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Literatur3_Literaturgeschichte_Benjamin Göhring_2017/2018

Die Fabel

Die verkleidete Wahrheit


Manchmal ist es schwierig, anderen Menschen die Wahrheit direkt zu sagen. Vielleicht
fühlen sie sich dadurch verletzt oder sie reagieren sogar aggressiv.

Wenn man also „unverblümt" seine Gedanken äußert und dabei eine unangenehme
Wahrheit für den Empfänger sendet, kann das sogar gefährlich werden. Die Fabel
überwindet den Widerstand des Adressaten, indem sie das, was sie kritisiert, vom
menschlichen Bereich auf den nichtmenschlichen überträgt. Die Fabel kann man daher
gut für die politische, soziale und religiöse Auseinandersetzungen benutzen. Sie war für
viele Schriftsteller (insbesondere der Aufklärung) ein Mittel zum Kampf.

1. Welches Wort wird in diesem Absatz als Synonym für Empfänger verwendet? _________

2. Was ist das Gegenteil von Empfänger? _________________

Die Fabel überträgt den Inhalt auf den nichtmenschlichen Bereich. Das dient nicht allein
der Anschaulichkeit; es bedeutet zugleich einen Schutz für den Erzähler, denn im
Narrengewand darf man unter Umständen auch einem bösen König die Wahrheit unter die
Nase reiben - eine Wahrheit, die man ihm direkt niemals zu sagen wagte.

3. Ein Narre ist ________________________________________________________________

Es gibt auch eine zweite Sorte von Fabeln. Diese wollten ihre Aussagen allerdings nicht
verstecken. Solche allgemeineren Fabeln sind nicht politisch motiviert. Ihnen geht es
hauptsächlich darum, dem Leser etwas „beizubringen“ – eine Lehre mitzuteilen, die für
das Leben des Lesers wichtig sein kann. Diese Lehre ähnelt der Moral im Märchen.

Merkmale:
• Tiere als Akteure (eigentlich stellen die Tiere Menschen dar, aber aus
verschiedenen Gründen hat man lieber Tiere gewählt, die Menschen
repräsentieren.In der Fabel sprechen und handeln die Tiere wie Menschen. Erst
durch die völlige Gleichschaltung des Tieres und des Menschen können die Tiere
ihre Aufgabe in der Fabel erfüllen: Sie werden zur Person, d. h. zu einem Wesen,
das Verantwortung für sein Handeln trägt, das schuldig wird und dafür büßen muss
oder unschuldig ein ungerechtes Schicksal erleidet.)

Warum hat man das gemacht?

Gibt es Fabeln in Vietnam? Vergleiche...

• die Typisierung der Fabelfiguren   (der böse, hinterlistige Wolf  <>  der
einfältige Esel)

Welches Tier steht in Vietnam für schlau, böse, geduldig, gutartig, stark, königlich,
schwach, listig etc.?

Wenige Tierfiguren

Zum Figureninventar der Fabel gehören neben Pflanzen und unbelebten


Gegenständen vor allem die Tiere. Die Zahl der in der Fabeldichtung
vorkommenden Tiere ist nicht sehr groß. Als typische und häufig auftretende

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Fabeltiere finden sich der Löwe, der Fuchs, der Wolf, der Esel, der Hase und der
Rabe. Schon seltener erscheint das Lamm, die Maus, derFrosch, der Igel, der Ochse
oder die Schlange. In der Regel finden sich in der Fabel Tiere aus der
unmittelbaren Umgebung des Menschen, also solche, die dem Menschen aus ihrer
typischen natürlichen Eigenart vertraut sind.

Zumeist stehen sich in der Fabel zwei einzelne Tiere gegenüber; seltener zwei
Gruppen oder ein Tier und eine Gruppe. Bei den meisten Fabelmotiven reichen
zwei Figuren aus, um die Aussageabsicht der Fabel klar herauszustellen.

• das Prinzip vom Gegensatz

Meistens begegnen sich zwei Tiere, die entgegengesetzte Eigenschaften haben:


Eines ist schwach, das andere ist stark. Eines ist schlau, das andere ist dumm.
Eines ist groß, das andere klein. Usw..

