Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
PNF-Techniken 22
Sachverzeichnis 23
Margrit List
5 Aufgewachsen in Neuhaus am Schliersee und in Leverkusen, dort Abitur
5 Ausbildung zur Physiotherapeutin an der Staatlichen Berufsfachschule
für Physiotherapie an der Universität München
5 1960 Lehrkraft an dieser Schule u.a. für Chirurgie/ Unfallchirurgie
5 1962 1. Lehrerseminar in Berlin
5 1964 Austauschstudium an der New York University
5 1969–1998 Schulleiterin mit Fortsetzung der Lehrtätigkeit
5 1972 Co-Leitung der Physiotherapieabteilung bei den Olympischen
Spielen in München
5 1974 3-monatige Vortragsreise in Südafrika zum Thema »Sportmedizin«
5 1979–1983 2. Vorsitzende des Deutschen Verbandes für Physiotherapie
5 1983–1988 Präsidentin der »World Confederation for Physical Therapy«
5 1985–1991 Vorsitzende der AG leitender Lehrkräfte an PT-Schulen in
Deutschland
5 Bis 1997 Vorsitzende der AG leitender Lehrkräfte an PT-Schulen in
Bayern, Sachsen und Thüringen
5 1991 Verleihung des Bundesverdienstkreuzes
5 1995 Teilnahme an der Lehrplankommission des Instituts für Schul-
pädagogik in Bayern
5 2005 Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse
Physiotherapie
in der
Traumatologie
5. vollständig überarbeitete Auflage
1 23
Margrit List
1 Schneckenburgerstr. 30
81675 München
2
Claudia Klose
Berufsfachschule für Physiotherapie der Bezirkskliniken
3 Schwaben am BKH Günzburg
Stellv. Schulleitung
4 Leitung AG Lehrer im Landesverband Bayern im ZVK
Ludwig-Heilmeyer-Str.2
5 89312 Günzburg
6
7 ISBN-13 978-3-540-68241 -7 Springer Medizin Verlag Heidelberg
springer.de
13
© Springer Medizin Verlag Heidelberg 1978, 1986, 1996, 2004, 2009
14 Printed in Germany
15 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne
besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Ge-
setzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
16
Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr über-
nommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf
17 ihre Richtigkeit überprüft werden.
20 SPIN 12027996
Vorwort
Das Aufgabengebiet der Physiotherapeuten hat sich in den letzten Jahren rasant verändert und erweitert.
Die Veränderungen beruhen auf Fortschritten und Erkenntnissen in der Medizin und im Patientenma-
nagement, basierend auf der Umstrukturierung des Gesundheitswesens. Das Ziel der aktuellen Diskussi-
onen ist eine bezahlbare, möglichst hochqualitative Versorgung der Patienten mit »so wenig stationären
Behandlungen wie nötig und so vielen ambulanten Versorgungen wie möglich«!
Der demografische Wandel betrifft nicht nur die Gesellschaft, sondern auch das Gesundheitswesen un-
seres Landes und stellt eine Herausforderung an die Vorgehensweisen in Therapie und Rehabilitation von
Unfallverletzten dar.
Die Menschen werden rüstig älter und wollen am aktiven Leben unserer Gesellschaft teilhaben. Sie er-
warten eine kompetente und hochwertige medizinische Versorgung nach Verletzungen und funktionellen
Problemen. Dementgegen stehen die deutlich knapper werdenden finanziellen Mittel für stationäre, ambu-
lante und rehabilitative Maßnahmen.
So ist es nicht verwunderlich, dass die Politik nach Prävention und Eigeninitiative ruft und soziale Be-
nachteiligungen von Langzeitverletzten und alten Menschen in Kauf nimmt.
Nach operativer Versorgung werden Verletzte nach wenigen Tagen stationären Aufenthaltes in eine
ambulante oder stationäre Rehabilitationseinrichtung entlassen. Dort stehen nicht immer die Fachkräfte/
Physiotherapeuten zur Verfügung, die den ersten Heilungsprozess fachgerecht begleiten können. Alltags-
relevante Beeinträchtigungen werden oft nicht berücksichtigt und führen zu einer Überforderung der Pati-
enten. Soziale Situationen finden keinen Eingang in die Planung der postoperativen Phase. Viele Verletzte
sind in dieser Phase noch nicht rehabilitationsfähig im Sinne der Belastungsfähigkeit und evt. deshalb auch
nicht motivierbar. Sie benötigen eine weitere kurative Versorgung.
Kritisch diskutiert werden muss deshalb die Durchführung rehabilitativer Maßnahmen ohne Fachper-
sonal und die intensive Fortbildung von Therapeuten für den Rehabilitationsbereich.
Für eine erfolgreiche Rehabilitation ohne Folgeschäden und eine Rückführung in ein selbstbestimmtes
Leben müssen Patienten lernen, mit ihrem Körper und seinen Verletzungen umzugehen und die entspre-
chende Eigeninitiative zu ergreifen. Dieser Prozess muss von Therapeuten begleitet und eingeübt werden.
Patienten müssen deshalb gut informiert, aber auch motiviert werden.
Im Jahr 2006 wurden Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über Leistungen der medizi-
nischen Rehabilitation veröffentlicht, um einen bestmöglichen Rehabilitationserfolg für die Teilhabe der
Patienten an Familie, Arbeit, Gesellschaft und Beruf zu erreichen.
Den Physiotherapeuten werden spezifische Aufgaben zugeordnet; sie sind für die kurativen Behand-
lungsformen ebenso ausgebildet wie für die rehabilitativen Maßnahmen. Ihre Behandlungen müssen im-
mer einen ganzheitlichen Ansatz zeigen; sie müssen den Verletzten während der Heilungsphasen betreuen
und seine individuelle Lebenssituation, Selbständigkeit, Mobilität, Arbeitssituation, Gefühlswelt und Ge-
sellschaftsteilhabe berücksichtigen.
Für Schüler bedeutet dies, sich in der Ausbildung ein umfassendes Wissen anzueignen, darüber hinaus
jedoch ein freies selbständiges Lernen in der Praxis. Körperwahrnehmung und Körpersprache müssen
ebenso erlernt werden wie das Erfassen der Konsequenzen von Verletzungen für den ganzen Menschen.
Schüler sollen Entdecken, Erforschen und neue therapeutische Wege Finden lernen, durch selbständiges
Lernen in kleinen Gruppen und durch Projekte.
Besonders ältere Menschen werden durch eine Verletzung, z.B. eine Schenkelhals- oder Oberarmkopf-
fraktur, aus der Lebensbahn geworfen. Sie verlieren sehr schnell ihre Selbständigkeit und werden dann oft
in Pflegeheime abgeschoben. Junge Physiotherapeuten können diesen Lebenseinschnitt noch nicht in sei-
ner ganzen Tragweite verstehen; sie müssen lernen, ihn wahrzunehmen und therapeutische Konsequenzen
daraus zu ziehen.
Immobilität ist jedoch nicht nur für den älteren Menschen, sondern für jeden Verletzten ein großes
Problem. Es bedeutet den Verlust selbständigen Handelns und Lebens. Unfallchirurgen wissen um die-
se Problematik und werden daher versuchen, die verletzte Struktur so effektiv wie möglich zu stabilisieren
und belastungsfähig zu machen.
VI Vorwort
In einer Gesellschaft, die Jugend, Sportlichkeit, Attraktivität und Mobilität besonders hoch wertet, wer-
1 den Kranke und Verletzte, die dem Arbeitsmarkt längere Zeit nicht zur Verfügung stehen oder gar ausfal-
len, sehr schnell zur Seite geschoben.
2 In der schnelllebigen Zeit, in der Zeit und Geld gleichgesetzt werden, wird dem Kranken und Verletz-
ten oft nicht die Zeit eingeräumt, die er zur Heilung einer Verletzung benötigt.
Der demografische Wandel hat auch besondere Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen aller
3 Altersgruppen. Eine sorgfältige und zielgerichtete Rehabilitation nach Verletzungen kann Folgekosten ein-
sparen, eine unsachgemäße Rehabilitation jedoch Kosten verursachend sein.
Ich sehe mich herausgefordert, mein Lehrbuch gründlich auf den Prüfstand zu stellen, um einerseits
4 Schülern das »Handwerk« unseres Berufes nahezubringen und meine Erfahrungen weiterzugeben und an-
dererseits neuere Erkenntnisse der Unfallheilkunde und der Physiologie sowie Aspekte der gesellschaft-
5 lichen Anforderungen aufzunehmen.
Den Anspruch, die Möglichkeiten der physiotherapeutischen Behandlung absolut umfassend darzu-
stellen, kann dieses Buch nicht erfüllen. Ich hoffe jedoch, Anregungen für ein eigenständiges Nachdenken
6 und Umsetzen zu geben.
7 Im August 2008
Margrit List
8
In diesem Buch wird im Interesse des Textflusses und der besseren Lesbarkeit einheitlich die männliche
Form für »Therapeut«, »Schüler«, »Arzt«, »Patient« benutzt. Angesprochen werden damit selbstverständ-
9 lich alle PhysiotherapeutInnen, SchülerInnen, ÄrztInnen und PatientInnen.
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VII
Dankesworte
Diese völlig neue 5. Überarbeitung meines Lehrbuches konnte ich nicht leisten ohne die zahlreichen Anre-
gungen, Hilfen zur Erstellung des Bildmaterials, Fototermine mit Schülern und Kollegen, Zusendungen der
Abbildungen, fruchtbaren Diskussionen, Hinweise auf aktuelle Literatur und die fachkompetente Beglei-
tung durch das Fachlektorat Medizin des Springer Verlages, Frau Marga Botsch, Frau Claudia Bauer und
der externen Lektorin, Frau Maria Schreier und Frau Michaela Ecker.
So ist es mir ein besonderes Bedürfnis, mich zu bedanken bei den Menschen, die mich unterstützt ha-
ben:
5 Frau Claudia Klose, Lehrkraft für Physiotherapie in der Chirurgie an der Physiotherapieschule im
BKH Günzburg und den Schülerinnen Eva-Maria Boehm, Daniela Schneider und dem Schüler Chri-
stian Assenbrunner.
5 Frau Birgit Jaspersen, Klinik für Physikalische Medizin, Klinikum Großhadern, Universität München.
5 Frau Barbara Dopfer, Praxis für Physiotherapie und Handrehabilitation, Regine Görges-Radina, Mün-
chen.
5 Herrn Uli Engelmann und Frau Geza Sturm, Praxis »movere«, München.
5 Frau Beatrice Göhler, Frankfurt.
5 Frau Helga Slivka, Rottach-Egern.
5 Herrn Fritz Zahnd, Forch/Schweiz.
5 Frau Christine Altmann, Staatl. Berufsfachschule für Physiotherapie im Klinikum Großhadern, Uni-
versität München.
5 Herrn OA Dr. Thomas Löffler, Chirurgische Klinik, Klinikum Großhadern, Universität München.
5 Frau Ingrid Wagner
IX
Inhaltsverzeichnis
1 Behandlungsgrundlagen, Heilungsprozesse und 4.2 Volkmann-Kontraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
physiotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten . 1 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 51
1.1 Behandlungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 4.3 Phlebothrombose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
1.2 Allgemeingültige Begriffsdefinitionen . . . . . . . . . . . . . 3 Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
Stabilitätsgrade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Charkteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . . 51
Muskelarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . . 51
Tonusregulierung – Innervations-/Koordinationsschulung . 4 4.4 Embolie/Lungenembolie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
Gelenkkontraktur – Gelenkblockierung. . . . . . . . . . . . . 4 Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
Mobilisation – Mobilisierung – Aktivierung . . . . . . . . . . 4 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 52
Extension – Traktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . . 52
Unterstütztes Gehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 4.5 Infektion/Osteitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
Belastungsstufen des Gehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
Sensomotorik und Propriozeption . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
Biomechanik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 53
1.3 Heilungsprozess des Bindegewebes . . . . . . . . . . . . . . 6 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . . 53
Physiologie des Bindegewebes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
Schädigungen des Bindegewebes . . . . . . . . . . . . . . . . 7 4.6 Pseudarthrose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
Wundheilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
Knochenheilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 55
Knorpelheilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . . 55
1.4 Physiotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten . . . . . 11 4.7 Heterotope Ossifikation/Myositis ossificans . . . . . . . . . . 56
1.5 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
Behandlungsrichtlinien und therapeutische Masßnahmen 56
2 Behandlungsplanung, Befunderhebung . . . . . . . . 13 4.8 Fehlstellungen/Gelenkinstabilitäten. . . . . . . . . . . . . . . 56
2.1 Grundsätzliches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 56
2.2 Planung der physiotherapeutischen Behandlung, Kriterien 4.9 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
und Dosierung der Behandlungsmaßnahmen . . . . . . . . 15
Planung der physiotherapeutischen Behandlung . . . . . . 15 5 Distorsionen, Verletzungen der Sehnen,
Kriterien für die Behandlungsdosierung . . . . . . . . . . . . 15 Bänder und Muskeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 5.1 Sehnen-, Band- und Kapselverletzungen . . . . . . . . . . . . 60
2.3 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 5.2 Partielle Bandrupturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
Funktionsbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
Zusatzbefunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 60
Befund eines Patientenbeispiels . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . . 60
2.4 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 5.3 Komplette Bandrupturen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 63
3 Prä- und postoperative Physiotherapie . . . . . . . . . 37 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . 63
3.1 Atemtherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
3.2 Thromboseprophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 5.4 Muskelverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
Therapeutische Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
3.3 Schmerztherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
Clinical Reasoning . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 65
Maßnahmen zur Schmerzreduzierung . . . . . . . . . . . . . 45 Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . . 65
3.4 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Komplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
4 Früh- und Spätkomplikationen von Verletzungen . . 49 Behandlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 5.5 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
4.1 Kompartmentsyndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 6 Wirbelfrakturen, Schleudertrauma, Rippen- und
Charakteristische Symptome/Leitsymptome . . . . . . . . . 50 Sternumfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
Behandlungsrichtlinien und therapeutische Maßnahmen . . 50 6.1 Wirbelfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
X Inhaltsverzeichnis
22 PNF-Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423
13 22.1 Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424
PNF-Grundmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424
PNF-Übungsprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426
14 PNF-Grundprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426
PNF-Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427
Vorbereitende PNF-Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430
15 Übungsprogramm auf der Matte . . . . . . . . . . . . . . . . . 432
Rumpfaktivität/-stabilität, Rumpf-Becken-Bein-Stabilität. . 432
16 22.2
Gehschulung nach PNF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
.
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17 23 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435
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21
XV
Glossar
A
Aircast Sprunggelenkschiene
AMIS Hüftgelenkendoprothese
Atelektasen Verklebungen der Alveolen
Autologe Chondrozytentransplantation Verpflanzung körpereigener Chondrozyten
AVK Arteriovenöse Verschlusskrankheit
B
Bajonettstellung Dislokationsstellung einer distalen Radiusfraktur
Bankart-Läsion Verletzung und Abflachung des vorderen Pfannenrandes des
Schultergelenks
Bennett-Fraktur Fraktur der Basis des Metakarpale 1 mit medialer Abspren-
gung
Biodegradable Osteosynthese Osteosynthese mit resorbierbarem Material
Biodegradables Implantat z.B. Kollagenimplantat in einen Meniskus
Bone-tendon-bone-graft Technik bei Kreuzbandtransplantation mit Patellasehnendrittel
Bow-string-Phänomen Art Flitzebogen durch Verletzung der Ringbänder an einem
Finger
C
Canale-view-Aufnahme Röntgenbild bei Talusfraktur
CAT-CAM-Methode Form eines Prothesenschafts
CerviFix-Platte Plattenosteosynthese bei HWK-Frakturen
»Chirurgische Technik« Contract – Relax (PNF) gegen Führungskontakt (Münchener
Schule)
C-Leg Kniegelenkkonstruktion bei Oberschenkel-Modularprothese
Clinical Reasoning Anwendung von Fachwissen, Forschungsergebnissen, Fach-
praxis
Combination of Isotonics PNF-Technik mit dynamischer Muskelarbeit
Contract – Relax PNF-Entspannungstechnik
Core Stability Kernstabilität durch hohe Trainingsintensität mit globaler
Muskelarbeit
CPM Bewegungsschiene (Continuous Passive Motion)
Creep Druckwelle der Synovialflüssigkeit bei Belastung, Rückfluss bei
Entlastung
Crosslinks bindegewebige Brücken
CRP C-reaktives Protein, unspezifischer Entzündungsparameter
CRPS Complex Regional Pain Syndrome, früher Morbus Sudeck
oder Reflexdystrophie; tritt besonders nach Handverletzungen
auf
Crush Syndrome Ausgedehnter Muskelfaseruntergang bei schweren Traumen;
führt zu Nierenversagen
D
Débridement Operatives Säubern einer infizierten Wunde
Desault-Verband Schultergelenkverband
Diffusion Wanderung der Gasmoleküle zwischen Alveolarluft und
Lungenkapillarblut
XVI Glossar
E
2 Epikondylitis Tennisellenbogen mit Reizerscheinungen am Epicondylus
lateralis humeri
3 Euler-Liljestrand-Reflex Vasokonstriktion von Lungenarteriolen, damit hypoventilierte
Alveolarbezirke auch minderdurchblutet werden. Es ist ein
Schutzmechanismus, um zu vermeiden, dass Shunt-Blut in den
4 Körperkreislauf gelangt
5 F
Fasziotomie Einschneiden von Haut und Faszien zur Entlastung des
Gewebedruckes
6 Fazilitationstechniken PNF-Verfahren zur Kontraktionsschulung eines Muskels
Flake Knochensplitter
7 Floating shoulder instabile Kombinationsverletzung der Skapula
Fourchettestellung Dislokationsstellung einer distalen Radiusfraktur
8 G
Galeazzifraktur Radiusschaftfraktur plus distale Ulnaluxation
Nagel zur Stabilisierung einer Schenkelhals- oder pertochan-
9 Gamma-Nagel
teren Fraktur
Gate-Control-Theorie Hemmung der Nozizeptoren, z.B. durch Bewegung
10 Gelenkpositionstest Test zur Diagnose einer WAD
Gilchrist-Verband Schlauchverband zur funktionellen Ruhigstellung des Schulter-
gelenks
11 Geschlossene Kette,
geschlossenes System,
12 Bewegungen im Bewegungen, bei denen der distale Körperabschnitt das Punk-
tum fixum bildet
Glasgow Coma Scale Klassifizierung von Polytraumapatienten
13 GPS Gelenkpositionstest zur Ermittlung des Bewegungs- und Lage-
empfindens der HWS
14 Guyon-Loge Loge für den N. ulnaris
H
15 Halo-Fixateur externer Fixateur bei HWS-Verletzungen
Hannoveraner Polytraumaschlüssel Klassifizierung von Polytraumapatienten
Hb Hämoglobin, roter Blutfarbstoff
16 Helix wire-Osteosynthese Drahtosteosynthese bei Oberarmkopffraktur
Hill-Sachs-Läsion Schultergelenkluxation mit dorsolateraler Impressionsfraktur
17 des Humeruskopfes
Hkt Hämatokrit, Anteil der zellulären Bestandteile am gesamten
Blutvolumen
18 Hold – Relax PNF-Entspannungstechnik
Huffing Hustentechnik
19 Hüter-Dreieck Ellenbogengelenkbeurteilung
Hypoxämie verringerte Sauerstoffsättigung im Blut
20 I
Ilizarow-Fixateur Ringfixateur nach Ilizarow
21 ICF Evaluationskonzept mit internationaler Klassifikation
XVII
Glossar
J
Jet-Lavage Spülen einer infizierten Wunde
Joint-depression-type-Fraktur Typische Kalkaneusfraktur durch schräg einwirkende Gewalt
Joint-play translatorisches Gelenkspiel
Jones-Fraktur Metatarsale-V-Fraktur
K
Kallus Knochenaufbaugewebe durch eingewanderte Osteoblasten
Karpaltunnelsyndrom Kompression des N. medianus durch das Lig. retinaculum
flexorum
Klaviertastensymptom Symptom einer Klavikulafraktur
Kleinert-Gips/-Schiene Funktionsgips/-schiene nach Beugesehnennaht
Kollagensynthese Heilungsprozess von Kollagenfasern
Kompartmentsyndrom Multifaktorielle Gewebedruckerhöhung
Konsolidierungsphase Heilungsphase mit Kollagenumwandlung
Kraniozervikaler Flexionstest Test nach Hamilton zur Beurteilung der lokalen HWS-Musku-
latur
L
Lightcast Kunststoffgips
Ligne claire Beurteilung des horizontalen und vertikalen Gelenkspalts am
Sprunggelenk
Loge de Guyon Spalt zwischen Retinaculum flexorum und Kleinfingermusku-
latur
M
Malletstellung Endgliedstellung bei Strecksehnenabriss
Maisonneuve-Fraktur Tibiafraktur mit proximaler Fibulafraktur
Mobile-bearing-Prothese Kniegelenkprothese
Modularprothese Rohrskelett-Prothese
Mobilisation Maßnahme zur Verbesserung der Funktion einer Gewebe-
struktur
Mobilisierung Zurückführen eines Patienten in die Selbständigkeit
Monteggia-Fraktur Ulnaschaftfraktur und Radiusköpfchenluxation
Morbus Dupuytren Faszienfibrose einer Palmar- oder Plantaraponeurose
Mortise-view-Aufnahme Röntgenaufnahme am Sprunggelenk
Motor-Control-Stability-Training Trainingsform lokaler und globaler Muskeln
Mukoziliäre Clearance Selbstreinigung der Bronchien
Myositis ossificans Verknöcherung im Muskel durch heterotope Ossifikation
N
Neck-Disability- Index (NDI) Fragebogen zur Schmerzintensität, Sensibilität und Muskel-
funktion bei WAD
Nekrose abgestorbenes Gewebe
XVIII Glossar
13 Q
Quantifikation Zahlenmäßiges Erfassen von Daten
14 Quickwert Thromboseplastinzeit
R
15 RC-Cornett Atemhilfsgerät
Replikation PNF-Technik zur Schulung von Aktivitäten
Rhythmic Initiation PNF-Technik zur Bewegungseinleitung
16 Rhythmic Stabilization PNF-Technik, Rhythmische Stabilisation
Rockwood-Verletzungen Einteilung der Schultereckgelenkverletzungen
17 Rolando-Fraktur Y- oder T-Fraktur des Metakarpale I
Rotatorenmanschette Schultersehnenkappe, bestehend aus den Sehnen der Mm.
teres minor, infra- und supraspinatus, subscapularis
18
S
19 SAL-Knie (self aligning knee replacement) Knieprothese
Scarextractor Kleines Schröpfgerät zur Narbenbehandlung in der Hand-
chirurgie
20 Schanzkrawatte Weiche Schaumstoffstütze nach Halswirbelsäulenverletzungen
Schanzschraube Befestigungsschraube bei einem Fixateur externe
21 Sarmiento-Gips Unterschenkelgips mit Einschluss der Patella
XIX
Glossar
T
Tendovaginitis auch Tenosynovitis, Sehnenscheidenentzündung
TENS Transkutane Elektrische Nervenstimulation
Timing for Emphasis PNF-Technik, Betonte Bewegungsfolge
Tinel-Test Test zur Ermittlung eines Karpaltunnelsyndroms
Tongue-type-Fraktur Frakturtyp einer Kalkaneusfraktur durch senkrechte Gewalt-
einwirkung
Tossy Einteilung der Schultereckgelenkverletzungen
Tuber-Gelenkwinkel Winkel zwischen der Subtalargelenkachse und der Tangente
des tuber calcaneus
Tubercule de Chaput Knochenfragmentabsprengung an der Tibia bei Sprunggelenk-
fraktur
U
UFN Unreamed Femoral Nail, Oberschenkelnagel
V
Vacoped Schiene zur Sprunggelenkstabilisierung
Vario-Resistance-Pressure-Gerät Atemhilfsgerät
VAS Visuelle Analogskala zur Schmerzerfassung
Vasodilatation Weitstellung der Gefäße
Vasokonstriktion Engstellung der Gefäße
Verstärkungstechnik PNF Technik mit Ausnützung von Irradiation durch kräftige
Haltespannung eines Muskels
Virchow-Trias Symptome einer Thrombose
Volkmann-Kontraktur ischämische Schädigung der Muskulatur und der peripheren
Nerven
VRP 1 Desitin-Gerät Atemhilfsgerät »Trillerpfeife«
VRP-Gerät »Flutter« Gerät, das einen veränderlichen Widerstandsdruck erzeugt,
der die Ausatemluft in Schwingungen versetzt (Vario Resis-
tance Pressure)
XX Glossar
W
1 WAD Whiplash Associated Disorder, Schleudertrauma
Winterstein-Fraktur extraartikuläre Fraktur des Metakarpale I
2 Z
Zuggurtung Osteosynthese mit Spickdrähten und Drahtschlaufe
3 Zyklopssyndrom kugelförmige Narbenbildung am Ansatz eines Kreuzband-
transplantats
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1
Behandlungsgrundlagen,
Heilungsprozesse und physiotherapeutische
Behandlungsmöglichkeiten
Die Behandlung Unfallverletzter ist ein wichtiges Aufgabenge- 5 Entstehung von Schmerz und die Möglichkeiten der
1 biet in der Physiotherapie. Physiotherapeuten stellen ihre Fach- Schmerztherapie,
kenntnisse und speziellen Techniken zur Verfügung und stim- 5 angewandte Physik, Trainings- und Bewegungslehre,
2 men in enger Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärzten 5 Elektro-, Kryo- und Wärmetherapie und deren Wirksam-
ihre Maßnahmen und Behandlungsdosierung für den Patienten keit,
ab. Dies ist umso notwendiger geworden, da die Patienten heu- 5 krankengymnastische Behandlungstechniken,
3 te unter dem Zwang der Kostenminderung schon in der frühen 5 Befunderhebung und Untersuchungstechniken,
Heilungsphase einer Verletzung nicht mehr stationär weiterbe- 5 Prävention und Rehabilitation,
handelt werden. 5 Sozialwissenschaften,
4 Das Aufgabengebiet ist heute derart umfangreich, dass eine 5 Krankheitslehre der Chirurgie/Traumatologie, Versorgung
Spezialisierung unumgänglich geworden ist. In der Ausbildung und Stabilitätsgrade der Verletzungen.
5 soll die Grundlage für eine verantwortliche und kompetente Be-
rufstätigkeit vermittelt werden. Planung einer Behandlung
Das Ziel physiotherapeutischer Behandlungen ist die Wie- Im Chirurgie-/Traumatologie-Unterricht lernen die Schüler,
6 derherstellung der bestmöglichen oder vollen Funktion aller die Zusammenhänge zwischen den allgemeinen und speziellen
Strukturen des menschlichen Körpers, um ein selbstbestimmtes Symptomen (charakteristische Symptome/Leitsymptome) ei-
7 Leben in unserer Gesellschaft und Arbeitswelt zu ermöglichen. ner Verletzung und deren Versorgung zu erkennen, Folgeschä-
Symptomorientierte Behandlungen betreffen in erster Linie den für die individuelle Lebenssituation des Patienten wahrzu-
den aktiven Bewegungsapparat und die senso- und neuromo- nehmen und alle Aspekte unter Berücksichtigung des Heilungs-
8 torische Steuerung. Wie inzwischen erforscht, können physio- prozesses in einen Therapieplan einzuordnen. In den einzelnen,
therpeutische Behandlungen einen entscheidenden Beitrag bei den spezifischen Verletzungen zugeordneten Kapiteln werden
der Regeneration verletzter Strukturen leisten. Zur Unterstüt- gesondert Leitsymptome, biomechanische Gegebenheiten, Hei-
9 zung der aktiven Bewegungstherapie werden spezifische passive lungsverlauf und ärztliche Maßnahmen beschrieben.
Maßnahmen, z.B. aus der Manuellen Therapie eingesetzt. Physi- Eine weitere Grundlage für die Planung und Durchführung
10 otherapeuten können ein sensomotorisches und propriozeptives physiotherapeutischer Maßnahmen muss die ganzheitliche und
Training durchführen, wenn z.B. durch Traumen eine sichere lokale, individuelle Befunderhebung/Evaluation sein.
und koordinierte Bewegung verloren ging. Sie verbessern damit Als Standard wird heute das Evaluationskonzept »Internati-
11 die kinästhetische Wahrnehmungsfähigkeit, Ökonomisierung onale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und
und Optimierung von Haltung und Bewegung. Gesundheit« (ICF-Modell) des DIMDI-WHO-Kooperations-
12 Physiotherapeuten haben darüber hinaus pädagogische zentrums (Stand 2005) angesehen (7 Kap. 2.1, ICF-Modell).
Aufgaben zu erfüllen. Sie müssen den Patienten motivieren, mit
seiner Verletzung positiv umzugehen und sich selbständig an Wichtig
13 der Wiederherstellung der Bewegungsfähigkeit zu beteiligen.
In der Checkliste des ICF-Modells werden mentale, sen-
sorische, medizinische und funktionelle Symptome sowie
14 Verhaltensprobleme und Beeinträchtigungen der individu-
1.1 Behandlungsgrundlagen
ellen Lebenssituation ermittelt und gewertet. Physiothera-
15 Grundlegende Kenntnisse peuten sollten diese Befunddokumentationen kennen und in
der Praxis zur Evaluation ihrer Behandlungen, aber auch für
Die Anforderungen an physiotherapeutische Behandlungen
wissenschaftliches Arbeiten nutzen.
in der Traumatologie erfordern grundlegende Kenntnisse und
16 Fähigkeiten der Schüler und der praktizierenden Physiothera-
peuten. Dabei müssen die ärztlichen Ent- und Belastungsvorgaben
17 Folgende fachliche Kenntnisse bzw. Fertigkeiten sollten zur und der jeweilige physiologische Heilungsverlauf der einzel-
Verfügung stehen: nen Strukturen Beachtung finden. Gerade in den letzten Jah-
5 angewandte Anatomie, Bau und Funktion des mensch- ren wurden wichtige Veröffentlichungen im Fachbereich »An-
18 lichen Körpers, gewandte Physiologie« (van den Berg 2001, 2003) auf den Markt
5 Physiologie, Funktion des Herz-Kreislauf-Systems, der At- gebracht, die wissenschaftlich belegen, in welchen Phasen ein
19 mung und der senso- neuro-motorischen Steuerung des Heilungsprozess abläuft. Diese Erkenntnisse können nun von
Bewegungsapparates, Physiotherapeuten bei ihren therapeutischen Tätigkeiten um-
5 angewandte Physiologie, insbesondere Normverhalten und gesetzt werden.
20 Heilungsabläufe verletzter Strukturen und deren Konse- Alle Lerninhalte sind Bestandteil der physiotherapeutischen
quenzen für die Physiotherapie, Ausbildung (s. auch Lehrplan für Berufsfachschulen der Physio-
21 therapie in den verschiedenen Bundesländern, z.B. Bayern).
1.2 Allgemeingültige Begriffsdefinitionen
3 1
Dynamische Muskelarbeit
Als dynamische Muskelarbeit bezeichnet man die Muskelarbeit,
die unter Veränderung der Muskellänge und Muskelspannung er-
folgt. Es gibt zwei Formen der dynamischen Muskelarbeit:
4 Kapitel 1 · Behandlungsgrundlagen, Heilungsprozesse und physiotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten
Diese Fähigkeiten erlauben der Muskulatur, koordinierte Be- Sie stehen entweder im Gleichgewicht (stabile Situation) oder
1 wegungen durchzuführen, z.B.: im Ungleichgewicht, wobei Bewegung mit entsprechender Be-
5 schnell auf unterschiedliche Reize zu reagieren, schleunigung entsteht.
2 5 räumliche, zeitliche dynamische Anforderungen zu diffe-
renzieren, Gelenkstabilität
5 sich wechselnden Situationen anzupassen (Gleichgewicht), Unter Gelenkstabilität in der Bewegungsebene versteht man die
3 5 Bewegungen ausdauernd auszuführen, Fähigkeit eines Gelenks, während des gesamten Bewegungs-
5 Bewegungen unter Zeitdruck präzise und schnell auszu- weges eine adäquate funktionelle Position einzunehmen (Bur-
führen (Reaktion). stein 1997).
4 Unter Gelenkstabilität in der Transversalebene versteht man
Alle afferenten Wahrnehmungen aus Hautsensoren, Muskelspin- die Fähigkeit, laterale Bewegungen, Translations- und Rotati-
5 deln, Sehnen- und Gelenkrezeptoren werden vom ZNS aufge- onsbewegungen so zu kontrollieren, dass der zentrale Knorpel-
nommen und für Körperstellungen und -bewegungen verwertet. bereich bei der Ausführung einer physiologischen Bewegung
Die durch Traumen gestörte Sensomotorik und Proprio- mit adäquater Kompression belastet wird.
6 zeption kann durch ein gezieltes Training verbessert werden.
Ziel ist die Wiederherstellung der Ökonomisierung und Opti- Hebelgesetze
7 mierung der Abstimmung zwischen Bewegung und Haltung. Bedeutung für die physiotherapeutische Bewegungstherapie
Dies geschieht durch Schulung haben auch die Hebelgesetze und ihre Auswirkung auf die Be-
5 des Gleichgewichts, lastung der Körperteile. Eine positive Kraftübertragung ent-
8 5 der statischen und dynamischen Stabilisierung von Mus- steht, wenn der Kraftarm länger ist als der Lastarm; eine ne-
kelketten für einen ökonomischen Bewegungsablauf, gative Kraftübertragung entsteht bei kleinerem Kraftarm. Eine
5 der Stabilität der Gelenke, kleinere Kraft kann also bei entsprechend längerer Entfernung
9 5 der räumlichen und zeitlichen Wahrnehmung und vom Drehpunkt eine größere Last bewegen. Eine größere Kraf-
5 des Reaktionsvermögens. tentwickung, die am kürzeren Hebel ansetzt, beschleunigt die
10 Bewegung einer kleineren Kraft über eine größere Distanz.
In den einzelnen, den speziellen Verletzungen zugeordneten
Kapiteln wird spezifisch auf die Behandlungsmöglichkeiten für > Beispiel
11 ein sensomotorisches Training eingegangen. Das Heben eines schweren Gegenstandes, der nahe am Körper
hochgehoben wird, benötigt weniger Kraftaufwand als das He-
12 ben aus einer vom Körper entfernten Stellung.
Biomechanik
Eine größere Kraftleistung wird erforderlich bei Bewegungen
13 Biomechanische Grundlagenforschungen wurden schon vor ei- im offenen System, wobei die konzentrische oder exzentrische
nigen Jahren in die Lehrpläne der Physiotherapieschulen auf- Muskelarbeit mehr intramuskuläre Bindegewebsanteile bean-
14 genommen. Durch die Autoren der Manuellen Therapie wur- sprucht. Dies hat Bedeutung für die Anwendung von Bewe-
de die Arthrokinematik der Gelenke als Rotations-, Roll- und gungen im offenen System während der Proliferationsphase des
Gleitbewegung definiert. Dabei kann sich ein Gelenkpartner verletzten Bindegewebes.
15 gegen den anderen oder beide gleichzeitig bewegen. Die Bewe- Im geschlossenen System, wenn Fuß oder Hand das Punk-
gung der Gelenkpartner kann linear voneinander entfernend tum fixum bilden, sichert die Muskulatur die Gelenkstellung
(Traktion) oder translatorisch parallel geschehen (Joint play). (aktive Stabilität). Alle Synergisten und Antagonisten arbeiten
16 gleichzeitig; sie sichern und führen die Bewegung und stabili-
Ruhestellung – Verriegelte Stellung sieren die Gelenke. Das passive System beschränkt sich auf sei-
17 Als Ruhe- oder Neutralstellung eines Gelenks bezeichnet man ne kontrollierende Steuerfunktion der muskulären Koordinati-
die Situation, in der alle Kapselanteile gleichmäßig entspannt on (s. auch Übungsbeispiele in den nachfolgenden Kapiteln zu
sind, als verriegelte Stellung die Position kongruenter Gelenk- den speziellen Verletzungen).
18 flächen, in der alle Kapselanteile straff sind. Alle dazwischenlie-
genden Stellungen sind Spielstellungen.
19 Schonhaltungen zur Vermeidung einer Schmerzauslösung 1.3 Heilungsprozess des Bindegewebes
werden als aktuelle Ruhestellung bezeichnet.
Kräfte, die an den Gelenken wirken, sind: Physiologie des Bindegewebes
20 5 die Schwerkraft,
5 die Muskelkraft und Die physiologische Durchblutung und Innervation von Bin-
21 5 der elastische Spannungsgrad des Bindegewebes. degewebe ist bis auf manche knöchernen Ansatzstellen i.A.
1.3 Heilungsprozess des Bindegewebes
7 1
gut. Über die im Gewebe liegenden Gefäße und die interstiti- Wichtig
elle Flüssigkeit erhalten die Zellen ausreichend Sauerstoff und
Nährstoffe. Dies geschieht durch Diffusion und Osmose. Der Ein Bewegungs- und Belastungsreiz erhält und fördert die
Rücktransport von Wasser und Molekülen erfolgt über Diffu- Funktion des Bindegewebes, während Immobilisation und
sion über die interstitielle Flüssigkeit in das Venen-Lymph-Sys- vollständige Entlastung zu einer degenerativen Schädigung
tem. führen.
Seine physiologische Funktion erhält das Bindegewebe über
normale Bewegungsreize, also über Be- und Entlastung (Zug/
Dehnung und Annäherung). Die Durchblutung wird dabei Intensives Mobilisieren einer physiologischen Hypomobilität in
ebenso gefördert wie die Ausrichtung und Organisation der kol- den ersten postoperativen Wochen stört den physiologischen
lagenen Fibrillen und Mikrofibrillen. Die Formveränderungen Heilungsablauf, da Bewegungseinschränkungen in den ersten 4
des Kollagens führen zu einer elektrischen Spannungsänderung Wochen durch sog. wasserlösliche »Crosslinks« (bindegewebige
im Kollagen und im umgebenden Gewebe (piezoelektrischer Brücken) verursacht werden. Erst ab der 6. Woche verändern
Effekt) und geben diesem eine große Zugfestigkeit. sich bei Immobilität die Crosslinks der kollagenen Netzstruktur
Die Kollagensynthese findet eigentlich in allen Gewebe- und führen im weiteren Verlauf zu hartnäckigen Kontrakturen.
strukturen (Knochen, Sehnen, Muskeln, Bändern, Bandschei- Diese veränderten Crosslinks sind nicht wasserlöslich und wer-
ben, Knorpel) statt. Daher kann man davon ausgehen, dass der den als pathologische Crosslinks bezeichnet.
Heilungsprozess für alle verletzten Strukturen ähnlich abläuft. Weit verbreitet ist noch heute die begleitende Kryotherapie
Für den Erhalt der Bindegewebsfunktion in Sehnen und in der Entzündungsphase, oft auch noch darüber hinaus. Auch
Muskeln ist die Muskelkontraktion und -dehnung essenziell Physiotherapeuten haben diesbezüglich sicher Fehler gemacht,
wichtig. Gleiches gilt für Kapseln und Bänder; auch sie müssen auch wenn Eis nur über dem überwärmten Hautgebiet ange-
durch Gelenkbewegungen in vollem Bewegungsumfang diesen wendet wurde und die Patienten angeleitet wurden, die Eiskom-
Be- und Entlastungsreizen ausgesetzt werden. Knorpelstruk- presse unbedingt vor einem auftretenden Kälteschmerz wegzu-
turen (z.B. Bandscheiben, Disken und Menisken) und Kno- nehmen.
chen benötigen für ihre volle Funktion den wechselnden Druck Die kritische Betrachtung der Eisanwendung ist ein Ver-
(Kompression) durch die Schwerkrafteinwirkung und Muskel- dienst von van den Berg (2001, 2003) und muss als Langzeit-
spannung. Die Festigkeit des Knochens entsteht durch Einlage- anwendung aus den Behandlungsplänen verschwinden. In der
rungen von Mineralien (Kalzium) in das Kollagen. beginnenden vaskulären Phase des Heilungsprozesses kann ei-
Diese Erkenntnisse (van den Berg 2001, 2003) spielen für ne kontrollierte milde Eisanwendung sinnvoll sein, später wirkt
die ärztliche Versorgung von Verletzungen, aber auch für die sie einem geordneten Heilungsverlauf eher entgegen und sollte
physiotherapeutische Behandlung eine wichtige Rolle. Osteo- deshalb nicht mehr angewandt werden.
syntheseverfahren ermöglichen eine angepasste Be- und Entla-
stung des heilenden Gewebes, und die Bewegungstherapie för- Wichtig
dert die Durchblutung, den Stoffwechsel und liefert den not-
Van den Berg (2001, 2003) gibt eine Anwendung mit 5–15° C
wendigen Bewegungsreiz für die Funktion der einzelnen Ge-
kaltem Eis für die ersten 10–20 min nach einer Kapsel-Band-
webestrukturen.
Verletzung an, um eine übermäßige Blutung zu stoppen.
Schädigungen des Bindegewebes Später angewandt, schadet eine damit verbundene Vasokon-
striktion dem Heilungsprozess. Übertragen auf die postopera-
Schädigungen können durch zu starke und zu schnelle, ab- tive Phase nach einer Verletzung heißt dies, dass Eis auch nur
rupte Belastung entstehen, wenn das Bindegewebe sich der Ver- in den ersten 20 min sinnvoll angewendet werden soll. Die Ent-
formung nicht langsam anpassen kann (Sehnen-, Kapsel- oder zündungsphase bis zum 5. posttraumatischen/postoperativen
Muskelriss). Eine äußere Krafteinwirkung bei Mobilisationen Tag soll physiologisch ablaufen und den Beginn des Heilungs-
und Dehnungen kann Auslöser für eine Verletzung sein, ebenso prozesses einleiten.
wie eine abrupte Manipulation, wenn sich das Gewebe der Be-
lastung nicht anpassen kann (z.B. bei chiropraktischen Manö-
vern). Eine typische Verletzung ist der Achillessehnenriss infol- Wundheilung
ge eines reflektorischen, abrupten Geschehens beim Tennisspie-
len oder Abrutschen an der Bürgersteigkante. Wie bereits angedeutet verläuft die Wundheilung für alle
menschlichen Gewebe ähnlich ab. Die einzelnen Stadien der
Wundheilung zu kennen, ist heute besonders wichtig, weil früh-
zeitige Rehabilitationsmaßnahmen Therapeuten und Patienten
8 Kapitel 1 · Behandlungsgrundlagen, Heilungsprozesse und physiotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten
häufig dazu verleiten, zu früh zu belasten und zu mobilisieren 2. Proliferationsphase (5. – 21. Tag)
1 oder zu starke Bewegungsreize zu setzen. Ein subtiles Anpassen In der Proliferationsphase soll die Entzündung abgeschlossen
der Maßnahmen an den Heilungsprozess vermeidet Spätfolgen sein. Monozyten, Leukozyten, Lymphozyten und Makrophagen
2 und Rückschritte im Behandlungserfolg.
Van den Berg (2001, 2003) hat durch seine Forschungen
werden langsam abgebaut; das Gewebe wird durch Fibroblasten
und Myofibroblasten neu aufgebaut. Durch die Myofibroblas-
deutlich gemacht, dass ein Gewebe nicht unbedingt durch ein ten wird eine gegen große Belastung schützende Wundkontrak-
3 Ersatzgewebe ausheilen muss, sondern weitgehend seine ur- tion eingeleitet. Auch in dieser Phase ist das Gewebe nicht sehr
sprüngliche Struktur wiedererlangen kann, wenn es physiolo- belastbar und darf nur im Matrixbelastungsbereich bewegt und
gischen, schmerzfreien Bewegungsreizen und Belastungen aus- minimal belastet werden.
4 gesetzt wird. Bestehen schmerzhafte Bewegungseinschränkungen und
Meine therapeutischen Erfahrungen, besonders in frühen Entzündungszeichen, befindet sich das Verletzungsgebiet noch
5 Behandlungszeiten nach operativen Versorgungen immer im immer in einem akuten Reizzustand. Die Schmerzgrenze muss
schmerzfreien Bereich zu behandeln, werden dadurch bestä- unbedingt eingehalten werden.
tigt. Passiv/assistive hubfreie Bewegungen innerhalb der
6 Viele Diskussionen mit Traumatologen und Kollegen be- schmerzfreien Bewegungsgrenze sind Maßnahmen, die den
züglich der Dosierung von Krafteinsatz und Belastung wären Heilungsverlauf in dieser Phase unterstützen.
7 Physiotherapeuten und manchen Patienten erspart geblieben, Überdosierungen, aber auch eine vollständige Immobilisati-
wenn Physiologen schon früher darauf hingewiesen hätten. on fördern die Kontraktur- und Narbenbildung und schädigen
erneut das Gewebe.
8 Wundheilungsphasen Der Körper schützt sich vor weiterer Schädigung durch das
Die Wundheilung der Gewebe (außer Knorpel) läuft in 4 Phasen Freisetzen von Schmerzmediatoren, die ein Warnsignal vor zu
ab, die in . Übersicht 1.2 zeitlich zugeordnet sind. starker Belastung aussenden, indem sie die Reizschwelle der Re-
9 zeptoren senken. Van den Berg (2001, 2003) weist auch in die-
sem Zusammenhang auf die kontraproduktive Langzeit-Eisan-
10 . Übersicht 1.2. Wundheilungsphasen wendung hin. Diese Anwendung hemmt die Aktivität der Re-
1. Entzündungs- oder Reizungsphase, 0 – 5. Tag zeptoren und überspielt das Warnsignal. Der sog. Kälteschmerz
unterteilt in bei einer Langzeit-Eisanwendung bedeutet evt. sogar eine Schä-
11 – vaskuläre Phase 0 – 2. Tag digung der peripheren Nerven durch eine Vasokonstriktion der
– zelluläre Phase 2. – 5. Tag Gefäße in den Nerven.
12 2. Proliferationsphase 5. – 21. Tag Kritisch diskutiert werden sollte, dass der Verletzte in
3. Konsolidierungsphase 21. – 60. Tag der Proliferationsphase meist nicht mehr in stationärer kli-
4. Organisations- oder Umbauphase 60. – 360. Tag nischer Betreuung ist, sondern in eine ambulante oder stati-
13 onäre Rehabilitationseinrichtung verlegt wurde. Das bedeu-
tet, dass bis zum 21. Tag nach der Versorgung einer Verlet-
14 zung intensive Physiotherapie noch nicht angezeigt ist. The-
1. Entzündungsphase (0 – 5. Tag) rapeuten in Rehabilitationseinrichtungen, die häufig kei-
Die Entzündungsphase geht mit allen Parametern einer Entzün- ne Physiotherapeuten sind, verstehen unter Rehabilitati-
15 dung einher und kann als Reparatur des Gefäßsystems bezeich- on Selbständigkeitsschulung und Training. Die Behandlung
net werden. Schon in dieser Phase wird mit der Kollagensyn- spielt sich in Gruppenarbeit, im Bewegungsbad und an iso-
these durch die Bildung der Vorstufe (Kollagen Typ III) des spä- kinetischen Geräten ab. Eine Überforderung ist vorprogram-
16 ter voll funktionsfähigen Kollagens Typ I begonnen, damit die miert, so dass bei Wiedervorstellung der Patienten oft ein
Wunde schnell bindegewebig geschlossen wird. Das Gewebe ist Rückschritt und eine erneute, manchmal irreversible Schä-
17 sehr fragil und in keiner Weise mechanisch belastbar. digung feststellbar sind.
Schmerzangaben müssen als Warnsignal unbedingt Beach-
tung finden und respektiert werden. 3. Konsolidierungsphase (21. – 60. Tag)
18 In dieser Phase soll der Verletzungsbereich entlastet und ru- Als Konsolidierungsphase bezeichnet van den Berg (2001, 2003)
higgestellt werden. die Phase, in der sich das Gewebe durch Vermehrung der Fi-
19 broblasten und einer Umwandlung der Kollagene von Typ III in
Wichtig Typ I langsam stabilisiert. Die Belastbarkeit nimmt deutlich zu,
auch weil sich die Elastizität durch eine vermehrte Produktion
20 Auf einen ungestörten Wundheilungsverlauf ist unbedingt
der Grundsubstanz verbessert.
Rücksicht zu nehmen. Deshalb dürfen sterile Verbände erst
Dieser Zeitraum lässt eine kontinuierliche, stufenweise Be-
nach ärztlichen Angaben abgenommen werden.
21 lastungssteigerung zu, die sich an der Funktionsverbesserung
1.3 Heilungsprozess des Bindegewebes
9 1
orientiert. Am Ende des Zeitraumes wird oft eine volle Bela- Wichtig
stung erlaubt.
In dieser Phase, in der eine medizinische Rehabilitation mit Immobilisation und kalziumarme Ernährung führen zu
angepasster Muskelarbeit, schonender Mobilisation der Gelenke Demineralisierung des Knochens und Inaktivitätsatrophie.
und steigender Anforderung in der Gehschulung erfolgen sollte,
werden Patienten nach 3-wöchiger Rehabilitationszeit, i.d.R.
nach dem 28. Tag nach Hause entlassen. Vor allem ältere Men- Für eine möglichst physiologische Knochenbruchheilung gibt
schen, aber auch Familienmütter haben kaum eine Möglichkeit, es in der Literatur ähnliche Angaben wie für die Bindegewebs-
eine ambulante Rehabilitationseinrichtung aufzusuchen. Oft heilung.
erhalten sie gar keine Verordnung für weitere Behandlungen. Grundsätzlich läuft die Knochenheilung, vergleichbar mit
Mit einer adäquaten Belastung und Bewegungstherapie hinge- der Heilung des Bindegewebes (. Übersicht 1.2), auch in 3–4
gen könnte sich das verletzte Gewebe regenerieren und sich zu Stadien ab.
einem nahezu normalen Gewebe entwickeln.
1. Entzündungsphase (3–4 Tage)
4. Organisations- oder Umbauphase (60. – 360. Tag) Die Knochenheilung beginnt mit der Entzündungsphase, die
Zwischen der Konsolidierungs- und der Organisationsphase allerdings kürzer ist als der Heilungsverlauf der bindegewebigen
besteht ein fließender Übergang. Bis zum 120. Tag ist die Kolla- Strukturen.
gensynthese hoch, dann reduziert sie sich, so dass ab dem 150. Schmerz- und Entzündungsmediatoren werden freigesetzt.
Tag fast alle Kollagene Typ III durch stabiles Kollagen Typ I er- Makrophagen, Leukozyten, Mastzellen und Osteoklasten wan-
setzt sind. Für den Umbau sind Fibroblasten zuständig. dern in das zerstörte Gewebe ein. Letztere sorgen für die Re-
Durch Immobilisation bzw. Überbelastung kann dieser Hei- sorption des zerstörten Gewebes und der nekrotischen Kno-
lungsprozess jedoch nicht normal ablaufen, und es kommt evt. chenteile. Es entsteht ein ausgeprägtes Hämatom. Dieser Pro-
zu bleibenden Kontrakturen und Bewegungseinschränkungen. zess dauert nur 3–4 Tage.
Angepasstes Bewegen und Belasten sind wichtige Behand-
lungskriterien in den Heilungsphasen 2, 3, und 4 und trägt dazu 2. Proliferationsphase (ca. 3 Wochen)
bei, dass sich wieder ein belastbares Gewebe aufbauen kann. Langsam wandern Mesenchymzellen in das Verletzungsgebiet
ein, die sich zu Myofibrozyten, Chondroblasten und Osteoblas-
Wichtig ten entwickeln, und es entsteht eine Wundkontraktion (Granu-
lationsgewebe). Die Revaskularisierung erfolgt aus dem umge-
5 Nach 6–10 Wochen soll das verletzte Bindegewebe 60%
benden Gewebe.
seiner ursprünglichen Zugkraft wiedererlangt haben.
In dieser Phase werden v.a. Kollagenfasern Typ I, aber auch
5 Zwischen 2–6 Monaten kann das Bindegewebe sei-
Typ II und III synthetisiert. Sie bilden ein knorpelähnliches Ge-
ne funktionelle Anpassung erreicht haben. Bei entspre-
webe, weichen Kallus, womit die Fraktur eine erste Ruhigstel-
chendem Befund können Dehnformen im kollagenen
lung erfährt.
Bereich angewandt werden. Dabei sollen keine Schmer-
zen ausgelöst werden.
3. Konsolidierungsphase (ca. 6 Wochen)
5 Nach 12 Monaten ist der Umbau abgeschlossen; es hat
Der weiche Kallus wird etwa während des folgenden Monats
sich ein normales Bindegewebe entwickelt. Eine volle Be-
zum Fixationskallus umgebaut, der die Fraktur ruhigstellt und
lastbarkeit sollte erreicht sein.
vor weiterer Verletzung schützt.
Proliferations-, Konsolidierungs- und Umbauphase gehen
ineinander über und variieren je nach Knochengröße.
unter Kompression der Fragmente kann ohne äußere Kallusbil- lastung fließt sie wieder zurück. Dieser Vorgang wird »Creep«
1 dung ablaufen. und »Stress relaxation« genannt.
Konservative Frakturversorgungen zeigen einen endostalen Negativ auf die Erhaltung der Korpelstruktur und deren
2 und periostalen Kallus.
Traumatologen gehen i.A. von einer 6- bis 8-wöchigen Frak-
Funktion wirkende Einflüsse sind:
5 Verletzungen,
turheilungszeit aus, wenn sie eine Belastungssteigerung von Mi- 5 chronische Entzündungen,
3 nimal- zu Teilbelastung verordnen. Nach 12 Wochen kann i.d.R. 5 Hämarthros,
eine Vollbelastung erarbeitet werden, was nach van den Berg 5 Kortisongaben,
(2001, 2003) dem Abschluss der Umbauphase entspricht. 5 einseitige Belastung, Überbelastung, Übergewicht,
4 Der jeweilige Stabilitätsgrad richtet sich jedoch auch nach 5 Immobilisation, Bewegungsmangel, Unterbelastung,
der Osteosynthese, den Muskel- und Gelenkfunktionen und 5 Erwärmung eines Gelenks über ca. 30°,
5 der Fähigkeit der Verletzten, die Belastung schmerzfrei in All- 5 zunehmende Verknöcherung des Knorpels.
tagsfunktionen umzusetzen (s. auch spezielle Kapitel der spezi-
fischen Verletzungen und deren Heilungsphasen). Nach Salter (1980, 1989) und van den Berg (2001, 2003) ist ei-
6 ne Regeneration des Knorpels nach Verletzung möglich, v.a. bei
Wichtig kleineren Rissen. Fraglich ist eine Heilung von größeren Verlet-
7 Der physiologische Heilungsverlauf einer Verletzung wird
zungen, auch in Kombination mit einem Trauma im subchon-
dralen Bereich. Die Bildung von Faserknorpel und die Ein-
bestimmt durch Parameter wie:
sprossung von Gefäßen sollen dabei Ursache für die Entstehung
8 5 Verletzungsart,
einer Arthrose sein.
5 ärztliche Versorgung,
Van den Berg (2001, 2003) gibt für die Knorpelregenerati-
5 erreichter Stabilitätsgrad,
on keine exakten Heilungsphasen an, jedoch kann man die für
9 5 physiotherapeutische Behandlung,
Knochen und Bindegewebe benannten Heilungsverläufe ver-
5 Verhalten des Verletzten.
gleichend heranziehen.
10 Effektiv ist in den ersten 3 Wochen eine Behandlung, in der
Physiotherapeuten können und müssen ihre Fachkenntnisse entlastetes Bewegen und Techniken mit angepasster Kompressi-
und Techniken zur Verfügung stellen und Bedingungen schaf- on im Wechsel eingesetzt werden.
11 fen, die positiv auf die Regeneration der Gewebe wirken. Eine Gehen mit Minimal- oder Teilbelastung (je nach Verord-
falsche Dosierung und Behandlungsauswahl beeinflussen den nung), aktive hubarme anguläre Bewegungen, passive Bewe-
12 Heilungsprozess negativ. gungen und Techniken der Manuellen Therapie mit/ohne in-
Die wichtigsten physiotherapeutischen Maßnahmen sind termittierende Kompression sowie Gleittechniken unterstützen
schmerzfreie Bewegungen in einer der jeweiligen Heilungspha- die Heilung des Knorpels.
13 se angepassten Dosierung.
Wichtig
14 Immer sind Symptome wie
Knorpelheilung
5 Schmerz,
15 Auch der hyaline Gelenkknorpel ist eine Form des Bindege- 5 bestehende Entzündungszeichen und
5 Gelenkeinschränkungen
webes (überwiegend Kollagen Typ II), mit der Funktion, Rei-
Warnzeichen, an denen Physiotherapeuten die Dosierung
bungs-, Scher- und besonders Druckkräfte abzufangen. Die Sy-
16 novialflüssigkeit unterstützt diese Funktion und ist Lieferant ihrer Maßnahmen ausrichten sollten. Da der Knorpel keine
Innervation besitzt, wird Schmerz nur über den subchon-
der Nährstoffe. Die Makromoleküle der Matrix binden sehr viel
17 Wasser und wirken v.a. in der oberflächlichen Schicht wie ein dralen Raum produziert. Die Dosierung muss deshalb immer
sehr niedrig gehalten werden.
Wasserkissen. Die unterste kalzifizierte Knorpelzone verbindet
Alle Maßnahmen müssen im schmerzfreien Bereich durch-
sich mit dem Knochen.
18 Unter Druck verformt sich der Gelenkknorpel; Wasser geführt werden!
wird zum Ort des niederen Druckes bewegt und bei Entlastung
19 wieder zurückgegeben. Durch Osmose und Diffusion werden
Nährstoffe und Sauerstoff von der Synovialflüssigkeit und aus
dem subchondralen Knochen in den Knorpel abgegeben.
20 Auch die Synovialflüssigkeit erfährt diese Druckwelle und
verschiebt sich in den subchondralen Knochenbereich; bei Ent-
21
1.4 Physiotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten
11 1
1.4 Physiotherapeutische enten mit Verletzungen der oberen Extremität können im ge-
Behandlungsmöglichkeiten schlossenen System das Abstützen auf weichen Materialien, ge-
gen die Wand oder einen Tisch üben.
Nachfolgend werden physiotherapeutische Maßnahmen vorge- Zum Schutz gegen Überlastung kann ein Tapeverband/eine
stellt, die den Heilungsprozess der aktuellen Heilungsphase po- Orthese angelegt werden.
sitiv beeinflussen.
3./4. Konsolidierungs- und Umbauphase
1. Entzündungsphase 5 Steigerung der Bewegungstherapie mit Bewegungen in der
5 Entlastung der verletzten Region. geschlossenen Kette und freien komplexen Bewegungen
5 Hochlagerung. (PNF) gegen manuellen Widerstand und Geräte.
5 Schmerzfreies, assistives oder passives Bewegen und Span- 5 Mobilisation mit intermittierender Traktion oder Kom-
nen im Matrixbelastungsbereich. Solange die Redon-Drai- pression (je nach Strukturbefund).
nage liegt, nur isometrisches Spannen; kontralaterale Seite 5 Mobilisation in der Funktion der Gelenke.
bewegen, wenn unverletzt. 5 Übergang (nach Befund) zu medizinischem Training: Stei-
5 Bei konservativer Versorgung auch Manuelle Lymphdrai- gerung der Intensität und Wiederholungen zur Verbesse-
nage. rung der Ausdauer, Flexibilität, Kraft, Koordination und
5 Eisanwendung nur in den ersten 10–20 min nach dem Schnelligkeit. Auch dabei müssen Schmerzfreiheit und
Trauma (Erste Hilfe) oder postoperativ. funktionelle Anpassung an die Anforderung berücksichti-
gt werden.
2. Proliferationsphase 5 Steigerung des propriozeptiven, sensomotorischen Trai-
5 Verbesserung der Durchblutung und Stoffwechselsituation nings: Stehen, Gehen, Treppensteigen, Laufen, Springen
durch Maßnahmen der Physikalischen Therapie. in allen Variationen, auf Fußkreisel, Brettchen, Kippbrett,
5 Schmerzfreies assistives, aktives oder passives Bewegen im Schaukelbrett, Trampolin und auf verschiedenen Boden-
Matrixbelastungsbereich. belägen.
5 Funktionelle Belastung in der vom Arzt vorgegebenen Be- Die Dosierung orientiert sich am Funktionsbefund, z.B. an
lastungsstufe, mit/ohne Tapeverband oder Orthese, funkti- der koordinierten, exakten Ausführung der Übungen. Zu-
onelles Beinachsentraining auf Waagen. nächst werden statische, dann dynamische Bewegungs-
5 Techniken zur Schmerzreduktion. und Kombinationsformen gewählt.
5 Niedrig dosierte Techniken der Manuellen Therapie, in- Zielsetzung in der Konsolidierungs- und Umbauphase ist
termittierende Traktion und Kompression im Matrixbela- die Verbesserung der
stungsbereich, im Wechsel mit natürlichen dynamischen – Gelenkbeweglichkeit,
Bewegungen, die den Sympathikustonus (Schutzspan- – Koordination,
nung) senken. – Propriozeption,
– Ausdauer und
! Cave – Kraft
5 Keine intensiven Mobilisationsmaßnahmen in den ersten – für alle vom Patienten gewünschten Aktivitäten. Die
4 Wochen! Patienten sollen so weit wie möglich wieder am gesell-
5 Keine Schmerzauslösung! schaftlichen Leben teilhaben können.
In Rehabilitationseinrichtungen wird vermehrt das Üben
Wichtig ist es, den Patienten in die Behandlungsplanung ein- im Bewegungsbad eingesetzt. Bei einer Wassertemperatur
zubeziehen. Nur wenn ein Patient gut informiert ist und weiß, von ca. 30 °C werden Patienten i.d.R. 20 min im Wasser be-
wie der Heilungsprozess abläuft, dass seine Schmerzangaben handelt. Selbständiges Üben muss kritisch, v.a.in der frü-
respektiert werden und sein Bewegungsverhalten dem Hei- hen Heilungsphase, diskutiert werden. Grundsätzlich sol-
lungsverlauf dient, kann eine physiologische Regeneration in len Physiotherapeuten die Bewegungen im Wasser ihren
schnellstmöglicher Weise erfolgen. Behandlungszielen zuordnen, die Ausführung kontrollie-
Komplexe Übungsformen, die die intra- und intermuskuläre ren und die Wirkung überprüfen. Gehübungen im Wasser
Koordination verbessern, sind sinnvoll. Sie sollen sich an der sind in Einzelfällen angebracht, sie sollten jedoch der re-
Funktion des betroffenen Gewebes orientieren und sowohl in alen Gehsituation entsprechen. Belastbare, sportliche Pati-
der geschlossenen Kette (Bizzini 2000) als auch in freier Form enten können in dieser Phase Aquajogging machen.
dem natürlichen Bewegungsverhalten entsprechen.
Bei Verletzungen der unteren Extremität werden die
Übungen entsprechend der vorgegebenen Belastungsstufe im
Stand, hohen Sitz und in der Fortbewegung ausgeführt. Pati-
12 Kapitel 1 · Behandlungsgrundlagen, Heilungsprozesse und physiotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten
1.5 Literatur
1
Brokmeier A (1995) Manuelle Therapie. Enke, Stuttgart
Brügger A (1980) Die Erkrankungen des Bewegungsapparates und seines
2 Nervensystems. G. Fischer, Stuttgart
Burstein A, Wright M (1997) Biomechanik in Orthopädie und Traumatolo-
3 gie. Thieme, Stuttgart New York
Jerosch J, Heisel J (2004) Das Kniegelenk, Rehabiltation nach Verletzun-
gen und operativen Eingriffen. Pflaum, München
4 Krämer J, Grifka J (2001) Orthopädie. Springer, Berlin Heidelberg New
York
Loeweneck H, Liebenstund I (1994) Funktionelle Anatomie für Krank-
5 engymnasten. Pflaum, München
Spirgi-Gantert I, Suppé B (2007) FBL Klein-Vogelbach, Functional Kinetics,
6.Aufl. Springer, Heidelberg Berlin New York Tokio
6 Klein-Vogelbach S, bearbeitet von Werbeck B und Spirgi-Gantert I (2000)
Funktionelle Bewegungslehre. Springer, Berlin Heidelberg New York
Van den Berg F (2003) Angewandte Physiologie, Bd 1, 2. Aufl. Thieme,
7 Stuttgart New York
Van den Berg F (2001) Angewandte Physiologie, Bd 3. Thieme, Stuttgart
New York
8 Weigel B, Nerlich M (2005) Praxisbuch Unfallchirurgie, Bd 1, 2. Springer,
Berlin Heidelberg
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
2
Behandlungsplanung, Befunderhebung
Beh
2.2 Planung der physiotherapeutischen Die von der DGU (Stand 2007) angegebenen Stabilitätsgrade/
Behandlung, Kriterien Belastungsstufen der jeweiligen Heilungsphasen des verletzten
und Dosierung der Bindegewebes geben eine Basisbelastungsstufe an, die vom Pa-
Behandlungsmaßnahmen tienten unter Anleitung des Physiotherapeuten funktionell ge-
sichert werden sollte.
Planung der physiotherapeutischen Die Stabilität einer Osteosynthese, Bandnaht oder Gelenk-
Behandlung stellung wird nach DGU-Kriterien eingeteilt in:
5 Lagerungsstabilität,
Ist die Sammlung der Symptome abgeschlossen, werden sie in- 5 Bewegungsstabilität,
terpretiert und den einzelnen Behandlungsschritten schwer- 5 Belastungsstabilität und
punktmäßig zugeordnet. 5 Trainingsstabilität.
Dem ICF-Aspekt der »patientenorientierten Formulierung
von Behandlungszielen« folgend werden Nah- und Fernziele ge- Die Kriterien für einen mittels operativer Maßnahmen erreich-
meinsam mit dem Patienten festgelegt. Kenntnisse über Um- ten Stabilitätsgrad sind in . Übersicht 2.2 zusammengefasst.
weltfaktoren (z.B. zugänglicher Arbeitsplatz, Hilfsmittel) und
personenbezogene Faktoren (z.B. Trainingszustand, Compli-
ance, Motivation) fließen in die Zielentscheidung mit ein. An- . Übersicht 2.2. Stabilitätskriterien
hand der Zielvorgabe werden Funktionsfähigkeit der verletzten Stabilitätskriterien bei Osteosynthesen sind:
Struktur, mögliche Alltagsaktivitäten und Partizipation des Pa- 5 Plattenlage, Plattenlänge,
tienten am gesellschaftlichen Leben ermittelt und im ICF-Do- 5 Schraubenanzahl, Schraubensitz, Zugrichtung der
kumentationsbogen (. Abb. 2.1 b, Anhang) festgehalten. Die Schrauben,
Ziele, die der Patient erarbeiten und erreichen möchte, sind Teil 5 schlüssiger Sitz eines Nagels,
des Behandlungsplanes. 5 exakte Verriegelung,
Die Zielsetzung der einzelnen Behandlungsschritte ergibt 5 straffe Zuggurtungslage.
sich aus: Stabilitätskriterium bei Bandnähten/-plastiken und Luxa-
5 dem Behandlungsplan, tionen ist
5 dem Heilungsverlauf, 5 eine schmerzfreie und sichere Gelenkführung bei Be-
5 der ärztlichen Vorgabe, wegung und Belastung.
5 den biomechanischen Gesichtspunkten und Die Bein-Becken-Rumpf-Achse muss bei physiologischer
5 dem aktuellen Funktionsbefund. Belastung stabil gehalten werden können.
Stabilitätskriterien bei Endoprothesen sind:
Es wird eine Auswahl von Maßnahmen und Techniken getrof- 5 feste Verankerung im Knochen,
fen, die nach heutigem Wissensstand den Heilungsprozess der 5 schmerzfreie Muskelführung und
geschädigten Struktur unterstützen. In Absprache mit dem ver- 5 Belastungsfähigkeit der Extremität.
antwortlichen Arzt wird die Dosierung der physiotherapeu-
tischen Maßnahmen entsprechend dem Ausmaß der Struktur-
schädigung und dem Heilungsverlauf bestimmt. Dies gilt be-
sonders für die Belastung der Gewicht tragenden Körperteile. Physiotherapeuten müssen die strukturbezogenen Stabilitäts-
kriterien bei der Auswahl und Dosierung ihrer Maßnahmen
berücksichtigen.
Kriterien für die Behandlungsdosierung
Wichtig
Die Belastungsfähigkeit wird anhand der Röntgenbilder und
Die durch die ärztliche Versorgung (operativ/konservativ)
anderer Bild gebenden Verfahren bestimmt. Nicht alle Physio-
ereichte Stabilität muss eingehalten werden.
therapeuten können diese sicher beurteilen, sie können jedoch
funktionelle Fähigkeiten in die Diskussion über eine evt. Bela-
stungssteigerung einbringen. Das Röntgenbild stellt nicht das
alleinige Kriterium für die Behandlungsdosierung dar. Weitere Aspekte der physiotherapeutischen Behandlung
positive Kriterien für eine neue Belastungsstufe sind: Grundsätzlich hat sich die struktur- und aktivitätsbezogene phy-
5 Schmerzlosigkeit beim Umsetzen der aktuellen Belastung- siotherapeutische Behandlung bei Unfallverletzten durchge-
stufe und setzt.
5 ein koordinierter Bewegungsablauf über eine längere Zeit. Traumatologen vertreten heute die Lehrmeinung, dass die
völlige Entlastung der unteren Extremität nach einer mecha-
16 Kapitel 2 · Behandlungsplanung, Befunderhebung
nisch stabilen osteosynthetischen Versorgung der Fraktur un- Warnzeichen bedeuten nicht zwingend den Abbruch der physi-
1 günstig ist. Die Knochenheilung benötigt einen dosierten axi- otherapeutischen Behandlung; sie zeigen jedoch ein Zurückstu-
alen Druck. fen der Dosierung an, z.B. durch:
2 Ein verständiger Patient darf schon nach wenigen Tagen 5 Entlastung,
mit minimaler Belastung, die etwa einem Zehntel des Körperge- 5 Tragen von Antithrombosestrümpfen,
wichts entspricht, aufstehen. 5 medikamentöse Behandlung oder
3 Diese Belastungsstufe erlaubt neben Bewegungen in der ge- 5 niedrig dosierte Bewegungstherapie.
schlossenen Kette (Fuß ist auf dem Boden abgestellt) zudem ak-
tive, assistive und passive Bewegungen. Die heute in der postoperativen Phase (Entzündungspha-
4 Beim ersten Aufstehen wird die Spontanbelastung der Ex- se) durchgeführte Schmerztherapie sollte in die Behandlungs-
tremität auf der Waage ermittelt. In der weiteren Gehschulung planung einbezogen werden. Die Patienten erhalten individu-
5 (Drei-Punkte-Gang) wird die verordnete Belastung auf der ell nach Schmerzangabe oder auch routinemäßig für ca. 3 Tage
Waage eingeübt und kontrolliert. Schmerz reduzierende Medikamente. Diese wirken i.d.R. zen-
Wegen der heutigen kurzen Klinikaufenthalte werden dem tral und sollen mit einem Magenschutzmittel kombiniert einge-
6 Patienten bei der Entlassung exakte Verhaltensregeln und ein nommen werden. Beachtet der Physiotherapeut die erste Hei-
fortführendes Selbstübungsprogramm mit nach Hause gege- lungsphase als Entzündungsphase und schafft Rahmenbedingu-
7 ben. nen für
Der Patient muss darüber informiert sein, mit welchem Ziel 5 eine gute Durchblutung des Verletzungsgebietes,
er bestimmte Übungen machen soll, wieviel und wie lange er 5 eine schmerzfreie Lagerung und
8 belasten darf, und er muss die Belastung regelmäßig auf der 5 assistive Bewegungsformen im schmerzfreien Bereich,
Waage kontrollieren. kann die medikamentöse Schmerzdurchbrechung auf kurze
Patienten, die in eine Rehabilitationsklinik, Physiotherapie- Zeit begrenzt werden. Längerfristig sollte eine Schmerzmittel-
9 praxis oder ambulante Tagesinstitution überwiesen werden, er- gabe kritisch gesehen werden, da die Schutzfunktion (Schmerz-
halten für die weiterbehandelnden Kollegen einen Verlegungs- meldung) bei falscher Belastung des heilenden Gewebes verlo-
10 brief (. Abb. 2.10, Anhang). ren geht.
In der Proliferationsphase (5. – 21. Tag) sollte die Entzün-
dungsphase abgelaufen sein (7 Kap. 1). Wichtig
11 Treten Warnzeichen auf, die ein Weiterbestehen der Entzün-
Physiotherapeuten müssen der Schmerztherapie große
dung anzeigen, soll der Patient sofort den Arzt aufsuchen.
Beachtung schenken, da der Schmerz als Schutzfunktion
12 ausfällt (7 Kap. 3.3).
Wichtig
16
17
18
19
20
21
2.2 Planung der physiotherapeutischen Behandlung, . . .
17 2
Befunderhebung
1 Notieren und
Bewerten
5 Schmerzen, notiert nach der visuellen Analogskala ( VAS 1–10, . Abb. 2.2 b): in Ruhe, bei Bewegung, bei mini-
maler Belastung, bei Teil- und Vollbelastung,
– Schmerzlokalisation,
2 – Schmerzintensität,
– Schmerzcharakteristik: tagsüber/nachts, andauernd/wechselnd, strukturbezogen/diffus),
– Schmerzprovokation,
3 – Schmerzverminderung.
5 Sensibilität/Sensomotorik:
– Grob- und Feinsensibilität,
4 – Zwei-Punkte-Diskriminierung,
– Temperaturempfinden,
5 Tiefensensibilität/Sensomotorik:
5 – Lageempfinden der Extremitätengelenke ohne optische Kontrolle bei Lagerungsstabilität,
– Stellungsempfinden der Gelenke in der aktuellen Belastungsstufe bei Bewegungs- und Teilbelastungsstabi-
6 lität.
5 Medikation: z.B. sedierende oder Schmerz stillende Medikamente, Markumar, Insulin etc.
5 Andere Beschwerden: z.B. Schlaflosigkeit, Konzentrationsschwäche, Sehstörungen, Hörprobleme.
7 5 Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL):
– Körperpflege, Selbständigkeit, Mobilität,
– Belastbarkeit auf der Waage, im Sitzen, Stehen, Gehen.
8 – Hand- und Armaktivitäten,
– Umgang mit Hilfsmitteln.
5 Individuelle Behinderung in der selbständigen Lebensgestaltung, im Beruf, beim Sport.
9 5 Kontakt- und Übungsbereitschaft:
– Umgang mit der Situation,
– Kooperationsfähigkeit,
10 – Motivation,
– Bewusstseinslage.
5 Teilhabe an der Gesellschaft, z.B.:
11 – allgemeine Umwelt- und personenbezogene Faktoren
– soziales Umfeld, Lebensraum,
12 – Gender-spezifische Faktoren,
– Alter,
– sozialer Hintergrund,
13 – Migrationshintergrund,
– Bildung, Beruf, Erziehung,
– Erfahrungswerte (7 Kap. 3–21, Befunderhebung der spezifischen Verletzung).
14
15
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17
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19
20
21
2.3 Anhang
19 2
2.3 Anhang
Funktionsbefund
Patientenanamnese, ICF-Dokumentation (. Abb. 2.1 a, b)
Operation: Datum:
Verletzungsstrukt:ur
Stabilitätsangaben im
Operationsbericht,
Röntgenbefund, andere Dorsoplantar D orsoplantar
bildgebende Verfahren
Procedere:
Medikamente
Unfallanamnese:
Körperstruktur/
Körperfunktion
Aktivitäten
Partizipation
Umweltfaktoren
Personenbezogene Faktoren
. Abb. 2.1a.
21
19
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20
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14
13
12
11
10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
20
ICF- Dokumentation
Diagnose Behandlungsziel:
. Abb. 2.1b.
Struktur / Funktion Aktivität Partizipation
Patient
.
Kapitel 2 · Behandlungsplanung, Befunderhebung
Therapeut
Umweltfaktoren Personenbezogene Faktoren
(-) Oft unzugängliche Arbeitsplätze (+) ausgezeichneter Trainingszustand
(-) Hohe Gewichte und keine Hilfsmittel (+) sehr gute Compliance
(+) hohe Motivation
2.3 Anhang
21 2
Körperfunktionen:
b110 Funktionen des Bewusstseins
b130 Funktionen der psychischen Energie
und des Antriebs
b134 Funktionen des Schlafes
b152 Emotionale Funktionen
b180 Die Selbstwahrnehmung und die
Zeitwahrnehmung betreffende
Funktionen
b260 Die Propriozeption betreffende
Funktionen
b265 Die Berührung betreffende Funktionen
Sensibilität:
o = Anästhesie
Ø = Hypästhesie
≠ = Hyperästhesie
= Parästhesie
ªª
b280 Schmerz
Subiektjve Schmerzangaben:
VAS-Skala: Ruhe: Lokalisation: Qualität:
. Abb. 2.2a.
22 Kapitel 2 · Behandlungsplanung, Befunderhebung
1
2
3 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
4 . Abb. 2.2b.
5
6
7
8
9
10
11
12
13
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15
16
17
18
19
20
21
2.3 Anhang
23 2
b440 Atmungsfunktionen
Atmung:
Sekret:
Sonstige Auffälligkeiten:
Belastung
b525 Defäkationsfunktionen
b620 Miktionsfunktionen
b710 Funktionen der Gelenkbeweglichkeit
. Abb. 2.3.
24 Kapitel 2 · Behandlungsplanung, Befunderhebung
Temperatur:
5
Verschieblichkeit der Narbe:
6 Sonstige Körperfunktionen
7
8 Aktivität und Partizipation:
13 Gang:
Spontanbelastung: Hilfsmittel:
14 Gehstrecke:
16
17 Sonstige Anmerkungen:
21 . Abb. 2.4.
2.3 Anhang
25 2
Umweltfaktoren
Ausmaß der Unterstützung/Behinderung durch Umweltfaktoren:
o 1- 2- 3- 4-
keine leichte mäßige erhebliche völlige Barriere 8 9
Barrierel nicht nicht
Förderfaktor 1+ 2+ 3+ 4+ beurteilbar anwendbar
Leichter mäßiger erheblicher völliger Förderfaktor
. Abb. 2.5.
21
20
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10
9
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7
6
5
4
3
2
1
26
BEHANDLUNGSPLANUNG UND Datum:
VERLAUFSDOKUMENTATION
Ziel-
Intervention Instrument I AW ZW VW1 VW2 VW3 VW4 VW5 VW6 SW
Mediator
Testverfahren
Kapitel 2 · Behandlungsplanung, Befunderhebung
Mediatoren Testverfahren
Behandlungsplanung, Verlaufsdokumentation (. Abb. 2.6)
. Abb. 2.6.
2.3 Anhang
27 2
Zusatzbefunde
Muskelfunktionstest (. Abb. 2.7 a, b)
Arbeitsbogen
Muskeltest
Obere Extremität
Links Rechts
fer
Prü
Segmentale Innervation
Arbeitsbogen
1
Muskeltest
2 Rumpf und untere Extremitäten
Links Rechts
3
fer
Prü
Segmentale Innervation
4 Datum Muskel Nerv
Th 10
Th 11
Th 12
Th 1
Th 2
Th 3
Th 4
Th 5
Th 6
Th 7
Th 8
Th 9
L1
L2
L3
L4
L5
5 Mm. obliquii abd. ext. / int. Nn. intercostales
7
Th 10
Th 11
Th 12
Th 1
Th 2
Th 3
Th 4
Th 5
Th 6
Th 7
Th 8
Th 9
L1
L2
L3
L4
L5
8
Links Rechts
9
Segmentale Innervation
10 Muskel L L L L L S S S S S
1 2 3 4 5 1 2 3 4 5
Nerv
M. iliopsoas N. femoralis et
11 plexus lumbalis
Mm. adductores N. obturatorius
12 M. quadriceps femoris N. femoralis
M. tensor fasciae latae N. glutaeus superior
M. tibialis anterior N. peronaeus profundus
13 M. extensor hallucis long. N. peronaeus profundus
Mm. extensores digitorum long. N. peronaeus profundus
14 Mm. glutaei med./min. N. glutaeus superior
M. semitendinosus N. tibialis
M. semimenbranosus
15 M. biceps femoris N. ischiadicus et
N. peronaeus comm.
16 M. triceps surae N. tibialis
M. tibialis post. N. tibialis
Mm. peronaei long./brev. N. peronaeus super ficialis
17 M. glutaeus maximus N. glutaeus inferior
Mm. flexores digitorum long. N. tibialis et
18 N. plantaris medialis
Mm. flexores hallucis long./brev. N. tibialis et
N. plantaris med./lat.
19 L L L L L S S S S S
1 2 3 4 5 1 2 3 4 5
20 . Abb. 2.7b. Arbeitsbogen Muskeltest, Rumpf und untere Extremität
21
2.3 Anhang
29 2
Arbeitsbogen
Physiotherapeutischer Atembefund:
PatientIn: Datum:
Diagnose:
Anamnese:
2. Atemform:
– Ast.:
– Atemweg:
– Atemnebengeräusche:
– Atembewegungen: kostosternal: kostoabdominal:
– Atemhilfsmuskeleinsatz: inspiratorisch: exspiratorisch:
– Atemfrequenz:
– Atemrhythmus:
– Atemzeitquotient:
– Sprechdauer:
3. Thorax, -Beweglichkeit:
Wirbelsäule:
– Thoraxform, Einziehungen?
– Bauch:
– Muskulatur:
– Haut – Gewebe:
– Thoraxbeweglichkeit: Umfangmessung in Atemruhelage, max. Inspiration und maximaler Exspiration
1
Messstelle ARL maximale Inspiration maximale Exspiration Differenz
2
Achsel
3
Sternumspitze
4
untere Thoraxapertur
5
4. Haut:
6
– Farbe:
– Lippen:
7
– Gesicht:
– Nase – Munddreieck:
8
– Extremitäten:
9
5 . Pul s : RR:
– Frequenz:
10 – Rhythmus:
– Füllung:
11
6. Belastbarkeit:
12 – subjektive Angabe des Patienten
13 AF/min:
14 Dyspnoe:
15 Puls:
16 Cyanose:
17 Blutdruck:
19 Bemerkungen
Datum:
Ganganalyse
Betroffene Seite
Frontale Ebene IC LR MST TS PSw ISw MSw TSw Schrittfrequenz pro Min
Rumpfverlagerung Orthese/Prothese
Ganganalyse (. Abb. 2.9)
. Abb. 2.9. IC initial contact/Fersenkontakt. LR loading response/Fußsohle aufsetzen. MST midstance/mittlere Standphase. TS terminal stance/Fersenabdruckphase.
PSw pre-swing/Beginn der Schwungphase. MSw mid-swing/mittlere Schwungphase. TSw terminated swing/Ende der Schwungphase
2
32 Kapitel 2 · Behandlungsplanung, Befunderhebung
Operationsdatum:
7
Versorgung:
8
9 Stabilität:
Dorsoplantar D orsoplantar
10
11 Procedere:
12
13 Unfallanamnese:
14
Körperfunktion
15
Aktivitäten
16
Partizipation
17
Umfeld:
18
Persönliche Probleme
19
20
. Abb. 2.10a.
21
2.3 Anhang
33 2
Phvsiotherapeutischer
Kurzbefund
Sichtbefund:
Tastbefund:
Gelenkbeweglichkeit:
Muskeltestwert:
Aktivitäten:
Gehfähigkeit:
Behandlungszeitraum:
Schwerpunkte der stationären
Behandlung:
Beurteilung des
Behandlungsverlaufes:
Behandelnde /r
Therapeut/in
. Abb. 2.10b.
34 Kapitel 2 · Behandlungsplanung, Befunderhebung
7 geb.
8
Versorgung: operativ □ konservativ □
9 Operation: Datum:
10 Versorgung:
Dorsoplantar D orsoplantar
11
12 Stabilität:
13
14 Procedere:
15
16 Unfallanamnese:
17
18
19 . Abb. 2.11.
20
21
ICF- Dokumentation
Diagnose Behandlungsziel:
2.3 Anhang
Patient
.
Therapeut
Umweltfaktoren Personenbezogene Faktoren
(-) Oft unzugängliche Arbeitsplätze (+) ausgezeichneter Trainingszustand
(-) Hohe Gewichte und keine Hilfsmittel (+) sehr gute Compliance
(+) hohe Motivation
2.4 Literatur
1
Borg G (2004) Anstrengungsempfinden und körperliche Aktivität. Dtsch.
Ärzteblatt 101, A 1016–1021
2 DGU (aktualisiert 2007) Leitlinien für die Physiotherapie in der Unfallchi-
rurgie
3 Hislop H et al. (1999) Daniels und Worthinghams Muskeltests, 7. Aufl. Ur-
ban & Fischer, München Jena
Hüter-Becker A et al. (2005) Das neue Denkmodell in der Physiotherapie,
4 Bd 2. Thieme, Stuttgart
WHO (Stand Oktober 2005) Internationale Klassifikation der Funktions-
fähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF). www.dgu-online.de/
5 de/dgu/gruppierungen/sektion/physikalische.jsp
Peterson Kendall F, Kendall McCreary E (2005) Muscles: Testing and Func-
tion with Posture and Pain, 5th ed. Lippincott, Williams & Wilkings,
6 Baltimore London
Spirgi I, Suppé B (2007) FBL Klein-Vogelbach Functional Kinetics, 6. Aufl.
Springer, Berlin Heidelberg New York
7 Van den Berg F et al. (2001) Angewandte Physiologie, Bd 3. Thieme, Stutt-
gart New York
8
Den Verlegungsbrief stellten mir Frau Chr. Altmann und Frau Birgit Jas-
persen, Klinikum Großhadern, Chirurgische Universitätsklinik München,
9 zur Verfügung.
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
3
21
3.1 Atemtherapie
39 3
a b
6 Wichtig
. Abb. 3.3. Atmen gegen Handkontakt an beiden unteren Rippen-
bögen Anzustreben, allerdings nicht immer durchführbar, sind 2-
7 malige Umlagerungen am Tag über einen Zeitraum von 20
Minuten.
8
Tiefe Atemzüge, unterstützt durch Dehnungen und Handkon-
takte, tragen zur Verbesserung der Ventilation bei.
9
3. Verbesserung der mukoziliären Clearance
10 Die Schutzfunktion der Lunge, »mukoziliäre Clearance« oder
im Alltagssprachgebrauch auch »Waschanlage der Lunge« ge-
nannt, wird durch ausreichendes Trinken und Feuchtinhalation
11 verbessert (Brocke 2003).
Ältere Patienten trinken immer zu wenig und werden im
12 Krankenhaus auch zu selten ausreichend mit Getränken ver-
sorgt. Inhalieren wird auf traumatologischen Stationen selten
durchgeführt; es fehlt an Oszillationsgeräten und an korrekter
13 Anleitung zu ihrer Anwendung.
. Abb. 3.4. Hautrollungen Physiotherapeuten sollten ältere Patienten zum Trinken
14 motivieren und auch das Pflegepersonal entsprechend dazu auf-
fordern.
Zusätzlich können IPPB-Geräte in Kombination mit einem
15 Vernebler oder der VRP-Cornet angewandt werden (7 Punkt
4).
ihre Atmung nicht an die geforderte Leistung anpassen. Die Pa- Die Übungen werden als freie, langsame, aktive Umkehrbe-
tienten entwickeln eine Belastungsdyspnoe. wegungen für mindestens 10 min ausgeführt, z.B. Treten mit
Gehen mit entsprechenden Pausen, gleichmäßiges Weiterat- den Füßen gegen ein weiches Kissen, Beugen und Strecken eines
men und ein Anpassen der Schrittfolge an die Atmung kann Beins mit schleifender Ferse, Bewegen der einzelnen Arm- und
hilfreich sein. Um ein Pressen zu vermeiden, muss dem Pati- Beingelenke in PNF-Mustern (Muskel-Venen-Pumpe). Ist ak-
enten bewusst gemacht werden, in kleinen Atemzügen weiter- tives Bewegen nicht möglich, wird passiv bewegt.
zuatmen. Als niedrige Belastungsstufe kann das Gehen mit einer
In den Pausen können z.B. im Sitz dynamische Umkehrbe- Schrittfolge von 80 Schritten/min angesehen werden; dieses ent-
wegungen der Arme im Rhythmus der Atmung sowie Entspan- spricht einer Leistung von 20 Watt auf dem Fahrradergome-
nungstechniken durchgeführt werden. ter. Jedoch erfordert das Gehen mit Belastung nur eines Beins
Individuelle Probleme bei polytraumatisierten Patienten (Hüpfen auf dem gesunden Bein) oder auch das Gehen mit mi-
oder bei Verletzten, die bereits eine obstruktive Atemwegser- nimaler Belastung eine erheblich höhere Herz-Kreislauf- und
krankung haben, erfordern eine individuelle am Befund orien- Atemarbeit. Bei dieser Kreislaufbelastung steigt der Sauerstoff-
tierte Atemtherapie. verbrauch um ein Vielfaches an. Vermutlich ist eine erhöhte sta-
tische Muskelarbeit dafür verantwortlich.
Wichtig Beim Gehen mit minimaler Belastung ist die Herzleistung et-
was geringer, liegt aber gegenüber dem normalen Gehen immer
Vermehrte körperliche Arbeit steigert das Atemminutenvo-
noch im Stressbereich. Dies ist v.a. bei Polytraumatisierten und
lumen durch erhöhte Atemfrequenz bei kleinerem Atemzug-
alten Menschen zu beachten!
volumen, also auf Kosten der Atemzugtiefe (Ehrenberg 1998).
Antithrombosestrümpfe, Kompressionsstrümpfe oder Ban-
dagieren der Beine wird heute nicht mehr als Routinemaßnah-
me verordnet. Unerlässlich sind diese jedoch bei starken Öde-
men und Risikopatienten mit entsprechender Anamnese.
3.2 Thromboseprophylaxe Empfohlen wird das Tragen der Strümpfe in den ersten
postoperativen 24 Stunden. Manche Kliniken belassen die Anti-
Therapeutische Maßnahmen thrombosestrümpfe auch über eine Woche und länger.
Die Strümpfe sollten individuell angepasst werden und fal-
Ärztliche Behandlung tenfrei sitzen. Wenn dies nicht möglich ist, wird mit abneh-
In der postoperativen Phase wird heute routinemäßig Risiko ad- mendem Druck vom Fuß bis zum proximalen Oberschenkel
aptiertes, niedermolekulares Heparin für einen Zeitraum von 10 gewickelt.
Tagen und mehr zur Thromboseprophylaxe gegeben. Die Pati- Alle betroffenen Extremitäten werden jedoch routinemäßig
enten werden angewiesen, sich auch zu Hause das Heparin wei- hochgelagert. In manchen Kliniken wird zusätzlich ein Bett-
terzuspritzen, solange sie immobilisiert sind (ca. 10–14 Tage). fahrrad eingesetzt.
Ein Kreislauftraining im sportmedizinischen Sinne, z.B. mit
Physiotherapeutische Behandlung dem Fahrradergometer oder Laufband, kann mit Unfallverletz-
Während der postoperativen Phase sollen Physiotherapeuten ten oder operierten Patienten im postoperativen Stadium nicht
zur Früherkennung einer Thrombose die Venendruckpunkte durchgeführt werden.
kontrollieren (7 Kap. 2, Befunderhebung und 7 Kap. 4, Throm-
bose).
Die Patienten sollen frühzeitig mobilisiert werden, d.h., sit- 3.3 Schmerztherapie
zen, stehen und gehen.
Übungen in dynamischer Ausführung und unter geringer Die Schmerzempfindung ist eine eigenständige Sinneswahr-
Kraft beeinflussen den Körper- und den Lungenkreislauf posi- nehmung (somatosensible Wahrnehmung), die eine Verände-
tiv. rung des Körperzustandes registriert (Damasio 1997, in Tie-
Zwischen Atmung und Kreislauf enger Zusammenhang; da- mann 2005). Schmerzreize werden durch Neurotransmitter ins
her wirken Maßnahmen der Atemtherapie auch auf den Kreis- Gehirn übermittelt.
lauf und umgekehrt. Einatemübungen mit mäßiger Intensität
können somit auch zur Thromboseprophylaxe eingesetzt wer- Schmerzentstehung
den. Bei einer Reizung der Nervenendigungen durch Entzündung
Nach Ehrenberg sollen kleine bis mittelgroße Muskelgrup- oder Verletzung in einem Körperabschnitt vermerkt das Ge-
pen in dynamischer und statischer Muskelarbeit beansprucht hirn diese Zustandsänderung im Kortex als Schmerz. Grund-
werden. Die lokale aerobe Ausdauer wird dadurch verbessert. sätzlich gesehen ist der Schmerz eine Gefahrenmeldung, um das
Bewusstsein über eine mögliche Verletzung und Schädigung
44 Kapitel 3 · Prä- und postoperative Physiotherapie
Schmerz ist ein akutes Symptom in der ersten Phase des Hei- Wichtig
lungsprozesses (1. – 5. Tag), das mit der klinischen Zielsetzung
Schmerz ist in der ersten Heilungsphase ein nützliches Symp-
therapiert wird, peri- und postoperativen chronischen Schmer-
tom!
zen entgegenzuwirken. Über die Dauer und Konsequenzen für
die physiotherapeutische Bewegungstherapie müssen Physio-
therapeuten gut informiert sein.
Physiotherapeutische Behandlung
Ärztliche Behandlung Schmerzen als Folge eines Traumas oder eines operativen Ein-
Grundsätzlich können von ärztlicher Seite zentral- oder regio- griffes werden, wie bereits erwähnt, durch Gewebeverletzung
nal-lokal wirkende Analgetika (Schmerzmedikamente) verabrei- und Nozizeption hervorgerufen. Sie entstehen durch Freiset-
cht werden. zung von Entzündungsmediatoren, durch Gefäßerweiterungen
Opiate hemmen die aufsteigenden Reize, so dass die Wahr- und die Entwicklung eines Hämatoms oder Ödems. Die An-
nehmung des Schmerzes unterbunden wird. Tramadol oder satzpunkte physiotherapeutischer Maßnahmen zur Schmerzre-
Fentanyl sind zentralwirksame Analgetika, die während der duzierung sind deshalb Förderung der Gewebeheilung und Re-
Anästhesie und in der frühen postoperativen Phase verord- duzierung der nozizeptiven Impulse.
net werden. Wegen einer möglichen Atemdepression ist bei Selbstverständlich müssen die Schmerzursachen exakt er-
diesen Substanzen eine gute Überwachung der Patienten im mittelt, den einzelnen Strukturen zugeordnet und bewertet wer-
Aufwachraum oder auf der Station erforderlich. Opiate kön- den.
nen vorteilhaft mit anderen Substanzen, z.B. Novalgin oder Die Grundlagenforschung hat ergeben, dass durch mecha-
nichtsteroidalen Antiphlogistika wie Diclofenac oder Voltaren nische Stimulation eine Hemmung der Nozirezeptoren stattfin-
kombiniert werden. In der Praxis sind die Auffassungen un- det (Gate-Control-Theorie), z.B. bei Bewegungen im geschlos-
terschiedlich. Manche Kliniken bevorzugen postoperativ ei- senen System über Fußsohlen-Bodenkontakt oder Handkon-
ne routinemäßig durchgeführte Schmerztherapie unter Auf- takt auf feststehender Fläche.
46 Kapitel 3 · Prä- und postoperative Physiotherapie
Aktives, assistives und passives Bewegen reicht. Es besteht eine mögliche Koppelung zwischen postgan-
1 Aktives, assistives und passives Bewegen nimmt eine zentrale glionären sympathischen Neuronen und afferenten Neuronen,
Stellung in der Behandlung von Patienten mit Schmerzen ein. evt. über die Blutgefäße oder eine chemische Koppelung (Nor-
2 Nicht nur die Stimulation der Mechanorezptoren durch aktive
Übungsformen führt zu einer Hemmung der Nozizeptoren,
adrenalin) in der Peripherie. Neben der Beeinflussung der bei-
den vegetativen Systeme ist eine Erregung der nozizeptiven affe-
sondern auch die Freisetzung von Opiaten. Besonders bei groß- renten Neurone auch abhängig von den Rezeptoren. Diese Vor-
3 en, langsamen Bewegungen werden die Mechanorezeptoren sti- gänge sind noch nicht endgültig erforscht. Klinische Beobach-
muliert, die dann Impulse über das Rückenmark in den Thala- tungen beim Complex Regional Pain Syndrome (CRPS) und ei-
mus aussenden. Dort werden endogene Opiate freigesetzt, die ne erfolgreiche schmerzmindernde Sympathikusblockade wei-
4 eine Schmerzhemmung bei Bewegungen einleiten können (Su- sen auf mögliche Zusammenhänge hin.
kiennik, Wittink 2002 in Tiemann 2005).
5 Eine Wechselwirkung von aktiven Bewegungen und Massage/Manuelle Lymphdrainage
Schmerzminderung oder von Schmerzerwartung und geringem Bei allen Arten von Massageanwendungen werden mechano-
Bewegungsverhalten als Schutz vor Gewebeschädigung muss rezeptive Afferenzen ausgelöst, die wie beim passiven, aktiven
6 von Physiotherapeuten erkannt werden. Die Führung eines Pa- oder assistiven Bewegen schmerzhemmende Mechanismen ak-
tienten, Bewegungen und Aktivitäten im schmerzfreien Bereich tivieren und darüber hinaus neuroreflektorische, biochemische
7 auszuführen, wird der richtige therapeutische Weg sein. und psychologische Wirkungen aufweisen. Der mechanische
Die aktive Therapie muss ständig an das Leistungsvermögen Effekt entsteht durch die Mobilisation der Gewebeschichten
des Patienten angepasst werden. Dann wird der Patient ein Er- und Herabsetzung des Muskeltonus. Im schmerzfreien Bereich
8 folgserlebnis haben und motiviert werden, selbst aktiv zu sein. sollen Physiotherapeuten Massagen als nützliche und heilungs-
Van den Berg sieht auch in der passiven Bewegung der Ge- fördernde Maßnahme einsetzen.
lenke eine sinnvolle Therapie, andere Autoren betonen die ak- Zur Förderung des Lymphabflusses ist die Manuelle Lymph-
9 tive Übungsform. Es ist anzunehmen, dass es auf das Geschick drainage besonders wirksam. Damit verbunden ist ebenfalls ei-
des Physiotherapeuten ankommt, das passive Bewegen so be- ne Dämpfung der Nozizeptoren durch Absenken des Sympathi-
10 hutsam auszuführen, dass keine Schmerzen und Gewebeschä- kotonus, aber auch eine Entlastung des Kapillar- und intersti-
digungen entstehen. tiellen Druckes. Eine verbesserte Durchblutung und Resorpti-
on des Ödems sind die Folge, welche sich günstig auf die Gewe-
11 Bindegewebsmassage beheilung auswirkt. Entzündungsmediatoren, das Exsudat und
Die Rolle des sympathischen Nervensystems bei der Sensibili- das zerstörte Gewebe werden leichter abtransportiert und ver-
12 sierung von Nozizeptoren ist bisher nicht endgültig erforscht. mindern die Gefahr einer Fibrosierung im Verletzungsbereich
Jedoch weiß man aus den Wirkungsmechanismen der Binde- (Yates 1999). Die Funktionsfähigkeit des Gewebes wird dadurch
gewebsmassage (Teirich-Leube), dass nach einer Bindegewebs- deutlich verbessert.
13 massage eine deutliche Senkung der sympathischen Aktivitäten Einige Schmerz reduzierenden Massagetechniken werden
im sympathischen Ursprungsgebiet der Brustwirbelsäule zu er- mit kleinen Gelenkbewegungen kombiniert, sie werden als mo-
14 kennen ist. Voraussetzung ist die Auslösung eines den A-Beta- bilisierende Massage (Dr. Terrier), Funktionsmassage (FBL) oder
und A-Delta-Fasern zuzuordnenden schneidenden, scharfen Pumpmassage (Teirich-Leube) bezeichnet.
Gefühls während der Durchführung. Bei einer Fehlreaktion, Auch die Periostmassage nach Vogler kann als inten-
15 z.B. durch ein dumpfes, drückendes länger anhaltendes Gefühl, sive Druck-Punkt-Massage zur Schmerzreduzierung einge-
wird die sympathische Reflexaktivität eher gesteigert, da dünn- setzt werden. Dabei wird eine Art »Friktion« solange auf einem
faserige C-Fasern gereizt werden (Sato und Schmidt 1973). Schmerzpunkt gehalten, bis der Schmerz abnimmt. Durch die-
16 se Technik werden Entzündungsmediatoren freigesetzt, die die
Hubfreie Mobilisation Wundheilung verbessern.
17 Bewegungsreize, z.B. als hubfreie Mobilisation im Brustwirbel- Allgemein betrachtet, kann Massage nach van den Berg
säulenbereich (Ursprungsgebiet des N. sympathicus) können (2003) ebenfalls einen positiven Einfluss auf das Immunsystem
einen positiven neuroreflektorischen Effekt auf das vegetative haben und durch den Abbau von Stresshormonen zu einer
18 System haben. Schmerzverminderung führen. Die Patienten äußern ein Wohl-
Das vegetative System zeigt auch biochemische Auswir- befinden, was die Physiotherapeuten lange Zeit dazu verleite-
19 kungen, die Einfluss auf die Gewebeheilung haben. Der N. sym- te, Massage nicht als medizinisch/physiotherapeutisch erforder-
pathicus setzt am Ende des 2. Neurons Noradrenalin frei, wo- lich zu halten.
durch eine Blutgefäßverengung an den postganglionären Fasern
20 des Sympathikus entsteht. Die vasodilatatorische Wirkung wird Wärme- und Kälteanwendungen
von sympathischen und parasympathischen Nerven durch Aus- Wärmeanwendungen sind in ihrer Wirkungsweise noch wenig
21 schüttung von Azetylcholin (ACH) am Ende des 1. Neurons er- erforscht, jedoch wird angenommen, dass die Abwehrspan-
3.3 Schmerztherapie
47 3
nung der Muskulatur und des Bindegewebes Ursache und Fol- vasoaktiven Stoffen, die eine Hemmung der Übertragung von
ge der Aktivitäten der Nozizeptoren ist. Eine direkte oder in- Schmerzreizen und eine Aktivierung deszendierender nervaler
direkte Schmerzminderung kann durch Hemmung der Weiter- Hemmsysteme begünstigen.
leitung nozizeptiver Informationen, aber auch durch Entspan- Abschließend sind in . Übersicht 3.3 alle physiotherapeu-
nung des betroffenen Gewebes erfolgen. Milde Wärmeanwen- tischen Maßnahmen zusammengefasst, die Schmerzempfin-
dungen werden deshalb zum Spannungsabbau eingesetzt, wenn dungen abbauen können.
sie die Entzündungssymptomatik nicht negativ beeinflussen,
d.h. steigern.
Kälteanwendungen führen zu einer Vasokonstriktion und . Übersicht 3.3. Schmerzlindernde
einer Schmerzunterdrückung durch Desensibilisierung der Re- physiotherapeutische Maßnahmen
zeptoren im peripheren Nervensystem und Inhibition im zen- 5 Lagerung in aktueller, schmerzfreier Ruhestellung.
tralen Nervensystem. Eine Abkühlung der Haut unter 10°C für 5 Passives und aktives Bewegen.
10 sec verringert die Sensibilität der C-Fasern deutlich (van den 5 Konzentratives Bewegen.
Berg 2003), was im Sport mit Kältesprays ausgenützt wird. Bei 5 Hubfreies Bewegen im BWS-Bereich.
längerer Anwendung tritt ein unangenehmer Kälteschmerz auf, 5 Klassische Massage, Bindegewebsmassage, Periost-
der zu einer schädigenden Nervenblockade führen kann. massage.,
5 Manuelle Lymphdrainage.
Wichtig 5 Mobilisierende Massage, Funktionsmassage.
5 Wärmeanwendungen.
Aus diesen Grundlagenforschungen ergibt sich, dass Eis 5 Kälteanwendungen (7 Kap. 1).
heute nur in der posttraumatischen/-operativen Situation 5 Enspannungs- und Lösungstherapie nach Schaar-
in Form von Kompressen, ohne Auslösung eines Kälte- schuch-Haase.
schmerzes, angewandt werden darf (7 Kap. 1). 5 Transkutane Elektrische Nervenstimulation (TENS).
5 Kombinationen von Akupunktur und Manueller The-
rapie.
Transkutane Elektrische Nervenstimulation (TENS) 5 Kognitive Verhaltensschulung und Aufzeigen der Mög-
Die Begründer der Gate-Control-Theorie Melzack und Wall lichkeiten der Schmerzkontrolle im Alltag.
