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Neuphilologische Mitteilungen
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443
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444 JARMO KORHONEN
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Zur Beschreibung der Valenz von Substantiven im heutigen Deutsch 445
2. Zentrale Probleme. - 2.1. Begriffe und Termini. - Valenz ist eine Eigenschaft,
die zu den grammatischen Teiltheorien Syntax, Lexikologie und Textlinguistik in
Beziehung gesetzt werden kann. Die Zahl der mit Valenz verbundenen gramma-
tischen Gesichtspunkte vermehrt sich, indem man für die Valenz eine logisch-
semantische Grundlage ansetzt und morphosyntaktische Realisierungen der Valenz-
beziehungen in einem konkreten Satz- und Textzusammenhang beschreibt. Gerade
dies tut BS, und so ist seine Arbeit sehr reich an interessanten Blickwinkeln, die
zunächst zu einer Betrachtung von Begriffen und Termini Anlaß geben.
In einer neuen Untersuchung zur Valenz, zu der es nunmehr eine Reihe unter-
schiedlicher theoretischer Konzeptionen gibt, würde man eigentlich eine genaue
begriffliche Bestimmung der Valenz erwarten. In der Arbeit von BS wird jedoch
weder die Valenz im allgemeinen noch die Substantivvalenz im besonderen exakt
definiert. Statt dessen wird S. 1 1 festgestellt: "sprachliche Valenz ist die Fähigkeit
eines sprachlichen Elements, sich mit anderen sprachlichen Elementen verbinden zu
können". Eine derartige Definition, die nach BS ein invariantes Merkmal "aller vor-
kommenden Definitionsvarianten" (ebenda) beinhaltet, ist natürlich sehr vage und
kann keine Grenzziehung zwischen valenzbedingten und nichtvalenzbedingten
(= freien) Bestimmungen unter den "anderen sprachlichen" Elementen leisten, mit
denen ein sprachliches Element eine syntaktische Verbindung einzugehen vermag.
Obwohl sich aber die obige Definition auf die gesamte syntaktische Umgebung eines
sprachlichen Elementes (z.B. eines Substantivs) ohne Differenzierung von valenz-
bedingten und freien Bestimmungen bezieht, zeigt sich in der Arbeit später, daß BS
praktisch nur erstere beschreibt. Er verwendet dafür den Terminus "Mitspieler",
was insofern begründet ist, als seine Valenzkonzeption eine logisch-semantische
Basis hat. Es wäre vielleicht sinnvoll, in der Valenztheorie überhaupt folgende
terminologische Präzisierung vorzunehmen: Die Termini "Aktant" bzw. "Mit-
spieler" werden in Anlehnung an die Tesnièresche Deutung der Valenzverhältnisse
bei einer logisch-semantisch orientierten, der Terminus "Ergänzung" dagegen bei
einer rein syntaktisch orientierten Betrachtung verwendet.
Für die Arbeit von BS, vor allem aber für ihren ersten Teil sind zwei Mitspieler-
Rollen besonders wichtig. BS bezeichnet sie als "Agens" bzw. "Patiens" und sagt
(S. 24), da ß diese Termini für die syntaktischen Größen Subjekt bzw. Akkusativ-
objekt des Basisverbs in einem reverbalisierten aktivischen Satz stehen. Gewisser-
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446 JARMO KORHONEN
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Zur Beschreibung der Valenz von Substantiven im heutigen Deutsch 447
S. 23 stellt BS fest, daß für die Untersuchung der Valenzverhältnisse der Verbal-
substantive hinsichtlich der Leerstellen des Agens und des Patiens unbedingt der
Kontext heranzuziehen ist. Er unterscheidet zwischen "unmittelbarem Kontext" und
"Großkontext", wobei jedoch für beide Termini eine genauere Erklärung fehlt.
