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01 Zeichenlehre Grundlagen
01 Zeichenlehre Grundlagen
9 783960 570509
Erschienen als Band 01 in der Reihe Innenraumplanung
Prof. Dr. Natascha Meuser, Architektin BDA/DWB,
geboren 1967 in Erlangen. Professorin an der Zeichenlehre für Architekten
Hochs chule Anhalt, Lehrgebiet Innenraumplanung.
Studium in Rosenheim (Innenarchitektur) und in Entwurf und Gestalt
Chicago am Illinois Institute of Technology (Architek-
tur). Promot ion an der Technischen Universität Berlin. WS 2015/2016
Zahlreiche Publikationen im Bereich Darstellungsme-
thodik und Zeichenlehre für Architekten sowie
bauhistorische Forschungen zum Thema
Architektur und Zoologie.
Einführung
Analoge Zeichengeräte 9
Übung 01
Punkt und Linie 31
Übung 02
Vom Naturbild zur Abstraktion 43
Übung 03
Licht und Farbe 57
Übung 04
Komposition und Raum 67
Übung 05
Geometrie und Raum 85
Übung 06
Mensch und Raum 89
Übung 07
Perspektive und Raum 95
Vorwort
Der zeichnende Architekt – das war über Jahrhunderte so tautolo- Wahrnehmung des Studierenden und sollen sich im Laufe der Aus-
gisch wie der backende Bäcker oder der gärtnernde Gärtner. Den- bildung zu den Grundlagen von konstruktiven Ideen entwickeln,
noch muss man das vorliegende Kompendium heute mit dem Hin- die im besten Falle realisiert werden, mitunter aber auch nur zur
weis beginnen, dass die Zeichenlehre für Architekten keineswegs Abstraktion einer Idee oder Veranschaulichung eines Entwurfs die-
ein Nebenfach ist. Die Darstellungsmethodik, auch als Methodik nen. Über das Medium Zeichnung präsentiert die Zunft Geplantes,
der Raum- und Körperdarstellung bezeichnet, spielt im zeitgenössi- Gebautes und Vision gebliebenes Ungebautes. In einem digitalen
schen Tätigkeitsfeld des Architekten eine große Rolle – wieder. Wäh- Zeitalter, dessen virtuelle Räume die Grenzen zwischen Bild und
rend sich in der Nachkriegszeit die Architekturdarstellung mehr Realität auflösen, ist die Gefahr groß, sich einer faszinierenden
und mehr zum Konstruktionsplan entwickelte und ihre Funktion Technik ohne Maß für Gefühl und Schönheit hinzugeben. Machen
als baukünstlerische Präsentation verlor, lässt sich aktuell eine ge- wir uns nichts vor: Ob in der Antike, in der Renaissance oder in der
genläufige Tendenz erkennen. Aufwendige Perspektiven und Archi- digitalen Ära – auch das ungeübte Auge erkennt die Qualität einer
tekturpräsentationen sind ein wesentliches Element, wenn es dar- schönen Zeichnung.
