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XVIII.

Die Polarkonstellation in den


mexikanisch-zentralamerikanischen Bilderhandschriften.
Von H. Beyer, Giddings (Texas).

Mit 12 Abbildungen.

Prof. E. Förstemann hat im Jahre 1901 danach nicht der „Kleine Bär“ zugrunde,
in seinem Aufsatz „Der Nordpol bei Azteken dessen „Gestalt erschien in dem Bilde eines
und Mayas“) das Tageszeichen ozomatli, „Affe“, ozomatli, d. h. Affen, der mit seinem Greif
der Nahuastämme mit der Mayahieroglyphe für schwanze sich am Pole festhaltend, um den
den Norden in Beziehung gebracht und aus der selben schwingt“, wie Förstemann glaubte,
Ähnlichkeit beider verschiedene Schlußfolge sondern ein Sternbild, das sich in der Haupt
rungen gezogen. Die Rekonstruktion des alten sache aus unserem „Großen Bären“, der Kassio
toltekischen Sternbildersystems, die ich in Nr. 10 peja, und einem Teil des „Drachens“ zusammen
des 93. Bandes des „Globus“ veröffentlicht habe, Setzt.

Fig. 1a. Fig. 1b.


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2.

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Perseus
setzt uns in den Stand, einerseits Förstemanns
Ideen weiter durchzuführen und sie andererseits In diesem Falle haben sich die Mayazeichner
zu berichtigen. im allgemeinen näher an das himmlische Ur
In der Fig. 1a gebe ich die altmexikanische bild gehalten als die Verfertiger der mexika
Konstellation „Affe“ wieder und Fig. 1b zeigt nischen und zapotekischen Handschriften. Die


die entsprechenden Sterngruppen nach unserer Fig. 2, 3, 4, 5 und 6 aus den Mayakodices von
Auffassung. Den bildlichen Darstellungen Dresden und Madrid geben die Eigentümlich
der Polarkonstellation bei den Mexikanern lag keiten der Konstellation, die aufgestülpte Nase

*) Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für


Anthropologie in der Zeitschrift f. Ethnologie, Bd. 33,
und die vorgeschobenen Lippen, so deutlich
wieder, wie man es nur wünschen mag. Die
Bezeichnung chimal ek, „Schildgestirn“ oder

S. (274) bis (277). |
Archiv für Anthropologie. N. F. Bd. VII. 44
346 H. Beyer,

„Gestirn auf dem Schilde“ für diese Stern Die Mexikaner und Zapoteken besaßen im
gruppe ist leicht verständlich, denn die Völker Gegensatze zu den Mayavölkern keine bestimm
schaften des mittleren Amerikas besaßen fast ten Hieroglyphen für die Himmelsrichtungen.
ausschließlich nur flache, runde Schilde. Auch
dürfte Brinton im Rechte sein, wenn er das Farben symbolisch bezeichnet –
Diese wurden für gewöhnlich entweder durch
wobei aller

in
Fig. 2. dings die verschiedenen Quellenschriften ihren
Angaben voneinander abweichen)– oder lagen
den Anfangsreihen der Tonal

in
schon implizite
amatl-Viertel und der Jahre. Eine dritte Art,
die Weltgegenden durch konventionelle Zeichen
auszudrücken, sehen wir auf Blatt 27 des Codex
Borgia (und dem entsprechenden des Codex
Vaticanus B). Hier trägt der Regengott der
Jahre des Ostens einen Alligatorkopf als Helm
maske, der der Nordjahre einen Totenschädel,
der Tlaloc des Westens einen Xolotl-Kopf und
endlich der die Jahre des Südens vertretende
Regengott den Kopf eines roten Vogels, der

Wort xaman, „Norden“, von xamach, dem flachen stimmen läßt. –


sich im Borgia ziemlich sicher als Arara be
Der Norden konnte bei den
nichtmayanischen Stämmen durch die Tages

Teller oder der Schüssel für Tortillas ableitet)
Der Codex Fejérváry-Mayer bringt gelegent zeichen miquiztli, „Tod“, ozelotl, „Jaguar“ und
lich ebenfalls das gespitzte Maul des „Affen“ tecpatl, „Steinmesser“ gekennzeichnet werden,
gut zum Ausdruck (Fig. 7 u. 8). während die Hieroglyphe ozomatli (nebst mazatl,
Wenn im Popol Vuh die mythischen Ge „Hirsch“, und calli, „Haus“) dem Westen zu
stalten Hun batz und Hun chouen, was beides fällt. Durch die Komputationen des Tonalamatl
mit „Eins Affe“ übersetzt werden kann, unter wurde so die natürliche Lage des „Affen“ ver
Fig. 7. schoben. Aus dem Grunde konnte er eben auch
nicht gemeinhin als Symbol des Nordens ver
wendet werden. Aus der Darstellung, die sich
auf Blatt 27 des Codex Borbonicus befindet,
scheint aber hervorzugehen, daß der Gott Ixtlilton,
„das kleine Schwarzgesicht“, als Vertreter der
nördlichen Weltrichtung galt. Und diese Gott
#
L

