Gelenkfraktur.
Die Behandlungsdosierung richtet sich nach dem Gelen-
kerguss, der Stabilität der Abstützplatte und der evt. zusätzlich
durchgeführten Spongiosaplastik (. Abb. 16.6, 21.14).
Der Führungskontakt/Widerstand für die Kniestreckbewe-
gung wird möglichst dicht unterhalb der Patella angelegt, d.h.,
dass die Hand des Physiotherapeuten über der Fraktur liegt
(. Abb. 15.5). Bei Abnahme des Unterschenkelgewichts sollte
die unterstützende Hand bis unter die Kniekehle reichen; der
Unterschenkel des Patienten liegt dann auf dem Unterarm des
Therapeuten.
Effektvoll kann auch die Technik »Vertauschen von Punktum
fixum und mobile« eingesetzt werden, d.h., bei unterstütztem
. Abb. 16.6a-d. a Tibiakopffraktur, b seitliche Aufnahme, c Osteosyn- Unterschenkel wird der Oberschenkel aktiv bewegt.
these mit kanülierten Schrauben, d seitliche Aufnahme
304 Kapitel 16 · Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks

Bei aufliegendem Bein sollen Fußheber und M. gluteus ma- Charakteristische Symptome/Leitsymptome
1 ximus die Kniestreckung fazilitieren (. Abb. 15.7). Meist wird für
die ersten Wochen eine Bewegungsbegrenzung der Extension 5 unmittelbare Schmerzen,
2 (0–20–60°) verordnet. Die Kokontraktionen der Fußheber, des 5 Krepitation, evt. tastbarer Spalt bei Dislokation durch Zug
M. gastrocnemius oder der Plantarflexoren mit dem M. quadri- des M. quadriceps,
ceps stabilisieren die Fraktur. 5 Streckunfähigkeit des Kniegelenks,
3 Bei bestehender Bewegungsstabilität kommen alle Übungs- 5 Schwellung,
kombinationen gegen Führungskontakt oder Boden-/Wand- 5 Gelenkerguss, »tanzende Patella«.
kontakt im geschlossenen System mit einer Waage infrage
4 (. Abb. 17.7, 17.8).
Bei reizlosem Heilungsverlauf kann der Patient ohne Gips- Behandlungsrichtlinien und therapeutische
5 schiene behandelt werden. Maßnahmen
Bei bewegungsstabilen Osteosynthesen wird das Aufstehen
mit einer Minimalbelastung für 6–8 Wochen verordnet, d.h., Ärztliche Behandlung
6 Gehen im Drei-Punkte-Gang. Die Belastung wird individuell Zur Diagnostik einer Patellafraktur (. Abb. 16.7) wird neben
nach Funktionsbefund gesteigert. Individuelle Verordnungen den Röntgenaufnahmen in zwei Ebenen auch eine tangentiale
7 müssen bei einer Spongiosaunterfütterung beachtet werden. Aufnahme durchgeführt. Zusätzlich kann ein Patellahochstand
Instabile Osteosynthesen erhalten einen Liegegips für 6–8 Wo- auf einen Patellarsehnenabriss hinweisen, ein Patellatiefstand
chen. eine M.-quadriceps-Verletzung. Differenzialdiagnostisch muss
8 Bei Tibiakopffrakturen darf die Motorschiene nur verwendet bei nicht dislozierter Unterbrechungslinie an eine Patella bipar-
werden, wenn die Fraktur bewegungsstabil versorgt wurde und tita gedacht werden. Sie besteht immer beidseitig und zeigt kei-
die Behandlung schmerzlos ist. Die Gefahr eines Reizknies ist ne Schmerzsymptomatik.
9 sehr groß. Die Bewegungsgrenze für die Extension wird i.d.R. Patellaluxationen kommen als Folge von Patelladyspla-
mit 0–20–60° festgelegt. sien oder flachen Kondylen bei Jugendlichen vor. Auch Form-
10 veränderungen der Patella oder ein Genu valgum verursachen
! Cave bei sportlichen Distorsionstraumen eine Luxation nach lateral.
Bei Knorpeldefekten und Refixationen darf die Motorschiene Ohne Sturz knickt dann das Knie ein. Eine Patellaluxation hat
11 nicht verwendet werden. Eine ca. 4-wöchige Gipsruhigstellung selten rein traumatische Ursachen. Häufig kommt es zu einer
ist angezeigt. Spontanreposition.
12
Operatives Vorgehen
16.3 Patellafraktur/Patellaluxation Die Indikation zur operativen Behandlung ist bei allen dislo-
13 zierten Patellafrakturen wegen der starken Zugkräfte und der
Einteilung Gefahr einer Arthrose zwingend.
14 Zur Anwendung kommen Zuggurtungsosteosynthesen mit
Patellafrakturen werden nach ihrem Frakturverlauf eingeteilt in: Drahtzuggurtung und/oder Zugschraube (. Abb. 16.7). Bei
5 Polabrissfrakturen, Trümmerfrakturen kommt eine Cerclage zur ventralen Zuggur-
15 5 Querfrakturen, tung hinzu. Bei dem sehr seltenen Patellasehnenabriss wird eine
5 Längsfrakturen, tempöräre Arthrodese durchgeführt.
5 Stückfrakturen, Kann keine stufenfreie Reposition und Retension erreicht
16 5 Trümmerfrakturen. werden, muss an eine Resektion einzelner Fragmente oder der
ganzen Patella gedacht werden. Die Totalresektion geht jedoch
17 mit einem deutlichen Kraftverlust für die endgradige Streckung
Ursachen einher, evt. wird dann eine Kunststoffersatzpatella implantiert
(s.o.)
18 5 Sportunfälle,
5 Fall auf eine Stufenkante, Physiotherapeutische Behandlung
19 5 Auffahrunfälle. Nach Entfernung der Redon-Drainagen wird eine abnehmbare
Orthese (Ruhigstellungsschiene, Donjoy-/Mecron-Schiene oh-
ne Gelenk) zum Aufstehen angelegt.
20 Die verordnete Belastung liegt bei 15 kg. Die Belastung kann
in dieser Schiene symptomatisch gesteigert werden. Zur Physi-
21 otherapie darf die Schiene abgenommen werden.
16.3 Patellafraktur/Patellaluxation
305 16

a b c

. Abb. 16.7a-c. a Patellafraktur, b Zuggurtungsosteosynthese, anterior-posteriore Ansicht, c seitliche Aufnahme

Ab der 7. Woche wird die Vollbelastung ohne Orthese stu- 5 Üben in der geschlossenen Muskelkette unter Beachtung
fenweise erarbeitet und das Training der die physiologische der Teilbelastung.
Beinachse sichernden Muskulatur forciert.
In der frühen Proliferationsphase konzentrieren sich die Eine milde Eisbehandlung erfolgt nur in der ersten postopera-
Schwerpunkte der physiotherapeutischen Behandlung auf die tiven Phase, anschließend kann eine Manuelle Lymphdrainage
Unterstützung des Heilungsprozesses. ausgeführt werden.
Maßnahmen zur Resorption des Gelenkergusses und des
periartikulären Ödems sind: ! Cave
5 Anlegen eines Kompressionsverbandes. Bei bestehendem Gelenkerguss, lokalen Entzündungszeichen
5 Isometrisches Spannen der Fußmuskulatur und des M. und einem Streckdefizit von mehr als 8–10° darf die Belastung
quadriceps in Hochlagerung (. Abb. 16.8). ohne Schiene nie über den Sohlenkontakt/Minimalbelastung
5 Aktives/assistives Bewegen des Kniegelenks innerhalb der hinaus gesteigert werden.
vorgegebenen Bewegungsbegrenzung, d.h., Extension
– 0–10–30° bei »tanzender Patella«,
– 0–10–60° bei ergussfreiem Gelenk.

. Abb. 16.8a-c. Hochlagerung auf Krapp-Schiene, a isometrisches Spannen der dorsalen Muskulatur, b Rumpfmuster zur Spannung des M. quadri-
ceps, c Extensionsmuster des rechten Beins zur Aktivierung der ventralen Muskulatur links
306 Kapitel 16 · Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks

Frakturen ohne Stufenbildung und starke Knorpelbeteiligung Komplikationen


1 haben eine gute Prognose. Alle anderen Patellafrakturen weisen
eine hohe Rate an Femoropatellargelenkarthrosen auf. 5 Arthrose,
2 Bei allen Patellaverletzungen atrophiert der M. quadriceps 5 bleibende Stufenbildung,
(besonders der Vastus medialis) sehr schnell und wird hypoton. 5 fehlende Gleitfähigkeit der Patella.
Er muss mittels Overflow-Techniken reaktiviert werden, was
3 i.d.R. eine längere Zeitspanne in Anspruch nimmt.

4
Befunderhebung bei Frakturen
5
Beurteilen 5 Gelenkkontur.
6 5 Schwellung.
5 Narben.
5 Operationswunden.
7 5 Muskelrelief der Oberschenkelmuskulatur, v.a. des M. vastus medialis.
5 Hautdurchblutung.
5 Achsenstellung des Kniegelenks, Beinachse: Fußgelenke, Kniegelenk, Hüftgelenk.
8 5 Becken- und Rumpfstabilität.
5 Qualität des Bewegungsstopps.
5 Röntgenbild in 2 Ebenen und Patellatangentialaufnahme, CT.
9 Wichtig
Zu achten ist auf evt. »flake fractures«, knöcherne Ausrisse von Bändern oder alte Knorpelschäden (Arthrose).

10 Messen 5 Aktive Kniebeweglichkeit im Rahmen der vorgegebenen Maße.


5 Sprung- und Hüftgelenkbeweglichkeit.
5 Umfang an vorgeschriebenen Stellen, soweit der Verband es erlaubt.
11
Prüfen 5 Hämarthros, »tanzende Patella« (. Abb. 16.9).
5 Art der Schwellung.
12 5 Atrophie der Muskulatur.
5 Lokale Hauttemperatur.
5 Verschieblichkeit der Patella (nicht bei Patellafrakturen).
13 5 Verschieblichkeit der Operationsnarbe.
5 Muskeltest:

14 – M.quadriceps auf Teststufe 3,


– Flexoren auf Stufe 2 ( s. Bewegungsbegrenzung bei Gelenkerguss).
5 Kontrolle der Beinachse bei vorgegebener Belastungsstufe.
15 5
5
Becken-Rumpf-Haltung.
LWS-Mobilität.
5 Ganganalyse (7 Kap. 2).
16 Notieren und 5 Qualität und Lokalisation von Schmerzen: Wann, wo, wie, wie lange (VAS).
Bewerten 5 Schonhaltung des Kniegelenks und sonstige Beschwerden.
17 5
5
Subjektive Einschätzung der Probleme.
Selbständigkeit des Patienten in klinischer Situation, Rehabilitationsstätte, eigenem Zuhause (bezogen auf
Aktivitäten).
18 5 Umgang mit Orthese und Hilfsmittteln/Unterarmstützen.
5 Kooperationsfähigkeit, Motivation.

19
20
21
16.4 Gelenkflächenersatz, komplette Kniegelenkprothese
307 16

16.4 Gelenkflächenersatz, komplette


Kniegelenkprothese
Patienten über 60 Jahre können bei ausgeprägter Gonarthrose
des medialen/lateralen Kompartments mithilfe eines partiellen
Gelenkflächenersatzes eine bessere Kniegelenkfunktion erhal-
ten. Die Kreuzbänder bleiben erhalten und sichern das Kniege-
lenk. Auch die Propriozeption ist weniger stark gestört.

Ärztliche Behandlung
Operationstechnik, Form und Material einer Totalendoprothe-
se des Kniegelenks haben sich in den letzten Jahren deutlich
verbessert. Heute werden »Mobile bearing«- und »Dual sur-
face articulation«-Prothesen verwendet (Weigel, Nerlich 2005),
z.B. das SAL-Knie (Self Aligning Knee Replacement). Der Polyä-
thyleneinsatz artikuliert dabei mit dem femoralen Prothesenteil
. Abb. 16.9. Test: »Tanzende Patella« als Zeichen eines Gelenkergusses und dem tibialen Metallteil.

Physiotherapeutische Behandlung
Behandlungsmöglichkeiten Die postoperative Physiotherapie beginnt nach der Redonent-
fernung (Weigel, Nerlich 2005).
Bei einer AO-Zuggurtungs- oder Schraubenosteosynthese Das neue Gelenk soll sehr niedrig dosiert passiv und aktiv/
(. Abb. 16.7) wird nach Entfernung der Redon-Drainagen mit assistiv bewegt werden. Wichtig ist das frühzeitige Erreichen der
isometrischer Muskelarbeit des M. quadriceps begonnen. Streckfähigkeit, allerdings nicht durch zu intensives Üben.
Der Patient erhält eine Ruhigstellungsorthese in ca. 10°-Fle- Bedingt durch die Vorschädigung und das operative Vorge-
xionstellung für 6 Wochen. Aus der Schiene darf strecknah ge- hen, besteht häufig eine aktive Insuffizienz des M. quadriceps. Bei
übt werden. Sonst bleibt sie jedoch angelegt. der Befunderhebung zeigt sich, dass die aktive Knieextension
Als Techniken kommen infrage: deutlich schlechter ist als die passive (Muskelfunktionstest < 3).
5 Endstellung – Halten gegen Führungskontakt bei abge- Die in der Standbeinphase vorhandene passive Extension kann
nommener Beinschwere, muskulär nicht gehalten werden. Bis die aktive Stabilität wie-
5 Dynamisches Bewegen im Hüftgelenk bei gestrecktem der voll hergestellt ist, sollte der Patient sein Bein durch Geh-
Kniegelenk gegen manuellen, angepassten Widerstand stützen entlasten.
oberhalb der Patella,
5 Unterschenkel unterstützt, Betonung auf M. vastus medi- Wichtig
alis,
Der Weichteilmantel ist ventral sehr dünn. Wird die Wunde
5 Dynamische Kniegelenkstreckung über Hüftgelenkstre-
gedehnt, ehe sie wieder verklebt und verheilt ist, platzt sie
ckung (Vertauschen von Punktum fixum und mobile),
auseinander, und es besteht die Gefahr einer Infektion. Früh-
5 Aktive dynamische Beugung (über 30° erst nach Resorpti-
zeitiges Beugen des Kniegelenks ist daher kontraindiziert
on des Gelenkergusses und Frakturheilung),
(van den Berg 2001, 7 Kap. 1).
5 Stabilisation bei Bodenkontakt in strecknaher Kniegelenk-
position,
5 Gehen mit schmerzfreier Teilbelastung und Schiene Von ärztlicher Seite wird oft sehr früh, manchmal bereits nach
(6 Wochen). zehn Tagen, das Erreichen von 90° Knieflexion gefordert, was
Therapeut und Patient unter massiven Leistungsdruck setzt und
Nach klinischer Konsolidierung wird die Gleitfähigkeit der Pa- zu einer forcierten Flexionsmobilisation verleitet.
tella erarbeitet. Bleibt an der patellaren Gelenkfläche eine Stufe Eine zu frühe intensive Flexionsmobilisation kann jedoch
bestehen, muss mit langwierigen Beschwerden und einer retro- das Gelenk massiv reizen und den intraartikulären Erguss wie
patellaren Arthrose gerechnet werden. die extraartikuläre Schwellung verstärken. Dies wiederum ver-
Wenn das Kniegelenk reizlos ist, darf nach 7 Wochen mit stärkt das Schmerzgeschehen und schädigt den Gelenkknor-
Vollbelastung ohne Schiene und freiem Treppensteigen begon- pel. Anstelle einer verbesserten Beugefunktion tritt eine Ver-
nen werden. In Belastung darf das Knie nicht mehr als 40° ge- schlechterung ein. Da sich in den ersten fünf Wochen keine pa-
beugt sein. Die Orthese wird stufenweise abtrainiert. thologischen Crosslinks bilden (van den Berg 2001, 7 Kap. 1),
308 Kapitel 16 · Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks

ist eine solch frühzeitige Flexionsmobilisation nicht nötig und


1 schadet mehr als sie nutzt.
Posteromedial Trauma bei Hyperextension oder Flexion mit
Außenrotation führt zu einer Verletzung der
Da bei jedem Gelenkersatz körpereigene Propriozeptoren medialen Kapselbandschale und des hinteren
2 verloren gehen, sollte das Maßnahmenprogramm auf jeden Fall
Übungen zur Verbesserung der Koordination enthalten. Dies ge-
Kreuzbandes

lingt v.a. mit Übungen im geschlossenen System. Posterolateral Trauma bei Innenrotation und Flexion führt zu
3 Die zementierte Kniegelenkprothese ist primär belastungs- einer Verletzung des hinteren Kreuzbandes, der
posterolateralen Kapselbandschale und des Au-
stabil, jedoch muss die Wundheilung genau beobachtet werden,
ßenbandes
z.B. bei Retinakulumnähten. Deshalb empfiehlt Weigel (2005)
4 das teilbelastete Gehen mit Unterarmstützen während der Pro-
liferations- und Konsolidierungsphase (4–8 Wochen postope-
5 rativ). Ursachen
Wenn nach Monaten immer noch Schmerzen, Schwel-
lungen und ein Erguss bestehen, kann dies möglicherweise auf Kapsel-Band-Verletzungen entstehen meist als Folge von:
6 eine zu hoch dosierte Physiotherapie während der Rehabilitati- 5 Sportunfällen, z.B. Ballsportarten, Skifahren oder
onsphase zurückzuführen sein. Eine differenzierte Ursachen- 5 Verkehrsunfällen (Motorradfahren).
7 suche bzw. eine erneute ärztliche Diagnostik muss dann er-
folgen. Gegebenenfalls muss der Patient dahingehend beraten Das vordere Kreuzband ist etwa 5- bis 10-mal häufiger betroffen
werden, sein Bein wieder zu schonen, und die Übungsbehand- als das hintere.
8 lung muss niedriger dosiert werden. Daher beziehen sich die nachfolgenden Symptome und the-
rapeutischen Maßnahmen in diesem Abschnitt auf die vordere
Kreuzbandverletzung/anteromediale Kniegelenkinstabilität; die
9 16.5 Kapsel-Band-Meniskus-Verletzungen hintere Kreuzbandverletzung wird in 7 Abschn. 16.6 beschrie-
ben.
10 Einteilung

Die beiden Kreuzbänder sind die wichtigsten passiven Stabi- Charakteristische Symptome/Leitsymptome
11 lisatoren des Kniegelenks. Das vordere Kreuzband begrenzt
das Gleiten der Tibia nach ventral und deren mediale Rotati- Bei Kombinationsverletzungen mit vorderer Kreuzbandruptur:
12 on. Nach Butler et al. (1995) besteht beim normalen Gehen ei- 5 Gelenkerguss innerhalb der ersten 24 h,
ne Zugbelastung von 400–500 N, beim Beschleunigen oder Ab- 5 periartikuläre Schwellung,
bremsen kann sie bis zu 1700 N ansteigen. 5 Unfähigkeit, zu belasten und zu bewegen,
13 Man unterscheidet einfache und komplexe Kniegelenkinsta- 5 Schmerzen im Augenblick des Traumas und erneut bei Be-
bilitäten. Die einfache Instabilität beschreibt eine pathologische lastung,
14 Beweglichkeit um eine Achse, die komplexe Instabilität ein Ab- 5 deutliche Instabilität,
weichen der Kniegelenkachsen in mehreren Richtungen. 5 endgradige Streckhemmung durch Impingement und Hä-
Einfache Instabilitäten, v.a. ein isolierter Bandriss, kommen marthros,
15 sehr selten vor. 5 Schonhaltung in ca.20° Kniebeugestellung.
Instabilitäten des Kniegelenks werden nach der Richtung
der Instabilität eingeteilt. Bei älteren Rupturen:
16 5 »spontanes Wegknicken«,
Anteromedial Trauma bei Valgusstellung, Außenrotation und 5 gelegentliche Einklemmungssymptome.
17 Flexion führt zu einer Verletzung der postero-
medialen Kapselbandschale, des Innenmenis-
kus und des vorderen Kreuzbandes (früher »un- Behandlungsrichtlinien und therapeutische
18 happy triad«, heute »anteromediale Kniegelenk- Maßnahmen
instabilität«)

19 Anterolateral Trauma bei Varusstellung, Innenrotation und Ärztliche Behandlung


Flexion führt zu einer Verletzung der postero- Ärztliche Maßnahmen zielen darauf ab, die optimalen biome-
lateralen Kapselbandschale, des Außenbandes chanischen Gelenkverhältnisse wiederherzustellen. Es gibt eine
20 und vorderen Kreuzbandes, selten des Außen- Vielzahl von operativen Methoden zur Wiederherstellung der
meniskus komplexen Bandstabilitäten.
21
16.5 Kapsel-Band-Meniskus-Verletzungen
309 16

Zur Diagnostik stehen zahlreiche funktionelle Testverfah-


ren zur Verfügung (s. Befunderhebung). Um knöcherne Aus-
risse auszuschließen, werden Röntgenaufnahmen in zwei Ebe-
nen angefertigt, evt. eine Tunnel-Aufnahme nach Frick oder ein
MRT zum Ausschluss weiterer Begleitverletzungen. Im Rah-
men der diagnostischen Arthroskopie wird gleichzeitig eine
operative Therapie durchgeführt.

Konservatives/operatives Vorgehen
Nach arthroskopischer Resektion der freien Kreuzbandstümpfe
kann eine konservative Therapie indiziert sein (Jerosch 2004).
Bei Überdehnungen und Teilrupturen sollte zunächst konservativ
mit einem intensiven Muskeltraining behandelt werden.
Bezüglich einer Punktion des Hämarthros gibt es unter-
schiedliche Meinungen. Zunächst soll gekühlt und ein Kom-
pressionsverband angelegt werden. Als Präventivmaßnahme
zur Vermeidung einer Thrombose gibt man niedermolekulares a b
Heparin und Antiphlogistika.
Der Patient soll früh mobilisiert werden und minimal belasten; . Abb. 16.10a,b. a Patellasehnenplastik nach Riss des vorderen Kreuz-
er erhält eine Orthese zur Bewegungsbegrenzung. bandes, b seitliche Aufnahme
Eine Ausheilung des rupturierten Kreuzbandes ist nicht zu er-
warten; man kann jedoch die Instabilität bis zu einem gewissen
Grad durch eine starke, reaktionsfähige Muskulatur kompen- ein Impingement- oder Zyklopssyndrom. Ein Zyklopssyndrom
sieren (Weigel, Nerlich 2005). ist eine kugelförmige Narbenbildung am Ansatz des Kreuzband-
Heute hat sich das arthroskopische Vorgehen als Regeloperati- transplantates bei fehlerhaft zu weit vorne an der Tibia gesetz-
on durchgesetzt (Kaisser, Mayr 1999, Jerosch 2004, Weigel, Ner- tem Bohrkanal. Bei Kniegelenkstreckung wird die Narbenkugel
lich 2005). Weigel empfiehlt eine Refixation des Kreuzbandes ständig eingeklemmt und verursacht eine schmerzhafte Streck-
zwischen der 6. – 12. posttraumatischen Woche. Der beste Zeit- hemmung.
punkt scheint dann zu sein, wenn die Entzündungsphase been-
det ist, Schmerz und Schwellung abgeklungen sind und Beweg- Physiotherapeutische Behandlung
lichkeit und Muskelatrophie sich nahezu normalisiert haben. Die physiotherapeutische Behandlung konzentriert sich in der
Die Physiotherapie konzentriert sich also auf die Reduzierung Proliferationsphase auf die Stabilisierung der Beinachse und
dieser Symptomatik unter Betonung der Muskelkräftigung. Kräftigung der Mm. ischiocrurales.
Bei komplexen Verletzungen und bei jungen Aktivsportlern Diskussionen darüber, ob und wie lange eine Orthese getra-
muss operiert werden. Infrage kommt eine Augmentation der gen werden soll, werden nach wie vor sehr kontrovers geführt.
Kreuzbandnaht mit einem freien mittleren Patellasehnendrit- Bedenkt man die Forschungsergebnisse von Scherer (1993) und
tel (. Abb. 16.10). Dieses wird mit einem kleinen Knochenstück van den Berg (2003), so scheint eine Orthesenbehandlung bis
mittels Interferenzschraube im Femur fixiert. Das Transplantat zum Ende der Proliferationsphase sinnvoll.
muss exakt in den femoralen Bohrkanal in die Notch positio- Zur Physiotherapie kann die Orthese abgenommen wer-
niert werden, da sonst ein Impingement ensteht. Manche Ope- den.
rateure verwenden ein Semintendinosussehnentransplantat. Nach Weigel, Nerlich (2005) soll eine Orthese für mehre-
Vorteile der Patellasehnenplastik sind Festigkeit und schnel- re Monate, bei sportlichen Aktivitäten bis zu einem Jahr getra-
le Einheilung der Knochenblöcke, Nachteile sind das Risiko ei- gen werden. Manche Autoren belassen sie für 6 Wochen, an-
ner Patellafraktur oder retropatellarer Beschwerden und das dere Operateure wiederum erproben derzeit eine orthesenfreie
Unvermögen, lange Zeit nicht knieen zu können. Nachbehandlung (Mayr 1999, 2000).
Bei der Semitendinosussehnenplastik wird der Streckap- Ebenso werden Bewegungsbegrenzung und Beginn belas-
parat nicht gestört. Die Plastik ist jedoch primär nicht belast- tender Übungsformen noch immer kontrovers diskutiert. Es
bar und zeigt eine langsamere Einheilung und geringere Festig- zeichnet sich jedoch ein Trend zur frühfunktionellen Behand-
keit. Bei dieser Methode kann es zu erheblichen Nachblutungen lung im geschlossenen System ab, mit geringeren Bewegungs-
kommen; deshalb muss postoperativ ein Kompressionsverband begrenzungen als noch vor einigen Jahren.
angelegt werden. Unserer Auffassung nach müssen die biomechanischen Ge-
Das Transplantat muss sorgfältig an der Tibia inseriert wer- setzmäßigkeiten und der biologische Heilungsprozess exakt be-
den. Befindet sich das Bohrloch zu weit vorne, entsteht leicht dacht werden, wenn Folgeschäden vermieden werden sollen.
310 Kapitel 16 · Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks

Grundlage für jede Behandlungssteigerung muss der aktuelle Finanzielle Überlegungen bzgl. der längeren Behandlungszeiten
1 Befund sein. sollten keine Rolle spielen. Schlechte Ergebnisse verursachen
Bizzini (2000) gibt bei einer vorderen Kreuzbandplastik sog. längerfristig Mehrkosten.
2 »sichere Übungsbereiche« für die ersten drei Rehabilitationsmo-
nate an:
5 Isolierte Extension (offene Kette): 90–40°. Komplikationen
3 5 Isolierte Flexion (offene Kette): voll.
5 Kniebeuge/Squat (geschlossene Kette): 0–30°, Rumpfvor- Komplikationen bei allen Kapsel-Band-Verletzungen siehe
neigung ca. 30°. 7 Abschn. 16.7, »Kollateralbandrupturen«.
4 5 Beinpresse/Leg Press (geschlossene Kette): 0–60°.

5
Befunderhebung bei Kapsel-Band-Meniskus-Verletzungen
6
Bei Verdacht auf eine Bandläsion werden die nachfolgenden Be- schlüsse auf die Komplexität der Verletzung zu. Postoperativ
7 fundpunkte gezielt geprüft. Sie ergänzen die Routinebefunder- dürfen die Stabilitätstests nicht vor Ablauf der 16. Woche durch-
hebung. Beurteilt werden Schmerzauslösung und Schmerzcha- geführt werden.
rakteristik, Aufklappbarkeit und Instabilität/Stabilität des Knie- Das gesunde Kniegelenk sollte im Seitenvergleich immer
8 gelenks. Der Ausprägungsgrad der Symptomatik lässt Rück- zuerst beurteilt werden.

5
9 Beurteilen
5
Verletzungsmechanismus: Valgus-/Flexions-/Außenrotationsstress.
Punktionsergebnis, evt. Hämarthros.
5 Arthroskopieergebnis, MR-Ergebnis.
10 5
5
Zeitpunkt des Schmerzbeginns, Art der Schmerzen.
Zeitpunkt des auftretenden Gelenkergusses.
5 Sicherheitsgefühl beim Gehen.
11 5 Spontaner Schmerz bei der Verletzung oder nicht.
5 Vermehrte Rotationsfähigkeit im Gelenk.
5 Schmerzauslösung und Stabilität des Kniegelenks durch gezielte Testverfahren im Seitenvergleich.
12 5 Patellastand und -konturen.

Stabilitätsprüfung 5 Abduktionstest bei:


13 – 0° Streckung und
– 20° Kniebeugung.
5 Lachman-Test bei 20° Kniebeugung (strecknahe Schublade).
14 5 Aktiver Lachmanntest.
5 Schubladentest bei 90° Kniebeugung in Rotationsnullstellung, 15° Außenrotation und 30° Innenrotation (ASTE
Rückenlage, aufgestelltes Bein oder Sitz an Bettkante). Bewegungsende kann bei intaktem Kreuzband hart sein;
15 bei Ruptur ist es weich.
5 Dorsaler Durchhangtest.
5 Weicher Pivot-Shift-Test (Slocum, Jakob 1990).
16 5 Pivot-Shift-Test (ärztlicherseits in Narkose, da er sehr schmerzhaft ist).
5 Reversed Pivot-Shift-Test.
5 Außenrotations-Rekurvatum-Test.
17 5 Jerk-Test.

18
Klassifizierung der Aufklappbarkeit (Siehe . Abb. 16.11, Schema zur Dokumentation der Kniestabi-
19 Üblich ist eine Klassifizierung nach Fetto-Marshall (in Trentz, lität der Schweizer Orthopädischen Arbeitsgruppe Knie, OAK.
Bühren 2001): Die Dokumentation erfolgt durch Ankreuzen oder Farbken-
5 1. Grad: + 2–5 mm, nung der kleinen ovalen Felder, jeweils in Aufklappbarkeit 0,
20 5 2. Grad: ++ 6–10 mm, * 1. Grades, ** 2.Grades, *** 3. Grades.
5 3. Grad: +++> 10 mm Eine Einteilung in »nicht vorhanden, kaum, mäßig und
21 deutlich« ist auch nach Müller (1982) möglich.
16.5 Kapsel-Band-Meniskus-Verletzungen
311 16

. Abb. 16.11. Schema zur Dokumentation der Kniestabilität (Schweizer Orthopädische Arbeitsgruppe)

Tests zur Stabilitätsprüfung Schubladentest


Abduktionstest in Kniestreckung Der Schubladentest nach vorne ermittelt als Rotationsschubla-
Dieser Test ist bei der anteromedialen Instabilität Grad 1 und dentest die kombinierte Verletzung von vorderem Kreuzband
2 negativ. Nur wenn das Innenband und das mediale Kapsel- und medialer bzw. lateraler Kapselbandschale. Ist die Rotations-
band mitverletzt sind, besteht eine leichte Aufklappbarkeit. Eine schublade mit Außenrotation positiv, liegt eine anteromediale In-
Schädigung des Meniskushinterhorns ist möglich. stabilität 3. Grades vor. Ist sie bei Innenrotation positiv, handelt es
sich um eine zusätzliche Verletzung des Tractus iliotibialis. Iso-
Abduktionstest in 20° Kniebeugung lierte Kreuzbandläsionen und die anteromediale Instabilität 1.
Dieser Test ermittelt sicher einen Innenbandschaden bei leichter Grades können durch den Schubladentest nicht erfasst werden.
Außenrotationsstellung. Bei einer anteromedialen Instabilität 3. Die hintere Kreuzbandläsion wird durch die hintere Schub-
Grades ist er mittelgradig positiv, bei einer Instabilität 1. und 2. lade in Rotationsnullstellung, 30° Außenrotations- und 15° In-
Grades ist er unauffällig. nenrotationsposition ermittelt, zusätzlich durch den dorsalen
Durchhangtest.
Lachmann-Test
Der Lachman-Test ermittelt die strecknahe Schublade und da- Dorsaler Durchhangtest
mit eine vordere Kreuzbandläsion und die anteromediale Insta- Anhand dieses Tests wird das Bestehen einer hinteren Schubla-
bilität 2. Grades. Er ist der wichtigste Test zur Ermittlung einer de überprüft.
anteromedialen Kniegelenkinstabilität. Anhand des Tests kann Der Patient liegt in Rückenlage, Beine sind bei 90° Kniefle-
eine qualitative Aussage über eine vordere Kreuzbandverlet- xion angestellt. Bei positivem Test und hinterer Instabilität sinkt
zung gemacht werden; der Bewegungsstopp der Schublade ist der Tibiakopf nach dorsal ab. Bei Aufforderung, das Knie zu
weich oder leer. Bei frischen Verletzungen ist der Lachmann- strecken, rutscht der Tibiakopf aus seiner hinteren Schublade
Test wertvoller als der Schubladentest in 90° Beugung. nach ventral, bevor die Streckung beginnt.
Der Lachmann-Test wird aus ca. 20° Kniegelenkbeugestel-
lung und bei aufliegender Ferse ausgeführt. Die hinter dem Ti- Weicher Pivot-Shift-Test
biakopf liegende Hand zieht den Unterschenkel nach ventral Der Test ermittelt eine anterolaterale Instabilität (Slocum, Jakob
und lässt ihn dann plötzlich los. Die Tibia fällt bei positivem 1990).
Test in die Neutralposition zurück. Der Patient liegt in Rückenlage. Der Therapeut unterstützt
Dieser Test ist bei frischen Verletzungen schmerzloser als das Kniegelenk/den Tibiakopf mit einer Hand und dreht das ge-
der Pivot-Shift-Test. streckte Bein leicht in Innenrotation/Abduktion/Flexion. Unter
leichtem axialem Druck auf Fuß und Unterschenkel bewegt er
das Kniegelenk vorsichtig in Beugung und Streckung. Streck-
312 Kapitel 16 · Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks

nah erfolgt eine Subluxation des Tibiaplateaus nach ventral, bei Behandlungskonzepte bei Kapsel-Band-
1 Beugung reponiert sich die Tibia. Diese Methode ist schmerzär- Meniskus-Verletzungen
mer als der Pivot-Shift-Test.
2 Pivot-Shift-Test
Es gibt heute immer noch keine einheitlichen ärztlichen Be-
handlungskonzepte nach Kapsel-Band-Verletzungen des Knie-
Anhand dieses Tests sind eine vordere Kreuzbandläsion und an- gelenks. Deshalb sollen einige Konzepte aufgezeigt werden.
3 terolaterale Instabilität 2. Grades sicher zu erkennen. Der Test Mayr et al. (2000) konnten nachweisen, dass ein signifi-
wird in Narkose ausgeführt. kanter Zusammenhang besteht zwischen der Entwicklung einer
Der Patient liegt in Rückenlage. Der Therapeut umgreift den Arthrofibrose und
4 lateralen Femurkondylus; das Bein liegt in Innenrotation/Ab- 5 einem präoperativen Reizzustand,
duktion/Flexion, das Kniegelenk ist gestreckt. Wenn es gebeugt 5 einer präoperativen Bewegungseinschränkung,
5 wird, gleitet die Tibia mit einem kleinen Ruck aus ihrer Sub- 5 einer peri- und postoperativen überdurchschnittlichen
luxationsstellung in Normalposition zurück. Dies ist durch die Schmerzhaftigkeit und
Stellung des Tractus iliotibialis bedingt, der bei zunehmender 5 einem zu frühen Muskelaufbautraining.
6 Beugung des Kniegelenks hinter der Beuge-Streck-Achse liegt
und damit das laterale Tibiaplateau wieder nach hinten repo- Aus diesen Erkenntnissen baut sich das heutige Behandlungs-
7 nieren kann. konzept bzgl. dem Operationszeitpunkt, der durchgeführten
Schmerztherapie und der physiotherapeutischen Behandlung
Reversed Pivot-Shift-Test auf.
8 Der Test ermittelt eine posterolaterale Instabilität. Weigel, Nerlich (2005) empfehlen einen Operationstermin
Der Patient liegt in Bauchlage. Das Bein ist außenrotiert, das zwischen der 6. und 12. Woche, wenn der Reizzustand des Ge-
Kniegelenk ist gestreckt. Der Therapeut umfasst mit einer Hand lenks abgeklungen ist. So ergibt sich eine präoperative physio-
9 den Tibiakopf von lateral, mit der anderen Hand das Sprungge- therapeutische Behandlungsphase, die für eine Optimierung des
lenk und beugt das Kniegelenk. Bei positivem Test (posterolate- Operationsergebnisses genutzt werden soll.
10 raler Instabilität) subluxiert die Tibia nach dorsal und reponiert
sich über die Traktusspannung bei Streckung. Präoperative Behandlungsphase
Physiotherapeutische Ziele der präoperativen Behandlungspha-
11 Jerk-Test se sind
Der Test ermittelt die Luxation des lateralen Tibiakondylus ge- 5 Reduzierung von Schmerzen, Schwellungen und Hämarth-
12 gen den Femurkondylus nach vorne als Folge einer anterolate- ros,
ralen Instabilität. 5 Verbesserung der Muskelkraft und Koordinationsfähigkeit,
Der Test wird in Rückenlage ausgeführt. Aus 90° Kniebeu- aus denen sich die nachfolgenden Maßnahmen ableiten.
13 gung wird der Unterschenkel leicht innenrotiert und abduziert Maßnahmen zur Reduzierung von Schmerzen, Schwel-
und anschließend vorsichtig gestreckt. Bei ca. 30° und positivem lungen und Hämarthros:
14 Test subluxiert der laterale Tibiakondylus ruckhaft nach vorne. 5 Intermittierendes, kurzes Kühlen (2–3 sec) zwischen ak-
tiven Spannungsformen (in der Entzündungsphase).
Außenrotations-Rekurvatum-Test 5 Eigenständiges Hochlagern, mehrmals täglich.
15 Anhand dieses Tests lässt sich die dorsolaterale Instabilität er- 5 Manuelle Lymphdrainage.
kennen. 5 Elektotherapie, diadynamische Stromformen.
Das Bein wird aus Rückenlage an der Ferse angehoben. Bei 5 Mobilisation der BWS/LWS (Th10–L2) zur Senkung der
16 positivem Test entsteht dabei eine Außenrotations- und Rekur- Erregbarkeit des N. sympathicus.
vatumstellung. 5 Massagetechniken.
17
Schmerzbeurteilung Maßnahmen zur Verbesserung der Muskelkraft und Koordina-
Eine Schmerzauslösung wird nach der Qualität und lokalen tionsfähigkeit:
18 Zugehörigkeit zu den einzelnen Strukturen sowie dem Aus- 5 Aktiv/assistives Bewegen des Kniegelenks in komplexen
prägungsgrad beurteilt. Schmerzen können durch ein Hämar- Mustern im geschlossenen System.
19 thros verdeckt sein. Eine Schmerzcharakteristik ist v.a bei Teil- 5 Mobilisation der Patella.
rupturen zu erkennen. Druckempfindlichkeit besteht bei allen 5 Isolierte Kräftigung der Mm. ischiocrurales bei vorderer
Bandverletzungen (VAS, . Abb. 2.2). Kreuzbandläsion auch im offenen System, des M. quadri-
20 ceps nur im geschlossenem System.

21
16.5 Kapsel-Band-Meniskus-Verletzungen
313 16

5 Isolierte Kräftigung des M. quadriceps bei hinterer Kreuz- große Differenzen zwischen den einzelnen Operateuren. So
bandläsion auch im offenen System, der Mm. ischiocru- wird zur Sicherung der Kniestabilität häufig eine Orthese ver-
rales nur im geschlossenen System. ordnet, die 4 Wochen getragen werden soll. Es ist auch heute
5 Erlernen der notwendigen Aktivitäten für eine gewisse noch unmöglich, die postoperative Physiotherapie auf den ex-
Selbständigkeit bei Minimal- oder Teilbelastung des betrof- akten Heilungsverlauf des rekonstruierten Kapsel-Band-Appa-
fenen Beins und adäquater Schonung. rates abzustimmen.
Traumatologen sind der Meinung, dass das Patellasehnen-
Postoperativ müssen die präoperativen Maßnahmen wieder transplantat zwischen der 6. und 8. Woche knöchern einge-
aufgegriffen werden. wachsen ist. Nicht gesichert, aber im Tierversuch nachgewiesen
Wie bereits erwähnt, erfolgt eine Schmerztherapie mit wurde jedoch, dass sich das Transplantat zwischen der 6. und
nichtsteroidalen Antiphlogistika wie Diclofenac, Voltaren und 12. postoperativen Woche umformt. Dies bedeutet eine Schwä-
Novalgin. Sehr selten wird eine Sympathikusblockade durch- chung des Sehnentransplantates, die von Physiotherapeuten
geführt (7 Kap. 3). Als Thromboseprophylaxe erhält der Patient bzgl. des Aufbautrainings beachtet werden muss.
niedermolekulares Heparin für ca. 6 Wochen. Als Beispiel soll das Konzept der Orthopädischen Gemein-
Physiotherapeutisch wird die medikamentöse Schmerzthe- schaftspraxis Mayr, Münch, Schmidt (München) beschrieben
rapie durch eine milde, kurzzeitige Eistherapie unterstützt. Der werden, das in Zusammenarbeit mit dem Labor für Biomecha-
Patient soll die Dosierung immer selbst mitbestimmen und eine nik an der LMU München entstand. Dieses Konzept enthält kei-
Schmerztherapie als zeitlich begrenzte Maßnahme ansehen. ne differenzierten, auf den einzelnen Patienten abgestimmten,
Therapeuten sollen die Schmerzursachen analysieren und Behandlungskriterien.
mit dem Patienten eine behutsame Mobilisation und einem
langsamen Muskelaufbau planen. Konzept Mayr
Die Gehschulung mit der vorgegebenen Belastungsstufe be- Operationstag und 1. postoperativer Tag
ginnt ab dem 2. – 4. Tag während der Proliferationsphase. 5 Lagerung in gerader Schiene.
5 Milde Kälteapplikation im komprimierenden System
Postoperative Behandlungsphase (Cryo-cuff ) (. Abb. 16.12).
Das Hauptziel der postoperativen physiotherapeutischen Be- 5 Isometrie für Mm. ischiocrurales.
handlung ist die Wiederherstellung der physiologischen, koordi- 5 Isometrie für M. quadriceps nur in der geschlossenen Ket-
nierten Bewegungsabläufe des Kniegelenks im Alltag und beim te.
Sport. 5 Aktive Fußbewegungen.
Diesem Ziel sind folgende Teilziele untergeordnet:
5 Schmerzen als Ursache für Heilungsstörungen, Muskel- 2. Tag
schwächen, Belastungsunfähigkeit und Kontrakturen sol- Fortführung der Behandlung vom ersten Tag post-op.
len vermieden oder deutlich reduziert werden. 5 Verbandswechsel, Ziehen der Redon-Drainage.
5 Immobilisationsschäden sollen vermieden werden. 5 Manuelle Lymphdrainage.
5 Das Kniegelenk soll seine Rollgleitfunktion und seine frü- 5 Motorschiene: Beginn maximal 0–0–50/60°, wenn intraar-
hestmögliche volle Beweglichkeit wiedererhalten. tikulärer Redon gezogen wurde.
5 Die natürliche Gleitfähigkeit der Patella soll zur Entlas- 5 Aktive Knieextension nur in der geschlossenen Kette.
tung des Retropatellargelenks und vollen Beweglichkeit des 5 Patellamobilisation.
Kniegelenks erreicht werden. 5 PNF ohne Streckung des operierten Beins für die Mm. is-
5 Durch den Wechsel von Bewegen und adäquatem Belas- chiocrurales.
ten soll die Knochen- oder Bindegewebsheilung gefördert
werden. 3. – 7. Tag
5 Die sensomotorische Kontrolle des Kniegelenks soll wie- 5 Anpassen der Orthese (Donjoy-Schiene) wahlweise in 0-
derhergestellt werden. 10-60°-Stellung.
5 Die Kniegelenkstabilität soll in allen Positionen und Bewe- 5 Vier-Punkte-/Drei-Punkte-Gang mit Teilbelastung nach
gungsabläufen erreicht werden. Schmerztoleranz und nach physiotherapeutischer Kontrol-
5 Die Fazilitation der lokal stabilisierenden Muskulatur (M. le der Beinachse beim Gehen.
vastus medialis) soll erarbeitet werden. 5 Aktive Kniegelenkbeugung gegen manuellen Widerstand
5 Das Bewegungsverhalten im Alltag und beim Sport soll oder Theraband. Ferse behält Kontakt zur Unterlage.
verbessert werden (Verbesserung von Aktivitäten). 5 Üben der Ab- und Adduktoren.
5 Stabilisation der Rückenmuskulatur, BWS-Aufrichtung
Behandlungskonzepte müssen individuell zugeordnet werden (. Abb. 16.24).
und sind nicht als starres Zeitschema zu werten. Es bestehen
314 Kapitel 16 · Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks

5 Gehen und Laufen auf der Stelle, vorwärts, rückwärts, ge-


1 gen Widerstand.
5 Arbeitsfähigkeit je nach Beruf.
2 Ab 12. Woche
5 Schwimmen im Kraulschlag.
3 5 Ab 16. Woche leichtes Lauftraining.
5 Wiederaufnahme weiterer Sportarten erst nach Rückspra-
che mit dem Arzt und nicht vor 1 Jahr.
4
! Cave
5 In den ersten 8 Wochen sind Stabilitätsprüfungen, Lachmann-
Test und isokinetische Tests verboten, ebenso der Beincurler für
den M. quadriceps!
6
Alternativvorschlag List
. Abb. 16.12. Cryo-cuff
7 Operationstag
5 Medikamentöse Schmerztherapie in individueller Dosie-
rung.
8 8. – 14. Tag 5 Thromboseprophylaxe, Aufstehen ohne Belastung.
5 Am 12. Tag Fädenentfernung. 5 Hochlagerung in Lagerungsschiene ca. 20–30°, intermittie-
5 Fortführen der bisherigen Physiotherapie und Gehschu- rendes Kühlen.
9 lung. 5 Ergussbehandlung.
5 Belastungssteigerung je nach Befund (nur Patellasehnen- 5 Milde Eisbehandlung.
10 plastik).
5 Leichtes Stretching unter Anleitung. 1. und 2. Woche
5 Isometrie und PNF bei ca. 70° Flexion (Cave! Patellaseh- 5 Manuelle Lymphdrainage.
11 ne!) 5 Nach Entfernung der Redon-Drainage und bei Verträg-
5 Kräftigung der Fußmuskulatur, Sprunggelenkstabilisation. lichkeit Anlegen einer bewegungsbegrenzenden Orthese,
12 Bewegungsausschlag 0–10 –60°.
3. – 6. Woche 5 Einüben der isometrischen Kokontraktion der Mm. ischi-
5 Fortführen der bisherigen Physiotherapie, Anleiten zum ocrurales und M. quadriceps in der Schiene bei 40° Flexi-
13 Selbstüben (Theraband). onsstellung (. Abb. 16.13, 16.14).
5 Standfahrrad mit geringem Widerstand, falls Flexion über
14 100° erreicht wurde.
5 Koordinationsübungen.
5 Beginn mit Stabilisationsübungen im Einbeinstand ab
15 5. Woche.
5 Aquajogging ab 5. Woche.
16 Für 4 Wochen
5 Treppensteigen im Nachstellschritt. Treppauf gesundes
17 Bein voran, treppab operiertes Bein zuerst.
5 Ab 4. Woche Orthesenumstellung auf 90° Flexion.
18 7. – 12. Woche
5 Gesteigerte Koordinations- und Kräftigungsübungen (Mi-
19 nitrampolin, Stairmaster).
5 Abtrainieren der Orthese.
5 Einüben von Aktivitäten, besonders Alltagsaktivitäten.
20 5 Radfahren in der Ebene ab 8. Woche; Fahrradergometer,
wenn Knieflexion 100° erreicht hat. . Abb. 16.13. Kokontraktion der Mm. ischiocrurales und des M. quadri-
21 5 Einbeinige, gestützte Kniebeugen und Side-to-side-steps. ceps in der Donjoy-Schiene
16.5 Kapsel-Band-Meniskus-Verletzungen
315 16

. Abb. 16.14. Verstärkungstechnik . Abb. 16.16. Kontrolle der Beinachse auf der Waage bei PNF-Übung
des gesunden Beins

. Abb. 16.15. Gehmuster mit Orthese . Abb. 16.17a,b. Einüben der Belastung auf der Waage

5 CPM-Schiene ohne Orthese im schmerzfreien Bereich, 5 Stabilisation im hohen Sitz oder Halbsitz: Korrektur der
maximal 0–0–50°; bei Gelenkerguss nicht einsetzbar, da Beinachse auf der Waage in ca. 0–30° Kniestellung. Beach-
Bewegungsspielraum zu klein ist (0–0–30°). Das Bein darf tung der vorgegebenen Teilbelastung.
nicht angebunden sein! 5 Becken-Rumpf-Stabilisation im Halbsitz und Stand auf
5 PNF mit dem gesunden Bein und den Armen, z.B.im Geh- Waagen, unter Beachtung der vorgegebenen Teilbelastung.
muster (. Abb. 16.15). 5 BWS-Aufrichtung: PNF-Muster, auch gegen Theraband,
5 Angepasste Widerstandsübungen für Sprung- und Hüftge- aus dem hohen Sitz oder Halbsitz.
lenkmuskeln des betroffenen Beins, Schwerpunkt: Mm. is- 5 Mobilisation des thorakolumbalen Überganges.
chiocrurales. 5 Gehen mit Minimalbelastung, bei Schmerzfreiheit und
5 Beckenstabilisation in Ab-/Adduktion (PNF). reizlosem Gelenk mit Orthese.
5 Stabilisation der Beinachse mit Belastungsbegrenzung: 5 Einüben der Minimalbelastung auf der Waage
PNF-Muster des nicht betroffenen Beins »Flexion/Adduk- (. Abb. 16.17).
tion/Außenrotation zum gebeugten Knie« (. Abb. 16.16). 5 Treppensteigen: abwärts mit betroffenem Bein, aufwärts
mit gesundem Bein im Nachstellschritt.
316 Kapitel 16 · Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks

3. und 4. Woche (Proliferationsphase) 5. und 6. Woche (Beginn der Konsolidierungsphase)


1 Fortführung des Programms und Erweiterung durch: 5 Orthese stufenweise abtrainieren.
5 Stabilisation der Beinachse auf dem Tilt Table 5 Erarbeiten der Beweglichkeit und der Kniegelenkstabilisa-
2 (. Abb. 16.18). tion ohne Orthese in geschlossener Kette (. Abb. 16.22).
5 Stabilisation im Gehmuster (. Abb. 16.19). 5 Wenn das Kniegelenk reizlos die Streckung erreicht hat,
5 Aktive Mobilisation der Kniegelenkflexion bis ca. 90°. und das Gelenk muskulär gesichert ist, darf die Belastung
3 5 Änderung der Orthese auf Bewegungsmaß 0–0–90°. symptomatisch gesteigert werden.
5 Verstärkungstechniken über PNF-Rumpf-, Arm- und 5 Koordinationsschulung in Zweibein- und Einbeinstand ab
Beinmuster (. Abb. 16.20). 5. Woche (auf Waagen) mit Stützen.
4 5 Muskelaufbau von Mm. ischiocrurales, M. gluteus maxi- 5 Gehschulung und Ausdauertraining.
mus, M. quadriceps in Kokontraktion auch ohne Schiene
5 (. Abb. 16.21). Nach 6 Wochen
5 M. quadriceps nur zwischen 0–40–90° in geschlossener 5 Erarbeitung der Gelenkstabilisation im Zweibeinstand
Kette. (Vollbelastung), auch auf instabiler Unterlage, z.B. auf Ball-
6 5 Wenn das Kniegelenk bei 0–10° schmerzfrei und sicher in kissen, Schaukelbrett oder Sportkreisel mit und ohne Or-
der geschlossenen Kette gehalten werden kann, und kein these (. Abb. 16.23).
7 Gelenkerguss mehr besteht, darf mit Teilbelastung über 15 5 Erarbeiten der Gelenkstabilisation gegen angepassten Wi-
kg begonnen werden (. Abb. 16.17). derstand, z.B. gegen Theraband und in verschiedenen
Knie- und Hüftgelenkpositionen (. Abb. 19.11).
8
9 . Abb. 16.18a,b. Beinachsen-
training auf dem Tilt Table mit nied-
riger und höherer Belastung
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
. Abb. 16.19. PNF-Gehmuster . Abb. 16.20. Verstärkungstechnik
21
16.5 Kapsel-Band-Meniskus-Verletzungen
317 16

. Abb. 16.21a-c. Kokontraktion der Beinstabilisatoren

. Abb. 16.22. Hoher Sitz: . Abb. 16.24. BWS-Auf-


Zweibeinstand auf Waagen richtung
ohne Orthese

5 Weitere Mobilisation der Kniegelenkflexion, z.B. auch mit


Manueller Therapie nach Kaltenborn, Maitland und Frisch.
5 Progressive Belastungssteigerung nach Funktionsbefund.
5 Verbesserung der Koordination, Ausdauer und Stabilität in
Alltagsaktivitäten.
5 Gehschulung und normales Treppensteigen aufwärts und
abwärts.
5 Abtrainieren der Orthese.

Nach 8 Wochen (Ende der Konsolidierung)


5 Individuelle Steigerung der Belastungsübernahme im Ein-
beinstand auf instabiler Unterlage wie z.B. Minitrampolin,
Kreisel, Schaukelbrett oder Ballkissen.
5 Standfahrrad, wenn die Kniegelenkflexion es zulässt (min-
. Abb. 16.23a,b. Beinachsentraining auf Fußkreisel destens 100°).

Ab 12. Woche (Umbauphase nach van den Berg 2001, Scherer


1993)
5 Heranführen an berufs- und sportspezifische Aktivitäten.
318 Kapitel 16 · Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks

! Cave verletzungen erfolgen, am besten innerhalb der ersten zwei


1 Isokinetische Tests und Übungen mit isokinetischen Geräten, posttraumatischen Wochen.
v.a. mit dem Beincurler sind kontraindiziert. Zur Anwendung kommen das Semitendinosus-Gracilis-
2 Ab der 16. Woche
Transplantat oder das »Bone-tendon-bone graft« durch das mitt-
lere Patellasehnendrittel (Weigel, Nerlich 2005). Da der M. qua-
5 Beginn mit leichtem Lauftraining. driceps als Synergist des hinteren Kreuzbandes agiert, ist eine
3 Schwächung der Muskeln durch Transplantatentnahme kritisch
Weitere allgemeine Richtlinien zu diskutieren.
Die Wiederaufnahme von Berufstätigkeit und Sportaktivitäten Die physiotherapeutische Behandlung in der Entzündungs-
4 ist abhängig von Tätigkeit und Sportart. Der Operateur trifft die phase gleicht der Behandlung einer anterioren Instabilität.
Entscheidung. Die Meinungen variieren zwischen Zeiträumen Behandlungsschwerpunkte in der Proliferationsphase sind
5 von 4, 6 und 12 Monaten. Kräftigung des M. quadriceps und Stabilisierung der Beinach-
se.
Wichtig Die vollständig einzuhaltenden Immobilisationszeiten ha-
6 ben sich jedoch in den letzten Jahren deutlich verkürzt. Durch-
Nicht die Wochenzahl, sondern der aktuelle Funktionsbe-
gesetzt hat sich die Überlegung, eine in Heilung befindliche
fund und die Beinachsenstabilität sind Kriterien für eine
7 progressive Belastungssteigerung. Der Belastungsaufbau
Struktur adäquat zu belasten und zu bewegen, jedoch nicht zu
überlasten. Dies wurde durch eine deutliche Verbesserung der
muss schmerzfrei sein. Das Muskelaufbautraining darf nicht
Bandchirurgie und Gelenkrekonstruktion möglich.
8 zu früh beginnen! Dies gilt v.a. für dynamische Widerstands-
Unserer Auffassung nach ist der Gebrauch einer Orthese
übungen in offener Kette vor der 12. postoperativen Woche.
während der Proliferationsphase sinnvoll, weil der Patient da-
mit früher selbständig wird und besser motiviert ist, seine in-
9 dividuelle Stabilität zu nutzen. Da Orthesen heute im Leasing-
Verfahren zur Verfügung stehen, ist der Kostenfaktor für die
10 16.6 Hintere Kreuzbandverletzung Krankenkassen gering und rechtfertigt deren Verordnung.

Ursachen Physiotherapeutische Behandlung


11 Im Gegensatz zur obig ausführlich beschriebenen Behandlung
5 große Krafteinwirkung auf den Tibiakopf, anteromedialer Instabilitäten ist die physiotherapeutische Be-
12 5 Hyperextension des Kniegelenks. handlung der hinteren Kreuzbandverletzung/dorsolateralen In-
stabilität oft weniger problematisch.
In der Proliferations- und beginnenden Konsolidierungspha-
13 Charakteristische Symptome/Leitsymptome se steht im Vordergrund:
5 Training des M. quadriceps (Synergist des hinteren Kreuz-
14 5 anteriorer Kniegelenkschmerz durch patellaren Anpress- bandes, . Abb. 15.9 a),
druck bei eher unspezifischer Symptomatik, 5 Erarbeitung der vollen Kniestreckung und
5 hohe Empfindlichkeit bei der Untersuchung. 5 sensomotorischen Fähigkeiten des Kniegelenks.
15
Eine hintere Kreuzbandruptur und eine posterolaterale Verlet- Heilungsverlauf, operativ erreichte Stabilität und funktioneller
zung werden oft übersehen und erst später, bei anhaltender In- Befund bestimmen die jeweilige Dosierungsstufe.
16 stabilität und intermittierenden Schmerzen, erkannt. Die spätere Rehabilitation unterscheidet sich nicht mehr
von der nach vorderen Kreuzbandläsionen.
17 Kenntnisse der Biomechanik und der funktionelle Befund
Behandlungsrichtlinien und therapeutische sollen die Grundlage der physiotherapeutischen Behandlung
Maßnahmen sein. Besonders sorgfältig muss in der Proliferationsphase in-
18 nerhalb der ersten 3 postoperativen Wochen, nach Scherer et al.
Ärztliche Behandlung (1993) zwischen der 6. und 12. Woche dosiert werden. Wenn der
19 Isolierte Teilrupturen können konservativ versorgt werden; eine Reizzustand langsam abklingt, kann der Patient seine neue Be-
Ausheilung ist jedoch auch hier nicht zu erwarten. lastungsfähigkeit nutzen; bei Überbelastung dagegen wird ein
Kombinationsverletzungen und Verletzungen bei jüngeren, neuer Reizzustand zu einer verzögerten Heilung führen.
20 sportlichen Patienten sollten operativ behandelt werden. Bei fri- Biomechanisch gesehen heilt jede Band- oder Sehnenver-
schen Rupturen und bei sportlich aktiven Patienten sollte früh- letzung mit einer Narbe aus. Die strukturelle Schwächung wird
21 zeitig eine augmentierte Naht und Rekonstruktion der Begleit- durch eine Querschnittszunahme kompensiert. Diese kann die
16.7 Kollateralbandrupturen
319 16

Ursache für Verklebungen und mangelnde Gleitfähigkeit der geprüft wie auch weitere relevante Funktionstests durchgeführt
Kreuzbänder sein. (7 Abschn. 16.5, Befunderhebung). Bild gebende Verfahren wer-
Scherer et al. (1993) untersuchte die biomechanische Ver- den wie bei allen Kniegelenkverletzungen durchgeführt. Wegen
änderung der Patellasehne nach der Transplantationsentnah- der großen Schmerzhaftigkeit sollte keine gehaltene Röntgen-
me zur Stabilisierung des vorderen Kreuzbandes. Er beobachte- aufnahme gemacht werden.
te, dass sich der Sehnenquerschnitt sowohl an der Patellarsehne
wie auch am Transplantat erhöhte. Nach Scherer ist die Patella- Konservatives/operatives Vorgehen
sehne nicht fähig, ihre ursprüngliche Struktur wiederzuerlan- Isolierte mediale Kollateralbandverletzungen werden konserva-
gen; jedoch soll die Festigkeit nach 12 Monaten erreicht sein. tiv behandelt (Weigel, Nerlich 2005). Auch Kombinationsver-
Auch van den Berg (2001) bestätigt diese Aussagen. Sie ha- letzungen ergeben ein besseres Funktionsergebnis, wenn die
ben Bedeutung für die physiotherapeutische Behandlung, die Kreuzbänder und dorsalen Strukturen rekonstruiert, das medi-
Beratung der Patienten in der Spätrehabilitation und die Sport- ale Kollateralband jedoch unangetastet bleibt. Es kann in seiner
fähigkeit nach Kniebandverletzungen. bindegewebigen Scheide wieder zusammenwachsen.
Außenbandrupturen werden bei komplexen Instabilitäten
zusammen mit der vorderen Kreuzbandruptur und dem late-
16.7 Kollateralbandrupturen ralen Kapselbandapparat operativ versorgt.
Bei knöchernen Ausrissen des medialen/lateralen Kollate-
Einteilung ralbandes wird operativ behandelt. Zur Refixierung an anato-
mischer Stelle werden Krallenplättchen, Kleinfragmentschrau-
Die Kollateralbandrupturen werden nach Hughston (in Jerosch, ben oder transossäre Nähte verwendet.
Heisel 2004) in drei Schweregrade eingeteilt. Schmerzsituation und erreichter Stabilitätsgrad entschei-
den über Versorgung mit Orthese, Verordnung der Belastungs-
Grad I Dehnung, mit Aufkklappbarkeit von 0–5 mm stufe und Bewegungsbegrenzung.
Grad II Teilruptur, mit Aufklappbarkeit von 5–10 mm Physiotherapeutische Behandlung
Grad III Komplette Ruptur, mit Aufklappbarkeit < 10 mm Innenbandverletzungen kommen selten isoliert vor, häufiger in
Kombination mit einem Meniskus- oder zentralen Bandriss.
Isoliert verletzt, werden sie wie die Meniskusrefixation behan-
delt (physiotherapeutische Behandlung, 7 Abschn. 16.8).
Ursachen Für die muskuläre Sicherung des Kniegelenks sind verant-
wortlich: Pes-anserinus-Gruppe und M. vastus medialis des
5 Valgus-/Varusstress bei Ballsportarten oder Auffahrunfäl- M. quadriceps.
len, verbunden mit Rotation. Wesentlich seltener kommen Außenbandverletzungen vor.
Sie werden vom Prinzip her gleich behandelt.
Das Innenband wird wesentlich häufiger verletzt als das Außen- Die Muskelkette verläuft über die Fußpronatoren und Fuß-
band. Eine Instabilität tritt v.a. in Kombination mit einer ante- heber zum M. vastus lateralis, M. tensor fasciae latae und den
romedialen Instabilität auf. kleinen Glutäen.
Die meisten operativen Eingriffe werden ambulant mittels
Arthroskopie vorgenommen.
Charakteristische Symptome/Leitsymptome Da Knieband- und Meniskusverletzungen häufig junge,
sportliche Patienten betreffen, sind die Entlastungszeiten we-
5 Spontanschmerz, der nach dem Trauma sofort nachlässt, sentlich kürzer als früher, d.h., die Patienten dürfen in der Pro-
wiederauftretend bei Bewegung und Belastung, liferationsphase i.d.R. bei minimaler Belastung mit Unterarm-
5 Druckschmerz unterhalb des Gelenkspalts. stützen gehen.
Der Muskelaufbau richtet sich nach den individuellen Fä-
higkeiten; er sollte immer stufenweise erfolgen und sich an den
Behandlungsrichtlinien und therapeutische Funktionsverbesserungen orientieren.
Maßnahmen

Zur Bestätigung der Diagnostik wird der mediale und laterale


Gelenkspalt auf Schmerzpunkte palpiert, solange noch keine
größere Schwellung vorhanden ist. Darüber hinaus wird mit-
tels Ab-/Adduktionstest die Aufklappbarkeit des Kniegelenks
320 Kapitel 16 · Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks

Komplikationen bei allen Kapsel-Band- Konservatives/operatives Vorgehen


1 Verletzungen Eine konservative Behandlung wird bei mäßigen Beschwerden
angestrebt; manchmal ist eine geringfügie Einklemmung durch
2 5 Impingement bei Patellasehnenplastik (Transplantat stößt feine Schüttelbewegungen des Kniegelenks wieder zu beheben.
am Vorderrand der Notch an), Gelingt dies nicht, wird unter örtlicher Betäubung reponiert.
5 Zyklopssyndrom, Nach erfolgloser konservativer Behandlung ist ein opera-
3 5 tiefe Beinvenenthrombose, tives Vorgehen mittels Arthroskopie indiziert. Dabei spielen fol-
5 Infektion, gende Kriterien eine Rolle:
5 Arthrofibrose, 5 Größe, Lokalisation und Form des Risses,
4 5 Risiko der Patellafraktur, 5 Begleitverletzungen, (evt. Kreuzbandverletzung),
5 retropatellare Beschwerden, 5 rezidivierende Gelenkergüsse,
5 5 Arthrose bei 65 der konservativ behandelten und 35 5 Zeit zwischen Trauma und Vorstellung,
der operativ versorgten Patienten (Südkamp, Schönfelder 5 Alter und Aktivitäten des Patienten.
1999).
6 Wenn möglich, soll das Meniskusgewebe refixiert und nur so
viele Gewebeanteile reseziert werden wie unbedingt nötig. Bei
7 16.8 Meniskusverletzungen prognostisch günstiger Rissbildung wird im gut durchbluteten
äußeren Anteil eine Meniskusnaht gemacht. Um eine Arthrose
Einteilung zu vermeiden, sollte eine möglichst stabile und glatte Restbasis
8 verbleiben. Die Nachbehandlung ist analog zu der einer Innen-
Meniskusverletzungen werden nach ihrer Form eingeteilt in: bandversorgung.
5 longitudinale Rupturen, inkomplett und komplett (Korb- Auch wenn der Patient nach einer Teilresektion nach der
9 henkelriss), Entzündungsphase beschwerdefrei ist, empfiehlt sich eine Scho-
5 radiäre oder quere Rupturen, nung des Beins durch Teilbelastung.
10 5 horizontale Rupturen. Zur Prophylaxe einer tiefen Beinvenenthrombose wird nie-
dermolekulares Heparin für die Dauer der Teilbelastung gege-
ben. Gleichermaßen empfehlenswert ist die Gabe eines nichts-
11 Ursachen teroidalen Antiphlogistikums zur Unterstützung der Ergussre-
sorption.
12 Traumatische Meniskusverletzungen entstehen bei großer Ge- Nach einer Meniskusnaht soll für 6 Wochen teilbelastet wer-
walteinwirkung unter Rotation. Degenerierte Menisken reißen den. Außerdem gibt der Operateur eine Bewegungsbegrenzung
bereits bei Bagatelltraumen. für die Zeit der Proliferationsphase an.
13 Besonderen Wert wird auf die schnellstmögliche Resorption
des Gelenkergusses gelegt. Ein länger bestehender Gelenkerguss
14 Charakteristische Symptome/Leitsymptome setzt Entzündungsmediatoren frei und schädigt die Trophik der
Knorpelstruktur.
5 Der im Gelenk auftretende Schmerz deutet auf eine Ein- Eine Belastung des Kniegelenks während dieser Zeit ist da-
15 klemmung eines abgerissenen Meniskusteiles im Gelenk- her nicht sinnvoll.
spalt hin. Die Endstreckung ist blockiert. Seit einiger Zeit wird mit biodegradablen Implantaten expe-
5 Der Schmerz wandert bei zunehmender Beugung von ven- rimentiert. Vor 20 Jahren begann Richard Steadman in Vail/Co-
16 tral nach dorsal. lorado mit der Verpflanzung von Kollagenimplantaten, die je-
5 Der Schmerz verstärkt sich bei endgradiger Streckung, Va- doch erst seit 2000 in Deutschland zugelassen sind. Weigel dis-
17 rus-, Valgusstress und Rotation. kutiert die Verwendung von natürlichem Kollagen als attrak-
5 Der Gelenkerguss tritt erst nach einigen Tagen auf. tives Material, sieht aber auch Nachteile, z.B. die Dislokation,
wenn das Transplantat sich zunehmend auflöst und als Gerüst
18 für die eigenen einwandernden Zellen nicht mehr stabil genug
Behandlungsrichtlinien und therapeutische ist. Das Material besteht aus hochgereinigtem Kollagen BSE-
19 Maßnahmen freier US-Jungrinder. Es wird dem Defekt entsprechend zuge-
schnitten und minimalinvasiv eingebracht.
Ärztliche Behandlung Indiziert ist das kollagene Meniskusimplantat, wenn mehr
20 Eine sichere Diagnose ergibt bei unklarem klinischem Befund als 25 des Meniskusgewebes entfernt werden musste, und ge-
die Kernspintomographie. Sie erübrigt sich, wenn ohnehin eine nügend Restgewebe vorhanden ist, um das Transplantat anzu-
21 Arthroskopie vorgesehen ist. schließen (Boenisch 2007). Bisher kann der klinische Nutzen
16.8 Meniskusverletzungen
321 16

wegen der potenziellen Toxizität der Matrixstabilisatoren noch Komplikationen


nicht abgeschätzt werden (Weigel 2005).
Eine ca. 8-wöchige Minimal- oder Teilbelastung und das 5 Synovialitis,
Tragen einer Kniegelenkorthese lassen als Zielgruppe vorwie- 5 Arthrose nach subtotaler oder totaler Resektion,
gend junge Patienten mit hoher Compliance zu. 5 N.-saphenus-Schädigung.

Physiotherapeutische Behandlung
Meniskusrefixationen werden bzgl. der Bewegungsbegrenzung Befunderhebung
und dem Gebrauch einer Orthese individuell vom Operateur
eingestellt. Wichtige Kriterien der Frühbehandlung sind die Be- Testverfahren
herrschung des Gelenkergusses und die Stabilität des Gelenks. Anhand spezifischer Tests lassen sich Meniskusverletzungen
Manche Autoren begrenzen die Extensionsbewegung auf 0– (Druckschmerz im Gelenkspalt, Gelenksperre) ermitteln.
10–70/90° für 6 Wochen und verordnen eine Orthese. Die Pati-
enten sollen solange minimal belasten, bis das Kniegelenk reizlos Abduktions-Adduktions-Test
ist, i.d.R. bis Ende der Proliferationsphase. Weigel (2005) emp- Der Unterschenkel wird in 0°- und 30°-Stellung des Kniege-
fiehlt eine Belastung mit halbem Körpergewicht für 6 Wochen. lenks gegen den Oberschenkel ab- bzw. adduziert.
Beim Aufstehen wird die Orthese getragen, zur Physiotherapie
darf sie abgenommen werden (Drei-Punkte-Gang). Steinmann-Test
Die Übungstherapie konzentriert sich auf die Sicherung des Das Steinmann-I-Zeichen wird in 90° Kniebeugung unter Rotati-
Kniegelenks durch Beanspruchung des M. quadriceps, der Pes- on ausgeführt und verursacht bei positivem Ergebnis einen ent-
anserinus-Gruppe und der Kniebeuger. sprechend medialen oder lateralen Druckschmerz im Gelenk-
Das Beinachsentraining wird zunächst in minimal belas- spalt (. Abb. 16.25).
tender Stellung im geschlossenen System (z.B. gegen Waage/ Das Steinmann-II-Zeichen beschreibt einen von ventral
Wand) durchgeführt. nach dorsal wandernden Schmerz bei Kniebeugung im Stand.
Nach Teilmeniskektomie wird heute i.A. keine Ruhigstellung Bei Streckung wandert der Schmerz wieder nach ventral. Der
mehr verordnet. Schmerz wird als stechend charakterisiert.
Die physiotherapeutische Behandlung beginnt nach Entfer- Eine Gelenkblockierung beim Streckversuch weist auf einen
nung der Redon-Drainagen und konzentriert sich in den ersten Meniskusabriss hin (. Abb. 16.26).
Behandlungstagen auf eine sorgfältige Gelenkergussbehand-
lung. Apley-Kompressionstest
In der Regel wird eine Minimalbelastung nur für einige Ta- Dieser Test deutet auf eine mediale/laterale Meniskusverletzung
ge verordnet, abhängig vom Reizzustand des Gelenks. Nach ca. hin.
2 Wochen sollte es möglich sein, die Belastung stufenweise zu Der Patient liegt in Bauchlage, Kniegelenk 90° flektiert. Bei
steigern. axialem Druck auf den Unterschenkel wird dieser rotiert und
löst bei positivem Befund einen Schmerz im medialen oder la-
teralen Gelenkspalt aus.

