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Statistik I

Thema: Messtheorie und Skalenniveaus (Teil II)

Tobias Koch
Psychologische Hochschule Berlin
Sommersemester 2019
Mittwoch 12-14 Uhr (c.t.)
Leitfragen der heutigen Vorlesung
siehe Kapitel 5.1-5.3
1. Was ist ein kartesisches Produkt?
2. Was ist eine Relation und was eine
Relationsvorschrift?
3. Was ist ein Homomorphismus?
4. Was ist ein empirisches und was ein
numerisches Relativ?
5. Wann liegt eine Äquivalenzrelation vor und
wann eine strenge Ordnungsrelation?

Koch | Statistik I & 2


Wichtige Konzepte
• Empirische Relation und empirisches Relativ
• Numerische Relation und numerisches Relativ
• Homomorphismus
• Skala
• Äquivalenzrelation
• Strenge Ordnungsrelation

Koch | Statistik I & 3


Was versteht man unter Messen in der
Psychologie?
Definition
• Unter Messen versteht man die Zuordnung von Zahlen zu Objekten
nach bestimmten Regeln, die gewährleisten, dass bestimmte
(interessierende) Relationen in der Menge der Objekte in der Menge
der Zahlen erhalten bleiben.

• Wie genau sehen diese Regeln aus?

Koch | Statistik I & 106 4


Empirische Relation und empirisches Relativ
• Menge U von Messobjekten (Personen)

Urs
Hans

Fritz

Anna
Frida

Koch | Statistik I & 103 5


Nominalskala: Empirische Relation
• Ziel einer Nominalskala:
Klassifikation von Personen
nach bestimmten Kriterien
• Empirische Relation:
• Relationsvorschrift,
Beispiel:
• «u hat das gleiche
Geschlecht wie v»

Koch | Statistik I & 106-108 6


Relation
• Relationsvorschrift
• Definiert eine Relation
• Beispiel: „u hat das gleiche Geschlecht wie v“
• Relation
• Teilmenge der Menge U x U, die dieser Relationsvorschrift entspricht.
• Binäre Relation

Koch | Statistik I & 106-108 7


Relation

• Beispiel:
• A = {Sonja, Anja, Eva}, B = {Psychologie, Medizin, Jura}
• Kartesisches Produkt:
• A x B = {<Sonja, Psychologie>, <Sonja, Medizin>, <Sonja, Jura>,
<Anja, Psychologie>, <Anja, Medizin>, <Anja, Jura>,
<Eva, Psychologie>, <Eva, Medizin>, <Eva, Jura>}
Koch | Statistik I & 106-108 8
Kartesisches Produkt
• Kartesisches Produkt U x U
• U = {Urs, Hans, Fritz, Anna, Frida}
• U x U = {<Urs, Urs>, <Urs, Hans>, <Urs, Fritz>, <Urs, Anna>,<Urs, Frida>,
<Hans, Urs>, <Hans, Hans>, <Hans, Fritz>, <Hans, Anna>,<Hans, Frida>,
<Fritz, Urs>, <Fritz, Hans>, <Fritz, Fritz>, <Fritz, Anna>,<Fritz, Frida>,
<Anna, Urs>, <Anna, Hans>, <Anna, Fritz>, <Anna, Anna>,<Anna, Frida>,
<Frida, Urs>, <Frida, Hans>, <Frida, Fritz>, <Frida, Anna>,<Frida, Frida>}

Koch | Statistik I & 106-108 9


Relativ (relationales System)

Empirisches Relativ Numerisches Relativ


• Die Menge A eines empirischen Relativs • Die Menge A eines numerischen Relativs
besteht aus empirischen Objekten. besteht aus der Menge der reellen Zahlen.

• ERV = <U, R> • NRV = <ℝ, =>

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Relativ
• Beispiel: <U, R> ist ein empirisches Relativ auf U.

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Empirisches und numerisches Relativ
• Numerisches Relativ
• Die Menge A eines Relativs besteht aus der Menge der reellen Zahlen.
• Beispiel: Gleichheitsrelation =.

