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Michel Poniatowski

Michel Casimir Poniatowski (* 16. Mai 1922 in Paris; † 15.


Februar 2002 in Le Rouret, Département Alpes-Maritimes) war ein
französischer Politiker (RI, PR, UDF), der Mitglied der
Nationalversammlung, zwischen 1974 und 1977 Staatsminister und
Innenminister, von 1979 bis 1989 Mitglied des Europäischen
Parlaments sowie von 1989 bis 1995 Mitglied des Senats war.

Inhaltsverzeichnis
Leben
Familiäre Herkunft, Studium und Verwaltungsbeamter
Abgeordneter, Gesundheitsminister und
Präsidentschaftswahlkampf 1974
Staatsminister, Innenminister und Broglie-Affäre
Mitglied des Europaparlaments und Senator Michel Poniatowski (1976)
Ehe und Nachkommen
Veröffentlichungen
Weblinks
Einzelnachweise

Leben

Familiäre Herkunft, Studium und Verwaltungsbeamter

Poniatowski stammte aus einem aus Polen stammenden


Adelsgeschlecht, das 1450 zu Lublin (Lubelski) in der
Woiwodschaft Masowien urkundlich zuerst erscheint und seit 4.
März 1569 das Indignat im Königreich Polen besaß und zu den
polnischen Hochadelsgeschlechtern zählt. Zu seinen Vorfahren
gehörten Stanislaus II. August Poniatowski, der zwischen 1764 und
1795 letzter König von Polen war, sowie Józef Antoni
Poniatowski, der 1813 Maréchal d’Empire wurde.

Michel Poniatowski selbst war das älteste von vier Kindern und der
einzige Sohn von Charles Casimir Poniatowski und dessen Ehefrau
Marie-Josèphe-Anne-Gabrielle, Comtesse de Caraman-Chimay. Er
selbst besuchte das Lycée Saint-Louis-de-Gonzague und wurde Wappen der Familie Poniatowski
nach dessen Abschluss 1940 im Zweiten Weltkrieg zum
Militärdienst eingezogen. Er diente zuletzt in dem 1943
aufgestellten 1.  Sturm-Fallschirmjägerbataillon (1er bataillon parachutiste de choc) der Forces françaises
libres und absolvierte nach Kriegsende 1947–48 ein Studium an der renommierten École nationale
d’administration (ENA).

Nach deren Abschluss trat er 1948 in das Finanzministerium ein und war in der Verwaltung in Französisch-
Marokko sowie zwischen 1956 und 1958 als Finanzattaché an der Botschaft in den USA tätig. 1958
fungierte er kurzzeitig als Kabinettsdirektor von Premierminister Pierre Pflimlin. Daraufhin war er zwischen
1959 und 1962 Kabinettsdirektor von Valéry Giscard d’Estaing, der zu dieser Zeit Staatssekretär im
Finanzministerium war, und der ihn in der Folgezeit förderte. Während der Amtszeit von Giscard d’Estaing
als Minister für Finanzen und Wirtschaft fungierte er von 1962 bis 1965 als Projektleiter des Ministeriums
und zugleich zwischen 1963 und 1967 als Leiter der Abteilung Versicherungen.

Abgeordneter, Gesundheitsminister und Präsidentschaftswahlkampf


1974

Bei der Parlamentswahl am 12. März 1967 wurde Poniatowski für die von Giscard d’Estaing gegründete,
liberal-konservative Partei Républicains indépendants (RI) erstmals zum Mitglied der
Nationalversammlung gewählt und vertrat dort in der dritten bis fünften Legislaturperiode der Fünften
Republik bis zu seinem Mandatsverzicht am 5. Mai 1973 einen Wahlkreis des Départements Val-d’Oise.