Es hätte beispielsweise angegeben werden können, wieviel Sätze der unmittelbare
bzw. Großkontext um den Satz herum umfaßt, in dem das Verbalsubstantiv vor-
kommt. Angesichts einer fehlenden Kontextdefinition ist es auch nicht verwunder-
lich, da ß das Suchen und Bestimmen des "Partnerwortes", eines weiteren zentralen
Begriffs in der theoretischen Konzeption von BS, kein absolut eindeutiges Ver-
fahren darstellt. Ein Partnerwort ist nach BS "ein Wort, welches außer seiner
jeweiligen Satzgliedfunktion noch die Rolle als Mitspieler zu einem reverbalisier-
baren Verbalsubstantiv ausübt" (S. 6) und kann entweder in demselben Satz wie das
Verbalsubstantiv oder im Kontext vorhanden sein. Diese Wesensbeschreibung
enthält einen syntaktischen und einen logisch-semantischen Teil, und wenn man
besonders an den ersteren im Sinne der Valenz- und Dependenzsyntax denkt, so ist
das Partnerwort theoretisch nicht unproblematisch. Das Partnerwort kann nämlich
entweder ein valenzbedingtes oder ein freies Dependens zu dem Verb sein, mit dem
es im Satz auftritt, gleichzeitig ist es aber auch ein valenzbedingtes Dependens eines
Substantivs. Es hat m. a. W. zwei Regentien, was in der Dependenzsyntax grund-
sätzlich nicht möglich ist: das Dependens kann jeweils nur ein Regens haben,
während dem Regens mehrere Dependentien untergeordnet werden können.
In bezug auf syntaktische Eigenschaften, die speziell die Wortklasse des Verbs
betreffen, sei zunächst auf den Gebrauch der beiden Termini "transitiv" und
"intransitiv" hingewiesen. Nach der herkömmlichen Auffassung wird das Verb als
transitiv bezeichnet, wenn es ein Akkusativobjekt verlangt, das bei der Passiv-
umformung zum Subjekt des Satzes wird. BS liefert uns zwei neue Auffassungen von
Transitivität, indem er einmal ein Verb mit obligatorischem Akkusativobjekt
"obligatorisch transitiv" nennt (S. 62f.) und zum anderen Verben mit Akkusativ-,
Dativ-, Genitiv- oder Präpositionalobjekt unter der Rubrik "transitiv" zusammen-
faßt (S. 187f.). Intransitiv dagegen ist für BS ein Verb, in dessen Stellenplan weder
ein Kasus- noch ein Präpositionalobjekt vorgesehen ist (S. 187). Die Termini von
BS auf S. 187f. beziehen sich auf die Morphosyntax, obwohl die Ausführungen an
dieser Stelle logisch-semantisch ausgerichtet sind. Auch aus diesem Grunde wäre es
besser, in diesem Zusammenhang anstatt von Transitivität bzw. Intransitivität von
"Mehrstelligkeit" (Verben mit mehreren Mitspielern, denen in der Morphosyntax
z. B. ein Subjekt und verschiedene Subklassen des Objekts entsprechen) bzw.
"Einstelligkeit" (Verben mit einem Mitspieler, der als Subjekt realisiert wird) zu
sprechen. - Ein zweiter verbbezogener Terminus, der bei BS in einer anderen
Bedeutung als in früheren Darstellungen vorkommt, ist "Funktionsverb". Unter
kommt es jedoch bei der Valenzbetrachtung auf logisch-semantische Zusammenhänge an, wie auch der
entsprechende Terminus (z. B. eben auf S. 118) zeigt.
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448 JARMO KORHONEN
2 Zum Funktionsverbgefüge und zur einschlägigen Literatur vgl. u. a. Korhonen 1977, 243ff.
3 Zum syntaktischen Status der Bestimmungen des Substantivs vgl. auch Korhonen 1981, 55f.
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Zur Beschreibung der Valenz von Substantiven im heutigen Deutsch 449
ihrem Regens getrennt auftreten kann und somit permutierbar ist. Die Klassifi-
zierung von gegen sie als Präpositionalobjekt würde bedeuten, daß es dem
Prädikatsverb hervorbringen untergeordnet und dadurch als dessen Ergänzung be-
trachtet wird. Bei hervorbringen ist aber für ein Präpositionalobjekt sicherlich keine
Leerstelle vorhanden. Auch fehlt sie dem Verb finden , für das BS S. 111 dasselbe
behauptet wie für hervorbringen. Dort lautet der Beispielsatz: Die Bestätigung , die für
die Theorie gefunden wurde , besteht in . . . Das Präpositionalgefüge für die Theorie
ist über die von Bestätigung abhängig.
