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2.4. Akkordlehre Tutorial 36: https://youtu.

be/atvi29mt33w

2.4.1 Dreiklang, Grundakkord Dur und Moll, Slashchords, No-three-Chord, No-fifth-


Chord, verminderter Dreiklang, übermäßiger Dreiklang

Unter einem Akkord verstehen wir die Schichtung von Terzen. Der einfachste AKKORD
entsteht, wenn wir auf einem Ton eine Quinte aufstellen und in die Mitte dieser Quinte eine
Terz platzieren:

Bei diesen Beispielen ist die Quinte eine reine Quinte, die Terz im zweiten Takt ist eine
große Terz (wir nennen diesen Dreiklang dann DURDREIKLANG), im dritten Takt haben
wir mit dem Ton „es“ eine kleine Terz gesetzt - damit wird dieser Dreiklang zum MOLL-
DREIKLANG.
Der Ton c ist der GRUNDTON des Dreiklangs, der Ton g die Quinte des Dreiklangs und die
Töne e oder es sind die „farbgebenden“ Terzen des Dreiklangs. Somit hat der Dreiklang
drei Bausteine.

Seit der Renaissancezeit hat sich die sogenannte „Vierstimmigkeit“ entwickelt.


Ausgangspunkt war die allmähliche Aufteilung der menschlichen Stimmlagen in die
Tonbereiche Sopran, Alt, Tenor und Bass. Dieses „vierstimmige Denken“ wurde auch
Grundlage des instrumentalen Komponierens.

Den vierten Ton erhalten wir, indem wir einen der Dreiklangstöne „verdoppeln“. Das ist als
definierter Standard der Grundton, es kann aber auch die Terz oder die Quinte verdoppelt
werden. Mit dieser Doppelung und der damit entstehenden Vierstimmigkeit erhalten wir
einen AKKORD, als Standard bestehend aus dem Grundton, der Terz, der Quint und dem
verdoppelten Grundton (den wir als Oktave oder 8 bezeichnen).

Nicht zuletzt aufgrund der uns bekannten Obertonreihe, die ja eine reine Oktave, eine reine
Quinte und dann eine große Terz enthält, wurde der DUR - AKKORD zum Standard und
wird in der AKKORDBEZEICHNUNG (im AKKORDSYMBOL) nur als Großbuchstabe des
Grundtons dargestellt.
C = C-Dur = c+e+g+c

Der Akkord mit der kleinen Terz wurde als MOLLAKORD bezeichnet und wird heute mit
einem kleinen „m“ (früher auch „mi“ für „minor“ oder nur mit einem kleinen Querstrich – )
hinter dem groß geschriebenen Grundtonbuchstaben bezeichnet.
Cm = C-Moll = c+es+g+c

Solange das C der tiefste Ton ist, ändert sich nichts an der Bezeichnung. Die Verteilung der
Terz, der Quinte und der Oktave auf die drei oberen Stimmen kann unterschiedlich
aussehen. Wir nennen diese Verteilung „Voicing“. Die folgende Darstellung zeigt mehrere
Möglichkeiten, einen C-Dur Akkord zu „voicen“. Der tiefste Ton bleibt der Grundton C,
daher heißen alle diese Akkorde auch „Grundakkorde“.

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Welches „Voicing“ benutzt wird, entscheidet der/die Komponist/in oder Arrangeur/in im
konkreten Kontext eines Stückes. Zu bedenken sind dabei ja auch instrumentale oder
vokale Besetzungen. Das Voicing im fünften Takt beispielsweise nennen wir „weite Lage“
weil zwischen allen Tönen immer ein Akkordton frei bleibt.