. Abb. 16.25. Prüfen einer Meniskusverletzung: Steinmann-I-Zeichen


322 Kapitel 16 · Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks

. Abb. 16.26. Test einer Gelenkblo-


1 ckade: Kniestreckversuch

2
3
4
5
McMurray-Test
Ein endgradiger Schmerz am medialen Gelenkspalt deutet auf
6 eine Innenmeniskusverletzung hin.
4. Erarbeiten der Muskelspannung, die notwendig ist zur
aktiven Kniegelenkstabilisation und Frakturheilung (s.
Ausgangsposition ist Sitz oder Rückenlage. Das Kniegelenk auch spezielle Physiotherapie bei Verletzungen der je-
7 wird aus der Flexionsstellung mit Außenrotation in Streckung weiligen Strukturen).
geführt. 5. Mobilisation der Patella und des Kniegelenks.
6. Progressiver Muskelaufbau von M. quadriceps, Mm. is-
8 Ergänzende Befunde chiocrurales, Muskeln mit Ansatz am Pes anserinus,
Bei allen spezifischen Befunderhebungen wird eine Routine- M. gastrocnemius und M. gluteus maximus.
befunderhebung wie bei den Frakturen (7 Abschn. 16.3) vorge-
9 nommen und ergänzt durch:
7. Sensomotorische Kontrolle des Kniegelenks in Bewe-
gung und bei Belastung.
5 eine Beinachsenkontrolle in vorgegebener Belastungsstufe 8. Gehschulung ohne Belastung, mit Minimal-, Teil- oder
10 im Zweibein-/Einbeinstand und zu gegebener Zeit in Beu- Vollbelastung.
gestellungen der Fuß-, Knie- und Hüftgelenke auf stabiler
und instabiler Unterlage (Hilfsmittel sind Waage, Stützen,
11 Gehbarren),
5 Überprüfen von Aktivitäten wie Aufstehen, Hinsetzen, 1. Förderung der Resorption des Gelenkergusses und periar-
12 Treppensteigen, Umgang mit Hilfsmitteln, An- Ausziehen, tikulärer Schwellungen
etc., wenn ärztlicherseits erlaubt, Die Behandlung des Gelenkergusses ist für alle Verletzungen im
5 eine Ganganalyse (. Abb. 2.7) mit/ohne Hilfsmittel. Bereich des Kniegelenks vordringlich. Das Kniegelenk ist eines
13 der empfindlichsten Gelenke. Postoperativ ist mit einem blu-
tigen Erguss zu rechnen, später kann das Kniegelenk auf jede
14 Behandlungsmöglichkeiten Störung mit einem Reizerguss reagieren.
Vor jeder Behandlung muss überprüft werden, ob ein in-
Vorgehen bei Verletzungen im Kniegelenkbereich traartikulärer Erguss vorliegt (Test auf »Tanzen der Patella«,
15 In . Übersicht 16.2 sind die Inhalte der physiotherapeutischen . Abb. 16.9).
Behandlung nach Kapsel-Band-Meniskus-Verletzungen zu- Besteht ein Gelenkerguss, sollte die Knieflexion auf 30° be-
sammengefasst. Die Punkte 1, 2, 7, 8 gelten in der Anfangspha- grenzt werden, da die Kapsel durch den Flüssigkeitsdruck bei
16 se der Entzündung und in der Umbauphase (Spätphase) für alle einem weiteren Rollgleiten zunehmend gedehnt wird. Folgen
Verletzungen im Kniegelenkbereich, in der Proliferations- und wären ein instabiles Gelenk und eine Arthrofibrose durch die
17 Konsolidierungsphase werden die einzelnen Verletzungen je- erneute Synoviareizung.
doch strukturbezogen behandelt. Sind die Umfangsmaße im Vergleich zur gesunden Seite ver-
größert, und »tanzt« die Patella nicht, handelt es sich um eine
18 extrakapsuläre Schwellung. Eine Bewegungslimitierung ist aus
. Übersicht 16.2. Gesichtspunkte der Behandlung diesem Grund nicht nötig. Die ärztlicherseits vorgegebenen Be-
19 1. Förderung der Resorption des Gelenkergusses und der
periartikulären Schwellung.
wegungsbegrenzungen müssen selbstverständlich eingehalten
werden. In den meisten Fällen schmerzt ein mit Synovia prall
2. Abbau der Temperaturerhöhung. gefülltes Gelenk kaum.
20 3. Lagerungskontrolle, Kontrolle des Schienensitzes. Die Resorption des Ergusses und der äußeren Schwellung
6 wird durch Kühlen direkt nach der Verletzung (Punktion) oder
21
16.8 Meniskusverletzungen
323 16

Operation erreicht. Wenn nötig, wird eine Kühlmanschette an- Bei einer Verletzung der femoralen Gelenkfläche wird evt. für
gelegt (Cryo-cuff, . Abb. 16.12). 1–2 Tage eine Lagerung in Rechtwinkelstellung des Kniegelenks
Spannungsübungen im Sekundenrhythmus, kurzzeitige Eis- verordnet.
anwendungen, Hochlagern und Kompressionsverbände werden Patienten mit bewegungsstabilen Frakturen sollen frühest-
wechselnd angewendet. möglich in strecknaher Stellung gelagert werden. Die CPM-
Endgradiges Bewegen der Fußgelenke bei aufliegendem, Schiene kann strecknah oder in jeder geforderten Stellung des
hochgelagerten Bein fördert ebenfalls die Resorption des Kniegelenks angehalten werden und als Lagerung dienen. Al-
Ödems. lerdings stellt sich das Problem der exakten Einstellung des
Der Patient soll 4- bis 5-mal pro Tag zu eigenem Üben bzw. Drehpunktes auf die Kniegelenkachse. Bei der Benutzung der
Spannen der Oberschenkelmuskulatur angeleitet werden. Bei CPM-Schiene bleibt das Hüftgelenk in Beugestellung, was für
Kreuzbandrupturen soll immer in Kokontraktion der Muskel- die Funktion des M. gluteus maximus und des Hüftgelenks un-
gruppen gearbeitet werden. günstig ist. Deshalb muss das Bein stundenweise und v.a. nachts
Ein Verkleben des oberen Rezessus kann vermieden werden, von der Schiene genommen werden.
wenn die Patella von Anfang an passiv weich nach kranial, kau- Niemals darf das Bein in der CPM-Schiene fixiert werden.
dal, medial und lateral mobilisiert wird (nicht bei Patellafrak- Da die Schiene die Rollgleitbewegung des Kniegelenks nicht
tur). Der Patient soll angeleitet werden, die Patella selbst zu ver- mitmachen kann, wird das Knie bei der Beugestellung ein we-
schieben. nig abgehoben. Auch die Fußraste muss individuell eingestellt
Eine Hochlagerung muss für das in der Orthese liegende sein, damit das Knie bei der passiven Beugebewegung nicht ge-
Kniegelenk individuell ausgeführt werden: staucht wird (. Abb. 17.6).
5 Ist die Streckstellung ein wichtiger Gesichtspunkt, kann ei-
ne U-Schiene gewählt und das Bettende hochgestellt wer- 4. Erarbeiten der Muskelspannung, Muskelkoordination
den. Das Bemühen um volle Kniegelenkstreckung/Neutralstellung ist
5 Ist eine mäßige Beugung sinnvoll, wird die Krapp-Schiene ein wichtiger Behandlungspunkt bei allen Frakturen.
verwendet. Diese passt jedoch nicht immer, wenn die Or- Je nach Muskelbefund kommen als Techniken in Frage:
these in einem bestimmten Winkel angelegt ist. Tagsüber 5 Endstellung – Halten gegen Führungskontakt.
kann in einigen Fällen auch die CPM-Schiene in einer für 5 Bewegen – Halten gegen Führungskontakt.
den Patienten schmerzfreien und biomechanisch richtigen 5 Kokontraktion antagonistischer Muskelgruppen.
Einstellung zur Lagerung gewählt werden. 5 Techniken mit vertauschtem Punktum fixum und Punk-
5 Alle vorgefertigten Lagerungsschienen haben den Nach- tum mobile.
teil, dass sie bei langen Ober- und kurzen Unterschenkeln 5 Verstärkungstechniken nach PNF.
– oder umgekehrt – nicht passen und zu Unruhe an Frak- 5 Einsatz von Kontraktionshilfen.
turen oder Bandnähten führen. Sinnvoller ist dann eine 5 Übungsformen in der geschlossenen Kette bei Beachtung
Betteinstellung, wie dies bei modernen Klinikbetten mög- der vorgegebenen Belastungsstufe.
lich ist.
Günstige Ausgangsstellungen sind:
2. Abbau der lokalen Temperaturerhöhung 5 Rückenlage,Fußsohle gegen Waage/Wand,
In der Entzündungsphase wird mit Umschlägen (z.B. Arnika, 5 Tilt Table,
Quark), Dinkelsäckchen oder Kompressen unter Aussparung 5 hoher Sitz, Halbsitz,
der Operationswunden milde gekühlt. 5 Zwei- und Einbeinstand.

3. Lagerungskontrolle, Kontrolle des Orthesensitzes Hilfsmittel sind Waage, fester Boden, weiche Unterlage, labile,
Kann die Hochlagerung nach einigen Tagen beendet werden, federnde und bewegliche Unterlage.
sollen bei der Lagerung die Entlastung der jeweiligen Struktur Die Kontraktionsfähigkeit des lokal stabilisierenden M. qua-
wie auch die Funktion des Kniegelenks berücksichtigt werden. driceps vastus medialis soll frühzeitig erarbeitet werden, zu-
Nullstellung der Sprunggelenke und annähernde Nullstel- nächst in entlasteter Position, z.B. in Rückenlage, später in hö-
lung des Hüftgelenks müssen angestrebt werden. Das Kniege- heren teilbelasteten Ausgangsstellungen. Taktile Reize über dem
lenk muss unbedingt in Rotationsnullstellung sicher gelagert Muskel/am kraniomedialen Patellarand vermitteln die Zugrich-
sein. tung des Muskels und helfen, den gewünschten Anteil gezielt zu
Wieviel oder wie wenig das Kniegelenk unterlagert werden aktivieren. Ebenso kann ein entsprechend angelegtes Tape die
muss, ist von der ärztlich vorgegebenen Bewegungsgrenze oder Wahrnehmung und Aktivierung fördern. Häufige Spannungs-
der Orthese abhängig. wiederholungen, auch als Hausaufgabe, sind wichtig, um die
Fazilitation der Muskelfasern zu fördern. (Nicht bei vorderer
Kreuzbandverletzung!)
324 Kapitel 16 · Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks

Nach heutigen Erkenntnissen sollen statische und dyna- (Gate-Control-Mechanismus) reduziert den Schmerz und för-
1 mische Übungsformen in offener und geschlossener Kette ab- dert die Kollagensynthese (7 Kap. 1).
wechselnd eingesetzt werden: Weiches aktiv/unterstütztes oder auch passives schmerz-
2 5 In der Frühphase werden Übungen in offener Kette unter freies Bewegen in achsengerechten Umkehrmustern ist erlaubt.
abgenommenem Beingewicht und Führungskontakt ange- Bei einer Fraktur der Tibiagelenkflächen soll eine vorzeitige
wandt. Druckbelastung vermieden werden. Deshalb wird häufig eine
3 5 Übungen in geschlossener Kette können in niederer Dosie- Bewegungsgrenze von 0–10–60° vorgeschrieben, bis die Frak-
rungsstufe, z.B. gegen manuellen Gegendruck an der Ferse, tur teilbelastbar ist. Entsprechend muss eine Minimalbelastung
gegen die Wand/das Bettende oder auf Waagen mit mini- eingehalten werden.
4 maler Belastungsstufe durchgeführt werden. Bewegungsstabile Osteosynthesen ohne Gelenkbeteiligung
5 Zur Kontrolle der Beinachse finden statische und dyna- sollen frühzeitig minimal oder teilweise belastet werden. Für
5 mische Bewegungen unter Kokontraktion statt. Besonde- die Mobilisation des Kniegelenks bedeutet dies, schwerpunkt-
re Beachtung beim Aufbau einer Muskelspannung finden mäßig die Streckfähigkeit des Kniegelenks zu erarbeiten.
Rumpf-, Becken- und Fußkontrolle (Hamilton 2006, Larsen Es besteht eine hohe Korrelation zwischen einem Streckde-
6 2007). Die Aufrichtung der BWS spielt ebenfalls eine große fizit und einer Arthrose. Um diese zu vermeiden, darf das Knie-
Rolle (. Abb. 16.24). gelenk erst voll belastet werden, wenn die volle Streckung sicher
7 gehalten werden kann.
Da ein zu frühes Krafttraining zu einer verzögerten Heilung Bandplastiken erfordern eine zeitliche Bewegungsbegren-
oder gar Folgeschäden führt, soll dieses erst nach Ausheilung zung. Eine Streck- oder Beugemobilisation muss entsprechend
8 der betroffenen Struktur erfolgen. der verletzten Kapsel-Band-Struktur mit dem Operateur abge-
stimmt werden.
! Cave
9 Niemals darf eine Behandlung Schmerzen auslösen oder eine Wichtig
Übung in den Schmerz hinein erfolgen.
10 Es wird immer unter leichter Traktion mobilisiert.
Bei Übungen in der geschlossenen Kette unter Belastung müs-
sen Tragfähigkeit des Kniegelenks und Muskelfunktion aufei-
11 nander abgestimmt sein, d.h., die Rumpf-Becken-Bein-Achse Die passive Fixation des Femur geschieht gelenknah; die mobi-
muss gehalten werden. lisierende Hand liegt ganz proximal am Unterschenkel. Nach
12 vorderer Kreuzbandplastik muss der Oberschenkel von dorsal
5. Mobilisation des Femoropatellar- und Femorotibialge- fixiert werden, nach hinterer Kreuzbandplastik von ventral. Bei
lenks bewegungsstabilen Osteosynthesen kann frühzeitig eine weiche
13 Außer bei einer Patellafraktur kann die Mobilisation der Patella Traktion Stufe I gesetzt werden.
nach kranial, kaudal, medial und lateral schon in der zellulären Translatorische Gleitbewegungen müssen auf Gelenkbefund
14 Phase beginnen (van den Berg 2001) (. Abb. 16.27). und Heilung der Struktur abgestimmt sein und bedürfen der
Der Zeitpunkt für die Mobilisation des femorotibialen Ge- Rücksprache mit dem Operateur. Die Wahl der Manualtechnik
lenks muss der verletzten Struktur entsprechend individuell be- wird vom Zeitpunkt der Heilung und der Qualität des Bewe-
15 stimmt werden, soll aber auch in dieser Phase im schmerzfreien gungsstopps bestimmt.
Bereich beginnen. Die Stimulation der Mechanorezeptoren
16
17 . Abb. 16.27a,b. Patellamobilisation

18
19
20
21
16.8 Meniskusverletzungen
325 16

Im Anschluss an die Manualtechniken werden geführte, ak- Wenn möglich, soll schwerpunktmäßig eine Bewegungsrich-
tive Umkehrbewegungen im letzten Bewegungsdrittel durchge- tung mobilisiert werden, in einer zweiten Sitzung wird dann die
führt. Gegenrichtung behandelt. Wurde intensiv in eine Bewegungs-
Sind die Bewegungsstopps weichelastisch oder elastisch, richtung mobilisiert, ist die Rückführung in die Ruhestellung
können aktive PNF-Techniken ausgeführt werden. Frühzei- oft schmerzhaft. Eine neu angesetzte Traktion und ein stufen-
tig kommt die »Chirurgische Technik« zum Einsatz, weil sie weises Zurückgehen gegen einen minimalen Widerstand er-
die feinste Dosierung zulässt (7 Kap. 22). Die Technik »Rhyth- leichtern dem Patienten die Rückführung. Sind periphere Ver-
mische Stabilisation – Entspannen« wird bei schmerzhaften klebungen tastbar, wird eine Narbenbehandlung durchgeführt
Kontrakturen angewandt. Sie gibt dem Physiotherapeuten die (7 Kap. 11, »Handchirurgie«).
beste Möglichkeit, eine geringe Traktion auszuüben, sensibel zu Milde Wärmebehandlungen unterstützen die muskuläre
dosieren und schmerzarm zu mobilisieren. Entspannung und wirken Stoffwechsel anregend. Im Anschluss
Die intensivste aktive Technik ist »Halten – Entspannen« an eine aktive Physiotherapie sind sie gut einsetzbar.
(Contract – Relax). Der Physiotherapeut kann zusammen mit Zusätzlich wird häufig die CPM-Schiene eingesetzt. Dies soll
dem Patienten unter weichem Zug aktiv/passiv weiterdehnen. jedoch kritisch geschehen und der Kontrolle des Physiothera-
(Die Anwendung erfolgt erst nach entsprechender Heilung, peuten unterliegen. Die Rollgleitbewegung ist auf der Schie-
z.B. 6 Wochen nach OP). Wie bei allen manuellen Mobilisa- ne bei festgebundenem Unterschenkel eingeschränkt, deshalb
tionstechniken ist ein weicher, sicherer und schmerzfreier Griff soll das Bein nicht angebunden sein. Ausweichbewegungen und
wichtig. Unter Umständen muss die ursprüngliche PNF-Tech- Schmerzangaben müssen besonders beachtet werden (7 Punkt
nik lokal angewandt werden, d.h. nicht komplex sondern mit 3, Lagerung).
manueller Fixation des anderen Gelenkpartners. 5 Die Motorschiene sollte immer unterhalb der Schmerz-
Nach einer aktiven Mobilisationstechnik soll die gewonnene grenze eingestellt sein.
Bewegung aktiv gehalten werden. Trainingstechniken schließen 5 Der Patient muss die Möglichkeit haben, die Schiene ab-
sich an (Bewegen – Halten, Dynamische Umkehr, Stabilisie- zustellen.
rende Umkehr, Stabilisation in der geschlossenen Muskelkette) 5 Die Zeit des Bewegens sollte mit dem Patienten abgespro-
und das Einüben von Aktivitäten mit Ausnutzung der neu ge- chen sein.
wonnenen Position. 5 Nachts darf die Motorschiene nicht eingesetzt werden.
Um die Gelenkbeweglichkeit zu verbessern, sind manuel- Falls beide Beine verletzt sind und auf der Motorschiene
le Narben- und Muskeldehnungen nach 2–3 Wochen eine sinn- bewegt werden sollen, muss dies auf jeden Fall nacheinan-
volle Ergänzung. der geschehen.

! Cave Wichtig
Abruptes Vorgehen und massive Manipulationen bringen das
Allgemein gilt, dass die Kniegelenkmobilisation so scho-
empfindliche Kniegelenk in einen Reizzustand. Es besteht eine
nend erfolgen muss, dass kein Reizerguss, keine lokale
signifikante Korrelation mit der Entwicklung einer Arthrofibro-
Wärme oder Schwellung und keine Schmerzen auftreten.
se im femorotibialen und femoropatellaren Kniegelenk.

Eine Mobilisation entgegen auftretender Schmerzen schadet Als positive Zeichen einer richtigen Dosierung werden gewertet:
dem Kniegelenk, da die Muskulatur eine reflektorische Abwehr- 5 verbessertes Endgefühl eines Bewegungsstopps,
spannung (Nozizeptorenstimulation) entwickelt, die vermehrt 5 verbessertes aktives Gelenkmaß,
Druck auf die Gelenkflächen bringt und somit zu einem erneu- 5 Nachlassen der Schmerzen im Gelenkbereich,
ten Reizknie und einer Arthrofibrose führt. 5 bessere Ausnutzung der Beweglichkeit bei Aktivitäten.
Alle Mobilisationstechniken am Kniegelenk werden ohne
dynamische Rotation ausgeführt. Wird nachfolgend ein Kräfti- Wichtig
gungsprogramm im freien oder geschlossenen System durch-
Verklebungen und vermehrte Funktionseinschränkungen
geführt, muss sorgfältig darauf geachtet werden, dass die Hüft-
können Folgen unsachgemäßen Mobilisierens sein!
gelenkrotation nur bei gesicherter Kniegelenkachse erfolgt. Als
Ausgangsstellungen bieten sich Sitz, hoher Sitz, Halbsitz an der
Bettkante, Stand auf/ohne Waage, Rückenlage mit seitlichem Narkosemobilisationen sind umstritten. Das Kniegelenk ist ge-
Überhang des Unterschenkels oder Bauchlage an. genüber neuen Mikrotraumen sehr empfindlich und verklebt
erneut. Bessere Ergebnisse bringen arthroskopische Arthrolysen,
! Cave die für einen späteren Zeitpunkt geplant werden sollen.
Kniegelenkmobilisationen dürfen nie aus der Seitenlage aus- Nachfolgend muss der Physiotherapeut behutsam mehr-
geführt werden. Rotationsgefahr! mals am Tag behandeln, um das Kniegelenk freizuhalten. (Mayr
326 Kapitel 16 · Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks

[1999, 2000]: »Schmerz und Überdosierung gelten als Ursache ! Cave


1 für Arthrofibrosen!«) Nach vorderer Kreuzbandplastik darf in der frühen Rehabili-
tationsphase kein isoliertes Quadrizepstraining durchgeführt
2 6. Progressiver Muskelaufbau
Die Verbesserung der Kraft ist erst in der Konsolidierungspha-
werden!

se ein Schwerpunkt der physiotherapeutischen Behandlung. Per Bis zur vollen Belastbarkeit des Kniegelenks dürfen keine Rota-
3 Definition wird die Kraft eines Muskels durch Widerstandsar- tionswiderstände distal der Verletzung gesetzt werden. Voraus-
beit verbessert. setzung dafür ist eine korrekte Beinachsenkontrolle. Zunächst
Zur Sicherung des Kniegelenks werden Koordination und werden proximale, später distale Widerstände gesetzt.
4 Kraft in der geschlossenen Kette (Bizzini 2000) sehr viel scho- Vorrangiges Ziel der Frühbehandlung von Frakturen/dor-
nender verbessert als im freien Raum. Zu kräftigende Muskeln salen Instabilitäten ist das Erarbeiten der Kniestreckung durch
5 sind: Anspannen der lokalen Muskulatur/M. vastus medialis zur Ge-
5 M. quadriceps vastus medialis, lenkstabilisierung. Ist die Kniestreckung deutlich verbessert,
5 Muskeln mit Ansatz am Pes anserinus, wird sekundär die Kniebeugung mobilisiert.
6 5 M. gluteus maximus, Dynamische Widerstandsübungen für die Kniegelenkbeuger
5 Mm. ischiocrurales und werden erst nach Beseitigung des Gelenkergusses begonnen.
7 5 M. gastrocnemius. Bei der Behandlung ventraler Instabilitäten ist es umge-
5 Bei Bandverletzungen müssen strukturbezogene Winkel- kehrt; die Mm. ischiocrurales sollen schon in der Frühbehand-
stellungen des Kniegelenks gewählt werden, um eine adä- lung, auch in der Orthese, bei ca. 30° Flexion gekräftigt werden
8 quate Belastung garantieren. (. Abb. 16.13, 16.22). Günstige Ausgangsstellungen sind hoher
Sitz, Halbsitz an der Bettkante oder Bauchlage.
Belastungszeitpunkt, Belastungsdosierung und statische/dyna- Bei Tibiakopffrakturen muss die Widerstand gebende Hand
9 mische Bewegungsformen müssen mit dem Operateur abge- dicht unterhalb der Kniekehle liegen. Das Üben der Knie-
sprochen sein und einer korrekten, reizlosen Ausführung ent- streckung in der geschlossenen Kette gegen ein Theraband,
10 sprechend langsam gesteigert werden. Therapeuten, aber auch das um den Fuß geschlungen ist, eignet sich nach guter Vor-
Patienten, müssen lernen, Ermüdungszeichen zu erkennen und übung zum selbständigen Üben in der späten Rehabilitations-
Wiederholungen und Pausen richtig einzusetzen. Es schadet phase (. Abb. 19.11). Entsprechend der erreichten Kniestabili-
11 dem Heilungsprozess, starren Konzepten zu folgen; diese kön- tät und Vollbelastungsfähigkeit werden neben dem Theraband
nen nur als Richtlinie gewertet werden. auch Zuggeräte eingesetzt. Bei klinisch festen Tibiakopffrakturen
12 Funktionsbefund, Verletzungsmechanismen, Stabilität der können die Zuggeräte am proximalen Unterschenkel, nahe am
Frakturen/Osteosynthesen/Bandplastiken/Band- und Menis- Gelenk, platziert werden. Ist die Fraktur noch nicht fest, müs-
kusnähte sowie der Heilungsstatus sind ausschlaggebend dafür, sen die Schlaufen am Oberschenkel proximal der Fraktur an-
13 welche Muskeln schwerpunktmäßig in welcher Dosierungsstu- gelegt sein.
fe gekräftigt werden. An Techniken in offener und geschlossener Isokinetische Geräte dürfen bei Bandplastiken nicht vor Ab-
14 Kette kommen zur Anwendung: lauf des Normprogramms (16. Woche) eingesetzt werden. Der
5 Bewegen – Halten gegen angepassten/optimalen Widerstand, Operateur trägt dafür die Verantwortung. Selten wird die Er-
5 Betonte Bewegungsfolge, laubnis nach Frakturen gegeben.
15 5 Stabililisierende Umkehr,
5 Bewegen – Halten gegen Gerätewiderstand, Wichtig
5 Bewegen – Halten mit Bodenkontakt im geschlossenen Sys-
16 tem (Bizzini 2000), Bei Aktivitäten, z.B. beim Gehen, Stehen, Laufen, Treppenstei-
gen, Bücken usw. ist ein ökonomischer Muskelkrafteinsatz
5 Stabilisation und Kombination von Übungen im frei-
17 en und geschlossenen System, z.B. im Türrahmen (Göhler wichtiger als die isolierte Kraftleistung.
2007, 7 Kap. 15), auf labiler Unterlage.
18 Die Auswahl der Übungsfolgen verschiedener Autoren ist effek- 7. Kontrolle des Kniegelenks in Bewegung und Belastung
tiv, wenn sie struktur- und befundbezogen angewendet werden. Schwerpunkte der Frühbehandlung sollen Schulung der sen-
19 Dies gilt auch für Übungen aus der Funktionellen Bewegungs- somotorischen Kniegelenkkontrolle, Ausdauer und Koordina-
lehre nach Klein-Vogelbach. tionsfähigkeit sein. Diese erfolgen immer vor einem gezielten
Das PNF-Programm (evt. abgeändert) bietet viele Bewe- Krafttraining.
20 gungsmuster an, um die genannten Muskeln innerhalb der vor- Die Entscheidung, ob einzelne Phasen des Gehens, Fersen-
gegebenen Bewegungsgrenzen dynamisch/statisch und auch in kontakt, Gewichtübernahme, Mittelstand, Vorfußbelastung
21 der geschlossenen Kette zu fordern. und Fersenablösung, statisch und dynamisch vorgeübt oder im
16.8 Meniskusverletzungen
327 16

Ablauf durch Bodenkontakt und Gewichtsverlagerung geschult aufnehmen, dann aber allein und ohne hinzuschauen die Be-
werden sollen, ist von mehreren Faktoren abhängig: lastung auf das Bein übernehmen. Wichtig ist dabei auch die
5 Junge, sportliche Patienten mit gutem Körpergefühl kön- Kontrolle der Fußstellung für den weiteren Aufbau der Beinach-
nen ein Programm durchlaufen, das dem physiologischen se (7 Kap. 19, Spiraldynamik nach Larsen). Therapeuten müssen
Gehmuster entspricht (Bizzini 2000). jedoch wissen, dass eine korrekte Einhaltung der jeweiligen Be-
5 Bei alten und wenig geübten Patienten müssen die einzel- lastungsstufe praktisch selten erfolgt.
nen Arm- oder Bein-, Becken- und Rumpfmuster vorgeübt Beherrscht der Patient die Belastungsstufe, wird der Ein-
werden, z.B. symmetrische Stützmuster der Arme für das beinstand mit der erlaubten Belastung geübt und nachfolgend
Drei-Punkte-Gehen. eine Schrittfolge ausgeführt. Er soll häufig über Waagen gehen,
5 Bei Patienten mit Frakturen muss die Stabilität der Oste- um das Gefühl für die richtige Belastungsstufe und Beinachsen-
osynthese und die Frakturheilung berücksichtigt werden, kontrolle in der Aktivität zu bekommen. Am besten eignen sich
d.h., in der frühen Behandlungsphase können nicht alle Waagen, die in den Boden eingelassen sind (. Abb. 16.29).
Verletzungen in der geschlossenen Kette beübt werden. Kann der Patient die Beinachse nicht halten, muss die Be-
lastung zunächst niedriger eingestuft werden. Mündlicher Auf-
Für den Drei-Punkte- bzw. Zwei-Punkte-Gang werden dann Arm- trag oder Handkontakt am Becken, Ober- oder Unterschenkel
stütz- und Standbeinfunktionen vorgeübt. Entsprechend wer- unterstützen eine Korrektur, und die Belastung kann sich ver-
den Schwungarm und -bein isoliert und nachfolgend zusam- bessern. Ein deutlicher Fersenkontakt ist als Impuls für eine
men geübt. Jede Extremität kann dynamisch oder statisch ar- Aktivität der Streckmuskulatur hilfreich.
beiten oder als Umkehrbewegung kombiniert gegen Führungs-
kontakt, unter abgenommener Schwere oder gegen Widerstand
üben. Dies ist auch aus dem Sitz möglich. Alle Kombinations-
. Abb. 16.28. Stabilisation
formen können gegen ein Theraband oder Zuggerät eingeübt
im Halbsitz
werden.
Für die Mittelstandphase wird das Beckenmuster »Extensi-
on/Abduktion/Innenrotation« gewählt, der Gegenarm übt sym-
metrisch mit. Die vorgegebene Belastungsstufe wird aus dem
hohen Sitz, Halbsitz und im Stand auf Waagen oder mit Einsatz
von Gehhilfen eingeübt.
Wird die Kniegelenkstreckung in der Orthese begrenzt, darf
u.E. das Bein nur minimal belastet werden, da die Rollgleitbe-
wegung gebremst wird und nach Hofmann hohe Belastungs-
drucke auf beide Kniegelenke wirken. Das Gleiche gilt für Pati-
enten, die ihre Knieachse im Stand nicht halten können. Dann
muss eine individuelle Teilbelastung ermittelt und eingeübt
werden.
In der Übergangsphase zu Teil- und Vollbelastung kann der
Patient bei ausreichender Knieflexion, (100° nach Mayr [2000])
selbständig gegen geringen Widerstand auf dem Fahrradergo-
meter üben. . Abb. 16.29. Gehen über
Stabilisationsübungen im Türrahmen (Göhler 2007) sollen Waagen
vorgeübt und als Hausaufgabenprogramm durchgeführt wer-
den (. Abb. 15.11–15.14).

8. Vorüben von Aktivitäten, Gehschulung


Die Gehschulung wird bis zur 5. – 6. Woche mit Waage, anschlie-
ßend ohne Waage ausgeführt.
Bei allen Verletzungen im Kniegelenkbereich beginnt die
Gehschulung mit dem Einüben des Zweibeinstandes auf zwei
oder einer Waage im hohen Sitz, hohen Halbsitz und in Schritt-
und Schlussstellung (. Abb. 16.17, 16.22). Der Patient muss ler-
nen, die verordnete Belastungsstufe wahrzunehmen und sei-
ne Beinachse zu kontrollieren. Zunächst soll er die korrigie-
rende Hand des Physiotherapeuten spüren, die Stellung optisch
328 Kapitel 16 · Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks

. Abb. 16.30. Dynamische . Abb. 16.31. Dynamische


1 Stabilisation auf dem Schau- Stabilisation auf dem Fuß-
kelbrett kreisel

2
3
4
5
6
7
8
9 Für einen weiteren Fortschritt sind Stabilisationsübungen auf
weichem Bodenbelag oder einem Sportkreisel indiziert. Nach
10 Ablegen der Orthese werden die Übungen auf dem Fußkreisel
oder Schaukelbrett erneut in das Übungsprogramm aufgenom-
men (. Abb. 16.30, 16.31, Variante Zuggerät, . Abb. 16.32).
11 Stufenweises Steigern der Anforderungen, z.B. Gehen mit
Richtungswechsel und unterschiedlichem Tempo, Federn auf
12 weicher Unterlage oder Trampolin, sind Übungsformen, die die
Beherrschung der vorangegangenen Übungen und die volle Be-
lastbarkeit voraussetzen.
13 Ein Rehabilitationsprogramm (7 Abschn. 16.5, »Behand-
lungskonzepte nach Kreuzbandverletzungen«) wird realisti-
14 scherweise in Rehabilitationskliniken oder ambulanten Physio-
therapiezentren durchgeführt. Neben den Einzelbehandlungen
werden dort meist Bewegungsübungen im Wasser durchgeführt. . Abb. 16.32a,b. Dynamische Stabilisation gegen Zuggerät
15 Diese müssen sorgfältig ausgewählt, von Physiotherapeuten be-
gleitet und auf ihren Effekt hin überprüft werden. Längeres Ver-
weilen im warmen Wasser führt bei instabilen Kniegelenken zu
16 erneuten Schwellungen, Reizergüssen und muskulärer Instabi-
lität.
17 Nach 16 Wochen kann der Patient ein leichtes Lauftraining
beginnen, wenn er wieder Sport treiben möchte. Über die Vor-
bereitung zur Sportfähigkeit und Arbeitsfähigkeit entscheidet
18 der Operateur.

19 ! Cave
Alle valgisierenden und rotierenden Übungen sind verboten,
z.B. das Brust- und Rückenschwimmen oder Scherübungen ge-
20 gen Wasserwiderstand.

21
16.11 Gelenkknorpelverletzungen
329 16

16.9 Verletzungen des Streckapparates 16.10 Traumatische


Schleimbeutelverletzung
Ursachen
Bursaverletzungen entstehen meist bei einem Fahrradsturz. Es
Eine partielle Quadrizepssehnenruptur beobachtet man bei sind offene Verletzungen mit erhöhter Infektionsgefahr (Bursi-
Wurfsportunfällen, z.B. Volley-, Hand- oder Basketball. Ein tis). Aus der Wunde fließt ein wässriges Sekret.
kompletter Quadrizepssehnenriss ist sehr selten. Es bestehen im- Operatives Vorgehen mittels einer Punktion ist in einer Am-
mer degenerative Vorschädigungen wie: bulanz möglich, eine Bursektomie muss in einem Operations-
5 Mikrotraumen, saal erfolgen. Funktionelle Störungen bleiben i.A. nach einer
5 entzündliche Erkrankungen, Bursektomie nicht bestehen.
5 Stoffwechselerkrankungen, Eine Frühmobilisierung ist i.d.R möglich, jedoch soll für ei-
5 Kortisoneinspritzungen (s. auch Achillessehnenruptur) nige Wochen eine Bewegungsbegrenzung bis zu 60° Kniege-
oder lenkflexion eingehalten werden.
5 vorangegangene rezidivierende Patellaluxationen.

16.11 Gelenkknorpelverletzungen
Charakteristische Symptome/Leitsymptome
Traumatische Gelenkknorpelverletzungen werden manch-
5 Tasten einer suprapatellaren Delle, mal übersehen, können aber auch deutliche Symptome wie
5 Patellatief- oder hochstand, Schmerz, Schwellungen und Blockierungen hervorrufen. Sie
5 Unfähigkeit, das Kniegelenk zu strecken (sonst Reserve- sind im MRT als Blutung in den subchondralen Raum erkenn-
streckapparat intakt), bar. Die Arthroskopie zeigt dann das Ausmaß der Schädigung,
5 Einknicken des Beins bei Belastung, und ob es eine traumatische oder degenerative Schädigung ist
5 Druck- und Bewegungsschmerz. (Weigel, Nerlich 2005).

Behandlungsrichtlinien und therapeutische Charakteristische Symptome/Leitsymptome


Maßnahmen
Bei traumatischer Gelenkknorpelverletzung:
Bei kompletten Rissen wird die operativ durchgeführte Naht mit 5 klinisch unauffällig, Zufallsbefund,
einer McLaughlin-Drahtschlinge entlastet. Teilrupturen werden 5 Blockierung des Kniegelenks,
konservativ mit einer Orthese behandelt. 5 intermittierende Schmerzen,
Physiotherapeutisch wird entsprechend den Heilungspha- 5 scharfe Defektkante,
sen der bindegewebigen Strukturen (van den Berg 2003) behan- 5 Blutung in die subchondrale Zone.
delt.
Die Dosierung der Kniegelenkbelastung und muskulären
Dehnung sollte für 6 Wochen sehr niedrig gehalten werden. Behandlungsrichtlinien und therapeutische
Vorsichtige Patellamobilisation und propriozeptives Trai- Maßnahmen
ning müssen befundbezogen eingestellt werden.
Bei kompletter Sehnenruptur des Kniestreckapparates wird Ein Débridement des traumatisierten Knorpels beseitigt kurz-
zwingend und möglichst frühzeitig, innerhalb der ersten 10 fristig die Beschwerden, ist aber keine kausale Therapie. Ver-
posttraumatischen Tage, operiert. Es wird eine direkte Seh- schiedene Verfahren werden in der Literatur angegeben, neu-
nennaht mit Augmentation und/oder Refixation an der Patel- erdings v.a. auch Transplantationen von osteochondralen Zylin-
la durchgeführt. Anschließend erhält der Patient eine Orthese dern, chondrogenen Zellen, Periost oder Knochenmark.
(0–5–5°) für 6 Wochen und soll schmerzabhängig mit Minimal- Seit einigen Jahren werden autologe Chondrozyten-Trans-
oder Teilbelastung gehen. plantationen vorgenommen. Aus dem arthroskopisch entnom-
Wie bei allen Verletzungen steht in der postoperativen Pha- menen Knorpel werden Chondrozyten isoliert, die in einer
se die Unterstützung des Heilungsprozesses mit assistiven/ak- zweiten Operation in den Periostlappen oberhalb des Defektes
tiven Bewegungen und und die Prävention einer drohenden eingespritzt werden.
Thrombose und Arthrofibrose im Vordergrund (Behandlungs- Autologe osteochondrale Transplantationen zeigen keine Ab-
möglichkeiten, 7 Abschn. 16.11). stoßreaktion, heilen gut ein und sind keine Krankheitsüberträger
(Newman 1998, Weigel 2005). Der Nachteil besteht in der gerin-
gen Menge des zur Verfügung stehenden autologen Gewebes.
330 Kapitel 16 · Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks

Behandlungsmöglichkeiten Proliferationsphase
1 Bei Bewegungsstabilität wird Kontakt gegeben, bei Teilbelast-
Procedere nach femoralem Defekt barkeit angepasster Widerstand.
2 (Nach Piltz, Klinikum Großhadern, München.)
Die ins Gelenk eingebrachte Redon-Drainage darf keinen Sog ha- Ausgangsposition
ben und wird erst 24–48 Stunden postoperativ gezogen. Rückenlage. Lagerung in bestmöglicher Streckstellung, Bein
3 Anschließend folgt assistives Bewegen unter Abnahme der ganz unterlagert.
Beinschwere im schmerzfreien Bewegungsbereich, Extension/
Flexion 0–0–60°. Isometrische Spannungsübungen
4 Die Belastungsstufe für 6 Wochen ist Minimal- oder Teil- 5 Isometrisches Spannen aller Oberschenkelmuskeln im Se-
belastung bis maximal 15–20 kg. Gelenkerguss und Reizzustand kundenrhythmus.
5 geben die Behandlungsdosierung an. 5 Isometrisches Spannen des M. quadriceps und Halten der
Kompression und Widerstände sind in den ersten 6 Wochen Spannung für 8–10 sec. Kontraktionshilfen werden proxi-
zu vermeiden. mal der Patella und in der Kniekehle gesetzt.
6 Erst nach Resorption des Gelenkergusses darf die Knieflexi- 5 Dasselbe mit distalem Spannungsaufbau über die Fußhe-
on bis 90° gesteigert werden. ber.
7 Ab der 7. postoperativen Woche kann bei guter muskulärer 5 Dasselbe, aus unterstützter 20- bis 60°-Knieflexion mit Ab-
Sicherung die Teilbelastung bis 20–30 kg erhöht und stufenwei- heben der Ferse von der Unterlage; ohne distalen Kontakt
se gesteigert werden. (vorgegebene Extension meist 0–10–60°).
8 Die Vollbelastung erfolgt nicht vor der 9. postoperativen
Woche. Übung
Knie schonender Sport darf erst nach 12 Wochen, Knie bela- 5 Aktivieren/isometrisches Anspannen des M. vastus media-
9 stender Sport erst nach 1 Jahr beginnen. In jedem Fall entschei- lis in ca. 15–20° Flexion (Knie unterlagert mit Halbknierol-
det der Operater den Sportbeginn. le). Taktile Reize werden über dem Muskel und am krani-
10 omedialen Patellarand gegeben. Vordehnung entprechend
Procedere nach patellarem Defekt der Zugrichtung des Muskels erleichtert die Aktivierung.
Die Redon-Drainage wird ohne Sog eingelegt. Nach Entfernung Bilaterales Arbeiten fördert die Fazilitation.
11 wird eine Ruhigstellungsorthese in Streckstellung des Kniege-
lenks getragen. Übung
12 Aus der Schiene darf in einem Bewegungsumfang von Ex- 5 Gestrecktes Bein unterstützt/passiv in Hüftgelenkflexion
tension 0–0–40° assistiv/aktiv geübt werden. bewegen, ohne Adduktion oder Rotation. Stellung bei
Eine Teilbelastung von ca. 20 kg soll für 3 Wochen einge- möglichst gestrecktem Kniegelenk halten.
13 halten werden. 5 Dasselbe aus Flexion/Adduktion bei gestrecktem Bein; an-
Ist die muskuläre Sicherung der Beinachse schmerzfrei schließend selbständig das gestreckte Bein langsam und
14 möglich, darf die Belastung mit der Orthese stufenweise bis zur kontrolliert ablegen. Zur Spannungsverstärkung kann das
Volbelastung gesteigert werden. gesunde Bein in Extension spannen, der gegenüberlie-
Die Orthese muss der Patient konsequent 6 Wochen lang gende Arm gegen die Therapeutenschulter stützen oder
15 tragen. ein asymmetrisches Armmuster ausgeführt werden (auch
Befundabhängig wird die Gelenkbeweglichkeit vorsichtig kombiniert).
mobilisiert. In der 4. – 5. postoperativen Woche kann dies bis
16 0–0–60° geschehen, ab der 6. Woche bis ca. 0–0–80° und dann Mobilisation
behutsam fortgesetzt werden. 5 Mobilisation des Kniegelenks in Streckung. Zusätzlich Pa-
17 tellamobilisation und Narbenbehandlung.
Technik: »Chirurgische Technik«, niedrig dosiert.
Übungsbeispiele
18 Übung
Die nachfolgenden Übungsbeispiele beziehen sich auf eine ope- 5 Fuß gegen eine an Bettende oder Wand abgestützte Waage
19 rativ versorgte Tibiakopffraktur mit Abstützplattenosteosynthese bis zur vorgegebenen Belastungsstufe drücken und die Be-
in der Proliferations- und Konsolidierungsphase. Die Übungs- lastung (15 kg) halten.
beispiele der Spätphase gelten für alle Verletzungsarten.
20
21
16.11 Gelenkknorpelverletzungen
331 16

Ausgangsposition 5 Halten in Endstellung gegen Kontakt und in der geschlos-


Hoher Sitz an der Bettkante, Halbsitz oder Tilt Table. Bei Mi- senen Kette bei vorgegebener Belastungsstufe, um den ge-
nimal- oder Teilbelastung wird das Bein auf der Waage posi- wonnenen Bewegungsweg auszunützen.
tioniert.
Mobilisation
Übung 5 Mobilisation der Streckkontraktur (nur, wenn kein Ge-
5 Erarbeiten der Kontraktion des M. vastus medialis in die- lenkerguss vorhanden ist) mit den gleichen Techniken. In
sen Positionen. dieser Phase ist die Bewegungsbegrenzung von 0–10–60°
einzuhalten.
Stabilisationsübungen
5 Stabilisation der Beinachse auf der Waage. Konsolidierungsphase
Kontakt/Widerstand: Eine Hand distal am Oberschenkel, Alle Übungen werden gegen angepassten Widerstand ausge-
die andere Hand kniegelenknah am Unterschenkel (in die- führt. Nach 6 Wochen wird die Belastung gesteigert.
ser Phase ohne Rotationskontakt).
5 Stabilisation der Beinachse mit PNF-Rumpfmuster, BWS- Ausgangsposition
Aufrichtung mit PNF-Muster »Lifting«. Rückenlage.
5 Stabilisation der Beinachse im Zweibeinstand aus dem ho-
hen Sitz oder Stand mit zwei Stützen. Übung
5 Stabilisation der Beinachse aus Halbsitz, im Einbeinstand 5 Erarbeiten der vollen Kniestreckung.
auf Waage. Techniken: Rhythmische Stabilisation, Dynamische Um-
kehr – Halten – Entspannen.
Ausgangsposition
Sitz mit aufliegendem Oberschenkel. Übung
5 Vorüben des Gehmusters in Rückenlage: Das gesunde Bein
Übung ist aufgestellt und spannt in Flexion/Abduktion. Der ge-
5 Assistiv/aktive dynamische Kniestreckung. genseitige Arm spannt im PNF-Stützmuster gegen das
Technik: Betonte Bewegungsfolge, Verstärkungstechniken. Bett. Das betroffene Bein übt in »Extension/Abduktion/
Kontakt: Kontraktionshilfen über M. vastus medialis an- Rotationsnullstellung« bei gestrecktem Kniegelenk gegen
wenden. angepassten Widerstand am distalen Oberschenkel und am
5 Dasselbe als freie aktive Übung, ohne Führungskontakt Fuß mit PNF-Technik »Bewegen – Halten«.
und Verstärkungsmuster.
5 Dasselbe mit aktiven Umkehrbewegungen der Fußgelenke. Übung
5 Einleitung der Kniegelenkstreckung über eine nach dor- 5 Üben der Schwungphase mit PNF-Muster »Flexion/Ad-
sal gerichtete Oberschenkelspannung gegen Kontakt; Hal- duktion/Rotationsnullstellung«, Technik »Bewegen – Hal-
ten der Spannung. ten«. Das gesunde Bein spannt in Extension/Abduktion in
die Unterlage.
Mobilisation 5 Das Vorüben der reziproken Kniegelenkbewegungen beim
5 Mobilisation der Beugekontraktur. Gehen ist auch gegen Führungskontakt in einzelnen Se-
PNF-Techniken: Chirurgische Technik, Rhythmische Sta- quenzen aus dem Sitz möglich.
bilisation – Entspannen ohne Widerstand, Dynamische 5 Gehen mit vorgegebener Belastungsstufe und entspre-
Umkehr – Halten – Entspannen. Dabei keine Rotation im chenden Hilfsmitteln über Waagen.
Kniegelenk zulassen!
Kontakt: Die Hände des Physiotherapeuten liegen dicht am Ausgangsposition
Gelenk. Bauchlage.

Wichtig Übung
5 Kniebeugung bei statischer Arbeit der Hüftstrecker.
Alle Mobilisationstechniken werden mit leichter Traktion
Technik: Betonte Bewegungsfolge.
ausgeführt.
332 Kapitel 16 · Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks

Ausgangsposition Muskelleistung sich darauf einstellen kann. Der Gegenzug


1 Rückenlage. von Geräten wird vom vom Therapeuten angepasst und
vom Patienten selbst kontrolliert.
2 Übung
5 Bridging, abgewandelt durch Unterlagerung des Unter- Wichtig
schenkels mit einem Quaderkissen (Entlastung des Knie-
3 gelenks). Wenn die Kniestabilität im Stand nicht ausreicht, ist die
Anforderung zu hoch. Die Belastung muss auf das Gehen
5 Dasselbe, Stabilisation der Bridging-Position.
mit Unterarmstützen reduziert werden.
4 Ausgangsposition
Hoher Sitz auf dem Ball.
5 Spätphase (Umbauphase)
Übung Vollbelastung ist erreicht (ca. 16. Woche). Bei jüngeren Pati-
5 Koordination der Kniegelenkpositionen und der Beinachse enten soll die Sportfähigkeit wiedererlangt werden.
6 durch Bewegen des Balls in alle Richtungen.
Übungen
7 Ausgangsposition 5 Federn am Ort, auf dem Trampolin oder einer weichen
Stand. Matte.
5 Traben, Laufen, wechselnd auf weicher Matte und Norm-
8 Übung boden.
5 Stabilisation der Rumpf-, Becken- und Beinachse im Tür- 5 Laufen und Gehen mit Ballprellen, -werfen, -rollen.
rahmen (Göhler 2007) (. Abb. 15.11–15.14). 5 Richtung wechseln beim Gehen und Laufen.
9 5 Stabilisation auf dem Trampolin im Wechsel mit Federn.
Vollbelastung nach 8 Wochen 5 Tempowechsel, Abbremsen.
10 Ausgangsposition 5 Laufband.
Stand auf Boden oder Waage. 5 Sportspezifische Übungen.
5 Dasselbe, Steigerung und Förderung der Rotationsstabili-
11 Übungen tät mittels dynamischer Bewegungen gegen Hanteln oder
5 Zweibeinstand auf Boden oder labilen Unterlagen. Züge.
12 5 Stabilisation der Beinachse gegen manuellen Kontakt, ge-
gen Theraband oder Züge.
5 Dynamisches und statisches Beinachsentraining in ver- 16.12 Patientenbeispiel 1
13 schiedenen Winkelstellungen von Knie- und Hüftgelenk.
5 Dasselbe gegen Theraband oder Zuggeräte (. Abb. 16.32). Befundaufnahme
14 5 Dasselbe im Einbeinstand und dynamische Umkehrbewe-
gung des betroffenen Beins gegen Zuggerät. Die Schlau- Name des Patienten: Herr G., 28 J.
fen werden entsprechend der Dosierungsstufe an einer Befunddatum: 22. Tag postop.
15 bzw. zwei Extremitäten proximal oder distal angelegt. Hal- Name des Therapeuten: Frau M.
tearbeit gegen die Schlaufen kann von den Armen symme- Einweisungsdiagnose: Verdacht auf Ruptur des vorderen Kreuz-
trisch oder asymmetrisch geleistet werden. bandes rechts, anteromediale Kniegelenkinstabilität
16 MRT: Ruptur des vorderen Kreuzbandes rechts
Ausgangsposition Nebendiagnosen: Keine
17 Einbeinstand mit/ohne Gehhilfen. Medikamente: Heparin/Clexane
Versorgung: operativ Q x konservativ Q
Stabilisationsübungen Operationsdatum: 6 Wochen nach Unfall
18 5 Stabilisation der Beinachse strecknah und bis ca. 40° Knie- Versorgung:
flexion. Z.n. Patellasehnenplastik.
19 5 Stabilisation im Stand vor dem Spiegel, auf Waagen, später Stabilität:
auf Matte, Schaukelbrett, Trampolin oder Sportkreisel. Schmerzabhängige Teilbelastungsstabilität.
5 Stabilisation in Schluss-, Schritt- oder Grätschstellung. Procedere:
20 Widerstand: Am Becken, Oberschenkel, Schultergürtel, Ambulante Rehabilitation mit Physiotherapie.
Kopf entsprechend richtungsweisend. Wird manueller Wi- – Kniegelenkflexion bis Schmerzgrenze,
21 derstand gegeben, sollte er langsam zunehmen, so dass die
16.12 Patientenbeispiel 1
333 16

– 90° Extension nur im geschlossenen System zwischen Sportbeginn (Joggen) nach ca. 4–6 Monaten, absolu-
0–40–90°. te Sportfähigkeit nach 12 Monaten nach Rücksprache mit
– Orthese darf zur Bewegungstherapie abgenommen dem Arzt.
werden. Unfallanamnese:
Bewegungslimitierung mit Knieorthese ab 3. Woche 0–0– Der Patient stürzte beim Skifahren. Diagnostik mittels
90° bis einschließlich 6. Woche postop; zunächst 15–20 kg MRT gesichert. Zunächst konservative Behandlung, Er-
Teilbelastung, anschließend Freigabe des Gelenks. Bela- gussbehandlung, Muskelaufbautraining. Die OP fand 6
stungssteigerung, wenn Kniegelenkstreckung erreicht ist. Wochen nach dem Trauma statt.
Unterarmstützen bis zur sicheren, schmerzfreien Kniege-
lenkstabilität.

ICF-Dokumentation

Name/Alter: Herr G., 28 J.


Diagnose: Z.n. Ruptur des vorderen Kreuzbandes rechts, Z.n.
Patellasehnenplastik rechts
schmerzabhängige Teilbelastungsstabilität

Struktur/Funktion Aktivität Partizipation


Patient gibt an, Patient gibt an, Patient gibt an,
5 er habe eine geringe Schwellung am rechten Knie, 5 mit der Orthese sei das rechte 5 selbständiges Autofah-
5 der rechte Oberschenkel sei dünner, Bein ca. 20 kg belastbar, ren sei nicht möglich
5 er habe eine kleine pelzige Stelle an der Narbe seitlich am 5 das Gehen mit Orthese und und nicht erlaubt; Fahr-
Knie, Gehstützen sei über kurze Zeit, dienste zum Arzt und zur
5 das rechte Knie dürfe nur bis 90° bewegt werden, ca. 20 min, schmerzfrei möglich; ambulanten Rehabilitati-
5 er müsse eine Knieschiene tragen und dürfe das Bein noch danach verstärke sich das Unsi- on übernähmen Freunde
nicht voll belasten, cherheitsgefühl und er bekäme und Angehörige,
5 er hätte ein unsicheres Gefühl im Kniegelenk und weniger leichte Schmerzen, 5 die Benutzung von öf-
Kraft im rechten Bein, 5 das Treppengehen sei nur im fentlichen Verkehrsmit-
5 eigentlich habe er keine Schmerzen, nur manchmal bei un- Nachstellschritt erlaubt, teln sei bereits mög-
kontrollierten Bewegungen. 5 andere Alltagsaktivitäten seien lich, strenge ihn jedoch
mit der Orthese problemlos sehr an,
möglich. 5 sportliche Aktivitäten
seien für längere Zeit
nicht möglich (Klettern,
Skifahren etc.),
Patient

5 es bestehe noch Arbeits-


unfähigkeit.
334 Kapitel 16 · Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks

Struktur/Funktion Aktivität Partizipation


1 5 Sichtbar atrophiertes Beinmuskelrelief rechts, besonders M. 5 Statik: 5 Der Patient nimmt seine
quadriceps femoris und M. gluteus maximus. – Linkes Bein geringfügig Physiotherapietermine im
2 5 Geringgradige Schwellung periartikulär. Keine tanzende Pa- mehr belastet, rechts Fuß- Rahmen der ambulanten
tella. Vorstand. Rehabilitation regelmä-
5 Die Narbe ist 3 cm lang, Verlauf lateral des Lig. patellae. ßig wahr
3 5 Fäden gezogen, Narbe reizlos, aber etwas verbacken. Zwei
OSG rechts + PF
5 Sonst siehe Patienten-
kleine Narben am lateralen Knie von arthroskopischem Zu- Kniegelenk rechts + Flexion perspektive.
gang und Redon, sie sind gut verschieblich.
4 5 Leichte Störung der Oberflächensensibilität an der Narbe.
Hüftgelenk rechts + Flexion

5 Lokale Temperatur o.B. LWS ––


5 Patella und Narbenbereich geringfügig druckschmerzhaft. BWS –
5 5 Muskeltonus der Mm. ischiocrurales rechts leicht erhöht,
sonst am gesamten rechten Bein deutlich reduziert. – Becken leicht extendiert,
5 Patellabeweglichkeit in alle Richtungen eingeschränkt, vor- geringer Beckentiefstand
6 rangig nach kranial. rechts.
5 Umfangmaße: – Skoliose Einstellung: LWS
leicht rechtskonvex, BWS
7 rechts linkskonvex.
10 cm proximal des Kniegelenkspaltes –2,0 cm 5 Gehen mit Orthese und Unter-
8 Kniegelenk +0,5 cm armstützen.
Therapeut

10 cm distal des Kniegelenkspaltes –1,0 cm – In gesamter Standbeinphase


5° Extensionsdefizit re. Knie-
9 5 Gelenkmaße Knieextension/-flexion: gelenk.
links rechts – Verfrühte Fersenlösung im
Terminal stance rechts.
aktiv 0–0–150° 0–5–85°
10 passiv 0–0–160° nicht gemessen
– Gering verkürzte Schrittlän-
ge links.
5 MTW: – Gehstrecke ca. 1 km.
11 – Gangtempo 90 Schritte/min.
links rechts 5 Treppensteigen mit Nachstell-
M. gluteus maximus 5 4 schritt aufwärts und abwärts.
12 Mm. gluteus med./min. 5 4 5 Bei Transfer Sitz–Stand und um-
Mm. ischiocrurales 5 3–4 (nur bis 85° getestet) gekehrt: Fuß-Vorstand rechts,
Knieflexion rechts ab heute bis
13 (Knieflexion)
M. quadriceps 5 –3 (nur im geschlossenen 90° begrenzt, rechtes Bein wird
System) leicht entlastet.
5
14 M. triceps surae 5 4 Einbeinstand rechts sowie leich-
te Kniebeuge rechts ohne Schie-
5 Dehnfähigkeit: ne nicht erlaubt.
15 links rechts 5 Kein Lachmanntest! Kein Schub-
ladentest, keine isokinetischen
Mm. ischiocrurales 1 nicht getestet
Tests, kein medizinisches Trai-
(Proliferationsphase)
16 M. rectus femoris 0 nicht getestet
ning (Proliferationsphase).

M. gastrocnemius 0 nicht getestet


17 5 Schmerzen:
– Lokalisation: im Gelenk,
18 – Qualität: ziehend,
– Quantität: VAS 2 nur bei unkontrollierten Bewegungen.
5 Vitalwerte o.B.
19 Umweltfaktoren Personenbezogene Faktoren
(+) Patient wohnt mit Lebensgefährtin in einer Wohnung im 1. Stock (+) Alter: 28 J.
20 (+) Unterstützung von Lebensgefährtin, Eltern und Freunden
(–) Beruf: Gymnasiallehrer für Sport und Englisch
(+) keine Nebenerkrankungen
(+) hohe Motivation
(+) sehr gute Compliance
21 (–) Hobbys: tägliches Joggen, Klettern, Alpinskifahren
16.13 Patientenbeispiel 2
335 16

16.13 Patientenbeispiel 2 Procedere:


8 Tage keine dynamischen Bewegungen der Unterschen-
Befundaufnahme kelmuskulatur.
CPM-Schiene nach 8 Tagen, wenn kein Erguss vorhanden
Name des Patienten: Frau A., 39 J. (0–10–60°).
Befunddatum: 3 Wochen postop. Minimale Belastung von 15 kg für 6 Wochen.
Name des Therapeuten: Frau L. Dynamische Flexion nur nach Gelenkergussresorption.
Einweisungsdiagnose: Verdacht auf offene Tibiakopffraktur Manuelle Lymphdrainage.
links Für 2 Wochen Orthese.
Nebendiagnosen: Verdacht auf mediale Kollateralbandverlet- Nach 12 Wochen Vollbelastung erarbeiten.
zung Röntgenkontrollen bei Klinikentlassung, nach 4 und 12
Medikamente: Heparin, Schmerztherapie nach Bedarf für we- Wochen postop.
nige Tage Unfallanamnese:
Röntgen, CT: Impressionsfraktur Tibiakopf links Auffahrunfall als Beifahrerin in einem PKW im Stadtver-
Versorgung: operativ Q x konservativ Q kehr, 18.00 Uhr. Patientin wurde vom Notfallarzt im Kran-
Operationsdatum: In der Unfallnacht kenwagen in die Klinik gebracht.
Versorgung:
Abstützplatte und Spongiosaplastik aus dem Beckenkamm
linker Tibiakopf, Naht des Innenbandes.
Stabilität:
Bewegungsstabil, Bewegungsbegrenzung 0–10–60° für ca.
3 Wochen.

ICF-Dokumentation

Name/Alter: Frau A., 39 J., Sekretärin


Diagnose: offene Tibiakopffraktur links, Innenbandriss
Operation mit Abstützplatte und Spongiosaplastik, Innenbandnaht
vor 3 Wochen
2 Wochen Orthese, Teilbelastung mit 15 kg für insgesamt 6 Wochen

Struktur/Funktion Aktivität Partizipation

Patientin gibt an, Patientin gibt an, Patientin gibt an,


5 sie habe keine Frakturschmerzen, keine Wundschmerzen, 5 sie fühle sich durch die minimale 5 sie benötige Hilfe für den
5 sie habe Schmerzen am Bewegungsstopp, Belastung beeinträchtigt, Haushalt, für das Bringen
5 sie habe immer noch ein dickes Knie und eine unschöne 5 das Gehen mit Stützen sei an- des Essens von der Kü-
Narbe. strengend und nicht lange mög- che ins Wohnzimmer, für
lich, Arzt- und Physiothera-
5 sie sei jetzt nach der Reha zu piebesuch.
Hause und hätte Probleme mit 2 5 Freunde helfen, sie le-
Unterarmstützen den Haushalt be jedoch allein und ver-
zu führen, z.B. Einkaufen, Kaffee- misse Selbständigkeit,
tasse tragen etc. berufliche Tätigkeit und
Patient

sportliche Betätigung,
Tennis.
336 Kapitel 16 · Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks

1 Struktur/Funktion Aktivität Partizipation

5 Kniegelenkumfang + 2 cm. 5 Drei-Punkte-Gang mit 15 kg Be- 5 Nach 2 Wochen Rehakli-


5 nik zu Hause in eigener
2 5
Keine lokale Temperaturerhöhung.
Geringe tanzende Patella.
lastung sicher.
5 Umgang mit Unterarmstüt- Wohnung.
5 Narbe geschlossen, aber verbacken. zen gut. 5 Freunde helfen so gut wie
3 5 M. quadriceps vastus medialis deutlich atrophiert. 5 Treppe sicher im Nachstell- möglich.
5 Achsenstellung o.B. schritt. 5 Hilfe für Haushalt nö-
5 Röntgenbefund: Osteosynthese korrekt. 5 Kniegelenkstreckung bei Fersen- tig, Taxifahrt zur Physio-
4 5 Patella gering verschieblich, Op.-narbe gering verschieb- kontakt nicht vollständig. therapie.
lich. 5 Körperpflege o.B.
5 MTW: 5 Tragen von Gegenständen nur
5 M. quadriceps –3 K (Kontraktur)
im Rucksack oder in einem um-
gehängten Beutel möglich.
M. gastrocnemius 3 (bei 60° Knieflexion) 5 Transfer o.B.
6 Plantarflexoren 4 (Zehenstand nicht getestet) 5 Sportliche Patientin.

Fußheber 4 (bei exakter Unterschenkelfixation)


7
Therapeut

Mm. ischiocrurales o.B.

5 Gelenkmaße:
8 aktiv passiv
Kniegelenk li 0–10–60° 0–10°–nicht
9 (begrenzt) gemessen
re 0–0–125° 0–0–130°
10 5 Ausdauer und Kraft von Arm- und Schultergürtelmusku-
latur gut.
11 5 Schmerzangabe VAS 2, bei Bewegungsende ziehender
Schmerz.
5 Oberflächensensibilität o.B., Narbe etwas pelzig.
12 5 Keine Aufklappbarkeitstests durchgeführt.

Umweltfaktoren Personenbezogene Faktoren


13 (–) lebt allein in der Wohnung
(+) Unterstützung von Freunden
(+) ausgezeichneter Trainingszustand
(+) sehr gute Compliance
(+) hohe Motivation, wieder ein normales Leben zu führen
14
15 Ê Im Internet (www.springer.de/978-3-540-68241-7, unter Bose KR et al. (1980) Vastus medialis oblique, an anatomic and physiolog-
dem Link »Patientenbeispiele«) erfahren Sie mehr über ic study. Orthopedics 3: 880–883
Frau L. und den weiteren Therapieverlauf: die Behand- Butler D (1995) Mobilisation des Nervensystems. Springer, Berlin Heidel-
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337 16

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Wirth CJ, Jäger M (1978) Kapselbandläsionen. Thieme, Stuttgart

Dankenswerterweise überließ mir Frau Claudia Klose, PT-Schule am BKH


Günzburg, die Abbildungen 16.8, 16.13, 16.17–16.27 und 16.29–16.31.
Frau Birgit Jaspersen, Klinik für Physikalische Medizin, Klinikum Groß-
hadern, München, stellte mir die Abbildungen 16.14–16.16 zur Verfü-
gung.
OA Dr. Th. Löffler überließ mir Abbildung 16.6.
Die Abbildungen 16.7 und 16.32 konnte ich in der Praxis »movere«,
Uli Engelmann, München, aufnehmen.
17

Unterschenkelfrakturen

Einteilung – 340
Ursachen – 340
Charakteristische Symptome/
Leitsymptome – 340
Behandlungsrichtlinien und
therapeutische Maßnahmen – 340
Komplikationen – 344
Befunderhebung – 344
Behandlungsmöglichkeiten – 345
Übungsbeispiele – 349

17.1 Literatur – 351


340 Kapitel 17 · Unterschenkelfrakturen

Einteilung Ursachen
1
5 isolierte Tibiafraktur, 5 direkte Gewalt als Stoß- oder Biegungsmechanismus,
2 5 isolierte Fibulafraktur (Schaft- oder Köpfchenfraktur), Schussverletzung,
5 Unterschenkelfraktur, Tibia- und Fibulafraktur offen oder 5 indirekte Gewalteinwirkung durch Torsion oder Stau-
geschlossen. chung, z.B. als
3 5 Folge von Verkehrs-, Arbeits- oder Sportunfällen.
Tibiafrakturen
Der AO-Klassifikation zufolge werden Tibiafrakturen in Typ A,
4 B und C eingeteilt. Charakteristische Symptome/Leitsymptome

5 Typ A Tibiadiaphyse, einfache Fraktur 5 Schwellung,


5 Druck- und Bewegungsschmerz,
A1 Spiralförmig
5 Krepitation,
6 A2 Schräg 5 Belastungsunfähigkeit,
5 Achsenabweichung.
A3 Quer
7
Typ B Tibiadiaphyse, Keilfraktur Behandlungsrichtlinien und therapeutische
8 Maßnahmen
B1 Drehkeil
Unterschenkelfrakturen können direkt entstehen, durch Fall auf
9 B2 Biegungskeil
eine harte Kante, bei Motorradunfällen oder wenn ein Autofah-
B3 Keilfragmente rer einen Fußgänger anfährt. Sie sind dann meist offene Frak-
10 turen mit einem erheblichen Weichteilschaden. Indirekte Frak-
turen sind oft Folge von Ski- und Snowboardunfällen, die un-
Typ C Distale Tibia, komplexe Fraktur
ter Torsion entstehen. Auch hierbei können Fragmente die Haut
11 C1 Spiralförmig durchspießen.
C2 Etagenförmig
12 Ärztliche Behandlung
C3 Irregulär Zur Diagnostik werden die üblichen Röntgenaufnahmen in zwei
Ebenen angefertigt. Es müssen beide Unterschenkelknochen
13 in voller Länge zu sehen sein, damit Begleitverletzungen des
Offene Frakturen Sprunggelenks und des Fibulaköpfchens ausgeschlossen wer-
14 Bei offenen Frakturen wird das Ausmaß der Schädigung nach den können (Syndesmosensprengung).
Gustilo/Andersen (1993), Weigel/Nerlich (2005) anhand einer
Gradeinteilung definiert. Konservatives/operatives Vorgehen
15 Heute werden Unterschenkelschaftfrakturen im Diaphysenbe-
Grad 1 Durchspießung von innen < 1 cm, geringe Muskelkon- reich i.d.R. mit einer bewegungsstabilen Osteosynthese, vor-
tusion, einfache Quer-, kurze Schrägfraktur zugsweise einem unaufgebohrten Marknagel (UTN), versorgt
16 (. Abb. 17.1, 17.2). Selbst offene Frakturen Grad 3B können nach
Grad 2 direkte Gewalteinwirkung, Hautläsion < 1 cm , größe-
rer Weichteilschaden, geringe bis mäßige Muskelkon-
Gustilo (1993) erfolgreich damit behandelt werden. Frakturen
17 tusion, einfache Quer-, kurze Schrägbrüche mit kleiner Grad 3C und ausgedehnte Trümmerfrakturen erfordern eine Sta-
Trümmerzone bilisation mit einem Fixateur externe (. Abb. 17.3 und 7 Kap. 4).
Später evt. notwendige Korrekturosteotomien werden vielfach
18 Grad 3A ausgedehnter Weichteilschaden, Knochendeckung ad- mit einem aufgebohrten UTN-Nagel versorgt. Als Schutz gegen
äquat, Stückfraktur, (Schussverletzung)
eine evt. Infektion wird ein Antibiotikum gegeben.
19 Grad 3B ausgedehnter Weichteilschaden, Deperiostierung, frei- Ein sorgfältiges Débridement des Weichteilschadens ist
liegender Knochen, massive Kontaminierung von großer Bedeutung (7 Kap. 21). Ein Hautverschluss ist u.U.
erst nach ca. 8 Tagen möglich und erfordert meist eine Haut-
20 Grad 3C ausgedehnter Weichteilschaden mit rekonstruktions-
deckung mit Spalthaut, einem mikrovaskulären Haut-Muskel-
pflichtiger Gefäßverletzung
Lappen oder einem Fasziokutanlappen.
21
17 Unterschenkelfrakturen
341 17

8
. Abb. 17.1a,b. Tibiafraktur und proximale Fibulafraktur

9
. Abb. 17.2. Verriegelungsnagel, a.-p.-Aufnahme, seitliche Aufnahme
342 Kapitel 17 · Unterschenkelfrakturen

. Abb. 17.3a-c. a Unterschen-


1 keltrümmerfraktur, b seitliche
Aufnahme, c Fixateur externe

2
3
4
5
b
6
7
8 a

9
10
11
12
13 Aus sozialer Indikation, bei nicht dislozierten Frakturen, bei eine Osteosynthese nicht möglich, schließt sich eine Gips- oder
Kindern oder Mehrfachverletzten kann eine primär konservati- Orthesenbehandlung an.
14 ve Behandlung notwendig sein. Sie ist jedoch die Ausnahme. Vorzugsweise wählen Traumatologen heute auch bei of-
Kann eine Minimalbelastung oder Entlastung nicht eingehalten fenen Frakturen innerhalb der ersten 6–8 Stunden einen Mark-
werden, kommt ein Allgöwer-Gehapparat infrage (. Abb. 17.4). nagel. Ist dies nicht möglich, soll die Wundversorgung vor ei-
15 Der Schuh des nicht betroffenen Beins muss dann erhöht wer- ner Nagelung abgeschlossen sein. Zwischenzeitlich wird eine
den, um eine gleichmäßige Belastung zu ermöglichen. Extensionsbehandlung bis zur Nagelung in der 2. Woche nach
Fixateur-externe-Behandlungen sind meist eine Übergangs- dem Unfall durchgeführt. Wie bei der Femurnagelung wird eine
16 behandlung für höhergradige offene C-Frakturen, die nach er- Marknagelung ohne Aufbohrung des Markkanals empfohlen.
ster Konsolidierung durch eine interne Osteosynthese ersetzt In jüngster Zeit ist auch die aufgebohrte Nagelung wieder
17 oder mit Gips weiterbehandelt werden. Grund für die zeitlich im Gespräch; sie wird bevorzugt bei distalen Tibiafrakturen und
begrenzte Versorgung ist der fehlende Druck auf die Fragmente, Korrekturosteotomien gewählt. Der retrograde Nagel eignet
der zum Knochenaufbau notwendig ist. sich für proximale Tibiafrakturen.
18 Bei gelenknahen Frakturen muss der Fixateur externe Ge- Bei offenen proximalen Tibiafrakturen bis Grad 2A und 3A
lenk übergreifend angelegt werden. Wichtig sind tägliche Pfle- eignet sich nach Gustilo auch das LISS-System (7 Kap. 16, »Fe-
19 ge der Pin-Eintrittsstellen und Kontrolle der Schanzschrauben, murkondylenfraktur«). Es wird v.a. bei osteoporösen Knochen
die nicht selten nachgezogen werden müssen. Ein früher Ver- angewendet.
fahrenswechsel wird angestrebt. Plattenosteosynthesen für geschlossene A- und B-Frakturen
20 In der Regel dürfen Patienten mit einem Fixateur externe im distalen Viertel werden heute wesentlich seltener eingesetzt.
das Bein minimal belasten. Nach der endgültigen Osteosynthese Grund dafür sind die schlechteren Durchblutungsverhältnisse
21 wird die Belastungsfähigkeit vom Operateur neu festgesetzt. Ist bei einer dünnen Weichteildeckung, die eine Heilung verzögern
17 Unterschenkelfrakturen
343 17

. Abb. 17.4. Allgöwer-


Gehapparat Der Unterschenkel erscheint prall und hart und ist sehr
druckschmerzhaft. Bei manifestem Kompartmentsyn-
drom entstehen Parästhesien und motorische Ausfälle der
Unterschenkelmuskulatur. Letztendlich wird die Muskulatur
nekrotisch. Ein positives Behandlungsergebnis ist von der
Früherkennung der Symptome abhängig.

