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Mehr als »Drill and kill«. Wie lässt sich dieVorbereitung auf standardisierte
Prüfungsaufgaben für einen kommunikativen, emanzipatorisch angelegten
DaF/DaZ-Unterricht fruchtbar mac...

Article  in  ÖDaF-Mitteilungen · December 2015


DOI: 10.14220/odaf.2015.31.2.101

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Waltraud Zirngast
University of Vienna
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Berufliche Selbstwahrnehmung von Lehrkräften für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache an privaten Erwachsenenbildungseinrichtungen in Österreich View project

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Mehr als »Drill and kill«. Wie lässt sich die Vorbereitung
auf standardisierte Prüfungsaufgaben für einen
kommunikativen, emanzipatorisch angelegten
DaF/DaZ-Unterricht fruchtbar machen?
Waltraud Zirngast
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Das Ablegen standardisierter Sprachprüfungen aus Deutsch als Fremd- und


Zweitsprache stellt zunehmend einen wichtigen Markstein in Lernbiographien
von MigrantInnen dar. Häufig erfolgt die Absolvierung solcher Prüfung jedoch
nicht freiwillig, sondern es sind verpflichtend bestimmte Sprachdiplome vorzu-
legen. Für die Betroffenen stellen solche Anforderungen oft erhebliche Hürden in
einem ohnehin komplexen Migrationsprozess dar. Doch erleben auch die Lehr-
kräfte die Aufgabe, ein effizientes Prüfungscoaching und ein zeitgemäßes Un-
terrichtsdesign miteinander zu verbinden als eine erhebliche Herausforderung.
Vor allem, weil es sehr schwierig ist, kontraproduktive Rückwirkungen finaler
For personal use only.

Prüfungen auf eigentlich kommunikativ und emanzipatorisch angelegte Sprach-


lernprozesse, so genannte Washback-Effekte, zu verhindern.
Der negative Washback von Prüfungsvorbereitungen zeigt sich im Allgemei-
nen darin, dass sich der Unterricht stark zu testrelevanten Inhalten hin verlagert,
komplexere Lernaktivitäten hingegen zurückgedrängt werden. Gleichwohl ist vor
allzu deterministischen und simplen Interpretationen dieses Washbacks zu war-
nen (Schifko 2001, 830 f). Ob und wie er im Lehr-Lerngeschehen wirksam wird,
hängt nämlich von einer Reihe von Faktoren ab, etwa der Eigenart der Prü-
fungsverfahren, der vorherrschenden Unterrichtskultur, dem professionellen
Selbstverständnis der Lehrkräfte etc.
Moderne, performanzorientierte Sprachtests im DaF-Bereich, denen der re-
präsentative und detaillierte Lernzielkatalog des Europäischen Referenzrahmens
für Sprachen zugrunde liegt, stehen einem »teaching to the test« eigentlich ent-
gegen. Auch das Prinzip des direkten Testens, also an Realsituationen angelehnte
Aufgabenstellungen, stellen keinen Gegensatz zu einem kommunikativ und ler-
nerInngerecht konzipierten Unterricht dar. Die Problematik wird meist durch die
praktischen Rahmenbedingungen ihrer Implementierung verursacht. Diese
zeichnen sich durch ein chronisch unterfinanziertes Kurswesen und prekär be-
schäftigte Lehrkräfte aus, womit die Gefahr von Schnellsiederkursen besteht, in
denen die Vorbereitung auf verpflichtende Sprachprüfungen als reines Abar-
beiten von Musteraufgaben umgesetzt wird. Somit stellt sich die Frage, ob sich
testbezogene Übungsformen nicht auch oder sogar fruchtbarer in didaktisch an-
spruchsvollen Unterrichtsdesigns umsetzen lassen.
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Man muss zunächst davon ausgehen, dass Testen und Lernen funktional un-
terschiedliche Bereiche darstellen. Während es das Ziel von Testaufgaben ist, das
Sprachniveau von Lernenden möglichst exakt zu erheben, sollen Lernaufgaben
effiziente Lernprozesse initiieren und vorantreiben (Krenn, 2013). Ein fundiertes
Verständnis von Themen, situationalen Kontexten und Anforderungen, auf die
sich ein Test bezieht, einmal vorausgesetzt, ist es aber durchaus möglich Test-
aufgaben und anspruchsvolle Lernaufgaben miteinander zu verbinden. Um
wichtige Grundregeln hiezu soll es im Folgenden gehen.

