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Forderung in Hníehung jeder Erkenntnis gehörig brauchten, und dorh


dieíe Kriterien des Denkens unbehutfamer Weiie
zu Eigenfchaften der Dinge an [ich felbit mad›ten.«
(B 113«-114.) Man íieht hier fehr deutlich, wie fidı der Sinn des
Husdrud<s »tranizendentah wandelt aus einem dem Sein als folchen
zugehörigen Charakter in ein Kriterium des Denkens. Der Llnter-
ichied der »qualitativen Einheit« gegenüber den Kategorien ift jedoch
in gewiífem Sinn immer noch der zwiichen formal und material,
wobei mit material gemeint ift, daß die Möglichkeit der Gegenftände
in Frage fteht, während formal ohne Hníehen des Gegenitandes
bedeutet. In der Tat muß der analytiidie Verftandesgebraudı ja
auch mit getroffen werden und diefer ift ja unabhängig von der
Möglichkeit irgend eines Gegenftandes.
Von hier aus führt nun Kants Gedankengang weiter zur »ur-
iprünglich-iynthetiidven Einheit der fipperzeption,
die felbft erft die analytiiche Einheit des Verftandes
möglidı macht.« Sie ift »der höchfte Punkt, an dem man allen
Verftandesgebrauch, ja felbft die ganze Logik und, nach ihr, die
Tranizendental-Philoiophie heften muß, ja di e fe s V e r m ö g e n
ift d er Verftand felbft». (B133 Hnm., HK 109 Hnm., Z. 35-38.)
Dieie íynthetiiche Einheit des Bewußtieins ift die Bedingung »unter
der jede Hnfdvauung ftehen muß, um fü r mich Objekt zu werdem.
Denn alle m ein e Vorftellungen müfien unter der Bedingung ftehen,
»unter der ich iie allein als m ein e Voritellungen zu dem identi-
fchen Selbft rechnen« und allo »als in einer Hpperzeption iynthetiich
verbunden, durda den allgemeinen Husdruck 'Ich d e n k e' zufammen-
faiíen kann., g
Man könnte denken, mit dieier höchften formalen Spige fei nun
ein weientlich univeríaler Charakter jeder Erkenntnis iiberhaupt
erreidvt. Hber Kant tagt: Dieier Grundiag ift, trog feiner unver-
meidlichen Geltung als erftes Prinzip des m e n f du li ch e n Verftandes,
dennoch nicht jedem Verftande überhaupt zu eigen. »Derjenige
Verftand, durch deíien Selbftbewußtíein zugleich das Mannichfaltige
der Hnfchauung gegeben würde, ein Verftand, durch deffen
Vorftellung zugleidı die Objekte dieier Vorftellung
e xi fti e r t e n , würde einen befonderen Flktus der Syntheiis des
Mannichfaltigen zu der Einheit des Bewußtíeins nicht bedürfen, deren
der menichliche Verftand, der bloß denkt, nicht anidvaut, bedarf«1.
(B 138 -139.)
1) Vgl. dazu die weitere Stelle in §' 21. (B 145.): die Kategorien, hätten
für einen Verftand, »der felbft aníchauete, wie etwa ein göttlicher, der nicht
[743] Mathenıatifche Exiftenz. 303

Es ift alfo nach Kant der ganze Gedanke der Einheit der
Hpperzeption überhaupt nur finnvoll, weil unfer Verftand nicht an-
fdvauend ift. Weil der Menfdv als Gefcböpf (ens creatum) nidwt
fchöpferifch ift (fondern nur Gott), deshalb hat er einen lediglidv
denkenden Verftand und damit Einheit der Hpperzeption, um
das ihm gegebene, nicht von ihm aus einheitlichem Grunde
hervorgebrachte, zerftreute Mannigfaltige zu verbinden. Hlfo auch
hier wieder derfelbe, uns genugfam bekannte ontologifche Grund»
gedanke an entfcheidender Stelle!
Damit ift die Idee des unum transcendens nicht bloß ins Sub-
jektive, fondern fogar ins Hnthropologifche gewandt, das einheits-
bildende Prinzip kommt nidvt dem Seienden felbft, auch nicht dem
Erkennen überhaupt, fondern der Erkenntnisfunktion des Menfchen,
bzw. höchftens des gefchaffenen endlichen Vernunftwefens über-=
haupt zu. P
Damit ift aber die Möglichkeit, eine »rein fynthetifche« llniverfal-
mathematik aus der näheren Explikation des unum transcendens
oder feines bezugsmäßigen (»fubjektiven«, d. h. genauer noetifchen)
Korrelats zu gewinnen,abgefchnitten. Sogar die fynthetifche oberfte
Einheit des Verftandes ift relativ auf das endliche denkende
Wefen (die Kategorieen im befonderen fogar relativ auf den Men»
fchen, vgl. transc. Deduktion § 21 Schluß; B 145--146, HK 116,
23-29) alfo nicht univerfales Prinzip des Seienden oder korrelativ
feiner Erkenntnis felbft.
Hber das ift noch nicht Hlles. Man könnte immerhin annehmen,
die reinen Verftandesbegriffe - und a fortiori eine etwaige for-
male Explikation der reinen Synthefis der Hpperzeptíon überhaupt
in eine univerfabmathematifche Bezugsmannigfaltigkeit - erftreckten
fich »auf Gegenftände der Ffnfchauung überhaupt, fie mag
der unferen ähnlich fein oder nidıt, wenn fie nur finnlich
und nicht intellektuell ift«. (B 148.) Das gäbe dann wenigftens eine
für alle endlichen Vernunftwefen gültige fynthetifche
Llniverfal-Mathematik, die über Zeit und Raum hinausreichte (wenn
auch natürlich Gottes Llnendlichkeit ihr unerreichbar bliebe). Fiber in
Wahrheit erhielte man bloße »leere Begriffe von Objektem, über deren
Möglichkeit wir nicht urteilen können, »bloße Gedankenformen ohne
objektive Realität«, weil wir keine Hnfchauung zur Hand haben,
auf welche die fynthetifche Einheit der Hpperzeption, weldve jene
gegebene Gegenftände iich vorftellte, fondern durch deffen Vorftellung die
Gegenftände felbft zugleich gegeben oder hervorgebracht würdem, keine
Bedeutung. so
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alle i n enthalten, angewandt werden und fo einen Gegenftana be-
ftimmen könnten.« - »Llnfere finnliche und empirifche Hnfchauung
kann ihnen allein Sinn und Bedeutung verfchaffen-. (B 148--149.)
Wie in dem Hbfchnitt »Von dem Grunde der Llnterfcheidung aller
Gegenftände überhaupt in Phaenomena und Noumena« ausführlich
dargelegt wird, entfpricht der ifoliert, ohne Sinnlichkeit genommenen
Synthefis des Verftandes »der tranfzendentale Gegenftand d. i. der
gänzlich unbeftimmte Gedanke von etwas überhaupt«-. (H 253.) Diefes
»tranfzendentale Objekt« bedeutet aber »ein Etwas =x, wovon wir gar
nichts wiffen, noch überhaupt . . . wiffen können, fondern welches nur
als ein Korrelatum der Einheit der Hpperzeption des
Mannichfaltigen in der finnlichen Finfchauung dienen
ka nn , vermittels deren der Verftand dasfelbe in dem Begriff eines
Gegenftandes vereinigt« (H 250.) Wir werden verleitet, »den g an z
u n b e fti m m t e n Begriff von einem Verftandeswefen als einem
Etwas überhaupt außer unferer Sinnlichkeit« (d. i. »ein Noumenon
im negativen Verítande<<) «für einen beftimmten Begriff von
einem Wefen, welches wir durch den Verftand auf einige Hrt er-
kennen können« (d. i. »ein Noumenon im pofitiven Verftande«) »zu
halten«. (B 307.) Die Konfequenz der Hufdeckung diefer Ver-
wechslung ift der Zufammenbruch der traditionellen
f o rm ale n O n t o lo gie: »Der ftolze Name einer Ontologie, welche
fich anmaßt, von Dingen überhaupt fynthetifche Er-
kenntníffe a pri ori in einer fyftematifchen Doktrin
zu geben . . ., muß dem befcheidenen einer bloßen Hnalytik des
reinen Verftandes Plag machen-, (B 303.) 1
Der Hnhang zum Hbfchnitt über Phänomena und Noumena
»von der Hmphibolie der Reflexionsbegriffe«, befonders die Fin-
merkung dazu, gibt in Konfequenz der gefchilderten Hblehnung des
Noumenons im pofitiven Verftande eine Kritik der L e i bn i z fchen
Philofophie: ». . . L eibniz intellektuierte die Erfcheinungen,
fo wie L o ck e die Verftandsbegriffe . . . fenfifiziert hatte«. »Hnftatt im
Verftande und in der Sinnlichkeit zwei ganz verfchiedene Quellen von
Vorftellungen zu fuchen, die aber nur in V e r k n ü p f u n g objektiv
gültig von Dingen urteilen können, hielt fich jeder der beiden

1) »Wir haben einen Verftand, der ñd› p r o b l e m a t i f ch weiter erftredrt


als die Sphäre der Erfdıeinungen, aber keine ñnfchauung, j a a u ch ni ch t
einmal den Begriff von einer möglichen Hnfchauung, wo-
durch uns außer dem Feld der Sinnlichkeit Id. i. unferer in e n f ch li ch e n Sinn-
lichkeit in Raum und Zeit!] Gegenftände gegeben und der Verftand über
di efelbe hinaus affertorifdı gebraucht werden könne« (B 310). --
[745] Mathematifche Exiftenz. 305

großen Männer nur an eine von beiden, diefich ihrer Meinung nach
unmittelbar auf die Dinge an fich bezöge, indeffen daß die andere
nichts that, als die Vorftellungen der erften zu verwirren oder zu
ordnen«. (B 327.) »In Ermangelung einer tranfzendentalen Logik..
wurde L eib n i z »durch die Hmphibolie der Reflexionsbegriffe hinter-
gangen«. Der fundamentalen Täufchung der tranfzendentalen Refle-
xion (››überlegung«) unterlag er, »weil er der Sinnlichkeit keine
eigene Hrt der Hnfchauung zugeftand, fondern alle, felbft die em»
pirifche Vorftellung der Gegenftände im Verftande fuchte, und den
Sinnen nichts als das verächtlidve Geichäft ließ, die Vorftellungen
des erfteren zu verwirren und zu verunftalten«. (B 332.)
Das ift nun freilich, fo wie wir die Sache heute íehen, ein arges
Mißverftändnis L e i b ni ze ns. Denn diefer meint doch nicht, daß die
Sinne als d e ftrukti ves Moment die Vorftellungen des Verftandes
verunftalten, fondern er fieht auch in der primitivften, rohften Sinn-
lichkeit ein Hnalogon, eine Repräfentation der klarften göttlichen
Ideenwelt, ein myftifdøes Einsfein und Teilhaben mit dem Göttlichen;
alfo ift das Sinnliche wohl eine unvermeidliche Trübung, die aber
doch die Wefensgleichheit von Geichöpf und Schöpfer in der Tiefe
nicht aufheben kann. Hber das Mißverftändnis ift fehr charakteriftifch
für Kants Grundanfchaung, die jeder Myftik als »Schwärmerei-
durchaus abhold ift und fie für überheblich halten muß.
So führt auch die genauere Verfolgung der Möglichkeit einer
rein fynthetifchen Mathefis universalis auf keinem der einzufchla-
genden Wege zum Ziel; fie zeigt aber die Grundhaltung, die Kant
gegenüber Descartes und Leibniz einnimmt, nunmehr in
voller Deutlichkeit.
Kant ift der ganzen tiefen Struktur feiner Philofophie nach
»Intuitionift-= und darin D e s c a r t e s verwandter als dem »rationalen
Myftiker» L e i b n i z. Denn auch D e s c arte s lehrt die ftändige und
radikale Hbhängigkeit der endlidven Subftanz von Gott und die abfolute
Befdvränktheit der menfchlichen Erkenntnis bezüglich des Llnendlicben.
(S. o. S. 273.) Hber darin find wiederum alle drei abendländifchen
Philofophen einig, daß die Idee eines infinitum absolutum möglidı ift, -
im Gegenfag zur Hntike (ñriftoteles). Hierin ift freilich Kant
am fkeptifchften, indem er fowohl die kosmologifche Idee der Totalität
wie die theologifche Idee des transzendentalen Ideals für »ver-
nünftelnd« und ohne konftitutive Bedeutung erklärt: aber er unter-
fcheidet iehr fein zwifchen ens imaginaríum, ens rationis und nihil
negativum (B 347 f.) Das ens imaginarium ift die reine Hnfcbauungs-
form Raum und Zeit, ohne Subftanz und wirklichen Gegenftand darin,
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d. h. alfo die Domäne der rein intuitiven Mathematik. t


ens rationis ift der leere widerfpruchslofe Begrifii, dem keine
fdıauung entfpricht, das »Gedankending-« (bloße Erdichtı
obzwar nicht widerfprechende) und das nihil negativum das »I
dingfi, das dem Möglichen entgegengefegt ift, indem fein Beç
fogar fich felbft aufhebt. Beides find leere Begriffe, aber verfc
dener Hrt.
Diefe Begriffsbildung ift von iehr aktueller Bedeutung, d
Hilb er t benugt fie im Grunde zu feiner Interpretation der form:
Mathematik. Die Gegenftände der Hilb ertfchen Metamathematik (¬
der Brouwerfchen intuitiven Mathematik) find entia imagina
die der Hilb e rt fchen formalen Mathematik entia rationis; was
Widerfpruchsfreiheitsbeweis ausfchließen foll, ift das nihil negativi
Fiber freilich ift diefes ens rationis beftenfalls eine Idee, deren rı
Möglichkeit dahinfteht. Es ift alfo vom K anti fchen Standpunkt
nidvt einzufehen, wie 1-[ilberts entia rationis phyfikalifche Re
täten erklären können, gemäß der Idee einer »fymbolifchen Mai
matik«, welche Idee freilich gar nidıt an K an t, fondern an der g
verfchiedenen Grundauffaffung von Leibniz orientiert iftı. --
Mit K a nt verliert bereits die fchöpferifche Mathematik die F
lung mit der Philofophie. Nach ihm fegt eine tiefe Entfremdı
zwifchen den führenden Philofophen und der Mathematik ein.
Philofophie der Mathematik verödet und notgedrungen zimm
1) Vgl. K ants Bemerkung in der Kritik des ontologifchen Got
beweifes: (B 624 Hnm.) »Der Begriff ift allemal möglich, wenn er fich n
widerfpricht. Das ift das logifche Merkmal der Möglichkeit und dadurch v
fein Gegenftand vom nihil negativum unterfchieden. Hllein er kann nic
deftoweniger ein leerer Begriff fein, wenn die objektive Realität der E
thefıs, dadurch der Begriff erzeugt wird, nicht befonders dargetan W
welches aber jederzeit . . . auf Prinzipien ınöglicher Erfahrung und n
auf dem Grundfag der Hnalyfis (dem Sage des Widerfpruths) beruht. E
ift eine Warnung, von der Möglichkeit der Begri
(logifche) nicht fofort auf die Möglichkeit-der Dinge (rea
zu fchließen.- - Huf die Ideenlehre Kants (für die vor allem auch
»Kritik der Llrteilskraft« heranzuziehen wäre) kann hier, wo. die »fymboli
Erkenntnis« nicht zum eigentlichen Thema der Unterfuchung gehört, n
näher eingegangen werden. Vielleicht würden ñch doch auch politive
ziebungen zwifdıen I-iilberts Huffaffung des Fiktual-llnendlichen als ei
»Idee-= und K ants »regulativem Gebrauch« der Ideen finden laffen. Frei
darf man nie vergeffen, weldı' tiefer Gegenfag zwifchen I-Ii lb e r ts Wi cl.
fpruchsfreiheitsbeweis und Kants Lehre von den kosmologifc
F1 n t i n o m i e n klafft. -- K a n t s Definition des «tranfz. Ideals« als »omnit1
realitatis- (B 599if.) bedeutet zwar die Einführung des Hktuabllnendlid
aber diefer Begriff ift m athem atif ch für K ant nicht relevant.
[747] Mathematifche Exiftenz. 307

fich die pofitiven Mathematiker die »logifchen Grundlagen« ihrer


Wiffenfchaft zurecht, fo gut es eben geht. Zwar fucht Ri em ann an
Herb art und G. Cantor an Leibniz und an mittelalterlichen
Theologen eine Stüge, aber tiefgreifend find die Beziehungen nicht.
H u f f e rls »Philofophie der Hrithmetik« bedeutet eine entfchiedene
Wendung zum Intuitionismus, d. h. ungewollt zu K a n t; F r e g e be-
kämpft den Pfychologismus in der Logik, ohne daß jedoch eine ge-
fdıloffene philofophifche Stellung fichtbar würde; Ruf fell verteidigt
den mathematifdven Exiftentialabfolutismus auf Grund des plato-
nifierenden Begriffsrealismus von G. E. M oo r e, der feinerfeits Mo-
tive der alten platonifierenden >>Schule von Cambridge« wiederauf-
zunehmen fcheint. Der Neukantianismus Natorps ift mit feiner
eigentümlichen Vermifchung »intuitioniftifcher-= und »exiftential-abfolu-›
tiftifcher- Hnfichten im Grunde nie red›t fruchtbar geworden und ohne
wirkliche Fühlung mit den logifchen Nöten der pofitiven Forfchung
geblieben. Hilbert verfucht fich, wie wir fahen, mit recht zweifel-
haftem Recht auf Kant zu ftügen; Weyl, in feiner legten Phafe,
nähert' fich, merkwürdigerweife über Fichte und wohl auch
Sdvelling, deutlich wieder Leibniz.
Soll in Zukunft die Philofophie der Mathematik als folche,
d. h. in einem über eine pofitiviftifche >>Grundlagenforfchung- hinaus-
gehenden Sinne, fich wieder vertiefen, fo wird fie fich auf den
großen Gegenfag Leibniz-Kant befinnen und die keineswegs
ausgeglichenen Spannungen diefes Gegenfages zur treibenden Kraft
weiteren fachlichen Fortfchreitens machen müffen.

IV. Syftematifche Erörterung der Frage nach dem


Seinsfinn des Mathematifchen.
(Hbfchließende Bemerkungen über die g e g e n w ä r t i g e Problemlage.)
überblickt man die in den vorangehenden fibfchnitten ent-
wickelte hiftorifche Orientierung in ihrer Gefamtheit, fo tritt eine
in der antiken und der abendländifchen geiftesgefchichtlíchen ,Ent-
wicklung merkwürdig analoge große Linie im Wandel der philo-
fophifchen Deutung des Mathematifchen zutage, die man kurz be-
zeichnen könnte als den Übergang von der mathematifchen Myftik
zur Kritik. Entgegen der heute vielfach üblichen Hnfchauung (die
die Marburger Neukantianer aufbrathten) muß man nämlich
unter den vier großen von uns betrachteten Philofophen Plato
mit Leibniz und Hriftoteles mit Kant in fachlicher Hinficht
zufammenftellen, wenn es fich um mathematifch-philofophifche Pro-
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bleme handelt. Plato und Leibniz beginnen beide alsofıen-


kundige mathematifche Myftiker, fie find beide »Pythagoreer«1; fie
enden dann beide damit, dem Mathematifchen eine beftimmende
Rolle im Hufbau der Welt zuzufchreiben, es f y mb ol i ich die meta-
phyfifch-ontologifche Struktur darftellen zu laffen. Beide haben fie
die Mikrokosmosidee, die Umformung der alten magifchen Idee der
univerfellen Sympathie in eine dem wachen (hiftorifch werdenden)
Bewußtfein erträgliche Form mit Hilfe des Mathematifchen: bei
Plato find vor allem die Zahlgeftalten in ihrer fyftematifchen Ent-
wicklung im diairetifchen Sdıema das Symbol des univerfalen Syn-
desmos (vgl. die Interpretation Stenzels); bei Leibniz ift
das Hbbildungsverhältnis zwifchen fymbolifchem Kalkül und dar-
geftellter mathematifcher Wefenheit das Schema der univerfalen
Repräfentationf. s
Das Mathematifche ift alfo beiden die Pforte zu tiefften meta-
phyfifchen Erkenntniffen, es kommt für fie aus dem Magifchen und
führt, zur Wiffenfchaft geworden, zu einer geläuterten Huffaffung
des Weltgrundes felbft. Hls Mathematiker wird der Menfch Gott
ähnlich, ftellt fich in die kosmifche Sympathie hinein, erhebt fich
fchauend gleichfam über feine endliche Sphäre.
firiftoteles und Kant find demgegenüber Kritiker,
nüchterne Ermahner, allen mythifchen Reminiszenzen und aller
>Schwärmerei« zu entfagen. Beide entkleiden die Mathematik ihrer
geheimnisvollen Bedeutung. Für beide ift die Mathematik eine ab»
ftrakte, nicht das zentrale Wefen der Dinge treffende Betrachtungs-
weife. (Nach Hriftoteles betrachtet fie das Nichtgetrennte als
Getrenntes (rå oå zaxwgıoμáva zexwgıaμäva), nach Kant gibt fie
»für fich keine Erkenntnis-f. Eigentliche Erkenntnis geht bei beiden
auf Wirkliches.) - Der Mathematiker bleibt endlicher Menfch, jeder
über das Phänomenal-Hufweisbare hinausgehende llnendlichkeits-
begriff wird ftreng abgewiefen. Die »Kritiker< find »Intuitioniften«,
alfo, trog des Namens das gerade Gegenteil myftifcher »Seher«. -
1) Ich meine hiermit e ch t e Pythagoreer, die man als primitive Philo-
fophen der Mathematik vor P l a t o notwendig vorausfegen muß, wenn auch
der » f o g e n a n n t e Pythagoreer « H r ch yt a s nicht zu ihnen gehört, der
vielmehr die kritifch-poñtiviftifche Richtung des E u d o x o s, :M en ai ch m o s
und fchließlich H r i ft o t e l e s eröffnet. (S. o. S. 199, Hnm. 3.)
2) Vgl. die Thefe W alter Feilch enfelds , »der Barockbau... der
L eib ni z fchen Metaphyñk fei ein großartiger Verfuch, »die Begriffswelt des
neuplatonifch-myftifchen Syftems der geiftigen Struktur eines
theoretifch-mathematifd› denkenden Menfchen kommenfurabel zu madven-=.
(Zitiert nach M ah nkıe, L.'s Synthefe ufw. S. 74.)
[749] Mathematifche Exiftenz. 309

Die Gefchichte fcheint alfo zu lehren, daß nur zwei große phi-
lofophifche Stellungnahmen zur Mathematik möglich find, die ein»
ander auch nicht endgültig ablöfen. Denn am Ende der fintike, im
Neuplatonismus, fetjt fich die mythifch-metaphyfifche Deutung der
Mathematik wieder durch, bei allem Beftreben, die Errungenfchaften
der inzwifchen reich entwickelten pofitiven mathematifchen Wiffen-
fchaft zu bewahren. (P rokl os.) Vielleicht erleben wir heute etwas
ähnliches, jedenfalls ift es fehr zweifelhaft, ob fich Brouwers
ftrenger Intuitionismus, der, philofophifch gefehen, durchaus a rift o-
telifch-kantifches Erbe im beften Sinn ift, in der Gegenwart
wird behaupten können 1.
Wir find alfo heute, in »fyftematifcher« Hinficht, vor die Huf-
gabe geftellt, zwifchen mathematifchem Symbolismus und Kritizismus
zu entfcheiden bzw., wenn möglich, ihre fachlich der Kritik ftand-
haltende Synthefe zu vollziehen. Die in den vorangehenden Unter-
fuchungen erreichten Ergebniffe müffen auf die Ebene diefer welt-
hiftojrifdven Problematik projiziert werden.

Wendet man fich mit phänomenologifchen Methoden


diefer fiufgabe zu, fo wird die weitere Llnterfuchung fogleich von
demphänomenologifchen Grundprinzip derfiusweis-
barkeit aller »wahren« Phänomene beftimmt.
Diefes Prinzip des Zugangs, der möglichen originären
Gegebenheit, das auch (in gewiffem Sinne mit Recht) als das
»Prinzip des tranfzendentalen Idealismus« bezeichnet
zu werden pflegt, befteht in der Forderung, daß jedes echte Phä=›
nomen feinem eigenen Seinsfinn nach fich ausweifen müffe, für den,
dem feine adäquate Erfaffung gelingt, in einem Hkt oríginärer fin-
fchauung, deren Firt und Weife allerdings eine f p e zi fifch e ift und
fich nach der Natur der in Frage kommenden Gegenftändlichkeit
felbft richtet.
Wenn ein folcher adäquater Zugang auch nicht de facto für
jedes zufällige Subjekt immer hergeftellt werden kann, fo muß doch
eine folche ideale Variation der Bedingungen nicht bloß in abftracto
denkbar, fondern auch als konkrete Perfpektive erfaßbar fein, daß
es zur originären Gegebenheit des Phänomens kommt 2. (Dabei kann
fehr wohl diefe »ideale Variationsmöglichkeit« realiter völlig und für
immer ausgefchloffen fein. So gibt es fpeziñfche nur dem Kinde
den Wandel in den Fmñchten des früheren Intuitioniften Weyl:
Handbuch der Philofophie II H, S. 44, 13-18.
2) Vgl.Hufferl, »Ideen ufw.« § 47-48 (S. 87ff.) u. Ö.
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zugänglichen Phänomene. Der Erwachfene kann fich idealiter zum


Kinde zurückverwandelt denken, aber nicht wirklich wieder zum
Kinde werden und jene Phänomene wirklich haben. Ebenfo gibt
es nach Hnfidvt mancher heutigen Pfychologenl und auch Phänome-
nologeni gewiffe, für beftimmte Menfchentypen fpezififche Phänomene;
auch hier ift die Verwandlung des Menfchen eines anderen Typus
in den für ein vorgefchriebenes Phänomen als »Subjektivität-= not-
wendigen Typ realiter unmöglich.)
Das Prinzip der Husweisbarkeit ftellt nun offenbar den Phäno-
menologen in Fragen der Philofophie der Mathematik fofort in die
Reihe der Kritíziften, alfo an die Seite von Hriftoteles und
Kant und in Gegenfag zu Plato und Leibniz, befonders zu
dem legten. Denn der >mathematifche Myftiker« ftellt fich in einen
dem menfchlichen Verftande und der menfchlidıen Hnfchauung grund-
fäglich unzugänglichen übermenfchlichen, göttlichen oder kosmifchen,
»fympathetifchen-« Zufammenhang hinein (bei L e i b niz fehr deutlich
durch fein univerfelles Prinzip der »Repräfentatiom bezeichnet), der
dann in einer trog aller fcheinbaren Rationalität doch wefentlich
myftifch bleibenden Vifion erblickt wird. Wenn L e i b ni z der Mathe-
matik die »iymbolifche-= Erkenntnis in dem Sinne zuweift, daß fie
vermittels ihrer »fymbolifchen Charakteriftik« das Hktual-Llnendliche
(Tranfzendent-Transfinite) der göttlichen Ideenwelt gewiffermaßen
in feiner bloß potentielbunendlichen (immanent-finiten bzw. inde-
finiten) »Projektion-= erfaffen lehrt, fo liegt darin die Hnnahme einer
ununterbrochenen Kontinuität zwifchen endlichem und unendlichem
Wefen, welche Hnnahme aus dem Glauben an eine unio mystica
mit Gott legtlich ftammt. Dem nüchternen und wachen menfchlichen Be-
wußtfein (ontologifch gefagt: dem hi ft o ri ich e n menfchlichen Dafein)
ift eine derartige Perfpektive bis zu Gott hin unmöglich, - fofern
der traditionelle metaphyfifche Gottesbegriff des ens perfectissimum
aufredıt erhalten wird, der nur durch die Negation der dem
1) Vgl. z. B. E. R. J a enf ch, Über .pfycbifche Selektion, Hnhang. (Zeit-
fchrift für Pfychologie, Hbf. I, Bd. 98 (1926), bef. S. 201 ff.).
2) Sd» eler (Die Wiffensformen und die Gefellfchaft, Leipzig 1926, Vor-
wort): »Nicht die menfchliche 'Vernunft' ihrem formalften Wefen nach, die
den 'Menfchen' mitdefiniert, wohl aber das, was man ihre 'Organifation'
und ihr fubjektiwkategoriales Gefüge zu nennen pflegt, befindet iich im
Werden und in einer Entwicklung, die wahrfcheinlich Wachstum und Ver-
luft zugleich ift. Eine abfolute gefchichtliche K o n ft an z 'menfchlicher' Ver-
nunftformen und -Prinzipien, die der größte Teil aller bisherigen Erkenntnis-
theorie als unwandelbaren Gegenftand ihrer Forfchung naiv vorausgefegt
hat, ift nach der in diefem Buche vertretenen Hnñcht ein Id ol« (1. c. S. V).
[751] Matheınatifche Exiftenz. 311