Etwa 80% aller Akkorde in der Musik sind Grundakkorde. Ein Akkord klingt stabil, wenn
sein tiefster Ton der Grundton ist. Aber es gibt immer wieder „Gründe“ dafür, die Terz oder
(am seltensten) die Quinte als tiefsten Ton zu setzen – zum Beispiel, wenn der Akkord
offener oder „nicht stabil“ klingen soll. Dann deuten wir dies im Akkordsymbol mit einem
Querstrich, dem „Slash“ hinter dem Grundtonbuchstaben an und notieren hinter dem Slash
den konkreten tiefsten Ton. Beispiel C/E oder C/G
Akkorde mit Terz oder Quint als tiefster Ton heißen in der Akkordlehre „Slash-
chords“. In der traditionellen Musiktheorie nennt man sie „Umkehrungen“, was vor
allem durch die Positionierungsmöglichkeit des normalen Dreiklangs begründet
wurde (c-e-g oder e-g-c oder g-c-e)

Im ersten Takt sehen wir, dass die Terz e gedoppelt ist, der zweite Takt doppelt die Quinte,
der dritte Takt doppelt den Grundton und ist die „klassische Form“ des „Slashchords über
der Terz“.
In Takt 4 und 5 sehen wir „Slashchords über der Quinte“, wo in beiden Fällen die Quinte
gedoppelt ist. In der Tat – das ist ein Standard für diesen eher seltenen Slashchord seit der
Barockzeit. Der Hintergrund: das gedoppelte g erhält eine gewisse Vorherrschaft in dem
C/G – Akkord und unser „inneres Ohr“ hört schon erwartend, dass nach dem C/G ein G-Dur
Akkord kommen soll. Diese Akkordkombination C/G - G hat Tradition. (wir klären das noch
im Kapitel 4, der Harmonielehre).

Auch die Moll- Slaschords werden in gleicher Weise gebildet und es gelten die gleichen
Prinzipien:

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Bem: „Slashchords“ sind generell Akkorde, deren Basston nicht der Grundton ist. Der
Basston kann daher auch ein akkordfremder Ton sein: F/G oder C/Eb

Man kann die Terz aus einem Akkord auch komplett herauslassen. Das war noch in der
Renaissancezeit oft anzutreffen, insbesondere an Schlüssen, da durch den Wegfall der
Terz die imperfekte Konsonanz aus dem Akkord verschwand und dadurch der Akkord aus
damaliger Sicht „stabiler“ und konsonanter war.
In der Klassik und Romantik waren solche terzlosen Akkorde nahezu unvorstellbar, in der
Moderne wurden sie wieder „in“ und im Pop finden sie sich recht häufig. Sie heißen „no
three chords“ und werden entweder auch so notiert (C no3) oder nur mit einer 5 hinter dem
Grundtonbuchstaben (C5). Es sind auf der E-Gitarre die bekannten „Powerchords“

Der erste Takt zeigt sogar einen nur dreistimmigen „No three chord“, im letzten Takt ist
alternative Schreibweise C5 benutzt. In der Arrangementpraxis setzt sich das „no3“ aber
zunehmend als Standardbezeichnung durch.

Es gibt hier und da auch musikalische Gründe, die Quinte eines Akkordes zu streichen.
Die Bezeichnung „no5“ ergibt sich zwangsläufig. Im vierstimmigen Klang wird dann zumeist
der Grundton verdreifacht.

Die „No-fifth-Chords“ waren in der Klassik gern benutzte Schlussakkorde, was teilweise aus
Gründen strenger kompositorischer Regeln geschah (indem dieses Voicing dem zuvor
aufgebauten Richtungswillen dissonanter Intervalle und Leittönen entgegenkam), teilweise
war es auch eine Ästhetik, einen besonders „schlanken“ Abschlussklang präsentieren zu
wollen. Durch den Grundton im Bass kam nämlich die Quinte ohnehin als Oberton in den
Klang, nur eben zurückhaltender, als wenn sie auch noch leibhaftig gespielt würde).

Eine letzte Möglichkeit der „Variation“ unserer Dreiklänge bzw. Akkorde auf C bietet sich in
der ALTERATION (Veränderung) der Quinte. Dieses Mittel ist klanglich interessant, wird
aber seltener angewendet, da die Quinte als b5 oder #5 nicht mehr „stabil“ ist.
Die b5 entspricht klanglich dem Tritonus und ist damit dissonant, also „nach Auflösung
strebend“.
Die #5 entspricht akustisch der kleinen Sexte und ist damit nur imperfekt konsonant,
wodurch ein #5-Akkord „schwebend“ klingt.
Wenn man aber genau dieses „Strebende“ oder „Schwebende“ nutzen will, ist die Alteration
der Quinte ein geeignetes kompositorisches Mittel.