1. Prüfungsaufgaben in aufgabenbezogene Designs und


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Themenfelder integrieren
Prüfungsbezogene Unterrichtsaktivitäten sollten gezielt in ganzheitliche Designs
und Themenfelder des Unterrichts eingepasst werden, um einem isolierten und
ineffektiven Training von Einzelfertigkeiten vorzubeugen. Eine Segmentierung
von Anforderungsfeldern, wie sie für Sprachprüfungen konstitutiv ist, entspricht
dem sprachlichen Handeln im Alltag nicht. Dort muss der integrative Gebrauch
unterschiedlicher Fertigkeiten bewiesen werden und das lernt man in Kursen nur,
wenn man es auch beim Lernen praktiziert (Krumm 2001). Was nun im Unterricht
For personal use only.

selbstverständlich sein sollte, darf beim Üben prüfungsbezogener Lese- und


Hörtexte nicht ignoriert werden, nämlich ihr kommunikativer Zusammenhang.
Auf die inhaltliche Ebene bezogen bedeutet das etwa, dass es wenig befriedigend
erscheint, wenn Texte nur mittels Richtig-Falsch-Items bearbeitet werden, son-
dern dass es auch übergreifender, zusammenfassender bzw. kommentierender
Kommunikationsanregungen bedarf. Das kann in mündlicher Form geschehen,
man kann relevante Fertigkeiten aber auch mit Schreibaufgaben zu Hör- bzw.
Lesetexten problemlos kombinieren.

2. Prüfungsaufgaben zur mündlichen und schriftlichen


Sprachproduktion inhaltsbezogen anreichern
Eine kritische Beschäftigung mit gängigen Sprachprüfungen macht schnell klar,
dass sie dem selbst gesetzten Anspruch, authentische Sprachsituationen zu si-
mulieren, nur sehr bedingt entsprechen und der tatsächlichen Vielschichtigkeit
realer Sprachsituationen in der Regel nicht gerecht werden können (Grotjahn
2001). Auf die Prüfungssituation selbst bezogen ist eine solche Semiauthentizität
durchaus ein entlastendes Moment, ist doch damit gewährleistet, dass kein über
eine rudimentäre Ebene hinausgehendes Sach- bzw. Sozialwissen nachgewiesen
werden muss. Im Sprachunterricht greift ein Prüfungstraining, das sich lediglich
auf den modellorientierten Gebrauch sprachlicher Mittel in bestimmten Situa-
tionen beschränkt, bei Weitem zu kurz. Denn aus sprachhandlungstheoretischer
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und sprachdidaktischer Sicht sollte sprachliche Kommunikation immer als


komplexes Ineinander von kommunikativen, kognitiven und kulturellen As-
pekten begriffen werden (Krause/Sändig 2002, 24). So kann im sprachlichen
Alltag mangelndes Sach- und Kulturwissen durchaus ein entscheidendes Hin-
dernis dafür sein, dass sprachliche Interaktion fehlschlägt. Wer beispielsweise –
um eine Aufgabenstellung aus dem Österreichischen Sprachdiplom, Mittelstufe
B2, Schreiben zu erwähnen – keine Vorstellung davon hat, was in einem kon-
kreten Beschwerdefall realistischerweise gefordert werden kann, wird mit seiner
Beschwerde entgegen der erklärten Intention wohl ins Leere laufen.
Man muss die KursteilnehmerInnen in der sprachlichen Kommunikation nicht
nur »prüfungsfit«, sondern eben auch »alltagstauglich« machen. Dies erfordert,
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die linguistischen, soziolinguistischen, pragmatischen und kognitiven Kompe-


tenzen, die zur Lösung einer Aufgabe erforderlich sind, zu identifizieren und den
kombinierten Gebrauch dieser Kompetenzen in ein aufgabenorientiertes Setting
zu integrieren. Wenn also die »Prüfungsaufgabe« etwa darin besteht, einen
Ausflug mit Freunden zu planen (Österreichisches Sprachdiplom, B1, Sprechen,
Aufgabe 3), dann wird im Sinne eines »real life approaches« eine solche Aufgabe
den Auftrag beinhalten müssen, sich mit möglichen Ausflugszielen inhaltlich
näher zu beschäftigen.
Noch in anderer Hinsicht weisen Prüfungsaufgaben eine Charakteristik auf,
For personal use only.

die es bei der Bearbeitung im Unterricht didaktisch-methodisch aufzulösen gilt.