Gefchöpf zukommenden endlichen, dem Menfchen allein zugänglichen


Eigenfchaften beftimmt wird. («Negative Theologie-=). Es ift aber
vom phänomenologifchen Gefichtspunkt aus auch noch eine andere
Interpretation des Begriffs des ens perfectissimum möglich. Man kann
nämlich Gott als »idealifierten Menfchen« faffen, ihm ein ideali-
iiertes menfchliches Erkenntnisvermögen zufchreiben ufw., kurz
ihn als den Limes definieren, dem fich der Menfch idealiter un-
begrenzt annähern kann. Es würde alfo dann »idealiter-= das Wort
der Schlange im Paradiefe gelten: »Eritis sicut Deus«-. Dief es
»ens perfectissimum« würde aber nicht das Fiktual-Llnendliche faffen
können, es würde nicht einmal das kleinfte »materielle Ding«, das
ja nach Hufferl in einem endlofen »Fluffe von Hfpekten« allein
gegeben werden und alfo wefensmäßig nie zu Ende gegeben
fein kann 1, mit einem Schlage g a n z erblicken können. Diefer p o fi -
tive Grenzbegriff, der im Grunde immanent ift oder höchftens
»am Rande« des Immanenten liegt, ift freilich nicht zu verwechfeln
mit dem alten aktual-unendlichen ››LIrwefen« (im Sinne des infinitum
absolutum, increatum sive aeternum). Der dem phänomenologi-
fchen Grenzbegriff zukommende Name ift alfo nicht »Gott-«, fondern
nur »Dämon«.
Man kann nun gegen L eib niz fagen, daß er »Gott« mit diefem
»Dämon« verwechfelt oder vielmehr, daß er in myftifcher, rational
nidøt mehr einfichtiger Weife vom dämonifchen zum göttlichen Wefen
den Übergang vollzieht; die Perfpektive öaufdas Dämonifche hin ift
dem Menfchen noch zugänglich, das dämonifche Wefen als Grenz-
begriff phänomenologifdı pofitiv aufweisbar, - die pofitive
Perfpektive auf Gott hin ift dem Menfchen verfchloffen: zwifchen
Dämon und Gott felbft klafft ein Hbgrund, den auch die Brücke der
Leibnizfchen Kontinuität nicht rechtmäßig überwölbt.
Kant bewährt gerade hier feine kritifche Nüchternheit. Der
unüberwindliche ñbftand zwifchen Gott und Menfch, Schöpfer und
Gefchöpf ift fein Grundprinzip, das (wie wir zeigten), die Grund-
ftruktñr feiner Erkenntnistheorie beftimmt: Die radikale LInterfd1ei~
dung von Verftand und Sinnlichkeit, abftraktem Denken und kon-
kreter Hnfchauung ift die F o l g e (aber kaum der LI r fp r un g) der
metaphyfifchen Differenz zwifchen intellectus archetypus und ectypus,

1) Vgl. Mahnke, Leibnizens Synthefe ufw., Seite 38 (Conturat), dazu


Hnm. 32 und 43; S. 130 (Heimfoeth). - Danach hat auch Leib ni z felbft der
››visio« Gottes nur ein überfchauen der unendlichen Begründungskette, nicht
aber deren (wefensmäßig unmögliche) E r f ch ö p fu n g zugefchrieben. - Vgl.
andrerfeits Huf ferl, »Ideen ufw.« § 43 (S. 78ff.).
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312 Oskar Becker. 752
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zwifchen intuitus originarius und derivativus: die »LIrbildlich.teıt«


und »lIrfprünglichkeit« 'entfpringen allein göttlicher Schöpferkraft.
Phänomenologifch handelt es fich um das Grundverhältnis von
leerer Intention und erfüllender Hnfchauung. Wohl ift die »Dunkel-
heit« der »verworrenen Vorftellung« mit ihrer »Leere«, ihrem
Mangel an »Hnfchauungsfülle« verwandt, aber doch ift beides nicht
dasfelbe. Die »verworrene Vorftellung« kann »klar und deutlich«
werden und d o ch le e r bleib en. Die völlig leere, grundfäglich un-
erfüllbare, weil auf anfchaulich Widerfinniges gehende In-
tention kann als Intention völlig widerfpruchsfrei, klar und deutlich
fein. So immer im Falle des materialen, nicht »formal-analyti-«
fchen« (H uf fe r l) Widerfinns, z. B. im Falle des Siebenflächners oder
regulären Taufendflächners (im dreidimenfionalen euklidifchen fin-
fchauungs=Raum). Umgekehrt kann eine ganz und gar erfüllte fin-
fchauung unbeftimmt und verwafchen, ihrem Wefen nach, fein,
z. B. beim Phänomen des unbeftimmten leifen Geräufchs, bei ge-
wiffen optifchen Phänomenen in fchlechter Beleuchtung, bei »dunklem
Gefühlsregungen aller Hrt (neurotifoher Hngft u. dgl.) ufw.
Man muß alfo Kant Recht geben, wenn er Verftand und Sinn-
lichkeit ihrem Wef en nach fcheidet und keinen kontinuierlichen
Übergang zwifchen ihnen zuläßt 1.
Was Leibniz zu feinem Glauben an eine folche Kontinuität
auf elementar-phänomenologifchem Gebiet? veranlaßte,
ift wohl die Tatfache, daß eine leere Intention fich ftetig immer
mehr, bis zur Fülle, mit Hnfchauung erfüllen kann. (Hufferl,
VI. logifche Llnterfuchung, I. Hbfchnitt.) Es handelt fich hier aber
keineswegs um einen Übergang von Intention zu Hnfchauung, bei
dem fich jene in diefe verwandelt, fondern um ein »Sich-Erfüllen«
der Intention, die als Intention deshalb nicht verfchwindet, fondern
fogar zumeift ihrerfeits beftimmter und prägnanter wird.
So erweift fich alfo die Kantifche Huffaffung der Leibniz-
fchen an Sdvärfe überlegen, was fich dann bewährt bei feinen onto-
logifchen Grundunterfcheidungen, die für die ontologifchen Probleme

1) Hierbei ift der Llnterfchied von Sinnlichkeit und Verftand (Hnfchauen


und Denken) dem zwifchen Erfüllung und Leerintention gleithgefegt; dasfelbe
gilt aber auch, wenn man den Gegenfag von finnlicher und kategorialer
Hnfchauung in Betracht zieht. (Vgl. Huf ferl, VI. logifcher Unterfuchung.)
2) Von den Phänomenen einer »natürlichen Symbolik« in
Sprache, Mythos ufw. ift hier nicht die Rede. Ob dort nicht die von Kant
vergebens gefuchte -gemeinfame Wurzel« von Verftand und Sinnlidıkeitzu
finden fei, bleibe dahingeftellt.
[753] Mathematifche Exiftenz. 313

der modernen Mathematik fo wichtig find. Das »Verftandesding-


(ens rationis), der leere, obzwar widerfpruchsfreie, alfo »logifch
mögliche Begriff« wird unterfd-ıieden vom »Llnding« (nihilnegativum),
das in fich widerfinnig ift. Das Tranfzendent-Transfinite (für das
man bei Kant als Beifpiel das »tranfzendentale Ideal« lPrototypon
transcendentale] nehmen kann) ift ein »leeres Ideal-, d. h. es ift
logifch möglich, aber nicht real möglich, was bedeutet, daß es zu
diefem Begriff keine möglidıe Hnfchauung gibt, auf die er angewandt
werden könnte, um »objektive« Bedeutung zu erlangen. fiber
trogdem ift die logifche Möglichkeit nicht nichts; das Fehlen (die
privatio) der fadwlichen Möglichkeit (die »Nicht-Möglichkeit«) ift nicht
gleichbedeutend mit der fachlichen Unmöglichkeit (der negatio der
Möglichkeit). Das »leere Ideal« ift alfo eine Hrt nihil privativum
bezüglich der realen theoretifchen Zugänglichkeit, aber kein nihil
negativum bezüglich jeder Zugänglichkeit. So ift es denn auch möglich,
daß Gott als praktifches Poftulat in der Ethik und als »Fiktion« in
der Teleologie der Natur wieder auftaucht. Kants theoretifche
Stellung (in der Kritik der reinen Vernunft) ift alfo äußerft vor-
fichtig und verbaut fidv keine Möglichkeit.
Der Standpunkt Huf f e rls ift vielleicht nicht ganz fo vorfichtig,
wie der kantifche. Die klaffifche Phänomenologie Hufferls fpricht
der leeren logifchen Möglichkeit (Widerfpruchsfreiheit) dadurch
jede wefentliche Bedeutung ab, daß fie die Thefe aufftellt: Ift
die Möglichkeit wirklich leer dem Wefen nach, d. h. prinzipiell
nicht und niemals anfchaulich zugänglich, dann enthält fie not-
wendig einen intuitiven (fei es nun formal-ontologifchen oder ma-
terialen) Widerfinn. Ift dies aber fo -» und es muß notwendig fo
fein, fofern allein originäre, erfüllte Intuition wahrhaftes Sein be-
gründet -- dann ift der wefenhaft leere, obzwar widerfpruchsfreie
Begriff in fachlicher Hinficht nicht bloß ein nihil privativum, fon-
dern ein nihil negativum, d. h. es kommt feine fachlidıe
Möglichkeit niemals und nirgends, auch nicht in »praktifchen« oder
»teleologifchen-= oder fonft welchen Zufammenhängen in Frage.
Diefe Stellungnahme folgt mit Notwendigkeit fchon aus Huf-
ferls äußerft radikaler Kritik des >>Pfychologismus« und »F1nthro-
pologismus« in den -»Logifchen Linterfuchungen« (I. Band). Denn
jene Kritik involviert zwei Konfequenzen:
1. Die »lIniformifierung« fämtlicher, »praktifd1er« wie »theore-
tifcher«, weltlicher wie religiöfer Zugangsweifen auf den formalen
Begriff der originären Finfchauung. Man kann alfo nicht
theoretifch die anfchauliche Erfaffung leugnen und fie »praktifch« als
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314 Oskar Becker. 754]
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»Poftulat-= wieder einführen. (Z. B. ift das kantifche Gefünı cer


»fichtung« vor dem Sittengefeg, phänomenologifch gefehen, eine
Weife des anfchaulichen originären Zugangsi)
2. Die ideale Kontinuität aller ideal möglichen Subjekte als
fpezififchen Träger der noetifchen Korrelate irgend welcher fachlich
möglichen Gegenftändlichkeiten. Keine fremde Subjektsart ift dem
Menfchen völlig tranfzendent. Darin liegt erft die radikale
fibleugnung jeglichen »F1nthropologismus«.
Beide Thefen find nur Konfequenzen des Grund-
prinzips der univerfalen Husweisbarkeit jeglichen
Phänomens, mit dem der Phänomenbegriff felbft -
zum mindeften innerhalb der »klaffifchen« Phänomenologie, wie fie
in Hufferls »Logifchen Llnterfuchungen« und -Ideen zu einer reinen
Phänomenologie« vorliegt -- fteht und fällt.
Man kann diefes Prinzip als das des tranfzendentalen
Idealismus bezeichnen. Denn es läßt nur folche Phänomene
und Gegenftändlichkeiten als möglich zu, die fich im »reinen Be-
wußtfein« konftituieren können. Lind der form ale Begriff »reines
Bewußtfein« befagt eben in konkreter Interpretation, daß alle denk-
baren Bewußtfeinsweifen idealiter kontinuierlich zufammenhängen
und alfo durch ide ale (wenn auch keineswegs immer real mögliche)
Variation aus der uns Menfchen faktifch bekannten Bewußtfeins-
weife gewonnen werden können.
Von hier aus läßt fich der Bewußtfeins- oder »Dafeins-begriff
der ›hermeneutifd1en Phänomenologie« Heideggers dadurch
erreichen, daß man einerfeits die in Frage kommende >>Subjektivität<<
(ıifvgpfi in weitem Sinn), die von Heidegger mit Da fein in
ontologifcher Hinficht bezeichnet wird 1, auf den Menfchen (und zwar
den Erwachfenen in unferer Kulturlage) einfchränkt, andererfeits
aber (mit Heidegger) diefe »objektiv« befchränkte Lebensform
als die ausgezeichnete, weil reichfte, die Möglichkeiten aller anderen
primitiveren Lebensformen in fich enthaltende, auffaßtg, fo daß nur
1) Vgl. Heidegger, »Sein und Zeit«, § 4, Seite 12: »Und weil die
Wefensbeftiınmung diefes Seienden [des Menfchen] nicht durch Hngabe eines
fachhaltigen Was vollzogen werden kann, fein Wefen vielmehr darin liegt,
daß es je fein Sein als feiniges zu fein hat, ift der Titel D afei n als reiner
Seinsausdruck diefes Seienden gewählt« .
2) H eide g g er, l. c. S. 13: ››Dem Dafein gehört nun aber gleichurfprüng-
lich . .. zu: ein Verftehen des Seins alles nicht dafeinsmäßigen Seienden.« -
Ferner vgl. den ganzen § 10, befonders Seite 49-50: »In der Ordnung des
möglichen Erfaffens und Huslegens ift die Biologie als >›Wiffenfchaft vom
Leben« in der Ontologie des Dafeins fundiert, wenn auch nicht ausfchließlich
[755] Mathematifche Exiftenz. 315

von ihr aus eine Interpretation anderer Weifen des Lebens über-
haupt möglich ift. Der Übergang von der »formalem Phänome-
nologie (Hufferl) zur »hermeneutifchen« (Heidegger) befteht
alfo in der Zufpigung des -reinen Bewußtfeins« zum »hiftorifchen
Dafein«; dies bedeutet eine Verengung, aber auch eine Konkreti-
fierung. In diefer Konkretion tritt das idealiftifche Moment der
formalen Phänomenologie ins Ontologifche gewendet noch deutlicher
hervor; »Ö ıjıvxıj 'rå Üvra zvcôg åatw (firíftøteles, de aníma Ill, 8;
431 b, 211.) Hlles Seiende gewinnt erft fein Sein durch das »tran-
fzendentale Sein«, das weientlich (menfchliches) Daf ein ift oder
eine teilweife Privation feiner.
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Llnfere eigenen mathematifch-ontologifchen Einzel-


int e r p r e t a tio n e n find nun, wie leicht erfichtlich, durchweg an
jenem »idealiftifchen« Prinzip der Husweisbarkeit und teilweife auch
an feiner konkreten Zufpigung im Sinne der hermeneutifchen
Phänomenologie (das hiftorifch-menfchliche -Dafein« ift das »tran-
fzendentale Sein«) orientiert.
Ein kurzer Rückblick wird dies zeigen:
Die Gegenüberftellung der beiden Definitionen mathematifcher
Exiftenz (§ 2) beruhte auf dem Gegenfag von Zugänglichkeit
(fiusweisbarkeit) und Widerfpruchsfreiheit (bloßer logifcher
Mögıiaıkeif).
Die Kritik der Hilbertfchen Neubegründung der Mathematik
(§ 3) zeigte, daß die rein formal-mathematifchen Gegenftändlich-
keiten im Gegenfag zu den »mathematifd'›en« Gebilden entia rationis,
in ihr. Leben ift _eine eigene Seinsart, aber wefenhaft nur zugänglich im
Dafein. Die Ontologie des Lebens vollzieht fich auf dem
Wege einer privaten Interpretation; fıe beftimmt das, was
fein muß, daß fo etwas wie Nur-noch-leben fein kann . . .«. Vgl. auch
l. c. S. 58, 65. 6 _
1) Vgl. H eideg ger, l. c. S. 14. - Über dasVerhältnis Hei deg g ers
zum Idealismus vgl. l. c. § 43a, befonders S. 207-208; zufammenfaffend fagt
er (S. 208): »Befagt der Titel Idealismus foviel wie Verftändnis deffen, daß
Sein nie durch Seiendes erklärbar, fondern für jedes
Seiende je fchon da-s »Tranfzendentale« ift, dann liegt im
Idealismus die einzige und rechte Möglichkeit philofophifcher Problematik.
Dann war H ri ft o t e l e s nicht weniger Idealift als K a n t. Bedeutet
Idealismus die Rückführung alles Seienden auf ein Subjekt oder Bewußtfein,
die ñch nur dadurch auszeichnen, daß fie in ihrem Sein u n b e ft i m m t
bleiben und höchftens negativ als »undinglich-« charakteriliert werden, dann
ift diefer Idealismus methodifch nicht weniger naiv als der grobfchlächtigfte
Realismus.-
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reine »Verftandesdinge« find , denen nur durch Erfchleichung


(subreptio) Hnfchauungen untergefchoben werden können. Sie find
alfo keine (ausweisbaren) Phänomene, fondern (transphänomenale)
bloße »Gefegtheiten«; fie können auch nidvt zu Phänomenen werden
(wie die imaginären Zahlen es durch Gauß wurden), fondern fie
involvieren einen intuitiven und zwar »formal-ontologifchen«
Widerfinn: infofern das llnendlid-›e, feiner ontologifdven Natur nach,
potentiell (óvváμeı tiv) ift, d. h. ein Prozeß, aber keine aktuale Menge.
Husfagen über »Gefegheitem find nicht einzeln wahr oder falfch,
fondern nur als Syftem »konfequent«, -widerfpruchsfrei« oder das
Gegenteil. (§ 3b; § 4b.) Die völlige Inhaltslofigkeit aller Be-
hauptungen über folche Gefegtheiten ließ fogar den Zweifel auf-
kommen, ob die Forderung der Widerfpruchsfreiheit felbft in diefer
Sphäre überhaupt noch finnvoll bleibt, aber es erwies fich, daß ihr
eine wefentliche Rolle auch im »Deduktions-Spiel« zufällt, nämlich die
unbefchränkte Fortfegbarkeit des Spieles zu fichern. (§ 3a.)
Die pofitive phänomenologifche Llnterfudoung des unendlichen
(§ 5a, b), verbunden mit der geiftesgefchichtlichen Interpretation
des Llnendlichkeitsbegriffs (§ 6 b, insbefondere IC, D; II; III H), ergab
die Möglichkeit nicht nur des Indefiniten, fondern auch des Transfiniten
als eines Prozeffes. Die Hnfäge zu einer konftruktiven Theorie
der transfiniten Ordinalzahlen lafíen fich durchweg fachlich inter-
pretieren, als formale Ordnungstypen der möglichen Komplikations-
ftufen des reinen Bewußtfeins. Dabei ift die phänomenologifche
Interpretation allerdings nicht imftande, die Llnbeftimmtheiten und
Schwierigkeiten, die der mathematifchen Theorie des Transfiniten
gegenwärtig noch anhaften, von fich aus mit einem Schlage zu be-
feitigen. (§ 5a IV, Math. Hnh., zu § 5). Hber es gelingen doch
zwei wichtige Feftftellungen: erftens, daß die Hntinomie, die
mit dem Begriff der größten Ordnungszahl verknüpft ift, von innen
heraus in ganz ungezwungener Weife vermieden wird (§ 5a IIC, III)
und zweitens, daß das Kontinuumproblem im Cantor-Hilbert-
fdıen Sinne ein durchaus fachliches, phänomenologifch verftehbares
Problem ift. Die mathematifchen Hnfäge, die Hilbert feinem Löfungs-
verfuch zu grunde legt, ftehen in engfter Beziehung zu unferem
Hufweis der transfiniten Komplikation des reinen Bewußtfeins.
(§ 5b III; Math. Hnh., zu § 5.) Endlich verdient noch der Nachweis
Erwähnung, daß in Hilberts eigener »Metamathematik« (Beweis-
theorie) indefinite und »halbtransfinite« Strukturen notwendig »in-
haltlich«, d. h. als wirkliche Phänomene (nämlich in der Komplikation
der in der Theorie vorkommenden noetifchen Strukturen) vorkommen
[75 7] Mathematifche Exiftenz. 317

(§3c, Math. Hnh., zu § 3, II), wenn man nicht zu »archaifchen-= Denk-


mitteln feine Zufiucht nehmen will. (Math. Hnh., zu § 3, III.)
Der transfinite Prozeß ift aber, wie fich weiter zeigte, nicht
nur einer formal-phänomenologifchen Husweifung, fondern auch
einer echten hermeneutifchen Interpretation fähig, vermittels der
Betrachtung der iterierten Reflexion auf fich felbft (§ 5a IIC). Die
»Parenthefen-Reflexion-, die iich transfinit ohne Ende iterieren kann,
erwies fich, hermeneutifch betradıtet, als der denkbar zugefpigtefte
Husdruck für die radikale Bodenlofigkeit des vor fich felbft auf der
Flucht befindlichen Dafeins. Damit kommt das fcheinbar rein ma-
thematifche Problem des transfiniten Prozeffes in engen Zufammen-
hang mit den Grundbegriffen der Heideggerfchen Hermeneutik
der Faktizität, nämlich der »Geworfenheit-« und dem »Verfallen«
des Dafeinsl, und zugleich mit ihrer hermeneutifchen Explikation.
Die eigentümlich gefteigerte Endlofigkeit des transfiniten Reflexions-
prozeffes im Verhältnis zum bloß indefiniten zeigt die radikale
Hemmungslofigkeit des -der Welt verfallenen« Dafeins in
feiner Hlltäglíchkeit. Die Enthüllung diefer fpezififchen extremen
Hemmungslofigkeit expliziert alfo einen Wefenszug des Verfallens
des Dafeins und bringt ihn zur Huslegung. Es erweift fich alfo die
transfinite Endlofigkeit als ein für das Verftändnis der Fakti-
zität des alltäglichen Dafeins wefentlidıes Phänomen, das über feine
formale Merkwürdigkeit hinaus eine echte Lebensbedeutung befigt.
Das Transfinite ift alfo nicht bloß eine »fachliche« (nicht f achhal
ti g e) Formftruktur des reinen Bewußtfeins, fondern hat eine ganz
konkrete, ›hiftorifche« Wirklichkeit. I

«F -Y
*
Dies tritt noch viel grundfäglicher hervor in dem fehr merk-
würdigen und grundlegenden Zufammenhang des transfiniten Pro-
zeffes mit dem Phänomen der Zeitlich k eit (§ 6b, bef. III). Diefer
ift jetgt nochmals in fy ftematifcher Hbficht zu würdigen:
Der Gedanke der Unendlichkeit, fobald er konkret vollzogen
werden ren, fürn-f anf des Pnaneınen der ine unendliche ıenfenden
Zeit. Das årı', das »immer-, ift das konkrete Grundphänomen des
åíneıgov. (Dies zeigt auch die gefchichtliche Entwicklung. Vgl. § 6b, I C.)
Hber diefes »immer weiter- ift noch einer zweifachen konkreten
Geftaltung fähig. Es kann erftens nidıts anderes fein als eine ein-
fache reine Wiederkehr, die »ewige« Wiederkunft identifch des-
felben Phänomens, wie bei der gewöhnlichen Zahlenreihe. Dies
1) Vgl. »Sein und Zeit- § 38. (über »I~Iemmungsloiigkeit« bef. S. 177f.).

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ift die.Form der rein naturhaften Zeit, wie fie e.u›a in de
gleichförmigen Umdrehung des Fixfternhimmels zutage tritt 1. Da
ift die »fchlechte llnendlichkeit« im Sinne Hegels. Es kann abe
auch fein, daß fich mit der immer wiederkehrenden Form ei
immer neuer unvorausfehbarer, frifch zu erfchaffender Inhalt eir
ftellt. Dies ift die Seinsweife der hiftorifchen Zeit und zwa
zunächft im Erleben einer gefamten gefchichtlichen Gruppe (Voll
Kulturkreis ufw.). Die Kette der Generationen ftellt eine natuı
haft bedingte Wiederkehr dar, aber die gefdvichtliche Möglichkei
Hufgabe und Leiftung jeder »Generation« ift eine andere, jed
Generation ftirbt nicht nur leiblich, fondern mit ihr »ftirbt« ihr
fpezififche geiftesgefchichtliche Lage (ihr »Stil« im weiteften Sinn:
um einer neuen unvorausfehbaren Plag zu machen. Die hiftorifch
Zeitlichkeit führt alfo immer ins Dunkel, was »nach dem (eigenen
Tode« ift, ift unbekannt. Diefe Tatfache ift in ihrer Wucht gemil
dert bei der Gruppe, die ja in der neuen Generation fortlebt (»ftirl
und werde«!). Das Individuum aber ftirbt (als hiftorifche
jedenfalls) endgültig: es ift unerbittlich vor »fein eigenes Vorbei
geftellt und »kommt an fein Nichts« (Heidegger). Das Merk
würdige in unferm Problemzufammenhang ift nun, daß auch dief
»hiftorifche Zeitlichkeit«, ihrer formalen Struktur nach in gewiffeı
mathematifchen Bildungen fich darftellt.
Die »Wahlfolge«, die mit Recht als »frei werdend« bezeichne
werden kann, ftellt den reinften Typ hiftorif cher Zeitlichkeit dar
Der Hkt der Wahl kehrt immer wieder, aber welche Zahl gewähl
wird, hängt von der freien Willkür (mit gewiffen Einfchränkungen
ab; der Husfall der Wahlen ift nicht vorausfehbar, nur daß ftändig ge
wählt wird, fteht feft. Die frei werdende Folge ift alfo in »eigent
licher« (hiftorifcher) Weife zeitlich. Man kann verabreden, daß eiı
gewiffer Wahlausfall den »Tod« der Folge, »die Vernidvtung de:
ganzen Prozeffes und feines Refultats« (Brouwer) herbeiführt. Da:
ift dann das Hnalogon zum »Tod« der hiftorifchen Menfchen. Diı
gefegmäßige Folge ift dagegen naturzeitlich. Jedes Glied ift nad
identifch derfelben Regel gebaut und die Struktur des taufendfteı
Gliedes ift mit derfelben Sicherheit vorausfagbar, wie die des dritter
etwa. (Es gibt allerlei Zwifchenmöglichkeiten zwifchen der freier
Wahlfolge und der nicht rekurrent definierten gefegmäßigen Folge
mit völlig durchfichtigem Bildungsgefeg. Hlle derartigen Bildungeı
1) »Wiederkehr« ift nicht gleichbedeutend mit echter »Wiederholung-
wie fchon das Phänomen der mufikalifchen »Reprife« zeigt. Vgl. dazı
I'-I. Beffeler, Jahrb. d. Muñkbibliothek Peters für 1926 (33. ]ahr.), S. 73 ff
[759] Matbematifche Exiftenz. 319

find ihrer Zeitlichkeit nach ein Gewebe aus hiftorifchen und natur-
haften Einfchlägen.) Die Hufgabe der mathematifchen Wiffenfchaft
befteht zu einem entfcheidenden Teil darin, aus freien Folgen ge-
fegmäßige zu machen, d. h. das freie Werden hierin zu binden
durch das Gefeg und damit das Dunkel der Zukunft zu erhellen
(§ 4a, § 6b C). Mit anderen Worten: Die Mathematik ift die Me-
thode, das Unendliche durch das Endliche zu beherrfchen.
Der transfi ni t e Prozeß ift ein merkwürdiges Geflecht aus
hiftorifchen und nichthiftorifchen Momenten: Die immer gleichen Er-
zeugungsprinzipien müffen fich in immer neuer Weife eine konkrete
Hnwendungsmöglimkeit fuchen, aber diefe Möglidvkeit ift doch durch
die vorangegangenen Bildungen beftimmt und wird gewiffermaßen
von ihnen erzeugt. Während alfo die freie Wahl bei der Wahlfolge
von »außen«, von einem ganz willkürlichen und quafi »tranfzen-
denten» Prinzip beftimmt wird, das man als »Schickfal« oder auch
als das Geheimnis des frei fchöpferifchen hiftorifchen Geiftes auf-
faffen kann, trägt der transfmíte Prozeß fein Gefeg in ihm felbft,
aber verborgen, nur durch die fchöpferifche Tat des Mathemati-
kers erfdaließbar und entdeckbar. In prinzipiell ontologifcher Hin-
ficht befteht fo eine enge Beziehung zu Hegels dialektifdıem Pro-
zeß, in dem auch die ftändig gleiche Form des Widerfpruchs und
feiner Verföhnung in immer neuer Weife fich konkret erfüllt, die
doch wieder von der gefamten »Vergangenheit« der Entwicklung
beftimmt ift. Denn jene -Vergangenheit« ift ja »aufgehoben-f, d. h.
nicht nur vernichtet, fondern auch »bewahrt«.
In jedem Fall aber geht die Tendenz der Mathematik auf Be-
ftimmung der Llnbeftimmtheit des »eigentlichen-= Werdens, auf Bin-
dung der freien Willkür durch die in unbefchränkter Wiederkehr
anwendbare Regel, auf Erhellung der dunklen »Zukunft« durch das
Wifien um die vorausfagbare »Wiederkunft«, auf die Beherrfdvung
der Offenheit des unendlichen durch das gefchloffene endliche Gefeg.
- 3- .- ß