1 1

2 2

3 3
4 4

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Homomorphismus

Koch | Statistik I & 109 13


Homomorphismus
ℎ: 𝑈 → ℝ

Urs
Hans 1

Fritz 2

Anna 3
Frida 4

Koch | Statistik I & 109 14


Homomorphe Abbildung (Homomorphismus)
• Homomorphismus : strukturerhaltende Abbildung
• ℎ: 𝑈 → ℝ
• ℎ(𝐹𝑟𝑖𝑡𝑧) = 1
• Skala: Homomorphe Abbildung in Verbindung mit einem empirischen
und numerischen Relativ

Urs
Hans 1
Fritz 2
Anna 3
Frida 4
Koch | Statistik I & 109 15
Grundlegende Fragen der Messtheorie
1. Welche Anforderungen muss eine empirische Relation erfüllen,
damit eine homomorphe Abbildung existiert, die die
Repräsentation des empirischen Relativs durch ein numerisches
Relativ erlaubt? (Repräsentationsproblem)

2. Wie eindeutig ist die Zahlenzuordnung? (Eindeutigkeitsproblem)


• Frage der zulässigen Transformationen

3. Welche Aussagen über Merkmalsausprägungen sind bedeutsam?


(Bedeutsamkeitsproblem)
Koch | Statistik I & 109-110 16
Relation
• u hat das gleiche Geschlecht wie v
• R = {<Urs, Urs>, <Urs, Hans>, <Urs, Fritz>, <Hans, Urs>,
<Hans, Hans>, <Hans, Fritz>, <Fritz, Urs>, <Fritz, Hans>, <Fritz, Fritz>,
<Anna, Anna>,<Anna, Frida>, <Frida, Anna>, <Frida, Frida>}
• Graphische Darstellung

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Nominalskala (Wdh. Definition)
• Eine Nomialskala unterscheidet Objekte danach, ob sie gleich oder
ungleich sind. Sie teilt die Merkmalsträger in Kategorien ein.
• Die zugeordneten Zahlen (Messwerte auf einer Nominalskala) sind
lediglich in Bezug auf ihre Gleichwertigkeit oder Ungleichwertigkeit
aussagefähig.
• Die Abbildung einer Menge von Objekten in eine Menge von Zahlen
wird so vorgenommen, dass in Bezug auf das Merkmal gleichen
Elementen gleiche Zahlen und in Bezug auf das Merkmal
verschiedenen Elementen verschiedene Zahlen zugeordnet werden.

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Nominalskala: Repräsentationsproblem
• Anforderungen an die empirische Relation: Äquivalenzrelation

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Nominalskala
• Anforderungen an die empirische Relation: Äquivalenzrelation
• Eine Relation R heißt Äquivalenzrelation genau dann, wenn
1. R reflexiv ist: Für alle u Î U gilt: u R u
2. R symmetrisch ist: Für alle u, v Î U gilt: u R v ® v R u
3. R transitiv ist: u, v, w Î U gilt: (u R v Ù v R w) ® u R w

• Beispiel: «u hat gleiches Geschlecht wie v»


Urs Urs
Hans Hans
Fritz Fritz
Anna Anna
Frida Frida
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Nominalskala
• Anforderungen an die empirische Relation: Äquivalenzrelation
• Eine Relation R heißt Äquivalenzrelation genau dann, wenn
1. R reflexiv ist: Für alle 𝑢Î𝑈 gilt: 𝑢 𝑅 𝑢
2. R symmetrisch ist: Für alle u, v Î U gilt: u R v ® v R u
3. R transitiv ist: u, v, w Î U gilt: (u R v Ù v R w) ® u R w

• Beispiel: «u ist verheiratet mit v» Keine Äquivalenzrelation !!!