Prophylaktisch werden Redon-Drainagen gelegt. Manifestiert


sich ein Kompartmentsyndrom, muss der Unterschenkel sofort
an mehreren Stellen durch kleine Schnitte bis unter die Faszie
eröffnet werden, damit Hämatom und Ödem abfließen können.
Ist ein größerer, tiefer Schnitt erforderlich, wird die Wunde mit
einer Vakuumversiegelung verschlossen.
Sekundäre Narbenbildungen und innere Verklebungen so-
wie über mehrere Monate bestehende Paresen bestimmen dann
die weitere physiotherapeutische Behandlung.
In der Frühbehandlung ist auf eine exakte Thrombosepro-
phylaxe zu achten.

Belastungsstabilität
Die Nachbehandlung bei konservativer Behandlung erfordert ei-
ne lange Gipszeit, nach Weigel (2005) durchschnittlich 13,4 Wo-
oder gefährden. Die Risikofaktoren sind bei Rauchern oder ju- chen.
gendlichen Patienten mit Diabetes mellitus besonders groß Patienten mit unaufgebohrtem Marknagel können frühfunk-
(Weigel, Nerlich 2005), v.a. auch, weil die Patienten für 12–16 tionell behandelt werden, d.h., sie können zunächst mit 15 kg
Wochen teilbelasten müssen. teilbelasten. Eine Dynamisierung (Entfernung der Verriegelung)
Abgelöst wurden Plattenosteosynthesen nicht nur durch das wie bei einer aufgebohrten Nagelung ist nicht mehr nötig.
LISS-System, sondern auch durch winkelstabile Plattenschrau- In der Konsolidierungsphase (ca. 6 Wochen) kann die Bela-
bensysteme (LCP), v.a. für geschlossene und erstgradig offene stung schmerz- und funktionsabhängig schon stufenweise ge-
A- und B-Frakturen (Gustilo 1993) im distalen Viertel. steigert werden.
In ausweglosen Fällen kann eine Verbundosteosynthese er- In der Regel wird die Vollbelastung nach 12 Wochen post-
folgreich sein. Verwendung finden dann zwei Abstützplatten, operativ erreicht.
die den Frakturbereich überbrücken. Die Lücken werden mit Der Nagel kann nach 1–2 Jahren entfernt werden.
Knochenzement ausgespritzt. Bei aufgebohrten Verriegelungs- und retrograden Marknä-
Fibulafrakturen im mittleren Drittel und am Fibulaköpf- geln muss nach ca. 6–8 Wochen, spätestens vor der Vollbela-
chen werden nicht operativ versorgt, führen jedoch manchmal stung, eine Dynamisierung erfolgen. Die Fraktur erhält sonst
zu deutlichen Beschwerden. nicht die notwendige Druckbelastung. Diese Osteosynthesen
Alle Osteosynthesen, bei denen das Hämatom während sind evt. etwas früher teilbelastbar.
der Operation nicht abgesaugt werden kann, bergen die Gefahr Bei Plattenosteosynthesen hingegen besteht Bewegungssta-
eines nachfolgenden Kompartmentsyndroms in sich. bilität mit einer Minimalbelastung für ca. 6 Wochen. Die Rönt-
genkontrolle gibt den Ausschlag für eine Belastungssteigerung.
Wichtig Weigel (2005) gibt eine nicht seltene Entlastungszeit/Teilbela-
stungszeit bis zu 16 Wochen an.
Kompartmentsyndrom: Druckerhöhung eines Gewebes in
Funktionell können bei allen Osteosyntheseverfahren die
einem von Faszien umschlossenen Raum. In der Tibialis-ante-
Belastungsstufen nur umgesetzt werden, wenn Schmerzsituati-
rior- und Peroneusloge staut sich die Blutung aus der Fraktur
on, Muskulatur, Wundverhältnisse und Gelenkfunktion es er-
und der verletzten Muskulatur unterhalb der Faszie und kann
lauben.
nicht abfließen. Die Mikrozirkulation wird gestört, und es
kommt zu einer vorübergehenden oder dauerhaften Gewe-
beschädigung, bis hin zur Gewebsnekrose (7 Kap. 4).
6
344 Kapitel 17 · Unterschenkelfrakturen

Physiotherapeutische Behandlung Bei konservativer Behandlung:


1 Bei allen stabilen Osteosynthesen soll frühzeitig eine aktive 5 Thrombose,
Übungsbehandlung in alle Bewegungsrichtungen begonnen 5 verzögerte Heilung, Pseudarthrose,
2 werden. 5 Refraktur.
Dynamische Bewegungsformen dürfen nach Entfernung der
Redon-Drainagen eingesetzt werden, während der Drainagela- Bei Marknagelung:
3 ge werden nur isometrische Spannungsübungen gemacht. 5 relative Instabilität,
Bei Bewegungs- und Teilbelastungsstabilität soll in der ge- 5 Rotationsfehler bei UTN und anderen Verfahren,
schlossenen Kette auf Waagen geübt werden (. Abb. 16.22, 16.29 5 Kompartmentsyndrom.
4 und vorherige Kapitel).
Nach Osteosynthesen und Hauttransplantaten müssen Ru- Bei aufgebohrten Nagel- und Plattenosteosynthesen:
5 higstellungszeiten eingehalten werden, die der Operateur indi- 5 Infektion,
viduell verordnet. In der Regel wird 8–10 Tage in einer Gips- 5 Markraumphlegmone,
schale ruhiggestellt. 5 Achsenfehler.
6
Bei Fixateur externe:
7 Komplikationen 5 Pin-Kanal-Infekt,
5 Achsenfehler, Rotationsfehler,
5 N.-peroneus-Verletzung, 5 Pseudarthrose.
8 5 Gefäßverletzungen,
5 Tibialis-anterior-Syndrom.
9
10 Befunderhebung

11 Beurteilen 5 Hautdurchblutung.
5 Wunde, Operationsnarbe.
5 Spannung der Haut, Spannungsblasen.
12 5 Schwellungen, Hämatom (Kompartment, Thrombose).
5 Muskelrelief, Atrophie.
5 Knie- und Sprunggelenkstellung (Beinachse).
13 5 Röntgenbild: Frakturstellung, Osteosynthese, später Konsolidierung.

Messen 5 Aktives Bewegungsausmaß des Kniegelenks und der Sprunggelenke.


14 5 Anatomische Unterschenkellänge.
5 Umfang an vorgeschriebenen Punkten.

15 Prüfen 5 Muskeltest der Oberschenkelmuskulatur.


5 Muskeltest der Unterschenkelmuskulatur, entsprechend der Osteosynthese bis Teststufe 3 oder 3–4.
5 Stabilisation der Beinachse bei Minimalbelastung.
16 5 Qualität des Bewegungsstopps in Knie- und Sprunggelenk.
5 Lokale Temperatur.
5 Sensibilität. Besonders die von Nn. peroneus prof. und sup. innervierten Hautareale müssen täglich kontrolliert
17 werden.
5 Pulse (tägliche Kontrolle).
5 Gehen mit vorgegebener Belastungsstufe (7 Kap. 2, 16, Ganganalyse).
18
Notieren und 5 Art und Lokalisation von Schmerzen und sonstigen Beschwerden (VAS).
Bewerten 5 Begleitverletzungen.
19 5 Selbständigkeit, Aktivitäten.
5 Kooperationsfähigkeit.
20
21
17 Unterschenkelfrakturen
345 17

Behandlungsmöglichkeiten
Grundsätzliches Vorgehen
In . Übersicht 17.1 sind die Schwerpunkte der physiotherapeu-
tischen Behandlung nach Unterschenkelfrakturen zusammen-
gefasst.

. Übersicht 17.1. Gesichtspunkte der Behandlung


1. Verbesserung der Durchblutung an Unterschenkel und
Fuß. Förderung der Resorption des Hämatoms und
Ödems. . Abb. 17.5. Frische Unterschenkelfraktur
2. Lagerungskontrolle.
3. Wiederherstellung des Gleichgewichts der Muskelspan-
nung am Unterschenkel. Wichtig
4. Mobilisation der Sprunggelenke.
5. Mobilisation des Kniegelenks. Hohlliegende Stellen wie Kniekehle und Achillessehne müs-
6. Erhalten der Muskelfunktion der nicht betroffenen Ex- sen unterlagert werden. Dies ist besonders wichtig
tremitäten. 5 bei konservativ oder nicht stabil versorgten Frakturen
7. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten, Gehschu- und
lung. 5 zur Übungsbehandlung.
8. Schulung sportspezifischer Aktivitäten.

Eine feste Abstützung des Fußes ist notwendig, um eine Spitz-


1. Verbesserung der Durchblutung, Thromboseprophylaxe, fußstellung zu vermeiden. Dabei ist auf eine exakte Rotations-
Unterstützung des Heilungsprozesses nullstellung zu achten. Wird eine U-Schiene benutzt, kann das
Alle distalen Verletzungen der unteren Extremitäten sind von Bettende hochgestellt werden.
schweren Gefäßverletzungen begleitet. Eine individuelle Lagerung ist dann nötig, wenn die vorge-
Da die Frakturheilung von einer ausreichenden Durchblu- fertigten Schienen nicht zur Unterschenkellänge des Patienten
tung und schnellen Resorption des Hämatoms abhängig ist, passen.
sind frühzeitig physiotherapeutische Maßnahmen begonnen. Bei bestehendem Kompartmentsyndrom muss der Unter-
Aktive schmerzfreie Spannungsübungen im Sekundenrhyth- schenkel weich gelagert, evt. sogar in Schlaufen aufgehängt wer-
mus für die Fußheber und Plantarflexoren gegen Führungskon- den.
takt. Dabei liegt der Unterschenkel in Hochlagerung von der
Kniekehle bis zur Ferse auf einer flachen Schaumstoffunterlage, 3. Wiederherstellung des Muskelspannungsgleichgewichts
so dass die Ferse frei bleibt (Bettende ca. 30° anheben, 7 Punkt am Unterschenkel
2, Lagerungskontrolle). Optimale Druckspannung auf die Fraktur wird nicht nur über
Eiskompressen/Umschläge, wobei die Wundbereiche aus- die Osteosynthese, sondern auch über die Gesamtspannung der
gespart werden, nur in der postoperativen oder posttrauma- Muskulatur erreicht. Dieses Spannungsgleichgewicht so ausge-
tischen Phase. wogen und schnell wie möglich wiederherzustellen, ist eine der
Dynamische Umkehrbewegungen gegen Führungskontakt. vordringlichsten Aufgaben der physiotherapeutischen Behand-
Ratschow-Umlagerungen und Manuelle Lymphdrainage lung. Besonders problematisch ist eine Parese durch Ausfall der
(wenn die Wundheilung dies erlaubt). vom N. fibularis innervierten Muskulatur. Ein Fallfuß wirkt als
Selbständiges Üben. nicht kontrollierbarer Hebel an der Fraktur. Natürlicherweise
Aufstehen mit Minimal- oder Teilbelastung, mit gewi- überwiegt der Grundtonus des M. triceps surae gegenüber dem
ckeltem Bein oder Antithrombosestrumpf. der Fußheber. Wenn erlaubt, kann frühzeitig unter Minimal-
Hochlagerung. belastung oder Teilbelastung von 15 kg auf der Waage stabili-
siert werden.
2. Lagerungskontrolle Nach Überprüfung der Muskelwerte werden schwerpunkt-
Wie bei allen Schaftbrüchen spielt die Lagerung im Bett und zur mäßig die Fußheber beübt. Um die Fraktur exakt mit der Hand
Übungsbehandlung eine besondere Rolle (. Abb. 17.5). fixieren zu können, muss der Physiotherapeut das Röntgenbild
Als Dauerlagerung wird der Unterschenkel auf einer Krapp- kennen. Die Fixation muss in jedem Fall zwischen Fraktur und
Schiene hochgelagert (. Abb. 16.8). Sprunggelenk liegen. (Griff mit Patient absprechen.)
346 Kapitel 17 · Unterschenkelfrakturen

Der Kontakt für die Spannung von M. tibialis anterior, Bei einer N.-peroneus-Parese muss endgradig, weich, passiv be-
1 Mm. extensor digitorum longus und brevis, M. hallucis longus wegt werden. Mobilisationstechnik ist »Halten – Entspannen –
und Mm. fibulares wird entsprechend richtungweisend gege- passiv Weiterziehen«.
2 ben, z.B. medial, lateral und dorsal an der Ferse und dicht ober-
halb des Talus (. Abb. 18.12, 18.13). Soll der M. quadriceps als
Ist der Bewegungsstopp elastisch oder fest, können nach
Abschluss der Wundheilung Entspannungstechniken kombi-
Verstärker für die Fußheber fungieren, wird proximal der Frak- niert mit einer Narbenbehandlung oder mit Massagegriffen/
3 tur angepasster Widerstand gesetzt. Das Halten der Unterschen- Querdehnungen angewandt werden, bei reizlosem Unterschen-
kelschwere kann aktiv ohne oder mit Führungskontakt und bei kel evt. eine zusätzliche Wärmebehandlung. Entspannungstech-
vorgegebener Belastungsstufe in der geschlossenen Kette auf ei- niken aus dem PNF-Programm sind:
4 ner Waage geübt werden (7 Kap. 16). 5 »Chirurgische Technik«, v.a. zur Mobilisation des Spitz-
Aktives Üben in PNF-Mustern kann dynamische und sta- fußes.
5 tische Bewegungsfolgen schulen. Zur Anwendung kommen die 5 Rhythmische Stabilisation – Entspannen – aktiv Weiter-
Techniken: ziehen.
5 Endstellung – Halten. 5 Dynamische Umkehr – Halten – Entspannen, wenn ange-
6 5 Bewegen – Halten in allen Variationen. passter Widerstand erlaubt ist.
5 Betonte Bewegungsfolge in den Dosierungsstufen: aktiv, ge-
7 gen die Schwere, gegen Führungskontakt oder gegen ange- Im Anschluss an jede aktive Entspannungstechnik muss die
passten Widerstand. schwächere Muskulatur gekräftigt, d.h. betont geschult werden.
5 Stabilisierende Umkehr. Ist der Bewegungsstopp fest oder hart, werden Techniken
8 5 Verstärkungstechniken (7 Kap. 22). der Manuellen Therapie gewählt, gefolgt von weichen, lang-
samen Umkehrbewegungen.
Das geschlossene System eignet sich für die Rumpf- und Bein- Als Hilfsmittel werden bei Peroneusparese zum Erhalt der
9 achsenstabilisation: Dorsalextension im Sprunggelenk eine Lagerungsschiene, eine
5 Stützen gegen die Wand, eine Waage oder einen Fußkreisel Schiene für den Innenschuh oder ein entsprechender Schuh an-
10 mit Minimal- oder Teilbelastung. gefertigt.
5 Beinachsentraining aus Halbsitz und hohem Sitz mit Teil-
belastung. 5. Mobilisationd des Kniegelenks
11 5 Stabilisation der Rumpf- Becken-Bein-Achse mit Teilbela- Bei Frakturen im proximalen Unterschenkeldrittel kann eine
stung. Kniegelenkkontraktur auftreten. Die Behandlung erfolgt wie in
12 7 Kap. 16, »Kniegelenkverletzungen« beschrieben.
4. Mobilisation der Sprunggelenke (bei distalen Tibiafrak- Der Einsatz der Motorschiene ist nach stabilen Osteosyn-
turen) thesen möglich, wenn die Lagerung korrekt eingehalten wird,
13 Sprunggelenkkontrakturen können vermieden werden, wenn das Tempo langsam ist, und der Umkehrpunkt der Schiene im
ein aktives Übungsprogramm bei stabiler Osteosynthese früh- schmerzfreien Bereich eingestellt ist (. Abb. 17.6).
14 zeitig begonnen wird. Das Endgefühl ist anfangs weich.
Adäquate Maßnahmen sind: ! Cave
5 Schmerzfreies endgradiges Üben aller Sprunggelenkfunk- Zuerst Bewegungsumfang des Kniegelenks auf der Schie-
15 tionen. ne messen und dann einstellen. Die Motorschieneneinstellung
5 Selbständiges Üben des Patienten nach exakter Anleitung. stimmt nicht mit dem anatomischen Gelenkmaß überein.

16
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20
. Abb. 17.6a-c. a Motorschiene (CPM), b passive Kniestreckung, c passive Kniebeugung in schmerzfreier Amplitude
21
17 Unterschenkelfrakturen
347 17

Das Kniegelenk soll ebenso wie die Sprunggelenke von Anfang 5 Stabilisation der Beinachse bei vorgegebener Belastungs-
an endgradig dynamisch geübt werden. stufe in der geschlossenen Kette (7 Kap. 15, 16 und 18).
Bei komplikationsfreiem Verlauf besteht kein Grund für die
Entwicklung einer Kontraktur. Zu erwarten sind Kontrakturen Bei teilbelastungsstabilen Osteosynthesen muss mit ange-
bei Osteosynthesen passtem Widerstand die Teststufe 3–4/4 erarbeitet werden. Der
5 mit einem Knie- oder Sprunggelenk übergreifenden Fixa- Widerstand kann manuell oder mittels Geräten (Theraband,
teur oder Züge) proximal der Fraktur gegeben werden. Geübt werden fol-
5 mit einem Ilizarow-Ringfixateur. gende Techniken:
5 Betonte Bewegungsfolge mit wechselndem Drehpunkt
Auch bei längeren Ruhigstellungen nach Hautdefekten, Pero- (Sprung- oder Kniegelenk) in PNF-Mustern.
neusparese oder Kompartmentsyndrom ist mit ausgeprägten 5 Bewegen – Halten in allen Variationen.
Kontrakturen zu rechnen. 5 Dynamische Umkehr.
Entsprechend der Qualität des Bewegungsstopps und der 5 Stabilisierende Umkehr.
Stabilität der Osteosynthese werden die Mobilisationstechniken
ausgewählt. Der Physiotherapeut fixiert passiv und setzt die Ist durch Schwellneigung und Hautdefekte ein längeres Üben in
Hand gelenknah am zu fixierenden Hebel an. der Senkrechten kontraindiziert, kann das Beinachsentraining
Mobilisiert wird immer unter leichter Traktion und nie un- in Rückenlage gegen die Wand, Waage oder den Fußkreisel so-
ter Belastungsdruck, in der Proliferationsphase nur gegen Füh- wie auf dem Therapieball oder der Feldenkraisrolle niedrig do-
rungskontakt. siert ausgeführt werden (. Abb. 17.7, 17.8).
Ausgangsstellungen für die Kniegelenkmobilisation sind Weitere Ausgangspositionen für Übungen im geschlossenen
Sitz und Bauchlage 7 Punkt 4, Techniken). System sind hoher Sitz, Halbsitz, Sitz auf Therapieball, Hocker
und Stand auf Waagen. Die vorgegebene Belastungsstufe muss
6. Erhalten der Muskulatur der nicht betroffenen Extremi- selbstverständlich eingehalten bzw. funktionell erarbeitet wer-
täten den.
Da es sich bei Patienten mit Unterschenkelschaftfrakturen in Die Stabilisation der Beinachse erfolgt zunächst gegen ma-
der Mehrzahl um arbeitsfähige, junge Menschen handelt, kann nuellen Kontakt im Zweibein-/Einbeinstand bei entsprechendem
das Training des gesunden Beins und der beiden Arme vorwie- Bodenkontakt, Teil- oder Vollbelastungsfähigkeit auf der Waage
gend als Hausaufgabenprogramm aufgebaut werden. (7 Kap. 15, 16, 18 und 19).
Geräte wie Expander, Hanteln, Therabänder oder, soweit Die Belastung wird aus einer korrekten Fußstellung (Spiral-
vorhanden, Zuggeräte werden zur abwechslungsreichen Gestal- dynamik nach Larsen 2007) aufgebaut, d.h., Fersen-, Großzeh-
tung der Übungen eingesetzt. und Kleinzehballenkontakt werden bewusst wahrgenommen.
Die Übungen sollen vorgeübt, die Steigerung festgelegt und Dadurch entsteht eine physiologische Verwringung des Rück-
zwischendurch kontrolliert werden. fußes gegen den Vorfuß bei Neutralstellung der Ferse.
Der Patient übt in Eigenverantwortung; er muss seine Ermü-
dungsgrenzen beobachten und darauf Rücksicht nehmen.

7. Vorbereiten und Schulen von Aktivitäten, Gehschulung


Der Muskelfunktionstest bewertet der Muskelkraft, Ausdauer
und Koordinationsfähigkeit.
Für das Stehen und Gehen muss die Funktion der Fußhe-
ber und des M. gastrocnemius in allen Variationen geschult wer-
den. Diese Muskeln sichern von distal die Beinachse in den ein-
zelnen Standbeinphasen durch exzentrische und konzentrische
Muskelarbeit. Bei bewegungsstabilen Osteosynthesen und für
das Gehen mit Minimalbelastung muss der Muskeltestwert 3 er-
arbeitet werden.
Kräftigung der Fußheber und des M. gastrocnemius:
5 PNF-Techniken: Endstellung – Halten und Bewegen – Hal-
ten gegen Eigenschwere.
5 Freie Übungsformen in offener Kette, z.B. Ausdauerü-
bungen.
5 Üben unter Einsatz von Verstärkern, z.B. M. gluteus maxi-
mus, M. quadriceps. . Abb. 17.7. Stabilisieren der Beinachse gegen die Wand
348 Kapitel 17 · Unterschenkelfrakturen

. Abb. 17.8a,b. a Stabilisation ge-


1 gen den labilen Fußkreisel, b selbstän-
dige Stabilisation

2
3
4
5
6 Vorbereitend versucht der Physiotherapeut, die »Fußspira- ! Cave
le« mit dem Patienten in entlasteter Stellung passiv auszufüh- 5 Der Patient sollte jedoch zu diesem Zeitpunkt noch keine
7 ren. Sie ist auch als Eigenmobilisation sinnvoll (. Abb. 19.9– Scher- und Rotationsbewegungen
19.11). des Unterschenkels machen, wie sie beim Brust- oder Rü-
Eine Vorbereitung auf das Gehen ist auch in freier Form mit- ckenschwimmen vorkommen. Selbständiges Üben im Was-
8 tels PNF-Gehmuster möglich. Zielt die Übung auf das Streck- ser ohne Aufsicht des Physiotherapeuten ist deshalb ge-
muster Extension/Abduktion ab kann man eine Overflow-Re- fährlich.
aktion durch Spannen des Gegenarms in Extension/Abduktion 5 Stabilisationsformen mit Rotationswiderstand sind bis zur
9 und des Gegenbeins in Flexion/Adduktion erreichen. Soll das Frakturkonsolidierung kontraindiziert.
Gehen mit Unterarmstützen für den Drei-Punkte-Gang vorbe-
10 reitet werden, können auch beide Arme im Stützmuster statisch Gehschulung
üben. Vor dem Aufstehen soll die funktionelle Beinlänge überprüft
Soll ab der 7. postoperativen Woche oder nach Dynamisie- und an eine notwendige Schuherhöhung gedacht werden. Neigt
11 rung der Verriegelung des aufgebohrten Nagels die Belastungs- der Patient noch zu Schwellungen, sollen Gummistrümpfe/
stufe langsam zur Vollbelastung geführt werden, müssen dyna- Antithrombosestrümpfe getragen werden.
12 mische und statische Elemente in das Beinachsentraining auf- Die Belastungsübernahme in der dynamischen Gehbewe-
genommen werden. gung wird am besten durch Gehen über mehrere Waagen geübt,
Wichtig ist nun auch das Kontrollieren der Muskelfunktion die in den Boden eingelassen sind (7 Kap. 14, 15 und 16). Da-
13 im Stand und Gang durch Stabilisation der Gelenke in verschie- bei soll der Patient lernen, die verordnete Teilbelastung/Belas-
denen Winkelpositionen (7 Kap. 16). Rotationswiderstände dür- tung wahrzunehmen. Anfangs darf er sie optisch kontrollieren,
14 fen allerdings bis zum Ende der Konsolidierungsphase nicht ge- dann soll er das Gefühl für die richtige Belastung erspüren und
setzt werden. einüben, ohne hinzuschauen. Taktile Reize können den Bewe-
Die Belastung wird erst gesteigert, wenn sie schmerzfrei gungsablauf aktivieren. Dass die Belastungsstufe beim selbstän-
15 und ohne Achsenabweichung gehalten werden kann. Selbstver- digen Gehen nicht exakt eingehalten werden kann, ist Physio-
ständlich muss die ärztliche Vorgabe respektiert werden. therapeuten bewusst. Wiederholtes Gehen über Waagen ist des-
Übungen im festgefügten System des Türrahmens oder ge- halb erforderlich.
16 gen Zuggeräte eignen sich sehr gut dazu (. Abb. 12.11, 12.12, Belastungsübungen lassen sich auch auf dem Schaukelbrett,
15.11–15.14, 16.32). Trampolin, Stepper, Weichkissen oder Sportkreisel gut durch-
17 Kann der Patient im Stand vor dem Spiegel die Belastung führen (. Abb. 16.30, 16.31). Auch Treppensteigen oder Gehen
im Zwei- und Einbeinstand korrekt auf das verletzte Bein über- auf schräger Ebene kann zur Kräftigung des M. gastrocnemi-
nehmen, wird der Zehenstand geübt. Die Schulung des M. tri- us eingesetzt werden, wenn auf bewusstes Abheben der Fer-
18 zeps surae im Stand und in der Schrittfolge ist besonders wich- se geachtet wird. Zu Anfang kann das Stufenersteigen mithil-
tig für das Gehen. fe eines Zuggerätes (Negativgewicht) erleichtert werden. End-
19 Die Belastung kann auch im Bewegungsbad vorgeübt wer- ziel sollte der freie Zehenstand auf dem verletzten Bein sein. Di-
den. Bei entsprechender Wassertiefe wirkt die Auftriebskraft es kann nur erreicht werden, wenn der Patient bereit ist, auch
des Wassers entlastend. Durch langsam oder schnell ausgeführ- selbst konsequent zu üben.
20 te Bewegungen kann man den Wasserwiderstand unterstützend Solange der Patient die einzelnen Belastungsphasen noch
oder als Widerstand einsetzen. Ebenso gezielt einsetzbar sind nicht beherrscht, also noch hinkt, darf nicht gesteigert werden,
21 Schwimmkörper. und die Unterarmstützen sollten weiterhin benutzt werden. Das
17 Unterschenkelfrakturen
349 17

Gehen mit nur einer Stütze verursacht eher eine Schiefhaltung Proliferationsphase
und infolge eine Fehlbelastung. Langfristig lohnt es sich abzu- Ausgangsposition
warten, bis der Patient Sicherheit gewonnen hat, die Belastung Rückenlage. Unterschenkel ist flach gelagert, Ferse liegt frei.
funktionell umsetzen kann und die Unterarmstützen von selbst
weglegt. Übung
5 Isometrisches Spannen der Fußheber in aktueller Endstel-
8. Schulung sportspezifischer Aktivitäten lung.
Wenn die Fraktur konsolidiert ist und der Patient schmerzfrei Fixation: Passiv oberhalb des Sprunggelenks am Unter-
längere Strecken ohne Hilfsmittel gehen kann, darf mit leichtem schenkel.
Lauf- und Sprungtraining begonnen werden.
Dabei sollten v.a. reaktive Bewegungsabläufe und koordina- Übung
tiv anspruchsvolle Bewegungsmuster geübt werden. 5 Isometrisches Spannen des M. quadriceps und freie aktive
Geeignete Hilfsmittel sind unterschiedliche labile Unterla- Bewegungen der Fußheber.
gen wie z.B. Weichbodenmatten oder Trampolin. 5 Dasselbe mit »Stabilisierender Umkehr« für den M. qua-
Typische sportartspezifische Bewegungsfolgen sollen wie- drizeps bei aktiv gehaltener Dorsalextension. Der Unter-
der automatisiert werden. Die Trainingformen werden mit dem schenkel liegt frei über der Bettkante.
Patienten gemeinsam geplant.
Übung
Besonderheiten bei der Behandlung einer 5 Dynamische »Betonte Bewegungsfolge« der Fußheber ge-
Unterschenkelfraktur nach N.-peroneus- gen Führungskontakt.
profundus-Parese Fixation: Passiv distal am Unterschenkel.
Eine spezielle physiotherapeutische Behandlung erfordern Pati- 5 Dasselbe mit Spannung der Zehenextensoren.
enten mit zusätzlicher N.-peroneus-Parese. 5 Dasselbe mit Spannung der Zehenflexoren.
Solange keine Reinnervationszeichen vorhanden sind, kann
eine Reizstromtherapie durchgeführt werden. Übung
Neben den bereits erwähnten passiven endgradigen Bewe- 5 Geführte Dorsalextension mit Supination.
gungen werden Techniken eingesetzt wie: Technik: Endstellung – Halten, Wiederholte Bewegungsfol-
5 Halten von Positionen. ge gegen Führungskontakt.
5 Setzen von Kontraktionshilfen, z.B. Eisabreiben, Muskel-
herausgreifen, Streichen über die Hautregion, kontralate- Übung
rale Muskelarbeit gegen Widerstand. 5 Dorsalextension mit Pronation.
5 Overflow der statischen Spannung von proximalen syner- Technik: Betonte Bewegungsfolge gegen Führungskontakt,
gistisch wirkenden Muskelketten. nach 6 Wochen gegen Widerstand.
Fixation: Passiv am distalen Unterschenkel.
Wichtig
Übung
Approximation und Stretch am Sprunggelenk sowie Tapping
5 »Flexion/Adduktion/Rotationsnullstellung« gegen Wider-
an der Unterschenkelmuskulatur sind erst nach Konsolidie-
stand mit aktiver Umkehrbewegung in den Sprunggelen-
rung der Fraktur anwendbar.
ken.
5 Dasselbe in der 2. PNF-Diagonale »Flexion/Abduktion/Ro-
Es ist besonders darauf zu achten, dass die Lagerung des Fußes tationsnullstellung zum gestreckten Knie«.
in einer individuell angepassten Schiene korrekt eingehalten
wird. Für die Belastung muss das Sprunggelenk durch eine Or- Ausgangsposition
these stabilisiert werden. Rückenlage. Becken liegt an der unteren Bettkante.

Übung
Übungsbeispiele 5 »Extension/Adduktion/Außenrotation zum gebeugten
Knie«.
Die Übungsbeispiele beziehen sich auf eine Unterschenkel- Kontakt/Widerstand: proximal am Unterschenkel und distal
schaftfraktur im mittleren Drittel nach Versorgung mit einem un- am Oberschenkel.
gebohrten Verriegelungsnagel.
350 Kapitel 17 · Unterschenkelfrakturen

Ausgangsposition Ausgangsposition
1 Bauchlage. Fuß hängt über die Bettkante. Stand im Türrahmen.

2 Übung
5 Wiederholte Knieflexion bei Haltearbeit des M. gluteus
Übungen
5 Siehe . Abb. 15.11–15.14.
maximus. 5 Stabilisation der Fußstellung mit 2 Therabändern im Sinne
3 Kontakt/Widerstand: Dorsal, distal am Oberschenkel und der Spiraldynamik nach Larsen (. Abb. 19.11).
proximal am Unterschenkel.
5 Dasselbe mit aktiven Umkehrbewegungen der Sprungge- Ausgangsposition
4 lenke. Hoher Sitz, Halbsitz.

5 Ausgangsposition Übung
Rückenlage. 5 Bilaterales asymmetrisches PNF-Armmuster, z.B. »Lifting«
zur nicht betroffenen Seite, um die Standbeinphase auf der
6 Mobilisation der Spitzfußkontraktur betroffenen Seite zu stärken (7 Kap. 16).
5 PNF-Techniken: »Chirurgische Technik«, anschließend
7 Endstellung – Halten für die Fußheber und Rhythmische Ausgangsposition
Stabilisation – Entspannen, anschließend Endstellung – Stand, evt. abgestützt an hochgestellter Bank; Zweibein-, dann
Halten für die Fußheber. Einbeinstand.
8
Ausgangsposition Übung
5 Bei leicht gebeugten Knien soll sich der Fuß von der Ferse
9 Bauchlage.
zum Zehenstand abdrücken (anfangs mit beiden Füßen).
Mobilisation der Kniestreckkontraktur
10 5 PNF-Technik: Dynamische Umkehr – Halten – Entspan- Übung
nen – aktiv Weiterziehen, anschließend Endstellung – Hal- 5 Im Zehenstand auf der Stelle treten.
ten für die Kniebeuger.
11 Übung
Konsolidierungsphase (nach 6 Wochen) 5 Stabilisation auf dem Schaukelbrett, Sportkreisel, Ballkis-
12 Manuelle Therapie sen oder Trampolin (s. vorangehende Kapitel).
5 Traktion und Dorsalgleiten, anschließend dynamische
Umkehrbewegungen gegen angepassten Widerstand. Übung
13 5 Bergsteigerübung: Gleichseitiger Arm/beide Arme stem-
Übung men gegen die Wand, so dass der Oberkörper schräg nach
14 5 PNF-Gehmuster »Extension/Abduktion/Innenrotation« vorne kommt. Die Beine stehen in Schrittstellung; das be-
bei gestrecktem Knie. Das gesunde Bein ist aufgestellt. troffene Bein steht hinten und drückt sich mit der Ferse ab.
Widerstand: Proximal, lateral, dorsal am Unterschenkel
15 und distal, dorsal, lateral am Oberschenkel. Übung
5 Dasselbe als beidseitige reziproke Umkehrbewegung aus 5 »Eckengeher« (. Abb. 12.9).
dem Sitz bei aufliegendem Oberschenkel (. Abb. 15.10).
16 PNF-Gehschulung mit Fazilitieren
Ausgangsposition 5 Manueller Widerstand ventral/kranial gegen anteriore Fle-
17 Sitz auf Hocker im Türrahmen (Göhler 2007). xion am Becken in der Schrittfolge zur Anbahnung der
Abdruckphase.
Übung 5 Gegen Widerstand des Therabandes.
18 5 Stabilisation der Bein-Becken-Rumpf-Achse. Das gesunde 5 Gegen Widerstand vorne am Becken oder am Schultergür-
Bein wird angebeugt und leicht außenrotiert, die gegensei- tel.
19 tige Hand drückt gegen die Ferseninnenseite. Der gleich- 5 Gehen auf dem Laufband.
seitige Arm drückt in PNF-Muster »Flexion/Abduktion/
Außenrotation« gegen den Türrahmen (. Abb. 6.37). (Gehschulung 7 Kap. 14, 15 und 16).
20
21
17 Unterschenkelfrakturen
351 17

17.1 Literatur
Bizzini M (2000) Sensomotorische Rehabilitation nach Beinverletzungen.
Thieme, Stuttgart New York
Buck M, Beckers D, Adler S (2004) PNF in der Praxis, 5. Aufl. Springer, Ber-
lin Heidelberg
Göhler B (2007) Komplexbewegung contra Einseit-Haltung. Pflaum,
München
Gustilo RB (1993) Open fractures. In Gustilo et al. (Hrsg) Fractures and dis-
locations. Mosby, St. Louis, pp 169–195
Hüter-Becker A et al. (2002) Das Neue Denkmodell, Bd 1, Bewegungssys-
tem. Thieme, Stuttgart New York
Hamilton Ch, Richardson C (2000) Stabilität – eine vielfältige Aufgabe. In:
Klein-Vogelbach S, Werbeck B, Spirgi-Gantert I (Hrsg) Funktionelle
Bewegungslehre, Bewegung lehren und lernen, 5. Aufl. Springer, Ber-
lin Heidelberg
Larsen Ch (2007) Gut zu Fuß ein Leben lang, Spiraldynamik, 3. Aufl. Trias,
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Larsen Ch (2003) Füße in guten Händen, Spiraldynamik. Thieme, Stutt-
gart
Loeweneck H, Liebenstund I (1994) Funktionelle Anatomie. Pflaum,
München
Spirgi-Gantert I, Suppé B, Eicke-Wieser K (2006) FBL Klein-Vogelbach
Functional Kinetics: Therapeutische Übungen, 5. Aufl. Springer, Ber-
lin Heidelberg New York
Trentz O, Bühren V (2001) Checkliste Traumatologie. Thieme, Stuttgart
New York
Weigel B, Nerlich M (2005) Praxisbuch Unfallchirurgie, Bd 1. Springer, Ber-
lin Heidelberg New York

Die Abbildungen 17.1 und 17.2 hat mir freundlicherweise OA Dr. Th. Löff-
ler, Chirurgische Universitätsklinik, Klinikum Großhadern, München, zur
Verfügung gestellt.
Abbildung 17.3 c. verdanke ich Frau Birgit Jaspersen, Klinik f. Physika-
lische Medizin, Klinikum Großhadern, München, die Abbildungen 17.4–
17.8 Frau Claudia Klose, PT-Schule BKH Günzburg.
18

Frakturen und Luxationen


im Bereich der Sprunggelenke, Band- und
Achillessehnenverletzungen

Einteilung – 354 18.3 Achillessehnenruptur – 367


Ursachen – 356 Einteilung – 367
Charakteristische Symptome/ Ursachen – 367
Leitsymptome – 356 Charakteristische Symptome/
Physiologische Grundlagen, Leitsymptome – 367
Behandlungsrichtlinien und Behandlungsrichtlinien und
therapeutische Maßnahmen – 356 therapeutische Maßnahmen – 367
Komplikationen – 368
18.1 Frakturen, Luxationen und
Befunderhebung – 368
Luxationsfrakturen – 358
Behandlungsmöglichkeiten – 368
Charakteristische Symptome/
Übungsbeispiele – 369
Leitsymptome – 358
Behandlungsrichtlinien und 18.4 Patientenbeispiel – 369
therapeutische Maßnahmen – 358 Befundaufnahme – 369
Komplikationen – 361 ICF-Dokumentation – 370
Befunderhebung nach Sprung-
gelenkfraktur mit bewegungs- 18.5 Literatur – 372
stabiler Versorgung – 361
Behandlungsmöglichkeiten – 362

18.2 Kapsel-Band-Verletzungen
des Sprunggelenks – 365
Ursachen – 365
Charakteristische Symptome/
Leitsymptome – 365
Behandlungsrichtlinien und
therapeutische Maßnahmen – 366
Komplikationen – 366
Behandlungsmöglichkeiten – 367
354 Kapitel 18 · Frakturen und Luxationen im Bereich der Sprunggelenke, Band- und Achillessehnenverletzungen

Einteilung 5 Luxationsfraktur (. Abb. 18.2),


1 5 trimalleoläre Fraktur.
Frakturen: Merkmale der Pilonfraktur (. Abb. 18.4) sind:
2 5 isolierte Fraktur des inneren oder äußeren Malleolus 5 mediales Fragment der Tibiagelenkfläche mit Beteiligung
(. Abb. 18.1), der Syndesmose,
5 bimalleoläre Fraktur (. Abb. 18.3), 5 spongiöse Einstauchung der Gelenkfläche,
3 5 Pilon-tibial-Fraktur, 5 bimalleoläre Fraktur.
5 Maisonneuve-Fraktur, mit/ohne Bandverletzungen und
Syndesmosenzerreißung,
4
. Abb. 18.1a,b. a Sprunggelenkfraktur, b Osteo-
5 synthese mit Platte und Zugschrauben

6
7
8
9
10
11
a b
12
13
14
15
16
17
18
19
a b c
20
. Abb. 18.2a-c. a Luxationsfraktur des oberen Sprunggelenks, b Osteosynthese mit zusätzlicher Syndesmosenschraube und Refixation des Volk-
21 mann-Dreiecks, c seitliche Aufnahme
18 Frakturen und Luxationen im Bereich der Sprunggelenke, Band- und Achillessehnenverletzungen
355 18

Die trimalleoläre Fraktur beschreibt die zusätzliche Abspren-


gung eines vorderen oder hinteren Kantenstücks der Tibia, das
Volkmann-Dreieck (. Abb. 21.10).
Bandverletzungen:
5 Bänderzerrung,
5 Teilruptur oder komplette Ruptur des Deltabandes, seiner
Teilzügel und des Außenbandes, der Ligg. fibulotalaria an-
terius und posterius und des Lig. fibulocalcaneare,

Sehnenverletzungen:
5 Achillessehnenriss.

Entsprechend der Wichtigkeit der Syndesmose für die Stabilität


des Sprunggelenks werden Fibulafrakturen nach Weber und Da-
nis (1966) in vier Frakturtypen eingeteilt.

A-Fraktur Fraktur unterhalb des Gelenkspalts, mit intakter Syn-


desmose

B-Fraktur Fraktur auf Höhe des Gelenkspalts oder im Bereich


der Syndesmose (Syndesmosis tibiofibularis); trans-
syndesmal, jedoch nicht zwingend instabil

C-Fraktur Fraktur oberhalb der Syndesmose, generell instabil,


da die Syndesmose immer zerrissen ist (. Abb. 18.3,
21.10)

D-Fraktur Proximale Fibulafraktur in Kombination mit einer


Sprunggelenkverletzung (Maisonneuve-Fraktur)

. Abb. 18.3. Weber-C-Fraktur, Plattenversorgung am lateralen Malleo-


lus, Zuggurtung am medialen Malleolus, Stellschraube
Nach der AO-Klassifikation werden im Sprunggelenkbereich drei
Frakturtypen unterschieden.

Typ A Distale extraartikuläre Tibiafraktur

A1 Quer
Fibulafraktur
A2 Mit Keil mit Verkürzung
A3 Stückbruch plus Fibulafraktur
Einstauchung
knöchernes, eines zentralen
Typ B Partielle Gelenkfraktur syndesmosen- Gelenkfragments
tragendes mit Spongiosa-
B1 Spalt Fragment kompression

B2 Mit Impression

B3 Stückbruch mit Impression

Typ C Gelenkfraktur

C1 Artikulär einfach, metaphysär einfach . Abb. 18.4. Merkmale einer typischen Pilonfraktur

C2 Artikuär einfach-, metaphysär mehrfragmentär

C3 Mehrfragmentär
356 Kapitel 18 · Frakturen und Luxationen im Bereich der Sprunggelenke, Band- und Achillessehnenverletzungen

Nach dem Unfallmechanismus werden die Frakturen auch in bula nicht exakt in der lateralen Gelenkfläche des Talus, wird
1 Supinations-/Inversions- und Pronations-/Eversionsfrakturen ein- die Biomechanik des Sprunggelenks entscheidend gestört und
geteilt. birgt ebenfalls das Risiko einer Arthrose.
2 Da die Talusrolle vorne um 25 breiter ist als hinten, liegt
der Talus bei Dorsalextension schlüssig in der Malleolengabel
Ursachen und drückt sie bei Belastung ca. 2–3 mm auseinander. Nach
3 Cailliet (1972) rotiert die Fibula bei Dorsalextension und senk-
5 Bandausrisse/Abschermechanismen nach Umkippen des rechter Belastung um 5–10° nach innen und der Talus nach la-
belasteten Fußes infolge von Sport-, Verkehrs- oder Ar- teral. Die Fibula macht eine Bewegung nach kranial und stellt
4 beitsunfällen. auf diese Weise die Fasern der Syndesmose horizontal. Bei Plan-
tarflexion rotiert der Talus nach medial und die Fibula nach au-
5 Die Supinations-/Inversionsfraktur tritt wesentlich häufiger auf ßen, die Fibula sinkt leicht nach kaudal ab, und die Syndesmo-
als die Pronations-/Eversionsfraktur. se erfährt eine Schrägstellung (. Abb. 18.5). Dieser Mechanis-
mus führt zu einer verbesserten Gelenksicherung in der Mittel-
6 standphase.
Charakteristische Symptome/Leitsymptome Die vorderen Teilzügel der Kollateralbänder sichern mit al-
7 len Anteilen das Sprunggelenk in Plantarflexion, die mittleren
Die verletzungsspezifischen Symptome sind in 7 Abschn. 18.1, spannen sich beim Verkanten des Fußes nach medial oder late-
»Frakturen, Luxationen und Luxationsfrakturen« aufgeführt. ral, und die dorsalen Teilzügel spannen sich bei Dorsalextensi-
8 on (. Abb. 18.6).

9 Physiologische Grundlagen, Stabilität der Beinachse


Behandlungsrichtlinien und therapeutische Zur Objektivierung klinischer Befunde hat Mittlmeier (1991)
Maßnahmen Untersuchungen mit einer Druckverteilungsmessplatte durch-
10 geführt, die Kinetik (Druckverteilung und Bodenreaktionskräf-
Physiologische Grundlagen te), Kinematik (Bewegung eines Körpers im Raum) und neuro-
Sicherung der Sprunggelenke
11 Die wichtigsten Bänder der Sprunggelenke, die bei Kombinati-
onsverletzungen beteiligt sein können, sind:
12 5 lateral: Ligg. fibulotalaria anterius und posterius und
Lig. fibulocalcaneare (am häufigsten!),
5 medial: Lig. deltoideum,
13 5 vordere Syndesmose: Lig. tibiofibulare anterius,
5 hintere Syndesmose: Lig. tibiofibulare posterius.
14
Vordere und hintere Syndesmose sind ca. 2–6 cm breit und ste-
hen beim Gehen unter erheblichem Druck (ca. 20–40 kg, We-
15 ber 1966). Syndesmose und Delta-Band schützen in erster Linie
das Sprunggelenk vor Verletzungen.
Isolierte Verletzungen der Syndesmosenbänder sind sehr
16 selten; meist handelt es sich um kombinierte Schädigungen mit
Beteiligung des Lig. deltoideum und Malleolengabelsprengung.
17 Manchmal werden diese nicht erkannt und hinterlassen dann
erhebliche postoperative Gelenkschäden.
Willenegger (1961) wies nach, dass eine Gabellockerung von
18 2 mm bereits zu einem 30igen Verlust des Gelenkflächenkon-
taktes zwischen Tibia und Talus führt. Die im oberen Sprung-
19 gelenk auftretenden Belastungskräfte von ca. 200–300 kg zer-
reiben die Knorpelauflage des Gelenks auf der kleiner gewor-
denen Fläche schneller. Es entsteht eine Arthrose.
20 Grass et al. (2000) und Zwick et al. (2002) wiesen im Ex-
periment nach, dass eine Talusverschiebung von 1 mm zu einer
. Abb. 18.5. Biomechanik des oberen Sprunggelenks
21 42igen Verminderung der Gelenkkongruenz führt. Steht die Fi-
18 Frakturen und Luxationen im Bereich der Sprunggelenke, Band- und Achillessehnenverletzungen
357 18

muskuläre Parameter (EMG) beim Gehen erfassen (. Abb. 18.7).


Als Ergebnis ergaben sich Daten, die die zeitliche vertikale Be-
lastung beim Abrollen des Fußes definieren und eine Quantifi-
zierung funktioneller Resultate erlauben.
Physiotherapeuten beobachten vielfach, dass eine mecha-
nische Stabilität (z.B. im Röntgenbild nachgewiesen) nicht
zwingend ein gutes funktionelles Ergebnis garantiert. Eine Er-
klärung für diese Diskrepanz kann eine Ganganalyse auf einer
Druckverteilungsmessplatte geben.
Basmajan (1985) hat über EMG-Ableitungen beim Gehen
Muskelfunktionen ausgewertet und ebenfalls exakte Analysen
erstellt.
Heute werden auch von physiotherapeutischer Seite em-
pirische Modelle entwickelt (Hüter-Becker et al. 2002, Bizzi-
ni 2001), die die Stabilität der Beinachse im Sinne einer »Ver-
schraubung« beschreiben. Die diagonale Anordnung der Bein-
muskulatur, die Form der Knochen und die Rotation der Fibu-
la (Cailliet 1972) garantieren diese aktive Stabilität. Zusätzlich
wirken Scher-, Biegungs-, Zug- und Druckkräfte auf die Bein-
. Abb. 18.6. Verhalten der Kollateralbänder bei Bewegung des oberen
Sprunggelenks
achse. Übersteigen die Gewalteinwirkungen die Tragfähigkeit
oder Festigkeit der Bänder und Sehnen, kommt es zu Verlet-
zungen. Aus den Frakturformen und Bandverletzungen kann
man Rückschlüsse auf den Verletzungsmechanismus ziehen.
Alle Kräfte, die zu einer Verletzung führten, müssen bei
physiotherapeutischen Maßnahmen und deren Dosierung ver-
mieden werden, solange die Strukturen nicht ausgeheilt sind.

a b c

. Abb. 18.7a-c. a, b Druckverteilung, c Qualifizierung der Druckverteilung (Mittlmeier 1991)


358 Kapitel 18 · Frakturen und Luxationen im Bereich der Sprunggelenke, Band- und Achillessehnenverletzungen

Bizzini (2000) beobachtete eine verlängerte Reaktions-


1 zeit der Muskulatur nach Sprunggelenkverletzungen. Untersu-
chungen (Beard et al. 1994, in Jerosch 2004: Das Kniegelenk)
2 bei Patienten mit Kniebandverletzungen ergaben eine verlän-
gerte Oberschenkelmuskelreflexzeit, die eine Abhängigkeit der
muskulären Schutzreflexe von einer intakten Funktion der Me-
3 chanorezeptoren deutlich machen. Sie lassen den Rückschluss
zu, dass eine verspätete Muskelaktivität zu fortschreitender In-
stabilität eines Gelenks führt. Dieses kann für die Muskulatur
4 des Unterschenkels und die Stabilität des Sprunggelenks eben-
so gelten.
5
Wichtig a b c

6 Die Komplexität der Heilungsstörungen einzelner Strukturen . Abb. 18.8a-c. Mechanismus der Syndesmosensprengung
und die daraus resultierenden Gehstörungen sind noch
nicht erschöpfend erforscht, jedoch sollten die bisher von
7 Forschern veröffentlichten Resultate physiotherapeutisch
bandruptur oder infrasyndesmalen Fibulafraktur. Hört
genutzt werden.
die Gewalteinwirkung nicht auf, bricht der Innenknöchel,
8 das Deltaband reißt und die Sprunggelenkgabel wird ge-
sprengt.
Ärztliche/physiotherapeutische Behandlung 5 Bei Pronations-/Abduktions-Frakturen bricht zunächst der
9 Siehe verletzungsbezogene Behandlungen in den einzelnen Ka- Innenknöchel, der laterale Talusrand drückt gegen den Au-
piteln ßenknöchel. Bei Gewaltfortsetzung reißen die Syndesmo-
10 Zur Diagnostik der komplexen Sprunggelenkverletzungen senbänder, und letztendlich entsteht eine Fibulafraktur mit
werden Röntgenbilder des oberen Sprunggelenks in zwei Ebe- Biegungskeil und Luxation des Talus (. Abb. 18.8). Der Ta-
nen angefertigt. Die a.-p.-Aufnahme wird bei 20° Innenrotation lus kann sich um seine Längsachse drehen, nach lateral
11 des Unterschenkels angefertigt (»Mortise-view-Aufnahme«). oder medial verschieben, sich um seine Vertikalachse be-
Bei Verdacht auf eine Maisonneuve-Fraktur muss der ganze Un- wegen und dabei ein hinteres Volkmann-Dreieck an der
12 terschenkel geröntgt werden. Tibiakante abmeißeln. Syndesmosenzerreißungen können
rein ligamentär oder mit Aussprengung eines Knochen-
fragmentes aus der Tibia erfolgen (»tubercule de Chaput«).
13 18.1 Frakturen, Luxationen und 5 Eine weitere Variante entsteht z.B. über die Dehnung des
Luxationsfrakturen medialen Kollateralbandes als Abriss des Innenknöchels
14 oder bei intakter Syndesmose als bimalleoläre Fraktur.
Charakteristische Symptome/Leitsymptome 5 Bei den Adduktionsfrakturen dreht sich der Talus um die
vertikale Achse, die mediale Kante drückt gegen den In-
15 5 Schwellung, nenknöchel, und der Außenknöchel bricht durch die Ver-
5 Druckschmerz exakt über den Malleolen, kantung.
5 schmerzhafte Bewegungseinschränkung, Belastung nicht
16 möglich, Ärztliche Behandlung
5 Fehlstellung bei Luxation, Diagnostik
17 5 Druckschmerz am Fibulaköpfchen bei Maisonneuve-Frak- Ein Anhaltspunkt für die Beurteilung einer Syndesmosenspren-
tur, gung kann das Verhältnis zwischen horizontalem und verti-
5 großer Weichteilschaden bei Pilon-tibial-Fraktur. kalem Gelenkspalt des oberen Sprunggelenks sein. Im Norm-
18 fall ist der senkrechte Spalt zwischen medialer Fibulakante
und lateraler Tibiakante (»ligne claire«) schmaler als der ho-
19 Behandlungsrichtlinien und therapeutische rizontale. Das Verhältnis beträgt 3:5. Ist das Verhältnis umge-
Maßnahmen kehrt oder gleich groß, handelt es sich um eine Syndesmosen-
instabilität.
20 Sprunggelenkverletzungen laufen in mehreren Stadien ab: Nach Kapandji (1985) überlappt die Fibula die laterale vor-
5 Bei den Supinations-/Adduktions-Frakturen beginnt die Ge- dere Kante der Tibia um ca. 8 mm. Ist der Abstand größer, gibt
21 walteinwirkung am lateralen Malleolus mit einer Außen- dies ebenfalls einen Hinweis auf eine Syndesmosensprengung
18.1 Frakturen, Luxationen und Luxationsfrakturen
359 18

Talus-
kippung Talus-
vorschub

fibulo-
talare
Distanz
. Abb. 18.10. Lagerungsschiene

. Abb. 18.9. Röntgenzeichen bei fibulotalarer Bandruptur

(7 Abschn. »Befunderhebung«, Röntgenbefund). Von großer Kombinationsverletzungen von Frakturen mit Zerreißung
Relevanz ist ein kleinerer talokruraler Winkel bei verkürzter Fi- der Syndesmose und des Delta-Bandes sowie der lateralen Kol-
bula. lateralbänder zwingen zu einer Osteosynthese mit Bandnähten.
Besteht kein Anhaltspunkt für eine Fraktur, wird zur Dia- Die Versorgung soll innerhalb der ersten 6 Stunden nach dem
gnostik einer Bandruptur eine gehaltene Röntgenaufnahme in Trauma erfolgen. Ausnahmen sind infizierte, sehr geschwollene
20° Innenrotation des Unterschenkels, 15° Plantarflexion und Weichteile, wenn der Patient nach dem Trauma noch weiterhin
tolerierbarer Supination des Fußes gemacht. Besteht starke belastet hat. Dann müssen die Resorption der Schwellung und
Schwellung oder Schmerzhaftigkeit, kann die gehaltene Auf- die Wundheilung abgewartet werden. Die Osteosynthese kann
nahme nicht durchgeführt werden. meist nach 5–7 Tagen erfolgen (. Abb. 21.10).
Eine laterale Aufklappbarkeit und ein Talusvorschub wer- Operativ muss auf eine exakte Reposition der Gelenkflä-
den bei positivem Befund deutlich sichtbar (. Abb. 18.9). Die chen, Rotationsstellung und Länge der Fibula geachtet werden.
Patienten geben ein unangenehmes Instabilitätsgefühl und Be- Zur Stabilisierung kommen interfragmentäre Zugschrauben,
lastungsschmerzen an. Zuggurtungen, Drittelrohrplatten, dynamische Kompressions-
Durch eine Talusluxation nach lateral können tangentiale platten, temporäre Stellschrauben, Spongiosazugschrauben in-
oder osteochondrale Flakes (Absprengungen) am Talus absche- frage.
ren. Zur exakten Abklärung werden Computertomographien Postoperativ wird das Bein hochgelagert und in einem ge-
oder ein MRT durchgeführt. spaltenen Unterschenkelgips oder Gipsschale 8–10 Tage ruhig-
Arthroskopische Untersuchungen sind sinnvoll, wenn ein gestellt (Weigel 2005). Nach Entfernung der Redon-Draina-
operatives Vorgehen nach chronischen Verletzungen geplant gen darf der Gips bei der Physiotherapie abgenommen werden
ist. (. Abb. 18.11).
Zur Ruhigstellung der Syndesmose werden für 6 Wochen
Konservatives/operatives Vorgehen Stellschrauben eingebracht. Diese Verankerungen verhindern
Wegen der großen statischen Bedeutung werden heute fast al- die physiologischen Rotations- und Auf-/Abbewegungen der
le Malleolenfrakturen mit und ohne Bandverletzungen opera- Fibula, so dass eine Bewegungslimitierung der Sprunggelenke
tiv versorgt. Zur Anwendung kommen Zugschrauben, Zuggur- erforderlich wird (. Abb. 18.12, 18.13).
tungs- und Plattenosteosynthesen.
Nur die isolierte Weber-A1-Fraktur und die B1-Fraktur ohne Wichtig
Syndesmoseninstabilität können bei guter Stellung konservativ
Für die Bewegungslimitierung der Sprunggelenke muss die
behandelt werden. Ebenso wird bei Kindern vorzugsweise eine
Dorsalextension in Nullstellung des oberen Sprunggelenks
konservative Behandlung durchgeführt.
(Rechtwinkelstellung) begrenzt werden, da sonst Gegen-
Die Ruhigstellung erfolgt entweder mit einer Gipslagerungs-
kräfte auftreten. Dynamische Pro- und Supinationsbewe-
schiene (. Abb. 18.10) Lightcast (Kunststoffgips) oder neuer-
gungen sind ebenso kontraindiziert wie belastetes Gehen.
dings auch mit einer Sprunggelenkorthese/Vacoped-Schiene
(Richter et al. 1999) (. Abb. 5.4). Die Gipsschiene wird nach ei-
nigen Tagen, nach Abschwellen des Fußes geschlossen. In der Trümmerfrakturen, offene und infizierte Frakturen werden mit
Regel werden die Sprunggelenke für 6 Wochen ruhiggestellt. einem Minifixateur externe behandelt. Diese Versorgung gilt
360 Kapitel 18 · Frakturen und Luxationen im Bereich der Sprunggelenke, Band- und Achillessehnenverletzungen

. Abb. 18.11a,b. Klinischer post-


1 operativer Befund a von medial,
b von lateral

2
3
4
5 Bei konservativer Behandlung sollen die Patienten für 6 Wo-
chen mit Gips, Lightcast, Vacoped-Schiene (. Abb. 5.4) oder
Spezialschuh (Variostabil) nach Biewener (2002) mit 15–20 kg
6 teilbelasten.
Bei Sprunggelenkfrakturen ohne Bandverletzungen mit sta-
7 biler Osteosynthese benötigen die Patienten keinen Gips, es sei
denn, sie sind nicht kooperativ oder in einem schlechten Allge-
meinzustand. Dann erhalten sie für 4 Wochen einen Liegegips/
8 Lightcast und für weitere 2–4 Wochen einen Gehgips.
Im Normalfall können Patienten von der 1. – 6. Woche mit
15–20 kg teilbelasten, ab der 7. Woche soll entsprechend der
9 Funktion die Belastung stufenweise bis zur Vollbelastung ge-
steigert werden.
10 . Abb. 18.12. Führungskontakt zur Aktivierung der Dorsalextensoren
Bei Sprunggelenkfrakturen mit Knorpelknochenverletzung
und stabiler Osteosynthese erhalten die Patienten im Normfall
keinen Gips. Bis zur 6. Woche sollen sie entlasten, anschließend
11 mit 20 kg Teilbelastung beginnen und wöchentlich sehr langsam
entsprechend der Funktionsverbesserung steigern. Nicht koope-
12 rative Patienten sollen für 6 Wochen einen Liegegips erhalten.
Die Vollbelastung soll i.d.R. erst nach 12 Wochen erfolgen.
Sprunggelenkfrakturen mit Syndesmosennaht und Stell-
13 schraube wie auch Pilon-tibial-Frakturen werden in gleicher Wei-
se behandelt, wenn die Osteosynthese stabil ist. Die Teilbela-
14 stung beginnt nach der 6. Woche; im erstgenannten Fall nach
Entfernung der Stellschraube.

15 Wichtig

Bei nicht stabilen Osteosynthesen nach Sprunggelenkfrak-


16 turen/Kapselbandverletzungen erhalten die Patienten für
6 Wochen einen Liegegips oder eine Orthese. Die anschlie-
17 . Abb. 18.13. Führungskontakt zur Spannung der Plantarflexoren
ßende Teilbelastung erfolgt stufenweise nach Funktions-
befund. Eine individuelle Belastungseinstellung wird vom
Operateur vorgegeben.
18 als bewegungsstabile Osteosynthese. Ein Osteosynthesewechsel
soll zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen werden. In seltenen Fällen, z.B. bei beidseitigen Verletzungen muss
19 ein Allgöwer-Gehapparat für ein stabiles Bein sorgen. Bei die-
Belastungsstabilität ser Versorgung wird die Belastung vom Schienenbügel, der auf
Die Entlastungszeiten und die vorgegebenen Bewegungsbe- dem Boden aufsetzt, auf den proximalen ventralen Tibiabe-
20 grenzungen richten sich bei Sprunggelenkfrakturen nach den reich gelenkt, so dass Unterschenkel und Fuß entlastet sind. Am
Band- und Knorpelverletzungen. gesunden Bein muss eine Schuherhöhung für den Höhenaus-
21 gleich sorgen (. Abb. 17.4).
18.1 Frakturen, Luxationen und Luxationsfrakturen
361 18

Sonderform: Pilon-tibial-Fraktur Befunderhebung nach Sprunggelenkfraktur


Die Pilon-tibial-Fraktur ist eine Sonderform, die im Gegensatz zu mit bewegungsstabiler Versorgung
den Malleolenfrakturen durch eine axiale Stauchung entsteht.
Dabei wird der Talus in die Tibiagelenkfläche hineingedrückt;
Beurteilen 5 Hautdurchblutung.
es kommt zu einer Trümmerfraktur und zusätzlich zu Malleo-
5 Spannung der Haut.
lenfrakturen. 5 Schwellung.
Zur Sicherung der Diagnostik soll neben den üblichen Rönt- 5 Operationsnarbe, Wundheilung,
genaufnahmen ein CT angefertigt und die Durchgängigkeit der Verklebung.
Aa. tibialis posterior und dorsalis pedis sonografisch oder angio- 5 Muskelrelief und Achsenstellung des
grafisch überprüft werden. Gelenks in Ruhe.
Nach Zwick (1994) ist die Operationsplanung abhängig von 5 Atrophien.
den Hauptfragmenten. Die Stabilisation der Pilon-tibial-Fraktur 5 Verklebungen im Bereich der Achilles-
erfolgt in mehreren Schritten: Zunächst wird die Länge der Fi- sehne.
Röntgenbild:
bula wiederhergestellt und die Tibia mit einem tibiotalaren Fi-
5 Verhältnis medialer/horizontaler Gelenk-
xateur externe bis zum Fuß fixiert. In einem 2. Schritt erfolgt die
spalt.
Rekonstruktion der Tibiagelenkfläche und erst im 3. Schritt, ca. 5 Gelenkspaltbreite < 5mm.
10–20 Tage nach dem Unfall, wird eine endgültige Osteosyn- 5 Taluskippung < 1,5°.
these mit einer Rekonstruktions- oder dynamischen Kompres- 5 Talus-Tibia-Winkel > 75–87° (Tibialängs-
sionsplatte (LCDCP) durchgeführt (Weigel, Nerlich 2005). achse zur Tangente der beiden Malleolen-
Aufgrund der ausgedehnten Weichteilschädigung muss häu- spitzen).
fig mit dem Fixateur externe ausbehandelt werden, d.h., er wird 5 Fibulastellung zur Tibia.
bis zur Konsolidierung der Fraktur belassen. In den letzten Jah- 5 Fragmentdislokation, Lokalisation der
ren werden gerade wegen der ungünstigen Weichteilschädi- Fraktur (Weber A, B, C, Pilon tibial etc.),
Tibiagelenkflächeneinbruch.
gungen und hohen Infektrate minimal invasive Verfahren mit
5 Art und Festigkeit der Osteosynthese.
einer »limitiert internen Fixation« mittels Schrauben empfoh-
5 Konsolidierung und Knochenzeichnung.
len. Ein nicht Gelenk übergreifender Fixateur (Ilizarow oder
Hybridfixateur) sorgt bis zur Ausheilung für Stabilität (McDo- Messen 5 Aktiver Bewegungsausschlag im oberen
nald et al. 1996). und unteren Sprunggelenk im Seitenver-
Die physiotherapeutische Behandlung soll in der Prolifera- gleich.
tionsphase assistive/aktive und passive Bewegungen zur Unter- 5 Umfang des Unterschenkels an der
dünnsten Stelle, an den Malleolen und am
stützung des Heilungsprozesses beinhalten.
Mittelfuß.
Der Einsatz der korrekt und schmerzfrei eingestellten CPM-
Schiene (. Abb. 17.6) kann die Trophik des Gelenks verbes- Prüfen 5 Muskeltest: Dorsalextensoren und Plantar-
sern. flexoren auf Teststufe 2.
Nach abgeschlossener Wundheilung darf der Patient für 6– 5 Qualität des Bewegungsstopps.
8 Wochen mit 15 kg teilbelasten. Je nach Schwere der Verletzung, 5 Sensibilität.
entsprechender Konsolidierung im Röntgenbild und Funktion 5 Pulse.
5 Lokale Temperatur.
darf nach 12–16 Wochen die Vollbelastung erarbeitet werden.
5 Evt. Ratschow-Test.
5 Ganganalyse (7 Kap. 2).
5 Stabilität/Instabilität bei Minimalbelastung
Komplikationen oder erlaubter Teil-/Vollbelastung.
5 Gebrauch von Hilfsmitteln.
5 Weichteilschädigung mit Infekt- und Hautnekroserisiko,
5 postoperative Nachblutung, Notieren 5 Art und Lokalisation von Schmerzen:
und Wann, wo, wie, wie lange (VAS), besonders
5 bleibende Inkongruenz der Gelenkanteile,
Bewerten auch Aussagen über Belastungsschmerzen
5 Knorpelschaden,
und Beschwerden bei Bewegung und Be-
5 Arthrose, lastung (Instabilitätsgefühl).
5 Instabilität, 5 Selbständigkeit, Aktivitäten.
5 Kontraktur,
5 Thrombose,
5 Infektion,Osteitis,
5 Complex Regional Pain Syndrome (CRPS).
362 Kapitel 18 · Frakturen und Luxationen im Bereich der Sprunggelenke, Band- und Achillessehnenverletzungen

Behandlungsmöglichkeiten 1. Verbesserung der Durchblutung, Abbau des Ödems


1 Die Patienten haben nach Sprunggelenkfrakturen oft ein aus-
Grundsätzliches Vorgehen geprägtes posttraumatisches Ödem, das sich hartnäckig unter-
2 Während der Phase der Bewegungsstabilität darf nur aktiv, vor-
sichtig passiv und gegen Handkontakt bewegt werden. Dem
halb der Malleolen und am Fußrücken festsetzt. Lässt der Pati-
ent den Fuß hängen, verfärbt er sich fleckig blau-rot. Bleibt die-
entspricht das Üben in der geschlossenen Kette auf einer Waage se Symptomatik bestehen, kann daraus ein Complex Regional
3 aus dem hohen Sitz, Halbsitz oder Stand. Der Fuß darf auf der Pain Syndrome (CRPS) entstehen.
Waage nur abgelegt sein (15 kg). Bei erlaubter Belastungsstei- Zur Anwendung kommen Spannen gegen Führungskon-
gerung nach 6 Wochen kann zunehmend angepasster Wider- takt im Sekundenrhythmus und aktive Umkehrbewegungen aus
4 stand gegeben werden, wenn die Muskeltestwerte über 3 liegen. der Hochlagerung (Dorsalextension/Plantarflexion 0–0–frei).
Gleiches gilt für die Dosierung von Stabilisierungs- und Mobi- In der Entzündungsphase wird kurzzeitig gekühlt; später ist die
5 lisationstechniken. Manuelle Lymphdrainage effektiv.
Im Verletzungsbereich dürfen entstauende Massagegriffe
Wichtig und die Manuelle Lymphdrainage erst nach Abschluss der
6 Wundheilung durchgeführt werden.
Bei eingebrachter Stellschraube sind Nullstellung des oberen
Der Fuß soll anfangs dauerhaft hochgelegt werden. Das
Sprunggelenks (Dorsalextension/Plantarflexion) und absolute
7 Pro-/Supinationsnullstellung bei allen dynamischen und sta-
Tragen von Antiemboliestrümpfen oder elastischen Verbänden
zum Aufstehen ist zwingend.
tischen Übungsformen für das obere Sprunggelenk in offener
Die Patienten müssen angeleitet werden, alle Maßnahmen
8 und geschlossener Kette unbedingt einzuhalten.
als Hausaufgabenprogramm selbständig weiterzuführen.
Schwillt der Fuß während der nächsten Wochen noch an,
Die Muskelkraft kann nur verbessert werden, wenn die Bewe- soll der Patient öfter kürzere Strecken gehen, den Fuß bandagie-
9 gungen schmerzfrei und die Strukturen fest sind, und wenn die ren, das Bein zwischendurch hochlagern und Zehen und Fuß
Stärke des Widerstandes der Tragfähigkeit angepasst ist. bewegen. Sind alle Wunden geschlossen, kann ein Quark- oder
10 Pro- und Supinationsbewegungen gegen Widerstand oder Arnikaumschlag die Schwellung erfolgreich reduzieren.
als endgradige Bewegung dürfen erst ausgeführt werden, wenn
die Fraktur nahezu konsolidiert ist, und wenn die Stellschraube 2. Lagerungskontrolle
11 nach 6 Wochen entfernt wurde. In der postoperativen Phase erhalten die Patienten für eini-
Bei sehr sportlichen und kooperativen Patienten mit kombi- ge Tage eine offene Gipsschale, aus der heraus sie üben dürfen
12 nierten Band- und Malleolenverletzungen können die Gipszeiten (. Abb. 18.10).
durch das Tragen eines Adimed-Spezialschuhs oder anderer Soweit kein Polytrauma besteht, können die Patienten ent-
Sprunggelenkorthesen (z.B. Vacoped-Schiene) verkürzt wer- lastet oder mit Minimalbelastung aufstehen. Diese frühfunktio-
13 den. Es darf jedoch keine Stellschraube eingebracht sein. nelle Behandlung erlaubt ein gutes Kreislauftraining.
Die Steigerung der Belastung richtet sich nach der Festigkeit Erforderlich ist eine mäßige Hochlagerung, z.B. auf einer
14 der Fraktur und der Bänder sowie nach dem sensomotorischen Krapp-Schiene oder einer U-Schiene, wenn das Bettende hoch-
Muskelbefund, ganz besonders nach der Reaktionsbereitschaft gestellt ist. Moderne Klinikbetten mit verstellbaren Bettenden
des M. gastrocnemius, M. tibialis anterior, der Mm. peronei erfüllen diese Aufgabe problemlos. Patienten und Pflegeperso-
15 und der schmerzfreien Beweglichkeit der Sprunggelenke. nal müssen evt. häufiger darauf hingewiesen werden, dass das
In . Übersicht 18.1 sind die Inhalte der physiotherapeu- Sprunggelenk nicht in Spitzfußstellung, sondern in Nullstellung
tischen Behandlung nach Sprunggelenkfrakturen zusammen- liegen muss. Darüber hinaus sollte die Ferse frei liegen und die
16 gefasst. Schwerpunkte der postoperativen Physiotherapie sind Kniekehle geringfügig unterlagert sein.
die Punkte 1, 3, 4, 5 und 7. Zur Behandlung wird das Kniegelenk leicht gebeugt, der
17 Unterschenkel höher und die Ferse frei gelagert, so dass die
Spannung des M. gastrocnemius herabgesetzt wird. Später soll
. Übersicht 18.1. Gesichtspunkte der Behandlung das Kniegelenk gerade aufliegen.
18 1. Durchblutungsverbesserung/Abbau des Ödems.
2. Lagerungskontrolle. 3. Mobilisation des oberen Sprunggelenks
19 3.
4.
Mobilisation des oberen Sprunggelenks.
Muskelaufbau der Fußheber.
Bei der Schwere der Verletzung muss, besonders nach Luxa-
tionsfrakturen, mit erheblichen Schäden an allen Strukturen ge-
5. Muskelaufbau des M. triceps surae. rechnet werden. Die daraus entstehenden arthrogenen Kontrak-
20 6. Erhalten der Muskelfunktion der gesunden Extremitäten. turen sind langwierig.
7. Vorüben und Schulen von Aktivitäten, Gehschulung. Die Mobilisation des Sprunggelenks ist ein wichtiger Be-
21 handlungspunkt in der 2. Behandlungsphase. Kann gipsfrei be-
18.1 Frakturen, Luxationen und Luxationsfrakturen
363 18

handelt werden, soll frühestmöglich, aber auch so subtil wie Rotationswiderstände sind nur bei enger Indikationsstel-
möglich aktiv mobilisiert werden. lung in der späten Konsolidierungsphase durchzuführen.
Techniken aus dem PNF-Programm, z.B. die »Chirurgische Verstärkung kann über die M.-quadriceps-Spannung aufge-
Technik«, aktive »Dynamische Umkehr« im vorgegebenen Be- baut werden.
wegungsausmaß und »Stabilisierende Umkehr« gegen Füh- PNF-Techniken, z.B. »Betonte Bewegungsfolge« mit aktiven
rungskontakt können eingesetzt werden. Dabei wird die Tech- Umkehrbewegungen in den Sprunggelenken, sind geeignete
nik entsprechend der vorgegebenen Bewegungsbegrenzung oh- Übungsformen, wenn die Haltewiderstände oberhalb der Frak-
ne dynamische Pro-/Supination ausgeführt. Von besonderer Be- tur angesetzt werden. Bei passiver Fixation der Fraktur über
deutung ist die hohlraumfreie Lagerung des Unterschenkels den Malleolen können die in 7 Kap. 17 beschriebenen Übungen
(Achillessehne unterlagert!) und der weiche, dennoch sichere Fi- durchgeführt werden.
xationsgriff dicht über dem Sprunggelenk. Die Führung geben- Ist eine gute Grundstabilität vorhanden, können die Fußhe-
den Hände sollen am Fußdorsum dicht über dem Talus (Dorsa- ber exzentrisch dynamisch und auch im geschlossenen System
lextension) und an der Ferse (Plantarflexion) liegen. Gegen die durch Veränderung der Unterschenkel-Fuß-Achse auf Waagen
Wand oder mithilfe eines an der Wand angelehnten Sportkrei- statisch/dynamisch geübt werden. Anfangs sollte das Gelenk
sels ist die Mobilisation in Hochhalte zur Resorptionsförderung noch bandagiert werden.
und Heilungsunterstützung möglich (. Abb. 17.7, 17.8). Eine Ausnahme bilden die Frakturen, die mit einer Stell-
Ist die Operationsnarbe abgeheilt, kann mit einer behut- schraube versorgt wurden. Für die Patienten gilt die vorab be-
samen Narbenbehandlung begonnen werden. schriebene Bewegungsbegrenzung 0–0-freie Plantarflexion
Nach entsprechender Gipsbehandlung und bestehender Be- und keine dynamische Pro-/Supination bis zur Stellschrauben-
lastungsstabilität für alle Sprunggelenkstrukturen müssen Tech- entfernung.
niken der Manuellen Therapie mit Traktion und Talusgleiten
eingesetzt werden. 5. Muskelaufbau des M. triceps surae
In der Konsolidierungsphase (nach 6 Wochen, bei Pilon-ti- Das Training dieser für das Gehen so wichtigen Muskeln wird
bial-Frakturen nach 8 Wochen) kann bei passiver Fixation kann entsprechend den Vorschlägen durchgeführt, die in 7 Kap. 15
mittels PNF-Technik »Dynamische Umkehr – Halten – Ent- und 17 beschrieben wurden.
spannen und aktivem/passivem Weiterziehen« mobilisiert wer- Grundsätzlich gilt, dass die Kniebeugung in allen Variati-
den. onen gegen manuellen oder gegen Gerätewiderstand intensiv
Bewegungsrichtungen sind Dorsalextension und Dorsal- geübt werden soll. Die dynamischen Sprunggelenkbewegungen
extension mit Pro- und Supination. Der Effekt ist am größten, müssen aktiv ohne Widerstand bis zur 7. postoperativen Woche
wenn unter Traktion mobilisiert wird, anfangs bei entspanntem ausgeführt werden.
M. gastrocnemius, später in gedehntem Zustand (7 Punkt 2, La- Die isolierte Plantarflexion wird durch Kontakt (Zug) an
gerung). der Ferse geübt (. Abb. 18.13). Wie bereits erwähnt, dürfen
Bei deutlicher Spannungserhöhung des M. trizeps surae Pro- und Supiation nur in der Nullstellung isometrisch gefor-
wird in Rückenlage des Patienten eine warme Kompresse unter dert werden. Dabei ist eine exakte manuelle Fixation erforder-
den Muskel gelegt. lich (. Abb. 18.14).
Das Vertauschen von Punktum fixum und mobile ist eine gute In der Proliferationsphase werden Verstärkungstechniken,
Mobilisationstechnik. Fixiert der Physiotherapeut die Ferse in z.B. mittels statischer Spannung im PNF-Muster »Flexion/Ad-
Dorsalextensionsstellung des oberen Sprunggelenks, kann der duktion/Außenrotation zum gebeugten Knie« und »Aktiver
M. gastrocnemius durch eine statische Anspannung der Knie- Umkehr« für das Sprunggelenk durchgeführt (. Abb. 18.15).
beuger noch weiter gedehnt werden (. Abb. 18.17). Durch die Haltearbeit der Kniegelenkflexoren (Mm. ischiocru-
rales) und die geführte Plantarflexion wird der M. gastrocnemi-
4. Muskelaufbau der Fußheber us fazilitiert (. Abb. 18.16).
Nach jeder Mobilisationstechnik muss eine Aktivierung der Fuß- Es ist sinnvoll, die Dehnbarkeit des M. gastrocnemius durch
heber erfolgen. das Vertauschen von Punktum fixum (hier der Fuß) und Punk-
Die PNF-Techniken »Bewegen – Halten« aktiv gegen Kon- tum mobile (Knieflexion) zu verbessern (. Abb. 18.17).
takt/später Widerstand für die Dorsalextensoren sowie »End- Bei Übungen am Zuggerät müssen die Schlaufen dorsal
stellung – Halten« können schon frühzeitig eingesetzt werden oberhalb des Sprunggelenks liegen. Mit Theraband und Zugge-
(. Abb. 18.12). rät sind vielzählige statische und dynamische Bewegungsfolgen
Soll die Spannung auf den M. tibialis anterior und nicht auf möglich.
die Zehenextensoren gelenkt werden, müssen die Zehen in Beu- Das dynamische Beinachsentraining kann als Hausaufga-
gestellung gehalten werden. Diese Bewegung fällt vielen Pati- benprogramm im Türrahmen (Göhler 2007) eingeübt werden
enten schwer, sollte aber unbedingt ansatzweise versucht wer- (. Abb. 5.11–15.14).
den, damit der Fuß nicht »aufgewalzt« wird.
364 Kapitel 18 · Frakturen und Luxationen im Bereich der Sprunggelenke, Band- und Achillessehnenverletzungen