Welches ift der Seinsfinn des Mathematifchen


(d. h. die »mathematifche Exiftenz« im philofophifchenSinn),
der hier fichtbar wird? t
Das »Mathematifche«, das μáöøyμa ift, wie wir fahen (S. 236),
ein finnvoll doppeldeutiger Husdrudc. Es bezeichnet einerfeits die
μáäwgarg, das Leben im Vollzug mathematifcher Erwägungen und
andererfeits den »Gegenftand« diefer Erwägungen felbft. 4
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320 Oskar Becker. 760
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c u -tr ack c u -tr a c k

llnfere Einzel-Betrachtungen haben, ausgehend von dem .fun-


zip der phänomenologifchen Husweisbarkeit und weiterhin der Hus-
legbarkeit auf das allenthalben zugrundeliegende Dafein felbft hin,
den Vorrang der erften »noetifchen« oder wenn man will, »fubjek-
tiven« oder >›idealiftifchen< Bedeutung von μáäøgμa gezeigt, foweit
rein phänomenologif che Gefichtspunkte in Frage kommen:
μáäqμa ift als Phänomen allenfalls der mathematifche Gedanke,
eigentlicher aber das mathematifche »Denkens als lebendiger
Vollzug felbft, - nicht aber fein etwaiger tranfzendenter Gegen-
ftand.
Die genauere phänomenologifche Hnalyfe (in § 6a, S. 192--197)
erwies, daß das Mathematifche primär ein Bezugsphänomen
ift. Hls folches hat es feinen ontifchen Schwerpunkt im Vollzug
diefes Bezugs, in der konkreten Weife dafeienden Lebens, in
der diefer Bezug allein gelebt werden kann.
Das μáthyμa ift alfo ontologifch zu charakterifieren als bloßes
»noematifches« Korrelat zum »Mathematifieren« (μaåøyμarmavšeoäaı),
was analog wie »philofophieren« (cpıílooogosiv) und »mufizieren«
(μovameıšeotiar) eine echte lebendige Haltung ift, nicht das Betreiben
eines gleichgültigen Gefchäfts.
Eine folche Huffaffung hat es allerdings gerade dem Mathema-
tifchen gegenüber fchwer. Denn man kann gegen fie die Unbe-
kümmertheit des echten Mathematikers um fich felbft, fein Tun und
feine Dafeinsform, feine Entfremdung dem eigenen faktifchen Leben
gegenüber, fein Husgelöfchtfein als hiftorifches Individuum und ähn-
liche Züge, die weientlich den Mathematiker als folchen kenn-
zeichnen, anführen. Dem fteht dann, paradox genug, gegenüber:
die Hnwendung der reinen Mathematik in der experimentellen
Naturwiffenfchaft und ihrer Huswirkung, der Technik, die den ak-
tivften, dem praktifchen Leben nächften und ihn am meiften ver-
hafteten Menfchentyp erzeugte, den Ingenieur. Hber diefes Para-
dox löft fich leicht. Denn auch der Ingenieur, in feiner Raftlofigkeit
und Freiheit von Hemmungen, in der llnbekümmertheit um die
legten Ziele feines Tuns (die ihm von außen, von den fozialen und
wirtfchaftlichen Bedürfniffen, die er (als Ingenieur) ungeprüft als
zielfegend hinnimmt, gegeben werden) ift dem »eigentlichen Dafein«
fern, ift bar jeder Vertiefung in das Hiftorifche des Lebens. Ift
alfo das »Mathematifierens nebft feinen Hnwendungen nicht doch
bloßem »Betrieb« verfallendes Dafein?
Der Einwand ift indeffen zu widerlegen, gerade durch die Tat-
fachen, die er für iich anführt. Und feine Widerlegung führt uns
[761] Mathematifche Exiftenz. 321

nunmehr zur eigentlichen entfcheidenden Frage nach


dem Seinsfinn des Mathema felbft.
Die »Selbftvergeffenheih fteht dem Mathematiker wohl an,
geht doch feine legte Hbficht auf die Überwindung des
Hiftorifchen, konkreter: auf die Überwindung des
T o d e s , von dem hiftorifches Leben durch und durch 7 beftimmt ift.
Wir zeigten: Die Mathematik erfegt die hiftorifche Z ei t l i ch -
k eit foweit als möglich durch die Naturzeit ; das ift nur ein Symp-
tom für die Verwandlung hiftorifchen Dafeins in natur-
h a f t e s L e b e n , die fie vollzieht. Naturhaftes Leben ift aber
»felbftvergeffen-=_, richtiger: es hat fein Selbft, den »Wer feines Da-
feins« (H ei d e g g e r) noch gar nicht gefunden.
Llm den Seinsfinn des Mathematifchen zu verftehen , m u ß
man das ganze ontologifche Problem hineinftellen
in die univerfale Spannung zwifch en Hiftorifchem
und Nichthiftorifdaem, zwifchen =›Geift« und >›Natur< 1.
»G e i ft« i ft (wie wir das Wort hier verftehen) d u r ch u nd
durch hiftorifch, d. h. gekennzeichnet durch die Seins-
weife der eigentlichen Zeitlichkeit. (Norm, überzeitliche
Geltung u. dgl. ift nichts Geiftiges, fondern vom echten Geift aus
gefehen, deffen Wefen in feiner f r e i e n Schöpferkraft befteht,
V e r f al l (Erftarrung) hiftorifchen Dafeins.) D a g e g e n i ft alle s
p ri mi ti v e L e b e n (des Kindes, des >>Naturvolkes« , der trieb-
haften l.Interfchicht in uns felbft, die in krankhaften Zuftänden,
aber nicht nur in diefen, zutage tritt) > N a t u r « .
Das primitive, >naturhafte« Leben kennt den
T o d nich t, befigt die Sehergabe (›Naturfichtigkeit<<) und die >>Hll-
macht der Gedanken* (Magie).
Das ›wache«, hiftorifche Dafein verlor alle diefe
koftbaren Güter, um den Preis des >Selbftbewußt-
f ei n s « , des Wiffens um die eigene Exiftenz. Diefer ungeheure
Verluft ift aber unerträglich und das Leben fucht ftändig nach Mög-
lichkeiten, im >>Wachen<< jene Vorzüge primitiven Dafeins zurück-
zuerhalten. Ein Mittel dazu (unter anderen) ift die Mathematik
(und andere =›Vernunft<wiffenfchaften). Die menfchliche r a ti o , mit
ihren Hnfpruch auf e wi g e Geltung ihrer Erkenntníffe, ift offenbar
nicht zeitlich im hiftorifchen Sinn , fondern - fo paradox es auch
klingt -~ naturzeitlich. Die -überzeitli che Vernunft« ift
i

1) Das Folgende kann hier nur als Thefe hingeftellt werden, für die
der Verfaffer die umfaffende philofophifche Begründung in fpäterer Zeit
zu liefern hofft.
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322 Oskar Becker.
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c u -tr a c k c u -tr a c k

alfo ein primltiver Zug im hiftorifchen Dafein, fie


ift ein archaifches Erbftück, fie bezeichnet die Natur-
gebundenheit und die relative Llngeiftigkeit
menfchlichen Dafeins.
Die Überwindung des Todes durch die Vorausfidıt der
Zukunft und die Beherrfchung der Natur, das ift die Leiftung
der auf Mathematik gegründeten Naturwiffenfchaft.
Damit erfüllt fie, foweit es nodi dem «wadıens Leben möglich ift,
die Wünfche nach dem verlorenen Befig des mythifchen, »prähifto-«
rifchen« Zeitalters.
Mathematik, Naturwiffenfchaft und Medizin entftehen gefchicht-
lich aus den Künften der archaifchen Mantik und Magie. Diefe Ent-
wicklung ift nicht, wie man vielfach meint, ein hiftorifches Kuriofum,
fondern der äußere Husdruck eines tiefen ontologifdıen Tatbeftandes.
Die »exakten« Wiffenfchaften erfegen Mantik und Magie in völlig
legitimer Weifel.
Hber der prophetifche und beherrfchende Charakter des Mathe-
matifchen tritt nicht bloß in feinen Hnwendungen, fondern fchon in
der -reinen Mathematik« zutage. Llnüberfehbare Zahlenbeziehungen
werden etwa in der höheren Zahlentheorie (einer ganz befonders
=›rein<= mathematifchen Difziplin) durch endliche Gefege beherrfch-
bar und damit das Ergebnis von .Rechnungen vorausfehbar.
Das >Mantifche<< ift alfo fchon eine intern-mathema-
tifche Hng eleg enheit und hier gewiffermaßen verlockend
durch das eigentümliche Machtgefühl, das es dem >Eíngeweihten«
verleiht. Hls reine feelifche Haltung vereinigt alfo
das ›Mathematifieren<< bereits das »Wachfein« und
die >> Zeitüberlegenheit 4 , Züge hiftorifchen und
n a t u r h a f t e n D a f e í n s. (Hllerdings hat das Wachfein verftänd-
licherweife gewiffe Grenzen; es ift »felbftvergeffen«.)
Von diefer Explikation der >> mathematifierenden Haltung « aus
fällt nun auch neues Licht auf unfere frühere Interpretation des
Sinnes der demonftrativen und deduktiven Mathe-
m a t i k (§ 6a). Es wurde gezeigt, daß die rein deduktive Mathe-
matik, die gar nicht mehr Erkenntnis fachlicher Wahrheiten, fondern
nur widerfpruchsfreie Hbleitung von Folgerungen aus undurchfich-
tigen Prämiffen zum Ziel hat, einen eigentlichen Begriff mathema-

1) Diefe Thefen lind einer ftrengen Begründung auf Grund des hiftorifchen
Materials fähig, die an diefer Stelle nicht gegeben werden kann. - Vgl. das
früher (S. 239 ff.) über Platos Deutung des mathematifchen »a priori« aus der
fivféμvnozç und das (S. 288, 308) über L ei b niz ens »mathematifche Myftik« Gefagte.
[763] Mathematifche Exiftenz. 323

tifcher Exiftenz gar nicht kennt, daß vielmehr ihre ganze Sorge der
reibungslofen Fortfegung des inhaltlich ganz leeren Folgerungs-
B etri_ebs gilt. Jegt wird die Motivation diefes befremdlichen
Formelfpiels deutlicher. Beherrfchung und Vorausfage ift auch im
Formelfpiel in gewiffem Sinne möglich. Man kann einen ver-
wickelten Spielzufammenhang durch einfache Gefege beherrfchen
und das Huftreten beftimmter ›fpielgerechter- Formeln im Folge-
rungsfpiel vorausfagen lernen. Der Reichtum und die Durchfichtig-
keit der Splelbeziehungen hat einen eigentümlichen quafiäfthetifchen
Reiz. In befonderem Maße wird diefer Reiz dadurch gefteigert, daß
durdı eine Hrt Erfchleichung (im Sinne des mathematifchen »Exi-
ftentialabfolutismus) dem leeren Spiel ein fublimer Sinn unterge-
legt wird, als ob man tiefe, übermenfdvliche Erkenntniffe über das
Hktual-llnendliche, das Tranfzendent-Transfinite gewönne. Es wird
mit anderen Worten die Illu fion erregt, man beherrfche das
Hktual-Unendliche. Hber diefe Illufion hält der nüchternen Kritik
nicht ftand, fie verfchafft uns zwar fo etwas wie einen erfüllenden
Traum archaifcher Wünfche, - aber beim Erwachen zerrinnt alles
in Nichts. Hlfo auch vom rein »noetifchen«, »immanentem Ge-
fichtspunkt des mathematifierenden Bewußtfeins aus ift die reine
Deduktion zwar verftändlich, aber nicht ihrer eigentlichen Hbficht
entfprechend. Es gelingt in diefer geiftigen Haltung nicht, volles
Wachfein mit naturhaftem Befriedigtfein zu vereinigen; das Gleich-
gewicht der hiftorifchen und der naturhaften Tendenzen ift geftört,
zuungunften des Hiftorifchen. Die » S a chli ch keit« d e r M a t h e-
matik ift alfo fchon eine immanente Forderung der
Dafeinsweife des faktifchen Lebens felbft, ohne daß
eine bewußtfeins-transfzendente »Objektivität« in
Rüdtficht gezogen werden braucht.
Überblicken wir die vorftehenden Betrachtungen mit Rückficht
auf die hiftorifch überlieferte Problem-Spannung zwifchen mathe-
matifcher Myftik (Plato , Leibniz) und mathematifchem Kritizis-
mus (Hriftoteles, Kant), fo kann kein Zweifel fein, daß fie
für die Kritik und gegen die Myftik entfcheiden. Soweit
immanent-phänomenologifche Gefichtspunkte in Frage kommen und
foweit es fich um reine Mathematik handelt, vermag die Theorie der
reinen Gefegheiten ihren fpielerifchen Charakter nicht zu überwinden.
Und, was noch ausfchlaggebender ift, jenes formal-mathe-
matifche >>Spíel« (im Sinne Hilberts) ift eben auch nidıt
als Weife des Lebens, als Spielbetätigung oder beffer
als Spielendes Dasein die Erfüllung einer großen
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324 Oskar Becker. [764 c
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Lebensaufgabe. Erft der Ernst der Sachlichkeit vermag


dafeinsmäßig Entfcheidendes zu leiftenl -
So fehr nun aber innerhalb der Sphären der r ein en Mathefis,
die wir in diefer Hbhandlung allein unterfucht haben, die »Kritik«
die »reine Phänomenologie«, der »Idealismus-w und der hiftorifch-
hermeneutifdve Gefichtspunkt legtlich den Seinsfinn des Mathematifchen
entfcheidend beftimmen, fo bleibt doch noch ein ungeklärter Reft.
Gedankenallmacbt und Vorausfage, Magie und Mantik beziehen
fich urfprünglich, im prähiftorifdven Leben unbedingt auf die
Wirklichkeit. Die Reduktion des mathematifchen Gedankens auf
das reine , wirklidıkeitsfreie Mathematifdıe, die wir felbft ja auch
erft nachträglich vollzogen, ift ein künftliches Verfahren, das den
ausfchlaggebenden Hnfpruch primitiven Lebens, der fich durch die
Mathematik ins hiftorifche Dafein »hineinretten« foll, unbefriedigt
läßt, - eben der Hnfpruch auf die Beherrfchung der wirklichen
Welt. Die Mathematik foll ja nicht lediglich eine Hrt Seelentechnik
fein, um fich, bei kühlem Blute, in eine Hrt »kalter Ekftafe- hinein
zu verfegen (wie fie Thomas Mann im »Tonio Kröger« dem Künftler
zufchreibt), in der der feelifche Habitus archaifchen Lebens wieder
auflebt. Die Mathematik foll mehr fein als folch ein wacher Traum;
fie foll die »vermeintliche« Beherrfchung der Wirklichkeit zu einer
»wirklichen« machen. Sie erreicht alfo erft als mathematifche
Naturwiffenfchaft ihre eigentliche, ihr von ihrem Wefen vor-
gezeichnete Hbficht.
Damit aber tritt das Tranfzende nte auf den Plan. Es
tritt die Frage auf, ob das μáäfıgμa auch einen echt -gegen-
ftändlichen-, ››objektiven« Sinn haben kann.
Dies ift eine Frage ganz anderer Ordnung als alle bisher
behandelten. Es ift die Frage der Hnwendungsmöglichkeit
des Mathematifchen auf die Natur.
Huf die fich damit eröffnende neue Richtung der ontologifchen
Problematik mathematifcher Exiftenz, die man etwa mit den Worten
ausdrücken kann: »Was befagt die Exiftenz mathematifcher G e g e n-
ft änd e? «, kann hier am Schluffe diefer Hrbeit nur noch ein kurzer
Hinweis gegeben werden. Es ift aber unmöglich, ganz an ihr
vorüber zu gehen, weil im Hinblick auf diefe "neue Frage die
»mathematifche Myftik« in einem neuen Lichte erfcheint. Denn ihr
Grundglaube ift doch, daß die Wirklichkeit mathema-
tifcher Beherrfchung fich willig fügt.
Huch die bewunderungswürdige Befonnenheit Kants ließ der
Kritik der reinen Vernunft, nach der »der Verftand der Natur die
[755] Mathematifche Exiftenz. 325

Gefege vorfchreibt-=, die Kritik der llrteilskraft folgen, wo mit Recht


gefagt wird, daß, um die allgemeinen Grundfäge des reinen Ver-
ftandes, wie etwa das Prinzip der Kaufalität, auf die Natur konkret
anwenden zu können, noch mehr erfordert wird als die Einficht
in die Notwendigkeit der Verftandesgrundfäge. Dann mögen jene
immerhin die Form der weltlichen Erfahrung beftimmen (fie gehen
»auf die Möglidikeit einer Natur [als Gegenftands der Sinne] über-
haupt-=), fo bedarf doch die »reflektierende llrteilskraft, die von
dem Befonderen der Natur zum Hllgemeinen aufzufteigen die Ob-
liegenheit hat« eines neuen Prinzips, um die »Einheit aller em-
pirifchen Prinzipien« und »die Möglichkeit der fyftematifchen Unter-
ordnung derfelben untereinander« zu begründen. Diefes Prinzip fieht
Kant darin, die Naturgefege fo zu betrachten, » als ob gleichfalls
ein Verftand (wenn gleich nicht der unfrige) fie zum Behuf unferer
Erkenntnisvermögen, um ein Syftem der Erfahrung nach befonderen
Naturgefegen möglich zu machen, gegeben hätte«. Es bedarf nämlich
einer gewiffen »Zufammenftimmung der Natur zu unferem Er-
kenntnisvermögen«, damit wir überhaupt durchfichtige Gefege in der
Natur erblicken können. Denn es könnte, unbefchadet der ftrengen
Erfülltheit des Kaufalprinzips, »die fpezififche Verfchiedenheit der em-
pirifchen Gefege der Natur« fo groß fein, »daß es für unferen Ver-
ftand unmöglich wäre, in ihr eine faßliche Ordnung zu entdecken«-1.
Hhnlich fagt ein moderner führender Mathematikerf: »Und
zwar ift das Entfcheidende: je weiter die Hnalyfe fortfchreitet, in
je feineren Details alfo die Vorgänge erfaßt und in je feinere Ele-
mente fie zerlegt werden, um fo einfacher - nicht wie man
erwarten follte, um fo komplizierter-~ werden diefe
gefegmäßigen Grundbeziehungen, und um fo vollftändiger und um
fo genauer erklären fie den tatfächlichen Verlauf.« Es liegt alfo
hier ein fehr deutliches Entgegenkommen der Natur vor. Man
kann keinesfalls (wie H. Dingler meint) ficher fein, durch ein
fchematifches abftrahierendes und approxímierendes Verfahren zu
durchfichtigen Naturgefegen zu gelangen; die Verwicklung der Ge-
fegmäßigkeit könnte jedes weitere Vordringen bald hemmen. »Die
Segung der realen Hußenwelt garantiert nicht dafür, daß diefe in
der Vernunft fich aus den Erfcheinungen durch die Einftimmigkeit
fchaifende Erkenntnisarbeit konftituiere; dazu ift vielmehr nötig,
daß fie von einfachen Elementargefegen durchwaltet fei. Die bloße

1) Vgl. »Kritik der l.Irteilskraft«, Einleitung, Hbfchnitt IV und V.


2) H. Weyl, Handbuch der Philofophie, Hbf. II, Beitrag H, S. 108, 2ff.
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326 Oskar Becker. 765
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Segung der Hußenwelt erklärt alfo eigentlidı nicht, was ıie uochv
erklären follte, fondern die Frage nach ihrer Realität fließt un-
trennbar zufammen mit der nach dem Grunde für die ge-
feglich-mathematifche Harmonie der iWelt. So liegt
die Hntwort denn doch, jenfeits des Wiffens, in Gott . . . «1.
Huch Hufferl find derartige Gedankengänge nicht fremd, wie
verfchiedene Stellen feiner »Ideen zu einer reinen Phänomenologie«
zeigen. Er wirft (S. 5 und S. 119, Hnmerkung) die Frage auf, ob
und wie eine »Tatfachenwiffenfchaft von den tranfzendental redu-
zierten Erlebniffen möglich fei« und »welche Beziehung eine folche
Tatfachenforfdwung zur Idee der Metaphyfik haben mag«. In dem
§ 58, mit dem Titel »Die Tranfzendenz Gottes ausgefcbaltet« wird,
außer auf die wunderbare Teleologie der menfchlichen Kulturent-
wicklung auch auf die »Rationalität« der bloßen Natur hingewiefen,
die in der Exiftenz einer »morphologifch geordneten Welt« liegt,
die weiterhin fogar die Huffindung exakter Naturgefege geftattet.2
»In all dem liegt, da die Rationalität, welche das Faktum verwirklicht,
keine folche ift, die das Wefen fordert, eine wunderbare Teleologie«.
(S. 110, vgl. aud) die »H_nmerkung« auf S. 96f.)
Es wird alfo jedenfalls die Frage nach dem Sinn der Re alität
der Natur neu aufgeworfen. Kant bleibt in feiner voríiditigen
Weife bei der »fubjektiven« Notwendigkeit ftehen, daß die Natur-
erkenntnis ihrer Möglichkeit nach eine folche harmonifch-ein-
fache Natur vorausfegt. Der »mathematifche Myftiker« freilich wird
Gottes Ideenwelt im Spiegel diefes harmonifchen llniverfums zu er-
blicken glauben. Und hier befteht nur eine Beziehung zur »fym-
bolifchen Mathematik« L e i b ni z en s und feiner„_Nachfolger H i l b e r t
und Weyl (in feiner neuften Phafe). Die Harmonie der Natur ift
aus konftitutiven Gründen nicht als mit Notwendigkeit realifiert ein-
zufehen. Wohl muß eine Welt, wenn fie als folche unferem end-
lichen Bewußtfein erfaßbar fein foll, eine (bis zu einem gewiffen
1) Weyl, l. c. S. 89, 47ff.
2) Vgl. l. c. S. 110: »Die Reduktion der natürlichen Welt auf das Be-
wußtfeinsabfolute ergibt faktifc:h e Zufammenhänge von Bewußtfeins-
erlebniffen gewiffer Hrtungen mit ausgezeichneten Regelordnungen, in denen
iich, als intentionales Korrelat, eine in der Sphäre der empirifchen Hn-
fchauung m o r p h o l o gi fch g e o r d n e t e Welt konftituiert, d. i. eine Welt,
für die es klafñfizierende und befchreibende Wiffenfchaften geben kann. Eben
diefe Welt läßt fich zugleich, was die materielle llnterftufe anlangt, im
theoretifchen Denken der mathematifchen Naturwiffenfchaften als »Erfcheinung«
einer unter exakten Naturgefegen ftehenden p h y fi k a l i fch e n N a t u r
beftimmen.«
[757] Mathematifche Exiftenz. 327

Grade) »harmonifche« fein. Das Phänomen »Welt« ift feinem eignen


Sinne nach Kosmos und nicht Chaos. Hber, daß eine Welt wirklich
e xi ft i e r t , das ift von dem Gefichtspunkt phänomenologifcher Kon-
ftitution aus »zufällig<<. In diefer Kontingenz drückt fich ein meta-
phyfif cher Tatbeftand aus.1 Darüber hinausinun zeigt die Tat-
fache des Beftehens der modernen Phyfik, daß die
»fymbolifche«, unverftändlidıe, tranfzendent-transfinite Mathematik
Hilberts die Harmonie der Welt entfchleiert. Hlfo hat jenes
leere Formelfpiel einen geheimnisvollen Bezug auf
die metaphyfifche Struktur des Kosmos. Welches ift
der Sinn und der Grund jenes Bezugs?
Diefe Frage ift hier nicht mehr zu beantworten. Sie ftellt den
ungelöften Reft des Problems der mathematifchen Exiftenz dar, den
wir am Schluffe diefer Hbhandlung ftehen laffen müffen. Es taudvt
hier methodifch eine neue Frageftellung auf: Die Hufgabe der
Deutung (divinatio, μaı-asia) eines Phänomenzufammenhangs, die
fidv von der Huslegung (šgμøyveia, interpretatio) und erft recht
von der Hufgabe der Ergründung der formalen Konftitution der
Phänomene unterfcheidet. Huch fie ift in gewiffem Sinn eine onto-

1) Hufferl betont (in dem angeführten § 58 der »Ideen«) ausdrück-


lich, daß die in der Teleologie der Natur und der menfchlichen Kultur-
entwicklung fich äußernde (göttliche) Tranfzendenz eine neu e ift, »der Tran-
fzendenz der Welt gleichfam polar gegenüberftehend« (S. 110). Er fpricht
(S. 111) vbn der -Exiftenz eines außerweltlichen »göttlichen« Seins-, welches
»nicht bloß der Welt, fondern auch dem »abfolutem Bewußtfein tranfzendent
wäre.« »Es wäre alfo ein ››Hbfolutes« in einem total anderen
Sinne als das Hbfolute des Bewußtfeins, wie es andererfeits
ein Tranfzendentes in total anderem Sinne wäre gegenüber
dem Tranfzendenten im Sinne der Welt.-« - Damit ift der Grund, aus dem
jene Teleologie entfpringt, mit voller Klarheit als metaphyf if ch ge-
kennzeidmet.
2) Es wäre auch eine »ungefähr« harmonifche Welt denkbar, die nicht
von ex a kten Naturgefegen beherrfcht wird. Das tägliche (worwiffenfchaft-
liche«) Leben rechnet immer nur ungefähr (cbç šnz rö neıló, Hriftoteles), mit
einer für die Praxis hinreichenden und bequemen Genauigkeit. Die gefamte
Hntike kannte kaum exakte Naturgefege außer den aftronomifchen und
einzelnen ftatifchen und geometrifch-optifchen Sägen. Hber auch in der
heutigen Phyñk fınd die unmittelbar veriñzierbaren, fog. »phänomenologifchen-
Gefege faft alle ftatiftifche Überfchläge und bloß approximativ und mit einer
gewiffen Wahrfcheinlidıkeit zutreffend. Es liegt alfo in der Forderung exakter
phyñkalifcher Elementargefege fehr viel mehr als das Poftulat einer Welt,
»in der es lich leben läßt« -› in anderer Hinficht freilich auch viel weniger!
(Derartige Gedanken iind von H u f ferl mehrfach in Vorlefungen und
Übungen entwickelt worden.)
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328 Oskar Becker. [763
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logifche, aber nicht mehr im Sinne einer hermeneutifchen Explikaılon


des »Sei nsfinnes«, fondern - vielleicht -- einer »Erdeutung«
eines tranfzendenten » Seinsgrundes«. Das Korrelat
diefer Deutung, das in ihr zu Deutende, ift das »Naturhafte« in dem
weiten, früher erläutertem Sinn. Die Natur (Phyfis) ift das
wahrhaft » Metaphyfifche « im Gegenfag zur Imma-
n e n z d es Hi ft o r i f ch e n. Innerhalb diefer großen neuen Huf-
gaben der Deutung, deren fyftematifche Betrachtung man als
»mantifche Phänomenologie« (in Hnalogie zur »hermeneutifchen«)
bezeichnen könnte, hat vielleicht auch die moderne »mathematifche
Myftik« Hilberts und Weyls eine Stellel.
Dies kann hier nicht mehr Gegenftand der llnterfuchung fein.
Mag auch die fpätere phänomenologifche Forfchung, die in der an-
gedeuteten » mantifchen« Richtung vorzudringen in Zukunft un-
bedingt beftrebt fein mußi, die Berechtigung der »fymbolifchem-
auch gegenüber den hier verteidigten und ihrem Seinsfinn nach
unterfuchten »fachIichen« Mathematik erweifen - die Befchränkung
auf den ont ologif chen Gefichtspunkt im traditionellen und im
hermeneutifchen Sinn war notwendig. Denn wie es auch um die
Deutung des Tranfzendent-Metaphyfífchen ftehen möge ~i- man
muß wiffen wo die immanent-phänomenologifdve Sphäre endet und
die »jenfeitige« in einem gewiffen Betracht t r a n s p h ä n o m e n a le
beginnt, foll nicht eine hemmungslofe Myftik das mühfam angebaute
Gebiet kritifchen Wiffens überfiuten. 7
1) Zitiert doch W eyl felbft als Motto feiner Darftellung der Philofophie
der Naturwiffenfdvaft den h erakli tif ch en Spruch (fr. 93 Diels): 'O öävaf,
OÖ rô μ crvrsifóv åarı rô åv Aalcpoíç, oörë Äšjnsr oüre zgıín'r6a ållå Oıjμtrıfı/sc.. (Hfll1d'
buch der Philof. II H. S. 65).
2) Es fei noch dazu folgender, rein philofophifcher Gedankengang
angedeutet: Indem das Naturhafte und das Hiftorifche unterfchieden wird, ift
fchon der Kreis der hiftorifchen Immanenz durchbrochen und die Gefchloffen-
heit idealiftifch-hermeneutifcher Forfchung unwiederbringlich verloren. Denn
jener große Prozeß der »Hiftorilierung« des Naturhaften und fein Gegenteil
(die »Naturalil'ıerung« des Hiftorifchen, wie fie etwa im. »Verfallen des
Dafeins« [Hei degger] fich äußert), fpielt doch felbft in einer beftimmten
»Zeitlichkeit«, die ficher nicht die hiftorifche und auch nicht einfach die natur-
hafte ift. Man wird ñe alfo kaum anders als »metaphyñfch« bezeichnen
können. Von hier aus wird die Thefe: Phylis = Metaphyfis offenbar erfchüttert:
man wird dazu gedrängt, zwei Hrten des Metaphylifchen zu unterfcheiden;
das uns (relativ) Naheliegende und in der »Deutung« Zugängliche (die Natur)
und die eigentlich im zugefpigten Sinn tr a n fz e n d e n t e S p h ä r e, inner-
halb der lich der Kampf von Hiftorifchem und Nichthiftorifdıem entfcheidet.
Vielleicht hat diefe eine Beziehung zur Tranfzendenz G ottes felbft.
Mathematifcher Hnhang.

g Vorbemerkung.
Der folgende »Mathematifche Hnhang« dient verfchiedenen
Zwecken. Einmal foll er in etwas eindringlicherer Form, als es
durch bloße literarifche Hinweife gefchehen könnte, die Beziehung
der Husführungen des Haupttextes zu den konkreten Theorien
der pofitiven mathematifchen Wiffenfchaft aufweifen. Diefer
Hbficht dienen hauptfächlich die folgenden »Ergänzungen-: Zu § 3.
Nr.1., z. T. auch Nr..II.; zu § 4 (teilweife): zu § 5, Nr.1, II [z.T.l,
III, IV und ein Teil von VI. Dann werden einige fachlichen
Ergänzungen der phänomenologifchen Husfüh-
rungen gegeben (zu § 3, Nr. II u. III; zu § 4, Nr. I, II; insbe-
fondere ein ausgeführtes Beifpiel für eine transfinit iterierte In-
tentionalität: zu § 5, V, ferner einige Notizen in VI). Endlich dient
eine dritte Gruppe von Darlegungen der wichtigen Hufgabe, mathe-
matifche Gefichtspunkte, die fich vor allem in der Theorie der
Transfiniten und beim Kontinuumproblem aus unferem -fach-
lichen« Standpunkt ergeben, näher darzulegen und gegen gewiffe
Gegenftrömungen in der pofitiven Mathematik zu verteidigen. Die
diesbezüglichen Husführungen (die vor allem in den Ergänzungen zu
§ 5, Nr. VI und teilweife auch Nr. II enthalten find) haben fich viel-
fach auf die Skizzierung des Gedankengangs befchränken müffen
und treten nicht mit dogmatifchem Hnfpruche auf. Ihr Zweck wäre
erreicht, wenn fie weiteren Forfchungen auf diefem, wie jeder
Kenner weiß, äußerft fchwierigen Gebiet, als Hnregungen dienen
könnten. Id) hoffe fpäter an anderer Stelle auf diefe Fragen
zurückkommen zu können 1.
__ _ıı'

1) Für viele wertvolle Ratfchlägebei der Geftaltung diefes Hnhangs


bin ich Herrn Dr. Reinhold Baer (Freiburg i. B.) zu großem Danke
verpflichtet.