(Gifford 2000) nahmen an, dass A-Beta-Fasern, die für die In- 5 Information über den Heilungsablauf des geschädigten
nervation der Mechanorezeptoren zuständig sind, hemmend auf Gewebes.
die Hinterhörner im Rückenmark einwirken. Mit TENS werden 5 Aufbau einer Vertrauensbasis, so dass der Patient die
die A-Beta-Faserkerne im Hinterhorn derart gereizt, dass eine Therapiemaßnahmen mitbestimmen und Ängste ab-
Inhibition für das spinothalamische Neuron der 2. Ebene ein- bauen kann.
tritt, über ein inhibitorisches Interneuron. Diese Methode funk-
tioniert jedoch nur, wenn die Schmerzen nicht chronisch und
die Hinterhörner nicht strukturell verändert sind (Tiemann
2005). TENS als nicht invasive Therapieform kann unterstüt- Schmerzvermeidung in der Physiotherapie
zend zur Schmerzreduzierung, vor allem aber zur verbesserten Ein signifikanter Zusammenhang wird in der Literatur (Mayr
Durchblutung eingesetzt werden. Der lokale Stoffwechsel in der et al. 2000, van den Berg 2003, Tiemann 2005) zwischen chro-
betroffenen Struktur wird gesteigert, so dass sich deren Funkti- nischen sowie intensiven prä- und perioperativen Schmerzen
on normalisieren kann. Die TENS-Therapie ist v.a. in der pri- und deren Auslösung durch postoperative rigorose Physiothera-
mären Heilungsphase sinnvoll, zumal die Patienten diese auch pie nachgewiesen. Dies gilt v.a. für die Entwicklung einer Ar-
selbständig durchführen können. Um Fehler zu vermeiden, be- throfibrose nach Gelenkverletzungen, wenn Physiotherapeuten
darf es jedoch einer guten Einführung. in den Schmerz hinein üben oder passiv unter Schmerzen be-
wegen.
! Cave
Bei der TENS-Therapie ist zu beachten, dass der Abstand zu Me- ! Cave
tallimplantaten mindestens 10 cm beträgt. Physiotherapeuten müssen besonders in der postoperativen
Phase alle Maßnahmen vermeiden, die Schmerzen auslösen.
Akupunktur
Auch die eigenständige Behandlung von Akupunkturpunkten Schmerzen entstehen, wenn die betroffene Struktur über- oder
durch PuTENS hat eine schmerzlindernde Wirkung. Nach van unterbelastet wird. Gelenke reagieren schmerzhaft auf Immobi-
den Berg (2003) kommt es dabei zu einer Ausschüttung von lisation, große Belastung und starke Bewegung, Gelenkkapseln
körpereigenen, schmerzhemmenden Neurotransmittern und reagieren auf vermehrten Zug/Dehnung und Muskeln auf exzes-
48 Kapitel 3 · Prä- und postoperative Physiotherapie
6 3.4 Literatur
4.9 Literatur – 57
50 Kapitel 4 · Früh- und Spätkomplikationen von Verletzungen
Die Volkmann-Kontraktur wird als eine ischämische Schädi- Weitere generelle Risikofaktoren siehe Embolie/Lungenembo-
gung durch einen zu engen Verband, Gips oder die Fehlstellung lie (7 Abschn. 4.4).
einer Fraktur (z.B. Radius-, Ellenbogenfraktur) hervorgerufen.
Es entsteht ein erhöhter Druck auf die arteriellen und venösen
Gefäße, weil Hämatom und Ödem posttraumatisch/postopera- Charkteristische Symptome/Leitsymptome
tiv nicht abfließen können. Durch die in den ersten 24 Stunden
zunehmende mangelhafte Durchblutung der Weichteile entste- Bei einer Beinvenenthrombose kann z.B. ein deutlicher
hen massive, oft irreparable Schäden an Muskulatur und peri- Schmerz
pheren Nerven. 5 an der Fußsohle,
5 hinter den Malleolen,
5 zwischen den Gastrocnemiusköpfen,
Charakteristische Symptome/Leitsymptome 5 über dem Adduktorenkanal und
5 in der Leistenbeuge
Als typische Symptome gelten bei einer ischämischen Kontrak- durch Druck ausgelöst werden, ebenso durch Dehnung des M.
tur der Hand: gastrocnemius. Es besteht außerdem eine schmerzhafte Schwel-
5 Beugestellung der Hand- und Fingergelenke (später Kon- lung.
traktur), Bei einer Armvenenthrombose sind die Druckpunkte in der
5 Schmerzen bei Bewegung, Mitte der Axilla (V. axillaris) und in der Ellenbogenbeuge me-
5 Kraftminderung, dial der Bizepssehne (V. basilica) schmerzhaft.
5 kalte Hand,
5 fehlender A.-radialis-Puls,
5 Sensibilitätsstörungen, Behandlungsrichtlinien und therapeutische
5 Parese. Maßnahmen
Wichtig Bei einer Thrombose besteht eine sog. »Virchow-Trias« mit fol-
genden strukturellen/funktionellen Veränderungen:
Bei ersten Anzeichen einer Druckläsion muss der Verband/
5 Veränderung der Veneninnenwand,
Gips bis zur untersten Schicht aufgeschnitten werden.
5 Verlangsamung des Blutstromes,
5 Thrombozytenaggregation sowie -adhäsion.
Ärztliche Behandlung
4.3 Phlebothrombose Zur Abklärung werden eine Sono-Phlebographie, eine Ma-
gnetresonanztomografie (MRT) oder neuerdings auch eine di-
Eine Thrombose ist ein teilweiser oder völliger Verschluss eines rekte Thrombusdarstellung mit einer Magnetresonanztech-
venösen Gefäßes.Vor allem die tiefe Beinvenenthrombose ist ei- nik (MRDTI, Magnet Resonance Direct Thrombus Imaging)
ne ernst zu nehmende Komplikation nach Verletzungen, Ope- und eine Bestimmung des Quick-Wertes (Thromboplastinzeit)
rationen mit Vollnarkosen oder Immobilisation. Die Mehrzahl durchgeführt.
der Phlebothrombosen ensteht in den 3–4 postoperativen Ta- Differenzialdiagnostisch unterscheidet sich eine Thrombo-
gen. se von einem Kompartmentsyndrom durch eine deutliche Über-
wärmung im Bereich der druckempfindlichen Schwellung. Sie
Wichtig wird durch eine Doppler-Sonographie diagnostiziert. Der Pati-
ent zeigt allgemeine Symptome wie z.B. Fieber. Ein ischämischer
Auslöser für eine Phlebothrombose kann das erste Aufste-
Prozess kann durch fehlenden peripheren Puls und eine kalte
hen nach längerer Bettlägrigkeit sein.
Haut von einer Thrombose abgegrenzt werden.
52 Kapitel 4 · Früh- und Spätkomplikationen von Verletzungen
21
4.5 Infektion/Osteitis
53 4
1
2
3
4
5
6 . Abb. 4.1. Osteitis . Abb. 4.4. Unterstützes Bridging
7
8
9
10
11
12
. Abb. 4.2. Ringfixateur bei Osteitis im Kniegelenkbereich
14
Müssen erneute chirurgische Eingriffe durchgeführt werden
(Sequesterausräumung, Hautdeckung, Spongiosaplastik, end-
15 gültige Osteosynthese), muss die Behandlung unterbrochen
werden und beginnt erneut nach entsprechenden Intervallen.
16 ! Cave
Bei Infektionen ist Vorsicht geboten bei der Anwendung von Eis
17 oder Wärme!
Die Belastung der Extremität muss langsam und sorgfältig auf- Charakteristische Symptome/Leitsymptome
gebaut werden; sie richtet sich nach dem knöchernen Durchbau
und der Reizlosigkeit des Gewebes. Durch die Instabilität entstehen Schmerzen bei Bewegung und
Belastung an der Frakturstelle sowie Achsen- oder Rotations-
Wichtig fehlstellungen. Bei infektbedingten Pseudarthrosen sind alle
Entzündungsparameter vorhanden.
Die knöcherne Konsolidierungsphase dauert bis zu 8 Wochen!
Wichtig
Physiotherapeutische Behandlung
1 Physiotherapeutische Maßnahmen wie passives, aktives und as-
Bis zur Anhaftung einer Knochentransplantation darf ein sistives Bewegen, auch eine angepasste Belastung haben keinen
2 Muskel, der über diesen Bereich verläuft, nicht dynamisch
geübt werden.
Einfluss auf die Entstehung einer heterotopen Ossifikation, so-
fern sie sich mit der Dosierung an den Heilungsphasen (Pro-
liferations- und Konsolidierungsphase) orientieren (van den
3 Berg 2003). Übermäßge Reize jedoch fördern die Heilungsent-
gleisung. Die Befunderhebung muss deshalb häufig wiederholt
4 4.7 Heterotope Ossifikation/Myositis werden und die Maßnahmen korrekt dem Heilungsstatus ange-
ossificans passt werden.
Physiotherapeutische Behandlung
Die physiotherapeutische Befunderhebung und Behandlung
nach einer Korrektur beginnt unter den gleichen Gesichtspunk-
ten wie bei der ursprünglichen Verletzung und beachtet die in-
dividuellen Heilungsphasen der betroffenen Strukturen und
Stabilitätsgrade.
Ist keine operative Korrektur möglich, muss die Physiothera-
pie Wege finden, um die Fehlstellungen zu kompensieren, z.B.
bei einer Beinverkürzung durch eine Schuherhöhung.
4.9 Literatur
Gärtner U, Roth G (2000) Physiotherapie in der Intensivmedizin. Pflaum,
München Berlin Heidelberg
Hüter-Becker A et al. (2005) Physiotherapie in der Traumatologie/Chirur-
gie. Thieme, Stuttgart New York
Idelberger KH (1993) Lehrbuch der Orthopädie. Springer, Berlin Heidel-
berg New York
Krämer J, Grifka J (2001) Orthopädie, 5. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg
New York
Jäger M, Wirth CJ (1992) Praxis der Orthopädie. Thieme, Stuttgart New
York
Mayer A, et al. (1999) Thromboembolische Komplikationen bei Patienten
mit Becken- und Azetabulumfrakturen. Unfallchirurgie (25): 183–192
Trentz O, Bühren V (2001) Checkliste Traumatologie. Thieme, Stuttgart
New York
Weigel B, Nerlich M (2005) Praxisbuch Unfallchirurgie, Bd 2. Springer, Ber-
lin Heidelberg New York
Wick M et al. (1999) Surgical excision of herterotopic bone after surgery
followed by oral indomethacin application. Arch Orthop. Trauma
Surg. (119): 151–155
Die Abbildungen verdanke ich Frau Birgit Jaspersen, Klinik für Physika-
lische Medizin, Klinikum Großhadern der LMU München.
5
5.1 Sehnen-, Band- und trie aufrechtzuerhalten. Diese Aufgabe übernehmen synergis-
1 Kapselverletzungen tisch und antagonistisch wirkende Muskelketten. Die Kontrol-
le der anterior-posterioren Stabilität und der Rotationsstabilität
2 Sehnen übertragen die Muskelaktivität auf den Knochen und
ermöglichen damit Bewegung. Nach van den Berg (2001, 2003)
des Kniegelenks wird beim Gehen durch die Hüft- und Knie-
muskulatur ausgeübt (M. gluteus maximus, M. biceps femoris,
bestehen sie überwiegend aus Kollagenfasern Typ I, nur mit Mm. pes anserinus, M. quadriceps, Mm. gastrocnemii, M. sole-
3 einem geringen Anteil an Kollagenfasern Typ III. Ihre Aufga- us). Dies geschieht v.a. exzentrisch in der Phase »Fersenkontakt
be ist es, während der Kontraktion oder Dehnung eines Mus- – Mittelstand – Vorfußbelastung« (7 Kap. 16, »Kapsel-Band-
kels Zugbelastungen aufzunehmen. Wie bei allen Bindegewe- Meniskus-Verletzungen« und 18, »Frakturen im Sprunggelenk-
4 ben wird ihre Funktion über ständiges Be- und Entlasten auf- bereich«).
rechterhalten. Die Belastbarkeit einer Sehne wird durch Immo-
5 bilisation stark gemindert. Aktivitäten fördern die Kollagen-
synthese. Allerdings soll die Sehne durch starke Belastung, z.B. 5.2 Partielle Bandrupturen
hartes Training an Stabilität zunehmen, an Elastizität jedoch ab-
6 nehmen, wodurch ihre Verletzungsgefahr steigt. Sehnen besit- Ursachen
zen Golgi-Rezeptoren, die propriozeptive Reize aufnehmen und
7 weiterleiten. 5 direktes oder indirektes Trauma, z. B. durch Zerrung,
Überdehnung, Schlag, Überbelastung bei Arbeits- oder
Wichtig Sportunfällen,
8 5 chronische Überlastungsschäden,
Sehnen reißen eher partiell als total.
5 Kortisonbehandlung.
9
Kapseln umschließen die Gelenke. Sie werden verstärkt durch Charakteristische Symptome/Leitsymptome
10 Bänder, die intra-, extra- oder interkapsulär liegen können. Die
Kapseln produzieren die Syniovialflüssigkeit, sorgen für eine In der posttraumatischen Phase:
ausreichende Ernährung des Knorpels und ermöglichen den 5 intra- oder paraartikuläre Blutungen, Schwellung,
11 reibungslosen Ablauf der Bewegungen. Gelenkkapseln enthal- 5 Überwärmung,
ten viele Rezeptoren, die das Zentralnervensystem über Stel- 5 spontane Schmerzen,
12 lung und Bewegung der Gelenke informieren. 5 Druckempfindlichkeit,
5 Instabilitätsgefühl,
Wichtig 5 mangelnde Kraft,
13 5 eingeschränkte Beweglichkeit der betroffenen Gelenke.
Gelenkkapseln können bei Überbelastung einreißen.
Wichtig Wichtig
Distorsionen oder Zerrungen sollten exakterweise als Sublu- Grundsätzlich heilen partielle Rupturen der Bindegewebs-
xationen mit spontaner Selbstreposition bezeichnet werden. strukturen gut aus, die Narbenbildung ist gering.
4 5 6
7 8
62 Kapitel 5 · Distorsionen, Verletzungen der Sehnen, Bänder und Muskeln
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
. Abb. 5.4. Vacoped-Schiene
20
21
5.3 Komplette Bandrupturen
63 5
Die Belastbarkeit ist herabgesetzt; deshalb ist eine niedrige Behandlungsrichtlinien und therapeutische
Dosierung der Belastung und Bewegungstherapie in der Ent- Maßnahmen
zündungs- und Proliferationsphase ratsam (bis 3 Wochen nach
dem Trauma, 7 Kap. 1). Ärztliche Behandlung
Patienten mit Distorsionen und Teilrupturen an den Sprung- Die Arthroskopie wird heute als das geeignete Diagnoseverfah-
gelenkbändern sollen mit einem festen Verband, einer Kunst- ren angesehen. Sinnvoll ist auch die operative Versorgung in
stoffschiene oder einem Spezialschuh gehen und, soweit es die demselbigen Verfahren.
Schmerzen zulassen, auch be- oder teilbelasten, z.B. mit einer Die Ruhigstellungszeiten nach operativ versorgten Sehnen-
Vacoped-Schiene (. Abb. 5.4). Meist gelingt dies nach kurzer und Bandnähten sind unterschiedlich. Spezielle Richtlinien,
Zeit. Bewegungsbegrenzungen und Entlastungszeiten sind zu beach-
Bewegungen im geschlossenen System fördern die Gelenk- ten.
sicherheit und den Heilungsprozess. Nach einer Bandnaht oder -plastik an der unteren Extre-
Zur Sicherung der Sprung- oder Kniegelenke wird eine mität waren bis vor kurzem Orthesenbehandlungen und lan-
Vielzahl von Hilfsmitteln angeboten. ge Entlastungszeiten angezeigt. Heute wird bei geeigneten Pati-
enten ohne Orthese behandelt und frühzeitig in geschlossenen
Muskelketten, d.h., mit minimaler oder Teilbelastung geübt. Bei
5.3 Komplette Bandrupturen fraglicher Stabilität und bestimmten Patienten werden Knieor-
thesen für wenige Wochen leihweise verordnet, wenn sie sich
Komplette Rupturen mit Stabilitätsverlust der Gelenke erfor- damit sicherer fühlen, sich dadurch mehr bewegen und gehen.
dern arthroskopische Band- und Sehnennähte oder -plastiken.
Sie zählen nicht zu den »kleinen Band- und Sehnenverlet- Physiotherapeutische Behandlung
zungen«. Generell gilt, dass Operateur, Physiotherapeuten und Patienten
Von besonderer Bedeutung sind: gemeinsam ein individuelles Behandlungsprogramm planen, das
5 Sehnenverletzungen an der Hand (7 Kap. 11), die Heilungsphasen der betroffenen Struktur und die Bedürf-
5 Bänderverletzungen des Knie- und Sprunggelenks nisse des Patienten berücksichtigt.
(7 Kap. 16 und 18),
5 Kapsel-Band-Verletzungen des Schulter- und Akromiokla- Wichtig
vikulargelenks (7 Kap. 7).
Die Gelenke sollen unter bestimmten Kriterien belastet, aber
nicht überlastet werden!
Komplette Bandrupturen werden in den Kapiteln der Gelenk-
Zu den Kriterien der physiologischen Vollbelastung gehö-
verletzungen ausführlich beschrieben (7 Kap. 7, 11, 16, 18).
ren:
5 Beachtung der Heilungsphasen,
5 Schmerzfreiheit,
Charakteristische Symptome/Leitsymptome
5 ausreichende Tragfähigkeit,
5 ausreichende Beweglichkeit,
5 Schmerzen bei Bewegung, Belastung und auf Druck,
5 ausreichende Muskelfunktion,
5 Ödem.
5 ausreichende Koordinationsfähigkeit.
Komplikationen
5 Band- oder Gelenkinstabilität,
5 Narbenadhäsionen,
5 Kontrakturen,
5 Arthrose.
64 Kapitel 5 · Distorsionen, Verletzungen der Sehnen, Bänder und Muskeln
21
5.4 Muskelverletzungen
65 5
5.4 Muskelverletzungen
Zu den Muskelverletzungen zählt man Verletzungen, Risse bzw.
Abrisse der Muskelfasern im Muskel oder im Sehnen-Muskel-
Bereich.
Einteilung
. Abb. 5.6a,b. a Einbeinstand auf einem Schaumstoffkissen, b Schritt Grad II Einrisse einer größeren Anzahl von Fasern, intakte
auf ein Schaumstoffkissen Faszie (lokales Hämatom)
Grad III Riss einer größeren Anzahl von Fasern bei Faszienlücke
(diffuse Blutung unter die Haut und in den Muskel)
. Abb. 5.7. Stabilisation
gegen das Zuggerät im Grad IV Kompletter Riss des Muskels und der umgebenden
Stand Faszie
Ursachen
5 direkte oder indirekte Traumen, z.B.
– Kontusion,
– Prellung,
– Riss, Einriss,
– Stich, Schnitt,
– Sport-, Arbeits- oder Verkehrsunfälle,
5 Folge von Übermüdung; bei Sportlern nach unzurei-
. Abb. 5.8. Stabilisation chender Aufwärmzeit vor der Wettkampfleistung.
auf dem Trampolin
Charakteristische Symptome/Leitsymptome
5 starke Blutung, Hämatom (Spätzeichen),
5 krampfartiger, ziehender Schmerz bei Kontraktion und
Dehnung,
5 geschwächte oder aufgehobene Muskelkontraktion bei
komplettem Riss,
5 tastbare Delle bei Riss im Muskel-Sehnen-Übergang,
5 Narben einer chronischen Verletzung quer zum Faserver-
lauf.
5 M. quadriceps, Befunderhebung
1 5 M. biceps brachii.
Beurteilen 5 Muskelrelief, Hämatom, Schwel-
Ärztliche Behandlung
2 Dehnungen, Zerrungen und Muskelfaserrisse werden mittels So-
lung, Hauttemperatur.
nographie diagnostiziert. Diese gelten als einfache Verletzungen Messen 5 Aktives und passives Bewegungs-
3 und werden konservativ behandelt. ausmaß.
Komplette Muskelabrisse mit tast- und sichtbarer Dellenbil- 5 Umfang an vorgegebenen Stellen.
dung werden operativ mittels einer direkten Naht versorgt.
4 Prüfen 5 Temperatur.
5 Sensibilität.
Wichtig 5 Pulse.
5 Wegen der sehr guten Muskeldurchblutung, guten Innerva-
5 Muskelteststufe 2< 3.
5 Muskelfunktion, Koordinations-
tion und Regenerationsfähigkeit können Muskelverletzungen fähigkeit.
6 völlig ausheilen und ihre normale Funktion zurückgewinnen. 5 Qualität des Bewegungsstopps.
Die Heilungsphasen der verschieden klassifizierten Muskel-
verletzungen haben eine unterschiedlich lange Dauer. Nach Notieren und 5 Schmerz bei Kontraktion, Deh-
7 van den Berg, Ryan (2001) können Verletzungen nach deren
Bewerten nung.
5 Art des Schmerzes, Intensität und
Gradeinteilung spezifisch belastet werden, Verletzungen
Lokalisation.
8 5 Grad I nach 14 Tagen, 5 Narben.
5 Grad II nach 3–4 Wochen, 5 Schutzspannung.
5 Grad III nach 4–6 Wochen, 5 Einschränkungen bzgl. Alltags- ,
9 5 Grad IV nach 6–12 Wochen. beruflicher und sportlicher Akti-
vitäten.
5 Eigene Zielvorstellungen.
10 Eine kontinuierliche Regeneration der Muskelfasern und des in-
5 Psychosoziale Situation.
tramuskulären Bindegewebes ist entsprechend den vier Stadi-
en eines Heilungsverlaufes möglich. Besonders wichtig für eine
11 völlige Rehabilitation sind physiologisch funktionelle und Stoff-
wechsel anregenden Reize, also eine gut dosierte Bewegungsthe- Behandlungsmöglichkeiten
12 rapie, die durch physikalische Maßnahmen unterstützt wird.
Entscheidend sind die richtige, mit dem Patienten abge- Grundsätzliches Vorgehen
stimmte Dosierung der Trainingreize und der systematische, 1. Entzündungsphase (0–4. Tag)
13 physiologische, auch gender-spezifische Trainingsaufbau. 5 Posttraumatische Hämatomresorption unmittelbar nach
Frauen benötigen für die Bewältigung ihres Alltags wesentlich Trauma/Operation durch Auflegen milder Eiskompressen
14 weniger Kraftaufbautraining als Männer. Männer hingegen de- für 20 min, anschließend Eisabreibung für 20–30 sec und
finieren sich eher über Kraftleistung (7 Kap. 18). schmerzfreies Bewegen für 2–3 min, 1 min Pause, 3–4 Wie-
Die physiotherapeutische Behandlung beginnt nach der chi- derholungen.
15 rurgischen Versorgung oder/und kurzzeitiger Ruhigstellung 5 Nach 24 h evt. Diadynamik, 5 min MF, 5 min CP oder Ul-
entsprechend dem Heilungsprozess und der ärztlich vorgege- traschalltherapie mit sehr niedriger Dosierung im Randge-
benen Belastungsstufe. biet des Hämatoms.
16 5 Hochlagerung für 24 h, mechanische Entlastung.
5 Kompressionsverband.
17 Komplikationen 5 Aktive/assistive dynamische und/oder statische Bewe-
gungen im schmerzfreien Bereich.
5 Kompartmentsyndrom, 5 Milde Wärmetherapie.
18 5 Myositis ossificans, 5 Manuelle Lymphdrainage.
5 Narben,
19 5 Kontrakturen. ! Cave
Kontraindiziert sind alle Massagegriffe, Elektrotherapie und
Mobilisationstechniken im Verletzungsgebiet. Intensive Maß-
20 nahmen führen zu erneuter Traumatisierung! Gefahr der Myosi-
tis ossificans!
21
5.5 Literatur
67 5
! Cave
In der Phase des biomechanischen Umbaus des Muskelgewe-
bes und verminderter Belastbarkeit besteht die Gefahr neu-
er Muskeleinrisse. Daher ist vor einer frühzeitigen Muskelbela-
stung, auch bei der Arbeit oder im Sport, zu warnen.
6
Wirbelfrakturen, Schleudertrauma,
Rippen- und Sternumfrakturen
α β
FN
a b
. Abb. 6.1a,b. a Kraftverteilung in Ruhestellung, bei Extension/Flexion, Lateralflexion und Rotation (nach Kapandji), b Stabilitätsverlust bei Wirbel-
fraktur
Nach Kapandji (2001) teilt sich diese Belastung auf in eine Druck- kp
kraft, die auf die Wirbelkörper wirkt, und eine Schubkraft, die 300
auf die Wirbelbogengelenke ausgerichtet ist. Drehbewegungen 275
des Kopfes, des Schultergürtels, des Beckens und der Beine wir-
250
Bandscheibenbelastungsdruck
In der aufrechten Haltung überwiegen die längsgerichteten Kräf- sierenden Muskulatur und entsprechende Osteosynthese stabi-
1 te; sie verteilen sich gleichmäßig auf Wirbelkörper und Band- lisiert werden kann. Dabei ist die zeitliche Abfolge offenbar von
scheiben. Eine ausgewogene ventrale und dorsale Muskelspan- entscheidender Bedeutung: Die stabilisierende Muskulatur muss
2 nung stellt sicher, dass die Schub- und Rotationskräfte verrin-
gert werden.
zeitlich gesehen vor der bewegenden Muskulatur aktiviert wer-
den (van den Berg 2005).
Bei jeder Rumpfvorbeuge vergrößern sich die Schubkräfte, In . Übersicht 6.1 sind die Rumpfmuskeln nach ihrer Funk-
3 bei einseitiger Belastung (z.B. Einbeinstand, Gehen ohne Bela- tion eingeteilt.
stung für ein Bein) die Rotationskräfte.
4 Stabilisierende Kräfte der Wirbelsäule . Übersicht. 6.1. Einteilung der Rumpfmuskeln in
Nach Panjabi (1992) setzt sich das stabilisierende System zusam- Stabilisatoren und Mobilisatoren
5 men aus: Zu den intersegmentalen (lokalen) Muskeln im LWS-Be-
5 passiven Strukturen (Gelenk, Kapsel, Bänder), reich zählen:
5 aktiven Strukturen (Muskeln, Sehnen) und 5 M. multifidius (lumbaler Bereich),
6 5 Steuersystem (Propriozeptoren, peripheres und zentrales 5 M. transversus abdominis,
Nervensystem). 5 hintere Stränge des M. psoas major,
5 Diaphragma und
7 5 Beckenbodenmuskulatur.
Das stabilisierende System hat die Aufgabe, die »neutrale Zone«
eines Wirbelgelenks zu halten. Diese Muskeln werden als wichtige aktive lokale Stabilisa-
8 toren bezeichnet. Besonders wirksam ist eine Therapie, die
Wichtig spezifisch an diesen Muskeln ansetzt (Richardson 2004).
Zu den globalen Stabilisatoren gehören:
9 Die »neutrale Zone« eines Gelenks wird definiert als die 5 M. obliquus abdominis und
Position im mittleren Bewegungsbereich der angulären und 5 M. spinalis.
10 translatorischen Bewegungsmöglichkeit eines Gelenks, in
dem die passiven Strukturen nur minimal gespannt sind.
Die beiden Muskeln sind wenig für die segmentale Stabili-
sierung geeignet.
Zu den globalen Mobilisatoren werden gerechnet:
11 Für die Wirbelsäule beschreibt diese Definition den mittle- 5 M. iliocostalis
ren Bereich des Bewegungsumfanges der Belastungs-Verschie- 5 M. rectus abdominis,
12 bungs-Kurve eines spinalen Segmentes. Bei größerem Bewe- 5 M. obliquus abdominis externus,
gungsausschlag müssen die tiefliegenden Muskeln mit segmen- 5 M. erector spinae.
talen Ansätzen die Bewegungen kontrollieren. Sie beschränken Diese Muskeln haben einen großen Bewegungsradius. Es
13 die Grenzen der neutralen Zone und verhindern auf diese Wei- sind schnelle, kraftvolle Muskeln, die i.A. konzentrisch arbei-
se die Entstehung von Mikrotraumen (Panjabi 1991). ten. Sie haben eine große Zugkraft und können das Gleich-
14 Garant für die Stabilität der Wirbelsäulensegmente ist die gewicht halten.
Muskulatur (Gibbons 2001), bestehend aus langsamen tonischen
und schnellen phasischen motorischen Einheiten:
15 5 Langsame motorische Einheiten besitzen eine geringe Kon-
traktionsgeschwindigkeit sowie eine niedrige Kontrakti- Funktion der globalen und lokalen Muskelsysteme
onskraft und ermüden weniger schnell. Eine gestörte Stabilisierungsfunktion kann im lokal/global sta-
16 5 Schnelle motorische Einheiten haben eine hohe Kontrakti- bilisierenden System als fehlende Kontrolle der Neutralstellung
onsgeschwindigkeit und Kontraktionskraft. Sie ermüden auftreten, also zu Instabilität, Dysfunktion und Schmerzen füh-
17 schnell. ren (Gibbons 2001). Umgekehrt können auch Schmerzen ande-
rer Genese zu einem Defizit der primär stabilisiernden Musku-
Grundsätzlich haben alle Rumpfmuskeln stabilisierende und latur führen.
18 mobilisierende Funktionen. Auch die intersegmentalen Muskeln Insgesamt scheint durch eine Vielzahl von Tests nachge-
der Wirbelsäule, die als lokale Muskeln bezeichnet werden, kön- wiesen, dass zwischen einer Dysfunktion der globalen Mus-
19 nen v.a. durch ihre tiefe Lage und ihre fächerförmige Bündelung keln, deren Muskelschwäche und der Entwicklung von Rücken-
zwischen den Dornfortsätzen wie auch zu den nächsten lumba- schmerzen kein Zusammenhang besteht, so dass eine Kraftver-
len und sakralen Segmenten zur Stabilisierung beitragen (Pan- besserung kaum einen positiven Effekt zeigt. Die Funktionsver-
20 jabi et al. 1991). besserung der lokalen Muskulatur ist jedoch als wirksam bestä-
Infolge eines Traumas mit Verletzung der Wirbelsäule ent- tigt (Richardson und Jull 2004). Gelenkschutz bieten die loka-
21 steht eine Instabilität, die aktiv durch Kokontraktion der stabili- len Muskeln auch durch ihre sog. »Federsteifigkeit« (Basmajan
6.1 Wirbelfrakturen
73 6
1978, Hogan 1990, Johansson 1991). Unter diesem Begriff ver- Das therapeutische Umsetzen der wissenschaftlichen Er-
steht man die viskoelastische Eigenschaft eines Muskels oder ei- kenntnisse ist v.a. für die lokale intersegmentale Stabilisierung
ner Bindegewebestruktur (Kapsel, Band). des lumbalen Wirbelsäulenbereiches notwendig. FBL- und an-
Durch hohe Belastungen werden eher die schnellen moto- dere Autoren (Hamilton 2006, Zahnd 2005) haben Techniken
rischen Einheiten rekrutiert, so dass ein Krafttraining sogar ei- angegeben, die gezielt angewandt, wirksamer sind.
ne Dysfunktion der lokalen motorischen Kontrolle verstärkt
(Gibbons 2001). Propriozeption/Koordination
Vielfach wird in Rehabiltationseinrichtungen ein intensives Im Verlauf des Heilungsprozesses von Frakturen und begleiten-
Krafttraining angeboten zur Verbesserung der »Kernstabilität« den Gewebeverletzungen spielt die Propriozeption für die Aus-
(Core stability). Unter »Kernstabilität« (Gibbons 2001) versteht richtung des Gewebes eine große Rolle. Sie ist die Basis einer
man ein Training mit hoher Intensität der proximalen Musku- funktionellen Medizinischen Trainingstherapie, die auf eine zu-
latur, das eine Kokontraktion aller Muskeln des betreffenden lo- nehmende adäquate Belastungsfähigkeit, Stabilität und Mobili-
kalen und globalen Wirbelsäulenbreiches bewirkt. In erster Li- tät hinsichtlich der Alltagsfunktionen ausgerichtet ist.
nie werden dabei die schnellen motorischen Einheiten mit ho- Übungsformen in der geschlossenen Kette in Anlehnung an
her Reizschwelle, nicht die langsamen motorischen Einheiten funktionelle Bewegungsmuster des Alltags (FBL, PNF, Bizzini
mit niedriger Reizschwelle angesprochen. Das hochdosier- 2001) fördern das natürliche Bewegungsverhalten und werden
te Krafttraining zielt also nicht auf die Rekrutierung der moto- entsprechend den vorgegebenen Bewegungs- und Belastungs-
rischen Einheiten mit langsamer niedriger Reizschwelle und ist einschränkungen ausgeführt.
deshalb nicht muskelspezifisch. Eine segmetale Stabilisierung ist In der Proliferations- und Konsolidierungsphase können be-
deshalb nicht zu erwarten. reits propriozeptive/neuromuskuläre Techniken in niedriger
Zudem müsste in Betracht gezogen werden, dass normale Dosierungsstufe angewandt werden. Das Ziel einer vollstän-
Alltagsaktivitäten nur sehr selten eine hohe Belastung erfordern. digen, sicher gesteuerten, harmonischen Bewegungsausfüh-
Für Sportler und schwer arbeitende Berufstätige hingegen kann rung wird erst unter Vollbelastung nach Abnahme des Korsetts
diese Therapieform erforderlich sein, nicht jedoch für den Wir- erreicht.
belsäulenverletzten. Frauen benötigen nur für den Leistungs-
sport ein spezielles intensives Kraftraining. Wichtig
Muskelkräftigungsprogramme gehen zudem nicht auf Kom-
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Rekrutie-
pensations-/Ausweichbewegungen ein, die für den Erhalt der
rung langsamer motorischer Einheiten durch ein Training
physiologischen Funktionsfähigkeit notwendig sind. Aus the-
mit geringer oder minimaler Belastung (≤ 25% der willkür-
rapeutischer Sicht müssen solche Kompensationsbewegungen
lich aufgebrachten Maximalkraft) eine optimale Stabilität
stabilisiert/widerlagert werden, damit die eingeschränkten Be-
und Haltung erreicht. Lokale Stabilisatoren sind am besten
wegungen mobilisiert werden können.
geeignet, um eine lumbale Bewegungsstörung zu kontrollie-
Wichtig ren (Motorcontrol-Stability-Training) (Gibbons 2001, 2002).
21
6.1 Wirbelfrakturen
75 6
a b c d
a b c
2
3
4
5
6
7 a
8
9
10
11
12
13
14 b
15
Stabile Brust- und Lendenwirbelfrakturen werden funkti-
Wichtig
onell behandelt. Die Verletzten dürfen sich entsprechend der
16 Schmerzsituation mit gestreckter Wirbelsäule drehen und auch
Wichtig ist, dass das Dreipunktkorsett zuverlässig getragen
wird, alle Bewegungsübergänge und Übungen mit Korsett aufstehen.
17 ausgeführt werden und normales Sitzen erst nach 6 Wochen Patienten mit Frakturen unterhalb BWK 10 erhalten ein Drei-
beginnen soll. punktkorsett (. Abb. 6.7), das sie 12 Wochen tragen sollen. Dies
gilt für konservativ und operativ behandelte Patienten. Die Pa-
18 tienten dürfen 6 Wochen nicht frei auf einem normalen Stuhl
LWS-Wirbelfrakturen. Im Lendenwirbelbereich werden dor- sitzen.
19 sale Stabsysteme mit/ohne Querverstrebungen und ein Fixa- Patienten mit Halswirbelfrakturen erhalten, der erreichten
teur interne verwendet. Damit kannn man monosegmental, bi- Stabilität entsprechend, postoperativ eine weiche Schanzkra-
segmental oder mehrsegmental fusionieren. Durch endosko- watte für ca. 8 Wochen (. Abb. 6.8).
20 pisches Vorgehen haben sich die Zugänge wesentlich verein-
facht. Der Fixateur interne soll nach 9 Monaten wieder entfernt
21 werden. Manche Autoren geben 12 Monate an.
6.1 Wirbelfrakturen
77 6
135°
. Abb. 6.8. Weiche Schanz-
10
krawatte °
45°
10°
13
14
15
16
17
18 . Abb. 6.14. Stabilisation über schräge Bauchmuskulatur im PNF-Pro-
gramm
19
20
21
6.1 Wirbelfrakturen
79 6
Zahnd (2005) und Hamilton (1989) haben mittels stabilisie- Bauchlage drehen, durch Abstützen der Hände in den Stand
render Kissen (Blutdruckmessgerät oder Stabilizer, Pressure Bio- kommen und über den umgekehrten Weg wieder zurück in die
Feedback Devices (Chattanooga Group, 4717 Adams Road Hix- Rückenlage gelangen (. Abb. 6.15 a). Häufig ist dieser Transfer
son, TN 37343 USA) gezielte Kontraktionsmöglichkeiten für die für Patienten ungewohnt und schwierig; dann darf der Patient
tiefe lokale Muskulatur angegeben (. Abb. 6.32). Diese lokale sich über die Seite in den hohen Bettkantensitz bewegen. Durch
Muskelspannung wird auch als Test angewandt. seitliches Abstützen kann der Rücken dann nahezu gestreckt
Patienten können damit selbständig kontrollierend mit vor- bleiben. Besteht die Notwendigkeit der Entlastung eines zusätz-
gegebener Intensität üben und die Ausdauer verbessern. lich frakturierten Beines, muss der Stand über das Stehbrett er-
folgen (. Abb. 6.9).
! Cave Der entlastende Sitz (ca. 0–45–45° Hüftbeugestellung) mit
Bis zur Konsolidierung der Fraktur sind zu vermeiden: angelehntem Rücken darf z.B. in einem Reko-Stuhl eingenom-
5 endgradige dynamische Flexions-, Lateralflexions- und Ro- men werden (. Abb. 6.10). Entlastendes Sitzen ist kurzfristig
tationsbewegungen der Wirbelsäule, die auch über weiter- auch möglich durch Gewichtabgabe auf die hinter dem Körper
leitende Bewegungen von den Extremitäten aus erfolgen abgestützten Hände. Später ist der Sitz auf einem hohen Stuhl
können, und Sitzkeil möglich. Zur Entlastung sollen die Unterarme auf
5 schnelle, abrupte und stark belastende Übungen. dem Tisch abgelegt werden.
Kraftübungen, die für die lokale stabilisierende Muskulatur eine Vor Entlassung aus der Klinik erhalten die Patienten einen
hohe Belastung bedeuten, erhöhen das Risiko einer Dysfunk- Sitzkeil und einen Toilettenaufsatz, den sie nach Hause oder in
tion. Krafttraining ist für die Heilung geschädigter Strukturen die Rehabilitationsklinik mitnehmen. Hilfsmittel wie Strumpfan-
schädlich, es fördert die Entstehung von Dysfunktionen. ziehhilfe oder Greifzange, um etwas vom Boden aufzuheben,
werden ebenfalls mitgegeben.
In der Regel müssen die Patienten keine Bettruhe einhalten. Pa- Patienten mit Wirbelfrakturen oberhalb BWK 10 dürfen sich
tienten mit Frakturen unterhalb BWK 10 erhalten ein Dreipunkt- über die Seite aufsetzen; sie brauchen i.d.R. keine Hilfsmittel.
korsett. Wenn Schmerzfreiheit besteht und das individuell an- Zu Ende der Proliferationsphase (Ende 3./4. Woche) kann ein
gepasste Dreipunktkorsett geliefert wurde, dürfen die Patienten niedrig dosiertes medizinisches Training unter Aufsicht durch-
am 2. postoperativen Tag aufstehen (. Abb. 6.7). geführt werden. Es soll eher die Ausdauer- als die Kraftentwick-
Das Korsett wird möglichst über die Bridging-Position an- lung fördern. Natürliche Bewegungen, wie sie im Alltag und im
gelegt. Diese soll durch Spannen der lokalen Muskulatur vorge- beruflichen Leben vorkommen, können in freier Übungsform,
übt werden: Zunächst wird die quere Bauchmuskulatur ange- aber auch an Geräten sinnvoll sein.
spannt und die LWS zum Bett gedrückt; dann erst soll mit die- Besonders überdacht werden müssen freie Bewegungsab-
ser Spannung das Becken etwas abgehoben werden, so dass die läufe in Bezug auf weiterlaufende Bewegungen in das versteifte
Pelotte untergeschoben werden kann. Wenn dies nicht möglich Bewegungssegment. Hingegen können propriozeptive Bewe-
ist, wird das Korsett auch über die gestreckte Seitenlage ange- gungen im geschlossenen System sehr positiv auf die Wirbel-
zogen. säulenstabilisation wirken.
Es hat sich bewährt, Patienten nach einer operativen dor-
salen/ventralen Stabilisation auch mit einem Dreipunktkorsett
zu versorgen. Es dient dann als »Gedächtnisstütze« für die auf- Komplikationen
rechte Haltung.
Belastende Positionen dürfen nicht vor Konsolidierung der 5 Querschnittslähmung,
Fraktur eingenommen werden. 5 Schädel-Hirn-Trauma,
Bewegungsübergänge sollen möglichst in Streckstellung des 5 Polytrauma,
Wirbelsäulenabschnittes und unter minimaler Rotation ausge- 5 Serienfrakturen,
führt werden. 5 Nebenverletzungen:
Alle Patienten mit Frakturen unterhalb BWK 10 sollen sich – Thrombose/Embolie,
en bloc von der Rückenlage über die gestreckte Seitenlage und – Kyphosebildung.
80 Kapitel 6 · Wirbelfrakturen, Schleudertrauma, Rippen- und Sternumfrakturen
Befunderhebung
1
Beurteilen 5 Allgemeinzustand (Patient liegt evt. auf der Intensivstation).
2 5 Atmung, Kreislaufsituation, Begleitverletzungen.
5 Lagerung. Schonhaltung.
5 Dornfortsatzabstand, Prellmarken.
3 5 Röntgenbefund Übergänge von Os occipitale zu HWK 1 und 2, zervikothorakaler und thorakolumbaler Über-
gang, evt. Schrägaufnahmen.
Wichtig
4 Zu beurteilen sind: Luxations- oder Translationsstellung, Deck- oder Grundplatteneinbruch, ungleiche Abstände der
Wirbelbögen, Verschiebung der Wirbelhinterkanten zum nächsten Wirbel, Wirbelverformung, Achsenknickbildung,
5 ventral-dorsale Dislokationen, Klaffen der Dornfortsätze, Spinalkanaleinengung.
5 Stabilität der Wirbelsäule.
5 Computertomogramm.
6 5 Weitere Bild gebende Verfahren, sonstige Befunde.
18
19
20
21
6.1 Wirbelfrakturen
81 6
Notieren und 5 primäre Stabilität; operativ, Korsett, Schanzkrawatte (. Abb. 6.7, 6.8).
Bewerten 5 Mobilität (Verordnung), Belastungsfähigkeit.
5 Symptome und ihre Provokation nach Zeit, Lokalisation, Intensität und Qualität (Systematik nach Triano).
5 Schmerzen, wann, wo, wie (VAS 1–10); lokal, paravertebral, ohne/mit Ausstrahlung nach proximal, distal, radiku-
lär oder segmental.
– Hamilton-Stabilitätstest der lokalen LWS-Muskulatur mit Blutdruckgerät (. Abb. 6.32).
– Mit neurologischem Befund (Sensibilitätsstörungen, motorische Schwächen oder Paresen, Blasen-Darm-Stö-
rungen) postoperativ, beständig oder wechselnd, akut oder chronisch, mit der Verletzung zuzuordnenden
oder gelegentlichen Beschwerden. Provokation durch Bewegung, Druck und Klopfen.
5 Sensibilitätsausfälle.
5 Medikamentöse Schmerztherapie und ihre Konsequenz für die Physiotherapie.
– In individuellen Fällen 3–5 Tage Basis- Schmerztherapie mit zentral wirkenden Medikamenten.
5 Muskelkontraktionsfähigkeit, Muskelfunktion der Extremitätenmuskulatur entsprechend Belastungsfähigkeit
und Heilungsprozess.
5 Beeinträchtigungen bei selbständigen Aktivitäten wie Körperpflege, Sitzen, Stehen, Gehen, Beruf.
5 Hauptproblem des Patienten in der postoperativen/posttraumatischen Situation oder in der Proliferations- und
Konsolidierungsphase.
5 Einschätzung der Probleme durch den Patienten, eigene Zielvorstellungen.
5 Kooperationsbereitschaft, psychosoziale Situation.
5 Notwendige Hilfsmittel: Greif- und Anziehhilfe, Toilettenaufsatz, Sitzkeil, Spiegel, Prismabrille.
Manche Patienten geben im postoperativen Zustand diffuse Grundsätzliches Vorgehen bei Wirbelfrakturen
Schmerzen an, die weniger mit einer Einengung der Nerven- ohne neurologische Symptomatik
wurzel als mit einer Irritation neuromeningealer Strukturen er- In . Übersicht 6.2 sind die Schwerpunkte der physiotherapeu-
klärt werden können. Eine Nachblutung oder ein Ödem kann tischen Behandlung nach Wirbelfrakturen zusammengefasst.
ebenfalls solche Schmerzen auslösen. Schmerzen verursachen
eine reflektorische Abwehrspannung der Muskulatur, die den
Patienten davon abhält, sich zu bewegen. Daraus erwächst auch . Übersicht 6.2. Gesichtspunkte der Behandlung
die Gefahr einer Thrombose. Bis zur 4. Woche
Segmentale oder auch radikuläre Schmerzen können die 1. Atemtherapie, wenn erforderlich.
Atembewegungen behindern und zu einer Bronchopneumonie 2. Thromboseprophylaxe, Resorption des Hämatoms/
führen. Zur Schmerzunterbrechung wird deshalb heute eine Ödems.
Schmerztherapie durchgeführt (7 Kap. 3). 3. Lagerungskontrolle.
Bestehen Paresen und/oder Blasen- und Darmfunktions- 4. Detonisierung der verspannten Muskulatur, Schmerzre-
störungen, die vor der Operation nicht vorhanden waren, muss duzierung.
ein neurologischer Befund durchgeführt und evt. ein suprapu- 5. Sicherung des betroffenen Wirbelsäulenabschnittes in
bischer Katheter gelegt werden (»Puffi«). Unter Umständen, der Neutralstellung.
wenn es z.B. zu einer Nachblutung gekommen ist. ist eine er- 6. Schulen von Aktivitäten, Bewegungsübergängen mit
neute Entlastungsoperation angezeigt. Korsett unter Vermeidung von Schub-und Rotations-
In der Konsolidierungsphase einer Wirbelfraktur konzen- kräften.
triert sich die Befunderhebung auf 7. Gehschulung, Koordinationstraining.
5 die Bindegewebe-, Muskel- und Gelenkfunktionen, 8. Behandlung im Bewegungsbad mit Korsett (frühestens
5 deren sensomotorischen/propriozeptiven Einsatz, nach 2 Wochen).
5 deren zunehmende Belastbarkeit und 4. – 7. Woche (Konsolidierungsphase)
5 die individuell zu erreichenden Aktivitäten. 9. Fortführung der Schulung lokaler und globaler Stabili-
satoren.
10. Schulung weiterer Aktivitäten für Alltag, Beruf und ge-
Behandlungsmöglichkeiten sellschaftliche Teilhabe.
8. – 12. Woche
Die Bewertung der biomechanischen Kräfte, der physiolo- Eigenständiges Üben zu Hause.
gischen Kriterien, der Frakturheilungsphase und der Befunder- 6
hebung führen zu dem im Folgenden erläuterten grundsätz-
lichen Vorgehen.
82 Kapitel 6 · Wirbelfrakturen, Schleudertrauma, Rippen- und Sternumfrakturen
Bei Spondylodesen im Segment L3–L5 sollte das Hüftgelenk nur Zum Aufstehen aus dem Bett wird dieses entsprechend der
20–30° gebeugt sein. Als weitergeleitete Bewegung wirkt die Fe- Körpergröße des Patienten hochgestellt. Von der geraden Sei-
murflexion im Hüftgelenk zunehmend im Sinne einer nicht ge- tenlage dreht sich der Patient in die Bauchlage und rutscht an
wünschten Abflachung der Lendenlordose. Dies geschieht um- die Bettkante bis die Beine nach unten abgesenkt werden kön-
so mehr je früher die Dehngrenze der ischiokruralen Muskula- nen. Über den Unterarm- und Armstütz steht der Patient auf
tur erreicht ist (. Abb. 6.14). (. Abb. 6.15).
Hat der Patient Schmerzen oder ist noch in einem schlech-
Wichtig ten Allgemeinzustand, werden ihm Gehhilfen angeboten (Geh-
wagen, Achsel- oder Unterarmstützen). Meist muss man das
Folgende Maßgaben geben einen Anhaltspunkt, bei
Korsett im Stand nochmals nachziehen, damit die Pelotte fest
5 L3- bis L5-Frakturen ist die Flexion bis 20–30° erlaubt,
anliegt. In speziellen Fällen wird der Patient im Strehbrett mo-
5 L1- und L2-Frakturen eine Flexion bis 60° und
bilisiert.
5 Th10-, Th11- und Th12-Frakturen eine Flexion bis 90°.
Patienten mit BWK-Frakturen oberhalb BWK 10 und diejeni-
gen, die einen stabilen Titankorb erhalten haben, dürfen über
Alle Bewegungs- und Halteformen der Hüftgelenke sollen ent- Rotation und Unterarmstütz direkt in den Sitz kommen. Zwi-
sprechend dieser Vorgaben aus den zugeordneten Flexionsstel- schen den einzelnen Phasen der Positionswechsel können Hal-
lungen beginnen oder dort enden. In der frühen Behandlungs- tephasen eingebaut werden. Die Bewegungsübergänge sollen
phase werden sie hubfrei und unter Beachtung der verordne- dem physiologischen und biomechanischen Bewegungsverhal-
ten Bewegungsgrenzen durchgeführt. Voraussetzung für freies ten entsprechen.
Bewegen der Extremitäten ist die Einhaltung der LWS-Neutral- In den ersten postoperativen Tagen soll der Patient mög-
stellung (. Abb. 6.30). lichst schnell selbständig werden, d.h., er muss lernen, sein Kor-
Da in der modernen Wirbelsäulenchirurgie lange Liege- sett selbst anzuziehen und den Transfer von der Rückenlage
zeiten entfallen, ist eine besondere Behandlung der Extremi- über Seitenlage, Bauchlage, hohen Sitz in den Stand allein aus-
täten nicht erforderlich, es sei denn, der Patient hat noch an- zuführen.
dere Verletzungen an den Beinen oder eine Querschnittssym- Zum Anziehen des Korsetts soll der Patient zunächst die
ptomatik. Bridging-Position über Spannen der lokalen Stabilisatoren
(s.o.) beherrschen, damit er die Pelotte unter die LWS schieben
6. Schulen von Aktivitäten/Bewegungsübergängen kann.
Kann das Dreipunktkorsett am 2. postoperativen Tag geliefert Gelingt in den ersten Tagen ein selbständiges Aufstehen
und angepasst werden, darf der Patient damit drehen und über nicht oder hat der Patient Teilschwächen oder Schmerzen, wird
die Bauchlage aufstehen. Das selbständige Anziehen des Kor- das Stehbrett benutzt (. Abb. 6.9).
setts wird eingeübt (s.o.). Nach primär stabilen Wirbelfrakturen Einüben des entlastenden Sitzes und Stabilisation (. Abb. 6.18,
dürfen die Patienten mit geradem Rücken auch über Seitenlage 6.19, 6.21).
und Seitsitz aufstehen. Toilettenaufsatz und Keilkissen für einen hohen Stuhl sind
Mit Korsett dürfen sich die Patienten en bloc auf die Seite Hilfsmittel, die es dem Patienten kurzfristig erlauben, mit Kor-
drehen, wobei die Wirbelsäule ganz gestreckt bleiben soll. Das sett im entlastenden Sitz zu sitzen. Hilfsmittel, die das Aufheben
später oben liegende Bein und der Arm spannen dabei in Ex- von heruntergefallenen Gegenständen erleichtern, und Anzieh-
tension/Abduktion (. Abb. 6.12). hilfen für Schuhe und Strümpfe werden über die Ergotherapeu-
14
15
16
17
18
19
20
. Abb. 6.16a,b. Freies Gehen auf der Treppe . Abb. 6.19. Aufstehen aus dem hohen Sitz
21
6.1 Wirbelfrakturen
85 6
1
2
3
4
5
. Abb. 6.22. Wärmeanwendung im BWS-Bereich
6
. Abb. 6.21a,b. Hoher Sitz, Bewegen eines Stabes
7
Wichtig
8
5 Das Dreipunktkorsett soll 12 Wochen lang getragen
werden.
9 5 Alle Bewegungsübergänge werden mit Korsett ausge-
führt.
5 Normales Sitzen ist 6 Wochen lang nicht erlaubt!
10
Bei einer Wirbelkörperfraktur oberhalb BWK 10 kann die Neutral-
11 stellung der Brustwirbelsäule über die Skapulaextension/-ad-
duktion stabilisiert werden. Kann der Patient die Seitenlage ein-
12 nehmen, bewährt sich eine milde Wärmebehandlung in Form
einer Heißen/Warmen Rolle im BWS-Bereich zur Dämpfung
der N.-sympasthicus-Erregung (. Abb. 6.22). Auch die Flexion/
13 Abduktion/Außenrotation beider Arme und das Herausschie-
ben des Kopfes verbessern die Aufrichtung der Brustwirbelsäu-
le (. Abb. 6.23). . Abb. 6.23. Hoher Sitz: Aufrichten der BWS über PNF-Armmuster
14
Nicht erlaubt sind Flexions-/Anteversionsmuster der Ska-
pula oder Flexions-/Rotationsmuster des Kopfes. Diese Bewe-
15 gungen würden in eine Flexion der Brustwirbelsäule weiterge- Im Sitz auf einem Therapieball wird zunächst eine gestreckte
leitet. Bedingt einsetzbar sind symmetrische Stützmuster der Wirbelsäulenhaltung/Neutralstellung eingenommen. Anschlie-
Arme, wenn sie neben dem Körper begrenzt werden. Ungünstig ßend wird die Rolle seitlich, nach vorne und hinten oder im
16 sind Extensionsbewegungen der Arme hinter die Körpermittel- Kreis bewegt (. Abb. 6.28, 6.29, 6.30, 6.31).
linie; sie leiten ebenfalls eine Flexion der Hals- und Brustwirbel- Kräftigung der Rücken-, Bauch- und Schultergürtelmuskula-
17 säule ein. Das Ziel ist eine Aufrichtung der Brustwirbelsäule und tur gegen die Rumpfschwere.
ihre Rotationsstabilität. Unter dieser Zielsetzung eignen sich
am besten Armmuster in Flexion/Abduktion/Außenrotation ! Cave
18 aus dem PNF-Programm. Bevorzugt sollen Übungen in der ge- Mobilisationstechniken werden bei Brustwirbelverletzungen
schlossenen Kette (Bizzini 2001) eingeübt werden (. Abb. 6.24). nicht angewandt!
19 Auch leichte Zuggeräte oder Therabänder kommen zur Anwen-
dung (. Abb. 6.25). Diese Behandlungsplanung kann häufig nicht umgesetzt wer-
Übungen mit der Rolle (Slivka 2006), schmerzfrei und in klei- den, denn die Patienten werden in Rehabilitationseinrich-
20 nen Bewegungsausschlägen, können Anwendung finden, z.B. in tungen höchstens 3 Wochen betreut. Die Knochenheilung be-
Rückenlage auf der Rolle. Zunächst wird das Wahrnehmen der findet sich zu diesem Zeitpunkt im Übergang zur Konsolidie-
21 Neutralstellung der Wirbelsäule eingeübt (. Abb. 6.26, 6.27). rungsphase, d.h., die Belastbarkeit ist noch sehr gering. Die an-
6.1 Wirbelfrakturen
87 6
3
4
5
6
7
. Abb. 6.30a,b. Rückenlage auf der Rolle. PNF-Muster für schräge
Bauchmukulatur bei stabiler Wirbelsäulenposition
8
. Abb. 6.31. Hoher Sitz auf
9 der Rolle. Kleine Wirbelsäu-
lenbewegungen aus der Lot-
10 stellung nach Korsettent-
fernung
11
12
13
14
15 . Abb. 6.29a,b. Sitz auf Therapieball. Kleine Bewegungen der Rolle zur
Seite oder im Kreis (auch mit Korsett möglich)
16
17 schließende physiotherapeutische Weiterbehandlung ist ab- Wichtig
hängig von der ärztlichen Verordnung, die meist nur für 6 wei-
tere ambulante Behandlungen gegeben wird. Eine Überforde- Wichtigstes Ziel der Bewegungstherapie ist die
18 rung ist vorprogrammiert, wenn Patienten nicht umfassend 5 dynamische Stabilisation der Wirbelsäule in Neutralstel-
über den Heilungsverlauf informiert sind, nicht weiterhin phy- lung und
19 siotherapeutisch betreut werden und sich selbst überschätzen. 5 Sicherung der Wirbelsäule bei Bewegungsübergängen
Schlechte Ergebnisse wie die Lockerung des implantierten Ma- und Alltagsaktivitäten.
terials und eine Zunahme des Kyphosewinkels mit chronischen Eine Mobilisation der Wirbelsäulenabschnitte ist kontraindi-
20 Rückenschmerzen sind die Folge. Der fachkompetenten Bera- ziert oder nicht notwendig. Der Heilungsprozess wird durch
tung durch den Physiotherapeuten kommt daher große Bedeu- Stabilisation und schmerzfreies Bewegen gefördert.
21 tung zu.
6.1 Wirbelfrakturen
89 6
Fortführung der Schulung lokaler und globaler Stabilisatoren derholung, Pausenverkürzung und Erhöhung der muskulären
Leichtes medizinisches Training mit Korsett kann in Rückenla- Belastbarkeit in schwierigeren Ausgangsstellungen.
ge, Bauchlage und Stand beginnen, wenn dies schmerzfrei ge- Verschiedene Armhaltungen verlängern die Hebellänge
schieht. Die Bewegungen sollen ohne Widerstand im Sinne ei- und verbessern die Muskelfunktion. Wie im Liegen werden
ner Ausdauerverbesserung und Stoffwechselanregung ausge- auch im hohen Sitz und Stand komplexe Spannungsformen im
führt werden. Die vorgegebenen Bewegungslimitierungen sind geschlossenen System bevorzugt eingeübt, aber auch mit frei-
zu beachten. Komplexe Bewegungen, z.B. am Zugapparat, sol- en Bewegungen kombiniert. Weiterlaufende Bewegungen müs-
len ohne Widerstand erfolgen (evt. Negativgewichteinsatz), da- sen auf den Stabilitätstgrad des betroffenen Wirbelsäulenab-
mit das versteifte Segment unbelastet bleibt. schnittes abgestimmt werden. Dies gilt v.a. für Übungen gegen
Stabilisationsübungen können stufenweise gesteigert wer- angepassten manuellen Widerstand.
den, gegen angepassten Widerstand oder in instabilen Positi- In manchen Praxen und Kliniken ist eine Behandlung auf
onen, z.B. auf Feldenkreisrolle (Slivka 2006), Therapieball, Fuß- dem »Total Gym« (. Abb. 6.33 a), wie von Zahnd vorgestellt,
kreisel, Schaukelbrett, Ballkissen und im Türrahmen (Göhler durchführbar. Dieses Gerät besteht aus einer kippbaren Leiter,
2007). Die Intensität wird erhöht durch gesteigerte Übungswie- auf der ein gepolstertes Brett nach oben und unten rollen kann.
Der Widerstand ist die Schwerkraft. Es kann im geschlossenen
und offenen System geübt werden. Ein Zugsystem kann unter-
stützend oder erschwerend zur Stabilisierung der LWS- und Be-
ckenstellung eingesetzt werden (. Abb. 6.33 b, c).
Die Wirbelsäule kann in Neutralstellung entlastend stabili-
siert werden. Eine Blutdruckmanschette, in Rückenlage unter
der LWS positioniert, ermöglicht es dem Patienten, die LWS-
Position selbst zu kontrollieren (. Abb. 6.32). Hamilton (2006)
hat diese Form der Aktivierung der lokalen Muskulatur aus der
Bauchlage angegeben.
Widerlagernde Bewegungen können durch Positionierung
der Beine, aber auch aktiv mit dem Total-Gym-Gerät ausge-
führt werden.
. Abb. 6.33a-c. a Total-Gym-Gerät nach Zahnd (2005), b Stabilisieren der LWS-Beckenstellung, c Becken-Rumpf-Stabilisation
90 Kapitel 6 · Wirbelfrakturen, Schleudertrauma, Rippen- und Sternumfrakturen
8. – 12. Woche
1 Fortsetzung der Schulung weiterer Aktivitäten
Das weitere Üben von Aktivitäten mit Korsett findet in komple-
2 xen Bewegungsmustern statt, um Muskelfunktionen, Ausdauer,
Schnelligkeit sowie Reaktions- und Koordinationsfähigkeit zu
verbessern.
3 In der Regel können Patienten die erlernten Übungen mit
Korsett, z.B. im geschlossenen System, selbständig weiterüben.
Möglich sind Walking, Bewegungsbad, Schwimmen mit Kor-
4 sett, Aquajogging, Steppertraining oder Rückenschule.
13
14
15
16
17
18
19
b
20 a
21
6.1 Wirbelfrakturen
91 6
a b
a b c
. Abb. 6.37a-c. a Stabilisation der Wirbelsäule im Türrahmen im geschlossenen System, b Stabilisation über Rotation im geschlossenen System,
c Kombination von geschlossenem System und freier Armbewegung, Kopf folgt der Bewegung (Göhler 2007)
92 Kapitel 6 · Wirbelfrakturen, Schleudertrauma, Rippen- und Sternumfrakturen
Übung
5 Anspannen der queren Bauchmuskulatur und der Mm.
multifidii durch leichten Druck auf die Manschette, Halten
der Spannung.
Übung
5 Einnehmen der Brunkow-Grundspannung.
5 Stabilisation der LWS gegen Handkontakt.
5 Erweiterung der Kontakte nach kranial, kaudal und diago-
nal (. Abb. 6.20).
Übung
5 Minibridging bei Unterlagerung der Kniegelenke mit fester
Rolle. Dabei Bauchmuskeln anspannen, LWS in Neutral-
stellung bringen und dann erst Becken leicht abheben (s.
Vorübung zum Anziehen des Dreipunktkorsetts).
Übung
. Abb. 6.41. Gerade Bauchlage auf dem Therapieball, Stabilisation der 5 Vorübung für Transfer von RL in SL: PNF-Muster »Exten-
Wirbelsäule sion/Abduktion/Innenrotation« aus 30° Flexion/ Addukti-
on/Außénrotation.
Technik: Bewegen – Halten.
Übungsbeispiele
Übung mit Korsett
Die folgenden Übungsbeispiele beziehen sich auf eine LWK-Frak- 5 Stabilisation in Seitenlage nach Drehen en bloc
tur mit Fixateur-interne-Osteosynthese von LWK2 –4. (. Abb. 6.12).
Proliferationsphase Übung
Ausgangsposition 5 Bewegungsübergang in Bauchlage, Stand, zurück in
Rückenlage. LWS mit gefalteter Blutdruckmanschette unterla- Bauchlage und gestreckt über Seitenlage in Rückenlage.
gert.
94 Kapitel 6 · Wirbelfrakturen, Schleudertrauma, Rippen- und Sternumfrakturen
Ausgangsposition Übung
1 Rückenlage. Blutdruckmanschette oder kleines Gelkissen un- 5 Beine sind aufgestellt. Ein Bein anbeugen und mit der Fer-
ter der Lendenwirbelsäule. se auf das andere Knie tippen. Position halten.
2 Übung ohne Korsett Übung
5 Quere Bauchmuskeln anspannen und LWS leicht gegen die 5 Symmetrisches PNF-Armmuster »Extension/Abduktion/
3 Blutdruckmanschette drücken. Spannung halten. Innenrotation« bis zur Körpermittellinie. Stabilisation der
Position.
Ausgangsposition
4 Bauchlage. Ausgangsposition
Stand.
5 Übung ohne Korsett
5 Skapulae beidseits nach hinten-unten ziehen und gegen Übungen
Handkontakt halten. 5 Einnehmen der Brunkow-Grundspannung.
6 5 Kopf herausstrecken und nach rechts, links drehen. 5 Stabilisation im Stand mit Handkontakt am Becken oder
an den Armen.
7 Transfer in den Stand mit Korsett
5 Aufstehen aus Bauchlage (im Stand nochmals Korsett fest- Übungen
ziehen). 5 »Eckensteher«, dabei die Hände gegen die Wand stützen.
8 Position stabilisieren.
Ausgangsposition 5 Rumpfstabilisation im Stand mit Zuggeräten, Federstab,
Hanteln und Therabändern (s. auch weitere Abbildungen
9 Hoher Sitz, hoher Halbsitz mit Korsett.
in diesem Kapitel).
Stabilisationsübungen
10 5 Stabilisation im Sitz gegen Handkontakt ohne Rotations-
widerstand. 6.2 Halswirbelfrakturen
5 Bein-Becken-Rumpf-Stabilisation gegen Handkontakt.
11 5 Rumpf leicht aus dem Lot bewegen und wieder in Neutral- Einteilung
stellung zurückfinden.
12 5 Dasselbe mit den Händen auf der senkrecht vor dem Pati- Halswirbelfrakturen werden nach Müller et al. (1990) und Ma-
enten aufgestellten Rolle. gerl et al. (1991) in drei Typen eingeteilt; die Klassifizierung um-
5 Skapulamuster »Depression/Adduktion« gegen Handkon- fasst auch die Verletzungen der Bindegewebsstrukturen.
13 takt.
5 Stabilisation im hohen Sitz gegen leichtes Theraband oder Typ A Kompressionsfrakturen ohne Zerreißung der dorsalen
14 durch Bewegen eines Stabes. Bänder
21
6.2 Halswirbelfrakturen
95 6
6
96 Kapitel 6 · Wirbelfrakturen, Schleudertrauma, Rippen- und Sternumfrakturen
! Cave
1 Nach einigen Tagen: Im Halswirbelsäulenbereich sollen Massagetechniken nicht an-
5 Entspannungstechniken für die Nackenmuskulatur gewandt werden.
2 über Schulterblatt-Pattern und Techniken nach Jacob-
Die Patienten sollen sich gerade halten, gerade sitzen mit ange-
son (1990), Scharschuch-Haase (1985).
5 Einüben der Neutralstellung der Halswirbelsäule lehntem Rücken und die Arme ablegen (Vermeiden von Zug-
3 durch minimalen Druck auf ein kleines Gelkissen oder spannung).
Stabilizer (Hamilton 2006) (7 Abschn. »Schleuder- Sie werden angeleitet, keine schweren Gegenstände zu tra-
gen und dynamische Rotationsbewegungen in den ersten Wo-
4 traumabehandlung«).
chen zu vermeiden.
5 Stabilisation der Halswirbelsäule über Handkontakt,
global im Sinne der komplexen Grundspannung und Im Übrigen gelten die gleichen Behandlungsprinzipien wie
5 Wahrnehmung der Kopfhaltung (keine Widerstände!). bei lumbalen Frakturen. Die Rekrutierung motorischer Ein-
5 Augenbewegungen unter Beibehaltung der Neutral- heiten der lokalen und globalen Stabilisatoren und die Förde-
rung der Koordination sind Schlüsselpunkte der Behandlung
6 stellung der Halswirbelsäule.
5 Milde Wärmeanwendung im Brustwirbelsäulenbe- (. Abb. 6.29, 6.32).
reich, nicht im Nackenbereich. Eine Mobilisation der Halswirbelsäule sollte kritisch gesehen
7 5 Haltungsschulung und Entlastungsstellungen, z.B. werden; auch in der späteren Umbauphase dürfen keine pas-
Kopf abstützen mit den Händen im Sitz. siven Techniken angewandt werden. In der Regel stellt sich ein
natürliches Bewegungsverhalten nach Entfernung der Hakskra-
8 watte ein, wenn vorher schmerzfrei und unter Beachtung der
Heilungsprozesse behandelt wurde.
Patienten mit Halswirbelfrakturen erhalten oft eine weiche,
9 wenn notwendig eine feste Halskrawatte, die 6 Wochen getra- ! Cave
gen werden sollen. 5 Keine Mobilisationstechniken und keine Dehntechniken bei
10 Grundsätzlich gilt eine Bewegungseinschränkung für dyna- Halswirbelfrakturen!
mische Bewegungen wie bei den lumbalen Wirbelfrakturen. 5 Bei einer Spondylodese nach Halswirbelfrakturen oder
Besonders ist auf eine schmerzfreie Lagerung und das sorg- Plattenosteosynthese über mehrere Segmente dürfen
11 fältige Tragen der Krawatte zu achten. weder aktive/passive Rotationsbewegungen oder Flexi-
ons-/Extensionsmuster noch translatorische Bewegungen
12 Wichtig durchgeführt werden!
14 Der Transfer von Rückenlage zum Sitz soll über die Seitenlage 5 chronische Schmerzentwickung,
erfolgen, evt. muss der Kopf anfangs vom Physiotherapeuten 5 Instabilität,
oder der Schwester gehalten werden. 5 Degeneration nicht betroffener Gelenkstrukturen,
15 Weiche Massagegriffe/Streichungen oder eine Manuelle 5 chronische Kopfschmerzen, Schwindelgefühl.
Lymphdrainage im Thoraxbereich können zu einer Reduzie-
rung der Aktivitäten des sympathischen Nervensystems füh-
16 ren. Befunderhebung
18
19
20
21
6.3 Halswirbelsäulendistorsion/Schleudertrauma/»Whiplash Associated Disorder« (WAD)
97 6
Spezielle Befunderhebung
Prüfen 5 Schmerzsituation und Provokation der Schmerzen; wann, wo, wie, lokale/ausstrahlende Schmerzen (VAS).
5 Muskeltonus.
5 Kontraktionsfähigkeit der lokalen tiefen Muskulatur im HWS-Bereich (Kraniozervikaler Flexionstest und Gelenk-
positionstest erst nach Gips- oder Schanzkrawattenentfernung (. Abb. 6.44, 6.45).
5 Dehnfähigkeit und Kraft < MTW 3 der globalen Halsmuskulatur, erst zu Ende der Konsolidierungsphase.
5 Aktive Beweglichkeit, wenn die Ruhigstellungsphase beendet werden soll.
5 Sensibilität, Kontraktionsfähigkeit, wenn eine neurologische Symptomatk vorhanden ist
5 Kopfhaltung.
5 Ausweichbewegungen.
Wichtig
Kennmuskeln und Oberflächensensibilität überprüfen!
schwerden angeben (bis zu 3 Wochen). Falls sie länger bestehen, der ängstliches Verhalten noch forsches Überspielen ist richtig
1 muss erneut eine Diagnostik beginnen. (Weigel, Nerlich, 2005).
Da ein Ödem zu erwarten ist, das für schmerzhafte Verkle-
Ärztliche Behandlung
2 Konservatives Vorgehen
bungen des Bindegewebes verantwortlich sein kann, soll die
Manuelle Lymphdrainage eingesetzt werden, um die Resorption
Das Röntgenbild in zwei Ebenen ist oft wenig aussagekräftig; des Ödems zu fördern und Schmerzen zu reduzieren.
3 das MRT verifiziert die Weichteilschädigung. Zur Schmerzre- Chronische Beschwerden können, je nach Befund, nach
duktion und Entlastung der Nackenmuskulatur wird bei kon- Maitland und Cyriax behandelt werden. Reagieren der Plexus
servativem Vorgehen eine temporäre Ruhigstellung mit einer brachialis und andere neuromeningeale Strukturen, soll unter
4 weichen Halskrawatte für ca. 2 Wochen verordnet. Bei Nachlas- Entlastung geübt werden (7 Kap. 7, »Schultergelenk«).
sen der Beschwerden darf sie abgenommen werden, damit die Objektiv sind morphologische Ursachen für die vielfältigen
5 Muskulatur nicht zu stark atrophiert und ein Circulus vitiosus Beschwerden meist nicht nachweisbar. Deshalb sollten Physi-
entsteht. otherapeuten alle Symptome ernst nehmen, möglichst inter-
Wie lange die Krawatte getragen werden soll, wird kontro- diszipliär abklären und die Behandlung behutsam planen und
6 vers diskutiert: durchführen.
5 Ein zu langes Tragen kann Bewegungseinschränkungen
7 verursachen und die aufrichtende Muskulatur von ihren Wichtig
Aufgaben entwöhnen.
Eine Massage darf nur im Schulterblatt- und Schulterbereich,
5 Eine zu kurze Tragezeit bei massiver muskulärer Instabili-
8 tät kann die Schmerzproblematik deutlich verstärken. nicht im Nackengebiet durchgeführt werden.
. Abb. 6.44. Kraniozervikaler Flexionstest (Hamilton 2006) . Abb. 6.45. Gelenkpositionstest mit Laserpointer (Hamilton 2006)
5 Man kann dies palpatorisch oder auch aufwendiger durch 5 Eine Abweichung von der Ausgangsposition, Mitte der
eine Elektromyographie kontrollieren. Scheibe, lässt sich dann messen. Wenn der Patient die Au-
5 Ausweichbewegungen des Kopfes sollen korrigiert werden. gen öffnet, kann er selbst die Abweichung beurteilen und
5 Bei 10-maliger Wiederholung soll optimalerweise, ausge- diesen Test als Übung wiederholen.
hend von einem Wert von 20 mmHg, ein Druck von 26–28
mmHg für 10 sec gehalten werden. Dokumentiert wird di- Beide Testverfahren eignen sich als eigenständiges Übungs-
es als 6–8 mmHg x 10 x 10. programm, wenn sie gut vorgeübt wurden. Ebenso sind ande-
5 Bei einer Halswirbelsäulendistorsion Grad II gelingt jedoch re Kombinationen von Kopfbewegungen nach demselben Mu-
meist nur eine Steigerung um +2 mmHg. Wir verwen- ster möglich und sinnvoll. Abweichungen werden als Fehl-
den eine normale 3-fach gefaltete Blutdruckmanschette funktionen der Muskelspindeln gedeutet, entsprechen nicht
(7 Abschn. »LWS-Fraktur«). den Normwerten und sind ein Hinweis auf ein gestörtes Bewe-
gungs- und Lageempfinden.
Gelenkpositionstest (GPS) (. Abb. 6.45) Andere Autoren benutzen Augen-Kopf-Arm-Koordiationsü-
Treleaven et al. (2003) zeigten, dass eine deutliche Übereinstim- bungen (PNF, Feldenkrais, Kristjansson et al. 2004), z.B. durch
mung zwischen einem zervikogenen Schwindel nach einem Fixieren eines Punktes bei Kopfbewegungen oder gegengleiche
Schleudertrauma/WAD Grad II und einem mangelhaften GPS- Augenbewegung zur Kopfbewegungsrichtung. Diese Übungen
Test besteht (Hamilton 2006). Wissenschaftlich wird dieser Test können auch in der Rückenlage oder erschwerend in labilen
mit Bewegungssensoren in einem elektromagnetischen Feld ge- Ausgangsstellungen durchgeführt werden (Stand auf Kreisel,
messen. Nicht so exakt, aber zur Ermittlung eines gestörten Be- Sitz auf Ball o.Ä.) und sind vielseitig zu verändern.
wegungs- und Lageempfindens durchaus geeignet, ist eine ein- Viele Patienten sind 4 Wochen nach einem Auffahrun-
fachere Methode. fall noch nicht beschwerdefrei und werden mit der Diagnose
Testdurchführung mit einem Laserpointer und einer Ziel- »posttraumatisches Stress-Syndrom« an Psychologen überwie-
scheibe: sen. Physiotherapeuten können jedoch in den ersten Wochen
5 Der Patient sitzt frei auf einem Hocker in einem Abstand bereits die Muskelfunktionsstörung der tiefen Nackenmusku-
von 1,5 m gegenüber der Zielscheibe. An seinem Kopf ist latur erkennen und beurteilen. Sie sollten bei einer neurolo-
ein Laserstrahler befestigt. Der Lichtstrahl soll die Mit- gischen und intensiven Schmerzsymptomatik, globalen Be-
te der 31,6 cm großen Scheibe treffen; dann entspricht ei- wegungseinschränkungen und deutlichen Defiziten im GPS-
ne Markierung von 1,5 cm auf der Zielscheibe einer Abwei- und KZF-Test eine multidisziplinäre, psychosoziale Behand-
chung von 6°. Der Patient soll die eigene Kopfhaltung mit lung anregen.
geschlossenen Augen nachspüren und den Kopf innerhalb Bei Einzelbefunden wird die physiotherapeutische Behand-
seiner Schmerztoleranz nach rechts und links drehen (evt. lung erfolgreich sein (Hamilton 2006).
auch bis ca. 30°) und wieder zur Mitte führen.
100 Kapitel 6 · Wirbelfrakturen, Schleudertrauma, Rippen- und Sternumfrakturen
Ursachen Versorgung:
Konservativ mit Dreipunktkorsett.
5 große Gewalteinwirkung, Bettruhe bis Lieferung des Korsetts.
5 forcierte Reanimation. Flache Lagerung mit schräg gestelltem Bett.
Stabilität:
Primär bewegungsstabil, senkrechte Belastung nur mit
Behandlungsrichtlinien und therapeutische Korsett.
Maßnahmen Procedere:
Korsettpflicht für 12 Wochen in der Vertikalen.
Ärztliche Behandlung BWS- und LWS-Rotation, Lateralflexion und Flexion
Diagnostisch gibt ein Röntgenbild evt. wenig Aufschluss, das CT nicht erlaubt für 6 Wochen. Danach hubfreie/-arme Bewe-
ist effektiver. Am wichtigsten ist jedoch ist die klinische Unter- gungen bis zur 12. Woche.
suchung. Bewegungsbegrenzung der Hüftgelenke bei 60° Flexion für
Therapeutisch wird behandelt wie bei Rippenfrakturen, zu- 6 Wochen. Kein normaler Sitz für 6 Wochen. Aufstehen
nächst v.a. durch eine intensive Schmerztherapie. Nur sehr sel- über BL, SL und hohen Sitz erlaubt.
ten ist ein operatives Vorgehen indiziert. Nach 12 Wochen volle Belastung und Beweglichkeit erar-
Längsfrakturen können wie nach einer Sternotomie mittels beiten.
Draht-Cerclagen operativ versorgt werden. Röntgenkontrollen bei Klinikentlassung, nach 4 und 12
Danach sollten bis einschließlich der 5. Woche postoperativ Wochen.
keine Flexions-, Rotations- und Lateralflexionsbewegungen der Unfallanamnese:
Wirbelsäule ausgeführt werden. Der Patient stürzte beim Baumschneiden von der Leiter.
Notarzt veranlasste Einweisung in die Klinik.
Physiotherapeutische Behandlung
Die physiotherapeutische Behandlung wird wie bei Rippenfrak-
turen durchgeführt (7 Kap. 3, Atemtherapie). ICF-Dokumentation
Patient
Liegen, Stehen und Gehen sei unangenehm. des Physiotherapeuten seien notwendig.
– Leichte Aufquellung des Gewebes auf Frakturhöhe, 5 Stand mit Korsett: 5 Aufgrund stationären Aufenthaltes nicht beur-
ca. Handteller groß. – Symmetrische Beinbelastung, in Knie- und teilbar.
– Schmerzen: Hüftgelenk + Flex. beidseits. 5 Siehe Patientenperspektive.
– Lokalisation: auf Frakturhöhe, bilateral ausstrahlend. – Becken ventral gekippt, ++ LWS, + BWS, +
– Schmerzqualität: ziehend. HWS.
– Schmerzquantität: VAS 2 im Liegen, VAS 5 bei Trans- – Konstitution: ++ Bauchgewichte.
fers, Stehen und Gehen. 5 Gehen mit Korsett:
5 Tonus der Bauch- und Rückenmuskulatur deutlich – Gehstrecke 20 m, dann Schmerzzunahme,
erhöht. subjektive Erschöpfungszeichen und Erhö-
5 Oberflächensensibilität Beine und Rumpf o.B. hung der Vitalwerte.
5 Kennmuskeltests untere Extremitäten o.B. – Gangtempo verlangsamt, 30 Schritte/min.
5 MFT: Bauch-/Rückenmuskeln nur auf Wert 2 getestet in – Treppengehen aufgrund von Schmerzen und
abgewandelter Testposition. geringer Belastbarkeit noch nicht möglich.
5 Neurale Provokationstests (SLR, PKB) o.B. 5 Transfers mit Korsett: RL–SL–BL–Stand, hoher
Kapitel 6 · Wirbelfrakturen, Schleudertrauma, Rippen- und Sternumfrakturen
Therapeut
Greifzange
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11
12
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20
21
7 Frakturen und Luxationen im Bereich des Schultergelenks und Rotatorenmanschettenrupturen
107 7
Einteilung
5 Frakturen:
– Klavikulafraktur,
– Skapulafraktur,
– Oberarmkopffraktur;
5 Luxationen:
– Humeruskopfluxation,
– Schultereckgelenkluxation.
1
ac 30°
2 H
60°
Maximale
3 90° Klavikula-
anhebung
4 um 30°
H
5 S H
S
30°
S
S 30 ___
_= __ 60 _1
6 =
H 60 120 2
=
H
Skapularotation 30°
7
Rotation
120° der
8 180° Klavikula
60°
9 H
10 60° Schultergelenkflexion
S bis 180°
11
S
Wichtig
14 Eine typische Schmerzauslösung des M. biceps erfolgt bei
Anspannung des M. biceps bei 70–80° Abduktion/Flexion.
15 Skapulaschwenkung
bis 60°
Schultergelenkkapsel
16 Nicht weniger wichtig für die volle Funktion des Schultergelenks . Abb. 7.3. Skapula- und Klavikulabewegung bei Armflexion (Cailliet
ist die Kapsel. Die Rotatorenmanschette mit ihren Sehnenan- 1975)
17 sätzen und die wenigen schwachen Kapselbänder lassen in der
Kapsel Schwachstellen entstehen, durch die der Humeruskopf
leicht luxieren kann. Die schlaffe Kapsel wird durch die Sehnen Innervation des Schultergelenks/Nervale Strukturen im Schul-
18 der Rotatorenmanschette gestrafft. Der kaudale Abschnitt wird tergelenkbereich
bei Abduktion gespannt und begrenzt die Bewegung. Alle Strukturen des Schultergelenkbereiches werden aus den
19 Segmenten C4 und C 5 innerviert. Bestehende Sensibilitätsstö-
! Cave rungen können den entsprechenden Hautdermatomen zuge-
Schrumpft die Kapsel durch Ruhigstellung in Adduktion des ordnet werden (7 Kap. 1, Befunderhebung). Eine Prüfung hin-
20 Schultergelenks (z.B. bei länger anliegendem Gilchrist- oder sichtlich Sensibilitätsstörungen ist deshalb zwingend erforder-
Desault-Verband), entsteht eine Adduktionskontraktur. lich. Es muss auch über die Irritation neuromeningealer Struk-
21 turen und ihre Auswirkungen auf die Funktion des Arms nach-
7.1 Luxationen und Instabilitäten des Schultergelenks
109 7
B Die seltene hintere Luxation erfolgt über ein direktes Trauma bei
adduziertem, innenrotiertem Arm. Habituelle Instabilitäten be-
schreiben eine Luxation ohne adäquates Trauma, nach vorange-
gangenen mehrfachen Traumen. Patienten können sie oft selbst
wieder reponieren.
Charakteristische Symptome/Leitsymptome
5 tastbare subakromiale Dellenbildung,
C 5 federnde Fixation bei geringer Abduktion und Außenrota-
tion (= Luxation nach vorne/unten),
5 tastbare Dellenbildung und fixierte Innenrotation (= Luxa-
tion nach dorsal),
5 Schmerzhafitgkeit,
5 Bewegungsunfähigkeit.
. Abb. 7.4. Bizepsgleitmechanismus. LBS lange Bizepssehne, KBS kur- Behandlungsrichtlinien und therapeutische
ze Bizepssehne (Cailliet 1975) Maßnahmen
Bei 95 aller Patienten mit einer Luxation rutscht der Hume-
gedacht werden. Der Plexus brachialis (C5–Th1) ist von seiner ruskopf nach vorne-unten (subkorakoidal), seltener nach hinten
Lage her bei Verletzungen im Schultergelenkbereich gefährdet, (subglenoidal) oder nach hinten-oben (subspinal). Ein Abriss
ebenso seine Äste des Tuberculum majus ist eine häufige Begleiterscheinung.
5 N. suprascapularis,
5 N. subclavius und Ärztliche Behandlung
5 N. axillaris. Klinik und Röntgenbild lassen eine Luxation des Schulterge-
lenks eindeutig erkennen; der Humeruskopf luxiert am häu-
Wird der Plexus brachialis durch eine Luxation oder eine Frag- figsten nach vorne-unten zwischen die Zügel der Ligg. gleno-
mentdislokation unter Druck gesetzt, können auch die Armner- humerale und coracohumerale (. Abb. 7.5). Es besteht eine fe-
ven dernde Fixation mit starker Schmerzhaftigkeit.
5 N. radialis, Nach möglichst frühzeitig erfolgter Reposition nach Arlt
5 N. ulnaris und oder Hippokrates legen deshalb die meisten Traumatologen ei-
5 N. medianus nen Gilchrist-Verband (. Abb. 7.6) an und fordern bei jüngeren
irritiert werden. Bestimmte Dehn- oder Entlastungsstellungen Patienten unter 45 Jahren, dass er strikt für 3–4 Wochen getra-
können zur Diagnostik beitragen (7 Abschn. 7.1, Befunderhe- gen wird. Ältere Patienten haben eine geringere Rezidivgefahr,
bung). deshalb kann die Ruhigstellungszeit kürzer sein (Weigel, Ner-
lich 2005).
110 Kapitel 7 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Schultergelenks und Rotatorenmanschettenrupturen
2
3
4
5
6
7 . Abb. 7.5. Luxation des Humeruskopfes
8
Reposition/operatives Vorgehen ren Strukturen zugeordnet. Am häufigsten liegt eine Innenrota-
Bleibt der Schmerz nach der Reposition und Ruhigstellung beste- tions- und Abduktionseinschränkung vor. Bei einer engen Kap-
9 hen, sollte man an eine zusätzliche Verletzung der Rotatoren- sel steht die Schulter durch den Hochstand des Humeruskopfes
manschette, an Verletzungen der neuromeningealen Strukturen höher. Ist der Humeruskopf nach kaudal abgerutscht ist, steht
10 oder an einen vorderen Pfannenrandabriss denken. Zusätzlich sie tiefer.
besteht häufig eine Abrissfraktur des Tuberculum majus. Das Hämatom kann der Schwerkraft nach absacken und
oberflächlich entlang der Bizepsloge und an der Thoraxwand
11 Wichtig sichtbar werden.
In den meisten Fällen werden Schmerzen, auch bei kurzer
Die beiden wichtigsten Repositionsmanöver bei einer vor-
12 deren Schultergelenkluxation sind die nach Arlt und Hippo-
Ruhigstellung angegeben an:
5 Bizepssehne,
krates.
5 Supraspinatussehne,
13 5 Subskapularissehne,
Knöcherne und ligamentäre Begleitverletzungen können eine 5 Tuberculum majus oder
14 operative Behandlung erfordern. Es kommen offene und ar- 5 Bursa subdeltoidea.
throskopische Stabilisationen zur Anwendung, mit Schrauben-
osteosynthesen oder einer Zuggurtungsosteosynthese. Kapselverklebungen durch das Hämatom, Mikrotraumata oder
15 Bei Muskelverletzungen besteht ein Kontraktions- oder Los- ein Abriss des Tuberculum majus können als Ursache für die
lassschmerz. Bei inkompletten Einrissen der Rotatorenmanschet- Schmerzen angesehen werden. Die oft auftretende Schmerz-
te tritt eine deutliche Schwäche der Außenrotatoren auf. Falls haftigkeit der langen Bizepssehne resultiert aus ihrer intrakap-
16 keine Kontraktion zu spüren ist, besteht eine komplette Rup- sulären Lage und der Verhaftung unter dem intertuberkulären
tur; sie ist diagnostisch eindeutig, wenn keine Sensibilitätsstö- Band (. Abb. 7.4).
17 rungen vorliegen. Der Patient hat dann auch ein unsicheres/in-
stabiles Gefühl im Schultergelenk. Bei Muskelrissen der Rotato- Physiotherapeutische Behandlung
renmanschette werden operative Rekonstruktionen vorgenom- Nach Reposition
18 men. Das therapeutische Vorgehen bei der Erstversorgung ist ent-
Nach Cyriax (1978) wird die Bewegungseinschränkung Au scheidend für eine Ausheilung oder eine Rezidivneigung.
19 ßenrotation>Abduktion>Innenrotation als Kapselmuster inter- In der Konsolidierungsphase, ca. 3–8 Wochen nach dem
pretiert. Bei eingeschränkter Außenrotation ist konsequenter- Trauma, kann zunehmend die Bewegung erweitert werden, die
weise auch die Flexion eingeschränkt (Cailliet 1975, Kapandji Außenrotation soll jedoch nicht vor Ablauf der 6. Woche geübt
20 1984). Alle anderen Bewegungseinschränkungen werden ande- werden.
21
7.1 Luxationen und Instabilitäten des Schultergelenks
111 7
Spätkomplikationen
5 habituelle Instabilität,
5 Periarthropathia humeroscapularis,
5 Arthrose des Schultergelenks,
5 Kalzifikationen.
Befunderhebung
1
Beurteilen 5 Hautverfärbung.
2 Sichtbares Hämatom, evt. abgesunken entlang der Muskelloge des M. biceps oder M. pectoralis major.
5 Atrophie, besonders M. deltoideus. Spannungserhöhungen der Schultergürtelmuskulatur, Nackenmuskulatur,
M. biceps.
3 5 Armhaltung, Humeruskopfstellung gegenüber der Pfanne (hoch, tief, ventral).
5 Spontanbewegungen mit und ohne Skapulabewegungen.
5 Schultergelenk-, Skapula- und Humeruskopfstellung in Röntgenbildern und Skapula-Y-Aufnahme.
4 Wichtig
Dorsale Luxationen werden leicht übersehen!
5 Messen 5 Aktives Bewegungsausmaß des Schultergelenks in vorgegebenem
Bewegungsausmaß, Abduktion (Rotationsnullstellung). Horizontale Adduktion bis Nullstellung (Rotationsnull-
stellung).
6 5 Ellenbogenbewegungen: Extension, Flexion, Pro- und Supination.
5 Hand- und Fingerbewegungen.
5 Umfangmaße (genormte Abstände).
7
Prüfen 5 Schmerz bei Bewegung, in Ruhe, am Bewegungsstopp bzgl. Intensität, Qualität (VAS), Lokalisation, Ausbreitung.
5 Neuromeningeale Strukturen (C5–Th1) auf Entlastung/Annäherung und Dehnung/Schmerzauslösung oder
8 Sensibilitätsstörung (Butler 1998).
5 Plexus brachialis, Entlastung der Schulter nach kranial, ventral, Kopf in Lateralflexion und Rotation zur gleichen
9 Seite (medialer Faszikulus), Rotation zur Gegenseite (dorsaler Faszikulus).
5 Armnerven:
– N. radialis, Entlastung durch Annäherung in Innenrotation, Ellenbogenflexion, Supination, Dorsalextension.
10 – N. ulnaris, Entlastung in Innenrotation, Ellenbogenextension, Supination und Palmarflexion.
– N. medianus, Entlastung in Außenrotation, Pronation, Ellenbogenflexion, Palmarflexion.
5 Qualität und Bewegungsausmaß/Bewegungsstopp.
11 5 Skapulamitbewegung (Cailliet, . Abb. 7.2, 7.3).
5 Muskelfunktionstest der Hand- und Ellenbogenmuskulatur; besonders die Kennmuskeln M. deltoideus und
M. pectoralis sollen bis zur Frakturkonsolidierung oder Kapselheilung nur auf Teststufe 2 geprüft werden.
12 5 BWS-Mobilität.
5 Komplexes Bewegungsverhalten von Arm, Skapula und Klavikula und belastende Aktivitäten dürfen erst am
Ende der Konsolidierungsphase getestet werden, z.B. Stützen, Tragen von Gewichten.
13 5 Test nach Cyriax (s.u.)
Wichtig
Erlaubt sind während der ersten 6–8 Wochen nur Test 1, 2, 11 und 12. Rücksprache mit dem Operateur ist
14 notwendig.
Notieren und 5 Sensibilität: Autonomgebiet des N. axillaris, Segment der Armnerven (7 Kap. 2, Funktionsbefund).
15 Bewerten 5 Einschränkungen der Aktivitäten im Alltagsablauf (ADL).
5 Einschränkung der Selbständigkeit, Partizipation.
16 Wichtig
Bestehen nach Reposition einer Luxation noch Schmerzen, kann dies hindeuten auf:
5 Verletzung der Rotatorenmanschette,
17 5 Hill-Sachs- Läsion,
5 Bankart-Läsion,
5 Tuberculum-majus-Abriss,
18 5 Armplexusschädigung oder
5 Ablösung des Labrum glenoidale.
19
Cyriax-Test 3. Schmerzhafter Bogen (über Abduktion zur Flexion); wird
Der Cyriax-Test beinhaltet 13 Prüfungen: bei ca. 70° ein Schmerz ausgelöst, ist die Supraspinatusseh-
20 1. Aktive Armhebung. ne verletzt).
2. Passive Armhebung. 4. Passive Abduktion.
21 5. Passive Innenrotation (nach 5 Wochen).
7.1 Luxationen und Instabilitäten des Schultergelenks
113 7
Grundsätzliches Vorgehen
In . Übersicht 7.1 sind die Gesichtspunkte der physiotherapeu-
tischen Behandlung nach Luxationen und Instabilitäten des
Schultergelenks zusammengefasst.
Solange die Kapsel nicht ausgeheilt ist (ca. 60 Tage nach der lich versucht der Patient, die lokalen Halswirbelmuskeln anzu-
Reposition), darf nicht exzessiv mobilisiert oder gekräftigt wer- spannen, unter Ausschaltung der globalen Muskulatur.
den. Die meisten Patienten sprechen auf weiche, detonisieren-
de Massagegriffe, warme Kompressen oder eine Heiße Rolle im
Tipp BWS-Bereich (. Abb. 6.22) gut an.
Hubarme Mobilisationen der Brustwirbelsäule (. Abb. 7.10)
Schmerzhafte Schultergelenkbewegungen sollen hubarm
und paravertebrale Massage- oder Bindegewebsmassagegriffe
oder unterstützt bewegt, nicht forciert mobilisiert werden.
im Brustwirbelbereich Th4–Th8 können die sympathische Re-
Bewegungen, die im Alltag benötigt werden, sind bevorzugt
flexaktivität senken (7 Kap. 6).
zu üben.
Alle Bewegungen sollen bis kurz vor die Dehnschmerzgren-
ze ausgeführt werden, auch wenn die bestmögliche Bewegungs-
Die zuvor in der Befunderhebung genannten Testverfahren, amplitude angestrebt werden soll. Techniken wie Progressive
Bild gebenden Diagnoseverfahren und Röntgenkontrollbilder Muskelrelaxation oder »Stop and Go« eignen sich ebenso wie
ermitteln die Strukturzugehörigkeit der Schmerzen und be- PNF-Entspannungstechniken.
stimmen die Behandlungstechniken. In vielen Kliniken wird heute auch eine kurzfristige
Schmerztherapie mit Medikamenten durchgeführt. Die reflek-
3. Entspannung der Mm. trapezius und biceps brachii torische Abwehrspannung des M. biceps muss in Zusammen-
Die reflektorische Spannungserhöhung des M. trapezius, der hang mit der Einengung seiner langen Sehne oder der Verhaf-
den Schultergürtel hochzieht, um das Schultergelenk und des- tung im Sulcus intertubercularis gesehen werden.
sen Strukturen zu entlasten, wirkt sich ungünstig auf die Funk- Aktive Entspannungstechniken nach PNF, besonders
tion der Schultergelenkmuskulatur aus. Die Schulter erscheint »Rhythmische Stabilisation – Entspannen – aktives Weiterzie-
verschmälert, der Muskelrand tritt als Strang hervor. Ziehende hen« sind effektiv einsetzbar. Steht der Humeruskopf zu hoch
Schmerzen behindern den Patienten. unter dem Akromion, kann mit einer minimalen Traktion nach
Zunächst muss die Schmerzursache erkannt und behandelt kaudal/dorsal eine Entlastung der Bizepssehne erreicht werden
werden. Techniken, die Schmerzen abbauen, werden auch die (Maitland- Kaltenborn-Technik). Ob diese Techniken einge-
reflektorische Abwehrspannung verringern. Eine kurzzeitig an- setzt werden dürfen, muss mit dem behandelnden Arzt bespro-
gelegte Eiskrawatte, um den Nacken gelegt, die beidseitig bis chen werden.
zum Akromion reichen soll, kann die Spannung des M. trapezi-
us reduzieren. Langzeit-Eisanwendungen sind jedoch nicht an- 4. Mobilisation des Schultergelenks
gezeigt (van den Berg 2001). Entsprechend der 6-wöchigen Armstellung auf dem Abduk-
Kopf- und Schulterblattbewegungen gegen Führungskon- tionskissen und der vorgegebenen Bewegungsgrenze entsteht
takt können geeignete Maßnahmen sein (. Abb. 22.8). Zusätz- eine Adduktions-Extensions-Kontraktur mit zusätzlicher Ein-
schränkung der Rotationen.
Bis zu diesem Zeitpunkt musste die Mobilisation des Schul-
tergelenks zurückgestellt werden. Erst bei erlaubter Außenrota-
tion kann die Armhebung über die Horizontale sinnvoll erar-
beitet werden (7 Kap. 7, Biomechanik). Ist die Bewegungsein-
schränkung auf Muskelverkürzungen zurückzuführen (7 Ab-
schn. 7.1, Test nach Cyriax), werden aktive Entspannungstech-
niken in verschiedenen Dosierungsstufen eingesetzt.
Wichtig
! Cave
Flexion/Außenrotation im Schultergelenk erst ab der 8. Woche!
. Abb. 7.10. BWS-Mobilisation in Seitenlage. Der betroffene Arm des
Patienten muss gelagert werden
116 Kapitel 7 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Schultergelenks und Rotatorenmanschettenrupturen
1
2
3
4
5 . Abb. 7.11a-c. Manuelle Therapie. a Kaudalgleiten, b Dorsalgleiten, c Traktion lateral
6 Bei allen Mobilisationstechniken muss die Stellung der Skapu- . Abb. 7.13. Hubarmes
la und deren passive Fixation beachtet werden. Wie bereits er- Bewegen auf der Felden-
7 wähnt, spielt dabei die Grifftechnik eine große Rolle. Sie muss kraisrolle
bei Mobilisationstechniken besonders sorgfältig mit dem Pa-
tienten abgestimmt sein. Das Prinzip der PNF-Entspannungs-
8 techniken kann ebenso Anwendung finden. Die Originalbewe-
gungsmuster müssen jedoch abgeändert werden.
Bei einem Kapselmuster und einem zähen oder festen Be-
9 wegungsstopp werden Techniken aus der Manuellen Therapie
(Cyriax, Maitland, Kaltenborn) angewandt (. Abb. 7.11). Der
10 gewonnene Bewegungsweg soll anschließend durch weiche, un-
terstützte dynamische Umkehr-, Pendel- oder unterstützte hub-
freie Bewegungen aktiv ausgenutzt werden (. Abb. 7.12–7.14,
11 auch 6.29). Das Bewegen der senkrecht vor dem Patient aufge-
stellten Rolle wird jetzt bei stabilem Sitz und beweglichen Arm-
12 gelenken ausgeführt, im Gegensatz zur Ausführung für die Wir-
belsäulenmobilisation. Die Arme bleiben dabei gestreckt.
Als Hausaufgabenprogramm können kleine Pendelbewe-
13 gungen aus der lotrechten Armstellung Verwendung finden.
Der Patient beugt sich aus dem Sitz oder Stand im Rumpf nach
14
. Abb. 7.14. Hubarmes
15 Bewegen auf der Felden-
kraisrolle in Seitenlage
16
17
18
19
20
. Abb. 7.12. Hubarmes unterstütztes Bewegen in Seitenlage
21
7.1 Luxationen und Instabilitäten des Schultergelenks
117 7
5. Funktionsschulung
Das Schultergelenk ist in seiner Funktion abhängig von einem
Zusammenspiel der drei Schultergürtelgelenke und der Koordi-
nation aller dort wirksamen Muskelgruppen.
Aktive Übungen der Skapulabewegungen sind die Basis für
einen koordinierten Bewegungsablauf der Skapula- und Hume-
ruskopfbewegungen. Zudem muss die Skapula als Punktum fi-
xum dienen, wenn der Arm Belastungen ausgesetzt ist. Die
muskuläre Sicherung des Humeruskopfes in der Pfanne muss
durch gezielte Kräftung erreicht werden.
In der Umbauphase soll die Stabilität des Schultergelenks in
der geschlossenen Kette eingeübt werden (7 Kap. 22, Matten-
übungen). Der Patient lernt bei diesen Übungen, den Hume-
ruskopf in verschiedenen Positionen zu zentrieren, von proxi-
. Abb. 7.15a,b. Zeigen von Punkten auf dem Boden. Pendelbewegung mal über eine Skapulabewegung oder von distal über Appro-
durch Gewichtsverlagerung aus dem Sitz nach vorne und zur Seite ximation.
Die Aufrichtung der Wirbelsäule, besonders der Brustwir-
belsäule, bewirkt eine Optimierung der Skapulafunktionen,
vorne, bis der Arm senkrecht nach unten hängt, pendelt leicht deshalb muss bei jeder Schultergelenkbehandlung auch eine
aus der Lotstellung heraus oder zeigt auf verschiedene Punkte Haltungsschulung vorgenommen werden.
am Boden (. Abb. 7.15). Das Üben in komplexen Bewegungsmustern ist nach dem
Erreichen der freien Beweglichkeit effektiv. Der Patient muss
! Cave lernen, den Arm in verschiedenen Positionen zu stabilisieren.
Kontraindiziert sind Pendel- oder Schwungübungen aus dem Techniken mit betonter Bewegungsfolge, wiederholter Stretch
aufrechten Stand! oder Verstärkungstechniken werden eingesetzt. Zu achten ist
auf das »normale Timing« des Bewegungsablaufes. Gezielt sol-
Mobilisationstechniken werden aus dem Sitz oder der Rücken- len Skapula- und Schultergelenkfunktionen auch in wechseln-
lage des Patienten unter leichter Traktion ausgeführt. Die ge- den Ausgangsstellungen eingeübt werden.
eignete Ausgangsstellung muss individuell entschieden werden. Bestehen Kraftdefizite, werden die PNF-Übungen gegen op-
Wichtig ist die Kontrolle der Ausweichbewegungen der Skapula timalen Widerstand mit Techniken der betonten Bewegungs-
und Wirbelsäule (. Abb. 8.11 a). folge ausgeführt.
Zunächst soll der Patient versuchen, die Skapula aktiv zu Für das Erlernen geschickter Bewegungsabläufe werden
fixieren. Falls dies misslingt, muss passiv oberhalb der Spina Umkehrbewegungen mit/ohne leichte Geräte wie Theraband,
scapulae oder am lateralen Skapularand fixiert werden. Diese kurzer Stab, Keule, Ball, 4-fach gefaltetes Seil, Tücher und Säck-
Fixation soll das vorzeitige, unphysiologische Bewegen der Ska- chen ausgeführt. Das Festhalten beider Hände an kurzen Gerä-
pula ausschalten. Immer kann in möglicher Abduktions- oder ten garantiert, dass die Bewegungen nicht hinter die Körpermit-
Flexionsstellung des Arms die Skapulabewegung nach kaudal- tellinie geführt werden. Bei Verwendung von Zuggeräten wer-
medial zur Wirbelsäule dynamisch gefordert werden (poste- den nur geringe Widerstände eingestellt.
riore Depression). Dies bedeutet ein Vertauschen von Punk- Natürlich können zu diesem Zeitpunkt auch Übungsformen
tum fixum und mobile. Bei richtiger Lagerung des Oberarms in der Funktionellen Bewegungslehre angewandt werden, wenn sie
Nullstellung können Skapulabewegungen auch gut aus Seitenla- der Biomechanik des Schultergelenks angepasst werden.
ge durchgeführt werden.