Zu Satzkomplementen, d. h. zu satzförmigen Ergänzungen von Substantiven stellt
BS S. 97f. fest, daß sie permutierbare Strukturen sind. Folglich müßten sie als Satz-
glieder und damit z. B. als prädikatsverbabhängige Bestimmungen angesehen
werden (vgl. oben). In der Tat kommt in den Beispielsätzen von BS als Prädikats-
verb sein vor: "Ob nur daß- und Infinitivsätze als Satzkomplemente zu bestimmen sind,
ist dann die nächste Frage " und " Daß der Senat die Parkuhren abschaffen müsse ist
eine Meinung , die viele äußersten" [richtig: äußerten ]. Das bedeutet, daß die Satz-
komplemente dem Prädikatsverb sein und nicht den Verbalsubstantiven Frage bzw.
Meinung unterzuordnen sind. Werden aber in den Ausgangssatz, z. B. "Viele
äußerten die Meinung , daß der Senat die Pahrkuren [richtig: Parkuhren ] abschaffen
müsse " (S. 98) dem Kriterium des aktuellen Kontextes entsprechend keine fremden
Elemente eingefügt und wird dann eine Permutation durchgeführt, so ergibt sich
daraus ein ungrammatischer Satz: * Daß . . . müsse , äußerten viele die Meinung .4
Das zeigt, daß sich das Satzkomplement nicht permutieren läßt und somit als
Attribut zu klassifizieren ist. Als Ergebnis der Permutation wäre allerdings auch ein
Satz wie Daß . . . müsse , die Meinung äußerten viele möglich, aber hier liegt insofern
eine andere Bedeutung vor, als die ein betontes Demonstrativpronomen darstellt.
Das könnte man mit Fällen gleichsetzen, in denen sich ein Pronomen rück ver-
weisend auf ein Glied am Anfang des Satzes bezieht, z. B. Daß . . . müsse , das meinten
viele . Es wäre zu fragen, ob auch hier der daß- Satz nicht ein Attribut ist, das -
um es jetzt mit BS S. 95 auszudrücken - sein Bezugswort erläutert.
4 Das Kriterium des unveränderten Kontextes benutzt BS allerdings primär für nichtlexikalisierte
Substantive (S. 5), aber ebenso berechtigt - und streng genommen das einzig richtige - ist es auch bei
lexikalisierten Substantiven, um die es sich in diesem Zusammenhang handelt.
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450 JARMO KORHONEN
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Zur Beschreibung der Valenz von Substantiven im heutigen Deutsch 451
versprach , selber alle Unkosten zu tragen (bei aufgeben + Infinitiv ist ein Dativobjekt
wohl obligatorisch). Die Heranziehung erklärender Basissätze bedeutet aber nicht,
daß es sich um eine logisch-semantische Beschreibung handelt, wenn auch stellen-
weise der Eindruck entsteht, daß BS das Schließen von zugrundeliegenden auf
konkrete Sätze im Textzusammenhang als logisch-semantische Beschreibung auf-
faßt: so möchte er beispielsweise den daß- Satz in einem Satz wie Er hat oft den
Wunsch geäußert , daß du kommen möchtest offensichtlich deshalb als Objekt
erklären, weil er bei wünschen den Objektstatus hat. Die Beschreibung ist hier jedoch
sowohl für den Satz mit Wunsch als auch für einen Basissatz mit wünschen morpho-
syntaktischer Art. Man bewegt sich in beiden Fällen auf der syntaktischen Ebene.