um geht, die Auftragslage des Architekten zu sichern. Doch wie bei
vielen Spezialisierungen findet im kleinkörnig differenzierten Feld Unbestritten eröffnet sich mit den neuen Medien und Zeichentech-
des Architektenberufs auch hier ein professionelles »Outsourcing« niken eine noch ungeahnte Vielfalt an neuen Denk- und Kreativi-
statt. Das heißt, der entwerfende Architekt ist nicht zugleich der tätsfeldern. Doch die dafür nötigen technischen Hilfsmittel müssen
zeichnende Architekt. Die Autoren Burelli und Philipp gehen dieser erarbeitet werden. Es führt kein Weg vorbei an klassischer Architek-
Frage in unterschiedlicher Weise nach. Doch es bleibt festzustellen, turtheorie mit ihrem Kanon an Bautypologien und dem systemati-
dass die Architekturzeichnung neben der praktischen Anweisung schen Nachdenken über die vom Menschen gestaltete Umwelt, mit
für den Bauherrn auch eine ästhetische Qualität haben muss, die ihren architekturhistorischen Herleitungen und der Veranschauli-
im Einklang mit der Qualität der Architektur steht. In erster Linie chung von Architektur anhand von Architekturzeichnungen. Denn
widmet sich dieses Buch der Geschichte der Architekturzeichnung, die technische Zeichnung bleibt auch weiterhin praktische Grund-
um dann der Frage nachzugehen, welchen Stellenwert sie heute ein- lage und Kommunikationsmedium des Architekten, des Künstlers
nimmt und welche Parameter für die Ausbildung eines Architekten und des Ingenieurs. Für diese Berufe ist es deshalb unabdingbar,
unverzichtbar und von Bedeutungsind. die Methoden und Werkzeuge dieser Darstellungsform ebenso zu
kennen wie ihre Geschichte und die größeren architekturtheoreti-
Von jeher beginnt die Ausbildung eines jeden Architekten mit dem schen Zusammenhänge. Bei der Darstellung von Architektur sind
Sehen lernen. Das Eintauchen in die Geschichte der Architektur- folgende Teilbereiche wichtig: Zeichen-, Farben- und Proportions-
darstellung ist ein integraler Bestandteil beinahe jeder Architek- lehre, räumliches Denken und Perspektive. Dieses Buch widmet
turtheorie. Denn über das Bild und die Zeichnung werden selbst sich den Darstellungsmöglichkeiten sowie der zeitgenössischen
für den Laien theoretische Zusammenhänge im wahrsten Sinne Praxis der Architekturpräsentation. Daher werden Proportions-
des Wortes anschaulich. So finden Punkt und Linie Einzug in die und Farbenlehre nur in Teilaspekten behandelt.
6 7
Analoge Zeichengeräte
8 9
Winkeldreieck, verstellbar Radierschablone
(a) Verstellbare Winkeldreiecke können auf allen Zeichenplatten (h) Mit der Radierschablone können technische Zeichnungen ziel-
bzw. auf jedem Arbeitsuntergrund eingesetzt werden. Die hohe genau und präzise korrigiert werden. Mit dem Radiergummi wird
Winkeleinstellgenauigkeit ermöglicht präzise, winkelgerechte über die zu ändernde Stelle der Zeichnung radiert.
Zeichnungen.
Zirkel
Geometriedreieck (i) Der Stechzirkel dient zur Einstellung und zum Abtragen häufig
j h
(b) Das rechtwinklige, gleichschenklige Geometriedreieck (Geo- sich wiederholender Maße, während mit dem Zirkel Kreise und Bö-
dreieck) gibt es in verschiedenen Größen. Das Dreieck ist eine Kom- gen in Blei, Tusche oder Farbe geschlagen werden können.
bination aus Lineal und Winkelmesser.
Axonograph und Kreisschablone
Kurvenlineale (k) Die Kreisschablone und der Axonograph (k) sind wichtige Hilfs-
(c) Mit diesen Linealen können Krümmungen, Kurven, Ellipsen, geräte für das Zeichnen von räumlichen Darstellungen in Dimetrie
Parabeln und Hyperbeln gezeichnet werden. Es wird zwischen bieg- oder Isometrie.
samen und unbiegsamen Kuvenlinealen unterschieden. Für Tu- a
schezeichnungen haben diese Lineale spezielle Kanten. b Klebeband
(c.1) Burmester-Schablonen k (l) Das beigefarbene, leicht gekreppte Klebeband dient zum Fixie-
(c.2) Biegsames Kurvenlineal aus Gummi oder Kunststoff ren des Papiers und lässt sich sauber und rückstandsfrei wieder ab-
c ziehen.
Dreikantmaßstab
(d) Der Dreikantmaßstab, Dreikant oder Prismenmaßstab ist ein Skizzenbuch
etwa 30 cm langes, im Querschnitt sternförmiges Lineal mit sechs Skizzenbücher sind in allen gängigen Größen und Papierqualitäten
verschiedenen Maßstabsskalen. Je nach Anwendung gibt es diverse l erhältlich. Im Skizzenbuch können jederzeit Gedanken und flüchti-
d
Maßstabskombinationen und Maßeinheiten. ge Momentaufnahmen festgehalten werden.
