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Musik (1991-)
Man versuchen
stelle sichsich
vor,auf
diefleckig-angelaufenen
Berliner Philharmoniker satteln um. Die
Naturinstrumenten, dieStreicher ziehen
Schlagzeuger Darmsaiten
spannen auf,
Schweinslede
kleinen Paukenkessel, und alle spielen senza vibrato und mit beherztem messa di voce. Absurd? Sicher, aber
noch so abenteuerlichen Vision steckt ein wahrer Kern. Denn was vor Jahren noch undenkbar gewesen wäre, ist in
nurmehr ein winziges Sensatiönchen : Nikolaus Harnoncourt und Christopher Hogwood — beide gekrönte H
interpretatorischen Denkrichtung, die sich dem stilbewußten Blick auf das Alte verschrieben hat — erklim
der Philharmoniker und dirigieren Haydn oder Mozart wie sie sie verstehen. Und, wichtiger noch, der Traditionskl
spielt mit, zeigt sich offen und lernbereit. Marginalien, mag mancher denken. Aber sie stehen für einen
Umdenkens, der endlich auch Berlin erfaßt hat, sind Symptome dafür, daß harte Fronten auch hier in B
raten.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts lebte die Stadt den Umgang mit Alter Musik durchaus noch exempla
Erinnert sei nur an Mendelssohns Bemühen um Bachs Matthäus-Passion. Später verkürzte sich der Blick zurück
überwuchert von den starken Traditionen des klassisch-romantischen Lagers, an der Spree sicher mehr noch als
Sie tragen Schuld daran, daß Berlin sich schwertat mit der Alten Musik, selbst in jüngerer Zeit noch, als andern
ein reges Interesse am musikalischen Historismus erwacht war. An den Berlinern lag das wohl nur bedingt. Auc
es Aufgeschlossene, die sich über das Medium Schallplatte lange schon ein Bild gemacht hatten, fremdgegangen
Bundesgebiet oder im Ausland, um ihre Neugier zu befriedigen, um teilzuhaben am Aufblühen eines neuen Prob
seins in Sachen musikalischer Vergangenheit. Deshalb durfte sich niemand wundern, als bei den verspäteten An
versuchen Berlins an den Rest der Welt das Interesse des Publikums schon teilweise entwickelt war. Und wenn sich heute
die Fans bei Händeis Messiah unter Trevor Pinnock an der Abendkasse des Schauspielhauses die Rippen quetschen, dann
merkt es jeder: Die frischgebackene deutsche Hauptstadt ist auf dem Weg in eine neue, eine andere Pluralität, von der
endlich auch die Alte Musik profitiert.
Indizien hierfür finden sich praktisch überall. Da ist zum Staatsoper Unter den Linden etwa eröffnet die kommende
einen die sprunghaft wachsende Zahl von stadteigenen En- Jubiläumsspielzeit zum 250jährigen Bestehen des Hauses
sembles, die der alten Musik ihr Engagement widmen. Hielt mit Carl Heinrich Grauns Cleopatra e Cesare unter der
vor Jahren die Musicalische Compagney weitgehend einsam musikalischen Leitung von René Jacobs, läßt überdies ver
die Stellung, so haben die bunt zusammengewürfelten Musi- lauten, künftig in jeder Saison eine Barock-Oper neu ein
ker um Holger Eichhorn mittlerweile gefährliche Konkur- studieren zu wollen. Neben der Komischen Oper, die mit
renz bekommen - von der Akademie für Alte Musik oder Jochen Kowalski immerhin über einen hauseigenen Altus
der Berliner Barock Compagney, von Ensembles mit so spre- Star verfügt, der nicht nur Händeis Giustino ein funkelndes
chenden Namen wie Sans-Souci, Alta Música, Divertimento Stück Authentizität zu geben vermag, mischt neuerdings
Vocale, Der Harmonische Eulenspiegel, Capeila Cantorum auch die Deutsche Oper an der Bismarckstraße mit im Ge
oder Tre Fontane. Längst strahlt der Gründungseifer in den schäft — nicht direkt im Musiktheaterbereich zwar, dafür
Ostteil der Stadt aus, der ja ehemals mehr noch als der aber innerhalb ihrer assoziierten Konzertreihe, für die erst
ummauerte Westen von den kulturellen Zeitströmungen aus- jüngst Anthony Rooleys famoses Consort of Musicke gewon
gegrenzt blieb. Inzwischen wird sogar das Brandenburger nen wurde.
Umland erfaßt. So meldet die deutsch-polnische Grenzstadt
an der Oder die Geburt eines Frankfurter Consort. Nachhol
bedürfnis möchte man das nennen. Und Berlin hat wahrlich Haupt- lind Nebenschauplätze
viel aufzuholen.
Eben diese Einsicht scheint sich zunehmend auch bei solchen Eine Sonderstellung nimmt ganz sicher das Schauspi
Institutionen durchzusetzen, denen nicht — wie den Bach- ein. Verstärkt seit Maueröffnung kristallisiert sich d
Tagen oder den Friedenauer Kammerkonzerten — ohnehin am Gendarmenmarkt, das ja als sein eigener Verans
von Natur aus an einer Expansion des Genres innerhalb in Erscheinung tritt, als Zentrum der Berliner Alte-M
des Berliner Musikbetriebs gelegen sein muß. Die Deutsche Szene heraus. Bei Frank Schneider jedenfalls, dem n
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1984 fand die inzwischen auf einen festen Stamm von vier
zehn Mitgliedern angewachsene Akademie dann ihre ange
stammte Spielstätte, wo sie bis heute bei inhaltlichem Selbst
bestimmungsrecht vier bis fünf Konzerte pro Saison gibt.
2.-6.
2.-6. September
September
Mi 2. 9. FROM SATIES FACTORY (Micro Oper Munchen)
München)
Do 3. 9. Ein musikalisches Provokationstheater
Fr 4. 9. SAT
SATIE-STATION
IE-STATION (Micro
(Micro Oper
Oper München)
Munchen)
Prozession,
Prozession, Konzert
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dramatisches Ballett
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(Radio-Sinfonie-Orchester
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Ltg.: Dmitrij
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Werke
Werkevon vonErik
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Orchester,
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Klavier,
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Tänzer, Sprecher
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und Kino
Veranstaltungsorte
Stadthalle, Martinskirche, Staatstheater, documenta-Gelande,
documenta-Gelände, Hauptbahnhof
Änderungen vorbehalten
Anderungen
Eine detaillierte Programmubersicht
Programmübersicht erscheint Ende April.
Weitere Informationen bei KASSELER MUSIKTAGE e.V.
Friedrich-Ebert-StraBe
Friedrich-Ebert-Straße 159, 3500 Kassel, Telefon: 0561/20 32 27
Lyraflügel
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vonJ.J.C.C.
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Berlin
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