Sie sind auf Seite 1von 707

Braunkohlesanierung

Carsten Drebenstedt • Mahmut Kuyumcu


(Hrsg.)

Braunkohlesanierung
Grundlagen, Geotechnik,
Wasserwirtschaft, Brachflächen,
Rekultivierung, Vermarktung
Herausgeber
Carsten Drebenstedt Mahmut Kuyumcu
Institut für Bergbau und Spezialtiefbau Lausitzer und Mitteldeutsche
TU Bergakademie Freiberg Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH
Deutschland Senftenberg
Deutschland

ISBN 978-3-642-16352-4    ISBN 978-3-642-16353-1 (eBook)


DOI 10.1007/978-3-642-16353-1

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio-


grafie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Springer Vieweg
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die
nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung
des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen,
Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem


Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen
im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und
daher von jedermann benutzt werden dürften.

Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier

Springer Vieweg ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe
Springer Science+Business Media
www.springer-vieweg.de
Grußwort des Beauftragten der
Bundesregierung für die Neuen
Bundesländer, Dr. Christoph Bergner, zum
Fachbuch „Braunkohlesanierung“

Der industrielle Abbau, die Verarbeitung und die Verstromung von Braun-
kohle haben in Deutschland eine mehr als hundertjährige Geschichte. In Mit-
teldeutschland und in der Lausitz war dieser Industriezweig lange die Basis
einer dynamischen wirtschaftlichen Entwicklung.
Die DDR richtete ihre Energieerzeugung aus Mangel an anderen Roh-
stoffen auf die reichlich vorhandene Braunkohle aus. Die Mitarbeiter in der
Braunkohlenförderung haben Großes geleistet, vor allem in strengen Win-
tern. Die Gewinnung und Verarbeitung dieses Rohstoffes wurden angesichts
sich verschärfender wirtschaftlicher Probleme jedoch immer extensiver
betrieben. Bis zum Ende der DDR im Jahr 1989 entstanden so gewaltige
bergbauverursachte Altlasten.
Unmittelbar nach der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990
haben sich der Bund und die vom Braunkohlenbergbau betroffenen ostdeut-
schen Bundesländer der Herausforderung gestellt, diese Hinterlassenschaften
zu beseitigen und die tiefen Wunden in Natur und Landschaft zu heilen. Not-
wendige Voraussetzung für die Braunkohlesanierung war eine langfristige
Bereitstellung finanzieller Mittel der öffentlichen Hand.
Mit dem Abschluss des „Verwaltungsabkommens über die Regelung der
Finanzierung ökologischer Altlasten“ vereinbarten der Bund und die Bundes-
länder Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen die gemein-
same Umsetzung, Finanzierung und Organisation der Braunkohlesanierung.
Damit war der Grundstein für die größte Landschaftsbaustelle Europas gelegt.
Verantwortung für die Beseitigung von Gefahren und die Wiedernutzbarma-
chung der ehemaligen Bergbauflächen trägt die Lausitzer und Mitteldeutsche
Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH. Die Sanierungsmaßnahmen sichern
Arbeitsplätze. Wenn aus ehemaligen Tagebauen attraktive Landschaften oder
Veranstaltungsorte werden, verbessert das die ökonomischen Chancen der
alten Reviere. Das Verwaltungsabkommen wurde bereits mehrfach ergänzt.
Dabei wurde auch neuen Herausforderungen, wie dem natürlichen Anstieg
des Grundwassers in den Revieren, inhaltlich und finanziell Rechnung getra-
gen. In den vergangenen 20 Jahren haben Bund und Braunkohlenländer
fast 9 Milliarden Euro in die Braunkohlesanierung investiert. Dieses beein-
druckende Gemeinschaftswerk wird zu Recht als eine Erfolgsgeschichte der
deutschen Einheit bezeichnet. Trotz der bisherigen Erfolge haben aktuelle
Ereignisse gezeigt, wie wichtig die Aufgabe auch in Zukunft sein wird.
Der Bund wird daher auch weiterhin im Rahmen seiner Möglichkeiten als
verlässlicher Partner mit den Ländern diese Erfolgsgeschichte fortführen.

V
VI Grußwort des Beauftragten der Bundesregierung für die …

Auf den Flächen des stillgelegten Braunkohlenbergbaus hat sich ein


bemerkenswerter, deutlich sichtbarer Wandel vollzogen. Bergbauflächen
von insgesamt mehr als 100.000 ha werden zu wirtschaftlich chancenrei-
chen Nutzflächen oder Naturschutzflächen verwandelt. Besonders die aus
ehemaligen, unwirtlichen Restlöchern entstehenden großen Seen geben den
neuen Landschaften im Süden von Leipzig, bei Bitterfeld und in der Lausitz
ein neues Gesicht. Obwohl ihre endgültige Fertigstellung noch einige Jahre
Arbeit erfordert, sind die vielen neuen Möglichkeiten – zum Beispiel auch für
Freizeit und Erholung – im Ansatz erkennbar. Gleichzeitig wurden aus Alt-
standorten der Braunkohlenindustrie moderne Industrieparks entwickelt, auf
denen zukunftsträchtige Arbeitsplätze entstanden sind. Stichwort sind hier
Photovoltaik- und Windkraftunternehmen.
Die Bergbausanierung und der Umstrukturierungsprozess in den ostdeut-
schen Braunkohlenrevieren sind bereits sehr weit fortgeschritten. Die LMBV
als Projektträger der Braunkohlesanierung hat in den vergangenen Jahren
erfolgreich gewirkt und dabei einzigartige Erfahrungen gesammelt.
Die besonderen organisatorischen, technischen, technologischen und wis-
senschaftlichen Herausforderungen werden im vorliegenden Buch darge-
stellt. Es kann für ähnliche Umstrukturierungsprozesse in anderen Ländern
als Leitfaden dienen.

Dr. Christoph Bergner


Der Beauftragte der Bundesregierung für die Neuen Bundesländer
Grußwort des Vorsitzenden des
deutschen Teils des UN-Netzwerks
Sustainable Development Solutions
Network, Prof. Dr. Klaus Töpfer, zum
Fachbuch „Braunkohlesanierung“

Nach der Wiedervereinigung im Jahr 1990 stand die Bundesrepublik


Deutschland vor der Aufgabe, die in Ostdeutschland über Jahrzehnte entstan-
denen Belastungen von Böden, Gewässern und Luft grundlegend zu sanie-
ren. Neben den Altlasten der Chemischen Industrie und des Uranerzbergbaus
zählten die Flächen der Braunkohlenindustrie zu den größten Hypotheken der
deutschen Einheit. Als damaliger Bundesumweltminister konnte ich mich in
vielen Vorort-Terminen von den großen Gefährdungen überzeugen, die von
diesen Altlasten vor allem auf die menschliche Gesundheit, aber auch auf
die Attraktivität der Landschaft ausgingen. Daher war es eine ganz prioritäre
Aufgabe, die Konzeptionen zur Sanierung zu entwickeln und einen tragfähi-
gen Finanzierungsplan durchzusetzen. Der Bund und die Braunkohlenländer
Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben sich gemein-
sam der Bewältigung dieser Herausforderungen gestellt. Bereits Anfang
1991 konnte ich das im Bundesumweltministerium unter umfassender Mit-
arbeit vieler Experten konzipierte Aktionsprogramm „Ökologischer Aufbau“
der Öffentlichkeit vorstellen.
Die Umsetzung des Programms hat innerhalb weniger Jahre einen beispiel-
losen Beitrag für den positiven ökologischen Wandel und für die Attraktivität
dieser Regionen geleistet. Für die Braunkohlenreviere in Mitteldeutschland
und in der Lausitz sorgte die Braunkohlesanierung für die großräumige
Gestaltung neuer chancenreicher und damit lebenswerter Landschaften.
Das vorliegende Buch „Braunkohlesanierung“ beschreibt rückblickend,
wie es allen an diesem Gemeinschaftswerk Beteiligten gelang, 100.000 ha
ehemalige Bergbauflächen in neue Landschaften zu verwandeln und in ein
Umfeld einzupassen, dass insgesamt eine Fläche von der Größe des Saarlan-
des und Berlins hat.
Die Gefahrenabwehr im Sinne der Beseitigung ökologischer Altlasten
stellte in den vergangenen Jahren einen besonderen Schwerpunkt der Tätig-
keit der LMBV dar.
Bekannte Beispiele sind die Sanierung der gewaltigen, durch die Braun-
kohlenveredlung in Schwarze Pumpe entstandenen Abfallablagerungen in
Terpe und Zerre. Hier wurden insgesamt 760.000 t Abfall einer ordnungs-
gemäßen Verwertung oder Entsorgung zugeführt. Außerdem wird durch ein
Paket abgestimmter Maßnahmen verhindert, dass kontaminiertes Grundwas-
ser in Richtung Spree abströmen kann. Langfristig wird das Grundwasser
in Reinigungskreisläufen von einer ganzen Schadstoffpalette befreit. Dafür
wurden neue, zukunftsweisende Technologien entwickelt, getestet und ein-

VII
VIII Grußwort des Vorsitzenden des …

geführt, die an vielen weiteren Industriestandorten über Deutschland hinaus


anwendbar sind.
Auch mitteldeutsche Tagebaue wurden zur unsachgemäßen Ablagerung
von Abfällen der chemischen Industrie genutzt. Im Geiseltal spülten die
Leuna-Werke fast 30 Jahre ca. 30 Mio. t Abfälle in das Tagebaurestloch Groß-
kayna. Seit 2002 erfolgt die Sanierung dieser unter dem Seewasserspiegel
liegenden Umweltaltlast mit einer innovativen Tiefenwasser-Belüftungstech-
nologie. Ein weiteres Beispiel der Gefahrenbeseitigung in Mitteldeutschland
ist die Sanierung der Säureharzdeponie des ADDINOL Mineralölwerkes
Lützkendorf im Tagebau Mücheln. Hier waren 110.000 t Abfall zu beräumen,
um eine gefahrlose Flutung des zukünftig größten Sees in Sachsen-Anhalt mit
Wasser aus der Saale zu ermöglichen. Die Reihe ließe sich um viele Beispiele
der Sanierung von Ablagerungen kommunaler und industrieller Abfälle bzw.
betriebsbedingter Boden- und Grundwasserkontaminationen fortsetzen.
Nach dem weitgehenden Abschluss von Maßnahmen der Gefahrenabwehr
bekommen weitere Aufgaben der LMBV ein größeres Gewicht. Bereits 1994
wurde von der Bund/Länder-Arbeitsgruppe Wasserwirtschaftliche Planung ein
„Rahmenkonzept zur Wiederherstellung eines ausgeglichenen Wasserhaus-
halts in den vom Braunkohlenbergbau beeinträchtigten Flusseinzugsgebieten
in der Lausitz und in Mitteldeutschland“ erarbeitet. Insgesamt war ein berg-
bauverursachtes Wasserdefizit von 13 Mrd. m3 auszugleichen, ohne die Natur
und die direkt von Wasser abhängigen Wirtschaftszweige erneut zu belasten.
Mit dem Ausgleich des Mengendefizits sollte auch eine nachhaltige Entwick-
lung der Wasserqualität und Gewässergüte gewährleistet werden. Zur Zufüh-
rung von Wasser aus den Flüssen und dem aktiven Bergbau der MIBRAG
GmbH gab es somit kaum Alternativen. Die LMBV hat deshalb gemeinsam
mit Partnern aus Forschung und Wissenschaft für die Einzugsgebiete von
Spree, Lausitzer Neiße und Schwarzer Elster sowie Weißer Elster, Mulde und
Saale langfristige Flutungskonzepte aufgestellt. Einige Tagebaurestlöcher
sind bereits weitgehend gefüllt, für andere werden in Abhängigkeit von der
Wasserführung der Flüsse noch mehrere Flutungsjahre erforderlich sein. Mit
dem Abschluss der Flutung ist Deutschland um mehr als 25.000 ha Seefläche
reicher. Bereits heute ist die Attraktivität der neuen Landschaften sichtbar. Das
Interesse an vielfältigen, chancenreichen Folgenutzungen wächst.
Neben dem wirtschaftlichen Wandel durch die Entwicklung von Touris-
mus, Land- und Forstwirtschaft auf Kippenflächen sowie der Ansiedlung
von Industrie und Gewerbe auf ehemaligen Industriebrachen des Bergbaus
wurde dem Naturschutz eine hohe Priorität eingeräumt und Raum gegeben.
Etwa 20 % der ehemaligen Bergbauflächen sind dem Schutz der besonde-
ren Geologie und Morphologie sowie der einzigartigen, darauf angepassten
Fauna und Flora vorbehalten. Dies ist auch im Hinblick auf die Umsetzung
des Programms Natura 2000 ein bedeutender Beitrag zum Naturschutz in
Deutschland. Bei der Auswahl der schützenswerten Areale wurde die LMBV
tatkräftig von einer Vielzahl Naturschutzverbände, -vereine und –stiftungen
unterstützt. Teilweise haben sie von der LMBV große Flächen erworben,
wie zum Beispiel die Sielmann-Stiftung. Damit sind sie als Eigentümer die
Garanten für eine nachhaltige Entwicklung, den fachgerechten Umgang und
die ordnungsgemäße Verwaltung dieser Flächen.
Grußwort des Vorsitzenden des … IX

Rückblickend ist für mich diese erfolgreiche Sanierung eine besonders


intensive Erinnerung an ein engagiertes Handeln zur Verwirklichung der
Deutschen Einheit. Dieser Wandel ist in den neuen Landschaften des Braun-
kohlentagebaus sichtbar. Attraktive Flächen für Naherholung und Fremden-
verkehr sind entstanden. Weit über die Grenzen Deutschlands hinaus sind
Fachleute an den Erfahrungen hoch interessiert, die bei der Sanierung der
Tagebauflächen gemacht wurden. So profitieren auch Sanierungskonzepte
außerhalb Deutschlands sehr umfassend von dieser Erfolgsgeschichte. Die
Braunkohlesanierung in den neuen Bundesländern zeigt, dass die Abwehr
von Gefahren für den Menschen und der Schutz seiner Umwelt untrennbar
miteinander verbunden sind. Ihre Umsetzung ist ernst genommene Verant-
wortung gegenüber kommenden Generationen und gleichzeitig eine nachhal-
tige Investition in die Zukunft.
Inhalt

Grußwort des Beauftragten der Bundesregierung für


die Neuen Bundesländer, Dr. Christoph Bergner, zum
Fachbuch „Braunkohlesanierung“�������������������������������������������������    V

Grußwort von Prof. Dr. Klaus Töpfer zum Fachbuch


„Braunkohlesanierung“�������������������������������������������������������������������    VII

Autorenverzeichnis���������������������������������������������������������������������������   XIII

Abkürzungen�������������������������������������������������������������������������������������    XVII

Formelzeichenverzeichnis����������������������������������������������������������������   XXIII

Maßeinheiten und chemische Zeichen�������������������������������������������� XXVII

1 Einführung����������������������������������������������������������������������������������    1
Carsten Drebenstedt, Mahmut Kuyumcu und Thorsten Pietsch

2 Gesellschaftliche, natürliche und technische


Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung���������������������    7
Carsten Drebenstedt, Mahmut Kuyumcu und Thorsten Pietsch

3 Rechtliche, finanzielle und organisatorische Grundlagen������    73


Friedrich von Bismarck, Anja Andrich, Andreas Berkner, Klaus
Boldorf, Wolf-Dieter Dallhammer, Carsten Drebenstedt, Klaus
Freytag, Andreas Kadler, Hans-Dieter Meyer, Jörg Schlenstedt,
Reinhardt Schmidt, Michael Strzodka und Klaus-Otto
Weymanns

4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen�������������   131


Alfred Vogt, Wolfgang Förster, Carsten Drebenstedt, Holger
Dorn, Jürgen Keßler, Werner Fahle, Gunter Reichel, Dietmar
Grießl, Rolf Katzenbach, Anke Werner, Stefan Geß und
Thomas Bennewitz

XI
XII Inhalt

5  Wasserwirtschaftliche Sanierung�������������������������������������������������  265


Friedrich-Carl Benthaus, Gert Gockel, Wilfried Uhlmann,
Walter Geller, Holger Mansel, Claus Nitsche und Uwe
Grünewald

6 Verwahrung untertägiger bergmännischer Hohlräume


und Brunnen�����������������������������������������������������������������������������������  383
Hans-Hermann Baumbach, Heidi Förtsch und Angela Rostalski

7 Wiedernutzbarmachung der Flächen von Tages-


und Veredlungsanlagen������������������������������������������������������������������  425
Michael Illing, Waldemar Hofmann, Hans-Dieter Beerbalk,
Steffen Reußner, Ludwig Luckner, Michael Rüger, Thomas
Daffner, Manfred Kolba, Jan Masnica, Georg Morszeck,
Britta Radoi und Anett Thomas

8 Rekultivierung��������������������������������������������������������������������������������  487
Jörg Schlenstedt, Axel Brinckmann, Uwe Häfker, Michael
Haubold-Rosar, Anita Kirmer, Dirk Knoche, Ingmar Landeck,
Antje Lorenz, Frank Rümmler, Michael Stärke, Sabine Tischew
und Dietmar Wiedemann

9  Nachnutzung und Flächenvermarktung��������������������������������������  579


Bernd Krüger, Karla Ebersbach, Andreas Kadler, Herbert
Klapperich und Rolf Kuhn

10 Schlusswort�������������������������������������������������������������������������������������  647
Mahmut Kuyumcu und Carsten Drebenstedt

Glossar��������������������������������������������������������������������������������������������������  651

Sachverzeichnis������������������������������������������������������������������������������������  677

Klappkarten

Bergbauliche Wiedernutzbarmachung im Jahr 1993


im Lausitzer Braunkohlenrevier

Geplante Bergbaufolgelandschaft in der Lausitz

Geplante Bergbaufolgelandschaft in Mitteldeutschland


Autorenverzeichnis

Anja Andrich  Bund-Länder-Geschäftsstelle des Steuerungs- und Budget-


ausschusses für die Braunkohlesanierung, Karl-Liebknecht-Straße 33, 10178
Berlin, Deutschland
Hans-Hermann Baumbach  Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwal-
tungsgesellschaft mbH, Knappenstraße 1, 01968 Senftenberg, Deutschland
Hans-Dieter Beerbalk, Berlin, Deutschland
Thomas Bennewitz FCB Fachbüro für Consulting und Bodenmechanik
GmbH, Verwaltungsring 10, 04579 Espenhain, Deutschland
Friedrich-Carl Benthaus Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwal-
tungsgesellschaft mbH, Knappenstraße 1, 01968 Senftenberg, Deutschland
Andreas Berkner Regionale Planungsstelle des Regionalen Planungsver-
bandes Leipzig-Westsachsen, Bautzner Straße 67, 04347 Leipzig, Deutschland
Friedrich von Bismarck  Bund-Länder-Geschäftsstelle des Steuerungs- und
Budgetausschusses für die Braunkohlesanierung, Karl-Liebknecht-Straße 33,
10178 Berlin, Deutschland
Klaus Boldorf  Bund-Länder-Geschäftsstelle des Steuerungs- und Budget-
ausschusses für die Braunkohlesanierung, Karl-Liebknecht-Straße 33, 10178
Berlin, Deutschland
Axel Brinckmann Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsge-
sellschaft mbH, Knappenstraße 1, 01968 Senftenberg, Deutschland
Thomas Daffner UBV Umweltbüro GmbH Vogtland, Knappenstraße 1,
01968 Senftenberg, Deutschland
Wolf-Dieter Dallhammer Sächsiches Staatsministerium für Umwelt und
Landwirtschaft, Wilhelm-Buck-Straße 2, 01097 Dresden, Deutschland
Holger Dorn  Sandower Straße 45, 03046 Cottbus, Deutschland
Carsten Drebenstedt  TU Bergakademie Freiberg, Fakultät für Geowissen-
schaften, Geotechnik und Bergbau, Institut für Bergbau und Spezialtiefbau,
Gustav-Zeuner-Straße 1a, 09596 Freiberg, Deutschland
Karla Ebersbach  Kuckhoffstraße 33, 10356 Berlin, Deutschland

XIII
XIV Autorenverzeichnis

Werner Fahle Gesellschaft für Montan- und Bautechnik mbH (GMB),


Knappenstraße 1, 01968 Senftenberg, Deutschland
Heidi Förtsch Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesell-
schaft mbH, Knappenstraße 1, 01968 Senftenberg, Deutschland
Wolfgang Förster  Waldstraße 3, 09600 Hetzdorf, Deutschland
Klaus Freytag  Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe, Inselstraße
26, 03046 Cottbus, Deutschland
Stefan Geß  FCB Fachbüro für Consulting und Bodenmechanik GmbH, Ver-
waltungsring 10, 04579 Espenhain, Deutschland
Walter Geller Leiter Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ
Halle, Wackerstr. 20, 79108 Freiburg, Deutschland
Gert Gockel  Spremberger Str. 47c, 03116 Drebkau, Deutschland
Dietmar Grießl,  Zwickau, Deutschland
Uwe Grünewald Lehrstuhl Hydrologie und Wasserressourcenbewirt-
schaftung, BTU Cottbus, Konrad Wachsmann – Allee 6, 03046 Cottbus,
Deutschland
Uwe Häfker Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesell-
schaft mbH, Knappenstraße 1, 01968 Senftenberg, Deutschland
Michael Haubold-Rosar  Forschungsinstitut für Bergbaufolgelandschaften
e. V. (FIB), Brauhausweg 2, 03238 Finsterwalde, Deutschland
Waldemar Hofmann  Johann-Mantel-Straße 10, 03050 Cottbus, Deutsch-
land
Michael Illing Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesell-
schaft mbH, Knappenstraße 1, 01968 Senftenberg, Deutschland
Andreas Kadler Post-mining & brownfields consulting, Wollankstraße
131a, 13187 Berlin, Deutschland
Rolf Katzenbach  Institut und Versuchsanstalt für Geotechnik, Technische
Universität Darmstadt, Petersenstraße 13, 64287 Darmstadt, Deutschland
Jürgen Keßler BIUG Beratende Ingenieure für Umweltgeotechnik und
Grundbau GmbH, Weisbachstraße 6, 09599 Freiberg, Deutschland
Anita Kirmer Abteilung Bernburg, Fachbereich 1, Hochschule Anhalt,
Strenzfelder Allee 28, 06406 Bernburg, Deutschland
Herbert Klapperich  TU Bergakademie Freiberg, Fakultät für
Geowissenschaften, Geotechnik und Bergbau, Institut für Geotechnik, Gus-
tav-Zeuner-Straße 1, 09596 Freiberg, Deutschland
Dirk Knoche  Forschungsinstitut für Bergbaufolgelandschaften e. V. (FIB),
Brauhausweg 2, 03238 Finsterwalde, Deutschland
Autorenverzeichnis XV

Manfred Kolba  Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesell-


schaft mbH, Knappenstraße 1, 01968 Senftenberg, Deutschland
Bernd Krüger Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesell-
schaft mbH, Knappenstraße 1, 01968 Senftenberg, Deutschland
Rolf Kuhn  Internationale Bauausstellung (IBA) „Fürst-Pückler-Land“, See-
straße 84-86, 01983 Großräschen
Mahmut Kuyumcu  Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsge-
sellschaft mbH, Knappenstraße 1, 01968 Senftenberg, Deutschland
Ingmar Landeck Forschungsinstitut für Bergbaufolgelandschaften e. V.
(FIB), Brauhausweg 2, 03238 Finsterwalde, Deutschland
Antje Lorenz Abteilung Bernburg, Fachbereich 1, Hochschule Anhalt,
Strenzfelder Allee 28, 06406 Bernburg, Deutschland
Ludwig Luckner  Dresdner Grundwasserforschungszentrum e. V., Meraner
Str. 10, 01217 Dresden, Deutschland
Holger Mansel  Ingenieurbüro für Grundwasser GmbH Leipzig, Nonnenstr.
9, 04229 Leipzig, Deutschland
Jan Masnica Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesell-
schaft mbH, Knappenstraße 1, 01968 Senftenberg, Deutschland
Hans-Dieter Meyer  Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsge-
sellschaft mbH, Knappenstraße 1, 01968 Senftenberg, Deutschland
Georg Morszeck Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsge-
sellschaft mbH, Knappenstraße 1, 01968 Senftenberg, Deutschland
Claus Nitsche Boden- und Grundwasserlabor GmbH, Tiergartenstr. 48,
01219 Dresden, Deutschland
Thorsten Pietsch Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsge-
sellschaft mbH, Knappenstraße 1, 01968 Senftenberg, Deutschland
Britta Radoi Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesell-
schaft mbH, Knappenstraße 1, 01968 Senftenberg, Deutschland
Gunter Reichel Gesellschaft für Montan- und Bautechnik mbH (GMB),
Knappenstraße 1, 01968 Senftenberg, Deutschland
Steffen Reußner Bund-Länder-Geschäftsstelle für die Braunkohlesanie-
rung, Karl-Liebknecht-Str. 33, 10178 Berlin, Deutschland
Angela Rostalski Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsge-
sellschaft mbH, Knappenstraße 1, 01968 Senftenberg, Deutschland
Michael Rüger HPC Harres Pickel Consult AG, Am Stadtweg 8, 06217
Merseburg, Deutschland
Frank Rümmler Institut für Binnenfischerei e. V. Potsdam-Sacrow, Im
Königswald 2, 14469 Potsdam, Deutschland
XVI Autorenverzeichnis

Jörg Schlenstedt Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsge-


sellschaft mbH, Knappenstraße 1, 01968 Senftenberg, Deutschland
Reinhardt Schmidt  Turnerstraße 6, 09599 Freiberg, Deutschland
Michael Stärke  Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesell-
schaft mbH, Knappenstraße 1, 01968 Senftenberg, Deutschland
Michael Strzodka  Gesellschaft für Montan- und Bautechnik mbH (GMB),
Knappenstraße 1, 01968 Senftenberg, Deutschland
Anett Thomas Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesell-
schaft mbH, Knappenstraße 1, 01968 Senftenberg, Deutschland
Sabine Tischew  Abteilung Bernburg, Fachbereich 1, Hochschule Anhalt,
Strenzfelder Allee 28, 06406 Bernburg, Deutschland
Wilfried Uhlmann  IWB, Institut für Wasser und Boden, Lungkwitzer Str.
12, 01259 Dresden, Deutschland
Alfred Vogt  Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft
mbH, Knappenstraße 1, 01968 Senftenberg, Deutschland
Anke Werner  Institut und Versuchsanstalt für Geotechnik, Technische Uni-
versität Darmstadt, Petersenstraße 13, 64287 Darmstadt, Deutschland
Klaus-Otto Weymanns  Gemeinsame Landesplanung Berlin/Brandenburg,
Ref. GL 4, Gulbener Straße 24, 03046 Cottbus, Deutschland
Dietmar Wiedemann Forschungsinstitut für Bergbaufolgelandschaften
e. V. (FIB), Brauhausweg 2, 03238 Finsterwalde, Deutschland
Abkürzungen

aaRdT allgemein anerkannten Regeln der Technik


ABBergV Allgemeine Bundesbergverordnung
ABG Allgemeines Berggesetz
ABM Arbeitsbeschaffungsmaßnahme
ABP Abschlussbetriebsplan
ABS Anhaltinische Braunkohle-Sanierungsgesellschaft mbH
AFB Abraumförderbrücke
AFG Arbeitsförderungsgesetz
AKW/BTEX Aromatische Kohlenwasserstoffe/Benzol, Toluol,
Ethylbenzol und Xylol
ALVF Altlastverdachtsfläche
ArcGRM GIS-basiertes Bewirtschaftungsmodell
ARGE Arbeitsgemeinschaft
ASG Altstadtsanierungsgesellschaft Spremberg
BAB Bundesautobahn
BauGB Baugesetzbuch
BBergG Bundesberggesetz
BBodSchG Bundes-Bodenschutzgesetz
BBodSchV Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung
BFA Braunkohlenfilterasche
BfA Bundesversicherungsanstalt für Angestellte
BfN Bundesamt für Naturschutz
BfT Büro für Territorialplanung
BGG bodenphysikalische Grundgesamtheit
BGR Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe
Bhe Behandlungseinheiten
BHT-Koks Braunkohlenhochtemperatur-Koks
BIO Bitterfelder Oberbanken
BIU Bitterfelder Unterbanken
BKK Braunkohlenkombinat
BKZ Berechnungskennzahlen
BMA Bundesministerien für Arbeit und Soziales
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung
BMF Bundesministerium der Finanzen
BMG Bundesministerium für Gesundheit
BMGB Beteiligungs-Management-Gesellschaft Berlin mbH
BMU Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit
XVII
XVIII Abkürzungen

BMWi Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie


BNatSchG Bundesnaturschutzgesetz
BTU Brandenburgische Technische Universität Cottbus
BUL Bergbausanierung und Landschaftsgestaltung Branden-
burg GmbH, Bergbausanierung und Landschaftsgestaltung
Sachsen GmbH
BVE Braunkohlenveredlungswerk Espenhain
BVerwG Bundesverwaltungsgericht
BVerwGE Bundesverwaltungsgesetz, Entscheidungen des
Bundesverwaltungsgerichtes
BVL Braunkohlenveredlung Lauchhammer GmbH
CABERNET Concerted Action on Brownfield and Economic
Regeneration Network
CAU-Versuch Verflüssigungsversuch, anisotrop konsolidiert, undräniert
CPUT Drucksondierung
CSB Chemischer Sauerstoffbedarf
DBU Deutsche Bundesstiftung Umwelt
DDR Deutsche Demokratische Republik
DEBRIV Deutscher Braunkohlen-Industrie-Verein e. V.
DFG Deutsche Forschungsgemeinschaft
DGFZ Dresdner Grundwasserforschungszentrum e. V.
DIN Deutsches Institut für Normung e. V.
DM Deutsche Mark
DS Drucksondierung
EBK Erdbaukomplexe mit mobiler Technik
EFRE Europäischer Fonds für regionale Entwicklung
EG Europäische Gemeinschaft
ELC Europäische Landschaftskonvention
ENA Enhanced Natural Attenuation
EntflechtG Entflechtungsgesetz
ESF Europäischer Sozialfonds
ESPAG Energiewerke Schwarze Pumpe AG
EU Europäische Union
FFH-Gebiete Flora, Fauna, Habitat Gebiete
FGV Fallgewichtsverdichtung
FIB Forschungsinstitut für Bergbaufolgelandschaften
Finsterwalde e. V.
FKA Feinkornanteil
FlurbG Flurbereinigungsgesetz
FN forstwirtschaftliche Nutzung
FZL Flutungszentrale Lausitz
GA Gemeinschaftsaufgabe
GGG geologische Grundgesamtheit
GIS Geographisches Informationssystem
GL Gemeinsame Landesplanungsabteilung
GOF Geländeoberfläche
GRW Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirt-
schaftsstruktur“
Abkürzungen XIX

GVV Gesellschaft zur Verwahrung und Verwertung von


stillgelegten Bergwerksbetrieben mbH
GW Grundwasser
GWGL Grundwassergeringleiter
GWL Grundwasserleiter
GWM Grundwassermodellierung
GWS Grundwasserspiegel
HHW höchster Hochwasserstand
HIK Horizontalinklinometer
HQ Maximale Abflussmenge innerhalb eines
Beobachtungszeitraumes
HW Hochwasserüberflutung
HY Hydrostatische Horizontal-Messrohre
IBA Internationale Bauausstellung
ISCO In-Situ-Chemische-Oxidation
KDB Kunststoffdichtungsbahn
KDS Radiometrische Kombinationsdrucksondierung
KrW -/AbfG Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz
KUP Kurzumtriebsplantagen
KZP Kreiszylindrische Prüffläche
LABO Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz
LAGA Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall
LAGB Landesamt für Geologie und Bergwesen Sachsen-Anhalt
LAUBAG Lausitzer Braunkohle AG
LAWA Bund/Länderarbeitsgemeinschaft Wasser
LBEG Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie
LBGR Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe
LBV Lausitzer Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH
LIWAG länderübergreifende interministerielle Wasserarbeitsgruppe
LMBV Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesell-
schaft mbH
LMEG Lausitzer und Mitteldeutsche
Immobilienentwicklungsgesellschaft mbH
LN landwirtschaftliche Nutzung
LPlG LSA Landesplanungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt
LRV leichte Rüttelverdichtung
LTV Landestalsperrenverwaltung
LUA Landesumweltamt
mbKZ materialbeschreibende Kennzahlen
MBS Mitteldeutsche Braunkohle-Strukturfördergesellschaft mbH
MBV Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH
MESZ Mitteleuropäische Sommerzeit
MEZ Mitteleuropäische Zeit
MGE Modular GIS Environment
MHM Montanhydrologisches Monitoring
MIBRAG Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft mbH
MIL Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft
MKW mineralische Kohlenwasserstoffe
XX Abkürzungen

MLB Musterleistungsbeschreibungen
MLV Musterleistungsverzeichnisse
MNA Monitored Natural Attenuation
müNHN Meter über Normalhöhennull
MP Messpunkte
MPP Makroporöse Polymere Systeme
MPPE Makroporöse Polymere Extraktion
MRC-Verfahren Müller Resonance Compaction Verfahren
NA Natural attenuation
NAPL Non aqueous phase liquid
NA-Prozesse Natürliche Selbstreinigungseffekte
NHN Normalhöhennull
NN Normalnull
NNW niedrigster Niedrigwasserstand
NW Nordwest
PAK Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe
PEHD Polyethylen hoher Dichte
PlanzV Planzeichenverordnung
PPP Public-Private-Partnership
PWD Porenwasserdruck
PWÜD Porenwasserüberdruck
RC Resonant – Column – Versuch
RDV Rütteldruckverdichtung
RegBkPlG Gesetz zur Regionalplanung und zur Braunkohlen- und
Sanierungsplanung
REK Regionales Entwicklungskonzept
RL Restloch
ROG Raumordnungsgesetz
RSB Regionaler Sanierungsbeirat
RSV Rüttelstopfverdichtung
S Scherkraft
s senkrecht
S Speicher
SächsLPlG Sächsisches Landesplanungsgesetz
SächsWG Sächsisches Wassergesetz
SAM Sanierungsmodule
SB Speicherbecken
SBB Säure-Base-Bilanz
SBP Sonderbetriebsplan
SE Standsicherheitseinschätzung
SF Setzungsfließen
SfB Sachverständiger für Böschungen
SfG Sachverständiger für Geotechnik
SfTE Sachverständiger für Tagebauentwässerung
SG Schutzgraben
SGL Sanierungsgesellschaft Lauchhammer mbH
SKE Steinkohleneinheit
SKW Schwerlastkraftwagen
Abkürzungen XXI

SLKW Schwerlastkraftwagen
SN Standsicherheitsnachweis
SO Südost
SP Setzungspegel
SPV Sprengverdichtung
SSP Sanierungsgesellschaft Schwarze Pumpe mbH
STU Standsicherheitsuntersuchung
StuBA Steuerungs- und Budgetausschuss für die Braunkohlesa-
nierung
SUP Strategische Umweltprüfung
SVZ Sekundärrohstoffverwertungszentrum
TA Technische Anleitung
TAB Teerabsetz- und Kohlentrübebecken
TB Teilbecken
THA Treuhandanstalt
TÖB Träger öffentlicher Belange
TÖF Teer-Öl-Feststoffe
TRL Tagebaurestloch
TU BAF Technische Universität Bergakademie Freiberg
UFZ Umweltforschungszentrum Halle-Leipzig GmbH
UVP Umweltverträglichkeitsprüfung
VA Verwaltungsabkommen
VEB Volkseigener Betrieb
VermG Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermö-
gensgesetz)
VG vorgegebene Gleitfläche
VN Grundwasserneubildung
VSG Verband der Sanierungsgesellschaften Braunkohle/Che-
mie e. V.
VWV Verdichtung mit Vibrationswalze
VwV-KStB Verwaltungsvorschrift Kommunaler Straßen und Brü-
ckenbau
VZOG Gesetz über die Feststellung der Zuordnung von ehemals
volkseigenem Vermögen (Vermögenszuordnungsgesetz)
WBA Wasserbehandlungsanlage
WGK Wassergefährdungsklasse
WHG Wasserhaushaltsgesetz
WRRL Europäische Wasserrahmenrichtlinie
Wsp Wasserspiegel
WTB Wissenschaftlich-Technischer Beirat
WW Wasserwerk
zbKZ Zustand beschreibende Kennzahlen

Sonstige Abkürzungen
€ Euro
Abb. Abbildung
Abs. Absatz
Abschn. Abschnitt
XXII Abkürzungen

Bd. Band
bzw. beziehungsweise
ca. circa
d. h. das heißt
e. V. eingeschriebener Verein
evtl. eventuell
ff. folgende
ggf. gegebenenfalls
i. d. R. in der Regel
i. S. im Sinne
i. W. im Wesentlichen
Kap. Kapitel
Mio. Millionen
Mrd. Milliarde
o. ä. oder ähnliches
o. g. oben genannt
rd. rund
s. siehe
s. u. siehe unten
sog. so genannte
u. a. unter anderem
u. U. unter Umständen
vgl. vergleiche
z. B. zum Beispiel
z. T. zum Teil
Formelzeichenverzeichnis

(P-E) klimatische Wasserbilanz des Sees (Niederschlag – Gewäs-


serverdunstung)
(CO2) GGW CO2-Konzentration im Gleichgewicht mit der Atmosphäre
[mol/m3]
a materialspezifischer Gleichungskoeffizient
a senkrechter Abstand zwischen resultierenden äußeren Was-
serkräften A und dem Gleitkreismittelpunkt
A resultierende äußere Wasserkräfte
Aciox Acidität des Kippengrundwassers vollständig oxidiert
AciSee Acidität des Seewassers
asicher Abstand zwischen Böschungsverbau und zu erwartender
Abtragskante
aSicherheitslinie Abstand der Sicherheitslinie von der Böschungsoberkante
b Breite, Abstand
berf erforderliche Breite
c(mod) modifizierte Kohäsion
ce materialspezifischer Gleichungskoeffizient
cf materialspezifischer Gleichungskoeffizient
c‘R wirksame Restkohäsion
c‘ wirksame Kohäsion
CGWzu Stoffkonzentration in den Grundwasserzuflüssen
COWzu Stoffkonzentration in den oberirdischen Zuflüssen
CSee Stoffkonzentration im Seewasser
cu undränierte Kohäsion
d Einbindetiefe des Fundamentes
d senkrechter Abstand zwischen einer Linienlast und dem
Gleitkreismittelpunkt
d Korndurchmesser
dG Gewichtskraft des Elements
dm mittlerer Steindurchmesser
dm/R relative Bauwerkskrümmung
dn normierter Steindurchmesser
dN Normalkraft am Element
D externe Linienlast
DS Stärke der Deckschicht
dT Schubkraft am Element
dWx Strömungskraft parallel zur Böschung

XXIII
XXIV Formelzeichenverzeichnis

dWz Strömungskraft senkrecht zur Böschung


E die horizontal zwischen den Lamellen wirkende Normalkraft
e Euler’sche Zahl
e Porenzahl
Ea aktiver Erddruck
ec, ed druckabhängige Grenzporenzahlen
Er materialspezifischer Gleichungskoeffizient
Es Steifemodul
F Fläche
CO
FCO 2 2-Konzentrationsänderung im Seewasser
fe Eigenfrequenz des Bodens
f s lokale Mantelreibung
G Gewichtskraft
H Wellenhöhe
hü Mächtigkeit erdfeuchten Bereiches
hw Mächtigkeit des wassergesättigten Bereiches
h’R Schnittpunkt der Ausgleichsneigung mit der Böschungsneigung
des Erdstoffs unter Wasser
HB Höhe der Ablagerung vor der Böschung
herdf. erf. erforderliche erdfeuchte Überdeckung
herdf. erdfeuchte Überdeckung
h K Höhe des Klifffußes über dem Wasserspiegel
HK Kippenhöhe
Hm mittlere Wellenhöhe
hR Tiefe der Riffkrone unter dem Wasserspiegel
HS signifikante Wellenhöhe
HWK Wasserstand in der Kippe bei x = 7 HK
HWR Wasserstand vor der Kippenböschung (im Tagebaurestsee)
ID bezogene Lagerungsdichte
IP Plastizitätsindex
iv relatives volumenbezogenes Sackungsmaß
k Austauschkoeffizient
K0 Strukturbeiwert
kApp spezifischer Applikationspreis
kf Durchlässigkeitsbeiwert
Kges Gesamtkosten für die Neutralisation
kRoh spezifischer Rohstoffpreis
KS Schluckvermögen
kTra spezifischer Transportpreis
L Länge
lKR Länge Klifffuß - Riffkrone
lS Strandlänge
lT Abstand der Riffkrone vom Klifffuß
M Fallmasse
m Neigungsverhältnis, allgemein
m0 Neigung der Ausgangsböschung
mA Ausgleichsneigung
max e maximale Porenzahl
min e minimale Porenzahl
mS Strandneigung
Formelzeichenverzeichnis XXV

mSU Unterwasserneigung
mφ Neigung der Überwasserböschung
mφ' Unterwassergrenzneigung
N Gesamtnormalkraft an der Basis jeder Lamelle
n Porenanteil
n0 Porenanteil im spannungsfreien Zustand
Q Am Bodenkeil wirkende Kräfte
Q Durchflussmenge
Q Ladungsmenge bei der Sprengverdichtung
Q Summenladungsmengen
qc Spitzenwiderstand
QENT Wasserentnahmen aus dem See
QFL Flutungswasser
QGWab Grundwasserabstrom aus dem See
QGWzu Grundwasserzustrom zum See
QOWab Oberirdischer Abfluss aus dem See
QOWzu Oberflächenwasserzufluss zum See
R Radius für eine kreisförmige Gleitfläche oder der Momentenarm
R Regressionskoeffizient
R nicht volumenstromgebundene Stoffeinträge und –umsätze
R Rastermaß
r Abstand, Entfernung
rkrit kritischer Radius
RAtm Stoffaustausch mit der Atmosphäre (z. B. Gasaustausch mit der
Atmosphäre, atmosphärische Deposition)
RBio Stoffumsätze durch biologische Prozesse (z. B. respiratorischer
Abbau von organischem Kohlenstoff)
RBö Stoffeintrag aus den Böschungen infolge Erosion
(z. B. Niederschlags- und Wellenerosion)
RDiff Stoffaustausch des Gewässers mit den Sedimenten durch Diffusion
RKond Stoffeintrag durch Maßnahmen der Wasserbehandlung
(z. B. In-Lake-Neutralisation)
Rf Reibungsverhältnis
RG Grenzrisiko
RR Restrisiko
RReak Stoffumsätze durch heterogene chemische Reaktionen
(z. B. Ausfällung von Eisen- und Aluminiumverbindungen)
RT tolerierbares verbleibendes Risiko
Rverm vermeidbares Risiko
Rvorh vorhandenes Risiko
s Setzung
smax maximale Setzung
S an der Basis jeder Lamelle mobilisierte Scherkraft
S Sicherheitskoeffizient
Serf erforderlicher Sicherheitskoeffizient
Sp lotrechte Komponente der Bruchlast
Sr Sättigungsgrad
t Deviatorspannung
t Zeit
XXVI Formelzeichenverzeichnis

tE/Tm relative Belastungsdauer


u Porenwasserdruck
U Ungleichförmigkeit
vs Versickerungsgeschwindigkeit
V Materialverlust
V Wasserstands-Volumen-Kennlinie
Vb Grundbruchsicherheit
vh horizontale Bewegungsgeschwindigkeit
VSee Seevolumen
vv vertikale Bewegungsgeschwindigkeit
w Wassergehalt
W Gesamtgewicht einer Lamelle
W Wasserdruck, Strömungskraft
W1, W2 Suspensionsdrücke resultierender Horizontalkräfte
WR Suspensionsdrücke je nach Fließrichtung
x r Rückgriffweite eines Setzungsfließens
X vertikal zwischen den Lamellen wirkende Scherkraft
z mittlere Durchmischungstiefe
z Schichtdicke
zul V zulässige lotrechte Komponente der angreifenden Lasten
βGr Grenzneigung
η Gesamtwirkungsgrad
η Sicherheitsaufschlag
η1 stofflicher Reinheitsgrad des Neutralisationsmittels
η2 chemischer Wirkungsgrad des Neutralisationsmittels
φ(mod) modifizierter Reibungswinkel
φ‘ wirksamer Reibungswinkel
φ‘R wirksamer Restreibungswinkel
φc kritischer Reibungswinkel
φu undränierter Reibungswinkel
φu,R undränierter Restreibungswinkel
λm/Hm Wellensteilheit
σn-1 mittlerer Fehler
α Winkel zwischen Strossenrichtung und Streichen der Böschung
β Böschungsneigung
ε Deformation
εv vertikale Deformation
γ Wichte
γ' Wichte unter Auftrieb
λ Wellenlänge
ρ Dichte
ρd Trockendichte
ρw Dichte des Wassers
σ totale Spannung
σ' wirksame Spannung
Maßeinheiten und chemische
Zeichen

°C Grad Celsius (Temperatureinheit)


Ca Calcium
cm Zentimeter
CO2 Kohlendioxid
FeS2 Eisendisulfid (Pyrit)
ha Hektar
ha/a Hektar pro Jahr
kg Kilogramm
km Kilometer
km2 Quadratkilometer
km3 Kubikkilometer
l/s Liter pro Sekunde
m Meter
m2 Quadratmeter
m3 Kubikmeter
m3/a Kubikmeter pro Jahr
m3/s Kubikmeter pro Sekunde
Mg Magnesium
mg/l Milligramm pro Liter
mm Millimeter
mmol/l Millimol pro Liter
MW Megawatt
N Stickstoff
NÄNM theoretisches chemisches Neutralisationsäquivalent (kmol/t)
NaOH Natriumhydroxid
NOx Stickoxide
O2 Sauerstoff
SO2 Schwefeldioxid
t Tonne
t/a Tonne pro Jahr
t/d Tonnen pro Tag

XXVII
Einführung
1
Carsten Drebenstedt, Mahmut Kuyumcu und
Thorsten Pietsch

Mit der Einführung geben die Herausgeber dem schritt der Arbeiten verändern sich die Aufgaben-
Leser einen gestrafften Überblick zum Buchpro- inhalte und Akteure.
jekt, um dessen Logik und Struktur zu erläutern. In diesem Buch halten Vertreter aus der Lau-
Wichtige Faktoren und Zusammenhänge werden sitzer und Mitteldeutsche Verwaltungsgesell-
vorgestellt. schaft mbH (LMBV) als Projektträger der Braun-
Die Braunkohlesanierung in Deutschland kohlesanierung, aus Behörden und Ministerien
blickt im Jahr 2013 auf einen besonderen Er- sowie von Planungsbüros und Hochschulen ihr
fahrungsschatz der letzten 20 Jahre. Das Wort einmaliges Expertenwissen fest. Praktiker und
Braunkohlesanierung ist eine jüngere Neubil- Studierende, die heute in vielen Ländern der Erde
dung. Sein Inhalt ist nicht selbsterklärend. Den- vor ähnlichen Aufgaben stehen, werden über den
noch wurde es binnen dieser kurzen Zeit für viele Stand der Technik und des Wissens der komple-
Menschen zum Synonym für die „Neugestaltung xen Sanierung von Bergbaufolgelandschaften
ganzer Landschaften“, der „Heilung tiefer Wun- informiert. Wie werden solche Großvorhaben
den in der Natur“ sowie für die „wirtschaftliche geplant, genehmigt, organisiert und finanziert?
und ökologische Umstrukturierung“ ehemaliger Welche technischen Lösungen werden zur Be-
Braunkohlenbergbaureviere. Die Ergebnisse der seitigung von Umweltschäden, zur Gewähr-
Braunkohlesanierung finden inzwischen national leistung der Sicherheit, bei der Rekultivierung
und international Beachtung. Wie beim Berg- oder zur Wiederherstellung des Wasserhaushalts
bau der Abbau einer Lagerstätte, so ist auch die entwickelt und eingesetzt? Auf diese und andere
Braunkohlesanierung endlich. Mit dem Fort- Fragen der Sanierung gibt das Buch Antworten
und unterstreicht die noch anstehenden Heraus-
forderungen. Dabei werden theoretische Ansätze
C. Drebenstedt () ebenso betrachtet, wie die praktischen Erfah-
Fakultät für Geowissenschaften, Geotechnik und
Bergbau, Institut für Bergbau und Spezialtiefbau,
rungen bei der Umsetzung und die erreichten
TU Bergakademie Freiberg, Gustav-Zeuner-Straße 1a, Ergebnisse.
09596 Freiberg, Deutschland Was ist das Besondere an der Braunkohlesa-
E-Mail: Carsten.Drebenstedt@mabb.tu-freiberg.de nierung im Lausitzer und Mitteldeutschen Re-
M. Kuyumcu · T. Pietsch vier?
Lausitzer und Mitteldeutsche Im Kap. 2 des vorliegenden Buches werden
Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH, die Ursachen, Aufgaben und die Herausbildung
Knappenstraße 1,
01968 Senftenberg, Deutschland der Braunkohlesanierung dargestellt, sowie die
E-Mail: mahmut.kuyumcu@lmbv.de natürlichen und geologisch-bergmännischen Ge-
T. Pietsch
gebenheiten im Sanierungsgebiet beschrieben.
E-Mail: thorsten.pietsch@lmbv.de

C. Drebenstedt, M. Kuyumcu (Hrsg.), Braunkohlesanierung, 1


DOI 10.1007/978-3-642-16353-1_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
2 C. Drebenstedt et al.

Die Braunkohlesanierung ist eines der größten einen Überblick über die Landinanspruchnahme
Umweltprojekte Europas. Die vom stillgelegten und Wiedernutzbarmachung zum Stand 1993 im
Braunkohlenbergbau in Anspruch genommene Lausitzer Braunkohlenrevier.
Fläche beträgt ca. 1.000 km2 und ist damit größer Als 1990 mit den gesellschaftlichen Verän-
als das Territorium von Berlin. derungen in Deutschland quasi „über Nacht“ 31
Der Kohlenabbau in den dicht besiedelten Ge- von den insgesamt 39 Großtagebauen in Ost-
bieten machte größere Städte wie Borna, Zwen- deutschland die Förderung einstellen mussten,
kau, Senftenberg und Hoyerswerda zu Inseln in war dies verglichen mit dem über vier Jahrzehnte
Mitten von Kippenflächen und Restlöchern mit andauernden, fast gleichmäßigen Rückgang der
steilen Böschungen. Produktion und der Anzahl von Bergwerken im
Darüber hinaus wurde im Zuge der extensi- Allgemeinen und im Steinkohlenbergbau West-
ven Steigerung der Braunkohlenförderung nach deutschlands im Besonderen, eine bisher bei-
dem zweiten Weltkrieg im Osten Deutschlands spiellose Zäsur.
mit den bergbaulichen Sümpfungsmaßnahmen Die unplanmäßigen Stilllegungen stellten die
erheblich in den Gebietswasserhaushalt einge- Bergleute vor neue, nie dagewesene Herausfor-
griffen. Neben der Umverlegung von Flüssen derungen. Vorliegende Planungen waren dafür
und Bächen mit einer Länge von insgesamt ca. weitgehend unbrauchbar. Neue Konzepte waren
230 km waren andere Auswirkungen nicht auf aufzustellen.
den ersten Blick sichtbar, aber dafür sehr großräu- Aufgrund der komplexen Zusammenhänge
mig und bis in Teufen von über 100 m reichend. und Wechselwirkungen zwischen den mehr als
Die Entwässerung der grundwasserführenden 200 Restlöchern mit über 1.100 km Böschungs-
Deckgebirgsschichten bis hin zur Entspannung länge und der natürlichen Rückkehr des Grund-
von Grundwasserleitern unter das tiefste abzu- wassers nach Einstellung der bergbaulichen
bauende Kohlenflöz machte vor den Stadtgren- Tagebauentwässerung stand nun die Aufgabe,
zen und Infrastrukturanlagen nicht Halt. Durch die öffentliche Sicherheit rasch herzustellen, für
die bergbaulichen Sümpfungsmaßnahmen wurde die Menschen in den Revieren die Hinterlassen-
eine Gesamtfläche von ca. 3.880 km2, dies ent- schaften des extensiven Braunkohlenbergbaus zu
spricht fast 1,1 % der Fläche Deutschlands, we- beseitigen und eine neue Zukunft zu gestalten.
sentlich beeinträchtigt. Es war ein Wasserdefizit Im Inhalt vielfältige und im Umfang enorme
von 12,7 Mrd. m3 entstanden. Das entspricht technische Herausforderungen waren zu bewäl-
einem Viertel des gesamten Bodensee-Volumens tigen. Die vorhandenen Daten und Kenntnisse
oder der Wassermenge, die die Spree in Berlin in über die Lagerstätte, die Gewinnungs- und Ver-
einem Zeitraum von 28 Jahren führt. arbeitungsprozesse sowie über die kaum vollzo-
Die Wiedernutzbarmachung der vom Berg- genen Stilllegungsprozesse mussten neu sortiert
bau in Anspruch genommenen Flächen war auch und das vorhandene ingenieurtechnische Wissen
in der Deutschen Demokratischen Republik als rasch durch praxisbezogene wissenschaftliche
die dritte und letzte Phase der Tätigkeiten nach Forschungsprojekte ergänzt und vervollkommnet
der Exploration und der Rohstoffgewinnung werden.
Aufgabe des Bergbauunternehmens. Parallel Die Finanzierung der genannten Aufgaben er-
zur laufenden Förderung der Tagebaue geplant folgte mit öffentlichen Mitteln des Bundes und
und zeitnah vollzogen wurde sie allerdings nur der Braunkohlenländer Brandenburg, Freistaat
bis Anfang der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts. Sachsen, Sachsen-Anhalt und Freistaat Thürin-
Danach, mit Zunahme der wirtschaftlichen gen. Insbesondere vom Anfang bis zur Mitte der
Schwierigkeiten, wurde sie zugunsten der Pro- neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts hatten die
duktion zunehmend vernachlässigt und vertagt. Maßnahmen der Braunkohlesanierung eine hohe
Es entstand ein sichtbares Defizit z. B. in Form arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitische Wir-
kahler Kippenflächen, die auch als „Mondland- kung. Die finanziellen, technischen und organi-
schaften“ bezeichnet wurden. Abbildung 1.1 gibt
1 Einführung 3

Abb. 1.1   Bergbauliche Wiedernutzbarmachung im Jahr 1993 im Lausitzer Braunkohlenrevier, LMBV (Lausitzer und
Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH, 1993, siehe auch Klappkarte im Anhang)

satorischen Fragestellungen der Braunkohlesa- auf verschiedenen Ebenen mit und tragen erheb-
nierung werden in Kap. 3 ausführlich erläutert. lich zum Gelingen dieses großen Gemeinschafts-
Die Administration und Organisation der werkes bei.
Braunkohlesanierung berücksichtigten von An- Kapitel 4 widmet sich der langzeitsicheren
fang an die außerordentliche Komplexität und Gestaltung der Tagebau- und Kippenflächen.
Größenordnung dieses Vorhabens sowie die Be- Dafür waren z. B. Massenbewegungen mit einem
dingungen, die an den zweckentsprechenden, Gesamtvolumen von 1,7 Mrd. m3 erforderlich.
wirtschaftlichen und sparsamen Einsatz öffentli- Die notwendigen Verdichtungsleistungen zur
cher Finanzmittel gestellt werden. Gesteuert und Stabilisierung von gekippten Böden hatten ein
überwacht wird dieses einzigartige Großprojekt Gesamtvolumen von ca. 1,1 Mrd. m3. Mit diesen
unter der Projektträgerschaft der LMBV vom Maßnahmen wurde teilweise auch wissenschaft-
Steuerungs- und Budgetausschuss der Braunkoh- liches und technisches Neuland betreten. Durch
lesanierung, einem Bund-Braunkohlenländer- eine enge Zusammenarbeit mit Forschungsein-
Gremium, das sich aus Vertretern der jeweiligen richtungen, Universitäten und Unternehmen
Ministerien für Finanzen, Umwelt, Wirtschaft waren eine zeitnahe Umsetzung aber auch ständi-
und Arbeit zusammensetzt. ge Weiterentwicklung der Technologien, Unter-
Eine Vielzahl von Kommunen, zuständigen suchungsmethoden und Nachweisführungen zu
Behörden mit den Berg- und Umweltbehörden sichern.
an der Spitze, sowie Regionalplanungsstellen, Nachdem durch die genannten Sanierungs-
Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Ingeni- maßnahmen die notwendigen Voraussetzungen
eurbüros und Sanierungsgesellschaften wirken hergestellt wurden, konnten die einzelnen Tage-
4 C. Drebenstedt et al.

baurestlöcher geflutet werden. Mehr als 50 grö- Entwässerung und Kohlenförderung haben eine
ßere künstliche Seen werden für verschiedene Gesamtlänge von fast 400 km. Insgesamt wur-
Nutzungen von Menschenhand geschaffen. Die den mehr als 1,6 Mio. m3 Hohlraum erkundet
zielsichere Steuerung der Flutungsprozesse stellt und langzeitsicher verwahrt. Die Sicherung von
insbesondere für die Lausitz mit den nur wenig Entwässerungsbrunnen ist ebenfalls eine nicht zu
Wasser führenden Flüssen Spree, Schwarze Els- unterschätzende Aufgabe.
ter und der Lausitzer Neiße als Grenzfluss zur Die effiziente Sanierung von ökologischen
Republik Polen hohe planerische, technische Altlasten in Form von großräumigen Abfallabla-
und administrative Anforderungen, die in Kap. 5 gerungen oder Schadstoffkontaminationen des
näher betrachtet werden. Bodens und des Grundwassers, die vornehmlich
Ein einzigartiges computergestütztes Groß- auf oder in der Nähe von zahlreichen Standor-
raumsteuerungsmodell wurde dafür entwickelt. ten der Braunkohlenveredlung wie Kokereien,
Es ermittelt aus Hunderten von Messdaten und Schwelereien, Gaswerken, Brikettfabriken und
Grenzwertvorgaben Steuervorschläge für das Kraftwerken anzutreffen waren, ist Gegenstand
komplexe Flutungsanlagennetz, um die Flu- von Kap. 7. Hier werden auch der Abriss von Ge-
tungswassermengen zu maximieren, ohne die bäuden und Anlagen und der Umgang mit Brach-
Natur und andere Wassernutzer unzulässig zu flächen behandelt.
beeinträchtigen. Damit wird auf einfache Art für Nach endgültiger Herstellung der Oberfläche
die nachhaltige Entwicklung der Wasserqualität von Kippen, Tagebauen, Brachflächen und über
in den Tagebauseen gesorgt. Allerdings müssen Tiefbau, sowie deren Sicherung, Dekontamina-
in zahlreichen Seen zusätzliche Wasserbehand- tion und Reliefgestaltung, erfolgt deren Rekulti-
lungsmaßnahmen zur Neutralisation des sauren vierung. Diese abschließenden Maßnahmen wer-
Wassers umgesetzt werden. Die Sicherstellung den im Kap. 8 beschrieben.
einer akzeptablen Gewässergüteentwicklung Die Rekultivierung großräumiger insgesamt
durch gezielte, effiziente Nachsorge in den Ta- mehrere hundert Quadratkilometer umfassender
gebaurestlöchern bleibt dabei noch längerfristig Kippenflächen mit extrem nährstoffarmen und
eine Herausforderung mit wissenschaftlichem sauren Substraten erfolgte vorrangig für eine
Innovationsbedarf. forstwirtschaftliche Nutzung. Die dafür notwen-
Eine weitere besondere Herausforderung be- digen Voraussetzungen mussten zunächst ermit-
steht darin, Gefahren, die mit dem Wiederanstieg telt und dann mit mehrjährigen Bodenverbesse-
des Grundwassers auf sein vorbergbauliches rungsmaßnahmen hergestellt werden. Bei der
Niveau verbunden sein können, zu begegnen. Pflege und Bewirtschaftung der Forstkulturen
Denn im Zuge der großräumigen Absenkung bis zum gesicherten Bestand wurden mit wissen-
des Grundwassers wurden zahlreiche Areale mit schaftlicher Begleitung wertvolle Erfahrungen
grundwassernahen Flurabständen trockengelegt gesammelt, die bei der Rekultivierung von Berg-
und in der Folgezeit mit mehreren tausend, meist bauflächen angewendet werden können.
Wohngebäuden bebaut, ohne oder ohne hinrei- Ziel bei der erfolgreichen Bewältigung dieser
chende Berücksichtigung des späteren Grund- zahlreichen technischen Herausforderungen ist
wasserwiederanstiegs. Dabei sind vielfältige es, aus den großräumig bergbaulich beanspruch-
Maßnahmen zur Abwehr von Vernässungspro- ten Flächen neue, attraktive Landschaften zu ge-
blemen zu planen und umzusetzen, von der Re- stalten, die durch ihre Vielfalt und Ausdehnung
aktivierung alter Geländeentwässerungssysteme, den Menschen in den Revieren eine nachhaltig
der Verfüllung von Gebäudekellern bzw. Haus- neue Zukunft ermöglichen.
anhebungen bis zur lokal begrenzten dauerhaften Mit dem Fortschritt der Braunkohlesanierung
Absenkung des Grundwassers. werden die wieder nutzbar gemachten Flächen
Eine weitere technische Herausforderung zielgerichtet verwertet, um die zuvor mono-
wird im Kap. 6 behandelt, die Verwahrung unter- strukturierten Bergbaureviere wirtschaftlich zu
tägiger Grubenbaue. Die Streckensysteme für die revitalisieren. Zahlreiche Investitionen der Wirt-
1 Einführung 5

schaft haben bereits sichtbare Zeichen für den zeitig werden ausgewählte Flächen teilweise
Strukturwandel in den Revieren gesetzt. Neue, großräumig zusammenhängend dem Naturschutz
moderne und zukunftsfähige Arbeitsplätze sind und der naturnahen Nutzung zugewiesen. Sie ma-
in Industrie, Gewerbe und Tourismus entstanden. chen fast ein Fünftel der bergbaulich beanspruch-
Kapitel 9 widmet sich der Darlegung dieser Auf- ten Flächen aus und werden an Naturschutz-Stif-
gaben und deren Umsetzung. Die Bundesländer tungen und -verbände verkauft bzw. den Ländern
schaffen hierzu die notwendigen Rahmenbedin- übertragen. Die neuen Naturschutzflächen mit
gungen mit rechtzeitiger Realisierung von attrak- ihrer teilweise bizarren Landschaft sorgen inzwi-
tiven Infrastrukturmaßnahmen und stellen hier- schen für neue Biodiversität und sind Garant der
für umfangreiche zusätzliche finanzielle Mittel ökologischen Nachhaltigkeit.
zur Verfügung. So werden auf Grundlage und in Eine Schlussbetrachtung fasst die Ergebnis-
Harmonie mit den großräumigen Regionalpla- se des Buches zusammen und gibt einen kurzen
nungen beispielsweise zahlreiche Seen sowohl in Ausblick. Die Angaben im Buch beziehen sich
der Lausitz als auch im Südraum Leipzig durch überwiegend auf den Stand der Braunkohlesanie-
schiffbare Kanäle miteinander verbunden und rung zum Stand 31.12.2010. Durch den dynami-
praktisch an allen Seen Häfen oder Anlegestellen schen Prozess der Sanierung können Teilaspekte
gebaut, um einen vielfältigen wassergebundenen und -informationen zum Zeitpunkt des Erschei-
Tourismus entstehen zu lassen. Industriebrachen nens des vorliegenden Fachbuches bereits weiter
werden infrastrukturell neu erschlossen. Gleich- entwickelt sein.
Gesellschaftliche, natürliche und
technische Rahmenbedingungen 2
der Braunkohlesanierung

Carsten Drebenstedt, Mahmut Kuyumcu und


Thorsten Pietsch

Inhalt Das Kapitel gliedert sich in zwei Abschnitte.


2.1 Gesellschaftliche Rahmenbedingungen der Zunächst wird ein Rückblick auf die Entwick-
Braunkohlesanierung������������������������������������ 7 lung der Braunkohlenindustrie in Ostdeutschland
2.1.1 Braunkohlenbergbau in der und die Ausgangssituation für die besonderen
DDR bis 1989�������������������������������������������������� 8 Herausforderungen der Braunkohlesanierung
2.1.2 Veränderung der Stellung der gegeben. Ziele, Aufgaben, Umfang und Stand
Braunkohlenindustrie im Osten der Braunkohlesanierung werden definiert, noch
Deutschlands nach 1989�������������������������������� 11 offene Aufgaben benannt. Im zweiten Abschnitt
2.1.3 Herausbildung der werden die natürlichen und technischen Rahmen-
Braunkohlesanierung������������������������������������� 15 bedingungen der Braunkohlesanierung darge-
2.1.4 Ziele, Umfang und Ausblick der stellt. Dabei werden die Wechselwirkungen zwi-
Braunkohlesanierung������������������������������������� 22 schen Naturraum, Geologie und Bergbautechnik
zunächst allgemein beschrieben. Es schließt sich
2.2 Naturraum, Geologie, Bergbautechnologie eine spezifische Untersetzung für die betrachte-
und Eingriff in den Mitteldeutschen und ten Braunkohlenreviere in Mitteldeutschland und
Lausitzer Braunkohlenrevieren����������������� 31 in der Lausitz an.
2.2.1 Allgemeine Kennzeichnung
der Reviere���������������������������������������������������� 31
2.2.2 Das Mitteldeutsche Braunkohlenrevier��������� 57 2.1 Gesellschaftliche
2.2.3 Das Lausitzer Braunkohlenrevier������������������ 66 Rahmenbedingungen der
Literatur�������������������������������������������������������������������� 71 Braunkohlesanierung

Bei der Sicherung der Energieversorgung der


C. Drebenstedt () Bevölkerung stehen die Versorgungssicherheit,
Fakultät für Geowissenschaften, Geotechnik und
Bergbau, Institut für Bergbau und Spezialtiefbau, Wirtschaftlichkeit und die Belange der Umwelt
TU Bergakademie Freiberg, Gustav-Zeuner-Straße 1a, zunehmend im Fokus kontroverser öffentlicher
09596 Freiberg, Deutschland Diskussionen. Für regelmäßige Schlagzeilen in
E-Mail: Carsten.Drebenstedt@mabb.tu-freiberg.de den Medien sorgen der Anstieg der Energie- und
M. Kuyumcu · T. Pietsch Rohstoffpreise, der Klimawandel, die Nutzung
Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau- erneuerbarer Energien und nachwachsender Roh-
Verwaltungsgesellschaft mbH, Knappenstraße 1,
stoffe, der Einsatz fossiler Brennstoffe, die Zu-
01968 Senftenberg, Deutschland
E-Mail: mahmut.kuyumcu@lmbv.de kunft der Atomenergie, die Welternährungskrise
u. a. Die Ursachen und Wirkungen dieser Phäno-
T. Pietsch
E-Mail: thorsten.pietsch@lmbv.de mene sind naturgemäß komplex und vielfältig. Es

C. Drebenstedt, M. Kuyumcu (Hrsg.), Braunkohlesanierung, 7


DOI 10.1007/978-3-642-16353-1_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
8 C. Drebenstedt et al.

gilt, unter Beachtung der Versorgungssicherheit Mittelalter kam es in einigen Regionen Deutsch-
und der Belange der Umwelt, global und lokal, lands zu einer Verknappung von Holz als dem
alle verfügbaren Ressourcen nach dem Stand der damals dominierenden Energieträger. Ein alter-
Technik im Sinne eines nachhaltigen Wirtschaf- nativer Energieträger für die Wärmeerzeugung
tens heranzuziehen und gleichzeitig für die Ent- schien in der Lausitz und in Mitteldeutschland
wicklung und Etablierung innovativer Techniken nach schriftlichen Überlieferungen mit der nahe
sowie erneuerbarer Energien zu sorgen. der Erdoberfläche lagernden „Kohlerde“ bzw.
Die Geschichte des Braunkohlenbergbaus „Dorff“ bei Halle (Bilkenroth und Snyder 1998)
im östlichen Teil Deutschlands ist ein markan- und der „brennenden Erde“ bei Olbersdorf ge-
tes Beispiel dafür, welche Folgen eine einseitige funden. Die einsetzende Industrialisierung und
und vor allem extensive Nutzung eines einzelnen die Verbreitung von Dampfmaschinen erhöhten
fossilen Energieträgers mit seiner gleichzeitig in- den Kohlenbedarf schnell. Die individuellen,
effizienten Verwertung entfalten kann. Bei den kleinen Fundgruben am Ausbiss der Braunkoh-
hinterlassenen Gefahren für Menschen und Um- lenflöze an der Tagesoberfläche entwickeln sich
welt und den Dimensionen der Beeinträchtigun- ab der Mitte des 19. Jahrhunderts zu Tiefbaugru-
gen gab es keine Alternative zu unverzüglichem ben. Zeitgleich werden mit Trocknung, Pressen
und wirkungsvollem Handeln. Die Politik gestal- und Paraffinölgewinnung die ersten Veredlungs-
tete für dieses Handeln zeitnah, unmittelbar nach schritte unternommen. Nach 1900 wird durch die
der Wiedervereinigung Deutschlands, die erfor- Elektroenergie der Braunkohlenabbau im Tage-
derlichen Rahmenbedingungen. bau trotz hoher Abraumbewegung und Wasser-
In nunmehr zwei Jahrzehnten wurde unter hebung wirtschaftlich. Der Braunkohlenbergbau
dem Begriff „Braunkohlesanierung“ ein einzig- kann nun mit moderner Entwässerungstechnik
artiges Umweltprojekt zur Heilung der schwer- und Tagebaugroßgeräten in Beckenlagerstätten
wiegenden Folgen des großflächigen Braunkoh- und Urstromtäler vordringen (s. Abschn. 2.2).
lenabbaus durchgeführt. Die inzwischen erreich- Immer größere Flächen werden vom Bergbau in
ten sichtbaren Erfolge bei der Verwandlung von Anspruch genommen und nach dem damaligen
Abbau- und Industrieflächen in neue, attraktive Wissensstand rekultiviert (Drebenstedt 2001).
und wirtschaftlich chancenreiche Landschaften Die Weiterentwicklung der Braunkohlen-
sind das Gemeinschaftswerk vieler Beteilig- veredlungsverfahren steigert die Verwendungs-
ter, die das Aufwenden erheblicher finanzieller möglichkeiten und damit auch die Nachfrage
Mittel der öffentlichen Hand von Beginn an als der Kohle. Röhrentrockner revolutionieren die
lohnende Investition in die Zukunft betrachtet Braunkohlenbrikettierung. Aus Braunkohle wer-
haben. den Elektroenergie, Gas, Briketts, Koks, Teer,
Bei der Umsetzung dieses einzigartigen Pro- Kraftstoffe, Mineralöl, Phenol und Schwefel her-
jektes auf der größten Landschaftsbaustelle stellt. Die Karbochemie ist im 2. Weltkrieg ein
Europas wurden eine Reihe von neuen Erfah- wichtiger Bestandteil der deutschen Kriegswirt-
rungen und Erkenntnisse gewonnen, aus techni- schaft und demzufolge auch Ziel von Luftangrif-
scher, wissenschaftlicher, ökologischer und so- fen der Alliierten. Die durch Kriegseinwirkungen
zio-ökonomischer aber auch aus administrativer verursachten Schäden führten oft zu zusätzlichen
Sicht. Mit diesem Buch sollen diese Erfahrungen Kontaminationen des Bodens. Nach Kriegsende
der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden. wurde im Osten Deutschlands ein großer Teil der
Tagebaugroßgeräte demontiert und als Repara-
tionsleistung in die damalige Sowjetunion ge-
2.1.1 Braunkohlenbergbau in der DDR bracht. Der Braunkohlenbergbau war vielerorts
bis 1989 zum Erliegen gekommen. Viele Tagebaue waren
abgesoffen. Die Wiederaufnahme der Förderung
Die Suche nach jeweils effizienteren Lösungen war trotz aller Schwierigkeiten jedoch wesent-
für die Energieversorgung ist so alt wie die Ge- liche Voraussetzung für einen wirtschaftlichen
schichte der Menschheit. Bereits im ausgehenden Wiederaufbau. Deshalb wurde der verbliebene
2  Gesellschaftliche, natürliche und technische Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung 9

Abb. 2.1   Braunkohlen- 0LRW


förderung in den ostdeut- 
schen Revieren von 1880
bis 2010. (DEBRIV 2004; 
Statistik der Kohlenwirt-

schaft e. V. 2011)
'HXWVFKODQG



0LWWHO

GHXWVFKODQG



/DXVLW]



              -DKU

Tagebaugerätebestand nach damaligen Möglich- re Kohlenqualität bezüglich Asche-, Schwefel-,


keiten ertüchtigt und der Neubau von Tagebau- Wasser- und Salzgehalt, veraltete Kraftwerke
großgeräten wieder aufgenommen. und Veredlungsanlagen, zunehmende Transport-
Der kalte Krieg hatte für die DDR zur Folge, entfernungen) sollte die Braunkohlenindustrie
dass der Erwerb von Rohstoffen auf den inter- den wachsenden Energiebedarf der ebenfalls mit
nationalen Märkten entweder blockiert oder nur Effizienzproblemen behafteten Volkswirtschaft
für kaum verfügbare, frei konvertierbare Wäh- decken.
rungen möglich war. Die Konsequenz war eine Die Inanspruchnahme von Flächen für die
Konzentration auf den Abbau und die Veredlung Braunkohlengewinnung steigerte sich auf über
der reichlich vorhandenen eigenen Braunkohlen- 3.000 ha/a und teilweise bis 4.000 ha/a. Ab Mitte
vorkommen. Die Braunkohlenförderung entwi- der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts wurden die
ckelte sich bereits bis Mitte der 50er Jahre des vorhandenen Ressourcen immer stärker im un-
20. Jahrhunderts wieder auf Vorkriegsniveau in mittelbaren Produktionsprozess konzentriert und
Höhe von ca.160 Mio. t/a. Mitte der 60er Jahre die Vor- und Nachsorge zunehmend vernachläs-
des 20. Jahrhunderts erreichte die Förderung sigt. Infolgedessen wurde u. a. das Defizit der
250 Mio. t/a und stagnierte dann für kurze Zeit, Wiedernutzbarmachung gegenüber der Landin-
da Erdölimporte aus der Sowjetunion die Braun- anspruchnahme immer größer (Abb. 2.2; Stoll
kohle langfristig ablösen sollten. Hierzu wurden et al. 2009; Drebenstedt 1999; Beschow 2012).
auch Stilllegungen von Tagebauen und wirt- Weite Teile der Braunkohlenreviere verwandel-
schaftliche Umstrukturierungsmaßnahmen vor- ten sich mehr und mehr zu „Mondlandschaften“.
bereitet. Diese Entwicklung endete jedoch mit Abbildung  2.2 verdeutlicht am Beispiel des
der ersten Ölkrise 1973. Infolgedessen hatte die Lausitzer Braunkohlenreviers die Dynamik der
DDR den Bezug von Erdöl und Erdgas aus dem Landinanspruchnahme und Wiedernutzbarma-
Ostblock nach Weltmarktpreisen zu finanzieren. chung im Zeitraum von 1945 bis 2010:
Danach steigerte die DDR ihre Braunkohlenpro- • Die ersten 20 Jahre standen im Zeichen des
duktion wieder kontinuierlich bis 1989 auf über Aufbaus des kriegszerstörten Landes. Mit der
300 Mio. t/a und wurde damit das Land mit der Kohlenförderung stieg die Landinanspruch-
weltweit höchsten Förderung (Abb. 2.1). nahme bis auf 1.500 ha/a. Die Wiedernutzbar-
Für das Land hatte dies schwerwiegende Fol- machung blieb mit wenigen 100 ha/a deutlich
gen. Unter zunehmend ungünstigeren Abbau- und zurück.
Verarbeitungsbedingungen (zunehmende Teufe, • Danach folgte eine stabile Phase der Land-
abnehmende Flözmächtigkeiten, geologische inanspruchnahme von 15 Jahren. Die Wie-
Störungszonen in Abraum und Kohle, schlechte- dernutzbarmachung erfolgte in etwa glei-
10 C. Drebenstedt et al.

Abb. 2.2   Flächenent­ 


zug und Wiedernutz­

barmachung im Lausitzer
Braunkohlenrevier. 
(Beschow 2012)





            
            
/HJHQGH
/DQGLQDQVSUXFKQDKPH
:LHGHUQXW]EDUPDFKXQJ ODQGZLUWVFKDIWOLFKH1XW]XQJ
IRUVWZLUWVFKDIWOLFKH1XW]XQJ
ZDVVHUZLUWVFKDIWOLFKH1XW]XQJ
VRQVWLJH1XW]XQJ

cher Höhe und legte im Durchschnitt auf ca. als gerade noch ausreichend bezeichnet werden,
1.500 ha/a zu. Kippen sollten vor allem für die woraus neue Schwierigkeiten entstanden. Für die
Landwirtschaft nutzbar gemacht werden und vom Bergbau devastierten Infrastruktureinrich-
die ersten Seen großer, stillgelegter Tagebaue tungen (Straßen, Leitungstrassen, Wasserläufe)
nahmen Gestalt an. mussten oft langfristig unbefriedigende Ersatz-
• Dann, in den 80er Jahren des 20. Jahrhun- lösungen geschaffen werden. Die steigende berg-
derts, die große Schere. Die Landinanspruch- bauliche Wasserhebung und -ableitung machte
nahme stieg bis auf ca. 2.000 ha/a an, während die Erhöhung der Durchlassfähigkeit vieler Vor-
die Wiedernutzbarmachung auf ca. 1.000 ha/a fluter erforderlich. Gleichzeitig wurden zahlrei-
zurückfiel. che kleinere Vorfluter infolge der großräumigen
• In den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts redu- Grundwasserabsenkung auf einer Fläche von ins-
ziert sich die Landinanspruchnahme infolge gesamt über 300.000 ha trocken gelegt. Vielerorts
des drastischen Rückgangs in der Kohlenför- wurden Flächen mit zuvor flurnahen Grundwas-
derung auf 30 %, auf ca. 500 ha/a. Die Wie- serständen bebaut, ohne dabei Vorkehrungen auf
dernutzbarmachung blieb auf dem Niveau den späteren Wiederanstieg des Grundwassers zu
von ca. 1.000 ha/a. Die Trendwende nach 50 treffen oder hinreichend Rechnung zu tragen.
Jahren. Des Weiteren führte die mit der Entwicklung
• Seit dem Jahr 2000 hat sich die Situation sta- der Braunkohlenindustrie verbundene Erhö-
bilisiert. Die Landinanspruchnahme durch hung der Beschäftigtenzahl zu einer steigenden
den aktiven Bergbau beträgt ca. 700 ha/a, Zuwanderung. Durch die Umsiedlung immer
während vor allem die Braunkohlesanierung größerer Ortschaften wurde die Bevölkerungs-
die wiedernutzbargemachten Flächen wieder verdichtung in Städten wie Leipzig, Halle, Bit-
in den Bereich von ca. 1.500 ha/a rückt. terfeld, Cottbus, Hoyerswerda, Senftenberg und
Der Handlungsspielraum der Bergbaubetriebe Spremberg zusätzlich verstärkt, was wiederum
wurde in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts Versorgungsprobleme mit sich brachte (Abb. 2.3;
in der DDR immer stärker von zentralen Staats- Tab.  2.13 und 2.14). Die Auswirkungen des
organen bestimmt. So bekam die Wiedernutz- Braunkohlenbergbaus auf Land-, Forst- und
barmachung von Bergbauflächen aufgrund der Wasserwirtschaft konnten regional kaum noch
angespannten ökonomischen Situation eine zu- kompensiert werden.
nehmend nachgeordnete Bedeutung. Bei der Darüber hinaus hatten der extensive Abbau
extensiven Braunkohlenförderung und gleich- und die Nutzung der Braunkohle schwerwiegen-
zeitig abnehmender Flözmächtigkeit wurde der de Auswirkungen auf die Umwelt.
Planungsvorlauf für zukünftige Braunkohlen- Die Emissionen von Schwefeldioxid, Stick-
tagebaue immer kürzer und konnte bestenfalls oxiden und Staub sowie Schadstoffe aus Abfäl-
2  Gesellschaftliche, natürliche und technische Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung 11

Abb. 2.3   Landschaft im Raum Senftenberg a vor Beginn des Braunkohlenbergbaus im Jahr 1850. b während des
Braunkohlenbergbaus im Jahr 1963. (Hermann Haack Geographisch-Kartographische Anstalt 1980)

Abb. 2.4   Emission von NWD


Schwefeldioxid (SO2) 
und Stickoxiden (NOx)
1980–2009 aus Kraft- und %5' *HVDPWGHXWVFKODQG

Fernheizwerken in der ELV  DE
Bundesrepublik Deutsch- 
land. (1980–1990 alte
Bundesländer, 1990–2010  62
Gesamtdeutschland)
(Borsch 2001; UBA 2011) 
12[





     
-DKU

len und Leckagen der Braunkohlenverarbeitung sionen erreicht. Die sprunghafte Erhöhung im
beeinträchtigten die Schutzgüter Luft, Boden Jahr 1990 ist auf die Hinzuziehung der Emissio-
und Wasser nachhaltig (Abb. 2.4). Dies ist neben nen aus der Braunkohlenverstromung der neuen
dem extensiven Einsatz von Braunkohle auch auf Bundesländer zurückzuführen und veranschau-
die ab Mitte der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts licht eindrucksvoll die Dimensionen der lang-
zunehmend fehlende Modernisierung der techni- jährigen Umweltbelastung durch Luftschadstoffe
schen Anlagen wie Kraftwerke und Veredelungs- (Schönherr und Drebenstedt 1993).
betriebe zurückzuführen. So lag der Wirkungs-
grad der Kraftwerke im Bereich von nur 25 bis
32 %. 2.1.2 Veränderung der Stellung der
Abbildung 2.4 zeigt die aus der Nutzung aller Braunkohlenindustrie im Osten
fossilen Energieträger resultierenden diesbezüg- Deutschlands nach 1989
lichen Emissionen. Für die alten Bundesländer
wurde bereits ab 1980 trotz steigender Strom- Für die deutsche Braunkohlenindustrie bedeutet
erzeugung durch die Umsetzung des Bundes-Im- die Entwicklung zwischen den Jahren 1990 und
missionsschutzgesetzes, der Großfeuerungsanla- 2000 wohl das bisher dynamischste Jahrzehnt
gen-Verordnung und der Technischer Anleitung – ihrer Entwicklung (Drebenstedt et al. 2001).
TA-Luft eine Reduzierung der Kraftwerksemis- Es war durch einschneidende Produktions- und
12 C. Drebenstedt et al.

Strukturanpassungen sowie einen enormen Ratio- Tab. 2.1   Primärenergieverbrauch der neuen Bundeslän-
nalisierungsschub gekennzeichnet. Mit der Her- der 1989 bis 2008
stellung der Einheit Deutschlands am 03.10.1990 Jahr Insgesamt davon Anteil der
Braunkohle Braunkohle
durch den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik
am Gesamt-
Deutschland änderten sich die wirtschaftlichen, verbrauch
rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen Mio. t SKE Mio. t SKE %
für die Entwicklung der Braunkohlenindustrie im 1989a 127,80 87,70 68,60
Gebiet der DDR grundlegend. 1990b 106,03 73,41 69,24
Die Wirtschaft der DDR war hauptsächlich 1991 81,24 52,90 65,12
auf den Binnenmarkt und den Export nach Ost- 1992 71,27 40,54 56,88
europa ausgerichtet. Mit dem Staatsvertrag über 1993 70,83 35,49 50,10
die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion 1994 68,84 30,74 44,65
1995 69,34 26,55 38,29
beider deutscher Staaten übernahm die DDR ab
1996 69,83 23,90 34,22
dem 1.7.1990 die gesetzlichen Regeln des Wirt-
1997 67,60 22,16 32,78
schafts- und Sozialrechts der Bundesrepublik
1998 68,47 19,44 28,39
Deutschland. Alle damals ca. 15.000 Volkseige- 1999 67,38 19,26 28,58
nen Betriebe (VEB) mit etwa 4 Mio. Beschäftig- 2000 69,04 21,83 31,62
ten gehörten von diesem Zeitpunkt an der Treu- 2001 71,68 23,59 32,92
handanstalt. Ihre Aufgabe war es, die VEB der 2002 72,48 24,13 33,29
DDR nach den Grundsätzen der Marktwirtschaft 2003 72,41 24,16 33,37
zu privatisieren oder stillzulegen sowie die Effi- 2004 72,07 24,01 33,31
zienz und Wettbewerbsfähigkeit der Unterneh- 2005 75,28 23,93 31,79
men zu sichern (§ 8 Treuhandgesetz). 2006 76,86 23,81 30,98
Im Zuge der Einführung der Deutschen Mark 2007 74,76 23,98 32,08
und der Öffnung Ostdeutschlands für den Welt- 2008 75,52 23,51 31,13
a Neue Bundesländer inklusive Ostberlin nach DIW 1997
markt ging die Binnennachfrage nach DDR-Pro- b Neue Bundesländer ohne Berlin nach Länderarbeitskreis
dukten drastisch zurück. Gleiches gilt für die Ex- Energiebilanzen 2012
porte in die Länder des ehemaligen Ostblocks, in
denen ein gleichartiger politischer und wirtschaft-
licher Umbruch begann. Zudem lag die Produk- 60 % des Niveaus von 1989 an (Tab. 2.1). Der
tivität der ehemaligen VEB aufgrund der ver- Anteil der Braunkohle an der Primärenergiebe-
alteten Technik bei etwa einem Drittel vergleich- darfsdeckung verringerte sich bis 1998 mit knapp
barer westlicher Konkurrenten. Der Einbruch in unter 30 % auf ca. 42 % des Niveaus von 1989
der Industrieproduktion hatte u. a. einen starken und liegt auch 10 Jahre später bei knapp über
Rückgang des Energiebedarfs der Wirtschaft zur 30 %. Grund war die Anpassung der Braunkoh-
Folge. Die beim Neuaufbau der Wirtschaft zum lenförderung an den Bedarf; sie fiel im gleichen
Einsatz kommenden modernsten, energieeffizi- Zeitraum auf unter ein Viertel des Niveaus von
enten Technologien trugen ebenfalls zur Senkung 1989 und legte in den darauffolgenden 10 Jahren
des Energiebedarfs bei. Zudem wurde Braun- wieder leicht auf über ein Viertel zu. Verbunden
kohle teilweise durch andere Energieträger wie mit der Reduzierung der Braunkohlenförderung
Erdöl und Erdgas ersetzt. Diese Veränderungen war ein Strukturwandel der Braunkohlennut-
der wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen zung, die nun zu über 90 % zur Stromerzeugung
Rahmenbedingungen schlugen direkt bis in die in Großkraftwerken in der Nähe der Tagebaue
Braunkohlenindustrie durch, die damit vor tief eingesetzt wurde und wird (Tab. 2.2).
greifenden Veränderungen stand. Neue Bedingungen ergaben sich insbeson-
Der Primärenergieverbrauch reduzierte sich in dere durch den freien Wettbewerb der Primär-
den neuen Ländern allein in den fünf Jahren von energieträger auf dem dezentralen Strom- und
1989 bis 1994 um 46 % und stieg in den darauf Wärmemarkt, an dem nach 1990 verstärkt Erdöl
folgenden 15 Jahren nur geringfügig auf knapp und -gas teilnehmen. Besonders betroffen waren
Tab. 2.2   Herstellung von Braunkohlenkoks, -briketts, Staub-, Trocken- und Wirbelschichtkohle [1000 t] und Belegschaft in Braunkohlenrevieren in Deutschland. (Statistik der Kohlen-
wirtschaft e. V. 2011)
Jahr Braunkohlenkoks Braunkohlenbriketts Staubkohle Trockenkohle Wirbelschicht- Belegschaften
kohle

land
land
land
land
land
land

samt
Insge-

Rhein-
Rhein-
Rhein-
Rhein-
Rhein-
Rhein-

Mittel-
Mittel-
Mittel-
Mittel-
Mittel-

Lausitz
Lausitz
Lausitz
Lausitz
Lausitz
Lausitz

Summe
Summe
Summe
Summe
Summe

deutschl.
deutschl.
deutschl.
deutschl.
deutschl.

1989 135 2.472 2.487 5.094 2.158 24.640 22.596 49.394 2.509 1.111 724 4.344 172 – 533 705 67 – 67 15.565 79.016 59.815 154.396
1990 174 1.988 1.194 3.356 2.397 22.164 15.484 40.045 2.482 716 594 3.791 158 31 506 695 265 – 265 15.316 65.478 46.796 127.590
1991 197 665 – 862 2.851 12.233 5.965 21.049 2.481 256 223 2.960 173 – 1.161 1.335 346 – 346 15.419 52.189 27.588 95.196
1992 206 73 – 279 2.325 6.503 3.244 12.071 2.398 302 220 2.921 170 14 1.053 1.237 406 – 406 14.966 39.258 17.439 71.663
1993 186 – – 186 2.217 5.262 2.454 9.933 2.179 378 159 2.716 127 0 629 757 468 – 468 14.454 27.249 10.477 52.180
1994 172 – – 172 1.823 3.877 1.149 6.849 2.137 377 225 2.739 140 13 763 916 455 – 455 13.846 22.328 8.147 44.321
1995 192 – – 192 1.618 2.782 611 5.011 2.110 364 226 2.700 78 7 485 570 471 – 471 13.072 19.248 6.675 38.995
1996 178 – – 178 1.717 2.693 486 4.896 2.051 328 276 2.655 123 3 204 330 423 – 423 12.620 13.883 5.013 31.516
1997 185 – – 185 1.498 1.728 313 3.539 2.091 348 295 2.734 103 4 – 107 388 – 388 11.906 11.979 4.449 28.334
1998 185 – – 185 1.215 967 163 2.345 1.984 444 240 2.667 – 2 – 2 394 7 401 11.690 9.517 4.020 25.227
1999 174 – – 174 1.146 814 111 2.072 1.839 489 198 2.525 – – – – 361 104 465 11.439 7.718 3.523 22.680
2000 179 – – 179 1.068 663 89 1.819 2.025 481 173 2.679 – – – – 372 189 561 10.430 7.081 2.996 20.507
2001 177 – – 177 1.016 654 70 1.740 2.010 493 149 2.652 – – – – 386 184 570 9.619 6.755 2.859 19.233
2002a 184 – – 184 895 597 60 1.553 2.027 432 198 2.657 – – – – 329 219 548 9.121 6.532 2.745 18.398
2003b 165 – – 165 807 585 73 1.466 1.983 456 214 2.653 – – – – 327 232 559 11.876 9.632 3.002 24.510
2004 187 – – 187 890 545 – 1.435 2.245 530 228 3.002 – – – – 396 235 632 11.158 9.300 2.847 23.305
2005 173 – – 173 964 526 – 1.490 2.238 493 192 2.924 – – – – 408 252 660 11.105 8.881 2.642 22.628
2006 181 – – 181 1.056 606 – 1.662 2.331 597 228 3.157 – – – – 413 206 619 11.161 8.456 2.610 22.227
2007 173 – – 173 977 351 – 1.328 2.312 690 272 3.274 – – – – 386 221 607 11.404 8.334 2.553 22.291
2008c 177 – – 177 1.163 468 – 1.631 2.442 829 259 3.530 – – – – 364 225 590 11.542 7.862 2.525 21.929
2009 153 – – 153 1.187 772 – 1.959 2.307 705 183 3.194 – – – – 315 125 440 11.562 7.982 2.513 22.057
2  Gesellschaftliche, natürliche und technische Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung

2010 176 – – 176 1.166 858 – 2.024 2.610 817 205 3.632 – – – – 294 121 415 11.606 8.049 2.508 22.163
2011 171 – – 176 1.202 893 40 2.136 2.985 897 210 4.093 – – – – 360 158 518 11.591 8.126 2.531 22.248
a Belegschaften bis 2002: Beschäftigte des Braunkohlenbergbaus (ohne eigene Braunkohlenkraftwerke der allgemeinen Versorgung)
b Belegschaften ab 2003: einschl. Beschäftigte in eigenen Braunkohlenkraftwerken der allgemeinen Versorgung
c Aufgrund der Neustrukturierung im Revier Lausitz ist die Belegschaft mit dem Vorjahr nicht vergleichbar
13
14 C. Drebenstedt et al.

Tab. 2.3   Arbeitskräfteverteilung in der ostdeutschen Braunkohlenindustrie 1989


1989 Braunkohlen- Braun- Braunkohlen- Gas- Braunkohlen- Kombinat Summe
kombinat kohlen- kombinat kombinat veredlung Anlagenbau
Bitterfeld veredlung Senftenberg Schwarze Lauchhammer Braunkohle
Espenhain Pumpe
Gewinnung 20.133 22.234 42.367
Brikettierung 4.228 820 3.065 1.613 1.528 11.254
2. Veredlungsstufe 396 887 0 2.522 862 4.667
Kraftwerke 2.066 546 940 4.165 410 8.127
Instandhaltung 13.701 2.056 13.374 2.220 1.309 4.215 36.875
Sozialökonomie 3.566 318 3.339 884 445 428 8.980
Kombinatsleitung/ 6.713 774 8.478 2.467 1.000 1.385 20.817
Stabsorgane
Sonstige 1.288 489 3.259 1.318 99 2.460 8.913
Personal ohne 52.091 5.890 54.689 15.189 5.653 8.488 142.000
Lehrlinge
Lehrlinge 1.533 301 2.232 853 400 692 6.011
Personal einschl. 53.624 6.191 56.921 16.042 6.053 9.180 148.011
Lehrlinge
Enthalten: Projektierung Braunkohlenbohrungen und Schachtbau Welzow: 594

davon die Brikett-, Koks- und Gaserzeugung auf nicht vertretbar. So führte die Schließung nicht
Braunkohlenbasis, wobei die Produktion von mehr benötigter Anlagen zu einer deutlichen Ver-
Koks und Gas bereits 1992 eingestellt wurde. ringerung der Umweltbelastungen. Weiter be-
Letzte Trockenkohle wird 1996/1997 erzeugt nötigte Kapazitäten mussten durch umwelttech-
und die Briketterzeugung verringert sich von fast nische Aufrüstung erhalten oder durch Neubau
50 Mio. t im Jahr 1989 auf weniger als 1 Mio. t geschaffen werden.
im Jahr 2000. Zum Ende des darauffolgenden Infolge des Produktionsrückgangs in den Lau-
Jahrzehnts steigt das Interesse an Brikett wieder, sitzer und Mitteldeutschen Braunkohlenrevieren
nicht zuletzt wegen hoher Brennstoffpreise für verringerte sich auch die Belegschaft, die 1989
Alternativen und Lieferengpässen. Einzig Braun- immerhin ca. 150.000 Personen ausmachte, nach
kohlenstaub konnte sich nach 20 Jahren mit ca. zehn Jahren auf noch gut 10.000, d. h. ca. 13 %.
60 % der Erzeugung von 1989 behaupten, nach- Dabei ist zu beachten, dass die Strukturen in den
dem zwischenzeitlich auch hier die Produktion VEB zahlreiche Funktionen umfassten, die heute
auf gut ein Drittel schrumpfte. Als neues Produkt nicht mehr den Unternehmen zugeordnet sind
kam 1998/1999 Lausitzer Wirbelschichtkohle und durch private oder kommunale Dienstleister
auf den Markt (Tab. 2.2). erbracht werden.
Für einige jahrzehntelang mit hohen Kos- Tabelle 2.3 enthält eine detaillierte Arbeits-
ten aus Braunkohle gewonnenen Produkte wie kräfteverteilung in der ostdeutschen Braunkoh-
Schwefel, Benzin und weitere Rohstoffe der Kar- lenindustrie 1989.
bochemie war der Markt größtenteils entfallen. Der Tagebaubetrieb konnte vielerorts den
Die Stilllegung dieser Produktionsanlagen war neuen ökologischen und sozialverträglichen An-
zwangsläufig die Folge. Schließlich erfüllten die sprüchen nicht genügen. Im Herbst 1989 richte-
technisch veralteten Braunkohlenkraftwerke und ten sich die Proteste der DDR-Bevölkerung in
Veredlungsanlagen nicht die Forderungen der den Braunkohlenrevieren insbesondere gegen
bundesdeutschen Umweltstandards. Investitio- den großflächigen Raubbau an Kohle, Natur und
nen für die Ertüchtigung der oft baufälligen Ge- Heimat. Neben den ökologischen Schäden und
bäude und Betriebseinrichtungen sowie die Mo- Risiken sowie den unzureichend beachteten so-
dernisierung der technisch verschlissenen Anla- zialen Folgen waren die Proteste vor allem in der
gen und Technologien erschienen wirtschaftlich mangelnden Transparenz der diesbezüglichen
2  Gesellschaftliche, natürliche und technische Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung 15

Entscheidungsprozesse begründet. Der darauf- Staaten Osteuropas wesentlich günstigere Vo-


hin vom Ministerrat der DDR noch 1989 gefasste raussetzungen für den dringend erforderlichen
Beschluss zur Erarbeitung einer neuen Energie- marktwirtschaftlichen und ökologischen Umbau
konzeption, die Aufhebung von Entscheidun- der monostrukturierten Energiewirtschaft. Hinter
gen zu Bergbauschutzgebieten, die Bildung von dem politischen Willen, die Herausforderungen
Arbeitsgruppen der Bezirke und schließlich der zu meistern, stand die Finanz- und Wirtschafts-
Einsatz von Expertengruppen wurden durch die kraft des gesamten Landes. Im Wesentlichen
sich rasant vollziehende politisch-gesellschaft- ging es um die Bewältigung von drei Aufgaben:
liche Entwicklung überholt. Ungeachtet dessen • die marktwirtschaftliche Umstrukturierung
war es notwendig, in sehr kurzer Zeit Entschei- der Energiewirtschaft
dungen vorzubereiten und zu treffen, um • die Reduzierung von Umweltbelastungen und
• die negativen Folgen der bisherigen Braun- die Beseitigung von Umweltaltlasten
kohlengewinnung zu überwinden • die Abfederung der sozialen Auswirkungen
• den Demokratisierungsprozess in den Verwal- des Umstrukturierungsprozesses.
tungsentscheidungen weiter voran zu bringen Die braunkohlenbasierte DDR-Energiewirtschaft
• den neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen bestand aus drei Kombinaten:
bei der Planung zu genügen. • dem Braunkohlenkombinat Senftenberg
Im Land Brandenburg z. B. wurde deshalb be- • dem Braunkohlenkombinat Bitterfeld
reits 1990 vorgeschlagen, zur Organisation raum- • dem Gaskombinat Schwarze Pumpe
planerischer Aufgaben zur Bergbauentwicklung und den diesen Kombinaten zugehörigen 39 Ta-
nach dem Vorbild des Landes Nordrhein-West- gebauen, 45 mittleren und kleinen Braunkohlen-
falen einen Braunkohlenausschuss zu schaffen, kraftwerken und 49 Veredlungsanlagen.
der einen schnellen Übergang von den Planungs- Die wenigen Großkraftwerke der Braunkoh-
ansätzen der DDR zu einer ökologisch und sozial lenverstromung gehörten zum Kombinat Braun-
verträglichen Braunkohlen- und Sanierungspla- kohlenkraftwerke und wurden im Zuge der Um-
nung vollziehen sollte. Braunkohlenplanung und strukturierung gesondert privatisiert (VEAG)
bergrechtliche Betriebsplanung waren in beson- bzw. stillgelegt, so dass sie hier nicht näher be-
derer Weise gefordert, um einerseits Planungs- trachtet werden. Am 1. Juli 1990 wurden die drei
sicherheit für den Braunkohlenbergbau und die Kombinate gemäß den Bestimmungen des Kapi-
alternativlose Braunkohlesanierung zu schaffen talumwandlungsgesetzes in vier Kapitalgesell-
und andererseits das Vertrauen der Menschen in schaften des Bundes umgewandelt (Abb. 2.5).
eine zukunftsweisende, wirtschaftlich chancen- Diese Gesellschaften hatten 1990 etwa 135.000
reiche und ökologisch nachhaltige Umstrukturie- Beschäftigte. Es war klar, dass auch bei einer opti-
rung der Landschaften in den Revieren herzustel- mistischen Einschätzung der wirtschaftlichen Ent-
len (Drebenstedt et al. 1998). wicklung nur wenige der darin enthaltenen Betrie-
be eine langfristige wettbewerbsfähige Perspekti-
ve haben würden. Daher stand zunächst die Auf-
2.1.3 Herausbildung der Braunkohle- gabe, für die von sofortiger Betriebsteilstilllegung
sanierung betroffenen Arbeitnehmer andere Beschäftigungs-
möglichkeiten zu schaffen. In kurzer Zeit wurden
Strukturelle Veränderungen in der Braun- im Zusammenwirken mit den Arbeitsämtern, vor-
kohlenindustrie nach 1989  Mit den politischen nehmlich für in jedem Fall notwendige Aufräum-
Umbrüchen der Jahre 1989 und 1990 begann sowie Abbruch- und Demontagearbeiten, Arbeits-
auch in vielen osteuropäischen Ländern ein ana- beschaffungsmaßnahmen (ABM) organisiert und
loger tiefgreifender wirtschaftlicher Umstruk- durchgeführt, die keine lange Vorbereitungsphase
turierungsprozess. Die neuen Bundesländer des erforderten und eine hohe Beschäftigungswirkung
wiedervereinigten Deutschlands hatten trotz aller hatten. Diese Sofortmaßnahmen in den Jahren
Schwierigkeiten jedoch gegenüber den anderen 1991 und 1992 können als die erste Phase der
16 C. Drebenstedt et al.

Abb. 2.5   Umstrukturie-


rung der Braunkohlen-
industrie 1989 bis 1990

Braunkohlesanierung in Ostdeutschland bezeich- dieser Teil bereits der Braunkohlesanierung zu-


net werden. Insgesamt wurden dafür 768 Mio. geordnet. Des Weiteren wurden für die gesamte
DM (386 Mio. €) aufgewendet. Braunkohlenindustrie Altlastenkataster aufge-
Des Weiteren haben die vorgenannten Kapi- stellt, in denen auf der Grundlage bestehender
talgesellschaften neben der rückläufigen aber rechtlicher Verpflichtungen für Bergbauunterneh-
bedarfsgerechten Weiterführung der Energie- men der Sanierungsbedarf erfasst und einer ers-
versorgung mit Braunkohle in umfangreichen ten Bewertung unterzogen wurde. Die Daten der
Variantenuntersuchungen zusammen mit der Altlastenkataster fanden auch bei der Beurteilung
Treuhandanstalt (THA) den künftigen Bedarf der Privatisierungsaussichten Berücksichtigung.
an Braunkohle und ihren Veredlungsprodukten Mit dieser Vorbereitung und unter der Begleitung
prognostiziert sowie ausgearbeitet, mit welchen der Treuhandanstalt wurden zum 1.1.1993 die
privatisierungsfähigen Betrieben dieser Bedarf Energiewerke Schwarze Pumpe AG (ESPAG)
gedeckt werden könnte. Zu nennen sind z. B. die und die Lausitzer Braunkohle AG (LAUBAG)
Studie der Beratungsgesellschaft McKinsey & verschmolzen und zum 1.1.1994 rückwirkend
Company, Inc. „Erarbeitung eines Konzeptes zur die wirtschaftlich überlebensfähigen Betriebe
Restrukturierung der Braunkohle in den neuen der LAUBAG unter gleichem Namen an ein
Bundesländern“ (1991) und im Anschluss die Tä- Konsortium der westdeutschen Energieversorger
tigkeit der Lausitzer und Mitteldeutschen Braun- privatisiert (PreussenElektra AG (30 %), Bayern-
kohlen-Beratungsgesellschaft mbH (LMBB) werk AG (15 %), Rheinbraun AG (39,5 %), RWE
mit dem Ziel der inhaltlichen Konkretisierung Energie AG (5,5 %), N-3-Unternehmen (10 %)).
der privatisierungswürdigen Betriebsstätten und Zur LAUBAG wurden fünf von 17 Tagebauen,
Anlagen, weitestgehend nach dem Vorbild der die 1989 in der Lausitz betrieben wurden sowie
Rheinbraun AG. Bereits 1990 wurden in Vorbe- eine Brikettfabrik am Standort Schwarze Pumpe
reitung der Privatisierung der Grundlastkraftwer- als so genannte A-Betriebe zugeordnet. Aus dem
ke (VEAG) die „Stromverträge“ unterzeichnet. abgespaltenen, nicht privatisierungsfähigen Teil
Der nicht privatisierungsfähige Teil der der LAUBAG und der Braunkohlenveredlung
Braunkohlenindustrie mit einer mittelfristig still- Lauchhammer (BVL) entstand die Lausitzer
zulegenden Produktion wurde im Ergebnis dieser Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LBV)
Untersuchungen als so genannter Auslaufbergbau mit der Aufgabe, den Auslaufbergbau (B-Betrie-
eingestuft. Zusammen mit den bereits stillgeleg- be) und den Sanierungsbergbau (C-Betriebe) zu
ten Betrieben des Braunkohlenbergbaus wurde organisieren.
2  Gesellschaftliche, natürliche und technische Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung 17

Ebenso zum 1.1.1994 entstand als erste Pri- als bergrechtlich verantwortliches Unternehmen,
vatisierung durch ein anglo-amerikanisches dabei im Wesentlichen das Projektmanagement
Konsortium (zu je 1/3: NRG Energy Inc., USA, übernimmt und die physische Umsetzung der Sa-
Power Gen plc., UK, Morrison Knudsen Corp., nierungsmaßnahmen über wettbewerbliche Ver-
USA) aus der MIBRAG die Mitteldeutsche gabe realisiert wird.
Braunkohlengesellschaft mbH (MIBRAG). Am Zu diesem Zweck erfolgte zum 1.1.1995 aus
9.12.1994 wurde aus der MIBRAG der Tagebau LBV und MBV heraus die Privatisierung von
Amsdorf mit seiner bitumenreichen Kohle vor- Sanierungsgesellschaften, die in der Folgezeit im
nehmlich zur Herstellung von Montanwachs zur Wettbewerb zunächst vor allem bergbautypische
ROMONTA GmbH privatisiert. Zur privatisier- Sanierungsleistungen durchführten, sich in den
ten MIBRAG wurden zwei der vormals 18 Tage- Folgejahren aber auch erfolgreich auf dem freien
baue (Profen, Vereinigtes Schleenhain, Zwenkau Markt z. B. der Umweltschutz- und Landschafts-
wurde bis 1999 gepachtet), zwei Brikettfabriken bauleistungen etabliert haben. Schließlich wurde
(Deuben, Phönix) und drei Industriekraftwerke mit wirtschaftlicher Wirkung zum 1.9.1995 die
sowie Beteiligungen an Kraftwerken zugeordnet. belegschaftsseitig verkleinerten LBV und MBV
Aus der MIBRAG abgespalten wurde die Mit- auf die Holding Lausitzer und Mitteldeutsche
teldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV)
mbH (MBV), die analog der LBV für das mittel- als Projektträger des Auslaufbergbaus und der
deutsche Braunkohlenrevier die Trägerschaft für Braunkohlesanierung verschmolzen (Abb. 2.6),
den Auslauf- und Sanierungsbergbau wahrneh- um die anstehenden Aufgaben revierübergrei-
men sollte. fend, einheitlich organisatorisch und straff um-
Die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche zusetzen.
der privatisierten von den weiterhin bei der THA Die Umstrukturierung der Braunkohlenindus-
bzw. beim Bund verbleibenden Unternehmen er- trie in Ostdeutschland ist aufgrund des Umfanges
folgte in umfangreichen Spaltungsverträgen. In dieser einzigartigen Aufgabe und der kurzfristi-
Schnittstellenverträgen wurde dabei die Durch- gen Umsetzung beispielgebend für ähnliche an-
führung von Maßnahmen im jeweiligen Verant- stehende und zu erwartende Umstrukturierungs-
wortungsbereich geregelt. prozesse weltweit.
Im Anschluss an die Umstrukturierung der
Braunkohlesanierung in privatisierte (LAUBAG, Notwendigkeit der Etablierung der Braun-
MIBRAG und ROMONTA) und nicht privatisie- kohlesanierung  Nach der Umstrukturierung der
rungsfähige Teile (LBV, MBV) und Gesellschaf- Braunkohlen- und Energiewirtschaft im Osten
ten wurde seitens der Treuhandanstalt festgelegt, Deutschlands wurde die schnelle und wirtschaft-
wie der Auslauf- und Sanierungsbergbau organi- liche Sanierung bzw. Auslaufgestaltung der nicht
siert und umgesetzt werden soll. privatisierten 32 Tagebaue sowie 88 Brikettfabri-
Da der Inhalt und Umfang der Verpflichtun- ken, Kraftwerke, Schwelereien und Kokereien zu
gen des Sanierungsbergbaus gemäß den ein- einem wesentlichen Arbeitsfeld. Bei der Planung
schlägigen gesetzlichen Bestimmungen z. B. und Abarbeitung der Verpflichtungen, vor allem
Bundesberggesetz (BBergG) und Umweltgesetze der berg-, wasser-, abfall- und umweltrechtlich
des Bundes und der Länder zu diesem Zeitpunkt notwendigen Verpflichtungen und Maßnahmen
nicht hinreichend genau definiert und monetär zur Beseitigung der Hinterlassenschaften des
determiniert werden konnten, wurde entschie- Braunkohlenbergbaus der DDR in der Zeit von
den, diese Aufgaben, die mit öffentlichen Mitteln 1949 bis 1990, mussten auch die sozio-öko-
zu finanzieren waren, über eine Bundesgesell- nomischen Wirkungen des unvermeidlichen
schaft umzusetzen. Gleichzeitig wurde festge- Strukturwandels in den Revieren Lausitz und
legt, dass diese Bundesgesellschaft als Rechts- Mitteldeutschland in Betracht gezogen werden.
nachfolger der Kombinate der DDR und damit Eine Übersichtskarte (Abb. 2.7) veranschaulicht
18 C. Drebenstedt et al.

Abb. 2.6   Umstrukturierung der Braunkohlenindustrie bis 1998

Abb. 2.7   Lage der Braun-


kohlenreviere in Ost-
deutschland
2  Gesellschaftliche, natürliche und technische Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung 19

die große räumliche Dimension der Braunkohle- Altlasten (VA, s. Kap. 3). Dieses Abkommen
sanierung. wurde seither für Zeiträume von jeweils fünf
Zu den Aufgaben der Braunkohlesanierung Jahren durch Ergänzungen konkretisiert. Diese
gehören u. a.: Finanzierungsvereinbarung beinhaltet auch eine
• über 100.000 ha bergbaulich beanspruchtes arbeitsmarktpolitische Komponente, die eine be-
Land wieder nutzbar zu machen fristete Beschäftigung von Arbeitslosen fördert.
• über 200 Tagebaurestlöcher neu zu gestalten Die LMBV wurde als bergrechtlich verantwort-
• ca. 1.200 km Tagebaurestlochböschungen zu liches Unternehmen Projektträger für die Durch-
sichern führung der Sanierungsmaßnahmen. Während
• über 1.200 Altlastverdachtsflächen zu unter- die vor dem 1.7.1990 entstandenen Rechtsver-
suchen und zu sanieren pflichtungen als Altlasten vom Bund zu 75 %
• mehr als 110 industrielle Altstandorte zu und von den Ländern zu 25 % finanziert werden,
sanieren wendet die LMBV für die nach dem 1.7.1990
• ca. 13 Mrd. m3 Grundwasserdefizit auszuglei- entstandenen Verpflichtungen Eigenmittel auf.
chen Darüber hinaus haben seit 1998 die ostdeut-
• auf ca. 300.000 ha Fläche Gefahren im Zusam- schen Braunkohlenländer zusätzlich erhebliche
menhang mit dem Grundwasserwiederanstieg finanzielle Mittel bereitgestellt, um
zu besorgen • den Nutzungsstandard der neu entstehenden
• mehr als 95.000 ha Grundeigentum nach der Bergbaufolgelandschaften zu erhöhen
Sanierung zu verwerten. • Gefährdungen aus dem Altbergbau – ohne
Dazu sind folgende Leistungen zu bewältigen: Rechtsnachfolge – vor 1949 zu beseitigen
• Massenbewegung und -verdichtung im • damit zusätzlich Beschäftigung zu schaffen
Umfang von jeweils mehr als 1 Mrd. m³ und den Umstrukturierungsprozess zu för-
• Abbruch von Industrieanlagen und Demon- dern.
tage/Verschrottung von Geräten Außerdem finanzieren Bund und Länder seit
• Sanierung von Altlastverdachtsflächen 2003 zu gleichen Teilen Maßnahmen zur Abwehr
• Rekultivierung von sauren Kippenböden für von Gefährdungen, die aus dem natürlichen Wie-
Forst- und Landwirtschaft deranstieg des Grundwassers auf sein vorberg-
• Sicherung von Flächen für den Naturschutz bauliches Niveau resultieren.
und eine naturnahe Entwicklung Die 4. Ergänzung des Verwaltungsabkom-
• Flutung von Tagebaurestlöchern und Gewähr- mens (VA V) wurde im Jahr 2012 unterzeich-
leistung einer akzeptablen Wasserqualität. net und sieht die Bereitstellung finanzieller
Weitere Arbeiten betreffen z. B. das Verfüllen Mittel für das Gemeinschaftswerk Braunkoh-
von unterirdischen Grubenbauen (s. Kap. 6), den lesanierung von 2013 bis zum Jahr 2017 vor
Wegebau und die Errichtung von Flutungs- und (Abb. 2.8).
Auslaufbauwerken sowie von Zu-, Über- und Da die Finanzierung der Braunkohlesanierung
Ableitern für die Bergbaufolgeseen. mit öffentlichen Mitteln erfolgt, sind dabei die
Es wurde deutlich, dass für die nachhaltige haushaltrechtlichen Bestimmungen des Bundes
Lösung dieser Aufgaben erhebliche finanziel- und der Länder zu beachten. Die Haushaltsmittel
le Mittel bereitzustellen sind. Nachdem in den sind zweckentsprechend, wirtschaftlich und spar-
Jahren 1990 bis 1992 erste Sofortmaßnahmen sam einzusetzen. Weitere Kriterien für die Nach-
als Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der Bundes- weisführung des Mitteleinsatzes sind Lückenlo-
anstalt für Arbeit durchgeführt wurden, schlos- sigkeit und Nachvollziehbarkeit.
sen der Bund und die vom Braunkohlenbergbau Bund und Braunkohlenländer haben zur in-
der ehemaligen DDR betroffenen Bundesländer ternen Genehmigung der Braunkohlesanierungs-
Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und projekte und -maßnahmen einen Steuerungs- und
Thüringen 1992 das Verwaltungsabkommen für Budgetausschuss konstituiert, der aus Vertretern
die Finanzierung der Sanierung ökologischer der zuständigen Bundes- und Landesministe-
20 C. Drebenstedt et al.

Abb. 2.8   Finanzierung


der Braunkohlesanierung

rien besteht. Die Durchführung der Antragsprü- Die Ergebnisse der Braunkohlesanierung sind
fung, der Genehmigungsvorbereitung und des in den Revieren Lausitz und Mitteldeutschland
Controllings obliegt der Geschäftsstelle dieses erkennbar. Die aus Kippenflächen und Industrie-
Ausschusses. Die Kosten für die Braunkohle- brachen neu geschaffenen Landschaften werden
sanierung betrugen bis 2012 ca. 9,5 Mrd. €. Der bereits vielfältig wirtschaftlich genutzt. Insge-
Sanierungsbergbau sichert mit einem jährlichen samt sind bis Ende 2010 bereits ca. 5.900 neue
Budget von mehreren hundert Mio. € tausende Arbeitsplätze auf sanierten Bergbauflächen ent-
Arbeitsplätze in den Revieren und trägt maßgeb- standen.
lich zur Strukturanpassung bei. Im Sanierungs-
bergbau ist es beispielhaft gelungen, Mittel der Auslaufbergbau  Unter den als nicht privatisie-
Arbeitsförderung strukturpolitisch wirksam ein- rungsfähig bewerteten Teilen der ostdeutschen
zusetzen. Braunkohlenindustrie, die der LMBV bzw. ihren
Mit dem Sanierungsbergbau als größtes Um- Vorgängergesellschaften zur Stilllegung und
weltprojekt Deutschlands wurde vielfach tech- Sanierung übertragen wurden, befanden sich
nisch, ökologisch und administrativ Neuland be- auch Produktionsstätten, die teilweise noch bis
schritten. Um für die anspruchsvolle Arbeit der 1999 weiter Rohkohle förderten, Brikett und
Schaffung einer neuen Lebenswelt für künftige Staub erzeugten sowie Strom produzierten – die
Generationen aktuelles wissenschaftliches und so genannten B – Betriebe.
technologisches Wissen schnell und gezielt für Da die Produkte aus dem Auslaufbergbau auf
die Sanierungspraxis verfügbar zu machen, hat den gleichen Markt geliefert wurden, den sich
das Bundesministerium für Bildung, Wissen- bereits der privatisierte Braunkohlenbergbau ge-
schaft, Forschung und Technologie 1995 einen sichert hatte, wurden Mengen und Preise in (Al-
Forschungsschwerpunkt „Sanierung und ökolo- lein)Vertriebsverträgen mit der MIBRAG und
gische Gestaltung der Landschaften des Braun- LAUBAG vereinbart. Die Tabellen 2.4, 2.5, 2.6,
kohlenbergbaus in den neuen Bundesländern“ 2.7 und 2.8 geben die im Rahmen des Auslauf-
eröffnet (s. Kap. 3). Weitere Forschungsprojekte bergbaus durch die LMBV realisierten Leistun-
wurden durch die Bundesstiftung Umwelt und gen und Produkte wieder. Diese umfassen u. a.
andere Einrichtungen unterstützt. Insgesamt wur- 76,6 Mio. t Kohlenförderung, 2,2 Mio. t Brikett
den ca. 50 Mio. € in 32 Forschungsprojekte in- und 8,3 GWh Strom. Neben den dadurch erziel-
vestiert. Die Ergebnisse tragen zur Entwicklung ten Erträgen kam der LMBV durch den Auslauf-
und Einführung effizienter Sanierungstechnolo- bergbau zu Gute, dass in den betroffenen Be-
gien bei. trieben wertvolle Zeit gewonnen wurde, um den
2  Gesellschaftliche, natürliche und technische Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung 21

Tab. 2.4   Rohkohlenförderung im Rahmen des Auslaufbergbaus


Rohkohlenförde- 1994 1995 1996 1997 1998 1999 Summe Auslaufbergbau
rung (kt)
Espenhain 3.795 364 486 4.645
Zwenkau bis 30.09.1999 an
MIBRAG verpachtet
Delitzsch-SW 38 15 53 7 113
Gröbern 430 62 15 24 531
Mücheln 8 10 5 23
Schadeleben 65 65
Summe 4.336 451 559 31 5.377
Mitteldeutsche
Greifenhain 1 936 1.936
Seese-Ost 3.946 3.296 919 8.161
Meuro 5.313 4.785 5.109 4.807 5.924 5.693 31.631
Scheibe 3.989 4.093 3.052 11.134
Berzdorf 4.495 4.696 4.719 4.457 18.367
Summe Lausitz 19.679 16.870 13.799 9.264 5.924 5.693 71.229
Summe LMBV 24.015 17.321 14.358 9.295 5.924 5.693 76.606

Tab. 2.5   Abraumgewinnung im Rahmen des Auslaufbergbaus


Abraumgewinnung (Tm3) 1994 1995 1996 1997 1998 1999 Summe Auslaufbergbau
- ohne Abraum zur
Vorbereitung
der Sanierung -
Espenhain 8.752 70 8 822
Zwenkau bis 30.09.1999 an MIBRAG verpachtet
Delitzsch-SW 0
Gröbern 0
Mücheln 0
Schadeleben 0
Summe MitteIdeutschld. 8.752 70 8.822
Greifenhain 112 112
Seese-Ost 16.347 10.733 181 27.261
Meuro 26.160 22.755 21.285 13.683 83.883
Scheibe 13.459 11.895 4.360 29.714
Berzdorf 9.244 5.402 5.620 2.255 22.521
Summe Lausitz 65.322 50.785 31.446 15.938 163.491
Summe LMBV 74.074 50.855 31.446 15.938 0 0 172.313

Tab. 2.6   Briketterzeugung im Rahmen des Auslaufbergbaus


Briketterzeugung (kt) 1994 1995 1996 1997 1998 1999 Summe Auslaufbergbau
Großzössen 222 222
Summe Mitteldeutschld. 222 222
Fortschritt 335 39 374
Meurostolln 429 65 494
Sonne II 591 270 164 126 1.151
Summe Lausitz 1.354 374 164 126 2.018
Summe LMBV 1.576 374 164 126 0 0 2.240
22 C. Drebenstedt et al.

Tab. 2.7   Stauberzeugung im Rahmen des Auslaufbergbaus


Stauberzeugung (kt) 1994 1995 1996 1997 1998 1999 Summe Auslaufbergbau
Großzössen 1 1
Sonne 234 156 142 200 300 81 1.113
Summe LMBV 235 156 142 200 300 81 1.114

Tab. 2.8   Stromerzeugung im Rahmen des Auslaufbergbaus


Stromerzeugung 1994 1995 1996 1997 1998 1999 Summe
(MWh) Auslaufbergbau
Großzössen 49.185 49.185
Borna 429.441 79.597 509.038
Espenhain 1.362.080 905.262 358.218 2.625.560
Summe 1.840.706 984.859 358.218 0 0 0 3.183.783
Mitteldeutschld.
Brieske 302.654 247.439 235.017 233.431 228.279 233.052 1.479.872
Sonne 207.118 168.055 140.462 147.482 663.117
Trattendorf 1.336.598 1.215.130 300.820 2.852.548
Lauchhammer 64 68.073 68.073
Knappenrode 14.126 14.126
Summe Lausitz 1.928.569 1.630.624 676.299 380.913 228.279 233.052 5.077.736
Summe LMBV 3.769.275 2.615.483 1.034.517 380.913 228.279 233.052 8.261.519

Stilllegungsprozess mehr oder weniger geordnet des Bundesberggesetzes. Dies gilt insbesonde-
(sanierungsoptimiert) durchführen zu können, re für die Betriebsplanpflicht. So waren für die
während dies bei den sofort stillgelegten (C- Be- Restlaufzeit der Tagebaue, Kraftwerke und Ver-
trieben) nicht möglich war. edlungsbetriebe des Auslaufbergbaus der LMBV
Auf der anderen Seite profitierte auch der pri- gemäß Bundesberggesetz Rahmen-, Haupt- und
vatisierte Bergbau vom Auslaufbergbau, da auch Sonderbetriebspläne aufzustellen. Im Idealfall
hier Neu- und Reorganisationsmaßnahmen des konnte der Auslaufbetrieb dieser Tagebaue hin-
Betriebsablaufes notwendig waren, die durch die sichtlich der Gewinnungs- und Verkippungs-
befristete Weiterproduktion in den B-Betrieben technologie die vorgesehene Stilllegung bereits
überbrückt werden konnten. berücksichtigen.
Die Tabellen 2.9, 2.10, 2.11 und 2.12 geben Für die bereits stillgelegten bzw. noch stillzu-
eine Übersicht über alle 1989 noch in Betrieb legenden Betriebe waren Abschlussbetriebspläne
befindlichen Tagebaue, Brikettfabriken, Kraft- zu erstellen. Für diese Pläne war dabei die Ab-
werke und Veredlungsanlagen mit Angabe des grenzung von
Datums der Stilllegung bzw. der Privatisierung • Bergbaubetrieben, die bereits vor 1949 still-
durch Romonta, MIBRAG und LAUBAG. gelegt wurden
• nach 1990 privatisierten Betrieben des Berg-
baus
2.1.4 Ziele, Umfang und Ausblick der • bereits gemäß Berggesetz der DDR nachweis-
Braunkohlesanierung lich und endgültig wieder nutzbar gemachten
Bergbaubetriebsflächen
Technische Ziele Die Braunkohlesanierung notwendig.
im Osten Deutschlands zielt primär auf die Er- Während die Abgrenzung der Verpflichtun-
füllung der rechtlichen Verpflichtungen, die für gen zu den aktiven privatisierten Bergbaubetrie-
Bergbauunternehmen in Deutschland allgemein ben bereits in den Spaltungsverträgen erfolgte,
Gültigkeit besitzen. Die technischen Ziele erge- waren für die anderen beiden Punkte historische
ben sich im Wesentlichen aus den Bestimmungen Recherchen und Abstimmungen mit den Berg-
2  Gesellschaftliche, natürliche und technische Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung 23

Tab. 2.9   Tagebaulaufzeiten in Ostdeutschland

7DJHEDXH           
 *RLWVFKH 
 *ROSD1RUG 
 'HOLW]VFK6: 
 %UHLWHQIHOG 
 *U|EHUQ 
 .|FNHUQ 
 $PVGRUI 520217$
 :XOIHUVGRUI 0DL
 6FKDGHOHEHQ 
 0FKHOQ 
 0HUVHEXUJ2VW 
 3URIHQ6G 0,%5$*
 3URIHQ1RUG 
 6FKOHHQKDLQ 0,%5$*
 *URLW]VFK 
 :LW]QLW] 
 3HUHV 
 (VSHQKDLQ 
 =ZHQNDX YHUSDFKWHWDQ0,%5$* 
 &RVSXGHQ 
 %RFNZLW] 
 0HXUR 
 .OHWWZLW] 
 .OHWWZLW]1RUG 
 &RWWEXV1RUG /$8%$*
 6FKODEHQGRUI6G 
 *UlEHQGRUI 
 -lQVFKZDOGH /$8%$*
 6HHVH2VW 
 'UHLZHLEHUQ 0DL
 %lUZDOGH 
 1RFKWHQ /$8%$*
 5HLFKZDOGH /$8%$*
 6SUHHWDO1RUG 
 *UHLIHQKDLQ 
 6FKHLEH 
 :HO]RZ6G /$8%$*
 %HU]GRUI 
 2OEHUVGRUI 

behörden erforderlich. Insgesamt hat die LMBV • zu Angaben über Beseitigung oder anderwei-
bis 2010 für die Maßnahmen, mit denen die An- tigen Verwendung betrieblicher Anlagen,
forderungen des Bundesberggesetzes erfüllt wer- • zur genauen Darstellung der technischen
den, 177 Abschlussbetriebspläne Durchführung und
• zur Sicherstellung des Schutzes Dritter vor • zum Schutz der Oberfläche im Interesse der
durch den Bergbaubetrieb verursachten persönlichen Sicherheit und des öffentlichen
Gefahren auch nach Einstellung des Betriebes Verkehrs
• zur Wiedernutzbarmachung der vom Bergbau- erstellt. In diesen Planunterlagen sind die tech-
betrieb in Anspruch genommenen Oberfläche nischen Zielstellungen formuliert und eine um-
unter Beachtung des öffentlichen Interesses fassende Beschreibung ihrer sicheren Umsetzung
24 C. Drebenstedt et al.

Tab. 2.10   Brikettfabrik-Laufzeiten in Ostdeutschland

%ULNHWWIDEULNHQ          

 (LQKHLW%LWWHUIHOG 
 9|OSNH  520217$
 6WHGWHQ 
 %UDXQVEHGUD 
 %HXQD 
 3URIHQ 
 2WWR6FKODJ 
 :lKOLW] 
 'HXEHQ, 0,%5$*
 'HXEHQ,, 
 'HXEHQ,,, 
 5HJLV -XQL
 +DVHOEDFK 
 'HXW]HQ 
 =HFKDX 
 5RVLW] 
 3K|QL[ 0,%5$*
 =LSVHQGRUI 
 %RUQD 
 *UR‰]|VVHQ -XQL
 /REVWlGW 
 7KUlQD 
 :LW]QLW] 
 $PVGRUI 520217$
 )UDQ]0HKULQJ%ULHVNH 
 )RUWVFKULWW 
 $XIVWLHJ 
 0HXURVWROOQ 
 6RQQH,, 
 6RQQH, 
 /DXEXVFK 
 .QDSSHQURGH 
 =HL‰KRO] 
 +HLGH 
 :HO]RZ 
 .DXVFKH 
 +DLGHPKO 
 6FKZDU]H3XPSH2VW 'H]
 6FKZDU]H3XPSH:HVW -XQL
 6FKZDU]H3XPSH0LWWH /$8%$*
 /DXFKKDPPHU 
 /DXFKKDPPHU 
 /DXFKKDPPHU 
 /DXFKKDPPHU 
 /DXFKKDPPHU 
 /DXFKKDPPHU 
 /DXFKKDPPHU 
 /DXFKKDPPHU 
 (VSHQKDLQ 
 %|KOHQ 
2  Gesellschaftliche, natürliche und technische Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung 25

Tab. 2.11   Kraftwerkslaufzeiten-Laufzeiten in Ostdeutschland


.UDIWZHUNH
         
.HVVHOKlXVHU
 ,.:%LWWHUIHOG./LHENQHFKW 0lU]
 9|OSNH -XQL
 *HLVHOWDO -XQL
 %HXQD $SULO
 2WWR6FKODJ 'H]
 :lKOLW] 0,%5$*
 'HXEHQ 0,%5$*
 3URIHQ 'H]
 5HJLV $XJ
 'HXW]HQ 0DL
 3K|QL[0XPVGRUI 0,%5$*
 5RVLW] 
 =HFKDX 
 +DVHOEDFK 
 %RUQD 0DL
 *UR‰]|VVHQ -XQL
 7KUlQD 0DL
 :LW]QLW] -XQL
 $PVGRUI6WHGWHQ 0,%5$* 520217$
 0HKULQJ 
 6RQQH
 /DXEXVFK 'H]
 .QDSSHQURGH 
 =HL‰KRO] 
 +HLGH 
 :HO]RZ 
 .DXVFKH 
 +DLGHPKO 
 ,.:6FKZDU]H3XPSH /$8%$*
 6FKZDU]H3XPSH /$8%$*
 7UDWWHQGRUI 
 7UDWWHQGRUI 
 /DXWD 
 3OHVVD 
 /DXFKKDPPHU 
 /DXFKKDPPHU 
 /DXFKKDPPHU 
 /DXFKKDPPHU 
 /DXFKKDPPHU 
 /DXFKKDPPHU 
 /DXFKKDPPHU 
 (VSHQKDLQ 

enthalten. Im Rahmen des Betriebsplanverfah- endet die Bergaufsicht zu dem Zeitpunkt, in dem
rens verankert die Bergbehörde bei Notwendig- nach allgemeiner Erfahrung nicht mehr mit Ge-
keit weitergehende Forderungen in Nebenbe- fahren oder gemeinschädlichen Einwirkungen
stimmungen ihres Zulassungsbescheides. Nach für Schutzgüter zu rechnen ist.
der Durchführung der Abschlussbetriebspläne
26 C. Drebenstedt et al.

Tab. 2.12   Stilllegungstermine 2. Veredlungsstufe in


rahmenplänen (Sachsen), Teilgebietsentwick-
Ostdeutschland
lungsprogrammen (Sachsen-Anhalt) und Regio-
9HUHGOXQJVVWXIH    nalen Raumordnungsplänen (Thüringen) wurden
 6FKZHOHUHL'HXEHQ $XJ aufgrund der besonderen Situation im Beitritts-
 6FKZHOHUHL%|KOHQ -XQL gebiet teilweise parallel zu den bergrechtlichen
 6FKZHOHUHL(VSHQKDLQ $XJ
Betriebsplanverfahren geführt. Aufgrund dessen
 .RNHUHL/DXFKKDPPHU 
 *DVZHUN6FKZDU]H3XPSH  erfolgten im Rahmen der Aufstellung der Pläne
 .RNHUHL6FKZDU]H3XPSH  vielfältige Abstimmungen zwischen den Be-
hörden, den Kommunen und der LMBV. Unter
Beachtung der technischen Machbarkeit, Wirt-
Da der LMBV auch die Aufgabe obliegt, ihr schaftlichkeit und Nachhaltigkeit wurden mög-
Eigentum an Liegenschaften und Anlagever- lichst konfliktarme und vielfältige Nutzungsziele
mögen zu verwerten, hat sie ein vitales Interes- für die Wiedernutzbarmachung der vom Bergbau
se, diese Vermögensgegenstände zügig in eine beanspruchten Flächen formuliert und festgelegt.
vermarktungsfähige Qualität zu versetzen (s. Die ausgewogenen und tragfähigen Lösungen
Kap. 9). berücksichtigen die Interessen von Land-, Forst-
Die durch den Braunkohlenbergbau der DDR und Wasserwirtschaft, Naturschutz, Industrie,
entstandenen Gefahrenquellen werden auch als Gewerbe und Tourismus sowie kommunaler Ent-
Bergbaualtlasten bezeichnet. Sie lassen sich grob wicklung (s. Kap. 8). Inzwischen sind bereits
einteilen in viele dieser insgesamt 52 Raumordnungspläne
• geotechnisch nicht dauerhaft standsichere zu einem hohen Anteil realisiert. Andere wurden
Bereiche aufgrund neuer Erkenntnisse und Entwicklungen
• Störungen des natürlichen Wasserhaushalts in den letzten Jahren fortgeschrieben, präzisiert,
hinsichtlich Menge und Qualität geändert bzw. ergänzt.
• nicht verwertbare Geräte, Gebäude und Anla- Die größten Veränderungen zwischen dem
gen Zustand der Landschaft vor und nach dem Braun-
• Schadstoffablagerungen bzw. –kontaminatio- kohlenbergbau über Tage sind auf die umfangrei-
nen chen Abraumbewegungen und die Gewinnung
• Wiedernutzbarmachungs- und Rekultivie- der Kohle zurückzuführen. Die entstandenen Ta-
rungsrückstände. gebaurestlöcher mit einem Gesamtvolumen von
Für die Festlegung der Reihenfolge der Besei- ca. 5 Mrd. m³ lassen sich nicht ökologisch ver-
tigung von Gefahrenquellen ist aufgrund der tretbar mit Erdmassen auffüllen, die weitgehend
Komplexität der Zusammenhänge zwischen den neue Eingriffe in die Umwelt nach sich gezogen
stillgelegten Tagebauen und Veredlungsanlagen hätten und unwirtschaftlich gewesen wären.
sowie unter Berücksichtigung der technologisch Zwangsläufig nimmt nach der Einstellung
bedingten Sanierungszeiträume ein durchgehen- der bergbaulichen Sümpfungsmaßnahmen das
des Projektmanagement erforderlich (s. Kap. 7). Wasser die Tagebaurestlöcher durch den natür-
Die Wiedernutzbarmachung als ordnungsge- lichen Zustrom in Besitz (s. Kap. 5). Für die neu
mäße Gestaltung der vom Bergbau in Anspruch entstehenden Gewässer sind vom Bergbauunter-
genommenen Oberfläche hat unter Beachtung nehmen die Böschungssysteme für die geplanten
des öffentlichen Interesses zu erfolgen. Dieses Folgenutzungen dauerhaft stabil zu gestalten und
öffentliche Interesse ist normalerweise bereits in durch eine mehrjährige Nachsorge so zu unter-
den Dokumenten der Landes-, Regional-, Raum- halten, dass ihrer künstlichen Entstehung Rech-
ordnungs- und Flächennutzungsplanung fest- nung getragen wird (s. Kap. 4). Außerdem sind
geschrieben. Die zugehörigen Planverfahren für für herzustellende Gewässer Planverfahren nach
den Auslaufbergbau in Form von Braunkohlen- dem Wasserhaushaltsgesetz zu beantragen. Mit
plänen, für den Sanierungsbergbau in Form von Stand Dezember 2010 sind für die Herstellung
Sanierungsplänen (Brandenburg), Sanierungs- der Bergbaufolgegewässer der LMBV mehr als
2  Gesellschaftliche, natürliche und technische Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung 27

Abb. 2.9   Genehmigungs-


verfahren der Braunkohle-
sanierung. (Stand 2010)

50 wasserrechtliche Planfeststellungsverfahren ausreichende Wasserdargebot der Vorfluter er-


und 11 Plangenehmigungsverfahren erforderlich gänzt durch die Bereitstellung von Sümpfungs-
gewesen (Abb. 2.9). wasser aus den Tagebauen der MIBRAG mbH.
Im unmittelbaren Zusammenhang mit der Insgesamt werden aus etwa einem Viertel der
Gewässerherstellung steht eine weitere bergbau- Gesamtfläche des stillgelegten Braunkohlen-
verursachte technische Herausforderung. Die bergbaus Wasserflächen von ca. 28.000 ha ent-
entwässerungsbedingte Belüftung tiefer Boden- stehen und die Landschaft um Bitterfeld, Leip-
schichten in den Grundwasserabsenkungsbe- zig, Senftenberg und Hoyerswerda neu prägen
reichen des Bergbaus führt durch Oxydations- (Möckel und Drebenstedt 1998). Für die nach-
und Lösungsprozesse zur erheblichen Senkung haltige Entwicklung der Wasserbeschaffenheit
des pH-Wertes sowie zur Erhöhung von Stoff- in den Bergbaufolgegewässern entsprechend
konzentrationen im Grund- und Oberflächen- den Vorgaben der Europäischen Wasserrahmen-
wasser. Der natürliche, langsame Anstieg des richtlinie werden gegenwärtig Forschungspro-
Grundwassers würde nach hydrogeologischen jekte durchgeführt. Die LMBV kooperiert dabei
Modellrechnungen in den meisten Fällen lang erfolgreich mit einer Vielzahl von Partnern aus
anhaltend zu einer saureren Wasserqualität mit Wissenschaft, Verwaltung und Wirtschaft. Zur
pH-Werten zwischen 3 und 5 im See führen, so Wiederherstellung eines ausgeglichenen, sich
dass die Integration dieser Gewässer in das Ober- weitgehend selbst regulierenden Wasserhaushal-
flächengewässersystem ohne Behandlung nicht tes gehört es auch, Fließgewässer, die durch oder
möglich wäre. Eine wirksame Gegenmaßnah- für den Braunkohlenbergbau direkt verändert
me ist die schnelle Einleitung möglichst großer oder indirekt in ihrer Funktionsfähigkeit beein-
Mengen neutralen Wassers aus den Vorflutern trächtigt wurden, so zu renaturieren, dass sie den
in die Tagebaurestlöcher. Daher hat die LMBV Anforderungen des nachbergbaulichen Land-
gemeinsam mit den betreffenden Bundesländern schaftswasserhaushalts gerecht werden.
und aktiven Bergbaubetrieben vielfältige organi- Die planmäßige Umsetzung der technischen
satorische und technische Maßnahmen zur Um- Ziele erfolgt im Einklang mit den im Folgenden
setzung dieser Zielstellung vereinbart (s. Kap. 5). beschriebenen ökologischen und sozialpoliti-
In der niederschlagsarmen Lausitz sorgt eine schen Zielen und unter Beachtung der gegensei-
Flutungszentrale mit einer Vielzahl von Daten- tigen Wechselwirkungen.
anbindungen für kürzeste Reaktionszeiten bei
der Steuerung der Wasserzuführung aus den Ein- Ökologische Ziele In den Jahren 1989/1990
zugsgebieten von Spree, Schwarzer Elster und wurden öffentlich Forderungen erhoben, die
Lausitzer Neiße. In Mitteldeutschland wird das laufenden Bergbauaktivitäten schnellstmöglich
28 C. Drebenstedt et al.

und umfassend einzustellen, um dadurch wei- schaftliche Nutzbarkeit der Bergbaufolgeseen ist
tere Beeinträchtigungen von Natur und Umwelt ebenfalls ein Ziel der Braunkohlesanierung.
zu stoppen. In sachlichen und offenen Diskus- Die Einbeziehung ökologischer Ziele in die
sionen zwischen den Bergbauunternehmen, den Braunkohlesanierung und die sichtbaren Erfol-
zuständigen Behörden, Forschungseinrichtungen ge in den letzten Jahren haben dazu beigetragen,
und den Naturschutzverbänden wurde schnell Naturschutz als Wirtschaftsfaktor zu verstehen.
klar, dass man die anstehenden technischen und
ökologischen Probleme nicht allein den Selbst- Sozialpolitische Ziele  Bergbau ist aufgrund der
heilungskräften der Natur überlassen konnte. begrenzten Lagerstätteninhalte immer endlich.
Durch die konstruktive Mitwirkung von Natur- Die unplanmäßige und gleichzeitige Einstellung
schutzverbänden an den Planungen zur Braun- einer so großen Zahl von Tagebauen und Ver-
kohlesanierung im Rahmen der öffentlichen edlungsanlagen in den Jahren nach 1990 war
Beteiligung sowie in den Gremien der Braun- jedoch ein radikaler struktureller Umbruch, der
kohlen- und Sanierungsplanung wurde aber auch Bund und Länder vor eine besondere Herausfor-
deutlich gemacht, dass sich auf den Jahrzehnte derung stellte. Viele der rund 135.000 Beschäf-
alten Hinterlassenschaften des DDR-Bergbaus, tigten der Braunkohlenindustrie wurden, sofern
insbesondere den ausgedehnten, unzugängli- sie nicht in den Vorruhestand gehen konnten,
chen Kippenflächen, selten gewordene Tier- und arbeitslos und hatten anfangs keine alternativen
Pflanzenarten ungestört entwickeln konnten. Bei Beschäftigungsmöglichkeiten. Daher wurde bei
der Festlegung der Wiedernutzbarmachungsziele der Planung und Realisierung der Arbeitsbe-
wurden ökologisch interessante Flächen identi- schaffungsmaßnahmen bis 1992 und der weite-
fiziert, bewertet und so in die Sanierungspla- ren Maßnahmen der Bergbausanierung eine hohe
nung integriert, dass sowohl den Forderungen Beschäftigungswirkung angestrebt und durch
des Naturschutzes als auch der Herstellung der Zuschüsse der Bundesanstalt für Arbeit aktiv
öffentlichen Sicherheit auf Bergbaufolgeland- gefördert. Bei der wettbewerblichen Vergabe der
schaften Rechnung getragen wird (Drebenstedt Aufträge für Braunkohlesanierungsmaßnahmen
1996). Über 15 % der bergbaulich beanspruchten wurden die Auftragnehmer zur Beschäftigung
Flächen in Verantwortung der LMBV wurden auf von förderfähigen Arbeitnehmern verpflichtet. In
diese Weise langfristig für den Naturschutz gesi- der ersten Phase der Sanierung bis 1995 stieg die
chert. Inzwischen wurde der größte Teil dieser Zahl der Arbeitnehmer auf geförderten Arbeits-
Flächen an Naturschutzorganisationen und -stif- plätzen auf über 17.000. Weitere 7.000 Arbeits-
tungen veräußert. plätze wurden bei Nachauftragnehmern, durch
Auch bei der konventionellen landwirtschaft- Kaufkrafterhalt in den Revieren und beim Träger
lichen und forstlichen Rekultivierung wurden der Bergbausanierung gesichert. Damit wurde ein
ökologische Aspekte in hohem Maße berücksich- erheblicher Beitrag zur Abfederung des Rück-
tigt. Wo die Bodenqualität und andere äußere Be- gangs von Industriearbeitsplätzen in den ost-
dingungen es zuließen, wurden abwechslungsrei- deutschen Braunkohlenländern geleistet. Auf den
che Mischwälder, Gehölzstreifen, Benjeshecken, Altstandorten der Braunkohlenveredlung, der
Findlingsanordnungen und temporäre Feuchtge- Verwaltung und in ehemaligen Werkstattkomple-
biete geschaffen. xen siedelten sich Klein- und Mittelständische
Auch bei der Gestaltung der Uferzonen von im Unternehmen an und sorgten für die Erhaltung
Entstehen begriffenen Bergbaufolgeseen spielten und Entwicklung von Know-how in der Region.
ökologische Gesichtspunkte eine wichtige Rolle. Diese hoffnungsvolle Entwicklung veranlasste
Gezielt wurden Flachwasserzonen hergestellt, in die LMBV, ab 1999 gemeinsam mit Kommunen
denen sich bei Schilfbewuchs Vogelbrutmöglich- ausgewählte Altstandorte über eine dafür gegrün-
keiten und Lebensräume für Wassertiere und Am- dete Tochtergesellschaft infrastrukturell neu zu
phibien entwickeln können. Die fischereiwirt- erschließen. Unter Einbeziehung von Fördermit-
2  Gesellschaftliche, natürliche und technische Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung 29

Tab. 2.13  Bevölkerungs­ Bundesland Bevölkerung Bevölkerung Bevölkerung Veränderung seit 1990


entwicklung in den 1950 1990 2010 %
Braunkohlenländern
Brandenburg 2.579.675a 2.578.312b 2.507.100c − 2,76
Sachsen-Anhalt 4.071.856a 2.873.957d 2.343.000c − 18,47
Sachsen 5.682.802a 4.913.000 e 4.152.500f − 15,48
a Staatliche Zentralverwaltung für Statistik (1958)
b www.statistik.brandenburg.de
c Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Stand 07.2010
d www.sachsen-anhalt.de, Stand 31.12.1990
e www.demographie.sachsen.de, 01.01.1990
f www.statistik.sachsen.de, Stand 07.2010

teln für die Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe ne Städte in Sachsen und Sachsen-Anhalt einen


entstanden ohne zusätzlichen Flächenverbrauch 2 bis 3 fach höheren Rückgang der Bevölkerung
moderne Industrie- und Gewerbeflächen für auf als der Landesdurchschnitt; im Land Bran-
Investitionen. Allein auf diesen 7 Standorten denburg liegt der Faktor zwischen 3 und 10.
befinden sich 2010 ca. 150 Unternehmen mit fast Tabelle 2.14 verdeutlicht, dass Städte, die mit
5.900 Arbeitsplätzen. der Entwicklung der Braunkohlenwirtschaft zu-
Des Weiteren wurde der LMBV von ihren Fi- nächst einen starken Bevölkerungsanstieg ver-
nanziers bereits über viele Jahre die Möglichkeit zeichneten, ebenso schnell die Bevölkerung wie-
eingeräumt, junge Menschen für nachgefragte, der verloren. Die Motive sind dieselben: arbeits-
zukunftsorientierte Berufe auszubilden. Die Zahl fähige, mobile Menschen ziehen der Arbeit nach.
von über 1.500 erfolgreich abgeschlossenen Aus- Da die Standorte der Braunkohlengewinnung
bildungen zum Facharbeiter seit 1994 spricht für standortgebunden sind, entsteht zu deren Er-
sich. Dies ist eine weitere Investition in die Zu- schließung neue Infrastruktur und die Menschen
kunft der Regionen. Sie führt zu einer Erhöhung werden mit guter Bezahlung und weiteren Ver-
der Attraktivität für Investoren und wirkt damit günstigungen an diese Standorte gelockt. Endet
der Abwanderung entgegen. Mit dem Übergang der Abbau wegen Lagerstättenerschöpfung oder
von ca. 75 % der Ausgebildeten in eine Beschäf- vorfristiger Stilllegung, wie im Fall der Braun-
tigung wurde eine gute Quote erreicht. kohlenindustrie im Osten Deutschlands, gibt es
Die Auswirkungen der veränderten wirtschaft- in der Regel keine wirtschaftlichen Alternativen
lichen Rahmenbedingungen in den ostdeutschen und die Menschen ziehen weiter. Zahlreiche
Braunkohlenländern seit 1990 lässt sich an der Geisterstädte zeugen weltweit von diesem Phä-
Bevölkerungsentwicklung verfolgen (Tab. 2.13). nomen.
Demnach sind die Braunkohlenländer Sach- Die Braunkohlesanierung ist eine wichtige
sen-Anhalt und Sachsen insbesondere vom Be- Maßnahme zum teilweisen Erhalt von Arbeits-
völkerungsrückgang betroffen. Ausgewählte plätzen in der Region und erweitert das Zeitfens-
Städte in den Braunkohlenrevieren verzeichnen ter für eine wirtschaftliche Umstrukturierung.
eine differenzierte Bevölkerungsentwicklung Da die Standorte der Kohlen- und assoziierten
(Tab. 2.14). Energie- und Chemiewirtschaft dabei im freien
Die Abwanderung im Zeitraum 1990 bis 2010 Wettbewerb mit anderen Standorten stehen und
aus den Kohlen-Energie-Chemie Regionen in zudem monostrukturiert sind und über kein gutes
der Lausitz und in Mitteldeutschland spiegelt Image und geringe Lebensqualität verfügen, ist
die schrumpfenden Produktions- und Beschäf- der Umstrukturierungsprozess besonders kom-
tigungsmöglichkeiten, die in den monostruktu- pliziert. Deshalb verlassen trotz vielfältiger Be-
rieren Industrieregionen nicht gepuffert werden mühungen vor allem gut ausgebildete und junge
konnten. So weisen mit dem Bergbau gewachse- Menschen die Bergbauregion. Die Politik kann
30 C. Drebenstedt et al.

Tab. 2.14   Bevölkerungsentwicklung in ausgewählten Städten in den Braunkohlenrevieren


Revier Bundesland Stadt Bevölke­ Bevölke­ Bevölke­ Änderung seit
rung 1950 rung 1990 rung 2010 1990 %
Lausitz Brandenburg Cottbus 60.874a 134.781 102.091 − 24,25
Lausitz Brandenburg Senftenberg 18.260a 29.451 26.530 − 9,92
Lausitz Brandenburg Lauchhammer 27.524a 23.882 16.956 − 29,00
Lausitz Sachsen Görlitz 100.147a 76.603b 55.596c − 27,4
Lausitz Sachsen Hoyerswerda 7.365a 68.982b 37.379c − 45,8
Lausitz Sachsen Weißwasser 13.844a 35.515b 19.055c − 46,3
Mitteldeutschland Sachsen Borna 17.807a 27.620b 20.680c − 25,1
Mitteldeutschland Sachsen-Anhalt Halle 289.119 311.396d 232.963e − 25,19
Mitteldeutschland Sachsen-Anhalt Bitterfeld-Wolfen 44.564 72.218d 45.171e − 37,45
Mitteldeutschland Sachsen-Anhalt Zeitz 46.762 48.153d 31.556e − 34,47
a
Staatliche Zentralverwaltung für Statistik (1958)
b
Statistisches Landesamt Sachsen,Stand 31.12.1990
c
Statistisches Landesamt Sachsen, Stand 31.12.2010
d
Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt, Stand 31.12.1990
e Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt,Stand 31.12.2010

zwar grundsätzlich mit speziellen Förderpro- Durchführung von Maßnahmen zur Erhöhung
grammen die Ansiedlung von neuen Firmen len- des Folgenutzungsstandards in der Umsetzung.
ken und unterstützen, muss jedoch aufgrund be- Die Planung der notwendigen Leistungen er-
grenzter Mittel die Maßnahmen priorisieren. Die folgt nach Hauptgewerken.
Gebiete der Braunkohlesanierung erhalten dabei Die insgesamt mit Stand Ende 2009 für die
nicht immer die erhoffte Berücksichtigung. Erfüllung der Rechtsverpflichtungen der LMBV
Unabhängig davon erhöht sich mit der Braun- erforderlichen Leistungen umfassen die Haupt-
kohlesanierung die Lebensqualität in der Region gewerkegruppen (Tab. 2.15):
und werden neue Möglichkeiten wirtschaftlicher
Tätigkeit eröffnet. 1,7 Mrd. m3 Massenbewegung
23.400 ha Rekultivierung forst- und landwirt-
Umfang und Stand der Braunkohlesanie- schaftlicher Nutzflächen (Abb. 2.10)
11,8 Mio. m3 Abbruch baulicher Anlagen, umbauter
rung  Die bisher dargestellten Ausführungen zu
Raum
den Aufgaben der Braunkohlesanierung haben 12,7 Mrd. m3 Wiederherstellung Wasserhaushalt
bereits einen Überblick über die besonderen Her- (Abb. 2.11)
ausforderungen gegeben. Aufgrund der räum- 1,1 Mrd. m3 Massenverdichtung (Abb. 2.12)
lichen Ausdehnung, der komplexen Vernetzung 28,9 Mio. m3 Altlastensanierung (inkl.
einer Vielzahl von Problemen und der Umset- Wasserreingung)
zung der Braunkohlesanierungsvorhaben über
einen relativ langen Zeitraum war es unerläss- Die Abbildung 2.13 spiegelt die in der Tabelle 2.15
lich, eine klare Strukturierung vorzunehmen. enthaltenen Daten grafisch wider und gibt zu-
Die Inhalte der Braunkohlesanierung wurden sätzlich einen Ausblick auf die bis zum Ende der
in Projekte eingeteilt, die wiederum in Teilobjek- Sanierung geplanten Leistungen. Die zugrunde
te gegliedert sind. In Abhängigkeit von den Leis- liegende detaillierte Projektplanung der LMBV
tungsinhalten wurden regelmäßig Projektstruk- wird jährlich aktualisiert.
turanpassungen vorgenommen. 2011 befinden Insgesamt wird eingeschätzt, dass die Pro-
sich noch mehr als 100 Projekte für die Braun- jekte der Braunkohlesanierung bezogen auf die
kohlesanierung gemäß Rechtsverpflichtung der Rechtsverpflichtungen der LMBV finanziell
LMBV, für die Abwehr von Gefährdungen aus Ende 2010 zu rund 90 % realisiert wurden.
dem Wiederanstieg des Grundwassers und für die
2  Gesellschaftliche, natürliche und technische Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung 31

Tab. 2.15   Mengenübersicht ausgewählter Hauptgewerke 1990 bis 2009


Hauptgewerk ABM VAI VA II VA III VA IV Sanierung
1990-1993 1993-1997 1998-2002 2003-2007 2008 2009 Summe 1990-2009
Massenbewe- Mio. m3 140 669 641 201 29 15 44 1.695
gung
Herstellung ha 0 5.708 5.554 3.493 722 505 1.227 15.982
FN/LN-Flächen
Herstellung ha 27.480 10.660 5.681 2.648 220 149 369 46.838
sonstiger
Nutzflächen
Pflege und ha 0 28.715 31.802 13.153 2,875 5.782 8.657 82.327
Bewirtschaftung
Demontage und Tt 1.510 2.127 2.489 465 42 0,41 43 6.634
Verschrottung
Abbruch von Tm3 1.396 5.731 3.449 997 21 66 87 11.660
baulichen
Anlagen
Wasserhebung, Mio. m3 511 2.105 1.883 1.065 135 86 221 5.785
Reinigung,
Ableitung,
Pegelkonrolle
Fremdwasser- Mio. m3 0 168 639 1.100 137 185 322 2.229
zuführung zur
Flutung
Massenverdich- Mio. m3 5 365 525 174 18 12 31 1.100
tung
Sanierung Tm3 485 5.925 6.590 4.300 832 762 1.595 18.895
schadstoff-
belasteter
Bereiche
Beseitigung Tt 827 598 4.129 3.433 191 304 495 9.482
und Verwertung
von Abfällen
Verfüllen von Tm3 105 457 550 417 14 41 55 1.584
Grubenräumen

Der Schwerpunkt der künftige Arbeiten liegt 2.2  Naturraum, Geologie,


in der Herstellung der Tagebaufolgeseen, in der Bergbautechnologie und Eingriff
Beseitigung von Gefahren im Zusammenhang mit in den Mitteldeutschen und
dem Grundwasserwiederanstieg, in den Maßnah- Lausitzer Braunkohlenrevieren
men zur nachhaltigen Gewährleistung einer öko-
logisch vertretbaren Wasserqualität in den neuen 2.2.1 Allgemeine Kennzeichnung der
Seen sowie in der weiteren Beseitigung von lo- Reviere
kalen Grundwasserkontaminationen. Die erst
genannten zwei Aufgabenkomplexe werden um Grundsätze Die geographische Lage und der
2020 im Wesentlichen umgesetzt sein, während geologische Aufbau eines Gebietes prägen we-
die zuletzt genannten zwei Aufgabenbereiche sentlich seinen landschaftlichen Charakter, sowie
langfristig anfallende, teilweise bis zum vierten die Naturausstattung und natürliche Leistungs-
Jahrzehnt dieses Jahrhunderts andauernde Maß- fähigkeit. Geländerelief sowie Klima, Wasser,
nahmen ausmachen. Zeitlich immer stärker wer- Böden u. a. abiotische Standortfaktoren sind für
den sie jedoch in Monitoringaufgaben übergehen. das Landschaftsbild, die Landnutzung und das
32 C. Drebenstedt et al.

Abb. 2.10   Rekultivierung im Tagebau Greifenhain

Leben in der Landschaft bestimmend. Aber auch zu gestaltenden Landschaft ist es daher bedeu-
die Entstehung von Bodenschätzen ist an geoge- tend, die Zusammenhänge zwischen der geologi-
ne Prozesse gebunden und stellt den natürlichen schen Situation und den sich auf dieser Basis ein-
Reichtum einer Region dar. stellenden natürlichen Gegebenheiten zu kennen,
Durch die Nutzung der natürlichen Ressour- um sie bewusst einzusetzen. Nur so können sich
cen, insbesondere durch den Tagebaubetrieb, wieder stabile landschaftliche Systeme entwi-
wird erheblich in die relativ stabilen, natürlichen ckeln. Fehler bei der Landschaftsgestaltung kor-
Systeme eingegriffen. Es werden Berge versetzt, rigiert die Natur selbst, wobei erhebliche Schäden
Flüsse verlegt, Grundwasserleiter zerstört, Deck- entstehen können. Um diese zu vermeiden ist ein
gebirgsschichten umgelagert. Doch an den Abbau ständiger Lernprozess von der Natur notwendig.
der Braunkohle schließen sich Rekultivierungs- Rutschungen, wie am 18.7.2009 in Nachterstedt,
maßnahmen an. Dabei werden die Topographie mit Verlusten an Menschenleben, materiellen und
und auch die Geologie der Bergbaufolgeland- kulturellen Gütern lehren uns z. B. bis heute, dass
schaft bewusst gestaltet. Für die Planung der neu die Wechselwirkungen zwischen Mensch und
2  Gesellschaftliche, natürliche und technische Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung 33

Abb. 2.11   Blick über das Lausitzer Seenland nach Nordwesten

Natur weiter untersucht werden müssen, um sie sind, ist das Ergebnis der Rekultivierung nicht
vollends zu verstehen und negative Auswirkun- nur durch den Naturraum bestimmt, sondern auch
gen zu vermeiden. Abbildung 2.14 verdeutlicht, durch die Entwicklung der Gesellschaft. Bei der
dass neben dem Faktor Natur und dem Stand Planung und Umsetzung der Rekultivierung ist
der Technik und des Wissens auch die gesell- deshalb eine zeitlich und räumlich differenzierte
schaftlichen Rahmenbedingungen zu beachten Betrachtungsweise notwendig.
sind (Drebenstedt 2003). Welche gesetzlichen In den Abschnitten 2.2.2 und 2.2.3 wird die
Rahmenbedingungen sind einzuhalten, und wie Geologie des Mitteldeutschen- bzw. Lausitzer
werden sie hinsichtlich der betrieblichen und öf- Braunkohlenreviers vorgestellt; im Abschnitt 4.8
fentlichen Sicherheit sowie des Umweltschutzes wird die Geologie ausgewählter Tagebaue näher
einschließlich der Anforderungen an die Rekulti- beschrieben. Im Abschnitt 5.2 werden die hydro-
vierung umgesetzt? Da sich die Einflussfaktoren geologischen Besonderheiten der Reviere näher
Gesellschaft und Technik/Wissen im ständigen erläutert.
Wandel befinden und unterschiedlich ausgeprägt
34 C. Drebenstedt et al.

Abb. 2.12   Rütteldruckverdichtung im Tagebau Schlabendorf-Süd

Abb. 2.13   Leistungen der


Braunkohlesanierung, Stand
2009 und Ausblick
2  Gesellschaftliche, natürliche und technische Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung 35

Naturraum  Das Mitteldeutsche und das Lau-


sitzer Braunkohlenrevier befinden sich am süd-
lichen Rand des Mitteleuropäischen Tieflandes,
1DWXUUDXP *HVHOOVFKDIW an der Grenze zur Mitteleuropäischen Mittelge-
6WDQGRUW 6R]LDOH5HFKWOLFKH
birgsschwelle. Gemäß der naturräumlichen Glie-
.OLPD gNRQRPLVFKH derung nach Riecken et al. (1994) liegen beide
*HRORJOH %HGLQJXQJHQ
Reviere hauptsächlich im Süden der Großland-
schaft „Nordostdeutsches Tiefland“ (Abb. 2.15).
Sie erstrecken sich über die naturräumlichen
Haupteinheiten „Elbe-Mulde-Tiefland“ (D10),
„Sächsisches Hügelland und Erzgebirgsvorland“
7HFKQLN:LVVHQ
(D19) und „Östliches Harzvorland und Börden“
$EEDXXQG
5HNXOWLHUXQJV (D20), sowie über das „Lausitzer Becken und
YHUIDKUHQ Spreewald“ (D08) und „Oberlausitzer Heide-
land“ (D13). Der südliche Teil des Lausitzer
Reviers befindet sich mit den Tagebauen Berz-
'DV(UJHEQLVGHU5HNXOWLYLHUXQJLVW dorf und Olbersdorf in der Großlandschaft „Öst-
UlXPOLFKXQG]HLWOLFKGLIIHUHQ]LHUW liche Mittelgebirge“ in der naturräumlichen
Abb. 2.14   Einflussfaktoren auf die Rekultivierung. (Dre- Haupteinheit „Oberlausitz“ (D14).
benstedt 2003) Die naturräumlichen Verhältnisse in diesem
Betrachtungsgebiet sind sehr unterschiedlich.
Der Naturraum wird dabei maßgeblich durch
die standortbedingt typische Vegetation gekenn-
zeichnet. Für die naturräumliche Charakteristik
sind ursprünglich die vier abiotischen Stand-
ortfaktoren Morphologie, Boden, Klima sowie
Oberflächen- und Grundwasser entscheidend, die
für die Art der Vegetation verantwortlich sind. Da
diese Standortfaktoren darüber hinaus die Nut-
zungsinteressen der Menschen berühren, kommt
der Mensch als wichtiger Einflussfaktor hinzu,
der auf das System einwirkt und es in Mittel- und
Osteuropa nachhaltig weitestgehend in eine Kul-
turlandschaft gewandelt hat (Drebenstedt 2003).
Die Standortfaktoren stehen in einer engen
Wechselwirkung (Abb. 2.16) und sind sowohl in
ihrer Menge und Güte als auch in ihrer Häufig-
keit und Dauer bestimmt. So ist z. B. der Boden
das Entwicklungsprodukt aus dem anstehenden
geologischen Material unter Einwirkung von
Klima, Grundwasser und Vegetation sowie der
Reliefenergie (Erosion). Die Art der Vegetation
wiederum wird bestimmt durch den Boden, das
Klima und die Wassersituation. Grund- und Ober-
flächenwasser bilden sich unter dem Einfluss von
Klima (Niederschläge), Vegetation (Verbrauch,
Abb. 2.15   Naturräumliche Lage der Braunkohlenreviere
Verdunstung, Oberflächenabfluss) und Boden-
Lausitz und Mitteldeutschland. (nach BfN 2006) beschaffenheit (Versickerung) sowie der Aus-
36 C. Drebenstedt et al.

Abb. 2.16   Wechsel-


wirkung der abiotischen
Standortfaktoren und die
Einwirkung des Menschen.
(Drebenstedt 2003)

bildung der Geländeoberfläche (Abflussbahnen, weise durch subkontinentale Klimate beeinflusst


flurnahe oder -ferne Grundwasserstände) usw. (Abb. 2.17 und 2.18).
Das Klima spielt eine entscheidende Rolle für Für die Niederschlagsverteilung sind in Mit-
den Naturraum. Zu den Klimafaktoren gehören teldeutschland und in der Lausitz mittlere Jahres-
insbesondere Temperatur, Niederschläge und niederschläge von 500 bis 600 mm typisch. In
Wind, die ebenfalls in Menge, Güte, Häufigkeit der Oberlausitz werden auch Jahresniederschläge
und Dauer variieren und dadurch ein komplizier- um 650 mm gemessen. Beide Reviere sind den
tes Beziehungsgeflecht in der Wechselwirkung immer feuchten Klimaten zuzuordnen.
mit den anderen Standortfaktoren bilden, das zur Die langjährigen Jahresmitteltemperaturen
Ausprägung des Naturraumes führt. Starke Nie- des Januars betragen zwischen 0 und − 5 °C, die
derschläge können z. B. bei fehlender Vegetation langjährigen mittleren Julitemperaturen stellen
ebenso zur Bodenerosion beitragen, wie starker sich auf bis 20 °C ein.
Wind. Die Klimadiagramme von Leipzig in Mittel-
deutschland und von Cottbus und Görlitz in der
Klimatische Kennzeichnung Das Mitteldeut- Lausitz vermitteln einen Eindruck von den dif-
sche und das Lausitzer Braunkohlenrevier werden ferenzierten Temperatur- und Niederschlagsver-
überwiegend durch die kühlgemäßigte Klimazone hältnissen im Betrachtungsgebiet (Abb. 2.19;
der Waldklimate geprägt. In Mitteldeutschland DWD 2010).
und in der Lausitz bestimmen dabei die nieder- Aus den Diagrammen wird deutlich, dass
schlagsärmeren und trockeneren subozeanischen Temperaturen und Niederschlagsmengen im
Waldklimate die Situation. Der Ostrand der Lau- Verlauf des Jahres in der Lausitz und in Mittel-
sitz, insbesondere die Niederlausitz, wird teil- deutschland recht ähnlich sind. Die durchschnitt-
2  Gesellschaftliche, natürliche und technische Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung 37

Abb. 2.17   Klimazonen Europas nach Troll und Pfaffen. (Friese et al. 1996)

Abb. 2.18   Klimazonen Europas nach Köppen. (Friese et al. 1996)

lichen Monatstemperaturen unterscheiden sich ren Unterschiede des Geländereliefs, der vor-
kaum. Die jährliche Niederschlagsmenge ist handenen Bodensubstrate und der Landnutzung
im Mitteldeutschen Revier am geringsten. Das zu lokal verschiedenen Wasserabflussverhalten,
ist u. a. auf die geographische Lage im Regen- wodurch das jeweilige Mikroklima beeinflusst
schatten des Harzes zurückzuführen. In der ist. Zusätzlich wird die Lausitz von dem weiter
Oberlausitz ist die jährliche Niederschlagsmenge östlich vorherrschenden subkontinentalen Klima
mit über 650 mm am höchsten. Hier wirkt sich beeinflusst. Dieses nur lokal ausgeprägte klima-
u. a. die geographische Lage im Nordwesten des tische Phänomen führt zu einer größeren Vielfalt
Lausitzer und Zittauer Gebirges aus. Auch füh- der Flora und Fauna im Gebiet der Lausitz.
38 C. Drebenstedt et al.

Abb. 2.19   Klimadiagramme ausgewählter Orte im Lausitzer und Mitteldeutschen Braunkohlenrevier. (DWD 2010)

Böden  Bedingt durch die geologisch vorhan- zum anderen fluviatiler oder glazialer Sand der
denen Bodensubstrate dominieren in der Lau- Tiefebenen. Liegt Ton als Ausgangsmaterial vor,
sitz Parabraunerden und in Mitteldeutschland bilden sich Pelosole. Mit Abnahme des Basenge-
auch saure Braunerden, die durch Podsole und haltes und der Eutrophie verschiebt sich auf den
Schwarzerde ergänzt werden (Abb. 2.20). Wei- Standorten der Anteil des häufig anzutreffenden
tere vorkommende Bodentypen sind an große Rotbuchenwaldes in Richtung Laub-Mischwäl-
Flussniederungen gebundene Auenböden. der. Die Eignung der Braunerden für den Acker-
Braunerden verdanken ihren Namen der bau ist ohne Düngung und Bewässerung weniger
Braunfärbung durch die Eisenfreisetzung bei gut (Hofmeister 1997).
der Verwitterung des Ausgangsgesteins. Dies Parabraunerden ähneln den Braunerden, unter-
kann zum einen in den Mittelgebirgen Schiefer, scheiden sich aber durch eine Tonanreicherung
Grauwacke, Granit oder Basalt sein, aber auch durch Verlagerung aus dem Oberboden (A-Hori-
2  Gesellschaftliche, natürliche und technische Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung 39

Abb. 2.20   Bodenkarte


Lausitz und Mitteldeutsch-
land (Diercke 2007)

zont) in den Unterboden (B-Horizont). Ausgangs- Holarktis, in der weiteren Untergliederung der
material sind Lockersedimente der Löß- und Mo- mitteleuropäischen Florenregion und dort der
ränengebiete sowie eiszeitlicher Schotterflächen. nördlichen temporaten Florenzone zugeordnet.
Auf Lössbasis kann es auch zur Entwicklung von Weitere Unterscheidungen der Flora ergeben sich
Schwarzerden (Tschernosem) kommen. Für den aus der Ozeanität, d. h. dem Einfluss der Ozeane
Ackerbau sind diese Böden gut geeignet. Wald- auf  Feuchtigkeit und Temperatur. Analog den Kli-
gesellschaften sind häufig verarmt. mazonen befinden sich die betrachteten Reviere
Podsole entstehen vorwiegend aus sandigen unter subozeanischem Einfluss (subatlantische
(wasserdurchlässigen), basenarmen Sedimenten Provinz), im Osten teilweise unter kontinentalem
des Tieflandes sowie in geringerem Maße aus Einfluss (zentraleuropäische Provinz). Ein drit-
Verwitterungsmaterial in den Mittelgebirgen tes, das Vegetationsareal bestimmendes Merkmal
bei hohen Niederschlägen und niedrigen mittle- neben dem Breitengrad und der Ozeanität ist die
ren Jahrestemperaturen. Der Name steht für den Höhenstufe, die im Betrachtungsgebiet als planar
typischen aschfarbenen ausgebleichten (ausge- (bis 300 m) einzustufen ist.
waschenen) Oberboden. Die Standorte werden Die Biodiversität, d. h. die Artenzahl der
durch bodensaure Laub-Mischwälder bevorzugt. Großgefäßpflanzen, entspricht im Betrachtungs-
Leistungsfähige Ackerstandorte sind durch Dün- gebiet der mittleren Diversitätszone 5, d. h. zwi-
gung und Bewässerung möglich. schen 1.000 und 1.500 auf 10.000 km² (Strasbur-
Nährstoff- und basenreiche Auenböden ent- ger 1998).
stehen aus Sedimenten in Tälern von Flüssen und Entsprechend der Standortmerkmale las-
Strömen. Neben einem Waldsaum werden sie als sen sich typische Vegetationszonen aushalten
Grünland oder für Ackerbau genutzt. (Abb. 2.22). Demnach sind für das Betrachtungs-
Die Karte (Abb. 2.21) gibt Aufschluss über gebiet sommergrüne Laubwälder dominierend.
den geologischen Ursprung der Bodensubstrate, Der sommergrüne Laubwald ist standortbe-
die die Grundlage der entstandenen Böden bilden. dingt weiter differenziert und lässt sich verein-
facht wie folgt darstellen: Im Mitteleuropäischen
Vegetation  Die Floren der nördlichen Hemi- Tiefland dominieren westlich der Elbe in den re-
sphäre, einschließlich der Gebietes Mittel- levanten tieferen Lagen Buchenmischwaldgebie-
deutschland und Lausitz, werden aufgrund ihrer te und östlich der Elbe Kiefernwaldgebiete mit
vielfachen Beziehungen und auffälligen flo- Eiche auf Sandböden (Abb. 2.23).
ristischen Einheitlichkeit dem Florenreich der
40 C. Drebenstedt et al.

Abb. 2.21   Geologischer Ursprung der Bodensubstrate. (nach BGR 2007)

Im Mitteldeutschen Revier werden im Regen- • paralische Lagerstätten, die aus Küstenrand-


schatten des Harzes zudem Trockengebiete mit mooren entstanden sind (Abb. 2.26)
aufgelockerten Eichenmischwaldbeständen ohne • terrestrische Lagerstätten die aus limnischen
Buche ausgewiesen. (Süßwasser) Mooren auf dem Festland her-
Ursprünglich war die mitteleuropäische Flo- vorgingen
renregion nur dort lokal waldfrei, wo extreme Paralische Lagerstätten entstanden in der Nord-
Standortbedingungen vorherrschten (Trocken- deutsch-polnischen Senke, zu der die überwie-
heit, Nässe, Salz). Durch Ackerbau ist heute nur gende Anzahl der Lagerstätten der Lausitzer und
noch ein Viertel Europas mit Wald bedeckt und Mitteldeutschen Braunkohlenreviere gehören.
dies vielfach als intensiv bewirtschafteter Forst, Im Tertiär, beginnend vor über 40 Mio. Jahren,
überwiegend im Bereich der Mittelgebirge. Bei befanden sich Mitteldeutschland und die Lausitz
der Beschreibung der Bodentypen wurde bereits am Südrand eines riesigen Sedimentationsbe-
auf die Nutzung der Standorte verwiesen. Abbil- ckens, der Nordwesteuropäischen Tertiärsenke.
dung 2.24 zeigt, wie sich aufgrund der vorherr- Der Südrand dieses Ablagerungsraumes spiegelt
schenden Bodentypen naturbedingte Agrarräume mit seinen Sedimenten den Wechsel von Meeres-
ausbilden. überflutungen (Transgressionen) aus dem Be-
reich der heutigen Nordsee und Meeresrückzügen
Kohlenbildung  Die Kohlenbildung ist ein (Regressionen) wider. Während der Regressions-
komplexer Prozess auf den die örtliche Lage, phasen, gleichzusetzen mit Meeresspiegeltief-
die Sedimentationsbedingungen, die Geotekto- ständen, entstanden großflächige, küstennahe
nik und die klimabedingte Biomasseproduktion Vermoorungsgebiete. Bei lang anhaltenden Re-
erheblichen Einfluss ausüben. Die Braunkohlen- gressionsphasen wurden die Vermoorungsgebie-
bildungen in den Mitteldeutschen und Lausitzer te von festländischen Verwitterungsprodukten,
Braunkohlenrevieren sind stratigraphisch dem überwiegend Tone und Sande, aber auch Kiese,
Tertiär, in der Lausitz überwiegend dem Miozän, bedeckt. Folgte nach der Vermoorungsphase
in Mitteldeutschland auch dem Eozän zu zuord- ein Meeresspiegelhochstand, wurde das Ver-
nen (Abb. 2.25 und 2.62). moorungsgebiet erneut überflutet. In Lagunen
Die Braunkohlenlagerstätten Mittel- und Ost- wurden überwiegend Schluffe und in Bereichen
europas können paläogeographisch generell in von Stränden und Nehrungen Sande abgelagert.
zwei Bereiche unterteilt werden: Infolge der Sedimentüberdeckung wurden die
2  Gesellschaftliche, natürliche und technische Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung 41

Abb. 2.22   Vegetationszo-


nen in Europa. (Strasbur-
ger 1998)

Moorablagerungen (Torfe) im Laufe der Jahr-


millionen in Braunkohle umgewandelt. So wur-
den in der Lausitz in das etwa 250 m mächtige
tertiäre Sedimentgebirge fünf bedeutende Braun-
kohlenflözhorizonte eingelagert, von denen das
2. Lausitzer Flöz heute weit überwiegend in den
umgehenden Tagebauen gewonnen wird.
Nach Art der Absenkung des Untergrundes,
die für eine Akkumulation der organischen Subs-
tanz verantwortlich ist, werden drei Entstehungs-
typen von Braunkohlenlagerstätten unterschie-
den (Abb. 2.27; Strzodka et al.1979):
• tektonische Lagerstätten, die sich durch perio-
dische Torfanhäufung nach plötzlichen gro-
ßen Senkungsphasen bildeten und durch viele
kleine, meist unvollständig ausgebildete und
an den Bruchstrukturen zerscherte und gefal-
tete Flöze mit hohem Aschegehalt und hoher
Mächtigkeit (bis 100 m) charakterisiert sind
• epirogenetische Lagerstätten, die auf eine
langsame und langanhaltende kontinuierliche
Absenkung zurückgehen, in deren Folge sich
weitaushaltende Flöze mittlerer Mächtigkeit
(bis 20 m) und gleichförmigen Aufbaus
Abb. 2.23   Ursprüngliche Waldgesellschaften. (Friese bildeten
et al. 1996) • Flözbildung durch Salzabwanderung (Halo-
kinetischer Typ) und -auslaugung (Subro-
42 C. Drebenstedt et al.