Hans
Hans
Urs Urs
Fritz Fritz
Anna Anna
Frida Frida

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Nominalskala: empirisches Relativ
• Klassifikation von Personen (Objekten) in einander nicht
überlappende (disjunkte) Äquivalenzklassen
• Äquivalenzklassen und Klassifikationssysteme
• Personen, die derselben Äquivalenzklasse angehören, gleichen sich in Bezug
auf das untersuchende Merkmal
• Personen, die verschiedenen Äquivalenzklassen angehören, unterscheiden
sich in Bezug auf das Merkmal
• Eine Person gehört einer und nur einer Klasse an, d.h. jede Person muss einer
Klasse zugeordnet werden, sie darf aber auch nur einer Klasse zugeordnet
werden.
• Das empirische Relativ 𝐸𝑅𝑉 = 𝑈, ≈ heißt dann Klassifikationssystem

Koch | Statistik I & 110-114 22


Nominalskala: empirisches Relativ
• Personen werden Zahlen derart zugeordnet, dass allen Personen
derselben Äquivalenzklasse dieselbe Zahl zugeordnet wird, während
Personen unterschiedlicher Äquivalenzklassen unterschiedliche
Zahlen zugeordnet bekommen.
• Numerisches Relativ: 𝑁𝑅𝑉 = ℝ, =

Koch | Statistik I & 110-114 23


Nominalskala und Nominalskalenmodell
• ℎ: 𝑈 → ℝ
• In dem speziellen Fall, in dem die Relation im empirischen Relativ die
Äquivalenzrelation ist, nennt man ℎ auch Nominalskala.
• Nominalskalenmodell (NSM)
𝑁𝑆𝑀 = 𝑈, ≈ , ℝ, = , ℎ

Urs
Hans 1
Fritz 2
Anna 3
Frida 4
Koch | Statistik I & 110-114 24
Nominalskala: Eindeutigkeit
Urs
Hans 1
Fritz 2

Anna 3
Frida 4

Urs
Hans
1
Fritz
2
Anna
Frida 3
4
Koch | Statistik I & 110-114 25
Nominalskala: Zulässige Transformationen
Urs
Hans 1
Fritz 2

Anna 3
Frida 4

Eineindeutige Transformationen
Daten dürfen nur so transformiert werden, dass
1
• Personen, die gleiche (untransformierte) Werte hatten,
gleiche transformierte Werte erhalten. 2
• Personen, die verschiedene (untransformierte) Werte 3
hatten, verschiedene transformierte Werte erhalten. 4

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Nominalskala: Bedeutsamkeit
Urs
Hans 1
Fritz 2

Anna 3
Frida 4

Bedeutsame Aussagen
Aussagen, die invariant unter den zulässigen
1
Transformationen sind, z. B.
2
• h(u) = h(v)
3
• Die Zahl der Elemente von U mit dem Wert h(u) ist n. 4

Koch | Statistik I & 110-114 27


Nominalskala: Bedeutsamkeit
Urs
Hans 1
Fritz 2

Anna 3
Frida 4

Nichtbedeutsame Aussagen
• Aussagen, die nicht invariant unter den zulässigen 1
Transformationen sind, z. B.
2
• h(u) > h(v)
3
4

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Nominalskala: Zusammenfassung
• Nominalskalierte Merkmale zeichnen sich dadurch aus, dass sie die
Klassifikation von Objekten erlauben.
• Klassifikationsmerkmal ist die Gleichheit vs. Verschiedenheit von
Objekten in bezug auf ein Merkmal.
• Die definierende empirische Relation ist die Äquivalenzrelation, die
reflexiv, symmetrisch und transitiv ist.
• Die Zuordnung von Werten (Zahlen) ist beliebig, sofern in Bezug auf
das Merkmal gleiche Personen gleiche Werte und
merkmalsverschiedene Personen verschiedene Werte erhalten.

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Nominalskala: Zusammenfassung
• Personen müssen einer Merkmalsklasse, dürfen aber auch nur einer
Merkmalsklasse angehören.
• Zulässig sind eineindeutige Transformationen.
• Bedeutsam sind Aussagen über die Gleichheit und Verschiedenheit
von Werten.