heit muß man wohl für eine besondere Personi


fikation der Polarkonstellation als des „schwarzen
Gesichtes“ und für ein Pendant zur Maya-Hiero
anderem als Musiker und Blasrohrschützen glyphe xaman halten.
ist

bezeichnet werden, so diese Zusammenstellung Der Codex Fejérváry-Mayer bringt auf seinem
im Hinblick auf das Sternbild gut begreiflich, ersten Blatte noch eine weitere Symbolisierung
während sie sonst recht ungereimt erscheinen der Kardinalpunkte. Die Tonalamatl-Viertel
muß. Und wenn wir weiterhin Tonfiguren be sind aber hier nicht den entsprechenden mytho
sitzen, die einen Affen mit den Emblemen Quetzal logischen Darstellungen des Ostens, Nordens,
coatls, des Windgottes, darstellen, dann ist dies Westens und Südens zugeteilt, sondern zeigt
es

von dem Gesichtspunkte aus, daß der Affe den sich hier die Reihenfolge Ost, Süd, West, Nord.
alten Mexikanern der „Bläser“, der „Pusterich“
war, sehr plausibel. Acosta und Herrera: Ost, rot; Nord, gelb; West,
*)

grün; Süd, blau. Duran: Ost, grün; Nord, rot; West,


Daniel Brinton, Mayan gelb; Süd, blau. Annales de Quauhtitlan: Ost, blau;
of

G.
A

Primer
*)

Hieroglyphics. (1895), S. 34. Nord, gelb; West, weiß; Süd, rot.


S.

Boston und Halle


a.
Die Polarkonstellation in den mexikanisch-zentralamerikanischen Bilderhandschriften. Z47

Der Gruppe des Nordens ist ein Tezcatlipoca hier die Ausführung des Kopfes des Affen, die
Kopf beigegeben. Das wird verständlich, wenn den charakteristischen Mayazeichnungen sehr
wir uns daran erinnern, daß im vierten Kapitel ähnelt (Fig. 9). Dem schwarzen Tezcatlipoca
der „Historia de los Mexicanos por suspinturas“ gegenüber ist der rote abgebildet. Unter ihm,

– – in einem roten Mäander, erscheint ein Tier, das


Tezcatlipoca geradezu mit dem Sternbilde des
Großen Bären dem augenfälligsten und wich Seler) als Hund ansieht. Bei der etwas ober
tigsten des „Affen“ identifiziert wird. Für flächlichen oder unbeholfenen Ausführung dieser
den Süden steht der sogenannte „Spiegel“ Tez Handschrift läßt sich aber das Tier, das über
catlipocas, der hier deutlich als Ring oder Reifen dies noch mit menschlichen
gezeichnet ist, durch den der Beinstumpf des Händen und Füßen dargestellt
Gottes hindurchragt. Wenn wir die verschie ist, nicht sicher klassifizieren.
denen Namen und Eigenschaften Tezcatlipocas Jedenfalls stimme ich aber
in Betracht ziehen, so können wir ihn in seiner mit Seler darin überein, daß
Form als schwarzer Tezcatlipoca noch recht es Feuer oder Trockenheit
gut in
seiner ursprünglichen Naturbedeutung als versinnbildlichen soll. Mir
das personifizierte nächtliche Himmelsgewölbe scheint, daß an dieser Stelle
erkennen. Das Fehlen einer südlichen Zirkum der schwarze Tezcatlipoca die
polarkonstellationist durch den abgerissenen Nacht, die Zeit der Kühle, des
Fuß ausgedrückt. Wenn das Tageszeichen „Affe“ Nachttaues, der Feuchtigkeit
öfters mit einer breiten Augenummalung vor bedeuten soll, wogegen der rote Tezcatlipoca den
Tag, die Zeit der Hitze, der Sonnenglut vor

