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Medizinstudium

Evaluation eines fallbasierten computergestützten


Lernsystems (CASUS) im A. B. Simonsohn
klinischen Studienabschnitt1,2 M. R. Fischer

Evaluation of a case-based computerized learning program


Originalien

(CASUS) for medical students during their clinical years


Hintergrund und Fragestellung: Die medizinische Ausbildung an Background: Clinical undergraduate medical education at the
der Ludwig-Maximilians-Universität München wird durch das An- Ludwig-Maximilians University in Munich (LMU) is supplemented
gebot von computergestützten Lernfällen ergänzt. Damit soll pra- by computerized case presentations. This educational strategy
xisrelevantes differentialdiagnostisches Handlungswissen geför- teaches problem-solving abilities and differential diagnostic
dert und die Studierenden so besser auf die Situation am Kranken- reasoning, thus preparing the students for the management of
bett vorbereitet werden. Die vorliegende Studie geht der Frage actual clinical situations with real patients. This study describes the
nach, wie die Integration eines fallbasierten Lehr-Lern-Systems in use of a case-based learning system and its acceptance in internal

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der Inneren Medizin erfolgte und wie das Lernangebot aus der medicine from the students’ perspective. Effects of age and gender
Sicht der Nutzer akzeptiert wurde. Insbesondere wurden Alters- were taken into account. The results are used for continually
und Geschlechtsunterschiede beleuchtet. Die gewonnenen Evalua- improving the system and the offered contents (cases).
tionsergebnisse fließen in die kontinuierliche Verbesserung des Methods: By means of qualitative and quantitative methods data on
Lernsystems und der angebotenen Inhalte (Lernfälle) ein. the integrated concept of the students’ perceived learning success, their
Methodik: Mit Hilfe qualitativer und quantitativer Methoden wur- motivation and acceptance were assessed during 1999 to 2002. Con-
den das Integrationskonzept, der subjektive Lernerfolg, die Moti- nections between the different factors were evaluated and the reasons
vierung und die Akzeptanz analysiert und im Zeitverlauf von for not using the learning program were given particular attention.
1999–2002 bewertet. Zusammenhänge zwischen den einzelnen Data were obtained from on-line and printed questionnaires as well as
Bewertungsfaktoren und Gründe für eine Nichtnutzung des Lern- electronic protocols. Results were obtained from 380 fourth year medi-
552 angebotes wurden aufgezeigt. Die Datenerhebung erfolgte durch cal students, aged between 20 and 34 years. 47% of all registered stu-
Online- und Papierfragebögen sowie elektronische Benutzerproto- dents during the academic year 2001/2 were female, but they were
kolle. Benutzer waren pro Semester ca. 380 Studierende des 3. und 58% of those completing the written questionnaire part of the study.
4. klinischen Semesters im Alter von 20–34 Jahren. Der Anteil an Results: The study showed a good acceptance rate and broad utili-
weiblichen Studierenden im Matrikel lag im WS 01/02 bei 47%, zation of cases by the students. Case-based learning improved
wobei der Anteil der weiblichen Studierenden an der Evaluation study motivation. Voluntary use of cases increased from 11% in
mittels Papierfragebogen 58% betrug. 1999 to 31% in 2002. Male and older students were more motivat-
Ergebnisse: Es zeigte sich eine gute Akzeptanz und breite Nutzung ed than female and younger students. In free comments the stu-
der Lernfälle durch die Studierenden. Das fallbasierte computerge- dents pointed out the close link between this new learning method
stützte Lernen wirkt sich positiv auf die Studienmotivation aus. Die and real life and the chance of a useful learning1experience.
freiwilligen Bearbeitungen nahmen von 11% im Jahr 1999 auf 31% im Conclusion: Case-based computerized learning programs adapted
Jahr 2002 zu. Männliche und ältere Studierende ließen sich durch to concurrent lectures assists in the self-assisted learning. Thus
das System besser motivieren als weibliche und jüngere Studierende. the2integration concept contributes to the learning process.
In Freitextkommentaren wurde die Praxisnähe der neuen Lernform
sowie die Möglichkeit eines profitablen Lernens hervorgehoben.
1
Folgerungen: Das fallbasierte computergestützte Lernen in Ab- Die Autoren trugen zu gleichen Teilen zur vorliegenden Arbeit bei
stimmung mit einer Vorlesung fördert das selbstgesteuerte Lernen. 2
Diese Arbeit ist im Rahmen des vom BMBF geförderten Projektes
Dabei trägt das Integrationskonzept entscheidend zur Nutzung des CASEPORT (Förderkennzeichen 08NM 111A) entstanden. Der Beitrag
Lernangebotes bei. war in Teilen Gegenstand eines Kongressvortrages im Rahmen des
CBT-Workshops der GMDS in Würzburg (11).