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Denkbar sind alle Kombinationen von Terzen und b5 oder #5 – bis auf die Kombination
der kleinen Terz mit der #5. Wenn wir uns den Klang c-es-gis vorstellen oder ihn spielen,
werden wir das gis eher als as empfinden und einen As- Dur Dreiklang (as-c-es) über der
Terz hören.

Benutzt werden folgende Akkord-Typen:

Der Akkord im zweiten Takt wird auch „verminderter Dreiklang“ genannt und mit der kleinen
Null ° abgekürzt – wie im dritten Takt dargestellt. Der Begriff „verminderter Dreiklang“
orientiert sich an der verminderten Quinte c-ges. Aber gelegentlich sieht man auch die
Bezeichnung als Molldreiklang mit b5 wie in Takt 2 bezeichnet.

Der Akkord im vierten Takt ist ein Durdreiklang mit #5. Diese erhöhte Quinte ist die
„übermäßige Quinte“, der Dreiklang besteht also aus zwei großen Terzen übereinander (C-
e und e-gis). Aufgrund der übermäßigen Quinte wird er auch „übermäßiger Dreiklang“
genannt und sehr oft mit dem Pluszeichen hinter dem Grundtonbuchstaben dargestellt.

Für alle weiteren Anwendungen – sowohl in der Analyse als auch in der Komposition und
im Arrangement ist eine sichere tonliche Vorstellung der Akkorde ein Muss. Daher solltest
du dir immer wieder Akkordsymbole – wie in diesem Kapitel beschrieben – zusammen-
stellen und (zunächst im Violinschlüssel) vierstimmig darstellen, gern in unterschiedlichsten
Voicings und natürlich auch als Slashchords

Check 2.4.1 (Lösungsvorschläge im Lösungsteil)


Notiere alle Akkorde vierstimmig. Die Voicings können natürlich anders ausfallen als
im Lösungsteil, das ist unvermeidlich, weil es verschiedene Voicingmöglichkeiten
gibt. Beim Vergleich mit der Lösung kommt es vor allem auf die richtigen Töne an.

ÜBUNG: Setze Akkorde nach Symbolen vierstimmig im Violinschlüssel aus


Im Ordner „Cross Over Übungen“ findest du die Übung 04 als Musikdatei dazu.
Gestalte selbst ähnliche Übungen.

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2.4.2 Septimakkorde

Der Dreiklang wird als Grundakkord vierstimmig, indem man einen Ton (in der Regel den
Grundton) als Oktave verdoppelt. Seit der Barockzeit hielt zusätzlich der SEPTIMAKKORD
Einzug in die Mehrstimmigkeit. Dabei wird der verdoppelte Grundton (die Oktave) durch die
Septime ersetzt.
Ein Septimakkord entsteht, wenn man drei Terzen „stapelt“ und seine „Bausteine“ sind
dann Grundton, Terz, Quinte und Septime.

Die kleine Septime wird im Akkordsymbol – da sie Bestandteil der „hörbaren“ Obertonreihe
ist – als Standard definiert und mit der Zahl 7 dargestellt. So bedeutet beispielsweise das
Symbol C7 einen C-Dur Dreiklang plus kleiner Septime bb – die Töne heißen c-e-g-bb

Die große Septime wird heutzutage mit dem Begriff „major seven“ beschrieben. So
bedeutet beispielsweise das Symbol Cmaj7 den C-Dur Dreiklang mit dem Zusatz der
großen Septime b (h) – die Töne heißen c-e-g-h (international c–e-g-b). In älteren
Akkordsymboliken findet man anstelle des Zusatzes „maj7“ ein Dreieck.

Die verminderte Septime wird durch die Symbolik °7 dargestellt. Hier ist jedoch zu
beachten, dass die verminderte Septime nur gemeinsam mit der verminderten Quinte b5
und der kleinen Terz vorkommt. Dadurch entsteht ein sogenannter „vollverminderter
Septimakkord“, bei dem drei kleine Terzen gestapelt werden. Dieser ist mit dem Symbol °7
gemeint und bei C°7 bilden wir dann die Töne: c-es-ges-beses (der Ton „beses ist quasi ein
erniedrigtes bb, das man gern auch „bes“ nennt, „beses“ entspricht der Klaviertaste „a“) Die
verminderte Septime entspricht akustisch der großen Sexte. Sehr verbreitet ist noch das
alte Kürzel „dim“, es steht für „diminuished“ (vermindert) und meint ebenfalls den voll-
verminderten Septimakkord. Aber der Zusatz „°7“ setzt sich zunehmend als
Standardbezeichnung durch.