Daß BS die logisch-semantische Beschreibungsebene nicht unbedingt im Sinne
von relationslogisch darzustellenden Prädikaten und Argumenten auffaßt bzw. sich
überhaupt nicht tief genug in logisch-semantische Relationen hineindrängt, kommt
auch anderswo zum Vorschein. Als Beispiel sei der Satz Seine schwerste Ent-
täuschung war , daß er bei der Konferenz nicht namentlich erwähnt wurde (S. 145)
angeführt, in dem nach BS die Abstrakt-Konstruktion (der daß- Satz) die Funktion
des Agens und das Possessivpronomen die des Adressaten ausübt. Dieser Tiefen-
kasusbeschreibung könnte folgendes gegenübergestellt werden: die Abstrakt-
Konstruktion ist Kausal und das Possessivpronomen Experiential.6 Es ist möglich,
daß BS den daß- Satz deshalb als Agens interpretiert, weil dieser das Subjekt des
Satzes ist, dem auf der logisch-semantischen Ebene häufig eben das Agens
entspricht. Bemerkenswert ist auch, daß BS unmittelbar nach dem obigen Bei-
spielsatz im Sinne des Wesens des Kausals schreibt: "Der Grund seiner Ent-
täuschung ist, daß er nicht namentlich erwähnt wurde" [Sperrung von uns].
Besonders deutlich wird die Kausalrolle aber dann, wenn neben den Beispielsatz eine
Variante mit Basis verb gestellt wird: Dadurch , daß er bei der Konferenz nicht
namentlich erwähnt wurde , war er am schwersten enttäuscht. Am günstigsten lassen
sich Tiefenkasusrollen anhand von Konstruktionen mit lexikalisch eigenständigen
Prädikatsverben darstellen, denn diese Konstruktionen stehen logisch-semantischen
Relationen am nächsten und das logische Prädikat wird auch meistens als Verb-
konstruktion repräsentiert. Ferner ist zu sagen, daß der Ausgangspunkt der
Sandbergschen Ausführungen in der Regel nicht logisch-semantisch ist: es wird
jeweils von einem konkreten Satz in ganz bestimmter Form ausgegangen, und dieser
Satz wird dann logisch-semantisch interpretiert. Für eine logisch-semantische Be-
trachtung ist es jedoch naheliegend, daß nicht nur eine, sondern auch andere ober-
flächenstrukturelle Repräsentationsformen angegeben werden, die eine bestimmte
logisch-semantische Interpretation erlauben. In bezug auf unser Beispiel würde als
morphosyntaktische Variante auch der Satz Seine Enttäuschung darüber, daß er bei
der Konferenz nicht namentlich erwähnt wurde, war äußerst schwer in Frage kommen,
6 Zur Begründung dieser Auffassung vgl. die Charakterisierung der Tiefenkasus bei Korhonen 1978,
1 19ff.
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452 JARMO KORHONEN
7 Vgl. beispielsweise Korhonen 1978, 119 und die dort angegebene Literatur.
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Zur Beschreibung der Valenz von Substantiven im heutigen Deutsch 453
etwas merkwürdig vorkommt; es wäre doch näherliegend, hier einen Tiefenkasus wie
Instrumental anzusehen (vgl. auch den Zusammenhang Mit dem Messer läßt sich
gut schneiden - Das Messer schneidet gut , wo bei der Präpositionalkonstruktion des
ersten Satzes ein Instrumental vorliegt). Schließlich behauptet BS S. 179f. für alle
Modalverben in Verbindung mit einem Infinitiv, daß das Subjekt jeweils Adressat
zum Modalverb ist. Dabei fallt es aber schwer, sich vorzustellen, daß das Subjekt
beispielsweise bei können in der lexikalischen Bedeutung 'die Fähigkeit besitzen' und
bei wollen in der lexikalischen Bedeutung 'den Willen, den Wunsch haben' die
Funktion des Adressaten ausübt. Vielmehr ist hier das Subjekt als Agens zu
charakterisieren.