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Oskar Bedier.
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Ergänzungen zu § 3.
(Das Unendliche in der Metamathematik.)
I. Der metamathematifche Hnfag von v. Neumann.
In feiner neuerdings erfchienenen Hrbeit »Zur Hilbertfchen
Beweistheorie« (Math. Zeitfchr. 26, S. lff.) hat ]. v. Neumann
im Gegenfag zu dem bisherigen Verfahrender Hilbertfchen
Schule offen das Endlofe (die gewöhnliche indefinite Induktion)
auch in der Metamathematik zugelaffen. Damit ift er den Ein-
wänden, die wir in § 3c gegen Hilberts Verfahren erhoben, zuvor-
gekommen. 6
Hls Beleg geben wir einige charakteriftifche Hußerungen wieder:
»Noch eine einleitende Bemerkung, ehe wir auf die Befchreibung
des Formalismus übergehen. Es ift nicht vermeidbar, den
Begriffder pofitiven ganzen Zahl auch inhaltlich
einzuführen. Es ift nicht möglich, die Beweistheorie aufzu-
bauen, ohne daß die pofitive ganze Zahl und alle ihre intuitioniftifdı
d. h. inhaltlich, ableitbaren Eigenfchaften fchon a priori zur Ver-
fügung ftehen. Wenn alfo im folgenden in inhaltlichen Hus-
führungen von »Zahlen« fdılechthin die Rede fein wird, fo hat man
darunter ftets den intuitiv-anfchaulichen Begriff der pofitiven ganzen
Zahl (repräfentiert etwa durch ihre dekadifche Entwicklung) zu ver-
ftehen-, (l. c. S. 4)
Es werden dann im weiteren Verlaufe der Hbhandlung auch
metamathematifche Zeichen mit beliebigen natürlichen Zahlen als
Indices eingeführt. (Die Variablen Xm, die Konftanten Cm, die
Operationen O„,f"), die »Hbftraktionen-« Am, wo überall »an der
Stelle von m, n irgendwelche Zahlen ftehen-. (S. 4))
Dies zeigt wohl zur Genüge, daß v. Neumann den Unter-
fchied, den Bernays (f. o. S. 47) zwifchen der »engeren-'< und der
»weiterem Form des induktiven Verfahrens machte, nicht mehr
anerkennt oder wenigftens, daß er auch in der Metamathematik
bereits von der »weiterem Form Gebrauch macht, die durch die
Verwendung des »Hllgemeinbegriffs der natürlichen Zahl« gekenn-
zeichnet ift.
Das Endlofe wird alfo jegt auch in den Kreifen der Hilbert-
ichule in demfelben Umfang wie feitens der Intuitioniften inhaltlich
zugelaffen.

II. Die (halb)transfinite Induktion in Hckermanns


Beweistheorie.
W. Hckermann hat in feiner fchon öfters erwähnten Differ-
tation (Math. Hnn. 93, S. lff.) von einer beftimmten Hrt transfiniter
Induktion an entfcheidender Stelle Gebrauch gemacht. So heißt es
bei der Befchreibung der für feinen Widerfpruchsfreiheitsbeweis
grundlegenden Reduktion der »Funktional«-Formeln auf numerifche
Formeln: »Der Hbbau der Funktionale erfolgt nicht in dem Sinne,
[771] Mathematifche Exiftenz. 331

daß jedesmal beim Herausfdvaffen eines äußeren Funktionszeichens


fich eine endliche Ordnungszahl, die man einem Funktional als
Rang zuordnen kann, erniedrigt, fondern jedem Funktional
entfpricht gewiffermaßen eine transfinite Ord-
nungszahl als Rang, und der Sag, daß man nach Husführung
von endlich vielen Operationen ein konftantes Funktional auf ein
Zahlzeichen reduziert hat, entfpricht dem anderen, daß, wenn man
von einer transfiniten Ordnungszahl zu immer kleineren Ordnungs-
zahlen zurückgeht, man nach endlich vielen Schritten zur Null
kommen muß« (l. c. S. 13). Hllerdings fagt der Verfaffer kurz
darauf (l. c. S. 14): »Nun ift natürlich bei unferen metamathematifchen
Überlegungen von transfiniten Mengen und Ordnungszahlen nicht
die Rede. Es ift aber intereffant, daß der erwähnte Sag über die
transfiniten Ordnungszahlen fich in ein Gewand kleiden läßt, in dem
ihm vom Transfiniten gar nichts mehr anhaftet. Betrachten wir
etwa eine transfinite Ordnungszahl, die vor w-ta fteht. jede der-
artige Ordnungszahl läßt fich in der Form fchreiben w-12+ m, wo
vz. und m endliche Zahlen find. Man kann alfo eine derartige
Ordnungszahl durch ein Paar endliche Zahlen (n,m)charakterifieren . . . «
Hckermann zeigt dann, wie der Rückgang auf (0, 0) in endlich vielen
Schritten fich vollzieht und wie man das ganze Verfahren auf jede
beliebige Kombination von endlich vielen natürlichen Zahlen ver-
allgemeinern kann, wodurch man fämtliche Transfiniten unter ww
darftellen kann.
Diefe ganze Überfegung der transfiniten Rangordnung ins Finite
gilt aber ftets nur für ein beftimmtes vorgelegtes Funktional,
das durch ein derartiges »Rückwärtsfd1reiten« in endlich vielen
Schritten abgebaut werden kann. Will man aber alle Funktionale
von beftimmter Struktur üb erblicken, fo kommt man mit Rück-
wärtsfchreiten nicht mehr aus und der vorwärtsgehende trans-
finite Prozeß tritt in feine Rechte. (Man kann dies durch eine
ganz analoge Betrachtung zeigen, wie in § 3c gegenüber dem
Hilbertfchen Widerfpruchsfreiheitsbeweis angewandt wurde 1.)
Trogdem ift die Verwendung der transfiniten Induktion ent-
behrlich, wie v. N e umanns in Nr.1 zitierte Hrbeit, in der inhaltlich
ebenfošviel wie bei Hckermann bewiefen wird, zeigt (l. c. S. 41
bis 46 .
Der tiefere Grund für diefe merkwürdige Tatfache ift folgender:
Die bei Hckermann verwendete »transfinite Induktion« geht nur
nach Ordnungstypen vor fich, die unter ww liegen. Sie ift alfo,

1) H ckermann (l. c. S. 16) fieht den Unterfchied feiner Schlußweife


gegenüber der vollftändigen und transfiniten Induktion darin: »daß nicht
angenommen wird, daß für alle niedrigeren höcbften Rangkombinationen
der Sag erfüllt ift«, fondern daß er »auf en d li ch viele konkreten Fälle mit
niedrigerer höchfter Rangordnungskombination« zurückgeführt wird. Hber
dagegen ift zu fagen, daß man die Gefamtheit aller Fälle von
i r g e n d w e 1 ch e n möglichen Rangkombinationen muß überblicken können,
wenn man den Sinn des Begriffs »irgendein vorgegebenes Funktional«
klar erfaffen will.
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49* c u -tr a c k
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332 Oskar Becker. 772
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um einen fpäter eingeführten Terminus zu gebrauchen, nur - h alb-


transfinit-. (Nur der Ordnungstyp Q, der ganzen zweiten Zahl-
klaffe ift »volltransfinit«.) Eine foldve halbtransfinite Induktion
leiftet aber im Grunde nicht mehr als eine gewöhnliche indefinite
und kann durch Hnderung des Verfahrens durdv diefe erfegt werden.
Es handelt fich in beiden Fällen nur um Hbzählbares. (S. u. Ergänz.
zu § 5, Nr. VIC, S. 365.)

III. Zum Problem des »genügend kleinen« Endlichen


in der Metam-athematik.
Der im Text gegebenen Widerlegung des Hilbertfdıen ex-
tremen Finitismus kann entgegengehalten werden, daß die Hilbert-
fd'›e Beweistheorie mit ihren finiten Mitteln im Grunde doch alles
erreidve, was zu erreichen nottut, und daß unfere weitergehenden
Forderungen nidvt berechtigt feien. Es liegt ja zweifellos im W e fe n
menfchlidıer Wiffenfdvaft. in einem beftimmten Sinne f init zu fein,
d. h. nur ein endlidves gedankliches Gut zu enthalten. So ift auch
die Menge der wefentlidv, d. h. gedanklich verfdiiedenen mathe-
matifchen Konftruktionen und Beweife in jeder beftimmten erreichten
(und audi in jeder überhaupt jemals erreichbaren) Phafe mathema-
tifdver Forfchung finit. Wir haben in Übereinftimmung damit in
§ 5a (S. 106 -- 109) gefehen, daß auch das zur Beherrfdıung des trans-
finiten Progreffus dienende gedankliche Material, d. h. die wirklich
beim »Haben-= der Phänomene vollzogenen Intentionen, in feiner
Gefamtheit endlich und von endlicher Verwicklung ift. (Die Unend-
lidıkeit kommt ftets nur durdı gewiffe befondere »Horizont--
Phänomene hinein.) Hber andererfeits ift diefe finite Gefamtheit
mathematifchen Materials doch unb e g r e nz t, in genau dem Sinne,
in dem wir zwar im Leben nur finite Zahlen verwenden, aber doch
nid'›t fagen können, mit welchen Zahlen wir ausreichen werden. Es
ift fchließlidv auda nidıt damit getan, daß man eine fehr hohe end-
liche Zahl (Menge, Verwicklungsftufe ufw.) angibt, die man höcbft-
wahrfdøeinlich niemals im konkreten Gebrauch überfchreiten wird.
Denn fdıon finite Gebilde von relativ befcheidenem Umfang ent-
gleiten unferer direkten Hnfchauung bekanntlich fehr bald. Wir
müffen dann, um fie zu beherrfdıen, genau diefelben gedanklichen
Mittel anwenden (Horizontbegriffe und Hhnlidıes), als wenn es fich
um Endlofigkeiten im ftrengen Sinne handelt. Dem entfpricht, daß
im gewöhnlichen (und überhaupt im primitiven) Leben das Unend-
lid'›e einfach ein Unüberfehbares ift, was fchon nach wenigen finiten
Stufen in Erfcheinung tritt1. Es handelt fid'› alfo nidıt nur einfach
um eine Beherrfdıung mit finiten Mitteln, fondern mit genügend
»kleinen« finiten Mitteln.
In Hnbetracht diefer Sachlage ift es nun aber zweifelhaft, ob ein
Unterfchied zwifdıen finiter und indefiniter Induktion (vollftändige
Induktion im »engerens und »weiterem Sinn nada Bernays)
1) Huch in der heutigen Mathematik fpielt dies eine Rolle, wie H i l b e r t
in Math. Hnn. 78 (»Hxiomatifd1es Denken«) fchön gezeigt hat. - Vgl. auch S. 89 ff.
[773] Mathematifche Exiftenz. 333

überhaupt mit Recht gemacht werden kann, bzw. wo die Grenze


zwifdven dem engeren und dem weiteren Verfahren eigentlidı liegt.
Phänomenologifch angefehen, müßte der wefentliche Unter-
fchied eigentlidı zwifdıen den nodı »genügend kleinen-, d. i. über-
fehbaren und den bereits ››zu großen« finiten Fällen liegen,
aber nicht zwifdven den finiten und dem indefiniten 1.
Wendet man diefe Überlegung auf die Frage der »allgemeinen
Beweisfigur« in der Hilbertfchen Theorie an, fo kommt man zu
dem Ergebnis, daß man auch an diefe Beweisfigur die Forderung
der Überblickbarkeit (d. h. der »genügend kleinen«
Finitheit) ftellen muß. Gewiffe in der neueren klaffifdien Mathe-
matik vorkommenden Beweife, wie etwa gewiffe Beweife aus
der Primzahltheorie, genügen diefer Forderung fidøer nidıt
(wenn man die Beweife fämtlicher Hilfsfäge mitrechnetl). Um fold'›e
Beweife in die Hilbertfdıe Theorie einzubeziehen, bedürfte es
alfo der Hnwendung der vollftändigen Induktion auf eine »offene-
Mannigfaltigkeit, alfo im wefentlichen der indefiniten (offen end-
lofen) Induktion.
Hber felbft wenn man von derartigen Vorkommniffen abfieht
und nur genügend kleine Beweisfiguren in Betracht zieht, fo ift die
Mannigfaltigkeit der möglichen (d.i. vorlegbaren) Beweisfiguren,
mag fie auch, für jede Phafe mathematifcher Forfchung, endlich fein,
doch jedenfalls nicht überfehbar. Huch ein beftimmter Mathematiker
kann nicht apriori die Beweisfiguren, die ihm in feinem Leben
vorgelegt werden k ön n ten, überfehen; - wenn er audi weiß, daß
ihm fchließlido nur endlich viele Beweife vorgelegt werden können.
Die Frage erhebt fich alfo, wie er a priori ficher fein kann, daß,
jedesmal, wenn ihm eine (genügend kleine) Beweisfigur vorge-
legt wird, er mit finiter Induktion ihre Widerfpruchsfreiheit zeigen
kann. Dies fcheint nur auf zweierlei Hrt möglich zu fein: Entweder
kann man annehmen, es gäbe eine befondere Hrt von (kategorial)
unmittelbar anfd_'›aulicher »arithmetifdıer Hllgemeinheit«, die fich
ihrem Umfang nach auf eine ofliene, wenn auch aus abgefchloffen
überfehbaren (genügend kleinen) Elementen beftehende Mannig-
faltigkeit von möglichen Einzelfällen erftredct. Oder man muß fich
eines offenen induktiven Verfahrens bedienen, um jene Mannig-
faltigkeit ihrem Umfang nadı zu erfdvöpfen. In jedem Fall geht
man aber offenbar über den Vollzug eines induktiven Verfahrens

1) Ein Beifpiel kann dies leicht näher erläutern: Man kann den Sag,
daß die Hnzahl der Permutationen von fn-Elementen n!=1-2 ~3 ~4 . . . -n
ift, für die niedrigften Zahlen 1, 2, 3, 4 u. ä. leicht durch überlichtliches
Hnordnen der betr. Elemente evident machen. Hber fchon bei 1000 Elementen
ift dies ganz unmöglich. Man muß dann, um den Sag für n=1000 zu
erhärten, fchon genau dasfelbe induktive Verfahren anwenden, das audi
hinreicht, um ihn für jedes beliebige (endliche) n zu beweifen. Trogdem ift
die Induktion für n= 1000 (und auch etwa für az unterhalb einer Sextillion),
»finit« und erft für ein beliebiges fr» indefinit. Liegt aber nicht die
wefentliche Grenze (die allerdings nicht ganz fcharf beftimmbar ift) zwifdven
dem Fall der »kleinen« und der »großen« Zahlen n - und nidıt etwa
zwifchen 'n =1 Sextillion und n = beliebig?
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an einer vorgelegten abgefdvloffenen Figur hinaus. (Bernays


ftellt ja gerade für das »weitere Verfahren« das Kriterium auf,
daß in ihm vom »Hllgemeinbegriff« der endlichen Zahl
oder von der fidı ins Unbegrenzte erftreckenden vollftändigen In-
duktion Gebraudı gemadvt würde.) Die hypothetifche Formulierung
mit -wenn« verdeckt den wahren Sachverhalt, indem fie dazu ver-
leitet, zu überfehen, daß »wenn- hier im Grunde foviel wie »je d e s-
mal wenn« befagt.
Man wird nun auf unfere gefamte Hrgumentation immerhin
erwidern können: ein wefentlidıer Unterfchied beftehe zwifchen
dem Fall, wo ein Beweis konkret vorliege und dem Fall, wo dies
nicht der Fall fei. Man ftehe vor der Frage, ob ein folcher Beweis
vorgelegt werden könne oder nidıt, welche Frage bei einer of-
fenen Mannigfaltigkeit von Beweifen nicht entfcheidbar fein müffe
und allerdings, wenn überhaupt, dann nur mittels indefiniter In-
duktion entfchieden werden könne. Es fei ja nicht notwendig zu
entfdveiden, ob der Fall, daß ein Beweis der in Rede ftehenden Hrt
vorgelegt würde, wirklich eintreten könne oder nicht. Solange der
(ungünftige) Fall nicht eintrete, erwachfe ja keine Hufgabe, wenn
er aber eintrete, dann habe man ja das f init e Induktionsverfahren
zur Erledigung der alsdann auftauchenden Hufgabe. Hber, fo richtig
diefe Bemerkung ift, es bleibt die Frage, woher man denn
ficher fein könne, daß man beim Eintreten des
ungünstigen Falles jedes Mal audi wirklich der
dann entftehenden Hufgabe gewadvfen fei. Um diefe
Sicherheit zu gewinnen, nicht um eine weitergehende, rein theore-
tifche Problematik zu verfolgen, braucht man eine präzife Vor-
ftellung a priori von den möglicherweife vorlegbaren Beweifen. Und
wir werden nun wieder zurückgeworfen auf die Frage, wie eine
foldøe Vorftellung erlangt werden könne.
8 Die einzige Möglidvkeit, bei der Löfung diefer Frage das
offene induktive Verfahren zu vermeiden, fcheint uns die Hn-
wendung einer archaif chen Denkweife zu fein, nämlich das Zu-
rückgehen auf die geftalthaf te Hllgemeinheit. Der archaifche
Z a h l b e g r i f f zum Beifpiel beruht auf einer derartigen Geftaltallge-
meinheit. So kann etwa die Geftalt der Quincunx _ ° _ aus den
folgenden Figuren leidıt herausgefchaut werden:
O O 'it 'X' El “ El I I X ><
0 * Ü I X
Q 0 >j< >[< EJ EI l l X X
cı a b b
rr b ufw.
cr cn _ b b
In diefem Sinne kann auch etwa aus der geftalthaft-allgemei-
nen Formel: 0--I-1l=Ü+ 9 die »Ifomorphie« der folgenden Gebilde
herausgefchaut werden:
fl+ß=ß+fl *+o=o+*
3+2=2+a nw.nw.
[775] Mathematifche Exiftenz. 335

Hier ift la t e n t ein gewiffer Horizont möglidaer »ifomorpher« Ge-


ftalten vorhanden , aber es wird kein explizites Verfahren ange-
wandt, um ihn zu erfdvöpfen.
Diefes primitive Verfahren genügt offenbar auch für die Zwecke
der H ilb e rtfchen Beweistheorie in den einfadoen, »überblickbaren«
Fällen. Ob aber feine Hnwendung der Forderung der
fo oft gerühmten mathematifdıen Strenge ent-
fpridot, muß dahingeftellt bleiben. In der Tat hat ja auch,
wie erwähnt (f. o. Nr. I), ]. v. N eu m ann eine ftillfchweigende Re-
kurrenz auf ein foldıes primitives Verfahren ausdrücklidv vermieden.

Ergänzungen zu § 4.
(Fragen der Brouwerídven Logik.)
I. Zum Problem des »Quartum non datur«.
Obwohl Brouwer infolge feines Prinzips der »Unabhängig-
keit der Mathematik von der mathematifchen Spradıe«1 die Ent-
wicklung eines eigentlichen Logikkalküls für unfrudıtbar hält, ift es
dodı eine unvermeidliche Hufgabe, fich einen Überblick über die
formalen logifchen Hauptfäge zu verfdvaffen, die den Intuitioniften
zuläffig erfcheinen. Einiges darüber ift nun auch von Brouwer
felbft und von R. Wawre darüber gefagt worden 2.
Zunädvft ift zu bemerken, daß die intuitioniftifdıe Logik nidıt
zwifchen »wahr-= und ›falfd'›«, fondern zwifchen -wahr« und
»abfurd« unterfdoeidet. Dabei bedeutet »wahr«: wirklidı beweis-
bar (konftruktiv), »abfurd-=: nadıweislidı widerfprudisvoll. (Prin-
zipiell phänomenologifch wird man fagen können: wahr - es be-
fteht die Synthefis der E r f ü l l u n g der Urteilsintention, der Ü b e r-
ftimmung zwifchen Vermeintem und Hngefchautem; »abfurd«:
= es befteht die »Synthefis« der Enttäufdaung der Urteilsinten-
tion, die »Synthefis« des Widerftreits, dem ftets eine par-
ti e lle Synthefis der Übereinftimmung zugrunde liegt. S. o. S. 58 ff.)
Offenbar befteht keine vollftändige Disjunktion im Sinne des
tertium non datur zwifchen Erfüllung und Enttäufdıung, Überein-
ftimmung und Widerftreit. Definieren wir »falfd'›« (»unwahr-) als
»nicht wahr«, fo entfpricht diefer Möglichkeit, die offenbar das
»tertium« repräfentiert, die ››Nid'›t-Übereinftimmung« die fowohl
von der Übereinftimmung wie vom (pofitiv eínfichtigen) Wider-

1) Vgl. darüber H. Fr aen k el, Zehn Vorlef. über d. Grundlegung der


Mengenlehre (B. u. Lpz. 1927), S. 35 u. 53. V
2) Bro uw er, -lntuitioniftifche Zerlegung mathematifcher Grund-
begriffe« (jahresber. cl. D. Math. Ver. 33 [1925], S. 251 ff.); R. W a w r e, Revue
de Métaphysique et de Morale, 31. (1924), S. 435ff ; 33 (1926), S. 65 ff., 425 ff.;
vgl. dazu auch P. Lévy, ebenda, 33, S. 253ff., 545ff. (Davon lind für die
gegenwärtige Frage befonders wichtig folgende Stellen: 1) 31, S. 438-40:
über Logik, Sprache und Mathematik; 2) 33, S. 69-73: allgemeine Prin-
zipien der »formellen« [d. h. der klaffifchen] und der »empiriftifchen« [der
B r o u w e r fchen] Logik.)
c u -tr a c k c u -tr a c k
.c .d o .c .d o
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h a n g e Vi h a n g e Vi
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Oskar Becker.

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c u -tr a c k c u -tr a c k

ftreit zu unterlcheiden ift, ebenfo wie die »Nicht-Erfüllung« von der


Erfüllung wie von der Enttäuídvung.
In diefem Sinne wurde im Haupttext (S. 57) zwifchen den G el-
tungsmöglichkeiten des Sages 19: 1) + 29 [Erfüllung],
2) + ('-P) lEnttäufchungl und 3) -(+11), was mit - (±P) Phäno-
menologifch äquivalent ift (vgl. S. 65, ñnm. 1), [Nicht-Erfüllung]
unterfchieden. Oder audv (S. 65) zwifchen den Sachverhalten:
1. ..|-.1-| ..|-_;_'ı
Llnd es wurde hinzugefügt (S. 58): quartum non datur.
Vergleicht man nun die Husführungen Brou w ers und
Wawres über diefen Punkt, ío findet man bei beiden die
klare Leugnung diefes Prinzips »quartum non
daturs.
Zunächft zieht B rou wer außer den beiden Grundmöglich-
keiten der Wahrheit und der Hbiurdität des Sages 19 die dritte
Möglichkeit der =›Hbíurdität der Hbíurdität« heran. »Es
ift abfurd, daß p abíurd ift« bedeutet: »Es ift nachweisbar wider-
finnig (d. h. i. H. wohl foviel wie wideripruchsvoll), daß 19 nachweis-
bar widerfinnig ift«. Oder: »Es befteht der Beweis der Unmög-
lichkeit für einen Llnmöglidıkeitsbeweis des Sages 1%. Es ift klar,
daß diefe legte Flusiage nicht mit der (nachweislichen) Wahrheit von
19 äquivalent ift. Hber was noch wichtiger ift, es befteht auch
nicht die trichotome Disjunktion: ›› Entweder iít 19
wahr, oder abiurd, oder feine Hbíurdität ift ab-
íurd«. (Vgl. Wawre,l. c. 33, S. 72.) Denn es kann offenbar
iehr wohl fein, daß p weder pofitiv nachweisbar, nod'› die facto
feine Unmöglichkeit nachweisbar, noch die Unmöglichkeit eines folchen
Nachweiles der llnmöglidıkeit von 19 nachweisbar ift.
Nehmen wir einen befonderen Fall: 29 bedeute: *Die Zahl a
ift algebraiích<=. Die Wahrheit von P befagt dann: »Es ift eine
algebraifdıe Gleichung mit ganzen Koeffizienten 9 (a) = 0 angebbar,
der cz genügt«. Die Hbfurdität von p heißt: »jede algebrailche
Gleichung g(a) = 0, die in a identifch erfüllt ift, ift wideripruchsvoll«
(oder: =›a ift tranizendent«). Endlich will die Hbiurdität der
Hbiurdität von 19 iagen: *Es ift abfurd, daß jede Gleichung
g (a) = 0 widerfprudısvoll ift« oder »daß a (nachweislich) tranfzendent
ift«. Daraus folgt offenbar nidıt, daß eine Gleichung g(a) = 0 wirk~
lich aufgeftellt werden kann. - Hber auch die drei angeführten
Möglidıkeiten erfchöpfen nicht die iämtlichen möglichen Fälle. Es
kann nämlich ganz gut fein, daß weder die Gleichung g(a) = 0 vor»
liegt, noch die Exiftenz einer folchen Gleidvung widerfpruchsvoll ift,
noch auch die Hbíurdität diefes Wideripruchs einíichtig ift. Wir
haben dann eben weder die Gleichung noch den Widerípruch noch
deffen Hbfurdität.
Wie verhält iich nun diefes Reíultat zu unferer, auf die phäno-
menologifche ñnalyie begründeten Huffaiiung?
[777] Mathematifche Exiftenz. 337

Die drei Möglichkeiten 1) 2) 3) für die Sachverhalte »fh


wurden (S. 65) näher charakteriiiert als:
1)+P 2)+í› 3)-(P\/15)
Der dritte Fall urn"faßt offenbar die Flbfurdität der Hblurdität
von p (fymboliích: í), aber ift nidvt mit ihr äquivalent.
Wenn weder 10 noch 15 gelten, fo braucht deswegen_ nicht Ü zu gelten;
es ift ebenfo möglich, daß weder 19 noch §5 noch Ø gilt. D. h.:
4) - (P V 15 V F)
Bezeichnet man zur Hbkürzung den Husdruck (4) mit fi, fo ift
ebeníowenig eine Garantie dafür vorhanden, daß »quintum non datur
praeter 10 vel p vel F vel fi« gilt 1. (Fluch, daß P, 15, fiö, einander
Baarweiíe ausfdıließeıl, ift nicht íidıer, nur ift iicher 29 mit 11, p mit
Ø und 13 mit P \/ ii \/ í unverträglich.) Es könnte alfo den Fall geben:
5) - (p\/15\/i›`\/ii)
Diefes Verfahren kann allem Hnfdvein nach in indefinitum fort-=
geíegt werden: für kein endliches N fcheint man ein >›N“““ non
datur« behaupten zu können.
Von weientlichem Intereiíe ift nun die Frage: Wie v er h alte n
fich die Möglichkeiten (3), (4), (s) . . (H) ufw.? -_ Es ift
offenbar (wenn der Pfeil :~>~ die Implíkation bezeichnet)2:
(H-+1) ~>~ (H) ->~ . . . ~› (5) -> (4) ~+ (3)
D. h.: Wenn weder 10 noch 15 nodl "15 noch gilt, io gilt auch irn
Einzelnen weder 2? noch 23 noch "13 und a fortiori weder P nod'› fl
und endlich auch nicht etwa p iioliert oder §1 ifoliert. D. h. aber:
(3) ift jedenfalls richtig, wenn (4) ridvtig ift und diefes wenn (5)
richtig ift ufw. ufw. Die Hnnahme einer vollftändigen
trichotomen Disiunktion »(1) aut (2) aut (3)« ichließt
weder die Möglichkeit des Beftehens von (4) noch
die von (5) ufw. ufw. aus. (Die Tridıotomie »(1) aut (2) aut (3)«
ift ja keineswegs äquivalent mit der mit (4) unverträglichen Trid›o~
tomie »P aut 15 aut f3«.) - -
Wenn wir demnach auch keinen Widerfpruch mit unferer phä~
nomenologifchen Thefe zu befürchten haben, ift doch noch über diefe
Feítftellung hinaus eine pofitiv-phänomenologifche Deutung der Sad»
lage erwünícht.
Dazu muß hauptfächlich geklärt werden, was unter der Hb-
íurdität der Hbfurdität von P, alfo unter §5 phänomeno-
logifdı zu verftehen ift und auf diefe Klärung wollen wir uns der
Kürze halber beichränken.
Wir haben gefehen: §1 bedeutet die ›Durchftreichung von 39;
d. h; es ift eine leere Intention auf den Sachverhalt 19 vorhanden,
ihr entfpricht keine (totale) Erfüllung. Daraus relultiert das Phä-
nomen des =›Widerftreits« durch eine Hrt Synthefis. Man kann nun

1) Es fei daran erinnert, daß zwar »a ut«, aber nicht »V el« (Symbol \/)
die disjunkten Glieder als unverträglich kennzeichnet.
2) p -› q heißt: wenn p wahr ift, ift auch q wahr. (Vgl. Wawre,
l. C. 33, S. 69.)
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338 Oskar Becker. [778
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c u -tr a c k c u -tr a c k