Das Lesen und Bilden eines Septimakkordes erfolgt so:


Grundton: (der tiefste Ton des Terzenstapels)
Terz: groß = Dur / klein = Moll oder vermindert
Septime: normale (kleine) 7 oder major 7 oder °7 (verminderte 7)
Quinte: normale (reine) 5 oder b5 oder #5

Durch diese unterschiedlichen Größen der einzelnen Bausteine lassen sich folgende
Septimakkorde kombinieren:

A Septimakkorde mit kleiner Septime (7)

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B Major- Seven Akkorde

C Der vollverminderte Septimakkord °7, der aus kleinen Terzen gestapelt wird

Schon im Barock waren Slashchords der Septimakkorde üblich, sehr oft erschienen
Septimakkorde auf der Terz (z.B. C7/E oder Cmaj7/E) oder auf der Septime (C7/Bb oder
Cmaj7/B). Lag im Bass die Terz oder die Quinte oder die Septime sprach man in der
traditionellen Musiktheorie von den „Septimakkord-Umkehrungen“

Von den 11 Septimakkord-Typen sind natürlich nicht alle gleichermaßen häufig anzutreffen.
Am bekanntesten sind die Akkorde, die einer Tonart im Quintenzirkel klar zuzuordnen sind.
Diese tonartlichen Zuordnungen sind ein wichtiger Ansatz der in Kapitel 2.5 ff folgenden
„Harmonielehre“ und werden dort eingehend behandelt.

CHECK 2.4.1 Septimakkorde

Bilde folgende Septimakkorde als einfache Terzenstapel anhand der Akkordsymbole.


Die Lösung findest Du im Lösungsteil:

ÜBUNG: Setze Septimakkorde in einen Klaviersatz, im Bass-Schlüssel steht der


Grundton oder bei Slashchords der Ton nach dem Slash. Im Ordner „Cross Over
Übungen“ findest du die Übung 05 als Musikdatei dazu.

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Bem: Der kompositorische Zweck eines Septimakkordes liegt darin, Spannung zu
erzeugen, denn die Septime zählt zu den Dissonanzen. Demnach war es in der Musik vom
Barock bis zur Romantik üblich, einen Septimakkord durch einen nachfolgenden Dur- oder
Mollakkord zu „entspannen“ und man sprach auch hier von „Auflösung des Septim-
akkordes“. Der Standard einer solchen „Auflösung“ (Entspannung) bestand darin, dass der
Ton der Septime als Sekundschritt abwärts geführt wurde. Wenn wir also als Beispiel den
Akkord C7 nehmen, ist bb unsere Septime und muss abwärts zu einem a oder as geführt
werden. Beim Komponieren musste man darauf achten, dass der nachfolgende Akkord
also ein as oder a enthielt und dieser Ton im folgenden Akkord eine Konsonanz war.

2.4.3 Add-Chords

Anstelle der Septime kann man dem Dreiklang auch andere Töne als vierten Ton
„hinzufügen“ oder „aufaddieren“.
In der Popmusik hat sich der „Add 9“-Akkord etabliert, wo anstelle der Oktave die None
(und zwar immer die „normale“ also große None) genommen wird. Da dieser Ton gern
zwischen Grundton und Terz notiert wird, wird der Akkord auch als „add 2“ bezeichnet.
Inzwischen ist aber add9 die verbreitete Standardbezeichnung.
Die „add9“ wird in der Praxis nur Dur – oder Molldreiklängen beigefügt, so dass es auch nur
zwei Typen gibt – natürlich auch als Slashchords.