Am 6. April 1973 wurde Poniatowski als Minister für öffentliche Gesundheit und soziale Sicherheit
(Ministre de la santé publique et de la sécurité sociale) in das zweite Kabinett Messmer berufen und
bekleidete dieses Ministeramt auch im dritten Kabinett Messmer bis zum 28. Mai 1974.[1][2] In dieser Zeit
fungierte er auch als Manager des Wahlkampfes von Valéry Giscard d’Estaing bei der Im Vorfeld der
Präsidentschaftswahl, aus denen dieser aus der zweiten Runde am 19. Mai 1974 mit 13,4 Millionen
Stimmen (50,81 Prozent) knapp als Sieger gegenüber François Mitterrand hervorging.

Neben seinen Ämtern und Mandaten auf nationaler und europäischer Ebene war Poniatowski von 1971 bis
1999 Bürgermeister der Kleinstadt L’Isle-Adam (Département Val-d’Oise) nordwestlich von Paris.

Staatsminister, Innenminister und Broglie-Affäre

Nach dem Amtsantritt von Giscard d’Estaing als Staatspräsident


berief dieser Poniatowski am 27. Mai 1974 als Staatsminister
(Ministre d’État) und Innenminister (Ministre de l’intérieur) in das
erste Kabinett Chirac.[3] Die Funktionen als Staatsminister und
Innenminister übte er auch im darauf folgenden ersten Kabinett
Barre bis zum 30. März 1977 aus.[4] Darüber hinaus war er als
Nachfolger Giscard d’Estaings von 1974 bis 1977
Parteivorsitzender der Républicains indépendants (RI), bis diese
Michel Poniatowski (Mitte) bei einem
sich in Parti républicain (PR) umbenannten und Jean-Pierre Soisson Besuch in Tunesien bei der
den Vorsitz übernahm. Begrüßung durch den Präsidenten
der Tunesischen Republik, Habib
Während seiner Amtszeit als Innenminister ereignete sich die
Bourguiba (März 1976)
Broglie-Affäre, die am 24. Dezember 1976 mit der Ermordung des
Abgeordneten und früheren Staatssekretärs Jean de Broglie
begann. Im Laufe der Zeit wuchs der Fall zu einem Skandal, der Wirtschaft, Politik und eine Reihe
undurchsichtiger Geschäfte betraf. De Broglie war an einer Reihe von Aktivitäten unterschiedlicher Firmen
beteiligt, hatte aber zum Zeitpunkt seiner Ermordung Schulden in Höhe von 12 Millionen Francs. Zuvor
war er neben Giscard d’Estaing und Raymond Marcellin einer der Gründer und finanziellen Unterstützer
der Républicains indépendants und wurde zu einem Zeitpunkt vor dem Haus seines Finanzberaters Pierre
de Varga von Feinden ermordet, als er zu einem Haftungsrisiko wurde.[5] 1980 brachte die Parti socialiste
(PS) mit Unterstützung der Parti communiste français (PCF) in der Nationalversammlung einen Antrag ein,
dass Poniatowski als damaliger Innenminister vor dem Kassationshof erscheinen und wegen unterlassener
Hilfeleistung angeklagt werden sollte. Nach Ansicht von PS und PCF hatte er als Innenminister versäumt,
einer Person zu helfen, von der er wusste, dass diese sich in Gefahr befand. Daraufhin bezichtigte er die PS
und PCF der Verleumdung und erklärte vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, dass er zu
keiner Zeit im vorherigen Besitz von Informationen über die drohende Ermordung von Jean de Broglie
verfügte.[6][7]