Institut
Arbeitsgruppe Instruct, Medizinische Kliniken Innenstadt, Ludwig-Maximilians-Universität München 2

Korrespondenz
M. R. Fischer · Ludwig-Maximilians-Universität München, Arbeitsgruppe Instruct
Medizinische Kliniken Innenstadt · Ziemssenstraße 1 · 80336 München · Tel.: +49/89/51602159 ·
Fax: +49/89/51602366 · E-Mail: martin.fischer@medinn.med.uni-muenchen.de

eingereicht: 2.6.2003 · akzeptiert: 4.12.2003

Bibliografie
DOI: 10.1055/s-2004-820543
Dtsch Med Wochenschr 2004; 129:552–556 · © Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York · ISSN 0012-0472
ne i l an i g i rO
Das CASUS-Lernsystem Elektronische Benutzerprotokolle (Logfiles) lieferten Daten zu
jeder einzelnen Fallbearbeitung (Studenten-Identifikationsnum-
CASUS ist ein fallbasiertes Computer-Lehr-/Lernsystem, mit dem au- mer, Beginn/Ende der Sitzung, Verweildauer auf jeder einzelnen
thentische Patientengeschichten durch Bilder, Videos und Audios di- Lernkarte, Benutzerantworten usw.). Daraus konnten für die Eva-
daktisch aufbereitet und den Studierenden für realitätsnahes Lernen luation Häufigkeit, Dauer, Vollständigkeit sowie Erfolgsquote der
zur Verfügung gestellt werden können (Demofälle im Internet unter Fallbearbeitungen ermittelt werden. Für die Analyse standen z. B.
www.casus.net). Die Studierenden nehmen beim Lernen mit CASUS im Zeitraum des Wintersemesters 2001/2002 insgesamt 568 Be-
die Perspektive des behandelnden Arztes ein. Sie werden an entspre- nutzerprotokolle von 192 Anwendern zur Verfügung.
chenden Stellen aufgefordert, Fragen zum Fall zu lösen und diagnos-
tische Entscheidungen zu treffen. Dazu stehen verschiedene Aufga- Ein auf das Integrationskonzept zugeschnittener Papierfragebo-
bentypen zur Verfügung. Der Studierende erhält nach jeder Antwort gen wurde erstmals im WS 2001/2002 eingesetzt. Er umfasste 21
Feedback in Form einer individuellen Bewertung und eines Antwort- Fragen, die auf die Akzeptanz des Lernsystems, der Lernfälle und
kommentars. Ziel jeder Fallbearbeitung ist die Aneignung bzw. Ver- des Implementierungskonzeptes abzielten. Darüber hinaus wur-
tiefung von anwendbarem und problembezogenem medizinischem den die Gründe für das Nichtbearbeiten einzelner Lernfälle sowie

Originalien
Fachwissen insbesondere zur Verbesserung der differentialdiagnosti- Daten zum Vorlesungsbesuch und zu Computerkenntnissen erho-
schen Handlungsfähigkeit. (4). ben. Für die Antworten war eine 5-stufige Rating-Skala vorgege-
ben (Skalen s.u.). Der Fragebogen wurde von 185 der insgesamt
Das Lehr-Lern-System umfasst derzeit über 200 Lernfälle aus zahl- 224 aktiven Studierenden ausgefüllt (Rücklaufquote: 83%). Insge-
reichen medizinischen Fachgebieten. Über die Innere Medizin hin- samt beteiligten sich 58% weibliche und 42% männliche Studieren-
aus wird das System insbesondere in der Pädiatrie, Neurologie, Ar- de im Alter von 20–34 Jahren.
beitsmedizin und Chirurgie sowie in nichtmedizinischen Diszipli-
nen (z.B. Jura) eingesetzt. Die Inhalte (Lernfälle) werden von In- Ein elektronischer Kurz-Fragebogen (Online-Fragebogen) wurde