Zeichenbesen Skizzenpapier
(e) Der Zeichenbesen ist ein unentbehrliches Hilfsmittel bei der m (m) Weiße und naturweiße Skizzenpapiere mit matten und rauen
Erstellung technischer Zeichnungen mit dem Bleistift. Er dient Oberflächen sind in allen gängigen Block- und Bogenformaten er-
dazu, Radierspäne und Graphitstaub zu entfernen. Der Besen sollte hältlich. Mit einem Papiergewicht von 80 bis 250 g/qm bieten die Pa-
besonders feine und weiche Borsten haben, damit die Linien beim piere einen optimalen Malgrund für die jeweiligen Anwendungen.
Kehren nicht verwischen. Die gute Lichtdurchlässigkeit macht das Transparentpapier vielsei-
e tig verwendbar. Vor allem für schnelle Entwürfe und Scribbles ist
Werkzeuge zum Radieren und Spitzen das dünne Transparentpapier (40 bis 60 g/qm) im Rollenformat ein
(f.1) Bleistiftspitzer geduldiger Träger von Zeichnungen und Ideen und kann immer
f
(f.2) Minenspitzer wieder zum Durchpausen übereinandergelegt werden. Ein weite-
(f.3) Für das Zeichnen mit Blei ist ein weicher Radiergummi erfor- rer Vorzug des stabilen, aber leichten Materials ist, dass man es als
derlich, für Tuschezeichnungen werden harte Gummis oder Radier- Schutzpapier für Kunstwerke und Fotografien verwenden kann. Das
stifte verwendet. Papier eignet sich zum Arbeiten mit Kohle-, Grafit- und Farbstiften,
Tinten und Tuschen.
10 Einführung 11
Zeichenbleistift aus Holz
Bleistifte aus Holz sind meist sechskantig, liegen gut in der Hand
und rollen nicht fort. Gut ist ein Bleistift, wenn er sich einwand-
frei anspitzen lässt, wenn er einen gleichmäßigen radierfähigen
Strich zieht und wenn die Mine eine hohe Festigkeit gegen Abbre-
chen hat. Zum Vorzeichnen und für raues Papier eignen sich här-
tere Bleistifte. Zum Nachziehen und für glatteres Papier hingegen
werden weichere Bleistifte gewählt. Minen werden in verschiedenen
Härtestufen hergestellt und sind durch die Buchstaben B, F oder
H gekennzeichnet. Der Härtegrad wird gemäß den englischen Be-
zeichnungen – und von weich nach hart – mit den Kürzeln B (black),
HB (hard-black), F (firm) und H (hard) angegeben, wobei die B- und
H-Varianten zusätzlich durch Ziffern von 2 bis 9 klassifiziert sind
(je höher die Ziffer, desto weicher bzw. härter die Mine).
Feinminenstift
Feinminenstifte sind Druckbleistifte, die ein Bündel von Blei-
minen enthalten, die in gebräuchlichsten Stärken von 0,2 bis Beim Bleistiftzeichnen sind gut gespitzte Bleistifte unent-
1,18 mm erhältlich sind und mittels einer Klemmzange in ei- behrlich. Auch ist auf die Führung des Stiftes zu achten.
ner Führung gehalten werden. Zum Vorzeichnen und für
Schraffuren kommen vorwiegend Stifte mit härteren Minen
(2 H und H) oder zum Nachzeichnen mit weicheren Minen
(F, HB und B) zum Einsatz.
Fallminenstift
Im Gegensatz zum Feinminenstift verwendet der Fallminenstift Handhabung von Zeichengeräten
normale Bleistiftminen, die ebenfalls mittels einer Klemmzange in
Tipp Beim schnellen Skizzieren liegt der Stift (h) lang und locker zwischen
einer Führung gehalten werden. Den Fallminenstift gibt es als Mi- Daumen, Zeige- und Mittelfinger und endet in der Hohlhand. Die
nenhalter für auswechselbare Bleiminen von 2 mm bis zu 5,6 mm Durch Druck, der auf einen Stift und die
Führung des Zeichengeräts erfolgt vom Handgelenk aus bis zur Be-
Dicke. Der Härtegrad der Mine sollte individuell nach Linienart und Mine ausgeführt wird, lässt sich teiligung des ganzen Armes, der nicht aufgestützt wird.
die Linienbreite beeinflussen.