Abb. 2.24   Naturbedingte


Agrarräume in Deutsch-
land. (Friese et al. 1996)

der Absenkungsprozesse können mehrere Flöze


übereinander entstanden sein, die unterschied-
lichen Absenkungsprozessen zu zuordnen sind.
Weiterhin können insbesondere eiszeitliche Ein-
wirkungen zu Lageveränderungen der Flöze bzw.
zu deren teilweisen Erosion geführt haben, die
die Ablagerungsverhältnisse beeinflussen. Die
Braunkohlenlagerstätten in der Lausitz und in
Mitteldeutschland sind den epirogenetischen und
salzkinetisch gebildeten Lagerstättentypen der
Norddeutsch-polnischen Senke, d. h. den parali-
schen Lagerstätten, zuzuordnen.
Terrestrische Lagerstätten sind im Betrach-
tungsgebiet nur die Lagerstätten der Oberlausitz.
Sie entstanden an den Rändern bzw. in Tälern der
Mittel- und Hochgebirge in Folge von Absenkun-
gen im Zusammenhang mit der alpinen Gebirgs-
bildung im Tertiär.

Technik  Der Braunkohlenbergbau in der Lausitz


Abb. 2.25   Altersstellung der Braunkohlen im östlichen und im Mitteldeutschen Revier begann zunächst
Deutschland. (Henningsen und Katzung 2006) im Tiefbau, der teilweise wegen geotechnischer
Gefährdungen für die Braunkohlesanierung bis
heute relevant ist. Auf die Technologien des
sionstyp), die durch eine stetige Senkung mit Braunkohlentiefbaus, der bis in die 60er Jahre
wechselnder Senkungsrate gekennzeichnet ist des 20. Jahrhunderts von Bedeutung war, wird in
und homogene Flöze mit oft hoher Mächtig- Kap. 6 näher eingegangen.
keit (bis 100 m) im Wechsel mit unvollständig Begünstigt durch die relativ oberflächennahen
ausgebildeten Bereichen hervorbrachte (z. B. Ablagerungsverhältnisse der Kohle und lockerer
Geiseltal) Deckgebirgsschichten ist mit der Entwicklung
Kombinationen der genannten Entstehungstypen der Bergbautechnik seit Beginn des 20. Jahrhun-
sind möglich, z. B. epirogenetische Bildungen, derts der Tagebau die zunehmend bestimmende
die durch Tektonik oder durch Salzbewegung Abbaumethode der Braunkohle. Abhängig vom
und Subrosion (Mitteldeutsches Revier) über- Lagerstättentyp ergeben sich Unterschiede in den
lagert wurden. Abhängig von der Periodizität Abbauverfahren. Auf der Grundlage der Abla-
2  Gesellschaftliche, natürliche und technische Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung 43

Abb. 2.26   Paralische


Braunkohlenlagerstätten.
(nach Thomas 1992)

'ĞďŝĞƚĚĞƌƉĂƌĂůŝƐĐŚĞŶ>ĂŐĞƌƐƚćƩĞŶďŝůĚƵŶŐ
ĞĚĞƵƚĞŶĚĞƌĂƵŶŬŽŚůĞǀŽƌŬŽŵŵĞŶ͕ŝŵďďĂƵ
ƌĂƵŶŬŽŚůĞǀŽƌŬŽŵŵĞŶ͕ƚĞŝůǁĞŝƐĞŝŵďďĂƵ

Abb. 2.27   Bildungstypen


der Braunkohlenlagerstät-
ten. (Strzodka et al. 1979)
44 C. Drebenstedt et al.

Abb. 2.28   Abraumförderbrücke mit angeschlossenen Eimerkettenbaggern. (Tagebau Nochten, Lausitzer Revier)

Abb. 2.29   Direktversturz-


kombination mit Schaufel-
radbagger und Absetzer.
(Tagebau Dreiweibern,
Lausitzer Revier)

gerungsverhältnisse bieten sich drei wesentliche tektonischer Typ) sowie hohen Leistungsan-
Abbauverfahren im Tagebau an: forderungen (Abb. 2.30)
• Abraumförderbrücken oder Direktversturz- • Mobile Technik für kleine Lagerstätten und
kombinationen für großflächige, weitest- extrem gestörte Lagerungsverhältnisse, die
gehend ungestörte Lagerstätten (epiroge- einen kontinuierlichen Massenstrom nicht
netischer Typ) mit in der Regel einem Flöz zulassen, z. B. beim tektonischen Lagerstät-
mittlerer Mächtigkeit und einem hohen Anteil tentyp (Abb. 2.31)
nichtkohäsiver Lockersedimente (Abb. 2.28 Der Abbau der Braunkohle erlebte in Deutsch-
und 2.29) land seit Mitte des 19. Jahrhunderts seine stärks-
• Schaufelradbagger-Bandbetrieb für Mehrflöz- te Entwicklung und erhielt einen nachhaltigen
lagerstätten und Lagerstätten mit komplizier- Schub durch die Einführung der kontinuierlichen
teren Ablagerungsverhältnissen und einem Tagebautechnik (1885 Eimerkettenbagger, 1897
hohen bindigen Anteil bzw. verfestigten Sedi- Direktversturzkombination, 1916 Schaufelrad-
menten im Abraum (halotektonischer und
2  Gesellschaftliche, natürliche und technische Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung 45

Abb. 2.30   Schaufelradbagger mit Bandaufgabe. (Mittel- Abb. 2.31   Mobile Technik. (Tagebau Olbersdorf, Ober-
deutsches Revier) lausitz)

bagger und 1924 Abraumförderbrücke) (Dre- Kombination zum Direktversturz eingesetzt


benstedt 2009, Schulz 2005). (Abb. 2.29), die Abtragsmächtigkeiten bis 20 m
Ab den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts löste gewinnen konnte (Drebenstedt 1997).
der Bandbetrieb zunehmend den Zugbetrieb als Der Einsatz mobiler Technik, der Shovel-And-
Fördertechnologie ab. Diese Technologie ist bis Truck-Betrieb (Abb. 2.31), besetzt ebenfalls eine
heute dominierend für den Braunkohlenbergbau Nische neben den Großtagebauen, wird aber auch
(Fraus 1999; Kremaleck 1998; Kavouridis et al. lokal mit der Schaufelradbagger-Band-Technolo-
2000). gie kombiniert, z. B. bei der Ausbaggerung tiefer
Eine besonders effektive Form des Abraum- Mulden im Mitteldeutschen Revier (Drebenstedt
transports und der Abraumverkippung erfolgt auf und Niemann-Delius 2009). Für eine hochselek-
kürzestem Weg, über den offenen Tagebau hin- tive Gewinnung werden auch Continuous Sur-
weg, im Direktversturz. Dazu wurden Abraumför- face Miner in Verbindung mit SLKW eingesetzt
derbrücken (Abb. 2.28) entwickelt, die zunächst (Abb. 2.32; Drebenstedt 2009).
eine relativ weite Verbreitung erhielten, heute aber Der historische Einsatz der Technik zur Ab-
nur noch unter den speziellen Bedingungen des raumbeseitigung bestimmt wesentliche Aufga-
Lausitzer Reviers eingesetzt werden. Die größ- ben der späteren Sanierung und Rekultivierung,
ten Abraumförderbrücken vom Typ F60 nehmen da er Einfluss auf die Möglichkeiten der selek-
den Abraum von in der Regel drei Eimerketten- tiven Gewinnung und Verkippung geeigneter
baggern auf, die in drei Schnitten eine Gesamtab- Bodensubstrate sowie die Reliefgestaltung und
tragsmächtigkeit von über 60 m erreichen können. die hydrologischen und hydrogeochemischen
Weitere Typenförderbrücken für 34 m (ge- Prozesse ausübt (Tab. 2.16). Abbildung 2.33 ver-
steigert bis 42 m) und 45 m (gesteigert bis 54 m) deutlicht die Möglichkeiten der grundsätzlichen
Abtrag wurden in den Mitteldeutschen und Lau- Relief- und Nutzungsgestaltung bzw. -verände-
sitzer Braunkohlenrevieren nach 1945 eingesetzt. rung mit den wesentlichen Elementen der Berg-
Bis dahin waren die Förderbrücken Sonderkonst- baufolgelandschaft Tagebauraum, Aufschüttung,
ruktionen, angepasst an die Lagerstätte. Verfüllung und Flutung (Drebenstedt 2003).
Die über die Abtragsmächtigkeit der Förder- Wegen der Bedeutung der Technik der Ab-
brücke hinaus gehenden Abraummächtigkeiten raumbeseitigung für das Verständnis der Aufga-
werden in der Regel mit Schaufelradbagger- ben der Bergbausanierung wird im Folgenden die
Bandbetrieb im Vorschnitt abgetragen. Eignung der verschiedenen eingesetzten Techno-
Alternativ zu Abraumförderbrücken wurde logien für die Wiedernutzbarmachung grundsätz-
im Einzelfall (z. B. im Tagebau Dreiweibern) lich dargestellt:
auch eine kleinere Schaufelradbagger-Absetzer-
46 C. Drebenstedt et al.

Abb. 2.32   Continuous


Surface Miner. (Tagebau
Profen, Mitteldeutsches
Revier)

Tab. 2.16   Eignung von Abbausystemen im Tagebau aus Sicht der Rekultivierung und Landschaftsgestaltung. (Dre-
benstedt 1999)
Technologische Komplexe Bewertung aus Sicht der Wiedernutzbarmachung
Gewinnung Transport Verkippung Selektive Massendisposition Reliefgestaltung
Gewinnung Verkippung
Schaufelradbagger Förderbrücke + o − o
Absetzer + o o o
Band/Zug Absetzer + + + +
Zug Pflugkippe + + + o
Zug Spülkippe + − − −
Eimerkettenbagger Förderbrücke o o − o
Band/Zug Absetzer o + + +
Zug Pflugkippe o + + o
Zug Spülkippe o − o −
Eingefäßbagger Zug Pflugkippe + + + o
Lastkraftwagen + + + +
− nicht geeignet, o bedingt geeignet, + gut geeignet

Abraumgewinnung  Zur Abraumgewinnung im Tief- und Hochschnitt baggern und so eine große
Lockergestein kamen und kommen kontinuier- Gesamtabraummächtigkeit bis 50 m bewältigen.
lich arbeitende, leistungsstarke Schaufelrad- und Aus Sicht der selektiven Gewinnung von Ab-
Eimerkettenbagger zum Einsatz (Abb. 2.34). raumanteilen sind Eimerkettenbagger nur wenig
Eingefäßbagger mit Löffel oder Zugschaufel geeignet, da sich die Eimergefäße auf der gesam-
(Abb.  2.35) finden nur selten, z. B. zur Beräu- ten Böschungshöhe gleichmäßig füllen und damit
mung grobstückigen Baggergutes (Findlinge, ein Mischsubstrat herstellen. Nur unter speziel-
Fundamente, gesprengtes Haufwerk) oder zur len, homogenen Ablagerungsbedingungen oder
Kippengestaltung Verwendung. durch aufwendige Sondertechnologie ist es mög-
Moderne schwenkbare Eimerkettenbagger lich, gezielt Bodenarten selektiv zu gewinnen.
können, auf Schienen oder Raupen gestellt, im
2  Gesellschaftliche, natürliche und technische Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung 47

/DJHGHU
$X‰HQNLSSH$EUDXP 9HUNLSSXQJEHU*HOlQGH
$X‰HQNLSSH
$XIVFKWWXQJ ]XP *HOlQGH
5FNVWDQG VKDOGH *HOlQGHYHUIOOXQJ

%HUJEDX YROOVWlQGLJH)OXWXQJ
IROJH
ODQGVFKDIW RKQH,QQHQNLSSH 7HLOIOXWXQJLQGHU+|KH )OXWXQJV 
VLWXDWLRQ
PLW,QQHQNLSSH 7HLOIOXWXQJLQGHU)OlFKH GHV
7HLOYHUIOOXQJ 5HVWUDXPHV
7DJHEDXUDXP
RKQH)OXWXQJ
PLW,QQHQNLSSH
YROOVWlQGLJH9HUIOOXQJ HLJHQH3ULPlUNLSSH

PLW,QQHQNLSSH $EUDXPUFNYHUIOOXQJ +HUNXQIW


9HUNLSSXQJEHU*HOlQGH GHV9HUIOO 
IUHPGHU$EUDXP PDWHULDOV

$XIEHUHLWXQJVUFNVWlQGH

EHUJEDXIUHPGH0DVVHQ

Abb. 2.33   Relief- und nutzungsprägende Elemente der Bergbaufolgelandschaft. (Drebenstedt 2003)

Abb. 2.34   Schienengebundener Eimerkettenbagger. (Ta- Abb. 2.35   Eingefäßbagger mit Zugschaufel. (Tagebau
gebau Bärwalde, Lausitzer Revier) Reichwalde, Lausitzer Revier)

Schaufelradbagger besitzen ein Graborgan mit Grenzen der selektiven Gewinnung sind dann
bis zu 18 m Durchmesser (SRs 6300). Übersteigt gegeben, wenn die Mächtigkeit der zu gewinnen-
die Abraummächtigkeit die Hälfte des Schaufel- den Abraumschicht im Verhältnis zum Schaufel-
raddurchmessers, wird die Böschung in Schei- raddurchmesser gering ist bzw. mit der Einteilung
ben abgebaut. In der Regel können max. 4 bis 5 der Scheiben der gewünschte Horizont nicht voll
Scheiben von einer Arbeitsebene aus im Hoch- erfasst werden kann. Unter diesen Bedingungen
schnitt abgebaggert werden. Die größten Geräte kann auch die gezielte Gewinnung von Bodenge-
können so ebenfalls Gesamtabraummächtigkei- mischen vorteilhaft sein. Kleinere Schaufelrad-
ten bis 50 m allein bewältigen. Eine Tiefschnitt- durchmesser sind für eine selektive Gewinnung
baggerung ist teilweise realisierbar. Durch die besser geeignet.
Möglichkeit, die Abraumböschung in Scheiben Für die Bewertung der selektiven Gewinnung
einzuteilen (Terrassenschnitt), können Gesteins- von Abraum ist nicht nur die Art der Gewinnung
arten selektiert werden (Abb. 2.36). in der Böschungshöhe, sondern bei wechselnden
48 C. Drebenstedt et al.

Abb. 2.36   Schaufelrad-


bagger im Terrassenschnitt,
Blockverhieb. (Tagebau
Vereinigtes Schleenhain,
Mitteldeutsches Revier)

Bodenarten auch auf der Böschungslänge von • mit Transportmitteln, z. B. Bandanlagen
Bedeutung. (Abb. 2.38) und Zügen (Abb. 2.39) oder
Eimerkettenbagger auf Schienen baggern in • im Direktversturz, z. B. Abraumförderbrü-
der Regel im Frontverhieb, d. h. auf einem länge- cke (Abb. 2.28), Direktversturzkombination
ren Strossenabschnitt durch ständiges Verfahren (Abb. 2.29)
und Absenken (Abb. 2.37) bzw. durch Schwen- Der Direktversturz ist die kostengünstigste Varian-
ken der Eimerleiter. Dieser Prozess trägt zur wei- te der Abraumbeseitigung. Er wird mit Abraum-
teren Vermischung der herein gewonnenen Subs- förderbrücken oder Bagger-Absetzer-Kombina-
trate bei. Schaufelbagger auf Raupenfahrwerken tionen realisiert. Bis zu 60 m Abraummächtigkeit
baggern vor Kopf (Blockverhieb, Abb. 2.37), lassen sich auf kürzeste Entfernung quer über den
was den Inhalt (Volumen) einer selektiv gewinn- Tagebau transportieren und unmittelbar hinter der
baren Scheibe einschränkt. Sie wird im Wesent- Auskohlung verkippen. Der Abraum muss dazu
lichen durch die Länge des Schaufelradauslegers weitgehend rollig und die Kippenbasis söhlig
bestimmt. sein. Mit Abraumförderbrücken lassen sich jedoch
Die besten Voraussetzungen zur selektiven Bodenarten kaum selektiv transportieren und ver-
Gewinnung bestehen im Seitenblockverhieb kippen, insbesondere dann nicht, wenn mehrere
(Abb. 2.37). Der Schaufelradbagger fährt parallel Bagger den Abraum gewinnen. Da dies zudem
zum Stoß und baggert die gewünschte (z. B. Eimerkettenbagger sind, entsteht ein Mischboden.
obere) Scheibe über die entsprechende Strossen- Abraum kann nur dann selektiv transportiert wer-
länge ab. Allerdings sind mit dieser Technologie den, wenn einheitlicher Boden an allen Baggern
Leistungsverluste durch geringere Blockbreite ansteht oder nur bestimmte Bagger im Einsatz
und das Verfahren des Gerätes verbunden. sind. In der Vergangenheit wurden auch Schaufel-
Dem Einsatz von Schaufelradbaggern ist aus räder in Verbindung mit Förderbrücken eingesetzt
Sicht der Wiedernutzbarmachung der Vorrang (AFB „Meurostolln“ 1940 und „Hostens“ 1932).
einzuräumen. Direktversturzkombinationen Schaufelradbagger-
Absetzer besitzen gegenüber Förderbrücken den
Abraumtransport  Der gewonnene Abraum Vorteil, dass Abraum selektiv gewonnen und zur
muss zur Kippe transportiert werden. Dazu Kippe transportiert werden kann.
bestehen im Prinzip zwei grundlegende Techno- Ein selektiver Massentransport lässt sich aber
logien: am effektivsten mit Transportmitteln realisieren.
2  Gesellschaftliche, natürliche und technische Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung 49

Abb. 2.37   Schematische Darstellung Frontverhieb, Blockverhieb, Seitenblockverhieb (v. l.). (Strzodka et al. 1979)

Abb. 2.38   Bandbeladung.


(Tagebau Vereinigtes
Schleenhain, Mitteldeut-
sches Revier)

Dabei gilt insbesondere für geringmächtige Ab-


schlussschüttungen: Je kleiner die Transportein-
heit ist, desto genauer lässt sich die Qualität dis-
ponieren. Aufgrund der hohen Förderleistungen
und Massenströme sowie aus Kostengründen
kommt heut fast ausschließlich die kontinuier-
liche Bandförderung in Betracht. Mehrere Kilo-
meter lange Bandanlagen nehmen das Baggergut
kontinuierlich auf und bringen es zum Absetzer.
Sollen einzelne Bodenarten selektiv verkippt
werden, müssen sie in größeren Mengen und für
längere Zeit „angeliefert“ werden.
Der Abraumzugbetrieb hatte bis in die 70er
und teilweise 80er Jahre des 20. Jahrhunderts
wesentliche Bedeutung für den Abraumtransport,
spielt in den Zukunftstagebauen allerdings keine
Rolle mehr, obwohl er aus Sicht der Wiedernutz-
barmachung sehr gute Voraussetzungen bietet,
um das selektiv gewonnene Bodensubstrat „por-
tionsweise“ zur Verkippung zu bringen.

Abraumverkippung  Entsprechend dem För-


dermittel wird der Abraum mit geeigneten Gerä- Abb. 2.39  a Zugbeladung. b Zugentladung mittels Kipp-
graben
ten verkippt. Beim Direktversturz erfolgt die
Verkippung direkt über Abwürfe und früher auch
50 C. Drebenstedt et al.

Abb. 2.40   Betrachtung


a einzelner Späne bei der
Gewinnen mit Eimerket-
tenbagger im Frontverhieb,
und b beim Verkippen als
Mischsubstrat im Förder-
brückenbetrieb

Abb. 2.41   Vegetations-


lose Rippenkippe durch
Verkippung mittels Ab-
raumförderbrücke, so ge-
nannte „Mondlandschaft“.
(Tagebau Reichwalde,
Lausitzer Revier)

Schurren. Der entscheidende Nachteil bei dieser Unter bestimmten Voraussetzungen, wenn
Art der Verkippung besteht in den räumlichen homogenes, kulturfreundliches Material in aus-
Zwängen. Die Position des gesamten Fördersys- reichender Mächtigkeit durch eine Förderbrücke
tems und damit auch der Bereich der Verkippung in eine endgültige Höhenlage, dem geforderten
sind räumlich fixiert. Eine gezielte Massendis- Relief angepasst, geschüttet werden kann, sind
position auf der Kippe ist nicht möglich. Das nach Planierung Voraussetzungen zur Rekulti-
Baggergut wird in der Regel als Mischsubstrat vierung solcher Kippen gegeben. Förderbrücken-
verkippt (Abb. 2.40). kippen können sonst im Nachgang nur mit viel
Förderbrücken hinterlassen die bekannten Aufwand planiert (Abb. 2.43) oder mit einer Ab-
„Mondlandschaften“ (Abb. 2.41). In Abhängig- setzerkippe überzogen und ausgeglichen werden
keit von technologischen Zwangspunkten, wie (Abb. 2.45).
dem Offenhalten von Ausfahrten an den Mark- Im Tagebau Reichwalde wurden vor der
scheiden oder Strossenverkürzungen oder -auf- gleichnamigen Ortschaft 1991/1992 umfangrei-
weitungen, entstehen zudem Massenzusammen- che Arbeiten zur Kippenregulierung einer För-
drängungen oder Restlöcher. derbrückenkippe durchgeführt. Dabei kamen
Da die Abwurfausleger der Förderbrücke u. a. Großplanieraupen, ein Schürfkübelbagger
nicht schwenkbar sind, entsteht eine Rippenkip- und Schaufelradbagger-Bandwagen-Kombina-
pe, denn nach jeder Rückung der Förderbrücke tionen zum Einsatz. Bei Höhenunterschieden
ergibt sich ein neuer Auftreffpunkt (Abb. 2.42). bis 20 m und erforderlichen Transportwegen bis
2  Gesellschaftliche, natürliche und technische Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung 51

Abb. 2.42   Ablagerung


einzelner Gewinnungs-
späne als Rippenkippe,
typisch für Direktversturz

Abb. 2.43  a Planieren einer Brückenkippe mit Planierraupen. b heterogene Kippsubstrate an der Kippenoberfläche
nach der Planierung. (Tagebau Jänschwalde, Lausitzer Revier)

Abb. 2.44   Schüttung


einer glatten Kippe durch
schwenkbaren Ausleger
des Absetzers einer Direkt-
versturz-Kombination

300 bis 400 m erwiesen sich die Schaufelrad- Im Band- und Zugbetrieb werden Absetzer
bagger-Bandwagen-Kombinationen zur Grob- zur Verkippung eingesetzt. Mittels schwenkbarer
ausformung der Kippenoberfläche als geeignete Ausleger wird in der Regel die Tiefschüttung vor-
Lösung ( Drebenstedt 1994). genommen (Abb. 2.45a). Durch Schwenken des
Direktversturzkombinationen Schaufelrad- Auslegers um 180 ° kann hinter dem Fördermittel
bagger-Absetzer besitzen gegenüber Förder- das zur Rekultivierung geeignete Bodenmaterial
brücken den Vorteil des schwenkbaren Ausle- selektiv in der erforderlichen Mächtigkeit scho-
gers am Absetzer. Dieser kann jedoch nur dann nend abgesetzt werden (Rückwärtsschüttung,
wirkungsvoll für die selektive Verkippung an Abb. 2.45b). Die Massendisposition ist über die
die Kippenoberfläche genutzt werden, wenn die gesamte Verkippungslänge möglich und es kann
Absetzerkippe die endgültige Höhenlage auf- fast nahezu jedes gewünschte Relief ausgeformt
weist und als „glatte“ Kippe geschüttet wird werden. Ungünstiger sind Absetzerhochschüt-
(Abb. 2.44). Die Beweglichkeit derartiger Gerä- tungen, wenn ein selektiver Auftrag von Substra-
tekombinationen zur Massendisposition ist etwas ten auf die Hochschüttung erfolgen soll.
günstiger, aber immer noch stark eingeschränkt Bei der Verkippung von Abraum mit Ab-
( Drebenstedt 1997, 2009). setzern entsteht durch den scheibenweisen kon-
52 C. Drebenstedt et al.

Abb. 2.45   Absetzer beim


Verkippen auf Brückenkip-
pe. a in Tiefschüttung (Ta-
gebau Nochten, Lausitzer
Revier). b mit Rückwärts-
kippe (Tagebau Welzow
Süd, Lausitzer Revier)

tinuierlichen Kippenaufbau, abhängig von dem liche Bodenmaterial so verkippt wurde, dass es
„angelieferten“ Material, ein vertikal und hori- anschließend nicht mehr technologisch mit den
zontal differenzierter Kippenkörper (Abb. 2.46). Gleisanlagen überrückt werden musste. Das Bo-
Die verkippten Substrate haben mit ihren phy- denmaterial wird dabei mit einer Mächtigkeit
sikalischen und chemischen Eigenschaften einen von ca. 1 m verkippt.
Einfluss auf die Bodenbildung und damit auch Spülkippen in Kombination mit dem Zugbe-
auf den Erfolg der Rekultivierung. Der innere trieb sollen als Verkippungstechnologie nicht un-
Kippenaufbau kann somit auch noch an der re- erwähnt bleiben (Abb. 2.50), haben für die Wie-
kultivierten Oberfläche sichtbar sein (Abb. 2.47). dernutzbarmachung jedoch keine direkte Bedeu-
Unterschiedliche Permeabilitäten können zu Ver- tung. Während des Einspülprozesses entmischt
nässungsgebieten führen. sich das Spülgut von grob nach fein. In der Regel
Neben der Verkippungsreihenfolge übt die erfolgt die Einspülung in Restlöcher, deren Ober-
Verkippungstechnologie Einfluss z. B. auf die fläche abschließend mit Pflugkippen überzogen
Verdichtung und Entmischung der Kippsubstrate wird. Um die Oberfläche einer Kippe für die Ge-
aus (Abb. 2.48). staltung der Bergbaufolgelandschaft und für die
In der Vergangenheit haben sich im Zu- Rekultivierung vorzubereiten, werden häufig
sammenhang mit dem Zugbetrieb vor allem verschiedene Verkippungstechnologien mitein-
Pflugkippen bewährt (Abb. 2.49). Ähnlich den ander kombiniert (Abb. 2.51).
Rückwärtskippen der Absetzer wurde hinter der Einen Sonderfall stellen die nachträglichen
eigentlichen Massenverkippung ein gesondertes Massenbewegungen in den Tagebauen der
Gleis geführt, von dem aus das kulturfreund- Braunkohlesanierung dar. Hier fehlten bzw. feh-
2  Gesellschaftliche, natürliche und technische Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung 53

Abb. 2.46   Betrachtung einzelner Späne. a bei der Gewinnung mit Schaufelradbagger. b bei der Bandförderung. c nach
dem Vermischen durch mehrfache Bandübergaben, und d beim Verkippen mittels Absetzer

Abb. 2.47   Vertikal und horizontal differenzierter Aufbau einer Absetzerkippe, farblich sichtbar. a an der Böschung
(Tagebau Reichwalde, Lausitzer Revier), und b an der Oberfläche (Tagebau Greifenhain, Lausitzer Revier)

len teilweise die notwendigen Abraummassen von Kippen und an den Tagebaurändern abge-
zur Geländegestaltung und Aufschüttung kul- flacht und zum Teil stabilisiert werden. Durch
turfreundlicher Böden aus einem Regelbetrieb. umfangreiche Massenbewegungen wird ein
Als Lösung müssen hier teilweise Kippenberei- ausgeglichenes Geländerelief hergestellt. Dabei
che wieder abgetragen oder Abraum zwischen ist der Grundwasserstand zu beachten, der sich
noch aktiven und bereits stillgelegten Tagebauen nach dem Wiederanstieg dauerhaft einstellt. Auf-
transportiert werden. Dabei wird die vorhandene grund des Massendefizits durch die Entnahme
Technik weiter genutzt. Es kommt zur Erdbewe- der Braunkohle verbleiben Resträume, die zu
gung auch mobile Technik mit Dumpern, LKW Seen oder feuchten Niederungen umgestaltet
und SKW zum Einsatz, in Einzelfällen auch werden und somit verschiedene Lebensräume für
Schwimmbagger. In Sonderfällen wurden im unterschiedliche Tier- und Pflanzenarten bieten.
großen Umfang Fremdmassen (z. B. Abbruch) in In Abbildung 2.52 wird schematisch dargestellt,
Tagebaue verstürzt, die mit Bahn oder mit LKW wie die Betriebs- und Rekultivierungsfläche
von Großbaustellen, wie z. B. dem Spreebogen eines Tagebaues zu einer Bergbaufolgelandschaft
oder dem Potsdamer Platz in Berlin angeliefert umgestaltet werden kann.
wurden.
Bei der Sanierung von frühzeitig stillgeleg- Außenkippen  Während zuvor überwiegend
ten Tagebauen müssen die Böschungsbereiche auf Innenkippen eingegangen wurde, sollen die
54 C. Drebenstedt et al.

Abb. 2.48   Aufbau einer


Schüttung am Beispiel
einer Absetzerkippe. a
Aufbau des Schüttkegels.
b Zonierung der Material-
eigenschaften

Abb. 2.49   Pflug zum Anlegen einer Pflugkippe. (Fahr-


zeugausstellung MIBRAG)

Außenkippen nicht unerwähnt bleiben. Grund- Abb. 2.50   Entladen eines Zuges an einer Spülkippe. (Ta-
sätzlich kommen zur Herstellung von Außenkip- gebau Lohsa, Lausitzer Revier)
pen die gleichen Verkippungstechnologien mit
Band- und Zugförderung zum Einsatz, wie auf
Innenkippen, mit Ausnahme der Spülkippe. Das Abraumvolumen und die in Anspruch
Typischerweise werden Außenkippen im Zu- genommene Fläche für den Tagebauaufschluss
sammenhang mit dem Aufschluss von neuen und die Außenkippe hängen neben der Abraum-
Tagebauen angelegt. Entsprechend den topogra- mächtigkeit auch von den Lockergesteinseigen-
phischen Gegebenheiten können Außenkippen schaften des Abraums ab. Bei rolligem Abraum
auf ebenem Gelände angelegt werden, auf bereits können die Böschungen des Tagebauaufschlus-
vorhandene Innenkippen aufgebaut werden, zum ses und der Außenkippe steiler angelegt werden.
Verfüllen von Restlöchern früherer Tagebaue Entsprechend geringer sind das Aufschlussvolu-
oder zum Auffüllen bei unebenem Gelände ge- men und die benötigten Flächen für Aufschluss
nutzt werden (Abb. 2.53). und Außenkippe (Abb. 2.54a). Mit zunehmenden
2  Gesellschaftliche, natürliche und technische Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung 55

Abb. 2.51  a Absetzer-


kippe in Hoch und
Tiefschüttung. b Absetzer-
kippe in Tiefschüttung
mit Rückwärtskippe auf
Brückenkippe. c Pflugkip-
pe mit Rückwärtskippe auf
Spülkippe

Anteil bindigen Abraums (Ton, Schluff) neh- sicherung, insbesondere in Böschungsbereichen


men die Böschungswinkel ab. Aufschlussvolu- (Abb. 2.55).
men und Außenkippe nehmen entsprechend zu Neben den chemischen Eigenschaften
(Abb.  2.54b). Ist die Braunkohlenlagerstätte so haben auch die physikalischen Lockergesteins­
ausgeprägt, dass ein Abbau in die Teufe statt- eigenschaften des Abraums Einfluss auf die
finden muss, wird nicht nur der Aufschluss- Bodenbildung und somit auf den Erfolg der Re-
abraum sondern auch der Abraum während des kultivierung. Wenn verschiedenes Abraummate-
Tagebaubetriebes auf die Außenkippe verbracht rial zur Verfügung steht, kann durch gezielte Mi-
(Abb. 2.54c). schung ein Bodensubstrat hergestellt werden, das
Der Tagebauaufschluss erfolgt von oben nach die Rekultivierung begünstigt. Abbildung 2.56
unten, während das Material auf der Außenkip- stellt die Eignung vorkommender Abraumarten
pe umgekehrt verkippt wird. So befinden sich und möglicher Mischungen für die Rekultivie-
meist kulturfreundliche obere Abraumschichten rung dar.
an der Kippenbasis, während tertiäre Schichten Während der Zeit von der Freilegung und Ge-
des Kohlenhangenden an der Kippenoberfläche winnung bis zur Verkippung der geologischen
geschüttet sind. Oft ergeben sich daraus nicht ge- Ausgangssubstrate kann es zu deren chemischer
ringe Probleme mit Inkulturnahme und Erosions- Veränderung kommen, insbesondere wenn sie
Sulfidschwefel enthalten, der oxydiert und in
56 C. Drebenstedt et al.

Abb. 2.52   Umgestaltung einer Tagebaufläche zu einer heit (Herstellung geotechnischer Sicherheit/Ufersanie-
Bergbaufolgelandschaft (Drebenstedt 1999), S1- Bö- rung und Ufergestaltung), S5- Wiedernutzbarmachung
schungsgestaltung (Herstellung Standsicherheit, berg- Festlandsanteil der ehemaligen Betriebsfläche, S6-Sa-
männische Rekultivierung, Wiedernutzbarmachung), nierungsmaßnahmen in Wiedernutzbarmachungsflächen
S2- Restseegestaltung/geotechnische Sicherheit (Abtrag (Beseitigung Qualitätsmängel, Ökologisierung, Aufwer-
der Hochkippe mind. 2 m unter Endwasserspiegelni- tung), S7- Sanierungsmaßnahmen in Wiedernutzbarma-
veau), S3- bergmännische Rekultivierung/geotechnische chungsflächen (Umgestaltung potentieller Vernässungs-
Sicherheit (Hochkippenregulierung zur Gewährleistung gebiete, Ökologisierung, Vorflutregulierung), S8- Be-
von Mindestüberdeckungshöhen zum Endwasserstand), räumung und Renaturierung Tagebauvorfeld, S9- Beräu-
S4- bergmännische Rekultivierung/geotechnische Sicher- mung und Renaturierung Randflächen

Abb. 2.53   Schematische


Darstellung von Außenkip-
pen. a auf Gelände. b auf
Innenkippe. c Restloch-
verfüllung. d Geländeaus-
gleich

Wasser gelöst für niedrige pH-Werte des Mate- führt die Durchströmung des tiefen Kippenkör-
rials an der Kippenoberfläche und im Kippenkör- pers zu einer langanhaltenden Versauerung des
per verantwortlich ist. Während der pH-Wert an Grundwassers. Nachträgliche Maßnahmen wie in
der Kippenoberfläche durch Zugabe von Basen- der Bergbausanierung sind sehr aufwändig (Dre-
trägern relativ einfach neutralisiert werden kann, benstedt und Struzina 2008).
2  Gesellschaftliche, natürliche und technische Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung 57

Abb. 2.54   Schematische


Darstellung von Tagebau-
aufschlüssen mit Außen-
kippen. a bei rolligem
Abraum. b bei bindigen
Abraum. c beim Abbau in
die Teufe. ( Drebenstedt
1999)

Abb. 2.55   Rekultivierte


Außenkippe Bärenbrücker
Höhe (Lausitzer Revier)
mit Ausfallstellen. (Foto:
LAUBAG/Vattenfall)

2.2.2 Das Mitteldeutsche Braunkoh- roth 1999). Ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhun-
lenrevier derts wurde Braunkohle in vielen kleinen Gru-
ben, zum Teil auch im Tiefbau gewonnen, doch
Das Mitteldeutsche Braunkohlenrevier erstreckt bereits zum Ende des 19. Jahrhunderts bildeten
sich hauptsächlich über die Leipziger Tieflands- sich mehrere Großbetriebe. Im 20. Jahrhundert
bucht. Die dortigen Braunkohlenvorkommen sind bestimmten die Großgeräte den großflächigen
schon seit dem 14. Jahrhundert bekannt (Bilken- Abbau in mehr als 40 Tagebauen, von denen die
58 C. Drebenstedt et al.

Abb. 2.56   Eignung


vorkommender Abraum-
körnungen und möglicher
Mischungen für die Re-
kultivierung

meisten heute stillgelegt sind (Abb. 2.57). Der- 550 mm/a bewirkt. Durch die fruchtbaren Löss-
zeit wird nur noch in drei Tagebauen Braunkoh- böden herrscht Landwirtschaft und zum gerin-
le gefördert. Davon betreibt die Mitteldeutschen geren Anteil Forstwirtschaft vor. Naturnaher
Braunkohlen Gesellschaft mbH (MIBRAG) zwei Wald ist nur noch stellenweise, hauptsächlich in
Tagebaue im Südraum von Leipzig (Tagebau Flussauen und auf Pleistozänplatten anzutreffen.
Profen, Tagebau Vereinigtes Schleenhain) und Dabei handelt es sich um Holunder-Ulmen-Au-
die ROMONTA GmbH einen Tagebau westlich enwälder (z. B. Fluhnetal) bzw. um Subkontinen-
von Halle (Tagebau Amsdorf). Die jährliche talen Laubwald mit Traubeneichen, Hainbuchen
Förderleistung im Mitteldeutschen Revier be- und Winterlinden. Die Tagebaue westlich der
trägt ca. 20 Mio. t Rohbraunkohle, das entsprach Saale sowie einige Tagebaue im Zeitz-Weißen-
2010 einem Anteil von ca. 11 % an der deutschen fels-Hohenmölsener Revier sind dem Bördeland
Braunkohlenförderung. Die geologischen Vorrä- zu zuordnen.
te des Reviers umfassen ca. 10 Mrd. t, wobei ca. Die heutigen Bodensubstrate sind während der
2 Mrd. t unter heutigen Bedingungen wirtschaft- Eiszeiten abgelagert worden. Über den Grund- und
lich gewinnbar sind (DEBRIV 2010). Die Quali- Endmoränen und Sandern liegt eine Lössschicht,
tätsparameter sind in Tabelle 2.17 dargestellt. die im Norden nur einige Dezimeter beträgt und
mit Sand vermischt ist, zum Süden hin aber bis zu
Naturraum  Die Leipziger Tieflandsbucht, in 20 m mächtig wird (Abb. 2.59 und 2.60).
der sich der Großteil des Mitteldeutschen Braun- So befindet sich heute im Nordosten der Leip-
kohlenreviers befindet, liegt im Süden des Nord- ziger Tieflandsbucht die waldreiche Landschaft
ostdeutschen Tieflandes an der Grenze zu den Dahlen-Dübener-Heide, die ein Endmoränenge-
Östlichen Mittelgebirgen. Das Braunkohlenre- biet der Saaleeiszeit ist und ein kuppiges Glazial-
vier berührt dabei die naturräumlichen Hauptein- relief besitzt. Auf den nährstoffarmen sandigen
heiten Sächsisches Hügelland/Leipziger Land, Böden (Sand-Braunerden und -podsole) sind so-
Elbe-Mulde-Tiefland und Östliches Harzvorland wohl naturnahe Wälder als auch Forstwirtschaft
und Börden (s. Abschn. 2.2.1). Die Leipziger zu finden.
Tieflandsbucht ist Altmoränenland (Abb. 2.58). Im Osten der Leipziger Tieflandsbucht be-
Sie ist eine ebene Fläche mit nur geringen Erhe- findet sich die gehölz- und waldreiche, acker-
bungen und fällt leicht nach Nordost ab. Die geprägte Kulturlandschaft Grimma-Wurzener-
Flüsse Saale, Weiße Elster, Pleiße und Mulde Porphyrhügelland. Hier werden die glazialen und
prägen die Morphologie mit ihren meist breiten glaziofluvialen Ablagerungen von Durchragun-
und flachen Täler. Die Leipziger Tieflandsbucht gen des Grundgebirges unterbrochen. Dabei han-
liegt im Bereich der subozeanen Waldklimate, delt es sich um verschiedene Porphyrvarietäten
wobei der Regenschatten des Harzes vergleichs- und – tuffe, die zum Nordsächsischen Vulkanit-
weise niedrige Niederschlagsmengen von 450 bis becken zählen und als Einzelerhebungen hervor-
2  Gesellschaftliche, natürliche und technische Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung 59

Abb. 2.57   Mitteldeut-


sches Braunkohlenrevier.
(Eißmann 2000)

Tab. 2.17  Mittlere Kohlenqualitätsparameter der der- Schotterterrassen sind von einer bis zu 1 m mäch-
zeit geförderten Mitteldeutschen Braunkohle. (DEBRIV tigen Sandlösslage bedeckt. Die gering reliefier-
2010) te Landschaft wird hauptsächlich ackerbaulich
Heizwert, roh, MJ/kg 9,0–11,3 genutzt. Zusammenhängende Wald- und Grün-
Wassergehalt, roh, % 49–53 landflächen sind in der ausgeräumten Agrarland-
Aschegehalt, roh, % 5,3–10,0 schaft nur noch vereinzelt zu finden.
Schwefelgehalt, roh, % 1,5–2,1
Durchzogen wird das Halle-Leipziger-Land
vom Saale- und Elstertal, wobei im Saaletal
Kalklehm-Vega und Vega-Halbgley vorherr-
treten. Die Sandlösslage ist in dieser Landschaft schen, während im Elstergebiet kalkarme Lehm-
nur gering. Die landwirtschaftliche Nutzung Vega und Lehm-Halbgley dominieren. Hier fin-
findet hauptsächlich auf den ebenen Pleistozän- den sich neben der landwirtschaftlichen Nutzung
platten statt. Größere zusammenhängende Wäl- auch unter Schutz stehende Auenwälder.
der sind auf die porphyrischen Durchragungen Im Westen geht die Leipziger Tieflandsbucht
beschränkt. Meist sind es Nadelforsten, die all- in die ebenfalls ackergeprägte aber wellighüge-
mählich zu Mischwäldern umstrukturiert werden. lige Landschaft Östliches Harzvorland über. Auf
Im Zentrum der Leipziger Tieflandsbucht den Hängen findet zudem Obst- und Weinanbau
befindet sich die ackergeprägte, offene Kultur- statt.
landschaft Halle-Leipziger Land. Das weit ver- Im Südwesten liegt die Landschaft Querfurter
breitete Moränenmaterial und die eiszeitlichen Platte, die dem Halle-Leipziger-Land sehr äh-
60 C. Drebenstedt et al.

Abb. 2.58   Räumliche Gliederung im Bereich des Mitteldeutschen und Lausitzer Braunkohlenreviers nach dem geo-
logischen Ursprung. (Friese et al. 1996)

Abb. 2.59   Übersicht über


die Landschaften in der
Leipziger Tieflandsbucht.
(BfN 2010)

nelt und fast ausschließlich ackerbaulich genutzt hainichen-Bitterfeld-Delitzscher Revier und im


wird. Auch das im Süden der Leipziger Tieflands- Geiseltal-Amsdorfer Revier konnten durch Suk-
bucht liegende Altenburg-Zeitzer-Lössgebiet ist zession auch bereits hochwertige Sekundärbioto-
eine ackergeprägte offene Kulturlandschaft. Hier pe für eine große Zahl schutzwürdiger und vom
ist die abgelagerte Lößschicht am mächtigsten. Aussterben bedrohter Tier- und Pflanzenarten
In weiten Bereichen befinden sich daher Löss- entstehen.
Schwarzerden, in den südlich Randbereichen In der „Acker- und Bergbaulandschaft süd-
(auf Buntsandsteinplatten) aber auch Löss-Fahl- lich Leipzig“ (Weißelsterbecken) befinden sich
erden und Stau-Fahlerden sowie Parabraunerden. die beiden Großtagebaue Profen und Vereinig-
Einen großen Teil der Leipziger Bucht neh- tes Schleenhain. Die ehemals leicht ansteigende
men heute die Bergbaubereiche und Bergbau- Ebene wird heute durch Halden und Restloch-
folgelandschaften ein. Teile des Gebietes werden seen geprägt. Die Flüsse Weißer Elster, Pleiße
land- und forstwirtschaftlich genutzt. Die neuen und deren Zuflüsse sind z. T. kanalisiert. Nur
entstehenden Restlochseen machen eine touris- vereinzelt ist der ursprüngliche subkontinentale
tische Nutzung möglich. Besonders im Gräfen- Laubwald zu finden.
2  Gesellschaftliche, natürliche und technische Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung 61

Abb. 2.60   Böden in der Leipziger Tieflandsbucht. (nach BGR 2007)

Abb. 2.61   Geologische Übersichtskarte Mitteldeutschland. (nach Köhler 1989)

Geologie  Das Mitteldeutsche Braunkohlenrevier denen die Braunkohlenvorkommen entstehen


befindet sich in der Leipziger Tieflandsbucht, die konnten. Zwischenzeitlich kam es mehrfach zu
im Übergangsbereich zwischen der Norddeut- Sedimentationsunterbrechungen und auch zu Ab-
schen Senke und dem Böhmisch-Mitteldeutschen tragungen des bereits sedimentierten Materials.
Festlandsgebiet entstanden ist. Heute sind hier an Durch die Überlagerung der epirogenen Sen-
der Oberfläche hauptsächlich quartäre Lockerge- kungen mit Auslaugungssenkungen bildeten sich
steine anzutreffen (Abb. 2.61). zudem örtlich tiefe Kessel, in denen die Kohlen-
Während des Tertiärs führten großflächige flöze besonders große Mächtigkeiten bis ca. 75 m
Hebungen und Senkungen (epirogenetische Be- erreichten (Pegauer Kessel, Profener Kessel). Im
wegungen) und zeitweise Meeresüberflutungen Verlauf des Tertiärs verlagerte sich die Sedimen-
zu ausgebreiteten Sedimentationsbereichen, in tation von Süd-West nach Nord-Ost und mit ihr
62 C. Drebenstedt et al.

Abb. 2.62   Braunkohlen-


vorkommen im Mittel-
deutschen und Helmstedter
Braunkohlenrevier, 1 –
eozäne Flöze, 2 – miozäne
Flöze, 3 – epirogenetische
Bildung, 4 – Salzabwan-
derungstyp, 5 – Salzaus-
laugungstyp. (Krumbiegel
et al. 1983)

auch die Bedingungen für die Kohlenbildung. Mittel-Eozän bis zum Unter-Oligozän abge-
Die Bildung der bauwürdigen Braunkohlenflöze baut.
erstreckte sich entsprechend der geographischen − das Böhlener Oberflöz mit einer Mächtig-
Lage vom mittleren Eozän bis zum unteren Mio- keit von ca. 10 m
zän. So ist im Geißeltal und im Weißelsterbecken − das Thüringer Hauptflöz (Bornaer Haupt-
die „Ältere Subherzyne Braunkohlenformation“ flöz) mit einer Mächtigkeit von ca. 15 m,
und im Gräfenheinichen-Bitterfeld-Delitzscher in Auslaugungskesseln bis zu 30 m
Gebiet die wesentlich jüngere „Lausitzer Braun- − das Sächsisch-Thüringische Unterflöz, das
kohlenformation“ anzutreffen (s. Abb. 2.25). eigentlich nur 2 bis 4 m mächtig ist, in Aus-
Das Mitteldeutsche Braunkohlenrevier laugungskesseln aber bis zu 75 m Mächtig-
lässt sich demnach in drei Teilreviere gliedern keit erreicht.
(Abb. 2.62): • Geißeltal-Amsdorfer-Revier, in dem sich
• Gräfenhainichen-Bitterfeld-Delitzscher im Geiseltal durch eine besonders intensive
Revier, in dem das unter-miozäne Bitterfelder Absenkung ein 60 bis 80 m, stellenweise
Flöz mit einer Mächtigkeit von 10 bis 14 m sogar über 100 m mächtiges Flöz im mittleren
bauwürdig ist. Eozän bildete.
• Weißelsterbecken, das sich in den Südraum Nach Abschluss der Kohlenbildung wurden die
Leipzig und das Zeitz-Weißenfels-Hohenmöl- Flöze zum Teil stark überprägt. Bereits zum Ende
sener Revier gliedert. Hier werden Flöze vom des Miozäns wird durch weiträumige Hebungen
2  Gesellschaftliche, natürliche und technische Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung 63

Abb. 2.63   Schematischer Faziesschnitt des Mitteldeutschen Braunkohlenreviers. (Eißmann 2000)

auch die Grundwasserdynamik angeregt, wo- des Eises entstand das heutige Gewässersystem.
durch Auswaschungen der zechsteinlichen An- Das Eis der folgenden Weichseleiszeit erreichte
hydritkörper begünstigt wurden, die tief unter Mitteldeutschland nicht. Der Permafrostbereich
den Kohlenflözen lagen. So entstanden die so reichte jedoch zwischenzeitlich mehr als 100 m
genannten „Löcher“ in denen die Kohlenflöze tief, wodurch es zu Frostbodenzerfall und somit
örtlich bis zu 50 m abgesenkt sind (Abb. 2.63). zu Störungen in den Deckschichten kam. Örtlich
Im Quartär wurde die heutige Landschaft stieg Braunkohle spießartig auf, es bildeten sich
der Leipziger Bucht geprägt. Durch Frostver- sog. Mollisoldiapire. Zwischen der Linie Bern-
witterung entstand so viel Geröllmaterial, dass burg-Halle-Pegau-Grimma und dem Erzgebirge
es nicht durch die Flüsse abtransportiert werden lagerten sich großflächig äolische Sedimente ab.
konnte, und es bildeten sich große Schotterter- Die dadurch entstandene Lössdecke erreicht eine
rassen. Während der Elstervereisung bedeckte Mächtigkeit von bis zu 20 m, nur örtlich ragen
das Eis die gesamte Leipziger Bucht wodurch ältere Böden durch. In der im Holozän folgen-
eine 5 bis 15 m mächtige Grundmoränenplatte den Warmzeit breiteten sich darauf Wälder aus,
aufgeschüttet wurde (Abb. 2.64). Das Eis form- wobei zuerst Birken und Kiefern auf den teils
te auch tiefe, mit Schotter und Geröll gefüllte sandigen Lößböden ansiedelten, die später von
Rinnen und ausgedehnte Senken, in denen sich Eichen verdrängt wurden.
während der anschließenden Holsteinwarmzeit Die geologischen Idealschnitte des Gräfenhai-
das Schmelzwasser und fluviatile Sedimente nichen-Bitterfeld-Delitzscher Reviers (Abb. 2.65)
sammelten. Zu Beginn der zweiten Vereisungs- und das Weißelsterbeckens (Abb. 2.66) zeigen
periode (Saalevereisung) lagerten die Flüsse die Lage der Braunkohlenflöze und die Position
großflächig Sande und Kiese ab, es bildete sich einiger Tagebaue.
die 5–15 m mächtige Haupt- und Mittelterrasse. Durch den Tagebaubetrieb sind heute zusätz-
Während der Saaleeiszeit wechselten sich kältere lich zu den gewachsenen geologischen Schichten
und wärmere Phasen ab, so dass sich der Eisrand auch große Bereiche mit Kippenmaterial vorhan-
innerhalb Mitteldeutschlands mehrfach verschob. den. Die Art und Eigenschaften dieser Locker-
Es bildeten sich im Süden der Leipziger Bucht gesteinsmassen werden maßgeblich von dem in
bis zu drei Grundmoränen, während nördlich diesem Bereich beseitigten Abraum bestimmt.
von Leipzig nur eine entstand, da dieses Gebiet Grundsätzlich kennzeichnen im Mitteldeutschen
durchgängig eisbedeckt war. Mit dem Abtauen Revier die anstehenden bindigen Horizonte
64 C. Drebenstedt et al.

Abb. 2.64   Eisrandlagen


und die dadurch bedingte
morphologische Gliede-
rung. (Henningsen und
Katzung 2006)

die Eigenschaften der Kippenböden. Durch die zierte geologische Verhältnisse auf. Sowohl die
hier angewandte Verkippungstechnologie mit halokinetisch gebildeten Lagerstätten als auch
Absetzern und Förderbrücken kam es zu einer die epirogenetischen Lagerstätten, die durch
lamellenartigen Schrägschichtung der eingebau- Subrosion und Erosion überprägt wurden, besit-
ten Massen. Der Winkel dieser Schrägstellung zen Flöze, deren Lage und Mächtigkeit sehr
ergibt sich aus dem Schüttwinkel der jeweiligen ungleichmäßig ist. Bei der Kohlengewinnung
Lockergesteinskomponenten (Abb. 2.40 und muss daher die Anzahl der Strossen und die
2.46). Der Aufbau der Kippen wirkt sich auch auf Strossenhöhe stets an die wechselnden Ablage-
ihre hydraulischen Eigenschaften und somit auf rungsverhältnisse angepasst werden. Trotz die-
den Grundwasserhaushalt aus. Häufig wurden ses Umstandes wurden besonders in der ersten
Förderbrückenkippen mittels Absetzern über- Hälfte des 20. Jahrhunderts Abraumförderbrü-
schüttet, so dass es zu einer Kombination beider cken eingesetzt. Die zu dieser Zeit noch eigens
Kippentypen kam. Letztlich handelt es sich bei für jeden Tagebau individuell konstruierten
den meisten Kippen des Mitteldeutschen Braun- Förderbrücken kamen in den Tagebauen Bruck-
kohlenreviers um Mischbodenkippen. dorf, Bergwitz, Böhlen, und in den Zwei-Flöz-
Vertiefende Ausführungen zur Hydrogeo- Tagebauen Golpa, Zwenkau und Espenhain zum
logie enthält der Abschnitt 5.2, weitere geolo- Einsatz. Die Konstruktionen in den Zwei-Flöz-
gische Details zu ausgewählten Tagebauen der Tagebauen waren bereits mit Zubringerförderer
Abschnitt 4.8. ausgestattet und erreichten die Dimensionen der
späteren Typenförderbrücke F45. In der zweiten
Technik  Die Braunkohlenvorkommen des Mit- Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden keine weite-
teldeutschen Braunkohlenreviers weisen kompli- ren Förderbrücken für das Mitteldeutsche Revier
2  Gesellschaftliche, natürliche und technische Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung 65

Abb. 2.65   Normalprofil des Mitteldeutschen Braunkohlenreviers im Bereich des Gräfenhainichen-Bitterfeld-Delitz-


scher Reviers. (Eißmann 2000)

Abb. 2.66   Normalprofil des Mitteldeutschen Braunkohlenreviers im Bereich des Weißelsterbeckens. (Eißmann 2000)

produziert, jedoch wurden Förderbrücken vom cken mehr im Mitteldeutschen Revier eingesetzt.
Typ F34 von den Lausitzer Tagebauen Sedlitz, Die Abraumförderung fand bis 1990 vermehrt
Schlabendorf-Nord und Scado in die Tagebaue mit Zugbetrieb, heute jedoch ausschließlich mit
Delitzsch Südwest und Profen Nord umgesetzt. Bandbetrieb statt.
Seit den 1990er Jahren werden keine Förderbrü-
66 C. Drebenstedt et al.

Abb. 2.67   Kohlenfelder


im Niederlausitzer Braun-
kohlenrevier. (DEBRIV
2009)

2.2.3  Das Lausitzer Braunkohlenrevier sehr kalten Wintern; die Jahresdurchschnittstem-


peratur beträgt 8,5 °C; die Niederschläge nehmen
Die Tagebaue des Lausitzer Braunkohlenreviers nach Süden bis ca. 650 mm/a zu. Das Oberflä-
befinden sich hauptsächlich in der Niederlausitz. chenrelief der Lausitz ist durch die Eiszeiten
Sie liegen größtenteils im Lausitzer Urstromtal. geprägt, d. h. durch Grund- und Endmoränen,
Zu ihnen gehören die heute noch aktiven Tage- Becken sowie Sander, Urstromtäler und Dünen.
baue Nochten und Reichwalde. Weitere Tagebaue Hydrographisch wird das Gebiet durch die drei
befinden sich auf dem Niederlausitzer Grenzwall Flusssysteme von Neiße, Spree und Schwarzer
(u. a. Tagebau Welzow-Süd) und im Baruther Ur- Elster beherrscht. Zahlreiche Teichgebiete zeu-
stromtal (Tagebau Cottbus-Nord und Tagebau gen von grundwassernahen Lagen, einige ent-
Jänschwalde). In der Oberlausitz befinden sich die standen durch den mittelalterlichen Abbau von
stillgelegten Tagebaue Berzdorf nahe Görlitz und Raseneisenerz. Als Böden kommen entsprechend
Olbersdorf nahe Zittau. Abbildung 2.67 gibt einen geologischem Ausgangsmaterial, Relief, Klima,
Überblick über das Lausitzer Braunkohlenrevier. Wasserhaushalt und Bewuchs Gley-, Auen- und
Staugley-Bodengesellschaften sowie Fahlerden,
Naturraum Lausitz ‚Lausitz‘ bedeutet so viel Sand-Braunerden und -podsole vor (Abb. 2.68).
wie ‚Sumpfland‘; sie befindet sich im Über- Durch den Bergbau sind Kippsubstrate an der
gangsbereich des Nordostdeutschen Tieflandes Bodenbildung beteiligt. Das Gebiet der Lausitz
zum Ostsächsischem Hügel- und Bergland. Die ist weitestgehend urbanisiert, d. h. Naturland-
Lausitz berührt dabei die naturräumlichen Haupt- schaften sind nur selten anzutreffen. Die Lausitz
einheiten „Lausitzer Becken und Spreewald“ ist in ihrer heutigen Struktur eine Kulturland-
(D08), „Oberlausitzer Heideland“ (D13) und schaft (Drebenstedt 1999).
„Oberlausitz“ (D14) (s. Abschn. 2.2.1). Es herr- Auf einer thematischen Satellitenkarte der
schen Waldgesellschaften dominiert durch Kiefer Lausitz zur Vitalität der Vegetation (Abb. 2.69)
und Traubeneiche vor. Das Klima ist kontinental sind große, zusammenhängende Waldgebiete mit
beeinflusst mit trockenen, heißen Sommern und dazwischen eingestreuten landwirtschaftlichen
2  Gesellschaftliche, natürliche und technische Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung 67

Abb. 2.68   Böden in der Lausitz. (nach BGR 2007)

Nutzflächen und die Gewässer zu erkennen sowie • Urstromtäler, die den Endmoränen vorgela-
die großen Gebiete, in denen die Braunkohle ab- gert sind und die als Abflussbahnen für die
gebaut wurde und wird. Die bisher zum Abbau Schmelzwässer dienten
beanspruchte Fläche beträgt ca. 80.000 ha, davon • glaziale Hochflächen im Hinterland der End-
wurde ein Teil für den Abbau des tiefer liegen- moränen, auf denen die ausgetauten Grund-
den Flözes bereits ein zweites Mal abgegraben. moränen lagern und in denen sich später eis-
Auf den Kippen und Halden der Tagebaue gibt es zeitliche Seen oder Becken herausbildeten.
ausgedehnte rekultivierte Bereiche, die auf dieser Von Nord nach Süd lässt sich das Lausitzer
Karte gar nicht mehr als Bergbaugebiete identi- Braunkohlenrevier quartär geologisch-morpho-
fiziert werden können, weil sie sich harmonisch logisch in nachstehende Strukturen untergliedern:
in die Kulturlandschaft einfügen. • Das Jungmoränengebiet der letzten Vereisung,
die das Gebiet im Nordosten erreichte (Bran-
Geologie der Lausitz  Die landschaftliche Prä- denburger Stadium der Weichselkaltzeit) mit
gung verdankt die Lausitz in besonderem Maße Endmoräne, weiten Sandern und Grundmorä-
dem quartären Eiszeitalter, dessen Gletscher nenplatte, für die zahlreiche Seen charakteris-
6-mal bis hierher vorstießen (Nowel et al. 1995). tisch sind
An der Oberflächengestalt der Lausitz sind • Das Baruther Urstromtal, als Schmelzwasse-
daher die morphologischen Formen der glazialen rabflußbahn der Weichselkaltzeit
Serie maßgeblich beteiligt (Abb. 2.70). Dies sind: • Der Niederlausitzer Grenzwall, das geomor-
• Endmoränen, d. h. aufgestauchte und aufge- phologische Hauptelement im Zentrum der
schüttete Wälle an der Stirnseite der Endlage Niederlausitz, das mit Endmoränen und San-
einer Inlandvereisung derbildungen die Haupteisrandlage der Saale
• Sander, die durch Sedimentation der Schmelz- III – Vereisung (Lausitz-Kaltzeit) markiert. Im
wässer, die von den Endmoränen abflossen, nördlichen Hinterland befinden sich glaziale
entstanden sind
68 C. Drebenstedt et al.

Abb. 2.69   Satellitenkarte


der Lausitz zur Vitalität
der Vegetation (LAUBAG/
Vattenfall, 1994)

Abb. 2.70    Geologische Übersichtskarte der Lausitz 9 – Sanderflächen, 10 – markante Grenzen, 11 – Fluss-
(Nowel et al. 1995), 1 – Holozäne Ablagerungen in Tä- ablagerungen, Terrassen, Schwemmsandfächer, 12 – Be-
lern und Flussauen, 2 – Binnendünen, 3 – Weichselglazia- ckenartige Niederungsgebiete, 13 – Prätertiäre Durch-
le Hochflächen, 4 – jüngere Saaleglaziale Hochflächen, ragungen, 14 – Braunkohlentagebaue, 15 – Tagebaue in
5 – ältere Saaleglaziale Hochflächen, 6 – Endmoränen, Betrieb, Stand 1990, 16 – Tagebau außer Betrieb, Stand
7 – angenommener Verlauf des Eisrandes, 8 – Wallberge, 1990, 17 – Außenkippen, Stand 1990, 18 – Gewässernetz
2  Gesellschaftliche, natürliche und technische Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung 69

Hochflächen und Beckenniederungen, die in lausitzer Landrückens inselartig erhalten geblie-


das Baruther Urstromtal einmünden bene 1. Lausitzer Flöz ist bis zu Beginn des 20.
• Das Altmoränengebiet der Saale II – Ver- Jahrhunderts bereits weitgehend abgebaut wor-
eisung südwestlich des Niederlausitzer Land- den, z. B. in Klettwitz, Rauno, Welzow, Treben-
rückens mit quartären und tertiären Hochflä- dorf und Stannewisch.
chen sowie Beckenniederungen Von wirtschaftlichem Interesse ist seit dem
• Das Lausitzer Urstromtal, die Abflussbahn Tagebauaufschluss der Grube Marga bei Senften-
der saalekaltzeitlichen Schmelzwässer berg im Jahre 1908 das im gesamten Niederlau-
• Das Altmoränengebiet südlich des Lausitzer sitzer Lagerstättenrevier verbreitete 2. Lausitzer
Urstromtales mit Überleitung zum Oberlausit- Flöz, auf dem bereits im ausgehenden 19. Jahr-
zer Berg- und Hügelland. hundert vereinzelt Tiefbau umging (z. B. 1886–
Als weitere morphologische Besonderheiten in 1904 Grube Guerrini bei Vetschau).
der Lausitz sind zu erwähnen: Das im zentralen Revier um Klettwitz- Senf-
• der weite Schwemmkegel der Spree von tenberg- Welzow- Nochten eine Mächtigkeit von
Süden in das Baruther Urstromtal, mit der 10 bis 14 m erreichende 2. Lausitzer Flöz be-
Herausbildung des Spreewaldes inhaltet ca. 13 Mrd. t wirtschaftlich gewinnbarer
• die Binnendünenaufwehungen im Baruther- Kohle, d. h. ein Viertel der Braunkohlenvorräte
und insbesondere im Osten des Lausitzer in der Bundesrepublik Deutschland, wovon der-
Urstromtales (u. a. Muskauer Heide) zeit ca. 2 Mrd. t zum Abbau geplant sind. Das
• die Moorbildungen (u. a. Dubringer Moor) Flöz ist großflächig verbreitet und weitestgehend
• die Durchragungen des Prätertiar, südlich des söhlig abgelagert. Die Abraumüberdeckung be-
Lausitzer Urstromtales, aus Lausitzer Grau- trägt 50 bis 100 m, lokal etwas darüber. Tektoni-
wacke und Granodiorit, als einer der nörd- sche Prozesse im Untergrund sowie eiszeitliche
lichsten, der Koschenberg. Kräfte an der Oberfläche haben das Flöz lokal
Das Gelände fällt generell mit dem prätertiären deformiert. Im Bereich des Muskauer Faltenbo-
Untergrund nach Norden ein. Als Hauptflüsse gens wurde das Flöz z. B. bis an die Oberfläche
folgen dieser Richtung im Westen die Schwar- aufgeschoben. Die Wirkung der eiszeitlichen
ze Elster, östlich Spree und Neiße. Während die Prozesse reicht stellenweise bis auf den präter-
Schwarze Elster bereits im Lausitzer Urstromtal tiären Untergrund. So ist auch der vormals zu-
nach Westen zur Elbe abbiegt, folgt die Spree sammenhängende Komplex des 2. Lausitzer Flö-
dieser Richtung im Baruther Urstromtal, nach- zes durch tiefe Erosionsrinnen in einzelne Felder
dem sie den Lausitzer Grenzwall passierte. Die zergliedert. Die Rinnenstrukturen verlaufen in
Neiße fließt nach Norden über die Oder in die der Vorstoßrichtung des Eises und quer dazu
Ostsee ab. (Abb. 2.70 und 2.71).
Die quartären Ablagerungen bestehen aus Ge- Die Oberlausitzer Tagebaue Berzdorf und
schiebemergel, Schmelzwassersanden und -kie- Olbersdorf in der Nähe von Görlitz bzw. Zittau
sen sowie glazilimnischen Schluffen und Tonen, nehmen als Beckenlagerstätten mit nur geringer
seltener aus Flusssanden und -kiesen, sowie lim- Ausdehnung eine Sonderstellung ein. Sie ver-
nischen Schluffen, Tonen, Mudden, Torfen u. a. danken ihre Entstehung tektonischen Senkungs-
Unter dem teilweise nur wenige Meter mäch- vorgängen im Tertiär. Charakteristisch ist die
tigen Quartär lagert das, den Hauptteil am Lo- große Mächtigkeit des Flözkomplexes (stellen-
ckergestein bildende, 150–200 m mächtige Ter- weise über 100 m), deren einzelne Schichten sehr
tiär mit einer Folge von Feinsanden, Schluffen, unterschiedlich einfallen und mächtig sind. Das
Tonen und den Braunkohlenflözen. Insgesamt geringmächtige, quartäre Deckgebirge im Zittau-
sind in der Niederlausitz 7 Braunkohlenflöze er Becken besteht aus Löß- und Gehängelehm.
vorhanden. Die durchschnittlichen Qualitätsparameter der
Das oberflächennahe, nur im Bereich tertiärer Braunkohle in der Lausitz sind in Tabelle 2.18
Hochflächen innerhalb und südlich des Nieder- zusammengefasst.
70 C. Drebenstedt et al.

Abb. 2.71   Regionalgeologischer Schnitt durch das Ter- moräne Saale II, 17 – Grundmoräne Saale III, 18 – glazi-
tiär und Quartär des Niederlausitzer Braunkohlenreviers limnische Tone und Schluffe, 19 – Schmelzwassersande
(Nowel et al. 1995), 1 – Oberfläche der prätertiären Fest- und – kiese, 20 – Steine (Großgeschiebe), 21 – Kies- und
gesteine, 2 – Obere Schönwalder Folge und Rupel-Folge, Sandablagerungen (nachgewiesen und wahrscheinlich),
3 – Cottbuser Folge, 4 – Spremberger Folge, 5 – Untere 22 – pollenanalytisch datierte Warmzeitsedimente (iE –
und Obere Briesker Folge, 6 – Raunoer Folge, 7 – Schich- Eem-Warmzeit, iHD – Holstein-Warmzeit), 23 – Fund-
ten von Weißwasser, 8 – Grenze Tertiär/Quartär, 9 – Quar- stelle warmzeitlicher Wirbeltiere, 24 – Bergbaukippen,
tär, 10 – Braunkohle, 11 – tertiäre Tone und Schluffe, 12 25 – endogen-tektonische Störungen, 26 – glazigen-tek-
– tertiäre Sande, 13 – Grundmoräne Elster I, 14 – Grund- tonische Aufschiebungen
moräne Elster II, 15 – Grundmoräne Saale I, 16 – Grund-

Tab. 2.18   Mittlere Kohlenqualitätsparameter der Lau- Vertiefende Angaben zur Hydrogeologie sind
sitzer Braunkohle. (DEBRIV 2010) in Abschnitt 5.2 dargestellt, weitere Details zur
Heizwert, roh, MJ/kg 7,8–9,5 Geologie ausgewählter Tagebaue in Abschnitt 4.8.
Wassergehalt, roh, % 48–58
Aschegehalt, roh, % 2,5–16,0 Bergbautechnik in der Lausitz Die Abraum-
Schwefelgehalt, roh, % 0,3–1,5
gewinnung im Lausitzer Braunkohlenrevier
erfolgte und erfolgt überwiegend mit Abraum-

Abb. 2.72   Förderbrü-


ckentagebau Jänschwalde
im Lausitzer Revier. (Foto:
LAUBAG/Vattenfall)
2  Gesellschaftliche, natürliche und technische Rahmenbedingungen der Braunkohlesanierung 71

Bilkenroth KD, Snyder DO (1998) Der Mitteldeutsche


förderbrücken im kohlenfreilegenden Schnitt Braunkohlenbergbau – Geschichte, Gegenwart und
und mit Strossenförderung unter Verwendung Zukunft. Veröffentlichung zum Montanhistorischen
von Schaufelradbaggern und Bandanlagen in Festkolloquium, Borken
den darüber liegenden Vorschnitten (Abb. 2.72). Borsch P (2001) Welche Emissionen von Schwefeldioxid,
Stickoxiden und Staub entstehen bei der Stromerzeu-
Gegenüber einem häufigeren Einsatz in Verbin- gung? Energie-Fakten e. V., Karlsruhe
dung mit dem Zugbetrieb in der Vergangenheit, Breitkreutz E, Gruhlke P (1984) Entwicklung der Direkt-
sind bis auf einen Einsatzfall (mit Bandbetrieb, versturztechnik und der DV-Technologie am Beispiel
Tagebau Welzow-Süd), Eimerkettenbagger nur des Tagebaues Dreiweibern. In: Neue Bergbautechnik,
Nr. 9. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leip-
noch für die Abraumgewinnung in Verbindung zig
mit Förderbrücken im Einsatz. DEBRIV (2004) Kennziffernübersicht Lausitzer Revier.
Während die Typenförderbrücke F34 auch Übersichten/Zeitreihen, Statistik der Kohlewirtschaft,
vereinzelt im Mitteldeutschen Braunkohlenrevier Köln
DEBRIV (2009) Revierkarte Lausitz Stand 04/2009.
zum Einsatz kam, erfolgte der Einsatz der zwei Deutscher Braunkohlen-Industrie-Verein e. V., Köln
Förderbrücken vom Typ F 45 und der fünf Brü- DEBRIV (2010) Braunkohle in Deutschland 2009 (Statis-
cken vom Typ F 60 ausschließlich in der Lausitz. tikfaltblatt). Deutscher Braunkohlen-Industrie-Verein
Heute sind hier noch eine F 34 und vier F 60 im e. V., Köln
Diercke C (2007) Diercke Weltatlas, 5. Aufl. Westermann
Einsatz. Verlag, Braunschweig
Für die Braunkohlesanierung sind teilweise DIW (1997) Primärenergieverbrauch in Deutschland
auch die Altkippen der Förderbrücken mit dem nach Energieträgern nach dem Wirkungsgradansatz
Baujahr vor 1945 relevant. von 1980 bis 1996. Arbeitsgemeinschaft Energiebi-
lanzen e. V. beim Deutschen Institut für Wirtschafts-
In der Lausitz erfolgte der einzige deut- forschung, Berlin
sche Einsatzfall einer Direktversturzkombina- Drebenstedt C (1994) Erfahrungen bei der Wiedernutz-
tion Schaufelradbagger-Absetzer, von 1984 bis barmachung von Förderbrückenkippen am Beispiel
1988 im Tagebau „Dreiweibern“ (Abb. 2.29; des Tagebaues Reichwalde. Braunkohle 46(5):19–24
(ISSN 0341–1060)
Breitkreutz und Gruhlke 1984). Drebenstedt C (1996) Bergbau und Naturschutz – Anfor-
Einige wenige Tagebaue (z. B. Gräbendorf, derungen, Möglichkeiten und Grenzen am Beispiel
Greifenhain) wurden ausschließlich mit Stros- des Lausitzer Braunkohlenreviers. Braunkohle Sur-
senförderung betrieben. In der Lausitz wurde be- face Mining 48(5):517–526 (ISSN 1431–2719)
Drebenstedt C (1997) 100 Jahre Direktversturzkombina-
reits in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts bei tionen im Bergbau – Entwicklung, Stand und Perspek-
Tagebauneuaufschlüssen auf Bandbetrieb orien- tiven. Braunkohle Surface Mining 49(6):611–620
tiert. Der Zugbetrieb spielte eine zunehmend ge- Drebenstedt C (1999) Planungsgrundlagen der Wieder-
ringere Bedeutung. nutzbarmachung im Lausitzer Revier. In: Pflug W
(Hrsg) Handbuch „Braunkohlentagebau und Rekul-
tivierung – Landschaftsökologie, Folgenutzung und
Naturschutz“. Springer, S 487–512 (ISBN 3-540-
Literatur 60092–2)
Drebenstedt C (2001) Bergbau und Umweltschutz – Zur
Entwicklung der Wiedernutzbarmachung und Rekulti-
Beschow R (2012) Übersicht zur Entwicklung Landin-
vierung in der deutschen Braunkohlenindustrie. In: 4.
anspruchnahme/Wiedernutzbarmachung im Lausit-
Montanhistorisches Kolloquium. Magistrat der Stadt
zer Braunkohlenrevier nach 1945. Vattenfall Europe
Borken (Hrsg), S 93–114
Mining AG (PL-PRN3), Cottbus
Drebenstedt C (2003) Rekultivierung im Braunkohlen-
BfN (2006) Karte Naturräumliche Großlandschaften.
bergbau Mittel- und Osteuropas – eine vergleichende
Bundesamt für Naturschutz, Bonn
Betrachtung (dt. und engl.). Surface mining, Braun-
BfN (2010) Landschaften in Deutschland, aus Datenan-
kohle & other minerals, Clausthal-Zellerfeld, No.
gebot der Internetseite des Bundesamtes für Natur-
1(2003):70–89 (ISSN 0931–3990)
schutz. http://www.bfn.de Zugegriffen: 10. April 2010
Drebenstedt C (2009) Kontinuierliche Abbausysteme im
BGR (2007) Bodenübersichtskarte für Deutschland. Bun-
Tagebaubetrieb. In: Stoll RD et al (Hrsg) Der Braun-
desamt für Geologie und Rohstoffe, Hannover
kohlentagebau. Springer, S 203–261 (ISBN 978-3-
Bilkenroth KD (1999) Geschichte des Braunkohlenberg-
540-78400–5)
baus in Mitteldeutschland bis 1989. Montanhistori-
Drebenstedt C, Niemann-Delius C (2009) Diskontinuier-
sches Kolloquium. Hrsg. Magistrat der Stadt Borken,
liche Abbausysteme im Tagebaubetrieb. In: Stoll RD
S 227–272
72 C. Drebenstedt et al.

et al. (Hrsg) Der Braunkohlentagebau. Springer, S Möckel R, Drebenstedt C (1998) Gewässer in der Berg-
263–288 (ISBN 978-3-540-78400–5) baufolgelandschaft. In: Pflug W (Hrsg) Handbuch
Drebenstedt C, Struzina M (2008) Overburden Manage- Braunkohlentagebau und Rekultivierung – Land-
ment for formation of internal dumps in coal mines. schaftsökologie, Folgenutzung und Naturschutz.
In: Fourie A (Hrsg) Rock Dumps 2008 Australian Springer, S 487–512. (ISBN 3-540-60092–2)
Centre for Geomechanics, Perth, S 139–146 Nowel W, Bönisch R, Schneider W, Schulze H (1995)
Drebenstedt C et al. (1998) Braunkohlen- und Sanie- Geologie des Lausitzer Braunkohlenreviers, Lausitzer
rungsplanung im Land Brandenburg. Umweltministe- Braunkohle Aktiengesellschaft & Lausitzer Bergbau-
rium Land Brandenburg, S 110 Verwaltungsgesellschaft mbH Brieske. 2. Aufl. Senf-
Drebenstedt C, Meyer B, Naundorf W (2001) Entwick- tenberg
lung der Braunkohlenindustrie und – forschung seit Riecken U, Ries U, Ssymank A (1994) Rote Liste
1990 und Ausblick. Braunkohle in Forschung und der gefährdeten Biotoptypen der Bundesrepublik
Lehre an der Bergakademie Freiberg, TU Bergakade- Deutschland. – Schr.R. f. Landschaftspfl. u. Natursch.
mie Freiberg, S 205–233 (ISBN 3-86012-142–1) 41. Kilda-Verlag, Greven
DWD (2010) Klimadaten aus Datenangebot der Internet- Schönherr D, Drebenstedt C (1993) Fortschritte bei der
seite. https://www.dwd.de. Zugegriffen: 10. April 2010 Verminderung der Umwelteinwirkungen durch den
Eißmann L (2000) Die Erde hat ein Gedächtnis – 50 Mil- Lausitzer Braunkohlenbergbau. Energieanwendung
lionen Jahre im Spiegel mitteldeutscher Tagebaue. + Energietechnik 8:413–416. Leipzig (ISSN 0944–
Sax-Verlag, Beucha 3169)
Fraus F (1999) Braunkohlenförderung in der Aktienge- Schulz F (2005) Drei Jahrhunderte Lausitzer Bergbau, 2.
sellschaft Sololovska Uhelna, Tschechische Republik. Aufl. Lusatia-Verlag, Bautzen
Braunkohle Surface Mining 51(3):333–338 Staatliche Zentralverwaltung für Statistik (1958) Sta-
Friese HW, Kaulfuß W, Richter D, Saupe G (1996) GEOS tistisches Jahrbuch der Deutschen Demokratischen
Lehrbuch Geographie, Band: Landschaften und Res- Republik 1957. VEB Deutscher Zentralverlag, Berlin
sourcen. Volk und Wissen GmbH, Berlin (ISSN 0323–4258)
Henningsen D, Katzung G (2006) Einführung in die Geo- Statistik der Kohlenwirtschaft e. V. (2011) Der Kohlen-
logie Deutschlands, 7. Aufl. Elsevier – Spektrum Aka- bergbau in der Energiewirtschaft der Bundesrepublik
demischer, München Deutschland im Jahre 2010. Statistik der Kohlenwirt-
Hermann Haack Geographisch-Kartographische Anstalt schaft e. V. Herne, Köln
(1980) Schulatlas. VEB Hermann Haack Geogra- Stoll RD, Niemann-Delius C, Drebenstedt C, Müllen-
phisch-Kartographische Anstalt, Gotha siefen K (2009) Der Braunkohlentagebau. Springer,
Hofmeister H (1997) Lebensraum Wald – Pflanzengesell- Berlin
schaften und ihre Ökologie, 4. Aufl. Parey Buchver- Strasburger E (1998) Lehrbuch der Botanik, 34. Aufl.
lag, Berlin Spektrum Akademischer, Heidelberg
Kavouridis M et al. (2000) Effect of dilution on lignite Strzodka K, Sajkiewicz J, Dunikowski A (1979) Tagebau-
reserves estimation – application in the Ptolemais technik, Bd 1. VEB Deutscher Verlag für Grundstoff-
multi-seam deposit. Braunkohle Surface Mining industrie, Leipzig
52(3):37–45 Thomas L (1992) Handbook of practical coal geology.
Köhler F (1989) Atlas für Jedermann, 5. Aufl. Haack, Wiley, Chichester
Geographisch-Kartographische Anstalt, Gotha UBA (2011) Nationale Trendtabellen für die deutsche
Kremlacek V (1998) Stellung der Aktiengesellschaft Berichterstattung atmosphärischer Emissionen.
Severoceske doly Chormutov in der Braunkohlen- Umweltbundesamt, Dessau
industrie der Tschechischen Republik. Braunkohle VE BKK Senftenberg (1990) Wirtschaftliche Jahresbe-
Surface Mining 50(4):385–389 richte für den Braunkohlenbergbau der DDR. Zeitreihe
Krumbiegel G, Rüffle L, Haubold H (1983) Das eozäne 1970 bis 1989, Senftenberg
Geiseltal. A. Ziemsen Verlag, Wittenberg Lutherstadt
Länderarbeitskreis Energiebilanzen (2012) Länder-
arbeitskreis Energiebilanzen, aktuelle Ergebnisse und
Zeitreihen. Statistisches Landesamt, Bremen
Rechtliche, finanzielle und
organisatorische Grundlagen 3
Friedrich von Bismarck, Anja Andrich, Andreas Berkner,
Klaus Boldorf, Wolf-Dieter Dallhammer,
Carsten Drebenstedt, Klaus Freytag, Andreas Kadler,
Hans-Dieter Meyer, Jörg Schlenstedt, Reinhardt Schmidt,
Michael Strzodka und Klaus-Otto Weymanns

Inhalt 3.3.3 Lausitzer und Mitteldeutsche


Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH........ 113
3.1 Rechtliche Grundlagen.................................74 3.3.4 Sanierungsgesellschaften............................... 116
3.1.1 Raumordnungsplanung..................................75
3.1.2  Bergrecht......................................................... 80
3.4 Wissenschaftliche Begleitung....................... 120
3.1.3 Wasserrecht in der Braunkohlesanierung������ 86
3.4.1 Forschung in der Sanierung........................... 121
3.1.4  Umweltrecht.................................................... 92
3.4.2 Forschungsbegleitung der Sanierung des
3.2  Finanzierung der Braunkohlesanierung..... 95 Wasserhaushaltes............................................ 123
3.2.1 Verwaltungsabkommen.................................. 96 Literatur..................................................................... 128
3.2.2 Finanzierungsquellen..................................... 102
3.3 Organisation der Braunkohlesanierung.... 107
Um den gesamten Prozess der Anfang der Neun-
3.3.1 Steuerungs- und Budgetausschuss für die ziger Jahre des 20. Jahrhunderts anlaufenden
Braunkohlesanierung..................................... 108 Braunkohlesanierung verstehen und in seiner
3.3.2  Regionale Sanierungsbeiräte......................... 112 historischen Bedeutung bewerten zu können, ist
es notwendig, vor der Darstellung der einzelnen
technischen Inhalte zunächst einen Blick auf die
F. von Bismarck () Rahmenbedingungen zu werfen, die entscheiden-
Bund-Länder-Geschäftsstelle des Steuerungs- und de Bedeutung für ihre Entstehung und erfolgrei-
Budgetausschusses für die Braunkohlesanierung, che Durchführung hatten und haben.
Karl-Liebknecht-Straße 33,10178 Berlin, Deutschland
E-Mail: bismarck@gs-stuba.de K. Freytag
A. Andrich · K. Boldorf Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe,
Bund-Länder-Geschäftsstelle des Steuerungs- und Inselstraße 26, 03046 Cottbus, Deutschland
Budgetausschusses für die Braunkohlesanierung, A. Kadler
Karl-Liebknecht-Straße 33, 10178 Berlin, Deutschland Post-mining & brownfields consulting,
A. Berkner Wollankstraße 131a, 13187 Berlin, Deutschland
Regionale Planungsstelle des Regionalen H.-D. Meyer · J. Schlenstedt
Planungsverbandes Leipzig-Westsachsen, Lausitzer und Mitteldeutsche
Bautzner Straße 67, Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH, Knappenstraße 1,
04347 Leipzig, Deutschland 01968 Senftenberg, Deutschland
W.-D. Dallhammer R. Schmidt
Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Turnerstraße 6, 09599 Freiberg, Deutschland
Landwirtschaft, Wilhelm-Buck-Straße 2,
01097 Dresden, Deutschland M. Strzodka
Gesellschaft für Montan- und Bautechnik mbH (GMB),
C. Drebenstedt Knappenstraße 1, 01968 Senftenberg, Deutschland
Fakultät für Geowissenschaften, Geotechnik und
Bergbau, TU Bergakademie Freiberg Institut für Bergbau K.-O. Weymanns
und Spezialtiefbau, Gustav-Zeuner-Straße 1a, Gemeinsame Landesplanung Berlin/Brandenburg,
09596 Freiberg, Deutschland Gulbener Straße 24, 03046 Cottbus, Deutschland

C. Drebenstedt, M. Kuyumcu (Hrsg.), Braunkohlesanierung, 73


DOI 10.1007/978-3-642-16353-1_3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
74 F. von Bismarck et al.

Bei einem Prozess von der Größe und Kom- zu erbringenden Leistung: Der Bund erarbeitet
plexität der Bergbausanierung ist es nicht ver- z. B. Gesetze und die Länder führen die Geset-
wunderlich, dass eine Vielzahl von rechtlichen ze aus. Dies trifft bspw. für die hier behandelten
Vorgaben Berücksichtigung finden muss. Die be- Rechtsgebiete Raumordnungsrecht, Bergrecht,
deutendsten werden in Abschnitt 3.1 aufgezeigt. Wasserrecht und Umweltrecht zu. Die Einzelhei-
Zur Erreichung eines Sanierungszieles im Rah- ten dazu regeln die §§ 83 ff des Grundgesetzes.
men der gesetzlichen Grundlagen gehören natür- Danach führen die Länder die Bundesgesetze
lich auch die finanziellen Mittel sowie eine Orga- entweder als eigene Angelegenheiten aus, richten
nisation, um handeln zu können. Im Abschnitt 3.2 die entsprechenden Behörden ein und regeln die
wird dargestellt, wie die notwendige Finanzierung Verwaltungsverfahren oder sie führen die Bun-
der Sanierungsmaßnahmen sichergestellt wurde. desgesetze im Auftrag des Bundes aus. Im erste-
Der Aufbau einer effektiv handelnden Organisa- ren Fall steht dem Bund lediglich die Rechtsauf-
tion ist Gegenstand von Abschnitt 3.3. sicht, im letzteren auch die Fachaufsicht zu.
Für viele technische Fragen, die bei diesem
in seiner Dimension einzigartigen Sanierungs-
vorhaben auftauchten, gab es noch keine histo- 3.1 Rechtliche Grundlagen
rischen Beispiele und auch noch keine erprobten
Antworten. Deshalb ist eine intensive wissen- Für die Braunkohlesanierung gelten eine Reihe
schaftliche Begleitung für den gesamten Sanie- rechtlicher Regelungen, von denen die wichtigs-
rungsprozess von besonderer Bedeutung. Und so ten nachfolgend behandelt werden. Während ei-
wird auch die Rolle der Forschung für die Braun- nige davon, wie das Raumordnungsrecht und das
kohlesanierung in Abschnitt 3.4 erläutert. Bergrecht, durch direkt auf die Braunkohlesanie-
Zum besseren Verständnis der rechtlichen rung gerichtete rechtliche Vorgaben unmittelbare
Rahmenbedingungen für die Bergbausanierung Wirkung entfalten, ergibt sich die Relevanz ande-
in Deutschland wird kurz auf die Zuständigkeits- rer, wie des Wasserrechts und des Umweltrechts,
verteilung der öffentlichen Hand (Bund, Länder, aus deren Zusammenhang mit den Folgen bzw.
Kommunen) eingegangen. Die Bundesrepublik Ergebnissen des Sanierungsprozesses.
Deutschland ist ein föderal verfasster Staat. Die Die für die Braunkohlesanierung maßgeb-
Summe der einzelnen Bundesländer bildet den lichen Regelungen auf dem Feld der Raumord-
Gesamtstaat. Die Bundesländer geben dabei ihre nung fußen auf der Braunkohlenplanung als Teil
staatliche Souveränität auf, behalten aber ihre der Regionalplanung. Diese steht in einem engen
Staatlichkeit als Gebietskörperschaft. Der Bund Kontext zu den Rechtsvorschriften aus anderen
entscheidet über alle Fragen von Einheit und Be- Planungs- und Verwaltungsverfahren auf Bun-
stand des Gesamtstaates, die Länder haben das des- und Länderebene, die im zeitlichen Vorlauf,
Selbstbestimmungsrecht in ihren Kompetenzbe- parallel oder im Nachgang zur Regionalplanung
reichen (z. B. Bildung, Polizei). Die Bundeslän- erfolgen und weist nicht zuletzt dadurch einen
der verfügen über eigene politische Organe und ausgesprochenen Querschnittscharakter auf.
Kompetenzen zur Regelung ihrer Angelegenhei- Außerdem ist hinsichtlich der rechtlichen
ten. Der Bund besitzt auch eigene Kompetenzen, Grundlagen nicht nur die Tatsache zu berück-
die er ohne die Zustimmung der Bundesländer sichtigen, dass die neuen Bundesländer mit der
regeln kann. deutschen Wiedervereinigung erstmalig in den
Die staatlichen Zuständigkeiten werden zum räumlichen Geltungsbereich der einschlägigen
einen zwischen Bund und Bundesländern nach Rechtsvorschriften kamen und folglich bei allen
inhaltlichen Kriterien verteilt: z. B. übernimmt Beteiligten keinerlei Erfahrungen mit deren Um-
der Bund die Außen- und Finanzpolitik, während setzung unter den vergleichsweise einzigartigen
die Länder für Bildungswesen und Innere Sicher- Herausforderungen der Braunkohlesanierung in
heit zuständig sind. Ostdeutschland vorlagen. Vielmehr ist ein gro-
Zum anderen richten sich die Zuständigkeiten ßer Teil der Rechtsgrundlagen, insbesondere auf
zwischen Bund und Bundesländern nach Art der Landesebene, selbst erst im laufenden Prozess
3  Rechtliche, finanzielle und organisatorische Grundlagen 75

der Braunkohlesanierung bis Mitte der 1990er durch die Erstellung von Standortangeboten, -be-
Jahre entstanden. Gemäß Einigungsvertrag gal- stätigungen und -genehmigungen auf der Grund-
ten außerdem einige, vor allem Rechtsvorschrif- lage der Investitionsgesetze bestimmt war, wäh-
ten der DDR befristet fort. rend spezifische planungsgesetzliche Regelun-
Schließlich führen auch sich ändernde gesell- gen weitestgehend fehlten. Das Hauptinstrument
schaftliche Bedingungen und neu entstehende zur Lagerstättensicherung bestand seit Anfang
Herausforderungen zu der Notwendigkeit einer der 1960er Jahre in der Ausweisung von „Berg-
beständigen Weiterentwicklung und Anpassung bauschutzgebieten“ durch die Bezirkstage. Zum
der rechtlichen Grundlagen. Beispielhaft sei Teil wurden weit gehende „Unterschutzstellun-
hier die, auf der Grundlage der EG-Richtlinie gen“ mit Abbauzeiträumen von 100–200 Jahren
2001/42/EG künftig notwendige, Strategische bei regionalen Auskohlungsgraden von mehr als
Umweltprüfung genannt, die auch für die Braun- 70 % (mitunter als „Geheimplanungen“) voran-
kohlenplanung bedeutsam ist. getrieben.
Trotz der politischen Einflussnahme auf Ab-
bau-Maximalvarianten und der stets nachgeord-
3.1.1  Raumordnungsplanung neten Priorität der Wiedernutzbarmachung traten
sowohl institutionelle Sonderwege (1973 Büro
Historische Entstehung Nachdem der Abbau für Bergbauangelegenheiten bei der Bezirksplan-
von Braunkohle in Deutschland bis dahin wei- kommission Leipzig) als auch durchaus innova-
testgehend durch das Bergrecht geregelt wurde, tive ganzheitliche Ansätze zu Bergbaufolgeland-
waren ab 1920 erste Ansätze einer raumord- schaften (z. B. Entwicklungsplan für das Gebiet
nungsplanerischen Befassung mit dem Gegen- Leipzig-Borna-Altenburg, Raumstudie Cottbus-
stand zu verzeichnen. Dabei stand der Aspekt der Guben-Forst) in Erscheinung.
Lagerstättensicherung absolut im Vordergrund; In der Folge der Entwicklung waren in den
raumordnungsplanerische Betrachtungen zu neuen Ländern im Ergebnis der politischen Um-
Abbauauswirkungen oder Aspekten der Wieder- brüche 1989–1990 massive Akzeptanzprobleme
nutzbarmachung erfolgten nur in Ansätzen. gegenüber den Bergbauunternehmen und bis-
Im geteilten Nachkriegs-Deutschland bilde- herigen Planungsträgern sowie die Entwertung
te sich spätestens ab 1952 (Auflösung der Län- aller vorhandenen Abbau- und Wiedernutzbar-
der zugunsten von 15 Bezirken in der damaligen machungskonzepte durch grundhaft veränderte
DDR) eine deutliche Differenzierung der Braun- wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu ver-
kohlenplanung heraus, die in ihren Grundzügen zeichnen, die eine Reorganisation des Systems
bis 1989–1990 erhalten blieb. In Nordrhein-West- der Landes- und Regionalplanung unabdingbar
falen entwickelte sich ausgehend vom Gesetz machten. Dies konnte bis 1992–1993 im Wesent-
über die Gesamtplanung im Rheinischen Braun- lichen abgeschlossen werden.
kohlengebiet von 1950 ein differenziertes System
der Braunkohlenplanung als originärer Bestand- Braunkohlenplanung als raumordnerische
teil der Landesplanung mit dem Ziel, die Braun- Aufgabe  Die raumordnerische Befassung mit
kohlenplanung sachlich und rechtlich enger mit dem Braunkohlenbergbau erfolgt je nach spe-
der Regionalplanung zu verzahnen und demokra- zifischem Landesrecht auf der Ebene der Lan-
tische Legitimation sowie Entscheidungstranspa- des- oder der Regionalplanung. Dabei nimmt die
renz gleichermaßen zu gewährleisten. Braunkohlenplanung eine relative Sonderstel-
Demgegenüber stützte sich das zentralisti- lung ein, die vor allem durch folgende Merkmale
sche Planungssystem der DDR maßgeblich auf bestimmt wird:
Bezirks- und Kreisplankommissionen bei weit- • Die Braunkohlenplanung stellt faktisch tage-
gehenden Interventionsmöglichkeiten der Staat- baubezogene „Inselplanungen” dar, deren
lichen Plankommission. 1965 übernahmen die räumlicher Umgriff maximal den Bereich der
Büros für Territorialplanung (BfT) bei den Be- Grundwasserabsenkung im obersten Grund-
zirksplankommissionen das Aufgabenfeld, das wasserleiter umfasst.
76 F. von Bismarck et al.

• Gegenüber Zeithorizonten von 10–15 Jahren Braunkohlenbergbaus auf die Etablierung diffe-
bei der allgemeinen Landes- und Regional- renzierter Regelungen zur Braunkohlenplanung
planung kann der Betrachtungsrahmen bei verzichtet.
aktiven Tagebauen 40–50 Jahre und bei Sanie-
rungstagebauen 20–25 Jahre bei hohen Prog- Braunkohlenplanung im Land Brandenburg
noseanforderungen erreichen. Rechtsgrundlage für die Braunkohlenplanung im
• Braunkohlenpläne unterliegen gerade bei Land Brandenburg ist das Gesetz zur Regionalpla-
Festlegungen zur Wiedernutzbarmachung nung und zur Braunkohlen- und Sanierungspla-
einer erhöhten Dynamik durch Zielverwirk- nung (RegBkPlG) vom 13.05.1993. Dieses fixiert
lichung, veränderte Rahmenbedingungen und im § 12 eine langfristig sichere, zugleich umwelt-
Anforderungen, die Planfortschreibungen und sozialverträgliche Energieversorgung sowie
erfordern können. den Ausgleich bergbaulicher Folgeschäden in Ge-
• Auch ohne unmittelbare Rechtswirkung bieten mit auslaufenden bzw. bereits eingestell-
gegenüber einzelnen Beteiligten erreicht die ten Tagebauen als ausdrückliche Zielstellungen
Braunkohlenplanung mit der Festlegung von der Braunkohlenplanung. Die Braunkohlen- und
Abbaubereichen und zu den entstehenden Sanierungsplangebiete werden durch die Gebie-
Bergbaufolgelandschaften eine deutlich wei- te für Abbau, Außenhalden und Ansiedlungen,
ter gehende Betroffenheitsebene. die Reichweite der Grundwasserabsenkung im
Braunkohlenpläne enthalten länderbezogen weit- obersten Grundwasserleiter sowie Bereiche mit
gehend einheitlich textliche (Ziele und Grundsät- eingestelltem Abbau- bzw. Veredlungsbetrieb be-
ze) und zeichnerische (Karten) Festlegungen zu stimmt und durch Rechtsverordnung der Landes-
den Sachaspekten regierung festgelegt. Braunkohlenpläne können
• Abbaugrenzen, Sicherheitslinien und Halden- in räumlichen und sachlichen Teilabschnitten
flächen aufgestellt werden. Sanierungspläne umfassen
• Umsiedlungsflächen mit Festlegung der die Überwindung von Gefährdungspotenzialen,
Räume die Darstellung zeitweiliger Sperrgebiete und die
• bergbaubedingte Anlage oder Verlegung von Wiederherstellung eines ausgeglichenen Was-
Verkehrswegen, Bahnen und Leitungen serhaushalts als spezifische, die Regelungen in
• Grundzüge der Oberflächengestaltung und den anderen berührten Ländern überschreitende
Wiedernutzbarmachung Inhaltskomponenten. Als Grundlage für die Pla-
• angestrebte Landschaftsentwicklung. nung sind der Landesplanungsbehörde durch die
Dabei übernimmt die Braunkohlenplanung eine Braunkohlenbergbauunternehmen alle zur Be-
Mittlerfunktion zwischen Bergbautreibendem urteilung der ökologischen und sozialen Verträg-
bzw. Träger der Sanierungsmaßnahme und den lichkeiten der Vorhaben erforderlichen Angaben
berührten Kommunen. Für Erstere schreibt sie vorzulegen. Abbildung 3.1 zeigt den Tagebau
kalkulierbare Abbauperspektiven und klare Wie- Meuro, für den bereits am 21.10.1993 der Sanie-
dernutzbarmachungsaufträge fest; Letzteren er- rungsplan beschlossen wurde.
öffnet sie hinreichende Ausformungsspielräume Träger der Braunkohlen- und Sanierungspla-
im Zuge der Bauleitplanung (ARL 2005b). nung ist die Gemeinsame Landesplanungsab-
teilung Berlin-Brandenburg (GL), die beim Mi-
Braunkohlenplanung in den berührten Län- nisterium für Infrastruktur und Landwirtschaft
dern  Nachfolgend wird eine vergleichende (MIL) des Landes Brandenburg angesiedelt ist.
Betrachtung von Rechtsgrundlagen, Organisa- Die Mitwirkung und regionale Willensbildung
tion und Abläufen der Braunkohlenplanung in bei der Braunkohlenplanung wird durch den
den Ländern Brandenburg und Sachsen-Anhalt Braunkohlenausschuss des Landes Brandenburg
sowie im Freistaat Sachsen vorgenommen. Im mit Sitz in Cottbus gewährleistet. Dieser besteht
Freistaat Thüringen wurde aufgrund des ver- aus gewählten und berufenen ehrenamtlichen
gleichsweise geringen räumlichen Umgriffs des Mitgliedern, von denen Erstere aus den Kom-
3  Rechtliche, finanzielle und organisatorische Grundlagen 77

Abb. 3.1   Sanierungstage-


bau Meuro 1999

Abb. 3.2   Zusammen-


setzung des Braunkohlen-
ausschusses des Landes
Brandenburg

munalparlamenten der berührten Landkreise und kann regionale oder sachbezogene Arbeitskrei-
kreisfreien Städte entsendet sind. Letztere werden se mit gleichfalls beratender Befugnis bilden.
durch das für Raumordnung zuständige Mitglied Abbildung  3.2 zeigt die Zusammensetzung des
der Landesregierung aus den Wirtschafts- und Braunkohlenausschusses in Brandenburg.
Unternehmensverbänden, den anerkannten Na- Das Land Brandenburg stellt die für die Ge-
turschutzverbänden, der Evangelischen Kirche schäfte des Braunkohlenausschusses erforderli-
in Berlin und Brandenburg, den Gewerkschaften, chen Mittel zur Verfügung. Die Geschäftsführung
dem Bauernverband und der Domowina – Bund erfolgt über eine Außenstelle der GL in Cottbus.
Lausitzer Sorben e. V. berufen. Darüber hinaus Das Erarbeitungsverfahren zur Aufstellung der
können Teilnehmer mit beratender Befugnis Pläne beinhaltet folgende maßgebliche Schritte:
(Landesfachbehörden, Bergbauunternehmen, • Erarbeitung eines Planentwurfs durch die
Regionale Planungsgemeinschaften, Landräte, Landesplanungsbehörde und Vorlage im
Oberbürgermeister, Bürgermeister und Ortsvor- Braunkohlenausschuss zur Stellungnahme vor
steher), sofern deren Verantwortungsbereich von Eintritt in das Beteiligungsverfahren
der Planung berührt ist, in die Arbeit integriert • Zuleitung des Entwurfs an die betroffe-
werden (BKA 1998). Der Braunkohlenausschuss nen Regionalen Planungsgemeinschaften,
78 F. von Bismarck et al.

Gebietskörperschaften, Behörden und sonsti-


gen Träger öffentlicher Belange zur Stellung-
nahme
• Erörterung der fristgerecht eingegangenen
Bedenken und Anregungen durch die Landes-
planungsbehörde mit den Einwendern
• Vorlage des Ergebnisses des Beteiligungsver-
fahrens im Braunkohlenausschuss zur Stel-
lungnahme, die in die Abwägung der öffentli-
chen und privaten Belange eingestellt wird.
Braunkohlen- und Sanierungspläne bedürfen
einer Beschlussfassung durch die Landesre-
gierung, die zugleich ermächtigt ist, diese als
Rechtsverordnung zu erlassen. Abb. 3.3   Braunkohlesanierungsplanung in Sachsen

Braunkohlenplanung im Freistaat Sach-


sen  Rechtsgrundlage für die Braunkohlen- von Braunkohlenplanung und berg- bzw. wasser-
planung ist das Gesetz zur Raumordnung und rechtlichen Verfahren sind in Abbildung 3.3 ver-
Landesplanung des Freistaats Sachsen (Landes- einfacht dargestellt.
planungsgesetz – SächsLPlG) vom 24.06.1992. Der Verfahrensablauf weist bei grundsätz-
Das Gesetz fixiert die beiden im Beeinflussungs- licher Übereinstimmung mit der allgemeinen
bereich des obersten Grundwasserleiters gemein- Regionalplanung in Sachsen mit zweistufigem
descharf abgegrenzten Braunkohlenplangebiete Beteiligungs- und Anhörungsverfahren und öf-
Westsachsen und Oberlausitz-Niederschlesien. fentlicher Auslegung einige Besonderheiten auf.
Für die Tagebaue innerhalb derselben sind Diese bestehen maßgeblich in der Verpflichtung
Braunkohlenpläne als Teilregionalpläne aufzu- des Bergbautreibenden bzw. des Trägers der Sa-
stellen, die für stillgelegte Förderstätten als Sa- nierungsmaßnahme zur Vorlage aller für die Be-
nierungsrahmenpläne bezeichnet werden. Die urteilung der sozialen und ökologischen Verträg-
Braunkohlenpläne und bergrechtlichen Betriebs- lichkeit des Vorhabens erforderlichen Angaben
pläne sind miteinander in Einklang zu bringen sowie der Durchführung von Erörterungsver-
(s. Abschnitt 3.1.2). handlungen (s. Abschnitt 3.1.2) (Abb. 3.4).
Träger der Braunkohlenplanung sind die kom-
munal verfassten Regionalen Planungsverbände Braunkohlenplanung im Land Sachsen-An-
Leipzig-Westsachsen und Oberlausitz-Nieder- halt In Sachsen-Anhalt sind die Belange der
schlesien, die dafür über einen gegenüber dem Braunkohlenplanung ohne dezidierte Verwen-
Planungsausschuss durch beratende Mitglieder dung des Begriffs im Landesplanungsgesetz des
(Raumordnungsbehörde, Bergbautreibende, Landes Sachsen-Anhalt (LPlG) vom 28.04.1998
Landesamt für Umwelt und Geologie, Landwirt- geregelt. Planungsträger sind die vier kommunal
schafts-, Forstverwaltung, unmittelbar berührte verfassten Regionalen Planungsgemeinschaften
Kommunen) erweiterten Braunkohlenausschuss (Magdeburg, Anhalt-Bitterfeld-Wittenberg, Harz
als Arbeitsorgan verfügen. Beschlussorgan ist die und Halle), die über Regionalversammlungen als
Verbandsversammlung. Die fachliche Planauf- Beschlussorgane verfügen.
stellung wird durch die Verbandsverwaltungen in Die Planwerke werden nach LPlG als Regio-
Leipzig und Bautzen sichergestellt; die Geneh- nale Teilgebietsentwicklungspläne bezeichnet.
migung von Braunkohlenplänen erfolgt durch die Für Gebiete, in denen Braunkohlenaufschluss-
oberste Raumordnungs- und Landesplanungsbe- oder -abschlussverfahren durchgeführt werden
hörde im Benehmen mit den berührten Staats- sollen, ist ein Regionaler Teilgebietsentwick-
ministerien (SMI 2000). Die Zusammenhänge lungsplan zwingend aufzustellen. Dieser enthält
3  Rechtliche, finanzielle und organisatorische Grundlagen 79

Abb. 3.4   Deckblatt des


Sanierungsrahmenplanes
Zwenkau-Cospuden

die Ziele und Grundsätze der Raumordnung, die Städten sowie eine entsprechende Mitteilung
der Entwicklung, Ordnung und Sicherung der an öffentliche Stellen und Personen des Privat-
nachhaltigen Raumentwicklung für den Auf- rechts, für die eine Beachtenspflicht nach § 4
schluss, die Sanierung und Rekultivierung in den Raumordnungsgesetz (ROG) begründet werden
entsprechenden Planungsregionen zugrunde zu soll, sowie an Verbände und Vereinigungen, die
legen sind. von der Planung berührt sind. Der daraufhin er-
Der Verfahrensablauf zur Aufstellung Regio- arbeitete Planentwurf wird nach Prüfung durch
naler Teilgebietsentwicklungspläne entspricht die oberste Landesplanungsbehörde allen Be-
dem des Aufstellungsverfahrens für Regionale teiligten zur Stellungnahme übergeben. Bei der
Entwicklungspläne. Den Ausgangspunkt bildet Aufstellung Regionaler Teilgebietsentwicklungs-
die Bekanntmachung der allgemeinen Planungs- pläne sind die Gemeinden im Planungsraum ver-
absichten in den Landkreisen und kreisfreien pflichtet, die Öffentlichkeit zu informieren und
80 F. von Bismarck et al.

Gelegenheit zur Beteiligung einzuräumen. Nach Gutachten, Expertenanhörungen, Ortstermine).


Abwägung der vorgebrachten Anregungen und In den letzten Jahren wurden neben der klassi-
Bedenken beschließt die Regionalversammlung schen Aufstellung von Braunkohlenplänen zu-
den Plan als Satzung, der durch die oberste Lan- nehmend neue gebiets-, ebenen- und problem-
desplanungsbehörde genehmigt und mit seiner übergreifende Planungsansätze entwickelt. Dazu
Veröffentlichung verbindlich wird. zählen beispielsweise die länderüberschreitende
Entwicklung des „Lausitzer Seenlandes“, der
Praxis in der Braunkohlesanierung  Die aktu- „Gewässerverbund Region Leipzig“, die Mit-
ellen Entwicklungen bei der Braunkohlenpla- teldeutsche Straße der Braunkohle und die IBA
nung werden durch folgende Aspekte bestimmt: Fürst-Pückler-Land, die im Zuge des Hinwirkens
• Auch wenn sich die Braunkohlesanierung mit auf Planverwirklichung fachlich von der Braun-
einem bis Ende 2010 umgesetzten Budget von kohlenplanung begleitet werden.
rd. 9,0 Mrd. € auf der Grundlage der Verwal- Im Zusammenhang mit den Aufgaben zur
tungsabkommen zwischen Bund und Ländern Gestaltung von Folgelandschaften des Braun-
nunmehr in seiner letzten Phase befindet, kohlenbergbaus wurden durch die zuständigen
besteht nach wie vor Handlungsbedarf bei Planungsträger insgesamt 52 Raumordnungsplä-
der Ordnung von Nutzungsinteressen mittels ne als Grundlage für die Umsetzung durch das
Planfortschreibungen. Sanierungsunternehmen erarbeitet.
• Bei der Planaufstellung und -fortschreibung
sind die Planungsträger nach der Richtlinie
2001/42/EG des Europäischen Parlaments 3.1.2  Bergrecht
und des Rates vom 27. Juni 2001 nunmehr
verpflichtet, eine „Strategische Umweltprü- Bergrechtliches Regelwerk Das deutsche
fung“ (SUP) einschließlich nachfolgender Bergrecht hat sich seit dem Mittelalter als Lan-
Monitoringaktivitäten durchzuführen. desrecht entwickelt. Die maßgeblichen und bis
• Auch ohne unmittelbare Verantwortlichkeit heute fortwirkenden Grundsätze wurden Mitte
bilden Braunkohlenplanverfahren und Sitzun- des 19. Jahrhunderts insbesondere im Preußi-
gen der Planungsgremien stets „Seismogra- schen Allgemeinen Berggesetz (ABG) geprägt:
fen“ für aktuelle Problemfelder insbesondere Bergbaufreiheit der für die Volkswirtschaft be-
dann, wenn nachteilige Folgen für die Regio- deutendsten Bodenschätze, wie z. B. Kohle, Erz
nalentwicklung zu besorgen sind (z. B. Folgen und Salz. Das Eigentum an diesen Bodenschät-
des Grundwasserwiederanstiegs, Versauerung zen ist nicht mit dem Grundeigentum verbun-
von Restseen und Vorflutern, Flutungsregime). den, sondern einem besonderen Erteilungs- oder
• Mit der länderspezifisch differenziert gehand- Verleihungsprozess unterworfen. Das Betriebs-
habten Koordinierung der Budgetierung planverfahren als bewährtes Genehmigungs- und
von Maßnahmen zur Erhöhung des Folge- Aufsichtsinstrument, die Bergaufsicht, die sich
nutzungsstandards über die bergrechtlichen auf sicherheitliche, heute auch Umweltbelange
Verpflichtungen der Sanierungsprojektträger erstreckt, sowie die zivilrechtliche Regelung von
hinaus (§ 4-Maßnahmen nach VA-Braunkoh- Bergschäden zwischen Unternehmer und Grund-
lesanierung, s. Abschn. 3.2.1) übernehmen die eigentümer stellen die wesentlichen Grundzüge
Planungsträger in erheblichem Maß Verant- des Bergrechts dar.
wortung für die Regionalentwicklung. Im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung
Die Braunkohlenplanung bedient sich angesichts hat der Bund im Jahre 1980 nach mehrjährigen
ihrer Einwirkungstiefe und Umsetzungsorien- Vorarbeiten und strittigen Beratungen im Bundes-
tierung eines umfassenden Instrumentariums rat und Vermittlungsausschuss das Bundesberg-
verfahrensbegleitender Maßnahmen und Akti- gesetz (BBergG) erlassen und damit die Vielzahl
vitäten, die vielfach zur Konfliktbewältigung der zersplitterten Landesberggesetze abgelöst, den
beitragen (Arbeitsgruppen zur Planaufstellung, Vollzug allerdings bei den Ländern belassen.
3  Rechtliche, finanzielle und organisatorische Grundlagen 81

Die DDR hatte bereits 1969 ein Berggesetz in BergV) erlassen, die die Führung eines Arbeitssi-
Kraft gesetzt, das in seinen Grundstrukturen des cherheits- und Gesundheitsschutzdokuments für
Betriebsplanverfahrens und des Bergschadens- alle Betriebe verbindlich macht. Im Gegensatz zu
rechts ebenfalls auf dem Preußischen ABG be- vielen anderen Ländern hat die Bundesrepublik
ruhte (Berggesetz DDR 1969). Allerdings waren damit das bewährte einheitliche Regelwerk für
dort die Eigentumsrechte an Bodenschätzen den Bergbau unter Berücksichtigung von Um-
durch das Volkseigentum bestimmt. Mit der deut- welt und Arbeitsschutz beibehalten, dieses so vor
schen Wiedervereinigung wurde der Geltungs- Zersplitterung bewahrt und Aufsicht und Geneh-
bereich des BBergG auch auf das Beitrittsgebiet migung in eine Hand gelegt (ABBergV 1995).
ausgedehnt, der Einigungsvertrag hat dafür aber
besondere Maßgaben bestimmt. So waren bis Bergaufsicht  Nach § 69 Abs. 1 BBergG
1996 so gut wie alle Bodenschätze in den östli- unterliegt der Bergbau der Aufsicht durch die
chen Bundesländern bergfrei, Aufsuchung, Ge- zuständige Behörde (Bergaufsicht). Die Lan-
winnung und Aufbereitung standen unter Berg- desregierungen oder die von ihnen festgelegten
aufsicht. Diese Regelung war von den Autoren Behörden bestimmen nach § 142 BBergG die
des Einigungsvertrages deshalb gewollt, weil für die Ausführung dieses Gesetzes zuständigen
die Versorgung des Baugewerbes mit den not- Stellen. Die Länder haben von dieser Kompe-
wendigen Baurohstoffen nicht durch ungeklär- tenz auf höchst unterschiedliche Weise Gebrauch
te Eigentumsverhältnisse am Grund und Boden gemacht. Im Rahmen von Verwaltungsreformen
behindert werden sollte; so konnten Bergbau- sind in den letzten 15 Jahren eine Reihe von
berechtigungen unabhängig vom Grundeigen- Bergbehörden als Sonderbehörden aufgelöst
tum erteilt werden. Die Baubranche wurde als worden. Eine eigenständige Bergaufsicht besteht
wesentlicher Konjunkturmotor nach der Wieder- bis heute im Saarland, in Mecklenburg-Vorpom-
vereinigung angesehen. Obwohl seit 1996 von mern, Thüringen und Sachsen. Eine Verbindung
dieser Maßgabe auf der Grundlage des Gesetzes der Bergaufsicht mit dem Geologischen Dienst in
zur Vereinheitlichung der Rechtsverhältnisse bei einer einheitlichen Behörde wurde vorgenommen
Bodenschätzen kein Gebrauch mehr zu machen in Brandenburg, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt
ist, erhielten die bis dahin erteilten Bergbaube- und Rheinland-Pfalz. In den Ländern Bayern,
rechtigungen auf Baurohstoffe der Steine- und Hessen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Würt-
Erdenindustrie Bestandsschutz. temberg wurde die Zuständigkeit der Bergbehör-
Das Bergrechtssystem wird ergänzt durch eine den an die Regierungspräsidien als allgemeine
Reihe von Bergverordnungen des Bundes und Behörden übertragen. Die Bergaufsicht der Län-
der Länder, die zusammen mit dem Gesetz den der Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen
allgemein verbindlichen Rahmen für bergbauli- wird auf der Grundlage von Staatsverträgen
che Tätigkeiten abstecken. vom niedersächsischen Landesamt für Bergbau,
Unter dem Einfluss europarechtlicher Be- Energie und Geologie (LBEG) in Clausthal-Zel-
stimmungen ist das bergrechtliche Regelwerk lerfeld/Hannover, die Berlins vom brandenbur-
im Rahmen der Umsetzung in nationales Recht gischen Landesamt für Bergbau, Geologie und
der Bundesrepublik Deutschland entsprechend Rohstoffe (LBGR) in Cottbus wahrgenommen.
angepasst worden. Die weitreichendste Novelle Abbildung 3.5 zeigt im inneren Kreis die je-
hat das Bundesberggesetz durch Einführung des weilige oberste Bergbehörde, in der Regel das
obligatorischen Rahmenbetriebsplanes erfahren, Wirtschaftsministerium oder der Wirtschaftsse-
dessen Zulassung an ein bergrechtliches Plan- nat. In Hessen und Thüringen nimmt das Um-
feststellungsverfahren mit integrierter Umwelt- weltministerium die Rolle der obersten Bergbe-
verträglichkeitsprüfung (UVP) und eine Öffent- hörde wahr. Im mittleren Kreis finden sich die
lichkeitsbeteiligung gebunden ist. Neben um- oberen Bergbehörden, dies sind Oberbergämter,
weltrechtlichen Aspekten wurde im Jahre 1995 Landesämter oder Regierungspräsidien mit Zu-
die Allgemeine Bundesbergverordnung (AB- ständigkeit für das ganze Land, im äußeren Kreis
82 F. von Bismarck et al.

Abb. 3.5   Bergbehörden in Deutschland

befinden sich Mittel- oder Unterbehörden bzw. beschränkt, nämlich die bergfreien. Dies sind die
Außenstellen der genannten Einrichtungen. für die Volkswirtschaft besonders bedeutenden
Als verbindende Klammer zwischen den zu- Rohstoffe, wie insbesondere Kohle, Erz, Salz,
ständigen Bergbehörden der Länder dient der Erdöl und Erdgas, deren Eigentum nicht mit dem
Länderausschuss Bergbau beim Bundesminister Grundeigentum verbunden ist, und die grund-
für Wirtschaft und Technologie, der u. a. für eine eigenen Bodenschätze, die dem Grundeigentü-
Harmonisierung der landesrechtlichen Verord- mer gehören, deren Aufsuchung, Gewinnung und
nungen und Richtlinien im Bergbau sorgt. Da- Aufbereitung jedoch der Bergaufsicht unterstehen
durch wird die Tatsache berücksichtigt, dass der (BBergG 1980). Dazu gehören höherwertige, frü-
Bergbau standortgebunden ist und die Lagerstät- her auch „strategische“ Rohstoffe, wie z. B. Feuer-
ten nicht an politischen Grenzen Halt machen. festquarze und Feuerfesttone, Bauxit, Kaolin,
Zahlreiche Bergbaureviere in der Bundesrepu- Dachschiefer sowie alle unter Tage gewonnenen
blik sind grenzüberschreitend, z. B. das Mittel- Bodenschätze. Die große Masse der Baurohstoffe
deutsche Braunkohlenrevier mit Sachsen-Anhalt rangiert damit außerhalb des Bergrechts. Ihre
und Sachsen, das Lausitzer Braunkohlenrevier Gewinnung wird durch Abgrabungs-, Bau-,
mit Brandenburg und Sachsen, das Werra-Kalire- Immissionsschutz- und Wasserrecht geregelt.
vier zwischen Hessen und Thüringen.
Wiedernutzbarmachung  Der Gesetzgeber hat
Geltungsbereich  Wie bereits erwähnt, ist der neben Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung
Geltungsbereich des Bundesberggesetzes im und damit verbundenen Einrichtungen und Tätig-
§ 3 auf einen Katalog bestimmter Bodenschätze keiten ausdrücklich auch die Wiedernutzbarma-
3  Rechtliche, finanzielle und organisatorische Grundlagen 83

chung der vom Bergbau in Anspruch genommenen Behörde vor der Ausführung vorzulegen sind,
Oberfläche während und nach der Aufsuchung, gestatten sie gleichzeitig weitgehende Einblicke
Gewinnung und Aufbereitung in den Geltungsbe- in den Betrieb, sind also neben der Zulassungs-
reich des Gesetzes einbezogen. Die Wiedernutz- funktion auch Instrumente der Aufsicht, die
barmachung ist nach § 4 Abs. 4 BBergG an die Befahrungstätigkeit wird dadurch entlastet.
Beachtung des öffentlichen Interesses gebunden. Die Zulassung eines Betriebsplans ist nach
Die vom Berggesetz vorgeschriebene Wiedernutz- § 55 BBergG an eine Reihe von Schutzzielen
barmachung ist nicht nur am Ende des Betriebes gebunden, bei deren Erfüllung dafür ein Rechts-
sozusagen als letzter Schritt des Bergbaus vorzu- anspruch auf die Zulassung besteht. Zu den Zu-
nehmen, vielmehr ist auch während des Betriebes lassungsvoraussetzungen gehören u. a. Zuver-
bereits Vorsorge zur Wiedernutzbarmachung der lässigkeit des Unternehmers, Zuverlässigkeit,
Oberfläche in dem nach den Umständen gebote- Fachkunde und körperliche Eignung der mit der
nen Ausmaß zu treffen. Damit ist eine frühzeitige Leitung beauftragten verantwortlichen Person,
Klarheit über die Ziele der Wiedernutzbarma- Vorsorge gegen Gefahren insbesondere nach den
chung zu schaffen und Sicherheitsleistungen zur allgemein anerkannten Regeln der Sicherheits-
Gewährleistung nach § 56 BBergG können auf das technik und sonstigen Arbeitsschutzvorschriften,
notwendige Maß beschränkt bleiben. ordnungsgemäße Verwendung oder Beseitigung
Die Wiedernutzbarmachung ist übrigens von Abfällen und die Vorsorge zur Wiedernutz-
nicht zwingend mit einer Wiederherstellung des barmachung.
vorherigen Zustandes verbunden. Vielmehr wird Je nach Zweck sieht das Bundesberggesetz
das Ziel oftmals eine Neugestaltung der vom eine Reihe von Betriebsplanarten vor:
Bergbau in Anspruch genommenen Oberfläche • Der so genannte fakultative Rahmenbetriebs-
sein, deren spätere Nutzung außerhalb des Berg- plan nach § 52 Absatz 2 Nr. 1 BBergG ist auf
rechts den öffentlichen Interessen entspricht. So Verlangen der Behörde einzureichen. In der
kann durchaus ein Tagebaurestloch als Gewäs- Praxis ist die möglichst breite Beteiligung von
ser verbleiben oder Restlöcher können aufgrund Behörden und Stellen und eine entsprechende
guter geologischer Verhältnisse (Abdichteigen- Konsensfindung ein maßgebliches Ziel. Dies
schaften des Rohstoffes) zur Nachnutzung als dient unter anderem auch zur Entlastung des
Deponiestandort in Betracht kommen. Zuneh- nachfolgenden Hauptbetriebsplans, der die
mend an Bedeutung gewinnt die naturschutz- eigentliche Gestattungsgrundlage zum Führen
orientierte Wiedernutzbarmachung, d. h. der Er- des Betriebes darstellt.
halt und die ungestörte Entwicklung der infolge • Der obligatorische Rahmenbetriebsplan
des Bergbaus entstandenen wertvollen Biotope. nach § 52 Absatz 2 a BBergG wurde in der
Nach Durchführung der auf diese Folgenutzung bereits erwähnten Berggesetznovelle im Jahr
abgestimmten erforderlichen Sicherungsmaß- 1990 eingefügt. Er ist, wie der Name sagt, für
nahmen können die Flächen der natürlichen bestimmte Vorhaben obligatorisch, das heißt
Sukzession überlassen werden. Die Begriffe vorgeschrieben, nämlich für solche Vorha-
„Rekultivierung“ oder „Sanierung“ tauchen ben, die die Umwelt auf besondere Weise in
im Bundesberggesetz aus den oben genannten Anspruch nehmen. Für Tagebaue trifft dies bei
Gründen nicht auf. einer beanspruchten Abbaufläche von mehr
als 25 ha oder in ausgewiesenen Naturschutz-
Betriebsplanverfahren  Als bergbautypisches gebieten, Vogelschutzgebieten oder FFH-Ge-
Instrument der Genehmigung hat das Bundes- bieten (Flora-Fauna-Habitat), bei der Not-
berggesetz – wie übrigens auch das Berggesetz wendigkeit einer bedeutenden, nicht nur vor-
der DDR – das bewährte Betriebsplanverfahren übergehenden Herstellung, Beseitigung oder
des Preußischen ABG übernommen. Ein Betrieb wesentlichen Umgestaltung eines Gewässers
darf nach § 51 BBergG nur aufgrund von zugelas- und seiner Ufer sowie der Notwendigkeit
senen Plänen (Betriebsplänen) errichtet, geführt einer großräumigen Grundwasserabsenkung
oder eingestellt werden. Da die Betriebspläne der oder -auffüllung mit 5 Mio. m3/Jahr oder mehr
84 F. von Bismarck et al.

zu. Im Jahr 2006 neu eingefügt wurde darüber rechnen ist, dass durch den Betrieb Gefahren
hinaus die UVP-Pflicht für Tagebaue mit einer für Leben und Gesundheit Dritter, für andere
Abbaufläche von mehr als 10 ha auf Grund- Bergbaubetriebe und Lagerstätten, deren
lage einer allgemeinen Vorprüfung des Einzel- Schutz im öffentlichen Interesse liegt oder
falls. gemeinschädliche Einwirkungen eintreten
• Die maßgebliche Genehmigung für das Füh- werden (BBergG 1980).
ren eines jeden Betriebs ist der Hauptbetriebs- Beispielhaft sind in Abbildung 3.6 die räumliche
plan nach § 52 Absatz 1 BBergG. Die Gel- Ausdehnung des Abschlussbetriebsplanes für
tungsdauer umfasst in der Regel zwei Jahre, den Tagebau Zwenkau in Kombination mit dem
bei Betrieben geringen Umfangs oder gerin- Titelblatt des ABP veranschaulicht.
gen Gefährdungspotenzials kann die Gel- Für die Ausgestaltung der Wiedernutzbarma-
tungsdauer auch erhöht werden. Der Haupt- chung haben mehrere Bundesländer Richtlinien
betriebsplan ist die Grundlage für jeden Berg- erlassen, die auf dem Wege der Zulassung des
baubetrieb. Abschlussbetriebsplanes verbindlich gemacht
• Für Maßnahmen, die im Hauptbetriebsplan werden.
nicht berücksichtigt wurden, weil sie aktuell
notwendig werden oder in sich abgeschlossen Nachbetriebsphase  Auch nach dem Ende der
sind, werden in der Regel Sonderbetriebs- Bergaufsicht können Auswirkungen des frühe-
pläne aufgestellt. Sonderbetriebspläne sind ren Betriebes nicht ausgeschlossen werden. Die
nicht befristet, sondern faktisch durch die Bergaufsicht lebt jedoch auch im Falle von Berg-
Maßnahme begrenzt, zum Beispiel die Errich- schäden nicht wieder auf. Für Schäden an Grund-
tung einer neuen Hauptwasserhaltung oder stücken und Gebäuden haftet nach §§ 115 ff
den Umbau eines Tagebaugroßgerätes. BBergG auch nach erloschener Bergbauberech-
• Bei Vorhaben mehrerer Betriebe kann ein tigung zivilrechtlich der Unternehmer oder sein
gemeinschaftlicher Betriebsplan vorgelegt Rechtsnachfolger gegenüber den Geschädigten.
werden. Dieser dient zum Beispiel für gemein- Neben dem Unternehmen ist im Übrigen auch der
same Grundwasserabsenkungsmaßnahmen Inhaber der Bergbauberechtigung ersatzpflichtig.
mehrerer Tagebaubetriebe, für gemeinschaft- Ersatzweise haftet nach Ausfall des Unterneh-
lich genutzte Kohlenmisch- und Stapelplätze mens gemäß §§ 122 f. BBergG die Bergscha-
und für die Wiedernutzbarmachung. densausfallkasse als Anstalt des öffentlichen
• In der zeitlichen Abfolge ist als letzter der Rechts, deren Ausstattung per Beitragssatzung
Abschlussbetriebsplan (ABP) nach § 53 geregelt ist. Die Haftung für Schäden aus dem
BBergG bei Auslaufen des Betriebes und für Bergbau kann erhebliche Zeiträume umfassen.
die Wiedernutzbarmachung vorzulegen. Die Nach Ende der Bergaufsicht regelt in Nord-
Wiedernutzbarmachung ist die ordnungs- rhein-Westfalen das Ordnungsbehördengesetz
gemäße Gestaltung der vom Bergbau in die polizeirechtliche Zuständigkeit der Bergbe-
Anspruch genommenen Oberfläche unter hörden. In den östlichen Bundesländern war der
Beachtung des öffentlichen Interesses. Sie ist Bergbau volkseigen, daher gibt es für den alten
damit nicht Gegenstand von Genehmigun- Bergbau vor 1945 in der Regel keinen Rechts-
gen nach anderen Rechtsvorschriften. Der nachfolger. Für die öffentliche Sicherheit und
Abschlussbetriebsplan wird üblicherweise Ordnung auch auf dem Gebiet des Altbergbaus
nicht befristet, er gilt vielmehr bis zum Ende ohne Rechtsnachfolger sind jeweils die Länder
der Bergaufsicht nach § 69 Abs. 2 BBergG. verantwortlich. Nur in drei Ausnahmefällen hat
Hiernach endet die Bergaufsicht nach Durch- sich die Bundesrepublik Deutschland für die
führung des Abschlussbetriebsplanes oder Übernahme des DDR-Erbes verantwortlich er-
entsprechender Anordnungen der zuständi- klärt: Für den zum Zeitpunkt des Beitritts der
gen Behörde zu dem Zeitpunkt, in dem nach DDR zur Bundesrepublik Deutschland noch
allgemeiner Erfahrung nicht mehr damit zu unter Bergaufsicht stehenden Braunkohlenberg-
3  Rechtliche, finanzielle und organisatorische Grundlagen 85

Abb. 3.6   Abschlussbetriebsplan für den Tagebau Zwenkau

bau wurde die bundeseigene Lausitzer und Mit- digkeit der Bergbehörden festlegte. In Branden-
teldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft burg wurde eine Sonderzuständigkeit nach dem
mbH (LMBV), für den Uranerzbergbau die bun- Muster Nordrhein-Westfalens im Ordnungs-
deseigene Wismut GmbH und für den restlichen behördengesetz festgelegt. Sachsen hat auf der
Bergbau die bundeseigene Gesellschaft zur Ver- Grundlage des Polizeigesetzes eine Hohlraum-
wahrung und Verwertung von stillgelegten Berg- verordnung erlassen, in der auch Halden und
werksbetrieben mbH (GVV) als Unternehmer Restlöcher behandelt werden.
gegründet. Aufgabe war die planmäßige Beendi- Die im Jahre 2008 novellierte Allgemeine
gung des Bergbaus auf der Grundlage von Ab- Bundesbergverordnung regelt in ihrem neu ein-
schlussbetriebsplänen und die Wiedernutzbarma- gefügten § 22 a neben dem Arbeitsschutz nun-
chung, teilweise auch die Rekultivierung, um die mehr auch den Umweltschutz in Form von Ab-
Bergbaufolgelandschaft vermarkten zu können. fallbewirtschaftungsplänen analog zum Sicher-
In der DDR wurden diese Arbeiten auf der heits- und Gesundheitsschutzdokument. Neben
Grundlage von Anordnungen der Obersten Berg- Errichtung, Betrieb und Stilllegung ist hier im
behörde der DDR durchgeführt, die durch den Bergrecht erstmalig auch die Nachbetriebsphase
Einigungsvertrag mit dem Status einer Bergver- betroffen, für die Nachsorgeverpflichtungen als
ordnung bis Ende 1995 rechtswirksam blieben. Unternehmeraufgabe definiert sind.
Bei Tagebauen galt für die Nachnutzung die Wie-
dernutzbarmachungsanordnung, die Anordnung Praxis in der Braunkohlesanierung  Die
Halden und Restlöcher, für Untertagebergbau die Braunkohlesanierung im Osten Deutschlands
Verwahrungsanordnung und Hohlraumverord- zielt primär auf die Erfüllung der rechtlichen
nung von 1985. Verpflichtungen, die für Bergbauunternehmen
Die Länder haben die Fortgeltung dieser Ver- in Deutschland allgemein Gültigkeit besitzen.
ordnungen unterschiedlich gehandhabt. Sachsen- Im Unterschied zu wirtschaftlich planmäßig ver-
Anhalt hat die Anordnung Halden und Restlöcher laufenden Bergbauvorhaben, in denen für die
vor 1996 als Verordnung genutzt. Thüringen hat Erfüllung von Verpflichtungen nach dem Ende
ein Altbergbaugesetz erlassen, das eine Zustän- der Rohstoffgewinnung ausreichende finanzielle
86 F. von Bismarck et al.

Rückstellungen gebildet werden, betrachten der erfüllt werden, in 177 Abschlussbetriebsplä-


Bund und die Braunkohlenländer die Bergbaualt- nen von der LMBV dargestellt. In diesen Plan-
lasten der DDR als unerfüllte öffentlich-rechtli- unterlagen sind die technischen Zielstellungen
che Verpflichtung. formuliert und eine umfassende Beschreibung
Die technischen Ziele der Braunkohlesanie- ihrer sicheren Umsetzung enthalten. Im Rah-
rung ergeben sich im Wesentlichen aus den Be- men des Betriebsplanverfahrens verankert die
stimmungen des Bundesberggesetzes. Dies gilt Bergbehörde bei Notwendigkeit weitergehende
insbesondere für die Betriebsplanpflicht. So Forderungen in Nebenbestimmungen ihres Zu-
waren für die Restlaufzeit der Tagebaue, Kraft- lassungsbescheides. Nach der Durchführung der
werke und Veredlungsbetriebe des Auslaufberg- Abschlussbetriebspläne durch den Bergbausanie-
baus der LMBV gemäß Bundesberggesetz Rah- rer endet die Bergaufsicht zu dem Zeitpunkt, in
men-, Haupt- und Sonderbetriebspläne aufzustel- dem nach allgemeiner Erfahrung nicht mehr mit
len. Im Idealfall konnte der Auslaufbetrieb dieser Gefahren oder gemeinschädlichen Einwirkungen
Tagebaue hinsichtlich der Gewinnungs- und Ver- für Schutzgüter zu rechnen ist.
kippungstechnologie die vorgesehene Stilllegung
bereits berücksichtigen.
Für die damals bereits stillgelegten Betriebe 3.1.3 Wasserrecht in der Braunkohle-
bestand die Verpflichtung zur Aufstellung des sanierung
Betriebsplanes für die Einstellung des Betriebes.
Für diese Pläne war die Abgrenzung von Wasserrecht als Ordnungsrecht Wasserrecht
• Bergbaubetrieben, die bereits vor 1949 still- ist das rechtliche Instrumentarium der Wasser-
gelegt wurden wirtschaft zur Ordnung des Wasserhaushalts
• nach 1990 privatisierten Betrieben des Berg- nach den Regeln einer „haushälterischen“ Be-
baus wirtschaftung und dient dazu, den Wasserhaus-
• bereits gemäß Berggesetz der DDR nachweis- halt vor schädlichen Einwirkungen zu schützen
lich und endgültig wieder nutzbar gemachten (UPR 2003). Das so verstandene Wasserrecht
Bergbaubetriebsflächen notwendig. gehört damit typischerweise zum Polizei- und
Während die Abgrenzung der Verpflichtungen Ordnungsrecht, i. S. des besonderen Gefahren-
zu den aktiven privatisierten Bergbaubetrie- abwehrrechts. Maßgebliche Instrumente des
ben bereits in den Spaltungsverträgen erfolgte, Polizei- und Ordnungsrechts sind Gebote und
waren für die anderen beiden Punkte historische Verbote und, dass Handlungen oder Einwirkun-
Recherchen und Abstimmungen mit den Berg- gen auf das jeweilige Schutzgut des Polizei- und
behörden erforderlich. Insgesamt wurden die Ordnungsrechts – hier: der Wasserhaushalt – re-
Maßnahmen, mit denen die Anforderungen des gelmäßig einem Erlaubnisvorbehalt unterliegen;
Bundesberggesetzes will heißen: alle Handlungen oder Einwirkungen
• zur Sicherstellung des Schutzes Dritter vor auf den Wasserhaushalt bedürfen regelmäßig
durch den Bergbaubetrieb verursachten einer besonderen Erlaubnis bzw. Genehmigung
Gefahren auch nach Einstellung des Betriebes oder Anzeige.
• zur Wiedernutzbarmachung der vom Bergbau- Weiteres Wesensmerkmal des Polizei- und
betrieb in Anspruch genommenen Oberfläche Ordnungsrechts ist gleichrangig neben der Ge-
unter Beachtung des öffentlichen Interesses fahrenabwehr auch die Schadensbeseitigung. Ist
• zu Angaben über Beseitigung oder anderwei- es z. B. zu einer schädlichen Einwirkung auf den
tigen Verwendung betrieblicher Anlagen Wasserhaushalt gekommen, so soll diese grund-
• zur genauen Darstellung der technischen sätzlich durch den Verantwortlichen oder seinen
Durchführung Rechtsnachfolger, im Einzelfall ausnahmsweise
• zum Schutz der Oberfläche im Interesse der in Ermangelung eines leistungsfähigen Verant-
persönlichen Sicherheit und des öffentlichen wortlichen durch die öffentliche Hand (Staat oder
Verkehrs
3  Rechtliche, finanzielle und organisatorische Grundlagen 87

Abb. 3.7   Grundwasserabsenkungstrichter

Kommune) im Rahmen der Verhältnismäßigkeit der sieben größten deutschen Talsperren zusam-
beseitigt werden. men oder dem sechsfachen Volumen des Chiem-
sees. Dabei entfällt auf das Mitteldeutsche Revier
Wasserhaushalt und Braunkohlenberg- bei Leipzig ein Defizit von 5,7 Mrd. m³ und auf
bau  Das Wasser ist der natürliche Feind des das weiter im Osten liegende Lausitzer Revier
Bergmanns. Bergbau ohne Wasserhaltung ist 7 Mrd. m³. Die insgesamt von der Grundwasser-
nicht denkbar. Insoweit liegt es in der Natur der absenkung betroffene Fläche einschließlich des
Sache, dass der Bergbau in den Wasserhaushalt aktiven Bergbaus beläuft sich auf 340.000 ha, ein
bewusst zielgerichtet eingreift und so mit dem Gebiet, größer als Luxemburg und Singapur zu-
Wasserrecht, das der Ordnung des Wasserhaus- sammengenommen.
halts, insbesondere dessen Schutz dient, konfli- Der zeitgemäße, nachhaltige Braunkohlenab-
giert. bau bemüht sich bereits bei der Gewinnung, z. B.
Dies gilt umso mehr, wenn wie im Falle des durch das Niederbringen von Dichtwänden, die
Braunkohlenbergbaus der Kohlenabbau im Ta- Folgen der Grundwasserabsenkung soweit mög-
gebaubetrieb geführt wird. Um die Braunkohle lich zu minimieren (s. Luckner et al. 2009), um
auf trockener und standsicherer Arbeitsebene die Kostenlast der bergrechtlichen Wiedernutz-
gewinnen zu können, wird hierzu der Grund- barmachung in Grenzen zu halten. Der Braun-
wasserspiegel im Tagebaufeld, aber auch um kohlenabbau verursacht aber nicht nur giganti-
die Tagebaue herum, weiträumig durch Sümp- sche Grundwasserabsenkungstrichter, sondern
fungsmaßnahmen abgesenkt. Durch die Hebung greift auch massiv in die Gewässerlandschaft und
und das Abpumpen des Grundwassers entstehen Gewässerökologie, mithin den Wasserhaushalt
große Grundwasserabsenkungstrichter, die weit der Oberflächengewässer ein. Die schematische
über das eigentliche Abbaufeld hinausreichen (s. Darstellung eines Grundwasserabsenkungstrich-
Abschn. 5.1.1). So sind in den beiden ostdeut- ters enthält Abbildung 3.7.
schen Braunkohlenrevieren Grundwasserabsen- Fließgewässer, die im Kohlenabbaufeld lie-
kungstrichter mit einem Grundwasserdefizit von gen, müssen, um die Kohle gewinnen zu können,
insgesamt 12,7 Mrd. m³ allein im Verantwor- verlegt werden. Im Zuge der Verlegung sind sie
tungsbereich des Sanierungsbergbaus entstan- auch abzudichten, da sie andernfalls wegen der
den. Dies entspricht der 10-fachen Wassermenge Grundwasserabsenkung trocken fielen. Vielfach
88 F. von Bismarck et al.

werden sie dabei von ihren Einzugsgebieten ab- ten (Ziele) bzw. zu berücksichtigen (Grundsätze)
geschnitten. Insgesamt sind ca. 1.780 km Fließ- sind.
gewässer durch den Bergbau mehr oder weniger Das Verhältnis bergrechtlicher Verfahren (s.
betroffen. Davon entfallen auf das Mitteldeut- Abschnitt 3.1.2) zu wasserrechtlichen Verfah-
sche Revier ca. 759 km und auf das Lausitzer ren bestimmt sich im Falle des bergrechtlichen
Revier ca. 1.021 km. Abschlussbetriebsplanverfahrens in Form eines
Die Eingriffe in den Oberflächenwasserhaus- Planfeststellungsverfahrens nach § 19 Abs. 1
halt führen nicht nur dazu, dass erheblich verän- WHG und außerhalb eines Planfeststellungsver-
derte und damit renaturierungsbedürftige Fließ- fahrens nach § 19 Abs. 2 WHG. In beiden Fällen
gewässer im Sinne der EU-Wasserrahmenricht- gilt, dass die Entscheidung der Bergbehörde im
linie vorliegen, sondern auch dazu, dass natür- Einvernehmen mit der Wasserbehörde zu treffen
licher Retentionsraum verloren geht und in den ist (§ 19 Abs. 3 WHG).
betroffenen Gebieten sich Hochwasserereignisse
zum Teil drastisch verschärfen können. Deshalb Materielle wasserrechtliche Sanierungsstan-
wird zeitgleich oder im Rahmen der späteren dards  Die materiellen Sanierungsstandards
Stilllegung und Rekultivierung der Tagebauflä- ergeben sich grundsätzlich aus den einschlägigen
chen Vorsorge getroffen, indem beispielsweise Bestimmungen des Europäischen Wasserrechts
bestimmte Restseen die Funktion eines Wasser- wie der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie
speichers übernehmen. (WRRL) und nachfolgender Bestimmungen, des
Speicherbewirtschaftung von Tagebaurestseen WHG des Bundes, sowie der Landeswasserge-
ist aber auch aus zwei weiteren tragenden Grün- setze und der auf diesen basierenden grundsätz-
den erforderlich. Zum einen zur Erhaltung eines lichen Entscheidungen. Hierbei sind besonders
infolge des bergbaubedingten erhöhten Wasser- hervorzuheben:
dargebots, auf das sich – nicht einfach umkehr- • Rahmenkonzept zur Wiederherstellung eines
bare – Nutzungen, insbesondere der Unterlieger ausgeglichenen Wasserhaushalts in den vom
eingestellt haben. Zum anderen, um eine den An- Braunkohlenbergbau beeinträchtigten Fluss-
forderungen an die chemische Gewässergüte ge- einzugsgebieten in der Lausitz und in Mit-
nügende Wasserqualität zu erreichen und dauer- teldeutschland (Beschluss der 11. Umwelt-
haft zu sichern. ministerkonferenz der neuen Länder am
17./18.03.1994)
Wasserrechtliche Bewältigung der Braunkoh- • Tagebaurestseen – Anforderungen an die Was-
lesanierung  Die wasserrechtliche Bewältigung serqualität; Empfehlungen herausgegeben
der Braunkohlesanierung kann nicht losgelöst von der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser
von den in diesem Zusammenhang ebenfalls ein- (LAWA), März 2001 (Beschluss der 26. Amts-
schlägigen Rechtsgebieten betrachtet werden. chefkonferenz Umwelt am 10.-12.10.2000)
• Grundsätze zur nachhaltigen Sicherung der
Verhältnis zu anderen Rechtsgebieten Vor- wasserwirtschaftlichen Sanierungsmaßnah-
aussetzung einer geordneten Sanierung ist eine men in den Gebieten des Braunkohlenberg-
sachgerechte, vorausschauende Raumplanung baus der Lausitz und Mitteldeutschlands –
(s. Abschnitt 3.1.1), die die betroffenen Fach- Grundsätze wasserwirtschaftliche Nachsorge
planungen koordiniert und letztlich aufeinander – (Beschluss der 54. Sitzung des Steuerungs-
abstimmt. Hierzu werden raumordnerische Ziele und Budgetausschusses für die Braunkohlesa-
und Grundsätze in den jeweiligen Braunkohlen- nierung am 25.09.2001)
plänen bzw. gleichgestellten regionalplaneri- Kernaussage des ersten Papiers ist das langfristi-
schen Grundlagen aufgestellt, die im Rahmen ge Ziel, in den betroffenen Flusseinzugsgebieten
der wasserrechtlichen Entscheidungen zu beach- unter Berücksichtigung der ökologischen Be-
dingungen und notwendiger Wassernutzungen
solche Verhältnisse herzustellen, die einen sich
3  Rechtliche, finanzielle und organisatorische Grundlagen 89

weitgehend selbst regulierenden Wasserhaushalt − keine Nachteile oder Belästigungen für


ermöglichen sollen. Im zweiten Papier werden andere Grundstücke, Bauten oder sonstige
hierzu konkrete Handlungsempfehlungen, ins- Anlagen herbeiführt, insbesondere fremde
besondere im Einzelnen einzuhaltende Werte Grundstücke nicht der Gefahr der Ver-
bestimmt. Das dritte Dokument leitet aufbauend sumpfung, Überschwemmung, schädlicher
auf den vorangegangenen Papieren Handlungs- Grundwassersenkung oder sonstigen Schä-
pflichten für die Wasserbehörden und den Sanie- den aussetzt.
rungsbergbauunternehmer ab. • Ist es nicht möglich, derartige nachteilige
Wirkungen durch Auflagen zu verhüten oder
Herstellung der Tagebaurestseen  Infolge des auszugleichen, darf der Plan aus Gründen des
bergbaubedingten Massendefizits verbleiben in Wohls der Allgemeinheit gleichwohl festge-
der sanierten Landschaft Hohlräume, die sich stellt werden; dann ist der Betroffene zu ent-
mit Wasser füllen. Hierbei handelt es sich um schädigen.
künstliche Gewässer, die zuvor nicht vorhan- • Daraus folgt für die konkrete Herstellung
den waren, also im Rahmen der Sanierung neu eines Tagebaurestsees, dass das herzustel-
geschaffen werden. Diese erstmalige Herstellung lende (künstliche) Gewässer ein gutes ökolo-
eines Gewässers ist ein Gewässerausbau und als gisches Potenzial und einen guten chemischen
solcher planfeststellungspflichtig. Daraus resul- Zustand im Sinne des WHG und der WRRL
tieren folgende wasserrechtliche Anforderungen: erreichen muss (§ 27 Abs. 2 WHG), soweit
• Die Nutzungsziele sind insbesondere nach sich aus dem Braunkohlenplan keine weiter-
den Maßgaben zu bestimmen, wie sie sich als gehenden Qualitätsanforderungen ergeben.
raumordnerische Ziele ergeben. Diese impli- Die Einbindung des neu entstehenden Tagebau-
zieren bereits weitere verbindliche Vorent- restsees in den umgebenden Gewässerhaushalt
scheidungen für die Fachplanung: Die Tatsache (Oberflächen- und Grundwasser) führt dazu,
des Seeausbaus steht bereits fest, der räumliche dass regelmäßig auch Einleiter, Ausleiter und
Umriss sowie die Wasserspiegellage sind vor- Überleiter zwischen einzelnen Tagebaurestseen
geprägt – und ohne planungsrechtliches Zielab- Bestandteil der Planfeststellungsverfahren sind.
weichungsverfahren nur geringfügig gestaltbar. Auch nach seiner Fertigstellung bleibt der Ta-
• Nach § 80 Abs. 1 SächsWG darf der Plan für gebaurestsee ein künstliches Gewässer, daher ob-
die Herstellung eines Gewässers nur zuge- liegt die Pflicht zur Gewässerunterhaltung dauer-
lassen werden, wenn sichergestellt ist, dass haft seinem Eigentümer (§ 40 Abs. 1 Satz 1 WHG)
durch den beabsichtigten Ausbau eine Beein- und Hersteller (§ 70 Abs. 1 Nr. 5 SächsWG).
trächtigung des Wohls der Allgemeinheit nicht
zu erwarten ist oder diese durch Bedingungen Folgen des Grundwasserwiederanstiegs  Im
oder Auflagen verhütet oder ausgeglichen Zusammenhang mit dem Grundwasserwiederan-
wird. stieg sind vor allem zwei Probleme von heraus-
• Nach § 80 Abs. 2 SächsWG darf der Plan für ragender Bedeutung:
die Herstellung eines Gewässers nur zugelas-
sen werden, wenn sichergestellt ist, dass der Versauerungsproblem Die Versauerung des
beabsichtigte Ausbau Grundwassers und die damit einhergehenden
− nicht nachteilig auf das Recht oder die Folgen – die Entstehung sauren Seewassers, die
Befugnis eines anderen, ein Gewässer zu Weiterverschleppung des sauren Seewassers im
benutzen, einwirkt Grundwasser und dessen Einleitung in die natür-
− die Unterhaltung des Gewässers oder die lichen Vorfluter – stellen bergbaubedingte Ge-
sonstige Umsetzung von im Maßnahmen- wässerverunreinigungen dar, für die der Berg-
programm verbindlich festgelegten Maß- bauunternehmer die Sanierungsverantwortung
nahmen nicht erschwert trägt. Abbildung 3.8 zeigt die Färbung aufgehen-
den sauren Grundwassers im Tagebau Zwenkau.
90 F. von Bismarck et al.

auch zwischen den Berg- und Wasserbehörden,


dem Bergunternehmen und den Finanziers der
Braunkohlesanierung Einigkeit. Daher werden
diese Maßnahmen aus den so genannten § 2-Mit-
teln finanziert (s. Abschnitt 3.2.1).

Vernässungsproblem Dadurch, dass mit der


Einstellung der Wasserhaltung und der einset-
zenden Fremdflutung der Tagebaurestseen das
Grundwasser wieder ansteigt, kommt es in der
Abb. 3.8   Grundwasseraufgang im Tagebau Zwenkau Folge teilweise zu flurnahen Grundwasserstän-
2002 den, die zu Vernässungsschäden führen können.
Im besonderen Interesse stehen solche Schäden
Als Gewässerverunreinigung gelten Maßnah- an Gebäuden und Infrastruktureinrichtungen.
men, die geeignet sind, dauernd oder in einem Unstreitig ist, dass vor dem Hintergrund der
nicht unerheblichen Ausmaß schädliche Verän- Rammelsberg-Entscheidung des BVerwG (NVwZ
derungen der physikalischen, chemischen oder 1996) der Bergbautreibende für alle betriebsbe-
biologischen Beschaffenheit des Wassers herbei- dingten Risiken, d. h. Risiken, die aus dem Berg-
zuführen (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 WHG). Sind solche werksbetrieb herrühren, einzustehen hat und inso-
Veränderungen zu erwarten, ist nach § 12 Abs. 1 weit zur Gefahrenabwehr oder Entschädigung ver-
Nr. 1 WHG eine Erlaubnis oder Bewilligung pflichtet ist. Fraglich ist, ob dies so auch für Ver-
wegen einer Beeinträchtigung des Wohls der nässungsschäden durch das aufsteigende Grund-
Allgemeinheit zu versagen. Dieser Gemeinwohl- wasser gilt. Nach der herrschenden Meinung ist
begriff des Wasserrechts unterscheidet sich nicht davon auszugehen, dass, wenn das Grundwasser
vom Gemeinwohlbegriff des BBergG, wie er in auf ein höheres als das vorbergbauliche Niveau
§ 55 Abs. 1 Nr. 9 BBergG verwendet wird, sodass ansteigt oder es durch den Grundwasserwiederan-
ein entsprechender Abschlussbetriebsplan nur stieg zu Bodensackungen oder -hebungen kommt,
zugelassen werden darf, wenn durch geeignete, den Bergbauunternehmer die bergbauliche Verant-
am Maßstab des Wasserrechts gemessene Neben- wortung und damit Einstandspflicht trifft. Frag-
bestimmungen sichergestellt wird, dass eine Ver- lich ist, ob eine solche Verantwortlichkeit auch an-
letzung wasserrechtlicher Vorschriften nicht zu genommen werden kann, wenn das Grundwasser
befürchten ist. nur auf das vorbergbauliche Niveau ansteigt.
Diese Gewässerverunreinigungen sind auch Da diese Rechtsfrage zwischen Bund, Län-
bergbaubedingt. Zwar sind sie der Natur ihrer dern und dem Sanierungsbergbauunternehmen
Entstehung nach natürliche Vorgänge – Oxida- bisher nicht einvernehmlich geklärt werden
tion offen liegender, mit Wasser in Berührung konnte, eine streitige Auseinandersetzung über
kommender pyritischer Erze. Indes kommt es zur Jahre aber nicht nur die Sanierung erheblich ver-
Sauerwasserentstehung nur deshalb, weil durch zögern sondern auch die Sanierungskosten in die
die Bergbautätigkeit in großem Umfang solche Höhe treiben würde, haben sich die Finanziers
pyritischen Erze freigelegt worden sind. unter Zurückstellung ihrer unterschiedlichen
Da die Betriebseinstellung den Schlusspunkt Rechtspositionen dazu verständigt, die Kosten
der betrieblichen Aktivitäten bildet, sind etwai- der Folgen des Grundwasserwiederanstiegs hälf-
ge, durch die Bergbautätigkeit hervorgerufene tig zu teilen (s. Abschnitt 3.2.2).
Probleme nach der Konzeption, die § 55 Abs. 2
BBergG zugrunde liegt und die durch § 69 Wiederherstellung der Fließgewässer bzw.
Abs. 2 BBergG bestätigt wird, bis zu dem mit des Fließgewässersystems Mit Abschluss des
der Durchführung des Abschlussbetriebsplanes Braunkohlenbergbaus müssen auch die Fließ-
markierten Endpunkt zu lösen. Hierüber herrscht gewässer, die infolge des Bergbaus verlegt und
3  Rechtliche, finanzielle und organisatorische Grundlagen 91

Abb. 3.9   Entwick-


lungsphasen eines
Fließgewässers durch
den Braunkohlenbergbau
(GUB 2009)

abgedichtet wurden, wieder in den Gewässer- der Renaturierung in der Sicherung eines guten
haushalt eingegliedert werden. Dies bedeutet ökologischen Potenzials und eines guten chemi-
zunächst, dass sie erneut in ihr Einzugsgebiet schen Zustands besteht. Daraus ergeben sich ins-
eingebunden, also entdichtet werden, um zukünf- besondere folgende Anforderungen:
tig wieder einen Wasseraustausch zwischen • Schaffung von Überflutungs- und Retentions-
Fließgewässer und umgebendem Grundwasser räumen
zu ermöglichen (Abb. 3.9). • Initialmaßnahmen zur Reaktivierung von Ver-
Dieser erste Schritt ist jedoch nicht ausrei- zweigungen, Altarmen etc. zum Rückhalt von
chend, um die Anforderungen des Wasserrechts, Wasser in der Landschaft
und hier wieder im Besonderen der Wasserrah- • Wiederherstellung der ökologischen Durch-
menrichtlinie zu erfüllen: Die bergbaulich beein- gängigkeit, u. a. durch den Rück- und Umbau
flussten Fließgewässer sind zwar – anders als die von Querbauwerken
Tagebaurestseen – keine „künstlichen Gewäs- • Erhaltung und Wiederherstellung von fließge-
ser“. Allerdings sind sie regelmäßig „erheblich wässertypischen Lebensräumen.
veränderte Gewässer“, sodass auch hier das Ziel
92 F. von Bismarck et al.

Diese Maßnahmen stellen darüber hinaus einen Bergbaubetrieben organisatorische und techni-
Ausgleich für den infolge des Bergbaus dauer- sche Maßnahmen zur Umsetzung dieser Zielstel-
haft verloren gegangenen Retentionsraum dar. lung vereinbart.
In der niederschlagsarmen Lausitz sorgt eine
Praxis in der Braunkohlesanierung  Die größ- Flutungszentrale mit einer Vielzahl von Daten-
ten Veränderungen zwischen dem Zustand der anbindungen für kürzeste Reaktionszeiten bei
Landschaft vor und nach dem Braunkohlen- der Steuerung der Wasserzuführung aus den Ein-
bergbau über Tage sind auf die umfangreichen zugsgebieten von Spree, Schwarzer Elster und
Abraumbewegungen und die Gewinnung der Lausitzer Neiße. In Mitteldeutschland wird das
Kohle zurückzuführen. Die entstandenen Tage- ausreichende Wasserdargebot der Vorfluter er-
baurestlöcher mit einem Gesamtvolumen von gänzt durch die Bereitstellung von Sümpfungs-
ca. 5 Mrd. m³ lassen sich nicht mit vertretbarem wasser aus den aktiven Tagebauen der MIBRAG
Aufwand mit Feststoff auffüllen. Zwangsläufig GmbH.
nimmt nach der Einstellung der bergbaulichen Insgesamt werden aus etwa einem Viertel der
Sümpfungsmaßnahmen das Wasser die Tage- Gesamtfläche des stillgelegten Braunkohlenberg-
baurestlöcher durch den natürlichen Zustrom in baus Wasserflächen von ca. 27.000 ha entstehen
Besitz. Für die neu entstehenden Gewässer sind und die Landschaft um Bitterfeld, Leipzig, Senf-
vom Bergbauunternehmen die Böschungssys- tenberg und Hoyerswerda neu prägen. Für die
teme für die geplanten Folgenutzungen dauerhaft nachhaltige Entwicklung der Wasserbeschaffen-
stabil zu gestalten und durch eine mehrjährige heit in den Bergbaufolgegewässern entsprechend
Nachsorge so zu unterhalten, dass ihrer künst- den Vorgaben der Europäischen Wasserrahmen-
lichen Entstehung Rechnung getragen wird. richtlinie werden gegenwärtig Forschungspro-
Außerdem sind für herzustellende Gewässer jekte durchgeführt (s. Abschnitt 3.4.2). Der Sa-
Planverfahren nach dem Wasserhaushaltsgesetz nierungsbergbau kooperiert dabei erfolgreich mit
zu beantragen. In Verbindung mit der Flutung der einer Vielzahl von Partnern aus Wissenschaft,
Bergbaufolgegewässer in beiden ostdeutschen Verwaltung und Wirtschaft. Zur Wiederherstel-
Revieren sind mehr als 51 wasserrechtliche Plan- lung eines ausgeglichenen, sich weitgehend
feststellungsverfahren und mindestens 11 Plan- selbst regulierenden Wasserhaushaltes gehört
genehmigungsverfahren erforderlich. es auch, Fließgewässer, die durch oder für den
Im unmittelbaren Zusammenhang mit der Braunkohlenbergbau direkt verändert oder in-
Gewässerherstellung steht eine weitere bergbau- direkt in ihrer Funktionsfähigkeit beeinträchtigt
verursachte technische Herausforderung. Die wurden, so zu renaturieren, dass sie den Anforde-
entwässerungsbedingte Belüftung tiefer Boden- rungen des nachbergbaulichen Landschaftswas-
schichten in den Grundwasserabsenkungsberei- serhaushalts gerecht werden.
chen des Bergbaus führt durch Oxydations- und
Lösungsprozesse zur erheblichen Senkung des
pH-Wertes sowie zur Erhöhung von Schadstoff- 3.1.4  Umweltrecht
konzentrationen im Grund- und Oberflächenwas-
ser (s. Abschnitt 5.1.4). Der natürliche, langsame Bergrecht und der im Folgenden behandelte spe-
Anstieg des Grundwassers würde nach hydro- zielle Teil des Umweltrechts berühren sich vor
geologischen Modellrechnungen in den meisten allem zu Beginn und am Ende der bergbaulichen
Fällen zu einer Wasserqualität führen, die vor Aktivitäten. Am Anfang stehen zu genehmigen-
der Einleitung in Vorfluter eine Behandlung er- de Eingriffe und (temporäre) Verschlechterun-
fordert. Eine wirksame Gegenmaßnahme ist die gen der vorhandenen Umweltsituation, welche
schnelle Einleitung möglichst großer Mengen bewertet und kompensiert werden müssen. Ein
neutralen Wassers in die Tagebaurestlöcher. Teil der Kompensation ist die Wiedernutzbarma-
Daher hat der Bergbausanierer gemeinsam mit chung als das Ende der bergbaulichen Aktivitäten
den betreffenden Bundesländern und aktiven in der Landschaft.
3  Rechtliche, finanzielle und organisatorische Grundlagen 93

Entsprechend § 4 Abs. 4 BBergG hat die Wie- − Standort für sonstige wirtschaftliche und
dernutzbarmachung, d. h. die ordnungsgemäße öffentliche Nutzungen (Verkehr, Ver- und
Gestaltung der vom Bergbau in Anspruch genom- Entsorgung).
menen Oberfläche unter Beachtung des öffentli- Die Rohstoffgewinnung ist eine Nutzungs-
chen Interesses, zu erfolgen (s. Abschnitt 3.1.2). funktion des Bodens, die in § 2 Abs. 2 Nr. 3 a
Die künftige Nutzung wird vom bergrechtlichen BBodSchG ausdrücklich genannt ist.
Begriff der Wiedernutzbarmachung jedoch nicht
erfasst. Dies bedeutet, dass im Rahmen der Vor- Verhältnis von Bergrecht zu Bodenschutzrecht
sorge für eine künftige anderweitige Nutzung Im § 3 des BBodSchG werden der Anwendungs-
dem „öffentlichen Interesse“ durch die Berück- bereich des Gesetzes als auch die fachgesetzli-
sichtigung der Erfordernisse der einschlägigen chen Vorschriften, neben denen das BBodSchG
rechtlichen Vorschriften Rechnung zu tragen ist. subsidiär anzuwenden ist, bestimmt. Der Vor-
Hierzu zählen u. a. die Ziele und Erfordernisse rang des Bergrechts ergibt sich aus § 3 Abs.1 Nr.
von Raumordnung und Landesplanung, des Bo- 10 BBodSchG. Dies bedeutet, dass aufgrund des
denschutzes, des Naturschutzes und der Land- BBergG erlassene Rechtsverordnungen über die
schaftspflege sowie auch der Erholung. (LABO Errichtung, Führung oder Einstellung eines Betrie-
2000) bes vorrangig sind, soweit sie Einwirkungen auf
den Boden regeln. Erst nach Beendigung der Berg-
Bodenschutz:  Boden ist die obere Schicht aufsicht gilt das Bodenschutzrecht unmittelbar.
der Erdkruste als Träger der Bodenfunktionen, Die Zweckbestimmung des BBergG, den
die aus mineralischen Teilchen, organischer Bergbau zur Gewährleistung der Rohstoffversor-
Substanz und lebendigen Organismen besteht, gung zu sichern und zu ordnen, ist unter den Vor-
einschließlich der flüssigen Bestandteile (Boden- behalt des sparsamen und schonenden Umgangs
lösung) und der gasförmigen Bestandteile mit Grund und Boden gestellt.
(Bodenluft). Nicht dazu zählen das Grundwasser Durch die Verwendung unbestimmter Rechts-
und Gewässerbetten (§ 2 Bundesbodenschutzge- begriffe im BBergG finden das BBodSchG und
setz (BBodSchG) i. V. mit DIN 19731). auch die Bundes-Bodenschutz- und Altlastenver-
Bodenfunktionen werden unterschieden in: ordnung (BBodSchV) Eingang in das Bergrecht.
• Natürliche Funktionen des Bodens als So sind die Erfordernisse des Bodenschutzrechts
− Lebensgrundlage und Lebensraum für insbesondere bei der Auslegung folgender Vor-
Menschen, Tiere, Pflanzen und Boden- schriften zu beachten:
organismen • § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BBergG, wonach ein
− Bestandteil des Naturhaushalts, insbeson- bergrechtlicher Betriebsplan nur zugelassen
dere mit seinen Wasser- und Nährstoff- werden darf, wenn „die erforderliche Vorsorge
kreisläufen zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche in
− Abbau-, Ausgleichs- und Aufbaumedium dem nach den Umständen gebotenen Ausmaß
für stoffliche Einwirkungen aufgrund der getroffen ist“
Filter-, Puffer- und Stoffumwandlungs- • § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBergG, wonach ein
eigenschaften, insbesondere auch zum Abschlussbetriebsplan nur zugelassen werden
Schutz des Grundwassers. darf, wenn „gemeinschädliche Einwirkungen
• Funktionen als Archiv der Natur- und Kultur- der Aufsuchung oder Gewinnung nicht zu
geschichte erwarten sind“
• Nutzungsfunktionen als • § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG, wonach „in
− Rohstofflagerstätte anderen Fällen … die für die Zulassung von
− Fläche für Siedlung und Erholung Betriebsplänen zuständige Behörde eine Auf-
− Standort für die land- und forstwirtschaft- suchung oder Gewinnung beschränken oder
liche Nutzung untersagen kann, soweit ihr überwiegend
öffentliche Interessen entgegenstehen.“
94 F. von Bismarck et al.