Zu vorgeschriebener Zeit kann die Innen- und Außenro- 6. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten
tation in 90°-Abduktionsstellung mobilisiert werden. Die aus- Die volle Funktion des Arms wird am Besten anhand alltäg-
zuwählende Technik richtet sich nach der Qualität des Bewe- licher Aktivitäten geschult.
gungsstopps; es können »Rhythmische Stabilisation – Entspan- Alle Bewegungen, die dem Patienten Probleme bereiten,
nen mit aktivem, evt. aktiv-passivem Weiterziehen«, »Lang- z.B. Kämmen, Haare waschen, Rasieren, Krawatte oder Schür-
same Umkehr – Halten – Entspannen« oder Techniken aus der ze binden, in den Ärmel schlüpfen, Abstützen und Tragen von
Manuellen Therapie wirkungsvoll sein. leichten Gegenständen sollen vorgeübt werden. Anwendung
findet z.B. die Technik »Replikation«
(7 Kap. 22). Natürlich darf die Belastung erst nach entspre-
chender Ausheilung erfolgen.
118 Kapitel 7 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Schultergelenks und Rotatorenmanschettenrupturen
Übungsbeispiele Übung
8 5 Sitz, Rumpfseitbeuge. Arm senkrecht hängen lassen und
Die Übungsbeispiele beziehen sich auf eine Schulterluxation oh- leicht aus dem Lot nach lateral pendeln.
ne neuromeningeale Irritationen.
9 Übung
Mit Abduktionskissen 5 Horizontale Adduktion des Arms bei ausgeschalteter Arm-
10 Ausgangsposition schwere (aus Sitz) oder gegen die Schwere aus Rückenlage,
Sitz. Arm in Abduktionskissen oder auf dem Tisch mit gebeugtem Ellenbogen.
(. Abb. 7.7).
11 Übung
Übung 5 Flexion gegen Führungskontakt. Der Physiotherapeut steht
12 5 Skapula in anteriore Depression. Schieben des Ellenbogens dabei am Kopfende und hat den Unterarm des Patienten
in Verlängerung des Oberarms weg vom Ohr. auf dem Arm. Beginn bei 90° Flexion, wenn die Bewe-
gungslimitation aufgehoben ist.
13 Übung
5 Dynamische Umkehrbewegung: Ellenbogenflexion- und Ausgangsposition
14 extension im schmerzfreien Bewegungsausmaß. Stabile Sitzposition mit etwas breit gestellten Beinen, Sitzhöhe
angepasst an die Höhe der Rolle (eher hoher Sitz). Die Felden-
Übung kraisrolle steht senkrecht zwischen den Beinen, die Hände lie-
15 5 Isometrisches Spannen, Armabduktion, »Endstellung – gen oben auf der Rolle, die Ellenbogen sollen seitlich, soweit
Halten« bei aktiver Fixation der Skapula. schmerzfrei möglich, angehoben werden.
5 Dasselbe mit Bewegen und Halten gegen Führungskontakt.
16 5 Dasselbe mit gestrecktem Ellenbogen und Kontakt an der Übung
Handwurzel. 5 Eigenständiges Üben mit der Feldenkraisrolle (Slivka
17 5 Dasselbe mit Verstärkung über die kontralaterale Seite 2006) (. Abb. 6.29, 7.13).
durch Spannen des Arms in Extension, Abduktion, Innen- 5 Kreisen der Rolle, soweit es die natürliche Armbewegung
rotation bei gestrecktem Ellenbogen gegen die Unterlage. erlaubt, durch Beugen und Strecken der Arme in der Hori-
18 zontalen bei stabiler Sitzposition.
5 Bewegen der Rolle von der Mittelposition zur Seite nach
19 rechts und links mit gestreckten Armen.
20
21
7.1 Luxationen und Instabilitäten des Schultergelenks
119 7
Ausgangsposition ! Cave
Seitenlage. Ausweichbewegungen und Schmerzen sind Zeichen einer
falschen Dosierung!
Übung
5 Hubarmes Bewegen der Rolle aus Seitenlage (. Abb. 7.14). Übung
5 »Dynamische Umkehr – Halten – Entspannen und ak-
Nach 5 Wochen tives Weiterziehen«, evt. aktiv-passives Weiterziehen. Im
Übung Anschluss an die Mobilisationstechnik, z.B. für die ein-
5 Dynamische Innenrotation aus Rotationsnullstellung. geschränkte Flexion des Schultergelenks, soll die gewon-
Technik: Bewegen – Halten, Endstellung – Halten gegen nene Position gehalten werden. Da der Rückweg zur Null-
Führungskontakt. stellung oft einen deutlichen Bizepsschmerz auslöst, sollte
5 Dasselbe mit Extension/Abduktion und Extension/Adduk- man möglichst gegen Führungskontakt und unter Zug in
tion. die Ausgangsstellung zurückgehen.
5 Dasselbe mit »Betonter Bewegungsfolge«.
Tipp
Übung
5 Innerhalb des Übungsprogrammes können immer wie-
5 Stützen auf weiche Matte, Ball oder Wand unter minimaler
der die beschriebenen Entspannungsmaßnahmen für
Belastung mit Kontrolle der Gelenkstabilität und Schmerz-
den M. trapezius eingeschoben werden.
freiheit.
5 Bei bestehendem Kapselmuster werden Techniken wie
Nach 7 Wochen Traktion und Gleiten nach lateral, dorsal und kaudal aus
der Manuellen Therapie angewandt.
Ende der Konsolidierungsphase, Beginn der Umbauphase.
Übung
5 Dynamische Außenrotation. Schulung von Aktivitäten
Technik: Bewegen – Halten, Rhythmische Stabilisation mit Ausgangsposition
Betonung der aktiven Rotation gegen Führungskontakt. Sitz.
. Abb. 7.16a,b. Dynamische Stabilisation des Schultergelenks mit . Abb. 7.17a,b. Stabilisation des Schultergelenks am Zuggerät
Hanteln
120 Kapitel 7 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Schultergelenks und Rotatorenmanschettenrupturen
14
7.2 Ruptur der Rotatorenmanschette Behandlungsrichtlinien und therapeutische
Maßnahmen
15 Wichtig
Ärztliche Behandlung
Die Diagnose der am häufigsten betroffenen Supraspinatusseh-
16 Die Rotatorenmanschette besteht aus folgenden Muskeln:
ne wird durch Sonografie, Kernspintomografie, MRT oder Ar-
5 M. supraspinatus,
5 M. infraspinatus, throskopie gestellt. Sie kann eine Begleitverletzung der Schul-
17 5 M. teres minor und tergelenkluxation sein, mit einem knöchernen Ausriss.
5 M. subscapularis.
Konservatives/operatives Vorgehen
18 Wegen der Prävalenz bei älteren Patienten werden isolierte Ro-
Die Muskeln der Rotatorenmanschette stabilisieren den Hume- tatorenmanschettenrisse überwiegend konservativ versorgt.
19 ruskopf in der Pfanne und ermöglichen das Tragen schwerer Gründe für die konservative Behandlung sind nach Weigel,
Lasten. Sie können teilweise oder komplett reißen. Rotatoren- Nerlich (2005):
manschettenrupturen kommen gehäuft im Alter über 50 Jah- 5 hohes Alter,
20 re vor. 5 Inaktivität,
5 schleichender Beginn,
21
7.2 Ruptur der Rotatorenmanschette
121 7
Behandlungsmöglichkeiten
Wichtig
Grundsätzliches Vorgehen
Nach Rekonstruktion der Supra-/Infraspinatussehne
Die Rekonstruktion der Supra-/Infraspinatussehne erfordert
ein subtiles physiotherapeutisches Vorgehen.
Für die Nachbehandlung einer spannungsfreien Rekonstruk- 7.3 Luxation des Schultereckgelenks
1 tion wird im Klinikum Großhadern der Universität München
das Tragen einer Med-II-Schlinge für 4 Wochen empfohlen. Einteilung
2 In der Proliferationsphase, in den ersten 3 Wochen, wird ei-
ne Bewegungslimitation von 0–0–60° für Abduktion und Flexi- Üblich ist heute die Einteilung nach Tossy (1963), erweitert
on des Schultergelenks verordnet. Die Bewegungen sollen pas- durch Rockwood (1984).
3 siv/assistiv durchgeführt werden.
In der Konsolidierungsphase, 4. – 6. Woche kann die Beweg- Tossy I Distorsion des ACG = Rockwood I
lichkeit aktiv/assistiv ohne Schmerzauslösung erweitert wer-
4 den.
Tossy II Subluxation des ACG, Ruptur der akromioklavi-
kulären Bänder, Zerrung der korakoklavikulären
Nach der 6. Woche kann die freie Beweglichkeit langsam auf-
Bänder = Rockwood II
5 gebaut werden, so dass nach 10 Wochen eine selbständige, ak-
tive, schmerzfreie Bewegungsfähigkeit erreicht wird. Tossy III Komplette Luxation, Ruptur beider Bandgruppen
Nach 3–4 Monaten darf wieder mit Sport begonnen werden. = Rockwood III
6 Ball- und Wurfsportarten sollen jedoch erst nach 6 Monaten Rockwood IV Klavikulaluxation in der Horizontalebene, laterales
durchgeführt werden. Klavikulaende kann sich im M.trapezius verhaken
7 Rockwood V Ausgeprägter Klavikulahochstand und ausge-
Nach Akromioplastik
Gelingt die spannungsfreie Rekonstruktion nicht, werden eine dehnte Ablösung der muskulären Ursprünge,
8 Akromioplastik und ein Débridement der gerissenen Supraspi- Instabilität in allen Richtungen
natussehne durchgeführt. Rockwood VI Verhakung der Klavikula unter dem Proc. cora-
Bleibt eine Restspannung erhalten, werden die Patienten mit
9 einem Schulterabduktionskissen (40–60°) versorgt.
coideus
19 Die Übungen können aus den genannten Beispielen für die Funktionell gesehen, ist das Akromioklavikulargelenk (ACG)
Schulterluxation (7 Abschn. 7.1) übertragen werden. ein Kugelgelenk, das, wie schon beschrieben, eine Rotations-
und Schwenkbewegung bei der Armflexion und -abduktion
20 ausführt. Eine horizontale Parallelverschiebung ist ebenfalls
möglich (. Abb. 7.3).
21
7.3 Luxation des Schultereckgelenks
123 7
Ärztliche Behandlung
Konservatives/operatives Vorgehen
Tossy I. Bei Tossy-I-Verletzungen kann die aktive Beweglich-
keit des Arms frei und schmerzlos sein, die passive Abduktion
ist jedoch am Ende der Bewegungsbahn schmerzhaft. In die-
ser Situation beginnt die Rotation der Klavikula. Der Schmerz
bleibt lokal.
Tossy-I (Rockwood-I)-Verletzungen werden konservativ
behandelt. Sie werden nicht ruhiggestellt und schmerzabhängig
funktionell behandelt.
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5
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13
facher als die übrigen Osteosynthesen. Anschließende Ruhig-
14 stellung im Thoraxabduktionsgips bringt keine Vorteile und
wird heute kaum noch praktiziert. Winkler (1994) gibt eine Ru-
higstellung im Desault-/Gilchrist-Verband von 4–7 Tagen an.
15 Die OP-Ergebnisse sind positiv, wenn eine Bewegungsbegren-
zung von 90° Abduktion für 6 Wochen eingehalten wird.
16
Komplikationen
17
5 Schultergelenkkontraktur,
5 Arthrose,
18 5 dauerhafter Kraftverlust durch bestehende Instabilität,
5 eingeschränkte Bewegungsfähigkeit,
19 5 Kalzifikation,
5 Infektion.
Spezielle Befunderhebung
Prüfen Spezielle Tests nach Frisch und Cyriax sind bei Tossy I und II möglich, postoperativ nach Rücksprache mit dem Opera-
teur unter Beachtung der vorgegebenen Bewegungslimitationen.
5 1. Schultern aktiv hochziehen, Ellenbogen in 90°-Stellung gebeugt, passive Abduktion beider Arme: Skapula-
schwenkung seitengleich 10–12 cm nach kranial.
5 2. Schultern senken, beide Skapulae nach unten schieben: Seitengleiche Bewegung von ca. 10–12 cm nach kaudal.
5 3. Sitz mit gebeugtem Rücken, Schultern nach vorne ziehen, beide Skapulae passiv nach vorn schieben: Seiten-
gleiche Bewegung von ca. 5 cm.
5 4. Aufrechter Sitz, Schultern zurückziehen, beide Skapulae passiv nach medial drücken: Seitengleiche Bewegung
von ca. 5 cm.
5 5. Schmerzhaftes Schulterblattkrachen am Ansatz der Mm. levator scapulae und rhomboidei.
5 6. Passive Bewegungen des Schultergelenks bis 60° bzw. 90° Flexion und Abduktion bei Palpation des ACG und
SCG: Bei schmerzfreier seitengleicher Bewegung darf keine Stufe zu tasten sein.
5 7. Translatorische Bewegung im SCG, kraniokaudales Gleiten bei passiv aufgerichteter Wirbelsäule.
5 8. Palpation der Muskulatur auf Schmerzhaftigkeit und Spannung (M. trapezius, M. levator scapulae).
5 9. Palpation des Plexus brachialis zwischen den Mm. scaleni bei Lateralflexion des Kopfes, Rotation zur Gegenseite
und maximaler Inspiration.
5 10. Schultergelenkbeweglichkeit:
– Abduktion bis 60° bei Außenrotation,
– Abduktion bis 60° bei Innenrotation.
5 11. Tests nach Cyriax nach 6 Wochen (7 Abschn. 7.1): Ein lokaler Schmerz (C4), der nicht in den Arm ausstrahlt,
deutet auf eine Schultereckgelenkverletzung hin. Eine Schmerzerleichterung tritt bei flektiertem Unterarm und
Abnahme der Armschwere ein.
Wichtig
. Übersicht 7.2. Gesichtspunkte der Behandlung
Es ist festzuhalten, welche Maßnahmen eine Schmerzerleich- (nach Osteosynthese)
terung bringen, und welche den Schmerz provozieren. 1. Aktivieren der Schultergelenkmuskulatur unter Vermei-
Weitere Befunderhebung s.o. dung von Zug- oder Druckbelastung des Schultereck-
gelenks.
2. Durchblutungsverbesserung.
3. Verbesserung der Beweglichkeit des Schultergelenks
Behandlungsmöglichkeiten und der Skapula.
4. Vorbereitung und Schulung der Hand-, Ellenbogen-
Grundsätzliches Vorgehen nach Osteosynthese und Schultergelenkfunktionen im Zusammenspiel mit
In der Regel wird für wenige Tage eine Schmerztherapie durch- den Schultergürtelgelenken.
geführt (7 Abschn. 7.1, »Schultergelenkluxation«). 5. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten.
In . Übersicht 7.2 sind die Schwerpunkte der physiothera-
peutischen Behandlung nach osteosynthetischer Versorgung ei-
ner Schultereckgelenkluxation zusammengefasst.
126 Kapitel 7 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Schultergelenks und Rotatorenmanschettenrupturen
1. Aktivierung der Schultergelenkmuskulatur nach Entfer- 7.24). Manche Ärzte erlauben heute ein unterstützes Bewegen
1 nung der Redon-Drainagen bis 90° Abduktion oder Flexion in der frühen Proliferations-
In der Proliferations- und Konsolidierungsphase (bei Rock- phase (BKH Günzburg). Dann ist besonders sorgsam auf die
2 wood-III-, IV- und V-Verletzungen) wird zur Entlastung des
Schultereckgelenks bis zu 6 Wochen unter Abnahme der Schwe-
Ausweichbewegung der Skapula zu achten. Mögliche Ausgangs-
positionen sind:
re oder hubarm aus Seitenlage geübt. Das Bewegungsausmaß 5 Stand mit Rumpfbeuge nach vorne oder zur Seite,
3 soll in der Proliferationsphase Abduktion 60–0–0°, anschlie- 5 Sitz,
ßend 90–0–-0° nicht überschreiten. Schmerzfreiheit und der 5 Seitenlage (. Abb. 7.12, 7.13, 7.14) oder
biomechanische Bewegungsrhythmus von Skapula und Hume- 5 Rückenlage
4 ruskopf sind Kriterien der Bewegungslimitation (. Abb. 7.23,
Die Armschwere wird durch den Physiotherapeuten gehalten;
5 bei Übungen mit Rumpfbeuge hängt der Arm im Lot.
Geübt werden die Abduktion/Außenrotation und die hori-
zontale Adduktion bis zur Nullstellung mit der Technik »Unter-
6 stütztes Bewegen und Halten gegen Führungskontakt«.
Hubarm kann auch aus dem Sitz mit der Feldenkraisrol-
7 le bewegt werden, wenn die vorgegebenen Schultergelenk-
stellungen eingehalten werden. Es muss dann aus dem hohen
Sitz an der Bettkante oder auf dem Therapieball geübt werden
8 (. Abb. 6.29).
Wichtig
9
5 Bis zur 7. Woche sind Bewegungen über die Nullstellung
10 hinaus in Richtung horizontale Adduktion und Retrover-
sion nicht erlaubt.
5 Bei Abduktion mit Innenrotation soll entsprechend der
11 Biomechanik des Schultergelenks die Bewegung bei 60°
begrenzt werden.
. Abb. 7.23. Unterstütztes Bewegen bis 60° Flexion (frühe Prolifera- 5 Ab der 7. Woche besteht i.d.R. keine Bewegungsbegren-
12 tionsphase) zung mehr.
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16
. Abb. 7.24a,b. a Unterstützes Be-
17 wegen bis 90° Flexion/Abduktion, b
unterstütztes Bewegen gegen Füh-
18 rungskontakt in Ellenbogenflexion aus
Abduktionsstellung des Arms
19
20
21
7.5 Klavikulafraktur
127 7
Die bereits erwähnten kleinen Pendelbewegungen aus der Lot- 4. Funktionsschulung für das Schultergelenk in Kombination
stellung des Arms durch die Rumpfvorbeuge können nach ven- mit dem Schultergürtel
tral, lateral und als kleine Kreisbewegungen erweitert werden Siehe Luxationen und Instabilitäten des Schultergelenks in
(. Abb. 7.15). 7 Abschn. 7.1.
Patienten mit einer Gelenkplattenosteosynthese nach Rah-
manzadeh dürfen nach ca. 2 Wochen ihren Arm ohne Bewe- 5. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten
gungsbegrenzung aktiv bewegen. Widerstandsübungen sind je- Der natürliche Gebrauch von Arm und Hand im Alltag muss
doch nicht erlaubt. nach ACG-Luxationen entsprechend des Ausprägungsgrades
(Tossy/Rockwood), der gewählten Operationsmethode und ei-
! Cave ner länger andauernden Bewegungslimitation geübt werden. In
5 Freies Bewegen mit langem Hebel, z.B. Armheben in Flexi- der Umbauphase kommen Übungen in der geschlossenen Ket-
on oder Abduktion gegen die Schwerkraft ist unbedingt zu te mit freien Bewegungen, z.B. auch gegen Zuggeräte und Ge-
vermeiden. wichte, zur Anwendung . Abb. 7.16, 7.17).
5 Pendelbewegungen sollen nicht aus dem aufrechten Sportspezifische Bewegungen und Gelenkbelastungen in
Stand ausgeführt werden. Wurfsportarten sollen erst nach der Umbauphase eingeübt und
mit dem Operateur abgesprochen werden (7 Abschn. 7.1).
2. Durchblutungsverbesserung/Resorptionsförderung
In der ersten postoperativen Zeit können Eiskompressen zur Re-
sorption von Hämatomen aufgelegt werden, später milde Wär- 7.4 Sternoklavikulargelenkluxation
meapplikationen (7 Abschn. 7.1, »Schultergelenkluxation«).
Manuelle Lymphdrainage und weiche Massagegriffe fördern Eine Luxation des Sternoklavikulargelenks ist sehr selten. Das
die Entspannung der Schultergürtelmuskulatur. Prinzip der physiotherapeutischen Behandlung unterscheidet
Die Durchblutung der Mm. trapezius, levator scapu- sich nicht vom Vorgehen nach einer Akromioklavikulargelenk-
lae, rhomboidei etc. wird am besten durch Entspannungstech- verletzung.
niken und dynamische oder statische Muskelarbeit erreicht (z.B,
Kopfmuster, 7 Kap. 22). Wichtig
Behandlungsrichtlinien und therapeutische der Armschwere folgend nach unten verschoben, der M. pec-
1 Maßnahmen toralis major zieht es nach vorne; das mediale Fragment wird
durch den Zug der Mm. sternocleidomastoideus und trapezi-
2 Die Klavikula ist ein wichtiger Hebel des Schultergürtels für
die physiologischen Kombinationsbewegungen der Schulter-,
us nach oben hinten gezogen. Eine Stufe ist sowohl sicht- als
auch tastbar. Gleichzeitig steht der Arm in Adduktion und In-
Akromioklavikular- und Sternoklavikulargelenke (. Abb. 7.3). nenrotation, da der Stützpfeiler als Gegenkraft für den M. pec-
3 Die Möglichkeit, sich bei Armhebung um ihre Längsach- toralis fehlt.
se zu drehen, erweitert den Bewegungsradius des Schulterge-
lenks. Die Betrachtung der koordinierten Schultergelenk- und Konservatives/operatives Vorgehen
4 Skapulabewegung muss deshalb auch die Klavikulabewegung Geringgradig dislozierte Frakturen des mittleren Drittels werden
miteinbeziehen. i.d.R. konservativ für 4 Wochen mit einem Rucksackverband
5 Klavikulafrakturen treffen am häufigsten jugendliche Pa- behandelt. Dieser erfüllt jedoch nur seine Wirkung, wenn der
tienten. Sie wird unter denselben biomechanischen Gesichts- Patient überwiegend sitzt, steht oder geht. Der Verband muss
punkten wie die ACG-Luxation behandelt. Die Unfallmechanis- ca. alle 2 Tage nachgezogen werden.
6 men sind ebenfalls gleich. Anstelle einer Bandzerreißung bricht
die Klavikula eher im mittleren Drittel, wo sie am dünnsten ist. ! Cave
7 Ärztliche Behandlung
Der Verband darf nicht in der Achsel einschneiden, da es sonst
zu Sensibilitätsstörungen oder einem venösen Rückstau kom-
Eine Klavikulafraktur ist röntgenologisch und klinisch einfach zu men kann.
8 diagnostizieren (. Abb. 7.25, 7.26). Das laterale Fragment wird
In der Proliferationsphase wird die Stellung der Klavikulafraktur
röntgenologisch und klinisch kontrolliert. Geringfügig entste-
9 hende Frakturfehlstellungen bei einer konservativen Behand-
lung behindern meist nicht die Armfunktion. Größere Disloka-
10 tionen müssen operativ beseitigt werden.
Operative Verfahren (Weigel, Nerlich 2005) sollen bei einer
Klavikulafraktur im mittleren Drittel zurückhaltend vorgenom-
11 men werden. Es besteht das Risiko einer Pseudarthrose und ei-
ner kosmetisch nicht schönen Narbe. Es gibt jedoch Indikati-
12 onen, z.B. eine Gefäß- oder Plexus-brachialis-Verletzung, die
eine Operation notwendig machen.
Eingesetzt werden:
13 5 AO-Platten (. Abb. 7.26),
5 Zuggurtungen,
14 5 resorbierbare Biofixstifte,
5 Balserplatte oder
. Abb. 7.25. Klavikulafraktur 5 Gelenkplatte nach Rahmanzadeh.
15
16 . Abb. 7.26. Plattenosteosynthese bei
Klavikulafraktur
17
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21
7.6 Skapulafraktur
129 7
Nach Osteosynthese
Nach bewegungsstabiler Versorgung kann am 2. postoperativen Behandlungsrichtlinien und therapeutische
Tag mit aktiven Schulterblattpattern und isolierter Abduktions- Maßnahmen
bewegungdes Schultergelenks unter Abnahme der Armschwere
hubarm mit kurzem Hebel begonnen werden. Die Behandlung Die funktionelle Bedeutung der freien Beweglichkeit der Ska-
gleicht der Behandlung der ACG-Luxation (Tossy/Rockwood pula in drei Ebenen und ihre Stabilisation durch die Schulter-
III). Das Bewegungsausmaß für die Abduktion wird ebenfalls gürtelmuskulatur ist für das Schultergelenk besonders wichtig.
mit 0–0–60/90° bis zur 7. postoperativen Woche begrenzt. Da- Frakturen, die in die Gelenkfläche hineinreichen, sind deshalb
nach werden die Begrenzungen aufgehoben. funktionell besonders ernst zu nehmen (. Abb. 7.27, 7.28).
In der Umbauphase werden zur Erlangung der Sportfähig- Die Bedeutung der Gleit-Dreh-Bewegungen der Skapu-
keit und nomalen Aktivität Zuggeräte, Hanteln und belastende la für die physiologischen Armbewegungen wurde bereits be-
Übungen im geschlossenen System eingesetzt (. Abb. 7.16–7.18 schrieben (. Abb. 7.2, 7.3).
und 22.16–22.19).
Die physiotherapeutische Behandlung unterscheidet sich Ärztliche Behandlung
nicht von der Behandlung anderer Schultergürtelverletzungen. Skapulafrakturen entstehen nur bei großer Gewalteinwirkung.
Häufig bestehen daher Begleitverletzungen am/an der
5 Thorax,
Komplikationen 5 Klavikula,
5 Plexus brachialis,
5 Gefäß- oder Nervenverletzung im Bereich des Plexus bra- 5 Halswirbelsäule und
chialis, 5 Kopf.
5 Pleuraanspießung mit nachfolgendem Hämatopneumo-
thorax (Auskultieren der Lunge!), Zur Bestätigung der Diagnostik werden ein CT und Röntgen-
5 Verkürzung der Klavikula mit Funktionseinbußen nach aufnahmen in 3 Ebenen gemacht. Wenn dies schmerzbedingt
konservativer Behandlung, möglich ist, wird außer der normalen a.-p.-Aufnahme eine axi-
5 Pseudarthrose. ale Aufnahme gemacht. Diese gibt Aufschluss über die Stellung
des Humeruskopfes in der Pfanne. Als dritte Aufnahme ist die
Y-Aufnahme eine wertvolle Möglichkeit, eine Skapulakorpus-
fraktur zu beurteilen.
130 Kapitel 7 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Schultergelenks und Rotatorenmanschettenrupturen
3 Physiotherapeutische Behandlung
Abhängig von der erreichten Stabilität kann die Ruhigstellung
im Gilchrist-Verband kurz sein.
4 Die Therapie wird schmerzabhängig dosiert. Ein Kraftver-
lust der Armmuskulatur ist zu erwarten. Als Ursache dafür wer-
5 den Schmerzen und der fehlende Gegendruck der Pfanne bei
Armbewegungen angesehen.
Funktionelle Einschränkungen des Schultergelenks müssen
6 entsprechend dem physiotherapeutischen Befund symptoma-
tisch behandelt werden.
7 Die Gleitfähigkeit der Skapula kann erhalten werden, wenn
keine Stufe zurückgeblieben ist. Passive und aktive Skapulaum-
kehrbewegungen werden so früh wie möglich durchgeführt,
8 um einer Kapselschrumpfung entgegenzuwirken und die Hei-
lung zu unterstützen.
9
. Abb. 7.27. Skapulafraktur
Komplikationen
10
Konservatives/operatives Vorgehen 5 Stufenbildung, eingeschränkte Gleitfähigkeit der Skapula,
Die meisten Skapulafrakturen werden konservativ behandelt. 5 Bewegungseinschränkung des Schultergelenks,
11 Sie heilen gut, weil die Skapula muskulär eingebettet ist. 5 Impingement-Syndrom.
Nur in seltenen Fällen, wenn das Schultergelenk durch eine
12 Kombinationsverletzung instabil ist, z.B. bei Kollum-, Akromi- Impingement-Syndrom
on-, Spinafrakturen und Bandzerreissungen, der sog. »floating Als Komplikation wird v.a. das Impingement-Syndrom in der Li-
shoulder« muss operativ stabilisiert werden. Einsetzbar sind: teratur beschrieben (Neer 1983). Darunter versteht man das An-
13 5 augmentierte Nähte der akromiokorakoklavikulären Bän- stoßen des Humerus an das Akromion und ein schmerzhaftes
der, Einquetschen der Supraspinatussehne bei Abduktion des Arms
14 5 Plattenosteosynthese mit Rekonstruktions- oder Drittel- zwischen 60–120° (»subakromiales Impingement«).
rohrplatten.
15
. Abb. 7.28. Plattenosteosynthese der Skapulafraktur
16
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21
7.7 Oberarmkopffraktur
131 7
7.7 Oberarmkopffraktur
Oberarmkopffrakturen kommen am häufigsten bei älteren
Menschen/Frauen in Höhe des Collum chirurgicum vor. Hu-
meruskopffrakturen werden nach Habermeyer und Schweibe-
rer (1989, 1996, 2001) eingeteilt.
Typ A Abriss des Tuberculum majus oder minus . Abb. 7.30. Schraubenosteosynthese nach Oberarmkopffraktur
Vor allem nachts klagen die Patienten über Schlafstörungen Patienten mit einer bewegungsstabilen Osteosynthese ha-
wegen starker Schmerzen im Frakturbereich. Der häufigste ben i.d.R keine Frakturschmerzen, weniger Probleme mit dem
Grund dafür ist das Absinken des Humerus nach dorsal (Re- Hämatom und der Lagerung des Arms.
troversion) oder ein nicht fixiertes Tuberculum majus. Der Gil- Pathologische Frakturen werden nach Tumorexstirpation
christ-Verband vermag evt. die Fraktur nicht ausreichend ru- auch mit einer Humeruskopfprothese versorgt (. Abb. 7.32 c).
higzustellen. Bei diesen Patienten ist, entsprechend der Grundkrankheit, eine
Ältere Patienten leiden an Atembeschwerden, wenn der Un- vorsichtige Dosierung der Bewegungstherapie erforderlich. Me-
terarm zu fest am Thorax fixiert ist. Die Thoraxbewegung ist chanisch gesehen, besteht Bewegungsstabilität.
dann eingeengt. Ein ausgeprägtes Hämatom und Ödem sind zu- Bei Kombinationsverletzungen, z.B. Luxationsfraktur mit
sätzliche Ursachen für Schmerzen. Das Hämatom sackt entlang Beteiligung des N. axillaris oder Plexus brachialis, werden ent-
der Muskellogen ab und wird nach einigen Stunden am Thorax, lastende Verbände oder ein individuell angepasstes Abdukti-
an der Innenseite des Oberarms und sogar am Unterarm sicht- onskissen angelegt. Geht die Schwellung nicht zurück, muss ein
bar. Zusätzlich entwickelt sich sehr bald eine ausgeprägte Atro- Armstützstrumpf angepasst werden.
phie des M. deltoideus, der Rotatorenmanschette und Ober- Auch bei röntgenologisch schlechtem Befund kann das funk-
armmuskulatur (7 Kap. 8, »Humerusschaftfraktur). tionelle Ergebnis einer Oberarmkopffraktur durchaus befriedi-
Deshalb wird heute die Indikation zur operativen Versor- gend werden. Eine längerfristige, fachgerechte physiotherapeu-
gung und Refixation des Tuberculum majus häufiger gestellt als tische Behandlung hat deshalb ihre Berechtigung und sollte
früher. Unter Berücksichtigung von Alter und Aktivität des Pa- nicht zu früh abgebrochen werden.
tienten wird eine Entscheidung für bzw. gegen eine geschlos- In der Regel werden Oberarmkopffrakturen frühfunktionell
sene oder offene Reposition und Osteosynthese getroffen. nachbehandelt, wenn es die Stabilität zulässt.
Eingesetzt werden:
5 Schraubenosteosynthesen, Physiotherapeutische Behandlung
5 Plattenosteosynthese, Kleeblatt-, Philos- oder NCB-Platte, Alte Menschen haben weniger Kraft, Ausdauer und Koordina-
5 Zuggurtungsverfahren, tion als junge. Ihre Behandlung muss deshalb entsprechend do-
5 proximaler Humerusnagel, siert werden. Statische Muskelarbeit kann nicht im gleichen
5 minimal invasive perkutane Osteosynthese mit kanülierter Umfang wie bei anderen Trainingsprogrammen gefordert wer-
Schraube, den (Atmung beachten!). Es sollte überlegt werden, ob leichte
5 Wendeldrähte aus Titan, sog. »helix-wire« (Spiralen mit re- Aktivitäten sinnvoller und effektiver sind.
lativer Instabilität nach Laminger und Traxler 1999), Patienten, die nach den Prinzipien der AO mechanisch be-
5 K-Drähte. wegungsstabil versorgt wurden, können das Schultergelenk ab
dem 2. postoperativen Tag aktiv dynamisch beüben. Dadurch
K-Drähte wandern jedoch leicht im weichen Knochen und irri- wird die Beweglichkeit des Schultergelenks sehr viel schneller
tieren den Weichteilmantel; sie können sogar die Haut durch- zurückgewonnen. Jedoch darf dies den Physiotherapeuten nicht
stoßen. Sie sind meist locker bevor die Fraktur konsolidiert ist dazu verleiten, vorzeitig Widerstand unterhalb der Fraktur zu
und eignen sich deshalb nicht für poröse Knochen bei älteren geben.
Patienten. Ergänzt wird die Methode deshalb mit einem sog. Wird in den ersten Tagen eine Schmerztherapie durch-
»Humerusblock« nach Resch (2003). geführt, muss der Physiotherapeut dies beachten, denn der
Heute wird in den ersten Tagen nach dem Unfall eine Schmerz als Schutzmechanismus bei zu intensiven Bewegungen
Schmerztherapie mit zentral wirkenden Medikamenten durch- fällt aus. Jede Form von Belastung ist auch bei diesen Patienten
geführt. Zusätzlich wird bei bewegungsstabilen Osteosynthesen erst nach der Knochenheilung erlaubt.
eine niedrig dosierte Übungsbehandlung zur Unterstützung der In Ergänzung zu den Heilungsphasen haben manche Kli-
Knochenheilung schon in den ersten postoperativen Tagen be- niken Richtlinien für die Nachbehandlung von Humerusfrak-
gonnen. turen und deren Begleitverletzungen aufgestellt, an denen Phy-
In ausgewählten Fällen, wenn mehrere Fragmente nicht zu siotherapeuten sich orientieren können.
stabilisieren sind, kommt eine prothetische Versorgung in Frage. Beispielhaft sollen hier einige Richtlinien für besondere
Die beiden Tubercula müssen refixiert werden, um eine Sublu- Verfahren aufgeführt werden, wie sie am Klinikum Großhadern
xationsstellung der Prothese zu vermeiden. Die Rotatorenman- der LMU München gehandhabt werden. Die Angaben sind je-
schette benötigt eine Grundspannung, damit sie den Kopf in doch nicht unkritisch umzusetzen, sondern als Richtwerte zu
der Pfanne zentrieren kann. Ist diese zu gering, kommt es zu verstehen. Heilungsverlauf und aktueller Befund bestimmen
einer erheblichen Bewegungsbeeinträchtigung. Alternativ wird letztendlich immer die Maßnahmen. In den 7 Übersichten 7.3–
bei diesen Patienten auch eine Verbundosteosynthese durchge- 7.6 sind verschiedene postoperative Behandlungspläne angege-
führt. ben.
134 Kapitel 7 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Schultergelenks und Rotatorenmanschettenrupturen
Komplikationen
5 Abriss des Tuberculum majus (selten Tuberculum minus), Testung einer Bizepssehnenverletzung
5 verzögerte Heilung, Pseudarthrose, Es gibt drei Tests, die eine Bizepssehnenverletzung bestätigen
5 Kopfnekrose, können.
5 nicht haltende Reposition,
5 Impingement-Syndrom, Test nach Yergason
5 Weichteilschädigung, Zur Ermittlung der Schädigung der langen Bizepssehne soll der
5 Subluxationsstellung mit schlechter Funktion, Ellenbogen aktiv/gegen Widerstand (wenn Widerstand erlaubt
5 neurovaskuläre Verletzungen, ist) supiniert und leicht gebeugt werden. Der Therapeut palpiert
5 Verletzung der Bizepssehne im Sulcus intertubercularis. dabei den Sulcus intertubercularis. Beurteilungskriterien sind
Schmerz und Schwäche.
Befunderhebung Palm-up-Test
Ist angepasster Widerstand erlaubt, kann der Palm-up-Test
durchgeführt werden. Der Arm soll in Abduktion und leichter
Beurteilen 5 Röntgenbild im Hinblick auf Frak-
horizontaler Adduktion, im Unterarm supiniert und leicht ge-
turstellung und Konsolidierung.
5 Lage des Osteosynthesematerials.
beugt, gehalten werden. Schmerzen im Sulcus intertubercularis
5 Stellung des Tuberculum majus. weisen auf eine Bizepssehnenverletzung hin.
5 Lagerung des Arms, Stellung des
Schultergürtels und Kopfes. Schnapptest
5 Hämatom (ansonsten s. auch Auch der sog. Schnapptest kann eine Bizepssehnenverletzung
Schulterluxation). ermitteln. Der horizontal abduzierte und gebeugte Arm wird
passiv innen- und außenrotiert. Durch Palpation am Sulcus in-
Messen 5 Umfang.
5 Ellenbogen- und Handgelenkbe-
tertubercularis können Schmerzen und ein Schnappen ausgelöst
weglichkeit nach Abnahme des Gil- werden.
christ-Verbandes.
5 Aktive Schultergelenkbeweglich-
keit, soweit nicht ärztlicherseits be- Behandlungsmöglichkeiten
grenzt.
Grundsätzliches Vorgehen
In . Übersicht 7.7 sind die Gesichtspunkte der physiotherapeu-
tischen Behandlung nach Oberarmkopffrakturen zusammenge-
fasst.
136 Kapitel 7 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Schultergelenks und Rotatorenmanschettenrupturen
Die aktive oder passive Fixation der Skapula ist Vorausset- den die komplexen Bewegungsmuster mit 4-fach gefaltetem
zung für eine erfolgreiche Mobilisation des Schultergelenks. Seil, kurzem Stab, Keule, Ball oder leichtem Theraband.
Häufig wird die Abduktion nur durch vorzeitiges Schwenken Ab der 7. Woche können Stützübungen im geschlossenen
der Skapula nach lateral/kranial vorgetäuscht. Bei alten Men- System begonnen und befundbezogen gesteigert werden.
schen wird man jedoch zugunsten der Funktion Kompromisse Die Patienten können nun auch zusammen in Gruppen
schließen und nicht hartnäckig auf der exakten Skapulastellung üben. Ältere Menschen werden dadurch oft sehr positiv zu grö-
beharren. Die vorab genannte Bewegungseinschränkung resul- ßerer Eigenaktivität motiviert.
tiert aus dem Ungleichgewicht der Kräfte: Armschwere, Mus- Ein einfach ausgearbeitetes Übungsprogramm zum Selbstü-
kelzug und Stabilisation der Pfanne in der für die Bewegungs- ben muss exakt vorgeübt und kontrolliert werden. Die in 7 Ab-
achse richtigen Stellung. schn. 7.1 angegebenen Übungsbeispiele können übernommen
Als Techniken kommen in Frage: werden, wenn die Griffe ganz proximal angesetzt werden, und
5 »Chirurgische Technik« (PNF), die Auswahl der Maßnahmen den Gesichtspunkten der Be-
5 Rhythmische Stabilisation – Entspannen – Weiterziehen handlung von Oberarmkopffrakturen untergeordnet werden.
ohne Rotation oder
5 Dynamische Umkehrbewegung – Entspannen – aktiv Wei-
terziehen« in Rotationsnullstellung. 7.8 Patientenbeispiel
Wichtig Befundaufnahme
Unter Beachtung des Heilungsverlaufes wird zunächst die
Name des Patienten: Herr U.
Abduktion, dann die horizontale Adduktion und anschlie-
48 J., Geschäftsführer
ßend die Flexion mit Außenrotation mobilisiert.
Rechtshänder
Name des Therapeuten: Frau L.
Die schon beschriebenen kleinen Pendelbewegungen aus dem Einweisungsdiagnose: Schultergelenkverletzung rechts
Lot können ebenfalls angewandt werden, wenn der Arm im Lot Nebendiagnosen: Keine
hängen kann. Diese Übungen sollen nicht durchgeführt wer- Röntgenbefund: Sprengung des Akromioklavikulargelenkes
den, wenn der M. biceps verkürzt ist und ein lockeres Hängen rechts, Rockwoodverletzung III
des Arms verhindert. Versorgung: 2 Tage nach Unfall operativ Q x konserva-
Erst nach Konsolidierung der Fraktur dürfen passive oder tiv Q
aktiv-passive Techniken zur Mobilisation angewandt werden Operation: Zuggurtungsostesynthese und Bandnaht am rechten
(7 Abschn. 7.1, Behandlungsmöglichkeiten). Schultereckgelenk
Beruht die Bewegungseinschränkung nicht auf einer mus- Versorgung:
kulären Verkürzung, sondern auf einer Kapselschrumpfung, s.o.; postop. Gilchrist-Verband und 2 Tage stationäre Auf-
kommen Techniken der Manuellen Therapie zur Anwendung nahme.
(. Abb. 7.11). Die Konsolidierung der Fraktur und die Interpre- Schmerzmedikation: Ibuprofen 4x400 mg (p.o.), bis
tation des Befundes geben die Auswahl der Mobilisationstech- Schmerzen ≥ 3 VAS.
niken an. Eine sorgfältige Kontrolle der Symptome und Dosie- Redon-Drainage.
rung der Maßnahmen ist notwendig. Stabilität:
Bewegungsstabilität für assistive Bewegung bei Bewe-
6. Funktionserhaltung der Ellenbogen-, Hand- und Fingerge- gungsbegrenzung (s. Procedere).
lenke Procedere:
Diese Gelenke sollen bei passiver Fixation der Fraktur in al- Gilchrist-Verband für 1 Woche.
len Bewegungsrichtungen von Anfang an mit manuellen Tech- Bewegungsgrenze für 6 Wochen:
niken endgradig geübt werden. Bei Erreichen der Muskeltest- Abduktion 0–0–60° assitiv bei abgenommener Arm-
stufe 3 können auch kleine Handgeräte wie kurzer Stab, Keule, schwere,
Ball etc. dazugenommen werden. Voraussetzung für den Ein- Flexion 0–0–90° hubarm und aus dem Lot.
satz von Geräten ist, dass gegen Eigenschwere des Arms geübt Schmerzabhängig Armschlinge benutzen.
werden darf. Röntgen nach 4 und 8 Wochen, Sportfähigkeit nicht vor 9
Monaten, Arztentscheidung.
7. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten Unfallanamnese:
Sind die Einzelbewegungen des Schultergelenks fast frei, kön- Patient hatte einen Reitunfall an einem Samstag, ging erst
nen komplexe Bewegungen in PNF-Mustern oder deren Ab- am Montag zum Hausarzt, der ihn in die Klinik einwies.
wandlungen nach Klein-Vogelbach geübt werden. Variiert wer- Dort Röntgen. Patient entschied sich für Operation, die
dann abends durchgeführt wurde.
138 Kapitel 7 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Schultergelenks und Rotatorenmanschettenrupturen
ICF-Dokumentation
1
Name/Alter: Herr U., 48 J. Behandlungsziel: Völlige Wiederherstellung des ACG und der Arm-
2 Diagnose: ACG-Sprengung Rockwood III rechts aktivitäten
Zuggurtungsosteosynthese und Bandnaht vor 1 Woche, Gilchrist-
Verband darf abgenommen werden
3 Befund nach 1 Woche postop.
5 Gilchrist-Verband zur Befunderhebung abgenommen. 5 Patient ist bisher durch Gilchrist- 5 Patient wurde mit dem Auto
8 5 Fäden noch vorhanden, Wunde reizlos in Abheilung. Verband in seinen Aktivitäten gebracht, ist weitgehend un-
5 Atrophie M.deltoideus, rechter Humeruskopf steht et- eingeschränkt. selbständig und ist darüber
9 was tiefer als linker. unglücklich.
5 VAS > 3 bei Druck auf ACG und hängendem Arm in Null- 5 Ist jedoch zu Hause gut ver-
stellung. Schmerzfrei bei abgenommener Armschwere sorgt durch Ehefrau und
10 und gebeugtem Ellenbogen. Patient nimmt keine Hilfskraft.
Schmerzmittel mehr. 5 Möchte baldmöglichst wie-
5 Geringer Schulterhochstand rechts. der arbeiten und reiten.
11 5 Tonuserhöhung M. trapezius, M. biceps.
5 Gelenkbeweglichkeit:
– Schultergelenkabduktion/-flexion bei abgenom-
12 mener Armschwere frei bis 60°.
– Außen-/Innenrotation in Nullstellung des Oberarms
seitengleich.
13 – Skapulabewegungen nicht getestet.
– Ellenbogenflexion rechts: aktiv 150–10–0°, passiv
14 frei; links 150–0–0°.
– Bei endgradiger Ellenbogenextension Spannungs-
gefühl im M. biceps; Bewegungsstopp weich.
15 – Pro-/Supination seitengleich.
– Finger- und Handgelenke frei.
5 Keine Sensibilitätsstörungen.
16 5 MTW:
Ê Im Internet (www.springer.de/978-3-540-68241-7, unter Voigt C (1994) Die Behandlung der akromioklavikulären Luxation mit der
dem Link »Patientenbeispiele«) erfahren Sie mehr über Gelenkplatte nach Ramanzadeh. Aktuelle Traumatol 24:128
Herrn U. und den weiteren Therapieverlauf: die Behand- Weigel B, Nerlich M (2005) Praxisbuch Unfallchirurgie Bd 1 und 2. Spring-
er, Berlin Heidelberg New York
lungsziele, die bei ihm wichtigen Gesichtspunkte der Be-
Winkler H (1994) Die Behandlung der Akromioklavikulargelenkver-
handlung und einen Therapievorschlag für eine Behand-
renkung durch Zuggurtung und Bandnaht. Aktuelle Traumatol 24:
lungseinheit. 133
7.9 Literatur Die Röntgenbilder 7.31 und 7.32 verdanke ich OA Dr. Thomas Löffler, Cir-
urgische Universitätsklinik Großhadern, Universität München.
Buck M. et al. (2001) PNF in der Praxis 4. Aufl. Springer, Heidelberg Ber- Die Abbildungen 7.6–7.10, 7.19, ebenso die Abbildungen 7.22–7.24
lin New York verdanke ich Frau Claudia Klose.
Burstein AH, Wright TM (1997) Biomechanik in der Orthopädie und Trau- Die Fotos zur Manuellen Therapie, Abb. 7.11. verdanke ich Frau Bar-
matologie. Thieme, Stuttgart New York bara Dopfer, Praxis für Physiotherapie und Handrehabilitation Görges- Ra-
Butler DS (1998) Die Mobilisation des Nervensystems, 2. Nachdruck. dina, München.
Springer, Berlin Heidelberg New York Die Abbildungen 7.12–7.17 konnte ich freundlicherweise in der Pra-
Cailliet R (1975) Shoulder Pain. Davis, Philadelphia, pp 78–84 xis »movere« bei Uli Engelmann und Geza Sturm, München, anfertigen.
Cyriax J (1978) Textbook of orthopedic medicine, 7. Aufl. Bailliere Tindall,
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Frisch H (1990) Programmierte Untersuchung des Bewegungsapparates,
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Van den Berg F et.al. (2001) Angewandte Physiologie Bd 3. Thieme, Stutt-
gart
8
Humerusschaftfrakturen
Einteilung – 142
Ursachen – 142
Charakteristische Symptome/
Leitsymptome – 142
Behandlungsrichtlinien und
therapeutische Maßnahmen – 142
Komplikationen – 143
Befunderhebung – 145
Behandlungsmöglichkeiten – 145
2
3
4
5
6
7 . Abb. 8.4. Oberarmschaftfraktur,
Osteosynthese mit Verriegelungsnagel
8
9
. Abb. 8.6. Humerusschaftprothese
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
8 Humerusschaftfrakturen
145 8
Befunderhebung
Notieren und Qualität, Intensität und Lokalisation von Schmerzen und sonstigen Beschwerden der Armfunktion (VAS).
Bewerten
Hebelwirkungen an der Fraktur entstehen, wenn ein Teil ideus weitergeleitet wird, z.B. durch leichten axialen Druck an
1 des Oberarms nicht unterlagert ist, der Ellenbogen tiefer liegt der Handwurzel, Dorsalextension der Handgelenke oder durch
als das Schultergelenk (Extension hinter Körpermittellinie) einen festen Fausstschluss (. Abb. 8.9, 8.10).
2 oder die Hand des Therapeuten nicht sicher genug den distalen
Oberam hält.
Vorbereitend für alle Bewegungen des Schultergelenks wer-
den Stabilität und Beweglichkeit der Skapula geübt. Sie sollen bei
jeder Behandlung geübt und vom Patienten deutlich wahrge-
3 Wichtig nommen werden (. Abb. 8.11, 22.13, 22.14).
Schmerzauslösung an der Frakturstelle beachten! Eine stabil Wichtig
4 versorgte Fraktur verursacht keine Schmerzen, wenn der Sta-
bilitätsgrad bei der Dosierung der Maßnahme beachtet wird. Nur bei konservativer Behandlung einer Oberarmschaftfrak-
tur ist eine Rotationsbewegung im Schultergelenk kontrain-
5 diziert, ansonsten besteht keine Bewegungseinschränkung.
Ist das Schultergelenk frei beweglich, kann im Sitz an der Be-
handlungsbank oder dem Handtisch geübt werden. Ist es da-
6 gegen eingeschränkt, empfiehlt es sich, die Rückenlage als Aus- Grundsätzlich sollte der Behandlungsplan den gleichmäßigen
gangsstellung zu wählen. Die Bauchlage kann bei jüngeren Pati- Spannungsaufbau des gesamten Muskelmantels des Oberarms
7 enten gewählt werden, um den M. triceps gegen die Unterarm- berücksichtigen, damit ein ausgewogener Druck auf die Frak-
schwere zu üben. tur erfolgt.
Als Techniken werden bei Teststufe 2 »Endstellung – Halten«
8 gegen Führungskontakt und unterstütztes »Bewegen – Halten«
gewählt. Kontraktionshilfen und Verstärkungsmuster über die
kontralaterale Seite verbessern die Spannung der schwachen
9 Muskeln. Effektiv ist eine von den Fingern aus aufgebaute kom-
plexe Spannung (. Abb. 8.8), die nach proximal zum M. delto-
10
11
12
13
. Abb. 8.9. Anbahnen der Kontraktion des M. deltoideus in Rückenla-
14 ge
15 . Abb. 8.7. Postoperative Lagerung des Arms . Abb. 8.10. Anbahnen der
Kontraktion des M. deltoide-
us im Sitz
16
17
18
19
20
. Abb. 8.8. Komplexer Spannungsaufbau des gelagerten Arms
21
8 Humerusschaftfrakturen
147 8
. Abb. 8.13. Mobilisation Gleiches gilt für das Ellenbogengelenk (. Abb. 8.12). Bei
1 der BWS aktiven oder assistiven Bewegungen im Ellenbogengelenk soll
der Oberarm ganz aufliegen und die Fraktur nahe am Ellbo-
2 gen passiv fixiert werden. Jeglicher Schmerz an der Bruchstelle
ist zu vermeiden. Als angenehm wird es der Patient empfinden,
wenn das Olekranon frei gelagert ist und nicht durch die fixie-
3 rende Hand gegen die Unterlage gedrückt wird. Techniken aus
dem PNF-Programm und der Manuellen Therapie bewähren
sich gut. Die Mobilisationstechnik wird entsprechend der Qua-
4 lität des Bewegungsstopps ausgewählt und ihre Wirkung bewer-
tet. Bleibt das Gelenk reizlos und gewinnt an Beweglichkeit, war
5 die Technik richtig.
Wichtig
6
Das Ellenbogengelenk ist ein sehr empfindliches Gelenk; es
verträgt keine harten Mobilisationstechniken.
7 Wichtig
Wichtig
B1 Lateral-sagittale Fraktur
12 B2 Medial-sagittale Fraktur
B3 Frontale Fraktur
13
Typ C Vollständig artikuläre Fraktur
14 C1 Artikuläre und metaphysäre einfache Fraktur
Streckung
C3 Mehrfragmentäre fraktur
16
17 Ursachen
Beugung
5 direkte oder indirekte Gewalteinwirkung,
18 5 Sturz auf den Ellenbogen,
5 Arbeits- oder Verkehrsunfälle.
19
Charakteristische Symptome/Leitsymptome
20
5 schmerzhafte Bewegungseinschränkung und -unfähigkeit,
21 5 rasch einsetzende Schwellung, . Abb. 9.1. Hueter-Dreieck
9.1 Distale Humerusfraktur mit Gelenkbeteiligung
153 9
a b c
1
2
3
4
5
6
7
. Abb. 9.4a-d. a, b Olekranonfraktur, c, d Zuggurtungsosteosynthese
8
. Abb. 9.5a-c. Kondylenfraktur und
9 Schraubenosteosynthese
10
11
12
13
14 a b c
15
Eine zwingende Indikation zur operativen Behandlung der Vorab muss das Olekranon durchtrennt werden, um bes-
16 distalen Humerusfrakturen besteht (Weigel, Nerlich 2005) bei: ser an die Frakturstelle zu kommen. Dies erfordert eine zusätz-
5 Frakturen mit Gelenkbeteiligung, liche Zuggurtungsosteosynthese am Ende der Operation. Für
17 5 dislozierten Frakturen, die Frakturstabilisation kommen infrage:
5 offenen Frakturen, 5 Zuggurtungsosteosynthese,
5 Kompartmentsyndrom, 5 Plattenosteosynthese und
18 5 unfallbedingter Nervenläsion, 5 Schraubenosteosynthesen mit/ohne Spickdrähte.
5 unfallbedingter Gefäßverletzung,
19 5 Polytrauma. Stückbrüche sind oft schwer zu stabilisieren. Wenn sie offen
sind, wird primär ein stabil verstrebter Fixateur externe ange-
A- und B-Frakturen können mit Spongiosaschrauben fixiert wer- legt. Nach einiger Zeit kann kann die Verstrebung gelöst werden
20 den. C-Frakturen erfordern ein technisch schwierigeres Vorge- und der Patient kann damit bewegen (. Abb. 9.6 c).
hen, um eine anatomische Reposition der Fragmente zu errei-
21 chen.
9.2 Ellenbogenluxation
155 9
b
156 Kapitel 9 · Ellenbogennahe Frakturen und Ellenbogenluxation
13 Physiotherapeutische Behandlung
Ursachen Wichtig
14
5 Sturz auf den gestreckten Arm. Wie bei allen Frakturen im Ellenbogenbereich darf in der
Proliferationsphase, wie bereits oben erwähnt, nicht passiv
15 mobilisiert (nachgedehnt) werden.
Charakteristische Symptome/Leitsymptome
16 5 schmerzhaft eingeschränkte Pro- und Supinationsbewe- Die Literatur ist bzgl. der Nachbehandlung uneinheitlich. Es
gung, herrscht jedoch die Meinung, dass frühfunktionelle, subtil do-
17 5 Schmerzhaftigkeit des Radiusköpfchens während der Be- sierte Behandlungen bessere Ergebnisse erbringen (Weigel,
wegung, Nerlich 2005).
5 punktueller Druckschmerz über dem Radiusköpfchen, Je nach erreichter Stabilität kann auf eine Ruhigstellung ver-
18 5 Schwellung, zichtet werden. Der Operateur gibt das Bewegungsausmaß für
5 diffuser Schmerz distal im N.-radialis-Bereich. Beugung und Streckung des Ellenbogens an.
19 Drehbewegungen sind während der Proliferationsphase (ca.
Die Symptome sind diagnostisch relevant. 4 Wochen) nicht erlaubt. Dies ist bei der Befunderhebung zu
berücksichtigen.
20
21
9.4 Olekranonfraktur
157 9
! Cave 5 Schwellung,
Bei Radiusköpfchenfrakturen und -luxationen sind Pro- und 5 Bewegungsschmerz,
Supinationsbewegungen in den ersten 4 Wochen nicht erlaubt. 5 Abwehrspannung des M. biceps.
Charakteristische Symptome/Leitsymptome Nach anatomischer Reposition und Fixation durch die Zuggur-
tungsosteosynthese kann eine Restitutio ad integrum erwartet
5 tastbare Distraktion der Fragmente, werden. Eine Ruhigstellungsschiene wird meist nur bis zum Ab-
5 eingeschränkte Streckung des Ellenbogengelenks, schluss der Wundheilung angelegt.
158 Kapitel 9 · Ellenbogennahe Frakturen und Ellenbogenluxation
Befunderhebung
Prüfen 5 Muskeltest unterschiedlich bei einzelnen Frakturen, bis Stufe 2 oder bis 3.
5 Rotationsbewegungen sind nur nach Erlaubnis durch den Arzt zu testen.
Wichtig
Die passive anguläre Gelenkbeweglichkeit ist bei Humeruskondylen- und suprakondylären Frakturen nur erlaubt,
wenn tatsächlich eine bewegungsstabile Osteosynthese erreicht wurde. Bei ins Gelenk reichenden Frakturen sind
passive Prüfungen des Bewegungsstopps nicht vor der 5. postoperativen Woche erlaubt. (Nach Röntgenkontrolle!)
5 Sensibilität, v.a. im N.-ulnaris- und N.-medianus-Bereich.
5 Durchblutung von Aa. radialis und ulnaris.
5 Tests der neuromeningealen Strukturen (nach Rücksprache mit dem Operateur, evt. nicht vor der 5. Woche
(Butler 1995).
5 Qualität des Bewegungsstopps in Beugung und Streckung.
5 Prüfung der seitlichen Stabilität.
frakturen lässt sich eine deutliche Abwehrspannung des M. bi- 5 Mini-Kapseltechniken nach Maitland, Kaltenborn und
1 ceps erkennen (7 Kap. 8). Frisch,
Olekranonfrakturen lassen den M. triceps in Abwehrspan- 5 PNF-Muster »Dynamische Umkehr – Halten – Entspan-
2 nung geraten; er zieht das proximale Fragment deutlich nach
kranial. Nach der Osteosynthese ist deshalb mit einer ver-
nen mit aktivem/passivem Weiterziehen«,
5 Kräftigung gegen leichten manuellen Widerstand in »Be-
mehrten Abwehrspannung dieses Muskels zu rechnen. tonter Bewegungsfolge« (PNF),
3 Als Entspannungstechniken können angewandt werden: 5 Kombinationen aller Spannungsformen (PNF),
PNF-Techniken, Techniken nach Schaarschuch-Haase und Ja- 5 Replikation (PNF, 7 Kap. 22),
cobson, spielerisches Bewegen bis kurz vor die Schmerzgrenze. 5 Üben in der geschlossenen Kette,
4 Bewusstes Anspannen und Entspannen mit bewusstem 5 Einsatz der CPM-Schiene.
Nachspüren der Hand- und Armstellung kann ebenfalls aus-
5 probiert werden. Der Patient soll die Spannungslage der Arm- Bei allen Mobilisationstechniken müssen auftretende Schmer-
muskulatur erspüren. Für die Entspannung der Muskulatur ist zen als Schutzsymptom durch übermäßiges Bewegen beachtet
auch die Lagerung wichtig. Häufig kommt es nur darauf an, wie werden. In der Kapsel oder im Muskel kann es zu Mikrotrau-
6 man den Patienten sprachlich und manuell anleitet, damit er men kommen, die zu einer Kalzifikation führen können.
selbst lernt, zu entspannen. Bei Humeruskondylenfrakturen wird der Oberarm fixiert,
7 Die »Stop and go«-Technik kann ebenfalls sehr wirkungs- und der Unterarm wird zum bewegenden Hebel (. Abb. 9.8).
voll angewandt werden. Dabei vereinbart der Physiotherapeut Bei einer Olekranon- oder Radiusköpfchenfraktur wird der Un-
mit dem Patienten ein Zeichen (z.B. Anheben des Zeigefin- terarm aktiv ruhig gehalten, und der Oberarm bewegt sich. Die
8 gers der anderen Hand) oder eine Äußerung, wenn die Bewe- Schlussstreckung des Ellenbogens kann über Außenrotation
gung schmerzhaft wird. Der Physiotherapeut muss das Zeichen und Anteversion des Oberarms, die Beugung/Supination über
wahrnehmen und die Bewegung sofort wieder ein Stückchen Retroversion/Innenrotation des Oberarms eingeleitet werden.
9 zurücknehmen. Der Patient entscheidet, wann er weiterbewe- Es ist von großer Bedeutung, dass Patienten Vertrauen in die
gen möchte. Maßnahmen der Physiotherapeuten haben und diese reflektie-
10 rend äußern, wenn Behandlungformen funktionsfördernd bzw.
3. Verbesserung der Beweglichkeit funktionsmindernd wirken.
Kann die betroffene Muskulatur erfolgreich entspannt werden,
11 wird sich die Beweglichkeit des Ellenbogengelenks spontan ! Cave
verbessern, es sei denn, knöcherne oder kapsuläre Einschrän- Die verletzten Gelenkanteile müssen immer passiv oder aktiv
12 kungen lassen dies nicht zu. fixiert werden!
Folgende PNF-Techniken sind zu empfehlen, um eine voran-
gegangene Spannung und Entspannung zu nutzen: Nicht nur bei polytraumatisierten Patienten entstehen in den
13 5 Rhythmische Stabilisation gegen Führungskontakt – Ent- ersten Monaten nach dem Unfall Kalzifikationen in der Gelenk-
spannung – aktives Weiterziehen. Die Technik lässt feine kapsel und im M. biceps (. Abb. 9.7), zum anderen entstehen
14 Rotationsbewegungen im Ellenbogengelenk zu, falls die- diese durch Behandlungsfehler, Überdosierung und Nichtbe-
se erlaubt sind. achten von Schmerzen bei der Bewegungstherapie. Eine Entfer-
5 »Chirurgische Technik« ohne Rotation mit aktivem, ge- nung muss besonders sorgfältig geplant werden; auch auch eine
15 führtem Weiterziehen. Verlegung des N. ulnaris muss mit in Betracht gezogen werden.
5 Dynamisches Bewegen mit vertauschtem Punktum mobile Günstig wäre das Abwarten bis zur möglichen, jedoch vorgezo-
und fixum (Rumpf-Oberarm-Bewegungen). genen Materialentfernung.
16 Anschließend muss die physiotherapeutische Behandlung in
Hubarmes Bewegen der Schulter- und Ellenbogengelenke, z.B. Abstimmung mit dem Patienten noch behutsamer, aber konse-
17 mit der Feldenkraisrolle, ist als eigenständige Übung effektiv quent durchgeführt werden.
(. Abb. 7.13, 7.14).
Nach mehrmaliger Ausführung der gewählten Technik soll Wichtig
18 ein betonter Spannungsaufbau der schwächeren Muskelgruppe
Ein wichtiges Therapieziel ist das Erreichen der Ellenbogen-
erfolgen, z.B. durch »Endstellung – Halten« gegen Führungs-
beweglichkeit von
19 kontakt (7–10 sec) bei gleichzeitigem Einsatz von Verstärkungs-
5 120° Flexion und
techniken. Diese Dosierungsstufen gelten ca. für die ersten 4–6
5 80° Supination,
postoperativen Wochen.
20 In der sich anschließenden Behandlungszeit (Konsolidie- so dass der Patient seine Alltagsaktivitäten frei durchführen
kann.
rungs-/Umbauphase) kommen je nach Befund folgende Tech-
21 niken zur Anwendung:
9.4 Olekranonfraktur
161 9
4. Verbesserung der Muskelkraft, Ausdauer und Geschick- 5 Techniken mit wechselnden Drehpunkten gegen ange-
lichkeit passten Widerstand,
Die Muskelkraft wird durch Anpassen des manuellen Wider- 5 Kombinationen von Bewegen und Halten gegen ange-
standes bei allen Übungsformen verbessert. Die Spannungs- passten Widerstand (. Abb. 9.8),
zeit soll mindestens 7–10 sec betragen. Die Übungsanzahl wird 5 Replikation.
erhöht, die Pausendauer zwischen den einzelnen Übungen ge-
kürzt. Alle Widerstandsübungen für die Beugemuskulatur können
Bei Reizlosigkeit des Gelenks kann der Widerstand gestei- unter leichter Traktion ausgeführt werden; die Streckmuskula-
gert werden. Während der Konsolidierungsphase müssen Kon- tur wird durch eine weiche Approximation an der Handwur-
dylen- oder suprakondyläre Frakturen gut passiv über der Frak- zel stimuliert.
tur fixiert werden. Bei Olekranon- und gelenknahen Radius-
köpfchenfrakturen muss die Widerstand gebende Hand an- 5. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten
fangs in Frakturhöhe liegen, später kann sie dann distal ange- Komplexes Üben in PNF- oder anderen Gebrauchsmustern soll
setzt werden. die Bewegungen vorüben, die der Patient im Alltag, im Beruf
An manuellen Techniken aus dem PNF-Programm kommen oder für seine sportlichen Aktivitäten benötigt.
zur Anwendung: Übungen in der geschlossenen Kette im Sinne des Stützens
5 Betonte Bewegungsfolge gegen angepassten Widerstand, auf feste und labile Unterlagen (7 Kap. 10, 11) sind Schwer-
5 Verstärkungstechniken, punkte in der Umbauphase.
162 Kapitel 9 · Ellenbogennahe Frakturen und Ellenbogenluxation
Armbewegungen mit kleinen Handgeräten wie Stab, ge- Anschließend »Endstellung – Halten« in der möglichen
1 spanntes Seil, Theraband, Ball, Hantel sind möglich. Streckstellung oder »Bewegen – Halten«.
Zuggeräte bieten Möglichkeiten, entsprechend der Konso-
2 lidierung ein vielseitiges Übungsprogramm zusammenzustel-
len (. Abb. 7.17 a, b). Der Patient soll lernen, seinen Ellenbogen
Techniken
5 Schaarschuch-Entspannungstechnik.
möglichst natürlich zu gebrauchen. 5 »Stop and go«-Technik.
3 5 Hubarmes Bewegen des Ellenbogengelenks aus Sitz seitlich
Wichtig an der Behandlungsbank bei abgenommener Armschwere.
4 5 Zu vermeiden sind ruckhafte, unkontrollierte oder Nach ca. 4–6 Wochen
schwunghafte Bewegungen, die zu Ausweichbewe-
Übung
gungen im Schultergelenk/in den Schultergürtelgelen-
5 ken führen.
5 Dynamische Bewegungsfolge für M. biceps und M. triceps
gegen angepassten Widerstand mit Betonung der Supinati-
5 Das Tragen schwerer Gegenstände sowie Stützen und
on/Pronation.
6 Schieben sollte bis zur Ausheilung der Fraktur vermie-
den werden (Röntgenkontrolle, Arztentscheidung ab-
Übung
warten!).
7 5 Hoher Sitz, Feldenkraisrolle senkrecht zwischen den Füßen
aufgestellt, Hände in Schultergürtelhöhe auf der Rolle. Be-
wegen der Rolle nach vorne, zur Seite und im Kreis (Slivka
8 2006) (. Abb. 6.29).
Übungsbeispiele
Tipp
9 Die Übungsbeispiele beziehen sich auf eine suprakondyläre Hu-
Wird der Rumpf stabil gehalten, bewegen sich die Armge-
merusfraktur. Die Fraktur ist bewegungsstabil. Die Kunststoff-
10 schiene kann zur Behandlung abgnommen werden.
lenke hubfrei (Vertauschen von Punktum fixum und mobile).
Die Übungen können also sowohl für die Rumpfmobilisation
Nach 2 Wochen postoperativ als auch für das hubfreie Bewegen der Armgelenke ange-
11 Ausgangsposition wandt werden.
Rückenlage oder Sitz an einem kippbaren Tisch oder an der Be-
12 handlungsbank. Ober- und Unterarm liegen vollständig auf, das
Olekranon ist frei gelagert. Übung
Die erste Behandlung beginnt möglichst in der gewohnten 5 Schultergelenkbewegungen im PNF-Muster gegen Wider-
13 Schienen-Armposition, entsprechend wird die Tischfläche ge- stand proximal der Fraktur mit Führungskontakt distal an
kippt oder ein Schaumstoffkeil benutzt. der Hand:
14 – 1. Diagonale: Extension/Abduktion/Innenrotation mit
Übung neutralem Ellenbogen, Flexion/Adduktion/Außenrota-
5 Isometrisches Spannen gegen Führungskontakt im Sekun- tion mit neutralem Ellenbogen.
15 denrhythmus für M. biceps, M. triceps und M. deltoideus. – 2. Diagonale: Flexion/Abduktion/Außenrotation mit
neutralem Ellenbogen, Extension/Adduktion/ Innen-
Übung rotation mit neutralem Ellenbogen.
16 5 Aktiv/assistive Umkehrbewegung im schmerzfreien Bewe- Technik: Betonte Bewegungsfolge, Bewegen – Halten.
gungsumfang gegen Führungskontakt:
17 – Extension – Flexion in Rotationsnullstellung, Manuelle Therapie
– Flexion/Supination – Extension/Pronation, 5 Weiche Traktion, Radius translatorisch verschieben (7 Kap.
– Flexion/Pronation – Extension/Supination. 10, »Radiusfraktur«).
18 Fixation: Oberarm liegt auf, Fixation über der Fraktur.
Ausgangsposition
19 ! Cave Sitz auf Hocker vor dem Spiegel.
Kein Widerstand, kein Stretch, nur minimale Traktion! 5 Vor dem Körper das 4-fach zusammengelegte Seil waage-
recht spannen und vom Körper aus nach vorne bewegen,
20 Technik bis die größtmögliche Ellenbogenstreckung erreicht ist.
5 »Chirurgische Technik« (PNF).
21 Fixation: Über der Fraktur passiv.
9.5 Patientenbeispiel
163 9
Übung
5 Hanteltraining aus verschiedenen Armstellungen, auch in
. Abb. 9.9. »Eckensteher«
PNF-Diagonalen (. Abb. 9.10, 7 Kap. 7).
nach Klein-Vogelbach
5 Arbeiten an Zügen gegen Widerstand (7 Kap. 7).
Übung
5 Vorbereitung auf sportliche Aktivitäten: Stabilisation mit
dem Federstab (. Abb. 11.45).
9.5 Patientenbeispiel
Befundaufnahme
6 ICF-Dokumentation
5 Röntgenbefund postop.: Hueter-Dreieck regel- 5 Hand und Arm sind durch Bewegungs- 5 Keine Berufstätigkeit, kei-
13 recht, keine Stufenbildung, Osteosynthese o.B. einschränkung und Belastungs- ne Geselligkeit, kein Auto
5 Fäden gezogen, Op.-narbe reizlos. begrenzung im Beruf (Gärtner) nicht fahren, fühlt sich zu Hau-
5 Leichte Schwellung, Umfangmaß am Ellenbogen
14 + 1,5 cm.
einsetzbar.
5 Stützen, Tragen von schwereren Ge-
se unnütz.
Pro-/Supi- re 60–0–60°
nation
18 li 70–0–70°
19
20
21
9.6 Literatur
165 9
(+) kommt tagsüber zurecht, ist ausreichend versorgt (++) motiviert, wieder zu arbeiten
(–) Beruf erfordert handwerkliche Schwerarbeit (+) sehr kooperativ
(–) langweilt sich ohne handwerkliche Arbeit zu Hause
Ê Im Internet (www.springer.de/978-3-540-68241-7, unter Die Röntgenbilder 9.2 und 9.4 wurden mir freundlicherweise von OA Dr.
dem Link »Patientenbeispiele«) erfahren Sie mehr über Th. Löffler, Chirurgische Universitätsklinik Großhadern, München, über-
Herrn St. und den weiteren Therapieverlauf: die Behand- lassen.
lungsziele, die bei ihm wichtigen Gesichtspunkte der Be- Die Abbildungen 9.8 und 9.9 erstellte Frau Birgit Jaspersen, Klinik für
Physikalische Medizin, Klinikum Großhadern der Universität München.
handlung und einen Therapievorschlag für eine Behand-
Die Abbildungen 9.10 und 9.11 entstanden in der Praxis »movere«,
lungseinheit.
Uli Engelmann und Geza Sturm, München.
9.6 Literatur
Bakalim C (1970) Fractures of radial head and their treatments. Acta Scan-
dinav (41): 320–331
Buck M, Beckers D, Adler S (2004) PNF in der Praxis, 5. Aufl. Springer, Hei-
delberg Berlin
Jacobson E (1990) Progressive Relaxation in Theorie und Praxis. Pfeiffer,
München
Jacobson E (2002) Entspannungstraining. In: Bernstein D (Hrsg) Handbuch
der progressiven Muskelentspannung, 8. Aufl. Pfeiffer, München
Loeweneck H (1994) Funktionelle Anatomie für Krankengymnasten, 2.
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Müller ME et al. (1992) Manual der Osteosynthese, 3. Aufl. Springer, Berlin
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Trentz O, Bühren V (2001) Checkliste Traumatologie. Thieme, Stuttgart
New York
Weigel B, Nerlich M (2005) Praxisbuch Unfallchirurgie. Springer, Heidel-
berg Berlin New York Tokio
10
14 b Osteosynthese
15
16
17
18
19
20
a b
21
10.1 Unterarmfrakturen
169 10
a b
Ursachen
5 indirekte Gewalteinwirkung, z.B. bei Abfangen eines
Sturzes,
5 direkte Gewalteinwirkung, z.B. Schlag, Abwehrreaktion
zum Schutz des Gesichtes,
5 Autounfall.
Charakteristische Symptome/Leitsymptome
5 Schmerzen lokal über der Fraktur und bei Bewegung,
5 Ödem,
5 Fehlstellung, Instabilität bei Fraktur beider Unterarmkno-
chen.
a b
Behandlungsrichtlinien und therapeutische
Maßnahmen
. Abb. 10.5a,b. a Parierfraktur mit Luxation des distalen Radioulnar-
gelenks, b Plattenosteosynthese, Spickung bei Radioulnargelenkspren- Unterarmfrakturen können offen oder geschlossen sein. Bei
gung und perilunärer Luxation
Kindern bleibt der Periostschlauch oft noch intakt; diese Art
der Fraktur bezeichnet man als Grünholzfraktur.
Unterarmfrakturen werden in Typ I–III eingeteilt. Die Funktion der Hand ist in besonderem Maße von der in-
takten Umwendbewegung des Unterarms abhängig. Pro- und
Typ I Isolierte oder komplette einfache Fraktur mit oder Supination sind Bewegungen der beiden Radioulnargelenke; sie
ohne Biegungskeil erlauben die exakte Einstellung der Hand für das differenzierte
Typ II Isolierte oder komplette komplexe Frakturen Greifen von Gegenständen.
Funktionell werden Umwendbewegungen mit Hand- und
Typ III Isolierte Ulna- oder Radiusfraktur mit Luxation des Ellenbogengelenkbewegungen kombiniert. Bei Pronation dreht
intakten Röhrenknochens (s. Monteggia oder Galeazzi- sich der Radius um die Ulna und beschreibt das Segment eines
fraktur)
Kegels. Seine Längsachse verläuft dann schräg nach vorne.
170 Kapitel 10 · Unterarmfrakturen und distale Radiusfraktur
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
Wichtig Konservatives/operatives Vorgehen
12 Unterarmfrakturen im mittleren und proximalen Bereich werden
Pro- und Supination können durch Schultergelenkbewe- i.d.R. operativ behandelt. Zum Einsatz kommen Kleinfragment-
gungen wie durch Rumpfrotation und -lateralflexion vergrö- LCDC-Platten oder Nägel. Die Stabilität der Osteosynthese der
13 ßert werden. Eine fehlende Pronation kann durch Abduktion Unterarmschaftfrakturen und die Kapsel- bzw. Bandläsion mit
im Schultergelenk, eine fehlende Supination durch Außen- oder ohne Naht bestimmen den Beginn der physiotherapeu-
14 rotation und Adduktion im Schultergelenk vorgetäuscht tischen Behandlung (7 Kap. 9).
werden. Die stabile Plattenosteosynthese ohne Kombinationsverlet-
zungen erfordert keine Ruhigstellung (. Abb. 10.6). Sie kann
15 frühfunktionell behandelt werden.
Frakturen der Unterarmknochen und Luxationen der Radioul- Offene Frakturen erhalten meist einen Fixateur externe. Sie
nargelenke bewirken eine gravierende Funktionsstörung. Ver- benötigen keine zusätzliche Ruhigstellung. Sie sollen notfallmä-
16 kürzungen behindern die Funktion der Radioulnargelenke. Fol- ßig operiert werden (s. auch distale Radiusfraktur, . Abb. 10.14,
gen sind eine verzögerte Frakturheilung oder Pseudarthrose. 10.15).
17 Bei Radiusfrakturen im proximalen Bereich ist der N. radia- Bei einer zusätzlichen Luxation des Radius/der Ulna wird
lis verletzungsgefährdet, im distalen Bereich die A. radialis. evt. eine Stellschraube oder ein Gelenk überbrückender Spick-
draht eingebracht. In diesem Fall wird eine Oberarm-, Prothe-
18 Ärztliche Behandlung ra- oder Gipsschiene für 3–4 Wochen angelegt. Die Schiene darf
Zur Ermittlung einer exakten Diagnostik müssen Röntgenauf- zum Üben abgenommen werden. Jedoch darf nur aktiv gebeugt
19 nahmen in zwei Ebenen in voller Länge der Unterarmknochen und gestreckt, nicht supiniert oder proniert werden.
mit Einsicht auf die Hand- und Ellenbogengelenke gemacht Von besonderer Bedeutung für die Wiederherstellung der
werden. vollen Hand- und Ellenbogengelenkfunktion ist die anato-
20 mische Reposition des proximalen Handgelenks und des hume-
roradialen Gelenks.
21
10.1 Unterarmfrakturen
171 10
Der Physiotherapeut sollte die Gelenkstellungen klinisch Dynamische Bewegungen werden erst nach Entfernung der
und röntgenologisch beurteilen und bewerten können. Bei be- Redon-Drainagen eingesetzt.
stehendem Radius- oder Ulnavorschub ist die Handgelenk-
funktion arthrogen eingeschränkt (. Abb. 10.13 und 7 Ab- ! Cave
schn. 10.2). Patienten mit einer Monteggia- oder Galeazzi-Fraktur dürfen in
Wurde eine stabile Osteosynthese erreicht und die anato- den ersten 3–4 Wochen keine dynamischen Umwendbewe-
mische Länge von Ulna oder Radius wiederhergestellt, repo- gungen ausführen.
niert sich das Radius- oder Ulnaköpfchen von selbst. In diesem
Fall wird oft auf eine Bandnaht verzichtet.
Die kindlichen Grünholzfrakturen werden in einem Ober- Komplikationen
armgips ruhiggestellt.
Bei Unterarmschaftfrakturen ohne proximale oder distale 5 Nervenverletzung, z.B. des N. radialis in Form einer Teil-
Luxation werden die Osteosynthesen als bewegungsstabil ge- oder kompletten Parese der Hand- und Fingerstreckmus-
wertet, eine Bewegungseinschränkung besteht nicht. kulatur,
Die mittlere Konsolidierungszeit für Unterarmfrakturen 5 Infektion nach offenen Frakturen,
wird mit 7 Wochen angegeben (Weigel, Nerlich 2005), eine volle 5 Pseudarthrose,
Belastung darf erst nach 12 Wochen erfolgen. Die Osteosynthese 5 Implantatlockerung,
sollte nicht vor 18 Monaten entfernt werden. 5 Brückenkallus,
Die physiotherapeutische Behandlung beginnt bei bewe- 5 CRPS (Complex Regional Pain Syndrome).
gungsstabilen Osteosynthesen am 1. postoperativen Tag mit iso-
metrischen Spannungsformen und kühlenden Maßnahmen.
Befunderhebung
Beurteilen 5 Narben/Operationswunden.
5 Hautdurchblutung.
5 Schwellung/Hämatom.
5 Unterarmachse und Hand-Ellenbogen-Stellung.
5 Atrophien.
5 Röntgenbild: Frakturstellung, Osteosynthesestabilität, proximales Handgelenk auf Radius- bzw. Ulnavorschub,
Radiusköpfchenstellung.
Prüfen 5 Muskeltest aller Handgelenkbeuger und -strecker auf Teststufe 3. Pro-/Supinatoren nur, wenn erlaubt.
5 Qualität des Bewegungsstopps von Ellenbogen- und Handgelenken.
5 Sensibilität:
– 2-Punkte-Diskriminierung,
– Spitz-Stumpf-Unterscheidung,
– Temperaturempfindung,
– Vibration,
– Lageempfinden.
5 Beweglichkeit von Schulter- und Ellenbogengelenk, Skapula, BWS.
5 A.-radialis-Puls.
5 Hoffmann-Tinel-Zeichen, Phalen-Test (. Abb. 10.9, 10.10).
. Übersicht 10.1. Gesichtspunkte der Behandlung Alle Übungen beginnen mit einer distalen Grundspannung von
4 1. Verbesserung der Durchblutung, Resorption von Ödem der Hand aus. Führungskontakt soll proximal der Fraktur an-
und Hämatom. gelegt werden. Der Oberarm wird aktiv oder passiv fixiert. Der
5 2. Sicherung der Fraktur durch aktive Muskelspannung. Unterarm wird bei den dynamischen Bewegungen des Ober-
3. Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit. arms unterstützt.
4. Funktionsverbesserung: Muskelkraft, Ausdauer und Ge-
6 schicklichkeit. 3. Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit
5. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten. Selten kommt es bei isolierten Unterarmschaftfrakturen zu ma-
7 nifesten Kontrakturen. Die vorab angewandten Techniken rei-
chen i.d.R. aus, um die Gelenke freizuhalten. Ausnahmen sind
offene Frakturen mit großer Weichteilschädigung, die mit einem
8 1. Verbesserung der Durchblutung, Resorption des Ödems Fixateur externe versorgt sind. Die Monteggia- und die Galeazzi-
Nach Knutsson (1969) wird die Kontraktionsbereitschaft eines Fraktur nehmen aufgrund der Gelenkbeteiligungen ebenfalls ei-
Muskels nach Kurzzeit-Eisanwendung angeregt, z.B. durch Ab- ne Sonderstellung ein.
9 tupfen mit dem Eisbeutel oder Abreiben mit einem Eislolly. Die
Kontraktionsbereitschaft kann sehr günstig genutzt werden, um Wichtig
10 über Pumpbewegungen die Ödemresorption zu fördern und
Bei der Monteggia-Fraktur besteht aufgrund der Mitverlet-
den Muskelstoffwechsel anzuregen.
zung der Membrana interossea und des Kapsel-Band-Appa-
Langzeit-Eisanwendungen sollen nur in den Anfangsstunden
11 angewandt werden; sie werden heute als kontraproduktiv für rates eine Kontrakturgefahr für Pro- und Supination.
eine optimale Durchblutung angesehen (van den Berg 2003).
12 Isometrisches Spannen im Sekundenrhythmus oder Pump- Feine translatorische Gleitbewegungen aus der Manuellen The-
bewegungen der Hand sind effektiv. Die Übungen sollen selb- rapie können die Verklebungen der humeroradialen Gelenkkap-
ständig mehrmals am Tag wiederholt werden und können bei sel lösen und eine aktive Technik vorbereiten. Zur Anwendung
13 hochgelagertem Arm zur Ödemresorption genutzt werden. kommen »Chirurgische Entspannungstechnik« und »Rhyth-
Ratschow-Umlagerungen (Ehrenberg 1994) sollen als Haus- mische Stabilisation – Entspannen« aus dem PNF-Programm,
14 aufgabenprogramm ebenfalls selbständig vom Patienten durch- aber auch alle unter Punkt 2 angeführten Bewegungen, wenn sie
geführt werden. unter leichter Traktion endgradig ausgeführt werden. Auch die
Bei allen offenen Frakturen steht zunächst die Wundheilung »stop-and-go«-Technik ist gut anwendbar (7 Kap. 9).
15 im Vordergrund, d.h., die Wunde darf nicht unter Zugspan- Bei der Galeazzi-Fraktur besteht eher eine Einschränkung
nung geraten. der Dorsalextension und je nach Ulna-/ Radiusvorschub eine
Einschränkung der Ulna-/Radialabduktion. In beiden Fällen ist
16 2. Sicherung der Frakturen durch aktive Muskelspannung die Supinationsbewegung behindert.
Plattenosteosynthesen an Ulna und/oder Radius sind bewe- Traktion und translatorische Gleitbewegungen im proxima-
17 gungsstabile Osteosynthesen, d.h., dass die Unterarmmuskula- len Handgelenk werden anhand des Röntgenbildes und kli-
tur aktiv oder aktiv/assistiv, nicht jedoch gegen Widerstand ar- nischen Befundes festgelegt. Dabei wird der Unterarm nahe am
beiten kann. Handgelenk passiv fixiert. Zum Einsatz kommen diese Tech-
18 Sind Umwendbewegungen erlaubt, sollen die Ellenbogen- niken erst nach 12 Wochen (. Abb. 10.25).
bewegungen mit kleinen Drehbewegungen kombiniert werden. Im Anschluss an die Manuelle Therapie folgen dynamische
19 Dies entspricht dem physiologischen Bewegungsmuster der El- Bewegungen und die oben erwähnten Techniken aus dem PNF-
lenbogengelenke. Programm.
Geeignete PNF-Techniken sind: Der gewonnene Bewegungsweg soll gehalten werden. Es hat
20 5 Dynamische Umkehr mit und ohne Halten gegen Füh- sich bewährt, an die Mobilisationstechnik die Technik »Endstel-
rungskontakt. lung – Halten« gegen Führungskontakt anzuschließen.
21 5 Endstellung – Halten gegen Führungskontakt.
10.1 Unterarmfrakturen
173 10
Das neue Bewegungsmaß soll in alltagstypischen Aktivitäten, Schwerpunktmäßig sollen Umwendbewegungen in spiele-
z.B. Körperpflege, Essen, Trinken, oder in berufsrelevanten Be- rischer Form ausgeführt werden.
wegungsabläufen umgesetzt werden (7 Kap. 11, »Handchirur- Festes Umgreifen der Geräte bewirkt eine Kokontraktion al-
gie«). ler Unterarmmuskeln, die sich positiv als axiale Druckspan-
nung auf die Fraktur auswirken kann.
! Cave Eine Steigerung erfolgt erst nach 8–12 Wochen (s.o.) mit
An dieser Stelle wird nochmals davor gewarnt, über eine län- Geräten, die einen Widerstand setzen, z.B. Hanteln, stärkere
gere Zeit Eiskompressen oder -beutel auf das Ellenbogenge- Therabänder, Zuggeräte oder das Körpergewicht. Ihr Einsatz
lenk zu legen. Folge kann eine lokale Ischämie oder Eisverbren- setzt die Konsolidierung der Fraktur voraus und kann i.A. nach
nung sein! 8 Wochen niedrig dosiert beginnen (. Abb. 10.22, 9.10 und
Der analgetische Effekt wird u.U. so groß, dass der Patient sein 7 Kap. 7, 11).
Gefühl für die Bewegungsgrenze verliert, da der Schmerz als Wichtig für alle Positionswechsel ist das Üben im geschlos-
Schutzfunktion ausfällt. Nachfolgend können bei diesem emp- senen System, v.a. für die Handgelenkstabilität (. Abb. 10.19,
findlichen Gelenk Mikrotraumen, Fibroarthosen oder eine Myo- 10.23).
sitis ossificans entstehen. Das Erarbeiten wichtiger Alltagsaktivitäten (Körperpflege,
Haushaltsarbeiten, Stützen, individuelle berufliche und sport-
4. Funktionsverbesserung: Muskelkraft, Ausdauer und Ge- liche Tätigkeiten) darf nicht vergessen werden.
schicklichkeit Alle Übungen werden vorgeübt, korrigiert, kontrolliert und
Training eines Muskels oder einer Muskelgruppe bedeutet die dann als Hausaufgabenprogramm zusammengestellt. Der Pati-
Verbesserung von Ausdauer, Kraft und ökonomischem Einsatz ent muss auf Warnsignale, die bei falschem Üben auftreten, hin-
der Hand für notwendige Alltagsverrichtungen. gewiesen werden. Die PNF-Technik »Replikation« eignet sich
Erreichbar ist dieses Ziel durch wiederholtes Üben, syste- sehr gut als Vorübung für Hand-Arm-Aktivitäten (7 Kap. 22).
matische Steigerung des Widerstandes, Verlängerung der Span-
nungszeiten und Einüben methodisch aufgebauter komplexer ! Cave
Bewegungsmuster. Eine Überdosierung führt zu Reizzuständen und Kalzifikati-
Bis zur Konsolidierung der Fraktur darf keine Hebelwirkung onen!
an der Fraktur erfolgen; sie würde den Heilungsablauf stören.
Daher muss der Widerstand für die Ellenbogenbewegungen
zwischen Ellenbogen und Fraktur platziert werden. Bei Hand- Übungsbeispiele
bewegungen muss zwischen Fraktur und proximalem Handge-
lenk passiv fixiert werden. Ist dies z.B. bei einer Fixateur-exter- Die Übungsbeispiele beziehen sich auf eine bewegungsstabile
ne-Osteosynthese nicht möglich, wird auf distalen Widerstand Unterarmschaftfraktur.
verzichtet.
Wie bei allen Techniken muss die Dosierung des Wider- Proliferationsphase
standes auf den aktuellen Muskel- und Gelenkbefund abge- Ausgangsposition
stimmt sein. Schmerzen, Muskelzittern, Nichterreichen des Sitz. Ober-, Unterarm und Hand liegen auf gekipptem Hand-
möglichen Bewegungsausmaßes und Ausweichbewegungen tisch.
zwingen zu einer Dosierungreduzierung.
Übungen zur Verbesserung der Ausdauer sollen mit nied- Übung
rigem Widerstand, jedoch mit höherer Übungsanzahl und ge- 5 Isometrisches Spannen des M. triceps.
ringen Pausen gewählt werden. Ein adäquates Hausaufgaben- Technik: Endstellung – Halten.
programm ist unerlässlich. 5 Dasselbe mit vorherigem aktiven Strecken und Spreizen
Die reduzierte Belastbarkeit lässt Übungen in der geschlos- der Finger.
senen Kette gegen das Körpergewicht erst nach der Konsolidie- Technik: Bewegen – Halten, Bewegen – Halten – Bewegen.
rungszeit (je nach Operateur 8–12 Wochen) zu. Sie werden lang-
sam gesteigert. Übung
5 Ellenbogenextension.
5. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten Technik: Betonte Bewegungsfolge gegen Führungskontakt,
Das Üben mit kleinen Handgeräten darf postoperativ nach ca. 6 nach 4 Wochen evt. gegen angepassten proximalen Wider-
Wochen beginnen, wenn die Fraktur/Luxation ausreichend ge- stand.
heilt ist (Röntgenkontrolle, Erlaubnis vom Arzt).
Kleine Handgeräte wie Tücher, Seil, Ball, Stab, leichte The-
rabänder etc. werden für alle Formen des Greifens eingesetzt.
174 Kapitel 10 · Unterarmfrakturen und distale Radiusfraktur
Übung Übung
1 5 Oberarm zieht gegen Führungskontakt in Adduktion/Au- 5 Oberarm zieht gegen Führungskontakt in Schulterabduk-
ßenrotation bis zur möglichen Streckung (Vertauschen von tion/-retroversion und mögliche Beugung im Ellenbogen-
2 Punktum fixum und mobile), dort Haltewiderstand. gelenk.
Ausgangsposition Ausgangsposition
3 Im freien Raum. Sitz.
Übung Übung
4 5 PNF-Muster »Extension/Abduktion/Innenrotation zur El- 5 PNF-Muster »Flexion/Adduktion/Außenrotation zur El-
lenbogenextension«, mit wechselndem Drehpunkt Ellen- lenbogenbeugung«.
5 bogengelenk. Technik: Betonte Bewegungsfolge gegen Führungskontakt,
Technik: Betotonte Bewegungsfolge mit Haltewiderstand am Ende der Konsolidierungsphase gegen distalen ange-
am Oberarm und Führungskontakt distal. passten Widerstand.
6
Übung Übung
7 5 PNF-Muster »Flexion/Abduktion/Außenrotation zur El- 5 PNF-Muster »Flexion/Abduktion/Außenrotation zum ge-
lenbogenextension«. beugten Ellenbogen«.
Technik: Aktive Bewegungsfolge im Ellenbogengelenk, Hal- Technik: Betonte Bewegungsfolge am Ende der Konsolidie-
8 tewiderstand am Oberarm. rungsphase.
9 Übung
5 PNF-Muster »Flexion/Adduktion/Außenrotation zum ge-
Ausgangsposition
Sitz. Feldenkraisrolle zwischen den Füßen senkrecht aufge-
strecktem Ellenbogen« (Trizepsstoßbewegung oder Thrust- stellt, Hände auf der Rolle.
10 Pattern) in Abänderung des Originalmusters mit Dorsal-
extension und Faustschluss als Kokontraktion (7 Kap. 22). Übung
Der Therapeut steht auf der anderen Seite des zu übenden 5 In stabilem Sitz hubarmes Bewegen der Rolle mit den Hän-
11 Arms. den in Flexions- und Extensionsstellung der Ellenbogen-
gelenke.
12 Ausgangsposition 5 Dasselbe kreisend oder zur Seite.
Arm liegt auf gekipptem Tisch.
Ausgangsposition
13 Übung Unterarm liegt flach auf einem Tisch, Handgelenk an der Kan-
5 Isometrisches Spannen der Ellenbogenbeuger in weitest- te.
14 möglicher Beugestellung.
5 Dasselbe mit vorgezogenem aktivem Faustschluss. Übung
5 Dorsalextension, Palmarflexion, Radial- und Ulnarabduk-
15 Übung tion im Handgelenk, Fingerflexion und -extension.
5 Ellenbogenflexion. Techniken: Bewegen – Halten, Betonte Bewegungsfolge
Technik: Bewegen – Halten – Bewegen, Bewegen – Halten mit Haltewiderstand proximal der Fraktur, »Chirurgische
16 gegen Führungskontakt. Technik«, Dynamische Umkehr – Halten – Entspannen,
Rhythmische Stabilisation – Entspannen entsprechend
17 Übung dem aktuellen Bewegungsstopp.
5 Ellenbogenflexion.
Technik: Betonte Bewegungsfolge gegen Führungskontakt. Übung
18 5 Spielerischer Umgang mit Ball, Tüchern, Seil, Bändern, Be-
Übung steck, Schreibgeräten etc., mit Betonung der Umwendbe-
19 5 Ellenbogenflexion mit Supination und Fingerflexion bei wegungen als Vorübung für Aktivitäten.
aufliegendem Oberarm.
Umbauphase (8–12 Wochen postoperativ)
20 Übung Manuelle Therapie
5 Ellenbogenflexion mit Pronation und Fingerextension bei 5 Traktion am proximalen Radius, Gleiten nach ventral/kau-
21 aufliegendem Oberarm. dal. Traktion des Radius in leichter Beugestellung des El-
10.2 Distale oder »klassische« Radiusfraktur
175 10
lenbogengelenks, anschließend weiche Umkehrbewe- frakturiert der distale Radius bei Volarstellung des Handge-
gungen. lenks.
Übung
5 Stabilisationsübungen mit Hanteln oder elastischen Zügeln Charakteristische Symptome/Leitsymptome
(. Abb. 7.16).
5 Druck- und Bewegungsschmerz,
Übung 5 Fehlstellung, z.B. Bajonett- oder Fourchettestellung,
5 Übungen in der geschlossenen Kette, Stützübungen 5 Schwellung,
(. Abb. 7.18, 11.46). 5 Guyon-Logen-Syndrom bei N.-ulnaris-Druckverletzung,
5 Sulcus-ulnaris-Syndrom mit Sensibilitätsstörungen D4
! Cave und D5.
Der Patient darf erst stützen, prellen oder hart fangen, wenn die
Fraktur konsolidiert ist!
Biomechanik, Behandlungsrichtlinien und
therapeutische Maßnahmen
10.2 Distale oder »klassische«
Radiusfraktur Biomechanik
Handgelenkbewegungen
Einteilung Funktionell gesehen, sind die beiden Handgelenke ein Eige-
lenk:
Distale Radiusfrakturen werden nach der AO-Klassifikation in 5 Das proximale Handgelenk wird von den Gelenkflächen
drei Typen eingeteilt. des Radius, Os scaphoideum, Os lunatum und Os triquet-
rum gebildet.
Typ A Extraartikuläre Fraktur 5 Das distale Handgelenk setzt sich aus der proximalen und
der distalen Handwurzelreihe zusammen.
A1 Fraktur der Ulna, Radius intakt
A2 Fraktur des Radius, einfach In gemeinsamer Funktion sind beide Handgelenke an der Dor-
salextension/Palmarflexion (80/85–0–80/85°) und Radial-/Ulnar-
A3 Fraktur des Radius mit Trümmerzone
abduktion (20–0–45°) beteiligt:
5 Dorsalextension: Nach Lanz (1959)/Loeweneck (1994) ist
Typ B Partiell artikuläre Fraktur des Radius das distale Handgelenk mit ca. 50° an der Dorsalextension
beteiligt, das proximale mit ca. 35°.
B1 Sagittal
5 Palmarflexion: Bei dieser Bewegung ist es umgekehrt; das
B2 Dorsal (Barton) proximale Handgelenk ist mit 45–50°, das distale mit 30–
35° beteiligt.
B3 Volar (Smith II)
5 Radialabduktion: Nach Lanz (1959)/Loeweneck (1994) dreht
sich bei Dorsalextension und Radialabduktion die proxi-
Typ C Vollständig artikuläre Fraktur des Radius male Handwurzelreihe etwas um die eigene Achse. Das
Skaphoid wird bei Radialabduktion nach palmar, bei Ulna-
C1 Artikulär und metaphysär einfache Fraktur (T-Bruch)
rabduktion nach dorsal verschoben. Die Handwurzelreihe
C2 Artikulär einfache, metaphysär mehrfragmentäre gleitet in entgegengesetzter Richtung zur Handbewegung.
Fraktur Bei eingeschränkter Dorsalextension besteht häufig auch
C3 Artikuläre und mehrfragmentäre Fraktur eine Kontraktur in Richtung Radialabduktion.
5 Ulnarabduktion: Die Bewegung findet bevorzugt im proxi-
malen Handgelenk statt und ist häufig eingeschränkt, wenn
die Palmarflexion nicht frei ist.
Ursachen
Pro- und Supination finden in den Radioulnargelenken und im
5 Abfangen eines Sturzes. Humeroradialgelenk statt; sie werden durch die straffen Bänder
auf die Hand übertragen. Der Bewegungsumfang der Pro-/Su-
Die Radiusfraktur ist insgesamt die häufigste Fraktur und ge- pination misst 80–0–80°.
schieht bei einem Extensionswinkel zwischen 40–90°. Seltener
176 Kapitel 10 · Unterarmfrakturen und distale Radiusfraktur
21
10.2 Distale oder »klassische« Radiusfraktur
177 10
. Abb. 10.9. Karpaltunnelsyndrom: Tinel-Test . Abb. 10.10. Phalen-Test zur Ermittlung eines Karpaltunnelsyndroms
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14 Ärztliche Behandlung schwellung in einen zirkulären Gips oder »light cast« vervoll-
Operatives/konservatives Vorgehen ständigt wird. Der Daumen kann bis zum Grundgelenk mitein-
15 Die Versorgung der Fraktur ist abhängig von der Frakturfehl- gegipst sein. Die Gipszeit beträgt 5 Wochen, bei jüngeren Pati-
stellung und dem Alter des Patienten. Die häufigste Form ist enten evt. etwas weniger (. Abb. 10.11).
die Extensionsfraktur. Sie ist instabil, wenn drei der nachfolge- Der Gips darf nie zu eng sein. Auch heute gilt der zu enge
16 nen Symptome vorliegen (Weigel, Nerlich 2005): Gips als Hauptursache für die Entstehung einer CRPS oder eines
5 Die Gelenkfläche ist mehr als 20° abgekippt. Karpaltunnelsyndroms. In der ersten Zeit sind engmaschige
17 5 Es besteht eine Trümmerzone. Röntgenkontrollen, z.B. 2-mal wöchentlich, nötig, um frühzei-
5 Der Ulnavorschub ist größer als 3 mm. tig ein Abrutschen der Fraktur zu erkennen. Zudem müssen die
5 Der Proc. styloideus ulnae ist abgerissen. Patienten angeleitet werden, auf Schmerzen und Engegefühl zu
18 5 Die Fraktur reicht ins Gelenk. achten und ggf. den Arzt aufzusuchen.
5 Der Patient ist über 60 Jahre alt. Bei instabilen Radiusfrakturen Typ B und C empfehlen viele
19 Traumatologen eine operative Versorgung, um frühfunktionell
Diese Frakturen bedürfen der operativen Versorgung. behandeln zu können. Bei diesen Frakturen wird von palmar
Die stabile Radiusfraktur wird auch heute konservativ be- eine Plattenosteosynthese mit einer sog. winkelstabilen T-Plat-
20 handelt. Nach Reposition der Fraktur wird die Hand in leich- te angebracht.
ter Palmarflexion und Ulnarabduktion ruhiggestellt. Zunächst Bei Smith-Frakturen oder wenn die Reposition nicht gelingt,
21 wird ein aufgeschnittener Gips angelegt, der dann nach Ab- ist eine Kirschner-Draht-Osteosynthese mit nachfolgender
10.2 Distale oder »klassische« Radiusfraktur
179 10
. Abb. 10.15a-c. a Radiusfraktur mit Fixateur-externe-Versorgung, Abriss des Proc. styloideus ulnae. b Entwicklung einer CRPS nach 5 Wochen, 3.
Schanzschraube ist locker. c Materialentfernung
180 Kapitel 10 · Unterarmfrakturen und distale Radiusfraktur
Gipsbehandlung angezeigt. Diese birgt zwar das Risiko von se- Behandlungsmöglichkeiten
1 kundären Dislokationen, Implantatlockerungen und Algodys-
trophien (Weigel, Nerlich 2005), wird aber als einfache Versor- Die Auswahl der physiotherapeutischen Techniken richtet sich
2 gung noch häufig angewandt (. Abb. 10.12). nach der ärztlichen Behandlung und dem Befund. Sie können
Trümmerfrakturen mit Zerstörung der Gelenkfläche und zu unterschiedlichen Zeiten Anwendung finden. Der Behand-
Spongiosaimpression (Pilonradialfraktur) und offene Frakturen lungsbeginn kann am 2. postoperativen Tag oder erst nach 5
3 werden mit einem Fixateur externe behandelt (. Abb. 10.14, Wochen sein.
10.15). Zusätzlich können K-Drähte zum Auffädeln der Frak- Während der Gipsbehandlung muss durch gut angeleitetes
turstücke eingebracht werden. Der Fixateur externe wird Ge- eigenständiges Üben darauf geachtet werden, die freien Gelenke
4 lenk übergreifend angelegt. funktionstüchtig zu erhalten, Durchblutungsstörungen zu ver-
Empfehlenswert ist das zusätzliche Anlegen einer leichten meiden und Komplikationen frühzeitig abzufangen.
5 palmaren Schiene, die zum Üben abgenommen werden kann. Bei Verdacht auf ein CRPS soll die Stellung der Fraktur über-
Die kleinen, nicht gefassten Fragmente rutschen leider schnell prüft und ggf. operativ behandelt werden. Auch der Gips muss
ab. ggf. geweitet oder erneuert werden. Die physiotherapeutischen
6 Geübt werden dürfen nur die freien Fingergelenke und die Maßnahmen haben zum Ziel, die Schwellung abzubauen, die
Beuge- und Streckbewegungen im Ellenbogengelenk. Pro- und Druckläsion zu vermindern und die Handgelenkstellung zu
7 Supinationsbewegungen sind untersagt. verbessern.
Nach 5 Wochen werden Kirschner-Drähte, Gips oder Fi-
xateur externe entfernt und der Beginn der aktiven Übungsbe- Grundsätzliches Vorgehen
8 handlung für Hand- und Radioulnargelenke festgelegt. In . Übersicht 10.2 sind die Gesichtspunkte der physiotherapeu-
Gipsfrei behandelte Patienten können umgehend nach der tischen Behandlung nach klassischen Radiusfrakturen zusam-
Osteosynthese aktiv/assistiv üben, die Osteosynthese muss je- mengefasst.
9 doch bewegungssstabil sein.