. Abb. 18.14a,b. Spannen in a Pro-


1 und b Supination

2
3
4
a
5
6
7
8
9
10
11
. Abb. 18.17. Vertauschen von Punktum fixum und Punktum mobile:
12 Geringe dynamische Kniebeugung

13
. Abb. 18.15. Flexion/Adduktion/Außenrotation zum gebeugten Knie.
6. Erhalten der Funktion der gesunden Extremitäten
Aktive dynamische Umkehr für das OSG
14 Widerstandsübungen für die Arme und das gesunde Bein kön-
nen jüngeren Patienten als Hausaufgabe überlassen werden. Ein-
geübt werden:
15 5 Stütz- und Stemmmuster gegen Züge oder Therabänder,
5 Übungen im Türrahmen,
5 Bridging,
16 5 Einbeinstand des gesunden Beins,
5 Federn und Abstoßen mit Gehhilfen.
17
Bei älteren Patienten oder Mehrfachverletzten sollen die
Übungen deren Problemstellungen angepasst, niedriger dosiert
18 und mit dem Physiotherapeuten eingeübt werden.
Sollen ältere Patienten in den ersten Wochen ent- oder mi-
19 nimal belasten, ist es wichtig, die Belastungsstufe wiederholt ein-
zuüben. Die Fehlerquellen sind bekanntlich hoch. Die Patienten
ermüden schnell; daher müssen die Pausen verlängert und evt.
20 ein niedrig dosiertes Ausdauertraining absolviert werden. Die
Auswahl geeigneter Gehhilfen sollte selbstverständlich sein.
. Abb. 18.16. Anspannung des M. gastrocnemius im Sitz
21
18.2 Kapsel-Band-Verletzungen des Sprunggelenks
365 18

7. Vorüben und Schulen von Aktivitäten, Gehschulung ben. Anhand wiederholter Spontanbelastungskontrollen kann
Zur Vorübung der Sprunggelenkstabilisierung bei Minimalbe- sich der Physiotherapeut vergewissern, ob der Patient korrekt
lastung eignet sich das Abstützen des Fußes an der Wand, auch belastet.
gegen eine Waage und einen labilen Fußkreisel (. Abb. 17.7, Soll die Vollbelastung geschult werden, kommen Gleichge-
17.8). wichtsübungen auf dem Sportkreisel, Schaukelbrett, Trampolin
Soll das Sprunggelenk nach 6 Wochen mehr als 15 kg belas- oder auf weichen Matten und Ballkissen zur Anwendung. Ge-
ten, wird wahlweise aus dem hohen Sitz, Halbsitz, auf dem Ho- hen mit Tempowechsel und Abbremsen sowie Richtungswech-
cker, Pezziball und im Zwei-/Einbeinstand geübt. Der betrof- sel werden in vielen Variationen geübt. Weitere Übungen sol-
fene len alltags- und sportbezogen ausgewählt werden (7 Kap. 15, 16
Fuß steht auf einer Waage (7 Kap. 16). und 17), z.B. Aufstehen, Hinsetzen, Treppensteigen, auf einer
Stabilisationsübungen für das Sprunggelenk dürfen nun oh- Rampe gehen etc.
ne Begrenzung ausgeführt werden. Die verordnete Teilbela- In den meisten Rehabilitationseinrichtungen kann ein
stung muss jedoch eingehalten werden. Laufbecken für das Gehen im Wasser oder ein »Gehgarten« ge-
Gesteigert wird die Stabilisation durch Veränderung der nutzt werden.
Sprunggelenkstellungen über verschiedene Beugewinkel des Alle Ballsportarten, Skifahren oder Skilanglauf sollten für
Kniegelenks (7 Kap. 17, 16 und 15). mindestens ein Jahr ausgesetzt werden. Über den Beginn ent-
Die in der Mittelstandphase beanspruchten Muskeln kön- scheidet der Operateur. Das Osteosynthesematerial wird i.d.R.
nen, wie in 7 Kap. 17, beschrieben, in PNF-Gehmustern auch nach 1–2 Jahren entfernt.
im freien System geübt werden (7 Kap. 22). Der angepasste Wi-
derstand wird plantar/lateral am Fuß angelegt. Der Physiothe-
rapeut kann am unteren Bettende stehen, von wo aus er wesent- 18.2 Kapsel-Band-Verletzungen des
lich geschickter greifen kann. »Bewegen – Halten« und »Be- Sprunggelenks
tonte Bewegungsfolge« sind geeignete Techniken. Sie sind auch
als Umkehrbewegungen sinnvoll einzusetzen. Beim Üben in Ursachen
der geschlossenen Kette können Therabänder und Züge benutzt
werden (. Abb. 19.11). Siehe Verletzungsmechanismen der Luxationsfraktur.
Für das eigenständige Üben eignen sich die Übungen im 5 Umknicken führt über einen forcierten Supinations-/Ad-
Türrahmen (Göhler 2007) in vielen Variationen (. Abb. 15.11– duktionsmechanismus zur Verletzung der Ligg. tibiofibu-
15.14). lare anterius und interosseum und der Ligg. fibulotalare
Die von Larsen (2007) angegebenen Übungen und Mobili- anterius/posterius und fibulocalcaneare.
sationen der sog. »Spiraldynamik« des Fußes eignen sich eben-
falls sehr gut zur Schulung der korrekten Fußstellung für das Ein isolierter Riss des Deltabandes durch einen Pronationsme-
physiologische Stehen und Gehen. Sie sind einfach zu erlernen chanismus kommt seltener vor. Klinisch werden distale Syndes-
und selbständig auszuführen (. Abb. 19.9–19.11). mosenrupturen und fibulare Bandrupturen unterschieden.
Vor der Gehschulung wird zunächst die erlaubte Belastung
im Stand auf Waagen erspürt und kontrolliert, dann werden
Einzelschritte über die im Boden oder einem großen Brett ein- Charakteristische Symptome/Leitsymptome
gelassenen Waagen ausgeführt.
Bevor der Patient eine Wegstrecke geht, erfolgen Stabilisa- Bei distaler Syndesmosenruptur:
tionsübungen in Schritt- und leichter Grätschstellung bei exakt 5 Schmerzen über dem anterolateralen Aspekt des oberen
eingehaltener Belastung auf der Waage. Der Patient muss wie- Sprunggelenks auf Druck und verstärkte Dorsalextension,
derholt die Belastung auf der Waage messen und kontrollieren. 5 subjektives Instabilitätsgefühl,
Ebenso soll er Beinachsenstellung und Rumpfhaltung wieder- 5 eingeschränkte Dorsalextension.
holt vor dem Spiegel überprüfen.
In Einzelschritten werden Fersenablösung und -aufsetzen Bei frischen fibularen Bandrupturen:
nach der Schwungphase sowie die Gewichtübernahme auf den 5 perimalleoläres Hämatom,
Fuß gezielt eingeübt. Falls der Patient mit den Unterarmstüt- 5 Druckschmerz unterhalb der Außenknöchelspitze,
zen nicht gut zurechtkommt, kann er diese Sequenzen sicher im 5 Patienten beschreiben ein »Vertreten des Fußes« und einen
Gehbarren üben. hörbaren »Klick« (Weigel, Nerlich 2005),
Der Bewegungsablauf »Fuß – Kniegelenk – Hüftgelenk – 5 Belastungsunfähigkeit,
Becken – Rumpf – Kopfhaltung« und der Einsatz der Gehhilfen 5 Supinationsstress ist schmerzhaft, v.a. einige Tage nach
müssen als Ganzes beobachtet und korrigiert werden. Die Pa- dem Trauma.
tienten werden angewiesen, zuhause entsprechend weiterzuü-
366 Kapitel 18 · Frakturen und Luxationen im Bereich der Sprunggelenke, Band- und Achillessehnenverletzungen

Behandlungsrichtlinien und therapeutische Die Beschwerden nach einem akuten Trauma können unange-
1 Maßnahmen nehm sein. Ein ausgeprägtes Hämatom und Ödem bilden sich
aus. Schmerzen bestehen auf Druck, bei aktiven und passiven
2 Die Kollateralbandverletzungen zählen zu den häufigsten Ver-
letzungen überhaupt. Reißen alle drei lateralen Bänder, kommt
Bewegungen, bei Dehnung und Belastung der Bänder.

es zu einer ausgeprägten Instabilität und einer Talusluxation. Wichtig


3 Analog zum Kniegelenk wird nach Zwipp (1986) die Instabilität
Bei chronischer Instabilität der Sprunggelenke fehlen Häma-
als »anterolaterale Rotationsinstabilität« bezeichnet. Distale Syn-
tom und Druckschmerz.
desmosenzerreißungen werden hingegen oft übersehen.
4 Bei den lateralen Kollateralbandverletzungen unterscheidet
man Teileinrisse/Distorsionen und vollständige Kapsel-Band-
5 Risse; sie werden auch als »ligamentäre Frakturen« bezeich- Konservatives/operatives Vorgehen
net. Bei Teilrupturen kann es zu einer Subluxation des Sprung- Isolierte Rupturen des Lig. tibiofibulare anterius werden konser-
gelenks kommen, bei vollständigem Riss zu einer Luxation vativ behandelt. Das Sprunggelenk wird 5 Wochen in einer Or-
6 (. Abb. 18.2). these ruhiggestellt (Zwipp 1994, 2002).
Bei einer erweiterten Ruptur erfolgt eine operative Stabilisie-
7 Ärztliche Behandlung rung mit einer oder besser zwei Stellschrauben. Anschließend
Eine sorgfältige Diagnostik ist erforderlich, um eine komplette wird ein Gehgips für 8 Wochen bis zur Entfernung der tibiofib-
Bandruptur oder distale Syndesmosenruptur nicht zu überse- ularen Stellschraube angelegt.
8 hen. Das Bein darf mit 20 kg belastet werden.
Die klinische Diagnose einer Syndesmosenruptur kann Laterale Bandinstabilitäten werden heute zunehmend kon-
durch eine »Mortise-view«-Röntgenaufnahme (s.o.), einen Be- servativ-funktionell behandelt. Bis zur Resorption des Häma-
9 wegungstest unter dem Bildwandler oder einen Stresstest im toms/Ödems wird ein Unterschenkelspaltgips angelegt. Danach
TELOS-Halteapparat gesichert werden. Eine Talusverschiebung erhält der Patient eine MHH-Caligamed-Orthese, die dauernd
10 nach lateral und eine deutliche Gabelerweiterung sprechen für getragen werden muss.
eine Syndesmosenruptur. Innerhalb der ersten 48 Stunden nach Die Belastung darf uneingeschränkt erfolgen, wenn keine
dem Trauma kann auch eine Arthrografie den Beweis für ei- Schmerzen oder Funktionsstörungen auftreten.
11 ne Syndesmosenverletzung liefern. Fraktur, Flake-Fraktur oder Bei einer »Luxatio pedis supinatoria« ist ein operatives Vor-
Osteochondrose sollten über ein Röntgenbild ausgeschlossen gehen indiziert. Zur Anwendung kommen Bandnähte und
12 werden. transossäre Fixationen. Häufig wird die Operation erst eini-
Die fibulare Bandruptur wird in einer gehaltenen Aufnahme ge Tage nach dem Unfall durchgeführt, wenn die Schwellung
in Leitungsanästhesie in einem TELOS-Gerät bewertet. Gemes- durch Hochlagerung und Kühlung zurückgegangen ist. Wie bei
13 sen werden Talusvorschub und Taluskippung (Zwipp 1994). der konservativen Versorgung schließt sich für 5 Wochen eine
Das Verletzungsausmaß einer Bandruptur wird in drei Gra- Orthesenbehandlung an.
14 de eingeteilt. Das klinische Ausmaß wird in Grad 1 + etc., das
Wichtig
röntgenologische Ergebnis in Grad- und mm-Abweichungen
angegeben.
15 Als Folgeschaden einer nicht ausgeheilten Bandläsion kann
eine chronische Instabilität mit nachfolgender Arthrose
Grad 1 + Taluskippung von 5–9°, Talusvorschub von 5–7 mm
entstehen.
16 Grad 2 + Taluskippung von 10–15°, Talusvorschub von 8–10 mm

Grad 3 + Taluskippung von 16–30°, Talusvorschub > 10 mm Mediale Bandinstabilitäten sind äußerst selten; sie werden ana-
17 log zu lateralen Bandverletzungen behandelt.

Zusätzlich werden sonografische Messungen zur Ermittlung


18 eines Talusvorschubs durchgeführt. Komplikationen

19 Wichtig 5 Wundheilungsstörungen,
5 Neuropathien im N.-suralis-Versorgungsgebiet,
Bei einer Taluskippung > 30° besteht eine »Luxatio pedis
5 tiefe Beinvenenthrombose,
20 supinatoria«.
5 chronische Instabilität, wiederholtes Umknicken,
5 Tendovaginitis,
21 5 Arthrose.
18.3 Achillessehnenruptur
367 18

Behandlungsmöglichkeiten Behandlungsrichtlinien und therapeutische


Maßnahmen
Grundsätzliches Vorgehen
Schwerpunkt der Behandlung ist die Wiederherstellung der Der M. trizeps surae und seine kräftige Achillessehne hebt das
propriozeptiven Fähigkeiten der Sprunggelenke für alle Aktivi- Körpergewicht bei jeder Fersenablösung nach vorne oben. Die
täten. Da die meisten Patienten mit einer Orthese frühfunkti- Achillessehne ist die kräftigste Sehne des menschlichen Körpers
onell behandelt werden, sind Übungsprogramme im geschlos- und hat eine Reißfestigkeit < 400 kp (Weigel, Nerlich 2005). Die
senen System sinnvoll (7 Kap. 5, 16, 17, 7 Abschn. 18.1). kritische Durchblutungszone ungefähr 3–6 cm oberhalb des
In . Übersicht 18.2 sind die Gesichtspunkte der physiothe- Ansatzes stellt eine Schwachstelle dar, an der die Sehne vorzei-
rapeutischen Behandlung nach Kapsel-Band-Verletzungen zu- tig degeneriert.
sammengefasst. Bei indirekter Gewalteinwirkung reißt die Sehne meist im
mittleren Drittel mit einem lauten »Peitschenknall«. Zehen-
stand ist nicht mehr möglich, und die Rupturstelle ist tastbar.
. Übersicht 18.2. Gesichtspunkte der Behandlung Die Schmerzen sind gering.
5 Förderung der Resorption des posttraumatischen
Ödems. Ärztliche Behandlung
5 Stabilierung des Sprunggelenks. Diagnostisch zeigt die Sonographie einen kompletten oder teil-
5 Mobilisation des Sprunggelenks mit aktiven oder pas- weisen Achillessehnenriss.
siven Techniken (Manuelle Therapie). Eine operative Versorgung mit Durchflechtungsnaht ist
5 Gehschulung mit Teil- und Vollbelastung. heute obligatorisch.
Der Zeitpunkt der Naht soll in der ersten posttrauma-
tischen Woche liegen. Zur Anwendung können End- zu End-
naht, Durchflechtungsnaht, Faszienaugmentationsnaht, primä-
re Augmentation mit Kunststoffmaterial und Kollageprothesen
18.3 Achillessehnenruptur kommen (Weigel, Nerlich 2005). In neuster Zeit werden auch
perkutane Nahttechniken empfohlen. Die Nachbehandlung er-
Einteilung folgt mit einer Orthese, z.B. einem ASO-vacoped-achill-Schuh.

5 komplette oder inkomplette Ruptur, Physiotherapeutisches Behandlungskonzept


5 Riss am Übergang zum Muskelgewebe, Das in . Übersicht 18.3 zusammengefasste Schema wird im Kli-
5 Ausriss am Kalkaneus. nikum Großhadern, LMU München, durchgeführt.

Ursachen . Übersicht 18.3. Behandlungskonzept bei


Achillessehnenruptur (Klinikum Großhadern, LMU
5 meist indirekt ausgelöst durch ein Bagatelltrauma, z.B. bei München)
Ballsportarten (Tennis, Volley-, Basketball) bei Freizeit- 5 Thromboseprophylaxe mit Heparin/Clexane bis zum
sportlern, durch Abrutschen am Bürgersteig oder an der Abschluss der Gips- oder Orthesenbehandlung (ca. 9
Treppe; seltener durch direkten Schlag oder Tritt, Wochen).
5 Vorschädigungen (Achillodynie) durch lokale Kortisonga- 1. und 2. Woche
ben oder rheumatische Erkrankungen. 5 Ruhigstellung mit einer ventralen Unterschenkelgips-
schiene 40° Plantarflexion (übergangsweise) oder 25°
Plantarflexion in einer Orthese (ASO); Bestellung einer
Charakteristische Symptome/Leitsymptome Schuherhöhung von 7 cm für den anderen Schuh.
5 Ausstreichen der Wade.
5 Peitschenschlag, 5 Manuelle Lymphdrainage.
5 stechender lokaler Schmerz, 5 Thromboseprophylaxe.
5 Zehenstand nicht möglich, 5 Entlastendes Aufstehen.
5 Widerstand gegen Plantareflexion nicht möglich,
5 sicht- und tastbare Delle der Sehne, 6
5 deutliche Verbreiterung.
368 Kapitel 18 · Frakturen und Luxationen im Bereich der Sprunggelenke, Band- und Achillessehnenverletzungen

Ab der 6. Woche werden folgende Maßnahmen durchge-


1 3. und 4.Woche führt:
5 Ruhigstellung in 0–0–15° Plantarflexion in ASO. 5 Narbenbehandlung mit weicher Querdehnung,
2 5 Gehschulung mit Minimalbelastung plus Schuherhö- 5 aktive Dehntechniken,
hung des anderen Schuhs. 5 Stabilisation in Nullstellung auf der Waage (schmerzfreie,
5 Aktives/passives Bewegen innerhalb der festgelegten kontrollierte Belastung).
3 Bewegungsgrenze.
5 Vorsichtige Narbenbehandlung. In der 9. Woche soll begonnen werden, die Belastung im Zwei-,
Einbein- und Zehenstand zu erarbeiten. Gehschulung und sen-
4 5 Manuelle Lymphdrainage.
somotorisches Training schließen sich an (7 Kap. 5, 16 und 17).
5.–8. Woche
5 Nullstellung in ASO. Es wird empfohlen, ein ca. 1 cm dickes Fersenkissen für
5 5 Erarbeiten der aktiven Sprunggelenknullstellung. 6 Monate in alle Schuhe zu legen, um die Vordehnung des
5 Nach 6 Wochen beginnende Narbenbehandlung (Quer- M. gastrocnemius zu mildern.

6 dehnung der Narbe und Achillessehne).


5 Aktive Mobilisation der Dorsalextension.
5 Beinachsentraining in Nullstellung auf der Waage (Teil- Komplikationen
7 belastung).
5 Aktive Dehntechniken für die Wadenmuskulatur. 5 Reruptur,
5 Verbesserung der Muskelkraft, Propriozeption der Wa- 5 Wundheilungsstörungen,
8 den- und Fußhebermuskulatur. 5 Hautnekrosen,
9. Woche 5 Infektion.
9 5 Beginnendes Abtrainieren der Orthese (Ende der He-
paringabe).
5 Gehschulung, sensomotorisches Training, Erarbeitung Befunderhebung
10 der vollen Belastung.
5 Schulung von Aktivitäten. Siehe Befunderhebung in 7 Abschn. 18.1, auch in 7 Kap. 2 und
5.
11 Für weitere 6 Monate soll ein Fersenkisssen im gewohnten
Schuh getragen werden.

12 Behandlungsmöglichkeiten

In den ersten beiden Wochen darf der Patient nicht belasten, soll Grundsätzliches Vorgehen
13 aber aufstehen. Er soll lernen, seine Wade selbst stündlich aus- In . Übersicht 18.4 sind die Gesichtspunkte der Behandlung
zustreichen. Zusätzlich muss in den ersten beiden Tagen eine nach Achillessehnenruptur zusammengefasst.
14 Ödembehandlung durch mildes Kühlen (Cryo-cuff, Dinkel-
säckchen) erfolgen. Außerdem soll der Patient seine Zehen, die
proximalen Gelenke bewegen. Ärztlicherseits wird die übliche . Übersicht 18.4. Gesichtspunkte der Behandlung
15 medikamentöse Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem 1. Verbesserung der Durchblutung Unterstützung der
Heparin bis zum Abschluss der Schuhbehandlung durchge- Heilung.
führt. 2. Aktivierung der Fußheber.
16 In der 3. und 4. Woche kann die Minimalbelastung beginnen. 3. Kräftigung des M. gastrocnemius.
Zusätzlich werden folgende Maßnahmen durch- bzw. weiterge- 4. Mobilisation der Sprunggelenke.
17 führt: 5. Vorbereiten und Schulen von Aktivitäten, Gehschu-
5 aktives Üben des OSG bis zur Bewegungsbegrenzung oh- lung, Aufbau der Sportfähigkeit.
ne Widerstand,
18 5 Ausstreichen der Wade,
5 vorsichtige Narbenbehandlung nach Fädenentfernung und
19 bei reizloser Narbe. 1. Verbesserung der Durchblutung, Unterstützung der Hei-
lung
In der 5–8. Woche folgt die progressive Erarbeitung der Dorsa- (Maßnahmen, s. auch 7 Kap. 5, 17 und 7 Abschn. 18.1).
20 lextension. Während der Gipsschienen- oder ASO-Behandlung soll der
Patient häufig seine Wade selbst ausstreichen.
21
18.4 Patientenbeispiel
369 18

Unterstützende Maßnahmen sind: Dann erst können sportspezifische Trainingsformen geplant


5 Manuelle Lymphdrainage. und begonnen werden. In der Regel dürfen Patienten nach
5 Aktives/assistives Bewegen. Achillessehnennaht ab der 16. Woche mit einem leichten Lauf-
5 Isometrisches Spannen des M. gastrocnemius im ASO, in training beginnen. Die Entscheidung trifft der Operateur.
vorgegebenem Bewegungsbereich und endgradig im Knie-
gelenk. Wichtig

Bei Beschwerden wie Schmerzen und Verklebungen sollten


2. Aktivieren der Fußheber
die physiotherapeutischen Maßnahmen befundbezogen
Bewegen und Halten in allen Variationen. Gut geeignet sind
geändert werden. Abzuraten ist von Kortisoninjektionen
die PNF-Technik »Betonte Bewegungsfolge« mit wechselnden
– diese führen nachweislich zu einer Strukturauflösung der
Drehpunkten (gegen angepassten Widerstand erst ab 5. Woche)
Sehne.
sowie das Üben über PNF-Verstärkungsmuster.
Gewichtsverlagerungen im Sitz auf dem Ball nach hinten
und vorne in der geschlossenen Kette.

3. Kräftigung des M. gastrocnemius Übungsbeispiele


PNF-Techniken »Bewegen – Halten«, »Betonte Bewegungsfol-
ge«, »Dynamische Umkehr«, »Stabilisierende Umkehr« gegen Siehe 7 Kap. 17, »Unterschenkelfrakturen« und 7 Kap. 19, »Frak-
Widerstand für die Kniebeugung und gegen Kontakt für die turen im Fußbereich«.
Drehpunkte oberes/unteres Sprunggelenk bis etwa 6 Wochen.
Stabilisation der Sprunggelenknullstellungen in der ge-
schlossenen Kette ab 6 Wochen. 18.4 Patientenbeispiel
4. Mobilisation der Sprunggelenke Befundaufnahme
PNF-Techniken »Dynamische Umkehr – Halten – Entspan-
nen«, aktive Dehntechniken, Cyriax-Querdehnungen ab 6./7. Name des Patienten: Frau M., 66 J.
Woche. Befunddatum: 7 Tage postop.
Narbenbehandlung mit Vibratorstab, Minimassagestab, Name des Therapeuten: Frau G.
Scarextractor, Silikon-Gel-Folie (7 Kap. 11, »Handchirurgie«. Einweisungsdiagnose: Verdacht auf Sprunggelenkfraktur rechts
Nebendiagnosen: Z.n. Strumektomie, arterielle Hypertonie
5. Vorbereiten und Schulen von Aktivitäten, Gehschulung, Medikamente: Blutdrucksenker, Schilddrüsenhormonersatz,
Aufbau der Sportfähigkeit Heparin, Ibuprofen
Üben des Gehmusters in der Entlastung. Üben der Teilbela- Röntgenbild: Bimalleoläre Sprunggelenkfraktur Weber C rechts
stung in der geschlossenen Kette im hohen Sitz, Halbsitz auf Versorgung: am Unfalltag operativ Qx konservativ Q
dem Pezziball, mit dem Fuß auf der Waage. Versorgung:
Eine Teilbelastung mit Absatzerhöhung oder Fersenkissen Plattenosteosynthese des lateralen Malleolus rechts.
im Schuh von 1–1,5 cm soll bis zu 6 Monaten eingehalten wer- Zuggurtungsosteosynthese des medialen Malleolus, rechts.
den. Syndesmosennaht und Stellschraube.
Stabilisation im Stand, auf Waage, Sportkreisel, Trampo- Stabilität:
lin (. Abb. 16.22, 16.23, 16.24 a, 16.28–16.32), Ballkissen, Gehen OSG re: Eingeschränkte Bewegungsstabilität. Dorsalexten-
gegen Widerstand am Ort, z.B. gegen Theraband, Zügel oder sion bis max. Nullstellung erlaubt.
auf Laufband. Gehen mit Richtungs- und Tempowechsel, Ge- USG lagerungsstabil.
hen auf schräger Ebene, Treppensteigen etc. (7 Kap. 5, 15, 16 Procedere:
und 17). Bis zur Fädenentfernung komplette Entlastung einschließ-
Einüben der Fußspirale nach Larsen (2007) im Stand lich Tragen der Gipsschiene.
(. Abb. 19.11). Im Anschluss für 6 Wochen Minimalbelastung und Üben
Das Einüben der Einbeinbelastung darf nur langsam, ent- bis zur Nullstellung.
sprechend der korrekten Ausführung vorheriger Übungen, ge- Ab 7. Woche Entfernen der Stellschraube und Teilbelas-
steigert werden, auf Schmerzen und Ermüdungszeichen muss tung.
geachtet werden. Ab 8. Woche zur Vollbelastung steigern.
Zehenstand und Zehengang sind auf dem Sportkreisel oder
Schaukelbrett vorzuüben und erst nach sicherer Heilung der
Sehne zu erarbeiten (ca. 10–12 Wochen).
370 Kapitel 18 · Frakturen und Luxationen im Bereich der Sprunggelenke, Band- und Achillessehnenverletzungen

Unfallanamnese: ICF-Dokumentation
1 Der Unfall ereignete sich, als die Patientin in ihrem Haus
die Treppe hinunter stieg. Sie knickte um, hatte heftige Name/Alter: Frau M., 66 J.
2 Schmerzen und konnte den rechten Fuß weder belasten
noch bewegen. Ihr Ehemann fuhr sie sofort in die Klinik,
Diagnose: Z.n. bimalleolärer OSG-Fraktur rechts mit Syndes-
mosenruptur, Z.n. Plattenosteosynthese der Fibula, Zuggur-
wo sie noch am selben Tag operiert wurde. tungsosteosynthese der Tibia, Syndesmosennaht und Sicherung
3 mittels Stellschraube

4
Struktur/Funktion Aktivität Partizipation
5 Patientin gibt an, Patientin gibt an, Patientin gibt an,
5 ihr rechtes Sprunggelenk spanne und schmer- 5 sie dürfe den Fuß nicht belasten, 5 sie könne das Schlafzimmer in
6 ze, v.a. in Tieflage,
5 sie könne ihr Sprunggelenk mit Gipsschiene
5 sie dürfe nur mit Gipsschiene aufste-
hen,
der 1. Etage nicht erreichen,
5 sie könne ihren Haushalt nicht
gar nicht, ohne Gipsschiene wenig bewegen, 5 sie müsse mit Unterarmstützen auf alleine führen; ihr Ehemann
7 5 sie habe Blutergüsse am Fuß, einem Bein hüpfen, müsse ihr dabei helfen,
5 ihr Fuß sei sehr geschwollen und habe zwei 5 sie könne nur 20–30 m gehen, 5 sie könne das Enkelkind nicht
große Narben, 5 ihre Arme würden zittrig beim Gehen, beaufsichtigen,
8 5 ihr Blutdruck sei manchmal erhöht. 5 sie könne nicht die Treppe gehen, 5 sie könne nicht am Wirbelsäu-
5 sie müsse sich zur Körperpflege und lenkurs teilnehmen,
zum An-/ Entkleiden setzen. 5 sie könne nicht Auto fahren; ihr
Patient

9 Sohn müsse sie zum Arzt und


zur Physiotherapie bringen.

10
11
12
13
14
15
16
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18
19
20
21
18.4 Patientenbeispiel
371 18

Struktur/Funktion Aktivität Partizipation

5 Die Gelenkkonturen sind aufgrund einer 5 Statik: Rechtes Bein entlastet, ohne 5 Aufgrund stationären Aufent-
Schwellung nicht abgrenzbar. Fußkontakt zum Boden. haltes nicht beurteilbar (Siehe
5 Die mediale Narbe ist 7 cm lang, Verlauf über Patientenperspektive).
OSG re +++PF
Malleolus medialis. Die laterale Narbe ist 12 cm
lang, Verlauf kranial des Malleolus lateralis. Bei- Kniegelenk re +++ Flexion
de Narben sind gerötet, verkrustet und mit Fä- Hüftgelenk re +++ Flexion
den versorgt.
5 Der Turgor des gesamten rechten Fußes ist Becken ventral gekippt
deutlich erhöht. LWS ++
5 Die lokale Temperatur ist erhöht. BWS +
5 Oberflächensensibilität ist o.B.
5 Bei Druckpalpation bleibt eine Delle bestehen. HWS +
5 Die Differenz der Umfangmaße auf Malleolen- Schultergürtel ++ Elevation beidseits
höhe ist rechts +2,5 cm.
5 Gelenkmaße: 5 Gehen: Schwebegang mit Gipsschie-
ne und Unterarmgehstützen im Drei-
aktiv Passiv Punkte-Gang. Rechtes Bein ruhig in
DE–0–PF li 10–0–45° 15–0–50° Flexionsstellung gehalten.
5 (WS und Schultergürtel siehe Statik.)
re 0–10–25° 0–5–30
5 Gehstrecke 20 m, Gangtempo 40
5 MTW: Schritte/min.
5 Treppe aufgrund Unsicherheit beim
Therapeut

– Muskulatur proximal der Fraktur o.B.


– Zehenmuskulatur o.B. Gehen auf der Ebene noch nicht
– M. tibialis anterior und M. triceps surae nur möglich.
bis Wert 2 getestet. 5 Anstieg der Vitalwerte nach 20 m Ge-
– In-/eversorische Muskulatur aufgrund Ver- hen.
sorgung nicht getestet. 5 Transfers: RL–Sitz–Stand und umge-
5 Ausdauerkraftdefizit der skapulothorakalen kehrt sind sicher unter Einhaltung der
Muskulatur und des M. latissimus dorsi beid- Entlastung möglich.
seits. 5 Körperpflege nur im Sitzen möglich.
5 Schmerz: 5 Tragen und Heben von Gegenstän-
– Lokalisation: im Narbenbereich. den nicht möglich.
– Qualität: spannend, ziehend.
– Quantität: VAS 3 in Hochlage, VAS 5 in Tief-
lage.
5 Vitalwerte:
in Ruhe nach Belastung
(20 m Gehen)
RR 140/90 mm/Hg 160/95 mm/Hg
Herzfrequenz 84 Schläge/min 120 Schläge/min

Umweltfaktoren Personenbezogene Faktoren


(–) Schlafzimmer in 1. Etage, nur über Treppe erreichbar (+) hohe Motivation
(+) Unterstützung und Hilfe durch Ehemann und Sohn (+) sehr gute Compliance
(+) Medikamente: Blutdrucksenker, Schilddrüsenhomonersatz, Heparin, Ibuprofen
372 Kapitel 18 · Frakturen und Luxationen im Bereich der Sprunggelenke, Band- und Achillessehnenverletzungen

Ê Im Internet (www.springer.de/978-3-540-68241-7, unter Zwipp H (1994) Chirurgie des Fußes. Springer, Heidelberg Berlin New
1 dem Link »Patientenbeispiele«) erfahren Sie mehr über York
Frau M. und den weiteren Therapieverlauf: die Behand- Zwipp H et al. (2000) Fibulare Bandruptur. Naht oder konservative Thera-
pie? Trauma Berufskrankheiten 2: 169–172
2 lungsziele, die bei ihr wichtigen Gesichtspunkte der Be-
handlung und einen Therapievorschlag für eine Behand-
Zwipp et al. (2002) Frakturen und Luxationen. In Wirth CJ (Hrsg) Or-
thopädie und Orthopädische Chirurgie. Thieme, Stuttgart New York
lungseinheit.
3
Die Abbildungen 18.10–18.17 verdanke ich Frau Claudia Klose, PT-Schu-

4 18.5 Literatur le BKH Günzburg.

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instabilen Ebenen. Manuelle Medizin 29: 14
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20 Willenegger H (1961) Die Behandlung der Luxationsfrakturen des oberen
Sprunggelenkes nach biomechanischen Gesichtspunkten. Helv Chir
Acta 28: 225
21
19

Frakturen im Bereich des Fußes

Einteilung – 374 19.3 Metatarsalfrakturen, Luxationen


des Fußes – 386
19.1 Kalkaneusfraktur – 374
Einteilung – 386
Einteilung – 374
Ursachen – 386
Ursachen – 374
Charakteristische Symptome/
Charakteristische Symptome/
Leitsymptome – 386
Leitsymptome – 374
Behandlungsrichtlinien und
Biomechanik, Behandlungs-
therapeutische Maßnahmen – 386
richtlinien und therapeutische
Komplikationen – 386
Maßnahmen – 374
Behandlungsmöglichkeiten – 386
Komplikationen – 377
Befunderhebung – 377 19.4 Zehenfrakturen – 387
Behandlungsmöglichkeiten – 378 Charakteristische Symptome/
Übungsbeispiele – 381 Leitsymptome – 387
Behandlungsrichtlinien und
19.2 Talusfraktur (Talusluxations-
therapeutische Maßnahmen – 387
fraktur) – 382
Komplikationen – 387
Einteilung – 382
Behandlungsmöglichkeiten – 387
Ursachen – 383
Charakteristische Symptome/ 19.5 Literatur – 387
Leitsymptome – 383
Behandlungsrichtlinien und
therapeutische Maßnahmen – 384
Komplikationen – 385
Befunderhebung – 385
Behandlungsmöglichkeiten – 385
374 Kapitel 19 · Frakturen im Bereich des Fußes

Einteilung Ursachen
1
5 Kalkaneusfraktur, 5 Stauchungsmechanismus durch Fall auf die Ferse aus gro-
2 5 Talusfraktur und Fraktur des Os naviculare bzw. des Os cu- ßer Höhe,
boideum, 5 Quetschung, z.B. bei Auffahrunfall.
5 Metatarsusfrakturen,
3 5 Zehenfrakturen.
Charakteristische Symptome/Leitsymptome
4 19.1 Kalkaneusfraktur 5 Weichteilschädigung,
5 Schmerzen bei Pro- und Supination,
5 Einteilung 5 Druckschmerz,
5 Belastungsunfähigkeit.
Die Klassifikation wird meist nach einer axialen oder koronaren
6 CT-Darstellung vorgenommen. Ausschlaggebend für das wei-
tere Verfahren sind v.a.: Biomechanik, Behandlungsrichtlinien und
7 5 Gelenkbeteiligung, therapeutische Maßnahmen
5 Anzahl der Frakturfragmente und
5 deren Dislokation. Biomechanik
8 Tragfähigkeit und Belastung des Fußes
Bewertet werden exartikuläre und intraartikuläre Frakturen der Nach Bergmann (1989) trägt der Kalkaneus das Gesamtgewicht
subtalaren oder kalkaneokuboidalen Gelenke mit Typ A und B des Körpers und ein Mehrfaches davon (s.u.) beim Gehen, Lau-
9 (AO), neuerdings auch die Luxationsfraktur mit Typ C. fen und Springen. Die Gewichtsvektoren werden auf den Kalka-
Nach Essex-Lopresti (s. Trentz u. Bühren 2001) werden die neus, den Mittelfuß und den Vorfuß verteilt. Die Form des
10 Frakturen eingeteilt in: Kalkaneus gibt die Höhe des Längsgewölbes vor.
5 nicht dislozierte Fraktur, Nach Kapandji (1985) trägt im Stand die Ferse die Haupt-
5 »Tongue type«-Fraktur, last des Körpergewichts (etwa 50 des Körpergewichts). Vom
11 5 »Joint depression type«-Fraktur, Unterschenkel wird die Körperlast über den Talus in drei Rich-
5 Trümmerfraktur. tungen weitergeleitet, auf
12 5 den Kalkaneus,
In der Klassifikation nach Sanders (1992, 2000) werden Kalka- 5 den 1. Zehenstrahl und
neusfrakturen nach Frakturlinien und Dislokationen eingeteilt. 5 den 5. Zehenstrahl.
13
Typ I Nicht dislozierte Fraktur Der Talus gleitet dabei auf dem Kalkaneus, wodurch eine Art
14 Typ II Eine dislozierte Frakturlinie
»Verschraubung der Beinachse« in anterior-posteriorer, lateral-
medialer und rotatorischer Richtung entsteht
Typ III Zwei dislozierte Frakturlinien Messresultaten von Biomechanikern wie Bergmann et al.
15 (1989) und Hofmann (1988) zufolge übersteigen die an den Ge-
Typ IV Drei und mehr dislozierte Frakturlinien in der posteri-
lenken der unteren Extremität wirkenden Kräfte das Körperge-
oren Facette
wicht um 315 (3000 N). Beim Gehen mit zwei Unterarmstützen
16 liegt die Belastung immer noch bei 180 des Körpergewichts.
Die Unterbezeichnungen A, B und C beziehen sich auf die La- Tragfähigkeit und Belastung müssen deshalb sorgfältig auf-
17 ge der Fraktur: einander abgestimmt sein, um Folgeschäden für das subtalare
5 A = lateral, und das talokalkaneonavikulare Gelenk zu vermeiden.
5 B = zentral,
18 5 C = medial (Höhe des Sinus tarsi). ! Cave
Es kann daher nicht oft genug darauf hingewiesen werden, dass
19 Zwipp (1994) erweitert die Skala noch, indem er die Anzahl der eine zu frühe Belastung der Gelenke Langzeitschäden verur-
Fragmente und der beteiligten Gelenkfacetten, den Weichteil- sacht.
schaden und Zusatzfrakturen miteinbezieht.
20 Biomechanik und Pathologie
Die Kalkaneusfraktur ist die häufigste Tarsusfraktur (. Abb. 19.1,
21 19.4, 19.5, 19.6). Es kommen Impressions-, Trümmer-, Schräg- und
19.1 Kalkaneusfraktur
375 19

. Abb. 19.1a,b. a Kalkaneusfraktur, b Platten-


osteosynthese

Abrissfrakturen vor, relativ häufig auch doppelseitig. Beim Fall ler (1931, 1977) beträgt der Winkel 20–40° (. Abb. 19.7 a). Sinkt
aus der Höhe drückt z.B. die starke vertikale Kraft die vordere der Kalkaneus zusammen, verkleinert sich der Winkel und
Kante der Talusgelenkfläche gegen den Kalkaneus und verurs- kann sogar negativ werden. Gleichermaßen wird das Längsge-
acht die sog. »Primärfraktur«. Kommen weitere Kompressions- wölbe abgeflacht, so dass man von einem »traumatischen Platt-
kräfte dazu, entsteht die sog. »Tongue-Fraktur« oder die »Joint- fuß« spricht.
depression-Fraktur«. Zur Sicherung der Diagnose werden Röntgenaufnahmen
Bei einem Stauchungsmechanismus kommt es aufgrund in drei Ebenen angefertigt. Durch die axiale Röntgenaufnah-
der versetzten Vertikalachse von Talus und Kalkaneus zu einer me wird der axiale Winkel bestimmt (. Abb. 19.7 b). Heute hat
Scherfraktur am Kalkaneus (Zwipp 1994). die Messung der Winkelveränderung jedoch an Bedeutung ver-
loren, da das Computertomogramm mit axialer und koronarer
Ärztliche Behandlung Schnittführung die genaue Zuordnung der Fragmente und da-
Diagnostik mit die Entscheidung zur Operation möglich macht.
Über ¾ aller Kalkaneusfrakturen sind intraartikuläre Frakturen.
Aufschluss über die Anzahl der Fragmente und Gelenkbeteili-
gung gibt das Computertomogramm.
Klinisch führt die Dislokation der Fragmente zu einer Rück-
fußverbreiterung und Valgus-Pronations-Fehlstellung. Häu-
fig wird die Peroneussehne zwischen Fibulaspitze und Kalka-
neus eingeklemmt. Das Längsgewölbe wird abgeflacht, die Be-
wegungen im unteren Sprunggelenk sind eingeschränkt und
schmerzhaft. Das Hämatom und Ödem erscheinen an der Fuß-
sohle sowie hinter den Malleolen (. Abb. 19.2, 19.3). Differenzi-
aldiagnostisch sollte bei starker Hämatombildung an der Fuß-
sohle auch an ein Kompartmentsyndrom gedacht werden (evt.
Sensibilitätsstörungen).
Kalkaneusfrakturen ohne Dislokation werden häufig, v.a.
bei polytraumatisierten Patienten, übersehen oder als Distorsi-
on eingeordnet.
Die Veränderung des Tuber-Gelenkwinkels gibt den Schwere-
grad der Fraktur an. Nach v. Lanz-Wachsmuth (1972) und Böh- . Abb. 19.2. Postoperative Symptomatik, aktive Dorsalextension
376 Kapitel 19 · Frakturen im Bereich des Fußes

1
2
3
4
5
6 . Abb. 19.3. Aktive Plantarflexion

. Abb. 19.5. Rekonstruktionsplattenosteosynthese, stufenfreie Re-


7 konstruktion der posterioren Gelenkfläche, Wiederherstellung des Böh-
ler-Winkels
8
. Abb. 19.6. Rekonstruktions-
9 platten-Osteosynthese, Aufnah-
me von dorso-plantar

10
11
12
a
13
14
15
16
b
Bei dislozierten intraartikulären Frakturen ist ein operatives
17 Vorgehen nach Sanders (1992) mit winkelstabilen Kalkaneus-
platten indiziert. Ein minimalinvasives Vorgehen mit perkuta-
. Abb. 19.4a,b. a Kalkaneusfraktur Typ »Joint-depression«, b sagittale
nen K-Drähten und Fixateur externe wird bei jugendlichen Pa-
18 Rekonstruktion mit CT
tienten durchgeführt.
Eine konservativ-funktionelle Behandlung kommt infrage
19 Operatives/konservatives Vorgehen bei:
Kalkaneusfrakturen werden in den letzten Jahren zunehmend 5 Sanders-Typ-1-Frakturen,
operativ mit Rekonstruktionsplatten- und/oder Schraubenoste- 5 kritischen Weichteilverletzungen,
20 osynthesen und mit Spongiosaauffüllung versorgt. Offene Frak- 5 Diabetikern,
turen können mit einem Minifixateur externe behandelt wer- 5 HIV-Infizierten und
21 den. Diese Versorgungen gelten als bewegungsstabil. 5 Patienten mit niedriger Compliance.
19.1 Kalkaneusfraktur
377 19

Komplikationen

5 Inkongruenz des unteren Sprunggelenks mit nachfol-


gender Arthrose des Subtalargelenks,
5 Fehlstatik: »traumatischer Plattfuß«,
5 Complex Regional Pain Syndrome (CRPS),
5 Kompartmentsyndrom,
5 Impingement der Sehne des M. peroneus longus,
5 Krallenzehen als Folge eines übersehenen Kompart-
mentsyndroms,
5 Wundheilungsstörung, Infektion (Osteitis).

Befunderhebung

Beurteilen 5 Röntgenbild in 2 Ebenen und axial, koro-


nare und axiale Computertomographie.
. Abb. 19.7a,b. a Tuber-Gelenkwinkel (nach v. Lanz-Wachsmuth 1972 5 Hautdurchblutung.
u. Böhler 1931, 1977), b axialer Winkel 5 Schwellung, besonders an der Fußsohle
und hinter dem Knöchel.
5 Hämatome.
5 Gelenkstellung des oberen und unteren
Belastungsstabilität Sprunggelenks.
In der Literatur werden unterschiedliche Vorgehensweisen bzgl. 5 Valguspronationsstellung.
der Be- und Entlastung angegeben: Die Verordnung für die Zeit 5 Längsgewölbeabflachung.
5 Atrophie und Tonus der Muskulatur des
der Minimalbelastung variiert zwischen 6–12 Wochen; dement-
Unterschenkels.
sprechend kann die Teilbelastung zwischen 7. und 13. Woche an-
geordnet werden. Die Vollbelastung soll ab der 13. – 15. Woche Messen 5 Aktives Bewegungsmaß des oberen und
stufenweise erarbeitet werden. Andere Autoren lassen die Pati- unteren Sprunggelenks.
enten 3–6 Wochen entlasten. 5 Fersenbreite im Seitenvergleich.
Patienten mit doppelseitigen Kalkaneusfrakturen erhalten 5 Umfang an vorgeschriebenen Stellen.
einen Allgöwer-Entlastungsapparat oder einen Entlastungsstie- Prüfen 5 Qualität des Bewegungsstopps.
fel für ca. 6 Wochen, (. Abb. 17.4), bei denen das Körperge- 5 Muskeltest der Unterschenkelmuskulatur
wicht am Tibiakopf abgestützt ist. bis Teststufe 3 (v.a. M. gastrocnemius,
Häufig bleiben Fehlstellungen des unteren Sprunggelenks M. tibialis posterior, M. peroneus longus
bzw. eine Fehlstatik des Längsgewölbes bestehen und führen und kleine Fußmuskeln).
zu arthrotischen Veränderungen. Dann kann eine Arthrodese 5 Sensibilität.
durchgeführt werden. Zur exakten Ermittlung der Fehlbela- 5 Stabilität der Beinachse bei Sohlenkontakt,
stung können heute vergleichende Druckverteilungsmessungen bei Teilbelastung und nach ca. 13 Wochen
bei Vollbelastung.
nach Mittlmeier durchgeführt werden (. Abb. 18.7).
5 Pulse.
Die Patienten benötigen Einlagen, manchmal sogar ortho-
pädische Schuhe. Nicht selten muss eine sekundäre Arthrodese Notieren 5 Schmerzen bei Bewegung und Belastung
vorgenommen werden. und (VAS).
Bewerten 5 Sonstige Beschwerden.
5 Ganganalyse.
5 Aktivitäten, Selbständigkeit im Alltag und
Beruf.
5 Umweltfaktoren und Teilhabe an der
Gesellschaft.
378 Kapitel 19 · Frakturen im Bereich des Fußes

Behandlungsmöglichkeiten wird anhand des Röntgenbildes und durch das Messen des Tu-
1 bergelenkwinkels entschieden.
Grundsätzliches Vorgehen
2 In . Übersicht 19.1 sind die Inhalte der physiotherapeutischen Wichtig
Behandlung nach Frakturen im Fußbereich zusammengefasst.
Bei insuffizientem M. gastrocnemius und Testwerten unter 3
3 sollte der Muskel nicht in Dehnstellung gelagert werden.
. Übersicht 19.1. Gesichtspunkte der Behandlung
1. Förderung der Resorption des Hämatoms und Ödems.
4 2. Lagerungskontrolle. 3. Schulung der kleinen Fußmuskeln
3. Schulung der kleinen Fußmuskeln. Es ist schwierig, die kleine Fußmuskulatur in einer entlasteten
5 4. Kräftigung des M. gastrocnemius. Position wirksam zu üben. Zehengreifübungen sind wenig ef-
5. Erhalten der Muskelfunktionen des gesamten Beins. fektvoll; erst in der Belastung werden die Zehenflexoren wirk-
6. Erhalten der Funktionen der nicht betroffenen Extremi- lich gefordert.
6 täten. Einen Kompromiss bieten PNF-Techniken an: Die das Knie-
7. Mobilisation des unteren und oberen Sprunggelenks. oder Sprunggelenk bewegenden Muskeln arbeiten in »Dyna-
7 8. Vorbereiten und Schulen von Aktivitäten, Gehschu-
lung.
mischer Umkehr« oder »Betonter Bewegungsfolge«, während
die Zehen ein Seil, einen Stift, ein Tuch o.Ä. festhalten.
In der geschlossenen Kette ist in unterschiedlichsten Ent-
8 lastungs- oder Belastungsstufen ein Fuß- Beinachsen-Trai-
ning möglich, z.B. gegen Bodenkontakt, eine Waage, die Wand,
ein Brettchen (. Abb. 19.8) oder einen Fußkreisel (. Abb. 17.7,
9 1. Förderung der Resorption des Hämatoms und Ödems
Alle Maßnahmen der Physikalischen Therapie kommen zur 17.8). Auf dem Tilt Table können bei mehrfachverletzten Pati-
Anwendung, wenn funktionell behandelt wird. Besonders enten die Belastungsstufen exakt eingestellt werden (7 Kap. 16
10 wirksam sind Eisanwendungen in den ersten Stunden, Manuel- und 21).
le Lymphdrainage, Streichungen und Hauttechniken der Binde- Spezielle Übungsformen aus der Spiraldynamik zum Aufbau
gewebsmassage sowie die Anwendung einer AV-Pumpe (Fuß- des Fußgewölbes kommen ab der späten Konsolidierungsphase
11 manschette mit wechselndem leichtem Druck). zur Anwendung (. Abb. 19.9, 19.10, 19.11).
Das Bein wird auf einer Schaumstoffschiene hochgelagert,
12 und der Patient wird aufgefordert, es häufig selbst umzulagern 4. Kräftigung des M. gastrocnemius
(nach Ratschow). Er soll stündlich 10- bis 15-mal isometrisch Bei eingestauchten Frakturen kann das Auftrainieren des M. gas-
im Sekundenrhythmus die Fuß- und Wadenmuskulatur an- trocnemius gegen Kontakt/angepassten Widerstand erst ausge-
13 spannen. führt werden, wenn anzunehmen ist, dass sich die Stellung des
Zwischen den Behandlungszeiten sollte anfangs ein Kom- Kalkaneus nicht mehr verändert. In der Proliferations- und frü-
14 pressionsverband mit Schaumstoffabpolsterung von den Grund- hen Konsolidierungsphase (bis 6 Wochen) sind alle Formen des
gelenken bis über die Knöchel angelegt werden (evt. Cryo-cuff ). Bewegens und Haltens sowie die PNF-Techniken »Betonte Be-
Da die Schwellungen lange bestehen bleiben können, werden
15 die Maßnahmen nach 2–3 Wochen gewechselt.
Bei Patienten mit Osteosynthese soll die Wundheilung beo-
bachtet werden. Während der Entzündungsphase können in ei-
16 nen trockenen Baumwollbezug eingepackte »Cool packs« oder
Dinkelsäckchen mit Abstand zur Wunde auf die Haut aufgelegt
17 werden. Anschließend kommen die oben genannten Anwen-
dungen zum Einsatz.
18 2. Lagerungskontrolle
Patienten mit doppelseitigen Kalkaneusfrakturen oder zusätz-
19 lichen Frakturen müssen mit längeren Liegezeiten rechnen.
Für diese Patienten ist eine sorgfältige Hochlagerung not-
wendig. Die Fersen müssen druckfrei gelagert sein, da sonst
20 leicht eine Druckstelle oder sogar ein Dekubitus entsteht. Ob
das obere Sprunggelenk in 90°-Stellung gelagert werden kann,
. Abb. 19.8. Zehenkräftigung mittels glattem Brettchen
21
19.1 Kalkaneusfraktur
379 19

wegungsfolge«, »Dynamische oder Stabilisierende Umkehr« ef-


fektiv. Bei Übungen in der geschlossenen Kette muss die Mini-
malbelastung auf der Waage eingehalten werden.
Nach Osteosynthesen gelten die Regeln der AO; eine Bewe-
gungsstabilität erlaubt aktives oder passives, schmerzfreies Be-
wegen.
Auch Theraband und Zuggerät können vielfältig eingesetzt
werden. Anfangs liegen die Schlaufen oberhalb des Sprungge-
lenks am distalen Unterschenkel, nach ca. 6 Wochen kann eine
Schlaufe am Vorfuß angelegt werden und leichten Widerstand
für die Plantarflexion/ Supination setzen (7 Kap. 15, 16 und 5).

5. Erhalten der Muskelfunktion des gesamten Beins


Üben in der geschlossenen Kette im Sinne der Stabilisierung der
Beinachse unter einzuhaltender Belastungsstufe und ein propri-
ozeptives Training in verschiedenen Ausgangspositionen, z.B.
. Abb. 19.9. Formen des C-Bogens, Spiraldynamik nach Larsen (2000) im Halbsitz oder im hohen Sitz auf dem Therapieball (7 Kap. 5,
15, 16, 17 und 18) sind wirkungsvolle Ansätze, um die Muskeln
in deren Funktion zu stärken.

6. Erhalten der Funktionen der nicht betroffenen Extremi-


täten
Siehe vorherige Kapitel.

Wichtig

Das Auftrainieren der Bein- und Armmuskulatur ist v.a. bei


doppelseitigen Kalkaneusfrakturen eine wichtige Aufgabe.
Der Einsatz von Geräten ist dabei effektiver als der Einsatz
manueller Techniken.

Sind Gruppenbehandlungen möglich, können die Patienten in


Partnerarbeit üben.
Ein Bewegungs- oder Schwimmbad kann für ein Schwimm-
. Abb. 19.10. Fußspirale (Larsen 2000) training und teilbelastetes Gehen im Wasser genutzt werden.

7. Mobilisation des unteren und oberen Sprunggelenks


Die intensive Mobilisation der Sprunggelenke kann erst nach er-
neuter Röntgenkontrolle und Beurteilung der Kalkaneusstel-
lung und -ausheilung beginnen. Bei lang andauernden Schwel-
lungen, Gelenkfehlstellungen oder Complex Regional Pain
Syndrome ist mit einer ausgeprägten Kontraktur des unteren
Sprunggelenks zu rechnen. Durch die fehlende Belastung ist
auch das obere Sprunggelenk nicht immer frei beweglich.
Weichteilkontrakturen sind durch aktive Dehntechniken
oder Manuelle Therapie behandelbar. Manifeste Gelenkfehlstel-
lungen benötigen eine operative Korrektur, eine Arthrodese
oder einen individuell gefertigten Schuh.
Zur Wahl stehen Techniken der Manuellen Therapie und/
oder PNF-Techniken wie »Dynamische Umkehr – Halten – Ent-
spannen mit aktivem/passivem Weiterziehen«, »Rhythmische
Stabilisation – Entspannen« und »Halten – Entspannen«.
. Abb. 19.11. Vier-Punkte-Stand mit Theraband (Larsen 2000)
380 Kapitel 19 · Frakturen im Bereich des Fußes

Wichtig Nach ca. 6 Wochen (bei schweren Frakturen erst nach


1 12 Wochen) kann nach Rücksprache mit dem Arzt die Teilbe-
Die Wahl der Mobilisationstechnik richtet sich nach der lastung beginnen. Dann können labile Sitz- oder Standpositi-
2 Qualität des Bewegungsstopps und des Schmerzes. onen auf dem Pezziball, Ballkissen oder der Schaumstoffmatte
gewählt werden. Die korrekte Belastung des Fußes wird mit der
Spiraldynamik vor- und eingeübt. Die komplexe Bein-Becken-
3 Der Kontakt/Widerstand am Rückfuß muss möglichst weich sein. Rumpf-Stabilität und BWS-Aufrichtung wird in belasteten Po-
Der Griff an der Ferse (. Abb. 18.12–18.17) muss mit dem Pati- sitionen (Einbeinstand, Einbeinzehenstand) durchgeführt, z.B.
enten abgesprochen werden. Bei distal angelegtem Griff wird im Türrahmen (Göhler 2007).
4 nur der Vorfuß »aufgewalzt« oder in Adduktion bzw. Abdukti- Auf Schmerzen, Ermüdungszeichen und andere Reizzustän-
on mobilisiert. In der Mehrzahl der Fälle wirkt sich die stärkere de ist zu achten. Gegebenenfalls muss die Dosierung zurückge-
5 Grundspannung der Pronatoren oder die frakturbedingte Fehl- stuft werden.
stellung als Pronationskontraktur aus. Sinnvoll kann auch das Üben der Belastung im Bewegungs-
Schmerzen an der Operationsnarbe/der Fraktur müssen bad sein, allerdings ist dort eine exakte Kontrolle der tatsäch-
6 vermieden werden. In der Regel liegt es an der Grifftechnik, lichen Belastung nicht möglich.
die man mithilfe eines kleinen Schaumstoffpolsters verbessern
7 kann. Gehschulung
Narbenbehandlungen und manuelle Dehnungen ergänzen Gehübungen in verschiedenen Belastungsstufen werden bereits
die Mobilisationstechniken. kurz nach der Verletzung/Osteosynthese begonnen. Mit ent-
8 Arthrogene Kontrakturen werden am effektivsten mit Trakti- sprechenden Gehhilfen lernen jüngere Patienten sehr schnell
on und Gleiten des Kalkaneus/Talus behandelt. Sie können ein- den Drei-Punkte-Gang, allerdings ist die Garantie für eine ex-
gesetzt werden, wenn ärztlicherseits Teilbelastung erlaubt ist. akte Einhaltung nicht zuverlässig gegeben. Immer soll auf
9 Leider muss bei schweren Trümmerfrakturen mit einer blei- Schmerzlosigkeit hingewiesen werden. Daher soll der Patient
benden Bewegungseinschränkung gerechnet werden. die Belastung auf Waagen häufiger überprüfen.
10 Ist eine Belastungskontrolle durch Gehen über Druckver-
8. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten, Gehschu- teilungsmessplatten möglich, sollte dieses zur objektiven Über-
lung prüfung der Belastung genutzt werden. Fehlbelastungen kön-
11 Am besten werden Stützfunktion der Arme für das Gehen mit nen dann exakt bestimmt werden (7 Kap. 18 und 17).
Unterarmstützen und Mehrbelastung des nicht betroffenen Ältere Patienten und Patienten mit doppelseitiger Fraktur
12 Beins in der geschlossenen Kette und im Gehen geschult. An- und Entlastungsapparat müssen langsamer geführt werden und
fangs sind Gehstrecke und Tempo reduziert und werden lang- erreichen ihre Selbständigkeit mühsamer.
sam gesteigert. Im Allgemeinen wird die volle Belastung nach 12 bzw. 15
13 Patienten mit einseitiger Kalkaneusfraktur sollen unmit- Wochen begonnen. Der Patient sollte unbedingt mit festen
telbar nach der Versorgung bzw. nach Entfernung der Redon- Schuhen und Einlagen oder einer Abrollhilfe gehen. Es ist Auf-
14 Drainage aufstehen. Das betroffene Bein wird bandagiert und gabe des Physiotherapeuten, dass die Einlagen/Schuhe rechtzei-
soll entsprechend der ärztlichen Verordnung entlasten oder mi- tig bestellt und geliefert werden.
nimal belasten. Dürfen beide Beine nicht belastet werden, wer- Die Gehschulung konzentriert sich auf den Mittelstand, die
15 den Allgöwer-Entlastungsapparat oder Entlastungsstiefel einge- Abrollphase und auf den Einsatz des M. gastrocnemius bei Fer-
setzt. senablösung. Voraussetzung dafür ist die Beherrschung des frei-
Als Ausgangspositionen zur Stabilisierung der Beinachse en Zehenstandes.
16 kommen infrage: Für das gezielte Stabilisieren und Einsetzen der Fußmus-
hoher Sitz/Halbsitz mit Bodenkontakt/Abstellen des Fußes kulatur werden Übungen der Spiraldynamik auf dem Sport-
17 auf einer Waage und Stand auf dem gesunden Bein, kreisel, Ballkissen, Schaukelbrett und Trampolin gewählt. Wie
Sitz und Stand im Türrahmen (. Abb. 15.11–15.14). in den vorherigen Kapiteln beschrieben, muss die Reaktions-
Zunächst erfolgt die Stabilisierung durch manuellen Kon- schnelligkeit durch unterschiedliche Anforderungen wie Ge-
18 takt. Am Ende der Konsolidierungsphase werden Übungsgeräte hen und Laufen mit Richtungswechsel, Abbremsen und Star-
benutzt wie z.B. Expander, Hanteln, Theraband oder Zuggerät, ten auf unterschiedlichen Unterlagen geschult werden. Die Be-
19 mit dem Ziel, Kraft, Ausdauer, ökonomischen Krafteinsatz und lastung sollte immer auf die Reaktion und die Tragfähigkeit des
Reaktionsfähigkeit zu verbessern. Fußes abgestimmt sein.
Der stufenweise Aufbau der Belastung wird in der geschlos- Die Fußbelastung muss sorgfältig dosiert werden, um ei-
20 senen Kette mit Minimal-, Teil- und Vollbelastung zu gege- ne vorzeitige Arthrose zu verhindern. Schmerzen, Fehlbelastun-
benem Zeitpunkt eingeübt (7 Kap. 15–18). Der verletzte Fuß gen, geringe Fersenablösung, Ermüdung und deutliches Hinken
21 muss in der vorgegebenen Belastungsstufe schmerzfrei sein. zeigen eine mangelnde Tragfähigkeit an.
19.1 Kalkaneusfraktur
381 19

Die Rückkehr in den Beruf und das Aufnehmen sportlicher Übung


Betätigungen werden gezielt vorbereitet und mit dem Opera- 5 »Extension/Abduktion/Innenrotation zum gebeugten
teur abgestimmt. Knie«, »Flexion/Adduktion/Außenrotation zum gebeugten
Knie«, »Flexion/Abduktion/Innenrotation zum gebeugten
Knie«.
Übungsbeispiele Kontakt/Widerstand: In den ersten 6 Wochen Widerstand
richtungsweisend am distalen Unterschenkel, Kontakt am
Die folgenden Übungsbeispiele beziehen sich auf eine Kalka- Fuß; nach 6 Wochen angepasster Widerstand am Fuß.
neusfraktur mit Osteosynthese.
Mobilisation
Proliferations-/frühe Konsolidierungsphase 5 Mobilisieren bei Pronationskontraktur in Nullstellung des
Ausgangsposition oberen Sprunggelenks.
Rückenlage. Techniken: Dynamische Umkehr – Halten – Entspannen,
Rhythmische Stabilisation mit aktivem Weiterziehen gegen
Übung Führungskontakt.
5 Aktive PNF-Bewegungsfolgen in beiden Diagonalen im 5 Anschließend »Endstellung – Halten« oder dynamische
freien Raum als Umkehrbewegungen. Umkehrbewegungen für die Fußheber.
5 Dasselbe mit Plantarflexion/Supination.
Übung 5 Dasselbe mit Dorsalextension/Supination.
5 »Extension/Adduktion/Außenrotation zum gebeugtem 5 Dasselbe mit aktivem/passivem Weiterziehen.
Knie« gegen angepassten Widerstand am distalen Unter-
schenkel. Nach 6 Wochen (evt. später)
Technik: Betonte Bewegungsfolge, wechselnde Drehpunkte. Übung
5 PNF-Gehmuster.
Übung Technik: Dynamische Umkehr oder Betonte Bewegungs-
5 »Extension/Adduktion/Außenrotation zum gestreckten folge.
Knie«. Kontakt/Widerstand: Distal am Fuß entsprechend rich-
Technik: Betonte Bewegungsfolge für die Zehenbeuger. tungsweisend.
Kontakt/Widerstand: Widerstand am distalen Unterschen-
kel, Kontakt an den Zehen. Ausgangsposition
Hoher Sitz an der Bettkante.
Übung
5 Fuß gegen glattes Brett anlehnen und halten. Der Phy- Übung
siotherapeut versucht, es nach oben wegzuziehen 5 »Extension/Adduktion/Außenrotation zum gebeugtem
(. Abb. 19.8). Knie« gegen Züge.
Technik: Bewegen – Halten, Betonte Bewegungsfolge,
Übung wechselnder Drehpunkt Kniegelenk.
5 Fuß auf Waage oder Fußkreisel gegen die Wand abstützen
und festhalten (. Abb. 17.7, 17.8). Ausgangsposition
Sitz auf dem Therapieball, hoher Sitz auf der Bank, Halbsitz, ca.
Ausgangsposition 10 Wochen nach Operation auch Stand.
Hoher Sitz oder Halbsitz.
Übung
Übung 5 Greifen und Halten von Tüchern, Stab, Seil oder Gummi-
5 Seil quer mit den Zehen fassen und halten. Der Therapeut bändern mit aufgesetztem Fuß. Der Physiotherapeut ver-
versucht, es nach außen wegzuziehen. sucht, die Gegenstände in unterschiedlichen Richtungen
herauszuziehen.
Übung
5 Münzen mit dem Vorfuß greifen. Übung
5 Abheben der Ferse gegen angepassten Widerstand aus dem
Wichtig Halbsitz, Zehenstand auf der Waage, mit manuellem Kon-
takt zur Korrektur der Beinachse.
Knie-Bein-Achse korrigieren!
382 Kapitel 19 · Frakturen im Bereich des Fußes

Stabilisationsübungen Wichtig
1 5 Stabilisation zur Korrektur der Beinachse im hohen Sitz,
Halbsitz oder Sitz auf dem Therapieball; Fuß auf der Waa- Schmerzfreie Spontanbelastung beachten; Belastung zwi-
2 ge.
Widerstand: Am Becken, am Ober- und Unterschenkel ent-
schendurch auf Waagen kontrollieren!

sprechend richtungsweisend.
3 5 Dasselbe mit Gewichtsverlagerung und Körperdrehung, 5 Wechsel von dynamischen und statischen Bewegungen auf
z.B. mit einer senkrecht vor dem Patienten aufgestellten den Geräten in verschiedenen Beinstellungen (Beugewin-
Feldenkraisrolle, die der Patient nach vorne, im Kreis oder keln).
4 zur Seite bewegt. 5 Federn auf Trampolin und Boden, Starten und Stoppen der
5 Dasselbe auf einem Bein, Betonung der Gewichtsverlage- Bewegungen.
5 rung nach vorne. 5 Stabilisation der Beinachse mit Ballprellen,Werfen, Fangen
aus verschiedenen Richtungen. Laufen mit Ballwerfen.
Manuelle Therapie 5 Vorwärts- und Rückwärtsgehen.
6 5 Kalkaneustraktion, Gleiten, Talusdorsalgleiten. Kontakt/Widerstand: Am Becken oder Sternum, wenn Un-
terarmstützen erforderlich sind; an den Armen, wenn kei-
7 Nach 12–15 Wochen (Vollbelastung) ne Stützen mehr notwendig sind.
Ausgangsposition 5 Vier-Punke-Stand gegen gekreuzte Therabänder (nach Lar-
Sitz auf dem Pezziball. sen 2007) (. Abb. 13.4, 19.11).
8 5 Rückwärtsgehen mit großen Schritten. Gehen und Lau-
Übung fen, Stoppen und Starten, auch mit Richtungswechsel und
5 Abfedern mit den Füßen (nicht stampfen). Die Zehen sol- Tempovariation.
9 len sich dabei nicht vom Boden lösen. 5 Gehen vorwärts, rückwärts, seitwärts auf einer schrägen
Ebene.
10 Ausgangsposition 5 Zehengang mit Richtungswechsel.
Stand im Türrahmen oder im freien Raum.
(Übungen zur Gehschulung siehe auch 7 Kap. 15–18.)
11 Stabilisationsübungen
5 Stabilisation des Zweibeinstandes in allen Richtungen
12 (auch Rotation) bei bewusster Einhaltung der korrigierten 19.2 Talusfraktur (Talusluxationsfraktur)
Fußstellung (Belastung auf Ferse, Großzeh- und Kleinzeh-
strahl, Spirale l). Die Talusfraktur tritt heute wesentlich häufiger auf als früher.
13 5 Stabilisation mit Gewichtsverlagerung nach vorne, zur Sei- Die Hälfte aller Talusfrakturen bricht im Halsbereich.
te und mit Körperdrehung.
14 5 Stabilisation des Einbeinstandes.
5 Stabilisation des Zehenstandes in leichter Kniebeugestel- Einteilung
lung.
15 5 Stabilisation im Zweibein- und Einbeinstand, auch im Ze- 5 Taluskopf-, Talushals- und Taluskörperfraktur,
henstand in strecknaher und gebeugter Kniestellung, Ver- 5 Frakturen mit Bandverletzungen und Luxation des Cho-
änderungen der Arm- und Rumpfstellungen oder dyna- part-Gelenks,
16 mische Bewegungsfolgen (7 Kap. 15–18). 5 Luxationsfraktur im Subtalargelenk.