Abb. 3.10   Einfluss des


Umweltrechtes auf das
Bergrecht

Die grundlegenden Zusammenhänge zwischen folgt die Abarbeitung. Bei der Sanierung angefal-
Umwelt- und Bergrecht verdeutlicht Abbil- lene oder ungeplant aufgefundene Abfälle werden
dung 3.10. entsprechend Kreislaufwirtschafts- und Abfallge-
setz KrW-/AbfG entsorgt und der Entsorgungsweg
Anwendung in der Braunkohlesanierung Bei lückenlos dokumentiert. Hierzu wird umfangrei-
der Herstellung notwendiger geotechnischer Si- che Spezialsoftware eingesetzt. Bodengeologische
cherheiten durch Stützanschüttungen, Auffüllun- Gutachten und anschließende Qualitätsnachweise
gen, untertägige Verfüllungen ebenso Böschungs- sind die Voraussetzung für die Bodenmelioration
stabilisierungen durch Verdichtung und Neigungs- und Weiterbehandlung der Flächen. Alle neueren
regulierung, der Massengewinnung, Abgrabungen Gutachten werden zu tagebauumfassenden Kar-
beim Bau von Zu- und Ableitern, der Rekultivie- tenwerken zusammengestellt (s. Abschnitt 8.3).
rung sowie dem Deponiebau findet das Boden-
schutzrecht Beachtung. Bei der Verwertung von Naturschutz  Die Bergbausanierung ist ohne
mineralischen Abfällen zur Verfüllung stehen über- die frühzeitige Klärung der Belange des Natur-
wiegend bergtechnische Gesichtspunkte und nicht schutzes nicht erfolgreich. Das Bundesnatur-
die Herstellung natürlicher Bodenfunktionen am schutzgesetz (BNatSchG) ist sogar die einzige
Standort im Vordergrund. Von diesen Maßnahmen Rechtsgrundlage, in der unter Bezugnahme auf
darf insgesamt nicht die Besorgnis des Entstehens die Eingriffe des Bergbaus der Begriff „Rekulti-
einer schädlichen Bodenveränderung ausgehen. vierung“ ausdrücklich genannt wird (§ 2 Abs. 2
Der Versatz umfasst vor allem Abfälle aus Bau und Ziffer 7 BNatSchG). Für den Naturschutz gilt
Abbruch sowie aus Kraftwerken. grundsätzlich die gleiche Subsidiarität gegenüber
Der Einsatz biologischer Abfälle zur Herstel- dem Bergrecht wie für den Bodenschutz.
lung natürlicher Bodenfunktionen unterliegt da- Dies trifft aber nicht für die NATURA 2000
gegen voll den Vorgaben des Boden- und Grund- Richtlinien der EU zu. Die Vogelschutzrichtlinie
wasserschutzes. Ein Leitfaden zum Einsatz von (RL 79/ 409 EWG vom 2. April 1979) und die
Kompost und Klärschlamm bei der Rekultivie- Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) (RL 92/
rung gibt verlässliche Vorgaben zu diesen Pro- 43 EWG vom 21. Mai 1992) sind über das Bun-
duktgruppen (Hüttl et al. 2005). Bodenhilfsstof- desnaturschutzgesetz und die Naturschutzgeset-
fe, Wirtschaftsdünger und mineralische Dünger ze der Länder vorrangig. Führen die nach diesen
unterliegen den entsprechenden Verordnungen Richtlinien durchzuführenden Verfahren der Ein-
und müssen wie die biologischen Abfälle ins- griffsbewertung zu einem negativen Ergebnis be-
besondere den Anforderungen des § 12 Abs. 2 steht ein Eingriffsverbot. Nur besondere öffent-
BBodSchG entsprechen. Ziel des Einsatzes muss liche Interessen wie z. B. die Gefahrenabwehr
die nachhaltige Sicherung oder Wiederherstel- können, gegebenenfalls unter Einbeziehung der
lung mindestens einer der genannten Bodenfunk- EU-Kommission, das Eingriffsverbot beseitigen
tionen sein. Der Bergbausanierer erprobt den und die geplante bergbauliche Maßnahme geneh-
Einsatz verschiedenster Produkte. Mineralische migungsfähig machen.
Dünger befinden sich im Regeleinsatz. Die Anwendung der Eingriffsregelung ent-
Durch das Altlastenkataster des Bergbauunter- sprechend der Landesnaturschutzgesetze auf Flä-
nehmens werden alle Verdachtsflächen umfassend chen unter Bergrecht ist umstritten. Grundsätz-
dokumentiert. Entsprechend der Priorisierung er- lich gilt, dass die bergrechtliche Wiedernutzbar-
3  Rechtliche, finanzielle und organisatorische Grundlagen 95

machung der Ausgleich für durch den Bergbau Sanierungsprojektträger hierbei zur Begutach-
getätigte Eingriffe in Natur und Landschaft ist. tung verpflichtet.
Das Fischereirecht regelt einerseits Nutzungs-
Waldgesetze:  Wald ist jede mit Forstpflanzen privilegien und definiert die Voraussetzungen
(Waldbäumen und Waldsträuchern) bestockte hierzu. Andererseits werden die Nutzer zum
Grundfläche, die durch ihre Größe geeignet ist, Schutz und Erhalt der Fische, der Fischnährtie-
eine Nutz-, Schutz- oder Erholungsfunktion aus- re sowie von deren Lebensräumen verpflichtet.
zuüben. Als Wald gelten auch mit dem Wald Neben der auch für das Fischereirecht geltenden
verbundene oder ihm dienende Flächen wie Nachrangigkeit gegenüber dem Bergrecht be-
Waldwiesen, im Wald liegende kleinere Wasser- steht eine Besonderheit des Fischereirechts. Der
flächen, Moore, Heiden und Ödland, Waldwege Zeitpunkt, ab wann das Fischereirecht auf Berg-
und Holzlagerplätze. Wald wird also über das baufolgegewässern in Verantwortung des Berg-
tatsächliche Vorhandensein in Verbindung mit bauunternehmens gilt, ist von der Erfüllung tat-
wenigstens einer der oben genannten Funktionen sächlicher Voraussetzungen abhängig.
definiert. Die entstehenden Restseen sowie die Zu- und
In der Bergbausanierung bedeutet das, dass Ableiter unterliegen bis zur Beendigung der
häufig in den Wald eingegriffen werden muss. Bergaufsicht dem Bergrecht. Solange der End-
Vergleichbar dem Naturschutz sind die hoheitli- wasserstand des einzelnen Gewässers nicht an-
chen Regelungen zum Schutz und Erhalt des Wal- nähernd erreicht ist und die gewässerseitigen Bö-
des Angelegenheiten der Länder. Das Berggesetz schungen nicht stabilisiert sind, können die Seen
ist vorrangig gegenüber dem jeweiligen Waldge- nicht für eine fischereiliche Nachnutzung freige-
setz. Die Bewertung des Eingriffs sowie Ersatz- geben werden. Das Fischereirecht geht aber wie
und Ausgleichspflichten erfolgen, wie im Natur- das Forstrecht von tatsächlich vorhandenen Tat-
schutz, dann jedoch nach den jeweiligen Regelun- beständen, wie einer geeignet großen, permanen-
gen des Landesrechts. In der Rekultivierung sind ten Wasserfläche aus.
die inhaltlichen Anforderungen des Waldrechts Zur Lösung dieses Konfliktes und zur Abgren-
für entsprechende Flächen zu beachten. zung der Hegeverpflichtung des Sanierers wurde
eine entsprechende Richtlinie des StuBA im Jahr
Umsetzung in der Braunkohlesanierung Die 2002 erlassen (s. StuBA 2002). In ihr wird noch
„Forstlichen Grundsätze in der LMBV mbH“, eine dritte Voraussetzung, eine dauerhafte Stabi-
auf der Basis der waldbaulichen Grundsätze der lität des pH-Wertes von mind. 6,0 festgelegt.
Länder und deren rechtlicher Vorgaben sowie die Ziel der Hegeverpflichtung ist ein jeweils
Vorgaben der Sanierungspläne und Abschlussbe- Restsee typisches fischereiökologisches Leitbild,
triebspläne, regeln die forstliche Rekultivierung nicht aber die wirtschaftliche Nachnutzung (s.
als Teilaufgabe der Wiedernutzbarmachung. Eine Abschnitt 8.8).
Erfassung aller entsprechend den Waldgesetzen
umgewandelten Flächen und deren Wiederher-
stellung bzw. Ausgleich in einem eigenen Katas- 3.2 Finanzierung der Braunkohle-
ter dokumentieren deren Stand (s. Abschnitt 8.5). sanierung

Fischereirecht  Das Fischereirecht ist das Als das ganze Ausmaß der durch Bergbau und
jüngste Rechtsgebiet mit Relevanz im Sanie- Chemische Industrie verursachten Umweltpro-
rungsbergbau. Durch die Beendigung der Grund- bleme in den Jahren 1991-1992 deutlich wurde,
wasserhebung und aktive Flutungsmaßnahmen setzte sich schnell die Erkenntnis durch, dass die
entstehen in großer Zahl Stand- und Fließge- Finanzierung dieser Aufgabe nur mit großer An-
wässer. Von wenigen Ausnahmen abgesehen strengung und unter Einbindung aller unmittelbar
unterliegen diese sämtlich dem Fischereirecht. Betroffener geschehen konnte. Mit den bereits
Innerhalb der wasserrechtlichen Verfahren ist der eingesetzten arbeitsmarktpolitischen Instrumen-
96 F. von Bismarck et al.

ten wie Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) eingeleitet worden. Es ging darum, die privati-
war diese Aufgabe nicht zu schultern. Der Blick sierungsfähigen Tagebaue zu identifizieren und
richtete sich auf die Regierung, und zwar sowohl die Dimension der Altlasten zu bestimmen. Zu
auf die Bundesregierung wie auch auf die Regie- nennen sind hier zum Beispiel die Gutachten der
rungen der betroffenen neuen Bundesländer. Prüfgruppe unter Leitung von Prof. Dr. Rainer
Auch wenn es deutliche Unterschiede in den Ludewig (Ludewig 1992) zu den notwendigen
Einschätzungen des Umfanges der jeweiligen Rückstellungen für Altlasten in den Eröffnungs-
Verpflichtungslage zwischen dem Bund und den bilanzen der Bergbauunternehmen der THA und
Ländern gab, wurde jedoch nie daran gezwei- das Gutachten von Prof. Dr. Rolf Dieter Stoll
felt, sich der Verantwortung bei der Lösung der (Stoll 1993) zur Tagebauentwicklung in der Lau-
Sanierungsaufgabe in vollem Umfang stellen zu sitz. Daraufhin wurde ein Kataster der Braun-
müssen. kohlenindustrie erarbeitet, bei dem unterschieden
Und so begannen der Bund und die neuen wurde zwischen
Bundesländer Mitte 1992 mit den Vorbereitun- • langlaufenden Tagebauen (A)
gen für ein spezielles, den besonderen Altlasten- • mittel- bzw. kurzfristig stillzusetzenden bzw.
problemen der Braunkohle und der Chemie an- auslaufenden Tagebauen (B)
gepasstes gemeinsames Sanierungsinstrument, • bereits (vor dem 31.12.1992) stillgesetzten
das auch beschäftigungspolitische Aspekte be- Tagebauen (C).
inhalten sollte. Zwischen 1990 und 1993 hatten Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl hatte zur engen
hunderttausende von Bergleuten und Chemie- Abstimmung mit den neuen Bundesländern regel-
arbeitern ihre Arbeitsplätze verloren. Ziel war es, mäßige so genannte „Kanzlerrunden“ eingerich-
die Finanzierung der Altlastensanierung über ein tet. Auf der 13. Sitzung am 28. September 1992
Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Län- wurde eine Einigung über die Finanzierung der
dern zu regeln. ökologischen Altlasten zwischen Bund und Län-
dern erzielt. In einer Presseerklärung von Kanz-
leramtsminister Friedrich Bohl am 23.10.1992
3.2.1  Verwaltungsabkommen hieß es dazu (Presse- und Informationsamt der
Bundesregierung 1992):
Hintergrund  Die wesentlichen Impulse für die „Die Verhandlungen der Bundesregierung
Schaffung eines Sanierungsinstrumentes kamen mit den Ländern Berlin, Brandenburg, Meck-
zunächst von der Bundesregierung im intensi- lenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt
ven Austausch mit der Treuhandanstalt (THA). und Thüringen über eine Finanzierungsregelung
Neben den Bundesministerien für Arbeit und So- der ökologischen Altlasten sind erfolgreich ab-
zialordnung (BMA) und Wirtschaft (BMWi) ist geschlossen worden. … Für die Braunkohle be-
hier besonders das Bundesministerium für Um- deutet dies, dass ab dem Jahr 1993 ca. 1,5 Mrd.
welt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) DM pro Jahr für die Altlastensanierung zur Ver-
unter Leitung von Prof. Klaus Töpfer zu nennen. fügung stehen. Diese setzen sich aus dem Priva-
Da es im Wesentlichen darum ging, die für die tisierungserlös, den genehmigten ABM-Mitteln
Sanierungsaufgabe benötigten Mittel zur Verfü- im Braunkohlenbereich sowie den zu erwarten-
gung zu stellen, wurde natürlich auch das Bun- den Mitteln im Rahmen der Neuregelung des
desministerium der Finanzen (BMF) von Beginn § 249 h AFG zusammen. Der verbleibende Rest
an in den Abstimmungsprozess mit einbezogen. wird von den Ländern und der Treuhandanstalt
Das Kanzleramt wurde über die Vorbereitungen im oben beschriebenen Verhältnis 75 (THA) zu
auf dem Laufenden gehalten. 25 (Länder) gedeckt. Zur Koordinierung und Ab-
Zur Vorbereitung der anstehenden Ent- stimmung von Einzelfragen wird unverzüglich
scheidungen waren in Verantwortung der Treu- eine Arbeitsgruppe gebildet, an der neben Bund
handanstalt Untersuchungen zur Situation des und Ländern auch die Treuhandanstalt teilneh-
Braunkohlenbergbaus und der Bergbaualtlasten men wird.“
3  Rechtliche, finanzielle und organisatorische Grundlagen 97

Abb. 3.11   Ebenen der


Braunkohlesanierung

Damit war der Grundstein für den Abschluss lung der Finanzierung der ökologischen Altlasten
des Verwaltungsabkommens über die Regelung vom 10. Januar 1995“ Bestandteil des VA-Altlas-
der Finanzierung der ökologischen Altlasten tenfinanzierung und gilt bis heute.
(VA-Altlastenfinanzierung) am 01.12.1992 ge- Danach bildete der Bund, vertreten durch
legt, das rückwirkend zum 15.10.1992 in Kraft die Bundesministerien der Finanzen (BMF),
trat. Bis heute wurden weitere vier Verwaltungs- für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
abkommen zur Braunkohlesanierung abgeschlos- (BMU), Arbeit und Sozialordnung (BMA) und
sen. Inzwischen gilt das VA V, dessen Laufzeit im Wirtschaft (BMWi) zusammen mit den Braun-
Jahr 2017 endet. kohlenländern Brandenburg, Sachsen, Sach-
sen-Anhalt und Thüringen auf der 1. Ebene
VA-Altlastenfinanzierung (VA I)  Das VA I war ein spezielles Bund-Länder-Entscheidungsgre-
auf eine Laufzeit von fünf Jahren, 1993 bis 1997, mium für alle Fragen der Braunkohlesanierung,
ausgelegt. Die in den Jahren 1991 und 1992 nämlich den Steuerungs- und Budgetausschuss
begonnene Braunkohlesanierung über ABM (StuBA). Die fachliche Zuarbeit für die Wahr-
wurde nahtlos in die Neuregelung eingefügt, nehmung der Aufgaben des Steuerungs- und
sodass die bisher in der Braunkohlesanierung Budgetausschusses leistete eine Geschäftsstel-
über ABM beschäftigten Bergleute weiterarbei- le, heute die Bund-Länder-Geschäftsstelle für
ten konnten (VA Altlastenfinanzierung 1992). die Braunkohlesanierung.
Hinsichtlich der Finanzierung sah das VA eine Auf der 2. Ebene übernahm die Lausitzer
Kostenaufteilung zwischen Bund, Ländern, Bun- und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesell-
desanstalt für Arbeit und Treuhandanstalt vor (s. schaft mbH (LMBV) als Eigentümerin der still-
Abschnitt 3.2.2). gelegten und nur befristet weiter zu betreibenden
Die angekündigte „Gemeinsame Arbeitsgrup- Tagebaue sowie als bergrechtlich Verpflichtete
pe“ zwischen Bund, Ländern und der Treuhand- die Trägerschaft für die Sanierungsprojekte, ein-
anstalt nahm ihre Arbeit bereits Ende 1992 auf. schließlich deren Planung. Die Projekte mussten
Sie erarbeitete u. a. das „Gemeinsame Positions- im StuBA genehmigt werden und konnten da-
papier von Bund und Braunkohlenländern zur nach von der LMBV ausgeschrieben und an ge-
langfristigen Finanzierung und Organisation der eignete Fachunternehmen, die auf der 3. Ebene
Braunkohlesanierung vom 11.10.1994“, in wel- der Braunkohlesanierung agieren, vergeben wer-
chem vor allem die Verantwortlichkeiten und den (s. Abb. 3.11).
Aufgaben der Akteure der Braunkohlesanierung Bei der Planung und Durchführung der Sanie-
festgelegt waren. Das Positionspapier wurde mit rungsprojekte spielen struktur-, regional-, kom-
dem „Ersten Verwaltungsabkommen zur Ände- munal- und arbeitsmarktpolitische Aspekte eine
rung des Verwaltungsabkommens über die Rege- wesentliche Rolle. Diese besonderen Belange
98 F. von Bismarck et al.

der Braunkohlenländer werden dabei durch deren legt, dass „... für den Zeitraum nach 2002 recht-
Mitwirkung in so genannten Regionalen Sanie- zeitig und einvernehmlich (ein) möglichst be-
rungsbeiräten (RSB) berücksichtigt. darfsgerechter Finanzrahmen für die Fortsetzung
Das Finanzierungsvolumen des ersten VA der Braunkohlesanierung“ zur Verfügung steht
von 1993 bis 1997 belief sich auf 7,5 Mrd. DM (VA Braunkohlesanierung 1997).
(3,86 Mrd. €). Im Übrigen war bereits im Posi-
tionspapier von 1994 festgelegt worden, dass auf VA III Braunkohlesanierung (VA III) Am
Basis des VA I die Finanzierung der Sanierung 26.06.2002 wurde das Zweite ergänzende Ver-
der Altlasten in der Braunkohlesanierung über waltungsabkommen zum Verwaltungsabkom-
das Jahr 1997 hinaus verlängert wird. Bund und men über die Regelung der Finanzierung der
Länder vereinbarten, rechtzeitig einvernehmlich ökologischen Altlasten (VA Altlastenfinanzie-
einen neuen Finanzrahmen für zunächst weitere rung) in der Fassung vom 10. Januar 1995 über
fünf Jahre festzulegen. Das Ergebnis war das VA die Finanzierung der Braunkohlesanierung in den
II. Jahren 2003 bis 2007 (VA III Braunkohlesanie-
rung) abgeschlossen, das am 01.01.2003 in Kraft
VA Braunkohlesanierung (VA II)  Das Ergän- trat.
zende Verwaltungsabkommen zum Verwaltungs- Das Verwaltungsabkommen für die Jahre
abkommen über die Regelung der Finanzierung 2003 bis 2007 konstatierte in seiner Präambel
der ökologischen Altlasten (VA Altlastenfinan- erstmals die großen Fortschritte in der Braun-
zierung) in der Fassung vom 10.01.1995 über die kohlesanierung und den Wandel der LMBV vom
Finanzierung der Braunkohlesanierung in den Bergbau- zu einem modernen Dienstleistungs-
Jahren 1998–2002 (VA Braunkohlesanierung) unternehmen der Sanierung, Wiedernutzbarma-
wurde am 18.07.1997 abgeschlossen und trat am chung und Verwertung bergbaulich in Anspruch
01.01.1998 in Kraft. genommener Flächen.
Das VA II unterschied sich vor allem dadurch Das Abkommen selbst unterschied sich hin-
vom VA I, dass sich die Braunkohlenländer in sichtlich der Finanzierungsquellen grundsätzlich
einem besonderen § 4 verpflichteten, pro Jahr nicht vom Vorläufer. Allerdings gab es inhaltlich
zusätzlich zu ihrem Finanzierungsbeitrag von eine wesentliche Ergänzung. Bund und Länder
25 % des jährlichen Plafonds weitere Mittel zur hatten sich darüber verständigt, unter Zurückstel-
Durchführung von Maßnahmen im Bereich des lung unterschiedlicher Rechtsstandpunkte und
Braunkohlenaltbergbaus, zur Erreichung eines ohne Anerkennung einer Rechtspflicht über die
Folgenutzungsstandards über die Verpflichtung Gesamtlaufzeit des Abkommens erhebliche Mit-
der LMBV hinaus entsprechend den Zielen der tel für Maßnahmen zur Abwehr von Gefährdun-
Raumordnung und Landesplanung sowie zur Ab- gen im Zusammenhang mit dem Wiederanstieg
wehr von Gefährdungen beim Wiederanstieg des des Grundwassers bereitzustellen. Diese wesent-
Grundwassers einzusetzen. Der LMBV wurde liche inhaltliche Erweiterung, die den neuen He-
zugleich verbindlich die Planung und Durch- rausforderungen entsprach, wurde im § 3 des VA
führung der Maßnahmen im Auftrag der Länder III verankert. Gleichzeitig wurde die LMBV mit
übertragen. Außerdem war vorgesehen, Mittel der ausschließlichen Projektträgerschaft auch für
nach § 4 für Maßnahmen nach § 1 einzusetzen, diese Maßnahmen beauftragt.
soweit letztere nicht ausreichten. Solche Vorhaben waren zusammen mit ande-
Weitere Mittel sollten aus Lohnkostenzu- ren im VA II noch über § 4 realisiert worden. Der
schüssen der damaligen Bundesanstalt für Arbeit § 4 des neuen Verwaltungsabkommens wurde
bereitgestellt werden. insofern modifiziert, da die hierfür vorgesehe-
Da sowohl dem Bund als auch den Braun- nen Finanzmittel unter Anrechnung von Lohn-
kohlenländern klar war, dass bis Ende 2002 die kostenzuschüssen der Bundesanstalt für Arbeit
Braunkohlesanierung mit Sicherheit nicht abge- schwerpunktmäßig für die Durchführung von
schlossen werden könnte, wurde erneut festge- Maßnahmen zur Erhöhung des Folgenutzungs-
3  Rechtliche, finanzielle und organisatorische Grundlagen 99

Abb. 3.12   Finanzvolumi- 0UG¼


na für die Braunkohlesa-

nierung nach Verwaltungs-
abkommen
  9$9
6FKlW]XQJGHU*HVDPWNRVWHQ
0UG'0 0UG¼  9$,9


9$,,,



9$,,


,VW±.RVWHQ
ELV(QGH0UG¼
9$,
 *HVFKlW]WHUZHLWHUHU
 %HGDUIDE0UG¼

$%0

     

standards eingesetzt werden sollten. Zugleich Lohnkostenzuschüssen als Finanzierungsquelle


wurde die Höhe der dafür einzusetzenden Mittel wurde erstmals verzichtet. Unabhängig davon
verbindlich fixiert. Die Entscheidung über die ist es nach wie vor erklärtes arbeitsmarktpoliti-
Vergabe der Projektträgerschaft für diese Maß- sches Ziel der Finanziers, wann immer möglich,
nahmen war allerdings im Unterschied zum Vor- geförderte Arbeitnehmer in allen Bereichen der
gängerabkommen nunmehr den Ländern selbst Braunkohlesanierung einzusetzen. Eventuelle
überlassen. Lohnkostenzuschüsse wirken sich aber nicht zu-
Erstmals enthielt das Verwaltungsabkommen wendungsmindernd aus, sondern erhöhen ggf.
in den Anlagen 1 und 2 die jährliche Aufteilung den festgelegten Finanzierungsrahmen für die
der Mittel für Maßnahmen der Grundsanierung Sanierungsverpflichtungen gemäß der §§ 2 und
nach § 2 und des Budgets für Vorhaben gemäß 3 sowie für Maßnahmen nach § 4 (VA IV Braun-
§ 3 sowie deren Aufschlüsselung auf den Bund kohlesanierung 2007).
und die einzelnen Länder (VA III Braunkohlesa- Das Mitte 2007 abgeschlossene vierte Ver-
nierung 2002). waltungsabkommen ist nicht zuletzt auch ein ein-
drucksvoller Beleg für den großen Erfolg und die
VA IV Braunkohlesanierung (VA IV)  Seit dem hohe Akzeptanz der Braunkohlesanierung in den
01.01.2008 ist das Dritte ergänzende Verwal- neuen Bundesländern – aus Sicht der politisch
tungsabkommen zum Verwaltungsabkommen Verantwortlichen, der betroffenen Bevölkerung
über die Regelung der Finanzierung der ökologi- und natürlich auch der Projektverantwortlichen.
schen Altlasten (VA Altlastenfinanzierung) in der Anderenfalls wäre es mit Sicherheit nicht gelun-
Fassung vom 10.01.1995 über die Finanzierung gen, beim Bund und bei den Ländern für weitere
der Braunkohlesanierung in den Jahren 2008 fünf Jahre erneut erhebliche Mittel für die Fort-
bis 2012 (VA IV Braunkohlesanierung), das am setzung der Braunkohlesanierung bereitzustel-
02.07.2007 abgeschlossen wurde, in Kraft. len. Abbildung 3.12 gibt einen Überblick über
Das VA IV beinhaltet als Anlagen 1 und 2 den gesamten Finanzierungsumfang der Braun-
in Anlehnung an das Vorgängerabkommen den kohlesanierung.
jährlichen Rahmen der für die Braunkohlesa-
nierung aufzubringenden Mittel, einschließlich Neue inhaltliche Schwerpunkte  Im Laufe der
der Aufteilung des Budgets auf Bund und Län- Jahre haben sich die Sanierungsziele und -inhalte
der. Auf den speziellen Ausweis der Mittel aus – bedingt allein schon durch die inzwischen
100 F. von Bismarck et al.

Abb. 3.13   Beschäftigungswirkungen der Braunkohlesanierung 1991–2010

erfolgreich durchgeführten Sanierungsmaßnah- Mittlerweile stehen Sanierungsleistungen im


men – gewandelt. Vordergrund, die auf relativ wenig, aber speziali-
Anfang und Mitte der 90er Jahre spielten siertes Personal zurückgreifen. Der Schwerpunkt
arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitische As- liegt jetzt und künftig auf der Wiederherstellung
pekte eine wesentliche Rolle. Damals galt es, eines sich weitgehend selbst regulierenden Was-
möglichst vielen arbeitslos gewordenen bzw. von serhaushalts durch Flutung der Restlöcher, Si-
Arbeitslosigkeit bedrohten Bergbaubeschäftigten cherung der erforderlichen Wasserqualität und
zumindest vorübergehend Arbeitsmöglichkeiten die Abwehr von Gefährdungen durch das auf-
zu beschaffen. Die in der Anfangszeit der Sanie- steigende Grundwasser. Eine bedeutende Rolle
rung, insbesondere im Bereich der Tagebaue und spielt auch die Verdichtung von gekippten Bo-
der Veredlungsstandorte durchgeführten Maß- denmassen.
nahmen, waren außerordentlich beschäftigungs- Soweit Gefährdungen im Zusammenhang
intensiv. Immerhin konnten durch die Sanie- mit dem Grundwasserwiederanstieg auftreten,
rungsmaßnahmen in 1993 rd. 13.600, 1994 über die nicht mit Maßnahmen der Grundsanierung
17.200, 1995 fast 16.700 und 1996 fast 11.800 gemäß § 2 abgewendet werden können bzw. für
geförderte Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt welche die LMBV bergschadensrechtlich verant-
beschäftigt werden. Danach entwickelte sich wortlich ist, besteht, wie bereits erwähnt, seit dem
wegen der geänderten Sanierungsschwerpunkte VA III die Möglichkeit, Sanierungsleistungen zur
diese Zahl kontinuierlich rückläufig; die Aufga- Abwehr der mit dem Grundwasserwiederanstieg
benschwerpunkte in der Sanierung verschieben verbundenen Gefahren nach § 3 durchzuführen.
sich bis heute von beschäftigungsintensiven zu Die Finanziers gehen davon aus, dass mit der
weniger beschäftigungsintensiven Arbeiten. Tä- Einführung des § 3 in die Verwaltungsabkommen
tigkeiten wie Demontage von Veredlungsanla- ab 2002 eine gute Grundlage dafür geschaffen
gen, Massenumlagerungen und Rekultivierung wurde, die Braunkohlesanierung wirtschaftlich
gehen stark zurück. Abbildung 3.13 verdeutlicht, und effizient durchzuführen und gezielt kosten-
dass von der Braunkohlesanierung vor allem in erhöhende Verzögerungen, insbesondere in was-
den 1990er Jahren erhebliche Beschäftigungs- serrechtlichen Planfeststellungsverfahren, ver-
wirkungen ausgingen. meiden zu können.
3  Rechtliche, finanzielle und organisatorische Grundlagen 101

Im Wesentlichen können aus den Mitteln Auch die Flutung der Restlöcher ist Bestand-
des § 3 folgende Leistungen bzw. Maßnahmen teil der Maßnahmen nach § 2. So entsteht z. B.
durchgeführt werden: in der Oberlausitz, an der Grenze zu Polen aus
• Planungsleistungen dem ehemaligen Tagebau Berzdorf der gleichna-
• Monitoring mige See durch Einleitung von Wasser aus dem
• Geotechnische Leistungen deutsch-polnischen Grenzfluss Neiße und der
• Wasserbauliche Anlagen inkl. Betriebskosten Pließnitz. Mit einer Tiefe von 70 m und einem
• Baumaßnahmen an Vorflutern Wasserkörper von rd. 330 Mio. m³ wird der Berz-
• Sanierung von Altlasten, sofern keine Dritten dorfer See der sächsische Bergbaufolgesee mit
verpflichtet sind dem größten Seevolumen sein.
• Sicherung von gefährdeten Infrastrukturein-
richtungen Maßnahmen nach  § 3  Mit dem Wiederanstieg
• Gebäudesicherung (Komplexlösungen für des Grundwassers nach Einstellung der Sümp-
bebaute Bereiche und Einzelhaussicherung). fung und dem Beginn der Flutung der Tagebaue
Näheres zur Einordnung von Maßnahmen im Zu- in den Bergbauregionen trat eine weit über die
sammenhang mit § 3 VA Braunkohlesanierung Grundsanierung hinausgehende Sanierungsauf-
regeln und genehmigen der StuBA bzw. ab 2010 gabe auf den Plan. Den sich daraus notwendiger-
auch die RSB im Einzelfall. weise ergebenden Maßnahmen wurde schon ab
1998 mit dem VA II Rechnung getragen. Mitt-
Maßnahmen nach §§ 2, 3 und 4 der Verwal- lerweile sind diese mit dem § 3 der VA fester
tungsabkommen  Die seit Anfang der 1990er Bestandteil der Braunkohlesanierung.
Jahre immer stärkere Differenzierung der Sanie- Einen Schwerpunkt in dieser Maßnahmen-
rungsaufgaben in Maßnahmegruppen, die schließ- gruppe bildet die Abwehr der Gefahren aus dem
lich ab dem VA III zur Unterscheidung der Grundwasserwiederanstieg für Bauten und tech-
Maßnahmen nach den §§ 2, 3 und 4 führte, ist ein nische Infrastrukturanlagen in Städten und Ge-
eindrucksvoller Beleg für die Realitätsbezogenheit meinden. Solche Vorhaben werden in der Lausitz
und Praxisnähe der Braunkohlesanierung. Zur Ver- u. a. in Hoyerswerda, Senftenberg und Lauch-
anschaulichung sollen folgende Beispiele dienen: hammer durchgeführt. Um Hoyerswerda gin-
gen bereits im Jahr 2008 die zur Grundwasser-
Maßnahmen nach  § 2   Zu dieser Maßnahme- ableitung errichteten Horizontalbrunnen in den
gruppe zählen alle Sanierungsaufgaben im Rah- Langfristbetrieb. Ein ebenso bekanntes Beispiel
men der Rechtsverpflichtung der LMBV, die sind die im selben Jahr erfolgreich durchgeführ-
auch als so genannte Maßnahmen der Grundsa- ten Sofortmaßnahmen zum Schutz insbesondere
nierung bezeichnet werden. Dazu gehören bspw. einer Schule und des Theaters in Senftenberg.
sämtliche Aufgaben zur Böschungssicherung
durch Abflachung oder Anstützung von Boden- Maßnahmen nach  §  4  Maßnahmen zur Erhö-
massen sowie Massenverdichtung. Eine einzig- hung des Folgenutzungsstandards sind ebenfalls
artige Herausforderung war in dieser Hinsicht bereits seit dem VA II, ab dem VA III im § 4 gere-
die geotechnische Sicherung der Böschungen gelt, fester Bestandteil der Braunkohlesanierung.
des Restloches des ehemaligen Tagebaus Mü- Die damit zu bewältigenden Aufgaben wecken
cheln im Geiseltal. Der über 90 Jahre andauernde das besondere Interesse der Länder, Regionen
Abbau der Braunkohle und die hierbei eingesetz- und Kommunen, aber auch der interessierten
ten speziellen Technologien hatten ein Restloch Öffentlichkeit. Die Maßnahmen dieser Gruppe
mit einem Volumen von 1.200 Mio. m³ und mit zielen auf die Verbesserung der Nutzungsquali-
Tiefen von bis zu 200 m hinterlassen. Die Her- täten der Bergbaufolgelandschaften bspw. durch
stellung der Sicherheit bedurfte der Bewegung die Schaffung wichtiger Elemente der touristi-
von ca. 62 Mio. m³ Bodenmassen zur Abflachung schen Basisinfrastruktur.
und Anstützung der teilweise steilfallenden Bö- Zu den spektakulärsten Maßnahmen nach § 4
schungen. gehört der Bau von insgesamt 13 schiffbaren
102 F. von Bismarck et al.

Verbindungen zwischen den Seen des die Grenze Zusammenarbeit von Bund und neuen Ländern
zwischen dem Land Brandenburg und dem Frei- und Treuhandanstalt für den Aufschwung Ost,
staat Sachsen überschreitenden Lausitzer Seen- wo u. a. Folgendes festgelegt wurde:
landes. Mit der dadurch möglichen Schaffung „Bei Betriebsstilllegungen oder Teilstilllegun-
einer zusammenhängenden Wasserfläche von gen von herausragender arbeitsmarktpolitischer
etwa 70 km² entsteht zugleich die größte künst- Bedeutung werden Treuhandanstalt, Länder und
liche Seenlandschaft Europas. Eine ähnliche Be- Bund bemüht sein, die nachteiligen Auswirkun-
deutung erhalten solche Vorhaben im Süden von gen für die Beschäftigten, den Arbeitsmarkt und
Leipzig. Hier werden nach der Realisierung der die gesamte Region zu verringern, überschaubar
entsprechenden Maßnahmen nach § 4 der Cos- zu machen und Ansätze für den Aufbau neuer
pudener See mit dem Zwenkauer See und der Arbeitsplätze zu schaffen. Mit dieser Zielsetzung
Markkleeberger See mit dem Störmthaler See wird die Treuhandanstalt rechtzeitig ein Abstim-
sowie beide mit dem Zentrum der Messemetro- mungsgespräch mit der betroffenen Landesregie-
pole schiffbar verbunden sein. rung über Zeitpunkt, Verfahren und Management
Zur Gruppe der § 4-Maßnahmen zählen aber der Stilllegung führen.“
auch viele andere wichtige Infrastrukturvorhaben ABM dienten damals auch der Braunkohle-
wie der Bau von Hafenbecken, die Gestaltung sanierung, vor allem als Beitrag zum Umwelt-
von Stränden, die Errichtung von Landmarken schutz und zur Revitalisierung industriell, land-
oder die Verbesserung der verkehrstechnischen wirtschaftlich und gewerblich genutzter Flächen.
Anbindung und Ausstattung der im Umfeld der Schwerpunktmäßige Arbeiten waren z. B. Be-
Seen entstehenden Erholungsbereiche. räumung, Abriss von Anlagen und Gebäuden,
Beseitigung von Altlasten und Flächensanierung.
Dabei spielten beschäftigungspolitische Aspekte
3.2.2 Finanzierungsquellen von Anfang an eine herausragende Rolle.
Die ABM wurden grundsätzlich wie folgt fi-
Finanziers Die wesentlichen Finanziers der nanziert:
Braunkohlesanierung sind, wie schon im Ab- • Mittel der Bundesanstalt für Arbeit
schnitt 3.2.1 kurz umrissen, der Bund als Rechts- − insbesondere Lohnkostenzuschüsse
nachfolger der ehemaligen Braunkohlenkombi- − Sachkostenzuschüsse aus dem Gemein-
nate der DDR und die Braunkohlenländer Bran- schaftswerk „Aufschwung Ost“
denburg und Sachsen-Anhalt sowie die Freistaa- • Fördermittel der Länder in Form von Sach-
ten Sachsen und Thüringen. Das gilt nicht nur kostenzuschüssen
im Rahmen der vier Verwaltungsabkommen, • Eigene Leistungen des Trägers der Maßnah-
sondern auch schon für die Zeit davor. Bereits men, wobei zu Beginn die Bergbauunterneh-
seit Anfang 1991 wurde Braunkohlesanierung in men LAUBAG und MIBRAG als Maßnah-
den stillgesetzten, nicht mehr aktiven Tagebauen menträger fungierten
sowie den stillgelegten Veredlungsanlagen und • Mittel der THA als zinslose Sachkostendarle-
Kohlekraftwerken über Arbeitsbeschaffungs- hen für Groß-ABM in THA-Unternehmen, die
maßnahmen (ABM), damals ein wichtiges ar- bei Bedarf in Zuschüsse umgewandelt werden
beitsmarktpolitisches Instrument, betrieben. konnten.
In den Jahren 1991 und 1992 sind für ABM
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen 1991 bis in der Braunkohlesanierung rd. 1 Mrd. DM
1992  Der frühzeitige intensive Einsatz von (520 Mio. €), einschließlich 1993 insgesamt rd.
ABM in der Braunkohlesanierung seit Anfang 1,4 Mrd. DM (724 Mio. €) von den Finanziers
1991 basierte nicht zuletzt auf den Ergebnissen zur Verfügung gestellt worden.
eines Gesprächs des damaligen Bundeskanzlers
mit den Ministerpräsidenten der neuen Bundes- Finanzierung nach den Verwaltungsabkom-
länder am 14.05.1991 über die Grundsätze der men  Sehr schnell zeichnete sich ab, dass die
3  Rechtliche, finanzielle und organisatorische Grundlagen 103

Tab. 3.1   Finanzierung der Braunkohlesanierung im Jahr 1993


Finanzier Mio. DM (Mio. €)
Treuhandanstalt: Mittel der THA im Vorgriff auf Privatisierungserlöse 200 (102)
Bundesanstalt für Arbeit: Mittel für genehmigte ABM und 260 (133)
Mittel gemäß § 249 h AFG 230 (118)
Bund: 75 % des Sockelbetrages von ca. 750 Mio. DM (384 Mio. €) 562 (288)
Länder: 25 % des Sockelbetrages 188 (96)

durch den Braunkohlenabbau und auch die dem 75 % (750 Mio. DM – 383 Mio. €) auf den
Chemische Industrie verursachten gewaltigen Bund und 25 % (250 Mio. DM – 128 Mio. €) auf
Umweltprobleme mit den gängigen, einer breiten die Länder entfielen. 500 Mio. DM (255 Mio. €)
Allgemeinheit zugute kommenden arbeitsmarkt- wurden von der Bundesanstalt für Arbeit nach
politischen Instrumenten wie ABM auf Dauer § 249 AFG und aus Privatisierungserlösen der
nicht nachhaltig zu lösen waren. Treuhandanstalt finanziert.
Vor diesem Hintergrund waren sich Bund und Der Sockelbetrag für die Länder war im
neue Bundesländer spätestens ab Mitte 1992 Gegensatz zu den drei folgenden Verwaltungsab-
einig, ein spezifisches Sanierungsinstrument zur kommen weder 1993 noch in den Jahren 1994 bis
Bewältigung der außergewöhnlichen Probleme 1997 mit absoluten oder anteiligen Beträgen auf
in der Braunkohlen- und Chemieindustrie zu die einzelnen Braunkohlenländer aufgeteilt. Der
schaffen. jeweilige Länderanteil errechnete sich jährlich
nachträglich auf Grundlage der tatsächlich ange-
Finanzierung im Rahmen des VA I (1993 bis fallenen Kosten. Die Länderanteile waren nach
1997) Als am 15.10.1992 das VA Altlastenfinan- diesem System somit jährlich unterschiedlich,
zierung in Kraft trat, bestand bei Bund und Län- was sich hinsichtlich der Planung der Jahresbud-
dern Einvernehmen darüber, dass sich die über gets als Nachteil herausstellte. Zusätzliche Mittel
ABM in 1991 und 1992 begonnene Braunkoh- der Länder flossen in 1993 im Zusammenhang
lesanierung nahtlos in die Neuregelung einfügen mit deren Beteiligung an ABM.
sollte. Bereits laufende, für das Jahr 1993 bewil- Von 1993 bis 1997 wurden insgesamt
ligte ABM für die Braunkohlesanierung endeten 5,53 Mrd. DM (3,34 Mrd.) für die Braunkohle-
somit nicht abrupt zum Zeitpunkt des Beginns sanierung ausgegeben.
des VA Altlastenfinanzierung, sondern konnten Zu den Finanzierungsquellen Privatisierungs-
je nach Bewilligungszeitraum, im Laufe des Jah- erlöse, Mittel gemäß § 249 h AFG und Eigenan-
res 1993 zu Ende gebracht werden. Speziell für teil der LMBV sind einige Erläuterungen erfor-
das Jahr 1993 waren, wie Tabelle 3.1 veranschau- derlich. Dazu gehörten folgende Einnahmen des
licht, im VA die obigen Finanzierungsquellen Bundes bzw. der THA:
festgelegt. • Erlöse aus dem Verkauf der privatisierungsfä-
Dazu kam der nicht im VA I aufgeführte higen Bereiche der MIBRAG, LAUBAG und
Eigenanteil der LMBV. ROMONTA
Damit unterschied sich die Finanzierungs- • Einnahmen aus dem Verkauf der Sanierungs-
struktur des Jahres 1993 grundlegend von der für gesellschaften an private Wirtschaftsunter-
die Jahre 1994 bis 1997 im VA I festgelegten Fi- nehmen und zwar die
nanzierung der Braunkohlesanierung, wobei das − Anhaltinische Braunkohle-Sanierungsge-
Finanzvolumen pro Jahr ab 1994 mit 1,5 Mrd. DM sellschaft mbH (ABS ) und
(767 Mio. €) festgelegt wurde (Anlage 1 zum VA − Mitteldeutsche Braunkohle-Strukturför-
I und Gemeinsame Protokollnotiz VA 1 1992). dergesellschaft mbH (MBS) in Mittel-
Für die Jahre 1994 bis 1997 sah das VA I jeweils deutschland
folgende Finanzierung vor: Bereitstellung eines − Bergbausanierung und Landschaftsgestal-
Sockelbetrages von 1 Mrd. DM (0,5 Mrd. €), von tung Brandenburg GmbH (BUL Branden-
burg)
104 F. von Bismarck et al.

− Bergbausanierung und Landschaftsgestal- Finanzierung im Rahmen des VA II (1998


tung Sachsen GmbH (BUL Sachsen) bis 2002) Das VA II unterschied sich vor allem
− Sanierungsgesellschaft Lauchhammer dadurch vom VA I, dass sich die Braunkohlen-
mbH (SGL) und länder in einem § 4 des VA II verpflichteten, pro
− Sanierungsgesellschaft Schwarze Pumpe Jahr zusätzlich zu ihrem Finanzierungsbeitrag
mbH (SSP) in der Lausitz von 25 % des jährlichen Plafonds von 800 Mio.
• verbleibende Gewinne aus dem Auslaufberg- DM (409 Mio. €) weitere rd. 133 Mio. DM
bau (68 Mio. €) pro Jahr einzusetzen. Darüber hin-
• Erlöse aus der Verwertung sanierter und zur aus sollten 67 Mio. DM (34 Mio. €) aus Lohn-
Sanierung anstehender Flächen. kostenzuschüssen der damaligen Bundesanstalt
Bei den Mitteln nach § 249 h AFG handelte es für Arbeit bereitgestellt werden. Inhaltlich war
sich um Lohnkostenzuschüsse für arbeitslose vorgesehen – soweit die Mittel nicht für Sanie-
oder aus ABM kommende Arbeitnehmer, die in rungsverpflichtungen der LMBV benötigt wur-
Maßnahmen zur Umweltverbesserung beschäf- den – damit Maßnahmen im Bereich des Braun-
tigt wurden, wozu auch die Vorhaben in der kohlenaltbergbaus, zur Erreichung eines Folge-
Braunkohlesanierung zählten. Maximal betrug nutzungsstandards und zur Abwehr von Gefähr-
die Förderungsdauer im Einzelfall 48 Monate, dungen beim Wiederanstieg des Grundwassers
also vier Jahre. Damit konnte bei den sehr spe- durchzuführen.
ziellen Braunkohlesanierungsmaßnahmen der Hinsichtlich der Aufteilung des Länderanteils
Einsatz gut qualifizierter und spezialisierter ehe- am Plafond (25 %) wurde das Verfahren dahin-
maliger Bergbaubeschäftigter längerfristig si- gehend geändert, dass mit dem Budget für das
chergestellt werden. Folgejahr der maximale Anteil für jedes einzelne
Bereits im Jahr 1993 kam mit dem Eigen- Land festgelegt wurde. Dieser Anteil durfte bei
anteil der LMBV eine dritte, aber nicht im VA I der Ist-Abrechnung nicht überschritten werden.
ausdrücklich genannte Finanzierungsquelle zum Die LMBV hatte die Aufgabe, das Budget ent-
Einsatz. Dabei handelte es sich um Finanzmittel, sprechend zu steuern. Damit entfielen Nachzah-
die die LMBV im Rahmen des befristeten Wei- lungen; je nach Ist-Ergebnis gab es jedoch Rück-
terbetriebs einzelner Tagebaue (Auslaufbergbau) erstattungen an die Länder.
gemäß BBergG als Rückstellungen für die Rekul- Im Rahmen des VA II mit einem Finanzvolu-
tivierung der Abbauflächen nach Beendigung der men von insgesamt 2,5 Mrd. € standen außerdem
Kohlengewinnung bilden musste. Um die Sanie- insgesamt folgende Finanzierungsquellen zur
rung nicht in ein und demselben Unternehmen in Verfügung:
„Auslaufbergbau“ und „Nichtsanierungsbereich“ • Lohnkostenzuschüsse der Bundesanstalt für
trennen zu müssen und die wirtschaftlichen Vor- Arbeit
teile einer gemeinsamen Bergbausanierung der • Eigenanteile der LMBV
LMBV-Flächen in sinnvoller und kostengünsti- • sonstige Einnahmen und Drittmittel
ger Weise zu nutzen, wurden auf Grundlage eines • Bund (75 %-Anteil am Plafond)
entsprechenden Beschlusses der Steuerungsgrup- • Länder (25 %-Anteil am Plafond)
pe der Finanziers die dafür pro Jahr eingeplanten • einmalig Verwertungserlöse aus Grundstücks-
Mittel dem jährlichen Ansatz des Verwaltungsab- verkäufen der LMBV in Höhe von 30 Mio.
kommens von max. 1,5 Mrd. DM (767 Mio. €) DM (15 Mio. €) 1998.
hinzugerechnet, erhöhten also das Budget. Die Ausgaben in der Braunkohlesanierung betru-
In den Jahren 1994 bis 1997 waren, wie be- gen – ohne die § 4-Maßnahmen – im Rahmen des
reits dargestellt, ABM als Finanzierungsquelle VA II gut 2,3 Mrd. €.
nicht mehr verfügbar. Dafür kam ab 1996 eine
weitere Finanzquelle hinzu, nämlich die „sonsti- Finanzierung im Rahmen des VA III (2003 bis
gen Einnahmen“ und „Drittmittel“. 2007) Das Verwaltungsabkommen für die Jahre
2003 bis 2007 hatte die wesentliche Ergänzung,
3  Rechtliche, finanzielle und organisatorische Grundlagen 105

Abb. 3.14   Kostenstruktur


der Braunkohlesanierung
1991–2010 nach Ländern

dass sich Bund und Länder darüber verständig- selben Finanzierungsquellen. In seinen Anlagen
ten, 200 Mio. € speziell für die bereits genannten wurden das jeweilige jahresbezogene Finanzvo-
Aufgaben zur Abwehr von Gefährdungen im Zu- lumen und auch die dazugehörigen länderbezo-
sammenhang mit dem Wiederanstieg des Grund- genen Anteile aufgeschlüsselt. Auf den Ausweis
wassers über die Gesamtlaufzeit des Abkommens der Finanzierungsquelle Lohnkostenzuschuss
bereitzustellen, finanziert zu je 100 Mio. € vom wurde in der Finanzierungsübersicht verzichtet.
Bund und den Braunkohlenländern. Solche Maß- Maßnahmen nach § 2 basierten mit einem Fi-
nahmen waren im VA II noch über § 4 realisiert nanzvolumen von 664 Mio. € im VA IV auf fol-
worden. Der § 4 des VA III wurde in der Richtung genden Finanzierungsquellen:
modifiziert, dass die dafür vorgesehenen Finanz- • Eigenanteile der LMBV
mittel in Höhe von insgesamt 175 Mio. € unter • Bund (75 %-Anteil am Plafond)
Anrechnung von Lohnkostenzuschüssen der • Länder (25 %-Anteil am Plafond).
Bundesanstalt für Arbeit vor allem für die Durch- Die Maßnahmen gemäß § 3 des Abkommens
führung von Maßnahmen zur Erhöhung des Fol- mit einem Volumen von 262 Mio. € finanzierten
genutzungsstandards vorgesehen wurden. Bund und Länder wie schon im Vorgängerab-
Für Maßnahmen nach § 2 bot das VA III im kommen je zur Hälfte. Abbildung 3.14 gibt einen
Rahmen des Finanzierungsvolumens in Höhe Gesamtüberblick über die Kostenstruktur der
von 1,4 Mrd. € folgende Finanzierungsquellen: Braunkohlesanierung nach Bundesländern.
• Lohnkostenzuschüsse der Bundesanstalt für
Arbeit, ab 2002 Bundesagentur für Arbeit Weitere Finanzierungsquellen Bei der Finan-
• Eigenanteile der LMBV zierung der Braunkohlesanierung haben die
• Bund (75 %-Anteil am Plafond) Braunkohlenländer darüber hinaus die Möglich-
• Länder (25 %-Anteil am Plafond). keit genutzt, ihren in den Verwaltungsabkommen
Während der Laufzeit des VA III wurden für § 2 festgelegten Mittelanteil nicht nur aus den eige-
insgesamt 1,4 Mrd. €, für § 3 etwa 141 Mio. € nen Länderhaushalten zu decken, sondern sich
und für § 4 rd. 69 Mio. € ausgegeben. z. B. über EU-Programme oder kommunalpoliti-
Wenn auch nicht in den Finanzquellen-Über- sche Sonderprogramme zu refinanzieren.
sichten zu § 3 – im Gegensatz zu § 2 – speziell
ausgewiesen, wurden auch Lohnkostenzuschüsse ESF-Mittel In Brandenburg kommen bei der
und sonstige Einnahmen des Projektträgers zur Fi- Braunkohlesanierung nach § 2 seit 1998 auch
nanzierung eingesetzt. Der Steuerungs- und Bud- Mittel des Europäischen Sozialfonds (ESF) zum
getausschuss legte dazu fest, dass die Lohnkosten- Einsatz. Das Land bedient sich dieser EU-Mittel
zuschüsse und sonstigen Einnahmen zuwendungs- zur Mitfinanzierung vor allem seines § 2-Länder-
mindernd, Drittmittel hingegen budgeterhöhend in mittelanteils im Rahmen der VA-Braunkohlesa-
den Finanzierungsrechnungen anzusetzen sind. nierung. Die ESF-Mittel können für den nachge-
wiesenen Einsatz der von der Arbeitsverwaltung
Finanzierung im Rahmen des VA IV (2008 bis mit Lohnkostenzuschüssen geförderten Arbeit-
2012) Das Verwaltungsabkommen IV verfügte in nehmer in der Braunkohlesanierung ausgezahlt
Anlehnung an das Vorgängerabkommen über die- werden. Der monatliche ESF-Betrag pro Arbeit-
106 F. von Bismarck et al.

nehmer betrug z. B. im Jahr 2006 664,17 €. In neuen Bundesländern“, für den vor allem in den
jenem Jahr wurden somit in Brandenburg für Jahren 1995 bis 2002 Fördermittel bereit standen.
insgesamt jahresdurchschnittlich 700 geförderte In diesem Zeitraum wurden rund 70 For-
Arbeitnehmer 5.579,4 T€ über ESF bereitgestellt. schungsprojekte speziell mit der LMBV initi-
Der Landesanteil für § 2-Projekte 2006 belief iert, realisiert und finanziert. Diese gezielte For-
sich auf 31,4 Mio. €. Von diesem Betrag wurden schung gliederte sich in drei fachliche Bereiche:
folglich rd. 16 % über ESF-Mittel gezahlt. Rekultivierung und Gestaltungskonzepte für die
Bergbaufolgelandschaften, Technologie für die
EFRE-Mittel Sachsen-Anhalt greift seit 2003 auf Sanierung des Wasserhaushaltes und Sanierung
Finanzmittel des Europäischen Fonds für regiona- von Altlasten des Braunkohlenbergbaus. Her-
le Entwicklung (EFRE) zur Beteiligung an öffent- vorzuheben ist auch, dass bereits in den 1990er
lichen Ausgaben zurück. Förderfähige Maßnah- Jahren Probleme des Setzungsfließens ein For-
men sind in einer „Richtlinie über die Gewährung schungsschwerpunkt waren. Für die Forschungs-
von Zuwendungen im Rahmen der Bergbausanie- vorhaben, die ausschließlich BMBF und LMBV
rung“ vom 18.12.2002 definiert. Dabei handelt finanziert haben, sind von 1995 bis heute rund
es sich um Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und 32 Mio. € aufgewendet und vom StuBA geneh-
Restrukturierung, zur Verbesserung der Umwelt- migt worden, von denen etwa 11 Mio. €, d. h.
situation und Initiierung neuer wirtschaftlicher gut ein Drittel der Gesamtkosten, von der LMBV
Aktivitäten in den betroffenen Bergbauregionen. und fast 21 Mio. € vom Ministerium beigesteuert
Gefördert werden können Personal-, Sach- und wurden. An ausgewählten Forschungsvorhaben
Gemeinausgaben. Landesseitig wird diese Fi- beteiligte sich in geringem Umfang auch der ak-
nanzquelle zur Ergänzung der Mittel des § 4 des tive Bergbau.
Verwaltungsabkommens Braunkohlesanierung Mit dem spürbaren Anstieg des Grundwassers
genutzt. Die Förderhöhe beträgt bei Maßnahmen stehen heute, wie im Abschnitt 3.4.2 ausführlich
im Zusammenhang mit der Bergbausanierung dargestellt, Aufgaben zur Sanierung des Was-
maximal 80 %, in Ausnahmefällen kann sie auf serhaushaltes im Zentrum der Aufmerksamkeit,
100 % gesteigert werden. Aus EFRE werden von wobei in den letzten Jahren die Finanzierung
den förderfähigen Gesamtkosten durchschnittlich dieser Forschung überwiegend allein aus Sanie-
64 % finanziert. Das skizzierte Programm endete rungsmitteln erfolgt.
2007 und wird in modifizierter Form fortgesetzt.
Exkurs – Finanzierungsquellen Nichtsanie-
Sonstige Mischfinanzierung bei  § 4-Maßnah- rungsbergbau  Im Nichtsanierungsbergbau sind
men gemäß VA III/IV Im Freistaat Sachsen im Wesentlichen die Aufgaben zu finanzieren,
wurde zur Finanzierung von Aufgaben nach § 4 die nicht aus bergrechtlichen Verpflichtungen
VA III/IV die Rechtsgrundlage geschaffen, eine zur Wiedernutzbarmachung vor dem 1. Juli
Hauptförderung mit EFRE-Mitteln in Verbin- 1990 resultieren, für die der Sanierungsbergbau
dung mit der Verwaltungsvorschrift „Kommuna- zuständig ist. Im Einzelnen handelt es sich vor
ler Straßen und Brückenbau“ (VwV-KStB) und allem um folgende Aufgaben:
in anderen Fällen nach dem Entflechtungsgesetz • Sanierungsverpflichtungen aus dem Bergbau
(EntflechtG) ebenfalls in Verbindung mit VwV- nach dem 1. Juli 1990
KStB mit § 4-Mitteln zu kombinieren. • Stilllegung von restlichen Betriebsstätten
• Unterhaltung und Verwertung von nicht zu
Mitfinanzierung von Forschungsmitteln durch sanierenden Flächen, Anlagen und Gebäuden
das BMBF Bereits in der Frühphase der Berg- • Umsetzung von Sozialplänen entlassener und
bausanierung startete das Ministerium für Bil- noch zu entlassender Mitarbeiter
dung und Forschung (BMBF) einen Forschungs- • Altverpflichtungen, die auf die LMBV über-
schwerpunkt „Sanierung und Rekultivierung der tragen wurden (z. B. Archive und Bescheini-
Landschaften des Braunkohlenbergbaus in den gungswesen).
3  Rechtliche, finanzielle und organisatorische Grundlagen 107

Abb. 3.15   Finanzierungs-


struktur der Braunkohle-
sanierung 1991–2010 nach
Quellen

Tab. 3.2   Kosten der


Branden- Sachsen Sachsen- Thüringen Gesamt
Braunkohlesanierung
burg Anhalt
1991–2010 nach
Maßnahmegruppen ABM 254,2 281,5 178,3 10,3 724,3
(Mio. €) § 2 3.224,9 3.091,4 1.194,3 67,3 7.577,9
§ 3 104,4 87,7 63,4 2,6 258,1
§ 4 185,4 151,6 139,0 0,8 476,8
Gesamt 3.768,9 3.612,2 1.575,0 81,0 9.037,1

Tab. 3.3  Finanzierung ABM § 2 § 3 § 4 Gesamt


der Braunkohlesanie-
Insgesamt 724,3 7.577,9 258,1 476,8 9.037,1
rung 1991–2010 nach
Quellen und Maßnah- ABM 724,3 724,3
megruppen (Mio. €) Anteil Bund 4.738,0 126,3 4.864,3
Anteil Länder 1.500,2 126,3 417,7 2.044,2
Brandenburg 638,9 50,9 166,9 856,7
Sachsen 615,9 43,6 144,7 804,2
Sachsen-Anhalt 232,7 30,5 105,4 368,6
Thüringen 12,7 1,3 0,7 14,7
Lohnkostenzuschüsse 910,8 1,5 23,8 936,1
Sonstige Einnahmen/Drittmittel 47,1 3,9 12,6 63,6
Eigenanteil Projektträger 381,9 381,9
EFRE-Mittel 22,7 22,7

Grundlage der Finanzierung bildet die Finan- Braunkohlenländern, ergibt sich das Bild gemäß
zierungszusage des Bundes. Im Rahmen jähr- Tabelle 3.2.
lich aufzustellender Wirtschaftspläne wird der Finanziert wurden die Gesamtkosten über den
Finanzbedarf für Betriebsmittel und für Investi- Zeitraum von 1991 bis 2010 wie in Tabelle 3.3
tionen ermittelt und ein entsprechender Zuwen- dargestellt.
dungsbescheid durch das Bundesministerium der
Finanzen erteilt. Abbildung 3.15 zeigt die länder-
konkrete Finanzierungsstruktur. 3.3 Organisation der Braunkohlesa-
nierung
Zusammenfassende Darstellung der Kosten
und der Finanzierung der Braunkohlesanie- Der Aufbau einer den Erfordernissen adäquaten
rung 1991–2010  Die Gesamtkosten der Braun- Organisation der komplexen und vielschichti-
kohlesanierung von 1991 bis 2010 beliefen sich gen Prozesse der Braunkohlesanierung verlief
einschließlich ABM und der Kosten für Maßnah- weitestgehend zeitlich parallel zur Klärung der
men nach den §§ 2, 3 und 4 der Verwaltungsab- schwierigen Finanzierungsfragen. Schließlich
kommen auf rd. 9,0 Mrd. €. Aufgeteilt nach den mussten zeitgleich zu den ingenieurtechnischen
108 F. von Bismarck et al.

und finanziellen Herausforderungen die notwen- reichen und vielschichtigen Erfahrungen einer
digen Strukturen für eine effektive Ablauf- und hochqualifizierten Belegschaft zu mobilisieren.
Aufbauorganisation der Braunkohlesanierung Schließlich mussten auch die Voraussetzun-
einschließlich der notwendigen Instrumente gen für die materiell-technische Umsetzung der
zur Planung und Kontrolle der großen Budgets Sanierungsvorhaben geschaffen werden. Dabei
gemäß den haushaltsrechtlichen Vorschriften ge- kam es darauf an, einerseits die vorliegenden
schaffen werden. Kompetenzen und Ressourcen in privatisierten
Dabei galt es, den erforderlichen Interessen- Sanierungsunternehmen zu bündeln. Anderer-
ausgleich zwischen dem Bund und den Braun- seits galt es, die vorhandenen Erfahrungen zu
kohlenländern auch organisatorisch abzusichern sichern, auszubauen und langfristig das einzig-
und die nötigen institutionellen Voraussetzungen artige Know-how der Braunkohlesanierung in
für die Lösung möglicherweise auftretender Kon- speziellen Unternehmen zu konzentrieren und für
flikte zwischen Bundes- und Länderinteressen im die Nutzung in neuen Geschäftsfeldern bereitzu-
Sinne einer Konsensfindung im Rahmen födera- halten.
listischer Strukturen anzubieten. Damit war die
Entscheidung zur Bildung eines entsprechenden
paritätisch zu besetzenden Bund-Länder-Aus- 3.3.1 Steuerungs- und
schusses praktisch vorprogrammiert. Budgetausschuss für die Braun-
Darüber hinaus sollten auch die von der kohlesanierung
Braunkohlesanierung betroffenen Regionen und
Kommunen in die Entscheidungen zur Planung, Steuerungsgruppe und Büro Braunkohle-
Vorbereitung und Durchführung der in vielen sanierung Die ersten Überlegungen zu einem
Fällen raumbedeutsamen Sanierungsvorhaben Planungs- und Organisationskonzept für die Alt-
einbezogen werden. Sowohl für den Interessen- lastensanierung im Bereich der Braunkohle stam-
ausgleich zwischen Bund und Ländern als auch men aus einem Papier des BMU vom 10.07.1992.
die Einbeziehung der Regionen und Kommunen Darin wurde die Einrichtung eines Büros
bot sich die Nutzung der Erfahrungen an, die bei vorgeschlagen, das in der geographischen und
der Organisation öffentlicher Planungsprozesse organisatorischen Nähe der THA angesiedelt
von der Raumordnung bis zur kommunalen Bau- werden sollte. Um einer möglichen Konkurrenz
leitplanung in der Vergangenheit in vielfältiger der Bundesländer über die Bevorzugung der Sa-
Form in Deutschland gesammelt werden konn- nierungsmaßnahmen entgegenzuwirken, wurde
ten. Analog dazu kam es folglich darauf an, eine Berlin als Sitz des Büros erwogen. Auf die Frage
transparente Organisation der Braunkohlesanie- der notwendigen Größe des Büros gab es unter-
rung aufzubauen, die zugleich aber eine hohe schiedliche Antworten. Der erste Vorschlag des
Effektivität auf der Grundlage der für die spezi- Beratungsunternehmens Price-Waterhouse, die
fischen Aufgaben notwendigen Professionalität Aufgaben mit weniger als zehn Mitarbeitern
der Beteiligten garantieren würde. durchzuführen, setzte sich, angesichts des für
Letzteres war vor allem durch die Einbindung die Braunkohlesanierung damals geplanten jähr-
des Projektträgers der Sanierung, der LMBV lichen Volumens von 1,5–2 Mrd. DM inklusi-
– ein Unternehmen zu 100 % im Eigentum des ve der Steuerung von ABM, beim BMU nicht
Bundes – zu erreichen. Die hochspezialisierte durch. Für die personelle Ausstattung war neben
LMBV – aus früheren Bergbauunternehmen her- Mitarbeitern der LAUBAG und MIBRAG sowie
vorgegangen – hatte in einem langen und nicht externen Fachleuten auch ein Vertreter aus dem
immer einfachen Anpassungsprozess zugleich THA-Bereich Bergbau, Steine, Erden vorgese-
selbst die erforderlichen Strukturen für eine er- hen. Über die Finanzierung des Büros sollte in
folgreiche Organisation der Planung Durchfüh- der Sitzung der Konferenz der Staatssekretäre
rung und Kontrolle der Sanierungsmaßnahmen entschieden werden.
zu entwickeln und dabei das Wissen sowie die
3  Rechtliche, finanzielle und organisatorische Grundlagen 109

für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit


Die zeitlichen Perspektiven der Tätigkeit des und unter Beteiligung der zuständigen Bundesres-
Büros erstreckten sich längstens bis Ende 1994, sorts, der betroffenen Länder sowie der Treuhand-
da die von diesem wahrzunehmenden Aufgaben anstalt und der Braunkohlenunternehmen soll dem
alsbald auf eine langfristig angelegte Organisa- Büro inhaltliche Vorgaben geben.
tion zu übertragen wären.
Schließlich fasste der Vorstand der Treuhand- Am 16.10.1992 wurde durch den Bundesumwelt-
anstalt am 06.10.1992 einen Beschluss mit fol- minister, Prof. Dr. Klaus Töpfer, und den Vor-
gendem Inhalt: stand der THA, Dr. Klaus Schucht, auf der Bun-
• Der Bildung eines zeitweiligen Büros zur Vor- despressekonferenz in Berlin das auf Beschluss
bereitung einer effektiven Organisation der des Bundeskabinetts gebildete Büro Braunkohle-
Sanierung ehemaliger Braunkohlengebiete sanierung vorgestellt.
wird zugestimmt. Das zeitweilige Büro wird Die konstituierende Sitzung der Steuerungs-
als eine eigene Organisationseinheit dem Vor- gruppe fand am 24.11.1992 im Berliner Dienst-
stand U6 der Treuhandanstalt unterstellt. gebäude des BMU statt. Ihr gehörten Vertreter
• Als Leiter des zeitweiligen Büros wird Herr des BMU, BMF, BMWi, BMA, BMFT, der Län-
Dr.-Ing. Wolfgang Schröder, ehemaliger der Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und
Geschäftsführer der Linksrheinischen Ent- Thüringen, der IG Bergbau und Energie sowie
wässerungs-Genossenschaft Moers (Lineg), der IG Chemie, der Bergbaugesellschaften und
mit Beratervertrag eingesetzt. der THA an. Insgesamt nahmen 41 Vertreter an
• Die Kosten für die Tätigkeit des zeitweiligen dieser Sitzung teil. In der Auftaktsitzung for-
Büros werden in die Wirtschaftspläne 1992 derten die Länder größeres Mitspracherecht bei
und 1993 der Treuhandanstalt eingeordnet. der Rekultivierung und eine langfristige Finan-
Diesem Beschluss war eine in dieselbe Richtung zierung der Braunkohlesanierung über das Jahr
zielende Entscheidung des Bundeskabinetts am 2002 hinaus.
23.09.1992 vorausgegangen, die ebenfalls die Der Organisation und Finanzierung des Büros
Einrichtung eines Büros zur Lösung länder- und lagen folgende Festlegungen zugrunde:
unternehmensübergreifender Sanierungsaufga- • Das Büro ist bei der THA anzusiedeln. Es soll
ben in der Braunkohle vorsah. Die inhaltlichen ein Mindestmaß an Eigenständigkeit aufwei-
Vorgaben für dessen Tätigkeit sollten von einer sen, um
Steuerungsgruppe unter Federführung des BMU, − Objektivität und Unabhängigkeit auch
der die weiteren Bundesressorts BMF, BMWi gegenüber den Braunkohlenunternehmen
und BMA sowie die betroffenen Länder und zu gewährleisten und
die THA angehören müssten, erarbeitet werden. − Akzeptanz für die Länder zu erhalten.
Daneben waren Vertreter der Braunkohlenunter- Um dies zu erreichen, sollte das Büro dem Vor-
nehmen sowie die IG Bergbau und Energie und standsmitglied der THA, Herrn Dr. Schucht, un-
die IG Chemie-Papier-Keramik als Mitglieder mittelbar unterstellt werden.
der Steuerungsgruppe mit beratender Stimme • Das Büro soll zumindest so lange tätig sein,
geplant. Der Kabinettsbeschluss hatte folgenden bis sich Bund und Länder auf einen langfristig
Wortlaut: tragfähigen organisatorischen und finanziel-
Der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und len Rahmen zur Erledigung der Sanierungs-
Reaktorsicherheit wird beauftragt, in Abstimmung aufgaben verständigt haben.
mit den Bundesministern der Finanzen und für • Das Büro umfasst eine technische und eine
Wirtschaft mit der Treuhandanstalt die Einrichtung kaufmännische Abteilung sowie einen Ser-
eines Büros zur Lösung länder- und unterneh-
mensübergreifender Sanierungsaufgaben in der vicebereich.
Braunkohle in der Trägerschaft der Treuhandan- • Die Steuerungsgruppe unter Vorsitz des BMU
stalt vorzubereiten. Die Arbeitsfähigkeit des Büros wird die inhaltlichen Vorgaben für die Arbeit
soll kurzfristig erreicht werden. Eine Steuerungs- des Büros geben. Der Steuerungsgruppe gehö-
gruppe unter Federführung des Bundesministers
110 F. von Bismarck et al.

ren Vertreter der bereits genannten Bundesmi- mit dem BMF, BMWi, BMA und dem Bundes-
nisterien, der Länder und Gewerkschaften an. kanzleramt abgestimmtes Positionspapier des
• Die THA stellt die Finanzierung des Büros Bundes zur Langfristorganisation der Braun-
sicher. Dies schließt die Finanzierung von kohlesanierung (BMU 1994). Gegenüber dem
Untersuchungs- und Planungsaufträgen an Ergebnis der ersten Beratung der Staatssekretäre
Dritte ein. dazu am 03.03.1994 waren im Wesentlichen drei
• Das Büro wird in der Außenstelle des BMU in Punkte neu in das Papier aufgenommen worden:
Berlin, Schiffbauerdamm, untergebracht. • Die Aufgaben einer künftigen Geschäfts-
Das neu gebildete Büro hatte zunächst folgende stelle des Steuerungs- und Budgetausschusses
Aufgaben: wurden im Einzelnen konkretisiert. Sie ent-
• Schaffung konzeptionell-technischer Grund- sprachen im Wesentlichen den Aufgaben, die
lagen für die Sanierungsplanung bislang das Büro Braunkohlesanierung wahr-
− Erarbeitung länder- und unternehmens- zunehmen hatte.
übergreifender Grundlagen für die Sanie- • Für die Geschäftsstelle wurde eine ange-
rungsplanung messene Ausstattung zur Wahrnehmung der
− Stellungnahme zu von den Trägern von genannten Aufgaben vorgesehen.
Sanierungsmaßnahmen vorgelegten Projek- • Es war nunmehr festgelegt worden, dass die
ten hinsichtlich ihrer fachlichen Eignung, Geschäftsstelle des Steuerungs- und Budget-
insbesondere hinsichtlich Hydrologie und ausschusses organisatorisch bei einer Nach-
Bergtechnik folgeeinrichtung der THA anzubinden ist.
− Auswertung von abgeschlossenen und lau- Der Staatssekretär im BMU, Clemens Stroet-
fenden Sanierungsprojekten im Sinne einer mann übergab das Papier anschließend dem
Optimierung der künftigen Sanierungspla- Chef des Bundeskanzleramtes, den Chefs der
nung. Staatskanzleien sowie den Staatssekretären der
• Finanzierungsplanung, Budgetierung und zuständigen Ministerien der Braunkohlenländer
Controlling für die Sanierungsprojekte. zur Vorbereitung der weiteren Schritte bei der
• Sonstige Aufgaben wie Umstellung der Organisation der Braunkohle-
− Vermittlung bei Unstimmigkeiten zwi- sanierung. Nachfolgend kam es am 21.04.1994
schen Maßnahmeträgern und Finanziers zur mündlichen Erläuterung und Erörterung des
− Organisation des regelmäßigen Erfah- Papiers in der Sitzung des Chefs des Bundes-
rungsaustausches der Maßnahmeträger und kanzleramtes mit den Chefs der Staatskanzleien
der Behörden. sowie dem Chef der Senatskanzlei. Der Staats-
Am 23.08.1994 fasste der Vorstand der THA den sekretär wurde zugleich beauftragt, das Thema in
Beschluss, das Büro Braukohlesanierung zur Be- Kürze in einem weiteren Gespräch mit den Län-
teiligungs- und Management-Gesellschaft mbH dern zu behandeln und dazu einzuladen.
(BMG) mit seinem derzeitigen Personalbestand Im Ergebnis einer Bund-Länder-Besprechung
von 25 Mitarbeitern zu verlagern. Das war ein zur Organisation der Braunkohlesanierung ab
erstes Signal zur Überführung des Büros in eine 1995 am 10.10.1994 wurde ein gemeinsames
dauerhafte, bis zum Abschluss des Prozesses Positionspapier erarbeitet und vorgelegt. Dazu
reichende Organisationsform, die zugleich eine fand am 11.01.1995 eine weitere Bund-Länder-
Umwandlung der bisherigen Steuerungsgruppe Besprechung statt, auf der die Eckpunkte der
in ein kontinuierlich arbeitendes Bund-Länder- Neuorganisation ab 1995 beschlossen wurden.
Entscheidungsgremium erforderte. Im Ergebnis entstanden zunächst zwei für die
weitere Entwicklung maßgebliche Dokumente,
Neuorganisation der Braunkohlesanie- die Geschäftsordnungen für den Steuerungs- und
rung  Auf der Grundlage der Ergebnisse der Budgetausschuss für die Braunkohlesanierung
Staatssekretärsbesprechung am 12.04.1994 ent- (StuBA 1995) und für die Regionalen Sanie-
stand unter Federführung des BMU zunächst ein rungsbeiräte (RSB 1995).
3  Rechtliche, finanzielle und organisatorische Grundlagen 111

Abb. 3.16   Zusammenset-


zung des StuBA

Gesamtsteuerung – Der StuBA Dem auf der vorzubereiten und seine Tätigkeiten zu organi-
ersten Ebene der Braunkohlesanierung agieren- sieren sind.
den, neu gebildeten StuBA erteilte man zunächst Gemäß Aufgabenstellung des StuBA prüft die
folgende Aufgaben: Geschäftsstelle die Projektanträge der LMBV
• länderübergreifende Prioritätensetzung bei nach inhaltlichen und wirtschaftlichen Maßstä-
Programmen und Konzepten ben. Auf dieser Grundlage ergeht eine Entschei-
• Billigung der Gesamtplanung dungsempfehlung für den StuBA. Darüber hin-
• Budgetierung und Genehmigung der Sanie- aus obliegt der Geschäftsstelle die Prüfung der
rungsprojekte Länder-Mittelabrufe der LMBV und der jährlich
• vorlaufendes Controlling zu erstellenden Verwendungsnachweise einschl.
• Prüfung der Ordnungsmäßigkeit von Aus- der Zwischennachweise des Projektträgers. Zu
schreibungs- und Vergabeverfahren den Aufgaben gehört auch die stichprobenweise
• nachlaufendes Controlling (Verwendungs- Bewertung der Ausschreibungsvorgänge. Außer-
nachweisprüfung). dem erstellt die Geschäftsstelle in enger Zusam-
Der StuBA setzt sich paritätisch zusammen aus menarbeit mit der LMBV die projektbezoge-
je vier Mitgliedern des Bundes und der Braun- nen Plan- bzw. Budgetrechnungen, über die der
kohlenländer. Mitglieder sind neben dem BMU StuBA in der jeweils letzten Sitzung eines Jahres
und dem BMF, denen zugleich der Vorsitz über- entscheidet. Ebenso wird auf der Basis der Zwi-
tragen wurde, das BMWi, das BMAS sowie die schenverwendungsnachweise einmal jährlich
Länder Brandenburg, Sachsen-Anhalt und die die Ist-Finanzierung vorgelegt, die vom StuBA
Freistaaten Sachsen und Thüringen, die jeweils genehmigt werden muss. Schließlich steht die
durch einen Vertreter der Ressorts Umwelt, Wirt- Geschäftsstelle dem Bund und den Ländern je-
schaft und Arbeit/Soziales repräsentiert sind derzeit für die Bearbeitung spezieller Fragen zur
(Abb. 3.16). Der StuBA entscheidet einstimmig, Verfügung. Abbildung 3.17 zeigt die Mitglieder
wobei die Bundesressorts und die Länder jeweils des StuBA beim Besuch eines Kalischachtes.
eine Stimme haben. Im Frühjahr 1995 wurde das Büro Braunkoh-
lesanierung zur Geschäftsstelle des StuBA umge-
Die Geschäftsstelle des StuBA Zur Wahrneh- wandelt. Der Leiter des Büros Dr.-Ing. Wolfgang
mung seiner Aufgaben wurde die Einrichtung Schröder schied altersbedingt aus. Auf seiner 4.
einer Geschäftsstelle des StuBA beschlossen Sitzung am 12.05.1995 wählte der StuBA nach
(Bund-Länder-Geschäftsstelle für die Braunkoh- einem Auswahlverfahren einstimmig den Volks-
lesanierung), in der die inhaltlich-thematischen wirt und Geologen Dr. Friedrich von Bismarck
und budgetseitigen Entscheidungen des StuBA zum neuen Leiter der Geschäftsstelle.
112 F. von Bismarck et al.

Abb. 3.17   Mitglieder des StuBA anlässlich der 89. Sitzung in Sondershausen

Projektträgerschaft – Die LMBV  In der zwei- Durchführung der Sanierung – Die private
ten Ebene wurde der bundeseigenen Lausitzer Wirtschaft  In der dritten Ebene erfolgt die
und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsge- Durchführung der Sanierungsarbeiten durch
sellschaft mbH (LMBV) die Projektträgerschaft die privatisierten Sanierungsgesellschaften und
für die Planung, Vorbereitung und Kontrolle der andere Auftragnehmer. Zu den Aufgaben dieser
Sanierungsmaßnahmen übertragen. Zu den Auf- Ebene gehören:
gaben der zweiten Ebene gehören: • Durchführung der Sanierungsarbeiten nach
• Vorbereitung der Sanierung wettbewerblicher Vergabe
• Sanierungsplanung und Genehmigungspla- • Abrechnung und Übergabe sanierter Objekte.
nung Damit waren die Voraussetzungen für den Auf-
• Ausschreibung und Vergabe bau einer langfristig angelegten Organisation der
• Projektdurchführung und operatives Control- Braunkohlesanierung bis zu deren Abschluss ge-
ling schaffen.
• Nachnutzungsvorbereitung
• Verwaltung und Verwertung der sanierten/
rekultivierten Flächen. 3.3.2 Regionale Sanierungsbeiräte
Diese Aufgaben berühren in starkem Maße Län-
derinteressen. Deshalb arbeiten auf dieser Ebene Die Regionalen Sanierungsbeiräte bestehen auf
parallel so genannte Regionale Sanierungsbei- der Ebene der Braunkohlenländer. In den Ländern
räte, in denen die jeweiligen Länder sowie die Brandenburg und Sachsen-Anhalt gibt es je einen
betroffenen Regionen und Kommunen ein quali- Beirat. Im Freistaat Sachsen fungiert je ein Sa-
fiziertes Mitspracherecht wahrnehmen. nierungsbeirat im ostsächsischen und westsäch-
3  Rechtliche, finanzielle und organisatorische Grundlagen 113

sischen Teil, wobei letzterer gemeinsam mit Thü- nagement-Gesellschaft Berlin mbH (BMGB)
ringen agiert. Die Regionalen Sanierungsbeiräte Gesellschafter der LMBV. Gleichzeitig wurde
setzen sich aus jeweils drei stimmberechtigten die LMBV alleiniger Anteilseigener der Lau-
Mitgliedern des betreffenden Braunkohlenlandes sitzer Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH
und des Projektträgers der Sanierung zusammen. (LBV) und der Mitteldeutschen Bergbau-Ver-
Neben den stimmberechtigten Mitgliedern waltungsgesellschaft mbH (MBV). Mit der Auf-
dieser Gremien nehmen Vertreter des Bundes- schmelzung von LBV und MBV zum 01.01.1996
ministeriums der Finanzen und des Bundesmi- trat die LMBV die Rechtsnachfolge der beiden
nisteriums für Umwelt, Naturschutz und Reak- Gesellschaften an.
torsicherheit sowie der Bergbehörden und der Die wesentlichen Aufgaben der LMBV bestan-
Landkreise der jeweiligen Regionen an den Be- den zum damaligen Zeitpunkt in der Fortführung
ratungen teil. Hierdurch ist ein breiter Konsens des nichtprivatisierten Braunkohlenbergbaus ein-
vor Genehmigung und damit vor Ausführung der schließlich der Braunkohlenveredlung bis zum
entsprechenden Maßnahmen gewährleistet. Auslaufen der Produktion sowie in der Organisa-
Neben der Behandlung der § 2- und § 3-Pro- tion der Sanierung der ehemaligen Betriebsstätten
jekte werden auch vom Bergbausanierer erstellte als Projektträgerin und Planungsverantwortliche.
§ 4-Anträge zur Erhöhung des Folgenutzungs- Ende 1999 wurden die letzten Produktionsstätten
standards im Auftrag der betreffenden Braunkoh- außer Betrieb genommen (LMBV 2003).
lenländer zur Genehmigung vorgeschlagen. Die Seit Verschmelzung der BMGB auf die
Inhalte wurden in der Regel im Vorfeld zwischen LMBV im Jahr 2000 ist die Bundesrepublik
den Landkreisen und den zuständigen Länder- Deutschland – vertreten durch das BMF – allei-
ministerien abgestimmt. Im Gegensatz zu den nige Gesellschafterin der LMBV. Mit dem Aus-
§ 2- und § 3-Projekten werden im § 4 auch die laufen der letzten Produktionsstätten liegt der
Finanzierungsanträge durch die Regionalen Sa- Schwerpunkt der Unternehmenstätigkeit neben
nierungsbeiräte genehmigt. der Wahrnehmung der Eigentümerfunktion zur
Die Bedeutung der Sanierungsbeiräte hat sich Verwaltung und Vermarktung von Liegenschaf-
im Prozess der Braunkohlesanierung ständig er- ten auf dem Sanierungsbergbau. Dieser war
höht. Praktisch schon seit 2002, verbindlich gere- Anfang der 2000er Jahre nach Braunkohlenlän-
gelt ab 2010, entscheiden die Beiräte selbständig dern und im Freistaat Sachsen nach Regierungs-
mit hoher Kompetenz über die Anträge in ihrem präsidien strukturiert. Die Zuständigkeit für die
jeweiligen Verantwortungsbereich. Sanierungsmaßnahmen im Land Brandenburg
lag beim Länderbereich Brandenburg mit Sitz in
Brieske, für den ostsächsischen Teil beim Län-
3.3.3 Lausitzer und Mitteldeutsche derbereich Ostsachsen mit Sitz in Hoyerswerda,
Bergbau-Verwaltungsgesell- für Aufgaben in Westsachsen und Thüringen
schaft mbH beim Länderbereich Westsachsen/Thüringen mit
Sitz in Borna, später Espenhain und für die sach-
Gründung und Entwicklung der LMBV Die sen-anhaltinischen Verpflichtungen beim Län-
Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwal- derbereich Sachsen-Anhalt mit Sitz in Bitterfeld.
tungsgesellschaft mbH (LMBV) ist in der Orga- Das gesamtunternehmerische Management be-
nisation der Braunkohlesanierung seit Mitte der fand sich am Firmensitz in Berlin, wobei einige
1990er Jahre als Projektträger tätig. Die Gesell- zentral angelegte Struktureinheiten auch an den
schaft wurde am 09.08.1994 von der THA als Außenstandorten ansässig waren.
Unternehmen für Auslauf- und Sanierungsberg- Das Unternehmen passte in der Folgezeit
bau in den Braunkohlenregionen der Lausitz und seine Tätigkeitsfelder, Standorte und Strukturen
Mitteldeutschlands gegründet. mehrfach den sich verändernden Dimensionen
Als Nachfolgegesellschaft der Treuhandan- und Schwerpunkten der zu bewältigenden Auf-
stalt wurde ab 01.01.1995 die Beteiligungs-Ma- gaben an, um deren Erfüllung wirtschaftlich ef-
114 F. von Bismarck et al.

Abb. 3.18   Struktur der


LMBV (Stand 2010)

fizient wahrnehmen zu können. So wurde mit Aufgaben des Unternehmens  Als Projektträger
einer Strukturanpassung zum 01.01.2003 die und Projektmanager der Braunkohlesanierung
Konzentration der Sanierungsbereiche auf die war und ist die LMBV verantwortlich für
Organisation und Umsetzung der Sanierungsauf- • die Sanierungsplanung
gaben durch die Abtrennung und Zentralisierung • die Erarbeitung der Projekt/Teilobjektanträge
der überregional wahrnehmbaren Aufgaben, wie • den Prozess von Ausschreibung und Vergabe
Ingenieurdienstleistungen, Einkauf, Rechnungs- • das Projektmanagement während der eigent-
wesen, Liegenschaftsaufgaben und Personalma- lichen Baudurchführung
nagement für die Sanierung, organisiert. • die Erstellung der Verwendungsnachweise.
Im Zuge der Anpassung zum 01.01.2007 Die Sanierungsplanung beinhaltet zunächst die
konnte die Struktur des Unternehmens in Verbin- Projektplanung, mit der das Unternehmen in den
dung mit einer Konzentration auf zwei Standorte einzelnen Sanierungsprojekten örtlich und sach-
weiter verschlankt werden. So wurden die Sanie- lich abgegrenzte Teilobjekte bis zur Erreichung
rungsbereiche Brandenburg und Ostsachsen mit des Sanierungszieles – also ggf. über mehrere
Standort in Senftenberg zum Sanierungsbereich Jahre hinweg und einschließlich der erforder-
Lausitz, die Sanierungsbereiche Westsachsen/ lichen Nachsorge – technologisch plant. Unter
Thüringen und Sachsen-Anhalt mit Standort in einem Teilobjekt versteht die LMBV eine tech-
Leipzig zum Sanierungsbereich Mitteldeutsch- nisch und örtlich abgrenzbare, planbare und ab-
land zusammengefasst. Außerdem fand die Ver- rechenbare Einheit der Sanierung, die bestimmt
lagerung der Zentrale und somit des Sitzes der ist durch ein Sanierungsziel, Leistungen, Kosten
Gesellschaft von Berlin nach Senftenberg statt. und eine Laufzeit. Der Planungshorizont erstreckt
Gleichzeitig erfolgte die Reduzierung von drei sich dabei zunächst bis zum Jahr 2030. Gegen-
auf zwei Geschäftsführungsbereiche, indem wärtig umfasst die Projektplanung für die berg-
der kaufmännische und der Personalbereich zu- rechtlichen Verpflichtungen der LMBV (§ 2) in
sammengefasst wurden. Die LMBV hatte am der Lausitz 24 Projekte mit ca. 252 Teilobjekten.
01.01.2010 die in Abbildung 3.18 dargestellte Aus nachfolgender Tabelle 3.4 sind ausge-
Struktur. wählte Teilobjekte des bis 2018 abzuschließen-
3  Rechtliche, finanzielle und organisatorische Grundlagen 115

Tab. 3.4  Struktur des Projektes 028 – Tagebaufelder Tab. 3.5   Struktur des Projektes 065 – Tagebau Mücheln-
Lauchhammer Geiseltal
Projekt Laufzeit bis Projekt Laufzeit bis
028 „Tagebaufelder Lauchhammer“ 2021 065       „Tagebau           2030
Wesentliche Teilobjekte: Mücheln-Geiseltal“      
200 „Restlochkette Kleinleipisch“ 2018 Wesentliche Teilobjekte:
203 „Fläche RL Kostebrau und 2017 048 „Flutungsanlagen 2017
Umfeld“ Kayna Süd“
205 „Restloch 60 und Stellwerk 2017 066 „Flutungsanlagen 2030
33“ Mücheln“
210 „Bergheider See“ 2016 071 „Pegelnetz“ 2017
212 „Flutungsleitung RL 29 zum 2014 077 „Renaturierung 2017
Restsee Bergheide“ Geisel“
413 „Straße Schipkau/Kostebrau“ 2020 080 „Tagebau Mücheln“ 2017
415 „ALVF 333 Schadstoffdeponie 2020
PK 7 u. 8“
443 „Flächen-Brückenkippe“ 2016 nanzierungsanträge werden dem Steuerungs- und
733 „Straße 2011 Budgetausschuss zur Genehmigung vorgelegt.
Lauchhammer-Lichterfeld“
Ausschreibung, Durchführung und Kon­
den Sanierungsprojektes „Tagebaufelder Lauch- trolle der Maßnahmen  Nach Genehmigung der
hammer“ beispielhaft ersichtlich. Finanzierungsanträge übergeben die Finanziers
Die Projektplanung für die bergrechtlichen der LMBV Zuwendungsbescheide, auf deren
Verpflichtungen der LMBV (§ 2) in Mittel- Grundlage das Unternehmen die Ausführungs-
deutschland umfasst 21 Projekte mit ca. 178 phase der einzelnen Teilobjekte einleiten kann.
Teilobjekten. Die Tabelle 3.5 zeigt ausgewählte Da die LMBV die eigentlichen Baumaßnah-
Teilobjekte des bis 2031 zu beendenden Sanie- men einschließlich deren Ausführungsplanung
rungsprojektes „Tagebau Mücheln-Geiseltal“ im nicht selbst realisiert, ist zunächst entsprechend
Mitteldeutschen Revier. den Zuwendungsbedingungen als öffentlicher
Die Projektinhalte werden in der Grob- und Auftraggeber ein Vergabeverfahren nach VOB,
Entwurfsplanung nach Gewerken beplant. Aus- VOL bzw. VOF einzuleiten. Dies erfolgt auf
gehend von der Projektplanung wird jeweils der Grundlage der in der Ausführungsplanung
für einen festgelegten Zeitraum im Rahmen des erstellten Leistungsverzeichnisse bzw. Leis-
Verwaltungsabkommens Braunkohlesanierung tungsbeschreibungen. Mit Zuschlagserteilung
für die Maßnahmen deren Umfang und davon auf das wirtschaftlichste Angebot werden die
abgeleitet das jährliche Budget nach Finanziers Verdingungsunterlagen und das bezuschlagte
ermittelt und zum Vertragsinhalt zwischen den Angebot zum Vertrag zwischen der LMBV und
Finanziers erklärt. Innerhalb dieses festgelegten den betreffenden leistungsausführenden Unter-
Finanzrahmens erfolgt dann die Feinplanung der nehmen.
einzelnen Teilobjekte, die schließlich zu Teil- Während der nun beginnenden Projektdurch-
objektanträgen führt, welche durch die von den führung übernimmt die LMBV direkt oder ein
Finanziers und der LMBV gebildeten Regionalen von ihr beauftragtes Ingenieurbüro die Bauüber-
Sanierungsbeiräte je nach Wertumfang und Leis- wachung. In beiden Fällen bleibt die LMBV für
tungsinhalt genehmigt bzw. bestätigt und dem die ordnungsgemäße Erbringung der Leistungen
Steuerungs- und Budgetausschuss zur Kenntnis- verantwortlich und ist somit in sämtlichen Ab-
nahme bzw. Genehmigung vorgelegt werden. Aus nahmeverhandlungen der vertraglich vereinbar-
den Teilobjektanträgen werden Finanzierungsan- ten Leistungen federführend einbezogen. Glei-
träge je Sanierungsprojekt gestellt, die nach so ge- ches gilt für die Dokumentation der jeweiligen
nannten Eigenleistungen (Leistungen der LMBV) Arbeiten, die sowohl für Ämter und Behörden
und Fremdleistungen untergliedert sind. Die Fi- als auch für die Erstellung der entsprechenden
116 F. von Bismarck et al.

Abb. 3.19   Unternehmenszentrale der LMBV in Senftenberg

Mittelverwendungsnachweise gegenüber den • Sicherung der Finanzierung der Sanierungs-


Zuwendungsgebern erforderlich sind. Nachweise maßnahmen (s. Abschnitt 3.2.2)
sind in der Form von Zwischennachweisen für • Gestaltung einer effektiven Organisation des
alle im jeweiligen Kalenderjahr in Abarbeitung Gesamtprozesses und der Teilprozesse der
befindlichen Projekte und Teilprojekte bis zum Sanierung (s. Abschnitt 3.3.1 und 3.3.2)
30.04. des Folgejahres zu erstellen. Nach Fertig- • Gewährleistung einer hohen Beschäftigungs-
stellung des Teilobjektes ist ein endgültiger Ver- wirksamkeit vor allem für die nicht mehr in
wendungsnachweis, im Falle von § 4-Projekten der Braunkohlenindustrie benötigten Arbeits-
auch Auftragsnachweis, auszufertigen und vor- kräfte.
zulegen. Mit den Mittelverwendungsnachweisen Vor allem letztere Aufgabe war durch eine leis-
werden Kosten, Arbeitsinhalte, eingesetzte ge- tungsfähige Unternehmensorganisation zur
förderte Arbeitnehmer und eine Vielzahl weite- Durchführung der Sanierungsarbeiten bei schritt-
rer Angaben durch die LMBV dokumentiert und weiser Schaffung marktkonformer Strukturen zu
letztlich die zweckentsprechende Verwendung bewältigen.
der finanziellen Mittel gemäß der genehmigten
Anträge durch das Unternehmen bestätigt. Entstehung der Sanierungsunterneh-
Das Hauptquartier der LMBV in Senftenberg men  Zunächst bildeten Anfang der 1990er Jahre
ist in Abbildung 3.19 zu sehen. die aus den ehemals volkseigenen Braunkohlen-
betrieben neu gegründeten Kapitalgesellschaften
eigenständige Bereiche der Sanierung auf der
3.3.4  Sanierungsgesellschaften Basis von ABM. Es handelte sich dabei zum Teil
um komplette Struktureinheiten des Braunkoh-
Zur konkreten Umsetzung der Maßnahmen der lenbergbaues, wie sie bis dahin bestanden.
Braunkohlesanierung waren folgende drei Auf- Die neue Förderung nach § 249 h AFG schrieb
gaben zu lösen: die gesellschafts- und arbeitsrechtliche sowie fi-
3  Rechtliche, finanzielle und organisatorische Grundlagen 117

nanzielle Trennung der Sanierungsgesellschaften Auf die Formierung der Sanierungsbetriebe


von den Bergbauunternehmen zwingend vor. blickten die betroffenen Mitarbeiter mit unter-
So bildeten Anfang 1993 in der Lausitz die be- schiedlichen Erwartungen. Teilweise führten sie
stehenden Braunkohlenunternehmen Lausitzer ihre bisherige Tätigkeit unverändert mit einem
Braunkohle Aktiengesellschaft (LAUBAG), völlig neuen Ziel weiter. Das war vor allem in
Braunkohlenveredlung Lauchhammer GmbH den Sanierungstagebauen der Fall. Die Abraum-
(BVL) und Energiewerke Schwarze Pumpe AG bewegung diente nicht mehr dem Freilegen der
(ESPAG) drei Sanierungsgesellschaften, im Mit- Kohle, sondern ausschließlich der Gestaltung des
teldeutschen Revier die Mitteldeutschen Braun- verbleibenden Tagbaurestloches. Anders sah es
kohlenwerke AG (MIBRAG) zwei Sanierungs- in den Veredlungsbetrieben aus. Es setzte ein ab-
gesellschaften. rupter Wechsel von der Produktion zum geordne-
Die Sanierung begann mit beschäftigungsin- ten Rückbau und Abriss der stillgelegten Anlagen
tensiven Tätigkeiten und wurde mittels Investi- ein.
tionen in technikintensivere Arbeiten überführt. Neue Ziele, neue Firmierungen, neue Gesell-
Dies entsprach der bergbaulichen Notwendigkeit schafter und eine Finanzierung aus öffentlichen
und dem Charakter der zu lösenden Aufgaben. Mitteln gingen angesichts der zeitlichen Endlich-
Am 1. Januar 1995 wurden in einem nächs- keit der Sanierungsaufgaben einher mit der Sorge
ten Schritt die Sanierungsgesellschaften nach der Mitarbeiter um den eigenen Arbeitsplatz.
einem Ausschreibungs- und Vergabeverfahren Ähnliche Befürchtungen betrafen die Dauer-
privatisiert. Zuvor war eine der Lausitzer Ge- haftigkeit der Finanzierung der Braunkohlesa-
sellschaften nach territorialen Aspekten aufge- nierung und die Wirksamkeit der Arbeitsförde-
spalten worden. Als neue Gesellschaften wur- rungsmaßnahmen. Die Vorstellung, an der größ-
den im Lausitzer Revier in die Handelsregister ten Landschaftsbaustelle Europas mitzuwirken,
eingetragen: konnte diese Bedenken damals kaum aufwiegen.
• die Bergbausanierung und Landschaftsgestal-
tung Brandenburg GmbH (BUL) Leistungsspektrum und Entwicklung der
• die Bergbausanierung und Landschaftsgestal- Betriebe  Die Aufgabengebiete der Sanierungs-
tung Sachsen GmbH (BUL) betriebe umfassten den Abbruch nicht mehr
• die Sanierungsgesellschaft Schwarze Pumpe notwendiger Betriebseinrichtungen, bergbauli-
mbH (SSP) che Massenbewegung, Massenverdichtung zum
• die Sanierungsgesellschaft Lauchhammer Gewährleisten der Bergbausicherheit, Rekul-
mbH (SGL) sowie im Mitteldeutschen Revier tivierung von Flächen, Altlastensanierung und
• die Mitteldeutsche Braunkohle Strukturförde- Wiederherstellen des Wasserhaushaltes der
rungsgesellschaft mbH (MBS) und Regionen.
• die Anhaltinische Braunkohlesanierungsge- Die Massenbewegung diente der geotechni-
sellschaft mbH (ABS). schen Gestaltung der Restlöcher. Es kamen die
Die Privatisierung der Unternehmen stellte eine traditionellen Technologien im Braunkohlen-
Zäsur in der Braunkohlesanierung dar. Von nun bergbau und auch die beim Abbau eingesetzten
an fiel die gesellschaftsrechtliche Verbindung Tagebaugroßgeräte (Bagger-Bandanlage, Zug-
zwischen den Sanierungsgesellschaften und der förderung-Absetzer) zur Anwendung. Mit dem
LMBV sowie den Einrichtungen des Bundes Fortschritt der Arbeiten wurden zunehmend
oder der Länder als Finanzierende weg. mobile Erdbaukomplexe (Hydraulikbagger,
Neben den Sanierungsgesellschaften, die aus Dumper, Planierraupen, Schürfkübelbagger) ein-
Bergbauunternehmen hervorgingen, gründeten gesetzt. Dabei waren gewachsene Bagger- und
private Investoren Gesellschaften, deren Ge- Kippenböschungen zu gestalten und, soweit not-
schäftstätigkeit gleichfalls auf die Bergbausa- wendig, bereits im aktiven Bergbau bewegter
nierung gerichtet war. Beispielhaft sei die NSG Abraum erneut umzulagern.
Sanierungsgesellschaft in der Niederlausitz mbH Die Massenverdichtung zielte auf die geo-
genannt. technische Sicherung gekippter Böschungen. Die
118 F. von Bismarck et al.

Herausforderung war, eine neue Technologie im einteilen. Die Führung als reine ABM-Betriebe
Tagebau einzusetzen und das in einem Umfang, der Bergbaubetriebe wird dabei nicht näher be-
wie er bisher weltweit einmalig war. Die bei der trachtet. Es handelt sich um folgende Phasen:
Massenverdichtung gesammelten Erfahrungen • Phase 1 – bergbauliche Grundsanierung auf
erweisen sich heute z. B. bei der Gestaltung von der Basis einer Kostenerstattung (bis 1997)
künstlichen Inseln in den Golfstaaten als außer- • Phase 2 – bergbauliche Grundsanierung im
ordentlich wertvoll. An diesen Arbeiten sind Ergebnis von Ausschreibungs- und Vergabe-
auch Sanierungsgesellschaften aus der Braun- verfahren nach VOB/B, bei der sich die Ver-
kohlesanierung beteiligt. gütung nach dem Preis des Angebots richtete
Die Abbrucharbeiten waren der planmäßige (1998–2002)
Rückbau nicht mehr notwendiger Betriebsan- • Phase 3 – Übergang zu Spezialsanierungsauf-
lagen bzw. deren Abriss. Wiederverwendungs- gaben nach VOB/B (ab 2003).
fähige Materialien, z. B. Metalle, wurden der In Phase 1 wurden planungsseitig durch den Trä-
Kreislaufwirtschaft zugeführt, Abbruchmateria- ger der Bergbausanierung in Zusammenarbeit
lien entsprechend ihrer Kontamination deponiert mit den Sanierungsbetrieben die notwendigen
oder, soweit wie möglich, ebenfalls wieder ver- Arbeiten geplant und der Aufwand personell und
wendet. kostenseitig kalkuliert. Die Bezahlung der Sanie-
Die Rekultivierung als technologisch letz- rungsleistungen erfolgte nach dem Kostenerstat-
te Phase der Wiedernutzbarmachung verfolgte tungsverfahren. Ab Phase 2 schrieb die LMBV
erstrangig das Ziel, die Funktionstüchtigkeit des die Leistungen anhand von Leistungsverzeich-
Bodens wieder herzustellen. Erste Arbeiten zur nissen aus. Im Unterschied zum klassischen Aus-
land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung schlos- schreibungsverfahren von Leistungen gab der
sen sich an. Rekultivierung und Abbrucharbeiten Projektträger der Sanierung in seinen Ausschrei-
zeigen optisch die deutlichsten Ergebnisse – blü- bungen den Einsatz geförderten Personals vor.
hende Landschaften. Die Personalkosten waren für die einzusetzenden
Ehemalige Betriebsflächen waren teilweise Beschäftigten mit dem Vergütungstarifvertrag
kontaminiert bzw. wurden zur unkontrollierten des Verbandes der Sanierungsgesellschaften be-
Ablagerung kontaminierter Stoffe genutzt. Mit schrieben. Diese Verfahrensweise basierte auf der
der Altlastensanierung wurden kontaminierte Notwendigkeit der Arbeitsförderung und damit
Massen wieder aufgenommen, dekontaminiert Beschäftigungssicherung als Bestandteil der Fi-
oder sicher deponiert. nanzierung der Bergbausanierung. Allerdings
Die Wiederherstellung des Wasserhaushalts schränkte die an die Vorgabe der Personalkosten
teilte sich in die Abschnitte des Betreibens berg- gebundene Kalkulation den Handlungsspiel-
baulicher Entwässerungsanlagen und den Ausbau raum der Bewerber und somit den Wettbewerb
von Gewässern. Es erscheint als Anachronismus, stark ein. Die Erfahrungen aus der Handhabung
den bergbaulich beeinflussten Wasserhaushalt sa- des Einsatzes geförderter Arbeitnehmer schaff-
nieren zu wollen und zeitgleich Wasser zu heben. ten den Bergbausanierern eine gute Ausgangs-
Das war notwendig, um die Sanierungsarbeiten situation im Vergleich zu sich am Wettbewerb
an Tagebauböschungen sicher durchführen zu beteiligenden Betrieben, die nicht aus der Berg-
können. Erst mit Abschluss der Arbeiten im Ta- bausanierung kamen. Dennoch wurde das Ziel,
gebau konnte die Wasserhebung eingestellt wer- mit dem Ausschreibungs- und Vergabeverfahren
den. Nun gewann der Wasserbau an Bedeutung. mehr Wettbewerb zu schaffen und damit die Kos-
Die damit verbundenen Spezialaufgaben haben ten zu reduzieren, erreicht.
nur noch wenig mit der klassischen bergbauli- Die Sanierungsgesellschaften waren so orga-
chen Tätigkeit zu tun. Vor allem in diesem Auf- nisiert, dass sie die im Rahmen der Ausschrei-
gabenprofil erwuchs den Sanierungsgesellschaf- bungen geplanten Leistungen nach Vorgaben
ten ein starker Wettbewerb durch Spezialfirmen. oder Leistungspositionen von Ausschreibungen
Die Entwicklung der Bergbausanierungsge- ausführten. Die Sanierungsgesellschaften hatten
sellschaften lässt sich fokussiert in drei Phasen also keine Planungsstäbe. Ihre personelle inge-
3  Rechtliche, finanzielle und organisatorische Grundlagen 119

Abb. 3.20   Entwicklung


der Leistungen der Sanie-
rungsgesellschaften

Abb. 3.21   Entwicklung


der Beschäftigung in den
Sanierungsgesellschaften

nieurtechnische Ausstattung konzentrierte sich Bereits am 01.07.1991 nahmen fast 3.800


auf die Arbeitsvorbereitung und die Betriebs- Mitarbeiter ihre erste Tätigkeit in geförderten Sa-
führung. Abbildung 3.20 gibt einen Überblick nierungsprojekten auf. Die Unternehmen bilde-
der Leistungsentwicklung der Sanierungsunter- ten zugleich aus. So fanden über die Jahre verteilt
nehmen. zwischen 120 und 220 junge Menschen einen
Der Auftragsumfang und damit die Beschäf- Ausbildungsplatz.
tigung in den Sanierungsbetrieben gingen mit Die Beschäftigungsentwicklung zwischen
Fortschritt der Bergbausanierung deutlich zu- 1997 und 2010 zeigt Abbildung 3.21.
rück. Der Arbeitsinhalt verlagerte sich von Mas-
senbewegung, Massenverdichtung, Abbruch, Zukunft der Sanierungsgesellschaften  Eines
hin zu Spezialaufgaben und der Sanierung des der Ziele der Privatisierung der Sanierungsge-
Wasserhaushaltes. Damit stieg die Intensität des sellschaften bestand in der Loslösung vom Tarif
Wettbewerbes und Spezialfirmen gewannen zu- der Bergbaubetreibenden. Als Tarifpartei und
nehmend die Ausschreibungen. Diese Situation Interessenvertreter der Sanierungsgesellschaf-
war typisch für die Phase 3 der Entwicklung der ten entstand 1994 der Verband der Sanierungs-
Bergbausanierungsgesellschaften. gesellschaften Braunkohle/Chemie e. V. (VSG).
120 F. von Bismarck et al.

In diesem Verband schlossen sich Sanierungs- zunächst vor allem der Beschäftigungssicherung.
gesellschaften des Bergbaus und der chemischen Dadurch konnte speziell in den ersten Jahren
Industrie zusammen. Der VSG wurde Tarifpart- wertvolles bergbauliches Know-how erhalten
ner sowohl der Arbeitnehmervertretung des Berg- werden. Die privatisierten Sanierungsgesell-
baus als auch der chemischen Industrie in Gestalt schaften ermöglichten zunehmenden Wettbe-
der Industriegewerkschaft Bergbau, heute IG werb bei der Vergabe der Sanierungsleistungen.
Bergbau, Chemie, Energie. Schnell zeigte sich, Die Teilung in Träger und Ausführende der Sa-
dass auch innerhalb des Verbandes kein einheit- nierung hat sich somit bewährt. Davon zeugen
liches Tarifniveau gehalten werden konnte. die bisher bei der Sanierung und Wiedernutz-
Der VSG war gleichzeitig Interessenvertreter barmachung der ehemaligen Tagebaue und Ver-
gegenüber dem Träger der Bergbausanierung. edlungsanlagen erreichten Ergebnisse. Alle, die
Die Arbeit innerhalb des VSG war vielschichtig. daran beteiligt waren, können stolz darauf sein,
Stellenweise wäre eine stärkere eigene Interes- einen Beitrag dazu geleistet zu haben, die Berg-
senvertretung unter Zurückstellung der unter- bausanierung zur größten Landschaftsbaustelle
nehmenseigenen Interessen wünschenswert ge- Europas werden zu lassen.
wesen. Der VSG löste sich 2007 bedingt durch Nur die Sanierungsgesellschaften, die es
den Rückgang der Arbeiten und Veränderungen verstanden, aus bergbaulichem Wissen und Er-
innerhalb der Sanierungsgesellschaften selbst fahrungen neue Geschäftsideen zu entwickeln,
auf. Einige Sanierungsgesellschaften traten dem haben ihren Platz im Markt außerhalb der Sanie-
Deutschen Braunkohle-Industrieverein e. V. rung gefunden.
(DEBRIV) bei.
Braunkohlesanierung ist endlich. Diese Er-
kenntnis war allen Beteiligten klar. Dennoch war 3.4 Wissenschaftliche Begleitung
eine sehr unterschiedliche Herangehensweise der
Anteilseigener und des Managements an die Ent- Die Besonderheiten der Braunkohlesanierung
wicklung der Sanierungsgesellschaften erkenn- ergeben sich nicht nur aus den materiell-tech-
bar. Vor allem finanziell starke Großunterneh- nischen, organisatorischen und finanziellen Di-
men zeigten wenig Interesse, die Gesellschaften mensionen. Die zu bewältigenden Aufgaben stel-
den sich verändernden Sanierungsanforderungen len zugleich eine außerordentliche wissenschaft-
anzupassen, zu Firmen des Spezialtiefbaus oder liche Herausforderung dar.
Wasserbaus zu entwickeln. Gesellschafterwech- Wenngleich industrieller Braunkohlenberg-
sel brachten in wenigen Fällen eine solche Orien- bau in Deutschland seit nunmehr über 100 Jahren
tierung mit sich. betrieben wird und zu den verschiedensten berg-
Strikte Regeln zum Einsatz geförderter baulichen, geotechnischen oder hydrologischen
Arbeitnehmer, wie zum Beispiel die Vorgabe der Fragestellungen eine Vielzahl von ingenieurwis-
Anzahl der Personale, die Vorgabe des Einsatz- senschaftlichen Erkenntnissen und bergmänni-
zeitraumes und die Beschränkung der Förderfä- schen Erfahrungen vorliegt, mussten mit Beginn
higkeit von Mitarbeitern auf maximal drei Jahre, der umfassenden Stillsetzung der meisten Tage-
belasteten die Herausbildung einer hoch moti- baue und fast aller Veredlungsbetriebe teilweise
vierten und ausreichend qualifizierten Stammbe- völlig neue Fragestellungen für die Wissenschaft
legschaft erheblich. Das war der Entwicklung der formuliert werden. Dabei waren weite Wege zu
Sanierungsgesellschaften zu kleinen, leistungsfä- gehen, viel Geduld aufzubringen und trotz man-
higen Spezialbetrieben nicht dienlich. cher Rückschläge immer wieder neue und er-
Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass folgreichere Lösungen zu suchen und zu finden.
die Sanierungsgesellschaften integraler Bestand- Schließlich hatten sich die erzielten Ergebnisse
teil der Sanierung des Braunkohlenbergbaues in der Praxis zu bewähren.
im Osten Deutschlands sind. Sie entstanden aus Die wissenschaftliche Begleitung vieler tech-
ersten Arbeiten auf Basis von ABM und dienten nischer, aber auch ökologischer und sozialer Pro-
3  Rechtliche, finanzielle und organisatorische Grundlagen 121

bleme der Braunkohlesanierung hat mittlerweile auf einzelnen Beispielen der Tagebauschließung,
einen Stand erreicht, der die Nutzung der erlang- die in der Regel planmäßig mit dem Auslaufen
ten Erkenntnisse in vergleichbaren Anwendungs- der Betriebe über einen längeren Zeitraum er-
fällen und in anderen Ländern gebietet. Die sys- folgt waren, und an exemplarischen Maßnahmen
tematische Aufbereitung und Verallgemeinerung der Wiedernutzbarmachung von aktiven Braun-
sowie das marktkonforme Angebot der nachzu- kohlentagebauen.
nutzenden Forschungsergebnisse aus der Berg- Mit der plötzlichen Schließung von 32 Braun-
bausanierung ist eine zügig anzugehende und in kohlentagebauen und 44 Veredlungsstandorten
naher Zukunft zu lösende Aufgabe. entstand die Herausforderung, in relativ kurzer
Zeit Flächen in einem ähnlichen Ausmaß wieder
nutzbar zu machen, wie im deutschen Braunkoh-
3.4.1 Forschung in der Sanierung lenbergbau in einhundert Jahren zuvor. Zudem
waren nun dringend Aufgaben zu bewältigen, für
Bei zeitlich, räumlich und finanziell so umfang- die noch gar keine Lösungen erarbeitet waren,
reichen Aufgaben wie der Braunkohlesanierung da diese ohne den abrupten Systemwechsel erst
ist eine solide Planung erforderlich. Mit der Pla- zu einem viel späteren Zeitpunkt oder überhaupt
nung werden auf der Grundlage des vorhandenen nicht erforderlich gewesen wären. Das betraf
Wissens und des Standes der Technik die zur Lö- z. B. die Sanierung des Wasserhaushaltes, die
sung der konkreten Aufgabe jeweils günstigsten Sanierung von Industriebrachen oder die Herstel-
Handlungsalternativen herausgearbeitet, nach lung der geotechnischen Sicherheit in Tagebau-
spezifischen Kriterien bewertet und die notwen- betrieben, die ohne Auslaufplan von einem Tag
digen Entscheidungen vorbereitet. auf den anderen stillgelegt worden waren.
Wenn der Stand des Wissens und der Tech- Unter diesen Voraussetzungen war es zu Be-
nik nicht ausreichend sind, um begründete Ent- ginn der Sanierung unbedingt notwendig, die
scheidungen treffen zu können, bzw. zusätzliches vorhandenen Kenntnisse und Erfahrungen auf-
wissenschaftlich-technisches Potenzial als Pla- zubereiten und neues Wissen zu entwickeln. Die
nungsgrundlage erschlossen werden soll, müssen bestehenden Forschungsergebnisse der DDR
weitere Untersuchungen, z. B. durch Vergabe reichten nicht aus, da sich die ökonomischen,
von Forschungs- und Entwicklungsleistungen ökologischen und soziologischen Bedingungen
veranlasst werden. grundsätzlich geändert hatten. Die hohen Anfor-
derungen der Forschungs- und Entwicklungsauf-
Herausforderungen und Ziele  Die Forschung gaben ergaben sich vor allem daraus, dass:
zielt darauf ab, die für ablaufende Prozesse ver- • die Ergebnisse schnell wirksam werden muss-
antwortlichen Zusammenhänge zu erkennen und ten, da der Prozess der Stillsetzung der Tage-
auf Grundlage dieser Erkenntnisse und Gesetz- baue und Stilllegung von Veredlungsbetrieben
mäßigkeiten begründete Prognosen treffen zu bereits in vollem Gange war und schnell abge-
können. Auf der Grundlage der Forschungs- schlossen werden sollte
ergebnisse werden im Prozess der Entwicklung • dieser Prozess fast das gesamte Lausitzer und
die gewonnenen Erkenntnisse in neuen oder ver- Mitteldeutsche Revier mit einer außerordent-
änderten Verfahren und Methoden umgesetzt. lich großen räumlichen Ausdehnung umfasste.
Mit dem Beginn der Braunkohlesanierung in Damit mussten völlig neue Wirkungszusam-
den neuen Bundesländern stand die Gesellschaft menhänge und Folgen der Wiedernutzbar-
vor einer bislang einzigartigen großen Aufgabe. machung in den betreffenden Regionen, ein-
Das bekannte Potenzial an Wissen und Technik schließlich der Wechselwirkungen zum akti-
der Wiedernutzbarmachung, d. h. der gemäß der ven Bergbau bedacht werden
bergrechtlichen Vorschriften ordnungsgemäßen • die Schließung der Gruben und Veredlungs-
Gestaltung der Oberfläche (Bergbaufolgeland- anlagen sich auf einen vergleichsweise kurzen
schaft) im öffentlichen Interesse, basierte bislang Zeitraum von wenigen Jahren konzentrierte,
122 F. von Bismarck et al.

woraus sich hohe Anforderungen an die not- Schwerpunkte der Sanierungsforschung  Die
wendigen Planungs- und Umsetzungsprozesse Braunkohlesanierung stand vor bedeutenden
sowie an die Bewältigung der wirtschaftlichen Aufgaben, die auch den Rahmen für die Themen-
und sozialen Auswirkungen ergaben setzung der Forschung bildeten. Dabei handelte
• sich die natürlichen, insbesondere geologi- es sich um folgende Forschungsschwerpunkte:
schen, und technisch-technologischen Voraus- • dauerhafte Sicherung von Tagebauresträumen
setzungen in den zu schließenden Betrieben und Böschungen auf einer Länge von etwa
teilweise grundsätzlich unterschieden und dif- 1.200 km
ferenzierte Handlungsstrategien erforderlich • nachhaltige Wiedernutzbarmachung der Ober-
waren fläche mit dem Ziel der sinnvollen Wiederein-
• die gesetzlichen und genehmigungsrechtli- gliederung in die Region auf einem Gesamt-
chen Randbedingungen, die teilweise noch gebiet von ca. 1.000 km2
geschaffen werden mussten, sowie die Inter- • Wiederherstellung eines sich weitestgehend
essen der Region zu beachten waren wieder selbst regulierenden Wasserhaushalts
• der finanzielle Rahmen der Wiedernutzbar- innerhalb der Gesamtfläche des Grundwasser-
machung, überwiegend aus den öffentlichen absenkungstrichters von ca. 2.100 km2
Haushalten bereitgestellt, einzuhalten war. • Beseitigung von Gefahren durch Kontamina-
Diese Besonderheiten waren und sind es auch, tionen von Boden und Grundwasser, insbe-
die dem Prozess der Stilllegung von Tagebau- sondere an Standorten von Veredlungsanla-
en und zugeordneten Veredlungsanlagen den gen.
Namen Bergbausanierung, speziell Braunkohle- Die Förderung des BMBF zielte auf drei fach-
sanierung, gaben. Die Bergbausanierung erfolgt liche Schwerpunkte:
im öffentlichen Auftrag zur Erfüllung gesetzli- • Rekultivierung und Umsetzung von ökolo-
cher Pflichten durch eine dazu beauftragte Ge- gisch verträglichen Gestaltungskonzepten für
sellschaft. die Bergbaufolgelandschaften über den Pro-
Mit der Herausbildung der Bergbausanierung jektträger Biologie, Energie und Umwelt im
entstand die Notwendigkeit, die Wissensgrund- Forschungszentrum Jülich GmbH (PTJ)
lage zu erweitern. Dazu wurden eine Reihe von • Erarbeitung von Technologien für die wasser-
Forschungs- und Entwicklungsprojekten in An- wirtschaftliche und geotechnische Sanierung
griff genommen. Forschungsfördernde Institutio- von Folgelandschaften des Braunkohlentage-
nen waren u. a. die Bundesregierung, insbesonde- baus über den Projektträger Wassertechno-
re mit dem BMBF, die Deutsche Bundesstiftung logie und Entsorgung im Forschungszentrum
Umwelt (DBU), die Deutsche Forschungsge- Karlsruhe GmbH
meinschaft (DFG), die betroffenen Bundesländer • Sanierung von Altablagerungen in Braunkoh-
und die Wirtschaft. lenrevieren über den Projektträger Abfallwirt-
Das BMBF startete zeitnah zum Beginn der schaft und Altlastensanierung im Umweltbun-
Braunkohlesanierung 1994 einen Förderschwer- desamt.
punkt „Sanierung und Rekultivierung der Land- Innerhalb der Schwerpunkte lag der Fokus auf
schaften des Braunkohlenbergbaus in den neuen folgenden Aufgaben:
Bundesländern“. Insgesamt wurden bis 2001 • Rekultivierung und ökologisch verträgliche
ca. 57 Mio. € an Fördermitteln zur Verfügung Gestaltungskonzepte für die Bergbaufolge-
gestellt, davon 43,5 Mio. € vom BMBF und landschaft
13,5 Mio. € von den betroffenen Bundesländern, − Ökologie (Bewertung von Kipp-Ökosystemen,
der LMBV und der LAUBAG. Damit konn- Fragen des Naturschutzes und der Natur-
ten 91 Verbund- und Einzelvorhaben gefördert raumentwicklung)
werden. Dabei beläuft sich der speziell über die − Gestaltungs- und Bewirtschaftungskon-
Verwaltungsabkommen Braunkohlesanierung zepte für Tagebaufolgeseen und bergbau-
mitfinanzierte Anteil auf rund 32 Mio. € (s. Ab- lich beeinflusste Fließgewässer
schnitt 3.2.2).
3  Rechtliche, finanzielle und organisatorische Grundlagen 123

− Ingenieurbiologische Bauweisen für • Umweltforschungszentrum Halle-Leipzig


Böschungen und Ufer GmbH (UFZ).
− Extensive landwirtschaftliche Nutzung von Kennzeichnend für die Durchführung der For-
Kippenstandorten schungs- und Entwicklungsleistungen war deren
− Forstliche Nutzungskonzepte für Kipp- enge Verzahnung mit der Praxis, da die Sanie-
Ökosysteme rung bereits in großem Maßstab begonnen hatte
− Sozioökonomische Fragen der Entwick- und die Überführung der Erkenntnisse im Inte-
lung von Tagebauregionen resse einer schnellen und effektiven Wirksam-
− Einsatz von Bodenverbesserungsmitteln keit zeitnah erfolgen musste. Zur Sicherstellung
bei der Rekultivierung. der inhaltlichen Anpassung der Projekte an den
• Technologien für die wasserwirtschaftliche Sanierungsablauf und einen schnellen Wis-
und geotechnische Sanierung von Folgeland- sens- und Technologietransfer wurden Beiräte
schaften des Braunkohlentagebaus mit Vertretern aus Wissenschaft, Praxis und Ge-
− Entwicklung von Verfahren zur Behand- nehmigungsbehörden eingerichtet. Zwei Status-
lung saurer sulfat- und eisenhaltiger Berg- seminare in den Jahren 1996 und 1998 dienten
bauwässer der wissenschaftlichen Kommunikation mit der
− Experimentelle und modellgestützte Unter- interessierten Öffentlichkeit. Das im Jahr 2001
suchungen zur Prognose der Güteentwick- von der LMBV herausgegebene Buch mit der
lung von Grund- und Oberflächenwässer Darstellung der Ergebnisse der Forschung bis
− Entwicklung von Methoden zur Bewertung zu diesem Zeitpunkt gibt einen sehr guten Über-
und von Verfahren zur Verbesserung der blick zur Bedeutung der Forschungsschwerpunk-
Standsicherheit von Kippen und Kippen- te, zum Stand des Wissens zu Projektbeginn, zu
böschungen den einzelnen Inhalten der Projekte sowie zu
− Entwicklung von Verfahren zur Verbes- den Ergebnissen, deren Bewertung und Nutzung
serung des Kippenbaugrundes bindiger (LMBV 2001) (Abb. 3.22).
Mischbodenkippen. Die sanierungsbegleitende Forschung war we-
• Sanierung von Altablagerungen in Braunkoh- sentlich am Erfolg der Braunkohlesanierung be-
lenrevieren teiligt. Es entstanden neue Erkenntnisse, Techno-
− Methoden zur Gefährdungsabschätzung logien und Verfahren, die deutlich zur Erhöhung
− Erkundungsverfahren der Sicherheit und zur Steigerung der Effektivität
− Verfahren zur Sicherung und Sanierung der Braunkohlesanierung beitrugen. Natürlich
− Mobilitätsverhalten von Schadstoffen konnten nicht alle Probleme dieser komplexen
− Technologien zur Umlagerung von konta- Aufgabe im Förderzeitraum bis zum Jahr 2000
minierten Stoffen. endgültig gelöst werden. Außerdem wurden
An der Ausführung der Forschungs- und Ent- weitere, teilweise neu erkannte Wissensdefizi-
wicklungsleistungen waren insbesondere qualifi- te festgestellt, sodass die Forschungs- und Ent-
zierte Einrichtungen in den neuen Bundesländern wicklungsleistungen, insbesondere im Rahmen
beteiligt, wie Forschungsinstitute, Universitäten, von anwendungsnahen Pilotprojekten bis heute
Planungs- und Ingenieurbüros sowie Bergbau- durchgeführt werden. Im Mittelpunkt stehen
und Sanierungsunternehmen, z. B.: dabei insbesondere die Sanierung des Wasser-
• Brandenburgische Technische Universität haushaltes und dessen langfristige Güteprognose.
(BTU) Cottbus
• Dresdner Grundwasserforschungszentrum
e. V. (DGFZ) 3.4.2 Forschungsbegleitung der
• Forschungsinstitut für Bergbaufolgeland- Sanierung des Wasserhaushaltes
schaften Finsterwalde e. V. (FIB)
• Technische Universität Bergakademie Frei- Besonderheiten der Sanierung des Wasser-
berg (TU BAF) haushaltes Die Lösung der Wasserprobleme,
124 F. von Bismarck et al.

ausgeschlossen. Die aus der Nutzung der Ta-


gebauseen sowie auch aus den schutzgutbezo-
genen Ausleitbedingungen an das öffentliche
Gewässernetz resultierenden Anforderungen
an die Gewässergüte erfordern Maßnahmen zur
Minderung von Beeinträchtigungen der Wasser-
güte im Grund- und Oberflächenwasser in den
ehemaligen Braunkohlenabbaugebieten. Bereits
zu Beginn der Braunkohlesanierung zeigte sich,
dass die Komplexität der Aufgabe mit den ver-
fügbaren Technologien nicht zu bewältigen war,
vor allem auch vor dem Hintergrund, dass bis
1990 kein ausreichender wissenschaftlich-tech-
nischer und konzeptioneller Vorlauf für die Zeit
nach dem Ende des Braunkohlenbergbaus in Ost-
deutschland bestand, da dieser angesichts der Al-
ternativlosigkeit eines weiteren langjährigen und
vollständigen Abbaus der Braunkohle bis dahin
nicht vorstell- und absehbar war.
Die wasserwirtschaftliche Sanierung auch im
Zusammenhang mit dem durch den Abbau ent-
standenen Grundwasserdefizit ist ein kompli-
zierter und langandauernder Prozess, der zum
Abb. 3.22   Publikation des BMBF und der LMBV zu ge- einen ohne wissenschaftlich-technische Beglei-
sammelten Forschungsergebnissen 1994–2000 tung nicht zu leisten ist und zum anderen der
Entwicklung neuer technischer Verfahren und
Sanierungstechnologien zur Minderung von Be-
insbesondere hinsichtlich der Güte stellt derzeit einträchtigungen der Wassergüte im Grund- und
die Schlüsselfrage für eine erfolgreich abzu- Oberflächenwasser bedarf.
schließende Sanierung der Braunkohlenregionen Der Projektträger der Sanierung unterstützte
Mitteldeutschlands und der Lausitz dar. Hierbei mit der Durchführung von Pilot- und Demons-
handelt es sich um eine außergewöhnliche Auf- trationsvorhaben die Entwicklung solcher Ver-
gabe bislang kaum bekannter Größenordnung. fahren und hofft im Ergebnis, die gewonnenen
Immerhin entstehen Seen mit einem Gesamt- Forschungs- und Entwicklungsergebnisse in die
volumen von 4,5 Mrd.m³ und einer Fläche von Sanierungspraxis überführen zu können.
27.000 ha, wobei viele der fertigzustellenden Ge- Im Jahr 2004 wurde der Wissenschaftlich-
wässer extrem sauer sind. Technische Beirat (WTB) „Wasserwirtschaftli-
Die Versauerung der Wasserkörper, verur- che Maßnahmen“ ins Leben gerufen. Er fungiert
sacht durch die Oxidation des in den tertiären als Beratergremium für die LMBV sowie als
Sedimentschichten enthaltenen Eisensulfids, er- Konsultationsgremium für die Geschäftsstelle
schwert nicht nur die Entwicklung von Pflanzen des Steuerungs- und Budgetausschusses und der
und Organismen, sondern auch die Integration Finanziers. Der Beirat vereinigt externen Sach-
der Tagebaurestgewässer in das öffentliche Ge- verstand aus Universitäten und wissenschaftli-
wässernetz. Würde man die Tagebaurestgewäs- chen Einrichtungen auf dem Gebiet der Wasser-
ser der natürlichen Sukzession überlassen, wäre wirtschaft. Im Rahmen seiner Arbeit zeigt er zu
das Erreichen der Nutzungsziele z. B. hinsicht- den Hauptthemen Wasserhaushalt, Flutung und
lich der differenzierten Erholungs- bzw. Natur- Gewässergüte Gestaltungskonzepte auf und er-
schutzfunktionen in den nächsten Jahrzehnten teilt Empfehlungen. Zu den Aufgaben des WTB
3  Rechtliche, finanzielle und organisatorische Grundlagen 125

gehören außerdem die Prüfung und Bewertung ser in guter Qualität ausströmt. Die Ergeb-
von Konzepten zur wasserwirtschaftlichen Sa- nisse zeigten jedoch, dass die Wirkung dieser
nierung, wobei der Fokus auf der Erreichung passiven reaktiven Wände hinsichtlich einer
einer hohen Effizienz und Wirtschaftlichkeit, Behandlung des Kippengrundwassers nur sehr
der Erarbeitung behördlicher Vorgaben zu den begrenzt ist und aufgrund der großen Dicht-
wasserbaulichen Maßnahmen, der Durchführung heit bzw. geringen Durchlässigkeit dieser
der Flutung und der Sicherung der Gewässergüte Wände vermutlich weder zur Neutralisierung
sowie der Umsetzung von Folgenutzungen liegt. noch zur Sulfateliminierung ausreicht.
Dabei geht es vor allem um die Plausibili- • Die Wissenschaftler des Forschungszentrums
tät der geplanten Technologien, deren verfah- Rossendorf entwickelten ein physikalisches
renstechnische Realisierbarkeit, Sicherheit und Verfahren für die Wassersanierung, welches
Nachhaltigkeit sowie die behördliche Genehmi- seit 2006 auf dem Gelände der Grubenwas-
gungsfähigkeit. Die Aufgabe besteht darin, zu serreinigungsanlage Rainitza erprobt wird
beurteilen, welche der Verfahren für die zu lö- (Abb.  3.23). Genauer gesagt handelt es sich
senden Probleme im Rahmen der Gewässergüte- hierbei um ein neuartiges und innovatives
entwicklung zukünftig durch ein Pilotvorhaben Wasserbehandlungsverfahren der elektro-
soweit vorangebracht werden können, dass im chemischen Aufbereitung. In einer aus Con-
Ergebnis diese in den Bereich der anerkannten tainern bestehenden mobilen Anlage ist die
Regeln der Technik überführt und bei der Ge- Technik für die Elektrolysezellen installiert,
staltung der Bergbaufolgeseen umgesetzt werden durch die das mit hoher Säurelast und Sul-
können. Der WTB bewertete und diskutierte seit fatkonzentration belastete Tagebauwasser
seiner Konstituierung im Jahr 2004 eine Vielzahl elektrochemisch aufbereitet wird. Dieses
von Maßnahmeanträgen, wobei der Schwerpunkt Verfahren führt neben einer Reduzierung des
der Pilotvorhaben auf den Untersuchungen zur Sulfatgehaltes gleichzeitig zur Regulierung
Entwicklung der Gewässergüte und der Grund- des pH-Wertes. Erste Versuchsergebnisse
wasserbeschaffenheit liegt. zeigten, dass das gereinigte Wasser zwar die
erwarteten neutralen Verhältnisse aufwies,
Forschungsvorhaben und -ergebnisse Bisher jedoch die Sulfatabreinigung weit hinter den
wurden verschiedene chemische, biologische Erwartungen zurückblieb. Das Elektrolyse-
und physikalische Verfahren zur Herstellung und verfahren wurde weiterentwickelt und seit
Sicherung der Gewässergüte von Oberflächen- 2010 fortgeführt. Im Unterschied zum bisher
gewässern bzw. Grundwässern in Feldversuchen erprobten Elektrolyseverfahren wird Kohlen-
erprobt, von denen nachfolgend einige vorge- dioxid in die Elektrolysezelle eingespeist.
stellt werden: Bei dem konventionellen Elektrolyseverfah-
• Der Freilandversuch einer gezielten Kippen- ren verringert der Entzug der Sulfat-Ionen
wasserbehandlung durch Herstellung einer die elektrische Leitfähigkeit; die Zufuhr von
reaktiven Wand gehört zu den bereits abge- Kohlendioxid gleicht das aus, was den Ener-
schlossenen Pilotprojekten. Dazu wurden mit- gieverbrauch günstig beeinflusst. Das Ziel
tels Rütteldruckinjektion drei Wandabschnitte ist, die Sulfatabtrennung aus schwefelsauren
(Länge = 25 m, Breite =  2 m, Tiefe = 24 m) Wässern durch Zuführung von Kohlendioxid
mit unterschiedlichen Ascheanteilen auf dem im Vergleich zu den ersten Ergebnissen noch
Kippendamm zwischen den aus den ehema- mal zu verdoppeln.
ligen Tagebauen Skado und Sedlitz entste-
henden Seen hergestellt. Beim Durchströmen • In Durchführung befindet sich derzeit die Ent-
der reaktiven Wände sollte der saure Grund- wicklung eines aktiven In-Situ-Drain-And-
wasserstrom mit der Asche reagieren und ein Gate-Systems, welches die chemische Behand-
Neutralisationsprozess erfolgen, sodass auf lung schwefelsaurer Kippengrundwasser vor
der anderen Seite der reaktiven Wand Was- deren Austritt in Oberflächenwasser ermög-
126 F. von Bismarck et al.

Abb. 3.23   Anlage des


Vereines für Kernverfah-
renstechnik und Analytik
Rossendorf e.V. in der
GWRA Rainitza

licht (s. Abschnitt 5.10.3). Zielgedanke ist auch Über eine Dosierstation erfolgt anschließend
hier die Herabsetzung der potenziellen Säure- die Einmischung der für den Prozess der Sul-
wirkung des Wassers und eine Reduktion der fatreduktion erforderlichen chemischen Stoffe.
Sulfatkonzentration. Die Grundidee des Ver- Schließlich wird das angereicherte Kippen-
fahrens ist die mittelfristige Stoffimmobilisie- grundwasser mithilfe von Düsensauginfiltra-
rung in den von Grundwasser durchströmten tionslanzen zurück in den Grundwasserleiter
Abraumkippen durch Förderung biochemisch gegeben.
katalysierter Reduktionsprozesse. Die Stimu- • Zur Neutralisierung der sauren Tagebauseen
lierung der biochemischen Sulfatreduktion gibt es außerdem den biologischen Ansatz,
erfolgt durch die Zugabe von Kalkmilch zur welcher auf die Umkehrung der Versaue-
Anhebung des pH-Wertes auf ein für die sul- rungsprozesse, also auf die Reduktion von
fatreduzierenden Bakterien optimales Niveau dreiwertigem Eisen und Sulfat durch Mikro-
und die Einbringung von Glyzerin als biolo- organismen gerichtet ist. Durch die gesteuerte
gisch leicht abbaubare organische Substanz in Nutzung natürlich vorhandener eisen- und
den Grundwasserleiter. Das Verfahren basiert sulfatreduzierender Bakterien sollen die Ver-
auf den vorlaufenden wissenschaftlich-tech- säuerungsprozesse unter Pyritbildung rück-
nischen Untersuchungen zur Gefahrenabwehr gängig gemacht werden. Erprobt wurde u. a.
der Grundwasserversauerung und den Untersu- ein mikrobielles In-Situ-Verfahren in einem
chungen zu naturnahen Reinigungsprozessen Restloch bei Lauchhammer durch das UFZ.
zur Gewässer- und Grundwassersanierung und Dazu wurde ein Behälter von 30 Metern
stellt die Umsetzung dieser dar. Neu sind dabei Durchmesser im Gewässer installiert und mit
der Einsatz von Glyzerin in Kombination mit Strohballen, Kalziumkarbonat, Ethanol und
Kalkmilch sowie deren Einbringung mittels Bakterien beschickt. Die Bakterien zersetzen
eines Düseninjektionsverfahrens zur Herstel- das Stroh und verbrauchen dabei den Sauer-
lung eines Untergrundreaktors im Grundwas- stoff im Wasser. Andere Bakterien nehmen die
serleiter. Dabei wird zunächst Kippengrund- Zersetzungsprodukte auf und reduzieren die
wasser mithilfe von Förderbrunnen gehoben. Sulfat- und Eisenverbindungen, die anschlie-
3  Rechtliche, finanzielle und organisatorische Grundlagen 127

ßend als Sedimente auf den Boden sinken (s. schen Modells abgeschätzt und berechnet. Das
Abschnitt 5.10.4). Ziel ist die Modellierung des Stoffaustrages und
der Reaktionen im System.
Chemische Verfahren zur Verbesserung der Auf der Grundlage der Ist-Situation sind die
Gewässergüte Bei den chemischen Verfahren bereits vorliegenden Modelle neu zu kalibrieren
setzt man dem Wasser alkalisch wirkende Stoffe und die Voraussagen zu präzisieren. Der dazu
wie Kalk oder Natronlauge zu. In folgenden An- erforderliche Aufbau des Monitoringsystems
wendungsfällen wurden wichtige Erfahrungen konnte weitestgehend abgeschlossen werden.
gesammelt (s. Abschnitt 5.9.4): Die Untersuchungen zur Grundwasserbeschaf-
• Einbringen von Kalkmilch bei Massenumla- fenheit sind vor allem für die Prognosen zu Ver-
gerung im Speicherbecken Lohsa II (ehem. sauerungspotenzialen und deren Auswirkungen
Tagebau Lohsa) auf die neuen Seen, zu Prognosen zum Grund-
• Resuspendierung von Kalksedimenten im wasserwiederanstieg und den daraus resultieren-
Geierswalder See (ehem. Tagebau Koschen), den Gefährdungen für Schutzgüter sowie für die
• In-Lake-Verfahren zur Verbesserung der Was- Analyse und Vorhersage von Kontaminationen
serqualität im Blunoer Südsee (ehem. Tgb. und deren Ausbreitungsrichtung und -geschwin-
Spreetal) digkeit bedeutsam.
• Neutralisation des Wassers im Bockwitzer See Erarbeitet wurden weiterhin die Wassermen-
• kombinierte In-Lake-Behandlung im Horst- genbilanzen für die durch die Sanierung betroffe-
teich. nen Flusseinzugsgebiete. Dies war erforderlich,
Gleichfalls werden seit dem Jahr 1994 vom um Szenarien für die Langfristbewirtschaftung
BMBF initiierte und finanzierte Verbundvor- (ArcGRM und GRMsteu) schwerpunktmäßig der
haben, die sich mit grundlegenden Aufgaben- vergleichsweise wasserarmen Lausitz zu model-
stellungen der Sanierung des Wasserhaushaltes lieren. Erstmals werden seit 2002 auch Bereiche
beschäftigen, realisiert. Zu nennen sind hier außerhalb Deutschlands untersucht. Im Fluss-
beispielsweise die Untersuchungen zur Progno- einzugsbereich der polnischen Neiße sind diese
se der Güteentwicklung von Grundwässern und Untersuchungen erforderlich, um den Nachweis
Oberflächenwässern in durch Kippen geprägten zu liefern, dass durch die Flutung des Tagebaus
Braunkohlenlandschaften und auch experimen- Berzdorf und die Neißewasserüberleitung keine
telle und modellgestützte Untersuchungen zum negativen Beeinflussungen auftreten.
Stoffumsatz und Stofftransport im Kippenkör-
per. Im Zusammenhang mit der Behandlung Naturnahe Reinigungsprozesse zur Gewässer-
des Wassers von Tagebauseen bearbeitete For- sanierung Vom Bundesministerium für Bildung
schungsthemen sind auf die Untersuchung der und Forschung geförderte Forschungsprojekte
Neutralisationsprozesse in Sedimenten saurer wurden in der Zeitspanne 2005 bis 2007 aus Fi-
Braunkohlentagebaurestseen zur Abschätzung nanzmitteln der Braunkohlesanierung kofinan-
der Langzeitwirkung oder die Entwicklung eines ziert; bei den naturnahen Reinigungsprozessen
Verfahrens zur In-Situ-Sulfatreduktion von geo- zur Gewässersanierung standen dazu folgende
gen schwefelsauren Bergbaurestseen des Lausit- Aufgabenstellungen im Vordergrund:
zer Reviers gerichtet. • Bei der Erforschung der Bedeutung von
Eine weitere Voraussetzung für die nachhal- Natural Attenuation (NA) für die Grundwas-
tige Sanierung ist die Kenntnis der Stoffströme, serbeschaffenheit in Braunkohlenabraum-
die auf Wasserkörper und Sediment einwirken. kippen waren die natürlicherweise im Unter-
Einfluss auf die Qualitätsentwicklung der Seen grund ablaufenden Abbau- und Rückhalte-
nimmt neben dem Grundwasserzu- und -abstrom prozesse zu ermitteln und zu beschreiben (s.
auch der Oberflächenzufluss, der extern steuer- Abschnitt 5.9).
bar ist. Beim Flutungsprozess der Tagebauseen • Die Entwicklung von Reaktoren für reaktive
werden diese Einflüsse mithilfe eines geologi- Reinigungswände für schwefelsaure bergbau-
128 F. von Bismarck et al.

bürtige Grundwässer zielte auf Realisierung die autotrophe Reduktion konnte nachgewiesen
und Bewertung von Versuchen als Voraus- werden, dass die Ablagerung des entstehenden
setzung für spätere feldmaßstäbliche Einsätze Eisensulfids keine Verblockungen des Grund-
im Vorfeld des Zutritts des Grundwassers in wasserleiters bewirkt. Bei der heterotrophen Re-
Tagebaurestseen (s. Abschnitt 5.9). duktion erfolgte die Abreinigung des Reaktors
Letzteres Vorhaben umfasste fünf Teilprojekte über Rückspülung; zur Entsorgung der Rückstän-
mit unterschiedlichen Bearbeitern, wobei dem de wurde z. B. die Ablagerung im Sediment von
Institut für Bohrtechnik und Fluidbergbau der Restseen betrachtet.
Technischen Universität Bergakademie Freiberg
die Federführung oblag.
Der Ablauf der NA-Prozesse konnte insbe- Literatur
sondere über Feldmessungen und Modellunter-
suchungen nachgewiesen werden. Allerdings ARL (2000) Braunkohlenplanung und Umsiedlungsprob-
lematik in der Raumordnungsplanung Brandenburgs,
handelt es sich um langsame Abläufe, welche Nordrhein-Westfalens, Sachsens und Sachsen-An-
sich über viele Jahrzehnte erstrecken. Als Koh- halts. Arb.-Mat. Nr. 265, Akademie für Raumfor-
lenstoffquelle der Sulfatreduktion fungieren ter- schung und Landesplanung, Hannover
tiäre organische Materialien wie z. B. Humins- ARL (2005a) Braunkohlenplanung, Bergbaufolgeland-
schaften, Wasserhaushaltssanierung. Analysen und
toffe und kohlenbürtiges Material; immobile Fallbeispiele aus dem Rheinischen, Mitteldeutschen
Reaktionsprodukte werden im Kippenmaterial und Lausitzer Revier. Arb.-Mat. Nr. 323, Akademie
abgelagert. Im Labormaßstab wurden auch Mög- für Raumforschung und Landesplanung, Hannover
lichkeiten einer Verstärkung der Prozesse mit ARL (2005b) Handwörterbuch der Raumordnung. Aka-
demie für Raumforschung und Landesplanung, Han-
der so genannten Enhanced Natural Attenuation nover
(ENA) durch Zugabe unterschiedlicher natrium- Bohl F Presseerklärung von Kanzleramtsminister Fried-
haltiger Fluide untersucht. rich Bohl am 23.10.1992, Presse- und Informations-
Beim zweiten Vorhaben bildeten Versuche im amt der Bundesregierung 1992 Nr. 497/92
Braunkohlenausschuss des Landes Brandenburg (1998)
Labor- und Technikumsmaßstab zur Entwick- Braunkohlen- und Sanierungsplanung im Land Branden-
lung von Reaktoren zur Reinigung schwefelsau- burg – Grundlagen, Zusammenhänge, Eckdaten. Cott-
rer Wässer den Arbeitsschwerpunkt. Auch dies bus
beinhaltete die Erprobung verschiedener Stoff- DGFZ (2005) 10. Dresdner Grundwasserforschungstage.
Tagungsband Nachsorge betriebsbedingter Boden-
zugaben in folgenden Teilprojekten: und Grundwasserschäden des Bergbaus nach der end-
• Die autotrophe, also auf anorganischen Stof- gültigen Betriebsstilllegung
fen aufbauende Sulfatreduktion durch Zugabe Frenz W (2010) Bergschadenshaftung für einen Grund-
von Wasserstoff und Kohlendioxid sowie der wasseranstieg in einer Bergbaufolgelandschaft. LKV
Heft 2/2010
Nährstoffe Ammonium und Phosphat wurde Friedrich ES (1994) Sanierung und Rekultivierung im
vom GFI Grundwasserforschungsinstitut Lausitzer Braunkohlenrevier: ökologische Ziele und
GmbH Dresden untersucht. wirtschaftliche Chancen, Bonn
• Die heterotrophe, auch auf organischen Stof- GUB LMBV (2009) Leitfaden „Renaturierung bergbau-
lich beeinflusster Fließgewässer“. Senftenberg
fen basierende Sulfatreduktion durch Zugabe Heggemann B, Dammert B (2000) Grundsatzfragen der
von Glyzerin sowie der Hauptnährelemente Wiederherstellung des Wasserhaushalts durch Flutung
Stickstoff und Phosphor wurde vom Lehrstuhl von Tagebaurestlöchern im Südraum Leipzig, Leipzi-
Wassertechnik und Siedlungswasserbau der ger Universitätsverlag 2000
LMBV (2001) Wissenschaftliche Begleitung der ostdeut-
Brandenburgischen Technischen Universität schen Braunkohlesanierung. Berlin
Cottbus (BTU) bearbeitet. LMBV (2003) Bergbausanierung ist nicht eines Mannes
In beiden Fällen konnte eine Wirksamkeit der Werk – Wandlungen und Perspektiven im Lausitzer
mikrobiellen Sulfatreduktion unter Grundwas- und Mitteldeutschen Revier
LMBV (2008) Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbauver-
serbedingungen nachgewiesen werden, welche waltungsgesellschaft (2008) Geschäftsdaten, Senften-
für die Durchführung von Feldtests spricht. berg
Unterschiedlich waren hingegen die Ergeb- Luckner L, Jolas P, Reichel M (2009) Umweltverträgliche
nisse bezüglich der Rückstandsprodukte. Für Gewinnung mitteldeutscher Braunkohle, in World of
Mining Heft 6/2009
3  Rechtliche, finanzielle und organisatorische Grundlagen 129

Ludewig R (1992) Gutachten der Prüfgruppe unter Lei- räume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen
tung von Prof. Dr. Rainer Ludewig, unveröffentlicht (FFH-Richtlinie)
Melchios S, Berger K (2005) Abfallverwertung bei der Finanzierungsregelung (1992) der ökologischen Altlas-
Rekultivierung von Deponien, Altlasten und Bergbau- ten, Anlage 1 zum VA I, Beschluss des Bundes und der
folgelandschaft, Hamburger Bodenkundliche Arbei- Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpom-
ten. Institut für Bodenkunde, Hamburg mern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen
Nixdorf B, Deneke R (2004) Grundlagen und Maßnah- Gemeinsame Publikation (1992) des Beschlusses des
men zur biogenen Alkalinisierung von sauren Tage- Bundes und der Länder Berlin, Brandenburg, Meck-
bauseen. Weißensee Verlag, Berlin lenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und
Stoll RD (1993) Gutachten von Prof. Dr.-Ing. Rolf Dieter Thüringen
Stoll, unveröffentlicht Gemeinsame Publikation (1994) von Bund und Braunkoh-
Sächsisches Staatsministerium des Innern (2000) Braun- lenländern zur langfristigen Finanzierung und Organi-
kohlenplanung im Freistaat Sachsen. Dresden sation der Braunkohlesanierung vom 11.10.1994
Socher M, Sander F, Herbst F (2009) Die Braunkohlen- KrW-/AbfG (1994) Gesetz zur Förderung der Kreislauf-
folgelandschaft in Sachsen und ihre Integration in das wirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen
natürliche Gewässersystem. Wasser und Abfall, Heft Beseitigung von Abfällen (Kreislaufwirtschafts- und
9/2009 Abfallgesetz) vom 27.09.1994
Spieth WF, Appel M (2007) Die rechtliche Bewältigung Landesplanungsgesetz – SächsLPIG (1992) Gesetz zur
von Vernässungsschäden bei Einstellung der bergbau- Raumordnung und Landesplanung des Freistaates
lichen Grundwasserhaltung und Flutung von Tagebau- Sachsen vom 24.06.1992
restlöchern. LKV Heft 11/2007. Nomos, Baden-Baden LPIG (1998) Landesplanungsgesetz des Landes Sachsen-
Steinhuber U (2005) Einhundert Jahre bergbauliche Anhalt vom 28.04.1998
Rekultivierung in der Lausitz. Dissertation Philoso- RSB (1995) Geschäftsordnung für die Regionalen Sanie-
phische Fakultät der Palacký-Universität Olomouc rungsbeiräte vom 06.05.1995 in der Fassung vom
Verband der Sanierungsgesellschaften Braunkohle/Che- 02.12.2008
mie eV. (2003) 10 Jahre Sanierung, Rekultivierung, SächsWG (2004) Sächsisches Wassergesetz in der
Landschaftsgestaltung, Senftenberg Fassung der Bekanntmachung vom 22.10.2004
StuBA (1995) Geschäftsordnung für den Steuerungs-
und Budgetausschuss Braunkohlesanierung vom
07.02.1995 in der Fassung vom 03.12.2007
StuBA (2002) Grundsätze für die Planung/Umsetzung
Gesetzliche Grundlagen der fischereilichen Verpflichtungen für Gewässer im
Eigentum der LMBV vom 24.09.2002
ABBergV (1995) Bergverordnung für alle bergbaulichen VA Altlastenfinanzierung (1992) Verwaltungsabkommen
Bereiche (Allgemeine Bundesbergverordnung) vom über die Regelung der Finanzierung der ökologischen
23.10.1995 Altlasten vom 01.12.1992
BBergG (1980) Bundesberggesetz vom 13.08.1980 VA Braunkohlesanierung (1997) Ergänzendes Verwal-
BVerwGE (1996) Rammelsberg-Entscheidung. Bundes- tungsabkommen zum Verwaltungsabkommen über die
verwaltungsgericht, Urteil vom 9. November 1995, Regelung der Finanzierung der ökologischen Altlasten
Az. 4 C 25/94, BVerwGE 100, 31 = NVwZ 1996: vom 18.07.1997 in der Fassung vom 10.01.1995 über
712–716 die Finanzierung der Braunkohlesanierung in den Jah-
BBodSchG (1998) Gesetz zum Schutz vor schädlichen ren 1998–2002
Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten VA III Braunkohlesanierung (2002) Zweites ergänzendes
Bundes-Bodenschutzgesetz – vom 17.03.1998 Verwaltungsabkommen zum Verwaltungsabkommen
BNatSchG (2002) Gesetz über Naturschutz und über die Regelung der Finanzierung der ökologischen
Landschaftspflege Bundesnaturschutzgesetz – vom Altlasten vom 26.06.2002 in der Fassung vom 10.
25.03.2002 Januar 1995 über die Finanzierung der Braunkohle-
Bundesverwaltungsgericht (2005) „Tongrubenurteil“ zur sanierung in den Jahren 2003 bis 2007 (VA III Braun-
Abgrenzung von Berg- und Bodenschutz-/Abfallrecht: kohlesanierung)
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 14. April 2005, VA IV Braunkohlesanierung (2007) Drittes ergänzendes
Az. 7 C 26.03 Verwaltungsabkommen zum Verwaltungsabkommen
Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft B (2000) Zur Abgren- über die Regelung der Finanzierung der ökologischen
zung zwischen Bundes-Bodenschutzgesetz und Bun- Altlasten (VA Altlastenfinanzierung) in der Fassung
desberggesetz vom 10.01.1995 über die Finanzierung der Braun-
EntflechtG (2006) Gesetz zur Entflechtung von Gemein- kohlesanierung in den Jahren 2008 bis 2012 (VA IV
schaftsaufgaben und Finanzhilfen (Entflechtungsge- Braunkohlesanierung)
setz) vom 05.09.2006 WHG (2009) Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushaltes
EWG (1979) Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom Wasserhaushaltsgesetz vom 31.07.2009
02.04.1979 über die Erhaltung der wildlebenden WRRL (2000) Europäische Wasserrahmenrichtlinie vom
Vogelarten (Vogelschutzrichtlinie) 22.12.2000
EWG (1992) Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom
21.05.1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebens-
Wiedernutzbarmachung von
Tagebauen und Kippen 4
Alfred Vogt, Wolfgang Förster, Carsten Drebenstedt,
Holger Dorn, Jürgen Keßler, Werner Fahle, Gunter Reichel,
Dietmar Grießl, Rolf Katzenbach, Anke Werner,
Stefan Geß und Thomas Bennewitz

4.1.1 Das Bundesberggesetz und weitere


Inhalt rechtliche Bestimmungen, Vorschriften,
4.1 Ziele, Aufgaben, Grundsätze und Anordnungen sowie deren Umsetzung in
wissenschaftliche Grundlagen einer der LMBV in Form von Richtlinien,
nutzungsorientierten Sanierung Betriebsanweisungen
bergbaulicher Flächen������������������������������� 133 und Empfehlungen��������������������������������������� 133
4.1.2 Sanierungsstrategien für das Lausitzer und
Mitteldeutsche Braunkohlenrevier�������������� 137
A. Vogt () 4.1.3 Aufgaben und Prinzipien einer nut-
Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau- zungsorientierten durchgängigen Pla-
Verwaltungsgesellschaft mbH, Knappenstraße 1, nung bei der Sicherung und Gestaltung
01968 Senftenberg, Deutschland der Böschungen von Tagebaurestlöchern
E-Mail: vogt.pappritz@t-online.de und -seen sowie böschungsnaher und
-ferner Kippenflächen����������������������������������  141
W. Förster
Waldstraße 3, 09600 Hetzdorf, Deutschland 4.2 Untersuchungen zur
Böschungsstabilität
C. Drebenstedt ehemaliger Braunkohlentagebaue����������� 143
Institut für Bergbau und Spezialtiefbau,
TU Bergakademie Freiberg, Gustav-Zeuner-Straße 1a, 4.2.1 Einleitung����������������������������������������������������� 143
09596 Freiberg, Deutschland 4.2.2  Beurteilung der Setzungsfließgefahr und
Schutz von Kippen gegen Setzungsfließen
H. Dorn (Förster und Gudehus in (LMBV 1998))������ 144
Sandower Straße 45, 03046 Cottbus, Deutschland 4.2.3 Boden- und geophysikalische Untersuchungen
zum Nachweis der Böschungsstabilität�������� 151
J. Keßler
4.2.4  Wahl der Festigkeitsparameter in
BIUG Beratende Ingenieure für Umweltgeotechnik und
bodenmechanischen Untersuchungen����������� 162
Grundbau GmbH, Weisbachstraße 6,
09599 Freiberg, Deutschland 4.3 Technik, Technologien sowie Einsatzkriterien
der Sicherung und Gestaltung
W. Fahle · G. Reichel gekippter setzungsfließgefährdeter
Gesellschaft für Montan- und Bautechnik mbH (GMB), Tagebaurestlochböschungen
Knappenstraße 1, 01968 Senftenberg, Deutschland (LMBV 1998)���������������������������������������������� 165
D. Grießl 4.3.1 Abschätzung zu erwartender Rückgriffweiten
G.U.B. Ingenieur AG, Katharinenstr. 11, xr von Setzungsfließrutschungen������������������ 165
08056 Zwickau, Deutschland 4.3.2 Tiefhalten des Wasserspiegels und
Beeinflussung des Kornbandes so, dass
R. Katzenbach · A. Werner Setzungsfließen ausgeschlossen
Institut und Versuchsanstalt für Geotechnik, werden kann������������������������������������������������� 166
Technische Universität Darmstadt, Petersenstraße 13, 4.3.3 Porenwasserdruckbarrieren�������������������������� 167
64287 Darmstadt, Deutschland 4.3.4  Abstützung von Böschungen������������������������ 167
S. Geß · T. Bennewitz 4.3.5 Monitoring��������������������������������������������������� 179
FCB Fachbüro für Consulting und Bodenmechanik GmbH,
Verwaltungsring 10, 04579 Espenhain, Deutschland

C. Drebenstedt, M. Kuyumcu (Hrsg.), Braunkohlesanierung, 131


DOI 10.1007/978-3-642-16353-1_4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
132 A. Vogt et al.

4.4  Planung und Herstellung der In diesem Kapitel werden ausgehend von den
hydromechanischen Stabilität an rechtlichen Grundlagen für die bergbaulichen
Tagebaurestseen������������������������������������������ 181
4.4.1 Allgemeines�������������������������������������������������� 181 Tätigkeiten, dem Bundesberggesetz BBergG,
4.4.2  Gestaltungsprinzipien zur Ufersicherung���� 182 den Rechtsvorschriften der Bundesländer für die
4.4.3 Ausgleichsprofil������������������������������������������� 183 Regionalplanung und den bergbauspezifischen
4.4.4 Verbaumaßnahmen��������������������������������������� 184 Regelwerken und Richtlinien die Ziele, Aufga-
4.5  Untersuchung, Herstellung und ben und Grundsätze einer nutzungsorientierten
Nachweis der Tragfähigkeit von zur Sanierung bergbaulicher Flächen definiert und
Verflüssigung neigenden Kippen im
Böschungshinterland – Sicherheit gegen
Sanierungsstrategien für die beiden Braunkoh-
Grundbruch infolge Verflüssigung���������� 187 lenreviere in Ostdeutschland entwickelt.
Aus den Untersuchungen zur Böschungssta-
4.6  Haupt- und Abschlussgutachten zum
Nachweis des Sanierungserfolges bilität ehemaliger Braunkohlentagebaue, der Be-
und als Voraussetzung für das Ende urteilung der Setzungsfließgefahr als die gefähr-
der Bergaufsicht������������������������������������������ 192 lichste Rutschungsart an hiesigen Kippen werden
4.7  Kombination geotechnischer und Techniken, Technologien und Einsatzkriterien
wasserwirtschaftlicher Maßnahmen zur abgeleitet, mit denen gekippte setzungsfließge-
Verbesserung der Situation im Umfeld fährdete Böschungen gesichert, saniert und ge-
von Tagebaurestseen����������������������������������� 195
staltet werden.
4.8   Fallbeispiele������������������������������������������������� 198 Erforderliche Planungen zur Herstellung der
4.8.1  Tagebaurestloch Berzdorf���������������������������� 198
bodenmechanischen und hydromechanischen
4.8.2 RL 13– ehemaliger Tagebau
Schlabendorf Süd����������������������������������������� 213 Stabilität an Böschungen von Tagebaurestlö-
4.8.3  Das Speichersystem LOHSA II������������������� 217 chern und deren Hinterland sowie zum Nachweis
4.8.4 Böschungsbewegung im Bereich der des Sanierungserfolges als Voraussetzung für das
Südböschung des Tagebaurestloches
Beenden der Bergaufsicht werden beschrieben.
Nachterstedt am 18.07.2009������������������������ 230
4.8.5 Bauen auf bindigen Anhand einer Vielzahl von Fallbeispielen wer-
Mischbodenkippen im den praktische Vorgehensweisen der Sicherung,
Mitteldeutschen Braunkohlenrevier������������� 243 Sanierung und Gestaltung der Tagebaurestlöcher
Literatur������������������������������������������������������������������ 260
und -seen unter Berücksichtigung verschiedener
Nutzungsziele und Lastfälle vorgestellt.
Eine zusammenfassende Wertung der Bö-
schungsbewegung am 18.07.2009 im Bereich der
Südböschung des ehemaligen Tagebaues Nach-
terstedt wird vorgenommen. Erste Konzeptüber-
legungen zu den erforderlichen Sicherungs- und
Sanierungsmaßnahmen werden entwickelt.
Grundsätze des Bauens auf bindigen Misch-
bodenkippen werden an 2 Beispielen, die Süd-
umgehung Leipzig der Bundesautobahn BAB A
38 mit Querung der Kippen des ehemaligen Ta-
gebaues Espenhain und die Zentraldeponie Crö-
bern als erste geordnete Deponie auf einer Kippe
des Braunkohlentagebaus, dargestellt.
Die Fallbeispiele beziehen sich auf Erfahrun-
gen und betriebsinterne Regelungen der LMBV,
Verallgemeinerungen sind möglich.
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 133

4.1  Ziele, Aufgaben, Grundsätze und Daneben gelten für den Bergbau weitere Rechts-
wissenschaftliche Grundlagen vorschriften z. B. des Wasserrechts und des Im-
einer nutzungsorientierten missionsschutzrechts. Erforderlich für die Aus-
Sanierung bergbaulicher Flächen übung der Bergbauberechtigung sind Betriebs-
pläne (Rahmen-, Haupt-, Sonderbetriebspläne),
4.1.1 Das Bundesberggesetz die vom Bergbauunternehmen aufgestellt und
und weitere rechtliche der zuständigen Behörde zur Genehmigung vor-
Bestimmungen, Vorschriften, gelegt werden müssen. Für die Einstellung des
Anordnungen sowie deren Betriebes ist ein Abschlussbetriebsplan notwen-
Umsetzung in der LMBV dig. In ihm ist u. a. geregelt, wie das Wieder-
in Form von Richtlinien, nutzbarmachen des vorherigen Bergbaugebietes
Betriebsanweisungen und erfolgt. Die Betriebspläne bedürfen der Zustim-
Empfehlungen mung durch das zuständige Bergamt. Gemäß den
Rechtsvorschriften der Bundesländer ist ein lan-
Die gesetzlichen Grundlagen der Braunkohle- desplanerisches Genehmigungsverfahren für Ta-
sanierung sind im Abschnitt 3.1 ausführlich gebauvorhaben durchzuführen. Im Ergebnis des
beschrieben. Deshalb soll hier nur auf einige spe- Braunkohlenplanverfahrens wird ein Braunkoh-
zielle Regelungen eingegangen werden, um die lenplan erstellt. Der Braunkohlenplan, der dem
Geschlossenheit des Kapitels zu gewährleisten. bergrechtlichen Betriebsplanverfahren vorge-
Die Sanierung ehemals bergbaulich in An- schaltet ist, enthält u. a. Angaben über die Grund-
spruch genommener Flächen zielt darauf ab, züge der Oberflächengestaltung und Wiedernutz-
durch bergbauliche, geotechnische, bautech- barmachung. Für den Sanierungsbergbau gelten
nische und wasserwirtschaftliche Maßnahmen analoge bergrechtliche Betriebsplanverfahren.
die geplante Folgenutzung ohne Gefahren für Den landesplanerischen Rahmen bilden die Sa-
Leben und Gesundheit Dritter zu gewährleisten nierungsrahmenpläne im Freistaat Sachsen, die
und damit Voraussetzungen für ein Beenden der Sanierungspläne im Land Brandenburg sowie die
Bergaufsicht über diese Objekte zu schaffen. Die Regionalen Teilgebietsentwicklungsprogramme
maßgebliche Rechtsnorm hierfür ist das Bundes- im Land Sachsen-Anhalt und die Regionalen
berggesetz (BBergG 1980). Der Sanierungsum- Raumordnungspläne im Freistaat Thüringen.
fang orientiert sich in erster Linie an erforderli- Für verbleibende Böschungen und Kippen-
chen Maßnahmen zum Beseitigen von Gefahren flächen des Übertagebergbaus ist von einem
für die öffentliche Sicherheit, wobei jedoch auch anerkannten Sachverständigen für Böschungen
nachnutzungsbedingte Anforderungen zu be- (neu: Sachverständigen für Geotechnik SfG nach
rücksichtigen sind, die unterschiedlich festgelegt (SächsBergVO 2009)) in Zusammenarbeit mit
sein können. Das BBergG knüpft die Beendigung einem Sachverständigen für Tagebauentwässe-
der Bergaufsicht an die ordnungsgemäße Durch- rung (neu: SfG) auf der Grundlage bergamtlicher
führung der im gültigen Abschlussbetriebsplan Richtlinien der Nachweis der bodenmechani-
festgelegten Maßnahmen und an die Prognose, schen Standsicherheit zu erbringen. Der Bewer-
dass nach allgemeiner Erfahrung nicht mehr tungsmaßstab zur Beurteilung der vorliegenden
damit zu rechnen ist, dass durch die Nutzung des Standsicherheit und die Zielparameter für den
sanierten Gebietes Gefahren für Leben und Ge- Endzustand sind durch den Sachverständigen
sundheit Dritter oder gemeinschädliche Einwir- und das Bergbauunternehmen festzulegen. Im
kungen eintreten werden. Zentrum stehen dabei das Vermeiden und Besei-
Die deutsche Wiedervereinigung 1990 be- tigen gefährlicher Zustände sowie die Absiche-
deutete auch den Übergang vom ostdeutschen rung der geplanten Folgenutzung.
Bergrecht zum Bergrecht der Bundesrepublik Es ist eine gesicherte Erfahrung des ostdeut-
Deutschland. Das Bergrecht ist die rechtliche schen Braunkohlenbergbaus, dass der sachver-
Grundlage für alle bergbaulichen Tätigkeiten. ständige Geotechniker neben
134 A. Vogt et al.

[kN/m²]
erstmals die Verflüssigung (liquefaction) von
t
2
wassergesättigtem sandigem Lockergestein als
Ursache des Eintretens von Setzungsfließen be-
schrieben. Unter Verflüssigung ist der Anstieg
des Porenwasserdrucks bei Scherdeformation
1
in einem solchen Maße zu verstehen, dass das
εv[%] Festigkeitsmaximum, der Bruchwert, bereits bei
2 einem sich entwickelnden Reibungswinkel er-
reicht wird, der unter dem für dieses Material üb-
lichen, bei dränierter Scherbeanspruchung fest-
1 stellbaren Grenzwert liegt.
u=σ3
u Während bei zur Verflüssigung neigenden
[kN/m²] Sanden (Abb. 4.1) die Festigkeit nach dem
Bruchpunkt rapide abfällt und der Porenwas-
Abb. 4.1   Qualitative Bewertung der Verflüssigungsge-
fahr. 1 Lohsaer Sand, der zur Verflüssigung neigt, 2 Mate- serdruck stark ansteigt, ist das Lockergestein 2
rialverhalten eines nicht zur Verflüssigung neigenden, Lo- mit einem konstanten Festigkeitswert und gleich
ckergesteins, u Porenwasserdruck, t Deviatorspannung, bleibendem Porenwasserdruck nicht zur Verflüs-
εv vertikale Deformation, σ3 horizontale Hauptspannung. sigung fähig und somit sicher gegenüber Set-
(Richtlinie 1985)
zungsfließen.
Als kritische Zustände, die ein Setzungsflie-
• den dem Bauwesen, der Bodenmechanik und ßen auslösen können, sind u. a. zu nennen:
dem Grundbau zuzuordnenden Vorschriften • Erschütterungen durch Tagebaugeräte (z. B.
(DIN) und dem geotechnischen Grundlagen- aus dem Massenabwurf bei der Kohlengewin-
wissen, nung und aus Fahrverkehr)
• den Aufgabenstellungen, den Anforderungen • plötzlich auftretende Strömungskräfte, z. B.
aus der Sicht des Nachnutzers sowie den berg- bei Rückströmung des Wassers nach Anstau
behördlichen Auflagen (Abb. 4.3) durch Wind, schnelle Wasserspiegelabsenkung
auf ein spezielles bergbauspezifisches Regel- • Sackungen bei Wasseranstieg
und Richtlinienwerk zurückgreifen muss, das • lokale Böschungsbrüche
sowohl moderne wissenschaftliche Kenntnisse • kritische Wasserstände vor (HWR) und inner-
aufbereitet hat (Richtlinie 1989; Förster et al. halb der Kippenböschung (HWK) (bei HWR/
1990; LMBV 1998, 1999, 2001, 2002) als auch HWK ≥ 0,1 und HWK/HK ≥ 0,2 muss mit einem
auf die besonderen technologischen, hydrogeo- Setzungsfließen gerechnet werden, Defini-
logischen, geologischen und geotechnischen tionsskizze Abb. 4.8).
Verhältnisse der beiden Bergbauregionen Lausitz Erheblichen Einfluss besitzen auch die Material-
und Mitteldeutschland eingeht. eigenschaften. Sande, die zur Verflüssigung nei-
Bereits vor dem Einsetzen des intensiven Sa- gen, weisen ein charakteristisches Kornband auf
nierungsbergbaus Anfang der 90er Jahre des 20. (Abb. 4.2).
Jahrhunderts waren die Braunkohlengewinnung Ebenso liegen gesicherte Erfahrungen zur
störende Rutschungen und große Setzungsflie- Lagerungsdichte vor. Setzungsfließgefahr be-
ßereignisse Anlass, Aspekte der Vermeidung steht bei einer bezogenen Lagerungsdichte von
von Rutschungen, der Sicherung und Sanierung ID ≤ 0,6, bei durch Drucksondierungen festge-
sowie der planmäßigen Gestaltung von Tage- stellten Spitzendruckwerten qc ≤ 1,5 kN/m2 im
bauen und Tagebaurestlöchern systematisch zu wassergesättigten Sand und bei Porenanteilen n,
untersuchen und anwendungsbereites Wissen zur die größer als der spannungsabhängige kritische
Umsetzung der Erkenntnisse im Braunkohlen- Porenanteil sind (n > ca. 38 % bis 40 %).
bergbau bereitzustellen. Die (Arbeitsrichtlinie 1987) empfiehlt Maß-
In der Dokumentation (VE BKK Senften- nahmen zur Vermeidung von Setzungsfließrut-
berg und Bergakademie Freiberg 1983) wurde schungen in der Phase der Projektierung und ge-
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen

Abb. 4.2   Korngrößenverteilung von zur Verflüssigung neigenden Sanden. (Richtlinie 1989)
135
136 A. Vogt et al.

$QIRUGHUXQJHQ ]7:QVFKH $QIRUGHUXQJHQDQGLH


DQGLH6WDQGRUWJHJHEHQKHLWHQ %HHQGLJXQJGHU%HUJDXIVLFKW
EHLhEHUQDKPHGXUFKGHQ
1DFKQXW]HU1DFKHLJHQWPHU

1DFKQXW]HU /0%9 %HUJEHK|UGH


1DFKHLJHQWPHU

=HQWUDOH6DQLHUXQJVDXIJDEHQGHU/0%9 1DFKZHLVGHU
*HZlKUOHLVWXQJGHUJHSODQWHQ 8PVHW]XQJGHV$EVFKOXVVEHWULHEVSODQV
)ROJHQXW]XQJ HUIRUGHUOLFKHQ5LVLNRUHGXNWLRQIUGLH
9HUZHUWXQJGHU%HUJEDXIROJHIOlFKHQ 6I% *HZlKUOHLVWXQJGHU|IIHQWOLFKHQ6LFKHUKHLW
6I*
%HDXIWUDJXQJ]XU$EVLFKHUXQJ
EHUJEHK|UGOLFKHU$XIODJHQ
%RGHQPHFKDQLVFKHU6WDQGVLFKHUKHLWVQDFKZHLV %RGHQPHFKDQLVFKHU
%HXUWHLOXQJGHUYRUOLHJHQGHQJHRWHFKQLVFKHQ6LFKHUKHLW 6WDQGVLFKHUKHLWVQDFKZHLV
%HUHFKQXQJGHVYRUKDQGHQHQ6LFKHUKHLWVNRHIIL]LHQWHQ
6 YRUK
6 YRUK 6 HUI
=LHO!
(PSIHKOXQJHQIU0D‰QDKPHQ]XP(UUHLFKHQGHVHUIRUGHUOLFKHQ
6LFKHUKHLWVQLYHDXV 6 YRUK ! 6 HUI
)HVWVWHOOXQJGHVYHUEOHLEHQGHQ5LVLNRVXQWHU%HUFNVLFKWLJXQJ
GHU)ROJHQXW]XQJ

Abb. 4.3   Veranschaulichung der Konstellation zwischen Bergbehörde, Nachnutzer und Bergbauunternehmen bei Sa-
nierungsverpflichtung am Beispiel der LMBV mbH

winnt ganz aktuell für den Aufschluss von neuen fahrungen, die in den 90er Jahren des 20. Jahr-
Lausitzer Tagebauen wieder an Bedeutung. hunderts in einem vom Bundesministerium für
Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts Bildung und Forschung geförderten und im Auf-
lagen mit einer „Richtlinie für die Sanierung trag der LMBV durchgeführten Forschungs- und
von verflüssigungsgefährdeten Lockergestei- Entwicklungsprojekt erarbeitet wurden, in einer
nen durch Sprengen“ (Förster et al. 1990) sowie Anwenderdokumentation (LMBV 1998) zusam-
Spezialliteratur zur „Sprengverdichtung“ (Keß- men.
ler und Förster 1992), zum „Verflüssigungsver- Da Tagebaurestseen als Wasserspeicher sowie
halten von Sand unter Einwirkung dynamischer als touristische und ökologische Projekte eine
Lasten“ (Leonhardt und Förster 1993) und zur immer zunehmendere Rolle spielen, wurden
„Seismischen Anregung von Kippen durch Tage- entsprechende Empfehlungen und Bemessungs-
baugeräte“ (Vogt und Förster 1993) Grundlagen grundlagen für die Gestaltung von Tagebaurest-
vor, um auf die neuen geotechnischen und tech- seen (LMBV 2001) erarbeitet, nach denen heute
nologischen Verhältnisse nach Einstellung des solche Seen geplant werden.
Bergbaubetriebes in vielen Braunkohlentagebau- Für die Beendigung der Bergaufsicht sind
en nach 1990 angemessen reagieren zu können. den Bergbehörden Haupt- und Abschlussgut-
Zunehmend spielten Kippenflächen des achten vorzulegen, deren wesentlicher Bestand-
Braunkohlenbergbaus als Baugrund eine Rolle teil der Flächenhafte Nachweis der Verdichtung
(Tamaskovics 1995). Jennrich (1999) entwi- stabilisierter Kippen und Kippenböschungen ist
ckelte theoretische Grundlagen zur Berechnung (LMBV 2002).
von Schwallwellen, die infolge eines Setzungs- Auch die Bergbehörden, die als staatliche
fließens entstehen und deren Auflaufen auf die Kontrollorgane in den Sanierungsbergbau einbe-
gewachsenen, eigentlich sicheren Uferbereiche zogen werden (Abb. 4.3), haben sich u. a. durch
Menschen und Anlagen gefährden können. die Erarbeitung von Richtlinien den neuen Auf-
Förster und Gudehus fassten die wissen- gaben des Sanierungsbergbaus gestellt (Richtli-
schaftlichen Ergebnisse und praktischen Er- nie 2001, 2005; SächsBergVO 2009).
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 137

4.1.2 Sanierungsstrategien für das reichen mit geringem gestaltbarem Böschungs-


Lausitzer und Mitteldeutsche hinterland kann auch ein ingenieurtechnischer
Braunkohlenrevier Böschungsverbau notwendig sein. Zur Sicherung
gegen Grundbruch- bzw. Geländeeinbruchgefahr
Grundsätzliches Im Abschnitt 2.2 wurden die bei geringen Grundwasserflurabständen in was-
beiden Reviere, das Lausitzer und Mitteldeutsche serfreien Restlöchern oder im Böschungshinter-
Braunkohlenrevier, ausführlich gekennzeich- land werden gegebenenfalls Massenauftrag mit
net. Die markanten Unterschiede in den geolo- mobiler Erdbautechnik und Verdichtungsarbeiten
gischen, hydrologischen, bodenmechanischen durchgeführt.
und technologischen Gegebenheiten bestimmen Die genannten Verfahren zur Böschungs-
die Sanierungsstrategien zur Herstellung und sicherung werden in den Sanierungsrevieren
Gewährleistung der geotechnischen und öffent- mit unterschiedlichen Wichtungen eingesetzt.
lichen Sicherheit ehemals bergbaulich in An- Dies resultiert im Wesentlichen aus den im Ab-
spruch genommener Flächen. Für die Sicherung schnitt 2.2 aufgeführten prinzipiellen Unterschie-
von Böschungen werden grundsätzlich folgende den in Bodenmechanik, Geologie, Technologie
Verfahren eingesetzt: und Wasserwirtschaft der Reviere.
• Böschungsabflachung und -gestaltung: Die Ausgehend von der Größenordnung und der
Herstellung einer entsprechend der geplan- Anzahl von Setzungsfließrutschungen wird das
ten Nutzung abgeflachten Neigung und Aus- Setzungsfließen oftmals als ein typisches Lau-
formung der Böschung erfolgt mittels Tage- sitzer Phänomen bezeichnet. Jedoch ist das Set-
baugroßgeräten (wenn diese noch verfügbar zungsfließen hinsichtlich seines physikalischen
sind), mittels mobiler Erdbau-, Verdichtungs- Prozesses und seiner Erscheinungsform in der
und Planiertechnik und/oder mittels hydrome- ostdeutschen Bergbaufolgelandschaft an kein
chanischer Massenumlagerung. Revier gebunden, sondern in beiden Braunkoh-
• Die geländegleiche Verfüllung des Restloches lenrevieren als gefährlichste Rutschungsart sehr
oder Auffüllung der Restlochsohle mit den ernst zu nehmen. Die Entstehungsbedingungen
vorangehend genannten analogen Verfahren. der verflüssigungsempfindlichen Lockergestei-
• Anstützungen vor der Böschung: Herstellen ne unterscheiden sich dagegen grundsätzlich.
eines Widerlagers mittels Tagebaugroßgerä- Im Lausitzer Braunkohlenrevier sind die Entste-
ten, konstruktivem Erdbau und/oder hydro- hungsbedingungen der pleistozänen glazigenen
mechanischer Massenein- bzw. -abspülung. Fazies und im Mitteldeutschen Braunkohlenre-
• Dynamische Kippenstabilisierung: Herstel- vier nahezu ausschließlich der tertiären fluvia-
lung eines verdichteten Stützkörpers in der tilen und ästuarinen Fazies zuzuordnen (Jolas
Böschung mittels Sprengverdichtung, Rüttel- 1996).
druckverdichtung, Rüttelstopfverdichtung, Neben der Eignung eines Sanierungsverfah-
Leichter Rütteldruckverdichtung und Fallge- rens sind seine spezifischen Kosten ein weiteres
wichtsverdichtung. Ihr Einsatz konzentriert Kriterium für die Auswahl.
sich auf setzungsfließgefährdete bzw. zur Ver- Eine geländegleiche Verfüllung von Tagebau-
flüssigung neigende Kippen. restlöchern bleibt meist kleineren Hohlformen
Die Abflachung der gewachsenen und gekipp- vorbehalten und erfordert ein entsprechendes
ten Restlochböschungen erfolgt bis auf eine Bö- stofflich geeignetes Massendargebot in räumli-
schungsneigung, bei der die Dauerstandsicherheit cher Nähe, da sonst die Transportkosten zu groß
und die hydromechanische Sicherheit gewähr- werden.
leistet sind. Für die Herstellung der hydrome- Die Beendigung der Bergaufsicht ist erst nach
chanischen Sicherheit ist die Ausformung eines Herstellung und Nachweis der bodenmechani-
Wellenausgleichsprofils erforderlich, welches schen und hydromechanischen Stabilität der ge-
größere nachträgliche Böschungsumformungen kippten und gewachsenen Restlochböschungen
infolge Welleneinwirkung verhindern soll. In Be- und nach Erreichen des unteren Zielwasserstan-
des in den Tagebaurestseen möglich.
138 A. Vogt et al.