ä auffafíen als die ›Durchftreichung« von ii; alfo: leere Iiıtcnıion


auf fi, keine Erfüllung, daraus durch »Synthefis« Widerftreit. Be-
rüddichtigt man die eben gegebene Erklärung von §9, io bedeutet
das aber: Es ift zwar eine Intention I1 auf das Beftehen eines
Widerftreits W2 (infolge Erwartung von 1? (Intention I2) und Ent-
täuíchung diefer Erwartung) vorhanden, aber die Hníchauung diefes
Widerftreiís W2 ergibt lich nicht, demnach Widerltreit W, zwifchen
der umgreifenden Intention I1 und ihrer Erfüllung. Die Sachlage,
die I1 enttäuícht, braucht offenbar nicht die andere Intention I2 auf
die Wahrheit von P zu erfüllen. Denn es ift zwar ficher, daß,
wenn W2 befteht, d. h. §15 gilt, nicht P gelten kann, alfo die Intention
I2 [ich nicht erfüllen kann, aber das Fehlen von W? braudıt nicht
die Erfüllung von I2 nach fich zu ziehen. Denn das pure Fehlen
von W2 ift ein rein privatives Phänomen, die Erfüllung der
Intention I2 aber offenbar etwas fehr Poíitives.
Es ift demnach in Zeichen { » -šr <<: impliziert; >> ~H-if <<: impliziert
nicht immer}: 29-* ?, aber :"15-\\~+ 12.
Der Vergleich mit der Symbolik des Haupttextes ergibt:
v)PE+I›; 6) ípš-P; 1/) '§2-(-P) l?l
und es wurde gefagt, daß ftets:
fi) --(+i›) fši - (-P)
Was bedeutet aber - (-1- 2J)? Das war erklärt worden als
Mangel des Zugangs zum Sachverhalt 29, íodaß alfo weder
die Erfüllung noch die Enttäuichung der Intention 21 ftattfinden kann
Ii. S. 65, wo es iich um Sachverhalte handelt; anders S. 57, wo:
+ (- P) r* - (-1- P) und, da + (- P) und -- (-- 19) unverträglich
find, unmöglich - (+19) und -- (-'P) äquivalent fein können; dort
handelt es fich aber um llrteilsintentionen im engen
Hníchluß an die Sprache, deshalb umfaßt - (+19) die hier
ausgeichlofiene Möglichkeit + (- 19).]
Daraus folgt offenbar die Fiquivalenz (6). __Hber es wird zu-
gleich zweifelhaft, ob (y) richtig ift. Bedeutet 5 wirklich dasíelbe
wie - (-19)? Nein! ›- (-29)« befagt: Der Zugang zu -P ift
geíperrt. Der Widerftreit, den - 29 ausdrückt, ift [owohl hiniichtlich
feines Stattfindens wie auch hiníichtlich feines Nichtitattfindens, nicht
gegeben. ›-515« dagegen meint: Der durch §9 ausgedrückte phäno-
menale Widerftreit ift abfurd, er befteht evidentermaßen nicht.
Womit aber nicht gefagt ift, daß, wo kein Widerftreit, da eitel
Harmonie herriche und folglich P gelte! Ift 19 ein allgemeiner
Sachverhalt, ío kann z. B. 19 mitun t e r, nicht aber allgemein erfüllt
fein. 29 ift alsdann nicht widerfpruchsvoll; es gilt nicht 13 aus Wefens-
gründen, aber trogdem gilt auch nicht 19.
Man kann hier íagen: 12 ift (in einem etwas laxen Sinn) als
allgemeiner Sag falfch, aber nicht abiurd. (Hus der Hblurdität
folgt die Fallchheit, aber nicht umgekehrt.) Findet diele_s ›laxe«
Verhältnis des »bloßen Falichíeins« ftatt (iymbolilch: gilt 10), ío ift
[779] Math_ematil'che Exiftenz. 33.9

die flbíurdität von 19 abíurd, d. h. es gilt T. llmgekehrt folgt aber


aus "15 nicht 15, ebenfowenig wie 191; beide, 19 und 19, find aber mit
15 verträglich. (So gilt z. B. nach Brouwer die Hbiurdi-
tät der Hbíurdität des Sages vom ausgeichlofíenen
Dritten: er gilt im Bereich der endlichen Mengen, aber nicht
immer im Bereich der unendlichen.)
Man kann auch hier nach vielleicht auftretenden :vollftändigen
Disjunktionen fragen; wir wollen dies Thema aber nicht weiter er-
örtern, da eine fyftematiiche Erichöpfung, die allein von weiter-
gehendem Intereííe wäre, hier nicht möglich ift. Hber es muß be-
tont werden, daß das im Haupttext S. 58 behauptete ››quartum non
datur« für die drei Möglichkeiten (vgl. S. 65): 19, 19, - (19 V §) beftehen
bleibt.
II. Die Iteration der Hbfurdität.
Die vorhergehenden mühfamen Erörterungen fchrecken zunächft
von der weiteren Komplikation, die mit der weiteren Iteration der
Hbiurdität über die zweite Potenz hinaus eintritt, zurück. Da
F å 19 ift, veríagt das Prinzip der doppelten Negation, das in der
klaíiifchen Logik jede Iteration der Negation überflüliig macht. Haben
in der intuitioniftiichen Logik ni_cht vielleicht alle ››Potenzen« der Hb-
furdität, absp E Q absflp E "Q absäp, abs4p _ _ , , abs” p ihre
eigene Bedeutung? Dies ift nidıt der Fall. Es ift Brouwer
(l. c. 253) gelungen, das Theorem zu beweiíen, daß die dritte
Potenz der Hbfurdität der erfte näquivalent ift.
(Mitbin ift: abs” 10 = absi 19 und abs2"+' p = abs 19.) Der Be-
weis verläuft folgendermaßen: Sind 19,q zwei Säge, fo wird als
Grundfag angenommen:
(p -› g) -› (abs q -› abs p)
Nimmt man hierin ftatt 19,q die Säge 19 und 0198219, fo ift:
(p -›- abs2p) ~› (abs3 p -›- abs p)
Hlfo, da 19 -+ 6258219 (f. o. S. 338), folgt:
absi* 19 -› abs p
Hndereríeits folgt fofort durch Subftitution von 058 19 für 10 in
die richtige Formel 19 -› abs* p : abs 19 --› absi19. Mitbín ift:
abs?-› P Qi abs p Q,ie_ d,
Wie fteht es aber mit der Rechtfertigung des im Beweis ver-
wendeten =›Grundíat;es«? Er befagt: Wenn aus der Wahrheit von 19
die Wahrheit von Q folgt, io folgt aus dem Wideriinn von q der
Wideríinn von 19. In der Tat: wenn die phänomenale Einftim-
migkeit, die den wahren Sachverhalt q konftituiert, in der um-
faiíenden Harmonie des Sachverhalts 19 enthalten ift, io ergibt die
Hufweiíung eines Widerftreits in q unmittelbar auch einen Wider-
ftreit in 19, da doch q eine Hrt ›Teil< von 19 ift. Man kann iich

ı_) in ze1a›en= p -› ä, 5-ıı-› §3, 5 -ıı-› p; p -ıı-› 1%, 55 -ıı-›- Ã wo übri-


gens 5 =5 (f. u. Nr. 11).
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h a n g e Vi h a n g e Vi
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340 Oskar Becker.
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c u -tr ack c u -tr a c k
dasfelbe auch fo klar machen: Widerfinn (d. h. ein Sachve.i..... .nit
evidentem Widerftreit) folgt nur aus Widerfinn. Denn Widerfinn
ift ja, wie fchon öfter dargelegt, ein poíitives »evidentesøf Phäno-
men, d. i. ein ››entdecktes« Seiendes (ô`ı› rbg oi-lv;3á_c), alfo ein -› in
feiner Hrt- wahres Seiendes. Implikation heißt aber im
intuitioniftiicben Sprachgebrauch: Wenn das Hntezedens wahr ift,
ift auch die Konfequenz wahr. Fundiert ift die Wahrheit der Konfe=
quenz in der umfalfenden Wahrheit des Hntezedens: fo ift im be-
fonderen die (wefenhafte) ››Wahrheit« (å-Änjiäeıa, evidentia) des
Widerftreits der Folge notwendig fundiert in der (wefenhaften)
›Wahrheit« des umfaffenderen =›Widerftreits« des Grundes.
Damit iind die wefentlichen Prinzipien, die für die Brouwer=
fche Logik f p e z i fi f ch kennzeichnend find, phänomenologifch geklärt.
Vergleichen wir nämlich die Wawrefche Lifte (l. c. 33, 69-70), fo
haben wir:
1) als nicht weiter der Erläuterung bedürftige Prinzipien: a) den
Syllogismus, b) den Sat; vom Widerfpruch, c) das Prinzip des all-
gemeinen Sdvlußfdıemas: Es gelte @, @'›->%, alfo gilt í.
2) Das dem entfprechenden klaffifchen ähnliche Prinzip: Was
Hbfurdes impliziert, ift abfurd. (Dies wurde zulegt erläutert).
3) Das ípeziñích ›intuitioniftifche« Prinzip: Wahrheit impliziert
Hbfurdität der Hbíurdität, was nid'›t umkehrbar ift. (Das
wurde in Nr. I begründet).
Damit ift der wefentliche heute bekannte Befigftand der all-
gemeinen intuitioniftifchen Logik mit unferer Interpretation in Zu-
fammenhang gebracht; die Frage eines intuitioniftifdıen Logik-
kalküls ift in verfchiedener Hinficht noch als ungeklärt anzufehen,
insbefondere auch, ob es überhaupt ein fınnvolles Ziel der intuitio-
niftifch orientierten Forfchung fein kann, einen Logikkalkül aufzu-
ftellen, für den das fog. »Entfcheidbarkeitsproblem«, etwa durch
Zurückführung aller Formeln auf eine Normalform, lösbar ift.

Ergänzungen zu § 5.
(Zur Lehre von den transfiniten Ordnungszahlen
und zum Kontinuumproblem.)
Hus den Erörterungen in § 5a IV ergibt fich die Hufgabe, die
Verbindung zwifchen den üblichen mathematifchen Theorien der trans-
finiten Ordnungszahlen und der für den transfiniten Prozeß aufgewie-
fenen phänomenalen Grundlage foweit als möglich, bis in die Einzel=~
heiten hinein, herzuftellen. t Der Verfuch, diefe Hufgabe zu löfen
(foweit fie überhaupt lösbar ift), kann hier allerdings nicht in größe-
rem Umfang in Hngriff genommen werden, da fie umfangreiche ma-
thematifdve llnterfuchungen vorausfegen würde. Hußerdem befindet
fich die mathematifche Theorie der Transfiniten heute in einer
Krife, deren Husgang noch ungewiß ift: die Begründung mittels der
›Erzeugungsprinzipien« begegnet feit langem ftarker Kritik und
[781] Mathematifche Exiftenz. 1 341

es waren wohl weientlich mathematif che Gründe, die Cantor


zu feinen »wohlgeordneten Mengen« führten. Hndererfeits operiert
diefe zweite ›allgemeine« Theorie erftens mit dem fIktual-Unend-
lichen und ift dadurch ontologifch unmöglich, als fachlich ge-
meinte Theorie; zweitens macht fie vom Prinzip des ausgefchlof-
fenen Dritten in fchrankenlofer Weife Gebrauch. Sie würde alfo
jedenfalls einer eingehenden Umformung bedürfen, um für unfere
Zwecke brauchbar zu fein. Hber auch die Möglichkeit einer folchen
Umformung vorausgefegt, bleibt noch eine dritte Sdıwierigkeit
weientlich mathematifcher Hrt übrig: die allgemeine
Theorie der wohlgeordneten Mengen reidıt nicht hin, die f pezi~
elle Theorie der C a n t o r fchen transfiniten Ordnungszahlen zu ent=
wickeln. Insbefondere kennen wir ja zur Zeit nur ein kleines
Hnfangsftück des Hlgorithmus, mit dem man die transfiniten Ord-
nungszahlen eindeutig bezeichnen kann. - Es befteht alfo die Huf-
gabe, diefen filgorithmus fyftematifch zu entwickeln. Dann erft wird
es möglich fein, einen wirklich tiefergehenden Einblick in die Natur
des Transfiniten zu gewinnen.
In Hnbetracht diefer Sachlage werden hier folgende Punkte be-
handelt werden: ~
I. Eine von J. v. Neumann herrührende Form der »allgemeinem
Transfinitentheorie, die zum Vergleich mit unferem ontologifchen
Hnfag befonders geeignet ift.
II. Hilberts Hnfat; der Transfinitentheorie, der auch feinem
Löfungsverfuch des Kontinuumproblems zugrunde liegt.
III. Heffenbergs induktive Methode der Begründung der
Rechengefege der transfiniten Zahlen.
IV. Brouwers Theorie der Zahlen der II. Zahlklaffe.
V. Zur Ergänzung der im Haupttext (§ 5aII B, S. 98ff.) gegebenen
Erörterungen über Bildgegebenheit ein konkretes Beifpiel trans-
finiter Iteration der Bildintentionalität.
VI. Neuerdings aufgetauchte Schwierigkeiten in der Theorie
der Transfiniten und ihre mögliche Überwindung.
Im einzelnen: H) die Löwenheim-=Skolemfche Parodoxie.
B) das Problem der fyftematifchen Bezeichnung transfiniter Zahlen.
C) Skizze einer Begründung des Hilbertfchen Lemma II zum Kon«
tinuumfag und Erörterung feiner Tragweite für den Beweis des
Sages felbft.

I. v. Neumanns allgemeine Theorie der transfiniten


I Ordnungszahlen.
J. v. Neumann hat eine Theorie der transfiniten Ordnungs-
zahlen veröffentlicht 1, die fich dadurch auszeidvnet, daß fie lediglich
von den Begriffen der »wohlgeordneten Menge» und der »flhnlich-«
1 7' *H I _ 7 ~

1) Hcta Liter. ac Scient. R. Univ. H u n g a ri c a e Francisco-Josephinae


Sect. Scient. Math., Tom. I, Fasc. IV (Szeged. 1923): Zur Einführung der
transfiniten Zahlen.

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342 Oskar Bedier.
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keit«, nicht aber von der transfiniten Induktion Gebrauch .n root,


ftreng formaliftifch ift (vage Symbole wie . . . vermeidet) und auch
in der Z e r m e lo - F r a e n k e l fchen Hxiomatik (unter Hinzunahme
des F r a e n k e l fchen »Erfet3ungsaxioms») aufgebaut werden kann.
Bemerkenswert ift nun, daß diefe Theorie fich auch
leicht als ein formaler Husdruck des in§ 5a (S.101 ff.) dar-
gelegten transfinit iterierten Reflexionsprozeffes
d e uten läßt. Diefe Deutung fei im folgenden kurz fkizziert.
J. v. Neumann geht als Grundlage feiner Überlegungen aus
von dem Sat; »Jede Ordnungszahl ift der Typus der Menge (bzw.
die Menge felbft) aller ihr vorangehenden Ordnungszahlen-=1.
Bezeichnet O die leere Menge und (a, b, c . . .) die Menge
mit den Elementen a, b, c . . ., fo ift gemäß der transfiniten In-
duktion:
= O
= (0)
= (0, (0))
<.› l\Jı-so
I O I 1 O ı ı 0

<0- (0, (0), (0› (0)), (0, (0). (0, (0)))› - - - -).
, w+1=(0› (0)› (0, (0)), -, (0, (0)› (0). (0. (OD),----))
0 I O O O 0 Ü I I I I O Ü ' ' Ü Ü U Ü ' ' Ü ' '

(Es wird freilich gerade in der Neumannfchen Theorie die


Induktion vermieden, wofür auf die Original-Veröffentlichung ver»
wiefen fei 2.)
In dem gegenwärtigen Zufammenhang ift nun wichtig, daß man
das obige Schema als intentionales Iterationsfdiema fofort auffaífen
kann, wenn man die Operation der »Mengenbildung«, die durch

1) v. Neumann fügt hinzu: »Dies ift kein bewiefener Sag über Ord-
nungszahlen, es wäre vielmehr, wenn die transfinite In=
duktion fchon begründet wäre, eine Definition der»
fe l b e n.« Er felbft vermeidet die Induktion, benugt aber an ihrer Stelle den
Sag vom ausgeichloffenen Dritten in der bekannten Form: Beh auptun g:
»Es gilt für alle Transfiniten z der Sag p.» Be weis: »Denn im entgegen»
gefegten Falle gäbe es ein erftes ar, für das der Sag 19 nicht gilt . . . ufw.»
Vom intuitioniftifchen Gefichtspunkt aus ift allerdings gerade die Induktion
(auch die transfinite) das Primäre und auch der Sag vom ausgefchlofienen
Dritten das Hbzuleitende. (Vgl. darüber unten Nr. III [He ffenb erg],
S. 349f.) Von hier aus wäre die Neumannfche Theorie zu modifizieren
und vermutlich erheblich zu vereinfachen.
2) Nur die grundlegende Definition fei angegeben: Ift Ems) eine Eigen=
fchaft, f(x) eine Funktion, die für alle x, die die Eigenfchaft E(x) beñgen,
definiert ift, fo bezeichne M[f(x); E(a:)] die Menge aller fix), wenn as allem
mit der Eigenfchaft E(x) durchläuft. fllle Elemente vor cr in der geordneten
Menge E (deren Element z ift), bilden den »Hbfchnitt von x in En A(z, E).-
Dann heißt, wenn E wohlgeordnet, fix) eine »Z ählung« von E. wenn
für alle Elemente sc von .EI gilt:
für) = Mlf(:f/); yfA(1=›5)1-
Ferner, wenn f (x) in diefem Sinne eine »Zählung« von E ift, fo heißt:
Mlf(-vv): xfâıl
eine »O r d n u n g s z a hl v o n an. (Dabei bedeutet sv ç E in bekannter Weife:
x ift Element von E.) h
[733] s Mathematifche Exiftenz. 343

die Klammern () angedeutet wurde, mit dem Umgreifen einer Gegen»


ftändlidıkeit durch eine Intention paralleliiiert. Nimmt man etwa
die Reflexion als Beifpiel und bezeichnet man die Refiexion auf
irgendeinen geraden Hkt A mit R(A), fo kann man den Neumann-
fdıen fllgorithmus mit einer nur ganz unwefentlichen äußeren Modi»
fikation anwenden und erhält:
0 <~› A
1 +~› R (A) 9
2 +4» R (A, R (A))
3 <-*R (4. R(4)› R (4. R (4)))
O I O I O I O O O I O I

..›«<-››R 1.4, 1~z(.4), 1e(A,R(A)),....1


«„+ı¬<-+1-zga, R(A),R(A,R(A)),....;
.....R{A,R(.«1), 12(A,R(.4)).....1}
Der Unterfchied zu der im Haupttext (§ 5a, S. 101 ff.) betrachteten
Iteration von Reflexionen ift folgender: Damals wurden zwei »Er-
zeugungsprinzipien« benötigt, nämlich: 1. der Fortfchritt von einer
Reflexion am Stufe zur nädvftfolgenden (cx -|- 1)“"" Stufe: R“ -> R(R“) =
R“+1 und 2. der Übergang von einer endlofen Reihe von Reflexionen
veríchiedener Stufen R“, R“, R13 . . . R2" . . . zu einer auf diefe
ganze Reihe »fich reflektierenden« Reflexion }.„,*“' Stufe, wo l„,= lim Ä„_
4 n_+w
Diefe beiden Prinzipien werden jegt erfegt durch das eine des
»Fortfchreitens vom Hbfchnitt auf fein ihm unmittelbar folgendes
Element«, d. h. es wird ftändig auf die Gefamtheit der fchon früher
erzeugten, in der Ordnung ihrer Erzeugung aufgereihten Reflexionen
reflektiert, gewiffermaßen hat man ftändig die gefamte Gefchichte
des iterierten Reflexionsprozeffes vor Hugen, fo weit fie jeweils
gediehen ift. Oder, wie man wigig gefagt hat: Die Reihe der fo
definierten Ordnungszahlen gleicht einer Bibliothek, die fo anfl
geordnet ift, daß jedes Buch lediglich den Inhalt aller vorangehenden
regiftriert, - woraus, nebenbei gefagt, folgt, daß im erften Buch der
ganzen Sammlung - nichts fteht. (Vgl. auch S. 114f. über Schelling).
Dies hat den großen Vorzug, daß der transfinite Prozeß fo
noch wefentlich einheitlicher fich vollzieht als bei der Erzeugung
mittels zweier Prinzipien, er erfcheint jegt in noch höherem Grade
als ein kontinuierliches »Hinüberzählen über das Unendlichei, als
ein einheitliches rhythmifches Fortfchreiten durch ftändig denfelben
Iterationsvorgang. Und das iftfür feine ontologifche Interpretation,
fo wie fie in § 5a verfucht wurde, nicht ohne Bedeutung.

II. Hilberts Theorie der Variablentypen und


Ordnungszahlen.
Hm nächften kommt die in dem fchon fo oft zitierten I-Iuffat;
Hilberts »Über das Unendliche« (Math. Hnn. 95) angedeutete
mathematifche Formulierung des Begriffes der transfiniten Ordinal›=
zahl unferer phänomenologifchen Huffaffung. Es fei daher die
c u -tr a c k c u -tr a c k
.c .d o .c .d o
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h a n g e Vi h a n g e Vi
XC e XC e
F- w F- w
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Oskar Becker
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.d o .c .d o .c
c u -tr a c k c u -tr a c k

Hilbertfche Formulierung kurz wiedergegeben und dann mogen


einige Bemerkungen folgen, die die Verbindung zwifchen beiden
herftellen follen.
Hilbert unterícheidet Grundvariablen undVariablen-
t yp e n. Beide erfchöpfen erft den Begriff des möglichen Hrguments
einer mathematifchen Funktion.
FI. Grundvariablen.
Zu jeder Cantoridien Zahlklaffe (von transfiniten Ordnungs-
zahlen) gehört eine Grundvariable, die jede Zahl der betreffenden
Klaffe annehmen kann. Die Grundvariablen find jede durch ein
Hxiomenfyftem charakterifiert. Z„(a) heiße: a ift eine Zahl am Klaffe.
1. Zahlen der I. Klaffe. (Gewöhnliche Zahlen);
S y m b ol Z1,
(131 Z1 (0)
(2)1 Z1 (a)“">'Z1 (Ü + 1)
(331 {A (0) & (4) (A (@)-> A (9 + 1)} -+ lZ1(@) -> A (9)}.
(1), bezeichnet den (konventionellen) Hnfang der Reihe;
(2)ı Qibt das Erzeugungsprinzip der Zahlen der I. Klaffe;
(3)1 ift das Prinzip der vollftändigen (indefiniten) Induktion.
2. Zahlen der II. (Cantorfche) Klaffe; Symbol Z2,
(Ü2 Z2 (0)
(2)2a Z2 (al '_›` Z2 (af 'I' 1)
(2)2b (n) {Z, (n) -› Z2 (a (n) )} ~› Z2 lim, a (fra)
(3)-2 [A (0) & (9) (A (4) -> A (9 + 1)) & (523% 9 (12)) {(†9) [Z1 (H) ->~ A (9 (fl))]
-›~ A (lim, a (n))}] -›- [Z2 (a) -› A (a)],
Wieder bezeichnet (1)„ den konventionellen Reihenanfang,
(2),_›“ und '° die Cantoríchen Erzeugungsprinzipien und (3), das Prinzip
der vollftändigen (transfiniten) Induktion für die II. Zahlklaffe.
Hnalog kann man anfcheinend (zum mindeften für jede Zahl-
klaffe von endlicher Ordnunng, vielleicht fogar für jede Zahlklaffe,
deren Index kleiner als ihre Hnfangszahl ift), fortfahren 1.

1) Dies ift nicht fo evident, als es im erften Hugenblidc fcheint. Denn


die Verwendung einer Zahl ai der II. Klaffe anftelle des n in Hxiom (2).,“
und (3)„ fetjt eine vollendete Theorie der Zahlen der II. Klafie voraus, die
zur Zeit noch nicht vorliegt und deren Möglichkeit auch fchon in Zweifel
gezogen worden ift. - Bedenklich ift, daß die in den Formeln (2),b und (3).,
vorkommende Funktion aı (fn), die die Fundamentalreihe charakterifiert,
über die der Limes beim zweiten Erzeugungsprinzip zu nehmen ift, nich t
näher definiert ift. lm Hinblick darauf fagt Hilbert felbft, die
Formeln (1), -- (3), gäben nur »denallgemeinen Rahmen für die Theorie«
der Transfiniten (f. u. S. 345). Zu vergleichen ift für diefes Problem der
fluffag von O. Veblen »Continuous increasing functions of finite and
transfinite ordinals«. (Transaction of the Hmerican Mathematical Society,
Vol. 9 (1903), p. 280«-92, befonders p. 280-81, 290-91.) Vgl. unfere eigenen
Husführungen weiter unten (S. 356 ff.).
[785] Mathematifche Exiftenz. 345

B. Variablentypen.
Die Variablentypen entftehen durch Hnwendung der logifchen
Verknüpfungen auf die Husfagen für die Grundvariablen und durch
Einlegen. Man kann beifpielsweife folgende Stufen bilden:
1) Funktionsvariable: f (zahlentheoretifche Funktion)
(a) {Z, (a) -›- Z, (f(a))} . . . Hbkürzung: fD(f)_
2) Funktionenfunktionsvariable: 9.
(f){<D(f)->Z1(9(f))}-.. Hbkürzunm *P(9).
Für die Charakterifierung der höheren Variablentypen muß
man die Typenausfagen (1), (2) . . . ufw. felbft mit Indizes verfehen;
eine folche mit Index veriehene Typenausíage wird durch Rekur-
f ion (auch über die Indizes) definiert, wobei an die Stelle der
Gleichheit die logifche I-Iquivalenz (N) tritt.
So kann man z. B. eine Variable 9 definieren durch eine Folge
von Funktionen fa, beftehend aus:
1) einer Funktion fl einer natürlichen Zahl: f1(m),
2) einer Funktionenfunktion I2 mit fl als Hrgument: fi_,~(D(f1),
3) einer Funktion 3. Ordnung ß mit der Funktionenfunktion f2
als Hrgument: fa so 1P(f2)~ 'P[(D(f1)]
ufw. in indefinitum.
Man kann dies auch in Symbolen ausdrücken:
1) wo (0) N Z1 (fl)
Za) (Du-i-1 N {(Dn Z1
zb) <D.„(9) ~ {(†») <1>,.(f„)-› Z1(c/(f›)}-
Diefe Variablentypen laffen fich nun wie folgt nach ihrer »Höhe«
ordnen:
1) Höhe 0: Zahlkonftante, Grundvariable.
2) Höhe 1: alle Funktionen mit Grundvariablen als Hrgumenten.
3“) Eine Funktion, deren Hrgumente und deren Wert beftimmte
Höhen (cx bzw. ß) haben, beñgt eine um 1 größere Höhe als die
größere bzw. als jede der beiden Höhen. (a-|- 1, wenn 1112152)
3b) Eine Folge von Funktionen verfchiedener Höhe hat als ihre
Höhe den Limes jener Höhen.
C. Beziehung zwifchen Grundvariablen und Variablentypen.
Die Hxiome, die die Zahlen der II. (bzw. einer höheren) Zahlklaffe
charakterifieren, geben nur »den allgemeinen Rahmen für eine Theorie
diefer Zahlen». Zu ihrer genaueren Begründung ift nötig, zu ermit=~
teln, wie der Prozeß des Hinüberzählens über das
abzählbare Unendliche hinaus zu formalifieren ift.
Dies gefchieht, indem der Prozeß des Hinüberzählens auf eine Folg e
angewandt wird: diefe Folge kann nur durch eine ge-
w ö h n li ch e (bzw. von der III. Zahlklaffe ab durch eine geeignete
transfinite) R e k u r fi o n g e g e b e n fe i n, und zu diefer Rekurfion
find wieder gewiffe Variablentypen notwendig.
c u -tr a c k c u -tr a c k
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346 Oskar Becker.
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c u -tr a c k c u -tr a c k

Bemerkungen zu diefer H i l b e r t fchen Formulierung.