Der zweite Add-Chord ist schon länger im Gebrauch, konkret seit dem Hochbarock. Es ist
der Dur – oder Molldreiklang mit der „hinzugefügten großen Sexte“. Erstmals wurde diese
Akkord-Bildung von Jean Philippe Rameau (1683 – 1764) in seinem Harmonielehrebuch
erwähnt. Er nannte ihn „Accord de la sixte ajoutée“ und diese Bezeichnung „sixte ajoutée“
oder schlicht „Ajoutée-Akkord“ hat sich in der klassischen Musiktheorie seither etabliert.
In der heute üblichen internationalen Akkordsymbolik wird hinter das Symbol des Grund-
akkords (C oder Cm) die Zahl 6 geschrieben (C6 oder Cm6):

Betrachtet man beispielsweise die Töne des C6 genauer, könnte man den Akkord - wenn
man ihn in Terzen stapelt – natürlich als Am7 deuten, denn es ergibt sich das Tonmaterial
a-c-e-g. Er wäre dann ein Slashchord Am7/C. Der Cm6 entspricht einem Am7b5/C
Rameau hat seine Bezeichnung nicht „absolut“ verstanden, sondern dieses spezielle
Voicing so beschrieben, dass der Akkord sich wie ein Dur- oder Molldreiklang „anhört“, dem
eine große Sexte hinzugefügt wurde. Diese Doppeldeutigkeit hat sich bis heute gehalten.

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Eine neue Form ist der „add4“- Akkord. Wie der Name sagt, wird die reine Quarte addiert.

Check: 2.4.3 Notiere für folgende Add-Chords die korrekten Akkordsymbole

Übung: Notiere Add-Chords im Klaviersatz, dabei auch „add4“. Im Ordner „Cross


Over Übungen“ findest du die Übung 06 als Musikdatei dazu.

2.4.4 Options- und Tensionsakkorde

Die Jazzharmonik erweiterte unseren bisher vierstimmigen Terzenstapel aus Grundton-


Terz-Quinte und Septime (1-3-5-7) um die Terzen None (9), Undezime (11) und Tredezime
(13). Dadurch kann ein Akkord theoretisch maximal siebenstimmig sein.

Das macht aber praktisch wenig Sinn und so entstanden zwei wesentliche Konzepte:
a) der Akkord bleibt vierstimmig, aber die Quinte (5) fällt weg und wird alternativ durch
eine 9 oder 11 oder 13 ersetzt. Damit sind die Töne 9,11 und 13 also wählbare
Alternativen, was man als OPTIONEN bezeichnet.

b) Der Akkord wird fünfstimmig und könnte beispielsweise die 9 als fünften Ton
erhalten, alternativ aber auch statt der 9 die 11 oder die 13. Dieses sogenannte
„Fullvoicing“ wird fünfstimmig z.B durch den Einsatz des Mezzosprans gelöst. Daher
haben Jazzchöre in der Regel die Stimmbesetzung S – MzS – A – T – B (Sopran,
Mezzo, Alt, Tenor Bass). Alternativ kann auch die mittlere Männerstimme „Bariton“
eingesetzt werden. Diese Besetzung S – A – B – Bar – B findet sich beispielsweise
in der beliebten Besetzung des Saxophonquintetts. In der Fünfstimmigkeit wird der
hinzugesetzte Ton 9 oder 11 oder 13 als TENSION bezeichnet. Dieses Wort
bedeutet „Spannung“ und es ging darum, die schon etwas „abgegriffene“ Spannung
des Septimakkordes durch neue, bisher noch nicht bekannte Klänge zu ersetzen.

Die möglichen Options -oder Tensionstöne sind:


None (9) groß (9), kleine None b9, übermäßige None #9
Undezime (11) rein (11), (wie eine Quarte), oder übermäßig #11 (Tritonus)
Tredezime (13) groß (13) oder klein (b13) – wie eine Sexte

Die gern gestellte Fragen: „wann sagt man 11 und wann 4“ oder „wann sagt man 6 und
wann 13“ lassen sich so beantworten: „wenn die Septime dabei ist“.

Aus den bisher bekannten Erscheinungsformen der Terz oder der Septime plus den
Möglichkeiten von Optionstönen lassen sich natürlich zahlreiche Akkorde bilden.
In der Regel gehen wir von der Vierstimmigkeit aus, haben es also mit Optionsakkorden zu
tun. Aber die Fünf – und Sechsstimmigkeit ist – je nach Besetzung – durchaus üblich.