Übungen aus dem PNF-Programm mit wechselndem Dreh- Selten ist das Endgefühl weichelastisch; dann sollen aktive PNF-
punkt der Handgelenke sind abzuwandeln, dann aber eine will- Entspannungstechniken gewählt werden.
kommene Abwechslung: In der Regel ist der Bewegungsstopp v.a. für die Dorsale-
Die Trizepsstoßbewegung wird in der 1. Diagonalen origi- xtension und Radialabduktion fest. Techniken nach Maitland,
nal mit einer radialen Dorsalextension und Fingerextension an- Kaltenborn und Frisch sind dann die geeigneten Maßnah-
gegeben. Lässt man die Finger zur Faust schließen, wird die- men. Ein translatorisches Verschieben von Os scaphoideum,
se Übung zu einer wertvollen Übungsform bei der Behand- Os lunatum und der übrigen Handwurzelknochen des distalen
lung der Radiusfraktur. Das Handgelenk kann dann aktiv be- Handgelenks ist nach entsprechender Untersuchung angezeigt
tont üben. (7 Kap. 11, Manuelle Therapie). Weiche Umkehrbewegungen
Eine Änderung der PNF-Muster »Flexion/Abduktion/Au- unter Traktion verbessern ebenfalls die Handfunktion.
ßenrotation« und »Extension/Abduktion/ Innenrotation« mit In der Konsolidierungsphase wird auch die Motorschiene
Fausschluss ist ebenso möglich. eingesetzt, wenn sie schmerzfrei eingestellt wird (. Abb. 10.16).
Entsprechend werden alle PNF-Muster, die mit Palmarfle-
xion des Handgelenks geplant sind, mit Fingerextension einge- Wichtig
leitet.
Der Physiotherapeut muss anhand des Röntgenbildes und
klinischen Befundes entscheiden,
3. Entspannen der Handbinnenmuskulatur
5 wo er gezielt ansetzen möchte, und
Jede Form der Ruhigstellung bewirkt eine Schrumpfung der Kap-
5 ob ein bestehender Ulna- bzw. Radiusvorschub oder ei-
seln, Bänder und Muskeln an der Hand. Nur eine gipsfreie Be-
ne Bajonett-Stellung die Funktion der Handgelenke blei-
handlung und die entsprechende Möglichkeit, die Finger von
bend einschränkt.
Anfang an frei bewegen zu können, bewahrt die Hand vor einer
Kontraktur der Mm. lumbricales und interossei. Sie bilden sehr
schnell Kontrakturen und geben Anlass für einen vermehrten Bei der Mobilisation von Pro- und Supination soll die Hand zum
Druck auf den tiefen Hohlhandbogen mit nachfolgender Min- Schutz der Fraktur immer zur Faust geschlossen werden.
derdurchblutung der Hand. Bevorzugt werden Mobilisationstechniken, bei denen der
Auch die häufig geübte primäre Behandlung der Radius- Patient beim An- und Entspannen beteiligt ist. Schmerzhafte
fraktur mit einem Fixateur externe zeigt die gleiche Symptoma- Verspannungen dürfen nicht überspielt werden. Es ist wichtig,
tik. nach deren Ursache zu forschen und die Maßnahmen neu zu
Physiotherapeuten sollen daher besonderen Wert auf die bedenken.
Funktion der Binnenmuskulatur legen. Zur Mobilisation der Umwendbewegungen eignen sich
Das Entspannen der Mittelhandmuskulatur ist aktiv, aber »Rhythmische Stabilisation – Entspannen« mit Betonung der
auch durch minimale Gleitbewegungen der Mittelhandknochen Rotation, wenn die Frakturheilung es zulässt, sowie Techniken
zu erreichen. Diese können jedoch erst nach der Ruhigstellung nach Maitland und Frisch.
(Entfernung von Gips oder Fixateur externe) angewandt wer- Die Beweglichkeit des Schultergelenks, der Skapula und
den. Halswirbelsäule soll immer überprüft und entsprechend mit
komplexen Bewegungsfolgen beübt werden.
4. Mobilisation
Kontrakturen der Handgelenke ergeben sich aus der Gips- oder ! Cave
Fixateurbehandlung. Zu beachten ist die besondere Beteiligung Intensive Wärmeanwendungen sind kontraindiziert!
der beiden Handgelenke an den eingeschränkten Funktionen.
5. Verbesserung der Muskelkraft und Ausdauer Stiften oder Besteck geübt werden, für belastungsstabile Frak-
1 Zum Training der geschwächten Unterarmmuskulatur sind fol- turen können Bewegungsabläufe wie das Betätigen von Arma-
gende Techniken geeignet: turen oder Fenster- und Türklinken erarbeitet werden.
2 5 Endstellung –Halten, Als PNF-Technik kann die »Replikation« eingesetzt werden
5 Bewegen – Halten in allen Variationen und gegen ange- (7 Kap. 22).
passten Widerstand, Das Tragen schwerer Gegenstände und das Abstützen sind
3 5 Betonte Bewegungsfolge mit Drehpunkt Handgelenk, bis zum Ende der Konsolidierungsphase (ca. 8 Wochen) nicht
5 Wiederholte Kontraktion. erlaubt (. Abb. 11.31 a, b).
Röntgenbild, klinischer Befund und ärztliche Erlaubnis be-
4 Die Dosierung richtet sich nach der Konsolidierung der Frak- stimmen das Vorgehen.
tur und variiert durch die Anzahl der Wiederholungen, die An-
5 passung des manuellen Widerstandes, die Spannungs- und Pau- Wichtig
sendauer.
Ist aufgrund weiterer Verletzungen an der unteren Extremität
Anzustreben ist die Stabilisation des Handgelenks in leich-
6 ter Dorsalextension als Voraussetzung für das kraftvolle Grei- das Gehen mit Stützen erforderlich, müssen Achselstützen
verwendet werden!
fen der Finger.
7
6. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten
Alle Formen des Greifens erfordern die volle Funktionsfähig-
8 keit der Hand- und Ellenbogengelenke. Der geschickte Ge- Übungsbeispiele
brauch der Finger ist sowohl von der Gleitfähigkeit der ela-
stischen Strukturen, der Stabilisation der einzelnen Gelenke als Die Übungsbeispiele beziehen sich auf eine distale Radiusfrak-
9 auch von einer intakten Sensibilität abhängig. tur, die mit einem Fixateur externe stabilisiert wurde.
Wenn alle Wunden abgeheilt sind, soll der Pateint seine
10 Hand spielerisch in einem Bohnen-, Linsen- oder Körnerbad Mit Fixateur externe
bewegen (7 Kap. 11). Übung
Greifen und Halten von Gegenständen aller Art kommen Aktive Fingerstreckung über Verstärkung mit PNF-Muster »Fle-
11 als Kombinationsbewegungen vor. Kleine, leichte Geräte wie xion/Abduktion/Rotationsnullstellung« (. Abb. 10.17 a) und ak-
z.B. Seil, kurzer Stab, Keule, kleiner Ball, Tuch oder Knetmasse tive Fingerflexion über die Umkehrbewegung (. Abb. 10.17 b).
12 können frühzeitig in der Physiotherapie eingesetzt werden.
Federhanteln, Geräte mit elastischen Zügen oder Hanteln Übung
können erst nach Konsolidierung der Fraktur zur Anwendung 5 Greifen einer Münze, eines Glases (. Abb. 10.18).
13 kommen.
Auch hier gilt, dass die Hand möglichst natürlich im All- Übung
14 tag eingesetzt werden soll. Für bewegungsstabile Verletzungen 5 Öffnen der Tür (. Abb. 10.19).
können leichte Tätigkeiten wie z.B. das Greifen von Münzen,
15
. Abb. 10.17a,b. Üben mit Fixateur
16 externe.Umkehrbewegungen,
a Fingerextension und b Fingerflexion
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10.2 Distale oder »klassische« Radiusfraktur
183 10
Ausgangsposition Übung
Sitz. Unterarm und Hand flach auf dem gekippten Handtisch 5 Radialabduktion/Dorsalextension (. Abb. 10.20).
gelagert. Hand liegt leicht höher als Ellenbogen. Rückenlage bei Technik: Betonte Bewegungsfolge.
polytraumatisierten Patienten. 5 In den Übungspausen wird eine Eisabtupftechnik (Reiben
mit dem Eisball) über der zu beanspruchenden Muskulatur
Nach Entfernung des Fixateur externe/bei als Kontraktionsreiz durchgeführt.
bewegungsstabilen Osteosynthesen
Übung Ausgangsposition
5 Aktive Dorsalextension des Handgelenks mit Faustschluss. Handgelenk in Nullstellung. Kleinfingerseite liegt auf etwas
Techniken: Endstellung – Halten, Bewegen – Halten – Be- niedriger gestelltem Handtisch.
wegen und Betonte Bewegungsfolge.
Übung
Übung 5 Supination mit aktivem Faustschluss.
5 Aktive Haltearbeit der Handextensoren, dynamische Um- Technik: Bewegen – Halten, Rhythmische Stabilisation, Be-
kehrbewegungen von Daumenabduktion und -extension, tonte Bewegungsfolge.
Fingerflexion und -extension. 5 Dasselbe für Pronation mit aktivem Faustschluss.
Übung Ausgangsposition
5 Radialabduktion. Hand liegt flach auf dem Tisch an der Tischkante, Unterarm
Technik: Endstellung – Halten. liegt auf.
5 Dasselbe für die Ulnarabduktion.
Übung
1 5 »Extension/Adduktion/Innenrotation zum gebeugten oder
gestreckten Ellenbogen«, mit Fingerextension und Palmar-
2 flexion.
5 Dasselbe mit Technik »Wiederholte Kontraktion«, Dreh-
punkt Handgelenk.
3
! Cave
Solange die Fraktur nicht durchbaut ist, darf kein Stretch und
4 kein Widerstand distal der Fraktur gegeben werden.
5 Mobilisation
5 Palmarflexionskontraktur.
Techniken: Halten – Entspannen mit feiner Traktion an der
6 . Abb. 10.21. Betonte Bewegungsfolge: Palmarflexion mit Fautschluss
proximalen Handwurzelreihe (anfangs evt. Faustschluss
beibehalten). Befundbezogen alternativ Rhythmische Sta-
7 Übung bilisation – Entspannen und »Chirurgische Technik« (An-
5 Palmarflexion und Fingerstreckung/Faust. spannen – Entspannen).
Techniken: Bewegen – Halten, Endstellung – Halten, Be-
8 tonte Bewegungsfolge (. Abb. 10.21). Nach ca. 6–7 Wochen und Befund
Alle Übungen können nun gegen angepassten manuellen Wi-
derstand ausgeführt werden. Die Pro- und Supinationsbewe-
9 Ausgangsposition
Arm in Extension/Abduktion/Innenrotation, Ellenbogen und gungen sollen betont werden. Anfangs können Verstärkungs-
Handgelenk gebeugt, Finger gestreckt. techniken angewandt werden; bei zunehmender Kraftverbesse-
10 rung wird ohne Kontraktionshilfen geübt (. Abb. 10.22).
Übung
5 Modifizierte Trizepsstoßbewegung (7 Kap. 22). Der Physio- Übung im geschlossenen System
11 therapeut steht auf der Gegenseite. 5 Stützen (. Abb. 10.23).
5 Dasselbe mit Technik »Betonte Bewegungsfolge«, Dreh-
12 punkt Handgelenk.
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. Abb. 10.22a,b. a Bilaterale Verstärkung des Musters »Flexion/Adduktion/Außenrotation zum gebeugten Ellenbogen« über die gesunde Hand, die
21 gegen das Theraband spannt. b Bilaterale Verstärkung gegen Theraband mit »Betonter Bewegungsfolge« der Fingerextension links
10.2 Distale oder »klassische« Radiusfraktur
185 10
Übungen Stabilität:
1 5 Selbständiges Üben und Narbenpflege (7 Kap. 11). Bewegungsstabilität für Gelenke distal des Fixateur exter-
5 Ergänzend kann die CPM-Handschiene eingesetzt wer- ne.
2 den, wenn das Bewegungsausmaß im Handgelenk nicht zu
klein ist und die Bewegung schmerzlos ist (. Abb. 10.16).
Procedere:
Heute, 6 Wochen postop. Fixateur- und K-Draht-Entfer-
nung, Röntgenkontrolle.
3 Beginn aktiver Physiotherapie für die Handgelenke. Keine
10.3 Patientenbeispiel Pro-/Supination erlaubt bis zur Materialentfernung (Radi-
oulnargelenk).
4 Befundaufnahme Beginn mit angepasstem Widerstand und Üben im ge-
schlossenen System nach 8 Wochen, entsprechend der wei-
5 Name des Patienten: Frau K. teren Verbesserung der Befunde.
45 J., Krankenschwester im ambulanten Pflegedienst Unfallanamnese:
Befunddatum: 6 Wochen postop. Patientin rutschte auf dem Weg zur Arbeit auf glatter Stra-
6 Name des Therapeuten: Frau L. ße aus und verletzte sich am rechten Handgelenk. Sie ging
Einweisungsdiagnose: Verdacht auf Radiusfraktur rechts zum Hausarzt, der sie in die Klinik einwies. Dort wurde sie
7 Nebendiagnosen: Keine operativ versorgt.
Röntgenbefund: Pilon-radial-Fraktur rechts
Röntgenbefund 6. Woche postop.: Ulnavorschub, Gelenkfläche
8 des Radius geringgradig nach radial verschoben; Fraktur fast
durchbaut
Versorgung: Vor 6 Wochen, am Unfalltag
9 operativ Qx konservativ Q
Medikamente: Keine
10 Versorgung:
K-Drähte und Gelenk übergreifender Fixateur externe
rechts.
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10.3 Patientenbeispiel
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ICF-Dokumentation
Patientin gibt an: Patientin ist Rechtshänderin und Patientin gibt an,
5 Steifes Gefühl in Hand- und Daumengelenken, gibt an: 5 sie könne nicht Auto fahren, nicht
5 Kraftlosigkeit, 5 Unvermögen, die Hand zur alleine ihren Haushalt bewälti-
5 geringe ziehende Bewegungsschmerzen. Faust zu schließen und zu dre- gen, nicht berufstätig sein, keinen
hen, was besonders beim Wa- Sport ausüben, z.B. Volleyball,
schen, Kämmen, Körperpflege 5 sie sei unsicher beim Busfah-
Patient
und Essen hinderlich sei. ren, weil sie sich schlecht festhal-
ten könne.
5 Geringe Schwellung im Handgelenkbereich. 5 Spitzgriff D1 und D2 möglich, 5 Viele Arbeiten im Haushalt und
5 Hautdurchblutung o.B. nicht jedoch zu D3–D5. Körperpflege sind nur mit Ehe-
5 Handgelenkstellung 10° nach radial verschoben. 5 Hakengriff und Faust einge- mann möglich.
5 Atrophien der Unterarm- Daumenballen- und Bin- schränkt, FKHA 2 cm. 5 Die Patientin ist nicht selbständig
nenmuskulatur. 5 Grobgriff, Schneiden, Tragen und arbeitsfähig.
5 Gelenkbeweglichkeit: von Tellern, Tassen etc., Käm-
men, Gesicht waschen und
aktiv passiv
Münzen aufnehmen etc. ist
Dorsalext. re 0–0–30° 20–0–35°
nicht möglich.
li 70–0–65° 85–0–85°
Radialabd. re 10–0–10° 15–0–10°
li 20–0–45° 20–0–45°
– Supination nicht bis Nullstellung möglich.
5 Bewegungsstopp:
– Dorsalext. fest,
– Palmarflex. elastisch,
– Radialabd. elastisch,
– Ulnarabd. festelastisch.
5 Umfangmaße: HG +0,5 cm, Unterarm –1,5 cm.
5 MTW:
M. ext. carpi rad. Ulnaris 2 K (Kontraktur)
M. flexor carpi rad. Ulnaris 2–3 K
M. flexor poll. longus et brevis 2–3
5 A.-radialis-Puls o.B.
5 Sensibilität o.B.
5 Hoffmann-Tinel-Test +, Phalentest nicht möglich.
5 Ziehende Schmerzen bei endgradiger Bewegung
(VAS 3) im Handgelenkbereich.
5 Ellenbogen-/Schultergelenke frei (nicht Supination!).
5 BWS o.B.
5 Röntgenbefund: Geringe Gelenkfehlstellung, Ulna-
vorschub, Fraktur bewegungsstabil.
(–) tagsüber allein, abends von Ehemann versorgt (+) ausgezeichneter Trainingszustand
(+) sehr gute Compliance
(+) hohe Motivation
188 Kapitel 10 · Unterarmfrakturen und distale Radiusfraktur
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Handchirurgie
beugt die PIP-Gelenke. Ringbänder sorgen für die korrekte Für die Griffhaltung des Therapeuten ist der seitliche Gefäß-
Zugrichtung zur Beugeachse. Während sich der Zeigefinger ge- verlauf an den Langfingern zu beachten. Man drosselt leicht die
rade zum Handgelenk in einer sagittalen Achse beugt, bewe- Fingerdurchblutung durch hartes seitliches Fixieren oder Ver-
gen sich die anderen drei Finger bei Beugung in Richtung des bände, die die Finger eng aneinanderdrücken.
Skaphoids; sie können also etwas opponieren. Physiotherapeuten müssen ruhigstellende Verbände darauf-
Ringbandverletzungen an den Grund- und Mittelphalangen hin kontrollieren, ggf. ändern und ihre Fixationsgriffe so wählen,
haben einen störenden Einfluss auf die Fingerfunktion, denn dass sie die Mittelhand nicht zusammendrücken oder die seit-
dabei ensteht das sog. »Bow-String-Phänomen« (»Flitzebogen«). lich an den Langfingern verlaufenden Gefäße abschnüren.
Adhäsionen, die durch Narbenbildung nach Verletzungen ent-
stehen, verhaken die Sehnen und behindern die Zugkraft. Ärztliche Behandlung
Die Gewölbekonstruktion der Hohlhand wird durch die Im Rahmen der Diagnostik sollten zunächst immer eine kli-
Handwurzel- und Mittelhandknochen geformt und stabilisiert. nische Untersuchung der Hand und eine exakte Anamnese er-
Während die Mm. interossei die Mittelhandknochen verspan- folgen, ehe Bild gebende Verfahren eingesetzt werden. Zu be-
nen, hält das Retinaculum flexorum die ulnaren und radialen werten sind auch die Aktivitäten des Patienten und seine Teilha-
Handwurzelknochen zusammen. Bedeutung hat die Handar- be an der Gesellschaft z.B. Beruf, Sportinteressen, Musikinstru-
chitektur bei der Behandlung von Handverletzungen und deren ment spielen, Hobbies etc.
Ruhigstellung: Ein enger Gips verändert die Stellung der Me- Als ärztliche Standardbehandlung nach Handverletzungen
takarpalköpfchen und zerstört die feinen Bewegungsmöglich- und Operationen muss heute eine Schmerztherapie und Throm-
keiten zwischen Karpus und Metakarpalia. boseprophylaxe mit low-dose niedermolekularem Heparin an-
In dem engen Karpaltunnel verlaufen der N. medianus und gesehen werden.
die Flexorensehnen. Sie können bei Verletzungen und der nach- Ausführliche therapeutische Maßnahmen werden in den
folgenden Ruhigstellung einer zusätzlichen Druckläsion ausge- Abschnitten der spezifischen Verletzungen beschrieben.
setzt sein (Karpaltunnelsyndrom, CRPS, 7 Kap. 10, »Radius-
fraktur«).
Die intakte Durchblutung der Hand bestimmt weitgehend Komplikationen
den Heilungsverlauf. Entgleisungen haben schwere Funktions-
schäden zur Folge (CRPS). 5 Wundheilungsstörungen,
Der Bezug der Binnenmuskulatur zum arteriellen, tiefen 5 Infektionen,
und oberflächlichen Hohlhandbogen und das vorab beschrie- 5 Complex Regional Pain Syndrome (CRPS),
bene Handgewölbe spielen eine Rolle für die Heilung jeder Ver- 5 Karpaltunnelsyndrom,
letzung, besonders bei der Entstehung des Complex Regional 5 Nekrosen,
Pain Syndrome (CRPS). Der erhöhte Druck behindert die arte- 5 Pseudarthrosen,
rielle Durchblutung und den Abfluss von Ödem und Hämatom. 5 Arthrosen,
Patienten geben ein »Klammergefühl« an der Hand an, das bild- 5 Narben, Keloide,
haft die entstandene Ischämie und Dystrophie beschreibt. 5 Paresen, Sensibilitätsverlust.
196 Kapitel 11 · Handchirurgie
Befunderhebung
1
Die Befunderhebungen werden bei den einzelnen Verletzungen
2 je nach deren Behandlungsbeginn zu unterschiedlichen Zeiten
vorgenommen.
Messen 5 Aktive Gelenkbeweglichkeit der Finger- und Handgelenke, wenn erlaubt passive Beweglichkeit unter Beach-
7 tung der vorgegebenen Bewegungsgrenzen.
5 Skapulagleitbewegungen.
5 Beweglichkeit der BWS (Manuelle Therapie).
8 5 Umfang der Mittelhand, des Handgelenks.
5 Fingerkuppen-Hohlhand-Abstand.
9 Prüfen 5 Muskeltest, unter Beachtung der Heilungsphasen in der Proliferationsphase auf Teststufe 0–3, entsprechend in
der Konsolidierungsphase auf Stufe 4–6 für:
10 – Fingerbeuger und -strecker,
– Mm. interossei,
– Mm. lumbricales,
11 – Thenar- und Hypothenarmuskulatur.
5 Muskelverkürzungen.
5 Palpation des Muskeltonus am Muskelbauch.
12 5 Sensibilität (7 Kap. 2, Befunderhebung, alle standardisierten Tests, auch Lageempfinden und Vibration).
5 Hoffmann-Tinel-Test (elektrisierende Missempfindung durch Klopfen auf N. medianus-Eintrittsstelle in Karpal-
tunnel, . Abb. 10.9).
13 5 Phalen-Test: Druck auf den Karpaltunnel durch Beugestellung der Hand- und Fingergrundgelenke,
(. Abb. 10.10). Die Zeit, bis eine Missempfindung auftritt, wird gemessen. Beträgt diese 15–20 sec, besteht ein
Karpaltunnelsyndrom.
14 5 Qualität des Bewegungsstopps. Im Seitenvergleich kann der physiologische Bewegungsstopp bei Dorsal-
extension der Handgelenke schmerzfrei und evt. hart-elastisch, bei den anderen Hand- und Fingergelenk-
bewegungen eher fest-elastisch sein.
15 5 Test für nervale Mobilität nach Butler (1995) für Handnerven, Plexus brachialis und Dura mater.
5 Translatorische Gelenktests (Frisch, Kaltenborn, Maitland u.a.).
5 Dehnbarkeit der Bindegewebestrukturen.
16 5 Narbenkonsistenz und Verschieblichkeit.
5 Tests auf Rumpfstabilität, z.B. »Functional Reach Test« (BWS-Aufrichtung bei Armbewegungen) (. Abb. 11.47).
17 5 Physiologische Gleichgewichtsreaktionen.
5 Aktivitäten, Greifformen (wenn erlaubt): Präzisionsgriffe, Kraftgriffe auch in unterschiedlichen Positionen.
18 Notieren und
Bewerten
5 Schmerzen, deren Intensität, Charakteristik, Lokalisation und Zeitpunkt des Auftretens (VAS).
5 Druckschmerzhaftigkeit in der Tabatière (zwischen der Sehne des M. abductor pollicis longus und der Sehne des
M. extensor pollicis longus; darunter liegt das Skaphoid, das bei Fraktur schmerzhaft reagiert).
19 5 Druckschmerzhaftigkeit des Ramus profundus des N. ulnaris in der Guyon-Loge zwischen Retinaculum flexorum
und Muskeln des Kleinfingers.
5 Andere Beschwerden und Behinderungen, z.B. HWS- und Schultergelenkprobleme.
20 5 Alltagsbezogene Probleme bei Körperpflege, Beruf, Sport.
5 Teilhabe an der Gesellschaft.
5 Psychische Verarbeitung der Verletzung.
21 5 Kooperationsfähigkeit und Motivation zur Mitarbeit.
11.2 Os-scaphoideum-Fraktur
197 11
Behandlungsmöglichkeiten
Die in . Übersicht 11.1 aufgelisteten allgemeinen physiothera-
peutischen Behandlungsmöglichkeiten sind für alle Frakturen
und Luxationen der Hand und Finger gültig. (Siehe auch grund-
sätzliches physiotherapeutisches Vorgehen in 7 Abschn. 11.18).
Physiotherapeutische Behandlung
1 Die physiotherapeutische Behandlung beginnt befundbezo-
gen nach Abnahme der Schiene. Nach der Ruhigstellungszeit
2 steht die Mobilisation im Vordergrund. Zur Anwendung kom-
men dann befundbezogene Techniken aus der Manuellen The-
rapie (nach Kaltenborn, Maitland und Frisch). Die Funktions-
3 schulung wird, wie im allgemeinen Teil beschrieben, sympto-
matisch durchgeführt und ist auf die erwünschten Aktivitäten
Cap ausgerichtet.
4 Ska
ph
oid Lun
Radius
5 Komplikationen
5 Skaphoidpseudarthrose,
6 Ulnarabduktion Radialabduktion 5 Knochennekrose.
Neutral-Nullstellung
12
Behandlungsrichtlinien und therapeutische
Maßnahmen
13
Ärztliche Behandlung
14 Das Os lunatum luxiert i. d. R. nach palmar; diese Luxation
kommt jedoch eher selten vor.
. Abb. 11.9. Klaffen des Bruchspaltes bei Dorsal- und Palmarflexion
15 Operatives Vorgehen
Bei Os-lunatum-Luxation besteht eine zwingende Operations-
fenen Skaphoidfrakturen. Die anschließende Ruhigstellung indikation, mit sofortiger Reposition und Ruhigstellung für 3–
16 dauert ca. 3 Wochen. 4 Wochen.
Das Hauptproblem besteht nicht in der Stabilisation der Perilunäre Luxationen gehen meist mit einer Fraktur des
17 Fraktur, sondern in der arteriellen Versorgung des Skaphoids Skaphoids einher. Das distale Skaphoidfragment und die Hand-
mit nur einer Endarterie. Die Gefahr der Bildung einer Kno- wurzelreihe luxieren. Diese Handverletzung birgt die Gefahr
chennekrose und einer Pseudarthrose ist groß. einer schwerwiegenden Durchblutungsstörung für die betrof-
18 Erst nach 6 Wochen sind Übungen gegen angepassten Wi- fenen Handwurzelknochen mit nachfolgender Nekrosebildung
derstand oder Übungen in der geschlossenen Kette erlaubt. des Skaphoids oder Lunatums (Lunatummalazie) und einer Ge-
19 Nach 8 Wochen darf die Hand normal belastet werden. fügestörung der Handwurzelknochen. Kirschner- Drähte fixie-
Sekundäre Osteosynthesen mit einem kortikospongiösen ren die Handwurzelreihe. Die Ruhigstellungsphase ist deshalb
Span sind keine Seltenheit (Operation nach Matti-Russe). Die besonders lang (bis zu 12 Wochen).
20 Dauer der Ruhigstellung richtet sich in diesen Fällen nach dem Zunehmende Schmerzen im Handgelenk bei Belastung, Be-
Röntgenbefund und liegt zwischen 8–12 Wochen. wegungseinschränkung und Kraftverlust weisen auf eine Kno-
21
11.5 Frakturen der Metakarpalia
199 11
chennekrose hin. Sie erfordern eine intensive Röntgendiagnos- Die therapeutischen Maßnahmen konzentrieren sich auf die
tik, evt. ein MRT. Entlastung des Os lunatum, z.B. durch eine minimale Verkür-
zung des Radius.
Physiotherapeutische Behandlung
Die physiotherapeutische Behandlung beginnt nach Gipsabnah-
me und muss sich an den Symptomen orientieren. 11.5 Frakturen der Metakarpalia
Eine Belastbarkeit der Hand für handwerkliche Tätigkeiten
besteht erst nach ca. 16 Wochen. Ursachen
Ursachen
Behandlungsrichtlinien und therapeutische
5 Arbeits-, Sport- und Verkehrsunfälle. Maßnahmen
Ärztliche Behandlung
Behandlungsrichtlinien und therapeutische Konservatives/operatives Vorgehen
Maßnahmen In der Regel werden geringfügig dislozierte Metakarpalfrak-
turen konservativ behandelt. Kleine Achsenabweichungen wer-
Frakturen des Os trapezium sind häufiger, Frakturen der übrigen den toleriert, jedoch ist für die Funktion der Hand eine anato-
Handwurzelknochen (Os lunatum, Os triquetrum, Os trape- mische Reposition wünschenswert. Besonders wichtig für kraft-
zoid, Os capitatum, Os hamatum und Os pisiforme) hingegen volles Greifen ist die exakte Reposition des Metakarpale III.
eher selten. Sie sind dann mit anderen Frakturen kombiniert.
Ärztliche Behandlung
Konservatives/operatives Vorgehen
Frakturen der Handwurzelknochen werden in der Regel konser-
vativ behandelt. Bei Dislokation der Fragmente besteht die Indi-
kation zur Osteosynthese mit einer Mini-Herbertschraube oder
K-Drähten.
In der Regel werden alle Verletzungen der Handwurzel-
knochen für ca. 4 Wochen in einer dorsalen Schiene ruhigge-
stellt. Anschließend erfolgt eine befundbezogene physiothera-
peutische Behandlung.
Os-trapezium-Frakturen sind von ihrer Lage her fast immer
Kombinationsverletzungen, die im Skaphoidgips/Kunststoff- a
verband ruhiggestellt werden. Als Spätfolge kann eine Rizarthro-
se entstehen.
Komplikationen
2
3
4
5
6
7
8
9 Eine Operationsindikation besteht bei: lungen bestehen, müssen sie osteotomiert und korrigiert wer-
5 Verkürzung > 5 mm, den.
10 5 Serienfrakturen, Metakarpale-I-Frakturen bilden eine Ausnahme:
5 dorsaler Abkippung > 30°, 5 Die Bennett-Fraktur betrifft die Basis des Metacarpale I mit
5 Mehretagenfrakturen, einer Abscherung eines medialen Knochenecks.
11 5 dislozierten Spiralfrakturen, 5 Die Rolando-Fraktur beschreibt die T- oder Y-förmige Frak-
5 offenen Frakturen, turlinie an der Basis des Metakarpale I.
12 5 Rotationsfehlern > 10° (Schäfer, Siebert 2000), 5 Als Winterstein-Fraktur bezeichnet man die extraartikuläre
5 subkapitale Frakturen mit Abkippung ≥ 25/50°, Fraktur des Metakarpale I.
5 Pseudo-Bennett-Frakturen.
13 Alle Frakturen erfordern eine Schraubenosteosynthese, da die
Zur Anwendung kommen Schrauben, Platten, intramedulläre Reposition meist nicht gehalten werden kann.
14 K-Drähte, jedoch keine K-Drähte über die Metakarpalköpf- Gelingt eine bewegungsstabile Osteosynthese, kann die
chen hinaus! Diese führen zu Knorpelschädigungen und ar- physiotherapeutische Behandlung nach wenigen Tagen begin-
throtischen Veränderungen. nen, wenn die Wundheilung gesichert ist.
15 Zur Stabilisierung einer offenen Fraktur wird ein Minifixa- Wie bei jeder bewegungsstabilen Osteosynthese werden zu
teur eingesetzt. Anfang aktive und geführte Bewegungen durchgeführt.
Es ist unabdingbar, dass Physiotherapeuten die Lage des Vor allem werden Techniken angewendet, die die Handwur-
16 Osteosynthesematerials im Röntgenbild erkennen, um die Sta- zelreihe aktiv ruhig halten und eine dynamische Bewegung über
bilität der Frakturen und v.a die K-Draht-Lage zu beurteilen. den Radius erzeugen (Vertauschen von Punktum fixum und
17 In der Proliferationsphase dürfen keine Irritationen durch mobile).
Bewegungen gesetzt werden, die zu einer Heilungsverzögerung Wurde keine bewegungsstabile Osteosynthese erreicht,
führen. muss eine Ruhigstellung für ca. 6 Wochen in einer Daumen-
18 Gelingt die Achsenausrichtung, kann die Behandlung kon- Unterarm-Schiene erfolgen.
servativ mit einem Unterarmggips in »Intrinsic-Plus- Stellung«
19 für 3–4 Wochen durchgeführt werden. Längere Ruhigstellungs-
zeiten sollen vermieden werden, um einer Kontraktur in den Komplikationen
Grundgelenken entgegenzuwirken.
20 Nur in seltenen Fällen heilen Metakarpalfrakturen nicht 5 Kompartmentsyndrom (7 Kap. 4),
aus. Bleiben nach konservativer Behandlung Rotationsfehlstel- 5 Arthrose,
21 5 Rizarthrose.
11.8 Replantation/Transplantation der Finger
201 11
Befunderhebung aus der Schiene heraus beugen. Es ist wichtig, dass die Schiene
palmar so weit ausgeschnitten ist, dass das Endgelenk D1 end-
Siehe Befunderhebung in 7 Abschn. 11.1 und auch in 7 Kap. 2. gradig bewegt werden kann; ansonsten entstehen sehr rigide
Streckkontrakturen.
Die Physiotherapie wird befundbezogen durchgeführt.
11.6 Frakturen der Grund-, Mittel- und Verletzungen der Handstrukturen betreffen auch Band- und
Endphalangen Kapselverletzungen mit Luxationen und Subluxationen im Kar-
pometakarpalbereich sowie an den Fingergelenken. Die Ruhig-
Behandlungsrichtlinien und therapeutische stellungszeiten variieren zwischen 2–6 Wochen.
Maßnahmen Bei K-Draht-Osteosynthesen werden die Drähte nach 6
Wochen entfernt und die Hand zur spezifischen Physiothera-
Ärztliche Behandlung pie freigegeben.
Diese Frakturen sind oft disloziert und werden mit Spickdräh- Während der Ruhigstellung sollen jedoch die freien Ge-
ten lagerungsstabil fixiert. Eine Schienenruhigstellung ist für 3– lenke bewegt, eine Ödemprophylaxe und eine Schmerzreduk-
4 Wochen nötig. Bestehen keine Dislokationen, werden die Frak- tionsbehandlung durchgeführt werden.
turen mit einer Schiene für 3–4 Wochen ruhiggestellt.
Endgliedfrakturen im Bereich des Nagelkranzes oder
Schaftes werden häufig mit einer Stack-Schiene versorgt. Zu 11.8 Replantation/Transplantation der
achten ist auf eine Streckstellung des Endgelenks und druck- Finger
freies Anlegen der Schiene, um eine ausreichende Durchblu-
tung zu gewährleisten. Die Nachbarfinger werden nach heutiger Eine Replantation ist die Wiederherstellung der Gefäße und
Auffassung nicht mehr ruhiggestellt. wichtigsten Strukturen eines abgetrennten Fingers, Teil eines
Fingers oder der Hand.
Ursache für eine Luxation oder Subluxation des Daumengrund- Ärztliche Behandlung
gelenks ist ein Fall auf den abgespreizten Daumen, z.B. beim Das operative Verfahren gehört in die Hand eines in der Mikro-
Skifahren durch Hängenbleiben in der Skistockschleife. Die chirurgie erfahrenen Handchirurgen.
Verletzung wird deshalb als »Skidaumen« bezeichnet. Die Replantation total abgetrennter Finger wird heute kri-
tisch beurteilt. Der Patient muss über die Erfolgsaussichten ehr-
lich informiert sein und die Entscheidung mittragen.
Charakteristische Symptome/Leitsymptome Bei einer subtotalen Amputation spielen Restdurchblutung
und sensible Versorgung eine große Rolle. Eine zwingende In-
5 instabiles und druckempfindliches Gelenk, dikation zur Mikroreplantation/Transplantation besteht jedoch
5 kraftvolles Greifen bei Spitz- oder Klemmgriff ist nicht für:
möglich und schmerzhaft. 5 Abtrennung des Daumens (. Abb. 11.12, 11.13),
5 isolierte D2-Abtrennung, wenn D3 fehlt,
5 Abtrennung mehrerer Langfinger,
Behandlungsrichtlinien und therapeutische 5 alle Mittelhand- und Handabtrennungen und
Maßnahmen 5 alle Amputationen bei Kindern.
! Cave
9 Bei replantierten Fingern darf bis zur gesicherten Durchblutung
des Fingers (ca. bis zum 10. postoperativen Tag) keine Kurzzeit-
10 und Langzeit-Eisanwendung vorgenommen werden.
a
d
Zur Ödemresorption soll die Hand intermittierend hochge- geführt. Dabei muss der Physiotherapeut besonders auf weiche
lagert werden. Eine Dauerhochlagerung ist ebenso falsch wie Griffe achten.
ein andauerndes Hängenlassen der Hand. Die Manuelle Lymph- Aktive Übungsformen nutzen Fazilitationstechniken zur
drainage kann sehr wirksam eingesetzt werden. Kontraktionshilfe. Der Finger soll dabei weich in Endstellung
Bis zur 4. postoperativen Woche wird eine sehr behutsame der Gelenke gehalten werden.
passive Bewegungstherapie der angrenzenden Gelenke durch- Behandlungen replantierter Finger erfordern vom Physi-
otherapeuten ein umfassendes Denken und Handeln; sie sind
204 Kapitel 11 · Handchirurgie
Charakteristische Symptome/Leitsymptome
Unterschiedliche anatomische Gegebenheiten erfordern un- chen ein Handgelenkverband angelegt. Daran werden die Zügel
1 terschiedliches Vorgehen. Der Operateur muss bemüht sein, die in gleicher Weise befestigt, so dass der Patient die Streckung der
Gleitfähigkeit der Sehnen und deren Führung durch die Ring- PIP- und DIP-Gelenke weiterhin üben kann.
2 bänder zu erhalten. Ihre Rekonstruktion ist von besonderer Be-
deutung. Entfernt sich die Sehne bei Spannung vom Drehpunkt,
Während der ersten 5 postoperativen Wochen darf nur pas-
siv gebeugt werden. Niemals sollte ein Druck auf den Fingerna-
gehen Kraft und Bewegungsausmaß verloren. gel ausgeübt werden, um die Flexion im PIP- und DIP-Gelenk
3 Im Bereich der Handwurzel und der Metakarpalia fehlen i.A. zu erweitern. Alle Griffe werden seitlich und mit einer ganz fei-
die Sehnenscheiden; daher ist der Erfolg einer Sehnennaht hier nen Traktion angesetzt.
größer. Der Gummizügel wird mit einer Sicherheitsnadel an einer
4 Daumen und Kleinfinger haben eine durchgehende Sehnen- vorgegebenen Stelle (Zugrichtung zum Skaphoid) eingehängt,
scheide. Dies hat klinische Bedeutung bei einer Phlegmone. Die so dass die Zugrichtung immer konstant bleibt.
5 Infektion kann sich von einem Finger zum nächsten ausbrei- Nach 5 Wochen darf mit einer leichten aktiven Beanspru-
ten. chung der Beugesehne begonnen und langsam die Nullstellung
des Handgelenks und der Fingergrundgelenke erreicht wer-
6 Nachbehandlung (Adhäsionsprophylaxe) den.
Üblich ist heute die Nachbehandlung nach Kleinert (Chir- Nach 7 Wochen kann gegen leichten manuellen Widerstand
7 urg in Louisville/Kentucky). Nach einer Sehnennaht/ -plastik geübt werden, der symptomatisch gesteigert werden darf.
wird eine Gipsschiene nach Kleinert (. Abb. 11.20) angelegt. Der Üben in der geschlossenen Kette ist je nach Verträglichkeit
Kleinert-Gips hält: nach 8 Wochen möglich (. Abb. 11.31).
8 5 das Handgelenk in 20–30 Palmarflexion (Trentz, Bühren Nach 12 Wochen soll die Arbeitsfähigkeit erreicht sein.
40°, 2001), Schröder beschreibt ferner ein »Early Active Movement«-
5 das Grundgelenk (MP) in 30–40° Flexion (Trentz, Bühren Konzept nach Hoffmann-Elliott, das sie nach primärer Beuge-
9 50°), sehnennaht anwendet.
5 Mittel- und Endgelenke (PIP, DIP) in Streckung. Die anfängliche Behandlung unterscheidet sich nicht von
10 der Nachbehandlung nach Kleinert. Der Physiotherapeut beugt
Gummizügel werden zwischen den Fingerkuppen und dem passiv den betroffenen Finger. Die Modifikation betrifft den Stel-
proximalen palmaren Handgelenk an Gips oder thermopla- lungswechsel der Finger. Nach jeder Behandlung ändert man
11 stischem Verband befestigt. Der Zug ist bei Beugesehnenverlet- stündlich die Stellung der Finger:
zungen D2–D5 zum Skaphoid hin ausgerichtet und garantiert 5 in Flexionsstellung durch Zugerweiterung des Gummi-
12 die gewünschte Entlastungsstellung der Sehnennaht. Die Fin- bandes und
ger sollen ohne große Anstrengung gegen den Gummizügel ge- 5 in Streckstellung der Finger mittels eines weichen, breiten
streckt werden können. Bandes und Lösen des Gummibandes.
13 Die Schiene bleibt ca. 3–5 Wochen, dann wird ein Verband
angelegt. Die stationär aufgenommen Patienten kommen anfangs stünd-
14 Physiotherapeutische Behandlung
lich in die Physiotherapieabteilung, um die Fingerstellung zu
wechseln; später lernen sie es selbst.
Konzept nach Schröder Die aktive Beugung des Fingers und die Weiterbehandlung
15 Für die physiotherapeutische Behandlung hat Schröder (1999) unterscheiden sich nicht von der Behandlung nach Kleinert.
das nachfolgende Konzept ausgearbeitet. Besteht eine Kombinationsverletzung mit Nervenbeteili-
Nach 3–4 Wochen kann die Annäherung aufgegeben werden. gung, wird vom Ergotherapeuten eine entsprechende Schiene
16 Die Kleinert-Schiene wird abgenommen und für weitere 2 Wo- angefertigt und symptomatisch behandelt.
17
. Abb. 11.20a,b. Kleinert-Schiene
18 nach Beugesehnennaht D2.
a Aktive Streckung gegen Zügel,
b passive Beugung
19
20
21
11.10 Beugesehnenverletzungen
209 11
Wichtig
3
4
5
6 Komplikationen schmerzfreien Bereich passiv gebeugt werden. Für die endgra-
dige Streckung kann der Zügel etwas gelockert werden.
7 5 Reruptur, Darf die Schiene zur Behandlung abgenommen werden, soll
5 Verwachsungen, der Physiotherapeut zum Üben der vollständigen Streckung der
5 Beugekontraktur der Fingergelenke, PIP- und DIP-Gelenke die Stellung beibehalten (. Abb. 11.25).
8 5 selten Infektionen. Der Patient wird zum selbständigen Wiederholen der Bewe-
5 CRPS gungen (mehrmals am Tag!) angeleitet. Dies darf jedoch in der
Proliferationsphase nur mit Schiene geschehen.
9 In der anfänglichen Proliferationsphase soll die Schiene
Befunderhebung nicht abgenommen werden, sie muss 24 Stunden getragen wer-
10 den. Nach Rücksprache mit dem Operateur besteht nach ca. 3
Siehe Befunderhebung in 7 Abschn. 11.1 und auch 7 Kap. 2. Wochen bei verständigen Patienten die Möglichkeit, die Schie-
ne zum Waschen der Hand abzunehmen; besser geschieht dies
11 jedoch unter Aufsicht des Physiotherapeuten. (Schüler sollten
Behandlungsmöglichkeiten die Schiene nicht abnehmen.) Der Patient sollte immer wieder
12 darauf hingewiesen werden, sich an den Vorgaben des Physio-
Das grundsätzliche Vorgehen einer handchirurgischen physio- therapeuten zu orientieren, da ein fehlerhaftes Verhalten zu er-
therapeutischen Behandlung (Regelfall) wird in 7 Abschn. 11.18 neutem Reißen der Sehne führen kann.
13 (Ende dieses Kapitels) ausführlich beschrieben. Propriozeptives Training, Desensibilisierung (. Abb. 11.26,
In . Übersicht 11.2 sind die Inhalte der physiotherapeu- 11.18) im Körnerbad oder mit verschiedenen Bürsten und Ma-
14 tischen Behandlung nach Beugesehnenverletzungen zusam- terialien ist für jede Handverletzung ein wichtiger Behand-
mengefasst. lungspunkt. Ohne eine normale Sensomotorik gibt es kein ziel-
gerichtes, fein abgestuftes Greifen (7 Abschn. 11.10, Spiegelthe-
15 rapie).
. Übersicht 11.2. Gesichtspunkte der Behandlung Während der Proliferationsphase sollen die Bewegungen
5 Durchblutungsverbesserung und Ödemresorption. niedrig dosiert ausgeführt werden. Die Rerupturgefahr besteht
16 5 Lösen der Verklebungen, Narbenbehandlung. v.a. zwichen dem 7. –15. postoperativen Tag. Patienten müssen
5 Schulen der Kontraktionsfähigkeit. deshalb gut angeleitet werden (s.o. und auch Komplikation Ten-
17 5 Kräftigung der Beugemuskulatur der Hand. dolyse).
5 Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten. Kann ohne Schiene behandelt werden, wird die Narbe zu-
nächst mit vorsichtigen manuellen Techniken (. Abb. 11.27)
18 oder einem Vibrator und einer Silikongel-Folie behandelt, spä-
Verbesserung der Durchblutung und Verminderung des posto- ter mit dem sog. »Scarextractor« (. Abb. 11.28), einem kleinen
19 perativen Ödems durch Manuelle Lymphdrainage, Ellenbogen- Schröpfgerät, das die Narbe durch Unterdruck von der Unterla-
und Schulterbewegungen, Hochlagerung. ge abhebt. Die Silikonauflage schließt die Narbe luftdicht ab und
Zur Verbesserung der Gleitfähigkeit der Beugesehnen soll wirkt dadurch wie eine feuchte Kammer, die die Narbe weich
20 der Finger in vorgegebener Stellung mit geringem Kraftauf- werden lässt. Anfangs wird sie 24 Stunden belassen, dann nur
wand aktiv gestreckt (bis zur 5. postoperativen Woche) und im nachts angeklebt (Fa. Aromando Medizin Technik GmbH, Düs-
21 seldorf).
11.10 Beugesehnenverletzungen
211 11
. Abb. 11.25. Aktive Streckung PIP und DIP von D5 in Kleinert-Stellung . Abb. 11.26. Körnerbad (Raps und Bohnen)
1
2
3
4
5
. Abb. 11.30a-c. a Greifen von Münzen, b Halten eines Glases, c Kugelschreiber öffnen und schließen
6
7 Form und in der Kontrakturbehandlung langsam sytematisch
gesteigert.
Die Übungsformen im geschlossenen System werden vorge-
8 übt und weiterhin selbständig durchgeführt, z.B. durch Stützen ge-
gen die Wand, den Tisch oder instabile Geräte (. Abb. 11.31). Da-
bei soll darauf geachtet werden, dass die Schulterblätter beim Stüt-
9 zen die Stabilisierung der Hand- und Armgelenks unterstützen.
10
Komplikation: Tenolysen (Tendolysen)
11 Wegen der Adhäsionsgefahr der Sehnennarbe muss auch bei al-
len operativen Methoden mit einer Tenolyse nach ca. 6 Mona-
12 ten gerechnet werden. Die Sehne wird dann aus ihrer Verkle-
. Abb. 11.31a,b. a Stabilisation des Schultergelenks und Stützen auf bung/Verwachsung gelöst.
labile Unterlage, b Stützen auf stabilen Tisch Nach Tenolysen muss sofort physiotherapeutisch behan-
13 delt werden. In den ersten Tagen wird heute eine Schmerzthe-
rapie durchgeführt (7 Kap. 3.3). Aktive und passive Bewegungs-
14 Ist die Narbe fest verbacken, kann der Minimassagestab ein- formen kommen zum Einsatz (s.o.). Das Operationsergebnis
gesetzt werden, der mit seinem kleinen vibrierenden Kopf die soll so schnell wie möglich erreicht werden, dabei spielt die Mit-
Narbe gut lockert. Die Patienten können sich ca. 10 min auch arbeit des Patienten eine große Rolle. »Stop and go«-Techniken
15 selbst damit behandeln (Narbe vorher mit Vaseline eincremen) ermöglichen es dem Patienten, seine Schmerzgrenze besser zu
(. Abb. 11.27 c). kontrollieren. Kurzzeitiges Kühlen der Hand, Ausstreichen der
Die Kontraktionsschulung der Fingerflexoren beginnt ab- Hand und weiches Verschieben der Metakarpalia sowie eine
16 hängig von der jeweiligen Klinik zu unterschiedlichen Zeit- zwischengeschaltete Lymphdrainage nehmen den postopera-
punkten mit aktiv/assistiver/passiver Beugung in verschiedene tiven Reizzustand zurück (. Abb. 11.32).
17 Positionen. Nach der Wundheilung kann mit einer weichen Narbenmas-
Kontrakturbehandlung nach ca. 6 Wochen mit niedrig do- sage begonnen werden (s.o.). Geübt wird vorzugsweise aktiv ge-
sierten Techniken. gen Führungskontakt.
18 Werden die Gummizügel nach 5–6 Wochen entfernt, begin- Dehnungen und Gelenkmobilisationen müssen v.a. während
nt die Schulung leichter Aktivitäten für den Alltag (. Abb. 11.30). der kritischen Zeit zwischen dem 7. –15. Tag und evt. bis zum
19 Schwierigere Aktivitäten wie das Öffnen von Schraubver- 20. postoperativen Tag mehrmals täglich besonders feinfühlig
schlüssen, das Greifen und Halten von schweren Gegenstän- durchgeführt werden. In dieser Zeit besteht erhöhte Rissgefahr.
den oder das Öffnen und Ziehen schwer zu öffnender Knöpfe Wenn möglich, soll 3- bis 4-mal täglich kurz behandelt werden.
20 oder Reißverschlüsse etc. sind erst in der Konsolidierungspha- Darüber hinaus wird der Patient angehalten, selbst zu üben.
se (8 Wochen postoperativ) erlaubt. Dann wird die Belastung Quengelverbände sind in letzter Zeit wieder häufiger disku-
21 der Sehne durch Übungsformen in freier oder geschlossener tiert worden. Sie sind kritisch zu bewerten, da der Druck auf die
11.11 Strecksehnenverletzungen
213 11
5 Zone 4: Grundgliedbereich,
5 Zone 5: Grundgelenkbereich,
5 Zone 6: Handrückenbereich,
5 Zone 7: Handgelenkbereich,
5 Zone 8: Unterarmbereich.
Ursachen
Gefäße zu ischämischen Symptomen führen kann. Dynamische Sie kommen u.a. als knöcherne Ausrissverletzung vor.
Übungsschienen können diese Nebenwirkung vermeiden und Am Endglied kommen sie am häufigsten als Sehnenabriss-
sind in manchen Fällen sinnvoller einsetzbar (. Abb. 11.33). verletzung vor, z.B.:
Je weicher und behutsamer man mit der Hand umgeht, um- 5 beim Bettenmachen,
so schneller wird sie zu natürlichen Bewegungen zurückfinden. 5 bei Ballsportarten wie Basket-, Volley- oder Handball.
Einteilung
1
Nach Sunderland (1951) werden Nervenschädigungen nach ihrer
2 Regenerationsfähigkeit eingeteilt.
Neuropraxie Unterbrechung der Nervenleitfähigkeit. Axone intakt, so dass eine vollständige Wiederherstellung
3 möglich ist
Axonotmesis Das Axon ist verletzt, das Endoneurium jedoch intakt. Vollständige Wiederherstellung ist möglich
4 Axonale Verletzung bei faszikulärer Eine unvollständige Regeneration zwingt zu operativem Vorgehen
Strukturverletzung, auch des Endo-
5 neuriums
7
Ursachen 5 Ausfall der Motorik für Binnen-, Daumenballen- und Klein-
8 fingerballenmuskulatur bei Schäden im Karpaltunnelbe-
5 Kompression oder Überdehnung, reich oder distal davon. Betroffen sind N. ulnaris in der
5 Schnitt-, Riss-, Quetsch-, Stich- oder Schussverletzungen, Guyon-Loge und N. medianus im medialen Bereich;
9 5 Frakturen, 5 trophische Störungen, Atrophie.
5 Ischämie,
10 5 thermische Verletzungen. Nach Highet (in Schröder 1999) werden die Sensibilitätsstörun-
gen in 4 Grade eingeteilt.
11 Charakteristische Symptome/Leitsymptome S0 Keine Sensibilität vorhanden
S1 Schmerzempfinden im Innervationsgebiet
12 5 Sensibilitätsverlust in den jeweiligen Versorgungsgebieten,
5 Schmerzen, S2 Geringe oberflächliche Sensibilität
5 motorische Ausfälle in Thenar- und Hypothenarmuskula-
13 tur, S3 Intakte oberflächliche und tiefe Sensibilität, vorhan-
dene Zwei-Punkte-Diskriminierung (unter 5 mm)
5 Kraftminderung.
14 5 positives Hoffmann-Tinel-Zeichen bei länger bestehen- S4 Normale seitengleiche Sensibilität
der Läsion,
5 typische Handstellungen:
15 – Krallenhand bei N.-ulnaris-Läsion, Paresen der Handmuskeln müssen nicht immer zu einem to-
– Schwurhand bei N.-medianus-Läsion. talen Ausfall der entsprechenden Muskulatur führen. Es gibt
viele Anastomosen oder Lageveränderungen der Nerven an der
16 Eine Fallhand durch eine N.-radialis-Läsion erfolgt nur bei pro- Hand, die eine Teilfunktion noch ermöglichen.
ximaler Schädigung.
17 Ärztliche Behandlung
Angestrebt wird eine primäre Nervennaht. Dieser Eingriff hat ei-
Behandlungsrichtlinien und therapeutische ne bessere Prognose und kann noch innerhalb von 24 Stunden
18 Maßnahmen nach der Verletzung durchgeführt werden. Ist dies nicht mög-
lich, wird eine frühzeitige Sekundärnaht angestrebt (5–7 Ta-
19 Bei den genannten Verletzungen können der N. medianus und/ ge nach dem Unfall). Die Nahtstelle soll immer spannungsfrei
oder der N. ulnaris gezerrt oder durchtrennt werden. Als Folge sein. Gelingt dies nicht, wie z.B. bei Defekten, wird ein Trans-
entstehen: plantat zwischengeschaltet.
20 5 Sensibilitätsverlust für Berührung, Zwei-Punkte-Diskrimi- Nach einer spannungsfreien Nervenkoaptation ist eine Ru-
nierung, Warm-/Kalt- und Spitz-/Stumpfempfinden, Vi- higstellung in einer Gips- oder Kunststoffschiene für 2 Wochen
21 brations- und Lageempfinden. einzuhalten. Bleibt eine Restspannung, verlängert sich die Ru-
11.13 Nervenverletzungen
217 11
higstellung um 1 Woche. Bei Verletzung der sensiblen Nerven Die Wahrnehmung von Berührung wird mit verschiedenen
reicht eine Ruhigstellung von 14 Tagen in Annäherung der be- Materialien und mit Gegenständen des alltäglichen Lebens ge-
troffenen Nerven. schult. Zunächst sollen die Gegenstände mit offenen Augen
wahrgenommen, dann mit geschlossenen Augen erkannt wer-
Wichtig den (Sensibilitätstraining, s.o.)
Maßnahmen zu Funktionsstörungen und eingeschränkten
Entlastende Stellungen für die Unterarmnerven sind:
Aktivitäten können aus den vorangegangenen Abschnitten ab-
5 N. medianus: Ellenbogenflexion, -pronation, Handge-
gerufen werden.
lenkpalmarflexion.
5 N. radialis: Ellenbogenflexion, -supination, Handgelenk-
dorsalextension.
Komplikationen
5 N. ulnaris: Ellenbogenextension, -supination, Handge-
lenkpalmarflexion.
5 Wundheilungsstörungen,
5 Neurombildung.
Ist ein operatives Vorgehen auch an anderen Handstrukturen
notwendig, z.B. eine Beugesehnennaht, werden Nervennähte
primär in der gleichen Sitzung durchgeführt. Befunderhebung
Die frühfunktionelle Behandlung beginnt wegen der Verkle-
bungsgefahr schon am 3. postoperativen Tag (Weigel, Nerlich Siehe Befunderhebung in 7 Abschn. 11.1 und auch 7 Kap. 2.
2005). Bei einer Läsion des R. profundus n. ulnaris werden charakte-
Bei einer Druckläsion mit erhaltenen Axonen kommt es zur ristische Funktionsstörungen erkennbar, durch Schwäche/Aus-
Spontanheilung. Operatives Vorgehen ist deshalb nicht erfor- fall folgender Muskeln:
derlich. 5 M. adductor pollicis und M. opponens D5 (. Abb. 11.35 a,
d, e),
Physiotherapeutische Behandlung 5 M. adductor D1 (. Abb. 11.35 a),
Die physiotherapeutische Behandlung beginnt nach Ruhigstel- 5 Mm. lumbricales (. Abb. 11.35 b),
lung in entlastender Stellung des Nervs mit Techniken zur Schu- 5 Mm. interossei (. Abb. 11.35 c).
lung der Kontraktionsbereitschaft der paretischen Muskulatur
(7 Kap. 7, Neuromeningeale Strukturen und deren Behandlung).
. Abb. 11.35a-e. Funktionsstörungen der linken Hand bei Verletzung des R. profundus n. ulnaris
218 Kapitel 11 · Handchirurgie
Aussagekräftig für die Beurteilung der Resensibilisierung sind 5 Traktion oder Approximation der Gelenke, wenn keine
1 das Hoffmann-Tinel-Zeichen und die Zwei-Punkte-Diskrimi- Gelenkfrakturen bestehen,
nierung, aber auch andere Sensibilitätstests. Nach ca. 12 Wo- 5 Bürsten mit der Rood-Technik,
2 chen ist auch die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit sinn- 5 Statisches Spannen der Nachbarfinger in die gleiche Bewe-
voll. Ergebnisse bzgl. der motorischen Reinnervation können gungsrichtung.
erst nach 4 Wochen mittels EMG erwartet werden.
3 Muskeln, die die Kontraktionsfähigkeit unterstützen, sind für
die
Behandlungsmöglichkeiten 5 Fingerbeuger: M. extensor carpi radialis und ulnaris,
4 M. opponens, M. flexor pollicis, M. flexor carpi radialis
In . Übersicht 11.4 sind die Gesichtspunkte der physiothera- und ulnaris, M. biceps brachii.
5 peutischen Behandlung nach Nervenverletzungen zusammen- 5 Langfingerstrecker: M. abductur pollicis, Mm. interossei,
gefasst. Mm. extensores radialis und ulnaris.
11.14 Gefäßverletzungen
Bei jeder ausgeprägten Handverletzung kommt es zu arteriel-
len und venösen Gefäßverletzungen wichtiger Hand- und Fin- a
gerarterien. Quetschverletzungen bieten die größte Gefahr für
Zerreißungen des Hohlhandbogens und eine nachfolgende Is-
chämie der Finger.
Ärztliche Behandlung
Mikroskopische Nähte des oberflächlichen und tiefen Hohl-
handbogens werden meist nur in handchirurgischen Spezial-
abteilungen vorgenommen. Bei einer Fingerreplantation ist das
Gelingen der Operation entscheidend davon abhängig, ob die
Fingerdurchblutung erreicht werden kann. Drittgradige Hautde-
fekte und Mangeldurchblutung der Hand können zu Nekrosen,
CRPS und Infekten führen, die schwerwiegende Folgen für die
Funktion der Hand haben.
Die ruhigstellenden Verbände müssen locker sein und täg- b
lich kontrolliert werden. Jegliche Form des Druckes von außen,
aber auch von innen durch eine Nachblutung oder ein Ödem . Abb. 11.36a,b. a Kreissägeverletzung nach Unfall, b klinisches Bild
muss vermieden werden. Bei einem prallen Hämatom muss die nach der Versorgung
220 Kapitel 11 · Handchirurgie
21
11.16 Verbrennungen
221 11
Nicht selten müssen weitere Operationen folgen, so dass die Das Verbrennungsausmaß wird bei Erwachsenen entsprechend
Behandlung bei komplexen Handverletzungen langwierig ist; der Körperoberfläche (KOF) abgeschätzt, bezogen auf die Hand-
manchmal dauert es bis zu einem Jahr. Manche Patienten benö- verbrennung wird bei Erwachsenen und Kindern eine Handflä-
tigen ein Umtrainieren der Handaktivitäten, das in Zusammen- chen- und Fingerverbrennung mit 1 der KOF gewertet.
arbeit mit Ergotherapeuten erarbeitet wird.
Physiotherapeuten sollen die Patienten zur Mitarbeit moti-
vieren, ihnen auch geringe Erfolgsergebnisse bewusst machen Charakteristische Symptome/Leitsymptome
und sie ermutigen, nicht aufzugeben.
Die Probleme, eine schwer verletzte Hand anzunehmen, Lokal entsprechend der Verbrennungsgrade; siehe Einteilung.
werden im Alltag deutlich. Nicht alle Patienten können damit
umgehen; sie meiden die Öffentlichkeit, Freunde und die Nä-
he von Familienangehörigen. Sie träumen immer wieder von Behandlungsrichtlinien und therapeutische
ihrem Unfall und machen sich Sorgen um ihre berufliche Exi- Maßnahmen
stenz. Diese Patienten brauchen psychologische Hilfe durch ei-
ne Fachkraft mit Einbeziehung der Angehörigen. Bei einer Gewebeschädigung durch Hitze kann es zu einer pri-
mären und sekundären Gewebeschädigung, dem sog. »Nach-
brennen«, und zu einer Freisetzung von Mediatoren (Zytokine,
11.16 Verbrennungen Proteinase) kommen. Der Kapillarschaden führt zu einer grö-
ßeren Permeabilität und zu einem interstitiellen Ödem bei in-
Einteilung travasalem Flüssigkeitsmangel.
1
2
3
4
. Abb. 11.37a-d. Verbrennung 4. Grades
5
Je nach Kombinationsverletzung mit anderen Strukturen
6 wird individuell entschieden, wann die Physiotherapie beginnen
. Übersicht 11.6. Gesichtspunkte der Behandlung
soll und welche Behandlungsschwerpunkte gesetzt werden.
5 Kontrakturenprophylaxe.
7 Verbrennungen 4. Grades (. Abb. 11.37) reichen bis zur Fett-
5 Hautpflege.
schicht und zum Knochen. Sie zeigen nekrotisches oder sogar
5 Schmerztherapie.
verkohltes Gewebe. Ärztlicherseits bleibt deshalb oft nur die
5
8 Amputation.
5
Narbenbehandlung nach Wundverschluss.
Sensibilitätstraining und -verbesserung.
Bei großflächigen Verbrennungen 3. und 4. Grades werden
5 Mobilisation der Gelenke.
die Patienten notfallmäßig auf der Intensivstation behandelt.
9 Intensive Atemtherapie und Thromboseprophylaxe stehen
5 Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten.
5 Herstellen von Lagerungsschienen.
dann im Vordergrund.
5 Herstellen und Einsetzen von Hilfsmitteln (wenn mög-
10 Pflegepersonal und Physiotherapeuten müssen aseptische
lich Absprache mit Ergotherapeutin).
Verhältnisse beachten.
5 Anlegen von Kompressionsverbänden.
Keloide und Narbenkontrakturen erfordern im Spätstadium
11 ein individuelles Vorgehen (Narbenmassage, Querdehnungen,
spezielle Mobilisationstechniken).
12 Bei Verbrennungen eines größeren Körperbereiches wird die Bei Verbrennungen 1. Grades wird nicht physiotherapeutisch be-
Verlegung in eine Spezialklinik erforderlich. handelt.
Bei Verbrennungen 2. Grades kommt eine Behandlung in der
13 Feuchtkammer infrage, falls der Patient nicht selbst ausreichend
Komplikationen übt. Die Gelenke müssen in ihrem vollständigen Bewegungs-
14 ausmaß bewegt werden, u.U. wird eine begleitende Schmerzthe-
5 Narbenbildung, Kontrakturen, rapie durchgeführt. Alternativ kann im Handbad geübt werden.
5 Funktionsverlust, Evt. wird eine Lagerungsschiene in »Intrinsic-Plus-Stel-
15 5 Keloidbildung. lung« oder eine die Wunde berücksichtigende Schiene angefer-
tigt und nachts angelegt.
Da Narben zurückbleiben können, muss besonders auf Nar-
16 Befunderhebung benbehandlung und Hautpflege geachtet werden.
Bei Verbrennungen 3. und 4. Grades muss die individu-
17 Siehe Befunderhebung in 7 Abschn. 11.1 und auch in 7 Kap. 2. elle Situation der Hauttransplantation, der massiven Kontrak-
turen, Narbenbildung, Funktionslosigkeit oder Amputation Be-
achtung finden. Ein schematisches Vorgehen ist nicht möglich.
18 Behandlungsmöglichkeiten Handverbrennungen 3. und 4 Grades gehören in die Behand-
lung eines erfahrenen und speziell weitergebildeten Physiothe-
19 In . Übersicht 11.6 sind die Schwerpunkte der physiotherapeu- rapeuten.
tischen Behandlung bei Verbrennungen an der Hand zusam-
mengefasst.
20
21
11.17 Dupuytren-Faszienfibrose (Morbus Dupuytren)
223 11
Einteilung 5 Schmerzfreiheit,
5 Patienten bemerken die Knötchenbildung erst, wenn sie
Nach Iselin (1959) unterscheidet man vier Schweregrade der Du- beim Greifen zudrücken,
puytren-Faszienfibrose: 5 Zunahme von Gewebesträngen und Knötchen,
5 Hängenbleiben eines Fingers beim Handschuheanziehen,
Stadium 1 Knötchenbildung in der Palmaraponeurose Bettenmachen, Greifen in Hosen- oder Rocktasche,
5 Beugekontraktur der Fingergelenke MP, PIP von 45–135°,
Stadium 2 plus Kontraktur im Bereich der Grundgelenke
5 im schlimmsten Falle Überstreckung des DIP.
Stadium 3 plus Kontraktur im Bereich der Grund- und Mittel-
gelenke (MP, PIP)
Behandlungsrichtlinien und therapeutische
Stadium 4 zusätzliche Überstreckbarkeit der Endgelenke (DIP)
Maßnahmen
. Abb. 11.38a-c. a Morbus Dupuytren D4, Stadium 3–4, b D5 nach Z-Plastik, c D5 Faustversuch
224 Kapitel 11 · Handchirurgie
19
20
21
11.18 Complex Regional Pain Syndrome (CRPS)
225 11
sie bei allen Kollagenosen vorkommen, sind durch physiothera- Besondere Gefahr besteht bei:
peutische Behandlungen jedoch nicht zu vermeiden. 5 Mikrotraumen,
5 Kontusionen,
5 Distorsionen,
11.18 Complex Regional Pain Syndrome 5 konservativ behandelten Frakturen an der Hand,
(CRPS) 5 Kompression durch zu engen Gips,
5 Karpaltunnelsyndrom,
Jedes Trauma heilt normalerweise über den Weg der physiolo- 5 unzureichende Frakturreposition einer Radiusfraktur,
gischen Entzündung aus. Sudeck (1900) hat eine Entgleisung 5 Gefäß- und Nervenverletzungen,
dieses normalen Vorganges beschrieben; nach ihm wurde der 5 Dupuytren-Faszienfibrose,
sehr typische Symptomenkomplex über viele Jahrzehnte als 5 Infektionen,
»Sudeck-Dystrophie« bezeichnet. Später wurde nach de Takats 5 Herzinfarkt und Gefäßerkrankungen.
(1937) der Begriff »sympathische Reflexdystrophie« verwendet.
Heute hat sich der Begriff »Complex Regional Pain Syndrome«
durchgesetzt. Charakteristische Symptome/Leitsymptome
Nach Trentz und Bühren (2001) definiert man diesen Symp-
tomenkomplex als »Schmerzsyndrom mit begleitendem Funk- Stadium I
tionsverlust und Nachweis einer autonomen Dysfunktion«. Im Die Symptome zeigen die entzündlichen Veränderungen aller
Wesentlichen handelt es sich nach Trentz und Bühren (2001) Strukturen der Hand in längerem zeitlichem Abstand zur Ver-
um eine: letzung oder Operation. Nach van den Berg beträgt der Norm-
5 Fehlverarbeitung schmerzhafter Afferenzen auf segmen- zeitraum 3–4 Tage. Symptome sind:
taler Ebene, 5 blau-rote, fleckige Hautverfärbung (Zyanose),
5 Verbreitung auf Nachbarsegmente, 5 Schwellung, Streckfalten verschwunden (. Abb. 11.40),
5 vermehrte Sympathikusaktivität, 5 Überwärmung,
5 vermehrte Erregung der Nozizeptoren, 5 vermehrte Schweißsekretion, glänzende Haut, dunkler
5 Freisetzung von Schmerzmediatoren. Haarwuchs,
5 erhöhte Muskelspannung der in- und extrinsischen Mus-
Zentral wird die sympathische Erregbarkeit verstärkt, ebenso kulatur,
die übergeordnete Steuerung des Affektes (psychische Kompo- 5 eingeschränkte Verschieblichkeit der Metakarpalia, »Klam-
nente). Klinisch handelt es sich um eine entzündliche Knochen- mergefühl«,
atrophie. 5 aktive Bewegungseinschränkung des Handgelenks, der
Finger- und Daumengelenke,
5 starke Schmerzen in Ruhe oder bei Bewegung, die evt.
Einteilung nicht in Relation zum Initialtrauma stehen,
Ursachen
5 Wichtig
21
11.18 Complex Regional Pain Syndrome (CRPS)
227 11
Wichtig ist außerdem, dass die Patienten schmerzfrei be- Auch die Lymphdrainage bewährt sich als effektive Unter-
1 handelt werden. Techniken zur Behandlung neuromeninge- stützung der aktiven Maßnahmen. Zu diskutieren ist auch eine
aler Strukturen werden bevorzugt eingesetzt. Dabei handelt es Bindegewebsmassage in den Rumpfzonen.
2 sich um kleine Umkehrbewegungen einzelner Gelenke bei An-
näherung der schmerzhaften Struktur innerhalb der komplexen ! Cave
Armmuster. Keinesfalls sollten die Spannungsübungen als Haltearbeit im
3 Unterstütztes Üben, das eher als »Spielen mit den Gelenken« Sinne einer Trainingsspannung ausgeführt werden.
bezeichnet werden kann, bewährt sich in den ersten Wochen.
Ist die verletzte Hand deutlich wärmer als die andere, kann im
4 ! Cave Handbereich selbst kurzzeitig milde gekühlt werden. Der sterile
5 Schmerzen und reflektorische Abwehrspannung sollen in Verband darf jedoch nicht abgenommen werden.
5 jedem Fall vermieden werden. Dazu gehört auch eine wei-
che Grifftechnik! ! Cave
5 Wärmeanwendungen und Massagegriffe aus der klas- In Stadium I–II dürfen keine warmen Handbäder oder ande-
6 sischen Massage sind in Stadium I und II kontraindiziert, re Wärmeanwendungen im Handbereich durchgeführt werden,
können aber proximal der Verletzung angewandt werden. wenn die Hand noch überwärmt ist!
7
Nach Abheilung der Operationswunden kann man die Hand Empfohlen werden Techniken zur vegetativen Umstimmung,
weich ausstreichen und eine Manuelle Lymphdrainage anwen- z.B. Bindegewebsmassage in den Rumpf- und Armzonen. Als
8 den. Standardbehandlung gilt heute auch die Manuelle Lymphdrai-
Eine hubarme BWS-Mobilisation zur Dämpfung der N.-sym- nage. Manchmal ist auch ein Kompressionshandschuh sinn-
pathicus-Erregung in Kombination mit einer Heißen/Warmen voll.
9 Rolle über der BWS-Muskulatur kann erfolgreich sein (Th4– Auf aktive Spannungsübungen und dynamische Pumpbe-
Th8) (7 Kap. 3 und . Abb. 6.22, 7.10 und 8.13). wegungen darf nicht verzichtet werden. Sie sollen stündlich
10 Mechanische Reize, z.B. mittels Bürstungen, Vibrationen, selbständig vom Patienten ausgeführt werden.
detonisierender Massagegriffe, Bindegewebsmassage, sind an- Durchblutung und Rückgang der Schwellung sind im Hand-
wendbar. bereich im Wesentlichen abhängig vom Spannungsgrad der Bin-
11 Eine Behandlung der Schultergürtelmuskulatur mit wei- nenmuskulatur. Deshalb muss auf eine Entspannung der Binnen-
chen Skapulabewegungen bei gelagertem Arm ist ein guter Ein- muskulatur und eine Normalisierung der Durchblutung geach-
12 stieg in die Behandlung. tet werden. Erst wenn die Streckfalten über den Grund-, Mittel-
Auch die Spiegeltherapie nach Ramachandran (1996) und und Endgelenken wieder sichtbar werden, wenn die Hand keine
Maier, Glaudo ist sinnvoll. Hitze mehr ausstrahlt und sich die Beweglichkeit spontan ver-
13 Milde Kälteanwendungen in Form von Umschlägen sollen bessert, kann die Handbehandlung intensiviert werden.
nur in der anfänglichen postoperativen Zeit Anwendung fin- Ratschow-Umlagerungen, als Wechsel von Hoch- und Tief-
14 den. Anwendbar sind jedoch gekühlte Dinkelsäckchen, die man armhaltungen und das Hochlagern der Hand werden dem Pa-
um das Handgelenk legen und mit Klettverschlüssen befestigen tienten als Hausaufgabe mitgegeben und müssen entsprechend
kann. Gleichzeitig übt der Patient mit einem Igelball, mit Ku- kontrolliert werden. Die Hand soll in den ersten Tagen häu-
15 geln oder anderen kleinen Geräten. fig auf einem Armkeil hochgelagert werden. Ein zusammenge-
Alle Patienten werden angehalten, den Arm nicht in einer rolltes Frotteetuch oder Fell kann die Lagerung verbessern. Zu
Schlinge zu tragen, ihn nicht ständig nach unten hängen zu las- empfehlen ist eine tägliche Hochlagerungszeit von mindestens
16 sen und sich nicht in die Sonne zu legen. Jedoch sollen sie häufig 45 min, wenn der Patient ansonsten nicht an Bettruhe gebun-
die Schulter-, Ellenbogen- und freien Fingergelenke bewegen. den ist.
17 Beim Aufstehen kann der Patient in der Klinik seine Hand
2. Verbesserung der arteriellen Durchblutung und Resorpti- in eine Schlinge, die an einem rollenden Infusionsständer ange-
on von Ödemen bracht ist, einhängen und auf diese Weise entspannt hochhalten.
18 Bei Bewegungsstabilität kommen im Frühstadium aktive Span- Ungern werden ruhigstellende Schienen angelegt; sie drosseln
nungsübungen der Oberarm-, Unterarm-, Hand- und Finger- eher die Durchblutung und führen zu unnötigen Kontrakturen
19 muskulatur infrage, soweit keine anderen ärztlichen Vorga- an den sonst nicht betroffenen Gelenken.
ben bestehen. Isometrisches Spannen gegen Handkontakt wird Musste wegen einer starken Nachblutung ein Kompressi-
im Sekundenrhythmus durchgeführt. Die Übungen werden in onsverband angelegt werden, sollte man unbedingt darauf ach-
20 3 Serien 10- bis 15-mal stündlich wiederholt. Sie werden wech- ten, dass er nicht zu lange angelegt bleibt. Auch heute noch zählt
selweise mit der Eisabtupftechnik über der Unterarmmuskula- ein zu enger Verband zu den häufigsten Ursachen des CRPS
21 tur ausgeführt. (7 Kap. 10, »Radiusfraktur«, Karpaltunnelsyndrom).
11.18 Complex Regional Pain Syndrome (CRPS)
229 11
3. Entspannung der Hand-, Nacken- und Schultergürtelmus- Die Wahl der Technik hängt vom Erfolg ab. Es ist besonders
kulatur darauf zu achten, dass die Pausen lange genug andauern und der
Da das CRPS häufig mit Schultergelenk- und Halswirbelsäulen- Patient sich gedanklich darauf einstellen kann.
schmerzen einhergeht, kommt der Behandlung der Nacken- , Ganz besonders wichtig scheinen die positive Mitarbeit
Schultergürtel- und Armmuskulatur eine besondere Bedeu- des Patienten und dessen Angaben zu den Schmerzen zu sein.
tung zu. Sie sollte als Einstieg in die Handbehandlung gewählt Der Patient muss sich darauf verlassen können, dass die Bewe-
werden. gungen nicht über die Schmerzgrenze hinaus erzwungen wer-
Über Kontakt oder manuellen Widerstand und Übungs- den. Handverletzte Patienten, die schlechte Erfahrungen ge-
auftrag wird das Bewusstsein auf Schultergelenkbereich, Ober- macht haben, werden in der Erwartung von Schmerz nicht ent-
und Unterarm gelenkt. Das Anspannen muss deutlich und kurz spannen können. Der erfahrene Physiotherapeut wird jede Be-
sein, die Entspannungsphase lang und bewusst. wegung behutsam an die Bewegungsgrenze heranführen und
Skapulaumkehrbewegungen aus dem PNF-Programm dabei eine vorsichtige Traktion setzen.
(. Abb. 11.42) senken die Abwehrspannung des M. trapezius
ebenso wie weiches Bewegen der Schulter-, Ellenbogen- und Wichtig
Handgelenke in Annäherung der neuromeningealen Struk-
Schülern ist zu raten, eher etwas weniger zu dosieren als
turen. Weiche Massagegriffe, paravertebral ausgeführt, wirken
zuviel.
entspannend. Manchmal senken auch eine warme Kompresse
sowie hubfreies Mobilisieren der BWS die Reflexaktivität des N.
sympathicus und tragen zur Entspannung bei. Ein deutliches Kriterium dafür, ob die Hand wirklich zur Ent-
Normalisiert sich der Muskeltonus in der Schulter-Nacken- spannung gebracht wurde, ist das Spreizen der Finger. Gelingt es
Muskulatur, werden auch die Maßnahmen an der Hand wirk- nicht, die Finger wenigstens ein wenig voneinander abzusprei-
samer. Die zuvor beschriebene Behandlung zur Durchblutungs- zen, war die Technik nicht erfolgreich. Bewegungsformen, die
verbesserung und Schmerzreduktion bewirkt auch eine Ent- Punktum fixum und mobile vertauschen, oder Techniken, die
spannung der Handmuskulatur. Es bewährt sich deshalb, ei- zunächst den Schultergürtel- und Nackenbereich entspannen,
ne Kombination der genannten Maßnahmen mit gezielt wir- können dann den erwünschten Effekt erbringen.
kenden Entspannungstechniken durchzuführen.
Bei schmerzfreier Lagerung der Hand, z B. auf einem indi- Gesichtspunkte der Behandlung in Stadium III
viduell eingestellten Handtisch, wird das bewusste Anspannen 2. Durchblutungsverbesserung und Ödemresorption (Alter-
der Finger für die nachfolgende ausführliche Entspannung ge- nativvorschlag)
nutzt. Im Übergang von Stadium II zu III kann die Hand zunehmend
Infrage kommen alle aktiven PNF-Techniken, besonders auch kühl und kälteempfindlich werden. Lauwarme Kompressen,
die »Stop-and-go«-Technik, bei der der Patient den Bewegungs- Dinkelsäckchen, Körner- oder Paraffinbäder werden als ange-
stopp angibt und nach einer bewusst wahrgenommenen Pause nehm empfunden und lockern die Hand.
selbst bestimmt, ob die Bewegung fortgesetzt werden soll. Nach einer Behandlungspause kann wieder eine Bindege-
websmassage angesetzt werden.
Die Patienten werden angeleitet, die Hand zu bürsten und
. Abb. 11.42. BWS-Be-
viel zu bewegen. Vielfach werden auch auf- oder absteigende
handlung im Sitz Bäder oder Wechselduschen empfohlen.
Wichtig
Grundsätzliches Vorgehen in der Handchirurgie Bei Anwendung milder Kälte soll darauf geachtet werden,
1 Eine frühestmögliche physiotherapeutische Behandlung ver- dass die Hand vor der Behandlung warm ist. Die gewünsch-
meidet Durchblutungsschäden und erhält die Elastizität der te Eigenregulation der Hautgefäße kann nur ausgelöst werden,
2 Sehnen und Muskulatur. Dies ist für die Greiffunktion der Hand
ebenso wichtig wie eine intakte Sensibilität. Zugleich muss eine
wenn ein Temperaturgefälle vorhanden ist. Eine Langzeit-Eis-
behandlung kommt nur in der Zeit unmittelbar nach der Ope-
Störung des Heilungsverlaufes vermieden werden; die Dosie- ration oder Verletzung infrage.
3 rung richtet sich deshalb nach dem aktuellen Heilungsverlauf Zur Durchblutungs- und Stoffwechselförderung eignen sich
(7 Kap. 1, »Heilungsphasen«). eine Bindegewebsmasssage oder Manuelle Lymphdrainage so-
In . Übersicht 11.9 sind die Gesichtspunkte der physiothe- wie paravertebrale Massagegriffe und hubarmes Mobilisieren
4 rapeutischen Behandlung in der Handchirurgie zusammenge- der BWS. Die beste Durchblutungsförderung ergeben aktive/as-
fasst. sistive Bewegungen.
5
2. Entspannung der Handmuskulatur
. Übersicht 11.9. Allgemeine Gesichtspunkte einer Nach Handverletzungen klagen Patienten häufig über die Funk-
6 handchirurgischen Behandlung tionslosigkeit und ein unangenehmes Spannungsgefühl an der
1. Verbesserung der Durchblutung. Hand. Sie haben das Gefühl, ihre Hand sei »von einem Eisen-
7 2. Entspannung der Handmuskulatur.
3. Aktivierung der inaktiven Muskulatur, Schulen der Kon-
ring umklammert«. Die Finger kleben aneinander, der Hand-
teller ist verschmälert; ein lockeres Ablegen der Hand ist nicht
traktionsbereitschaft, spezielle Maßnahmen bei Kombi- möglich. Die physiotherapeutischen Maßnahmen zur Entspan-
8 nations-, Gefäß-, Nerven- und Sehnenverletzungen. nung der Hand verbessern auch deren Durchblutung. Vor allem
4. Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit. muss die Abwehrspannung der Handbinnenmuskulatur abge-
5. Narbenpflege. baut werden, um den Hohlhandbogen zu entlasten.
9 6. Verbesserung der Kraft, Ausdauer und Geschicklichkeit. Es können allgemeine Entspannungstechniken wie z.B. das
7. Erhalten der Beweglichkeit (proximale Gelenke, Ellen- bewusste Entspannen und Nachempfinden von Hand- und
10 bogen- und Schultergelenk, Skapula) und der Funktion Armpositionen nach Schaarschuch-Haase angewandt werden,
der Armmuskulatur. aber auch Techniken aus dem PNF-Programm, Progressive
8. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten. Muskelrelaxation (nach Jacobson 1995) sowie Formen der kon-
11 zentrativen Entspannung (nach Wilda-Kiesel 1993) und die be-
reits erwähnte »Stop-and-go«-Technik. Die meisten Techniken
12 Die Behandlungspunkte 4–8 unterscheiden sich nur insofern nutzen den Effekt der bewussten Anspannung und der anschlie-
von Behandlungen anderer Handverletzungen als zum ei- ßenden bewussten Wahrnehmung der Spannungslösung.
nen der Zeitpunkt, wann welche Technik schwerpunktmäßig Milde Kälteanwendungen können den Effekt der Entspan-
13 eingesetzt wird, zum anderen die Dosierung unterschiedlich nungstechniken unterstützen; sie werden kurzzeitig mit kühlen
ist. Alle Maßnahmen müssen auf den aktuellen Befund abge- Tüchern oder Dinkelsäckchen während der Behandlung ausge-
14 stimmt sein. Daher werden die Gesichtspunkte 4–8 folgend führt.
in »Behandlungsmöglichkeiten in der Handchirurgie« beschrie- Da Schmerz und Spannung der Muskulatur sich gegenseitig
ben. verstärken, muss der therapeutische Ansatz zur Entspannung
15 die schmerzfreie Behandlung sein.
Wichtig In den ersten Tagen nach einer operativen Behandlung
wird eine Schmerztherapie durchgeführt (7 Kap. 3.3 und 11.19
16 Entscheidend ist, wie der Physiotherapeut mit dem Patienten
»CRPS«).
und dessen Problemen umgeht: Er soll auftretende Schmer-
17 zen beachten, analysieren und darf keinesfalls rigoros darü-
ber hinweg behandeln. Dies gilt für jede Technik.
Wichtig
Nervenverletzungen an der Hand wurden in 7 Abschn. 11.13 Behandlung muss intensiv und dennoch schmerzarm sein. Die
1 beschrieben. Entsprechend wichtig ist ein abgestimmtes Haus- Spannung der Hand darf nicht erhöht werden, sonst entsteht
aufgabenprogramm. (. Übersicht 11.3, spezielle Behandlung pa- ein Circulus vitiosus. Erfahrungsgemäß sind besonders die Mit-
2 retischer Muskulatur). tel- und Endgelenke kontrakt.
Ist der Bewegungsstopp fest, werden Maitland-Techniken
4. Mobilisation eingesetzt.
3 Die Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit ist ein Behand- Im Anschluss an jede Mobilisation soll die Technik »End-
lungspunkt in der Konsolidierungsphase. Sie resultiert aus stellung –Halten« oder eine dynamische Umkehrbewegung
dem Spannungsabbau der Hand- und Unterarmmuskulatur. durchgeführt werden.
4 Die Mobilisation eines Gelenks kann aktiv oder aktiv-pas-
siv die Bewegungsgrenze erweitern, dies bedeutet eine Bela- 5. Narbenpflege
5 stung für das Bindegewebe. Es muss also eine Belastungssta- In der Konsolidierungsphase spielt die Narbenpflege und -deh-
bilität vorliegen (7 Kap. 10, »Unterarmfraktur und distale Ra- nung einen wichtigen Behandlungspunkt dar. Wie mehrfach
diusfraktur«). beschrieben, werden verschiebende Massagegriffe, Vibrator,
6 In der akuten postoperativen Zeit muss auf passive Manipu- Scarextractor, Minimassagestab, Silikongel-Folien und Deh-
lationen und auf jegliche Form lokaler Wärmeanwendung ver- nungen im freien und geschlossenen System durchgeführt
7 zichtet werden. (. Abb. 11.44, 11.17, 11.27, 11.28 und 11.29).
Bei bewegungsstabiler Versorgung darf sofort aktiv geübt
oder weich bis zum aktuellen Bewegungsstopp bewegt werden. 6. Verbesserung der Funktion, Kraft und Ausdauer
8 Eine minimale Traktion wirkt Schmerz reduzierend (Maitland- Unter der Zielsetzung der Verbesserung der Muskelkraft und
Technik). Ausdauer werden Geräte wie z.B. Theraband oder Federstab
Translatorisches Gleiten und therapeutische Traktionen über eingesetzt (. Abb. 11.45). Für das Üben in geschlossener Form
9 die erste Stufe hinaus dürfen erst nach klinischer Heilung der ist Stützen möglich, gegen die Wand oder den Tisch, auf Keulen,
Struktur Anwendung finden (Konsolidierungsphase) (7 Kap. 10, Flaschen oder Fußkreisel (. Abb. 11.44 und 11.46). Vorausset-
10 Manuelle Therapie, . Abb. 10.25). zung ist, dass die verletzte Struktur ausreichend belastbar ist.
Reaktionen wie Schwellungen, Schmerzen und lokale Tem- Die Verbesserung der Muskelkraft kann ebenso im freien
peraturerhöhung bestimmen die Dosierung. Zur Anwendung System mit Verstärkungstechniken und komplexen Bewegungs-
11 kommen alle PNF-Entspannungstechniken, wenn sie ohne Ro- mustern gegen angepassten Widerstand erreicht werden.
tation für die Fingergelenke, mit gelenknaher Fixation und ge- Als Bewegungsmuster werden die zuvor genannten Hand-
12 zielt an dem jeweils betroffenen Gelenk angesetzt werden. und Armstellungen für das Greifen, Tragen und Stützen ge-
Bei der Mobilisation der Grundgelenke ist auf die konver- wählt. Als Techniken kommen kon- und exzentrische sowie sta-
gierende Bewegungsrichtung der ulnaren Finger zu achten. Bei tische Kontraktionskombinationen mit 5- bis 8-maliger Wie-
13 Sehnen- oder Nervenverletzungen ist es wichtig, die vorgege- derholung infrage.
bene temporäre Bewegungsbegrenzung des Handgelenks oder Die Gesamtspannungszeit jeder Sequenz sollte 7– 10 sec
14 der Fingergelenke einzuhalten. nicht unterschreiten. Anschließend erfolgt eine Erholungspau-
In Stadium II–III der CRPS ist die Mobilisation der Fingerge- se. Eine Dosierungssteigerung wird angestrebt durch längere
lenke eine schwierige Aufgabe für den Physiotherapeuten. Die Übungszeiten, Verkürzungen der Pausen und Erhöhung des
15
. Abb. 11.44a,b. Narbendehnung durch
16 Abstützen a beim Aufstehen,
b gegen die Wand
17
18
19
20
b
21
11.18 Complex Regional Pain Syndrome (CRPS)
233 11
11.19 Patientenbeispiel
1
Befundaufnahme
2 Name des Patienten: Herr L.
48 J., Glasermeister
3 Rechtshänder
Befunddatum: Beginn 5. postop. Woche
Name des Therapeuten: Frau L.
4 Einweisungsdiagnose: Durchtrennung beider Beugesehnen D3
rechts, Zone DP2
5 Nebendiagnosen: Keine
Versorgung: Am Unfalltag operativ Q x konservativ Q
. Abb. 11.47. Komplexes Greifmuster: »Functional Reach Out« Medikamente: Keine
6 Versorgung:
Sehnennaht, Redon-Drainage, Kleinert-Schiene.
7 sibilität ein gezieltes Greifen ermöglichen. Ein Fehlverhalten Stabilität:
kann durch mangelndes Training und eine ungenügende Bewe- Eingeschränkte Beweglichkeit im Rahmen der Kleinert-
gungsanalyse entstehen, aber auch dadurch, dass eine vollstän- Schiene.
8 dige Rehabilitation nicht mehr erreicht werden kann. Naht für 6 Wochen instabil, besonders rissgefährdet zwi-
Zunächst wird das grobe Greifen eingeübt, dann folgen, schen dem 7. und 15. postoperativem Tag.
dem Patienten angepasst, spezielle Greifformen mit entspre-
9 chend ausgewählten Geräten (7 Abschn. 11.1, physiologische
Procedere:
6 Wochen Kleinert-Schiene, nur zur PT abzunehmen. (Be-
Greifformen). wegungsbegrenzung s. Kleinert-Position.)
10 Eine ergänzende Behandlung sollte mit der Ergotherapeu- Nach Redonentfernung passive Fingerbeugung, aktive oder
tin gemeinsam geplant werden. Auch hier gilt, dass Aktivitäten geführte Streckung gegen den Gummizügel.
der Körperpflege, der Haushaltsführung, im Beruf oder bezo- Nach 16. postop. Tag aktives Halten in spannungsfreier
11 gen auf ein Hobby in möglichst realer Situation eingeübt wer- Beugeposition.
den sollen. Nach 6 Wochen Beginn der aktiven dynamischen Beu-
12 Selbständiges Üben ist unumgänglich. Der Patient muss je- gung.
doch gut angeleitet werden, damit er möglichst wenige Aus- Nach 8 Wochen Üben im geschlossenen System (unter-
weichbewegungen macht und bzgl. seiner Leistungsfähigkeit schiedliche Literaturangaben je nach Operateur).
13 richtig eingestellt ist. Der Physiotherapeut muss Übungszeiten, Arbeitsaufnahme nach 12 Wochen.
Pausen und zu beobachtende Ermüdungszeichen genau mit Narbenpflege.
14 dem Patienten besprechen. Unfallanamnese:
Patient hat sich beim Einsetzen einer Fensterscheibe ge-
Wichtig schnitten. Er wurde sofort in eine Klinik eingewiesen und
15 am gleichen Tag operiert. Keine Beugefunktion von D3.
5 Die Dosierung der Übungen richtet sich nach den ärzt-
lichen Verordnungen und dem Heilungsstand der betrof-
16 fenen Struktur.
ICF-Dokumentation
5 Führungskontakt oder angepasster Widerstand sind in-
17 nerhalb der vorgegebenen Bewegungsgrenzen individu-
ell anzuwenden.
Patient/Alter: Herr L., 48 J.
Diagnose: Beugesehnendurchtrennungen D3 rechts
5 Eine stufenweise Rückführung in den Beruf ist sinnvoll!
Befund zu Beginn der 5. postoperativen Woche
18
19
Übungsbeispiele
20 Da die Verletzungsmuster in der Handchirurgie sehr unter-
schiedlich sind, werden hier keine Übungsbeispiele aufgeführt.
21
11.19 Patientenbeispiel
235 11
5 Operationsnarbe reizlos, Verlauf volar-medial D3. 5 Kein Spitz- oder Pinzettengriff 5 Patient braucht Hilfe zur Be-
5 Gelenkbeweglichkeit: mit D3. wältigung des Alltags.
5 Keine Faust.
aktiv passiv
5 Kein Hakengriff.
Palmarflex. HG re 40–0–0° 40–0–0°
li 80-0-80° 80–0–80°
Flexion MP D3 re – 50–0–0°
li 90–0–0° 90-0-0
Flexion PIP D3 re – 30–0–0°
li 100-0-0 100–0–0°
Flexion DIP D3 re – 10–0–0°
li 10-0-0 10–0–0°
5 Bewegungsstopp:
– Handgelenkextension weichelastisch,
– Handgelenkflexion weichelastisch,
– D3 MP elastisch,
– D3 PIP elastisch,
– D3 DIP elastisch.
5 MTW:
5 FKHA passiv 0.
5 Sensibilität bei Berührung und 2-Punkte-Diskriminie-
rung im Narbenbereich und distal an der Fingerkuppe
geringfügig reduziert.
5 Schmerzen VAS 2–3 bei endgradiger passiver Beugung.
5 Temperaturempfinden o.B.
5 Narbe fest verhaftet.
5 Skapula- und BWS-Mobilität o.B.
11.20 Literatur
1
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Butler DS (1991) Mobilisation of the Nervous System. Churchill Livingston,
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10 Trentz O, Bühren V (2001) Traumatologie. Thieme, Stuttgart New York
Van den Berg F (2001, 2003) Angewandte Physiologie Bd 1, 3 und 4.
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11 Weigel B, Nerlich M (2005) Praxisbuch Unfallchirurgie Bd 1. Springer, Ber-
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12 der Nahttechnik bei Beugesehnenenverletzungen. Klinische und ex-
perimentelle Studie. Handchirurgie (17): 8–13
Wilda-Kiesel A (1993) Die konzentrative Entspannung. Lau-Ausbil-
13 dungssysteme, Reinbek
17
18
19
20
21
12
Beckenfrakturen
Einteilung – 238
Ursachen – 238
Charakteristische Symptome/
Leitsymptome – 238
Behandlungsrichtlinien und
therapeutische Maßnahmen – 238
Komplikationen und
Nebenverletzungen – 240
Befunderhebung – 241
Behandlungsmöglichkeiten – 241
Übungsbeispiele – 245
C3 Instabile Beckenfraktur
14
Entscheidend für das weitere Vorgehen ist die dreidimensionale
15 Stabilität bzw. Instabilität des hinteren Beckenringes.
a
16 Ursachen
17 5 Verkehrsunfälle,
5 Bauunfälle,
5 Verschüttungen,
18 5 Sturz aus großer Höhe, Fallschirmspringen, Gleitflugab-
stürze.
19
Charakteristische Symptome/Leitsymptome
20 b
5 starke Schmerzen bei Bewegung,
21 5 starker Druckschmerz, . Abb. 12.1a,b. a Beckenfraktur, b Osteosynthese
12 Beckenfrakturen
239 12
seite wesentlich größer ist als auf die ventrale, ist dieses deutlich 5 Teilinstabilität besteht bei Rotationsverschiebungen des
kräftiger ausgebildet. An der ventralen Beckenseite treten eher asymmetrischen inneren Beckenringes, wobei die iliosa-
Zugkräfte auf (Weigel, Nerlich 2005). kralen Ligamente ganz oder teilweise erhalten sind.
Das Os sacrum und die Ossa ilia sind über die beiden Iliosa-
kralgelenke durch straffe Bänder, die wie eine Zuggurtung wir- Instabile Beckenverletzungen sind eine zwingende Operationsin-
ken, miteinander verbunden (Weigel, Nerlich 2005). Bei verti- dikation. Anwendung finden:
kalen Frakturen mit Verschiebung der Hüftknochen reißt daher 5 Plattenosteosynthesen,
häufig der Querfortsatz des 5. Lendenwirbels ab, und der dorsa- 5 Fixateur externe bei vorderer Beckeninstabilität,
le Beckenring wird instabil. 5 Fixateur interne bei hinterer Beckeninstabilität (analog zur
Die Rotationsbewegungen des Beckens werden durch die Wirbelsäulenchirurgie),
sakrotuberalen und -spinalen Bänder eingeschränkt. Nach Wal- 5 Iliosakralverschraubung. (. Abb. 12.2, 12.3).
ker (1986) ist eine Rotation von 3 mm möglich, die allerdings im
höheren Alter abnimmt. Bei starkem axialem Druck nach ven- Beckenfrakturen mit geringgradigen Verschiebungen heilen
tral und dorsal ist eine geringe horizontale Verschiebung des Os i.d.R. durch den dicken Muskelmantel gut aus.
sacrum möglich, die mit einer Schwerpunktverlagerung einher-
geht. Diese Verschiebung im Iliosakralgelenk hat Folgen für die Belastungsstabilität
Statik der Wirbelsäulen- und Beingelenke. Beckenringfrakturen mit bewegungsstabilen Osteosynthesen
können in der 2. – 4. postoperativen Woche schrittweise bela-
Ärztliche Behandlung stet werden.
Beckenfrakturen passieren immer durch eine sehr große Ge- Bei vertikalen Beckenfrakturen mit bewegungsstabilen Oste-
walteinwirkung, so dass mit Begleitverletzungen zu rechnen ist osynthesen werden 8–10 Tage Bettruhe empfohlen, dann Bewe-
(7 Komplikationen). gungsbad. Der Beginn der Teilbelastung richtet sich nach dem
Diagnostisch wertvoll ist der Unfallhergang bzgl. der Be- Röntgenbild /Konsolidierung, der Schmerzsituation und der
gleitverletzungen. Symptome wie Schwellungen, Prell-Kontu- Muskelfunktion.
sions-Marken, Wunden, Abschürfungen und Blutungen wei- Bei Beckenfrakturen mit Azetabulumverletzung und Oste-
sen auf die Gewalteinwirkung hin. Bestätigt wird die Diagnose osynthesen (7 Kap. 13, ausführliche Behandlung) sind 3–4 Wo-
durch eine einmalige, vorsichtige Stabilitätsprüfung, eine Sono- chen Bettruhe indiziert, anschließend Bewegungsbad und Teil-
graphie, einen neurologischen Status und eine Sensibilitätsprü- belastung von 20 kg für 6 Wochen. Ab der 11./12. Woche kann
fung an Fuß und Unterschenkel. zunehmend vollbelastet werden.
Röntgenaufnahmen zur Beckenübersicht und eine »Inlet- Operativ versorgte Iliosakralgelenk-Verletzungen werden
Outlet-Projektion« können die Dislokation und die Instabili- 12 Wochen lang entlastet.
tät aufzeigen. Bei Azetabulumfrakturen werden eine Ala- und
eine Obturator-Projektion gemacht. Ein CT kann notwendig
werden, wenn Verletzungen am dorsalen Beckenring nicht gut
zu erkennen sind. Besteht der Verdacht auf eine Urethraverlet-
zung, muss ein urologisches Konzil angefordert werden.
Konservatives/operatives Vorgehen
Vordere Beckenringverletzungen, Typ-A- oder stabile Typ-B-Frak-
turen, können konservativ behandelt werden.
Dorsale Beckenringinstabilitäten finden heute größere Be-
achtung. Ventrale und dorsale Stabilisierungsverfahren stehen
zur Verfügung, um eine anatomische Rekonstruktion zu ge-
währleisten. Nur dann kann eine frühe Mobilisation des Pati-
enten erfolgen (7 Kap. 21).
Entscheidend für die Beurteilung der Stabilität des knöcher-
nen Beckenringes ist die Integrität des hinteren Ringsegmentes,
dem sog. »sakroiliakalen Komplex« (Os sacrum, Iliosakralge-
lenk, Os ilium):
5 Ein vollständiger Stabilitätsverlust zeigt sich in vertikalen
Verschiebungen (einseitiger Hochstand, Dislokation der
Fragmente) mit Asymmetrie des inneren Beckenringes. . Abb. 12.2. Osilium-Fraktur mit Verletzung des Iliosakralgelenks
240 Kapitel 12 · Beckenfrakturen
Physiotherapeutische Behandlung
1 Die Frühbehandlungsphase erfolgt wie in 7 Kap. 3 beschrieben.
Auf Schmerzauslösung muss geachtet werden, v.a. beim
2 Aufstehen, Gehen mit Unterarmstützen und Teilbelastung. Un-
ter Umständen gibt ein CT Auskunft über eine evt. übersehene
Instabilität des hinteren Beckenringes.
3 Beckenrandbrüche zeigen kaum eine nennenswerte Sym-
ptomatik. Sie werden selten physiotherapeutisch behandelt.
4
Komplikationen und Nebenverletzungen
5
5 Polytraumatisierung mit zusätzlichen Verletzungen wie:
– Schädel-Hirn-Traumen,
6 – Thoraxtraumen,
– Wirbelsäulen- und Extremitätenverletzungen,
7 – Kreislaufinstabilität, Thrombose, Embolie,
– Ateminsuffizienz bei Zwerchfellirritation oder -verlet-
zung,
8 – Milz- und/oder Leberruptur,
– Organverletzungen im Beckenbereich (Urethra bei
Männern, Rektum, Vagina),
9 . Abb. 12.3. Osteosynthese – Verletzung des N. ischiadicus,
– Symphysen- und Iliosakralgelenksprengung.
10
Bei konservativer Versorgung stabiler Frakturen ist für ma- Frühkomplikationen verhindern den frühen Beginn der phy-
ximal 6 Wochen Aufstehen mit Minimalbelastung/Bodenkon- siotherapeutischen Behandlung. Häufig muss der Patient zu-
11 takt angezeigt, Bewegungsbad und eine Teilbelastung für 10– nächst auf der Intensivstation überwacht werden.
12 Wochen, die anschließend befundbezogen langsam gestei- Spätkomplikationen:
12 gert wird. 5 Infektionen,
Patienten mit vorderen Ringbrüchen ohne Stabilitätsverlust 5 Beinverkürzung als Spätfolge,
und ohne Azetabulumbeteiligung dürfen wenige Tage nach 5 Arthrose der Hüftgelenkpfanne bei Mitverletzung,
13 dem Unfall aufstehen. Die Schmerzsituation gibt an, wieviel der 5 Hüftkopfnekrose,
Patient selbst belastet. 5 Kalzifikationen der Weichteile.
14 Ist eine postoperative Ruhigstellung mit Bettruhe nötig,
wird eine Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem He-
parin und bei Bedarf auch eine Schmerztherapie durchgeführt.
15
16
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19
20
21
12 Beckenfrakturen
241 12
Befunderhebung
Messen 5 Aktives Bewegungsausmaß der Sprunggelenke, der Kniegelenkextension und -flexion im seitlichen Überhang.
5 Umfangmaße der Beine.
Wichtig Behandlungsmöglichkeiten
5 Der M. iliopsoas wirkt irritierend auf vertikale Becken- Grundsätzliches Vorgehen
ringbrüche, die Mm. adductores scherend bei vorderen In . Übersicht 12.1 sind die Schwerpunkte der physiotherapeu-
Ringbrüchen, wenn sie gegen Eigenschwere des Beins tischen Behandlung nach Beckenfrakturen zusammengefasst.
getestet werden. Das Röntgenbild gibt Aufschluss über
die Zugrichtung der Muskulatur und die Lokalisation der
Fraktur. . Übersicht 12.1. Gesichtspunkte der Behandlung
5 Bei konservativ behandelten Frakturen ist ein Muskeltest 1. Pneumonie-, Thrombose- und Embolieprophylaxe.
der auf die Fraktur scherend wirkenden Hüftgelenkmus- 2. Dekubitusprophylaxe.
kulatur über Teststufe 2 hinaus nicht erlaubt! 3. Lagerungskontrolle.