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haltsexperten erstellt und einem formalen, inhaltlichen und päda- nach jeder einzelnen Fallbearbeitung angeboten und beleuchtete
gogischen Gutachterverfahren unterzogen. die Themen technische Bedienbarkeit, Motivation, Beitrag zum
Lernen, Lernerfolg und Anforderungsniveau der Fälle sowie die So-
Die neue Approbationsordnung für Ärzte (ÄAppO, 1) sieht fallbasier- zialform bei der Fallbearbeitung. Er enthielt 11 Items und ein Frei-
tes Lernen und Prüfen im Medizinstudium vor und stellt die medizi- text-Kommentarfeld. Dieser Fragebogen wurde im WS 1999/2000
nischen Fakultäten vor neue Herausforderungen. Computergestütz- erstmals verwendet und seitdem im Sinne einer formativen Evalu-
te Lernfälle sind eine Möglichkeit, standardisierte fallbasierte Inhalte ation (10) im Zeitverlauf ausgewertet.
zeit- und ortsunabhängig für das Lernen bereitzustellen. Die Evalua-
tion von Präsenzlehre in Kombination mit E-Learning-Systemen ist Die Auswertungen geben Aufschluss über die Bewertung des Imple-
Gegenstand dieser Studie. Die formative Komponente zur Verbesse- mentierungskonzeptes, die Qualität des Lernsystems und der Lernfäl-
rung des Integrationsmodells ist dabei von besonderer Bedeutung. le durch die Studierenden sowie über ihr Abschneiden bei der Lern- 553
fallbearbeitung. Dabei spielten Faktoren wie Lernerfolg, Motivierung
Integrationskonzept und Untersuchungsbedingungen und Benutzerfreundlichkeit eine wesentliche Rolle. Vergleiche zwi-
Seit 1998 werden den Studierenden an der Universität München vorle- schen verschiedenen Gruppen von Studierenden bezüglich der Ant-
sungsbegleitend computergestützte Lernfälle angeboten. Die vorliegen- worthäufigkeiten wurden mittels des Chi2-Homogenitätstests durch-
de Studie beschäftigt sich mit der Evaluation der Integration von Lern- geführt. Korrelationen zwischen ordinalen Bewertungskategorien
fällen in das 3. und 4. klinische Semester mit dem Ziel der Qualitätskon- wurden als Rangkorrelationskoeffizienten nach Spearman ermittelt.
trolle und -verbesserung. Die Studierenden konnten Lernfälle, die auf Die Daten aus offenen Fragen wurden mit Hilfe qualitativer Methoden
die Inhalte der Vorlesung Innere Medizin abgestimmt waren, im Selbst- (Kategorisierung) ausgewertet. Die im Rahmen der Studie erhobenen
studium bearbeiten. Die Vorlesung wurde im Untersuchungszeitraum Daten wurden nach den Vorgaben des Datenschutzes behandelt.
(1999–2002) von denselben Dozenten gelesen. Den Studierenden wur-
de ein einmaliger 90-minütiger Einführungskurs am Anfang des 3. kli- Ergebnisse
nischen Semesters angeboten. Von den jeweils ca. 230 Studierenden ei-
nes Semesters nutzten ca. 190 Studierende dieses freiwillige Angebot. Häufigkeit, Vollständigkeit, Erfolgsquote und Dauer der
Fallbearbeitungen
Für ein Testat mussten die Studierenden mindestens zwei der ange- Im WS 2001/2002 wurden 568 Fallbearbeitungs-Sitzungen in
botenen CASUS-Lernfälle vollständig bearbeiten, mindestens die Form von elektronischen Benutzerprotokollen erfasst. Zeitlich war
Hälfte der Antworten mussten richtig sein und die Bearbeitungszeit eine Häufung von Fallbearbeitungen im zweiten Monat des Se-
(Anzahl der Karten, Menge der Inhalte) musste für die Länge des mesters (während des Einführungskurses) und am Ende des Se-
Falls angemessen sein. Die Bearbeitung weiterer Lernfälle erfolgte mesters (Fristablauf für die Testatvergabe) zu verzeichnen. 77% der
im freiwilligen Selbststudium. Lernfälle wurden vollständig bearbeitet. Durchschnittlich wurden
44% der Antworten eines Lernfalles vom System als richtig bewer-
Methoden und Instrumente tet. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit betrug 43 Minuten.