Da standardisierte Prüfungen für KandidatInnen mit sehr unterschiedlichem in-
dividuellem und soziokulturellem Hintergrund bewältigbar sein sollen, sind die
Prüfungsaufgaben aus den originalen Kontexten extrahiert, mit der Folge, dass sie
nur mehr ein sterilisiertes Abziehbild der sprachlichen und sozialen Realität
darstellen. Ferner werden solche Übungen schnell zu einer langweiligen und er-
müdenden Angelegenheit. Um Demotivation und Redundanz zu vermeiden,
sollten die Kommunikationsaufgaben auf die Lebenswelten der LernerInnen im
Kurs hin adaptiert werden, indem man etwa räumlich-zeitliche Gegebenheiten
variiert und soziale und aktuelle Dispositionen der KommunikationspartnerIn-
nen einbezieht. Das gilt im Übrigen auch für das Schreiben von informellen
Texten, wie sie bei ÖSD-Prüfungen auf den Niveaus A2 und B1 bewältigt werden
müssen. Erfahrungsgemäß genügt es hier oft schon, sprachlich ausführlicher und
pointierter – eher der Sprache von E-Mails angeglichen – zu formulieren, um die
Freude am Antworten zu steigern. Dem reinen Übungszweck wird damit in
keinster Weise geschadet. Und in jedem Fall sollte auch hier die Regel gelten, dass
man die entsprechenden Sprachhandlungstypen dort vermittelt und übt, wo es die
Logik der Stoffpräsentation gebietet.

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3. Prüfungsvorbereitung mit Sprachhandlungsstrategien


kombinieren
Will man KursteilnehmerInnen erfolgreich auf anstehende Prüfungen vorberei-
ten, genügt es zweifellos nicht, sie der »Versuch-Irrtum-Methode« zu überlassen,
ebenso sind einer rein instruktiven Vermittlung enge Erfolgsgrenzen gesetzt.
Fruchtbarer und im Lerneffekt über die unmittelbare Prüfungsvorbereitung
hinausweisend wäre dagegen ein Unterrichtsdesign, welches die Lernenden zur
eigenständigen und reflektierten Erarbeitung von Aufgaben ermutigt (Graßmann
2013). Insbesondere den sogenannten Sprachhandlungsstrategien sollte ein hoher
Stellenwert eingeräumt werden. In der einschlägigen Literatur versteht man sie
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als mentale Pläne, um sprachliche Aufgaben erfolgreich und ökonomisch zu er-


ledigen. Dazu nur knappe Anmerkungen, ansonsten muss hier auf die umfas-
sende Fachliteratur verwiesen werden (Dawidowicz 2014; Rampillon 1996;
Bimmel 2012). Bei den rezeptiven Sprachfertigkeiten, also dem Lese- und Hör-
verstehen, geht es strategisch im Wesentlichen darum, bereits vorhandenes
Weltwissen zur Entschlüsselung von Texten bewusst zu nutzen. In der mündlichen
Sprachproduktion kann die Planung kommunikativer Akte eine nützliche
Sprachhandlungsstrategie darstellen, um Gesprächsbeiträge mit größerer Rich-
tigkeit und Geschwindigkeit auszuführen. Auch die Aneignung eines soliden
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Repertoires an Blöcken sprachlicher Information (Chunks) spielt als Sprach-


handlungsstrategie bei der schriftlichen wie mündlichen Kommunikation auf den
A-Niveaus eine große Rolle (Neuner-Anfindsen 2012).
Methodisch empfehlenswert erscheint es, zur Erarbeitung von Sprachhand-
lungsstrategien im Unterricht ein zyklisches Modell zum Einsatz zu bringen
(Hauks 2012). In einer ersten Phase könnten die LernerInnen dazu angeleitet
werden, sich ihrer alltäglich praktizierten Strategien im (fremd-)sprachlichen
Handeln bewusst zu werden und sie zu systematisieren bzw. auf eine konkrete
Aufgabe hin zu modellieren. Anhand von (testbezogenen) Übungsmaterialien
ließen sich dann die entsprechenden Strategien erproben und abschließend einer
erneuten Reflexion und Bewertung unterziehen. Solche Reflexionsphasen zu den
Aufgaben- und Problemlösungen fördern nicht nur einen zielgerichteten Umgang
mit Sprache, sondern letztlich auch die LernerInnenautonomie.