1. Die Unterfdveidung von Grundvariablen und Variablentypen
ift auch in phänomenologifcher Hinficht fundamental. Man hat näm-
lich zwei ganz verfchiedene (aber fchließlich doch wieder u. U. auf-
einander beziehbare) Gefegesbegriffe zu unterfcheiden, nämlich
»funktionale- und »argumentale-« Gefege oder Gefege des
»Überbaus-= und des »Horizonts-. Betrachtet man, um dies
an einem ganz elementaren Beifpiel zu erläutern, die bekannte
1 rc
Leibnizfche Reihe für :
4 so Tl

1- + T-¬i,+...=2-1--1)«-,
en-
wii-4
2n-1-A1
nı-0
fo wird man von einem rein mathematifchen Gefichtspunkt aus die
zweite Formulierung, die das allgemeine Glied der Reihe enthält,
der erften, die uns das Reihengefeg erraten läßt, vorziehen. Es
wäre indeffen ein Irrtum, wenn man daraus íchließen würde, daß
die zweite Formulierung geftatte, jeden Gebraudw von »Pünktchen-=,
die den offenen Horizont andeuten, zu vermeiden. Denn die Grund-
variable n muß ihrerfeits erläutert werden, und dies kann nur
etwa durch:
ní1,2,3,4,ııı

geidiehen. Wollte man hier das Reihengefeg durch das »allgemeine


Glied- darftellen, io käme man einfadı zu dem ifolierteni Buch-
ftaben n, alfo ftatt zur Sache, bloß zu einer (dazu auch noch will-
kürlichen) Bezeichnung 1. Dagegen kann die Leibnizfche Reihe
fehr wohl vollftändig deutlich wiedergegeben werden durdvz J
1+ (--1)' + (-1)* _|_ (-113 +
- ff, A A »~- -

2~1+1 2-2+1 2-3+1 "'


Die durch den fetten Druck hervorgehobenen Zahlen 1, 2, 3, , , .
geben dabei den »Horizont-= der G r u n d v a ri a b l e n (des Fl r g u-
ments) n an und die Struktur:
(-1)“
2-( )+1
mit der Leerftelle () ftellt das (in dem gegenwärtigen Fall, wie
meiftens in der traditionellen Mathematik, finite) funktio-
nale Gefeg der Reihe, d. h. die Struktur ihres allgemeinen
Gliedes dar.
1) Man könnte hiergegen einwenden, daß die Reihe 1, 2, 3 . . . erft durch
das im Grunde ebenfalls funktionale Gefet3 n --›› n +1 charakteriliert
wird und nicht durch den bloßen ifolierten Buchftaben n. fiber das » +1-
ift doch nichts als eine willkürliche Bezeichnung für ein Urp h änom en,
das auf primitiverer Stufe durch einfaches Nebeneinanderftellen 'von
smdıen |, ll. Ill. . . .ufw. (man denne an die rsmifcben ziffem 1, 11, 1111)
dargeftellt wird. Wefentlich ift allein die Möglichkeit der Wi e d e r h olun g
jedes Schrittes und zwar der uubegrenzt häufigen Wiederholung.
Das »immer wieder« (å.s1',.mëı.w :mi miıw) ift auch hier das Grundphänomen.
Vgl. im Haupttext S. 217 ff. u. ö.
[737] Mathematifche Exiftenz. c 347

Diefes allgemeine Glied läßt fich auffaffen als eine Über-


bauung, die durch das funktionale Reihengefeg cp (n) über den
»Horizont", d. h. die ftändig nur potentiell (dvváμeı) vor-
handene Grundreihe der natürlidoen Zahlen (bzw. in anderen Fällen
der transfiniten Ordnungszahlen) errichtet ift 1. Das funktionale Ge-
fet; ift i. H. finit; die Grundvariable erftredct fich i. H. auf einen
unbegrenzten Horizont. (Dies muß allerdings nicht notwendig der
Fall fein; in befonderen Fällen kann man auch eine Variable mit
einer begrenzten Zahl von möglichen Werten haben; fo find die in
vielen Formeln vorkommenden Indizes 5,1.: u. a. häufig nur einer
kleinen Zahl endlicher ganzzahliger Werte fähig.) H i lb ert hat da-
gegen auch Fälle in Betracht gezogen, wo die ftrukturale Kompli-
kation des das allgemeine Reihenglied beftimmenden funktionalen
Gefeges unendlidı ift. (Dergleichen unendliche Komplikationen
kommen aber auch fchon früher, etwa in der Theorie des »Wachs-
tums« von Funktionen (P. du Bois-Reymond, Borel, Haus-
dorff u. a.) vor, wo exponentielle und logarithmifche Funktionen
beliebig oft aufeinander aufgeftuft werden 2.) In diefen Fällen hat
nun die Struktur des funktionalen Reihengefeges (19„ (vz.) in fich felbft
einen inneren Horizont, gewiffermaßen einen Komplikationshorizont;
der die unendliche Verwicklung der Intentionalitäten abbildet, die
vollzogen werden müffen, um den Gefeges-Gedanken in deutlicher
Weife zu »meinen«. Dies heißt: in diefen Fällen fpielt eine ins
Unendliche gehende Grundvariable als In de x in dem formalen Hus-
druck des Funktionsgefeges eine Rolle, wie z. B. (S- 345) cu in (1)„ (g).
Huch dann kann offenbar keineswegs die im Index ftedcende Un-
endlichkeit anders als durch Entfaltung ihres zugehörigen Horizontes
zur Gegebenheit gebracht werden. Ja, diefe Entfaltung klärt, nad)
Hilbert, gerade den eigentlichen Sinn des Limesprozeffes bei der
Definition der Grundvariablen der II. Zahlklaffe erft auf. Die end-
liche Ineinanderfchadutelung von Funktionen (d. h.phänomenologifch
gefehen, von Intentionen, die fich aufeinander reflexiv beziehen)
ift geradezu der Prototyp des gewöhnlichen unendlichen (indefiniten)
Progreffus überhaupt. In der Tat kann man ja dazu bemerken,
daß eine derartige Iteration in gewiffem Sinne gar kein über das
Hnfangsglied hinausgehendes, vonaußen gegebenes Material vor-
ausfegt, indem fie fich immer nur auf fich felbft bezieht 3. Dies hat
fie jedenfalls vor allerlei Zeidienfegungen im Raum, wie I, ||,

1) Vgl. zu diefem Begriffe der Überbauung u. ä. die ausführlichen Dar-


legungen Hölders in »die mathematifche Methode« §§ 110-123, bef.§ 116.
2) Vgl. etwa Borel, Leçons sur le théorie des fonctions, Paris 1898
und Leçons sur le théorie de la croissance, Paris 1910; die erfte Ver»
öffentlichung d u B oi s - R ey m o n d s erfolgte fchon 1872. (Journal f. Math.,
Bd. 74, S. 294; vgl. ferner Math. Hnn. 8 [1875], S. 363 und 11 [1877], S. 149.)
3) Man vgl. den bekannten Dedekin dfchen Beweis für die Exiftenz
unendlicher Mengen (»Was iind und was follen die Zahlen?« [Braun-
fchweıg 1887] § 5, Sat; 66), der einen ähnlichen Gedanken allerdings im Sinne
des Exiftentialabfolutismus verwendet. (Die Menge der Gedanken über Dinge
ift eine ihrer Teilmengen äquivalent.)
50*
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348 Oskar Becker. 733] c
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ufw., voraus. Hllerdings das zeitliche »immer-=, das Grundphä-


nomen der Wiederkehr ift auch hier wefentlich mit im Spiel
(daher der Name »Iteration», vgl. oben S. 346, Hnm.1), aber es
befteht hier in einer fich immer wieder auf fidi felbft zurück-
beziehenden Verknüpfung von flkten, die ihrerfeits im Verlaufe des
Prozeffes felbft erzeugt werden. 1
2. Man fieht aus dem eben Gefagten, daß Hilbert fich in
engfter Übereinftimmung mit uns der Einfdvachtelung von inten-
tionalen Strukturen zur Erklärung der (mengentheoretifchen) Li-
miten bedient.
Es ift weiterhin bemerkenswert, wie fich die transfiniten Li-
miten bei Hilbert rekurfiv aufeinander zurückführen laffen.
Der zur Konftruktion der II. Zahlklaffe benötigte gewöhnlidve
Limes (den wir mit limı bezeichneten) wird durch die obige Inein-
anderfchachtelung definiert. .
Die II. Zahlklaffe in ihrer Gefamtheit, wie fie durch die Hxiome
für Z2 (leider nicht vollftändig) feftgelegt ift, - natürlich als ein
offener Horizont betradıtet - gibt den erften eigentlich transfiniten
Limes (lfimg, in der gewöhnlichen I-Iusdrucksweiíe den wohlgeord-
neten Typus Q1). Mit Hilfe diefes lim, kann dann durch ein dem
Z,-Syftem analoges Hxiomenfyftem die III. Zahlklaffe der Z3 defi-
niert werden. Diefe ergibt in ihrer Gefamtheit, als Horizont be-
traditet, den lim, ufw. Durch diefe eigentümliche Rekurfion, durch
die gewiffermaßen eine Staffelung der unendlichen Hori=
zonte zuftande gebracht wird, gelangt man zu immer höheren
Zahlklaffen. (Leider ift aber die Hrt diefer Staffelung, fobald man
über die »erften Transfiniten« hinauskommt, noch wenig geklärt,
1. u. S. 356 ff.)
3. Es mag zunächl`t auffallen, daß die vollftändige Induktion
axiomatifch gefordert wird. fiber fobald man den exiftential-abfo-
lutiftifchen Standpunkt verläßt, ift fie nicht mehr beweisbar (vgl. § 3c).
Hilbert ftellt alfo, was in Hnbetracht feiner fonftigen Stellung-
nahme auffallend ift, feine Hxiome gewiffermaßen wie
ein Intuitionift auf.
Es ift in der Tatklar, daß die Definition der Transfiniten durch
Erzeugungsprinzipien und vollftändige Induktion fich unmittelbar an
den phänomenologifchen Unterbau anfchließt, der ja feinerfeits eigent-
lich nichts anderes als eine anfchauliche Befdıreibung der Erzeugungs-
prinzipien und der Induktion darftellt.
Doch befteht noch eine gewiffe Schwierigkeit: In Hilberts
(und ebenfo in He ffenb e rgs gleich zu befprechender) Darftellung
kommt für jede Zahlklaffe ein anderes Erzeugungsprinzip in Be-
tradvt. Diefe Prinzipien liegen fozufagen in der Hilbertfchen
Darftellung nebeneinander, während fie doch, wie gezeigt, tatíäch-
lich geftaffelt find und auch eine fo enge formale Hnalogie zeigen,
daß fie, wie Cantor urfprünglich wollte, im Grunde nur ein ein-
ziges Doppelprinzip (fiddition von Eins und Limesbildung) dar-
ftellen. Beides, Staffelung und formale Hnalogie, hängen offenbar
zufammen. Hier befteht noch eine gewiffe Unklarheit, der Hilb er t
[739] Mathematifche Exiftenz. 349

nur durch Befchränkung auf die II. Zahlklaffe entgeht. Hilbert


hat ja felbft nodı vor Burali - Forti den im .Begriff der Gefamt-
heit aller (aktual gedachten) transfiniten Ordinalzahlen liegenden
Widerfpruch in der Form entdeckt, daß er den antinomifchen Cha-
rakter der Gefamtheit aller Erzeugungsprinzipien (wenn fie einzeln
nebeneinander zu einer »Menge« vereinigt werden) aufwies.
III. Heffenbergs induktive Begründung der Rechnung
mit Ordnungszahlen.
Hilberts findeutungen im erwähnten Huffag enthalten nicht
die Rediengefege mit den transfiniten Ordnungszahlen, auf Grund
deren ihre Theorie vollftändig entwickelt werden kann. Hber
Heffenberg hat fdıon vor längerer Zeit auf Grund der Erzeu-
gungsprinzipien mittels der vollftändigen Induktion den transfiniten
Kalkül entwickelt, worüber zur Ergänzung kurz berichtet fei. (S.
Grundbegriffe der Mengenlehre, Kap. XXVI, §§107-108.) Er fetjt
axiomatifch feft:
1. Es gibt eine Operation cp und ein Ding, genannt »die Eins-,
1, auf welches die Operation qu anwendbar ift.
2. Ift go auf a anwendbar, fo ift cp auch auf q›(a) anwendbar
und es exiftiert alfo cp(gp(a)). Dann wird definiert:
2=cp(1); 3=q>(2); 4=cp(3);
a-I-1=<p(a); a-I-2=cp(a+1); . . . a-I-(n+1) =cp(a,+n);
a~1==a, a(n+1)=a-n+a;
a1=a, a"+1 = a”-a.
Dann kann man die bekannten affoziativen und distributiven Ge-
fege für Hddition, Multiplikation und Potenzierung auf induktivem
Wege beweifen.
Dies gilt zunädıft für endlidae Zahlen (Zahlen der I. Klaffe).
Um den Kalkül auf die transfiniten Zahlen (II. und höherer Klaffe)
auszudehnen, werden noch folgende Definitionen hinzugefügt:
a + lim b = lim (az + b); a lim.b= l'eIm(a- b); afimb = lim (ab).
Mittels der transfiniten Induktion (insbef. des Schluffes vom Hbfchnitt
auf den Limes) werden auch hier fämtliche Rechenregeln bewiefen.
Die Ungültigkeit der kommutativen Gefege folgt daraus, daß
(lim Ä) -|- a =|= lim (1 + a) ift, wo lim 2. den Limes aller vorangehen-
den Zahlen Ä bedeutet.
Heffenberg erhebt nun im folgendem (l.c.,§§ 110-113)
gegen feine eigene Beweismethode Einwände, die darauf hinaus-
laufen, daß das Verfahren der indefiniten und transfiniten Induktion
aus der Forderung der Erzeugungsprinzipien allein nicht beweis-
bar fei. Dies ift auch völlig richtig: beweisbar find die beiden
Induktionen nur von einem Standpunkt aus, der mit aktual un-
endlichen Mengen operiert und den Sag vom ausgefchloffenen Dritten
fchrankenlos anwendet. Dies ift auch der Grund, weshalb Hilbert
die Induktion in einem befonderen Hxiom [(3)13 nach unferer Nu»
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.d o .c .d o .c
c u -tr a c k c u -tr a c k

merierungl unabhängig von den Erzeugungsprinzipien (2)13 fordert.


Huf Grund der Induktion laffen fich aber die Heffenbergfchen
Beweife einwandfrei führen. Es ift alfo damit ein Weg aufgezeigt,
der von den Hilbertfdıen Hxiomen zu dem Kalkül mit Ordinal-
zahlen führt.
Phänomenologifch angefehen, ift felbft die transfinite Induktion
in der Tat ein nidøt weiter ableitbares Grundprinzip, das fich de-
fkriptiv als ein Moment am anfchaulichen Phänomen des transfiniten
Progreffus darftellt, genau ebenfo, wie die indefinite Induktion am
indefiniten (endlofen) Progreß. Der Umftand, daß fich eine Husfage
S (eine Eigenfchaft u. dgl.) längs eines intuitiv überfchaubaren Ho-
rizontes »vererbt», ift in beiden Fällen genau gleich, man kann nicht
die indefinite Induktion zugeben und die transfinite ablehnen. Die
Induktion kann allerdings in beiden Fällen ohne tertium non datur
nicht bewiefen werden, denn der Beweis fegt in beiden Fällen voraus,
daß es von den (hypothetifchen) Elementen, die S nicht erfüllen,
ein erftes (vorlegbares) geben muß.
Im Hnfchluß hieran ergibt fich die Hufgabe, die genaue Äqui-
valenz zwifchen der indefiniten bzw. transfiniten Induktion und dem
geeignet fpezialifierten Sag vom ausgefchloffenen Dritten im Einzel-
nen feftzuftellen. Einerfeits pflegt man die beiden Induktionsweifen
mit Hilfe des tertium non datur zu beweifen (vgl. Haupttext S. 50 f.).
Hndererfeits ergibt iich aus dem intuitioniftifchen Begriff des » C h a -
rakters- (Weyl), der als ein wefentlich induktives Gefet; defi-
niert iftl, der Sag vom ausgefchloffenen Dritten für das Zutreffen
bzw. Nichtzutreffen der zu ihm gehörigen Eigenfchaft. Diefer Be-
griff des Charakters wäre durch Heranziehen der transfiniten In-
duktion zu erweitern. - Doch kann an diefer Stelle nicht weiter da-
rauf eingegangen werden. 9

IV. Brouwers Theorie der zweiten Zahlklaffe.


Die B r o u w e r fche Theorie der Transfiniten 2 unterfcheidet fidi
im Grundgedanken und auch in den Einzelheiten der Durchführung
nicht unwefentlich von den C a n t o r - H i l b e r t fchen Ideen. Nur

1) Ift der Sag: »Die beliebige Zahl az beñgt die Eigenfchaft E» ein »eigent-
liches Urteil» (im Sinne Weyls), fo kann man diefe Eigenfchaft definieren
als ein Gefeg, -das aus jeder Zahl entweder die 1 (fymbolifch für »ja«) oder
die 2 (»nein«) erzeugt. Ein folches Gefeg heißt ein Charakter.
Ift E alfo durch einen Charakter gegeben, fo läßt fıch für jede angegebene
Zahl iz entfcheiden, ob ñe E befıt3,t oder nicht. Tertium non datur.
2) S. »Begründung der Mengenlehre unabhängig vom logifchen Sag
vom ausgefchloffenen Dritten-, I. Teil »Hllgemeine Mengenlehre-, 3. »Die
wohlgeordneten Ordinalzahlen-=; Verhandl. d. K. Hkademie v. Wetenfch. te
Hmfterdam, 1. Sectie, Deel XII, Nr. 5, S. 22-43. In zweiter verbefferter
Bearbeitung unter dem Titel: »Zur Begründung der intuitioniftifchen Mathe»
matik I-III« in den Math. Hnn.: I. 93 (1925), S. 244-~257; II. 95 (1926),
S. 453-472; III. 96 (1926), S. 451-488 erfchienen. Die in einem wefentlidıen
Punkte (durch die Einführung der fog. »Null-› und Vollelemente-=) weiter-
gebildete Theorie der II. Zahlklaffe fteht in Nr. III.
l791] Matheınatifche Exiftenz. 351

der Grundgedanke kann hier kurz gefchildert und in feiner Eigen-


art beleuchtet werden.
Die »wohlgeordneten Spezies« (ungefähr ift Spezies dasfelbe wie
Menge, vgl. aber l. c. S. 1 --2) werden definiert durch Konftruktion
aus der Menge 1 (›Urfpezies«) mittels zweier »erzeugenden Ope-
rationen, welche in der Hddition von zwei bzw. einer Fundamental-
reihe [d. h. Reihe von der Hrt der natürlichen Zahlenreihe] von be-
kannten wohlgeordneten Spezies beftehena »Jede wohlgeordnete
Spezies, welche bei der Herftellung der wohlgeordneten Spezies F
eine Rolle gefpielt hat, heißt eine konftruktive Unterfpezies
von F. Diejenigen konftruktiven Unterfpezies, welche bei der leg-
ten erzeugenden Operation von F eine Rolle gefpielt haben, heißen
konftruktive Unterfpezies erfter Ordnung von F« (Bezeichnung:
F, F, F3 . . . ). Die konftruktiven Unterfpezies erfter Ordnung
einer F, heißen konftruktive Unterfpezies zweiter Ordnung von
F« (Bezeichnung: Fa, FV, . . . ) ufw. ufw. . . . . »Jede bei der
Herftellung von F benugbare Urfpezies erfcheint in diefer
Weife als eine konftruktive Unterfpezies endlicher
Ordnung von F (obgleich es natürlich möglich ift, daß diefe
Ordnung für paffend gewählte Urfpezies von Funbefchränktwächft)»
(1. c. S. zz-za).
Ein weiterer charakteriftifcher Sag der Theorie ift folgender
(I. c. S. 30): »Ein Gefeg, welches in einer wohlgeordneten Spezies
F eine konftruktive Unterfpezies F' beftimmt, und jeder fchon be-
ftimmten konftruktiven Unterfpezies FM entweder die Hemmung
des Prozeffes oder eine in .F vor F 0') liegende konftruktive Unter-
fpezies F<*"+1J zuordnet, beftimmt ficher eine endliche Zahl n und
eine zugehörige konftruktive Unterfpezies FW, welcher es die Hem-
mung des Prozeffes zuordnet-=. Ein ähnlicher Sag gilt für die In-
dizeskomplexe, die die Unterfpezies charakterifieren.
Die Ordnungszahlen werden dann in »Bereiche« geteilt, je
nachdem, welche Zahl- und Verknüpfungsfymbole zu ihrer Bezeich-
nung genügen. (1. Bereich: Zahl 1 und Verknüpfung Hddition;
2. Bereich: Dazu w und Multiplikation; 3. Bereich: Dazu Poten-
zierung.) Über die erfte Epfilonzahl hinaus werden fyftematifdve
Theorien nicht aufgeftellt, doch wird die Möglichkeit des Überfchreitens
der 2. Epfilonzahl mittels einer neuen Verknüpfungsform gezeigt. -
Es wird weiterhin dargelegt, daß die ll. Zahlklaffe durch endlich
viele Zahl- und Verknüpfungsfymbole nicht vollftändig bezeichnet
werden kann.
Bemerkungen zu der Brouwerfchen Theorie.
Die B r o u we r fche Konftruktionsweife zeigt fehr deutlich, daß
eine transfinite Ordnungszahl ein fi n i t e s S y ft e m .g e ft a ff e l t e r
Horizonte (dargeftellt durch die zweite »erzeugende Operation»)
ift. Da fie nur den gewöhnlichen indefiniten Horizont benugt, der
ihr von »außen«, durch die Urintuition der natürlichen Zahlenreihe,
c u -tr a c k c u -tr a c k
.c .d o .c .d o
w w
w

w
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m

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w

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C

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h a n g e Vi h a n g e Vi
h a n g e Vi h a n g e Vi
XC e XC e
F- w F- w
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er
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352 1 . Oskar Becker.
lic

lic
C

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w

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w w
w

w
o

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.d o .c .d o .c
c u -tr a c k c u -tr a c k

gegeben wird, kann fie unmöglich über die II. Cantorfche Zanlnıaiíe
hinausführen. Ja, es wird nicht einmal gezeigt, daß man b elie big
weit in die II. Zahlklaffe hinein fortfchreiten kann. Ein Hinaus-
gehen über die II. Zahlklaffe würde unbedingt die Einführung einer
neuen Horizontart erforderlich machen. Und diefe könnte aus
der Brouwerfchen Konftruktion der Zahlen der II. Klaffe felbft
nicht entnommen werden, fondern müßte wiederum »von außen«
hinzukommen, .wobei allerdings 8 ganz im Unklaren bliebe, woherl.
V. Beifpiel für die transfinite Iteration der
Bildintentionalitäfit.
In Ergänzung des in § 5a II B Gefagten und zugleich zur
Illuftration der im Vorigen berührten mathematifchen Schwierig-
keiten fei ein konkretes, geometrifch beftimmtes Beifpiel für die
transfinite Iteration der Bildintentionalität im folgenden dargeftellt.
Die nachftehende Figur 5 befteht zunächft aus der fiusgangs-
figur K, einem Kreis, in dem eine endlofe Reihe ähnlicher, homo-
thetifcher Kreife in jeweils halber (linearer) Größe eingefchachtelt
ift. (Die Figur links oben in Figur 5; identifch mit Figur 4 auf S. 100.)
Die grundlegende (noematifche) Bildintentionalität ift durch
die ähnliche, homothetifche Hbbildung im halben Maßftab dargeftellt.
Innerhalb der Husgangsfigur K kommen alfo bereits Bild-
intentionen beliebig hoher endlicher Stufe vor (1, 2, 3, . . .).
Diefe gefamte Husgangsfigur K wird nun ihrerfeits ähnlich und
homothetifch im Maßftabe 1/2 abgebildet, was einer Bildintention
entfpridıt, die über jede endliche hinausliegt (w). Die zweite foeben
erhaltene Figur wird wieder abgebildet (w+ 1) ufw. Die ganze
endlofe Reihe der fo fukzeffive erhaltenen Figuren ergibt: w +1,
w+ 2, w+3, . . . . . . . Wird diefe ganze Figurenreihe nun
ihrerfeits in der bekannten Weife abgebildet, fo erhält man die
zweite Figurenreihe der Gefamtfigur If und die Stufencharakte-
riftik cu -|-- w = w - 2. Durch Iteration diefes legten Hbbildungsver-
fahrens erhält manweiter: cu-2+1, w-2+2, w-2+3, . . . ..
Innerhalb der Gefamtfigur K' (die durch einen neuen Kreis
umfchloffen wird) kann man nun nidit mehr weiterkommen. Man
kann aber nunmehr mit K' genau fo verfahren wie vorhin mit K
und kommt dann in ganz analoger Weife zu w~3, cu-3 -|-1,
w-3+2, . . ., cu-4, w›4-|-1,.. . . und damit zugleich zu einer
neuen Gefamtfigur K", die der erften If' entfpricht. (K' ift als
Gefamtfigur in der Zeichnung [Fig. 5] dargeftellt.)
1) Brouwer hat anfcheinend neuerdings, in Erweiterung feines ur-
fprünglichen intuitioniftifchen Grundanfages, die direkte anfchauliche Erzeu-
gung auch auf nichtabzählbare Mengen ausgedehnt, in feinem »Prinzip der
konftruktiven Mengendefinition als Husgangspunkt der Mathematik-, das
unmittelbar auch nichtabzählbare Mächtigkeiten fchaffen und den Hufbau
einer vollftändigen Mengenlehre und I-Inalylis ohne tertium non datur geftatten
foll. (Vgl. darüber H. Fraenkel, Zehn Vorl. über d. Grundleg. d. Mengen-
lehre [B. u. Lpz.1927]. S. 35, 50.) Einzelheiten End z. Zt. noch nicht bekannt.
[793] Mathematifche Exiftenz. 353

Man erhält fo eine endlofe Folge immer größer werdender


Gefamtfiguren (die nicht mehr in unferer Zeichnung abgebildet find):
KI, Kir, KIM, Kir!!! . . . . . , . . . . '

Dabei entfpricht KW die Reihe cu (2 n-1), w (291- 1)-I-1, w(2n_1)-I-2,


co (212 -- 1) -I-3, . . ., w-2'n, w~2n+1, w-292.-I-2, . . .
Schließlich erfüllen die Figuren die ganze Ebene und man ge-
langt zu allen Stufencharakteriftiken unter w -cu = (112, Das Verfahren
läßt fich in der gleichen Weife nicht weiter fortfegen, aber man
kann doch weiterkommen, indem man eine »fchwarze« d. h. nicht

(99 ,
ea»
(go

Fig. 5.
mitrechnende Transformation durch reziproke Radien einführt, die
die ganze, mit Figuren K, K', K”, . . . bedeckte Ebene in einen
endlichen Kreis hineinfpiegelt. Mit diefem Kreis K(9) als flusgangs-
figur kann man den ganzen Prozeß wiederholen. Man kommt
durch diefe Wiederholung bis zur Stufencharakteriftik w2 + 8.12 = cu? - 2,
durch endlšife Wiederholung alfo fd›ließlid› bis zu allen Zahlen unter
(112 - cu = .cu .
Weiter führt auch diefer Prozeß nicht, man müßte denn die den
Prozeß jegt beherrfchenden Transformationen durch reziproke Radien
ihrerfeits interieren. Doch fei darauf nicht näher eingegangen. (Es
ift indeffen klar, daß man fo fchließlich zu allen Transfiniten unter
ww gelangen kann.)
Es ift auffallend, wie langf am der transfinite Prozeß zu
höheren Stufencharakteriftiken gelangt, fobald man die Ineinander-
c u -tr a c k c u -tr a c k
.c .d o .c .d o
w w
w

w
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m

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PD
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e XC e XC
h a n g e Vi h a n g e Vi
h a n g e Vi h a n g e Vi
XC e XC e
F- w F- w
PD

PD
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!

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W

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k
lic

lic
354 Oskar Becker. 794 . c
C

C
w

w
m

m
w w
w

w
o

o
.d o .c .d o
c u -tr a c k c u -tr a c k

fchachtelung der Intentionalitäten ganz konkret verfolgt. fiudı ift


keineswegs erfichtlich, daß jede beliebige Zahl der II. Zahlklaffe als
Stufencharakteriftik fdiließlich vorkommen muß. Vielmehr läuft iidı
ein einmal eingefchlagenes Verfahren nach einigen Sdiritten von
felbft tot, und es bedarf eines neuen mathematifdien Gedankens, um
weiter vorzudringen.
VI. Über gewiffe Schwierigkeiten in der Transfiniten-
theorie und die Möglichkeiten ihrer Überwindung.
Hlle derzeit verfügbaren Theorien der Transfiniten leiden nod'›
an fchweren Mängeln, über deren Behebung fich nur fchwer etwas
vorausfagen läßt. Vielleicht läßt fich das Wefentlidifte der »allgemei-
nen Theorie der wohlgeordneten Mengen« intuitioniftifch faffen.
Hber audi dann würde vermutlich die ganze Theorie hypothetifch
fein und nur die (allgemeinen) Eigenfchaften möglicherweife
k o n ft r ui e rb ar er Transfiniten betreffen. Eine folche K o n ftru k-
tion erfcheint grundfäglich notwendig, wenn man die intuitio-
niftifche Grundauffaffung teilt. Es find aber neuerdings nodı Sdiwie-
rigkeiten rein mathematifcher Hrt aufgetaudit, die das Kon-
ftruktionsproblem der Transfiniten in den Vordergrund rücken.
9 H. Die Löwenheim-Skolemfdie Paradoxie.
Die Forderung der Zurückführung des ganzen Fragenkomplexes
der Transfinitentheorie auf das Problem der Konftruktion der trans-
finiten Ordnungszahlen ergibt iidi nämlich fdıon aus dem Huftreten
einer ganz beftimmten Paradoxie rein mathematifcher Hrt, in je d e r
Transfinitentheorie, fei fie axiomatifdi oder von Haufe aus konftruktiv.
Es handelt iich um einen merkwürdigen Sag von Löwenheim
und S ko l e m 1, deffen wefentlidier Inhalt in folgendem befteht:
Ein Syftem von endlidı und fogar abzählbar vielen, elementaren
flusfagen (fog. Zählausfagen) kann ftets durch ein Syftem von Gegen-
ftänden vollftändig befriedigt werden, das im »naiven-« C a n t o r fchen
Sinne ab z ä h l b ar ift. Da nun die üblidven Hxiomatiken der
Mengenlehre (Zermelo, Fraenkel, v. Neumann) offenbar
folche endlichen Syfteme darftellen, fo befchreiben fie im Grunde
trog des gegenteiligen Hnfcheins fämtlich Mengenlehren, die íidı
im Gebiet des fibzählbaren halten (vgl. den expliziten Beweis
v. N e u m a n n s 2). » Um etwas abfolut Nidvtabzählbares zu be-
1) L. Löwenheim, -Über Möglichkeiten im Relativkalkül« (Math.
Hnn. 76 [1915], S. 447-470); Th. Skolem, »Logifch=kombinatorifd'›e Unter-
fuchungen über Erfüllbarkeit ufw.« (Videnskapsselkapets Skrifter 1. Mat.
Naturw. Klasse 1920, Nr. 4, Christiania); »Einige Bemerkungen zur axio-
matıfchen Begründung der Mengenlehre« (Mathematiker- Kongreffen i
Helfingfors 1922, Helñngfors 1923; S. 217-232). - Dazu ñnd die leicht-
verftändlichen Darftellungen und wertvollen kritifchen Bemerkungen von
H. Fraen kel zu vergleichen: I. »Die neueren Ideen zur Grundlegung der
Hnalyñs und Mengenlehre» (Jahresber. d. D. Math. Ver. 33 [i924]. S. 97-103);
II. »Zehn Vorlefungen über die Grundlegung der Mengenlehre- (Leipzig und
Berlin 1927), S. 27--34, 56--57, 102 (finm. 22), 111-114, 117-125, 153.
__ 2) J. v. Neumann, Eine Hxiomatifıerung der Mengenlehre (Journal
fur reine u. angew. Math. 154 [1925], S. 219-240, bef. S. 229ff.).
[795] Mathematifche Exiftenz. 35 5

kommen, müßten entweder die Hxiome felbft in abiolut nichtabzähl-


barer Menge _vorhanden fein, oder man müßte ein Hxiom haben,
das eine ablolut nichtabzählbare Menge von Zählausfagen angeben
könnte; aber dies würde in allen Fällen eine zirkelhafte Einführung
der höheren llnendlidıkeiten werden; d. h. auf axiomatifuher Grund-
lage find höhere llnendlichkeiten nur in relativem Sinne vorhanden.«
(Skolem, Helfingforier Kongreß-Bericht, Seite 224.). Die Rela-
tivität der veridviedenen Mächtigkeiten ift Io gemeint: Einem
beftimmten mengentheoretifdıen Hxiomeníyftem entíprechen unend-
lidv viele ››Realiíierungen«, d. h. Mengenfyfteme, die ihm genügen.
Diefe befigen verícbiedene ››Größe«. (Insbeiondere können lie ein-
ander umfdoließen; das nädvfte Syftem enthält dann die jeweils vor=
hergehenden als Teilfyftem.) Mächtigkeiten, die in einem »kleinerem
Syftem verfchieden ñnd, können in einem umfaííenderen Syftem
zuíammenfallen, weil in diefem zugleida mit neuen Mengen audi
neue Funktionen und damit Hbbildungen hínzukommen, die ein-
eindeutige Beziehungen zwifchen Mengen ftiften können, die vorher
nidvt möglidv waren. Befremdend bleibt demgegenüber der bekannte
Cantoridae Beweis für die Nichtabzählbarkeit des Kontinuums
mittels des Diagonalverfahrens, der auch auf axiomatíícher Grund-
lage geführt werden kann. Die Nachprüfung diefer auffälligen
Diskrepanz (die vonFraenkel l. c.lI, S. 112-114,121 -123 aus-
geführt wurde) ergab, daß der Beweis des Skolemfchen Sages
die fog. ›nicht=prädikativen<<, d. h. zirkelhaften und daher konftruktiv
nicht verwendbaren, Schlußweiíen und Definitionen unberiickíichtigt
läßt, von welchen gerade der C ant o r fche Diagonalbeweis Gebrauch
macht. Man hat alfo die Wahl zwifchen der Zulafiung zirkelhafter
Definitionen, die eine fachliche Deutung der Mengenlehre (ver~
mutlich auch im weiten Sinn einer »metaphyiifchem Deutung) un-
möglich machen, und dem Zufammenbrudv aller bekannten Methoden,
die Exiftenz nichtabzählbarer Mengen zu beweifen.
fius diefem Dilemma eröffnet ñch allem Hnfchein nach nur ein
Husweg: die dire kte Einführung (abíolut) nichtabzählbarer unend-
licher Mengen, ein Weg, den Brouwer neuerdings eingefchlagen zu
haben fcheint (vgl. Fraenkel, 1. c. II, S. 35, 50). (?) Eine folche un-
mittelbare Einführung der höheren Llnendlidıkeiten kann aber, wenn
íie nicht rein dogmatiích geídvehen foll, nur durch Konftruktion
erreidwt werden. Freilich reichen dazu die üblichen ››prädikativen«
mathematifchen Konftruktionen, die vom Finiten ausgehend mit
lediglidv finiten Mitteln operieren, ficher nicht aus, wie der längft-
bekannte »Sag von der endlichen Bezeichnung« zeigt. Es ift viel-
mehr ein neuer Konftruktionstypus dafür notwendig, den wir kurz
als =›felbfttranfzendierende Konftruktionfi bezeichnen
wollen. Das Kennzeichnende diefes neuen Typs befteht in feiner
prinzipiellen Unabgeíchloííenheit: ein beftimmtes noch fo
weit gefaßtes Konftruktionsprinzip führt niemals bis zum Ziel,
fondern im Verlauf der Konftruktionstätigkeit felbft ergeben iich
1) d. h. eigentlich »iich felbft ftändig tranfzendierende Konftruktion«
(constfmotío se 'ipsum sem-per trafnscenden-3).
c u -tr a c k c u -tr a c k
.c .d o .c .d o
w w
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h a n g e Vi h a n g e Vi
h a n g e Vi h a n g e Vi
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356 Oskar Becker. [796
k