Die Studie kombiniert automatisch erhobene Daten und Daten aus Akzeptanz der Fallbearbeitung
Studierendenbefragungen. Die Instrumente hierzu wurden selbst Die folgenden Ergebnisse beziehen sich auf die Auswertung des Pa-
entwickelt, um die speziellen Aspekte des Integrationskonzeptes pierfragebogens. Auf die Frage, ob die Studierenden eine vorlesungs-
zu erfassen (12). begleitende Fallbearbeitung für sinnvoll erachten, antworteten 60%

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50 70
Halten Sie es persönlich Hat Ihnen die Bearbeitung Alter
für sinnvoll, vorlesungs- der Lernfälle Spaß gemacht? 20–22
47
begleitend Lernfälle zu 23–25
40 60
bearbeiten? 59 26–28
57 32–34
50
30 50 50
Prozent

44
40 41
20

Prozent
20
30
10 13
26
20 22
Originalien

0
ja, sehr ja teilweise nein überhaupt
nicht 13
10 11
7 8 7
Abb.1 Einschätzung zum Sinn vorlesungsbegleitender Fallbearbeitung. 4
0
sehr viel viel teil teils wenig
50
männlich Hat Ihnen die Bearbeitung der Abb.3 Spaß bei der Fallbearbeitung: altersspezifische Unterschiede.
weiblich Lernfälle Spaß gemacht?

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Ähnliche Ergebnisse lieferte die Frage nach dem Beitrag der Lernfälle
44 zur Motivation für das Studium: 42% gaben an, die Lernfälle hätten
40
„sehr viel“ bzw. „viel“ zur Motivation beigetragen. Auch hier konnten
geschlechtsspezifische Unterschiede festgestellt werden (M=2,74, SD
37 ± 0,96). Die Ergebnisse zeigten, dass sich offenbar männliche Studie-
30 rende durch Computerlernfälle stärker motivieren lassen: Bei der
32
31 Hälfte der Studenten (49%) trug die Lernfallbearbeitung „sehr viel“
Prozent