Eine Voraussetzung für die Herstellung der weitergeführt und abgeschlossen. Damit wird die
öffentlichen Sicherheit auf Bergbauflächen all- oberhalb der vorhandenen Grundwasseroberflä-
gemein und an Böschungsbereichen insbesonde- che noch fehlende Verdichtung im erdfeuchten
re ist die Verwahrung von untertägigen bergmän- Bereich bis nahe zur Geländeoberfläche im An-
nischen Hohlräumen (meist alte Entwässerungs- schluss an die Sprengverdichtung vorgenommen.
strecken). Die Verwahrung erfolgt meist durch Der Abschluss der bergtechnischen Arbeiten ist
Einbringen von Versatz von über Tage aus mittels damit unabhängig vom Grundwasserwiederan-
Bohrungen. stieg. Zur Herstellung der Tragfähigkeit in der
Uferzone sind oft noch Oberflächenverdichtun-
Bergbauliche Sanierung gen mittels Vibrationswalzen notwendig. Die ab-
Lausitzer Revier  Die Sande der Lausitz sind schließende Gestaltung, Begutachtung und Wie-
mit Ausnahme des Oberlausitzer Lagerstätten- dernutzbarmachung des beanspruchten Gebietes
bezirkes grundsätzlich setzungsfließgefährdet. folgen dann.
Durch die Schmelzwässer des Inlandeises im Die hydromechanische Stabilität des Ufers er-
Pleistozän wurde im Bereich der Kohlenlager- fordert, bedingt durch die Materialeigenschaften,
stätten großflächig das tertiäre Deckgebirge die Herstellung meist sehr flacher Strandneigun-
abgetragen und durch mächtige sandig-kiesige gen von 1: (15 bis 20).
Ablagerungen ersetzt. Die Folge davon sind die Zum Vermeiden des unbeabsichtigten Betre-
Urstromtäler, deren Talsande oftmals das Han- tens nicht gesicherter setzungsfließgefährdeter
gende des II. Lausitzer Flözes bilden. Die Sedi- Inselbereiche wird die Herstellung und Wartung
mente der Urstromtäler mit gut abgerundeten von Schutzgräben mittels Tagebaugroßgeräten
Körnern fallen in der Regel in das Kornspektrum angewendet (z. B. im Wasserspeicher Lohsa II).
verflüssigungsempfindlicher Sande (Abb. 4.2) Aufgrund der bodenphysikalischen Eigen-
und bilden im Wesentlichen bei technogen schaften des Abraummaterials werden Anstüt-
bedingter lockerer Lagerung die Kippen in den zungen mit geeignetem Material vor der Bö-
Tagebauen, die bei aufgehendem Grundwasser schung mit Ausnahme des Tagebaurestloches
akut setzungsfließgefährdet sind (Jolas 1996). Berzdorf in der Oberlausitz (s. Abschn. 4.8.1) nur
Sie erfordern daher eine wirksame und dauer- untergeordnet angewendet. Diese Anstützungen
hafte Sicherung gegen Verflüssigung der locker werden so verdichtet hergestellt, dass sie selbst
gelagerten, wassergesättigten Kippenmaterialien. nicht zur Verflüssigung neigen. Wegen der Ver-
Bis zur Herstellung der geotechnischen Sicher- flüssigungsgefahr unterlagernder Kippenmassen
heit sind deshalb z. T. größere Flächen auch im sind sie grundsätzlich auf gewachsenes Gebirge
Böschungshinterland gegen Betreten gesperrt aufzusetzen.
(Sperrbereiche). Gewachsene Böschungen werden in der Regel
Hauptaufgabe der bergtechnischen Sanierung mittels Böschungsabflachung und -gestaltung ge-
im Lausitzer Revier ist deshalb die Sicherung sichert. In der Lausitz müssen aufgrund der Set-
der gekippten, wasserangrenzenden Böschungen zungsfließgefahr (Schwallwellenauslösung bei
gegen die Gefahr des Setzungsfließens durch Rutschungen) auch die gewachsenen Böschungs-
Verdichten mit den Verfahren der dynamischen bereiche eines Restloches ggf. bis zum Abschluss
Kippenstabilisierung sowie mit ergänzenden erd- der Sicherungsarbeiten und der Flutung gesperrt
bau- und wasserbautechnischen Verfahren (Pla- bleiben.
nieren, Verdichten der Oberfläche, Böschungs- Mitteldeutsches Revier Im Mitteldeutschen
verbau). Braunkohlenrevier sind die verflüssigungsemp-
Die Kippenstabilisierung erfolgt meist in findlichen Sande an tertiäre Flussläufe oder an
mehreren Etappen. Nach Abschluss der Spreng- Flussmündungen in das Oligozänmeer gebunden.
verdichtung, die eine Verdichtung der wasserge- Durch jungeozäne und oligozäne Flüsse wurde
sättigten Kippen – also im Bereich unterhalb der das alteozäne Deckgebirge über dem Flöz rin-
Grundwasseroberfläche – erzielt, wird die Kip- nenförmig erodiert. In den Erosionsrinnen lager-
penverdichtung mit der Rütteldruckverdichtung
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 139

ten sich Sedimente ab, die in das kritische Korn- zifika der Bergbaureviere haben sich auch in der
spektrum verflüssigungsempfindlicher Sande mit praxisorientierten angewandten Forschung und
nicht selten abgerundetem Korn fallen. Während den daraus entstandenen Regelwerken und Emp-
im Lausitzer Revier in der Fazies der Urstromtä- fehlungen widergespiegelt.
ler das verflüssigungsempfindliche Material do- Während mit dem Grundlagendokument „Be-
miniert und vorwiegend die Kippen aufbaut, lie- urteilung der Setzungsfließgefahr und Schutz
fern die tertiären Flussrinnen im Mitteldeutschen von Kippen gegen Setzungsfließen“ (LMBV
Revier nur einen der jeweiligen lokalen Fazies 1998) den Lausitzer Verhältnissen Rechnung ge-
entsprechenden Teil an verflüssigungsempfind- tragen wurde, nehmen die „Empfehlungen und
lichem Material für die Kippen (Jolas 1996). Bemessungsgrundlagen für das Bauen auf bin-
Nach Jolas wird deshalb hinsichtlich des Kip- digen Mischbodenkippen der Braunkohlentage-
penaufbaues zwischen baue im Mitteldeutschen Revier“ (LMBV 1999)
• Kippensystemen aus verflüssigungsempfind- vor allem Bezug auf das Leipzig/Bitterfelder
lichem Lockergestein analog dem Lausitzer Braunkohlenrevier. Das „Bauen auf Kippen“ ist
Revier (sehr selten auftretend) inzwischen keine vorrangige Aufgabe des mittel-
• zusammenhängenden Kippenscheiben aus deutschen Reviers, sondern auch Gegenstand an-
verflüssigungsempfindlichem Material im spruchsvoller Bau- und Nutzungsprojekte in der
Hangenden oder Liegenden von Kippscheiben Lausitz. Zahlreiche Windenergieanlagen auf ehe-
bindigen Materials (bei mächtigen tertiären mals zur Verflüssigung neigenden Kippen sind
Sandablagerungen auftretend) dafür ein Beleg.
• in bindiges Material sporadisch eingelagerte
Lockergesteinskomplexe aus verflüssigungs- Wasserwirtschaftliche Sanierung Die was-
empfindlichem Material (oft auftretend) serwirtschaftliche Sanierung orientiert auf die
unterschieden. Die eingelagerten Lockergesteins- Wiederherstellung eines sich weitgehend selbst
komplexe aus verflüssigungsempfindlichem Ma- regulierenden Wasserhaushaltes. Durch eine
terial sind zumeist nicht bekannt und bedürfen schnelle Flutung, durch Zuführen von Oberflä-
zu deren Lokalisieren hoher Erkundungsaufwen- chenwasser oder durch Grubenwasser aus dem
dungen. aktiven Bergbau sollen ein schneller Wasseran-
Bei der Sicherung gewachsener und gekippter stieg im entstehenden Tagebaurestsee erreicht
Böschungen dominieren Böschungsabflachung/- und Impulse für den Ausgleich des Wasserdefi-
gestaltung und Stützanschüttungen vor der Bö- zits gesetzt werden. Damit sollen
schung. Der verkippte Mischboden mit seinen • eine stabilisierende Wirkung an den Böschun-
höheren bindigen Anteilen besitzt auch bei Was- gen gegenüber dem Angriff von windindu-
seraufgang noch eine Festigkeit, die es gestattet, zierten Wellen erreicht,
weitgehend auf die aufwendigen dynamischen • die Bildung schwefelsaurer Tagebaurestseen
Verdichtungsverfahren in den Kippen zu verzich- eingeschränkt und letztlich verhindert sowie
ten. Wegen der, von o. g. Ausnahmen abgesehen, • eine frühzeitige Nachnutzung ermöglicht wer-
geringeren Gefahr spontaner Setzungsfließrut- den.
schungen sind bodenmechanisch erforderliche Die Flutung kann entsprechend dem erreichten
Sperrbereiche nur auf kleinere Flächen begrenzt. bergtechnischen Sanierungsstand nach Fertig-
Eine Nachnutzung/Verwertung der gesicherten stellung der Wasserbauwerke beginnen.
Uferbereiche ist deshalb meist schon früher mög- Eine Vorgabe in den Zielstellungen ist, die
lich als in der Lausitz. Auswirkungen der tagebaubedingten Grundwas-
Bei der Herstellung der hydromechanischen serabsenkung so gering wie möglich zu halten
Stabilität der Uferbereiche werden in der Regel und schrittweise abzubauen. Durch das Betrei-
Strandneigungen von 1: (10 bis 15) erforderlich. ben von Wasserhaltungen werden vorgegebene
Die geologischen, hydrogeologischen, boden- Grenzwerte reguliert. Das gehobene Wasser wird
mechanischen und bergbautechnologischen Spe- zur Reinigung in Grubenwasserreinigungsanla-
140 A. Vogt et al.

Tab. 4.1   Richtwerte für Mindestflurabstände.


gen geleitet. Das gereinigte Wasser wird über die
(Gehrisch 1998)
Vorflut oder Leitungssysteme für die Restloch-
Nutzungsart Mindestflurabstand [m]
flutung verwendet.
Forstwirtschaftliche ≥ 2,0
Aufgrund des geringen Wasserdargebots im Nutzung
Lausitzer Gebiet gestaltet sich die wasserhaus- Weidelandschaft ≥ 2,5
haltliche Sanierung kompliziert und erfordert eine Touristische Nutzung mit ≥ 4,0
länderübergreifende und flussgebietsorientierte Gestaltung durch Dünen
Bewirtschaftung der Ressource Wasser. Diese er- Befestigte Wald-/ ≥ 2,0
Wanderwege
folgt durch die beim Projektträger der Braunkoh-
Befestigte Wege für Fahr- ≥ 3,0
lesanierung LMBV mbH angesiedelte und von zeuge < 5 t
den Ländern getragene Flutungszentrale Lausitz. Straßen für sonstige ≥ 5,0
Schwerpunkte zur Rehabilitation des Wasser- Fahrzeuge
haushaltes der Lausitz sind Feuchtgebiete (Biotope) < 1,0
• die Fremdwasserzuführung für die Tagebau-
restlöcher nach 1989. Damit ergaben sich der Zwang und
• die Herstellung und Renaturierung der Vor- die Chance der Neuausrichtung der Rekultivie-
flutsysteme sowie der Ausbau vorhandener rung. Extensive Landnutzungen, wie naturraum-
Vorflutsysteme zur Ableitung des Wassers aus bezogene Forstwirtschaft und große naturschutz-
den Flutungsräumen und damit die Steuerung wertvolle Flächen, prägen einerseits die Rekulti-
des Grundwasserwiederanstieges vierung und geben andererseits die Nutzungsar-
• die Abwehr der mit dem Grundwasserwieder- ten vor, die der sachverständige Geotechniker im
anstieg verbundenen Gefahren. Rahmen der Gewährleistung der Sicherheit auf
Mit Hilfe eines Grund- und Oberflächenwasser- Kippen im Hinterland von Tagebaurestseen als
monitoring zur Höhen-, Qualitäts- und Mengen- Randbedingung seiner Standsicherheitsberech-
überwachung des Grundwasseranstieges und der nungen zu berücksichtigen hat. Während schon
Flutung werden diese Prozesse gesteuert, wobei (Gehrisch 1998) Erfahrungswerte von Mindest-
eine enge Kopplung zum geotechnischen Moni- flurabständen nach Abschluss der Sackungen
toring immer mehr zum Standard wird. für den Einsatz forst- und landwirtschaftlicher
Das wesentlich größere Wasserdargebot in Geräte auf Kippen (Tab. 4.1) veröffentlichte, er-
Mitteldeutschland gestattete die Einzelanbin- laubten später genauere Berechnungsmethoden
dung der im Unterlauf von Weißer Elster, Mulde und exaktere Kennwerte präzisierte Vorgaben für
und Saale gelegenen Tagebaurestlöcher. Außer- den im Rahmen der Rekultivierung notwendigen
dem bietet die Wasserableitung des aktiven Berg- Geräteeinsatz (Tab. 4.6).
baus die Möglichkeit zur direkten Einleitung von Der Sanierungsbergbau gehört zu den Berg-
Sümpfungswasser in die im Südraum von Leip- bauunternehmen in Deutschland, die dem Natur-
zig gelegenen Restlöcher. schutz eine sehr bedeutende Rolle einräumen.
Die wasserwirtschaftliche Sanierung wird im Über 15 % der ursprünglich im Eigentum des
Kapitel 5 ausführlich erläutert. Sanierers befindlichen Flächen sind zu dieser
Kategorie zu zählen. Die bis Mitte der 90er Jahre
Rekultivierung  Die Gestaltung der Landschaft erarbeiteten Planungsdokumente der Bundeslän-
für eine langfristig gesicherte Nutzung als Land- der gehen von einem geringen Bedarf an neuen
wirtschafts- oder Forstwirtschaftsfläche, für die Landwirtschaftsflächen aus. Erstmalig werden
unterschiedlichsten Arten der Erholung und nicht dem Naturschutz großflächig eigene Flächen
zuletzt für den Naturschutz, ist eng an die natür- zugewiesen. Dabei gilt es für z. T. einander ent-
lichen und die vom Menschen gemachten Fakto- gegenstehende Tendenzen von geotechnischer Si-
ren gebunden. cherheit und Naturschutz einvernehmliche kon-
Ein wesentlicher Faktor für den Sanierungs- fliktarme Lösungen zu finden (s. Abschn. 4.1.3).
bergbau ist der gebrochene Planungsprozess Die Rekultivierung wird im Kapitel 8 ausführ-
lich behandelt.
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 141

4.1.3 Aufgaben und Prinzipien betonen, dass die Verantwortung für die Abschät-
einer nutzungsorientierten zung und Akzeptanz verbleibender Risiken nicht
durchgängigen Planung bei allein dem SfG obliegt. Die Entscheidung über
der Sicherung und Gestaltung das an einem Objekt bei Beendigung der Berg-
der Böschungen von Tagebau- aufsicht verbleibende Risiko ist in Abstimmung
restlöchern und -seen sowie zwischen Bergbehörde, Sanierungsunternehmen,
böschungsnaher und -ferner Nachnutzer und SfG sowie ggf. weiterer Betei-
Kippenflächen ligter zu treffen (Abb. 4.3).
Um Konflikte zwischen Sanierungsverpflich-
Schlussfolgerungen für die Planung und Aus- tung des Bergbaubetriebs und Nachnutzung
führung der bergbaulichen Sanierung Bei möglichst zu vermeiden, muss darauf orien-
der Festlegung, Planung und Bewertung von Sa- tiert werden, dass bereits bei der Ableitung des
nierungsmaßnahmen ist die auf bergrechtlichen Handlungsbedarfs und der Festlegung von Maß-
Vorschriften beruhende Vorgehensweise grund- nahmen durch den SfG nachnutzungsbezogene
sätzlich einzuhalten. Für den zu erreichenden Aspekte berücksichtigt werden. Diese Gesichts-
Zustand nach der Sanierung sind neben den Si- punkte müssen z. B. bereits in der jeweiligen
cherheitsanforderungen auch Ansprüche aus der Aufgabenstellung an den SfG mit enthalten sein
geplanten Nachnutzung zu berücksichtigen. Eine oder zwischen dem Auftraggeber und SfG in
zentrale (aber letztlich nicht die einzig entschei- fachlichen Erörterungen der Aufgabenstellung
dende) Rolle spielt dabei der Geotechniker und und von Zwischenergebnissen abgestimmt wer-
Sachverständige für Geotechnik (SfG), in dessen den. Instrumente und Methoden zur Berücksich-
bodenmechanischen Standsicherheitsnachwei- tigung einzelner, spezieller Nachnutzungsfor-
sen und -einschätzungen (SN/SE) erforderliche men, z. B. für Belange des Naturschutzes, sind
Sicherheiten Serf. festgelegt und Sanierungsziele bereits verfügbar.
definiert werden. In diesen Nachweisen und Ein- Als konkrete Empfehlungen für die Umset-
schätzungen sollten auch zung der Sanierungstätigkeit werden abgeleitet:
• verbleibende tolerierbare Risiken sowie nach • Angaben in der Aufgabenstellung des Auf-
Möglichkeit auch das Grenzrisiko RG klar traggebers für bodenmechanische SN/SE:
benannt und ggf. auch quantitativ abgeschätzt Beachtung von Naturschutzbelangen; Berück-
und bewertet werden; in diese Abschätzungen sichtigung des Konfliktstatus eines Sanie-
sind Parameterstudien einzubeziehen, die den rungsbereichs; Ableitung von nach Möglich-
Einfluss von Vor-Ort-Parametern auf Sicher- keit klaren Aussagen zu verbleibenden Risi-
heit und Risiko beschreiben ken und Konfliktsituationen
• Vergleiche zwischen dem „verbleibenden • Inhalte der bodenmechanischen SN/SE:
tolerierbaren“ Risiko und dem „allgemeinen“ Bewertung der Gefahrensituation, u. a. auf
Lebensrisiko gezogen werden (wenn sich die- Grundlage von Bewertungsschemen; Auswei-
ser Vergleich anbietet) tung der Parameterstudien auf den Einfluss
• Einschätzungen erfolgen, ob eine ggf. vorlie- von Modellparametern auf die Sicherheit
gende Gefahrensituation von Personen auf- und das verbleibende und tolerierbare Risiko.
grund der allgemeinen Lebenserfahrung offen Berücksichtigung von Naturschutzbelangen
erkannt werden kann oder ob diese verdeckt und weiteren Aspekten
auftritt. • Herbeiführung einer zwischen Bergbehörde,
Diese Einschätzungen sind für den Abwägungs- Sanierungsunternehmen, Nachnutzer und SfG
und Entscheidungsvorgang der Bergbehörde abgestimmten Entscheidung zu verbleibenden
über die Beendigung der Bergaufsicht von grund- Risiken und Konfliktpotenzialen.
sätzlicher Bedeutung, da eine bergbehördliche
Grundforderung u. a. ist, dass verbleibende Risi- Betrachtungen zum Risikobegriff  Das Risiko
ken abschätzbar sein sollen. Es ist allerdings zu wird durch eine Wahrscheinlichkeitsaussage
142 A. Vogt et al.

Abb. 4.4   Zusammenhang zwischen


Restrisiko RR und Grenzrisiko RG

VLFKHU 6YRUK 6HUI XQVLFKHU 6YRUK 6HUI

 5HVWULVLNR55 *UHQ]ULVLNR5* 5 7PD[ YRUKDQGHQHV


WROHULHUEDUHV 5LVLNR5 YRUK
YHUEOHLEHQGHV

5LVLNR5 7
55 57 5*  PLQGHVWHQV
GXUFK]XIKUHQGH
5LVLNRUHGXNWLRQ

EHLEHUJEDXOLFKHU6DQLHUXQJ
EOLFKH5LVLNRUHGXNWLRQ

XPIDVVHQGH5LVLNRUHGXNWLRQ]XU$EVLFKHUXQJ
GHU)ROJHQXW]XQJXQWHU$XVVFK|SIXQJGHU
WHFKQLVFKHQXQGILQDQ]LHOOHQ0|JOLFKNHLWHQ

beschrieben, die die zu erwartende Häufigkeit Als Grenzrisiko RG ist das größte noch ver-
des Eintritts eines zum Schaden führenden Ereig- tretbare Risiko definiert, das mit einem be-
nisses und das beim Ereigniseintritt zu erwar- stimmten Zustand oder Vorgang verbunden ist.
tende Schadensausmaß berücksichtigt. Liegt ein Risiko unter dem Grenzrisiko (R ≤ RG),
Als Restrisiko RR wird das trotz Schutzmaß- kann die Situation als sicher eingeschätzt werden
nahmen unvermeidlich verbleibende Risiko, das (Abb. 4.4).
mit einem Zustand oder Vorgang verbunden ist, Das verbleibende tolerierbare Risiko RT be-
bezeichnet, da ein risikofreier Zustand prinzipiell zeichnet das Risiko, das mit einer Situation ver-
nicht erreicht werden kann (Abb. 4.4). Das Er- bunden ist, die nach ordnungsgemäßer Ausfüh-
reichen eines auf Restrisikoniveau abgesenkten rung von fachgerecht geplanten, ausreichenden
Risikos verlangt eine umfassende Risikoverrin- Schutzmaßnahmen zur Risikoreduktion ver-
gerung unter Nutzung aller technischen und fi- bleibt. Es liegt zwischen dem (unvermeidlich
nanziellen Möglichkeiten. Ein derartiges Vorge- verbleibenden) Restrisiko RR und dem Grenzrisi-
hen ist in der Praxis generell unüblich und auch ko RG: RR ≤ RT ≤ RG (Abb. 4.4). Das tolerierbare
nur in Spezialbereichen von Wissenschaft und verbleibende Risiko repräsentiert das mit einem
Technik geboten. Standort und/oder einer Situation verbundene
Im praktischen Sanierungsgeschehen ist fest- vertretbare Risiko. Der Sachverständige für Geo-
zustellen, dass es neben dem „unvermeidbaren“ technik beeinflusst mit seinem von ihm zu be-
Restrisiko in unterschiedlichem Maße zu „ver- gründenden erforderlichen Sicherheitsbeiwert
meidbaren“ Risiken Rverm. kommt. Ursache sol- Serf. das Niveau des verbleibenden tolerierbaren
cher „vermeidbarer“ Risiken können Sachzwän- Risiko RT. Bei einem kleinen Serf. (z. B. Serf. = 1,1)
ge und Sanierungsfehler (z. B. mangelhafte Pla- ist RT ≈ RG, was beispielsweise bei einem tem-
nungs- und Ausführungsqualität), aber auch sub- porären Aufenthalt eines LKW hinter einer un-
jektive Auffassungen des Sachverständigen für mittelbar später abzuflachenden Böschung ge-
Geotechnik sein. Das vermeidbare Risiko Rverm. rechtfertigt sein kann. Bei einem vergleichsweise
kann größer oder kleiner als das tollerierbare hohen Sicherheitsbeiwert (z. B. Serf. = 1,6) nähert
Risiko RT und das Grenzrisiko RG sein. Wenn sich RT stärker an RR an (z. B. bei der Beurteilung
Rverm. ≥ RG ist, liegen u. U. ernsthafte, materiel- der Sicherheit des öffentlichen Bahnverkehrs an
le Konsequenzen nicht ausschließende Fehlein- einem Tagebaurestloch). Auch die Zeitabhängig-
schätzungen vor. keit der Rahmenbedingungen der bergbaulich-
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 143

bautechnischen Sanierung auf das verbleibende henen Zustand, schon gar nicht für die Ausbildung
Risiko ist hierbei zu berücksichtigen. von Seeufern. Wegen der mit der Fremdwasser-
flutung der Tagebaurestlöcher und dem raschen
Grundwasserwiederanstieg sich ständig ändern-
4.2  Untersuchungen zur Böschungs- den geotechnisch-hydrogeologischen Situation
stabilität ehemaliger galt es, der Böschungs- und Ufersicherung vor-
Braunkohlentagebaue rangiges Augenmerk zu schenken. Schwerpunkt
war das Vermeiden von Setzungsfließrutschun-
4.2.1 Einleitung gen und weiteren Verflüssigungserscheinungen
in Ufernähe.
Nachdem Ende der 1980er und Anfang der Neben dieser auf unterschiedliche bergbau-
1990er Jahre die wissenschaftlichen Grundlagen technologische Vorgänge zurückzuführenden
der Beherrschung von Verflüssigungs- und Set- Unterteilung in gewachsene und gekippte Tage-
zungsfließgefahr geschaffen worden waren, kam bauböschungen sieht sich der geotechnische Pla-
es Ende der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts unter ner von Tagebaurestseen aus Sicht der Wissen-
der koordinierenden Tätigkeit des Projektträgers schaftsdisziplinen und des ingenieurtechnischen
der Sanierung LMBV mbH und mit Förderung Handwerkszeuges vor die Aufgabe gestellt, zwi-
durch das Bundesministerium für Bildung und schen
Forschung (BMBF) zur wissenschaftlichen Über- • einer bodenmechanischen Stabilität und
arbeitung und Vervollkommnung geotechnischer • einer hydromechanischen Stabilität
Untersuchungsmethoden und Berechnungsver- zu unterscheiden.
fahren. Die Ausführungen in den Abschnitten 4.2 Bei der bodenmechanischen Stabilität ist die
bis 4.4 greifen auf diese zurück. Sicherheit gegen Rutschungen und Gelände-
Die Situation in den ostdeutschen Braunkoh- bruch, auch im Zusammenhang mit Verbaumaß-
lenrevieren Anfang der 90er Jahre des 20. Jahr- nahmen, nachzuweisen (s. Abschn. 4.3). Bei der
hunderts war dadurch gekennzeichnet, dass in hydromechanischen Stabilität ist die Sicherheit
einer Vielzahl von Tagebauen, die noch bis vor der Ufer gegen die Wirkung der Wellen und der
kurzem der extensiven Braunkohlengewinnung Strömungen des freien Wassers zu untersuchen
dienten, „über Nacht“ die Gewinnungsarbeiten (s. Abschn. 4.4). Selbstverständlich ist der Nach-
eingestellt wurden. weis der hydromechanischen Stabilität genau so
Die gewachsenen Endböschungen waren Aufgabe des Bodenmechanikers.
i. d. R. korrekt bemessen, allerdings unter Bezug Das Prinzip einer durchgängigen Planung von
auf einen ganz bestimmten Sanierungs- und Re- Gestaltungs- und Sanierungsmaßnahmen an Ta-
kultivierungsplan, der nun nicht mehr zur Umset- gebaurestlöchern oder Tagebaurestseen ist in Ab-
zung kam. Neu war in den meisten Fällen, dass bildung 4.5 dargestellt.
kurzfristig Tagebaurestseen mit Endwasserstän- Aus fachlicher Sicht ist die Stabilität einer zur
den zu Zeitpunkten entstehen, die z. T. eine Neu- Verflüssigung neigenden Kippe natürlich integra-
bewertung der Standsicherheit der gewachsenen ler Teil der bodenmechanischen Stabilität. Wegen
Böschungen, Böschungsausbaumaßnahmen im der zentralen Bedeutung des bodenmechanischen
Stauspiegelschwankungsbereich zum Ausgleich Phänomens „Setzungsfließen“ für den ostdeut-
der von den Wind- und Wasserwellen ausgehen- schen Braunkohlenbergbau und nicht zuletzt
den Wirkungen und Festlegung von Sicherheits- wegen der zeitlichen Priorität der Sicherung von
linien um die Tagebaue herum verlangen, hinter setzungsfließgefährdeten Böschungen Mitte der
denen eine vom ehemaligen Bergbau nicht ein- 1990er Jahre widmet sich der Abschnitt 4.2 zu-
geschränkte Bebauung und Nutzung möglich ist nächst vorrangig den mit der Verflüssigung von
(s. u. a. Abschn. 4.3 und 4.4). Kippensanden zusammenhängenden Untersu-
Die gekippten Böschungen waren i. d. R. in chungen und Sanierungsverfahren.
einem nicht für die endgültige Nutzung vorgese-
144 A. Vogt et al.

Abb. 4.5   Schema zur


durchgängigen Planung $XIJDEHQVWHOOXQJ
von Gestaltungs- und
Sanierungsmaßnahmen.
(LMBV 2001) 8QWHUODJHQ,QIRUPDWLRQHQ

*HVHW]H9RUVFKULIWHQ
$XVZHUWXQJGHU8QWHUODJHQ,QIRUPDWLRQHQ *HQHKPLJXQJHQ

8QWHUVXFKXQJGHUERGHQPHFKDQLVFKHQXQG
K\GURPHFKDQLVFKHQ%|VFKXQJVVWDELOLWlW

66 HUI S ≥S HUI

1DFKZHLVGHUHUIRUGHUOLFKHQERGHQ
PHFK%|VFKXQJVVWDELOLWlW6DQLHUXQJ :HOOHQSURJQRVH
XD3UIXQJ9HUIOVVLJXQJVQHLJXQJ
%HXUWHLOXQJ6HW]XQJVIOLH‰JHIDKU

%HVWLPPXQJGHU:HOOHQUFNJULIIVZHLWHQ
:HOOHQDXVJOHLFKVSURILOH

%|VFKXQJVJHVWDOWXQJ

9HUEDXP|JOLFKNHLWHQ

%HPHVVXQJGHV9HUEDXV

0DVVHQEHUHFKQXQJHQ
0HVV XQG%HREDFKWXQJVSURJUDPP .RVWHQ

4.2.2 Beurteilung der Setzungsfließ- gerüst entsteht eine Suspension, bei der die
gefahr und Schutz von Kippen Sandkörner im Wasser schwimmen. Es kommt
gegen Setzungsfließen (Förster zu einer völligen oder weitestgehenden Entfes-
und Gudehus in (LMBV 1998)) tigung ( t → 0), die Restfestigkeit kann bis auf
Null absinken. Das Wasser-Sand-Gemisch ist
Das Phänomen der Verflüssigung dann fast unbeschränkt deformationsfähig und
Vor allem bei mit einem hohen Grad teilgesät- wird großen Deformationen ε ( ε → ∞) unterwor-
tigten oder vollständig wassergesättigten Sanden fen (Abb. 4.6). Den Vorgang bezeichnet man als
kollabiert das locker gelagerte Korngerüst unter Verflüssigung.
Schubverformung dadurch, dass totale Spannung Die Verflüssigung wird im Allgemeinen durch
σ und Porenwasserdruck u gleich oder nahezu genügend rasche und starke mechanische Störun-
gleich werden, der Korngerüstdruck (die wirksa- gen ausgelöst, die man Initiale nennt. Die Ver-
me Spannung σ’) verschwindet völlig oder nahe- flüssigung heißt spontan, wenn sie ohne merkli-
zu vollständig: che Ankündigung eintritt. Der für eine spontane
Verflüssigung erforderliche kritische Zustand
σ  = σ − u ≈ 0.
(4.1)
kann erreicht werden durch
Aus dem im Wesentlichen durch Wasser und
einem Restgehalt an Luft gefüllten Sandkorn-
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 145

Abb. 4.6   Das W W W



Spannungs( t)- Defor- 
mations( εv)- Verhalten (QWIHVWLJXQJ
von locker gelagertem
wassergesättigtem εY
5HVWIHVWLJNHLW
εY εY
Sand a stark gefährdet, 
b gefährdet, c sicher

gestaltbar
X σ X σ X σ
X X X
a b c

• rasche Veränderungen des hydrogeologischen beschränkter Fließverformung“ (oder auch „zy-


und hydraulischen Zustandes klische Mobilität“) bezeichnet.
• einzelne oder kollektive mechanische Störun- Ist seitliches Ausweichen beim Vorhanden-
gen (Initiale). sein eines Materials, für das die oben genann-
Voraussetzungen sind ten Voraussetzungen für ein uneingeschränktes
• eine weitgehende Wassersättigung des locker Fließverformen gelten, kaum behindert (das ist
gelagerten Sandes z. B. in Böschungsnähe der Fall) und tritt eine
• eine derart lockere Lagerung, dass jeder Verflüssigung ein, kommt es zum Setzungsflie-
Schervorgang kontraktant verläuft ßen. Mit diesem Begriff wird ein lawinenartiges
• folglich eine ausgeprägte Neigung des Korn- Wegfließen des Lockergesteins bezeichnet. Die
gerüstes zu Korndruckminderung bei fortge- Ausbreitung des Verflüssigungsbereiches in das
setzter kontraktanzbehinderter Scherung Hinterland wird dadurch begrenzt, dass verflüs-
• eine allenfalls sehr geringe, z. B. feinkornbe- sigungsunempfindliche Lockergesteine (z. B.
dingte kohäsive Bindung zwischen den Kör- Materialien, in denen der Sättigungsgrad für eine
nern Verflüssigung nicht ausreicht oder die dicht gela-
• eine derart schlechte Drainage, dass Poren- gert sind) erreicht werden. Zu einer Serie aufein-
wasser und -gas während des Wegfließens ander folgender Setzungsfließen kommt es dann,
nicht ausreichend rasch entweichen können. wenn durch ein Setzungsfließen in einem Tage-
Diese Voraussetzungen sind vorzugsweise bei baurestsee Schwallwellen ausgelöst und mehr-
speziellen Kornverteilungen (s. Abb. 4.2) und fach vom gegenüberliegenden Ufer reflektiert
runden Kornformen zu finden. werden, die erneut zu Setzungsfließen führen. In
Das Fließen in die Tagebaurestseen hinein ähnlicher Weise lösten 1997 im Tagebaurestsee
wird begünstigt durch Burghammer Schwallwellen ein Setzungsfließen
• steile Böschungen und hohe Wasserstände in aus, die im Ergebnis eines auf der Restseesohle
den Tagebaurestseen, erfolgten Grundbruches entstanden, bei dem auf-
• Parallelität von Strossenrichtung des Verkip- gespülte Sande plötzlich in eine Eisenhydroxid-
pungsprozesses und möglicher Fließrichtung schlammschicht einsackten.
bei der Verflüssigung,
• Inhomogenitäten bezüglich der Dichte und Bewertung der Verflüssigungsneigung
der Korngrößen. Vorgehensweise  Eine Abschätzung der Verflüs-
Im Gegensatz zum eben Beschriebenen sind sigungsneigung von gekipptem Lockergestein ist
dichter gelagerte Sande nur unter ausreichend mit Hilfe von Kriterien für die Kornverteilung,
oft, rasch und intensiv wirkender zyklischer die Kornform und den Dichteindex möglich.
Beanspruchung verflüssigbar. Mit der Verflüs- Wenn die Angaben für das Material des zu be-
sigung solch dicht gelagerter Sande setzen Ver- urteilenden Kippenabschnittes im Zutreffensbe-
formungen ein, die aber bald nach der Beanspru- reich der unten genannten Kriterien liegen und
chung wieder zum Stillstand kommen. Diese Art das Material ausreichend gesättigt ist, muss mit
der Verflüssigung wird als „Verflüssigung mit dem Eintreten eines Setzungsfließens oder eines
146 A. Vogt et al.

Geländeeinbruches bzw. Grundbruches infolge dem ID Druck, ist aber eine orientierende
Verflüssigung gerechnet werden. Größe, nach der eine Verflüssigungsgefahr oft
Die Verflüssigungsneigung wassergesättigter schon für ID ≤ 0,6 als gegeben angesehen wird
Lockergesteine kann mit Hilfe von Triaxialver- (Richtlinie 1989) Der druckbezogene Dichte-
suchen geprüft werden. Sie liefern qualitative index
Aussagen über das Verhalten des Materials in der  ec − e
Phase nach dem Bruch und ermöglichen die kon- IP = (4.3)
ec − ed
krete Bestimmung von Festigkeitsparametern,
die als Eingangsgrößen für Berechnungen be- der druckabhängige Grenzporenzahlen ec und
nötigt werden. Ergänzend bedarf es der Prüfung ed verwendet, beschreibt die kritische Lage-
auf die Existenz oder das Auftreten von Initialen, rungsdichte exakter.
die den kritischen Zustand, der die Verflüssigung Zur korrekten Ermittlung von ID und IP ist die
einleitet, herbeiführen könnten. Bestimmung der Porenzahl in situ unabding-
Eine Abschätzung der Setzungsfließgefahr bar. Am zuverlässigsten, jedoch mit hohem
ist weiterhin durch die Bewertung von Randbe- Aufwand verbunden, ist die direkte Bestim-
dingungen und Zustandsgrößen (Geometrie von mung durch eine Probenahme oberhalb bzw.
Böschung und Kippe, Kippprozess, Grundwas- unterhalb des Grundwasserspiegels mittels
serstand, In-Situ-Zustand) qualitativ und auf der Frostproben.
Basis von empirischen Beziehungen möglich. Verflüssigungsversuche im statischen Triaxi-
algerät Mit Hilfe von undränierten Versuchen
Kriterien für die Verflüssigungsempfindlich- im statischen Triaxialgerät sind Aussagen über
keit des Kippgutes die Festigkeit von Kippensanden bei undränierter
Granulometrie Scherdeformation, dem für eine Verflüssigung
• Kornverteilung und Kornform charakteristischen Verformungsvorgang, mög-
Triaxialversuche an Sanden zeigen, dass lich. Die gewonnenen Scherfestigkeitsparameter
die Verflüssigungsneigung für gleichkör- sind wichtige Eingangsgrößen konventioneller
nige Feinsande mit d50 ≈ 0,1  mm und einer Sicherheitsnachweise und Standsicherheitsbe-
Ungleichförmigkeit U < 3 (Lohsaer und See- rechnungen. Bei der Wahl der Versuchsbedingun-
ser Sande z.  B. gehören partiell zu dieser gen ist auf den Einfluss von Porenzahl, Konsoli-
Bodengruppe) besonders groß ist. dierungsspannung, Sättigungsgrad und Art der
Ein erhöhter Feinkornanteil ( d ≤ 0,063  mm) Probenherstellung auf die Kenngrößen zu achten.
verringert die Verflüssigungsneigung von Für die Untersuchung von Kippensanden eig-
Sanden deutlich. nen sich Frostproben, ungestörte Proben, struk-
Je runder und glatter die Körner sind, desto turgestörte Proben und mit der „Freiberger Ein-
größer wird die Verflüssigungsneigung. baumethode“ (Dierichs 1988; Richtlinie 1989)
• Lagerungsdichte hergestellte Proben.
Die Verflüssigungsneigung hängt sehr von der Für eine qualitative Abschätzung der Ver-
Dichte des Sandes ab. Die kritische Poren- flüssigungsneigung ist die Durchführung eines
zahl, d.  h. die kleinste Porenzahl, bei der es anisotrop konsolidierten undränierten Versuches
im statischen Triaxialversuch mit geschlosse- (CAU-Versuch) zu empfehlen. Die Probe ist
nen Dränagen zur Verflüssigung einer Probe dabei in Abhängigkeit von den in situ bestehen-
kommen kann, entspricht bei kleinen Drücken den Bedingungen herzustellen und vor der un-
etwa max e. dränierten Scherung entsprechend den In-Situ-
Die bezogene Lagerungsdichte ID Spannungsverhältnissen zu konsolidieren und zu
sättigen.
 max e − e (4.2)
ID = Bei der Festlegung der Versuchsporenzahl e2
max e − min e (Porenzahl nach Konsolidierung und Sättigung,
berücksichtigt zwar nicht die Abnahme der vor der Scherung) sollte der größte aus der Er-
minimalen und maximalen Porenzahlen mit
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 147

kundung des interessierenden Kippenbereiches Fall 3: Deviatorspannung gleichbleibend


resultierende Wert mit zugehörigen Spannungen oder stetig steigend, PWD gleich-
σ′h,0 und σ′v,0 als maßgebend angesehen werden. bleibend oder fallend
Diese Spannungswerte werden aus den vor Ort → keine Verflüssigungsneigung
vorliegenden Verhältnissen nach folgenden For-
meln berechnet: Für eine quantitative Abschätzung der Setzungs-
fließgefahr, d. h. Bestimmung von Reibungswin-
 kel- und Kohäsionswerten, kann nach den Vor-
σ v,0  σ 1,0  γ 1 . z1  γ 2 . z2 (4.4)
schlägen des Abschnitt 4.2.4 verfahren werden.
σ h,0  σ 3,0  K σ1,0
(4.5)
Kriterien für kritische Randbedingungen und
σ ′ + σ 3′ ,0
(4.6) Zustandsgrößen  Die Setzungsfließgefahr ist
s0 = 1,0
2 umso größer, je mehr innere Reibung in der Kip-
penböschung zum Aufrechterhalten eines stati-
Dabei ist γ1 die Wichte des über dem Grundwas- schen Gleichgewichts mobilisiert werden muss.
serspiegel befindlichen erdfeuchten Materials, Bei konventionellen Annahmen für die Bö-
γ2’ die Wichte unter Auftrieb des wassergesättig- schungsspannungen nimmt die Setzungsfließge-
ten Materials, z1 die Schichtdicke des erdfeuch- fahr mit der Böschungsneigung β zu. Eine frisch
ten und z2 die Schichtdicke des wassergesättigten verkippte und nicht sanierte, unter dem kritischen
Bereiches über dem betrachteten Kippenelement Reibungswinkel φc stehende Böschung ist im
mit der maßgebenden Porenzahl e2. K charakte- Grenzzustand; die Stabilität ist minimal.
risiert das Verhältnis zwischen horizontaler und Nach den bisherigen Erfahrungen kann für
vertikaler wirksamer Spannung und kann – feh- locker gelagerte, wassergesättigte Lausitzer
len genauere Angaben – mit 0,5 angesetzt wer- Kippensande eine „sichere“ Untergrenze für die
den. Böschungsneigung β nicht angegeben werden.
Da es sich um Versuche zur eher qualitativen Kritische Spannungszustände können auch un-
Abschätzung der Verflüssigungsneigung handelt, abhängig von β lokal zur Instabilität führen. Bei
ist eine maximale Sättigung der Probe anzustre- Vorhandensein weiterer ungünstiger Vorausset-
ben. zungen (z. B. hangabwärts gerichtete Strömung)
Die Bewertung der in den Triaxialversuchen können auch sehr flache Böschungen instabil
ermittelten Abhängigkeit der Deviatorspan- sein.
nung 2 t und des Porenwasserdrucks u nach Bei gleichem Wasserstandsverhältnis in der
dem Bruchpunkt von der Vertikaldeformation εv Kippenböschung HWK/HK (Abb. 4.8), räumlich
(Abb. 4.6) ermöglicht die Abschätzung des Gra- unveränderter In-Situ-Porenzahl e und granulo-
des der Verflüssigungsgefahr. Der Parameter t metrischer Homogenität ist eine größere Bö-
ergibt sich aus den horizontalen und vertikalen schungshöhe i. d. R. ungünstiger. Mit der Bö-
Spannungen nach schungshöhe wächst auch das zu untersuchende
Böschungsvolumen und mit diesem die Wahr-
 scheinlichkeit des Auftretens von Inhomogeni-
σ1 − σ3 σ1  − σ3 
t= = . (4.7)
2 2 täten bezüglich Granulometrie, Dichte, Span-
nungen und Entwässerungsbedingungen, die sich
Fall 1: Deviatorspannung fällt rapide bis destabilisierend auswirken können.
auf 2 t = 0, PWD steigt progressiv Vereinfachend geht man bei Standsicherheits-
bis auf u = σ3 untersuchungen davon aus, dass die Böschung
→ starke Verflüssigungsneigung als ebenes Problem betrachtet werden kann, und
Fall 2: Abfall der Deviatorspannung, aber die Materialreibung allein durch Schubspannun-
2 t > 0, Anstieg des PWD, aber u < σ3 gen in einem ebenen Schnitt senkrecht zur Stros-
→ mäßige Verflüssigungsneigung senrichtung mobilisiert wird. Schubspannungen
148 A. Vogt et al.

Abb. 4.7   Geometrisches und kräftebezogenes Modell jeweiligen Lamelle und dem Gleitkreismittelpunkt bzw.
für kreiszylindrische Bruchflächen W das Gesamtge- dem Mittelpunkt der Momente, d der senkrechte Abstand
wicht einer Lamelle mit der Breite b und der Höhe h, N zwischen einer Linienlast und dem Gleitkreismittelpunkt
die Gesamtnormalkraft an der Basis jeder Lamelle, S die bzw. dem Mittelpunkt der Momente, a der senkrechte
an der Basis jeder Lamelle mobilisierte Scherkraft, E die Abstand zwischen resultierenden äußeren Wasserkräften
horizontal zwischen den Lamellen wirkende Normalkraft. und dem Gleitkreismittelpunkt bzw. dem Mittelpunkt von
Indizes L und R kennzeichnen jeweils die rechte und die Momenten. Indizes L und R kennzeichnen jeweils die
linke Seite der Lamelle, X die vertikal zwischen den La- rechte und die linke Seite der Böschung, A die resultieren-
mellen wirkende Scherkraft. Indizes L und R kennzeich- den äußeren Wasserkräfte. Indizes L und R kennzeichnen
nen jeweils die rechte und die linke Seite der Lamelle, D jeweils die rechte und die linke Seite der Böschung. ω der
eine externe Linienlast, kW eine horizontale seismische Winkel der Linienlast ausgehend von der Horizontalen.
Last, die auf den Schwerpunkt jeder Lamelle wirkt, R der Dieser Winkel wird ausgehend von der x-Achse entgegen
Radius für eine kreisförmige Gleitfläche oder der Momen- dem Uhrzeigersinn angegeben, α der Winkel zwischen
tenarm, der mit der mobilisierten Scherkraft S verbunden der Tangente an der Mitte der Basis jeder Lamelle und
ist, x der horizontale Abstand zwischen der Mittellinie der der Horizontalen

in anderen Ebenen werden vernachlässigt. Abbil- zungsfließen gerechnet werden. Bisher wurde
dung 4.7 zeigt ein ebenes Modell, das einem Re- ein Minimalwert von HWK/HK = 0,22 festgestellt.
chenprogramm (Slope 1996) entnommen wurde Bei einem Wasserstand vor der Kippenböschung
und oft verwendet wird. ist, beginnend bei einem Verhältnis von HWR/
Da jedoch die frühere Kipprichtung nicht HK ≥ 0,1, mit einem Setzungsfließen zu rechnen.
mit der aktuellen Fallrichtung der Böschung zu- Die Erklärung der verwendeten Größen und ihrer
sammenfallen muss, kann der Kippprozess auch Festlegung bei unterschiedlichem Kippenauf-
außerhalb der betrachteten Ebene Schubspannun- bau geht aus Abbildung 4.8 hervor. Da mit die-
gen erzeugt haben, die den verfügbaren Scherwi- sen Kriterien nur eine grobe, ausschließlich auf
derstand im betrachteten ebenen Fall mindern. Erfahrungen basierende Abschätzung erfolgt,
Die ebene Betrachtung mit dem in Abbildung 4.7 werden Besonderheiten (einfallendes Liegendes)
dargestellten Modell überschätzt dann die Stabi- nicht berücksichtigt.
lität u. U. erheblich. Dies erklärt teilweise auch Die Analyse von 96 gegangenen Setzungs-
das beobachtete Ausfließen von Böschungen in fließrutschungen (LMBV 1998) ergab, dass
unerwartete Richtungen. Böschungsbewegungen infolge Verflüssigung
vorwiegend innerhalb des Wasserstandsverhält-
Grundwasserstand  Für Lockergesteine, deren nisses
Kornverteilung auf eine Verflüssigungsneigung (4.8) 0, 20 ≤ (HW K /HK ) ≤ 0, 85
hinweist, muss bei einem Wasserstandsverhält-
nis von HWK/HK ≥ 0,2 vorsorglich mit einem Set- zu erwarten sind.
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 149

Abb. 4.8   Definition der


Größen HK, HB, HWK bei
7·HK und HWR

Tab. 4.2   Ergebnisse einer Kriterium a b r n Mittlerer Fehler Untersuchter Bereich


Regressionsanalyse σn−1
( HWK/HK)* = f ( tan β). p/b 0,3188 − 0,3555 − 0,557 23 0,16 12 m ≤ HK ≤ 60 m
(LMBV 1998) 0,22 ≤ HWK/HK ≤ 0,8
5° ≤ β ≤ 33°
p/u 0,3005 − 0,3207 − 0,560 29 0,16 8 m ≤ HK ≤ 65 m
0,29 ≤ HWK/HK ≤ 0,83
5,7° ≤ β ≤ 32°
s/b 0,473 − 0,2431 − 0,531 27 0,1 8,5 m ≤ HK ≤ 56 m
0,35 ≤ HWK/HK ≤ 0,78
10° ≤ β ≤ 40°
s/u 0,3293 − 0,3181 − 0,617 17 0,12 6 m ≤ HK 40 m
0,27 ≤ HWK/HK ≤ 0,88
9° ≤ β ≤ 33°

Tab. 4.3   Gefährdungsgrade für das Eintreten eines


Setzungsfließens (SF). (LMBV 1998) rungen (z. B. Einspülung, alte Rutschungs-
Gefährdungsgrad
massen).
Wasserstandsverhältnisse
Eine Regressionsanalyse für die Parameter aus-
(HWK/HK) < 0,2 3 – SF
unwahrscheinlich gewerteter Setzungsfließen führte auf Gleichun-
0,20 ≤ (HWK/Hk) < (HWK/HK)*·(1–δ) 2 – SF möglich gen zur Bestimmung des kritischen Wasser-
(HWK/HK)* · (1–δ) ≤ (HWK/HK) 1 – SF akut
standsverhältnisses ( HWK/HK)* in der Kippe in
Abhängigkeit vom Böschungswinkel β:

Die Kippen werden zur Abschätzung zu er- (4.9)
[ HHWKK ] = a · ( tan β)b
wartender Rückgriffweiten xr nach folgenden
Kriterien unterteilt: Die Parameter a und b sind in der Tabelle 4.2 zu-
• Lage der Ausfließrichtung eines zu erwarten- sammengestellt, wobei n die Anzahl der jeweils
den Setzungsfließens zur Strossenrichtung in die Berechnung einbezogenen Wertepaare und
− parallel (p) oder r der Regressionskoeffizient sind.
− senkrecht (s) Das kritische Wasserstandsverhältnis ist bei
• Ausfließbedingungen Parallelität von Fließrichtung und Strossenrich-
− unbehindert (u) – HB/HK ≤ 0,20 – im Rest- tung niedriger als wenn diese senkrecht zueinan-
see liegen vor der Böschung keine Massen der stehen; das kritische Wasserstandsverhältnis
− behindert (b) – 0,20 ≤ HB/HK ≤ 0,50 (0,80 ist bei unbehinderter Ausfließbedingung niedri-
bei eingespülter Kraftwerksasche) – im ger als bei behinderter.
Restsee lagern vor der Böschung Ablage-
150 A. Vogt et al.

Die Beurteilung der locker gelagerten fließge- gelagerten, nichtbindigen Böden unter Was-
fährdeten Böschungen kann anhand von Gefähr- ser kommt die Gefrierbeprobung als einziges
dungsgraden vorgenommen werden (Tab. 4.3). erprobtes Entnahmeverfahren infrage. Hori-
Für δ ist je nach gewählter Berechnungsva- zontaler Totaldruck und horizontaler Effektiv-
riante der mittlere Fehler σn-1 (Tab. 4.2) einzu- druck können mit Hilfe von Erddruckkissen
setzen. bzw. mit kombiniertem Einsatz von Erddruck-
Bei hohem Wasserstand in der Böschung kissen und Porenwasserdruckgebern (Kombi-
( HWK > HWR) sind ungünstig wirkende, die Set- Erddruckgeber) abgeschätzt werden.
zungsfließneigung erhöhende Strömungsdrücke • Indirekte Methoden: Bei diesen Methoden
zu bedenken. Analog ist ein permanent hoher werden die Zustandsgrößen indirekt aus der
Wasserstand im Restsee ( HWK < HWR) weniger Interpretation der in Feldversuchen gemesse-
kritisch zu werten. nen charakteristischen Bodenantwort (Spit-
zenwiderstand, radialer Grenzdruck, Wellen-
Bestimmung des in situ vorliegenden Boden- ausbreitungsgeschwindigkeit, etc.) gewonnen.
zustands  Ziel der Erkundung in situ ist ein für An möglichen Feldverfahren sind zu nennen:
den Stabilitätsnachweis angemessen vereinfach- − Drucksondierungen
tes Feld von Materialkonstanten und Zustands- − Seitendrucksonde (Pressiometer)
variablen. Erstere definieren den Kippenaufbau, − Vibrosondierungen
gekennzeichnet durch die Anordnung von Berei- − Scherwellenmessungen
chen (Schichten, Störungen und Einschlüsse) − Radiometrische Sondierungen
granulometrisch einheitlicher Beschaffenheit.
Letztere definieren den Kippenzustand durch Rutschungsbegünstigende Verhältnisse Vor-
vereinfachte Felder sicht ist geboten, wenn im betrachteten Gebiet
• der Porenzahl e (statt ihrer der druckbereinig- besondere, im Folgenden genannte Verhältnisse
ten Lagerungsdichte) vorliegen, die selten als quantitative Größen in
• des Sättigungsgrades Sr Standsicherheitsuntersuchungen erfassbar sind.
• des Porenwasserdrucks u (oft vereinfacht Diese Faktoren sind ebenso für die Beurteilung
hydrostatisch angesetzt), ggf. einschließlich der Setzungsfließgefahr im Rahmen von Sanie-
instationärer Überdrücke rungsarbeiten (z. B. Sprengen, Rütteln) von
• des vertikalen aus Überlagerung und Poren- Bedeutung.
druck meist berechenbaren Korndrucks σv’ Geologische und technologische Faktoren:
• des statisch unbestimmten horizontalen Korn- • gleichförmiges Material mit großer Kornrun-
drucks σh’. dung und geringem Feinkorngehalt
• Weitere Zustandsgrößen sind: Bodenstruktur • lockere Lagerung
und eine mögliche Zementierung der Körner. • hohe, steile Böschungen
Um das mechanische Verhalten von Kippenbö- • Einfallen des Liegenden zum Restloch hin
den vorhersagen zu können, muss der Lagerungs- • Einmuldungen an der Kippenoberfläche
zustand in situ erfasst werden. Darüber hinaus • ausgedehnte lokale Konzentration von set-
werden analytische oder empirische Modelle zungsfließgefährdetem Material
benötigt, die den Zusammenhang zwischen Zu- • wassergesättigte unterirdische Hohlräume
standsgrößen, granulometrischen Eigenschaften (Abbaustrecken)
und Materialverhalten herstellen. • Strossenrichtung und Streichen der Böschung
Beim heutigen Stand der Technik ist es un- bilden einen relativ großen Winkel α (große
möglich, alle oben aufgelisteten Zustandsgrößen Rückgriffweite bei α = 90°)
in situ zu messen. Die Zustandsgrößen können in • Vorliegen verdichteter reflektierender Schich-
situ unter Anwendung von direkten und indirek- ten
ten Verfahren ermittelt werden: • sehr locker gelagerte Pflugkippen.
• Direkte Methoden: Dichte, Sättigungsgrad Hydrologische und geoströmungsmechanische
und Wassergehalt können direkt aus ungestör- Faktoren:
ten Bodenproben ermittelt werden. In locker • hoher Grundwasserspiegel – gute Sättigung
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 151

Abb. 4.9   Ablaufdia-


gramm des Nachweises.
(LMBV 2002)

• Grundwasserströmung in Richtung des offe- in Abbildung 4.9 dargestellte Verfahrensweise


nen Restloches als zweckmäßig erwiesen. Sie ist an die unter-
• bevorzugte Strömungsbahnen durch Inhomo- suchungsobjektspezifischen Gegebenheiten an-
genitäten in der Kippe zupassen. Aus möglichen Messverfahren sind
• Strukturzerstörung durch Verpressarbeiten. die jeweils notwendigen auszuwählen. Der nach
einem Verfahrensschritt erreichte Kenntnisstand
sollte in die Planung und Durchführung des
4.2.3 Boden- und geophysikalische nächsten Schrittes einfließen.
Untersuchungen zum Nachweis
der Böschungsstabilität Nachweisprinzip  Die Qualität des Standsicher-
heitsnachweises wird entscheidend von der Quali-
Zur Planung und Durchführung der boden- und tät der Eingangsparameter beeinflusst. Daher ist es
geophysikalischen Untersuchungen hat sich die erforderlich, die Verteilung der festigkeitsbestim-
152 A. Vogt et al.

Abb. 4.10   Nachweisprinzip Messverfahrenskombination. (LMBV 2002)

menden material- und zustandsbeschreibenden über Kalibrierfunktionen Feinkornanteil, Dichte,


Kennzahlen mit der für den Standsicherheits- Porenanteil und Wassergehalt ermittelt. Die Fein-
nachweis notwendigen Genauigkeit großflächig kalibrierung erfolgt an punktuell entnommenen
zu ermitteln. Zu den Material beschreibenden Bodenproben sowie unterstützend an Boden-
Kennzahlen (mbKZ) zählen beispielsweise die proben aus Bohrungen. An den KDS werden die
Korngrößenverteilung, die Korndichte und die Drucksondierungen (DS) kalibriert, so dass aus
Kornrundung, zu den Zustand beschreibenden den DS ebenfalls Feinkornanteil, Dichte, Poren-
Kennzahlen (zbKZ) die Dichte, der Wasser- anteil und Wassergehalt berechenbar sind. Die
gehalt, der Porenanteil und die Sättigungszahl. Tauchwellentomografie liefert Tiefenschnitte der
Mit dem in (LMBV 2002) beschriebenen Ver- Longitudinal- und Transversalwellengeschwin-
fahren des flächenhaften Verdichtungsnachwei- digkeitsverteilung. Die Beziehungen zwischen
ses können die benötigten Parameter durch die bodenphysikalischen Parametern und den mate-
Verbindung/Verknüpfung bodenphysikalischer rialspezifischen Transversalwellengeschwindig-
Labor- und geotechnischer Felduntersuchungen keiten werden mittels Resonant – Column (RC)
mit geophysikalischen Messverfahren gewonnen – Versuchen hergestellt.
werden (Abb. 4.10). Dieses Verfahren ist auch
allgemein zur Ermittlung der Verteilung mate- Homogenbereiche abgrenzen  Für die zu
rial- und zustandsbeschreibender Kennzahlen betrachtende Kippe sind geologische (GGG)
sowie von Berechnungskennzahlen in Lockerge- und bodenphysikalische (BGG) Grundgesamt-
steinsbereichen geeignet. heiten festzulegen. GGG sind zu bilden, wenn in
An punktuell entnommenen, qualitativ hoch- der Kippe Böden unterschiedlicher geologischer
wertigen Bodenproben vorzugsweise der Güte- Herkunft anstehen. Eine Unterscheidung ist
klassen 1 und 2 nach (DIN 4021 1990) werden zumeist dann notwendig, wenn das Deckgebirge
die mbKZ, die zbKZ sowie Scherfestigkeit, Stei- in Scheiben mit Schaufelradbaggern abgebaut
femodul, Wasserdurchlässigkeit und gegebenen- und im Band- oder Zugbetrieb verkippt wurde.
falls das relative volumenbezogene Sackungs- Abraumförderbrücken (AFB) – Kippen bestehen
maß mit hoher Genauigkeit bestimmt. Aus den wegen der technologiebedingten Bodenmi-
γ –, γγ – und NN – Impulsraten radiometrischer schung in der Regel aus einer GGG, sofern in der
Kombinationsdrucksondierungen (KDS) werden AFB – Vorkippe kein selektiver Materialversturz
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 153

erfolgte. Liegen keine oder nur unsichere Infor- Kenntnis dieser Abhängigkeiten die zugehörigen
mationen über den Kippenaufbau vor, sind die BKZ berechnen.
GGG aus den Daten von DS (Abb. 4.11), KDS Pro BGG sollten alle Kennzahlen und Abhän-
oder Bohrungen festzulegen. gigkeiten bestimmt werden. Mithilfe der mbKZ
Innerhalb einer GGG stehen Böden unter- ist zu recherchieren, ob für ähnliche Böden die
schiedlicher Zusammensetzung an. Die Zusam- gesuchten Abhängigkeiten bereits bestimmt wur-
mensetzung beeinflusst in erheblichem Maße die den. Gegebenenfalls kann auf einen Teil der Tri-
Berechnungskennzahlen (BKZ) wie Festigkeit, axialversuche verzichtet werden.
Steifemodul oder Wasserdurchlässigkeitsbei- Wenn als geophysikalisches Messverfahren
wert. Deshalb ist es notwendig, die anstehenden die Tauchwellentomografie eingesetzt wurde und
Böden in BGG einzuteilen. Die dafür am besten deren Aussage über eine qualitative Interpreta-
geeignete mbKZ ist der Feinkornanteil. Die BGG tion hinausgehen soll, ist pro BGG die Abhän-
werden mittels stetiger Häufigkeitsverteilungen gigkeit der Scherwellengeschwindigkeit vs von
des Feinkornanteils festgelegt, die aus KDS ab- Porenanteil und Spannung in RC – Versuchen zu
zuleiten sind (Abb. 4.12). Für jede GGG sind je ermitteln.
nach Verteilung des Feinkornanteils eine oder
mehrere BGG zu bilden. Zu beachten ist, dass die Ermittlung der Abhängigkeiten BKZ = f (zbKZ) 
Festlegung von BGG nur nach dem Feinkornan- Kohäsionslose Lockergesteine mit unterschiedli-
teil nicht eindeutig ist. Böden mit gleichem Fein- chen mbKZ unterscheiden sich erfahrungsgemäß
kornanteil können sehr unterschiedliche Korn- in ihrem Setzungs-, Sackungs-, Wasserdurch-
verteilungen und damit auch unterschiedliche lässigkeits- und Scherfestigkeitsverhalten. Das
BKZ besitzen. Dies ist durch die Bestimmung Lockergesteinsverhalten kann durch Modelle
der mbKZ an Bodenproben aus Bohrungen und beschrieben werden. Um den Aufwand der
Schürfen zu prüfen. Gegebenenfalls ist für Böden Modellaufstellung für unterschiedliche Locker-
mit gleichem Feinkornanteil mehr als eine BGG gesteine gering zu halten, sollten die verwende-
zu bilden. Die Kippengenese hat einen entschei- ten Modelle allgemeingültig für kohäsionslose
denden Einfluss auf die BKZ. Das betrifft ins- Lockergesteine sein. Solche allgemeingültigen
besondere die Bedingungen zum Zeitpunkt der Modelle müssen die Wirkungen der Einflussgrö-
Ablagerung. Daher dürfen erdfeucht verkippte ßen unter Beachtung der Physik der entsprechen-
und verspülte Böden auch bei identischen mbKZ den Vorgänge auf die Zielgröße mathematisch
nicht zu einer BGG zusammengefasst werden beschreiben. Derartige Modelle werden als
(LAUBAG 1996). mathematisch-physikalische Modelle bezeichnet.
Um den Einfluss der mbKZ auf das Lockerge-
Planung des Untersuchungsumfanges  Die steinsverhalten einzubeziehen, müssen die Mo-
Anzahl der BGG bestimmt die Mindestanzahl delle materialspezifische Koeffizienten enthal-
der zu entnehmenden und zu untersuchen- ten, die in geeigneten Versuchen zu bestimmen
den, repräsentativen Bodenproben. Die BKZ sind. Nach der Koeffizientenbestimmung gelten
der Kippe sind in statischen Triaxialversuchen die mathematisch-physikalischen Modelle für
sowohl direkt als auch indirekt zu bestimmen. das in den Versuchen verwendete Lockergestein
Die direkte Bestimmung an ungestörten Boden- und wegen des Struktureinflusses für die verwen-
proben liefert bei Belastung der Bodenproben im dete Struktur (LMBV 2002).
Triaxialgerät mit den in situ vorhandenen Span- Gleichung (4.10) beschreibt das Primärset-
nungen genaue Werte für die BKZ. zungsverhalten kohäsionsloser Lockergesteine
Der Einfluss sich ändernder zbKZ auf die (Reichel 1995). Gleichung (4.10) ist ein Spe-
BKZ kann durch die indirekten Bestimmungen zialfall für einen konstanten Wassergehalt einer
der BKZ berücksichtigt werden. In Triaxialver- allgemeineren, in (Reichel 1999) beschriebenen
suchen werden die entsprechenden Abhängigkei- Gleichung.
ten ermittelt. Aus den KDS-Daten lassen sich bei
154 A. Vogt et al.

Abb. 4.11   Geologische Grundgesamtheiten (GGG) aus DS festlegen


4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 155

Abb. 4.12   Häufigkeitsverteilungen des Feinkornanteils mit Grenzen der BGG und Feinkornanteil der repräsentativen
Bodenproben. (LMBV 2002)


 σ’1 
(c f ⋅(nc0e −1))  Das Entlastungsverhalten kohäsionsloser Bo-

n = n0 ⋅ e     (4.10) denproben ist durch Gl. (4.11) beschreibbar.
  Er  
 
w = konst., k = k0 oder konst.  σ ’ + pr 
 n = n2 − cent ⋅ ln  1 (4.11)
 pr 
mit:
n - Porenanteil mit:
n0 -Porenanteil im spannungsfreien pr -Referenzspannung ( = 1 kPa)
Zustand n2 -Porenanteil bei σ’1 = 0  kPa, lagerungs-
σ’1 - wirksame vertikale Hauptspannung spezifischer Koeffizient
Er, cf, ce - materialspezifische Gleichungsko- cent -materialspezifischer Koeffizient
effizienten Der Anstieg des Grundwassers in Kippen ver-
Je nach izientenberechnung genutzten Datenba- ursacht Setzungen. Die Kennzahl ist das rela-
sis kann Gl. (4.10) das Primärsetzungsverhalten tive, volumenbezogene Sackungsmaß iV. Die
eines erdfeuchten oder wassergesättigten Lo- Gl. (4.12) beschreibt die Abhängigkeit des relati-
ckergesteins für den Erst- oder den Wiederbelas- ven, volumenbezogenen Sackungsmaßes von der
tungsfall beschreiben. In (LAUBAG 1996) wird wirksamen vertikalen Hauptspannung und vom
eine Gleichung zur Berechnung des Steifemoduls Porenanteil.
Es aus Gl.  (4.10) hergeleitet. Die allgemeinen
Eigenschaften des Primärsetzungsverhaltens ko- n1 −1
häsionsloser Lockergesteine sind in (Förster et al. σ ’ n
 − 1 gr
(4.12)
1999a) und (Reichel 1999) ausführlich beschrie- i v, n = i v max ⋅ e σ r ⋅ e n r
ben. In Abbildung 4.13 ist das Setzungsverhalten
eines Sandes aus der AFB-Kippe des ehemaligen mit:
Tagebaues Bärwalde unter Erstbelastungsbedin- iv -relatives, volumenbezogenes Sackungs­maß
gungen in Form eines n – n0 – σ’1 – Diagramms Δn -Porenanteiländerung bei Grundwasser-
dargestellt. aufgang
156 A. Vogt et al.

Abb. 4.13   Setzungsverhalten des Sandes Bärwalde AFB5, w = 0,05, Erstbelastung

Abb. 4.14   Sackungsverhalten des Sandes Bärwalde AS3, w = 0,05, OCR = 1, A < = 1/K0

σ’1 -wirksame vertikale Hauptspannung Abbildung  4.14 zeigt das Sackungsverhalten


iVmax -materialspezifischer Gleichungskoeffi- eines Sandes aus dem ehemaligen Tagebau Bär-
zient walde.
σr -materialspezifischer Gleichungskoeffizient Je nach zur Koeffizientenberechnung ver-
Δnr -materialspezifischer Gleichungskoeffi- wendeter Datenbasis kann mit der Gl.  (4.12)
zient das Sackungsmaß oder die durch den Grund-
ngr -Grenzporenanteil, lockerste Lagerung wasseraufgang verursachte Änderung des Poren-
bei σ’1 anteils berechnet werden. Die Daten werden in
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 157

auf die Restfestigkeit ab. Der Bruch kann bereits


bei sehr geringen Deformationen (< 0,1 %) ein-
treten. Die Bruchfestigkeit ist in konsolidierten
Triaxialversuchen mittels undränierter passiver
Stauchung zu bestimmen.
Der Abfall der Festigkeit auf die Restfestig-
keit erfordert das Überschreiten des Bruchpunk-
tes. Bei ausreichend großen, unter Verwendung
Abb. 4.15   Verfügbarer Durchflussquerschnitt im Lo- undränierter Bruchfestigkeiten ermittelten Si-
ckergestein
cherheitskoeffizienten ist das Erreichen und
Überschreiten des Bruchpunktes in vielen Fällen
Triaxialversuchen ermittelt. Die Gl. (4.12) ist wenig wahrscheinlich. Ergeben sich beim Ver-
ein Spezialfall einer allgemeineren Gleichung wenden der undränierten Restfestigkeit in den
(Förster et al. 1999b), die zudem den Einfluss Festigkeitsansätzen Sicherheitskoeffizienten
der Hauptspannungsanisotropie, des Überkon- > 1, ist die Sicherheit hinreichend nachgewiesen
solidationsverhältnisses und des Wassergehaltes (LMBV 1998).
beschreibt. Für bestimmte Lockergesteine und Nach großen Deformationen erreichen Lo-
Lagerungsverhältnisse beeinflusst die Anstiegs- ckergesteine einen Punkt auf einer Linie im n – σ’3
geschwindigkeit des Grundwasseraufganges das – Diagramm. Abhängig vom durch Porenanteil,
Sackungsmaß (Reichel 1997a). Sättigungszahl und Spannung beschriebenen An-
Der Wasserdurchlässigkeitsbeiwert eines Bo- fangszustand und den Stauchungsbedingungen
dens ist von dessen materialspezifischen Eigen- (dräniert, undräniert) unterscheiden sich die End-
schaften sowie von der für den Wasserdurchfluss zustände und die Wege dorthin. Gleichung (4.14)
zur Verfügung stehenden mittleren Querschnitts- beschreibt die Lage dieser Linie, die im n – σ’3
fläche abhängig (Abb. 4.15) (Reichel 1997b). – Diagramm kontraktiles von dilatanten Scher-
Diese mittlere Querschnittsfläche kann aus der verhalten trennt und als kritischer Grenzzustand
Sättigungszahl und dem Porenanteil berechnet bezeichnet wird. Abbildung 4.17 zeigt die trivia-
werden (Klammerausdruck in Gl. (4.13)). In Ver- len Fälle „undräniert vollständig gesättigt“ und
bindung mit zwei materialspezifischen Koeffi- „dräniert“ eines sich bei passiver Stauchung kon-
zienten lässt sich die Abhängigkeit des Wasser- traktil verhaltenden Lockergesteins.
durchlässigkeitsbeiwerts vom Porenanteil und
 σ′ 
der Sättigungszahl wie folgt beschreiben:  − 3R 
nR = nR 0 ⋅ e  σR  (4.14)
 k
k10°C = e k 0
+ kkf ( n − n (1− Sr ))
(4.13) mit:
nR -Porenanteil im kritischen Grenzzustand
mit: σ’3R kleinste wirksame Hauptspannung im
k10°C -Wasserdurchlässigkeitsbeiwert bei kritischen Grenzzustand
TWasser = 10°C, in m/s nR0 -materialspezifischer Porenteil im kriti-
e -Euler’sche Zahl schen Grenzzustand bei σ’3R = 0 kPA
n -Porenanteil a -materialspezifischer Gleichungskoeffi-
Sr -Sättigungszahl zient
kk0 -Gleichungskoeffizient σR -materialspezifischer Gleichungskoeffi-
kkf -Gleichungskoeffizient zient
Abbildung  4.16 zeigt das Wasserdurchlässig- Bei Kenntnis der Koeffizienten von Gl. (4.14),
keitsverhalten eines tertiären Sandes aus Klein- des wirksamen Restreibungswinkels φ*’R
leipisch. (* – Annahme einer Kohäsion von 0 kPa bei der
Die Scherfestigkeit kontraktiler wassergesät- Berechnung des Winkels) und des Ausgangszu-
tigter, verflüssigungsempfindlicher Böden fällt standes lassen sich mittels des Gasgesetzes von
unter undränierten Bedingungen nach dem Bruch
158 A. Vogt et al.

Abb. 4.16   Wasserdurchlässigkeitsverhalten Sand MP2KL Kleinleipisch

Abb. 4.17   Dränierte und undränierte passive Stauchung nung im Ausgangszustand, Δu Porenwasserdruckände-
im n – σ’3 Diagramm (kontraktiles Verhalten, Sr = 1), n2 rung während der undränierten passiven Stauchung, Δn
Porenanteil im Ausgangszustand, Sr2 Sättigungszahl im Porenanteiländerung während der dränierten passiven
Ausgangszustand, σ’3(2) kleinste wirksame Hauptspan- Stauchung

BOYLE-MARIOTTE alle das Restfestigkeits- Bestimmung repräsentativer BKZ  Kalibrierte


verhalten kennzeichnenden Größen berechnen. In KDS liefern teufenabhängig Werte für den Fein-
den Abbildungen 4.18, 4.19, 4.20 und 4.21 sind kornanteil, die Dichte, die Trockendichte, den
einige davon für den Sand SSKB4-5 von der Koh- Wassergehalt, die Sättigungszahl und den Poren-
lenbahnausfahrt Schlabendorf-Süd dargestellt. anteil. Mit dem Nachteil größerer Messunsicher-
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 159

Abb. 4.18   Scheinbarer Restreibungswinkel φ*u, R Porenanteil n2 Diagramm

Abb. 4.19   Bezogene Porenwasserdruckänderung Δu/σ’3(2) Porenanteil n2 Diagramm


160 A. Vogt et al.

Abb. 4.20   Restscherfestigkeit tR, – n2 –, s’R – n2 – Diagramm ( s’R =  ( σ’1R + σ’3R)/2)

Abb. 4.21   Restscherfestigkeit tR – s’2 – Diagramm ( s’2 =  ( σ’1( 2) + σ’3( 2))/2)


4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 161

Abb. 4.22   Berechnung


des Porenanteils n0

Abb. 4.23   Teufenab-


hängige Restfestigkeiten;
Sr = 0,999, Südrand-
schlauch Cottbus-Nord

heiten erhält man einen Teil der aufgeführten Aus allen Porenanteilen n0 einer BGG kön-
Messgrößen auch aus an KDS kalibrierten DS. nen Histogramme, Verteilungsfunktionen und
Die Sondiermesswerte sind den BGG zuzu- Mittelwerte berechnet werden. Der Porenanteil
ordnen. Daraus ergeben sich Häufigkeitsvertei- n0 kann als Einbauporenanteil eines Triaxialver-
lungen des Feinkornanteils und Häufigkeiten des suchs interpretiert werden. Die Kenntnis dieses
Vorkommens der einzelnen BGG in der Kippe. Porenanteils gestattet die numerische Simulation
Aufgrund ihrer Spannungsabhängigkeit sind die von Triaxialversuchen mittels der Gl. (4.10) für
Porenanteile auf eine Spannung von 0 kPa zu alle interessierenden Spannungen und Entwick-
normieren. Dabei ist die Kippengenese zu be- lungszustände der zu untersuchenden Kippe.
rücksichtigen. Das Vorgehen zur Berechnung Als Ergebnis erhält man durch Einbeziehen der
der Porenanteile n0 einer BGG einer erdfeuchten Materialhäufigkeiten teufenbezogene repräsenta-
Kippe unter Verwendung von Gl. (4.10) ist in tive Berechnungskennzahlen, wie die Abbildun-
Abbildung 4.22 dargestellt. Für wassergesättigte gen 4.23 und 4.24 beispielhaft zeigen.
Kippen sind die Sackungen und die Wirkungen
der mit dem Grundwasseraufgang verbundenen Quasihomogenitätskontrolle  Für jeden Homo-
Entlastungen und gegebenenfalls weitere Ereig- genbereich ist eine solche Kontrolle durchzu-
nisse der Kippengenese zu berücksichtigen, so- führen. Homogene Kippen gibt es aufgrund der
fern diese nicht vernachlässigt werden können. Teufenabhängigkeit verschiedener Kennzahlen
162 A. Vogt et al.

Abb. 4.24   Teufenab-


hängige Wasserdurch-
lässigkeitsbeiwerte;
Sr = 0,999,Restloch F
Knappenrode

als auch aufgrund der lokalen Variationen der Dabei werden die Bruchkörper als Starrkörper
Kippenzusammensetzung nicht. Sich bezüglich idealisiert, an denen Berechnungen zum Gleich-
bestimmter Eigenschaften ähnelnde Kippenbe- gewicht zwischen haltenden und treibenden
reiche werden als quasihomogen bezeichnet. Kräften oder Momenten angestellt werden. Die
Durch einen Vergleich sich überdeckender eigentliche fachliche Herausforderung besteht
Flächen teufennormierter Häufigkeitsverteilun- grundsätzlich in der treffenden Charakterisierung
gen gleicher Kennzahlen erhält man eine Maß- des Materialverhaltens.
zahl für die Quasihomogenität. Die an verschie- In klassischen Verfahren zur Bewertung der
denen Sondieransatzpunkten gewonnenen teu- Standsicherheit wird das Festigkeitsverhalten mit
fenabhängigen, repräsentativen BKZ sollten ähn- Hilfe des Reibungswinkels φ und der Kohäsion c
lich sein. Für die Kontrolle am besten geeignet charakterisiert.
sind die Ergebnisse gravimetrischer Messungen Bei ungefährer Kenntnis der Verteilung der
und der Tauchwellentomografie (Abb. 4.25). Bei natürlichen Porenzahl, des Sättigungsgrades, des
lokalen Abweichungen von der Forderung der Primärspannungszustandes und der Materialzu-
Quasihomogenität sind die betreffenden Berei- sammensetzung im Betrachtungsgebiet können
che gesondert zu betrachten und gegebenenfalls die Festigkeitskenngrößen mit statischen Triaxi-
nachträglich zu untersuchen. alversuchen bestimmt werden.
Aus der Verteilung der Scherwellengeschwin- Unabhängig davon greift der Geotechniker zu-
digkeiten lassen sich Kippenbereiche mit unter- nächst gern auf anerkannte Orientierungsgrößen
schiedlichen bodenphysikalischen Eigenschaften für Festigkeiten zurück, um für unterschiedliche
erkennen (LMBV 2002). Lockergesteinstypen die Relationen der Festig-
keiten zu kennen. In (LMBV 2001) sind solche
Anhaltswerte für bodenmechanische Kennwerte
4.2.4 Wahl der Festigkeitsparameter und Parameter angegeben (Tab. 4.4).
in bodenmechanischen Die in Tabelle 4.4 angegebenen Werte bieten
Untersuchungen die Möglichkeit einer allgemeinen Abschätzung
der geotechnischen Bedingungen im Zusammen-
Für Standsicherheitsberechnungen kann der hang mit einer Sanierung für den angegebenen
Geotechniker heutzutage auf eine erprobte und Raum bei weitgehend normalen Lagerungsver-
allgemein zugängliche Software zurückgreifen hältnissen. Sie ersetzen nicht objektbezogene, in
(z.B. Slope 1996; GGU 2006).
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 163

Abb. 4.25   Isoliniendarstellung einer tomografisch ermittelten Verteilung der Scherwellengeschwindigkeit.


(LMBV 2002)

Tab. 4.4   Anhaltswerte für bodenmechanische Kennwerte/Parameter. (LMBV 2001)


KIPPEN-/SPÜLKÖRPER GEWACHSENE LOCKERGESTEINE
Kippe (unverdichtet) φ’ = 34° Pleistozäner und tertiärer φ’ = 37°
Sand
φu = 11° c’ = 8  kN/m2
(c’ = 0 bei Wassersättigung)
φu, R = 5° γ = 18 kN/m3
c’ = 0  kN/m2 γr = 20  kN/m3
cu, R = 0  kN/m2 2. Lausitzer Flöz φ’ = 32°
γ = 16,3 kN/m3 c’ = 50  kN/m2
γr = 19,4  kN/m3 γ = 11,5 kN/m3
Kippe (verdichtet) φu = 27° γr = 14  kN/m3
φu, R = 17°
cu, R = 0  kN/m2 Liegendschluff des φ’ = 20°
2. Lausitzer Flözes
γ = 16,9 kN/m3 c’ = 15  kN/m2
γr = 20,5  kN/m3 φ’R = 11°
Spülkörper (Kippenmaterial) φ’ = 26° c’R = 5  kN/m2
φu, R = 12° γ = 20,5 kN/m3
c’ = 2  kN/m2 γr = 20,8  kN/m3
γ = 17 kN/m3 Bänderschluff φ’ = 24°
γr = 17,5  kN/m3 c’ = 15  kN/m2
Spülkörper (Asche) φ’ = 34° φ’R = 8
c’ = 0  kN/m2 c’R = 5  kN/m2
γ = 13,4 kN/m3 γ = 19,7 kN/m3
γr = 15  kN/m3 γr = 20,0  kN/m3
164 A. Vogt et al.

Abb. 4.26   Festigkeit als Funktion der Konsolidierungsspannungen. (LMBV 1998)

Triaxialversuchen zu ermittelnde Kennwerte für die zeigen, dass bei undränierter Scherung der
die jeweilige Sanierungsregion. Primärspannungszustand festigkeitsprägend ist.
Bevor aufwändige Versuche durchgeführt Deshalb werden der Ermittlung modifizierter
werden, muss für die Geländebruch- oder auch Festigkeiten die wirksamen Konsolidierungs-
Böschungsbruchuntersuchung das Berechnungs- spannungen zugrunde gelegt (Abb. 4.26).
modell vereinbart werden. Zu klären ist, Förster gab für einen Lausitzer Sand folgende
• für welchen Spannungsbereich Reibungswin- Zusammenhänge an (Förster 2005):
kel und Kohäsion zu ermitteln sind
tf = 0, 2303s  k + 52 kP a
• ob wirksame Parameter φ′f, R, c′f, R; Span-
tR = 0, 0576s  k + 12, 5 kP a.
nungsbeziehungen tf, R = f (s′f, R)
undränierte Parameter φu, f,R, cu, f,R; Span- Unter Bezug auf
nungsbeziehungen tf, R = f (sf, R) • das Grundmodell der Verflüssigung σ′ = σ − u
modifizierte Parameter mod φf, R, mod cf, R; (sind der initiierte Porenwasserüberdruck u
Spannungsbeziehungen tf, R = f (s′k) und die totale Spannung σ gleich groß, kommt
verwendet werden sollen. es zum Verlust der wirksamen Festigkeit)
Förster (LMBV 1998) überlässt dem Geotech- • umfangreiche Porenwasserdruckmessungen
niker zunächst die Wahl einer dieser Parameter- bei Sanierungsmaßnahmen (RDV-, SPV- und
gruppen, empfiehlt aber die Arbeit mit modifizier- Erdbau begleitendes Porenwasserdruckmoni-
ten Festigkeiten (wirksamer Grundspannungszu- toring)
stand im Berechnungsmodell) oder undränierten wurden in einzelnen Sanierungsobjekten praxis-
Festigkeiten (totaler Grundspannungszustand im nah gute Ergebnisse erzielt, indem mit wirksa-
Berechnungsmodell). Als Grund wird angege- men Festigkeiten ( φ′f, R; c′f, R) und dem Ansatz
ben, dass für den Ansatz wirksamer Festigkeiten von teufenabhängigen statischen und dynami-
unterhalb des Grundwasserspiegels letztendlich schen Porenwasserdrücken Standsicherheiten für
der Porenwasserdruck im Bruch und in der Gleit- setzungsfließgefährdete Restlochböschungen be-
phase bekannt sein muss, dieses Wissen aber in rechnet wurden. Abbildung 4.52 zeigt eine Prin-
den meisten Fällen nicht vorliegt. zipskizze zum Ansatz von Porenwasserüberdrü-
Die Definition von modifizierten Parametern cken infolge eines dynamischen Lasteintrages.
resultiert aus systematischen Untersuchungen,
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 165

+.
WDQ β [ UYRUK

+.
+ :.

+ :5 β

+ .

Abb. 4.27   Definitionsskizze zur Ermittlung der vorhandenen Rückgriffweite xr, vorh., β Böschungswinkel der Kippe,
bevor es zur Setzungsfließrutschung kommt, HWR Wasserstand im Restsee, HWK Stand des Kippengrundwassers bei
7·HK, HK Kippenhöhe, (1) Kontur der Kippe nach dem gegangenen Setzungsfließen

ergänzend (LMBV 1998) haben eine Vielzahl


4.3  Technik, Technologien sowie im Lausitzer und Mitteldeutschen Revier gegan-
Einsatzkriterien der Sicherung gene Setzungsfließrutschungen ausgewertet,
und Gestaltung gekippter wobei die vorhandenen Rückgriffweiten xr,vorh.
setzungsfließgefährdeter und wesentliche Einflussgrößen auf den Rut-
Tagebaurestlochböschungen schungsrückgriff ermittelt wurden. Während
(LMBV 1998) Abbildung 4.27 die Prinzipskizze zur Definition
der Rückgriffweitenermittlung zeigt, kann man
4.3.1 Abschätzung zu erwartender in Abbildung 4.28 an einem praktischen Beispiel
Rückgriffweiten xr von den Rückgriff einer gegangenen Rutschung gut
Setzungsfließrutschungen erkennen. Solche Einflussgrößen sind
• Art und Intensität des Initials, das ein Set-
Einleitung In Vorbereitung auf jede bautech- zungsfließen anregen kann
nische und bergbauliche Tätigkeit im Umfeld • Kippeneigenschaften, die sich aus der Tech-
einer noch nicht gesicherten, zum Setzungsflie- nologie der Verkippung (Lage der möglichen
ßen neigenden Tagebaurestseeböschung hat der Fließrichtung zur Strossenrichtung) ergaben
begutachtende Geotechniker die Frage zu beant- • Ausfließbedingungen (unbehindert, behindert
worten, wie weit sich ein Setzungsfließen in das (wenn z. B. aus alten Rutschungen herrüh-
gekippte Tagebauhinterland fortsetzen und mög- rende Massen vor der Kippenböschung lie-
licherweise Gefährdungen für Waldgrundstücke, gen)).
Fahrwege oder abzustellende Geräte hervorrufen Die Regressionsanalyse für den häufig auftreten-
kann. Aus den Rückgriffweiten mit einem Si- den Fall
cherheitsaufschlag η abgeleitete Sicherheitslini- • Ausfließen senkrecht zur Strossenrichtung
en sind dann oft eine notwendige Vorgabe und • durch vor der Böschung liegende Massen
Aussage der mit dem Standsicherheitsnachweis behindertes Ausfließen
beschäftigten Sachverständigen für Geotechnik. • kein besonders starkes dynamisches Initial hat
Er legt damit einen Abstand asicherheitslinie fest Setzungsfließen ausgelöst (z. B. Vorbeifah-
ren eines Fahrzeuges, keine Sprengung), kein
(4.15)
(asicherheitslinie = η · xr ), besonders schneller Grundwasseranstieg
ergab folgenden mathematischen Zusammen-
der einzuhalten ist, um sich trotz einer Setzungs- hang (Gl. (4.16)):
fließrutschung im sicheren Hinterland aufzuhalten.
  
H
−4,3 HW K −1
2
1

xr = HK 5, 76 · e K − (4.16)
2 · tan β
Vorgehensweise zur Ermittlung der Rück-
griffweiten  (Vogt und Förster 1991) sowie
166 A. Vogt et al.

Abb. 4.28   Rückgriff-


weite xr≈ 60 m einer bei
der leichten Rütteldruck-
verdichtung ausgelösten
Setzungsfließrutschung.
(BIUG 2008)

5XWVFKXQJVNRQWXU
HKHP8IHUOLQLH
5FNJULIIZHLWH[ U

Spezielle Anwendungsfälle sind in (Vogt und Nachteil: Z. T. ökonomisch aufwendig, z. T.
Förster 1991 sowie LMBV 1998) beschrieben. Einschränkung der planmäßigen
Wiederherstellung des vorberg-
baulichen Wasserstandes.
4.3.2 Tiefhalten des Während des Schüttens der Kippen kann durch
Wasserspiegels und Zumischen von geeigneten Kornfraktionen oder
Beeinflussung des Kornbandes durch selektive Verkippung das für verflüssi-
so, dass Setzungsfließen gungsgefährdetes Lockergestein typische Korn-
ausgeschlossen werden band so verändert werden, dass Setzungsfließ-
kann gefahr ausgeschlossen bzw. stark eingeschränkt
wird.
In der Phase des Grundwasseranstiegs kann Vorteil: Minimierung nachfolgender
durch Betreiben von Entwässerungsbrunnen, das Sanierungen.
Anlegen von Vertikal- und Horizontaldränagen, Nachteil: Komplizierte Verkippungstechno-
Wasserhaltungsmaßnahmen im Restsee (Abpum- logie; Kosten und Aufwendungen
pen von Seewasser oder gesteuerte bzw. limitier- für die Zugabe.
te Flutung zur Unterschreitung bzw. Einhaltung Das Auswählen von besonderen Kornfraktionen
eines Grenzwasserstandes) erreicht werden, dass spielt im aufgezeigten Sinn eine entscheidende
in einem ausreichend großen Gebiet keine Was- Rolle, wenn im Hinterland der Böschungsbe-
sersättigung möglich ist. Damit wird gewähr- reiche von Restseen Baumaßnahmen ausgeführt
leistet, dass die eventuell auftretenden statischen werden (Bau von Über-, Aus- und Einleitern,
und dynamischen Belastungen keinen Scher- Verfüllen von Erosionsrinnen, Verbessern von
festigkeitsverlust infolge progressiver Poren- Aufstandsflächen und des Untergrundes), für die
wasserdruckentwicklung hervorrufen können (s. die vor Ort anstehenden Lausitzer Sande nicht
Abschn. 4.2). geeignet sind.
Vorteil: Verbessernde Wirkung wird
sowohl böschungsnah als auch
böschungsfern erzielt.
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 167

4.3.3 Porenwasserdruckbarrieren herstellung im Bauabschnitt BA 10 am SB Lohsa


II. Hier konnte die RDV wegen ansonsten güns-
Die Verflüssigung locker gelagerten sandigen tiger geotechnischer Bedingungen auch bei einer
Kippgutes kann durch Reduzierung der bei un- sehr geringen erdfeuchten Überdeckung reali-
dränierter Scherbeanspruchung entstehenden siert werden. Dabei wurde u. a. ausgenutzt, dass
Porenwasserdrücke verhindert werden (LMBV sich der im RDV-Prozess entwickelnde PWÜD
1998). Eine Veränderung der Materialeigenschaf- über die bereits realisierten, benachbarten RDV-
ten durch Verdichten oder andere Maßnahmen ist Löcher entspannen und überschüssiges Was-
bei Ausnutzung dieses Effektes nicht notwendig. ser oberflächig abfließen konnte. Damit wurde
„Porenwasserdruckbarrieren“ können so aus- einem großflächigen, über längere Zeit aufrecht
gelegt werden, dass sie regional eine definierte erhaltenen PWD-Anstieg entgegengewirkt und
Begrenzung des sonst zur Verflüssigung führen- dadurch das geotechnische Sicherheitsniveau der
den Porenwasserdruckes bewirken. Darüber hin- RDV-Maßnahme erhöht.
aus sind Maßnahmen zur Dämpfung des Poren-
wasserdruckimpulses durch komprimierbare
Elemente wie Luftpolster und zur Entspannung 4.3.4  Abstützung von Böschungen
durch schnelle Ausbreitung des unter Druck ge-
ratenen Porenwassers mit Hilfe von Dränageele- Regeln zur Gestaltung von vorgelagerten
menten wie vertikalen Bohrungen und Schlitzen Stützkörpern
oder horizontalen Schichten möglich. Ein für Stützkörper geeignetes Material
Die dämpfende Wirkung auf den Porenwas- • darf bei vollständiger Wassersättigung selbst
serdruckimpuls wird durch Luftinjektion in die nicht verflüssigbar sein (hoher Verflüssi-
vom Grundwasser erfasste Kippe zum Aufbau gungswiderstand ist notwendig) bzw. muss
einer Porenwasserdruckbarriere (Luftpolster) eine ausreichend hohe Bruch- und Restfestig-
erzielt. Es entsteht im wassergesättigten Locker- keit besitzen,
gestein ein Bereich mit höherer Kompressibilität, • muss eine ausreichend hohe Durchlässigkeit
so dass in diesem der Porenwasserdruckimpuls aufweisen, um unerwünschten Rückstau aus-
gedämpft werden kann. tretenden Wassers zu vermeiden.
Die schnelle Druckausbreitung mit Dränage- Überwiegend feinkörnige Lockergesteine genü-
elementen wird dadurch erreicht, dass dem unter gen in der Regel diesen Forderungen nicht. Somit
Überdruck geratenen Porenwasser die Möglich- sind für die Herstellung von Stützkörpern in ers-
keit gegeben wird, schnell abzufließen. Dabei ter Linie sandig, kiesige Lockergesteine oder
kommt es zu einer raschen Umverteilung und industrielle alternative Baustoffe mit ähnlichen
damit einem schnelleren Abbau lokal entstande- Eigenschaften einzusetzen.
ner Porenwasserüberdrücke. Wenn nicht ein Stützkörper aus stehen gelas-
Eine praktische, wenn auch nicht primär dafür senem, gewachsenem Lockergestein vorgesehen
beabsichtigte Anwendung fand diese Metho- ist, sind die für den Einsatz vorgesehenen Stütz-
de u. a. bei der Herstellung von Schottersäulen körpermaterialien in undränierten Triaxialversu-
am Brückenbauwerk zwischen dem Südost- chen auf ihre Eignung zu prüfen.
Schlauch und dem RL Nordrandschlauch (Sab- Trocken verstürztes, sandiges, kiesiges Lo-
rodter See) im Hauptfeld Spreetal sowie bei der ckergestein kommt dann infrage, wenn seine
Untergrundverbesserung für die Windenergiean- Kornverteilung außerhalb des Verflüssigung an-
lagen Elsterheide, die auf Lausitzer Kippensand zeigenden Spektrums liegt. Auf eine Verdichtung
errichtet wurden. wird im Allgemeinen nicht verzichtet werden
Ein weiteres Beispiel für die Nutzung des o. g. können.
Prinzips zum Porenwasserüberdruck- (PWÜD)
Abbau war die RDV-Maßnahme zur Stützkörper-
168 A. Vogt et al.

.LSSH
.LSSH
K

K
* K Z KC * K Z KC
: :

β β

β 6. β 6.

Abb. 4.29   Vorgespülter Stützkörper ( links) und durch Abspülen hergestellter Stützkörper ( rechts). (LMBV 1998)

Für verspülte sandige oder kiesige Locker- hinaus einzubauen. Das zulässige Verhältnis
gesteine ist inzwischen mehrfach festgestellt von Wasserstandshöhe hW im Restloch bzw. in
worden, dass sie auch bei einer eine Gefährdung der Böschung zur Stützhöhe h’ ist durch eine
anzeigenden Kornverteilung beim Verflüssi- Stützkörperberechnung ermittelbar.
gungstest im Triaxialgerät eine erhebliche Rest- Durch den Stützkörper sollen beim Eintreten
festigkeit behalten, wenn sie aus dem Spülstrom einer Verflüssigung Deformationen in Richtung
über dem Wasserspiegel stammen und nicht in senkrecht zu seinem Streichen beschränkt wer-
stehendes Wasser abgesetzt worden sind. Diese den. Er selbst soll sich nicht verschieben lassen.
Feststellungen entsprechen den Erfahrungen, die Auf den Stützkörper mit dem Gewicht G wirkt
bei der Anlage von Spülkippen gesammelt wor- während der Verflüssigung von der Kippenseite
den sind. Somit lassen sich einige Regeln für die anstelle des Erd- und normalen Wasserdrucks
Gestaltung autostabiler Spülkörper formulieren: eine Verflüssigungsdruckkraft W (Abb. 4.29).
• Das Spülgut hat aus überwiegend sandig-kie- Gespülte Stützkörper entstehen durch Vorspü-
sigem Lockergestein zu bestehen. Zu große len vor und Abspülen von bereits vorhandenen
Feinkornanteile (FKA > 30 % bis 40 %) gelten Kippenböschungen. Abbildung 4.29 zeigt das
als die Sicherheit gefährdend. Berechnungsmodell mit geometrischen Größen
• Das Aufsetzen (Gründen) des Spülkegels hat und angreifenden Kräften.
auf einer nicht verflüssigbaren Basis, in der Es wird die Sicherheit des Stützkörpers gegen
Regel wird es das ehemalige Tagebauliegende das Abschieben auf einer ebenen, durch den Bö-
sein, zu erfolgen. Seine Basis darf nicht aus schungsfußpunkt A verlaufenden Prüffläche in-
mechanisch umgelagertem oder im stehenden folge des Wirkens von W (Verflüssigungskraft)
Wasser abgesetztem Spülgut bestehen. berechnet:
• Beim Spülen ist der Wasserspiegel vor der 
1 1

Böschung so zu halten, dass sich der Spülkör- (4.17) S = f G; ;
W sin β
per über dem Wasserspiegel und nicht durch
Sedimentation im Wasser ausbilden kann. Die durch vorgespülte Stützkörper erreichte Si-
• Die beim Spülen vor sich gehende Klassi- cherheit S ist um so größer, je größer das Stütz-
fikation des Spülgutes führt dazu, dass die körpergewicht ist, und ist um so geringer, je grö-
feineren Teilchen von der Spülstelle entfern- ßer der Verflüssigungsdruck W ist.
ter abgesetzt werden als die gröberen. Somit Die Abbildung 4.29 verdeutlicht die grund-
lässt das Spülen von einer der zu sichernden sätzlich ungünstigeren geometrischen Verhältnis-
Böschung gegenüberliegenden Spülstelle kei- se, die beim Abspülen gegenüber dem Vorspülen
nen verlässlichen Stützkörper erwarten. entstehen. Verfahrensbedingt ist hier
• Damit die Stützwirkung auch bei später
ansteigendem Wasserspiegel im Restloch  1
h’ ≤ ⋅ h, (4.18)
oder der Kippe mit der Höhe h gewährleistet 2
bleibt, ist das Spülgut an der zu stützenden während beim Vorspülen h′ nahe h gebracht wer-
Böschung über den höchsten Wasserstand den kann.
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 169

9

9

9
ƒ

:VSP1+1 

5XWVFKXQJYRP

6396WW]N|USHU
9RUODQGVLFKHUXQJ
EHWU/JG

Abb. 4.30   Anordnung der Sprengbohrlöcher zur Vorlandsicherung am RL Nordrandschlauch

Sicherung der Kippe durch einen • Insel im Speicherbecken (SB) Lohsa II Wäh-
versteckten Damm rend der Setzungsfließrutschung an der Insel
im SB Lohsa II am 19.11.2001 trafen die Rut-
Allgemeine Aussagen schungsmassen auf zwei mittels Vibrations-
Ein wirksamer Schutz des Hinterlandes von Bö- walzenverdichtung (VWV) oberflächig ver-
schungen in setzungsfließgefährdeten Kippenbe- dichtete Hochflächen sowie auf kurzer Länge
reichen kann durch eine lokale Verdichtung eines auf den Stützkörper der Außenkippe (AK)
ausreichend breiten Streifens des Hinterlandes Bärwalde. Dabei wurde die Rutschung abge-
bis zum Liegenden parallel zum Böschungs- lenkt bzw. begrenzt (s. Abschn. 4.8.3) und die
streichen erreicht werden (LMBV 1998). Zum Wirksamkeit der Verdichtungsmaßnahmen
Erhöhen der Lagerungsdichte und der damit ver- belegt.
bundenen Festigkeitszunahme im Boden sind Ein weiteres Beispiel ist die Maßnahme
im sicheren Hinterland beginnende und im Vor- zur Teilsicherung der Insel im SB Lohsa II
Kopf-Betrieb voranschreitende Spreng- und Rüt- im Sommer 2004. Hier wurde ein speziell
teldruckverdichtungsmaßnahmen (RDV) geeig- bemessener „schwebender“ Stützkörper durch
net, sofern der Porenraum des zu verdichtenden Sprengverdichtung (SPV) als Fußwiderlager
Bodens mit Wasser gefüllt ist. Im erdfeuchten für die nachfolgende SPV-Probebelastung
Bereich ist eine Erhöhung des Scherwiderstandes und Sicherung einer Inselböschung herge-
mithilfe der Rütteldruckverdichtung und Rüttel- stellt. Nach seiner Fertigstellung konnte der
stopfverdichtung und oberflächennah mit der Stützkörper bestimmungsgemäß die bei der
Fallgewichtsverdichtung realisierbar. Probebelastung herbeigeführten Böschungs-
Das Ergebnis dieser Verdichtung entlang des bewegungen begrenzen und das Auftreten
Randes eines Tagebaurestloches ist ein so ge- von Setzungsfließrutschungen verhindern (s.
nannter „versteckter Damm“, der eine eventu- Abschn. 4.8.3).
ell mögliche Verflüssigung im böschungsnahen • Sprengverdichtung am RL Nordrandschlauch
Bereich und in dessen unmittelbaren Hinterland Am 20.05.1999 wurde im Rahmen der
zwar nicht verhindern kann, aber vor den Fol- Sprengverdichtungsarbeiten zur Vorland-
gen in der Weise schützt, dass ein denkbares sicherung am RL Nordrandschlauch die
Setzungsfließen auf das Böschungsvorland und Dreiergruppe V154 – V281 – V282 mit den
die mögliche Verflüssigung auf das unmittelbare Sprengparametern: Q1(Oben) = 15  kg, Q2(M-
Hinterland der Böschung begrenzt bleiben. Zahl- itte) = 12,5  kg, Q3(Unten) = 7,5  kg (V154),
reiche Beobachtungen haben die zuverlässige Q1 = 15 kg, Q2 = 15 kg Q3 = 10 kg (V281 und
Wirksamkeit von versteckten Dämmen bestätigt. V282) realisiert (Abb. 4.30). Die Kippenhöhe
Neben der zwar das fertiggestellte Ufer vor dem betrug ca. 54 m, die Mächtigkeit der wasser-
Stützkörper zerstörenden, aber das Hinterland gesättigten Kippe 27 m und der Winkel der
nicht mehr beeinflussenden Setzungsfließrut- Kippenböschung ca. 33°.
schung im Schlabendorfer Revier (RL 12) vom
März 2008 sollen noch genannt werden:
170 A. Vogt et al.

Abb. 4.31   Ansatz von EHUI


Kräften an einem „ver-
steckten Damm“ (auch als 1
„versteckter Stützkörper“ (D φ  γ.
bezeichnet, N Nachbruch- ϑD
bereich im erdfeuchten K
Sand) * :
: KZ
γ. YHUVWHFNWHU
'DPP

φ6
Tab. 4.5   Planmäßig durch Sprengungen in Schrägbohrungen ausgelöste Rutschungen am Nordrandschlauch Spreetal
Datum Sprenggruppe Ladungsmenge Abrisslänge Abrisstiefe Abrissweite
pro Bohrloch (Rückgriffweite)
[kg] [m] [m] [m]
20.05.1999 V154-V281-V282 1 × 15,0, 1 × 12,5, 1 × 7,5 450 30– 35 20–100
(V154),
2 × 15,0, 1 × 10,0 (V281
und V282)
01.07.1999 V290-V291-V292 2 × 15,0, 1 × 10,0 130 20 50
05.08.1999 V460-V461- 2 × 15,0, 1 × 10,0 200 30–35 35
V462-V463
16.09.1999 V688-V689-V690 2 × 15,0, 1 × 10,0 120 30 30
15.10.1999 V797-V798- 3 × 15,0 120–350 20–30 20–50
V799-V800
19.10.1999 V762-V763- 3 × 15,0 150 20–30 70
V764-V765
25.10.1999 V767-V768- 3 × 15,0 130 20–30 50
V769-V770
27.10.1999 V789-V790- 3 × 15,0 250 20–30 50
V791-V792
28.10.1999 V827-V828-V829- 3 × 20,0 150–200 30–35 80
V830-V831-V832
01.11.1999 V775-V776- 3 × 15,0 100–200 30–35 30–75
V777-V778
02.11.1999 V833-V834-V835- 3 × 20,0 150–250 30–35 80
V836-V837-V838

Bei der Sprengung dieser Sprengbohrlöcher Die Darstellung der geometrischen Situation
wurde eine Setzungsfließrutschung mit folgen- in Vermessungsprofilen zeigte, dass nur die erd-
den Parametern ausgelöst: feuchten Kippenbereiche oberhalb der verdich-
Abrisslänge: ca. 450 m teten wassergesättigten Sande geringfügig be-
Abrissweite: ca. 20 m … 100 m (Rück- einträchtigt waren (Nachbruch im erdfeuchten
griffweite) Boden). Es war eindeutig festzustellen, dass der
Abrisstiefe: ca. 30 m … 35 m SPV-Stützkörper und die ausgeführte Vorland-
Der SPV-Stützkörper am Nordrandschlauch sicherung die Setzungsfließrutschung in das
sowie die hergestellten RDV-Stützkörper am Hinterland erfolgreich begrenzt haben. Der SPV-
Nordrandschlauch und am Straßendamm Bluno Stützkörper und die durch Vorlandsicherung ver-
wurden durch die Rutschung selbst und durch die dichtete Kippe wurden nicht beeinträchtigt.
damit verbundenen Schwallwellen nicht in Mit- Generell zeigten auch die planmäßig mit
leidenschaft gezogen. Sprengungen in Schrägbohrungen ausgelös-
Nachbrüche erfassten lediglich den erdfeuch- ten Rutschungen (Auswahl von Rutschungen,
ten, noch unverdichteten Teil oberhalb des SPV- Tab. 4.5) die Wirksamkeit der hergestellten Stütz-
Stützkörpers (Bereich N in Abb. 4.31).
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 171

körper. Bei keiner Rutschung wurden verdichtete werden, wenn er selbst nicht mehr verflüssi-
Bereiche beeinträchtigt oder zerstört. gungsgefährdet ist. Das ist durch die Erhöhung
Ein Berechnungsmodell, das für die Dimen- der Dichte des den versteckten Damm bildenden
sionierung und für den Nachweis der Gleitsicher- Lockergesteinskörpers möglich.
heit eines versteckten Dammes benutzt werden In der Praxis haben sich mechanische Ver-
kann, ist in Abbildung 4.31 dargestellt. Es wird dichtungsverfahren bewährt. Unterhalb des
angenommen, dass sich der wassergesättigte Grundwasserspiegels lassen sich im Allgemei-
Boden außerhalb des als versteckter Damm her- nen mithilfe der Sprengverdichtung (SPV) und
gestellten verdichteten Bereiches vollständig der Rütteldruckverdichtung (RDV) gute Ergeb-
verflüssigt und aus Suspensionsdrücken resul- nisse erzielen. In der erdfeuchten Überdeckung
tierende Horizontalkräfte W1 und W2 mit unter- empfehlen sich die Rütteldruckverdichtung und
schiedlichem Richtungssinn entstehen. Zusätz- die Rüttelstopfverdichtung (RSV) und in oberflä-
lich wirkt in die gleiche Richtung im erdfeuchten chennahen Bereichen die Fallgewichtsverdich-
Kippenbereich eine Kraft Ea, die sich bei einer tung (FGV). Das Müller Resonance Compaction
angenommenen Verschiebung des versteckten (MRC)-Verfahren ist prinzipiell ebenfalls für die
Dammes in Richtung des offenen Restloches aus Erhöhung des Scherwiderstandes im erdfeuchten
dem aktiven Erddruck ergibt. Vertikal wirkt das und gesättigten Bereich geeignet. Aufgrund des
Gewicht G des Körpers des versteckten Dammes, bisher seltenen Einsatzes kann hier allerdings nur
wobei im erdfeuchten Bereich ein eventuell statt- auf ein begrenztes Maß an Erfahrungen zurück-
findender Abbruch N zu beachten ist. Unterhalb gegriffen werden, die allerdings nicht positiv
des Grundwasserspiegels ist bei den Berechnun- waren. Vermutlich ist auch dieses Verfahren nur
gen die Wichte unter Auftrieb γK’ zu verwenden. zum Einsatz in wassergesättigten Sanden geeig-
Die Sicherheit des versteckten Dammes gegen net.
Gleiten unter Berücksichtigung einer vollständi- Bei der Herstellung des versteckten Dammes
gen Verflüssigung im wassergesättigten Bereich ist folgendermaßen vorzugehen:
ist mit der Formel 4.19 zu berechnen, wobei für • Beginn der Stabilisierung im Hinterland der
ΦS′ der in der Aufstandsfläche des Dammes maß- Böschung – außerhalb der Rückgriffweite
gebende Reibungswinkel einzusetzen ist. Das eines möglichen Setzungsfließens,
kann entweder der wirksame Bruchreibungs- • schrittweise Verbreiterung des Dammes in
winkel des verdichteten Kippenbodens oder der Richtung zum Böschungsfuß, bis die berech-
wirksame Reibungswinkel des Liegenden sein. nete erforderliche Breite berf. erreicht ist.
G ⋅ tan ΦS′ Dabei sollte aus Sicherheitsgründen die „Vor-
S=
(4.19) Kopf-Technologie“ genutzt werden, d. h., die
E +W a R
Arbeiten sollten von bereits stabilisierten Berei-
WR - je nach Fließrichtung W1 oder W2 chen aus erfolgen.
Bei der Wahl von Verdichtungsverfahren,
Wird für S = Serf eingesetzt und nach b umge- die bestmöglich auf das jeweilige Objekt abge-
formt, entsteht schließlich stimmt sein sollten, zeigte sich, dass in der Regel
(h − h ) der kombinierte, meist nacheinander erfolgende
2
Serf
⋅ ( Ea + WR ) +
W
⋅γ K Einsatz mehrerer Verfahren das Optimum an Ver-
tan Φ′s
(4.20) 2 ⋅ tan ϑa .
b = dichtungsergebnis, Zeit- und Aufwandsersparnis
erf
( )
h W ⋅ γ ′K + h − hW ⋅ γ K
sowie Sicherheit während der Ausführung er-
Gleichung (4.20) ist beim Dimensionieren eines möglicht. (Kuntze und Vogt 2003) bestätigten
versteckten Dammes nutzbar. diese Erfahrung am Beispiel der Sicherung der
setzungsfließgefährdeten Kippenböschungen
Herstellen der versteckten Dämme im Restlochkomplex Sedlitz, Skado, Koschen
Der versteckte Damm kann bei entsprechender (Abb. 4.32), die in 4 Sicherungsschritten ausge-
Dimensionierung seiner Funktion nur gerecht führt wurden.
172 A. Vogt et al.

Abb. 4.32   Sicherungsschritte bei der Sanierung setzungsfließgefährdeter Kippenböschungen im Restloch-


komplex Sedlitz, Skado, Koschen (Höhenangaben in mNN, z.B. + 103,5 mNN, Kuntze und Vogt 2003)
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 173

Abb. 4.33   Schemen zur Anbringung von Ladungen in Vertikalbohrungen ( links) und in Schrägbohrungen ( rechts).
(Kuntze und Vogt 2003)

Auf die Verfahren Sprengverdichtung (SPV) Wasserstand im Kippenkörper muss erreicht


und Rütteldruckverdichtung (RDV) soll nachfol- sein. Ein hoher Wasserstand vergrößert eine
gend näher eingegangen werden. vorhandene Setzungsfließgefahr, macht aber
Sprengverdichtungen effizienter. Bezüglich
Sprengverdichtung der Höhe des Wasserstandes im zu verdich-
Anwendungsvoraussetzungen  Sprengun- tenden Bereich sollte der Grundsatz „so spät
gen bieten im Arbeitsfeld der Kippensanierung wie möglich, so früh wie nötig“ eingehalten
ehemaliger Braunkohlentagebaue mannigfaltige werden. Schützenswerte Bauwerke müssen
Einsatzmöglichkeiten: einen ausreichenden Abstand von den Spreng-
• zur Bodenverdichtung feldern aufweisen. Ökonomisch sinnvolle
• zur dynamischen Probebelastung von Sprengungen (d. h. Summenladungsmengen
Böschungssystemen Q ≥ 10  kg) sind auf einen Sicherheitsabstand
• zum planmäßigen Auslösen von Rutschungen, von r ≥ 500 m beschränkt.
um Gefahren zu beseitigen, die von instabilen, • Das Anwendungsfeld muss hinreichend
schwierig zu sichernden Vorlandbereichen standsicher sein, um Gefährdungen während
ausgehen der erforderlichen Bohr- und Besatzarbei-
• als Quelle eines seismischen Wellenfeldes ten auszuschließen. Zur Beherrschung dieser
zum Zwecke geophysikalisch-geotechnischer Gefährdungen diente das Schrägbohren, bei
Untersuchungen. dem vom sicheren Hinterland aus Ladungen
Die Anwendungsvoraussetzungen von Verdich- über Schrägbohrlöcher weit vorn in Seenähe
tungssprengungen sind: eingebracht werden können (Abb. 4.33).
• Das zu verdichtende Material muss sich unter Unter Berücksichtigung dieser Punkte ist zumeist
zyklischer, dynamischer Beanspruchung kon- eine Abwägung zwischen Verdichtungsspren-
traktil verhalten. gung und Tiefenrüttlung durchzuführen. Dabei
• Das zu verdichtende Material muss wasser- weist die Sprengverdichtung spezifische Vorteile
gesättigt sein, d. h. ein hinreichend hoher auf:
174 A. Vogt et al.

Abb. 4.34   Schematische


Darstellung der Sanierung
und Sicherung des „Bluno-
Dammes“

• Es sind vor, während und nach Durchführung Böschungen weitestgehend folgen und nicht in-
der Maßnahme kaum Erdmassen zu bewegen. nerhalb einer prognostizierten Rückgriffweite für
• Der gerätetechnische Aufwand ist gering. „normale Initiale“ liegen.
• Es ist keine Zuführung großer Wassermengen Die Breite des Dammes unterliegt der Anfor-
erforderlich. derung, dass sie die aus den Standsicherheitsbe-
• Die Sprengladungsmengen können (bei aus- rechnungen folgende Mindestbreite eines nicht
reichendem Abstand zur Uferlinie bzw. zum verflüssigungsfähigen Stützkörpers nicht unter-
Böschungsfuß) so groß gewählt werden, dass schreiten darf. Aufgabe dieses Stützkörpers ist
sich ein weiträumiger Verdichtungserfolg es, den aus dem Kippenmassiv stammenden Erd-
(großes Kompaktionsvolumen) ergibt. Somit druck und den Verflüssigungsdruck aufzufangen.
ist der Sprengverdichtung bei der Sicherung Die Dammtrasse ist in uferparallelen Streifen,
großer ausgedehnter Kippenflächen im Hin- beginnend mit dem uferfernsten Streifen, anzu-
terland der Stützkörper und Seeufer in der legen. Jeder Streifen besteht aus einer Doppelrei-
Regel der Vorzug zu geben. he von Sprengansatzpunkten. Die beiden Reihen
Aus der Summe dieser Vorteile ergeben sich sind gegeneinander versetzt, so dass annähernd
gegenüber den Tiefenrüttlungen erhebliche gleichseitige Dreiecke entstehen. Das Raster-
Preisvorteile. Im Sonderfall, dass hohe Eindrück- maß, d. h. der Abstand benachbarter Spreng-
widerstände das Eindringen der Rüttlerlanzen in bohrlöcher voneinander, sollte bei Anwendung
die notwendige Tiefe verhindern, ist das Verfah- der Sprengverdichtung in Kippen des Lausitzer
ren der Sprengverdichtung konkurrenzlos. Die- Reviers ≈ (15 bis 25) m betragen. Ein solcher Ab-
ser Umstand war Voraussetzung dafür, dass z. B. stand sichert bei tiefengestaffelten Sprengungen
der so genannte „Bluno-Damm“ (Trenndamm (Abb. 4.33) ein Überschneiden der Verdichtungs-
zwischen den RL Nordschlauch und Nordrand- bereiche. Das Rastermaß ergibt sich auch daraus,
schlauch im ehem. Tagebau Spreetal) überhaupt dass Tagebaukippen des Lausitzer Reviers eine
erhalten und als Straßendamm ausgebaut werden Mächtigkeit von (50 bis 60)  m aufweisen und
konnte (Abb. 4.34). Die notwendige Verdichtung eine Verdichtung mit einer praktisch handhabba-
unterhalb von Arbeitsebenen war nur durch eine ren Menge von Teilladungen (3 bis 4 pro Bohr-
nachträgliche Sprengverdichtung und damit Her- loch) zu erreichen ist.
stellen von pfahlartigen, verdichteten Körpern Die zeitliche Abfolge der Sprengungen ist so
zwischen Dammsohle und oberem Dammbereich zu gestalten, dass zunächst im uferfernen Bereich
möglich. mit Sprengfeldern von je 3 bis 4 Sprengbohrlö-
Ausführungsbestimmungen Dienen die chern begonnen wird, um die Stützwirkung von
Verdichtungssprengungen zur Herstellung eines ehemaligen Arbeitsebenen sicher zu brechen. Bei
versteckten Dammes, so ist zunächst der notwen- Annäherung an die Böschungsschulter sollten
dige Verlauf der Dammtrasse zu projektieren. Sprengfelder mit zwei Sprengbohrlöchern ge-
Im Allgemeinen sollte diese den Konturen der plant werden, um die Größe des verflüssigten
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 175

Bereiches zu reduzieren und Sicherheit gegen ein Verdichtungsnachweis  Die augenfälligsten Be­
Versagen der Böschung zu erlangen. Dabei sollte weise eingetretener Verdichtungen sind Setzungs-
die Lage aufeinander folgender Sprengfelder so mulden auf den Kippenoberflächen. Sie lassen
gewählt sein, dass eine Doppelreihe entsteht. sich nach (Keßler und Förster 1992) mit
Der eingesetzte Sprengstoff muss umweltver-
−r 2
träglich und wasserbeständig sein, eine Detona- 2 (4.21)
s(r) = smax · e (0,87·zQ )
tionsgeschwindigkeit von (5.000 bis 6.500) m/s
entwickeln, (800 bis 900) l/kg Schwadenvolu- mit
men freisetzen und eine spezifische Energie von s -Setzung,
(1 bis 1,25) MJ/kg haben. smax -Setzung am Bohrloch,
Eine Tiefenstaffelung von Teilladungen im r -Abstand von der Bohrlochachse,
Wassergesättigten sollte so erfolgen, dass der zQ -Ladungstiefe
Abstand zwischen je zwei aufeinander folgenden berechnen (Regressionskoeffizient R = 0,973).
Teilladungen maximal gleich dem Rastermaß ist. Das Volumen einer Setzungsmulde ergibt sich
Zwischen je zwei ehemaligen Arbeitsebenen soll- aus V = 0,76 · smax · π · z2Q. Bei jeder Sprengung ist
te eine Teilladung angebracht werden, sofern im zumindest die Maximalsetzung zu erfassen.
betreffenden Teufenbereich verflüssigungsfähige Sind die Mächtigkeit des wassergesättigten
Materialien vorzufinden sind. Unter Berücksich- Bereiches der Dicke hw und des erdfeuchten Be-
tigung typischer Lausitzer Kippenmorphologien reiches der Dicke hü bekannt, so kann die zur Er-
sind im Allgemeinen 2 bis 4 Teilladungen aus- reichung einer bestimmten Maximalsetzung smax
reichend. notwendige Ladungsmenge nach
Die Zündintervalle sind so zu wählen, dass in
benachbarten Bohrlöchern immer mit einer pra-  Q = 1, 6 · 10−3 · smax
1,92
· h0,727
ü · h0,353
w · ρ (4.22)
xisbewährten Verzögerung von Δt = 2 s gezündet
wird. Damit sind Interferenzen von kritischen abgeschätzt werden ( ρ = 1.810  kg/m3).
Schwingungsamplituden in weiten Entfernungs- Algorithmus zur Planung von Verdichtungs-
bereichen ausgeschlossen, und es ist eine Wir- sprengungen zur Stabilisierung von Kippen-
kungsverbesserung an den Sprengbohrlöchern böschungen
einer Gruppensprengung dort zu erwarten, wo 1. Bewertung der Verflüssigungsgefahr auf
dynamische Anregungen mit der Anstiegsphase Basis bestimmter bodenmechanischer Kenn-
des Porenwasserdrucks zusammenfallen. größen. Ermittlung der Böschungsstandsi-
Eine bohrlochinterne Staffelung der Zündzeit- cherheit für den Einsatz der Bohrgeräte.
punkte ist gleichermaßen geeignet (Förster und 2. Feststellung der Rückgriffweite für „nor-
Krüger 1998). Der erhöhte Aufwand gegenüber male‘‘ Initiale nach Prognoseformel und
simultaner Zündung ist jedoch nur in besonders Festlegung einer geplanten Dammtrasse
sensiblen Bereichen, wie beispielsweise bei Vor- außerhalb des akut gefährdeten Bereiches.
feldstabilisierungen, gerechtfertigt. Es ist zu be- 3. Durchführen von Drucksondierungen in der
achten: geplanten Dammtrasse zur Bodenanspra-
• Die Zündung muss „von oben nach unten“ che, zum Erkennen von Arbeitsebenen und
erfolgen. der Teufenlage verflüssigungsfähiger Sand-
• Die Verzögerungszeit zwischen den einzelnen schichten. Festlegen der Anzahl der Teilla-
Etagen sollte im Regelfall Δt = 1 s nicht über- dungen.
schreiten. 4. Festlegung der Ladungstiefen, möglichst
Bei Einsatz einer bohrlochinternen Staffelung äquidistant, im Wassergesättigten.
wurden Wirkungsverbesserungen in Form größe- 5. Ermittlung des Rastermaßes nach Progno-
rer Setzungsmulden als bei simultaner Zündung seformel (aus geringster Teilladungsteufe),
beobachtet. Dieses rechtfertigt in Hinblick auf Festlegung der Bohransatzpunkte zum
den vermuteten Wirkmechanismus eine Reduzie- Erstellen eines Pilotdammes.
rung der Teilladungsmenge in der größten Teufe.
176 A. Vogt et al.

Abb. 4.35   Ein Rüttler V32 (130 kW) wird vom Träger-


gerät im abgesteckten Raster positioniert (Foto: BIUG
2002)

6. Abschätzen des erreichbaren Setzungsbetra-


ges aus dem Ergebnis der Drucksondierun-
gen. Drucksondierungen sind die gegenwär-
tig zuverlässigste Methode zur Ermittlung Abb. 4.36   Verdichtungsregime für die möglichst gleich-
der Lagerungsverhältnisse, darum erfordert mäßige Verdichtung in wassergesättigter und erdfeuchter
Kippe
dieser Arbeitsschritt die größte Aufmerk-
samkeit. Im Allgemeinen wird die erreichba-
re, maximale Setzung etwa 5 % der Mächtig- grund abgesenkt und anschließend unter stärkerem
keit aller verdichtbaren Schichten im Was- Rütteln schrittweise wieder gezogen (Verdich-
sergesättigten nicht übersteigen. tungsprozess). Der an der Lanzenspitze montierte
7. Vorgabe der Ladungsmengen nach Prog- Vibrationskopf (steuerbarer Exzenter, Abb. 4.35)
noseformel (Zusammenhang zwischen La- bewirkt eine dynamische Anregung des umge-
dungsmenge und Setzung). benden Lockergesteins. Im wassergesättigten
8. Probesprengung, Bewertung der erreichten Sand kommt es hier zum Anstieg des Porenwas-
Setzung und ggf. Korrektur der Ladungs- serdruckes (PWD), zu lokalen Verflüssigungen
menge. Berechnung und Messung der des lockeren Korngerüsts und letztlich zur Neu-
Schwinggeschwindigkeit auf der Oberfläche anordnung der Teilchen in einem stabileren Lage-
an der Uferlinie. rungszustand. In der Regel erfolgt am Ansatzpunkt
9. Bei Annäherung an die Uferlinie sollten während der RDV eine Massenzugabe (mittels
die Ladungsmengen so reduziert werden, Radlader). Das Zugabematerial rutscht in den sich
dass die bei der Herstellung des Pilotdam- ausbildenden Trichter bis zum Lanzenkopf, gleicht
mes gemessene Schwinggeschwindigkeit an das infolge der Verdichtung eintretende Volumen-
der Uferlinie nicht überschritten wird. Dazu defizit teilweise aus und sichert das notwendige
können die entsprechenden Prognosefor- Wiederverfüllen des Lanzenhohlraumes.
meln eingesetzt werden. In mehreren Bauabschnitten wurde die RDV
10. Sofern Standsicherheitsberechnungen dies auch zur Herstellung des kompletten Stütz-
erfordern, ist eine weitere Reduzierung der körpers zwischen dem Liegenden und der Ge-
Ladungsmengen vorzunehmen. ländeoberfläche GOF verwendet. Dabei wurde,
aufgrund der geringeren radialen Reichweite
Rütteldruckverdichtung  Bei der RDV wird eine der Verdichtungswirkung der RDV in erdfeuch-
Rüttellanze (durch Eigengewicht und Vibration) ten Kippensanden (gegenüber wassergesättigten
unter Mitwirkung von mit Druck zugegebenem Kippensanden), folgendes Verdichtungsregime
„Spitzen“-Wasser in den locker gelagerten Unter- durchgeführt (Abb. 4.36):
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 177

Abb. 4.37   Untersuchung


der radialen Reichweite
der Verdichtungswirkung
zur Optimierung des
RDV-Rasters

1. RDV in einem „grobmaschigen“ Ansatz- werden (frequenz- und amplitudengesteuerte


punktraster (z. B. mit b = 7 m) bis zum Liegen- RDV, optimierte RDV-Raster u. a.). Für einige
den (wassergesättigter Kippenbereich ( Sr ≈ 1) Kippenbereiche wurden im Ergebnis von RDV-
und erdfeuchter Kippenbereich ( Sr < 1)). Tests speziell auf den Untergrund (insbesondere
2. Verengung des Ansatzpunktrasters („Zwi- auf den Feinkornanteil (FKA)) abgestimmte Ver-
schenpunkte“) mit RDV im erdfeuchten Be- dichtungsregime erarbeitet. Die Bedeutung des
reich (b′ = 3,5  m). Dosierte Wasserzugabe Feinkornanteils für die Verdichtungswirkung der
über die Rüttellanze zur Gewährleistung eines RDV spiegelt das Diagramm in Abbildung 4.37
annähernd optimalen Wassergehaltes zur Er- sehr deutlich wider. Es zeigt an einem konkreten
höhung der Wirksamkeit der Rütteldruckver- Beispiel die Abhängigkeit der mittleren Trocken-
dichtung in erdfeuchten Sanden. Mit der Was- dichte (nach der RDV aus Schürfen gewonnene
serzugabe wird versucht, im Lockergestein Stutzenproben) von der Entfernung vom RDV-
wassergesättigte Verhältnisse zu schaffen, Ansatzpunkt. Im Ergebnis der Versuchsauswer-
damit scheinbare Kohäsionen abzubauen und tung konnte aus der Forderung einer mindestens
eine bessere Verdichtung zu erreichen. Die zu erreichenden Trockendichte ρ d,erf. der dazu-
Tiefe des Eindringens des Wassers ins Locker- gehörige RDV-Wirkungsradius abgeleitet und
gestein ist sicher nicht sehr groß, die Wirkung zur Optimierung des RDV-Rasters verwendet
daher vermutlich nur gering. Bei größerem werden. Des Weiteren wurden im Routinebetrieb
Feinkorngehalt entsteht an der Lochwandung spezielle Auswirkungen der RDV untersucht.
eine Schmierschicht, die sich wahrscheinlich Schwingungsausbreitung Das allgemein be-
sogar noch negativ auswirkt. kannte Prinzip, dass niederfrequente Schwingun-
Im Rahmen der Planung und Vorbereitung des gen eine größere wirksame Reichweite als höher-
RDV-Prozesses zur Stützkörperherstellung bzw. frequente Schwingungen besitzen, wird auch in
-komplettierung werden vorangehend RDV-Tests der RDV zielgerichtet angewendet. Höhere Rüt-
durchgeführt. Hierbei werden die Auswirkungen telfrequenzen erreichen zwar im Nahbereich der
der Veränderungen der RDV-Parameter (Raster, Rüttellanze eine gute Verdichtung, sind jedoch
Hubschritte, Verweilzeiten, Rüttelfrequenz und – in ihrer Wirkungsreichweite stärker begrenzt.
amplitude, Wasserzugabe) auf das Verdichtungs- Generell werden gute Verdichtungsergebnisse er-
ergebnis (z. B. erreichte Trockendichte ρd,erf., reicht, wenn mit einer Erregerfrequenz gearbei-
Unterschreiten eines kritischen Porenanteils nkrit) tet wird, die der Eigenfrequenz fe des Bodens
gezielt untersucht. Im Ergebnis der Tests kann der oder 2·fe entspricht. Die Eigenfrequenz wurde
RDV-Prozess sowohl im wassergesättigten Be- im konkreten Fall über Schwingungsmessungen
reich als auch in der erdfeuchten Kippe optimiert während der RDV ermittelt. Sie liegt für die in
178 A. Vogt et al.

Abb. 4.38   PWD-Ent­


wicklung an einem Mess-
geber bei der Annäherung
der RDV

Lohsa II anstehenden Kippenböden zumeist im RDV im Routinebetrieb abgeleitet werden. Auf


Bereich fe = (23 … 33) Hz. Schwingungsmes- Basis der vorliegenden Daten wurde für die wei-
sungen fanden auch bei der Überwachung nahe- tere Annäherung der RDV an das Bauwerk eine
liegender Bauwerke und anderer zu schützender Präzisierung des RDV-Regimes vorgenommen.
Objekte erfolgreich Anwendung. Geländedeformationen Infolge der Verdich-
Entwicklung des dynamischen Porenwas- tungswirkung der RDV sind (in Lohsaer Sanden)
serdruckes (PWD) Porenwasserdruckerhöhun- i. d. R. Setzungsbeträge von ca. (3 … 10) % der
gen gehören beim Rütteln in wassergesättigten, gerüttelten Kippenmächtigkeiten zu erwarten. Die
überwiegend nicht bindigen Lockergesteinen Beobachtung von Geländedeformationen reicht
zum Wirkprinzip der RDV. Ihre räumliche und von der Erfassung der Absenkungsbeträge im
zeitliche Ausbreitung kann messtechnisch erfasst unmittelbaren Arbeitsbereich über Rissbeobach-
und über das Verdichtungsregime (Amplituden, tungen bis zur Überwachung der vorauseilenden
Frequenzen, Verweilzeiten, Hubschritte, Raster Absenkungskontur. Diese Beobachtungen sind
usw.) beeinflusst werden. Aus bodenmechani- zum einen zwingend Bestandteil des Monitorings
schen Zusammenhängen und Standsicherheits- zur geotechnischen Sicherheit und zum anderen
berechnungen wurden für den Routinebetrieb werden Informationen zum Verdichtungsver-
entfernungsabhängig maximal zulässige Poren- halten des Bodens gewonnen. Liegen für das zu
wasserdrücke (bezüglich des undränierten Zu- verdichtende Kippenmaterial mit der Mächtigkeit
bruchgehens lockerer Sande infolge dynamischer h0 Kenntnisse zur Dichte ρd,0 bzw. Porenzahl e0
Initiale) ermittelt und Schlussfolgerungen zu not- vor der RDV vor, können aus den bei der RDV
wendigen Vorlandbreiten (Abstand Trägergerät/ eingetretenen Geländeabsenkungen s die erziel-
RDV-Lanze), Verdichtungsregimen und Sicher- te mittlere Änderung der Porenzahl Δem ermittelt
heitsabständen getroffen. Ein weiterer Anwen- und erste Schlüsse auf die erreichte Verdichtungs-
dungsfall sind notwendige Präzisierungen des wirkung abgeleitet werden. Da bei der RDV mit
RDV-Regimes bei der Annäherung der RDV an Massenzugabe gearbeitet wird (s. o.), erhöht sich
zu schützende Objekte (bauliche Anlagen, Bio- die durch die Porenzahlverringerung ausgedrück-
tope u. a.). In der Abbildung 4.38 wird die Ent- te Verdichtung zusätzlich. Am Beispiel des in der
wicklung des PWD an einer bestehenden wasser- Abbildung  4.36 dargestellten Testfeldes wurden
baulichen Anlage in Lohsa II bei der Annäherung (mit Massenzugabe) mittlere Absenkungsbeträge
der RDV gezeigt. Die PWD-Messungen erfolg- von s = 1,75  m (4,8 % von h0) nachgewiesen. Im
ten hier im Zusammenhang mit Erschütterungs- Testfeld konnte die mittlere Porenzahl mithilfe
messungen. Aus der registrierten PWD-Entwi- der RDV von ca. e0 = 0,67 auf ca. em = 0,53 verrin-
cklung und dem zulässigen Grenzwert des PWD gert und somit ein erster Nachweis für die Besei-
konnte die maximal zulässige Annäherung der tigung der Setzungsfließgefahr erbracht werden.
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 179

In Verflüssigungsversuchen an charakteristi- • Messung der Oberflächenverschiebungen


schen, im Körnungsband eng gestuften Proben nach Verdichtungsmaßnahmen
wurden vor der RDV undrainierte Restreibungs- • geoelektrische Widerstandsmessungen
winkel von φu, R = (3 … 6)° ermittelt, während an • Messungen seismischer Parameter (Geschwin-
nach der RDV gewonnenen und im undrainier- digkeitsfelder)
ten Triaxialversuch über den Bruch ( φf′ ≈ 32°) • unmittelbare Bestimmung der Dichte an
hinaus belasteten Proben dilatantes Verhalten zu Gefrierproben.
beobachten war. Es ist hier von einer vollständi- Das erstgenannte Verfahren hat – nach Kalibrie-
gen Beseitigung der Verflüssigungsgefahr auszu- rung – insofern den Vorzug, als es geeignet ist,
gehen. Trotz der granulometrisch bedingt relativ verlässliche quantitative Angaben zu vermitteln.
schlechten Verdichtbarkeit eng gestufter Kippen- An den gewonnenen Ergebnissen können ande-
sande bestätigen die bisherigen Untersuchungs- rerseits die weniger aufwendigen Drucksondie-
ergebnisse die RDV als effektive Technologie zur rungen für exakt den gleichen Boden geeicht
Kippenstabilisierung. werden. Wenn das geschieht, sind die Druck-
Ausblick Vor dem Hintergrund der Proble- sondierungen für weitere Bereiche das geeignete
matik der Tagebaurestseeversauerung ergeben Verfahren.
sich für die RDV neben dem „klassischen“ Ein- Vertikalverschiebungen der Erdoberfläche
satz auch Anwendungsbereiche zur Verbesse- sagen über die Verdichtung nur etwas aus, wenn
rung der Speicher- und Grundwasserqualität. Horizontalverschiebungen ausgeschlossen oder
Bei der RDV im erdfeuchten Bereich muss aus mit gemessen werden. Eine quantitative Auswer-
bodenmechanischen Gründen mit Wasserzugabe tung gelingt nur, wenn zum einen die Ausgangs-
gearbeitet werden. Wird anstelle des normaler- dichte bekannt und zum anderen einigermaßen
weise genutzten (leider oft sauren) Restlochwas- zutreffende Annahmen über die Quelle der De-
sers eine Kalktrübe o. ä. verwendet, kann in der formationen möglich sind.
Kippe gezielt ein „Durchflussreaktor“ hergestellt Von den oben genannten, gemeinsam mit den
werden. Außerdem können auf diese Weise noch Geophysikern eingesetzten Verfahren verdienen
erdfeuchte Kippenbereiche, die später durch den zurzeit nach vorliegenden Erfahrungen die geo-
GW-Wiederanstieg aufgesättigt werden, vorkon- elektrische Widerstandsmessung und seismische
ditioniert werden. Verfahren den Vorzug. Die seismischen Verfah-
ren bedürfen ebenfalls einer Kalibrierung.
Die Entnahme ungestörter Proben wäre zwar
4.3.5 Monitoring auf jeden Fall vorteilhaft. Solange aber nur das
Gefrierverfahren mit einem enormen zeitlichen
Zum Monitoring gehören Untersuchungen und und finanziellen Aufwand verfügbar ist, kann sie
Messungen mit zwei unterschiedlichen Zielen: nur für oberflächennahe Probenahmen und an-
• Messungen und Beobachtungen, die der sonsten in Ausnahmefällen empfohlen werden.
Ermittlung der Dichte und der Festigkeit des Ausführungen zur Festigkeitsbestimmung er-
Untergrundes vor und nach Sanierungsmaß- folgen in Abschnitt 4.2.4.
nahmen dienen
• Messungen und Beobachtungen, deren Zweck Überwachung der Sicherheit Um ein Set-
die Gewährleistung der Sicherheit während zungsfließen während der Durchführung von
der Sanierungsarbeiten ist. Sanierungsarbeiten möglichst auszuschließen,
ist eine Messüberwachung (Monitoring) empfeh-
Dichtebestimmungen und Ermittlung der Fes- lenswert, da alle rechnerischen und laborativen
tigkeit  An möglichen Verfahren sind zu nennen: Untersuchungen zur Gefahreneinschätzung nicht
• Bohrlochmessungen mit radiometrischen ausreichend zuverlässig sind. Ebenso unerläss-
Sonden lich ist eine Anpassung der technischen Maßnah-
• Drucksondierungen men an die Beobachtungen.
180 A. Vogt et al.

Abb. 4.39   Konzept


eines komplexen geotech-
nisch-geohydraulischen
*OLHGHUXQJLQYHUVFKLHGHQH0HVVSHULRGHQPLWXQWHUVFKLHGOLFKHU0HVVLQWHQVLWlW
Monitoringprogrammes
am Beispiel des Speicher-
beckens Lohsa II ƒ 0HVVSHULRGH $EVFKOXVVGHU6DQLHUXQJXQGHUVWHUYROOVWlQGLJHU
(LQVWDX LQVEHVRQGHUH3UREHVWDXSKDVH
ƒ 0HVVSHULRGH (UVWH%HWULHEV]HLWQDFKGHP9ROOVWDX
hEHUJDQJLQGHQUHJXOlUHQ6SHLFKHUEHWULHE
ƒ 0HVVSHULRGH LPUHJXOlUHQ6SHLFKHUEHWULHEQDFK(UUHLFKHQGHV
ÄJHRWHFKQLVFKHQ*OHLFKJHZLFKWV³

8QWHUWHLOXQJLQDXI%HZHUWXQJV]LHOHDXVJHULFKWHWH0HVVSURJUDPPH

ƒ .XU]]HLWPHVVSURJUDPP .RQWUROOHGHU6DQLHUXQJVHUJHEQLVVH
.03  3KRWRJUDPPPHWULHJHRGlWLVFKH0HVVSURILOH
/RWXQJHQXD
 LQQHUKDOEGHU0HVVSHULRGH

ƒ /DQJ]HLWPHVVSURJUDPP hEHUZDFKXQJGHV:DVVHUVSHLFKHUVZlKUHQGGHU
/03 (UVWIOXWXQJXQGGHV6SHLFKHUEHWULHEHV
 ZLH.03SOXV:DVVHUVSLHJHO6LFNHUOLQLHQ'LFKWHIHOGHU
GHU%|VFKXQJVN|USHUhEHUZDFKXQJGHU%DXZHUNH
0HWHRURORJLH.RQWUROOH(URVLRQVVFKXW]XD
 LQGHQ0HVVSHULRGHQELV

ƒ (UJlQ]XQJVPHVVSURJUDPP %HREDFKWXQJGHV9HUKDOWHQVGHUGHQ6SHLFKHU
(03 EHJUHQ]HQGHQ.LSSHQZlKUHQGGHU(UVWIOXWXQJ
XQGGHV6SHLFKHUEHWULHEHV
 6HW]XQJHQ3:'LP:HOOHQVFKODJEHUHLFK
 KDXSWVlFKOLFKLQGHQ0HVVSHULRGHQXQG

Der einzige verlässliche Hinweis auf ein Ver- bilden und ausbreiten, können aber Geschwin-
flüssigen des Korngerüstes ist die Übereinstim- digkeiten und Beschleunigungen des Bodens
mung von totaler Spannung σ und Wasserdruck zur Bewertung über dessen Nähe zum Kollaps
u. Dazu wären an jedem Messpunkt die totale nicht herangezogen werden. Erschütterungsmes-
Spannung σ und der Wasserdruck u mit einem sungen an Kippen helfen daher vor allem zum
kombinierten Geber online zu beobachten. Die Schutz entfernt benachbarter Bauwerke, aber nur
Größe des Totaldruckes kann am ehesten abge- mit Vorbehalten zur Einschätzung der Setzungs-
schätzt werden. Messpunkte müssen unterhalb fließgefahr infolge erschütterungserzeugender
der obersten gefluteten Arbeitsebene liegen. geotechnischer Eingriffe. Auch aus praktischen
Porenwasserdrücke allein sagen über die Nähe Gründen sind sie zur Kontrolle der Sicherheits-
zur Verflüssigung nichts, ihr Anstieg gegenüber lage kaum einsetzbar.
hydrostatischen Werten gemäß Grundwasser- Prüfinitiale können in Verbindung mit einem
spiegelhöhe ist aber ein Gefahrensignal. Monitoring nützliche Auskünfte über die Set-
Das allmähliche Abklingen von Horizontal- zungsfließgefahr bzw. sichere Toleranzen geben.
verschiebungen nach Störungen ist eine notwen- Infrage kommen insbesondere Probesprengun-
dige Bedingung für die Stabilisierung, schließt gen. Damit können Tendenzen und Größenord-
aber ein plötzliches Setzungsfließen nicht aus. nungen noch unkritischer mechanischer Störun-
Geschwindigkeit und Beschleunigung des Korn- gen empirisch eingeschätzt werden.
gerüsts an der Oberfläche oder im Erdinneren Die Abbildung 4.39 zeigt ein im Aufbau be-
sagen rein empirisch etwas über den Beginn von findliches Monitoringsystem für den Wasserspei-
Korngerüstumlagerung und Porendruckentwick- cher Lohsa II (s. Abschn. 4.8.3).
lung aus. Wenn sich Verflüssigungszonen aus-
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 181

4.4  Planung und Herstellung der abtauchenden Rutschungsmassen ausgehende


hydromechanischen Stabilität Schallwellengefahr als auch das Gefahrenpoten-
an Tagebaurestseen zial von Böschungen hinsichtlich Suffosion und
Erosion zu beachten.
4.4.1 Allgemeines Der Nachweis der Suffosions-, Erosions- und
Kolmationssicherheit hat nach folgendem Sche-
Zur Gewährleistung der hydromechanischen Sta- ma abzulaufen (Abb. 4.40).
bilität von Böschungen an Tagebaurestseen ist Eine theoretische Abschätzung der Intensität
die Sicherheit der Ufer gegen die Wirkung der von Schwallwellen erfolgt nach folgendem Algo-
Wellen und der Strömungen des freien Wassers rithmus:
zu untersuchen. Daneben sind aber auch Unter- • Rückgriffweitenberechnung
suchungen zum Gefahrenpotenzial von Böschun- • Ermittlung der Böschungsverformung
gen im Ergebnis von Suffosion und Erosion • Analytische Bestimmung der Wellenhöhe im
durchzuführen. Rutschungsbereich
Für die Planung und als Basis für die Herstel- • Abschätzung der Wellenabflachung entlang
lung der hydromechanischen Stabilität werden der Wasseroberfläche
Berechnungen notwendig, für die eine Vielzahl • Berechnung der Wellenauflaufhöhe am
von Daten zu geometrischen, geologisch-hydro- Gegenufer.
geologischen und bodenmechanischen Gegeben- Prinzipiell bestehen für die Gestaltung von Bö-
heiten, aber auch zu Windverhältnissen und Wel- schungen an Tagebaurestseen zwei Möglichkei-
lendimensionen, erforderlich sind. Dazu gehören ten:
u. a.: • Freie Gestaltung durch die Kraft des Wassers
• Böschungsgeometrie Dies erfolgt dann in den Grenzen der zu ermit-
• Lage zu schützender Objekte bzw. Bereiche telnden Wellenrückgriffsweiten und kann
im nahen Umfeld des Tagebaurestsees unter folgenden Voraussetzungen in Betracht
• Geometrie des Tagebaurestsees gezogen werden:
• die statischen und dynamischen Wasserstands- − Relativ geringe Uferhöhe über dem End-
verhältnisse im Uferbereich des Tagebaurest- wasserspiegel
sees sowie die Stauspiegelschwankungen im − geringe Wellenbelastungen
Tagebaurestsee − ausreichende Platzverhältnisse im Ufervor-
• anstehende Lockergesteinsarten land und –hinterland
• Eigenschaften des Böschungsmaterials wie − Beseitigung von evtl. Gefährdungen am
Kornverteilung, Ungleichförmigkeitsgrad, wandernden Kliff durch Unterhaltungs-
Porenzahl, Lagerungsdichte, Kohäsion, arbeiten oder Absperrungen.
Durchlässigkeit • Differenzierte Gestaltung der Uferböschung,
• Windgeschwindigkeiten, Winddauer, Wind- Befestigung oder Verbau der im Wellenan-
richtung griffsbereich liegenden Uferbereiche Diese
• Windstreichlängen Form der Gestaltung wird erforderlich, wenn
• Temperaturen (z. B. Anzahl der Frosttage) wegen der Bedeutung des Tagebaurestsees
• mittlere Wellenhöhen, kennzeichnende Wel- und seines nahen Umfeldes sowie der Größe
lenhöhe, Steilheit der Wellen, mittlere Wellen- der Wellenbeanspruchung wandernde Ufer
länge, Wiederkehrperiode nicht zugelassen werden können. Gründe
• Bewuchs des Uferstreifens dafür können sein:
• Folgenutzung des Tagebaurestsees. − Anspruchsvolle Nutzungsanforderungen,
Unter Berücksichtigung dieser Detailkenntnis- Schutz von besonderen Objekten (Straßen,
se sind geeignete Maßnahmen zur Herstellung Gebäude, Versorgungsleitungen usw.)
der hydromechanischen Stabilität auszuwählen.
Dabei sind sowohl die von in den Tagebaurestsee
182 A. Vogt et al.

Abb. 4.40   Schema zum Nachweis der Suffosions-, Erosions- und Kolmationssicherheit. (LMBV 2001)

− Überschreiten der bergrechtlich bedeut- • Zwischen einem Verbau und der zu erwarten-
samen Sicherheitslinie durch Uferrückbil- den Abtragskante im Unterwasserbereich ist
dungen ein Sicherheitsabstand von asicher ≥ 10  m ein-
− Gewährleistung der öffentlichen Sicher- zuhalten (Abb. 4.41).
heit. • Ist genügend Platz im Hinterland vorhanden,
kann die errechnete Wellenrückgriffsweite
Grundlage der weiteren Planung sein.
4.4.2 Gestaltungsprinzipien zur • Die Neigungen der Kippenendböschungen
Ufersicherung sind entsprechend den bodenmechanischen
Bedingungen auf die erforderlichen Aus-
• Die im Unterwasserbereich liegenden gleichsneigungen von 1:15 bis 1:20 auslaufen
Böschungen flachen sich nach vorliegen- zu lassen.
den Erfahrungen infolge Querströmungen in • Böschungsabflachungen sind so vorzu-
Abhängigkeit von der Zeit auf eine Neigung nehmen, dass die Abtragsmassen in einem
von ca. 1:2 ab. Abstand von asicher ≥ 10 m außerhalb des Ver-
• Ist ein Verbau des Ufers erforderlich, ist im baubereiches verbracht werden.
Wellenwirkungsbereich die Böschungsnei- • Die Abtragsmassen sind wie setzungsfließge-
gung nicht flacher als 1:3 anzulegen. fährdete Kippenmassen zu bewerten und zu
behandeln.
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 183

Abb. 4.41   Regelprofil im


Randböschungsbereich.
(LMBV 2001)

Abb. 4.42   Arten der


Sicherungsmaßnahmen an
Uferböschungen. (LMBV
2001)

• Überlässt man der Wellenkraft die weitere • Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit
Gestaltung des Ufers bis zum Erreichen des • hydromechanische Beanspruchung, die am
so genannten Ausgleichsprofils, entstehen jeweiligen Restseeufer möglich ist
Kliffe. Die Kliffhöhen dürfen die zulässige • zu schützende Objekte im unmittelbaren Ufer-
Höhe von 1 m nicht überschreiten. Ansonsten vorland
sind Unterhaltungs-, Sicherungsmaßnahmen • landschaftsplanerische Gesichtspunkte und
oder Absperrungen erforderlich. Gesichtspunkte des Naturschutzes
• Kippenböschungen im Uferbereich sind gegen • wasserwirtschaftliche Nutzung
Setzungsfließen zu sichern. • Wirtschaftlichkeit der Sicherungsmaßnahme.
• Das Gründungsniveau eines technischen Ver- Das mögliche Maßnahmenspektrum reicht von
baus muss sich mindestens 0,5 m unter dem einem völligen Verzicht auf eine Uferbefestigung
niedrigsten zu erwartenden Wasserstand über einen rein biologischen Verbau bis zu tech-
befinden. nischen Lösungen bei hoher Beanspruchung und
Kann eine Uferböschung nicht der freien Ge- entsprechender Bedeutung der Tagebaurestsee-
staltung durch die Kraft des Wassers überlassen region.
werden, sind die in Abbildung 4.42 genannten
Sicherungsmaßnahmen zu untersuchen und zu
bewerten. 4.4.3 Ausgleichsprofil
Bei der Planung der Ufersicherungen sind fol-
gende Aspekte zu berücksichtigen: Die Umformungs- und Umlagerungsprozesse
im Uferbereich streben bei gleich bleibender
184 A. Vogt et al.

Abb. 4.43   Beschreibung der Uferdeformation durch ein 1: mS Strandneigung, hK Höhe des Klifffußes (m) 1: mSU
idealisiertes Profil. lT Terrassenlänge (m) 1: mø Neigung Unterwasserneigung, hR Tiefe der Riffkrone (m) 1: mA
der Überwasserböschung, lS Strandlänge (m) 1: mø’ Unter- Ausgleichsneigung, λ Wellenlänge (m) 1: m0 Neigung der
wassergrenzneigung, lKR Länge Klifffuß – Riffkrone (m) Ausgangsböschung, H Wellenhöhe (m). (LMBV 2001)

Wellenbelastung asymptotisch einem Gleichge- ihren Endpunkten erhalten bleibt und nur relativ
wichtszustand zu, bei dem die Uferkontur un- geringe und akzeptable Umformungsprozesse er-
veränderlich bleibt und allein in Abhängigkeit leidet.
von Belastungsgrößen der Wellen sowie den
Eigenschaften des Böschungsmaterials beschrie-
ben und definiert werden kann. Dafür sind nach 4.4.4 Verbaumaßnahmen
(LMBV 2001) folgende charakteristische Größen
zu bestimmen: Allgemeines  Die als ingenieurbiologischer Ver-
hK - Höhe des Klifffußes über dem Wasser- bau bezeichneten Sicherungsmaßnahmen können
spiegel im Gegensatz zu den technischen Verbaumaß-
Hm - mittlere Wellenhöhe nahmen nur bis zu bestimmten Beanspruchungs-
hR - Tiefe der Riffkrone unter dem Wasser- grenzen eingesetzt werden. Die einfachste Form
spiegel des biologischen Verbaus stellen das Versetzen
mA - Ausgleichsneigung von Steckhölzern oder der Anbau von geeigne-
mS - Strandneigung ten Wasserpflanzen dar. Neben dem Aufbau von
mSU - Unterwasserneigung einfachen Vegetationsfaschinen zur Sanierung
h’R - Schnittpunkt der Ausgleichsneigung bereits entstandener kleinerer Böschungsschä-
mit der Böschungsneigung des Erd- den, aber auch zur Vorbeugung, können Holz-
stoffs unter Wasser grünschwellen oder bei steileren und höheren
lT - Abstand der Riffkrone vom Klifffuß Böschungen Holzkrainerwände eingesetzt wer-
Die Abbildung 4.43 stellt die meisten dieser Grö- den, die einer naturnahen Befestigung oberhalb
ßen in einem idealisierten Profil dar. des Wasserspiegels dienen.
Eine Böschungsprofilierung mit der Aus- Demgegenüber stellt der technische Verbau
gleichsneigung, die aus der stärksten Wellenbe- eine komplexe, genau zu planende Sicherungs-
lastung über den gesamten Variationsbereich der maßnahme für komplizierte Böschungsverhält­ -
Betriebslamelle resultiert, ist eine Kontur, die in nisse dar.
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 185

Abb. 4.44   Kräfte an einem [C


Böschungselement.
dWz Strömungskraft senk- ]C
recht zur Böschung [kN], β
dWx Strömungskraft parallel
zur Böschung [kN], dT
Schubkraft am Element [kN],
dN Normalkraft am Element
[kN], dG Gewichtskraft des
Elements [kN], β Böschungs-
winkel [°], h Höhe der
durchströmten Schicht [m]. G: [
(LMBV 2001) K G7

G* G: ]

G[

G1

Flexible technische Verbauformen können • Bestimmung der Deckschichtstärke


sein: • Auswahl des notwendigen stabilen Unter-
Linienverbau baues
• Ermittlung der Befestigungsgrenzen.
ist in der Regel ein Steilverbau und dort
anzuwenden, wo durch Wellenwirkung oder
Erdstatische Nachweise für einen Flächenver-
Gestaltung bereits eine flache Strandneigung
bau  Während der Nachweis der Kippsicherheit
erreicht ist und wo ein noch wanderndes Kliff
ausschließlich für einen Linienverbau zu füh-
zum Stillstand gebracht werden soll.
ren ist, sind Grundbruchsicherheit und Gleitsi-
Flächenverbau cherheit prinzipiell auch für den Flächenverbau
nachzuweisen. Da der Flächenverbau auch eine
ist dort anzuwenden, wo Böschungsneigungen
zusätzliche Belastungsgröße für die Uferbö-
erforderlich werden, die steiler sind als die zu
schung darstellt, sind zusätzlich auch Standsi-
erwartende Ausgleichsneigung. Der optimale
cherheitsuntersuchungen durchzuführen.
Anwendungsbereich liegt bei Böschungsnei-
Für einen Flächenverbau kann nach (LMBV
gungen zwischen 1:3 und 1:4.
2001) die Gleitsicherheit nach einem Verfahren
Zum Linienverbau zählen zur Berechnung der Sicherheit von Deckschich-
• Gabionenwand ten gegen Abrutschen auf einer Böschung, in Ab-
• Blockschichtung auf Schottermatratze bildung 4.44 dargestellt, ermittelt werden.
• Steinpackung Der Nachweis der Grundbruchsicherheit
• Krainerwand (z. T. auch als ingenieurbiologi- (Abb. 4.45) ist u. a. erforderlich, wenn der Ver-
scher Verbau zu bezeichnen). bau an einer Böschung oder an einem Gelände-
Als Flächenverbau werden Steinschüttungen auf sprung errichtet oder nach (DIN 1054 2005) die
der Böschungsoberfläche bezeichnet. zulässige Bodenpressung überschritten wird.
Nach (DIN 4017 2006) kann die zulässige lot-
Für die Bemessung eines technischen Verbaus rechte Komponente der angreifenden Lasten zul
sind folgende Nachweise zu erbringen: V nach der Gleichung
• erdstatische Nachweise/Kipp-, Gleit- und
Vb
Grundbruchsicherheit (4.23)
zul V =
• Bemessung der Steingrößen in geschütteten Sp
Deckwerken
186 A. Vogt et al.

Abb. 4.45   Bruchfigur bei E


lotrecht mittiger Belastung.
Q Am Bodenkeil wirkende
Kräfte [kN], Vb Lotrechte
Komponente der Bruchlast 9E )
$ $
[kN], φ Reibungswinkel [°],
γ Wichte des Bodens [kN/ G UHFKQHULVFKH2EHUIOlFKH
% %
m3], b Breite des Fundamen- (
tes [m], d Einbindetiefe des φ
ƒ 4 4 φ
ƒ
φ
ƒ
Fundamentes [m]. (LMBV
2001) φ
'
&

mit: mit
ρs
Sp Grundbruchsicherheit [-] (4.26)= 2, 65
Vb lotrechte Komponente der Bruchlast ρw
[kN] folgt daraus
(4.27) dm 0, 48
bestimmt werden. ≥ 1
Die Bemessung des notwendigen Einzelstein- Hs m 3
gewichtes G in geschütteten Deckwerken erfolgt
in Abhängigkeit von und mit m = cot β = 3 ergibt sich
• der signifikanten Wellenhöhe HS dm
• der Wellensteilheit λm/Hm (4.28)
≥ 0, 333.
Hs
• der relativen Belastungsdauer tE/Tm
• der relativen Dichte des Steinmaterials ρS / ρw Für den Neigungsbereich von m = (2…3) und
• dem Strukturbeiwert K0 (Steinform, Lage- für Dichteverhältnisse von ρs /ρw = (2,3–3) ergibt
rung) sich ein Variationsbereich des Steindurchmesser-
• der zur Steinform korrespondierenden Grenz- Wellenhöhen-Verhältnisses dm/Hs = 0,28–0,48.
neigung βGr Analog ergibt sich die bei Vorgabe bestimmter
• dem Schluckvermögen KS Materialgrößen notwendige Böschungsneigung
• der relativen Bauwerkskrümmung dm/R zu
• dem in Rechnung zu stellenden Materialver- 
Hs /dm
3
lust V. m ≥ cot β ≥ 0, 5 · für m < 7.
(ρs /ρw ) − 1
Der notwendige mittlere Steindurchmesser dm er-
gibt sich dann aus (4.29)
 1 Die Stärke DS der aufzubauenden Deckschicht
 G 3 folgt aus
d m ≈ 1,14 ⋅ d n = 1,14 ⋅   , (4.24)
 (ρ s ⋅ g ) 
• DS ≥ 2,5 · dm [m]
wobei dn den normierten Steindurchmesser und • DS ≥ 1,5 · dmax [m]
ρs die Korndichte des Steinmaterials darstellen. • DS ≥ 0,5. [m].
Für die Verhältnisse von Tagebaurestseen Die Deckschicht ist grundsätzlich aus 3 Schich-
kann nach (LMBV 2001) für eine überschlägige ten aufzubauen.
Bemessung der Berechnungsansatz vereinfacht Deckschichten sind bei einheitlich durch-
werden: gehender Böschungsneigung mindestens bis zu
Mit K0 = 3,5, KS = 1, V = 2 %, λm/Hm = 20, einer Höhe von HS + 0,3  m (Sicherheitszuschlag)
β < 26°, R = ∞ und tE/Tm = 3000 ergibt sich entsprechend Abbildung 4.46 über dem höchs-
ten Betriebswasserspiegel und mindestens bis
dm m−0,33 zu einer Tiefe von 1,5 HS unter dem tiefsten Be-
(4.25)
≥ 0, 79 · ρs .
Hs ρw
−1 triebswasserspiegel anzuordnen.
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 187

Abb. 4.46   Befestigungs- 2.%|VFKXQJ


grenzen eines Flächen-
verbaus. (LMBV 2001) +P
V
++:

*HRWH[WLO
'V 11:
*HZDFKVHQHU8QWHUJUXQG
+V

β ]XO
*UQGXQJVHEHQH

Folgender zusammenfassender Algorithmus Aufgrund der in letzter Zeit auf Kippenflächen


ist für die Bemessung eines Uferverbaus zu be- vermehrt eingetretenen großräumigen Verflüssi-
achten (Abb. 4.47): gungsereignisse laufen derzeit umfangreiche wis-
senschaftliche Untersuchungen zur Beherrschung
des Problems, die noch nicht abgeschlossen sind.
4.5  Untersuchung, Herstellung und Die nachfolgenden Ausführungen stellen vor-
Nachweis der Tragfähigkeit von rangig den aktuellen Kenntnisstand zum Umgang
zur Verflüssigung neigenden mit der Thematik „Grundbruch infolge Verflüssi-
Kippen im Böschungshinterland gung“ dar.
– Sicherheit gegen Grundbruch Der Projektträger der Sanierung, die LMBV
infolge Verflüssigung mbH, hat die Gesamtproblematik bereits zu Zei-
ten erkannt, als die Sicherung der Tagebaurest-
Ein Grundbruch infolge Verflüssigung tritt ein, lochböschungen und ihrer Uferbereiche im Mit-
wenn der auflastnahe Lockergesteinsuntergrund telpunkt aller Bemühungen stand, und systemati-
so stark belastet wird, dass sich unter ihm mehr sche Betrachtungen veranlasst (BIUG 2005), um
oder weniger ausgeprägte Gleit- und Verflüssi- die land- und forstwirtschaftliche Nutzung von
gungsbereiche bilden, in denen die Scherfestig- Kippenflächen zu ermöglichen.
keit des Bodens überwunden wird (LMBV 1998). Unter Berücksichtigung der prognostizierten
Solche Vorgänge sind zu befürchten, wenn sich Endwasserstände sind Aussagen erforderlich, ob
Geräte oder andere schwere Objekte auf Kippen mit den dann jeweils vorhandenen Grundwasser-
mit hohem Grundwasserstand befinden und zu- flurabständen die in den Regionalen Sanierungs-
sätzliche statische bzw. dynamische Lasten ein- plänen der Länder vorgesehene Folgenutzung
tragen. Abbildung 4.48 zeigt ein solches Ereignis. (z. B. landwirtschaftliche Nutzung (LN) oder
Andere mögliche Auslöser von Verflüssi- forstwirtschaftliche Nutzung (FN)) möglich sind
gungsvorgängen auf Kippenflächen können inne- bzw. welche Einschränkungen sich diesbezüglich
re Initiale (plötzliches Zusammenbrechen „hän- ergeben könnten. Maßgebend ist hierbei die Ge-
gengebliebener Sackungen“ oder von „Hohl- währleistung der Tragfähigkeit des Kippenunter-
räumen“ in der Kippe etc.) oder wetterbedingte grundes unter den Bedingungen der entsprechend
dynamische Lasten und Einwirkungen (z. B. der vorgesehenen Folgenutzung auftretenden
Stürme und Orkane, die zu starken Baum- und möglichen Belastungsfälle (z. B. Belastung durch
Wurzelballenbewegungen führen, Starkregen, das Begehen durch Menschen, durch den Einsatz
Luftdruckänderungen) sein. Diese werden inner- von Gerätetechnik und durch Fahrzeugverkehr).
halb der Themenkomplexe, „Geländebrüche in- Aufgrund des gekippten, locker gelagerten meist
folge Verflüssigung“ oder „Geländeeinbrüche in- sandigen Untergrundes und seiner spezifischen
folge Verflüssigung“ betrachtet. Abbildung 4.49 Eigenschaften ist dabei neben der Ermittlung von
zeigt einen Geländeeinbruch infolge Verflüssi- Sackungsbeträgen insbesondere die Sicherheit
gung in einem Waldgebiet des ehemaligen Tage- gegen Grundbruch infolge einer Verflüssigung
baus Schlabendorf-Süd. des Untergrundes nachzuweisen.
188 A. Vogt et al.

Abb. 4.47   Algorithmus für %|VFKXQJVJHRPHWULH +|KHQ%|VFKXQJVZLQNHO


die Bemessung eines Ufer- %|VFKXQJVJHRORJLH 6FKLFKWHQ(LQIDOOHQ0lFKWLJNHLWHQ
verbaus. (LMBV 2001) +\GURORJLVFKH6LWXDWLRQ :DVVHUVWlQGH6WU|PXQJVJHIlOOH
%RGHQSK\VLNDOLVFKH *DQJOLQLHQK\GUDXOLVFKHU+|KHQ
6LWXDWLRQ %HUHFKQXQJVNHQQZHUWHEHVFKUHLEHQGH
.HQQZHUWHGHU]XP(LQVDW]NRPPHQGHQ
/RFNHUJHVWHLQH
6RQGLHUXQJHQ

(UGEDXWHFKQLVFKH$QJDEHQ %RGHQNODVVHQ)URVWJHIlKUGXQJVNODVVHQ
%|VFKXQJVZLQNHOIU%DXJUXEHQ
%|VFKXQJVZLQNHOIU'lPPH
/|VHQ/DGHQ7UDQVSRUW
9HUGLFKWEDUNHLW
7UDJIlKLJNHLWLP%DXJHVFKHKHQ
(QWZlVVHUEDUNHLW

9RUJDEHQ]XU %DXVWUD‰HQ
%DXWHFKQRORJLH (UIRUGHUOLFKH9RUODQGEUHLWHQIU*HUlWH

$XVZDKOGHV9HUEDXV %HVWLPPXQJGHV
:HOOHQDXVJOHLFKVSURILOV
%HVWLPPXQJGHU:HOOHQUFNJULIIVZHLWH
0DWHULDO|NRQRPLVFKH%HWUDFKWXQJHQ

%HVWLPPXQJGHU 6LJQLILNDQWH:HOOHQK|KH
9HUEDXK|KH (UIRUGHUOLFKH9HUEDXK|KH

%HVWLPPXQJGHU )URVWVLFKHUKHLW
*UQGXQJVWLHIH .RONVLFKHUKHLW
*UXQGZDVVHUDEVHQNXQJ

%HPHVVXQJGHV9HUEDXV $XVZDKOGHU6WHLQTXDOLWlW%HPHVVXQJ
)OlFKHQYHUEDX GHU6WHLQJU|‰HQ%HPHVVXQJGHU
/LQLHQYHUEDX 'HFNZHUNVGLFNH$XVZDKOGHU
)LOWHUVFKLFKW
$XVZDKOGHU9HUEDXDUW1DFKZHLVGHU
.LSSVLFKHUKHLW1DFKZHLVGHU
*OHLWVLFKHUKHLW
1DFKZHLVGHU*UXQGEUXFKVLFKHUKHLW
6HW]XQJVSURJQRVH

1DFKZHLVGHU%|VFKXQJV RKQH9HUEDX
VWDELOLWlW PLW9HUEDX

Ziel spezifischer Grundbruchberechnungen Karten mit Kippenflächenklassifikationen er-


sind in Verbindung mit spezifischen Sackungsbe- stellt worden. Auf Grundlage dieser speziellen
rechnungen letztendlich Karten definierter Kip- Karten werden z. B. Wegekonzepte präzisiert
penflächentypen, in denen entweder oder im Hinblick auf die Folgenutzung notwen-
• belastungsabhängige Nutzungsbeschränkun- dige Sanierungsmaßnahmen geplant und durch-
gen oder geführt. Die prinzipielle Vorgehensweise bei der
• Maßnahmen zur Gewährleistung einer defi- Erarbeitung dieser Gutachten ist der Übersicht in
nierten Nutzung Abbildung 4.50 zu entnehmen.
dargestellt sind. Abbildung 4.51 zeigt prinzipielle geomet-
Für die Sanierungsgebiete der ehem. Tagebau- rische Bedingungen, die bei der Beurteilung
felder Spreetal/Bluno und Spreetal-Nordost lie- der Tragfähigkeit des Kippenuntergrundes im
gen diesbezügliche Standsicherheitseinschätzun- Hinterland sanierter Restlochbereiche von Re-
gen vor. Im Ergebnis von Abschätzungen zum levanz sind. In dieser Abbildung sind auch
Sackungsbetrag und von belastungsabhängigen wesentliche zu erfassende geometrische Daten
Grundbruchberechnungen sind entsprechende eingetragen.
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 189

oder von auf der Kippe errichteten Windenergie-


anlagen) in der wassergesättigten verflüssigungs-
gefährdeten Kippe unterhalb des Grundwasser-
spiegels (GWS) Porenwasserüberdrücke erzeugt,
die auf einen bestimmten radialen Bereich (siehe
auch die Risskanten in Abbildung 4.48) um die
Last herum ( rkrit + A) begrenzt sind.
Neben erarbeiteten Kippenklassifikationskar-
ten, die
• im Hinterland der Stützkörper entstehende
Wasser- und Feuchtflächen
• lastabhängige Einsatzgrenzen für land- und
Abb. 4.48   Grundbruch infolge Verflüssigung des Unter- forstwirtschaftliche Gerätetypen
grundes bei der Überfahrt einer Drucksonde auf unver- • nicht trittsichere Bereiche
dichteter Kippe im Schlabendorfer Revier (2005) bei • Kippenbereiche für erforderliche Auffüllun-
einem Grundwasserflurabstand von herdf. = 1,5 m. Im Bild
sind die Sprudellöcher (Porenwasserüberdruckabbau) und
gen zur Gewährleistung von erforderlichen
die Risskanten des Einsenkungsbereiches deutlich zu er- erdfeuchten Überdeckungen herdf.,erf. für gege-
kennen. (Foto: Stein/GMB 2005) bene Lasten oder
• Bereiche mit erforderlicher flächenhafter oder
partieller Verdichtung im Hinterland der Tage-
baurestseen und ufernaher Stützkörper.
aufzeigen, zeigt Tabelle 4.6 für ganz bestimmte
Gerätelasten p und Einsatzgewichte G für ein de-
finiertes Kippengebiet objektbezogene erforder-
liche erdfeuchte Überdeckungen herdf., erf. .
Für die Gewährleistung der „Trittsicherheit“
auf den unverdichteten und unbewachsenen Kip-
penbereichen im Hinterland von Stützkörpern
ist als Orientierungswert eine erdfeuchte Über-
deckung von herdf.,erf. ≥ 1  m erforderlich. In Be-
reichen mit herdf. < 1 m ist die „Trittsicherheit“
Abb. 4.49   Geländeeinbruch in einem Waldgrundstück dann im Allgemeinen gewährleistet, wenn eine
infolge Verflüssigung des Untergrundes, ausgelöst wäh- flächenhafte Durchwurzelung des Bodens (Wald,
rend eines Sturmereignisses im Schlabendorfer Revier dicht stehendes Strauchwerk ⇒ „biologische Be-
(Foto: BIUG 2008)
wehrung“) vorhanden ist bzw. eine Oberflächen-
verdichtung erfolgt bzw. erfolgte.
Für charakteristische Bereiche sind techno- Das auf Kippenflächen im Hinterland von
logisch-geometrische Profile zu erstellen, aus Stützkörpern einzurichtende Monitoring sollte
denen Minimal- bzw. Maximalwerte der in Abbil- mindestens folgende Kontrollen umfassen:
dung 4.51 angegebenen Größen zu erkennen sind. 1. Überprüfung der hergestellten Auffüllungen
Für die systematischen Berechnungen wurde und Fahrdämme hinsichtlich der geotech-
auf ein einfaches Kippen- und Belastungsmodell nischen Vorgaben (Böschungsneigungen,
zurückgegriffen (Abb. 4.52), das auf der Gelände- Mächtigkeit der Auffüllung, hergestellte
oberfläche (GOF) eine Last p ansetzt. Wegen der Lagerungsdichte) entsprechend gültiger Nor-
relativ geringen erdfeuchten Überdeckung herdf. men,
werden im Ergebnis dynamischer Belastungen 2. Ermittlung der Setzungen und Sackungen an
(z. B. rasche und häufige Überfahrten von Kraft- der Geländeoberfläche (Langzeitmessungen),
fahrzeugen oder Verdichtungsgeräten, Biegebe- 3. Überwachung und Aufnahme der Seewas-
lastungen von dem Wind ausgesetzten Bäumen serspiegel und Messung des Grundwasser-
190 A. Vogt et al.

Abb. 4.50   Ablaufschema zur Beurteilung der Tragfähigkeit von Kippenbereichen im Hinterland sanierter Restloch-
bereiche (BIUG 2005)
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 191

Abb. 4.51   Prinzipskizze zu erfassender geometrischer wasserendzustandes (Flurabstand), TE Tiefe einer Mulde
Daten (BIUG 2005). HKges. Mächtigkeit der Gesamtkip- bzw. Mächtigkeit eines evtl. geplanten Massenauftrages,
pe, HK1…HKl Mächtigkeit der einzelnen Kippenscheiben, HA Höhe einer Kippendüne bzw. Mächtigkeit eines evtl.
HW, Ist /HW, End Mächtigkeit der wassergesättigten Kippe geplanten Massenauftrages, BE Breite der Kippentieflage
im Ist-Zustand bzw. nach Erreichen des Grundwasserend- bzw. Sohlbreite bei evtl. geplantem Massenabtrag/ Ein-
zustandes, ΔhW noch zu erwartender Grundwasserwie- schnitt, BA Kronenbreite der Kippendüne bzw. eines evtl.
deranstieg, herdf.,Ist /herdf.,End Mächtigkeit der erdfeuchten geplanten Massenauftrages, ßE, ßA Böschungswinkel
Kippe im Ist-Zustand bzw. nach Erreichen des Grund-

Abb. 4.52   Prinzipskizze $ UNULW UNULW $


zum Ansatz von Porenwas-
serüberdrücken infolge eines /DVWHLQ
WUDJS
dynamischen Lasteintrags auf
der Kippenoberfläche *2)

*:6 (QG
3RUHQZDVVHUEHUGUXFNYHUODXI KHUGI
KYHUIO

%HUHLFKPLW3RUHQZDVVHUEHUGUXFN

YHUIOVVLJXQJVJHIlKUGHWH.LSSH

Tab. 4.6   Erforderliche erd- Flächenersatzlast p erforderliche erdfeuchte Überdeckung


feuchte Überdeckungen [kN/m²] herdf., erf. [m] nach Sackung
herdf.,erf. bei unterschiedlich
großen Verkehrslasten für den luftbereifte Technik
Endzustand (nach Abschluss 6 (Einsatzgewicht 10 t) ≥ 1,5
der Sackungen) zur Ver- > 6 (Einsatzgewicht 10 t)
meidung von Grundbrüchen bis ≥ 2,0
infolge Verflüssigung (beim 16,7 (Einsatzgewicht bis 30 t)
Befahren der ebenen Kippen- > 16,7 (Einsatzgewicht > 30 t)
oberfläche mit Fahrzeugen). bis ≥ 3,0
(BIUG 2005) 30 (Einsatzgewicht bis 50 t)
kettenbetriebene Technik
100 (Einsatzgewicht 60 t) ≥ 3,0
192 A. Vogt et al.

standes in einer ausreichenden Anzahl von Hauptgutachten berücksichtigten. In vielen Fäl-


Grundwassermessstellen, len, nämlich dann, wenn der Zustand nach der
4. Überwachung der biologischen Entwicklung Sanierung dem Endzustand entspricht oder die
(Bewuchs, Ausbildung eines Wurzelgeflechts, Bedingungen des Endzustandes zum Zeitpunkt
Anwachsen dornreichen Gewächses zur Si- der Bearbeitung des Hauptgutachtens genau be-
cherstellung des eingeschränkten Zugangs zu kannt sind, können Haupt- und Abschlussgutach-
z. B. nicht trittsicheren Bereichen bzw. zur ten identisch sein. Ergänzende Arbeiten machen
Vermeidung eines unbeabsichtigten Betretens sich dann erforderlich, wenn beim Vergleich der
dieser Bereiche). im Hauptgutachten bewerteten Bedingungen mit
Nach Vorliegen der entsprechenden Untersu- den tatsächlich aufgetretenen Verhältnissen er-
chungen wird nach Erreichen des Grundwasser- hebliche Differenzen festgestellt werden.
endzustandes die Anfertigung eines abschließen- Ergebnis des Haupt- und Abschlussgutachtens
den Standsicherheitsnachweises für die Kippen- ist der Nachweis bzw. die Bestätigung der boden-
flächen im Hinterland sanierter Restlochrandbe- mechanischen und hydromechanischen Stabilität
reiche empfohlen. der gewachsenen und gekippten Böschungen und
Böschungssysteme unter Beachtung der im Ab-
schlussbetriebsplan vorgegebenen Folgenutzung.
4.6  Haupt- und Abschlussgutachten Der Schwerpunkt dieser Nachweise liegt bei set-
zum Nachweis des Sanierungs- zungsfließgefährdeten Kippenböschungen. Hier
erfolges und als Voraussetzung ist der Nachweis der erforderlichen Verdichtung
für das Ende der Bergaufsicht stabilisierter Kippen und Kippenböschungen zur
dauerhaften Beseitigung der Gefahr spontaner
In (Förster 2002) wurden Anforderungen an Verflüssigung und des Auftretens von Setzungs-
Haupt- und Abschlussgutachten zum Nachweis fließrutschungen zu erbringen.
der bodenmechanischen und hydromechanischen Die Haupt- und Abschlussgutachten sind cha-
Stabilität von Restlochböschungen festgeschrie- rakterisiert durch:
ben. Unterlagen
Aufgabe von Hauptgutachten und Abschluss- Alle bodenmechanischen, hydrogeologischen
gutachten ist die Bewertung durchgeführter Ge- und technologischen Unterlagen
staltungs- und Sicherungsmaßnahmen (Sanie- • der Sanierungsplanung und der Ausführung
rungsmaßnahmen) an Objekten des Bergbaues der Sanierung und
hinsichtlich der sicheren nachbergbaulichen • zur Dokumentation der Arbeiten in den ein-
Nutzbarkeit und damit des Beendens der Berg- zelnen Sanierungsphasen.
aufsicht. Inhalt
Das Hauptgutachten betrachtet in erster Linie • in der Aufgabenstellung genannte Aufgaben
den Zustand unmittelbar nach den durchgeführ- und
ten Sanierungsarbeiten, eventuell vor dem Er- • die dabei erzielten Ergebnisse.
reichen des Belastungsendzustandes. Allerdings Dazu gehören u. a.:
ist auch der Beanspruchungsfall zu bedenken, • Beschreibung des Untersuchungsgebietes und
der durch vermutlich erst später (im Endzustand) dessen kartenmäßige Darstellung mit Anga-
eintretende Bedingungen charakterisiert wird. ben zum Liegenden, zur Restlochsohle, zur
Ein Abschlussgutachten wird erst zum Zeit- Böschungsgeometrie, zu Bermen, zum Hin-
punkt des Erreichens der Bedingungen des End- terland der Böschungen, zu Anlagen, Straßen
zustandes oder dann angefertigt, wenn die Be- und Bauwerken im Restlochbereich und zu
dingungen des Endzustandes exakt absehbar schützenden Objekten
sind. Gegenstand des Abschlussgutachtens ist • Angaben zu geologischen Verhältnissen und
dann im Wesentlichen ein Vergleich der sich tat- Lockergesteinen, zur Schichtung, zum Ein-
sächlich eingestellten Bedingungen mit denen im
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 193

fallen potenzieller Gleitflächen, zu Grenzen Tragfähigkeitsbereichen in Uferzonen („Tritt-


zwischen geologischen bzw. bodenphysikali- sicherheit“ – Begehbarkeit)
schen Grundgesamtheiten • detaillierte Vorgaben zum Verfahren der Ver-
• Angaben zu den hydrogeologischen Bedin- dichtung (Sprengverdichtung, Rütteldruck-
gungen, zu Wasserständen im Restloch und verdichtung, Sonderverfahren) bzw. zur
in den Böschungen, in Kanälen und Gräben, Böschungsgestaltung (z. B. Abflachen)
Wasserstandsschwankungen (Ist-/Endzu- • Angaben über die durch die Sanierungs-
stand), Strömungsverhältnissen, hydrauli- maßnahmen in verschiedenen Bereichen des
schen Gefällen, speziellen hydrologischen Böschungskörpers zu erreichenden Dichten
Besonderheiten sowie Flutungsverläufen und (Dichteverteilung), also Angaben zum Sanie-
Grundwasserflurabständen rungsziel; ρd, erf. und/oder (ø’, c’)erf. als Funk-
• Angaben zu Probenahmen mit dem Entnah- tion des Ortes
meort, der Entnahmeteufe, der Ansprache der • detaillierte Vorgaben zur Vorlandsicherung
Probe sowie ihrer Zuordnung (Grundgesamt- • Vorgaben zum Erreichen einer Trittsicherheit
heiten) und Grundbruchsicherheit bei geländenahem
• Ergebnisberichte zu bodenphysikalischen Grundwasserstand – falls erforderlich
Laboruntersuchungen – Klassifikationskenn- • Beziehungen zwischen den Lockergesteins-
zahlen (materialbeschreibende und zustands- dichten und den durch sie bestimmten Festig-
beschreibende Kennzahlen), Berechnungs- keiten
kennzahlen (Scherfestigkeiten, Wichten, • Standsicherheitsnachweise unter Voraus-
Sackungsmaße) setzung des Erreichens eines vorgegebenen
• Ergebnisberichte von Felduntersuchungen vor Sanierungszieles.
(und gegebenenfalls während) der Sanierung Speziell für gewachsene Böschungen kommen
mit lagemäßiger Einmessung hinzu:
− Drucksondierungen • bodenphysikalische Parameter anstehender
− radiometrische Kombinationsdrucksondie- Lockergesteine, Festigkeit längs Trennflächen
rungen mit Nachweis der Kalibrierung • definitive Angaben zur erforderlichen
− sonstige geophysikalische Untersuchungen Böschungsgeometrie (Böschungshöhen und
(z. B. seismische Tomographie, Gravimet- Neigungen, Lage von Bermen)
rie Geoelektrik) • Vorgaben für die Herstellung der geforderten
− ungestörte Probenahme (Frostproben) Böschungsgeometrie
− Belastungs- (Verflüssigungs-)test in situ. • Standsicherheitsnachweise.
Speziell für setzungsfließgefährdete Kippen und Im Ergebnis der Haupt- und Abschlussgutachten
Kippenböschungen kommen hinzu: sind abschließende Aussagen zur Qualität der Sa-
• quantitative Beschreibung der angetroffenen nierung und zur vorgesehenen Folgenutzung zu
Lockergesteine und ihrer Verteilung in den für nennen. Folgende Aussagen sind möglich:
die Standsicherheit relevanten Bereichen a. Die vorgegebene Folgenutzung ist uneinge-
• Konzeption für Felduntersuchungen als Basis schränkt bzw. unter bestimmten Einschrän-
der Bemessung der Verdichtungsmaßnahmen kungen möglich.
• Ergebnisdokumentation dieser Untersuchun- b. Zum Nachweis des erreichten Sanierungs-
gen zieles sind in den zu benennenden Bereichen
• definitive Angaben zum Böschungskörper, zur noch folgende Labor- und Felduntersuchun-
Böschungsgeometrie, zur Lage und Dimensio- gen (Mess- und Prüfprogramme) durchzufüh-
nierung (Teufe, Breite, Länge, Überdeckung) ren und auszuwerten, um die Sanierungsquali-
zu verdichtender Bereiche („versteckte“ tät bewerten zu können.
Dämme); Angaben zur Vorlandsicherung, zu
194 A. Vogt et al.