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Hier einige Beispiele:

a) Grundmaterial 1 – 3 – 7 als Standards plus Optionston

Sicher fällt bei der Durchsicht auf, dass der Akkord C7 11 fehlt. Natürlich ist der Akkord
denkbar, aber er galt lange als verpönt wegen der Reibung der 11 (f) mit der 3 (e). Daher
wurde die 11 im Kontext mit der Durterz als „avoid note“ (zu vermeidende Note) bezeichnet.
Erst in neuerer Zeit verwenden Arrangeure auch diese ehemalige „avoid note“

b) Grundmaterial 1 – 3 – maj7 plus Optionston

Die 11 sowie die b13 kommen bei Durterz und major 7 in der Praxis kaum vor – dennoch
wären sie denkbar. Bei der 11 ergäbe sich aber eine „avoid note“. Auch bei einer b9 ergäbe
sich eine avoid note. Ebenso bei der #9 (wobei diese wiederum oben unter Nummer 3
vorkommt – sich also in der Praxis bewährt hat). Daher sind die Beispielklänge Nummer 7-
9 sozusagen „repräsentativ“, aber nicht als Ausschließlichkeiten zu verstehen.

c) Grundmaterial 1- b3 – und 7 bzw. maj7

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d) Sonderfall „6-9 Akkord“ in Dur und Moll: als Add-Chord und Optionsakkord zugleich
kann man den gern verwendeten 6-9 – Akkord bezeichnen. Dabei ist die Terz eine
Dur- oder Mollterz, die Sexte und die None sind wie gewohnt groß und der Akkord
kommt selten als Slashchord vor. Damit sind diese beiden Typen repräsentativ, die
ich bewusst den Optionsakkorden zuordne, weil die 9 eine Option und die 6 ein „Add
on“ ist oder eben umgekehrt.

Tensionsakkorde

Die Fünfstimmigkeit der Tensionsakkorde lässt die Einbeziehung der Quinte zu, was dann
besonders attraktiv ist, wenn die Quinte „alteriert“ wird, also als b5 oder #5 vorkommt.
Denn: das Fehlen der Quinte bei den Optionsakkorden „denkt“ die normale, reine Quinte
als Oberton mit, besonders wenn der Grundton auch der tiefste Akkordton ist. Bei einer
alterierten Quinte hat man eine „Farbe“ bzw. eine Spannung mehr – und um diese Reize
geht es.

e) die None als Tension

f) die Undezime und die Tredezime als Tensionen oder Doppel-Optionen

Zum einen kann die 11 als Tension dem Grundmaterial 1-3-5-7 als fünfter Ton beigegeben
werden – also wie bei der 9. Denkbar sind aber auch Doppel-Optionen = die Quinte fällt
wieder raus und wird durch eine Option (z.B. 9) ersetzt. Als Zusatzton (Tension) kommt
dann eine 11 oder 13 hinzu (im fünfstimmigen Satz)
Natürlich sind auch sechsstimmige Sätze vorstellbar, wenn man z.B. im Chor die
Besetzung S M A T BAR B oder eine entsprechende Instrumentalbesetzung wählt oder die
Akkorde so „legt“, dass sie sich auf dem Klavier günstig greifen lassen. Das sind dann aber
schon sehr dichte „Klangwolken“.

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Einige fünfstimmige Beispiele für Tensionen oder Doppeloptionen

In letzter Konsequenz kann eigentlich jeder Ton in jedem Akkord vorkommen. Dies zu
„denken“ ist die härteste aller Akkordübungen, die ich Dir dennoch zeigen möchte:

Nimm „irgendeinen“ Ton und „irgendeinen“ Akkordgrundton und bringe beides zusammen:

Als Beispiel nehmen wir den Ton c als Grundton und ordnen ihm einmal alle Töne einer
aufwärts geführten chromatischen Skala zu:

Wir haben alle Zahlen schon kennengelernt – auch die 4 als „Addnote“

Übung; Notiere fünfstimmige Tensionsakkorde im Klaviersatz. Im Ordner „Cross


Over Übungen“ findest du die Übung 07 als Musikdatei dazu.