oder „viel“ zur Motivation bei, während dies bei den Studentinnen
nur zu 30% der Fall war. Die Unterschiede waren signifikant (p<0,01).
20
554 Anzahl bearbeiteter Lernfälle und Gründe für die
Nichtbearbeitung
51% der Studierenden haben zwei Lernfälle bearbeitet (Abb.4).
10
31% bearbeiteten zusätzliche Lernfälle. In einer früheren Studie
8 8 9 waren dies nur 11% (4). 66% der Studierenden antworteten auf die
Frage, ob sie gerne weitere Lernfälle bearbeitet hätten, mit „ja“.
3
0
sehr viel viel teil teils wenig 99% der Studierenden schöpften das Fallangebot nicht voll aus. Der
am häufigsten genannte Grund für das Nichtbearbeiten weiterer
Abb.2 Spaß bei der Fallbearbeitung: geschlechtsspezifische Unterschiede. Lernfälle war Zeitmangel (115 Nennungen, entspricht bei 185 Stu-
dierenden 62%). 36 Studierende (19%) gaben an, keine weiteren
mit „ja“ bzw. „ja, sehr“ und weitere 20% mit „teilweise“ (M. 2,14; SD Fälle bearbeitet zu haben, weil keine weiteren Testate in Aussicht
± 0,72; Skala: 1 = „ja, sehr“ bis 5 = „überhaupt nicht“). gestellt wurden. Weitere 36 Studierende (19%) hielten andere
Lernformen für sinnvoller (Abb.5).
Im Hinblick auf geschlechtsspezifische Unterschiede zeigte sich,
dass männlichen Studierenden die Arbeit mit Computerlernfällen Bedienbarkeit und Gestaltung
mehr Spaß machte (52% antworteten mit „sehr viel Spaß“ bzw. „viel Mit der technischen Bedienung des Programms kamen 61% der
Spaß“, M =2,33, SD ± 0,7; Skala 1 = „sehr viel“ bis 5 = „sehr wenig“) als Studierenden gut bzw. sehr gut zurecht. Die optische Gestaltung
weiblichen, bei denen nur 40% „sehr viel Spaß“ bzw. „viel Spaß“ hat- halten 70% der Studierenden für sehr gut oder gut.
ten (M = 2,55, SD ± 0,8; Abb.2). Der Unterschied war im Chi2-Test
nicht signifikant (p = 0,09). Korrelationen
Der höchste Rangkorrelationskoeffizient wurde zwischen dem Spaß
Analysierte man den motivationalen Faktor „Spaß“ hinsichtlich des an der Fallbearbeitung und der Motivationssteigerung für das Studi-
Alters der Studierenden (Abb.3), so ergab sich, dass die Altersgruppe um gefunden (rs =0,68, p=0,0001). Es ergab sich eine geringe bzw.
der 26–28-Jährigen am meisten Spaß bei der Fallbearbeitung hatte. mittlere Korrelation zwischen der subjektiven Einschätzung des Ler-
Die Altersgruppe der 20–22-Jährigen hatte am wenigsten Spaß. Die nerfolges und dem Interesse am Fachgebiet Innere Medizin (rs =0,42,
Unterschiede waren signifikant (p<0,05). p=0,0001) sowie dem Vorlesungsbesuch (rs =0,51, p=0,0001). Dage-

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60
Wie viele der acht angebotenen Tab.1 Akzeptanz des Lernsystems: Veränderungen im Zeitverlauf.
CASUS-Computerlernfälle zur
VL Innere Medizin haben Sie WS 99/00 + SS 00 SS 01 + WS 01/02
50 insgesamt bearbeitet?
51 Technische Bedienbarkeit* 77,4% 62%
Motivationsfaktor Spaß* 66,9% 75%

40 Vermittlung v. Zusammenhängen* 47% 56%


Aufzeigen von Lücken* 68,2 72%
Ergänzung der VL* 55% 55%
Prozent

30 Wunsch, weitere Fälle zu bearbeiten** 95,1% 94%


* Prozentangaben beziehen sich auf die beiden besten Bewertungen
** Prozentangaben beziehen sich auf die Antwort „ja“
20 22
Insgesamt waren dies 135 Mitteilungen. Es wurden dabei die folgen-

Originalien
14 den Themen angesprochen: Bewertung der Fragen, Multimediaver-
10
fügbarkeit und -qualität, Lernform/Lernerfolg und Anerkennung.
7
4
0 Bewertung der Benutzerantworten bei Freitextfragen. Das The-
1 2 3 4 5 6 7 8 ma Texterkennung spielte in den Äußerungen eine verhältnismä-
Anzahl bearbeiteter Lernfälle pro Student ßig große Rolle (insgesamt 56 Äußerungen). 55 bezogen sich dabei
auf die Nichterkennung einer als inhaltlich richtig eingeschätzten
Abb.4 Anzahl bearbeiteter Lernfälle.
Lösung durch den Computer.

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140 Aus welchen Gründen haben
Multimediaverfügbarkeit und -qualität. Von den Studierenden
Sie keine weiteren Fälle bearbeitet?
wurden diesbezüglich nur wenige systembedingte Probleme be-
120 a) Es gab keine weiteren Lernfälle mehr.
b) Es wurden keine weiteren Testate in mängelt. Die meisten Aussagen bezogen sich auf fehlende techni-
115 Aussicht gestellt. sche Möglichkeiten am Computer zum Anhören von Audios und
Anzahl der Nennungen