 7LWHOEODWW
2EMHNW
8QWHUQHKPHU$XIWUDJJHEHU
%HDUEHLWHUXQG6DFKYHUVWlQGLJHU
*HOWXQJVEHUHLFKXQG]HLWUDXP
 ,QKDOWVXQG$QODJHQYHU]HLFKQLV
 /LWHUDWXUXQG4XHOOHQYHU]HLFKQLV$UEHLWVXQWHUODJHQ
 $XIJDEHQVWHOOXQJPLW
$QJDEHQ]XP9RUKDEHQ
*UQGHIUHLQH6WDQGVLFKHUKHLWVEHUHFKQXQJ
$QJDEHQ]XEHDFKWHQGHU$XIODJHQXQG)HVWOHJXQJHQVRZLHK\GURJHRORJLVFKHU
 XQGWHFKQRORJLVFKHU3DUDPHWHU
=LHOVWHOOXQJGHU%HUHFKQXQJ
 %HVFKUHLEXQJGHV8QWHUVXFKXQJVJHELHWHVXQGGHUWHFKQLVFKHQ%HGLQJXQJHQ
 0RUSKRORJLH
 *HRORJLH JHRORJLVFKHV7HLOPRGHOO 
 +\GURJHRORJLH K\GURJHRORJLVFKHV7HLOPRGHOO 
 *HRWHFKQLN %RGHQXQG*HELUJVPHFKDQLN 
$QJDEHQ]XGHQYHUZHQGHWHQJHRWHFKQLVFKHQ3DUDPHWHUQXQGGHUHQ(UPLWWOXQJ
%HUHFKQXQJV0RGHOOSDUDPHWHU
0RQLWRULQJHUJHEQLVVH
 7HFKQRORJLH WHFKQRORJLVFKHV7HLOPRGHOO 
 9RUJHVHKHQH1XW]XQJ1DFKQXW]XQJ
 6WDQGVLFKHUKHLWVEHUHFKQXQJ
$QJDEHQ]XPDQJHZDQGWHQ%HUHFKQXQJVYHUIDKUHQ
'DUOHJHQXQG(UOlXWHUQGHU6WDQGVLFKHUKHLWVRGHU7UDJIlKLJNHLWVSUREOHPHXQGGHU
 VLFKGDUDXVDEOHLWHQGHQ%HUHFKQXQJVXQG/DVWIlOOHXQGGHUHQ%HJUQGXQJ
)HVWOHJHQXQG%HJUQGHQGHV6WDQGVLFKHUKHLWVNRHIIL]LHQWHQIUGLHHLQ]HOQHQ%HUHFKQXQJVIlOOH
 $XVZHUWXQJGHU(UJHEQLVVHGHU6WDQGVLFKHUKHLWVEHUHFKQXQJ
,QWHUSUHWLHUHQGHV)HVWLJNHLWV9HUIRUPXQJVXQG'XUFKOlVVLJNHLWVYHUKDOWHQV
 ,P/RFNHUJHVWHLQ*UXQGEUXFK%|VFKXQJVEUXFKDXIYRUJHJHEHQHURGHUHU]ZXQJHQHU*OHLWIOlFKH
   6HW]XQJVIOLH‰HQ7UDJIlKLJNHLWYRQ2EHUIOlFKHQHWF
%HZHUWXQJGHUDQJHZHQGHWHQ$EEDXXQG9HUNLSSXQJVWHFKQRORJLH *HUlWHVWDQGVLFKHUKHLWHWF 
%HZHUWXQJGHU6WDQGVLFKHUKHLWYRQ%|VFKXQJHQXQG%|VFKXQJVV\VWHPHQ
%HZHUWXQJGHU7UDJIlKLJNHLWYRQ%|VFKXQJVEHUHLFKHQ.LSSHQREHUIOlFKHQHWF
%HZHUWXQJGHU*HZlKUOHLVWXQJGHU|IIHQWOLFKHQ6LFKHUKHLWXQGGHV6FKXW]HVEHVRQGHUV]X
VFKW]HQGHU2EMHNWH

Abb. 4.53   Rahmengliederung zur Erarbeitung der Haupt- und Abschlussgutachten. (Richtlinie 2005, neu: SächsBerg-
VO 2009)

c. Das Sanierungsziel ist nicht erreicht. Zu be- Die Haupt- und Abschlussgutachten sind
nennende Nacharbeiten sind mit den entspre- unter strikter Beachtung der Rahmengliederung
chenden Vorgaben erforderlich. für Standsicherheitsberechnungen nach (Richt-
Die Aussagen gemäß b) und c) können nur tem- linie 2005, SächsBergVO 2009) zu erstellen
porär gültig sein. Die unter b) und c) vorgeschla- (Abb. 4.53).
genen Arbeiten sind im Rahmen des Hauptgut-
achtens durchzuführen.
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 195

*HRWHFKQLVFK±EHUJEDXWHFKQLVFKH %HHLQIOXVVXQJGHU
6LFKHUXQJYRQ.LSSHQ *HZlVVHUJWHHQWZLFNOXQJ

5WWHOGUXFNYHUGLFKWXQJ 5'9 NRPSOH[HV)OXWXQJVPDQDJHPHQW


5WWHOVWRSIYHUGLFKWXQJ 569 :DVVHUEHKDQGOXQJVDQODJHQ
6SUHQJYHUGLFKWXQJ 639 ,QODNH9HUIDKUHQ
)DOOJHZLFKWVYHUGLFKWXQJ )*9 0D‰QDKPHQ]XU%HKDQGOXQJGHV
/HLFKWH5WWHOYHUGLFKWXQJ /59 *UXQGZDVVHUDQXQG±DEVWURPV
(UGEDX XDLQ*HELHWHQPLW 3Ul .RQGLWLRQLHUXQJGHU.LSSH
JHULQJHP*:)OXUDEVWDQG ]XU 0HVVHQGHU:DVVHUJWHXQG±PHQJHQ
9HUEHVVHUXQJGHU.LSSHQREHUIOlFKH 7UDQVSRUWXQG6WU|PXQJVSUR]HVVH
0HVVHQXQG,QWHUSUHWLHUHQGHV
9HUKDOWHQVGHV8QWHUJUXQGHV

0|JOLFKNHLWHQ]XUVLQQYROOHQ.RSSOXQJEHLGHU6DQLHUXQJVSIDGHQXW]HQ
:LH" hEHUVFKQHLGXQJVSXQNWHNRPELQLHUHQ
:R" 7DJHEDXUHVWVHHQXQGLKUHQDKH8PJHEXQJGLHVDQLHUWJHVLFKHUW
JHZDUWHWJHQXW]WZHUGHQ
:DUXP" =HLW4XDOLWlWVXQG.RVWHQYRUWHLO9HUEHVVHUXQJGHU*HVDPWVLWXDWLRQ

Abb. 4.54   Verfahren für geotechnische und wasserwirtschaftliche Sanierungsaufgaben

Herangehensweise bei der Lösung von geotech-


4.7  Kombination geotechnischer nischen und wasserwirtschaftlichen Sanierungs-
und wasserwirtschaftlicher aufgaben.
Maßnahmen zur Verbesserung Geotechnische Sanierungsmaßnahmen finden
der Situation im Umfeld von oft in unmittelbarer Nähe zum oder im Verbrei-
Tagebaurestseen tungsgebiet des Grund- und Oberflächenwassers
statt. Hierdurch können geotechnische Maßnah-
An jedem Tagebaurestloch werden Konzepte men einen Einfluss auf die Grund- und Oberflä-
• sowohl zur geotechnischen und bergbaulichen chenwasserqualität haben (z. B. Mobilisierung
Sicherung von Kippen und Böschungen von Säurepotential beim Einbringen von dyna-
• als auch zur Steuerung der Wasserstände und mischer Energie in den Untergrund mittels RDV,
zur Beeinflussung der Gewässergüteentwick- RSV, FGV, Sprengung). Andererseits können
lung durch hydraulische Maßnahmen (Flutung, Über-
zeitversetzt oder gleichzeitig umgesetzt leiter, Kanäle) die Grund- und Seewasserstände
(Abb.  4.54). Da sich die einzelnen Sanierungs- und durch Wasserbehandlungsmaßnahmen (z. B.
maßnahmen sowohl innerhalb eines Tagebaurest- Dicht- und Reaktionswände) die Gebirgsdurch-
sees als auch restlochübergreifend gegenseitig in lässigkeiten, Festigkeiten und Dichten der die
ihrer Wirkung beeinflussen können, müssen bei Tagebaurestseen umgebenden und die Kippen
Planung und Durchführung von Sanierungsmaß- bildenden Lockergesteine verändert werden.
nahmen die mit anderen Maßnahmen möglichen Der Geotechniker ist bemüht, bei der Planung
Berührungspunkte berücksichtigt werden. An- geotechnischer Sanierungsaufgaben mögliche
dererseits eröffnen diese gegenseitigen Wech- Kombinationen oder Wechselwirkungen mit dem
selwirkungen Möglichkeiten für eine komplexe
196 A. Vogt et al.

6LQQYROOLVW
Ä)ULVFKZDVVHU³
: .RPELQDWLRQPHKUHUHU :HJHGHU
LP VS .RQGLWLRQLHUXQJGLHVLFKHUJlQ]HQ LQ
9H 6S 6FK

JHVWHXHUW
)OXWXQJ
VH UVD HLFK ZD ƒ :LUNXQJVP|JOLFKNHLWHQ
%H PLVX XHUX HUE QNX MHQDFK6SHLFKHUVLWXDWLRQ
UH E Q J HW QJ
LFK K\ VS ULH HQ ƒ :LUNXQJVDUW
H GULV RWH E
FK QW ƒ :LUNXQJV]HLW
HU LDO

6HGL
P
YRQ HQWHLQWU ‡ 5HDNWLYH7HSSLFKH
%|VF D
9HUV KXQJ J ,QODNH9HUIDKUHQ $EOHLWXQJ
DXHU HQ
XQJV ‡ 8IHUPHOLRUDWLRQ JHVWHXHUW
SRWH (LQVDW]PRELOHU
QWLDO ‡ (URVLRQVVFKXW] 6DQLHUXQJVVFKLIIH ‡ :%$

*:=XVWURP ‡ 5HDNWLYH7HSSLFKH *:$EVWURP


‡ /59.DON
SRWHQWLHOO
VDXUHV*: ‡ 5HDNWLYH:lQGH ‡ 5HDNWLYH ‡ 5HDNWLYH:lQGH
‡ )XQQHO *DWH 7HSSLFKH ‡ )XQQHO *DWH
‡ 5'9.DON ‡ 5'9.DON

Abb. 4.55   Verfahren zur Verbesserung der Beschaffenheit saurer Tagebaurestseen. (Lucke et al. 2007)

in der Abbildung 4.55 dargestellten Verfahren zur derherstellung der Schutzgräben im Speicher-


Verbesserung der Wasserbeschaffenheit saurer becken Lohsa II erfolgte (s. Abschn. 4.8.3).
Tagebaurestseen im Interesse eines gut funktio- Neben der Böschungssicherung und -gestaltung
nierenden Speicherbetriebes zu nutzen. mit dem Ziel der Herstellung der geotechnischen
Dabei sollen ohnehin notwendige geotech- Sicherheit sind im Rahmen der Sanierung was-
nische Sanierungsaufgaben mit Maßnahmen serhaushaltliche, gewässergütewirtschaftliche,
zur Reduzierung des bergbaubedingten Säure- wasserbauliche und touristische Aspekte zu be-
potentials unter Berücksichtigung der konkreten rücksichtigen. Dazu sehen die Planungsunterla-
Standortverhältnisse gekoppelt werden. Genannt gen u. a. vor, die zukünftigen Seen durch Über-
seien beispielhaft leiter bzw. Kanäle hydraulisch regelbar miteinan-
• der ergänzende Einsatz von Kalkbausteinen, der zu verbinden.
Kalkbruchsteinen, Kalkschotter im Zusam- Nach Abschluss der Sanierungsarbeiten an
menhang mit bautechnischen und wasserbau- den ehemaligen Tagebauen des Lausitzer Braun-
lichen Maßnahmen kohlenreviers werden im Zuge des natürlichen
• die Verwendung alkalischer Fluide bei der Grundwasserwiederanstieges und durch Flutung
RDV anstatt des sonst üblicherweise genutz- im Verlauf der nächsten Jahre 31 größere Tage-
ten sauren Tagebaurestseewassers baurestseen mit ca. 14.200 ha Wasserflächen ent-
• die Herstellung reaktiver Teppiche durch stehen. Bestandteil der Nachnutzungskonzepte
Zugabe von Kalkprodukten in den Verspül- ist auch die touristisch orientierte Schiffbarkeit
prozess beim Einsatz von Saugspülbaggern, (kleine Fahrgastschiffe, Sport- und Freizeitboo-
wie dies in den Jahren 2007/2008 bei der Wie- te) auf und zwischen ausgewählten Tagebaurest-
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 197

 *UR‰UlVFKHQ

5DLQLW]D

,OVH6HH
 /$1'%5$1'(1%85*
/LHVNH
6HGOLW] 6HGOLW]HU
6HH 3URVFKLP

 2EHUHU/DQGJUDEHQ 7HUSH
3DUWZLW]HU
5D

%OXQRHU
6HQIWHQEHUJ  6HH 6GVHH
%OXQR
LQ

 6FKZDU]H3XPSH
LW]


D

6DEURGWHU
.OHLQNRVFKHQ D 6HH
%ULHVNH *HLHUVZDOGHU 
6HQIWHQEHUJHU6HH
 6HH 1HXZLHVHU 
6HH
1LHPWVFK *UR‰NRVFKHQ %HUJHQHU   
*HLHUVZDOGH 6HH 6SUHHWDOHU
6FKZDU]H
(OVWHU 6HH
7lW]VFKZLW]
/DXEXVFK
)5(,67$$76$&+6(1
/DXWD
6WDQGRUWHGHUP|JOLFKHQ
VFKLIIEDUHQ9HUELQGXQJHQ

6HGOLW]HU6HH3DUWZLW]HU6HH 1
 6SUHHWDOHU6HH6DEURGWHU6HH 
*HLHUVZDOGHU6HH3DUWZLW]HU6HH 5RKUOHLWXQJ
 6DEURGWHU6HH5/6GRVWVFKODXFK *HLHUVZDOGHU6HH6HGOLW]HU6HH

P

 6DEURGWHU6HH%OXQRHU6GVHH 6FKLIIEDUH9HUELQGXQJ
6HGOLW]HU6HH,OVH6HH
D %OXQRHU6GVHH1HXZLHVHU6HH *HLHUVZDOGHU6HH6HQIWHQEHUJHU6HH
 9HUELQGXQJVNDQDO7LHIODJH6GRVWVFKODXFK
 9HUELQGXQJVNDQDO7LHIODJH6HQNH$%6GRVWVFKODXFK1HXZLHVHU6HH
 1HXZLHVHQHU6HH3DUWZLW]HU6HH
 %OXQRHU6GVHH3DUWZLW]HU6HH

Abb. 4.56   Übersicht über geplante Tagebaurestseen und schiffbare Verbindungen im Lausitzer Seenland.
(Quelle: LMBV/Radke 2007)

seen (Abb. 4.56). Die erweiterte Restlochkette seen sowie der Verbindungskanäle ist eine geo-
beidseits der Landesgrenze zwischen dem Frei- technische und hydromechanische Bewertung
staat Sachsen und dem Bundesland Branden- der Ufer- und Kanalböschungen auch dahinge-
burg bildet mit 9 großen Tagebaurestseen einen hend erforderlich, inwieweit die bereits an den
Schwerpunkt in dem Konzept einer touristischen Restlochböschungen hergestellten bzw. geplan-
Folgenutzung. ten Uferabflachungen bzw. Uferbefestigungen
Die auf Grundlage anerkannter Empfehlun- auch den spezifischen Anforderungen aus dem
gen und Richtlinien erarbeiteten geotechnischen Schiffsverkehr genügen. Zusätzlich müssen die
Gutachten (Standsicherheitsberechnungen als Ein- und Auslauftrichter der Verbindungskanäle
Standsicherheitsnachweise (SN) meist für ge- geotechnisch und hydromechanisch bezüglich
wachsene Böschungen bzw. als Standsicher- der Belastungen durch Wind- und Schiffswellen
heitseinschätzungen (SE) meist für Kippenend- bemessen werden.
böschungen) zur Sicherung der Restloch- und In den Verbindungskanälen selbst treten, wie
Kanalböschungen sowie Wasserstraßenkonturen in allen schiffbaren Kanälen, schiffsbedingte Be-
beinhalten neben dem Nachweis der langfristigen lastungen auf, vor denen Böschungen und Soh-
Stabilität der Böschungen bzw. Böschungssyste- len mit entsprechenden Maßnahmen zu schützen
me und Vorgaben von Maßnahmen zum Erhalt sind. Des Weiteren sind bestimmte technische
dieser Standsicherheit auch Vorgaben für die Ge- Bauwerke erforderlich, welche die Nutzung
staltung der zukünftigen Uferböschungen zum eines Gewässers als Wasserstraße überhaupt er-
Schutz gegen Windwelleneinfluss. Unter dem möglichen. Im Folgenden sollen einige Aspekte
Aspekt der Schiffbarmachung der Tagebaurest-
198 A. Vogt et al.

der Schiffbarmachung der Verbindungskanäle Dauerhafte Liegeplätze müssen vor Wellen-


dargestellt werden. wirkungen durch geeignete Maßnahmen ge-
schützt werden. Dies kann beispielsweise mit
Anlage der Wasserstraßen  Grundsätzlich sind der Schaffung künstlicher Buchtbereiche oder
zur Anlage der Kanäle zwei Varianten zu nennen, schwimmender Wellenbrecher gewährleistet
die entsprechende Vor- und Nachteile aufweisen: werden. Gleiches gilt für die Schleusenvorhäfen,
1. Der Kanalwasserspiegel korrespondiert mit wenn diese sich im Mündungsbereich zu einem
dem niedrigsten angeschlossenen Seewasser- See befinden und damit den Wellenkräften aus-
spiegel gesetzt sind.
− Erfordernis von nur einer Schleuse
− u. U. tiefe Einschnitte erforderlich Zusätzliche Ingenieurbauwerke Neben den
− nur bereichsweise Abdichtung der Kanal- wasserbaulichen Anlagen (Schleuse, Wehr,
trasse. Ein- und Ausstiege, Vorhäfen, Ankerplätze und
2. Der Kanal wird unabhängig von den Seewas- weitere infrastrukturelle Einrichtungen, wie
serständen als Scheitelhaltung ausgebildet Betankungsmöglichkeiten, Parkplätze, Versor-
− Erfordernis von zwei Schleusen gungs- und Entsorgungseinrichtungen) sind u. U.
− Einschnitte für den Graben können mini- Ingenieurbauwerke anzulegen. Diese sind z. B.
miert werden • Brückenbauwerke
− vollständige Abdichtung der Kanaltrasse • Durchlässe bzw. Überleitungen für Medien-
zwischen den Schleusen. träger.
Eine Kombination aus Variante 1 und Varian- Befinden sich die Wasserstraßen und die techni-
te 2 ist ebenfalls denkbar. Zusätzlich ist bei der schen und Ingenieurbauwerke auf zur Verflüssi-
Anlage der Wasserstraßen zu berücksichtigen, gung neigenden Kippen oder im Einflussbereich
ob z. B. Begegnungsverkehr möglich sein soll, von Kippen, gelten für ihre Herstellung und Nut-
gegebenenfalls abhängig von der Schiffs- oder zung die gleichen Regeln zur Gewährleistung der
Bootsklasse. geotechnischen Sicherheit, wie für die bergbau-
liche Sanierung beschrieben (s. Abb. 4.5).
Technische Bauwerke für den Betrieb der Die Wiederherstellung des Wasserhaushaltes,
Wasserstraßen  Zum Betrieb einer Wasser- deren Grundlagen und Strategien der wasser-
straße sind verschiedene technische Einrichtun- haushaltlichen Sanierung sowie die Konzepte der
gen erforderlich, welche die Nutzung langfristig Flutung und Wasserbehandlung werden im Ab-
sicherstellen. Dies sind vor allem Schiffshebe- schnitt 5.1 ausführlicher behandeln.
anlagen (Schleusen), bei fehlendem natürlichem
Zufluss Pumpstationen, Wehranlagen, Sicher-
heitstore bei Scheitelhaltungen, evtl. Entnahme- 4.8 Fallbeispiele
und Einleitungsbauwerke sowie bei vorhandener
Dichtung Sickerwassermessstellen, um deren 4.8.1  Tagebaurestloch Berzdorf
Funktion zu kontrollieren.
Im Hinblick auf die Peripherie einer Wasser- Übersicht zur Geologie und Hydrologie
straße ist insbesondere die Schaffung ausrei- der Lagerstätte sowie zur Tagebauentwick-
chender Anker- und Liegeplätze im Bereich der lung  Südlich der Stadt Görlitz liegt der ehema-
Seen mit entsprechend geringen Wassertiefen lige Tagebau Berzdorf. Er ist eine Beckenlager-
und allen zugehörigen technischen Einrichtun- stätte, die sich im Tertiär als Grabenstruktur an
gen erforderlich. Dazu gehören Sanitärbereiche, tektonischen Störungen verschiedener Richtun-
Frisch-, Abwasser- und Stromanschlüsse, Betan- gen einsenkte. Mit seinen Randbrüchen stellt es
kungsmöglichkeiten, Slipanlagen sowie techni- bei einem parallelen NNE-SSW-Streichen eine
scher Service. Fortsetzung des Ohre-Rift-Systems dar.
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 199

>P11@ HKHPDOLJH7DJHEDXNDQWH
1: 6(

XUVSUQJOLFKH*HOlQGHREHUNDQWH

*UHQ]H3OHLVWR]lQ7HUWLlU


7HUWLlUEDVLV

SOHLVWR]lQHTXDUWlUH$EODJHUXQJHQ
6DQGH.LHVH6FKOXIIH

 *HVFKLHEHPHUJHO*HVFKLHEHOHKP

)O|]ElQNHPLWELQGLJHQ
=ZLVFKHQPLWWHOQ

6FKXWWIlFKHU

WHUWLlUH$EODJHUXQJHQ


%DVDOWUFNHQ

 *UDQRGLRULW*UDQRGLRULW]HUVDW]
   >P@

Abb. 4.57   Vereinfachtes Normalprofil der Lagerstätte Berzdorf. (Autorenkollektiv 2003)

Eine Prinzipdarstellung der geologischen Ver- Oberhalb von Granodiorit und Basalt stehen
hältnisse ist in Abbildung 4.57 ersichtlich. tertiäre Tone und Schluffe in Form von bindigen
Das anstehende prätertiäre Grundgebirge im Schuttfächern (Umlagerungssedimente), Lie-
Bereich des Tagebaurestloches wird vom „Sei- gendtonen und -schluffen sowie „Schluffmul-
denberger Granodiorit” des Lausitzer Granodio- den” an.
ritmassivs gebildet. Die im Prätertiär vorherr- Im Flözkomplex des Berzdorfer Tagebaues
schenden klimatischen Verhältnisse führten in sind insgesamt 13 Flözbänke ausgebildet, die
Verbindung mit der einsetzenden Beckenbildung durch vorwiegend bindige Zwischenmittel be-
zu einer tiefgründigen kaolinitischen Verwitte- grenzt werden.
rung des Granodiorits. Die oben genannten tertiären Ablagerungen
Durch natürliche Abtragung ist die Verwit- werden durch quartäre (pleistozäne) Bildungen
terungszone auf den umliegenden Höhen stark überlagert. Es handelt sich hierbei um Wechsel-
reduziert. Das Kluftsystem des Granodiorits ist lagerungen der Flüsse Neiße und Pließnitz, die
wasserführend. Deshalb wird der Granodiorit als überwiegend aus Kiessanden und Kiesen sowie
Kluftwasserleiter bezeichnet. Schluffen bestehen. Durch die tektonische Vor-
Aufgrund von starken tektonischen Beanspru- belastung bzw. Beanspruchung entstanden pleis-
chungen traten, bei gleichzeitiger Einsenkung tozäne Mulden, die steil einfallende Flanken auf-
des Berzdorfer Beckens, Risse in der Erdkruste weisen. Diese Flanken stellen bodenmechanisch
auf. Die mit den Rissbildungen durchbrechende relevante Schichtgrenzen dar.
basaltische Lava führte zu einem tertiären Vulka- Im Tagebau Berzdorf erfolgten im Interesse
nismus mit Vulkankegeln, basaltischen Decken- einer maximalen Kohlenausbeute die Abraum-
ergüssen und basaltischen Tuffen. Im Bereich des und Kohlengewinnung flankennah bzw. auf den
Berzdorfer Beckens existiert zusätzlich zum prä- Flanken selbst.
tertiären Grundgebirge somit auch ein Vulkanit- Aufgrund der Becken- bzw. Kesselform der
komplex aus Basalt. Im Untersuchungsgebiet der Lagerstätte liegt bei nahezu allen anstehenden
West- bis Südböschung ist teilweise ein basalt- Lockergesteinsschichten ein mehr oder minder
oider Rücken ausgebildet, der in erster Linie im großes Schichteinfallen in Richtung Tagebau vor.
Bereich der Stützkippe 5 (Abb. 4.62) vorhanden Dadurch existiert eine Vielzahl natürlicher geo-
ist. logisch vorgegebener Schwächezonen (fossile
200 A. Vogt et al.

Abb. 4.58   Kohlenabbau


im Jahr 1927. (Foto: Archiv
LMBV)

Gleitflächen) in den Randböschungen des Rest- se im westlichen Teil der ehemaligen Ortslage
loches, die sich als rutschungsbegünstigend er- Berzdorf in Richtung Ortslage Neuberzdorf.
weisen können. Mit der Kohlengewinnung wurde in diesem
Die in der Vergangenheit erfolgten randlichen Gebiet bereits um 1835 begonnen. Der Abbau
Großrutschungen im Gewachsenen und Instabili- erfolgte im Tiefbau mittels kleiner 20 m bis
täten an dem bereits teilweise vorhandenen Kip- 30 m tiefer Schächte und einer Streckenhöhe von
penmaterial sowie Stauchungs- und Zerrungs- einem Meter. Im Jahr 1872 wurde eine zentrale
bewegungen an den Restkörpern des Flözkom- Wasserhaltung zur Absenkung und Beherrschung
plexes sind als äußere Anzeichen für die Reak- des Grundwassers in Betrieb genommen. Zu die-
tivierung der fossilen Schwächeflächen oder für sem Zeitpunkt bewegte sich die Jahresförderleis-
Neubildungen von Gleitflächen zu werten. tung an Kohle zwischen 15.000 t und 25.000 t.
Die Wasserführung des Tagebaues war an ein Mit schwieriger werdenden Abbaubedingun-
kompliziertes System von Grundwasserleitern gen verringerte sich die Jahresleistung an Roh-
gebunden, wobei häufig gespannte Verhältnisse braunkohle jedoch erheblich, so dass zu Beginn
auftraten, die sich zwangsläufig negativ auf die des 20. Jahrhunderts eine umfangreiche Erkun-
Böschungsstabilität auswirkten. Deshalb gestal- dung der Lagerstätte erfolgte. In deren Ergebnis
tete sich auch die Entwässerung des Tagebaues sowie unter Berücksichtigung des wachsenden
während des Abbaues sehr aufwendig. Kohlenbedarfs nach dem 1. Weltkrieg wurde der
Im Tagebau Berzdorf war deshalb bis zur Ein- Braunkohlenabbau im Tiefbau beendet und im
stellung der Förderung die Streckenentwässe- Jahr 1919 mit dem Aufschluss der Lagerstätte als
rung notwendig. Tagebau und 1922 mit dem Abbau im einfachen
Die hydrogeologischen Verhältnisse des ge- Tagebaubetrieb begonnen. Der Kohlentransport
samten ehemaligen Tagebaugebietes werden erfolgte mit Hunten über eine Kettenbahn zum
heute durch die gegenwärtige Flutung des Tage- eingerichteten Hochbunker (Abb. 4.58).
baurestloches bestimmt. Die zunehmende Industrialisierung führte
Entwicklung des Tagebaues Aufgrund tekto- jedoch aus wirtschaftlichen Gründen bereits im
nischer Beanspruchung bildeten sich in Teilen der Frühjahr 1927 zu einer ersten Stilllegung des
Lagerstätte Berzdorf bereits relativ oberflächen- Tagebaues mit anschließender Flutung des Rest-
nahe Kohlenablagerungen aus, wie beispielswei- loches mit Wasser aus dem Fluss Pließnitz und
dem Mühlgraben.
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 201

Nach dem Ende des 2. Weltkrieges wurde zur künftigen Randböschungssysteme vor, während
Sicherung der territorialen Brennstoffversorgung und nach der Flutung.
im März 1946 mit der Sümpfung des Restloches Rutschungen Wie bereits erwähnt, waren
westlich des Ortes Tauchritz begonnen. Die plan- Rutschungen ständige Begleiter des Braunkoh-
mäßige Braunkohlenförderung erfolgte nach Be- lenabbaues. Die bedeutendsten Rutschungen
endigung der Entwässerungsarbeiten ab Mitte während des aktiven Bergbaues waren
1946 durch Abbau von Hand im Tagebau. • Rutschung „D” südlich der ehemaligen Orts-
Mit der stetig steigenden Rohkohlennachfrage lage Schönau im Zeitraum 1962/1965
wurde die Kohlenfreilegung durch Abraumbesei- • Rutschung „I” im Zeitraum 1967/1968 süd-
tigung erforderlich. Bis zum Einsatz des ersten lich der ehemaligen Ortslage Neuberzdorf
Tagebaugewinnungsgerätes, einem Eimerketten- • Rutschung „H” nordöstlich des alten Tage-
bagger E 250, erfolgte die Abraumförderung mit baues
Hacke und Schaufel oder kleineren Greifergerä- • Rutschung „P” ab 1980/1981 südöstlich der
ten. Ortslage Jauernick-Buschbach
In den 1950er und 1960er Jahren des ver- • Rutschung „R” in den 1980er Jahren nörd-
gangenen Jahrhunderts folgte mit der steten Er- lich von „P” über die gesamte Teilstrecke des
höhung der Förderleistung, der Inbetriebnahme Nebenmuldenbereiches.
des Kraftwerkes Hagenwerder (Werke I bis III) Einen Einblick in die Auswirkungen der Rutschung
südlich von Tauchritz sowie dem Aufschluss des „P” auf zu schützende Objekte im nordwestlichen
Nordfelds die Erweiterung des Tagebaues zu Randbereich des ehemaligen Tagebaues geben die
einem Großtagebau. beiden nachfolgenden Abbildungen 4.59 und 4.60
Der Kohlentransport zu den Kraftwerken er- (Autorenkollektiv 2003; Zeiß 1989).
folgte über Zug- und Bandanlagen. Ab dem Jahr Die Rutschung „P“ wies während der gesam-
1977 erhielten die Kraftwerke in Hagenwerder ten Gewinnungsphase in ihrem Rutschungsvo-
die Kohle vollständig über Bandbetrieb. lumen die größte Massenumlagerung auf. Sie
Aufgrund der politischen und wirtschaftlichen beeinflusste dadurch entscheidend den Gewin-
Veränderungen Anfang der 90er Jahre wurden nungsprozess und somit die Tagebauentwicklung
schrittweise Großgeräte zum Kohlenabbau außer im gesamten Nordfeld (Grießl und Weber 2006).
Betrieb und Absetzer mit Bandanlagen zur Sanie- Anhand der Überwachung des Bewegungs-
rung in Betrieb genommen. ablaufes können folgende markscheiderische
Mit der Stilllegung des Kraftwerkes Hagen- Messdaten zur Veranschaulichung dieser Groß-
werder Ende 1997 wurde die Kohlenförderung rutschung genannt werden:
im Tagebau Berzdorf eingestellt. • in die Bewegung einbezogenes Volumen
Zurück blieb ein Tagebaurestloch mit einer − zu Beginn: 50 · 106 m3
Länge von ca. 5,5 km und einer Breite von − nach den Erweiterungen: 100 · 106 m3.
3,6 km. Die gesamte Fläche des übertägigen • Entfernung zwischen passivem Bereich und
bergbaulich beeinflussten Areals beträgt mehr als Abrisskante ca. 1.800 m
20 km2. • Entfernung zwischen Tagebauoberkante und
Mit Beginn der Wiederinbetriebnahme und Abrisskante ca. 400 m
Erweiterung des Tagebaues begannen bereits • Gesamtbewegungen
erste Sanierungsarbeiten durch das Auffahren − Translationsweiten 200 m bis 400 m
von Halden aus Abraummaterial auf unverritz- − Absenkungen bis 60 m
tem Gelände. − Höhe an der Abrisskante bis 30 m
Nach der Einstellung der Kohlenförderung im • Bewegungsgeschwindigkeiten
Jahr 1997 wurde unter Berücksichtigung der vor- − horizontal maximal vhmax = 80  cm/d bis
gesehenen öffentlichen Nachnutzung mit der um- 100 cm/d
fassenden Sanierung des ehemaligen Tagebaues − horizontal durchschnittlich vh = 12 cm/d bis
begonnen. Das Ziel war die Sicherung der zu- 15 cm/d
202 A. Vogt et al.

Abb. 4.59   Ehemalige


Straße von Jauernick-
Buschbach nach Berzdorf
im Februar 1982. (Foto:
Kothe)

Abb. 4.60   Hauptabriss-


kante der ehemaligen
Rutschung „P‛‛ vor der
Ortslage Jauernick-Busch-
bach im Februar 1982.
(Foto: Kothe)

− vertikal maximal vvmax = 70  cm/d bis • durch auftretende Plastifizierungen des Kip-
100 cm/d penmaterials aufgrund der bodenphysikali-
− vertikal durchschnittlich vv = 2  cm/d bis schen Eigenschaften in Verbindung mit den
4 cm/d. technologischen Randbedingungen (Gurt-
Im Rahmen der komplexen geotechnischen und bandförderung mit langen Förderwegen und
markscheiderischen Untersuchungen zur Rut- zahlreichen Übergangsstellen) und
schung „P‛‛ wurde festgestellt, dass im gesamten • bedingt durch das Relief des Grundgebirges
Rutschungsgebiet das Hangende des Granodio- mit seinen an der Basis der Innenkippe befind-
rits mit seinem hohen Verwitterungsgrad als akti- lichen vorgegebenen Gleitflächen
vierte Gleitfläche wirkte. auf.
Erst mit dem Vortrieb der Innenkippe in das Diese Standsicherheitsprobleme traten in den
Nordfeld zu Beginn der 1990er Jahre nahmen die 1970er und 1980er Jahren durch entsprechende
Bewegungen an Intensität ab. Rutschungen zu Tage.
Aber auch an den Innenkippen traten Stand- Im August 1977 ereignete sich eine Rutschung
sicherheitsprobleme an der Tiefschüttung des Absetzers A2Rs(B)
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 203

Abb. 4.61   Zentrum der


Innenkippenrutschung an
der Tiefschüttung des Ab-
setzers A2Rs(B) 8800.110.
(Autorenkollektiv 2003)

8800.110 bei der Innenverkippung des Westfel- für die Stützmassengewinnung, den Transport
des. Innerhalb kürzester Zeit kam es zu erhebli- und den kippenseitigen Einbau.
chen Massenumlagerungen. In dem zu bewertenden Bereich des künfti-
Abbildung 4.61 zeigt nochmals deutlich, mit gen Tagebaurestsees wurden sechs Stützkippen
welchen Schwierigkeiten der Kohlenabbau im eingebracht, wobei lediglich die Stützkörper
Tagebau Berzdorf verbunden war. Daraus lässt Rutschung „P‛‛ sowie 4 und 5 als spätere Ufer-
sich auch die Stabilitätsproblematik für die zu- böschungen dienen werden. Die drei Stützkippen
künftige Nachnutzung ableiten. 1, 2 und 3 werden ausschließlich unterhalb des
Endwasserspiegels liegen (Abb. 4.62).
Massenbewegung und Anlegen von Stützkip- Als Beispiel für die flächenhafte Ausdehnung
pen  Um die schwierigen Verhältnisse auch für der Stützkippen/Stützkörper im Tagebaurestsee
die Nachnutzung standsicher zu beherrschen, wurde in Abbildung 4.63 der durch die Stützkip-
waren zwangsläufig umfangreiche Erdbau- pe 4 geführte geologische Schnitt vom Profil 40
maßnahmen notwendig. Neben großräumigen dargestellt.
Abflachungen und umfangreichen konstruktiven Die für den Einbau der einzelnen Stützkör-
Maßnahmen lag der wesentlichste Aufwand in per erforderlichen Massen wurden ab Mitte der
der Herstellung von Stützkippen. 1990er Jahre bis zum Jahr 2000 in erster Linie
Um den dazu notwendigen finanziellen Auf- durch den Abbau von Abraummassen aus dem
wand in Grenzen zu halten, wurden sehr aufwen- gesamten Baufeld III des Nordfeldes gewonnen.
dige geotechnische Optimierungsarbeiten durch- Die Lage der eingebauten Stützkippen bzw. Stütz-
geführt. Wie der bisherige Flutungsprozess zeigt, körper kann der nachfolgenden Abbildung 4.62
wurden die hohen Anforderungen an die Stabilität entnommen werden.
erfüllt, wobei Böschungsbewegungen dokumen- Mit dem Anlegen von fünf Gewinnungsschnit-
tieren, dass auch hier Grenzfälle tangiert werden. ten im Baufeld III wurden in östliche und südli-
Unter geotechnischen Gesichtspunkten stel- che Richtung Endböschungssysteme geschaffen,
len die vorhandenen Randböschungen der west- die den Bedingungen der Dauerstandsicherheit
lichen bis südlichen Systeme ohne entsprechende entsprechen. In untergeordnetem Maße erfolgten
Sicherungsmaßnahmen eine erhebliche Gefähr- Massenrückgewinnungen aus der Außenhalde
dung der öffentlichen Sicherheit dar. „Neuberzdorfer Höhe‛‛ und aus der „Nordmulde‛‛
Der Sanierungsbergbau begann mit „Stützan- des Baufeldes I (Grießl und Weber 2006).
schüttungen‛‛ bereits im Jahr 1995. Diese Maß- Die einzelnen Abraumschnitte wurden mittels
nahmen beinhalteten in erster Linie die Arbeiten Großgerätetechnik, d. h., Schaufelradbagger und
204 A. Vogt et al.

Abb. 4.62   Übersichtslageplan mit Stützkippen-/Stützkörperkontur. (Grießl und Weber 2006)

Abb. 4.63   Vereinfachte Darstellung des geologischen Schnittes Profil 40 durch die Stützkippe 4. (Grießl und Weber
2006)
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 205

Abb. 4.64   Bandabsetzer
1094 A2Rs(B) 8800.110
als Beispiel für die bei der
Abraumverkippung einge-
setzten Tagebaugroßgeräte.
(Foto: LMBV)

Bandwagen im Schwenkbetrieb mit Gurtband- Für die in den Jahren 1995 bis 2000 mittels
förderung bis in die vorgesehene Endstellung Großgerätetechnik aufgefahrenen Stützkippen
aufgefahren. wurden 52 Mio. m3 Erdmassen verkippt. Bis
Die anschließende Verkippung der Stützkip- 2004 erfolgte dann die Endgestaltung der Stütz-
penmassen erfolgte überwiegend durch die im kippen mit mobiler Erdbautechnik, dabei wurden
ehemaligen Tagebau Berzdorf in Betrieb befind- etwa 54 Mio. m3 bewegt (Grießl et al. 2005).
lichen Bandabsetzer in Tief- und Hochschüttung Insgesamt wurden für die Stützkippen
(Abb. 4.64). 106 Mio. m3 Massen bewegt. Tabelle 4.7 zeigt
Um die Stützkippen 4 und 5 in ihrer jeweiligen für verschiedene Stützkippen anteilig die umge-
Kubatur auf ein Mindestmaß zu begrenzen, wur- lagerten Massenanteile.
den oberhalb beider Stützkippen in einer Höhe
von + 210 m NN (Stützkippe 4) und + 188 m NN Standsicherheit der Böschungen während der
(Stützkippe 5) Aufweitungen in den jeweiligen Flutung
Randböschungssystemen vorgenommen. Bodenmechanische Berechnungskennwerte 
Die Böschungsneigung wurde dabei in Ab- Die aufgeführten komplizierten geologischen
hängigkeit von der späteren Nutzung der Bö- und hydrogeologischen Verhältnisse sowie die
schungsabschnitte unterschiedlich hergestellt. dadurch oftmals verursachten Rutschungen schla-
Die geplanten Uferböschungen im Bereich des gen sich deutlich in den anzusetzenden boden-
Wellenschlages + (182,5–188,0) m NN wurden physikalischen Berechnungskennwerten für die
mit unterschiedlichen Neigungen angelegt. Sie Standsicherheitsuntersuchungen nieder.
reichen von der Mindestneigung n = 1:10 im Für die standsicherheitsrelevanten Böden,
Biotop „P‛‛ bis hin zu einer deutlich flacheren bestehend aus gewachsenen Böden und Kippen-
Neigung von abschnittsweise nmax = 1:37 an der material werden Rechenwerte verwendet, die so-
Stützkippe 5. wohl überwiegend aus Rückrechnungen von Rut-
Die Stützkörperböschungen oberhalb der schungen als auch in früheren Kennwertanalysen
Höhe + 188 m NN wurden mit Neigungen zwi- zum Tagebau Berzdorf ermittelt wurden (VEB
schen n = 1:3 und n = 1:4 hergestellt. BUS Welzow 1981; Förster et al. 1997; Förster
Die sich im Bereich vom Biotop „P‛‛ ab der 1997).
Höhe + 188 m NN an die Uferböschung anschlie- In den Rückrechnungen wurden Festigkeits-
ßende Steilböschung aus Granodioritzersatz des minderungen in den vorgegebenen Gleitflächen
Rutschungsereignisses „P‛‛ wurde nicht abge- (VG) ermittelt, die durch Kennwertanalysen be-
flacht, da diese Einzelböschung einen Bestandteil stätigt wurden.
des Biotops darstellt. Dieser Böschungsabschnitt Die aus den Rückrechnungen angesetzten
befindet sich noch in seiner ursprünglichen Ab- Scherfestigkeitsparameter liegen am unteren
rissgeometrie.
206 A. Vogt et al.

Tab. 4.7   Anteilig in Uferböschungen bildende Stützkip-


eine Vielzahl von Standsicherheitsproblemen ge-
pen eingebrachte Massen. (Grießl et al. 2005)
prägt ist. In einem untergeordneten Maß gilt dies
Kippe Massenvolumen [m3]
auch für die Phase nach dem Erreichen des statio-
Stützkippe 3 8,3 Mio.
Stützkippe 4 16,0 Mio.
nären hydrologischen Endzustandes.
Stützkippe 5 6,5 Mio. Auf der Grundlage der Hydrogeologischen
ehemalige Rutschung „P‘‘ 7,0 Mio. Berechnungen (Luckner 2006) werden die Flu-
tungsphasen modelliert und die Wasserstands-
linien für den stationären Endzustand auf eine
Ende des Kennwertspektrums. Dieser Kennwert- Höhe von + (186,0–186,5) m NN prognostiziert,
ansatz hat sich bisher in der Praxis bewährt. für die einzelnen Berechnungsprofile abgeleitet
Daher werden bei Betrachtung des Versagens- und in diese übertragen.
falles „Abgleiten auf vorgegebenen polygonalen Im Bereich der Ostmarkscheide tritt durch das
Prüfflächen“ die Festigkeiten nur in der Größe oberflächennah anstehende Grundgebirge zu-
der wirksamen Gleit- bzw. Restfestigkeit (φ’VG  =  sätzlich zum steigenden Flutungswasserspiegel
φ’R; c’VG = c’R) zum Ansatz gebracht. auch ein steigendes Druckwasserniveau auf. Es
In der nachfolgenden Tabelle 4.8 werden die liegen Differenzen zwischen Flutungswasser-
in den Standsicherheitsuntersuchungen verwen- spiegel und Druckwasserniveau im Untergrund
deten bodenmechanischen Rechenwerte zusam- vor. Dieser Umstand hat einen großen Einfluss
menfassend angegeben (Grießl und Weber 2006). auf die Standsicherheitsverhältnisse.
Für den Tagebau liegt aufgrund der sehr wech- In allen Fällen bestehen sowohl an den Kip-
selhaften geologischen Verhältnisse eine Vielzahl penböschungen als auch an den gewachsenen
an geologischen Profilen zu den Randböschungs- Böschungen Rutschungsgefahren in der Art
bereichen vor. von Translationsbewegungen auf vorgegebenen
Treten an bestimmten Bodenschichten, wie Schwächezonen (Versagensfall des Abgleitens
zum Beispiel dem Schuttfächermaterial, Ver- des Böschungskörpers in seiner Gesamtheit
änderungen in der Schichtzusammensetzung an sowie von Teilen des Körpers auf vorgegebenen
einzelnen geologischen Profilen auf, wurden polygonalen Gleitflächen).
entsprechende Anpassungen der Rechenwerte Eine Ausnahme bildet der Restbereich der
vorgenommen. In der Tabelle sind deshalb die ehemaligen Rutschung P, jetzt Biotop P. Für die-
Bandbreiten der Rechenwerte aufgeführt (Grießl sen Bereich ist generell davon auszugehen, dass
und Weber 2006; Förster 1997; Mukrasch 1999). die während des Rutschungsvorganges „P‛‛ akti-
Standsicherheitsprobleme, Berechnungs- vierten Gleitflächen (VG) noch erhalten sind und
verfahren und Sicherheitskoeffizienten Für bei erneuter Gleichgewichtsverletzung sofort
Standsicherheitsbetrachtungen lässt sich das Ta- reaktiviert werden. Aus diesem Grund sind hier
gebaurestloch mit seinen Böschungen im heuti- Standsicherheitsuntersuchungen für den Versa-
gen Erscheinungsbild grob in drei Abschnitte gensfall des Abgleitens auf geologisch vorgege-
unterteilen (Abb. 4.62): benen Gleitflächen besonders relevant.
• die Randböschungssysteme mit Stützkörpern Standsicherheitsprobleme hinsichtlich des
aus Kippenmaterial von SW bis NO Versagensfalles „Böschungsbruch auf kreiszylin-
• die gewachsene Böschung mit Restkohle und drischen Prüfflächen (KZP)“ treten in der Regel
oberflächennah anstehendem Grundgebirge nur an Einzelböschungen aus geschüttetem Kip-
im Osten (Ostmarkscheide) penmaterial auf und sind für alle in Richtung
• die natürlich anstehenden Lockergesteinsbö- des künftigen Berzdorfer Sees einfallenden Bö-
schungen mit im Bergbaubetrieb geschütteten schungskörper unter Beachtung des Flutungs-
Kippenböschungen und verfüllten Innenkip- standes relevant.
penbereichen im Süden (Südböschung). Somit werden die Standsicherheitsuntersu-
Die Flutungsphase stellt hinsichtlich der Stand- chungen am Tagebaurestloch Berzdorf für fol-
sicherheit einen kritischen Prozess dar, der durch gende Versagensmechanismen durchgeführt:
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 207

Tab. 4.8   Bodenmechanische Berechnungskennwerte. (Grießl und Weber 2006)


Bodenschicht Reibungs- Restreibungs- Kohäsion Restkohäsion Wichte
winkel winkel c’ c’VG = c’R γ
φ’ φ’VG = φ’R [kN/m²] [kN/m²] [kN/m3]
[°] [°]
Kippenmaterial, erdfeucht 21,0 - 10,0 - 17,0–
18,5
Kippenmaterial, gesättigt 14,0 bei - 3,0 - 18,0–
hK ≤ 30,0 m; 20,0
18,0 bei
hK > 30,0  m
Quartär (Pleistozän) 30,0– 35,0 - 3,0–10,0 - 18,5–
20,0
Sedimentäre Tertiärschichten im 23,0–25,0 - 10,0–15,0 - 17,0–
Liegendena 20,0
Liegendschluff 25,0 - 10,0–15,0 - 15,5–
18,5
Geschiebemergel 28,0 - 15,0 - 21,5
Braunkohlenschluff 22,0 8,0 10,0–15,0 5,0 14,5–
17,5
Restkohle, gestörtb 25,0 8,0 20,0–25,0 5,0 11,5–
14,5
Restkohle, ungestörtb 30,0 8,0 30,0 5,0 11,5–
14,5
Flöz 1.2 und Flöz 1.1b 30,0 8,0 30,0 5,0 11,5–
14,5
Zwischenmittel 22,0 8,0 10,0 5,0 17,5
Schuttfächermaterial, liegend und 22,0–25,0 7,2–14,0 15,0 5,0 18,5–
seitlich 20,5
Schuttfächer, gestört (erdfeucht) und 25,0 7,2–14,0 10,0 5,0 19,0
ungestörtc
Schuttfächer, gestört (gesättigt)c 23,0 7,2–14,0 5,0 5,0 20,5
Asche, nass 15,0 - 0,0 - 13,5
Liegendton 22,0–25,0 7,2–14,0 10,0/ 13,0 5,0 16,0–
18,5
granodioritisches Grundgebirge 24,0 7,2–14,0 15,0 5,0 20,0–
21,5
basaltisches Grundgebirge 22,0 7,2–14,0 10,0 5,0 21,0
a Bei bindigen Begleitschichten der Flözbänke
b Liegt ein größerer Anteil an Zwischenmittel in der Kohle vor, wie zum Beispiel in der gestörten Restkohle, wird

unter Berücksichtigung der Erfahrungen des Auftragnehmers zum Tagebaurestgewässer Berzdorf eine entsprechende
Anpassung der Rechenwerte vorgenommen. Daher erfolgt für die vorkommenden Kohlenschichten in der Tabelle die
Angabe einer Kennwertbandbreite für die Wichte und teilweise für die Kohäsion.
c Bezieht sich ausschließlich auf den Bereich vom Biotop „P“

• Brucherscheinungen auf kreiszylindrischen den. Für den Lastfall der kreiszylindrischen Prüf-
Prüfflächen für Einzelböschungen und fläche (KZP) werden materialmäßig die wirksa-
Böschungssysteme (KZP) men Bruchfestigkeiten angesetzt.
• Abgleiten auf vorgegebenen geologischen Die Standsicherheitsberechnungen werden
und/oder polygonalen Prüfflächen (VG). nach den Vorgaben in (Richtlinie 2005; Sächs-
Die Berechnungen zum Versagensfall der vorge- BergVO 2009) für den Flutungsprozess und
gebenen Prüffläche (VG) erfolgen unter Ansatz den stationären Endzustand im Tagebaurestsee
der Restscherfestigkeit für die VG, womit geo- durchgeführt.
technisch ungünstige Verhältnisse erfasst wer-
208 A. Vogt et al.

Zur Gewährleistung einer ausreichenden geo-


technischen Standsicherheit in den zu untersu-
chenden Böschungsbereichen des Tagebaurest-
sees Berzdorf wird vom Sachverständigen für
Geotechnik der Ansatz eines summarisch deter-
ministischen Sicherheitskoeffizienten von:
• Serf  ≥ 1,10 für die Endgeometrie in der Flu-
tungsphase
• Serf  ≥ 1,30 für die Böschungsendgeometrie
nach Abschluss der Flutung
für ausreichend erachtet und den zu untersuchen-
den erdstatischen Lastfällen in den Böschungen
zugrunde gelegt. Abb. 4.65   Blick vom Neißeeinleiter auf den Tagebau-
Ein Sonderfall wird mit der Steilböschung restsee im Juni 2004, Wasserspiegelhöhe etwa + 144 m
vom Biotop „P‛‛ erfasst. NN. (Foto: GUB/Weber)
Anhand von langjährigen Beobachtungen des
In-Situ-Verhaltens der Steilböschung ist festzu-
stellen, dass die Steilböschung entlang der Ab-
risskante der Rutschung „P‛‛ bereits länger als 15
Jahre existiert, ohne dass eine Rückverlagerung
der Abrissoberkante von mehr als 2,0 m einge-
treten ist.
Rasch verlaufende Böschungsbewegungen
bzw. -brüche an der Steilböschung können somit
ausgeschlossen werden. Der Sicherheitskoeffizi-
ent für diesen Böschungsbereich liegt über dem
Grenzzustand von S = 1,0, auch wenn aufgrund
der geometrischen und bodenmechanischen Ver-
hältnisse dies nicht durchgängig rechnerisch
nachgewiesen werden kann. Abb. 4.66   Tagebaurestsee mit Blick auf die Abschnitte
Ergebnisse der Standsicherheitsuntersu- Stützkippe 4 und 5 im aktuellen Flutungsstand mit einer
Wasserspiegelhöhe im künftigen Berzdorfer See von etwa
chungen Die Flutung des Tagebaurestloches + 166,4 m NN im April 2007. (Foto: GUB/Grießl)
erfolgt seit November 2002 mit Wasser aus den
beiden im unmittelbaren Tagebauumfeld vorhan-
denen Vorflutern, der Pließnitz und seit Februar
2004 der Lausitzer Neiße. Seitdem sind bis Ende
2009 ca. 275 Mio. m3 Flutungswasser in den See
eingeleitet worden. Dies entspricht einem Füll-
stand von 83 %. Die Seefläche, die nach Flu-
tungsende ca. 965 ha beträgt, hat Ende 2009 mit
einer Wasserspiegelhöhe von ca. + 180 m NN
eine Größe von fast 845 ha erreicht.
Die drei nachfolgenden Abbildungen 4.65,
4.66 und 4.67 aus den Jahren 2004 bis 2009 ver-
deutlichen das Flutungsgeschehen.
Da der Flutungsprozess die Böschungs- Abb. 4.67    Ponton mit Flutungsanlage im Sommer
standsicherheit maßgeblich beeinflusst, wer- 2009 bei einem Flutungsstand von + 179,0 m NN. (Foto:
den seit Beginn der Fremdflutung im Jahr 2002 LMBV)
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 209

Abb. 4.68   Geotechnisches Berechnungsmodell Profil SE35. (Grießl und Weber 2009)

Standsicherheitsberechnungen für die Rand- Die Berechnungen am Profil SE35 haben ge-
böschungssysteme des ehemaligen Tagebaues zeigt, dass sich unter Beachtung eines parallel
unter Beachtung der nach den Pegelmessergeb- aufgehenden Grund- und Druckwasserspiegels
nissen aktualisierten hydrogeologischen Model- ab einsetzender Flutung die Standsicherheitsver-
lierung durchgeführt. hältnisse in Richtung Bruchzustand bewegen, um
Hierbei wurde für alle relevanten geologischen sich dann nach erreichtem Minimum bis zum sta-
Profile des ehemaligen Tagebaues unter Berück- tionären Endzustand in ihrem Wert wieder deut-
sichtigung aller maßgebenden geologischen, lich zu verbessern. Nach Abschluss der Flutung
geotechnischen und geometrischen Verhältnisse bewegen sich die summarisch deterministischen
die Standsicherheit geprüft. Die Berechnungen Sicherheitskoeffizienten dauerhaft über dem ge-
erfolgen für die aufgeführten Lastfälle und er- forderten bautechnischen Sicherheitswert für den
forderlichen summarischen deterministischen Betriebszustand.
Sicherheitskoeffizienten.
In den Berechnungen wurde die fortschreiten- Böschungsverbaumaßnahmen  Ausgehend von
de Flutung durch den Ansatz verschiedener Was- den Ergebnissen der Standsicherheitsberech-
serspiegel- und Druckwasserhöhen im Tagebau- nungen wurden die einzelnen Randböschungs-
restsee sowie Sickerlinien in den Böschungssys- systeme des ehemaligen Tagebaues Berzdorf für
temen simuliert. Aus den Berechnungen wurden eine öffentliche Nutzung ausreichend standsi-
anschließend für jedes Profil entsprechende Dia- cher hergestellt. Die Abbildungen 4.70 und 4.71
gramme konstruiert, die den Sicherheitsverlauf geben dazu einen Einblick.
während der Flutung prognostizieren. Bereits während der Flutung sind die profi-
Beispielhaft für den gesamten ehemaligen lierten Böschungen verschiedenen durch Wind-
Tagebau Berzdorf zeigt Abbildung 4.68 das geo- wellen induzierten Belastungen ausgesetzt.
technische Berechnungsmodell vom Profil SE35 Um Schäden aus diesen Belastungen auf ein
mit dem kritischen Bruchkörper. Das Profil SE35 Minimum zu begrenzen, wurden die gefährdeten
befindet sich innerhalb des Randböschungssys- Uferbereiche der Randböschungssysteme mit
tems der Ostmarkscheide. Maßnahmen aus dem konstruktiven Wasserbau
Unter Berücksichtigung eines je nach Wasser- gesichert (Abb. 4.72).
spiegelhöhe anzusetzenden Druckwasserniveaus Neben der geotechnisch notwendigen Profi-
wurde der Sicherheitsverlauf während der Flu- lierung spielen für die Gewährleistung der Sta-
tung prognostiziert, wie in Abbildung 4.69 dar- bilität des gesamten Tagebaurestloches die was-
gestellt.
210 A. Vogt et al.

Abb. 4.69   Verlauf des Standsicherheitskoeffizienten für das Profil SE 35 bei parallel aufgehendem Grund- und Druck-
wasserspiegel. (Grießl und Weber 2009)

Abb. 4.70   Beispiel für eine standsichere Gestaltung der


Böschungen im Hinblick auf eine spätere öffentliche Nut- Abb. 4.71   Blick auf einen Teilbereich der fertig gestell-
zung (Rohprofilierung im Bereich Restort Deutsch-Os- ten und begrünten Stützkippe 4 im September 2009 bei
sig). (Foto: GUB/Tynior) einem Flutungsstand von + 179,75 m NN. (Foto: GUB/
Weber)

Abb. 4.72   Übersichts-


skizze mit der geotech-
nischen und wasserbau-
lichen Problemstellung
bei der Sanierung der
Randböschungssysteme
(Friedrich 2006)
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 211

Abb. 4.73   Uferverbau


in flach- und mittel-
geneigten Bereichen der
Nordwestmarkscheide.
(Foto: GUB/Friedrich)

serbauliche Sicherung der Uferbereiche und der • Gabionensicherung in Kombination mit Deck-
Erosionsschutz sowie die geordnete Entwässe- werken
rung der freien Böschungen eine zentrale Rolle • Ansaatverfahren, teilweise in Kombination
(s. Abschn. 4.4). mit Geotextilien und Erosionsschutzmatten.
Dabei orientiert sich die wasserbauliche Die oben genannten Bauweisen kamen für Bö-
Planung an den durch die bodenmechanischen schungsneigungen zwischen ca. 1:1,5 bis ca. 1:4
Standsicherheitsberechnungen vorgegebenen zum Einsatz. Standortspezifisch erfolgte entspre-
Böschungsneigungen und Geometrien, an den chend den Nutzungsanforderungen die Anlage
Windwellenparametern sowie den örtlichen Ma- von Röhrichtzonen, Weichholz- und Hartholz-
terialparametern der Böschungen. zonen.
Darüber hinaus ist die vorgesehene Nachnut- Die Abbildungen 4.73 bis 4.74 zeigen ausge-
zung der einzelnen Böschungsabschnitte von Be- wählte Bauweisen zur Ufersicherung.
deutung. In Abhängigkeit von diesen Randbedin- Ein Beispiel für die umfassende Sicherung
gungen werden zwei grundsätzliche Profilarten freier Böschungen und zukünftiger Uferbereiche
unterschieden: liefert Abbildung 4.73. Hier sind im Vordergrund
Ausgleichsprofile: Die Uferprofile streben in- die Bermen- und Entwässerungssysteme sowie
folge der Windwellenbe- die Erosionsschutzmaßnahmen der freien Bö-
lastung asymptotisch einen schungen zu erkennen. Im Hintergrund schließen
Gleichgewichtszustand an sich das Deckwerk der Ufersicherung mit teil-
und werden deshalb nicht weise bereits angelegten Weich- und Hartholz-
technisch gesichert, zonen an. Unterhalb der Holzzone wird sich die
Erosionsprofile: Die Uferprofile werden in- zukünftige Uferlinie einstellen.
folge der Windwellenbelas- Das Regelprofil in Abbildung 4.74 zeigt den
tung fortschreitend erodiert grundsätzlichen Aufbau der langfristig geplanten
und zerstört. Hier sind was- Ufersicherung im Abschnitt Westmarkscheide/
serbauliche Sicherungen Nordwestmarkscheide nach Erreichen des ange-
zwingend erforderlich. strebten Flutungswasserstandes.
Die wasserbautechnischen Ufersicherungen am Nach einer Bodenverdichtung werden auf
Tagebaurestsee Berzdorf lassen sich entspre- dem Feinplanum eine Kiessandschicht sowie ein
chend der Belastungsparameter in vier grund- Geotextil eingebaut. Auf dieser Filter- und Sta-
sätzliche Gruppen einteilen: bilisierungsschicht erfolgt die Herstellung des
• Deckwerksicherung aus Wasserbausteinen, Deckwerkes aus Wasserbausteinen LMB10/60
unverklammert und verklammert (Klasse III) auf Böschungen mit Neigungen zwi-
• Deckwerksicherung aus Wasserbausteinen in schen 1:3 und 1:4.
Kombinationsbauweise mit ingenieurbiologi- Die Anlage der Röhrichtzonen folgt der spä-
schen Maßnahmen teren Entwicklung des Wasserspiegels im Tage-
baurestsee.
212 A. Vogt et al.

• die Herstellung dauerhaft standsicherer


Böschungen
• der Rückbau der technischen Anlagen (Bag-
ger, Transportanlagen, Entwässerung)
• die Flutung des Restloches
• der Bau von Einrichtungen für die öffentliche
Folgenutzung (z. B. Sportboothafen, Strände)
• die landschaftsplanerische Einbindung.
Der spätere Berzdorfer See hat eine Seeflä-
che von ca. 965 ha, ein Wasservolumen von ca.
333 Mio. m3 und eine maximale Tiefe von 70 m.
Er wird damit einer der größten künstlichen Seen
Abb. 4.74   Beispiel für die Planung einer konstruktiven in Sachsen sein. Das Wasser für die Flutung des
Lösung Deckwerksaufbau mit Steinschüttung und geotex-
Berzdorfer Sees wird aus der Lausitzer Neiße und
tilem Filter, Böschungsneigung 1:4, im Bereich der Nord-
westmarkscheide. (Foto: GUB/Friedrich) der Pließnitz, einem Nebenfluss der Lausitzer
Neiße entnommen. Zusätzlich fließt dem Tage-
bausee Wasser aus mehreren Kleinvorflutern zu.
Wesentlich steilere Böschungsverhältnisse mit Nach umfangreichen Vorarbeiten zur Gewähr-
Neigungen zwischen 1:1,5 und 1:3 liegen im Bö- leistung der Standsicherheit des Böschungssys-
schungsbereich unterhalb der Ortslage Deutsch- tems z. B. durch Massenumlagerung, Böschungs-
Ossig vor (Abb. 4.75). Hier wurden als zusätzli- abflachung und Errichtung von Stützkippen
che Maßnahmen eine Deckwerksverklammerung sowie Rückbau vieler großtechnischer Anlagen
mit kolloidalem Mörtel und eine Fußsicherung begann die Flutung des Tagebaus aus der Pließ-
mit Gabionen gewählt. nitz im November 2002 und aus der Lausitzer
Die dargestellten Beispiele zeigen nur zwei Neiße im Februar 2004.
mögliche Sicherungsbauweisen. Entsprechend Seitdem sind bis Ende 2010 ca. 275 Mio. m3
den vielfältigen Gelände- und Nutzungssituatio- Flutungswasser in den See eingeleitet worden.
nen sind jeweils lokale Sicherungsabschnitte zu Im Dezember 2009 hat die Seefläche eine Größe
entwickeln und standortgemäß wasserbautech- von fast 845 ha und eine maximale Seetiefe von
nisch zu realisieren. ca. 65 m erreicht.
Die in regelmäßigen Abständen durchzufüh-
Zusammenfassung  Für den Zeitraum nach der renden Überprüfungen der Standsicherheit unter
Einstellung der Braunkohlenförderung im Tage- Berücksichtigung der sich verändernden hydro-
bau Berzdorf im Jahr 1997 wurde im Rahmen der geologischen Verhältnisse haben gezeigt, dass die
Abschlussbetriebsplanung ein Konzept für die Flutung bisher unter standsicheren Verhältnissen
Sanierung dieses Tagebaus erarbeitet. Schwer- durchgeführt werden konnte. Die Berechnungs-
punkte waren dabei ergebnisse werden somit in der Praxis bestätigt.
Abb. 4.75   Uferverbau
Steiluferbereiche, im Be-
reich Restortslage Deutsch-
Ossig. (Foto: GUB/Tynior)
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 213

4.8.2 RL 13– ehemaliger Tagebau


Schlabendorf Süd

Allgemeines Das Restloch 13, der zukünftige


Stiebsdorfer See, befindet sich im südwestlichen
Teil des ehemaligen Tagebaus Schlabendorf Süd,
östlich der Ortschaft Fürstlich Drehna und west-
lich der Ortslage Bergen. Die Autobahn BAB 13
Dresden – Berlin verläuft in ca. 6 km Entfernung
östlich am RL 13 vorbei (Abb. 4.78).
Mit ca. 7.950 m Strossenlänge von der Koh-
lenbahnausfahrt in der Nähe Schlabendorfs
bis zum südwestlichen Ende bei der Ortschaft
Abb. 4.76    Wassersportliche Aktivitäten mit Motor-, Bergen war der Tagebau Schlabendorf Süd der
Segel- und Drachenbooten am Erlebnistag Berzdorfer
See. (Foto: GUB/Grießl) längste Tagebau im Lausitzer Revier.
Im Jahr 1975 wurde der Tagebau aufgeschlos-
sen. Der Kohlenabbau wurde im Jahr 1976 be-
Das dargestellte Beispiel des ehemaligen gonnen. Ab 1977 erfolgte die Abraumförderung
Braunkohlentagebaues Berzdorf zeigt deutlich, mittels einer Abraumförderbrücke (AFB) vom
dass bei der Lösung komplexer geotechnisch- Typ F 34. Im Frühjahr 1978 wurde eine zweite
umwelttechnischer Probleme eine sehr enge Zu- AFB vom Typ F 34 eingesetzt. Um 171 Mio. t
sammenarbeit zwischen Auftraggeber, Behörden Kohle zu fördern, mussten 844 Mio. m3 Abraum
und Ausführungsunternehmen, aber auch mit den bewegt werden. Die durch den Tagebaubetrieb in
verschiedensten Ingenieuren und Naturwissen- Anspruch genommene Fläche beträgt 3.300 ha.
schaftlern, notwendig ist. Dem Tagebau mussten die Orte Stiebsdorf, Wan-
Die Geotechnik spielt dabei sowohl für Pla- ninchen, Gliechow, Pademagk und Presenchen
nung und Vorbereitung als auch für die Durch- weichen. Land- und forstwirtschaftliche Flä-
führung der Sanierungsarbeiten und für die spä- chen, das natürliche Vorflutsystem sowie Teile
tere Nutzung eine wesentliche Rolle. Nur durch des Schlossparks Fürstlich Drehna wurden über-
die Gewährleistung standsicherer Verhältnisse in baggert. Der natürliche Wasserhaushalt des Ta-
allen Phasen der Sanierung ist auch die vorgege- gebauumfeldes wurde durch den im Mittel um
bene Zielstellung realisierbar. 46 m abgesenkten Grundwasserspiegel erheblich
Dass der Tagebaurestsee Berzdorf von der Öf- beeinflusst.
fentlichkeit bereits während der Flutungsphase Die Stilllegung des Tagebaus Schlabendorf
große Akzeptanz findet, zeigen die steigenden Süd erfolgte im April 1991 (LMBV 2007).
Besucherzahlen zum alljährlich stattfindenden
„Erlebnistag Berzdorfer See“ (Abb. 4.76). Nutzungsziel  Das Restloch 13 wird Bestand-
An diesem Tag können die Besucher den Ta- teil des Naturparks Niederlausitzer Landrücken
gebaurestsee bereits für wassersportliche Aktivi- sein. Der Stiebsdorfer See und das umgebende
täten nutzen. Aufgrund der sich durch die schnel- Gelände sind Eigentum der Heinz-Sielmann-Sif-
le Flutung verbesserten Sicherheitsverhältnisse tung. Das Umfeld des RL 13 soll nach Abschluss
in den Böschungsbereichen kann seit 2007, zwi- der bergmännischen Sanierungstätigkeit als Bio-
schen Frühjahr und Herbst, unter Aufsicht Was- top bzw. als natürliche Sukzessionsfläche (Rena-
sersport mit Motor- und Segelbooten betrieben turierungsfläche) genutzt werden.
werden. Der Stiebsdorfer See und seine Uferbereiche
Abschließend zeigt Abbildung 4.77 eine Pa- sollen ein ungestörtes Rückzugsgebiet für viele,
noramaaufnahme des Berzdorfer Sees im Jahr auch geschützte und seltene Pflanzen- und Tier-
2009. arten, insbesondere Vögel, wie z. B. Schwarz-
214 A. Vogt et al.

Abb. 4.77   Gesamtansicht


des Berzdorfer Sees im
September 2009. (Foto:
GUB/Weber)

Abb. 4.78   Ehemaliger Tagebau Schlabendorf Süd mit RL 13

storch, Kranich, Ortolan (Gartenammer), Einzigartigkeit der entstehenden Naturlandschaft


Schwarzkehlchen oder Rauhfußkauz bilden. Der erlebbar werden (LMBV 2007).
entstehende hochwertige und abwechslungsrei- Eine besondere Herausforderung war und ist
che Lebensraum wird aus Wasserflächen, Baum- es, die bergmännischen Sanierungsarbeiten mit
und Strauchbewuchs, an trockenen Standorten den Interessen des Naturschutzes in Einklang
aus Magerrasenflächen sowie Kraut- und Halb- zu bringen, da die nicht standsicheren, setzungs-
strauchpflanzen bestehen. fließgefährdeten Uferböschungen bereits jetzt
Als zentraler Punkt für einen naturnahen, die als Lebensraum für z. T. gefährdete Flora und
Umwelt schonenden Tourismus wird das nörd- Fauna fungieren. Insbesondere zu Beginn der Sa-
lich des RL 13 in Wanninchen liegende Besu- nierungsarbeiten war seitens der Öffentlichkeit
cherzentrum des Naturparks dienen. Durch ein nicht immer Zustimmung für die aus geotech-
weit verzweigtes und gut ausgebautes Wander- nischer Sicht erforderlichen Sanierungsarbeiten
und Radwegenetz werden die Schönheit und und den damit verbundenen Eingriff in die Natur
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 215

Abb. 4.79   Prinzipschnitt durch die südliche Kippenböschung des RL 13

der Bergbaufolgelandschaft gegeben. Infolge der Sicherungsarbeiten wurde die Wasserhaltung


eingetretener Rutschungs- und Grundbruchereig- nach Bedarf unterbrochen bzw. diskontinuierlich
nisse ist mittlerweile das allgemeine Verständnis weiter betrieben.
für die Notwendigkeit der Sanierungsarbeiten ge- Der prognostizierte maximale Endwasser-
wachsen. stand wird + 72,8 m NHN betragen. Es ist mit
Seitens des Projektträgers der Bergbausanie- einer Schwankung des Wasserspiegels um ca.
rung, der LMBV mbH, wurde stets versucht, die 0,3 m zwischen + 72,5 m NHN und + 72,8 m
Interessen und Belange des Naturschutzes bei der NHN zu rechnen.
Durchführung der Sicherungsarbeiten zu berück- Durch die Herstellung einer Vorflutanbindung
sichtigen. So ist vorgesehen, die Uferbereiche an den reaktivierten Lorenzgraben, ein während
des zukünftigen Stiebsdorfer Sees bei der noch des Tagebaubetriebes überbaggertes Fließgewäs-
ausstehenden Ufergestaltung möglichst naturnah ser, wird das RL 13 an den innerhalb der Innen-
mit einem geschwungenen Verlauf der Uferlinie kippe Schlabendorf Süd wieder entstehenden Ge-
auszuführen. wässerverbund angeschlossen.
Bislang durchgeführte Sanierungsarbeiten
Durchgeführte Maßnahmen zur dynamischen am RL 13 Im Zeitraum 09/1996 bis 08/1997
Kippenstabilisierung wurde zur Ufersicherung der Kippenböschungen
Geotechnische Situation am RL 13  Die ein ca. 82 m bis 115 m breiter und etwa 2 km
Kippe des RL 13 besteht überwiegend aus nicht langer Sprengverdichtungsstützkörper zwischen
bindigen (Feinkornanteil kleiner 5  %) bzw. dem gewachsenen Liegenden und dem Niveau
schwach bindigen (der Feinkornanteil liegt + 63 m NHN (damaliger Grundwasserstand in
zwischen 5 % und 15 %) enggestuften Seeser der Kippe) hergestellt.
Sanden. Das aus einem (10…15) m mächtigen Daran anschließend erfolgte in den Jahren
bindigen Ton- und Schluffkomplex bestehende 1998 und 1999 die Komplettierung des Stützkör-
gewachsene Liegende befindet sich etwa im pers oberhalb des sprengverdichteten Bereiches
Höhenniveau + (49…52) m NHN. mittels Rütteldruckverdichtung auf etwa 80 m
Die Kippenmächtigkeit liegt im Durchschnitt Breite. Unter Berücksichtigung des sich nach
zwischen 30 m und 38 m. dem vollständigen Grundwasserwiederanstieg
Im locker gelagerten, wassergesättigten Zu- einstellenden Seewasserstandes von + 72,8 m
stand sind die Seeser Sande als akut zur Verflüs- NHN, der Geländehöhen von + (78…85) m NHN
sigung neigend und an restseenahen Böschungen und einer aus Standsicherheitsgründen herzustel-
als setzungsfließgefährdet einzustufen. lenden Verzahnung des RDV-Stützkörpers mit
Bis zum Beginn der Sanierungsarbeiten dem SPV-Stützkörper von mindestens 3 m (ca.
(Sprengverdichtung im September 1996) wurde bis + 60 m NHN) ergaben sich Rütteltiefen zwi-
eine offene Wasserhaltung betrieben, um den schen (18…25) m (Abb. 4.79).
Wasserstand im Restloch unterhalb des Höhen- Im Anschluss an die Komplettierung des
niveaus von + 62,0 m NHN zu halten. Mit Beginn Stützkörpers wurde mit der hydromechanischen
216 A. Vogt et al.

Abflachung der im Südosten des RL 13 lie-


genden Kippenböschungen begonnen. Ziel der
Böschungsgestaltungsmaßnahmen war, die im
Bereich des Stützkörpers und im ungesicherten
Vorland liegenden sandigen Lockergesteine ins
Restloch abzuspülen und gleichzeitig die Uferbö-
schung im Bereich des Stützkörpers profilgerecht
zu gestalten.
Infolge einer am 06.10.1998 im Rahmen der
hydromechanischen Abflachungsarbeiten an der
Südostböschung des Restloches 13 gegangenen
Rutschung wurden die Sanierungsarbeiten zeit-
Abb. 4.80   Blick auf eine sich durch frei auslaufendes
weilig unterbrochen und erst im Jahr 1999 wei-
Spülwasser ausgebildete Spülrinne. (Foto: BIUG)
tergeführt. Aufgrund des u. a. mit den geringen
Neigungen der Spülkegel verbundenen geringen
Baufortschritts wurde die hydromechanische Nach Beendigung der RDV-Arbeiten ist die
Abflachung im Dezember 1999 vorläufig einge- Endgestaltung der Uferböschungen vorzuneh-
stellt. men. Anschließend ist der qualitative und quan-
Da im Vorland der Stützkörper immer noch titative Verdichtungsnachweis als Grundlage für
Geländehöhen deutlich oberhalb des Endwasser- die Erarbeitung der Haupt- und Abschlussgut-
standes vorhanden waren, wurden zur sicheren achten zu erbringen.
Durchführung der Ufergestaltungsmaßnahmen Besonderheit bei der hydromechanischen
zusätzliche Verdichtungsarbeiten zur Vorfeldsta- Abflachung am RL 13 Mit dem Abtrag der im
bilisierung notwendig. Vorland der Stützkörper befindlichen ungesicher-
Aufgrund der Nähe des RL 13 zum rekonstru- ten Lockergesteinsmassen (Überhöhen) durch
ierten Schloss Fürstlich Drehna wurde von wei- Abspülen ins Restloch und dem Herstellen der
teren Sprengverdichtungsarbeiten zur Vorfeldsta- Uferböschungen erfolgte die Realisierung der
bilisierung Abstand genommen. 3. Phase des Sanierungskonzeptes.
Die Herstellung eines im Vorland der Alt- Das Grundprinzip der hydromechanischen
stützkörper liegenden versteckten RDV-Dammes Abflachung sah vor, aus dem Restsee entnom-
wurde favorisiert. Zum Teil liegt dieser Neustütz- menes Wasser an der zu gestaltenden Kippenbö-
körper unmittelbar am Altstützkörper an, z. T. schung an einer geeigneten, ca. (50…80) m vom
entsteht ein gegliederter Damm, wo zwischen Ufer entfernten Stelle frei auslaufen zu lassen.
Alt- und Neustützkörper ein unverdichteter Kip- In der Folge bildete sich eine Spülrinne, zu der
penbereich verbleibt. Raupen die seitlich der Spülrinne gelagerten un-
Mitte 2005 wurde mit der Verdichtung der gesicherten Lockergesteinsmassen zuschoben
Neustützkörper begonnen. Der im Südosten des (Abb. 4.80). Im wassergefüllten Restloch kam es
RL 13 herzustellende Rütteldruckverdichtungs- zur Sedimentation der abgespülten Lockergestei-
körper wurde im Herbst 2005 fertig gestellt. ne und zum Aufbau eines Spülkegels.
Bei den Verdichtungsarbeiten im nordwest- Am 06.10.1998 kam es während dieser Arbei-
lichen Teil des RL 13 kam es im Oktober 2005 ten zu einer großflächigen Rutschung.
zu einer Setzungsfließrutschung. Die Auswirkun- Im Ergebnis des Ereignisses erfolgten geo-
gen dieser Rutschung (u. a. veränderter Uferbö- technische Untersuchungen zur detaillierten
schungsverlauf) machten eine Überarbeitung der Erkundung des Sickerwasserstromes im Spül-
bestehenden Sanierungskonzeption erforderlich. rinnenbereich (u. a. mittels Rammsondierungen
Im November 2007 wurden die Rütteldruck- während und nach dem Spülprozess).
verdichtungsarbeiten im Norden des RL 13 wie-
der aufgenommen und im Jahr 2008 beendet.
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 217

Abb. 4.81   Prinzipskiz- 6SOULQQH


0DVVHQ]XIXKU
ze zur Ausbildung eines *HOlQGHREHUIOlFKH GXUFK5DXSHQ
6DQG6SOZDVVHU
Sickerwasserstromes unter *HPLVFK 6SOVWURP
einer Spülrinne DE]XWUDJHQGH/RFNHU
JHVWHLQVPDVVHQ
G\QDPLVFKHU
,QLWLDOHLQWUDJ

GXUFK6LFNHUZDVVHUGHV HUGIHXFKWHORFNHU
6SOVWURPVVWDUNDXIJHVlWWLJWHU JHODJHUWH6DQGH
6DQG MHW]W]XU9HUIOVVLJXQJ
QHLJHQG

ZDVVHUJHVlWWLJWHORFNHUJHODJHUWH
6DQGH

Es wurde festgestellt: ergebende Einfluss auf die Standsicherheit der


• Durch die Spülwassereinleitung bildete sich Böschung und der in sie integrierten Spülrinne
unterhalb der Spülrinne ein kontinuierlicher selbst ist gering.
Sickerwasserstrom aus (Versickerungsge- Anders verhält es sich, wenn der wassergesät-
schwindigkeit vs ≈ 4 · 10−4 m/s). tigte Spülrinnenuntergrund durch Erdbaugeräte
• Etwa 1/8 der in die Spülrinne eingeleiteten (z. B. Planierraupen) dynamisch angeregt wird.
Spülwassermenge versickert in den locker Dann kann es zur Verflüssigung und zum Weg-
gelagerten Untergrund, ehe es zur Spülke- fließen von Teilen der Spülrinne kommen.
gelausbildung im freien Seewasser beitragen Aus diesen Ergebnissen ergaben sich für die
kann. Weiterführung der hydromechanischen Abfla-
• Durch den entstehenden Sickerwasserstrom chung am RL 13 folgende Festlegungen:
sättigten sich die vor Beginn der Abspül- • Der Einsatz der der Spülrinne Sandmassen
maßnahmen erdfeuchten Sande unterhalb der zuschiebenden Raupen ist nur noch im Hinter-
Spülrinne bis zum Grundwasserspiegel auf land (nicht seitlich im Bereich des sich ausbil-
(Abb. 4.81). Dieser Vorgang ist mit einer deut- denden Sickerwasserstromes) der Spülrinne
lichen Erhöhung der Verflüssigungsgefahr zulässig.
verbunden. • Durch zyklische Fahrweise (Abstellen des
Solange die hydromechanische Abflachung ohne Wasserzuflusses in die Spülrinne) ist eine
den Einsatz von Raupen betrieben wird, stellt die periodische Entwässerung des aufgesättigten,
Methode des Verspülens ein sicheres Sanierungs- ursprünglich erdfeuchten Lockergesteines zu
verfahren dar, mit dessen Hilfe später zur Ver- gewährleisten, um den Ein- und Verspülpro-
flüssigung neigende Sande in den See verbracht zess störungsfrei realisieren zu können.
werden und ein abgeflachtes Ufer entsteht.
Durch den Sickerwasserstrom entsteht ein
auf die Lockergesteinspartikel wirkender spe- 4.8.3  Das Speichersystem LOHSA II
zifischer Strömungsdruck. Aufgrund der star-
ken Durchlässigkeit der am RL 13 anstehenden Nutzungsziele Das Speichersystem LOHSA II
Sande ( kf  = 4 · 10−4 m/s) und der Schwerkraftwir- mit den drei Speicherbecken (SB) Lohsa II, Drei-
kung kann ein Strömungsvorgang angenommen weibern und Burghammer ist eines der großen
werden. Der sich aus der Sickerwasserströmung Wasserspeicherbauvorhaben in den neuen Bun-
und daraus folgenden Strömungsdichte allein
218 A. Vogt et al.

Abb. 4.82   Eingliederung des Speichersystems LOHSA II im wasserwirtschaftlichen Planungskonzept Ostsachsen/


Brandenburg. (Luckner et al. 1997)

Tab. 4.9   Ausgewählte Daten der Tagebaurestseen im Speichersystem LOHSA II


ehemaliger Tagebaurestsee Nutzungsziele Wasserfläche Volumena Staulamelle
Tagebau ca. [km2] ca. [Mio. m3] [m NN]
Dreiweibern SB Dreiweibern S, F, B 2,86 35,0/5,6 116,0…118,0
Lohsa II SB Lohsa II S 10,81 97,3/60,6 109,5…116,4
Burghammer Bernsteinsee S, L, B 4,45 36,0/6,0 107,5…109,0
SB Speicherbecken, S Speicher, F Fischerei, L Landschaftssee, B Badesee
a Seevolumen/nutzbares Speichervolumen (Staulamelle)

desländern. Es stellt das Kernelement des ost- Funktionsweise des Speichersystems LOHSA
sächsischen Seenverbundes dar (Abb. 4.82). Die II  Die Speicherbecken Dreiweibern, Lohsa II
Hauptaufgabe des Speichersystems besteht in der und Burghammer sind durch wasserbauliche
Niedrigwasseraufhöhung der Spree zur Rehabi- Anlagen sowohl mit den Vorflutern (Spree und
litierung des durch den jahrzehntelangen Braun- Kleine Spree) als auch untereinander verbunden.
kohlenbergbau beeinflussten Wasserhaushaltes Aus Tabelle 4.9 ist ersichtlich, dass die ein-
der Lausitz sowohl in quantitativer als auch in zelnen Seen unterschiedliche Stauniveaus besit-
qualitativer Hinsicht. zen. Diese begründen sich aus der allgemeinen,
Mit einem voraussichtlichen nutzbaren Spei- bergbaulich und durch den Sanierungsbergbau
chervolumen von ca. 61 Mio. m3 bildet das SB überprägten hydrogeologischen Situation und
Lohsa II das Hauptelement des Speichersystems der annähernd Süd-Nord ausgerichteten Grund-
LOHSA II (Tab. 4.9). wasserströmung. Das am höchsten gelegene SB
Dreiweibern kann über einen Zuleiter von der
Kleinen Spree mit bis zu Q = 3 m3/s gespeist wer-
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 219

den. Vom SB Dreiweibern ist über einen Über- in die Staulamelle hinein ansteigende Kippe an
leiter eine gesteuerte Ableitung zum SB Lohsa II der gewachsenen Böschung anliegt, erfolgte
mit bis zu Q = 3 m3/s möglich. eine Kippensicherung mittels SPV (sowohl als
Für die Flutung des SB Lohsa II ist jedoch Tiefenverdichtung als auch als Auflegerspren-
hauptsächlich der Einleiter von der Spree vorge- gungen), Fallgewichtsverdichtung und Leichter
sehen, der eine Zuleitung von bis zu Q = 15 m3/s Rütteldruckverdichtung.
ermöglicht. Zur bedarfsgerechten Ableitung aus Im äußersten Nordosten bestand durch die
dem SB Lohsa II dient der Überleiter Lohsa II Kohlenbahnausfahrt eine offene Verbindung zum
– Burghammer. Dieser ca. 1,5 km lange Tunnel ehem. Tagebau Lohsa, die nach Einstellung der
wurde 1996/1997 im unterirdischen Rohrvor- Kohlenförderung durch einen Trenndamm aus
trieb im gewachsenen „Damm“ zwischen den SB Aschen des Kraftwerkes Boxberg geschlossen
Lohsa II und Burghammer hergestellt und ver- wurde.
fügt bei einem Innendurchmesser von 3,0 m über Der ehemalige Tagebau Lohsa Der ehe-
eine maximale Kapazität von Q = 10 m3/s. In den malige Tagebau Lohsa bestand aus fünf Bau-
Überleiter wird eine Wasserbehandlungsanlage feldern. Südlich der Ortschaft Lohsa liegen die
integriert werden, welche die Steuerung und Ver- Baufelder I und II. Mit den mit einem Kanal ver-
besserung der Qualität des zum SB Burghammer bundenen Tagebauseen Mortka und Friedersdorf
weitergeleiteten Wassers ermöglicht. („Silbersee“) bilden diese das Speichersystem
Das im Speichersystem LOHSA II am tiefs- LOHSA I.
ten liegende SB Burghammer verfügt neben der Das SB Lohsa II nimmt einen großen Teil
Überleitung aus dem SB Lohsa II über einen der Baufelder III bis V des ehemaligen Tage-
zweiten Einleiter, der aus der Kleinen Spree bis baus Lohsa ein. Der Kohlenabbau erfolgte hier
Q = 2  m3/s heranführt. im Zeitraum 1950 bis 1984. In den Jahren 1959
Letztendlich erfolgt die Ausleitung aus dem und 1960 gingen zwei Abraumförderbrücken
SB Burghammer und damit aus dem Speicher- F34 in Betrieb (Lodig 1994). Während und nach
system LOHSA II über den Ableiter Burgham- der Betriebszeit wurden auch Vorschnittmassen
mer mit bis zu Q = 7 m3/s in die Kleine Spree, die aus den benachbarten Tagebauen Bärwalde und
bei Spreewitz in die Spree einmündet. Scheibe mit verkippt. Sie bilden die „Außenkip-
Über die Spree und die Kleine Spree ist das pe Bärwalde“, im Osten des ehemaligen Tage-
Speichersystem LOHSA II mit den umliegen- baus Lohsa (im Baufeldes IV), und die Hochkip-
den Tagebauseen verbunden und ist damit Teil pe bzw. „Außenkippe Scheibe“, im Nordwesten
des wasserwirtschaftlichen Gesamtsystems der (Baufeld V).
Oberflächengewässer in der Lausitzer Bergbau- Der ehemalige Tagebau Burghammer
folgelandschaft. Nordwestlich an das SB Lohsa II schließt der
ehemalige Tagebau Burghammer an. Aufschluss
Die Tagebaue des Speichersystems LOHSA II und Abbau fanden hier von 1959 bis 1973 statt.
Der ehemalige Tagebau Dreiweibern  Nörd- Die Tagebau- und Kippenentwicklung erfolgte
lich der Ortslage Lohsa befindet sich das Tage- im Brücken- und Absetzerbetrieb. Im Zeitraum
baurestloch bzw. Speicherbecken Dreiweibern. von 1974 bis 1997 wurde das RL Burghammer
Bei dem Abbau des Restkohlenfeldes Dreiwei- als industrielle Absetzanlage für Aschetrüben
bern im Zeitraum 1981 bis 1989 wurde erstmals aus dem Kraftwerk Schwarze Pumpe genutzt.
in der Lausitz die Direktversturztechnologie ein- Die Spülkegel dienten u. a. auch zur Sicherung
gesetzt (s. Abschn. 2.2) (Lodig 1994). Bereits im der gewachsenen Endböschung. Außerdem wur-
Tagebaubetrieb wurde die geplante Nachnutzung den wiederholt in geringeren Mengen Eisenhy-
als Wasserspeicher und Erholungssee berück- droxidschlämme (bis ins Jahr 2000) und Sande
sichtigt. Daher liegt die Innenkippe nahezu voll- (1996/97) eingespült. Zur Sicherung der Kip-
ständig unterhalb des Minimalstauniveaus. In penböschung wurden im Zeitraum von 1996 bis
Bereichen der Süd- bis Westböschung, wo die 2002 in mehreren Phasen „versteckte Dämme“
220 A. Vogt et al.

(s.  
u.) mittels Sprengverdichtung (SPV) und Charakteristiken der geotechnischen Situa-
Rütteldruckverdichtung (RDV) hergestellt. Wäh- tion des Sanierungsgebietes Die Kippenent-
rend der SPV-Arbeiten im nordöstlichen Kippen- wicklung der Tagebaue des Speichersystems
bereich ereignete sich im September 1996 eine LOHSA II erfolgte im Abraumförderbrücken-
Setzungsfließrutschung mit ca. 500 m Breite und betrieb und/oder durch Direktversturz, z. T. mit
einer Rückgriffweite von ca. 750 m (Rutschungs- nachfolgend darüber angelegter Absetzerkippe.
volumen ca. 4 Mio. m3). Als ein rutschungsbe- Entsprechend dem als Deckgebirge abgetra-
günstigender Faktor wurden erhöhte hydrauli- genen Material (vorwiegend Untere und Obere
sche Gradienten ermittelt, die sich infolge von Talsande des Lausitzer Urstromtales) kamen
zeitgleich stattgefundenen Spül- und Versatz- vorwiegend Fein- bis Mittelsande mit Feinkorn-
arbeiten an (in den gewachsenen Randbereichen anteilen (FKA) von < 10 % zum Versturz. Diese
liegenden) Schächten und Strecken ausgebildet sind entsprechend ihrer granulometrischen Zu-
hatten. sammensetzung bei vollständiger Wassersätti-
gung größtenteils als zur Verflüssigung neigend
Die physische Gliederung des SB Lohsa II einzustufen. Infolge des großräumig wieder
als Besonderheit  Während die Speicherbecken ansteigenden Grundwasserspiegels und der
Dreiweibern und Burghammer aus jeweils nur gleichzeitigen (saisonalen) Flutung der Tage-
einer größeren Hohlform bestehen, wird das SB baurestlöcher werden die erdfeucht verstürzten
Lohsa II aus fünf Teilrestseen unterschiedlicher Kippensande zunehmend aufgesättigt. Hieraus
Flächengröße und Tiefe gebildet, die allerdings resultierte das Erfordernis, die spätere Nutzung
seit dem Anstieg des Seewasserspiegels auf der Tagebaurestseen als Speicherbecken durch
> + 107,5 m NN eine gemeinsame Wasserflä- die Sanierung aller die späteren Ufer des Was-
che bilden (Abb. 4.84). Die einzelnen Tieflagen serspeichers bildenden Kippenböschungen geo-
grenzen jeweils an gewachsene Tagebaurand- technisch abzusichern. Beispielsweise beträgt
böschungen an und werden durch Innenkippen- die Länge der am SB Lohsa II sanierten Kippen-
massen voneinander getrennt, die im Zentrum böschungen ca. 11 km bei Kippenmächtigkeiten
des ehem. Tagebaus Höhen bis ca. + 130 m NN von ca. (35–50) m.
erreichen und somit deutlich über das vorgese-
hene Maximalstauniveau von +  116,4 m NN Sicherung der Tagebauböschungen
hinausragen. Da eine vollständige Einebnung Technologien und Phasen der Sanierung
oder eine vollständige geotechnische Siche- an den Kippenböschungen  Ein häufig ange-
rung der Innenkippe nach der Einstellung des wendetes Grundprinzip der Kippensanierung ist
Tagebaubetriebes nicht möglich waren, wurden die Herstellung von Stützkörpern, so genannter
Schutzgräben angelegt, die den Zentralteil der „versteckter Dämme“, durch das Verdichten der
ungesicherten Innenkippe von den gewachsenen vorwiegend locker gelagerten Kippensande bis in
bzw. geotechnisch gesicherten Uferbereichen größere Tiefen, zumeist bis zum Kippenliegen-
trennen. Die Sohle der Schutzgräben befindet den. Das Ziel ist, in ausgewählten Kippenberei-
sich bei ca.+ 107,5 m NN, so dass, entsprechend chen die Lagerungsdichte des Kippenmaterials
behördlichen Forderungen, auch bei Minimal- so weit zu erhöhen, dass Verflüssigungen ausge-
stau eine Wassertiefe von 2 m gewährleistet ist. schlossen werden können. Derartige Stützkörper
Damit erfüllen die Schutzgräben zum einen eine sind bei qualitätsgerechter Herstellung nachweis-
physische Trenn- und Schutzfunktion (s. u.), zum lich in der Lage, ein Setzungsfließen der im Hin-
anderen gewährleisten sie gleichzeitig den Was- terland an die Stützkörper angrenzenden, nicht
seraustausch zwischen den fünf Tieflagen des SB verdichteten Kippenbereiche völlig auszuschlie-
Lohsa II und damit die ungehinderte Fließverbin- ßen und im Stützkörper-Vorland u. U. eintretende
dung zwischen den Einleitern und dem Ableiter Setzungsfließereignisse in ihrem Rückgriff zu
des Speichers. begrenzen.
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 221

Abb. 4.83   Schematische Darstellung der Böschungssanierung im ehemaligen Tagebau Lohsa


(Speicherbecken Lohsa II)

An den Kippenböschungen des SB Lohsa II sichere Gestaltung der Böschungen bis 2,0 m
wurden die Stützkörper größtenteils vollständig unter das Minimalstauniveau ( + 109,5 m NN)
zwischen der ehemaligen Tagebausohle (Kip- reichen muss. Aus all diesen Randbedingungen
penliegendes) und der Geländeoberfläche her- resultieren letztlich (infolge der großen Staula-
gestellt. Lokal ergaben sich so Verdichtungs- melle von 6,9 m im SB Lohsa II) erforderliche
tiefen von ca. 50 m. Die notwendige Breite der Stützkörperbreiten von ca. 160 m.
Stützkörper wird zum einen durch die durch sie Bei der Böschungssicherung wurden und wer-
zu erfüllende Stützfunktion bestimmt. Zum an- den in Lohsa II hauptsächlich folgende Techno-
deren ergibt sie sich aus dem Erfordernis der logien eingesetzt:
Gestaltung einer im späteren Uferbereich hydro- • Sprengverdichtung (SPV):
mechanisch widerstandsfähigen und daher relativ − Stützkörperherstellung
flach geneigten Böschung (LMBV 2001). Hierzu − gezielte Rutschungsauslösung
wurden in aufwendigen hydromechanischen und − dynamische Probebelastung
geotechnischen Versuchen (u. a. Großversuch in • Rütteldruckverdichtung (RDV):
einem Wellenkanal) und Berechnungen (Wind- − Stützkörperherstellung
und Wellendaten, Entwicklung des Porenwas- • Böschungsprofilierung:
serdruckes usw.) hydromechanische Ausgleichs- − hydraulisch (Spülen) und erdbautechnisch
profile ermittelt. Für Lohsa II ergeben sich je − Herstellen der erforderlichen Böschungs-
nach Exposition der Böschungen erforderliche neigungen
Ausgleichsneigungen zwischen 1:15 und 1:20 − in verschiedenen Phasen als Vor- und Fein-
(Abb. 4.83). Ebenfalls zu berücksichtigen war und profilierung
ist die bergamtliche Forderung, dass die (tritt-)
222 A. Vogt et al.

• Oberflächenverdichtung mittels Vibrations- an der Außenkippe Scheibe, der aufgrund der im


walze (VWV): Hinterland anschließenden Hochkippe aus Platz-
− Herstellung der „Trittsicherheit“ einer defi- gründen nicht auf das erforderliche Ausgleichs-
nierten Oberflächenschicht profil abgeflacht werden konnte und daher eines
• Leichte Rütteldruckverdichtung (LRV): Windwellenschutzes bedurfte.
− oberflächennahe Verdichtung (bis ca. Hydromechanische Selbstgestaltung der
8 m Mächtigkeit) mittels Rüttelflaschen gewachsenen Böschung Mit dem Ende des ak-
durch ein amphibisches Trägergerät tiven Bergbaus im Tagebau Lohsa war keine vor-
− Einsatz vorwiegend in Flachwasserberei- bereitende Gestaltung der gewachsenen Rand-
chen (bis ca. 4 m Tiefe) und an exponierten böschungen für die spätere Nutzung als Wasser-
Stellen. speicher erfolgt. Daher ist im SB Lohsa II, ins-
Die Anwendung der einzelnen Technologien er- besondere infolge der großen Staulamelle von
folgte in Sanierungsphasen (Abb. 4.83), ange- 6,9 m Höhe, mit einer langfristig anhaltenden,
passt an den Anstieg des Restloch- und Grund- natürlichen hydromechanischen Abflachung der
wasserspiegels. gewachsenen Böschungen durch Erosion und
Die ersten Sanierungsschritte wurden zwangs- Windwellenwirkung zu rechnen. Diese Selbst-
läufig auf noch vollkommen unverdichteter, set- gestaltung wurde im Sanierungsrahmenplan für
zungsfließgefährdeter Kippe durchgeführt, so den Wasserspeicher Lohsa II (RP OL-NS 1997)
dass wegen des möglichen Auslösens von Set- insofern berücksichtigt, als dass ein Sicherheits-
zungsfließrutschungen während der Sanierungs- streifen festgelegt wurde, der eine natürliche Ab-
arbeiten ein besonders hoher geotechnischer flachung der gewachsenen Böschung auf eine
Sicherheitsstandard erforderlich war. Die an- Neigung von 1:20 einräumt. Dieser Sicherheits-
gewendeten Grundlagen für die Konzeption der streifen wurde im Risswerk mit einer Sicher-
Sanierungsarbeiten beruhten in erster Linie auf heitslinie eingegrenzt und es wurde festgelegt,
den vom Bundesministerium für Bildung und hier „Nutzungen auszuschließen“. Arbeiten im
Forschung geförderten und vom Projektträger Rahmen der Sanierung, der Gefahrenabwehr und
der Braunkohlesanierung co-finanzierten, unter der vorbereitenden Böschungsbereinigung (z. B.
wissenschaftlicher Leitung von Förster und Gu- Holzung) sind innerhalb des Sicherheitsstreifens
dehus durchgeführten Forschungen zur Proble- statthaft, erfordern aber jeweils eine geotechni-
matik des Setzungsfließens, die in (LMBV 1998) sche Bewertung und Freigabe durch den zustän-
zusammengefasst sind. digen Sachverständigen für Geotechnik.
Sicherung von Böschungen durch Verbau In
ausgewählten Bereichen sowohl des SB Lohsa II Die Inselproblematik und das Schutzgraben-
als auch der SB Dreiweibern und Burghammer konzept  Nach Beendigung des aktiven Berg-
erfolgte die Böschungssicherung mittels Linien- baus war ein Großteil des Tagebaugeländes des
verbau (Gabionen) oder mittels Flächenverbau jetzigen SB Lohsa II, insbesondere der Kippen,
(definiert aufgebaute Steinschüttung). Im Unter- zur Nutzung als militärisches Übungsgelände
schied zu den SB Dreiweibern und Burghammer, vorgesehen, für das keine Notwendigkeit von
wo diese Arten der Böschungssicherung – wie Gestaltungs- und Sicherungsmaßnahmen im
meist üblich – nur an gewachsenen Böschungen Interesse der öffentlichen Sicherheit bestand.
erfolgten, war im SB Lohsa II der Flächenver- Dem entsprechend hatte in der Endphase des
bau z. T. auch in verdichteten Kippenbereichen Bergbaus auch keine Vorbereitung des Tagebaus
erforderlich. Zum einen betrifft dies den Bereich für eine öffentliche Nachnutzung stattgefunden.
des Einleiters von der Spree, wo aufgrund der Die militärische Nutzung dieses Standortes ent-
Flutungsmengen bis Q = 15 m3/s hohe hydrody- fiel jedoch mit der politischen Wende und der
namische Belastungen der Böschungen auftre- Wiedervereinigung 1989/1990. Damit bestand
ten, die einen Verbau erforderlich machten. Zum nun die Aufgabe einer zusätzlichen Gestaltung
anderen betroffen ist ein 700 m langer Abschnitt
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 223

und Sanierung des ehemaligen Tagebaues ent- schen Sicherheit erforderlichen Mindestflurab-
sprechend dem Nutzungskonzept als Wasserspei- stand von 6 m einzuhalten.
cher. Dennoch kam es bei der Schutzgrabenbagge-
Generell sind alle unverdichteten Kippen- rung am Schutzgraben (SG) Nord am 01.11.1995
bereiche im Sanierungsgebiet, also auch die In- zu einem Geländebruch von 500 m Länge, mit
nenkippe, als zu Verflüssigungen neigend einzu- Rückgriffen bis ca. 65 m ins Hinterland der bis
stufen, wenn die entsprechenden hydraulischen 21 m hohen Böschung. Im Bereich der Arbeits-
und geotechnischen Randbedingungen gegeben ebene traten Hebungen bis ca. 6 m auf. Dabei
sind. Grundanliegen und Sanierungszielstellung wurden der eingesetzte Schaufelradbagger, der
war es daher, alle gefährdeten Gebiete entweder Bandwagen und der Gurtbandförderer um ca.
durch geeignete geotechnische Maßnahmen zu 2 m angehoben. Nach geotechnischer Rückrech-
stabilisieren oder gegen ein Betreten und Befah- nung und Auswertung des Ereignisses erfolgte
ren zu sperren. eine Rampen- und Entlastungsbaggerung auf hö-
Zum Erreichen dieser Zielstellung standen herem Geländeniveau (bis ca. + 113 m NN) und
mehrere Sanierungsvarianten zur Diskussion, anschließend, ohne weitere außerplanmäßige
die zum einen den Abtrag der Innenkippe auf ein Ereignisse, die Weiterführung der Schutzgraben-
Höhenniveau unterhalb des Minimalstauniveaus profilierung bis auf + 107,5 m NN.
und zum anderen unterschiedliche Schutzgraben- Nach der Anhebung der Untergrenze der Stau-
lösungen vorsahen. Gleichzeitig wurden mehrere lamelle von + 108,0 m NN auf + 109,5 m NN er-
Varianten zur Lage und Mächtigkeit der Staula- folgte auf Basis hydrologischer und ökologischer
melle bewertet. Untersuchungen, eine Anpassung der Ober-
Die Entscheidung erfolgte zugunsten einer grenze der Staulamelle von + 118,0 m NN auf
Schutzgrabenlösung, wobei die Nutzung des + 116,4 m NN.
Wasserspeichers in Übereinstimmung mit dem Die letztendlich für das SB Lohsa II festge-
Landratsamt Hoyerswerda und dem Bergamt legte Sanierungsvariante ist folgendermaßen ge-
Hoyerswerda folgendermaßen definiert wurde kennzeichnet:
(Schoewe 1995): • Staulamelle: + (109,5–116,4) m NN
„Der Speicher dient allein wasserwirtschaft- (Δhw = 6,9  m)
lichen Zwecken. Eine touristische Nutzung ist • Beibehaltung der Randschläuche und Herstel-
nicht vorgesehen, so daß auf eine Sicherung lung von Schutzgräben mit einem Sohlniveau
der Inselbereiche verzichtet wird. Ein direkter von + 107,5 m NN (Wasserüberdeckung stets
Zugang zur Insel wird durch die Anlegung von > 2,0 m) und einer Breite von ≥ 200 m
Schutzgräben unterbunden. Auf die verbleiben- • Böschungsgestaltung in den Stützkörperberei-
den Gefährdungen, die von der Insel ausgehen chen mit Neigungen zwischen 1:15 und 1:20
werden, ist sichtbar und dauerhaft hinzuweisen, (in Abhängigkeit der Lage der Böschung zur
wobei das Prinzip des Vertrauens darauf, daß Hauptwindrichtung) zwischen + 107,5 m NN
die Hinweise und Verbote respektiert werden, und + 118,0 m NN
Grundlage der Gesamtlösung ist.“ • trittsichere Gestaltung aller zu Fuß erreich-
Zunächst wurde eine Schutzgrabenvariante baren Kippenbereiche bis 2,0 m Wassertiefe
mit einer Staulamelle von + (108,0–118,0) m NN bzw. innerhalb der Grenzen von + (107,5–
(„Maximalvariante“) gewählt. Die Untergrenze 118,0) m NN.
der Staulamelle wurde jedoch auf + 109,5 m NN Primär wurde den Schutzgräben (und den Rand-
angehoben. Ausschlaggebend hierfür war der gräben gleichermaßen) die Funktion zugeordnet,
nach der Einstellung der bergbaulichen Wasser- ein Betreten der ungesicherten Inselbereiche zu
haltung rasche Wiederanstieg des Grundwasser- verhindern (s. o. stehende Nutzungsdefinition).
spiegels von ca. 1,2 m/a und der damit verbun- Dazu tragen sowohl die festgelegte Breite wie
dene Zeitdruck für den Großgeräteeinsatz auf der auch die vorgesehene Mindestwassertiefe bei
Innenkippe, um den aus Gründen der geotechni- (s. o.). Insgesamt haben die Schutz- und Rand-
224 A. Vogt et al.

gräben jedoch komplexere, sich z. T. gegenseitig wurden die Fließbewegungen nach Süden und
bedingende Aufgaben zu erfüllen: Norden abgelenkt.
1. Verhinderung eines unbewussten Betretens Ursache des Rutschungsereignisses war die
der ungesicherten, setzungsfließgefährdeten Verflüssigung unverdichteter, locker gelagerter,
Inselbereiche nicht bindiger Sande, begünstigt bzw. ausgelöst
2. Schutz der Uferbereiche des Wasserspeichers durch ein großflächiges Durchströmen der Insel
und der zum Wasserspeicher gehörenden bau- und das relativ rasche Aufsättigen bisher erd-
lichen Anlagen (Ein- und Ableiterbauwerke) feuchter Sande nach einer intensiven Flutungs-
gegen unerwünschte Auswirkungen eventuel- phase. Diese Flutungsphase hatte kurz vor der
ler vom Inselbereich ausgehender Setzungs- Rutschung zum Zusammenschluss mehrerer bis
fließrutschungen (Massenbewegungen und dahin getrennter Teilwasserflächen des SB Lohsa
Schwallwellen) II und zu starken Veränderungen der hydrauli-
3. Absicherung der geohydrologisch-wasser- schen Bedingungen in der Innenkippe, respektive
wirtschaftlichen Aufgaben des Speicherbe- der Insel, geführt.
ckens Lohsa II. Der Einflussbereich der Rutschung hat eine
Durch das Anlegen der drei Schutzgräben (SG Größe von ca. 2,2 km2 und das mobilisierte Kip-
AK Bärwalde, SG Nord und SG AK Scheibe; penvolumen wurde auf ca. 30 Mio. m3 geschätzt.
von 1995 bis 1996) wurde der Zentralbereich der Mit Ausnahme der beiden genannten Schutz-
Innenkippe von der gewachsenen Nordböschung gräben wurden durch das Ereignis keine sanier-
und den Kippenbereichen AK Scheibe und AK ten Kippenbereiche in Mitleidenschaft gezogen.
Bärwalde abgetrennt. Nach Süden ergibt sich die Die Rutschung war auf zwei mittels Vibrations-
Abgrenzung zum gewachsenen Ufer durch den walzenverdichtung (VWV) oberflächig verdich-
ca. (300 bis 600) m breiten Westrandschlauch. Im tete Hochflächen sowie auf kurzer Länge auf
Zentrum des SB Lohsa II ist somit eine momentan den Stützkörper der AK Bärwalde getroffen und
(bei einem Wasserspiegel von ca. + 110,5 m NN) wurde hier abgelenkt bzw. gestoppt (Abb. 4.84).
ca. 2,3 km2 große Insel verblieben. Die sanierten Kippenbereiche hatten somit nach-
weislich und bestimmungsgemäß einer extremen
Die Rutschung der Insel Lohsa II vom Belastung standgehalten und eine weitere Aus-
19.11.2001 und ihre Folgen Am 19.11.2001 breitung des Setzungsfließens verhindert.
ereignete sich im SB Lohsa II eine ausgedehnte Zwar war bei der Aufstellung des Schutzgra-
Rutschung an der Inselböschung. Die Rutschung benkonzeptes mit davon ausgegangen worden,
erfasste den mittleren und östlichen Teil der Insel dass Rutschungen in der Flutungsphase des Was-
und führte zu großflächigen Deformationen und serspeichers unvermeidbar sind, die Rutschung
Blockaden im Schutzgraben SG AK Bärwalde vom 19.11.2001 war jedoch im Vorfeld in Aus-
und im mittleren und östlichen Abschnitt des SG maß und Komplexität nicht prognostizierbar.
Nord. Das Ereignis wurde jedoch zum Anlass für eine
Infolge der eingetretenen Deformationen und grundlegende Prüfung der geotechnischen Situa-
Blockaden konnten beide Schutzgräben die ihnen tion der Insel genommen.
zugewiesenen Funktionen nicht mehr erfüllen.
Der westlich der Insel gelegene SG AK Schei- Neubewertung des Insel- und Schutzgraben-
be und der Westrandschlauch (südlich der Insel) konzeptes  Nach der Rutschung wurde die Insel
blieben unbeeinflusst, da die westlichen bis süd- hinsichtlich ihrer Standsicherheit während der
lichen Inselbereiche stabil geblieben waren. weiteren Flutung des SB Lohsa II neu bewer-
Im Inneren der Insel hatten großräumige Sa- tet (Keßler und Erler 2002). Dabei bestätigte
ckungen stattgefunden, die sich dann in Form sich, dass mit der weiteren Flutung und auch im
von Setzungsfließrutschungen zunächst in östli- späteren Speicherbetrieb immer wieder lokale
che Richtung fortsetzten. Mit dem Erreichen des Rutschungen der Insel zu erwarten sind. Eine
N–S orientierten Schutzgrabens AK Bärwalde Notwendigkeit zur kompletten geotechnischen
Sicherung der Insel leitete sich hieraus aber nicht
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 225

Abb. 4.84   Panorama des Speicherbeckens Lohsa II – 19.11.2001, 3 Teilsee Westrandschlauch, 4 Teilsee RL
mit der Insel, angrenzenden Restseebereichen und den Teilfeld 1/2, 5 Teilsee Nordmarkscheide, 6 Ableiter SB
nach der Rutschung vom 19.11.2001 wieder herzustellen- Lohsa II, 7 SB Burghammer, 8 SB Dreiweibern, Strich-
den Schutzgräben SG Nord und SG AK Bärwalde (Blick linie: Einflussbereich der Rutschung, Pfeile: hauptsäch-
von Ost nach West). 1 Teilsee RL Nordostmarkscheide, liche Fließrichtungen der Massen
2 Aufpressungen infolge der Rutschung der Insel vom

ab. Gegen ein solches Vorhaben sprechen auch Ein zweiter kritischer Bereich wurde im Nor-
Größenordnung, Dauer, Kosten und technologi- den der Insel festgestellt, wo für höhere Wasser-
sche Aspekte sowie die Problematik der Sicher- spiegel Rutschungen prognostiziert wurden, die
heit für Personal und Gerätetechnik. Gleiches zu Blockaden des Schutzgrabens SG Nord führen
gilt auch für einen vollständigen Abtrag der Insel würden. Hier wurde als Vorsorgemaßnahme im
und deren Verbringen in die Totraumbereiche des Sommer 2004 eine Teilsicherung der Insel vor-
Speichers. Eine Volumenbilanzierung der abzu- genommen.
tragenden Inselmassen und der zur Verfügung Insgesamt wurde die „Insellösung“ als Teil
stehenden Totraumbereiche ergab zudem, dass im des Sanierungskonzeptes des Wasserspeichers
Falle einer vollständigen Einebnung der Insel das Lohsa II bestätigt (Keßler und Erler 2002). Hie-
Minimalstauniveau angehoben werden müsste, raus leitete sich direkt ab, dass eine Wiederher-
um die geforderte Mindestwassertiefe von 2 m stellung der beiden deformierten Schutzgräben
zu gewährleisten. Dies hätte eine Reduzierung erforderlich ist. Allerdings war aufgrund der
des nutzbaren Stauvolumens bedeutet und schied veränderten geotechnischen Situation der Insel
daher als Sanierungsoption aus. – die Rutschung vom 19.11.2001 hatte in erheb-
Bei den Standsicherheitsuntersuchungen an lichem Maße Rutschungspotential abgebaut –
der Insel wurde für einen Böschungsabschnitt eine Neubewertung der Schutzgrabengeometrie
im Süden der Insel „Grenzgleichgewicht“, d. h. erforderlich. Geotechnische und hydraulische
eine nicht ausreichende bodenmechanische Si- Berechnungen ergaben, dass die Wiederherstel-
cherheit, festgestellt. Allerdings wurden die lung der Schutzgräben in der ursprünglichen
Aufnahmekapazität und die Schutzwirkung des Breite von 200 m nicht erforderlich ist (Keßler
vorgelagerten Westrandschlauches für mögliche und Erler 2002; Luckner 2002). Eine Mindest-
Rutschungen als ausreichend bewertet, so dass breite von 100 m bei Minimalstau konnte als
sich kein unmittelbarer Handlungsbedarf ergab. ausreichend nachgewiesen werden. An der bei
Im November 2002 kam es dann zu einer spon- Minimalstau in den Schutzgräben zu gewährleis-
tanen Rutschung der Südböschung der Insel, tenden Mindestwassertiefe von 2 m wurde nicht
womit sich die Ergebnisse der Standsicherheits- zuletzt unter Beachtung bergamtlicher Vorgaben
bewertungen bestätigten. festgehalten. Das Sohlniveau der wieder herzu-
226 A. Vogt et al.

stellenden Schutzgräben wurde daher wieder auf der das Plateau inselseitig begrenzenden, ca. 9 m
+ 107,5 m NN festgelegt. hohen Böschungen. Das Sprengregime und die
Ladungsmengen wurden so bemessen, dass die
Teilsicherung der Insel im Sommer 2004  Bei Böschungsfußbereiche gezielt verdichtet werden
dem im Vortext erwähnten „kritischen Bereich“ konnten, ohne das vorgelagerte Plateau zu zer-
im Norden der Insel handelte es sich um ein ca. stören und Rutschungen in den SG Nord auszu-
600 m langes und 100 m breites Plateau an der lösen.
Insel, parallel zum SG Nord, das im Jahr 1996 Abschließend wurde in der dritten Phase eine
im Rahmen der Schutzgrabenbaggerung des SG geotechnisch nicht sicherbare Inselspitze durch
Nord durch eine Entlastungsbaggerung entstand. Rutschungsauslösung (Sprengung) gezielt in
Für höhere Seewasserspiegel wurden hier Rut- Richtung eines angrenzenden Totraumbereiches
schungen prognostiziert (Keßler und Erler 2002), (RL Teilfeld 1/2) zum Ausfließen gebracht und
die aufgrund der vorliegenden Ausfließbedingun- so als potentielle Störungsquelle beseitigt.
gen (Kippengeometrie, Wasserspiegelverhält- Für weitere Böschungsbereiche der Insel
nisse, Strossenrichtung) zu weiteren Blockaden wurde kein unmittelbarer Handlungsbedarf für
des SG Nord hätten führen können. Entsprechend Sicherungsmaßnahmen an der Insel festgestellt.
der Zielstellung eines möglichst störungs- und
restriktionsfreien Speicherbetriebes waren Maß- Grundbruchsicherheit im unverdichteten
nahmen zur Vermeidung derartiger Behinderun- Hinterland der Stützkörper Die geotech-
gen zu treffen, bevor die als kritisch bewerteten nischen Sicherungsmaßnahmen erfolgen vor-
Wasserspiegelhöhen erreicht werden. Als Vorsor- nehmlich in den Böschungsbereichen in Form
gemaßnahme wurde im Sommer 2004 eine Teil- von „versteckten Dämmen“ bzw. Stützkörpern
sicherung der Insel entlang des SG Nord durch (s.  o.). Demzufolge bleiben die Kippenbereiche
Sprengungen vorgenommen. im Hinterland der Stützkörper zunächst weitest-
Eine besondere Herausforderung bei dieser gehend unverdichtet. Ausnahmen bilden lokale
Maßnahme bestand darin, dass sie auf der un- Sicherungsmaßnahmen, z.   B. für Flussläufe,
gesicherten Insel durchzuführen war. Im Vorfeld Kanäle, Teiche, für Ausbau und Sicherung der
durchgeführte Laborversuche an vor Ort entnom- Infrastruktur und z.  B. auch für Windparkanla-
menen Proben sowie Feldversuche und zusätz- gen. Dabei erfolgen Sackungsvorwegnahmen
liche Standsicherheitsberechnungen bestätigten mittels Sprengungen und/oder die Herstellung
eine ausreichende geotechnische Sicherheit für von Stützkörpern mittels RDV und/oder Fallge-
den Personen- und Geräteeinsatz auf dem Plateau wichtsverdichtung. Die Stützkörper werden je
im Maßnahmezeitraum. Strenge Verhaltensan- nach Erfordernis bis zum Kippenliegenden oder
forderungen und eine permanente gutachterliche auch nur mit speziell bemessener Mächtigkeit als
Überwachung dienten der weiteren Reduzierung „schwebender Stützkörper“ ausgeführt.
des Restrisikos. Für den Großteil der Flächen im Stützkörper-
Eine weitere Herausforderung stellte dar, hinterland ist jedoch eine rein land- und forst-
dass durch die Sprengungen keine größeren Rut- wirtschaftliche Nutzung vorgesehen, bis hin zur
schungen der Insel in den SG Nord hinein ausge- Ausweisung als Landschaftsschutzgebiet bzw.
löst werden durften. Die Maßnahme wurde daher Biosphärenreservat. Aufgrund ihrer Ausdehnung
in drei Phasen realisiert. ist es nicht möglich und auch nicht sinnvoll, die
In der ersten Phase erfolgte eine Probebelas- Tagebaukippen von vornherein flächendeckend
tung und Teilverdichtung des Plateaus mittels zu verdichten.
schonenden Sprengens. Damit wurde ein speziell Das Verbleiben der Kippe in einem unver-
bemessener „schwebender SPV-Stützkörper“ dichteten, also zumeist lockeren Lagerungszu-
als Widerlager für die zweite Phase hergestellt. stand bedeutet allerdings, dass hier die Gefahr
In dieser zweiten Phase erfolgte mittels Spren- von plötzlichen, ungleichmäßigen Sackungen
gungen die Probebelastung und Teilsicherung und von Grundbrüchen bzw. Geländeeinbrüchen
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 227

infolge Verflüssigung bestehen bleibt. Ursachen Nutzung eine Mindestforderung von hü = 2  m.
für diese Ereignisse können z. B. sein: Kippenbereiche, in denen die jeweils anzusetzen-
• Aufsättigung locker gelagerter Kippenhori- den Anforderungen nicht erfüllt werden, können
zonte infolge des nachbergbaulichen Grund- i. d. R. auf Grundlage hydrogeologischer Modell-
wasserwiederanstieges rechnungen ermittelt werden. Ist keine ausrei-
• Grundwasserspiegelschwankungen, saisonal chende erdfeuchte Überdeckung gegeben, kann
oder z. B. infolge Speicherbewirtschaftung diese durch entsprechende Geländeaufhöhung
• Veränderungen der Grundwasserströmungs- hergestellt werden. Alternativ kann auch eine
richtung und/oder hydraulischer Gradienten geotechnische Sicherung, z. B. durch Stützkör-
• äußere statische und/oder dynamische Zusatz- per (bis zum Liegenden oder auch „schwebend“)
lasten (z. B. durch Baumaßnahmen, Fahr- und/oder durch wasserbauliche Maßnahmen er-
zeuge, extreme Wettersituationen, Erdbeben). folgen. Im Stützkörperhinterland des SB Lohsa II
Grundsätzlich stellen Grundbrüche bzw. Gelän- existieren Tieflagen, die rechtzeitig vor dem Er-
deeinbrüche, sofern sie sich im Bereich oder in reichen kritischer Grundwasserflurabstände mit-
der Nähe einer ungesicherten Böschung ereignen, tels Fallgewichtsverdichtung gesichert und als
auch ein mögliches Initial für Setzungsfließrut- Innenkippenteiche ausgebaut wurden. Sie die-
schungen dar. Alle im Speichersystem LOHSA II nen, zusammen mit einem System aus ebenfalls
hergestellten „versteckten Dämme“ sind so be- mittels schwebender Stützkörper gesicherten und
messen, dass sie einer Verflüssigung der Kippe ausgebauten Gräben („Fließe“), der Innenkip-
vor und hinter dem Stützkörper standhalten. penentwässerung.
Zur Überwachung des Setzungs- und Sa- Die bei der Stützkörperherstellung eintretende
ckungsverhaltens der Kippe wurden im Bereich Verdichtung des Kippenmaterials führt zwangs-
des SB Lohsa II im Rahmen des Aufbaus eines läufig zu einer Reduzierung dessen hydraulischer
komplexen geotechnisch-geohydraulischen Mo- Leitfähigkeit und somit zu Veränderungen der
nitorings insgesamt neun Setzungspegel instal- hydraulischen Verhältnisse. Um die hergestellten
liert. Diese reichen bis ins Liegende und wurden „versteckten Dämme“ bei der hydrogeologischen
mit einem magnetischen Messsystem ausgerüs- Modellbildung adäquat zu berücksichtigen,
tet. Die Setzungspegel sind an das hydrogeolo- wurde im Frühjahr 2004 an einem im Grundwas-
gische Messstellennetz gekoppelt und erlauben seranstrom stehenden Stützkörperabschnitt des
so eine Korrelation der Setzungsdaten und der SB Lohsa II erstmals ein Pumpversuch durchge-
Grundwasserspiegelentwicklung in der Kippe. führt, der den Nachweis der hydraulischen Wirk-
Der Grad der bestehenden Grundbruch-/Ge- samkeit von „versteckten Dämmen“ zum Ziel
ländeeinbruchgefahr richtet sich neben den rein hatte. Während des Pumpversuchs gelang die
bodenmechanischen Parametern, zu denen für exakte hydraulische Abbildung der Lage der hin-
die Hinterlandbereiche meist nur vereinzelt de- teren Stützkörpergrenze. Dabei wurde zwischen
taillierte Kenntnisse vorliegen, vor allem nach unverdichteter und verdichteter Kippe eine Dif-
dem Grundwasserflurabstand und nach dem Sa- ferenz des kf -Wertes von ca. einer halben Zeh-
ckungsverhalten, welches u. a. wesentlich durch nerpotenz nachgewiesen:
die Geschwindigkeit des Grundwasserwiederan- • unverdichtete Kippe (Hinterland):
stieges bestimmt wird (Reichel 1997a). kf  = (4–9) · 10−4 m/s
Generell nimmt die Grundbruch-/Geländeein- • verdichtete Kippe (Stützkörper):
bruchgefahr mit abnehmender erdfeuchter Über- kf  = (1–3)  ·  10−4 m/s.
deckung zu. Je nach vorgesehener Nutzungsart Auffällig ist dabei außerdem, dass sich infolge
des Kippengeländes ergeben sich unterschiedli- der Verdichtung der Wertebereich der Durch-
che Ansprüche an Höhe und Lagerungsdichte der lässigkeit verengt hat. Dies ist als Indiz für
zu gewährleistenden erdfeuchten Überdeckungs- eine sanierungsbedingte Homogenisierung der
schicht. Im Allgemeinen besteht für eine weni- Durchlässigkeit, respektive der Lagerungsdichte,
ger anspruchsvolle land- und forstwirtschaftliche zu werten. Mit dem Pumpversuch gelang somit
228 A. Vogt et al.

Abb. 4.85   Schema – weit-


gehend restriktionsfreier Ziel: weitgehend restriktionsfreier Speicherbetrieb
Speicherbetrieb

Flutung Speicherung Ableitung

Aufgaben: Monitoring
Steuerung
Sicherung/Wartung
Nachsorge

Schwerpunkte: Schnittstellen/Wechselwirkungen
Geotechnische und öffentliche Sicherheit
Gewährleistung wasserwirtschaftlicher Prozesse
Nachhaltige Gewährleistung der
Gewässerbeschaffenheit

nicht nur der angestrebte Nachweis der hydrau- Porenwasserdruck-Tests und ein Monitoringpro-
lischen Wirksamkeit von Stützkörpern, sondern gramm erstellt.
gleichzeitig auch ein räumlicher qualitativer Ver- Nach der Auffüllung der Tieflage erfolgen
dichtungsnachweis. eine Renaturierung und Wiederaufforstung des
Infolge der geringeren hydraulischen Durch- bei der Baumaßnahme in Anspruch genommenen
lässigkeit von „versteckten Dämmen“ ist im Falle Bereiches.
ihrer Lage im Grundwasseranstrom zwangsläu-
fig mit einer rückwärtigen Anhebung der Grund- Herstellung eines weitgehend restriktions-
wasseroberfläche (gegenüber dem Zustand ohne freien Wasserspeichers
Stützkörper) zu rechnen. Für den konkreten Fall Gefahrenabwehr zur Gewährleistung der
am SB Lohsa II beträgt dieser tatsächlich einige öffentlichen Sicherheit  Grundlage für die
Dezimeter, führt aber im betreffenden Hinter- Folgenutzung der Bergbaufolgegebiete ist die
landbereich nicht zu zusätzlichem Sanierungs- Abwehr aller Gefahren für die öffentliche Sicher-
bedarf. heit. Schwerpunkte der Gefahrenabwehr sind
Von der Problematik unzureichender Grund- (Luckner et al. 1997):
wasserflurabstände im unverdichteten Hinterland • das Herstellen der geotechnischen Sicherheit
ist u. a. eine ca. 2,5 ha große, teils bewaldete, an den Kippenböschungen, den gewachsenen
teils landwirtschaftlich genutzte Geländesenke Böschungen und im Hinterland
im südlichen Anstrombereich des SB Lohsa II • das Verhindern der Versauerung der Restseen,
betroffen. Im Zentrum der Senke, innerhalb des der Vorflut und des Grundwassers
Waldes, hat sich bereits eine 7.000 m2 große offe- • das Verhindern des Verschleppens der Folge-
ne Wasserfläche ausgebildet. Aufgrund der nicht nutzung
ausreichenden geotechnischen Sicherheit leitete • die Beseitigung der Rückfallgefahr.
sich für die Tieflage ein Sicherungs- bzw. Sanie- Die Gefahrenabwehr muss zügig erfolgen, Wirk-
rungsbedarf ab. Die Geländesenke wurde im Jahr samkeit und Nachhaltigkeit gewährleisten und
2009 nach geotechnischen Vorgaben geholzt, dabei ökologisch und wirtschaftlich tragfähig
gerodet und anschließend mit Kippensanden bis sein.
zur erforderlichen Mindestüberdeckung kontrol- Verknüpfung geotechnischer, wasserwirt-
liert aufgefüllt. Für die Maßnahme, insbesondere schaftlicher und ökologischer Aspekte der
für das geotechnisch anspruchsvolle Verkippen Sanierung Die Sanierungsschwerpunkte am
verflüssigungsgefährdeter Sande ins Wasser, Speichersystem LOHSA II sind auf die Herstel-
wurden spezielle Technologievorgaben und Ver- lung eines weitgehend restriktionsfreien Wasser-
haltensanforderungen sowie ein Programm für speichers ausgerichtet (Abb. 4.85).
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 229

Für die geotechnische Sanierung bedeutet ein Teppich“ in ausgewählten Böschungsbereichen


weitgehend restriktionsfreier Speicherbetrieb, innerhalb der Staulamelle aufgespült. Ziel der
dass sämtliche Elemente des Speichers so zu ge- Maßnahme ist die Verbesserung der Lebensbe-
stalten und/oder zu sichern sind, dass nachteilige dingungen für benthische Organismen innerhalb
Beeinträchtigungen des Speicherbetriebes aus- der stark zur Versauerung neigenden „semisub-
geschlossen werden. Dieses Ziel lässt sich mit hydrischen“ Bereiche der Staulamelle.
vertretbarem Aufwand und in der zur Verfügung Dem Routinebetrieb gingen drei wissenschaft-
stehenden Zeit nur umsetzen, wenn Umfang und lich geplante und begleitete Tests im Rahmen
Aufwand für die Sanierung optimiert und die eines Demonstrationsprojektes voraus, aus denen
vertretbaren Restrisiken abgeschätzt werden. sich verbesserte Kenntnisse zu Anwendungs-
Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass allein möglichkeiten und – grenzen dieser gekoppelten
die vorgesehene Nutzungsdauer der Speicher Technologie ergaben.
und deren naturnaher Gestaltungscharakter einen Aufbau eines komplexen Monitoringsys-
„verschleißfreien“ Betrieb nahezu unmöglich tems am Wasserspeicher Lohsa  II Am Was-
machen. Langfristige natürliche Veränderungen serspeicher Lohsa II wird seit mehreren Jahren
des Speichers sind unvermeidlich. Ihre mögli- ein komplexes geotechnisch-geohydraulisches
chen Auswirkungen auf die Speicherbewirtschaf- Monitoringsystem aufgebaut (Keßler und Erler
tung und auf die öffentliche Nutzung müssen 2002). Die Notwendigkeit hierfür begründet sich
frühzeitig erkannt, bewertet und erforderlichen- aus der zentralen wasserwirtschaftlichen Bedeu-
falls in ihren nachteiligen Auswirkungen be- tung des Speichers und den Anforderungen, die
grenzt werden. Nach der Sanierung bildet somit sich aus der – zumindest in der Lausitz – einzig-
die wasserwirtschaftliche Nachsorge mit ihren artig großen Speicherlamelle von 6,9 m ergeben.
Leistungspositionen Die wesentlichsten Elemente des Monitoringsys-
• Unterhalten von Ufern und Böschungen tems sind
• Warten und Instandhalten von wasserwirt- • geodätische Profile an Kippenböschungen
schaftlichen Anlagen und gewachsenen Böschungen (fest instal-
• Stabilisieren der Gewässergüte lierte Messpunkte)
• Monitoring von Wasserstand und Wassergüte • hydrogeologische Messprofile zur Überwa-
im Gewässer und im angrenzenden Gebirge chung der Sickerlinien in den Randböschun-
die Stützen der geforderten Nachhaltigkeit der gen des Speichers (Grundwassermessstellen)
Sanierung und eines zuverlässigen Speicherbe- • digitale Geländemodelle auf Basis von Luft-
triebes. bildauswertungen und Lotungen
Die geotechnische Sicherung bildet die • Setzungspegel zur Überwachung des Set-
Grundlage für die zügige Flutung und Inbetrieb- zungs- und Sackungsverhaltens der Kippe
nahme der Speicher. Vor dem Hintergrund der • Erfassung meteorologischer Daten
durch den Grundwasserwiederanstieg und den • Überwachung und Kontrolle der wasserbauli-
Zustrom saurer Grundwässer bedingten Ver- chen Anlagen (Ein- und Ableiter, Flächenver-
sauerung der Seen werden seit einigen Jahren im baubereiche)
SB Lohsa II ohnehin notwendige geotechnische • Messungen des Dichtefeldes der Böschungs-
Sanierungsarbeiten mit Maßnahmen zur Ver- körper
besserung der See- und Grundwasserqualität ge- • Windwellen- und Strömungsmessungen (per-
koppelt. Die nach der Rutschung der Insel vom spektivisch)
19.11.2001 erforderliche Wiederherstellung der • Porenwasserdruckmessungen im Wellen-
Schutzgräben erforderte die Umlagerungen von schlagbereich (perspektivisch).
ca. 540.000 m3 gerutschter und aufgepresster Alle Elemente des Monitoringsystems sind so
Massen. Ein Großteil davon wurde mittels Saug- angelegt bzw. gekoppelt, dass sich ihre Aussagen
spülbagger umgesetzt. Dabei wurden dem Spül- stützen und ergänzen. Dabei ist eine Anbindung
strom Kalkproduktgemische zugeführt und das an das bestehende hydrogeologische Monitoring-
entstehende Sand-Kalk-Gemisch als „Reaktiver system gegeben. Außerdem ist eine Kopplung
230 A. Vogt et al.

mit dem separat aufzubauenden Monitoringsys- voranschreitenden Flutung des Speichersystems


tem im „Damm“ zwischen den Speicherbecken treten die wasserwirtschaftlichen Aspekte des
SB Lohsa II und SB Burghammer vorgesehen. Speicheraufbaus und der Speichernutzung immer
Das geotechnisch-geohydraulische Monito- mehr in den Vordergrund. Die geotechnischen
ringkonzept sieht eine Unterteilung in drei Mess- Aufgabenstellungen wandeln sich dabei vom rei-
perioden vor: nen, großmaßstäblichen Sanierungsbergbau hin
Messperiode 1: Abschluss der Sanierung und zu immer spezifischeren, andauernden Heraus-
erster vollständiger Einstau forderungen.
Messperiode 2: Erste Betriebszeit nach dem Das gewachsene Verständnis für die Kom-
ersten Vollstau, Übergang in plexität des Gesamtsystems „Wasserspeicher“
den regulären Speicherbetrieb lässt immer deutlicher erkennen, wie eng wasser-
Messperiode 3: Geotechnisches Gleichge- wirtschaftliche, bergbauliche, hydrochemische,
wicht, weitere Betriebszeit im geohydraulische, geotechnische und umweltre-
regulären Speicherbetrieb levante Fragen miteinander verknüpft sind und
Neben der zeitlichen Gliederung der Kontrolle dass zielorientierte Lösungen fachübergreifende
und Überwachung wird auch eine auf bestimmte Aufgaben darstellen.
Bewertungsziele ausgerichtete Unterteilung des Dies gilt in gleichem Maße für die Beendi-
Monitorings in drei verschiedene Messprogram- gung der Sanierungstätigkeit, die Kontrolle der
me vorgenommen: Sanierungsergebnisse, die weitere Flutung und
Kurzzeitmessprogramm: Kontrolle der Sa- die Überwachung des Speichersystems während
nierungsergebnis- seiner regulären Nutzung.
se
Langzeitmessprogramm: Überwachung des
Wasserspeichers 4.8.4 Böschungsbewegung im Bereich
während der Erst- der Südböschung des Tage-
flutung und des baurestloches Nachterstedt am
Speicherbetriebes 18.07.2009
Ergänzungsmessprogramm: Beobachtung des
Verhaltens der Geologie und Hydrogeologie
den Wasserspei- Regionalgeologischer Überblick  Das Tagebau-
cher begren- restloch Nachterstedt (Concordiasee), an dem am
zenden Kippen 18.07.2009 eine großvolumige Böschungsbe-
während der Erst- wegung mit mehr als 4 Mio. m³ Bodenmaterial
flutung und des stattgefunden hat, liegt mit den angrenzenden
Speicherbetrie- Seeländereien im Braunkohlenbecken Nachter-
bes. stedt-Schadeleben/Königsaue auf dem Nord-
westteil des Ascherslebener Sattels und dessen
Zusammenfassung  Die seit beinahe zwei Randsenken, die infolge von Bruchfaltentektonik
Jahrzehnten andauernde Sanierung und Umge- entstanden sind.
staltung der Tagebaue des Wasserspeichersys- Die in Abb. 4.86 dargestellte, abstrahierte
tems LOHSA II als zukünftiges Kernelement Schnittdarstellung dokumentiert schematisch die
des ostsächsischen Seenverbundes wurde seit geologische Situation im Bereich der Seelän-
ihrem Beginn als planerisch, wissenschaftlich dereien und des Braunkohlenbeckens von Frose.
und technologisch anspruchsvolle Maßnahme
verstanden und realisiert. Über die Dauer der Hydrogeologischer Überblick Die hydrogeo-
bisherigen Sanierung bot sich vor allem auf tech- logische Situation im Untersuchungsgebiet ist
nologischem Gebiet die Möglichkeit, vorhande- durch einen Wechsel von Grundwasserleitern
nes Know-How einzusetzen und zu optimieren (GWL) und Grundwassergeringleitern (GWGL)
und neue Technologien anzuwenden. Mit der gekennzeichnet.
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 231

Abb. 4.86   Prinzipschnitt durch die Seeländereien und Randbereiche (HGN 1986)

Die tief liegenden Zechsteinsalze wurden am schen Karstgrundwasserleiter dar. Seine Mächtig-
Ascherslebener Sattel hoch gedrückt. Beim Kon- keit überschreitet im Top der Salzstruktur 100 m.
takt mit Grundwasser werden die Salze gelöst. Am SW-Rand des Salzsattels ist im Bereich der
Der Zechsteinanhydrit wurde durch das Grund- Seeländereien eine tiefreichende Destruktions-
wasser zu wasserlöslichem Gips umgewandelt, zone eingeschnitten. Dieses rinnenartige Element
wodurch ein aktiver Karst-Grundwasserleiter mit mit einer Mächtigkeit von ca. 80 m bis 100 m
Klüften, Spalten und Höhlen entstanden ist. und einer Basislage von bis max. ca. -30 m NHN
Im Lockergesteinsstockwerk bilden die ter- enthält eine inhomogene, stark lagerungsgestörte
tiären Kohlen, Schluffe, Tone und die quartären Wechselfolge von Tonen, Schluffen, Sanden und
Geschiebemergel die Grundwassergeringleiter, Kiesen. Aufgrund starker vertikaler und horizon-
die Grundwasserleiter werden aus Sanden sowie taler Veränderlichkeit der Gesteinsbeschaffenheit
Kiesen aufgebaut. ist sie als hydrogeologische Einheit mit Grund-
Die Subrosionsresiduate des Staßfurt-Steinsal- wasserleiter-Charakter einzustufen.
zes (Zechstein) haben eine große Bedeutung für Das übrige Quartär ist im Untersuchungsge-
die hydrogeologische Situation. Sie setzen sich aus biet flächendeckend mit einer sehr vielfältigen
stark kavernösen und geklüfteten Gipsen mit hoher Lockergesteinsserie vertreten. Die Grundwasser-
Profildurchlässigkeit zusammen. Dieser „Gips- leiter des quartären Stockwerks stehen unterein-
Hut“ des Ascherslebener Sattels stellt einen typi- ander in hydraulischer Verbindung.
232 A. Vogt et al.

Der hydrogeologisch bedeutsamste Grund- liche Wasserhaltung und durch das Wasserwerk
wasserleiter ist die Hauptterrasse des Saalekom- bis unter die Sohle der Tagebaue abgesenkt. Im
plexes. südlichen bis östlichen Grundwasseranstrom des
Hydrogeologische Kurzbeschreibung der Tagebaus Nachterstedt konzentrierte sich die
Kippen im Bereich TRL Nachterstedt Die bergmännische Wasserhaltung auf folgende aus-
Kippen als anthropogen entstandener Lockerge- gewählte Entwässerungsschwerpunkte:
steins-Komplex stellen unter hydrogeologischen • Vorfeldbereich mit dem ehemaligen „Werk-
Aspekten einen Sonderfall dar. Sie bestehen aus pfeiler-Feld“
bis zu 70 m mächtigen, stark wechselgelagerten • „Froser Wetterschacht“ im Altbergbaubereich
Gesteinen. Die Auffüllungen und Ablagerungen • Wasserwerk Frose
der Kippen und Halden setzen sich aus rolligem • Ostböschung mit dem Rutschungskessel
bis bindigem Lockergestein zusammen (Sande/ • Hauptentlastungsbrunnen Hy Nac 95/80 im
Kiese sowie Schluffe; z. T. Kohle). Verfüll- oder GW-Anstrombereich des TRL Nachterstedt
Aufschüttmassen wirken gegenüber dem Grund- • Muldentiefstes I und II des TRL Nachterstedt
wasserleiter Quartär zwar meist als Grundwas- • Seeländereien nördlich der Ortschaft Frose/
serhemmer, sind jedoch lokal permeabel und Froser Landstraße
wasserdurchlässig und somit als Grundwasser- Im TRL Königsaue wurde die Wasserhaltung
leiter wirksam. 1991 außer Betrieb genommen. Ab dem 20. De-
Bedeutend für die historisch-bergbaulichen zember 1996 wurde die bergbauliche Wasser-
Entwässerungsmaßnahmen im Bereich Nach- haltung im TRL Nachterstedt mit dem Baufeld
terstedt war die Tatsache, dass auch die tieferen Schadeleben im Wesentlichen beendet.
tertiären Aquifere des südlichen bis südöstlichen Die dritte bedeutende Wasserhebung im TRL
GW-Anstromes mit den Liegend-Grundwasser- Frose wurde bis zur Umstellung auf die Rapp-
leitern im inneren Restlochbereich hydraulisch bode-Fernwasserversorgung im März 1991 als
verbunden sind und deshalb bis zur Außerbe- Wasserwerk zur Trinkwassergewinnung betrie-
triebnahme sowie der Stilllegung des Tagebaus ben.
Nachterstedt z. T. durch die bergbaulichen Ent- Durch den Grundwasserzustrom und die Zu-
wässerungselemente entlastet wurden. führung von Wasser aus der Selke ab 1998 konn-
Hydrodynamik – Historischer Ausgangs- te der Wasserspiegel im TRL Nachterstedt bis
zustand vor, während und nach Einstellung 6/2009 auf +81,92 m NHN steigen.
der bergbaulichen Wasserhaltung Der vor- Hydrologische Situation im Bereich Frose
bergbauliche Grundwasserspiegel lag nach und der Seeländereien Der Bereich nördlich der
den vorliegenden, historischen Unterlagen bei Ortschaft Frose liegt in den südöstlichen Seelän-
Aschersleben bei ca. +109 m NHN und östlich dereien. Die Seeländereien werden vom Grund-
Gatersleben bei ca. +106 m NHN. Im Bereich der wasser aus südwestlicher bis südlicher Richtung
Seeländereien nördlich Frose dürfte die Grund- und aus Nordosten angeströmt. Im Gipshut des
wasseroberfläche bei einem mittleren Niveau um Ascherslebener Sattels (Karstgrundwasserlei-
+107 m NHN gelegen haben. ter) ist eine nach Nordwesten gerichtete, dichte-
Im Nachterstedter Revier war der Bergbau auf beeinflusste Strömung ausgebildet. Hier treten
Braunkohle nur durch eine dauerhafte Grund- die Salzwässer des Zechsteins (Salzrücken des
wasserabsenkung und Wasserhaltung möglich. Ascherslebener Sattel) über den Karstgrundwas-
Zur Trockenlegung der Kohle wurde in den TRL serleiter („Gipshut“) in die Lockergesteinsgrund-
Königsaue, Nachterstedt und Frose Grund- und wasserleiter über und strömen in westliche bis
Oberflächenwasser über Filterbrunnen, Stre- nordwestliche Richtung zum TRL Nachterstedt
ckenentwässerung und offene Wasserhaltungen ab (Destruktionsrinne, pleistozäne Grundwasser-
gehoben. Außerdem wurde über Jahrzehnte ein leiter).
Wasserwerk (WW) zur öffentlichen Trinkwas- Grund- und Seewasserbeschaffenheit Die
serversorgung im TRL Frose betrieben. Das Grundwasserbeschaffenheit wird einerseits durch
Wasserspiegelniveau wurde durch die bergbau- die Wechselwirkungen des Grundwassers mit den
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 233

quartären und tertiären Lockergesteinen und an- Die bergbauliche Entwicklung in der Braun-
dererseits mit den löslichen Gesteinen des Zech- kohlengrube „Concordia“ kann technologisch in
steins geprägt. Die nicht zechsteinbeeinflussten folgende drei Perioden eingeteilt werden:
Wässer sind überwiegend Ca-(Mg)-SO4-HCO3 • Zeitraum 1849 bis 1929: Tagebaubetrieb und
– Wässer und weisen eine Gesamtmineralisa- untergeordnet Tiefbaubetrieb
tion von etwa 1.000 mg/l bis 1.500 mg/l auf. Die − Kohlenabbau im Bergbaugebiet Nachter-
zechsteinbeeinflussten Wässer im Lockergestein stedt begann in den 50er Jahren des 19.
erreichen eine Gesamtmineralisation bis über Jahrhunderts. Anfänglich wurde die Kohle
5.000 mg/l und weisen eine Beeinflussung durch im Tiefbau (Pfeilerbruchbau) südöstlich
Natriumchlorid (Na-Cl) auf. der Ortslage Alt-Nachterstedt an der dama-
Regionale Subrosion Im Ergebnis zur Unter- ligen Landesgrenze Preußen-Anhalt abge-
suchung der Karst- und Subrosionsproblematik baut.
im Umfeld der Böschungsbewegung in Nachter- − Im Jahr 1928 begann die Schüttung der
stedt lässt sich zusammenfassend feststellen: Halde 3 Nachterstedt.
• Die Verkarstung des Caprocks am Aschersle- − Hervorzuheben ist, dass über die gesamte
bener Salzsattel im Bereich der Seeländereien Laufzeit des Grubenbetriebes Schwierig-
ist nachgewiesen. Die Entstehung von Höhlen keiten durch Liegendwasserdurchbrüche
in den Anhydriten und Gipsen des Hutgesteins und Rutschungen etc. auftraten. Aufgrund
ist anzunehmen. der starken Wasserzuflüsse und hohen
• Für rezente Hohlraumbildungen in den Sulfat- Wasserdrücke aus dem Liegenden wurde in
gesteinen der Trias liegen keine Belege vor. den ersten Jahren im unteren Flözbereich
• Rezente Verkarstungsprozesse am Staßfurt- eine bis zu 12 m, im Einzelfall auch 18 m,
Salz können als gegeben angenommen wer- mächtige Kohlenbank an der Tagebausohle
den. Die Ausbildung relevanter Hohlräume stehengelassen.
ist theoretisch möglich. Das Kollabieren der- − Die Hauptgewinnung der Kohle fand wei-
artiger Hohlräume mit Auswirkungen bis an terhin im Tagebau statt. Die Entwässerung
die Basis der von der Böschungsbewegung des Tiefbaus als auch die Kohlenförderung
erfassten Kippenböden ist hypothetisch. erfolgte über Schächte im Bereich des ehe-
• Die Berücksichtigung von seismischen Ent- maligen Werkpfeilers (also in Richtung
spannungen infolge flächenhafter Subrosion, Norden).
z. B. am Salzspiegel, bietet eine aus karst- − Die endgültige Einstellung des Tiefbaus
geologischer Sicht logische Erklärung für das erfolgte am 01. Juli 1929.
Auftreten seismischer Ereignisse am Aschers- • Zeitraum 1930 bis 1965: ausschließlich Tage-
lebener Sattel. Der hypothetische Ansatz wird baubetrieb
als Ursache für ein seismisches Initial der – Ab 1930 gestaltete sich der Tagebaubetrieb
Böschungsbewegung vom 18.07.2009 als infolge der geologischen Verhältnisse, hier
nicht unwahrscheinlich erachtet. insbesondere von Quarziteinlagerungen,
immer schwieriger.
Bergbauhistorie – Im Tagebau erfolgte die Kohlenförderung
Bergbauliche Entwicklung von 1849 bis durch Großraumwagen über Großraum-
1989  Der Braunkohlenbergbau in und um Nach- strecken zu untertägigen Großraumbun-
terstedt war von Anfang an durch ein komplexes kern (Bereich Werkpfeiler) und von dort
Zusammenwirken von Tagebau- und Tiefbau- über Transportbänder nach Übertage.
maßnahmen geprägt, die zum Teil zeitlich auf- – Die anfallenden Abraummassen wur-
einander folgend, zum Teil auch zeitlich parallel den u. a. auf die Halde 2 Nachterstedt
abgelaufen sind. Im Ergebnis ist neben den Rest- (1933–1935) und die Halde 1 (1935–1936)
löchern, den Halden und Kippen auch ein System geschüttet.
aus Bruchfeldern und Altstrecken von sehr unter-
schiedlicher Kubatur verblieben.
234 A. Vogt et al.

– Ein Dammbruch und zahlreiche Rutschun- – Altlasten (Phenolteich)


gen, wie z.B. das Ereignis vom 02. Februar – Kippenmaterial
1959, Tagesbrüche, Liegendwasserdurch- – Restwasserstände in der Kippe und im
brüche etc. haben sich im Zeitraum 1930– Liegenden
1945 ereignet. – hoher Liegendwasserdruck
– Die Ortslage Alt-Nachterstedt wurde im – Wasseraustritte aus der Kohle infolge
Zeitraum 1942–1952 überbaggert, nach- Liegendwasserdruck.
dem die Bewohner ab 1950 in das heutige – Die endgültige Einstellung der Braunkoh-
Nachterstedt übersiedelt waren. lenförderung im Braunkohlenwerk Nach-
– Der Tagebau erreichte am 31. Oktober 1964 terstedt erfolgte mit der Stilllegung des
im Abraumbetrieb und am 31. März 1965 Tagebaues Schadeleben am 20. Dezem-
im Kohlenbetrieb (Südwestfeld) seine ber 1991. Bereits freigelegte Kohle wurde
Endstellungen. dann noch bis 1994 gefördert.
• Zeitraum nach 1965: Restkohlengewinnung
im Tagebau Versatzmaßnahmen Braunkohlentiefbau nach
Wegen des weiter gestiegenen Bedarfs an 1994  Ab 1994 setzten umfangreiche Siche-
Rohstoffen und in Kenntnis des großen Vor- rungs- und Sanierungsarbeiten im Tagebau
kommens an hochwertiger Bitumenbraun- Nachterstedt ein, die auch die Sicherung der his-
kohle unterhalb der Werksanlagen wurden torischen untertägigen bergmännischen Auffah-
zu Beginn der 1970er Jahre Vorbereitungen rungen umfassten, soweit diese bekannt waren.
getroffen, um auch diese Kohle zu gewinnen. Zur Abriegelung von Teilbereichen wurden Rie-
– Im Tagebau Nachterstedt wurde eine Rest- gel mit einem Beton-Splittgemisch gesetzt. In die
auskohlung in folgenden Feldern vorge- Streckensysteme wurde eine Braunkohlenfilter-
nommen: aschesuspension (BFA) eingespült, die aushärtet.
– Haldenvorschnitt (1975-1976)
– Abbau Pfeiler Südwestfeld (1975-1977) Arbeiten zur Sanierung des
– Abbau Werkpfeiler (1976-1987) Tagebaurestloches vor der
– Abbau Kohlenpfeiler Sportplatz (1986- Böschungsbewegung am 18.07.2009
1989) Allgemeine Bemerkungen Die Sanierung der
– Sonderkohlengewinnung +57 m NHN Böschungen erfolgte generell auf der Basis und
(Hauptwasserhaltung) (1985-1986) entsprechend den Vorgaben der jeweils gültigen
–  Restkohlengewinnung Bereich 1, Be­ bodenmechanischen Standsicherheitsuntersu-
reich 2 und Bereich 2-Erweiterung chungen zur Erzielung dauerstandsicherer Ver-
(1989-1990). hältnisse.
– Der Kohlenabbau im Bereich des Werkpfei- Auf der Grundlage der verschiedenen Stand-
lers war mit erheblichen gewinnungstech- sicherheitsuntersuchungen sind technologische
nischen, geologischen und hydrologischen Planungsunterlagen erarbeitet worden. Diese
Besonderheiten verbunden. Im Wesentli- wurden als Ergänzungen zum Abschlussbetriebs-
chen sind dabei zu nennen: plan Tagebau Nachterstedt/Schadeleben und
–  Konzentration von historischen unter- TRL Königsaue von der zuständigen Bergbehör-
tägigen bergmännischen Auffahrungen de des Landes Sachsen-Anhalt, dem Landesamt
(Mauerwerksreste von Strecken und für Geologie und Bergwesen (LAGB) in Halle,
Schächten, Streckenholz, Verfüllmate- geprüft und zugelassen.
rial etc.) Zur Bewertung der hydrologischen Verhält-
– Fundamentreste, Beton mit Eisenarmie- nisse vor und während der Flutung des Tage-
rungen (Abbruch Werksanlagen) baurestloches wurde ein umfangreiches Monito-
– alte Brandherde ringprogramm nach dem Montanhydrologischen
– Tagesbrüche Monitoring (MHM) realisiert. Das Hauptaugen-
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 235

merk dieses Monitoring lag in der Kontrolle und mische Probebelastungen mittels mehrerer zeit-
Beobachtung des Grundwasserwiederanstiegs lich nacheinander realisierter Testsprengungen
und der Restlochflutung sowie der Auswertung an verschiedenen Böschungsstandorten durch-
der Messergebnisse entsprechend den hydrogeo- geführt.
logischen Modellierungen. Im Ergebnis der 6 realisierten dynamischen
Grundlegend wurde die Sanierung des Tage- Probebelastungen ist festgestellt worden, dass
baurestloches so vorgesehen, dass mit Erreichen bei keiner der Probebelastungen größere Anstie-
des Endwasserstandes, der auf +103 m NHN in ge des Porenwasserdrucks infolge der Sprengun-
der 2. Ergänzung zum Abschlussbetriebsplan gen gemessen worden sind, die auf eine Verflüs-
beantragt wurde, eine Nutzung für touristische sigungsneigung im jeweiligen Böschungsbereich
Zwecke möglich wird. hingewiesen hätten. Es trat bei und nach den dy-
In Nachterstedt wurden Teile der Böschung namischen Probebelastungen keine signifikante
durch einen RDV-Damm gesichert, weil dort Verflüssigung und auch keine Böschungsbewe-
das Passagierschiff „Seelandperle“ zu Wartungs- gung auf.
arbeiten über eine Slip-Anlage an Land gebracht
werden sollte. Bei dessen Herstellung wurde eine Sanierungsarbeiten in speziellen Bereichen
Altablagerung aus dem Jahr 1856 ff. festgestellt, der Innenkippe Nach Abschluss der Sanie-
die wiederum durch einen RDV-Damm gesichert rungsarbeiten zur Herstellung der Sicherheit im
worden ist. unmittelbaren Böschungsbereich der Südbö-
schung bzw. der gesamten Innenkippe wurden
Darstellung der Maßnahmen zur Böschungs- zusätzliche Maßnahmen zur Sicherung von Teil-
sanierung  Schwerpunkt der Sanierungsarbeiten bereichen der Innenkippe des Tagebaus notwen-
an den Böschungen zur Herstellung dauerstand- dig. Sie umfassten die Bereiche
sicherer Verhältnisse waren die vom Tagebau • der Halde 3 Nachterstedt,
hinterlassenen Innenkippen und Halden (Halde • der Sliptrasse unterhalb des Aussichtspunktes
1, Halde 2 und Halde 3). Die Abraummassen Nachterstedt für die Seelandperle,
waren zum großen Teil auf Innenkippen verstürzt • der Sicherung der Altablagerung von Schwe-
worden. lereirückständen und Maßnahmen zur Ober-
Im Ergebnis der Sanierungsarbeiten wurden flächenentwässerung.
im Bereich der Südböschung (Kippe) unterhalb Halde 3 Die Halde 3 ist in den Jahren zwischen
des Aussichtspunktes folgende Böschungsnei- 1928 bis 1955 entstanden. Sowohl die unterla-
gungen hergestellt: gernde Kippe, als auch die Halde selbst sind ins-
• Böschung oberhalb Neigung max. 1:3 gesamt von einem inhomogenen Bodenaufbau
+115 m NHN: charakterisiert.
• Böschungen zwischen Neigung 1:5,6 Zur Sicherung des nördlichen Teiles der Kip-
+115 m NHN und penböschung der Halde 3 gegen Böschungsfuß-
+105,5 m NHN: bruch wurde ein versteckter Damm (Stützkör-
• Böschungen zwischen Neigung 1:10 per) mittels Rütteldruckverdichtung in Raster-
+105,5 m NHN und fahrweise hergestellt. Das Ziel bestand darin,
102,0 m NHN: die unterlagernden Kippenböschungen und den
• Böschungen zwischen Neigung 1:10 und Böschungsfuß der Halde so zu verdichten, dass
+102,0 m NHN und flacher diese ohne weitere Sicherungsmaßnahmen und
Tagebauliegendem: ohne weiteren Einsatz technischer Mittel für den
Um zu prüfen, ob die Restlochböschungen “ge- Endwasserstand dauerhaft standsicher gegen Bö-
wöhnlichen dynamischen Belastungen“ stand- schungsfußbruch sind.
halten, wurden in den Jahren 1997 bis 2008 in Mit den Sanierungsarbeiten wurde auch eine
jeweils definierten Zeitabständen, abhängig von Gestaltung der Böschung der Halde vorgenom-
der Geschwindigkeit des Anstieges des Seewas- men. Die Sanierungsarbeiten wurden vom Juli
serspiegels des Concordiasees insgesamt 6 dyna-
236 A. Vogt et al.

Abb. 4.87   Luftbildaufnahmen des Rutschungskessels nach der Böschungsbewegung in Nachterstedt am 18.07.2009
(Befliegung am 18.07.2009)
links:   Blick aus nordöstlicher Richtung
rechts:  Blick aus westlicher Richtung

2005 bis September 2006 ausgeführt. Im Okto- Im Bereich des Ufers wurde von der Bö-
ber 2006 wurde eine Anspritzbegrünung ausge- schungsbewegung ein rd. 550 m langer Bereich
führt, um die Böschungen vor Erosionsschäden erfasst. Die Abrisskanten liegen rd. 400 m weit
zu schützen. von der seinerzeitigen Uferlinie des Concordia-
Anlegestelle Nachterstedt Im Zuge der infra- sees entfernt in der dortigen Altkippe. Die durch
strukturellen Erschließungen sollte eine zusätz- die Böschungsbewegung in den stehen gebliebe-
liche Schiffsanlegestelle geschaffen werden. nen Altkippen entstandenen Lockergesteinsbö-
Hierzu wurden Sicherungsarbeiten mittels Erd- schungen sind an diesen Abrisskanten bis rd. 40
bau und Rütteldruckverdichtung (RDV 2007) im m hoch und besitzen Böschungswinkel bis zu 60°
Zeitraum Mai bis Oktober 2007 ausgeführt. Zur gegen die Horizontale (Böschungsneigung ca. 1 :
Sicherung der Altablagerung wurde in den umlie- 0,6). Diese am 18.07.2009 an den Abrisskanten
genden, außerhalb der Kontamination liegenden in der Altkippe entstandenen, sehr steilen Lo-
Kippenmassen der RDV-Stützkörper RDV 2009 ckergesteinsböschungen sind seit der Böschungs-
hergestellt, um zu verhindern, dass die Altablage- bewegung nahezu lagestabil.
rung oder Teile davon verlagert werden. Die Si- Im Rutschungskessel hat sich ein kleiner See
cherungsarbeiten wurden von Oktober 2008 bis ca. 8 m hoch über dem Seeniveau des Concor-
zum April 2009 ausgeführt. diasees gebildet. Neben dem kleinen See be-
finden sich im Rutschungskessel auf verschie-
Böschungsbewegung im Bereich der denen Höhenniveaus weitere unterschiedlich
Südböschung des Tagebaurestloches große Wasserflächen, die z.T. offenbar von aus
Nachterstedt am 18.07.2009 größerer Tiefe aufsteigenden Wässern aus dem
Allgemeine Beschreibung der Böschungsbe- Liegenden. Auch zeigten sich unmittelbar nach
wegung  Am frühen Morgen des 18.07.2009 hat der Böschungsbewegung am 18.07.2009 und
sich an der Südböschung des Tagebaurestloches auch danach noch im Bereich des Rutschungs-
Nachterstedt, dem Concordiasee, eine großräu- kessels zahlreiche Strudellöcher mit Material-
mige Böschungsbewegung ereignet, bei der drei auswurf.
Doppelhaushälften und drei Bewohner der dorti- Zur Aufklärung und zur Erforschung der
gen Wohnsiedlung „Am Ring“ in die Tiefe geris- Ursache der Böschungsbewegung und zur Pla-
sen worden sind (Abb. 4.87). Insgesamt sind rd. nung der Sicherungs- und Sanierungsmaßnah-
4,5 Mio. m³ Erdreich in Bewegung geraten. men wurde ein umfangreiches Monitoring- und
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 237

Messprogramm mit einer Vielzahl von geotech- gibt die aus dem höherfrequenten Vorgang resul-
nischen, hydrogeologischen, geodätischen und tierende Raumwellenmagnitude in ihrem Bul-
geophysikalischen Messungen und Feld- und La- letin für den Monat Juli 2009 mit ML = 1,0 an
boruntersuchungen sowie ein umfangreiches Er- (Abb. 4.89).
kundungsprogramm entworfen, das im Zuge der Erst nach diesem höherfrequenten Initial ist
Arbeiten ergebnisbezogen fortgeschrieben und ein zweiter seismischer Vorgang, das Sekundär-
umgesetzt wurde. ereignis, aufgezeichnet worden. Die Universität
Bei der Identifikation von Einflussfaktoren Leipzig gibt die Magnitude des niederfrequen-
auf die Böschungsbewegung lag der Schwer- ten Vorganges des Sekundärereignisses in ihrem
punkt der Ursachenforschung auf den potentiel- Bulletin mit MS = 2,1 an (Abb. 4.89).
len Einflussfaktoren Die Messungen an den nächstgelegenen Mess-
– Hydrogeologie/Aquifere stationen belegen eindeutig und widerspruchsfrei
– Altbergbau/Altstrecken das Auftreten zweier getrennter seismischer Er-
– Geologie/Boden/Kippen/Gewachsenes eignisse, und zwar u.a. auch dadurch, dass die
– Dynamisches Initial/Seismologie Zeitpunkte, die den höherfrequenten vom nieder-
inkl. deren eventueller Wechselwirkungen. frequenten Vorgang bzw. vom Grundrauschen
abgrenzen, an den verschieden weit entfernten
Auswertung von Informationen zum Ablauf Messstationen Staßfurt und Wimmelburg gleiche
der Böschungsbewegung Die Erstmeldung an zeitliche Abstände besitzen (Abb. 4.88).
die Kreiseinsatzleitstelle des Salzlandkreises in Die gemessenen zwei nacheinander aufgetre-
Staßfurt ging um 04:48 Uhr Mitteleuropäischer tenen seismischen Vorgänge, das höherfrequente
Sommerzeit (MESZ) durch eine Anwohnerin Primärereignis und das niederfrequente Sekun-
ein. Die Alarmauslösung erfolgte um 04:51 Uhr därereignis, werden durch die Messungen an Lo-
durch die Leitstelle. ckergesteinsrutschungen im ehemaligen Tagebau
Spreetal und durch modelltheoretische durchge-
Seismische Messungen  Am Morgen des führten Analysen widerspruchsfrei bestätigt.
18.07.2009, an dem die Böschungsbewegung
in Nachterstedt aufgetreten ist, wurden von den Nach der Böschungsbewegung am
seismologischen Observatorien und Stationen in 18.07.2009 veranlasste Untersuchungen
Deutschland seismische Ereignisse registriert, und Maßnahmen im Rahmen der
die in enger zeitlicher und räumlicher Nähe zur Ursachenforschung
Böschungsbewegung Nachterstedt stehen. Sofortmaßnahmen Unmittelbar nach der Bö-
Als Quellen für seismische Daten standen in schungsbewegung am 18.07.2009 wurde der
der weiteren und näheren Umgebung von Nach- Sperrbereich „Sperrgebiet Erdrutsch Nachter-
terstedt folgende Messstationen bzw. Messnetze stedt“ mit der Allgemeinverfügung der Stadt
zur Verfügung: Seeland vom 23.07.2009 festgelegt und am
– das Seismologische Zentralobservatorium 24.10.2012 präzisiert.
der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Zur Festlegung der Regularien zum Betreten
Rohstoffe (BGR), Hannover, des Sperrbereichs und der Systematik und Me-
– das Netz des Seismo-Verbundes Sachsen inkl. thodik der Sicherheitssysteme wurden die Allge-
Observatorium Collm der Universität Leipzig, meinen Verhaltensanforderungen für das „Sperr-
– das lokale Netz der BGR in Staßfurt. gebiet Erdrutsch Nachterstedt“ im Tagebau
Die seismischen Messungen beginnen an den Nachterstedt/Schadeleben erarbeitet. Auf Grund-
nächstgelegenen Messstationen mit einem höher- lage der Allgemeinen Verhaltensanforderungen
frequenten Vorgang, einem dynamischen Initial wurden im Rahmen der Ursachenforschung bzw.
(Primärereignis), mit einer Vorzugsfrequenz von werden im Zuge der Planung und Umsetzung der
rd. 5 Hertz (Abb. 4.88). Die Universität Leipzig Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen jeweils
238 A. Vogt et al.

67)+= 67)+(D3KDVHDE 67)+(D3KDVHE


  D
  
E
D 6WD‰IXUWK
 $EVWDQGD NP
I f =
5,3+]
Hz 


 If = +]
0,8 Hz
Y >—PV@

Y>—PV@
Y>—PV@



—
—
 

 

W  VHF

 































     































8KU]HLW0(6=DP I>+]@ I>+]@


:LPPH=D

  :LPPHOEXUJ 3KDVH DE '\QDPLVFKHV ,QLWLDO 3ULPlUHUHLJQLV 
$EVWDQGD NP
 0/ 
D E

3KDVH QDFK E %|VFKXQJVEHZHJXQJ 6HNXQGlUHUHLJQLV 
06 
Y >—PV@

í
]XJHK|ULJH 5HODWLYYHUVFKLHEXQJ
í  PP LP )HVWJHVWHLQ
W  VHF
í





























































8KU]HLW0(6=DP

Abb. 4.88   Gemessenes Primär- und Sekundärereignis


links:   Seismogramme mit identischen Zeitabständen bei unterschiedlicher
     Stationsentfernung von Staßfurt und Wimmelburg
rechts:  Frequenzspektren des an der Station Staßfurt (STF1, Ost-West-Richtung)
       (Originaldaten BGR, LAGB; Farben und Marken a und b ergänzt)

Abb. 4.89   Ausriss aus dem Bulletin des Observatoriums Collm der Universität Leipzig für den Monat Juli 2009 (Univ.
Leipzig, 2009)

themen- und maßnahmenbezogen „Spezielle Monitoring- und Überwachungsmaßnahmen/ 


Verhaltensanforderungen“ ausgearbeitet, um Dispatchereinsatzkonzept Die Erkundungsmaß-
über diese Einzelfallbetrachtung das Sicherheits- nahmen zur Ursachenforschung wurden mit
bewusstsein aller Akteure zu schärfen. einem umfangreichen Monitoring- und Über-
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 239

wachungsprogramm gemäß den Anforderungen • Geotechnische Mess- und Kontrolleinrichtun-


der Beobachtungsmethode begleitet. Ziel der gen im Bereich des Ostufers und der Halde 3
Beobachtungsmethode ist es unter anderem, bei – 7 Rutschungswarnanlagen zur Überwa-
Deformationen eine Gefahren- und Risikoab- chung der Böschungen zwischen Halde 3
schätzung zu ermöglichen. und Froser Straße
Es wurden u. a. folgende Monitoring- und – 3 Messgalgen zur Überwachung von
Überwachungsmaßnahmen umgesetzt: Böschungsbewegungen im Bereich der
• Tachymetermessungen an bis zu 38 Mess- Halde 3
punkten im Bereich der ehemaligen Wohn- – 4 Oberflächenextensometer zur Über-
siedlung „Am Ring“ wachung von Böschungsbewegungen im
• Kontinuierliche Deformationsmessungen mit Bereich der Halde 3
bis zu acht GPS-Sensoren (und einer GPS-Re- • Grundwasserstandsmessungen an 280 Grund-
ferenzstation) zur Bestimmung von Lage- und wassermessstellen und 52 Piezometermess-
Höhenänderungen im Bereich der ehemaligen stellen, 28 Brunnen sowie Messungen des
Wohnsiedlung „Am Ring“ Seewasserstandes an 6 Pegellatten
• Geophysikalische Mess- und Kontrolleinrich- • Inaugenscheinnahme der Böschungssys-
tungen: teme und des Concordiasees mit regelmä-
– je zwei Neigungssensoren an vier Mess- ßigen Befahrungen, Drohnenbefliegungen
punkten im Bereich der ehemaligen Wohn- sowie arbeitsbegleitend kontinuierlich durch
siedlung „Am Ring“ zur Erfassung von Böschungsbeobachter
Neigungsänderungen sowie sieben hoch- • Überwachung des Rutschungsbereichs über
und niederfrequente Seismometer an fünf zwei Videokameras
Messpunkten im Bereich der ehemaligen Alle aus den Monitoring- und Überwachungs-
Wohnsiedlung „Am Ring“ und der vorge- maßnahmen gewonnenen Ergebnisse werden
lagerten Slipanlage zur Erfassung seismi- beim Dispatcher erfasst, der die Schaltstelle zwi-
scher Ereignisse schen den Arbeitsmannschaften und den Kont-
– neun hoch- und niederfrequente Seismo- rollorganen ist. Bei Überschreitung von Alarm-
meter an sieben Messpunkten im näheren werten oder Auftreten sonstiger Anomalien/Un-
Umfeld der ehemaligen Wohnsiedlung regelmäßigkeiten, die das sofortige Einstellen der
„Am Ring“ Arbeiten innerhalb des Sperrgebiets erforderlich
– drei niederfrequente Seismometer an machen, löst der Dispatcher die optischen/akusti-
Messpunkten im weiteren Umfeld des schen Warnanlagen aus. Anschließend informiert
Concordiasees er entsprechend dem Alarmplan den bergrecht-
• Bestimmung von Höhenänderungen mittels lich Verantwortlichen und nach Erfordernis die
Nivellement entlang von acht böschungspar- öffentliche Rettungsleitstelle.
allelen Messlinien mit insgesamt 138 Einzel-
messpunkten rund um den Concordiasee Durchgeführte Erkundungsmaßnahmen Im
• Bestimmung von Lage- und Höhenänderun- Zuge der Ursachenforschung ist die komplexe
gen mittels unterschiedlicher Messmethoden Lagerstättenstruktur in Nachterstedt mit Hilfe
entlang von sechs zumeist quer zu den Mess- von 186 Aufschlussbohrungen an 88 Erkun-
linien verlaufenden Messprofilen (davon ein dungsstandorten sowohl an Land als auch auf
Messprofil quasikontinuierlich) mit insgesamt dem Concordiasee unter Einsatz von 3 Pontons
31 Einzelmesspunkten im südlichen bis öst- für die Bohr- und Sondierarbeiten mit insgesamt
lichen Böschungsbereich des Concordiasees rd. 12.840 Bohrmetern sowie 28 Brunnenbohrun-
unterhalb der Halde 3 Nachterstedt sowie im gen erkundet worden (Abb. 4.90).
Uferbereich des Concordiasees unterhalb der Als völlig neue Datenbasis für die Entwick-
Halde 1 Königsaue am Überleiter zum TRL lung der neuen hydrogeologischen/hydrody-
Königsaue. namischen und geotechnischen Modellbildung
240 A. Vogt et al.