2.3. Beschreibungsobjekt. - Den drei Teilen des Buches, die sich theoretisch und
methodisch einigermaßen voneinander unterscheiden und dadurch den Eindruck
eines jeweils mehr oder weniger selbständigen Beitrags erwecken, ist jedoch
gemeinsam, daß dort Gesichtspunkte der Valenz von Substantiven - und meistens
sind es Verbalsubstantive - behandelt werden. Dadurch aber, daß auch Satzteile,
die sich außerhalb der Substantivgruppe befinden, als Mitspieler des Substantivs
interpretiert werden, wird die Bedeutung des Basisverbs für die Valenz des
Substantivs im besonderen hervorgehoben. Dies zeigt sich vor allem im ersten Teil
der Arbeit, wo die Valenz des Basisverbs auf das entsprechende, nichtlexikalisierte
Verbalsubstantiv in bezug auf die Anzahl der Leerstellen und deren obligatorische
Besetzung in der Oberflächenstruktur direkt übertragen wird. Aus dem metho-
dischen Vorgehen von BS folgt, daß hier in Wirklichkeit nicht die syntaktische
Valenz des Substantivs innerhalb der Nominalgruppe, sondern das Verhältnis
zwischen dem Verbalsubstantiv und dem Basisverb bezüglich der Realisierung der
Leerstellen in einem konkreten Satzzusammenhang untersucht wird. Es wird
m. a. W. dargestellt, wie sich die Valenz des Basisverbs beim Verbalsubstantiv
realisiert, außerdem wird aber in den Geltungsbereich der Valenz eines anderen
Verbs, nämlich des dem Verbalsubstantiv übergeordneten Haupt-Valenzträgers
eingegriffen. Das ergibt sich aus der Heranziehung des Partnerwortes, das eine
valenzbedingte Bestimmung des Prädikatsverbs des Satzes, in dem das Verbal-
substantiv erscheint, sein kann. - BS geht jedoch noch weiter: er verläßt den Satz-
rahmen und berücksichtigt den jeweiligen Textzusammenhang des Verbalsubstan-
tivs. S. 12f. stellt er fest, "daß der Einzelsatz . . . nicht als Grundlage dienen kann bei
der Beurteilung, welche Leerstellen besetzt sein müssen und welche nicht" und
postuliert für entsprechende Valenzuntersuchungen eine textlinguistische Basis. Uns
scheint ein derartiges Postulat etwas einseitig, denn in der Mikrolinguistik ist hin-
sichtlich der Beschreibung eines abstrakten strukturellen Systems eben dem Satz viel
Gewicht beizumessen. Würde nämlich der Text als einzige Grundlage einer Valenz-
beschreibung benutzt, könnte man beispielsweise bei den Verben praktisch kaum
mehr von fakultativer Valenz sprechen, ebenso würde die obligatorische Valenz
wesentlich an Bedeutung verlieren. Eine strukturelle Sprachbetrachtung hat zwar
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454 JARMO KORHONEN
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Zur Beschreibung der Valenz von Substantiven im heutigen Deutsch 455
substantiven läßt sich allgemein sagen, daß sie im Grenzgebiet zwischen Verben und
Substantiven liegen und eine wesentlich engere Verbindung zu den Verben haben als
die lexikalisierten Verbalsubstantive. Ein Beweis für die Verbgebundenheit der
nichtlexikalisierten Verbalsubstantive ist z. B., daß sie die Valenz ihres Basisverbs
sogar in bezug auf Obligatheit übernehmen können. In der Regel sind die
reverbalisierbaren Verbalsubstantive nicht in Wörterbüchern als Lexeme anzu-
treffen, was offensichtlich ein Grund dafür ist, daß die frühere Valenzforschung fü
die Substantive nur fakultative Ergänzungen angenommen hat. Dadurch, daß B
einen Teil der Substantive zu den Verben in so nahe Beziehung setzt, entsteht i
Unterschied zu Teubert 1979 der Eindruck, daß die Substantivvalenz kein selb
ständiges System ist.8 Bei der Motivierung der Valenz eines nichtlexikalisierte
Verbalsubstantivs auf der Basis des entsprechenden Verbs benutzt BS sogar be
stimmte Satztypen als Erklärungsgründe: wenn das Agens in einer zugrunde-
liegenden Verbstruktur obligatorisch ist, ist es auch beim Verbalsubstant
obligatorisch und wenn es in der Verbstruktur nicht vorkommt (wie beim
unpersönlichen Passiv und bei unpersönlichen Verben), ist es auch in der Nomin