100 c) Zeitmangel
d) Inhalte der Fälle sind nicht eine zu kleine Bildgröße.
prüfungsrelevant.
80 e) Für Prüfungsvorbereitung sind an-
dere Lernformen geeigneter.
Lernform/Lernerfolg. An dieser Stelle wurde das fallbasierte Ler-
f) Andere Lernformen sind generell nen insbesondere mit der Lernform „Vorlesung“ verglichen. Das
60 effektiver.
Lernprogramm wurde als wesentlich höher profitabel als der Be-
g) Die Fallbearbeitung hat keinen Spaß
gemacht. such vieler Vorlesungen beschrieben. Auch wurde der durch das 555
40 h) Die Lernfälle decken nicht das System vorgegebene Zeitraum intensiver Beschäftigung mit ei-
gesamte Stoffgebiet ab.
36 nem Fall als sehr positiv hervorgehoben. Die praktische Anwen-
20
23 dung des Fachwissens in einer dem Klinikalltag vergleichbaren
13 praxisnahen Form wurde betont.
0
a b c d e f g h
Schließlich äußerte sich eine Reihe von Studierenden noch zur
Abb.5 Gründe für das Nichtbearbeiten weiterer Lernfälle. Lernmethode: Der aktivierende Aspekt („moderne Lernform, bei
der man aus der Passivität gerissen wird“), die Bereicherung für
gen fand sich zwischen dem Interesse an Innerer Medizin und dem das Studium, die Auflockerung des Lernalltags oder die Freude am
Besuch der Vorlesung nur eine schwache Korrelation (rs =0,25, Lernen wurden ausgedrückt („hat mir großen Spaß gemacht“).
p=0,001).
Anerkennung. Außer dem durchweg positiven Feedback zu Ler-
Weiter hängen sowohl die Steigerung der Motivation für das nerfolg und Lernmethode, gaben die Studierenden noch zahlreiche
Studium (rs = 0,27, p = 0,001) als auch der Spaß an der Fallbear- sehr positive Rückmeldungen ganz allgemeiner Art, wie z.B.: „Sehr
beitung mit der Einschätzung der technischen Bedienbarkeit gutes Programm“, „Das ist ein ganz toller Fall“.
zusammen (rs = 0,28, p = 0,001).
Diskussion
Ergebnisse im Zeitverlauf
Da bereits aus den Jahren 1999 und 2000 umfangreiche Daten aus Derzeit werden an zahlreichen Hochschulen des deutschsprachigen
dem elektronischen Kurzfragebogen vorlagen, wurden diese mit Raums Erfahrungen mit computergestützter Lehre gesammelt. In
den aktuellen Daten verglichen. Die Veränderungen der Bewertung zahlreichen Studien ist die Akzeptanz von computergestütztem Ler-
des Lernsystems durch die Studierenden im Zeitverlauf zeigt Tab.1. nen Gegenstand der Evaluation. Während bei Frey (6) 70% der be-
fragten Studierenden lieber ohne Computer lernen, belegen andere
Kommentare der Studierenden Autoren, die speziell fallbasierte computergestützte Lehre evaluier-
Am Ende des Online-Fragebogens konnten die Benutzer Mitteilungen ten, eine hohe Akzeptanz, Zufriedenheit und Lernmotivation durch
in ein Kommentarfeld eingeben. Diese Möglichkeit nutzten ein Drittel computergestützte Lernprogramme (9). Entscheidend scheint hier
derjenigen, die bereits die geschlossenen Fragen beantwortet hatten. ein für die Studierenden erkennbarer Vorteil der Lernprogramme ge-

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genüber anderen Lernformen und die Art des zugrunde liegenden In- bleibt offen. Um darüber genauere Aussagen machen zu können,
tegrationskonzeptes. hätten die Studierenden differenzierter befragt werden müssen.