• die Zeit- und Ortlosigkeit

In den Fabeln ist es nicht besonders wichtig, wann und wo die Handlung spielt. Es
kommt auf die Aussage, auf die Lösung des Konfliktes an. Alles andere wird
ausgeblendet, damit es nicht ablenkt.

• der pointierte Schluss

• die sprachliche Kürze und Prägnanz

• die Dreigliedrigkeit

Beispielfabel: Vom Raben und Fuchs


Ein Rabe hatte einen Käse gestohlen und setzte sich auf einen hohen Baum und wollte
ihn verzehren.
Da er aber seiner Art nach nicht schweigen kann, wenn er isst, hörte ein Fuchs. Wie
der Rabe sich über den Käse freute und lief zu und sprach: "O Rab', nun hab' ich
mein ganzes Leben keinen schöneren Vogel gesehen von Federn und Gestalt als dich.
Und wenn du auch so eine schöne Stimme hättest zu singen, so sollt' man dich zum
König krönen über alle Vögel."
Den Raben kitzelte solch Lob und Schmeicheln, fing an und wollte seinen schönen
Gesang hören lassen. Und als er den Schnabel auftat, entfiel ihm der Käse; den nahm
der Fuchs eilig, fraß ihn und lachte über den dummen Raben.

Situation:      Der Rabe sitzt mit seinem Stück Käse auf einem hohen Baum. 
                      Der Fuchs naht voll Gier nach dem Käse. 
                      Mit Gewalt lässt sich nichts erreichen. 

Aktion:          Der Fuchs versucht es mit List.

Der Rabe hat im Gegensatz zu den bunten Singvögeln ein schwarzes und
glänzendes Gefieder. 
Im Gegensatz zum Adler, dem König der Vögel, hat er einen unscheinbaren


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Kopf.  Wenn einer heiser ist und nicht singen kann, sagen wir: Er krächzt wir
ein Rabe.   
Der Fuchs sagt das Gegenteil. Er belügt den Raben; er schmeichelt ihm
aus Gewinnsucht. 

Reaktion:      Der eitle Rabe will sich zeigen und seine Stimme erklingen lassen. 
Er ist töricht. 
Durch die Schmeichelei des Fuchses betört, denkt er nicht daran, das er den
Käse verliert, wenn er den Schnabel öffnet. 

Ergebnis:       Der Fuchs hat sein Ziel mit List erreicht und frisst den Käse auf. 
                      Erst jetzt merkt der Rabe, dass er betrogen wurde und für seine Eitelkeit 
                      bezahlen muss.

• den geringstmöglichen Umfang

Damit man nicht von der Lehre ablenkt, die aus der Aussage gezogen werden kann.

• die Verbindung von erzählerischen und dramatischen Elementen

Meistens beginnt die Fabel erzählerisch. Es wird ganz kurz eingeführt (manchmal
nur mit einem Satz) wie die Ausgangssituation ist. Aber zu einer Fabel gehört auch
immer, dass die Akteure irgendwann anfangen zu sprechen.

• der Wirklichkeitsbezug

1. eine Lehre, die für den Alltag wichtig ist

2. ein politischer Zustand, den man kritisiert

• die versteckte Aussageabsicht

• die Existenz- und Gesellschaftskritik

Unterrichtsaufgaben:
1. Schreibe eine kurze Fabel mit nicht mehr als 200 Wörtern.

Thema: Ein Wasserbüffel und eine Schlange begegnen sich.

Es darf auch zu zweit gearbeitet werden.

2. Freiwillige lesen ihre Fabel vor.

Die Mitstudenten vermuten die Aussage (Lehre).

3. Freiwillige Aufgabe für zu Hause:

Das jugendliche Mädchen Loan möchte ihrer Mutter zeigen, dass die Mutter ihr
mehr Freiheit geben soll, mit ihren Freundinnen auszugehen.

Loan wagt nicht, es ihrer Mutter direkt zu sagen.

Deswegen schreibt sie eine Fabel...






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