17 Ausgangsposition Laut Klassifikation nach Marti und Weber (1974) werden vier
Stand auf Trampolin, Schaukelbrett, Sportkreisel o.Ä., geringe Frakturtypen unterschieden.
Kniebeugung.
18 Typ I Periphere und osteochondrale Taluskopffraktur (flake)
Gehschulung
Typ II Nicht dislozierte zentrale Fraktur
19 5 Verschieben des Körpergewichts aus der Grundposition in
verschiedene Richtungen; Kippen des Schaukelbrettes oder Typ III Dislozierte zentrale Fraktur mit Dislokation im sub-
Fußkreisels nach vorne, hinten, zur Seite und zurück. Sta- oder tibiatalaren Gelenk
20 bilisation der Mittelstellung.
Typ IV Taluskopf- und Talushalfraktur mit Luxation im sub-
und tibiotalaren Gelenk
21
19.2 Talusfraktur (Talusluxationsfraktur)
383 19

Nach der neuen AO-/ICI-Klassifikation werden Talusfrakturen in


reine Frakturen, Luxationsfrakturen und Luxationen eingeteilt.

Typ A Extraartikuläre Fraktur

Typ B Intraartikuläre Fraktur

Typ C Luxationsfraktur

Typ D Reine Luxation

Bezogen auf die Anzahl der beteiligten Gelenke (tibiotalar, sub-


talar, talonavikular) werden die einzelnen Frakturtypen in die
Untergruppen 1–3 eingeteilt.
a
Ursachen
5 Rotationstraumen,
5 Sturz auf den in extremer Supination/Dorsalextension oder
Pronation stehenden Fuß,
5 Einklemmen des Fußes bei Verkehrsunfällen, auch in
Kombination mit Innenknöchel- und Kalkaneusfrakturen,
5 bei Snowboard-Fahrern, Ballettänzern, Fußballern,
5 bei polytraumatisierten Patienten und
5 bei Serienfrakturen an den unteren Extremitäten b
(. Abb. 19.12, 19.13, 19.14).
. Abb. 19.12a,b. a Zentrale Talusfraktur mit Impression eines Frag-
mentes, b CT
Charakteristische Symptome/Leitsymptome
5 Fehlstellung,
5 Krepitation,
5 Schwellung,
5 Schmerzen bei Bewegung,
5 Belastungsunfähigkeit,
5 Hautschädigung.

. Abb. 19.13a,b. a Talusfraktur,


b Weber-B-Fibulafraktur, Fraktur
des medialen Malleolus

a b
384 Kapitel 19 · Frakturen im Bereich des Fußes

5 Taluskopffrakturen sind sehr selten und werden in Zusam-


1 menhang mit einer Luxation im Chopart-Gelenk gesehen
(Zwipp 1994).
2 5 Periphere Talusfrakturen entstehen eher durch einen Luxati-
onsmechanismus im Subtalar- oder oberen Sprunggelenk.
5 Tuberkulum-Abrisse und »Flake fractures« werden bei
3 Sportlern beobachtet, die einer Gewalteinwirkung/wieder-
holten Stresssituation in extremer Dorsalextension bzw.
Plantarflexion plus Rotation ausgesetzt sind.
4
Ärztliche Behandlung
5 Wie bei den Sprunggelenkfrakturen werden zur Diagnostik die
standardisierten Röntgenaufnahmen, eine »Mortise-view«-Auf-
nahme, eine »Canale-view«-Aufnahme in 15° Pronation und ge-
6 nerell ein CT angefertigt.

a b
7 Konservatives/operatives Vorgehen
Die Frakturen Typ I und II wurden früher nach guter Repositi-
. Abb. 19.14. Osteosynthese mit kanülierten Zugschrauben on konservativ behandelt (Lightcast, Gips). Da jedoch bei die-
8 ser Frakturbehandlung häufig Nekrosen, Früharthrosen und
Pseudarthrosen beobachtet wurden, werden sie heute operativ
9 Behandlungsrichtlinien und therapeutische mit einer perkutanen Schraubenosteosynthese versorgt (Wei-
Maßnahmen gel, Nerlich 2005). Damit konnten die hohe Arthroserate, die
Beschwerdensymptomatik und nachfolgende Dislokationen ge-
10 Der Talus besitzt nur eine geringe Gefäßversorgung; sie erfolgt senkt werden.
über Band- und Kapselinsertionen am Talushals und plantar im Talusfrakturen Typ III und IV werden heute offen, möglichst
Sinus tarsi. Nach zentralen Talushalsfrakturen ist der Talus da- innerhalb der ersten 6 Stunden operativ versorgt, mit der Ziel-
11 her besonders nekrosegefährdet. setzung einer bestmöglichen Wiederherstellung der Gelenkflä-
Die Form der Trochlea tali und die dorsale Verschmäle- chen. Durch notfallmäßiges Reponieren und Stabilisieren der
12 rung um 0,5 cm ermöglichen eine Wackelbewegung des Talus Talusfraktur werden weitere Weichteil- und Gefäßschäden ver-
bei der Plantarflexion, eine stabile Situation bei Dorsalextensi- hindert. Verwendung finden Kortikalis-, Spongiosa- und Her-
on (7 Kap. 18). bertschrauben, Minikondylenplättchen (Handchirurgie), Zug-
13 Am Talus setzen keine Muskeln an; er wird über die Bewe- und Rekonstruktionsplatten. Die Defekte werden mit Spongi-
gung der anderen Fußknochen mitbewegt. Die auf dem Talus osa aufgefüllt, neuerdings auch mit autologen Chondrozyten
14 liegende Belastung ist sehr groß. Er überträgt die gesamte Kör- (Schäfer 2003).
perlast auf das Fußskelett, nach Bei offenen Frakturen oder offenen Luxationsfrakturen wird
5 dorsal auf den Kalkaneus, ein temporärer Fixateur externe angebracht. Die Frakturen
15 5 medial/distal auf den medialen Fußstrahl und müssen schnellstmöglich reponiert werden und sollen nach
5 lateral/distal auf den lateralen Fußrand (7 Abschn. 19.1). einem Intervall durch fasziokutane Lappen oder Spalthautlap-
pen bedeckt werden. Bei schwerer Zerstörung des Talus ist ei-
16 Die Gelenkflächen des unteren Sprunggelenks sind nur in der ne Arthrodese indizert.
Nullstellung in kongruenter Position; alle übrigen Stellungen
17 sind instabil, und die Bandsysteme sind gespannt. Belastungsstabilität
Die Entlastungszeiten bei Talusfrakturen entsprechen denen der
Verletzungsmechanismen: Kalkaneusfraktur.
18 5 Die Talushalsfraktur entsteht bei einer axialen Gewaltein- Bei Frakturen Typ I–III ist ein frühfunktionelles Vorgehen mit
wirkung auf den festgestellten Fuß, so dass das Sustentacu- Minimal- oder Teilbelastung möglich.
19 lum tali als Hypomochlion wirkt (Weigel, Nerlich 2005). Es Bei allen anderen Frakturen variieren die Minimal- und Teil-
ist eine schwere Verletzung, die ein hohes Risiko an Folge- belastungszeiten zwischen 6–12 Wochen. Gipsruhigstellungen
schäden birgt. dauern heute selten maximal 6 Wochen. Nach 16 Wochen soll
20 5 Die Taluskorpusfraktur entsteht durch eine zusätzliche rota- die Vollbelastung erreicht sein. Das arthroskopische Vorgehen
torische Gewalteinwirkung. verringert die postoperative Symptomatik.
21
19.2 Talusfraktur (Talusluxationsfraktur)
385 19

Regelmäßige Röntgenkontrollen und Computertomogra- Komplikationen


phien sind erforderlich, um frühzeitig eine Nekrose oder ar-
throtische Veränderungen zu erkennen. Bei lange bestehender, 5 Kompartmentsyndrom,
schmerzhafter Arthrose wird eine Arthrodese durchgeführt. 5 hohes Risiko einer aseptischen Nekrose; bei verzögerter
Reposition nach zentralen Talusfrakturen 50–100 (Zwipp
! Cave 1998, Rammelt 2002),
Die Prognose für die Ausheilung einer Fraktur ist direkt abhän- 5 Früh- und Spätarthrose bis zu 97 (Zwipp 1998, Rammelt
gig von Verletzungsgrad und Weichteilschaden. Nekrosen sind 2002),
bei den Frakturtypen III und IV vorprogrammiert, Pseudarthro- 5 Pseudarthrose,
sen bei zu früher Belastung. 5 Complex Regional Pain Syndrome (CRPS),
5 extreme Hautnekrosen und -infekte bei verzögerter Repo-
Bei allen Luxationsformen wird das Bein für 6 Wochen im Un- sition nach offenen Frakturen,
terschenkelgehgips mit 15–20 kg teilbelastet. Die stufenweise 5 Übersehen einer osteochondralen Fraktur durch Projekti-
Mehrbelastung hängt von der Schwere der Luxation und einer on des Schmerzes auf den Bandapparat.
evt. Spongiosaplastik ab und kann in weiteren 3–6 Wochen zur
Vollbelastung führen. Die Patienten erhalten Einlagen vor der
gipsfreien Gehschulung. Befunderhebung
Seltene Verletzungen Siehe 7 Abschn. 19.1, »Kalkaneusfraktur«.
Chopart-Gelenk-Luxationen und -Luxationsfrakturen sind durch
die kräftige Bandführung des Gelenks nur bei sehr hoher Ge- Wichtig
walteinwirkung möglich (Verkehrs-, Bauunfälle). Sie werden
5 Messbefunde für das untere Sprunggelenk können erst
häufig übersehen oder als Distorsion gewertet. Das Erken-
nach Erlaubnis des Arztes erstellt werden.
nen der Instabilitäten ist jedoch für die Belastung des Tarsus
5 Muskeltestwerte bis Stufe 3 können bei stabilen Oste-
von großer Bedeutung, da sonst ein Plattfuß mit nachfolgend
osynthesen mit Bewegungsstabilität durchgeführt wer-
schmerzhafter Arthose im Mittelfußbereich entsteht. Durch ge-
den. Dies gilt auch für die Beurteilung der Beinachse bei
haltene Aufnahmen lässt sich eine eindeutige Diagnose erstel-
Minimal- und Teilbelastung.
len. Ein operatives Vorgehen mit der Rekonstruktion der anato-
mischen Gegebenheiten (Rammelt et al. 2002) ist mehrheitlich
indiziert (Weigel, Nerlich 2005).
Der Fuß soll nach gelungener Reposition für 6–8 Wochen
in einem Unterschenkelgips ruhiggestellt werden. Behandlungsmöglichkeiten
Lisfranc-Gelenk-Luxationen und -Luxationsfrakturen sind Be-
gleitverletzungen bei Polytraumen, z.B. bei Autounfällen durch Grundsätzliches Vorgehen
Einklemmen des Fußes unter dem Pedal. Auch diese Verlet- Die Behandlungsmöglichkeiten können aus 7 Abschn. 19.1,
zungen werden leicht übersehen. Ein operatives Vorgehen mit »Kalkaneusfraktur« übernommen werden. In . Übersicht 19.2
Schraubenosteosynthese (auch als Stellschraube), z.B. in das Os sind die Inhalte der physiotherapeutischen Behandlung nach
cuneiforme eingebracht, stabilisiert das Gelenk. Etwas instabi- Talusfrakturen zusammengefasst.
ler ist die K-Draht-Osteosynthese.
Wie bei der Chopart-Gelenk-Luxation wird die K-Draht-
Osteosynthese in einem Unterschenkelgehgips mit Teilbela- . Übersicht 19.2. Gesichtspunkte der Behandlung
stung behandelt. Nach 8 Wochen Gips werden K-Drähte und 5 Verbesserung der Durchblutung, Thromboseprophylaxe.
Gips entfernt und die Belastung bis zur Vollbelastung nach 10– Bei gipsfreier Behandlung
12 Wochen stufenweise gesteigert. Manche Autoren belassen die 5 Lagerung des Fußes.
K-Drähte sogar bis zu 12 Wochen. 5 Aktivierung der kleinen Fußmuskeln, der Dorsalexten-
Patienten mit einer Schraubenosteosynthese werden gips- soren und Plantarflexoren.
frei behandelt (fester Schuh, Einlagen). 5 Mobilisation des oberen/unteren Sprunggelenks und der
Das Risiko eines Kompartmentsyndroms ist sehr hoch (⅔ der Zehengelenke.
Patienten). In dem Fall muss eine Dermatofasziotomie vorge- 5 Erhalten der Muskelfunktion des betroffenen Beins sowie
nommen werden. der nicht betroffenen Extremitäten.
Die physiotherapeutischen Behandlungsmöglichkeiten 5 Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten, Gehschu-
gleichen denen der übrigen Tarsuverletzungen (Spiraldynamik, lung.
Larsen 2000).
386 Kapitel 19 · Frakturen im Bereich des Fußes

19.3 Metatarsalfrakturen, Luxationen des mentplattenosteosynthesen stabilisiert. Besonders der 1. und 5.


1 Fußes Metatarsalstrahl muss reponiert und stabilisiert werden.
In der Regel wird für 6 Wochen mit Gips, Caligamed-Or-
2 Einteilung these oder Vacoped-Schiene teilbelastet (. Abb. 5.4). Anschlie-
ßend beginnt die Belastungssteigerung bis zur Vollbelastung
5 Basisfrakturen, nach 8 Wochen.
3 5 Schaftfrakturen,
5 subkapitale Frakturen,
5 Köpfchenfrakturen, Komplikationen
4 5 Metatarsale-V-Frakturen (= »Jones-Fraktur«, unterteilt in
Typ I–IV). Entsprechend dem Repositions- und Osteosynthesezeitpunkt
5 und der Schwere der Verletzung:
5 Arthrose, v.a. im Lisfranc-Bereich,
Ursachen 5 Kompartmentsyndrom,
6 5 bleibende Schmerzen unter den Metatarsalköpfchen,
5 Einklemmung bei Auffahrunfällen, 5 bleibende Fußdeformität,
7 5 Polytraumen, 5 Weichteilschaden,
5 Quetschverletzungen. 5 Osteitis,
5 Pseudarthrose bei Basisfrakturen.
8
Charakteristische Symptome/Leitsymptome
9 Behandlungsmöglichkeiten
5 Zehenfehlstellung,
5 Schwellung, Grundsätzliches Vorgehen
10 5 Schmerzen, Die gezielte physiotherapeutische Behandlung beginnt nach ca.
5 Krepitation, 4 oder 6 Wochen, wenn der Gips/die Orthese abgenommen
5 Belastungsunfähigkeit. wurde bzw. die Pins entfernt wurden.
11 In der Proliferationsphase soll der Patient mit eigenstän-
digen Zehenbewegungen und Bewegungen des Knie- und Hüft-
12 Behandlungsrichtlinien und therapeutische gelenks eine Thromboseprophylaxe durchführen (7 Kap. 3).
Maßnahmen Bei gipsfreier Behandlung soll das obere Sprunggelenk dy-
namisch und statisch im Sinne der Ausdauer beansprucht wer-
13 Metatarsalfrakturen treten häufig als Serienfrakturen auf, vor- den.
zugsweise jedoch am ersten und letzten Mittelfußstrahl. Neben Bei bestehender Bewegungsstabilität werden die Zehen ak-
14 direkten und indirekten Gewalteinwirkungen führen Stressbe- tiv gegen Führungskontakt geübt. Dazu muss der Mittelfuß pas-
lastungen im Sport zu Ermüdungsbrüchen. Die Schaftfrakturen siv fixiert werden. Liegen Kirschner-Drähte, kann die Übungs-
des 1. und 5. Strahls entstehen durch einen Torsionsmechanis- behandlung erst nach deren Entfernung beginnen.
15 mus. Auch angeborene oder erworbene Fußdeformitäten kön- Nach Pinentfernung wird die Belastung stufenweise einge-
nen eine Metatarsalfraktur verursachen. übt und nach funktionellen Kriterien gesteigert.
Einlagen nach Maß oder Maßschuhe mit weichen Sohlen
16 Ärztliche Behandlung sind manchmal notwendig.
Nicht dislozierte Frakturen können konservativ in einem Gips- Übungen der Spiraldynamik (Larsen 2000) werden als er-
17 schuh für 4–6 Wochen ruhiggestellt werden. Bei guter Com- folgreiches eigenständiges Übungsprogramm beschrieben. Un-
pliance werden die Patienten schon frühfunktionell mit einem ter »Spiraldynamik« versteht man die betonte Verwindung des
Spezialschuh versorgt. Eine engmaschige Röntgenkontrolle ist Rückfußes (Ferse) gegen den Vorfuß und eine Formung des
18 dann nötig. Die Belastung kann schmerzabhängig erfolgen. Quer- und Längsgewölbes. Die Übungen beinhalten die Wahr-
Die »Jones-Fraktur« hat aufgrund der schlechten Blutver- nehmung der Fußstellung, des Bodenkontaktes und der Stand-
19 sorgung eine ungünstige Heilungsprognose und sollte deshalb festigkeit; sie fördern die Propriozeption. Durch das passive Be-
länger (8–10 Wochen) ruhiggestellt werden. Dies gilt auch für wegen der Ferse in Pro- und Supination gegen den Vorfuß und
Stressfrakturen des Metatarsale V. die Formung des Quergewölbes wird zudem die Beweglichkeit
20 Dislozierte Frakturen an den Metatarsalknochen werden geschult. Im geschlossenen System kann dann die Fußmuskula-
i.d.R. zur Wiederherstellung des Längsgewölbes und der Fuß- tur gekräftigt werden (. Abb. 19.8, 19.11 und 7 Kap. 17, 18).
21 achse operativ mit Kirschner-Pins, Schrauben oder Kleinfrag-
19.5 Literatur
387 19

19.4 Zehenfrakturen Behandlungsmöglichkeiten

Charakteristische Symptome/Leitsymptome Grundsätzliches Vorgehen


Siehe obige Abschnitte und vorherige Kapitel.
5 Dislokation, Die Behandlungsschwerpunkte nach Zehenfrakturen sind
5 Schmerzen bei Berührung und Bewegung, besonders im in . Übersicht 19.3 zusammengefasst.
Schuh,
5 Schwellung,
5 Krepitation. . Übersicht 19.3. Schwerpunkte der Behandlung
5 Resorption des Hämatoms und Ödems.
5 Erhalten der Funktion der Beinmuskulatur mit Beto-
Behandlungsrichtlinien und therapeutische nung auf Stabilisation des Längsgewölbes und der
Maßnahmen Beinachse.
5 Mobilisation der Zehengelenke (nach Befund).
Zehenphalangenfrakturen entstehen häufig durch eine direkte 5 Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten, Gehschu-
Gewalteinwirkung, z.B. eine Quetschung oder durch Anstoßen lung.
beim Barfußgehen. Die Grundphalanx der Großzehen und der
Kleinzehe frakturiert am häufigsten. Die Fußbinnenmuskulatur
und der Sehnenzug führen zu Dislokationen.

Ärztliche Behandlung 19.5 Literatur


Die Frakturen sind im a.-p.-Röntgenbild und einer 45°-Schräg-
aufnahme gut zu erkennen. Bergmann G, Kölbel N, Rauschenbach A (1977) Das Gehen mit Stock-
Nicht dislozierte Frakturen werden frühfunktionell mit stütze. Entlastung von Hüftgelenk und Femur durch eine Stock-
einem Pflasterzügelverband an die Nachbarzehe behandelt. stütze. Z Orthop 115: 174
Bergmann G, Rohlmann H, Graichen F (1989) In vivo-Messung der Hüftge-
Meist reicht diese Stabilisierung für 2–3 Wochen aus.
lenkbelastung. Z Orthop 127: 672
Die Großzehenfraktur muss meist offen, anatomisch kor-
Böhler L (1931) Diagnosis, pathology and treatment of fractures of the os
rekt reponiert und mit gekreuzten K-Drähten stabilisiert wer- calcaneus. J Bone Joint Surg 13: 75–89
den. Diese werden nach 4–6 Wochen gezogen. Alternativ kön- Böhler L (1977) Die Technik der Knochenbruchbehandlung, Bd II, 13. Aufl.
nen Minischrauben oder Plättchen eingesetzt werden. Maudrich, Wien
Ein Gipsschuh (»Lopresti-Slipper«) (Gianestras 1974) er- Göhler B (2007) Komplexbewegungen contra Einseit-Haltung. Pflaum,
möglicht es dem Patienten, mit einem Verstärkungssteg über München
der Großzehe zu belasten. Der Schuh soll 3–6 Wochen getra- Hofmann G (1988) Quantitative Elektromyographie in der Biomechanik.
gen werden. Physik in unserer Zeit. Verlag Chemie, Weinheim. 19. Jahrg. 5: 132
Fehlstellungen der Zehen, v.a. der Großzehe (Hallux val- Kapandji IA (1985) Funktionelle Anatomie der Gelenke, Bd 2. Enke, Stutt-
gart
gus), und ausgeprägte Kontrakturen können zu lästigen Gehbe-
Lanz v. T, Wachsmuth W, Loeweneck H (2003) Praktische Anatomie, Bein
schwerden führen und eine Korrekturosteotmie notwendig ma-
und Statik, Springer, Berlin Heidelberg New York
chen. Gelenkfrakturen der Großzehe führen häufig zu einer Ar- Larsen C (2003) Füße in guten Händen, Spiraldynamik – Programmierte
throse. Therapie für konkrete Resultate. Thieme, Stuttgart
Im Anschluss an die Gipsschuhbehandlung sollen feste Luft- Larsen C (2007) Gut zu Fuß ein Leben lang, 3. Aufl. Trias, Stuttgart
polsterschuhe mit Einlagen getragen werden. In besonderen List M (1995) Physiotherapie und Belastung an der unteren Extremität
Fällen müssen Maßschuhe verordnet werden. nach Verletzungen. Langenbecks Arch Chir Suppl II
Loeweneck H, Liebenstund I (1994) Funktionelle Anatomie für Krank-
engymnasten. Pflaum, München
Komplikationen Marti R (1974) Talus und Calcaneusfrakturen. In: Weber BG et al. (Hrsg) Die
Frakturbehandlung bei Kindern und Jugendlichen. Springer, Berlin
Heidelberg New York
5 Fehlstellungen, z.B. Hallux valgus,
Mittlmeier T et al. (1993) Analysis of morphology and gait function follow-
5 Pseudarthrose, ing intraarticular calcaneal fracture. J Orthop Trauma 7: 303–310
5 Arthrose, Rammelt S et al. (2002) Verletzungen des Chopartgelenks. Unfallchirurg
5 Weichteilverletzung/Quetschung, 105: 371–385
5 schmerzhafte Kontrakturen, Rammelt S et al. (2003) Calcaneusfrakturen: Offene Reposition und in-
5 Schmerzen bei Belastung, terne Stabilisierung. Zentralbl. Chir 128: 517–528
5 Infektion. Schäfer DB (2003) Cartilage repair of the talus, foot ankle. Clin 8: 739–753
388 Kapitel 19 · Frakturen im Bereich des Fußes

Weigel B, Nerlich M (2005) Praxis Unfallchirurgie. Springer, Berlin Heidel-


1 berg New York
Zwipp H (1994) Chirurgie des Fußes. Springer, Wien New York
Zwipp et al. (1998) Rekonstruktion nach fehlverheilter Talusfraktur. In:
2 Probst, Zwipp (Hrsg) Bericht über 2. Dresdener Unfalltagung, Vol 101,
S. 161–180,

3
Die Abbildungen 19.2, 19.3, 19.9–19.11 stellte mir freundlicherweise Frau
Claudia Klose, PT-Schule am BKH Günzburg, zur Verfügung.
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Amputationen an der unteren Extremität

Ursachen – 390 20.1 Patientenbeispiel – 403


Behandlungsrichtlinien, Befundaufnahme – 403
therapeutische Maßnahmen und ICF-Dokumentation – 404
Prothetik – 390
Komplikationen – 393 20.2 Literatur – 405
Befunderhebung – 393
Behandlungsmöglichkeiten – 394
Besonderheiten bei der Behandlung
weiterer Amputationen – 401
Übungsbeispiele – 401
390 Kapitel 20 · Amputationen an der unteren Extremität

Ursachen tem des somatosensorischen Kortexareals S I und S II und der


1 medialen Kerngebiete des Thalamus auftreten (van den Berg
5 Trauma infolge von Verkehrs- und Arbeitsunfällen, 2003).
2 5 Infektionen (Gasbrand, Osteomyelitis, Osteitis, Phlegmo- Vonseiten der Physiotherapeuten wird beobachtet, dass
ne, Empyem), ein sensomotorisches Training des Stumpfes und konzentrierte
5 Gefäßverschlüsse, arteriovenöse Verschlusskrankheiten Bewegungsformen des gesunden Beins kurzfristig erfolgreich
3 (AVK), sind. Auch das frühzeitige Tragen einer gut sitzenden Prothe-
5 Diabetes mellitus, se verringert die Phantomschmerzen. In USA wurde von Ra-
5 Tumoren. machandran (1996) die sog. »Spiegeltherapie« entwickelt, die
4 von Maier und Glaudo aufgegriffen wurde und inzwischen
praktiziert wird. Dabei übt man mit der gesunden Extremität
5 Behandlungsrichtlinien, therapeutische vor einem Spiegel und vermittelt damit der amputierten Sei-
Maßnahmen und Prothetik te das Bild, dass sie sich bewegt (7 Punkt 2 in 7 Abschn. »Be-
handlungsmöglichkeiten«, 7 Kap. 3.3, »Schmerztherapie« und
6 Dank rekonstruktiver Möglichkeiten werden Amputationen 7 Kap. 11).
im Gegensatz zu früher heute wesentlich seltener vorgenom-
7 men. Durch Revaskularisierungsoperationen und Infektbeherr- Funktionelle Frühbehandlung
schung kann in vielen Fällen eine Amputation vermieden wer- Voraussetzung für eine frühfunktionelle Versorgung ist, dass die
den. Wundheilung abgeschlossen ist und die Fäden entfernt wurden.
8 Nach der Fädenentfernung wird ein Hydro-Keloid-Verband ange-
Ärztliche Behandlung legt, der hygienisch sauber, Wundheilung fördernd und gleich-
Geplante Operationen bieten dem Operateur die Möglich- zeitig komprimierend ist. Dadurch lassen sich zudem Ödeme
9 keit, die Länge des Stumpfes, seine Funktionsfähigkeit und die vermeiden, und der Stumpf erreicht frühzeitig seine Form. Der
Weichteildeckung sorgfältig zu überdenken. Traumatische Am- Versorgungszeitpunkt richtet sich außerdem nach dem Zustand
10 putationen erlauben evt. nur eine korrektive Nachamputation des Patienten und den Stumpfverhältnissen.
und Weichteildeckung. Im Vergleich zum Gesamtkollektiv sind Wichtige Faktoren für eine mögliche Frühversorgung sind:
traumatische Amputationen heute weniger häufig als Amputa- 5 Vaskularisierung des Stumpfes,
11 tionen nach Gefäßerkrankungen. 5 Wundheilung und
Nach Baumgartner (1995) macht die heutige, weit entwi- 5 Rehabilitationsfähigkeit des Patienten.
12 ckelte Mikro- und plastische Chirurgie die Bildung eines funk-
tionellen Stumpfes mit Endbelastbarkeit möglich. Eine Frühver- Prothetik
sorgung soll angestrebt werden. Patienten, die eine Amputation erlitten haben, verlieren ihre di-
13 Grundsätzlich gilt ein längerer Stumpf als ein besserer He- stalen Propriozeptoren und haben durch das fehlende Gewicht
bel für die Führung der Prothese. Die Länge des Stumpfes ist ab- Gleichgewichtsprobleme. Es fehlt das spontane Feed-back über
14 hängig von: die Gelenkpositionen und daher auch die Sicherheit beim Ge-
5 der Durchblutung, hen mit der Prothese.
5 dem Zustand der Weichteile, Neue Erkenntnisse der Biomechanik und deren Umsetzung
15 5 dem Abstand zum nächstgelegenen Gelenk und in der Technik der Prothesenherstellung tragen dazu bei, dass
5 dem Ausmaß der Verletzung. sich die prothetische Versorgung sehr verbessert hat.
Amputationen werden je nach Ursache im Fußbereich, an
16 Der Erhalt eines Gelenks ist für den Patienten besonders wich- Unter- und Oberschenkel, im Knie- und Hüftgelenk und als He-
tig. mipelvektomie (selten) durchgeführt. Periphere Stümpfe im
17 Patienten mit einer besonders schmerzhaften Leidenszeit Fußbereich und Kniegelenkexartikulationen haben günstige
(AVK) vor der Amputation neigen vermehrt zu einer postope- Belastungs- und Versorgungsvoraussetzungen.
rativen Phantomschmerzentwicklung, d.h., der Patient empfin- Der große Durchbruch gelang durch die Entwicklung der
18 det Schmerzen in einem Körperteil, das nicht mehr vorhanden Modularprothese nach Otto Bock (2000) (. Abb. 20.1), bei der,
ist. Phantomschmerzen unterscheiden sich durch ihren ein- anders als bei der Schalenprothese, eine Rohrkonstruktion die
19 schießenden, elektrisierenden Charakter von Wundschmerzen Gewichtsübertragung übernimmt und der äußere Mantel aus
und Phantomgefühl. Als Phantomgefühl wird das empfundene Schaumstoff besteht. Bei der Schalenprothese hat der Holz-
Vorhandensein eines fehlenden Körperteils bezeichnet. oder Kunststoffköcher tragende Funktion.
20 Die Entstehung der Phantomschmerzen ist noch weitge- Heute werden aus industriell hergestellten Bauelementen
hend ungeklärt, jedoch wird angenommen, dass supraspinale (Adaptern und Gelenkmodulen) individuelle Prothesen gefer-
21 und spinale Veränderungen u.a. im zentralen Verarbeitungssys- tigt, die passend nach Amputationshöhe, Länge, Kraft und Be-
20 Amputationen an der unteren Extremität
391 20

. Abb. 20.1a,b. a Anprobe der Mo-


dularprothese mit C-Leg, b fertige
Modular-Oberschenkelprothese. (Aus
Bock, Nädler 2000)

a b

weglichkeit des Stumpfes zusammengefügt werden. Darüber hi- 5 Ausgleich von Bodenunebenheiten,
naus werden die Vorstellungen des Patienten bzgl. Berufstätig- 5 dynamische Überleitung von der Stand- in die Schwung-
keit und Freizeitgestaltung mit in die Planung einbezogen. beinphase,
5 elastische Rückstellkraft des Vorfußes.
Oberschenkelprothesen
Bei Oberschenkelprothesen werden besondere Anforderungen Unterschenkelprothesen
an die sichere Gelenkführung und den funktionsfähigen Einsatz Unterschenkelprothesen können in Schalen- oder Modulartech-
gestellt. nik hergestellt werden.
Angeboten wird heute eine Vielfalt von poly- und mono- Große Bedeutung hat die Einbettung des Stumpfes. Bei AVK-
zentrischen Kniegelenken. Polyzentrische Kniegelenke können Patienten mit einer Unterschenkelamputation kann eine Weich-
eine kombinierte Dreh- und Gleitbewegung ausführen, wie dies wandbettung für den Gießharzschaft nötig sein (. Abb. 20.2).
physiologischerweise bei normalen Kniegelenkbewegungen ge- Alternativ werden Silikon-Liner (. Abb. 20.3 a) angewandt, die
schieht. Für die Steuerung können hydraulische, pneumatische direkt auf den Stumpf gerollt werden, gut haften und sehr haut-
oder elektronische Systeme (C-Leg) (. Abb. 20.1) eingebaut wer- verträglich sind. Allerdings dürfen keine Luftblasen zwischen
den. Diese ermöglichen eine dynamische Sicherung und Ge-
schwindigkeitsregulierung beim Gehen.
Prothesenfüße werden nach Kriterien wie Funktion, Kos-
metik, Gewicht des Patienten und Haltbarkeit individuell her-
gestellt. Der früher am häufigsten verwendete Sach-Fuß wurde
durch den Dynamik-Fuß abgelöst, der eine noch bessere Flexibi-
lität und Stoßdämpfung erreicht.
Federelemente aus Kunststoff in Kombination mit ela-
stischen Strukturen führen zu funktionell verbesserten Kon-
struktionen. Als weitere Materialien werden Federelemente aus
Karbon, ein Steuerring aus Stahl und ein Modular-Adapter ver-
wendet (z.B. Dynamic plus-Fuß, C-Walk-Fuß). Dem Patienten
steht eine Vielzahl von Angeboten zur Verfügung, um die Mo-
dularprothese anzupassen.
Nach Bock/Näder (2000) sollte eine Fußkonstruktion mit
Modular-Adaptation folgende Anforderungskriterien erfüllen:
5 Axialkompression bei Belastung,
5 physiologisches Abrollverhalten durch abgestufte Elastizi- . Abb. 20.2. Anziehen der Unterschenkelprothese mit Weichwandbet-
tät, tung. (Aus Bock, Nädler 2000)
392 Kapitel 20 · Amputationen an der unteren Extremität

. Abb. 20.3a,b. Anziehen des Silikon-Liner


1 a mit Pin, b mit eingebautem Shuttle-Lock.
(Aus Bock, Nädler 2000)

2
3
4
5
6
7 a b

8
Eine individuell angepasste Stumpfbettung in der Prothese
9 ist erforderlich für den schlüssigen Sitz des Köchers, die kor-
rekte Haftung und eine sichere Prothesenführung.
10 Um das Gefäßbündel nicht unnötig einzuengen, werden
längsovale Schaftformen gewählt, bei denen das Trigonum fe-
morale frei liegt. Sie haben keinen Tubersitz, sind antero-poste-
11 rior weiter als medial-lateral und übertragen so das Gewicht auf
den gesamten Weichteilmantel. Das Tuber ist nicht abgestützt
12 wie beim querovalen Schaft (ISNY-Schaft), sondern eingebettet
(CAT - CAM-Methode).
Auch in die Oberschenkel-Modularprothesen werden Sili-
13 con-Liner eingesetzt. Ohne Prothese können Liner und Stumpf-
strümpfe zur Kompression und Ödemresorption verwendet wer-
14 den. Exaktes Wickeln in diagonalen Touren ergänzt diese Präven-
tionsmaßnahmen (7 Punkt 7, Stumpfpflege) (. Abb. 20.5, 20.6).

15 Fuß-, Vorfuß- und Zehenporothesen


. Abb. 20.4. Erste Gehübung. (Aus Bock, Nädler 2000) Bei den Fuß-, Vorfuß- und Zehenamputationen besteht das Pro-
blem in der verkleinerten Standfläche. Je weniger von der Fuß-
16 sohle amputiert werden muss, umso besser ist auch die Versor-
Haut und Liner entstehen, dort könnte die Haut sonst schwit- gung. Mit Ausnahme der Großzehe wird bei einzelnen Zehen-
17 zen. Am Linerende befindet sich ein Pin, der dann in den Shutt- amputationen oft auf eine prothetische Versorgung verzichtet.
le-Lock des Gießharzschaftes einrastet und eine sichere Füh- Für die kosmetische und funktionelle Versorgung werden Sili-
rung garantiert (. Abb. 20.3 b). Diese Konstruktion ermöglicht kon-Kautschuk-Materialien benutzt. Die individuell angefertig-
18 eine frühe Gehschulung, beginnend nach Fädenentfernung. ten Prothesen liegen dem Fuß optimal an, sind flexibel, vertei-
Bei den Unterschenkelprothesen haben sich Modularpro- len den Druck gleichmäßig und bieten daher einen sicheren
19 thesen aus thermoplastischem Kunststoff und Gießharz durch- Gang. Bei frühfunktioneller Versorgung mit einer Probepro-
gesetzt. Nach Wundheilung wird ein Interimsmodell hergestellt these kann die Spitzfußkontraktur bei Vorfußamputationen ver-
(. Abb. 20.4). Gleiches gilt auch für die Kniegelenkexartikulati- mieden werden. Bestehen schon Kontrakturen, muss u.U. eine
20 on. Arthrodese vorgenommen werden.

21
20 Amputationen an der unteren Extremität
393 20

Für Amputationen im Chopart-Gelenk wird eine Kombinati- Komplikationen


onsprothese aus einem Weichschaft, einem Gießharzschaft und
einem Silikonfußmodul angefertigt. 5 Wundheilungsstörung mit Narbenbildung,
Jede Amputation ist ein schwerer Eingriff in das Leben des Pa- 5 Infektion,
tienten, der unterschiedlich bewältigt wird. In der Regel kom- 5 Neurome,
men junge polytraumatisierte Patienten mit einer Ober-/Unter- 5 Phantomschmerzen,
schenkelamputation besser zurecht als Patienten, die ihr Bein 5 Kontrakturen.
nach langer Krankheit (AVK) verlieren. Auch der Allgemeinzu-
stand und das Alter beeinflussen die Rehabilitation.

Befunderhebung

Beurteilen 5 Allgemeinzustand, Nebenverletzungen.


5 Operationsnarbe.
5 Schwellung, Stumpfform.
5 Hautfarbe (Rötung, Druckstellen, Hämatom).
5 Muskelrelief.
5 Gelenkstellungen/Schonhaltungen.
5 Beckenstellung.

Messen 5 Funktionelle und absolute Stumpflänge.


5 Umfang 10 und 15 cm distal vom Trochanter major bei Oberschenkelamputation, bei Unterschenkelamputation
entsprechend 10 und 15 cm distal des Gelenkspalts.
5 Aktive/passive Beweglichkeit der Hüft-, Kniegelenke und der Gelenke am Fuß.

Prüfen 5 Qualität des Bewegungsstopps der angrenzenden Gelenke.


5 Muskeltestwerte:
5 bei Oberschenkelamputation: Mm. glutei, Bauchmuskeln, M. iliopsoas,
5 bei Unterschenkelamputation: Mm. adductores, M. quadriceps,
5 bei Vorfußamputationen: Fußmuskeln.
5 Dehnfähigkeit der Muskulatur.
5 Sensibilität.
5 Leistenpuls bei Angiopathiepatienten.

Notieren und 5 Schmerzen (Lokalisation, Qualität, Intensität, Zeitpunkt (VAS).


Bewerten 5 Wundschmerzen.
5 Phantomempfindung/Phantomschmerzen, Neuromschmerzen.

Beurteilen 5 Gang mit Interimsprothese, später Endprothese (visuell und mittels Messverfahren).
5 Selbständigkeit in der Handhabung der Prothese.
5 Selbständigkeit in Alltagsverrichtungen.
5 Transfer vom Liegen in den Sitz, Stand etc.
5 Gebrauch von Hilfsmitteln.
5 Aktivitäten im häuslichen Umfeld, im Beruf, sportliche Betätigung.
5 Psychosoziale Situation.
5 Partizipation am gesellschaftlichen Leben.
394 Kapitel 20 · Amputationen an der unteren Extremität

Die Ganganalyse wird in Teamarbeit mit dem Arzt, dem Physi- 2. Schmerztherapie
1 otherapeuten und Prothesenbauer erstellt und bewertet. In ent- Siehe auch 7 Kap. 3, »Schmerztherapie«.
sprechenden Ganglabors stehen komplexe Systeme zur Verfü- Phantom- und Neuromschmerzen sind auch heute noch eine
2 gung, die
5 Belastungsform,
große Herausforderung für das Behandlerteam. Im Versuch die
Schmerzen zu lindern, werden TENS-Behandlungen, Akupres-
5 Belastungszeit, sur oder Akupunktur angewandt. Im Rahmen der Schmerzthe-
3 5 Krafteinsatz und rapie wird, wie bei allen postoperativen Patienten, eine Basis-
5 Ausdauerleistung analgesie durchgeführt, die mit nichtsteroidalen Antiphlogis-
objektivieren können (. Abb. 18.7). tika kombiniert wird. Damit wird vorgebeugt, dass sich starke
4 Schmerzen entwickeln, die wiederum eine frühfunktionelle Be-
handlung verhindern.
5 Behandlungsmöglichkeiten Frühzeitiges Bewegen unterstützt die Schmerzlinderung.
Physiotherapeuten haben die Erfahrung gemacht, dass Schmer-
Grundsätzliches Vorgehen zen über eine konzentrierte Spannung der kontralateralen Seite
6 In . Übersicht 20.1 sind die Inhalte der physiotherapeutischen reduziert werden können.
Behandlung nach Amputationen der unteren Extremität zu- In letzter Zeit wird von großen Erfolgen der sog. »Spiegel-
7 sammengefasst. terapie« zur Behandlung von Phantomschmerzen berichtet (Ra-
machandran 1996, Maier, Glaudo 2006). Die Konzentration
und visuelle Kontrolle einer Übung des gesunden Beins/Fußes
8 . Übersicht 20.1. Gesichtspunkte der Behandlung vor dem Spiegel vermittelt dem Patienten ein gleiches Üben an
Zeitraum bis zur Fädenentfernung der nicht mehr vorhandenen Seite. Im Spiegelbild sieht die ge-
1. Pneumonie-, Thrombose- und Ödemprophylaxe, sunde Seite genauso aus wie die fehlende, die Übung wird also
9 Durchblutungsverbesserung. für die fehlende Seite wahrgenommen.
2. Schmerztherapie. Zusätzlich können Bürstungen oder manuelle Hautgriffe
10 3. Lagerungskontrolle. den Input der Sinneswahrnehmung verstärken (7 Kap. 11,
4. Erhalten der Arm- und Rumpfmuskelfunktion. »Handchirurgie«). Der Effekt der Schmerzminderung kann ei-
5. Erhalten der Muskelfunktion des gesunden Beins. nige Stunden andauern.
11 6. Kontrakturprophylaxe. Phantomschmerzen werden gelindert durch Übungsformen,
Nach Fädenentfernung die das Bewusstsein des Patienten auch auf nicht mehr vorhan-
12 7. Stumpfpflege, Stumpfformung. dene Gelenke lenken und Bewegungsaufträge, die diese verbal
8. Training der Muskulatur des Stumpfes. in den gesamten Bewegungsablauf miteinbeziehen (Schweer
9. Mobilisation von Kontrakturen, Dehnung verkürzter 2004). In der Regel verschwindet der Phantomschmerz nach ei-
13 Muskeln. nigen Monaten von selbst.
Nach Anpassen der Interims- oder Endprothese Starke Neuromschmerzen können darauf beruhen, dass die
14 10. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten, Gehschu-
lung mit Prothese.
peripheren Nervenendigungen nicht in den Weichteilen einge-

11. Versehrtensport oder Gymnastik.


15
16 1. Pneumonie-, Thrombose- und Ödemprophylaxe
Siehe auch 7 Kap. 3, »Prä- und postoperative physiotherapeu-
17 tische Behandlung«.
Bei gesicherter Wundheilung wird zur Vermeidung von
Schwellungen ein Kompressionsstrumpf für den Stumpf ange-
18 passt oder individuell bandagiert (. Abb. 20.5).
Der Patient wird angehalten, den Stumpf stündlich anzu-
19 spannen.
Abhängig von der Grunderkrankung/Verletzung und der
Verträglichkeit können kühlende Maßnahmen in der Entzün-
20 dungsphase durchgeführt werden (nicht bei AVK).
Frühes Aufsetzen in den hohen Sitz oder Halbsitz und Auf-
. Abb. 20.5. Bandagieren eines Oberschenkelstumpfes
21 stehen sind wichtig.
20 Amputationen an der unteren Extremität
395 20

bettet sind, evt. muss dann eine Korrektur vorgenommen wer- Der Patient soll, wenn möglich, stundenweise in Bauchlage
den. liegen. Er muss selbständig üben und nachvollziehen können,
welche Bedeutung die freie Hüft- und Kniegelenkstreckung für
3. Lagerungskontrolle das Tragen der Prothese hat.
Der Oberschenkelstumpf sollte unbedingt in Hüftgelenknull-
stellung, d.h., nicht auf einem Kissen gelagert sein. Wenn ein 7. Stumpfpflege und -formung
Lagewechsel möglich ist, soll der Patient zeitweise in Bauchla- Anfangs muss der Stumpf sorgfältig in Kornährenform banda-
ge liegen. giert werden (. Abb. 20.6, 20.5). Das Stumpfende kann frei blei-
Zur Hochlagerung wird das Bettende hochgestellt. Voraus- ben. Es muss darauf geachtet werden, dass bis zur Leiste gewi-
setzung dafür ist eine gute arterielle Durchblutung (AVK). ckelt wird, evt. kann ein Schlauchverband als zusätzliche Fixie-
Der Rumpf sollte möglichst gerade liegen, d.h., der Patient rung dienen. Am günstigsten ist das Anlegen des Verbandes
darf nicht andauernd sitzen. Wenn es aus Altersgründen oder in Seitenlage/im Stand in Extensionsstellung des Stumpfes. Ein
anderen Kriterien erforderlich ist, kann das Bett gekippt und fehlerhaftes Bandagieren, das den Stumpf in eine Beugestellung
häufige Lagewechsel vorgenommen werden. Selbstverständlich bringt, kann somit eher vermieden werden.
müssen Druckstellen vermieden und sorgfältig kontrolliert wer-
den, besonders bei AVK- und Diabetes-mellitus-Patienten. ! Cave
Ungünstig sind das Bandagieren des Oberschenkelstumpfes in
4. Erhalten der Arm- und Rumpfmuskelfunktion Hüftgelenkbeugung und zirkuläre oder unterschiedlich feste
Für die beim Gehen mit Unterarmstützen besonders bean- Touren. Dadurch werden Beugekontrakturen oder Stumpfde-
spruchte Muskulatur der Arme werden intensive Widerstands- formitäten gefördert.
übungen und ein Ausdauertraining durchgeführt, am besten
durch Komplexbewegungen gegen manuellen Widerstand, ge- Durch diagonales Bandagieren mit stufenweise abnehmendem
gen Therabänder und Expander, mit Hanteln oder gegen das Druck erhält der Stumpf die gewünschte konische Form. Heute
Körpergewicht (Stützübungen). werden Kompressionsstrümpfe für den Stumpf individuell an-
Der Rumpf wird in aufrechter Haltung stabilisiert (BWS- gepasst oder nach Entfernung der Fäden ein Liner verwendet.
Aufrichtung). Nur wenn bei Patienten mit Oberschenkelampu- Zur Resorption postoperativer Ödeme ist die Manuelle
tation die Bein-Becken-Rumpf-Achse richtig übereinander ge- Lymphdrainage früh einsetzbar.
ordnet ist, kann die Schwerelinie die Unterstützungsfläche tref- Der Patient kann die Stumpfpflege nach Abheilung der
fen. Erst dann kann der Patient die Prothese belasten. Im Stand Wunde selbst übernehmen. Ein entsprechendes Programm soll
mit gebeugten Hüft-, Knie- und Sprunggelenken fällt die Pro- vorgeübt werden. Der Stumpf soll morgens immer trocken in
these zusammen, mit gestreckten oder fast gestreckten Hüft- den Köcher eingebracht werden; deshalb soll er abends kalt ge-
und Kniegelenken kann der Patient sein Körpergewicht in der waschen und zum Ende hin abfrottiert werden.
Standphase halten. Rumpfstabilisation und Armkräftigung Da Haut und Narbengewebe einem erhöhten Druck ausge-
kommt daher eine große Bedeutung zu. setzt sind, müssen sie abgehärtet werden.
Als Ausgangspositionen eignen sich Rückenlage, Sitz, Halb-
sitz und Stand, zur Stabilisation auch Schaukelbrett und The-
rapieball. Wegen der veränderten Hebelverhältnisse (kürzeres . Abb. 20.6. Skizze der Wickeltechnik
Bein) muss besonders das Gleichgewicht geschult werden.

5. Erhalten der Muskelfunktion des gesunden Beins


Auch das gesunde Bein muss für seine vermehrte Arbeitslei-
stung trainiert werden, sofern es unverletzt ist.
Übungen in der geschlossenen Kette aus dem hohen Sitz,
Halbsitz, auf dem Therapieball oder im Stand mit Hilfsmitteln
und PNF-Techniken bieten sich an. Für das selbständige Üben
steht eine Vielzahl von Geräten zur Verfügung.
Der sichere Einbeinstand und der Transfer vom Liegen über
den Sitz in den Stand oder in den Rollstuhl müssen entspre-
chend geschult werden.

6. Kontakturprophylaxe
Endgradiges Bewegen und Halten sowie Lagewechsel sind die
besten Maßnahmen zur Kontrakturprophylaxe.
396 Kapitel 20 · Amputationen an der unteren Extremität

Der Patient wird angeleitet, den Stumpf abzuhärten und


1 evt. Druckstellen täglich zu kontrollieren. Zu empfehlen sind je
nach Verträglichkeit Abreibungen mit einem rauen Waschlap-
2 pen oder verschiedenen Bürsten und wechselnde warm-kalte
Waschungen.

3 ! Cave
Bei gestörter Trophik und Sensibilitätsverlust vorsichtig vorge-
hen, damit keine Wunden entstehen!
4
Manche Patienten pudern ihren Stumpf. Es ist jedoch nicht
5 empfehlenswert, da die Hautporen verstopfen. Gleichermaßen
ungünstig ist das Eincremen des Stumpfes; dieser soll abgehär-
tet, nicht weich gemacht werden. Im Handel sind stumpfabhär-
6 tende Lotionen erhältlich; sie können selbstverständlich auch
zur Narbenpflege benutzt werden.
. Abb. 20.7. Adduktion/Extension gegen Handtuchschlaufe
7 Die Verschieblichkeit der Narbe wird durch eine gezielte
Narbenmassage verbessert. Das Gewebe wird zur Narbe hin
verschoben. Ein behutsames Vorgehen ist wegen der dünnen
8 Hautdecke über dem Schienbein v.a. am ventralen Unterschen-
kelstumpf nötig (7 Kap. 11, Narbenbehandlung in der Handchi-
rurgie).
9
8. Vorbereitung und Training der Muskulatur des Stumpfes
10 Die besondere Kraftleistung der Muskulatur, die Prothese mit
einem deutlich kürzeren Hebel zu führen und das Körperge-
wicht in der Senkrechten auszubalancieren, erfordert ein ver-
11 stärktes Training.
Spannungsübungen im Sekundenrhythmus gegen Füh-
12 rungskontakt verbessern die Durchblutung der Stumpfmusku-
latur und fördern die Kontraktionsbereitschaft der neu fixierten
Muskulatur.
13 Die Stumpfmuskulatur muss für ihre Aufgabe, die Prothe-
se zu führen, intensiv geschult werden. Dies ist u.a. in der realen
14 Situation möglich, also mit Interims- oder Endprothese. Vorbe- . Abb. 20.8. Verstärkungstechnik: Flexion/Adduktion des gesunden
reitend können die Bewegungsabläufe aus Rückenlage, gegen Beins
manuellen Widerstand oder gegen das Körpergewicht einge-
15 übt werden. Dazu finden Verstärkungstechniken aus dem PNF-
Programm und Geräte Anwendung. Genutzt werden kann ei- duktion/Außenrotation, bei einer Unterschenkelamputation ei-
ne Overflow-Reaktion über die Anspannung der kontralateralen ne Beugestellung im Kniegelenk. Die sich daraus entwickelnde
16 Muskulatur oder über synergistische Funktionsmuster. Die Kontraktur wird durch das fehlende Beingewicht und eine häu-
Stumpfmuskulatur soll entsprechend ihrem Leistungsvermögen figes Sitzen negativ verstärkt.
17 gegen Kontakt/Widerstand, auch gegen eine Handtuchschlau- Es ist sinnvoll, den Patienten gleich zu Anfang anzuleiten,
fe, aktiv dynamisch oder statisch trainiert werden (. Abb. 20.7, gezielt Hüftextensoren, -adduktoren und -innenrotatoren anzu-
20.8). spannen (auch als Beckenbewegung!).
18 Besonderen Wert wird auf die Herstellung des Muskelgleich- Das Ziel des Stumpftrainings ist die sichere und ökono-
gewichts zwischen den schwächeren Muskeln (Mm. adductores, mische Prothesenführung.
19 Mm. ischiocrurales, M. quadriceps) und den in ihrer ursprüng- Übungsformen gegen maximalen, dosierten Widerstand, bei
lichen Länge verbliebenen Muskeln (Mm. gluteus medius und häufigen Wiederholungen und kurzen Pausen in geschlossener
minimus, M. iliopsoas) gelegt. Auch der M. M. gluteus maxi- und offener Kette werden befundbezogen eingesetzt.
20 mus ist durch das fehlende Beingewicht geschwächt. Bei einer Das Training muss intensiv sein, d.h., gegen maximalen, an-
Oberschenkelamputation verursacht das Spannungsungleichge- gepassten Widerstand ausgeführt werden. Training bedeutet ei-
21 wicht eine Gewohnheitsstellung des Hüftgelenks in Flexion/Ab- gentlich »Übertraining«, da das Gehen mit einer Prothese eine
20 Amputationen an der unteren Extremität
397 20

wesentlich höhere Energieleistung erfordert. Nach Mensch und . Abb. 20.10. Unterschen-
Kaphingst (1998) ist der Energieverbrauch beim Gehen mit Un- kelamputation: Knie- und
terschenkelprothese um 9–20, beim Gehen mit Oberschen- Hüftgelenkextension aus Rü-
ckenlage
kelprothese um 45–70 höher als beim normalen Gehen.
Das Üben auf der Matte bietet Sicherheit und die Möglich-
keit, die Körperschwere als Widerstand einzusetzen.
Natürlich sind einem Trainingsprogramm für alte Menschen
und solche, die durch lange Krankheiten geschwächt sind,
Grenzen gesetzt.
Bei Oberschenkelamputationen werden Beckenextension, -
abduktion und -innenrotation besonders trainiert. Diese Bewe-
gungen sichern später das künstliche Kniegelenk in der Stand-
phase. Das Training der kleinen Glutäen erfolgt bei aktiver Sta-
bilisation des Oberschenkelstumpfes in Nullstellung.
Bei Unterschenkelamputationen wird das Kniegelenk durch
den M. quadriceps und die ischiokrurale Muskulatur stabili-
siert. Hüft- und Kniegelenkstreckung müssen frühzeitig geübt
werden (. Abb. 20.9, 20.10, 20.11).
Mit Interims- oder Endprothese werden Stabilisationsü- . Abb. 20.11. Unterschen-
kelamputation: Knie- und
bungen im hohen Sitz, Halbsitz und Stand vor dem Spiegel aus-
Hüftgelenkextension im
geführt, damit der Patient visuell die korrekte Rumpf-Becken-
Stand
Bein-Stellung wahrnehmen kann. Durch den Verlust des Un-
terschenkels und Fußes fehlen ihm die propriozeptiven Wahr-
nehmungen.
Bei Patienten mit Kniegelenkexartikulation konzentriert sich
der Behandlungsschwerpunkt auf die Stabilisierung des Hüftge-
lenks und der Becken-Rumpf-Achse in Neutralstellung/Exten-
sion.

9. Mobilisation von Kontrakturen


Um einer Hüftgelenkbeugekontraktur vorzubeugen, soll
die Hüftgelenkextension als selbständige Bewegung, z.B. ge-
gen einen Ball oder eine Schaumstoffrolle vorgeübt werden
(. Abb. 20.12).

. Abb. 20.9. Unterschen-


kelamputation: Knie- und
Hüftgelenkextension aus Sei-
tenlage

. Abb. 20.12. Kleine Bridgingbewegung durch Druck des Oberschen-


kelstumpfes auf den Ball
398 Kapitel 20 · Amputationen an der unteren Extremität

Sind Kontrakturen entstanden, werden Mobilisationstech- naueres Feedback erbringt. Er soll mit und ohne optische Kon-
1 niken entsprechend der Qualität des Bewegungsstopps ausge- trolle die gleichmäßige Belastung beider Beine, anschließend
wählt: abwechselnd eines Beins wahrnehmen.
2 5 Dynamische Umkehr – Halten – Entspannen – aktives/ Patienten mit einer Oberschenkelamputation müssen ler-
passives Weiterziehen bei elastischem Endgefühl, nen, welche Gewichtsverlagerung und Beckenbewegung hilf-
5 Rhythmische Stabilisation – Entspannen – aktives/passives reich ist, um das künstliche Kniegelenk in der Standbeinpha-
3 Weiterziehen bei schmerzhaftem Bewegungsstopp, se zu sichern.
5 Techniken der Manuellen Therapie bei festem Endgefühl. Patienten mit einer Kniegelenkexartikulation (. Abb. 20.14)
können ihr Stumpfende belasten; sie haben eine intakte Hüftge-
4 Erfahrungsgemäß sind Bewegungseinschränkungen des Hüft- lenkfunktion und eine bessere Propriozeption für den Boden-
gelenks auf eine muskuläre Verkürzung z.B. des M. iliopsoas und kontakt.
5 der kleinen Glutäen zurückzuführen. Sie können entsprechend Noch günstiger ist die Situation für Patienten mit einer
mit aktiven und evt. passiven Dehntechniken behandelt wer- traumatisch bedingten Unterschenkelamputation. Die Voraus-
den. setzungen für ein einwandfreies Gehen mit der Prothese sind
6 Bei Unterschenkelamputationen ist eine volle Kniestreckung volle Kniegelenkbeweglichkeit, kräftige Oberschenkelmuskula-
essenziell für das ökonomische Gehen. tur und normale Propriozeption für die noch erhaltenen Ge-
7 Der Unterschenkelstumpf kann beim Bridging auf einem lenkstellungen.
Ball aufliegen. Beherrscht der Patient den Zweibeinstand, können manuel-
Meist liegt eine Kapselschrumpfung des Kniegelenks vor, die le Widerstände, später Gerätewiderstände gesetzt und der Ein-
8 mit Griffen aus der Manuellen Therapie, Traktion und Dorsal- beinstand geübt werden (7 Kap. 16, 18 und 19). Die Schrittpha-
gleiten des Femur oder Ventralgleiten der Tibia verbessert wer- sen werden einzeln und am besten im Gehbarren, später mit
den kann. Unterarmstützen geübt.
9 Im Anschluss an jede Mobilisationstechnik soll der gewon- Wie bei anderen Verletzungen der unteren Extremität wird
nene Bewegungsweg aktiv gehalten werden. der Einbeinstand mit der Prothese besonders geschult. Die Be-
10 wegungsabläufe sind bei Ober-/Unterschenkelamputation und
10. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten, Gehschu- Kniegelenkexartikuation unterschiedlich, abhängig vom ge-
lung mit Prothese wählten Fuß- und Kniemodell. Die Ganganalyse wird von
11 Der Bewegungsaublauf des Gehens kann in Rücken- und Sei- Prothesenbauer und Physiotherapeut gemeinsam erstellt und
tenlage vorgeübt werden. Die Stumpf- und Beckenbewegungen Schwerpunkte der Gehschulung festgelegt (s. auch spezielle
12 werden einzeln vorgeübt, dann als Umkehrbewegung mit dem Fachliteratur).
gesunden Bein koordiniert. Das PNF-Muster mit Technik »Dy- Häufig durchgeführte kürzere Übungszeiten, anfangs im
namische Umkehr« wird abgeändert in »Adduktion/Extensi- Beisein des Orthopädiemechanikers, sind effektiver und bieten
13 on«, die Umkehrbewegung geht nur bis Flexion/Abduktions- die Möglichkeit, sofort kleine Korrekturen vorzunehmen.
nullstellung des Stumpfes (. Abb. 20.13).
14 Auch Therabänder und Züge sind effektiv, um die Gluteal-
muskulatur in ihrer Funktion beim Gehen zu trainieren.
Das Gehtraining mit der Interims- oder Endprothese soll
15 frühestmöglich beginnen. Welche Hilfsmittel (Gehbarren, Stüt-
zen etc.) benötigt werden, muss individuell entschieden wer-
den. Ungünstig ist das Gehen im Rollator, da die Patienten den
16 Oberkörper nach vorne neigen, womit die Beugestellung der
Beingelenke gefördert wird. Es empfiehlt sich nur für ältere Pa-
17 tienten mit Oberschenkelamputation, die eine Kniegelenksper-
re benutzen können.
Günstig für die optische Kontrolle ist das Üben vor dem
18 Spiegel. Bei gleichzeitiger visueller Wahrnehmung werden Ge-
samthaltung, sicherer Stand, Vor- und Zurückschwingen der
19 Prothese, Belasten der Prothese, Schritte und Schrittfolgen seit-
wärts, vorwärts und rückwärts geübt.
Das Wahrnehmen der korrekt eingestellten Rumpf-Becken-
20 Prothesen-Achse, d.h., das Finden der Körpermitte im Stand kann . Abb. 20.13. Gehmuster mit PNF-Technik »Dynamische Umkehr«:
durch manuellen Kontakt am Becken geschult werden. Der Pa- Stumpf in Flexions/Abduktionsnullstellung, gesundes Bein in Extension/
21 tient steht auf zwei Waagen oder einer Messplatte, die ein ge- Abduktion/Innenrotation, nachfolgend Umkehrbewegungen
20 Amputationen an der unteren Extremität
399 20

. Abb. 20.14a-d. Kniegelenkexarti-


kulation. a Stumpf, b Anziehen eines
Strumpfes, c Rohmodell der Modular-
prothese, d Gehversuch mit fertiger
Prothese. (Aus Bock, Nädler 2000)

a b

c d

Aufstehen aus dem hohen Sitz und Hinsetzen ergänzen die der Patient ermüdet schneller und vermeidet es, die Prothese
Gehschulung und sind eine gute Möglichkeit, um die Gewichts- zu tragen. Der Physiotherapeut sollte zunächst versuchen, mög-
verlagerung des Oberkörpers nach vorne zu üben. liche Ursachen abzuklären und Gehfehler zu korrigieren. Ge-
Das Gehen auf unterschiedlichen Böden, mit Richtungs- lingt dies nicht, müssen Korrekturen an der Prothese vorge-
und Tempowechsel gehört ebenso zum Programm wie das Ge- nommen werden.
hen auf einer Rampe, auf unebenem Boden, auf einer Treppe
oder Rolltreppe. In manchen Kliniken stehen ein »Gehgarten« Wichtig
und eine sog. »Gehschule« zur Verfügung. Auch das Treppen-
Auf folgende Gehfehler ist besonders zu achten:
steigen und Abwärtsgehen ist wichtig für einen Prothesenträ-
5 Breitbeiniges Gehen.
ger und muss je nach Kniegelenkmodell gesondert geübt wer-
5 Seitliches Rumpfneigen.
den (. Abb. 20.15).
5 Zirkumduktionsgang.
Nach dem Gehtraining sollte der Stumpf immer auf Druck-
5 Rotation der Ferse beim Aufsetzen.
stellen kontrolliert werden. Schmerzen und Druckstellen füh-
6
ren zu Ausweichbewegungen, das Gehen wird anstrengender,
400 Kapitel 20 · Amputationen an der unteren Extremität

1 5 Rotation der Ferse beim Ablösen.


5 Ungleiche Schrittlänge.
5 Vermehrte Lendenlordose bei Belastung der Prothese.
2 5 Hochfedern des anderen Beins in der Schwungphase der
Prothese.
3 5 Ungleiches Anheben des Prothesenunterschenkels in der
Schwungphase.
5 Vorschleudern der Prothese.
4
5 Ursachen für Gehfehler können medizinischer, mechanischer
oder sozialer Art sein.
Zu den medizinischen Ursachen zählen:
6 5 Kontrakturen,
5 Muskelschwächen,
7 5 Neurome,
5 Narben,
5 Durchblutungsstörungen,
8 5 Schmerzen,
5 schlechter Allgemeinzustand.
9 Fehler, die der Prothesenkonstruktion zugeordnet werden, be-
treffen:
10 5 die Prothesenlänge,
5 den Köchersitz, . Abb. 20.15. Abwärtsgehen mit einem hydraulischen Kniegelenk.
5 die Kniegelenkeinstellung, (Aus Bock, Nädler 2000)
11 5 die Sprunggelenkeinstellung.