4. Erhalten der Armkraft.
5. Erhalten der Beinkraft auf der nicht betroffenen Körper-
Für die Behandlungsplanung müssen alle Hauptprobleme und hälfte.
Symptome mit der Verletzungsart, dem Verletzungsmuster und 6. Aktive Stabilisation des Beckenringes.
dem aktuellen Heilungsprozess betrachtet und bewertet wer- 7. Wiederherstellung der Muskelfunktionen (Vorbereitung
den. Begleitverletzungen sind ebenso zu beachten wie der per- des Gehmusters im Liegen).
sönliche Zustand des Patienten. Daraus ergeben sich folgende 8. Erhalten der Beweglichkeit der Knie- und Sprung-
Fragen: gelenke.
5 Welche Verletzung muss vorrangig behandelt werden und 9. Erarbeiten der Beweglichkeit in den Hüftgelenken, so-
warum? weit der Befund es erlaubt (Mobilisation im Spätstadium).
5 Welche Nah- und Fernziele müssen festgelegt werden? 10. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten, Geh-
5 Welche Maßnahmen müssen dem aktuellen Heilungspro- schulung.
zess zugeordnet werden?
242 Kapitel 12 · Beckenfrakturen
1. Pneumonie- und Thromboseprophylaxe dass sich bei jeder Form von Widerstandsarbeit Verstärkungs-
1 Die Prophylaxe steht in den ersten Tagen im Vordergrund der muster aufbauen. Sie können an der Beckengegenseite scherend
physiotherapeutischen Behandlung (7 Kap. 3, »Prä- und post- wirken. So kann eine erhöhte Spannung der Mm. adductores,
2 operative physiotherapeutische Behandlung«). des M. iliopsoas oder des M. rectus femoris irritierend auf ver-
tikal verlaufende Frakturen wirken.
2. Dekubitusprophylaxe
3 Längeres Liegen auf dem Rücken führt bei ungenügender Pfle- Wichtig
ge sehr häufig zu einem Dekubitus.
Allgemein gilt: Die Adduktoren verstärken die Adduktoren
Zur Vorbeugung wird der Patient angehalten, möglichst
4 häufig seine Gesäßmuskeln anzuspannen und über minimales der Gegenseite, die Extensoren verstärken die Flexionsspan-
nung auf der gegenüberliegenden Seite und umgekehrt
Bridging das Gesäß zu entlasten.
(Gehmuster).
5 Bei bewegungsstabilen Osteosynthesen soll der Patient im
Sinne der Frühmobilisation baldmöglichst entlastet aufstehen,
um einer Thrombose oder Pneumonie vorzubeugen. Nach Interpretation des Verletzungsmusters und des Röntgen-
6 befundes wird entschieden, welches Muster geübt und welches
3. Lagerung vermieden werden soll.
7 Erfahrungsgemäß ist die sachgerechte Lagerung dem Aufga- Die Druckentlastung des betroffenen Beins muss beim Üben
bengebiet der Physiotherapeuten und des Pflegepersonals zu- konsequent visuell und taktil kontrolliert werden.
geordnet.
8 Bei instabilen Frakturen wird ein Quaderbett/Dekubitusbett 6. Aktive Stabilisation des Beckenringes im Liegen durch die
benutzt. Instabile Beckenverletzungen dürfen nicht umgelagert Muskeln, die Druckkräfte auf die Fraktur setzen können
werden. Wenn möglich, sollte der dekubitusgefährdete Patient
9 auf einem Schaffell oder einer Schaumstoffmatte liegen.
Wichtig
Schwestern und Physiotherapeuten sollen darauf achten, Um die aktive Stabilisation üben zu können, muss ärztlicher-
10 dass die Hüftgelenke in Nullstellung gelagert sind, d.h., keine seits Bewegungsstabilität vorgegeben sein!
Flexions-/Adduktions- oder Außenrotationsstellung haben. Die
Füße sollen in 90° Dorsalextension (Nullstellung) positioniert
11 sein. Die meisten Patienten benötigen eine kleine Schaumstoff- Isometrische Spannungsübungen der ventralen und dorsalen
polsterung unter dem Kniegelenk, um es zu entlasten. Muskelketten zwischen Rumpf und Beinen stabilisieren das Be-
12 Zu vermeiden ist eine zu starke Oberkörperhochlagerung, cken.
wenn Atmung und Kreislaufsituation dies zulassen. In korrigierter Mittellage werden diagonale Spannungen
Das Bettenmachen oder der Transfer auf das Stehbrett/eine aufgebaut zwischen der schrägen Bauchmuskulatur und den
13 Trage ist bei Patienten mit längeren Liegezeiten eine besonde- Mm. gluteus medius und minimus oder über M. latissimus dor-
re Herausforderung für Pflegepersonal und Physiotherapeuten. si und M. quadratus lumborum zu den Mm. gluteus medius
14 Rückengerechte und dennoch sichere Transfers bieten Steckla- und minimus der anderen Seite.
ken und Plastikfolien sowie Plastikbretter, mit denen man zie- Die Stabilisation der Beckenabduktion (Herausschieben der
hen kann und nicht heben muss. Das Laken verlängert die eige- Ferse) ist meist eine der ersten Übungen bei Frakturen Typ A, die
15 ne Hebellänge der Arme; durch Gewichtsverlagerung wird die am Becken selbst ausgeführt werden kann.
Armzugkraft unterstützt. Immer sollten zwei Kollegen zusam- Bei korrigierter Rückenlage können diese Übungen
menarbeiten und dabei ihren Rücken gerade halten (Gesetz- schon frühzeitig gegen Führungskontakt begonnen werden
16 liche Unfallversicherung 2002). (. Abb. 14.10).
Üben in geschlossener Muskelkette ist möglich, wenn ein
17 4. Erhalten der Armkraft Polster zum Abstützen der Füße verwendet wird. Stellt man ei-
Als Vorübung für das Gehen mit Unterarmstützen kann der Pa- ne Waage zwischen Fußsohle und Fußteil des Bettes, kann der
tient selbst mit Expandern, Therabändern oder Hanteln üben. Patient exakt kontrollieren, wieviel er belastet.
18 Widerstandsübungen kommen in allen Formen des Bewe- Das bilaterale Armpattern in »Flexion/Abduktion/Außenro-
gens und Haltens in komplexen Mustern zur Anwendung. tation« in Rückenlage mit Fußsohlen-Wand-Kontakt ist beson-
19 Das Hausaufgabenprogramm wird vorgeübt. ders geeignet, um die gesamte dorsale Beinmuskulatur zu ak-
tivieren. In unilateraler Ausführung können Spiel- und Stand-
5. Erhalten der Beinkraft bei Verletzung einer Beckenseite beinphase gangtypisch gebahnt werden.
20 auf der nicht betroffenen Seite Soll das Becken in Neutralstellung stabilisiert werden, bieten
Während an den Armen alle Bewegungsmuster möglich sind, sich assistive Übungen unter Abnahme der Beinschwere an.
21 muss bei den komplexen Beinmustern daran gedacht werden,
12 Beckenfrakturen
243 12
. Abb. 12.9. »Eckensteher« Hinsetzen eingeübt und stabilisiert (7 Kap. 15–19). In verschie-
als Grundposition denen Winkelstellungen werden Haltephasen eingeübt (ge-
schlossenes System).
Nach ca. 10 Tagen dürfen Patienten mit stabilen Osteosyn-
thesen 20 kg belasten. Die Belastung kann gesteigert werden,
wenn keine Ausweichbewegungen (Trendelenburg- oder Du-
chenne-Hinken), Schmerzen oder Ermüdungszeichen auftre-
ten. Dann werden Einbeinstand und Schrittfolge mit entspre-
chender Belastungsvorgabe geschult.
Becken- und Rumpfstabilisationsübungen auf dem Pezziball
ermöglichen eine Vielzahl statischer und dynamischer Bewe-
gungsfolgen (. Abb. 12.10), vorausgesetzt, der Patient darf und
kann voll belasten.
Liegen zusätzlich weitere Verletzungen vor, muss die Bela-
stung u.U. zurückgenommen werden. Das Stehen kann auch
mit minimaler Belastung auf dem kippbaren Stehbrett bzw. Tilt
Table vorgeübt werden (. Abb. 21.1). Auch im Schlingengerät
kann das Becken statisch und dynamisch stabilisiert werden.
Übungsbeispiele
3. Woche postoperativ
Ausgangsposition
telstands- und Fersenablösungsphase der Beine (. Abb. 12.9, Rückenlage. Becken in Neutralstellung.
12.6) v.a. im geschlossenen System (7 Kap. 14 – 19).
Umkehrübungen zur Schulung des Bewegungsablaufes las- Übung
sen sich besser gegen manuellen Widerstand ausführen. Zur 5 Stabilisation des Beckens zwischen Oberschenkel und Tho-
Stabilisation wie bei der Technik »Dynamische oder Stabili- rax, Haltephase möglichst 7–10 sec.
sierende Umkehr« kann das Theraband ausgezeichnet benutzt Kontakt/Widerstand:
werden. Die ersten Belastungsübungen werden auf Anordnung – Becken lateral und am anderen Oberschenkel lateral,
des Arztes mit Gehhilfen und auf Waagen vorgenommen. Aus – Becken dorsal und am anderen Oberschenkel dorsal,
dem hohen Sitz werden Aufstehen in den Zweibeinstand und – Becken ventral und am anderen Oberschenkel ventral,
–
Becken dorsal und an der Gegenschulter dorsal, Übung
1 –
Becken ventral und an der Gegenschulter dorsal u.Ä. 5 Sitzstabilisation, ein Bein abheben, den Ball zu allen Sei-
5 Dasselbe mit Hebelverlängerung durch Kontakt/Wider- ten rollen etc.
2 stand an Armen oder Beinen, Diagonalspannungen, Nut-
zen von Mustern aus der Brunkow-Technik. Ausgangsposition
Rückenlage auf dem Therapieball mit aufgestellten Beinen.
3 Übung
5 Beckenabduktion. Übung
Technik: Wiederholte Kontraktion (. Abb. 14.10). 5 Beckenstabilisation auf dem Therapieball.
4 5 Später Bridging-Position, mit den Füßen auf der Stelle tre-
Übung ten oder ein Bein in die Luft strecken.
5 5 Abduktion/Innenrotation des Beins, isometrisch und mit
»Betonter Bewegungsfolge«. Übung
5 Aufstehen zum Zweibeinstand, Stabilisation des Standes
6 Übung in leichter Beugestellung der Knie- und Hüftgelenke (evt.
5 Extension/Außenrotation des Beins, isometrisch oder mit auch mit Stützen oder am Gehbarren).
7 »Wiederholter Kontraktion«.
Übung
Übung 5 Unterarmstütz auf dem Pezziball, Kniegelenke abheben
8 5 Minibridging und Bridging: Assistiv oder gegen die Eigen- und Position stabilisieren (. Abb. 6.40).
schwere aus Rückenlage, Beine sind angestellt; auch als dy-
namisch konzentrische und exzentrische Bewegung. Ende der Konsolidierungsphase
9 Die Belastung darf nach ca. 6 Wochen gesteigert werden.
Konsolidierungsphase
10 Seitenlage ist erlaubt. Übung
5 Stabilisation des Zweibein- und Einbeinstandes.
Übung
11 5 Beckenpattern aus Seitenlage. Übung
5 Gehmuster aus Seitenlage, Rückenlage und Stand gegen
12 Übung Zuggeräte »Extension/Abduktion/Innenrotation zum ge-
5 Bewegungsübergänge über die schmerzfreie Seite, mit streckten Bein« als Umkehrbewegung.
Grundspannung nach Brunkow. Technik: Bewegen – Halten, Endstellung – Halten.
13
Ausgangsposition Übungen (Hausaufgabenprogramm)
14 Bauchlage. Knie sind gebeugt. 5 Bauchmuskeltraining über PNF-Muster.
5 Gehschulung und Korrektur.
Übung
15 5 Abheben des Oberschenkels gegen die Eigenschwere mit Belastungsphase
Führungskontakt oder gegen Widerstand. Übungen
5 Dasselbe mit »Betonter Bewegungsfolge«. 5 Standbein gegen Theraband in verschiedenen Stellungen
16 stabilisieren.
Ausgangsposition 5 Standbein auf unebenem Boden oder instabiler Unterla-
17 Vierfüßlerstand. ge stabilisieren, z.B. weiche Matte, Fußkreisel, Trampolin
(. Abb. 12.11, 12.12, auch 5.6).
Übung 5 Wechsel von Gehen und Anhalten in verschiedenen Stel-
18 5 Stabilisation des Beckens. lungen einüben (7 Kap. 14, »Schenkelhalsfraktur« und
7 Kap. 16, »Knieverletzungen«).
19 Ausgangsposition
Hoher Sitz oder Sitz auf Therapieball.
20
21
12.1 Literatur
247 12
12.1 Literatur
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Weigel B, Nerlich M (2005) Praxisbuch Unfallchirurgie Bd 1. Springer, Ber-
lin Heidelberg New York
13.1 Azetabulumfraktur Kapandji (1985) zitiert ein Experiment der Brüder Weber,
1 die nachwiesen, dass der Luftunterdruck die beiden Gelenk-
Einteilung partner fest aneinanderpresst, ähnlich dem physikalischen Ge-
2 Azetabulumfrakturen werden in Typ A, B und C eingeteilt.
setz der Magdeburger Halbkugeln. Bohrt man ein Loch in die
Pfanne, kann der Femurkopf leicht von der Pfanne getrennt
werden.
3 Typ A Ein-Pfeiler-Fraktur Der ausgeglichene Gelenkflächenkontakt des Hüftkopfes
entsteht auch über die Muskelspannung und die straffen Hüft-
Typ B Querfraktur mit Teilstabilität des Pfannendaches
gelenkbänder. Die Muskulatur, die das Hüftgelenk hauptsäch-
4 Typ C Zwei-Pfeiler-Fraktur mit totaler Instabilität lich stabilisiert, liegt auf der Dorsalseite, die meisten stabilisie-
renden Bänder auf der Ventralseite.
5
Grundsätzlich beschreiben sie einfache und kombinierte Frak- Ärztliche Behandlung
turen (Letournel 1998). Zur Bestätigung der Diagnose werden, neben der normalen Be-
6 ckenübersichtsaufnahme, Ala- und Obturator-Röntgenaufnah-
men angefertigt. Zusätzlich wird heute ein CT gemacht, damit
7 Ursachen eine operative Versorgung gut geplant werden kann.
Physiotherapeutische Behandlung
Die frühfunktionelle Behandlung muss eine längere Entla-
stungsphase beachten. Auch hier ist eine sorgfältige Thrombo-
seprophylaxe für 6 Wochen angezeigt. Hubarmes Bewegen un-
terstützt den Heilungsverlauf.
Der Belastungsaufbau richtet sich nach Heilungsverlauf,
Symptomen und Stabilität des Hüftgelenks unter Minimal-, Teil-
und Vollbelastung: Bei guter Muskelsicherung und schmerz-
freier Bewegung darf in der Proliferationsphase nach ca. 4 Wo-
chen, minimal belastet und von der 5. –11. Woche die Teilbela-
stung stufenweise gesteigert werden. Ab der 12. Woche beginnt
die stufenweise Erarbeitung der Vollbelastung. Die volle Bela-
stung (freies Gehen) kann nach 16 Wochen erreicht werden, so-
fern das Röntgenbild in Ordnung ist.
Ziel der physiotherapeutischen Maßnahmen nach einer
Azetabulumfraktur ist es, den Gelenkdruck klein zu halten, um
der Fraktur die Heilung und dem Knorpel die Regenerierung zu
. Abb. 13.2. Schraubenosteosynthese ermöglichen. Daher muss die Spannung der Glutealmuskulatur,
des M. tensor fasciae latae und der ventralen Bänder reduziert
werden. Wie auch bei anderen Gelenkfrakturen hat sich jedoch
Ziel der Osteosynthese ist die Bewegungsstabilität. Bei der Ent- die Meinung durchgesetzt, dass eine völlige Entlastung nicht
scheidung, ob konservative oder operative Vorgehensweise förderlich ist. Nur bei schweren Gelenkschädigungen wird in
müssen Faktoren wie Allgemeinzustand, Nebenverletzungen, den ersten Wochen ganz entlastet, meist dürfen die Patienten
Frakturtyp, Alter oder Aktivitäten des Patienten bedacht wer- mit Minimalbelastung/Bodenkontakt gehen.
den. Funktionell sollen die Muskeln eingesetzt werden, die Druck
In äußerst seltenen Fällen, wenn Nebenerkrankungen eine entlastend auf das Hüftgelenk wirken. Dies sind bei der zentra-
Operation nicht zulassen, wird heute eine Extensionsbehand- len Pfannenfraktur ohne Luxationstendenz die Adduktoren und
lung durchgeführt (. Abb. 13.3). Diese Maßnahme kann die alle außenrotierenden Hüftgelenkbeuger und -strecker.
Wartezeit bis zur Operation überbrücken und zieht den Femur- Das Hüftgelenk soll im schmerzfreien Bereich hubarm ak-
kopf durch Zugsysteme nach lateral und kaudal. tiv/assistiv und passiv bewegt werden. Behutsame Traktion und
Die Gefahr einer Thrombose oder Pneumonie sowie wei- langsame Umkehrbewegungen sind geeignete Techniken, um
terer Immobilisationsschädigungen am Bewegungsapparat ist dieses Ziel zu erreichen. Die Beckenabduktion/-extension soll
groß; daher sollte diese Behandlung nicht zu lange andauern. in der Rückenlage geschult werden (. Abb. 14.10).
Eine ausreichende Thromboseprophylaxe ist notwendig
(7 Kap. 3.2).
Behandlungsmöglichkeiten 5. Dekubitusprophylaxe
Falls der Patient eine längere Liegezeit hat, sollte er auf einer
Grundsätzliches Vorgehen Schaumstoffmatte, einem Schaffell oder Dekubitusbett gelagert
In der Proliferationsphase konzentrieren sich die physiothera- werden.
peutischen Maßnahmen auf Thrombose- und Pneumoniepro- Auf korrekte Körperpflege ist zu achten.
phylaxe sowie auf die Unterstützung des Heilungsverlaufes für
Knorpel, Knochen und Bindegewebsstrukturen. 6. Erhalten der Funktion der nicht betroffenen Extremitäten
In . Übersicht 13.1 sind die Schwerpunkte der physiothe- Übungen in der geschlossenen Kette zum Erhalt der Beweglich-
rapeutischen Behandlung nach Azetabulumfrakturen zusam- keit und Kraft der Muskulatur.
mengefasst. Zur Erhaltung der Elastizität und Kraft der Muskulatur der
Arme und des gesunden Beins sollen Widerstandsübungen z.B.
mit Theraband überwiegend als Hausaufgabenprogramm geübt
. Übersicht 13.1. Gesichtspunkte der Behandlung werden. Zu beachten ist jedoch, dass die Übungen vorgeübt und
Frühstadium richtig ausgewählt werden.
1. Thrombose- und Embolieprohylaxe.
2. Pneumonieprophylaxe. ! Cave
3. Lagerungskontrolle. Durch Widerstandsarbeit des gesunden Beins entstehende
4. Verbesserung der Durchblutung. Overflow-Reaktionen, die Abduktionsspannung auf die Azeta-
5. Dekubitusprophylaxe. bulumfraktur übertragen, müssen vermieden werden. Sie wür-
6. Erhaltung der Funktion der nicht betroffenen Extremi- den eine Druckbelastung erzeugen. Daher sollten die Bewe-
täten. gungsmuster Extension/Abduktion und Flexion/Abduktion auf
7. Herabsetzen der Muskelspannung und Entlastung des der nicht betroffenen Seite nur gegen Führungskontakt ge-
Hüftgelenks (Schwerpunkt der Frühbehandlung). übt werden.
8. Einschleifen der Hüftgelenkbeweglichkeit unter Zug
(abgenommene Schwere des Beins). Bei Widerstandsübungen für die Unterschenkel- und Fußmusku-
9. Bewegungsbad. latur muss der Oberschenkel passiv fixiert werden. Die Übungen
Nach ca. 4 Wochen erfolgen aus der Rückenlage mit seitlichem Überhang des Un-
10. Einüben der verschiedenen Belastungsstufen. terschenkels.
11. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten, Gehschu-
lung. 7. Reduzierung der Muskelspannung der betroffenen Hüft-
gelenkmuskulatur
Unter der Zielsetzung der Druckentlastung des Hüftgelenks soll
die Spannungserhöhung der Mm. gluteus medius und minimus
1./2. Thrombose- und Pneumonieprophylaxe abgebaut werden.
Siehe 7 Kap. 3, »Prä- und postoperative physiotherapeutische Mögliche Verfahren sind:
Behandlung«. 5 bewusstes Entspannen nach Schaarschuch-Haase,
5 entspannte Lagerung,
3. Lagerungskontrolle 5 bewusstes Anspannen und Lösen der Spannung,
Nullstellung im Hüftgelenk in Schaumstoff-U-Stellung. 5 »Rhythmische Stabilisation – Entspannen«, gegen Füh-
Bei Extensionsbehandlung für Hüft- und Kniegelenk so ge- rungskontakt und mit weicher Traktion (ohne Rotation),
streckt wie möglich, mit Abstützmöglichkeit des Fußes. 5 weiche Massagegriffe, wenn alle Operationsnarben reizlos
verheilt sind.
4. Verbesserung der Durchblutung
Spannen im Sekundenrhythmus. 8. Schulen der Hüftgelenkbeweglichkeit des betroffenen
Resorption des postoperativen Ödems bzw. Hämatoms Beins
durch kühlende Umschläge nur am ersten Tag. Dazu können dynamische Umkehrbewegungen unter Abnahme
Bettende etwas hochstellen bei ansonsten möglichst flacher der Beinschwere und unter Traktion aus Rücken- und Seiten-
Lagerung. Pumpbewegungen mit dem Fuß. lage ausgeführt werden. Mögliche Bewegungsrichtungen sind
Manuelle Lymphdrainage. von:
5 Nullstellung in Adduktion/Außenrotation,
5 Nullstellung in Adduktion/Flexion/Außenrotation,
5 Flexion/Rotationsnullstellung in Extension/Adduktion/
Außenrotation.
254 Kapitel 13 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Hüftgelenks
Infrage kommen Beckenbewegungen im PNF-Muster. Dabei Das Gehen mit Unterarmstützen wird durch Schrittfolgen über
1 werden Punktum fixum und mobile vertauscht. Waagen kontrolliert und auf die ärztlich vorgegebene Belastung
Hubarmes Bewegen ist außerdem im Schlingengerät und eingestellt (7 Kap. 16).
2 im Bewegungsbad möglich. Anfangs kann die CPM-Schie-
ne im schmerzfreien Bewegungsbereich eingesetzt werden
Ausweichbewegungen (z.B. Trendelenburg- oder Duchen-
ne-Hinken) werden korrigiert; die Belastung muss ggfs. durch
(. Abb. 17.6). den Einsatz von Gehhilfen reduziert werden.
3 In jedem Fall muss der Patient die zunehmende Belastung
9. Bewegungsbad beim Gehen beschwerdefrei umsetzen können. Tragfähigkeit
Im Bewegungsbad kann durch die Auftriebskräfte des Wassers und Belastung müssen aufeinander abgestimmt werden. Auf-
4 entlastend geübt werden. tretende Ermüdungszeichen und Schmerzen müssen Beach-
tung finden.
5 Wichtig Erst zwischen 12 und 16 Wochen soll das freie Gehen ohne
Gehhilfen erarbeitet bzw. erreicht werden.
Schwimmstile, die die Glutealmuskulatur vermehrt belasten,
6 sollen vermieden werden. Die Bewegungen sollen langsam
ausgeführt werden. Zu berücksichtigen ist zudem der Allge-
Übungsbeispiele
meinzustand des Patienten. Das warme Bewegungsbad stellt
7 eine hohe Anforderung an den Kreislauf. Proliferations- und Konsolidierungsphase
Ausgangsposition
8 Seitenlage. Bein in Nullstellung.
10. Einüben der Minimalbelastung und weiterer Belastungs-
9 steigerungen
Gehen mit Teilbelastung wird eingeübt, wenn das Röntgenbild
Übung
5 Beckenadduktion und -außenrotation.
nach ca. 5 Wochen eine Steigerung der Belastung erlaubt. Kontakt: Beckenkamm und Spina ilica anterior superior.
10 Eine Belastung ≥ 15 kg soll erst nach 12 Wochen erfolgen.
Diese setzt voraus, dass bereits eine funktionelle Tragfähigkeit Übung
erreicht ist. Die Glutealmuskulatur und der M. tensor fasciae la- 5 Beckenadduktion, -flexion und -außenrotation.
11 tae müssen in ihrer Funktion geschult werden, d.h., sie müssen
das Becken über dem Standbein in der Waage halten können. Ausgangsposition
12 Die Belastungssteigerung ist abhängig von der sensomoto- Rückenlage. Bein in Flexions-/Extensionsnullstellung.
rischen Kontrolle des Hüftgelenks beim Stehen und Gehen und
von dessen Schmerzfreiheit. Übung
13 5 »Flexion/Adduktion/Außenrotation zum gebeugten Knie«.
11. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten Technik: Dynamische Umkehrbewegung mit Traktion und
14 Bis zur 12. Woche mit Teilbelastung Führungskontakt.
Die Funktion der kleinen Glutäen wird in der geschlossenen
Kette optimal eingeübt. Vorbereitend wird das Gehmuster im Ausgangsposition
15 Liegen geübt. Alle Übungsformen nutzen die Eigenschwere des Schmerzfreie Flexionsstellung, Adduktions-/Abduktionsnull-
Körpers oder externe Widerstände aus. Die Übungen sollen va- stellung, Knie gebeugt. Das gesunde Bein liegt in leichter Ab-
riiert werden durch verschiedene Ausgangsstellungen, stabile duktion auf der Unterlage.
16 oder labile Unterstützungsflächen, Techniken wie »Betonte Be-
wegungsfolge« gegen manuellen Widerstand und den Einsatz Übung
17 von Geräten (Theraband, Zuggeräte, Laufbänder, Trampolin, 5 »Extension/Adduktion/Außenrotation zum gestreckten
Fußkreisel). In der Konsolidierungsphase kontrolliert der Pati- Knie«.
ent seine Belastungsstufe auf der Waage. Technik: Dynamische Umkehrbewegung mit Traktion und
18 In verschiedenen Positionen werden Haltewiderstände ge- Führungskontakt.
setzt. Stufenweise eingeübt und kontrolliert werden: 5 Dasselbe aus Seitenlage.
19 5 Aufstehen aus dem hohen Sitz, 5 Zwischengeschaltet werden feine Traktionen in entlasteter
5 Stehen, Hüftgelenkstellung.
5 Gehen,
20 5 Treppensteigen auf-und abwärts.
21
13.2 Hüftgelenkluxation
255 13
Übung Wichtig
5 Bewegungsübergang von Rücklage über die gesunde Seite
zum hohen Sitz an der Bettkante und in den Einbeinstand Mittels der Gehübungen sollen Gehfehler und Hinkformen
auf dem gesunden Bein. korrigiert werden!
Übung
5 Im hohen Sitz Stabilisation im Einbeinstand. Gewichts-
verlagerung nach vorne, hinten, zur Seite sowie freie Arm- 13.2 Hüftgelenkluxation
und Rumpfbewegungen zur Kontrolle der Beinstabilität.
Einteilung
Spätstadium (nach der 10. Woche)
Übung Die Luxation wird nach der Luxationsrichtung benannt:
5 Bridging mit kon- und exzentrischer Bewegungsfolge; ak- 5 Luxatio posterior iliaca,
tiv, gegen angepassten Widerstand oder auf instabiler Un- 5 Luxatio posterior ischiadica,
terlage, z.B. Ballkissen oder Therapieball (7 Kap. 6, 12). 5 Luxatio anterior pubica,
5 Luxatio anterior obturatoria,
Ausgangsposition 5 zentrale Luxation (= Azetabulumfraktur).
Stand.
Stabilisationsübungen Ursachen
5 Im Stand und in verschiedenen Schrittstellungen auf der
Waage unter Beachtung der vorgegebenen Belastung. 5 massive direkte oder indirekte Gewalteinwirkung, oft mit
5 Bei Freigabe der Belastung Stabilisation auf dem Sport- Rotationsmechanismus in Beugestellung des Hüftgelenks,
kreisel, Ballkissen, Schaukelbrett oder Trampolin in sta- z.B. bei Auffahrunfall, wenn das Knie gegen das Armatu-
tisch und dynamisch stabilisierten Positionen nach Bizzini renbrett prallt,
(2000) (7 alle folgenden Kapitel). 5 Aufprall auf den Trochanter aus großer Höhe,
5 Motorradunfall (sehr selten).
Gehschulung
Unter Beachtung der vorgegebenen Belastungssteigerung bei
entsprechender Tragfähigkeit. (Weiche Sohlen, feste Schuhe!) Charakteristische Symptome/Leitsymptome
5 Aufstehen aus dem hohen Sitz oder vom Therapieball in
den Zweibein- oder Einbeinstand. Haltearbeit, Stabilisati- 5 federnde Fixation,
on der Bein-Becken-Rumpf-Achse in verschiedenen Positi- 5 Beinverkürzung,
onen (7 Kap. 6, 12). 5 starke Schmerzen,
5 Gehen mit Unterarmstützen ohne Ausweichbewegungen. 5 typische Position des Hüftkopfes,
5 Gehen auf unebenem, weichem oder hartem Boden, auch 5 Bewegungsunfähigkeit,
auf der Stelle gegen Widerstand des Zuggerätes, vorwärts 5 Peroneuslähmung bei N.-ischiadicus-Verletzung.
oder seitwärts gehen (. Abb. 12.11, 12.12).
5 Gehen mit Tempo- und Richtungswechsel.
5 Stand auf dem Trampolin, Auf- und Absteigen auf das/ Behandlungsrichtlinien und therapeutische
vom Trampolin (. Abb. 5.8). Maßnahmen
5 Treten auf dem Trampolin. Gegengleiche Armbewegungen
oder Werfen und Fangen eines Balls. Eine Luxation entsteht, wenn die verursachende Kraft auf das
5 Gehen, aufwärts und abwärts auf der Treppe und der Ram- gebeugte Hüftgelenk einwirkt.
pe. Luxationen betreffen Patienten der Altersgruppe von 20–40
Jahren; da der Knochen noch sehr stabil ist. Bei Patienten an-
Abtrainieren der Gehhilfen (zwischen 12. und 16. Woche) derer Altersgruppen würde der Schenkelhals oder die Epiphyse
5 Gehen auf Laufband, leichtes Lauftraining, Gehen gegen brechen. Die Bandverbindungen des Hüftgelenks sind sehr fest.
Widerstände. Damit es zu einer Luxation kommt, bedarf es einer sehr groß-
en Gewalteinwirkung.
Bei einer dorsalen Luxation wird häufig der N. ischiadicus
geschädigt (N. fibularis). Bei einer ventralen Luxation können
256 Kapitel 13 · Frakturen und Luxationen im Bereich des Hüftgelenks
die Gefäße in der Leiste abgeschnürt werden, was eine erheb- ! Cave
1 liche Durchblutungsstörung nach sich zieht. 5 Bei der dorsalen Luxation dürfen keine Bewegungen in
Flexion/Adduktion/Innenrotation geübt werden. Die Hüft-
Wichtig
2 gelenk belastende Bridging-Position und der Sitz sind zu
vermeiden.
5 Bei einer Luxation nach dorsal steht das Bein in Innen-
5 Entsprechend sind bei der ventralen Luxation forcierte Be-
3 rotation/Adduktion und leichter bis stärkerer Flexion des
Hüftgelenks.
wegungen in die Extension/Außenrotation zu vermeiden.
16
17
18
19
20
21
13.2 Hüftgelenkluxation
257 13
Befunderhebung
Messen 5 Funktionelle und anatomische Beinlänge im Seitenvergleich. Die funktionelle Beinlänge ist später im Stand mit
Beckenwaage und Brettchenunterlegung zu überprüfen.
5 Umfangmaße.
5 Aktive Gelenkmaße:
– Abduktion, Flexion bis 60/90°,
– Innenrotation 10°,
– Extension im Hüftgelenk bis Nullstellung,
– Knieflexion und -extension,
– Dorsalextension, Plantarflexion, Pro- und Supination im Sprunggelenk.
Wichtig Übungsbeispiele
1
Overflow-Reaktionen richtig einsetzen! Bei Übungen im Proliferationsphase
2 geschlossenen System verstärken sich die Abduktoren
gegenseitig (7 Kap. 12, »Beckenfrakturen«).
In dieser Phase werden Bewegen und Halten gegen Führungs-
kontakt bei ausgeschalteter Schwerkraft ausgeführt.
3 Ausgangsposition
5. Funktionsschulung des Hüftgelenks und der Muskulatur Rückenlage.
des betroffenen Beins
4 Geeignete Techniken sind z.B. kontrollierte dynamische Um- Übung
kehrbewegungen unter manueller Traktion und mit abgenom- 5 Beckenabduktion.
5 mener Beinschwere (hubfreie Bewegungen). Dabei sind die 5 Dasselbe mit Beckeninnenrotation.
vom Arzt vorgegebenen Bewegungsbegrenzungen zu beachten.
Bei allen hinteren Luxationen ist Extension/Abduktion/ Übung
6 Rotationsnullstellung oder bis 10° IR in freier Form möglich. 5 Dynamische Abduktion unter Abnahme der Beinschwere.
Günstig ist auch das PNF-Beckenmuster im Liegen oder als 5 Dasselbe mit Beckenextension.
7 Übung im geschlossenen System aus dem hohen Sitz (7 Kap. 6,
12, 14). Ausgangsposition
Hoher Sitz am Bettende, betroffenes Bein auf einer Waage ab-
8 ! Cave gestellt.
Die Gefahr der Reluxation besteht am häufigsten bei Adduk-
9 tionsbewegungen, v.a. in Kombination mit Außenrotation und
Flexion.
Übung
5 Dynamische Beckenabduktion durch Schieben der Ferse in
Richtung Waage, bis die erlaubte Teilbelastung erreicht ist
10 Nach 6–8 Wochen sind Übungsformen gegen manuellen Wider- und Position halten.
stand und unter Teilbelastung im geschlossenen System mög-
lich. Dabei muss die vorgegebene Belastungsstufe eingehalten Übung
11 werden. 5 Aufstehen in Einbeinstand auf der gesunden Seite. Becken-
Weitere Aktivitäten des verletzten Beins, die den Patienten Rumpf-Kontrolle durch Stabilisationsübung.
12 wieder in die volle Selbständigkeit, Belastungsfähigkeit, in Be-
ruf und sportliche Betätigung führen sollen, sind den Behand- Übung
lungszielen der Umbauphase zugeordnet. Um einer drohenden 5 Gewichtsübernahme, z.B. Minimalbelastung von 15 kg auf
13 Hüftkopfnekrose vorzubeugen, müssen jedoch die zeitlichen der Waage in verschiedenen Gelenkpositionen: Zweibein-
Vorgaben des Arztes beachtet werden. stand, Schrittstellung, betroffenes Bein vorne oder hinten.
14 Voraussetzung für eine optimale Muskelsicherung des Hüft-
Nach ca. 6 Wochen
gelenks ist die physiologische Funktion der Glutealmuskulatur
im Stand und beim Gehen (. Abb. 12.12). Alle bisher genannten Übungen können jetzt gegen Theraband,
15 Bei Bewegungseinschränkungen werden entsprechend der Züge oder manuelle Widerstände ausgeführt werden.
Qualität der Bewegungsstopps PNF-Entspannungstechniken
oder Techniken der Manuellen Therapie (Maitland, Kaltenborn, Übung
16 Frisch) ausgeführt. 5 Unterstütztes Bridging gegen die Eigenschwere; gegen an-
Übungen im Bewegungsbad sind geeignet, um das Hüftge- gepassten Widerstand erst in der Konsolidierungsphase.
17 lenk entlastet zu mobilisieren. Zu beachten ist jedoch das Luxa- Techniken: Endstellung – Halten, Betonte Bewegungsfolge.
tionsmuster und die entsprechende Reluxationsgefahr. 5 Dasselbe, mit den Füßen auf der Stelle treten, ein Bein ab-
heben, jedoch erst in der Umbauphase.
18 ! Cave
Bis zur 6./7. Woche sind Flexionsübungen nur bis 60/90° auszu- Ausgangsposition
19 führen, je nach Verordnung! Bauchlage.
Übung Die Abbildung 13.3 stellte mir Frau Claudia Klose, PT-Schule am BKH
5 In statisch stabilisiertem Zweibeinstand: Günzburg, zur Verfügung.
– statisch Einbeinstand stabilisieren,
– dynamisch Zweibeinbeugestellung (3-Flex-Stand) sta-
bilisieren,
– dynamisch Einbeinbeugestellung (4-Flex-Stand) stabi-
lisieren (7 Kap. 5, 6, 12 und 16).
Gehschulung
Siehe 7 Kap. 13.1, »Azetabulumfraktur« und 7 Kap. 12, 14 und
16.
14
Schenkelhalsfraktur
Wichtig
16 Behandlungsrichtlinien und therapeutische
5 Alle Osteosynthesen werden entsprechend ihrer mecha-
Maßnahmen
17 nischen Stabilität bewertet. Der erreichte Stabilitätsgrad
richtet sich nach der Art der verwendeten Osteosynthe-
Aufgrund der reduzierten motorischen Koordinationsfähigkeit
se und dem Zustand der knöchernen Struktur (Osteopo-
im Alter und der zunehmenden Osteoporose ist die Schenkel-
18 halsfraktur eine typische Fraktur des älteren Menschen. rose).
5 Eine vom Arzt erlaubte axiale Vollbelastung bedeutet
noch keine Trainingsstabilität.
19 Ärztliche Behandlung
Zur Diagnostik werden Beckenübersichts- und Lauensteinauf-
nahmen gemacht. Die axiale Röntgenaufnahme ermittelt eine Richtungsweisende Faktoren für die ärztliche Versorgung sind:
20 Dislokation in der axialen Ebene, die evt. sonst übersehen wür- 5 Durchblutungssituation im Frakturbereich (. Abb. 14.7),
de. Bei Verdacht auf Hüftkopfnekrose wird ein Szintigramm ge- 5 Knochendichte,
21 macht. 5 Unfallmechanik (Adduktions- oder Abduktionsfraktur),
14 Schenkelhalsfraktur
263 14
a b c
. Abb. 14.1a-c. a Schenkelhalsfraktur, b Osteosynthese mit DHS und Zugschraube, c seitliche Aufnahme der Osteosynthese
a b c
5 Frakturwinkel nach Pauwels (. Abb. 14.8), kelablösungen können die Entwicklung einer heterotopen Kalzi-
5 mediale Abstützung am Adam-Bogen und fikation hervorrufen.
5 Alter des Patienten (biologisches Alter). Mediale und intermediäre Schenkelhalsfrakturen sind intra-
kapsuläre Frakturen. Der Hüftkopf wird zu fast 100 durch die
Auch Schnittführung und Blutstillung scheinen sich auf die Kapselgefäße ernährt. Das kleine Gefäß im Lig. capitis femoris
Frakturheilung auszuwirken. Hämatome und großzügige Mus- spielt schon im Alter von 30 Jahren keine Rolle mehr. Die Kap-
264 Kapitel 14 · Schenkelhalsfraktur
2
3
4
5
6
a b
10
11
12
13
14 Kapselgefäß der
A. circumflexa
femoralis lateralis
15
16
A. femoralis
17 A. circumflexa
femoralis medialis
18 A. circumflexa
femoralis lateralis
A. femoralis Arteriae
19 profunda nutriae des
Femurkopfes
selgefäße verlaufen dorsal-kranial in der Synovia bis zum Fe- Scherkräfte verzögern die Heilung der Fraktur und sollen des-
murkopfknorpel und weiter in den Knochen. Die metaphysären halb vermieden werden.
Gefäße verlaufen intraossär zum Hüftkopf. Für den Zusammenhalt des Hüftgelenks ist nach Kapandji
(1985) und den Brüdern Weber der Luftunterdruck verantwort-
Wichtig lich (Magdeburger Halbkugeleffekt, 7 Kap. 13). Darüber hinaus
wirken alle Bänder des Hüftgelenks (Ligg. iliofemorale, pubofe-
5 Bei einer medialen Fraktur sind die subkapitalen Ge-
morale, ischiofemorale) in der Streckstellung stabilisierend. Sie
fäße unterbrochen, und das Hüftkopffragment wird nicht
strahlen in die Zona orbicularis ein und können auf diese Wei-
mehr versorgt.
se den Femurkopf in der Pfanne zentrieren. Ihre Wirkungswei-
5 Bei intermediären und lateralen Frakturen wird der
se ändert sich jedoch bei Beugung, so dass diese Stellung, v.a.
Hüftkopf nur über die metaphysären Gefäße ernährt. Zu-
mit Adduktion und Außenrotation verbunden, eine instabile
dem komprimiert das Frakturhämatom die venösen Kap-
Gelenkstellung ergibt.
selgefäße. In manchen Unfallkliniken wird das Hämatom
Nach Loeweneck (1994) reduziert sich die Kraft aufneh-
daher präoperativ punktiert.
mende Kontaktfläche der Pfanne im Laufe des Lebensalters auf
ein kleines Gebiet am Pfannendach.
Um eine Hüftkopfnekrose zu vermeiden, muss notfallmäßig Nach Bonnaire (1991, 1992) ist die günstigste stabile, trag-
operiert werden. Es besteht nur dann die Chance, den Hüft- fähige Osteosynthese am lateralen Schenkelhals die dynamische
kopf zu erhalten, wenn neue Gefäße in den Hüftkopf einsprie- Hüftschraube, vorzugsweise ergänzt mit einer Zugschraube. Sie
ßen können. Die Ischämiezeit beträgt 6 Stunden (Weigel, Ner- hält einer 1962-N- (200 kp-)Belastung stand. Die Verformungen
lich 2005). nehmen im Einbeinstand (Beckenadduktion) leicht zu. Voraus-
Es ist einsehbar, dass ein konservatives Vorgehen nur für setzung ist allerdings eine gute Knochenstruktur.
jüngere Patienten geeignet ist, die eine gute Spongiosastruk- Beim Gehen koordinieren die axial und spiralförmig ange-
tur besitzen und körperlich in der Lage und zudem zuverlässig ordneten Muskelketten die Beinachse und den Bewegungsab-
sind, das Bein 3 Monate lang zu entlasten. lauf. Mm. gluteus maximus, medius und minimus, M. tensor
fasciae latae, M. quadriceps und M. gastrocnemius sind die Ga-
Anforderungen an die Osteosynthese ranten der Standbeinphase. Der M. sartorius wird im Hüftge-
Die Beurteilung der biomechanisch wirksamen Kräfte in Scher- lenk- und Kniegelenkbereich gedehnt und gleicht einem straf-
und Druckkräfte erfolgt nach Pauwels (. Abb. 14.8). Die Eintei- fen Band. Durch seinen spiralförmigen Verlauf gibt er Knie-
lung wird entsprechend den Frakturwinkeln in Pauwels I, II, und Hüftgelenk eine Rotationsstabilität. Er unterstützt das me-
oder III vorgenommen. Zug- und Scherkräfte müssen mittels diale Seitenband des Kniegelenks und die Innenrotationswir-
der Osteosynthese in Druckkräfte umgewandelt werden, um ei- kung des M. tibialis anterior auf den Unterschenkel (Bizzini
ne mechanische Stabilität zu gewährleisten. 2000, Beinachsentraining im geschlossenen System).
Funktionell wirken die Spannungskräfte der Mm. gluteus Diese Überlegungen müssen bei der zu planenden opera-
medius und minimus als Druckkräfte auf die Fragmente; ab- tiven Versorgung der Schenkelhalsfraktur und der anschlie-
scherend wirken Mm. gluteus maximus, iliopsoas, rectus fe- ßenden Bewegungstherapie miteinbezogen werden.
moris, Mm. adductores, Außenrotatoren und die Schwerkraft.
Z
Ks
a 1 2 3 b
. Abb. 14.8a,b. a Einteilung der Schenkelhalsfrakturen nach Pauwels, b Scherkräfte bei Pauwels-III-Fraktur. R Resultierende des Kräfteparallelo-
gramms, Z Zugkraft, K Körpergewicht, O Drehpunkt
266 Kapitel 14 · Schenkelhalsfraktur
Implantation einer Endoprothese Langzeitergebnisse über Risiken und Vorteile der AMIS-Tota-
1 Nach v. Lanz u. Wachsmuth (2003) hat die Pfannenebene beim lendoprothese stehen noch aus. Neue Implantatmaterialien und
Erwachsenen einen Winkel von 41° nach laterokaudal und 40° -formen werden ständig weiterentwickelt, um Methoden und
2 nach ventral. Bei der Implantation einer Totalendoprothese
muss der Pfanneneingangswinkel der künstlichen Pfanne zur
Langzeitstabilität der Implantate zu verbessern, z.B. Modulpro-
thesen, die individuell angepasst werden können.
Horizontalen und Sagittalen die gleiche Stellung erhalten, um Alle Patienten haben nach einer primär stabilen Endopro-
3 eine sichere Stellung des Prothesenkopfes in der Pfanne zu ga- these keine Frakturschmerzen mehr. In der Literatur wird für
rantieren. Bei steilerem Pfanneneingangswinkel und zu großem alle Implantate eine Langzeitstabilität von 10–15 Jahren angege-
Prothesenkopf besteht Luxationsgefahr! ben. Jüngere Patienten müssen sich auf einen Prothesenwech-
4 sel einstellen.
Wichtig Eine erfolgreiche Langzeitstabilität der Endoprothese ist
5 Traditionell sind Totalendoprothesen durch drei Zugänge
auch abhängig von einer sorgfältigen physiotherapeutischen Be-
handlung und Einstellung der Belastung auf das Hüftgelenk in
möglich (Weigel, Nerlich 2005):
der Proliferationsphase.
6 5 anterolateral (nach Watson-Jones),
5 lateral, transgluteal (nach Bauer), Wichtig
5 dorsal (nach Moore).
7 Alle Belastungen auf das Hüftgelenk sollen in den ersten 6
Wochen grundsätzlich unter dem 2-fachen Wert des Körper-
8 Vorderer Zugang. Der vordere Zugang hat den Vorteil, dass die gewichts liegen (Wirtz, Heller, Niethard 1998).
Kapsel ohne große Präparation erreicht wird (s. auch AMIS-En-
doprothese). Der Nachteil besteht darin, dass man den M. glu-
9 teus medius an der Trochanterspitze abtrennen und später wie- Stabilität der Implantate
der inserieren muss. Daraus resultiert häufig eine postoperative Die Belastung des Hüftgelenks variiert je nach Körperposition.
10 Schwäche der Glutealmuskulatur. Der Vorteil des dorsalen Zu- Bergmann et al. (1989, 1992) beschreiben Messungen der Hüft-
gangs liegt in der guten Übersicht; Nachteil ist die erhöhte Luxa- gelenkbelastung mit einer telemetrischen Messendoprothese im
tionsgefahr nach dorsal. Verhältnis zum Körpergewicht.
11
Transglutealer Zugang. Beim transglutealen Zugang wird die Ausgangsposition Vielfaches des
12 Glutealmuskulatur gespalten, ebenso die Fascia latae. Die Über- Körpergewichts
sicht ist sehr gut, es besteht jedoch die Gefahr der Verletzung
Rückenlage 0,3-faches
des N. femoralis und der Schwächung der kleinen Glutäen.
13 Sitzen 0,3-faches
AMIS-Endoprothese. Die AMIS-Endoprothese eignet sich für
Aufstehen ohne Händeabstützen 2,2-faches
14 schlanke, junge und gesunde Patienten und bedarf einer sorg-
fältigen Evaluation vor dem Eingriff. Sie erfordert vom Ope- Aufstehen mit Händeabstützen 1,1-faches
rateur eine große Erfahrung. Durch zwei kleine Schnitte vent-
15 ral und lateral wird die Glutealmuskulatur in geringerem Ma- Stand auf beiden Beinen 0,7-faches
ße gespalten oder abgetrennt als bei den traditionellen Zugän- Gehen 4,5-faches
gen. Das Implantat unterscheidet sich nicht. Bei der Implan-
16 tation hat der Operateur keine Sicht, daher muss das Einbrin-
gen unter Röntgenkontrolle geschehen. Nach AAOS (Ameri- Mit Unterarmstützen kann im Drei-Punkte-Gang die Belastung
17 can Academy of Orthopedic Surgeons) dauert eine AMIS-To- um 25 gesenkt werden.
talendoprothesen-Operation 2- bis 3-mal länger als eine kon- Die Gehgeschwindigkeit verstärkt die Belastung des Hüft-
ventionelle Endoprothesenoperation. Zudem stellen Strahlen- gelenks:
18 belastung und - dauer ein gewisses Risiko dar. Vorteile dieser 5 Gehen mit einer Geschwindigkeit von 0,8 m/sec erhöht die
Methode sind: Belastung um das 4,1-fache,
19 5 kosmetisch kleinere Narben, 5 Gehen mit einer Geschwindigkeit von 1,6 m/sec um das
5 geringere Muskelschädigungen und 6,9-fache des Körpergewichts (Röhrle et al. 1984).
5 schnellere Mobilisierung.
20
21
14 Schenkelhalsfraktur
267 14
Leider halten sich ungeduldige Patienten oder Ärzte nicht an 5 hoher Sitz in strecknaher Hüftgelenkposition mit ange-
1 die sehr sinnvollen Belastungsstufen, so dass die Ergebnisse lehntem Rücken,
nicht immer gut sind. 5 Stand mit Hilfsmitteln oder
2 Nach 8–12 Wochen kann eine Totalendoprothese i.d.R. voll 5 Halbsitz auf der Therapiebank bei erlaubter Teilbelastung
belastet werden. (. Abb. 14.9).
Bei Patienten mit Trochanterabtrennung oder intraopera-
3 tiver Ablösung der Mm. gluteus medius und minimus muss ei- Die biomechanischen Gesetzmäßigkeiten gelten für alle Ver-
ne entsprechend niedrige Belastungsstufe gewählt werden. Das sorgungen. Physiotherapeuten müssen verantwortlich abwä-
Training der Mm. gluteus medius und minimus bis Testwert 3 gen, welche Belastungsstufe sie in der Frühbehandlung vom Pa-
4 dauert lange (Becken-Bein-Stabilisation im Einbeinstand). tienten fordern. Am besten unterstützt der Wechsel von Bewe-
Bei Einsetzen von Variokopf- oder Langschaftprothesen wer- gung und adäquater Belastung den Heilungsprozess.
5 den die Glutäen an der Prothese fixiert. Diese Prothesen sind
besonders luxationsgefährdet und bedürfen einer mindestens Wichtig
4-wöchigen Entlastungszeit. Auch bei diesen Patienten ist die
6 Funktion der kleinen Glutäen nur sehr langsam zu erreichen. Als häufigste Ursachen für eine schlechte Ausheilung der
Fraktur oder eine Luxation der TEP gelten:
5 Bewegungsmuster mit scherender Wirkung wie Flexion/
7 Wichtig
Adduktion/Außenrotation, z.B.:
Schüler sollten sich die Informationen über operative Versor- – Sitzen mit übergeschlagenen Beinen,
8 gung aus OP-Bericht und Röntgenbild einholen. – Drehen von Rückenlage in Seitenlage über die ge-
sunde Seite und in den Sitz,
– Sitzen in tiefen Sesseln,
9 Physiotherapeutische Behandlung – Sitzen im Bewegungsbad, Flexionsübungen am Be-
ckenrand,
Eine Bewegungsstabilität sinnvoll zu nutzen, bedeutet, exakt die
5 Brustschwimmen,
10 Muskelspannung oder das Körpergewicht auf die Osteosynthe-
5 zu starke Belastung des Hüftgelenks in Beugestellung.
se zu bringen, die deren Tragfähigkeit zulässt. Übungen im ge-
Alle diese Bewegungsmuster sind streng zu vermeiden, da
schlossenen und offenen System müssen entsprechend niedrig
11 dosiert werden. sie zu einer TEP-Lockerung oder Refraktur führen können.
Während der ersten 6 postoperativen Wochen wird die Be-
12 handlung folgendermaßen eingestellt:
. Abb. 14.9. Hoher Halb-
Aktiv/assistives Üben der Muskulatur, die Druck auf die Frag-
sitz an Bankkante, Standbein
mente ausübt (abgenommenes Beingewicht), jedoch nicht mit
13 langem Hebel und nicht gegen die Schwerkraft.
auf der Waage zur Kontrolle
der Belastungsstufe
14 Wichtig
men, sondern durch Gewichtsverlagerung und aus der Bein- Vom 1. Tag an können die Sprunggelenke in alle Richtungen
1 kraft gearbeitet werden. gegen angepassten manuellen Widerstand dynamisch geübt
Selbstverständlich muss das Bett auf die richtige Arbeitshöhe werden.
2 eingestellt werden. Mit den heute höhenverstellbaren und kipp-
baren Betten kann der Patient mit oder entgegen der Schwer-
Die fehlende Beugung des Kniegelenks wird im seitlichen
Überhang bei unveränderter Hüftgelenkstellung mobilisiert.
kraft bewegt werden. Auch dies schont den Rücken der Thera- Der Patient liegt dabei leicht schräg im Bett, und der Oberkör-
3 peuten (7 Rückengerechter Patiententransfer in der Kranken- per kann leicht erhöht liegen.
und Altenpflege, GUV 2002). Aktive Techniken wie »Dynamische Umkehr – Halten –
Der Patient sollte möglichst bald aktiv beim Transfer mit- Entspannen« oder »Rhythmische Stabilisation – Entspannen«
4 helfen. reichen aus, um die muskuläre Abwehrspannung zu lösen. Das
Der Transfer vom Sitz zum Stand wird grundsätzlich über Femur wird oberhalb des Kniegelenks passiv fixiert, damit die
5 die betroffene Seite durchgeführt. Über kleine assistive Brid- Spannung nicht in den Frakturbereich weitergeleitet wird.
gingbewegungen des gesunden Beins soll das Becken in klei-
nen Schritten zur Bettkannte bewegt werden. Dabei hält der ! Cave
6 Physiotherapeut das operierte Bein leicht in Abduktion. Beim Bei aktiven PNF-Techniken entfällt jegliche Rotationsbewegung
Drehen in den hohen Sitz an die Bettkante stützt sich der gleich- im Kniegelenk.
7 seitige Arm an der Bettkannte ab, der gegenseitige Arm hält
an der Schulter des Therapeuten fest. Dann senkt der Thera- Häufig hindert die laterale Narbe die Dehnfähigkeit der
peut das Bein langsam zum Boden ab. Der Stand muss durch Mm. tensor fasciae latae und vastus lateralis des M. quadriceps.
8 Abstützen der Arme auf Unterarmstützen oder den Gehwagen Daraus entsteht eine schmerzhafte Kontraktur im Kniegelenk.
erfolgen. Nach Abheilung der äußeren Wunde können weiche Mas-
Können Patienten nicht in den Sitz oder Stand gebracht sagegriffe, eine Lymphdrainage und Narbendehnungen zur Lo-
9 werden, werden Ratschow-Umlagerungen mit dem höhenver- ckerung des Gewebes zwischengeschaltet werden.
stellbaren und kippbaren Bett gemacht. Bei Transfermöglich- Aktiv-passive Mobilisationsmaßnahmen kommen infrage,
10 keiten kommen auch Stehbrett oder Tilt Table zum Einsatz wenn der Bewegungsstopp festelastisch ist und der Messbefund
(. Abb. 6.9, 21.1, 16.20, 16.21). keine Bewegungsverbesserung ergibt. Es werden PNF-Tech-
niken mit aktiv-passivem Weiterziehen angewandt.
11 5. Erhalten der nicht betroffenen Arm- und Beinfunktionen Weiche, minimale translatorische Bewegungen und Be-
Siehe auch 7 Kap. 12, »Beckenfraktur« und 7 Kap. 13, »Frak- wegen unter Traktion finden Anwendung, wenn eine Kapsel-
12 turen und Luxationen im Hüftgelenkbereich«. schrumpfung als Ursache der Kontraktur angenommen wird
Entsprechend der individuellen Patientensituation müssen (am Ende der Konsolidierungsphase).
die Kräftigungsübungen bzgl. Ausdauer und Krafteinsatz gut
13 dosiert werden. 7. Aufbau der Muskelspannung zur Sicherung der Fraktur/
Alte Menschen können Verständnisschwierigkeiten zeigen, Stellung der Totalendoprothese
14 weshalb einfache Übungsformen und klare Übungsaufträge ge- Von besonderer Bedeutung ist der Spannungsaufbau der
wählt werden. Mm. gluteus medius/minimus und tensor fasciae latae, um
PNF-Übungen können selten perfekt ausgeführt werden. die Knochenheilung durch eine adäquate Druckspannung der
15 Das Prinzip jedoch ist gut verwendbar. Schieben, Stoßen, Zie- Fragmente aufeinander zu unterstützen. Diese wird durch die
hen, Stemmen in den Diagonalen sind verständliche Bewe- Spannung der abduzierenden Muskulatur gefördert.
gungsmuster. Häufiges Wiederholen gleicher Übungen ist si- Mit aktiv/assistiven und hubarmen Bewegungen ist die Do-
16 cher günstiger als ständiger Wechsel zu raffiniert ausgedachter sierungsstufe erreicht. Bei Kontrolle auf der Waage kann auch
Übungsformen. im geschlossenen System stabilisiert werden.
17 Bei Verstärkungstechniken sollte beachtet werden, dass die Jede Übungsserie beginnt mit Beckenabduktion. Möglich
Patienten nicht die Luft anhalten. sind isometrische Spannungsübungen gegen Führungskontakt
bei aufliegendem Bein (. Abb. 14.10) oder unterstützt durch
18 ! Cave den Arm des Physiotherapeuten dynamisch-assistive Übungs-
Übungen mit langem Hebel, gegen die Beinschwere oder äuße- formen.
19 ren Widerstand in der offenen Kette sind kontraindiziert. Kontakt wird seitlich am Becken angelegt, zur Kontrakti-
onshilfe wird approximiert. Die zweite Hand liegt plantar an
6. Mobilisation der Knie- und Sprunggelenke der Ferse oder am Fuß, wenn dieser in Plantarflexion span-
20 Die Mobilisation der Knie- und Sprunggelenke soll so früh wie nen soll.
möglich einsetzen, mindestens aber in der 1. postoperativen Anfangs kann die Beckenabduktion mit und ohne Verstär-
21 Woche. kungshilfen über den gegenseitigen Arm oder das andere Bein
14 Schenkelhalsfraktur
273 14
geübt werden (. Abb. 14.11 und 7 Kap. 22, PNF-Beckenmu- . Abb. 14.11. Extensions-/Abduktionsspannung bei aufgestelltem ge-
ster). sunden Bein als Verstärkung im Sinne des Gehmusters
Beckenextension und -innenrotation werden von der betrof-
fenen Seite oder der Gegenseite aus eingeleitet (. Abb. 12.4–
12.6). Abhängig von der Schnittführung gibt der Operateur die werden. Wegen der hohen Belastung für das Hüftgelenk soll das
Erlaubnis zur Rotation. Bridging in der Proliferationsphase assistiv (Halten des fraktu-
Die Beckenkontrolle wird im hohen Sitz durch Gewichtsver- rierten Beins) oder mit wenig Hub erfolgen. Das gesunde Bein
lagerung auf die betroffene Seite geschult. Der Fuß steht dabei wird aufgestellt. Die Arme können durch Abstützen gegen das
auf einer Waage, so dass die vorgegebene Belastungsstufe kon- Bett mithelfen (. Abb. 4.4).
trolliert werden kann. Der Rumpf soll dabei so weit wie möglich Wenn das Bett hochgepumpt werden kann, ist der hohe Sitz
über dem Becken in der Vertikalen stehen oder angelehnt sein. an der Kante möglich. Das betroffene Bein kann in Nullstellung
Die Arme können sich hinter der Körpermittellinie abstützen. auf der Waage oder auf dem Boden abgesetzt werden. In dieser
Eine weitere Möglichkeit ist das Einüben der Belastung aus dem Position kann die Stabilisation von Rumpf, Becken und Bein in
hohen Halbsitz an der Bankkante. Das betroffene Bein steht in der geschlossenen Kette erfolgen.
Knie- und Hüftgelenk gestreckt auf einer Waage (. Abb. 14.9).
9. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten, Gehschu-
8. Verbesserung der Funktion der Hüftgelenkmuskulatur un- lung
ter Berücksichtigung des Befundes: Ausdauer, Kraft, Koordina- Zunächst muss der Transfer vom Liegen über den Sitz in den
tion unbelasteten, minimal belasteten, teilbelasteten oder belasteten
Im Normfall soll baldmöglichst Muskelstufe 3 (Beckenkontrol- Stand eingeübt werden. Mit und ohne visuelle Kontrolle soll der
le) erarbeitet werden (7 Kap. 12, 15, 16). Patient die entsprechende Belastungsstufe auf der Waage wahr-
Für den Transfer zur Bettkante oder auf die Bettschüssel nehmen, den Einsatz der Gehhilfen koordinieren und in einer
sollte die Grundspannung des M. gluteus maximus erarbeitet Schrittfolge umsetzen.
274 Kapitel 14 · Schenkelhalsfraktur
Die Vorbereitung schließt mit ein, dass der Patient die ein- Zu Anfang ist die Beckenkontrolle besser über einen Seit-
1 zelnen Schritte des Transfers bis zum Stand kennt und entspre- wärtsschritt zu erreichen, später wird der Einbeinstand im Lot
chende Unterstützung erfährt. Die Unterarmstützen können und aus der Schrittstellung erarbeitet.
2 auch im Liegen auf die richtige Höhe eingestellt werden.
Bei den ersten Versuchen unterstützt eine zweite Person den
Bestehen Belastungsschmerzen, oder sinkt in der Standpha-
se des gebrochenen Beins die gegenüberliegende Beckenseite
Transfer und kontrolliert in der Sitzpause Puls und Blutdruck. ab (Trendelenburg), darf nicht gesteigert werden. Zur Kontrol-
3 Am besten platziert man vorsorglich einen Stuhl in Bettnähe, le wird der Patient auf Waagen gestellt, und die Belastung wird
falls der Patient Kreislaufprobleme bekommt. zurückgenommen.
Grundsätzlich kann die Belastung für die verbesserte Trag- Oft wird zu Anfang ein Gehwagen mit Schulterstützen, dann
4 fähigkeit des Femurs/der TEP und die dazugehörige muskuläre evt. ohne benutzt. Manche Patienten bevorzugen den Rollator
Kontrolle nur synchron vorgenommen werden. Dies bedeutet, oder Unterarmstützen. Selten werden heute noch Achselstützen
5 dass die mechanische Belastbarkeit in die Aktivität des Stehens benutzt, es sei denn, andere Begleitverletzungen verhindern das
und Gehens umgesetzt werden kann. Stützen beider Arme. Das Gehen in einem Gehbarren bedeu-
Der Patient darf bis zur Schmerzgrenze oder entsprechenden tet für Patienten mit geringer Armkraft eine größere Sicherheit.
6 Vorgabe belasten, wenn er dies ohne Ausweichbewegungen Allerdings muss dieser exakt auf die Größe des Patienten einge-
(Hinken, Verlust der Beinachse) kann. Dazu sind zum einen ei- stellt werden.
7 ne ausreichende Funktion der die Becken-Bein-Achse stabili- Zur Erreichung der Selbständigkeit sollten jedoch baldmög-
sierenden Muskulatur, zum anderen der geschickte Einsatz der lichst Unterarmstützen verwendet werden. Der Drei-Punkte-
Hilfsmittel und eine normale Belastungsfähigleit des gesunden Gang ist die sicherste Gehform. Nach Bergmann soll der Wech-
8 Beins nötig. Kompromisse sollen nur bei dringender Indikation sel zum Zwei-Punkte-Gang nicht vor 6 Wochen nach der Opera-
und spezieller Verordnung gemacht werden. tion und erst bei erreichter Teststufe 4 der das Hüftgelenk sta-
Grundsätzlich soll der Patient über die betroffene Seite bilisierenden Muskeln erfolgen. Der Zeitpunkt muss individuell
9 aufstehen. Vorübungen sind im gekippten Bett, auf dem Steh- bestimmt werden, in Abhängigkeit von der präoperativen Mus-
brett oder Tilt Table möglich. Das betroffene Bein kann auf ei- kelsituation und der Schnittführung.
10 ner Waage stehen und in entsprechender Belastungsstufe stabi- In der Proliferationsphase soll der Patient mit Nachstell-
lisiert werden. Holzbrettchen gleichen die Höhendifferenz zum schritt die Treppe bewältigen, d.h. beim Aufwärtsgehen das
gesunden Bein aus, wenn die Waage nicht in den Boden einge- gesunde Bein zuerst, beim Abwärtsgehen das betroffene Bein
11 lassen ist (7 Kap. 16). zuerst aufsetzen. Diese Form des Treppensteigens soll vor der
Zur Kontrolle der Belastungsverteilung, aber auch zur eige- Entlassung aus dem Krankenhaus eingeübt werden. Alternie-
12 nen Wahrnehmung des Bodenkontakts, kann der Patient ohne rendes Treppensteigen wird bei guter Muskelsicherung (Test-
Schuhe auf die Waagen gestellt werden. Zur Stand- und Gangsi- stufe 4) erst nach 6–8 Wochen eingeübt (Bergmann 1992). Es be-
cherheit sollen jedoch immer Schuhe getragen werden. währt sich, an der Treppenseite zu üben, an der auch zuhause
13 Kooperative Patienten können, je nach Befund, das Bein das Geländer ist. Die zweite Unterarmstütze kann mit der ande-
mit 15 kg belasten. Erst nach 6 Wochen erfolgt eine stufenwei- ren Hand mitgeführt werden.
14 se Steigerung. Dies gilt auch für Übungen in der geschlossenen Manche sehr alte Patienten kommen zuhause besser mit
Kette und gegen angepassten Widerstand mit kurzem Hebel einem Rollator zurecht, andere fühlen sich mit ihrem ge-
(7 Kap. 15, 16). Patienten mit einer Schraubenosteosynthese wohnten Stock oder zwei Stöcken sicherer. Physiotherapeuten
15 dürfen erst nach 12 Wochen die Belastung steigern. sollten dies zulassen und nicht ändern.
Patienten mit einer zementierten Totalendoprothese oder Der Patient muss auch im Sinne einer Sturzprophylaxe be-
Endoprothese haben keine Belastungseinschränkungen; sie raten werden. Wenn er nach Hause entlassen wird, müssen Tep-
16 dürfen entsprechend der funktionellen Tragfähigkeit belasten. piche, Kabel etc. entfernt werden.
Vor dem Aufstehen sollen feste Schuhe und die notwen- Wichtig ist, dass der Nachttisch auf der Seite des betroffenen
17 digen Gehhilfen bereitstehen. Das gebrochene Bein wird in den Beins steht (Operationszugang vorne), damit keine Außenrota-
ersten postoperativen Tagen bandagiert. tionsbewegung entsteht, entsprechend auf der anderen Seite bei
Beherrscht der Patient den Stand sicher, werden Stabilisa- hinterem Zugang.
18 tionsübungen gemacht. Der Physiotherapeut versucht dabei, Der Patient darf nicht in einem tiefen Sessel sitzen und soll
den Patienten vorsichtig aus der korrigierten Stellung zu bewe- weder im Liegen noch im Sitzen die Beine übereinanderschla-
19 gen. Diese Übungen sind für ältere Menschen sehr ungewohnt gen.
und anstrengend, so dass ausreichend lange Pausen eingeschal- Das Üben der Aktivitäten, die im Alltag immer wieder vor-
tet werden sollten. Die Steigerung der Belastung muss der Trag- kommen, bedeutet Sicherheit und Selbständigkeit für einen äl-
20 fähigkeit des Beins entsprechen. teren Menschen. Im Allgemeinen stehen Patienten nach einem
Sturz mit Frakturfolge und einem Klinikaufenthalt dem bevor-
21 stehenden Alltag ängstlich gegenüber. In Zusammenarbeit mit
14 Schenkelhalsfraktur
275 14
dem Sozialdienst, einem ambulanten Pflegedienst oder einer Neben Gruppentherapien werden in den Rehabilitations-
Rehabilitationsmaßnahme sollen die Probleme individuell ge- zentren Übungen im Bewegungsbad angeboten. Für Patienten
löst werden. mit einer Totalendoprothese besteht v.a. bei Gruppenbehand-
Physiotherapeuten fällt die Aufgabe zu, den Patienten lungen im Wasser eine erhöhte Luxationsgefahr.
schnellstmöglichst in die Selbständigkeit zu führen, Hilfen an- Nicht geeignet für alte Menschen ist eine Wassertherapie
zubieten, Familie oder Pflegepersonal anzulernen oder Kolle- bei:
ginnen zu suchen, die Hausbesuche machen und sie über die 5 Blasenschwäche,
Probleme zu informieren. 5 Herzinsuffizienz,
Inzwischen gibt es auch Tagesstätten, die in der Übergangs- 5 Kreislauf- Blutdruck-Problemen oder
zeit bis zur Selbständigkeit genutzt werden können. Wird ein ei- 5 Angst vor Wasser.
genständiges Leben nicht mehr möglich sein, muss der Patient
bedauerlicherweise einen Pflegeplatz erhalten. Auch dort soll Eine Einzelbehandlung, bei der auch der Therapeut mit im Was-
der Patient physiotherapeutisch weiterbehandelt werden! ser ist, kann jedoch für jüngere Patienten motivierend und ent-
Als Hilfsmittel sollen die Patienten einen Sitzkeil oder ein spannend sein. Anschließend sollten in jedem Falle Ruhezeiten
Arthrodesekissen und einen Toilettenaufsatz bekommen, um eingeplant werden.
das Hüftgelenk beim Aufstehen und Hinsetzen zu entlasten und Sinnvoll ist eine Nachbehandlung in gut geführten geriat-
den tiefen Sitz zu vermeiden. Entsprechend muss die Wohnung rischen Rehabilitationszentren, die fachgerecht auf die Bedürf-
mit Handgriffen und Hilfsmitteln ausgestattet werden, um den nisse und den aktuellen Zustand der verletzten alten Menschen
Patienten davor zu schützen, erneut zu stürzen. vorbereitet sind.
Weitere Hilfsgeräte sind z.B. eine Greifzange, ein langer
Schuhlöffel und ein Strumpfanzieher.
Vorgeübt werden müssen besonders: Übungsbeispiele
5 Hinsetzen und Aufstehen auf einen/von einem hohen
Stuhl, auf das/aus dem Bett, Die Übungsbeispiele beziehen sich auf eine stabile Osteosynthe-
5 Treppen bewältigen mit und ggfs. ohne Stützen, se.
5 Ein- und Aussteigen in die/aus der Badewanne, Benutzen
eines Hockers in der Dusche, Proliferationsphase
5 Einsteigen in ein Auto, Ziel der folgenden Übungen ist der Aufbau der Muskelspan-
5 Anziehen von Schuhen und Strümpfen mit Hilfsmitteln, nung.
5 Aufheben von Gegenständen mit Hilfsmitteln,
5 Türen öffnen beim Gehen mit Unterarmstützen, Ausgangsposition
5 Überqueren der Straße, Fahren mit Rolltreppen, Rückenlage. Bein leicht abduziert, in Rotationsnullstellung auf
5 Gehen auf unebenem Boden und Rampen mit und ggfs. der Unterlage liegend.
ohne Stützen/Stock.
Übung
Es wird davon abgeraten, die zweite Unterarmstütze vorzeitig 5 Beckenabduktion in Rotationsnullstellung durch Heraus-
abzulegen. Kann der Patient die volle Belastung kontrollieren, schieben des Beins nach kaudal.
sollte dennoch an den Gebrauch eines Stockes gedacht werden.
Alte Menschen fühlen sich besonders auf nassen und eisigen Übung
Straßen ohne Stock unsicher. Sie sollten jedoch den Stock un- 5 Beckeninnenrotation bei ventralem Zugang, auch kombi-
eingeschränkt benutzen, wenn sie sicherer damit gehen. Meist niert mit Beckenabduktion.
hat die Unsicherheit nichts mit der überstandenen Verletzung 5 Dasselbe, eingeleitet durch Zurückdrehen der gleichen Be-
zu tun, sondern ist durch schwankenden Blutdruck, schlechtes ckenseite.
Sehen und Hören, Schwindelgefühle oder andere Alterserkran-
kungen verursacht. Übung
Aus ökonomischen Gründen werden Patienten heute im 5 Beckenabduktion/Innenrotation bei ventralem Zugang,
Anschluss an einen kurzen Klinikaufenthalt in ein Rehabilita- eingeleitet über Plantarflexion und Pronation des gleichsei-
tionszentrum überwiesen. Dies sollte für ältere Patienten durch- tigen Fußes.
aus kritisch diskutiert werden. Eine individuelle Betreuung des 5 Beckenabduktion mit Außenrotation bei dorsalem Zugang,
älteren Menschen ist dort selten möglich. In der gewohnten hei- eingeleitet über Plantarflexion, Supination.
mischen Umgebung finden sich diese Patienten besser zurecht.
Voraussetzung ist jedoch, dass Angehörige oder eine Hilfe die
Betreuung übernehmen.
276 Kapitel 14 · Schenkelhalsfraktur
Ausgangsposition Übung
3 Rückenlage. Bein liegt in Abduktions-/Adduktionsnullstel- 5 PNF: Skapula- und Armmuster.
lung. Technik: Stabilisierende Umkehr (7 Kap. 6, 22).
4 Übung Übung
5 Dynamische Abduktion des Beins unter Abnahme der 5 Stabilisation des korrigierten Sitzes.
5 Schwere (auch mit Innenrotation, wenn ärztlicherseits er-
laubt). Ausgangsposition
5 Dasselbe mit Extension im seitlichen Überhang. Sitz an der Bettkante.
6 5 Dasselbe mit PNF-Techniken
Technik: Dynamische Bewegungsfolge, Bewegen – Halten Mobilisation des Kniegelenks
7 gegen Führungskontakt. 5 »Rhythmische Stabilisation – Entspannen – aktiv Weiter-
5 Alle Übungen mit Verstärkung: ziehen – aktiv/passiv Weiterziehen« ohne Rotation oder
– Das gesunde Bein ist aufgestellt und spannt gegen an- »Dynamische Umkehr – Halten – Entspannen – aktiv, ak-
8 gepassten Widerstand in Flexion/Abduktion. tiv/passiv Weiterziehen« werden ebenso wie Techniken der
– Beide Arme spannen in Extension/Abduktion gegen Manuellen Therapie befundbezogen eingesetzt.
das Bett. Fixation: Passive Fixation bei allen Mobilisationstechniken.
9 – Der gegenseitige Arm spannt in Extension/Abduktion
gegen den Widerstand des Physiotherapeuten. Ausgangsposition
10 Halbsitz, hoher Sitz.
Ausgangsposition
Rückenlage. Seitlicher Knieüberhang, Oberschenkel liegt auf. Schulen von Aktivitäten der nicht betroffenen Extremitäten
11 5 PNF-Übungen gegen angepassten Widerstand. Sie sollen
Übung schwerpunktmäßig das Gehmuster beinhalten.
12 5 »Dynamische Umkehr – Halten« ohne Rotation für 5 Aufstehen aus dem hohen Sitz. Stabilisation im Zweibein-
M. quadriceps und ischiokrurale Muskulatur (dabei den und Einbeinstand auf der gesunden Seite.
Patienten in den hohen Sitz bringen). 5 Hinsetzen unter kontrollierter Becken-Rumpf-Stabilisati-
13 5 Dasselbe isoliert mit »Betonter Bewegungsfolge«. on.
5 Widerstandsübungen für die Armmuskulatur, z.B. in PNF-
14 Übung Mustern. Vorzugsweise werden Stützmuster für das Gehen
5 Assistives Bridging mit geringem Bewegungsausschlag und mit Unterarmstützen vorgeübt. Geräte wie Seil, Stab, Ex-
Unterstützung des Beckens. Arme spannen gegen die Un- pander und Therabänder gestalten die Übungen abwechs-
15 terlage. lungsreicher.
Technik: Bewegen – Halten, Endstellung – Halten.
Konsolidierungsphase
16 Ausgangsposition Nach 6 Wochen wird die Belastung gesteigert. Die Gehschulung
Hoher, etwas breitbeiniger Sitz an der Bettkante. Becken in gilt exemplarisch für alle Verletzungen der unteren Extremität.
17 Mittelstellung, beide Füße auf einem Hocker oder auf Waagen. Alle Übungen sind auch mit Gehwagen oder Rollator möglich.
Hüftgelenke in ca. 60° Beugung, oder
Ausgangsposition
18 Halbsitz auf der Bank. Betroffenes Bein steht auf der Waage. Stand vor dem Spiegel auf zwei Waagen. Unterarmstützen
Erarbeitung der Hüft- und Knieextension bei vorgegebener Be- sind in gleicher Höhe mit den Fußspitzen aufgesetzt. Wahrneh-
19 lastungsstufe, auch durch manuelle Kontakte. men des korrekten Standes, Stabilisation durch manuellen Kon-
takt (7 Kap. 16).
Übung
20 5 Gewichtsverlagerung zur betroffenen Seite (Becken nach
dorsal/lateral).
21
14.1 Patientenbeispiel
277 14
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
14.1 Patientenbeispiel
279 14
Ellenbogen, 5 Körperpflege sei nur mit Hilfe mög- Tochter spazieren gehen
5 Kraftlosigkeit am linken Bein und an den Armen. lich. konnte.
5 Schmerz VAS 2 bei Belastung, eher in der Muskulatur 5 Transfer von Bett zum Sitz und 5 Derzeit Klinikaufenthalt,
ziehend. Stand mit Hilfe, jedoch nicht selb- 5 später soll ein ambu-
5 Schwellung linker Unterarm bis zum Ellenbogen, an ständig. lanter Pflegedienst ein-
allen Messpunkten +1,0 bis 1,5 cm durch Prellung und 5 Hoher Sitz an Bettkante schmerz- gesetzt werden.
Hämatom. frei möglich.
5 Hautverfärbung. 5 Körperpflege des unteren Körper-
5 Schürfwunden an Ellenbogen, Unterarm und Knie links. bereiches nicht möglich.
5 Kraftdefizit beider Arme, rechtes Bein altersgerecht. 5 Stand vor dem Bett im Gehwagen,
5 MTW: Spontanbelastung 20 kg.
5 Gehen mit Gehwagen/Achselstüt-
M. quadriceps li 3 (Kniegelenkkomponente)
zen und Spontanbelastung etwa 4
Mm. gluteus med./ li 2 Zimmerlängen, Hilfe zum Aufste-
min. hen ist nötig.
M. ilipsoas li nicht getestet (s. 60° Flexion) 5 Schrittlänge rechts kleiner als links,
Patientin schaut auf den Boden,
Fußheber li 3
Stützkraft vermindert.
Therapeut
5 Gelenkbeweglichkeit:
aktiv passiv
Abduktion, Adduk- li 20–0°–nicht 20–0°–nicht
tion nicht erlaubt gemessen gemessen
re 30–0–20° 30–0–20°
Flexion begrenzt li 60–0–0° 60–0–0°
re 90–0–0°
Innenrotation, li 10–0°–nicht 10–0°–nicht
Außenrotation gemessen gemessen
nicht erlaubt
re 10-0-20°
Ê Im Internet (www.springer.de/978-3-540-68241-7, unter Schatzker J (1996) Subcapital and intertrochanteric fractures, Rational of
1 dem Link »Patientenbeispiele«) erfahren Sie mehr über operative fracture care, 2nd edn. Springer, Berlin Heidelberg New York
Frau Th. und den weiteren Therapieverlauf: die Behand- Tokio
Weigel B, Nerlich M (2005) Praxisbuch Unfallchirurgie, Bd 1. Springer, Ber-
2 lungsziele, die bei ihr wichtigen Gesichtspunkte der Be-
handlung und einen Therapievorschlag für eine Behand-
lin Heidelberg New York Tokio
Wirtz C, Heller KD, Niethard F (1998) Biomechansiche Aspekte der Belas-
lungseinheit. tungsfähigkeit nach totalendoprothetischem Ersatz des Hüftglenkes.
3 Z Orthop 136: 310–316. Enke, Stuttgart
4 14.2 Literatur
Die Abbildung 14.9 konnte ich freundlicherweise in der Praxis »movere«,
Bergmann G et al. (1989) Gelenkkraftmessungen an einem Patienten Uli Engelmann, Geza Sturm, München, machen.
5 mit beidseitiger Hüftendoprothese, Fortschritte in der Orthopädie
(Sonderdruck). Thieme, Stuttgart New York
Die Abbildungen 14.10 und 14.11 verdanke ich Frau Birgit Jaspersen,
Klinik für Physikalische Medizin Großhadern, Universität München.
Bergmann G et al. (1989) In vivo-Messung der Hüftgelenkbelastung, 1. Teil
6 Krankengymnastik. Z Orthop 127, 672–679
Bergmann G et al. (1992) In vivo-Messung der Belastung von Hüftendo-
prothesen – Konsequenzen für die Rehabilitation. In Hipp, Gradinger,
7 Ascherl (Hrsg) Die zementlose Hüfte. Demeter, Gräfelfing
Bergmann G et al. (1995) Is staircase walking a risk for the fixation of hip
inplants? J Biomech 28: 535
8 Bizzini M (2000) Sensomotorische Rehabilitation nach Beinverletzungen.
Thieme, Stuttgart New York
Bonnaire F (1991) Experimentelle Untersuchungen zum Stabilitätsverhal-
9 ten am koxalen Femurende nach Montage und Entfernung von DHS-
Implantaten am nicht frakturierten Leichenfemur. Unfallchirurg 94:
10 366–371
Bonnaire F (1992) Früh- und Spätergebnisse nach 200 DHS-Osteosynthe-
sen zur Versorgung pertrochanterer Femurfrakturen. Unfallchirurg
11 94: 246–253
Bundesverband der Unfallkassen (2002) Rückengerechter Patiententrans-
fer in der Kranken- und Altenpflege. Gesetzliche Unfallversicherung
12 GUV-Informationen, München
Euler E et al. (1991) Traumatologie beim alten Menschen – Problematik
exemplarisch aufgezeigt an Schenkelhalsfrakturen. Aktuelle Trauma-
13 tol 3: 91
Gallob O, Auracher M (1999) Manuelle Therapie 3. Thieme, Stuttgart New
York
14 Hüter-Becker A et al. (2002) Das neue Denkmodell der Physiotherapie. Bd
1. Thieme, Stuttgart New York
Hüter-Becker (2005) Physiotherapie in der Traumatologie. Thieme, Stutt-
15 gart New York
Soyka M., Hermann S (2002) Rückengerechter Patiententransfer in der
21
15
Oberschenkelfraktur
Einteilung – 282
Ursachen – 282
Charakteristische Symptome/
Leitsymptome – 282
Behandlungsrichtlinien und
therapeutische Maßnahmen – 282
Komplikationen – 285
Befunderhebung – 285
Behandlungsmöglichkeiten – 286
Übungsbeispiele – 292
a b c
ne Marknagelung bei Querbrüchen, kurzen Schrägbrüchen, Brü- Bei Trümmer- oder Stückfrakturen werden DC- oder elasti-
chen mit verzögerter Heilung und Pseudarthrosen. sche Überbrückungsplatten eingebracht.
Bei mehrfragmentären Schaftfrakturen ist eine Nagelung oft Die suprakondylären und kondylären Frakturen sind Gelenk-
nicht möglich, zur Stabilisation bietet sich eine elastische Plat- frakturen. Sie werden nach der AO-Klassifikation in Gruppe A,
tenosteosynthese an. Der Trümmerbereich wird nicht mehr mit B1–B3 und C1–C3 eingeteilt. Wie alle Gelenkfrakturen sollen sie
Schrauben besetzt, sodass die Durchblutung weniger unterbro- so früh wie möglich nach dem Unfall operativ versorgt werden.
chen wird. Suprakondyläre und kondyläre Frakturen werden mit Kon-
Der Operateur gibt die erreichte Stabilität der Fraktur an, dylenplatten (. Abb. 15.3) oder dynamischen Kompressions-
welche Physiotherapeuten dem aktuellen Heilungnsprozess bei schrauben (DCS) und/oder Zugschrauben behandelt. Primä-
ihrer Behandlungsplanung zuordnen müssen. re Spongiosaplastiken sind häufig notwendig. Bei Infekten muss
Die Behandlung sub- und pertrochanterer Frakturen gleicht ein Kniegelenk übergreifender Fixateur externe oder ein Ringfi-
der Versorgung einer Schenkelhalsfraktur (7 Kap. 14). Wahl- xateur angelegt werden. (. Abb. 4.2, 4.3).
weise stehen Gamma-Nagel, Classic-Nagel, »unreamed femo-
ral nail« (UFN) mit Spiralklinge und »proximal femoral nail« Belastungsstabilität
(PFN) zur Verfügung. In manchen Fällen kommt eine Osteo- Je nach Schwere der Gesamtverletzung und der Stabilität der
synthese mit dynamischer Hüftschraube (DHS) oder dyna- Osteosynthese kann eine sofortige Teilbelastung mit bis zu 20 kg
mischer Kompressionsschraube (DCS) infrage. für 6–10 Wochen erfolgen. Der Operateur wird individuell ent-
Meist sind die Osteosynthesen mechanisch belastungssta- scheiden, wieviel belastet werden darf.
bil und werden entsprechend der Muskel- und Gelenkfunktion Die Entlastungszeiten bei bewegungs- und teilbelastungs-
symptomatisch belastet. Eine Vollbelastung soll ab der 12. Wo- stabilen Osteosyntesen sind als Richtwerte zu verstehen. Die
che erarbeitet werden. Belastung kann erst dann in die Tat umgesetzt werden, wenn es
Femurschaftfrakturen werden mit anterograden unge- die Funktion erlaubt, d.h. eine entsprechende Muskelfunktion
bohrten Verriegelungsnägeln stabilisiert (. Abb. 15.2); sie sind erreicht ist, keine Schmerzen und kein Gelenkerguss besteht,
rotationsstabil. der Frakturbereich äußerlich reizlos ist und der Patient die vor-
284 Kapitel 15 · Oberschenkelfraktur
Wichtig Spätkomplikationen:
5 Pseudarthrose,
Bei Überbelastung stellt der Körper den Bewegungsab-
5 Infektion (Osteitis),
schnitt selbst ruhig!
5 in Rotationsfehlstellung verheilte Fraktur,
5 Beinverkürzung,
Alle mechanisch bewegungsstabilen Osteosynthesen erlauben 5 Gonarthrose,
nach Entfernung der Redon-Drainagen das aktive Üben. Als 5 heterotope Ossifikation.
Ausnahme gelten primäre Spongiosaplastiken, die je nach Kli-
nik mit einer 8- bis 14-tägigen Ruhezeit behandelt werden.
Befunderhebung
Notieren und 5 Subjektive Angaben über Schmerzen; wann, wo, wie (VAS).
Bewerten 5 Sonstige Beschwerden.
286 Kapitel 15 · Oberschenkelfraktur
15 ! Cave
In der postoperativen Behandlungsphase sind Massagegriffe,
Wärmeanwendungen und Elektrotherapie kontraindiziert.
16
2. Resorption des Hämatoms und Ödems
17 Zur Resorption einer diffusen Nachblutung aus der Muskulatur
kann in den ersten Stunden nach der Operation ein Kompres-
sionsverband und eine in einen Kissenbezug gepackte Eiskom-
18 presse aufgelegt werden. Später ist sie kontraindiziert.
Nach der Entzündungsphase besteht die Möglichkeit, mit
19 milder Wärme und Elektrotherapie zu behandeln.
Das Spannen aller Oberschenkelmuskeln im Sekunden-
rhythmus verstärkt die Resorption. Grundsätzlich bleiben die
20 Redon-Drainagen so lange liegen, bis sie weniger als 20 ml Hä-
matomblut fördern.
21
15 Oberschenkelfraktur
287 15
genschwere und Beibehalten der korrekten Beinachse bei Mi- . Abb. 15.5.
nimal- oder Teilbelastung von 15 kg) durchgeführt werden. Er- Gelenknahe Griffe
fahrungsgemäß atrophiert der M. vastus medialis des M. quad- zur Fixation der
Kondylenfraktur
riceps zuerst und muss daher besonders sorgfältig geübt wer-
und für den
den. Genaue Kenntnisse der Frakturlage sind nötig, um ma-
Führungskontakt
nuelle Kontakte und Fixationsgriffe richtig anlegen zu können.
Dies bedeutet, dass der Physiotherapeut die Möglichkeit haben
muss, Röntgenbilder anzusehen.
Bis zur beginnenden Konsolidierung der Fraktur (ca. 6 Wo-
chen) soll auch bei bewegungsstabilen Osteosynthesen zwi-
schen Fraktur und Kniegelenk passiv fixiert werden.
Hat der M. quadriceps noch keinen Testwert 3, soll der Phy-
siotherapeut den Unterschenkel mit seinem Arm unterstützen.
Zur Anwendung kommen Übungen in freier Form:
5 Endstellung-halten,
5 Bewegen – Halten in allen Variationen,
– bei abgenommener Schwere,
– später gegen die Schwere und gegen Führungskontakt
und
5 Übungen in der geschlossenen Kette, z.B. Stabilisierung
der Beinachse gegen manuellen Kontakt bei vorgegebener
Belastungsstufe.
! Cave
Ist die volle Streckung des Kniegelenks noch nicht erreicht,
müssen alle PNF-Übungen in Rotationsnullstellung des Hüftge-
lenks erfolgen!
1
2
3
4
. Abb. 15.7a-c. a Aktivierung des M. quadriceps, vastus medialis, b Betonung des M. vastus lateralis, c Verstärkungstechnik
5
Als Techniken kommen »Betonte Bewegungsfolge« und die Die Stabilisierung der Beinachsen unter Belastungsbegren-
6 Kombination von dynamischer Muskelarbeit und Verstärkungs- zung im Zweibeinstand muss auf einer Waage und mit Stützen
techniken infrage, die zu gegebener Zeit gegen angepassten oder geübt werden (7 Kap. 16).
7 optimalen Widerstand ausgeführt werden. Wenn die Frakturkonsolidierung es erlaubt, können Wider-
Zur Verstärkung für den M. quadriceps können M. glute- stände von allen Seiten gesetzt werden. Erst nach Konsolidie-
us maximus und/oder die Fußheber dienen. Den besten Over- rung der Fraktur (nach 6–8 Wochen) kann Rotationswiderstand
8 flow-Effekt erzielt man über den gegenseitigen Arm und die wei- oder distaler Trainingswiderstand gegeben werden. Dann ist es
terlaufende Spannung auf die schräge Bauchmuskulatur (auch möglich, mit Therabändern und Zuggeräten zu üben.
mit beiden Armen gut einzusetzen). Der Arm stützt dabei im Eine vollständige Ausheilung ist nicht selten erst nach
9 PNF-Muster »Extension/Adduktion/Innenrotation« gegen den 20 Wochen erreicht, wonach Kraft- und Ausdauertraining un-
Ellenbogen der fixierenden Hand des Therapeuten oder gegen ter sportlichen Gesichtspunkten durchgeführt werden können.
10 dessen Schulter. Die Spannung von M. gastrocnemius und Ze-
henflexoren aktiviert weiterlaufend die Mm. ischiocrurales, im 6. Mobilisation des Kniegelenks
Sinne des Gehmusters verstärkt sie den M. quadriceps des ge- Auch bei frühzeitigem Beginn der physiotherapeutischen Be-
11 genseitigen Beins. Als Ausgangsstellungen eignen sich Sitz an handlung kann durch überwiegendes Liegen oder eine Ver-
der Bettkante oder Bauchlage (. Abb. 15.8). Als Technik kann klebung der Muskelfasern durch die ausgedehnte Blutung ei-
12 man die betonte Bewegungsfolge gut einsetzen. ne muskuläre Streckkontraktur im Kniegelenk entstehen. Durch
Zum selbständigen Üben der Mm. quadriceps und gas- die Insuffizienz des M. quadriceps einerseits und der Pes-anse-
trocnemius eignet sich das in verschiedenen Stärken erhältliche rinus-Gruppe andererseits kann sich ebenfalls ein Streckdefizit
13 Theraband gut (. Abb. 15.9). entwickeln, das funktionell wesentlich bedeutungsvoller für die
Es sollte darauf geachtet werden, dass alle zweigelenkigen Stabilität des Kniegelenks ist.
14 Muskelgruppen in ihrer vollen Funktion geübt werden, z.B. Sta- Primär wird an der Erreichung der vollen Streckung gear-
bilisation der Hüft- und Kniegelenke in der geschlossenen Kette beitet. Angewandt werden »Chirurgische Technik«, »Rhyth-
für den M. quadriceps. Hoher Sitz oder Halbsitz sind geeignete mische Stabilisation – Entspannen« und »Dynamische Umkehr
15 Ausgangspositionen, um niedrige Belastungsstufen einzuhalten – Entspannen« aus dem PNF-Programm. Bei den Techniken
und das Bein z.B. auf der Waage zu stabilisieren. soll nicht dynamisch rotiert und nur aktiv weiterbewegt werden.
16
. Abb. 15.8a,b. a Bauchlage: Betonte Bewegungsfolge für
17 M. gastrocnemius, b Sitz: Spannung von M. gastrocnemius und
Mm. ischiocrurales
18
19
20
a
21
15 Oberschenkelfraktur
289 15
Nach jeder Technik folgt die Kräftigung der schwächeren stützen. Wenn evt. Nebenverletzungen und die Mobilität des Pa-
Muskelgruppe. Zu Anfang ist »Endstellung – Halten« die beste tienten es erlauben, soll vorzugsweise für das spätere Gehen mit
Technik, um das gewonnene Bewegungsausmaß zu halten. Unterarmstützen in der geschlossenen Kette geübt werden. Es
Unterstützen kann man die Kontraktion des M. quadriceps können alle Variationen der PNF-Techniken mit und ohne Ge-
durch einen feinen Stretch an der Patella. Ist die Patella verklebt rät ausprobiert werden (z.B. gegen Therabänder oder Zugge-
und in ihrer Gleitfähigkeit eingeschränkt, kann man sie wäh- räte) (7 Kap. 5, 6, 16, 19).
rend des Spannungsaufbaus nach kranial-medial verschieben Diese vorgeübten Bewegungsaufgaben soll der Patient auch
(Griff, . Abb. 16.27). zu Hause selbständig und regelmäßig üben.
Techniken aus der Manuellen Therapie wie Patellagleiten
und eine weiche Traktion an der Tibia, verbunden mit vorsich- 8. Vorbereiten und Schulen von Aktivitäten, Gehschulung
tigem Ventralgleiten, sind wichtige unterstützende Maßnah- Schon im Liegen kann das Gehmuster in einzelnen Bewegungs-
men zu den aktiven Mobilisationstechniken. Unterstützend abschnitten vorgeübt werden.
wirkt sich auch das Patellagleiten nach kaudal und eine Trakti- Werden die Einzelbewegungen der vier Extremitäten be-
on mit vorsichtigem Dorsalgleiten der Tibia aus. herrscht, können sie als eine kombinierte Übung zusammen-
In der Frühbehandlung dürfen keine Massagegriffe an der gesetzt werden (PNF-Gehmuster). Begonnen wird mit rezipro-
Muskulatur angewendet werden. Die Gefahr der Nachblutung ken Umkehrbewegungen (Dynamische Umkehr) für die Fuß-
ist zu groß. Weiches Streichen oder eine Manuelle Lymph- und Unterschenkelmuskulatur. Dosierung ist Führungskontakt
drainage kann nach der Wundheilung effektiv zum Abbau der und später angepasster Widerstand. Variationen ergeben sich
Schwellung beitragen. In der Proliferationsphase kann eine ent- aus verschiedenen kon- und exzentrischen Bewegungsfolgen.
spannende Massage jedoch durchaus den Heilungsprozess un- Wichtig ist, dass der Oberschenkel stabil auf der Unterlage und
terstützen. die Beinachse gerade bleibt (. Abb. 15.10).
Kurzes Abreiben mit einem Eislolly kann die Kontrak-
tionsfähigkeit der Muskulatur fazilitieren; Langzeit-Eisanwen-
dungen werden heute nach der Entzündungsphase nicht mehr
eingesetzt.
Im Spätstadium kommen verschiebende Griffe, Querdeh-
nungen der Narbe und der Minimassagestab am Ansatz des
M. biceps femoris oder am Pes anserinus infrage (7 Kap. 11,
»Handchirurgie«).
Das Üben im Bewegungsbad kann eine generelle Entspan-
nung der Beinmuskulatur bewirken, gezielt lassen sich jedoch
die Probleme nicht angehen.
Kapseltechniken aus der Manuellen Therapie sind das Mit-
tel der Wahl, wenn die Fraktur fest ist und ein spezieller Bewe-
gungsstopp behandelt werden muss.
Ist die Fraktur noch nicht durchbaut, muss der manuelle hen überprüft werden. Aus hygienischen Gründen dürfen die
1 Widerstand proximal der Fraktur liegen oder ganz weggelassen Schuhe nicht schon im Bett getragen werden.
werden. Der Patient soll im Stand auf der Waage die vorgegebene Be-
2 Die Vorbereitung der Belastung kann durch Stützen des
Fußes gegen die Wand, einen Fußkreisel oder eine Waage ein-
lastung des betroffenen Beins einüben. Dem folgt das Schulen
der Bewegung vom hohen Sitz in den Stand mit Gehhilfen.
geübt werden (. Abb. 17.7, 17.8). Auch der Tilt Table kann zum Im Zweibeinstand und in Schrittstellung können Stabili-
3 Einsatz kommen (. Abb.16.18, 16.20). sationsübungen gegen manuellen Kontakt durchgeführt wer-
Nach Entfernung der Redon-Drainagen dürfen nicht po- den.
lytraumatisierte Patienten i.d.R. mit Gehwagen oder Unterarm- Anschließend werden Schrittfolgen vorwärts, rückwärts,
4 stützen aufstehen. Das betroffene Bein wird gewickelt. seitwärts und Treppensteigen kontrolliert eingeübt. Wegen der
Günstig ist das Üben auf Waagen, die in den Boden einge- hohen Belastung auf den Femurschaft soll der Patient Treppen
5 lassen sind. Ist dies nicht möglich, werden zwei Personenwaa- bis zur 6. – 8. Woche postoperativ im Nachstellschritt hochge-
gen benutzt. Die Höhe zum Boden muss durch Brettchen aus- hen.
geglichen sein, sodass sich die Unterarmstützen dort sicher ab- Nach Konsolidierung und auf ärztliche Verordnung kann ca.
6 stützen können. ab der 11. Woche voll belastet werden.
Minimal- oder vorgegebene Teilbelastung werden exakt auf Dann wird die Stabilisation im Einbeinstand (10° Knieflexi-
7 der Waage eingeübt (. Abb. 16.17, 16.19). Die Unterarmstützen onsstellung) mit und ohne Unterarmstützen, auch gegen Ge-
stehen neben der Waage. Günstig ist das Stehen auf zwei Waa- rätezug (. Abb. 5.5, 5.7) eingeübt.
gen, so dass die beiden Skalen seitlich zu sehen sind. Der Pati- Stabilisationsübungen können in Kombination mit Bewe-
8 ent soll in Schritt- oder Schlussstellung das Körpergewicht von gungsfolgen auf dem Schaukelbrett, Sportkreisel, Ballkissen
der gesunden Seite auf das verletzte Bein verlagern und die kor- oder Trampolin abwechslungsreich gestaltet werden (. Abb. 5.8,
rekte Beinachse beibehalten (alle 7 Kap. über Verletzungen der 16.23).
9 unteren Extremität). Zuggeräte können unterstützend oder erschwerend einge-
Optische Kontrolle vor dem Spiegel erleichtert die korrekte setzt werden. Zum Steigen auf einen Hocker und Abstoßen der
10 Ausführung; später soll ohne Augenkontrolle geübt werden, um Ferse kann das Zuggerät mit schweren Gewichten unterstüt-
das Körpergefühl für die richtige Belastung zu schulen. zend wirken (negative Belastung).
Übungsformen zur Belastungsübernahme können durch Die Patienten sollen nicht ohne ein Hausaufgabenpro-
11 Zuggeräte nicht nur erschwert, sondern auch erleichtert wer- gramm aus der physiotherapeutischen Behandlung entlassen
den. Gewichte können als Hubunterstützung eingesetzt werden, werden. Göhler (2007) hat effektive Übungen in der geschlos-
12 z.B. beim Steigen auf einen Hocker. In der Rehabilitationsphase senen Kette zum selbständigen Üben im Türrahmen entwickelt
werden Zuggeräte als Widerstand eingesetzt, um die volle Be- (. Abb. 6.35–6.37). Dabei werden stabile Elemente mit dyna-
lastungsfähigkeit zu schulen. mischen PNF-Bewegungsfolgen kombiniert, um die Vollbelas-
13 tung zu erarbeiten.
Gehschulung im Stand Aus der Grundposition »Stand im Türrahmen« sind viele Be-
14 Wichtig
wegungsvariationen möglich:
5 Ausgangsstellung: Füße leicht gespreizt, Knie- und Hüft-
Vor der Gehschulung ist es wichtig, im Stand die Beinlänge gelenke in Neutralstellung, Arme gestreckt, außenrotiert
15 zu messen und bei einer Beinverkürzung ≥ 0,5 cm die Diffe- und so weit abduziert, dass die Hände auf gleicher Hö-
renz durch eine Schuherhöhung auszugleichen! Die Schuhe he mit den Handflächen jeweils an den hinteren Türblen-
den liegen.
16 sollen fest sein und weiche bzw. Luftpolstersohlen haben.
5 Grundspannung: Die Hände stützen gegen den Türrahmen,
während die Bauch- und Glutealmuskeln angespannt wer-
17 Aufstehen aus dem hohen Sitz in den Zweibeinstand auf Waa- den.
gen mit Unterarmstützen.
Der Patient soll Bodenkontakt/Minimalbelastung oder vor- Bei gehaltener Grundspannung können Gewichtsverlagerungen
18 gegebene Teilbelastung wahrnehmen. In den ersten Tagen soll und dynamische Bewegungen des gleichseitigen Arms und ge-
das verletzte Bein bandagiert werden. Die Unterarmstützen genseitigen gesunden Beins zur Stabilisierung der Beinachse
19 müssen richtig eingestellt werden. Wenn die Unterarmstützen durchgeführt werden, z.B. Standbein und Gegenarm im Stütz-
neben den Fußspitzen positioniert sind, soll der Patient gera- muster, gesundes Bein und gleichseitiger Arm im Schwung-
de stehen, ohne die Schultern hoch oder nach vorne zu ziehen. phasenmuster. Durch den Druck gegen den Rahmen kann jede
20 Beim ersten Mal kann die Einstellung der Stützen in gerader Position stabilisiert werden (geschlossene Kette) und ein Arm
Rückenlage geschehen; sie muss jedoch im Stand mit den Schu- oder Bein in freier Form bewegt werden.
21
15 Oberschenkelfraktur
291 15
Die korrekte Beinachse des betroffenen Beins kann durch den on im Hüftgelenk lässt sich die Beckenstellung (Trendelenburg)
gekreuzten Einbeinstand stabilisiert werden, bei dem das gesun- korrigieren (. Abb. 15. 11, 15.12, 15.13, 15.14). Die Übungen
de Bein das Standbein überkreuzt und der Fuß mit der Außen- können, vor dem Spiegel ausgeführt, die optische Wahrneh-
kante neben dem Standbeinfuß auf den Zehen abgestellt wird. mung der Becken-Bein-Rumpf-Achse schulen.
Mit leichtem Druck durch eine kleine Innenrotationsbewe-
gung und eine anschließende Entspannung durch Außenrotati-
292 Kapitel 15 · Oberschenkelfraktur
Ausgangsposition Ausgangsposition
16 Rückenlage. Bein in Nullstellung, Oberschenkel flach unterla- Sitz an der Bettkante. Oberschenkel liegt flach auf der Bank.
gert.
17 Übung
Übung 5 Aktive dynamische Kniestreckung, z.B. als aktive konzen-
5 Isometrisches Spannen des M. quadriceps, M. vastus me- trische und exzentrische Kniestreckung gegen die Eigen-
18 dialis gegen Führungskontakt; Spannungseinleitung durch schwere des Unterschenkels im vorgegebenen Bewegungs-
M. tibialis anterior. ausmaß. Es darf keine Oberschenkelrotation zugelassen
19 5 Dasselbe mit Verstärkung durch das gegenseitige Bein als werden.