Nach seinem Ausscheiden aus der Regierung Barre fungierte Poniatowski als Sondergesandter des
Präsidenten im Range eines Botschafters und reiste unter anderem am 27. Dezember 1978 zu einem
Treffen mit Schah Mohammad Reza Pahlavi nach Teheran, um sich für den Präsidenten in Vorbereitung
der Konferenz von Guadeloupe ein Bild über die Lage im Iran zu machen. Auf dieser vom 4. Januar bis 7.
Januar 1979 stattfindenden Konferenz sollte entschieden werden, ob der Westen den Schah weiter
unterstützen würde, oder ob man das Gespräch mit seinem politischen Gegner Ajatollah Chomeini suchen
sollte. An der Konferenz nahmen neben dem Gastgeber Giscard d’Estaing, Präsident Jimmy Carter aus den
USA, Premierminister James Callaghan aus Großbritannien und Bundeskanzler Helmut Schmidt aus
Deutschland teil. Auf der Konferenz wurden keine offiziellen Beschlüsse gefasst. Der französische
Präsident Giscard d’Estaing wurde beauftragt, den Kontakt zu Ajatollah Chomeini herzustellen und die
Frage eines möglichen Regierungswechsels zu erörtern.

Mitglied des Europaparlaments und Senator

Bei der ersten direkten Europawahl 1979 wurde Poniatowski als Kandidat des bürgerlichen
Parteienbündnisses Union pour la démocratie française (UDF) zum Mitglied des Europäischen Parlaments
gewählt und gehörte diesem nach seiner Wiederwahl bei der Europawahl 1984 bis zum 24. Juli 1989 an.
Im Europaparlament schloss er sich der Liberalen und Demokratischen Fraktion an und war von März
1982 bis Juli 1984, von Dezember 1985 bis April 1987 sowie zuletzt von Mai 1988 bis zu seinem
Ausscheiden aus dem EU-Parlament stellvertretender Vorsitzender dieser Fraktion. Zudem war er von
Oktober 1979 bis Juli 1984 Vorsitzender des Ausschusses für Entwicklung und Zusammenarbeit sowie im
Anschluss bis Juli 1989 Vorsitzender des Ausschusses für Energie, Forschung und Technologie.

Nach dem Tod von Pierre Salvi am 9. Januar 1989 rückte Poniatowski für diesen am 10. Januar 1989 als
Mitglied in den Senat nach und gehörte diesem bis zum 1. Oktober 1995 an. Während seiner
Senatszugehörigkeit wurde er am 12. April 1989 Mitglied des Auswärtigen Ausschusses (Commission des
affaires étrangères), dem er bis zu seinem Ausscheiden aus dem Senat angehörte. Zugleich war er von Juni
1990 bis Oktober 1995 Vizepräsident der Parlamentarischen Delegation bei den Europäischen
Gemeinschaften beziehungsweise der Europäischen Union.

Ehe und Nachkommen

Aus seiner Ehe mit Gilberte de Chavagnac gingen vier Kinder hervor, darunter Ladislas Poniatowski, der
von 1986 bis 1998 Mitglied der Nationalversammlung und von 1998 bis 2020 Senator war, sowie Axel
Poniatowski, der von 2002 bis 2017 Mitglied der Nationalversammlung war. Seine Enkelin und Tochter
seiner einzigen Tochter Isabelle Poniatowski ist das Model und Musikproduzentin Caroline de Maigret,
deren Vater Bertrand de Maigret zwischen 1978 und 1981 ebenfalls Mitglied der Nationalversammlung
war, und die mit dem Musikproduzenten Yarol Poupaud verheiratet ist. Seine Cousine ist die Schriftstellerin
Elena Poniatowska.

Veröffentlichungen
Neben seiner politischen Laufbahn verfasste Poniatowski auch zahlreiche Bücher zu politischen und
historischen Themen. Er erwarb sich insbesondere durch zahlreiche Veröffentlichungen den Ruf als
Fachmann für den französischen Staatsmann Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord und wurde für sein
1982 erschienenes Buch Talleyrand et le Directoire : 1796-1800 mit dem Grand Prix Gobert der Académie
française für das Jahr 1983 ausgezeichnet. Zu seinen zahlreichen Veröffentlichungen gehören:

L’avenir des pays sous-développés, SEFI, Paris, 1954.