Papierqualität gewählt werden.
Beim Ziehen wird der Stift langsam um Zeichengeräte wie Zeichenkohle, Pastell oder Rötel (j) für gröbere
seine Achse gedreht, sodass ein gleich-
Vollminen-Grafitstift mäßiger Strich entsteht. Auch die Art Striche und Schraffuren werden zwischen Daumen und den übrigen
Als Vollminenstift wird die Grafitkreide in Stiftform bezeich- und Weise der Schrägstellung des Stif- vier Fingern gehalten.
tes beeinflusst die Zeichenlinie.
net. Hierbei handelt es sich um einen Vollminenstift ohne
Je rauer das Papier, umso
Holzummantelung. Die Oberfläche des Stiftes ist lackiert, um die Ähnlich wie beim Schreiben werden Federn, feine Stifte und Pinsel
härter sollte der Bleistift sein.
Hände vor Verschmutzung zu schützen. Durch leichtes bzw. kräfti- (k) nur von Daumen, Zeige- und Mittelfinger gehalten. Für Zeich-
ges Aufdrücken beim Zeichnen lassen sich die unterschiedlichsten nungen auf Transparentpapier eignen sich 2 H- oder 3 H-Minen, auf
Grautöne erzeugen – ideal für kontrastreiches Zeichnen. Zeichenpapier oder Zeichenkarton H-, F- oder HB-Minen.
12 Einführung 13
Digitale Zeichenwerkzeuge haben sich in den vergangenen Jahren 0.25
0.5
Marker
Schattierungen und Effekte können mit sogenannten Rendering-
werkzeugen wie Markern erzielt werden. Layoutmarker eignen sich
für Freihandzeichnungen oder zur grafischen Ausarbeitung von
Zeichnungen. Die Marker aus dem Kunstfachhandel gibt es in vie-
len Variationen, Farben und Transparenzgraden. Je nach Anwen-
dung und Zeichenart können die Stifte vielfältig eingesetzt werden.
Die transparenten Farb- oder Tonwertschichten können dabei über- Zeichnungen: Meuser (für das Magazin Cicero)
einandergelagert werden.
14 Einführung 15
Papiere und Formate Zeichenblattformate und Blattfaltung
Die DIN 6771-6 regelt das Format von Zeichenblättern und deren
Beschriftung im Schriftfeld. Bei den Blattgrößen nach DIN ist zwi-
schen unbeschnittenem Blatt, besschnittener Zeichnung und Zei-
chenfläche zu unterscheiden. Zur Begrenzung der Zeichenfläche ist,
vom Endformat ausgehend gemessen, ein Rand vorzusehen. Der
5
Papiere und Zeichenblätter Format beschnitten unbeschnitten Untrimmed drawing sheet (untrimmed size) Schriftfeld-Abstand vom Rand der Zeichnung beträgt:
Bei der Auswahl des Papiers ist auf die Stärke und Oberflächenbe- (mm) (mm) Trimmed drawing sheet (trimmed size) bei den Formaten A0 bis A3: 10 mm
19
schaffenheit zu achten. Angeraute Oberflächen eignen sich mehr DIN A0 841 × 1189 880 × 1230 bei den Formaten A4 bis A6: 5 mm
für Bleisstiftzeichnungen, glatte für das Zeichnen mit Tusche. Zei- DIN A1 594 × 841 625 × 880 Title block
chenkarton in feiner Qualität sollte weiß, glatt, griffig und vor allem 420 × 594 450 × 625
max.