Overflow-Reaktion (. Abb. 16.18). 5 Dasselbe mit »Betonter Bewegungsfolge« für die Sprungge-
lenke bei statisch arbeitendem M. quadriceps.
20
21
15 Oberschenkelfraktur
293 15
Übung Ausgangsposition
5 Kniebeugung und Hüftstreckung. Sitz an der Bettkante. Oberschenkel liegt flach auf.
! Cave Übung
Vor Ausheilung der Fraktur darf bei verriegelten Marknagel- 5 Reziprokes Gehmuster mit Betonung der Kniegelenkfunk-
oder elastischen Plattenosteosynthesen aktiv im Hüftgelenk, tion (. Abb. 15.10, 7 Kap. 22).
nicht jedoch gegen distalen Widerstand rotiert werden.
Vorbereiten und Schulen von Aktivitäten
Ausgangsposition Für die verletzte Extremität besteht TeilbelastungsstabilitätDie
Sitz oder Halbsitz. Dosierung der Übungen richtet sich nach dem Heilungspro-
zess und der Belastbarkeit. Alle Übungen können durch Hebel-
Übung verkürzungen, angepassten Widerstand oder Kontakt und im
5 Bein- Becken-Rumpf-Stabilisation in der geschlossenen geschlossenen System auf Waagen mit entsprechender Bela-
Muskelkette gegen Theraband. Ferse gegen das Theraband stungsstufe ausgeführt werden.
schieben und Fuß dorsalflektieren, Knie strecken und Posi-
tion halten (. Abb. 6.25). Ausgangsposition
5 Dasselbe in der Rückenlage und im Stand. Hoher Sitz an der Bettkante, hoher Halbsitz oder Zweibein-
stand auf der Waage.
Mobilisation des Kniegelenks
Ausgangsposition Übung
Sitz oder Bauchlage. 5 Stabilisation der Rumpf-Becken-Kniegelenk-Fuß-Stellung
im Zweibeinstand (Bizzini 2000).
Übungen
5 PNF: »Chirurgische Technik« mit aktivem Weiterziehen, Übungen
»Rhythmische Stabilisation – Entspannen – aktiv Weiter- 5 Übungen im Türrahmen als Hausaufgabenprogramm
ziehen« ohne Rotation, »Dynamische Umkehr – Halten – (. Abb. 15.11–15.14, 6.37).
Entspannen – aktiv Weiterziehen« ohne Rotation.
5 Im Anschluss an die jeweils gewählte Technik soll der ge- Ausgangsposition
wonnene Bewegungsweg 7–10 sec gehalten werden. Ein Hoher Halbsitz an der Bankecke. Fuß des betroffenen Beins auf
Übungsprogramm zur Kräftigung der geschwächten Mus- der Waage. Becken in Mittelstellung, Hüft- und Kniegelenk fast
kelgruppe in der geschlossenen Kette schließt sich an. gestreckt (. Abb. 16.28).
5 Je nach Befund werden die aktiven Entspannungstech-
niken ergänzt durch Techniken aus der Manuellen Thera- Übung
pie, z.B. Patellagleiten und Traktion. Erst bei fortgeschrit- 5 Stabilisation der Beinachse im Extensionsmuster durch
manuellen Kontakt oder Theraband, auch über Gewichts-
294 Kapitel 15 · Oberschenkelfraktur
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16 Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks
297 16
höht werden. Die lokale Stabilität wird gesteigert durch Kokon- tung. Bei fixierter Patella bleibt der Belastungsdruck auf der
1 traktion der antagonistischen Muskeln (Üben im geschlossenen gleichen Stelle.
System, Bizzini 2000).
Wichtig
2 Lokale und eingelenkige Muskeln atrophieren schneller und
neigen zu Hypotonus, was Physiotherapeuten bei Kniegelenk-
5 Für die axiale Belastung des Beins nach Frakturen, be-
verletzungen sehr schnell und deutlich am Vastus medialis be-
3 obachten können. Auch das Gefühl für Spannung und Kontrak- sonders aber auch bei einer dorsomedialen oder -late-
ralen Instabilität, muss die volle Kontrolle der Beinachse
tionsvermögen geht eher verloren als bei mehrgelenkigen Mus-
durch die genannte Muskulatur vorhanden sein.
keln wie z.B. den Mm. ischiocrurales, die eher eine erhöhte Ak-
4 tivität zeigen. 5 Die ischiokrurale Muskulatur sichert das Kniegelenk bei
einer anteromedialen Instabilität.
Für die Rotationsstabilität in der Zehenabdruckphase
5 Bei voller Streckung übernimmt der gesamte periphere
5 (Streckphase) ist in besonderem Maße der M. sartorius verant-
und zentrale Bandapparat die passive Stabilisierung des
wortlich, der in den Pes anserinus einstrahlt. Bei voller Knie-
Kniegelenks.
streckung sichert er, gemeinsam mit dem medialen Kollateral-
6 band, das Kniegelenk an der medialen Seite.
Der M. gastrocnemius stabilisiert das Kniegelenk von dorsal,
7 wenn das Körpergewicht über die Lotstellung nach vorne oben Kniegelenk stabilisierende Bänder
gebracht wird. Er supiniert und plantarflektiert die Ferse und Das Kniegelenk ist, wie bereits erwähnt, ein sehr empfindliches
löst dadurch die Gegenpronation des Fußes und die Belastung Gelenk (Drehscharniergelenk), das hohen Rotations- und Be-
8 auf den Großzehballen aus. lastungskomponenten ausgesetzt ist. Der Rollgleitmechanismus
beginnt bereits bei ca. 15–20° Knieflexion und verursacht eine
Drehachsenverschiebung.
9 Patella
Aus biomechanischer Sicht spielt die Patella eine wichtige Rol- Nach Wirth (1978) wird das Innenband am vorderen Rand
le für die Funktion des Kniegelenks. Neben ihrer schon er- bei zunehmender Beugung, der hintere Rand in Streckung ge-
10 wähnten Gleitfähigkeit und ihrer engen Bindung zu den Seh- spannt. Der mittlere Abschnitt wird bei voller Streckung oder
nen der einzelnen Quadrizepsköpfe ist sie ein wichtiger Kraft- ca. 50° Beugung maximal gestrafft. Valgusstress und Außenro-
überträger auf den Unterschenkel. Über das Femoropatellarge- tation verursachen eine Spannungszunahme.
11 lenk werden große Kräfte, z.T. bis zum 7-fachen des Körperge- Das Außenband ist bei Überstreckung gespannt und wird
wichts (Kapandji 1985) auf die Tibia übertragen. bei Beugung entspannt.
12 Die retropatellare Knorpelschicht ist die dickste im ganzen Das vordere Kreuzband zeigt mit allen Teilzügen seine Ma-
Körper; nach Kapandji (1985) beträgt sie 4–5 mm. Auf diese ximalspannung bei Überstreckung oder ca. 100° Beugung. Va-
Weise wird bei Kniestreckung der Kraftarm verlängert und die russtress und Innenrotation erhöhen die Spannung, Valgusstress
13 Kraft für die Endstreckung um bis zu 60 gesteigert. und Außenrotation verringern die Spannung.
Wird die Patella reseziert, wird auch der Kraftarm des M. Das hintere Kreuzband ist von der vollen Streckung bis ca.
14 quadriceps deutlich kleiner, so dass er v.a. für die Endstreckung 60° Beugung mäßig gespannt, bei weiterer Beugung wird es
an Zugkraft verliert. Eine Indikation zur Resektion der Patella zunehmend straffer. Es zeigt eigentlich immer einen mittleren
sollte deshalb eng gestellt werden. Spannungsgrad.
15 Bei fehlender Streckfähigkeit des Kniegelenks wird auch das
Hüftgelenk in Flexion belastet, der M. gluteus maximus verliert Wichtig
seine Zugkraft, und es entsteht ein Circulus vitiosus. Wenn das
16 Kniegelenk eine Beugekontraktur aufweist oder in Beugung, Innenband und vorderes Kreuzband sind in einer belasteten
Flexions- und Rotationsstellung besonders verletzungsge-
z.B. in einer Schiene/Orthese fixiert ist, kann der Patient nur
17 mit einem sehr kräftigen M. quadriceps und M. gastrocnemi- fährdet.
us stehen. Das erhöht unnötigerweise die Belastung auf die bei-
den Kniegelenke und kann Ursache einer sich entwickelnden Die Rollgleit- und Beuge-/Streckbewegung des Kniegelenks
18 Arthrose sein. als Viergelenkkette (mediales/laterales Meniskofemoral- und
Gleichermaßen schädlich für die Entwicklung einer femo- mediales/laterales Meniskotibialgelenk, Löweneck 1994) wird
19 ropatellaren Arthrose ist es, wenn die Patella nach lateral ver- durch die Kinematik der Kreuzbänder bestimmt. Drehpunkte
schoben ist, z.B. durch eine Schwäche des M. vastus medialis. sind die jeweiligen Kreuzungspunkte der Kreuzbänder. Sie sind
Im Normfall gleitet die Patella bei Beugung und Streckung ca. der Zentralpfeiler des Kniegelenks und kontrollieren passiv die
20 5–6 cm in kaudal-kraniale Richtung, und die belastete Zone an Dreh- und Torsionskräfte des Beins.
der Patellagelenkfläche wandert in die entgegengesetzte Rich-
21
16 Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks
299 16
Befunderhebung
1
Befunderhebung, geltend für alle Frakturen, siehe 7 Ab-
2 schn. 16.3, »Patellafraktur«.
3 Behandlungsmöglichkeiten
Grundsätzliches Vorgehen
4 Kondylenfrakturen sind schwere Gelenkfrakturen, die häufig
innerhalb einer Frakturserie vorkommen (Polytrauma).
5 Die Dosierung einer frühen Übungsbehandlung richtet sich
nach dem Gelenkerguss, der Stabilität der Osteosynthese (Kon-
dylenplatte) und dem Allgemeinzustand des Patienten.
6 Die Patella kann frühzeitig mobilisiert werden.
Bewegungsstabilität kann für Beuge- und Streckbewegung
7 im Kniegelenk, jedoch nicht für die Rotation bestehen. Dyna-
mische Rotationsbewegungen des Oberschenkels sind deshalb
a b
nicht erlaubt. Muskeln, die das Kniegelenk und die Fraktur si-
8 chern, dürfen auf Teststufe 3 beansprucht werden; dies ent-
spricht einer Stabilisation des Beins mit Bodenkontakt/Mini-
malbelastung. Bei Unterschenkelbewegungen wird passiv, ge-
9 lenknah über/unter den Kondylen fixiert.
Der Einsatz der Motorschiene darf nur im schmerzfreien Be-
10 reich erfolgen. Der Fuß darf nicht fixiert sein, der Oberschen-
kel muss ganz aufliegen. Zunächst wird die Schiene in maxima-
ler Extension von 0–20–60° eingestellt.
11 Gehen mit Bodenkontakt/Minimalbelastung ist für 6–8 Wo-
chen vorgesehen, danach kann die Belastung je nach Funktions-
12 verbesserung individuell gesteigert werden. Bei guter Konsoli-
dierung kann ab der 10. –12. Woche mit der Vollbelastung be-
gonnen werden. Dann muss die Beinachse absolut stabil sein.
13
14 16.2 Tibiakopffraktur
Einteilung
15 c d
Tibiakopffrakturen werden nach den gleichen Kriterien wie Kon-
dylenfrakturen in A-, B- und C-Frakturen eingeteilt.
16 . Abb. 16.5a-d. a, b Kondylenfraktur, c Osteosynthese mit Abstützplat-
te, anterior-posteriore Ansicht, d seitliche Aufnahme
17 Ursachen
Physiotherapeutische Behandlung
Siehe physiotherapeutische Behandlung in 7 Abschn. 16.2, »Ti- 5 Kompression durch Auffahrunfall,
18 biakopffrakturen«; Besonderheiten bei der Nachbehandlung 5 Sturz aus großer Höhe.
von Kondylenfrakturen siehe folgenden 7 Abschn. »Behand-
19 lungsmöglichkeiten«.
Charakteristische Symptome
20 Komplikationen Siehe 7 Abschn. 16.1, »Distale Femurfraktur«.
Behandlungsrichtlinien und therapeutische riegelungsnagel dürfen die Belastung evt. etwas früher steigern.
Maßnahmen Dies hängt jedoch immer vom funktionellen Befund und Rönt-
genbefund ab.
Ärztliche Behandlung Wie bei allen Frakturen werden in der Proliferationsphase
In der Regel kommen Impressionsfrakturen vor, die mit einer aktiv/assistive Übungen und weiches passives Bewegen zur Un-
Abstützplatte und Spongiosaauffüllung behandelt werden, um terstützung des Heilungsprozesses durchgeführt. Hinzu kom-
die Beinachse wiederherzustellen. Zusätzliche Band- und Me- men Maßnahmen zur Resorption des Hämatoms/Ödems und
niskusläsionen (Kreuzbandverletzungen) werden oft sekundär zur Verbesserung der Durchblutung aus der physikalischen Me-
versorgt. Bei jungen Patienten kann eine Minimalosteosynthese dizin und eine Manuelle Lymphdrainage.
mit Schrauben angewendet werden (. Abb. 16.6, 21.14). Ab dem 8. postoperativen Tag kann evt. die CPM-Schiene
(. Abb. 17.6) eingesetzt werden, wenn sie exakt unterhalb der
Physiotherapeutische Behandlung Schmerzgrenze eingestellt und die Wunde geschlossen ist.
Stabile Osteosynthesen an den Femurkondylen/am Tibiakopf er- Im Allgemeinen darf nach erneuter Röntgenkontrolle ab
lauben eine frühe Physiotherapie. der 12. Woche mit der Belastungssteigerung zur Vollbelastung
In der Entzündungs- und frühen Proliferationsphase kom- begonnen werden. Diese Entscheidungen trifft der Arzt.
men alle Maßnahmen zur Prävention einer Thrombose oder Em-
bolie zur Anwendung (7 Kap. 3). Dies trifft v.a. für Mehrfach-
verletzte zu, die nicht gleich mobilisiert werden können. Komplikationen bei Kondylen-/
Eine Ruhigstellung ist nur bei Begleitverletzungen, z.B. Tibiakopffrakturen
Knieinstabilität durch eine Orthese oder einen Gips indiziert.
Nach Redonentfernung kann i.d.R. mit Mobilisierung und Vor allem bei Auffahrunfällen können folgende Komplikationen
Übungsbehandlung begonnen werden. Die Belastung wird für auftreten:
6 Wochen auf 15 kg begrenzt. Patienten mit retrogradem Ver- 5 Kombinationsverletzung: hinteres Kreuzband und Menis-
ken,
5 Zwei-Etagen-Femurfraktur,
5 Azetabulumfraktur,
5 Gefäß- und Nervenverletzungen,
5 Kniegelenkluxation,
5 Infektion des Kniegelenks (Emphyem),
5 Arthrose mit Spätfolge einer Kniegelenkendoprothese,
5 bleibende Instabilität und Fehlstellung,
5 Pseudarthrose,
5 Arthrofibrose.
Behandlungsmöglichkeiten
Grundsätzliches Vorgehen
Die Tibiakopffraktur ist ebenfalls eine Gelenkfraktur.
Die Behandlungsdosierung richtet sich nach dem Gelen-
kerguss, der Stabilität der Abstützplatte und der evt. zusätzlich
durchgeführten Spongiosaplastik (. Abb. 16.6, 21.14).
Der Führungskontakt/Widerstand für die Kniestreckbewe-
gung wird möglichst dicht unterhalb der Patella angelegt, d.h.,
dass die Hand des Physiotherapeuten über der Fraktur liegt
(. Abb. 15.5). Bei Abnahme des Unterschenkelgewichts sollte
die unterstützende Hand bis unter die Kniekehle reichen; der
Unterschenkel des Patienten liegt dann auf dem Unterarm des
Therapeuten.
Effektvoll kann auch die Technik »Vertauschen von Punktum
fixum und mobile« eingesetzt werden, d.h., bei unterstütztem
. Abb. 16.6a-d. a Tibiakopffraktur, b seitliche Aufnahme, c Osteosyn- Unterschenkel wird der Oberschenkel aktiv bewegt.
these mit kanülierten Schrauben, d seitliche Aufnahme
304 Kapitel 16 · Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks
Bei aufliegendem Bein sollen Fußheber und M. gluteus ma- Charakteristische Symptome/Leitsymptome
1 ximus die Kniestreckung fazilitieren (. Abb. 15.7). Meist wird für
die ersten Wochen eine Bewegungsbegrenzung der Extension 5 unmittelbare Schmerzen,
2 (0–20–60°) verordnet. Die Kokontraktionen der Fußheber, des 5 Krepitation, evt. tastbarer Spalt bei Dislokation durch Zug
M. gastrocnemius oder der Plantarflexoren mit dem M. quadri- des M. quadriceps,
ceps stabilisieren die Fraktur. 5 Streckunfähigkeit des Kniegelenks,
3 Bei bestehender Bewegungsstabilität kommen alle Übungs- 5 Schwellung,
kombinationen gegen Führungskontakt oder Boden-/Wand- 5 Gelenkerguss, »tanzende Patella«.
kontakt im geschlossenen System mit einer Waage infrage
4 (. Abb. 17.7, 17.8).
Bei reizlosem Heilungsverlauf kann der Patient ohne Gips- Behandlungsrichtlinien und therapeutische
5 schiene behandelt werden. Maßnahmen
Bei bewegungsstabilen Osteosynthesen wird das Aufstehen
mit einer Minimalbelastung für 6–8 Wochen verordnet, d.h., Ärztliche Behandlung
6 Gehen im Drei-Punkte-Gang. Die Belastung wird individuell Zur Diagnostik einer Patellafraktur (. Abb. 16.7) wird neben
nach Funktionsbefund gesteigert. Individuelle Verordnungen den Röntgenaufnahmen in zwei Ebenen auch eine tangentiale
7 müssen bei einer Spongiosaunterfütterung beachtet werden. Aufnahme durchgeführt. Zusätzlich kann ein Patellahochstand
Instabile Osteosynthesen erhalten einen Liegegips für 6–8 Wo- auf einen Patellarsehnenabriss hinweisen, ein Patellatiefstand
chen. eine M.-quadriceps-Verletzung. Differenzialdiagnostisch muss
8 Bei Tibiakopffrakturen darf die Motorschiene nur verwendet bei nicht dislozierter Unterbrechungslinie an eine Patella bipar-
werden, wenn die Fraktur bewegungsstabil versorgt wurde und tita gedacht werden. Sie besteht immer beidseitig und zeigt kei-
die Behandlung schmerzlos ist. Die Gefahr eines Reizknies ist ne Schmerzsymptomatik.
9 sehr groß. Die Bewegungsgrenze für die Extension wird i.d.R. Patellaluxationen kommen als Folge von Patelladyspla-
mit 0–20–60° festgelegt. sien oder flachen Kondylen bei Jugendlichen vor. Auch Form-
10 veränderungen der Patella oder ein Genu valgum verursachen
! Cave bei sportlichen Distorsionstraumen eine Luxation nach lateral.
Bei Knorpeldefekten und Refixationen darf die Motorschiene Ohne Sturz knickt dann das Knie ein. Eine Patellaluxation hat
11 nicht verwendet werden. Eine ca. 4-wöchige Gipsruhigstellung selten rein traumatische Ursachen. Häufig kommt es zu einer
ist angezeigt. Spontanreposition.
12
Operatives Vorgehen
16.3 Patellafraktur/Patellaluxation Die Indikation zur operativen Behandlung ist bei allen dislo-
13 zierten Patellafrakturen wegen der starken Zugkräfte und der
Einteilung Gefahr einer Arthrose zwingend.
14 Zur Anwendung kommen Zuggurtungsosteosynthesen mit
Patellafrakturen werden nach ihrem Frakturverlauf eingeteilt in: Drahtzuggurtung und/oder Zugschraube (. Abb. 16.7). Bei
5 Polabrissfrakturen, Trümmerfrakturen kommt eine Cerclage zur ventralen Zuggur-
15 5 Querfrakturen, tung hinzu. Bei dem sehr seltenen Patellasehnenabriss wird eine
5 Längsfrakturen, tempöräre Arthrodese durchgeführt.
5 Stückfrakturen, Kann keine stufenfreie Reposition und Retension erreicht
16 5 Trümmerfrakturen. werden, muss an eine Resektion einzelner Fragmente oder der
ganzen Patella gedacht werden. Die Totalresektion geht jedoch
17 mit einem deutlichen Kraftverlust für die endgradige Streckung
Ursachen einher, evt. wird dann eine Kunststoffersatzpatella implantiert
(s.o.)
18 5 Sportunfälle,
5 Fall auf eine Stufenkante, Physiotherapeutische Behandlung
19 5 Auffahrunfälle. Nach Entfernung der Redon-Drainagen wird eine abnehmbare
Orthese (Ruhigstellungsschiene, Donjoy-/Mecron-Schiene oh-
ne Gelenk) zum Aufstehen angelegt.
20 Die verordnete Belastung liegt bei 15 kg. Die Belastung kann
in dieser Schiene symptomatisch gesteigert werden. Zur Physi-
21 otherapie darf die Schiene abgenommen werden.
16.3 Patellafraktur/Patellaluxation
305 16
a b c
Ab der 7. Woche wird die Vollbelastung ohne Orthese stu- 5 Üben in der geschlossenen Muskelkette unter Beachtung
fenweise erarbeitet und das Training der die physiologische der Teilbelastung.
Beinachse sichernden Muskulatur forciert.
In der frühen Proliferationsphase konzentrieren sich die Eine milde Eisbehandlung erfolgt nur in der ersten postopera-
Schwerpunkte der physiotherapeutischen Behandlung auf die tiven Phase, anschließend kann eine Manuelle Lymphdrainage
Unterstützung des Heilungsprozesses. ausgeführt werden.
Maßnahmen zur Resorption des Gelenkergusses und des
periartikulären Ödems sind: ! Cave
5 Anlegen eines Kompressionsverbandes. Bei bestehendem Gelenkerguss, lokalen Entzündungszeichen
5 Isometrisches Spannen der Fußmuskulatur und des M. und einem Streckdefizit von mehr als 8–10° darf die Belastung
quadriceps in Hochlagerung (. Abb. 16.8). ohne Schiene nie über den Sohlenkontakt/Minimalbelastung
5 Aktives/assistives Bewegen des Kniegelenks innerhalb der hinaus gesteigert werden.
vorgegebenen Bewegungsbegrenzung, d.h., Extension
– 0–10–30° bei »tanzender Patella«,
– 0–10–60° bei ergussfreiem Gelenk.
. Abb. 16.8a-c. Hochlagerung auf Krapp-Schiene, a isometrisches Spannen der dorsalen Muskulatur, b Rumpfmuster zur Spannung des M. quadri-
ceps, c Extensionsmuster des rechten Beins zur Aktivierung der ventralen Muskulatur links
306 Kapitel 16 · Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks
4
Befunderhebung bei Frakturen
5
Beurteilen 5 Gelenkkontur.
6 5 Schwellung.
5 Narben.
5 Operationswunden.
7 5 Muskelrelief der Oberschenkelmuskulatur, v.a. des M. vastus medialis.
5 Hautdurchblutung.
5 Achsenstellung des Kniegelenks, Beinachse: Fußgelenke, Kniegelenk, Hüftgelenk.
8 5 Becken- und Rumpfstabilität.
5 Qualität des Bewegungsstopps.
5 Röntgenbild in 2 Ebenen und Patellatangentialaufnahme, CT.
9 Wichtig
Zu achten ist auf evt. »flake fractures«, knöcherne Ausrisse von Bändern oder alte Knorpelschäden (Arthrose).
19
20
21
16.4 Gelenkflächenersatz, komplette Kniegelenkprothese
307 16
Ärztliche Behandlung
Operationstechnik, Form und Material einer Totalendoprothe-
se des Kniegelenks haben sich in den letzten Jahren deutlich
verbessert. Heute werden »Mobile bearing«- und »Dual sur-
face articulation«-Prothesen verwendet (Weigel, Nerlich 2005),
z.B. das SAL-Knie (Self Aligning Knee Replacement). Der Polyä-
thyleneinsatz artikuliert dabei mit dem femoralen Prothesenteil
. Abb. 16.9. Test: »Tanzende Patella« als Zeichen eines Gelenkergusses und dem tibialen Metallteil.
Physiotherapeutische Behandlung
Behandlungsmöglichkeiten Die postoperative Physiotherapie beginnt nach der Redonent-
fernung (Weigel, Nerlich 2005).
Bei einer AO-Zuggurtungs- oder Schraubenosteosynthese Das neue Gelenk soll sehr niedrig dosiert passiv und aktiv/
(. Abb. 16.7) wird nach Entfernung der Redon-Drainagen mit assistiv bewegt werden. Wichtig ist das frühzeitige Erreichen der
isometrischer Muskelarbeit des M. quadriceps begonnen. Streckfähigkeit, allerdings nicht durch zu intensives Üben.
Der Patient erhält eine Ruhigstellungsorthese in ca. 10°-Fle- Bedingt durch die Vorschädigung und das operative Vorge-
xionstellung für 6 Wochen. Aus der Schiene darf strecknah ge- hen, besteht häufig eine aktive Insuffizienz des M. quadriceps. Bei
übt werden. Sonst bleibt sie jedoch angelegt. der Befunderhebung zeigt sich, dass die aktive Knieextension
Als Techniken kommen infrage: deutlich schlechter ist als die passive (Muskelfunktionstest < 3).
5 Endstellung – Halten gegen Führungskontakt bei abge- Die in der Standbeinphase vorhandene passive Extension kann
nommener Beinschwere, muskulär nicht gehalten werden. Bis die aktive Stabilität wie-
5 Dynamisches Bewegen im Hüftgelenk bei gestrecktem der voll hergestellt ist, sollte der Patient sein Bein durch Geh-
Kniegelenk gegen manuellen, angepassten Widerstand stützen entlasten.
oberhalb der Patella,
5 Unterschenkel unterstützt, Betonung auf M. vastus medi- Wichtig
alis,
Der Weichteilmantel ist ventral sehr dünn. Wird die Wunde
5 Dynamische Kniegelenkstreckung über Hüftgelenkstre-
gedehnt, ehe sie wieder verklebt und verheilt ist, platzt sie
ckung (Vertauschen von Punktum fixum und mobile),
auseinander, und es besteht die Gefahr einer Infektion. Früh-
5 Aktive dynamische Beugung (über 30° erst nach Resorpti-
zeitiges Beugen des Kniegelenks ist daher kontraindiziert
on des Gelenkergusses und Frakturheilung),
(van den Berg 2001, 7 Kap. 1).
5 Stabilisation bei Bodenkontakt in strecknaher Kniegelenk-
position,
5 Gehen mit schmerzfreier Teilbelastung und Schiene Von ärztlicher Seite wird oft sehr früh, manchmal bereits nach
(6 Wochen). zehn Tagen, das Erreichen von 90° Knieflexion gefordert, was
Therapeut und Patient unter massiven Leistungsdruck setzt und
Nach klinischer Konsolidierung wird die Gleitfähigkeit der Pa- zu einer forcierten Flexionsmobilisation verleitet.
tella erarbeitet. Bleibt an der patellaren Gelenkfläche eine Stufe Eine zu frühe intensive Flexionsmobilisation kann jedoch
bestehen, muss mit langwierigen Beschwerden und einer retro- das Gelenk massiv reizen und den intraartikulären Erguss wie
patellaren Arthrose gerechnet werden. die extraartikuläre Schwellung verstärken. Dies wiederum ver-
Wenn das Kniegelenk reizlos ist, darf nach 7 Wochen mit stärkt das Schmerzgeschehen und schädigt den Gelenkknor-
Vollbelastung ohne Schiene und freiem Treppensteigen begon- pel. Anstelle einer verbesserten Beugefunktion tritt eine Ver-
nen werden. In Belastung darf das Knie nicht mehr als 40° ge- schlechterung ein. Da sich in den ersten fünf Wochen keine pa-
beugt sein. Die Orthese wird stufenweise abtrainiert. thologischen Crosslinks bilden (van den Berg 2001, 7 Kap. 1),
308 Kapitel 16 · Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks
lingt v.a. mit Übungen im geschlossenen System. Posterolateral Trauma bei Innenrotation und Flexion führt zu
3 Die zementierte Kniegelenkprothese ist primär belastungs- einer Verletzung des hinteren Kreuzbandes, der
posterolateralen Kapselbandschale und des Au-
stabil, jedoch muss die Wundheilung genau beobachtet werden,
ßenbandes
z.B. bei Retinakulumnähten. Deshalb empfiehlt Weigel (2005)
4 das teilbelastete Gehen mit Unterarmstützen während der Pro-
liferations- und Konsolidierungsphase (4–8 Wochen postope-
5 rativ). Ursachen
Wenn nach Monaten immer noch Schmerzen, Schwel-
lungen und ein Erguss bestehen, kann dies möglicherweise auf Kapsel-Band-Verletzungen entstehen meist als Folge von:
6 eine zu hoch dosierte Physiotherapie während der Rehabilitati- 5 Sportunfällen, z.B. Ballsportarten, Skifahren oder
onsphase zurückzuführen sein. Eine differenzierte Ursachen- 5 Verkehrsunfällen (Motorradfahren).
7 suche bzw. eine erneute ärztliche Diagnostik muss dann er-
folgen. Gegebenenfalls muss der Patient dahingehend beraten Das vordere Kreuzband ist etwa 5- bis 10-mal häufiger betroffen
werden, sein Bein wieder zu schonen, und die Übungsbehand- als das hintere.
8 lung muss niedriger dosiert werden. Daher beziehen sich die nachfolgenden Symptome und the-
rapeutischen Maßnahmen in diesem Abschnitt auf die vordere
Kreuzbandverletzung/anteromediale Kniegelenkinstabilität; die
9 16.5 Kapsel-Band-Meniskus-Verletzungen hintere Kreuzbandverletzung wird in 7 Abschn. 16.6 beschrie-
ben.
10 Einteilung
Die beiden Kreuzbänder sind die wichtigsten passiven Stabi- Charakteristische Symptome/Leitsymptome
11 lisatoren des Kniegelenks. Das vordere Kreuzband begrenzt
das Gleiten der Tibia nach ventral und deren mediale Rotati- Bei Kombinationsverletzungen mit vorderer Kreuzbandruptur:
12 on. Nach Butler et al. (1995) besteht beim normalen Gehen ei- 5 Gelenkerguss innerhalb der ersten 24 h,
ne Zugbelastung von 400–500 N, beim Beschleunigen oder Ab- 5 periartikuläre Schwellung,
bremsen kann sie bis zu 1700 N ansteigen. 5 Unfähigkeit, zu belasten und zu bewegen,
13 Man unterscheidet einfache und komplexe Kniegelenkinsta- 5 Schmerzen im Augenblick des Traumas und erneut bei Be-
bilitäten. Die einfache Instabilität beschreibt eine pathologische lastung,
14 Beweglichkeit um eine Achse, die komplexe Instabilität ein Ab- 5 deutliche Instabilität,
weichen der Kniegelenkachsen in mehreren Richtungen. 5 endgradige Streckhemmung durch Impingement und Hä-
Einfache Instabilitäten, v.a. ein isolierter Bandriss, kommen marthros,
15 sehr selten vor. 5 Schonhaltung in ca.20° Kniebeugestellung.
Instabilitäten des Kniegelenks werden nach der Richtung
der Instabilität eingeteilt. Bei älteren Rupturen:
16 5 »spontanes Wegknicken«,
Anteromedial Trauma bei Valgusstellung, Außenrotation und 5 gelegentliche Einklemmungssymptome.
17 Flexion führt zu einer Verletzung der postero-
medialen Kapselbandschale, des Innenmenis-
kus und des vorderen Kreuzbandes (früher »un- Behandlungsrichtlinien und therapeutische
18 happy triad«, heute »anteromediale Kniegelenk- Maßnahmen
instabilität«)
Konservatives/operatives Vorgehen
Nach arthroskopischer Resektion der freien Kreuzbandstümpfe
kann eine konservative Therapie indiziert sein (Jerosch 2004).
Bei Überdehnungen und Teilrupturen sollte zunächst konservativ
mit einem intensiven Muskeltraining behandelt werden.
Bezüglich einer Punktion des Hämarthros gibt es unter-
schiedliche Meinungen. Zunächst soll gekühlt und ein Kom-
pressionsverband angelegt werden. Als Präventivmaßnahme
zur Vermeidung einer Thrombose gibt man niedermolekulares a b
Heparin und Antiphlogistika.
Der Patient soll früh mobilisiert werden und minimal belasten; . Abb. 16.10a,b. a Patellasehnenplastik nach Riss des vorderen Kreuz-
er erhält eine Orthese zur Bewegungsbegrenzung. bandes, b seitliche Aufnahme
Eine Ausheilung des rupturierten Kreuzbandes ist nicht zu er-
warten; man kann jedoch die Instabilität bis zu einem gewissen
Grad durch eine starke, reaktionsfähige Muskulatur kompen- ein Impingement- oder Zyklopssyndrom. Ein Zyklopssyndrom
sieren (Weigel, Nerlich 2005). ist eine kugelförmige Narbenbildung am Ansatz des Kreuzband-
Heute hat sich das arthroskopische Vorgehen als Regeloperati- transplantates bei fehlerhaft zu weit vorne an der Tibia gesetz-
on durchgesetzt (Kaisser, Mayr 1999, Jerosch 2004, Weigel, Ner- tem Bohrkanal. Bei Kniegelenkstreckung wird die Narbenkugel
lich 2005). Weigel empfiehlt eine Refixation des Kreuzbandes ständig eingeklemmt und verursacht eine schmerzhafte Streck-
zwischen der 6. – 12. posttraumatischen Woche. Der beste Zeit- hemmung.
punkt scheint dann zu sein, wenn die Entzündungsphase been-
det ist, Schmerz und Schwellung abgeklungen sind und Beweg- Physiotherapeutische Behandlung
lichkeit und Muskelatrophie sich nahezu normalisiert haben. Die physiotherapeutische Behandlung konzentriert sich in der
Die Physiotherapie konzentriert sich also auf die Reduzierung Proliferationsphase auf die Stabilisierung der Beinachse und
dieser Symptomatik unter Betonung der Muskelkräftigung. Kräftigung der Mm. ischiocrurales.
Bei komplexen Verletzungen und bei jungen Aktivsportlern Diskussionen darüber, ob und wie lange eine Orthese getra-
muss operiert werden. Infrage kommt eine Augmentation der gen werden soll, werden nach wie vor sehr kontrovers geführt.
Kreuzbandnaht mit einem freien mittleren Patellasehnendrit- Bedenkt man die Forschungsergebnisse von Scherer (1993) und
tel (. Abb. 16.10). Dieses wird mit einem kleinen Knochenstück van den Berg (2003), so scheint eine Orthesenbehandlung bis
mittels Interferenzschraube im Femur fixiert. Das Transplantat zum Ende der Proliferationsphase sinnvoll.
muss exakt in den femoralen Bohrkanal in die Notch positio- Zur Physiotherapie kann die Orthese abgenommen wer-
niert werden, da sonst ein Impingement ensteht. Manche Ope- den.
rateure verwenden ein Semintendinosussehnentransplantat. Nach Weigel, Nerlich (2005) soll eine Orthese für mehre-
Vorteile der Patellasehnenplastik sind Festigkeit und schnel- re Monate, bei sportlichen Aktivitäten bis zu einem Jahr getra-
le Einheilung der Knochenblöcke, Nachteile sind das Risiko ei- gen werden. Manche Autoren belassen sie für 6 Wochen, an-
ner Patellafraktur oder retropatellarer Beschwerden und das dere Operateure wiederum erproben derzeit eine orthesenfreie
Unvermögen, lange Zeit nicht knieen zu können. Nachbehandlung (Mayr 1999, 2000).
Bei der Semitendinosussehnenplastik wird der Streckap- Ebenso werden Bewegungsbegrenzung und Beginn belas-
parat nicht gestört. Die Plastik ist jedoch primär nicht belast- tender Übungsformen noch immer kontrovers diskutiert. Es
bar und zeigt eine langsamere Einheilung und geringere Festig- zeichnet sich jedoch ein Trend zur frühfunktionellen Behand-
keit. Bei dieser Methode kann es zu erheblichen Nachblutungen lung im geschlossenen System ab, mit geringeren Bewegungs-
kommen; deshalb muss postoperativ ein Kompressionsverband begrenzungen als noch vor einigen Jahren.
angelegt werden. Unserer Auffassung nach müssen die biomechanischen Ge-
Das Transplantat muss sorgfältig an der Tibia inseriert wer- setzmäßigkeiten und der biologische Heilungsprozess exakt be-
den. Befindet sich das Bohrloch zu weit vorne, entsteht leicht dacht werden, wenn Folgeschäden vermieden werden sollen.
310 Kapitel 16 · Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks
Grundlage für jede Behandlungssteigerung muss der aktuelle Finanzielle Überlegungen bzgl. der längeren Behandlungszeiten
1 Befund sein. sollten keine Rolle spielen. Schlechte Ergebnisse verursachen
Bizzini (2000) gibt bei einer vorderen Kreuzbandplastik sog. längerfristig Mehrkosten.
2 »sichere Übungsbereiche« für die ersten drei Rehabilitationsmo-
nate an:
5 Isolierte Extension (offene Kette): 90–40°. Komplikationen
3 5 Isolierte Flexion (offene Kette): voll.
5 Kniebeuge/Squat (geschlossene Kette): 0–30°, Rumpfvor- Komplikationen bei allen Kapsel-Band-Verletzungen siehe
neigung ca. 30°. 7 Abschn. 16.7, »Kollateralbandrupturen«.
4 5 Beinpresse/Leg Press (geschlossene Kette): 0–60°.
5
Befunderhebung bei Kapsel-Band-Meniskus-Verletzungen
6
Bei Verdacht auf eine Bandläsion werden die nachfolgenden Be- schlüsse auf die Komplexität der Verletzung zu. Postoperativ
7 fundpunkte gezielt geprüft. Sie ergänzen die Routinebefunder- dürfen die Stabilitätstests nicht vor Ablauf der 16. Woche durch-
hebung. Beurteilt werden Schmerzauslösung und Schmerzcha- geführt werden.
rakteristik, Aufklappbarkeit und Instabilität/Stabilität des Knie- Das gesunde Kniegelenk sollte im Seitenvergleich immer
8 gelenks. Der Ausprägungsgrad der Symptomatik lässt Rück- zuerst beurteilt werden.
5
9 Beurteilen
5
Verletzungsmechanismus: Valgus-/Flexions-/Außenrotationsstress.
Punktionsergebnis, evt. Hämarthros.
5 Arthroskopieergebnis, MR-Ergebnis.
10 5
5
Zeitpunkt des Schmerzbeginns, Art der Schmerzen.
Zeitpunkt des auftretenden Gelenkergusses.
5 Sicherheitsgefühl beim Gehen.
11 5 Spontaner Schmerz bei der Verletzung oder nicht.
5 Vermehrte Rotationsfähigkeit im Gelenk.
5 Schmerzauslösung und Stabilität des Kniegelenks durch gezielte Testverfahren im Seitenvergleich.
12 5 Patellastand und -konturen.
18
Klassifizierung der Aufklappbarkeit (Siehe . Abb. 16.11, Schema zur Dokumentation der Kniestabi-
19 Üblich ist eine Klassifizierung nach Fetto-Marshall (in Trentz, lität der Schweizer Orthopädischen Arbeitsgruppe Knie, OAK.
Bühren 2001): Die Dokumentation erfolgt durch Ankreuzen oder Farbken-
5 1. Grad: + 2–5 mm, nung der kleinen ovalen Felder, jeweils in Aufklappbarkeit 0,
20 5 2. Grad: ++ 6–10 mm, * 1. Grades, ** 2.Grades, *** 3. Grades.
5 3. Grad: +++> 10 mm Eine Einteilung in »nicht vorhanden, kaum, mäßig und
21 deutlich« ist auch nach Müller (1982) möglich.
16.5 Kapsel-Band-Meniskus-Verletzungen
311 16
. Abb. 16.11. Schema zur Dokumentation der Kniestabilität (Schweizer Orthopädische Arbeitsgruppe)
nah erfolgt eine Subluxation des Tibiaplateaus nach ventral, bei Behandlungskonzepte bei Kapsel-Band-
1 Beugung reponiert sich die Tibia. Diese Methode ist schmerzär- Meniskus-Verletzungen
mer als der Pivot-Shift-Test.
2 Pivot-Shift-Test
Es gibt heute immer noch keine einheitlichen ärztlichen Be-
handlungskonzepte nach Kapsel-Band-Verletzungen des Knie-
Anhand dieses Tests sind eine vordere Kreuzbandläsion und an- gelenks. Deshalb sollen einige Konzepte aufgezeigt werden.
3 terolaterale Instabilität 2. Grades sicher zu erkennen. Der Test Mayr et al. (2000) konnten nachweisen, dass ein signifi-
wird in Narkose ausgeführt. kanter Zusammenhang besteht zwischen der Entwicklung einer
Der Patient liegt in Rückenlage. Der Therapeut umgreift den Arthrofibrose und
4 lateralen Femurkondylus; das Bein liegt in Innenrotation/Ab- 5 einem präoperativen Reizzustand,
duktion/Flexion, das Kniegelenk ist gestreckt. Wenn es gebeugt 5 einer präoperativen Bewegungseinschränkung,
5 wird, gleitet die Tibia mit einem kleinen Ruck aus ihrer Sub- 5 einer peri- und postoperativen überdurchschnittlichen
luxationsstellung in Normalposition zurück. Dies ist durch die Schmerzhaftigkeit und
Stellung des Tractus iliotibialis bedingt, der bei zunehmender 5 einem zu frühen Muskelaufbautraining.
6 Beugung des Kniegelenks hinter der Beuge-Streck-Achse liegt
und damit das laterale Tibiaplateau wieder nach hinten repo- Aus diesen Erkenntnissen baut sich das heutige Behandlungs-
7 nieren kann. konzept bzgl. dem Operationszeitpunkt, der durchgeführten
Schmerztherapie und der physiotherapeutischen Behandlung
Reversed Pivot-Shift-Test auf.
8 Der Test ermittelt eine posterolaterale Instabilität. Weigel, Nerlich (2005) empfehlen einen Operationstermin
Der Patient liegt in Bauchlage. Das Bein ist außenrotiert, das zwischen der 6. und 12. Woche, wenn der Reizzustand des Ge-
Kniegelenk ist gestreckt. Der Therapeut umfasst mit einer Hand lenks abgeklungen ist. So ergibt sich eine präoperative physio-
9 den Tibiakopf von lateral, mit der anderen Hand das Sprungge- therapeutische Behandlungsphase, die für eine Optimierung des
lenk und beugt das Kniegelenk. Bei positivem Test (posterolate- Operationsergebnisses genutzt werden soll.
10 raler Instabilität) subluxiert die Tibia nach dorsal und reponiert
sich über die Traktusspannung bei Streckung. Präoperative Behandlungsphase
Physiotherapeutische Ziele der präoperativen Behandlungspha-
11 Jerk-Test se sind
Der Test ermittelt die Luxation des lateralen Tibiakondylus ge- 5 Reduzierung von Schmerzen, Schwellungen und Hämarth-
12 gen den Femurkondylus nach vorne als Folge einer anterolate- ros,
ralen Instabilität. 5 Verbesserung der Muskelkraft und Koordinationsfähigkeit,
Der Test wird in Rückenlage ausgeführt. Aus 90° Kniebeu- aus denen sich die nachfolgenden Maßnahmen ableiten.
13 gung wird der Unterschenkel leicht innenrotiert und abduziert Maßnahmen zur Reduzierung von Schmerzen, Schwel-
und anschließend vorsichtig gestreckt. Bei ca. 30° und positivem lungen und Hämarthros:
14 Test subluxiert der laterale Tibiakondylus ruckhaft nach vorne. 5 Intermittierendes, kurzes Kühlen (2–3 sec) zwischen ak-
tiven Spannungsformen (in der Entzündungsphase).
Außenrotations-Rekurvatum-Test 5 Eigenständiges Hochlagern, mehrmals täglich.
15 Anhand dieses Tests lässt sich die dorsolaterale Instabilität er- 5 Manuelle Lymphdrainage.
kennen. 5 Elektotherapie, diadynamische Stromformen.
Das Bein wird aus Rückenlage an der Ferse angehoben. Bei 5 Mobilisation der BWS/LWS (Th10–L2) zur Senkung der
16 positivem Test entsteht dabei eine Außenrotations- und Rekur- Erregbarkeit des N. sympathicus.
vatumstellung. 5 Massagetechniken.
17
Schmerzbeurteilung Maßnahmen zur Verbesserung der Muskelkraft und Koordina-
Eine Schmerzauslösung wird nach der Qualität und lokalen tionsfähigkeit:
18 Zugehörigkeit zu den einzelnen Strukturen sowie dem Aus- 5 Aktiv/assistives Bewegen des Kniegelenks in komplexen
prägungsgrad beurteilt. Schmerzen können durch ein Hämar- Mustern im geschlossenen System.
19 thros verdeckt sein. Eine Schmerzcharakteristik ist v.a bei Teil- 5 Mobilisation der Patella.
rupturen zu erkennen. Druckempfindlichkeit besteht bei allen 5 Isolierte Kräftigung der Mm. ischiocrurales bei vorderer
Bandverletzungen (VAS, . Abb. 2.2). Kreuzbandläsion auch im offenen System, des M. quadri-
20 ceps nur im geschlossenem System.
21
16.5 Kapsel-Band-Meniskus-Verletzungen
313 16
5 Isolierte Kräftigung des M. quadriceps bei hinterer Kreuz- große Differenzen zwischen den einzelnen Operateuren. So
bandläsion auch im offenen System, der Mm. ischiocru- wird zur Sicherung der Kniestabilität häufig eine Orthese ver-
rales nur im geschlossenen System. ordnet, die 4 Wochen getragen werden soll. Es ist auch heute
5 Erlernen der notwendigen Aktivitäten für eine gewisse noch unmöglich, die postoperative Physiotherapie auf den ex-
Selbständigkeit bei Minimal- oder Teilbelastung des betrof- akten Heilungsverlauf des rekonstruierten Kapsel-Band-Appa-
fenen Beins und adäquater Schonung. rates abzustimmen.
Traumatologen sind der Meinung, dass das Patellasehnen-
Postoperativ müssen die präoperativen Maßnahmen wieder transplantat zwischen der 6. und 8. Woche knöchern einge-
aufgegriffen werden. wachsen ist. Nicht gesichert, aber im Tierversuch nachgewiesen
Wie bereits erwähnt, erfolgt eine Schmerztherapie mit wurde jedoch, dass sich das Transplantat zwischen der 6. und
nichtsteroidalen Antiphlogistika wie Diclofenac, Voltaren und 12. postoperativen Woche umformt. Dies bedeutet eine Schwä-
Novalgin. Sehr selten wird eine Sympathikusblockade durch- chung des Sehnentransplantates, die von Physiotherapeuten
geführt (7 Kap. 3). Als Thromboseprophylaxe erhält der Patient bzgl. des Aufbautrainings beachtet werden muss.
niedermolekulares Heparin für ca. 6 Wochen. Als Beispiel soll das Konzept der Orthopädischen Gemein-
Physiotherapeutisch wird die medikamentöse Schmerzthe- schaftspraxis Mayr, Münch, Schmidt (München) beschrieben
rapie durch eine milde, kurzzeitige Eistherapie unterstützt. Der werden, das in Zusammenarbeit mit dem Labor für Biomecha-
Patient soll die Dosierung immer selbst mitbestimmen und eine nik an der LMU München entstand. Dieses Konzept enthält kei-
Schmerztherapie als zeitlich begrenzte Maßnahme ansehen. ne differenzierten, auf den einzelnen Patienten abgestimmten,
Therapeuten sollen die Schmerzursachen analysieren und Behandlungskriterien.
mit dem Patienten eine behutsame Mobilisation und einem
langsamen Muskelaufbau planen. Konzept Mayr
Die Gehschulung mit der vorgegebenen Belastungsstufe be- Operationstag und 1. postoperativer Tag
ginnt ab dem 2. – 4. Tag während der Proliferationsphase. 5 Lagerung in gerader Schiene.
5 Milde Kälteapplikation im komprimierenden System
Postoperative Behandlungsphase (Cryo-cuff ) (. Abb. 16.12).
Das Hauptziel der postoperativen physiotherapeutischen Be- 5 Isometrie für Mm. ischiocrurales.
handlung ist die Wiederherstellung der physiologischen, koordi- 5 Isometrie für M. quadriceps nur in der geschlossenen Ket-
nierten Bewegungsabläufe des Kniegelenks im Alltag und beim te.
Sport. 5 Aktive Fußbewegungen.
Diesem Ziel sind folgende Teilziele untergeordnet:
5 Schmerzen als Ursache für Heilungsstörungen, Muskel- 2. Tag
schwächen, Belastungsunfähigkeit und Kontrakturen sol- Fortführung der Behandlung vom ersten Tag post-op.
len vermieden oder deutlich reduziert werden. 5 Verbandswechsel, Ziehen der Redon-Drainage.
5 Immobilisationsschäden sollen vermieden werden. 5 Manuelle Lymphdrainage.
5 Das Kniegelenk soll seine Rollgleitfunktion und seine frü- 5 Motorschiene: Beginn maximal 0–0–50/60°, wenn intraar-
hestmögliche volle Beweglichkeit wiedererhalten. tikulärer Redon gezogen wurde.
5 Die natürliche Gleitfähigkeit der Patella soll zur Entlas- 5 Aktive Knieextension nur in der geschlossenen Kette.
tung des Retropatellargelenks und vollen Beweglichkeit des 5 Patellamobilisation.
Kniegelenks erreicht werden. 5 PNF ohne Streckung des operierten Beins für die Mm. is-
5 Durch den Wechsel von Bewegen und adäquatem Belas- chiocrurales.
ten soll die Knochen- oder Bindegewebsheilung gefördert
werden. 3. – 7. Tag
5 Die sensomotorische Kontrolle des Kniegelenks soll wie- 5 Anpassen der Orthese (Donjoy-Schiene) wahlweise in 0-
derhergestellt werden. 10-60°-Stellung.
5 Die Kniegelenkstabilität soll in allen Positionen und Bewe- 5 Vier-Punkte-/Drei-Punkte-Gang mit Teilbelastung nach
gungsabläufen erreicht werden. Schmerztoleranz und nach physiotherapeutischer Kontrol-
5 Die Fazilitation der lokal stabilisierenden Muskulatur (M. le der Beinachse beim Gehen.
vastus medialis) soll erarbeitet werden. 5 Aktive Kniegelenkbeugung gegen manuellen Widerstand
5 Das Bewegungsverhalten im Alltag und beim Sport soll oder Theraband. Ferse behält Kontakt zur Unterlage.
verbessert werden (Verbesserung von Aktivitäten). 5 Üben der Ab- und Adduktoren.
5 Stabilisation der Rückenmuskulatur, BWS-Aufrichtung
Behandlungskonzepte müssen individuell zugeordnet werden (. Abb. 16.24).
und sind nicht als starres Zeitschema zu werten. Es bestehen
314 Kapitel 16 · Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks
. Abb. 16.14. Verstärkungstechnik . Abb. 16.16. Kontrolle der Beinachse auf der Waage bei PNF-Übung
des gesunden Beins
. Abb. 16.15. Gehmuster mit Orthese . Abb. 16.17a,b. Einüben der Belastung auf der Waage
5 CPM-Schiene ohne Orthese im schmerzfreien Bereich, 5 Stabilisation im hohen Sitz oder Halbsitz: Korrektur der
maximal 0–0–50°; bei Gelenkerguss nicht einsetzbar, da Beinachse auf der Waage in ca. 0–30° Kniestellung. Beach-
Bewegungsspielraum zu klein ist (0–0–30°). Das Bein darf tung der vorgegebenen Teilbelastung.
nicht angebunden sein! 5 Becken-Rumpf-Stabilisation im Halbsitz und Stand auf
5 PNF mit dem gesunden Bein und den Armen, z.B.im Geh- Waagen, unter Beachtung der vorgegebenen Teilbelastung.
muster (. Abb. 16.15). 5 BWS-Aufrichtung: PNF-Muster, auch gegen Theraband,
5 Angepasste Widerstandsübungen für Sprung- und Hüftge- aus dem hohen Sitz oder Halbsitz.
lenkmuskeln des betroffenen Beins, Schwerpunkt: Mm. is- 5 Mobilisation des thorakolumbalen Überganges.
chiocrurales. 5 Gehen mit Minimalbelastung, bei Schmerzfreiheit und
5 Beckenstabilisation in Ab-/Adduktion (PNF). reizlosem Gelenk mit Orthese.
5 Stabilisation der Beinachse mit Belastungsbegrenzung: 5 Einüben der Minimalbelastung auf der Waage
PNF-Muster des nicht betroffenen Beins »Flexion/Adduk- (. Abb. 16.17).
tion/Außenrotation zum gebeugten Knie« (. Abb. 16.16). 5 Treppensteigen: abwärts mit betroffenem Bein, aufwärts
mit gesundem Bein im Nachstellschritt.
316 Kapitel 16 · Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks
Ursache für Verklebungen und mangelnde Gleitfähigkeit der geprüft wie auch weitere relevante Funktionstests durchgeführt
Kreuzbänder sein. (7 Abschn. 16.5, Befunderhebung). Bild gebende Verfahren wer-
Scherer et al. (1993) untersuchte die biomechanische Ver- den wie bei allen Kniegelenkverletzungen durchgeführt. Wegen
änderung der Patellasehne nach der Transplantationsentnah- der großen Schmerzhaftigkeit sollte keine gehaltene Röntgen-
me zur Stabilisierung des vorderen Kreuzbandes. Er beobachte- aufnahme gemacht werden.
te, dass sich der Sehnenquerschnitt sowohl an der Patellarsehne
wie auch am Transplantat erhöhte. Nach Scherer ist die Patella- Konservatives/operatives Vorgehen
sehne nicht fähig, ihre ursprüngliche Struktur wiederzuerlan- Isolierte mediale Kollateralbandverletzungen werden konserva-
gen; jedoch soll die Festigkeit nach 12 Monaten erreicht sein. tiv behandelt (Weigel, Nerlich 2005). Auch Kombinationsver-
Auch van den Berg (2001) bestätigt diese Aussagen. Sie ha- letzungen ergeben ein besseres Funktionsergebnis, wenn die
ben Bedeutung für die physiotherapeutische Behandlung, die Kreuzbänder und dorsalen Strukturen rekonstruiert, das medi-
Beratung der Patienten in der Spätrehabilitation und die Sport- ale Kollateralband jedoch unangetastet bleibt. Es kann in seiner
fähigkeit nach Kniebandverletzungen. bindegewebigen Scheide wieder zusammenwachsen.
Außenbandrupturen werden bei komplexen Instabilitäten
zusammen mit der vorderen Kreuzbandruptur und dem late-
16.7 Kollateralbandrupturen ralen Kapselbandapparat operativ versorgt.
Bei knöchernen Ausrissen des medialen/lateralen Kollate-
Einteilung ralbandes wird operativ behandelt. Zur Refixierung an anato-
mischer Stelle werden Krallenplättchen, Kleinfragmentschrau-
Die Kollateralbandrupturen werden nach Hughston (in Jerosch, ben oder transossäre Nähte verwendet.
Heisel 2004) in drei Schweregrade eingeteilt. Schmerzsituation und erreichter Stabilitätsgrad entschei-
den über Versorgung mit Orthese, Verordnung der Belastungs-
Grad I Dehnung, mit Aufkklappbarkeit von 0–5 mm stufe und Bewegungsbegrenzung.
Grad II Teilruptur, mit Aufklappbarkeit von 5–10 mm Physiotherapeutische Behandlung
Grad III Komplette Ruptur, mit Aufklappbarkeit < 10 mm Innenbandverletzungen kommen selten isoliert vor, häufiger in
Kombination mit einem Meniskus- oder zentralen Bandriss.
Isoliert verletzt, werden sie wie die Meniskusrefixation behan-
delt (physiotherapeutische Behandlung, 7 Abschn. 16.8).
Ursachen Für die muskuläre Sicherung des Kniegelenks sind verant-
wortlich: Pes-anserinus-Gruppe und M. vastus medialis des
5 Valgus-/Varusstress bei Ballsportarten oder Auffahrunfäl- M. quadriceps.
len, verbunden mit Rotation. Wesentlich seltener kommen Außenbandverletzungen vor.
Sie werden vom Prinzip her gleich behandelt.
Das Innenband wird wesentlich häufiger verletzt als das Außen- Die Muskelkette verläuft über die Fußpronatoren und Fuß-
band. Eine Instabilität tritt v.a. in Kombination mit einer ante- heber zum M. vastus lateralis, M. tensor fasciae latae und den
romedialen Instabilität auf. kleinen Glutäen.
Die meisten operativen Eingriffe werden ambulant mittels
Arthroskopie vorgenommen.
Charakteristische Symptome/Leitsymptome Da Knieband- und Meniskusverletzungen häufig junge,
sportliche Patienten betreffen, sind die Entlastungszeiten we-
5 Spontanschmerz, der nach dem Trauma sofort nachlässt, sentlich kürzer als früher, d.h., die Patienten dürfen in der Pro-
wiederauftretend bei Bewegung und Belastung, liferationsphase i.d.R. bei minimaler Belastung mit Unterarm-
5 Druckschmerz unterhalb des Gelenkspalts. stützen gehen.
Der Muskelaufbau richtet sich nach den individuellen Fä-
higkeiten; er sollte immer stufenweise erfolgen und sich an den
Behandlungsrichtlinien und therapeutische Funktionsverbesserungen orientieren.
Maßnahmen
Physiotherapeutische Behandlung
Meniskusrefixationen werden bzgl. der Bewegungsbegrenzung Befunderhebung
und dem Gebrauch einer Orthese individuell vom Operateur
eingestellt. Wichtige Kriterien der Frühbehandlung sind die Be- Testverfahren
herrschung des Gelenkergusses und die Stabilität des Gelenks. Anhand spezifischer Tests lassen sich Meniskusverletzungen
Manche Autoren begrenzen die Extensionsbewegung auf 0– (Druckschmerz im Gelenkspalt, Gelenksperre) ermitteln.
10–70/90° für 6 Wochen und verordnen eine Orthese. Die Pati-
enten sollen solange minimal belasten, bis das Kniegelenk reizlos Abduktions-Adduktions-Test
ist, i.d.R. bis Ende der Proliferationsphase. Weigel (2005) emp- Der Unterschenkel wird in 0°- und 30°-Stellung des Kniege-
fiehlt eine Belastung mit halbem Körpergewicht für 6 Wochen. lenks gegen den Oberschenkel ab- bzw. adduziert.
Beim Aufstehen wird die Orthese getragen, zur Physiotherapie
darf sie abgenommen werden (Drei-Punkte-Gang). Steinmann-Test
Die Übungstherapie konzentriert sich auf die Sicherung des Das Steinmann-I-Zeichen wird in 90° Kniebeugung unter Rotati-
Kniegelenks durch Beanspruchung des M. quadriceps, der Pes- on ausgeführt und verursacht bei positivem Ergebnis einen ent-
anserinus-Gruppe und der Kniebeuger. sprechend medialen oder lateralen Druckschmerz im Gelenk-
Das Beinachsentraining wird zunächst in minimal belas- spalt (. Abb. 16.25).
tender Stellung im geschlossenen System (z.B. gegen Waage/ Das Steinmann-II-Zeichen beschreibt einen von ventral
Wand) durchgeführt. nach dorsal wandernden Schmerz bei Kniebeugung im Stand.
Nach Teilmeniskektomie wird heute i.A. keine Ruhigstellung Bei Streckung wandert der Schmerz wieder nach ventral. Der
mehr verordnet. Schmerz wird als stechend charakterisiert.
Die physiotherapeutische Behandlung beginnt nach Entfer- Eine Gelenkblockierung beim Streckversuch weist auf einen
nung der Redon-Drainagen und konzentriert sich in den ersten Meniskusabriss hin (. Abb. 16.26).
Behandlungstagen auf eine sorgfältige Gelenkergussbehand-
lung. Apley-Kompressionstest
In der Regel wird eine Minimalbelastung nur für einige Ta- Dieser Test deutet auf eine mediale/laterale Meniskusverletzung
ge verordnet, abhängig vom Reizzustand des Gelenks. Nach ca. hin.
2 Wochen sollte es möglich sein, die Belastung stufenweise zu Der Patient liegt in Bauchlage, Kniegelenk 90° flektiert. Bei
steigern. axialem Druck auf den Unterschenkel wird dieser rotiert und
löst bei positivem Befund einen Schmerz im medialen oder la-
teralen Gelenkspalt aus.
2
3
4
5
McMurray-Test
Ein endgradiger Schmerz am medialen Gelenkspalt deutet auf
6 eine Innenmeniskusverletzung hin.
4. Erarbeiten der Muskelspannung, die notwendig ist zur
aktiven Kniegelenkstabilisation und Frakturheilung (s.
Ausgangsposition ist Sitz oder Rückenlage. Das Kniegelenk auch spezielle Physiotherapie bei Verletzungen der je-
7 wird aus der Flexionsstellung mit Außenrotation in Streckung weiligen Strukturen).
geführt. 5. Mobilisation der Patella und des Kniegelenks.
6. Progressiver Muskelaufbau von M. quadriceps, Mm. is-
8 Ergänzende Befunde chiocrurales, Muskeln mit Ansatz am Pes anserinus,
Bei allen spezifischen Befunderhebungen wird eine Routine- M. gastrocnemius und M. gluteus maximus.
befunderhebung wie bei den Frakturen (7 Abschn. 16.3) vorge-
9 nommen und ergänzt durch:
7. Sensomotorische Kontrolle des Kniegelenks in Bewe-
gung und bei Belastung.
5 eine Beinachsenkontrolle in vorgegebener Belastungsstufe 8. Gehschulung ohne Belastung, mit Minimal-, Teil- oder
10 im Zweibein-/Einbeinstand und zu gegebener Zeit in Beu- Vollbelastung.
gestellungen der Fuß-, Knie- und Hüftgelenke auf stabiler
und instabiler Unterlage (Hilfsmittel sind Waage, Stützen,
11 Gehbarren),
5 Überprüfen von Aktivitäten wie Aufstehen, Hinsetzen, 1. Förderung der Resorption des Gelenkergusses und periar-
12 Treppensteigen, Umgang mit Hilfsmitteln, An- Ausziehen, tikulärer Schwellungen
etc., wenn ärztlicherseits erlaubt, Die Behandlung des Gelenkergusses ist für alle Verletzungen im
5 eine Ganganalyse (. Abb. 2.7) mit/ohne Hilfsmittel. Bereich des Kniegelenks vordringlich. Das Kniegelenk ist eines
13 der empfindlichsten Gelenke. Postoperativ ist mit einem blu-
tigen Erguss zu rechnen, später kann das Kniegelenk auf jede
14 Behandlungsmöglichkeiten Störung mit einem Reizerguss reagieren.
Vor jeder Behandlung muss überprüft werden, ob ein in-
Vorgehen bei Verletzungen im Kniegelenkbereich traartikulärer Erguss vorliegt (Test auf »Tanzen der Patella«,
15 In . Übersicht 16.2 sind die Inhalte der physiotherapeutischen . Abb. 16.9).
Behandlung nach Kapsel-Band-Meniskus-Verletzungen zu- Besteht ein Gelenkerguss, sollte die Knieflexion auf 30° be-
sammengefasst. Die Punkte 1, 2, 7, 8 gelten in der Anfangspha- grenzt werden, da die Kapsel durch den Flüssigkeitsdruck bei
16 se der Entzündung und in der Umbauphase (Spätphase) für alle einem weiteren Rollgleiten zunehmend gedehnt wird. Folgen
Verletzungen im Kniegelenkbereich, in der Proliferations- und wären ein instabiles Gelenk und eine Arthrofibrose durch die
17 Konsolidierungsphase werden die einzelnen Verletzungen je- erneute Synoviareizung.
doch strukturbezogen behandelt. Sind die Umfangsmaße im Vergleich zur gesunden Seite ver-
größert, und »tanzt« die Patella nicht, handelt es sich um eine
18 extrakapsuläre Schwellung. Eine Bewegungslimitierung ist aus
. Übersicht 16.2. Gesichtspunkte der Behandlung diesem Grund nicht nötig. Die ärztlicherseits vorgegebenen Be-
19 1. Förderung der Resorption des Gelenkergusses und der
periartikulären Schwellung.
wegungsbegrenzungen müssen selbstverständlich eingehalten
werden. In den meisten Fällen schmerzt ein mit Synovia prall
2. Abbau der Temperaturerhöhung. gefülltes Gelenk kaum.
20 3. Lagerungskontrolle, Kontrolle des Schienensitzes. Die Resorption des Ergusses und der äußeren Schwellung
6 wird durch Kühlen direkt nach der Verletzung (Punktion) oder
21
16.8 Meniskusverletzungen
323 16
Operation erreicht. Wenn nötig, wird eine Kühlmanschette an- Bei einer Verletzung der femoralen Gelenkfläche wird evt. für
gelegt (Cryo-cuff, . Abb. 16.12). 1–2 Tage eine Lagerung in Rechtwinkelstellung des Kniegelenks
Spannungsübungen im Sekundenrhythmus, kurzzeitige Eis- verordnet.
anwendungen, Hochlagern und Kompressionsverbände werden Patienten mit bewegungsstabilen Frakturen sollen frühest-
wechselnd angewendet. möglich in strecknaher Stellung gelagert werden. Die CPM-
Endgradiges Bewegen der Fußgelenke bei aufliegendem, Schiene kann strecknah oder in jeder geforderten Stellung des
hochgelagerten Bein fördert ebenfalls die Resorption des Kniegelenks angehalten werden und als Lagerung dienen. Al-
Ödems. lerdings stellt sich das Problem der exakten Einstellung des
Der Patient soll 4- bis 5-mal pro Tag zu eigenem Üben bzw. Drehpunktes auf die Kniegelenkachse. Bei der Benutzung der
Spannen der Oberschenkelmuskulatur angeleitet werden. Bei CPM-Schiene bleibt das Hüftgelenk in Beugestellung, was für
Kreuzbandrupturen soll immer in Kokontraktion der Muskel- die Funktion des M. gluteus maximus und des Hüftgelenks un-
gruppen gearbeitet werden. günstig ist. Deshalb muss das Bein stundenweise und v.a. nachts
Ein Verkleben des oberen Rezessus kann vermieden werden, von der Schiene genommen werden.
wenn die Patella von Anfang an passiv weich nach kranial, kau- Niemals darf das Bein in der CPM-Schiene fixiert werden.
dal, medial und lateral mobilisiert wird (nicht bei Patellafrak- Da die Schiene die Rollgleitbewegung des Kniegelenks nicht
tur). Der Patient soll angeleitet werden, die Patella selbst zu ver- mitmachen kann, wird das Knie bei der Beugestellung ein we-
schieben. nig abgehoben. Auch die Fußraste muss individuell eingestellt
Eine Hochlagerung muss für das in der Orthese liegende sein, damit das Knie bei der passiven Beugebewegung nicht ge-
Kniegelenk individuell ausgeführt werden: staucht wird (. Abb. 17.6).
5 Ist die Streckstellung ein wichtiger Gesichtspunkt, kann ei-
ne U-Schiene gewählt und das Bettende hochgestellt wer- 4. Erarbeiten der Muskelspannung, Muskelkoordination
den. Das Bemühen um volle Kniegelenkstreckung/Neutralstellung ist
5 Ist eine mäßige Beugung sinnvoll, wird die Krapp-Schiene ein wichtiger Behandlungspunkt bei allen Frakturen.
verwendet. Diese passt jedoch nicht immer, wenn die Or- Je nach Muskelbefund kommen als Techniken in Frage:
these in einem bestimmten Winkel angelegt ist. Tagsüber 5 Endstellung – Halten gegen Führungskontakt.
kann in einigen Fällen auch die CPM-Schiene in einer für 5 Bewegen – Halten gegen Führungskontakt.
den Patienten schmerzfreien und biomechanisch richtigen 5 Kokontraktion antagonistischer Muskelgruppen.
Einstellung zur Lagerung gewählt werden. 5 Techniken mit vertauschtem Punktum fixum und Punk-
5 Alle vorgefertigten Lagerungsschienen haben den Nach- tum mobile.
teil, dass sie bei langen Ober- und kurzen Unterschenkeln 5 Verstärkungstechniken nach PNF.
– oder umgekehrt – nicht passen und zu Unruhe an Frak- 5 Einsatz von Kontraktionshilfen.
turen oder Bandnähten führen. Sinnvoller ist dann eine 5 Übungsformen in der geschlossenen Kette bei Beachtung
Betteinstellung, wie dies bei modernen Klinikbetten mög- der vorgegebenen Belastungsstufe.
lich ist.
Günstige Ausgangsstellungen sind:
2. Abbau der lokalen Temperaturerhöhung 5 Rückenlage,Fußsohle gegen Waage/Wand,
In der Entzündungsphase wird mit Umschlägen (z.B. Arnika, 5 Tilt Table,
Quark), Dinkelsäckchen oder Kompressen unter Aussparung 5 hoher Sitz, Halbsitz,
der Operationswunden milde gekühlt. 5 Zwei- und Einbeinstand.
3. Lagerungskontrolle, Kontrolle des Orthesensitzes Hilfsmittel sind Waage, fester Boden, weiche Unterlage, labile,
Kann die Hochlagerung nach einigen Tagen beendet werden, federnde und bewegliche Unterlage.
sollen bei der Lagerung die Entlastung der jeweiligen Struktur Die Kontraktionsfähigkeit des lokal stabilisierenden M. qua-
wie auch die Funktion des Kniegelenks berücksichtigt werden. driceps vastus medialis soll frühzeitig erarbeitet werden, zu-
Nullstellung der Sprunggelenke und annähernde Nullstel- nächst in entlasteter Position, z.B. in Rückenlage, später in hö-
lung des Hüftgelenks müssen angestrebt werden. Das Kniege- heren teilbelasteten Ausgangsstellungen. Taktile Reize über dem
lenk muss unbedingt in Rotationsnullstellung sicher gelagert Muskel/am kraniomedialen Patellarand vermitteln die Zugrich-
sein. tung des Muskels und helfen, den gewünschten Anteil gezielt zu
Wieviel oder wie wenig das Kniegelenk unterlagert werden aktivieren. Ebenso kann ein entsprechend angelegtes Tape die
muss, ist von der ärztlich vorgegebenen Bewegungsgrenze oder Wahrnehmung und Aktivierung fördern. Häufige Spannungs-
der Orthese abhängig. wiederholungen, auch als Hausaufgabe, sind wichtig, um die
Fazilitation der Muskelfasern zu fördern. (Nicht bei vorderer
Kreuzbandverletzung!)
324 Kapitel 16 · Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks
Nach heutigen Erkenntnissen sollen statische und dyna- (Gate-Control-Mechanismus) reduziert den Schmerz und för-
1 mische Übungsformen in offener und geschlossener Kette ab- dert die Kollagensynthese (7 Kap. 1).
wechselnd eingesetzt werden: Weiches aktiv/unterstütztes oder auch passives schmerz-
2 5 In der Frühphase werden Übungen in offener Kette unter freies Bewegen in achsengerechten Umkehrmustern ist erlaubt.
abgenommenem Beingewicht und Führungskontakt ange- Bei einer Fraktur der Tibiagelenkflächen soll eine vorzeitige
wandt. Druckbelastung vermieden werden. Deshalb wird häufig eine
3 5 Übungen in geschlossener Kette können in niederer Dosie- Bewegungsgrenze von 0–10–60° vorgeschrieben, bis die Frak-
rungsstufe, z.B. gegen manuellen Gegendruck an der Ferse, tur teilbelastbar ist. Entsprechend muss eine Minimalbelastung
gegen die Wand/das Bettende oder auf Waagen mit mini- eingehalten werden.
4 maler Belastungsstufe durchgeführt werden. Bewegungsstabile Osteosynthesen ohne Gelenkbeteiligung
5 Zur Kontrolle der Beinachse finden statische und dyna- sollen frühzeitig minimal oder teilweise belastet werden. Für
5 mische Bewegungen unter Kokontraktion statt. Besonde- die Mobilisation des Kniegelenks bedeutet dies, schwerpunkt-
re Beachtung beim Aufbau einer Muskelspannung finden mäßig die Streckfähigkeit des Kniegelenks zu erarbeiten.
Rumpf-, Becken- und Fußkontrolle (Hamilton 2006, Larsen Es besteht eine hohe Korrelation zwischen einem Streckde-
6 2007). Die Aufrichtung der BWS spielt ebenfalls eine große fizit und einer Arthrose. Um diese zu vermeiden, darf das Knie-
Rolle (. Abb. 16.24). gelenk erst voll belastet werden, wenn die volle Streckung sicher
7 gehalten werden kann.
Da ein zu frühes Krafttraining zu einer verzögerten Heilung Bandplastiken erfordern eine zeitliche Bewegungsbegren-
oder gar Folgeschäden führt, soll dieses erst nach Ausheilung zung. Eine Streck- oder Beugemobilisation muss entsprechend
8 der betroffenen Struktur erfolgen. der verletzten Kapsel-Band-Struktur mit dem Operateur abge-
stimmt werden.
! Cave
9 Niemals darf eine Behandlung Schmerzen auslösen oder eine Wichtig
Übung in den Schmerz hinein erfolgen.
10 Es wird immer unter leichter Traktion mobilisiert.
Bei Übungen in der geschlossenen Kette unter Belastung müs-
sen Tragfähigkeit des Kniegelenks und Muskelfunktion aufei-
11 nander abgestimmt sein, d.h., die Rumpf-Becken-Bein-Achse Die passive Fixation des Femur geschieht gelenknah; die mobi-
muss gehalten werden. lisierende Hand liegt ganz proximal am Unterschenkel. Nach
12 vorderer Kreuzbandplastik muss der Oberschenkel von dorsal
5. Mobilisation des Femoropatellar- und Femorotibialge- fixiert werden, nach hinterer Kreuzbandplastik von ventral. Bei
lenks bewegungsstabilen Osteosynthesen kann frühzeitig eine weiche
13 Außer bei einer Patellafraktur kann die Mobilisation der Patella Traktion Stufe I gesetzt werden.
nach kranial, kaudal, medial und lateral schon in der zellulären Translatorische Gleitbewegungen müssen auf Gelenkbefund
14 Phase beginnen (van den Berg 2001) (. Abb. 16.27). und Heilung der Struktur abgestimmt sein und bedürfen der
Der Zeitpunkt für die Mobilisation des femorotibialen Ge- Rücksprache mit dem Operateur. Die Wahl der Manualtechnik
lenks muss der verletzten Struktur entsprechend individuell be- wird vom Zeitpunkt der Heilung und der Qualität des Bewe-
15 stimmt werden, soll aber auch in dieser Phase im schmerzfreien gungsstopps bestimmt.
Bereich beginnen. Die Stimulation der Mechanorezeptoren
16
17 . Abb. 16.27a,b. Patellamobilisation
18
19
20
21
16.8 Meniskusverletzungen
325 16
Im Anschluss an die Manualtechniken werden geführte, ak- Wenn möglich, soll schwerpunktmäßig eine Bewegungsrich-
tive Umkehrbewegungen im letzten Bewegungsdrittel durchge- tung mobilisiert werden, in einer zweiten Sitzung wird dann die
führt. Gegenrichtung behandelt. Wurde intensiv in eine Bewegungs-
Sind die Bewegungsstopps weichelastisch oder elastisch, richtung mobilisiert, ist die Rückführung in die Ruhestellung
können aktive PNF-Techniken ausgeführt werden. Frühzei- oft schmerzhaft. Eine neu angesetzte Traktion und ein stufen-
tig kommt die »Chirurgische Technik« zum Einsatz, weil sie weises Zurückgehen gegen einen minimalen Widerstand er-
die feinste Dosierung zulässt (7 Kap. 22). Die Technik »Rhyth- leichtern dem Patienten die Rückführung. Sind periphere Ver-
mische Stabilisation – Entspannen« wird bei schmerzhaften klebungen tastbar, wird eine Narbenbehandlung durchgeführt
Kontrakturen angewandt. Sie gibt dem Physiotherapeuten die (7 Kap. 11, »Handchirurgie«).
beste Möglichkeit, eine geringe Traktion auszuüben, sensibel zu Milde Wärmebehandlungen unterstützen die muskuläre
dosieren und schmerzarm zu mobilisieren. Entspannung und wirken Stoffwechsel anregend. Im Anschluss
Die intensivste aktive Technik ist »Halten – Entspannen« an eine aktive Physiotherapie sind sie gut einsetzbar.
(Contract – Relax). Der Physiotherapeut kann zusammen mit Zusätzlich wird häufig die CPM-Schiene eingesetzt. Dies soll
dem Patienten unter weichem Zug aktiv/passiv weiterdehnen. jedoch kritisch geschehen und der Kontrolle des Physiothera-
(Die Anwendung erfolgt erst nach entsprechender Heilung, peuten unterliegen. Die Rollgleitbewegung ist auf der Schie-
z.B. 6 Wochen nach OP). Wie bei allen manuellen Mobilisa- ne bei festgebundenem Unterschenkel eingeschränkt, deshalb
tionstechniken ist ein weicher, sicherer und schmerzfreier Griff soll das Bein nicht angebunden sein. Ausweichbewegungen und
wichtig. Unter Umständen muss die ursprüngliche PNF-Tech- Schmerzangaben müssen besonders beachtet werden (7 Punkt
nik lokal angewandt werden, d.h. nicht komplex sondern mit 3, Lagerung).
manueller Fixation des anderen Gelenkpartners. 5 Die Motorschiene sollte immer unterhalb der Schmerz-
Nach einer aktiven Mobilisationstechnik soll die gewonnene grenze eingestellt sein.
Bewegung aktiv gehalten werden. Trainingstechniken schließen 5 Der Patient muss die Möglichkeit haben, die Schiene ab-
sich an (Bewegen – Halten, Dynamische Umkehr, Stabilisie- zustellen.
rende Umkehr, Stabilisation in der geschlossenen Muskelkette) 5 Die Zeit des Bewegens sollte mit dem Patienten abgespro-
und das Einüben von Aktivitäten mit Ausnutzung der neu ge- chen sein.
wonnenen Position. 5 Nachts darf die Motorschiene nicht eingesetzt werden.
Um die Gelenkbeweglichkeit zu verbessern, sind manuel- Falls beide Beine verletzt sind und auf der Motorschiene
le Narben- und Muskeldehnungen nach 2–3 Wochen eine sinn- bewegt werden sollen, muss dies auf jeden Fall nacheinan-
volle Ergänzung. der geschehen.
! Cave Wichtig
Abruptes Vorgehen und massive Manipulationen bringen das
Allgemein gilt, dass die Kniegelenkmobilisation so scho-
empfindliche Kniegelenk in einen Reizzustand. Es besteht eine
nend erfolgen muss, dass kein Reizerguss, keine lokale
signifikante Korrelation mit der Entwicklung einer Arthrofibro-
Wärme oder Schwellung und keine Schmerzen auftreten.
se im femorotibialen und femoropatellaren Kniegelenk.
Eine Mobilisation entgegen auftretender Schmerzen schadet Als positive Zeichen einer richtigen Dosierung werden gewertet:
dem Kniegelenk, da die Muskulatur eine reflektorische Abwehr- 5 verbessertes Endgefühl eines Bewegungsstopps,
spannung (Nozizeptorenstimulation) entwickelt, die vermehrt 5 verbessertes aktives Gelenkmaß,
Druck auf die Gelenkflächen bringt und somit zu einem erneu- 5 Nachlassen der Schmerzen im Gelenkbereich,
ten Reizknie und einer Arthrofibrose führt. 5 bessere Ausnutzung der Beweglichkeit bei Aktivitäten.
Alle Mobilisationstechniken am Kniegelenk werden ohne
dynamische Rotation ausgeführt. Wird nachfolgend ein Kräfti- Wichtig
gungsprogramm im freien oder geschlossenen System durch-
Verklebungen und vermehrte Funktionseinschränkungen
geführt, muss sorgfältig darauf geachtet werden, dass die Hüft-
können Folgen unsachgemäßen Mobilisierens sein!
gelenkrotation nur bei gesicherter Kniegelenkachse erfolgt. Als
Ausgangsstellungen bieten sich Sitz, hoher Sitz, Halbsitz an der
Bettkante, Stand auf/ohne Waage, Rückenlage mit seitlichem Narkosemobilisationen sind umstritten. Das Kniegelenk ist ge-
Überhang des Unterschenkels oder Bauchlage an. genüber neuen Mikrotraumen sehr empfindlich und verklebt
erneut. Bessere Ergebnisse bringen arthroskopische Arthrolysen,
! Cave die für einen späteren Zeitpunkt geplant werden sollen.
Kniegelenkmobilisationen dürfen nie aus der Seitenlage aus- Nachfolgend muss der Physiotherapeut behutsam mehr-
geführt werden. Rotationsgefahr! mals am Tag behandeln, um das Kniegelenk freizuhalten. (Mayr
326 Kapitel 16 · Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks
se ein Schwerpunkt der physiotherapeutischen Behandlung. Per Bis zur vollen Belastbarkeit des Kniegelenks dürfen keine Rota-
3 Definition wird die Kraft eines Muskels durch Widerstandsar- tionswiderstände distal der Verletzung gesetzt werden. Voraus-
beit verbessert. setzung dafür ist eine korrekte Beinachsenkontrolle. Zunächst
Zur Sicherung des Kniegelenks werden Koordination und werden proximale, später distale Widerstände gesetzt.
4 Kraft in der geschlossenen Kette (Bizzini 2000) sehr viel scho- Vorrangiges Ziel der Frühbehandlung von Frakturen/dor-
nender verbessert als im freien Raum. Zu kräftigende Muskeln salen Instabilitäten ist das Erarbeiten der Kniestreckung durch
5 sind: Anspannen der lokalen Muskulatur/M. vastus medialis zur Ge-
5 M. quadriceps vastus medialis, lenkstabilisierung. Ist die Kniestreckung deutlich verbessert,
5 Muskeln mit Ansatz am Pes anserinus, wird sekundär die Kniebeugung mobilisiert.
6 5 M. gluteus maximus, Dynamische Widerstandsübungen für die Kniegelenkbeuger
5 Mm. ischiocrurales und werden erst nach Beseitigung des Gelenkergusses begonnen.
7 5 M. gastrocnemius. Bei der Behandlung ventraler Instabilitäten ist es umge-
5 Bei Bandverletzungen müssen strukturbezogene Winkel- kehrt; die Mm. ischiocrurales sollen schon in der Frühbehand-
stellungen des Kniegelenks gewählt werden, um eine adä- lung, auch in der Orthese, bei ca. 30° Flexion gekräftigt werden
8 quate Belastung garantieren. (. Abb. 16.13, 16.22). Günstige Ausgangsstellungen sind hoher
Sitz, Halbsitz an der Bettkante oder Bauchlage.
Belastungszeitpunkt, Belastungsdosierung und statische/dyna- Bei Tibiakopffrakturen muss die Widerstand gebende Hand
9 mische Bewegungsformen müssen mit dem Operateur abge- dicht unterhalb der Kniekehle liegen. Das Üben der Knie-
sprochen sein und einer korrekten, reizlosen Ausführung ent- streckung in der geschlossenen Kette gegen ein Theraband,
10 sprechend langsam gesteigert werden. Therapeuten, aber auch das um den Fuß geschlungen ist, eignet sich nach guter Vor-
Patienten, müssen lernen, Ermüdungszeichen zu erkennen und übung zum selbständigen Üben in der späten Rehabilitations-
Wiederholungen und Pausen richtig einzusetzen. Es schadet phase (. Abb. 19.11). Entsprechend der erreichten Kniestabili-
11 dem Heilungsprozess, starren Konzepten zu folgen; diese kön- tät und Vollbelastungsfähigkeit werden neben dem Theraband
nen nur als Richtlinie gewertet werden. auch Zuggeräte eingesetzt. Bei klinisch festen Tibiakopffrakturen
12 Funktionsbefund, Verletzungsmechanismen, Stabilität der können die Zuggeräte am proximalen Unterschenkel, nahe am
Frakturen/Osteosynthesen/Bandplastiken/Band- und Menis- Gelenk, platziert werden. Ist die Fraktur noch nicht fest, müs-
kusnähte sowie der Heilungsstatus sind ausschlaggebend dafür, sen die Schlaufen am Oberschenkel proximal der Fraktur an-
13 welche Muskeln schwerpunktmäßig in welcher Dosierungsstu- gelegt sein.
fe gekräftigt werden. An Techniken in offener und geschlossener Isokinetische Geräte dürfen bei Bandplastiken nicht vor Ab-
14 Kette kommen zur Anwendung: lauf des Normprogramms (16. Woche) eingesetzt werden. Der
5 Bewegen – Halten gegen angepassten/optimalen Widerstand, Operateur trägt dafür die Verantwortung. Selten wird die Er-
5 Betonte Bewegungsfolge, laubnis nach Frakturen gegeben.
15 5 Stabililisierende Umkehr,
5 Bewegen – Halten gegen Gerätewiderstand, Wichtig
5 Bewegen – Halten mit Bodenkontakt im geschlossenen Sys-
16 tem (Bizzini 2000), Bei Aktivitäten, z.B. beim Gehen, Stehen, Laufen, Treppenstei-
gen, Bücken usw. ist ein ökonomischer Muskelkrafteinsatz
5 Stabilisation und Kombination von Übungen im frei-
17 en und geschlossenen System, z.B. im Türrahmen (Göhler wichtiger als die isolierte Kraftleistung.
2007, 7 Kap. 15), auf labiler Unterlage.
18 Die Auswahl der Übungsfolgen verschiedener Autoren ist effek- 7. Kontrolle des Kniegelenks in Bewegung und Belastung
tiv, wenn sie struktur- und befundbezogen angewendet werden. Schwerpunkte der Frühbehandlung sollen Schulung der sen-
19 Dies gilt auch für Übungen aus der Funktionellen Bewegungs- somotorischen Kniegelenkkontrolle, Ausdauer und Koordina-
lehre nach Klein-Vogelbach. tionsfähigkeit sein. Diese erfolgen immer vor einem gezielten
Das PNF-Programm (evt. abgeändert) bietet viele Bewe- Krafttraining.
20 gungsmuster an, um die genannten Muskeln innerhalb der vor- Die Entscheidung, ob einzelne Phasen des Gehens, Fersen-
gegebenen Bewegungsgrenzen dynamisch/statisch und auch in kontakt, Gewichtübernahme, Mittelstand, Vorfußbelastung
21 der geschlossenen Kette zu fordern. und Fersenablösung, statisch und dynamisch vorgeübt oder im
16.8 Meniskusverletzungen
327 16
Ablauf durch Bodenkontakt und Gewichtsverlagerung geschult aufnehmen, dann aber allein und ohne hinzuschauen die Be-
werden sollen, ist von mehreren Faktoren abhängig: lastung auf das Bein übernehmen. Wichtig ist dabei auch die
5 Junge, sportliche Patienten mit gutem Körpergefühl kön- Kontrolle der Fußstellung für den weiteren Aufbau der Beinach-
nen ein Programm durchlaufen, das dem physiologischen se (7 Kap. 19, Spiraldynamik nach Larsen). Therapeuten müssen
Gehmuster entspricht (Bizzini 2000). jedoch wissen, dass eine korrekte Einhaltung der jeweiligen Be-
5 Bei alten und wenig geübten Patienten müssen die einzel- lastungsstufe praktisch selten erfolgt.
nen Arm- oder Bein-, Becken- und Rumpfmuster vorgeübt Beherrscht der Patient die Belastungsstufe, wird der Ein-
werden, z.B. symmetrische Stützmuster der Arme für das beinstand mit der erlaubten Belastung geübt und nachfolgend
Drei-Punkte-Gehen. eine Schrittfolge ausgeführt. Er soll häufig über Waagen gehen,
5 Bei Patienten mit Frakturen muss die Stabilität der Oste- um das Gefühl für die richtige Belastungsstufe und Beinachsen-
osynthese und die Frakturheilung berücksichtigt werden, kontrolle in der Aktivität zu bekommen. Am besten eignen sich
d.h., in der frühen Behandlungsphase können nicht alle Waagen, die in den Boden eingelassen sind (. Abb. 16.29).
Verletzungen in der geschlossenen Kette beübt werden. Kann der Patient die Beinachse nicht halten, muss die Be-
lastung zunächst niedriger eingestuft werden. Mündlicher Auf-
Für den Drei-Punkte- bzw. Zwei-Punkte-Gang werden dann Arm- trag oder Handkontakt am Becken, Ober- oder Unterschenkel
stütz- und Standbeinfunktionen vorgeübt. Entsprechend wer- unterstützen eine Korrektur, und die Belastung kann sich ver-
den Schwungarm und -bein isoliert und nachfolgend zusam- bessern. Ein deutlicher Fersenkontakt ist als Impuls für eine
men geübt. Jede Extremität kann dynamisch oder statisch ar- Aktivität der Streckmuskulatur hilfreich.
beiten oder als Umkehrbewegung kombiniert gegen Führungs-
kontakt, unter abgenommener Schwere oder gegen Widerstand
üben. Dies ist auch aus dem Sitz möglich. Alle Kombinations-
. Abb. 16.28. Stabilisation
formen können gegen ein Theraband oder Zuggerät eingeübt
im Halbsitz
werden.
Für die Mittelstandphase wird das Beckenmuster »Extensi-
on/Abduktion/Innenrotation« gewählt, der Gegenarm übt sym-
metrisch mit. Die vorgegebene Belastungsstufe wird aus dem
hohen Sitz, Halbsitz und im Stand auf Waagen oder mit Einsatz
von Gehhilfen eingeübt.
Wird die Kniegelenkstreckung in der Orthese begrenzt, darf
u.E. das Bein nur minimal belastet werden, da die Rollgleitbe-
wegung gebremst wird und nach Hofmann hohe Belastungs-
drucke auf beide Kniegelenke wirken. Das Gleiche gilt für Pati-
enten, die ihre Knieachse im Stand nicht halten können. Dann
muss eine individuelle Teilbelastung ermittelt und eingeübt
werden.
In der Übergangsphase zu Teil- und Vollbelastung kann der
Patient bei ausreichender Knieflexion, (100° nach Mayr [2000])
selbständig gegen geringen Widerstand auf dem Fahrradergo-
meter üben. . Abb. 16.29. Gehen über
Stabilisationsübungen im Türrahmen (Göhler 2007) sollen Waagen
vorgeübt und als Hausaufgabenprogramm durchgeführt wer-
den (. Abb. 15.11–15.14).
2
3
4
5
6
7
8
9 Für einen weiteren Fortschritt sind Stabilisationsübungen auf
weichem Bodenbelag oder einem Sportkreisel indiziert. Nach
10 Ablegen der Orthese werden die Übungen auf dem Fußkreisel
oder Schaukelbrett erneut in das Übungsprogramm aufgenom-
men (. Abb. 16.30, 16.31, Variante Zuggerät, . Abb. 16.32).
11 Stufenweises Steigern der Anforderungen, z.B. Gehen mit
Richtungswechsel und unterschiedlichem Tempo, Federn auf
12 weicher Unterlage oder Trampolin, sind Übungsformen, die die
Beherrschung der vorangegangenen Übungen und die volle Be-
lastbarkeit voraussetzen.
13 Ein Rehabilitationsprogramm (7 Abschn. 16.5, »Behand-
lungskonzepte nach Kreuzbandverletzungen«) wird realisti-
14 scherweise in Rehabilitationskliniken oder ambulanten Physio-
therapiezentren durchgeführt. Neben den Einzelbehandlungen
werden dort meist Bewegungsübungen im Wasser durchgeführt. . Abb. 16.32a,b. Dynamische Stabilisation gegen Zuggerät
15 Diese müssen sorgfältig ausgewählt, von Physiotherapeuten be-
gleitet und auf ihren Effekt hin überprüft werden. Längeres Ver-
weilen im warmen Wasser führt bei instabilen Kniegelenken zu
16 erneuten Schwellungen, Reizergüssen und muskulärer Instabi-
lität.
17 Nach 16 Wochen kann der Patient ein leichtes Lauftraining
beginnen, wenn er wieder Sport treiben möchte. Über die Vor-
bereitung zur Sportfähigkeit und Arbeitsfähigkeit entscheidet
18 der Operateur.
19 ! Cave
Alle valgisierenden und rotierenden Übungen sind verboten,
z.B. das Brust- und Rückenschwimmen oder Scherübungen ge-
20 gen Wasserwiderstand.
21
16.11 Gelenkknorpelverletzungen
329 16
16.11 Gelenkknorpelverletzungen
Charakteristische Symptome/Leitsymptome
Traumatische Gelenkknorpelverletzungen werden manch-
5 Tasten einer suprapatellaren Delle, mal übersehen, können aber auch deutliche Symptome wie
5 Patellatief- oder hochstand, Schmerz, Schwellungen und Blockierungen hervorrufen. Sie
5 Unfähigkeit, das Kniegelenk zu strecken (sonst Reserve- sind im MRT als Blutung in den subchondralen Raum erkenn-
streckapparat intakt), bar. Die Arthroskopie zeigt dann das Ausmaß der Schädigung,
5 Einknicken des Beins bei Belastung, und ob es eine traumatische oder degenerative Schädigung ist
5 Druck- und Bewegungsschmerz. (Weigel, Nerlich 2005).
Behandlungsmöglichkeiten Proliferationsphase
1 Bei Bewegungsstabilität wird Kontakt gegeben, bei Teilbelast-
Procedere nach femoralem Defekt barkeit angepasster Widerstand.
2 (Nach Piltz, Klinikum Großhadern, München.)
Die ins Gelenk eingebrachte Redon-Drainage darf keinen Sog ha- Ausgangsposition
ben und wird erst 24–48 Stunden postoperativ gezogen. Rückenlage. Lagerung in bestmöglicher Streckstellung, Bein
3 Anschließend folgt assistives Bewegen unter Abnahme der ganz unterlagert.
Beinschwere im schmerzfreien Bewegungsbereich, Extension/
Flexion 0–0–60°. Isometrische Spannungsübungen
4 Die Belastungsstufe für 6 Wochen ist Minimal- oder Teil- 5 Isometrisches Spannen aller Oberschenkelmuskeln im Se-
belastung bis maximal 15–20 kg. Gelenkerguss und Reizzustand kundenrhythmus.
5 geben die Behandlungsdosierung an. 5 Isometrisches Spannen des M. quadriceps und Halten der
Kompression und Widerstände sind in den ersten 6 Wochen Spannung für 8–10 sec. Kontraktionshilfen werden proxi-
zu vermeiden. mal der Patella und in der Kniekehle gesetzt.
6 Erst nach Resorption des Gelenkergusses darf die Knieflexi- 5 Dasselbe mit distalem Spannungsaufbau über die Fußhe-
on bis 90° gesteigert werden. ber.
7 Ab der 7. postoperativen Woche kann bei guter muskulärer 5 Dasselbe, aus unterstützter 20- bis 60°-Knieflexion mit Ab-
Sicherung die Teilbelastung bis 20–30 kg erhöht und stufenwei- heben der Ferse von der Unterlage; ohne distalen Kontakt
se gesteigert werden. (vorgegebene Extension meist 0–10–60°).
8 Die Vollbelastung erfolgt nicht vor der 9. postoperativen
Woche. Übung
Knie schonender Sport darf erst nach 12 Wochen, Knie bela- 5 Aktivieren/isometrisches Anspannen des M. vastus media-
9 stender Sport erst nach 1 Jahr beginnen. In jedem Fall entschei- lis in ca. 15–20° Flexion (Knie unterlagert mit Halbknierol-
det der Operater den Sportbeginn. le). Taktile Reize werden über dem Muskel und am krani-
10 omedialen Patellarand gegeben. Vordehnung entprechend
Procedere nach patellarem Defekt der Zugrichtung des Muskels erleichtert die Aktivierung.
Die Redon-Drainage wird ohne Sog eingelegt. Nach Entfernung Bilaterales Arbeiten fördert die Fazilitation.
11 wird eine Ruhigstellungsorthese in Streckstellung des Kniege-
lenks getragen. Übung
12 Aus der Schiene darf in einem Bewegungsumfang von Ex- 5 Gestrecktes Bein unterstützt/passiv in Hüftgelenkflexion
tension 0–0–40° assistiv/aktiv geübt werden. bewegen, ohne Adduktion oder Rotation. Stellung bei
Eine Teilbelastung von ca. 20 kg soll für 3 Wochen einge- möglichst gestrecktem Kniegelenk halten.
13 halten werden. 5 Dasselbe aus Flexion/Adduktion bei gestrecktem Bein; an-
Ist die muskuläre Sicherung der Beinachse schmerzfrei schließend selbständig das gestreckte Bein langsam und
14 möglich, darf die Belastung mit der Orthese stufenweise bis zur kontrolliert ablegen. Zur Spannungsverstärkung kann das
Volbelastung gesteigert werden. gesunde Bein in Extension spannen, der gegenüberlie-
Die Orthese muss der Patient konsequent 6 Wochen lang gende Arm gegen die Therapeutenschulter stützen oder
15 tragen. ein asymmetrisches Armmuster ausgeführt werden (auch
Befundabhängig wird die Gelenkbeweglichkeit vorsichtig kombiniert).
mobilisiert. In der 4. – 5. postoperativen Woche kann dies bis
16 0–0–60° geschehen, ab der 6. Woche bis ca. 0–0–80° und dann Mobilisation
behutsam fortgesetzt werden. 5 Mobilisation des Kniegelenks in Streckung. Zusätzlich Pa-
17 tellamobilisation und Narbenbehandlung.
Technik: »Chirurgische Technik«, niedrig dosiert.
Übungsbeispiele
18 Übung
Die nachfolgenden Übungsbeispiele beziehen sich auf eine ope- 5 Fuß gegen eine an Bettende oder Wand abgestützte Waage
19 rativ versorgte Tibiakopffraktur mit Abstützplattenosteosynthese bis zur vorgegebenen Belastungsstufe drücken und die Be-
in der Proliferations- und Konsolidierungsphase. Die Übungs- lastung (15 kg) halten.
beispiele der Spätphase gelten für alle Verletzungsarten.
20
21
16.11 Gelenkknorpelverletzungen
331 16
Wichtig Übung
5 Kniebeugung bei statischer Arbeit der Hüftstrecker.
Alle Mobilisationstechniken werden mit leichter Traktion
Technik: Betonte Bewegungsfolge.
ausgeführt.
332 Kapitel 16 · Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks
– 90° Extension nur im geschlossenen System zwischen Sportbeginn (Joggen) nach ca. 4–6 Monaten, absolu-
0–40–90°. te Sportfähigkeit nach 12 Monaten nach Rücksprache mit
– Orthese darf zur Bewegungstherapie abgenommen dem Arzt.
werden. Unfallanamnese:
Bewegungslimitierung mit Knieorthese ab 3. Woche 0–0– Der Patient stürzte beim Skifahren. Diagnostik mittels
90° bis einschließlich 6. Woche postop; zunächst 15–20 kg MRT gesichert. Zunächst konservative Behandlung, Er-
Teilbelastung, anschließend Freigabe des Gelenks. Bela- gussbehandlung, Muskelaufbautraining. Die OP fand 6
stungssteigerung, wenn Kniegelenkstreckung erreicht ist. Wochen nach dem Trauma statt.
Unterarmstützen bis zur sicheren, schmerzfreien Kniege-
lenkstabilität.
ICF-Dokumentation
ICF-Dokumentation
sportliche Betätigung,
Tennis.
336 Kapitel 16 · Frakturen und Verletzungen im Bereich des Kniegelenks
5 Gelenkmaße:
8 aktiv passiv
Kniegelenk li 0–10–60° 0–10°–nicht
9 (begrenzt) gemessen
re 0–0–125° 0–0–130°
10 5 Ausdauer und Kraft von Arm- und Schultergürtelmusku-
latur gut.
11 5 Schmerzangabe VAS 2, bei Bewegungsende ziehender
Schmerz.
5 Oberflächensensibilität o.B., Narbe etwas pelzig.
12 5 Keine Aufklappbarkeitstests durchgeführt.
Unterschenkelfrakturen
Einteilung – 340
Ursachen – 340
Charakteristische Symptome/
Leitsymptome – 340
Behandlungsrichtlinien und
therapeutische Maßnahmen – 340
Komplikationen – 344
Befunderhebung – 344
Behandlungsmöglichkeiten – 345
Übungsbeispiele – 349
Einteilung Ursachen
1
5 isolierte Tibiafraktur, 5 direkte Gewalt als Stoß- oder Biegungsmechanismus,
2 5 isolierte Fibulafraktur (Schaft- oder Köpfchenfraktur), Schussverletzung,
5 Unterschenkelfraktur, Tibia- und Fibulafraktur offen oder 5 indirekte Gewalteinwirkung durch Torsion oder Stau-
geschlossen. chung, z.B. als
3 5 Folge von Verkehrs-, Arbeits- oder Sportunfällen.
Tibiafrakturen
Der AO-Klassifikation zufolge werden Tibiafrakturen in Typ A,
4 B und C eingeteilt. Charakteristische Symptome/Leitsymptome
8
. Abb. 17.1a,b. Tibiafraktur und proximale Fibulafraktur
9
. Abb. 17.2. Verriegelungsnagel, a.-p.-Aufnahme, seitliche Aufnahme
342 Kapitel 17 · Unterschenkelfrakturen
2
3
4
5
b
6
7
8 a
9
10
11
12
13 Aus sozialer Indikation, bei nicht dislozierten Frakturen, bei eine Osteosynthese nicht möglich, schließt sich eine Gips- oder
Kindern oder Mehrfachverletzten kann eine primär konservati- Orthesenbehandlung an.
14 ve Behandlung notwendig sein. Sie ist jedoch die Ausnahme. Vorzugsweise wählen Traumatologen heute auch bei of-
Kann eine Minimalbelastung oder Entlastung nicht eingehalten fenen Frakturen innerhalb der ersten 6–8 Stunden einen Mark-
werden, kommt ein Allgöwer-Gehapparat infrage (. Abb. 17.4). nagel. Ist dies nicht möglich, soll die Wundversorgung vor ei-
15 Der Schuh des nicht betroffenen Beins muss dann erhöht wer- ner Nagelung abgeschlossen sein. Zwischenzeitlich wird eine
den, um eine gleichmäßige Belastung zu ermöglichen. Extensionsbehandlung bis zur Nagelung in der 2. Woche nach
Fixateur-externe-Behandlungen sind meist eine Übergangs- dem Unfall durchgeführt. Wie bei der Femurnagelung wird eine
16 behandlung für höhergradige offene C-Frakturen, die nach er- Marknagelung ohne Aufbohrung des Markkanals empfohlen.
ster Konsolidierung durch eine interne Osteosynthese ersetzt In jüngster Zeit ist auch die aufgebohrte Nagelung wieder
17 oder mit Gips weiterbehandelt werden. Grund für die zeitlich im Gespräch; sie wird bevorzugt bei distalen Tibiafrakturen und
begrenzte Versorgung ist der fehlende Druck auf die Fragmente, Korrekturosteotomien gewählt. Der retrograde Nagel eignet
der zum Knochenaufbau notwendig ist. sich für proximale Tibiafrakturen.
18 Bei gelenknahen Frakturen muss der Fixateur externe Ge- Bei offenen proximalen Tibiafrakturen bis Grad 2A und 3A
lenk übergreifend angelegt werden. Wichtig sind tägliche Pfle- eignet sich nach Gustilo auch das LISS-System (7 Kap. 16, »Fe-
19 ge der Pin-Eintrittsstellen und Kontrolle der Schanzschrauben, murkondylenfraktur«). Es wird v.a. bei osteoporösen Knochen
die nicht selten nachgezogen werden müssen. Ein früher Ver- angewendet.
fahrenswechsel wird angestrebt. Plattenosteosynthesen für geschlossene A- und B-Frakturen
20 In der Regel dürfen Patienten mit einem Fixateur externe im distalen Viertel werden heute wesentlich seltener eingesetzt.
das Bein minimal belasten. Nach der endgültigen Osteosynthese Grund dafür sind die schlechteren Durchblutungsverhältnisse
21 wird die Belastungsfähigkeit vom Operateur neu festgesetzt. Ist bei einer dünnen Weichteildeckung, die eine Heilung verzögern
17 Unterschenkelfrakturen
343 17
Belastungsstabilität
Die Nachbehandlung bei konservativer Behandlung erfordert ei-
ne lange Gipszeit, nach Weigel (2005) durchschnittlich 13,4 Wo-
oder gefährden. Die Risikofaktoren sind bei Rauchern oder ju- chen.
gendlichen Patienten mit Diabetes mellitus besonders groß Patienten mit unaufgebohrtem Marknagel können frühfunk-
(Weigel, Nerlich 2005), v.a. auch, weil die Patienten für 12–16 tionell behandelt werden, d.h., sie können zunächst mit 15 kg
Wochen teilbelasten müssen. teilbelasten. Eine Dynamisierung (Entfernung der Verriegelung)
Abgelöst wurden Plattenosteosynthesen nicht nur durch das wie bei einer aufgebohrten Nagelung ist nicht mehr nötig.