12 Darüber hinaus spielen soziale und psychische Faktoren eine wendet, die mit einer Steckschraube versehen sind. Diese rastet
wesentliche Rolle. in den Shuttle-Lock ein. Über einen Entriegelungsstift kann die
Es ist deshalb besonders wichtig, dass Arzt, Orthopädie- Prothese leicht wieder gelöst werden.
13 mechaniker, Physiotherapeut und Sozialarbeiter den Patienten Alle Prothesenträger, nicht nur ältere Beinamputierte, wer-
von Anfang an informieren und in alle Entscheidungen miteinbe- den mit einem Rollstuhl versorgt und müssen den Umgang da-
14 ziehen. Jedes positive Feedback wird ihn motivieren, an seiner mit erlernen, so dass sie Transfers vom Rollstuhl ins Bett, auf ei-
Selbständigkeit mitzuarbeiten. nen Stuhl, in die Dusche oder auf den Boden und wieder zurück
selbständig ausführen können. Der Patient sollte jedoch wissen,
15 Weitere Aktivitäten dass das andauernde Sitzen im Rollstuhl Kontrakturen und Mus-
Um dem Patienten zu unterstützen, die notwendige Selbstän- kelschwächen verursacht und letztendlich das Gehen mit der
digkeit wiederzuerlangen, werden Alltagsaktivitäten wie z.B. Prothese erschwert. Gehen mit Prothese und Liegepausen müs-
16 An- und Ausziehen der Prothese, Aufheben von Gegenständen sen mit Sitzen abwechseln.
etc. geübt. Jeder Patient wird öfter hinfallen, weil er unbewusst sein
17 Schalenprothesen werden im hohen Sitz und Stand angezo- amputiertes Bein einsetzen möchte. Das Aufstehen vom Boden
gen. Ein Trikotschlauch wird über den Stumpf gezogen und das muss deshalb gut eingeübt werden.
untere Ende durch das Ventilloch geführt. Durch Zug am frei- Zum Selbständigkeitstraining gehört auch das Bücken und
18 en Ende und gleichzeitige Pumpbewegungen wird der Stumpf Aufheben von Gegenständen.
in den Köcher gezogen. Der Schlauch wird ganz entfernt, das In der Regel sind die Klinikaufenthalte heute von kurzer
19 Ventil eingesetzt und die Restluft abgelassen. Bei einem Weich- Dauer. In einer Anschlussbehandlung in einer Rehabilitations-
wandschaft dient der Trikotschlauch zudem als Anziehhilfe; klinik können Patienten in Einzel- und Gruppenbehandlungen
er wird dann um den Weichwandschaft herumgeschlagen und ihre Selbständigkeit erreichen bzw. verbessern. Zuhause soll sich
20 bleibt dort. eine ambulante physiotherapeutische Behandlung anschließen,
Modularprothesen für Ober- und Unterschenkel werden im da in der eigenen Wohnsituation eher mit einem Leistungsabfall
21 Sitzen angezogen. Bei der Modularprothese werden Liner ver- zu rechnen ist. Alle Übungsformen, die sich auf den Alltag be-
20 Amputationen an der unteren Extremität
401 20

ziehen, werden am besten in der häuslichen Umgebung einge- ist die kosmetische Versorgung oft schwierig. Die Gehschulung
übt, denn dort entstehen auch die zu bewältigenden Probleme. kann schnell gesteigert werden. Nach der Wundheilung können
frühzeitig Übungen in der geschlossenen Kette gemacht wer-
11. Versehrtensport den.
Unauffälliges und kraftsparendes Gehen mit einer Prothese er- Doppelamputierte Patienten können nach den gleichen Be-
fordert ständiges Training. Am besten ist dieses mit Gleichbe- handlungsvorschlägen behandelt werden. Die Prognose bzgl.
hinderten in einer Gruppe möglich. Innerhalb des Versehrten- des selbständigen Gehens ist natürlich schlechter, jedoch bewei-
sportvereins werden Aktivitäten aller Art angeboten, die Freude sen viele Beispiele, dass die Patienten dank der Weiterentwick-
an der Bewegung bringen, z.B. in einer Gymnastikgruppe oder lung der Prothetik gehfähig werden können. Der Behandlungs-
einer gewählten Sportart. Das Messen mit anderen und der ei- erfolg hängt von der Amputationshöhe und der Ursache ab.
gene Leistungserfolg sind wichtig für die Bewältigung des eige- Die Behandlung und Rehabilitation von Amputierten ist so
nen Lebens. Besonders jüngere Amputierte sollten dieses Ange- umfangreich, dass hier nur ein Anstoß zur Auseinandersetzung
bot in Anspruch nehmen. mit diesem Thema gegeben werden kann. Physiotherapeuten,
die vermehrt mit Amputierten arbeiten, sollten sich in diesem
Besonderheiten bei der Behandlung weiterer Tätigkeitsbereich spezialisieren.
Amputationen
Ergänzend zur beschriebenen physiotherapeutischen Behand-
lung der Oberschenkel- und Unterschenkelamputationen wer- Übungsbeispiele
den hier die wichtigsten Gesichtspunkte für die Behandlung der
Kniegelenkexartikulation (. Abb. 20.14), Hüftgelenkexartikula- Die Übungsbeispiele beziehen sich auf den Zustand nach Ober-
tion, Hemipelvektomie und Fußamputation erläutert. schenkelamputation und können direkt nach Entfernung der
Die Patienten werden ebenfalls mit einer individuellen Pro- Redon-Drainagen beginnen.
these versorgt. Gemeinsam mit dem Patienten plant das Be-
handlungsteam unter Berücksichtigung der Lebenssituation Frühbehandlungsphase
und-planung eine optimale Versorgung. Zu Anfang werden alle Übungen niedrig dosiert; eine Steige-
Patienten mit einer Hüftgelenkexartikulation sind oft in rung des Trainings bzgl. Widerstand, Spannungszeit, Übungs-
schlechtem Allgemeinzustand; sie haben eine lange Kranken- anzahl und Verkürzung der Pausen muss befundbezogen ge-
geschichte hinter sich. Es sind seltene Operationen. Ein inten- plant werden.
sives Training kommt deshalb selten infrage. In der Regel wird
der Patient Rollstuhlfahrer und muss für den Umgang mit die- Ausgangsposition
sem geschult werden. Rückenlage.
Ist eine prothetische Versorgung möglich, stehen Prothe-
senmodelle zur Verfügung, die ein kräftesparendes Gehen er- Übung
möglichen. Ziele der Physiotherapie werden dann Schulung des 5 Spannen des M. gluteus maximus durch Halten der Exten-
ökonomischen Gehens mit der Spezialprothese und weitestge- sion, während das gesunde Bein gebeugt in Flexion/Ad-
hende Selbständigkeit sein. Bei Transferleistungen sind beson- duktion zieht.
ders die Rumpfkontrolle und der Einsatz der Arme wichtig. Die 5 Dasselbe mit Verstärkung über Kopfrotation zur nicht be-
Übungseinheiten sollten sorgsam auf die Leistungsfähigkeit des troffenen Seite und »Flexion/Abduktion/Außenrotation«
Patienten abgestimmt sein. Eine Über- oder Unterforderung ist des kontralateralen Arms.
gleichermaßen zu vermeiden. Gleiches gilt für die äußerst sel-
tene Hemipelvektomie. Übung
Bei einer Kniegelenkexartikulation ist eine Belastungsüber- 5 Extension des Beckens, anfangs gegen Blutdruckmanschet-
nahme des Stumpfes in der Prothese möglich, was eine günsti- te (Hamilton 2006). Das gesunde Bein kann aufgestellt sein
ge biomechanische Voraussetzung für ein sicheres Gehen be- oder auf einem Therapieball liegen (kleine Bridgingbewe-
deutet. Die Femurlänge bleibt ebenso wie die kniegelenknahen gung) (. Abb. 20.12).
Propriozeptoren erhalten. Die physiotherapeutische Behandlung
kann frühzeitig beginnen und schneller gesteigert werden als Übung
bei der Oberschenkelamputation. Beim Treppensteigen sichert 5 Stabilisation des Beckens bei flach aufliegenden Beinen
eine Hydraulik die Belastungsübernahme (. Abb. 20.14 c). oder mit dem gesunden Bein in Bridging-Position.
Zehen, Vorfuß und Fuß sollen so distal wie möglich ampu-
tiert werden. Pyrogoff- (Arthrodese des Kalkaneus) oder Syme-
Amputationen (Exartikulation des oberen Sprunggelenks) sind
seltene Operationen. Die Stümpfe sind belastungsstabil, jedoch
402 Kapitel 20 · Amputationen an der unteren Extremität

Übung Technik: Dynamische Umkehr – Halten – Entspannen –


1 5 Zusammengerfaltetes Handtuch oder flaches Kissen un- aktives/passives Weiterziehen.
ter dem Stumpf festhalten, Therapeut versucht, Handtuch
2 nach oben/außen zu ziehen. Ausgangsposition
Hoher Sitz, Halbsitz oder Stand.
Übung
3 5 Stumpf auf Ball oder Rolle ablegen und Becken abheben. Übung
Das gesunde Bein ist aufgestellt, bei jungen Patienten in 5 Arm- und Rumpfbewegungen mit Rotation zur Gleichge-
der Luft angebeugt. wichtsschulung, auch mit kleinen Handgeräten.
4 Die Beckenübungen können gut in einem Hausaufgaben-
programm zusammengestellt werden. Ausgangsposition
5 Rücken- oder Seitenlage.
Übung
5 Adduktion des Stumpfes gegen Handtuchschlaufe/Thera- Übung
6 band. 5 Gehmuster aus dem PNF-Programm: Extension/Abdukti-
5 Dasselbe mit Verstärkung des gesunden Beins, das gegen on/Innenrotation und Flexion/Adduktion/Außenrotation
7 angepassten Widerstand in Adduktion spannt. gegen angepassten manuellen Widerstand und Gerätezug,
z.B. Theraband, Zuggerät.
Übung Techniken: Dynamische Umkehr und Langsame Umkehr
8 5 Rolle oder Keule zwischen den flach aufliegenden Ober- – Halten.
schenkeln halten lassen.
Gehschulung mit Prothese
9 Übung Ausgangsposition
5 Extension und Extension/Adduktion gegen Handtuchzug. Im Gehbarren, auf dem Boden, auf Waage oder Messplatte vor
10 Technik: Betonte Bewegungsfolge. einem Spiegel stehend. Mit Interims- oder Endprothese zunächst
5 Dasselbe gegen Theraband oder Zuggerät. auch aus dem hohen Sitz an der Bettkante. Hilfsmittel (Stützen
5 Dasselbe aus Seitenlage. oder Stock) individuell auswählen.
11
Ausgangsposition Übungen
12 Seitenlage auf der gesunden Seite. 5 Gewichtverteilung auf beide Beine mit offenen, dann mit
geschlossenen Augen.
Übung 5 Gewicht auf Prothese übernehmen durch Gewichtsverlage-
13 5 Beckenadduktion mit dem Stumpf gegen einen Ball oder rung nach vorne, zur Seite und Rotation.
eine Rolle oder auf einem Kasten. 5 Prothese vorwärts, rückwärts und seitwärts schwingen.
14 5 Prothese mit »Ferse« aufsetzen und Beinachse stabilisieren.
Ausgangsposition 5 Prothese in Lotstellung (Mittelstandphase) und Zweibein-
Seitenlage auf dem Stumpf. stand stabilisieren (Rumpfkontrolle).
15 5 Schrittstellung, Prothese nach vorne/hinten abstellen. Ge-
Übung wichtübernahme, bis das gesunde Bein vom Boden abge-
5 Beckenadduktion gegen die Schwerkraft. hoben werden kann.
16 5 Gesundes Bein nach vorne, hinten, zur Seite bewegen und
Übung auf den Boden tippen (Einbeinstand auf Prothese).
17 5 Beckenabduktion. Der Stumpf drückt gegen die Unterlage 5 Einbeinstand auf dem gesunden Bein stabilisieren gegen
und das Becken wird leicht abgehoben (evt. kleines Kissen angepassten manuellen Widerstand oder Theraband.
unterlegen als Hypomochlion). 5 Einbeinstand auf der Prothese.
18 5 Einen Schritt einüben, seitwärts, dann vor- und rückwärts.
Ausgangsposition 5 Schrittfolge mit Kontraktionshilfen durch Approximati-
19 Bauch- und Seitenlage. on am Becken der Prothesenseite kurz vor der Mittelstand-
phase (7 Kap. 22, »PNF-Techniken«).
Mobilisation 5 Zweibeinstand auf Ballkissen, Fußkreisel oder Schaukel-
20 5 Mobilisieren mit PNF-Technik, um Beuge- und Abdukti- brett stabilisieren.
onskontraktur entgegenzuarbeiten.
21
20.1 Patientenbeispiel
403 20

Bei zunehmender Sicherheit des Patienten können die Hilfsmit- 20.1 Patientenbeispiel
tel in der Praxis abgebaut werden, für längere Wege sollte der
Patient noch die Stützen benutzen. Befundaufnahme
Ausgangsposition Name des Patienten: Herr O.
Frei im Raum stehend. 68 J., Rentner
Befunddatum: 10 Tage postop.
Übungen Name des Therapeuten: Frau L.
5 Schrittfolge außerhalb des Gehbarrens mit Stützen oder Einweisungsdiagnose: Zustand nach Embolie und Thrombose
Stock. einer Gelenk übergreifenden Bypass-Anlage rechts
5 Figurengehen. Nebendiagnosen:
5 Rhythmisches Gehen zu Musik. pAVK rechts > links
5 Gehen, dabei Ball werfen oder prellen. insulinpflichtiger Diabetes mellitus seit 25 Jahren
5 Stufe auf- und abwärts gehen, zunächst mit gesundem Bein arterielle Hypertonie
hinauf und mit Prothese herunter, dann »Taschenmesser- Mitralklappen- und Aortenklappeninsuffizienz 1. Grades
prinzip«. Dabei den Vorfuß über die Stufenkante setzen. Medikamente:, Insulin, Ibuprofen, Novalgin, Divan, Aspirin,
Bei modernen Modularprothesen kann eine Hydraulik die Mono Embolex 8000
Belastung steuern, so dass ein fließender Bewegungsablauf Angiographie: Bypass-Verschluss
möglicht ist (. Abb. 20.15). Versorgung: Vor 10 Tagen operativ Q x konservativ Q
5 Gehen auf Rampe. Versorgung:
5 Gehen auf unebenem Boden und über Hindernisse wie Oberschenkelamputation am distalen Drittel rechts
z.B. kleine Handgeräte. Procedere:
5 Hinsetzen auf Stuhl, Rollstuhl und Boden. Prothesenversorgung nach abgeschlossener Wundheilung
5 Aufstehen von Stuhl, Rollstuhl und Boden. Krankheitsanamnese:
5 Gegenstand vom Boden aufheben. Verschlusss des Bypasses mit arterieller Unterversorgung
5 Ein- und Aussteigen ins bzw. aus dem Auto. des rechten Unterschenkels, die zur jetzigen Amputation
5 Gehen im »Gehgarten« auf verschiedenen Böden (Kies, führte.
Sand, Gras, Pflaster, Holzplanken, Geröll etc.). Durchblutungsprobleme bestehen bereits seit 3 Jahren, mit
5 Stand auf weicher Matte oder Trampolin, Federn mit ge- zunehmender Einschränkung der Gehstrecke. Vor 1 Jahr
sundem Bein. Bypass-Operation,vor 2 Wochen plötzlich zunehmende
5 Laufbandtraining. Beschwerden. Bis dahin 2 km Gehstrecke mit Pausen.
Kurzfristige körperliche Aktivitäten waren kein Problem.
Alle Patienten benötigen einen Rollstuhl, den sie auch mit nach
Hause nehmen. Der Patient soll frühzeitig lernen, damit um-
zugehen.
404 Kapitel 20 · Amputationen an der unteren Extremität

ICF-Dokumentation
1
Name/Alter: Herr M., 68 J. Behandlungsziel: Erarbeiten eines prothesefähigen Stumpfes, Erarbeiten
2 Diagnose: Oberschenkelamputation rechts nach AVK des Gehens mit Prothese, Verbesserung der Durchblutung in den Beinen, Er-
Befund 10 Tage postop. weitern der Gehstrecke und Anpassung der Aktivitäten an die Nebenerkran-
kungen
3
Struktur/Funktion Aktivität Partizipation

4 Patient gibt an, Patient gibt an, Patient gibt an,


5 er spüre ein Ziehen am Stumpf, 5 er komme ohne Probleme vom 5 er hätte sich vor der Operation
5 das linke Bein würde schnell ermüden, Stuhl oder Bett in den Rollstuhl, viel bewegt, was er nun nicht
5 5 er sei weniger beweglich als vor der Amputation, 5 er habe beim Sitzen keine Pro- könne,
5 der Stumpf würde in die Beugung und zur Seite bleme, 5 er könne nicht Auto fahren,
gezogen, 5 er könne Körperpflege und Toi- 5 er träfe sich oft mit Freunden und
Patient

6 5 er habe wenig Gleichgewicht. lettengang mit Rollstuhl be- Arbeitskollegen, ist im Trachten-
wältigen. verein und singt im Chor.

7 5 Hypertone Adduktoren. 5 Noch keine Prothese vorhan- 5 Im Klinikbereich mit Rollstuhl


5 Muskuläre Dysbalance. den. mobil.
5 Stumpfstellung in Flexion/Abduktion. 5 Gehstrecke mit Gehwagen
8 5 Bewegungseinschränkung im rechten Hüftgelenk. 50 m.
5 Sensibilität am Stumpfende vermindert (spitz/ 5 Gehen mit Unterarmstützen
stumpf ). unsicher, eine Zimmerlänge mit
9 5 Ödem +4,5 cm im Seitenvergleich, gemessen 15 Unterstützung der Physiothe-
cm vom Stumpfende aus. rapeutin.
5 5 Transfers selbständig.
10 Fäden noch vorhanden, Op.-narbe steril verbun-
den, nicht einsehbar. 5 Stand mit Hilfsmitteln einiger-
5 Allgemeine Ausdauer und Kraft reduziert. maßen sicher.
11 5
5
Kraftdefizit am linken Bein.
Durchblutungsstörung am linken Bein.
5 Mit Rollstuhl in der Klinik un-
eingeschränkt mobil.
5 RR in Ruhe und bei Belastung 160/90 mm/Hg, Puls
12 82/96 Schläge/min.
Therapeut

5 Leistenpuls vorhanden.
5 AF in Ruhe 14/22 Atemzüge/min, Borgskala 4 (Ge-
13 hen im Gehwagen).
5 Im Wundbereich VAS 1 in Ruhe und bei Bewegung.
5 Gelenkbeweglichkeit:
14
Aktiv rechts links
Abduktion 20–0–20° 40–0–20°
15 Extension 0–0–70° 0–0–110°

5 MTW:
16
M. iliopsoas re 2–3

17 M. gluteus maximus re 4–5


M. gluteus med./min. re 2–3

18 Umweltfaktoren Personenbezogene Faktoren


(–) eigene Wohnung im Erdgeschoss (+) gute psychische Verfassung

19 (–) 6 Stufen bis zur Wohnung


(+) Bruder und Freunde helfen bei Bedarf
(+) hohe Motivation
(+) gute Compliance
(+) großer Bekanntenkreis (–) lebt allein, verwitwet
20 (+) Rollstuhl, Unterarmstützen (+) hat 2 Kinder und einen Bruder, die ihn unterstützen

21
20.2 Literatur
405 20

Ê Im Internet (www.springer.de/978-3-540-68241-7, unter


dem Link »Patientenbeispiele«) erfahren Sie mehr über
Herrn M. und den weiteren Therapieverlauf: die Behand-
lungsziele, die bei ihm wichtigen Gesichtspunkte der Be-
handlung und einen Therapievorschlag für eine Behand-
lungseinheit.

20.2 Literatur
Baise M, Trebes G, Schleuter W et al. (1987) Erste Ergebnisse mit der In-
terims-Prothese für Oberschenkel-Amputierte nach Otto Bock-Hab-
ermann. Med Orth Tech 1: 12
Baumgartner R (1995) Amputation und Prothesenversorgungen der un-
teren Extremität. 2. Aufl. Enke, Stuttgart
Bizzini M (2000) Sensomotorische Rehabilitation nach Beinverletzungen.
Thieme, Stuttgart New York
Bock O, Nädler M, Nädler H (2000) Prothesen-Kompendium, 3. Aufl.
Schiele & Schön, Berlin
Ehrenberg H (2001) Atemtherapie in der Physiotherapie, 2. Aufl. Pflaum,
München
Greitemann B, Baumgartner R (1994) Amputation beim geriatrischen Pa-
tienten. Orthopäde 23: 80–87
Hüter-Becker A et al. (2005) Physiotherapie in der Traumatologie/Chirur-
gie. Thieme, Stuttgart New York
Mensch G, Kaphingst W (1998) Physiotherapie und Prothetik nach Am-
putationen der unteren Extremität. Springer, Berlin Heidelberg New
York
Mütze E, Schweer R (2002) Der ältere beinamputierte Mensch und seine
Rehabilitation. Pflaum, München
Van den Berg F (2003) Angewandte Physiologie, Bd 4, Schmerzen verste-
hen und beeinflussen. Thieme, Stuttgart New York
Wilde B, Baumgartner R (2000) Physiotherapie und Sport nach Beinampu-
tationen. Thieme, Stuttgart New York

Die Abbildungen 20.1–20.4, 20.14 und 20.15 stammen aus dem Prothe-
sen-Kompendium Bock und Nädler (2000).
Die Abbildungen 20.5, 20.7–20.13 stellte mir freundlicherweise Frau
Birgit Jaspersen, Klinik für Physikalische Medizin, Klinkum Großhadern,
zur Verfügung.
21

Polytrauma oder Serienverletzungen

Einteilung – 408 21.1 Patientenbeispiel – 419


Ursachen – 408 Befundaufnahme – 419
Charakteristische Symptome – 408 ICF-Dokumentation – 420
Behandlungsrichtlinien und
therapeutische Maßnahmen – 408 21.2 Literatur – 421
Komplikationen – 410
Befunderhebung – 410
Behandlungsmöglichkeiten – 411
Patientenbeispiele – 411
408 Kapitel 21 · Polytrauma oder Serienverletzungen

Einteilung
21 PTSA (Abdomen) 2
5 Kombinationsverletzungen mehrerer Organsysteme, z.B. 5 Milzruptur 9
2 Schädel-Hirn-Trauma, Extremitätenverletzungen sowie
abdominale und thorakale Wirbelsäulen- und Beckenver-
5 Milz- und Leberruptur 13
5 Leberruptur (ausgedehnt) 13
letzungen. 5 Darm, Mesenterium, Niere, Pankreas 9
3 PTSE (Extremitäten) 3
Schädel-Hirn-Verletzungen werden nach der Glasgow Coma 5 Zentraler Hüftverrenkungsbruch 12
Scale eingeteilt.
4 5 Oberschenkelfraktur einfach 8
5 Oberschenkelstück-Trümmerfraktur 12
GCS 3–8 Schweres Schädel-Hirn-Trauma 5 Unterschenkelfraktur 4
5 GCS 9–12 Mittelschweres Schädel-Hirn-Trauma 5 Knieband, Patella, Unterarm, Ellenbogen, 2
Sprunggelenk
GCS 13–15 Leichtes Schädel-Hirn-Trauma 5 Oberarm, Schulter
6 5 Gefäßverletzung oberhalb Ellenbogen
4
8
bzw. Kniegelenk
7 5 Gefäßverletzung unterhalb Ellenbogen 4
Ursachen bzw. Kniegelenk
5 Oberschenkel-, Oberarmamputation 12
8 5 Arbeits-, Sport- und v.a. Verkehrsunfälle. 5 Unterarm-, Unterschenkelamputation 8
5 Je offene 2°- und 3°-Fraktur 4
9 Charakteristische Symptome
5 Große Weichteilquetschung 2
PTST (Thorax) 4
5 Sternum, Rippenfrakturen (1–3) 2
10 Siehe Einzelfrakturen in den vorherigen Kapiteln. 5 Rippenserienfrakturen 5
5 Rippenserienfrakturen beidseitig 10
11 5 Hämato-, Pneumothorax 7
Behandlungsrichtlinien und therapeutische 5 Lungenkontusion beidseitig 9
Maßnahmen 5 Instabiler Thorax zusätzlich 3
12 5 Aortenruptur 7
Diagnose- und Behandlungsschema PTSB (Becken) 5
»Unter Polytrauma versteht man eine gleichzeitig entstandene 5 Einfache Beckenfraktur 3
13 Verletzung mehrerer Körperteile oder Organsysteme, wobei ei- 5 Kombinierte Beckenfraktur 9
ne der Verletzungen oder die Kombination der Verletzungen le- 5 Becken- und Urogenitalverletzung 12
14 bensbedrohlich ist« (Weigel, Jakob 2005). 5 Wirbelbruch 3
Die Versorgung polytraumatisierter Patienten erfolgt nach 5 Wirbelbruch/Querschnitt 3
einem festgelegten Diagnose- und Behandlungsschema, dem 5 Beckenquetschung 15
15 Hannoveraner Polytraumaschlüssel (nach Tscherne et al. 1980), Alterseinfluss 6
zusammengefasst in . Übersicht 21.1. 5 Alter (Jahre)/Einfluss
16 5 0–9 0
5 10 – 19 0
. Übersicht 21.1. Hannoveraner Polytrauma- 5 20 – 29 0
17 schlüssel (PTS) 5 30 – 39 0
PTSS (Schädel) 1
5 40 – 49 1
5 GCS
5 50 – 54
18 5 Schädel-Hirn-Trauma 1° – 13 – 15 4
5 55 – 59
2
3
5 Schädel-Hirn-Trauma 2° – 8 – 12 8
5 60 – 64 5
19 5 Schädel-Hirn-Trauma 3° – 3 – 7 12
5 65 – 69 8
5 Mittelgesichtsfraktur 2
5 70 – 74 13
5 Schwere Mittelgesichtsfraktur 4
5 >75 21
20
6 6

21
21 Polytrauma oder Serienverletzungen
409 21

Atemhilfsgeräten, die Lenkung der Spontanatmung nach der


Errechnete Punktzahl/PTS-Gruppierung: Extubierung und die gezielte Bewegungstherapie nach der Sta-
5 1 – 11: Gruppe I bilisierungsphase (7 Kap. 3).
5 12 – 30: Gruppe II Ein schematisiertes Vorgehen ist bei der Behandlung poly-
5 31 – 49: Gruppe III traumatisierter Patienten nicht immer möglich. Die Probleme
5 50 – <: Gruppe IV sind vielfältig und müssen individuell im Team gelöst werden.
Das fachspezifisch ausgebildetete Personal trägt eine hohe Ver-
antwortung und erfährt starke körperliche wie seelische Bela-
stungen, so dass nicht selten ein Burnout-Syndrom zu beobach-
Die Beurteilung der Vitalfunktionen umfasst Nervensystem, At- ten ist.
mung und Kreislauf: Bei Motorrad-, Auto- und Fahrradunfällen kommt es häufig
5 Neurologischer Status, z.B. Ansprechbarkeit, motorische zu schweren Schädel-Hirn-Verletzungen und Serienfrakturen
Reaktionsfähigkeit. Kopfschmerzen, Nackensteife, Hirn- sowie zu Gefäßzerreißungen und Hautablederungen. Lungen-
nervenausfälle, Eintrübungen, Bewusstseinslage, Bewusst- kontusionen, Leber- und Milzrupturen und Verletzungen der
losigkeit (apallisches Syndrom) und Streckkrämpfe. Beckenorgane erschweren die Behandlung.
5 Wenn der Betroffene nicht reagiert, werden die peripheren Für die Prognose mehrfachverletzter Patienten stellt nach
Reflexe und die Pupillen überprüft. Die Glasgow Coma dem Erhalten der Vitalfunktionen eine frühzeitige Stabilisie-
Scale gibt Auskunft über die Bewusstseinslage. rung stammnaher Frakturen den entscheidenden Faktor dar.
5 Respiratorischer Status, z.B. Spontanatmung, Atembewe- Anzustreben ist eine frühe Mobilisation und Rehabilitation. Da-
gung, Atemrhythmus, Dyspnoe, Atemstillstand. her werden die Extremitätenfrakturen innerhalb der ersten 24–
5 Kreislaufstatus, z.B. A. Karotispuls, EKG, Kapillarpuls, 72 Stunden operativ versorgt. Zur Anwendung kommen Platten-
Kreislaufmonitoring, Labordiagnostik. osteosynthesen, verriegelte Marknagelungen, Fixateur externe
oder Kirschner-Draht-Fixationen. Wie frühzeitig operiert wer-
Im Rahmen dieses Buches kann das umfassende Gebiet der In- den kann, ist vom Allgemeinzustand des Patienten abhängig.
tensivmedizin in den Bereichen der Neurologie und Neurochi- Überleben polytraumatisierte Patienten mit Schädel-Hirn-
rurgie nicht behandelt werden. Hierfür stehen reichhaltige Lite- Trauma, zeigen sie oft ein unruhiges, unkonzentriertes und emo-
ratur und andere Unterrichtseinheiten zur Verfügung. tional labiles Verhalten. Sie sind ängstlich und unsicher, heraus-
gerissen aus ihrem gewohnten Leben, ihrem Tag-Nacht-Rhyth-
Ärztliche und physiotherapeutische Behandlung mus, angeschlossen an Geräte in einer fremden Umgebung und
Als grundlegendes Behandlungsschema von polytraumatisier- angewiesen auf fremde Personen.
ten Patienten wurde ein 6-Phasen-Konzept erstellt: Die Führung des mehrfach verletzten Patienten muss des-
1. Reanimationsphase: Akutdiagnostik (Thoraxröntgen, Sono- halb besonders einfühlsam sein. Physiotherapeuten und das
graphie des Abdomens, EKG, EEG). gesamte Team sollten sich absprechen, gemeinsam einen Plan
2. Primärphase (1–72 Std.): Erste Operationsphase für dring- erarbeiten und die Probleme gemeinsam zu lösen versuchen.
liche abdominale und thorakale Verletzungen, Kopfverlet- Frühzeitig sind die Familie des Patienten, ein Psychologe und
zungen, komplizierte Frakturen, geschlossene Frakturen der ein Sozialarbeiter in die Behandlungsplanung einzubeziehen.
unteren Extremität, Gefäßverletzungen, Kompartmentsyn- Nach der Verlegung von der Intensiv- auf eine Normalsta-
drom, Beckenringfrakturen, instabile Wirbelsäulenverlet- tion fällt es den Patienten schwer, sich an ein neues Behand-
zungen. Häufig arbeiten zwei Operationsteams parallel. lerteam zu gewöhnen. Patienten, die einige Zeit bewusstlos wa-
3. Stabilisierungsphase: Vitalfunktionen und weiterführende ren, verhalten sich evt. unkonzentriert, unkritisch oder auch ag-
Diagnostik (Labor, Röntgen des Skelettsystems, CCT). gressiv.
4. Zweite Operationsphase (3.–14.Tag, verzögerte Primärein-
griffe): Weichteilverletzungen, Gesichtsschädelverlet- Wichtig
zungen, Frakturen der oberen Extremität, Gelenkrekons-
Auch wenn die Extremitätenverletzungen sehr unterschied-
truktionen.
lich sein können, ist eine gewisse Systematik erkennbar.
5. Erholungsphase: Entwöhnung von Beatmungsgeräten, Mo-
Es gibt vier Gruppen von Kombinationsverletzungen der
bilisation.
Extremitätenfrakturen:
6. Definitive Versorgung: Rekonstruktionen von Band- und
5 Serienverletzung einer Körperseite,
Kapselverletzungen, Weichteildeckungen, Infektbehand-
5 beidseitige Einzelfrakturen,
lung (Weigel, Jakob 2005).
5 einseitige Serienfrakturen und eine Einzelfraktur der Ge-
genseite,
Die Physiotherapeuten übernehmen die mehrmals am Tag durch-
5 beidseitige Serienfrakturen.
zuführende Atemtherapie bei maschineller Beatmung oder mit
410 Kapitel 21 · Polytrauma oder Serienverletzungen

Komplikationen 5 akute Pankreatitis,


21 5 Thrombose, Embolie,
5 Sepsis, Peritonitis, 5 Pneumonie,
2 5 Organversagen, 5 Intensive Care Polyneuropathy,
5 Infektion, 5 Dekubitus,
5 Herz-Kreislauf-Versagen, 5 posttraumatische Meningitis,
3 5 Lungenparenchymversagen, 5 chronisches subdurales Hämatom,
5 Nierenversagen, 5 posttraumatische Epilepsie.
5 Leberversagen,
4
5
Befunderhebung
6
Beurteilen 5 Allgemeinzustand.
5 Ärztliche Untersuchungsergebnisse.
7 5 Neuromonitoring.
5 Herz-Kreislauf-Monitoring.
5 Sedierung, Medikamente.
8 5 Pulsoxymetrie.
5 Atemfunktion, Blutgaswerte, Beatmung (7 Kap. 3, Atembefund).
5 Ausscheidung, Nierenfunktion.
9 5 Temperatur.
5 Röntgenbefund und Computertomogramme.
5
10 5
Berichte der Konsilärzte (Neurologe, Neurochirurg, Psychologe).
Achsen, Gelenkkonturen, Muskelreliefs.
5 Ödeme, Kompartmentsyndrome.
11 5 Operationsnarben.
5 Wunden, Hautdurchblutung.
5 Lagerung.
12 Messen 5 Aktives Bewegungsausmaß, soweit dies aus Rückenlage möglich und bei stabilen Osteosynthesen erlaubt ist,
sonst aktives Gelenkmaß unter abgenommener Schwere (mit einer Hilfsperson).
13 5 Umfangmaße, soweit es die Verbände erlauben.

Prüfen 5 Muskelstatus bis Stufe 3 im Bereich stabiler Osteosynthesen.


14 5
5
Muskelwerte unter Stufe 3 im Bereich instabiler Osteosynthesen.
Sensibilität.
5 Hauttemperatur.
15 5 Pulse, Blutdruck in Ruhe und bei Lagewechsel.

Notieren und 5 Schmerzen: wie, wo, wann; Schmerzskala (VAS), Schmerzmedikamente.


16 Bewerten 5
5
Bewusstseinslage des Patienten: klar, verwirrt, bewusstlos (Glasgow Coma Scale).
Orientierung, Konzentration, Merkfähigkeit.
5 Kooperations- und Kontaktfähigkeit.
17 5 Sprache.
5 Umgang mit der Situation auf Intensivstation, Hilflosigkeit, Angst, Unselbständigkeit, Unruhe, ungewisse Zu-
kunft.
18 5 Versorgungen wie Redon-Drainagen, suprapubischer Katheter (Puffi), zentraler Venenkatheter, Thoraxdrainage
(Bülau-Drainage), Kieferverschnürung, Beatmungsgeräte.
5 Nebendiagnosen, Vorerkrankungen.
19 5 Aktivitäten.

20
21
21 Polytrauma oder Serienverletzungen
411 21

Behandlungsmöglichkeiten Dazu kommt eine individuell eingestellte Schmerztherapie


(7 Kap. 3).
Grundsätzliches Vorgehen Wird der Patient auf die Normalstation verlegt, steht die be-
Während der Phase der Intensivstation steht die Erhaltung der fundbezogene Bewegungstherapie entsprechend der individu-
Vitalfunktionen im Vordergrund. Das Intensivpflegeteam wech- ellen Verletzungen im Vordergrund. Ziel ist die bestmögliche
selt sich 24 Stunden am Tag mit den überwachenden und ver- Selbständigkeit für den Patienten bei allen Aktivitäten.
sorgenden Aufgaben ab. In . Übersicht 21.2 sind die Gesichts-
punkte der Behandlung bei polytraumatisierten Patienten zu-
sammengefasst. Patientenbeispiele
Einseitige Serienfrakturen
. Übersicht 21.2. Gesichtspunkte der Behandlung Eine 25-jährige Patientin erlitt bei einem Motorradunfall als
5 Pneumonieprophylaxe. Beifahrerin ein leichtes bis mittleres Schädel-Hirn-Trauma mit
5 Thromboseprophylaxe. nachfolgendem Durchgangssyndrom, eine LeFort-III-Fraktur
5 Dekubitusprophylaxe. rechts (mittlere Gesichtsfraktur mit Jochbeinbeteiligung), eine
5 Lagerungskontrolle. offene distale Unterarmfraktur rechts (. Abb. 21.2, 21.3), und
5 Erhalten der Muskelfunktion nicht verletzter Extremi- eine proximale Oberschenkelfraktur rechts (. Abb. 21.4) sowie
täten. eine Bandruptur des Lig. fibulotalare anterius rechts.
5 Aufbau der Muskelspannung zur Sicherung der Fraktur.
5 Mobilisation eingeschränkter Gelenke. Ärztliche Behandlung
5 Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten. Die ärztliche Versorgung am 2. posttraumatischen Tag um-
5 Gehschulung, Greifen, Aktivitäten des Alltags, des Be- fasste eine kieferchirurgische Osteosynthese mit Verschnü-
rufes (s. Kapitel über Einzelfrakturen). rung des Kiefers, eine Fixateur-externe-Osteosynthese der
distalen Unterarmfraktur und eine Femurosteosynthese mit
einem 15 kg teilbelastbaren Verriegelungsnagel. Am 10. post-
Präventive Behandlungsmaßnahmen sind: traumatischen Tag kam eine Bandnaht am Sprunggelenk hin-
5 Pneumonieprophylaxe (7 Kap. 3). zu. Die ligamentäre Verletzung des Sprunggelenks erforderte
5 Thromboseprophylaxe (7 Kap. 3).
5 Dekubitusprophylaxe durch Lagerung, Umlagerung (durch
Pflegepersonal alle 2 Stunden). . Abb. 21.2. Radiusfraktur
5 Kontrakturprophylaxe durch passives Bewegen, Aufsetzen,
Vertikalisieren im Stehbrett (. Abb. 21.1) oder frei mit
Hilfe, wenn belastungsstabile Osteosynthesen es erlau-
ben. Beim Aufsetzen müssen die Füße auf dem Boden oder
einem Hocker stehen.

. Abb. 21.1. Stehbrett


412 Kapitel 21 · Polytrauma oder Serienverletzungen

Die Patientin hatte bei endgradigen Bewegungen der Finger


21 in Streckung, Beugung und Spreizung geringe ziehende Schmer-
zen (VAS 3) in den Fingergelenken. Pro-/Supination und Hand-
2 gelenkbewegungen waren durch den das Gelenk übergreifen-
den Fixateur nicht möglich, ebenso das Greifen von Gegenstän-
den. Als Rechtshänderin war sie ungeschickt und konnte nicht
3 alleine mit der linken Hand essen.
Die Oberschenkelschaftfraktur war bewegungsstabil und
schmerzfrei. Auffälig war die Schwäche des M. quadriceps, be-
4 sonders des Vastus medialis.
Die Patientin erfasste nicht immer alle Aufträge; sie war
5 motorisch unruhig, aber gutwillig. Sie konnte sich schlecht auf
die Übungen konzentrieren und sich die Bewegungsabläufe
. Abb. 21.3. Fixateur externe nicht merken. Selbständiges Aufsetzen oder Aufstehen war
6 nicht möglich.

7 Probleme der Behandlung


Probleme ergaben sich bei den folgenden Behandlungspunkten:

8 Lagerung. Wegen der motorischen Unruhe der Patientin er-


wies sich eine korrekte Lagerung des rechten Beins auf einer
Schaumstoffschiene (Krapp-Schiene) als schwierig. Um wei-
9 tere Schäden zu vermeiden, verzichteten wir auf jegliches La-
gerungsmaterial, sicherten jedoch das Bett mit abgepolsterten
10 Gittern. Für die Lagerung des Unterarms wurde ein weiches
Kissen gewählt.
11 Übungsbehandlung/Mobilisationstechniken. Das Ziel der
Übungsbehandlung, mittels aktiver Bewegungen den lokalen
12 Stoffwechsel anzuregen und den Heilungsprozess zu unterstüt-
zen, konnte zu diesem Zeitpunkt nicht erreicht werden. Glei-
chermaßen unzureichend waren Versuche, subtile Mobilisati-
13 onstechniken anzuwenden, die ein konzentriertes Mitdenken
der Patientin erfordert hätten. Alle freien Gelenke wurden be-
14 hutsam passiv durchbewegt, so dass keine Schmerzen ausgelöst
wurden. Das rechte obere Sprunggelenk durfte nur bis zur Null-
. Abb. 21.4a,b. a Proximale Oberschenkelfraktur, b Verriegelungsnagel stellung passiv bewegt werden. Nach 5 Wochen wurde der Fixa-
15 teur am rechten Unterarm entfernt und die Handgelenke für ak-
tive Bewegungen ohne manuellen Widerstand freigegeben. Nun
die Nachbehandlung mit einer Orthese, aus der heraus das konnte mit einer Narbenbehandlung, Übungen zur Verbesse-
16 obere Sprunggelenk bis zur Nullstellung passiv bewegt wer- rung der Gleitfähigkeit der Streck- und Beugemuskulatur und
den durfte. mit dem propriozeptiven Training begonnen werden (7 Kap. 11,
17 »Handchirurgie«). Die Bewegungseinschränkungen des Hand-
Physiotherapeutische Behandlung gelenks (Dorsalextension/Palmarflexion, Pro-/Supination) und
Zeitpunkt der Behandlung war der 5. Tag nach der operativen der Fingergelenke wurden entsprechend der Bewegungsstopps
18 Versorgung der Unterarm- und Oberschenkelfrakturen (Proli- mit aktiven Entspannungstechniken oder/und Manueller The-
ferationsphase). Die Patientin lag auf der Normalstation. rapie behandelt.
19 Die Atemtherapie wurde fortgesetzt, ebenso die medika-
mentöse Thromboseprophylaxe, begleitet von täglich mehrma- Vorbereiten von Aktivitäten. Durch Ratschow-Umlagerungen
ligem passivem Bewegen aller freien Gelenke. mit dem kippbaren Krankenbett konnte die allgemeine Kreisl-
20 Die Befunderhebung des Allgemeinzustandes der Patientin aufsituation verbessert werden. Puls und Blutdruck blieben im
und der Verletzungen wurde auf einzelne Tage verteilt und der Grenzwertbereich. Nach Anlegen eines Antithrombosestrump-
21 Befund fortlaufend ergänzt. fes am unverletzten Bein und Bandagieren des frakturierten
21 Polytrauma oder Serienverletzungen
413 21

Beins wurde die Patientin von zwei Personen täglich mehrmals Ärztliche Behandlung
an den Bettrand gesetzt. Das Bett wurde abgesenkt, so dass sie Die Lendenwirbelkörperfraktur wurde konservativ mit einem
beide Füße auf einer Fußmatte abstellen konnte. Stehen auf Dreipunktkorsett (7 Kap. 6), die Oberschenkelschaftfraktur
dem unverletzten Bein war wegen der Verständigungsschwie- am rechten Bein (. Abb. 21.5) und die Unterschenkelfraktur
rigkeiten zu diesem Zeitpunkt nicht möglich. Am 10. postope- am linken Bein wurden mit einem Verriegelungsnagel versorgt
rativen Tag wurde die Bandnaht des Lig. fibulotalare anterius (. Abb. 21.6).
durchgeführt und für weitere 6 Wochen eine Sprunggelenkor-
these verordnet. Erst am 14. postoperativen Tag war die Patien- Probleme der physiotherapeutischen Behandlung
tin so kooperativ, dass sie Aufträge umsetzen und sich kurzfris- Probleme ergaben sich bei den folgenden Behandlungspunkten:
tig auf die Übungen konzentrieren konnte. Die Teilbelastbar-
keit der Oberschenkelmarknagelung konnte wegen der gleich- Lagerung. Die Verordnungen des Arztes, zum einen eine
zeitigen Bandverletzung am Sprunggelenk noch nicht funktio- flache Lagerung für die Lendenwirbelsäule und zum anderen
nell umgesetzt werden. Auf dem Tilt Table konnte das verletz- eine Hochlagerung beider Beine einzuhalten, waren nicht ver-
te Bein auf einer Waage abgestellt werden, so dass die Patientin einbar. Kompromisse mussten gefunden werden. Die Krapp-
unter Kontrolle und mäßiger Kippung des Stehbrettes eine Mi- Schienen erwiesen sich als kontraindiziert. Die Hochlagerung
nimalbelasung von 15 kg erreichen konnte. Der freie Halbsitz an erfolgte über das Erhöhen des Bettendes um ca. 20°, beide Bei-
der Behandlungsbank war erst nach einer weiteren Übungswo- ne wurden in leichter Kniebeugestellung auf weiche Kissen ge-
che möglich. Erst 4 Wochen nach der Bandnaht konnte die Pa- lagert, die Füße am Bettende abgestützt. Wenn das Bett flach ge-
tientin mit Orthese und festem Schuh den Wechsel vom hohen stellt war, konnte das Bettoberteil ca. 20° erhöht werden.
Sitz in den teilbelasteten Stand auf der Waage bewältigen. Als
Hilfe wurden eine Achselstütze und eine Unterarmstütze be- Durchblutungsverbesserung/Anregung des lokalen Stoff-
nutzt. Ab diesem Zeitpunkt konnten Stabilisation der Beinach- wechsels. Probleme bei der Behandlung des rechten Beins
se und Gehschulung beginnen. (Oberschenkelschaftfraktur) waren die ausgiebige Blutung der
Fraktur und ein deutlich sichtbares Hämatom. Durchblutungs-
Beidseitige Einzelfrakturen regulation und Ödemresorption des verletzten linken Beins
Die im folgenden Beispiel beschriebene Patientin hatte eine sta- konnten nicht zufriedenstellend erreicht werden. Trotz ausrei-
bile Lendenwirbelkörperfraktur des 3. LWK, eine Oberschen- chender Clexane-Gabe entwickelte sich in der folgenden Zeit
kelschaftfraktur rechts und eine Unterschenkelfraktur mit Tibia- eine Unterschenkelvenenthrombose. Es wurde Bettruhe ver-
schaftfraktur und hoher Fibulafraktur am linken Bein erlitten. ordnet. Eine Woche später durfte die Patientin im Stehbrett
Es bestand kein Schädel-Hirn-Trauma. (. Abb. 21.1) nach Bandagierung des linken Beins ein Kreis-

. Abb. 21.5a,b. a Oberschenkelschaftfraktur, b Verriege-


lungsnagel

a b
414 Kapitel 21 · Polytrauma oder Serienverletzungen

. Abb. 21.6a,b. a Tibiaschaftfrak-


21 tur und hohe Fibulafraktur, b Verriege-
lungsnagel

2
3
4
5
6
7
8
9
10 lauftraining im Sinne der Ratschow-Umlagerung durchfüh- konnten Stabilisationsübungen ausgeführt werden. Mit einem
ren (Winkeleinstellung ca. 50°). Zur Sicherung der Wirbelfrak- wasserfesten Korsett konnte die Patientin in der 4. postopera-
tur trug die Patientin das Dreipunktkorsett auch auf dem Steh- tiven Woche im Bewegungsbad üben und gehen. Nach 6 Wochen
11 brett. Nach 14 Tagen durfte eine Manuelle Lymphdrainage proxi- wurden die Nägel entriegelt und die Belastung stufenweise ge-
mal des linken Kniegelenks und am rechten Bein durchgeführt steigert. Zunächst ging die Patientin mit Achselstützen; sie lern-
12 werden. Eine Woche nach der festgestellten Thrombose konnte te jedoch rasch, sich auf Unterarmstützen umzustellen.
die Übungsbehandlung für das linke Bein (Unterschenkelfrak-
tur) beginnen. Der Muskelwert 3 für die Unterschenkelmusku- Einseitige Serienfrakturen und Einzelfraktur der
13 latur wurde langsamer als sonst erreicht. Gegenseite
Als Beispiel für diese Kombinationsverletzung wird ein Pati-
14 Mobilisation. Die Sprunggelenke und das Kniegelenk des lin- ent mit folgenden Verletzungen nach Motorradunfall beschrie-
ken Beins wurden mit aktiven Techniken mobilisiert; die Fort- ben: Schädel-Hirn-Trauma, Unterkieferstückfraktur, Okzipital-
schritte waren wegen der vorübergehenden Bettruhe durch die fraktur, Lungenkontusion, Leberruptur, multiple Mesenterial-
15 Thrombose etwas langsamer. Bei Kniegelenkbeugung gab die einrisse, retroperitoneales Hämatom, Azetabulumfraktur links
Patientin leicht ziehende Schmerzen an; Grund dafür könnte (. Abb. 21.7), distale Sprunggelenkfraktur rechts (Weber-C-
die hohe Fibulafraktur gewesen sein. Die Stabilisierung der Fraktur, Volkmann-Dreieck am Innenknöchel) (. Abb. 21.9 a),
16 Bein-Becken-Rumpf-Achse erfolgte aus dem hohen Sitz mit ei- hohe Fibula- und Tibiaschaftfraktur (. Abb. 21.9 b, 21.10) sowie
ner Belastung von 20 kg. Die Patientin trug dabei das Korsett eine Humeruskopffraktur rechts (. Abb. 21.8).
17 ohne Probleme.
Ärztliche Behandlung
Vorbereiten von Aktivitäten/Gehschulung. Die Wirbelfraktur Die operative Versorgung umfasste eine Laparotomie mit Über-
18 und die doppelseitigen Beinfrakturen zwangen die Patientin zu nähung der Leberruptur und der Mesenterialeinrisse, eine Os-
einer sonst nicht üblichen Bettlägerigkeit. Beide Beine konnten teosynthese der rechten Humeruskopffraktur mit einer Platte,
19 im hohen Sitz oder im Gehbarren auf Waagen mit 20 kg belas- Osteosynthesen des rechten Unterschenkels mit einem Tibia-
tet werden, Gehen war jedoch nicht möglich. Zur Vorbereitung verriegelungsnagel, kanülierten Schrauben am Innenknöchel
des Stehens wurde das Stehbrett, später der Tilt Table benutzt. und einer Platte am lateralen Malleolus. Die Azetabulumfraktur
20 Das Stehen auf dem Stehbrett (auf Waagen) in ca. 50–60° Kipp- wurde mit zwei Schrauben fixiert. Am Unterkiefer wurde eine
stellung erlaubte eine schmerzfreie Belastung der Beine und ei- Unterkieferosteosynthese mit Verschnürung des Kiefers durch-
21 ne symmetrische Belastung der Wirbelsäule. In dieser Stellung geführt.
21 Polytrauma oder Serienverletzungen
415 21

. Abb. 21.9a,b. a Sprunggelenkfraktur ( Weber-C-Fraktur mit Volk-


. Abb. 21.7. Azetabulumfraktur mit Schraubenosteosynthese links mann-Dreieck), Tibiafraktur, b hohe Fibulafraktur

. Abb. 21.8a,b. Humeruskopffraktur rechts, a präoperativ, b Osteosyn-


these

Probleme der physiotherapeutischen Behandlung


Nach 14-tägigem Aufenthalt auf der Intensivstation, wo künst-
liche Beatmung und Stabilisierung des Kreislaufes im Vorder-
grund standen, konnte der Patient bei vollem Bewusstsein, je- . Abb. 21.10a,b. Osteosynthese, a a.-p.-Aufnahme, b seitliche Aufnah-
doch in reduziertem Allgemeinzustand auf die Unfallstation me
verlegt werden. Der Patient war schnell ermüdbar.
Probleme ergaben sich bei den folgenden Behandlungs-
punkten: Aktivierung der Muskulatur. Wegen der bewegungsstabilen
Frakturen am rechten Unterschenkel und der bedingt bewe-
Lagerung. Die Beinlagerung in einer U-Schiene mit leicht er- gungsstabilen Azetabulumfraktur kamen dynamische und sta-
höhtem Bettende war problemlos, die Armlagerung auf einem tische Spannungsformen nur bis Teststufe 3 infrage. Das rech-
Armkeil jedoch konnte die Schmerzen im Schultergelenkbe- te Bein durfte auf dem Stehbrett und einer Waage mit 15 kg be-
reich nicht ausreichend abfangen. lastet werden. Das Beinachsentraining erwies sich in dieser Be-
416 Kapitel 21 · Polytrauma oder Serienverletzungen

lastungsstufe als problemlos. Verstärkungsmuster konnten über Stützarm für Achsel- oder Unterarmstützen ausfiel. Nach 6 Wo-
21 das nicht betroffene Bein und den gleichseitigen Arm aufge- chen wurde der Tibianagel entriegelt. Das rechte Bein konnte
baut werden. Übungen, die den Pfannenboden biomechanisch teilbelastet werden und nach Funktionsverbesserung die Be-
2 belasteten, mussten unterbleiben; alternativ wurden unterstütz-
te, aktive Umkehrbewegungen gegen Führungskontakt ausge-
lastung stufenweise gesteigert werden. Ein gezieltes PNF-Pro-
gramm und Übungen im geschlossenen System im Zweibein-
führt. Längere Behandlungszeiten waren wegen der schnellen und Einbeinstand führten zu einer deutlichen Verbesserung
3 Ermüdbarkeit des Patienten nicht möglich. Die Kräftigung der der Standfunktion. Am Ende der 10. Woche hatten M. quad-
Oberschenkelmuskulatur des linken Beins entwickelte sich da- riceps, Mm. glutei und Unterschenkelmuskulatur ausreichende
her langsamer als üblich. Der Allgemeinzustand des Patienten Kraft, um kurze Strecken zu gehen. Die Humeruskopffraktur
4 besserte sich erst nach ca. 3 Wochen. Der Patient wurde angehal- war durchbaut. Nach 12 Wochen durfte der Patient mit der Voll-
ten, die erlernten Atemtechniken weiterhin zu üben. Bei pas- belastung beginnen und Koordinationsübungen auf labilen Un-
5 siver Fixation des Oberschenkels wurde der M. quadriceps gegen terlagen durchführen (7 Kap. 16, 17, 18, 19).
die Eigenschwere aus dem seitlichen Überhang geübt. Traten
Schmerzen am Becken auf, wurde unter abgenommener Bein- Beidseitige Serienfrakturen
6 schwere geübt und die Dosierung geändert. Der Spannungsauf- Der Patient erlitt bei einem Motorradunfall auf der linken Kör-
bau des M. deltoideus war ebenfalls schwierig. Die Bewegung perseite eine distale Oberschenkelfraktur mit Beteiligung des
7 war bei ca. 70° Abduktion schmerzhaft (VAS 7), und der Patient Kniegelenks (. Abb. 21.12) und eine Beckenringfraktur mit
fand v.a. nachts keine schmerzfreie Lagerung für den Arm. Wei- Symphysen- und Iliosakralgelenksprengung (. Abb. 21.13). Auf
ches unterstützes Bewegen des Arms und Skapulabewegungen der rechten Seite zog er sich eine Tibiakopffraktur (. Abb. 21.14)
8 verbesserten die Schmerzen. und eine Ellenbogenfraktur zu (. Abb. 21.11). Zusätzlich hatte
der Patient einen Pneumothorax, aber kein Schädel-Hirn-Trau-
Mobilisation. Probleme bereitete die Mobilisation der rech- ma.
9 ten Sprunggelenke, ca. 4 Wochen post-op zeigte sich ein fester
Bewegungsstopp bei Dorsalextension (0–0–10°). Aktiv/pas- Ärztliche Behandlung
10 sive PNF-Mobilisationstechniken und niedrig dosierte Tech- In der Erstversorgung wurde eine Thoraxdrainage (Bülau-Drai-
niken der Manuellen Therapie kamen zur Anwendung. Das Be- nage) gelegt. Der Patient wurde sofort in eine Unfallklinik trans-
wegungsausmaß konnte während des stationären Aufenthaltes portiert, in der zwei Operationsteams gleichzeitig operierten.
11 nur gering verbessert werden; es verbesserte sich erst in der am- Alle Osteosynthesen waren bewegungsstabil, jedoch nicht be-
bulanten Behandlungsphase, als nach 6 Wochen die Belastung lastungsstabil.
12 langsam aufgebaut und ein Bein-Becken-Rumpf-Achsentrai- Der Defekt der Tibiakopffraktur wurde mit Spongiosa auf-
ning im hohen Halbsitz aufgenommen werden durfte. gefüllt. Nach der Spongiosaplastik wurde das Bein für 10 Tage in
einer Gipsschiene gelagert.
13 Vorbereiten von Aktivitäten/Gehschulung. Die Azetabulum-
fraktur erforderte eine Entlastungszeit von 4–6 Wochen. Eine Probleme der physiotherapeutischen Behandlung
14 entlastende Gehschulung konnte in der 3. – 6. postoperativen Die erste physiotherapeutische Behandlung begann auf der In-
Woche nur im Bewegungsbad erfolgen, weil der rechte Arm als tensivstation (intensive Atemtherapie und Thromoseprophy-

15
16
17
18
19
20
. Abb. 21.11a-d. Distale Humerustrümmerfraktur, a seitliche Aufnahme, b a.-p.-Aufnahme, c Osteosynthese mit zwei Platten, seitliche Aufnahme,
21 d a.-p.-Aufnahme
21 Polytrauma oder Serienverletzungen
417 21

. Abb. 21.12a-c. a Femur-


kondylenfraktur, b Osteosyn-
these mit Abstützplatte und
Zugschrauben, c seitliche
Ansicht

a b c

. Abb. 21.14.
Tibiakopffraktur mit
Abstützplatte

. Abb. 21.13a,b. a Beckenringfraktur mit Symphysen- und Iliosakralge-


lenksprengung, b Osteoynthese
418 Kapitel 21 · Polytrauma oder Serienverletzungen

laxes, individuelle Schmerztherapie). 14 Tage später konnte der sich als effektiv. Dabei entschied der Patient selbst, wie lange
21 Patient auf der Normalstation weiterbehandelt werden. die Entspannungsphase andauern sollte, und ob er weiter in die
Probleme bestanden bei den folgenden Behandlungspunk- eingeschränkte Bewegungsrichtung bewegen wollte. Der lin-
2 ten: ke Arm hatte bei voller Beweglichkeit eine gute Stützfunktion
und wurde dementsprechend eingesetzt. Die Mobilisation des
Ödembehandlung. In der frühen Behandlungsphase zeigte rechten Kniegelenks gestaltete sich besonders schwierig. Durch
3 sich ein ausgeprägtes Ödem am linken Oberschenkel mit ei- den verzögerten Beginn der Physiotherapie und die Ruhigstel-
ner deutlichen Insuffizienz des M. quadriceps und der Mm. lung in der Gipsschiene wurde das Gelenk kontrakt; es bestan-
ischiocrurales. Primär wurde fern der Operationswunde mit den ein deutlicher Gelenkerguss und eine Verklebung des obe-
4 kalten Tüchern gekühlt. Eine Manuelle Lymphdrainage konn- ren Rezessus mit einer Bewegungseinschränkung der Patella.
te wegen der langen Operationsnarbe erst verzögert eingesetzt Das kurzzeitige Anlegen eines Cryo-cuffs und weiche manuelle
5 werden. Patellamobilisationen verbesserten die Symptomatik, reichten
aber für eine zunehmende Gelenkbeweglichkeit nicht aus. Erst
Spannungsaufbau der Muskulatur. Nach 14-tägiger Behand- nach 5 postoperativen Wochen durften Techniken der Manuel-
6 lung auf der Intensivstation war der Allgemeinzustand des Pa- len Therapie wie Traktion, translatorisches Gleiten und endgra-
tienten noch so schlecht, dass selbst isometrische Spannungs- dige dynamische Umkehrbewegungen ausgeführt werden, und
7 übungen gegen Handkontakt zu einer erhöhten Atemfrequenz das Bewegungsausmaß verbesserte sich.
und Pulsbeschleunigung führten. Darüber hinaus war die Be-
handlung des linken Kniegelenks schwierig. Die Femurkondy- Vorbereiten von Aktivitäten/Gehschulung. Erst in der 7. post-
8 lenfraktur reichte in das Gelenk hinein und ließ den Verdacht operativen Woche war eine Belastungsteigerung über die Mini-
auf eine zentrale Bandverletzung aufkommen. Das Kniegelenk malbelastung von 15 kg hinaus auf dem Stehbrett, Tilt Table und
war sehr schmerzhaft (VAS 7). Die Osteosynthese der rechten im hohen Sitz möglich. Das linke Kniegelenk wurde mit einer
9 Tibiafraktur mit Spongiosaplastik machte eine Ruhigstellung in Orthese stabilisiert. Das rechte Bein war zu diesem Zeitpunkt
einer Gipsschiene für 8–10 Tage notwendig. Ein effektiver Span- mit 20 kg belastbar. Der hocheingestellte Gehwagen/Achselstüt-
10 nungsaufbau der Muskulatur konnte also erst verzögert einset- ze rechts ermöglichte im Stand auf den Waagen die notwendige
zen. Die mechanische Bewegungssstabilität der Osteosynthe- Entlastung der rechten Hand. Für die linke Hand erhielt der Pa-
sen des linken Beins konnte wegen der Kniegelenkinstabilität tient eine Unterarmstütze. Der Patient war dennoch ca. 6 Wo-
11 nur bedingt in ein aktives Übungsprogramm umgesetzt wer- chen lang überwiegend bettlägerig. Die Sprengung des Iliosa-
den. Komplexes Üben und Verstärkungstechniken für die Mus- kralgelenks und die Funktionsfähigkeit der Beine ließen nur
12 kulatur des linken Beins waren nicht möglich; die Schmerzen eine schonende Belastung auf dem Stehbrett zu. Nach Fäden-
im Kniegelenkbereich zwangen zu niedrig dosierten Übungen entfernung begann zusätzlich eine Behandlung im Bewegungs-
und Mobilisationstechniken. In strecknaher Kniegelenkpositi- bad, was den Patienten sehr motivierte. Die Stabilität im hohen
13 on konnte auf dem Stehbrett (ca. 40–50°) mit Waagen ein nied- Sitz und im Zweibeinstand wurde zunehmend besser. Auf dem
rig dosiertes Beinachsentraining erfolgen. Die Belastung wurde Stehbrett und im Bewegungsbad konnten längeres Stehen und
14 unterhalb der Schmerzgrenze eingestellt und war als minimal das erste Gehen geübt werden. Die Vollbelastung sollte bis zur
einzustufen. Die PNF-Verstärkungstechnik für die BWS-Auf- 12. Woche stufenweise entsprechend der Funktionsverbesserung
richtung und Aktivierung der rechten Oberschenkelmuskula- erreicht werden. Der Patient konnte 13 Wochen nach der Ope-
15 tur konnte nur über den linken Arm eingesetzt werden. Immer ration aus der Klinik entlassen und in eine Rehabilitationskli-
wieder mussten längere Pausen eingelegt werden, weil der Pati- nik zur weiteren intensiven physiotherapeutischen Behandlung
ent erschöpft war und eine erhöhte Atemfrequenz und Pulsbe- verlegt werden. Bei der Röntgenkontrolle nach 6 Monaten be-
16 schleunigung entwickelte. stand am linken Oberschenkel eine deutliche Kalzifikation. Das
rechte Kniegelenk war arthrogen kontrakt. Diskutiert wurden
17 Mobilisation. Die Beweglichkeit des rechten Ellenbogenge- eine Arthrolyse des rechten Kniegelenks und eine Kreuzband-
lenks verbesserte sich nur sehr langsam, die M.-biceps-Abwehr- plastik am linken Kniegelenk.
spannung verhinderte die volle Streckung und verursachte ei-
18 nen schmerzhaften Bewegungsstopp. Das Gelenk war über län- Zusammenfassung
gere Zeit heiß, schmerzhaft und geschwollen. Die Manuelle Die physiotherapeutische Behandlung polytraumatisierter Pati-
19 Lymphdrainage und dynamische Umkehrbewegungen bei pas- enten muss sich individuell an den Verletzungsmustern ausrich-
siver Fixation am distalen Humerus mit minimalem Zug wa- ten. Überleben Mehrfachverletzte, kann ein schweres Schädel-
ren erträglich; eine minimale Traktion und das Abtupfen mit Hirn-Trauma zu lebenslanger motorischer oder geistiger Be-
20 einer kühlen Baumwollkompresse wurden als angenehm emp- hinderung führen.
funden. Auch die »Rhythmische Stabilisation« gegen Führungs- Nach Stabilität der vitalen Funktionen müssen die opera-
21 kontakt, besonders jedoch die »stop and go«-Technik erwiesen tiven Eingriffe i.d.R. über mehrere Wochen durchgeführt wer-
21.1 Patientenbeispiel
419 21

den; in den Beispielen wurden nur die Knochenverletzungen Medikamente:


beschrieben. Antibiotikaschutz
Durch die massiven Weichteilschädigungen kommt es häu- Heparin für 5 Wochen
fig zu Infektionen. Dann wird ein Fixateur externe angelegt und nichtopioide Analgetika
evt. der Hautdefekt mit einem Epigardlappen abgedeckt, bis die Opioid für 1 Woche
Haut endgültig bedeckt werden kann. Versorgung: operativ Q x konservativ x Q
Bei großen Defektbrüchen müssen evt. Interimsosteosynthe- Operation:
sen eingebracht werden, die später umgestellt werden, z.B. von Einige Stunden nach dem Unfall Oberschenkelnagelung.
einem Ilizarow-Fixateur oder einem Gelenk übergreifenden eine Woche später Klavikulaosteosynthese.
Fixateur (. Abb. 4.1) zu einer sekundären Platten- oder Nagel- Versorgung:
osteosynthese. Anterograder, ungebohrter Verriegelungsnagel (UFN) lin-
Steht nach etwa 1–1½ Jahren die Materialentfernung an, ker Oberschenkel.
müssen häufig Korrekturoperationen vorgenommen werden. Perkutane LC-Plattenosteosynthese der linken Klavikula-
fraktur.
Wichtig Thorax-Drainage.
Konservative Behandlung der Sternumfraktur.
5 Die Techniken, die bei der Behandlung von Einzelfrak-
Anlegen eines Gilchrist-Verbandes am linken Arm.
turen eingesetzt werden, müssen niedriger dosiert, zeit-
Stabilität:
lich anders geordnet und langfristiger geplant werden.
Oberschenkelfraktur teilbelastungsstabil.
Exaktes Befunden und Kontrollieren der Maßnahmen ist
Klavikula eingeschränkt bewegungsstabil: Abduktion 60–
Voraussetzung für eine effektive Behandlung.
0–0°.
5 Die Kombination von Verletzungen erschwert ein kom-
Procedere:
plexes Bewegungsverhalten und Aktivitäten wie Bewe-
Patient auf Intensivstation. Atemtherapie, Stabilisierung
gungsübergänge, alltagsbezogene Übungsformen, das
des Kreislaufes, Schmerztherapie, Mobilisation zum Sitz.
Einnehmen von unterschiedlichen Positionen und das
Intensivstation für 2 Wochen, weitere stationäre Behand-
Einhalten der Belastungsstufen.
lung für 4 Wochen auf Unfallstation.
Die Behandlung von polytraumatisierten Patienten ist für
Am Ende der 6. Woche Entriegelung des UFN, anschlie-
Physiotherapeuten eine lohnende Aufgabe, aber auch eine
ßend Verlegung in eine Rehabilitationsklinik.
Herausforderung an ihr Können, individuelle Behandlungen
Teilbelastung für das linke Bein bis max. 30 kg für 6 Wo-
durchzuführen. Schüler können i.A. Teilaufgaben unter Anlei-
chen, dann stufenweise Steigerung zur Vollbelastung ent-
tung eines erfahrenen Kollegen übernehmen.
sprechend der Befundverbesserung.
Materialentfernung (UFN) nach 12 Monaten.
Nach 1 Woche Osteosynthese der Klavikulafraktur, Bewe-
gungsbegrenzung (s.o.) für 6 Wochen.
21.1 Patientenbeispiel Plattenentfernung nach 9 Monaten.
Kein Gilchrist mehr, zum Aufstehen Armtuch.
Befundaufnahme Röntgen nach 4/6 und 8 Wochen.
Sportfähigkeit nicht vor 1 Jahr, Arbeitsfähigkeit mit Arzt
Name des Patienten: Herr D., absprechen.
31 J., Versicherungskaufmann Unfallanamnese:
Befunddatum: 6 Wochen nach Unfall und Femurnagelung Als Fahrer eines PKW unverschuldeter Autounfall durch
Name des Therapeuten: Frau L. einen Lastwagen, Notfallwagen wurde durch Polizei geru-
Einweisungsdiagnose: fen, sofort in Klinik gebracht, dort Neurologischer Status,
Z.n. Polytrauma Kreislaufstatus, Kontrolle der Atmung, Entscheidung zur
Z.n. Schädel-Hirn-Trauma Osteosynthese des Femurs.
Verdacht auf Oberschenkelfraktur links
Sternumfraktur
Klavikulafraktur links
Nebendiagnosen: Pleuraerguss, Herzkontusion
Röntgenbefund:
Femurschaftfraktur Typ B links
Sternumfraktur
Klavikulafraktur links
420 Kapitel 21 · Polytrauma oder Serienverletzungen

ICF-Dokumentation
21
Name/Alter: Herr D., 31 J. Behandlungsziel:
2 Diagnose: Polytrauma: SHT, Oberschenkelschaftfraktur links, Erreichen bestmöglicher Selbständigkeit, Rehabilitation und Teilhabe an der
Klavikulafraktur links, Sternumfraktur, Herzkontusion, Pleura- Gesellschaft
erguss vor 6 Wochen
3 Abschlussbefund vor Entlassung aus der Klinik in eine Rehabi-
litationsklinik 6 Wochen nach Unfall

4 Struktur/Funktion Aktivität Partizipation

Patient gibt an, Patient gibt an, Patient gibt an,


5 5 er ermüde schnell,
5 er habe wenig Kraft im linken Bein und Arm, seine
5 er könne sich nicht so gut
konzentrieren,
5 er könne nicht nach Hause, wäre schon
6 Wochen in der Klinik und wäre auf
Beweglichkeit sei eingeschränkt, 5 er könne nicht allein gehen, Fremdperson angewiesen,
6 5 er habe jedoch keine Schmerzen, nur Ziehen bei 5 er könne sich nicht mit sei- 5 er hätte einen großen Arbeitsausfall als
endgradiger Beugung des linken Kniegelenks. nem linken Arm abstützen selbständiger Versicherungskaufmann,
und ihn nicht hochheben, 5 er mache sich Sorgen um seine Zukunft,
7 5 er brauche Hilfe zum An- 5 er könne nicht Auto fahren,
und Auskleiden, 5 er vermisse seine Selbständigkeit, seinen
Patient

5 er könne nicht die Treppen Freundeskreis und das Tennisspielen.


8 steigen.

5 Vitalwerte sind inzwischen in Ruhe im Normbereich: 5 Patient kann nicht sicher al- 5 Bis heute Kliniksituation, nicht beur-
9 in Ruhe bei Belastung
lein gehen. Bisher nur 30 kg teilbar.
Belastung erlaubt, so dass
RR (mm/Hg) 120/80 140/95
Hilfestellung an der linken
10 Puls (Schläge/min) 84 100 Seite nötig ist.
AF (Atemzüge/min) 16 24 5 Beim Gehen mit einer Un-
terarmstütze ist Körperhal-
11 5 Narben o.B.
5 Atrophie linker Oberschenkel 15 cm, oberhalb der
tung nach rechts verscho-
ben.
Patella –3 cm im Seitenvergleich.
5 Patient braucht Hilfe beim
12 5 Hautdurchblutung unauffällig.
Strumpf- und Schuhan-
5 Beinachse seitengleich.
ziehen.
5 Sensibilität o.B.
5 Patient beherrscht die vor-
13 5 VAS 1 bei Mobilisation der Kniebeugung.
gegebene Belastung im
5 Aktive Gelenkmaße:
Stand sicher, ist aber nach
14 Extension Hüftgelenk
links
0–10–70°
rechts
0–0–120°
60 m Gehstrecke erschöpft
und kurzatmig und braucht
Abduktion Hüftgelenk 40–0–20° 40–0–30° eine Pause (s. Anstieg der Vi-
15 Außenrotation Hüftgelenk 35–0–30° 35–0–35° talwerte).
5 Die Aktivitäten des linken
Extension Kniegelenk 0–10–110° 0–0–130°
Arms sind durch die Bewe-
16 – Sprunggelenke seitengleich. gungsbegrenzung einge-
5 MTW: schränkt.
5 Statik nicht beurteilbar,
17 M. ilipsoas –3
da Patient nicht beidseitig
M. quadriceps 3
gleichmäßig belasten darf
Mm. adductores –3 oder stützen kann.
18 Mm. gluteus med./min. 3 5 Transfer vom Bett in Sitz nur
M. gluteus maximus –3 über rechte Seite.
5 Einbeinstand rechts o.B.
19 Kniebeuger 2-3 K (Kontraktur)
5 Patient ist klar, jedoch nicht
5 Linker Arm: immer konzentriert.
– Schultergelenk bis 60° aktiv frei.
20 – Rotation seitengleich.
Therapeut

– Ellenbogen- und Handgelenke frei.


21 – Atrophie des M.deltoideus.
– Keine Schmerzen.
21.2 Literatur
421 21

Umweltfaktoren Personenbezogene Faktoren


(–) lebt allein (–) derzeit schlechter Trainingszustand
(+) Freunde helfen (+) sehr gute Compliance
(–) selbständige Tätigkeit (+) hohe Motivation

Ê Im Internet (www.springer.de/978-3-540-68241-7, unter


dem Link »Patientenbeispiele«) erfahren Sie mehr über
Herrn D. und den weiteren Therapieverlauf: die Behand-
lungsziele, die bei ihm wichtigen Gesichtspunkte der Be-
handlung und einen Therapievorschlag für eine Behand-
lungseinheit.

21.2 Literatur
Freivogel S (1997) Motorische Rehabilitation nach Schädelhirntrauma.
Pflaum, München
Gärtner U, Roth G (2000) Physiotherapie in der Intensivmedizin. Pflaum,
München
Liebenstund I (1998) Physiotherapie, Bd 11. Thieme, Stuttgart New York
Prosiegel M (1998) Neurophysiologische Störungen und ihre Rehabilita-
tion. Pflaum, München
Trentz O, Bühren V (2001) Checkliste Traumatologie. Thieme, Stuttgart
New York
Tscherne H (1980) In: Heberer G (Hrsg.) Chirurgie. Springer, Berlin Heidel-
berg New York
Tscherne H, Regel G (Hrsg.) (1997) Trauma-Management. Springer, Berlin
Heidelberg New York
Weigel B, Nerlich M (2005) Praxisbuch Unfallchirurgie, Bd 2. Springer, Ber-
lin Heidelberg New York

Die Abbildungen 21.2–21.4, 21.6, 21.8–21.11, 21.12 und 21.13 verdanke


ich OA Dr. Th. Löffler, Chirurgische Universitätsklinik, Klinikum Großha-
dern, München.
Die Abbildung 21.1 stellte mir Frau Birgit Jaspersen, Klinik für Physi-
kalische Medizin Großhadern, München, zur Verfügung.
22

PNF-Techniken

22.1 Anwendung – 424


PNF-Grundmuster – 424
PNF-Übungsprogramm – 426
PNF-Grundprinzipien – 426
PNF-Techniken – 427
Vorbereitende PNF-Muster – 430
Übungsprogramm auf
der Matte – 432
Rumpfaktivität/-stabilität, Rumpf-
Becken-Bein-Stabilität – 432
Gehschulung nach PNF – 433

22.2 Literatur – 434


424 Kapitel 22 · PNF-Techniken

22.1 Anwendung
21
In der Unfallchirurgie können Inhalte des PNF-Programms
22 (Proprioceptive Neuromuscular Facilitation) von Dr. H. Ka-
bat und M. Knott effektiv eingesetzt werden. Das Konzept wur-
de ständig weiterentwickelt und gehört heute zur Grundausbil-
3 dung in der Physiotherapie. Innerhalb dieses Programms gibt
es eine Vielzahl von Varianten und Dosierungsstufen, die man
sich für die subtile Behandlung von Unfallverletzten zunutze
4 machen kann. Um Verständnisschwierigkeiten zu vermeiden,
sollen hier die von mir am häufigsten zitierten Techniken be-
5 schrieben werden. Selbstverständlich gibt es eine Vielzahl zu-
sätzlicher PNF-Techniken, die jedoch in der Traumatologie sel-
tener Verwendung finden. Diese sind hier nicht erwähnt; sie
6 werden aber für neurologische und andere Patienten ausführ- . Abb. 22.1a,b. a Extension/Abduktion/Innenrotation mit neutraler
lich in der Literatur beschrieben. Kniestellung, b Flexion/Adduktion/Außenrotation zum gebeugten Knie

7 Besonders wichtig bei der Behandlung akut verletzter Pati-


enten ist die Dosierung aller PNF-Übungsformen. Zuordnungen
der aktuellen Stabilität der Frakturen oder Weichteilverlet-
8 zungen sind unumgänglich.

9 PNF-Grundmuster
10 Im Folgenden werden einige Grundmuster für die Extremitäten
und den Kopf vorgestellt:
Beinmuster:
11 5 Extension/Abduktion/Innenrotation, Knie in Neutralstel-
lung (. Abb. 22.1 a) und Flexion/Adduktion/Außenrota-
12 tion zum gebeugten Knie (. Abb. 22.1 b).
5 Flexion/Abduktion/Innenrotation zum gebeugten Knie
(. Abb. 22.2 a) und Extension/Adduktion/Außenrotation
13 zum gestreckten Knie (. Abb. 22.2 b). . Abb. 22.2a,b. a Flexion/Abduktion/Innenrotation zum gebeugten
5 Extension/Adduktion/Außenrotation zum gebeugten Knie Knie, b Extension/Adduktion/Außenrotation zum gestreckten Knie

14 (. Abb. 22.3); im Sitz.