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lic

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C

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w w
w

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.d o . c .d o .c
c u -tr ack c u -tr a c k
ftändig neue Hnweiíungen zur Fortführung des Verfahrens. uflın
beíchränktes Beifpiel liefert fchon die in Nr. V (auf S. 352 ff.) ge-
gebene geometriíche ››transfinite« Konftruktion.) Der grundlegende
Fall diefer Konftruktionsweife ift die Darftellung der transfiniten
Ordnungszahlen, zunächft der II. Zahlklaffe. Hber auch die korrekte
Durchführung des Diagonalverfahrens ift nur in felbfttranfzen-
dierender Konftruktion möglidı. Denn das klafiiidıe Verfahren liefert
zwar zu jeder vorgelegten abgezählten Teilmenge des Kontinuums
ein neues in ihr nicht enthaltenes Kontinuumelement, aber auch
die um diefes Element vermehrte Teilmenge ift doch offenbar
noch abzählbar, fo daß diefer Prozeß, als ein konftruktiver
aufgefaßt, nur durch nichtabzählbar häufige Wiederholung zum Ziele
führen würde. Hber eine folche »nichtabzählbar häufige« Wieder-
holung fegt doch offeníichtlich die direkte Einführung einer »abíolut
nichtabzähbaren« Unendlichkeit voraus!
Es läßt iich unfchwer zeigen, daß alle benötigten Jelbfttran-
fzendierenden« Konftruktionen lich auf die der transfiniten Ordnungs-
zahlen zurückführen laffen. Hber die Möglichkeit diefer legteren
Fundamentalkonftruktion ift leider nicht über jeden Zweifel erhaben
und die Durchführung der Konftruktion felbft bisher noch nicht ge«
lungen. Hm weiteften führt das von O. Veblen angegebene Ver-
fahren mittels der Eigenfchaften der fog. transfiniten ››Normalfunk~
tionen« (continuous increasing functions). Doch verliert fich auch
diefes nach einer gewiffen Hnzahl von Schritten ins unbeftimmte.
- In Hnbetracht der Wichtigkeit des Gegenftandes fei im folgenden
ein Gedankengang íkizziert, der vermutlich geeignet ift, die wirklich
unbefchränkte Durchführbarkeit des Verfahrens durch eine fyfte-
matifdve Erweiterung des Veblenichen Hnfages zu ermöglichen.
B. Über ein Verfahren zur [yftematifchen Bezeichnung (Konftruktion) aller
Transfiniten der zweiten Zahlklaffe.
Das Veblenfdıe Verfahren zur Bezeichnung (Konftruktion)
von transfiniten Zahlenı beruht auf der Benugung der fog. Normal-
funktionen und ihrer kritiichen Zahlen. Man geht aus von der ftändig
mit ihrem Hrgument wachíenden Funktion f (zr), die zugleich ›1'tetig«
ift, d. h. mit ihrem Fırgument zugleich zum Limes übergeht (wenn
lim x = Z, fo ift auch lim f (sr) = f (Z)), Eine folche Normalfunktion
hat die Eigenfchaft, für gewiffe durch w-Limiten erreichbaren Werte
des Hrguments lc die ›kritiídıe« Gleichung zu erfüllen: f(k) = lc;
im übrigen übertrifft fie fchließlich den entíprechenden Hrgumentwert
(f(a:)>a::). Die Gefamtheit der kritiíchen Zahlen von f(:r) als Werte
einer neuen Funktion von zr aufgefaßt, bilden die erfte >>abgeleitete«
Funktion (the first derived function) von f(a:), Diefer Hbleitungs~
prozeß kann beliebig oft iteriert werden, und zwar kann die
Folge der abgeleiteten Funktionen von einem anícheinend beliebig

1) S. ›Continuous increasing functions of finite and transfinite ordinals«


(Transact. Hmer. Math. Soc. 9 [1908], p. 280- 92). - Vgl. Hausdorff,
Grundzüge der Mengenlehre (1. Hufi., Leipzig 1914), S. 114 ff.
[797] Mathematifche Exiftenz. 357

hohen transfiniten (wohlgeordneten) Typus werden. Man erhält


fo die Zwei-Variablen=Funktion f(:r, b), die eine Serie von Funktionen
einer Variablen darftellt, derart, daß die Werte von f(a:,b), für
fettes b und variables x, fämtlich Löfungen der Gleichungen f (zr, a)
find für alle a kleiner als b, Es ift alfo in diefer Bezeichnungs~
weife f(:r, 1) die erfte abgeleitete Funktionvon f(:r); f(a:, 2) ift deren
Hbgeleitete ufw.; allgemein ift f(oc,a-|- 1) die erfte Hbgeleitete
von f(m,a),
Es werden alfo bei diefem Verfahren aus der urfprünglich
lückenlolen Reihe der Hrgumentwerte a: fukzefüve kritifche Zahlen
von immer fteigender Ordnung =›ausgeíiebt<, mit dem Erfolg, daß
immer neue Teilmengen abgefpalten werden, die der Husgangs=
menge »ähnlichtı und in jedem Vorgänger enthalten find und
ferner alle ihre »innerem Grenzpunkte enthalten (dagegen u. LI.
nicht ihre obere Grenze).
Wenn nun auch eine weitere Fortlegung des Verfahrens zu-
nächft unmöglich und es felbft fchon alle denkbaren ›fIbgeleiteten«
zu erzeugen fcheint, fo zeigt doch eine nähere Überlegung bald,
daß die Erfcheinung der kritifchen Zahlen alsbald auf einer höheren
Stufe von Neuem auftritt. Es ift nämlich klar, daß die Funktion
f(.<r,b) eine kritifche Gleichung erfüllen muß: f (x, b)=b, fpeziell:
f (1, b) = b, Man wird fo dazu geführt, den Hlgorithmus zu erweitern:
Geht man beíipíelsweife aus von der Funktion f (a:)= 1 -1-sr,
fo erhält man die folgende Reihe der >›Hbgeleíteten«:
f(x,1) = co + (x- 1); f(:r, 2) = ru? + (x-1); ...f(x,y)=wf/+(:z=-1)
Daraus ergibt iich: f (1,y) = wi/ und weiter:
f(1,1,1) = e(1) d. i. die kleinfte Cantoríche Epfilonzahl
f (Jr, 1, 1) -= e(:c) d. i. fämtliche Epfilonzahlen
f(1, 2,1) ift die kleinfte Epfilonzahl, die ihrem eigenen Index
gleich ift
f(a:,y, 1) find die kritiíchen Zahlen (verfchiedener Ordnung) der
durch die Epiilonzahlen repräfentíerten Funktion a(w)_
Verallgemeinert man diefe Betrachtung bzw. Konftruktion, fo er-
hält man mit Veblen folgendes allgemeines Symbol: f(ac, nc, . . . . . . xß),
wo die Variablen ebenfo wie die Indices Zahlen I. oder II. Klaffe
bedeuten. Die Menge aller folcher Symbole kann man, wie Haus-
dorf f gezeigt hat, »nach legten Differenzen« d. i. »antilexiko-=
graphiídı« ordnen, wodurch automatiich dann und nur dann ihre
Wohlordnung erreicht wird, wenn nur endlich viele Variable des
Symbols von 1 verfchiedene Werte haben. (Vgl. S. 359, Hnm. 2.)
Man kann nun diefe Symbole dazu benugen, die Löfungen
höherer kritifcher Gleichungen darzuftellen.
/"(12, 1,13 . . . . ..1ß) bedeute nämlich die Menge aller gemein-
Iamen Löfungen der Gleichungen: f(11 12 .. . xy) = .ry für alle y<ß,
und f(m, 12 13 _ , ,xa , _ _ _ , aeg), wo a > 1, entiprechend die Löfungen des
Gleíchungsíyftems: f(1112....flvy1y+ı.... fr'a....flCß) =1I2,. für y<0r
c u -tr a c k c u -tr a c k
.c .d o .c .d o
w w
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h a n g e Vi h a n g e Vi
h a n g e Vi h a n g e Vi
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358 Oskar Becker. [793
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C

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.d o .c .d o .c
c u -tr a c k c u -tr a c k

und 1:2, -< xa, wobei die Zahlen wg des Symbols Konftante ima mit
Husnahme von :ry und a:?„. Diefe Definition ift offenbar eine fyfte-
matifche Verallgemeinerung unferer Beifpiele.
Veblen zeigt, daß, wenn f(x) eine Normalfunktion ift mit
fl1)>1, die Definition eindeutig eine beftimmte Transfinite durch
ein beftimmtes Symbol darftellt. Der Wert des allgemeinen Symbols
ift eine Normalfunktion jeder einzelnen Variablen, wenn die übrigen
feftgehalten werden., Läßt man jedes Symbol weg, deffen Wert
einem Werte feiner erften abgeleiteten Funktion gleich ift, fo bleibt
ein Syftem T von Symbolen übrig, das alle Transfiniten unterhalb
einer beftimmten, für das gegenwärtige Bezeidmungsfyftem höcbften,
kritiíchen Zahl E (1) eindeutig zu bezeichnen geftattet.
Die Zahl E(1) ift die kleinfte Löfung der kritiíchen Gleichung:
f(ı,ı, . . . . ..ı„......ıß)=ß
Die ganze Reihe der Löfungen wird dementíprechend mit E (ac)
bezeichnet; es find die fog. »E-Zahlen«„ein höheres Hnalogon zu
den bekannten Cantorfchen Epiilonzahlen. E (ar), als Funktion des
ñrguments zz: aufgefaßt, ift, wie man leicht fieht, wiederum eine
Normalfunktion von cc, und man kann fie, ganz wie vorher f(:ı:),
zum Husgangspunkt einer neuen Reihe von ›Hbleitungen« machen,
neue Mehrvariablenfunktionen einführen und fchließlich zu einem
höheren Syftem von Veblenfdven Symbolen T' kommen, analog
dem früheren Syftem T. Damit läßt ñch dann die Bezeichnung
neuer, größerer Transfiniten eine Strecke weit über den zuvor
erreichten Punkt hinaus bewerkftelligen; man kommt aber auch mit
diefem neuen Bezeichnungsfyftem keineswegs durdv die II. Zahlklaffe
ganz hindurch; vielmehr verfagt das Verfahren wiederum bei einer
höheren (auch nod-› im Vergleich zu den E-=Zahlen höherenl)
kritifdıen Zahl. Man kann das Verfahren zwar auch jegt wieder
durch eine geeignete Llmformung, die feinen Grundcharakter nicht
verändert, in weiterem Umfang leiftungsfähig machen, aber durch
diefe wie weit auch immer fortgefegte Erweiterung läßt ñch ein
endgültiges Ergebnis niemals erzielen. Es liegt eben im Wefen
diefer ›íich ftändig felbft tranfzendierenden Konftruktiom, daß fie
nicht durch ein konkret und abgefchloffen angebbares Gefeg er-
fdvöpfend befchrieben werden kann. Das würde ja auch im Grunde
dem Skolemfdıen Sat; wideríprechen. (S. o. S. 354.)
Diefe Sachlage ift im Hinblick auf die von uns im Text gegebene
ontologifche Hnalyfe des transfiniten Prozeffes nicht verwunderlich.
Denn das Ergebnis jener Fınalyfe war dodı, daß der transfinite
Prozeß feiner formalen Struktur nach mit der hiftorifchen Zeit
eng verwandt ift. Die hiftorifche Zeit aber zeigt die Eigentümlidı-
keit, nicht vorausfagbar zu fein, d. h. in eine dunkle Zu-
kunft hineinzuverlaufen. Dementfprechend ift auch die Ent-
wickelung des transfiniten Prozeffes in die Zukunft hinein ›dunkel››,
d. h. er ift, ähnlich wie die Erzeugung einer B r o u w er fchen >Wahl-
folge«, ein echt zeitlicher >Vorgang«, ein (wenn auch =›ideal-mathe-
[799] Mathematifche Exiftenz. 359

matifches«) Werden! Er ift daher nich t in feiner ›Ganzheit« durch


ein finites, abgefchloffenes Gefeg angebbar (und alle vom Menfdøen
begreifbaren Gefege find finit). Huf der anderen Seite hat aber auch
die hiftorifche Zeit eine gewiffe fich gleichbleibende formale
Gefeßmäßigkeit. Hnaloges muß fich auch beim transfiniten Prozeß
aufweifen laffen. (Vgl. Haupttext, S. 112, 127 f., 218 f., 231fF., 319.)
In der Tat kann man über den weiteren Verlauf des trans=
finiten Prozeffes trog des Fehlens einer konkreten Fort-
g a n g sr eg el doch gewiffe nicht belanglofe Husfagen machen, wenn
man fich auf feine »metamathematifchem Eigentümlichkeiten
befinnt. Man muß verfuchen, fich klar zu machen, welche Struktur
jedes Symbol, das eine transfinite Zahl darftellen foll, notwendig
haben muß. Die Menge alle r Symbole muß offenbar wohlgeordnet,
nämlich der Menge der darzuftellenden Transfiniten ordinal ähnlich
fein. Dies ift, wie die Hausdorfffdven Llnterfuchungen zeigen,
nur dann auf einfache Weife zu erreichen, wenn in jedem einzelnen
Symbol nur endlich viele Variablen von einer beftimmten ››leeren«
Grundzahll verfchiedene Werte haben. Das Symbol kann alfo nur
endlich viele konkret ausfüllbaren Leerftellen haben; freilich eine
beliebige endliche Hnzahl davon, es können (und müffen offen-
bar) darum noch unendlidıe »Leer-Horizonte« vorhanden fein. Es
ift ja auch ohnehin klar, daß ein brauchbares Symbol, fchon um
hinfchreibbar zu fein, nur eine geringe Hnzahl Buchftaben und
andere Zeichen umfaffen darf; anderenfalls bedürfte es einer Theorie
des Symbols felbft mit Hilfe eines fekundären Symbolfyftems. Man
denke etwa an die algebraifdve Invariantentheorie, die Verhältniffe
überblicken lehrt, die für die direkte Redvnung, obwohl fie endlich
bleiben würde, zu verwickelt werden würden (vgl. auch Hilbert,
Math. Hnn. Bd. 78, S. 4126.).
Bus dieser Überlegung folgt, daß das allgemeinfte Transfiniten-
fymbol feiner wefentlichen formalen Struktur nach mit den allge-
meinen Veblenfdıen Symbolen identifch fein muß 2. Man kann fomit
als allgemeines Symbol für transfinite Zahlen fchematifch anfet3en:
Cf5(g, 52 . . . . 3„ . . . . . gμ), wo nur endlich viele 3„ 1find.
Solche Symbole find, wie bekannt, antilexikographifch oder »nach
legten Differenzen« zu ordnen; d. h. fie beiitjen einen »jeweils
legten« Index, einen diefem vorangehenden ufw. Nach einer end-
lichen Zahl von Schritten hat man fämtliche »zählenden-= Indices
durchlaufen. (Es ift ganz ähnlich wie bei den Transfiniten felbft:

1) bei V e b le n ift es die 1, bei H a u s d o r f f das »I-Iauptelement« -m..'


9 2) Das verwendete Symbolfchema entfpricht dem Begriff der »Potenz
erfter Klaffe« bei H aus d o rf f (Leipziger Berichte, math. Kl. Bd. 58, S. 109
bis 113). Wohlgeordnete Potenzen find immer Potenzen erfter Klaffe. Die
höheren Potenzen und Produkte (l. c. 117ff.) lind hödıftens geordnet, mit=
unter auch nur teilweife geordnet. (Vgl. Hausdorff, Grundzüge der
Mengenlehre, 1. Hufl. [Leipzig 1914], Kap. V, § 4; Kap. VI, insbef. § 3.) Es
muß nun zum wenigften die Menge der Leitfymbole der Transfiniten
(f. u. S. 361) wohlgeordnet fein und das kann bei derartigen Symbolen wohl kaum
anders als nach der Methode der erften bzw. legten Differenzen gefchehen.
c u -tr a c k c u -tr a c k
.c .d o .c .d o
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h a n g e Vi h a n g e Vi
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360 Oskar Bedıer. L800
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.d o .c .d o .c
c u -tr a c k c u -tr a c k

auch in ihrer Reihe kommt man von jedem beliebigen Glied aus
in endlich vielen Schritten zum I-Infang zurück.)
Der jeweils letzte Index ift zugleich auch der ››ftärkfte« d. h. er
wird nach allen anderen kritifch, und wenn das eintritt, ver«
fagt das jeweils angewandte konkrete Bezeichnungsfyftem. Wenn
dies aber gefchieht, fo gibt es prinzipiell immer denfelben Husweg:
Man »zieht den ftärkften Index heraus« 1, d. h. ift diefer Index t, fo
bildet man die Einvariablenfunktion Mi), die, wie fich zeigt, eine
Normalfunktion ift. Man kann alfo mit ihr von neuem beginnen
und nad) dem alten Schema ein neues Bezeichnungsfyftem anfangen.
Mit diefem kommt man ein Stück weiter in die Transfinitenreihe
hinein. Das kann man unbegrenzt weit fortfegen. Der trans-
finite Konftruktionsprozeß ift alfo ››offen<=. Freilich ift damit noch
nicht bewiefen, daß die konftruierte Reihe »tranfzendenh ift und
nicht im ››Immanenten« ftecken bleibt (Termini von Hausdorf f 2); d. h.
es könnte fein, daß alle konftruierten Zahlen, foweit man auch das
Verfahren fortfegen mag, unter einer gewiffen Transfiniten bleiben,
fo daß es immer noch einen nicht erreichbaren >>Reft« von Trans=
finiten von der Mächtigkeit der ganzen in Frage kommenden Zahl«
klaffe gibt. Es ift freilich fchwer zu fagen, wodurch denn diefe der
Konftruktion entrückten Zahlen eigentlich noch definiert find. Man
könnte aber immerhin an ein anderes, noch unbekanntes und
leiftungsfähigeres Konftruktionsverfahren denken, das in jenes un-
feren augenblicklichen Mitteln entzogene Gebiet hineinreicht. Hierin
liegt nun eine gewiffe Schwierigkeit: man hat nämlich keine Vor-
ftellung von ›› allen«, außer den bekannten noch möglichen, Konftruk=
tionen und man kann daher auch die Möglichkeit der überflügelung
aller bekannten Konftruktionsweifen durch eine neue nicht aus=
fchließen. Es fehlt eben an einem »abfoluten 1-lintergrundıf, d. h. an
einer indepedenten Definitionsweife der Transfiniten, an der man
die Leiftung der verfchiedenen Konftruktionen meffen könnte.
Es bietet fich nun folgender Husweg aus diefer Schwierigkeit
dar: Die, wie wir fahen, notwendig durchaus endlichen Symbole,
mit denen wir die Transfiniten bezeichnen, können wir auch zur
Bezeichnung endlicher Zahlen gebrauchen; wir bilden durch diefe
»ifofymbolifche Hbbildung« die bezeichneten Transfiniten
auf gewiffe endlichen Zahlen ab. Man kann fich davon im Falle
der II. Zahlklaffe eine konkrete Vorftellung machen: Es fei nämlich
f(w) eine Transfiníte (fchließlich find doch alle Zahlen II. Klaffe
Funktionen von w). Dann ift die entíprechende endliche Zahl ge-
geben durch den Fiusdruck F(g), wo 9 eine endliche fefte Zahl, die
fog. =›Grundzahl« ift. Die Struktur der Funktionen f und F ift ganz
die gleiche, nur ift auch bei den im Hufbau der Funktion felbft vor-
kommenden Rekurfionen ftatt des Ordnungstypus w der Folge aller

1) Es kann iich dabei auch um eine ››Durchfchnittsbildung«, die über


die endlofe Reihe der früheren Indices hinausführt, handeln. Vgl. V e b l e n s
Theorem 5, l. c. p. 284.
2) Leipziger Berichte, math. Kl. Bd. 59 (1907), S. 152f.
[301] Mathematifche Exiftenz. 361

endlidıen Zahlen der endliche Typus 9 (d. h.: 1, 2, 3, 4, . . . . 9 - 1, 9)


zu fegen. Hlle im Hufbau der Funktion f (w) vorkommenden end«
lichen Zahlen bzw. Ordnungstypen werden in Fig) durch diefelben
Zahlen ufw. dargeftellt. fofern fie 9- 1 nidıt überfchreiten; alle end-
lichen Zahlen ufw. von 9-1 ab werden durch 9-1 erfegt. In Hn-
betradıt des fdıon erwähnten Llmftands, daß allzugroße endlidıe
Zahlen in den Symbol ftrukturen implicite nicht vorkommen können,
wird man die Hbbildung nicht undeutlidı nennen können, auch wenn
in F(g) nicht alle Differenzen der endlichen Indices ufw. von f(w) wieder=
gegeben werden. Es kommen ja auch immer nach komplizierten
Symbolen in der nach der Größe geordneten Reihe der Transfiniten
wieder folche von einfacher Struktur (indem die »große« finite Zahl
m nada w läuft), und wenn nidıt alle Transfiniten diftinkt abgebildet
werden, fchadet das nidvts; es kommt nur darauf an, daß ein Syftem
von »L eitza hlen «, die den Gang des transfiniten Konftruktions=-
Verfahrens zu überblicken geftatten, ›deutlich« im finiten Bild
erfdıeint 1.
Denn der Zweck der Hbbildung ift diefer: Wir können uns
durch die ifofymbolifdve Hbbildung auf das Finite, den vorhin ver~
mißten »abfoluten Hintergrund«, mittels deffen wir die verfchiedenen
transfiniten Konftruktionen miteinander vergleichen können, ver=
fdıaffenz er wird uns nämlich im Finiten gegeben durch die von dem
Hufbau der Funktion Fly) offenbar ganz unabhängige Erzeugung
der natürlichen Zahlen durdı den beliebig häufig wiederholten über-
gang von n zu n+ 1. 9
Wir erkennen nun am finiten Hbbild, daß der transfinite Prozeß
jede vorgebbare Zahl der II. (bzw. der betr. Zahlklaffe, in der er fidı
abfpielt) überfdvreiten kann. Denn das finite Hnalogon kann jede
finite vorgegebene Schranke überfchreiten. Wenn das finite Hbbild
eines beftehenden Konftruktionsverfahrens aber das leiftet, kann man
ficher fein, daß es von keinem anderen Verfahren überflügelt werden

1) Die Llnterfcheidung »kleiner-= und »großen endlicher Zahlen läßt


fich, obwohl ñch keine fcharfe Grenze zwifdøen beiden Hrten angeben läßt,
phänomenologifch rechtfertigen. (Daß aud) echte Wefen (si'd`ı;) vag
und zwar wefenhaft vag fein können, fagt Hufferl fchon in den
»ldeen« § 74.) Denn es ift ein wefenhafter Unterfchied, ob eine Zahl 1. direkt
anfchaulidu gegeben ift (das iind nur die kleinften, 1, 2, 3 und vielleicht 4;
vgl. Huf f erl, Philofophie der Hrithmetik, S. 213f.); 2. indirekt durch ge-
eignete Hilfsmittel zur Hnfchauung gebracht werden kann (etwa durch
geeignete Gruppierung von anfchaulichen Elementen u dgl., als ››Gefamt=
geftalt«); 3. auf keine Weife anfchaulich zu machen, alfo nur durdo arith=
metifche Symbole darftellbar ift, wie z. B. vier Sextillionen, die Zahl 10(1°1°)
und noch größere Zahlen.
Weder die Grenze zwifchen (1) und (2), noch die zwifchen (2) und (3)
ift fcharf, aber man kann Zahlen durch arithmetifche Symbole angeben, die
zweifelsfrei zur Klaffe (3) gehören, wie etwa 10(I01°›. S«-gt man alfo im
››ñniten ifofymbolifchen Hbbild« der Transfiniten der II. Zahlklaffe die »Grund-
zahl« g=10l1°'°), fo kann man ficher fein, daß keine »Leitzahlem des
transfiniten Symbolfyftems finite »charakteriftifche Zahlen« größer als g-1
enthalten. (Vgl. zum Ganzen auch Haupttext S. 89 ff. und =›Erg. zu §3«,
Nr. III, S. 332 ff.).