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Ordinalskala
• Äquivalenzrelation
• Strenge Ordnungsrelation
• Monotone Transformation

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Ordinalskala: Empirische Relation
• Ziel einer Ordinalskala: Klassifikation und Ordnung von Personen
nach bestimmten Kriterien
• Zwei empirische Relationen:
• (1) R1: Äquivalenzrelation
• (2) R2: strenge Ordnungsrelation
• Beispiele für Relationsvorschriften:
• (1) « u hat eine Aufgabe gleichzeitig beendet mit v »
• (2) « u hat eine Aufgabe später beendet als v »

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Ordinalskala: strenge Ordnungsrelation

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Beispiel für eine strenge Ordnungsrelation
• Beispiel: « u hat die Aufgabe später beendet als v »
• R2 = {<Hans, Fritz>, <Anna, Hans>, <Anna, Fritz>, <Anna, Frida>,
<Frida, Fritz>}
• R2 ist asymmetrisch und transitiv

Hans 3

Fritz
2
Anna
1
Frida

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Wichtige Konsequenzen
• Klassifikation von Personen (Objekten) in einander nicht
überlappende Äquivalenzklassen
• Eine Person gehört einer und nur einer Klasse an!
• Die Klassen sind geordnet.

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Ordinalskala: Eindeutigkeit

Hans 3

Fritz
2
Anna
1
Frida

Hans 100

Fritz 25

Anna
3
Frida
Koch | Statistik I & 114-120 36
Ordinalskala: Zulässige Transformationen
Hans 3

Fritz
2
Anna
1
Frida

Monotone Transformationen
Daten dürfen nur so transformiert werden, dass
100
• Personen, die gleiche (untransformierte) Werte hatten,
gleiche transformierte Werte erhalten. 25
• Eine Person, die einen größeren (untransformierten) Wert
hatte als eine andere Person, auch einen größeren 3
transformierten Wert hat als diese andere Person.
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Ordinalskala: Bedeutsamkeit
Hans 3

Fritz
2
Anna
1
Frida

Bedeutsame Aussagen
100
Aussagen, die invariant unter den zulässigen
Transformationen sind, z. B. 25
• h(u) > h(v)
• h(u) = h(v) 3

Koch | Statistik I & 114-120 38


Ordinalskala und Ordinalskalenmodell
• Empirisches Relativ 𝐸𝑅𝑉 = 𝑈, ≈, ≻

• Numerisches Relativ 𝑁𝑅𝑉 = ℝ, =, >

• Homomorphismus ℎ=𝑈→ℝ

• Ordinalskalenmodell (OSM)
𝑂𝑆𝑀 = 𝑈, ≈, ≻ , ℝ, =, > , ℎ
Koch | Statistik I & 114-120 39
Ordinalskala: Zusammenfassung
• Ordinalskalierte Merkmale zeichnen sich dadurch aus, dass sie die
Klassifikation und Ordnung von Objekten erlauben.
• Klassifikationsmerkmal ist die Gleichheit (Äquivalenz) vs.
Verschiedenheit von Objekten in bezug auf ein Merkmal.
• Ordnungsmerkmal ist die strenge Ordnung.
• Die definierenden empirischen Relationen sind die
Äquivalenzrelation und die strenge Ordnungsrelation.

Koch | Statistik I & 114-120 40


Ordinalskala: Zusammenfassung
• Die strenge Ordnungsrelation ist asymmetrisch und transitiv.
• Die Zuordnung von Zahlen ist beliebig, sofern die Äquivalenz und
Ordnung der Objekte erhalten bleibt.
• Zulässige Transformationen sind monotone Transformationen.
• Bedeutsam sind Aussagen über die Gleichheit/Verschiedenheit von
Werten sowie über die Größer-kleiner-Beziehung zwischen Werten.

Koch | Statistik I & 114-120 41


Lernfragen
1. Was ist ein Relativ, und welche beiden Typen von Relativen kennen
Sie?
2. Wie lässt sich ein Relativ formal darstellen?
3. Welche Anforderungen müssen erfüllt sein, damit eine Relation
eine Äquivalenzrelation ist?
4. Welche Anforderungen müssen erfüllt sein, damit eine Relation
eine strenge Ordnungsrelation ist?
5. Was versteht man unter dem Begriff “Homomorphismus”?
Koch | Statistik I & 42
Leitfragen der nächsten Vorlesung
Lesen Sie Kapitel 6.1 - 6.4!
1. Was versteht man unter einer
Häufigkeitsverteilung eines Merkmals?
2. Was ist eine Datenmatrix?
3. Wie kann man die Verteilung eines
Merkmals grafische veranschaulichen?
4. Was sind Lagemaße?
5. Wozu braucht man Streuungsmaße?

Koch | Statistik I & 43


Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Koch | Statistik I & 44

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