5 Reziprokes Gehmuster (. Abb. 22.4 a) und bilate-
rales asymmetrisches Beinmuster zu gebeugten Knien . Abb. 22.3. Sitz: Exten-
15 (. Abb. 22.4 b). sion/Adduktion zum ge-
beugten Knie

Armmuster:
16 5 Flexion/Adduktion/Außenrotation zum gebeugten Ellen-
bogen (. Abb. 22.5 a) und Extension/Abduktion/Innenro-
17 tation zum gestreckten Ellenbogen (. Abb. 22.5 b).
5 Flexion/Abduktion/Außenrotation (. Abb. 22.6 a) und Ex-
tension/Adduktion/Innenrotation (. Abb. 22.6 b).
18 5 Bilaterales symmetrisches Armmuster: Flexion/Abdukti-
on/Außenrotation (. Abb. 22.7 a), Extension/Abduktion/
19 Innenrotation zum gestreckten Ellenbogen (. Abb. 22.7 b).
5 Bilaterales asymmetrisches Armmuster: »Lifting«
(. Abb. 22.8 a) und Umkehrbewegung (. Abb. 22.8 b).
20 5 Kombination von Arm- und Kopfmuster: »Chopping- Pat-
tern« (. Abb. 22.9 a) und »Lifting-Pattern« (. Abb. 22.9 b).
21
22.1 Anwendung
425 22

. Abb. 22.4a,b. a Reziprokes Geh-


muster, b bilaterales asymmetrisches
Beinmuster zu gebeugten Knien

. Abb. 22.5a,b. a Flexion/Adduktion/Außenrotation zum gebeugten . Abb. 22.6a,b. a Flexion/Abduktion/Außenrotation, b Extension/Ad-


Ellenbogen, b Extension/Abduktion/Innenrotation zum gestreckten El- duktion/Innenrotation
lenbogen

. Abb. 22.7a,b. Bilaterales symmetrisches Armmuster: a Flexion/Ab-


duktion/Außenrotation, b Extension/Abduktion/Innenrotation

7
. Abb. 22.8a,b. Bilaterales asymmetrisches Armmuster:
a »Lifting«, b Umkehrbewegung
426 Kapitel 22 · PNF-Techniken

Kopfmuster: PNF-Übungsprogramm
21 5 Kopfmuster: Extension mit Rotation nach rechts
(. Abb. 22.10 a) und Flexion mit Rotation nach links PNF-Übungen werden zur Stabilisation einzelner Körperab-
22 (. Abb. 22.10 b). schnitte bzw. der Gesamthaltung auch gegen Geräte, die Wand,
die Sprossenwand oder den Türrahmen (Göhler 2007) effektiv
Nicht selten müssen Änderungen der Bewegungsmuster (Pat- eingesetzt. Man unterscheidet:
3 tern) vorgenommen werden. 5 aktive PNF-Muster (freie Form),
5 PNF-Muster gegen manuellen Kontakt/Führungskontakt,
5 PNF-Übungen gegen angepassten manuellen Widerstand,
4 5 PNF-Übungen gegen optimalen Widerstand,
5 PNF-Übungen gegen Gerätewiderstand oder Körperge-
5 wicht,
5 Übungen gegen einen festen Widerstand, z.B. Wand, Tür-
rahmen, Unterlage, Boden (geschlossenes System).
6
Bewegungsstabile Osteosynthesen ermöglichen ein Üben im
7 freien Raum oder gegen Führungskontakt sowie ein Üben im
geschlossenen System mit minimaler oder Teilbelastung. Zur
Kontrolle der Minimal- oder Teilbelastung werden Waagen ver-
8 wendet.
In . Übersicht 22.1 sind die Behandlungsziele bei Anwen-
dung des PNF-Übungsprogrammes zusammengefasst.
9
10 . Übersicht 22.1. Ziele der PNF-Behandlung:
5 Verbesserte Bewegungsmöglichkeiten des Patienten.
5 Verbesserte muskuläre Stabilität der Gelenke, ganzer
11 . Abb. 22.9a,b. Kombination von Arm- und Kopfmuster: a »Chopping- Körperabschnitte und der Wirbelsäule.
Pattern«, b »Lifting-Pattern« 5 Aktivieren der Muskulatur/Muskelketten durch taktile
12 Reize oder adäquaten Widerstand.
5 Verbesserte Koordinationsfähigkeit/Propriozeption.
5 Positive Beeinflussung des motorischen Lernens/der
13 Bahnung von Bewegungsmustern.
5 Verbessertes Wahrnehmen der Bewegung.
5 Verbesserte Aktivitäten in Alltag, Beruf oder Sport und
14 dadurch verbesserte Teilhabe am gesellschaftlichen Le-
ben.
15
16
PNF-Grundprinzipien
17
Fazilitationsmöglichkeiten (PNF-Grundprinzipien) sind:
5 Kontraktionshilfen (manueller Kontakt/Widerstand),
18 . Abb. 22.10a,b. Kopfmuster, a Extension mit Rotation rechts, b Flexi-
5 Traktion,
on mit Rotation links
5 Stretch,
19 5 Approximation,
5 Blickkontakt,
5 verbale Stimuli,
20 5 normale zeitliche Bewegungsfolge.

21
22.1 Anwendung
427 22

Die Grundprinzipien werden integriert in die PNF-Techniken: Endstellung – Halten


5 Rhythmische Bewegungseinleitung, Ein Gelenk wird in die aktuelle Endstellung gebracht, und die
5 Dynamische Umkehr, entsprechende Muskulatur soll die Position 7–10 sec halten.
5 Kombination dynamischer Muskelarbeit, Die Dosierungsstufen sind abhängig von den Muskeltest-
5 Replikation, werten, z.B. bei
5 Entspannungstechniken (Contract – Relax), 5 Testwerten unter 3 mit abgenommener Extremitäten-
5 Verstärkungstechniken gegen adäquaten oder optimalen schwere oder hubarm,
Widerstand, 5 Teststufe 3 gegen die Schwerkraft, gegen Führungs- oder
5 Bewegungsmuster, die normalen Aktivitäten entsprechen. Bodenkontakt,
5 Testwerten über 3 gegen angepassten Widerstand.
! Cave
Bei bewegungsstabilen Frakturen, Gelenkinstabilitäten, Mus- Erfahrene Physiotherapeuten spüren den Zeitpunkt der Ermü-
kel- und Sehnenverletzungen darf zu Beginn/während der Be- dung eines Muskels und beenden die Haltephase.
wegung kein Stretchstimulus, kein Stretchreflex und keine end- Bei geringer Muskelkraft (unter 3) werden adäquate Kon-
gradige passsive Vordehnung distal der Fraktur angewendet traktionshilfen gesetzt:
werden! 5 minimale Approximation,
5 Traktion,
5 In-den-Muskel-Greifen,
PNF-Techniken 5 Über-die-Sehne-Streichen,
5 Bürsten oder Reiben mit einem Eisball etc.
Techniken zur Verbesserung der Muskelkraft,
Ausdauer und Propriozeption Wichtig
Bewegungsstabile Osteosynthesen erlauben ein Üben gegen
Ein Stretch darf nur proximal der Verletzung gesetzt werden.
Führungskontakt oder die Eigenschwere des Körperabschnittes,
Teilbelastungsstabile Osteosynthesen erfordern ein Üben
gegen angepassten Widerstand; die Muskelteststufe 4 soll er-
reicht werden. Die Übungen werden 3- bis 5-mal wiederholt, dann wird eine
Bei voller Belastungsfähigkeit soll der Muskeltestwert 5 und Erholungspause gesetzt. Die Dosierung richtet sich immer nach
die volle Muskelfunktion erarbeitet werden. dem aktuellen Heilungsstand der betroffenen Struktur.
Alle Übungen können gegen angepassten/optimalen Wider-
stand oder das Körpergewicht ohne Gehhilfen ausgeführt wer- Kombination von konzentrischen, exzentrischen und sta-
den. tischen Spannungsformen (Combination of Isotonics)
Stufenweise wird die Belastung im Stand und Einbeinstand Diese Technik (dynamisch-konzentrische/exzentrische und
gegen feststehende Widerstände, auf dem Boden oder labilen statische Bewegungsfolge) ist eine effektive und physiologische
Unterlagen gesteigert. Trainingsform im PNF-Programm.
Die Übungen im geschlossenen System müssen an den er- Beginnend mit einer dynamisch-konzentrischen/statischen
reichten Heilungsprozess angepasst werden und sollen Ausdau- Kontraktion wird nach etwa ⅔ des Bewegungsweges oder am
er, Koordination der Bewegungsabläufe und muskulären Kraft- Punkt der beginnenden Muskelschwäche in statische Muskel-
einsatz berücksichtigen. arbeit gewechselt, von der aus mehrmals konzentrisch- und ex-
Unter gleicher Zielsetzung werden Therabänder und Zugge- zentrisch-dynamisch bewegt wird. Die letzte Kontraktion soll
räte zur Schulung von Aktivitäten eingesetzt; sie werden eben- der Muskel nutzen, um in die aktuelle Kontraktionsstellung zu
so wie die Übungen im geschlossenen System in das Hausaufga- ziehen.
benprogramm aufgenommen. An welchem Punkt der Muskel statisch beansprucht und
Die Techniken können miteinander kombiniert werden: wie oft die Übung wiederholt wird, ist abhängig von der aktu-
5 Bewegen – Halten, Endstellung – Halten ellen Muskelfunktion.
5 Wiederholte Kontraktion, auch in Kombination mit Be- Die Technik muss durch Anwendung von Führungskon-
tonter Bewegungsfolge, takt, angepasstem/maximalem Widerstand oder durch Beto-
5 Dynamische Umkehr – Halten, nung/Weglassen der Rotation auf die Stabilität der verletzten
5 Rhythmische Stabilisation, Struktur abgestimmt werden.
5 Stabilisation in geschlossener Kette ( entsprechend Boden- Die Kombinationsbewegungen können auch als freie aktive
kontakt oder mit 15–20 kg Belastung auf der Waage). Bewegungen gegen die Schwere des Körperabschnittes durch-
5 Kombination dynamischer Muskelarbeit, geführt werden, wenn die Verletzung es erlaubt. In diesem Fall
5 Stabilisierende Umkehr. werden sie für ein Ausdauertraining genutzt: 10–15 Wiederho-
428 Kapitel 22 · PNF-Techniken

lungen, 3–4 Serien und kurze Serienpausen von ca. einer ½ medius. Als Ausgangspositionen können alle Lagen, Sitz, Halb-
21 Min. sitz, Stand und Einbeinstand gewählt werden.
Für den Aufbau eines Verstärkungsmusters können Mus-
22 Wechselnde Drehpunkte, Betonte Bewegungsfolge (Timing
for Emphasis)
keln auch aktiv in freier Form arbeiten, gegen Züge oder andere
Geräte, im geschlossenen System und kombiniert mit anderen
Durch die Kombination dynamischer und statischer Span- PNF-Techniken. Statische Verstärker bei Übungen gegen Wand
3 nungsformen in einem Bewegungsmuster ermöglicht diese oder Türrahmen (Göhler 2007) sind ebenfalls bestens geeignet
Technik ein gezieltes Üben der distalen Gelenke. (7 Kap. 6, 15).
Die Schlüsselgelenke Hüft- und Schultergelenk werden sta-
4 tisch gegen manuellen Widerstand/Führungskontakt in Positi- Stabilisierende Umkehr (Stabilizing Reversals)
on gehalten, und die Drehpunkte wechseln (Pivoting) zu den di- Diese Technik beinhaltet den Wechsel von agonistischen und
5 stalen Gelenken, am Bein zu Knie- oder Sprunggelenken, am antagonistischen Muskelspannungen gegen angepassten Wider-
Arm zu Ellenbogen-, Hand- oder Fingergelenken. In der Trau- stand mit dem Ziel einer verbesserten Stabilität und Balance des
matologie wird diese Form der »Betonten Bewegungsfolge« Rumpfes oder einer Extremität. Es werden nur minimale Bewe-
6 überwiegend angewendet. In umgekehrter Form, mit distaler gungen zugelassen.
Haltearbeit gegen Widerstand, würde eine Verletzung am mitt- Der manuelle Widerstand wird für alle Bewegungsmuster
7 leren/proximalen Extremitätenabschnitt einer ungünstigen He- langsam aufgebaut und soll bewusst gehalten werden. Anschlie-
belwirkung ausgesetzt sein. ßend wechseln die Hände des Therapeuten zur Gegenseite und
Die »Betonte Bewegungsfolge« wird angewendet, um eine bauen dort einen entsprechenden Widerstand auf.
8 Bewegungskomponente innerhalb des Gesamtmusters speziell Traktion oder Approximation verbessern die Stabilisation, je-
einzuüben. doch darf der Widerstand nicht zu groß werden und die Span-
Entsprechend der Symptomatik und Biomechanik der Ver- nung durchbrechen.
9 letzung müssen die Original-Bewegungsmuster abgeändert wer- In der Regel wird diese Technik in der Umbauphase oder
den; evt. müssen absolute Dehnstellungen oder endgradige Ro- späten Konsolidierungsphase angewendet.
10 tationen weggelassen und verordnete Bewegungsbegrenzungen
eingehalten werden. Manche Gelenke dürfen nach bestimmten Mobilisationstechniken
Verletzungen nur in der Nullstellung geübt werden (Knie- und Mobilisationstechniken werden mit dem Ziel der Entspannung
11 Sprunggelenk). an einem z.B. schmerzhaften Bewegungspunkt eingesetzt.
Adäquate Mobilisationstechniken bei bewegungsstabilen
12 Verstärkungstechniken (Overflow-Techniken) Osteosynthesen sind:
Verstärkungstechniken nutzen die Overflow-Reaktion, um eine 5 »Chirurgische Technik« (Anspannen – Entspannen gegen
geschwächte Muskulatur zu stimulieren. Führungskontakt),
13 Verstärkende Muskeln müssen vorab eine Haltespannung 5 Halten – Entspannen gegen Führungskontakt und
gegen Widerstand aufbauen, die von den schwachen Muskeln 5 Rhythmische Stabilisation – Entspannen gegen Führungs-
14 aufgenommen werden kann. In der Unfallchirurgie werden bei kontakt.
nicht polytraumatisierten Patienten i.d.R. die Rumpfmuskeln
zum Training geschwächter Extremitätenmuskeln gefordert. Mobilisationstechniken bei Teilbelastungsstabilität sind am ent-
15 Verstärkungsmuster werden am besten über bekannte, erlernte sprechenden Bewegungsstopp:
Bewegungsmuster aufgebaut, z.B. das Geh-, Stütz- oder Greif- 5 Anspannen – Entspannen (Contract – Relax) gegen leich-
muster. ten Widerstand,
16 Der die Overflow-Reaktion nutzende (zu stärkende) Mus- 5 Dynamische Umkehr – Halten – Entspannen (Verknüp-
kel wird mit den Techniken »Endstellung – Halten« oder »Com- fung von zwei Techniken),
17 bination of Isotonics« weiter gestärkt. 5 Halten – Entspannen – passives Weiterziehen und
Eine gute Verstärkung der Muskelarbeit der Extremitäten- 5 Rhythmische Stabilisation – Entspannen.
muskeln wird auch erreicht über die asymmetrischen Arm-
18 Rumpf-Muster »Chopping«, »Lifting« und das Muster »Exten- Bei voll belastungsfähigen Osteosynthesen gibt es keine Ein-
sion/Adduktion/Innenrotation« mit angekoppeltem zweiten schränkung bei der Auswahl von Mobilisationstechniken mehr;
19 Arm in der 2. Diagonale. sie wird nach Art des Bewegungsstopps und der Strukturverän-
Muskelketten, die bei Aktivitäten zusammenarbeiten, eig- derung gewählt.
nen sich für Overflow-Techniken besonders besonders gut. Mobilisationstechniken nutzen die vorangehende bewusste
20 Auch paarig angelegte Muskeln, deren Hauptfunktion eine Be- Kontraktion des Muskels aus, um diesen nachfolgend bewusst
wegung in der Frontalebene ist, verstärken sich gegenseitig über zu entspannen. Aktive Entspannungstechniken beziehen sich
21 bilateral symmetrische Muster, z.B. Mm. glutei minimus und deshalb auf muskulär bedingte Kontrakturen, auf Abwehrspan-
22.1 Anwendung
429 22

nungen von Muskeln. Sie sind effektiv, wenn es sich um einen Die Technik wird am neuen Bewegungspunkt wiederholt.
weich- bis festelastischen Bewegungsstopp handelt. Ist kein Bewegungsgewinn mehr spürbar, soll die antagonis-
Die erste Anspannung des kontrakten Muskels beginnt tische Muskulatur die gewonnene Position gegen angepassten
schonenderweise kurz vor, später dann an dessen Dehn- oder Widerstand für 7–10 sec halten. Andere Trainingstechniken
Schmerzgrenze. schließen sich an.
Alternativ werden Mobilisationstechniken eingesetzt, die Diese Technik ist erst in der Konsolidierungsphase einsetz-
über eine dynamische/statische Kontraktion des nicht verkürzten bar.
antagonistischen Muskels eine Spannungsverminderung errei-
chen, z.B. Dynamische Umkehr – Halten (= neurophysiolo- Halten – Entspannen – passiv Weiterziehen
gisches Prinzip der reziproken Hemmung). Diese Technik wird auch als »Technik bei Lähmungen« be-
zeichnet.
»Chirurgische Technik« (eigene Terminologie) Das Prinzip der Technik »Halten – Entspannen« wird bei-
Diese Technik stellt die mildeste Form der Entspannungstech- behalten, jedoch muss der Dehnpunkt des kontrakten Muskels
niken dar und ist deshalb in der Traumatologie früh einsetzbar. passiv gefunden werden. Der Muskel soll statisch gegen Wider-
Die Extremität wird in einer Diagonale gelagert, und die stand anspannen, und nach der Entspannungszeit wird unter
Fraktur wird manuell passiv fixiert. In den meisten Fällen ent- weicher Traktion passiv weiterbewegt.
fallen Kontakt und Auftrag für die Rotation. Kurz vor der mög- Im Anschluss an mehrmalige Wiederholungen können
lichen Dehnstellung spannt der kontrakte Muskel ca. 5–7 sec Kontraktionshilfen für den paretischen Muskel gesetzt und ein
gegen den weichen Handkontakt des Physiotherapeuten. Dann Mentaltraining aufgebaut werden.
folgt die Entspannungsphase; sie wird so lange gehalten, bis
der Patient bewusst entspannen kann. Sicheres Greifen und Rhythmische Stabilisation (Rhythmic Stabilization)
Schmerzfreiheit lassen dies geschehen. Das Weiterziehen in die Unter »Rhythmische Stabilisation« versteht man die wechseln-
gewünschte Richtung wird unter abgenommener Schwere und de statische Spannung antagonistischer Muskelgruppen mit Be-
gegen Kontakt durchgeführt. Dazu ist ein geschickter Griff- tonung der dynamischen Rotation in einem Gelenk. Nach eini-
wechsel nötig. gen Spannungswechseln erfolgt die Pause, wenn der Patient die
Die Technik wird so lange wiederholt, bis ein schmerzfrei- Spannung deutlich spürt.
er Bewegungsgewinn nicht mehr wahrzunehmen ist; dann folgt Zur Bewegungserweiterung wird diese Technik so einge-
»Endstellung – Halten« gegen Führungskontakt für 7–10 sec setzt, dass die kontrakte Muskelgruppe die letzte statische An-
oder bis zur spürbaren Ermüdung, und die Extremität wird be- spannung ausführt, so dass sie nachfolgend bewusst entspan-
hutsam zurückgeführt. nen kann.
Diese Technik kann sowohl gegen Führungskontakt als
! Cave auch gegen angepassten Widerstand ausgeführt werden. Das
Bei der »Chirurgischen Technik« wird in keiner Phase ein Wider- Weiterziehen ist aktiv; der Therapeut führt dabei eine weiche
stand gesetzt! Auf Schmerzfreiheit ist zu achten! Traktion aus.
Rhythmische Stabilisation – Entspannen eignet sich beson-
Anspannen – Entspannen (Contract – Relax) ders gut zur Mobilisation schmerzhafter Gelenke.
Ausgangspunkt der Anspannung des kontrakten Muskels/der Während des Spannungswechsels kann die manuelle Trak-
Muskelkette ist eine dynamische Kontraktion der antagonis- tion beibehalten werden, um die Gelenkpartner von den Druck-
tischen Muskulatur bis zum Bewegungsstopp oder kurz davor, kräften zu entlasten. Die gewonnene Bewegungsbahn wird am
der eine bewusste Enspannung folgt. besten mit kleinen, dynamischen Bewegungen im letzten Bewe-
Entsprechend der Zugkraft des Antagonisten soll die Bewe- gungsdrittel mit Betonung der Rotation genutzt.
gung gegen Führungskontakt oder angepassten Widerstand bis
zu einem neuen Bewegungsstopp fortgesetzt werden. In der Re- ! Cave
gel dürfen die Muskeln in alle drei Bewegungsrichtungen an- 5 Bei allen Scharniergelenken, so auch beim Kniegelenk müs-
spannen. sen Rotationsbewegungen wegfallen.
5 Entspannungstechniken, die indirekt über die geschwäch-
Halten – Entspannen (Hold – Relax) te Muskulatur wirken, sind m.E. in der Traumatologie weni-
Bei dieser Technik soll die kontrakte Muskelgruppe an ihrer Dehn- ger effektiv. Sie werden jedoch zum Erhalt der gewonnenen
grenze gegen manuellen Widerstand in alle drei Bewegungs- Bewegung eingesetzt.
richtungen (auch Rotation) anspannen. Anschließend folgen ei-
ne ausreichend lange Entspannungsphase am gleichen Bewe-
gungspunkt, ein Griffwechsel und ein aktiv oder aktiv/passives
Weiterziehen der antagonistischen Muskulatur.
430 Kapitel 22 · PNF-Techniken

Techniken zur Spannungs- und Tonusregulierung, d.h., für das Beüben des Hüftgelenks beginnt man mit Becken-
21 zur Bewegungseinleitung, zum Erlernen von mustern (. Abb. 22.11, 22.12), für das Schultergelenk mit Ska-
Aktivitäten und Erhalten der Gelenkbeweglichkeit pulamustern (. Abb. 22.13, 22.14 und 7 Kap. 7, 12).
22 Dynamische Umkehr, Dynamische Umkehr – Halten
Die Technik beinhaltet dynamische Umkehrbewegungen gegen Becken- und Skapulamuster
Handkontakt oder angepassten Widerstand, die den Wechsel Beckenmuster werden effektiv eingesetzt, wenn der Oberschen-
3 der antagonistischen Muskelspannung nutzen. kel noch nicht dynamisch bewegt werden soll. Die Bewegungs-
Haltephasen können an jedem Punkt der Bewegungsbahn richtungen sind:
eingebaut werden; nach dem Halt wird die Bewegung bis zum 5 anteriore Elevation (. Abb. 22.11 a),
4 aktuellen Ende und dann wieder in die Gegenrichtung geführt. 5 posterore Depression (. Abb. 22.11 b),
Eine Pause erfolgt erst nach 4- bis 5-maliger Wiederholung. 5 anteriore Depression (. Abb. 22.12 a),
5 Die Technik ist geeignet, um die reziproke Innervation zu 5 posteriore Elevation (. Abb. 22.12 b).
fördern, den Muskeltonus zu regulieren, die Bewegungsbahn
eines Gelenks einzuschleifen oder durch Haltephasen eine Skapulamuster werden eingesetzt, wenn das Schultergelenk
6 Spannungsbetonung für eine geschwächte Muskelkette zu set- frisch verletzt und schmerzhaft ist. Der Oberarm wird dabei in
zen. Sie ist besonders zu Beginn einer Behandlung angebracht, Nullstellung gelagert. Gegen Führungskontakt/leichten Wider-
7 um das Vertrauen des Patienten zu gewinnen und den aktuellen stand können folgende Bewegungsrichtungen der Skapula aus-
Bewegungsstopp richtig zu erfassen. gewählt werden:
In der Proliferationsphase bewährt sich die Technik zur 5 anteriore Elevation (. Abb. 22.13 a),
8 Stoffwechselanregung und Durchblutungsverbesserung. 5 posteriore Depression, auch als aktive Fixation für die
Armhebung (. Abb. 22.13 b, c),
5 anteriore Depression zur Fazilitation des M. deltoideus
9 Rhythmische Bewegungseinleitung (Rhythmic Initiation)
Diese Technik soll die Einleitung einer Bewegung sowie den ko- (. Abb. 22.14 a, c),
ordinierten Ablauf in einer adäquaten Geschwindigkeit unter- 5 posteriore Elevation für die BWS-Aufrichtung
10 stützen und dadurch den Lernprozess erleichtern. (. Abb. 22.14 b).
Der Physiotherapeut führt die Bewegung zunächst pas-
siv in angemessenem Tempo aus und wechselt dann zu einer Skapula- und Beckenmuster lassen sich dynamisch und statisch
11 geführten und letztendlich resistiven Bewegung. Er vermittelt einsetzen; die Mukulatur kann statisch bei aktiver Fixation oder
dem Patienten verbal (Auftrag), visuell und taktil die Bewe- dynamisch in Bewegung tätig sein. Alle Formen des Bewegens
12 gungsrichtung. Dann soll die Bewegung vom Patienten selbst und Haltens können kombiniert werden. Beide Bewegungsmu-
aktiv ausgeführt werden. ster eignen sich für fortlaufende Bewegungen zum Wechsel in
eine andere Position (s. Mattenprogramm). Die Dosierung rich-
13 Replikation (Replication) tet sich nach dem Befund.
Die »Replikation« ist eine Technik, welche die Wahrnehmung Beckenmuster können Lendenwirbelsäulenbewegungen
14 und das Erlernen von Aktivitäten fördert. oder das Drehen auf die Seite/den Bauch einleiten. Die PNF-
Die Technik wird zum Erlernen endgradiger Bewegungsab- Muster für die Beinmuskulatur werden durch Approximation
läufe angewendet, z.B. durch passives Bewegen in eine endgradi- in Richtung Hüftgelenkextension, durch Traktion/Stretch in
15 ge Position, in der dann Widerstand gegen alle Bewegungsrich- Richtung Hüftgelenkflexion fazilitiert.
tungen gesetzt wird. Anschließend entspannt der Patient, und
der Physiotherapeut führt die Bewegung passiv ein Stück zu- Kopfmuster
16 rück. Dann soll der Patient die vorherige Position wieder selb- Kopfmuster werden bei Halswirbelsäulenverletzungen angewen-
ständig erreichen. Nach Wiederholung wird die Amplitude der det, jedoch erst in der Konsolidierungsphase.
17 Bewegung vergrößert. Die Muster können aus Rücken-/Seitenlage oder aus dem
In der praktischen Umsetzung kann jede gezielte Bewegung, Sitz geübt werden (. Abb. 22.10). Vorbereitend kann die Neu-
die zu einer Aktivität führen soll, mit dieser Technik vorgeübt tralstellung der Halswirbelsäule gegen Führungskontakt be-
18 werden (besonders einsetzbar in der Handchirurgie, 7 Kap. 11). wusst gemacht werden (7 Kap. 6).
Um Streckung und Rotation der Halswirbelsäule zu fazili-
19 tieren, kann man zu gegebener Zeit die Kopfrotation mit einer
Vorbereitende PNF-Muster Augenbewegung zur gleichen/anderen Seite kombinieren.

20 In der postoperativen Phase gelingt der Einstieg in die physio-


therapeutische Behandlung von Unfallverletzten am besten
21 mittels Techniken, die Punktum fixum und mobile vertauschen,
22.1 Anwendung
431 22

. Abb. 22.11a,b. Beckenmuster,


a anteriore Elevation, b posteriore De-
pression

. Abb. 22.12a,b. Beckenmuster,


a anteriore Depression, b posteriore
Elevation

. Abb. 22.13a-c. Skapulamuster, a anteriore Elevation, b posteriore Depression, c Griffvariation bei posteriorer Depression

. Abb. 22.14a-c. Skapulamuster, a anteriore Depression, b posteriore Elevation, c anteriore Depression im Sitz
432 Kapitel 22 · PNF-Techniken

Übungsprogramm auf der Matte


21
Das sogenannte » Mattenprogramm« beinhaltet das Üben in
22 verschiedenen Ausgangspositionen und das Üben von Bewe-
gungsübergängen. Nachfolgend werden einige Übungen vorge-
stellt:
3 5 Posteriore Skapuladepression in Seitenlage (. Abb. 22.15).
5 Reziprokes Skapulamuster und Stützen im Seitsitz
(. Abb. 22.16).
4 5 Skapula- und BWS-Stabilisation im einseitigen Unterarm-
stütz (. Abb. 22.17).
5 5 Stabilisation beider Skapulae im beidseitigen Unterarm-
stütz in Bauchlage (. Abb. 22.18).
5 Stabilisation der BWS im Seitsitz mit Stützmuster rechts
6 und Liftingmuster links (. Abb. 22.19).

7 Auf der Matte/Bobath-Bank kann über fortlaufende dyna-


. Abb. 22.15. Posteriore Skapuladepression in Seitenlage
mische Bewegungen von distal nach proximal in asymmetrischen
PNF-Mustern gegen Führungskontakt/leichten Widerstand
8 das Wechseln von Rücken- in Seitenlage, Sitz, Vierfüßlerstand,
Kniestand, Halbkniestand und Stand geübt werden. Die Bewe-
gungen können über Kontraktionshilfen eingeleitet werden.
9 Das Ziel besteht darin, die einzelnen Gelenkketten fortlau-
fend bis zum aktuellen Bewegungsstopp zu führen, damit die
10 Bewegung des nächsten Bewegungsabschnittes beginnen kann.
Kann der Schwerpunkt über die Lotlinie gebracht werden, ist
der Positionswechsel möglich.
11 Das Mattenprogramm ist hervorragend geeignet, um alltäg-
liche Aktivitäten zu erarbeiten.
12 In fast allen Ausgangspositionen ist das Üben im geschlos-
senen System möglich.

13 Wichtig

5 PNF-Bewegungsübergänge müssen bei einzelnen Ge-


14 lenkfrakturen, aber auch bei Becken- oder Wirbelfrak-
turen den jeweiligen Verletzungsmustern und dem Be-
. Abb. 22.16. Reziprokes Skapulamuster und Stützen im Seitsitz
15 fund angepasst werden.
5 Das Lifting- oder Chopping-Pattern muss sorgfältig auf
die Biomechanik der Verletzung abgestimmt werden. Be-
16 sonders bei der Frühmobilisation von Patienten nach
Rumpfaktivität/-stabilität, Rumpf-Becken-
Wirbelfrakturen muss auf schädigende Flexionsmuster
Bein-Stabilität
17 geachtet werden.
5 Stützmuster für die Arme können aus Bauchlage, Seit-
Aufrichtung und Stabilität der Wirbelsäule sind für die Funk-
sitz, Sitz oder Vierfüßlerstand entwickelt werden, wenn
tionen der Extremitäten von großer Bedeutung. Die Kontrol-
18 volle Belastung erlaubt ist.
le über Arm- und Beinbewegungen ist abhängig von der Bewe-
gung und Stabiltät des Rumpfes und Beckens.
19 Rumpfbewegungen werden über bilaterale asymmetrische
Armbewegungen eingeleitet, z.B. Chopping-Pattern für Rumpf-
flexion und Lifting-Pattern für die Aufrichtung der Wirbelsäu-
20 le. Die Aufrichtung der oberen und unteren BWS (. Abb. 22.7,
22.9, 22.19) spielt eine bedeutsame Rolle für die Dämpfung der
21 Aktivität des sympathischen Grenzstranges.
22.1 Anwendung
433 22

. Abb. 22.17. Skapula- und BWS-Stabilisation im einseitigen Unter- . Abb. 22.19. Stabilisation der BWS im Seitsitz mit Stützmuster rechts
armstütz und Liftingmuster links

. Abb. 22.18. Stabilisation zini, van den Berg, Göhler). In der Unfallchirurgie werden diese
beider Skapulae im beid- Muster v.a. in der Konsolidierungsphase den Übungen in frei-
seitigen Unterarmstütz in er Form vorgezogen.
Bauchlage

Gehschulung nach PNF

Das Gehen wird im geschlossenen System aus dem hohen Sitz/


Halbsitz, aber auch mit freien PNF-Mustern für die Schwung-
und Mittelstandphase vorbereitet.
Die Standbeinphase wird im Stand mittels Approximation
am Beckenkamm fazilitiert, im Liegen an der Ferse.
Die Schwungbeinphase wird durch einen Stretch am Becken
eingeleitet. Die Hände des Therapeuten kontrollieren und kor-
rigieren die ventrale und dorsale Beckenbewegung. Sie können
aber auch an den Schultern oder am Kopf anliegen. Erst wenn
volle Belastbarkeit erreicht werden soll, werden Widerstände
gesetzt, die ein übertriebenes Gehen auslösen.
Durch alternierendes Approximieren und Stretchen kön-
nen Schrittfolgen fazilitiert werden. In der Regel geht der The-
Becken und unterer Rumpf werden mittels bilateraler Bein- rapeut hinter dem Patienten, so dass dieser sich z.B. im Spie-
muster mobilisiert und stabilisiert. Dabei ist darauf zu achten, gel kontrollieren kann. Ist der Patient noch unsicher oder darf
dass die Vordehnung keine Hyperextension der LWS hervorruft. noch nicht belasten, werden Gehübungen im Gehbarren durch-
In der Regel werden bilaterale Beinmuster mit kurzem Hebel, al- geführt. Bei Teilbelastbarkeit muss die verordnete Belastungs-
so mit gebeugten Kniegelenken ausgeführt. stufe auf Waagen eingehalten werden. Auch mit Unterarmstüt-
Asymmetrische Beinmuster mobilisieren durch die deut- zen kann dies in gleicher Weise praktiziert werden.
liche Rotation die LWS und den N. sympathicus im Bereich von Aktivitäten der Hand werden mit den Techniken »Replika-
Th10–L2. tion«, »Dynamische Umkehr«, »Betonte Bewegungsfolge« und
Asymmetrische Arm- und Beinmuster können kombiniert Verstärkungstechniken eingeübt. Stützmuster gehören ebenso
werden. dazu wie das Greifen und Halten von Gegenständen.
In der geschlossenen Kette wird anhand symmetrischer und
asymmetrischer PNF-Muster das Gehen vorbereitet (Buck, Biz-
434 Kapitel 22 · PNF-Techniken

22.2 Literatur
21
Annunciato N (1998) Plasticity of the nervous system, Physiotherapie Nr.
8. Pflaum, München
22 Buck M, Beckers D, Adler S (2005) PNF in der Praxis, 5. Aufl. Springer, Ber-
lin Heidelberg New York
3 Göhler B (2007) Komplexbewegung contra Einseit-Haltung. Pflaum,
München
Hedin-Andén S (2002) PNF-Grundverfahren und funktionelles Training, 2.
4 Aufl. Fischer, Stuttgart Jena New York
Horst R (2005) Motorisches Strategietraining und PNF. Thieme, Stuttgart
Knott M, Voss D (1968) Proprioceptive neuromascular faclitation, 2nd edn.
5 Harper und Row, USA
Sullivan E, Markos PD (1995) Clinical decision making in therapeutic exer-
cise. Appleton and Lange,
6 Norwalk CT
Sullivan E, Markos PD et al. (1995) PNF – Ein Weg zum therapeutischen
Üben. Fischer, Stuttgart
7
Die Abbildungen 22.1–22.19 konnte ich zusammen mit Frau Claudia Klose
8 PT-Schule BKH Günzburg und ihren Schülerinnen und Schülern erstellen.

9
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21
435

Sachverzeichnis
– therapeutische Maßnahmen 367 – Erhaltung der Beweglichkeit 206
A – Übungsbeispiele 369 – Kontrakturenprophylaxe 206
– Ursachen 367 – Ödemresorption 206
AAOS 266 Adam-Bogen 263 – Spiegeltherapie 206
Abduktionsfrakturen 358 Adduktionsfrakturen 358 – Behandlungsrichtlinien 204
Abduktionskissen 111, 121, 143 afferente Nerven 44 – Komplikationen 205
Abduktionskissen, 40° 113 Aircast-Schiene 62 – therapeutische Maßnahmen 204
Abduktionskissen mit Keilaufbau 142 Akromioplastik 122 – Ursachen 204
Ablösung des Labrum glenoidale 112 aktive Stabilisierung des Frakturbereiches 82 Amputationen an der unteren Extremität
Abrissfrakturen 375 – Erarbeiten einer ausgewogenen Muskel- – ärztliche Behandlung 390
ACG-Sprengung 123 spannung 82 – Operationen, geplante 390
Achillessehnenriss 355 Aktivierung 4 – traumatische Amputationen 390
Achillessehnenruptur 367 aktuelle Ruhestellung 6 – Befunderhebung 393
– ärztliche Behandlung 367 Akupunktur 47 – Behandlungsmöglichkeiten 394
– obligatorisch 367 – PuTENS 47 – Erhalten der Arm- und Rumpfmuskel-
– operative Versorgung 367 allgemeingültige Begriffsdefinitionen 3 funktion 395
– Befunderhebung 368 – Belastungsstufen 3 – Erhalten der Muskelfunktion des gesun-
– Behandlungsmöglichkeiten 368 – Bewegungseinschränkungen 3 den Beins 395
– Aktivieren der Fußheber 369 – Biomechnanik 3 – Gehfehler
– Aufbau der Sportfähigkeit 369 – Gehformen 3 – breitbeiniges Gehen 399
– Gehschulung 369 – Muskelarbei 3 – Hochfedern des anderen Beins in der
– Kräftigung des M. gastrocnemius 369 – physiotherapeutische Behandlungsformen Schwungphase der Prothese 400
– Mobilisation der Sprunggelenke 369 3 – Rotation der Ferse beim Ablösen 400
– Verbesserung der Durchblutung, Unter- – Propriozeption und Sensomotorik 3 – Rotation der Ferse beim Aufsetzen 399
stützung der Heilung 368 – rehabilitationsrelevante Begriffe 3 – seitliches Rumpfneigen 399
– Vorbereiten und Schulen von Aktivitäten – Stabilitätsgrade 3 – ungleiches Anheben des Prothesen-
369 – Tonusregulierung, Innervations-/Koordina- unterschenkels in der Schwungphase
– Behandlungsrichtlinien 367 tionsschulung 3 400
– charakteristische Symptome/Leitsymptome Allgöwer-Entlastungsapparat 377, 380 – ungleiche Schrittlänge 400
367 Allgöwer-Gehapparat 342, 343, 360 – Ursachen 400
– Einteilung 367 Alternativvorschlag List 314 – vermehrte Lendenlordose bei Belas-
– grundsätzliches Vorgehen 368 Alveolen 38 tung der Prothese 400
– Gesichtspunkte der Behandlung 368 AMIS-Endoprothese 266, 267 – Vorschleudern der Prothese 400
– Komplikationen 368 AMIS-Totalendoprothesen-Operation 266 – Zirkumduktionsgang 399
– physiotherapeutisches Behandlungskonzept Amputationen 204 – Kontakturprophylaxe 395
367 – ärztliche Behandlung 204 – Lagerungskontrolle 395
– Behandlungskonzept bei Achilles- – Befunderhebung 205 – Mobilisation von Kontrakturen 397
sehnenruptur (Klinikum Großhadern, – Behandlungsmöglichkeiten 205
LMU München) 367 – Desensibilisierung 206
436 Sachverzeichnis

– Dynamische Umkehr – Halten – Ent- arthroskopische Arthrolysen 325 – Dehnlage nach Schaarschuch-Haase 39
21 spannen – aktives/passives Weiterzie-
hen bei elastischem Endgefühl 398
ärztliche Behandlung
– physiotherapeutische Behandlung 304
– Gähnen 39
– Lippenbremse 40
– Rhythmische Stabilisation – Entspan- aseptischen Nekrose 385 – Nasenstenose 39
22 nen – aktives/passives Weiterziehen
bei schmerzhaftem Bewegungsstopp
Aspekte
– der Entzündung 16
– Schnüffeln 39
– Stretch am Ende der Ausatmung 39
398 – Warnzeichen 16 – Ziel der 38
3 – Techniken 398 Atelektasen 38 Aufrichtung der BWS 324
– Techniken der Manuellen Therapie bei Atembefund 29 augmentierte Bandnähte 123
festem Endgefühl 398 Atemdepression 45 augmentierte Nähte 130
4 – Pneumonie-, Thrombose- und Ödempro- Atemhilfsgeräte 40 Ausgangsstellungen 323
phylaxe 394 – Coach 41 Ausschluss eines Impingements 131
– Schmerztherapie 394 – Volumen orientierte Geräte 41 Außenband 298
5 – Stumpfpflege und -formung 395 – dosierte Lippenbremse 42 Außenbandrupturen 319
– Versehrtensport 401 – Flutter- oder RC-Cornet-Gerät 41 Außenbandverletzungen 319
– Vorbereitung und Schulung von Aktivitä- – Giebelrohr 41 autogene Drainagelagerung 42
6 ten, Gehschulung mit Prothese 398 – Inspirix 41 AV-Pumpe 378
– Vorbereitung und Training der Muskula- – flow orientierte Geräte 41 avitale Pseudarthrose 55
7 tur des Stumpfes 396
– Behandlungsrichtlinien 390
– Intermitted Positive Pressure Breathing-
Geräte 41, 42
axonale Verletzung 216
Axonotmesis 142, 216
– Besonderheiten bei der Behandlung weite- – Bird 42 Azetabulumfraktur 250, 251
8 rer Amputationen 401
– funktionelle Frühbehandlung 390
– Salvia Alveola 42
– Mediflo 41
– ärztliche Behandlung 250
– konservatives/operatives Vorgehen 250
– grundsätzliches Vorgehen 394 – flow orientierte Geräte 41 – Befunderhebung nach Osteosynthese in
9 – Komplikationen 393 – Pari-PEP-Gerät (Cegla) 41, 42 Akut- und Entlastungsphase 252
– Prothetik 390 – RC-Cornet 41 – Befundergänzung 252
– Oberschenkelprothesen 391 – SMI-Geräte 40, 41 – Behandlungsmöglichkeiten 253
10 – Unterschenkelprothesen 391 – Totraumvergrößerer (Giebelrohr) 40 – Bewegungsbad 254
– therapeutische Maßnahmen 390 – Triflo II 41 – Dekubitusprophylaxe 253
– Übungsbeispiele 401 – flow orientierte Geräte 41 – Einüben der Minimalbelastung und
11 – Frühbehandlungsphase 401 – Vario-Resistance-Pressure-Geräte 41 weiterer Belastungssteigerungen 254
– Gehschulung mit Prothese 402 – Voldyne 41 – Erhalten der Funktion der nicht betroffe-
– Oberschenkelamputation 401 – Volumen orientierte Geräte 41 nen Extremitäten 253
12 – Ursachen 390 – VRP1 Desitin 41, 42 – Lagerungskontrolle 253
Amputationen im Chopart-Gelenk 393 Atemmuster 38 – Pneumonieprophylaxe 253
13 anteriore Elevation 431
Antidepressivum 45
– Atembewegung 38
– Atemfrequenz 38
– Reduzierung der Muskelspannung der
betroffenen Hüftgelenkmuskulatur 253
Antigravitationsmuskel 147 – Atemmuskeleinsatz 38 – Schulen der Hüftgelenkbeweglichkeit des
14 – M. biceps 147
Antiphlogistika 56
– Atemnebengeräusche 38
– Atemweg 38
betroffenen Beins 253
– Thromboseprophylaxe 253
antiphlogistische Behandlung 50 – Einsatz von Atemhilfsmuskeln 38 – Verbesserung der Durchblutung 253
15 Antithrombosestrümpfe 43, 52, 348 – Erholungszeit 38 – Vorbereitung und Schulung von Aktivitä-
AO-Klassifikation 355 – inspiratorischer Stridor 38 ten 254
AO-Platten 128 – Verkürzung der Atemhilfsmuskeln 38 – Behandlungsrichtlinien 250
16 Kapsel-Band-Meniskus-Verletzungen Atemtherapie 38, 409 – charakteristische Symptome/Leitsymptome
– ärztliche Behandlung – Anpassung der Atmung an körperliche 250
– Diagnostik 309 Mehrbelastung 42 – Einteilung 250
17 – Röntgenaufnahme 309 – Belastungsdyspnoe 43 – Typ A, B und C 250
Aquajogging 11 – Basaltexte 39 – grundsätzliches Vorgehen 253
Arlt 110 – Befunderhebung 38 – Frühstadium 253
18 Armplexusschädigung 112 – Behandlungsmöglichkeiten 38 – Gesichtspunkte der Behandlung 253
Arthrodese 377 – Euler-Liljestrand-Reflex 39, 42 – nach ca. 4 Wochen 253
19 Arthrofibrose 47, 325, 329
Arthrofibrose, Entwicklung einer 312
– Gesichtspunkte 39
– mukoziliäre Clearance 39, 40
– Komplikationen 252
– physiotherapeutische Behandlung 251
arthrogene Kontraktur 158 – Perfusion 42 – therapeutische Maßnahmen 250
20 Arthrolyse 418
Arthrose 200, 356, 380
– Reduktion der Infektanfälligkeit, Sekretmo-
bilisation und -eliminierung, Atemgeräte 40
– Übungsbeispiele 254
– Proliferations- und Konsolidierungsphase
Arthrosen 195 – Umverteilung der Blutzirkulation 40 254
21 Arthroskopie 319, 320, 329 – vermeiden von Atelektasen 39 – Spätstadium (nach der 10. Woche) 255
437
Sachverzeichnis

– Ursachen 250 – konservativer Versorgung stabiler Fraktu- – Integration neuer Entwicklungen 3


Azetabulumfraktur mit Schraubenosteosyn- ren 240 – Be- und Entlastungszeiten nach Verlet-
these 415 – charakteristische Symptome/Leitsymptome zungen 3
238 – Bedeutung der Sensomotorik und Pro-
– Einteilung 238 priozeption 3
B – drei Typen 238 – Osteosyntheseverfahren 3
– grundsätzliches Vorgehen 241 – Weiterentwicklung operativer Techniken
Bajonettstellung 175, 176 – Gesichtspunkte der Behandlung 241 3
Balserplatte 123, 128 – Komplikationen 240 - Planung einer Behandlung 2
Bandagieren, diagonales 395 – Nebenverletzungen 240 – ärztliche Ent- und Belastungsvorgaben 2
Bandagieren eines Oberschenkelstumpfes 394 – physiotherapeutische Behandlung 240 – Befunderhebung/Evaluation 2
Bänder der Sprunggelenke 356 – therapeutische Maßnahmen 238 – charakteristische Symptome/Leitsympto-
– lateral 356 – Übungsbeispiele 245 me 2
– Lig. deltoideum 356 – 3. Woche postoperativ 245 – Evaluationskonzept 2
– Lig. fibulocalcaneare 356 – Belastungsphase 246 – ICF-Modell 2
– Lig. tibiofibulare anterius 356 – Ende der Konsolidierungsphase 246 – Therapieplan 2
– Lig. tibiofibulare posterius 356 – Konsolidierungsphase 246 – Behandlungsplanung, Verlaufsdokumentati-
– Ligg. fibulotalaria anterius 356 – Ursachen 238 on 26
– Ligg. fibulotalaria posterius 356 Beckenfrakturen mit geringgradigen Verschie- – Funktionsbefund 21, 23, 24
– medial 356 bungen 239 – Atmung 23
– Syndesmose, hintere 356 Becken in Neutralstellung 242 – Gelenk 23
– Syndesmose, vordere 356 Beckenkontrolle 274, 324 – Heilfunktion der Haut 24
Bandersatzoperationen 123 Beckenmuster 431 – Muskelkraft 23
Bandverletzungen 354, 355 Beckenringfraktur 417 – Muskeltonus 24
Bankart-Läsion 111, 112, 130 – mit Symphysen- und Iliosakralgelenkspren- – Nervenmobilität 24
Bankart-Operation 111 gung 417 – Gang 24
Basisanalgesie 45, 394 Befund – Ganganalyse 24, 31
Basiswinkel 176 Befunderhebung 17 – ICF-Dokumentation 35
Bauch- und Rückenmuskeln 82 – Befunddaten 17 – Muskelfunktionstest 27
Bauchmuskeltrainer 93 – Aktivitäten 18 – Patientenbeispiel 34
Becken-Bein-Rumpf-Achse 291 – Atembefund 17 – Verlegungsbrief 32
Beckenbewegungen 243 – Beobachten und Beurteilen 17 – visuelle Analogskala 21
Beckenfraktur 238 – Kontaktbereitschaft 18 Behandlungsmöglichkeiten
Beckenfrakturen 238 – Messen 17 – Lagerungskontrolle 345
– ärztliche Behandlung 239 – Notieren und Bewerten 18 Beinachsenstabilisation 346
– konservatives/operatives Vorgehen 239 – Prüfen und Testen 17 Beinachsenstabilität 318
– Befunderhebung 241 – Schmerzen 18 Beinachsentraining 418
– Behandlungsmöglichkeiten 241 – Sensibilität 18 Beinachsentraining auf Fußkreisel 317
– aktive Stabilisation des Beckenringes im – Teilhabe an der Gesellschaft 18 Beincurler für den M. quadriceps 314
Liegen 242 – Tiefensensibilität 18 Beinstellung festgelegt 82
– Dekubitusprophylaxe 242 – Übungsbereitschaft: 18 Belastung der Kniegelenke 299
– Erarbeiten der Hüftgelenkbeweglichkeit – Vitalfunktionen 17 Belastungen 71
244 – Muskeltestskala 0–5/6 17 Belastungsdrucke 71
– Erhalten der Armkraft 242 – VAS 1–10 18 Belastungsstufen
– Erhalten der Beinkraft bei Verletzung ei- Befunderhebung nach dem ICF-Modell 14 – minimale Belastung 16
ner Beckenseite auf der nicht betroffenen – Befundbögen 14 Belastungsstufen des Gehens 5
Seite 242 – Befunddokumentation 14 – minimal belastendes Gehen 5
– Erhalten der Beweglichkeit der Knie- und – Behandlungsplanung 14 – teilbelastendes Gehen 5
Sprunggelenke 244 – Verlaufskontrolle 14 – vollbelastendes Gehen 5
– Lagerung 242 – Verlegungsbrief 14 Belastungsübungen 348
– Pneumonie- und Thromboseprophylaxe – Aktivität und Partizipation 24 Bennett-Fraktur 200
242 – Arbeitsbogen 27, 28, 31 Betonte Bewegungsfolge 428
– Vorbereiten und Schulen von Aktivitäten – Atembefund 29 Beugesehnenverletzungen 207
244 – Befundinterpretation, Behandlungsziele 25 – ärztliche Behandlung 207
– Wiederherstellen der Muskelfunktion, – Interpretation der Befundaufnahme 25 – Nachbehandlung 208
Vorbereitung des Gehmusters im Liegen – Umweltfaktoren 25 – operatives Vorgehen 207
243 – Vollständigkeit des Befundes 25 – Befunderhebung 210
– Behandlungsrichtlinien 238 Behandlungsgrundlagen 2 – Behandlungsmöglichkeiten 210
– Belastungsstabilität 239 – grundlegende Kenntnisse 2 – Desensibilisierung 210
438 Sachverzeichnis

– Gesichtspunkte der Behandlung 210 BWK-Frakturen oberhalb BWK 10, 83 – grundsätzliches Vorgehen in der Handchir-
21 – propriozeptives Training 210
– Verbesserung der Durchblutung 210
BWS-Aufrichtung 317, 418 urgie

– Verbesserung der Gleitfähigkeit 210 – allgemeine Gesichtspunkte einer hand-


22 – Behandlungsrichtlinien 207
C chirurgischen Behandlung 230
– Charakteristische Symptome/Leitsymptome – physiotherapeutische Behandlung 227
207 Caligamed-Orthese 386 – therapeutische Maßnahmen 226
3 – Einteilung 207 Canale-view-Aufnahme 384
CAT-CAM-Methode 392
– Übungsbeispiele 234
– Komplikation: Tenolysen (Tendolysen) 212 – Ursachen 225
– Komplikationen 210 CerviFix-Platten 74 Complex Regional Pain Syndrome (CRPS)
4 – physiotherapeutische Behandlung 208 Chirurgische Technik 429
– Konzept nach Schröder 208 Chondroblasten 9 – grundsätzliches Vorgehen in der Handchir-
– therapeutische Maßnahmen 207 chondrogene Zelle 329 urgie 230
5 – Ursachen 207 Chondrozyten-Transplantationen, autologe Compliance 121
Bewegungsbad 11, 275, 289, 348, 380 329 Computertomographie 256
Bewegungssegment L3 71 Chopart-Gelenk-Luxation 385 Core stability 73
6 Bewegungsstabilität 344 Chopart-Gelenk-Luxationsfraktur 385 CPM-Schiene 158, 244, 303, 315, 323, 325, 361
Bewegungsstopp, elastischer 346 Chopping-Pattern 432 Creep 10
Classic-Nagel 283
7 Bewegungsstopp, fester 346
Bewegungsübergänge 432 Complex Regional Pain Syndrome (CRPS) 46,
Cross-Trainer 85
CRPS (Complex Regional Pain Syndrome) 171
Bewegungsübungen im Wasser 328 176, 192, 195, 225, 385 CRPS nach Radiusfraktur 226
8 bimalleoläre Fraktur 358
Bindegewebsmassage 46, 229
– ärztliche Behandlung 227
– low dose-Heparingabe 227
CRPS nach schwerer Quetschverletzung 225
Crutchfield-Klammer 74
Biodegradable Stifte 156 – nichtsteroidale Antiphlogistika 227 Cryo-cuff 313, 378
9 biologische Osteosynthese 282 – Redon-Drainage 227
– Behandlungsmöglichkeiten 227
Cyriax 67, 110, 125
Biomechanik 6 Cyriax-Test 112, 131
– Gelenkstabilität 6 – Durchblutungsverbesserung und Ödem-
10 – Bewegungsebene 6 resorption (Alternativvorschlag 229
D
– Transversalebene 6 – Entspannung der Hand-, Nacken- und
– Hebelgesetze 6 Schultergürtelmuskulatur 229
11 – positive Kraftübertragung 6 – Gesichtspunkte der Behandlung in Stadi- Daumenamputation 202
– Ruhestellung – verriegelte Stellung 6 um III 229 DC-Platten 283
Biomechanik des oberen Sprunggelenks 356 – Gesichtspunkte der Behandlung in Débridement 53, 122, 329, 340
12 Biomechanik des Schultergelenks 107 Stadium I und II 227 Densfrakturen 74
– Akromioklavikulargelenk 107 – Schmerzreduzierung in Stadium I 227 Depression
– Spezifische Gesichtspunkte der Behand- – anteriore 431
13 – Bewegungsumfang 107
– Bizepsgleitmechanismus 109 lung eines CRPS 227 – posteriore 431
– Funktion der langen Bizepssehne 107 – Verbesserung der arteriellen Durchblu- Dermatome 80

14 – Funktionseinheit 107
– Heben und Senken der Klavikula 107
tung und Resorption von Ödemen 228
– Vermeidung äußerer Irritationen in Stadi-
Desault-Verband 113, 142
Detonisierung 82
– Innervation des Schultergelenks/Nervale um I 227 – Massagegriffe 82
15 Strukturen im Schultergelenkbereich 108 – Behandlungsrichtlinien 226
– charakteristische Symptome/Leitsymptome
Diadynamik 66
distale Femurfraktur 301, 302
– Klavikularotation 107
– Kugelgelenk 107 225 – ärztliche Behandlung 301
16 – Plexus brachialis 109 – Stadium I 225 – DCS-Platten 301
– Rollgleitbewegung 107 – Stadium II 226 – Fixateur externe bei Trümmerfrakturen
– Rollgleiten des Humeruskopfes 107 – Stadium III 226 301
17 – Rotatorenmanschette 107 – Einteilung 225 – konservatives/operatives Vorgehen 301
– Schultergelenkkapsel 108 – Grundsätzliches Vorgehen – LISS System 301
– Skapula- und Klavikulabewegung bei Arm- – Aktivierung der inaktiven Muskulatur, – operative Stabilisation 301
18 flexion 108 Schulung der Kontraktionsbereitschaft – Plattenfixateursystem 301
– Skapulabewegung bei Armhebung 108 231 – retrograder Verriegelungsnagel 301
– Entspannung der Handmuskulatur 230 – Schraubenosteosynthese 301
19 – Sternoklavikulargelenk 107
– Vor- und Zurückführen 107 – Erhalten der Beweglichkeit 233 – Titan-Kondylenplatten mit und ohne
Bohnenbad 182 – Mobilisation 232 Zugschrauben 301
– Narbenpflege 232
20 Bosworth-Schraube 125
Bow-String-Phänomen 195 – Verbesserung der Durchblutung 230
– Befunderhebung 302
– Behandlungsmöglichkeiten 302
Brunkow 82 – Verbesserung der Funktion, Kraft und – Behandlungsrichtlinien 301
21 Bülau-Drainage 100 Ausdauer 232
439
Sachverzeichnis

– charakteristische Symptome/Leitsymptome – nach Entfernung des Fixateur externe/bei – Gelenkinstabilitäten 50


301 bewegungsstabilen Osteosynthesen 183 – heterotope Ossifikation 50
– Einteilung 301 – Ursachen 175 – Infektion/Osteitis 50
– grundsätzliches Vorgehen 302 – Abfangen eines Sturzes 175 – Kompartmentsyndrom 50
– Komplikationen 302 distaler Radius 176 – Phlebothrombose 50
– Kondylenfrakturen 301 Distorsionen 61 – Pseudarthrosen 50
– physiotherapeutische Behandlung 302 Donjoy-Schiene 313 – Volkmann-Kontraktur 50
– therapeutische Maßnahmen 301 doppelamputierter Patient 401 Einteilung der Rumpfmuskeln in Stabilisatoren
– Ursachen 301 Dornfortsatzfraktur 70 und Mobilisatoren 72
distale Humerusfraktur mit Gelenkbeteiligung dorsale Beckenringinstabilitäten 239 – aktive lokale Stabilisatoren 72
152 dorsaler Kippwinkel 176 – globale Mobilisatoren 72
– ärztliche Behandlung 153 dorsolaterale Instabilität 298 – globale Stabilisatoren 72
– Indikation 154 dorsomediale Instabilität 298 Einteilung der Schenkelhalsfrakturen nach
– operativ 153 Drei-Punkte-Gang 327 Pauwels 265
– operative Behandlung 154 dreidimensionale Stabilität 238 Einüben der Belastung auf der Waage 315
– Behandlungsrichtlinien 152 Dreipunktkorsett 74, 76, 77, 83, 86 Eisanwendung 11
– charakteristische Symptome/Leitsymptome Druckverteilung auf die Kniegelenke 299 Eisanwendungen 147
152 Druckverteilungsmessplatte 356, 357 Eisbehandlung, milde 305
– Einteilung 152 Dual surface articulation-Prothesen 307 Eistherapie, kurzzeitige 313
– Typ A 152 Dupuytren-Faszienfibrose 192 elastische Überbrückungsplatten 283
– Typ B 152 Dupuytren-Faszienfibrose (Morbus Dupuytren) Elevation
– Typ C 152 223 – anteriore 431
– therapeutische Maßnahmen 152 – ärztliche Behandlung 223 – posteriore 431
– Ursachen 152 – chirurgische Behandlung 223 Ellenbogenluxation 155
distale oder »klassische« Radiusfraktur 175 – Befunderhebung 224 – ärztliche Behandlung 155
– ärztliche Behandlung 178 – Behandlungsmöglichkeiten 224 – Indikation 156
– operatives/konservatives Vorgehen 178 – Gesichtspunkte der Behandlung 224 – konservatives/operatives Vorgehen 155
– Befunderhebung 180 – Behandlungsrichtlinien 223 – operatives Vorgehen 156
– Behandlungsmöglichkeiten 180 – charakteristische Symptome/Leitsymptome – Behandlungsrichtlinien 155
– Entspannen der Handbinnenmuskulatur 223 – charakteristische Symptome/Leitsymptome
181 – Einteilung 223 155
– Mobilisation 181 – Komplikationen 224 – Fixateur 155
– Spannungsaufbau der Fraktur sichernden – physiotherapeutische Behandlung 224 – therapeutische Maßnahmen 155
Muskulatur 180 – therapeutische Maßnahmen 223 ellenbogennahe Frakturen und Ellenbogen-
– Verbesserung der Durchblutung und – Ursachen 223 luxation
Ödemresorption 180 Durchblutung des Femurkopfes 264 – Einteilung 152
– Verbesserung der Muskelkraft und Aus- Dynamik-Fuß 391 – Ellenbogenluxation 152
dauer 182 dynamische Hüftschraube 283 – Humeruskondylenfraktur 152
– Vorbereitung und Schulung von Aktivitä- dynamische Kompressionsschraube 283 – Olekranonfraktur 152
ten 182 Dynamische Stabilisation auf dem Fußkreisel – Radiusköpfchenfraktur 152
– Behandlungsrichtlinien 175 328 – suprakondyläre Fraktur 152
– Biomechanik 175 Dynamische Stabilisation auf dem Schaukel- Embolie 252
- Biomechanik und Pathologie 176 brett 328 Embolie/Lungenembolie 50, 52
Dynamische Stabilisation gegen Zuggerät 328 – ärztliche Behandlung 52
– charakteristische Symptome/Leitsymptome Dynamisierung 343 – Rezidivprophylaxe 52
175 – Sofortmaßnahme 52
– Einteilung 175 – Thrombolyse-Therapie 52
– AO-Klassifikation 175 E – Behandlungsrichtlinien 52
– Typ A 175 – charakteristische Symptome/Leitsymptome
– Typ B 175 Eckensteher als Grundposition 245 52
– Typ C 175 Einbeinstand 316, 323 – Fett- oder Luftembolie 52
– grundsätzliches Vorgehen 180 Einbeinstand im Türrahmen 291 – physiotherapeutische Behandlung 52
– Gesichtspunkte der Behandlung 180 Einbeinstand mit gekreuztem Spielbein 291 – Risikofaktoren 52
– Übersicht 180 Einhaltung der Neutralposition 82 – therapeutische Maßnahmen 52
– Komplikationen 180 Einteilung 107 EMG-Ableitungen 357
– therapeutische Maßnahmen 175 – Frakturen 107 endostaler Kallus 10
– Übungsbeispiele 182 – Luxationen 107 Endstellung – Halten 427
– mit Fixateur externe 182 Einteilung der Komplikationen 50 entlastender Sitz 77, 79, 83
– Nach ca. 6–7 Wochen und Befund 184 – Embolie/Lungenembolie 50 entlastendes Gehen 5
440 Sachverzeichnis

Entspannungstechniken 96, 346 – Syndesmosensprengung, Beurteilung Frakturen im Bereich des Fußes


21 Entzündungszeichen 8
Epikondylenfrakturen 152
einer 358
– Befunderhebung nach Sprunggelenkfraktur
– Einteilung 374
Frakturen und Luxationen im Bereich der
Euler-Liljestrand-Reflex 38 mit bewegungsstabiler Versorgung 361 Sprunggelenke, Band- und Achillessehnen-
22 Eversionsfrakturen 356
Extension 5
– Behandlungsmöglichkeiten 362
– Erhalten der Funktion der gesunden
verletzungen
– ärztliche/physiotherapeutische Behandlung
Extensionsbehandlung 251, 342 Extremitäten 364 358
3 extrakapsuläre Schwellung 322 – Lagerungskontrolle 362 – Behandlungsrichtlinien 356
– Mobilisation des oberen Sprunggelenks – charakteristische Symptome/Leitsymptome
362 356
4 F – Muskelaufbau der Fußheber 363 – Einteilung 354
– Muskelaufbau des M. triceps surae 363 – physiologische Grundlagen 356
Fahrradergometer 314 – Techniken 363 – therapeutische Maßnahmen 356
5 Fasziotomie 50 – Betonte Bewegungsfolge 363 – Ursachen 356
Fazilitationstechniken 218 – Bewegungsausmaß, vorgegebenes Frakturen und Verletzungen im Bereich des
– Komplexbewegung 218 363 Kniegelenks
6 – mentales Training 218 – Chirurgische Technik 363 – Behandlungsrichtlinien 297
– Mitüben der kontralateralen Seite 218 – Dynamische Umkehr, aktive 363 – charakteristische Symptome/Leitsymptome
– optische Kontrolle 218
7 – Overflow-Reaktion 218
– im geschlossenen System 363
– ohne dynamische Pro-/Supination 363
297
– Einteilung 297
– Spiegeltraining 218 – PNF-Techniken 363 – physiologische Grundlagen 297
8 – Vojta 218
federnde Fixation 109, 155
– Stabilisierende Umkehr 363
– Verbesserung der Durchblutung, Abbau
– Belastung des femorotibialen Gelenks
299
Federsteifigkeit 72 des Ödems 362 – Belastung des Kniegelenks bei Bewegung
9 Fehlstellungen/Gelenkinstabilitäten 56
– ärztliche Behandlung 56
– Vorüben und Schulen von Aktivitäten, 299
Gehschulung 365 – Beugestellung 297
– Behandlungsrichtlinien 56 – Behandlungsrichtlinien 358 – Drehscharniergelenk 297
10 – physiotherapeutische Behandlung 57 – Belastungsstabilität 360 – eingelenkige Muskeln 298
– therapeutische Maßnahmen 56 – charakteristische Symptome/Leitsymptome – Entschraubung 297
Feldenkraisrolle 87, 116, 162 358 – Federsteifigkeit 297
11 femoropatellare Arthrose 298 – grundsätzliches Vorgehen 362 – Kniegelenk 297
Femoropatellargelenkarthrose 306 – Bewegungsstabilität 362 – Kniegelenk stabilisierende Bänder 298
Femurkondylenfraktur 417 – Gesichtspunkte der Behandlung 362 – Kniegelenk stabilisierende Muskulatur
12 feste Halskrawatte 96 – Komplikationen 361 297
Fibulafraktur, hohe 415 – physiotherapeutische Behandlung 361 – lokale Muskeln 298
Fibulafraktur, proximale 341
13 Fibulafrakturen nach Weber und Danis 355
– Pilon-tibial-Fraktur, Sonderform 361
– therapeutische Maßnahmen 358
– lokale Stabilisatoren 297
– M. vastus medialis 297
Fixateur externe 283, 342, 412 Frakturen der Grund-, Mittel- und Endphalan- – M. quadriceps 297
14 Fixationskallus 9
Flake fractures 384
gen 201
– ärztliche Behandlung 201
– M. sartorius 297
– minimale Verschraubung 297
floating shoulder 130 – Behandlungsrichtlinien 201 – Mittelstandphase 297
15 Fourchettestellung 175, 176
Fraktur des LWK 1 75
– therapeutische Maßnahmen 201 – Mm. ischiocrurales 297
Frakturen der Handwurzelknochen 199 – Patella 298
Frakturen, Luxationen und Luxationsfrakturen – ärztliche Behandlung 199 – physiologische Beinachse 297
16 358 – konservatives/operatives Vorgehen 199 – rotatorische Kräfte 297
– ärztliche Behandlung 358 – Behandlungsrichtlinien 199 – Vastus medialis obliquus 297
– Diagnostik 358 – Komplikationen 199 – physiotherapeutische Richtlinien
17 – Kombinationsverletzungen 359 – therapeutische Maßnahmen 199 – Ergussprophylaxe 300
– konservativ 359 – Ursachen 199 – Muskelkraftverbesserung 300
– konservatives/operatives Vorgehen 359 Frakturen der Metakarpalia 199 – propriozeptive Gelenkschutz 300
18 – operativ 359 – ärztliche Behandlung 199 – Thromboseprophylaxe 300
– Drittelrohrplatten 359 – konservatives/operatives Vorgehen 199 – Übungsformen im geschlossenen System
– dynamische Kompressionsplatten 359
19 – interfragmentäre Zugschrauben 359
– Operationsindikation 200
– Befunderhebung 201
300
– therapeutische Maßnahmen 297
– Spongiosazugschrauben 359 – Behandlungsrichtlinien 199 – Ursachen 297
– Stellschrauben, temporäre 359
20 – Zuggurtungen 359
– Komplikationen 200
– therapeutische Maßnahmen 199
Frakturen und Verletzungen im Bereich des
Kniegelenks
– Osteosynthese mit Bandnähten 359 – Ursachen 199 – physiologische Grundlagen
21 – Ruhigstellung 359 Frakturen des Os trapezium 199 – Femoropatellargelenk 299
441
Sachverzeichnis

– physiotherapeutische Richtlinien 300 – patellarer Defekt, Procedere nach 330 – Befunderhebung 96


Fraktur Metakarpale II 199 – Symptome 329 – Behandlungsrichtlinien 95
Fraktur Metakarpale V 200 – therapeutische Maßnahmen 329 – charakteristische Symptome/Leitsymptome
Frakturwinkel nach Pauwels 263 – Tibiakopffraktur 330 95
freier Sitz 90 – traumatische Gelenkknorpelverletzungen – Einteilung 94
Frisch 67, 125 329 – Typ A 94
Früharthrose 385 – Übungsbeispiele 330 – Typ B 94
Functional Reach Out 234 – Konsolidierungsphase 331 – Typ C 95
funktionelle Beinlänge 348 – Proliferationsphase 330 – Komplikationen 96
Funktionsbefund 19 – Spätphase (Umbauphase) 332 – physiotherapeutische Behandlung 95
– ICF-Dokumentation 19, 20 – Vollbelastung nach 8 Wochen 332 – nach Halswirbelfrakturen 95
– Kontextfaktoren 20 Gelenkkontraktur 4 – spezielle Befunderhebung 97
– Patientenanamnese 19 – funktionell 4 – therapeutische Maßnahmen 95
Funktionsstörungen der linken Hand bei Verlet- – persistierende mechanische Funktionsein- – Ursachen 95
zung des R. profundus n. ulnaris 217 schränkung 4 Halswirbelsäulendistorsion/Schleudertrauma/
Fuß 401 – strukturell 4 »Whiplash Associated Disorder« (WAD)
Fußkontrolle 324 Gelenkplatte 123 (vorübergehende Subluxation) 97
Fußspirale 348 Gelenkplatte nach Rahmanzadeh 128 – ärztliche Behandlung 98
Fußspirale (Larsen) 379 Gelenkplattenosteosynthese 127 – konservatives Vorgehen 98
Fußspirale nach Larsen 369 Gelenkpositionstest (GPS) 99 – Behandlungsrichtlinien 97
Gelenksicherung in der Mittelstandphase 356 – charakteristische Symptome/Leitsymptome
geschlossene Kette 73, 344 97
G geschlossenes System 6 – Schleudertrauma II. Grades 97
Gesetz der Magdeburger Halbkugeln 250 – Schmerzen 97
Gabellockerung 356 Gilchrist-Verband 109, 113, 121, 124, 132, 142 – Schwindelgefühle 97
Galeazzi-Fraktur 168, 172 Gips- oder Schanzkrawattenentfernung 97 – Steilstellung der HWS 97
Galeazzi-Fraktur mit Ulnavorschub 169 Gipsschiene nach Kleinert 208 – Verspannung der Nackenmuskulatur 97
Gamma-Nagel 264, 282, 283 Gipsschuh (»Lopresti-Slipper«) 387 – WAD III. Grades 97
Gate-Control-Mechanismus 324 Glasgow Coma Scale 408 – Einteilung 97
Gate-Control-Theorie 45 Gleitbewegung des Skaphoids 198 – physiotherapeutische Behandlung 98
Gefäßverletzungen 219 Gleitosteosynthesen 267 – manuelle Lymphdrainage 98
– ärztliche Behandlung 219 Golgi-Rezeptoren 60 – Spezielle Befunderhebung 98
– drittgradige Hautdefekte 219 Granulationsgewebe 9 – therapeutische Maßnahmen 97
– mikroskopische Nähte 219 Grundposition im Türrahmen 291 – Ursachen 97
– ruhigstellenden Verbände 219 grundsätzliches Vorgehen Halten – Entspannen (Hold – Relax) 429
gehaltene Aufnahme 366 – Gesichtspunkte der Behandlung 394 Halten – Entspannen – passiv Weiterziehen
Gehen über mehrere Waagen 348 Grundspannung 290 429
Gehen über Waagen 327 Grünholzfraktur 169, 171 Haltungsschulung 84
Gehfehler 399 Gruppentherapien 275 Hämarthros 300
Gehmuster gegen Zuggerät 244 Gummistrümpfe 348 Hämatom 9
Gehmuster mit Orthese 315 Guyon-Logen-Syndrom 175 Hämatopneumothorax 100, 129
Gehschulung 327 Handgelenk-Motorschiene 181
Gehtraining mit Interims- oder Endprothese harter Kallus 9
398 H Hautnekrose, extreme 385
Gelenkblockierung 4 Haver-Kanäle 9
– mechanische Funktionseinschränkung 4 Habituelle Instabilitäten 109 Heilungsprozess des Bindegewebes 6
Gelenkerguss 284, 322 habituelle Luxation. 111 – Physiologie des Bindegewebes 6
Gelenkflächenersatz, komplette Kniegelenk- Hakenplatten 123 – physiologische Funktion 7
prothese 307 Halbsitz 323 – elektrische Spannungsänderung im
– ärztliche Behandlung 307 Hallux valgus 387 Kollagen 7
– physiotherapeutische Behandlung 307 Halo-Fixateur-externe 74 – Formveränderungen des Kollagens 7
Gelenkinstabilitäten 50 Halskrawatte 74 – Schädigung des Bindegewebes
– Fehlstellungen von Extremitäten 50 Halswirbelfrakturen 94 – intensives Mobilisieren 7
Gelenkknorpelverletzungen 329 – ärztliche Behandlung 95 – Schädigungen des Bindegewebes 7
– Behandlungsmöglichkeiten 330 – absolute Operationsindikation 95 – abrupte Belastung 7
– Behandlungsrichtlinien 329 – Cervifix 95 – Crosslinks 7
– charakteristische Symptome/Leitsymptome – Kleinfragment-Hakenplatten 95 – Kryotherapie 7
329 – relative Operationsindikation 95 helix-wire 133
– femoraler Defekt, Procedere nach 330 – ventrale Stabilisation 95 Hemilaminektomie 74
442 Sachverzeichnis

Hemipelvektomie 401 Hueter-Dreieck 152 – charakteristische Symptome/Leitsymptome


21 heterotopen Kalzifikation 263
heterotope Ossifikation 50, 158
Huffing-Technik 42
Hüftgelenkexartikulation 401
142
– Einteilung 142
Heterotope Ossifikation/Myositis ossificans 56 Hüftgelenkluxation 255 – Typ A 142
22 – ärztliche Behandlung 56
– Behandlungsrichtlinien 56
– ärztliche Behandlung 256
– konservatives/operatives Vorgehen 256
– Typ B 142
– Typ C 142
– Beispiel 56 – Befunderhebung 257 – grundsätzliches Vorgehen 145
3 – physiotherapeutische Behandlung 56 – Behandlungsmöglichkeiten 257 – Gesichtspunkte der Behandlung 145
– therapeutische Maßnahmen 56 – Erhalten der Funktion der nicht betroffe- – Komplikationen 143
– Ursachen 56 nen Extremitäten 257 – therapeutische Maßnahmen 142
4 Hilfsmittel 83, 275, 346, 349 – Funktionsschulung des Hüftgelenks und – Ursachen 142
Hill-Sachs-Läsion 111, 112 der Muskulatur des betroffenen Beins Humerusschaftprothese 144
hintere Kreuzbandverletzung 318 258 Humerustrümmerfraktur, distale 416
5 – ärztliche Behandlung 318 – Lagerungskontrolle 257 HWK-Fraktur 76
– augmentierte Naht 318 – Pneumonieprophylaxe 257 hyaliner Gelenkknorpel 10
– Bone-tendon-bone graft 318 – Thromboseprophylaxe 257 Hypoxämie 38
6 – isolierte Teilrupturen 318 – Behandlungsrichtlinien 255
– Kombinationsverletzungen 318 – charakteristische Symptome/Leitsymptome
I
7 – konservativ 318
– operativ 318
255
– Einteilung 255
– Patellasehnendrittel 318 – grundsätzliches Vorgehen Iliosakralgelenksprengung 417