2.4.5 Sus-Akkorde

Unsere letzte Akkordgruppe sind die sogenannten „Sus-Akkorde“. Das sind Klänge, bei
denen uns die Terz „vorenthalten“ und durch einen ihrer Nachbartöne 4 oder 2 ersetzt wird.
Diese sogenannten „Vorhalte“ sind die reine Quarte (4) bzw. die große Sekunde (2).
Wenn man einen solchen Vorhalt (Vor-Enthalt) notieren möchte, schreibt man die ersten
drei Buchstaben des Wortes „suspended“, nämlich „sus“ und dahinter die 4 (sus4) oder die
2 (sus 2).
In der klassischen Musiktheorie war es Vorschrift, dass die Terz des Akkordes nach einem
solchen Vorhalt auch tatsächlich erscheint. Im Pop wird das freier gehandhabt: nach einem
Sus-Akkord muss nicht mehr zwangsläufig der Grundakkord mit seiner Terz kommen.

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Hier der „Standard“ mit der Terz als „Auflösung“ des „Sus-Tones“:

Der sus-4 Akkord mit seiner „Auflösung“ zum Dur-Grundakkord ist der älteste Vertreter der
Sus-Chords und entstand als Spannungsklang noch vor dem Septimakkord bereits in der
Renaissancezeit.

Man kann auch beide Sus-Chords nacheinander einsetzen und dann erst den
Grundakkord:

Oder man setzt sus4 – dann den Grundakkord – dann sus2 und dann nochmal
Grundakkord, Diese Form kann als Schluss eines Stückes gewählt werden. Sie hat den netten
Beinamen „Cäcilienschwänzchen“ erhalten, weil sie früher oft vom Organisten eingesetzt wurde, um eine
Tonangabe für das gesungene Gebet oder die Akklamation des Priesters zu gestalten. Die heilige Cäcilia ist
die Patronin der katholischen Kirchenmusik und damit aller katholischen Kirchenchöre – daher der Name
„Cäcilienschwänchen“

Bemerkung zur „Ehrenrettung der Kirchenmusiker“ – das ist ein Relikt aus dem früher mit der Orgel
„durchgespieltem“ Sonntagshochamt, wo alle Priestergesänge von der Orgel an-intoniert wurden und das
abschließende, auf ein Ton gesungene „Amen“ eben auch mit einem „Cäcilienschwänzchen“ begleitet wurde.

Auch Septimakkorde können zusätzlich Sus-Chords sein, am häufigsten sind dies Akkorde
mit kleiner 7.
Und der Akkord, der schlicht mit „sus“ (also ohne 2 oder 4 dahinter) bezeichnet wird, ist
eine Sonderform: er besteht aus Grundton – sus4 – 7 und 9

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Dieser „Sus-Chord“ ist im Gospel und im Pop sehr beliebt und wird überwiegend auf der 5.
Stufe der Tonart gebildet, in C-Dur wäre es also auf g und die Töne sind: g c f a. Man kann
ihn also auch als F/G bezeichnen, ebenso wie der zweite Akkord im Beispiel mit Bb/C be-
schreibbar wäre (was auch häufig so praktiziert wird)
Bevor es im nächsten Kapitel mit der Harmonielehre weitergeht, empfehle ich als Übung,
immer wieder Akkorde zu bilden und zu benennen um die Symbole klar deuten und die
korrekten Töne zu finden. Dies kann unter Nutzung der Notation oder auch nur als
Tonaufzählung erfolgen. Denke erst immer im Terzenstapel (bei Optionsakkorden wird die
Quinte einfach ausgelassen).

Hier einige Beispiele zum eigenen Nachvollziehen:


D7 #11 d fis c gis (Optionsakkord vierstimmig)
A sus 2 ahea
Gm7 11 g bb f c
F#7 fis ais cis e
E maj7 13 e gis dis cis
Gm6 g bb d e
Eb 6 9 es g c f
F sus4 f bb c f
A7 sus 2 aheg

Check 2.4.4 Übe nun selbst anhand der folgenden Akkordsymbole und schreibe die
Töne rechts in die Spalte als Ton-Namen. Notiere alle Akkorde vierstimmig (= jeder
Akkord hat vier Töne, ggf. wird der Grundton gedoppelt)
Die Lösung findest Du im Lösungsteil

Dm add9

F# 07

D7 b13

Gm7 b5

E7 #9

Ab7 sus2

D sus

G maj7 #11

Cm7

Fm7 11

Gb

A no3

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