Je mehr die Studierenden einen Bezug des CBT-Angebots zu den Ausblick


Lehrveranstaltungen sehen, desto besser die Akzeptanz (2, 6). Inso-
fern hat es sich bewährt, Lernfälle thematisch fest mit einer Vorle- Die neue Approbationsordnung für Ärzte, ÄAppO (1) sieht vor, fall-
sung/einem Seminar zu koppeln und die Dozenten zu involvieren. basiertes Lernen verstärkt in die Curricula für die medizinische Aus-
bildung einzubinden. So wird beispielsweise gefordert, dass der
Des Weiteren haben die Ergebnisse dieser Studie gezeigt, dass eine „Unterricht im Studium [soll] fächerübergreifendes Denken fördern
Gratifikation in Form eines Testates für die Bearbeitung von Lernfällen und soweit zweckmäßig problemorientiert am Lehrgegenstand aus-
eine gute, wenn auch extrinisische Motivation darstellt. Die Verteilung gerichtet sein [soll]“ (§2 Abs. 2 ÄAppO). Für die Umsetzung der neu-
der Anzahl bearbeiteter Lernfälle zeigte, dass sich die meisten Studie- en Approbationsordnung bedarf es geeigneter Integrationskonzep-
renden bei der Fallbearbeitung an Testatbedingungen orientierten. Da te, die sich an vorhandenen Erfahrungen orientieren. Die vorliegen-
für die evaluierten Studierenden das Bestehen von Prüfungen und Er- de Studie liefert – mit dem Focus auf fallbasierter computergestütz-
Originalien

langen von Testaten im Vordergrund steht, steigt die Motivation, ter Lehre – einen Beitrag zur aktuellen Diskussion.
wenn unmittelbar ein Testaterwerb oder das Bestehen einer Prüfung
in Aussicht steht (6). Es ist zu erwarten, dass die Verankerung von fall- Durch die neue Approbationsordnung ist zu erwarten, dass die fall-
basiertem Lernen in die Curricula zur verstärkten Nutzung von CBT- basierten computergestützten Lernsysteme in Zukunft mehr ge-
Angeboten wie CASUS führen wird. Andererseits ist aber im Vergleich nutzt werden, zumal das fallbasierte Lernen nicht nur integraler Be-
mit früheren Studien zu bemerken, dass inzwischen deutlich mehr standteil des Studiums, sondern auch prüfungsrelevant werden
Studierende bereit sind, zusätzliche Lernfälle zu lösen, für die kein Tes- wird. Untersuchungen zu Prüfungsszenarien mit fallbasierten Lern-
tat vergeben wird (31% in der vorliegenden Studie, 1999: 11%). systemen sind erforderlich, da die medizinischen Fakultäten im