29.2 x 18.5
In der DIN 824 wird das Falten von Zeichnungen angegeben. Ver-
DIN A2
radierfest sein. vielfältigungen von Originalzeichnungen werden zum Beispiel für
29.7
DIN A3 297 × 420 330 × 450
Skizzenpapier Bauvorlagen oder zur Archivierung auf DIN-A4-Format gefaltet und
2 18.5 5
in Rollen oder Bogen erhältlich DIN A4 210 × 297 240 × 330 abgelegt. Die in einem Ordner abgelegten Zeichnungen sollen so in
5
Papiergewicht: 20 bis 40 g/qm DIN A5 148 × 210 165 × 240 einem gehefteten Zustand mühelos gefaltet und entfaltet werden
DIN A6 105 × 148 120 × 165
können.
Zeichenpapier Die erste Falte (inkl. Heftrand) muss 21 cm breit sein.
29.7
wird aus Zellstoff gefertigt, in Rollen oder Bogenware in den DIN A2 DIN A0 Das Schriftfeld befindet sich immer auf der Deckseite.
420 x 594 841 x 1189
DIN-Formaten A4 / A3 / A2 / A1 / A0; Papiergewicht: 60 bis 110 g/qm (Sheet) (Sheet)
DIN A4 DIN A3 Der Heftrand für die Lochung beträgt 20 mm.
21 42 Der linke Blattrand ist min. 50 mm von Darstellungen
y=
x∙
Halbkarton und Aufschriften freizuhalten.
√
2
d
Kartonbezeichnung für den Gewichtsbereich zwischen 120 und Faltmarkierungen erleichtern das Falten.
l
Fo
2.
DIN A4 DIN A3 A2
841 x 1189
170 g/qm; DIN A4 / A3 / A2 / A1 / A0 210 x 297
(Quarter sheet)
297 x 420
(Half sheet)
1. Fold
3. Fold
Schriftfeld nach EN ISO 7200
DIN A5
Karton Das Schriftfeld befindet sich stets in Leserichtung auf der Deckseite
DIN A2
liegt im Flächengewicht zwischen Papier und Pappe (einlagig / 21 Remaining 19
am unteren Rand der gefalteten Zeichnung. Die Schriftfelder kön-
mehrlagig); DIN A4 / A3 / A2 / A1 / A0; Papiergewicht ab 150 g/qm Fold
nen an individuelle Bedürfnisse angepasst werden. Die Breite sollte
185 mm betragen, die Höhe sowie die Aufteilung, Spaltenbreite und
ld
Millimeterpapier die Anzahl der Zeilen sind beliebig.
2. Fo
C D
17 x 22 22 x 34
Papier mit rechtwinkligem Gitternetz mit einer Maschenweite (Broadsheet) (Broadsheet)
1. Fold
5. Fold
4. Fold
3. Fold
Isometrieblock A B
Dokumentenart (z. B. Genehmigungsplanung, Detailplan)
Papier mit 30°-Linieneinteilung für maßstabgerechte, parallelpers- 8½ x 11
(Letter)
11 x 7
(Ledger, Tabloid) DIN A1 Planverfasser (Architekt, Ingenieur)
pektivische Darstellungen; Papierformate: DIN A4 / A3 21 Remaining 19 19 Ersteller
Fold
E Genehmigte Personen (z. B. Architekt)
34 x 44
Transparentpapier (Broadsheet)
Sachnummer
ist ein durchscheinendes Papier in Rollen oder Bogen, das zum Abschnitts- / Blattnummer
Durchzeichnen geeignet ist. Papiergewicht: 40, 80, 115 g/qm Ausgabedatum
16 Einführung 17
Zwischen Wahrnehmung und Ausdruck
Zehn Übungen zum Freihandzeichnen
Einführung 19
für das Abbild von Schönheit in der Architektur bedeutet und der Basis eines »geschummelten« Renderings. Waren die Bal-
ob man heute allen Ernstes noch eine Lanze für das Zeichnen kone nun in Stahlbeton geplant oder nur in Stahl mit hellem
mit der Hand brechen kann. Denn dieser aus dem berufsprak- Anstrich?