struktur nicht vorhanden. Hinsichtlich des Passivs bedeutet das jedoch nicht, d
der Satz, in dem das Verbalsubstantiv ohne Agens auftritt, unbedingt passivisc
wäre; er kann auch aktivisch sein. Im folgenden Beispiel stehen sowohl der Aus
gangssatz als auch der zugrundeliegende Satz im Passiv (S. 34): Diese Position so
auch bei längerem Halten eingelegt werden < - Diese Position soll
auch eingelegt werden, wenn länger gehalten w i rd. 9 S. 37 führt BS
aktivische Sätze mit Verbalsubstantiv an, u. a.: Beim Operieren mit der
Theorie und in der Theorie selbst wirken die mathematischen Begriffsbildungen ,
Der Nominalgruppe mit Operieren als Regens läßt sich der folgende passivisch
zugrunde legen (bei BS nicht vorhanden): Wenn mit der Theorie operiert wird
Man könnte nun meinen, daß das Verhältnis der Verbalsubstantive zu den
zugrundeliegenden Sätzen in verschiedenen Satztypen nicht ganz eindeutig ist und
daß diese Satztypen die Theorie von dem Verbalsubstantiv und seiner Basis be-
lasten. Dann gäbe es die Möglichkeit, das Verbalsubstantiv als eine Gesamtheit zu
bezeichnen, das nicht auf einem bestimmten Satz(typ) mit Prädikatsverb, sondern
überhaupt auf der Klasse des Verbs basiert. Unter dieser Voraussetzung ließe sich
mit gewisser Verallgemeinerung (weil das nichtlexikalisierte Verbalsubstantiv nur
ein Teil der Substantivklasse ist) sagen, daß das Substantiv in der Regel ohne
Ergänzungen auskommt. Das wäre zugleich eine weitere Erklärung dafür, daß die
Valenzforschung den Substantiven früher nur fakultative Ergänzungen zuge-
sprochen hat.
8 Im Hinblick auf lexikalisierte Verbalsubstantive vertritt BS jedoch die Auffassung, daß die
Substantive ein eigenes Valenzsystem haben. Die Valenz des Basisverbs wird nicht einfach auf das Verbal-
substantiv übertragen: "das Verbalsubstantiv ist eine neue, eigene Größe , für die es eigene Valenzregeln
gibt" (Sandberg 1976, 211).
9 Bei BS fehlen im zugrundeliegenden Satz versehentlich das Wort werden und das Komma vor wenn.
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456 JARMO KORHONEN
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Zur Beschreibung der Valenz von Substantiven im heutigen Deutsch 457
bestimmten kontextuellen Bedingungen eliminiert werden.
Für das Nichtvorhandensein des Genitivattributes bei Anlassen im Satz Beachten
Sie beim Anlassen in der Garage , daß die Auspuffgase . . . sieht BS eine Erklärung
darin, daß das dem Genitiv entsprechende Akkusativobjekt beim transitiven Basis-
verb anlassen fakultativ ist. Er weist hier auf eine Passivtransformation hin, weshalb
wir für unseren Beispielsatz folgende reverbalisierte Form annehmen müßten:
Beachten Sie , wenn in der Garage angelassen wird , daß . . . Vorausgesetzt, daß dieser
Satz überhaupt akzeptabel ist, zeigt er auf jeden Fall, daß die Reverbalisierung
Konstruktionen hervorbringen kann, die kaum sprachüblich sind. Nun ist es aber
möglich, daß das Akkusativobjekt bei anlassen gar nicht fakultativ, sondern
obligatorisch ist, und dann wäre die obige passivische Reverbalisierung unannehm-
bar. Z. B. nach Wahrig 1978, 67 ist anlassen in den Bedeutungen 'in Gang setzen'
(den Motor , Wagen anlassen ), 'nicht ablegen, ausziehen, sondern anbehalten1 (das
Kleid, die Schuhe anlassen) und 'angeschaltet lassen, brennen, laufen lassen' (das
Licht , den Motor anlassen) ein obligatorisch zweiwertiges Verb. Wenn Er läßt an
ein grammatischer Satz wäre, würde es sich dabei um einen lexikalisierten Fall, um
eine Ellipse handeln, wo bei anlassen automatisch Motor , Wagen , Auto o. ä. mit-
gedacht wird. Das ist aber kaum möglich, so daß wir es hier mit einem ähnlichen
Fall zu tun haben wie oben. Eine obligatorische Ergänzung des Basis verbs (in diesem
Zusammenhang das Akkusativobjekt bei einem transitiven Verb) kann beim
Verbalsubstantiv unter dem Einfluß kontextueller Faktoren (vgl. in der Garage ; die
Auspuffgase) unausgedrückt bleiben.