Abb. 4.90   Luftbild mit Bohrstandorten zur Ermittlung der Ursache der Böschungsbewegung Nachterstedt vom
18.07.2009

wurden diese Ergebnisse in die Datenerhebung 6.3, geprägt, die in Form einer Druckblase arte-
und Bewertung eingeführt. sisch gespanntes Wasser mit einem Überdruck
Hinzu kommen die permanent aufgezeichne- von 18 m weit unter das Stützkippensystem im
ten Ergebnisse von 184, im Wesentlichen neu Concordiasee transportiert (Abb. 4.91).
installierten Grundwassermessstellen inkl. Pie- Eine der Ursachen für diese bis zum Zeitpunkt
zometern und die Ergebnisse von 71 Druckson- der Ursachenermittlung hinsichtlich ihres unge-
dierungen sowie ein Wiederanstiegsversuch zur wöhnlichen Habitus unbekannten hydrogeologi-
kleinräumlichen und quantitativen Identifizie- schen Anomalie ist die bis dahin nicht bekannte
rung der hydrogeologischen und hydrodynami- Tatsache, dass der unter dem Stützkippensystem
schen Anomalien. anstehende Liegendton trotz der lokal vorhande-
Begleitend wurden bohrlochgeophysikalische nen anthropogenen Durchörterungen einen dich-
Untersuchungen und Laboruntersuchungen an ten Deckel bildet, wie aus den Wiederanstiegs-
rd. 2.200 Bodenproben zur Bestimmung boden- kurven der neu installierten Piezometer 2916,
dynamischer und hydrogeologischer Parameter 2926, 2938 und 3045 und der Grundwassermess-
vorgenommen. stelle GWM 1870 (= Kontrollpegel P1870) her-
Mit den im Concordiasee ausgeführten Tie- vorgeht (Abb. 4.92).
fenlotungen wurde festgestellt, dass Teile des Das Stützkippensystem besteht -mit zahlrei-
Bodenmaterials der Böschungsbewegung offen- chen Ausnahmen- an vielen Stellen aus engge-
bar über die im Zentralbereich des Concordiasees stuften gleichförmigen Tertiärsanden, die locker
gelegene Schwelle bis in das Seetiefste ins Feld gelagert sind. Die Korngrößenverteilung dieser
Schadeleben transportiert worden sind. Sande liegt im Spektrum der verflüssigungsemp-
Die hydrogeologische Situation im Bereich findlichen Böden. Die Altkippe besteht aus mit-
der Böschungsbewegung wird durch eine räum- teldicht und dicht gelagerten Sanden und Kiesen
lich eng begrenzte anomale Rinnenstruktur im (Abb. 4.93).
obersten Liegendgrundwasserleiter, dem GWL
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 241

Abb. 4.91   Anomale Druckblase im Liegendgrundwasserleiter GWL 6.3 vor der Böschungsbewegung vom 18.07. 2009

Abb. 4.92   Messergebnisse des Wiederanstiegsversuchs im Liegendgrundwasserleiter GWL 6.3


242 A. Vogt et al.

Abb. 4.93   Geotechnischer Schnitt durch den Rutschungskessel

Ergebnisse und Erkenntnisse aus der Rechnerische Analyse des Ablaufs der
Ursachenforschung Böschungsbewegung  Basierend auf den durch
die Messungen gewonnenen neuen Erkenntnis-
Erkundungsbohrungen Altbergbau/Altstre- sen konnte der Ablauf der Böschungsbewegung
cken  Alle durchgeführten Untersuchungen zum mit Hilfe von Böschungsberechnungen nach den
Altbergbau und alle Messungen in den Altstre- allgemein anerkannten Regeln der Technik nach-
cken und im Umfeld der Altstrecken zeigen, dass vollzogen werden.
die Bruchfelder und die Altstrecken lagestabil Die Böschungsbruchberechnungen wurden
sind, und dass dort kein hydraulisches Regime im Sinne einer Systemanalyse für die verschie-
herrscht, das auf eine hydraulisch wirksame Ver- densten Stationen des Böschungssystems nach
bindung zwischen dem Restloch Frose, wo das DIN 4084 durchgeführt. Als Belastungen wurden
Druckniveau mit rd. +112 m NHN 30 m höher • der Wasser- und Strömungsdruck im Hangen-
liegt als am Concordiasee, zurückzuführen wäre. den, dies sind die oberflächennahen quartären
Mit allen Kontrollbohrungen und den zugehö- Schichten sowie die Alt- und Stützkippe, und
rigen Messungen wurde festgestellt, dass die Alt- • der Wasser- und Strömungsdruck im Liegen-
strecken verwahrt sind. Schon aus diesem Grund den, dies ist der artesisch gespanntes Wasser
ist es nachvollziehbar, dass die Altstrecken kein führende Grundwasserleiter GWL 6.3
schadensrelevantes hydraulisches Regime bil- auf das Böschungssystem aufgebracht. Variiert
den. wurde die Belastung aus dem gemessenen dyna-
Mit den Untersuchungen der Altstrecken ist mischen Initial mit der Magnitude ML = 1,0, das
auch festgestellt worden, dass der unmittelbar zu einer Horizontalbeschleunigung von 0,55 m/s2
nördlich vor dem Rutschungskessel im Concor- geführt hat, und die Lage und Größe eines even-
diasee liegende Restkohlenpfeiler an Ort und tuell vorhandenen hydraulischen Fensters,
Stelle verblieben und unversehrt ist (vgl. Abb. einer hydraulischen Verbindung, zwischen dem
4.93). Dies gilt auch für die im Restkohlenpfeiler Grundwasserleiter GWL 6.3 und dem Stützkip-
erbohrten Altstrecken, die verwahrt sind. pensystem.
Der Altbergbau und die Altstrecken haben mit Die Böschungsbruchberechnungen ergeben,
der Böschungsbewegung vom 18.07.2009 nichts dass das Böschungssystem für den Fall, dass kein
zu tun. hydraulisches Fenster zwischen dem Grundwas-
serleiter GWL 6.3 und dem Stützkippensystem
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 243

vorhanden ist, für alle Lastkombinationen rech- das Zusammentreffen der nicht bekannten und
nerisch standsicher ist; dies gilt auch für den Fall, daher auch nicht vorhersehbaren dynamischen
dass das dynamische Initial mit der Magnitude Belastung des Böschungssystems durch ein
ML = 1,0 auf das Böschungssystem einwirkt. dynamisches Initial (Phase a-b, rot in Abb. 4.88)
Wird bei der Böschungsbruchberechnung ein mit dem ebenfalls unvorhersehbaren, hohen
hydraulisches Fenster zwischen dem Grundwas- artesischen Wasserüberdruck (Abb. 4.91), der
serleiter GWL 6.3 und dem Stützkippensystem eine Folge der anomalen lokalen Rinnenstruktur
dort angesetzt, wo es nach den Messungen lie- des Grundwasserleiters GWL 6.3 ist, verursacht
gen muss, dann ist die Böschung trotz des enor- worden.
men Strömungsdruckes immer noch rechnerisch In Abgrenzung zu den nicht abgerutschten
standsicher; erst wenn eine zusätzliche Belastung Stützkippensystemen des Concordiasees zei-
durch das dynamische Initial einwirkt, kommt gen die Ursachenanalysen auch, warum die Bö-
es zum Versagen und zum Ausfließen des Stütz- schungsbewegung dort und nur dort aufgetreten
kippensystems, was zu dem von der Universität ist, wo sie aufgetreten ist, und warum sie nicht
Leipzig gemessenen seismischen Sekundärereig- vor der Südwestböschung und auch nicht vor der
nis mit der Magnitude von MS = 2,1 geführt hat. Halde 3 aufgetreten ist. Die Ursache liegt darin,
Dieses Sekundärereignis, die durch das Ver- dass nur am Standort der Böschungsbewegung
sagen des Stützkippensystems fehlende Stützung die zwei Elemente, gemessenes dynamisches
der Altkippe und der nahezu unverändert hoch in Initial (Abb. 4.88 und Abb. 4.89) und gemesse-
der Altkippe anstehende Kippenwasserstand führ- nes artesisch gespanntes Grundwasser, in der nur
ten in der Folge zum staffelbruchartigen, rück- lokal ausgeprägten Rinnenstruktur des Grund-
schreitenden Versagen der Altkippe (Abb. 4.93). wasserleiters GWL 6.3 (Abb. 4.91) aufeinander
Als Folge des Versagens des Stützkippensys- treffen konnten. In allen anderen Böschungs-
tems und der ersten Staffelbrüche der Altkippe bereichen des Tagebaurestloches Nachterstedt
und wegen des damit einhergehenden Verlusts (Concordiasee) konnte diese gemeinsame Last-
der Bodenauflast verringerte sich die Sicherheit einwirkung nicht auftreten, weil die Verhältnisse
gegen hydraulischen Grundbruch im Bereich dort günstiger sind.
des Rutschungskessels auf η < 1. Als Folge, d.h. Daher sind auch die Ergebnisse aus der Ursa-
nach der Böschungsbewegung trat im Bereich chenermittlung des Ereignisses Nachterstedt
des Rutschungskessels daher ein lokales Versa- nicht auf die anderen Braunkohlenreviere in
gen in Form der Strudellöcher ein, nachdem das Deutschland übertragbar.
Stützkippensystem und die Altkippe abgerutscht
waren. Der über die Sprudellöcher stattfindende
Materialauswurf ist so lange aufgetreten, bis sich 4.8.5 Bauen auf bindigen Mischbo-
der Liegendwasserdruck im Grundwasserleiter denkippen im Mitteldeutschen
GWL 6.3 soweit entspannt hat, dass sich im End- Braunkohlenrevier
zustand ein bodenmechanisches und hydrodyna-
misches Gleichgewicht gebildet hat. Einführung
Die Braunkohlenförderung im Mitteldeutschen
Zusammenfassende Darstellung der Ursa- Revier hinterließ nach der Auskohlung im Tage-
chen der Böschungsbewegung  Die Scha- baubetrieb große Flächen, in denen die zwangs-
densursache für die Böschungsbewegung vom weise mit gewonnenen Abraummassen verstürzt
18.07.2009 wurde auf der Basis der umfang- wurden. Die Innenkippen der Tagebaue belegen
reich erhobenen Messdaten und der darauf die bei der Kohlengewinnung anstehenden geo-
aufbauenden, hinsichtlich Standsicherheitsbe- logischen Schichten, deren Gewinnung, Trans-
rechnungen in der DIN 4084 normativ geregel- port und Versturz. In Mitteldeutschland kenn-
ten Modellbildungen widerspruchsfrei wie folgt zeichnen die anstehenden bindigen Horizonte
identifiziert: Die Böschungsbewegung ist durch maßgebend die Eigenschaften der Kippenböden.
244 A. Vogt et al.

Abb. 4.94   Tagebaubetrieb und Kippensystem. (Galilär und Bennewitz 2008)

Bergbauspezifische Situation Über die AFB erfolgten die Gewinnung und


Tagebautechnologie  Der Baugrund der der Versturz von vorwiegend gleichmäßig abge-
Tagebaufelder Zwenkau und Espenhain setzt lagerten marinen Sedimenten, vertikal geschich-
sich aus einem Kippensystem zusammen, wel- tet von Feinsand bis Schluff, mit Eimerketten-
ches aus der Kippe einer Abraumförderbrücke baggern. Dadurch entstand ein relativ gleich-
(AFB) als Basiskippscheibe und – Gelände bil- mäßig gemischter und homogenisierter Kippen-
dend – Absetzerkippen besteht (Abb. 4.94). Die boden. Nach DIN 18196 (2006) handelt es sich
Gesamtmächtigkeit beträgt (50 bis 70) m. im Wesentlichen um einen Sand stark schluffig
Das bodenmechanische Verhalten in den (SU*) bzw. Schluff leicht plastisch (UL).
Kippscheiben wird maßgeblich durch den berg- Die Absetzerkippen besitzen einen ver-
bautechnischen Prozess bestimmt. In Abhängig- gleichsweise inhomogenen Aufbau. Es wurden
keit von der Abbautechnik, der nachgeordneten die verschiedensten Lockergesteinskörper (Tone,
Transport- und Versturztechnik erfolgte eine Schluffe, Sande und Kiese) weitestgehend spora-
Durchmischung sowie mechanische Beanspru- disch und teilweise auf engem Raum wechselnd
chung der natürlichen Böden und es entstand ein aufgebaut.
neues Lockergestein. Hydrologie Die Kippen der Tagebaue Zwen-
Charakteristisch für mitteldeutsche Absetzer- kau und Espenhain befinden sich innerhalb einer
kippen ist eine lamellenartige Schrägschichtung entstehenden Seenkette/Seenlandschaft.
der in die Kippen eingebauten Massen, die aus Die hydrologischen Verhältnisse sind vom
der bergbautypischen Versturztechnologie re- Grundwasserwiederanstieg nach dem aktiven Ta-
sultiert und die dem Schüttwinkel der verstürz- gebaubetrieb geprägt. Dabei stellt sich die voll-
ten Lockergesteinskomponenten entspricht ständige Grundwasserregeneration erst mit dem
(s. Abschn. 2.2). Ende der Flutung aller umliegenden Tagebaurest-
Geologie/Bodenphysik Die Kippen unter- seen ein.
scheiden sich nicht nur in Stoffbestand und Ge- Die Tagebaukippen stellen einen inhomoge-
füge, sondern auch im Zustand und seinen me- nen Körper dar, der aus kaum horizontierbaren
chanischen Eigenschaften von dem natürlich Wechsellagerungen von Grundwasser leitenden
gewachsenen Boden als Ausgangsgestein. Durch und Grundwasser stauenden Schichten besteht.
den vollkommenen Verlust aller Festigkeiten, die Diese Wechsellagerung und der relativ hohe An-
im natürlichen Lockergestein von der geologi- teil an Grundwasser leitenden Sedimenten be-
schen Vorspannung abhängen, liegt für das nun- wirkt, dass die Kippen in sich hydraulisch ver-
mehr technogene Lockergestein ein quasi Erst- bunden sind. Die derzeitigen Verhältnisse sind
belastungszustand vor (DIN 18196: Auffüllung). jedoch nicht mit einer klassischen Grundwasser-
Das Kippenmassiv lagert auf tertiären Ta- führung zu beschreiben. Es haben sich material-
gebau-Liegendsedimenten. Dabei handelt es abhängige Aufsättigungsbereiche ausgebildet,
sich um dicht gelagerte, schwach schluffige bis die erst im stationären Endzustand, d. h. zeit-
schluffige Sande und um Liegendschluff des abhängig, eine relativ durchgängige Linie der
Bornaer Hauptflözes. Das Kornspektrum der Grundwasserneubildung aufweisen.
AFB-Kippe unterscheidet sich deutlich von dem Der Grundwasserwiederanstieg ist jedoch re-
der Absetzerkippen (Abb. 4.95). lativ weit fortgeschritten. Über weite Bereiche
der Kippen ist die Aufsättigung bereits gelän-
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen

Abb. 4.95   Kippenstruktur und Korngrößenverteilung. (Galilär und Bennewitz 2008)


245
246 A. Vogt et al.

Abb. 4.96   Lage der


Autobahn A 38 im Süd-
raum Leipzig. (Galilär und
Bennewitz 2008)

denah. Perspektivisch wird sich großräumig ein Kippenmodell und Baugrundproblematik 


flurnaher bzw. Gelände bildender Grundwasser- Die Tagebaukippen werden nach (Formazin
stand ausbilden. 1988) allgemeingültig unterteilt in Kippenbö-
schungsbereich, Kippenrandbereich, Kippen-
 AB A 38, Südumgehung Leipzig –
B innenbereich und Tagebauböschungsbereich
Erfahrungen bei der Querung von (Abb. 4.97).
Tagebaukippen aus geotechnischer Sicht Die Kippenböschung ist für ein Bebauen wei-
Die Bundesautobahn A 38 verbindet zur Entlas- testgehend auszuschließen. Für den Kippenrand-
tung und Ergänzung des Hauptstraßennetzes die bereich kommt eine Bebauung nur in Ausnahme-
Autobahnen Berlin-Nürnberg (A 9) und Magde- fällen in Betracht.
burg-Dresden (A 14) (Abb. 4.96). Der Kippeninnenbereich macht das Hauptfeld
Südlich der Stadt Leipzig quert sie als Süd- der Kippenbebauung aus, Randeinflüsse entfal-
tangente die Braunkohlentagebaufelder Zwenkau len weitestgehend. Er ist nach (Dorschner 1965)
und Espenhain (Galilär und Bennewitz 2008). über ein Neigungsverhältnis NV durch einen Ab-
Die Länge der Trasse über Tagebau-Kippenflä- stand von NV = 1:15 ± 20 % (gemessen vom Bö-
chen beträgt ca. 10 km. schungsfuß) definiert.
Der ehemalige Tagebauböschungsbereich be-
inhaltet erhebliche geotechnische Unterschiede.
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 247

Abb. 4.97   Kippenmodell. (Galilär und Bennewitz 2008)

• Die nachfolgende Zone 3 ist im Wesentlichen


locker bis mitteldicht gelagert. In Abhängig-
keit von den Bodeneigenschaften erfolgt mit
zunehmender Tiefe ein Dichtezuwachs durch
das überlagernde Kippeneigengewicht (Ein-
tritt von Kornumlagerungen).
Der unmittelbare Baugrund in Form von Ab-
Abb. 4.98   Dichtestruktur der Kippe. (Galilär und Ben-
setzerkippen ist neben der geringen Tragfähig-
newitz 2008) keit und dem hohen Verformungspotenzial sum-
marisch wie folgt gekennzeichnet:
Aus der abgetreppt unterlagernden gewachse- • unregelmäßige Ablagerung verschiedener
nen Randböschung resultieren unterschiedliche Böden
Kippenmächtigkeiten. Die maßgebenden Ver- • wechselnde Festigkeitseigenschaften
formungskomponenten im Hinblick auf eine • im bautechnischen Sinn nicht versickerungs-
Kippenbebauung wirken hier besonders kritisch. fähig
Es kann zu Setzungsdifferenzen, Schieflagen, • hohe Wasserempfindlichkeit
Krümmungen, Zerrungen etc. kommen. • sehr große Frostempfindlichkeit.
Das Kippenmassiv wird vertikal in drei Dich- Kernpunkt ist das relativ große Verformungs-
tezonen gegliedert (Abb. 4.98). potenzial.
• Zone 1 von der Geländeoberfläche bis ca. 3 m
Tiefe ist in der Regel locker bis sehr locker. Verformungspotenzial  Es wird in Eigensetzun-
Verdichtungen resultieren aus mechanischen gen, Sackungen und Lastsetzungen unterschie-
und/oder atmosphärischen Einwirkungen. den.
• Zone 2 beinhaltet den Bereich bis in (10 bis Der Eigensetzungsanteil ergibt sich aus der
15) m Tiefe. Dieser ist ebenfalls locker bis Zusammendrückung der Kippe. Welchen Ge-
sehr locker gelagert; es erfolgt kaum eine setzen die Eigensetzungen der Tagebaukippen
Kornumlagerung/Verfestigung durch den im Mitteldeutschen Raum folgen, kann durch
Überlagerungsdruck.
248 A. Vogt et al.

Abb. 4.99   Messergebnis-


se des Horizontalinklino-
meters

markscheiderische Messungen belegt werden. spezifischer Berechnungen. Dabei hat die Kip-
Nach (Dorschner 1965) geht die Zeitsetzungs- penliegezeit keinen entscheidenden Einfluss auf
kurve nach drei Jahren in eine Asymptote über. das Last-Setzungs-Verhalten.
Zu diesem Zeitpunkt sind im Mittel 95 % der Die größten Verformungen sind im Teufen-
Eigensetzungen beendet, Kippeninnenflächen bereich bis ca. 15 m zu erwarten. Das Verfor-
vorausgesetzt. Nach fünf Jahren sind ca. 99 % der mungsverhalten im Zusammenhang mit einer ca.
Primärdeformationen abgeklungen. 10 m hohen Erdstoffaufhaldung als Vorbelastung
Die letzten Schüttungen im Bereich der Auto- wurde durch ein Horizontalinklinometer (HIK)
bahntrasse BAB A 38 erfolgten 1997, so dass die kontrolliert (Abb. 4.99). Die maximalen Gesamt-
Eigensetzungen unkritisch sind. Sekundärsetzun- verformungen liegen bei 1,1 m.
gen in Verbindung mit dem weiteren Grundwas- Das Zeit-Setzungs-Verhalten weist nach ca.
serwiederanstieg werden unter dem nachfolgen- 250 Tagen einen asymptotischen Verlauf aus.
den Punkt als Sättigungssetzungen ausgewiesen.
Sackungen als Folge des Verlustes der kapil- Gründungstechnische Schlussfolgerungen
laren Haftfestigkeit durch Grundwasseranstieg Nach (DIN 4020 2003) handelt es sich infolge
sind erdstoff- und auflastspannungsabhängig und der schwierigen Baugrundverhältnisse, d. h.
vorrangig in gleichförmigen sandigen Kippen- • „junge“ geologische Ablagerung
bereichen bei erstmaliger Wassersättigung zu er- • unkontrolliert geschüttete Geländeauffüllung
warten. Sie sind im vorliegenden Fall der BAB • lockere Lagerung und Inhomogenität der
A 38 aufgrund der Mischbodenkippencharakteri- Tagebaukippe,
stik nicht relevant. um die komplizierteste Geotechnische Kategorie
Es sind jedoch im bindigen Boden Sättigungs- 3 mit einem erhöhten Baugrundrisiko.
setzungen im Hinblick auf Makroporen (Klum- Es muss davon ausgegangen werden, dass bei
pen) in Form von volumetrischem Kriechen ein- der Bebauung von Tagebaukippen die Grenzwer-
zukalkulieren. Die Klumpen verlieren ihre kapil- te für den Eintritt architektonischer, konstruktiver
lare Festigkeit. Dabei handelt es sich um einen oder funktioneller Schäden wesentlich schneller
Langzeiteffekt. erreicht werden als beim Vorliegen eines ge-
Der Verformungsanteil aus den möglichen wachsenen Baugrundes. Es muss von erhöhten
Sättigungssetzungen infolge des noch zu erwar- finanziellen und materiellen Aufwendungen für
tenden Grundwasserspiegels unterhalb Baugrund • Baugrundvergütung
vergütender Maßnahmen ist rechnerisch schwer • spezielle Gestaltung der Gründungskörper
kalkulierbar und verbleibt als Baugrundrestrisiko. • konstruktive Anpassungen
Lastsetzungen sind vom jeweiligen Belas- • Anordnung von Versorgungsleitungen
tungsmodell abhängig und bedürfen bauobjekt- ausgegangen werden.
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 249

Mit (LMBV 1999) liegen Empfehlungen und Porenwasserüberdruckabbaus. Sie schließen mit
Bemessungsgrundlagen für das Bauen auf bin- einer Dränschicht zur Abführung des austreten-
digen Mischbodenkippen der Braunkohlentage- den Wassers ab.
baue im Mitteldeutschen Revier vor, die für die Schwerpunktbereiche für die Baugrundvergü-
Baumaßnahme BAB A 38 mit genutzt wurden. tung durch RSV waren die
Das Kriterium der Grenztragkraft ist bei einer • Widerlagerbereiche der Ingenieurbauwerke
Bebauung/Belastung nicht unbedingt repräsen- • Anschlussdämme an die Brückenbauwerke
tativ. Bei Kippenböden wird der Grenzzustand • hohen Dämme auf kritischem Baugrund
der Gebrauchstauglichkeit „Verformung“ in der • Grenzbereiche Tagebaukippe/Gewachsenes.
Regel eher zutreffen als der Grenzzustand der Die Bemessung der Rüttelstopfsäulen (Durch-
Gesamtstandsicherheit „Bruch“. messer, Tiefe, Rasterabstand) erfolgte differen-
Es sind Maßnahmen zur Baugrundverbesse- ziert je Ingenieurbauwerk und Dammhöhe nach
rung erforderlich. Sie dienen im Wesentlichen der Lasteintragung. In den Übergangsbereichen
den Zielen der Reduktion von Setzungen und von Brücken und Streckenbauwerken wurde
Setzungsdifferenzen (Vergleichmäßigung des das Raster der Stopfsäulen zur Erzielung einer
Baugrundes) sowie der Erhöhung der Tragfähig- Schleppwirkung allmählich vergrößert.
keit. Die geotechnischen Randbedingungen, An-
Als Vergütungsmaßnahmen boten sich vor- wendungsbereiche und technischen Parameter
dergründig Verfahren an, die eine tiefgreifende zeigt zusammenfassend Abbildung 4.100.
Verbesserung der inhomogenen Kippe ermögli- Vertikaldrainagen Zur Konsolidierungsbe-
chen. Realisiert wurden Rüttelstopfverdichtung, schleunigung wurden in der Dammstrecke bis in
Vertikaldrainagen, Fallgewichtsverdichtung, Be- eine Tiefe von 10 m bis 15 m Vertikaldränagen
wehrung mit Geokunststoffen und generell Vor- eingebaut. Der Einbau erfolgte im Dreiecksraster
lastschüttungen. mit einem Abstand von 3 m bis 5 m.
Infolge der vorliegenden schwierigen geo- Fallgewichtsverdichtung (FGV) Die Fallge-
technischen Verhältnisse wurde ein separates wichtsverdichtung bewirkt wie die Stopfsäulen
Baulos „Groberdbau und Untergrundverbesse- die Erhöhung der Dichte, Festigkeit und Steifig-
rung“ durchgeführt. keit. Es erfolgt eine Homogenisierung des Bau-
grundes und das Verformungspotenzial wird
Baugrundvergütung deutlich reduziert. Voraussetzung ist, dass die
Rüttelstopfverdichtung (RSV)  Die Rüttelstopf- Kippe nur schwach bindig und erdfeucht, d. h.
verdichtung mittels Schotter bzw. Kies gehört nicht wassergesättigt ist.
zu den Tiefenverdichtungsverfahren, bei denen Anwendung fand die Maßnahme im Bereich
mit speziellen Schleusenrüttlern Mischbodenkip- des Dammes Auenhain an der Westgrenze des
pen mit einem hohen Verformungspotenzial für Tagebaufeldes Espenhain. Die so genannte Land-
bautechnische Zwecke verbessert werden. Sie ist brücke wurde im Zeitraum von 1997 bis 1999
eine Kombination aus Verdrängungs- und Rüttel- mittels Bandabsetzer geschüttet und ist im maß-
verdichtung (dynamische Bodenverdichtung). gebenden Teufenbereich noch nicht wasserbeein-
Die Lagerungsdichte wird erhöht und der flusst. Der Feinkornanteil (Ton-, Schluffkorn)
Baugrund homogenisiert. Die Stopfsäulen bewir- beträgt rd. 20 %.
ken die Erhöhung der Festigkeit und Steifigkeit. Die Verdichtung erfolgte mit einer Fallmasse
Das Setzungs- und Tragverhalten wird verbes- von 20 t (Grundfläche 2 m · 2 m) bei einer Fallhö-
sert. Damit können höhere Bodenpressungen zu- he von 20 m bis 30 m. Es wurden 2 Durchgänge
gelassen werden. Die Säulen wirken im Hinblick mit einem Rastermaß von 3 m · 3 m realisiert.
auf die relativ hohe Aufsättigung und Bindigkeit Zielgrößen waren eine Einflusstiefe von 10 m
der anstehenden Tagebaukippe gleichzeitig als und ein Steifemodul ES ≥ 7 MN/m2 im Teufenbe-
Vertikaldrainagen, u. a. zur Beschleunigung des reich von T = (6 bis 8) m.
250 A. Vogt et al.

Abb. 4.100   Randbe-


dingungen und technische
Parameter der Rüttelstopf-
verdichtung. (Foto: FCB
GmbH Espenhain)

Die technischen Parameter zeigt zusammen- Ingenieurbauwerke wurden so aufeinander abge-


fassend Abbildung 4.101. Es konnten im 1. stimmt, dass die Setzungsdifferenzen zwischen
Durchgang Schlagtrichtertiefen von i. M. 90 cm dem Brücken- und Streckenbau ein verträgli-
und im 2. Durchgang von i. M. 45 cm ermittelt ches Maß nicht überschreiten. Die Baugrund-
werden. Das Verdichtungsziel wurde erreicht. vergütung in den Brückenbereichen erfolgte im
Einsatz von Geokunststoffen Im Bereich der Zusammenhang mit der Strecke. Der Groberdbau
Autobahndämme mit geringen Höhen wurden begann in den Bereichen mit großem Setzungs-
zur Verbesserung der Tragfähigkeit und Mini- potenzial (hohe Dämme, Brücken).
mierung von Setzungsdifferenzen zugfeste Geo- Die Brückenbauwerke wurden generell als
gitter nach dem Prinzip der „Bewehrten Erde“ Einfeldbauwerke mit Stützweiten von 37 m (Ü-
(Bodenbewehrung) eingebaut. Bauwerke) und 70 m (A-Bauwerke) realisiert
Durch die Erde-Verbund-Konstruktion wurde und flach in Kombination mit Rüttelstopfsäulen
zusätzlich ein baugrundtechnisches Vergleichmä- gegründet. Sie wurden mit statisch bestimmten
ßigen im kritischen Grenzbereich Tagebaukippe/ Überbauten als setzungsunempfindliche Kons-
Gewachsenes erreicht. truktion errichtet. Die Konstruktionen können
Vorbelastung Die Vorbelastung ist die ein- Grenzbewegungen der Bauwerksteile nach Lage
fachste Form der Baugrundverbesserung und und Höhe auch ohne sofortige Anpassungen auf-
wurde im vorliegenden Fall generell und durch- nehmen.
gängig (überhöht) praktiziert. Die Vorbelastung Die Brückenlager konnten so angeordnet wer-
bewirkt eine Konsolidation mit der Vorwegnah- den, dass sie bei notwendigen Korrekturen merk-
me sowie Beschleunigung der Setzungen und da- lich gerichtet (nachjustiert) oder ausgetauscht
durch eine Verbesserung von Tragfähigkeit und werden können. Hierbei waren auch Horizontal-
Setzungsverhalten. verschiebungen zu beachten.
Die Erddämme konnten mit einem zeitlichen Aufgrund der Baugrundverhältnisse wurde
Vorlauf von ≥ 7  Monaten und mindesten 1  m die Autobahntrasse durchgängig im Dammprofil
überhöht realisiert werden. Die Widerlagerberei- als lagenweise verdichtete Auflastschüttung mit
che der Brückenbauwerke wurden dabei analog Überhöhung realisiert. Infolge der perspektivisch
mit überformt. flurnahen bzw. Gelände bildenden Wasserfüh-
rung/-sättigung wurde in die Dammbasis eine
Bautechnische  Maßnahmen Baugrundver- kapillarwasserbrechende Filterdrainageschicht
gütung, Erd-Dammbau und die Gründung der (d ≥ 1 m) eingebaut.
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 251

Abb. 4.101   Randbe-


dingungen und technische )DOOJHZLFKWVYHUGLFKWXQJ )*9 
Parameter der Fallge- 7LHIHQYHUGLFKWXQJ 
wichtsverdichtung. (Foto:
FCB GmbH Espenhain) 5DQGEHGLQJXQJHQ

VFKZDFKELQGLJH.LSSHHUGIHXFKW
$QZHQGXQJ

/DQGEUFNH'DPP$XHQKDLQ
7HFKQLVFKH3DUDPHWHU

6FKODJUDVWHU  5 P[P

)DOOPDVVH  0 W

*UXQGIOlFKH  ) P[P

)DOOK|KH  +  « P


=LHOJU|‰HQ

Im westlichen Trassenabschnitt (Tagebaufeld


Zwenkau) betragen die Dammhöhen „nur“ (1,5
bis 2,5) m. Hier musste der Aufbau der Damm-
schüttung/Pufferschicht gewährleisten, dass qua-
sistatische und dynamische Einflüsse aus dem
Fahrverkehr (Stoßkräfte, Schwingungen) nicht Abb. 4.102   Messschema von HY und HIK. (Galiläer
in die wassergesättigte Kippe eingeleitet werden. und Bennewitz 2008)
Tiefenwirkung und Reichweite quasistatischer
und dynamischer Beanspruchungen sind rech-
nerisch kaum ermittelbar; entscheidend ist das Tab. 4.10  Maximalsetzungen (Setzungsmulde) in den
Dammbereichen
Dämpfungsverhalten des Bodens bzw. einer Er-
Dammhöhe [m] Setzung [m]
de-Verbund-Konstruktion. Als Bewehrungslagen
3 0,22
wurden Geokunststoffe eingebaut.
7 0,43
Der Fahrbahnoberbau muss im Hinblick auf 11 0,64
Restsetzungen flexibel sein und biegeweich aus-
gebildet werden. Es wurde eine bituminöse Bau-
weise gewählt. Die HIK wurden in den Widerlagerbereichen
Das Bauvorhaben wurde durch geotechni- der Brückenbauwerke und die HY in der Basis
sche Beratung, messtechnische Überwachung, der hohen Erdbauwerke (Brückenrampen und
Qualitätssicherungsmaßnahmen im Erdbau und Dämme) eingebaut. Für die Strecke allgemein
Grundwassermonitoring begleitet. wurde auf klassische Setzungspegel orientiert.
In den Dammbereichen konnten als Maximal-
Geotechnisches Monitoring  Zur Erfassung der setzung (Setzungsmulde) folgende Beträge er-
Setzungen aus dem Untergrund, den Lastsetzun- mittelt werden (Tab. 4.10):
gen und den Eigensetzungen des Autobahndam- Den Zeit-Setzungsverlauf in Abhängigkeit
mes wurden im Zuge des Groberdbaus von der Dammhöhe zeigt Abbildung 4.103. Es
• Setzungspegel (SP) bestätigt sich, dass nach ca. 250 Tagen die Zeit-
• Hydrostatische Horizontal-Messrohre (HY) Setzungskurve in eine bauobjektbezogen unkriti-
• Horizontal-Inklinometermessrohre (HIK) sche Asymptote übergeht.
installiert (Abb. 4.102).
252 A. Vogt et al.

Zusammenfassung  Die Baugrund vergütenden stellten ökonomische und ökologische Alternati-


Maßnahmen haben sich in Summe und als Ein- ven zu anderen landschaftlichen Flächen dar.
zelmaßnahmen bewährt. Als ein günstiger Standort für eine geordnete
Entscheidend war die Konzeption mit dem Deponie bot sich die Innenfläche des Tagebaues
separaten Baulos „Groberdbau und Untergrund- Espenhain an. Mit ihrer Lage zu den umliegenden
verbesserung“. Vorrangig die Vorschüttung als Ortschaften und zu Leipzig, die bereits vorhande-
Vorlast – überhöht und mit ausreichender Liege- ne Anbindung an das Straßen- und Gleisnetz und
zeit – wirkt bautechnisch positiv. das Vorhandensein weiterer Versorgungsleitun-
Die Streckenbaumaßnahme wurde durchgän- gen stellte die Fläche einen optimalen Standort
gig im Dammprofil realisiert. Infolge der pers- für eine Zentraldeponie dar. Zusätzlich bestand
pektivisch flurnahen bzw. Gelände bildenden hier noch die Möglichkeit, mit Hilfe der vorhan-
Wassersättigung erfolgte in der Dammbasis der denen Bergbautechnik vorbereitende Arbeiten zu
Einbau einer Filterdränageschicht (d ≥ 1 m). realisieren, Materialdepots und Testfelder anzu-
Die Gründung der Brücken erfolgte flach in legen und eine Machbarkeitsstudie für das Vor-
Kombination mit Rüttelstopfverdichtung. Es haben zu erarbeiten (Abb. 4.105).
handelt sich um Einfeldbauwerke mit statisch Der Aufbau der Kippe entspricht dem Unter-
bestimmten Überbauten (setzungsunempfindli- grund der Autobahn BAB A 38, die in un-
che Konstruktionen). Die Brückenlager sind so mittelbarer Nähe an der Deponie vorbeiführt
angeordnet, dass sie bei notwendigen Korrektu- (Abschn. 4.8.5.2).
ren merklich gerichtet oder ausgetauscht werden
können. Vorbereitende Untersuchungen Zur Bewer-
Abbildung 4.104 zeigt einen Ausschnitt der tung des Setzungspotenzials im geplanten Stand-
BAB A 38 mit dem Übergang Kippe – Gewach- ortbereich der Deponie kam die noch vorhandene
senes und dem Brückenbauwerk über den Gewäs- Technik des Bergbaus zum Einsatz. Unmittelbar
serverbund Markkleeberger und Störmthaler See. hinter der Arbeitsebene des Absetzers instru-
Für den Bau der BAB A 72 (Chemnitz – Leip- mentierten die Ingenieure ein Testfeld, in dem
zig) werden die vorliegenden Erkenntnisse und die verschiedensten Messelemente eingebaut
Erfahrungen bei der Querung von Tagebaukip- wurden. Die Fläche erhielt mehrere Inklino-
pen genutzt. Nördlich der Ortslage Rötha liegen metermessrohre, Setzungspegel, Spannungsge-
mit dem Tagebaufeld Espenhain analoge geo- ber, Extensometer usw. Die Kippe selbst wurde
technische Verhältnisse vor. abgebohrt und mit Drucksondierungen erkun-
det, um deren Zusammensetzung zu belegen
 entraldeponie Cröbern – Erste
Z (Abb.  4.106). Nach Einmessung der gesamten
geordnete Deponie auf einer Fläche und der Instrumentenlage schüttete der
Bergbaukippe Absetzer eine Belastungsrippe bis 10 m Höhe. In
Sicherung der Entsorgung Die Abfallentsor- den folgenden Monaten wurden die installierten
gung der Stadt Leipzig und der westsächsischen Elemente gemessen und deren Ergebnisse ausge-
Region erforderte für die Zeit nach der deut- wertet (Abb. 4.107).
schen Wiedervereinigung 1990 die Schaffung Aufbauend auf die Ergebnisse der Messungen,
leistungsfähiger Deponien im Umfeld. Die vor- den Auswertungen der Drucksondierungen und
handenen Entsorgungsanlagen entsprachen nicht die parallel verlaufenden Laboruntersuchungen
mehr den Umweltanforderungen. an den Kippenmassen konnte für das Kippen-
Mit dem Wissen aus dem Braunkohlenberg- system ein bodenmechanisches Modell erarbeitet
bau machten sich Technologen und Geotechniker werden, auf dessen Grundlage die vorhandenen
aus dem Bergbau daran, devastierte Flächen des Setzungspotenziale in den Kippscheiben für ein
Bergbaus für eine sichere Entsorgung der Abfälle Deponiebauwerk bis zu einer Höhe von 65 m
herzurichten. Besonders noch nicht wieder urbar prognostiziert werden konnte. Der Einfluss des
gemachte Flächen auf den Kippen der Tagebaue zu erwartenden Wiederanstieges des Grundwas-
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 253

Abb. 4.103   Zeit-Set-


zungsverlauf in Abhängig-
keit von der Dammhöhe.
(Galiläer und Bennewitz
2008)

Abb. 4.104   Ausschnitt


der BAB A 38 mit
Übergang Kippe – Ge-
wachsenes. (Galiläer und
Bennewitz 2008)

Abb. 4.105   Ansicht der


Zentraldeponie Cröbern.
(Foto: FCB GmbH
Espenhain)
254 A. Vogt et al.

hinter der Arbeitsebene des Absetzers geschüt-


tet worden. Die Schüttung der Materialhalden
fand unter Nutzung weiterer Setzungsmessungen
statt, so dass die vorliegenden Materialkennwer-
te weiter verbessert werden konnten. Eignungs-
untersuchungen der Materialhalden erfolgten
parallel zu deren Schüttung. Die verschiedenen
Kippenböden sind in mehreren Versuchsfeldern
unter Verwendung der geplanten Gerätetechnik
für den Deponiebau getestet worden. Laserge-
steuerte Raupen zur Einhaltung der Einbaula-
genstärken, Verdichtungsgeräte verschiedener
Tonnagen und Walzenausbildungen und die
unterschiedlichsten Verdichtungsnachweise wur-
den auf ihre Verwendbarkeit bei der Qualitätssi-
cherung überprüft.
Die Planung der Deponie erfolgte in enger Zu-
sammenarbeit zwischen den Tagebautechnolo-
Abb. 4.106   Auswertung der Drucksondierungen gen, Deponieplanern, Geotechnikern und Sach-
verständigen für Böschungen. Die erzielten Er-
gebnisse der parallel verlaufenden Untersuchun-
gen wurden unmittelbar in die Planung integriert.
So konnten zum Beispiel die Ergebnisse der
Setzungsuntersuchungen unmittelbar durch zu-
sätzliche Überhöhungen in die notwendigen Ge-
fälle der Felder integriert werden und der später
geplante Bau des Entwässerungstunnels begann
sofort mit der Herstellung des Basisdichtungs-
systems. Der Tunnel sollte nach erster Planung
mit Ende der Verfüllung in den beiden Deponie-
bereichen errichtet werden.

Prinzipieller Aufbau der Deponie Die Kons-


truktion der Deponie genügt den Anforderun-
Abb. 4.107   Probefeld
gen der (TA Abfall 1991) und ist nach der (TA
Siedlungsabfall 1993) planfestgestellt. Die höhe-
ren Anforderungen für die Deponie nach der
sers in den Kippscheiben wurde mit einer hydro- TA Abfall für Sonderabfälle stellt somit einen
geologischen Berechnung ermittelt. Ausgleich gegenüber dem höheren Risiko des
Während der Erstellung der Planunterlagen Standortes gegenüber natürlichen Baugrundver-
und der Erarbeitung des Planfeststellungsantra- hältnissen dar. Das Basisdichtungssystem besteht
ges konnten durch den Bergbaubetrieb erforder- dementsprechend aus den Teilen (Abb. 4.108)
liche Abraummassen für die notwendigen Bau- • Ringdamm als Bauwerksumschließung
teile des Multibarrierensystems bereitgestellt • Reliefgestaltung zur Schaffung der Gefälle-
werden. In enger Zusammenarbeit der Tagebau- verhältnisse
technologen und den verantwortlichen Geotech- • Geotechnische Barriere als Ausgleich unge-
nikern und Technikern der Deponieplanung sind nügender Eigenschaften der Kippe gegenüber
dazu gezielt Abraummassen als Materialhalden
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 255

Abb. 4.108   Aufbau der


Deponie Cröbern

natürlichem Baugrund an Tragfähigkeit und Die Geotechnische Barriere ersetzt die gefor-
Durchlässigkeit derte und nicht vorhandene Geologische Barrie-
• Mineralische Dichtung als Langzeitbarriere re. Entsprechend der (TA Abfall 1991) besteht die
gegen Abfluss von Deponiesickerwasser Barriere aus 3,0 m Boden mit einem Durchlässig-
• Kunststoffdichtungsbahn als Dichtung und keitskoeffizienten von kf  ≤ 1 · 10−7 m/s und einer
Diffusionssperre Festigkeit von mindestens 95 % der Proctordich-
• Basisdrainagesystem aus Sickerwasserrohren te. Die Barriere besteht aus 10 Lagen und besitzt
und Kiesdrainage. durch einen Tonmineralanteil von mindestens
Entsprechend der (TA Abfall 1991) bzw. der (TA 10  % ein hohes Schadstoffrückhaltepotenzial.
Siedlungsabfall 1993) müssen die genannten Für die Herstellung der Geotechnischen Barrie-
Dichtungsbestandteile ganz bestimmte Anforde- re kam bindiges Material aus der Absetzerkippe
rungen erfüllen. Zusätzlich übernehmen sie die aus den Mittel- und Liegendschichten und AFB-
Aufgaben aus dem konkreten Standort der De- Kippenmaterial aus den Deckschichten des Tage-
ponie auf der Kippenfläche. Der Ringdamm um- baues Espenhain zum Einsatz, deren Eignungen
schließt das Deponieareal wie ein Schüsselrand vorher getestet wurden (Abb. 4.109).
und nimmt zusätzlich die äußeren Elemente der Die Mineralische Dichtung besteht aus einer
Infrastruktur auf. Dazu zählen Zufahrtswege, 1,5 m mächtigen Tonschicht, die in sechs Lagen
Leitungen für Strom, Messelektronik, Sicker- hergestellt wurde. Gegenüber den Anforderungen
wasser, Deponiegas etc. Zusätzlich verleiht der der (TA Siedlungsabfall 1993) besitzt die Mine-
Ringdamm der Deponie eine stabile Fußstütze. ralische Dichtung somit die dreifache Mächtig-
Die Reliefgestaltung schafft die Voraussetzun- keit. Die einzelnen Lagen müssen einen Durch-
gen für einen freien Abfluss des Sickerwassers lässigkeitskoeffizienten von kf  ≤ 5 · 10−10 m/s und
aus der Deponiefläche. Zur Sicherung der Ge- ebenfalls eine 95 %ige Proctordichte besitzen.
fälleverhältnisse von mindestens 1 % Längsge- Als Dichtungsmaterial kamen Tone aus den Ta-
fälle und 3 % Quergefälle ist das Relief mit einer gebauen Haselbach, Bockwitz und der Tongrube
Überhöhung ausgestattet (3,75  % Längs- und Liebertwolkwitz zum Einsatz. Die letzte Lage
5,5 % Quergefälle nach Testfeldauswertung), um der Mineralischen Dichtung ist mit kaolinischem
auch nach dem Abklingen der Setzungen die For- Formsand oder zum Teil mit AFB-Kippenmate-
derungen zu erfüllen. Durch die Reliefgestaltung rial versetzt, um so die Reibungsbeiwerte gegen-
entstehen Felder mit einer Breite von ca. 50 m über der Kunststoffdichtungsbahn zu verbessern
und einer Länge von ca. 150 m. Die Gefälle sind (Abb. 4.110).
zur Mitte dieser Felder und in Richtung des Ent- Die Kunststoffdichtungsbahn (KDB) besteht
wässerungstunnels und des Ringdammes ausge- aus Polyethylen hoher Dichte (PEHD) und ist
richtet. Das Relief bildet auch die Basis für die 2,5 mm stark. An der Unterseite besitzt sie eine
Geotechnische Barriere. Festigkeitsvorausset- Profilierung. Die Oberseite ist glatt ausgebil-
zungen von mindestens 95 % der Proctordichte det. Durch diese Struktur wird die maßgebende
sind zu gewährleisten. Scherfuge oberhalb der Dichtungsbahn ange-
256 A. Vogt et al.

Abb. 4.109   Basisabdich-


tung der Deponie in der
Bauphase. (Foto: FCB
GmbH Espenhain)

Abb. 4.110   Aufbau der


Basisabdichtung
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 257

Abb. 4.111   Entwässe-


rungstunnel im Zentrum
der Deponie. (Foto: FCB
GmbH Espenhain)

ordnet und im Falle einer Rutschung im Abfall- den Kippen von 70 m. Auf dieses Kippensystem
körper behält die Dichtung ihre Wirksamkeit. wurden als Belastung das Basisdichtungssystem,
Zum Schutz der Dichtungsbahn liegt auf ihr eine der Abfallkörper und die zukünftige vorgeschrie-
2,0 cm dicke Sandmatte. bene Oberflächenabdichtung zum Ansatz ge-
Zur Fassung der Sickerwässer aus dem De- bracht. Auf der Basis von geplanten Abfallarten
poniekörper ist auf der Sandmatte eine Kies- fand auch eine Variation der Lasten unterschied-
drainageschicht aus 16/32 gewaschenem Kies licher Abfälle in den Berechnungsansätzen statt.
angeordnet, in der Sickerwasserdrainagerohre in Für die voll ausgebaute Deponie mit 50 m Höhe
der Feldmitte verlegt sind. Diese Drainagerohre betragen die prognostisch bestimmten Setzungen
sammeln das Sickerwasser und leiten es in den ca. 2,4 m an der Deponiebasis. Für die ursprüng-
Entwässerungstunnel im Zentrum der Deponie lich geplante Höhe der Deponie von 65 m sind
und in die Schächte am Fuß des Ringdammes ab ebenfalls Prognosen ermittelt worden. Diese Pro-
(Abb. 4.111). Von dort wird es mit Pumpen zur gnosen bildeten für die Planung die zu beachten-
Aufbereitungsanlage der Deponie gefördert. Bis den Größen.
zur Aufbereitung in der Umkehrosmoseanlage
lagert das Sickerwasser in gedichteten Becken. Kontrollsysteme für das Setzungsverhalten 
Der beschriebene Dichtungsaufbau der De- Die Qualität der Prognose wird ständig durch
ponie muss die vorher prognostizierten Unter- Messungen und deren Auswertung kontrolliert.
grundbewegungen durch die lockere Lagerung Diese Vorgehensweise entspricht der Beobach-
der Kippenmassen und der Belastung aus dem tungsmethode nach (DIN 1054 2005). Hauptau-
Deponiekörper schadlos aufnehmen. Eine Lecka- genmerk der Messungen liegen in den Elementen
ge und die damit verbundene Kontamination der und Objekten der sicherheitsrelevanten Bauteile
Kippe und des darin ansteigenden Grundwassers der Deponie. Dazu zählen vor allem die Elemente
sind auszuschließen. des Basisdichtungssystems und der Sickerwas-
Aufbauend auf die Messergebnisse der Test- serfassung und -ableitung. Entsprechend der
felder konnte für die geplante Deponie eine Set- Lage der Bauteile erfolgte die Anordnung der
zungsprognose erarbeitet werden. Die Prognose einzelnen Beobachtungselemente.
beruht auf dem Ansatz der Mächtigkeit der bei-
258 A. Vogt et al.

samtkippensystems wird so in den Setzungen des


Deponiekörpers nicht mit berücksichtigt.
Zum Einsatz der Setzungsmessungen sind
verschiedene Systeme in und um die Deponie
angeordnet. Hierzu zählen Festpunkte und Mess-
stellen an Bauteilen, die wiederholt einer klas-
sisch markscheiderischen Vermessung unter-
liegen. Parallel zu den Entwässerungsleitungen
in der Deponiebasis sind hydrostatische Mess-
rohre und Inklinometermessrohre verlegt, deren
Lage mit entsprechenden Sonden bestimmt wird
Abb. 4.112   Inklinometermessrohr. (Galilär und Benne- (Abb. 4.112). Aus den Lagemessungen der Rohre
witz 2008) werden über Folgemessungen die Setzungen be-
stimmt.
Im Entwässerungstunnel sind weiterhin
Messgeber instrumentiert, mit deren Hilfe per-
manent die Lage des Tunnels bestimmbar ist
(Abb.  4.113). Zur Aufnahme der Setzungen be-
steht der Tunnel nicht aus einer durchgängigen
Stahlbetonröhre, sondern ist aus einzelnen sechs
bzw. acht Meter langen Elementen aufgebaut. An
den Fugen können so Setzungen und eventuell
auftretende Unterschiede konstruktiv aufgenom-
men werden. Diese Bewegungen der Tunnelele-
mente untereinander werden über Abstandsmes-
sungen des permanent messenden Systems in
Verbindung mit einem Computer verfolgt.
Der Entwässerungstunnel ist zusätzlich so ge-
staltet, dass nach Abklingen der Setzungen das
Sickerwasser immer noch im freien Gefälle aus
Abb. 4.113   Messgeber für Lagemessungen des Tunnels.
dem Tunnel in die Sammelbecken am Tunnel-
(Foto: FCB GmbH Espenhain)
mund fließt. Entsprechend kann der Tunnel die
geplanten Setzungen im Deponiezentrum von
Die Vermessungen und Setzungsbeobachtun- 2,4 m ohne eigene Beanspruchung aufnehmen.
gen basieren auf einem deponiebezogenen Ko- Die Planung und Durchführung der Messun-
ordinatensystem. Dieses Baustellenkoordinaten- gen aller wichtigen Bauteile der Deponie und der
system wird in seiner Lage und Höhe kontinuier- umliegenden Versorgungseinrichtungen beruht
lich mit dem Landesnetz abgeglichen. Das Bau- auf einer Beobachtungskonzeption, die speziell
stellensystem ist entsprechend der geometrischen für die Zentraldeponie auf der Basis der (DIN
Figur der Deponie ausgerichtet und erleichtert 1054 2005) erarbeitet wurde. Grundgedanke
so die örtliche Orientierung. Für dieses System der Beobachtungsmethode ist die Überwachung
befinden sich um die Deponie angeordnete Ver- von Bauwerken und technischen Anlagen, deren
messungsfestpunkte, auf deren Koordinaten die Planung und Ausführung auf belegbaren Prog-
notwendigen Vermessungsleistungen bezogen nosen beruhen und in der Praxis über Messun-
werden. Da alle diese Festpunkte auf dem Kip- gen, Kontrollen und ständiger Beobachtung und
penkomplex liegen, bildet einer dieser Festpunk- Auswertung auf Plausibilität geprüft werden. Im
te den Bezugspunkt für alle weiteren messtechni- Bedarfsfall sind auf der Basis der Messergeb-
schen Arbeiten. Das Setzungsverhalten des Ge- nisse Verifikationen der Randbedingungen der
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 259

Abb. 4.114   Tunnelaus-


bau. (Foto: FCB GmbH
Espenhain)

Prognosen vorzunehmen. Anpassungen an die dung während der Gewinnung beim Versturz ein
technische Ausführung können anschließend die höheres Porenvolumen aufweisen und somit ein
Gebrauchstauglichkeit der Anlagen sicherstellen. höheres Setzungspotenzial verursachen.
In der Beobachtungskonzeption der Zentral- Im Bereich des Entwässerungstunnels befin-
deponie sind die Forderungen aus dem Planfest- det sich eine solche „Anomalie“. Die Setzungs-
stellungsbeschluss und die bereits zwischenzeit- messungen und die Nacherkundung ließen auf
lich gewonnenen Erkenntnisse Bestandteil. Die ein zusätzliches Setzungsmaß von 0,45 m schlie-
Auswertung der Ergebnisse in mindestens halb- ßen. Mit Kenntnis der voraussichtlichen Set-
jährlichen Intervallen gestattete es bereits mehr- zungsgröße konnten technische Maßnahmen zur
mals, die Konzeption anzupassen. Erkannte geo- Beherrschung erarbeitet werden. Als mögliche
technische Schwerpunkte erforderten erweiterte Varianten sind durch die Gutachter die folgenden
Untersuchungen. In anderen Bereichen konnte Methoden diskutiert worden:
der Beobachtungsumfang reduziert werden. • Bodenaustausch im Anomaliebereich bis 10 m
Tiefe
Ergebnisse aus den Setzungsbeobachtun- • Verbesserung der Bodenstruktur durch Injek-
gen  Mit den begleitenden Untersuchungen und tionen oder Stopfsäulen
Messungen konnten bereits für die Bauausfüh- • Spannungsverteilung durch Matten oder Geo-
rung weitere Plananpassungen erarbeitet wer- textilien
den. Als Ergebnis können dafür die Vorbelastung • Überhöhter Einbau der Bauteile zur exakten
des 3. Bauabschnittes und der Ringdammer- Lage nach den Setzungen.
weiterung, die abgestufte Gestaltung von Bau- In der Diskussion der Gutachter und Sachver-
zwischenständen und die Abgrenzung einzelner ständigen fiel die Wahl auf den überhöhten Ein-
Bereiche als „Anomalie“ aufgeführt werden. bau mit einer zusätzlichen Beweglichkeit durch
Als „Anomalie“ sind Kippenbereiche bezeichnet kürzere Tunnelsegmente und breitere Fugen
worden, in denen durch die Erkundung und durch (Abb. 4.114). Die normale Fugenbreite von 3 cm
Setzungsmessungen höhere Anteile an bindigen wurde auf 6 cm erweitert. Mit diesen technischen
Kippenböden angetroffen wurden. Diese Böden Anpassungen ist der Tunnel in der „Anomalie“
sind vor allem Tone aus dem Liegenden des in der Lage, Krümmungsradien bis zu r = 400 m
Tagebaues Espenhain, die durch Klumpenbil- schadlos aufzunehmen. Die Beobachtungen in
260 A. Vogt et al.

Abb. 4.115   Setzungen des Deponiebauwerkes, gemessen im Tunnel

der Deponie belegt die Machbarkeit solcher in-


genieurtechnischen Anlagen auf Kippenflächen
mit hohem Setzungspotenzial (Abb. 4.116). Die
konsequente Anwendung der Beobachtungsme-
thode in der Planung, Ausführung und Überwa-
chung gestattet es auch, risikoreichere Projekte
zu realisieren. Die gewonnenen Kenntnisse an
der Zentraldeponie Cröbern für mitteldeutsche
Braunkohlenkippen konnten bereits beim Bau
der Bundesautobahn BAB 38 verwendet wer-
den. Bei einer Fahrt auf der Autobahn südlich
von Leipzig ist die Zentraldeponie Cröbern gut
Abb. 4.116   Abfalleinbau auf der Deponie (Foto: FCB erkennbar.
GmbH Espenhain)

den nächsten Jahren werden die Belege für die Literatur


prognostizierten Setzungsentwicklungen liefern.
Die vorhandenen Messergebnisse der Set- Autorenkollektiv (2003) Bodenmechanik und Tagebausi-
cherheit im Braunkohlenbergbau der Lausitz. Beiträge
zungsentwicklung in der Basis der Zentralde- zur Geschichte des Bergbaus in der Niederlausitz,
ponie Cröbern seit 1990 belegen für den bisheri- Förderverein Kulturlandschaft Niederlausitz e. V.,
gen Betrieb der Deponie eine gute Übereinstim- Cottbus
mung der Setzungsprognose mit den Setzungen BIUG (2005) Leitfaden zur Erstellung von Standsicher-
heitseinschätzungen zur Beurteilung der Tragfähigkeit
(Abb.  4.115). Aus den Messergebnissen sind des verflüssigungsgefährdeten Kippenuntergrundes
bisher keine Gefährdungen für die Sicherheit der im Hinterland sanierter Restlochbereiche (Entwurf),
Basisdichtungselemente erkennbar. Der Betrieb LMBV mbH Senftenberg, BIUG GmbH Freiberg
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 261

BIUG (2008) 1. Nachtrag zur „SE-Leichte Rüttelverdich- Gehrisch M (1998) Erläuterungen zu den Richtwerten für
tung (LRV) in den Randbereichen der wieder herzu- mögliche Nutzungsarten im Bereich eingeschränkter
stellenden Schutzgräben Nord und AK Bärwalde im Folgenutzung in Abhängigkeit von den Grundwasser-
Wasserspeicher Lohsa II“ – Sanierung der Rutschung flurabständen im Tagebaufeld Spreetal. LMBV mbH
vom 28.04.2008 und Sicherung der Böschungsberei- Hoyerswerda, BIUG GmbH Freiberg
che. LMBV mbH Senftenberg, BIUG GmbH Freiberg, GEO – SLOPE International Ltd. (1996) Benutzerhand-
10.06.2008 buch, GEO – SLOPE
CUI   (2009) Technisch historische Recherche zum GGU (2006) Böschungsberechnungen und Berechnun-
Betriebsablauf Grube „Concordia“ bei Nachterstedt in gen von Bodenvernagelungen und Bewehrte – Erde
Kombination zum südlichen Bereich des ehemaligen – Wänden nach DIN 4084 (neu), Civilserve GmbH
Tagebaues Nachterstedt/Schadeleben. CUI, Consul- Steinfeld
tinggesellschaft für Umwelt und Infrastruktur mbH Grießl D, Weber W (2006) Bodenmechanisches Haupt-
Halle gutachten Tagebaurestgewässer Berzdorf – Bereich
Dierichs D (1988) Untersuchungen zum Verhalten locker West- bis Südböschung – Standsicherheitsnachweis.
gelagerter wassergesättigter Sande als Basis für die LMBV mbH Senftenberg, G.U.B. Ingenieurgesell-
Bewertung der Standsicherheit von Kippenböschun- schaft mbH, Büro Zwickau
gen, Freiberger Forschungshefte A 824, Deutscher Grießl D, Weber W (2009) Bodenmechanischer Stand-
Verlag für Grundstoffindustrie sicherheitsnachweis, 6. NT zum SN vom 20.06.1996,
Dorschner E (1965) Setzungsverlauf der Tagebaukippe Tagebaurestgewässer Berzdorf – Bereich Ostmark-
des Braunkohlenbergbaus, Bergakademie Freiberg, scheide. LMBV mbH Senftenberg, G.U.B. Ingenieur
Freiberger Forschungsheft A 334 AG, Büro Dresden
Formazin J (1988) Bebauung von Kippen des Braunkoh- Grießl D, Tynior R, Lucke B (2005) Umweltgeotechni-
lentagebaus. Bauplanung-Bautechnik 42 Jg., Heft 11 sche Problemstellung bei der Nutzung und Flutung
Förster W (1997) Bewertung vorliegender Standsicher- des Braunkohlentagebaues Berzdorf/Oberlausitz, Vor-
heitsnachweise für den Tagebau Berzdorf – Ansatz der trag
Festigkeit in den vorgegebenen Gleitflächen. LMBV HGN (1986) Ergebnisbericht Hydrogeologische Detailer-
mbH Hoyerswerda kundung Frose-Wilsleben. Unveröffentlichte Bericht-
Förster W (2002) Anforderungen an die Haupt- und erstattung VEB Hydrogeologie Nordhausen
Abschlussgutachten zum Nachweis der bodenmecha- Jennrich C (1999) Dynamik von Setzungsfließrutschun-
nischen und hydromechanischen Stabilität von Rest- gen und Bildung von Schwallwellen. In: Veröffentli-
lochböschungen. LMBV mbH, Brieske chungen des Instituts für Geotechnik, Heft 99-3, TU
Förster W (2005) Festigkeit verflüssigungsfähiger Mate- Bergakademie Freiberg,
rialien – Anwendung. Weiterbildungsseminar für Jolas P (1996) Setzungsfließen, die gefährlichste und pro-
Sachverständige des Sächsischen Oberbergamtes blematischste Rutschungsart von Tagebaukippen in
Förster W, Krüger J (1998) Anwenderempfehlung zur der ostdeutschen Folgelandschaft des Braunkohlen-
Staffelung von Zündzeitpunkten bei Sprengungen. TU bergbaues. LMBV mbH, VT20.3 Geotechnik/Boden-
Bergakademie Freiberg, Institut für Geotechnik mechanik
Förster et al (1990) Richtlinie für die Sanierung von Keßler J, Erler R (2002) Standsicherheitseinschätzung
verflüssigungsgefährdeten Lockergesteinen durch zum Setzungsfließereignis vom 19.11.2001 sowie zu
Sprengen. Arbeitsgruppe Sprengverdichtung der TU speziellen Untersuchungen zur Insel- und Schutzgra-
Bergakademie Freiberg, Lausitzer Braunkohlen AG benproblematik. LMBV mbH Hoyerswerda, BIUG
Schwarze Pumpe und des Wärmeanlagenbaus Berlin GmbH Freiberg
Förster W, Luckner L, Diener L (1997) Bewertung vor- Keßler J, Förster W (1992) Sprengverdichtung zur Ver-
liegender Standsicherheitsnachweise für den Tagebau besserung von setzungsfließgefährdeten Kippen. Frei-
Berzdorf. LMBV mbH, Hoyerswerda, BIUG GmbH, berger Forschungshefte A 819, Deutscher Verlag für
Freiberg Grundstoffindustrie
Förster W, Reichel G, Vogt A (1999a) Deutsche Patent- Kuntze W, Vogt A (2003) Sanierung und Sicherung der
schrift DE 199 19 352: „Verfahren zur Messung des Restlochkette Sedlitz-Skado-Koschen. Abstract band
Drucksetzungsverhaltens eines vorzugsweise kohä- Nachhaltige Entwicklung von Folgelandschaften des
sionslosen Lockergesteins“ Braunkohlenbergbaus, M.-L.-Universität Halle-Wit-
Förster W, Reichel G, Vogt A (1999b) Deutsche Patent- tenberg
schrift DE 199 19 351: „Verfahren zur Messung des LAUBAG (1996) Ergebnisbericht bodenphysikalischer
Sackungsverhaltens vorzugsweise kohäsionsloser Untersuchungen – Untersuchung von Bodenproben
Lockergesteine“ aus den Nasstagebauen Mühlberg BT II und BT IV
Friedrich J (2006) Planung zur Bergbausanierung im ehe- der Elbekies Mühlberg GmbH auf bodenphysikalische
maligen Braunkohlentagebau Berzdorf, Vortrag zum Kennwerte und Verflüssigungseigenschaften, Lausit-
Jubiläumskolloquium 15 Jahre G.U.B. Ingenieurge- zer Braunkohlen AG, Abt. Bodenmechanik
sellschaft mbH Leonhardt A, Förster W (1993) Verflüssigungsverhalten
Galiläer P, Bennewitz T (2008) Autobahnbau auf Tagebau- von Sand unter Einwirkung dynamischer Lasten. Frei-
kippen im Südraum Leipzig. Straße und Autobahn 7
262 A. Vogt et al.

berger Forschungshefte A 824, Deutscher Verlag für Reichel G (1997a) Zum Einfluss der Anstiegsgeschwin-
Grundstoffindustrie digkeit aufgehenden Grundwassers in Kippen auf das
LMBV (1998) Leitfaden „Beurteilung der Setzungs- relative volumenbezogene Sackungsmaß, Braunkohle
fließgefahr und Schutz von Kippen gegen Setzungs- Surface Mining
fließen“, LMBV mbH Berlin – Universität Karlsruhe Reichel G (1997b) Deutsche Patentschrift DE 197 04 176:
– TU Bergakademie Freiberg „Verfahren zur Bestimmung des Wasserdurchlässig-
LMBV (1999) Leitfaden „Empfehlungen und Bemes- keitsverhaltens vorzugsweise kohäsionsloser Locker-
sungsgrundlagen für das Bauen auf bindigen gesteine“
Mischbodenkippen der Braunkohlentagebaue im Reichel G (1999) Ein mathematisches Modell zum Pri-
Mitteldeutschen Revier“, LMBV mbH Berlin, TU märsetzungsverhalten kohäsionsloser Lockergesteine,
Bergakademie Freiberg, Universität Karlsruhe, TU Braunkohle – Surface Mining
München, FCB Espenhain, BAUGEO Leipzig, Keller RP OL-NS Regionaler Planungsverband Oberlausitz –
Grundbau GmbH, MFPA Leipzig Niederschlesien (1997) Braunkohlenplan als Sanie-
LMBV (2001) Leitfaden „Empfehlungen und Bemes- rungsrahmenplan für den stillgelegten Tagebau Lohsa,
sungsgrundlagen für die Gestaltung von Tagebaurest- Teil 1– Bergbau- und Wasserbaumaßnahmen Wasser-
seen“, LMBV mbH Berlin – BIUG GmbH Freiberg speicher Lohsa II, Regionaler Planungsverband Ober-
– TU Dresden – BSF GmbH Frankfurt/Oder lausitz – Niederschlesien, 1997
LMBV (2002) Leitfaden „Flächenhafter Nachweis der Schoewe W (1995) Zusammenfassender Bericht zu den
Verdichtung stabilisierter Kippen und Kippenbö- Sanierungsmaßnahmen am Speicher Lohsa II unter
schungen“, LMBV mbH Berlin – TU Bergakademie Berücksichtigung seiner wasserwirtschaftlichen Nut-
Freiberg – GGD Gesellschaft für Geowissenschaft- zung. LBV mbH Brieske, PCE CONSULTEC GmbH
liche Dienste mbH Leipzig – GMB Gesellschaft für Berlin, BIUG GmbH Freiberg. Fluß- und Seebaucon-
Montan- und Bautechnik mbH Senftenberg sult Potsdam
LMBV (2007) Wandlungen und Perspektiven Schlaben- Tamaskovics N (1995) Kippenflächen des Braunkohlen-
dorf/Seese, 2. Aufl. LMBV – Abteilung Planung Lau- bergbaus als Baugrund. In: Veröffentlichungen des
sitz Instituts für Geotechnik, Heft 95-1, TU Bergakademie
Lodig L (1994) Lohsa II – Lausitzer Tagebaurestlöcher Freiberg
werden Speichersystem. Braunkohle VEB BUS Welzow (1981) Kennwertanalyse der anste-
Lucke B et al. (2007) Beispiele zur Koppelung ohnehin henden Materialien im Bereich der Ostmarkscheide
notwendiger geotechnischer Sanierungsaufgaben mit des Tagebaues Berzdorf. DB Projektierung, PB Groß-
Maßnahmen zur Reduzierung bergbaubedingten Säu- räschen, Gruppe Bodenmechanik
repotentials. Workshop „Management bergbaubeding- VE BKK Senftenberg und Bergakademie Freiberg (1983)
ten Säurepotentials“. TU Bergakademie Freiberg Dokumentation der Forschungsergebnisse 1983.
Luckner L (2002) Studie – Prüfung der hydraulischen Beurteilung der Setzungsfließgefahr an Kippenbö-
Verhältnisse im Wasserspeicher Lohsa II im Hinblick schungen (Forschungsstand: 11/1982). VE BKK Senf-
auf Sedimentverfrachtungen und auf die Entwicklung tenberg und Bergakademie Freiberg
der Wasserbeschaffenheit. LMBV mbH Hoyerswerda, Vogt A, Förster W (1991) Abschätzung der Rückgriff-
GFI GmbH Dresden weite von Setzungsfließrutschungen. Neue Bergbau-
Luckner L (2006) Hydrogeologische Berechnungen für technik 21
die Restlochflutung und den Grundwasserwieder- Vogt A, Förster W (1993) Seismische Anregung von Kip-
anstieg im Sanierungsgebiet Tgb. Berzdorf (Hydro- pen durch Tagebaugeräte. Freiberger Forschungshefte
logische Einschätzung) mit den Nachträgen 1 bis 3. A 824, Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie
LMBV mbH Hoyerswerda, DGFZ e. V. Dresden Zeiß H (1989) Aus der Rutschung ’P’ abgeleitete tech-
Luckner L, Gockel G, Seidel K-H (1997) Restlochflutung nologische Konsequenzen zur Betriebsweise des
– Gefahrenabwehr, Wiedernutzbarmachung und Nor- Tagebaues Berzdorf bei der Annahme ähnlicher geo-
malisierung der wasserwirtschaftlichen Verhältnisse technischer Verhältnisse für weitere Abbaubereiche.
im Lausitzer Revier. LMBV mbH Dissertation A, TU Bergakademie Freiberg
Meyerhof GG, Hanna AM (1978) Ultimate bearing capa-
city, foundations on layered soils under in clined load. Gesetzliche Grundlagen
Can Geotechnical J 15:565–572
Mukrasch O (1999) Standsicherheitsnachweis für die BBergG (1980) Bundesberggesetz mit Verordnung über
Endböschungsgestaltung der Halde Neuberzdorfer die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vor-
Höhe, einschließlich Abbauphasen. Geotechnisches haben und Einigungsvertragsgesetz. Verlag Glückauf
Gutachten. LMBV mbH Hoyerswerda, G.U.B. Inge- SächsBergVO (2009) Verordnung des Sächsischen Ober-
nieurgesellschaft Lausitz GmbH bergamtes über die Bergaufsicht unterliegenden
Reichel G (1995) Deutsche Patentschrift DE 195 35 209: Betriebe, Tätigkeiten und Einrichtungen (Sächsische
„Verfahren zur Bestimmung des Drucksetzungsver- Bergverordnung – SächsBergVO)
haltens eines vorzugsweise kohäsionslosen Locker- TA Abfall (1991) Technische Anleitung zur Lagerung,
gesteins“ chemisch/physikalischen, biologischen Behandlung,
Verbrennung und Ablagerung von besonders überwa-
4  Wiedernutzbarmachung von Tagebauen und Kippen 263

chungsbedürftigen Abfällen, Zweite Allgemeine Ver- jektierung von Tagebauen“, Industriezweig Braun-
waltungsvorschrift zum Abfallgesetz kohle
TA Siedlungsabfall (1993) Technische Anleitung zur Ver- Richtlinie (1985) „Beurteilung der Setzungsfließgefahr
wertung, Behandlung und sonstigen Entsorgung von und Schutz von Kippen gegen Setzungsfließen“,
Siedlungsabfällen, Dritte Allgemeine Verwaltungs- Braunkohlenkombinat Senftenberg und TU Bergaka-
vorschrift zum Abfallgesetz demie Freiberg
Richtlinie (1989) „Beurteilung der Setzungsfließgefahr
Normen und Schutz von Kippen gegen Setzungsfließen“,
Braunkohlenkombinat Senftenberg und TU Bergaka-
DIN 1054 (2005) Baugrund – Sicherheitsnachweise im demie Freiberg
Erd- und Grundbau, 2005–01 Richtlinie (2001) für die Untersuchung der Standsicher-
DIN 18196 (2006) Erd- und Grundbau, Bodenklassifika- heit von bleibenden Böschungen und Böschungssyste-
tion für bautechnische Zwecke, 2006–06 men im Braunkohlenbergbau. Landesamt für Geologie
DIN 4017 (2006) Baugrund – Berechnung des Grund- und Bergbau Brandenburg, Cottbus
bruchwiderstands von Flachgründungen, 2006–11 Richtlinie (2005) über die geotechnische Sicherheit im
DIN 4020 (2003) Geotechnische Untersuchungen für Bergbau über Tage (Richtlinie Geotechnik). Ober-
bautechnische Zwecke, 2003–09 bergamt des Freistaates Sachsen Freiberg
DIN 4021 (1990) Baugrund – Aufschluss durch Schürfe
und Bohrungen sowie Entnahme von Proben, 1990–10
EC 7 (1997) Eurocode 7, „Entwurf, Berechnung und
Bemessung in der Geotechnik‛‛, mit den Teilen: DIN
EN 1997-1 „Allgemeine Regeln‛‛ und DIN EN 1997-2
„Erkundung und Untersuchung des Baugrunds‛‛

Richtlinien

Arbeitsrichtlinie (1987) „Maßnahmen zur Vermeidung


von Setzungsfließrutschungen in der Phase der Pro-
Wasserwirtschaftliche Sanierung
5
Friedrich-Carl Benthaus, Gert Gockel, Wilfried Uhlmann,
Walter Geller, Holger Mansel, Claus Nitsche
und Uwe Grünewald

5.1.4 Erarbeiten der Flutungskonzepte���������������� 272


Inhalt 5.1.5 Beschaffenheit in den Bergbaufolgeseen������ 274
5.1  Grundlagen der Wiederherstellung des
5.2  Regionale Hydrogeologie der Reviere������ 274
Wasserhaushaltes in der Bergbaufolge-
5.2.1 Revier Niederlausitz������������������������������������ 275
landschaft���������������������������������������������������� 267
5.2.2 Revier Oberlausitz�������������������������������������� 279
5.1.1 Strategie der Sanierung des
5.2.3 Revier Südraum Leipzig ���������������������������� 279
Wasserhaushaltes ���������������������������������������� 268
5.2.4 Revier Nordraum Leipzig �������������������������� 281
5.1.2 Wasserzuführung zur Flutung der
5.2.5 Geiseltal ������������������������������������������������������ 284
Bergbaufolgeseen���������������������������������������� 269
5.2.6 Revier Nachterstedt/Schadeleben-
5.1.3 Nutzung der Bergbaufolgeseen als
Königsaue���������������������������������������������������� 286
wasserwirtschaftliche Speicher������������������ 271
5.2.7 Revier Wulfersdorf/Helmstedt�������������������� 287
5.3  Hydrogeochemische Genese von
Bergbaufolgeseen��������������������������������������� 288
5.3.1 Hydrochemische Prozesse in Kippen �������� 290
5.3.2 Eintragspfade in sauren Bergbaufolgeseen����� 291
F.-C. Benthaus () 5.3.3 Pufferung in sauren Bergbaufolgeseen������ 294
Lausitzer und Mitteldeutsche, Bergbau-Verwaltungs- 5.3.4 Entwicklung der Wasserbeschaffenheit
gesellschaft mbH, Knappenstraße 1, 01968 Senftenberg, bei Fremdflutung ���������������������������������������� 296
Deutschland 5.4  Limnologie der Bergbaufolgeseen������������ 298
E-Mail: FC.Benthaus@lmbv.de 5.4.1 Hydromorphologische Randbedingungen������ 298
G. Gockel 5.4.2 Hydrogeologische Randbedingungen�������� 299
Spremberger Str. 47c, 03116 Drebkau, Deutschland 5.4.3 Limnologische Randbedingungen�������������� 301

W. Uhlmann 5.5  Vorbereitung und Planung


IWB, Institut für Wasser und Boden, Lungkwitzer Str. wasserwirtschaftlicher Sanierung ���������� 302
12, 01259 Dresden, Deutschland 5.5.1 Vorbereitende Konzepte zur Flutung �������� 303
5.5.2 Konzepte zur Wasserbeschaffenheit
W. Geller und Nachsorge �������������������������������������������� 305
Leiter Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ
Halle, Wackerstr. 20, 79108 Freiburg, Deutschland 5.6  Hydrogeologische Modellierung�������������� 308
5.6.1 Hydrogeologische Prognose am Beispiel
H. Mansel des Speichers Bärwalde in Ostsachsen������  310
Ingenieurbüro für Grundwasser GmbH Leipzig, Nonnen- 5.6.2 Hydrogeologische Prognose für die
str. 9, 04229 Leipzig, Deutschland Grundwasserentwicklung südlich
von Leipzig��������������������������������������������������  316
C. Nitsche
5.6.3 Zusammenfassung��������������������������������������  319
Boden- und Grundwasserlabor GmbH, Tiergartenstr. 48,
01219 Dresden, Deutschland 5.7  Hydrochemische Modellierung���������������� 320
5.7.1 Anwendung der hydrochemischen
U. Grünewald Modellierung in der Bergbausanierung������ 320
Lehrstuhl Hydrologie und Wasserressourcenbewirt- 5.7.2 Grundlagen der hydrochemischen
schaftung, BTU Cottbus, Konrad Wachsmann – Allee 6, Modellierung������������������������������������������������ 320
03046 Cottbus, Deutschland

C. Drebenstedt, M. Kuyumcu (Hrsg.), Braunkohlesanierung, 265


DOI 10.1007/978-3-642-16353-1_5, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
266 F.-C. Benthaus et al.

5.7.3 Entwicklung von Teilmodellen ���������������� 323 Der Braunkohlenbergbau in Mitteldeutsch-


5.7.4 Hydrochemischen Modellierung am land und in der Lausitz hat in den vergangenen
Zwenkauer See������������������������������������������ 325
5.7.5 Resümee ����������������������������������������������������  331 150 Jahren nachhaltig in den Wasserhaushalt
eingegriffen. Die Gewinnung der Braunkohle
5.8 Hydraulische Maßnahmen zur Füllung
der Bergbaufolgeseen������������������������������  331 erforderte eine Entwässerung vieler Gebirgs-
5.8.1 Flutungssteuerung und Bewirtschaftung  332 schichten, die bis in einer Tiefe von 80 m eine
5.8.2 Wasserüberleitung aus der Lausitzer Neiße Fläche von ca. 2.100 km2 in der Lausitz und ca.
ins Spree/Schwarze-Elster-Gebiet������������ 340 1.300 km3 in Mitteldeutschland überstrichen.
5.8.3 Hochwasserentlastung der Weißen Elster
in den Tagebausee Zwenkau �������������������� 345 Das bis 1990 entstandene Grundwasserdefizit be-
trug 13 Mrd. m3 in der Lausitz und 7 Mrd. m3 in
5.9 Chemische Maßnahmen�������������������������� 347
5.9.1 Überblick���������������������������������������������������� 347
Mitteldeutschland.
5.9.2 Chemische Neutralisation�������������������������� 351 Die Sanierung des Wasserhaushaltes der Mit-
5.9.3 Dosierchemikalien und Reaktivität���������� 352 teldeutschen und Lausitzer Bergbaugebiete ist
5.9.4 Anwendungen�������������������������������������������� 354 ausgerichtet auf die Wiederherstellung eines sich
5.9.5 Resümee ���������������������������������������������������� 357
weitgehend selbst regulierenden Wasser-haushal-
5.10 Biologische Maßnahmen ������������������������ 358 tes (s. Abschn. 5.1). Die entstehenden Bergbau-
5.10.1 Grundlagen der biogene Alkalinisierung����� 358
folgeseen mit einer Fläche von 25.000 ha sind
5.10.2 Passive und aktive Behandlungsverfahren�����  359
5.10.3 Behandlung von Kippengrundwasser- in den regionalen Wasserhaushalt einzubinden.
körpern ������������������������������������������������������ 359 Die Hydrogeologie der betrachteten Regionen
5.10.4 In-Situ-Behandlung von (s. Abschn. 5.2), die hydrochemische Genese der
Seewasserkörpern�������������������������������������� 360
Bergbaufolgeseen (s. Abschn. 5.3) und ihr lim-
5.10.5 Ex-Situ-Behandlung saurer Abflüsse in
Vorflutsystemen ���������������������������������������� 362 nologischen Besonderheiten (s. Abschn. 5.4) sind
5.10.6 Abschätzung von Alkalinisierungspo- in der Planung und Vorbereitung der wasserwirt-
tenzialen ���������������������������������������������������� 363 schaftlichen Sanierung zu berücksichtigen. Die
5.11 Renaturierung von Fließgewässern������ 363 wasserwirtschaftlichen Anlagen zur Anbindung
5.11.1 Grundsätze ������������������������������������������������ 363 der Bergbaufolgeseen sind auf die sich nachberg-
5.11.2 Maßnahmen������������������������������������������������ 364 baulich einstellenden Verhältnisse auszurichten.
5.11.3 Planung������������������������������������������������������ 365
5.11.4 Beispiel Renaturierung des Fließgewässers Dazu hat die LMBV als Projektträger folgende
Schrake ������������������������������������������������������ 366 Maßnahmen eingeleitet:
5.12 Montanhydrologisches Monitoring ������ 367
• Schnelle Flutung der Bergbaufolgeseen
5.12.1 Zielstellung������������������������������������������������ 367 • Wiederauffüllung der Grundwasserleiter
5.12.2 Grundsätze ������������������������������������������������ 367 • Wiederherstellung der Oberflächengewässer
5.12.3 Geltungsbereich ���������������������������������������� 368 im Umfeld
5.12.4 Umfang des montanhydrologischen
Monitorings������������������������������������������������ 368
• Verbesserung der Seewasserbeschaffenheit.
5.12.5 Qualitätssicherung ������������������������������������ 369 Die Planung und Vorbereitung der wasser-
5.12.6 Verallgemeinerungsfähige Ergebnisse������ 372 wirtschaftlichen Sanierung (s. Abschn. 5.5)
5.13 Wasserwirtschaftliche Nachsorge an baut auf hydrogeologischen Wasserbilanzen
Bergbaufolgeseen ������������������������������������ 372 (s. Abschn. 5.6) und hydrochemischen Modellen
5.13.1 Definitionen und Ziele ������������������������������ 372 (s. Abschn. 5.7) auf. Die schnelle Flutung der
5.13.2 Maßnahmen������������������������������������������������ 373
5.13.3 Planungsgrundsätze ���������������������������������� 374
Bergbaufolgeseen erfordert zusätzliches Wasser
5.13.4 Beispiel Bärwalder See������������������������������ 375 aus den nahe gelegenen Vorflutern bzw. Sümp-
fungswasser des Gewinnungsbergbaus. Die Kip-
Literatur ���������������������������������������������������������������� 376
pen waren lange Zeit der Pyritoxidation ausge-
setzt. Das den Seen zuströmende Kippengrund-
wasser ist durch niedrige pH-Werte und hohe
Eisen- und Sulfatkonzentrationen gekennzeich-
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 267

Tab. 5.1   Daten zur Grundwasserabsenkung im Mitteldeutschen und im Lausitzer Revier


Parameter Mitteldeutschland Lausitz
Fläche des Absenkungstrichters (km2) 1.300 2.100
Davon aktiver Bergbau (km2) 500 800
Davon Sanierungsbergbau (km2) 800 1.300
Grundwasserdefizit (Mrd. m3) 7,0 13
Davon aktiver Bergbau (Mrd. m3) 1,3 6
Davon Sanierungsbergbau (Mrd. m3) 5,7 7

net. Durch entsprechende chemische und biolo- 13 Mrd. m3 in der Lausitz und 7 Mrd. m3 in Mit-
gische Sanierungsmaßnahmen (z. B. Neutralisa- teldeutschland (Tab. 5.1). Die flächenhafte Aus-
tion) werden behördliche Vorgaben zur Wasser- bildung des Absenkungstrichters durch die Ta-
beschaffenheit gewährleistet (s. Abschn. 5. 9 und gebauentwässerung wurde in der Lausitz in der
5.10). Die Renaturierung der bergbaulich beein- Hydrogeologische Komplexstudie (LAUBAG
flussten Fließgewässer im Umfeld der Tagebaue 1993) für das Referenzjahr 1990 dokumentiert.
dienen der Herstellung eines ausgeglichenen Diese betriebsbedingte Grundwasserabsenkung
Wasserhaushaltes (s. Abschn. 5.11). Durch das wird hier als Differenzen im Haupthangend-
eigens für die wasserwirtschaftliche Sanierung grundwasserleiter gegenüber dem vorbergbau-
geschaffenen „montanhydrologische Monito- lichen Zustand aufgezeigt. Die Grenze einer
ring“ kann der Erfolg der Sanierung nachgewie- Absenkung von mehr als 2 m gegenüber dem
sen werden (s. Abschn. 5.12). Bei Abweichungen vorbergbaulichen Zustand wird im Grundwasser-
von den Zielen können so frühzeitig Gegenmaß- riss als (Lausitzer Löwe) jährlich fortgeschrieben
nahmen getroffen werden. Im Anschluss an die (Abb. 5.1).
Flutung beginnt die wasserwirtschaftlich Nach- Die Entwässerung hat sich innerhalb des
sorge, welche die Sicherung der Wasserspiegel- großräumigen Absenkungstrichters entsprechend
höhe und der Wasserbeschaffenheit beinhaltet. der Tagebauentwicklung in den letzten 100 Jah-
Maßnahmen zur Unterhaltung und Pflege der ren ständig verlagert. Einige Tagebaurestlöcher
Ufer und der wasserwirtschaftlichen Anlagen sind heute bis zum Endwasserstand gefüllt, wie
sowie zur Wasserbeschaffenheit werden als berg- z. B. der Knappensee und der Senftenberger See.
baubedingte Nachsorge über mehrere Jahre ge- Andere Tagbaurestlöcher sind teilgefüllt, wie
führt werden (s. Abschn. 5.13). z. B. Sedlitz, Bluno, Haselbach oder Kayna und
viele Restlochbereiche sind aufgrund der großen
Grundwasserabsenkung oder ihrer Funktion als
5.1 Grundlagen der Wiederherstel- Band- oder Bahntrassen weitgehend trocken ge-
lung des Wasserhaushaltes in blieben. Der Abschlag des geförderten Grund-
der Bergbaufolgelandschaft wassers erfolgte nach einer Reinigung in Gru-
benwasserreinigungsanlagen in Vorfluter wie
Der Braunkohlenbergbau in Mitteldeutschland Lausitzer Neiße, Spree, Schöps und Schwarze
und in der Lausitz hat nachhaltig in den Wasser- Elster und im Mitteldeutschen Revier in Vorfluter
haushalt eingegriffen. Die Entwässerung in den wie Saale, Weiße Elster, Pleiße und Mulde.
Bergbaugebieten Mitteldeutschlands und der Durch den Bergbau wurden die vorhandenen
Lausitz erforderte eine Wasserhebung bis zu ca. Vorflutsysteme teilweise verändert. Teils wurden
1.800 Mio. m3/a. Im Laufe der Jahrzehnte hat die Vorflutsysteme durch die Tagebaue durch-
die Fläche der regionalen Grundwasserabsen- schnitten, teils wurden sie verlegt oder auf eine
kung eine Größe von 2100 km2 in der Lausitz veränderte Wasserführung ausgebaut. Die ge-
und 1.300 km3 in Mitteldeutschland erzeugt. Das samte natürliche Gewässerstruktur in den Berg-
bis 1990 entstandene Grundwasserdefizit betrug bauregionen war damit nachhaltig gestört.
268 F.-C. Benthaus et al.

Abb. 5.1   Grundwasserabsenkungstrichter in der Lausitz im Jahr 1990

Mit der Anpassung der Kohlenförderung an Tab. 5.2   Daten ausgewählter Bergbaufolgeseen im Mit-
teldeutschen und im Lausitzer Revier
den geänderten Bedarf ab 1990 kam es zur Still-
legung zahlreicher Tagebaue. Auch nach der Bergbaufolgesee Wasserfläche Volumen
(ha) (Mio. m3)
Stilllegung der Tagebaue musste in vielen Fällen
Sedlitzer See 1.330 210
die Tagebauentwässerung noch über Jahre auf- Bärwalder See 1.300 170
rechterhalten werden. Nur so konnte die geotech- Greifenhainer See 1.020 330
nische Sicherheit gewährleistet und der Eigen- Bergheider See 320 36
aufstieg des Grundwassers verhindert werden. Geiseltal See 1.840 430
In den dem Sanierungsbergbau zugewiesenen Goitsche See 1.330 210
Bereichen galt es, nach dem Auslauf der Braun- Zwenkauer See 970 170
kohlenförderung die geotechnische Sicherheit Markkleeberger See 250 60
auch für eine Nachnutzung der vom Bergbau be-
anspruchten Flächen herzustellen. Dieses ist die
Voraussetzungen für die Nachnutzung der entste- 5.1.1 Strategie der Sanierung des
henden Bergbaufolgelandschaft. Wasserhaushaltes
Innerhalb des Lausitzer und des Mitteldeut-
schen Reviers hatte die LMBV die Projektträ- Die Umweltministerkonferenz der Länder hat
gerschaft für insgesamt 224 Tagebaurestlöcher 1994 das „Rahmenkonzept zur Wiederherstel-
unterschiedlicher Größe übernommen. In der lung eines ausgeglichenen, sich weitgehend
Tab.  5.2 wird die Größe einiger ausgewählter selbstregulierenden Wasserhaushaltes in den
Bergbaufolgeseen angegeben. Sie verdeutlicht vom Braunkohlenbergbau beeinträchtigten
die Dimension der anstehenden Sanierungsauf- Flusseinzugsgebieten“ (UMK 1994) verabschie-
gabe. det. Darin sind die Grundzüge der Sanierung des
Wasserhaushalt der Mitteldeutschen und Lausit-
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 269

zer Bergbaugebiete auf das Ziel gerichtet ausge-


richtet worden zur:
Wiederherstellung eines sich weitgehend
selbst regulierenden Wasserhaushaltes.
Die Wiederherstellung eines sich weitgehend
selbst regulierenden Wasserhaushaltes in einem
überschaubaren Zeitraum erfordert die rasche
Füllung der von Bergbau erzeugten Hohlformen
mit extern zugeführtem Wasser aus dem öffentli-
chen Gewässernetz bzw. aus dem Sümpfungswas-
seraufkommen des aktiven Bergbaus. Die dadurch
erzeugte Anhebung des Wasserspiegels im entste-
Abb. 5.2   Entnahmebauwerk für den Bluno See (Lausitz)
henden Bergbaufolgesee reduziert die sulfat- und an der Schwarzen Elster
eisenhaltigen Zuflüsse aus dem Umfeld, vorwie-
gend aus den Kippen. Sie sorgt auch für einen An-
stieg des Grundwasserstandes im Umfeld. Es ist Nutzungsziele zu schaffen. Die Planung der er-
deshalb aus Wasserbeschaffenheitssicht anzustre- forderlichen technischen Anlagen zur Anbindung
ben, bereits bei einem geringen Füllungsgrad mit der Bergbaufolgeseen an das öffentliche Ge-
der Zuführung von Fremdwasser beginnen. wässernetz und deren Realisierung sind auf die
Dafür hat die LMBV als Projektträger fol- sich nachbergbaulich einstellenden Verhältnisse
gende Teilaufgaben in ihren Wechselwirkungen auszurichten. Gleiches gilt für die Wiederher-
untereinander zu lösen: stellung der durch bergbauliche Tätigkeit beein-
• Reduzierung der Grundwasserentnahmemen- flussten Vorflut sowie die Gestaltung der Vorflut
gen für die Sanierung auf den vom Bergbau in Anspruch genommenen
• Füllung der bergbaulichen Hohlformen Flächen. Wasserstand und Wasserbeschaffenheit
• Wiederauffüllung der Grundwasserabsenk- in den Bergbaufolgeseen und in deren Umfeld
trichter erfordern technische Lösungen für Wasserbau-
• Wiederherstellung der Gewässersysteme im werke, zur Vorflutgestaltung und Maßnahmen
bergbaulich beanspruchten Bereich der Beeinflussung der Wasserbeschaffenheit, auf
• Erreichen einer nutzungsorientierten Seewas- die in den folgenden Punkten eingegangen wird.
serbeschaffenheit
• Gewährleistung der Ausleitkriterien aus den
Bergbaufolgeseen nach Menge und Beschaf- 5.1.2 Wasserzuführung zur Flutung
fenheit. der Bergbaufolgeseen
Ziel ist es, die wasserhaushaltliche Sanierung
auf die Herstellung der behördlich vorgegebenen Entscheidend für eine direkte Anbindung der
Nutzungsziele auszurichten und die entstehenden Bergbaufolgeseen an das öffentliche Gewässer-
Gewässer in die Bergbaufolgelandschaft und in netz sind kurze Zuführungen und ein ausreichen-
den regionalen Wasserhaushalt einzubinden. de Gefälle vom speisenden Gewässer. Diese Form
Das Bergrecht fordert von den Bergbautrei- ist geeignet für die Entnahme stark wechselnder
benden die Wiedernutzbarmachung der vom Wassermengen und wird deshalb zum „Abschöp-
Bergbau beanspruchten Flächen unter Berück- fen“ von Hochwasserwellen aus den Vorflutern
sichtigung des öffentlichen Interesses. Es muss eingesetzt. Die Einhaltung von Mindestabfluss-
nach Abschluss der Sanierungsarbeiten eine ge- mengen im Vorfluter wird in der Regel durch ein
fahrlose Nutzung durch die Öffentlichkeit ge- Streichwehr gewährleistet. Abbildung 5.2 zeigt
währleistet werden können. Außerdem sind die eine Anlage für eine direkte Anbindung an der
geotechnischen und wasserwirtschaftlichen Vo- Schwarzen Elster. Sie ist auf eine Entnahmemen-
raussetzungen für die Umsetzung der geplanten ge von 5 m3/s ausgelegt.
270 F.-C. Benthaus et al.

Abb. 5.3   Flutungskonzept für den Südraum von Leipzig

Ist aus Gründen der Höhenverhältnisse eine mit der Flutungsleitung gekoppelt, somit wird
Anbindung des entstehenden Bergbaufolgesees ein nach geotechnischem Erfordernis gestalte-
im freien Gefälle nicht möglich, so muss die Zu- tes Flutungsregime ermöglicht. Abbildung 5.3
führung von Wasser aus dem öffentlichen Ge- zeigt die ca. 62 km lange Leitung zur Flutung der
wässernetz für die Flutung über zum Teil längere Bergbaufolgeseen des Südraumes von Leipzig.
Rohrleitungen und im Pumpbetrieb erfolgen. Das Die nur geringe Wasserführung der Vorfluter
bedeutet, die Auslegung der Anlagen ist auf eine in der Lausitz gestattet die Entnahme geringer
möglichst dauerhaft zur Verfügung stehende Ent- Wassermengen für die Flutung. Besonders in den
nahmemenge auszurichten. Eine dadurch mögli- Sommermonaten ist die ausreichende Versor-
che Nutzung mit hoher zeitlicher Auslastung ge- gung der Kraftwerke, der Trinkwasserwerke, des
währleistet einen wirtschaftlichen Betrieb. Biosphärenreservats Spreewald sowie der Groß-
Flutungswasser für die Bergbaufolgeseen im raumes Berlin sicher zu stellen. Deshalb wurde
Südraum von Leipzig wird durch eine unterir- nach Wegen gesucht, in Zeiten ausreichender
disch verlegte Flutungsleitung ermöglicht. Diese Wasserführung benachbarter Vorfluter zusätzli-
Flutungsleitung wird gespeist aus dem Gruben- che Wassermengen für die Flutung zu erschlie-
wasseraufkommen der Tagebaue Profen und ßen. Die Entnahme an oberliegender Stelle zur
Schleenhain jeweils am Ende der Rohrleitung. Überleitung in ein benachbartes Einzugsgebiet
Die Wasserbeschaffenheit an den beiden Ein- bot sich an. Die Rückführung an unterliegender
speisestellen ist entsprechend der anstehenden Stelle sichert einen Bilanzausgleich zwischen
geologischen Bedingungen unterschiedlich. Die den Vorflutsystemen und verhindert nachteilige
zur Verfügung stehende Wassermenge ist zeitlich Wirkungen auf Naturausstattung und Gebiets-
weitgehend gleichbleibend. Die einzelnen Berg- wasserhaushalt. Zur Überwindung der Einzugs-
baufolgeseen sind direkt durch Stichleitungen gebietsgrenzen ist ein abschnittsweiser Trans-
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 271

Abb. 5.4   Wasserüberleitung aus der Lausitzer Neiße

port des übergeleiteten Wassers in Rohrleitungen Der Bilanzausgleich für die Wasserentnahme
unverzichtbar. Innerhalb des Einzugsgebietes wird durch Zuleitungen aus dem Aufkommen des
erfolgt der Wassertransport über bereits vorhan- aktiven Bergbaus direkt zur Lausitzer Neiße vor-
dene, auszubauende bzw. neu zu schaffende Gra- genommen.
bensysteme.
Als Beispiel sei die Wasserüberleitung aus der
Lausitzer Neiße zur Füllung der Bergbaufolg- 5.1.3 Nutzung der Bergbaufolge­
eseen im Einzugsgebiet der Schwarzen Elster ge- seen als wasserwirtschaftliche
nannt (LMBV 2000c). Die Wasserentnahme darf Speicher
erst oberhalb einer zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Republik Polen vereinbar- Bei Anbindung der entstehenden Bergbaufolg-
ten Durchflussmenge erfolgen. Eine ca. 11 km eseen an das öffentliche Gewässernetz im freien
lange Rohrleitung übernimmt den Transport über Gefälle bieten sich die mehrere 1.000 ha um-
die Einzugsgebietsgrenze hinweg. Ein vorhande- fassenden Wasserflächen für eine Nutzung als
nes Gewässersystem übernimmt den ca. 39 km Wasserspeicher an. Mit den landesplanerischen
langen Transport zu einer weiteren Pumpstation, Vorgaben für die Folgenutzung werden bereits
von der aus die Überleitung zu den Bergbauseen bei einer Folgenutzung als wasserwirtschaftli-
in Einzugsgebiet der Schwarzen Elster erfolgt. cher Speicher die Prämissen für die Böschungs-
Insgesamt legt das aus der Lausitzer Neiße stam- gestaltung und die technischen Parameter für die
mende Wasser einen Weg von ca. 70 km bis zur Wasserbauwerke gesetzt. Je nach Lage des jewei-
Einspeisung in die Bergbaufolgeseen zurück. ligen Bergbaufolgesees zum öffentlichen Gewäs-
Abbildung  5.4 zeigt das Konzept der Wasser- sernetz und den Möglichkeiten im freien Gefälle
überleitung aus der Lausitzer Neiße über zwei Wasser ein- bzw. ausleiten zu können sind die für
Einzugsgebietsgrenzen hinweg. eine Speichernutzung vorgesehenen Stauspiegel-
272 F.-C. Benthaus et al.

Abb. 5.5   Wasserspeicher


Lohsa II

lagen vorgegeben. Sie bestimmen die Maßnah- aus nach beiden Seiten aufgefahren und mündet
men zur Ufersicherung und Ufergestaltung. in Ein- und Auslaufbauwerke (4a) und(4b). Das
Der bedeutendste Wasserspeicher der Lausitz Einlaufbauwerk von Speicherbecken Lohsa bie-
entsteht mit dem Speichersystem Lohsa II, das tet zusätzlich Möglichkeiten für die Konditionie-
als Verbund dreier Bergbaufolgeseen mit einer rung und optional für Energiegewinnung. Abbil-
maximalen Ausleitwassermenge von 7 m3/s be- dung 5.6 zeigt das Verbindungsbauwerk.
trieben werden soll. Abbildung 5.5 zeigt die Die Ausleitung aus dem Speichersystem
räumliche Anordnung der das Speichersystem Lohsa II erfolgt über das Speicherbecken Burg-
bildenden Bergbaufolgeseen und ihre Verbindun- hammer in die Kleine Spree, die sich unterhalb
gen untereinander. Die Anbindung an das öffent- mit der Spree vereinigt.
liche Gewässernetz erfolgt über Flüsse Spree und
Kleine Spree.
Während das Speicherbecken Lohsa mit einer 5.1.4 Erarbeiten der Flutungskon-
Maximalwassermenge von 15 m3/s aus der Spree zepte
gespeist wird, erhalten die Speicherbecken Drei-
weibern und Burghammer die Zuflüsse aus der Die für die einzelnen Bergbaufolgeseen konzi-
Kleinen Spree mit maximal 3 m3/s. pierten Flutungsmaßnahmen erfordern bezüglich
Die Verbindung zwischen Speicherbecken ihrer zeitlichen und kapazitativen Einordnung
Dreiweibern und Lohsa wird durch ein auf einer Einbindung in den regionalen Wasser-
3 m3/s ausgebautes und durch ein Wehr regelba- haushalt. Die Zu- und Abflüsse in die Oberflä-
res Absturzbauwerk mit integriertem Tosbecken chengewässer sowie die sich aus ökologischen
gebildet. Es sichert den Ausgleich der je nach und nutzungsbedingten Erfordernissen an den
Bewirtschaftungsregime bis zu 13,2 m unter- Mindestabfluss regeln maßgeblich die für die
schiedlichen Wasserspiegellagen in den beiden Flutung erschließbaren Wassermengen. Gemein-
Bergbaufolgeseen. sam mit geotechnischen Bedingungen aus dem
Die auf 10 m3/s ausgebaute Verbindung zwi- Sanierungsfortschritt bilden sie die Grundlage
schen den Speicherbecken Lohsa und Burgham- für die Festlegung von Prioritäten für die Was-
mer wird durch einen 3 m Durchmesser aufwei- serverteilung im Rahmen des Flutungskonzeptes
senden und 1.416 m langen Tunnel realisiert. Er der LMBV (1995, 2001). Allein schon der sto-
wurde untertägig von einem Zentralschacht (4) chastische Charakter der Abflüsse in den Ober-
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 273

Abb. 5.6   Tunnelbauwerk zwischen den Speicherbecken Lohsa und Burghammer

flächengewässern und die dadurch limitierte lungskonzept Lausitz“ an die aktuelle Situation
Flutungswassermenge sowie geogen bedingte angepasst.
Änderungen in der Beschaffenheit des Flutungs- Für die Sächsisch-/Brandenburgische Rest-
wassers machen eine periodische Anpassung des lochkette vom Spreetaler See im Osten bis zum
Konzeptes erforderlich. Die durch die erreich- Ilsesee im Westen bedeutet das folgende Präzi-
ten Seewasserstände bedingten geotechnischen sierungen:
Randbedingungen, der Sanierungsfortschritt • prioritäre Zuführung von Flutungswasser
sowie die Entwicklung der Wasserbeschaffenheit zur Anhebung des Wasserspiegels im Ilsesee
in den entstehenden Bergbaufolgeseen müssen und damit die Reduzierung der hydraulischen
dabei Berücksichtigung finden. Am Beispiel der Belastung des zwischen dem Ilsesee und dem
Sächsisch-/Brandenburgischen Seenkette soll Sedlitzer See gelegenen Pfeilers
eine Anpassung des Flutungskonzeptes aufge- • vorzeitiger Ausbau des Oberen Landgrabens
zeigt werden, die sich aus einer sich im Laufe der bis zum Sedlitzer See und damit verbunden
Sanierung entwickelten geotechnischen Zwangs- die Neuverteilung des Wassers aus der GWRA
bedingung sowie aus territorialen Anforderungen Rainitza
an die Nutzung der Bergbaufolgelandschaft erge- • Bau einer Dichtwand südlich des Tagebaus
ben hat (Abb. 5.7). Welzow-Süd, um die Wasserverluste durch
Die ursprüngliche Konzeption für die Flu- Grundwasserabströmung aus der Seenkette zu
tung der Seen der Sächsisch-/Brandenburgischen reduzieren.
Seenkette (LMBV 1995) sah ein Erreichen der Mit dem angepassten Flutungskonzept für die
Endwasserstände von Ost nach West vor und Sächsisch-/Brandenburgische Seenkette wird ein
machten die GRWA Rainitza zu einem zentralen weitgehend ausgeglichener Spiegelanstieg in den
Element für die Beschaffenheitsentwicklung im Bergbaufolgeseen erreicht. Der Abbau der hyd-
westlich gelegenen Ilsesee. raulischen Gradienten zwischen den einzelnen
Geotechnische Vorsorge sowie durch den Sa- Seen in der Flutungsphase führt darüber hinaus
nierungsfortschritt bedingte Grenzwasserstände, zur Reduzierung der schwefelsauren Grundwas-
vor allem aber die Forderung nach einer vorzei- serströme in die Seen und wirkt sich dadurch
tigen Gewässernutzung im westlich gelegenen positiv auf die Seewasserbeschaffenheit aus. Eine
Bereich, waren Anlass zu einer Anpassung des frühzeitige Nutzung der im westlichen Bereich
Konzeptes. Mit einem Grundsatzpapier (LMBV gelegenen Bergbaufolgeseen wird dadurch er-
2006b) wurde das „Flutungs- und Wasserbehand- reicht und ermöglicht eine nachnutzungsorientier-
te Entwicklung in dieser Bergbaufolgelandschaft.
274 F.-C. Benthaus et al.

Abb. 5.7   Sächsisch-/Brandenburgische Seenkette

5.1.5 Beschaffenheit in den Bergbau- lich. Die Beeinflussung der Wasserbeschaffen-


folgeseen heit kann durch stationäre Anlagen von Land aus
oder durch In-Lake-Maßnahme erfolgen.
Die Steuerung der Wasserbeschaffenheit in den Für das Erreichen einer vorgeschriebenen
entstehenden Bergbaufolgeseen ist prioritär Wasserbeschaffenheit ist der Zeitpunkt der An-
durch die Zuführung von Flutungswasser aus bindung der Bergbaufolgeseen an das öffentliche
den öffentlichen Gewässersystemen vorgesehen. Gewässernetz entscheidend. Nach deutschem
Sie bringt mit der durch das Flutungswasser zu- Wasserrecht (Wasserhaushaltsgesetz) ist eine
geführten Pufferkapazität eine neutralisierende Verschlechterung der Wasserbeschaffenheit im
Wirkung auf die aus dem Umfeld zufließenden aufnehmenden Gewässer zu vermeiden. Deshalb
aciditätsreichen Wässer. Aus Gründen der Was- sollte zum Zeitpunkt der Anbindung die Wasser-
serbeschaffenheit sollte mit der Zuführung von beschaffenheit im Bergbaufolgesee bereits so
Flutungswasser frühestmöglich mit maximal er- weit entwickelt sein, dass eine Einleitung des
schließbarer Wassermenge begonnen werden, Überschusswassers in die öffentliche Vorflut
solange das Volumen des entstehenden Wasser- möglich ist. Andernfalls sind zeitlich befristete
körpers noch gering ist. So ist die Wirksamkeit Maßnahmen zur Behandlung des Ablaufwassers
des Flutungswassers auf den entstehenden Was- vorzusehen.
serkörper hoch.
Was mit Flutungswasser, z. B. durch zu ge-
ringes Wasserdargebot oder in lang anhaltenden 5.2 Regionale Hydrogeologie der
Trockenzeiten nicht erreicht werden kann, ist Reviere
durch technische Maßnahmen zu ergänzen. Zur
Anwendung kommen dafür Konditionierungs- Die Geologie des Mitteldeutschen und des Lau-
maßnahmen zum Aufbau von Pufferkapazität sitzer Braunkohlenrevieres ist ausführlich im
durch Zuführung basischer Stoffe. Zur Unterstüt- Abschnitt 2.2 beschrieben. Im Folgenden werden
zung ist auch der Einsatz von Kohlendioxid zur die hydrologischen Grundlagen zum Gesamtver-
Bildung eines Hydrogenkarbonat Puffers mög- ständnis des Kapitels vertieft.
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 275

Abb. 5.8   Übersichtskarte des Niederlausitzer Braunkohlenreviers (Novel 1992)

5.2.1 Revier Niederlausitz Hydrologisch bedeutsam sind die überwie-


gend feinkörnigen Sande der Cottbuser For-
Geografie mation, die den im Süden auskeilenden Grund-
Die Niederlausitz wird im Wesentlichen von den wasserleiter 800 bilden. Es folgt die Spremberg
Flüssen Elbe im Westen, Neiße im Osten sowie Formation mit dem 4. Lausitzer Flözhorizont, be-
vom Lausitzer Urstromtal mit dem Vorfluter stehend aus überwiegend kohlehaltigen Schluf-
Schwarze Elster im Süden und dem Baruther Ur- fen und mehreren Flözbänken. Darüber folgt ein
stromtal mit dem Vorfluter Spree im Norden be- terrestrische Schuttfächer, in denen Tone und
grenzt (Abb. 2.65). Zwischen den Urstromtälern Schluffe mit relativ grobklastischen Sedimenten
liegt die Lausitzer Becken- und Heidelandschaft. (Grundwasserleiter 700) wechseln. Die Untere
Briesker Formation beginnt mit dem 3. Lausitzer
Ablagerungen des Tertiärs Flözhorizont mit bis zu 3 Flözbänken.
Die Niederlausitz wird durch eine ca. 200 m Es folgen getrennt durch geringmächtige ma-
mächtige Lockergesteinsfolge des Tertiärs und rin-brackische Sande stark kohlehaltige, feinge-
des Quartärs geprägt (Abb. 5.8). Diese liegt dis- schichtete Schluffhorizonte.
kordant auf dem in nördliche Richtung einfal- Die überlagernden mächtigen marinen Fein-
lenden Festgesteinssockel aus präkambrischen bis Mittelsande bilden den Hauptgrundwasser-
Grauwacken. Nördlich der zwischen Luckau leiter 610 im Liegenden des 2. Lausitzer Flöz-
und Görlitz verlaufenden tektonischen Störungs- horizontes.
zone des Lausitzer Hauptabbruchs bilden jüngere Der sich anschließende so genannte Unterbe-
Sedimente des Mesozoikums die Quartärbasis gleiter ist die Flözbank 4 des 2. Lausitzer Flöz-
(Tab. 5.3). horizontes. Der Unterbegleiter bzw. äquivalente
276 F.-C. Benthaus et al.

Tab. 5.3   Normalprofil des Tertiärs der Niederlausitz (Grundwasserleiter GWL hervorgehoben)
Alter: Stratigraphie GWL
Mio. Jahre
MIOZÄN Raunoer Senftenberger Elbelauf 221
Formation Flaschenton
fluviatile Schüttungen 222
1. Miozäner Flözkomplex
überwiegend mehrere Flözbänke,
z. T. fluviatile Schüttungen 250
10 Liegendschluff
Obere Briesker Formation Fein- und Mittelsand 310
Unterbegleiter des 1. Miozäner Flözkomplexes
Fein- und Mittelsand 320
Oberbegleiterkomplex
Sande 410
15 Hangendschluffkomplex 420
16 2. Miozäner Flözkomplex
Flözbank 1, Mittel 1, Flözbank 2
Mittel 2 (im Norden bedeutender Grundwasserleiter) 453
Flözbank 3 mit Liegendschluff
Untere Briesker Sand 500
Formation Unterbegleiterkomplex
Fein- und Mittelsande 610
Schluffhorizont (Leithorizont) 620
Sande 630
Schluffhorizont
Sande
21 3. Miozäner Flözkomplex
kohlehaltiger Schluff, Mittel- und Oberbank
Spremberger Ton-Schluff-Sand-Wechsellagerung 700
26 Formation 4. Miozäner Flözkomplex
OLIGOZÄN Cottbuser Fein- und Mittelsande 800
30 Formation Basiskonglomerat, schluffig

Bildungen sind teilweise erodiert. Sie werden mächtige Sandeinlagerung zwischen Flözbank 2
überlagert durch marine Feinsande des Grund- und Flözbank 3 (Grundwasserleiter 453).
wasserleiters 500. Im Bereich der Tertiärhochflächen ist der 20
Die Obere Briesker Formation ist in weiten bis 30 m mächtige Grundwasserleiter 410 als
Gebieten teilweise im Pleistozän erodiert wor- tertiärer Hauptgrundwasserleiter des Deckgebir-
den. Sie beginnt mit dem 2. Lausitzer Flöz und ges ausgebildet, dessen Verbreitung nur durch
dem bis zu 10 m mächtigen Hangendschluffkom- den Abbau oder pleistozäne Erosionen begrenzt
plex. Der 2. Lausitzer Flözhorizont mit den Flöz- ist. Abgeschlossen wird der Grundwasserleiter
bänken 1, 2 und 3 ist unterschiedlich ausgebildet. 400 in weiten Gebieten durch den Oberbegleiter-
Im Südosten liegen die Flözbänke als ca. 10 m komplex mit eingelagerten, nicht bauwürdigen
mächtiges Kohlenflöz vereinigt vor. In westli- Flöz. Der darüber folgende tertiäre ca. 20 bis
cher und nördlicher Richtung spaltet sich vom 30 m mächtige marine Grundwasserleiter 310
Flöz zunächst die Flözbank 3 ab, im Fortgang ist im Südwesten und Südosten durch die Ver-
spaltet sich auch die Oberbank in die Flözbänke zahnung der marinen Sedimentation mit der ter-
1 und 2 auf. restrischen des jüngeren Lausitzer Schuttfächers
Hydrogeologisch bedeutsam ist die im Unter- (Raunoer Formation) gekennzeichnet. In diesen
suchungsgebiet weitverbreitete, bis über 20 m Bereichen sind wenig aushaltende Schluff- und
Tonlagen mit schmalen Kohlenflözen eingela-
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 277

Tab. 5.4   Normalprofil des Quartärs der Niederlausitz (Grundwasserleiter GWL hervorgehoben)
Alter: Stadium Stratigraphie GWL
Mio. Jahre
HOLOZÄN Kippen und Aufschüttungen 111
10 Spreeschwemmfächer im Baruther Urstromtal 112
Schwemmsande im Lausitzer Urstromtal 113
Mudden, Flachmoortorfe, Dünen
WEICHSEL-Kaltzeit Brandenburger Schmelzwassersande des Baruther Urstromtals 120
11 Stadium Obere Talsande im Lausitzer Urstromtal
Interstadialhorizonte im Lausitzer Urstromtal
EEM-Warmzeit Feinsand
13 Schluff/Ton
Mudde/Torf/Diatomeenerde
SAALE-Kaltzeit Warthe Untere Talsande im Lausitzer Urstromtal 130
Sander
Endmoränen Lausitzer Grenzwall
Schmelzwassersande
Geschiebemergel und –lehme, glazilimnische Sedimente
Drenthe Schmelzwassersande und Kiese 140
Rückzugsbänderton
Geschiebemergel
Vorstoßbänderton
35 Frühsaale Fluviatile bis glazifluviatile Aufschüttung 150
HOLSTEIN-Warmzeit nur wenige Funde:
Feinsand
37 Schluff/Ton
Mudde/Torf/Diatomeenerde
ELSTER-Kaltzeit 2 höhere Rinnensedimente: 160
sehr variable Zusammensetzung
Schmelzwassersande, Kiese, Tertiärschollen,
Bänderschluffe, Geschiebemergel, -lehme
1 Tiefere Rinnensedimente: 170
kaum abgrenzbar zur höheren Rinnenfüllung
Schmelzwassersande, Kiese, Tertiärschollen,
47 Bänderschluffe, Geschiebemergel

gert. Abgeschlossen wird die Schichtenfolge im die durch das Meer geprägten tertiären Ablage-
Bereich der Klettwitzer, Raunoer, Welzower und rungen (Tab. 5.4).
Calauer Tertiärhochfläche durch den Komplex Der Anteil der quartären Schichten am Ge-
des 1. Lausitzer Flözhorizontes. Durch den schon birgsaufbau des Gebietes wird durch die pleis-
vor Abbau des 2. Flözhorizontes umgegangenen tozäne Tiefenerosion bestimmt. Diese ist unter-
Bergbau wurden jedoch nur geringe Restflächen schiedlich, im wesentlichem können fünf Einhei-
hinterlassen. ten unterschieden werden (Abb. 5.9):
Die tertiäre Schichtenfolge wird im genannten
Gebieten abgeschlossen von kiesigen Sanden der Rinnen  Rinnen sind schmale und langgestreckte
Raunoer Folge, in die der z. T. abbauwürdige Fla- Ausräumungszonen, die vorwiegend in der Eis-
schenhorizont eingelagert ist und den Bildungen zeit entstanden. Durch Tiefenerosion der sub-
des Senftenberger Elbelaufs (Tertiärhochflächen). glazialen Schmelzwässer reichen diese Rinnen
teilweise bis auf den Festgesteinssockel. An den
Ablagerungen des Quartärs Rinnenflanken kam es oft zum Austritt gespann-
Die quartären Ablagerungen sind überwiegend ter Grundwasser, welches die überwiegend san-
kleinflächiger und wechselhafter ausgebildet als digen Sedimente der Grundwasserleiter 610 und
500 mit sich riss. An den Rinnenflanken sanken
278 F.-C. Benthaus et al.

Abb. 5.9   Geologischer Schnitt durch das Niederlausitzer Braunkohlenrevier

z. T. relativ ungestörter Tertiärkomplexe in die belebten Flusssysteme bilden über weite Gebiete
Rinnen ab. Mächtige Geschiebemergelhorizonte den quartären Hauptgrundwasserleiter 150.
wurden abgelagert. Aufgestauchte bindige Terti-
ärschichten an den Nordostflanken bilden Barrie- Hochflächen Diese sind Gebiete, deren Quar-
ren für den Austausch der Grundwässer. tärbasis in der Regel über 100 m MHN liegt. Die
An der Rinnenbasis liegen neben sandigen Mächtigkeit quartärer Sedimente beträgt meist
Geschiebemergeln und Geschiebesanden zu- weniger als 20 m, maximal 30 m. Teilweise
meist grobkörnige Schmelzwassersande und erreicht das Tertiär die Geländeoberfläche.
Kiese mit bis zu 30 m Mächtigkeit. In diese ein- Es handelt sich um (prätertiäre und tertiäre)
gelagert sind häufig allochthone Tertiärsedimen- Reliktflächen zwischen Rinnen bzw. Verebnun-
te (Schollen aus der ummittelbaren Umgebung, gen, welche der pleistozänen Abtragung weitge-
Materialien der jungtertiären Elbeläufe). Hydro- hend entgingen
geologisch bilden die Rinnen wegen des hohen
Anteils gut durchlässiger glazifluviatiler Sedi- Urstromtäler Die gut durchlässigen Schmelz-
mente Verbindungen zwischen den ansonsten se- wassersedimente sind die wichtigsten quartären
paraten Hauptgrundwasserleiter des Tertiärs. Grundwasserleiter, z. B. GWL130 im Lausitzer
Urstromtal und GWL120 im Baruther Urstromtal.
Verebnungen Unter Verebnungen werden
Bereiche mit ausgeglichenem Quartärbasisrelief Kippen und Halden  Durch den Braunkohlen-
und meist mächtiger Quartärbedeckung (30– bergbau wurde das Deckgebirge über den Koh-
50 m) verstanden. Sie entstanden durch flächen- lenflözen aufgenommen und wieder in Kippen
hafte Erosion (z. T. auch Exaration) und späterer und Halden abgesetzt. Wegen der dabei erfolg-
Akkumulation nach Anlage der elsterglazialen ten Vermischung von sandigen mit schluffig-
tiefen Rinnen. Sie schneiden die Rinnen diskor- tonigen Sedimenten ist die Durchlässigkeit des
dant ab, so dass ihre Sedimentfolgen den Raum Kippengrundwasserleiters 111 vielfach stark
zwischen den Hochflächen ausfüllen. verringert.
Die in diesem Bereich abgelagerten Sedimen-
te der zwischen Elster- und Saale-Eiszeit wieder
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 279

Abb. 5.10   Geologischer Schnitt durch das Berzdorfer Becken nach Betriebseinstellung

5.2.2 Revier Oberlausitz Quartär


Nach Abschluss der tertiären Prozesse lag das
Geografische Lage/Untergrund Berzdorfer Becken als eine mit Lockersedimen-
Die Regionalhydrologie der Oberlausitz wird ten gefüllte Talwanne vor, in die sich im frühen
am Beispiel des Berzdorfer Beckens erläutert Pleistozän die Lausitzer Neiße einschnitt. Über-
(Abb.  5.10). Das Berzdorfer Becken wurde im lagert werden sie von Geschiebemergeln und
Tertiär als Grabenstruktur an tektonischen Stö- Schmelzwassersanden der Elster I- und Elster
rungen verschiedener Richtung eingesenkt. II-Vereisung. Der Geschiebemergel war teilwei-
An die Bruchvorgänge gebunden sind sowohl se extrem fest und führte zahlreiche große Ge-
ein umfangreicher tertiärer Basalt-Vulkanismus steinsblöcke. Über ihm folgen im Profil noch
als auch die Bildung der Braunkohlenlager- Schmelzwassersande und Geschiebelehmreste
stätte. Die Beckenränder sind durch ein System der Saale I-Vereisung. Das Inlandeis der jünge-
von parallelen Bruchstörungen gekennzeichnet. ren Glaziationen ereichte das Berzdorfer Becken
Durch unterschiedliche Absenkungen entstan- nicht. Saale- und weichselzeitliche Flussschotter
den Mulden und Sättel im Beckenuntergrund der Lausitzer Neiße und ihrer Nebenflüsse liegen
sowie Schuttfächer im Beckenrandbereich und im Ostteil des Beckens in geschlossener Verbrei-
im Becken selbst. Die über dem Liegendrücken tung vor.
aufgewölbten Kohlenflöze belegen, dass die Be- Die rolligen Quartärsedimente bilden den
wegungen bis nach Abschluss der Kohlenflözbil- Grundwasserleiter 1 (GWL 1), den Hauptgrund-
dung stattgefunden haben. wasserleiter des Berzdorfer Beckens. Der Grund-
wasserleiter 1 ist nahezu vollständig im gesamten
Tertiär Niederungsgebiet der Lausitzer Neiße, der alten
Das prätertiäre Grundgebirge wird vom Sei- Pließnitz und der Gaule ausgebildet.
denberger Granodiorit gebildet. Die bis 50 m
mächtigen Schuttfächersedimente bestehen aus
zumeist wenig veränderten Zersatzmaterialien 5.2.3 Revier Südraum Leipzig
des Granodiorits und der Vulkanite. Die beson-
ders an den Beckenflanken entstandenen rolligen Geografische Lage/Untergrund
Bereiche der Schuttfächersedimente bilden den Als „Südraum Leipzig“ wird das Braunkohlen-
Grundwasserleiter 3 (GWL 3), auf den die Koh- revier bezeichnet, welches von Leipzig bis Al-
lenbildung folgte. tenburg reicht. Im Westen wird es begrenzt durch
den Verlauf der Autobahn A9 und im Osten durch
eine Linie entlang der Orte Geithain – Bad Lau-
280 F.-C. Benthaus et al.

Abb. 5.11   Hydrogeologischer Schnitt durch den Südraum Leipzig Legende: braun Braunkohle, I…IV Flözbezeich-
nungen, blau Ton/Schluff, gelb/gelbgrün Sande/Kiese (Grundwasserleiter), 1.4…6 Grundwasserleiterbezeichnung,
grün Geschiebemergel

sigk – Naunhof. Das Gebiet ist geologisch dem Tab. 5.5   Tertiäre Grundwasserleiter (GWL) im Südraum
Weißelsterbecken zugeordnet. GWL Miozäne Thierbacher Schichten
Das Prätertiär im Südraum wird in zwei Be- 2.2/2.3/2.4
reiche unterteilt durch die herzynisch streichende GWL 2.5–2.6 Oligozäne Pödelwitzer Sande,
Muschelsand
Röthaer Störung. Südlich der Röthaer Störung,
GWL 2.7 Oligozäner brauner Sand
auf der so genannte Tiefscholle, sind unter dem
GWL 3 Mittlere Sande zwischen Flöz IV und III
Tertiär Sand- und Tonsteine des Buntsandsteins
GWL 4 Eozäne Sande zwischen Flöz III und II
und darunter Kalke Dolomite, Sandsteine sowie GWL 5 Eozäne Sande zwischen Flöz II und I
gebietsweise Gips und Anhydrit des Zechsteins GWL 6 Eozäne Sande im Liegenden von Flöz I
anzutreffen. Nördlich der Röthaer Störung stehen
in der so genannten Hochscholle wesentlich äl-
tere Gesteine an. Sie sind entlang der bereits vor Binnensenke, in die vor allem aus dem Erzge-
der Ablagerung der tertiären Schichten wirksa- birge und dem Vogtland Kiese, Sande, Schluffe
men Röthaer Störung um mindestens 200 m her- und Tone eingebracht wurden. Die Sedimentzu-
ausgehoben worden. Es handelt sich vorwiegend fuhr erfolgte im Wesentlichen über die auch noch
um tiefgründig kaolinisierte Grauwacken, Ton- jetzt von der Pleiße und Weißen Elster genutz-
und Schluffsteine, die als algonkischer Leipziger ten Täler. Die Schichtenfolge lässt vier Zyklen
Grauwackenkomplex zusammengefasst werden. erkennen, die jeweils mit groben Sedimenten
Während auf der Hochscholle die tertiären Ab- (Kiesen, Sanden) beginnen, auf denen Schluffe
lagerungen relativ ruhige Lagerungsverhältnisse und Tone lagern und auf die dann ein Braunkoh-
aufweisen, ist auf der Tiefscholle gebietsweise lenflöz folgt (Tab. 5.5). Der erste Zyklus beginnt
die Lagerung der Flöze und der Grundwasser- so mit den Kiesen und Sanden des Grundwasser-
leiter des Tertiärs weitaus komplizierter. Dies leiters 6 und endet mit Flöz I. Der zweite Zyklus
beruht auf den Gips- und Anhydritbänken in den beginnt mit dem Grundwasserleiter 5 und endet
Zechsteinablagerungen, die bei Wasserzutritt in mit Flöz II. Der dritte Zyklus ist nur im zentralen
Lösung gehen können und dadurch zum Absen- Teil des Weißelsterbeckens ausgebildet und be-
ken aller zum Zeitpunkt der Lösungsvorgänge steht aus dem Grundwasserleiter 4 und Flöz III.
oberhalb lagernden Schichten, damit auch der Der vierte Zyklus beginnt mit dem Grundwasser-
Flöze, führte (Abb. 5.11). leiter 3 und endet mit Flöz IV.
Mit dem Weißelsterbecken stand den tertiären
Tertiär Ablagerungen ein zusammenhängender Sedi-
Über den Zeitraum von einigen Millionen Jahren mentationsraum zur Verfügung. Insgesamt zei-
bestand vom Mitteleozän bis zum Oligozän eine gen die tertiären Grundwasserleiter des Weißels-
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 281

Tab. 5.6   Quartäre Grundwasserleiter (GWL) im Südraum


terbeckens eine große flächenhafte Verbreitung.
Dabei gibt es einerseits immer wieder Bereiche, GWL Holozäne und weichselkaltzeitliche
1.0/1.1: FIussschotter
wo zwischen zwei Flözen nur Schluffe und Tone
GWL 1.4: Saalekaltzeitliche Schmelzwassersande
und kein Grundwasserleiter zur Ablagerung GWL 1.5: Frühsaalekaltzeitliche Flussschotter
kamen. Andererseits lagern mächtige Sande und (Hauptterrasse)
Kiese zweier Grundwasserleiter direkt aufeinan- GWL 1.6: Spätelsterkaltzeitliche Schmelzwassersande
der und bewirken eine hydraulische Verbindung GWL 1.7: Elsterkaltzeitliche Schmelzwassersande
zwischen beiden. GWL 1.8: Frühelsterkaltzeitliche Flussschotter.

Quartär
Das Quartär ist geologisch gekennzeichnet durch des GWL 1.1/1.0 der Weißen Elster ist durch die
einen klimatisch bedingten Wechsel zwischen Tagebaue Zwenkau und Merseburg-Ost einge-
Abtragung und Ablagerung von Gesteinen in drei schnitten worden. Die etwa 1 km breite Terrasse
Zeitetappen. Vor dem Beginn der ersten Kaltzeit, der Pleiße wurde von Regis-Breitingen bis nahe
der Elsterkaltzeit, kam es zunächst durch die ver- Leipzig durch die Tagebaue Borna, Deutzen,
schiedenen Flussläufe zur mehr oder weniger Witznitz und Espenhain bis auf Reste devastiert.
tiefgreifenden Abtragungen vor allem tertiärer Die etwa 0.5 km breite Terrasse der Wyhra ist
Schichten. Das von Norden heranrückende In- nördlich von Borna vollständig abgetragen wor-
landeis führte zur Verringerung der Transport- den. (Abb. 5.12).
kraft der Flüsse (Saale, Elster, Pleiße, Mulde).
Diese schotterten in ihren Tälern breite Terrassen
auf, die sich über viele Kilometer verfolgen las- 5.2.4 Revier Nordraum Leipzig
sen. Die Gletscher bedeckten dann zweimal das
Gebiet und hinterließen neben Bändertonen und Geografische Lage/Untergrund
Geschiebemergel Schmelzwassersande, die meist Im Nordraum, dem Gebiet zwischen Leipzig und
flächig abgelagert wurden. In der nachfolgenden Gräfenhainichen, wurde das Bitterfelder Flöz ab-
Warmzeit schnitten sich die Flüsse erneut in die gebaut, welches im Miozän entstand (Abb. 5.13).
tertiären und die älteren eiszeitlichen Ablagerun- Prätertiäre Gesteine treten im Nordraum nur
gen ein, verloren schließlich wiederum durch das in den kleinen Porphyrkuppen bei Muldenstein
heranrückende Inlandeis ihre Transportkraft und und Golpa zutage. Die prätertiäre Schichtenfolge
schotterten in ihren Tälern ausgedehnte Terras- setzt sich aus einer größeren Anzahl von Schicht-
sen auf, die wegen ihrer großen Verbreitung und komplexen von kambrischen, karbonen und rot-
Mächtigkeit hier als Hauptterrassen bezeichnet liegenden Gesteinen zusammen. Bemerkenswert
werden. Das Inlandeis der zweiten Kaltzeit, der ist eine Zone, die sich von Bitterfeld über Bad
Saalekaltzeit drang wenigstens zweimal in das Düben bis Torgau hinzieht. In dieser sind in Form
Gebiet des Südraumes ein. Nach der Saalekaltzeit teils eines Grabenbruches, teils einer Einmul-
schnitten sich die Flüsse erneut ein. Die Weich- dung Sedimente des Zechsteins und Buntsand-
selkaltzeit bewirkte wiederum ein Aufschottern. steines aufgrund ihrer Lagerungsverhältnisse von
Das Inlandeis erreichte aber den Südraum nicht. der Abtragung nicht erfasst worden. In der Regel
In den Talauen der Flüsse kam es später nochmals sind die obersten 10 m bis 30 m der prätertiären
zur Aufschotterung einer Terrasse von holozänen Gesteine kaolinisch verwittert und wirken so als
Auekiesen. Diese Terrasse ist aber nur gebiets- Grundwasserstauer.
weise von den weichselkaltzeitlichen Schottern
zu unterscheiden. In der quartären Schichtenfol- Tertiär
ge des Südraumes treten folgende Grundwasser- In der tertiären Schichtenfolge des Nordraumes
leiter auf (Tab. 5.6): treten folgende Grundwasserleiter auf (Tab. 5.7).
Die ursprünglichen hydrogeologischen Ver- Auf der Grundlage der Verbreitung der tiefe-
hältnisse sind weithin durch die Tagebaue ver- ren Tertiärablagerungen mit den Flözen Bruck-
ändert worden. Die 2 bis 3 km breite Terrasse dorf und Gröbers, die die geologische Entwick-
282 F.-C. Benthaus et al.

Abb. 5.12   Verbreitung der Auenkiese (GWL 1.1) im Raum Leipzig-Zeitz-Altenburg und Eingriff durch die Tagebaue,
grün Holozäne/Weichselkaltzeitliche Flussauen, rot devastierte Gebiete der Flussauen

lung dieses Raumes zur Zeit der Bildung dieser Hauptgrundwasserleiter des Nordraumes. Er ist
Sedimente widerspiegeln, ergeben sich Möglich- bergbaulich praktisch unverritzt geblieben und
keiten zur regionalgeologischen Gliederung des wurde lediglich durch die Entspannungsmaßnah-
Gebietes. Abgeschlossen wird die ältere tertiäre men der Tagebauentwässerung beeinflusst.
Schichtenfolge von einem im Allgemeinen nach Das Bitterfelder Flöz ist in einer Mächtigkeit
Norden an Mächtigkeit zunehmenden Horizont, von oft 10 bis 13 m ausgebildet. Weiter entfernt
dem Rupelschluff. Dieser fehlt in der Regel nur lagern sich in das Flöz zunächst Tone und Schluf-
über größeren Prätertiäraufragungen. Auf dem fe und dann Sande (GWL 4) ein. Es entstand
Rupelschluff lagern im Mittel etwa 30, max. so die Unter- (BIU) und die Oberbank (BIO)
etwa 50 m mächtige Sande des GWL 5, die zu- des Bitterfelder Flözes. Die Sande erreichen
sammengefasst als Bitterfelder Glimmersande schließlich Mächtigkeiten bis über 10 m. Das
bezeichnet werden. Dieser Horizont ist über tau- ist im schematischen geologischen Schnitt süd-
sende von Quadratkilometern verbreitet und der lich des ehemaligen Tagebaus Rösa dargestellt
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 283

Abb. 5.13   Hydrogeologischer Schnitt durch den Nordraum Leipzig, BI Bitterfelder Flöz, BIO I Oberbank I, BIO II
Oberbank II, BIU Unterbank, BRFO Flöz Breitenfeld Oberbank, G Flöz Gröbers, B Flöz Bruckdorf, 1.0…8.1– Grund-
wasserleiterbezeichnung, braun Braunkohle, blau Ton/Schluff, gelb Sande/Kiese (Grundwasserleiter), grün Geschiebe-
lehm und -mergel

Tab. 5.7   Grundwasserleiterbezeichnung Tertiär „Nordraum“ Tab. 5.8   Grundwasserleiterbezeichnung Quartär „Nord-
GWL 2.1…2.2 Miozäne obere und untere Sandhori- raum“
zonte zwischen Flöz Düben und Flöz GWL 1.1/1.0 Weichselkaltzeitliche, holozäne Fluß-
Bitterfeld Oberbank II (BIO II) schotter der Mulde und Fuhne
GWL 3 Miozäner Sandhorizont zwischen GWL 1.3 Saalekaltzeitliche Schmelzwassersande
BIO II und Bitterfeld Oberbank I GWL 1.4 Saalekaltzeitliche Schmelzwassersande
GWL 4 Miozäner Sandhorizont zwischen GWL 1.5 Frühsaalekaltzeitliche Flußschotter der
BIO II und Bitterfeld Unterbank Elster, Mulde und Saale
GWL 5.1.5.3 Bitterfelder Glimmersande lokal GWL 1.6 Spätelsterkaltzeitliche
eingelagerte Flözgruppe Breitenfeld Schmelzwassersande
(Miozän) GWL 1.7 Elsterkaltzeitliche Schmelzwassersande
GWL 6 Rupelschluff (Miozän bis GWL 1.8 Früh- und vorelsterkaltzeitliche
Oberoligozän) Flußschotter

(Abb. 5.13). Außerhalb des engeren Bitterfelder Quartär


Gebietes spaltet sich von der Oberbank noch eine In der quartären Schichtenfolge des Nordraumes
weitere geringmächtige Bank ab. Zwischen bei- treten folgende Grundwasserleiter auf (Tab. 5.8).
den Oberbänken lagern meist nur relativ gering- Das Quartär ist auch im Nordraum durch
mächtige Schluffe und Tone. Nur im Süden treten den klimatischen Wechsel zwischen Abtragung
auch Sandzonen auf, die als Grundwasserleiter 3 und Ablagerung von Gesteinen hydrogeolo-
bezeichnet werden. Die Mächtigkeit der tertiären gisch charakterisiert. Vor der ersten in diesem
Schichten über dem Bitterfelder Flöz ist abhän- Raum nachgewiesenen Kaltzeit kam es durch die
gig vom Abtragungsniveau der quartären Schich- Flussläufe der Saale, Elster und Mulde zu einer
ten, sie kann 20 und mehr Meter betragen. Die beachtlichen Abtragung der tertiären Schichten-
aus Schluffen und Tonen bestehende Folge, in die folge. Nach Ablagerung von drei Schotterterras-
zwei bis drei Sandhorizonte (GWL 2.2 und 2.1) sen, die aber nur noch in Resten vorhanden sind,
eingelagert sein können, wird auch als Bitterfel- bewirkte das von Norden vordringende Inlandeis
der Decktonkomplex zusammengefasst. der Elsterkaltzeit eine Verringerung der Trans-
portkraft der Flüsse, die dadurch in ihren Tälern
breite Schotterterrassen ablagerten. Während der
Elsterkaltzeit wurde der Nordraum zweimal vom
284 F.-C. Benthaus et al.

Abb. 5.14   Bergbauliche Inanspruchnahme im Geiseletal

Inlandeis bedeckt. Die zweite Phase der elster- Merseburg (Abb. 5.14) Das Geiseltal, ein etwa
kaltzeitlichen Vereisung führte zu einer großen 36 km2 großes Braunkohlenvorkommen, weist
Anzahl von Rinnen, die dem GWL 1.6 zugeord- komplizierte hydrogeologische Verhältnisse auf.
net werden und von hoher hydrogeologischer Bis über 150 m tertiäre Ablagerungen mit Koh-
Bedeutung sind. Außerdem sind Sande dieses lenmächtigkeiten bis zu 100 m lagerten hier in
Horizontes (GWL 1.6) auch außerhalb der Rin- einem langgestreckten muldenartigen Struktur. Die
nen flächenhaft verbreitet. Im frühen Stadium der mit mächtigen mitteleozänen Sedimenten gefüllte
Saalekaltzeit kam es zur Aufschotterung von Ter- „Geiseltalmulde“ befindet sich an der Südflanke
rassen beachtlicher Mächtigkeit und Verbreitung, der durch Störungen begrenzten ost-west-strei-
der Grundwasserleiter GWL 1.5 mit einer Breite chenden Pultscholle „Merseburger Sattel“. Die
von über 15 km und Mächtigkeiten von im Mittel Entstehung der Geiseltalmulde gilt als Kombina-
11 m. Dieser Grundwasserleiter GWL 1.5 wird tion tektonischer, halokinetischer und subrosiv Be-
auch als Hauptterrasse bezeichnet und ist der wegungen von der Oberkreide bis zum Alttertiär
zweitwichtigste Grundwasserleiter des Nordrau- (Schroeter 1991; Thomae und Schroeter 1996).
mes. In der Weichselkaltzeit erfolgte eine Auf- Die tertiäre Geiseltalsenke bildete sich dabei im
schotterung durch die Flüsse, es entstand die so Zusammenhang mit der prätertiären Entwicklung
genannte Niederterrasse (holozänen Auekiese). der Querfurter Mulde. Besonders die Sediment-
ablagerungen des Zechsteins und die während des
Spätvariszikums angelegten Bruchstrukturen des
5.2.5 Geiseltal Grundgebirges prägten Tektonik und Sedimenta-
tion.
Geografische Lage/Untergrund
Das Braunkohlenrevier Geiseltal befindet sich am Tertiär
Westrand des Mitteldeutschen Braunkohlenreviers Die Bildung der Senkenstrukturen im Geiseltal
und liegt etwa 10 km südwestlich der Kreisstadt war durch das primäre Vorhandensein von Sa-
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 285

Abb. 5.15   Geologischer Profilschnitt durch das westliche Geiseltal – ehemaliger Tagebau Mücheln (Thomae und
Schroeter 1996)

linar im Untergrund (Zechstein) bestimmt. Die Geiseltals aus. Diese Aquifere sind aufgrund
Senkungsbewegungen des Eozäns waren an die ihrer Mächtigkeiten und großräumigen Verbrei-
Subrosion des Salinar gebunden. Die Subrosion tung sowie der geohydraulischen Eigenschaften
folgte bevorzugten Grundwasserbewegungen von hoher Bedeutung. In der Hauptstörungszone
entlang von Störungszonen. Ein Subrosionszy- entlang der Geiseltal-Nordrandstörung wurden
klus umfasst somit in der Regel eine schnelle Festgesteinsschichten um ca. 20 bis 30 m ver-
Absenkungsphase mit klastischer Sedimentation, setzt. An der Ostseite des Geiseltals erreichen die
die synchron mit dem Abklingen der subrosiv Versatzbeträge bis zu 50 m. Die Störungszonen
bedingten Senkung feinklastischer wurde und sind bevorzugte Bereiche für hydraulische Ver-
schließlich in eine organogene Sedimentation mit bindungen zwischen dem Unteren, Mittleren und
der Kohlenbildung überging. Die Hauptzyklen Oberen Buntsandstein (Abb. 5.15).
sind außerdem durch untergeordnete Teilzyklen Der Untere Muschelkalk ist in der Querfurter-
gekennzeichnet, die durch Zwischenmittel inner- Freyburger Mulde südlich und westlich des Gei-
halb der Braunkohlenstufe repräsentiert werden. seltals bis zur Unstrut verbreitet. Der Karstgrund-
Das prätertiäre Festgestein wird durch die wasserleiter hat als Nährgebiete für den Grund-
Teilgrundwasserleiter und –stauer des Unteren wasserhaushalt des Geiseltals eine hohe Bedeu-
bis Oberen Buntsandsteins sowie den Unteren tung. Im Ausstrichbereich zum Geiseltalrestloch
und Mittleren Muschelkalk (Karstgrundwas- (Tagebaurestloch Mücheln) zeichnet sich der
serleiter) aufgebaut. Die Gesteinsschichten des Karstgrundwasserleiter durch Mächtigkeiten von
Mittleren Buntsandsteins (Detfurth-Wechsella- ca. 10 bis 20 m sowie hydraulische Verbindungen
gerung, -Sandstein und -Ton, Solling- bis Har- zu den Lockergesteinsgrundwasserleitern aus.
degsen-Folge) gliedern sich in drei Grundwas- Das über dem Festgestein im Trias abgela-
serleiter und streichen nördlich und östlich des gerte Lockergestein umfasst Tertiär und Quartär
sowie die anthropogenen Bergbaukippen.
286 F.-C. Benthaus et al.

Quartär Namentlich die Nachterstedter Mulde verfügt


Das Quartär wird aus den natürlichen pleistozä- über ein bedeutendes Tertiärprofil. In ihren Zen-
nen und holozänen Sedimenten gebildet (Schroe- tralteilen haben die Flözmächtigkeiten mehr als
ter 1998). Der quartäre Grundwasserleiter ist aus 70 m betragen. Bedingt durch die Lagerstättenge-
saalezeitlichen, fluviatilen Terrassenschottern nese sind weiterhin sehr steile Muldenflanken mit
(Hauptterrasse und Körbisdorfer Schotter) und Einfallen von bis zu 10° und eine nur begrenzte
in den Auen der Fließgewässer (z. B. Geisel) aus Ausdehnung der Lagerstätten kennzeichnend.
weichselzeitlichen bzw. holozänen Sedimenten
aufgebaut. Quartär
Im Quartär entwickelte sich bei kontinuierli-
cher Geländeabsenkung infolge fortschreitender
5.2.6 Revier Nachterstedt/Schade- Salzablaugung über dem Sattelkern das Tal der
leben-Königsaue heutigen Seeländereien. In der jüngeren geologi-
schen Vergangenheit wurden zunächst mächtige
Geografische Lage/Untergrund Schotterkörper abgelagert. Anschließend bele-
Die Lagerstätte befindet sich im Nordwesten des gen Mudden (Seesedimente) die Entstehung des
Mitteldeutschen Braunkohlenreviers, nördlich so genannten Ascherslebener Sees. Die folgen-
von Aschersleben und südöstlich der Gemeinde de Verlandungsphase des Sees wird innerhalb
Gatersleben. Das Revier gehört regionalgeolo- der Seeländereien durch flächenhaft verbreitete
gisch zur subherzynen Senke. Durch NW – SO Torfe dokumentiert. Hervorzuheben ist auch die
streichende Dislokationszonen ist es in mehrere so genannte Destruktionszone, die sich ebenfalls
Leistenschollen gegliedert. Der zu betrachtende im Bereich des Satteltops befindet und sich als
Raum befindet sich am SW-Rand der Oschers- rinnenförmiges Element mit bedeutender quartä-
leben – Bernburger Scholle. Tektonische Verfor- rer Füllung darstellt.
mungen des Zechsteinsalzes während der saxoni- Das Gebiet der Seeländereien liegt im Ein-
schen Gebirgsbildungsphase führten zur Ausbil- zugsgebiet der Selke, welche sich westlich der
dung von Salzsätteln. Die Lagerungsverhältnisse Seeländereien befindet. Die Niederterrassen-
werden durch den Ascherslebener Salzsattel be- schotter der Selke überlagern hier die älteren,
stimmt. Über den mächtigen Salinaren des Sattel- in der Depression der Seeländereien abgelager-
kernes stehen die Gesteine des Gipshutes unter ten Schotterkörper. Zwischen Gatersleben und
einer lokal sehr mächtigen känozoischen Locker- Reinstedt wird die hydraulische Anbindung der
gesteinsüberdeckung an (Schroeter 1997). An den Niederterrassenschotter der Selke an die älteren
Sattelflanken keilen die aufgewölbten Sedimente pleistozänen Schotter durch Einlagerungen aus
des Buntsandsteins, des Muschelkalkes und des Geschiebelehmen und besonders im Raum Ga-
Keupers aus. tersleben durch Aufragungen des unterlagernden
Keupertonsteines kompliziert. Die Tonsteine und
Tertiär Geschiebemergel bilden einen Selke-parallel ver-
Das Tertiär ist auf die parallel zur Sattelachse laufenden Riegel, der den Grundwasserabstrom
streichenden Randsenken beschränkt und wird aus der Niederterrasse in die älteren Schotter nach
von quartären Lockergesteinen überlagert (Karpe Osten, in die Niederung der Seeländereien hinein,
1983). Infolge der im tieferen Tertiär einsetzen- beeinflusst. Im Zentrum der Seeländereien befin-
den halokinetischen Absenkung des Ascherslebe- det sich der Hauptseegraben, welcher die Funk-
ner Salzsattels entstanden zwei Randsenken mit tion der Oberflächenwasserabführung übernimmt
bauwürdigen Braunkohlenflözen: und in das Restloch Königsaue einmündet.
• die Nachterstedt – Froser Mulde an der West- Nördlich des Restlochkomplexes verläuft der
flanke und nördliche Teil des Hauptseegrabens, der die Zu-
• die Königsaue – Wilslebener Mulde an der flüsse aus dem angrenzenden Gebiet aufnimmt
Ostflanke. und das Überschusswasser aus dem Restloch-
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 287

Abb. 5.16   Lageplan des


Wulfersdorf-Helmstedter
Reviers (LMBV 1999a)

komplex Nachterstedt/Schadeleben bis zur Ein- meinde Harbke gehört regionalgeologisch zum
mündung in die Selke abführen soll. nördlichen Harzvorland und wird dem so ge-
nannten Subherzyn zugeordnet (LMBV 1999a).
Das Tagebaurestloch Wulfersdorf/Helmstedt
5.2.7 Revier Wulfersdorf/Helmstedt liegt im Einzugsgebiet von Weser und Elbe. Die
Fließgewässer nördlich des Tagebaues Wulfers-
Geografische Lage/Untergrund dorf entwässern zur Weser, die südlich abfließen-
Das Wulfersdorf/Helmstedter Revier im Nord- den Gewässer über die Schöninger Aue-Bode-
westen des mitteldeutschen Bergbaureviers süd- Saale zur Elbe (Abb. 5.16).
lich der Ortslage Helmstedt und westlich der Ge-
288 F.-C. Benthaus et al.

Das Subherzyn ist geprägt von Sattel- und Quartär


Muldenstrukturen, welche durch die Salzabwan- Die größten quartären Mächtigkeiten im nörd-
derungen und Salzakkumulationen vorwiegend lichen Untersuchungsgebiet sind auf der Anti-
in der Zechstein Zeit entstanden sind. Überregio- kline und nördlich Emmerstedt in der östlichen
nal sind einerseits die mit quartären und tertiären Randsenke nachgewiesen worden. Sowohl die
Lockersedimenten gefüllte Helmstedt-Staßfur- Gletscher der Elster- als auch der Saalekaltzeit
ter-Struktur und andererseits die Lappwaldmulde erreichten das Gebiet um Helmstedt. Im Bereich
mit ihrem mesozoischen Festgestein bedeutend. des ehemaligen Tagebau Wulfersdorf sind weich-
In der östlichen Randsenke (Ostmulde) befindet selzeitliche Lößdecken auf einer quartären Hoch-
sich das Tagebaurestloch Wulfersdorf. Durch die fläche überliefert worden.
Lappwaldmulde erfolgt die östliche Begrenzung
der Ostmulde, an der durch zahlreiche streichen-
de Störungen die Gesteine des Keuper gegen die 5.3 Hydrogeochemische Genese von
des Jura versetzt sind. Die Abbildung 5.17 zeigt Bergbaufolgeseen
die Schichtenfolgen und die Grundwasserleiter-
bezeichnungen im geologischen Normalprofil. Viele der Bergbaufolgeseen des Lausitzer und
Mitteldeutschen Braunkohlenbergbaus sind in
Tertiär der Entstehungsphase sauer. Das tertiäre Deck-
In der Zeit des Tertiärs war das Gebiet um Helm- gebirge enthält die Eisendisulfide Pyrit und Mar-
stedt Bestandteil einer weiträumigen Küsten- kasit (FeS2). Die Eisendisulfide sind unter Luft-
ebene, in der sich wiederholt Küstenmoore aus abschluss, im anoxischen geochemischen Milieu,
Mangroven und Coniferen gebildet haben. Durch stabil. Beim Kontakt mit Luftsauerstoff und Was-
diese Bereiche wurden Sande und Tone aus dem ser vewittern Eisensulfide jedoch. Der erste Kon-
südlichen Gebiet in das Meer mit seiner wech- takt der tertiären Sedimente mit Luftsauerstoff
selnden Küstenlinie transportiert. Dies führte erfolgt bereits während der Grundwasserabsen-
dazu, dass sich heute lateral auf wenigen Kilo- kung im Vorfeld des Braunkohlentagebaus. Eine
metern vertikal Braunkohlen, fluviatile Sande zweite, intensive Belüftung des Gebirges findet
und Tone, marine Sedimente und Meeressande bei der Abbaggerung, dem Transport und der
verzahnen (Lietzow und Ritzkowski 1996). Im Verkippung der Abraummassen statt. Eine dritte
Rahmen des Abbaus der Kohlenflöze entstanden Phase der Belüftung erfolgt während der Liege-
anthropogene Bergbaukippenbereiche. zeit der offenen Kippen. Der Sauerstoffeintrag
Im Bereich von Wulfersdorf sind die tieferen erfolgt hier durch Diffusion von der Oberfläche.
Grundwasserleiter der Unterflözgruppe durch Die Pyritverwitterung in der Kippe findet erst
den Glimmerton weitestgehend hydraulisch ge- ihren Abschluss mit dem Grundwasseranstieg
trennt. Der aus dem Unteren Grünsand und den und dem damit unterbundenem Sauerstoffzutritt.
darüber lagernden Heidberg-Kiessanden be- Der Säure-Basen-Zustand eines Wasserkör-
stehende GWL 4 bildet den relevanten Liegend- pers wird durch den pH-Wert und durch die Aci-
grundwasserleiter. Die Zwischenmittelsande dität-Alkalinität Aci = -Alk (in mol Aci bzw. mol
zwischen den Flözen I und III bilden den Grund- Alk) gekennzeichnet. Das dominierende Anion
wasserleiter 3. in sauren Bergbaufolgeseen ist Sulfat. Die Kon-
Mit den Tagebauen Wulfersdorf und Helm- zentration der H+ -Protonen bestimmt dabei den
stedt ist in der östlichen Randsenke die Schich- pH-Wert und die Konzentration der Anionen be-
tenfolge Helmstedt-Formation und der sie über- stimmt die alkalische Pufferung des betrachteten
lagernden obereozänen Annenberg-, Silberberg- Wassers. Die sauren Seen setzen sich zu etwa 50
bis einschließlich der unteroligozänen Gehlberg- bis 75 % aus den basischen Kationen Calcium,
formation mit dem Grundwasserleiter 2 aufge- Magnesium, Natrium und Kalium sowie zu etwa
schlossen (Lietzow 2000). 25 bis 50 % aus Wasserstoffionen und den hyd-
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 289

Die Schichtenfolgen und Grundwasserleiter


im Helmstedter Raum
geol. Zeit Grund- Modell-
(System/ Sediment Schichtbezeichnungen wasser- grund-
Stufe) leiter wasser-
leiter
MGWL 1/
Quartär

GWL 1/
Kippe Kippe:
MGWL 1+2
Rupelton-Formation

Tagebau Wulfersdorf/Helmstedt
(nur in Subrosionssenken
Oligozän

marine Deckschichten
auf dem Mittelsattel erhalten)
Oberer Grünsand/
Silberberg-Formation

Gehlberg-Formation GWL 2 MGWL 3

Annenberg-Formation

Tgb. Wulfersdorf Tgb. Helmstedt


Helmstedt-Formation

Flöz III Flöz 1


Flöz 2
Oberflözgruppe

Flöz II Flöz 3
Lutet

GWL 3 MGWL 4
Paläogen/Tertiär

Flöz 4
Flöz I
Flöz 5
Flöz IuFlöz 6

Heidberg-Kiessande GWL 4(o) MGWL 5

Emmerstedt- Formation mit


Grünsand

GWL 4(u) MGWL 6


unterer

Emmerstedter Grünsand und

Glimmerton MGWL 7
Modellbasis

GWL 5
Eozän

Ypres

Unterflözgruppe

Schöningen-Formation
max. 170 m

Legende:
Süpplingen-Formation
max. 180 m Sand/Kies
Paläozän

Thanet

Sand,
glaukonitisch

Ton/Schluff

Kohle

Prätertiär/Präpaläogen LIETZOW 2000

Abb. 5.17   Normalprofil Helmstedt/Wulfersdorf (Lietzow 2000)


290 F.-C. Benthaus et al.

Unter Luftabschluß dient das Eisen(III) als Oxi-


dationsmittel, bis es vollständig aufgebraucht
ist. Mit dem Verbrauch des dreiwertigen Eisens
kommt die Pyritverwitterung zum Erliegen. Im
anoxischen Milieu tiefer Kippenbereiche liegt
der pH-Wert bei pH ≈ 4 bis 6. Dieser Prozeß
läßt sich stöchiometrisch als Pyritverwitterung
mit anoxischem Finale darstellen (Gl. (5.3) und
Gl. (5.4) in Tab. 5.9). Da Eisen(II) gut löslich ist,
reichert es sich im Kippengrundwasser an.
Durch die starken Säuren in der Oxidations-
zone werden weitere Minerale gelöst. Besondere
Bedeutung für die Pufferung des Kippengrund-
Abb. 5.18   Häufigkeitsverteilung der pH-Werte von 159
wassers haben die Carbonat- und Silikatverwit-
Bergbaufolgeseen in Deutschland (Nixdorf et al. 2001)
terung (Tab. 5.10). Die Carbonatverwitterung
spielt dann eine Rolle, wenn kalkhaltige pleisto-
rolytisch reagierenden Kationen Eisen(III) und zäne Sedimente (z. B. Geschiebemergel) mit ver-
Aluminium zusammen. kippt werden. Dadurch wird ein Teil der Säuren
Die Häufigkeitsverteilung der pH-Werte von gepuffert. In den oberflächennahen belüfteten
159 Bergbaufolgeseen in Abbildung 5.18 zeigt, Kippenbereichen entstehen Substrate mit hohen
dass sich etwa 30 % aller Bergbaufolgeseen im Anteilen löslicher Calcium-, Eisen- und Alumi-
Eisenpufferbereich zwischen pH = 2,5 und 3,5, niumsulfate (Uhlmann et al. 1998). Die Eluate
etwa 7 % aller Seen im Aluminiumpufferbereich der Substrate aus der Oxidationszone sind meist
zwischen pH = 4,0 und 5,5 und 60 % aller Seen stark sauer. Beim Kontakt des Seewassers mit
im Hydrogencarbonatpufferbereich zwischen diesen Substraten werden die leicht löslichen
pH = 6,0 und 8,5 befinden (Nixdorf et al. 2001). Stoffe, z. B. Aluminium, in die Bergbaufolgeseen
ausgetragen.
Unter anoxischen Bedingungen entstehen
5.3.1 Hydrochemische Prozesse in deutlich weniger freie Säuren. Der pH-Wert an-
Kippen aerober Kippengrundwässer liegt deshalb meist
im schwach sauren Bereich bei pH = 5,0 bis
In der oberflächennahen Oxidationszone der pH = 6,5. Da die Kohlensäure aus der Carbonat-
Abraumkippen entstehen unter Sauerstoffüber- verwitterung (Gl. (5.7) in Tab. 5.10) nicht ent-
schuss mobile und immobile Eisen(III)verbin- weichen kann, stellt sich in den Kippen meist
dungen sowie freie Schwefelsäure (Gl. (5.1) und ein hoher CO2-Partialdruck ein. In den unbelüf-
Gl. (5.2) in Tabelle 5.9). Die Schwefelsäure ver- teten Kippenbereichen entsteht ein hoch minera-
ringert den pH-Wert bis in Bereiche unter pH 3. lisiertes Grundwasser, das mit Sulfat, Eisen(II),

Tab. 5.9   Pyrit- und Markasitverwitterung in Kippen


Prozess Reaktionsgleichung pH Gl.
Pyritverwitterung FeS2 + 15
4 2
O + 12 H2 O → Fe3+ ↓ +2SO2−
4 +H
+ < 3,5 (5.1)
mit oxischem Finale
FeS2 + 15
4 2
O + 72 H2 O → Fe(OH)3 ↓ +2SO2−
4 + 4H
+ > 3,5 (5.2)

Pyritverwitterung mit FeS2 + 72 O2 + H2 O → Fe2+ + 2SO2−


4 + 2H
+
(5.3)
anoxischem Finale
FeS2 + 14Fe3+ + 8H2 O → 15Fe2+ + 2SO2−
4 + 16H
+ (5.4)
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 291

Tab. 5.10   Pufferreaktionen in Kippen


Prozess Reaktionsgleichung pH Gl.
3
Silikatverwitterung +
NaAlSi3 O8 + 3H2 O + 4H → Na 3+
+ Al + 3H4 SiO04 < 5 (5.5)
+ +
NaAlSi3 O8 + 7H2 O + H → Na + Al(OH)3 + 3H4 SiO04 > 5 (5.6)

Karbonatverwitterung CaCO3 + 2H+ → Ca2+ + H2 CO3 < 6,5 (5.7)

CaCO3 + H+ → Ca2+ + HCO−


3
> 6,5 (5.8)

Calcium und Kohlensäure angereichert ist. Der Tab. 5.11). Das Eisen(III) hydrolysiert durch die
pH-Wert eines anoxischen Kippengrundwasser Reaktion mit Wasser (Gl. (5.11) in Tab. 5.11).
ist jedoch kein Maß für die Versauerung. Die Diese Hydrolysereaktionen sind die säurebilden-
potentielle Versauerungsneigung eines anaero- den Prozesse. Die Gesamtreaktion der Eisen(II)
ben Kippengrundwassers bei Belüftung kann aus oxidation und Eisen(III)hydrolyse führt zur Bil-
der Differenz der moläquivalenten Konzentratio- dung freier Wasserstoffionen und ist der maßge-
nen von Eisen(II) und Hydrogencarbonat bzw. bende Versauerungsprozess in den Bergbaufolg-
der Alkalinität wie folgt geschätzt werden: eseen des Braunkohlenbergbaus (Gl. (5.12) in
Tab. 5.11).
Aci ox ≈ 2 · [Fe2+ ] − KS4,3 [mmol/L] (5.9) Die Bildung von Eisen(III)hydroxid (z. B. Fer-
rihydrit) nach Gl. (5.12) gilt nur unter schwach
Die Versauerungsneigung wird als potentielle sauren bis alkalischen Bedingungen und in ge-
Acidität des Kippengrundwassers (Aciox) be- ring mineralisierten Wässern. Bei niedrigen pH-
zeichnet und mit dem Kürzel „ox“ (für voll- Werten bilden sich Eisenoxihydroxy- oder Eisen-
ständig oxidiert) gekennzeichnet. Die potentiel- hydroxysulfate. In stark sauren Bergbauwässern
le Acidität kann aus Analysenergebnissen nach ist vor allem die Bildung von Schwertmannit
Gleichung (5.9), mit hydrogeochemischen Mo- (Gl. (5.14)) und Jarosit (Gl. (5.14)) bekannt (Big-
dellen (s. Abschn. 5.7) oder durch einen geeig- ham et al. 1996, Abb. 5.20). Mit dem Jarosit und
neten oxidativen Aufschluss, z. B. mit Wasser- Schwertmannit wird zunächst ein Teil des Sulfa-
stoffperoxid, ermittelt werden. Die letzten beiden tes und damit der Säuren gebunden. Diese Mi-
Methoden liefern auch den pH-Wert (pHox) des nerale sind jedoch instabil und wandeln sich bei
belüfteten Kippengrundwassers. veränderten hydrochemischen Bedingungen in
einfache Eisenoxidhydrate und Eisenoxide um.
Bei steigendem pH Wert werden das Sulfat und
5.3.2 Eintragspfade in sauren Berg- die Säure wieder freigesetzt.
baufolgeseen Die Tagebauböschungen sind zu Beginn der
Flutung überwiegend steil und unbewachsen.
In der juvenilen Entwicklungsphase der Berg- Während des Grundwasseranstiegs und der Flu-
baufolgeseen sind zwei Quellen maßgebend für tung finden durch Niederschlags- und Wellen-
die Stoffeinträge: der Zutritt von mineralisier- erosion Massenumlagerungen statt. Durch die
tem Grundwasser, insbesondere aus den Kippen, Böschungserosion und Böschungsumbildungen
sowie die Erosion und Auswaschung der Bö- werden Bereiche der Oxidationszone erfasst.
schungen (Abb. 5.19). Dabei werden die leicht löslichen Stoffe aus-
Beim Übertritt des anoxischen Grundwas- gewaschen und ins Seewasser eingetragen. Auf
sers aus der unbelüfteten Kippe in den belüfte- diesem Weg gelangt gelöstes Aluminium in die
ten Bergbaufolgesee wird das zweiwertige Eisen Seen. Das Aluminium(III)ion hydrolysiert und
zu dreiwertigem Eisen oxidiert (Gl. (5.10) in setzt dabei Säuren frei:
292 F.-C. Benthaus et al.

CO2 O2 CO2

Entgasung Belüftung Entgasung


Al3+

CO 2 HCO 3− + H + → H 2 O + CO 2 Oxisch
H2CO3 verwitterte
HCO3 -
+ 3+
Fe 2+ + 14 O 2 + H → Fe + 12 H 2 O 3H + + Al(OH ) 3 ← 3H 2 O + Al 3+ Böschungs-
Eisen(II)oxidation Aluminiumhydrolyse bereiche
Fe2+ SO42- Fe 3+ + 3H 2 O → Fe(OH ) 3 + 3H +
SO42- Eisen(III)hydrolyse Aluminium-
NH4+ Eisen- P fällung
NH4+
fällung Mitfällung

Anoxisches Fe 8 O 8 (OH ) 6 (SO 4 ) 2 ⋅ nH 2 O Fe(OH ) 3 Al(OH ) 3


Kippen- Schwertmannit
grundwasser Corg FeOOH Alterung
Fe 2 O 3
Autochthones Sediment

Abb. 5.19   Stoffeinträge und chemische Prozesse in sauren Bergbaufolgeseen (Prinzipskizze)

Tab. 5.11   Eisenoxidation, Eisenhydrolyse und Eisenfällung


Oxidation Gl.
Fe 2+
+H ++ 1
O
4 2
→ Fe 3+
+ 1
HO
2 2
(5.10)

Hydrolyse
Fe3+ + H2 O → FeOH2+ + H+
FeOH2+ + H2 O → Fe(OH)+
2 +H
+ (5.11)
Fe(OH)+
2 + H2 O → Fe(OH)03 +H +

Gesamtreaktion der Eisenoxidation und –hydrolyse


Fe2+ + 14 O2 + 52 H2 O → Fe(OH)3 ↓ 2H+ (5.12)

Fällung Ferrihydrit (pH > 3,5):


Fe3+ + 3H2 O → Fe(OH)3 ↓ +3H+ (5.13)
Fällung Schwertmannit (2,8 > pH > 3,5):
8Fe3+ + (1… 2) SO 4 + (14 …12) H 2 O → Fe8 O8 ( OH )6…4 (SO 4 )1…2 ↓ + ( 20 … 22) H +
2−
(5.14)
Fällung Jarosit (pH < 2,8):
3Fe3+ +2SO4 + 6H 2 O → HFe3 (SO 4 )2 ( OH )6 ↓ + 5H +
2−
(5.15)

A13+ + 3H 2 O → A1( OH )3 ↓ + 3H + (5.16) durch das Hydrogencarbonat des Kippenwassers


gepuffert werden:
Verfügt das Kippenmaterial über eine ausreichen- −
de Menge an säurepuffernden Mineralen, z. B. an HCO 3 + H + → H 2 CO3(aq ) (5.17)
Karbonaten (Calcit) aus pleistozänen Geschiebe-
mergeln, kann sich beim Grundwasseraufgang Im Unterschied hierzu sind die natürlichen eis-
auch ein neutraler Bergbaufolgesee entwickeln. zeitlichen Seen deutlich niedriger mineralisiert.
Die bei der Eisen(III)- und Aluminiumhydrolyse Sie befinden sich meistens im Kalk-Kohlensäu-
frei gesetzten Wasserstoffionen können anteilig re-Gleichgewicht mit Hydrogencarbonat als do-
minierendem Anion.
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 293

Abb. 5.20   Stabilitätsbe- Jarosit: (H,K,Na)Fe3(SO4)(OH)6·nH 2O


reiche der Eisenminerale
Schwertmannit: Fe8O8(OH)8-2x(SO4)x·nH 2O
Ferrihydrit, Schwertmannit
+20
und H-Jarosit im pH-pe-
Diagramm des Eisens +1.000
(schematisch) Fe3+ Eisenhydroxid (Ferrihydrit)
+ 15 +800
Fe(OH)3

+600
pe + 10
Fe2+ Eh [mV]
+400

+5
+200

0 0
1 2 3 4 5 6 7

pH

Die wesentlichen säuregenerierenden Stoff- Entwicklung eines Bergbaufolgesees von der


einträge in Bergbaufolgeseen finden folglich mit leeren Hohlform über die Flutung bis zur Be-
dem Grundwasser in Form von Eisen(II) sowie wirtschaftung (Tab. 5.12). Anfänglich führt die
durch Erosion und Auswaschung der Böschungen Niederschlagserosion auf den steilen und offen
in Form von freien Säuren und Aluminium statt. liegenden Böschungen zu hohen Stoffeinträgen.
Das mit dem Grundwasser in die Bergbaufolge­ Nach Außerbetriebnahme der Sümpfung drängt
seen eingetragene Hydrogencarbonat entweicht potentiell saures Grundwasser aus der nahen
durch physikalische und chemische Prozesse. Umgebung des Tagebaus in die Hohlform. Der
Aus diesem Grund enthalten saure Bergbaufolg- Eigenaufgang des Grundwassers wird häufig von
eseen nur sehr wenig anorganischen Kohlenstoff. Böschungsumbildungen begleitet, die verwitterte
Das kann zu einer C-Limitierung der biologi- Kippensubstrate in die Bergbaufolgeseen eintra-
schen Primärproduktion führen. Durch Mitfäl- gen (Tab. 5.12). In der Phase der Fremdflutung
lung der Phosphate an Eisen- und Aluminiumhy- dominieren die Stoffeinträge mit dem Flutungs-
droxiden sind juvenile Bergbaufolgeseen meist wasser. Mit der Herausbildung eines freien Was-
in einem oligotrophen Zustand (s. Abschn. 5.10). serspiegels beeinflusst die Wellenerosion die
Die relative Bedeutung einzelner Quellen Stoffeinträge. Eine zügige Flutung drängt das
der Stoffeinträge verändert sich im Laufe der Seewasser in die Grundwasserleiter und mindert

Tab. 5.12   Relative Bedeutung der Stoffeinträge in Bergbaufolgeseen während ihrer Entwicklungsphasen
Elutiondurch
Entwicklungsphase Flutungs- Niederschlags- Windwellen-
Grundwasser Rutschungen Stauspiegel-
des Bergbaufolgesee
Tagebausees wasser erosion erosion
schwankungen
Leere Hohlform
Grundwasseraufgang
Fremdflutung
Flutungsunterbrechung
Gefüllter
GefüllterBergbaufolgesee
Tagebausee
Speicherbewirtschaftung
„Reifer“Bergbaufolgesee
„Reifer“Tagebausee
294 F.-C. Benthaus et al.

100 12
den Zustrom sauren Grundwassers. Flutungs- 90 11
unterbrechungen erhöhen die Möglichkeiten 80 10

Ausfällungen [mg]
von Böschungsumbildung und verstärken den 70 9
60 8
Grundwasserzufluss in den See. In diesen Phasen 50 7

pH
erfahren viele Seen eine Wiederversauerung (s. 40 6
Abschn. 5.9). In einem gefüllten Bergbaufolge­ 30 5
20 4
see stabilisieren sich die Böschungen durch aus-
10 3
geglichene Druckverhältnisse. Der Anteil der 0 2
Erosion an den Stoffeinträgen geht zurück. Die 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18
Grundwasserströme dominieren die Stoffein- NaOH [mmol/L]
träge. In den ersten Phasen der Speicherbewirt- Eisen Aluminium Mangan
Sulfat Titrationskurve
schaftung eines jungen Bergbaufolgesees führen
die Stauspiegelschwankungen zur Auswaschung Abb. 5.21   Pufferkurve und chemische Zusammenset-
der wechselfeuchten Uferbereiche. Diese Pro- zung der Ausfällungen bei Titration des sauren Seewas-
zesse werden mit der Zeit deutlich gedämpft. In sers aus Restloch 111 mit Natronlauge (Totsche 2006)
einem „reifen“ Bergbaufolgesee gehen die Ein-
flüsse des Grundwassers und der Erosion zurück.
Ob ein Bergbaufolgesee langfristig zur Versaue-
rung tendiert, hängt häufig vom Grundwasserzu-
strom ab. Liegt der See im Einflussbereich von
potentiell sauren Grundwasserströmen, kann die
Versauerung weiterhin anhalten.