LISS-System, sondern auch durch winkelstabile Plattenschrau- In der Konsolidierungsphase (ca. 6 Wochen) kann die Bela-
bensysteme (LCP), v.a. für geschlossene und erstgradig offene stung schmerz- und funktionsabhängig schon stufenweise ge-
A- und B-Frakturen (Gustilo 1993) im distalen Viertel. steigert werden.
In ausweglosen Fällen kann eine Verbundosteosynthese er- In der Regel wird die Vollbelastung nach 12 Wochen post-
folgreich sein. Verwendung finden dann zwei Abstützplatten, operativ erreicht.
die den Frakturbereich überbrücken. Die Lücken werden mit Der Nagel kann nach 1–2 Jahren entfernt werden.
Knochenzement ausgespritzt. Bei aufgebohrten Verriegelungs- und retrograden Marknä-
Fibulafrakturen im mittleren Drittel und am Fibulaköpf- geln muss nach ca. 6–8 Wochen, spätestens vor der Vollbela-
chen werden nicht operativ versorgt, führen jedoch manchmal stung, eine Dynamisierung erfolgen. Die Fraktur erhält sonst
zu deutlichen Beschwerden. nicht die notwendige Druckbelastung. Diese Osteosynthesen
Alle Osteosynthesen, bei denen das Hämatom während sind evt. etwas früher teilbelastbar.
der Operation nicht abgesaugt werden kann, bergen die Gefahr Bei Plattenosteosynthesen hingegen besteht Bewegungssta-
eines nachfolgenden Kompartmentsyndroms in sich. bilität mit einer Minimalbelastung für ca. 6 Wochen. Die Rönt-
genkontrolle gibt den Ausschlag für eine Belastungssteigerung.
Wichtig Weigel (2005) gibt eine nicht seltene Entlastungszeit/Teilbela-
stungszeit bis zu 16 Wochen an.
Kompartmentsyndrom: Druckerhöhung eines Gewebes in
Funktionell können bei allen Osteosyntheseverfahren die
einem von Faszien umschlossenen Raum. In der Tibialis-ante-
Belastungsstufen nur umgesetzt werden, wenn Schmerzsituati-
rior- und Peroneusloge staut sich die Blutung aus der Fraktur
on, Muskulatur, Wundverhältnisse und Gelenkfunktion es er-
und der verletzten Muskulatur unterhalb der Faszie und kann
lauben.
nicht abfließen. Die Mikrozirkulation wird gestört, und es
kommt zu einer vorübergehenden oder dauerhaften Gewe-
beschädigung, bis hin zur Gewebsnekrose (7 Kap. 4).
6
344 Kapitel 17 · Unterschenkelfrakturen
11 Beurteilen 5 Hautdurchblutung.
5 Wunde, Operationsnarbe.
5 Spannung der Haut, Spannungsblasen.
12 5 Schwellungen, Hämatom (Kompartment, Thrombose).
5 Muskelrelief, Atrophie.
5 Knie- und Sprunggelenkstellung (Beinachse).
13 5 Röntgenbild: Frakturstellung, Osteosynthese, später Konsolidierung.
Behandlungsmöglichkeiten
Grundsätzliches Vorgehen
In . Übersicht 17.1 sind die Schwerpunkte der physiotherapeu-
tischen Behandlung nach Unterschenkelfrakturen zusammen-
gefasst.
Der Kontakt für die Spannung von M. tibialis anterior, Bei einer N.-peroneus-Parese muss endgradig, weich, passiv be-
1 Mm. extensor digitorum longus und brevis, M. hallucis longus wegt werden. Mobilisationstechnik ist »Halten – Entspannen –
und Mm. fibulares wird entsprechend richtungweisend gege- passiv Weiterziehen«.
2 ben, z.B. medial, lateral und dorsal an der Ferse und dicht ober-
halb des Talus (. Abb. 18.12, 18.13). Soll der M. quadriceps als
Ist der Bewegungsstopp elastisch oder fest, können nach
Abschluss der Wundheilung Entspannungstechniken kombi-
Verstärker für die Fußheber fungieren, wird proximal der Frak- niert mit einer Narbenbehandlung oder mit Massagegriffen/
3 tur angepasster Widerstand gesetzt. Das Halten der Unterschen- Querdehnungen angewandt werden, bei reizlosem Unterschen-
kelschwere kann aktiv ohne oder mit Führungskontakt und bei kel evt. eine zusätzliche Wärmebehandlung. Entspannungstech-
vorgegebener Belastungsstufe in der geschlossenen Kette auf ei- niken aus dem PNF-Programm sind:
4 ner Waage geübt werden (7 Kap. 16). 5 »Chirurgische Technik«, v.a. zur Mobilisation des Spitz-
Aktives Üben in PNF-Mustern kann dynamische und sta- fußes.
5 tische Bewegungsfolgen schulen. Zur Anwendung kommen die 5 Rhythmische Stabilisation – Entspannen – aktiv Weiter-
Techniken: ziehen.
5 Endstellung – Halten. 5 Dynamische Umkehr – Halten – Entspannen, wenn ange-
6 5 Bewegen – Halten in allen Variationen. passter Widerstand erlaubt ist.
5 Betonte Bewegungsfolge in den Dosierungsstufen: aktiv, ge-
7 gen die Schwere, gegen Führungskontakt oder gegen ange- Im Anschluss an jede aktive Entspannungstechnik muss die
passten Widerstand. schwächere Muskulatur gekräftigt, d.h. betont geschult werden.
5 Stabilisierende Umkehr. Ist der Bewegungsstopp fest oder hart, werden Techniken
8 5 Verstärkungstechniken (7 Kap. 22). der Manuellen Therapie gewählt, gefolgt von weichen, lang-
samen Umkehrbewegungen.
Das geschlossene System eignet sich für die Rumpf- und Bein- Als Hilfsmittel werden bei Peroneusparese zum Erhalt der
9 achsenstabilisation: Dorsalextension im Sprunggelenk eine Lagerungsschiene, eine
5 Stützen gegen die Wand, eine Waage oder einen Fußkreisel Schiene für den Innenschuh oder ein entsprechender Schuh an-
10 mit Minimal- oder Teilbelastung. gefertigt.
5 Beinachsentraining aus Halbsitz und hohem Sitz mit Teil-
belastung. 5. Mobilisationd des Kniegelenks
11 5 Stabilisation der Rumpf- Becken-Bein-Achse mit Teilbela- Bei Frakturen im proximalen Unterschenkeldrittel kann eine
stung. Kniegelenkkontraktur auftreten. Die Behandlung erfolgt wie in
12 7 Kap. 16, »Kniegelenkverletzungen« beschrieben.
4. Mobilisation der Sprunggelenke (bei distalen Tibiafrak- Der Einsatz der Motorschiene ist nach stabilen Osteosyn-
turen) thesen möglich, wenn die Lagerung korrekt eingehalten wird,
13 Sprunggelenkkontrakturen können vermieden werden, wenn das Tempo langsam ist, und der Umkehrpunkt der Schiene im
ein aktives Übungsprogramm bei stabiler Osteosynthese früh- schmerzfreien Bereich eingestellt ist (. Abb. 17.6).
14 zeitig begonnen wird. Das Endgefühl ist anfangs weich.
Adäquate Maßnahmen sind: ! Cave
5 Schmerzfreies endgradiges Üben aller Sprunggelenkfunk- Zuerst Bewegungsumfang des Kniegelenks auf der Schie-
15 tionen. ne messen und dann einstellen. Die Motorschieneneinstellung
5 Selbständiges Üben des Patienten nach exakter Anleitung. stimmt nicht mit dem anatomischen Gelenkmaß überein.
16
17
18
19
20
. Abb. 17.6a-c. a Motorschiene (CPM), b passive Kniestreckung, c passive Kniebeugung in schmerzfreier Amplitude
21
17 Unterschenkelfrakturen
347 17
Das Kniegelenk soll ebenso wie die Sprunggelenke von Anfang 5 Stabilisation der Beinachse bei vorgegebener Belastungs-
an endgradig dynamisch geübt werden. stufe in der geschlossenen Kette (7 Kap. 15, 16 und 18).
Bei komplikationsfreiem Verlauf besteht kein Grund für die
Entwicklung einer Kontraktur. Zu erwarten sind Kontrakturen Bei teilbelastungsstabilen Osteosynthesen muss mit ange-
bei Osteosynthesen passtem Widerstand die Teststufe 3–4/4 erarbeitet werden. Der
5 mit einem Knie- oder Sprunggelenk übergreifenden Fixa- Widerstand kann manuell oder mittels Geräten (Theraband,
teur oder Züge) proximal der Fraktur gegeben werden. Geübt werden fol-
5 mit einem Ilizarow-Ringfixateur. gende Techniken:
5 Betonte Bewegungsfolge mit wechselndem Drehpunkt
Auch bei längeren Ruhigstellungen nach Hautdefekten, Pero- (Sprung- oder Kniegelenk) in PNF-Mustern.
neusparese oder Kompartmentsyndrom ist mit ausgeprägten 5 Bewegen – Halten in allen Variationen.
Kontrakturen zu rechnen. 5 Dynamische Umkehr.
Entsprechend der Qualität des Bewegungsstopps und der 5 Stabilisierende Umkehr.
Stabilität der Osteosynthese werden die Mobilisationstechniken
ausgewählt. Der Physiotherapeut fixiert passiv und setzt die Ist durch Schwellneigung und Hautdefekte ein längeres Üben in
Hand gelenknah am zu fixierenden Hebel an. der Senkrechten kontraindiziert, kann das Beinachsentraining
Mobilisiert wird immer unter leichter Traktion und nie un- in Rückenlage gegen die Wand, Waage oder den Fußkreisel so-
ter Belastungsdruck, in der Proliferationsphase nur gegen Füh- wie auf dem Therapieball oder der Feldenkraisrolle niedrig do-
rungskontakt. siert ausgeführt werden (. Abb. 17.7, 17.8).
Ausgangsstellungen für die Kniegelenkmobilisation sind Weitere Ausgangspositionen für Übungen im geschlossenen
Sitz und Bauchlage 7 Punkt 4, Techniken). System sind hoher Sitz, Halbsitz, Sitz auf Therapieball, Hocker
und Stand auf Waagen. Die vorgegebene Belastungsstufe muss
6. Erhalten der Muskulatur der nicht betroffenen Extremi- selbstverständlich eingehalten bzw. funktionell erarbeitet wer-
täten den.
Da es sich bei Patienten mit Unterschenkelschaftfrakturen in Die Stabilisation der Beinachse erfolgt zunächst gegen ma-
der Mehrzahl um arbeitsfähige, junge Menschen handelt, kann nuellen Kontakt im Zweibein-/Einbeinstand bei entsprechendem
das Training des gesunden Beins und der beiden Arme vorwie- Bodenkontakt, Teil- oder Vollbelastungsfähigkeit auf der Waage
gend als Hausaufgabenprogramm aufgebaut werden. (7 Kap. 15, 16, 18 und 19).
Geräte wie Expander, Hanteln, Therabänder oder, soweit Die Belastung wird aus einer korrekten Fußstellung (Spiral-
vorhanden, Zuggeräte werden zur abwechslungsreichen Gestal- dynamik nach Larsen 2007) aufgebaut, d.h., Fersen-, Großzeh-
tung der Übungen eingesetzt. und Kleinzehballenkontakt werden bewusst wahrgenommen.
Die Übungen sollen vorgeübt, die Steigerung festgelegt und Dadurch entsteht eine physiologische Verwringung des Rück-
zwischendurch kontrolliert werden. fußes gegen den Vorfuß bei Neutralstellung der Ferse.
Der Patient übt in Eigenverantwortung; er muss seine Ermü-
dungsgrenzen beobachten und darauf Rücksicht nehmen.
2
3
4
5
6 Vorbereitend versucht der Physiotherapeut, die »Fußspira- ! Cave
le« mit dem Patienten in entlasteter Stellung passiv auszufüh- 5 Der Patient sollte jedoch zu diesem Zeitpunkt noch keine
7 ren. Sie ist auch als Eigenmobilisation sinnvoll (. Abb. 19.9– Scher- und Rotationsbewegungen
19.11). des Unterschenkels machen, wie sie beim Brust- oder Rü-
Eine Vorbereitung auf das Gehen ist auch in freier Form mit- ckenschwimmen vorkommen. Selbständiges Üben im Was-
8 tels PNF-Gehmuster möglich. Zielt die Übung auf das Streck- ser ohne Aufsicht des Physiotherapeuten ist deshalb ge-
muster Extension/Abduktion ab kann man eine Overflow-Re- fährlich.
aktion durch Spannen des Gegenarms in Extension/Abduktion 5 Stabilisationsformen mit Rotationswiderstand sind bis zur
9 und des Gegenbeins in Flexion/Adduktion erreichen. Soll das Frakturkonsolidierung kontraindiziert.
Gehen mit Unterarmstützen für den Drei-Punkte-Gang vorbe-
10 reitet werden, können auch beide Arme im Stützmuster statisch Gehschulung
üben. Vor dem Aufstehen soll die funktionelle Beinlänge überprüft
Soll ab der 7. postoperativen Woche oder nach Dynamisie- und an eine notwendige Schuherhöhung gedacht werden. Neigt
11 rung der Verriegelung des aufgebohrten Nagels die Belastungs- der Patient noch zu Schwellungen, sollen Gummistrümpfe/
stufe langsam zur Vollbelastung geführt werden, müssen dyna- Antithrombosestrümpfe getragen werden.
12 mische und statische Elemente in das Beinachsentraining auf- Die Belastungsübernahme in der dynamischen Gehbewe-
genommen werden. gung wird am besten durch Gehen über mehrere Waagen geübt,
Wichtig ist nun auch das Kontrollieren der Muskelfunktion die in den Boden eingelassen sind (7 Kap. 14, 15 und 16). Da-
13 im Stand und Gang durch Stabilisation der Gelenke in verschie- bei soll der Patient lernen, die verordnete Teilbelastung/Belas-
denen Winkelpositionen (7 Kap. 16). Rotationswiderstände dür- tung wahrzunehmen. Anfangs darf er sie optisch kontrollieren,
14 fen allerdings bis zum Ende der Konsolidierungsphase nicht ge- dann soll er das Gefühl für die richtige Belastung erspüren und
setzt werden. einüben, ohne hinzuschauen. Taktile Reize können den Bewe-
Die Belastung wird erst gesteigert, wenn sie schmerzfrei gungsablauf aktivieren. Dass die Belastungsstufe beim selbstän-
15 und ohne Achsenabweichung gehalten werden kann. Selbstver- digen Gehen nicht exakt eingehalten werden kann, ist Physio-
ständlich muss die ärztliche Vorgabe respektiert werden. therapeuten bewusst. Wiederholtes Gehen über Waagen ist des-
Übungen im festgefügten System des Türrahmens oder ge- halb erforderlich.
16 gen Zuggeräte eignen sich sehr gut dazu (. Abb. 12.11, 12.12, Belastungsübungen lassen sich auch auf dem Schaukelbrett,
15.11–15.14, 16.32). Trampolin, Stepper, Weichkissen oder Sportkreisel gut durch-
17 Kann der Patient im Stand vor dem Spiegel die Belastung führen (. Abb. 16.30, 16.31). Auch Treppensteigen oder Gehen
im Zwei- und Einbeinstand korrekt auf das verletzte Bein über- auf schräger Ebene kann zur Kräftigung des M. gastrocnemi-
nehmen, wird der Zehenstand geübt. Die Schulung des M. tri- us eingesetzt werden, wenn auf bewusstes Abheben der Fer-
18 zeps surae im Stand und in der Schrittfolge ist besonders wich- se geachtet wird. Zu Anfang kann das Stufenersteigen mithil-
tig für das Gehen. fe eines Zuggerätes (Negativgewicht) erleichtert werden. End-
19 Die Belastung kann auch im Bewegungsbad vorgeübt wer- ziel sollte der freie Zehenstand auf dem verletzten Bein sein. Di-
den. Bei entsprechender Wassertiefe wirkt die Auftriebskraft es kann nur erreicht werden, wenn der Patient bereit ist, auch
des Wassers entlastend. Durch langsam oder schnell ausgeführ- selbst konsequent zu üben.
20 te Bewegungen kann man den Wasserwiderstand unterstützend Solange der Patient die einzelnen Belastungsphasen noch
oder als Widerstand einsetzen. Ebenso gezielt einsetzbar sind nicht beherrscht, also noch hinkt, darf nicht gesteigert werden,
21 Schwimmkörper. und die Unterarmstützen sollten weiterhin benutzt werden. Das
17 Unterschenkelfrakturen
349 17
Gehen mit nur einer Stütze verursacht eher eine Schiefhaltung Proliferationsphase
und infolge eine Fehlbelastung. Langfristig lohnt es sich abzu- Ausgangsposition
warten, bis der Patient Sicherheit gewonnen hat, die Belastung Rückenlage. Unterschenkel ist flach gelagert, Ferse liegt frei.
funktionell umsetzen kann und die Unterarmstützen von selbst
weglegt. Übung
5 Isometrisches Spannen der Fußheber in aktueller Endstel-
8. Schulung sportspezifischer Aktivitäten lung.
Wenn die Fraktur konsolidiert ist und der Patient schmerzfrei Fixation: Passiv oberhalb des Sprunggelenks am Unter-
längere Strecken ohne Hilfsmittel gehen kann, darf mit leichtem schenkel.
Lauf- und Sprungtraining begonnen werden.
Dabei sollten v.a. reaktive Bewegungsabläufe und koordina- Übung
tiv anspruchsvolle Bewegungsmuster geübt werden. 5 Isometrisches Spannen des M. quadriceps und freie aktive
Geeignete Hilfsmittel sind unterschiedliche labile Unterla- Bewegungen der Fußheber.
gen wie z.B. Weichbodenmatten oder Trampolin. 5 Dasselbe mit »Stabilisierender Umkehr« für den M. qua-
Typische sportartspezifische Bewegungsfolgen sollen wie- drizeps bei aktiv gehaltener Dorsalextension. Der Unter-
der automatisiert werden. Die Trainingformen werden mit dem schenkel liegt frei über der Bettkante.
Patienten gemeinsam geplant.
Übung
Besonderheiten bei der Behandlung einer 5 Dynamische »Betonte Bewegungsfolge« der Fußheber ge-
Unterschenkelfraktur nach N.-peroneus- gen Führungskontakt.
profundus-Parese Fixation: Passiv distal am Unterschenkel.
Eine spezielle physiotherapeutische Behandlung erfordern Pati- 5 Dasselbe mit Spannung der Zehenextensoren.
enten mit zusätzlicher N.-peroneus-Parese. 5 Dasselbe mit Spannung der Zehenflexoren.
Solange keine Reinnervationszeichen vorhanden sind, kann
eine Reizstromtherapie durchgeführt werden. Übung
Neben den bereits erwähnten passiven endgradigen Bewe- 5 Geführte Dorsalextension mit Supination.
gungen werden Techniken eingesetzt wie: Technik: Endstellung – Halten, Wiederholte Bewegungsfol-
5 Halten von Positionen. ge gegen Führungskontakt.
5 Setzen von Kontraktionshilfen, z.B. Eisabreiben, Muskel-
herausgreifen, Streichen über die Hautregion, kontralate- Übung
rale Muskelarbeit gegen Widerstand. 5 Dorsalextension mit Pronation.
5 Overflow der statischen Spannung von proximalen syner- Technik: Betonte Bewegungsfolge gegen Führungskontakt,
gistisch wirkenden Muskelketten. nach 6 Wochen gegen Widerstand.
Fixation: Passiv am distalen Unterschenkel.
Wichtig
Übung
Approximation und Stretch am Sprunggelenk sowie Tapping
5 »Flexion/Adduktion/Rotationsnullstellung« gegen Wider-
an der Unterschenkelmuskulatur sind erst nach Konsolidie-
stand mit aktiver Umkehrbewegung in den Sprunggelen-
rung der Fraktur anwendbar.
ken.
5 Dasselbe in der 2. PNF-Diagonale »Flexion/Abduktion/Ro-
Es ist besonders darauf zu achten, dass die Lagerung des Fußes tationsnullstellung zum gestreckten Knie«.
in einer individuell angepassten Schiene korrekt eingehalten
wird. Für die Belastung muss das Sprunggelenk durch eine Or- Ausgangsposition
these stabilisiert werden. Rückenlage. Becken liegt an der unteren Bettkante.
Übung
Übungsbeispiele 5 »Extension/Adduktion/Außenrotation zum gebeugten
Knie«.
Die Übungsbeispiele beziehen sich auf eine Unterschenkel- Kontakt/Widerstand: proximal am Unterschenkel und distal
schaftfraktur im mittleren Drittel nach Versorgung mit einem un- am Oberschenkel.
gebohrten Verriegelungsnagel.
350 Kapitel 17 · Unterschenkelfrakturen
Ausgangsposition Ausgangsposition
1 Bauchlage. Fuß hängt über die Bettkante. Stand im Türrahmen.
2 Übung
5 Wiederholte Knieflexion bei Haltearbeit des M. gluteus
Übungen
5 Siehe . Abb. 15.11–15.14.
maximus. 5 Stabilisation der Fußstellung mit 2 Therabändern im Sinne
3 Kontakt/Widerstand: Dorsal, distal am Oberschenkel und der Spiraldynamik nach Larsen (. Abb. 19.11).
proximal am Unterschenkel.
5 Dasselbe mit aktiven Umkehrbewegungen der Sprungge- Ausgangsposition
4 lenke. Hoher Sitz, Halbsitz.
5 Ausgangsposition Übung
Rückenlage. 5 Bilaterales asymmetrisches PNF-Armmuster, z.B. »Lifting«
zur nicht betroffenen Seite, um die Standbeinphase auf der
6 Mobilisation der Spitzfußkontraktur betroffenen Seite zu stärken (7 Kap. 16).
5 PNF-Techniken: »Chirurgische Technik«, anschließend
7 Endstellung – Halten für die Fußheber und Rhythmische Ausgangsposition
Stabilisation – Entspannen, anschließend Endstellung – Stand, evt. abgestützt an hochgestellter Bank; Zweibein-, dann
Halten für die Fußheber. Einbeinstand.
8
Ausgangsposition Übung
5 Bei leicht gebeugten Knien soll sich der Fuß von der Ferse
9 Bauchlage.
zum Zehenstand abdrücken (anfangs mit beiden Füßen).
Mobilisation der Kniestreckkontraktur
10 5 PNF-Technik: Dynamische Umkehr – Halten – Entspan- Übung
nen – aktiv Weiterziehen, anschließend Endstellung – Hal- 5 Im Zehenstand auf der Stelle treten.
ten für die Kniebeuger.
11 Übung
Konsolidierungsphase (nach 6 Wochen) 5 Stabilisation auf dem Schaukelbrett, Sportkreisel, Ballkis-
12 Manuelle Therapie sen oder Trampolin (s. vorangehende Kapitel).
5 Traktion und Dorsalgleiten, anschließend dynamische
Umkehrbewegungen gegen angepassten Widerstand. Übung
13 5 Bergsteigerübung: Gleichseitiger Arm/beide Arme stem-
Übung men gegen die Wand, so dass der Oberkörper schräg nach
14 5 PNF-Gehmuster »Extension/Abduktion/Innenrotation« vorne kommt. Die Beine stehen in Schrittstellung; das be-
bei gestrecktem Knie. Das gesunde Bein ist aufgestellt. troffene Bein steht hinten und drückt sich mit der Ferse ab.
Widerstand: Proximal, lateral, dorsal am Unterschenkel
15 und distal, dorsal, lateral am Oberschenkel. Übung
5 Dasselbe als beidseitige reziproke Umkehrbewegung aus 5 »Eckengeher« (. Abb. 12.9).
dem Sitz bei aufliegendem Oberschenkel (. Abb. 15.10).
16 PNF-Gehschulung mit Fazilitieren
Ausgangsposition 5 Manueller Widerstand ventral/kranial gegen anteriore Fle-
17 Sitz auf Hocker im Türrahmen (Göhler 2007). xion am Becken in der Schrittfolge zur Anbahnung der
Abdruckphase.
Übung 5 Gegen Widerstand des Therabandes.
18 5 Stabilisation der Bein-Becken-Rumpf-Achse. Das gesunde 5 Gegen Widerstand vorne am Becken oder am Schultergür-
Bein wird angebeugt und leicht außenrotiert, die gegensei- tel.
19 tige Hand drückt gegen die Ferseninnenseite. Der gleich- 5 Gehen auf dem Laufband.
seitige Arm drückt in PNF-Muster »Flexion/Abduktion/
Außenrotation« gegen den Türrahmen (. Abb. 6.37). (Gehschulung 7 Kap. 14, 15 und 16).
20
21
17 Unterschenkelfrakturen
351 17
17.1 Literatur
Bizzini M (2000) Sensomotorische Rehabilitation nach Beinverletzungen.
Thieme, Stuttgart New York
Buck M, Beckers D, Adler S (2004) PNF in der Praxis, 5. Aufl. Springer, Ber-
lin Heidelberg
Göhler B (2007) Komplexbewegung contra Einseit-Haltung. Pflaum,
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Gustilo RB (1993) Open fractures. In Gustilo et al. (Hrsg) Fractures and dis-
locations. Mosby, St. Louis, pp 169–195
Hüter-Becker A et al. (2002) Das Neue Denkmodell, Bd 1, Bewegungssys-
tem. Thieme, Stuttgart New York
Hamilton Ch, Richardson C (2000) Stabilität – eine vielfältige Aufgabe. In:
Klein-Vogelbach S, Werbeck B, Spirgi-Gantert I (Hrsg) Funktionelle
Bewegungslehre, Bewegung lehren und lernen, 5. Aufl. Springer, Ber-
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Larsen Ch (2007) Gut zu Fuß ein Leben lang, Spiraldynamik, 3. Aufl. Trias,
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Larsen Ch (2003) Füße in guten Händen, Spiraldynamik. Thieme, Stutt-
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Loeweneck H, Liebenstund I (1994) Funktionelle Anatomie. Pflaum,
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Spirgi-Gantert I, Suppé B, Eicke-Wieser K (2006) FBL Klein-Vogelbach
Functional Kinetics: Therapeutische Übungen, 5. Aufl. Springer, Ber-
lin Heidelberg New York
Trentz O, Bühren V (2001) Checkliste Traumatologie. Thieme, Stuttgart
New York
Weigel B, Nerlich M (2005) Praxisbuch Unfallchirurgie, Bd 1. Springer, Ber-
lin Heidelberg New York
Die Abbildungen 17.1 und 17.2 hat mir freundlicherweise OA Dr. Th. Löff-
ler, Chirurgische Universitätsklinik, Klinikum Großhadern, München, zur
Verfügung gestellt.
Abbildung 17.3 c. verdanke ich Frau Birgit Jaspersen, Klinik f. Physika-
lische Medizin, Klinikum Großhadern, München, die Abbildungen 17.4–
17.8 Frau Claudia Klose, PT-Schule BKH Günzburg.
18
18.2 Kapsel-Band-Verletzungen
des Sprunggelenks – 365
Ursachen – 365
Charakteristische Symptome/
Leitsymptome – 365
Behandlungsrichtlinien und
therapeutische Maßnahmen – 366
Komplikationen – 366
Behandlungsmöglichkeiten – 367
354 Kapitel 18 · Frakturen und Luxationen im Bereich der Sprunggelenke, Band- und Achillessehnenverletzungen
6
7
8
9
10
11
a b
12
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18
19
a b c
20
. Abb. 18.2a-c. a Luxationsfraktur des oberen Sprunggelenks, b Osteosynthese mit zusätzlicher Syndesmosenschraube und Refixation des Volk-
21 mann-Dreiecks, c seitliche Aufnahme
18 Frakturen und Luxationen im Bereich der Sprunggelenke, Band- und Achillessehnenverletzungen
355 18
Sehnenverletzungen:
5 Achillessehnenriss.
A1 Quer
Fibulafraktur
A2 Mit Keil mit Verkürzung
A3 Stückbruch plus Fibulafraktur
Einstauchung
knöchernes, eines zentralen
Typ B Partielle Gelenkfraktur syndesmosen- Gelenkfragments
tragendes mit Spongiosa-
B1 Spalt Fragment kompression
B2 Mit Impression
Typ C Gelenkfraktur
C1 Artikulär einfach, metaphysär einfach . Abb. 18.4. Merkmale einer typischen Pilonfraktur
C3 Mehrfragmentär
356 Kapitel 18 · Frakturen und Luxationen im Bereich der Sprunggelenke, Band- und Achillessehnenverletzungen
Nach dem Unfallmechanismus werden die Frakturen auch in bula nicht exakt in der lateralen Gelenkfläche des Talus, wird
1 Supinations-/Inversions- und Pronations-/Eversionsfrakturen ein- die Biomechanik des Sprunggelenks entscheidend gestört und
geteilt. birgt ebenfalls das Risiko einer Arthrose.
2 Da die Talusrolle vorne um 25 breiter ist als hinten, liegt
der Talus bei Dorsalextension schlüssig in der Malleolengabel
Ursachen und drückt sie bei Belastung ca. 2–3 mm auseinander. Nach
3 Cailliet (1972) rotiert die Fibula bei Dorsalextension und senk-
5 Bandausrisse/Abschermechanismen nach Umkippen des rechter Belastung um 5–10° nach innen und der Talus nach la-
belasteten Fußes infolge von Sport-, Verkehrs- oder Ar- teral. Die Fibula macht eine Bewegung nach kranial und stellt
4 beitsunfällen. auf diese Weise die Fasern der Syndesmose horizontal. Bei Plan-
tarflexion rotiert der Talus nach medial und die Fibula nach au-
5 Die Supinations-/Inversionsfraktur tritt wesentlich häufiger auf ßen, die Fibula sinkt leicht nach kaudal ab, und die Syndesmo-
als die Pronations-/Eversionsfraktur. se erfährt eine Schrägstellung (. Abb. 18.5). Dieser Mechanis-
mus führt zu einer verbesserten Gelenksicherung in der Mittel-
6 standphase.
Charakteristische Symptome/Leitsymptome Die vorderen Teilzügel der Kollateralbänder sichern mit al-
7 len Anteilen das Sprunggelenk in Plantarflexion, die mittleren
Die verletzungsspezifischen Symptome sind in 7 Abschn. 18.1, spannen sich beim Verkanten des Fußes nach medial oder late-
»Frakturen, Luxationen und Luxationsfrakturen« aufgeführt. ral, und die dorsalen Teilzügel spannen sich bei Dorsalextensi-
8 on (. Abb. 18.6).
a b c
6 Die Komplexität der Heilungsstörungen einzelner Strukturen . Abb. 18.8a-c. Mechanismus der Syndesmosensprengung
und die daraus resultierenden Gehstörungen sind noch
nicht erschöpfend erforscht, jedoch sollten die bisher von
7 Forschern veröffentlichten Resultate physiotherapeutisch
bandruptur oder infrasyndesmalen Fibulafraktur. Hört
genutzt werden.
die Gewalteinwirkung nicht auf, bricht der Innenknöchel,
8 das Deltaband reißt und die Sprunggelenkgabel wird ge-
sprengt.
Ärztliche/physiotherapeutische Behandlung 5 Bei Pronations-/Abduktions-Frakturen bricht zunächst der
9 Siehe verletzungsbezogene Behandlungen in den einzelnen Ka- Innenknöchel, der laterale Talusrand drückt gegen den Au-
piteln ßenknöchel. Bei Gewaltfortsetzung reißen die Syndesmo-
10 Zur Diagnostik der komplexen Sprunggelenkverletzungen senbänder, und letztendlich entsteht eine Fibulafraktur mit
werden Röntgenbilder des oberen Sprunggelenks in zwei Ebe- Biegungskeil und Luxation des Talus (. Abb. 18.8). Der Ta-
nen angefertigt. Die a.-p.-Aufnahme wird bei 20° Innenrotation lus kann sich um seine Längsachse drehen, nach lateral
11 des Unterschenkels angefertigt (»Mortise-view-Aufnahme«). oder medial verschieben, sich um seine Vertikalachse be-
Bei Verdacht auf eine Maisonneuve-Fraktur muss der ganze Un- wegen und dabei ein hinteres Volkmann-Dreieck an der
12 terschenkel geröntgt werden. Tibiakante abmeißeln. Syndesmosenzerreißungen können
rein ligamentär oder mit Aussprengung eines Knochen-
fragmentes aus der Tibia erfolgen (»tubercule de Chaput«).
13 18.1 Frakturen, Luxationen und 5 Eine weitere Variante entsteht z.B. über die Dehnung des
Luxationsfrakturen medialen Kollateralbandes als Abriss des Innenknöchels
14 oder bei intakter Syndesmose als bimalleoläre Fraktur.
Charakteristische Symptome/Leitsymptome 5 Bei den Adduktionsfrakturen dreht sich der Talus um die
vertikale Achse, die mediale Kante drückt gegen den In-
15 5 Schwellung, nenknöchel, und der Außenknöchel bricht durch die Ver-
5 Druckschmerz exakt über den Malleolen, kantung.
5 schmerzhafte Bewegungseinschränkung, Belastung nicht
16 möglich, Ärztliche Behandlung
5 Fehlstellung bei Luxation, Diagnostik
17 5 Druckschmerz am Fibulaköpfchen bei Maisonneuve-Frak- Ein Anhaltspunkt für die Beurteilung einer Syndesmosenspren-
tur, gung kann das Verhältnis zwischen horizontalem und verti-
5 großer Weichteilschaden bei Pilon-tibial-Fraktur. kalem Gelenkspalt des oberen Sprunggelenks sein. Im Norm-
18 fall ist der senkrechte Spalt zwischen medialer Fibulakante
und lateraler Tibiakante (»ligne claire«) schmaler als der ho-
19 Behandlungsrichtlinien und therapeutische rizontale. Das Verhältnis beträgt 3:5. Ist das Verhältnis umge-
Maßnahmen kehrt oder gleich groß, handelt es sich um eine Syndesmosen-
instabilität.
20 Sprunggelenkverletzungen laufen in mehreren Stadien ab: Nach Kapandji (1985) überlappt die Fibula die laterale vor-
5 Bei den Supinations-/Adduktions-Frakturen beginnt die Ge- dere Kante der Tibia um ca. 8 mm. Ist der Abstand größer, gibt
21 walteinwirkung am lateralen Malleolus mit einer Außen- dies ebenfalls einen Hinweis auf eine Syndesmosensprengung
18.1 Frakturen, Luxationen und Luxationsfrakturen
359 18
Talus-
kippung Talus-
vorschub
fibulo-
talare
Distanz
. Abb. 18.10. Lagerungsschiene
(7 Abschn. »Befunderhebung«, Röntgenbefund). Von großer Kombinationsverletzungen von Frakturen mit Zerreißung
Relevanz ist ein kleinerer talokruraler Winkel bei verkürzter Fi- der Syndesmose und des Delta-Bandes sowie der lateralen Kol-
bula. lateralbänder zwingen zu einer Osteosynthese mit Bandnähten.
Besteht kein Anhaltspunkt für eine Fraktur, wird zur Dia- Die Versorgung soll innerhalb der ersten 6 Stunden nach dem
gnostik einer Bandruptur eine gehaltene Röntgenaufnahme in Trauma erfolgen. Ausnahmen sind infizierte, sehr geschwollene
20° Innenrotation des Unterschenkels, 15° Plantarflexion und Weichteile, wenn der Patient nach dem Trauma noch weiterhin
tolerierbarer Supination des Fußes gemacht. Besteht starke belastet hat. Dann müssen die Resorption der Schwellung und
Schwellung oder Schmerzhaftigkeit, kann die gehaltene Auf- die Wundheilung abgewartet werden. Die Osteosynthese kann
nahme nicht durchgeführt werden. meist nach 5–7 Tagen erfolgen (. Abb. 21.10).
Eine laterale Aufklappbarkeit und ein Talusvorschub wer- Operativ muss auf eine exakte Reposition der Gelenkflä-
den bei positivem Befund deutlich sichtbar (. Abb. 18.9). Die chen, Rotationsstellung und Länge der Fibula geachtet werden.
Patienten geben ein unangenehmes Instabilitätsgefühl und Be- Zur Stabilisierung kommen interfragmentäre Zugschrauben,
lastungsschmerzen an. Zuggurtungen, Drittelrohrplatten, dynamische Kompressions-
Durch eine Talusluxation nach lateral können tangentiale platten, temporäre Stellschrauben, Spongiosazugschrauben in-
oder osteochondrale Flakes (Absprengungen) am Talus absche- frage.
ren. Zur exakten Abklärung werden Computertomographien Postoperativ wird das Bein hochgelagert und in einem ge-
oder ein MRT durchgeführt. spaltenen Unterschenkelgips oder Gipsschale 8–10 Tage ruhig-
Arthroskopische Untersuchungen sind sinnvoll, wenn ein gestellt (Weigel 2005). Nach Entfernung der Redon-Draina-
operatives Vorgehen nach chronischen Verletzungen geplant gen darf der Gips bei der Physiotherapie abgenommen werden
ist. (. Abb. 18.11).
Zur Ruhigstellung der Syndesmose werden für 6 Wochen
Konservatives/operatives Vorgehen Stellschrauben eingebracht. Diese Verankerungen verhindern
Wegen der großen statischen Bedeutung werden heute fast al- die physiologischen Rotations- und Auf-/Abbewegungen der
le Malleolenfrakturen mit und ohne Bandverletzungen opera- Fibula, so dass eine Bewegungslimitierung der Sprunggelenke
tiv versorgt. Zur Anwendung kommen Zugschrauben, Zuggur- erforderlich wird (. Abb. 18.12, 18.13).
tungs- und Plattenosteosynthesen.
Nur die isolierte Weber-A1-Fraktur und die B1-Fraktur ohne Wichtig
Syndesmoseninstabilität können bei guter Stellung konservativ
Für die Bewegungslimitierung der Sprunggelenke muss die
behandelt werden. Ebenso wird bei Kindern vorzugsweise eine
Dorsalextension in Nullstellung des oberen Sprunggelenks
konservative Behandlung durchgeführt.
(Rechtwinkelstellung) begrenzt werden, da sonst Gegen-
Die Ruhigstellung erfolgt entweder mit einer Gipslagerungs-
kräfte auftreten. Dynamische Pro- und Supinationsbewe-
schiene (. Abb. 18.10) Lightcast (Kunststoffgips) oder neuer-
gungen sind ebenso kontraindiziert wie belastetes Gehen.
dings auch mit einer Sprunggelenkorthese/Vacoped-Schiene
(Richter et al. 1999) (. Abb. 5.4). Die Gipsschiene wird nach ei-
nigen Tagen, nach Abschwellen des Fußes geschlossen. In der Trümmerfrakturen, offene und infizierte Frakturen werden mit
Regel werden die Sprunggelenke für 6 Wochen ruhiggestellt. einem Minifixateur externe behandelt. Diese Versorgung gilt
360 Kapitel 18 · Frakturen und Luxationen im Bereich der Sprunggelenke, Band- und Achillessehnenverletzungen
2
3
4
5 Bei konservativer Behandlung sollen die Patienten für 6 Wo-
chen mit Gips, Lightcast, Vacoped-Schiene (. Abb. 5.4) oder
Spezialschuh (Variostabil) nach Biewener (2002) mit 15–20 kg
6 teilbelasten.
Bei Sprunggelenkfrakturen ohne Bandverletzungen mit sta-
7 biler Osteosynthese benötigen die Patienten keinen Gips, es sei
denn, sie sind nicht kooperativ oder in einem schlechten Allge-
meinzustand. Dann erhalten sie für 4 Wochen einen Liegegips/
8 Lightcast und für weitere 2–4 Wochen einen Gehgips.
Im Normalfall können Patienten von der 1. – 6. Woche mit
15–20 kg teilbelasten, ab der 7. Woche soll entsprechend der
9 Funktion die Belastung stufenweise bis zur Vollbelastung ge-
steigert werden.
10 . Abb. 18.12. Führungskontakt zur Aktivierung der Dorsalextensoren
Bei Sprunggelenkfrakturen mit Knorpelknochenverletzung
und stabiler Osteosynthese erhalten die Patienten im Normfall
keinen Gips. Bis zur 6. Woche sollen sie entlasten, anschließend
11 mit 20 kg Teilbelastung beginnen und wöchentlich sehr langsam
entsprechend der Funktionsverbesserung steigern. Nicht koope-
12 rative Patienten sollen für 6 Wochen einen Liegegips erhalten.
Die Vollbelastung soll i.d.R. erst nach 12 Wochen erfolgen.
Sprunggelenkfrakturen mit Syndesmosennaht und Stell-
13 schraube wie auch Pilon-tibial-Frakturen werden in gleicher Wei-
se behandelt, wenn die Osteosynthese stabil ist. Die Teilbela-
14 stung beginnt nach der 6. Woche; im erstgenannten Fall nach
Entfernung der Stellschraube.
15 Wichtig
handelt werden, soll frühestmöglich, aber auch so subtil wie Rotationswiderstände sind nur bei enger Indikationsstel-
möglich aktiv mobilisiert werden. lung in der späten Konsolidierungsphase durchzuführen.
Techniken aus dem PNF-Programm, z.B. die »Chirurgische Verstärkung kann über die M.-quadriceps-Spannung aufge-
Technik«, aktive »Dynamische Umkehr« im vorgegebenen Be- baut werden.
wegungsausmaß und »Stabilisierende Umkehr« gegen Füh- PNF-Techniken, z.B. »Betonte Bewegungsfolge« mit aktiven
rungskontakt können eingesetzt werden. Dabei wird die Tech- Umkehrbewegungen in den Sprunggelenken, sind geeignete
nik entsprechend der vorgegebenen Bewegungsbegrenzung oh- Übungsformen, wenn die Haltewiderstände oberhalb der Frak-
ne dynamische Pro-/Supination ausgeführt. Von besonderer Be- tur angesetzt werden. Bei passiver Fixation der Fraktur über
deutung ist die hohlraumfreie Lagerung des Unterschenkels den Malleolen können die in 7 Kap. 17 beschriebenen Übungen
(Achillessehne unterlagert!) und der weiche, dennoch sichere Fi- durchgeführt werden.
xationsgriff dicht über dem Sprunggelenk. Die Führung geben- Ist eine gute Grundstabilität vorhanden, können die Fußhe-
den Hände sollen am Fußdorsum dicht über dem Talus (Dorsa- ber exzentrisch dynamisch und auch im geschlossenen System
lextension) und an der Ferse (Plantarflexion) liegen. Gegen die durch Veränderung der Unterschenkel-Fuß-Achse auf Waagen
Wand oder mithilfe eines an der Wand angelehnten Sportkrei- statisch/dynamisch geübt werden. Anfangs sollte das Gelenk
sels ist die Mobilisation in Hochhalte zur Resorptionsförderung noch bandagiert werden.
und Heilungsunterstützung möglich (. Abb. 17.7, 17.8). Eine Ausnahme bilden die Frakturen, die mit einer Stell-
Ist die Operationsnarbe abgeheilt, kann mit einer behut- schraube versorgt wurden. Für die Patienten gilt die vorab be-
samen Narbenbehandlung begonnen werden. schriebene Bewegungsbegrenzung 0–0-freie Plantarflexion
Nach entsprechender Gipsbehandlung und bestehender Be- und keine dynamische Pro-/Supination bis zur Stellschrauben-
lastungsstabilität für alle Sprunggelenkstrukturen müssen Tech- entfernung.
niken der Manuellen Therapie mit Traktion und Talusgleiten
eingesetzt werden. 5. Muskelaufbau des M. triceps surae
In der Konsolidierungsphase (nach 6 Wochen, bei Pilon-ti- Das Training dieser für das Gehen so wichtigen Muskeln wird
bial-Frakturen nach 8 Wochen) kann bei passiver Fixation kann entsprechend den Vorschlägen durchgeführt, die in 7 Kap. 15
mittels PNF-Technik »Dynamische Umkehr – Halten – Ent- und 17 beschrieben wurden.
spannen und aktivem/passivem Weiterziehen« mobilisiert wer- Grundsätzlich gilt, dass die Kniebeugung in allen Variati-
den. onen gegen manuellen oder gegen Gerätewiderstand intensiv
Bewegungsrichtungen sind Dorsalextension und Dorsal- geübt werden soll. Die dynamischen Sprunggelenkbewegungen
extension mit Pro- und Supination. Der Effekt ist am größten, müssen aktiv ohne Widerstand bis zur 7. postoperativen Woche
wenn unter Traktion mobilisiert wird, anfangs bei entspanntem ausgeführt werden.
M. gastrocnemius, später in gedehntem Zustand (7 Punkt 2, La- Die isolierte Plantarflexion wird durch Kontakt (Zug) an
gerung). der Ferse geübt (. Abb. 18.13). Wie bereits erwähnt, dürfen
Bei deutlicher Spannungserhöhung des M. trizeps surae Pro- und Supiation nur in der Nullstellung isometrisch gefor-
wird in Rückenlage des Patienten eine warme Kompresse unter dert werden. Dabei ist eine exakte manuelle Fixation erforder-
den Muskel gelegt. lich (. Abb. 18.14).
Das Vertauschen von Punktum fixum und mobile ist eine gute In der Proliferationsphase werden Verstärkungstechniken,
Mobilisationstechnik. Fixiert der Physiotherapeut die Ferse in z.B. mittels statischer Spannung im PNF-Muster »Flexion/Ad-
Dorsalextensionsstellung des oberen Sprunggelenks, kann der duktion/Außenrotation zum gebeugten Knie« und »Aktiver
M. gastrocnemius durch eine statische Anspannung der Knie- Umkehr« für das Sprunggelenk durchgeführt (. Abb. 18.15).
beuger noch weiter gedehnt werden (. Abb. 18.17). Durch die Haltearbeit der Kniegelenkflexoren (Mm. ischiocru-
rales) und die geführte Plantarflexion wird der M. gastrocnemi-
4. Muskelaufbau der Fußheber us fazilitiert (. Abb. 18.16).
Nach jeder Mobilisationstechnik muss eine Aktivierung der Fuß- Es ist sinnvoll, die Dehnbarkeit des M. gastrocnemius durch
heber erfolgen. das Vertauschen von Punktum fixum (hier der Fuß) und Punk-
Die PNF-Techniken »Bewegen – Halten« aktiv gegen Kon- tum mobile (Knieflexion) zu verbessern (. Abb. 18.17).
takt/später Widerstand für die Dorsalextensoren sowie »End- Bei Übungen am Zuggerät müssen die Schlaufen dorsal
stellung – Halten« können schon frühzeitig eingesetzt werden oberhalb des Sprunggelenks liegen. Mit Theraband und Zugge-
(. Abb. 18.12). rät sind vielzählige statische und dynamische Bewegungsfolgen
Soll die Spannung auf den M. tibialis anterior und nicht auf möglich.
die Zehenextensoren gelenkt werden, müssen die Zehen in Beu- Das dynamische Beinachsentraining kann als Hausaufga-
gestellung gehalten werden. Diese Bewegung fällt vielen Pati- benprogramm im Türrahmen (Göhler 2007) eingeübt werden
enten schwer, sollte aber unbedingt ansatzweise versucht wer- (. Abb. 5.11–15.14).
den, damit der Fuß nicht »aufgewalzt« wird.
364 Kapitel 18 · Frakturen und Luxationen im Bereich der Sprunggelenke, Band- und Achillessehnenverletzungen
2
3
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a
5
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11
. Abb. 18.17. Vertauschen von Punktum fixum und Punktum mobile:
12 Geringe dynamische Kniebeugung
13
. Abb. 18.15. Flexion/Adduktion/Außenrotation zum gebeugten Knie.
6. Erhalten der Funktion der gesunden Extremitäten
Aktive dynamische Umkehr für das OSG
14 Widerstandsübungen für die Arme und das gesunde Bein kön-
nen jüngeren Patienten als Hausaufgabe überlassen werden. Ein-
geübt werden:
15 5 Stütz- und Stemmmuster gegen Züge oder Therabänder,
5 Übungen im Türrahmen,
5 Bridging,
16 5 Einbeinstand des gesunden Beins,
5 Federn und Abstoßen mit Gehhilfen.
17
Bei älteren Patienten oder Mehrfachverletzten sollen die
Übungen deren Problemstellungen angepasst, niedriger dosiert
18 und mit dem Physiotherapeuten eingeübt werden.
Sollen ältere Patienten in den ersten Wochen ent- oder mi-
19 nimal belasten, ist es wichtig, die Belastungsstufe wiederholt ein-
zuüben. Die Fehlerquellen sind bekanntlich hoch. Die Patienten
ermüden schnell; daher müssen die Pausen verlängert und evt.
20 ein niedrig dosiertes Ausdauertraining absolviert werden. Die
Auswahl geeigneter Gehhilfen sollte selbstverständlich sein.
. Abb. 18.16. Anspannung des M. gastrocnemius im Sitz
21
18.2 Kapsel-Band-Verletzungen des Sprunggelenks
365 18
7. Vorüben und Schulen von Aktivitäten, Gehschulung ben. Anhand wiederholter Spontanbelastungskontrollen kann
Zur Vorübung der Sprunggelenkstabilisierung bei Minimalbe- sich der Physiotherapeut vergewissern, ob der Patient korrekt
lastung eignet sich das Abstützen des Fußes an der Wand, auch belastet.
gegen eine Waage und einen labilen Fußkreisel (. Abb. 17.7, Soll die Vollbelastung geschult werden, kommen Gleichge-
17.8). wichtsübungen auf dem Sportkreisel, Schaukelbrett, Trampolin
Soll das Sprunggelenk nach 6 Wochen mehr als 15 kg belas- oder auf weichen Matten und Ballkissen zur Anwendung. Ge-
ten, wird wahlweise aus dem hohen Sitz, Halbsitz, auf dem Ho- hen mit Tempowechsel und Abbremsen sowie Richtungswech-
cker, Pezziball und im Zwei-/Einbeinstand geübt. Der betrof- sel werden in vielen Variationen geübt. Weitere Übungen sol-
fene len alltags- und sportbezogen ausgewählt werden (7 Kap. 15, 16
Fuß steht auf einer Waage (7 Kap. 16). und 17), z.B. Aufstehen, Hinsetzen, Treppensteigen, auf einer
Stabilisationsübungen für das Sprunggelenk dürfen nun oh- Rampe gehen etc.
ne Begrenzung ausgeführt werden. Die verordnete Teilbela- In den meisten Rehabilitationseinrichtungen kann ein
stung muss jedoch eingehalten werden. Laufbecken für das Gehen im Wasser oder ein »Gehgarten« ge-
Gesteigert wird die Stabilisation durch Veränderung der nutzt werden.
Sprunggelenkstellungen über verschiedene Beugewinkel des Alle Ballsportarten, Skifahren oder Skilanglauf sollten für
Kniegelenks (7 Kap. 17, 16 und 15). mindestens ein Jahr ausgesetzt werden. Über den Beginn ent-
Die in der Mittelstandphase beanspruchten Muskeln kön- scheidet der Operateur. Das Osteosynthesematerial wird i.d.R.
nen, wie in 7 Kap. 17, beschrieben, in PNF-Gehmustern auch nach 1–2 Jahren entfernt.
im freien System geübt werden (7 Kap. 22). Der angepasste Wi-
derstand wird plantar/lateral am Fuß angelegt. Der Physiothe-
rapeut kann am unteren Bettende stehen, von wo aus er wesent- 18.2 Kapsel-Band-Verletzungen des
lich geschickter greifen kann. »Bewegen – Halten« und »Be- Sprunggelenks
tonte Bewegungsfolge« sind geeignete Techniken. Sie sind auch
als Umkehrbewegungen sinnvoll einzusetzen. Beim Üben in Ursachen
der geschlossenen Kette können Therabänder und Züge benutzt
werden (. Abb. 19.11). Siehe Verletzungsmechanismen der Luxationsfraktur.
Für das eigenständige Üben eignen sich die Übungen im 5 Umknicken führt über einen forcierten Supinations-/Ad-
Türrahmen (Göhler 2007) in vielen Variationen (. Abb. 15.11– duktionsmechanismus zur Verletzung der Ligg. tibiofibu-
15.14). lare anterius und interosseum und der Ligg. fibulotalare
Die von Larsen (2007) angegebenen Übungen und Mobili- anterius/posterius und fibulocalcaneare.
sationen der sog. »Spiraldynamik« des Fußes eignen sich eben-
falls sehr gut zur Schulung der korrekten Fußstellung für das Ein isolierter Riss des Deltabandes durch einen Pronationsme-
physiologische Stehen und Gehen. Sie sind einfach zu erlernen chanismus kommt seltener vor. Klinisch werden distale Syndes-
und selbständig auszuführen (. Abb. 19.9–19.11). mosenrupturen und fibulare Bandrupturen unterschieden.
Vor der Gehschulung wird zunächst die erlaubte Belastung
im Stand auf Waagen erspürt und kontrolliert, dann werden
Einzelschritte über die im Boden oder einem großen Brett ein- Charakteristische Symptome/Leitsymptome
gelassenen Waagen ausgeführt.
Bevor der Patient eine Wegstrecke geht, erfolgen Stabilisa- Bei distaler Syndesmosenruptur:
tionsübungen in Schritt- und leichter Grätschstellung bei exakt 5 Schmerzen über dem anterolateralen Aspekt des oberen
eingehaltener Belastung auf der Waage. Der Patient muss wie- Sprunggelenks auf Druck und verstärkte Dorsalextension,
derholt die Belastung auf der Waage messen und kontrollieren. 5 subjektives Instabilitätsgefühl,
Ebenso soll er Beinachsenstellung und Rumpfhaltung wieder- 5 eingeschränkte Dorsalextension.
holt vor dem Spiegel überprüfen.
In Einzelschritten werden Fersenablösung und -aufsetzen Bei frischen fibularen Bandrupturen:
nach der Schwungphase sowie die Gewichtübernahme auf den 5 perimalleoläres Hämatom,
Fuß gezielt eingeübt. Falls der Patient mit den Unterarmstüt- 5 Druckschmerz unterhalb der Außenknöchelspitze,
zen nicht gut zurechtkommt, kann er diese Sequenzen sicher im 5 Patienten beschreiben ein »Vertreten des Fußes« und einen
Gehbarren üben. hörbaren »Klick« (Weigel, Nerlich 2005),
Der Bewegungsablauf »Fuß – Kniegelenk – Hüftgelenk – 5 Belastungsunfähigkeit,
Becken – Rumpf – Kopfhaltung« und der Einsatz der Gehhilfen 5 Supinationsstress ist schmerzhaft, v.a. einige Tage nach
müssen als Ganzes beobachtet und korrigiert werden. Die Pa- dem Trauma.
tienten werden angewiesen, zuhause entsprechend weiterzuü-
366 Kapitel 18 · Frakturen und Luxationen im Bereich der Sprunggelenke, Band- und Achillessehnenverletzungen
Behandlungsrichtlinien und therapeutische Die Beschwerden nach einem akuten Trauma können unange-
1 Maßnahmen nehm sein. Ein ausgeprägtes Hämatom und Ödem bilden sich
aus. Schmerzen bestehen auf Druck, bei aktiven und passiven
2 Die Kollateralbandverletzungen zählen zu den häufigsten Ver-
letzungen überhaupt. Reißen alle drei lateralen Bänder, kommt
Bewegungen, bei Dehnung und Belastung der Bänder.
Grad 3 + Taluskippung von 16–30°, Talusvorschub > 10 mm Mediale Bandinstabilitäten sind äußerst selten; sie werden ana-
17 log zu lateralen Bandverletzungen behandelt.
19 Wichtig 5 Wundheilungsstörungen,
5 Neuropathien im N.-suralis-Versorgungsgebiet,
Bei einer Taluskippung > 30° besteht eine »Luxatio pedis
5 tiefe Beinvenenthrombose,
20 supinatoria«.
5 chronische Instabilität, wiederholtes Umknicken,
5 Tendovaginitis,
21 5 Arthrose.
18.3 Achillessehnenruptur
367 18
12 Behandlungsmöglichkeiten
In den ersten beiden Wochen darf der Patient nicht belasten, soll Grundsätzliches Vorgehen
13 aber aufstehen. Er soll lernen, seine Wade selbst stündlich aus- In . Übersicht 18.4 sind die Gesichtspunkte der Behandlung
zustreichen. Zusätzlich muss in den ersten beiden Tagen eine nach Achillessehnenruptur zusammengefasst.
14 Ödembehandlung durch mildes Kühlen (Cryo-cuff, Dinkel-
säckchen) erfolgen. Außerdem soll der Patient seine Zehen, die
proximalen Gelenke bewegen. Ärztlicherseits wird die übliche . Übersicht 18.4. Gesichtspunkte der Behandlung
15 medikamentöse Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem 1. Verbesserung der Durchblutung Unterstützung der
Heparin bis zum Abschluss der Schuhbehandlung durchge- Heilung.
führt. 2. Aktivierung der Fußheber.
16 In der 3. und 4. Woche kann die Minimalbelastung beginnen. 3. Kräftigung des M. gastrocnemius.
Zusätzlich werden folgende Maßnahmen durch- bzw. weiterge- 4. Mobilisation der Sprunggelenke.
17 führt: 5. Vorbereiten und Schulen von Aktivitäten, Gehschu-
5 aktives Üben des OSG bis zur Bewegungsbegrenzung oh- lung, Aufbau der Sportfähigkeit.
ne Widerstand,
18 5 Ausstreichen der Wade,
5 vorsichtige Narbenbehandlung nach Fädenentfernung und
19 bei reizloser Narbe. 1. Verbesserung der Durchblutung, Unterstützung der Hei-
lung
In der 5–8. Woche folgt die progressive Erarbeitung der Dorsa- (Maßnahmen, s. auch 7 Kap. 5, 17 und 7 Abschn. 18.1).
20 lextension. Während der Gipsschienen- oder ASO-Behandlung soll der
Patient häufig seine Wade selbst ausstreichen.
21
18.4 Patientenbeispiel
369 18
Unfallanamnese: ICF-Dokumentation
1 Der Unfall ereignete sich, als die Patientin in ihrem Haus
die Treppe hinunter stieg. Sie knickte um, hatte heftige Name/Alter: Frau M., 66 J.
2 Schmerzen und konnte den rechten Fuß weder belasten
noch bewegen. Ihr Ehemann fuhr sie sofort in die Klinik,
Diagnose: Z.n. bimalleolärer OSG-Fraktur rechts mit Syndes-
mosenruptur, Z.n. Plattenosteosynthese der Fibula, Zuggur-
wo sie noch am selben Tag operiert wurde. tungsosteosynthese der Tibia, Syndesmosennaht und Sicherung
3 mittels Stellschraube
4
Struktur/Funktion Aktivität Partizipation
5 Patientin gibt an, Patientin gibt an, Patientin gibt an,
5 ihr rechtes Sprunggelenk spanne und schmer- 5 sie dürfe den Fuß nicht belasten, 5 sie könne das Schlafzimmer in
6 ze, v.a. in Tieflage,
5 sie könne ihr Sprunggelenk mit Gipsschiene
5 sie dürfe nur mit Gipsschiene aufste-
hen,
der 1. Etage nicht erreichen,
5 sie könne ihren Haushalt nicht
gar nicht, ohne Gipsschiene wenig bewegen, 5 sie müsse mit Unterarmstützen auf alleine führen; ihr Ehemann
7 5 sie habe Blutergüsse am Fuß, einem Bein hüpfen, müsse ihr dabei helfen,
5 ihr Fuß sei sehr geschwollen und habe zwei 5 sie könne nur 20–30 m gehen, 5 sie könne das Enkelkind nicht
große Narben, 5 ihre Arme würden zittrig beim Gehen, beaufsichtigen,
8 5 ihr Blutdruck sei manchmal erhöht. 5 sie könne nicht die Treppe gehen, 5 sie könne nicht am Wirbelsäu-
5 sie müsse sich zur Körperpflege und lenkurs teilnehmen,
zum An-/ Entkleiden setzen. 5 sie könne nicht Auto fahren; ihr
Patient
10
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21
18.4 Patientenbeispiel
371 18
5 Die Gelenkkonturen sind aufgrund einer 5 Statik: Rechtes Bein entlastet, ohne 5 Aufgrund stationären Aufent-
Schwellung nicht abgrenzbar. Fußkontakt zum Boden. haltes nicht beurteilbar (Siehe
5 Die mediale Narbe ist 7 cm lang, Verlauf über Patientenperspektive).
OSG re +++PF
Malleolus medialis. Die laterale Narbe ist 12 cm
lang, Verlauf kranial des Malleolus lateralis. Bei- Kniegelenk re +++ Flexion
de Narben sind gerötet, verkrustet und mit Fä- Hüftgelenk re +++ Flexion
den versorgt.
5 Der Turgor des gesamten rechten Fußes ist Becken ventral gekippt
deutlich erhöht. LWS ++
5 Die lokale Temperatur ist erhöht. BWS +
5 Oberflächensensibilität ist o.B.
5 Bei Druckpalpation bleibt eine Delle bestehen. HWS +
5 Die Differenz der Umfangmaße auf Malleolen- Schultergürtel ++ Elevation beidseits
höhe ist rechts +2,5 cm.
5 Gelenkmaße: 5 Gehen: Schwebegang mit Gipsschie-
ne und Unterarmgehstützen im Drei-
aktiv Passiv Punkte-Gang. Rechtes Bein ruhig in
DE–0–PF li 10–0–45° 15–0–50° Flexionsstellung gehalten.
5 (WS und Schultergürtel siehe Statik.)
re 0–10–25° 0–5–30
5 Gehstrecke 20 m, Gangtempo 40
5 MTW: Schritte/min.
5 Treppe aufgrund Unsicherheit beim
Therapeut
Ê Im Internet (www.springer.de/978-3-540-68241-7, unter Zwipp H (1994) Chirurgie des Fußes. Springer, Heidelberg Berlin New
1 dem Link »Patientenbeispiele«) erfahren Sie mehr über York
Frau M. und den weiteren Therapieverlauf: die Behand- Zwipp H et al. (2000) Fibulare Bandruptur. Naht oder konservative Thera-
pie? Trauma Berufskrankheiten 2: 169–172
2 lungsziele, die bei ihr wichtigen Gesichtspunkte der Be-
handlung und einen Therapievorschlag für eine Behand-
Zwipp et al. (2002) Frakturen und Luxationen. In Wirth CJ (Hrsg) Or-
thopädie und Orthopädische Chirurgie. Thieme, Stuttgart New York
lungseinheit.
3
Die Abbildungen 18.10–18.17 verdanke ich Frau Claudia Klose, PT-Schu-
16 325: 232–238
Mittlmeier T (1991) Statische und dynamische Belastungsmessungen am
posttraumatischen Fuß. Orthopäde 20: 22–32
17 Richter J et al. (1999) Stabile Knöchelbrüche, Indikation zur Operation
oder konservativer Therapie? Orthopäde 28: 493–499
Spirgi-Gantert I, Suppé B, Eicke-Wieser K (2006) FBL Klein-Vogelbach
18 Functional Kinetics, Therapeutische Übungen, 5. Aufl. Springer, Ber-
lin Heidelberg New York
Spirgi-Gantert I, Suppé B (Hrsg) (2007) FBL Klein-Vogelbach Functional Ki-
19 netics, Die Grundlagen. 6. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg New York
Weigel B, Nerlich M (2005) Praxisbuch Unfallchirurgie, Bd 1. Springer, Hei-
delberg Berlin New York Tokio
20 Willenegger H (1961) Die Behandlung der Luxationsfrakturen des oberen
Sprunggelenkes nach biomechanischen Gesichtspunkten. Helv Chir
Acta 28: 225
21
19
Einteilung Ursachen
1
5 Kalkaneusfraktur, 5 Stauchungsmechanismus durch Fall auf die Ferse aus gro-
2 5 Talusfraktur und Fraktur des Os naviculare bzw. des Os cu- ßer Höhe,
boideum, 5 Quetschung, z.B. bei Auffahrunfall.
5 Metatarsusfrakturen,
3 5 Zehenfrakturen.
Charakteristische Symptome/Leitsymptome
4 19.1 Kalkaneusfraktur 5 Weichteilschädigung,
5 Schmerzen bei Pro- und Supination,
5 Einteilung 5 Druckschmerz,
5 Belastungsunfähigkeit.
Die Klassifikation wird meist nach einer axialen oder koronaren
6 CT-Darstellung vorgenommen. Ausschlaggebend für das wei-
tere Verfahren sind v.a.: Biomechanik, Behandlungsrichtlinien und
7 5 Gelenkbeteiligung, therapeutische Maßnahmen
5 Anzahl der Frakturfragmente und
5 deren Dislokation. Biomechanik
8 Tragfähigkeit und Belastung des Fußes
Bewertet werden exartikuläre und intraartikuläre Frakturen der Nach Bergmann (1989) trägt der Kalkaneus das Gesamtgewicht
subtalaren oder kalkaneokuboidalen Gelenke mit Typ A und B des Körpers und ein Mehrfaches davon (s.u.) beim Gehen, Lau-
9 (AO), neuerdings auch die Luxationsfraktur mit Typ C. fen und Springen. Die Gewichtsvektoren werden auf den Kalka-
Nach Essex-Lopresti (s. Trentz u. Bühren 2001) werden die neus, den Mittelfuß und den Vorfuß verteilt. Die Form des
10 Frakturen eingeteilt in: Kalkaneus gibt die Höhe des Längsgewölbes vor.
5 nicht dislozierte Fraktur, Nach Kapandji (1985) trägt im Stand die Ferse die Haupt-
5 »Tongue type«-Fraktur, last des Körpergewichts (etwa 50 des Körpergewichts). Vom
11 5 »Joint depression type«-Fraktur, Unterschenkel wird die Körperlast über den Talus in drei Rich-
5 Trümmerfraktur. tungen weitergeleitet, auf
12 5 den Kalkaneus,
In der Klassifikation nach Sanders (1992, 2000) werden Kalka- 5 den 1. Zehenstrahl und
neusfrakturen nach Frakturlinien und Dislokationen eingeteilt. 5 den 5. Zehenstrahl.
13
Typ I Nicht dislozierte Fraktur Der Talus gleitet dabei auf dem Kalkaneus, wodurch eine Art
14 Typ II Eine dislozierte Frakturlinie
»Verschraubung der Beinachse« in anterior-posteriorer, lateral-
medialer und rotatorischer Richtung entsteht
Typ III Zwei dislozierte Frakturlinien Messresultaten von Biomechanikern wie Bergmann et al.
15 (1989) und Hofmann (1988) zufolge übersteigen die an den Ge-
Typ IV Drei und mehr dislozierte Frakturlinien in der posteri-
lenken der unteren Extremität wirkenden Kräfte das Körperge-
oren Facette
wicht um 315 (3000 N). Beim Gehen mit zwei Unterarmstützen
16 liegt die Belastung immer noch bei 180 des Körpergewichts.
Die Unterbezeichnungen A, B und C beziehen sich auf die La- Tragfähigkeit und Belastung müssen deshalb sorgfältig auf-
17 ge der Fraktur: einander abgestimmt sein, um Folgeschäden für das subtalare
5 A = lateral, und das talokalkaneonavikulare Gelenk zu vermeiden.
5 B = zentral,
18 5 C = medial (Höhe des Sinus tarsi). ! Cave
Es kann daher nicht oft genug darauf hingewiesen werden, dass
19 Zwipp (1994) erweitert die Skala noch, indem er die Anzahl der eine zu frühe Belastung der Gelenke Langzeitschäden verur-
Fragmente und der beteiligten Gelenkfacetten, den Weichteil- sacht.
schaden und Zusatzfrakturen miteinbezieht.
20 Biomechanik und Pathologie
Die Kalkaneusfraktur ist die häufigste Tarsusfraktur (. Abb. 19.1,
21 19.4, 19.5, 19.6). Es kommen Impressions-, Trümmer-, Schräg- und
19.1 Kalkaneusfraktur
375 19
Abrissfrakturen vor, relativ häufig auch doppelseitig. Beim Fall ler (1931, 1977) beträgt der Winkel 20–40° (. Abb. 19.7 a). Sinkt
aus der Höhe drückt z.B. die starke vertikale Kraft die vordere der Kalkaneus zusammen, verkleinert sich der Winkel und
Kante der Talusgelenkfläche gegen den Kalkaneus und verurs- kann sogar negativ werden. Gleichermaßen wird das Längsge-
acht die sog. »Primärfraktur«. Kommen weitere Kompressions- wölbe abgeflacht, so dass man von einem »traumatischen Platt-
kräfte dazu, entsteht die sog. »Tongue-Fraktur« oder die »Joint- fuß« spricht.
depression-Fraktur«. Zur Sicherung der Diagnose werden Röntgenaufnahmen
Bei einem Stauchungsmechanismus kommt es aufgrund in drei Ebenen angefertigt. Durch die axiale Röntgenaufnah-
der versetzten Vertikalachse von Talus und Kalkaneus zu einer me wird der axiale Winkel bestimmt (. Abb. 19.7 b). Heute hat
Scherfraktur am Kalkaneus (Zwipp 1994). die Messung der Winkelveränderung jedoch an Bedeutung ver-
loren, da das Computertomogramm mit axialer und koronarer
Ärztliche Behandlung Schnittführung die genaue Zuordnung der Fragmente und da-
Diagnostik mit die Entscheidung zur Operation möglich macht.
Über ¾ aller Kalkaneusfrakturen sind intraartikuläre Frakturen.
Aufschluss über die Anzahl der Fragmente und Gelenkbeteili-
gung gibt das Computertomogramm.
Klinisch führt die Dislokation der Fragmente zu einer Rück-
fußverbreiterung und Valgus-Pronations-Fehlstellung. Häu-
fig wird die Peroneussehne zwischen Fibulaspitze und Kalka-
neus eingeklemmt. Das Längsgewölbe wird abgeflacht, die Be-
wegungen im unteren Sprunggelenk sind eingeschränkt und
schmerzhaft. Das Hämatom und Ödem erscheinen an der Fuß-
sohle sowie hinter den Malleolen (. Abb. 19.2, 19.3). Differenzi-
aldiagnostisch sollte bei starker Hämatombildung an der Fuß-
sohle auch an ein Kompartmentsyndrom gedacht werden (evt.
Sensibilitätsstörungen).
Kalkaneusfrakturen ohne Dislokation werden häufig, v.a.
bei polytraumatisierten Patienten, übersehen oder als Distorsi-
on eingeordnet.
Die Veränderung des Tuber-Gelenkwinkels gibt den Schwere-
grad der Fraktur an. Nach v. Lanz-Wachsmuth (1972) und Böh- . Abb. 19.2. Postoperative Symptomatik, aktive Dorsalextension
376 Kapitel 19 · Frakturen im Bereich des Fußes
1
2
3
4
5
6 . Abb. 19.3. Aktive Plantarflexion
10
11
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a
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b
Bei dislozierten intraartikulären Frakturen ist ein operatives
17 Vorgehen nach Sanders (1992) mit winkelstabilen Kalkaneus-
platten indiziert. Ein minimalinvasives Vorgehen mit perkuta-
. Abb. 19.4a,b. a Kalkaneusfraktur Typ »Joint-depression«, b sagittale
nen K-Drähten und Fixateur externe wird bei jugendlichen Pa-
18 Rekonstruktion mit CT
tienten durchgeführt.
Eine konservativ-funktionelle Behandlung kommt infrage
19 Operatives/konservatives Vorgehen bei:
Kalkaneusfrakturen werden in den letzten Jahren zunehmend 5 Sanders-Typ-1-Frakturen,
operativ mit Rekonstruktionsplatten- und/oder Schraubenoste- 5 kritischen Weichteilverletzungen,
20 osynthesen und mit Spongiosaauffüllung versorgt. Offene Frak- 5 Diabetikern,
turen können mit einem Minifixateur externe behandelt wer- 5 HIV-Infizierten und
21 den. Diese Versorgungen gelten als bewegungsstabil. 5 Patienten mit niedriger Compliance.
19.1 Kalkaneusfraktur
377 19
Komplikationen
Befunderhebung
Behandlungsmöglichkeiten wird anhand des Röntgenbildes und durch das Messen des Tu-
1 bergelenkwinkels entschieden.
Grundsätzliches Vorgehen
2 In . Übersicht 19.1 sind die Inhalte der physiotherapeutischen Wichtig
Behandlung nach Frakturen im Fußbereich zusammengefasst.
Bei insuffizientem M. gastrocnemius und Testwerten unter 3
3 sollte der Muskel nicht in Dehnstellung gelagert werden.
. Übersicht 19.1. Gesichtspunkte der Behandlung
1. Förderung der Resorption des Hämatoms und Ödems.
4 2. Lagerungskontrolle. 3. Schulung der kleinen Fußmuskeln
3. Schulung der kleinen Fußmuskeln. Es ist schwierig, die kleine Fußmuskulatur in einer entlasteten
5 4. Kräftigung des M. gastrocnemius. Position wirksam zu üben. Zehengreifübungen sind wenig ef-
5. Erhalten der Muskelfunktionen des gesamten Beins. fektvoll; erst in der Belastung werden die Zehenflexoren wirk-
6. Erhalten der Funktionen der nicht betroffenen Extremi- lich gefordert.
6 täten. Einen Kompromiss bieten PNF-Techniken an: Die das Knie-
7. Mobilisation des unteren und oberen Sprunggelenks. oder Sprunggelenk bewegenden Muskeln arbeiten in »Dyna-
7 8. Vorbereiten und Schulen von Aktivitäten, Gehschu-
lung.
mischer Umkehr« oder »Betonter Bewegungsfolge«, während
die Zehen ein Seil, einen Stift, ein Tuch o.Ä. festhalten.
In der geschlossenen Kette ist in unterschiedlichsten Ent-
8 lastungs- oder Belastungsstufen ein Fuß- Beinachsen-Trai-
ning möglich, z.B. gegen Bodenkontakt, eine Waage, die Wand,
ein Brettchen (. Abb. 19.8) oder einen Fußkreisel (. Abb. 17.7,
9 1. Förderung der Resorption des Hämatoms und Ödems
Alle Maßnahmen der Physikalischen Therapie kommen zur 17.8). Auf dem Tilt Table können bei mehrfachverletzten Pati-
Anwendung, wenn funktionell behandelt wird. Besonders enten die Belastungsstufen exakt eingestellt werden (7 Kap. 16
10 wirksam sind Eisanwendungen in den ersten Stunden, Manuel- und 21).
le Lymphdrainage, Streichungen und Hauttechniken der Binde- Spezielle Übungsformen aus der Spiraldynamik zum Aufbau
gewebsmassage sowie die Anwendung einer AV-Pumpe (Fuß- des Fußgewölbes kommen ab der späten Konsolidierungsphase
11 manschette mit wechselndem leichtem Druck). zur Anwendung (. Abb. 19.9, 19.10, 19.11).
Das Bein wird auf einer Schaumstoffschiene hochgelagert,
12 und der Patient wird aufgefordert, es häufig selbst umzulagern 4. Kräftigung des M. gastrocnemius
(nach Ratschow). Er soll stündlich 10- bis 15-mal isometrisch Bei eingestauchten Frakturen kann das Auftrainieren des M. gas-
im Sekundenrhythmus die Fuß- und Wadenmuskulatur an- trocnemius gegen Kontakt/angepassten Widerstand erst ausge-
13 spannen. führt werden, wenn anzunehmen ist, dass sich die Stellung des
Zwischen den Behandlungszeiten sollte anfangs ein Kom- Kalkaneus nicht mehr verändert. In der Proliferations- und frü-
14 pressionsverband mit Schaumstoffabpolsterung von den Grund- hen Konsolidierungsphase (bis 6 Wochen) sind alle Formen des
gelenken bis über die Knöchel angelegt werden (evt. Cryo-cuff ). Bewegens und Haltens sowie die PNF-Techniken »Betonte Be-
Da die Schwellungen lange bestehen bleiben können, werden
15 die Maßnahmen nach 2–3 Wochen gewechselt.
Bei Patienten mit Osteosynthese soll die Wundheilung beo-
bachtet werden. Während der Entzündungsphase können in ei-
16 nen trockenen Baumwollbezug eingepackte »Cool packs« oder
Dinkelsäckchen mit Abstand zur Wunde auf die Haut aufgelegt
17 werden. Anschließend kommen die oben genannten Anwen-
dungen zum Einsatz.
18 2. Lagerungskontrolle
Patienten mit doppelseitigen Kalkaneusfrakturen oder zusätz-
19 lichen Frakturen müssen mit längeren Liegezeiten rechnen.
Für diese Patienten ist eine sorgfältige Hochlagerung not-
wendig. Die Fersen müssen druckfrei gelagert sein, da sonst
20 leicht eine Druckstelle oder sogar ein Dekubitus entsteht. Ob
das obere Sprunggelenk in 90°-Stellung gelagert werden kann,
. Abb. 19.8. Zehenkräftigung mittels glattem Brettchen
21
19.1 Kalkaneusfraktur
379 19
Wichtig
Stabilisationsübungen Wichtig
1 5 Stabilisation zur Korrektur der Beinachse im hohen Sitz,
Halbsitz oder Sitz auf dem Therapieball; Fuß auf der Waa- Schmerzfreie Spontanbelastung beachten; Belastung zwi-
2 ge.
Widerstand: Am Becken, am Ober- und Unterschenkel ent-
schendurch auf Waagen kontrollieren!
sprechend richtungsweisend.
3 5 Dasselbe mit Gewichtsverlagerung und Körperdrehung, 5 Wechsel von dynamischen und statischen Bewegungen auf
z.B. mit einer senkrecht vor dem Patienten aufgestellten den Geräten in verschiedenen Beinstellungen (Beugewin-
Feldenkraisrolle, die der Patient nach vorne, im Kreis oder keln).
4 zur Seite bewegt. 5 Federn auf Trampolin und Boden, Starten und Stoppen der
5 Dasselbe auf einem Bein, Betonung der Gewichtsverlage- Bewegungen.
5 rung nach vorne. 5 Stabilisation der Beinachse mit Ballprellen,Werfen, Fangen
aus verschiedenen Richtungen. Laufen mit Ballwerfen.
Manuelle Therapie 5 Vorwärts- und Rückwärtsgehen.
6 5 Kalkaneustraktion, Gleiten, Talusdorsalgleiten. Kontakt/Widerstand: Am Becken oder Sternum, wenn Un-
terarmstützen erforderlich sind; an den Armen, wenn kei-
7 Nach 12–15 Wochen (Vollbelastung) ne Stützen mehr notwendig sind.
Ausgangsposition 5 Vier-Punke-Stand gegen gekreuzte Therabänder (nach Lar-
Sitz auf dem Pezziball. sen 2007) (. Abb. 13.4, 19.11).
8 5 Rückwärtsgehen mit großen Schritten. Gehen und Lau-
Übung fen, Stoppen und Starten, auch mit Richtungswechsel und
5 Abfedern mit den Füßen (nicht stampfen). Die Zehen sol- Tempovariation.
9 len sich dabei nicht vom Boden lösen. 5 Gehen vorwärts, rückwärts, seitwärts auf einer schrägen
Ebene.
10 Ausgangsposition 5 Zehengang mit Richtungswechsel.
Stand im Türrahmen oder im freien Raum.
(Übungen zur Gehschulung siehe auch 7 Kap. 15–18.)
11 Stabilisationsübungen
5 Stabilisation des Zweibeinstandes in allen Richtungen
12 (auch Rotation) bei bewusster Einhaltung der korrigierten 19.2 Talusfraktur (Talusluxationsfraktur)
Fußstellung (Belastung auf Ferse, Großzeh- und Kleinzeh-
strahl, Spirale l). Die Talusfraktur tritt heute wesentlich häufiger auf als früher.
13 5 Stabilisation mit Gewichtsverlagerung nach vorne, zur Sei- Die Hälfte aller Talusfrakturen bricht im Halsbereich.
te und mit Körperdrehung.
14 5 Stabilisation des Einbeinstandes.
5 Stabilisation des Zehenstandes in leichter Kniebeugestel- Einteilung
lung.
15 5 Stabilisation im Zweibein- und Einbeinstand, auch im Ze- 5 Taluskopf-, Talushals- und Taluskörperfraktur,
henstand in strecknaher und gebeugter Kniestellung, Ver- 5 Frakturen mit Bandverletzungen und Luxation des Cho-
änderungen der Arm- und Rumpfstellungen oder dyna- part-Gelenks,
16 mische Bewegungsfolgen (7 Kap. 15–18). 5 Luxationsfraktur im Subtalargelenk.
17 Ausgangsposition Laut Klassifikation nach Marti und Weber (1974) werden vier
Stand auf Trampolin, Schaukelbrett, Sportkreisel o.Ä., geringe Frakturtypen unterschieden.
Kniebeugung.
18 Typ I Periphere und osteochondrale Taluskopffraktur (flake)
Gehschulung
Typ II Nicht dislozierte zentrale Fraktur
19 5 Verschieben des Körpergewichts aus der Grundposition in
verschiedene Richtungen; Kippen des Schaukelbrettes oder Typ III Dislozierte zentrale Fraktur mit Dislokation im sub-
Fußkreisels nach vorne, hinten, zur Seite und zurück. Sta- oder tibiatalaren Gelenk
20 bilisation der Mittelstellung.
Typ IV Taluskopf- und Talushalfraktur mit Luxation im sub-
und tibiotalaren Gelenk
21
19.2 Talusfraktur (Talusluxationsfraktur)
383 19
Typ C Luxationsfraktur
a b
384 Kapitel 19 · Frakturen im Bereich des Fußes
a b
7 Konservatives/operatives Vorgehen
Die Frakturen Typ I und II wurden früher nach guter Repositi-
. Abb. 19.14. Osteosynthese mit kanülierten Zugschrauben on konservativ behandelt (Lightcast, Gips). Da jedoch bei die-
8 ser Frakturbehandlung häufig Nekrosen, Früharthrosen und
Pseudarthrosen beobachtet wurden, werden sie heute operativ
9 Behandlungsrichtlinien und therapeutische mit einer perkutanen Schraubenosteosynthese versorgt (Wei-
Maßnahmen gel, Nerlich 2005). Damit konnten die hohe Arthroserate, die
Beschwerdensymptomatik und nachfolgende Dislokationen ge-
10 Der Talus besitzt nur eine geringe Gefäßversorgung; sie erfolgt senkt werden.
über Band- und Kapselinsertionen am Talushals und plantar im Talusfrakturen Typ III und IV werden heute offen, möglichst
Sinus tarsi. Nach zentralen Talushalsfrakturen ist der Talus da- innerhalb der ersten 6 Stunden operativ versorgt, mit der Ziel-
11 her besonders nekrosegefährdet. setzung einer bestmöglichen Wiederherstellung der Gelenkflä-
Die Form der Trochlea tali und die dorsale Verschmäle- chen. Durch notfallmäßiges Reponieren und Stabilisieren der
12 rung um 0,5 cm ermöglichen eine Wackelbewegung des Talus Talusfraktur werden weitere Weichteil- und Gefäßschäden ver-
bei der Plantarflexion, eine stabile Situation bei Dorsalextensi- hindert. Verwendung finden Kortikalis-, Spongiosa- und Her-
on (7 Kap. 18). bertschrauben, Minikondylenplättchen (Handchirurgie), Zug-
13 Am Talus setzen keine Muskeln an; er wird über die Bewe- und Rekonstruktionsplatten. Die Defekte werden mit Spongi-
gung der anderen Fußknochen mitbewegt. Die auf dem Talus osa aufgefüllt, neuerdings auch mit autologen Chondrozyten
14 liegende Belastung ist sehr groß. Er überträgt die gesamte Kör- (Schäfer 2003).
perlast auf das Fußskelett, nach Bei offenen Frakturen oder offenen Luxationsfrakturen wird
5 dorsal auf den Kalkaneus, ein temporärer Fixateur externe angebracht. Die Frakturen
15 5 medial/distal auf den medialen Fußstrahl und müssen schnellstmöglich reponiert werden und sollen nach
5 lateral/distal auf den lateralen Fußrand (7 Abschn. 19.1). einem Intervall durch fasziokutane Lappen oder Spalthautlap-
pen bedeckt werden. Bei schwerer Zerstörung des Talus ist ei-
16 Die Gelenkflächen des unteren Sprunggelenks sind nur in der ne Arthrodese indizert.
Nullstellung in kongruenter Position; alle übrigen Stellungen
17 sind instabil, und die Bandsysteme sind gespannt. Belastungsstabilität
Die Entlastungszeiten bei Talusfrakturen entsprechen denen der
Verletzungsmechanismen: Kalkaneusfraktur.
18 5 Die Talushalsfraktur entsteht bei einer axialen Gewaltein- Bei Frakturen Typ I–III ist ein frühfunktionelles Vorgehen mit
wirkung auf den festgestellten Fuß, so dass das Sustentacu- Minimal- oder Teilbelastung möglich.
19 lum tali als Hypomochlion wirkt (Weigel, Nerlich 2005). Es Bei allen anderen Frakturen variieren die Minimal- und Teil-
ist eine schwere Verletzung, die ein hohes Risiko an Folge- belastungszeiten zwischen 6–12 Wochen. Gipsruhigstellungen
schäden birgt. dauern heute selten maximal 6 Wochen. Nach 16 Wochen soll
20 5 Die Taluskorpusfraktur entsteht durch eine zusätzliche rota- die Vollbelastung erreicht sein. Das arthroskopische Vorgehen
torische Gewalteinwirkung. verringert die postoperative Symptomatik.
21
19.2 Talusfraktur (Talusluxationsfraktur)
385 19
3
Die Abbildungen 19.2, 19.3, 19.9–19.11 stellte mir freundlicherweise Frau
Claudia Klose, PT-Schule am BKH Günzburg, zur Verfügung.
4
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a b
weglichkeit des Stumpfes zusammengefügt werden. Darüber hi- 5 Ausgleich von Bodenunebenheiten,
naus werden die Vorstellungen des Patienten bzgl. Berufstätig- 5 dynamische Überleitung von der Stand- in die Schwung-
keit und Freizeitgestaltung mit in die Planung einbezogen. beinphase,
5 elastische Rückstellkraft des Vorfußes.
Oberschenkelprothesen
Bei Oberschenkelprothesen werden besondere Anforderungen Unterschenkelprothesen
an die sichere Gelenkführung und den funktionsfähigen Einsatz Unterschenkelprothesen können in Schalen- oder Modulartech-
gestellt. nik hergestellt werden.
Angeboten wird heute eine Vielfalt von poly- und mono- Große Bedeutung hat die Einbettung des Stumpfes. Bei AVK-
zentrischen Kniegelenken. Polyzentrische Kniegelenke können Patienten mit einer Unterschenkelamputation kann eine Weich-
eine kombinierte Dreh- und Gleitbewegung ausführen, wie dies wandbettung für den Gießharzschaft nötig sein (. Abb. 20.2).
physiologischerweise bei normalen Kniegelenkbewegungen ge- Alternativ werden Silikon-Liner (. Abb. 20.3 a) angewandt, die
schieht. Für die Steuerung können hydraulische, pneumatische direkt auf den Stumpf gerollt werden, gut haften und sehr haut-
oder elektronische Systeme (C-Leg) (. Abb. 20.1) eingebaut wer- verträglich sind. Allerdings dürfen keine Luftblasen zwischen
den. Diese ermöglichen eine dynamische Sicherung und Ge-
schwindigkeitsregulierung beim Gehen.
Prothesenfüße werden nach Kriterien wie Funktion, Kos-
metik, Gewicht des Patienten und Haltbarkeit individuell her-
gestellt. Der früher am häufigsten verwendete Sach-Fuß wurde
durch den Dynamik-Fuß abgelöst, der eine noch bessere Flexibi-
lität und Stoßdämpfung erreicht.
Federelemente aus Kunststoff in Kombination mit ela-
stischen Strukturen führen zu funktionell verbesserten Kon-
struktionen. Als weitere Materialien werden Federelemente aus
Karbon, ein Steuerring aus Stahl und ein Modular-Adapter ver-
wendet (z.B. Dynamic plus-Fuß, C-Walk-Fuß). Dem Patienten
steht eine Vielzahl von Angeboten zur Verfügung, um die Mo-
dularprothese anzupassen.
Nach Bock/Näder (2000) sollte eine Fußkonstruktion mit
Modular-Adaptation folgende Anforderungskriterien erfüllen:
5 Axialkompression bei Belastung,
5 physiologisches Abrollverhalten durch abgestufte Elastizi- . Abb. 20.2. Anziehen der Unterschenkelprothese mit Weichwandbet-
tät, tung. (Aus Bock, Nädler 2000)
392 Kapitel 20 · Amputationen an der unteren Extremität
2
3
4
5
6
7 a b
8
Eine individuell angepasste Stumpfbettung in der Prothese
9 ist erforderlich für den schlüssigen Sitz des Köchers, die kor-
rekte Haftung und eine sichere Prothesenführung.
10 Um das Gefäßbündel nicht unnötig einzuengen, werden
längsovale Schaftformen gewählt, bei denen das Trigonum fe-
morale frei liegt. Sie haben keinen Tubersitz, sind antero-poste-
11 rior weiter als medial-lateral und übertragen so das Gewicht auf
den gesamten Weichteilmantel. Das Tuber ist nicht abgestützt
12 wie beim querovalen Schaft (ISNY-Schaft), sondern eingebettet
(CAT - CAM-Methode).
Auch in die Oberschenkel-Modularprothesen werden Sili-
13 con-Liner eingesetzt. Ohne Prothese können Liner und Stumpf-
strümpfe zur Kompression und Ödemresorption verwendet wer-
14 den. Exaktes Wickeln in diagonalen Touren ergänzt diese Präven-
tionsmaßnahmen (7 Punkt 7, Stumpfpflege) (. Abb. 20.5, 20.6).
21
20 Amputationen an der unteren Extremität
393 20
Befunderhebung
Beurteilen 5 Gang mit Interimsprothese, später Endprothese (visuell und mittels Messverfahren).
5 Selbständigkeit in der Handhabung der Prothese.
5 Selbständigkeit in Alltagsverrichtungen.
5 Transfer vom Liegen in den Sitz, Stand etc.
5 Gebrauch von Hilfsmitteln.
5 Aktivitäten im häuslichen Umfeld, im Beruf, sportliche Betätigung.
5 Psychosoziale Situation.
5 Partizipation am gesellschaftlichen Leben.
394 Kapitel 20 · Amputationen an der unteren Extremität
Die Ganganalyse wird in Teamarbeit mit dem Arzt, dem Physi- 2. Schmerztherapie
1 otherapeuten und Prothesenbauer erstellt und bewertet. In ent- Siehe auch 7 Kap. 3, »Schmerztherapie«.
sprechenden Ganglabors stehen komplexe Systeme zur Verfü- Phantom- und Neuromschmerzen sind auch heute noch eine
2 gung, die
5 Belastungsform,
große Herausforderung für das Behandlerteam. Im Versuch die
Schmerzen zu lindern, werden TENS-Behandlungen, Akupres-
5 Belastungszeit, sur oder Akupunktur angewandt. Im Rahmen der Schmerzthe-
3 5 Krafteinsatz und rapie wird, wie bei allen postoperativen Patienten, eine Basis-
5 Ausdauerleistung analgesie durchgeführt, die mit nichtsteroidalen Antiphlogis-
objektivieren können (. Abb. 18.7). tika kombiniert wird. Damit wird vorgebeugt, dass sich starke
4 Schmerzen entwickeln, die wiederum eine frühfunktionelle Be-
handlung verhindern.
5 Behandlungsmöglichkeiten Frühzeitiges Bewegen unterstützt die Schmerzlinderung.
Physiotherapeuten haben die Erfahrung gemacht, dass Schmer-
Grundsätzliches Vorgehen zen über eine konzentrierte Spannung der kontralateralen Seite
6 In . Übersicht 20.1 sind die Inhalte der physiotherapeutischen reduziert werden können.
Behandlung nach Amputationen der unteren Extremität zu- In letzter Zeit wird von großen Erfolgen der sog. »Spiegel-
7 sammengefasst. terapie« zur Behandlung von Phantomschmerzen berichtet (Ra-
machandran 1996, Maier, Glaudo 2006). Die Konzentration
und visuelle Kontrolle einer Übung des gesunden Beins/Fußes
8 . Übersicht 20.1. Gesichtspunkte der Behandlung vor dem Spiegel vermittelt dem Patienten ein gleiches Üben an
Zeitraum bis zur Fädenentfernung der nicht mehr vorhandenen Seite. Im Spiegelbild sieht die ge-
1. Pneumonie-, Thrombose- und Ödemprophylaxe, sunde Seite genauso aus wie die fehlende, die Übung wird also
9 Durchblutungsverbesserung. für die fehlende Seite wahrgenommen.
2. Schmerztherapie. Zusätzlich können Bürstungen oder manuelle Hautgriffe
10 3. Lagerungskontrolle. den Input der Sinneswahrnehmung verstärken (7 Kap. 11,
4. Erhalten der Arm- und Rumpfmuskelfunktion. »Handchirurgie«). Der Effekt der Schmerzminderung kann ei-
5. Erhalten der Muskelfunktion des gesunden Beins. nige Stunden andauern.
11 6. Kontrakturprophylaxe. Phantomschmerzen werden gelindert durch Übungsformen,
Nach Fädenentfernung die das Bewusstsein des Patienten auch auf nicht mehr vorhan-
12 7. Stumpfpflege, Stumpfformung. dene Gelenke lenken und Bewegungsaufträge, die diese verbal
8. Training der Muskulatur des Stumpfes. in den gesamten Bewegungsablauf miteinbeziehen (Schweer
9. Mobilisation von Kontrakturen, Dehnung verkürzter 2004). In der Regel verschwindet der Phantomschmerz nach ei-
13 Muskeln. nigen Monaten von selbst.
Nach Anpassen der Interims- oder Endprothese Starke Neuromschmerzen können darauf beruhen, dass die
14 10. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten, Gehschu-
lung mit Prothese.
peripheren Nervenendigungen nicht in den Weichteilen einge-
bettet sind, evt. muss dann eine Korrektur vorgenommen wer- Der Patient soll, wenn möglich, stundenweise in Bauchlage
den. liegen. Er muss selbständig üben und nachvollziehen können,
welche Bedeutung die freie Hüft- und Kniegelenkstreckung für
3. Lagerungskontrolle das Tragen der Prothese hat.
Der Oberschenkelstumpf sollte unbedingt in Hüftgelenknull-
stellung, d.h., nicht auf einem Kissen gelagert sein. Wenn ein 7. Stumpfpflege und -formung
Lagewechsel möglich ist, soll der Patient zeitweise in Bauchla- Anfangs muss der Stumpf sorgfältig in Kornährenform banda-
ge liegen. giert werden (. Abb. 20.6, 20.5). Das Stumpfende kann frei blei-
Zur Hochlagerung wird das Bettende hochgestellt. Voraus- ben. Es muss darauf geachtet werden, dass bis zur Leiste gewi-
setzung dafür ist eine gute arterielle Durchblutung (AVK). ckelt wird, evt. kann ein Schlauchverband als zusätzliche Fixie-
Der Rumpf sollte möglichst gerade liegen, d.h., der Patient rung dienen. Am günstigsten ist das Anlegen des Verbandes
darf nicht andauernd sitzen. Wenn es aus Altersgründen oder in Seitenlage/im Stand in Extensionsstellung des Stumpfes. Ein
anderen Kriterien erforderlich ist, kann das Bett gekippt und fehlerhaftes Bandagieren, das den Stumpf in eine Beugestellung
häufige Lagewechsel vorgenommen werden. Selbstverständlich bringt, kann somit eher vermieden werden.
müssen Druckstellen vermieden und sorgfältig kontrolliert wer-
den, besonders bei AVK- und Diabetes-mellitus-Patienten. ! Cave
Ungünstig sind das Bandagieren des Oberschenkelstumpfes in
4. Erhalten der Arm- und Rumpfmuskelfunktion Hüftgelenkbeugung und zirkuläre oder unterschiedlich feste
Für die beim Gehen mit Unterarmstützen besonders bean- Touren. Dadurch werden Beugekontrakturen oder Stumpfde-
spruchte Muskulatur der Arme werden intensive Widerstands- formitäten gefördert.
übungen und ein Ausdauertraining durchgeführt, am besten
durch Komplexbewegungen gegen manuellen Widerstand, ge- Durch diagonales Bandagieren mit stufenweise abnehmendem
gen Therabänder und Expander, mit Hanteln oder gegen das Druck erhält der Stumpf die gewünschte konische Form. Heute
Körpergewicht (Stützübungen). werden Kompressionsstrümpfe für den Stumpf individuell an-
Der Rumpf wird in aufrechter Haltung stabilisiert (BWS- gepasst oder nach Entfernung der Fäden ein Liner verwendet.
Aufrichtung). Nur wenn bei Patienten mit Oberschenkelampu- Zur Resorption postoperativer Ödeme ist die Manuelle
tation die Bein-Becken-Rumpf-Achse richtig übereinander ge- Lymphdrainage früh einsetzbar.
ordnet ist, kann die Schwerelinie die Unterstützungsfläche tref- Der Patient kann die Stumpfpflege nach Abheilung der
fen. Erst dann kann der Patient die Prothese belasten. Im Stand Wunde selbst übernehmen. Ein entsprechendes Programm soll
mit gebeugten Hüft-, Knie- und Sprunggelenken fällt die Pro- vorgeübt werden. Der Stumpf soll morgens immer trocken in
these zusammen, mit gestreckten oder fast gestreckten Hüft- den Köcher eingebracht werden; deshalb soll er abends kalt ge-
und Kniegelenken kann der Patient sein Körpergewicht in der waschen und zum Ende hin abfrottiert werden.
Standphase halten. Rumpfstabilisation und Armkräftigung Da Haut und Narbengewebe einem erhöhten Druck ausge-
kommt daher eine große Bedeutung zu. setzt sind, müssen sie abgehärtet werden.
Als Ausgangspositionen eignen sich Rückenlage, Sitz, Halb-
sitz und Stand, zur Stabilisation auch Schaukelbrett und The-
rapieball. Wegen der veränderten Hebelverhältnisse (kürzeres . Abb. 20.6. Skizze der Wickeltechnik
Bein) muss besonders das Gleichgewicht geschult werden.
6. Kontakturprophylaxe
Endgradiges Bewegen und Halten sowie Lagewechsel sind die
besten Maßnahmen zur Kontrakturprophylaxe.
396 Kapitel 20 · Amputationen an der unteren Extremität
3 ! Cave
Bei gestörter Trophik und Sensibilitätsverlust vorsichtig vorge-
hen, damit keine Wunden entstehen!
4
Manche Patienten pudern ihren Stumpf. Es ist jedoch nicht
5 empfehlenswert, da die Hautporen verstopfen. Gleichermaßen
ungünstig ist das Eincremen des Stumpfes; dieser soll abgehär-
tet, nicht weich gemacht werden. Im Handel sind stumpfabhär-
6 tende Lotionen erhältlich; sie können selbstverständlich auch
zur Narbenpflege benutzt werden.
. Abb. 20.7. Adduktion/Extension gegen Handtuchschlaufe
7 Die Verschieblichkeit der Narbe wird durch eine gezielte
Narbenmassage verbessert. Das Gewebe wird zur Narbe hin
verschoben. Ein behutsames Vorgehen ist wegen der dünnen
8 Hautdecke über dem Schienbein v.a. am ventralen Unterschen-
kelstumpf nötig (7 Kap. 11, Narbenbehandlung in der Handchi-
rurgie).
9
8. Vorbereitung und Training der Muskulatur des Stumpfes
10 Die besondere Kraftleistung der Muskulatur, die Prothese mit
einem deutlich kürzeren Hebel zu führen und das Körperge-
wicht in der Senkrechten auszubalancieren, erfordert ein ver-
11 stärktes Training.
Spannungsübungen im Sekundenrhythmus gegen Füh-
12 rungskontakt verbessern die Durchblutung der Stumpfmusku-
latur und fördern die Kontraktionsbereitschaft der neu fixierten
Muskulatur.
13 Die Stumpfmuskulatur muss für ihre Aufgabe, die Prothe-
se zu führen, intensiv geschult werden. Dies ist u.a. in der realen
14 Situation möglich, also mit Interims- oder Endprothese. Vorbe- . Abb. 20.8. Verstärkungstechnik: Flexion/Adduktion des gesunden
reitend können die Bewegungsabläufe aus Rückenlage, gegen Beins
manuellen Widerstand oder gegen das Körpergewicht einge-
15 übt werden. Dazu finden Verstärkungstechniken aus dem PNF-
Programm und Geräte Anwendung. Genutzt werden kann ei- duktion/Außenrotation, bei einer Unterschenkelamputation ei-
ne Overflow-Reaktion über die Anspannung der kontralateralen ne Beugestellung im Kniegelenk. Die sich daraus entwickelnde
16 Muskulatur oder über synergistische Funktionsmuster. Die Kontraktur wird durch das fehlende Beingewicht und eine häu-
Stumpfmuskulatur soll entsprechend ihrem Leistungsvermögen figes Sitzen negativ verstärkt.
17 gegen Kontakt/Widerstand, auch gegen eine Handtuchschlau- Es ist sinnvoll, den Patienten gleich zu Anfang anzuleiten,
fe, aktiv dynamisch oder statisch trainiert werden (. Abb. 20.7, gezielt Hüftextensoren, -adduktoren und -innenrotatoren anzu-
20.8). spannen (auch als Beckenbewegung!).
18 Besonderen Wert wird auf die Herstellung des Muskelgleich- Das Ziel des Stumpftrainings ist die sichere und ökono-
gewichts zwischen den schwächeren Muskeln (Mm. adductores, mische Prothesenführung.
19 Mm. ischiocrurales, M. quadriceps) und den in ihrer ursprüng- Übungsformen gegen maximalen, dosierten Widerstand, bei
lichen Länge verbliebenen Muskeln (Mm. gluteus medius und häufigen Wiederholungen und kurzen Pausen in geschlossener
minimus, M. iliopsoas) gelegt. Auch der M. M. gluteus maxi- und offener Kette werden befundbezogen eingesetzt.
20 mus ist durch das fehlende Beingewicht geschwächt. Bei einer Das Training muss intensiv sein, d.h., gegen maximalen, an-
Oberschenkelamputation verursacht das Spannungsungleichge- gepassten Widerstand ausgeführt werden. Training bedeutet ei-
21 wicht eine Gewohnheitsstellung des Hüftgelenks in Flexion/Ab- gentlich »Übertraining«, da das Gehen mit einer Prothese eine
20 Amputationen an der unteren Extremität
397 20
wesentlich höhere Energieleistung erfordert. Nach Mensch und . Abb. 20.10. Unterschen-
Kaphingst (1998) ist der Energieverbrauch beim Gehen mit Un- kelamputation: Knie- und
terschenkelprothese um 9–20, beim Gehen mit Oberschen- Hüftgelenkextension aus Rü-
ckenlage
kelprothese um 45–70 höher als beim normalen Gehen.
Das Üben auf der Matte bietet Sicherheit und die Möglich-
keit, die Körperschwere als Widerstand einzusetzen.
Natürlich sind einem Trainingsprogramm für alte Menschen
und solche, die durch lange Krankheiten geschwächt sind,
Grenzen gesetzt.
Bei Oberschenkelamputationen werden Beckenextension, -
abduktion und -innenrotation besonders trainiert. Diese Bewe-
gungen sichern später das künstliche Kniegelenk in der Stand-
phase. Das Training der kleinen Glutäen erfolgt bei aktiver Sta-
bilisation des Oberschenkelstumpfes in Nullstellung.
Bei Unterschenkelamputationen wird das Kniegelenk durch
den M. quadriceps und die ischiokrurale Muskulatur stabili-
siert. Hüft- und Kniegelenkstreckung müssen frühzeitig geübt
werden (. Abb. 20.9, 20.10, 20.11).