S. 82f. führt BS eine Reihe von Beispielen für ein obligatorisches Possessiv-
pronomen bei einem reverbalisierbaren -wwg-Substantiv an. Das Possessivpronomen
repräsentiert das Patiens (das Akkusativobjekt) des Basisverbs und ist gleich wie
dieses obligatorisch. Auch hier wird also eine direkte Entsprechung der obliga-
torischen Valenz beim Verbalsubstantiv und beim zugrundeliegenden Verb
postuliert. Unter diesen Beispielsätzen gibt es jedoch einige Fälle, wo das Possessiv-
pronomen insofern nicht obligatorisch ist, als es entweder eliminiert oder durch ein
anderes Element substituiert werden kann. In . . wurde so schwer verletzt, daß er
kurz nach seiner Einlief erung in das Krankenhaus von Innichen ebenfalls starb " läßt
sich seiner eliminieren oder durch der substituieren. In ". . . die Herstellung von 12
Prototypen und ihre Erprobung in der Truppe in sich schließt" und ". . . so stark
beschädigt, daß seine Instandsetzung längere Zeit in Anspruch nehmen wird " dagegen
kann anstelle des Possessivpronomens entweder der bestimmte oder der unbe-
stimmte Artikel stehen. Diese Erkenntnisse, die sich auf eine Informantenbefragung
gründen, sind ein weiter Beweis dafür, daß die Valenz des Basisverbs und des
Verbalsubstantivs in einem konkreten Kontext nicht in einem lil-Verhältnis ein-
ander entsprechen müssen. Das Possessivpronomen hat hinsichtlich der Valenz sei
eigene Problematik, weil es mit dem Artikel im selben Bereich der Substantivgruppe
auftritt.10
10 Zur Wertungsproblematik des Possessivpronomens in bezug auf die Valenz vgl. auch Korhonen
1981. 52f.
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458 JARMO KORHONEN
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Zur Beschreibung der Valenz von Substantiven im heutigen Deutsch 459
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460 JARMO KORHONEN
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Zur Beschreibung der Valenz von Substantiven im heutigen Deutsch 461
Beschreibungsmodell aus dem Jahre 1967 falle, weil dort die operationalen Kriterien
inkonsequent und widersprüchlich seien. S. 109 fällt BS ein hartes Urteil über einen
früheren Versuch, die Relation des Possessivpronomens zu seinem Bezugswort
logisch-semantisch zu interpretieren: das methodische Vorgehen sei dort als ein
"futiles Unterfangen" zu bezeichnen. Solche Aussagen sind etwas zu streng, wenn
man bedenkt, da/? der Ausgangspunkt, das Ziel und die theoretisch-methodischen
Voraussetzungen in den Vergleichsobjekten verschieden sein können. Nicht selten
hat BS jedoch gute Gründe für seine Kritik, was im besonderen damit zusammen-
hängt, da/3 er seine Klassifikationskriterien meistens klarer und deutlicher als einige
andere Forscher formuliert und die Kriterien auf strengen Bedingungen aufbaut, die
systematisch eingehalten werden. Mit Recht beanstandet BS beispielsweise die
Auffassung, da/? die Verbindbarkeit des Verbalsubstantivs mit einer satz- oder
infinitivförmigen Ergänzung von gewissen Typen von Präsupposition abhängig ist
(S. 77, S. 94ff. und S. 140ff.). Um diese Eigenschaft des Verbalsubstantivs zu
erklären, bleibt er auf der syntaktischen Ebene, wo er den Grund in der Nicht-
reverbalisierbarkeit findet. Hier wie auch bei einigen anderen Fragen vertritt BS eine
klare funktionale Anschauung, die durch ein Streben nach natürlichen und
möglichst einfachen Erklärungen gekennzeichnet ist. Im wesentlichen berechtigt ist
die Kritik von BS auch an einigen weiteren Punkten, wobei es sich z. B. um die
Bedeutung und Valenz eines Verbalsubstantivs (S. 13ff.), um infinitivische
Ergänzungen von Verbalsubstantiven (S. 173ff.) und um die Passivierbarkeit von
Verben (S. 112f.) handeln kann.