kommt, so scheint mir darin eine Andeutung
des nördlichen Zirkumpolargestirns zu liegen. stellt. Der im Codex Magliabecchiano, Blatt 55,
Denn die Tatsache, daß ein Teil der dem Pole mit dem tlachieloni, dem „Gucker“ und dem
benachbarten Sterne nie untergeht, kann den großen Brustring Tezcatlipocas ausgestattete
alten mexikanischen Himmelsbeobachtern, welche
die dem Tonalamatl zugrunde liegenden Stern
bilder aufstellten, nicht entgangen sein.
Tänzer ist in ein Affenfell gehüllt, trägt also
den Affen als naualli, als Verkleidung.
Blatt 49 des Codex Borgia erscheint ein als
Auf –
In der Reihe der Tageszeichen und ihrer Ballspieler fungierender Affe, der die Gesichts
Regenten finden wir nun nicht, was das Nahe bemalung Tezcatlipocas aufweist und sich damit
liegendste wäre, Tezcatlipoca als den Patron des
ozomatli, sondern einen Gott, den Prof. Seler
als Xochipilli (im Cod. Borgia) klassifiziert, oder
gibt. –
als eine Erscheinungsform dieses Gottes kund
Und in der von Ed. de Jonghe ver
öffentlichten Thévetschen „Histoyre du Me
einen blauen Gott (im Cod. Vat. B). Ebenso chique“ wird direkt gesagt, daß Tezcatlipoca
wenig aber ist in der Tageszeichenserie Tlaloc, den Mexikanern als Affe erschien“).
der Regengott, bei dem Zeichen quiauitl, „Regen“, Der Codex Borgia wie auch der Fejérváry
oder atl, „Wasser“, angegeben, noch steht Mic Mayer enthalten ein Bild Tezcatlipocas, um
tlantecutli, der Herr des Totenreiches, bei dem geben von den 20 Tageszeichen. Tezcatlipoca,
Tageszeichen miquiztli, „Tod“. Die alten Priester als Himmelsgewölbe, ist der Kosmos, der alles
gelehrten wollten eben nicht die einfachen, selbst in sich faßt. Die 20 Tageszeichen sind die
verständlichen Beziehungen der Tageszeichen Symbole der Konstellationen, der Sonne, des
zu den Göttergestalten anführen, sondern ab Mondes, der Erde, der Luft und des Wolken
liegendere, geheimnisvolle Zusammenhänge kon himmels. Ein Analogon dazu ist, daß das ozo
struieren. matli entsprechende Mayazeichen chuen, mit
Dagegen enthält das Blatt 85 des Codex einem Suffix versehen, für die Zahl zwanzig
Vaticanus 3773 (B) eine Darstellung, die keine stehen kann (Fig. 10).
Parallele in den anderen Handschriften besitzt ') Erläuterungenzum Codex Vaticanus 3773 (B).
Berlin 1902, S. 326.
und die dem schwarzen Tezcatlipoca in der Tat
*) „Ils disent aussi que Tezcatlipuca leur apparois
einen Affen zugesellt, der im Wasser zu stehen soit en figure de singe“. Journal de la Société des
scheint. Eine bemerkenswerte Einzelheit ist | Américanistes de Paris. N. S., tome II, p. 33.
44*
348 H. Beyer, Die Polarkonstellation in den mexikanisch-zentralamerikanischen Bilderhandschriften.

Das Tageszeichen akbal, „Nacht“ (Fig. 11), stellation „Affe“ bezeichnet werden. Die Her
ist nur eine weitere Variante des chuen. Der leitung des Lautzeichens x aus xaman liegt ja


Norden, die Mitternacht ist eben die Nacht par sehr nahe.
excellence. Um das Symbol der Himmels Wenn in den Bilderschriften die Tänzer und
richtung (Fig. 2, 3, 4 und 5) von den Tages Musiker meist mit derselben Gesichtsbemalung
zeichen (Fig. 10 und 11) deutlich
unterscheiden und demselben Ohrschmuck dargestellt werden,
zu können, haben die Maya bei letzteren den wie sie das Tageszeichen „Affe“ aufweist, so
Affenkopf en face gezeichnet. scheint mir das anzudeuten, daß man den be
Fig. 10. Fig. 12. treffenden Menschen oder Gott eben als Affen
und zwar als den himmlischen Affen kennzeichnen
wollte ). Die Bemalung und Ausschmückung
wäre unter dieser Voraussetzung zu dem Zwecke
vorgenommen worden, die Charakteristika der
Konstellation „Affe“, das vorgeschobene Maul,
das spitzauslaufende Oyoualli-Ohrgehänge und
den zirkumpolaren Teil des Sternenhimmels
wiederzugeben.

Der Buchstabe x aus Landas Alphabet *) Der Tänzer des Blattes 55 des Cod. Magliab. ist,
(Fig. 12) darf wohl auch als Abbild der Kon wie erwähnt, mit einem Affenfell bekleidet.

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