8 – Rekonstruktion der Begleitverletzungen


318
– Gesichtspunkte der Behandlung 257
– Komplikationen 256
Iliosakralgelenkverletzung 252
Ilizarow-Fixateur 53, 57
– Semitendinosus-Gracilis-Transplantat – physiotherapeutische Behandlung 256 Immobilisation 9
9 318 – therapeutische Maßnahmen 255 Impingement 309
Impingement-Syndrom 111, 130
– Behandlungsrichtlinien 318 – Übungsbeispiele 258
– Charakteristische Symptome/Leitsymptome – nach ca. 6 Wochen 258 – Diagnostik 131
10 318 – Proliferationsphase 258 – Physiotherapie 131
– physiotherapeutische Behandlung 318 – Ursachen 255 – Ursache der Schmerzsymptomatik 131
– therapeutische Maßnahmen 318 Hüftkopf 267 Impressionsfrakturen 303
11 – Ursachen 318 Hüftkopfnekrose 256, 258, 265 Indikation 133, 156
hintere Luxation 109 Humerusblock 133 Infektion/Osteitis 50, 52
hinteres Kreuzband 298 Humeruskondylenfraktur 160 – ärztliche Behandlung 53
12 Hippokrates 110 Humeruskopf 109 – Frühinfektion 53
Hoffmann-Tinel-Test 196 Humeruskopffraktur 415 – Spätinfektion 53
– verzögerte Infekte 53
13 Hoffmann-Tinel-Zeichen 171, 176, 216
Behandlungsgrundlagen 2
Humeruskopfprothese 132
Humerusschaftfrakturen 142 – Behandlungsrichtlinien 53
– grundlegende Kenntnisse 2 – ärztliche Behandlung 142 – charakteristische Symptome/Leitsymptome

14 – Integration neuer Entwicklungen 3


– Be- und Entlastungszeiten nach Verlet-
– konservatives/operatives Vorgehen 142
– Operationsindikation 142
53
– Komplikationen 55
zungen 3 – operativ 142 – physiotherapeutische Behandlung 53
15 – Bedeutung der Sensomotorik und Pro- – ungebohrter, verriegelter Marknagel 142 – Risikofaktoren 53
– therapeutische Maßnahmen 53
priozeption 3 – Befunderhebung 145
– Osteosyntheseverfahren 3 – Behandlungsmöglichkeiten 145 – Ursachen 53
16 – Weiterentwicklung operativer Techniken – Entspannung der verspannten Muskula- Infektpseudarthrose 55
3 tur 147 Infektzeichen 54
– Planung einer Behandlung 2 – Erhalten der freien Gelenkbeweglichkeit, – Rötung 54
17 – ärztliche Ent- und Belastungsvorgaben 2 Kontrakturbehandlung 148 – Schmerz 54
– Befunderhebung/Evaluation 2 – Kräftigung und Funktionsschulung der – Schwellung 54
– charakteristische Symptome/Leitsympto- Armmuskulatur 148 – Temperaturerhöhung 54
18 me 2 – Postoperative Lagerung des Arms 146 Inhalationstherapie 42
– Evaluationskonzept 2 – Resorptionsförderung von Schwellungen Innenband 298
Innenbandverletzungen 319
19 – ICF-Modell 2
– Therapieplan 2
und Hämatom, Schmerzbehandlung 147
– Sicherung der Oberarmschaftfraktur/ innere Fixation 9
hoher Sitz 86, 317, 323 Osteosynthese 145 Innervations-/Kontraktions-/Koordinations-
schulung 4
20 hubarme Bewegungen 243
hubarmes Bewegen 157, 160, 162
– Vorbereitung und Schulung von Aktivitä-
ten 149 instabile Beckenverletzungen 239
hubfreie Bewegungen 8 – Behandlungsrichtlinien 142 Instabilität, chronische 366
21 hubfreie Mobilisation 46 Interimsmodell 392
443
Sachverzeichnis

Interimsosteosynthese 419 – Tragfähigkeit und Belastung des Fußes – kurzes Kühlen 312
intraartikuläre Fraktur 130 374 – Manuelle Lymphdrainage 312
Intrinsic-Plus-Stellung 194 – charakteristische Symptome/Leitsymptome – Massagetechniken 312
Intrinsic-plus-Stellung 205 374 – Maßnahmen zur Verbesserung der
Inversionsfrakturen 356 – Einteilung 374 Muskelkraft und Koordinationsfähig-
Irritation neuromeningealer Strukturen 81, – grundsätzliches Vorgehen 378 keit 312
113, 114 – Gesichtspunkte der Behandlung 378 – Minimal- oder Teilbelastung 313
Ischämie 143 – Komplikationen 377 – Mobilisation der BWS/LWS 312
ischämische Kontraktur 158 – therapeutische Maßnahmen 374 – physiotherapeutische Ziele 312
ISNY-Schaft 392 – Übungsbeispiele – postoperativ 313
isokinetische Geräte 326 – Kalkaneusfraktur mit Osteosynthese – Reduzierung von Schmerzen 312
isokinetische Tests 318 – nach 12–15 Wochen (Vollbelastung) – Reduzierung von Schmerzen, Schwel-
382 lungen und Hämarthros 312
– nach 6 Wochen (evt. später) 381 – Verbesserung der Muskelkraft und
J – Proliferations-/frühe Konsolidierungs- Koordinationsfähigkeit 312
phase 381 – Behandlungsrichtlinien 308
Jacobson 96 – Ursachen 374 – charakteristische Symptome/Leitsymptome
Joint-depression-Fraktur 375 Kalkaneusfraktur Typ »Joint-depression« 376 308
Joint play 6 Kälteanwendungen 47, 228 – Einteilung 308
Jones-Fraktur 386 Kälteschmerz 47 – Klassifizierung der Aufklappbarkeit 310
Kalzifikationen 158 – Komplikationen 310
K kanülierte Schraubenosteosynthese 267
Kapsel-Band-Meniskus-Verletzungen 308
– physiotherapeutische Behandlung 309
– Kräftigung der Mm. ischiocrurales 309
– ärztliche Behandlung 308 – Orthesenbehandlung 309
K-Drähte 133
– Arthroskopie 309 – Stabilisierung der Beinachse 309
Kalkaneusfraktur 374
– Bewegungsbegrenzung 309 – therapeutische Maßnahmen 308
– ärztliche Behandlung 375
– Diagnostik 309 – Ursachen 308
– Diagnostik 375
– Konservatives/operatives Vorgehen 309 Kapsel-Band-Verletzungen des Sprunggelenks
– konservativ-funktionelle Behandlung
– konservatives Vorgehen 309 365
376
– MRT 309 – ärztliche Behandlung 366
– Befunderhebung 377
– Punktion des Hämarthros 309 – Diagnose 366
– Behandlungsmöglichkeiten 378
– Refixation des Kreuzbandes 309 – konservativ 366
– Erhalten der Funktionen der nicht betrof-
– Röntgenaufnahme 309 – konservatives/operatives Vorgehen 366
fenen Extremitäten 379
– Tunnel-Aufnahme nach Frick 309 – operativ 366
– Erhalten der Muskelfunktion des gesam-
– Befunderhebung 310 – Behandlungsmöglichkeiten 367
ten Beins 379
– Behandlungskonzepte 312 – Behandlungsrichtlinien 366
– Förderung der Resorption des Hämatoms
– postoperative Behandlungsphase 313 – charakteristische Symptome/Leitsymptome
und Ödems 378
– Bewegungsverhalten im Alltag und 365
– Gehschulung 380
beim Sport verbessern 313 – grundsätzliches Vorgehen 367
– Kalkaneusfraktur mit Osteosynthese 381
– Fazilitation der lokal stabilisierenden – Förderung der Resorption des posttrau-
– Kräftigung des M. gastrocnemius 378
Muskulatur erarbeiten 313 matischen Ödems 367
– Lagerungskontrolle 378
– Gleitfähigkeit der Patella erreichen – Gehschulung mit Teil- und Vollbelastung
– Mobilisation des unteren und oberen
313 367
Sprunggelenks 379
– Immobilisationsschäden vermeiden – Gesichtspunkte der Behandlung 367
– Dynamische Umkehr – Halten
313 – Mobilisation des Sprunggelenks mit ak-
– Entspannen mit aktivem/passivem
– Kniegelenkstabilität erreichen 313 tiven oder passiven Techniken (Manuelle
Weiterziehen 379
– Knochen- oder Bindegewebsheilung Therapie) 367
– Halten – Entspannen 379
fördern durch Wechsel von Bewegen – Stabilierung des Sprunggelenks 367
– Manuelle Therapie 379
und Belasten 313 – Komplikationen 366
– PNF-Techniken 379
– Rollgleitfunktion wiederherstellen 313 – therapeutische Maßnahmen 366
– Rhythmische Stabilisation – Entspan-
– Schmerzen vermeiden oder reduzieren – Ursachen 365
nen 379
313 Kapselmuster 110, 116
– Techniken 379
– sensomotorische Kontrolle wiederher- Kapseltechniken 289
– Schulung der kleinen Fußmuskeln 378
stellen 313 Kapselverkürzung 113
– Übungsbeispiele 381
– präoperative Behandlungsphase 312 Karpaltunnel 195
– Behandlungsrichtlinien 374
– Aktivitäten 313 Karpaltunnelsyndrom 176, 177, 180, 195
– Belastungsstabilität 377
– diadynamische Stromformen 312 Keloide 222
– Biomechanik 374
– Elektotherapie 312 Kennmuskeln 80
– Pathologie 374
– Hochlagern 312 Kernstabilität (Core stability) 73
444 Sachverzeichnis

Kinematik 356 Kollagenfaser Typ III 9 – Schmerzen 50


21 Kinematik der Kreuzbänder 298
Kinetik 356
Kollagensynthese 60, 324
Kollateralbandrupturen 319
– Schwellung 50
– Sensibilitätsstörungen 50
Klassifikationsmerkmale 14 – Behandlungsrichtlinien 319 – charakteristsiche Symptome/Leitsymptome
22 – Ausmaß der Funktionsstörung 14
– Einteilung des Verletzungsausmaßes 14
– isolierte mediale Kollateralbandverletzun-
gen 319
– motorische Ausfälle 50
– physiotherapeutische Behandlung 50
– Gelenkfunktionen 14 – knöcherne Ausrisse 319 – therapeutische Maßnahmen 50
3 – Muskelfunktionen 14 – komplexe Instabilitäten 319 – Ursachen 50
– Funktionsfähigkeit, Behinderung und Ge- – konservativ 319 komplette Bandrupturen 63
sundheit 14 – konservatives/operatives Vorgehen 319 – ärztliche Behandlung 63
4 – Aktivität 14 – lateraler Kapselbandapparat 319 – Befunderhebung 64
– Körperstrukturen 14 – operativ 319 – Behandlungsmöglichkeiten 64
– persönliche Faktoren 14 – vordere Kreuzbandruptur 319 – Behandlungsrichtlinien 63
5 – physiologische Körperfunktionen 14 – charakteristische Symptome/Leitsymptome – charakteristische Symptome/Leitsymptome
– Teihabe 14 319 63
– Umweltfaktoren 14 – Einteilung 319 – grundsätzliches Vorgehen 64
6 Klaviertastensymptom 127 – Komplikationen bei allen Kapsel-Band-Ver- – Entzündungs- und frühe Proliferations-
Klavikulafraktur 127, 128 letzungen 320 phase (0–4. Tag) 64
7 – ärztliche Behandlung 128
– konservatives/operatives Vorgehen 128
– physiotherapeutische Behandlung 319
– therapeutische Maßnahmen 319
– Konsolidierungs-/Umbauphase (ab 21.
Tag) 64
– operative Verfahren 128 – Außenbandrupturen 319 – Proliferationsphase (bis 21. Tag) 64
8 – Behandlungsrichtlinien 128
– charakteristische Symptome/Leitsymptome
– isolierte mediale Kollateralbandverletzun-
gen 319
– Komplikationen 63
– physiotherapeutische Behandlung 63
127 – knöcherne Ausrisse 319 – therapeutische Maßnahmen 63
9 – Komplikationen 129 – Kombinationsverletzungen 319 komplette Unterarmfraktur 170
– physiotherapeutische Behandlung 129 – komplexe Instabilitäten 319 komplexe Grundspannung 82
– Nach Osteosynthese 129 – konservativ 319 komplexes Greifmuster 234
10 – Nach Rucksackverband 129 – konservatives/operatives Vorgehen 319 Kompressionsfraktur 73
– therapeutische Maßnahmen 128 – operativ 319 Kompressionsverband 228, 305, 378
– Ursachen 127 – vordere Kreuzbandruptur 319 kondyläre Frakturen 283
11 Kleeblatt-Platte 132, 133 – Ursachen 319 Kondylenfraktur 154, 284
Kleinert-Schiene 208 Kombinationsverletzungen 219, 319 – Schraubenosteosynthese 154
Kleinfragmentschraubenosteosynthese 130 – ärztliche Behandlung 220 Kondylenplatten 283
12 Kniegelenk, polyzentrisches 391 – Erstversorgung 220 konservative Frakturversorgung 10
Kniegelenkexartikulation 392, 397, 398, 401 – Hautplastiken 220 Kontraktionshilfen 427
13 Kniegelenk übergreifender Fixateur 54
Kniestabilität, Schema zur Dokumentation 311
– Schmerztherapie 220
– Befunderhebung 220
– Bürsten oder Reiben mit einem Eisball 427
– In-den-Muskel-Greifen 427
Knochenheilung 9 – Behandlungsmöglichkeiten 220 – minimale Approximation 427
14 – Entzündungsphase (3–4 Tage) 9
– Konsolidierungsphase (ca. 6 Wochen) 9
– Gesichtspunkte der Behandlung 220
– Behandlungsrichtlinien 220
– Traktion 427
– Über-die-Sehne-Streichen 427
– Proliferationsphase (ca. 3 Wochen) 9 – charakteristische Symptome/Leitsymptome Kontrolle der Beinachse 315, 324
15 – spezifischer Reiz 9 220 Konzept Mayr 313
– Umbau- und Organisationsphase (ca. 8–12 – Komplikationen 220 koordinierte Bewegungen 6
Wochen) 9 – physiotherapeutische Behandlung 220 korakoklavikuläre Verschraubung nach Bos-
16 – enchondrale Verknöcherung 9 – sekundäre Hautverpflanzungen 220 worth/Poigenfürst 123
Knochenmark 329 – therapeutische Maßnahmen 220 Körnerbad 182, 205, 211
Knorpelheilung 10 Kombination von konzentrischen, exzentri- Kraniozervikaler Flexionstest (KZFT) 98
17 – angepasste Kompression 10 schen und statischen Spannungsformen Krapp-Schiene 301, 305
– Entstehung einer Arthrose 10 427 Kreissägeverletzung 219
– Heilungsphasen 10 Kompartmentsyndrom 50, 153, 200, 219, 343, Kreissägeverletzung mit Fingerabtrennung
18 – Regeneration des Knorpels 10 375, 385 203
– Symptome 10 – ärztliche Behandlung 50 Krepitation 142, 282
19 – Warnzeichen 10
Kokontraktion 82
– Behandlungsrichtlinien 50
– charakteristische Symptome/Leitsymptome
Kreuzbandplastik 418
Krückstockprothese mit Langschaft 264
Kokontraktion der Beinstabilisatoren 317 50 kurze Schrägbrüche 283
20 Kokontraktion der Mm. ischiocrurales und des
M. quadriceps in der Donjoy-Schiene 314
– Dehnschmerz 50
– Erstsymptome 50
Kyphosewinkel 74, 88

Kollagenfaser Typ I 9 – Parästhesien 50


21 Kollagenfaser Typ II 9 – Parese 50
445
Sachverzeichnis

– Einteilung 122 Luxation nach dorsal 256


L – grundsätzliches Vorgehen nach Osteosyn- Luxation nach ventral 256
these 125 Luxationsformen 385
Lachmann-Test 314 – Gesichtspunkte der Behandlung (nach Luxationsfraktur 354
Laminektomie 74 Osteosynthese) 125 Luxationsgefahr, erhöhte im Wasser 275
Langschaftprothesen 268 – Komplikationen 124 Luxationsmechanismus 384
Lauftraining, leichtes 328 – Arthrose 124 Luxatio pedis supinatoria 366
lauwarme Kompressen 229 – Bosworth-Schraube verursacht Klavikulaf- LWS-Neutralstellung 82
leichtes medizinisches Training 89 raktur oder ist vorzeitig gelockert 125 Lymphdrainage 228
Leitungsgeschwindigkeit 44 – dauerhafter Kraftverlust durch bestehen-
de Instabilität 124
Lengemann-Ausziehnaht 214
Leukozyten 9 – eingeschränkte Bewegungsfähigkeit 124 M
Lifting-Pattern 432 – Haken sperrt im Gelenk 125
– Impingement-Syndrom 125 M. quadriceps 314
Lig. carpi transversum 176
– Infektion 124 Magdeburger Halbkugeleffekt 265
ligamentäre Frakturen 366
– Kalzifikation 124 Magnetresonanztomografie 51, 256
Lightcast 360
– Repositionsverlust durch vorzeitiges Re- Maisonneuve-Fraktur 354, 358
ligne claire 358
sorbieren des biologischen Nahtmaterials Maitland 67
Linsenbad 182
124 Makrophagen 9
Lisfranc-Gelenk-Luxation 385
– Schultergelenkkontraktur 124 Malletstellung 213
Lisfranc-Gelenk-Luxationsfraktur 385
– Verletzung des N. musculocutaneus 125 Manuelle Lymphdrainage 46, 301, 305, 313,
LISS-System 342, 343
– Wanderung der Kirscher-Drähte 125 395
lokale Antibiotikaträger 53
– spezielle Befunderhebung 125 Manuelle Therapie 11, 162, 172, 174, 185, 289,
lokale Muskeln 72
– therapeutische Maßnahmen 122 317, 346
lokale muskuläre Sicherung 77
– Ursachen 122 – translatorische Gleitbewegungen 172
lokale Stabilisatoren mit Blutdruckgerät 89
Luxationen und Instabilitäten des Schulterge- Massage 46
Lopresti-Slipper 387
lenks 109 – Funktionsmassage 46
Luftpolsterschuhe 387
– ärztliche Behandlung 109 – mobilisierende 46
Lunatumluxation 192
– Befunderhebung 112 – Periostmassage 46
Lunatummalazie/-nekros 199
– Behandlungsmöglichkeiten 113 Massage/Manuelle Lymphdrainage 46
Luxation 109
– Beseitigung der Schmerzen, des Häma- Maßnahmen zur Resorption eines Gelenker-
Luxation des Daumengrundgelenks 201
toms und Ödems 114 gusses 305
– ärztliche Behandlung 201
– Entspannung der Mm. trapezius und Maßnahmen zur Resorption eines periartikulä-
– Behandlungsrichtlinien 201
biceps brachii 115 ren Ödems 305
– charakteristische Symptome/Leitsymptome
– Funktionsschulung 117 Mastzellen 9
201
– Mobilisation des Schultergelenks 115 Mechanismus der Dislokation 176
– Physiotherapie 201
– Sicherung der Gelenkführung 113 Med-II-Schlinge 122
– therapeutische Maßnahmen 201
– Vorbereitung und Schulung von Aktivitä- mediale und intermediäre Schenkelhalsfrak-
– Ursachen 201
ten 117 turen 263
Luxation des distalen Radioulnargelenks 169
– Behandlungsrichtlinien 109 medizinische Rehabilitation 9
Luxation des Humeruskopfes 110
– charakteristische Symptome/Leitsymptome – Rehabilitationseinrichtung 9
Luxation des Schultereckgelenks 122
109 – Rehabilitationszeit 9
– ärztliche Behandlung 123
– grundsätzliches Vorgehen 113 mehrfragmentäre Schaftfrakturen 283
– konservatives/operatives Vorgehen 123
– Gesichtspunkte der Behandlung 113 Meniskusimplantat, kollagenes 320
– operatives Vorgehen 123
– Komplikationen/Begleitverletzungen 111 Meniskusrefixation 321
– Behandlungsmöglichkeiten 125
– physiotherapeutische Behandlung 110 Meniskusverletzungen 320
– Aktivierung der Schultergelenkmuskula-
– Bankart-Operation 111 – ärztliche Behandlung 320
tur 126
– Konsolidierungsphase 110 – Beinvenenthrombose 320
– Durchblutungsverbesserung/Resorpti-
– nach Reposition 110 – biodegradable Implantate 320
onsförderung 127
– nicht ausgeheilter Luxation 111 – Diagnose 320
– Funktionsschulung für das Schulterge-
– Spätkomplikationen 111 – Kernspintomographie 320
lenk in Kombination mit dem Schulter-
– therapeutische Maßnahmen 109 – Kollagenimplantate 320
gürtel 127
– Übungsbeispiele 118 – konservative Behandlung 320
– Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit
– mit Abduktionskissen 118 – konservatives/operatives Vorgehen 320
127
– nach 5 Wochen 119 – Meniskusnaht 320
– Vorbereitung und Schulung von Aktivitä-
– nach 7 Wochen 119 – operativ 320
ten 127
– ohne Abduktionskissen 118 – Prophylaxe 320
– Behandlungsrichtlinien 122
– Schulung von Aktivitäten 119 – Resorption des Gelenkergusses 320
– charakteristische Symptome/Leitsymptome
– Ursachen 109 – Schüttelbewegungen 320
122
446 Sachverzeichnis

– Befunderhebung 321 Mobilisierung 4 Narbenbehandlung 211


21 – Behandlungsmöglichkeiten 322
– Abbau der lokalen Temperaturerhöhung
Modularprothese 390, 399, 400
Modularprothese mit C-Leg 391
Narbenbehandlungen 380
Narbendehnungen 325
323 Monteggia-Fraktur 168, 172 Narkosemobilisationen 325
22 – Erarbeiten der Muskelspannung, Mus-
kelkoordination 323
Moore-Prothese 264
Morbus Dupuytren 223
NCB-Platte 132, 133
Nekrose 385
– Förderung der Resorption des Gelenker- Mortise-view-Aufnahme 358, 384 Nervenleitgeschwindigkeit 142
3 gusses und periartikulärer Schwellungen Mortise-view-Röntgenaufnahme 366 Nervenverletzungen 215
322 Motorcontrol-Stability-Training 78 – ärztliche Behandlung 216
– Kniegelenkstreckung 323 Motorschiene 181, 300, 302, 313, 346 – primäre Nervennaht 216
4 – Kontrolle des Kniegelenks in Bewegung MRDTI 51 – Befunderhebung 217
und Belastung 326 mukoziliäre Clearance 38, 41 – Behandlungsmöglichkeiten 218
– Lagerungskontrolle, Kontrolle des Orthe- – Pneumonieprophylaxe 38 – Gesichtspunkte der Behandlung 218
5 sensitzes 323 Muskelaktion bei Gewichtsverlagerung nach – Behandlungsrichtlinien 216
– Mobilisation des Femoropatellar- und vorne 300 – Charakteristische Symptome/Leitsymptome
Femorotibialgelenks 324 Muskelarbeit 3 216
6 – progressiver Muskelaufbau 326 – dynamische 3 – Einteilung 216
– Techniken 323 – isokinetische 4 – Komplikationen 217
7 – Vorüben von Aktivitäten, Gehschulung
327
– statische 3
Muskeldehnungen 325
– physiotherapeutische Behandlung 217
– therapeutische Maßnahmen 216
– Behandlungsrichtlinien 320 Muskelkraft, geringe 427 – Ursachen 216
8 – charakteristische Symptome/Leitsymptome
320
Muskelrelaxanz 95
Muskelsicherung des Kniegelenks in der Mittel-
Neurombildung 204, 216
neuromeningeale Strukturen 217
– Einteilung 320 standphase 300 Neuromschmerzen 394
9 – Komplikationen 321 Muskelverletzungen 65, 215 Neuropraxie 142, 216
– physiotherapeutische Behandlung 321 – ärztliche Behandlung 66 Neurotmesis 142, 216
– Beinachsentraining 321 – Befunderhebung 66 Neutral-Nullstellung 198
10 – Kriterien der Frühbehandlung 321 – Behandlungsmöglichkeiten 66 neutrale Zone 72
– Minimalbelastung 321 – Behandlungsrichtlinien 65 Neutralstellung 77, 96
– Sicherung des Kniegelenks 321 – charakteristische Symptome/Leitsymptome nichtsteroidale Antiphlogistika 95
11 – therapeutische Maßnahmen 320 65 niedermolekulare Heparinisierung 52
– Ursachen 320 – Einteilung 65 normales Sitzen 86
– Vorgehen bei Verletzungen im Kniegelenk- – grundsätzliches Vorgehen 66 Noxen 44
12 bereich 322 – Entzündungsphase (0–4. Tag) 66 Nozizeptoren 44
– Gesichtspunkte der Behandlung 322 – Konsolidierungs-/Umbauphase (ab 21.
13 Metatarsalfrakturen, Luxationen des Fußes 386
– ärztliche Behandlung 386
Tag) 67
– Proliferationsphase (bis 21. Tag) 67 O
– konservativ 386 – Heilungsphasen 66
14 – operativ 386
– Behandlungsmöglichkeiten 386
– Komplikationen 66
– physiotherapeutische Behandlung 66
Oberarmgips 156
Oberarmkopffraktur 131
– Behandlungsrichtlinien 386 – therapeutische Maßnahmen 65 – ärztliche Behandlung 132
15 – charakteristische Symptome/Leitsymptome – Ursachen 65 – konservatives/operatives Vorgehen 132
– Befunderhebung 135
386 myofasziale Techniken 67
– Einteilung 386 Myofibrozyten 9 – Testung einer Bizepssehnenverletzung
16 – grundsätzliches Vorgehen 386 Myositis ossificans 66 135
– Komplikationen 386 – Behandlungsmöglichkeiten 135
– physiotherapeutische Behandlung 386 – Funktionserhaltung der Ellenbogen-,
17 – therapeutische Maßnahmen 386 N Hand- und Fingergelenke 137
– Ursachen 386 – Kräftigung des M. biceps und M. triceps
MHH-Caligamed-Orthese 366 »Neck Disability Index« (NDI) 98 136
18 Minifixateur externe 359 N.-fibularis-Parese 252 – Mobilisation des Schultergelenks 136
minimal invasive perkutane Osteosynthese mit N.-ischiadicus-Läsion 250 – Reduzierung der Schmerzen 136
N.-ischiadicus-Verletzung 252 – Resorption des Hämatoms/Ödems, Nar-
19 kanülierter Schraube 133
Minimalosteosynthese 177 N.-peroneus 346 benbehandlung 136
Miniplättchen 156 N.-radialis-Komplikation 143 – Sicherung der Fraktur/Osteosynthese

20 Minischrauben 156
Mittelstandphase 327
N.-radialis-Verletzung 142
N.-ulnaris-Kompressionssyndrom 158
136
– Vorbereitung und Schulung von Aktivitä-
Mobile bearing-Prothesen 307 N. axillaris/Plexus brachialis 111 ten 137
21 Mobilisation 4 N. radialis 147
447
Sachverzeichnis

– Behandlungsplan bei zusätzlichem Abriss – Einteilung 282 Orthese 11, 313


des Tuberculum majus 134 – Femurschaftfrakturen 282 Orthesenbehandlungen 63
– Behandlungsplan nach Humeruskopffraktur – grundsätzliches Vorgehen 286 orthopädische Schuhe 377
und Osteosynthese mit Philos-Platte, NCB- – Gesichtspunkte der Behandlung 286 Os-lunatum-Luxation, perilunäre Luxation 198
Platte oder Kleeblatt-Platte 134 – Komplikationen 285 – ärztliche Behandlung 198
– Behandlungsplan nach inverser Schulterpro- – physiotherapeutische Behandlung 284 – Os lunatum 198
these, Typ Delta 3 (Depuy), modifiziert nach – bewegungsstabile Osteosynthese 285 – Behandlungsrichtlinien 198
Seebauer 134 – mechanische Stabilität 285 – physiotherapeutische Behandlung 199
– Behandlungsrichtlinien 132 – Osteosynthese 285 – therapeutische Maßnahmen 198
– charakteristische Symptome/Leitsymptome – physiotherapeutische Frühbehandlung – Ursachen 198
132 284 Os-lunatum-Luxation, perilunäre Luxation
– Einteilung 131 – Schwerpunkte der Frühbehandlung 284 – ärztliche Behandlung
– Gesichtspunkte der Behandlung 136 – therapeutische Maßnahmen 282 – operatives Vorgehen 198
– grundsätzliches Vorgehen 135 – Übungsbeispiele 292 – perilunäre Luxationen 198
– Komplikationen 135 – Mobilisation des Kniegelenks 293 Os-scaphoideum-Fraktur 197
– Oberarmkopffraktur mit Luxation 131 – Spannungsaufbau und Kräftigung 292 – ärztliche Behandlung 197
– pathologische Frakturen 131 – Übung bei Rotationsstabilität 292 – konservatives/operatives Vorgehen 197
– Humeruskopfprothese 131 – Vorbereiten und Schulen von Aktivitäten – Befunderhebung 198
– physiotherapeutische Behandlung 133 293 – Behandlungsrichtlinien 197
– Schraubenosteosynthese 131 – Vorbereitung des Gehmusters 293 – charakteristische Symptome/Leitsymptome
– therapeutische Maßnahmen 132 – Ursachen 282 197
– Ursachen 131 Oberschenkelfraktur, proximale 412 – Komplikationen 198
Oberarmschaftfraktur 143, 144 Oberschenkelschaftfraktur 413 – physiotherapeutische Behandlung 198
Oberarmschaftfraktur, Osteosynthese mit offenes System 6 – therapeutische Maßnahmen 197
Verriegelungsnagel 144 Olekranonfraktur 154, 157, 160 – Ursachen 197
Oberschenkelamputation 396, 397, 398 – ärztliche Behandlung 157 Os capitatum 199
Oberschenkelfraktur 282 – operatives Vorgehen 157 Os hamatum 199
– ärztliche Behandlung 282 – Stufenbildung 157 Os ilium-Fraktur mit Verletzung des Iliosakral-
– operatives Vorgehen 282 – Befunderhebung 159 gelenks 239
– Befunderhebung 285 – Behandlungsmöglichkeiten 159 Os lunatum 199
– Behandlungsmöglichkeiten 286 – Spannungsabbau 159 Os pisiforme 199
– Erhalten der Funktion der nicht betroffe- – Verbesserung der Beweglichkeit 160 Os Skaphoideum 176
nen Extremitäten 289 – Verbesserung der Durchblutung, Resorp- Osteitis 54
– Kräftigung der Oberschenkelmuskulatur tion des Ödems 159 Osteoblasten 9
287 – Verbesserung der Muskelkraft, Ausdauer osteochondrale Fraktur 385
– Lagerungskontrolle 286 und Geschicklichkeit 161 osteochondrale Zylinder 329
– Mobilisation des Kniegelenks 288 – Vorbereitung und Schulung von Aktivitä- Osteoklasten 9
– Resorption des Hämatoms und Ödems ten 161 Osteosynthese 168, 415
286 – Behandlungsrichtlinien 157 – a.-p.-Aufnahme 415
– Verbesserung der lokalen Durchblutung – charakteristische Symptome/Leitsymptome – mit Abstützplatte und Zugschrauben 417
286 157 – mit zwei Platten 416
– Vorbereiten und Schulen von Aktivitäten, – Einteilung 157 – seitliche Aufnahme 415
Gehschulung 289 – Typ I–IV 157 Osteosynthese mit DHS 263
– Belastungsübernahme 290 – grundsätzliches Vorgehen 159 Osteosynthesen 153
– Minimalbelastung 290 – Gesichtspunkte der Behandlung nach Osteosynthese nach Oberarmschaftfraktur 143
– nach Konsolidierung 290 Kondylen- und suprakondylären Fraktu- Osteosyntheseverfahren 7
– optische Kontrolle 290 ren 159 Osteotomie des Olekrenon 153
– Stand auf der Waage 290 – Komplikationen 158 Osteoynthese 417
– Teilbelastung 290 – physiotherapeutische Behandlung 157 Os trapezoid 199
– Vorbereitung der Belastung 290 – therapeutische Maßnahmen 157 Os triquetrum 199
– Wiederherstellung des Spannungsgleich- – Übungsbeispiele 162 Overflow-Effekt 288
gewichts 286 – nach 2 Wochen postoperativ 162
– Behandlungsrichtlinien 282 – nach 6–8 Wochen 163
– Belastungsstabilität 283 – nach ca. 4–6 Wochen 162 P
– Entlastungszeiten 283 – Ursachen 157
– Besonderheiten bei der Behandlung nach – Zuggurtungsosteosynthese 154 Palm-up-Test 135
Kniegelenkfrakturen 292 Olekranonfrakturen 152, 160 Paraffinbad 205
– charakteristische Symptome/Leitsymptome operative Versorgung 133 Parameter 10
282 Opiate 45 Paresen 195
448 Sachverzeichnis

Parierfraktur 168, 169 – Mobilisation 414 physiotherapeutische Behandlungsmöglich-


21 partielle Bandrupturen 60
– ärztliche Behandlung 61
– Probleme der physiotherapeutischen
Behandlung 413
keiten 11
– Entzündungsphase 11
– Behandlungsrichtlinien 60 – Vorbereiten von Aktivitäten/Gehschu- – Konsolidierungs- und Umbauphase 11
22 – charakteristische Symptome/Leitsymptome
60
lung 414
– beidseitige Serienfrakturen 416
– Proliferationsphase 11
Physiotherapie 158
– chronische Schädigungen 60 – ärztliche Behandlung 416 piezoelektrischer Effekt 7
3 – posttraumatische Phase 60 – Mobilisation 418 – Kollagensynthese 7
– physiotherapeutische Behandlung 61 – Ödembehandlung 418 Pilon-radial-Fraktur 179
– therapeutische Maßnahmen 60 – Probleme der physiotherapeutischen Pilon-tibial-Fraktur 354
4 – Ursachen 60 Behandlung 416 Pilon-tibial-Fraktur, Sonderform 361
Patellafraktur 305 – Spannungsaufbau der Muskulatur 418 Pilon-tibial-Frakturen 360
Patellafraktur/Patellaluxation 304 – Vorbereiten von Aktivitäten/Gehschu- Pilonfraktur, Merkmale der 354
5 – ärztliche Behandlung 304 lung 418 Pilonfraktur, Merkmale einer typischen 355
– Cerclage 304 – einseitige Serienfrakturen 411 Planung der physiotherapeutischen Behand-
– Diagnostik 304 – ärztliche Behandlung 411 lung 15
6 – Differenzialdiagnostik 304 – physiotherapeutische Behandlung – Aspekte der physiotherapeutischen Behand-
– Drahtzuggurtung 304 – Befunderhebung 412 lung 15
7 – operatives Vorgehen 304
– Patella bipartita 304
– motorische Unruhe 412
– Probleme der Behandlung 412
– Auswahl 15
– DGU-Kriterien 15
– Patellaluxation 304 – Übungsbehandlung/Mobilisations- – Belastungsstabilität 15
8 – tangentiale Aufnahme 304
– tempöräre Arthrodese 304
techniken 412
– Vorbereiten von Aktivitäten 412
– Bewegungsstabilität 15
– Lagerungsstabilität 15
– Totalresektion 304 – einseitige Serienfrakturen und Einzelfraktur – Stabilitätskriterien bei Endoprothesen 15
9 – Zuggurtungsosteosynthese 304 der Gegenseite 414 – Stabilitätskriterien bei Osteosynthese 15
– Zugschraube 304 – ärztliche Behandlung 414 – Stabilitätskriterium bei Bandnähten/-pla-
– Befunderhebung bei Frakturen 306 – Aktivierung der Muskulatur 415 stiken und Luxationen 15
10 – Behandlungsmöglichkeiten 307 – Lagerung 415 – Trainingsstabilität 15
– Techniken 307 – Mobilisation 416 – Dosierung 15
– Behandlungsrichtlinien 304 – Probleme der physiotherapeutischen – Kriterien für die Behandlungsdosierung 15
11 – charakteristische Symptome/Leitsymptome Behandlung 415 – Basisbelastungsstufe 15
304 – Vorbereiten von Aktivitäten/Gehschu- – Belastungsfähigkeit 15
– Einteilung 304 lung 416 – koordinierter Bewegungsablauf 15
12 – Komplikationen 306 – Zusammenfassung 418 – Röntgenbild 15
– therapeutische Maßnahmen 304 Patienten kontrollierte Analgesie 45 – Schmerzlosigkeit 15
13 – Ursachen 304
Patellamobilisation 324
Pauwels-I-Frakturen 267
Perfusionsdruck 38
– Nah- und Fernziele 15
– Sammlung der Symptome 15
Patellasehne, biomechanische Veränderung periartikuläre Verkalkung 158 – Zielsetzung 15
14 der 319
Patellasehnenplastik 309
periartikuläre Verkalkungen 158
perilunäre Luxation 169, 192
– aktueller Funktionsbefund 15
– ärztliche Vorgabe 15
Patellasehnentransplantat 313 Periost 329 – Behandlungsplan 15
15 pathologische Frakturen 133, 143 periostaler Kallus 10 – biomechanische Gesichtspunkte 15
– Humerusschaftprothese 143 Pfanneneingangswinkel 266 – Heilungsverlauf 15
pathologische Humerusschaftfraktur 144 Pfannenlockerungen 267 Plattenosteosynthese 75, 76, 130, 133
16 Patientenbeispiel 101, 137, 163, 186, 234, 277, Phalen-Test 171, 176, 177, 196 Plattenosteosynthesen 282
332, 335, 369, 403, 419 Phantomschmerzen 390, 394 Plattenschraubensysteme (LCP), winkelstabile
– Befundaufnahme 101, 137, 163, 186, 234, Phantomschmerzentwicklung 390 343
17 277, 332, 335, 369, 403, 419 Philos-Platte 132, 133 Plattfuß, traumatischer 375
– ICF-Dokumentation 101, 138, 164, 187, 234, Phlebothrombose 50, 51 Plexus-brachialis-Verletzung 114
333, 335, 370, 404, 420 – ärztliche Behandlung 51 Pneumothorax 100
18 – Behandlungsvorschlag 103, 139, 165, 189, – Behandlungsrichtlinien 51 PNF-Programm 346
236, 280, 335, 337, 372, 405, 421 – charkteristische Symptome/Leitsymptome PNF-Techniken
19 Patientenbeispiele (Polytrauma oder Serienver-
letzungen)
51
– Risikofaktoren 51
– Anwendung 424
– Armmuster 424
– beidseitige Einzelfrakturen 413 – therapeutische Maßnahmen 51 – Beckenmuster 430
20 – ärztliche Behandlung 413
– Durchblutungsverbesserung/Anre-
physiologischer Heilungsverlauf 10
– Parameter 10
– anteriore Depression 430
– anteriore Elevation 430
gung des lokalen Stoffwechsels 413 physiotherapeutische Behandlung 412 – Bewegungsrichtungen 430
21 – Lagerung 413
449
Sachverzeichnis

– posteriore Elevation 430 Polytrauma oder Serienverletzungen Propriozeption/Koordination 73


– posterore Depression 430 – ärztliche und physiotherapeutische Behand- propriozeptives, sensomotorisches Training 11
– Beinmuster 424 lung 409 proximaler Humerusnagel 133
– Gehschulung nach PNF 433 – 6-Phasen-Konzept 409 proximal femoral nail (PFN) 283
– Mittelstandphase 433 – definitive Versorgung 409 Pseudarthrose 55, 128, 129, 385
– Schwungphase 433 – Erholungsphase 409 – ärztliche Behandlung 55
– Standbeinphase 433 – frühe Mobilisation 409 – avitale Pseudarthrose 55
– Kopfmuster 426, 430 – frühzeitige Stabilisierung stammnaher – Behandlungsrichtlinien 55
– Mobilisationstechniken 428 Frakturen 409 – charakteristische Symptome/Leitsymptome
– Anspannen – Entspannen gegen leichten – grundlegendes Behandlungsschema 409 55
Widerstand 428 – Primärphase 409 – Infektpseudarthrose 55
– Chirurgische Technik 428 – Reanimationsphase 409 – physiotherapeutische Behandlung 55
– dynamische Umkehr – Halten – Entspan- – Rehabilitation 409 – therapeutische Maßnahmen 55
nen 428 – Stabilisierungsphase 409 – Ursachen 55
– Halten – Entspannen – passives Weiterzie- – zweite Operationsphase 409 – vitale Pseudarthrose 55
hen 428 – Befunderhebung 410 Pseudarthrosen 50, 195
– Halten – Entspannen gegen Führungs- – Behandlungsmöglichkeiten 411 Pyrogoff-Amputation 401
kontakt 428 – Behandlungsrichtlinien 408
– Osteosynthese, belastungsfähige 428 – Beurteilung der Vitalfunktionen 409
– Osteosynthese, bewegungsstabilen 428 – Diagnose- und Behandlungsschema 408 Q
– rhythmische Stabilisation – Entspannen – Kreislaufstatus 409
428 – neurologischer Status 409 Qualifizierung der Druckverteilung 357
– rhythmische Stabilisation – Entspannen – charakteristische Symptome 408 Quengelschiene 224
gegen Führungskontakt 428 – Einteilung 408 Quengelverband 212
– Teilbelastungsstabilität 428 – grundsätzliches Vorgehen 411 Querbrüche 283
– PNF-Grundprinzipien 426 – Aktivitäten des Alltags, des Berufes 411 Querfortsatzfraktur 70
– PNF-Techniken 427 – Aufbau der Muskelspannung 411 Quick-Wert 51
– PNF-Übungsprogramm 426 – Dekubitusprophylaxe 411
– Rumpfaktivität/-stabilität, Rumpf-Becken-
Bein-Stabilität 432
– Erhalten der Muskelfunktion nicht ver-
letzter Extremitäten 411
R
– Skapulamuster – Gehschulung 411
Radiusfraktur 176, 177, 411
– 430 – Gesichtspunkte der Behandlung 411
Radiusköpfchenfraktur 153, 156, 158, 160
– anteriore Depression 430 – Greifen 411
– ärztliche Behandlung 156
– anteriore Elevation 430 – Lagerungskontrolle 411
– konservatives/operatives Vorgehen 156
– posteriore Depression 430 – Mobilisation eingeschränkter Gelenke
– Behandlungsmöglichkeiten 157
– posteriore Elevation 430 411
– Behandlungsrichtlinien 156
– Übungsprogramm auf der Matte 432 – Pneumonieprophylaxe 411
– charakteristische Symptome/Leitsymptome
– alltägliche Aktivitäten 432 – präventive Behandlungsmaßnahmen
156
– fortlaufende dynamische Bewegungen 411
– Einteilung 156
von distal nach proximal 432 – Thromboseprophylaxe 411
– Typ I-V 156
– im geschlossenen System 432 – Vorbereitung und Schulung von Aktivitä-
– physiotherapeutische Behandlung 156
– posteriore Skapuladepression 432 ten 411
– T-Plättchen-Osteosynthese 153
– reziprokes Skapulamuster 432 – Komplikationen 410
– therapeutische Maßnahmen 156
– Skapula- und BWS-Stabilisation im einsei- – Patientenbeispiele 411
– Ursachen 156
tigen Unterarmstütz 432 – respiratorischer Status 409
Radiusköpfchenprothese 156
– Stabilisation beider Skapulae 432 – therapeutische Maßnahmen 408
Rahmanzadeh 127
– Stabilisation der BWS im Seitsitz mit – Beurteilung der Vitalfunktionen 409
Ratschow-Umlagerungen 228, 272
Stützmuster rechts und Liftingmuster – Diagnose- und Behandlungsschema 408
RC-Cornet
links 432 – Kreislaufstatus 409
– postoperative Atelektase 41
– Verstärkungstechniken 428 – neurologischer Status 409
Redon-Drainage 11, 344
– stabilisierende Umkehr 428 – respiratorischer Status 409
Refixation des Tuberculum majus 133
– Vorbereitende PNF-Muster 430 – Ursachen 408
Regeneration 66
– zur Spannungs- und Tonusregulierung, zur posteriore Depression 431
Regionalanästhesie 227
Bewegungseinleitung, zum Erlernen von posttraumatisches Stress-Syndrom 99
Rekonstruktionsplattenosteosynthese 376
Aktivitäten und Erhalten der Gelenkbeweg- Pressure Bio- Feedback Devices 79
Reluxationsgefahr 114, 258
lichkeit 430 Prevot-Nagelung 129
Replantation/Transplantation der Finger 201
– dynamische Umkehrbewegungen 430 primäre Knochenheilung 9
– ärztliche Behandlung 201
– Replikation 430 progressiven Muskelrelaxation 82
– Indikation 201
– Rhythmische Bewegungseinleitung 430 Pronationsfrakturen 356, 358
450 Sachverzeichnis

– Mikroreplantation 201 – grundsätzliches Vorgehen 121 – Verbesserung der Funktion der Hüftge-
21 – operative 201
– Behandlungsrichtlinien 201
– Akromioplastik 122
– Konsolidierungsphase 122
lenkmuskulatur unter Berücksichtigung
des Befundes: Ausdauer, Kraft, Koordina-
– physiotherapeutische Behandlung 202 – Proliferationsphase 122 tion 273
22 – therapeutische Maßnahmen 201
Repositionsmanöver 110
– Komplikationen 121
– therapeutische Maßnahmen 120
– Vorbereitung und Schulung von Aktivitä-
ten, Gehschulung 273
Resektion des Radiusköpfchens 156 – Übungsbeispiele 122 – Behandlungsrichtlinien 262
3 resorbierbare Biofixstifte 128 – Ursachen 120 – Belastungsstabilität 267
Retinaculum flexorum 176, 180 – charakteristische Symptome/Leitsymptome
Revaskularisierung 9 262
4 reversed Kleinert-Schiene 214
S – Einteilung 262
reversed Kleinert-Schienenbehandlung 215 – Gesamtproblematik bei geriatrischen Pati-
reziprokes Gehmuster 289 »Stop and go«-Technik 160, 162 enten 269
5 Rhythmische Stabilisation (Rhythmic Stabiliza- Sach-Fuß 391 – Aktivitäten des Alltags 269
tion) 429 SAL-Knie 307 – ganzheitlichen Therapie 269
Ringfixateur 53 Sarmiento-Brace 142 – geistige Situation 269
6 Rippenfrakturen 100 Scarextractor 210, 211 – psychische Situation 269
– ärztliche Behandlung 100 Schaarschuch-Entspannungstechnik 162 – Richtlinien für den Umgang mit geriatri-
Schalenprothese 400
7 – einzelne Rippenfrakturen 100
– konservatives Vorgehen 100 Schanzkrawatte 76
schen Patienten 269
– Selbständigkeit 269
– Rippenserienfraktur 100 Scharschuch-Haase 96 – grundsätzliches Vorgehen 271
8 – Atembefund 100
– Behandlungsrichtlinien 100
Schenkelhalsfraktur 262, 263, 264
– ärztliche Behandlung 262
– Gesichtspunkte der Behandlung 271
– ICF-Dokumentation 278
– charakteristische Symptome/Leitsymptome – Anforderungen an die Osteosynthese – Komplikationen 269
9 100 265
– konservatives/operatives Vorgehen 262
– Patientenbeispiel 277
– Komplikationen 100 – physiotherapeutische Behandlung 268
– physiotherapeutische Behandlung 100 – konservatives Vorgehen 265 – therapeutische Maßnahmen 262
10 – therapeutische Maßnahmen 100 – operatives Vorgehen 262 – Übungsbeispiele 275
– Ursachen 100 – AMIS-Endoprothesen 262 – Konsolidierungsphase 276
Rizarthrose 199, 200 – Duokopfprothese 262 – Proliferationsphase 275
11 Rockwood 122 – dynamische Hüftschrauben 262 – Vollbelastung 277
Rolando-Fraktur 200 – Endoprothese 262 – Außenrotation des betroffenen Beins
Rollgleitmechanismus 298 – instabile Frakturen 262 277
12 Rollstuhl 400 – kanülierte Spongiosaschrauben 262 – Hinken 277
Röntgenaufnahme, gehaltene 359 – Krückstockprothese 262 – Körpergewicht liegt auf der gesunden
– Langschaftprothese 262
13 Röntgenbestrahlung 56
Röntgenzeichen bei fibulotalarer Bandruptur – Osteosyntheseverfahren 262
Seite und zu weit hinten 277
– Korrekturen von Geh- und Haltungs-
359 – Spongiosaschrauben oder kanülisierte fehlern 277
14 Ruhestellung der Hand 194
Ruhigstellung 217
Schrauben 262
– Totalendoprothese 262
– Patient übernimmt kein Gewicht 277
– positives Trendelenburg-Zeichen
Ruhigstellungsorthese 307 – Variokopfprothese 262 (Duchenne-Hinken) 277
15 Rumpfachsenstabilisation 346 – Verbundosteosynthese 262
– Y-Nagel 262
– vorgebeugte Haltung, Kopf nach
Rumpfkontrolle 324 unten 277
Ruptur der Rotatorenmanschette 120 – Befundaufnahme 277 – Ursachen 262
16 – ärztliche Behandlung 120 – Befunderhebung 270 Schmerzbeurteilung 312
– arthroskopische Operation 121 – Behandlungsmöglichkeiten 271 Schmerzcharakteristik 44
– Konservatives/operatives Vorgehen 120 – Aufbau der Muskelspannung zur Siche- Schmerzmediatoren 8
17 – mini-open-repair 121 rung der Fraktur 272 Schmerzpumpe 45
– offene Operation 121 – Dekubitusprophylaxe 271 Schmerztherapie 16, 43, 230, 313, 411
– Befunderhebung 121 – Erhalten der nicht betroffenen Arm- und – Beteiligung des sympathischen Nervensy-
18 – Drop-Armtest 121 Beinfunktionen 272 stems 44
– M.-subscapularis-Test 121 – Lagerung und Patiententransfer 271 – Clinical Reasoning 44
– Mobilisation der Knie- und Sprunggelen-
19 – M.-supraspinatus-Test nach Jobe 121
– Test des M. infraspinatus 121 ke 272
– Maßnahmen zur Schmerzreduzierung 45
– aktives, assistives und passives Bewegen
– Behandlungsmöglichkeiten 121 – Pneumonie- und Thromboseprophylaxe 46
271
20 – Behandlungsrichtlinien 120
– charakteristische Symptome/Leitsymptome – Unterstützung des Heilungsprozesses
– ärztliche Behandlung 45
– physiotherapeutische Behandlung 45
120 271 – Schmerzentstehung 43
21 – Schmerzleitung zum Gehirn 44
451
Sachverzeichnis

– schmerzlindernde physiotherapeutische Spongiosaplastik 53, 143, 301 Sternoklavikulargelenkluxation 127


Maßnahmen 47 Spongiosaplastiken 283 Sternumfraktur 100
– Schmerzwahrnehmung 44 Spontanbelastung 16 – ärztliche Behandlung 101
– Untersuchung von Schmerzpatienten 45 – Selbstübungsprogramm 16 – Behandlungsrichtlinien 101
Schmerzvermeidung in der Physiotherapie 47 Sprunggelenk 355 – physiotherapeutische Behandlung 101
Schmerzwahrnehmung 45 Sprunggelenkfraktur 354, 415 – therapeutische Maßnahmen 101
Schnapptest 135 Sprunggelenkfrakturen mit Knorpelknochen- – Ursachen 101
Schraubenosteosynthese 132, 133, 263, 415 verletzung 360 Streckquengelschiene 213
Schuheinlagen 386 Sprunggelenkfrakturen mit Syndesmosennaht Strecksehnenverletzungen 213
Segment L3–L5 83 360 – ärztliche Behandlung 214
Sehnen-, Band- und Kapselverletzungen 60 Stabilisation beider Skapulae 433 – Behandlungsmöglichkeiten 215
Sehnennaht 121 Stabilisation der Bridging-Position 244 – Gesichtspunkte der Behandlung 215
Sehnenverletzungen 355 Stabilisation der BWS im geschlossenen – operatives Vorgehen 215
sekundäre Knochenheilung 9 System 87 – Behandlungsrichtlinien 214
Self Aligning Knee Replacement 307 Stabilisation der BWS im Seitsitz 433 – Charakteristische Symptome/Leitsymptome
Semitendinosussehnenplastik 309 Stabilisation der Rumpf-Becken-Bein-Achse 87 213
Sensibilitätsstörungen, Einteilung 216 Stabilisation der Wirbelsäule im hohen Sitz 84 – Einteilung 213
Sensibilitätsverlust 195 Stabilisation im Halbsitz 327 – Komplikationen 215
Sensomotorik und Propriozeption 5 Stabilisation im Stand und beim Gehen 84 – therapeutische Maßnahmen 214
– Propriozeption 5 Stabilisation in Schrittstellung 84 – Ursachen 213
– Eigenwahrnehmung 5 Stabilisationsübungen 290, 328 Stress relaxation 10
– somato-viszerale Sensibilität 5 Stabilisationsübungen im Türrahmen 327 Stretch 427
– Tiefensensibiltät 5 Stabilisatoren des Kniegelenks 299 Stumpf abhärten 396
sensomotorisches und propriozeptives – anterior-posterior 299 Stumpfpflege 392, 395
Training 2 – globale Stabilisatoren 299 Sturzprophylaxe 274
– kinästhetische Wahrnehmungsfähigkeit 2 – horizontal 299 Stützmuster 432
– Ökonomisierung 2 – lokale Stabilität 299 Stützverband 61
– Optimierung von Haltung und Bewegung 2 – transversal 299 sub- und pertrochantere Frakturen 283
Shuttle-Lock 392 stabilisierende Kräfte der Wirbelsäule 72 subakromiales Impingement 130
sichere Übungsbereiche 310 Stabilisieren der Beinachse gegen die Wand subkorakoidal 109
Silikon-Liner 391, 392 347 Subtalargelenk 384
Silikongel-Folie 210 Stabilität der Beinachse 356 Sudeck-Dystrophie 225
Skaphoidfraktur 192 Stabilitätsgrade 3 Sulcus-ulnaris-Syndrom 175
Skapula- und BWS-Stabilisation 433 – Belastungsstabilität 3 Supinationsfrakturen 356, 358
Skapula-Y-Aufnahme 132 – Bewegungsstabilität 3 suprakondyläre Frakturen 283
Skapulafraktur 129 – Lagerungsstabilität 3 Syme-Amputation 401
– ärztliche Behandlung 129 – Trainingsstabilität 3 Sympathikusblockade 45, 227
– Begleitverletzungen 129 Stabilitätsprüfung, Tests zur 311 sympathischen Reflexaktivität 147
– konservatives/operatives Vorgehen 130 – Abduktionstest in 20° Kniebeugung 311 sympathische Reflexdystrophie 225
– Behandlungsrichtlinien 129 – Abduktionstest in Kniestreckung 311 sympathisches Nervensystem 46
– charakteristische Symptome/Leitsymptome – Außenrotations-Rekurvatum-Test 312 Symphysengelenksprengung 417
129 – dorsaler Durchhangtest 311 Symphysenverletzung 252
– Einteilung 129 – Jerk-Test 312 Syndesmose 355
– Komplikationen 130 – Lachmann-Test 311 Syndesmoseninstabilität 358
– physiotherapeutische Behandlung 130 – Pivot-Shift-Test 312 Syndesmosenruptur 366
– therapeutische Maßnahmen 129 – Reversed Pivot-Shift-Test 312 Syndesmosensprengung, Mechanismus der
– Ursachen 129 – Schubladentest 311 358
Skapulamuster 430 – Weicher Pivot-Shift-Test 311 Syndesmosenzerreißung 354
Skidaumen 201 Stabilitätstraining 78 Syndesmosenzerreißungen 358
Smith-Fraktur 178 Stabilizer 79 Szintigramm 262
Sono-Phlebographie 51 Stack-Schiene 201
Spaltung des Retinaculum flexorum 180 Stack-Schiene, Nachteil 214
Spätarthrose 385 Standfahrrad 314 T
Spiegeltherapie 227, 228, 390, 394 Stand im Türrahmen 290
Spielstellung 6 Stehbrett 77, 411, 418 Talusfraktur 383
Spiraldynamik 365, 378, 380 Steinmann-I-Zeichen 321 Talusfraktur (Talusluxationsfraktur) 382
Spiraldynamik nach Larsen 379, 386 Stellschraube 360, 362, 363 – ärztliche Behandlung 384
Spitzfußkontraktur 392 Stellschrauben 359 – autologen Chondrozyten 384
Spondylodesen 83 Stellschrauben, temporäre 359 – Diagnostik 384
452 Sachverzeichnis

– konservativ 384 Thromboseprophylaxe 43, 251, 313 Trümmerfrakturen 359


21 – konservatives/operatives Vorgehen 384
– offene Frakturen 384
– antiphlogistische Behandlung 50
– ärztliche Behandlung 43
Tuber-Gelenkwinkel 375, 377
tubercule de Chaput 358
– offene Luxationsfrakturen 384 – physiotherapeutische Behandlung 43 Tuberculum-majus-Abriss 112
22 – operativ 384
– Schraubenosteosynthese, perkutane 384
Tibiafraktur 341, 415
Tibiafrakturen 340
Tuberkulum-Abrisse 384

– Talusfraktur Typ III und IV 384 Tibiakopffraktur 302


3 – Talusfraktur Typ I und II 384 – ärztliche Behandlung 303 U
– temporärer Fixateur 384 – Behandlungsmöglichkeiten 303
– Befunderhebung 385 – Behandlungsrichtlinien 303 überschießende Kallusbildung 55
4 – Behandlungsmöglichkeiten 385 – charakteristische Symptome 302 Übertraining 396
– Behandlungsrichtlinien 384 – Einteilung 302 Übungen im geschlossenen System 427
– Verletzungsmechanismen 384 – grundsätzliches Vorgehen 303 Übungen in geschlossener Kette 161, 290, 324
5 – Belastungsstabilität 384 – Komplikationen bei Kondylen-/Tibiakopf- Übungen in offener Kette 324
– charakteristische Symptome/Leitsymptome frakturen 303 Übungen mit der Rolle 86
383 – mit Abstützplatte 417 Übungsformen 73
6 – Einteilung 382 – physiotherapeutische Behandlung 303 Übungsformen in geschlossener Kette 149
– grundsätzliches Vorgehen 385 – Belastung 303 Ulnavorschub 156, 178
Umlagerung nach Ratschow 378
7 – Gesichtspunkte der Behandlung 385
– Komplikationen 385
– Embolie 303
– Prävention 303 Unreamed Femoral Nail (UFN) 283
– seltene Verletzungen 385 – Redonentfernung 303 Unterarmfraktur 168

8 – therapeutische Maßnahmen 384


– Verletzungsmechanismen 384
– Ruhigstellung 303
– Thrombose 303
– ärztliche Behandlung 170
– konservatives/operatives Vorgehen 170
– Ursachen 383 – therapeutische Maßnahmen 303 – notfallmäßig operiert 170
9 Talusfraktur, periphere 384 – Ursachen 302 – zusätzlichen Luxation 170
– Befunderhebung 171
Talusfraktur, zentrale 383 Tibiakopffrakturen 326
Talushalsfraktur 384 tiefe Beckenvenenthrombose 252 – Behandlungsmöglichkeiten 172
10 Taluskippung 366 Tilt Table 290, 316, 323 – Funktionsverbesserung: Muskelkraft,
Taluskopffraktur 384 Tinel-Test 177 Ausdauer und Geschicklichkeit 173
Taluskorpusfraktur 384 Titankorb 74 – Resorption des Ödems 172
11 Talusverschiebung 356 Titankorbsynthese 75 – Sicherung der Frakturen durch aktive
Talusvorschub 366 Tongue-Fraktur 375 Muskelspannung 172
tanzende Patella 305, 307 tonische und schnelle phasische motorische – Verbesserung der Durchblutung 172
12 Tape 323 Einheiten 72 – Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit
Tapeverband 11, 62 Tonusregulierung 4 172
– Vorbereitung und Schulung von Aktivitä-
13 Techniken in offener und geschlossener Kette
326
Tossy 122
Total-Gym-Gerät 294 ten 173
Teilbelastungsstabilität 344 Totalendoprothese 307 – Behandlungsrichtlinien 169

14 Teilmeniskektomie 321
TELOS-Gerät 366
Total Gym 89
Training des Stumpfes, sensomotorisches 390
– Charakteristische Symptome/Leitsymptome
169
TELOS-Halteapparat 366 Traktion 4, 161, 172 – grundsätzliches Vorgehen 172
15 Tenolyse 212 – Längszug einer Extremität 4 – Gesichtspunkte der Behandlung 172
– Übersicht 172
Test nach Yergason 135 Transkutane Elektrische Nervenstimulation
Testverfahren 321 (TENS) 47, 227 – isoliert 168
16 – Abduktions-Adduktions-Test 321 translatorische Gleitbewegungen 324 – kombiniert 168
– Apley-Kompressionstest 321 translatorisches Gleiten 232 – Komplikationen 171
– ergänzende Befunde 322 Transplantation 329 – therapeutische Maßnahmen 169
17 – Aktivitäten 322 Transplantation des 2. Zehs als linker Daumen – Übungsbeispiele 173
– Beinachsenkontrolle 322 202 – Proliferationsphase 173
– Ganganalyse 322 traumatische Schleimbeutelverletzung 329 – Umbauphase (8–12 Wochen postopera-
18 – McMurray-Test 322 – Bursektomie 329 tiv) 174
– Steinmann-I-Zeichen 321 – Frühmobilisierung 329 – Unterarmfraktur 169
– Typ I–III 169
19 – Steinmann-II-Zeichen 321
– Steinmann-Test 321
– offene Verletzung 329
– operatives Vorgehen 329 – Ursachen 169
Theraband 313, 314, 427 traumatisches Karpaltunnelsyndrom 176 Unterarmknochen 168
Unterarmschaftfraktur 171
20 thermoplastische Fingerschiene 224
thorakolumbaler Übergang 74
trimalleoläre Fraktur 355
Trochanterabtrennung 268 Unterschenkelamputation 396, 397
Thoraxabduktionsgips 124 Trümmer- oder Stückfrakturen 283 Unterschenkelfrakturen 340
21 Thrombose 329 Trümmerfraktur 132 – ärztliche Behandlung 340
453
Sachverzeichnis

– aufgebohrter Verriegelungsnagel 343 kontralaterale Muskelarbeit gegen Verletzung der A. iliaca interna 252
– Belastungsstabilität 343 Widerstand 349 Verletzung der sensiblen Nerven 217
– Bewegungsstabilität 343 – charakteristische Symptome/Leitsymptome Verletzungen an der Hand 192
– Diagnostik 340 340 Verletzungen des Streckapparates
– konservatives/operatives Vorgehen 340 – Einteilung 340 – Behandlungsrichtlinien 329
– Nachbehandlung bei konservativer – grundsätzliches Vorgehen 345 – konservativ 329
Behandlung 343 – Gesichtspunkte der Behandlung 345 – operativ 329
– Plattenosteosynthese 343 – Komplikationen 344 – Teilrupturen 329
– retrograder Marknagel 343 – physiotherapeutische Behandlung 344 – charakteristische Symptome/Leitsymptome
– Röntgenaufnahmen 340 – Techniken 329
– unaufgebohrter Marknagel 343 – Besonderheiten bei der Behandlung einer – physiotherapeutische Maßnahmen 329
– Unterschenkelschaftfrakturen 340 Unterschenkelfraktur nach N.-peroneus- – therapeutische Maßnahmen 329
– Antibiotikum 340 profundus-Parese – komplette Risse 329
– aufgebohrter UTN-Nagel 340 – Overflow der statischen Spannung von – konservativ 329
– Fixateur externe 340 proximalen synergistisch wirkenden – operativ 329
– Infektionsschutz 340 Muskelketten 349 – Teilrupturen 329
– Korrekturosteotomien 340 – therapeutische Maßnahmen 340 – Ursachen 329
– Trümmerfrakturen 340 – Übungsbeispiele 349 Verletzungen und typische Erkrankungen an
– unaufgebohrter Marknagel (UTN) 340 – Konsolidierungsphase (nach 6 Wochen) der Hand 192
– Vollbelastung 343 350 – allgemeine charakteristische Symptome/
– Befunderhebung 344 – Proliferationsphase 349 Leitsymptome 192
– Behandlungsmöglichkeiten 345 – Ursachen 340 – Allgemeines über Biomechanik 192
– Erhalten der Muskulatur der nicht betrof- Unterschenkeltrümmerfraktur 342 – allgemeine Ursachen 192
fenen Extremitäten 347 unterstütztes Gehen 5 – ärztliche Behandlung 195
– Gehschulung 348 – Drei-Punkte-Gang 5 – Befunderhebung 196
– Mobilisationd des Kniegelenks 346 – Durchschwunggang 5 – Behandlungsmöglichkeiten 197
– Mobilisation der Sprunggelenke (bei – Zuschwunggang 5 – Gesichtspunkte der Behandlung 197
distalen Tibiafrakturen) 346 – Zwei-Punkte-Gang 5 – Behandlungsrichtlinien 192
– Schulung sportspezifischer Aktivitäten – Biomechanik 192
349 – Greifformen 192
– Techniken 346, 347
V – Grobgriffe 194
– betonte Bewegungsfolge in den Dosie- – Haken- oder Tragegriff 194
rungsstufen: aktiv, gegen die Schwere, Vacoped-Schiene 62, 360, 386 – Kraftgriffe 193
gegen Führungskontakt oder gegen Variokopfprothesen 268 – lumbrikaler Griff 193
angepassten Widerstand 346 Variostabil 360 – Präzisionsgriffe 193
– betonte Bewegungsfolge mit wech- VAS-Skala 21 – Schlüssel- oder Klemmgriff 193
selndem Drehpunkt (Kniegelenk) in vegetatives System 46 – Strukturen der Hand 194
PNF-Mustern 347 Velpeau-Aufnahme 132 – Einteilung 192
– Bewegen – Halten in allen Variationen Venendruckpunkte 43 – Komplikationen 195
346, 347 Verbrennung 4. Grades 222 – therapeutische Maßnahmen 192
– dynamische Umkehr 347 Verbrennungen 221 verriegelte Stellung 6
– Endstellung 346 – ärztliche Behandlung 221 Verriegelungsnagel 282, 341, 412, 413
– stabilisierende Umkehr 346, 347 – operatives Vorgehen 221 Verstärkungstechniken 363
– Verstärkungstechniken 346 – Befunderhebung 222 Vibrator 210
– Verbesserung der Durchblutung 345 – Behandlungsmöglichkeiten 222 Vier-Punkte-Stand mit Theraband (Larsen) 379
– Vorbereiten und Schulen von Aktivitäten, – Gesichtspunkte der Behandlung 222 Virchow-Trias 51
Gehschulung 347 – Behandlungsrichtlinien 221 visuelle Kontrolle 82
– Wiederherstellung des Muskelspan- – charakteristische Symptome/Leitsymptome vitale Pseudarthrose 55
nungsgleichgewichts am Unterschenkel 221 Volkmann-Dreieck 355, 415
345 – Einteilung 221 Volkmann-Kontraktur 50, 51
– Behandlungsrichtlinien 340 – Komplikationen 222 – charakteristische Symptome/Leitsymptome
– Besonderheiten bei der Behandlung einer – therapeutische Maßnahmen 221 51
Unterschenkelfraktur nach N.-peroneus-pro- – Ursachen 221 vordere Beckenringverletzungen 239
fundus-Parese 349 Verbundosteosynthese 133, 343 vordere Kreuzbandplastik 310
– Techniken 349 Verbundosteosynthesen 267 vorderes Kreuzband 298, 308
– Halten von Positionen 349 Verhalten der Kollateralbänder bei Bewegung Vorfuß 401
– Setzen von Kontraktionshilfen, z.B. des oberen Sprunggelenks 357
Eisabreiben, Muskelherausgreifen, Verkürzungsosteotomie 178
Streichen über die Hautregion, Verletzung der A. iliaca externa 252
454 Sachverzeichnis

– B-Frakturen 70 Zwei-Punkte-Gang 327


21 W – C-Frakturen 70 Zweibeinstand 316, 317, 323
– Klassifikation 70 Zwei-Etagen-Fraktur 75
»Whiplash Associated Disorder« (WAD) 97 – Grundsätzliches Vorgehen bei Wirbelfraktu- Zyklopssyndrom 309
22 Wärmeanwendungen 46 ren ohne neurologische Symptomatik 81
– Komplikationen 79
Wärmebehandlungen 325
Weber-B-Fibulafraktur 383 – Lagerungskontrolle 82
3 Weber-C-Fraktur 355, 415 – physiotherapeutische Behandlung 77
weiche Halskrawatte 96 – Ende der Proliferationsphase 79
weicher Kallus 9 – Konsolidierungsphase 81
4 weiche Schanzkrawatte 77 – Proliferationsphase 77
Weichteilschädigung 361 – therapeutische Maßnahmen 70
Weichwandbettung 391 – Übungsbeispiele 93
5 Wendeldrähte 133 – Proliferationsphase 93
Whiplash 97 – Ursachen 70
– Wirbelfrakturen im Bereich des thorakolum-
6 Winterstein-Fraktur 200
Wirbelfrakturen 70, 74 balen Überganges 70
– ärztliche Behandlung 73 – Belastung der Bewegungssegmente 70
7 – Atemtherapie/Thromboseprophylaxe 82 – Druckkraft 71
– Kraftverteilung 71
– Befunderhebung 80
– Behandlungsmöglichkeiten 81 – Schubkraft 71
8 – 4.–7. Woche (Konsolidierungsphase) 85 Wirbelkörperfraktur 70
Wundheilung 7
– Aquajogging 85
– Bedeutung 85 – Entzündungsphase (0 – 5. Tag) 8
9 – Bewegungsbad 85 – Kollagensynthese 9
– Entzündungs- und Proliferationsphase – Konsolidierungsphase (21. – 60. Tag) 8
(bis 4. Woche) 82 – Organisations- oder Umbauphase (60. – 360.
10 – Fortführung der Schulung lokaler und Tag) 9
globaler Stabilisatoren 89 – Proliferationsphase (5. – 21. Tag) 8
– Gehschulung 84 – Stadien der Wundheilung 7
11 – Gewichtsbelastung 85 Wundheilungsphasen 8
– Haltungsschulung und Schulung der
12 Aktivitäten 90
– hoher Sitz 92
Z
– Kombination von geschlossenem
Zehen 401
13 System und freier Armbewegung, Kopf
folgt der Bewegung 91
Zehenfrakturen 387
– ärztliche Behandlung 387
– Rücken schonendes Sitzen 92
14 – Stabilisation der Wirbelsäule im Türrah-
– Behandlungsmöglichkeiten 387
– Behandlungsrichtlinien 387
men im geschlossenen System 91
– charakteristische Symptome/Leitsymptome
– Stabilisation im Türrahmen 90
15 – Verhaltenstraining 92
387
– grundsätzliches Vorgehen 387
– Koordinationstraining 85
– Schwerpunkte der Behandlung 387
– natürliches Bewegungsverhalten 85
16 – normales Sitzen 85
– Komplikationen 387
– therapeutische Maßnahmen 387
– Schulen von Aktivitäten/Bewegungsüber-
zementierte Teil- oder Totalendoprothesen 267
gängen 83
17 – Schulung weiterer Aktivitäten (ADL) 89
zementierte Totalendoprothese 264
zentral- oder regional-lokal wirkende Analge-
– sportliche Aktivitäten 92
tika 45
18 – Stabilisation auf dem Ballkissen 92
– Stabilisation des Standes 92
Zerrungen 61
Ziel des Stumpftrainings 396
– Stabilisationsübungen 85
Zielvorgabe 15
19 – Behandlungsrichtlinien 70
– Bewegungsbad 85
Zuggerät 363, 427
Zuggeräte 290
– Biomechanik 70
20 – charakteristische Symptome/Leitsymptome
Zuggurtung 157
Zuggurtungen 128
70
Zuggurtungsosteosynthese 123, 305
– Einteilung 70
21 – A-Frakturen 70
Zuggurtungsverfahren 123, 133

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