4. Von der Fremdbewertung zur Selbstbewertung übergehen

Zentralisierte Testverfahren, das muss man illusionslos feststellen, haben mit


autonomen und selbstbestimmten Lernprozessen wenig gemein: Die Lernenden
haben auf die von externen Organisationen festgelegten Prüfungsinhalte und
Bewertungsschemata und die dadurch präformierte Didaktik-Methodik keinerlei
Einfluss (Shohamy 2001). Aber man kann es als einen kleinen Schritt in Richtung
»Empowerment« betrachten, wenn PrüfungskandidatInnen ein eingehenderes
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Mehr als »Drill and kill«

Verständnis davon entwickeln, was an sprachlichen Anforderungen bei solchen


Tests auf sie zukommt und wie ihr Sprachhandeln standardmäßig bewertet wird.
Besonders was die Sprachproduktion betrifft, ist es wichtig KursteilnehmerInnen
die Kriterien, nach denen sie bei der Prüfung bewertet werden, nahezubringen.
Man kann im Unterricht mit sprachlich vereinfachten Kriterienrastern der ori-
ginalen Auswertungsbögen arbeiten, sollte aber über die Ebene der reinen In-
struktion hinausgehen und auch Übungen einsetzen, in denen die Lernenden die
eigenen Schreib- und Gesprächsbeiträge und jener anderer KursteilnehmInnen
nach den vorgegebenen Kriterien bewerten lernen. Ein kritisches Verständnis
von den Stärken und Schwächen solcher Bewertungsformen zu entwickeln, sollte
als eigenes Lernziel intendiert sein.
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Für viele Lernende ist es durchaus nicht selbstverständlich, dass bei der Be-
wertung ihrer Sprachproduktion die formale Richtigkeit nur eines von mehreren
Kriterien darstellt. Wenn man diese gut erklärt, zeigen PrüfungskandidatInnen
bei der Sprachproduktion und in Testsituationen erfahrungsgemäß nicht nur
weniger Angst vor Fehlern, sie weisen häufig ein selbstsicheres und erfolgrei-
cheres Kommunikationsverhalten auf. Eine bevorstehende Prüfung kann so
einen eigenen Motivationsfaktor bilden und eingehender darüber nachdenken
lassen, in welchen sprachlichen Bereichen ein Text mehr oder weniger gelungen
ist, um ihn gegebenenfalls auch stringenter zu überarbeiten. Bauen Lernende ein
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aktives Verhältnis zur Frage von Kontrolle und Bewertung auf, erlangen sie ein
Stück an Autonomie im Lernprozess, die Teil ihrer selbstreflexiven Kompetenz
wird.

5. Vertiefende Lernprozesse anschließen

Ein Test ist nur eine punktuelle Bestandsaufnahme darüber, ob Lernprozesse in


der Vergangenheit mehr oder weniger erfolgreich verlaufen sind. Um das zu-
künftige Lernen positiv zu beeinflussen, ist es entscheidend, ob und wie es gelingt,
Tests auf Lernprozesse rückzukoppeln. Insofern sollten Testaufgaben, gerade
auch dann, wenn man sie nur zu Übungszwecken im Unterricht einsetzt, gezielt im
Sinne eines Feedbacks zum Lernvorgang genutzt werden. Einerseits wird den
Lernenden dadurch geholfen, ihre Stärken und Schwächen besser zu erkennen,
andererseits werden die Lehrenden dadurch auf erforderliche Modifikationen in
ihrer Unterrichtsplanung verwiesen.
Durch die bloße Kenntnisnahme eines Fehlers allein wird man nicht viel ler-
nen, denn Korrekturen, die nicht wahrgenommen und verarbeitet werden, blei-
ben unwirksam (Bleyhl 1998,134). Die Methodik der Fehlerkorrektur eröffnet
hier ein weites Feld (Dlaska/ Krekeler 2009), zumindest aber sollte eine Form der
Nachbearbeitung von Textproduktionen erfolgen, bei der eine, wenn auch nur
eingeschränkte Art der Selbstkorrektur zum Tragen kommt. Sind etwa Korrek-
turzeichen, wie sie beispielsweise in den gängigen Prüfungsformaten vorgegeben
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werden, einmal in einer LernerInnengruppe eingeführt, so können die Kursteil-


nehmerInnen anhand dieser Korrekturzeichen ihre Texte selbstständig überar-
beiten und damit auch ein Verständnis verschiedener Fehlertypen (etwa von
systematischen Kompetenz- versus »zufälligen« Perfomanzfehlern) entwickeln.
Aus pädagogischer Sicht sollte ferner eine rein defizitorientierte Beurteilung des
Sprachhandelns vermieden und der Blick der Lernenden ausdrücklich auf Stär-
ken und Fortschritte beim Lernen gelenkt werden. Diesem Zweck dienen indi-
vidualisierte verbale Kommentierungen von Texten zweifellos besser als die
herkömmlichen Bewertungsraster. Um längerfristige Lernprozesse zu doku-
mentieren und nachvollziehbar zu machen, empfiehlt es sich zudem Portfolios
anlegen zu lassen (Ballweg/Bräuer 2011).
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6. Prüfungsaufgaben erweitern und variieren