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Rahmen der neuen ÄAppO eine Fülle benoteter und zum Teil inter-
Aus anderen Ergebnissen ist bekannt, dass bei der Vorbereitung disziplinärer Scheine vergeben müssen.
auf eine Prüfung die Lernmethoden gezielt auf die Prüfungserfor-
dernisse abgestimmt werden. Die Einstellung von Studierenden, Inwieweit sich die Erkenntnisse zum computergestützten fallba-
dass eine Vorbereitung auf Multiple-Choice (MC) -Prüfungen am sierten Lernen aus der medizinischen Ausbildung in die ärztliche
besten mit MC-Fragen erfolgt bzw. das Lernen mit interaktiven Fort- und Weiterbildung übertragen lassen, ist offen (3). Hierzu sind
Programmen für MC-Prüfungen keinen Vorteil (bei meist größe- weitere empirische Untersuchungen erforderlich.
rem Zeitaufwand) bietet, konnte empirisch nachgewiesen werden
(5, 8). Wenn im Zuge der Einführung der neuen Studienordnungen Autorenerklärung: Die Autoren erklären, dass sie keine finanziel-
der zweite Abschnitt der ärztlichen Prüfung fallbezogen und mit len Verbindungen mit einer Firma haben, deren Produkt in diesem
556 problemorientierten Fragestellungen gestaltet werden wird, ist zu Artikel eine wichtige Rolle spielt (oder mit einer Firma, die ein
erwarten, dass sich dies auch in einer veränderten Prüfungsvorbe- Konkurrenzprodukt vertreibt).
reitung der Studierenden bemerkbar machen wird.
Literatur
1
Ein unerwartetes Ergebnis dieser Studie zeigte sich beim Vergleich Approbationsordnung für Ärzte (ÄAppO) vom 27.06.2002. Teil 1, Nr. 44
(Hrsg). Bundesgesetzblatt, 2002
der Altersgruppen hinsichtlich ihrer Bevorzugung von Lernmetho- 2
Daetwyler C, Langkafel P. Der Stellenwert der neuen Medien im Medizin-
den. Dass die älteren Studierenden lieber mit dem Lernprogramm studium. Beitrag anlässlich der Wintertagung der GMA 99, http://
arbeiten als die jüngeren, lässt sich nur spekulativ interpretieren: www.aum.iawf.unibe.ch/did/vor/gma/wintertagung99.htm, 1999
3
Möglicherweise steht bei den älteren Studierenden die Anwen- Fischer MR. E-Learning in der medizinischen Aus-, Fort- und Weiterbil-
dung. Med Klin 2003; 98: 594–597
dungsorientierung gegenüber der Prüfungsorientierung im Vor- 4
Fischer MR. CASUS – An authoring and learning tool supporting diagnostic
dergrund, was typisch ist für das Erwachsenenlernen. reasoning. Part II (Hrsg). Hrsg: Daetwyler Ch, Zeitschrift für Hochschuldi-
daktik 1/2000, Use of computers in Medical Education. 2000: 87–98
5
Die Bewertung der technischen Bedienbarkeit verschlechterte sich Floto C, Huk T. Neue Medien in der Medizin – Stellenwert, Chancen, Gren-
zen. Dtsch Ärzteblatt 2002; 99: 1582–1585
im Zeitverlauf geringfügig, obwohl das Lernsystem weiterentwickelt 6
Frey P. Papier oder PC? Die neuen Medien auf dem Prüfstand. Zeitschrift für
worden war. Dies ist möglicherweise zum einen darauf zurückzu- Hochschuldidaktik 1/2000, Use of computers in Medical Education Part II
führen, dass die Lernfälle zunehmend mehr Multimedia enthalten (Hrsg). Hrsg: Daetwyler Ch, 2000: 99–108
7
Gräsel C, Mandl H. Förderung des Erwerbs diagnostischer Strategien in fall-
und die Studierenden zum anderen vermehrt von zu Hause über das
basierten Lernumgebungen. Unterrichtswissenschaft 2003; 21: 355–370
Internet auf die Lernfälle zugreifen statt über Rechner der Fakultät. 8
Maleck M, Fischer MR, Kammer B et al. Do computers teach better? A me-
dia comparison study for case-based teaching in radiology. Radiographics
Die Frage des Lernerfolges wurde in der vorliegenden Studie nur 2001; 21: 1025–1032
9
Ruderich F, Riedel J, Singer R. CAMPUS in der Praxis. Aachen: Shaker, In:
subjektiv ermittelt. Dies geschah vor dem Hintergrund, dass ande-
Bernauer J: Rechnergestützte Lehr- und Lernsysteme in der Medizin: Pro-
re Studien (7) bereits die hohe Korrelation zwischen selbsteinge- ceedings der GMDS AG Computergestützte Lehr- und Lernsysteme in der
schätztem Wissenszuwachs und objektiven Testergebnissen bele- Medizin. 2002: 87–96
10
gen. Studierende, die Interesse am Fachgebiet haben und die Vor- Scriven M. Die Methodologie der Evaluation. München: Sage, In: Wulf C
(Hrsg.). Evaluation. 1972: 60–91
lesung besuchten, profitierten subjektiv am meisten. Ob die Stu- 11
Simonsohn AB, Fischer MR. Fallbasiertes computergestütztes Lernen in der
dierenden unter Lernerfolg nur Wissenszuwachs verstehen oder Inneren Medizin an der Universität München: Erfolgreiche Integration
auch das Erlangen von Schlüsselqualifikationen wie differentialdi- oder überflüssiger Zusatz? Proceedings zum 7. Workshop der GMDS, In:
agnostisches Denken und medizinische Entscheidungsfindung, Rechnergestützte Lehr- und Lernsysteme in der Medizin. 2003: 231–242
12
Wottawa H, Thierau H. Evaluation. Göttingen: Huber, 1998: 131–132

Dtsch Med Wochenschr 2004; 129: 552–556 · A. B. Simonsohn et al., Evaluation eines fallbasierten...

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