Einzelfragen, zu denen BS in beschreibungstheoretischer Hinsicht interessante
und scharfsinnige Beobachtungen entwickelt, sind in jedem Hauptkapitel des Buches
reichlich vorhanden. BS geht oft von der älteren Verbalsubstantivforschung aus,
macht in intensiver Auseinandersetzung damit auf Mängel und Unzulänglichkeiten
aufmerksam und schlägt daran anschließend eine eigene Lösung vor, die nicht nur
früher gewonnene Forschungsergebnisse zu ergänzen und zu präzisieren, sondern
manchmal sogar eine herkömmliche Auffassung zu korrigieren vermag. Es ist aber
hier unmöglich, all die Fragen aufzuzählen, bei deren Behandlung BS von seinen
Vorgängern abweicht bzw. zur Beschreibung von Verbalsubstantiven einen besser
fundierten Beitrag liefert. Wir können nur einige Fälle auswählen, wo uns jedoch die
Sandbergschen Untersuchungsergebnisse besonders wichtig erscheinen. So wird S.
48ff. gezeigt, da/? es zu Verben mit obligatorischem Akkusativobjekt nicht-
lexikalisierte -(e)n- Ableitungen gibt, die das entsprechende Genitivattribut entbehren
können; es reicht, wenn im Kontext ein Element vorkommt, das als Mitspieler inter-
pretiert werden kann. Daneben gibt es aber einen ähnlichen Typus von Verbal-
substantiven, bei dem das Genitivattribut trotz eines kontextuellen Bezugswortes
obligatorisch ist. Der entscheidende Unterschied liegt in der Bedeutung des Verbs:
beim ersteren Typus ist das Verbalsubstantiv zu einem Handlungsverb gebildet,
beim letzteren nicht. Gelungen sind auch die beiden Termini "Fernobligatorium"
(für den ersteren Typus) und "Direktobligatorium" (für den letzteren Typus), die BS
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462 JARMO KORHONEN
3.2. Darbietung , Sprache und Druckgestaltung . - Die Art und Weise, wie BS den
Stoff seiner Untersuchung darbietet, andere Forscher zitiert und Quellenangaben
macht, ist nicht durchweg einwandfrei. Beispielsweise S. 46 begegnet eine
terminologische Verwechslung (Z. 6 v. o. "intransitiven", richtig: transitiven), S. 73
eine lexikalische (Z. 13 v. o. "angeschlossen", richtig: ausgeschlossen), von denen
letztere sogar sinnentstellend ist. S. 14 wirft BS Sommerfeldt 1973 eine Ungenauig-
keit von Prozentzahlen vor, dabei hat er sich aber selbst bei den betreffenden Zahlen
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Zur Beschreibung der Valenz von Substantiven im heutigen Deutsch 463
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464 JARMO KORHONEN
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Zur Beschreibung der Valenz von Substantiven im heutigen Deutsch 465
Jarmo Korhonen
Literatur
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466 JARMO KORHONEN
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