Vorbereitungen auf Tests sind nicht nur als Feedback an die Lernenden, sondern
auch für die weitere Unterrichtsplanung relevant. In jenen sprachlichen Berei-
chen, wo Übungen charakteristische Probleme der KursteilnehmerInnen zum
Vorschein bringen, wird man üblicherweise zusätzliche und wiederholende
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Lernangebote bereitstellen und dabei Texte auch recyceln, sie also mit unter-
schiedlichen Aufgabenstellungen versehen und unterschiedlich fokussiert an-
bieten. Ein besonderes Augenmerk sollte man immer auf die Wortschatzebene
richten und Lese- und Hörverstehenstests gezielt dazu nutzen, die linguistischen
Kompetenzen der Lernenden zu erweitern. Gerade in Bezug auf lexikalische
Einheiten macht es im Übrigen Sinn, im Anschluss an komplexere prüfungsbe-
zogene Hörverstehensübungen gelegentlich auch mit deren Transkripten zu ar-
beiten, um auf Wortschatzprobleme systematischer eingehen zu können. Um eine
nachhaltige Speicherung eines neuen oder noch nicht gefestigten Wortschatzes zu
sichern oder bei der Nachbearbeitung jener Prüfungsaufgaben, die eine Kombi-
nation von Grammatik und Wortschatz abfragen, haben sich in der Unterrichts-
praxis Lauf- und Partnerdiktate und verschiedene Formen des Chorsprechens
bewährt. Ziel solcher Übungen ist es, die Aufmerksamkeit der Lernenden auf
bestimmte, aus den Prüfungstexten entnommenen Sätze bzw. Textteile zu lenken,
die noch gefestigt werden sollen.
Als allgemeines Fazit kann demnach folgendes festgehalten werden. Unter
Nutzung moderner sprachdidaktischer Prinzipien lässt sich die praktische Arbeit
mit Prüfungsformaten sinnvoll in einen anspruchsvollen DaF-/DaZ-Unterricht
integrieren. Prüfungsvorbereitender Sprachunterricht kann aber nicht nur, er
sollte sogar mehr sein als ein intensiviertes Training isolierter Fertigkeiten im
Sinne von »Drill and kill«.

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Mehr als »Drill and kill«

Literatur
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lernstrategien in ›Profile deutsch‹«. In: Deutsch als Fremdsprache: Zeitschrift zur
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Dlaska, Andrea; Krekeler Christian (2009): Sprachtests: Leistungsbeurteilungen im
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Kapitel 1: Grundlagen, Hellenic Open University Patras, Postgraduiertenstudium
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Kranert, Michael (2013): Korrigieren, Prüfen und Testen im Fach Deutsch als Fremd-
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12096_Korrigieren_Prfen_und_Testen_im_Fach_Deutsch_als_Fremdsprache_Ein_
kurzer_Leitfaden [Stand: 24. 8. 2015].
Krause, Wolf-Dieter; Sändig, Uta (2002): »Testen und Bewerten kommunikativer Leis-
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Krenn, Wilfried (2013): »Wie und was soll ich für die Prüfung lernen?« Methodisch-
didaktische Fragen zur Vorbereitung auf standardisierte Zertifikatstests. In: Monika
Clalüner, Barbara Tscharner, Hg.: Akten der Vierten Gesamtschweizerischen Tagung
für Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer 29. und 30. Juni 2012 – Universität Bern,
123–130.
Krumm, Hans–Jürgen (2001): »Die sprachlichen Fertigkeiten: isoliert – kombiniert –
integriert«. In: Fremdsprache Deutsch, 24/ 2001, 5–12.
Neuner-Anfindsen, Stefanie (2012): »Lernstrategien Schritt für Schritt aufbauen«. In:
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ÖSD Wien (2009): B1 Zertifikat Deutsch. Übungsmaterialien. Wien: ÖSD
Rampillon, Ute (31996): Lerntechniken im Fremdsprachenunterricht. Handbuch. Isma-
ning: Max Hueber.
DaF-Mitteilungen 2/2015, Jg. 31, ISSN 2196-9167
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Waltraud Zirngast

Schifko, Manfred (2001): »Prüfungen, Zertifikate, Abschlüsse als Planungskategorien für


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Mag. Waltraud Zirngast ist DaF-Lehrerin an der Österreichischen Orientgesellschaft


Hammer-Purgstall und am WIFI Wien. zirngast@gmx.at
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