tischen Bewusstsein schwindenden Fertigkeit ist das vorliegen- Mit dem Computer, und das wird vielleicht am liebsten ver-
de Buch gewidmet. Die Handzeichnung, so scheint es, ist das drängt, hat der Architekt nicht nur ein praktisches Werkzeug
Relikt der Vergangenheit. Doch gehört dem mittels Computer am Arbeitsplatz installiert, sondern einen Entwurfsverfasser,
generierten Bild deshalb die Zukunft? dessen Schöpfertum im Wortsinn unheimlich ist. Er übersetzt
Angesichts der technischen Möglichkeiten, die moderne Ent- die unglaublichsten Fantasien in statisch realisierbare, durch-
wurfs- und Visualisierungsprogramme bieten, mag das Ansin- kalkulierte Ausführungsplanungen, ist imstande, auf kleinste
nen dieser Publikation liebenswert anachronistisch erschei- Änderungswünsche zu reagieren, und spuckt auf Knopfdruck
nen. Denn welcher Architekt würde heute auf die Idee kommen, ein fotorealistisches Bild dessen aus, was noch nicht einmal im
seinem Bauherrn ein getuschtes Fassadendetail oder eine mit Kopf des Architekten richtig Gestalt angenommen hat. Da fällt
Bleistift gezeichnete Perspektive zu präsentieren? Auftraggeber es leicht zu ignorieren, dass dieses scheinbar kreativ begab-
erwarten von Planern oft schon zu Beginn des Entwurfspro- te Computergehirn eine Maschine ist, die so ähnlich wie der
zesses pixel-perfekte Visualisierungen, die auch beim zweiten Rechner der eingangs erwähnten Schönheitsforscher funktio-
Blick nicht so schnell von einer Fotografie unterschieden wer- niert: Das, was aus dem Drucker kommt, ist das Ergebnis von
den können. Und noch bevor die Baugrube ausgehoben ist, hat komplex verschalteten, seelenlosen Rechenprogrammen. Dass
eine virtuelle Idee bereits die Wirkmacht einer handfesten Rea- dieser Unbeseeltheit ausgerechnet mit dem gleichen Instru-
lität, an der sich alles bemisst, was dann – ganz reell – im Bau- ment abgeholfenwird, muss man fast als Paradoxon begreifen,
prozess entsteht. Nicht selten macht sich später Enttäuschung schließlich bedeutet »Animation« nichts anderes als ein leblo-
breit, wenn das eine oder andere Detail nach der Fertigstellung ses Ding mit Seele und Leben zu erfüllen – die im Falle einer
eben doch nicht der anfänglichen Visualisierung entspricht. möglichst wirklichkeitsgetreuen, vielleicht sogar bewegten
Mitunter entfachen sich langwierige Rechtsstreitigkeiten auf Visualisierung durch die unbeirrbaren, unsichtbaren und nicht
20 Einführung 21
nachvollziehbaren Rechenprozesse auf einer Computerplati- lernen. Strukturen, Proportionen, Kubaturen, Licht, Schatten –
ne erledigt wird. Die Avatare der Computerspiele bewohnen es galt, die Welt allein mit dem analytischen Blick in ihre Ein-
Räume, die nicht viel anders aussehen als die Standard-CAD- zelteile zu zerlegen, nur um sie dann auf dem Papier wieder zu-
Ware, mit denen Architekten heute Projektentwickler, Bauträ- sammenzusetzen. Um das zu können, müssen sowohl Auge als
ger, Bauherren und Preisgerichte in Wettbewerbsverfahren auch Zeichenhand geschult werden.