Mit Interims- oder Endprothese werden Stabilisationsü- . Abb. 20.11. Unterschen-
kelamputation: Knie- und
bungen im hohen Sitz, Halbsitz und Stand vor dem Spiegel aus-
Hüftgelenkextension im
geführt, damit der Patient visuell die korrekte Rumpf-Becken-
Stand
Bein-Stellung wahrnehmen kann. Durch den Verlust des Un-
terschenkels und Fußes fehlen ihm die propriozeptiven Wahr-
nehmungen.
Bei Patienten mit Kniegelenkexartikulation konzentriert sich
der Behandlungsschwerpunkt auf die Stabilisierung des Hüftge-
lenks und der Becken-Rumpf-Achse in Neutralstellung/Exten-
sion.
Sind Kontrakturen entstanden, werden Mobilisationstech- naueres Feedback erbringt. Er soll mit und ohne optische Kon-
1 niken entsprechend der Qualität des Bewegungsstopps ausge- trolle die gleichmäßige Belastung beider Beine, anschließend
wählt: abwechselnd eines Beins wahrnehmen.
2 5 Dynamische Umkehr – Halten – Entspannen – aktives/ Patienten mit einer Oberschenkelamputation müssen ler-
passives Weiterziehen bei elastischem Endgefühl, nen, welche Gewichtsverlagerung und Beckenbewegung hilf-
5 Rhythmische Stabilisation – Entspannen – aktives/passives reich ist, um das künstliche Kniegelenk in der Standbeinpha-
3 Weiterziehen bei schmerzhaftem Bewegungsstopp, se zu sichern.
5 Techniken der Manuellen Therapie bei festem Endgefühl. Patienten mit einer Kniegelenkexartikulation (. Abb. 20.14)
können ihr Stumpfende belasten; sie haben eine intakte Hüftge-
4 Erfahrungsgemäß sind Bewegungseinschränkungen des Hüft- lenkfunktion und eine bessere Propriozeption für den Boden-
gelenks auf eine muskuläre Verkürzung z.B. des M. iliopsoas und kontakt.
5 der kleinen Glutäen zurückzuführen. Sie können entsprechend Noch günstiger ist die Situation für Patienten mit einer
mit aktiven und evt. passiven Dehntechniken behandelt wer- traumatisch bedingten Unterschenkelamputation. Die Voraus-
den. setzungen für ein einwandfreies Gehen mit der Prothese sind
6 Bei Unterschenkelamputationen ist eine volle Kniestreckung volle Kniegelenkbeweglichkeit, kräftige Oberschenkelmuskula-
essenziell für das ökonomische Gehen. tur und normale Propriozeption für die noch erhaltenen Ge-
7 Der Unterschenkelstumpf kann beim Bridging auf einem lenkstellungen.
Ball aufliegen. Beherrscht der Patient den Zweibeinstand, können manuel-
Meist liegt eine Kapselschrumpfung des Kniegelenks vor, die le Widerstände, später Gerätewiderstände gesetzt und der Ein-
8 mit Griffen aus der Manuellen Therapie, Traktion und Dorsal- beinstand geübt werden (7 Kap. 16, 18 und 19). Die Schrittpha-
gleiten des Femur oder Ventralgleiten der Tibia verbessert wer- sen werden einzeln und am besten im Gehbarren, später mit
den kann. Unterarmstützen geübt.
9 Im Anschluss an jede Mobilisationstechnik soll der gewon- Wie bei anderen Verletzungen der unteren Extremität wird
nene Bewegungsweg aktiv gehalten werden. der Einbeinstand mit der Prothese besonders geschult. Die Be-
10 wegungsabläufe sind bei Ober-/Unterschenkelamputation und
10. Vorbereitung und Schulung von Aktivitäten, Gehschu- Kniegelenkexartikuation unterschiedlich, abhängig vom ge-
lung mit Prothese wählten Fuß- und Kniemodell. Die Ganganalyse wird von
11 Der Bewegungsaublauf des Gehens kann in Rücken- und Sei- Prothesenbauer und Physiotherapeut gemeinsam erstellt und
tenlage vorgeübt werden. Die Stumpf- und Beckenbewegungen Schwerpunkte der Gehschulung festgelegt (s. auch spezielle
12 werden einzeln vorgeübt, dann als Umkehrbewegung mit dem Fachliteratur).
gesunden Bein koordiniert. Das PNF-Muster mit Technik »Dy- Häufig durchgeführte kürzere Übungszeiten, anfangs im
namische Umkehr« wird abgeändert in »Adduktion/Extensi- Beisein des Orthopädiemechanikers, sind effektiver und bieten
13 on«, die Umkehrbewegung geht nur bis Flexion/Abduktions- die Möglichkeit, sofort kleine Korrekturen vorzunehmen.
nullstellung des Stumpfes (. Abb. 20.13).
14 Auch Therabänder und Züge sind effektiv, um die Gluteal-
muskulatur in ihrer Funktion beim Gehen zu trainieren.
Das Gehtraining mit der Interims- oder Endprothese soll
15 frühestmöglich beginnen. Welche Hilfsmittel (Gehbarren, Stüt-
zen etc.) benötigt werden, muss individuell entschieden wer-
den. Ungünstig ist das Gehen im Rollator, da die Patienten den
16 Oberkörper nach vorne neigen, womit die Beugestellung der
Beingelenke gefördert wird. Es empfiehlt sich nur für ältere Pa-
17 tienten mit Oberschenkelamputation, die eine Kniegelenksper-
re benutzen können.
Günstig für die optische Kontrolle ist das Üben vor dem
18 Spiegel. Bei gleichzeitiger visueller Wahrnehmung werden Ge-
samthaltung, sicherer Stand, Vor- und Zurückschwingen der
19 Prothese, Belasten der Prothese, Schritte und Schrittfolgen seit-
wärts, vorwärts und rückwärts geübt.
Das Wahrnehmen der korrekt eingestellten Rumpf-Becken-
20 Prothesen-Achse, d.h., das Finden der Körpermitte im Stand kann . Abb. 20.13. Gehmuster mit PNF-Technik »Dynamische Umkehr«:
durch manuellen Kontakt am Becken geschult werden. Der Pa- Stumpf in Flexions/Abduktionsnullstellung, gesundes Bein in Extension/
21 tient steht auf zwei Waagen oder einer Messplatte, die ein ge- Abduktion/Innenrotation, nachfolgend Umkehrbewegungen
20 Amputationen an der unteren Extremität
399 20
a b
c d
Aufstehen aus dem hohen Sitz und Hinsetzen ergänzen die der Patient ermüdet schneller und vermeidet es, die Prothese
Gehschulung und sind eine gute Möglichkeit, um die Gewichts- zu tragen. Der Physiotherapeut sollte zunächst versuchen, mög-
verlagerung des Oberkörpers nach vorne zu üben. liche Ursachen abzuklären und Gehfehler zu korrigieren. Ge-
Das Gehen auf unterschiedlichen Böden, mit Richtungs- lingt dies nicht, müssen Korrekturen an der Prothese vorge-
und Tempowechsel gehört ebenso zum Programm wie das Ge- nommen werden.
hen auf einer Rampe, auf unebenem Boden, auf einer Treppe
oder Rolltreppe. In manchen Kliniken stehen ein »Gehgarten« Wichtig
und eine sog. »Gehschule« zur Verfügung. Auch das Treppen-
Auf folgende Gehfehler ist besonders zu achten:
steigen und Abwärtsgehen ist wichtig für einen Prothesenträ-
5 Breitbeiniges Gehen.
ger und muss je nach Kniegelenkmodell gesondert geübt wer-
5 Seitliches Rumpfneigen.
den (. Abb. 20.15).
5 Zirkumduktionsgang.
Nach dem Gehtraining sollte der Stumpf immer auf Druck-
5 Rotation der Ferse beim Aufsetzen.
stellen kontrolliert werden. Schmerzen und Druckstellen füh-
6
ren zu Ausweichbewegungen, das Gehen wird anstrengender,
400 Kapitel 20 · Amputationen an der unteren Extremität
12 Darüber hinaus spielen soziale und psychische Faktoren eine wendet, die mit einer Steckschraube versehen sind. Diese rastet
wesentliche Rolle. in den Shuttle-Lock ein. Über einen Entriegelungsstift kann die
Es ist deshalb besonders wichtig, dass Arzt, Orthopädie- Prothese leicht wieder gelöst werden.
13 mechaniker, Physiotherapeut und Sozialarbeiter den Patienten Alle Prothesenträger, nicht nur ältere Beinamputierte, wer-
von Anfang an informieren und in alle Entscheidungen miteinbe- den mit einem Rollstuhl versorgt und müssen den Umgang da-
14 ziehen. Jedes positive Feedback wird ihn motivieren, an seiner mit erlernen, so dass sie Transfers vom Rollstuhl ins Bett, auf ei-
Selbständigkeit mitzuarbeiten. nen Stuhl, in die Dusche oder auf den Boden und wieder zurück
selbständig ausführen können. Der Patient sollte jedoch wissen,
15 Weitere Aktivitäten dass das andauernde Sitzen im Rollstuhl Kontrakturen und Mus-
Um dem Patienten zu unterstützen, die notwendige Selbstän- kelschwächen verursacht und letztendlich das Gehen mit der
digkeit wiederzuerlangen, werden Alltagsaktivitäten wie z.B. Prothese erschwert. Gehen mit Prothese und Liegepausen müs-
16 An- und Ausziehen der Prothese, Aufheben von Gegenständen sen mit Sitzen abwechseln.
etc. geübt. Jeder Patient wird öfter hinfallen, weil er unbewusst sein
17 Schalenprothesen werden im hohen Sitz und Stand angezo- amputiertes Bein einsetzen möchte. Das Aufstehen vom Boden
gen. Ein Trikotschlauch wird über den Stumpf gezogen und das muss deshalb gut eingeübt werden.
untere Ende durch das Ventilloch geführt. Durch Zug am frei- Zum Selbständigkeitstraining gehört auch das Bücken und
18 en Ende und gleichzeitige Pumpbewegungen wird der Stumpf Aufheben von Gegenständen.
in den Köcher gezogen. Der Schlauch wird ganz entfernt, das In der Regel sind die Klinikaufenthalte heute von kurzer
19 Ventil eingesetzt und die Restluft abgelassen. Bei einem Weich- Dauer. In einer Anschlussbehandlung in einer Rehabilitations-
wandschaft dient der Trikotschlauch zudem als Anziehhilfe; klinik können Patienten in Einzel- und Gruppenbehandlungen
er wird dann um den Weichwandschaft herumgeschlagen und ihre Selbständigkeit erreichen bzw. verbessern. Zuhause soll sich
20 bleibt dort. eine ambulante physiotherapeutische Behandlung anschließen,
Modularprothesen für Ober- und Unterschenkel werden im da in der eigenen Wohnsituation eher mit einem Leistungsabfall
21 Sitzen angezogen. Bei der Modularprothese werden Liner ver- zu rechnen ist. Alle Übungsformen, die sich auf den Alltag be-
20 Amputationen an der unteren Extremität
401 20
ziehen, werden am besten in der häuslichen Umgebung einge- ist die kosmetische Versorgung oft schwierig. Die Gehschulung
übt, denn dort entstehen auch die zu bewältigenden Probleme. kann schnell gesteigert werden. Nach der Wundheilung können
frühzeitig Übungen in der geschlossenen Kette gemacht wer-
11. Versehrtensport den.
Unauffälliges und kraftsparendes Gehen mit einer Prothese er- Doppelamputierte Patienten können nach den gleichen Be-
fordert ständiges Training. Am besten ist dieses mit Gleichbe- handlungsvorschlägen behandelt werden. Die Prognose bzgl.
hinderten in einer Gruppe möglich. Innerhalb des Versehrten- des selbständigen Gehens ist natürlich schlechter, jedoch bewei-
sportvereins werden Aktivitäten aller Art angeboten, die Freude sen viele Beispiele, dass die Patienten dank der Weiterentwick-
an der Bewegung bringen, z.B. in einer Gymnastikgruppe oder lung der Prothetik gehfähig werden können. Der Behandlungs-
einer gewählten Sportart. Das Messen mit anderen und der ei- erfolg hängt von der Amputationshöhe und der Ursache ab.
gene Leistungserfolg sind wichtig für die Bewältigung des eige- Die Behandlung und Rehabilitation von Amputierten ist so
nen Lebens. Besonders jüngere Amputierte sollten dieses Ange- umfangreich, dass hier nur ein Anstoß zur Auseinandersetzung
bot in Anspruch nehmen. mit diesem Thema gegeben werden kann. Physiotherapeuten,
die vermehrt mit Amputierten arbeiten, sollten sich in diesem
Besonderheiten bei der Behandlung weiterer Tätigkeitsbereich spezialisieren.
Amputationen
Ergänzend zur beschriebenen physiotherapeutischen Behand-
lung der Oberschenkel- und Unterschenkelamputationen wer- Übungsbeispiele
den hier die wichtigsten Gesichtspunkte für die Behandlung der
Kniegelenkexartikulation (. Abb. 20.14), Hüftgelenkexartikula- Die Übungsbeispiele beziehen sich auf den Zustand nach Ober-
tion, Hemipelvektomie und Fußamputation erläutert. schenkelamputation und können direkt nach Entfernung der
Die Patienten werden ebenfalls mit einer individuellen Pro- Redon-Drainagen beginnen.
these versorgt. Gemeinsam mit dem Patienten plant das Be-
handlungsteam unter Berücksichtigung der Lebenssituation Frühbehandlungsphase
und-planung eine optimale Versorgung. Zu Anfang werden alle Übungen niedrig dosiert; eine Steige-
Patienten mit einer Hüftgelenkexartikulation sind oft in rung des Trainings bzgl. Widerstand, Spannungszeit, Übungs-
schlechtem Allgemeinzustand; sie haben eine lange Kranken- anzahl und Verkürzung der Pausen muss befundbezogen ge-
geschichte hinter sich. Es sind seltene Operationen. Ein inten- plant werden.
sives Training kommt deshalb selten infrage. In der Regel wird
der Patient Rollstuhlfahrer und muss für den Umgang mit die- Ausgangsposition
sem geschult werden. Rückenlage.
Ist eine prothetische Versorgung möglich, stehen Prothe-
senmodelle zur Verfügung, die ein kräftesparendes Gehen er- Übung
möglichen. Ziele der Physiotherapie werden dann Schulung des 5 Spannen des M. gluteus maximus durch Halten der Exten-
ökonomischen Gehens mit der Spezialprothese und weitestge- sion, während das gesunde Bein gebeugt in Flexion/Ad-
hende Selbständigkeit sein. Bei Transferleistungen sind beson- duktion zieht.
ders die Rumpfkontrolle und der Einsatz der Arme wichtig. Die 5 Dasselbe mit Verstärkung über Kopfrotation zur nicht be-
Übungseinheiten sollten sorgsam auf die Leistungsfähigkeit des troffenen Seite und »Flexion/Abduktion/Außenrotation«
Patienten abgestimmt sein. Eine Über- oder Unterforderung ist des kontralateralen Arms.
gleichermaßen zu vermeiden. Gleiches gilt für die äußerst sel-
tene Hemipelvektomie. Übung
Bei einer Kniegelenkexartikulation ist eine Belastungsüber- 5 Extension des Beckens, anfangs gegen Blutdruckmanschet-
nahme des Stumpfes in der Prothese möglich, was eine günsti- te (Hamilton 2006). Das gesunde Bein kann aufgestellt sein
ge biomechanische Voraussetzung für ein sicheres Gehen be- oder auf einem Therapieball liegen (kleine Bridgingbewe-
deutet. Die Femurlänge bleibt ebenso wie die kniegelenknahen gung) (. Abb. 20.12).
Propriozeptoren erhalten. Die physiotherapeutische Behandlung
kann frühzeitig beginnen und schneller gesteigert werden als Übung
bei der Oberschenkelamputation. Beim Treppensteigen sichert 5 Stabilisation des Beckens bei flach aufliegenden Beinen
eine Hydraulik die Belastungsübernahme (. Abb. 20.14 c). oder mit dem gesunden Bein in Bridging-Position.
Zehen, Vorfuß und Fuß sollen so distal wie möglich ampu-
tiert werden. Pyrogoff- (Arthrodese des Kalkaneus) oder Syme-
Amputationen (Exartikulation des oberen Sprunggelenks) sind
seltene Operationen. Die Stümpfe sind belastungsstabil, jedoch
402 Kapitel 20 · Amputationen an der unteren Extremität
Bei zunehmender Sicherheit des Patienten können die Hilfsmit- 20.1 Patientenbeispiel
tel in der Praxis abgebaut werden, für längere Wege sollte der
Patient noch die Stützen benutzen. Befundaufnahme
Ausgangsposition Name des Patienten: Herr O.
Frei im Raum stehend. 68 J., Rentner
Befunddatum: 10 Tage postop.
Übungen Name des Therapeuten: Frau L.
5 Schrittfolge außerhalb des Gehbarrens mit Stützen oder Einweisungsdiagnose: Zustand nach Embolie und Thrombose
Stock. einer Gelenk übergreifenden Bypass-Anlage rechts
5 Figurengehen. Nebendiagnosen:
5 Rhythmisches Gehen zu Musik. pAVK rechts > links
5 Gehen, dabei Ball werfen oder prellen. insulinpflichtiger Diabetes mellitus seit 25 Jahren
5 Stufe auf- und abwärts gehen, zunächst mit gesundem Bein arterielle Hypertonie
hinauf und mit Prothese herunter, dann »Taschenmesser- Mitralklappen- und Aortenklappeninsuffizienz 1. Grades
prinzip«. Dabei den Vorfuß über die Stufenkante setzen. Medikamente:, Insulin, Ibuprofen, Novalgin, Divan, Aspirin,
Bei modernen Modularprothesen kann eine Hydraulik die Mono Embolex 8000
Belastung steuern, so dass ein fließender Bewegungsablauf Angiographie: Bypass-Verschluss
möglicht ist (. Abb. 20.15). Versorgung: Vor 10 Tagen operativ Q x konservativ Q
5 Gehen auf Rampe. Versorgung:
5 Gehen auf unebenem Boden und über Hindernisse wie Oberschenkelamputation am distalen Drittel rechts
z.B. kleine Handgeräte. Procedere:
5 Hinsetzen auf Stuhl, Rollstuhl und Boden. Prothesenversorgung nach abgeschlossener Wundheilung
5 Aufstehen von Stuhl, Rollstuhl und Boden. Krankheitsanamnese:
5 Gegenstand vom Boden aufheben. Verschlusss des Bypasses mit arterieller Unterversorgung
5 Ein- und Aussteigen ins bzw. aus dem Auto. des rechten Unterschenkels, die zur jetzigen Amputation
5 Gehen im »Gehgarten« auf verschiedenen Böden (Kies, führte.
Sand, Gras, Pflaster, Holzplanken, Geröll etc.). Durchblutungsprobleme bestehen bereits seit 3 Jahren, mit
5 Stand auf weicher Matte oder Trampolin, Federn mit ge- zunehmender Einschränkung der Gehstrecke. Vor 1 Jahr
sundem Bein. Bypass-Operation,vor 2 Wochen plötzlich zunehmende
5 Laufbandtraining. Beschwerden. Bis dahin 2 km Gehstrecke mit Pausen.
Kurzfristige körperliche Aktivitäten waren kein Problem.
Alle Patienten benötigen einen Rollstuhl, den sie auch mit nach
Hause nehmen. Der Patient soll frühzeitig lernen, damit um-
zugehen.
404 Kapitel 20 · Amputationen an der unteren Extremität
ICF-Dokumentation
1
Name/Alter: Herr M., 68 J. Behandlungsziel: Erarbeiten eines prothesefähigen Stumpfes, Erarbeiten
2 Diagnose: Oberschenkelamputation rechts nach AVK des Gehens mit Prothese, Verbesserung der Durchblutung in den Beinen, Er-
Befund 10 Tage postop. weitern der Gehstrecke und Anpassung der Aktivitäten an die Nebenerkran-
kungen
3
Struktur/Funktion Aktivität Partizipation
6 5 er habe wenig Gleichgewicht. lettengang mit Rollstuhl be- Arbeitskollegen, ist im Trachten-
wältigen. verein und singt im Chor.
5 Leistenpuls vorhanden.
5 AF in Ruhe 14/22 Atemzüge/min, Borgskala 4 (Ge-
13 hen im Gehwagen).
5 Im Wundbereich VAS 1 in Ruhe und bei Bewegung.
5 Gelenkbeweglichkeit:
14
Aktiv rechts links
Abduktion 20–0–20° 40–0–20°
15 Extension 0–0–70° 0–0–110°
5 MTW:
16
M. iliopsoas re 2–3
21
20.2 Literatur
405 20
20.2 Literatur
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Die Abbildungen 20.1–20.4, 20.14 und 20.15 stammen aus dem Prothe-
sen-Kompendium Bock und Nädler (2000).
Die Abbildungen 20.5, 20.7–20.13 stellte mir freundlicherweise Frau
Birgit Jaspersen, Klinik für Physikalische Medizin, Klinkum Großhadern,
zur Verfügung.
21
Einteilung
21 PTSA (Abdomen) 2
5 Kombinationsverletzungen mehrerer Organsysteme, z.B. 5 Milzruptur 9
2 Schädel-Hirn-Trauma, Extremitätenverletzungen sowie
abdominale und thorakale Wirbelsäulen- und Beckenver-
5 Milz- und Leberruptur 13
5 Leberruptur (ausgedehnt) 13
letzungen. 5 Darm, Mesenterium, Niere, Pankreas 9
3 PTSE (Extremitäten) 3
Schädel-Hirn-Verletzungen werden nach der Glasgow Coma 5 Zentraler Hüftverrenkungsbruch 12
Scale eingeteilt.
4 5 Oberschenkelfraktur einfach 8
5 Oberschenkelstück-Trümmerfraktur 12
GCS 3–8 Schweres Schädel-Hirn-Trauma 5 Unterschenkelfraktur 4
5 GCS 9–12 Mittelschweres Schädel-Hirn-Trauma 5 Knieband, Patella, Unterarm, Ellenbogen, 2
Sprunggelenk
GCS 13–15 Leichtes Schädel-Hirn-Trauma 5 Oberarm, Schulter
6 5 Gefäßverletzung oberhalb Ellenbogen
4
8
bzw. Kniegelenk
7 5 Gefäßverletzung unterhalb Ellenbogen 4
Ursachen bzw. Kniegelenk
5 Oberschenkel-, Oberarmamputation 12
8 5 Arbeits-, Sport- und v.a. Verkehrsunfälle. 5 Unterarm-, Unterschenkelamputation 8
5 Je offene 2°- und 3°-Fraktur 4
9 Charakteristische Symptome
5 Große Weichteilquetschung 2
PTST (Thorax) 4
5 Sternum, Rippenfrakturen (1–3) 2
10 Siehe Einzelfrakturen in den vorherigen Kapiteln. 5 Rippenserienfrakturen 5
5 Rippenserienfrakturen beidseitig 10
11 5 Hämato-, Pneumothorax 7
Behandlungsrichtlinien und therapeutische 5 Lungenkontusion beidseitig 9
Maßnahmen 5 Instabiler Thorax zusätzlich 3
12 5 Aortenruptur 7
Diagnose- und Behandlungsschema PTSB (Becken) 5
»Unter Polytrauma versteht man eine gleichzeitig entstandene 5 Einfache Beckenfraktur 3
13 Verletzung mehrerer Körperteile oder Organsysteme, wobei ei- 5 Kombinierte Beckenfraktur 9
ne der Verletzungen oder die Kombination der Verletzungen le- 5 Becken- und Urogenitalverletzung 12
14 bensbedrohlich ist« (Weigel, Jakob 2005). 5 Wirbelbruch 3
Die Versorgung polytraumatisierter Patienten erfolgt nach 5 Wirbelbruch/Querschnitt 3
einem festgelegten Diagnose- und Behandlungsschema, dem 5 Beckenquetschung 15
15 Hannoveraner Polytraumaschlüssel (nach Tscherne et al. 1980), Alterseinfluss 6
zusammengefasst in . Übersicht 21.1. 5 Alter (Jahre)/Einfluss
16 5 0–9 0
5 10 – 19 0
. Übersicht 21.1. Hannoveraner Polytrauma- 5 20 – 29 0
17 schlüssel (PTS) 5 30 – 39 0
PTSS (Schädel) 1
5 40 – 49 1
5 GCS
5 50 – 54
18 5 Schädel-Hirn-Trauma 1° – 13 – 15 4
5 55 – 59
2
3
5 Schädel-Hirn-Trauma 2° – 8 – 12 8
5 60 – 64 5
19 5 Schädel-Hirn-Trauma 3° – 3 – 7 12
5 65 – 69 8
5 Mittelgesichtsfraktur 2
5 70 – 74 13
5 Schwere Mittelgesichtsfraktur 4
5 >75 21
20
6 6
21
21 Polytrauma oder Serienverletzungen
409 21
20
21
21 Polytrauma oder Serienverletzungen
411 21
Beins wurde die Patientin von zwei Personen täglich mehrmals Ärztliche Behandlung
an den Bettrand gesetzt. Das Bett wurde abgesenkt, so dass sie Die Lendenwirbelkörperfraktur wurde konservativ mit einem
beide Füße auf einer Fußmatte abstellen konnte. Stehen auf Dreipunktkorsett (7 Kap. 6), die Oberschenkelschaftfraktur
dem unverletzten Bein war wegen der Verständigungsschwie- am rechten Bein (. Abb. 21.5) und die Unterschenkelfraktur
rigkeiten zu diesem Zeitpunkt nicht möglich. Am 10. postope- am linken Bein wurden mit einem Verriegelungsnagel versorgt
rativen Tag wurde die Bandnaht des Lig. fibulotalare anterius (. Abb. 21.6).
durchgeführt und für weitere 6 Wochen eine Sprunggelenkor-
these verordnet. Erst am 14. postoperativen Tag war die Patien- Probleme der physiotherapeutischen Behandlung
tin so kooperativ, dass sie Aufträge umsetzen und sich kurzfris- Probleme ergaben sich bei den folgenden Behandlungspunkten:
tig auf die Übungen konzentrieren konnte. Die Teilbelastbar-
keit der Oberschenkelmarknagelung konnte wegen der gleich- Lagerung. Die Verordnungen des Arztes, zum einen eine
zeitigen Bandverletzung am Sprunggelenk noch nicht funktio- flache Lagerung für die Lendenwirbelsäule und zum anderen
nell umgesetzt werden. Auf dem Tilt Table konnte das verletz- eine Hochlagerung beider Beine einzuhalten, waren nicht ver-
te Bein auf einer Waage abgestellt werden, so dass die Patientin einbar. Kompromisse mussten gefunden werden. Die Krapp-
unter Kontrolle und mäßiger Kippung des Stehbrettes eine Mi- Schienen erwiesen sich als kontraindiziert. Die Hochlagerung
nimalbelasung von 15 kg erreichen konnte. Der freie Halbsitz an erfolgte über das Erhöhen des Bettendes um ca. 20°, beide Bei-
der Behandlungsbank war erst nach einer weiteren Übungswo- ne wurden in leichter Kniebeugestellung auf weiche Kissen ge-
che möglich. Erst 4 Wochen nach der Bandnaht konnte die Pa- lagert, die Füße am Bettende abgestützt. Wenn das Bett flach ge-
tientin mit Orthese und festem Schuh den Wechsel vom hohen stellt war, konnte das Bettoberteil ca. 20° erhöht werden.
Sitz in den teilbelasteten Stand auf der Waage bewältigen. Als
Hilfe wurden eine Achselstütze und eine Unterarmstütze be- Durchblutungsverbesserung/Anregung des lokalen Stoff-
nutzt. Ab diesem Zeitpunkt konnten Stabilisation der Beinach- wechsels. Probleme bei der Behandlung des rechten Beins
se und Gehschulung beginnen. (Oberschenkelschaftfraktur) waren die ausgiebige Blutung der
Fraktur und ein deutlich sichtbares Hämatom. Durchblutungs-
Beidseitige Einzelfrakturen regulation und Ödemresorption des verletzten linken Beins
Die im folgenden Beispiel beschriebene Patientin hatte eine sta- konnten nicht zufriedenstellend erreicht werden. Trotz ausrei-
bile Lendenwirbelkörperfraktur des 3. LWK, eine Oberschen- chender Clexane-Gabe entwickelte sich in der folgenden Zeit
kelschaftfraktur rechts und eine Unterschenkelfraktur mit Tibia- eine Unterschenkelvenenthrombose. Es wurde Bettruhe ver-
schaftfraktur und hoher Fibulafraktur am linken Bein erlitten. ordnet. Eine Woche später durfte die Patientin im Stehbrett
Es bestand kein Schädel-Hirn-Trauma. (. Abb. 21.1) nach Bandagierung des linken Beins ein Kreis-
a b
414 Kapitel 21 · Polytrauma oder Serienverletzungen
2
3
4
5
6
7
8
9
10 lauftraining im Sinne der Ratschow-Umlagerung durchfüh- konnten Stabilisationsübungen ausgeführt werden. Mit einem
ren (Winkeleinstellung ca. 50°). Zur Sicherung der Wirbelfrak- wasserfesten Korsett konnte die Patientin in der 4. postopera-
tur trug die Patientin das Dreipunktkorsett auch auf dem Steh- tiven Woche im Bewegungsbad üben und gehen. Nach 6 Wochen
11 brett. Nach 14 Tagen durfte eine Manuelle Lymphdrainage proxi- wurden die Nägel entriegelt und die Belastung stufenweise ge-
mal des linken Kniegelenks und am rechten Bein durchgeführt steigert. Zunächst ging die Patientin mit Achselstützen; sie lern-
12 werden. Eine Woche nach der festgestellten Thrombose konnte te jedoch rasch, sich auf Unterarmstützen umzustellen.
die Übungsbehandlung für das linke Bein (Unterschenkelfrak-
tur) beginnen. Der Muskelwert 3 für die Unterschenkelmusku- Einseitige Serienfrakturen und Einzelfraktur der
13 latur wurde langsamer als sonst erreicht. Gegenseite
Als Beispiel für diese Kombinationsverletzung wird ein Pati-
14 Mobilisation. Die Sprunggelenke und das Kniegelenk des lin- ent mit folgenden Verletzungen nach Motorradunfall beschrie-
ken Beins wurden mit aktiven Techniken mobilisiert; die Fort- ben: Schädel-Hirn-Trauma, Unterkieferstückfraktur, Okzipital-
schritte waren wegen der vorübergehenden Bettruhe durch die fraktur, Lungenkontusion, Leberruptur, multiple Mesenterial-
15 Thrombose etwas langsamer. Bei Kniegelenkbeugung gab die einrisse, retroperitoneales Hämatom, Azetabulumfraktur links
Patientin leicht ziehende Schmerzen an; Grund dafür könnte (. Abb. 21.7), distale Sprunggelenkfraktur rechts (Weber-C-
die hohe Fibulafraktur gewesen sein. Die Stabilisierung der Fraktur, Volkmann-Dreieck am Innenknöchel) (. Abb. 21.9 a),
16 Bein-Becken-Rumpf-Achse erfolgte aus dem hohen Sitz mit ei- hohe Fibula- und Tibiaschaftfraktur (. Abb. 21.9 b, 21.10) sowie
ner Belastung von 20 kg. Die Patientin trug dabei das Korsett eine Humeruskopffraktur rechts (. Abb. 21.8).
17 ohne Probleme.
Ärztliche Behandlung
Vorbereiten von Aktivitäten/Gehschulung. Die Wirbelfraktur Die operative Versorgung umfasste eine Laparotomie mit Über-
18 und die doppelseitigen Beinfrakturen zwangen die Patientin zu nähung der Leberruptur und der Mesenterialeinrisse, eine Os-
einer sonst nicht üblichen Bettlägerigkeit. Beide Beine konnten teosynthese der rechten Humeruskopffraktur mit einer Platte,
19 im hohen Sitz oder im Gehbarren auf Waagen mit 20 kg belas- Osteosynthesen des rechten Unterschenkels mit einem Tibia-
tet werden, Gehen war jedoch nicht möglich. Zur Vorbereitung verriegelungsnagel, kanülierten Schrauben am Innenknöchel
des Stehens wurde das Stehbrett, später der Tilt Table benutzt. und einer Platte am lateralen Malleolus. Die Azetabulumfraktur
20 Das Stehen auf dem Stehbrett (auf Waagen) in ca. 50–60° Kipp- wurde mit zwei Schrauben fixiert. Am Unterkiefer wurde eine
stellung erlaubte eine schmerzfreie Belastung der Beine und ei- Unterkieferosteosynthese mit Verschnürung des Kiefers durch-
21 ne symmetrische Belastung der Wirbelsäule. In dieser Stellung geführt.
21 Polytrauma oder Serienverletzungen
415 21
lastungsstufe als problemlos. Verstärkungsmuster konnten über Stützarm für Achsel- oder Unterarmstützen ausfiel. Nach 6 Wo-
21 das nicht betroffene Bein und den gleichseitigen Arm aufge- chen wurde der Tibianagel entriegelt. Das rechte Bein konnte
baut werden. Übungen, die den Pfannenboden biomechanisch teilbelastet werden und nach Funktionsverbesserung die Be-
2 belasteten, mussten unterbleiben; alternativ wurden unterstütz-
te, aktive Umkehrbewegungen gegen Führungskontakt ausge-
lastung stufenweise gesteigert werden. Ein gezieltes PNF-Pro-
gramm und Übungen im geschlossenen System im Zweibein-
führt. Längere Behandlungszeiten waren wegen der schnellen und Einbeinstand führten zu einer deutlichen Verbesserung
3 Ermüdbarkeit des Patienten nicht möglich. Die Kräftigung der der Standfunktion. Am Ende der 10. Woche hatten M. quad-
Oberschenkelmuskulatur des linken Beins entwickelte sich da- riceps, Mm. glutei und Unterschenkelmuskulatur ausreichende
her langsamer als üblich. Der Allgemeinzustand des Patienten Kraft, um kurze Strecken zu gehen. Die Humeruskopffraktur
4 besserte sich erst nach ca. 3 Wochen. Der Patient wurde angehal- war durchbaut. Nach 12 Wochen durfte der Patient mit der Voll-
ten, die erlernten Atemtechniken weiterhin zu üben. Bei pas- belastung beginnen und Koordinationsübungen auf labilen Un-
5 siver Fixation des Oberschenkels wurde der M. quadriceps gegen terlagen durchführen (7 Kap. 16, 17, 18, 19).
die Eigenschwere aus dem seitlichen Überhang geübt. Traten
Schmerzen am Becken auf, wurde unter abgenommener Bein- Beidseitige Serienfrakturen
6 schwere geübt und die Dosierung geändert. Der Spannungsauf- Der Patient erlitt bei einem Motorradunfall auf der linken Kör-
bau des M. deltoideus war ebenfalls schwierig. Die Bewegung perseite eine distale Oberschenkelfraktur mit Beteiligung des
7 war bei ca. 70° Abduktion schmerzhaft (VAS 7), und der Patient Kniegelenks (. Abb. 21.12) und eine Beckenringfraktur mit
fand v.a. nachts keine schmerzfreie Lagerung für den Arm. Wei- Symphysen- und Iliosakralgelenksprengung (. Abb. 21.13). Auf
ches unterstützes Bewegen des Arms und Skapulabewegungen der rechten Seite zog er sich eine Tibiakopffraktur (. Abb. 21.14)
8 verbesserten die Schmerzen. und eine Ellenbogenfraktur zu (. Abb. 21.11). Zusätzlich hatte
der Patient einen Pneumothorax, aber kein Schädel-Hirn-Trau-
Mobilisation. Probleme bereitete die Mobilisation der rech- ma.
9 ten Sprunggelenke, ca. 4 Wochen post-op zeigte sich ein fester
Bewegungsstopp bei Dorsalextension (0–0–10°). Aktiv/pas- Ärztliche Behandlung
10 sive PNF-Mobilisationstechniken und niedrig dosierte Tech- In der Erstversorgung wurde eine Thoraxdrainage (Bülau-Drai-
niken der Manuellen Therapie kamen zur Anwendung. Das Be- nage) gelegt. Der Patient wurde sofort in eine Unfallklinik trans-
wegungsausmaß konnte während des stationären Aufenthaltes portiert, in der zwei Operationsteams gleichzeitig operierten.
11 nur gering verbessert werden; es verbesserte sich erst in der am- Alle Osteosynthesen waren bewegungsstabil, jedoch nicht be-
bulanten Behandlungsphase, als nach 6 Wochen die Belastung lastungsstabil.
12 langsam aufgebaut und ein Bein-Becken-Rumpf-Achsentrai- Der Defekt der Tibiakopffraktur wurde mit Spongiosa auf-
ning im hohen Halbsitz aufgenommen werden durfte. gefüllt. Nach der Spongiosaplastik wurde das Bein für 10 Tage in
einer Gipsschiene gelagert.
13 Vorbereiten von Aktivitäten/Gehschulung. Die Azetabulum-
fraktur erforderte eine Entlastungszeit von 4–6 Wochen. Eine Probleme der physiotherapeutischen Behandlung
14 entlastende Gehschulung konnte in der 3. – 6. postoperativen Die erste physiotherapeutische Behandlung begann auf der In-
Woche nur im Bewegungsbad erfolgen, weil der rechte Arm als tensivstation (intensive Atemtherapie und Thromoseprophy-
15
16
17
18
19
20
. Abb. 21.11a-d. Distale Humerustrümmerfraktur, a seitliche Aufnahme, b a.-p.-Aufnahme, c Osteosynthese mit zwei Platten, seitliche Aufnahme,
21 d a.-p.-Aufnahme
21 Polytrauma oder Serienverletzungen
417 21
a b c
. Abb. 21.14.
Tibiakopffraktur mit
Abstützplatte
laxes, individuelle Schmerztherapie). 14 Tage später konnte der sich als effektiv. Dabei entschied der Patient selbst, wie lange
21 Patient auf der Normalstation weiterbehandelt werden. die Entspannungsphase andauern sollte, und ob er weiter in die
Probleme bestanden bei den folgenden Behandlungspunk- eingeschränkte Bewegungsrichtung bewegen wollte. Der lin-
2 ten: ke Arm hatte bei voller Beweglichkeit eine gute Stützfunktion
und wurde dementsprechend eingesetzt. Die Mobilisation des
Ödembehandlung. In der frühen Behandlungsphase zeigte rechten Kniegelenks gestaltete sich besonders schwierig. Durch
3 sich ein ausgeprägtes Ödem am linken Oberschenkel mit ei- den verzögerten Beginn der Physiotherapie und die Ruhigstel-
ner deutlichen Insuffizienz des M. quadriceps und der Mm. lung in der Gipsschiene wurde das Gelenk kontrakt; es bestan-
ischiocrurales. Primär wurde fern der Operationswunde mit den ein deutlicher Gelenkerguss und eine Verklebung des obe-
4 kalten Tüchern gekühlt. Eine Manuelle Lymphdrainage konn- ren Rezessus mit einer Bewegungseinschränkung der Patella.
te wegen der langen Operationsnarbe erst verzögert eingesetzt Das kurzzeitige Anlegen eines Cryo-cuffs und weiche manuelle
5 werden. Patellamobilisationen verbesserten die Symptomatik, reichten
aber für eine zunehmende Gelenkbeweglichkeit nicht aus. Erst
Spannungsaufbau der Muskulatur. Nach 14-tägiger Behand- nach 5 postoperativen Wochen durften Techniken der Manuel-
6 lung auf der Intensivstation war der Allgemeinzustand des Pa- len Therapie wie Traktion, translatorisches Gleiten und endgra-
tienten noch so schlecht, dass selbst isometrische Spannungs- dige dynamische Umkehrbewegungen ausgeführt werden, und
7 übungen gegen Handkontakt zu einer erhöhten Atemfrequenz das Bewegungsausmaß verbesserte sich.
und Pulsbeschleunigung führten. Darüber hinaus war die Be-
handlung des linken Kniegelenks schwierig. Die Femurkondy- Vorbereiten von Aktivitäten/Gehschulung. Erst in der 7. post-
8 lenfraktur reichte in das Gelenk hinein und ließ den Verdacht operativen Woche war eine Belastungsteigerung über die Mini-
auf eine zentrale Bandverletzung aufkommen. Das Kniegelenk malbelastung von 15 kg hinaus auf dem Stehbrett, Tilt Table und
war sehr schmerzhaft (VAS 7). Die Osteosynthese der rechten im hohen Sitz möglich. Das linke Kniegelenk wurde mit einer
9 Tibiafraktur mit Spongiosaplastik machte eine Ruhigstellung in Orthese stabilisiert. Das rechte Bein war zu diesem Zeitpunkt
einer Gipsschiene für 8–10 Tage notwendig. Ein effektiver Span- mit 20 kg belastbar. Der hocheingestellte Gehwagen/Achselstüt-
10 nungsaufbau der Muskulatur konnte also erst verzögert einset- ze rechts ermöglichte im Stand auf den Waagen die notwendige
zen. Die mechanische Bewegungssstabilität der Osteosynthe- Entlastung der rechten Hand. Für die linke Hand erhielt der Pa-
sen des linken Beins konnte wegen der Kniegelenkinstabilität tient eine Unterarmstütze. Der Patient war dennoch ca. 6 Wo-
11 nur bedingt in ein aktives Übungsprogramm umgesetzt wer- chen lang überwiegend bettlägerig. Die Sprengung des Iliosa-
den. Komplexes Üben und Verstärkungstechniken für die Mus- kralgelenks und die Funktionsfähigkeit der Beine ließen nur
12 kulatur des linken Beins waren nicht möglich; die Schmerzen eine schonende Belastung auf dem Stehbrett zu. Nach Fäden-
im Kniegelenkbereich zwangen zu niedrig dosierten Übungen entfernung begann zusätzlich eine Behandlung im Bewegungs-
und Mobilisationstechniken. In strecknaher Kniegelenkpositi- bad, was den Patienten sehr motivierte. Die Stabilität im hohen
13 on konnte auf dem Stehbrett (ca. 40–50°) mit Waagen ein nied- Sitz und im Zweibeinstand wurde zunehmend besser. Auf dem
rig dosiertes Beinachsentraining erfolgen. Die Belastung wurde Stehbrett und im Bewegungsbad konnten längeres Stehen und
14 unterhalb der Schmerzgrenze eingestellt und war als minimal das erste Gehen geübt werden. Die Vollbelastung sollte bis zur
einzustufen. Die PNF-Verstärkungstechnik für die BWS-Auf- 12. Woche stufenweise entsprechend der Funktionsverbesserung
richtung und Aktivierung der rechten Oberschenkelmuskula- erreicht werden. Der Patient konnte 13 Wochen nach der Ope-
15 tur konnte nur über den linken Arm eingesetzt werden. Immer ration aus der Klinik entlassen und in eine Rehabilitationskli-
wieder mussten längere Pausen eingelegt werden, weil der Pati- nik zur weiteren intensiven physiotherapeutischen Behandlung
ent erschöpft war und eine erhöhte Atemfrequenz und Pulsbe- verlegt werden. Bei der Röntgenkontrolle nach 6 Monaten be-
16 schleunigung entwickelte. stand am linken Oberschenkel eine deutliche Kalzifikation. Das
rechte Kniegelenk war arthrogen kontrakt. Diskutiert wurden
17 Mobilisation. Die Beweglichkeit des rechten Ellenbogenge- eine Arthrolyse des rechten Kniegelenks und eine Kreuzband-
lenks verbesserte sich nur sehr langsam, die M.-biceps-Abwehr- plastik am linken Kniegelenk.
spannung verhinderte die volle Streckung und verursachte ei-
18 nen schmerzhaften Bewegungsstopp. Das Gelenk war über län- Zusammenfassung
gere Zeit heiß, schmerzhaft und geschwollen. Die Manuelle Die physiotherapeutische Behandlung polytraumatisierter Pati-
19 Lymphdrainage und dynamische Umkehrbewegungen bei pas- enten muss sich individuell an den Verletzungsmustern ausrich-
siver Fixation am distalen Humerus mit minimalem Zug wa- ten. Überleben Mehrfachverletzte, kann ein schweres Schädel-
ren erträglich; eine minimale Traktion und das Abtupfen mit Hirn-Trauma zu lebenslanger motorischer oder geistiger Be-
20 einer kühlen Baumwollkompresse wurden als angenehm emp- hinderung führen.
funden. Auch die »Rhythmische Stabilisation« gegen Führungs- Nach Stabilität der vitalen Funktionen müssen die opera-
21 kontakt, besonders jedoch die »stop and go«-Technik erwiesen tiven Eingriffe i.d.R. über mehrere Wochen durchgeführt wer-
21.1 Patientenbeispiel
419 21
ICF-Dokumentation
21
Name/Alter: Herr D., 31 J. Behandlungsziel:
2 Diagnose: Polytrauma: SHT, Oberschenkelschaftfraktur links, Erreichen bestmöglicher Selbständigkeit, Rehabilitation und Teilhabe an der
Klavikulafraktur links, Sternumfraktur, Herzkontusion, Pleura- Gesellschaft
erguss vor 6 Wochen
3 Abschlussbefund vor Entlassung aus der Klinik in eine Rehabi-
litationsklinik 6 Wochen nach Unfall
5 Vitalwerte sind inzwischen in Ruhe im Normbereich: 5 Patient kann nicht sicher al- 5 Bis heute Kliniksituation, nicht beur-
9 in Ruhe bei Belastung
lein gehen. Bisher nur 30 kg teilbar.
Belastung erlaubt, so dass
RR (mm/Hg) 120/80 140/95
Hilfestellung an der linken
10 Puls (Schläge/min) 84 100 Seite nötig ist.
AF (Atemzüge/min) 16 24 5 Beim Gehen mit einer Un-
terarmstütze ist Körperhal-
11 5 Narben o.B.
5 Atrophie linker Oberschenkel 15 cm, oberhalb der
tung nach rechts verscho-
ben.
Patella –3 cm im Seitenvergleich.
5 Patient braucht Hilfe beim
12 5 Hautdurchblutung unauffällig.
Strumpf- und Schuhan-
5 Beinachse seitengleich.
ziehen.
5 Sensibilität o.B.
5 Patient beherrscht die vor-
13 5 VAS 1 bei Mobilisation der Kniebeugung.
gegebene Belastung im
5 Aktive Gelenkmaße:
Stand sicher, ist aber nach
14 Extension Hüftgelenk
links
0–10–70°
rechts
0–0–120°
60 m Gehstrecke erschöpft
und kurzatmig und braucht
Abduktion Hüftgelenk 40–0–20° 40–0–30° eine Pause (s. Anstieg der Vi-
15 Außenrotation Hüftgelenk 35–0–30° 35–0–35° talwerte).
5 Die Aktivitäten des linken
Extension Kniegelenk 0–10–110° 0–0–130°
Arms sind durch die Bewe-
16 – Sprunggelenke seitengleich. gungsbegrenzung einge-
5 MTW: schränkt.
5 Statik nicht beurteilbar,
17 M. ilipsoas –3
da Patient nicht beidseitig
M. quadriceps 3
gleichmäßig belasten darf
Mm. adductores –3 oder stützen kann.
18 Mm. gluteus med./min. 3 5 Transfer vom Bett in Sitz nur
M. gluteus maximus –3 über rechte Seite.
5 Einbeinstand rechts o.B.
19 Kniebeuger 2-3 K (Kontraktur)
5 Patient ist klar, jedoch nicht
5 Linker Arm: immer konzentriert.
– Schultergelenk bis 60° aktiv frei.
20 – Rotation seitengleich.
Therapeut
21.2 Literatur
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Weigel B, Nerlich M (2005) Praxisbuch Unfallchirurgie, Bd 2. Springer, Ber-
lin Heidelberg New York
PNF-Techniken
22.1 Anwendung
21
In der Unfallchirurgie können Inhalte des PNF-Programms
22 (Proprioceptive Neuromuscular Facilitation) von Dr. H. Ka-
bat und M. Knott effektiv eingesetzt werden. Das Konzept wur-
de ständig weiterentwickelt und gehört heute zur Grundausbil-
3 dung in der Physiotherapie. Innerhalb dieses Programms gibt
es eine Vielzahl von Varianten und Dosierungsstufen, die man
sich für die subtile Behandlung von Unfallverletzten zunutze
4 machen kann. Um Verständnisschwierigkeiten zu vermeiden,
sollen hier die von mir am häufigsten zitierten Techniken be-
5 schrieben werden. Selbstverständlich gibt es eine Vielzahl zu-
sätzlicher PNF-Techniken, die jedoch in der Traumatologie sel-
tener Verwendung finden. Diese sind hier nicht erwähnt; sie
6 werden aber für neurologische und andere Patienten ausführ- . Abb. 22.1a,b. a Extension/Abduktion/Innenrotation mit neutraler
lich in der Literatur beschrieben. Kniestellung, b Flexion/Adduktion/Außenrotation zum gebeugten Knie
9 PNF-Grundmuster
10 Im Folgenden werden einige Grundmuster für die Extremitäten
und den Kopf vorgestellt:
Beinmuster:
11 5 Extension/Abduktion/Innenrotation, Knie in Neutralstel-
lung (. Abb. 22.1 a) und Flexion/Adduktion/Außenrota-
12 tion zum gebeugten Knie (. Abb. 22.1 b).
5 Flexion/Abduktion/Innenrotation zum gebeugten Knie
(. Abb. 22.2 a) und Extension/Adduktion/Außenrotation
13 zum gestreckten Knie (. Abb. 22.2 b). . Abb. 22.2a,b. a Flexion/Abduktion/Innenrotation zum gebeugten
5 Extension/Adduktion/Außenrotation zum gebeugten Knie Knie, b Extension/Adduktion/Außenrotation zum gestreckten Knie
Armmuster:
16 5 Flexion/Adduktion/Außenrotation zum gebeugten Ellen-
bogen (. Abb. 22.5 a) und Extension/Abduktion/Innenro-
17 tation zum gestreckten Ellenbogen (. Abb. 22.5 b).
5 Flexion/Abduktion/Außenrotation (. Abb. 22.6 a) und Ex-
tension/Adduktion/Innenrotation (. Abb. 22.6 b).
18 5 Bilaterales symmetrisches Armmuster: Flexion/Abdukti-
on/Außenrotation (. Abb. 22.7 a), Extension/Abduktion/
19 Innenrotation zum gestreckten Ellenbogen (. Abb. 22.7 b).
5 Bilaterales asymmetrisches Armmuster: »Lifting«
(. Abb. 22.8 a) und Umkehrbewegung (. Abb. 22.8 b).
20 5 Kombination von Arm- und Kopfmuster: »Chopping- Pat-
tern« (. Abb. 22.9 a) und »Lifting-Pattern« (. Abb. 22.9 b).
21
22.1 Anwendung
425 22
7
. Abb. 22.8a,b. Bilaterales asymmetrisches Armmuster:
a »Lifting«, b Umkehrbewegung
426 Kapitel 22 · PNF-Techniken
Kopfmuster: PNF-Übungsprogramm
21 5 Kopfmuster: Extension mit Rotation nach rechts
(. Abb. 22.10 a) und Flexion mit Rotation nach links PNF-Übungen werden zur Stabilisation einzelner Körperab-
22 (. Abb. 22.10 b). schnitte bzw. der Gesamthaltung auch gegen Geräte, die Wand,
die Sprossenwand oder den Türrahmen (Göhler 2007) effektiv
Nicht selten müssen Änderungen der Bewegungsmuster (Pat- eingesetzt. Man unterscheidet:
3 tern) vorgenommen werden. 5 aktive PNF-Muster (freie Form),
5 PNF-Muster gegen manuellen Kontakt/Führungskontakt,
5 PNF-Übungen gegen angepassten manuellen Widerstand,
4 5 PNF-Übungen gegen optimalen Widerstand,
5 PNF-Übungen gegen Gerätewiderstand oder Körperge-
5 wicht,
5 Übungen gegen einen festen Widerstand, z.B. Wand, Tür-
rahmen, Unterlage, Boden (geschlossenes System).
6
Bewegungsstabile Osteosynthesen ermöglichen ein Üben im
7 freien Raum oder gegen Führungskontakt sowie ein Üben im
geschlossenen System mit minimaler oder Teilbelastung. Zur
Kontrolle der Minimal- oder Teilbelastung werden Waagen ver-
8 wendet.
In . Übersicht 22.1 sind die Behandlungsziele bei Anwen-
dung des PNF-Übungsprogrammes zusammengefasst.
9
10 . Übersicht 22.1. Ziele der PNF-Behandlung:
5 Verbesserte Bewegungsmöglichkeiten des Patienten.
5 Verbesserte muskuläre Stabilität der Gelenke, ganzer
11 . Abb. 22.9a,b. Kombination von Arm- und Kopfmuster: a »Chopping- Körperabschnitte und der Wirbelsäule.
Pattern«, b »Lifting-Pattern« 5 Aktivieren der Muskulatur/Muskelketten durch taktile
12 Reize oder adäquaten Widerstand.
5 Verbesserte Koordinationsfähigkeit/Propriozeption.
5 Positive Beeinflussung des motorischen Lernens/der
13 Bahnung von Bewegungsmustern.
5 Verbessertes Wahrnehmen der Bewegung.
5 Verbesserte Aktivitäten in Alltag, Beruf oder Sport und
14 dadurch verbesserte Teilhabe am gesellschaftlichen Le-
ben.
15
16
PNF-Grundprinzipien
17
Fazilitationsmöglichkeiten (PNF-Grundprinzipien) sind:
5 Kontraktionshilfen (manueller Kontakt/Widerstand),
18 . Abb. 22.10a,b. Kopfmuster, a Extension mit Rotation rechts, b Flexi-
5 Traktion,
on mit Rotation links
5 Stretch,
19 5 Approximation,
5 Blickkontakt,
5 verbale Stimuli,
20 5 normale zeitliche Bewegungsfolge.
21
22.1 Anwendung
427 22
lungen, 3–4 Serien und kurze Serienpausen von ca. einer ½ medius. Als Ausgangspositionen können alle Lagen, Sitz, Halb-
21 Min. sitz, Stand und Einbeinstand gewählt werden.
Für den Aufbau eines Verstärkungsmusters können Mus-
22 Wechselnde Drehpunkte, Betonte Bewegungsfolge (Timing
for Emphasis)
keln auch aktiv in freier Form arbeiten, gegen Züge oder andere
Geräte, im geschlossenen System und kombiniert mit anderen
Durch die Kombination dynamischer und statischer Span- PNF-Techniken. Statische Verstärker bei Übungen gegen Wand
3 nungsformen in einem Bewegungsmuster ermöglicht diese oder Türrahmen (Göhler 2007) sind ebenfalls bestens geeignet
Technik ein gezieltes Üben der distalen Gelenke. (7 Kap. 6, 15).
Die Schlüsselgelenke Hüft- und Schultergelenk werden sta-
4 tisch gegen manuellen Widerstand/Führungskontakt in Positi- Stabilisierende Umkehr (Stabilizing Reversals)
on gehalten, und die Drehpunkte wechseln (Pivoting) zu den di- Diese Technik beinhaltet den Wechsel von agonistischen und
5 stalen Gelenken, am Bein zu Knie- oder Sprunggelenken, am antagonistischen Muskelspannungen gegen angepassten Wider-
Arm zu Ellenbogen-, Hand- oder Fingergelenken. In der Trau- stand mit dem Ziel einer verbesserten Stabilität und Balance des
matologie wird diese Form der »Betonten Bewegungsfolge« Rumpfes oder einer Extremität. Es werden nur minimale Bewe-
6 überwiegend angewendet. In umgekehrter Form, mit distaler gungen zugelassen.
Haltearbeit gegen Widerstand, würde eine Verletzung am mitt- Der manuelle Widerstand wird für alle Bewegungsmuster
7 leren/proximalen Extremitätenabschnitt einer ungünstigen He- langsam aufgebaut und soll bewusst gehalten werden. Anschlie-
belwirkung ausgesetzt sein. ßend wechseln die Hände des Therapeuten zur Gegenseite und
Die »Betonte Bewegungsfolge« wird angewendet, um eine bauen dort einen entsprechenden Widerstand auf.
8 Bewegungskomponente innerhalb des Gesamtmusters speziell Traktion oder Approximation verbessern die Stabilisation, je-
einzuüben. doch darf der Widerstand nicht zu groß werden und die Span-
Entsprechend der Symptomatik und Biomechanik der Ver- nung durchbrechen.
9 letzung müssen die Original-Bewegungsmuster abgeändert wer- In der Regel wird diese Technik in der Umbauphase oder
den; evt. müssen absolute Dehnstellungen oder endgradige Ro- späten Konsolidierungsphase angewendet.
10 tationen weggelassen und verordnete Bewegungsbegrenzungen
eingehalten werden. Manche Gelenke dürfen nach bestimmten Mobilisationstechniken
Verletzungen nur in der Nullstellung geübt werden (Knie- und Mobilisationstechniken werden mit dem Ziel der Entspannung
11 Sprunggelenk). an einem z.B. schmerzhaften Bewegungspunkt eingesetzt.
Adäquate Mobilisationstechniken bei bewegungsstabilen
12 Verstärkungstechniken (Overflow-Techniken) Osteosynthesen sind:
Verstärkungstechniken nutzen die Overflow-Reaktion, um eine 5 »Chirurgische Technik« (Anspannen – Entspannen gegen
geschwächte Muskulatur zu stimulieren. Führungskontakt),
13 Verstärkende Muskeln müssen vorab eine Haltespannung 5 Halten – Entspannen gegen Führungskontakt und
gegen Widerstand aufbauen, die von den schwachen Muskeln 5 Rhythmische Stabilisation – Entspannen gegen Führungs-
14 aufgenommen werden kann. In der Unfallchirurgie werden bei kontakt.
nicht polytraumatisierten Patienten i.d.R. die Rumpfmuskeln
zum Training geschwächter Extremitätenmuskeln gefordert. Mobilisationstechniken bei Teilbelastungsstabilität sind am ent-
15 Verstärkungsmuster werden am besten über bekannte, erlernte sprechenden Bewegungsstopp:
Bewegungsmuster aufgebaut, z.B. das Geh-, Stütz- oder Greif- 5 Anspannen – Entspannen (Contract – Relax) gegen leich-
muster. ten Widerstand,
16 Der die Overflow-Reaktion nutzende (zu stärkende) Mus- 5 Dynamische Umkehr – Halten – Entspannen (Verknüp-
kel wird mit den Techniken »Endstellung – Halten« oder »Com- fung von zwei Techniken),
17 bination of Isotonics« weiter gestärkt. 5 Halten – Entspannen – passives Weiterziehen und
Eine gute Verstärkung der Muskelarbeit der Extremitäten- 5 Rhythmische Stabilisation – Entspannen.
muskeln wird auch erreicht über die asymmetrischen Arm-
18 Rumpf-Muster »Chopping«, »Lifting« und das Muster »Exten- Bei voll belastungsfähigen Osteosynthesen gibt es keine Ein-
sion/Adduktion/Innenrotation« mit angekoppeltem zweiten schränkung bei der Auswahl von Mobilisationstechniken mehr;
19 Arm in der 2. Diagonale. sie wird nach Art des Bewegungsstopps und der Strukturverän-
Muskelketten, die bei Aktivitäten zusammenarbeiten, eig- derung gewählt.
nen sich für Overflow-Techniken besonders besonders gut. Mobilisationstechniken nutzen die vorangehende bewusste
20 Auch paarig angelegte Muskeln, deren Hauptfunktion eine Be- Kontraktion des Muskels aus, um diesen nachfolgend bewusst
wegung in der Frontalebene ist, verstärken sich gegenseitig über zu entspannen. Aktive Entspannungstechniken beziehen sich
21 bilateral symmetrische Muster, z.B. Mm. glutei minimus und deshalb auf muskulär bedingte Kontrakturen, auf Abwehrspan-
22.1 Anwendung
429 22
nungen von Muskeln. Sie sind effektiv, wenn es sich um einen Die Technik wird am neuen Bewegungspunkt wiederholt.
weich- bis festelastischen Bewegungsstopp handelt. Ist kein Bewegungsgewinn mehr spürbar, soll die antagonis-
Die erste Anspannung des kontrakten Muskels beginnt tische Muskulatur die gewonnene Position gegen angepassten
schonenderweise kurz vor, später dann an dessen Dehn- oder Widerstand für 7–10 sec halten. Andere Trainingstechniken
Schmerzgrenze. schließen sich an.
Alternativ werden Mobilisationstechniken eingesetzt, die Diese Technik ist erst in der Konsolidierungsphase einsetz-
über eine dynamische/statische Kontraktion des nicht verkürzten bar.
antagonistischen Muskels eine Spannungsverminderung errei-
chen, z.B. Dynamische Umkehr – Halten (= neurophysiolo- Halten – Entspannen – passiv Weiterziehen
gisches Prinzip der reziproken Hemmung). Diese Technik wird auch als »Technik bei Lähmungen« be-
zeichnet.
»Chirurgische Technik« (eigene Terminologie) Das Prinzip der Technik »Halten – Entspannen« wird bei-
Diese Technik stellt die mildeste Form der Entspannungstech- behalten, jedoch muss der Dehnpunkt des kontrakten Muskels
niken dar und ist deshalb in der Traumatologie früh einsetzbar. passiv gefunden werden. Der Muskel soll statisch gegen Wider-
Die Extremität wird in einer Diagonale gelagert, und die stand anspannen, und nach der Entspannungszeit wird unter
Fraktur wird manuell passiv fixiert. In den meisten Fällen ent- weicher Traktion passiv weiterbewegt.
fallen Kontakt und Auftrag für die Rotation. Kurz vor der mög- Im Anschluss an mehrmalige Wiederholungen können
lichen Dehnstellung spannt der kontrakte Muskel ca. 5–7 sec Kontraktionshilfen für den paretischen Muskel gesetzt und ein
gegen den weichen Handkontakt des Physiotherapeuten. Dann Mentaltraining aufgebaut werden.
folgt die Entspannungsphase; sie wird so lange gehalten, bis
der Patient bewusst entspannen kann. Sicheres Greifen und Rhythmische Stabilisation (Rhythmic Stabilization)
Schmerzfreiheit lassen dies geschehen. Das Weiterziehen in die Unter »Rhythmische Stabilisation« versteht man die wechseln-
gewünschte Richtung wird unter abgenommener Schwere und de statische Spannung antagonistischer Muskelgruppen mit Be-
gegen Kontakt durchgeführt. Dazu ist ein geschickter Griff- tonung der dynamischen Rotation in einem Gelenk. Nach eini-
wechsel nötig. gen Spannungswechseln erfolgt die Pause, wenn der Patient die
Die Technik wird so lange wiederholt, bis ein schmerzfrei- Spannung deutlich spürt.
er Bewegungsgewinn nicht mehr wahrzunehmen ist; dann folgt Zur Bewegungserweiterung wird diese Technik so einge-
»Endstellung – Halten« gegen Führungskontakt für 7–10 sec setzt, dass die kontrakte Muskelgruppe die letzte statische An-
oder bis zur spürbaren Ermüdung, und die Extremität wird be- spannung ausführt, so dass sie nachfolgend bewusst entspan-
hutsam zurückgeführt. nen kann.
Diese Technik kann sowohl gegen Führungskontakt als
! Cave auch gegen angepassten Widerstand ausgeführt werden. Das
Bei der »Chirurgischen Technik« wird in keiner Phase ein Wider- Weiterziehen ist aktiv; der Therapeut führt dabei eine weiche
stand gesetzt! Auf Schmerzfreiheit ist zu achten! Traktion aus.
Rhythmische Stabilisation – Entspannen eignet sich beson-
Anspannen – Entspannen (Contract – Relax) ders gut zur Mobilisation schmerzhafter Gelenke.
Ausgangspunkt der Anspannung des kontrakten Muskels/der Während des Spannungswechsels kann die manuelle Trak-
Muskelkette ist eine dynamische Kontraktion der antagonis- tion beibehalten werden, um die Gelenkpartner von den Druck-
tischen Muskulatur bis zum Bewegungsstopp oder kurz davor, kräften zu entlasten. Die gewonnene Bewegungsbahn wird am
der eine bewusste Enspannung folgt. besten mit kleinen, dynamischen Bewegungen im letzten Bewe-
Entsprechend der Zugkraft des Antagonisten soll die Bewe- gungsdrittel mit Betonung der Rotation genutzt.
gung gegen Führungskontakt oder angepassten Widerstand bis
zu einem neuen Bewegungsstopp fortgesetzt werden. In der Re- ! Cave
gel dürfen die Muskeln in alle drei Bewegungsrichtungen an- 5 Bei allen Scharniergelenken, so auch beim Kniegelenk müs-
spannen. sen Rotationsbewegungen wegfallen.
5 Entspannungstechniken, die indirekt über die geschwäch-
Halten – Entspannen (Hold – Relax) te Muskulatur wirken, sind m.E. in der Traumatologie weni-
Bei dieser Technik soll die kontrakte Muskelgruppe an ihrer Dehn- ger effektiv. Sie werden jedoch zum Erhalt der gewonnenen
grenze gegen manuellen Widerstand in alle drei Bewegungs- Bewegung eingesetzt.
richtungen (auch Rotation) anspannen. Anschließend folgen ei-
ne ausreichend lange Entspannungsphase am gleichen Bewe-
gungspunkt, ein Griffwechsel und ein aktiv oder aktiv/passives
Weiterziehen der antagonistischen Muskulatur.
430 Kapitel 22 · PNF-Techniken
Techniken zur Spannungs- und Tonusregulierung, d.h., für das Beüben des Hüftgelenks beginnt man mit Becken-
21 zur Bewegungseinleitung, zum Erlernen von mustern (. Abb. 22.11, 22.12), für das Schultergelenk mit Ska-
Aktivitäten und Erhalten der Gelenkbeweglichkeit pulamustern (. Abb. 22.13, 22.14 und 7 Kap. 7, 12).
22 Dynamische Umkehr, Dynamische Umkehr – Halten
Die Technik beinhaltet dynamische Umkehrbewegungen gegen Becken- und Skapulamuster
Handkontakt oder angepassten Widerstand, die den Wechsel Beckenmuster werden effektiv eingesetzt, wenn der Oberschen-
3 der antagonistischen Muskelspannung nutzen. kel noch nicht dynamisch bewegt werden soll. Die Bewegungs-
Haltephasen können an jedem Punkt der Bewegungsbahn richtungen sind:
eingebaut werden; nach dem Halt wird die Bewegung bis zum 5 anteriore Elevation (. Abb. 22.11 a),
4 aktuellen Ende und dann wieder in die Gegenrichtung geführt. 5 posterore Depression (. Abb. 22.11 b),
Eine Pause erfolgt erst nach 4- bis 5-maliger Wiederholung. 5 anteriore Depression (. Abb. 22.12 a),
5 Die Technik ist geeignet, um die reziproke Innervation zu 5 posteriore Elevation (. Abb. 22.12 b).
fördern, den Muskeltonus zu regulieren, die Bewegungsbahn
eines Gelenks einzuschleifen oder durch Haltephasen eine Skapulamuster werden eingesetzt, wenn das Schultergelenk
6 Spannungsbetonung für eine geschwächte Muskelkette zu set- frisch verletzt und schmerzhaft ist. Der Oberarm wird dabei in
zen. Sie ist besonders zu Beginn einer Behandlung angebracht, Nullstellung gelagert. Gegen Führungskontakt/leichten Wider-
7 um das Vertrauen des Patienten zu gewinnen und den aktuellen stand können folgende Bewegungsrichtungen der Skapula aus-
Bewegungsstopp richtig zu erfassen. gewählt werden:
In der Proliferationsphase bewährt sich die Technik zur 5 anteriore Elevation (. Abb. 22.13 a),
8 Stoffwechselanregung und Durchblutungsverbesserung. 5 posteriore Depression, auch als aktive Fixation für die
Armhebung (. Abb. 22.13 b, c),
5 anteriore Depression zur Fazilitation des M. deltoideus
9 Rhythmische Bewegungseinleitung (Rhythmic Initiation)
Diese Technik soll die Einleitung einer Bewegung sowie den ko- (. Abb. 22.14 a, c),
ordinierten Ablauf in einer adäquaten Geschwindigkeit unter- 5 posteriore Elevation für die BWS-Aufrichtung
10 stützen und dadurch den Lernprozess erleichtern. (. Abb. 22.14 b).
Der Physiotherapeut führt die Bewegung zunächst pas-
siv in angemessenem Tempo aus und wechselt dann zu einer Skapula- und Beckenmuster lassen sich dynamisch und statisch
11 geführten und letztendlich resistiven Bewegung. Er vermittelt einsetzen; die Mukulatur kann statisch bei aktiver Fixation oder
dem Patienten verbal (Auftrag), visuell und taktil die Bewe- dynamisch in Bewegung tätig sein. Alle Formen des Bewegens
12 gungsrichtung. Dann soll die Bewegung vom Patienten selbst und Haltens können kombiniert werden. Beide Bewegungsmu-
aktiv ausgeführt werden. ster eignen sich für fortlaufende Bewegungen zum Wechsel in
eine andere Position (s. Mattenprogramm). Die Dosierung rich-
13 Replikation (Replication) tet sich nach dem Befund.
Die »Replikation« ist eine Technik, welche die Wahrnehmung Beckenmuster können Lendenwirbelsäulenbewegungen
14 und das Erlernen von Aktivitäten fördert. oder das Drehen auf die Seite/den Bauch einleiten. Die PNF-
Die Technik wird zum Erlernen endgradiger Bewegungsab- Muster für die Beinmuskulatur werden durch Approximation
läufe angewendet, z.B. durch passives Bewegen in eine endgradi- in Richtung Hüftgelenkextension, durch Traktion/Stretch in
15 ge Position, in der dann Widerstand gegen alle Bewegungsrich- Richtung Hüftgelenkflexion fazilitiert.
tungen gesetzt wird. Anschließend entspannt der Patient, und
der Physiotherapeut führt die Bewegung passiv ein Stück zu- Kopfmuster
16 rück. Dann soll der Patient die vorherige Position wieder selb- Kopfmuster werden bei Halswirbelsäulenverletzungen angewen-
ständig erreichen. Nach Wiederholung wird die Amplitude der det, jedoch erst in der Konsolidierungsphase.
17 Bewegung vergrößert. Die Muster können aus Rücken-/Seitenlage oder aus dem
In der praktischen Umsetzung kann jede gezielte Bewegung, Sitz geübt werden (. Abb. 22.10). Vorbereitend kann die Neu-
die zu einer Aktivität führen soll, mit dieser Technik vorgeübt tralstellung der Halswirbelsäule gegen Führungskontakt be-
18 werden (besonders einsetzbar in der Handchirurgie, 7 Kap. 11). wusst gemacht werden (7 Kap. 6).
Um Streckung und Rotation der Halswirbelsäule zu fazili-
19 tieren, kann man zu gegebener Zeit die Kopfrotation mit einer
Vorbereitende PNF-Muster Augenbewegung zur gleichen/anderen Seite kombinieren.
. Abb. 22.13a-c. Skapulamuster, a anteriore Elevation, b posteriore Depression, c Griffvariation bei posteriorer Depression
. Abb. 22.14a-c. Skapulamuster, a anteriore Depression, b posteriore Elevation, c anteriore Depression im Sitz
432 Kapitel 22 · PNF-Techniken
13 Wichtig
. Abb. 22.17. Skapula- und BWS-Stabilisation im einseitigen Unter- . Abb. 22.19. Stabilisation der BWS im Seitsitz mit Stützmuster rechts
armstütz und Liftingmuster links
. Abb. 22.18. Stabilisation zini, van den Berg, Göhler). In der Unfallchirurgie werden diese
beider Skapulae im beid- Muster v.a. in der Konsolidierungsphase den Übungen in frei-
seitigen Unterarmstütz in er Form vorgezogen.
Bauchlage
22.2 Literatur
21
Annunciato N (1998) Plasticity of the nervous system, Physiotherapie Nr.
8. Pflaum, München
22 Buck M, Beckers D, Adler S (2005) PNF in der Praxis, 5. Aufl. Springer, Ber-
lin Heidelberg New York
3 Göhler B (2007) Komplexbewegung contra Einseit-Haltung. Pflaum,
München
Hedin-Andén S (2002) PNF-Grundverfahren und funktionelles Training, 2.
4 Aufl. Fischer, Stuttgart Jena New York
Horst R (2005) Motorisches Strategietraining und PNF. Thieme, Stuttgart
Knott M, Voss D (1968) Proprioceptive neuromascular faclitation, 2nd edn.
5 Harper und Row, USA
Sullivan E, Markos PD (1995) Clinical decision making in therapeutic exer-
cise. Appleton and Lange,
6 Norwalk CT
Sullivan E, Markos PD et al. (1995) PNF – Ein Weg zum therapeutischen
Üben. Fischer, Stuttgart
7
Die Abbildungen 22.1–22.19 konnte ich zusammen mit Frau Claudia Klose
8 PT-Schule BKH Günzburg und ihren Schülerinnen und Schülern erstellen.
9
10
11
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21
435
Sachverzeichnis
– therapeutische Maßnahmen 367 – Erhaltung der Beweglichkeit 206
A – Übungsbeispiele 369 – Kontrakturenprophylaxe 206
– Ursachen 367 – Ödemresorption 206
AAOS 266 Adam-Bogen 263 – Spiegeltherapie 206
Abduktionsfrakturen 358 Adduktionsfrakturen 358 – Behandlungsrichtlinien 204
Abduktionskissen 111, 121, 143 afferente Nerven 44 – Komplikationen 205
Abduktionskissen, 40° 113 Aircast-Schiene 62 – therapeutische Maßnahmen 204
Abduktionskissen mit Keilaufbau 142 Akromioplastik 122 – Ursachen 204
Ablösung des Labrum glenoidale 112 aktive Stabilisierung des Frakturbereiches 82 Amputationen an der unteren Extremität
Abrissfrakturen 375 – Erarbeiten einer ausgewogenen Muskel- – ärztliche Behandlung 390
ACG-Sprengung 123 spannung 82 – Operationen, geplante 390
Achillessehnenriss 355 Aktivierung 4 – traumatische Amputationen 390
Achillessehnenruptur 367 aktuelle Ruhestellung 6 – Befunderhebung 393
– ärztliche Behandlung 367 Akupunktur 47 – Behandlungsmöglichkeiten 394
– obligatorisch 367 – PuTENS 47 – Erhalten der Arm- und Rumpfmuskel-
– operative Versorgung 367 allgemeingültige Begriffsdefinitionen 3 funktion 395
– Befunderhebung 368 – Belastungsstufen 3 – Erhalten der Muskelfunktion des gesun-
– Behandlungsmöglichkeiten 368 – Bewegungseinschränkungen 3 den Beins 395
– Aktivieren der Fußheber 369 – Biomechnanik 3 – Gehfehler
– Aufbau der Sportfähigkeit 369 – Gehformen 3 – breitbeiniges Gehen 399
– Gehschulung 369 – Muskelarbei 3 – Hochfedern des anderen Beins in der
– Kräftigung des M. gastrocnemius 369 – physiotherapeutische Behandlungsformen Schwungphase der Prothese 400
– Mobilisation der Sprunggelenke 369 3 – Rotation der Ferse beim Ablösen 400
– Verbesserung der Durchblutung, Unter- – Propriozeption und Sensomotorik 3 – Rotation der Ferse beim Aufsetzen 399
stützung der Heilung 368 – rehabilitationsrelevante Begriffe 3 – seitliches Rumpfneigen 399
– Vorbereiten und Schulen von Aktivitäten – Stabilitätsgrade 3 – ungleiches Anheben des Prothesen-
369 – Tonusregulierung, Innervations-/Koordina- unterschenkels in der Schwungphase
– Behandlungsrichtlinien 367 tionsschulung 3 400
– charakteristische Symptome/Leitsymptome Allgöwer-Entlastungsapparat 377, 380 – ungleiche Schrittlänge 400
367 Allgöwer-Gehapparat 342, 343, 360 – Ursachen 400
– Einteilung 367 Alternativvorschlag List 314 – vermehrte Lendenlordose bei Belas-
– grundsätzliches Vorgehen 368 Alveolen 38 tung der Prothese 400
– Gesichtspunkte der Behandlung 368 AMIS-Endoprothese 266, 267 – Vorschleudern der Prothese 400
– Komplikationen 368 AMIS-Totalendoprothesen-Operation 266 – Zirkumduktionsgang 399
– physiotherapeutisches Behandlungskonzept Amputationen 204 – Kontakturprophylaxe 395
367 – ärztliche Behandlung 204 – Lagerungskontrolle 395
– Behandlungskonzept bei Achilles- – Befunderhebung 205 – Mobilisation von Kontrakturen 397
sehnenruptur (Klinikum Großhadern, – Behandlungsmöglichkeiten 205
LMU München) 367 – Desensibilisierung 206
436 Sachverzeichnis
– Dynamische Umkehr – Halten – Ent- arthroskopische Arthrolysen 325 – Dehnlage nach Schaarschuch-Haase 39
21 spannen – aktives/passives Weiterzie-
hen bei elastischem Endgefühl 398
ärztliche Behandlung
– physiotherapeutische Behandlung 304
– Gähnen 39
– Lippenbremse 40
– Rhythmische Stabilisation – Entspan- aseptischen Nekrose 385 – Nasenstenose 39
22 nen – aktives/passives Weiterziehen
bei schmerzhaftem Bewegungsstopp
Aspekte
– der Entzündung 16
– Schnüffeln 39
– Stretch am Ende der Ausatmung 39
398 – Warnzeichen 16 – Ziel der 38
3 – Techniken 398 Atelektasen 38 Aufrichtung der BWS 324
– Techniken der Manuellen Therapie bei Atembefund 29 augmentierte Bandnähte 123
festem Endgefühl 398 Atemdepression 45 augmentierte Nähte 130
4 – Pneumonie-, Thrombose- und Ödempro- Atemhilfsgeräte 40 Ausgangsstellungen 323
phylaxe 394 – Coach 41 Ausschluss eines Impingements 131
– Schmerztherapie 394 – Volumen orientierte Geräte 41 Außenband 298
5 – Stumpfpflege und -formung 395 – dosierte Lippenbremse 42 Außenbandrupturen 319
– Versehrtensport 401 – Flutter- oder RC-Cornet-Gerät 41 Außenbandverletzungen 319
– Vorbereitung und Schulung von Aktivitä- – Giebelrohr 41 autogene Drainagelagerung 42
6 ten, Gehschulung mit Prothese 398 – Inspirix 41 AV-Pumpe 378
– Vorbereitung und Training der Muskula- – flow orientierte Geräte 41 avitale Pseudarthrose 55
7 tur des Stumpfes 396
– Behandlungsrichtlinien 390
– Intermitted Positive Pressure Breathing-
Geräte 41, 42
axonale Verletzung 216
Axonotmesis 142, 216
– Besonderheiten bei der Behandlung weite- – Bird 42 Azetabulumfraktur 250, 251
8 rer Amputationen 401
– funktionelle Frühbehandlung 390
– Salvia Alveola 42
– Mediflo 41
– ärztliche Behandlung 250
– konservatives/operatives Vorgehen 250
– grundsätzliches Vorgehen 394 – flow orientierte Geräte 41 – Befunderhebung nach Osteosynthese in
9 – Komplikationen 393 – Pari-PEP-Gerät (Cegla) 41, 42 Akut- und Entlastungsphase 252
– Prothetik 390 – RC-Cornet 41 – Befundergänzung 252
– Oberschenkelprothesen 391 – SMI-Geräte 40, 41 – Behandlungsmöglichkeiten 253
10 – Unterschenkelprothesen 391 – Totraumvergrößerer (Giebelrohr) 40 – Bewegungsbad 254
– therapeutische Maßnahmen 390 – Triflo II 41 – Dekubitusprophylaxe 253
– Übungsbeispiele 401 – flow orientierte Geräte 41 – Einüben der Minimalbelastung und
11 – Frühbehandlungsphase 401 – Vario-Resistance-Pressure-Geräte 41 weiterer Belastungssteigerungen 254
– Gehschulung mit Prothese 402 – Voldyne 41 – Erhalten der Funktion der nicht betroffe-
– Oberschenkelamputation 401 – Volumen orientierte Geräte 41 nen Extremitäten 253
12 – Ursachen 390 – VRP1 Desitin 41, 42 – Lagerungskontrolle 253
Amputationen im Chopart-Gelenk 393 Atemmuster 38 – Pneumonieprophylaxe 253
13 anteriore Elevation 431
Antidepressivum 45
– Atembewegung 38
– Atemfrequenz 38
– Reduzierung der Muskelspannung der
betroffenen Hüftgelenkmuskulatur 253
Antigravitationsmuskel 147 – Atemmuskeleinsatz 38 – Schulen der Hüftgelenkbeweglichkeit des
14 – M. biceps 147
Antiphlogistika 56
– Atemnebengeräusche 38
– Atemweg 38
betroffenen Beins 253
– Thromboseprophylaxe 253
antiphlogistische Behandlung 50 – Einsatz von Atemhilfsmuskeln 38 – Verbesserung der Durchblutung 253
15 Antithrombosestrümpfe 43, 52, 348 – Erholungszeit 38 – Vorbereitung und Schulung von Aktivitä-
AO-Klassifikation 355 – inspiratorischer Stridor 38 ten 254
AO-Platten 128 – Verkürzung der Atemhilfsmuskeln 38 – Behandlungsrichtlinien 250
16 Kapsel-Band-Meniskus-Verletzungen Atemtherapie 38, 409 – charakteristische Symptome/Leitsymptome
– ärztliche Behandlung – Anpassung der Atmung an körperliche 250
– Diagnostik 309 Mehrbelastung 42 – Einteilung 250
17 – Röntgenaufnahme 309 – Belastungsdyspnoe 43 – Typ A, B und C 250
Aquajogging 11 – Basaltexte 39 – grundsätzliches Vorgehen 253
Arlt 110 – Befunderhebung 38 – Frühstadium 253
18 Armplexusschädigung 112 – Behandlungsmöglichkeiten 38 – Gesichtspunkte der Behandlung 253
Arthrodese 377 – Euler-Liljestrand-Reflex 39, 42 – nach ca. 4 Wochen 253
19 Arthrofibrose 47, 325, 329
Arthrofibrose, Entwicklung einer 312
– Gesichtspunkte 39
– mukoziliäre Clearance 39, 40
– Komplikationen 252
– physiotherapeutische Behandlung 251
arthrogene Kontraktur 158 – Perfusion 42 – therapeutische Maßnahmen 250
20 Arthrolyse 418
Arthrose 200, 356, 380
– Reduktion der Infektanfälligkeit, Sekretmo-
bilisation und -eliminierung, Atemgeräte 40
– Übungsbeispiele 254
– Proliferations- und Konsolidierungsphase
Arthrosen 195 – Umverteilung der Blutzirkulation 40 254
21 Arthroskopie 319, 320, 329 – vermeiden von Atelektasen 39 – Spätstadium (nach der 10. Woche) 255
437
Sachverzeichnis
– Gesichtspunkte der Behandlung 210 BWK-Frakturen oberhalb BWK 10, 83 – grundsätzliches Vorgehen in der Handchir-
21 – propriozeptives Training 210
– Verbesserung der Durchblutung 210
BWS-Aufrichtung 317, 418 urgie
14 – Funktionseinheit 107
– Heben und Senken der Klavikula 107
tung und Resorption von Ödemen 228
– Vermeidung äußerer Irritationen in Stadi-
Desault-Verband 113, 142
Detonisierung 82
– Innervation des Schultergelenks/Nervale um I 227 – Massagegriffe 82
15 Strukturen im Schultergelenkbereich 108 – Behandlungsrichtlinien 226
– charakteristische Symptome/Leitsymptome
Diadynamik 66
distale Femurfraktur 301, 302
– Klavikularotation 107
– Kugelgelenk 107 225 – ärztliche Behandlung 301
16 – Plexus brachialis 109 – Stadium I 225 – DCS-Platten 301
– Rollgleitbewegung 107 – Stadium II 226 – Fixateur externe bei Trümmerfrakturen
– Rollgleiten des Humeruskopfes 107 – Stadium III 226 301
17 – Rotatorenmanschette 107 – Einteilung 225 – konservatives/operatives Vorgehen 301
– Schultergelenkkapsel 108 – Grundsätzliches Vorgehen – LISS System 301
– Skapula- und Klavikulabewegung bei Arm- – Aktivierung der inaktiven Muskulatur, – operative Stabilisation 301
18 flexion 108 Schulung der Kontraktionsbereitschaft – Plattenfixateursystem 301
– Skapulabewegung bei Armhebung 108 231 – retrograder Verriegelungsnagel 301
– Entspannung der Handmuskulatur 230 – Schraubenosteosynthese 301
19 – Sternoklavikulargelenk 107
– Vor- und Zurückführen 107 – Erhalten der Beweglichkeit 233 – Titan-Kondylenplatten mit und ohne
Bohnenbad 182 – Mobilisation 232 Zugschrauben 301
– Narbenpflege 232
20 Bosworth-Schraube 125
Bow-String-Phänomen 195 – Verbesserung der Durchblutung 230
– Befunderhebung 302
– Behandlungsmöglichkeiten 302
Brunkow 82 – Verbesserung der Funktion, Kraft und – Behandlungsrichtlinien 301
21 Bülau-Drainage 100 Ausdauer 232
439
Sachverzeichnis
Interimsosteosynthese 419 – Tragfähigkeit und Belastung des Fußes – kurzes Kühlen 312
intraartikuläre Fraktur 130 374 – Manuelle Lymphdrainage 312
Intrinsic-Plus-Stellung 194 – charakteristische Symptome/Leitsymptome – Massagetechniken 312
Intrinsic-plus-Stellung 205 374 – Maßnahmen zur Verbesserung der
Inversionsfrakturen 356 – Einteilung 374 Muskelkraft und Koordinationsfähig-
Irritation neuromeningealer Strukturen 81, – grundsätzliches Vorgehen 378 keit 312
113, 114 – Gesichtspunkte der Behandlung 378 – Minimal- oder Teilbelastung 313
Ischämie 143 – Komplikationen 377 – Mobilisation der BWS/LWS 312
ischämische Kontraktur 158 – therapeutische Maßnahmen 374 – physiotherapeutische Ziele 312
ISNY-Schaft 392 – Übungsbeispiele – postoperativ 313
isokinetische Geräte 326 – Kalkaneusfraktur mit Osteosynthese – Reduzierung von Schmerzen 312
isokinetische Tests 318 – nach 12–15 Wochen (Vollbelastung) – Reduzierung von Schmerzen, Schwel-
382 lungen und Hämarthros 312
– nach 6 Wochen (evt. später) 381 – Verbesserung der Muskelkraft und
J – Proliferations-/frühe Konsolidierungs- Koordinationsfähigkeit 312
phase 381 – Behandlungsrichtlinien 308
Jacobson 96 – Ursachen 374 – charakteristische Symptome/Leitsymptome
Joint-depression-Fraktur 375 Kalkaneusfraktur Typ »Joint-depression« 376 308
Joint play 6 Kälteanwendungen 47, 228 – Einteilung 308
Jones-Fraktur 386 Kälteschmerz 47 – Klassifizierung der Aufklappbarkeit 310
Kalzifikationen 158 – Komplikationen 310
K kanülierte Schraubenosteosynthese 267
Kapsel-Band-Meniskus-Verletzungen 308
– physiotherapeutische Behandlung 309
– Kräftigung der Mm. ischiocrurales 309
– ärztliche Behandlung 308 – Orthesenbehandlung 309
K-Drähte 133
– Arthroskopie 309 – Stabilisierung der Beinachse 309
Kalkaneusfraktur 374
– Bewegungsbegrenzung 309 – therapeutische Maßnahmen 308
– ärztliche Behandlung 375
– Diagnostik 309 – Ursachen 308
– Diagnostik 375
– Konservatives/operatives Vorgehen 309 Kapsel-Band-Verletzungen des Sprunggelenks
– konservativ-funktionelle Behandlung
– konservatives Vorgehen 309 365
376
– MRT 309 – ärztliche Behandlung 366
– Befunderhebung 377
– Punktion des Hämarthros 309 – Diagnose 366
– Behandlungsmöglichkeiten 378
– Refixation des Kreuzbandes 309 – konservativ 366
– Erhalten der Funktionen der nicht betrof-
– Röntgenaufnahme 309 – konservatives/operatives Vorgehen 366
fenen Extremitäten 379
– Tunnel-Aufnahme nach Frick 309 – operativ 366
– Erhalten der Muskelfunktion des gesam-
– Befunderhebung 310 – Behandlungsmöglichkeiten 367
ten Beins 379
– Behandlungskonzepte 312 – Behandlungsrichtlinien 366
– Förderung der Resorption des Hämatoms
– postoperative Behandlungsphase 313 – charakteristische Symptome/Leitsymptome
und Ödems 378
– Bewegungsverhalten im Alltag und 365
– Gehschulung 380
beim Sport verbessern 313 – grundsätzliches Vorgehen 367
– Kalkaneusfraktur mit Osteosynthese 381
– Fazilitation der lokal stabilisierenden – Förderung der Resorption des posttrau-
– Kräftigung des M. gastrocnemius 378
Muskulatur erarbeiten 313 matischen Ödems 367
– Lagerungskontrolle 378
– Gleitfähigkeit der Patella erreichen – Gehschulung mit Teil- und Vollbelastung
– Mobilisation des unteren und oberen
313 367
Sprunggelenks 379
– Immobilisationsschäden vermeiden – Gesichtspunkte der Behandlung 367
– Dynamische Umkehr – Halten
313 – Mobilisation des Sprunggelenks mit ak-
– Entspannen mit aktivem/passivem
– Kniegelenkstabilität erreichen 313 tiven oder passiven Techniken (Manuelle
Weiterziehen 379
– Knochen- oder Bindegewebsheilung Therapie) 367
– Halten – Entspannen 379
fördern durch Wechsel von Bewegen – Stabilierung des Sprunggelenks 367
– Manuelle Therapie 379
und Belasten 313 – Komplikationen 366
– PNF-Techniken 379
– Rollgleitfunktion wiederherstellen 313 – therapeutische Maßnahmen 366
– Rhythmische Stabilisation – Entspan-
– Schmerzen vermeiden oder reduzieren – Ursachen 365
nen 379
313 Kapselmuster 110, 116
– Techniken 379
– sensomotorische Kontrolle wiederher- Kapseltechniken 289
– Schulung der kleinen Fußmuskeln 378
stellen 313 Kapselverkürzung 113
– Übungsbeispiele 381
– präoperative Behandlungsphase 312 Karpaltunnel 195
– Behandlungsrichtlinien 374
– Aktivitäten 313 Karpaltunnelsyndrom 176, 177, 180, 195
– Belastungsstabilität 377
– diadynamische Stromformen 312 Keloide 222
– Biomechanik 374
– Elektotherapie 312 Kennmuskeln 80
– Pathologie 374
– Hochlagern 312 Kernstabilität (Core stability) 73
444 Sachverzeichnis
20 Minischrauben 156
Mittelstandphase 327
N.-radialis-Verletzung 142
N.-ulnaris-Kompressionssyndrom 158
136
– Vorbereitung und Schulung von Aktivitä-
Mobile bearing-Prothesen 307 N. axillaris/Plexus brachialis 111 ten 137
21 Mobilisation 4 N. radialis 147
447
Sachverzeichnis
– Mikroreplantation 201 – grundsätzliches Vorgehen 121 – Verbesserung der Funktion der Hüftge-
21 – operative 201
– Behandlungsrichtlinien 201
– Akromioplastik 122
– Konsolidierungsphase 122
lenkmuskulatur unter Berücksichtigung
des Befundes: Ausdauer, Kraft, Koordina-
– physiotherapeutische Behandlung 202 – Proliferationsphase 122 tion 273
22 – therapeutische Maßnahmen 201
Repositionsmanöver 110
– Komplikationen 121
– therapeutische Maßnahmen 120
– Vorbereitung und Schulung von Aktivitä-
ten, Gehschulung 273
Resektion des Radiusköpfchens 156 – Übungsbeispiele 122 – Behandlungsrichtlinien 262
3 resorbierbare Biofixstifte 128 – Ursachen 120 – Belastungsstabilität 267
Retinaculum flexorum 176, 180 – charakteristische Symptome/Leitsymptome
Revaskularisierung 9 262
4 reversed Kleinert-Schiene 214
S – Einteilung 262
reversed Kleinert-Schienenbehandlung 215 – Gesamtproblematik bei geriatrischen Pati-
reziprokes Gehmuster 289 »Stop and go«-Technik 160, 162 enten 269
5 Rhythmische Stabilisation (Rhythmic Stabiliza- Sach-Fuß 391 – Aktivitäten des Alltags 269
tion) 429 SAL-Knie 307 – ganzheitlichen Therapie 269
Ringfixateur 53 Sarmiento-Brace 142 – geistige Situation 269
6 Rippenfrakturen 100 Scarextractor 210, 211 – psychische Situation 269
– ärztliche Behandlung 100 Schaarschuch-Entspannungstechnik 162 – Richtlinien für den Umgang mit geriatri-
Schalenprothese 400
7 – einzelne Rippenfrakturen 100
– konservatives Vorgehen 100 Schanzkrawatte 76
schen Patienten 269
– Selbständigkeit 269
– Rippenserienfraktur 100 Scharschuch-Haase 96 – grundsätzliches Vorgehen 271
8 – Atembefund 100
– Behandlungsrichtlinien 100
Schenkelhalsfraktur 262, 263, 264
– ärztliche Behandlung 262
– Gesichtspunkte der Behandlung 271
– ICF-Dokumentation 278
– charakteristische Symptome/Leitsymptome – Anforderungen an die Osteosynthese – Komplikationen 269
9 100 265
– konservatives/operatives Vorgehen 262
– Patientenbeispiel 277
– Komplikationen 100 – physiotherapeutische Behandlung 268
– physiotherapeutische Behandlung 100 – konservatives Vorgehen 265 – therapeutische Maßnahmen 262
10 – therapeutische Maßnahmen 100 – operatives Vorgehen 262 – Übungsbeispiele 275
– Ursachen 100 – AMIS-Endoprothesen 262 – Konsolidierungsphase 276
Rizarthrose 199, 200 – Duokopfprothese 262 – Proliferationsphase 275
11 Rockwood 122 – dynamische Hüftschrauben 262 – Vollbelastung 277
Rolando-Fraktur 200 – Endoprothese 262 – Außenrotation des betroffenen Beins
Rollgleitmechanismus 298 – instabile Frakturen 262 277
12 Rollstuhl 400 – kanülierte Spongiosaschrauben 262 – Hinken 277
Röntgenaufnahme, gehaltene 359 – Krückstockprothese 262 – Körpergewicht liegt auf der gesunden
– Langschaftprothese 262
13 Röntgenbestrahlung 56
Röntgenzeichen bei fibulotalarer Bandruptur – Osteosyntheseverfahren 262
Seite und zu weit hinten 277
– Korrekturen von Geh- und Haltungs-
359 – Spongiosaschrauben oder kanülisierte fehlern 277
14 Ruhestellung der Hand 194
Ruhigstellung 217
Schrauben 262
– Totalendoprothese 262
– Patient übernimmt kein Gewicht 277
– positives Trendelenburg-Zeichen
Ruhigstellungsorthese 307 – Variokopfprothese 262 (Duchenne-Hinken) 277
15 Rumpfachsenstabilisation 346 – Verbundosteosynthese 262
– Y-Nagel 262
– vorgebeugte Haltung, Kopf nach
Rumpfkontrolle 324 unten 277
Ruptur der Rotatorenmanschette 120 – Befundaufnahme 277 – Ursachen 262
16 – ärztliche Behandlung 120 – Befunderhebung 270 Schmerzbeurteilung 312
– arthroskopische Operation 121 – Behandlungsmöglichkeiten 271 Schmerzcharakteristik 44
– Konservatives/operatives Vorgehen 120 – Aufbau der Muskelspannung zur Siche- Schmerzmediatoren 8
17 – mini-open-repair 121 rung der Fraktur 272 Schmerzpumpe 45
– offene Operation 121 – Dekubitusprophylaxe 271 Schmerztherapie 16, 43, 230, 313, 411
– Befunderhebung 121 – Erhalten der nicht betroffenen Arm- und – Beteiligung des sympathischen Nervensy-
18 – Drop-Armtest 121 Beinfunktionen 272 stems 44
– M.-subscapularis-Test 121 – Lagerung und Patiententransfer 271 – Clinical Reasoning 44
– Mobilisation der Knie- und Sprunggelen-
19 – M.-supraspinatus-Test nach Jobe 121
– Test des M. infraspinatus 121 ke 272
– Maßnahmen zur Schmerzreduzierung 45
– aktives, assistives und passives Bewegen
– Behandlungsmöglichkeiten 121 – Pneumonie- und Thromboseprophylaxe 46
271
20 – Behandlungsrichtlinien 120
– charakteristische Symptome/Leitsymptome – Unterstützung des Heilungsprozesses
– ärztliche Behandlung 45
– physiotherapeutische Behandlung 45
120 271 – Schmerzentstehung 43
21 – Schmerzleitung zum Gehirn 44
451
Sachverzeichnis
14 Teilmeniskektomie 321
TELOS-Gerät 366
Total Gym 89
Training des Stumpfes, sensomotorisches 390
– Charakteristische Symptome/Leitsymptome
169
TELOS-Halteapparat 366 Traktion 4, 161, 172 – grundsätzliches Vorgehen 172
15 Tenolyse 212 – Längszug einer Extremität 4 – Gesichtspunkte der Behandlung 172
– Übersicht 172
Test nach Yergason 135 Transkutane Elektrische Nervenstimulation
Testverfahren 321 (TENS) 47, 227 – isoliert 168
16 – Abduktions-Adduktions-Test 321 translatorische Gleitbewegungen 324 – kombiniert 168
– Apley-Kompressionstest 321 translatorisches Gleiten 232 – Komplikationen 171
– ergänzende Befunde 322 Transplantation 329 – therapeutische Maßnahmen 169
17 – Aktivitäten 322 Transplantation des 2. Zehs als linker Daumen – Übungsbeispiele 173
– Beinachsenkontrolle 322 202 – Proliferationsphase 173
– Ganganalyse 322 traumatische Schleimbeutelverletzung 329 – Umbauphase (8–12 Wochen postopera-
18 – McMurray-Test 322 – Bursektomie 329 tiv) 174
– Steinmann-I-Zeichen 321 – Frühmobilisierung 329 – Unterarmfraktur 169
– Typ I–III 169
19 – Steinmann-II-Zeichen 321
– Steinmann-Test 321
– offene Verletzung 329
– operatives Vorgehen 329 – Ursachen 169
Theraband 313, 314, 427 traumatisches Karpaltunnelsyndrom 176 Unterarmknochen 168
Unterarmschaftfraktur 171
20 thermoplastische Fingerschiene 224
thorakolumbaler Übergang 74
trimalleoläre Fraktur 355
Trochanterabtrennung 268 Unterschenkelamputation 396, 397
Thoraxabduktionsgips 124 Trümmer- oder Stückfrakturen 283 Unterschenkelfrakturen 340
21 Thrombose 329 Trümmerfraktur 132 – ärztliche Behandlung 340
453
Sachverzeichnis
– aufgebohrter Verriegelungsnagel 343 kontralaterale Muskelarbeit gegen Verletzung der A. iliaca interna 252
– Belastungsstabilität 343 Widerstand 349 Verletzung der sensiblen Nerven 217
– Bewegungsstabilität 343 – charakteristische Symptome/Leitsymptome Verletzungen an der Hand 192
– Diagnostik 340 340 Verletzungen des Streckapparates
– konservatives/operatives Vorgehen 340 – Einteilung 340 – Behandlungsrichtlinien 329
– Nachbehandlung bei konservativer – grundsätzliches Vorgehen 345 – konservativ 329
Behandlung 343 – Gesichtspunkte der Behandlung 345 – operativ 329
– Plattenosteosynthese 343 – Komplikationen 344 – Teilrupturen 329
– retrograder Marknagel 343 – physiotherapeutische Behandlung 344 – charakteristische Symptome/Leitsymptome
– Röntgenaufnahmen 340 – Techniken 329
– unaufgebohrter Marknagel 343 – Besonderheiten bei der Behandlung einer – physiotherapeutische Maßnahmen 329
– Unterschenkelschaftfrakturen 340 Unterschenkelfraktur nach N.-peroneus- – therapeutische Maßnahmen 329
– Antibiotikum 340 profundus-Parese – komplette Risse 329
– aufgebohrter UTN-Nagel 340 – Overflow der statischen Spannung von – konservativ 329
– Fixateur externe 340 proximalen synergistisch wirkenden – operativ 329
– Infektionsschutz 340 Muskelketten 349 – Teilrupturen 329
– Korrekturosteotomien 340 – therapeutische Maßnahmen 340 – Ursachen 329
– Trümmerfrakturen 340 – Übungsbeispiele 349 Verletzungen und typische Erkrankungen an
– unaufgebohrter Marknagel (UTN) 340 – Konsolidierungsphase (nach 6 Wochen) der Hand 192
– Vollbelastung 343 350 – allgemeine charakteristische Symptome/
– Befunderhebung 344 – Proliferationsphase 349 Leitsymptome 192
– Behandlungsmöglichkeiten 345 – Ursachen 340 – Allgemeines über Biomechanik 192
– Erhalten der Muskulatur der nicht betrof- Unterschenkeltrümmerfraktur 342 – allgemeine Ursachen 192
fenen Extremitäten 347 unterstütztes Gehen 5 – ärztliche Behandlung 195
– Gehschulung 348 – Drei-Punkte-Gang 5 – Befunderhebung 196
– Mobilisationd des Kniegelenks 346 – Durchschwunggang 5 – Behandlungsmöglichkeiten 197
– Mobilisation der Sprunggelenke (bei – Zuschwunggang 5 – Gesichtspunkte der Behandlung 197
distalen Tibiafrakturen) 346 – Zwei-Punkte-Gang 5 – Behandlungsrichtlinien 192
– Schulung sportspezifischer Aktivitäten – Biomechanik 192
349 – Greifformen 192
– Techniken 346, 347
V – Grobgriffe 194
– betonte Bewegungsfolge in den Dosie- – Haken- oder Tragegriff 194
rungsstufen: aktiv, gegen die Schwere, Vacoped-Schiene 62, 360, 386 – Kraftgriffe 193
gegen Führungskontakt oder gegen Variokopfprothesen 268 – lumbrikaler Griff 193
angepassten Widerstand 346 Variostabil 360 – Präzisionsgriffe 193
– betonte Bewegungsfolge mit wech- VAS-Skala 21 – Schlüssel- oder Klemmgriff 193
selndem Drehpunkt (Kniegelenk) in vegetatives System 46 – Strukturen der Hand 194
PNF-Mustern 347 Velpeau-Aufnahme 132 – Einteilung 192
– Bewegen – Halten in allen Variationen Venendruckpunkte 43 – Komplikationen 195
346, 347 Verbrennung 4. Grades 222 – therapeutische Maßnahmen 192
– dynamische Umkehr 347 Verbrennungen 221 verriegelte Stellung 6
– Endstellung 346 – ärztliche Behandlung 221 Verriegelungsnagel 282, 341, 412, 413
– stabilisierende Umkehr 346, 347 – operatives Vorgehen 221 Verstärkungstechniken 363
– Verstärkungstechniken 346 – Befunderhebung 222 Vibrator 210
– Verbesserung der Durchblutung 345 – Behandlungsmöglichkeiten 222 Vier-Punkte-Stand mit Theraband (Larsen) 379
– Vorbereiten und Schulen von Aktivitäten, – Gesichtspunkte der Behandlung 222 Virchow-Trias 51
Gehschulung 347 – Behandlungsrichtlinien 221 visuelle Kontrolle 82
– Wiederherstellung des Muskelspan- – charakteristische Symptome/Leitsymptome vitale Pseudarthrose 55
nungsgleichgewichts am Unterschenkel 221 Volkmann-Dreieck 355, 415
345 – Einteilung 221 Volkmann-Kontraktur 50, 51
– Behandlungsrichtlinien 340 – Komplikationen 222 – charakteristische Symptome/Leitsymptome
– Besonderheiten bei der Behandlung einer – therapeutische Maßnahmen 221 51
Unterschenkelfraktur nach N.-peroneus-pro- – Ursachen 221 vordere Beckenringverletzungen 239
fundus-Parese 349 Verbundosteosynthese 133, 343 vordere Kreuzbandplastik 310
– Techniken 349 Verbundosteosynthesen 267 vorderes Kreuzband 298, 308
– Halten von Positionen 349 Verhalten der Kollateralbänder bei Bewegung Vorfuß 401
– Setzen von Kontraktionshilfen, z.B. des oberen Sprunggelenks 357
Eisabreiben, Muskelherausgreifen, Verkürzungsosteotomie 178
Streichen über die Hautregion, Verletzung der A. iliaca externa 252
454 Sachverzeichnis