5.3.3 Pufferung in sauren Bergbau-


folgeseen Abb. 5.22   Habitus der separierten Ausfällungen bei Ti-
tration des sauren Seewassers aus Restloch 111 mit Nat-
ronlauge (Totsche 2006)
Die Pufferung in Bergbaufolgeseen wird als Ge-
samtheit der homogenen und heterogenen hy-
drogeochemischen Reaktionen verstanden, die Wasserstoffionen neutralisiert und Hydrogensul-
einem Anstieg des pH-Wertes entgegenwirken. fationen dissoziiert. Der Anstieg des pH-Wertes
Für Bergbaufolgeseen sind im Wesentlichen vier erfolgt zunächst nur gering. Es bilden sich nur
Puffersysteme maßgebend. Aufsteigend vom wenige Ausfällungen. Bei pH = 2,8 beginnt der
sauren zum neutralen bzw. schwach alkalischen Eisenpuffer. Zu seiner Überwindung sind kumu-
Milieu sind das der Hydrogensulfatpuffer, der lativ etwa 10,0 mmol/L NaOH erforderlich. Die
Eisenpuffer, der Aluminiumpuffer und der Car- Ausfällungen haben im konkreten Fall eine gelbe
bonatpuffer. Durch die Dissoziation von Hyd- Farbe und sind mineralogisch dem Schwert-
rogensulfat, die Hydrolyse von Eisen(III), die mannit verwandt. Etwa zwischen pH = 4,4 und
Hydrolyse von Aluminium und schließlich die 4,9 wirkt der Aluminiumpuffer, der in Abbil-
Dissoziation von Kohlensäure werden neben den dung  5.22 (unten) am weißen Niederschlag zu
messbaren freien Wasserstoffionen weitere Was- erkennen ist. Er wird erst nach einer kumulativen
serstoffionen freigesetzt. Die Prozesse verzögern Dosis von ca. 13,5 mmol/L NaOH überwunden.
die Neutralisation und werden deshalb als Puffer Erst danach erreicht der pH-Wert des Seewassers
bezeichnet (Abb. 5.21). den Neutralbereich, in dem unterschiedliche Puf-
In Abbildung 5.21 ist exemplarisch die Titra- fer mit geringerer Intensität wirken. Bei hohen
tion des stark sauren Seewassers aus dem Rest- pH-Werten wird auch Mangan ausgefällt. Auf-
loch 111 (Plessa) dargestellt. Bis zu einer Dosis grund der geringen Kohlenstoffgehalte des See-
von 3,0 mmol/L NaOH werden überwiegend freie
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 295

Abb. 5.23   Kennzeich- 


nung der komponenten­ 
spezifischen Acidität in 
ausgewählten Bergbaufolge­

seen der Lausitz

$FLGLWlW>PPRO/@

$O

)H

+62
 +





/XJWHLFK 3OHVVD1RUG 6NDGR .RVFKHQ
 6HS 1RY $SU

wassers bildet sich bei der chemischen Neutra- Die sauren Bergbaufolgeseen unterscheiden sich
lisation zunächst kein Hydrogencarbonatpuffer. quantitativ durch unterschiedliche Anteile der
Der Hydrogensulfatpuffer geht auf eine Be- einzelnen Puffer (Abb. 5.22). Entsprechend sind
sonderheit der Schwefelsäure zurück. Die zweite für die Neutralisation saurer Bergbaufolgeseen
Dissoziationsstufe der Schwefelsäure, d. h. die eine unterschiedliche Menge an Flutungswasser
Dissoziation vom Hydrogensulfation zum Sul- bzw. eine unterschiedliche Menge an Neutrali-
fation, hat eine Dissoziationskonstante K = 10−1,9 sationsmitteln erforderlich. Der Bedarf an Flu-
bzw. pK = 1,9: tungswasser oder chemischen Rohstoffen zur
− 2−
Neutralisation des Bergbaufolgesees Lugteich
pK =1,9
→ H + + SO 4 (5.18)
HSO 4 ← beispielsweise ist, gemessen an der Basenkapa-
zität KB8,2, gegenüber dem Bergbaufolgesee Ko-
Bei pH-Wert 1,9 liegen deshalb etwa 50 % der schen mindestens sechsfach und die Schlamm-
Schwefelionen als Hydrogensulfat und 50 % als bildung, gemessen am Eisen, etwa 16-fach höher
Sulfat vor. Bei einem pH-Wert von 2,9 liegen (Abb. 5.23).
immer noch etwa 9 % der Schwefelionen als Hy- Bei vergleichbarer Acidität in den Bergbau-
drogensulfat vor. Die Berücksichtigung der Dis- folgeseen Lugteich und Plessa-Nord ist die Aci-
soziation der Schwefelsäure ist deshalb wichtig, dität unterschiedlich strukturiert. Der deutlich
weil in sauren Bergbaufolgeseen Sulfat das ein- höhere Anteil des Aluminiums im Bergbaufolg-
zige Anion ist und in sehr hohen Konzentrationen esee Plessa-Nord (40 mg/L) gegenüber Lugteich
vorliegt. Die Acidität des Hydrogensulfats kann (7 mg/L) führt hier bei Einsatz von Neutralisa-
in Einzelfällen 20 % der Gesamtacidität betragen. tionsmitteln zu einer schnelleren Überwindung
Der Hydrogensulfatpuffer äußert sich darin, das des Eisenpuffers, aber zu einer deutlich verzöger-
in der ersten Phase der Neutralisation eines ent- ten Überwindung des Aluminiumpuffers. Durch
sprechend stark sauren Gewässers keine oder nur die sehr hohen Aluminiumanteile werden sich die
sehr geringe Ausfällungen stattfinden (Abb. 5.22 chemische Zusammensetzung, der Habitus, die
links oben). Der relative Anteil des Hydrogen- Dichte und damit die Setzungseigenschaften der
sulfats an der analytisch nachgewiesenen Sulfat- Schlämme im Bergbaufolgesee Plessa-Nord von
konzentration kann im Bereich pH-Wert 2 bis den anderen Bergbaufolgeseen deutlich unter-
pH-Wert 4 nach folgender Gleichung näherungs- scheiden (Abb. 5.23).
weise berechnet werden (LUA 2001): Die Pufferbereiche saurer Bergbaufolgeseen
können aus Titrationskurven abgeleitet werden
3 2
rHSO− = −0, 036 ⋅ (pH) + 0, 452 ⋅ (pH) (Abb. 5.21). Die Neutralisationsgleichungen der
4
 (5.19) einzelnen Puffer sind in Tabelle 5.13 aufgeführt.
− 1, 905 ⋅ (pH) + 2, 678
296 F.-C. Benthaus et al.

Tab. 5.13   Reaktionen bei der Neutralisation mit Natronlauge


Puffer Reaktionsgleichung pH Gl.
Freie Wasserstoffionen +
H + NaOH → H2 O + Na + ≈  2,5…4,0 (5.20)

Hydrogensulfat HSO− 2− +
4 + NaOH → SO4 + Na + H2 O
≈ 2,5…4,0 (5.21)

Eisen(III) Fe3+ + 3NaOH → Fe(OH)3 +3Na+ ≈ 2,8…3,5 (5.22)

Aluminium Al3+ + 3NaOH → Al(OH)3 + 3Na+ ≈ 4,4…5,2 (5.23)

5.3.4 Entwicklung der Wasserbeschaf- den. Das Flutungswasser aus Fließgewässern in


fenheit bei Fremdflutung Mitteldeutschland weist zudem hohe Nährstoff-
konzentrationen (N, P) auf. Die Fremdflutung
Die Fremdflutung ist das bevorzugte Verfahren kann deshalb zu einer unerwünschten Eutrophie-
zur Neutralisation saurer Bergbaufolgeseen. Der rung führen (s. a. Abschn. 5.4).
Fremdflutung mit Flusswasser liegen folgende In der Abbildung 5.24 ist die hydrochemische
drei fundamentale Wirkungsmechanismen zu- Entwicklung ausgewählter Bergbaufolgeseen
grunde (LUA 2001): der Lausitz im Vergleich der hydrochemischen
• Chemische Kompensation der Acidität durch Kennwerte vor Beginn der Flutung und kurz vor
Zufuhr von Alkalinität Erreichen des Zielwasserstandes dargestellt. Für
• Verdünnung der Acidität des Seewassers den früh in Flutung gegangenen Lausitzer Berg-
• Verdrängung der Acidität des Grundwassers baufolgesee Bärwalde ist die Entwicklung des
in das umgebende Gebirge. pH-Wertes und der Alkalinität bzw. Basenkapazi-
Infolge der Verdünnungswirkung des Flutungs- tät in Abbildung 5.24 dargestellt. Die Abbildun-
wassers sind die chemischen Pufferplateaus des gen zeigen die Verfügbarkeit des Flutungswas-
Seewassers im Unterschied zur Titration mit einer sers und die daraus folgenden hydrochemischen
starken Base verändert (s. Abschn. 5.3.3). Der Effekte auf der pH-Wert und die Säurekapazität.
Eisenpufferbereich wird meist frühzeitig über- Durch die Flutung mit hydrochemisch geeig-
wunden. Dagegen streckt sich der Aluminium- netem Flusswasser konnte im Bergbaufolgesee
pufferbereich durch wiederkehrende, erosive Dreiweibern eine vollständige Neutralisation
Stoffeinträge oft bis zum Erreichen des Zielwas- erreicht werden (s. Tab. 5.14). In den Bergbau-
serspiegels. Die Fremdflutung saurer Bergbau- folgeseen Gräbendorf und Bärwalde konnte zu-
folgeseen ist mit einigen Problemen konfrontiert. mindest eine deutliche Verringerung der Acidität
Die Alkalinität eines natürlichen Fließgewässers erzielt werden (Tab. 5.14).
liegt überwiegend zwischen 0,7 und 1,5 mmol/L. Der Bergbaufolgesee Gräbendorf steht bei
Sie ist gering im Vergleich zur Acidität der meis- einem pH-Wert ≈ 4,5, jedoch niedrigen Eisen-
ten Bergbaufolgeseen. Der chemische Neut- und Aluminiumkonzentrationen kurz vor der
ralisationseffekt der Fremdflutung ist folglich vollständigen Neutralisation. Im Bergbaufolg-
limitiert. Das Volumen der Bergbaufolgeseen esee Bärwalde ist der Eisenpuffer noch nicht
und damit der mögliche Verdünnungseffekt sind vollständig überwunden. Der Aluminiumpuffer
ebenfalls begrenzt. Für die meisten Seen ist eine wurde durch das Flutungswasser bislang nur
langfristige „Spülung“ mit Flutungswasser, wie scheinbar verdünnt. Unter Berücksichtigung des
sie im Falle des Senftenberger Sees seit fast drei Seevolumens ist der Gesamtgehalt des Alumi-
Jahrzehnten praktiziert wird, nicht ohne weiteres niums im See sogar gestiegen. Ursache sind die
möglich. Die Verfügbarkeit der Wasserressour- erosiven Stoffeintrage aus den verwitterten Bö-
cen ist begrenzt, insbesondere in der Lausitz. In schung (s. Abschn. 5.3.2). Die hydrochemische
Trockenperioden muss die Flutung zugunsten Entwicklung der Seen wird weiter beobachtet.
anderer Nutzungen häufig völlig eingestellt wer- Kann die Neutralität des Seewassers zum Zeit-
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 297

6,0 16
5,5 14

Flutung [Mio. m³/Mon


5,0 12
4,5 10
pH-Wert

4,0 8
3,5 6
3,0 4
2,5 2
2,0 0
Jan 96

Jan 97

Jan 98

Jan 99

Jan 00

Jan 01

Jan 02

Jan 03

Jan 04

Jan 05

Jan 06
2 16

0 14
Säurekapazität KS4,3 [mmol/L]

Flutung [Mio. m³/Mon


-2 12

-4 10

-6 8

-8 6

-10 4

-12 2

-14 0
Jan 96

Jan 97

Jan 98

Jan 99

Jan 00

Jan 01

Jan 02

Jan 03

Jan 04

Jan 05

Jan 06

Abb. 5.24   Entwicklung des pH-Wertes und der Säurekapazität während der Fremdflutung im Bärwalder See
298 F.-C. Benthaus et al.

Tab. 5.14   Hydrochemische Entwicklung ausgewählter Bergbaufolgeseen der Lausitz durch Fremdflutung
Kennwert Maß-einheit Gräbendorf Dreiweibern Bärwalde
Flutung Vor Nach Vor Nach Vor Nach
Mrz 96 Dez 05 Jul 96 Dez 05 Nov 97 Dez 05
Morphometrie und Wasserbilanz des Bergbaufolgesees
Seevolumen Mio m3 6 87 5 34 9 126
Flutung Mio m3 + 100 + 124 + 221
GW-Zufluss Mio m3 + 20 + 123 + 53
GW-Abfluss Mio m3 − 39 − 212 − 157
OW-Abfluss Mio m3 ± 0 − 6 ± 0
Hydrochemie des Flutungswassers
Herkunft Südumfluter, Spree Kleine Spree Spree, Schulenburgka-
nal, Dürrbacher Fließ
pH 7,2 7,4 7,3
KS4,3 mmol/L 1,3 1,2 1,2
Sulfat mg/L 180 90 100
Hydrochemie des Bergbaufolgesees
pH-Wert Elektrische 3,4 4,5 2,9 7,2 2,7 3,5
Leitfähigkeit µS/cm 1.600 970 1.900 600 2.600 850
KB4,3 mmol/L 0,8 0,0 3,0 – 11,0 0,6
KS4,3 mmol/L – – – 0,4 – –
Sulfat mg/L 750 450 1.000 220 1.600 320
TIC mg/L 3 0,7 0,5 5 0,5 1,0
Calcium mg/L 220 160 200 70 250 80
Magnesium mg/L 25 21 40 15 70 16
Eisen mg/L 10 < 1 32 < 1 180 4
Aluminium mg/L 5 < 1 4 < 1 28 4
Mangan mg/L 2 < 1 15 0,1 7 2

punkt des notwendigen Ausleitens in die Vorflut lands (Hemm und Jöhnk 2004) sind 575 Berg-
nicht erreicht werden, muss sie durch chemische baufolgeseen > 1 ha Fläche angeführt. Von diesen
Maßnahmen hergestellt werden (s. Abschn. 5.9). haben 113 eine Oberfläche > 50 ha, davon liegen
im Bereich der LMBV 43 in Mitteldeutschland
und 46 in der Lausitz. Die Bergbaufolgeseen der
5.4 Limnologie der Bergbaufolge­ beiden Reviere haben zusammen eine Wasser-
seen oberfläche von der halben Größe des Bodensees
(260 km2) mit einem Volumen von 4,2 km3.
Die entstehenden Bergbaufolgeseen sind neue
Bestandteile der Bergbaufolgelandschaft. Im mit-
teldeutschen und Lausitzer Revier wird das vor- 5.4.1 Hydromorphologische Randbe-
mals weitgehend seenlose Land mit einer Viel- dingungen
zahl von Bergbaufolgeseen landschaftsprägend
bereichert (Klapper et al. 2001). Die Großtechnik Die Bergbaufolgeseen sind in Größe und Entste-
der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts führte zu den hungsweise verschieden und weisen sehr unter-
modernen Großtagebauen und in der Folge zu schiedliche Beckenmorphologien auf (Schultze
sehr großen Hohlformen. In diesen werden Berg- et al. 1994). Die Struktur der Bergbaufolgeseen
bauseen wie bei Senftenberg, bei Bitterfeld (Go- umfasst neben den kleinen Seen mit geringer
itschesee), Leipzig (Cospuden) und im Geiseltal Tiefe auch große, tiefe Gewässer. Die großen
hergestellt. In der Erfassung der Seen Deutsch- Bergbaufolgeseen (Beispiele: Sedlitz, Skado,
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 299

Abb. 5.25   Bergbaufolgesee Schlabendorf im gefluteten Zustand

Koschen) mit steilen Beckenrändern haben nur bei Eigenaufgang mit Grundwasser extrem sauer
gering entwickelte Flachwasserbereiche. Eini- mit pH-Werten von 2,5 bis 3.
ge Seen weisen komplizierte morphologische Bei einigen Seen bei Merseburg führen Zu-
Strukturen auf. Tiefe, schmale Einschnitte im ströme salzreichen Grundwassers zu einer per-
Bereich ehemaliger Randschläuche liegen neben manenten Schichtung der Wassersäule, dort
flachen Bereichen auf überfluteten Kippenober- erreicht der Salzgehalt des Tiefenwassers die
flächen und Inseln (Abb. 5.25 und 5.26), die das Meerwasserkonzentration (Boehrer und Schult-
Litoral stärker entwickeln. Andere Seen bestehen ze 2006). Der Moritzteich in Ostbrandenburg ist
etwa zur Hälfte aus tiefen Becken und flachen ein solcher, nur unvollständig vermischter, me-
Bereichen (Scheibe, Burghammer, Zwenkau, romiktischer Restsee im Muskauer Faltenbogen
Markkleeberg). Die Flachwasserbereiche sind der Lausitz mit 16 ha Fläche und 17 m maximaler
der Lebensraum der Uferpflanzen. Es gibt eine Tiefe. Der See ist permanent geschichtet, da das
ausgeprägte Tiefendifferenzierung in tiefe, lange Tiefenwasser durch hohen Salzgehalt schwe-
Randschläuche und ausgedehnte flache Bereiche rer ist als das oberflächennahe Wasser. Die ge-
(Nixdorf et al. 2001). messenen Tiefenprofile (Abb. 5.27) zeigen eine
obere Schicht (bis 10 m Tiefe), die in Herbst und
Frühjahr (bei 4 °C Wassertemperatur) vom Wind
5.4.2 Hydrogeologische Randbedin- durchmischt wird, aber im Sommer eine Tem-
gungen peraturschichtung zeigt (Epilimnion: 0 bis 3 m
und Hypolimnion: 4 bis 10 m). Die salzreichere
Die hydrogeologischen Rahmenbedingungen Tiefenschicht unterhalb von 10 m Tiefe ist das
sind geprägt durch schwefelsaure und eisenrei- dauerhaft stabile Monimolimnion, das nie durch-
che Grund- und Sickerwässer aus den Abraum- mischt wird (Boehrer und Schultze 2005). Das
kippen. In der Folge sind einige der mitteldeut- Tiefenwasser ist sauerstofffrei (anoxisch) und
schen und fast alle Lausitzer Bergbaufolgeseen neutral, die darüber liegende, winddurchmischte
300 F.-C. Benthaus et al.

Abb. 5.26   Bergbaufolgeseen Spreetal-Bluno im gefluteten Zustand

Abb. 5.27   Schichtung des


Moritzteiches am 26. April
2005

Schicht ist sauerstoffhaltig und schwefelsauer. Temperaturverlauf (T) zeigen bei 3 m Tiefe das
Die Neutralität des anoxischen Tiefenwassers Epilimnion an. Bei 10 m Tiefe deutet die Che-
beruht auf Reduktionsprozessen in der Sediment- mokline auf einen Sprung des Salzgehaltes hin.
Wasser-Kontaktzone, durch die die Schwefelsäu- Bei einer Flutung mit Fremdwasser aus be-
re mikrobiell abgebaut wird. nachbarten, aktiven Tagebauen oder mit Fluss-
Die elektrische. Leitfähigkeit (K25), der wasser wird das saure Wasser im Restloch ver-
Sauerstoffgehalt (mg/l O2), der pH-Wert und der drängt und neutralisiert, so dass der entstehende
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 301

Abb. 5.28   Entwicklung 0,12


des Phosphorgehalt im
Goitschesee (M. Schultze)
TB Mühlbeck
0,10 TB Niemegk
TB Döbern
0,08 Mittelwert Mulde

TP in mg/l
HW
0,06

0,04 eutroph

mesotroph
0,02
oligotroph
0,00
1999 2000 2001 2002 2003

See einen „normalen“ Wasserchemismus im 2002 war ein nährstoffarmer (oligotropher) See.
Neutralbereich aufweist. Der hohe Nährstoffgehalt des Muldewassers
Im Verlauf der Flutung des Goitschesees nahe wurde durch Eisen- und Aluminiumminerale
Bitterfeld (Abb. 5.28) mit nährstoffreichem Was- ausgefällt. Dabei wurden 95 % des eingetragenen
ser aus der Mulde in 1999 sowie durch die Hoch- Phosphors partikulär gebunden und ins Sediment
wasserüberflutung im Jahr 2002 (HW) führten verfrachtet (Schultze et al. 2002). Der Verlauf
zu einem starken Anstieg des Phosphorgehaltes wiederholte sich in geringerem Ausmaß mit dem
in den Teilbecken (TB) Mühlbeck, Niemegk und Hochwasser 2002. Nach der Füllung mit nähr-
Döbern. stoffreichem Flusswasser entstand ein nährstoff-
Der 13 km2 große, ursprünglich extrem saure armer See mit klarem Wasser. Damit erwies sich
Goitschesee bei Bitterfeld wurde ab Mai 1999 die Fremdwasserflutung als ein erfolgreiches Ins-
mit Wasser aus der Mulde geflutet. Die drei Teil- trument zur Herstellung und Neutralisation des
becken füllten sich nacheinander, beginnend mit vorher extrem sauren Bergbaufolgesees. Durch
dem Nordbecken Mühlbeck. Das Hochwasser den Phosphor-Bindungsprozess wird offensicht-
2002 sorgte für eine unplanmäßige Abschluss- lich das Ausmaß der Eutrophierung durch die
füllung. Der Neutralisationserfolg der Flusswas- Pyritverwitterung im Umfeld des betrachteten
serflutung wird maßgeblich durch die Erosion Bergbaufolgesees verringert – wie die Gegen-
und Elution der anstehenden Gesteine und See- überstellung morphologisch vergleichbarer Na-
sedimente bestimmt und ist wegen der Wechsel- turseen und Bergbaufolgeseen in Abbildung 5.29
wirkungen mit den anstehenden säure- und kalk- zeigt (Hemm und Jöhnk 2004).
haltigen Sedimenten der Seebecken nicht sicher Die Verteilung der Phosphorgehalte (TP mg/
prognostizierbar (Uhlmann und Büttcher 2002). m3) in natürlichen Seen sowie Bergbaufolgeseen
Es war mit einer Freisetzung in großem Umfan- verschiedener Tiefe zeigt die Abbildung 5.29.
ge sowohl von Azidität als auch von Alkalinität Deutlich erkennbar ist der geringere Gehalt in
zu rechnen. Im Verlauf der Flutung wurde die den eisen- und schwefelsauren Seen der Berg-
vollständige Neutralisation nach 20 Monaten bei baufolgelandschaft.
64 % des Endvolumens erreicht (Schultze und
Geller 2004).
Der Einstrom des nährstoffreichen Flusswas- 5.4.3 Limnologische Randbedingun-
sers führte zunächst zu einer mäßigen Eutrophie- gen
rung, dann erfolgte eine Selbstreinigung durch
seeinterne Prozesse (Abb. 5.28). Das Ergebnis In den extrem sauren Bergbaufolgeseen leben
der planmäßigen Flutung vom Mai 1999 bis Juli Mikroorganismen mit besonderen physiologi-
302 F.-C. Benthaus et al.

Abb. 5.31   Invasion Wasserpest ( Elodea nuttallii) im


Goitschesee

Ein Risiko für die Flachwasserbereiche von


Abb. 5.29   Phosphorgehalt in natürlichen und Bergbau- neu gefluteten Bergbaufolgeseen stellt die Ein-
folgeseen, ▄ natürliche Seen, + Bergbaufolgeseen (Hemm
wanderung der submersen Wasserpflanze Elo-
und Jöhnk 2004)
dea nuttallii (Schmalblättrige Wasserpest) dar
(Abb.  5.31) Eine Massenentwicklung im Goit-
schesee zeigte (Rönicke et al. 2007) auf. Der von
Pflanzen noch nicht besiedelte See war für die
Primärbesiedler eine „leere ökologische Nische“
bei anfänglich fehlender Konkurrenz. Durch spä-
ter nachfolgende Konkurrenzarten ist nach Ab-
lauf der natürlichen Sukzession ein ausgewoge-
nes Verhältnis zu erwarten.

5.5 Vorbereitung und Planung was-


serwirtschaftlicher Sanierung
Abb. 5.30   Plankton schwefelsaurer Seen (Woelfl 2001)
Aufbauend auf Konzepten aus den 1980er Jah-
ren wurden ab 1990 intensiv Lösungsansätze
schen Anpassungen. Das Plankton besteht aus für eine Rehabilitation des Wasserhaushaltes in
sehr wenigen Arten, die bei guter Nährstoffver- den beiden Braunkohlenrevieren entwickelt, die
sorgung (Phosphor, Stickstoff, organische Stoffe) schnell zur Wiederherstellung des Wasserhaus-
auch im extrem sauren Wasser hohe Dichten er- haltes führen und nachhaltig sind. In den ersten
reichen können. So gibt es ein stark vereinfach- Jahren wurden solche Konzepte von zentralen
tes Nahrungsnetz mit nur 1 bis 2 Algenarten, 1 Einrichtungen wie dem Umweltbundesamt, der
Ciliaten, wenigen Bakterien, 1 Heliozoon und Bundesanstalt für Gewässerkunde, den Hoch-
Wasserinsekten als Endkonsumenten an der Spit- schulen in der Region, den Landesministerien
ze der Nahrungskette (Corixiden) (Abb. 5.30) und Landesfachbehörden bearbeitet (THA 1994).
(Lessmann et al. 1999, Wollmann et al. 2000; Parallel dazu wurden umfangreiche Grundlagen-
Woelfl 1998/2001). Das Plankton schwefelsaurer ermittlungen zu umweltpolitischen Zielstellun-
Seen besteht aus Mikroorganismen mit wenigen, gen, Wassermengenbilanzen, Realisierungsmög-
physiologisch speziell angepassten Arten. lichkeiten und wirtschaftliche Bewertung durch-
geführt (LUA 1995).
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 303

5.5.1 Vorbereitende Konzepte zur Auf der Grundlage der Flutung der Bergbaufolge­
Flutung seen mit Wasser aus Oberflächengewässern der
Spree und Schwarze Elster wurden in der Studie
Die Struktur und Geochemie der Kippen, deren zunächst die Rahmenbedingungen, Wassermen-
Einbindung in die gegenwärtigen und zukünf- genaspekte, Wasserbeschaffenheitsaspekte sowie
tigen geohydraulische Bedingungen beeinflus- die Rechtsgrundlagen bewertet. Rechtsgrundla-
sen die Gewässerbeschaffenheit nachhaltig. Die gen bildeten in der l. Stufe die Raumordnungs-
Konzepte berücksichtigen die Beschaffenheit der verfahren in Form von Sanierungsrahmen- bzw.
Grundwässer, die Umsatz- und Reaktionsräume Sanierungspläne (SMI 2000).
in den Bergbaufolgeseen sowie die Qualität der Dabei wurde deutlich, dass Wassermenge und
für eine Flutung vorgesehenen Oberflächenge- Wasserbeschaffenheit untrennbar miteinander
wässer. Der limnologische Zustand sowie die verbunden sind. Um die erforderliche Gewässer-
gegenwärtige und zukünftige Morphologie der beschaffenheit im See und die Ausleitkriterien in
Tagbauseen kann durch wasserwirtschaftliche das Vorflutsystem auch langfristig erreichen zu
Sanierung teilweise noch beeinflusst werden. können, ist Flutungswasser zuzuführen und fall-
Diese Ansätze sind für die Lausitz in der Kom- weise eine Wasserbehandlung durchzuführen. In
plexstudie Niederlausitzer Braunkohlenrevier der Studie wurde erstmals auf die Notwendigkeit
durch die Lausitzer Bergbau AG (LAUBAG der Überleitung von Wasser aus anderen Fluss-
1993) hinterlegt worden. einzugsgebieten hingewiesen. Die zur Verfügung
Die wesentlichen Grundlagen für die wasser- stehenden Wassermengen der Flüsse Spree und
haushaltliche Sanierung der gesamten bergbau- Schwarze Elster reichen für eine schnelle Flu-
beeinträchtigten Region unter der Zielstellung tung der Lausitzer Bergbaufolgeseen nicht aus.
„Wiederherstellung eines ausgeglichenen sich Es wurden Alternativen einer Überleitung von
weitgehend selbst regulierenden Wasserhaus- Wassermengen aus der Elbe und Neiße betrachtet
halts“ wurden im März 1995 von der damaligen (LMBV 1992). Es konnte der Nachweis geführt
LBV erarbeitet. In der Durchführbarkeitsstudie werden, dass entsprechende bewirtschaftbare
zur Rehabilitation des Wasserhaushaltes der Nie- Wassermengen der Neiße mit der notwendigen
derlausitz auf der Grundlage vorhandener Lö- Beschaffenheit am Pegel Görlitz zur Verfügung
sungsansätze (LBV 1995) wurde die inhaltliche standen. Ein Ausgleich durch Sümpfungswas-
Umsetzung der von der Bund/Länder-Arbeits- ser aus dem stromabwärts gelegenen Tagebau
gruppe „Wasserwirtschaftliche Planung“ ausge- Jänschwalde in die Neiße war gegeben.
arbeiteten und von der 11. Umweltministerkon- Im Ergebnis einer gemeinsamen Arbeit regio-
ferenz der neuen Bundesländer am 17./18. März naler Ingenieurbüros mit wissenschaftlichen Ein-
1994 beschlossenen Grundsätze zur Gestaltung richtungen wurde das Lausitzer Revier in Maß-
der Bergbaufolgelandschaften dargelegt. Zu die- nahme Bereiche strukturiert, ein Konzept, das
sem Zeitpunkt lagen bereits die ersten Planungen sich bis heute gut bewährt hat. Für diese Maßnah­
für Bergbaufolgeseen sowie Zu-, Ab- und Über- mebereiche wurden alle wasserwirtschaftlichen
leitungssystemen vor. Im Vorwort zur Durchführ- und wasserbaulichen Hauptelemente zusammen-
barkeitsstudie für die Niederlausitz wurde die gestellt und in ihrer Dimensionierung und zeit-
Aufgabe so dargestellt: lichen Entwicklung beschrieben. Es wurden um-
Das vorliegende Konzept charakterisiert die plan- fangreiche Untersuchungen zur Wasserbeschaf-
mäßigen Flutungen der Tagebaurestlöcher des fenheit in den Restseen sowie zum Grundwasser
Lausitzer Reviers zu Recht als Generationenauf- in den Herkunftsräumen durchgeführt. Die Aus-
gabe, die weit ins nächste Jahrtausend reicht und sagen zur hydrochemischen und limnologischen
mit der weite Teile von Landschaft und Lebens-
raum der Lausitz wiederherzustellen und zu gestal- Entwicklung sind durch erste geohydraulische
ten sind. Modellierungen mit orts- und zeitkonkreten
Daten durchgeführt worden. Damit sind erste be-
lastbare Aussagen zu den Volumenströmen und
304 F.-C. Benthaus et al.

den Wasserbilanzen ermöglicht worden. Sze- fügbaren Komponenten des Wasserdargebotes


narienrechnungen konnten mit Hilfe von Stoff- wurde für die 3 Maßnahmebereiche der zeitliche
mengenbilanzen durchgeführt werden. Im Januar Ablauf der Flutung für verschiedene Szenarien
1996 wurden diese Ergebnisse von der LMBV in prognostiziert.
der Studie „Erarbeitung von Grobaussagen zur Die in den Grundsatzstudien vorgestellten
Gewässergüteentwicklung von Bergbaufolge­ Konzepte für die Flutungsstrategien in der Lau-
seen der Lausitz“ (LMBV 1996b) veröffentlicht. sitz und in Mitteldeutschland reflektierten den
In den Jahren 1994 bis 1995 wurden auch Kenntnisstand bis 1995. Eine ständige Verbesse-
wesentliche Elemente zur umweltgerechten Ge- rung der Planung, notwendige Änderungen der
staltung der Bergbaufolgelandschaft in Mittel- Planungsziele, die Einarbeitung neuer wissen-
deutschland entwickelt. Im Ergebnis wurde ein schaftlicher Erkenntnisse, die Weiterentwicklung
wasserwirtschaftliches Sanierungskonzept er- der Flutungstechnologien und nicht zuletzt die
arbeitet, welches die Maßnahmen in den still- Beschaffung der finanziellen Mittel führten not-
gelegten Tagebaubereichen von Golpa Nord, wendigerweise zu einer ständigen Anpassung des
Gröbern, Bitterfeld und Delitzsch Breitenfeld im Sanierungs- und Flutungskonzeptes an die realen
Norden, Geiseltal, Merseburg, Kayna sowie Wul- Verhältnisse.
fersdorf und Nachterstedt im Westen und Cospu- 1996 wurde ein zusammenfassendes „Sanie-
den, Zwenkau, Espenhain und Witznitz im Süden rungskonzept der wasserwirtschaftlichen Verhält-
berücksichtigt. Dieses Konzept wurde im Jahr nisse in den Bergbaufolgelandschaften der Nie-
1996 von der inzwischen gegründeten LMBV derlausitz“ von der LMBV vorgestellt (LMBV
mbH für den mitteldeutschen Raum in der Studie 1996a). Das dargestellte Sanierungskonzept be-
„Rehabilitation des Wasserhaushaltes im Braun- inhaltet die Präzisierung des Konzeptes für den
kohlenrevier Mitteldeutschland“ (LMBV 1995) Wassermengenausgleich und die Präzisierung
veröffentlicht und der breiten Fachöffentlichkeit des Flutungs- und Nachsorgekonzeptes unter Be-
zugänglich gemacht. achtung der sich einstellenden Gewässerbeschaf-
In dieser Studie wurden alle Aspekte der Her- fenheit. Die Gewässerbeschaffenheit wird bei
stellung der Bergbaufolgeseen von der geotech- den unterschiedlichen Flutungswasserständen
nischen Sanierung der Tagebaurestlöcher und in den Bergbaufolgeseen maßgeblich durch das
den Böschungen über die Fremdwasserflutung zuströmende saure Grundwasser und die hohen
aus Vorflutern wie z. B. Elster, Mulde und Pleiße Sulfatfrachten bestimmt. Das Sanierungskonzept
sowie Sümpfungswasser des aktiven Bergbaus im Raum Lauchhammer sieht beispielsweise die
bis hin zur Planung der Zu-, Ab- und Überlei- Überleitung von ca. 30–40 Mio. m3 Wasser aus
tungssysteme aus technischer und rechtlicher dem Südraum zur Flutung des Bergheider See
Sicht bewertet. und Weiterleitung zur Schrake vor. Im sächsi-
Dieser Prozess wurde in Mitteldeutschland schen Seengebiet ist eine schnelle Flutung durch
von Anfang an sehr intensiv durch eine Model- Zuführung von zusätzlichen Wassermengen aus
lierung der Grundwasserströmungen mit Hilfe dem Neißegebiet vorgesehen. Sehr detailliert
der Hydrogeologischen Großraummodelle für wurde auch der Planungsstand zu den Wasser-
die 3 Maßnahme Bereiche Nord, Süd und West überleitungssystemen Neiße-Spree und Spree-
begleitet. Mit den Hydrogeologischen Groß- Schwarze Elster dargestellt. Hier waren mit dem
raummodellen konnte die Wirkung der einzelnen Bau der Pumpstationen Steinbach und Spreewitz
Bergbaufolgeseen im unterirdischen Einzugsge- sowie den dazugehörigen jeweils mehr als 70 km
biet komplex erfasst und die Kopplung mehrerer langen Überleitungen für Fördermengen von 2,0
Bergbaufolgeseen zu einer gemeinsamen Ober- bzw. 2,5 m3/s große wasserbauliche Aufgaben zu
flächenwasserbilanz ermöglicht werden. Auch lösen.
dieses Konzept der LMBV hat sich bis heute Die Prognose- und Steuerwerkzeuge für die
bewährt. Mit dem seinerzeit konzipierten Sys- Flutung und Nachsorge der Bergbaufolgeseen
tementwurf für die Flutung auf der Basis der ver- sind in diesen Jahren konzeptionell und plane-
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 305

risch als Teil der wissenschaftlich-technischen in Mitteldeutschland sind in den Sanierungs-


Vorbereitung, Begleitung und Erfolgssicherung rahmenplänen (SMI 2000) und regionalen Teil-
der wasserwirtschaftlichen Sanierung fortge- gebietsentwicklungsplänen vorgegeben. Der
schrieben worden. Im Mittelpunkt standen dabei Arbeitsstand zur Planung und Realisierung der
stochastische Bewirtschaftungsmodelle, hydro- Flutung der Bergbaufolgeseen wurde in der 1999
geologische Regionalmodelle, Prognosemodelle erschienenen Studie „Schaffung von Bergbau-
für die Beschaffenheitsentwicklung in den Berg- folgeseen im Mitteldeutschen Bergbaurevier“
baufolgeseen sowie Modelle für die Steuerung (LMBV 1999a) dargestellt. Besondere Bedeu-
und Überwachung der ablaufenden Prozesse tung hat die Darstellung des wissenschaftlichen
(BMBWF 1997). Niveaus der Sanierungsstrategien und der opti-
In der 1997 erschienene Studie „Restlochflu- malen Lösungen für die Seegestaltung und den
tung, Gefahrenabwehr, Wiedernutzbarmachung geplanten Gewässerverbund. In der Studie wur-
und Normalisierung der wasserwirtschaftlichen den alle Bergbaufolgeseen in ihrer bisherigen
Verhältnisse im Lausitzer Revier“ (LMBV 1997a) und zukünftigen Entwicklung dargestellt. Eine
wurde sehr detailliert die Notwendigkeit der geologische und hydrogeologische Übersicht ist
schnellen Fremdflutung zur Gefahrenabwehr dar- die Basis zur Darstellung der Seen in den wasser-
gestellt. Durch die wasserwirtschaftliche Sanie- wirtschaftlichen Regionen nördlich, westlich und
rung wird sowohl die Gefahr von geotechnischen südlich von Leipzig. Die limnologische Entwick-
Böschungs- und Geländebrüchen als auch die lung wurde an den Bergbaufolgeseen Cospuden,
Bildung von schwefelsauren Folgeseen reduziert. Goitsche, Mücheln und Großkayna intensiv
Eine Reihe von wasserwirtschaftlichen An- untersucht, um neben der Flutung auch die groß-
lagen konnten frühzeitig errichtet und in Betrieb räumige Belastung durch die Industriebetriebe
genommen werden. Die Fertigstellung des ersten der Chemieregion um Bitterfeld- Wolfen, Leuna
Bergbaufolgesee wurde dadurch kurzfristig mög- und Böhlen mit dem Einfluss von Alt-Deponien
lich. Die Studien zur Rehabilitation des Wasser- auf die Gewässerbeschaffenheit bewerten zu
haushaltes in der Lausitz waren auch immer ein können (Schultze et al. 2002)
wichtiges Elemente der Öffentlichkeitsarbeit der Anknüpfend an die „Grobaussagen zur Ge-
LMBV. Im zunehmenden Maße werden durch wässergüteentwicklung von Bergbaufolgeseen in
die Maßnahmen Kommunen, Zweckverbände, der Lausitz“ (LMBV 1996b) wurde deutlich, dass
Einrichtungen der Infrastruktur und auch ein- neben dem mengenmäßigen Ausgleich des Was-
zelne Bürger betroffen, so dass eine breite und serdefizits die Sicherung der Wasserqualität ein
umfassende Information über die Maßnahmen entscheidendes Erfolgskriterium für die bergbau-
für die Akzeptanz der Arbeiten der LMBV un- liche Sanierung sein wird. Untersuchungen im
abdingbar ist. wissenschaftlichen – technischen Projekt „Ge-
wässergüte Bergbaufolgeseen der Lausitz“ wur-
den in interdisziplinärer Arbeit von Geologen,
5.5.2 Konzepte zur Wasserbeschaffen- Hydrologen Geochemikern und Limnologen an
heit und Nachsorge der BTU Cottbus geführt. In enger Betrachtung
von Grund- und Oberflächenwasser als auch in
Mit zunehmender Flutungsdauer gewannen die Wechselwirkung der Wassermenge und Wasser-
Fragen der Gewässerbeschaffenheit und der beschaffenheit konnten Prognosen zur Entwick-
Nachsorge immer mehr an Bedeutung. Syste- lung der Bergbaufolgeseen hergeleitet werden.
matische Untersuchungen zur Wasserbeschaf- Die Ergebnisse dieser Prognosen wurden für die
fenheit, zur Limnologie der Bergbaufolgeseen Bereiche Spreegebiet Südraum, Schwarze Els-
bei Fremdflutung und bei Grundwasserwieder- ter und Restlochkette und den Nordraum Seese/
anstieg ermöglichen es, frühzeitig Strategien Schlabendorf in der Studie Erfassung und Vorher-
zur Sanierung zu entwickeln. Landesplanerische sage der Gewässergüte in Bergbaufolgeseen der
Ziele zur Entwicklung der Bergbaufolgeseen Lausitz als Basis für deren nachhaltige Steuerung
306 F.-C. Benthaus et al.

und Nutzung, (LMBV 1999b) dargestellt. Erste Mit der Planung zum Bau von mehreren Ho-
Vorschläge zur Behandlung der Gewässer zur Er- rizontalfilterbrunnen in Hoyerswerda wurde eine
reichung der Zielstellung wurden unterbreitet. Maßnahme zum Schutz der Stadt vor den Folgen
Im Jahr 2001 war die Flutung der Bergbau- des Grundwasserwiederanstiegs dokumentiert.
folgeseen bereits weit vorangeschritten. Verstärkt Auf Basis der Prognosen zum Grundwasser-
standen Beschaffenheitsprobleme im Vorder- wiederanstieg galt es, technische Maßnahmen
grund. Durch den Rückgang der bergbaulichen zur Gefahrenabwehr in den Neubaugebieten in
Wassereinleitung verringert sich das Wasserdar- Hoyerswerda zu konzipieren. Im Ergebnis von
gebot in der Spree und der Schwarzen Elster und Variantenrechnungen konnte mit einigen weni-
macht die Steuerung der Flutung nach Wasser- gen Horizontalfilterbrunnen mit sternförmigen
menge zunehmend komplizierter. Mit der von Drainagen eine höhengesteuerte Absenkung um-
den Ländern Brandenburg und Freistaat Sachsen gesetzt werden, die auch langfristig geringe Be-
initiierten und der LMBV getragenen Flutungs- triebskosten erzeugt.
zentrale Lausitz wurde ein Organ zur Steuerung Eine kontinuierliche Fortschreibung des Sys-
der Wasserströme im System bestehender Berg- tementwurfes der wasserwirtschaftlichen Sanie-
baufolgeseen (s. Abschn. 5.8) geschaffen. Mit rung für die einzelnen Flutungsräume umfasste
der Flutungszentrale war es fortan möglich, unter die Planung der wasserwirtschaftlichen Anlagen
Beachtung der vergebenen Nutzungsrechte, öko- wie z. B. des Oberen Landgrabens. Der Bau der
logischer Erfordernisse, der Ausleitkriterien aus Zu- und Ableitungsanlagen zu den einzelnen
den Bergbaufolgeseen und der Beschaffenheit Bergbaufolgeseen als auch die Flutungsanlagen
des Wasserkörpers das Flutungsgeschehen be- werden dargestellt. Das Gesamtsystem wird unter
darfsgerecht zu steuern. Mengen- als auch Beschaffenheitsgesichtspunk-
Zur praktischen Umsetzung der Aufgaben ten weiterentwickelt. Maßnahmen zur weiteren
wurde dazu im Auftrag der LMBV das modell- Erhöhung der Flutungswasserbereitstellung, der
gestützte Steuerkonzept „Lausitz“ weiter entwi- erforderlichen Wasserbehandlung, der Prognose
ckelt und zur Entscheidungsfindung eingesetzt. des Grundwasserwiederanstiegs und der modell-
So entstand das GIS- basierte Bewirtschaftungs- gestützten Überwachung von Wasserstand und
modell ArcGRM Spree/Schwarze Elster und das Gewässerbeschaffenheit in den Bergbaufolge­
Steuerungsmodell GRMSTEU. Mit den Pro- seen wurden weiterentwickelt. Die Aciditäts-
grammsystemen ist sowohl eine Steuerung der und Sulfatminderung in den Bergbaufolgeseen
Wasserverteilung als auch eine Beschaffenheits- und in den Grundwasserkörpern im Umfeld der
bewirtschaftung möglich. Seen werden wissenschaftlich untersucht und zur
In der Studie „Stand der Restlochflutung an Planung vorbereitet.
der Jahrtausendwende“ (LMBV 2001) wurde für Arbeiten zur Limnologie und Hydrochemie
das Lausitzer Braunkohlenrevier ein Zwischen- von sauren Bergbaufolgeseen wurden in den
stand bei Planung, Bau und Inbetriebnahme von Jahren 1995 bis 2001 umfassend und systema-
der Zulaufanlage aus der Lausitzer Neiße in den tisch durch die BTU Cottbus, das DGFZ Dres-
Tagebaufolgesee Berzdorf dokumentiert. Das den, das UFZ in Halle-Leipzig, das IGB Berlin
Wasser wird mittels Seitenentnahme aus der Lau- sowie durch einige Ingenieurbüros geführt. In
sitzer Neiße entnommen und fließt über zwei pa- (LUA 2001) werden Grundlagen der Hydroche-
rallele Druckrohrleitungen im freien Gefälle dem mie sowie Sanierungsmaßnahmen dargestellt.
See zu. Die Mengensteuerung erfolgt am Ende Vergleichende Untersuchungen zu chemischen
der Rohrleitungen, die im See auf einem Ponton Neutralisationsmitteln sowie zur Quantifizierung
angeordnet wurden. Durch diese konstruktive biologischer Prozesse bilden die Grundlage für
Lösung wurde verhindert, dass große dynamische die Planung weiterer technischer Maßnahmen,
Lasten auf das geotechnisch sensible Böschungs- um das Sanierungsziel zu erreichen.
system eingetragen werden (s. Abschn. 5.8). In einen Forschungsverbund ist für das Spree-
gebiet in den Jahren 1999–2003 ein Instrument
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 307

entwickelt worden, mit dem eine Langfristbewirt- von 1994 bis 2000 zahlreiche BMBF geförderte
schaftung für Wasserbeschaffenheit und Wasser- Vorhaben durchgeführt, deren Ergebnisse in der
menge eines Flussgebietes erarbeitet und den Publikation „Wissenschaftliche Begleitung der
Ländern Sachsen und Brandenburg zur Gewäs- ostdeutschen Braunkohlesanierung“ dargestellt
serbewirtschaftung zur Verfügung gestellt wurde. wurden (LMBV 2000a). Neuartige Ansätze zur
In diesem Projektverbund sind sechs Teilthemen Lösung der Versauerungsproblematik als auch
von acht Wissenschaftseinrichtungen bearbeitet zur Limnologie und Fischerei helfen die Berg-
worden. In dem projektübergreifenden Schluss- baufolgeseen zielgerichtet zu entwickeln.
bericht „Untersuchungen zur Gewässerbeschaf- Im Jahr 2006 erschien für den mitteldeutschen
fenheit der Spree“ (PtWT + E 2004a) sind die Raum die Studie „Zum Stand der Integration von
Ergebnisse zu dem Gütemodell ArcGRM Spree, Bergbaufolgeseen in den Gebietswasserhaushalt
zu den diffusen Quellen, zur Beeinflussung der von Westsachsen und Ostthüringen“ (LMBV
Fließstrecke der Spree (GEOS 2003) und zum 2006a). In diese Studie wurden die Ergebnisse
Spreewald sowie zu Einflüssen der Talsperren des Sanierungsbergbaus im Westsächsisch-Thü-
und den Bergbaubaufolgeseen dargestellt worden. ringischen Braunkohlenrevier zwischen 1990
Die Flutung der Bergbaufolgeseen ist zuneh- und 2005 umfassend und für die Fachöffent-
mend an der Beschaffenheit auszurichten. Ziel- lichkeit gut verständlich dargestellt. In diesem
zustände für die Bergbaufolgeseen werden durch Revier befinden sich mehr als 20 größere Berg-
Landesplanungs- und Raumordnungsverfahren, baufolgeseen im Prozess der Flutung oder sind
bergrechtliche Betriebsplanverfahren, Wasser- bereits gefüllt, so dass bereits ausgeprägte Seen-
rechtsverfahren und Umweltschutzverfahren landschaften entstanden sind (Abb. 5.32). Die
vorgegeben. Sie lassen sich durch eine techno- Studie zeigt eindrucksvoll den erreichten Stand
logische Wasserbehandlung an den Zu- und Ab- bei der Wiederherstellung eines ausgeglichenen,
läufen der Seen, des Seewasserkörpers selbst und sich weitgehend selbst regulierenden Wasser-
der Grundwasserzuflüsse nachhaltig erreichen. haushaltes für den sächsischen Teil im Nordraum
In der Studie „Restlochflutung; Maßnahmen zur von Leipzig, den Südraum und Ostthüringen und
Steuerung der Wasserbeschaffenheit in den Berg- beschreibt den Umfang der erbrachten und noch
baufolgeseen der Lausitz“ (LMBV 2003) wurde zu leistenden Arbeiten bei der Herstellung der
dieser Problemkreis zusammenfassend darge- Bergbaufolgeseen und des Gewässerverbundes.
stellt. Die Studie gibt einen guten Überblick über In einem großen Abschnitt der Studie wird der
aktive und passive Wasserbehandlungstechnolo- räumliche und zeitliche Verlauf des Grundwas-
gien, die bereits langjährig erprobt sind bzw. neue serwiederanstiegs bewertet. Im Mittelpunkt ste-
innovative Lösungen darstellen. Solche Verfah- hen dabei Auswirkungen auf bebaute Gebiete,
ren sind beispielsweise die In-Lake-Behandlung Vernässungen in Tieflagen, Auswirkungen auf
von Bergbaufolgeseen, die elektrochemische Altlastenverdachtsflächen und mögliche Stoff-
Wasserbehandlung oder die mikrobielle Sulfatre- einträge in Fließgewässer. Zur Überwachung
duktion. Die Studie zeigt damit deutlich das hohe aller dabei ablaufenden Prozesse wurde von der
Engagement der LMBV bei der Unterstützung LMBV ein umfangreiches montanhydrologi-
von Arbeiten zur Entwicklung anspruchsvoller sches Monitoringsystem eingerichtet.
und nachhaltiger Sanierungslösungen. Mit den vorliegenden Studien und Planungs-
Um in der Bergbaufolgelandschaft die techno- arbeiten konnte die LMBV, ihre Partner und be-
logisch und wasserwirtschaftlich sehr komplexen teiligte wissenschaftliche und ingenieurtechni-
Sanierungsmaßnahmen auch nachhaltig wirken sche Institutionen die wasserwirtschaftliche Sa-
zulassen, musste der Wissenstand systematisch nierung sowohl im Lausitzer als auch im Mittel-
erarbeitet werden. Insbesondere die Verknüpfung deutschen Braunkohlenrevier weiterentwickeln.
zwischen Wasserwirtschaft, Forst- und Landwirt- Durch innovative Konzepte für die zukünftigen
schaft sowie Geotechnik galt es aufzuzeigen und Arbeiten, wissenschaftliche Grundlagen und Er-
Wechselwirkungen zu erforschen. Dazu wurden gebnisse konnten Visionen von den wasserwirt-
308 F.-C. Benthaus et al.

Abb. 5.32   Seengebiet im Südraum von Leipzig (LMBV 2006a)

schaftlichen Verhältnissen nach Beendigung der muss in der Lage sein, auch die nichtstationäre
Flutung entwickelt werden. Grundwasserbewegung zu simulieren. Die Si-
mulation der Grundwasserdynamik erfolgt auf
der Grundlage von hydrogeologischen Model-
5.6 Hydrogeologische Modellierung len. Im Braunkohlenbergbau der Lausitz und
Mitteldeutschlands werden derzeit vorrangig die
Für die Vorbereitung und Begleitung der wasser- Software MODFLOW, FEFLOW, PCGEOFIM®
wirtschaftlichen Sanierung sind Aussagen zum verwendet. PCGEOFIM verfügt über Werkzeu-
Verlauf des Grundwasserwiederanstieges und ge, wie zum Beispiel die Berechnung Finiter
zum Verlauf der Flutung zu geben. Der raumzeit- Volumen oder die Diskretisierung in Lupen, die
liche Wiederanstieg des Grundwasserspiegels ist speziell für die bergbauliche Wasserwirtschaft im
ebenso wie die Lage des Endwasserspiegels eine Lockergestein entwickelt wurden
wichtige Randbedingung für weiterführende Pla- Diese seit Ende der 70er Jahre entwickelten
nungen zur Wasserwirtschaft. Die Berechnung Programme haben sich im Praxiseinsatz bewährt
der zeitlichen Entwicklung der Wasserbilanz (Sames und Boy 1977). Zur Berechnungen der
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 309

Abb. 5.33   Hydrogeologisches Großraummodell Leipzig-Süd

Flutung von Tagebaurestlöchern und der Kopp- Grund-und Oberflächenkompartimenten werden


lung zu Wasserhaushaltsmodellen wurden diese bilanziert.
erweitert. Auf der Basis dieser Berechnungsmo- Das Großraummodell in der Lausitz über-
delle existieren in Mitteldeutschland (Abb. 5.33) streicht eine Fläche von 6.530 km2 (s. Abb. 5.34).
und der Lausitz (Abb. 5.34) flächendeckend Es besteht aus den folgenden Regionalmodellen:
Grundwasserströmungsmodelle. • Modell NORD (Kohlenfeld (KF) Seese/
Mit diesen kann sowohl die Wassermengen- Schlabendorf)
entwicklung (Wasserstände und Volumenströme) • Modell JAEN (KF Jänschwalde)
und darauf aufbauend die Wasserbeschaffen- • Modell ERLK (KF Bluno/Spreetal)
heitsentwicklung der Restseen, im Grundwasser • Modell SENF (KF Senftenberg)
und auch in den Vorflutern erfasst werden. • Modell LAUCH (KF Lauchhammer/Plessa)
Mit Hilfe dieser hydrogeologischen Model- • Modell LUPLOH (KF Lohsa/Dreiweibern/
le wird der zeitliche Ablauf der Flutung für die Bärwalde/Scheibe/Burghammer/Restloch D/F)
unterschiedliche Szenarien prognostiziert. Die • Modell GREIFEN (KF Gräbendorf/Greifen-
dabei zu- und abfließenden Wassermengen in hain)
310 F.-C. Benthaus et al.

Abb. 5.34   Grundwasserströmungsmodelle in der Lausitz

• Modell CB-Nord (KF Cottbus Nord) südlich die Ortslage Uhyst sowie im Norden die
• Modell WELZ (KF Welzow) Ortslagen Bärwalde und Boxberg (Abb. 5.35).
• Modell NOCHT-REICH (KF Nochten/Reich- Die vorbergbauliche hydrologische Situation
walde) war durch zahlreiche Fischteiche und Vorfluter
• SCHWAP 12 und HOY. (u. a. Spree/Schöps) geprägt. Die Grundwasser-
Das Konzept zur Flutung (s. Abschn. 5.5) kann fließrichtung verlief in Richtung Nord mit einem
mit Hilfe der angegebenen Grundwassermodel- durchschnittlichen Gefälle von ca. 0,2 %. Der
le berechnet werden. Dies ist auch unabdingbar, vorbergbauliche, flurnahe Grundwasserstand lag
da eine ständige Verbesserung der Planung, not- in großen Bereichen (Flächen Jahmen Ausbau-
wendig werdende Änderungen der Planungsziele Syterteich- Kaschel- Jahmen- Klitten- Dürrbach-
und Zeitabläufe, die Einarbeitung gewonnener Kringelsdorf) zwischen 0 bis 2 m unter Gelände.
wissenschaftlicher Erkenntnisse in die vorhan- In diesen Bereichen befanden sich auch zahlrei-
denen Grundwassermodelle und nicht zuletzt die che Moor- und Torfvorkommen.
weiterführende Optimierung der Flutungstechno- Die Hydrogeologische Berechnung war auf
logie immer wieder Veränderungen und eine An- der Basis der „Richtlinie des Sächsischen Ober-
passung der Modelle erfordern. bergamtes über die geotechnische Sicherheit im
Bergbau über Tage“ (RiLi Geo 2005) für den Ta-
gebau Bärwalde anzufertigen.
5.6.1 Hydrogeologische Prognose am Die vorzulegende Berechnung hat eine ein-
Beispiel des Speichers Bärwalde heitliche und umfassende Darstellung und Be-
in Ostsachsen wertung des Grundwasserwiederanstiegs zum
Inhalt und beschreibt den zeitlichen und räum-
Der Tagebau Bärwalde befindet sich im Westteil lichen Verlauf. Die damit verbundenen Aus-
der Lagerstätte Bärwalde. Östlich des ausgekohl- wirkungen auf das Bearbeitungsgebiet infolge
ten Bereiches befindet sich die Ortschaft Klitten, des veränderlichen Flutungsregimes im Bereich
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 311

Abb. 5.35   Übersicht zum Tagebaues Bärwalde im südöstlichen Kohlenfelderkomplex

des Bärwalder Sees (Bergbaufolgesees) wer- Zur Simulation der Grundwasserströmung


den durch eine Überarbeitung der vorliegenden wurden zwei Modellgrundwasserleiter, je einer
Hydrogeologischen Berechnung unter Berück- im Hangenden und einer im Liegenden des zwei-
sichtigung von angepassten Randbedingungen ten Lausitzer Flözes, mit bis zu drei Schichten
(Flutungsannahmen und Vorflut) und der aktu- verwendet. Vorhandene Kopplungen der Grund-
ellen See- und Grundwasserstandsentwicklung wasserleiter wurden bei der Modellierung im Be-
dargestellt. reich der pleistozänen Auswaschungsrinnen be-
Die Modellierung der Grundwasserströmung rücksichtigt.
im Bereich des Bearbeitungsgebietes erfolgte auf Das Parametermodell enthält Kennwerte,
der Basis eines zweidimensionalen – horizontal- die als örtliche Werte auf der Basis der Erkun-
mehrschichtigen Strömungsmodells PCGEO- dungsdaten in das Modell eingefügt werden.
FIM® (Programme für Computation of GEOFIl- Eine Kennwertermittlung von gekippten Böden
tration und Geo-Migration). PCGEOFIM erfasst und dessen Wirkung im Strömungsraum ist fall-
den unterirdischen Strömungsraum in der Form weise durch Pumpversuche möglich (Abb. 5.37).
finiter Volumina (Elemente) und hier mit einem Diese Pumpversuche in den Kippen ermöglichen
Modellraster mit Größen bis zu (67,5 × 67,5) Erkenntnisse über die wasserleitenden und spei-
m im Lupenbereich des Bearbeitungsgebietes chernden Eigenschaften der Kippenböden sowie
von 600 km2. Inzwischen wurden im Modell auch die Ausdehnung der Grundwasserleiter
16 Lupen (Abb. 5.36) zur besseren Erfassung (GWL) und seine hydraulischen Grenzen.
des Strömungsraumes eingebaut. Das vorhan- Auf dieser Grundlage können alle Modell-
dene Grundwasserleitermodell besteht somit aus grundwasserleiter (GWL) und repräsentativen
16.806 finiten Elementen.
312 F.-C. Benthaus et al.

Abb. 5.36   Modellfläche mit Bearbeitungsgebieten (Lupen)

Abb. 5.37   Pumpversuch


zur Kennwertermittlung
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 313


/HJHQGH

*:/ 6DQG

.ULQJHOVGRUIHU
7HUWLlUVFKROOH
6FKOXII7RQ

.RKOH
*:/ /)

/) )ODVFKHQWRQ *HVFKLHEHPHUJHO


0|QDXHU5LQQH /)

/) .LSSH
2%*/ 0HU]GRUIHU.OLWWHQHU
9HUVFKXSSXQJ
/)
)ODVFKHQWRQ
*:/
8%*/
37*UHQ]H

/) /DXVLW]HU)ORH]
*:/

2EJO 2EHUEHJOHLWHU

/) /DXVLW]HU)ORH]
,GHDOLVLHUWHV*HRORJLVFKHV1RUPDOSURILOIUGDV.RKOHQIHOG%lUZDOGH
QLFKWPD‰VWDEVJHWUHX 8EJO 8QWHUEHJOHLWHU

Abb. 5.38   Normalprofil des Tagebaus Bärwalde

Durchlässigkeitsbeiwerte ( kf) in das Normalpro- Zur Berücksichtigung der Wasserhaushalts-


fil eingeordnet werden (Abb. 5.38) größen Zustrom, Abstrom etc. im Bereich der
Bei der Berechnung wird eine ortsabhän- Seen sind Klimaeingangsdaten wie Niederschlag
gige Grundwasserneubildung (VN) berück- und Verdunstung (potentielle Verdunstung, Ver-
sichtigt, die aber unabhängig vom Flurabstand dunstungsverluste stehender Gewässer) erforder-
und von der Zeit ist. Die Werte dieser mittleren lich.
Grundwasserneubildung liegen zwischen 2,5 bis Die Anfangsbedingungen legen darüber hin-
12 × 10−9 m/s. aus den Zustand des Strömungsfeldes zum Zeit-
Ein besonderes Kennzeichen der Bergbau­ punkt T0 = 0 für den noch nichtstationären Strö-
folgelandschaften sind die entstehenden Berg- mungsfall fest. Im vorliegenden Fall wurde das
baufolgeseen und Teiche. Für die korrekte Modell zum Zeitpunkt T0 = 01.01.1997 gestartet.
Berücksichtigung ihres Einflusses auf den Im Modell werden darüber hinaus äußere
Grundwasserstand wurde im Programmsystem Randbedingungen am Modellrand und innere
PCGEOFIM der Subprocessor GEOMINE ent- Randbedingungen (u. a. Vorflut, Seen und Tei-
wickelt. Dieser ermöglicht nach einer Digitalisie­ che, Filterbrunnen, Hausbrunnen, Wasserwerks-
rung der Seen- (Abb. 5.39) bzw. Teichsohle auch brunnen) im Strömungsfeld bestimmt (Winkler
eine exakte Erfassung dieser Gewässer in der 2004).
Berechnung. Der Bergbaufolgesee weist eine Die Berechnungsergebnisse stellen Monats-
Wasserlamelle zwischen 123 bis 125 mNHN und mittelwerte dar und spiegeln die Annahmen der
einen Betriebsstauraum bis 25,5 Mio. m3 auf. Die Flutungskonzeption voraus. Der Einfluss der
Wasserfläche erreicht dadurch eine Ausdehnung Vorflut für den Hochwasser- und Niedrigwasser-
zwischen 12,5 bis 13,0 km2 und das Wasservo- fall bleiben in der Bearbeitung unberücksichtigt.
lumen beträgt bei einer maximalen Tiefe von Aus den angeführten Gründen sind Abweichun-
47 m 173 Mio. m3. gen zu den prognostischen Aussagen insbeson-
314 F.-C. Benthaus et al.

5696000

5695000 Uferlinie
Höhenlage + mNN

130
H max
125
H min
123
5694000
120

115

110

105
5693000
100

95

90

85
5692000
80

75

5465000 5466000 5467000 5468000 5469000 5470000 5471000 5472000

Abb. 5.39   Geometrie des Bärwalder Sees im Ergebnis von Lotung und Laserscanning

dere beim zeitlichen Verlauf des Grundwasser- Der zeitliche Verlauf des Grundwasserwie-
anstieges und bei der Nachsorge im Vergleich zu deranstiegs im Bereich des Absenkungstrich-
den Aussagen der Berechnung möglich. Im Er- ters hängt wesentlich vom Flutungskonzept des
gebnis der Rechnung wird unter den Annahmen Bergbaufolgesees ab. Im tagebaufernen Raum
der weiteren Flutung der maximale Seewasser- werden sich die vorbergbaulichen Verhältnisse
stand von 125 mNHN Mitte 2008 erreicht wer- wieder einstellen, im tagebaunahen Raum unter-
den. Nach 2014 wird der Restsee Bärwalde, unter liegen die Grundwasserstände den Stauspiegel-
Einhaltung der angenommenen Flutungsbedin- schwankungen im See und der veränderten Mor-
gungen, in der Größenordnung bis 0,2 m3/s im phologie. Die Grundwassergleichen im Progno-
Winterhalbjahr abflusswirksam. Zur Beschrei- sezustand (Abb. 5.41) zeigen den Einfluss des
bung des räumlichen und auch zeitlichen Grund- Bergbaufolgesees im Strömungsraum.
wasserwiederanstiegs und einer erforderlichen Der Grundwasserstand fällt (Abb. 5.41) von
Kontrolle wurden ihrer Bedeutung entsprechend SE nach NW von 134 auf 117 mNHN ein. Die
Repräsentativpegel (Abb. 5.40) für das Bearbei- südlichen Bereiche werden durch die Wasser-
tungsgebiet vorgegeben und ausgewertet. spiegellage im Bergbaufolgesee Bärwalde abge-
Bis zum Erreichen des stationären Endzustan- senkt. Es sind Flächen, die vorher Torfbildungen
des werden für die Überwachung des Grundwas- aufwiesen, d. h. flurnahe Wasserstände auswie-
sers etwa 520 Messstellen erhalten werden. In der sen und jetzt entwässert (negative Hydrokataba-
Anfangsphase der Flutung wurden im Hangen- sen) werden.
den die Grundwassermessstellen in den unmit- Der Vergleich zum vorbergbaulichen Grund-
telbaren Randbereichen des Speichers Bärwalde wasserstand kann durch Hydrokatabasen – Linien
vierzehntägig, im Umkreis bis ca. 2 km monat- gleicher Unterschiede (Abb. 5.42) – dargestellt
lich und darüber hinaus halbjährlich gemessen. werden. Negative Werte bedeuten der Definition
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 315

Soll - Ist Vergleich Grundwassermessstelle (Pegel) 100117


+ mNHN Bereich Restsee Bärwalde - Norden
120

115

110

105

100
Grundwasserstand - Prognose
Grundwasserstand - gemessen
95
01.01.19 16.05.19 28.09.19 09.02.20 24.06.20 06.11.20 20.03.20 02.08.20 15.12.20 28.04.20
97 98 99 01 02 03 05 06 07 09

Abb. 5.40   Soll-Ist-Vergleich der Berechnungsergebnisse – Messung

entsprechend, dass sich der Grundwasserstand in Zukunft weniger unter stauender Nässe zu
tiefer einstellen wird. Die Hydrokatabasen selbst leiden haben und vormals nicht bewirtschaftete
weisen im Süden des Bergbaufolgesees Bärwal- Flächen können genutzt werden.
de bis zu drei Meter tiefere (− 3  m) Grundwas- In der Abbildung 5.43 werden die nachberg-
serstände aus. Demzufolge werden auch im vor- baulichen Grundwasserflurabstände dargestellt.
bergbaulichen Zustand vorhandene Vernässun- Gefahrenpotentiale können in erster Linie nur
gen in diesen Bereichen nicht wieder auftreten. dort auftreten, wo die Grundwasserflurabstände
Dagegen liegen die Endwasserstände im Bereich im Bereich von 0 bis 2 m unter der Geländeober-
der Nordwest – Kippe bei + 4 m gegenüber dem fläche liegen. Ebenso sind Vernässungen dort
vorbergbaulichen Stand. Sie sind durch die Lage zu erwarten, wo entsprechend der geologischen
des Seewasserspiegels begründet. Verhältnisse größere Sackungen oder Hebungen
Die Hydrokatabasen in einer Größenordnung als Folge des Grundwasserentzuges bzw. des
bis – 2 m im Osten dagegen sind auf zahlreiche Wiederanstieges zu erwarten sind. Letzteres ist
wasserbauliche Entwässerungsmaßnahmen (u. a. nur im Kippenbereich möglich, da die Bodenbe-
Schulenburgkanal, Dürrbacher Fließ, Nord- wegungen im Gewachsenen nur im Millimeter-
graben, Jahmener Fließ, Kringelsdorfer Teiche, bereich liegen.
Schloßteich) zurückzuführen. In Summe zeigt Flurnahe Grundwasserstände werden darü-
der Vergleich der Grundwassergleichen des vor- ber hinaus im Gewachsen nur dort auftreten, wo
bergbaulichen Zustandes zum Prognoseendzu- schon vor Umgang des Bergbaues ein flurnaher
stand, dass sich für die Bebauung und die land- Grundwasserstand beobachtet wurde. Sollen
wirtschaftliche und forstwirtschaftliche Tätigkeit aber im Kippenbereich Baumaßnahmen durch-
insgesamt eine Verbesserung des Zustandes ein- geführt werden, sind Detailuntersuchungen er-
stellen wird. Ehemals vernässte Gebiete werden forderlich.
316 F.-C. Benthaus et al.

Abb. 5.41   Hydroisohypsen im stationären Endzustand

5.6.2 Hydrogeologische Prognose für hohen Einleitmengen von Sümpfungswässern


die Grundwasserentwicklung waren im Zeitraum des aktiven Bergbaues nur
südlich von Leipzig geringe Auswirkungen bemerkbar. Erst mit der
allmählichen Verringerung der bergbaulichen
Die im Süden von Leipzig umgegangenen Tage- Wasserhebung und damit der verringerten Ein-
baue bewirkten eine erhebliche Grundwasser- leitung in die Vorfluter infolge der sukzessiven
absenkung bis maximal ca. 50 m während der Stilllegung wurden die Auswirkungen bemerk-
letzten 100 Jahre. Da das vom Bergbau gehobene bar.
Wasser über oberirdische Ableiter den Vorflu- Mit der Veränderung der Oberflächengewäs-
tern zufloss, hatten diese während der Betriebs- ser durch Verlegung und Begradigung vollzog
zeit des Bergbaus einen sehr hohen Wasserstand. sich auch eine Veränderung der Infrastruktur,
Auch sind zur Freimachung der Lagerstätten Vor- dem Straßenneubau- und -verlegung, der Wasser-
fluter verlegt worden (wie z. B. die Weiße Elster, und Energieversorgung usw. Ein Rückbau zur
die Pleiße, die Gösel und die Wyhra), was in der Minimierung des Eingriffes in den Wasserhaus-
Regel wegen der begradigten Ufer zu höheren halt ist vielfach nicht mehr möglich. Außerdem
Strömungsgeschwindigkeiten führte. Infolge der ist durch den Bergbau mit umfangreichen Kip-
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 317

Abb. 5.42   Darstellung der berechneten Hydrokatabasen im stationären Endzustand

penmassiven und Bergbaufolgeseen eine neue selbeziehungen zwischen Grund- und Oberflä-
Landschaft entstanden. chenwasser zu prognostizieren.
Ein weiterer Aspekt der bergbaulichen Ge- Die Entwicklung des Grundwasserstandes ist
staltung der Oberflächenwassersysteme ist die derzeitig wohl das am meisten interessierende
Entdichtung der Fließgewässersohlen. Um das Thema bei Wiederanstieg des Grundwassers in
Oberflächenwasser nicht in Tagebaunähe wieder den bergbaulichen Absenkungsgebieten. Damit
zu versickern, ist bei der Verlegung von Flüssen können bei einem grundwasserflurnahem Grund-
und Bächen in der Regel ein gedichteter Ausbau wasserstand Konflikte mit der Geländenutzung
angewandt worden. Das entspricht nicht dem na- entstehen. Der Grundwasserwiederanstieg bis in
türlichen Zustand, der durch Kommunikation des das Geländeniveau vollzieht sich besonders deut-
Oberflächenwassers in Fließgewässern mit dem lich in Auengebieten, die vor dem bergbaulichen
Grundwasser geprägt ist. Bei dem Ziel der Ent- Eingriff bei Starkniederschlägen oder Nieder-
dichtung der künstlich gestalteten Vorfluter muss schlagsperioden durch lokale Überschwemmun-
auf deren Lage im Grundwassersystem geachtet gen den Oberflächen- und Grundwasserhaushalt
werden, da die verlegten Profile in ihrer Lage regulierten.
nicht mehr dem „Geländetiefsten“, den Auenbe- Bei statistisch mittleren Grundwasserneubil-
reichen, entsprechen. Die Beseitigung bzw. die dungsraten lässt sich für den gesamten Südraum
Aufhebung der Dichtungswirkung setzt somit von Leipzig die flurnahe Grundwasserführung
Grundwassermodellierungen voraus, um dauer- mit Ausnahme der anthropogen bedingten Tage-
hafte Wirkungen der dann entstehenden Wech- baukippengebiete auf die Fluss- und Bachauen-
318 F.-C. Benthaus et al.

Abb. 5.43   Grundwasserflurabstand im stationären Endzustand

gebiete reduzieren. Für starke Niederschlagsra- schiedenen Ortschaften mit Vernässungen in Be-
ten und damit hohe Grundwasserneubildungen bauungsgebieten zu rechnen. Selbst bei mittleren
zeigt sich am Beispiel der Auen, wie groß das Grundwasserneubildungsraten sind teilweise
ursprüngliche Einzugsgebiet der Auen war. Grundwasserflurabstände ≤ 1 m zu erwarten bzw.
Für die Gestaltung des Südraumes mit seinen zu beobachten (Abb. 5.44). Im Fall hoher Neu-
zahlreichen entstehenden Seen sind die noch bildungsraten vergrößern sich die betroffenen
vorhandenen Auengebiete wegen der flurnahen Bereiche in den Ortschaften deutlich.
Grundwasserstände eher ein Vorteil als ein Nach- Die Festlegung des Grundwasserflurabstandes
teil. Der Vorteil liegt in der Gebietsentwässerung ist ohne die genaue Kenntnis der Geländeoberflä-
durch Ableitung von Niederschlagswasser und che nicht möglich. Die markscheiderischen Mes-
Überschusswasser der neuen Tagebaurestseen. sungen sind für die Bergbaugebiete durch um-
Neben den bereits genannten flurnahen fangreiche Messungen nach dem LASERSCAN-
Grundwasserständen bei Markkleeberg und Verfahren auf eine Genauigkeit von ± 0,3 m
Leipzig in der Pleiße- bzw. Elsteraue ist noch präzisiert worden Die Ermittlung des Grundwas-
im ehemaligen Einzugsgebiet der Pleiße in ver- serflurabstandes als Differenz zwischen Grund-
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 319

*UXQGZDVVHU
IOXUDEVWDQG
«P
«P

Abb. 5.44   Prognose der Grundwasser-Flurabstände im Südraum Leipzig

wasseroberfläche und Geländeoberfläche ist in fenheit ist dabei ein Kernelement. Mit Hilfe die-
ihrer Genauigkeit von der Messpunktdichte der ser Grundwassermodellierung wird der zeitliche
geologischen Aufschlüsse, der Grundwasser- Verlauf der Flutung für verschiedene Szenarien
standsbeobachtung und der Ermittlung der exak- simuliert. Die dem Bergbaufolgesee zu- und
ten Geländeoberfläche abhängig. Jahreszeitliche abfließenden Wassermengen werden unter An-
Veränderungen der Grundwasserstände sind bei nahme von Randbedingungen berechnet. Dazu
der Planung von Ingenieurbauwerken (Straßen, sind seit dem Ende der 70er Jahre des 20. Jahr-
Rohrleitungen und Kellergründungen) zu be- hunderts, schon in der Phase der Grundwasser-
rücksichtigen. absenkung, die Werkzeuge PCGEOFIM, FEF-
LOW u. a. im Einsatz. Mit dieser Hilfe kann die
gegenseitige Wirkung der einzelnen Restlöcher
5.6.3 Zusammenfassung im unterirdischen Strömungsraum komplex er-
fasst werden. Durch die Kopplung von mehreren
Für die Maßnahmeplanung zum Erreichen der Restlöchern ist ebenso eine gemeinsame Wasser-
Sanierungs- und Nutzungsziele der Bergbaufol- bilanz der Restseen möglich. Der Ausgleich des
gelandschaften sind die Auswirkungen des Was- Grundwasserdefizits aus eigenem Dargebotsauf-
serhaushaltes auf das angrenzende Territorium kommen würde entsprechend den Ergebnissen
zu untersuchen. Die modellgestützte Prognose der Grundwassermodellierung bis zu 100 Jahre
hinsichtlich Wassermenge bzw. Wasserbeschaf- dauern. Durch die Nutzung von Fremdwasser aus
320 F.-C. Benthaus et al.

der Vorflut ist eine weitgehende Rehabilitation in des Potentials von Kohlendioxid zur Verbesse-
einem Zeitraum von 30 bis 40 Jahren modell- rung der Neutralisation von Bergbaufolgeseen.
technisch nachweisbar. In den kommenden Jah-
ren wird dieser Prozess durch die Berechnung
der Geofiltration und der Geomigration weiterhin 5.7.2 Grundlagen der hydrochemi-
begleitet. Der Schwerpunkt der modellgestützten schen Modellierung
Prognose wird dabei unter Berücksichtigung der
Einarbeitung neuer wissenschaftlicher Erkennt- Im Rahmen der Bergbausanierung sind für die
nisse (u. a. Parameteridentifikation zur Präzisie- einzelnen Bergbaufolgeseen räumlich, zeitlich
rung der wiederauffüllbaren Porosität und der und wirtschaftlich optimierte Planungen zur Flu-
Durchlässigkeitsbeiwerte ( kf -Werte) der Kippe) tung und Nachsorge zu erarbeiten. Zahlreiche
und der Berücksichtigung der vorhandenen und Bergbaufolgeseen sind miteinander verbunden
noch erforderlichen Vorflut als Voraussetzung oder durch Fließgewässer vernetzt. Daraus erge-
zur Minimierung von Vernässungsflächen infol- ben sich Abhängigkeiten zwischen Wasserdarge-
ge Grundwasserwiederanstieg und der Beherr- bot und Wasserbeschaffenheit. Die Sanierungs-
schung und Steuerung der Wassergüte bei der aufgabe kann in ihrer Komplexität gut durch die
Geofiltration liegen. Einbeziehung geeigneter numerischer Simula-
tionsmodelle gelöst werden. Die Verknüpfung
von Wasserbilanzmodell, Wassermengenmodell
5.7 Hydrochemische Modellierung und Wasserbeschaffenheitsmodell zeigt Abbil-
dung 5.45.
5.7.1 Anwendung der Die Prognose der Wasserbeschaffenheit von
hydrochemischen Modellierung Bergbaufolgeseen ist eine Trendbewertung. Sie
in der Bergbausanierung ist von Randbedingungen, wie zum Beispiel dem
Flutungswasserdargebot, abhängig, das Verän-
Die Beschaffenheitsentwicklung der Bergbau- derungen entlang der Zeit erfährt. Dazu werden
folgeseen kann mit den Mitteln der hydrochemi- in Abstimmung zwischen dem Sanierungsträger
schen Modellierung prognostiziert werden (LUA und den zuständigen Länderbehörden Flutungs-
2001). Die hydrochemische Modellierung im Sa- konzeptionen (s. a. Abschn. 5.5) entwickelt.
nierungsbergbau liefert neben den Entwicklungs- Diese Konzeptionen werden in Flutungsszena-
prognosen für entstehende Bergbaufolgeseen rien mit Angebots- und Bedarfsmengen hinter-
auch zahlreiche Ergebnisse für weitere Aufga- legt. Auf dieser Basis sind die Flutung des Berg-
ben. Dazu zählen die Verfahrensbegleitung zur baufolgesees und der Grundwasserwiederanstieg
Neutralisation saurer Bergbaufolgeseen (Bent- zu prognostizieren (Abb. 5.45). Das begleitende
haus und Uhlmann 2006), (Rabe und Uhlmann Gewässermonitoring liefert die notwendigen
2006), die Analyse chemischer Prozesse in Was- Daten für die Kalibrierung der geohydraulischen
serüberleitungssystemen (Uhlmann und Arnold und auch der hydrogeochemischen Modelle. Die
2003), die Optimierung der Betriebsführung von hydrogeochemische Modellierung liefert ihrer-
Grubenwasserreinigungsanlagen, die Bewertung seits wichtige Ergebnisse für die Fortschreibung
der chemischen Wirkungen von Eisenhydroxid- der Flutungskonzeptionen. Der gesamte Prozess
schlämmen aus Grubenwasserreinigungsanlagen muss im Rahmen der Bergbausanierung ggf.
bei Verspülung in Bergbaufolgeseen (Uhlmann mehrfach und iterativ durchlaufen werden (LUA
et al. 2007), die quantitative Abschätzung der 1995).
Wirkungen biologischer Prozesse auf die Was- Die Modellierung der hydrochemischen Ent-
serbeschaffenheit von Bergbaufolgeseen (Bütt- wicklung von Bergbaufolgeseen erfolgt nach
cher und Uhlmann 2004) sowie die Abschätzung dem Grundprinzip der Stoffmengenbilanzierung
(LUA 2001). Die Basis hierfür bilden instationäre
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 321

:DVVHUELODQ]PRGHOO:%DO0R $EVWLPPXQJV XQG




)OXWXQJV (QWVFKHLGXQJVSUR]HVV

NRQ]HSWLRQ

8PZHOWEHK|UGHQGHU/lQGHU
)OXWXQJ>PñPLQ@







 %HZLUWVFKDIWXQJV

NRQ]HSWLRQ 6DQLHUXQJVWUlJHU/0%9

























(UIROJVNRQWUROOH

*HZlVVHUPRQLWRULQJ
6]HQDULHQGHV :DVVHUPHQJHQ:DVVHUVWlQGH :DVVHUEHVFKDIIHQKHLW .RQ]HQWUDWLRQHQ
:DVVHUGDUJHERWV ƒ )OXWXQJ ƒ )OXWXQJVZDVVHU XQG)UDFKWHQ
ƒ 6HHZDVVHUVSLHJHO ƒ 6HHZDVVHU
ƒ *UXQGZDVVHUVWDQG ƒ *UXQGZDVVHU
'DWHQJUXQGODJH 'DWHQJUXQGODJH

:DVVHUPHQJHQPRGHOO :DVVHUEHVFKDIIHQKHLWVPRGHOO
*UXQGZDVVHUVWU|PXQJVPRGHOO3&*(2),0 6WRIIPHQJHQELODQ] XQG5HDNWLRQVPRGHOO3+5((4&

,QWHJULHUWH7HLOPRGHOOH
6HHELODQ]HQ 4  &3
4(73  &GHVW ƒ 6WUDWLIL]LHUXQJ
ƒ *DVDXVWDXVFK
3
42Z]X&2Z 42ZDE&7%6
5$WPRV
ƒ :HOOHQHURVLRQ
G 9& 7%6
5%| ƒ 1LHGHUVFKODJVHURVLRQ
4*Z]X&*Z 9& 7%6 ƒ 6HGLPHQWSUR]HVVH
4*ZDE&7%6
55HDN ƒ 5HVSLUDWLRQ

Abb. 5.45   Bearbeitungsablauf und Vernetzung der Werkzeuge zur Prognose der Wasserbeschaffenheit in den Berg-
baufolgeseen

Wasserbilanzen, die die Flutungs- und Nachsor- Flutungswasser) und Stoffausträge (oberirdi-
gephase beschreiben: scher Abfluss, Grundwasserabstrom, Wasserent-
nahmen) berücksichtigen (Gl. 5.24). Ebenso sind
dVsee  nicht volumenstromgebundene Stoffeinträge ent-
= ∑ QOWzu + ∑ QGWzu + ∑ Q FL − ∑ QOWab
dt sprechend ihrer Bedeutung für den Bergbaufolge­
− ∑ QGWab − ∑ Q ENT + ( P − E ) (5.24) see zu berücksichtigen. In einem als Mischre-
aktor betrachteten Bergbaufolgesee gilt für jede
 einzelne chemische Komponente folgende insta-
mit den Parametern: tionäre Stoffmengenbilanzgleichung:
VSee Volumen des Bergbaufolgesees
QOWzu Oberflächenwasserzufluss zum See d(VSee ⋅ CSee )
QGWzu Grundwasserzustrom zum See = ∑ (QGWzu ⋅ CGWzu )
dt
QFL Flutungswasser
+ ∑ (QOWzu ⋅ COWzu ) + Q FL ⋅ CFL
QOWab Oberirdischer Abfluss aus dem See
QGWab Grundwasserabstrom aus dem See − ∑ QGWab − ∑ QOWab − ∑ Q ENT ⋅ CSee ± ∑ R ( )
QENT Wasserentnahmen aus dem See
(5.25)
(P-E)  klimatische Wasserbilanz des Sees
(Niederschlag – Gewässerverdunstung) mit:
Die Stoffbilanz eines Bergbaufolgesees muss CSee Stoffkonzentration im Seewasser
volumenstromgebundene Stoffeinträge (Ober- COWzu Stoffkonzentration in den oberirdischen
flächenwasserzufluss, Grundwasserzustrom, Zuflüssen
322 F.-C. Benthaus et al.

CGWzu  Stoffkonzentration in den Grundwas- Die nächste Stufe der räumlichen Abstraktion
serzuflüssen ist ein limnologisch strukturiertes Komparti-
R  nicht volumenstromgebundene Stoff- mentmodell. Es berücksichtigt die sommerliche
einträge und -umsätze Stratifizierung des Gewässerkörpers und damit
Der Term R für die nicht volumenstromgebun- die Trennung des Sees in Epilimnion, Hypolim-
denen Stoffeinträge und Stoffumsätze in der nion sowie ggf. Monimolimnion. Die räumliche
Stoffmengenbilanzgleichung (Gl. 5.25) fasst eine Trennung der Seekörper (Kompartimente) muss
ganze Reihe physikalischer, chemischer, biologi- entsprechend des Stratifizierungsverlaufs dann
scher und technischer Prozesse zusammen: zeitvariabel abgebildet werden. Für spezielle An-
wendungsfälle, bei denen die räumliche Stoffver-
R = R Atm + R Reak + R Bö  teilung im See von Bedeutung ist, werden zwei-
(5.26)
+ R Diff + R Bio + R Kond oder dreidimensionale Seemodelle entwickelt
(Müller 2004).
mit den Parametern: Die thermische Schichtung des Sees kann ent-
RAtm  Stoffaustausch mit der Atmosphäre weder aus Messungen von Temperaturtiefenpro-
(z. B. Gasaustausch mit der Atmosphäre, filen, durch spezielle numerische Schichtungs-
atmosphärische Deposition) modelle (z. B. Jöhnk 2000) oder näherungsweise
RReak  Stoffumsätze durch heterogene chemi- durch Blockmodelle abgebildet werden. Aus der
sche Reaktionen (z. B. Ausfällung von Lage der Thermokline (s. Abschn. 5.4) und aus
Eisen- und Aluminiumverbindungen) der Kenntnis der Wasserstands-Volumen-Kenn-
RBö Stoffeintrag aus den Böschungen infolge linie V = f(h) des Bergbaufolgesees werden die
Erosion (z. B. Niederschlags- und Wel- Teilvolumina für das Epilimnion und Hypolim-
lenerosion) nion bestimmt. Der Grundwasserzustrom und
RDiff Stoffaustausch des Gewässers mit den Grundwasserabstrom der einzelnen Komparti-
Sedimenten durch Diffusion mente ergibt sich aus der Lage der Grundwasser-
RBio Stoffumsätze durch biologische Prozesse leiter in der Seekontur.
(z. B. respiratorischer Abbau von organi- Besondere Bedeutung für die strategische Pla-
schem Kohlenstoff) nung von Sanierungsmaßnahmen hat die Anwen-
RKond Stoffeintrag durch Maßnahmen der Was- dung räumlich vernetzter Seemodelle sowie die
serbehandlung (z. B. In-Lake-Neutralisa­ Kopplung der Beschaffenheitsmodelle von Fließ-
tion) gewässern und Seen.
Die volumenstromgebundenen Stoffströme kön- In Abbildung 5.46 ist das Schema eines Was-
nen durch Modellierung der Volumenströme sergütebewirtschaftungsmodells für die erweiter-
sowie durch das Monitoring der Gewässerbe- te Restlochkette in der Lausitz einschließlich des
schaffenheit ausreichend genau erfasst werden. Senftenberger Sees dargestellt. Die Seen werden
Die homogenen hydrochemischen Reaktionen nach Flutungsabschluss ein Wasservolumen von
im Bergbaufolgesee (z. B. Dissoziation, Kom- ca. 760 Mio. m3 beinhalten. Das Schema zeigt
plexbildung, Hydrolyse) werden mit hydroche- die Vernetzung der Flussgebiete der Spree und
mischen Simulationsprogrammen dargestellt. der Schwarzen Elster über die Bergbaufolgeseen
Die nicht volumenstromgebundenen Stoffeinträ- sowie die Wasserbauwerke. Dazu gehören Flu-
ge werden durch geeignete Teilmodelle berech- tungsbauwerke, Überleiter, Schleusen, Rohrlei-
net (s. Abschn. 5.7.3). tung und Pumpstationen. Das Wassergütebewirt-
Aufgrund der überwiegend guten horizontalen schaftungsmodell bildet die spezielle hydrauli-
Durchmischung der Bergbaufolgeseen im Jahres- sche Funktionalität der Wasserbauwerke ab. Die
verlauf werden hier Mischreaktormodelle für die hydraulischen und stofflichen Wechselwirkungen
Prognose der hydrochemischen Entwicklung ein- mit dem Grundwasser werden durch Blockmo-
gesetzt. Für spezielle Fragestellungen ist es fall- delle beschrieben, die aus den geohydraulischen
weise erforderlich, den See räumlich zu gliedern. Großraummodellen (s. Abschn. 5.6) abgeleitet
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 323

Überleiter mit Angabe der möglichen Fließrichtung

Grundwasserwechselwirkungen

Pumpe Wehr

Schleuse Fischtreppe

Flutungsbauwerk Regulierbare Rohrleitung Industriepark


Schwarze Pumpe
100,0-101,0

Oberer Landgraben
Ilse See
ÜL11
ÜL1
ÜL3 Spree-
Sedlitzer Blunoer Sabrodter taler

Spree
See Südsee See
ÜL8 ÜL7 See

107,0-108,0
Rainitza

ÜL3a ÜL2
ÜL10 Partwitzer
See
Neu- ÜL5
ÜL9 wieser Bergener
Geiers- ÜL6
See See
ÜL12 walder
98,0-99,0 See

Kleine Spree
Senften- 100,0-101,0 103,0-104,0
berger
See
Schwarze Elster

Abb. 5.46   Systemschema für die Bergbaufolgeseen der erweiterten Restlochkette einschließlich des Senftenberger Sees

wurden. Die Seen werden problemadäquat als mann et al. 2004a). Eine besondere Herausforde-
Mischreaktoren oder Kompartimentmodell be- rung der hydrogeochemischen Modellierung be-
handelt. Das Wassergütebewirtschaftungsmodell steht darin, zeitabhängige Prozesse abzubilden.
dient der Optimierung der Flutung, der Planung Eine Vielzahl hydrogeochemischer Fragestel-
von Neutralisationsmaßnahmen und in Zukunft lungen kann mit dem verfügbaren Programm-
auch der Zu- und Abflusssteuerung aus wasser- code von PHREEQC direkt gelöst werden. Da-
gütewirtschaftlicher Sicht. rüber hinaus wird PHREEQC häufig auch als
Für die hydrogeochemische Modellierung hydrochemischer Baustein in hydrodynamische
sind international mehrere Programme verfüg- Modelle für Bergbaufolgeseen, Grundwasserlei-
bar. Für Probleme im Süßwasserbereich, d. h. im ter und Fließgewässer eingebaut.
Geltungsbereich der Debye-Hückel-Gleichung,
hat sich das Programm PHREEQC (Parkhurst
und Appelo 1999) etabliert. Durch hydrogeoche- 5.7.3 Entwicklung von Teilmodellen
mische Modelle werden vor allem Reaktionen im
thermodynamischen Gleichgewicht abgebildet, Die hydrochemische Prognose der Wasserbe-
die sich mit Gleichgewichtskonstanten beschrei- schaffenheit in Bergbaufolgeseen muss den Gas-
ben lassen. Spezifische Stöchiometrien und Re- austausch, die Niederschlags- und Wellenerosion
aktionskonstanten sind für die Ausfällung von sowie die Wechselwirkungen des Seewassers mit
Eisen- und Aluminiumverbindungen in stark sau- den Sedimenten berücksichtigen. Der Prozess
ren Bergbaufolgeseen entwickelt worden (Uhl- der CO2-Ausgasung wird durch die Gasdiffusion
324 F.-C. Benthaus et al.

Abb. 5.47   Umformung Abrasion


eines Böschungsprofils
Wellen
durch Wasserwellen ( oben) Mittlerer
und idealisierte geomet-
Wasserspiegel
rische Beschreibung des Ausgleichsprofil
Ausgleichsprofils ( unten)
Akkumulation
nach Wagner 1996 Urs
pr ü
ngl
ich
eB
ösc
hu n
g

an der Grenzfläche Seewasser/Atmosphäre be- sind der Niederschlagserosion ausgesetzt. Auf


stimmt. Der zeitkonkrete Stofffluss FCO 2 ergibt das Uferprofil wirkt zusätzlich die Wellenero-
sich durch die Differenz der CO2-Konzentration sion. Das Bodenmaterial wird durch Druck-,
im Seewasser und der CO2-Konzentration in der Sog- und Scherspannungen abgelöst, in den See
Atmosphäre, der Durchmischungstiefe des Ge- verfrachtet und dabei vom Seewasser ausgewa-
wässers und einem Austauschkoeffizienten: schen. Auf diese Art wird während der Flutung
die Oberfläche der Böschungen umgeformt.
k  Bei der Wellenerosion bildet sich durch Abra-
FCO2 = · ([CO2 ] − [CO2 ] GGW ) (5.27)
z sion und Akkumulation ein dynamisches Gleich-
gewichtsprofil aus (Abb. 5.47). Der physika-
mit: lische Prozess der Profilierung wird durch ein
CO
FCO 2 2-Konzentrationsänderung im empirisches Formelsystem nach (Wagner 1997)
Seewasser (mol/(m3 · d)) beschrieben. Die Geometrie des Ausgleichspro-
k Austauschkoeffizient (m/d) fils berechnet sich aus den Eigenschaften des
z mittlere Durchmischungstiefe (m) Böschungsmaterials (Lagerungsdichte, mittle-
[CO2] CO2-Konzentration im Seewasser rer Korndurchmesser), der Ausgangsneigung
(mol/m3) der Böschung und den mittleren Welleneigen-
[CO2]GGW CO2-Konzentration im Gleichge- schaften des Sees (Wellenhöhe, Wellenlänge).
wicht mit der Atmosphäre (mol/m3) Die Erosionsprozesse sind ausreichend schnell,
Der Austauschkoeffizient k in (Gl. 5.27) ist eine so dass in jedem Zeitschritt des Seemodells das
zeitvariable Funktion der windinduzierten Durch- geometrische Gleichgewichtsprofil betrachtet
mischungsintensität des Seewassers. An den werden kann.
Bergbaufolgeseen in Mitteldeutschland und in Das Porenwasser der verwitterten Sedimente
der Lausitz wird mit einem mittleren Austausch- steht im Gleichgewicht mit der Austauscherober-
koeffizient von kCO2 = 0,2 m/d bis kCO2 = 0,8  m/d fläche der Bodenmatrix und Mineralen (z. B.
gerechnet. Er steht in guter Übereinstimmung mit Gips, Jarosit, Schwertmannit). Die Stofffracht
Literaturangaben (Vlahos et al. 1995). des erodierten Materials errechnet sich aus der
Die Durchmischungstiefe des Gewässers ist Erosionsmasse und dem mobilisierbaren Stoffge-
vom Schichtungsverhalten des Sees abhängig. halt. Der Stoffgehalt ist durch Kartierung der Bö-
Während der Stagnationsphase entspricht sie der schungen zu ermitteln. Der Stoffeintrag erfolgt
zeitabhängigen Epilimniontiefe und während der als Mischung des Seewassers mit dem Porenwas-
Zirkulationsphasen der mittleren Gewässertiefe. ser unter Berücksichtigung der löslichen Minera-
Die temperaturabhängige Gleichgewichtskon- le und des Kationenaustausches mit dem erodier-
zentration des CO2 im Seewasser wird nach dem ten Bodenmaterial.
Henry-Gesetz berechnet. Den Berechnungen zur Erosion liegt ein di-
Die noch nicht überfluteten und spärlich be- gitales Konturmodell der Tagebauhohlform zu-
wachsenen Böschungen in der Restlochkontur grunde. Mit Erreichen des Endwasserstandes in
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 325

Abb. 5.48   Luftbild des Bergbaufolgesees Zwenkau von 2005 (LMBV)

der Wellenausgleichzone mit geringen Neigun- te Technikumsversuche oder großmaßstäbliche


gen kommt die Wellenerosion als Stoffquelle für Pilotversuche in der konkreten Anwendung er-
die Bergbaufolgeseen weitgehend zum Erliegen. mittelt.
Nach dem Überstau der steil stehenden Kippen-
sedimente mit Seewasser erfolgen Stoffeinträge
überwiegend durch Diffusion. Der Konzentra- 5.7.4 Hydrochemischen Modellierung
tionsgradient zwischen dem Seewasser und dem am Zwenkauer See
Porenwasser der Sedimente ist die Triebkraft der
Diffusion. Stoffquellen und Eintragspfade
Die chemische Behandlung mit alkalischen Der Tagebau Zwenkau wurde 1999 stillgelegt.
Stoffen wird im hydrochemischen Seemodell Mit Außerbetriebnahme der Entwässerungsanla-
als Gleichgewichtsreaktion des Seewassers mit gen füllten sich die Tieflagen des Tagebaus zu-
den Neutralisationsmitteln abgebildet. Praktische nächst selbständig mit Grundwasser und Nieder-
Erfahrungen zeigen, dass die Löslichkeit fester schlagswasser (Abb. 5.48).
und suspendierter Neutralisationsmittel unter an- Das Seewasser war stark sauer und hoch mi-
derem vom pH-Wert abhängig ist (LUA 2001). neralisiert (Tab. 5.15). Die wesentlichen Ionen
Im Prognosemodell wird deshalb eine funktio- waren Sulfat, Calcium, Magnesium, Eisen und
nale Löslichkeit für die Neutralisationsmittel Aluminium. Die Acidität des Seewassers (Basen-
berücksichtigt (Abschn. 5.3.4). Die Reaktivität kapazität KB8,2) betrug anfänglich ca. 40 mmol/L.
von Neutralisationsmitteln wird durch geeigne-
326 F.-C. Benthaus et al.

Tab. 5.15   Hydrochemie des Bergbaufolgesees Zwenkau


kohlentagebauen Profen und Schleenhain der MI-
Kennwert Maßeinheit 09/2005 03/2007 BRAG geflutet (Abb. 5.49). Die aktuelle Alkalini-
Volumen Mio. m3 ca. 2 11
tät des Sümpfungswassers dieser Tagebaue kann
pH – 2,5 2,8
mit 3 mmol/L bzw. 0,5 mmol/L gekennzeichnet
Leitfähigkeit µS/cm 4.700 3.700
KB4,3 mmol/L 25 11
werden. Das westlich am Bergbaufolgesee vorbei
KB8,2 mmol/L 40 20 fließende Gewässer „Weiße Elster“ soll auch für
Sulfat mg/L 3.600 2.700 die Flutung des Zwenkauer Sees genutzt werden.
TIC mg/L 2  < 0,1 Der Zwenkauer See erzeugt nach Abschluss des
Calcium mg/L 400 320 Grundwasserwiederanstiegs einen Bilanzüber-
Magnesium mg/L 220 160 schuss von etwa 8 m3/min durch Grundwasser-
Eisen-gelöst mg/L 450 200 zustrom. Der Bilanzüberschuss soll über ver-
Aluminium mg/L 120 60 schiedene Binnengräben südlich von Leipzig in
Mangan mg/L 15 9 die Pleiße abgeleitet werden. Anfang 2010 betrug
Berechnete das Seevolumen bereits 45 Mio. m3. Das Stauziel
Kennwerte
im Zwenkauer See soll 2014 erreicht werden. Das
Sättigungsindex –  ± 0,0 − 0,2
Gips Seevolumen beträgt dann etwa 172 Mio. m3.
Partialdruck mbar 40 13 Infolge der langjährigen Pyritverwitterung
CO2 bildete sich auf der Kippenoberfläche eine Oxi-
dationszone mit einer mittleren Eindringtiefe der
Verwitterungsfront von etwa 4 m aus (Wiegand
Das Wasser befand sich im Sättigungsgleichge- 2002). Der mobilisierbare Stoffbestand in der
wicht mit Gips. Oxidationszone setzt sich aus gelösten Ionen im
Seit 2006 wird der Zwenkauer See vor allem mit Porenwasser, leichtlöslichen Sekundärmineralen
Sümpfungswasser aus den benachbarten Braun- (z. B. Gips, Jarosit) und austauschbaren Ionen

115 70
110 60
105 50
Volumenstrom [m³/min]
Wasserstand [mNHN]

100 40
95 30
90 20
85 10
80 0
75 -10
70 -20
2005

2007

2009

2011

2013

2015

2017

2019

2021

2023

2025

2027

2029

2031

2033

2035

Sümpfungswasser Schleenhain Sümpfungswasser Profen


Wasser aus Filterbrunnen Ausleitung in den Floßgraben
Wasserhaltung Wasserstand

Abb. 5.49   Flutungskonzeption (2007) für den Zwenkauer See mit nachbergbaulicher Wasserbilanz
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 327

Tab. 5.16   Kennwerte der Wasserbeschaffenheit in den


an der Bodenmatrix zusammen. Die wässrigen
Kippenseen des Tagebaus Zwenkau
Eluate des Bodens der Oxidationszone sind stark
Parameter Maßeinheit Wertebereich
sauer. Im oberen Meter der Kippensedimente
pH-Wert – 1,8…3,0
wurden im Mittel 19.500 mg/kg lösliches Sulfat Elektrische µS/cm 1.900…22.000
und 2.500 mg/kg lösliches Eisen gemessen. Die Leitfähigkeit
Acidität beträgt im Mittel 104 mmol/kg. Basenkapazität KB4,3 mmol/L 6…300
Aufgrund des geringen Infiltrationsvermö- Basenkapazität KB8,2 mmol/L 13…460
gens der Kippensedimente bildeten sich an der Chlorid mg/L 7…110
Kippenoberfläche Wasserflächen, so genannte Sulfat mg/L 800…31.000
Kippenseen. Die Kippenseen sind stark sauer Magnesium mg/L 30…2.100
und haben sehr hohe Konzentrationen an Sulfat Calcium mg/L 160…480
Eisen gelöst mg/L 20…6.900
(800–31.000 mg/l), Calcium (160–480 mg/l),
Aluminium mg/L 16…1.500
Magnesium (30–2.100 mg/l), Eisen und Alumi-
Mangan mg/L 3…140
nium sowie eine sehr hohe Acidität (Tab. 5.16).
Die löslichen Bestandteile wurden durch Ero-
sion, Elution und Diffusion aus der Oxidations- löslicher und austauschbarer Stoffe in das See-
schicht der Kippensedimente in die Kippenseen wasser. Mit dem hydrochemischen Seemodell
eingetragen. Das Volumen der Kippenseen wird wurde die zeitabhängige Dynamik der Stofffrei-
auf 2,4 Mio. m3 geschätzt. Bei steigendem Was- setzung für das geplante Flutungsszenario be-
serspiegel werden sich die Kippenseen in den rechnet (Abb. 5.50).
Bergbaufolgesee einmischen. Das dem Bergbaufolgesee Zwenkau zuströ-
Die Niederschlagserosion auf den freilie- mende Grundwasser ist überwiegend als poten-
genden Flächen, die Wellenerosion bei Wasser- tiell alkalisch einzuschätzen. Eine Versauerungs-
spiegelanstieg, die Diffusion nach Überstau der neigung des Grundwassers ist in Teilbereichen
Sedimente und schließlich auch die Einmischung der Innenkippe nachweisbar. Aufgrund der gerin-
der Kippenseen führen zu einem Eintrag gelöster, gen Volumenströme und seiner hydrochemischen

400
360
320
Aciditätseintrag [kmol/d]

280
240
200
160
120
80
40
0
2007

2011

2019

2023

2025

2029
2005

2009

2013

2015

2017

2021

2027

2031

2033

2035

Diffusion aus Niederschlags- Einmischung


der Innenkippe und Wellenerosion der Kippenseen

Abb. 5.50   Prognose der Säureeinträge in den Bergbaufolgesee Zwenkau


328 F.-C. Benthaus et al.

Abb. 5.51   Modellge- Aciditätseintrag (bis Flutungsende 2015)


stützte Bilanzierung der
Säureeinträge in den Berg- 80.000 kmol
baufolgesee Zwenkau für (11%)
die Referenzvariante der 240.000 kmol
Flutung bis zum Abschluss
(34%)
der Flutung

132.000 kmol
(19%)

Stoffinhalt des Sees 2005


Kippenseen
260.000 kmol Niederschlags- und Wellenerosion
(36%) Diffusion aus der Innenkippe

Eigenschaften hat das Grundwasser als Säure- Säureeinträge und zum Nachweis der Notwen-
quelle für den Bergbaufolgesee Zwenkau keine digkeit einer Wasserbehandlung.
Bedeutung. Die Modellrechnungen zeigen, dass die durch
Durch Modellierung der Grundwasserströ- Flutungswasser eingetragene Neutralisation des
mung wurde eine instationäre Wasserbilanz für Zwenkauer Sees vor allem durch den Eintrag der
den Bergbaufolgesee Zwenkau berechnet (s. sauren Kippenseenwässer (19 %) sowie die hohen
Abschn. 5.6). Sie weist die Grundwasserzuströ- Stoffeinträge infolge Wellenerosion (36 %) und
me und -abströme, die klimatische Bilanz der Diffusion (34 %) beeinflußt wird (s. Abb. 5.51).
Seefläche, die oberirdischen Zuflüsse innerhalb Ohne Wasserbehandlung kann ein neutraler Zu-
der Böschungskontur, die Einleitungen von Flu- stand im Zwenkauer See zum Flutungsabschluss
tungswasser sowie den oberirdischen Abfluss nicht erreicht werden. Der Eintrag der Acidität
nach Erreichen des Stauziels als instationäre Bi- aus den Kippenseen erfolgt mit deren Einmi-
lanz mit einer hohen zeitlichen und räumlichen schung in den Bergbaufolgesee beim Überstau.
Auflösung aus. Auf dieser Basis wurde ein hyd- Die Stoffeinträge durch Erosion werden mit Er-
rochemisches Seemodell als Mischreaktormodell reichen der stationären Stauhöhe geringer. Der
entwickelt, das die relevanten Teilprozesse der diffusive Aciditätseintrag in den Zwenkauer See
Stoffeinträge, des Stoffaustauschs und der reak- steigt mit zunehmender Überdeckung der Innen-
tiven Wechselwirkungen berücksichtigt. kippe zunächst stark an. Die höchste Eintrags-
rate durch Diffusion aus den Kippen wird bei
Ermitteln des hydrochemischen vollständigem Überstau erreicht. Das Abklingen
Referenzzustandes der Diffusion erfolgt anschließend sehr langsam,
Das hydrochemische Modell konnte an einer so dass die Säureeinträge aus der Innenkippe in
zweijährigen hydrochemischen Entwicklung des den See noch länger zu kompensieren sind. In
Zwenkauer Sees kalibriert werden. Die Progno- der Nachsorgephase wird die Diffusion aus der
se der weiteren hydrochemischen Entwicklung Innenkippe zur maßgebenden Säurequelle des
erfolgte zunächst für das geplante Flutungssze- Bergbaufolgesees (Abb. 5.51).
narium (Abb. 5.51). Die hydrochemische Refe-
renzvariante für den Zwenkauer See diente zur Chemische Maßnahmen
Ermittlung der zeitabhängigen Quellstärken der Unter Berücksichtigung der quantifizierten Stoff-
quellen sowie des Standes der Technik wurden
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 329

für den Zwenkauer See unterschiedliche Varian- Material flächendeckend in die obere Schicht
ten der Behandlung betrachtet: der Kippe eingebaut wird. Der Einbau kann aus
• Wasserbehandlung am Ablauf des Sees verfahrenstechnischer Sicht nur nach der Über-
• chemische Vorbehandlung des Flutungswas- flutung der Innenkippe erfolgen. Entsprechend
sers den physikalischen Gesetzmäßigkeiten findet die
• chemische Neutralisation der Kippenseen Diffusion der sauren Bestandteile durch die neut-
• chemische Neutralisation des Seewassers als ralisierte Teilschicht statt.
In-Lake-Verfahren Die Wirkung der einzelnen Verfahren wurde
• chemische Behandlung der Kippenoberfläche. auf der Grundlage des an der bisherigen Ent-
Die Wasserbehandlung am Ablauf des Sees ist wicklung kalibrierten und für die Referenzva-
eine Minimaloption, die die aufnehmenden Fließ- riante des hydrochemischen Seemodells geprüft.
gewässer vor einer Versauerung schützt. Mit den Die Berechnungen zeigen, dass allein mit der
anderen Verfahren kann ein Zusatznutzen durch Vorbehandlung des Flutungswassers, der Neutra-
Neutralisation des Seekörpers erreicht werden. lisation der Kippenseen oder der Behandlung der
Das Sümpfungswasser der MIBRAG-Tage- Kippenoberfläche keine sofortige Neutralisation
baue verfügt aufgrund seines natürlichen Kohlen- des Seewassers erreicht werden kann. Mit dem
säuregehaltes über eine hohe Kalklösekapazität. In-Lake-Verfahren kann zum Flutungsabschluss
Allein durch den Einsatz von Kalkhydrat kann eine neutrale Wasserbeschaffenheit im Bergbau-
die Alkalinität des Profener Sümpfungswassers folgesee hergestellt werden. Durch die bevorzug-
von derzeit 0,5 mmol/L auf 2,5 mmol/L bis zur te Verwendung von kostengünstigem Kalkhydrat
Calcitsättigung erhöht werden. Durch den zu- kann jedoch eine geringe Pufferung mit etwa 0,1
sätzlichen Einsatz von Kohlensäure als Lösungs- bis 0,2 mmol/L Alkalinität aufgebaut werden.
vermittler kann die Alkalinität des Flutungswas- Das Seewasser unterliegt jedoch der Wiederver-
sers mit entsprechendem Rohstoffeinsatz weiter sauerung durch Diffusion aus der Innenkippe.
erhöht werden und ist für eine Vorbehandlung
geeignet. Erarbeiten einer Lösung
Die Kippenseekörper können durch ein vor- Mit Hilfe des hydrochemischen Prognosemodells
beugendes In-Lake-Verfahren neutralisiert wer­ wurden deshalb verschiedene Verfahrenskombi-
den. Im hydrochemischen Seemodell wird nationen geprüft. (Abb. 5.52). Durch die Fach-
die Neutralisation der Kippenseen durch eine leute wurde eingeschätzt, dass die Konditionie-
pH-gesteuerte Zugabe von Kalkhydrat unter Be- rung der Kippenoberfläche aufgrund des hohen
rücksichtigung des Wirkungsgrads abgebildet. Verfahrensrisikos sowie der hohen Rohstoff- und
Mit einem In-Lake-Verfahren im gesamten Baukosten zur Sicherung der Nachhaltigkeit
Wasserkörper des Zwenkauer Sees muss recht- nicht in Betracht kommt. Ein neutraler Zustand
zeitig vor Erreichen des Zielstaus begonnen des Sees kann folglich dann nachhaltig gewähr-
werden. Um einen hohen Wirkungsgrad zu errei- leistet werden, wenn das In-Lake-Verfahren be-
chen, muss die Suspension mit einem geringen darfsabhängig wiederholt oder dem See gepuf-
Feststoffgehalt und möglichst großflächig im See fertes Wasser im Sinne einer Nachsorgeflutung
verteilt werden (s. Abschn. 5.9). Das hydrogeo- zugeführt wird. Der mit dem hydrochemischen
chemische Modell geht von einer guten Einmi- Seemodell nach dem Berechnungsprinzip eines
schung des Neutralisationsmittels in das Seewas- pH-stat-Versuches ermittelte Neutralisations-
ser und von einem hohen funktionalen Wirkungs- mittelbedarf beträgt unter Berücksichtigung des
grad aus. funktionalen Wirkungsgrades anfänglich etwa
Der Säureeintrag aus den Sedimenten in den 5 t/d Kalkhydrat und verringert sich in 20 Jahren
See kann durch chemische Behandlung der Kip- auf etwa 1 bis 2 t/d. Die Nutzung von Flusswasser
penoberfläche gemindert werden. Das hydroche- aus der Weißen Elster oder die Verwendung des
mische Modell setzt voraus, dass das alkalische vorkonditionierten Sümpfungswassers aus den
330 F.-C. Benthaus et al.

Abb. 5.52   Prognose des 8 80


pH-Wertes im Bergbau- 70
folgesee Zwenkau für 7 60
die Referenzvariante und

Volumenstrom [m³/min]
50
kombinierte Maßnahmen
6 40
der Wasserbehandlung

pH-Wert
a Vorkonditionierung, b 30
Neutralisation See und 5 20
Kippe, c In-Lake-Neutra- 10
lisation und chemische 4 0
Behandlung Kippe -10
3 -20
-30
2 -40

2005
2007
2009
2011
2013
2015
2017
2019
2021
2023
2025
2027
2029
2031
2033
Referenzvariante
Vorkonditionierung des Flutungswasser und Neutralisation der Kippenseen
a

8 80
70
7 60

Volumenstrom [m³/min]
50
6 40
pH-Wert

30
5 20
10
4 0
-10
3 -20
-30
2 -40
2005
2007
2009
2011
2013
2015
2017
2019
2021
2023
2025
2027
2029
2031
2033
2035
2037
2039

Referenzvariante
Neutralisation der Kippenseen und Behandlung der Kippenoberfläche
b

8 80
70
7 60
Volumenstrom [m³/min]

50
6 40
pH-Wert

30
5 20
10
4 0
-10
3 -20
-30
2 -40
2005
2007
2009
2011
2013
2015
2017
2019
2021
2023
2025
2027
2029
2031
2033
2035
2037
2039

Referenzvariante
c in-lake-Neutralisation und chemische Behandlung der Kippenoberfläche
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 331

benachbarten Braunkohlentagebauen zur Nach- 5.8 Hydraulische Maßnahmen zur


sorge stellt einen Beitrag dar, der eine Prüfung Füllung der Bergbaufolgeseen
ihrer langfristigen Verfügbarkeit voraussetzt.
Mit dem hydrochemischen Seemodell wur- Bereits mit dem Aufschluss von Tagebauen
den die Quellstärken der Säureeinträge sowie wurde nachhaltig in die wasserwirtschaftlichen
die zeitliche Wirkungsentfaltung und Zielerrei- Verhältnisse der Region eingegriffen. Die zur
chung einzelner Wasserbehandlungsmaßnahmen Freilegung der Kohle gehobenen Wassermengen
eingeschätzt. Die Modellergebnisse stellen eine mussten in vergrößerten Vorflutern abgeleitet
gute Planungsgrundlage zur Auswahl geeig- werden. Flussabwärts dienten diese Wassermen-
neter Maßnahmen, zur Mengenermittlung von gen direkt zur Stabilisierung der Abflussverhält-
Neutralisationsmitteln und zur Kostenschätzung nisse in den Vorflutern. Vor allem die nahezu über
dar. Die weitere Entwicklung des Seewassers ist das Jahr konstante bergbauliche Wasserhebung
durch ein Monitoring zu erfassen. Bei deutlichen führte zur Anhebung des Niedrigwasserabflusses
Abweichungen der hydrochemischen Entwick- dort und ließ Nutzungen für die industrielle und
lung des Bergbaufolgesees von den Prognosen landwirtschaftliche Produktion zu, die aus dem
und den Plangrößen muss das hydrochemische natürlichen Aufkommen nicht möglichen gewe-
Seemodell evaluiert werden. sen wären.
Mit der Sanierung änderte sich die Situation in
den bergbaubeeinflussten Flusseinzugsgebieten
5.7.5 Resümee grundlegend. Es waren eine Vielzahl von Hohl-
räumen entstanden, die so genannten Tagebau-
Durch die Steigerung der Leistungsfähigkeit, die restlöcher. Dieses Volumen konnte nicht durch
Erweiterung der inhaltlichen Möglichkeiten und Massen aus anderen Abbaugebieten aufgefüllt
die deutlich verbesserte Bedienerfreundlichkeit werden. Als Alternative bot sich die Herstellung
wurden hydrogeochemische Modelle in den letz- von Bergbaufolgeseen an, die sich in das nach
ten Jahrzehnten praxistauglich in der Sanierung dem Bergbau einstellende hydrologische System
eingesetzt. Es wurde gezeigt, dass die hydroche- eingliedern und als nachnutzbares Element in der
mische Modellierung zu einem wichtigen Pla- Landschaft zu betrachten sind.
nungsinstrument für die wasserwirtschaftliche Eine Füllung durch den Eigenaufgang des
Sanierung geworden ist. Da die Aussagen der Wasserspiegels in den Bergbaufolgeseen hätte
Modellierung kostenrelevant sind, werden hohe in hydrologisch ungünstigen Gebieten bis zu
Ansprüche an die Zuverlässigkeit der Aussagen 100 Jahren gedauert. Damit wäre das im Bun-
gestellt. Diese wird vor allem durch ein gutes desberggesetz (BBergG) verfügte Gebot zur
System- und Prozessverständnis der Fachleute Wiedernutzbarmachung der bergbaulich in An-
erreicht. spruch genommener Flächen verfehlt worden.
Der Nutzen der hydrochemischen Modellie- Im Ergebnis dieser Art der Füllung wären stark
rung wurde durch (DVWK 1992) schon so einge- schwefelsaure Seen mit niedrigen pH – Werten
schätzt, wonach „[eine]… ordnungsgemäße und und hohen, teilweise die Gipssättigungsgrenze
kritische Anwendung geochemischer Modelle erreichenden Sulfatgehalten entstanden. Solche
… stets eine sachbezogene, datenorientierte und Wasserbeschaffenheiten schließen eine öffent-
somit objektive Auseinandersetzung mit hetero- liche Nachnutzung über lange Zeiträume aus
genen und komplexen Natursystemen dar[stellt], und erfordern für eine direkte Anbindung an das
die auch in der Praxis subjektiven Interpretatio- öffentliche Gewässernetz aufwändige Behand-
nen und Vermutungen vorgezogen oder zumin- lungsmethoden.
dest als zusätzliches Hilfsmittel verfügbar ge- Deshalb wurde bei der Sanierung des Was-
macht werden sollte.“ serhaushaltes auf die Füllung der entstehenden
332 F.-C. Benthaus et al.

Bergbaufolgeseen durch Zufuhr von Wasser Notwendigkeit einer Flutungssteuerung


aus nahe gelegenen, öffentlichen Gewässern zur im Lausitzer Revier
Unterstützung des natürlichen Wasseranstiegs Der derzeitige Füllstand der Lausitzer Bergbau-
orientiert. Diese Art der Füllung ist als ein Ele- seen liegt bei ca. 1,3 Mrd. m3 und hat damit bereits
ment der Gefahrenabwehr zu betrachten, denn 58 % des Gesamtvolumens erreicht (Abb. 5.53).
der schnellere Anstieg des Wasserspiegels dient Im Einzugsgebiet der Spree werden 15 Ta-
der Stabilisierung der Böschungen und vermin- gebaurestseen mit einer Gesamtwasserfläche
dert die durch Wellen erzeugte Böschungsero- von 7.350 ha entstehen. Im Einzugsgebiet der
sion an den später unter Wasser gehenden Bö- Schwarzen Elster sind es 14 Tagebaurestseen mit
schungen. einer Seewasserfläche von etwa 5.880 ha. Aus
dem sächsischen Tagebaurestloch Berzdorf bei
Görlitz entsteht ein See mit einem Seevolumen
5.8.1 Flutungssteuerung und Bewirt- von 330 Mio. m3 Inhalt und einer Wasserfläche
schaftung von ca. 1.000 ha. Der künftige Berzdorfer See
befindet sich neben dem schon fertig gestellten
Die LMBV hat die anspruchsvolle Aufgabe Bergbaufolgesee Olbersdorf im Einzugsgebiet
übernommen, neben ca. 170 kleinen auch 51 der Neiße.
große Tagebaurestlöcher zu fluten, davon 31 in Eine Hauptaufgabe der Bergbausanierung ist
der Lausitz und 20 in Mitteldeutschland. Damit die Wiederherstellung eines ausgeglichenen, sich
entsteht in der Lausitz eine Gesamtwasserfläche weitestgehend selbst regulierenden Wasserhaus-
von ca. 14.200 ha, die Wasserfläche in Mittel- haltes (Umweltministerbeschluss von 1994). Um
deutschland wird ca. 10.400 ha betragen. Die dieses Ziel zu erreichen, ist die schnelle Flutung
Flutung eines Tagebaurestloches setzt mit der von Tagebaurestlöchern durch die Zuführung
Einstellung der bergbaulichen Grundwasserab- von Oberflächenwasser aus den Fließgewässern
senkung ein. Das Grundwasser beginnt danach und die Nutzung des Eigenaufganges von Grund-
wieder auf das vorbergbauliche Niveau anzustei- wasser notwendig (Abb. 5.54). Damit wird es
gen und füllt dabei auch die Tagebaurestlöcher möglich, das Mengendefizit schrittweise auszu-
langsam auf. Der erforderliche Aufwand zur gleichen und die Gewässerbeschaffenheit im er-
Gewährleistung der Standsicherheit der Rest- forderlichen Maße zu gewährleisten.
lochböschungen wäre unter diesen Bedingun- Die schnelle und maximale Zuführung von
gen sehr hoch und die öffentlichen Nutzungen Flutungswasser aus den Einzugsbereichen von
müssten lange Zeit einschränkt werden. Weiter- Spree, Schwarzer Elster und Lausitzer Neiße hat
hin wäre mit einer Verschlechterung der Was- für die LMBV deshalb höchste Priorität.
serqualität durch den Versauerung zu rechnen. Die Lausitz ist mit einer durchschnittlichen
Zusätzlich zur Füllung durch den natürlichen Jahresniederschlagsmenge von rd. 570 mm/a
Grundwasserwiederaufgang wurde daher bereits als niederschlagsarm einzustufen. Aufgrund des
frühzeitig auf eine aktive, schnelle Flutung mit kleinen Einzugsgebietes der Lausitzer Flüsse hat
Oberflächenwasser aus Flüssen orientiert, um die Niederschlagsmenge einen unmittelbaren
die Flutungszeiten auf 5 bis 12 Jahre zu verkür- Einfluss auf die Abflussmengen und somit auf
zen und die erreichbare Gewässerbeschaffenheit die verfügbare Flutungswassermenge.
zu optimieren. Dazu ist es notwendig, mit einer Der Vergleich der Mittelwasserabflüs-
Flutungsteuerung alle verfügbaren Ressourcen se der Schwarzen Elster (2,0 m3/s), der Spree
aus den Fließgewässern der Region für die Flu- (13,5 m3/s) und der Neiße (17,5 m3/s) mit den
tung zu erschließen und langfristig für die Nach- des Rheins (2.300 m3/s) verdeutlicht die Situa-
sorge zu sichern. tion in der Lausitz. Einem hohen Wasserbedarf
zur Flutung und Nachsorge stehen Flüsse mit
einem geringen Dargebot gegenüber. Hier gilt es,
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 333

Abb. 5.53   Bergbaufolgeseen im Lausitzer Revier

Mio. m³ 0,00 50,00 100,00 150,00 200,00 250,00 300,00 350,00

Olbersdorf
Berzdorf
Bärwalde
Lohsa II
Ostsachsen

Dreiweibern
Burghammer
Scheibe
Spreetal NO
RL D/F
Bluno
Nordrandschlauch
Nordschlauch
Südostschlauch
Kortitzmühle
Lugteich
Gräbendorf
Schönfelder See
Lichtenauer See
Drehnaer See
Schlabend. See
Brandenburg

Bischdorfer See
Kahnsdorfer See
Klinger See
Greifenhain
Koschen
Skado
Sedlitz
Meuro
Bergheider See
Heidesee
Füllvolumen 12/2009 Freies Volumen
Kleinleip. See

Abb. 5.54   Flutungsstand der Bergbaufolgeseen Lausitz (Stand Dez. 2009)


334 F.-C. Benthaus et al.

60 60

50 50

40 40

mm (Niederschlag)
m³/s (Durchfluss)

30 30

20 20

10 10

0 0
01.01.09

22.02.09

20.03.09

15.04.09

11.05.09

06.06.09

28.07.09

23.08.09

18.09.09

14.10.09

05.12.09

31.12.09
27.01.09

02.07.09

09.11.09
Wochenniederschlag, Normalwert Wochenniederschlag Lohsa
Mindestabfluss Pegel Spreewitz
Hochwasser A1

Abb. 5.55   Durchfluss-Diagramm Spree am Pegel Spreewitz

temporäre und jahreszeitliche Spitzen gezielt zu


Flutung zu nutzen.
Abbildung  5.55 zeigt den Abfluss der Spree
am Pegel Spreewitz im Ergebnis der Wochen-
niederschläge der Station Lohsa, ein für die Lau-
sitzer Flüsse typisches Abflussverhalten. Einem
geringen Mittelwasserabfluss stehen kurze, er-
giebige Hochwasserperioden gegenüber.
Die Entnahmen für die Flutung des Wasser-
speichers Lohsa II sind oberhalb des behördlich
festgelegten Mindestabfluss (grün) möglich. Die-
ser muss gewährleistet werden, um Nutzungs-
ansprüche der Unterlieger, wie Wasserwerke, Abb. 5.56   Flutungsanlage Bluno für eine Kapazität bis
Kraftwerke oder ökologisch sensibler Bereiche, 5,0 m3/s
wie der Spreewald, zu sichern. Die Rang- und
Reihenfolge der Flutung wird jährlich mit den Nach Errichtung aller Einlaufbauwerke kön-
Behörden neu verhandelt und festgelegt. Beson- nen aus dem Einzugsgebiet der Spree im Hoch-
ders deutlich wird hier die Notwendigkeit zur wasserfall kurzzeitig bis zu 43,5 m3/s entnommen
schnellen Reaktion auf Hochwasserspitzen. Nur werden. Im Einzugsgebiet der Schwarzen Elster
eine ausreichende Dimensionierung der Zuleiter beträgt die maximale Flutungswassermenge bei
erlaubt es, in den kurzzeitigen Hochwasserperio- Hochwasser nach Fertigstellung aller Einlauf-
den maximale Mengen entnehmen zu können, bauwerke 27,0 m3/s. Aus dem Einzugsgebiet der
wie in Abbildung 5.56 erkennbar. Neiße können bei Hochwasser bis zu 14,5 m3/s
entnommen werden (Abb. 5.57).
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 335

m³/s
100,00

Endausbau: 85 m³/s
90,00

Summe: 71,5
80,00
14,5
70,00 13,5

60,00
Nei ß e
27,0
50,00 Schwarze 17,5
Elster
40,00

30,00

20,00 Spree 40,5 43,5

10,00

0,00
1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

Abb. 5.57   Technische Entnahmekapazitäten der Flutungsanlagen in der Lausitz

Flutungszentrale Lausitz all ihren Entscheidungen und Stellhandlungen


Um die Aufgaben einer Steuerung und Bewirt- das Gesamtgebiet der Flüsse zu betrachten.
schaftung der Oberflächengewässer erfüllen zu Um die Erschließung von Flutungswasser-
können, haben die Bund- und Länderministerien mengen zu ermöglichen, ohne in hoheitliche Be-
beschlossen, mit der „Flutungszentrale Lau- lange einzugreifen, sind zur Bewirtschaftung des
sitz“ (FZL) eine Struktur zu schaffen, welche natürlichen Dargebots mit den Behörden der Län-
maximale Wassermengen für die Flutung und dern Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und
Nachsorge der Bergbaufolgeseen der LMBV Berlin Bewirtschaftungsgrundsätze abgestimmt
erschließt und diese optimal durch eine geziel- worden. Danach ist eine Flutung möglich, wenn
te Steuerung nutzt. Diese Steuerzentrale richtet • die an Referenzprofilen vereinbarten erforder-
sich gemäß der Europäischen Wasserrahmen- lichen Mindestabflüsse überschritten sind
richtlinie an den Gewässereinzugsgebieten aus • die Füllung der Talsperren und Speicher deren
und wirkt über Verwaltungsgrenzen hinweg. Betriebsbereitschaft sichergestellt ist
Nach intensiver Vorbereitung durch eine länder- • die vergebenen Nutzungsrechte und die Ver-
übergreifende interministerielle Wasserarbeits- sorgung ökologisch bedeutsamer Gebiete
gruppe (LIWAG) konnte die „Flutungszentrale (z. B. Spreewald) sichergestellt werden.
Lausitz“ (FZL) am 14. September 2000 ihren Das erfordert eine kontinuierliche Bewertung
Betrieb aufnehmen. der Abflusssituation in den Flüssen, um auf me-
Für die Beurteilung der Flutungssituation teorologische Ereignisse und sporadische Ein-
werden ein Einzugsgebiet von ca. 8.000 km2, griffe wie Teichablass und wartungsbedingte
eine Flusslänge von ca. 250 km Spree, ca. 75 km Talsperrenabgaben reagieren zu können. Für Ihre
Schwarze Elster, ca. 60 km Lausitzer Neiße Tätigkeit benötigt die FZL umfangreiche Daten
und 220 Meldegrößen aus Referenzstellen der zu den Flussgebieten, den Speichern, den Abga-
Länder berücksichtigt. Eine kontinuierliche Be- ben und Entnahmen. Diese Informationen wer-
obachtung und Bewertung ermöglicht zeitnahe den ständig zwischen der Flutungszentrale und
Reaktionen auf Veränderungen der Abflüsse und den Fachbehörden der Länder ausgetauscht.
deren Nutzung für die Flutung. Die FZL hat bei
336 F.-C. Benthaus et al.

Abb. 5.58   Betrachtungs-


gebiet Flutungszentrale
Lausitz mit den Referenz-
pegeln in Brandenburg
( rot) und Sachsen ( grün)

Alle Betriebsdaten der Flutungsanlagen und genutzten Langzeitbewirtschaftungsmodells


die Systemzustände der wasserwirtschaftlichen ArcGRM Spree/Schwarze Elster.
Anlagen der Landestalsperrenverwaltung (LTV) Über eine Steueranweisung wird der Betriebs-
in Sachsen und des Landesumweltamtes Bran- führungszentrale die Flutungswasserverteilung
denburg (LUA) werden täglich erfasst und hyd- für die kommende Woche vorgegeben, die dann
rologisch bewertet. Dazu ist ein EDV Programm durch entsprechende Steuerhandlungen umge-
entwickelt worden, welches eine Prognose für setzt und überwacht wird. Eine an der Beschaf-
die nächste Woche auf Basis der Erfahrungswer- fenheit orientierte Steuerung befindet sich in der
te erlaubt. Die Eingangsgrößen der Simulations- Testphase.
Modellrechnung sind die Tagesmittelwerte von In der Abbildung 5.58 ist das Betrachtungs-
Durchflüssen, Beckeninhalten, Entnahmen, Ein- gebiet der Flutungszentrale Lausitz, in dem die
leitungen und Klimadaten. Messwerte aller wasserwirtschaftlichen Anlagen
Zur Ermittlung der verfügbaren Flutungswas- von LUA, LTV, aktiven Bergbau und die zu flu-
sermengen bedient sich die Flutungszentrale des tenden Tagebaurestlöchern erfasst werden. Die
für das Spree/Elstergebiet entwickelten Flutungs- starke Vernetzung der Flutungsbereiche unterei-
steuerungsmodells GRMSTEU. Das Modell be- nander setzt eine umsichtige Steuerung bei der
ruht auf der Grundlage des von den Ländern Verteilung der aus den Flüssen entnommenen
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 337

Wassermengen voraus. Insgesamt werden zurzeit Auf der Grundlage eines Wasserlieferungs-
27 regelbare Einleitungen, 11 Anbindungen von vertrages zwischen der LMBV mbH und der
Gräben an entstehende Bergbaufolgeseen und MIBRAG mbH wurde seit 1998 schrittweise
18 Überleitungen von Tagebaurestloch zu Tage- ein 62 km langes Rohrleitungsverbundsystem
baurestloch berücksichtigt. Die Wasserverteilung errichtet (Abb. 5.61). Es wurde damit möglich,
zwischen den Bergbaufolgeseen ist ein wichtiges die Tagebaurestlöcher Cospuden, Werben, Mark-
Stellglied zur Beeinflussung der Wasserbeschaf- kleeberg, Störmthal, Hain, Haubitz, Kahnsdorf
fenheit (Abb. 5.59). und Zwenkau schnell zu fluten. Zur Steuerung
und Überwachung der Flutung wurde ein Ma-
Flutungssteuerung im Südraum Leipzig in nagement entwickelt, das u. a. die für den Was-
Mitteldeutschland seranstieg in den Restlöchern wichtigen geotech-
Als ökologisch und wirtschaftlich sinnvolle nischen und hydrogeologischen Besonderheiten
Möglichkeit der Wiedernutzbarmachung der ent- und Vorgaben berücksichtigt und das verfügbare
standenen Tagebaurestlöcher ist die Herstellung Flutungswasser nach Menge und Qualität ver-
von Bergbaufolgeseen durch Flutung notwendig. teilt. Qualitätsveränderungen des Flutungswas-
Im Südraum Leipzig lagen mit dem Kulkwitzer sers konnten mit einem angepassten Wasser-
See schon Erfahrungen zur Herstellung eines lo- lieferkonzept berücksichtigt werden (Benthaus
kalen Einzelgewässers vor. et al. 2009).
Die Wiederherstellung eines sich weitgehend Das System zur Überwachung der Rohrlei-
selbst regulierenden Gebietswasserhaushaltes, zu tung (DN 600 und DN 800) besteht aus zwei
dem neben den Stand- und Fließgewässern auch zentralen PC und derzeit 18 Messstationen. Die
das Grundwasser gehört, war damit zu einer re- Software wird den jeweiligen technologischen
gional übergreifenden Aufgabe geworden. In der Bedingungen der Flutung angepasst. Neben den
Phase der Sanierung und Vorbereitung der Tage- Parametern für die Leckage, werden auch die
baurestlöcher für eine Flutung konnten die erfor- Unterschreitung bzw. die Überschreitung des
derlichen wasserrechtlichen Planfeststellungsver- technologisch erforderlichen minimalen und
fahren zur Gewässerherstellung bis 2008 durchge- maximalen Volumenstroms und die Überschrei-
führt und jeweils zu einem Beschluss geführt wer- tung des technischen Leitungsschutzes gemeldet
den. Damit liegen alle Voraussetzungen vor, die (Abb. 5.61).
Flutungsvorhaben der LMBV im Raum Leipzig Zur Einschätzung der verfügbaren und er-
mit der Herstellung des Zwenkauer Sees bis 2014 forderlichen Wassermengen zur Gewässerher-
abzuschließen. Die zu flutenden Bergbauseen mit stellung einschließlich der bergbaubedingten
einem insgesamt aufzufüllendem Volumen von Nachsorge und der Wiederauffüllung der Grund-
1,9 Mrd. m3 im Mitteldeutschen Revier wurden wasserleiter ist es notwendig, eine Gesamtwas-
durch die bisher durchgeführten Maßnahmen bis serbilanz auf der Grundlage eines hydrogeolo-
Ende 2009 zu 82 % gefüllt. gischen Großraummodells zu erstellen. Hierfür
Der Werbeliner See bei Delitzsch im Norden betreiben MIBRAG mbH und LMBV gemein-
von Leipzig konnte über eine rund 12 km lange sam das Großraummodel Südraum Leipzig (s. a.
Rohrleitung mit Wasser aus der Luppe geflutet Abschn. 5.6.2).
werden. In Sachsen-Anhalt waren mit der Mulde Die Seen im Südraum Leipzig erhalten einen
und Saale zwei wasserreiche Flüsse zur Flu- höhenmäßig festgelegten Abfluss, der die Was-
tung des Goitschesees, des Greminer Sees, des serbilanz aus Neubildung und Verdunstung be-
Gröbener Sees (Mulde) und des Geiseltalsees rücksichtigt. Klimabedingt kann es zu erhebli-
(Saale) nutzbar. Mit geeignetem Wasser aus der chen Schwankungen der Höhe von Grund- und
Sümpfung der Tagebaue Profen und Vereinig- Seewasserspiegel kommen, was künftige Nut-
tes Schleenhain der MIBRAG mbH konnte aber zungen der Seen und Fließgewässer beeinträch-
auch für den Leipziger Südraum eine gute Lö- tigen kann. Das überschüssige Wasser der Berg-
sung für schnelle Restlochflutungen gefunden baufolgeseen wird u. a. zur Pleiße oder in die
werden (Abb. 5.60). Weiße Elster abgeleitet. In Trockenzeiten muss
338

Abb. 5.59   Verflechtung der Bergbaufolgeseen


F.-C. Benthaus et al.
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 339

0LRPñ          

+DVHOEDFKHU6HH
+DXELW]HU+DLQHU
:HVWVDFKVHQ

.DKQVGRUIHU6HH
7KULQJHQ

:HUEHQHU6HH
=ZHQNDXHU6HH
&RVSXGHQHU
6W|UPWKDOHU6HH
0DUNNOHHEHUJHU
:HUEHOLQHU6HH

*UHPPLQHU6HH
*U|EHUQHU6HH
6DFKVHQ$QKDOW

*RLWVFKHVHH
6HHOKDXVHQHU
&RQFRUGLDVHH
*HLVHOWDOVHH
6GIHOGVHH
5XQVWlGWHU6HH
5D‰QLW]HU6HH )OOYROXPHQ )UHLHV9ROXPHQ
:DOOHQGRUIHU6HH

Abb. 5.60   Erreichte Füllung der Bergbaufolgegewässer in Mitteldeutschland

Hydrotechnische Maßnahmen zur Flutungsbeschleunigung, Säure- u. Sulfatverdünnung

Fremdflutungskonzeption SR Leipzig

Leipzig LMBV-Restsee
1998 - 2000 1999 - 2008
109 Mio. m³ 68 Mio. m³ MIBRAG-Tagebau
Cospudener See
2006 - 2013 Markkleeberger See P= Pumpstation
174 Mio. m³ Störmthaler See verlegte Rohrleitung
Zwenkauer See noch zu verlegende Rohrleitung
Fremdflutungsbeginn Zwenkau 2003 - 2011
Zwenkauer See 09.03.2007 168 Mio. m³ Anlagenbestand
Werbener See Abschnitt Länge Durchmesser
in km DN
Kahnsdorfer/Hainer ----------------------------------------------------------------------
Tagebau See 1999 - 2008
Profen-Cospuden 23,05 800
Abzweig Werben 0,43 500
Tagebau 118 Mio. m³ Cospuden-Markkleeberg 9,07 800/600

Profen Vereinigtes Schleenhain-Witznitz


Markkleeberg-Störmthal 4,64
15,83 600/500
800
Borna Witznitz-Störmthal 8,30 600

P Schleenhain Leitungslänge: 61,32


P
Bockwitzer See
TRL Groitzscher
Dreieck Flutungszeiten
Weiße Elster TRL Haselbach III
Stützung mit 7 m³/min Flutungsvolumen
Pleiße

Abb. 5.61   Flutungskonzeption Südraum Leipzig

der erforderliche Mindestabfluss mit einer ge- reits in der Flutungsperiode der Seen Maßnah-
zielten Bewirtschaftung der Bergbaufolgeseen men gegen eine geogen bedingte Versauerung des
durch Nutzung von Speicherräumen, die in der Seewassers erforderlich werden (s. Abschn. 5.9).
nassen Jahreszeit aufgefüllt und damit herbeige- Die Flutung der Bergbaufolgeseen wird deshalb
führt werden. durch ein Netz von See- und Grundwassermess-
Zur Erfüllung der aktuellen Anforderun­ gen stellen zur Erfolgskontrolle und Steuerung des
gemäß EU-Wasserrahmenrichtlinie können be- Flutungsprozesses überwacht. Die ermittelten
340 F.-C. Benthaus et al.

Abb. 5.62   Abflussdauer- 25


linie Pegel Neuwiese (DJG
2005)
20

Durchfluss in m³/s
15

10

0
0 30 90 150 210 270 330 360
Unterschreitungshäufigkeit in Tagen

Ergebnisse dienen als Grundlage für Anpassun- der Schwarzen Elster werden deshalb nur Hoch-
gen der Flutungssteuerungskonzeption für den wasserspitzen zur Verfügung stehen. Die Ent-
Südraum Leipzig. nahmebauwerke entlang der Schwarzen Elster
wurden auf die Ableitung von bis zu 5 m3/s, in
Ausnahmefällen auf 15 m3/s ausgelegt.
5.8.2 Wasserüberleitung aus der Für eine Wasserüberleitung aus dem Ein-
Lausitzer Neiße ins Spree/ zugsgebiet der Spree in das Einzugsgebiet der
Schwarze-Elster-Gebiet Schwarzen Elster bot sich eine nahe der Ort-
schaft Spreewitz gelegene Stelle, bei Flusskilo-
Die wasserhaushaltliche Sanierung in den Ein- meter 267, als geeignet an. Abbildung 5.63 zeigt
zugsgebieten der Spree und Schwarzen Elster ist das auf 2 m3/s ausgelegte Entnahmebauwerk am
ein wichtiges Kernelement der Braunkohlesanier­ Ufer der Spree. Im Hintergrund ist die Pump-
ung. Im Gebiet zwischen Boxberg im Osten und station zur Überleitung des Wassers in Richtung
Senftenberg im Westen entstehen Bergbaufolg- „Oberer Landgraben“ zu sehen.
eseen mit einer Fläche von 9.400 ha und einem Abbildung 5.64 gibt den Lageplan der Wasser-
Volumen von 1,3 Mrd. m3. Die für die Füllung überleiter Spree-Schwarze Elster wieder. Über die
der entstehenden Bergbaufolgeseen benötigten anschließende, ca. 7,9 km lange Doppelrohrlei-
Wassermengen sind aus dem Aufkommen der tung (3) mit einer Nennweite von 1.000 mm wird
Spree und Schwarzen Elster allein nicht bereit die Wasserscheide zwischen Spree und Schwar-
zu stellen. Weitergehende Untersuchungen zur zer Elster überwunden und das Wasser in das
Erschließung zusätzlicher Wassermengen für Einzugsgebiet der Schwarzen Elster geleitet (4).
die Füllung berücksichtigen die Spree und die in Den Weitertransport zu den entstehenden Berg-
ihrem Verlauf gelegenen Talsperren und wasser- baufolgeseen übernimmt der aus vorbergbauli-
wirtschaftlichen Speicher. cher Zeit existierende „Obere Landgraben“ (5).
Die Abflussganglinie am Pegel Neuwiese (un- Durch Stichkanäle können die Bergbaufolgeseen
mittelbar stromab von Hoyerswerda gelegen) Spreetal Nordost (9), Spreetal/Bluno (8) sowie
belegt das eindeutig (Abb. 5.62). Ein Durchfluss Skado (7) und Sedlitz (6) bedarfsgerecht geflutet
von beispielsweise 5 m3/s wird an mehr als 300 als auch in die Nachsorge eingebunden werden.
Tagen unterschritten. Eine Aufwältigung des „Oberen Landgra-
Durch die Reduzierung der bergbaulichen bens“ sowie dessen Ausbau als gedichtetes Ge-
Wassereinleitung in Folge fortschreitender berg- wässer einschließlich der zugehörigen Anlagen
männischer Sanierung war zudem mit einem für die Wasserverteilung ist erfolgt. Die vorlau-
weiteren Rückgang der Abflüsse zu rechnen. Aus fenden technischen und wirtschaftlichen Unter-
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 341

Abb. 5.63   Entnahmebau-


werk bei Spreewitz. (Foto:
Radke)

suchungen zum Betrieb der Überleitung zeigten Eine Untersuchung zur Entnahme von Wasser-
jedoch, dass unter Berücksichtigung der auch im mengen aus der Elbe und Überleitung brachte
Spreegebiet zu füllenden Bergbaufolgeseen das keine wirtschaftlich zufriedenstellenden Ergeb-
Wasserdargebot der Spree nicht ausreicht, um nisse hinsichtlich Menge und Beschaffenheit.
eine qualitätsgerechte Flutung der Bergbaufolge­ Eine gründliche Bewertung der technischen Rea-
seen mit den verfügbaren Wassermengen sichern lisierbarkeit, der Genehmigungsfähigkeit sowie
zu können. Auch die im Oberlauf der Spree ge- eine Abschätzung der notwendigen wirtschaft-
legenen Talsperren und wasserwirtschaftlichen lichen Aufwendungen führten zu dem Ergebnis,
Speicher können nicht ausreichende Wassermen- dass diese Überleitungen mit vertretbarem tech-
gen für Trinkwasser, Kraftwerke und Flutung be- nischen und wirtschaftlichen Aufwand nicht zu
reitstellen. realisieren sind (LMBV 1992).
Es wurden weitere Möglichkeiten der Erhö- Alternativ dazu wurde die Möglichkeit einer
hung der notwendigen Wassermengen geprüft. Wasserüberleitung aus der Lausitzer Neiße

Abb. 5.64    Wasserüberleitung aus der Spree in das graben, 5 Oberer Landgraben, 6 Sedlitzer See, 7 Skadoer
Schwarze Elster – Gebiet, 1 Spree, 2 Pumpstation Spree- See, 8 Bergbaufolgesee Spreetal/Bluno, 9 Bergbaufolg-
witz, 3 Rohrleitung Pumpstation Spreewitz – Schwarze esee Spreetal- Nordost
Pumpe, 4 Rohrleitung Schwarze Pumpe – Oberer Land-
342 F.-C. Benthaus et al.

Abb. 5.65   Abflussdauer- 140


linie am Pegel Görlitz
(Lausitzer Neiße) (LMBV 120
1996a) 100

Durchfluss in m³/s
80

60

40
20

0
0 30 90 150 210 270 330 360
Unterschreitungshäufigkeit in Tagen

untersucht (THA 1994). Die Lausitzer Neiße als ren – eine Vereinbarung über die Bereitstellung
Grenzfluss zwischen der Republik Polen und von 20 Mio. m3 Wasser aus den Talsperren Baut-
der Bundesrepublik Deutschland ist der was- zen und Quitzdorf in den Monaten Mai bis Sep-
serreichste Fluss in der Lausitz. Die Abfluss- tember abgeschlossen werden. Die Abforderung
ganglinie für den Pegel Görlitz zeigt die Abbil- erfolgt in Abhängigkeit von der aktuellen Ab-
dung 5.65. Hier werden Abflüsse von 5 m3/s nur flusssituation sowie dem Bedarf in Abstimmung
an weniger als 10 Tagen unterschritten. mit den Behörden des Freistaates Sachsen und
Der Verlauf des Abflussganges zeigte eine des Landes Brandenburg durch die LMBV.
zeitlich begrenzte Wasserentnahme zur Überlei- Für die Wasserentnahme aus dem Grenzfluss
tung in das Schwarze Elster- Gebiet als möglich Lausitzer Neiße wurden vorlaufend umfangrei-
an. Erste Untersuchungen über die Auswirkun- che Untersuchungen über die Auswirkungen des
gen auf den Unterlauf einer auf 2 m3/s begrenzten Vorhabens auf die Umwelt der deutschen und der
Wasserentnahme aus der Lausitzer Neiße führten polnischen Seite entlang des Flusses vorgenom-
zu weiteren Bearbeitungen über die technische men (LMBV 2000b). Sie führten zu einer Verle-
Machbarkeit. gung der ursprünglich vorgesehenen Entnahme-
Mögliche Entnahmestellen an der Lausitzer stelle aus Gründen einer Verringerung der Be-
Neiße zur Überleitung im freien Gefälle lagen einflussung vorhandener Wasserkraftnutzungen
günstig. Die Einzugsgebietsgrenze zwischen durch die Wasserentnahme flussabwärts in die
Lausitzer Neiße und Spree ist nur wenige Kilo- Nähe der Ortschaft Steinbach. Außerdem wurde
meter entfernt und erfordert nur kurze Rohrlei- die Trassenführung für den Transport des Was-
tungen zu deren Überwindung. Für den weite- sers aus der Lausitzer Neiße in Richtung Spree
ren Transport des Wassers bis zur Pumpstation mit dem Ziel verändert, den Eingriff in den Na-
Spreewitz – der Überleitung in das Schwarze turhaushalt zu minimieren.
Elster- Gebiet – bietet sich das vorhandene Ge- Mit der Unterrichtung über das Projekt im
wässersystem von Schöps und Spree ohne zu- Dezember 1998 wurde bei der verfahrensfüh-
sätzliche Pumpstationen an (LMBV 1996a). renden Behörde, dem Regierungspräsidium
Parallel dazu wurde die Ausschöpfung der Re- Dresden, das Genehmigungsverfahren eröffnet.
serven aus den im Oberlauf der Spree gelegenen Dem grenzüberschreitenden Charakter des Vor-
Talsperren Bautzen und Quitzdorf untersucht. habens Rechnung tragend, waren neben den für
Gemeinsam mit der in Brandenburg gelegenen die Bundesrepublik Deutschland gültigen Vor-
Talsperre Spremberg liefern die Talsperren Baut- schriften (UVPG 2002), (VwVfG 1998) auch
zen und Quitzdorf einen Beitrag zur Niedrigwas- internationale Vereinbarungen zu beachten. Es
seraufhöhung der Spree. Im Ergebnis konnte die handelt sich dabei um die Espoo-Konvention zur
LMBV mit der Landestalsperrenverwaltung des Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüber-
Freistaates Sachsen – dem Betreiber der Talsper- schreitenden Rahmen (UNECE 1991) sowie um
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 343

die vertraglichen Regelungen zwischen der Bun- • Durchführung eines Monitoring zur Bewer-
desrepublik Deutschland und der Republik Polen tung des Eingriffs in den Wasserhaushalt vor,
bezüglich der Zusammenarbeit auf dem Gebiet während und nach der Wasserentnahme
des Umweltschutzes (D-PL 1994b) und auf dem • Messung der Durchflüsse in der Lausitzer
Gebiet der Wasserwirtschaft an den Grenzge- Neiße ober- und unterhalb des Entnahmebau-
wässern (D-PL 1994a). Um Erfahrungen bei der werkes sowie der Entnahmemenge und Über-
Umsetzung der Espoo-Konvention zu sammeln mittlung der Daten an das IMGW, Außenstelle
und Empfehlungen für ähnlich gelagerte Vorha- Breslau
ben zu entwickeln, wurde im Auftrag des Bun- • Wasserentnahme erst bei Durchflüssen ober-
desministeriums für Umwelt, Naturschutz und halb einer aus dem Monitoring abgeleite-
Reaktorsicherheit durch das Bundesumweltamt ten und von der Grenzgewässerkommission
ein Praxistest initiiert, durch den das Genehmi- bestätigten Größe.
gungsverfahren wissenschaftlich begleitet wurde Die Wasserentnahme wird durch ein Einlaufbau-
(UBA 2002). werk auf der deutschen Uferseite der Lausitzer
Im Ergebnis umfangreicher Abstimmungen in Neiße realisiert. Es besteht aus einer im Hoch-
der Deutsch/Polnischen Grenzgewässerkommis- wasserprofil ebenerdig angeordnete Einlauf-
sion wurden kammer. Der Zufluss wird durch ein Streich-
• der Umfang an Untersuchungen auf deutscher wehr mit Überlaufschwelle geregelt. Die Höhe
und polnischer Seite für die Umweltverträg- der Überlaufschwelle ist regelbar und kann dem
lichkeitsprüfung festgelegt festgelegten Grenzwert für die Wasserentnahme
• eine Wasser- und Stoffmengenbilanz für die angepasst werden. Ein Schwimmbalken als Ab-
Lausitzer Neiße von Zittau bis zur Mündung weiser für Treibgut sowie ein Rechen mit einer
in die Oder als Grundlage für eine wasserwirt- integrierten Fischscheuche sind vorgeschaltet.
schaftliche Bewertung der Wasserentnahme Die Reinigung des Rechens erfolgt hydraulisch
veranlasst. (Abb. 5.66).
Die durch die Außenstelle Breslau des Institutes Über zwei Stahlbetonrohrleitungen wird das
für Wasserwirtschaft und Meteorologie (IMGW) Wasser im freien Gefälle der ca. 100 m ent-
bearbeitete Wasser- und Stoffmengenbilanz fernt liegenden Pumpstation zugeleitet. Sie liegt
(IMGW 2001) erbrachte für die Entscheidung außerhalb des Hochwasserprofils und besteht
im Planfeststellungsverfahren wichtige Aus- aus einem tiefer liegenden Nassraum und einem
sagen. Zwar tritt eine geringfügige Beeinträch- höher gelegenen Steuerraum. Zwei im Nassraum
tigung der Wasserkraftnutzung durch die Was- angeordnete Tauchmotorpumpen zu je 560 kW
serentnahme aus der Lausitzer Neiße ein, die heben das Wasser auf die Höhe einer ca. 11 km
ökologischen Auswirkungen jedoch sind sehr langen Rohrleitung mit einer Nennweite von
gering und werden durch die jahreszeitlichen 1.400 mm. Im Steuerraum sind die elektrischen
Schwankungen des Wasserstandes im Gewässer Anlagen sowie die Mess- und Steuereinrichtun-
überlagert. gen installiert. Abbildung 5.67 zeigt eine Prinzip-
Nach Einreichung des 32 Order umfassenden skizze des Entnahmebauwerkes.
Antrages auf Planfeststellung im August 2000 Die Betriebsdaten der Pumpstation werden
beim Regierungspräsidium Dresden (LMBV zu der automatisch arbeitenden Messwarte über-
2000c) erfolgte die Beteiligung der zuständigen tragen, in der auch die Daten über die Durch-
Behörden sowie der Öffentlichkeit der Bundesre- flussmessungen in der Lausitzer Neiße ober- und
publik Deutschland und der Republik Polen. An- unterhalb der Entnahmestelle auflaufen und on-
schließend wurden die Einwände und Stellung- line der Flutungszentrale Lausitz in der LMBV
nahmen von Betroffenen behandelt. Mit Datum sowie der Außenstelle Breslau des Institutes für
vom 17.12.2004 wurde der Planfeststellungsbe- Wasserwirtschaft und Meteorologie zur Verfü-
schluss mit 136 Nebenbestimmungen erlassen. gung stehen.
Besondere Bedeutung haben u. a.
344 F.-C. Benthaus et al.

Abb. 5.66   Einlaufkam-


mer am Ufer der Lausitzer
Neiße bei Steinbach. (Foto:
Radke)

Die Rohrleitung NW 1400 zur Überwindung Schwarzer Schöps und Spree hat das Wasser ins-
der Wasserscheide zwischen Lausitzer Neiße und gesamt ca. 39 km bis zur Pumpstation Spreewitz
Spree ist mit Zementmörtel ausgekleidet. Zur zurückzulegen.
Erhöhung der Lebensdauer ist diese mit einer Zusätzlich mussten im Verlauf der Neißewas-
Kunststoff – Ummantelung versehen. Sie ver- serüberleitung ca. 6,5 km Gewässer sowie 12
fügt über 16 mit Druckmessdosen versehenen Straßenkreuzungen den geänderten Durchfluss-
Kontrollschächte sowie 3 Entlüftungsschächte bedingungen angepasst werden. Im Verlauf der
an den Hochpunkten der Rohrleitung. Sie endet Rohrleitung und des Gewässerausbaus wurden
im Quellteich Quolsdorf, von wo aus der wei- 34 Medienleitungen und an 7 Stellen die Gleise
tere Transport des Wassers über das bestehende der Deutschen Bahn oder der Werkbahn der Vat-
bzw. auszubauende Gewässersystem der Spree tenfall Europe gequert.
in Richtung Pumpstation Spreewitz erfolgt. Die Wasserüberleitung aus der Lausitzer
Über die Gewässer Weißer Schöps, Neugraben, Neiße ist ein zentrales Element für die wasser-

Abb. 5.67   Prinzipdarstellung Einlaufbauwerk aus der Neiße


5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 345

Abb. 5.68   Eingriff des


Tagebaues Zwenkau in
die Elsteraue südlich von
Leipzig

wirtschaftliche Sanierung in den Braunkohlenab- 5.8.3 Hochwasserentlastung der


baugebieten der Lausitz. Sie unterstützt die erfor- Weißen Elster in den Tagebausee
derliche Beschleunigung der Füllung der Berg- Zwenkau
baufolgeseen aus dem Aufkommen der Neiße.
Die Wasserentnahme aus der Lausitzer Neiße Der Tagebau Böhlen wurde seit 1921 südwestlich
bedeutet einen Eingriff in das Abflussgeschehen von Leipzig entwickelt. Mit der Fortführung des
des Grenzflusses. Dieser Eingriff wird durch Tagebaues in das Baufeld westlich der Batsch-
ein zwischen den Behörden der Bundesrepub- ke kam es zur Inanspruchnahme von Teilen der
lik Deutschland und der Republik Polen abge- südlichen Elsteraue und zur Umbenennung des
stimmtes Monitoring überwacht. Dabei werden Tagebaues in Tagebau Zwenkau (Abb. 5.68).
sowohl das Abflussgeschehen als auch die Wir- Der bergbauliche Gesamteingriff ist durch die
kungen der Wasserentnahme auf die Naturaus- Gewinnung von 586 Mio. t Kohle und die dazu
stattung überwacht und in der deutsch-polni- notwendige Bewegung von ca. 1.450 Mio. m3
schen Grenzgewässerkommission bewertet. Der Abraum verursacht.
beiderseitige Zugriff auf Daten der Durchfluss- Zur Freimachung des Westfeldes wurde die
messung an der Pumpstation Steinbach und die bereits 1927 wasserwirtschaftlich begradigte
damit mögliche sofortige Kontrolle der Einhal- und regulierte Weiße Elster zwischen 1973 und
tung der vorgegebenen Entnahmegrenzen dient 1978 als Ersatzinvestition in ein künstliches und
der Vertrauensbildung. Durch eine gute Zusam- gedichtetes neues Flussbett verlegt (Abb. 5.69).
menarbeit der zuständigen Stellen der Bundesre- Durch diese Verlegung der regulierten Weißen
publik Deutschland und der Republik Polen war Elster wurden ehemals vorhandene natürliche
die Neißewasserüberleitung zu realisieren und Hochwasserretentionsräume bergbaubedingt be-
wird auch einen langfristigen Betrieb ermögli- seitigt.
chen. Vor der Stilllegung und Wiedernutzbarma-
chung des Tagebaues Zwenkau realisiert die
LMBV im Einklang mit dem Braunkohlenplan
Zwenkau/Cospuden (RPV 2006) den wasser-
346 F.-C. Benthaus et al.

Abb. 5.69   Verlegtes Flussbett der Weißen Elster am Rand des Tagebaus

wirtschaftlichen Planfeststellungsantrag (LMBV griffe in die durch den Freistaat Sachsen neu
2005). festgelegten FFH-Gebiete und das Landschafts-
In Abstimmung mit der Landestalsperren- schutzgebiet Elsteraue wurde in Abstimmung mit
verwaltung wird zum Hochwasserschutz für die der Landestalsperrenverwaltung des Freistaates
Weiße Elster am künftigen Zwenkauer See ein Sachsen, dem Regierungspräsidium Leipzig und
Hochwasserspeicherraum zwischen 113,5 m der Regionalen Planungsstelle des Planungs-
NHN und 115,6 m NHN einschließlich der An- verbandes Westsachsen der Standort Zitzschen,
lagen zur Zu- und Ableitung geplant. Dieser dient Fluß-km 57 + 835 der Weißen Elster, als weiter
als Ersatz für die verloren gegangenen Hochwas- zu verfolgende Lösung festgelegt.
serrückhalteräume in der Elsteraue, die bergbau- Teilvorhaben der Hochwasserentlastung ist
lich in Anspruch genommenen wurden. Für die das mit drei Rollschützen gesteuerte Abschlags-
Auslegung des Speichers gilt es hierbei die Zeit- bauwerk Zitzschen mit einem 500 m langen
dauer des Hochwasserfalles nach Überschrei- Überleitungsgraben. Ergänzend mussten das
ten des Abflusses von 450 m3/s am kritischen Kreuzungsbauwerk der Bundesstraße B 186 über
Durchflussquerschnitt im Stadtgebiet Leipzig zu den Überleiter und eine 400 m lange Sohlrampe
begrenzen. Mit den geplanten Anlagen zur Ent- mit Einlauf in den entstehenden Bergbaufolgesee
lastung der Weißen Elster am Standort Zitzschen Zwenkau errichtet werden (LMBV 2007). Im
sollen bei Auftreten eines HQ150 = 580  m3/s am Nordwesten des Bergbaufolgesees war ein zwei-
Pegel Kleindalzig bis zu 130 m3/s in den Hoch- zügiger Betriebsauslass zur Weißen Elster süd-
wasserspeicher eingeleitet werden. lich von Hartmannsdorf zu errichten. Auch war
Im Ergebnis der Untersuchungen zur Stand- ein Wehr in der Weißen Elster vorgesehen, um
ortwahl der Hochwasserüberleitung unter Be- eine gesteuerte Beaufschlagung des Hochwasser-
rücksichtigung der Investitionskosten und Ein- speichers unabhängig von den Abflussverhältnis-
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 347

sen der Weißen Elster zu ermöglichen. Die ge- hydraulische Kapazität für das HQ150 ebenfalls
plante Gesamtkonzeption für die erforderlichen nachgewiesen werden.
wasserwirtschaftlichen Maßnahmen im Tagebau- Aus den Erkenntnissen zur Variante B waren
bereich Zwenkau unter Beachtung des Hochwas- aufgrund ungünstiger Anströmbedingungen
serschutzes ist in Abbildung 5.70 dargestellt. sowie eingeschränkter Funktionstüchtigkeit des
Für das Abschlagsbauwerk am Standort Zitz- Abweisers (Abtauchen infolge zu hoher Unter-
schen wurden Modellversuche an einem physi- strömungsgeschwindigkeiten) bei hohen Ab-
kalischen Modell der TU Dresden durchgeführt, schlagsmengen Anpassungen am Einlaufbereich
um die Wirksamkeit der Hochwasserüberleitung und am Treibgutabweiser erforderlich. Dazu
mit und ohne Querbauwerk in der Weißen Els- wurde eine optimierte Variante C untersucht, bei
ter zu bewerten sowie die optimale Einlauf- und welcher der Einlaufbereich aufweitet und der
Tosbeckengestaltung für die Abflussleistung von Treibgutabweiser in Bereiche geringerer Zulauf-
130 m3/s zu ermitteln (TUD 2006) (Abb. 5.71). geschwindigkeiten verlegt wurde.
Während der Modellversuche wurden drei Va- Mit diesen Veränderungen konnten für die
rianten A, B und C untersucht: Variante C abschließend die hydraulische Leis-
Variante A:  Modellaufbau mit Wehr in der tungsfähigkeit bei unverbautem Elsterquerschnitt
Weißen Elster, gesteuert und voll- sowie die Funktionstüchtigkeit des Treibgutab-
ständig geöffnet, ohne Treibgutab- weisers für die entsprechenden Betriebszustände
weiser des Abschlagsbauwerkes nachgewiesen werden
Variante B:  Modellaufbau ohne Wehr in der (Kubens 2007).
Weißen Elster, Modifikationen am Im Ergebnis der Modellversuche wurden die
Einlaufbereich, Anordnung eines planerischen Grundlagen für die weitere Ent-
Treibgutabweisers, wurfsbearbeitung der Teilvorhaben geschaffen.
Variante C: Weitere Optimierung des Einlauf- Der dadurch erreichte wirtschaftliche Effekt wird
bereiches und des Treibgutabwei- durch Einsparungen von ca. 3 Mio. € Investi-
sers. tionskosten geprägt.
Die Funktionstüchtigkeit der Bauwerke für die
Abflussreihe HQ50, HQ100, HQ150 und HQextrem
und für die Varianten B und C sowie die Ge- 5.9 Chemische Maßnahmen
brauchstauglichkeit des im Einlaufbereich an-
geordneten Treibgutabweisers waren zu unter- 5.9.1 Überblick
suchen und zu bewerten. Durch Wasserstands-,
Geschwindigkeits- und Abflussmessungen sowie Die wesentlichen hydrochemischen Proble-
visuelle Beobachtungen konnten Optimierungen me bei der Herstellung von Bergbaufolgeseen
an den Bauwerken vorgenommen werden. im Braunkohlenbergbau sind die Versauerung
In den Untersuchungen zu Variante A (ohne (Acidität), ein hoher Elektrolytgehalt und hohe
Anordnung eines Treibgutabweisers) konnte Metallkonzentrationen (Abb. 5.72). Durch che-
festgestellt werden, dass die geforderte Überlei- mische Maßnahmen zur Neutralisation wird die
tung von bis zu 130 m3/s in den Tagebau Zwen- Konzentration der meisten Metalle auf ein ge-
kau bei Auftreten eines HQ150 und Einhaltung wässerökologisch verträgliches Maß verringert.
der (n-1)-Bedingung am Abschlagsbauwerk auch Spezifische Behandlungsverfahren zur Metall-
bei vollständiger Öffnung des Wehres in der Wei- elimination sind deshalb in der Regel nicht erfor-
ßen Elster möglich ist. derlich. Die Sulfatkonzentration bleibt von che-
Zur Verifizierung dieses Ergebnisses war in mischen Neutralisationsmaßnahmen unberührt.
den Varianten B und C die Leistungsfähigkeit des Eine hohe Sulfatkonzentration ist vor allem für
Abschlagbauwerkes bei unverbautem Elsterquer- die unterliegenden Gewässernutzer (z. B. Trink-
schnitt zu bestimmen. Als Ergebnis der Unter- wassergewinnung, Kühlwasser für Kraftwerke),
suchungen zur Variante B konnte die geforderte
348 F.-C. Benthaus et al.

W asserw irtschaftliche G esam tko nzep tio n B erg b aufo lg eland schaftssee Z w enkau
m it H o c h w asserentlastung W eiß e E lster

Z w enkauer S ee
B em es s u ng s was s ers tand : 115 ,60 m N H N H oc hwas s ers c hutzrau m : 11 4,1 5 b is 1 15,60 m N H N
S tau in halt: 15 M io m 3
H öc h s tes S tau ziel: ZH = 115,60 mNHN E ntleeru ngs zeit: 2 1 T ag e
S tauziel: Zs = 113 ,80 mNHN Ü berleitu ng in W eiß e E ls ter
D au ers tauziel: ZD = 113 ,50 mNHN
A bs enkziel: ZA = 113 ,10 mNHN Z u s ätzlic her H oc hwas s ers c hutzrau m : 11 3,8 0 b is 1 14,15 m N H N
S tau in halt: 3,5 M io m ³
O berirdis c hes E inzug s gebiet: A E O = 31,4 km 2 E ntleeru ngs zeit:
Ü berleitu ng in Floß graben
O berirdis c her Zu flus s au s A E O : m ax 200 l/s
m in 20 l/s B etriebs rau m : 11 3,1 0 b is 1 13,80 m N H N
Zuflu s s üb er B ats c hke: 0 l/s (B etriebs au s las s I geöffn et)
Zuflu s s üb er R .W .E ls ter: c a. 500 l/s

Zuflu s s bei B H Q üb er 1 30 m 3 /s
S tand ort Zits c hen :

G run dwas s erb ürtiger


A bflus s :
bei 11 3,5 m N H N 21 3 l/s
bei 11 4,1 m N H N 20 3 l/s

A bflus s über
0 ,50 m 3 /s
Floßg raben :
m ax 1 ,75 m 3 /s

F loßgraben
B A V orfluter O s t

F loßgraben
B A A nbindung s graben

Be trie bsa usla ss II


Betriebs aus las s Flo ßgra ben
W eiße E lste r Floß graben
B A V erbindungs graben

E inla ufbauw erk


Z we nka uer S ee

R iege ldam m

Be triebsa uslass I
HW -Üb erleitung Floßgraben
Z itsc hen 130 m ³/s
E inleitung S üm pfun gs-
w ass er S chleenh ain
Dam m balkenw e hr
E inle itung Süm pfungs- Bats chke
w as se r Profen S tau bauw erk
R .W .E ls ter
W e hr "M ühle Z we nka u"

Abschla g b auw e rk
Ab schlag R eg. W eiße Bats chk e
E ls ter

Abb. 5.70   Wasserwirtschaftliche Gesamtkonzeption Bergbaufolgesee Zwenkau


5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 349

Abb. 5.71   Physikalisches Modell Hochwasserschutz

weniger für die Biozönose ein Problem (Sonntag pH


2007). Acidität
Bei der Sanierung saurer Bergbaufolgeseen
werden durch Zugabe von Alkalinität oder durch
Entzug von Acidität aus dem Seewasser die Was- Chemische Biologische
Sulfatreduktion
serstoffionen neutralisiert und dabei die Hydro- Neutralisation
gensulfat-, Eisen- und Aluminiumpuffer über- Elektro-
chemische
wunden (s. Abschn. 5.3). Dabei soll der pH-Wert
Hydroxidische Wasser- Verdünnung
des Sees ins Neutrale überführt und dort hydro- Metallfällung behandlung
chemisch stabilisiert (gepuffert) werden. Sulfidische
Bei der Fremdflutung wird neutrales Wasser Metalle Metallfällung
Sulfat
Fe Al Mn
aus nahe gelegenen Flüssen, Speicherbecken
Zn Ni Co As Chemische
oder aus der Wasserhaltung der Gewinnungsbe- Sulfatfällung
triebe in die sauren Bergbaufolgeseen eingeleitet.
Das Flutungswasser wirkt auf die Beschaffenheit Abb. 5.72   Stoffliche Problemmatrix saurer Bergbau-
der Bergbaufolgeseen durch die Effekte der che- folgeseen und grundlegende Verfahrensansätze zur Pro-
blemlösung
mischen Neutralisation, der Verdünnung und der
Verdrängung (Abb. 5.73).
Die chemische Behandlung saurer Bergbau- Da Sulfat das Hauptanion in den sauren
folgeseen erfolgt durch Neutralisation. Geeignete Bergbaufolgeseen darstellt, kann eine Entsäue-
Oxide, Hydroxide und Karbonate der Alkali- und rung auch durch eine biologische Behandlung
Erdalkalimetalle werden dem Wasser zugegeben erreicht werden (Abb. 5.75). Voraussetzung für
(Abb. 5.74). die Sulfatreduktion sind ein anaerobes Milieu
(Saprobisierung) und das Vorhandensein ab-
350 F.-C. Benthaus et al.

Flutungswasser

Fremdflutung

Neutralisation Verdünnung
H+ + HCO3- H2O + CO2
HSO4- + HCO3- SO42- + H2O + CO2
Fe3+ + 3 HCO3- Fe(OH)3 + 3 CO2
Verdrängung
Al + 3 HCO3
3+ -
Al(OH)3 + 3 CO2

Abb. 5.73   Prozesse der Seeneutralisation durch Verdünnung und Verdrängung

Ca(OH)2
Chemische Behandlung

Neutralisation
H+ + 1/2 Ca(OH)2 H2O + 1/2 Ca2+
HSO4 + /2 Ca(OH)2
- 1
SO42- + H2O + 1/2 Ca2+
Fe3+ + 3/2 Ca(OH)2 Fe(OH)3 + 3/2 Ca2+
Al + /2 Ca(OH)2
3+ 3
Al(OH)3 + 3/2 Ca2+
Nebenreaktionen
Ca2+ + SO42- + 2H2O CaSO4 . 2H2O
Ca2+ + CO32- CaCO3

Abb. 5.74   Prozesse der chemischen Behandlung

baubarer organischer Kohlenstoffverbindungen Seegröße, dem Füllstand, den Eintragspfaden der


(s. Abschn. 5.10). Die organische Substanz kann Stoffe und Säuren sowie dem Flutungskonzept
beispielsweise durch Algenwachstum im See ab (LUA 1995). In Abbildung 5.76 sind mögliche
selbst gebildet (kontrollierte Eutrophierung) oder verfahrenstechnische Lösungen dargestellt. Nur
von außen in den See eingebracht werden. Wei- in seltenen Fällen wird lediglich eines dieser Ver-
terhin ist entscheidend, dass die Sulfatreduktion fahren zur Anwendung gelangen, da die Wirkun-
irreversibel erfolgt und der reduzierte Schwefel gen der Verfahren übergreifend sind. Die Zuord-
in Form von Eisenmono- bzw. Eisendisulfiden nung der Lösungen erfolgt nach Haupteintrags-
im Sediment festgelegt wird, und nicht in Form pfaden für die Säuren und Neutralisationsmittel
von H2S aus dem Gewässer entweicht. sowie nach den Wirkprinzipien des Verfahrens.
Die Wahl des geeigneten Verfahrens bzw. der Als Haupteintragspfade werden das Flutungs-
geeigneten Verfahrenskombination hängt von wasser, das Seewasser, das Grundwasser sowie
einer Reihe seespezifischer Faktoren, wie der die Böschungen und Sedimente unterschieden.
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 351

Biologische Behandlung Saprobisierung


P, N Corg
Eutrophierung

Corg
Fe(OH)3
SO42- H+ CO2

Sulfatreduktion und
Eisensulfidbildung
im Sediment Fe(OH)3 + SO42- + 2H+ + 9/4Corg FeS + 9/4CO2 + 5/2H2O
Fe(OH)3 + 2SO42- + 4H+ + 15/4Corg FeS2 + 15/4CO2 + 7/2H2O
Abb. 5.75   Prozesse der biologischen Behandlung

Die Wirkprinzipien sind hydraulischer, chemi- aus der Fremdflutung zu erhöhen, besteht die
scher oder biologischer Natur. Die Verfahren Möglichkeit, das Wasser vorzukonditionieren.
sind je nach Konstellation des Bergbaufolgesees Dafür kommt eine Anhebung der Alkalinität
unterschiedlich geeignet. Deshalb sind in der durch Zugabe alkalisch wirkender Stoffe (z. B.
Planungsphase eine detaillierte hydrochemische Kalkhydrat, Soda) in Betracht. Als ungünstig
Untersuchung der Bergbaufolgeseen und ein ob- erweist sich der geringe Gehalt an freier Koh-
jektkonkreter Entwurf der Maßnahmen erforder- lensäure in den für die Flutung der Bergbaufolg-
lich (Abb. 5.76). eseen genutzten Fließgewässern. Durch Zugabe
von Kohlendioxid wird die Löslichkeit calcium­
getragener Neutralisationsmittel deutlich verbes-
5.9.2 Chemische Neutralisation sert. Dabei kann die natürliche Säurekapazität
des Flutungswassers von etwa 1 mmol/L auf
Die chemische Neutralisation saurer Bergbau- mindestens 3 bis 5 mmol/L erhöht werden.
folgeseen durch Dosierung chemischer Neutrali-
sationsmittel entspricht gegenwärtig dem Stand Direkte Behandlung des Seewassers  Die alka-
der Technik. Eine aktuelle Übersicht über Roh- lisch wirkenden Chemikalien können direkt in
stoffe, Wirkungsweise und Einsatzgrenzen von den See, als so genanntes In-Lake-Verfahren,
chemischen Dosierverfahren wird in Totsche und oder in einen Wasserstrom zum See, beispiels-
Steinberg 2004 gegeben. Ihre strategische Rolle weise an einem Überleiter zwischen zwei Seen,
im Sanierungsbergbau wird in Grünewald und als so genanntes On-Site-Verfahren dosiert
Uhlmann 2004 näher beleuchtet. Bezüglich des werden. Die entstehenden Eisenhydroxid- und
Ortes der chemischen Einflussnahme kann unter- Aluminiumhydroxidschlämme verbleiben im
schieden werden: Bergbaufolgesee. Für die In-Lake-Verfahren sind
• Konditionierung des Flutungswassers unterschiedliche technische Lösungen geeignet
• direkte Behandlung des Seewassers (Tab. 5.17).
• Behandlung des Auslaufs aus den Seen.
Behandlung des Auslaufwassers aus den
Konditionierung des Flutungswassers  Um die Seen Die Wasserbehandlung am Auslauf von
Neutralisationswirkung des Oberflächenwassers Bergbaufolgeseen kann mit herkömmlichen
352 F.-C. Benthaus et al.