überzeugen müssen. Wie das spielerisch und intuitiv geschehen kann, hat mein Zei-
chenlehrer Heinrich Pittner verstanden: »Was zählt, ist nicht
Eine Präzision, die das Denken tötet das Wissen, sondern die Inspiration.« Seine Lehrmethoden ba-
sierten auf klaren Prinzipien. Er war nicht nur Lehrer, sondern
Wer in Entwürfen für Häuser und Räume nach Seele sucht, wird auch ein poetischer Künstler mit philosophischen Gedanken,
bei den bunten, animierten Digital-Veduten jedenfalls nicht der mit einfachen Übungen die Komplexität der Architektur ver-
fündig. Ihre nach täuschender Echtheit strebende Perfektion mitteln konnte. Den Studenten gab er das Gefühl, dass jeder ein
mag beeindrucken, doch es ist eben jene künstlich erzeugte Künstler und Architekt werden kann. Diese Leidenschaft für die
Vollkommenheit, die den Ab-Bildern alles Ungefähre nimmt, Architekturausbildung habe ich dann erst wieder in Chicago bei
mit dem die Fantasie und das Vorstellungsvermögen des Be- Alfred Caldwell gespürt, der am Illinois Institute of Technology
trachters herausgefordert werden könnten. Drastisch formu- den Ruf eines legendären Lehrers hatte. Seine Kurse waren
liert könnte man sagen, dass Architekten, die sich nur noch auf allein schon durch seine Persönlichkeit eine Bereicherung.
die Gestaltungskompetenz eines Rechners verlassen, das ver- »Die Individualität der Architektur basiert immer auf persönli-
kümmern lassen, was früher eine Kernkompetenz ihres Berufs- chen Erfahrungen.«
tands war: die schöpferische Verbindung zwischen Auge, Kopf Pittners didaktischem Vorgehen ist das folgende Kapitel ge-
und Hand. Sie fand von jeher ihren Ausdruck in Skizzen, Zeich- widmet, das in sieben Schritten die Grundlagen der architek-
nungen, Entwürfen und schließlich Plänen. Wer Architekt wer- tonischen Freihandzeichnung vermitteln soll. Die Reihenfol-
den wollte, musste zunächst mit dem Stift im Anschlag sehen ge der einzelnen Übungen ist austauschbar und keinesfalls
22 Einführung 23
erschöpfend. Vielmehr geht es darum, den interessierten zu geben, sind allein noch kein Garant für eine überzeugende
Leser oder angehenden Architekten in eines der kreativsten Darstellung. Allein durch die Wahl des Mediums – angefangen
Fächer der Baukunst einzuführen. Begnadete Zeichner mögen vom 6 B-Bleistift über den Tuschestift bis zum Aquarellpinsel –
mit den Übungen an ihre eigene Ausbildung erinnert werden. ist noch keine gute Architektur entstanden. Es bedarf eines
Und eine Gewissheit bestätigt wissen: Mit seiner Zeichnung Grundverständnisses von Proportionen, Perspektiven, Formen
tritt der Architekt zum ersten Mal als Schöpfer hervor – er hat und Farbe.Wer das beherrscht, der hat die Verbindung von Au-
seiner ureigenen Idee damit ohne Hilfe von Computerpro- gen, Kopf und Hand an unzähligen Details, Gebäuden oder
grammen einen sichtbaren Ausdruck verliehen. Und diese Idee Orten geschult – ist mit seinen Sinnen also durch verschiede-
ist dank der, wie viele sagen werden, altmodischen Bildtech- ne Baukulturen, architekturhistorische Epochen und Baustile
nik als Entwurf, mithin als immaterielle Grundlage für jede gewandert. Und er hat dabei auf eine höchst praktische Weise
weitere Planung, erkennbar. Ein Wirklichkeitsanspruch wird gelernt, dass sie alle aufeinander aufbauen, Traditionen auf-
sich aus einer Zeichnung ebenso wenig ableiten lassen wie nehmen und weiterentwickeln und durch den jeweils eigenen
eine Haftungsforderung. Denn eine Zeichnung will in die- Blick und die eigenen Ideen der beteiligten Baumeister distink-
sem Zusammenhang und zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht te Bauwerke hervorgebracht haben.
das Abbild einer Realität sein, sie kann nur einer Idee Gel- Das ist das Wesen der Architektur: Sie entsteht nur höchst
tung verschaffen. Eine Entscheidung, die nur der Zeichner tref- selten im leeren Raum, sondern vielmehr im Kontext von Ver-
fen kann schiedenartigkeit, Vielfalt und Differenz. Der architektonische
Mit der Architekturzeichnung verhält es sich wie mit einer Raum kommt ohne seine kantigen Ränder nicht aus. Mit dem
Fotokamera. Ein auch noch so gutes Modell mit den neuesten Strich des Zeichners muss er gebändigt, in Form gebracht werden.