Histoire de la Russie d’Amérique et de l’Alaska, Horizons de France, Paris, 1958.
Talleyrand aux États-Unis, 1794-1796, Presses de la Cité, Paris, 1967.
Les Choix de l’espoir, Grasset, Paris, 1970.
Cartes sur table, Fayard, Paris, 1972.
Conduire le changement, Mitautor Alain Duhamel, Fayard, Paris, 1975.
L’avenir n’est écrit nulle part, éd. Albin Michel, 1978.
Louis-Philippe et Louis XVIII : autour du journal de Louis-Philippe en mars 1815, Perrin,
Paris, 1980.
L’Histoire est libre, Albin Michel, Paris, 1982.
Talleyrand et le Directoire : 1796-1800, Perrin, Paris, 1982.
Garnerin : le premier parachutiste de l’histoire, Albin Michel, Paris, 1983.
Lettre ouverte au Président de la République, Albin Michel, Paris, 1983.
L’Europe ou la mort, Albin Michel, Paris, 1984.
Le Socialisme à la française, Albin Michel, Paris, 1985.
Talleyrand et le Consulat, Perrin, Paris, 1986.
Les Technologies nouvelles : la chance de l’homme, Plon, Paris, 1986.
Talleyrand et l'ancienne France : 1754-1789, Perrin, Paris, 1988.
Que survive la France, Éditions du Rocher, Monaco/Paris, 1991.
La catastrophe socialiste, Éditions du Rocher, Monaco/Paris, 1991.
Talleyrand. Les années occultées : 1789-1792, Perrin, Paris, 1995.
Mémoires, Plon (Paris)/Le Rocher (Monaco), 1997.

Weblinks
Eintrag (http://www2.assemblee-nationale.fr/sycomore/fiche/(num_dept)/6415) auf der
Homepage der Nationalversammlung
Eintrag (http://www.senat.fr/senateur/poniatowski_michel59556y.html) auf der Homepage
des Senats
Michel Poniatowski (https://www.europarl.europa.eu/meps/de/1541) in der Abgeordneten-
Datenbank des Europäischen Parlaments
Eintrag (http://www.rulers.org/indexp3.html) in rulers.org
France: Ministries, political parties, etc. from 1870 (http://www.rulers.org/frgovt2.html)
(rulers.org)

Einzelnachweise
1. Deuxième Gouvernement Pierre Messmer (http://www.assemblee-nationale.fr/histoire/gvt5re
p.asp#messmer2)
2. Troisième Gouvernement Pierre Messmer (http://www.assemblee-nationale.fr/histoire/gvt5re
p.asp#messmer3)
3. Gouvernement Jacques Chirac (http://www.assemblee-nationale.fr/histoire/gvt5rep.asp#pmc
hirac/vge)
4. Premier Gouvernement Raymond Barre (http://www.assemblee-nationale.fr/histoire/gvt5rep.
asp#barr1)
5. FRANKREICH: Dunkle Geschäfte. Ein großer Name, ein historisches Restaurant, Millionen
Franc und Mord: der Kriminal-Fall de Broglie wurde zum Justiz-Skandal. (http://www.spiege
l.de/spiegel/print/d-41002256.html). In: Der Spiegel vom 10. Januar 1977
6. GISCARD D’ESTAING: Verfaulte Gesellschaft. Unaufgeklärte Morde, Skandale, heimliche
Indiskretionen bei öffentlich gewahrter Diskretion und eine Ämterpatronage sondergleichen
- so sieht der „Giscard-Staat“ aus. (http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14317720.html). In:
Der Spiegel vom 19. Mai 1980
7. FRANKREICH: Düstere Affäre. Wer befahl, den Prinzen Jean de Broglie zu ermorden? Und
warum? Frankreich erlebt seinen verwirrendsten Mordprozess. (http://www.spiegel.de/spieg
el/print/d-14350731.html). In: Der Spiegel vom 30. November 1981

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Diese Seite wurde zuletzt am 6. Februar 2023 um 16:43 Uhr bearbeitet.

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