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h a n g e Vi h a n g e Vi
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3e2 Oskar Becker. 802] .c
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.d o .c .d o
c u -tr a c k c u -tr a c k

kann. Denn kein finites Verfahren kann offenbar mehr tun, als
jede finite Grenze überfchreiten, und jede von dem einen derart
›tranfzendenten« Verfahren erreichte Zahl kann auch von dem an»
deren erreicht werden.
Man kann gegen diefe Hrgumentation Folgendes einwenden: Damit die
Schlußweife richtig ift, muß feftftehen, daß (wenn man von der Vieldeutig~
keit, die durch die großen finiten Zahlen [>51-1] hineinkommen kann, ab-
fieht, d. h. wenn man nur »Leitzahlem verwendet) ftets r›=<fi im trans-
finiten Gebiet a<b im finiten nach ñch zieht und umgekehrt, wenn die
ifofymbolifche Hbbildung a ~4-›- aı, ß -<-›- b der transfiniten Zahlen tt, ß auf
die endlichen a, b befteht. Dies gilt nun zwar fidwer dann, wenn rr, ß (und
demen/cfprechend audi a, b) durch idasfelbe felbfttranfzendierende Kon-
ftruktionsverfahren Q dargeftellt iind. Man kann den Zufammenhang jener
llngleichungen aber bezweifeln, wenn cx und ,S (und alfo auch aı und b) durch
verf chieden e Konftruktionsverfahren Q und 5°-*L* dargeftellt werden.
Bezeichnen wir die durch Sf* hergeftellten Zahlen mit einem Stern (*), fo
könnte aus z. B. fein: fi -<b*, aber vieııeitm a> ß*› sbwobı auch jagt
nochdie ifofymbolifche Hbbildung rn«-›-cı, ß*+~›b* befteht.
Eine derartige Sachlage wäre aber offenbar vernichtend für die Beweiskraft
der ifofymbolifchen Hbbildung in Sachen der ›Tranfzendenz« eines beftimmten
transfiniten Konftruktionsverfahrens.
indeffen kann gegen diefen in der Tat fchwerwiegenden Einwand
Folgendes gefagt werden:
Falls ein beftimmtes transfinites Konftruktionsverfahren Si, von
einem anderen Q2* überflügelt wird, fo kann dies nur fo gefchehen: das
=›unbegrenzt« fortgefetjte Verfahren Sf, bleibt unter einer beftimmten
wkritifdıen« Zahl, die als foldıe nur mittels des Verfahrens Qi; erkannt und
dann auch überfchritten werden kann (wegen der =›Offenheit°= von QT, die
wir vorausfegen). Dabei wird notwendig das »engere« Verfahren Si, in das
›weitere« R1' eingeordnet. Betrachtet man nun die ifofymbolifchen Bilder
Q6, Sfå von Si“, und Si? (es ift alfo R, -<-›› Q6. Qi; -<-->92", und .fie bzw. SP2*
find en dlich e Konftruktionsarten), fo muß lich B6 dem Verfahren von Sf:
ebenfo einordnen, wie Si, dem Qi. Dies kann aber nur fo gefchehen, daß
die von Sie beherrfchte Stredce im finiten Gebiet die Teilftredıe OK (Hnfangs-
ftrecke) der von S22* beherrl'chten Stredie OK* ift (f. Figur).
Z* M

O
ıí-¬-- K
- '- -.
K*
-' -----›
........._......._.)._ w

überfchreitet nun die von Sf8 beherrfchte Strecke des finiten Gebiets
(alfo OK variab el gedacht) bei der mnbegrenzten« Fortführung des Ver-
fahrens .ife fchließlich je de beliebige vorgegebene Schranke M, fo kann die
Strecke OK niemals unter einer b e fti m m t e n kritifchen Zahl x (fräi) bleiben,
die innerhalb des Konftruktionsverfahrens R2* einen ganz beftimmten feften
Plat; einnimmt. Denn diefer Zahl x (šiff) entfpricht auf der Geraden der Figur
ein beftimmter Punkt Z* und man kann offenbar die Schranke M rechts
von Z wählen.
Kurz gefagt: wenn die transfiniten Verfahren Sit. Sf; k o n f r o nt i e rt
werden, werden zugleich auch die ihnen ifofymbolifchen endlichen Verfahren
9,- SE* untereinander konfrontiert und es gilt dann immer für die «Leit-
zahlen« aus beiden Verfahren zugleich «<5 und a<b.1

1) Hllerdings bleibt noch die Möglichkeit offen, d aß Si), und .Qi üb er-
haupt nicht konfrontiert werden können. Die unvergleich-
[803] Mathematifche Exiftenz. 363

Damit haben wir aber das Mittel gewonnen, eine Transfiniten«


konftruktion auf ihre »Tranfzendenz« zu prüfen, und es läßt fidv fo
zeigen, daß das unbegrenzt erweiterte Veblenfdıe Verfahren
»tranfzendent« ift. Damit ift aber das wefentlidvfte Ziel einer die
Transfiniten bezeidonenclen Konftruktion erreicht.
Gewiß bleibt das Verfahren in feinen Einzelheiten unbekannt
und zwar prinzipiell, denn jede Fortfetjung des ffnfangs der Kon-
ftruktion kann doch niemals einen Einblick in die ftets dunkle »Zu-
kunft« des konkreten transfiniten Entwicklungsprozeffes liefern.
Hber die »O1fenheit« und »Tranfzendenz« der Konftruktion (nicht
bloß die »Selbfttranfzendenz«) ift nunmehr gefichert. Wohlgemerkt,
die Tranfzendenz innerhalb ihrer Zahlklaffe! Die Erreichung der
oberen Grenze der Zahlklaffe felbft (d. h. der Hnfangszahl der
nächften Zahlklaffe, falls diefe r e g ul ä r ift), ift dagegen grundfäglich
ausgefchloffen; - dies zeigt wiederum deutlich das »finite Bild«.
Dort verläuft ja die der transfiniten entfprechende Konftruktion
barkeit der beiden Verfahren (».@,[|§l2'«) würde zur Folge haben, daß auch
S7`E,||.S'7%, wäre. D. h.: in diefem Falle würde die natürliche Zahlenreihe nicht
mehr als »abfoluter Hintergrund» fungieren und der Beweis für die Tran»
fzendenz von 9, verfagen. Es wäre denkbar, daß die Gefamtheit der trans-
finiten Konftruktionsverfahren gewiffermaßen in »Pan t a chi ee n« zerfiele,
die gegeneinander abgefchloffene Syfteme bilden würden. (Vgl. dazu H aus»
dorff, Leipz. Berichte, math. Kl., 59, S. 105ff.:.ȟber Pantachietypem, ins-
befondere die Definition des Begriffs »Pantachie« auf
S. 110. - Vgl. ferner Derf., Leipz. Fıbhandl., Bd. 58, math. Kl. Bd. 31
(1909), S. 295 ff.: »Die Graduierung nach dem Endverlauf<<). Freilich kann
wohl niemals nachweislich íšllâf fein. l.Ind felbft diefen Fall, daß
Sftflâf, einmal angenommen, was wäre die Folge? Es würden auch die
durch die fämtlichen mit Q, vergleichbaren Verfahren darftellbaren trans=
transfiniten Zahlen p(S?i,) eine Hrt Pantachie {9 (Q,)} bilden, die gegen die
entfpreohende andere Pantachie {9(.@'§)} durch llnvergleichbarkeit abge›
fchloffen wäre. Bezieht man den Vergleichbarkeitsbegriff auf die »Größen-
ordnung« der Transfiniten, fo wäre alfo: 9(fi,)||9(.@f) für alle folche 9.
Eine folche Sachlage wäre aber ein völliges Novum und würde dem be=
kannten Vergleichbarkeitsfat; der allg emeinen Theorie der Ordnungs-
zahlen widerfprechen. Man hätte mehrere verfchiedene Realifierungen der
allgemeinen Theorie und hätte die Hufgabe, eine davon auszuzeichnen.
Trogdem diefe Sachlage zunächft nicht unmöglich zu fein fcheint - man
könnte lie mit dem »Relativisınus der Mengenlehrem, der neuerdings durch
Skolem und v. Neumann vom axiomatifchen Gefichtspunkte aus auf»
geftellt wurde (f. oben S. 354 f.), zufammenbringen -, fo fpricht doch Folgendes
fehr ftark gegen eine folche relativiftifche Hnnahme: Die fämtli dien
denkbaren transfiniten Konftruktionsverfahren 9„ S321* . . . ufw. haben
erftens dasfelbe Hnfangsftück zum Ergebnis, nämlich die Can»
to rfch e Reihe der transfiniten Ordnungszahlen bis zur erften s-Zahl, dann
die Veblenfche Reihe bis zur erften E=Zahl. Zweitens benugen fie
alle diefelben Grııncloperationen: die arithmetifche Elementaı:=
Operation der Hddition, die Iteration als Operation des Funktionalkalküls
und endlich die Limes» (bzw. Durchfchnitts- oder Diagonal=) Bildung über
eine Folge vom Ordnungstyp w (oder der anderen in Frage komn1en=-
den Hnfangszahl). Drittens befteht der »allgemeine Vergleidıbarkeitsfagtt.
Es ift alfo anzunehmen, daß der Vergleichbarkeitsbeweis fídı allgemein
durchführen läßt.
51'
c u -tr a c k c u -tr a c k
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Oskar Bedıer
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c u -tr a c k c u -tr a c k

durchaus im Endlichen: fie operiert mit endlidıen Zahlen und cncl=


lichen Rekurfionen und Iterationen, fie gelangt demgemäß nur zu
endlichen Zahlen als Ergebnis. Die Grenze der erften Zahlklaffe, cu,
wird von ihr nidot erreicht. Dies liegt wefentlich daran, daß rn =Q0
felbft, ebenfo wie die finfangszahlen Q, Q2 . .. 52„ der hier ausfchließlich
betrachteten Zahlklaffen, regulär ift. D. h. es wird z. B. die obere
Grenze der II. Zahlklaffe Q, nur als Limes eines Prozeffes von ihrem
eigenen Ordnungstyp Q, erreidıt. Hier fcheint nun wiederum eine
Schwierigkeit oder zum mindeften eine Paradoxie aufzutaudven und
zwar im Zufammenhang mit der ifofymbolifdıen fibbildung. Denkt
man fidv die ganze II. Zahlklaffe - fo könnte man fagen -- auf
die ganze I. Klaffe (alfo die natürlichen Zahlen) abgebildet, fo ent-
fprichtdie Zahl cu = Q0) der Zahl 52,. Dies ift paradox: denn wenn
man ein beftimmtes finites Konftruktionsverfahren Q., das immer
››offen« bleibt, alfo »unbegrenzt« fortgefegt werden kann, nun
»wirklich« unbegrenzt häufig, d. h. gemäß dem Ordnungstyp w
verwendet, erreicht man durch diefe w=fache Wiederholung
mit dem ifofymbolifdıen transfiniten Verfahren Q, den Limes 52,. Das
aber widerfpricht der Tatfadve, daß Q, regulär ift, d. h. nur durch
einen Limes über feinen eigenen Typus Q, erreicht werden kann.
Man überfieht aber bei diefer Sdılußweife einen wefentlichen
Punkt: Der Prozeß der fukzeffiven »Erweiterung« oder ›Fortfüh~
rung« des Verfahren R, ift keine Wiederholung, fondern ent-
fpricht viel eher dem Fortfdıreiten einer B rouwe rfchen Wahlfolge
durch die fukzeffiv ausgeführten Wahlen oder der Entftehung des
niemals fertigen Dezimalbrudvs für rr durch die fukzeffive Beredı-
nung immer neuer Dezimalen. In dem Hugenblick, wo das Fort›-=
fdıreiten des transfiniten Verfahrens Sf, fidv in ein G e fe Q von dem
Typus einer vollftändigen Induktion verwandelt, alfo von n zu n + 1
fortfchreitet und demgemäß zu einer rekurrenten Entwid-:lung vom
Ordnungstyp cu wird, in demfelben Hugenblick durchläuft das ifo-
fymbolifdie endlidıe Verfahren 9, eine entfprechende rekurrente
Entwidılung von nidıt mehr und nicht weniger als 9 Gliedern und
bridıt dann ab. Korrelativ damit »brid›t« aud) das transfinite
Verfahren R, in dem Sinne »ab«, daß es unter einem beftimmten
times superior à innerhalb der II. Zahlklaffe verbleibt, alf o
feine »Tranfzendenz« verliert. (Denn es definiert dann
eine Normalfunktion, deren erfte kritifdıe Zahl bereits durch das
Verfahren nicht mehr dargeftellt werden kann.) Es wird alfo, in
Übereinftimmung mit der Tatfache der Regularität von .(2, diefes
felbft nicht von irgend einem durch Fortfdıritt von n zu n +1
deflnierbaren Verfahren Sf: erreichtl.
1) Es zeigt ñch hier wiederum fehr deutlich die Wichtigkeit des »Zeit-
dıarakters« des transfiniten Prozeffes. Sobald der »h i f t or i f ch e« Zeit«
charakter des transfiniten Prozeffes in einen rnaturhaften« (mit gleichför=
miger »Wiederkehr«) umfchlägt, in demfelben fiugenbiick linkt der bisher »voll-
transfinite« Prozeß zum »halbtransfinitem (f. u. S. 365) herab und korrelativ
damit läuft ñch fein ifofymbolifches finites Bild an einer finiten Grenze tot.
[805] Mafbemafircbe Exiftenz. 365
Die ganze gefchilderte Sachlage ift von fundamentaler Wichtigkeit
für das Kontinuumproblem in der Hilbertfchen Faffung, insbefon-
dere für die im Lemma Il des Hilbertfchen Beweifes ausge-
fprochene Thefe. Das foll im folgenden noch kurz auseinander-
gefegt werden. 3
C. Zur Frage der Begründung des zweiten Hilbertfchen Lemma zum
Kontinuumfag und diefes Sages felbft.
Das Hilb e rtfche Lemma II (vgl. S. 173if. im Haupttext) befagt
nämlich, daß zur Bildung von Funktionen einer (endlichen) Zahl-
variablen transfinite Rekurfionen entbehrlich find.
Es kommt nun zum Verftändnis diefes Lemma vor allem auf
den genauen Sinn des Husdrudcs »transfinit« an. Diefer Terminus
wird i. H. nidvt ganz eindeutig gebraucht. Er bezeichnet nämlich
erftens einen wohlgeordneten Typus ß der II. Zahlklaffe (bzw.
eine nach diefem Typus fortfchreitende Rekurfion oder dgl.), zwei-
tens den Typus Q, der ganzen II. Zahlklaffe. ,B ift abzählbar,
Q, nicht mehr, als kleinfte derartige Zahl. Eine nach ß fortfchrei-
tende Rekurñon (wobei ß eine Limeszahl fei) werde als »halb-
transfinit« oder »finit vonlI.Klaffe«, eine nach .Q1 fich voll-
ziehendeals wolltransfinit« oder»indefinitvonII.Klaffe«
bezeichnet. (Diefe Husdrudrsweife läßt fich offenbar leicht auf
höhere Zahl-Klaffen ausdehnen.) Die Husfage des Lemma ift nun
fdıärfer fo zu faffen: es find beim Pfufbau einer Funktion einer
gewöhnlichen Zahlvariablen volltransfinite Rekurfionen ent-
behrlich. Denn für die Frage der Mädvtigkeit des Kontinuums find
ja nur Limites nach dem Typus Q, relevant, da ja fämtlidıe halb~
transfinit gehäuften halbtransfiniten Limiten nie über Q, hinausf
kommen und es einzeln nidvt einmai erreichen, wegen der »Regu-
larität« von 52,.
Nun läßt fich offenbar zunädıft foviel fagen: Eine gewöhnliche
zahlentheoretifche Funktion hat weder im Ordnungstyp ihres Hrgu-
ments noch in dem ihres Funktionswertes, - felbft wenn man fie
fo verallgemeinert, daß irgend welche Zahlen II. Klaffe als folche
Werte zugelaffen werden ~ die Möglichkeit einer volltransfiniten
Rekurfion. Eine folche könnte alfo nur in der transfiniten Kom-
plikation des Hufbaues des Funktionsgefeges felbft liegen, der evtl.
von volltransfiniter Verwickeltheit fein könnte. Eine volltrans-
finite Verwidceltheit könnte - wenn überhaupt - direkt nur durdı
eine felbfttranfzendierende Konftruktion zuftande kommen. Hber
eine folche, wenn fie vom Fibzählbaren ausgeht und mit den direkt
ja nur zur Verfügung ftehenden, aus cu-Limiten zufammengefegten
halbtransfiniten Rekurfionen arbeitet, gelangt niemals (nach der
vorhin erläuterten Theorie der Bezeichnung der Transfiniten II. Klaffe)
zu einem volltransfinitenTypus. Es wäre alfo höchftens denkbar,
daß die fragliche zahlentheoretifche Funktion durch fiuswahl einer
abzäh lbaren Menge von Gliedern aus einer echten volltransfiniten
Funktion, etwa mit dem volltransfiniten Hrgumenttypus Q, zuftande

c u -tr a c k c u -tr a c k
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366 Oskar Becker. 06]
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c u -tr a c k c u -tr a c k

käme. (Das ift in der Tat Hilberts Hnnahme in feinem Beifpiel


zum Lemma II., Math. ffnn- 95, S. 189/90.) Bedenkt man aber, daß
eine folche fluswahlfolge niemals die r e g u l ä r e Hnfangszahl Q, als
Limes haben kann, und daß ihr ifofymbolifches Hbbild eine fi ni t e
Folge darftellt oder anders ausgedrückt, d a ß i h r e f ä m t l i ch e n
Glieder durch eine vom fibzählbaren ausg ehende
felbfttranfzendierende Konftruktion darftellbar
fi n d , fo fdveint es unmöglich, daß fie nicht auch ohne Hilfe des
V o ll transfiniten dargeftellt werden kann. Denn eine abzählbare
Folge von cu abgefdwloffenen Stücken einer felbfttranfzendierenden
Konftruktion bildet felbft wieder ein abgefchloffenes Stück derfelben
Konftruktion (im finiten, ifofymbolifdıen Bild fegt fich aus 9' finiten
Stücken wieder ein, obzwar größeres, finites Stück zufammen; 9 ift
hierbei die Grundzahl; vgl. oben S. 360 ff., bef. S. 364, Hnm. 1).
Eine abzählbare Folge von Transfiniten II. Klaffe ift alfo in
jedem Falle als Ganzes durch eine (mit w-Rekurfionen arbei=
tende) felbfttranfzendierende Konftruktion darftellbar. Es handelt
fich dabei um nichts anderes, als um die Darftellbarkeit durch eine
folche Häufung von gewöhnlidıen Rekurfionen, daß auch der
Hufbau der Staffelung felbft (d. h. der Hufbau der benötigten
»Variablentypem in Hilberts Husdrucksweife)1 nur gewöhnliche,
und niemals volltransfinite Rekurfionen erforderti. Damit ift
aber der Forderung des Lemma II genügt.
Durch diefen Gedankengang wäre alfo der wefentliche Inhalt
des Lemma ll begründet, vorausgefegt daß die ganze fkizzierte Be»
tradıtung ftreng durchführbar ift. Dies ift z. Zt. nidıt bewiefen und
die Veröffentlichung der vorftehenden Skizze ift hier dadurch mo~
1) Das Fiuffteigen zu immer neuen Variablentypen führt, in concreto
durchgeführt, auf eine felbfttranfzendierende Konftruktion, die im Prinzip
der zur Bezeichnung der Transfiniten benötigten ganz ähnlich ift. Denn es
handelt iich doch offenbar darum, jeden noch fo hohen Variablentyp durch
einen geeigneten cu-Limes eindeutig zu erreichen. Diefes Problem hängt
aber, wie Veblen (l. c. S. 280 f., 291 f.) zeigt, eng mit dem Bezeic:hnungs=
problem zufammen. (Vgl. oben S. 344, Hnm. 1.)
2) Der ganze gefchilderte Gedankengang fcheint wohl auch F. B ern=
ftein vorzufchweben, der zuerft (jahresber. d. D. Math. Ver. Bd. 14 (1905),
S. 447 -49) einen Beweis der C a n t o r fchen Kontinuumvermutung verfuchte.
B ernftei n konftruiert in einer nicht genau angegebenen rekurrenten
Weife, bei der es fich um eine Hrt felbfttranfzendierender Konftruktion han«
deln dürfte, eine (halb-)transfinite Folge von Bereichen Ba und fagt dann,
die Gefamtheit {Ba} diefer Bereiche bildete »gegenüber den gegebenen
Operationen einen invarianten Bereich« Der Grund fei, »daß der Index cz
der Bereiche eine transfinite Zahl ift und alfo nicht in dem Zufammenfegungs=
verfahren verwandt werden kann.« Das ift offenbar nur dann ridatig und
von Bedeutung, wenn cr ein durch die ganze II. Zahlklaffe hindurch-
laufender variabler Index ift, alfo eine volltransfinite Variable. Bleiben
aber die Werte von cr fämtlich unter einer beftimmten Transfiniten 1. der
II. Klaffe, fo könnte ein fo laufender Index fehr wohl bei der Konftruktion
der Bereiche verwendet werden, würde aber dann freilich auch niemals zu
einer llberfchreitung des abzählbaren Halbtransfiniten führen. Bei einer
derartigen Präzifierung des Husdrucks »tt-ansfinit« (nämlich in v o l l transfinit)
in der obigen Textftelle zeigt ñch der B ern fteinfche Grundgedanke wohl
mit unferem verwandt. .
[807] Mathematifche Exiftenz. 367

tiviert, daß gegenüber der heute in mathematifchen Kreifen weit-


gehend in diefen Dingen herrfdvenden Skepfis die fiusficht auf ein
mögliches Weiterkommen hervorgehoben werden follte.
Das Gelingen der vollftändigen Begründung des Hilbertfchen
Lemma II in Verbindung mit der ftrengen und genügend weit-
reichenden Begründung des fiufbaues der Hi lb ert fdıen Variablen-
typen mit Hilfe einer zu erhoffenden Theorie der felbfttranfzendie-
renden Konftruktion würde die Löfung des Kontinuumproblems im
Sinne der Cantorfchen Vermutung unter Vorausfegung einer ge»
wiffen Befdvränkung der Möglichkeiten nach fich ziehen. Die Be«
fchränkung ift in Hilberts Lemma] enthalten, das von den von
zur Zeit ungelöften mathematifdoen Problemen abhängigen Folgen
handelt (1. Haupttext S. 176ff., auch über die Möglidıkeit, diefe
»Problemfolgem abzuzählen. Die Durchführung einer folcf›en Hb»
zählung dürfte wefentlida von einer genügend präzifen Faffung des
mathematifchen Problembegriffs abhängen). Diefe Folgen kann man
a limine ausfchließen und das Kontinuumproblem auf die gefetj-
mäßig konftruierbaren befchränken (vgl. oben Haupttext S. 178
bis 180), wenn man der intuitioniftifchen, fadalichen Grundauffaffung
folgt. Man kann alfo fagen, das fachlich aufgefaßte Kontinuum-
problem, wie wir es in feiner hiftorifchen Entwicklung in § 5b ge-›
fdıildert haben, ift durch die weitere Husarbeitung der vorftehend
fkizzierten Gedankenreihe vielleidvt lösbar.
I Nachtrag.
Huf zwei bemerkenswerte Veröffentlichungen, die zu fpät erfchienen,
um im Text noch berüdcñchtigt werden zu können, fei an diefer Stelle nodı
kurz hingewiefen.
1. H l o n z o C h u r ch, ››f-Ilternatives to Zermelos assumption.« (Transact.
Ffmeric. Math. Soc. 29 [1927], p. 178-208).
Diefe Hrbeit befchäftigt lich, vom axiomatifchen, alfo von einem von
dem unferen ganz verfchiedenem Gefichtspunkt aus mitdem Bezeichnungs-
(Konftruktions-) problem der Transfiniten der II. Zahlklaffe. Es wird das
Zermelofche fiuswahlprinzip erfegt durch eine Reihe von fchwächeren
Poftulaten, welche die Erreichbarkeit gewiffer Transfiniten durch einen ein-
deutig beftimmten w-Limes fordern. Es wird dann die Wirkung diefer
Poftulate auf das Wohlordnungsproblem des Kontinuums erörtert. - Es
beftehen alfo gewiffe inhaltliche Berührungspunkte mit unferen Husführungen,
aber die Behandlungsart ift ganz verfchieden.
2. B etty H ei mann, »Syftem und Methode« in H eg els Philofophie
(Leipzig 1927); darin Hnhang II: Zur Frage der mathematifchen Darftellbar-
keit der dialektifchen Bewegung (S. 444ff.).
Die mathematifche Parallele der dialektifchen Bewegung H eg els wird
nicht (wie in unferer Hrbeit, vgl. o. S. 219, 228) in der Brouwerfchen
Wahlfolge oder im C ant orfchen transfiniten Prozeß gefunden, fondern in
gewiffen geometrifchen Konftruktionen, ausgehend von Heg els »Kreis von
Kreifem. Der Problemanfag ift bemerkenswert, aber die Durchführung ift
leider nicht gegeben, fo daß ein abfchließendes llrteil unmöglich ift.

c u -tr a c k c u -tr a c k
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363 Oskar Becker.
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c u -tr ack c u -tr a c k

Schlußbemerkung.
Hm Schluffe diefer Husführungen fei noch ein Wort an den
Mathematiker, der diefen Hnhang lefen follte, geftattet.1 Das Ver-
hältnis von Mathematik und Philofophie wird noch immer vielfach
fo aufgefaßt, daß es die Hufgabe der »Philofophie der Mathematik«
fei, die pofitive Mathematik, fo wie fie als wiffenfchaftliches Fa ktum
oder ›Fieri“ da ift, zu ››begründen«. je nachdem dies nun ge-
lingt oder mißlingt, wird die zugrunde gelegte Philofophie anerkannt
oder verurteilt. Es kommt darauf an, ob die Begründung durchfichtig
und umfaffend genug ift, daß in bequemer und vollftändiger Weife,
unbekümmert um weitere Prinzipienfragen, auf ihr das einzel=
wiffenfchaftliche Lehrgebäude der Mathematik errichtet werden kann.
Nach ihrer Leiftungsfähigkeit in diefer Hinfidit pflegt man
die Philofophie, ausfchließlidi zu bewerten. Wir können diefen
pragmatiftifdıen, ja vielfadä rein opportuniftifchen Gefichtspunkt nicht
teilen. Nach unferer Meinung entfcheidet hier der »Erfolg« bei
weitem nicht alles. Wir können uns, fofern wir Philofophen fein
wollen, nicht damit begnügen, gewiffermaßen hinter der rüftig fort=
fchreitenden Wiffenfdıaft herzulaufen mit dem erftaunten Rufe:
»Wie ift das (diefes Faktum der Mathematik) möglidfl« Sondern
wir beanfprudwen das Redvt der Kritik an der Einzelwiffen-
fdvaft, ein Recht, deffen fich eigentümlicher Weife gerade die neu-
kantifchen Ridvtungen weitgehend begeben hatten. Nidıt nur die
Mathematik ftellt der Philofophie »tranfzendentale« Fiufgaben im
Sinne des Problems einer regreffiven Hnalyfe der Methodik diefer
Wiffenfchaft. Sondern auch die Philofophie verlangt Hntwort auf
ihre Fragen: Das Problem einer fachlichen Mathematik
kann nicht dadurch erledigt werden, daß man es ignoriert; die
hiftorifche Entwicklung kann es zeitweife verfchütten, aber es wird
immer wieder in fpäterer Zeit auftauchen.
Was hier mit der Problematik einer fachlichen Mathematik
gemeint ift, kann in einer Hinficht wenigftens durch eine Parallele
aus der Gefchichte der Mathematik und Phyfik erläutert werden.
Diefe beiden Wiffenfchaften befinden fich in einer durchgängigen
Wechfelwirkung. Nidıt nur in der Frage der »Union von Zeit und
Raum« hat die Mathematik - nach dem bekannten Wort Min-
kowskis - »nur mehr Treppenwig bekundet«. Bei der Betrachtung
der Natur find dem Menfchen immer wieder die großen eigentlich
fruchtbaren mathematifchen Probleme entgegengetreten: Seit der
Epizyklentheorie der Hntike ,die den Grundgedanken der Entwicklung
nach trigonometrifchen Funktionen um fo viel Jahrhunderte voraus=›
nimmt, feit der Theorie der Newtonfdøen Gravitation, fpäter in den
Problemen der fchwingenden Seite, der Wärmeleitung, des Erdmagne-
tismus, des elektrifdıen Feldes .. ., -- lauter ganz willkürlidı aus
der Fülle des vorhandenen ungeheuren Materials herausgegriffene
Beifpiele. Gewiß ift andrerfeits die Kraft der im Sinne des reinen

1) Verfchiedene verftreute Bemerkungen des Haupttextes werden hier


zu einem Ganzen zufammengefaßt. (Vgl. S. 110, 114f., 126f., 129 u. ö.).
[309] Mathematifche Exiftenz. 369

mathematifchen Gedankens felbft liegenden Entwicklungstendenzen


von innen heraus eine gewaltige: Die Entfaltung der Invarianten-
theorie würde die allgemeine Relativitätstheorie grundfäglich audi
ohne den Michelfonfchen Verfuch oder gegen feinen pofitiven
ffusfall erzwungen haben. (Vgl. dazu D. van Dantzig, Math. Hnn. 96
[1 9261, S. 261 ff.) fiber es wäre fchlechthin verhängnisvoll, wenn fich
je die Mathematik der Löfung an fie herantretender fachlichen fIuf=
gaben entziehen und in ein felbftgenügfames Spiel entarten würde.
Die Theorie der Transfiniten bezieht fich - das möchten wir
als ein w e f e n tli ch e s Ergebnis der phänomenologifchen Unter«
fuchungen des Haupttextes (§ 5a) betrachten -- auf ein f a chli ch es,
nicht wegzudeutendes (höchftens zu ignorierendes) Problem: Die
fiuseinanderlegung cler möglichen iterativen Ineinanderfchachtelungen
und Verfchränkungen intentionaler Strukturen des reinen tran-=
fzendentalen Bewußtfeins. Diefes Problem, das zum mindeften der
deutfche Idealismus (bei. der junge Schelling, f. o. S. 114 ff.) bereits
erblickte, ift unabweisbar. Die von uns verfuchte phänomenologifche
Hnalyfe des transfiniten Prozeffes will »alfo nicht, in Konkurrenz
mit anderen formaliftifchen (axiomatifmen und vielleicht relativiftifchen)
Theorien , ein beftimmtes fakrofanktes oder jedenfalls nur nach
intern-mathematifcher Methode zu beurteilendes Lehrgebäude ›be~
gründen« , fondern fie will das Problem des Transfiniten in der
freilich nicht tranfzendenten, naturwiffenfchaftlichen, fondern tr a n -
fz e n de nt ale n S a ch fp h ä re eindringlich vor fiugen ftellen.
Daraus ergibt fich aber mit Notwendigkeit:
Die Schwierigkeiten, die fich ııns gegenwärtig
in der Theorie der Transfiniten entgegenftelien,
können der Wiffenfdıaft nicht das Recht geben, auf
die Klärung der Eigentümlichkeit des transfiniten
Progreffus zu verzichten. Eine philofophifche
Grundftellung, welche die Probleınatik des Trans-1
finiten in ihrer absoluten und sachlichen Bedeu-=
tung herausftellt, ift nicht deshalb von mathema-
tifcher Seite angreifbar, weil die fich darbietenden
Probleme vielleicht zu den mit den gegenwärtigen
Mitteln unlösbaren gehören. Die Richtigkeit der
phänomenologifchen Zinalyfe würde beftehen blei~
ben, felbft in dem Fall, daß jene llnlösbarkeit wirk-
lich beftehen follte - fofern natürlich kein nachweis=
barer Widerfinn vorliegt.
Der in diefem Hnhang zuietjt íkizzierte Verfuch , die in Rede
ftehenden Schwierigkeiten zu überwinden, ift alfo -» mag er fich als
gelungen oder als mißlungen erweifen - in keinem Fall der Prüf-
ftein für die Richtigkeit unferer p h ä n o m e n ol o g i fch e n finalyfe
des Transfiniten. Diefer Hnhang enthält lediglich »Ergänzungen«,
aber nicht insgeheim wefentlich tragende Glieder unferer haupt-=
fächlichen Darlegungen.

c u -tr a c k c u -tr a c k
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Seite -1, Zeile 18 v. o. (die überfchrift mitgcrechnet):
»fo, wie fie in Hufferls« ftatt »fo, wie in Hufferls«
„ 2,. Zeile 8 V. 0. μccı/3-fEı.f.5iv ftatt; ,ıııE}uı")-ršvëıv.
„ 4, „ 20 „ »unterfcheide ich nicht immer
'ontologifch' und “onti1ch'« ftatt: »unterfdøeide ich
ni ch t 'ontologifch'
- und “-ontifch'«.
4 Hnm. 1, Zeile 2 v. u. »Bernaysfchen Stan d p unkt«
ftatt »Bernayfchen Standpuıikh.

_ s ä agäëá
_-

5?flfif finit.»vv*fääe.
cdfißr/.'^-.
*=-›...._. u

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