technischen Errungenschaften befähigt seinen Besitzer noch Das setzt voraus, dass dieser sich den Raum im Kopf vorstel-
lange nicht dazu, ausdrucksstarke Motive zu komponieren oder len kann und weiß, wie er ihm seine Proportion, Struktur und
einzufangen. Die technischen Hilfsmittel, um einer architekto Schönheit wird geben können. Die notwendigen Entscheidun-
nischen beziehungsweise einer Entwurfsidee eine erste Fassung gen kann nur der Architekt treffen.
24 Einführung 25
1
gesehen, viel verstanden und viel reproduziert hat, der kann sich
auch mehr ausdenken und sich – bildlich gesprochen – für seine 1 Yihui Zhao
raumbildnerische Vorstellungskraft aus einer reich gefüllten Spei- 2 Fabian Teichert
sekammer bedienen. 3 Axel Deuer
26 Einleitung 27
»Wer zeichnend die gebaute Umwelt Sieben Übungen
erkundet, der erlebt ihre Vielfalt anders und
vielleicht mit mehr Respekt als jemand, der
sich nicht vorhandene Räume nur noch mit
Hilfe des Computer vorstellen kann. «
Natascha Meuser
Übung 01
Punkt und Linie 31
Übung 02
Vom Naturbild zur Abstraktion 43
Übung 03
Licht und Farbe 57
Übung 04
Komposition und Raum 67
Übung 05
Geometrie und Raum 85
Übung 06
Mensch und Raum 89
Übung 07
Perspektive und Raum 95
29
»Architektur sollte teilhaben an Zeichnen Übung 1
und Bildhauerei, an Entwerfen und Formen. Punkt und Linie
Heute hat sich der Ingenieur die Architektur
zum größten Teil unter den Nagel gerissen
und ihr alles Leben ausgetrieben.«
Sir Yehudi Menuhin
Janet Landwehr
31
1 2
Fabian Teichert
1 Axel Deuer
2 Yihui Zhao
3 Sebastian Grauvogel
3
6
7
1 Philipp Gribl
2/3/4 Luba Emelanov
5 Yen Nguyen Nu Hong
6 Dennis Henninges
7 Kushtrim Alijaj
2 8 Sebastian Grauvogel 8
5
4
1 Yihui Zhao
2/3 Felicitas Taut
4 Sebastian Grauvogel
5 Axel Deuer
6 Mengze Zhang
7 Janet Landwehr
Fritz Winter
43
2
1 Fabian Teichert
1 2 Johannes Weidmann
1 Janet Landwehr
1 2/3 Mengze Zhang
2/3
1/2/3 Yihui Zhao
4 Martin Hundeshagen
5 6
2
1/2 Luba Emelanov
3/4 Johannes Weidmann
5/6 Maria-Luisa Günther
7/8 Lu Chen
9 Philipp Gribl
10 Dennis Henninges
7 8
Fritz Winter
Axel Deuer
57
Tip
Zhao Znochen
Fotos: Natascha Meuser
1 Lena Jaehn
2 Kushtrim Alijaj
63
1 Kushtrim Alijaj
2 Felicitas Taut
65
»Aber, wenn man nicht immer ein Gefühl hat, Übung 4
was dann?« Komposition und Raum
Henri Matisse
Janet Landwehr
67
Gülsüm Kunat
72 73
Martin Hundeshagen
74 75
Maria Günther
Johannes Weidmann
Fabian Teichert
Galileo Galilei
85
Fabian Teichert
Naum Gab0
Fabian Teichert
89
Kushtrim Alijaj
Fabian Teichert
Fabian Teichert
Foto: Radek Brunecky Luba Emelanow
Natscha Meuser
Fabian Teichert
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Gülsüm Kunar Johannes Weidmann
Lu Chen
Philipp Gribl
Leitung
Prof. Dr. Natascha Meuser
Lektorat
Uta Keil
Druck
Zeitdruck Berlin