Wirkprinzipien
hydraulisch chemisch biologisch

Flutungs- chemisch
Fremdflutung
vorkonditioniert
wasser

Dosierverfahren
Tauchwand (in-lake, on-site, Auslauf) Biogene Alkalinisierung
See-
oder Damm gesteuerte Eutrophierung
wasser Elektrochemische und/oder Saprobisierung
Wasserbehandlung
Haupteintragspfade

Brunnenriegel
Wasserhebung und -behandlung

Reaktive Wand/Reaktive Infiltration


Grund-
wasser
Dichtwand Trichterprinzip

Böschungen Dichtteppich
Sedimente Filterteppich

Abb. 5.76   Systematisierung der verfahrenstechnischen Lösungen nach Eintragspfad und Wirkprinzip

Tab. 5.17   Technische Auslegung von In-Lake-Verfahren zur chemischen Neutralisation von Bergbaufolgeseen
Ausbringungsprinzip Technische Lösung Beispiele
Rohrleitung Regner Koschen 2004
Düsen Bockwitz 2004/2005
Umwälzpumpen
Boot bzw. Ponton Flexible Zuleitung vom Ufer Horstteich 2005
Beladung am Ufer, flächenhaftes Ausbringen Skandinavien Burghammer 2009
Flugzeug/Hubschrauber Flächenhaftes Ausbringen Skandinavien

Technologien, wie sie in Grubenwasserrei- Wegen des Zustroms sauren Grundwassers kön-
nigungsanlagen seit Jahrzehnten erfolgreich nen zahlreiche Bergbaufolgeseen den neutralen
angewendet werden, erfolgen. In Abhängigkeit Zustand jedoch nicht lange aufrechterhalten. Um
vom Volumenstrom werden die Anlagen sta- den neutralen Zustand zu erhalten, müssen in
tionär oder mobil ausgebildet. In jedem Falle diesen Fällen Nachsorgemaßnahmen regelmäßig
ist jedoch eine Verbringung der entstehenden nachgeführt werden.
Schlämme erforderlich. Diese Variante als
„End-Of-Pipe-Lösung“ wird nur dort angewen-
det, wo Fließgewässer durch das abströmende 5.9.3 Dosierchemikalien und
Seewasser unmittelbar gefährdet sind und eine Reaktivität
In-Lake-Behandlung nicht zur Anwendung kom-
men kann. Dosierchemikalien
Zur chemischen Neutralisation saurer Bergbau-
folgeseen stehen zahlreiche alkalisch wirkende
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 353

Reststoffe, Nebenprodukte und Rohstoffe mit

Fest Suspen- Flüssig


unterschiedlichen Eigenschaften zur Verfügung


(Tab. 5.18).
Die Eignung der Neutralisationsmittel für die

Anwendung
bevorzugte

diert
konkrete Anwendung ist von wasserchemischen,






stofflichen und verfahrenstechnischen Faktoren
abhängig (Abb. 5.76). Bei der Anwendung che-





mischer Dosierchemikalien treten Verluste durch

natfreie
Calcium- Carbonat- Carbo-
Sedimentation, durch Inaktivierung infolge von
Belagbildung an Partikeloberflächen und durch




Entcarbonisierung mit c auf. Die Entcarbonisie-

Carbonat

haltige
rung tritt insbesondere bei der Verwendung von
Einsatzstoffen auf, die bei Einmischung ins See-





wasser hohe pH-Werte (> 8,5) erzeugen. Eine
räumlich lokale Applikation hoch konzentrierter

freie
Neutralisationsmittel verstärkt diesen Prozess.



getragene
Natürliche Veredelte Chemische Calcium-
Calcium
Reaktivität
Die Reaktivität chemischer Neutralisationsmittel






in stark sauren Seen ist günstiger als in schwach
sauren. Zirkulationsphasen verbessern auf natür-
Nebenprodukte Rohstoffe Rohstoffe Produkte

liche Weise eine großflächige Einmischung der


Neutralisationsmittel in den See. In tiefen Seen



sind die Reaktionswege insbesondere für fest und
suspendiert applizierte Stoffe länger. Deshalb
kann hier im Vergleich zu flachen Seen mit höhe-


ren Umsatzraten gerechnet werden. Aus stoffli-
cher Sicht sind natriumgetragene Neutralisations-
mittel gegenüber erdalkalischen sowie oxidische

und hydroxidische gegenüber karbonatischen


Mitteln wegen der besseren Löslichkeit vorteil-
haft. Ein höherer Wirkungsgrad kann durch die
Reststoffe/
Herkunft

Verwendung flüssiger oder wenigstens suspen-


dierter Stoffe und ihre großflächige Austragung
Tab. 5.18   Einsatzstoffe für chemische Dosierverfahren


in stark verdünnter Form erreicht werden.


CaCO3 und FeOOCa+

Die Auswahl des geeigneten Neutralisations-


CaCO3 + MgCO3 +

mittels, die zweckmäßige Applikationstechnik


CaCO3 + MgCO3

und die günstige Jahreszeit erfordern eine sorg-


CaO + MgO

fältige Planung unter Berücksichtigung der lim-


Wirkstoff

Ca(OH)2

Na2CO3
CaCO3

NaOH

nologischen, hydrogeologischen und hydroche-


■ bevorzugt □ technisch möglich
CaO
CaO

mischen Besonderheiten des jeweiligen Bergbau-


folgesees. Die Kosten einer chemischen Seeneu-
halbgebrannter Dolomit
Eisenhydroxidschlamm

tralisation werden zu einem hohen Anteil durch


Weißfeinkalkhydrat

die Einsatzrohstoffe verursacht. Deshalb muss


Kraftwerksasche

ein hoher chemischer Wirkungsgrad erzielt wer-


Weißfeinkalk

Natronlauge

den. Der Gesamtwirkungsgrad η der Applikation


Kalkstein
Dolomit
Produkt

eines chemischen Neutralisationsmittels in einen


Soda

sauren Bergbaufolgesee ergibt sich als Produkt


354 F.-C. Benthaus et al.

aus der stofflichen Reinheit des Wirkstoffes η1 Die Eigenschaften dieser Reststoffe wurden z. B.
und seinem einsatzabhängigen chemischen Wir- in (Uhlmann et al. 2004a, 2007) detailliert unter-
kungsgrad η2. sucht und ihre Umweltverträglichkeit für die
Die stoffliche Reinheit kann aus der Produkt- konkrete Anwendung nachgewiesen. Das reale
deklaration abgeleitet werden. Der einsatzabhän- Neutralisationsäquivalent (NÄNM · η1 · η2) von
gige chemische Wirkungsgrad ist unter anderem Eisenhydroxidschlämmen und Kraftwerksaschen
von einer Reihe natürlicher Faktoren abhängig liegt im Vergleich zu den reinen Rohstoffen oft
(Temperatur, pH-Wert, CO2, …), welche durch nur bei wenigen Prozent (Tab. 5.19). Der Ein-
großtechnische Pilotversuche ausreichend genau satz dieser Neutralisationsmittel ist deshalb auf
bestimmt werden können. Diese werden bei der Fälle beschränkt, bei denen diese Stoffe bereits
LMBV seit 2004 systematisch durchgeführt. Der in unmittelbarer Nachbarschaft erzeugt werden
chemische Wirkungsgrad ist nichtlinear von den (Uhlmann et al. 2004b). Im anderen Fall machen
physikalischen und chemischen Umgebungs- allein die Transport- und Applikationskosten die
bedingungen abhängig (pH-Wert abhängig von Anwendung im Vergleich zu handelsüblichen
Temperatur, Acidität, CO2-Gehalt, …). Die Vor- Stoffen unwirtschaftlich. Ein wirtschaftliches
zugsvariante des anzuwendenden Rohstoffes und Optimum für chemische Verfahren läßt sich ggf.
der Applikationstechnik ergibt sich aus der Über- durch einen kombinierten Einsatz von Neutrali-
lagerung natürlicher Faktoren (Wirkungsgrad) sationsmitteln herstellen (Tab. 5.19).
und wirtschaftlicher Faktoren (Kosten). Da der chemische Wirkungsgrad η2 nicht li-
Eine erste vergleichende Kostenschätzung für near vom Fortschritt des Neutralisationsverfah-
alternative Neutralisationsmittel und Applika- rens abhängig ist, sollte die Planung auf geeigne-
tionstechniken kann nach folgender Gleichung te hydrogeochemische Modelle gestützt werden
vorgenommen werden: (s. Abschn. 5.7).
Aci See · V See 
K ges = (k Roh + k Tra + k App ) ·
NÄ NM · η1 · η2 5.9.4 Anwendungen
(5.28)
Im Folgenden werden ausgewählte Anwendun-
mit: gen für die chemische Behandlung saurer Berg-
Kges Gesamtkosten für die Neutralisation [€] baufolgeseen im Mitteldeutschen und Lausitzer
kRoh spezifischer Rohstoffpreis [€/t] Sanierungsbergbau vorgestellt. Die konzep-
kTra spezifischer Transportpreis [€/t] tionellen Vorleistungen hierfür wurden in den
kApp spezifischer Applikationspreis [€/t] 1990er Jahren mit LUA 1995 geleistet. Der Zwi-
AciSee Acidität des Seewassers (mol/m3) schenstand zur Entwicklung von In-Lake-Verfah-
VSee Volumen des Sees (m3) ren ist in LUA 2001 der Öffentlichkeit vorgestellt
NÄNM  theoretisches chemisches Neutralisa- worden. Die erste großskalige Anwendung von
tionsäquivalent (kmol/t) In-Lake-Verfahren zur chemischen Behandlung
η1 stofflicher Reinheitsgrad des Neutrali- saurer Bergbaufolgeseen erfolgte 1999 mit der
sationsmittels Resuspension von Aschesedimenten im Berg-
η2 chemischer Wirkungsgrad des Neutrali- baufolgesee Burghammer (Eta 2003). Im Jahr
sationsmittels 2004 erfolgten mit der Resuspension von abgela-
Soda und Natronlauge haben im Vergleich zu gerten Kalkschlämmen im Bergbaufolge­see Ko-
Weißfeinkalk, Weißkalkhydrat, Kalkstein und schen (Lausitz) sowie mit der Sodabehandlung
halbgebrannten Dolomit einen höheren spezifi- des Bockwitzer Sees (Mitteldeutschland) weitere
schen Rohstoffpreis. Regional stehen manchmal Anwendungen. Im Jahr 2005 wurde der Horst-
auch Reststoffe mit alkalischen Eigenschaften teich (Lausitz) durch Einsatz von Natronlauge
kostengünstig zur Verfügung, wie zum Beispiel neutralisiert. Im Jahr 2009 wurden der Bergbau-
Eisenhydroxidschlämme aus der Grubenwasser- folgesee Haselbach mit Kalksteinmehl 0–40 µm
reinigung, Sodaschlämme und Kraftwerksaschen. und der Bergbaufolgesee Burghammer mit
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 355

Tab. 5.19   Vergleich von Neutralisationsäquivalenten, stofflichen Reinheitsgraden und chemischen Wirkungsgraden
handelsüblicher Neutralisationsmittel und Rohststoffe
Neutralisations- Molare Ladung Bemer- theoretisches stoffliche chem. praktisches
mittel Masse kung Neutrali- Reinheit1) Wirkungs- Neutrali-
sations- grad2) sations-
äquivalent äquivalent
g/mol eq/mol eq/kg η1 (%) η2 (%) eq/kg
Kalksteinmehl 100 2 pH < 4,3 20,0 90 75 13,5
CaCO3 1 pH > 6,5 10,0 90 50 4,5
Branntkalk 56 2 35,7 88 70 22,0
CaO
Löschkalk 74 2 27,0 88 60 14,3
Ca(OH)2
Natronlauge 40 1 25,0 99 90 22,3
NaOH
Soda 106 2 18,9 99 80 15,0
Na2CO3
Kraftwerksasche 56 2 frisch 35,7 10 50 1,8
(Wirkstoff CaO) alt 35,7 3 50 0,5
1)
Herstellerangaben; 2) Erfahrungswerte

Kalksteinmehl 0–90 µm neutralisiert. Das Kalk- reicht werden. Mit der Kalkschlammresuspen-
steinmehl wurde als Suspension mittels mobiler sion wurde im Bergbaufolgesee Koschen eine
Schiffstechnik flächenhaft auf der Seeoberfläche Minderung der Acidität um ca. 0,6 mmol/L er-
ausgebracht. zielt.
Für drei ausgewählte Anwendungsfälle sind Im Herbst 2005 wurde der Horstteich bei
in der Tabelle 5.12 die wesentlichen morphomet- Bornsdorf (Brandenburg) durch ein In-Lake-
rischen, verfahrenstechnischen und hydrochemi- Verfahren erfolgreich neutralisiert (Rabe und
schen Daten zusammengefasst. Uhlmann 2006). Als chemische Neutralisations-
Im Jahr 2004 ist durch ein In-Lake-Verfahren mittel kamen Natronlauge und halbgebrann-
eine Teilneutralisation des Bergbaufolgesees Ko- ter Dolomit in einem zweistufigen Verfahren
schen erreicht worden (Benthaus und Uhlmann zur Anwendung. Die Vorbereitung der Sus-
2006). Als Neutralisationsmittel wurde ein auf pension erfolgte uferseitig. Die Ausbringung
dem Seeboden abgelagerter Kalk-Schlamm ver- der Neutralisationsmittel im See erfolgte mit-
wendet. Der Kalk-Schlamm musste im Rahmen tels Boot flexibel über die gesamte Seefläche
der Herstellung von Sicherheitsgräben beräumt (Abb.  5.78). Die verdünnte Natronlauge wurde
werden. In diesem Zusammenhang wurde sein durch ein spezielles Lanzensystem unter der
alkalisches Potential genutzt (Tab. 5.20). Der Wasseroberfläche verteilt. Nachträglich wurde
Kalkschlamm wurde mit einem Schwimmsaug- die Dolomitsuspension mit einer Wasserkanone
bagger aufgenommen. Zur Ausbringung des in sensible Seebereiche vor allem in Ufernähe
Neutralisationsmittels wurde eine Regnertechno- ausgebracht, die zuvor mit dem Boot nicht er-
logie angewendet (Abb. 5.77). Das Verteilprinzip reichbar waren. Die Rohstoffversorgung des
der Regnertechnologie in Kombination der wind- Verteilbootes erfolgte über eine schwimmende,
induzierten, oberflächennahen Strömung hatte zu flexible Rohrleitung. Die Wirkung der Natron-
einer großflächigen Verteilung des Neutralisa- lauge war praktisch 100-prozentig. Mit dem
tionsmittels im See geführt. Dadurch konnte ein halbgebrannten Dolomit wurde vor allem eine
chemischer Wirkungsgrad des Verfahrens von Vorsorge gegen eine drohende Wiederversaue-
etwa 90 %, bezogen auf das im Labor ermittelte rung getroffen.
Neutralisationsäquivalent des Bunakalkes, er-
356 F.-C. Benthaus et al.

Tab. 5.20   Morphometrische, verfahrenstechnische und hydrochemische Daten zu den Pilotprojekten der chemischen
In-Lake-Behandlung
Bergbaufolgesee Horstteich Koschen Bockwitz
Morphometrie
Volumen m3 650.000 81.600.000 18.200.000 (2004)
20.800.000 (2006)
Fläche m2 104.000 5.150.000 1.730.000 (2004)
2.030.000 (2006)
Mittlere Tiefe m 6,3 16 11
Mittlere a unbekannt ca. 5 11
Verweilzeit
Chemische
Behandlung
Zeitraum 11/2005–12/2005 09/2004–12/2004 03/2004–12/2007
Rohstoff 412 t NaOH (23 %) ca. 5.000 t™ auf dem 14.600 t leichte Soda
54 t halbgebrannter Dolo- Seegrund abgelagerte (Na2CO3)
mit (> 30 % CaO + MgO; Kalk-Schlämme
54 % CaCO3 + MgCO3) (ca. 32 % Ca(OH)2
ca. 53 % CaCO3)
Technische NaOH als Lösung über als Suspension über Kreis- Ausblasen als Pulver über
Ausbringung Lanzen mit Verteilschiff regner (ca. 520.000 m3) Dosierstation direkt aus dem
Dolomit als Suspension Silofahrzeug, (nur 2005: über
über Wasserkanone von Pumpstation/Rohrleitung in
Verteilschiff die Mitte des Sees)
Limnologische Während der herbstlichen Während der herbstlichen Frühjahr- und Herbstzirkula-
Verhältnisse Vollzirkulation Vollzirkulation und paral- tion, Sommerstagnation
lel zur Winterflutung
Hydrochemie Oktober Januar August Januar März Dezember
2005 2006 2004 2005 2004 2007
pH 2,9 8,8 3,0 3,3 2,7 6,7

KB4,3 mmol/L 2,9 – 1,6 1,0 4,5 –


KS4,3 mmol/L – 0,5 – – – 0,2
KB8,2 mmol/L 3,5 – 2,1 1,5 8,1 0,1
KS8,2 mmol/L – 0,1 – – – –
Sulfat mg/L 850 850 650 640 1260 1280
Eisen-gelöst mg/L 20 0,1 12 7 55 < 0,1
Aluminium mg/L 5 < 0,02 2 2 18,9 < 0,1

Der Bockwitzer See nordöstlich Borna wurde tion verbracht und als Pulver in den See einge-
in den Jahren 2004 und 2005 im Rahmen eines mischt. 2005 erfolgte eine Erweiterung der An-
LMBV-Pilotvorhabens auf der Basis modellge- lage durch eine Pumpstation und eine 1200 m
stützter Prognosen durch eine In-Lake-Behand- lange Rohrleitung, um eine bessere Verteilung
lung mit leichter Soda neutralisiert (Tab. 5.20). im See zu erreichen (Neumann u. a. 2006).
Der Sodaeinsatz erfolgte aufgrund der posi- In 2006 wurde eine Nachdosierung erforder-
tiven Erfahrungen, die bei der Neutralisation lich, um die behördlichen Ausleitbedingungen
der Wasserhaltung eines benachbarten Teilsees für das Überschusswasser zu erfüllen. Hierzu
1998/1999 gewonnen wurden (Pokrandt und wurde die Verteilung des Neutralisationsmittels
Zeh 1999). Die Soda wurde direkt vom Silo- an der Dosierstation zusätzlich durch Druckluft
fahrzeug mittels Druckluft auf eine Dosiersta- verbessert. Die hydrochemische Bilanzierung
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 357

5.9.5 Resümee

Durch chemische Neutralisation kann nach dem


Stand der Technik eine effektive Neutralisation
der Wasserstoffionen und die Überwindung der
Hydrogensulfat-, Eisen- und Aluminiumpuffer in
den sauren Bergbaufolgeseen erzielt werden. Die
Anwendung chemischer Neutralisationsmittel
führt zu einer Erhöhung des Elektrolytgehaltes
und zu einer zusätzlichen Aufhärtung des See-
wassers. Die erreichbare Pufferung (Alkalinität
KS4,3) ist durch den Prozess der Entcarbonisierung
Abb. 5.77   Anwendung von In-Lake-Verfahren: hier Ver- auf Werte unter 0,5 mmol/L begrenzt (Tab. 5.21).
regnung der Kalkschlamm-Suspension im Bergbaufolg- Durch die geringe Alkalinität in chemisch neut-
esee Koschen ralisierten Bergbaufolgeseen ist bei ungünstiger
Konstellation (z. B. anhaltender Kippenwasser-
zustrom) die Gefahr einer Wiederversauerung
gegeben. Eine nachhaltige Pufferung ist erst nach
der Stabilisierung biologischer Stoffkreisläufe
mit entsprechender hypolimnischer und sedimen-
tärer Alkalinisierung (interne CO2-Produktion)
erreichbar. Die Bildung autochthoner organo-
gener Seesedimente in den Bergbaufolgeseen
nimmt voraussichtlich noch lange Zeiträume in
Anspruch. Eine Verbesserung der Pufferung lässt
sich durch technische Einbringung von Kohlen-
dioxid erreichen. Entsprechende Versuche befin-
den sich derzeit in Vorbereitung.
Weiterhin werden derzeit Pilotversuche zur
Abb. 5.78   Anwendung von In-Lake-Verfahren: Aus-
bringung einer Dolomitsuspension mit Wasserkanone im elektrochemischen Sulfatabtrennung aus Berg-
Horstteich bauwässern durchgeführt. Der Vorteil des Ver-
fahrens besteht darin, dass neben der Sulfatab-
des Pilotvorhabens zeigte, dass zur Elimina- trennung gleichzeitig eine Neutralisation und
tion der Acidität im Seewasser ca. 60 % und eine Metallabtrennung erzielt werden. Der ver-
zur Elimination der Acidität des Sediments ca. gleichsweise hohe Aufwand (Energieverbrauch)
20 % der dosierten Soda aufgewendet wurden. kann jedoch nicht durch die Gewinnung und Ver-
Etwa 10 bis 15 % werden zur Neutralisation des marktung von gezielt erzeugbaren Wertstoffen
Zustroms saurer Wässer in den See verwendet. wirtschaftlich kompensiert werden.
Weitere 5 bis 10 % sind Verluste. Der Zustrom Zusammenfassend kann resümiert werden,
sauren Wassers erfolgt nach gegenwärtigem dass im Lausitzer und Mitteldeutschen Sanie-
Kenntnisstand etwa zur Hälfte aus den vormals rungsbergbau praktische Erfahrungen vorliegen
belüfteten und somit versauerten Böschungsbe- und geeignete Verfahren zur chemischen Neu-
reichen über den Grundwasserpfad (Neumann tralisation saurer Bergbaufolgeseen entwickelt
et al. 2008). wurden (Schöpke 2007). Die chemische Neu-
tralisation ist in Verbindung mit der Flutung
und mit biologischen Verfahren ein ergänzender
Baustein im Rahmen einer komplexen Sanie-
rungsstrategie.
358 F.-C. Benthaus et al.

Tab. 5.21   Erreichbare Säure-Basen-Zustände in Bergbaufolgeseen des Sanierungsbergbaus


Prozess pH-Wert Säure-Basen-Zustand Alkalinität dominierende- Calcitsättigung
(mmol/L) Puffer-systeme
Grundwasseraufgang < 2,8 Extrem sauer < −10 H+HSO4− << 0
Fe3 + Al3 + 
2,8–3,2 Stark sauer −10 bis −2 H+HSO4− << 0
Fe3 + Al3 + 
Fremdflutung 3,2–4,3 Sauer −2 bis ± 0 (HSO4−) Al3 +  << 0
4,3–5,5 Schwach sauer ≈0 Al3 +  << 0
5,5–7,0 Schwach sauer bis  ≤ 0,5 (HCO3−) < 0
neutral
Chemische Maßnahmen 7,0 bis > 8,5 Neutral bis schwach ≤ 0,5 (HCO3−) ≈0
alkalisch bis alkalisch (CO32−)
Zum Vergleich: Zustand > 7,0 Neutral bis schwach ≥ 1,0 HCO3− ≈0
natürlicher Seen alkalisch
(in Klammern): schwache Ausbildung des Puffers

chemischen Prozesses, muss noch weiter unter-


5.10 Biologische Maßnahmen sucht werden (Geller et al. 2008).
Die Umsatzprozesse werden durch Bakte-
5.10.1 Grundlagen der biogene rien stark beschleunigt (enzymatische Katalyse).
Alkalinisierung Eine biogene Alkalinisierung ist möglich, wenn
die säurebildenden Stickstoff- und Schwefelver-
Die Alkalinität und Azidität des Seewassers kann bindungen bei Sauerstofffreiheit und niedrigem
aus der Summe der für die Säure-Basebilanz Redoxpotenzial reduziert werden können. Wenn
wichtigen Kationen und Anionen berechnet wer- diese Voraussetzungen natürlicherweise gegeben
den. Bei Überwiegen der alkalischen Kationen sind, findet ein langfristig wirksamer Prozess der
ist der Wert positiv (Alkalinität), bei Überwiegen biologischen Alkalinitätsproduktion im Kippen-
der sauren Anionen negativ (Azidität). Die bio- untergrund statt und entfernt Acidität, Eisen und
logische Produktion von Alkalinität wird erzeugt Sulfat aus dem Kippengrundwasser. Dieser Pro-
durch die bakterielle Reduktion von Nitrat und zess wurde von (Tröger et al. 2007) nachgewiesen
Sulfat (Nitrat- und Sulfatatmung in Abwesenheit im Kippenareal zwischen den Bergbaufolgeseen
von Sauerstoff). 107 und 108 bei Plessa – anhand der Isotopensig-
naturen von Sauerstoff und Schwefel. Die natür-
SO 4 2 − + 2[CH 2 O] → H 2S + 2HCO3− (5.29) liche Entsäuerung im Kippenuntergrund hängt ab
von der Menge des dort verfügbaren organischen
Das größte Potenzial zur biologischen Alkalini- Materials (TOC) und der mineralischen Nähr-
tätsproduktion wird jedoch in der Sulfatreduktion stoffe (N, P). Langfristig unterstützend kann der
gesehen. Dabei wird Sulfat in Sulfid (Gl. 5.29) von (Simon und Kassahun 2007) dokumentierte
und Fe(III) in Fe(II) umgesetzt, das mit dem re- Prozess der Umwandlung von hochmolekularen
duktiv gebildeten Sulfid als schwerlösliches Mi- Kohlenbegleitstoffen zu bakteriell verwertbaren,
neral FeS ausfällt (Gl. 5.30) und aus dem System kleinmolekularen C-Verbindungen durch Schim-
entfernt wird. melpilzarten dienen.
Der Prozess der anaeroben Entsäuerung wird
9[CH 2 O] + 4FeOOH + 4SO 4 2 − + 8H +  bei Sauerstoffeintrag in den Untergrund aufge-
→ 9CO 2 + 4FeS + 15H 2 (5.30) hoben durch den gegenläufigen Prozess der oxi-
dativen Säurefreisetzung, wobei die Nettobilanz
Die Langzeitstabilität der im Sediment abgela- vom Verhältnis beider Prozesse abhängt. Wenn
gerten Endprodukte, also Wirkung des biogeo- die notwendigen Voraussetzungen nicht gege-
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 359

ben sind, können sie durch geeignete Maßnah- gen (aktive Behandlungsverfahren mit ständiger
men unterstützt werden. Jeder Eingriff, der die Substratdosierung und Betriebssteuerung).
reduktiven Prozesse fördert oder die oxidativen In nährstoffreichen neutralisierten Seen ist eine
Prozesse zurück drängt, verstärkt die natürliche mittlere Alkalinitätsproduktion von 1,8 eq/m2  · a
Entsäuerung. Sauerstofffreie Zonen existieren im zu erwarten. Sollte der langfristige Säurezustrom
Sediment und in Tiefenwasserkörpern von Seen zu einem See diesen Wert deutlich übersteigen,
– zeitweise oder permanent je nach Mischungs- so kann der See auf der Basis der seeeigenen
typ und Nährstoffgehalt des Sees. Reduktive Be- organischen Produktion nicht neutral bleiben
dingungen werden gefördert durch die Zehrung (Koschorreck et al. 2007). Zur Untergrundbe-
von Sauerstoff, z. B. nach Erhöhung des Algen- handlung sauren Grundwassers können sowohl
wachstums durch die Zuführung von düngenden aktive Verfahren, die im Betrieb ständigen Ener-
mineralischen Nährstoffen (Eutrophierung) oder gieeinsatz und Substratzudosierung erfordern, als
von organischen Stoffen (Saprobisierung) und auch passive Verfahren eingesetzt werden, die im
wenn der Zutritt von Sauerstoff durch perma- Grundwasserstrom ohne externen Energieeinsatz
nente Schichtung (Meromixie) oder technische arbeiten.
Schutzmaßnahmen verhindert wird. Die Ein-
bringung von organischen Stoffen, z. B. Kom-
post oder Methanol als Flüssigsubstrat, in den 5.10.3 Behandlung von Kippengrund-
Kippenuntergrund bewirkt gleichartige Prozesse wasserkörpern
(Schöpke et al. 2006).
Ein Verfahren zur Sanierung saurer Zuflüsse be-
ruht auf dem Prinzip der mikrobiologischen Sul-
5.10.2 Passive und aktive Behand- fatreduktion im strömenden Grundwasser. Diese
lungsverfahren wird ausgelöst und gestützt durch die Einmi-
schung von Substrat und Hilfsstoffen. Das Ver-
Die verschiedenen Behandlungsmethoden zur fahren wurde im Versuchsbetrieb im bergbauver-
Sanierung saurer Gewässer werden eingeteilt sauerten, südöstlichen Grundwasseranstrom zum
nach dem technisch-energetischen Aufwand und Senftenberger See erprobt (Koch et al. 2006).
nach der Art des Wirkprozesses (Uhlmann und Im Versuch wurden Methanol und Nährstof-
Nixdorf 2002). Die Wirkung kann auf physika- fe (N, P) über Förder- und Infiltrationsbrunnen
lischen, chemischen oder biologischen Prozessen in den Grundwasserstrom eingemischt. Im Ab-
beruhen. Natural attenuation (NA) bezeichnet strom der Brunnenkombination bildete sich etwa
den Reinigungsprozess der Natur, möglichst mit 15 m unter der Grundwasseroberfläche eine re-
einem begleitenden Monitoring (Monitored Na- aktive Zone, in der die Sanierungsreaktionen ab-
tural Attenuation: MNA). Die Wirksamkeit ist liefen. Die Wirkung des Sanierungsverfahrens
begrenzt auf kleine Durchflüsse (< 5 L/s) und am Standort entfaltete sich nach einer längeren
geringe Aziditätsbelastungen (< 1 mmol/L). Pas- Einarbeitszeit (> 1 Jahr). Dabei wird eine Fließ-
sive Verfahren können nach dem Einbau umzu- zeit von einem halben Jahr bis in eine Vorflut vo-
setzender Substrate ohne weiteren Energie- und rausgesetzt. Da Eisen(II) die Hauptkomponente
Betriebsaufwand das durchfließende Wasser des Säurebildungspotenzials ist, kann das anströ-
selbsttätig reinigen. Beispiele sind Teichbecken mende Grundwasser nur bis zu einem Wert von
mit höheren Wasserpflanzen, reaktive Barrieren 6–8 mmol/L dauerhaft entsäuert werden. Eine
oder in die Fließstrecke eingebaute Untergrund- bei weiterer Sulfatreduktion mögliche H2S-Frei­
abschnitte mit Kalkstein- und Kompostfüllung. setzung muss unterbunden werden (Bilek und
Bei Durchflüssen >> 5 L/s und >> 1 mmol/L sind Wagner 2012). Im Versuchsverlauf wurden zwi-
passive Verfahren zu wenig wirksam und müssen schen Zu- und Abstrom folgende Abreinigungs-
ersetzt werden durch große, technische Lösun- daten erreicht:
360 F.-C. Benthaus et al.

Sulfat: von 1600 auf 800 mg L−1 Reaktorkombination zur autotrophen


Eisen: von 180 auf 10 mg L−1 Sulfatreduktion mit CO2- und
pH-Wert: von 4.3 auf 5.8 pH H2-Versorgung
Azidität/ von 7.3 meq L−1 auf 1 meq L−1
Bilek et al. (2007) berichten über erfolgreiche
Alkalinität: Azidität Alkalinität
Technikumsversuche zur Sulfatverminderung
Aufbauend auf diesen Ergebnissen wurde das durch Sulfatreduktion in einer Reaktorkombina-
Vorhaben „Düseninjektion Skadodamm zur In- tion. In der Reaktanordnung findet in drei gekop-
Situ-Grundwassersanierung“ (Abb. 5.80) von pelten Stufen die Entsäuerung und Sulfatreduk-
2008 bis 2010 geführt mit durchaus positiven Re- tion statt, wobei die Ablagerung von anfallenden
sultaten (Gast et al. 2011). Es konnte der Eisen- Endprodukten im angrenzenden See möglich
gehalt um 90% und der Sulfatgehalt um 40% im ist (subhydrische Deposition). Die Sulfatreduk-
abströmenden Grundwasser reduziert werden. tion erfolgt durch Sulfat reduzierende Bakte-
Eine weiterführende Anwendung ist vorgesehen. rien, deren Energiebedarf durch Wasserstoffgas,
der Kohlenstoffbedarf durch CO2-Gas gedeckt
werden soll (Autotrophie). Eine Erprobung
5.10.4 In-Situ-Behandlung von See- des Verfahrens im Pilotmaßstab ist vorgesehen
wasserkörpern (Abb. 5.79).

In den Jahren 1995 bis 1997 und 2000 bis 2002 Erhöhung der Primärproduktion –
wurde der Prozess der mikrobiellen Sulfatreduk- kontrollierte Eutrophierung
tion im Labor- und halbtechnischen Maßstab Nach der Stöchiometrie der Elementkomposition
zur Behandlung von Wässern an unterschied- von Biomasse kann die Zugabe des wachstums-
lichen Bergbaustandorten der LMBV und der fördernden Nährstoffs – meist Phosphat – die
LAUBAG/Vattenfall durchgeführt (Glombitza Produktion von Algen in Seen stark erhöhen.
2001; Glombitza und Karnatz 2003). Es wurde Laborversuche mit eisenreichem, sauren Was-
ein Festbettreaktor mit Lavaschlacke als Träger- ser und die Erfahrungen bei der Flutung von
material mit einem nutzbare Hohlraumvolumen schwefelsauren Bergbaufolgeseen mit Flusswas-
von ca. 2,5 m3 verwendet. Die Verweilzeit des zu ser haben jedoch gezeigt, dass der eingebrachte
behandelnden Wassers konnte auf < 2 h gesenkt Phosphor sehr schnell von Eisen gebunden und
werden, da die Mikroorganismen auf dem Trä- in mineralischer Form im Sediment begraben
germaterial einen stationären Biofilm bilden und wird (Totsche, Fyson, Steinberg 2006). Damit
den Reaktionsraum nicht verlassen. Die Zielstel- erwies sich der Ansatz der kontrollierten Eutro-
lung des Hochleistungsreaktors lag im Erreichen phierung als weitgehend unwirksam – zumindest
einer hohen Sulfatreduktionsrate (SRR). Die Sul- in Seen mit einer jährlichen Volldurchmischung
fatreduktion erfolgte nach vorausgehender Neu- bis zum Grund.
tralisierung und Entfernung des Eisens aus dem
sauren Rohwasser. Der minimale spezifische Künstlicher Eintrag von organischem
Methanolverbrauch lag bei ca. 200 mg/g Sulfat. Material – kontrollierte Saprobisierung
Es wurde über 2 Monate im Mittel eine Sulfatre- Bei Einbringung von organischem Material in
duktionsrate von 450 mg L−1 h−1 erreicht (Glom- Gewässer (Saprobisierung) werden die Sauer-
bitza und Karnatz 2003). Die Anlage wurde über stoffzehrung unterstützt und die reduktiven
16 Monate unter Freilandbedingungen betrieben, Prozesse im Wasser ermöglicht. Das Komplex-
wobei die Temperaturen im Reaktor bis zu 10 °C substrat enthält alle notwendigen Nährstoffe für
über der Außentemperatur lagen. Durch Bildung die biologische Reinigung. Dies hat den Vorteil,
von Niederschlägen auf dem Festbett kann nach dass organisch gebundener Phosphor nicht un-
längerer Laufzeit mit einem Verblocken des Re- mittelbar durch Eisen chemisch adsorbiert wird,
aktorsystems gerechnet werden. sondern im Verlauf des Abbauprozesses durch
die Mikroorganismen langsam frei gesetzt und
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 361

Abb. 5.79   Behandlungsschema der Technikumsanlage zur Autotrophen Sulfatreduktion und Sulfidfällung (Bilek et al.
2007)

genutzt wird. Die Saprobisierung hat nach der Nutzung von meromiktischen
Substrateinbringung also die Konditionierung des Tiefenwasserkörpern und
Habitats für das Wachstum von Sulfat und Eisen Randschläuchen
reduzierenden Bakterien zur Folge und stellt die Da der niedrige Nettowert von 2  bis 20 % der
Stoff- und Energieversorgung für die biologische Bruttoraten der Alkalinitätsproduktion durch in-
Entsäuerung sicher. Das angestrebte Endprodukt tensive Rückoxidation entsteht, kann eine An-
ist Eisensulfid, bzw. Pyrit, das dem System für näherung der Netto- an die Brutto-Raten nur in
eine nachhaltige Wirkung dauerhaft entzogen solchen Gewässerbereichen erfolgen, die vor
bleiben muss. Je intensiver der Tiefenwasser- Sauerstoffeintrag geschützt sind. Dies kann
bereich, in dem der reduktive Prozess zunächst einerseits in technischen Einbauten im See er-
stattfindet, dem Eintrag von Luftsauerstoff im folgen, die im experimentellen Stadium sind,
Zuge der saisonalen Vollzirkulation (Holomixis) z. B. in abgedeckten, anaeroben, in PE-Folien-
ausgesetzt ist, umso größer ist die Rückoxidation installationen eingeschlossenen Wasserkörpern
der gebildeten sulfidischen Endprodukte. Die (Enclosures). Andererseits könnten die in vielen
Wirkung ist nur dann von Dauer, wenn der De- Bergbaufolgeseen vorhandenen meromiktischen
positionsraum langzeitig gegen Sauerstoffzutritt Tiefenwasserbereiche für innovative Sanie-
geschützt ist. Versuche, Seen durch Saprobisie- rungsansätze nutzbar gemacht werden (Boehrer
rung zunächst anoxisch zu machen und dann im und Schultze 2006).
reduzierenden Medium die mikrobiologischen
Neutralisationsprozesse zu nutzen, sind in ho- In-Lake-Behandlungsanlagen –
lomiktischen Seen trotz intensiver Bemühungen schwimmende Durchfluss-Reaktoren
bisher gescheitert. Erfolgsaussichten scheinen Beim aktiven In-Lake-Verfahren (Koschorreck
erst gegeben zu sein, wenn am Grunde der Seen et al. 2006, 2007) erfolgt die biologische Neu-
permanent geschichtete Tiefenwasserkörper ent- tralisierung durch Regelung von Wasserkreis-
stehen können (meromiktisches Mischungsver- lauf und Substratzugabe (Ethanol, Eisen) in im
halten) See installierten, schwimmenden Durchfluss-
reaktoren mit einem effektiven Volumen von
362 F.-C. Benthaus et al.

Abb. 5.80   Enclosure-An-


lagen im Bergbaufolgesee
RL 111 bei Plessa

11,4 m3. In Vorlaufprojekten wurden die Grund- gegen Rückoxidation abgedeckt werden (Cap-
lagen vom Labormaßstab bis zu Feldversuchen ping-Technik).
im See RL 111 bei Plessa mit kleinen Enclosures
(24 m3) entwickelt. Im Rahmen eines DBU-Pro-
jektes wurden Versuche zur Verfahrenstechnik 5.10.5 Ex-Situ-Behandlung saurer
mit Groß-Enclosures (4.500 m3) durchgeführt Abflüsse in Vorflutsystemen
(Abb. 5.80).
Der In-Situ-Betrieb einer schwimmenden, In der Literatur werden passive Verfahren in
ohne Fremdenergie autonom arbeitenden Durch- Teichbecken und Feuchtgebieten zur Entsäue-
flussreaktoranlage zur Sulfatreduzierung mit rung und zur Verminderung der Metall- und Sul-
Datenfernübertragung war technisches Neu- fatgehalte als effektiv und kostengünstig propa-
land (Koschorreck und Tittel 2007). Während giert. Generell erscheinen die passiven Ansätze
des In-Situ-Versuchsbetriebes mit den bis Mitte zur Behandlung von kleinen Durchflussmengen
2005 entwickelten Reaktorsystemen wurden ca. von mäßig belasteten Bergbauwässern geeig-
900 m3 Enclosure-Wasser durch die Anlagen ge- net (Piramid 2003). In der Lausitz wurden an
leitet, davon ca. 375 m3 mit vollständiger Ent- Standorten mit unterschiedlichen Rohwasserty-
säuerung und einem Hydrogencarbonatpuffer pen Wasserpflanzenbestände zur Wasserbehand-
(NP > 0 mmol/L). Es wurde eine stabile Leistung lung eingesetzt und unter Freilandbedingungen
der Neutralisierung des zugeführten extrem sau- im Kleinmaßstab erprobt (Pietsch und Schötz
ren Seewassers und eine Sulfatreduktion von 2004). Versuche mit künstlichen Fließstrecken,
0,28 g L−1 d−1 erreicht. Aus den Betriebsdaten der bestehend aus Reihen von durchströmten Pflanz-
Reaktoren errechnet sich für den Zeitabschnitt behältern, und mit kontrolliert durchströmten
mit störungsfreier, vollständiger Wasserbehand- Flachwasserbereichen mit etablierten Beständen
lung eine Produktion von ca. 5.000 mol Alka- von höheren Wasserpflanzen belegen dies. Das
linität. Bezogen auf das Enclosurevolumen von Durchströmen in Oberflächennähe (aerob) und
4.500 m3 entspricht das einem Aziditätsabbau das tiefere Durchströmen (anaerob) durch das
von 1,1 mol/m3 und stimmt in guter Näherung Wurzelsystem erbringen unterschiedliche Re-
mit der Beschaffenheitsänderung des Enclosure- sultate. Die aerobe Behandlung ist geeignet zur
Wassers überein. Die Endprodukte, vorwiegend Entfernung von Metallen aus neutralen Wässern,
Eisenmonosulfid und Pyrit, werden beim In-La- trägt jedoch nicht zur Entsäuerung oder zur Sul-
ke­- Verfahren auf dem Boden des angeschlosse- fatverminderung bei. Die anaerobe Behandlung
nen Groß-Enclosures unter Wasser (subhydrisch) produziert Alkalinität und bewirkt sowohl eine
deponiert und müssen abschließend zum Schutz
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 363

Entsäuerung als auch eine Verminderung von ten über Grund, während im Kontrollexperiment
Sulfat und Metallen. ohne Strohauflagen nach 4 Monaten eine voll-
Ähnliche Reinigungsleistungen wurden er- ständige Rückoxidation der zunächst gebildeten
reicht beim Durchstrom saurer Wässer durch Schwefel – Reduktionsprodukte erfolgte (DBU-
Pflanzenbestände in Flachwasserbereichen (Bin- Projekt an TBS 111, Endbericht 2006). In neutra-
sen, Rohrkolben, Schilf). Dabei erhöhte sich über len Naturseen wurden Alkalinisierungsraten von
33 m Durchströmungsdistanz im Verlauf von 36 durchschnittlich 0,18 (nährstoffarme Seen) bis
Stunden die gelöste, organische Substanz von 1,8 eq/m2 · a (nährstoffreiche Seen) beobachtet
2,6 auf 35 mg/L DOC. Der pH-Wert wurde von (Koschorreck et al. 2007).
2,6 auf 6,0 erhöht und die Konzentrationen von In einem im Bergbaufolgesee RL111 instal-
Eisen und Sulfat um eine Größenordnung ernied- lierten, schwimmenden In-Situ-Durchflussreak-
rigt. Andere Versuche im Pilotmaßstab haben zu tor wurde unter Freilandbedingungen mit einem
einer Diskussion über die Wirksamkeit der Mak- extrem sauren Seewasser eine Sulfatreduktions-
rophyten geführt. Die Wirkung der Makrophyten rate von 0,28 g/L · d erreicht (Koschorreck et al.
besteht darin, dass die Sedimentation ausgefäll- 2007). Dabei müssen die Endprodukte auf dem
ter Endprodukte im bepflanzten Absetz-Teich- Seegrund dauerhaft deponiert werden. Im land-
becken begünstigt wird (Younger et al. 2002; seitig betriebenen Hochleistungsreaktor konnte
Piramid 2003). Die Bepflanzung der Teichbe- bei erhöhter Temperatur und Zuführung von neu-
cken mit einheimischen Wasserpflanzen, die die tralisertem Rohwasser eine Rate von 450 mg/L · h
wasserchemischen Bedingungen, wie z.B. jah- erzielt werden (Glombitza und Karnatz 2003).
reszeitliche Temperaturschwankungen, ertragen, Die entstehenden Endprodukte sind landseitig zu
wird bevorzugt. Die Gesamtbewertung belegt die verwerten.
Wirksamkeit von Pflanzenbeständen bei langsa-
mem Durchströmen. Der Einsatz von anaeroben
Verfahren hängt von der Menge und der Belas- 5.11 Renaturierung von
tung des zu behandelnden Wassers ab. Fließgewässern

5.11.1 Grundsätze
5.10.6 Abschätzung von Alkalinisie-
rungspotenzialen Unter Renaturierung von Fließgewässern wird
hier die Wiederherstellung der natürlichen Vor-
Da sich das Nettoergebnis der Alkalinisierung flutverhältnisse von Flüssen, Bächen und Gra-
durch Sulfatreduktion aus der Differenz der bensystemen verstanden. Diese Gewässer müssen
Brutto-Reduktion von Sulfat und dem gegen- Oberflächenwasser, exfiltrierendes Grundwasser
läufigen Prozess der (Rück-)Oxidation ergibt, nach Abschluss des Grundwasserwiederanstiegs
ist das Endresultat umso besser, je geringer der sowie Zu- und Ablaufwasser der Bergbaufolg-
Sauerstoffzutritt ist. Im Laborversuch mit stark eseen schadlos abführen. Die renaturierten Fließ-
schwefelsaurem Wasser wurde eine vollständige gewässer in ihrer vernetzten Struktur sind damit
Entsäuerung erreicht mit jährlichen Sulfatreduk- ein wesentliches Element bei der Wiederher-
tionsraten von 15 eq/m2 · a, im Freiland am Berg- stellung eines ausgeglichenen, sich weitestge-
baufolgesee RL 111 in Klein-Enclosures ein Wert hend selbst regulierenden Wasserhaushaltes in
von 10 eq/m2 · a. In einem organisch gedüngten den vom Braunkohlenbergbau beeinträchtigten
kleinen See wurden 12 eq/m2 · a am Ende der Flusseinzugsgebieten. Damit wird den Zielstel-
sommerlichen Schichtungsperiode erreicht. lungen der EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL
Nach der Volldurchmischung im Herbst und der 2000) sowie deren Umsetzung in das Wasser-
dadurch bedingten Rückoxidation blieben nur haushaltsgesetz (WHG 2010) zur nachhaltigen
geringe Anteile der Bruttoergebnisse erhalten: Gewährleistung der ökologischen Funktion von
0,3 bis 1,7 in Groß-Enclosures mit Stroheinbau- Gewässern Rechnung getragen.
364 F.-C. Benthaus et al.

Durch den Braunkohlenbergbau kam es in Maßnahmen zur Wiederherstellung des natur-


der Vergangenheit zu erheblichen Störungen des nahen Fließgewässerzustandes sind unter ande-
natürlichen Fließgewässersystems. Ursprünglich rem:
vorhandene Vorflutsysteme sind heute durch die • Anpassen des Abflussprofils im Gewässer an
Tagebauführung und die großräumige Grund- die nachbergbaulichen Abflusswerte – unter
wasserabsenkung vielfach nicht mehr funktions- Beachtung der Gewährleistung eines ökolo-
fähig. Abweichungen zum vorbergbaulichen gischen Mindestabflusses – durch Erdarbeiten
bzw. naturnahen Gewässerzustand sind vielfäl- an den Böschungen und durch Einbringung
tig, z. B. eines gleichgewichtsstabilen Substrates in das
• Abtrennung des Einzugsgebietes von Fließge- Gewässerbett
wässer • Entfernen der Gewässerdichtung bzw. Perfo-
• Veränderung des Abflussprofils rierung der Dichtungsschicht im Abflussprofil
• fehlende Verbindung zwischen Grund- und des Gewässers, um Infiltrationen nach Anstieg
Oberflächenwasserkörper des Grundwassers in das Fließgewässer zuzu-
• fehlende Strukturvielfalt, fehlende Tiefen- lassen
und Breitenvarianz • Instandsetzen der vorhandenen Grabensys-
• Störung der Durchgängigkeit teme durch Entkrautung, Entschlammung,
• morphologische Veränderungen lokale Gehölzrodung und Profilerweiterungen
• Veränderung des Sohlsubstrates • Instandsetzen der vorhandenen Durchlässe
• Veränderung der Gehölzbestände im Ufer- durch Neubau bzw. Reparatur, Wiederherstel-
und Umfeldbereich len von Gräben in den Gebieten, die infolge
• Veränderung der Krautvegetation des Grundwasserwiederanstiegs nach Ende
• Veränderung der angrenzenden Bereiche des Bergbaus oberflächennahe Grundwasser-
• Ablagerung von Sedimenten. stände aufweisen werden
• Beseitigen von Querbauwerken im Fließge-
wässer und Beseitigung von Sohl- und Ufer-
5.11.2 Maßnahmen verbauungen, um eine weitgehend ungestörte
Gewässerdurchgängigkeit zu gewährleisten
Die Beseitigung der vorhandenen Defizite an den • Neubau von Gräben zur Anbindung von Berg-
bergbaulich beeinflussten Fließgewässern erfor- baufolgeseen an das bestehende Gewässer-
dert zielgerichtete Maßnahmen. Diese Maßnah- system, nach Möglichkeit unter Nutzung vor-
men müssen sich an den gesetzlichen Anforde- bergbaulicher Vorflutertrassen
rungen unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit • Entfernen von Sedimenten und von Ablage-
zwischen Kosten und Nutzen orientieren. Haupt- rungen aus dem Abflussprofil der Gewässer
aufgaben sind die notwendige Einbindung der • Ökologische Umgestaltung von verbau-
entstehenden Bergbaufolgeseen in die Vorflut, ten bzw. verrohrten Grabenabschnitten und
die Schaffung von Vorflutsystemen auf den Kip- Umgestaltung zu einem offenen Gerinne mit
penflächen und die Renaturierung vorhandener einem Gewässerrandstreifen unter Verwen-
Vorfluter. dung von naturraumtypischen Gehölzen
Die Verbindung der natürlichen Fließgewäs- • Ersatz der vorhandenen Durchlässe im Fließ-
ser mit dem Grundwasserkörper ist eine wesent- gewässerverlauf durch Brückenbauwerke
liche Voraussetzung für eine intakte Fließgewäs- bzw. Umgestaltung dieser Durchlässe mit grö-
serstruktur. In der Regel kommt es dabei zu einer ßeren Abflussquerschnitten zur Verminderung
Exfiltration von Grundwasser in die Fließgewäs- von Aufstaueffekten
ser. Nur in Ausnahmefällen ist eine Infiltration in • Herstellung von Vorflutern und Schaffen von
das Grundwasser langfristig zuzulassen. Möglichkeiten einer bedarfsgerechten Was-
serverteilung unter Berücksichtigung nut-
zungsrelevanter Anforderungen (z. B. durch
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 365

Tab. 5.22   Untersuchte Fließgewässer je Bundesland nach Anzahl und Länge sowie die Anzahl der Fließgewässer nach
Art der Beeinflussung (Tynior et al. 2006)
Bundesland Fließgewässer Anzahl Fließgewässer nach Art der Beeinflussung1)
Anzahl Länge Verlegt/Profil Gedichtet Einzugs-gebiet Durch-gängig- Einbindung
(km) verändert abgeschnitten keit gestört Gewässer-system
Brandenburg 153 626 31 6 73 42 23
Sachsen 313 961 78 34 137 205 83
Sachsen-Anhalt 48 179 29 9 28 22 19
Thüringen 5 9 2 2 3 4 0
Summe 519 1.775 140 51 241 273 125
1)Mehrfachnennung möglich

Wasserwirtschaft, Teichwirtschaften) an das 9. Ermittlung des potentiellen Nutzens der Maß-


Gewässer nahme.
• Minderung des Zutritts bergbaubedingt ver- Fließgewässer erfüllen neben ihren hydrauli-
sauerter, eisen- und sulfatbelasteter Grund- schen Aufgaben vielfältige biologische und öko-
wässer im Zuge des Grundwasserwiederan- logische Funktionen. Deren Ausprägung wird
stiegs. durch die vielfältigen Wirkungszusammenhänge
Die durchzuführenden Maßnahmen zur Ge- zwischen Abfluss- und Strömungsgeschehen, Ge-
wässerrenaturierung im Zusammenhang mit der wässermorphologie und Topographie bestimmt.
Beseitigung der Folgen der bergbaulichen Be- Durch Gewässerregulierung, Umgestaltung und
einflussung des Gewässers sind darauf hin aus- Neugestaltung kann die strukturelle und funktio-
gerichtet, eine effektive Verbesserung des Reten- nelle Eigenart eines Gewässers wieder hergestellt
tionsvermögens, des Abflussverhaltens sowie der werden. Bei allen Maßnahmen ist auch die spä-
Gewässerökologie zu ermöglichen. Damit wird tere bedarfsorientierte Gewässerunterhaltung zu
auch ein wesentlicher Beitrag zur Reduzierung berücksichtigen.
der aus dem Grundwasserwiederanstieg resultie- Die Ermittlung von Prioritäten zur Umset-
renden Gefährdung geleistet. zung der Maßnahmen ergibt sich insbesondere
aus dem Erfordernis der Flutung von Bergbau-
folgeseen, dem Erreichen der prognostizierten
5.11.3 Planung Endgrundwasserständen und auftretenden öko-
logischen Defiziten in den Fließgewässern. So
Bei der Konzeption von Renaturierungsmaßnah- ist der Eintrag von hohen Stofffrachten aus dem
men für bergbaulich beeinflusste Abschnitte der belüfteten Grundwasser in die Fließgewässer zu
Fließgewässer sind folgende Planungsschritte berücksichtigen.
durchzuführen: Letztendlich ist die Abschätzung der finan-
1. Erfassung der Funktion des Fließgewässers ziellen Aufwendungen für die einzelnen Maß-
2. Erfassung der aktuellen Zuständigkeit nahmen erforderlich, um diese in die langfristige
3. Beschreibung der Abweichung zum vorberg- Sanierungsstrategie einordnen zu können. Die
baulichen bzw. naturnahen Gewässerzustand Höhe der spezifischen Kosten wird dabei ent-
4. Ermittlung der Ursachen der Abweichung scheidend von der Funktion des Gewässers und
5. Bewertung der Notwendigkeit der Renaturie- der erforderlichen Renaturierungsmaßnahmen
rung zur Zielerreichung beeinflusst.
6. Beschreibung der erforderlichen Maßnahmen Im Lausitzer und Mitteldeutschen Braunkoh-
zur Beseitigung der Abweichung lenrevier sind insgesamt 519 Fließgewässer mit
7. Ermittlung von Prioritäten zur Umsetzung einer Gesamtlänge von 1.775 km hinsichtlich
8. Abschätzung der finanziellen Aufwendungen erforderlicher Renaturierungsmaßnahmen unter-
der Maßnahme
366 F.-C. Benthaus et al.

Abb. 5.81   Die Schrake


vor der Renaturierung

sucht worden. Eine Übersicht zeigt die Tabel- Selbstreinigungsvermögen des Gewässers sowie
le 5.22. den Wasserrückhalt zu fördern, den ökomorpho-
Eine große Anzahl der Fließgewässer ist wäh- logischen Gewässerzustand zu verbessern, die
rend der Gewinnung durch den Tagebau verlegt Gewässerbiozönosen aufzuwerten und die Ein-
worden oder in der Durchgängigkeit verändert bindung von drei Bergbaufolgeseen in das Ge-
worden (s. a. Abb. 5.69 verlegtes Flussbett der wässernetz zu gewährleisten.
Weißen Elster). Diese Veränderungen sind an die Im Einzelnen umfasste die Renaturierung der
nachbergbauliche Situation anzupassen. Schrake folgende Maßnahmen: Beräumung des
Eisenhydroxidschlammes, Rückbau von Quer-
bauwerken und Neubau von Sohlschwellen/
5.11.4 Beispiel Renaturierung des Sohlgleiten, abschnittweise Abdichtung der Ge-
Fließgewässers Schrake wässersohle, abschnittweise Aufhöhung der Ge-
wässersohle, Gestaltung eines neuen Gewässer-
Die Schrake ist ein zum Biosphärenreservat profils einschließlich Einbringen von Totholz in
Spreewald entwässerndes Fließ mit 16 km Länge das Gewässerbett, Schaffung eines leicht mäand-
und einem Einzugsgebiet von 170 km2. Zur Ab- rierenden Gewässerverlaufs in der Mittelwasser-
leitung des aus den Tagebauen Schlabendorf- linie sowie Bau- und Instandsetzungsmaßnah-
Nord und Schlabendorf-Süd gehobenen Gruben- men.
wassers wurde die Schrake teilweise verlegt, mit Im verlegten Abschnitt der Schrake werden
Wehranlagen ausgerüstet und mit einem großem nach Abschluss des Grundwasserwiederanstiegs
Querschnitt ausgebaut. Das abgeleitete Gruben- einige Bereiche ohne Grundwasserschluss sein.
wasser aus Filterbrunnen war sehr eisenhaltig Um die Exfiltration des Gewässers über die
und führte zur Ablagerung von Eisenhydroxid- Sohle zu verhindern, sind hier Maßnahmen zur
schlamm (Abb. 5.81). Abdichtung der Gewässersohle vorgesehen.
Die Durchgängigkeit ist durch Wehranlagen Die Durchführung der Arbeiten erfolgte unter
gestört. Die Renaturierung dieses erheblich ver- weitgehender Schonung der bestehenden Ufer-
änderten Gewässers erfolgte mit dem Ziel, das vegetation (Abb. 5.82). Die Abbildung 5.83 zeigt
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 367

Grundsätzlich wird zwischen einer infor-


mations- und einer entscheidungsorientierten
Überwachung unterschieden. Die informations-
orientierte Überwachung dient dem allgemeinen
Erkenntnisgewinn, der Dokumentation des Ab-
laufs und der Beweissicherung. Demgegenüber
steht im Mittelpunkt der entscheidungsorien-
tierten Überwachung die Ableitung von Ent-
scheidungen in Abhängigkeit der Soll-Ist-Ab-
weichungen bzw. der Erfolgskontrollbewertung.
Mit dem Fortschreiten der wasserwirtschaft-
lichen Sanierung steigen die Anforderungen an
Abb. 5.82   Die Schrake nach Abschluss der Renaturie- die Genauigkeit der Überwachungsdaten und
rung mit einer Sohlgleite an die davon abgeleiteten steuernden Entschei-
dungen. Um die hierfür erforderliche Quali-
tätssicherung und einheitliche Handlungsweise
der LMBV mbH zu gewährleisten, wurde das
Merkblatt „Montanhydrologisches Monitoring“
(MHM) vom DGFZ e. V., der BGD GmbH und
der IBGW GmbH im Jahr 2000 erarbeitet und
in der inzwischen fortgeschriebenen aktuellen
Fassung im Juni 2008 von der LMBV erneut
für ihren Verantwortungsbereich verbindlich er-
klärt worden (LMBV 2008).
Das Merkblatt dient der Qualitätssicherung
und dem einheitlichen Handeln in der LMBV bei
der Planung und der Durchführung der Überwa-
chung der bergrechtlich bestimmten Sanierung
Abb. 5.83   Die Schrake nach Abschluss der Renaturie- der wasserwirtschaftlichen Verhältnisse in den
rung im neuen Gewässerbett vom Bergbau betroffenen Flächen, bezogen auf
den Absenkungstrichter der bergbaulichen Was-
das renaturierte Gewässer nach Abschluss der serhaltung.
Arbeiten.

5.12.2 Grundsätze
5.12 Montanhydrologisches
Monitoring Die im Merkblatt getroffenen Aussagen zur
Messstellenzahl, Mess-/Probenahme-Intervallen
5.12.1 Zielstellung und Mess-/Analysenprogramm sind unter Be-
achtung der örtlichen Spezifik im Sinne einer
Die Überwachung der wasserwirtschaftlichen Einzelfallprüfung objekt-, schutzgut- und nach-
Sanierung in der Bergbaufolgelandschaft bildet nutzungskonkret zu treffen und zu begründen.
einen Sonderbereich der Sanierungsüberwa- Als Mittel zur Optimierung des Beobach-
chung. Er grenzt sich örtlich, zeitlich, eigentums- tungsumfanges soll ein Betreiberplan erstellt
und verantwortungsrechtlich sowie finanziell werden, der spezifisch für das jeweilige Gewäs-
von der Umweltüberwachung der Landesbehör- ser die zu untersuchenden Parameter, Messstel-
den ab. len und den Messzyklus definiert. Dabei ist der
368 F.-C. Benthaus et al.

Objektspezifischer Betreiberplan 5.12.3 Geltungsbereich


zum Erreichen der
Sanierungsziele/Sanierungszielwerte
Der sachliche Geltungsbereich ist auf die Über-
Modellgestützte Planung der Messstellen wachung der Sanierung der wasserwirtschaft-
nach Art und Anzahl lichen Verhältnisse im hydrologisch bestimm-
ten Einflussbereich ehemaliger Betriebsanlagen
Eignungsprüfung vorhandener Messstellen unter Einbeziehung der Wasserhaushaltselemen-
einschließlich einer Defizitanalyse
te Niederschlag, Bodenwasser, Grundwasser,
Neubau von Messstellen Seewasser und Fließgewässer beschränkt.
Der örtliche Geltungsbereich wird durch die
Durchführung des montanhydrologischen Monitorings seitens der LMBV durchzuführenden wasserwirt-
entsprechend Kenntnisstand schaftlichen Sanierungsarbeiten determiniert.
(Grundprogramm + Zusatzprogramme)
Die Grenzen des Abschlussbetriebsplanes sind
Aufbau eines geohydrochemischen Prognosemodells
im Allgemeinen auch die Überwachungsgrenzen
einschließlich Sensitivitätsanalyse für die des MHM; es sei denn, die Überwachung der Sa-
Modellparameter/-kennwerte nierung der wasserwirtschaftlichen Verhältnisse
erfordert eine Ausdehnung des Monitoringberei-
Optimierung des Monitoringprogramms
Mess-/Probennahmetermine
ches durch Untersuchungen zu Sanierungskon-
Analytikprogramm zepten und Abwehrmaßnahmen des mit der berg-
baulichen Stilllegung der Braunkohlentagebaue
Durchführung des montanhydrologischen Monitorings verbundenen Grundwasseranstiegs.
einschließlich Qualitätssicherung
Der zeitliche Geltungsbereich endet mit der
Vergleich Prognose- mit Istwerten
Entlassung der Sanierungsgebiete aus der Berg-
gegebenenfalls erforderliche Modellkalibrierung aufsicht.

Prüfung auf Erreichbarkeit der Sanierungsziele


Planung/Durchführung
gegebenenfalls erforderlicher Maßnahmen
5.12.4 Umfang des montanhydrologi-
schen Monitorings
Durchführung des montanhydrologischen Monitorings
bis zum Ende des Geltungsbereiches Das montanhydrologische Monitoring umfasst
die Überwachung des Klimas, des Bodenwas-
Abb. 5.84   Schematisierter Messnetzbetreiberplan (LMBV sers, des Grundwassers, der Bergbaufolgeseen
2008)
(einschließlich deren oberirdische Zuflüsse über
Böschungen), der Fließgewässer und der Gru-
benwässer. Hierzu werden festgelegt:
in Abbildung 5.84 gezeigte Algorithmus „Betrei- • die Strukturierung der Überwachungsobjekte
berplan“ umzusetzen. sowie Anzahl und Anordnung der Messpunkte
Insbesondere ist zu gewährleisten, dass mit • die zu erfassenden Daten
dem objektkonkreten Erkenntnisgewinn der • die Messzeiten
Überwachungsaufwand optimiert werden kann. • die Anforderungen an die konstruktive Gestal-
Das „Montanhydrologische Monitoring“ muss tung der montanhydrologischen Messstellen,
dabei jederzeit transparent und prüfbar sein. wie z. B. an Erosionsmessstellen, Sonder-
Die Repräsentanz verkürzter Analysen ist messstellen zur anaeroben, vertikal differen-
durch innere und äußere Kontrolle nachzuwei- zierten Grundwasserprobenahme, Sickerwas-
sen. Bei der Beprobung ist sicherzustellen, dass sermessstellen
eine Probenahme unter gleichen Bedingungen zu • die Planung, Durchführung und Auswertung
unterschiedlichen Zeiten erfolgen kann.“ der Probenahme
• die Art der Konservierung der Proben
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 369

• die Analytik (Vor-Ort-Analytik und laborative arbeitung von Messnetzbetriebsplänen explizit


Analytik) ausgewiesen. Dabei wird aufgezeigt, welcher
• den Rückbau von Messstellen. Messwert in welchem Wertebereich welche der
Die praktische Umsetzung der Forderungen des zu treffenden Entscheidungen in welcher Weise
LMBV-Merkblattes MHM wird durch Muster- beeinflusst (s. Abb. 5.84).
leistungsbeschreibungen (MLB) und Muster- Auf dieser Grundlage sind in den entsprechen-
leistungsverzeichnisse (MLV) geregelt. In diese den Ausschreibungsunterlagen zur Probenahme
gingen die im Rahmen der bergbauspezifischen und Analytik detaillierte Angaben zu den Prüf-
Umsetzung der durch DIN, DVWK, DVGW und kriterien und den Folgen enthalten, die eintreten,
LAWA gegebenen allgemeingültigen Regeln ein. wenn die Prüfkriterien nicht eingehalten werden.
Folgende Leistungsbeschreibungen und Leis- So muss z. B. der Ionenbilanzfehler weniger als
tungsverzeichnisse wurden für die LMBV er- 10 % betragen. Weiterhin erfolgt eine unange-
arbeitet: meldete Vor-Ort-Prüfung durch Mitarbeiter der
• Errichtung und Abnahme von Grundwasser- LMBV, ggf. unter Einbeziehung eines unabhän-
messstellen gigen, externen Sachverstandes, auf der Grund-
• Errichtung und Abnahme von Bodenwasser- lage von Prüfprotokollen. Diese wurden entspre-
und Bodenluftmessstellen chend der in den Musterleistungsbeschreibungen
• Errichtung und Abnahme von Oberflächen- mit Musterleistungsverzeichnis enthaltenen Qua-
wassermessstellen litätssicherungsmaßnahmen erarbeitet. Darin in-
• Errichtung und Abnahme von Erosionsmess- tegriert sind auch die Prüfung weiterer Qualitäts-
stellen sicherungsmaßnahmen, wie die Einhaltung der
• Eignungstest vorhandener Grundwassermess- Probenahmevorgaben, das zwischen Labor und
stellen Probennehmer auszufertigende Übergabe-/Über-
• Eignungstest vorhandener Bodenwasser- und nahmeprotokoll, die sachgerechte Durchführung
Bodenluftmessstellen der Vor-Ort-Analytik und Probenpräparation.
• Montanhydrologisches Monitoring (Gesamt- Werden die Vorgaben zu den Ionenbilanzfeh-
heit aller oben dargestellten Leistungen für lern nicht eingehalten bzw. Plausibilitätsfehler
alle Überwachungsbereiche). oder/und Fehler bzw. Versäumnisse bei den o.g.
Prüfungen bzw. Kontrollen festgestellt, so ist die
Probenahme, einschließlich der Wasseranalyse
5.12.5 Qualitätssicherung für die betreffenden Messstellen auf Kosten des
AN zu wiederholen. Der Nachweis für die Pro-
Die Qualitätssicherung beginnt bereits mit der benkonservierung, die Probenverdünnung und
Erarbeitung des objektkonkreten Betriebsplans. den Probentransport wird auf der Grundlage der
Dieser Plan wird modellgestützt, d. h. auf der Übergabe-/Übernahmeprotokolle geführt.
Grundlage eines hydrogeologischen Modells er- Im Rahmen der Qualitätssicherung werden
arbeitet. Als Ergebnis werden begründete Mess- ausgewählte Proben von einem Referenzlabor
bzw. Probenahmefrequenz und das Messpara- der LMBV vor Ort parallel zum Probenahmevor-
meterspektrum erhalten. „Begründet“ bedeutet in gang des Auftragnehmers abgefüllt, präpariert
diesem Zusammenhang, dass die messtechnisch und analysiert sowie die Vor-Ort-Bestimmung
zu bestimmenden Parameter zur konkreten Ent- der Säure-/Basenkapazität durchgeführt.
scheidungsfindung erforderlich sind. Darüber Bedingt durch den hohen Qualitätsanspruch
hinaus ist das erweiterte Analysenspektrum zu und die Besonderheiten des montanhydrologi-
erarbeiten, das dem Ziel der Qualitätssicherung schen Monitorings wird gefordert, dass mit der
dient. Hierzu sind im LMBV-Merkblatt des Grundwasserprobennahme und Analytik nur
MHM konkrete Vorschläge enthalten. Entschei- Einrichtungen beauftragt werden, die hierfür
dungen, die von Messwerten des MHM abhän- über eine Akkreditierung bzw. Zertifizierung
gen, werden in einem ersten Schritt bei der Er- nach DIN EN 17025:2005 und OFD-Hannover/
370 F.-C. Benthaus et al.

Abb. 5.85   Anordnung der


Grundwassermessstellen-
gruppen zur teufenorien-
tierte und stromlinien-/
bilanzgebietsbezogene
Beobachtung der Grund-
wasseränderungen nach
Menge und Beschaffen-
heit. (schwarz umrandet:
Messstellengruppen im
Kippenbereich)

BAM-Vereinbarung verfügen und ein Zertifi- men des Sondermessnetzes Braunkohle als erstes
kat über die erfolgreiche Teilnahme an einer in im Bereich der LMBV errichtet. Die während
Verantwortung der LMBV mbH durchgeführten des Messnetzbetriebes gewonnenen Erkenntnisse
Weiterbildung zur Durchführung und Auswer- bildeten eine wesentliche Grundlage für die Er-
tung der im Bereich des montanhydrologischen arbeitung des MHM.
Monitorings erforderlichen Leistungen besitzen. Die Planung nach Anzahl, Art und räumlicher
Die Belastbarkeit der auf dieser Grundlage Anordnung der Filterelemente von Grundwas-
bisher erzielten Monitoringergebnisse bzw. Sa- sermessstellen erfolgte modellgestützt. Hierfür
nierungsentscheidungen rechtfertigt den darge- wurde das Hydrogeologische Großraummodell
stellten Aufwand. Süd (HGMS) verwendet, das mittels des Pro-
grammsystems PCGEOFIM (3D) erstellt wurde.
Beispiel eines Messnetzbetreiberplans Entsprechend der ausgegrenzten hydraulischen
Nachfolgend soll ein Messnetzbetreiberplan am Bilanzgebiete und Stromlinien wurden Mess-
Beispiel der Grundwasserüberwachung des Co- stellengruppen so angeordnet, dass eine teufe-
spudener Sees dargestellt werden. Das Grund- norientierte und stromlinien-/bilanzgebietsbezo-
wassermessnetz Cospuden wurde 1995 im Rah- gene Beobachtung der Grundwasseränderungen
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 371

Abb. 5.86   Nettoacidität RCO 1 (36411) RCO 5 (36451) RCO 11 (36511)


in den Grundwassermess-
stellen (RCO) am Cospu- RCO 14 (36541) RCO 19A (36591) RCO 20 (36601)
dener See
14
12

Nettoacidität in mmol/l
10
8
6
4
2
0
-2
-4
-6
0,00 5,00 10,00 15,00 20,00
Ausgetauschte Porenvolumen

nach Menge und Beschaffenheit möglich wurde • Beschaffenheit – Zusatzprogramm: Versaue-


(Abb. 5.85). Nach einer Eignungsprüfung bereits rung (für Messstellen, die im Einflussbereich
am Standort verfügbarer und prinzipiell geeigne- von Versauerungen liegen)
ter Grundwassermessstellen musste festgestellt • Beschaffenheit – Zusatzprogramm: Beson-
werden, dass diese hinsichtlich der neuen Ziel- dere Indikationen (für Kontrolluntersuchun-
stellung einer prozessbezogenen Grundwasser- gen; zur Qualitätssicherung)
überwachung nicht geeignet waren. • Beschaffenheit – Zusatzprogramm: Betonag-
Ersichtlich sind die entsprechend der Grund- gressivität (für Messstellen, die im Einfluss-
wasserströmungsgeschwindigkeit unterschiedli- bereich von Bauwerken liegen).
chen Abstände der Grundwassermessstellen, die Nach einem 5-jährigen Messnetzbetrieb erfolgte
im Kippenbereich enger sind als im Grundwas- auf der Grundlage der auf Belastbarkeit geprüf-
serleiter 1. ten Grundwasserüberwachungsdaten eine erste
Da eine modellgestützte Planung der Grund- Optimierung des Messnetzbetriebes hinsichtlich
wasserbeschaffenheit aufgrund fehlender Erfah- der Probenahmeintervalle. Das Ergebnis wurde
rungen nicht möglich war, erfolgt gemäß des im in der Tabelle. 5.23 mit dem der 2005 durchge-
LMBV-Merkblatt enthaltenen Algorithmus „Be- führten zweiten Messnetzoptimierung zusam-
treiberplan zum Erreichen der Sanierungsziele menfassend dargestellt. Im Rahmen der 2005
und Sanierungszielwerte“ (s. Abb. 5.84) zunächst für den montanhydrologischen Überwachungs-
der Messnetzbetrieb auf der Grundlage eines Ba- bereich des Cospudener Sees durchgeführten
sismessprogramms. Somit wurden zwei Grund- Optimierung des Messnetzbetriebes wurde durch
wasserprobennahmetermine pro Jahr festgelegt. die Autoren die Methodik einer kontrollraum-
Das Analysenprogramm bestand aus folgen- bezogenen Datenauswertung entwickelt und an-
den Teilmodulen: gewandt. Damit ist es möglich, eine Analyse der
• Beschaffenheit – Grundprogramm: ermög- dem Cospudener See über den Grundwasserpfad
licht unter anderem die Berechnung bzw. Prü- zu- bzw. abströmenden Stoffkonzentrationen im
fung der Ionenbilanzfehler Sinne einer frachtgewichteten Auswertung dar-
• Beschaffenheit – Zusatzprogramm: Altlasten zustellen. Ein Beispiel ist der Abbildung 5.86 zu
(für Messstellen, die im Einflussbereich von entnehmen. Dabei wird die Zeitachse in ausge-
Altlasten liegen) tauschte Porenvolumen transformiert, wodurch
eine direkte, strömungsgewichtete Vergleichbar-
372 F.-C. Benthaus et al.

Tab. 5.23   Kostenvergleich für das Monitoringprogramm


hydrologischen Monitorings. Die auf der Grund-
1995–1999 2000–2005 2006 – … lage des Messnetzbetreiberplanes durchgeführte
Jahreskosten Kostenreduzierung Kostenreduzie-
Messnetzoptimierung ist nachvollziehbar und
um rung zu 2005 um
100 % 50 % 35 % ermöglicht signifikante Einsparungsmöglich-
keiten ohne Verlust an Informationen und deren
Qualität. Die im Rahmen der Messnetzoptimie-
keit aller Analysenergebnisse ermöglicht wird. rung von den Autoren entwickelte Methodik
Auf dieser Grundlage konnte eine weitere stoff- einer kontrollraumbezogenen Datenauswertung
frachtbezogene Reduzierung der Probennahme- ermöglicht eine frachtgewichteten Analyse von
intervalle belastbar begründet werden. Die dar- Datenreihen. Eine weitere Reduzierung betrifft
aus resultierende Einsparung wurde in der Tab. 1 das Analysenprogramm, dass aufgrund einer
zusammengefasst. Eine weitere Reduzierung durch die Belastbarkeit der Analysenergebnisse
betrifft das Analysenprogramm, dass aufgrund und deren strömungsgewichteter Auswertung er-
einer durch die Belastbarkeit der Analysenergeb- möglichten Trend- und Sensitivitätsanalyse ge-
nisse und deren strömungsgewichteter Auswer- kürzt werden konnte.
tung ermöglichten Trend- und Sensitivitätsana- Die Erzielung belastbarer Monitoringergeb-
lyse gekürzt werden konnte. Weiterhin konnte nisse ist Grundlage für die Entscheidung über
nachgewiesen werden, dass auf keine der modell- Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit von
gestützt geplanten Grundwassermessstellen ver- Sanierungsmaßnahmen. Sie erfordert ein hohes
zichtet werden kann, keine weitere erforderlich Maß an praktikablen Qualitätssicherungsmaß-
ist und das verwendete geohydraulische Modell nahmen. Dies konnte mit dem MHM erzielt wer-
belastbare Bilanzwerte berechnet. den. Deutlich wird dieser Sachstand unter ande-
Bei einer Bewertung der in Tabelle 5.23 dar- rem auch dadurch, dass die im MHM entwickel-
gestellten Einsparungsmöglichkeiten ist zu be- ten Qualitätssicherungsmaßnahmen im Rahmen
achten, dass diese ohne Verlust an Informationen ausländischer Projekte und nationaler Regelwer-
und deren Qualität erfolgt. Aus der Sicht der Au- ke erfolgreich eingebracht werden konnten.
toren ist dies eine grundlegende Voraussetzung,
um belastbare Entscheidungen hinsichtlich not-
wendiger und verhältnismäßiger Sanierungsmaß- 5.13 Wasserwirtschaftliche
nahmen treffen zu können. Nachsorge an Bergbaufolge­
seen

5.12.6 Verallgemeinerungsfähige 5.13.1 Definitionen und Ziele


Ergebnisse
Unter wasserwirtschaftlicher Nachsorge ist die
Das montanhydrologische Monitoring wird seit umfassende und nachhaltige Sicherung aller
15 Jahren in der wasserwirtschaftlichen Sanie- durchgeführten Sanierungsmaßnahmen an einem
rung betrieben, davon seit ca. 12 Jahren nach Bergbaufolgesee zu verstehen. Sie dient der Ge-
dem LMBV-Merkblatt „Montanhydrologisches währleistung der ökologischen Funktionstüchtig-
Monitoring in der Phase des Abschlussbetriebs- keit der Bergbaufolgeseen und deren Anbindung
planes“. Es kann zusammenfassend festgestellt an das natürliche Gewässersystem. Die geplante
werden, dass der Übergang von einer informati- Gewässernutzung kann mit dem Erreichen des
ons- zu einer entscheidungsorientierten Überwa- unteren Zielwasserstandes im Bergbaufolgesee
chung vollzogen wurde. Der dafür entwickelte beginnen.
Messnetzbetreiberplan hat sich bewährt. Er dient Die wasserwirtschaftliche Nachsorge an Berg-
gegenwärtig z. B. auch als Vorlage für die Ent- baufolgeseen setzt sich aus zwei Bestandteilen
wicklung des Monitored Natural Attenuation zusammen (Beims et al. 2005):
(MNA) für die Bereiche außerhalb des montan-
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 373

Abb. 5.87   Phasen der Bergrecht wasserrechtlicher PF-Beschluss


Entstehung von Bergbau- Beendigung der Bergaufsicht
folgeseen Wasserrecht
Herstellung des Tagebaufolgesees TFS
Bautechnische
Herstellung des TFS Bergbaubedingte wasserwirtschaftliche Nachsorge

Ziele:
Stabilisierung des Zielwasserstandes
Bergmännische Stabilisierung der Wasserbeschaffenheit
Grundsanierung

Errichten wasserwirt-
schaftlicher Bauwerke

1. Nachsorgephase 2. Nachsorgephase
Fluten der
10 bis 15 Jahre 5 bis 25 Jahre
Bergbaufolgeseen bis
zum Zielwasserstand
Gewässerunterhaltung als Basisaufgabe 2030

Zeitmarken EU WRRL 2015 2021 bzw. 2027

• Der allgemeinen wasserwirtschaftlichen und ihr Ende sind jeweils von der Erfüllung was-
Nachsorge, welche alle Betriebs- und Unter- serwirtschaftlicher Kriterien abhängig. Die bei-
haltungsleistungen, die an jeweils vergleich- den Phasen der Nachsorge werden entsprechend
baren natürlichen oder künstliche Gewässern Tabelle 5.24 abgegrenzt (Beims et al. 2005).
gemäß der Nutzungsziele und der wasser-
rechtlichen Rahmenbedingungen gemäß
Planfeststellungsbeschluss zu erbringen sind, 5.13.2 Maßnahmen
umfasst (Basisaufwand).
• Der bergbaubedingten wasserwirtschaftlichen Im Rahmen der bergbaubedingten wasserwirt-
Nachsorge, welche bergbaubedingt zusätz- schaftlichen Nachsorge an den Bergbaufolgeseen
lich zu erbringende Leistungen beinhaltet sind vom Bergbauunternehmen die nachfolgend
und vom Bergbauunternehmer gesondert zu genannten Maßnahmen durchzuführen:
berücksichtigen ist. • Stützung des Wasserstandes im Bergbaufolg-
Die Grenzen zwischen beiden Bestandteilen sind esee bis zum Erreichen des stabilen Zielwas-
dabei fließend. Nachfolgend wird speziell auf die serstandes und damit mittelbar Auffüllung des
Belange der bergbaubedingten wasserwirtschaft- Grundwasserdefizits im hydraulisch beein-
lichen Nachsorge eingegangen. Abbildung 5.87 flussten Bereich des Bergbaufolgesees unter
zeigt die Phasen der Entstehung von Bergbau- Berücksichtigung natürlicher Schwankungen
folgeseen sowie die Einordnung der bergbaube- • Maßnahmen zur nachhaltigen Sicherung der
dingten wasserwirtschaftlichen Nachsorge. an Nutzungsvorhaben orientierten Gewässer-
Der Flutung des Bergbaufolgesees ist eine güte im Bergbaufolgesee
Sanierungsphase vorausgegangen, in der die • Steuerung der Wassergüte und –menge im
technischen Maßnahmen zur Böschungs- und Gewässersystem im Rahmen der rechtlichen
Ufersicherung sowie zur Böschungsgestaltung Verpflichtungen und behördlichen Vorgaben,
erfolgten und in der die wasserwirtschaftlichen um eine vom Bergbau und von der Herstel-
Anlagen errichtet wurden. Sanierungs- und Flu- lung der Bergbaufolgelandschaften herrüh-
tungsphase können sich dabei abschnittsweise rende Verschlechterung der Wasserbeschaf-
überschneiden. fenheit zu vermeiden sowie den behördlich
Die bergbaubedingte wasserwirtschaftliche festgelegten Mindestabfluss zu gewährleisten
Nachsorge umfasst unabhängig von der berg-
rechtlichen Situation zwei Phasen. Ihr Beginn
374 F.-C. Benthaus et al.

Tab. 5.24   Definition der Phasen der bergbaubedingten wasserwirtschaftlichen Nachsorge


1. Nachsorgephase (dynamische Nachsorgephase)
Beginn Mit Erreichen des unteren Zielwasserstandes im Bergbaufolgesee
Ende Mit dem erstmaligen Erreichen eines stabilen Zielwasserstandes im Bergbaufolgesee
Ziele Herstellung eines in der Menge ausgeglichenen und sich weitgehend selbst regulierenden
Wasserhaushalts
Erreichen des geplanten Mindestabflusses
Wirksamkeit des Bewuchses als Böschungssicherung
Erreichen des annähernd vorbergbaulichen Grundwasserstandes
Dauer Seespezifisch 5 bis 15 Jahre, im Mittel ca. 11 Jahre
Ergebnis Die Voraussetzungen für die geplante Folgenutzung sind weitgehend gegeben
Die Übertragung der weiteren Nachsorgepflichten an einen Rechtsnachfolger ist möglich
2. Nachsorgephase (stationäre Nachsorgephase)
Beginn Stabiler Zielwasserstand im Bergbaufolgesee ist erreicht
Ende Gewässergüte im Bergbaufolgesee hat sich stabilisiert
Ziele Aufrechterhaltung des in der Menge ausgeglichenen und sich weitgehend selbst regulierenden
Wasserhaltshalts
Herstellung eines an Sollzielen orientierten quasistationären Beschaffenheitszustands und
Nachweis, dass dieser mit einem verhältnismäßigen Aufwand aufrecht erhalten werden kann
Beschaffenheitssteuerung ist optimiert
Gefahren für Schutzgüter bestehen nicht mehr oder sind unter Kontrolle
Dauer Seespezifisch unterschiedlich, im Mittel 5 bis 25 Jahre
Ergebnis Die Voraussetzungen für die geplante Folgenutzung sind umfassend und nachhaltig gegeben

• Schaffung von Voraussetzungen für die Ein- definiert werden. Die LMBV hat dabei folgende
haltung der Ausleitkriterien in die öffentlichen Aufwendungen als Leistungskategorien zugrun-
Fließgewässer de gelegt:
• Unterhaltung der Bergbaufolgeseen, der neuen • Unterhalten von Ufern und Böschungen,
Fließgewässer und dazugehöriger Anlagen bis • Warten und Instandhalten von wasserwirt-
zum Übergang der Verpflichtungen auf den schaftlichen Anlagen,
Nachnutzer oder den zur Gewässerunterhal- • Stabilisieren der Gewässergüte und
tung Verpflichteten • Monitoring von Wasserstand und Wassergüte.
• Aufbau und Betrieb eines Monitorings für Typische Nachsorgeleistungen an Ufern und
Wasserstand, Wassergüte und Wassermenge Böschungen sind Instandsetzungsarbeiten von
in den Bergbaufolgeseen, in den Zu- und Abbrüchen und Rutschungen oder Begrünung
Ableitungssystemen und im bergbaubeein- und Aufforstung zur Verminderung von Erosion.
flussten Grundwasserbereich im erforder- Wasserwirtschaftliche Anlagen wie Pumpstatio-
lichen Umfang bis zum Nachweis stabiler nen, Rohrleitungen, Ein- und Auslaufbauwerke
Verhältnisse gemäß den Festlegungen in den oder Wehranlagen müssen regelmäßig kontrol-
Abschlussbetriebsplänen und den wasser- liert, gewartet und gegebenenfalls ertüchtigt wer-
rechtlichen Zulassungen. den.
Die Stabilisierung der Gewässergüte als eine
Kernaufgabe beider Nachsorgephasen umfasst
5.13.3 Planungsgrundsätze eine Wasserbehandlung am Einlauf oder Auslauf
von Bergbaufolgeseen, ein- oder mehrmalige In­
Um die jährlich erforderlichen Leistungen und Lake-Behandlung für das Seewasser oder auch
Kosten bezogen auf die einzelnen Bergbaufolg- die Reduzierung von Säurefrachten und Sulfat
eseen realistisch abschätzen zu können, müssen aus dem umliegenden Gebirge, insbesondere aus
die Randbedingungen des Planungsansatzes klar den Kippenbereichen.
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 375

Das bergbaubedingte Monitoring von Was- schaftliche Nachsorge“ mit folgenden Inhalten
serstand und Wassergüte im Gewässer und im erarbeitet:
unmittelbar angrenzenden Gebirge dient dem • Allgemeine Angaben zum See
Nachweis der Stabilität des Zielwasserstandes, • Angaben zu aktuellen und geplanten Nutzun-
der Entwicklung und der Kontrolle der Nachhal- gen
tigkeit der Gewässergüte sowie der Beobachtung • Bewirtschaftungsziele
der aus dem See in das Grundwasser austreten- • Geografische Lage
den Wassermengen und Stofffrachten. Das Mo- • Charakterisierung des ober- und unterirdi-
nitoring dient auch der Gewässerüberwachung schen Einzugsgebiets
nach EG-WRRL. • Topografische und morphometrische Anga-
Die genannten Leistungskategorien sind von ben
folgenden Faktoren abhängig: der Größe des • Klima
Bergbaufolgesees mit den Kenngrößen Seeflä- • Zuleiter und Ableiter
che, Volumen und Uferlänge, der Art der Nut- • Schutzgebiete
zung des Bergbaufolgesees, der Art der Ufer- • Sanierungs- und Nutzungsgeschichte
böschung (Kippe/Gewachsenes), der Art der • Wasserstandsentwicklung im Bergbaufolg-
Ufersicherung (Wellenausgleichsneigung, tech- esee
nischer/biologischer Verbau, keine Ufersiche- • Entwicklung des Grundwasserstands
rung), der Höhe der Uferböschung, der Lage der • Grundwasserbeschaffenheit im Zu- und
Böschung zur Hauptwindrichtung, der Anzahl Abstrom
sowie der Art und Größe der Wasserbauwerke, • Stand der hydrogeologischen Modellierung
der Notwendigkeit einer Gewässergütebeeinflus- • Maßnahmen zur Stabilisierung der Gewässer-
sung durch Zuführung von Stützungswasser, der güte
Notwendigkeit der Gewässergütebeeinflussung • Ufer und Böschungen
durch In-Lake-Behandlung bzw. Behandlung • Zuleiter, Ableiter, Bauwerke und Flächen der
von Einlaufwasser oder Auslaufwasser, der An- Grundausstattung
forderungen an das Monitoring des Seewassers • Überwachungsmaßnahmen Grund- und Ober-
und den Anforderungen an die Prognosefähigkeit flächenwasser
der Gewässergüteentwicklung. • Bewertung des Kenntnis- und Planungsstan-
Durch die LMBV erfolgte eine Kostenab- des, Quellenverzeichnis.
schätzung zur bergbaubedingten wasserwirt-
schaftlichen Nachsorge für die vier Leistungska-
tegorien in Anhängigkeit von den genannten Fak- 5.13.4 Beispiel Bärwalder See
toren. Insgesamt wurden 50 Bergbaufolgeseen in
der Lausitz und in Mitteldeutschland mit einer Der Bärwalder See liegt im Flusseinzugsbereich
Gesamtseefläche von ca. 26.000 ha betrachtet. der Spree im Lausitzer Heide- und Teichgebiet.
Die durchschnittliche Seegröße lag bei 512 ha, Die bergmännischen Sanierungsarbeiten wurden
das kleinste Objekt (Kortitzmühler See) hat eine im Jahr 2006 abgeschlossen. Die Flutung des
Seegröße von 28 ha, das größte (Geiseltalsee) Sees erfolgt über Zuleiter aus Spree, Dürrbacher
von 1.890 ha. Als Bezugsgröße wurde €/ha ·a ge- Fließ und Schulenburgkanal. Sie begann im Jahr
wählt. 1997, der untere Zielwasserstand wurde Ende des
Da sich die Aufwendungen für die bergbaube- Jahres 2007 erreicht. Weitere Daten zum Bärwal-
dingte wasserwirtschaftliche Nachsorge mit der der See sind der Abbildung 5.88 zu entnehmen.
Zeit verringern werden, wurden die Leistungs- Der Bärwalder See soll als Wasserspeicher
kategorien über den Planungszeitraum jeweils (Hochwasserschutz) und zu Erholungszwecken
reduktiv prozentual gestaffelt (von 100 bis 0 %). (Badestrand, Segeln) genutzt werden. Am über-
Zu Beginn der Planungen wurde für jeden wiegenden Teil der Böschungen erfolgte die Her-
Bergbaufolgesee ein „Datenblatt wasserwirt- stellung von berechneten Windwellenausgleichs-
376 F.-C. Benthaus et al.

Abb. 5.88   Übersichtskarte für die Planung der bergbaubedingten wasserwirtschaftlichen Nachsorge am Bärwalder
See

neigungen (LMBV 2001). Diese Böschungen raum der Restentsäuerung wird ca. 3 Jahre be-
wurden mit Neigungen von 1:10 bis 1:20 her- tragen.
gestellt. Die Böschungsabschnitte VII und IX Entsprechend der Definition in Tabelle. 5.24
(Abb.  5.88) mit Neigungen von 1:4 bzw. 1:6 wird die 1. Nachsorgephase für den Bärwalder
wurden mit einem offenen Steinverbau gesichert. See zwei Jahre und die 2. Nachsorgephase ca. 3
An wasserbautechnischen Anlagen sind insbe- bis 5 Jahre dauern.
sondere die Zulaufanlage von der Spree sowie
der Ableiter zum Schwarzen Schöps zu berück-
sichtigen. Literatur
Durch die Flutung aus den Vorflutern Spree,
Schulenburgkanal, Dürrbacher Fließ und Schwar- BBergG (1990) Bundesberggesetz. Verlag Glückauf
GmbH, Essen, 1990
zer Schöps wird der Bärwalder See bei Erreichen Beims U, Zschätzsch B, Herlitzius J (2005) Bergbaube-
des Zielwasserstandes und damit dem Beginn der dingte wasserwirtschaftliche Nachsorge, Bewertung
Ausleitung aus dem See nur noch eine schwach der Plausibilität der Vorgehensweise, Dresden, S 108
saure Wasserbeschaffenheit aufweisen (pH ≈ 4). Benthaus FC, Uhlmann W (2006) Die chemische Behand-
lung saurer Tagebauwässer in der Lausitz. Erfahrun-
Alle weiteren Ausleitkriterien, wie Feges, SO4, gen zur Kalkschlammresuspension im Tagebausee
Sn, Cu, NH4-N, werden zu diesem Zeitpunkt be- Koschen. In: Wissenschaftliche Mitteilungen Bd 31,
reits gewährleistet. Zur Überwindung der Rest- Freiberg, S 85–96, ISSN 1433-1284
acidität wird eine befristete Konditionierung des Benthaus FC, Tienz BSt, Jolas P, Reichel M (2009) Flu-
tungskonzept des Braunkohlenbergbaus im Südraum
See- oder Ablaufwassers mit Weißkalkhydrat im von Leipzig. Glückauf 145, Nr. 12, Essen, S 602–605
Rahmen der Nachsorge vorgesehen. Der Zeit-
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 377

Bigham JM, Schwertmann U, Traina SJ, Winland RL, Gast M, Schöpke R, Walko M, (2011) Düseninjektion
Wolf M (1996) Schwertmannite and the chemical Skadodamm zur in-situ Grundwassersanierung, FIB,
modeling of iron in acid sulfate waters. Geochim Cos- BTU, Abschlussbericht Pilotvorhaben für die LMBV.
mochim Acta 60(12):2111–2121 S 73, Finsterwalde
Bilek F, Wagner S, Pelzel Ch (2007) Technikumsversuch Geller W, Koschorreck M, Schultze M, Wendt-Potthoff
zur Eisen- und Sulfatabscheidung durch autotrophe K (2008) Restoration of acid drainage. In: Likens G
Sulfatreduktion im in-situ Reaktor – bisherige Ergeb- (Hrsg) Encyclopedia of Inland Waters. Elsevier
nisse. In: Merkel B, Schaeben H, Wolkersdorfer Ch, GEOS (2003) Ermittlung der Mindestanforderungen
Hasche-Berger A (Hrsg) Behandlungstechnologien für für das Ökosystem und bestehende sowie potentielle
bergbaubeeinflusste Wässer. Wiss. Mitt., Inst. Geol., Nutzungen hinsichtlich des Parameters Sulfat für das
Heft 35, TU Bergakademie Freiberg, S 49–56 Spreeeinzugsgebiet bis Berlin. (Hrsg) StUFA Bautzen
Bilek F, Wagner S (2012) Long term performance of an Glombitza F (2001) Treatment of acid lignite mine floo-
AMD treatment bioreactor using chemolithoautotrop- ding water by means of microbial sulfate reduction.
hic sulfate reduction and ferrous iron precipitation Waste Manag 21:197–203
under in situ groundwater conditions. Bioresour Tech- Glombitza F, Karnatz F (2003) Weitergehende Unter-
nol 104(2012):221–227 suchungen zur Entwicklung und Erprobung eines
BMBWF (1997) Landschaften nach dem Tagebau, Verfahrens zur Behandlung saurer Bergbauwäs-
Berichte aus der ökologischen Forschung. Bonn ser. Teilprojekt 1- Mikrobiologische ex situ Sulfat-
Boehrer B, Schultze M (2005) Schichtung von Seen. Kap. reduktion. Abschlussbericht zum BMBF-Projekt
IV–2.2 In: Steinberg C, Calmano W, Klapper H, Wil- 02WBO060. G.E.O.S. Freiberg. DECHEMA – Jahres-
ken RD (Hrsg) Handbuch Angewandte Limnologie. tagung der Biotechnologien. Leipzig 2001
ecomed, Landsberg Grünewald U, Uhlmann W (2004) Zur Entwicklung der
Boehrer B, Schultze M (2006) On the relevance of mero- Wasserbeschaffenheit in den Lausitzer Tagebauseen –
mixis in mine pit lakes. In: Barnhisel RI (Hrsg) Pro- Ausgangspunkt, Stand und Perspektiven. World Min
ceedings of the 7th International Congress on Acid 56(2):115–125
Rock Drainage (ICARD) – 27th–29th March 2006 St. Hemm M, Jöhnk KD (2004) Datenbank stehender Gewäs-
Louis. USA. American Society of Mining and Recla- ser in Deutschland – Beschreibung und deren Anwen-
mation, Lexington, S 200–213 dung. In: Rücker J, Nixdorf B (Hrsg) Gewässerreport
Büttcher H, Uhlmann W (2004) Modellierung der Pro- Nr. 8, Aktuelle Reihe 3/2004, BTU Cottbus, S 145–
zesse im Sediment und im Freiwasser von sauren 159
Tagebauseen. In: Nixdorf B, Deneke R (Hrsg) Grund- Jöhnk KD (2000) 1D Hydrodynamical Modells in Limno-
lagen der chemischen und biologischen Alkalinisie- physics – Turbulence, Meromixis. Dissolved Oxygen.
rung saurer Tagebauseen. Weißensee Verlag Ökologie, Habilitation thesis. TU Darmstadt
ISBN 3-89998-038-7, S 239–260 IMGW (2001) Wasserwirtschaftliche Wasser- und Stoff-
DJG (2005) Deutsches Gewässerkundliches Jahrbuch; mengenbilanz der Lausitzer Neiße, Institut für Meteo-
Elbegebiet Teil 1, Landesbetrieb für Hochwasser- rologie und Wasserwirtschaft, Außenstelle Breslau,
schutz und Wasserwirtschaft Sachsen – Anhalt (Hrsg) Studie im Auftrag der LMBV
Magdeburg KARPE W (1983) Ergebnisbericht und Vorratsberech-
DVWK (1992) DVWK-Schriften 100: Anwendung hyd- nung Braunkohlenerkundung Tagebaufeld Schade-
rogeochemischer Modelle. Verlag Paul Parey, Ham- leben. unveröff. Bericht: BKW -Nachterstedt. S 213
burg, ISBN 3-490-10094-8 Klapper H, Boehrer B, Packroff G, Schultze M, Tittel
D-PL (1994a) Vertrag zwischen der Bundesrepublik J, Wendt-Potthoff K (2001) Bergbaufolgegewässer
Deutschland und der Republik Polen über die Zusam- – Limnologie – Wassergütebewirtschaftung. Kap.
menarbeit auf dem Gebiet der Wasserwirtschaft an den V–1.3. In: Steinberg C, Calmano W, Klapper H, Wil-
Grenzgewässern vom 19. Mai 1992, BGBl. II 1994, ken RD (Hrsg) Handbuch Angewandte Limnologie.
S 61 ecomed, Landsberg, S 1–63
D-PL (1994b) Abkommen zwischen der Regierung der Koch R, Schöpke R, Mangold S, Regel R, Striemann A
Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der (2006) Entwicklung und Erprobung eines Verfahrens
Republik Polen über die Zusammenarbeit auf dem zur Untergrundentsäuerung von Kippengrundwäs-
Gebiet des Umweltschutzes vom 7. April 1994, BGBl. sern. Schriftenreihe Siedlungswasserwirtschaft und
II 1998, S 283 Umwelt, Heft 11. Herausgeber: Lehrstuhl Wassertech-
EU-WRRL (2000) Richtlinie 2000/60/EG des Europäi- nik und Siedlungswasserbau der BTU Cottbus, ISBN
schen Parlaments und des Rates vom 23.10.2000 zur 3-934294-17-0
Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen Koschorreck M, Wendt-Potthoff K, Bozau E, Herzsprung
der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (Abl. P (2006) In situ Neutralisation von sauren Bergbau-
EG vom 22.12.2002 Nr. L 327/1) restseen – Prozesse im Sediment und begrenzende
Eta (2003) Ergebnisbericht „Neutralsation Wasserkörper Faktoren. In: Merkel B, Schaeben H, Wolkersdorfer
Burghammer Aschssedimentum-lagerung im Restsee“ Ch, Hasche-Berger A (Hrsg) Behandlungstechnolo-
Schwarze Pumpe. unveröffentlicht gien für bergbaubeeinflusste Wässer. Wiss. Mitt., Inst.
Geol., Heft 35, TU Bergakademie Freiberg, S 55–60
378 F.-C. Benthaus et al.

Koschorreck M, Bozau E, Frömmichen R, Geller W, sen Anhalt und des Freistaates Thüringen. LMBV
Herzsprung P, Wendt-Potthoff K (2007) Processes at mbH, Autoren: Haferkorn B, Luckner L, Müller M,
the Sediment Water Interface after Addition of Orga- Zeh E, Benthaus FC, Pester L, Lietzow A, Mansel H,
nic Matter and Lime to an Acid Mine Pit Lake Meso- Weber H, Berlin
cosm. Environ. Sci. & Technol., Published on Web LMBV (1999b) Erfassung und Vorhersage der Gewäs-
01/24/2007 sergüte in Tagbauseen der Lausitz als Basis für deren
Koschorreck M, Tittel J (2007) Natural Alkalinity Gene- nachhaltige Steuerung und Nutzung. Lausitzer und
ration in Neutral Lakes Affected by Acid Mine Drai- Mitteldeutsche Bergbau Verwaltungsgesellschaft
nage. J Environ Qual. doi:10.2134/jeq2006.0354? mbH, Autoren: Seidel KH, Gockel G, Grünewald U,
Kubens C (2007) Hochwasserentlastung der Weißen Els- Rolland W, Nixdorf B, Leßmann D, Uhlmann BW,
ter in den Zwenkauer See, „Fünf Jahre nach der Flut“, Hanusch U, Reichel F, Schoenheinz D (Hrsg) Senf-
Dresdener Wasserbauliche Mitteilungen Heft Nr. 35, tenberg
Wasserbaukolloquium, Dresden LMBV (2000a) Wissenschaftliche Begleitung der ost-
LAUBAG (1993) Hydrogeologische Komplexstudie Nie- deutschen Braunkohlesanierung. Lausitzer und Mit-
derlausitzer Braunkohlenrevier. Lausitzer Bergbau teldeutsche Bergbau Verwaltungsgesellschaft mbH,
AG, Autoren: Arnold I, Gockel G, Seidel KH, Kuhl- Autoren: Gockel G, Hildmann E (Hrsg) Schlenstedt
mann K (Hrsg) Senftenberg J Berlin
LBV (1995) Durchführbarkeitsstudie zur Rehabilitation LMBV (2000b) Untersuchungen zur Umweltbeeinflus-
des Wasserhaushaltes der Niederlausitz auf der Grund- sung des deutschen und polnischen Territoriums durch
lage vorhandener Lösungsansätze. LBV mbH, Auto- Entnahme von Flutungswasser aus dem Grenzfluss
ren: Luckner L, Eichhorn D, Gockel G, Seidel KH Lausitzer Neiße. Senftenberg
(Hrsg) Senftenberg, S 89 LMBV (2000c) Antrag auf Planfeststellung für die was-
Lessmann D, Deneke R, Ender R, Hemm M, Kapfer M, serwirtschaftlichen Maßnahmen der LMBV mbH im
Krumbeck H, Wollmann K, Nixdorf B (1999) Lake Bereich Spreetal/Neißewasserüberleitung, LMBV
Plessa 107 (Lusatia, Germany) – an extremely acidic LMBV (2001) Stand der Restlochflutung an der Jahr-
shallow mining lake. Hydrobiologia 408/409:293–299 tausendwende – Wasserwirtschaftliche Sanierung der
Lietzow A (2000) Hydrogeologische Berechnung für das Niederlausitzer Bergbaufolgelandschaft in den Sanie-
Tagebaurestloch. IBGW Leipzig, Wulfersdorf (unver- rungsbereichen Ostsachsen und Brandenburg. LMBV
öffentlicht) mbH, Autoren: Luckner L, Werner F, Gockel G, Seidel
Lietzow A, Ritzkowski S (1996) Sequence stratigraphy KH, Föhl E (Hrsg) Berlin
of the Eocene near Helmstedt (Lower Saxony, Ger- LMBV (2003) Restlochflutung, Maßnahmen zur Steue-
many). Newsl. Strat., 33, Berlin, Stuttgart rung der Wasserbeschaffenheit in den Bergbaufolg-
LMBV (1992) Untersuchungen zur Wasserüberleitung eseen der Lausitz. Lausitzer und Mitteldeutsche
von Elbe bzw. Großer Röder zur Flutung der zwischen Bergbau Verwaltungsgesellschaft mbH, Autoren:
Senftenberg und Hoyerswerda gelegenen Tagebau- Luckner L, Werner F, Gockel G, Seidel KH, Föhl E
restlöcher. (unveröffentlicht) (Hrsg) Berlin
LMBV (1995) Rehabilitation des Wasserhaushaltes im LMBV (2005) Planfeststellungsantrag „Wasserwirtschaft-
Braunkohlenrevier Mitteldeutschland. LMBV mbH, liche Maßnahmen im Tage-bauterritorium Zwenkau“.
Autoren: Luckner L, Haferkorn B, Mansel H, Sames LMBV mbH (Hrsg)
D, Rehfeld F, Zeh E (Hrsg) Berlin, S 86 LMBV (2006a) Zum Stand der Integration von Berg-
LMBV (1996a) Sanierungskonzept der wasserwirtschaft- baufolgeseen in den Gebietswas-serhaushalt von
lichen Verhältnisse in den Bergbaufolgelandschaften Westsachsen und Ostthüringen. Lausitzer und Mit-
der Niederlausitz.LMBV mbH, Autoren: Luckner L, teldeutsche Bergbau Verwaltungsgesellschaft mbH,
Eichhorn D, Gockel G, Seidel KH (Hrsg) Berlin, S 113 Autoren: Haferkorn B, Tienz BS, Berkner A, Gude-
LMBV (1996b) Erarbeitung von Grobaussagen zur ritz I, Lehmann R, Mansel H, Näther L, Richter G,
Gewässergüteentwicklung von Tagebauseen der Lau- Schlottmann R, Tropp P, Zeh E (Hrsg) Leipzig
sitz. LMBV mbH, Autoren: Seidel KH, Chmielewski LMBV (2006b) Flutungs- und Wasserbehandlungs-
R, Gröschke A, Grünewald U, Leßmann D, Nixdorf konzept Lausitz Hrsg: Lausitzer und Mitteldeutsche
B, Schöpke R, Uhlmann W, Reichel F (Hrsg) Senften- Bergbau Verwaltungsgesellschaft mbH, Autoren:
berg, S 64 Zschiedrich K, Benthaus FC, Kaiser J, Gockel G, Vogt
LMBV (1997a) Restlochflutung, Gefahrenabwehr, Wie- A, Werner F, Koch C, Föhl E, Senftenberg
dernutzbarmachung und Nor-malisierung der was- LMBV (2007) Planfeststellungsantrag „Herstellung des
serwirtschaftlichen Verhältnisse im Lausitzer Revier. Hochwasserspeicherraumes Zwenkau und der Anla-
Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau Verwaltungsge- gen zur Zu- und Ableitung“. (Hrsg) LMBV, Senften-
sellschaft mbH, Autoren: Luckner L, Gockel G, Seidel berg
KH, Berger W, Föhl E, Berlin LMBV (2008) Merkblatt Montanhydrologisches Monito-
LMBV (1999a) Schaffung von Tagebauseen im mittel- ring in der LMBV, Bearbeiter: BGD, DGFZ, IGBW
deutschen Revier, Die Wieder-herstellung eines sich (Hrsg) LMBV, Senftenberg
selbst regulierenden Wasserhaushaltes in den Braun- LUA (1995) Bergbaubedingte Wasserbeschaffenheit in
koh-lenabbaurevieren des Freistaates Sachsen, Sach- Tagebaurestseen -Analyse, Bewertung und Prognose
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 379

– Untersuchungen im Lausitzer Braunkohlenrevier PtWT + E (2004a) Untersuchungen zur Gewässerbeschaf-


(Hrsg) Landesumweltamt Brandenburg, Studien und fenheit der Spree. For-schungszentrum Karlsruhe in
Tagungsberichte, Bd 6. Potsdam, S 86 der Helmholtz Gemeinschaft, Autoren: Köngeter J,
LUA (2001) Tagebauseen: Wasserbeschaffenheit und Walther J, Behrendt H, Brinschwitz D, Schonlau H,
wassergütewirtschaftliche Sa-nierung – Konzeptio- Benndorf J, Heidenreich M, Ehret B, Müller M. Karls-
nelle Vorstellungen und erste Erfahrungen. Autoren: ruhe
Uhlmann W, Nitsche C, Neumann V, Gunderitz I, Leß- Rabe W, Uhlmann W (2006) Neue Erkenntnisse zur
mann D, Nixdorf B, Hemm M (Hrsg) Landesumwelt- Anwendung von in-lake-Verfahren für die Neutrali-
amtes Brandenburg, Studien und Tagungsberichte 35. sation von sauren Bergbaufolgeseen. In: Vortragsband
Potsdam, ISSN 0948-0838 zum 57. Berg- und Hüttenmännischen Tag vom 22.–
Müller M (2004) Modellierung von Stofftransport und 23. Juni 2006 an der TU Bergakademie Freiberg, Wis-
Reaktionen mit einem neuentwickelten, gekoppelten senschaftliche Mitteilungen Bd 31, ISSN 1433-1284
Grund- und Oberflächenwassermodell am Beispiel RiLi Geo (2005) Richtlinie des Sächsischen Oberbergam-
eines Tagebaurestsees. Dissertation. Proceedings des tes über die geotechnische Sicherheit im Bergbau über
Dresdner Grundwasserforschungszentrums e. V., Heft Tage. (Hrsg) Sächsisches Oberbergamt, Freiberg
25, ISSN 1430-0176 Rönicke H, Beck B, Schultze M, Beyer M, Angelstein S
Neumann V, Nitsche C, Tienz BS, Pokrandt KH (2006) (2007) Wachstumsdynamik von Elodea nuttallii im
Erstmalige Neutralisation eines Tagebausees durch Tagebausee Goitsche. Tagungsbericht 2006 (Dresden),
In-Lake-Verfahren zur Sicherstellung der Ausleit- Deutsche Gesellschaft Limnologie, Werder, S 501
bedingungen des Überschusswassers – Erfahrungen RPV (2006) Regionaler Planungsverband Westsachsen
und neue Erkenntnisse. 72. Jahrestagung der Wasser- (Hrsg) Braunkohlenplan als Sanierungsrahmenplan
chemischen Gesellschaft – Fachgruppe in der Gesell- Tagebau. Zwenkau/Cospuden
schaft Deutscher Chemiker, Celle, V12, S 64–68, Sames D, Boy S (1977) PCGEOFIM Programmsystem
ISBN 3-936028-39-7 for Computing of Geofiltration and Geomigration,
Neumann V, Nitsche C, Tienz BS, Pokrandt K-H (2008) Anwenderdokumentation. Ingenieurbüro für Grund-
Quantifizierung des Aciditätszustroms in einen neut- wasser, Leipzig
ralisierten Tagebausee zu Beginn der Nachsorgephase, Schöpke R, Preuß V, Koch R, Bahl T (2006) Einsatzmög-
59. Berg- und Hüttenmännischer Tag, 12.–13. Juni lichkeiten passiver, reaktiver Wände zur Entsäuerung
2008, Freiberg, Behandlungstechnologien für berg- potenziell saurer Kippengrundwasserströme und
baubeeinflusste Wässer, Wiss. Mitt. Inst. Geol., ISSN deren Nutzung in aktiven Untergrundbehandlungsver-
1433-1284 fahren. In: Merkel B, Schaeben H, Wolkersdorfer Ch,
Nixdorf B, Hemm M, Schmidt A, Kapfer M, Krumbeck H Hasche-Berger A (Hrsg) Behandlungstechnologien für
(2001) Tagebauseen in Deutschland – ein Überblick. bergbaubeeinflusste Wässer. Wiss. Mitt., Inst. Geol.,
Umweltbundesamt, Berlin, UBA-Texte 01/35 Heft 31, TU Bergakademie Freiberg, S 63–68
Parkhurst DL, Appelo CAJ (1999) Users guide to Schöpke R (2007) Vergleich der Aufbereitungsverfahren
PHREEQC (version 2) – a computer program for spe- verschiedener aktiver, passiver und in-situ Verfahren
ciation, batch-reaction, one-dimensional transport and zur Behandlung bergbauversauerter Wässer (AMD).
inverse geochemical calculations. U.S.G.S. Water Re- In: Merkel B, Schaeben H, Wolkersdorfer C, Hasche-
sources Investigations Report 99-4259, USA, Denver, Berger A (Hrsg) Behandlungstechnologien für berg-
Colorado baubeeinflusste Wässer. Wiss. Mitt., Inst. Geol., Heft
Pietsch W, Schötz A (2004) Contructed Wetlands – ein 35, TU Bergakademie Freiberg, S 57–61
Beitrag zur Behandlung extrem saurer Tagebaugewäs- Schroeter A (1991) Hydrogeologische Untersuchungen
ser. In: Nixdorf B, Deneke R (Hrsg) Grundlagen und im Braunkohlenbergbaugebiet Geiseltal und seinen
Maßnahmen zur biogenen Alkalinisierung von sauren Randbereichen. Halle/Saale, Univ., Fak. f. Naturwiss.,
Tagebauseen. Weißensee Verl. Berlin, S 175–198 Diss. A, Halle (Saale)
PIRAMID (2003) Engineering guidelines for the pas- Schroeter A (1997) Aufschluß- und profilschnittbezogene
sive remediation of acidic and/or metalliferous Datenerfassung und DSE – Verschlüsselung von geo-
mine drainage and similar wastewaters. Euro- logischen Informationen des Braunkohlenbergbauge-
pean Commission 5th Framework RTD Project no. bietes Geiseltal.- Unveröff. Bericht, IHU Gesellschaft
EVK1-CT-1999-000021: Passive in-situ remediation für Ingenieur-, Hydro- und Umweltgeologie mbH,
of acidic mine/industrial drainage (PIRAMID). Uni- Halle/S. – Bad Lauchstädt – Dresden – Nordhausen
versity of Newcastle Upon Tyne. http://www.ncl. am Harz
ac.uk/piramid/ Schroeter A (1998) Grundwassermonitoring LMBV –
Pokrandt K-H, Zeh E (1999) Flutungskonzept Südraum Länderbereich Sachsen-Anhalt – HYINFO-Daten-
Leipzig. In: UFZ-Umweltforschungszentrum Leipzig- banksystem Braunkohlengebiet Geiseltal.- Schroeter,
Halle (Hrsg) Prozesse und Stoffströme in Kippen- A. Unveröff. Bericht, IHU Gesellschaft für Ingenieur-,
sedimenten – Tagebaue Zwenkau, Cospuden und Hydro- und Umweltgeologie mbH, Halle (Saale) –
Espenhain, Workshop, 3. und 4. Juni 1999, UFZ-Be- Bad Lauchstädt – Dresden – Nordhausen am Harz
richt Nr. 25/1999, S 6–17, ISSN 0948-9452 Schultze M, Klapper H, Nixdorf B, Mischke U, Grüne-
wald U (1994) Methodik zur limnologischen Unter-
380 F.-C. Benthaus et al.

suchung und Bewertung von Bergbaurestseen. Wiss. Mitt., Inst. Geol., Heft 35, TU Bergakademie
Bund-Länder-Arbeitsgruppe, Wasserwirtschaftliche Freiberg, S 63–68
Planung (Eigenverlag) Tynior R, Kampe C, Balke M, Füstös R, Kolb T, Bischof
Schultze M, Duffek A, Boehrer B, Kuehn B, Herzsprung S (2006) Vorplanung Bergbaulich beeinflusster Fließ-
P, von Tümpling W, Büttner O, Geller W (2002) Chan- gewässer, Abschlussbericht LMBV. Unveröffentlicht,
ges of water quality in acidic mining Lake Goitsche G.U.B. Ingenieurgesellschaft, Zwickau
(Germany) during ist flooding with river water. Third TUD (2006) Hydraulische Modellversuche für die Hoch-
Internat Conf Water Resour Environ Res Dresden Pro- wassererntlastung der Weißen Elster und die Über-
ceed 2:392–396 leitung in den Zwenkauer See am Standort Zitzschen,
Schultze M, Geller W (2004) Seewassergüte nach einer Forschungsbericht 2005/18, Institut für Wasserbau
Flusswasserflutung – Ergebnisse vom Goitschesee bei und Technische Hydromechanik
Bitterfeld. Z angew Umweltforschg 14:71–82 UBA (2002) Praxistest zur Umsetzung des UN ECE –
Simon E, Kassahun A (2007) Biotransformation Übereinkommens über die Umweltverträglichkeits-
von Kohle – Basis für reduktive Prozesse in prüfung im grenzüberschreitenden Zusammenhang
Braunkohlenabraumkippen. In: Merkel B, Schae- (Deutschland – Polen); Planungsgruppe Ökologie und
ben H, Wolkersdorfer Ch, Hasche-Berger A (Hrsg) Umwelt GmbH, In: Schriftenreihe des Umweltbun-
Behandlungstechnologien für bergbaubeeinflusste desamtes 59/2002
Wässer. Wiss. Mitt., Inst. Geol., Heft 35, TU Bergaka- Uhlmann W, Gröschke A, Hünger KJ, Wiehe W (1998)
demie Freiberg, S 69–75 Spezielle Untersuchungen zur Mineralogie in unge-
Sonntag H (2007) Problem Sulfat in der Spree – Stand der sättigten Kippenmassiven. In: Vortragsband des 4.
Diskussion und aktuelle Trends. – Wissenschaftliche GBL-Kolloquiums vom 26.–28. November 1997,
Mitteilungen. In: Merkel B, Schaeben H, Wolkersdor- Hannover, NLfB, Heft 5
fer Ch, Hasche-Berger A (Hrsg) Behandlungstechno- Uhlmann W, Büttcher H (2002) Systematische Betrach-
logien für bergbaubeeinflusste Wässer. Wiss. Mitt., tung der Prozesse im Sediment saurer Tagebauseen
Inst. Geol., Heft 35, TU Bergakademie Freiberg, und Modellierung anhand von Beispielen. In: Aktuelle
S 151–156 Reihe der BTU Cottbus 3/2002:43–53, ISSN 1434-
SMI (2000) Braunkohlenplanung im Freistaat Sachsen. 6834
Sächsisches Staatsministerium des Inneren, Autoren: Uhlmann W, Nixdorf B (2002) Ökotechnologische Steue-
Berkner A, Krone F, Kietzmann J, Klöpsch P, Thieme rung der Gewässergüte in sauren Tagebauseen, Teil
T, Bellmann M, Schmidt R, Heidenfelder R, Bloch W, 2: Primärproduktion und Respiration. Wasser Boden
Pa-nitzI, Dresden 54(1–2):22–26
THA (1994) Wasserwirtschaftliche Probleme des Lausit- Uhlmann W, Arnold I (2003) Eisenausfällungen im Lau-
zer Braunkohlenreviers und Lösungskonzepte aus der sitzer Braunkohlenrevier. Teil 2: Geochemie und
Sicht des Bergbaus; 2. Symposium Braunkohlenberg- Genese der Inkrustierung. Surf Min, Braunkohle
bau und Wasserwirtschaft in Mitteldeutschland und in Other Miner 55(3):276–287, ISSN 1613-2408
der Lausitz 1994. Autor: Gockel G, Treuhandanstalt, Uhlmann W, Büttcher H, Totsche O, Steinberg CEW
Direktorat Bergbau/Steine und Erden, Berlin (2004a) Buffering of Acid Mine Lakes: The Relevance
Thomae M, Schroeter A (1996) Das neue geologische of Surface Exchange and Solid-Bound Sulphate. Mine
Modell Geiseltal – eine Basis für die umfassende Water Environ 23(1):20–27, ISSN 1025-9112
hydrogeologische Betrachtung zur Steuerung des Flu- Uhlmann W, Arnold I, Rolland W, Gröschke A (2004b)
tungsregimes. Mitteilung zur Geologie von Sachsen- Chemische Kennzeichnung der Eisenablagerungen
Anhalt Bd 2; Halle/S. und -schlämmen im Lausitzer Braunkohlenrevier. In:
Totsche O (2006) Acidität und Puffersystem saurer Tage- Jahrestagung der Wasserchemischen Gesellschaft –
bauseen sowie Maßnahmen zu ihrer Neutralisation Fachgruppe in der Gesellschaft Deutscher Chemiker,
und pH-Stabilisierung. Dissertation, Humboldt-Uni- Bad Saarow 17.–19. Mai 2004, Kurzreferate, S 53–57,
versität Berlin ISBN 3-936028-24-9.
Totsche O, Steinberg C (2004) Maßnahmen zur Neutrali- Uhlmann W, Gröschke A, Arnold I, Rolland W (2007)
sierung saurer Gewässer. Eine Übersicht. In: Nixdorf Wirkungen von Eisenhydroxidschlämmen aus der
B, Deneke R: Grundlagen und Maßnahmen zur bio- Grubenwasseraufbereitung auf die Gewässerchemie
genen Alkalinisierung von sauren Tagebauseen. Wei- von Tagebauseen in der Lausitz. In: Vortragsband zum
ßensee Verlag, Berlin, S 37–54, ISBN 3-89998-038-7 Workshop vom 22.–23. Februar 2007 an der TU Berg-
Totsche O, Fyson A, Steinberg C E W (2006) Microbial akademie Freiberg, S 109–121, ISBN 978-3-86012-
Alkalinity Production to Prevent Reacidification of 327-0
Neutralized Mining Lakes. Mine Water and the Envi- UMK (1994) Umweltministerkonferenz „Rahmenkon-
ronment 25, S 204–2013. zept zur Wiederherstellung eines ausgeglichenen, sich
Tröger K, Storch A, Hoth N, Knöller K (2007) Nach- weitgehend selbstregulierenden Wasserhaushaltes in
weis reduktiver Prozesse in versauerten Altkippen den vom Braunkohlenbergbau beeinträchtigten Fluss-
des Braunkohlenbergbaus. In: Merkel B, Schaeben H, einzugsgebieten. Berlin
Wolkersdorfer Ch, Hasche-Berger A (Hrsg) Behand- UNECE (1991) UN ECE – Übereinkommen über die
lungstechnologien für bergbaubeeinflusste Wässer. Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) im grenzüber-
5  Wasserwirtschaftliche Sanierung 381

schreitenden Rahmen vom 25.02.1991 (Espoo – Kon- Wasserhaushaltsgesetz WHG (2010) Gesetz zur Ordnung
vention) des Wasserhaushalts vom 31. Juli 2009, gültig ab
UVPG (2002) Gesetz über die Umweltverträglichkeits- 1.3.2010, BGBl. I S 2585
prüfung (UVPG), BGBl. I, S 1914 Woelfl S (2001) Limnology of sulphur-acidic lignite
Vlahos P, Mackay D, Eisenreich SJ, Hornbuckle KC mining lakes. Biological properties: plankton structure
(1995) Exchange of Chemicals between the Atmo- of an extreme habitat. Proceed. Internat. Assoc. Lim-
sphere and lakes. In: Lerman A, Imboden D, Gat J: nology, SIL 1998 (Dublin), 27:2904–2907
Physics and chemistry of lakes. Springer-Verlag, Ber- Wiegand U (2002) Hydro- und geochemische Prozesse
lin, ISBN 0-387-57891-9 in oberflächennahen Kippensedimenten des Braun-
VwVfG (1998) Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), kohlentagebaus Zwenkau. Dissertation, Universität
BGBl. I, S 3050 als Fassung der Bekanntmachung, Leipzig
geändert durch BGBl. I, 2001, S 3306 Winkler FM (2004) Hydrogeologische Berechnung Bär-
Wagner H (1996) Böschungsumbildung durch Wellen. walde, 7. Nachtrag, Senftenberg
In: Wellen: Wirkungen am Ufer – Befestigungen. TU Wollmann K, Deneke R, Nixdorf B, Packroff G (2000)
Dresden The dynamics of The dynamics of planktonic food
Wagner H (1997) Dynamik der Windwellenerosion an webs in 3 mining lakes across a pH gradient (pH 2–4).
Uferböschungen verbunden mit dem Wasserspiegel- Hydrobiologia 433:3–14
anstieg bei der Restlochfüllung. In: Proceedings des Younger PL, Banwart SA, Hedin RS (2002) Mine Water:
Dresdner Grundwasserforschungszentrums e. V., Heft Hydrology, Pollution, Remediation. Kluwer Acade-
13, Fachtagung, Aktuelle Arbeiten der Grundwasser- mic Publishers, Dordrecht
forschung und – applikation, Dresden, ISSN 1430-
0176
Verwahrung untertägiger
bergmännischer Hohlräume 6
und Brunnen

Hans-Hermann Baumbach, Heidi Förtsch und


Angela Rostalski

Inhalt 6.1  Rechtliche Grundlagen der


6.1 Rechtliche Grundlagen der Verwahrung
Verwahrung���������������������������������������������� 383
6.2 Territoriale Einordnung untertägiger Die Verwahrungsarbeiten sind Bestandteil der
bergmännischer Grubenbaue����������������� 384 Pflichten eines Bergbaubetriebes zur Beseitigung
6.3 Technologie der Streckenentwässerung von Gefahren, definiert in bergrechtlichen Be-
im Braunkohlenbergbau Mitteldeutsch- triebsplänen entsprechend § 69 Abs. 2 Bundes-
lands und der Lausitz������������������������������ 384 berggesetz (BBergG).
6.3.1 Grundlagen������������������������������������������������� 384
Offenstehende, nicht mehr genutzte Gruben-
6.3.2 Streckenausbau������������������������������������������� 387
baue sind nach fachgerechter geotechnischer Be-
6.4 Dauerhafte Sicherung bergmännischer wertung im Fall nicht auszuschließender, künfti-
Grubenbaue und Filterbrunnen������������� 390
6.4.1 Begriffsbestimmungen�������������������������������� 390 ger Gefahren für Leben und Gesundheit Dritter
6.4.2 Inhalte der bergschadenkundlichen Analyse dauerhaft zu verfüllen. Aus dem Grundanliegen
und der Verwahrungsdokumentation���������� 391 der Verwahrung – der Beseitigung von Gefähr-
6.4.3 Verfahrensweise bei der Verwahrung von dungen, die durch bergmännische Auffahrungen
Grubenbauen����������������������������������������������� 392
6.4.4 Versatzmaßnahmen in Altbergbaugebieten��� 394 für die Tagesoberfläche hervorgerufen werden –
6.4.5 Sicherung und Verwahrung rückgebauter ergeben sich hohe Ansprüche an die Erkundungs-
Filterbrunnen im Braunkohlenbergbau������� 395 und Verwahrungsarbeiten.
6.5 Praktische Erfahrungen bei In den jeweiligen Abschlussbetriebsplänen
Erkundungs- und Versatzarbeiten�������� 398 wird u. a. die Erstellung Bergschadenkundli-
6.5.1 Erarbeitung der Gefährdungsanalyse cher Analysen (BSA)/Gefährdungsabschätzun-
(GFA) Frankfurt/Oder��������������������������������� 398
6.5.2 Streckenversatz������������������������������������������� 401
gen (GFA) zur Einschätzung des Gefährdungs-
6.5.3 Zusammenwirken von Versatzmaßnahmen zustandes der Tagesoberfläche im Hinblick
unter Bergrecht und im Altbergbau am Beispiel auf das Vorhandensein von Gefährdungen der
Versatzmaßnahme Kostebrau���������������������� 410 öffentlichen Sicherheit in Bereichen mit unter-
6.5.4 Versatz von Schachtanlagen����������������������� 414 tägigen bergmännischen Hohlräumen gefordert
6.6 Dokumentation von Verwahrungsmaßnah-
(s. Abschn. 6.4.1).
men im bergmännischen Risswerk��������  419 Entsprechend der Erkenntnisse dieser BSA/
Literatur����������������������������������������������������������������� 422 GFA ist eine dementsprechende Sicherung bis
hin zur Verfüllung mit dem Endziel der dauerhaf-
H.-H. Baumbach () · H. Förtsch · A. Rostalski ten Verwahrung der Grubenbaue zu realisieren.
Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau- Bei der Umsetzung der Aufgaben sind nach-
Verwaltungsgesellschaft mbH, Knappenstraße 1, folgend genannte rechtliche Grundlagen zu be-
01968 Senftenberg, Deutschland
E-Mail: Hans-Hermann.Baumbach@lmbv.de
achten:

C. Drebenstedt, M. Kuyumcu (Hrsg.), Braunkohlesanierung, 383


DOI 10.1007/978-3-642-16353-1_6, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
384 H.-H. Baumbach et al.

• Bundesberggesetz vom 13. August 1980 sind außerdem Aus- und Vorrichtungsstrecken
(BBergG) in der aktuell gültigen Fassung aus dem Braunkohlentiefbau vorhanden (Bent-
• Markscheider–Bergverordnung vom 19. haus u. Förtsch 2004).
Dezember 1986 (MarkschBergV) Mit den jeweiligen Tagebaufortschritten erfolg-
• Anforderungen an die stoffliche Verwertung te größtenteils eine Überbaggerung der ursprüng-
von mineralischen Abfällen als Versatz unter lich aufgefahrenen Grubenbaue, so dass heute nur
Tage, Technische Regeln für den Einsatz von noch in den Tagebaurandbereichen Strecken und
bergbaufremden Abfällen als Versatz, Länder- Schachtanlagen der ehemaligen Entwässerungs-
ausschuss Bergbau, 22.10.1996 streckensysteme vorhanden sind (Abb. 6.1).
• Grundsätze und Anforderungen für die Ver- Zusätzlich zu den in bergrechtlicher Verant-
wendung von Versatzmaterial zur Verwahrung wortung der LMBV mbH liegenden Tagebauen
untertägiger Hohlräume im Bergbau ohne gibt es in der Lausitz eine Vielzahl an Braun-
Rechtsnachfolger, Landesamt für Bergbau kohlengruben ohne Rechtsnachfolger (Abb. 6.2).
Geologie und Rohstoffe Brandenburg vom Dazu zählen alle Bergwerke, die bis 1945 be-
18.07.2011 trieben wurden. Diese bauten die Braunkohle
• Anordnung über die Verwahrung unterirdi- des 1. Lausitzer Flözhorizontes überwiegend im
scher bergbaulicher Anlagen vom 19. Oktober Tiefbau (Kammerpfeilerbruchbau) ab. Die Ent-
1971 (GBl. DDR 1971 II S. 621) wässerung erfolgte ausschließlich über eine Stre-
Fortgeltendes Recht der ehemaligen Deutschen ckenentwässerung. Infolge des Abbauverfahrens
Demokratischen Republik gem. Anlage II sind hier ebenfalls noch untertägige bergmänni-
Kap. V Sachg. D Abschn. III Nr. 1 Buchst. sche Grubenbaue vorhanden, die bedingt durch
b nach Maßgabe d. Art. 9 Einigungs-Vertrag ihre lange Standzeit ein hohes Tagesbruchgefähr-
(EinigVtr) v. 31.08.1990 i. V. m Art. 1 G v. dungspotential besitzen (Fenk 1981).
23.09.1990 II 885, 1202 m. W. v 03.10.1990. Für diese Altbergbaugebiete sind für die Ge-
Maßgaben aufgrund EinigVtr vgl. VerwAnO währleistung der öffentlichen Sicherheit gemäß
Anhang EV der bestehenden Gesetzgebung (Ordnungsbe-
• Verordnung über den Versatz von Abfällen hördengesetz bzw. Polizeiverordnung) die je-
unter Tage und zur Änderung von Vorschriften weiligen Bundesländer mit ihren Landesämtern
zum Abfallverzeichnis in der Fassung vom 12. zuständig. Sanierungsarbeiten innerhalb der Alt-
August 2004 (Versatzverordnung 2002) bergbauflächen dienen vorrangig der Gefahren-
• Vorschriften Wasserrecht abwehr. Seit dem 1. Verwaltungsabkommen über
• Landesspezifische Gesetze/Verordnungen/ die Regelung der Finanzierung der ökologischen
Richtlinien zur Ermittlung und Beseitigung Altlasten (VA – Altlastenfinanzierung) vom 01.
bergbaubedingter Gefahrenstellen Dezember 1992 war es nunmehr unter den verän-
Ziel aller Verwahrungsmaßnahmen ist, die For- derten politischen und organisatorischen Gege-
derungen des BBergG § 69 zu erfüllen und damit benheiten möglich, weiterführende Sanierungs-
die Beendigung der Bergaufsicht sowie die voll- arbeiten zur Sicherung der durch Altbergbau be-
ständige und flächendeckende Gefährdungsbe- lasteten Gebiete planmäßig durchzuführen.
seitigung zu erreichen.

6.3  Technologie der Stre-


6.2  Territoriale Einordnung ckenentwässerung im
untertägiger bergmännischer Braunkohlenbergbau Mittel-
Grubenbaue deutschlands und der Lausitz

Bergmännische Grubenbaue sind im gesamten 6.3.1 Grundlagen


Bereich des Sanierungsbergbaus (LMBV mbH)
aber auch darüber hinaus vorhanden. Die Kenntnisse über die Entscheidungsgrund-
Hauptsächlich handelt es sich dabei um ehe- lagen und Herangehensweisen einer vormaligen
malige Entwässerungsstrecken. Untergeordnet Streckenentwässerung sind notwendig, um dem
6  Verwahrung untertägiger bergmännischer Hohlräume und Brunnen 385

Abb. 6.1   Übersicht über Tagebaue in der Lausitz mit untertägigen bergmännischen Grubenbauen, die sich in berg-
rechtlicher Verantwortung der LMBV mbH befinden

Abb. 6.2   Übersicht über den Bergbau ohne Rechtsnachfolger in der Niederlausitz
386 H.-H. Baumbach et al.

Bearbeiter derartiger „Altlasten“ des Braunkoh- (Beispiel: Tagebau im Bereich Nordostsachsen


lenbergbaues Unterstützung in der Nachvoll- mit hohem Grundwasseraufkommen) bewegen.
ziehung technologischer Prozesse unter Tage zu Die Prämissen einer wirksamen Deckgebirgs-
geben, der in den meisten Fällen schon vor einer entwässerung waren:
oder mehreren Generationen stillgelegt wurde. • zuverlässige geohydrologische Erkundungen
Jedoch waren zu diesen Zeiten die dem Gemein- und Untersuchungen für einen frühzeitigen
wohl dienenden Regelungen der heutigen Berg- Beginn der Entwässerungsmaßnahmen
gesetzgebung noch nicht in Kraft. Deshalb ist • systematische Planung geeigneter Entwässe-
– mit dem heutigen Kenntnisstand und den stark rungsmaßnahmen.
gewachsenen Ansprüchen der intensiven und Die praktische Durchführung der Feldesentwäs-
sicheren Landnutzung – ein verantwortungsbe- serung von im Tief- und Tagebau abzubauender
wusster Aufwand zu betreiben, um künftigen Ge- Braunkohlenfelder bei völligem oder teilweisem
nerationen eine sichere Bergbaufolgelandschaft Einsatz der Technologie der Streckenentwässe-
zu hinterlassen (Kammer der Technik 1961; rung vor Aufnahme der Baggerarbeiten erfolgte
ABAO 1973; Penzel et al. 2001). durch Vorentwässerung mit:
Eine Voraussetzung für eine störungsfreie • Strecken von benachbarten Tagebauen aus
Braunkohlengewinnung war und ist die frühzeiti- (selten angewendetes Verfahren)
ge Auseinandersetzung mit einer wirksamen Ent- • Schacht/Streckenkombination in Verbindung
wässerung des Deckgebirges, der Kohlenschich- mit Steck- und Fallfiltern.
ten sowie in einigen Fällen einer Entspannung Für die Wahl eines Schachtansatzpunktes für ein
vorhandener Druckwasserhorizonte im Liegenden geplantes Streckenentwässerungsnetz galten fol-
der zu gewinnenden Kohlenflöze (Kirst E 1951). gende Gesichtspunkte:
Rechtliche und materielle Gründe für eine • geringe Deckgebirgsmächtigkeit bei guter
effiziente Gruben-/Tagebauentwässerung waren Entwässerbarkeit der Schichten
u. a.: • hohe Mächtigkeit und Standfestigkeit des
• die berggesetzlich geforderte Notwendigkeit abzubauenden Kohlenflözes
zur Gewährleistung der Gruben- und Tagebau- • Ansatz der Füllortteufe so, dass sämtliche
sicherheit sowie der Standsicherheit der Tage- Strecken in der Kohle steigend aufgefahren
bautechnik und der erzeugten Böschungssys- werden können
teme • Aushaltung von Störungen in Kohle und
• das Vorhandensein wassergesättigter bzw. Deckgebirge
wasserführender Gebirgsschichten (Tone, • gute perspektivische und planerische Position
Löß, Sande/Kiese, u. ä.) für Entwicklung des Streckennetzes und zur
• die Sicherstellung möglichst hoher Leistungs- Sicherung langer Schachtstandzeiten
kennzahlen der Tagebaugeräte, die nur in • Sicherstellung günstiger Vorflutverhältnisse
entwässertem Gebirge gewährleistet werden • Schutz des Schachtmundloches gegen Über-
kann flutung
• die Verhinderung unnötiger Transportaufwen- • Verkehrsanbindung sollte gewährleistet sein.
dungen für Wasser im Deckgebirge. Die Auffahrung der erforderlichen Entwässe-
Die Menge der vorwiegend in den Braunkohlenta- rungsstrecken musste das zu entwässernde Ge-
gebauen zusitzenden Wasser schwankte aufgrund biet zur Erzeugung eines so genannten Entwäs-
ihrer Abhängigkeit von örtlichen Verhältnissen in serungstrichters umschließen. Dabei wurde das
weiten Grenzen. So konnte sich das Verhältnis der untertägige Streckennetz meist als System sich
täglich anfallenden und abzufördernden Wasser- rechtwinklig kreuzender Strecken aufgefahren.
menge zur täglichen Kohlenförderung eines Ta- Die Abstände zwischen den Strecken lagen im
gebaues durchaus zwischen 0,3:1 (bei Anfall vor- Durchschnitt zwischen 100 und 200 m (in Aus-
wiegend nur Niederschlagswassers) bis zu 100:1 nahmefällen 20–50 m) in Abhängigkeit von der
Durchlässigkeit der zu entwässernde Schichten.
6  Verwahrung untertägiger bergmännischer Hohlräume und Brunnen 387

Insbesondere Bereiche von Mulden, Flussrinnen Tab. 6.1   Übersicht häufig verwendeter Streckenquer-
u. ä., die im Hangenden der Grundwasserhori- schnitte im Braunkohlenbergbau Mitteldeutschlands und
der Lausitz
zonte als Wassersammler wirken, wurden unter-
Höhe (m) Breite (m)
fahren. Der Vorlauf zwischen Inbetriebnahme
von Entwässerungsstrecken und Abbaubeginn Wölbstrecken 1,60–1,90 1,10–1,50
Sumpfstrecke 1,25–1,50 1,0
war auf ca. 1,5 Jahre orientiert.
Normalstrecken 1,60–2,00 1,10–1,90
Zur Erzielung optimaler Entwässerungserfol-
Förder-, Doppelstrecken 1,80–2,60 2,00–3,00
ge des Hangenden wurden die Strecken meist ca.
2 m unter das Hangende gelegt. Dies hatte zudem
den Vorteil, etwaigen Druck im Deckgebirge
nicht im Rahmen von Wassereinbrüchen in die
Strecken zu entlasten.
Zur Entlastung vorhandenen Liegenddruckes
wurden Strecken ca. 1 m über dem Liegenden
aufgefahren und von dort aus das Flözliegende
angebohrt. Stärkere Tonschichten wurden i. d. R.
in genügendem Abstand unterfahren. Wasser, die
beim Streckenvortrieb erschrotet wurden, wur-
den über Strecken und Röschen der Wasserhal-
Abb. 6.3   Strecken ohne Ausbau
tung am Schacht zugeleitet.
Dabei wurden zur Vermeidung der Unterspü-
lung der Streckenzimmerung Steigungsverhält- förderung waren bei freiem Streckenquerschnitt
nisse nicht größer als 1:200, im Mittel ca. 1:500 von mindestens 2,43 m2, eine Streckenhöhe von
gewählt (Strzodka K 1975). 1,80 m; Breite im Firstbereich 1,05 m; Breite im
Die Wahl der Streckenquerschnitte erfolgte Sohlbereich 1,65 m.
entsprechend:
• dem geplanten Verwendungszweck der Stre- Getriebezimmerung  Es erfolgte eine Getriebe-
cke (Entwässerungsstrecke, Sumpfstrecke, zimmerung, wenn die Kohle von sich aus nicht frei
Ansatzpunkt für Filterbohrung) steht. In manchen Fällen genügte schon das Trei-
• der Größe der zum Einsatz kommenden För- ben der Firste allein; in ungünstigen Fällen musste
dermittel (Wagen, Band) auch die Sohle getrieben und der Ortsstoß vertä-
• der Technologie des Vortriebes (Hand- oder felt werden. Dazu wurden besäumte Pfähle von
Maschinenvortrieb) 24–35 mm Kantenlänge verwendet (Abb. 6.7).
• der Beschaffenheit der Gebirgsschichten.
Verstärkter Holzausbau Der verstärkte Holz-
ausbau wurde genutzt bei:
6.3.2 Streckenausbau • beabsichtigten Bohrungen ins Hangende
• geplanten Horizontalbohrungen vom Ortsstoß
Tabelle 6.1 gibt eine Übersicht zu typischen Stre- aus bzw. Bohrungen für Steckfilter ins Han-
ckenquerschnitten im Braunkohlentagebau gende oder Liegende
• vermutetem Wasser- oder Schwimmsandein-
Strecken ohne Ausbau bruch in die Strecke
Strecken ohne Ausbau wurden in standfester Kohle • Auffahrung von Streckenverbindungen z. B.
mit annähernd elliptischen Querschnitt als so ge- zu höher gelegener Sohle aus der Strecke
nannte „Wölbstrecken“ aufgefahren (Abb. 6.3). • Auffahrung von Gesenken und Schächten aus
der Strecke.
Strecken mit Ausbau
Einfache Holzzimmerung (Abb. 6.4, 6.5 und Ausbau in Mauerung Strecken in Mauerung
6.6)  Übliche Abmessungen für einfache Wagen- wurden realisiert:
388 H.-H. Baumbach et al.

Abb. 6.4   Strecken mit Holzausbau


– Einfache Streckenzimmerung

Abb. 6.5   Strecken mit Holzausbau


–Deutscher Türstock

Abb. 6.6   Strecken mit Holzausbau –


Polnischer und Schwedischer Türstock
6  Verwahrung untertägiger bergmännischer Hohlräume und Brunnen 389

Abb. 6.7   Getriebezimmerung

Abb. 6.8   Strecken in Mauerung

• unter zu schützenden Tages- und Untertagean- Ausbau in Beton und Stahlbeton Der Aus-
lagen bau in Beton und Stahlbeton wurde vorwiegend
• für spezielle Sumpfstrecken angewandt bei:
• im Bereich von Dammtüren und Dämmen • der Herstellung von Pumpenräumen, Däm-
• zur Vermeidung von Brandgefahr bzw. bei men, Schützen, Röschen
starkem Gebirgsdruck und beim Durchfahren • der Torkretierung (Aufspritzen einer Zement-
von quellfähigen Schichten. schicht – von einigen Zentimetern Mächtig-
Beispiele für den Ausbau in Mauerung illustriert keit als Schutz gegen Fäulnis bzw. zur Verhü-
Abbildung 6.8. tung von Bränden).
390 H.-H. Baumbach et al.

Abb. 6.9   Strecken in Eisen-


ausbau

Eisenausbau  Im Braunkohlenbergbau wurde et al. 2001; Verwahrungsanordnung 1971; Sper-


der Eisenausbau für Entwässerungsstrecken sel- ling 2004; Meier 2001).
ten angewendet. Bei extrem hohen Drücken im Ausbau Sammelbegriff für alle Arten des
Deckgebirge wurden die hölzernen Kappen meist Abstützens und Verkleidens von
durch Eisenträger (Schienen) ersetzt (Abb. 6.9). Grubenbauen gegen den
Die diesbezüglichen Sicherheitsvorschriften Gebirgsdruck mit Hilfe von
wurden in der Arbeits- und Brandschutzanord- Holz, Mauerwerk, Stahl, Beton
nung – Bergbausicherheit für Bergbau unter Tage oder Stahlbeton. Es werden
– (ABAO 120/1 bzw. 120/2; früher auch als TSB Schacht-, Streckenausbau und
120 bezeichnet) verbindlich für alle Bergbaube- Abbauzimmerung sowie starrer,
triebe der DDR geregelt. nachgiebiger und gelenkiger
Erst ab Ende der 1960er Jahre wurde insbeson- Ausbau unterschieden.
dere in der Lausitz fast ausschließlich mittels Fil- Bergschaden- Geotechnisch-markscheideri-
terbrunnen von über Tage die Ablösung der Stre- kundliche Ana- sche Untersuchung und Bewer-
ckenentwässerung eingeleitet. Von dem dort um- lyse (BSA)/ tung von Gefährdungsberei-
fangreich vorhandenen Streckennetz der Entwäs- Gefährdungs- chen an der Tagesoberfläche,
serung im Braunkohlenbergbau wurden in den analyse (GFA) Zusammenfassung aller derzeit
Jahren zwischen 1990 und 2007 ca. 390.000 m bekannten oder recherchierba-
Streckenmeter durch die LMBV mbH mit einem ren Unterlagen und sonstiger
Versatzvolumen von rund 1,45 Mio. m3 verwahrt Informationen, bildet Grundlage
und damit endgültig gesichert. Die Länge der für die Planung von Verwah-
verwahrten Strecken entspricht damit etwa der rungsmaßnahmen, stellt wirt-
Entfernung zwischen Senftenberg und Stralsund. schaftliche Verwahrungs- und
Sicherungskonzepte dar.
Bruch 1. Planmäßig verbrochener
6.4  Dauerhafte Sicherung Abbau
bergmännischer Grubenbaue 2. Unvorhergesehenes Her-
und Filterbrunnen einbrechen von Kohle und
Deckgebirge in Gruben-
6.4.1 Begriffsbestimmungen baue.
Erstsicherung Umgehende Absicherung von
Zunächst sollen einige wichtige Begriffe erläutert Schadensbereichen zur Abwehr
werden, die für das Verständnis der Sanierungs- einer weiteren Gefährdung für
arbeiten an untertägigen bergmännischen Hohl- Leib und Leben sowie von Sach-
räumen von besonderer Bedeutung sind (Penzel werten (z. B. durch Warnband,
Bauzaun, Beschilderung).
6  Verwahrung untertägiger bergmännischer Hohlräume und Brunnen 391

Filterbrunnen Ein Filterbrunnen ist ein blind Verwahrung Dauerhafte, wirkungsvolle und
endendes Bohrloch, das mit Fil- wartungsfreie Maßnahme zur-
terrohr und Filterkies ausgebaut vorbeugenden Abwehr und
ist. Es ist mit einem Wasserhebe- Beseitigung von Schäden oder
element (z. B. UWM-Pumpe), anderernachteiliger Einwirkun-
das Wasser nach über Tage hebt, gen auf die Geländeoberfläche
ausgerüstet. odergrundlegende Reduzierung
Grubenbau Unterirdische Räume, die bei von möglichen Gefährdungspo-
bergbaulichen Arbeiten ent- tentialen,die durch Grubenbaue
stehen; alle vom Bergmann oder sonstige Altbergbaurelikte
geschaffenen Hohlräume unter verursacht werden.
Tage. Verwahrungs- Detaillierte Dokumentation
Schacht Seigerer (senkrecht) oder tonn- dokumentation einer Erkundungs- und Verwah-
lägiger (im Einfallen liegender) rungsmaßnahme.
Zugang zu einer Lagerstätte;
von über Tage ausgehend; Tages- 6.4.2 Inhalte der bergschaden-
schacht, zwischen zwei Sohlen kundlichen Analyse und der
Blindschacht oder Gesenk;Nach Verwahrungsdokumentation
den hauptsächlichen Aufgaben
unterscheidet man Wetter-, För- Die bergschadenkundliche Analyse muss Anga-
der-, Fahrschächte. ben enthalten über
Sicherung Schadensereignis wird nicht a. den Zustand der Grubenbaue, insbesondere
grundlegend beseitigt oder ver- der tagesoberflächennahen Grubenbaue und
ändert, Gefährdung wird durch der räumlichen Verbindungen zur Tagesober-
haltbare Sicherungsmaßnahmen fläche (Tagesschächte, Stollen)
(z. B. Abdeckung aus Stahlbe- b. die Abbau- und Versatzverfahren
ton, Erdwälle, massive Zäune, c. den geologischen, hydrogeologischen und
Hecken) beseitigt oder maßgeb- geomechanischen Zustand der Lagerstätte und
lich reduziert, periodische Kon- des Deckgebirges
trollen oder Monitoring sind d. bereits durchgeführte Verwahrungsarbeiten
fester Bestandteil dieser Sanie- e. weitere Grubenbaue und unterirdische Hohl-
rungsmaßnahmen. räume, die sich im Einwirkungsbereich der
Strecke Tunnelartiger, söhliger Gruben- stillzulegenden und der bereits stillgelegten
bau mit rechteckigem, trapezför- Grubenbaue befinden
migen, gewölbeförmigen, ellip- f. die Nutzung und Bebauung der Tagesoberfläche
tischen oder vieleckigem Quer- g. bereits eingetretene Bergschäden und andere
schnitt zur Förder-, Fahr- und nachteilige Einwirkungen und durchgeführte
Wetterverbindung; Strecke ver- bergschadenkundliche Messungen (Lage- und
läuft ausschließlich untertägig. Höhenmessungen)
Tagesbruch Meist runder, kesselförmiger h. künftig noch zu erwartende Bergschäden und
Geländeeinbruch über einem andere nachteilige Einwirkungen
durch oberflächennahen Berg- Der bergschadenkundlichen Analyse sind Über-
bau entstandenen Hohlraum, der sichtskarten und rissliche Unterlagen beizufügen,
Zubruchgegangen oder gewor- auf denen insbesondere darzustellen sind:
fen wurde. i. Grubenbaue (insbesondere tagesoberflächen-
Versatz Füllung leer geförderter Abbaue nahe Grubenbaue, Tagesschächte und Stollen)
mit Bergen oder sonstigen Mas- j. der geologische und hydrogeologische Zu-
sen. stand der Lagerstätte und des Deckgebirges
392 H.-H. Baumbach et al.

k. weitere Grubenbaue und unterirdische Hohl- logen und Kaufleuten eingesetzt werden kann.
räume, die sich im Einwirkungsbereich der Gleichzeitig sind ein enges Zusammenspiel und
stillzulegenden und der bereits stillgelegten ein kontinuierlicher Informationsfluss zwischen
Grubenbaue befinden den einzelnen Abteilungen der LMBV mbH not-
l. die Nutzung und Bebauung der Tagesoberfläche wendig. Nur so ist gewährleistet, dass die von
m. bereits eingetretene sowie zu erwartende der LMBV mbH gegenüber den Forderungen des
Bergschäden und andere nachteilige Einwir- Bundesberggesetzes, der Markscheiderbergver-
kungen (z. B. Senkungsgebiete, zu erwartende ordnung und der finanziellen Rahmenbedingun-
Änderungen des Grundwasserspiegels). gen zu vertretenden Aussagen zur Sicherheits-
Der Inhalt der Verwahrensdokumentation um- relevanz und Revisionsfestigkeit erzielt werden
fasst: können (Benthaus u. Förtsch 2004).
a. Textteil Auf der Grundlage Bergschadenkundlicher
− Beschreibung Veranlassung, Ziel, Objekt- Analysen sowie Abschluss- und Sonderbetriebs-
lage und Zustand vor der Sanierung plänen werden die Planungsleistungen für die
− Darstellung durchgeführter Maßnahmen Erkundungs- und Versatzarbeiten erarbeitet.
(Zeitraum, Erkundungsergebnisse, Art der Die zu sanierenden Streckenbereiche werden in
Verwahrung) der Grobplanung entsprechend ihrer regionalen
− Bewertung Verwahrungsergebnis bezüg- Lage den Sanierungsprojekten zugeordnet und
lich der Dauerhaftigkeit der Realisierungszeitraum unter Beachtung der
− Benennen und als Anlage beigefügte Güte- Randbedingungen, wie Koordinierung mit wei-
nachweise und Kontrollmaßnahmen teren Sanierungsarbeiten, Grundwasserwieder-
− Einschätzung der Erkundungs- und Ver- anstieg, Zeitpunkt der Entlassung aus der Berg-
satzmaßnahmen aus bergschadenkund- aufsicht usw. festgelegt.
licher Sicht und Hinweis auf mögliche Mit den in den Planungsgrundlagen heraus-
Nutzungseinschränkungen gearbeiteten Mengengerüsten (zu verwahrende
b. vermessungstechnische Darstellung (Risse, Streckenlängen und Versatzvolumen) erfolgt
Schnitte, Sonderdarstellungen) die Erarbeitung der Ausschreibungspläne und
− Darstellung des Istzustandes Finanzierungsanträge für die im jeweiligen Jahr
− Höhen- und koordinatenmäßige Erfassung durchzuführenden Erkundungs- und Versatz-
der Verwahrung arbeiten. Nach Genehmigung der Anträge durch
c. Bilddokumentation den Steuerungs- und Budgetausschuss für die
− Einblick in den Ablauf der einzelnen Braunkohlesanierung können für die einzelnen
Bearbeitungsphasen Versatzmaßnahmen entsprechend den Vorgaben
− Dokumentation der Qualität der Ausführungen der VOB die Leistungsverzeichnisse und Ver-
dingungsunterlagen erarbeitet werden. Daran
anschließend folgt im Zusammenspiel der Fach-
6.4.3 Verfahrensweise bei der abteilungen das Ausschreibungsverfahren mit
Verwahrung von Grubenbauen abschließender Vergabe der Leistungen an Fach-
firmen (Abb. 6.10).
Die LMBV mbH leistet mit ihren Aufgaben- Die technische Realisierung der Erkundungs-
schwerpunkten Planung, Ausschreibung/Verga- und Versatzarbeiten wird durch erfahrene Ver-
be, Überwachung der Projektdurchführung und satzfirmen ausgeführt. Dabei wird bereits im
Controlling sowie Nachnutzungsvorbereitung/ Ausschreibungsverfahren der Bieterkreis dahin-
Verwertung einen bedeutenden Beitrag in der gehend ausgewählt, dass den aus dem Grundan-
Braunkohlesanierung. liegen der Versatzmaßnahmen – der Beseitigung
Zur Bewältigung der Aufgaben ist es erforder- von Gefährdungen, die durch bergmännische
lich, dass in der LMBV mbH ein Mitarbeiterteam Auffahrungen für die Tagesoberfläche hervorge-
von Bergingenieuren, Bodenmechanikern, Geo- rufen werden – sich ergebenden hohen Ansprü-
logen, markscheiderischen Fachleuten, Hydro- chen an diese Arbeiten Rechnung getragen wird.
6  Verwahrung untertägiger bergmännischer Hohlräume und Brunnen 393

Abb. 6.10   Verfahrenswei- $EWHLOXQJHQGHU %HK|UGHQ


se in der LMBV mbH bei 9RUJDQJ /0%9PE+ bPWHUXQG
der Verwahrung bergmän- )UHPGILUPHQ
nischer Grubenbaue RIIHQHEHUJPlQQLVFKH*UXEHQEDXH ±6DQLHUXQJVSIOLFKWHQWVSUHFKHQG%XQGHVEHUJJHVHW]

(UDUEHLWXQJ%HUJVFKDGHQNXQGOLFKH$QDO\VH 3ODQXQJ
XQG$EVFKOXVVEHWULHEVSOlQH 0DUNVFKHLGHUHL
*HRWHFKQLN

(UDUEHLWXQJ)LQDQ]LHUXQJVDQWUlJHXQG 3ODQXQJ *HQHKPLJXQJGXUFK


$XVVFKUHLEXQJVSODQ (LQNDXI 6WX%$ :LUWVFKDIWV
)LQDQ]XQG8PZHOW
0LQLVWHULXP 

(UDUEHLWXQJ/HLVWXQJVYHU]HLFKQLV 3ODQXQJ
*HRWHFKQLN

$XVVFKUHLEXQJXQG9HUJDEHQDFK92% (LQNDXI
3ODQXQJ

7HFKQLVFKH5HDOLVLHUXQJGHU$UEHLWHQ *HRWHFKQLN 9HUVDW]ILUPHQ


hEHUZDFKXQJGLHVHUGXUFK/0%9PE+ 8QWHUQHKPHQV
NRQWUROOH
0DUNVFKHLGHUHL

$EQDKPHGHUWHFKQLVFKHQ$UEHLWHQXQG *HRWHFKQLN 9HUVDW]ILUPHQ


hEHUJDEHGHV9HUVDW]EHULFKWHV 8QWHUQHKPHQV
NRQWUROOH
0DUNVFKHLGHUHL

(UDUEHLWXQJ9HUZDKUXQJVDEVFKOXVVGRNX *HRWHFKQLN
PHQWDWLRQXQG'RNXPHQWDWLRQLPEHUJ 0DUNVFKHLGHUHL
PlQQLVFKHP5LVVZHUN

hEHUJDEH9HUVDW]HUJHEQLVVHHQWVSUHFKHQG 0DUNVFKHLGHUHL %HUJEHK|UGHQ


†$EV%%HUJ*

Aus diesem Grund müssen die am Ausschrei- • langjährige Erfahrungen beim Einsatz bohr-
bungsverfahren beteiligenden Firmen folgende technischer Verfahren insbesondere in Bezug
Kriterien erfüllen: auf sicherheitsrelevante Probleme in Bergbau-
• Erfahrungen bei Arbeiten in Braunkohlen- gebieten
bergbau- und Altbergbaugebieten (Tage- und • vorhandene technische Ausrüstung muss
Tiefbau) dem Stand der Technik und den aktuellen
• Erkennung von bergbautechnologisch-histori- Sicherheitsanforderungen entsprechen sowie
schen Zusammenhängen nachweislich funktionstüchtig bzw. gewartet
• Erfahrungen bei der Interpretation von sein
Schichtenverzeichnissen und Bohrsäulenpro- • Für Vorbereitung, Durchführung und Aus-
filen sowie Auswertung von Sondierungen wertung der Versatzarbeiten ist ein interdis-
• Ansprache und Deutung der Bohrergeb- ziplinäres Team u. a. von Bergingenieuren,
nisse, Voraussetzung dafür sind Kenntnisse in Geologen, Bohrtechnikern und Facharbeitern
braunkohlenbergbauspezifischen Fachgebie- notwendig, die Qualifikation der Mitarbeiter
ten, Geologie, Hydrologie, Bodenmechanik ist nachzuweisen.
394 H.-H. Baumbach et al.

• es sind vergleichbare Referenzobjekte vorzu- setzungen zur Realisierung der Altbergbausa-


weisen. nierung. Das Wissen der LMBV mbH als Berg-
Mit Einhaltung der Kriterien für die Präquali- bausanierer wird daher auch außerhalb ihres
fikation von Versatzfirmen wird abgesichert, Zuständigkeitsbereiches für die Sanierung von
dass Aufträge für die Realisierung der komple- Altbergbauobjekten genutzt. Im Auftrag der
xen und komplizierten Verwahrungsarbeiten zur Bundesländer bzw. durch vom Bergbau betrof-
Gewährleistung der Erfüllung bergrechtlicher fene Kommunen wird die LMBV mbH für ver-
Forderungen und der öffentlichen Sicherheit schiedene Sanierungsaufgaben als Projektträger
ausschließlich an kompetente Firmen vergeben eingesetzt.
werden. Die Finanzierung dieser Maßnahmen erfolgt
Während der Baudurchführung erfolgt die Be- durch die Wirtschaftsministerien der Länder und
treuung der Arbeiten durch Mitarbeiter der ent- dem europäischen Fonds für regionale Entwick-
sprechenden Fachabteilungen. Es besteht dabei lung (EFRE).
folgende Aufgabenteilung: Bei der Sanierung von Altbergbauobjekten
besteht damit eine enge Zusammenarbeit mit den
Geotechnik Fachliche Überwachung zuständigen Bergbehörden sowie mit den jewei-
Markscheiderei Aufgaben der Vermessung und ligen Kommunen und Forstämtern sowie mit Pri-
Risswerksführung vatpersonen, da diese entweder als Auftraggeber
Unternehmenskontrolle Überwachung der
bzw. Flächeneigentümer für die Sanierung der
Vertragseinhaltung
bergbaulich beeinflussten Flächen Mitverant-
wortung tragen.
Zur Koordinierung der Arbeiten und Darlegung Ziel der Versatzarbeiten ist auch bei diesen
des aktuellen Baustandes finden regelmäßige Maßnahmen die Gefahrenbeseitigung für eine
Baustellenberatungen statt und es wird entspre- optimale Nachnutzung der Altbergbauflächen
chend der Verdingungsordnung für Bauleistun- und das Herstellen der öffentlichen Sicherheit.
gen (VOB) ein Bautagebuch geführt. Der Ablauf und die Organisation der Versatz-
Die Versatzmaßnahmen schließen mit Abnah- maßnahmen gleichen im Wesentlichen den Sa-
me der technischen Arbeiten und Übergabe des nierungsarbeiten unter Bergrecht (Abb. 6.11).
Versatzberichtes der Versatzfirma an die LMBV Durch die zuständige Bergbehörde wird ge-
mbH ab. meinsam mit den Kommunen auf der Grundla-
In der Abteilung Geotechnik werden durch ge regionaler Sanierungspläne der erforderliche
erfahrene Mitarbeiter die Ergebnisse der Erkun- Sanierungsbedarf ermittelt. Randbedingungen
dungs- und Versatzarbeiten ausgewertet und die sind dabei die in den für die Altbergbauobjekte
Abschlussdokumentation erarbeitet. Die Bohr- vorliegenden Bergschadenkundlichen Analysen
ansatzpunkte und erreichten Versatzergebnisse ausgewiesenen Gefährdungsbereiche sowie die
werden zeitnah der Markscheiderei zur Eintra- gegenwärtige und zukünftige Nutzung der Tages-
gung in das bergmännische Risswerk der LMBV oberfläche. Die entsprechenden Sanierungsanträ-
mbH übergeben. Entsprechend den Forderungen ge werden auf Anforderung der Bergbehörden in
aus § 69 BBergG erfolgt abschließend die Über- der LMBV mbH erarbeitet und zur Bestätigung
gabe der Abschlussdokumentation mit aktuellem beim Regionalen Sanierungsbeirat eingereicht.
Risswerk an die zuständigen Bergbehörden. Nach Bewilligung der Anträge übernimmt die
LMBV mbH alle notwendigen Planungs- und
Genehmigungsleistungen sowie die Ausschrei-
6.4.4 Versatzmaßnahmen in Altberg- bung, Vergabe, Bauüberwachung, Abnahme und
baugebieten Auswertung der Versatzarbeiten. Die Versatz-
maßnahme schließt mit Übergabe der Abschluss-
Die LMBV mbH bietet mit ihren qualifizierten dokumentationen an die jeweils zuständigen
und erfahrenen Mitarbeitern optimale Voraus- Bergbehörden ab.
6  Verwahrung untertägiger bergmännischer Hohlräume und Brunnen 395

Abb. 6.11   Ablauf der Alt- 5ROOHGHU/0%9PE+EHLGHU$OWEHUJEDXVDQLHUXQJ


bergbausanierung
%HUJEHK|UGHQ .RPPXQHQ   5HJLRQDOHU
      6DQLHUXQJVEHLUDW

  
$XIJDEHQVWHOOXQJ     )LQDQ]LHUXQJVUDKPHQ

/0%9PE+
(UDUEHLWXQJ6DQLHUXQJVDQWUlJH
$XIVWHOOXQJ/HLVWXQJVYHU]HLFKQLV
$XVVFKUHLEXQJ9HUJDEHGHU/HLVWXQJHQ
hEHUZDFKXQJGHU3URMHNWGXUFKIKUXQJ  )UHPGILUPHQ
$EQDKPHXQG$XVZHUWXQJGHU/HLVWXQJHQ   5HDOLVLHUXQJ
GHU
WHFKQLVFKHQ
$UEHLWHQ

hEHUJDEHGHU$EVFKOXVVGRNXPHQWDWLRQ  9HUZHQGXQJVQDFKZHLVH 
  'RNXPHQWDWLRQ1DFKZHLVIKUXQJ

%HUJEHK|UGHQ   .RPPXQHQ   
5HJLRQDOHU
         6DQLHUXQJVEHLUDW

Bei der Realisierung der Versatzmaßnahmen Lagerstätten (Oberflözbergbau) entwickelte der


laufen in der LMBV mbH die gleichen bewähr- Bergbau bei seinem Übergang ins Urstromtal ge-
ten Arbeitsabläufe und Kooperationen der ein- eignete Technologien gegen das Wasser oder zur
zelnen Fachabteilungen wie bei Versatzarbeiten Beherrschung des Wassers. Bis Mitte der 1960er
unter Bergrecht ab. Jahre erfolgte die Entwässerung mittels unter-
Während der gesamten Versatzmaßnahme tägiger bergmännisch aufgefahrener Strecken
besteht ein enger Kontakt zwischen den Berg- und Fallfilter. Mit Entwicklung leistungsfähiger
behörden, den betroffenen Kommunen, die bei Unterwassermotorpumpen (UWM-Pumpen) er-
allen notwendigen Entscheidungen als Auftrag- folgte zu diesem Zeitpunkt die Umstellung auf
geber einbezogen werden und dem Projektträger Filterbrunnenentwässerung (v 1975; Stoll et al.
LMBV mbH. 2009, Abb. 6.12).
Dabei wird über die gesamte künftige Abbau-
fläche der Tagebaue ein systematisches Netz aus
6.4.5 Sicherung und Verwahrung Filterbrunnen aufgebaut. Das Wirkprinzip des
rückgebauter Filterbrunnen im Filterbrunnens beruht auf der Absenkung des
Braunkohlenbergbau Wasserstandes innerhalb der mit einem Filter-
rohr ausgebauten Brunnenbohrung durch eine
Um Braunkohle sicher abzubauen, muss eine Tauchmotorpumpe, die unterhalb der zu entwäs-
Lagerstätte von Grundwasser weitgehend be- sernden Schicht in den Brunnen eingebaut wird.
freit werden. Nach Auskohlung der über dem Die Reichweite der Entwässerungswirkung eines
natürlichen Grundwasserspiegel befindlichen Filterbrunnens ist dabei von verschiedenen Fak-
396 H.-H. Baumbach et al.

Abb. 6.13   Darstellung von Brunnen im Bergmänni-


schen Risswerk – Ausschnitt aus Digitalisiervorschrift der
LMBV mbH

sichere Verwahrung erforderlich. Brunnen, die


auf Dauer außer Betrieb genommen werden, sind
für den Zeitraum zwischen Außerbetriebnahme
(Ausbau der Steigleitung) und Verwahrung mit
geeigneten Mitteln zwischenzeitlich sicher zu
verschließen. Die Verwahrung von Bohrungen
(ehemalige Brunnen bzw. Grundwassermess-
stellen (GWMS)) ist so vorzunehmen, dass eine
vollständige Auffüllung der vorhandenen Hohl-
räume mit geeignetem Verfüllmaterial gewähr-
leistet wird. Ziel der Verwahrung ist die dauer-
hafte Verhinderung schädigender Auswirkungen
auf Mensch und Umwelt.
Eine im Braunkohlenbergbau weit verbreitete
Abb. 6.12   Schnitt durch einen Filterbrunnen im Braun-
kohlentagebau Verwahrungsart war bisher die des Verfüllens mit
rolligem Material.
Die Verwahrung beginnt mit der Erstver-
toren, wie den Grundwasserströmungsverhältnis- füllung. Das Verfüllgut wird vorab in einer der
sen, den Gebirgseigenschaften, der Ausführung Brunnenteufe entsprechenden Menge (plus Set-
des Brunnens sowie der installierten Pumpe ab- zungsreserve) am Brunnenstandort abgelagert
hängig. Um eine flächenhafte Entwässerungs- und dann meist mechanisiert mit Verfülltrichter
wirkung im geplanten Abbaubereich zu erzielen, über ein Gitterrost mit ca. 4 × 4 cm Maschenwei-
werden Filterbrunnensysteme betrieben. Rings te, bzw. per Hand in den Brunnen eingebracht.
um den Tagebau werden so genannte Randriegel Erkennbaren Differenzen zwischen theoreti-
gesetzt, dazwischen Feldriegel. Das gehobene schem Hohlraum und realer Massenaufnahme
Wasser wird über Sammelleitungen (über- bzw. – bedingt z. B. durch Verstopfung, Brückenbil-
unterirdisch verlegt) gegebenenfalls einer Gru- dung u.ä. – ist mit geeigneten Maßnahmen zu
benwasserreinigungsanlage (GWRA) zugeführt. begegnen (z. B. Spülen mit Klarwasser). Nach
Hier werden chemische und mechanische Be- Abschluss der Erstverfüllung wird durch den
standteile des gehobenen Brunnenwassers auf Ausführenden ein Warnschild „Gefahr einer Bo-
genehmigungskonforme Größen reduziert. Nach densenkung“ aufgestellt.
der Reinigung kann das Wasser u. a. zu Trink- Nach Monitoring und Nachweis der Dauer-
wasser aufbereitet, zur Flutung von Bergbaufolg- standsicherheit der Verfüllsäule wird das Stand-
eseen bzw. zur Einleitung in die Vorflut genutzt rohr gezogen.
werden. Der Brunnenausbau sowie gegebenenfalls
Mit der Einstellung des Abbaubetriebes in vorhandene Sondereinbauten im Ringraum (Er-
den Tagebauen und dem Fortschritt der bergbau- dungsband, Pegel) sind mindestens bis ca. 1,5 m
lichen Sanierungsarbeiten erfolgte schrittweise unter der Erdoberfläche zu beseitigen. Der Zu-
die Außerbetriebnahme der Filterbrunnen. Das stand der Bohrung ist entsprechend der vorge-
macht die Sicherung der endgültig außer Betrieb nommenen Veränderungen im Bergmännischen
genommenen Brunnen durch eine dauerstand- Risswerk zu dokumentieren (Abb. 6.13).
6  Verwahrung untertägiger bergmännischer Hohlräume und Brunnen 397

Abb. 6.14   Senkrechter Bruch ohne Trichterbildung eines Abb. 6.15   Erstsicherung, Brunnen abgedeckt
Brunnens (Durchmesser ca. 0,5 m!)

Einbringen von Abdichtungen Grundsätzlich ge festgestellt werden, ist eine Nachverwahrung


sind alle verwahrten Brunnen im Bereich von 1,0 durchzuführen (Abb. 6.16).
bis 1,5 m unter Gelände mit einer Tonabdichtung Zur Nachverwahrung ist die Verfüllsäule bis
zu versehen. in ein durch die Fachverantwortlichen festzule-
Dadurch wird verhindert, dass Schadstoffe gendes Teufenniveau aufzubohren.
mit Niederschlagswasser über den Weg der Kies- Die Bohrung ist zu verrohren und ein entspre-
verfüllung in Erdreich und Grundwasser eindrin- chendes Verfüllgestänge einzubringen.
gen können. Die Nachverwahrung erfolgt durch Einfüllen
Je nach Brunnenausbau sind bei von Kohäsivsuspension.
• Kiesklebefilter/Kiesklebevollrohr/Betonfilter/ Ist aus objektiven Gründen eine Nachverwah-
Keramikfilter/Keramikvollrohr die zwei obe- rung der Brunnen nicht möglich, hat die
ren Filter-/Vollrohre zu entfernen Sicherung der Rasensohle durch Sondermaß-
• Stahl-/Kunststoffrohr die Einbauten mindes- nahmen (z. B. Geotextil, Geogitter u. a.) zu er-
tens bis 1,5 m unter der Erdoberfläche abzu- folgen.
trennen. Für den Fall, dass nachgewiesene und doku-
Durch diese in der Vergangenheit realisierte mentierte Brunnen bei der Suche nach markschei-
Form der Verfüllung kam es im Zusammen- derischer Absteckung nicht gefunden werden
hang mit dem Wiederanstieg des Grundwassers können wird mittels geotechnischer Erkundungs-
zu massiven Problemen. Eingebrachtes rolliges metoden (z. B. Drucksondierungen, geophysika-
Verfüllmaterial hat bedingt durch die Grundwas- lische und geoelektrische Untersuchungen) der
serbewegung im Zuge des Wiederanstieges über jeweilige Brunnenstandort belastbar georeferen-
längere Zeiträume keine ausreichende Lagesta- ziert und mit geeigneten Maßnahmen gesichert.
bilität, was Setzungen der Füllsäulen zur Folge Die Bemessung der Sicherungselemente ba-
hat. Ein durch die Setzungen entstandener Tages- siert dabei auf Grundlage nachvollziehbarer, geo-
bruch kann dabei in Durchmesser und Tiefe Aus- technischer Untersuchungs- und Berechnungs-
maße aufweisen, die eine Gefahr für die öffent- verfahren.
liche Sicherheit bei der Nachnutzung von Berg- Um dem künftig entgegenzuwirken, wurden
baufolgeflächen bedeuten (Abb. 6.14 und 6.15). auf Betreiben der zuständigen Bergämter Ver-
Bei Brunnen, bei denen im Rahmen von Kont- wahrungsabläufe und Technologien mit Ver-
rollbefahrungen eine unzureichende Verwahrung satz- bzw. Verwahrungsmaterialien mit kohäsi-
festgestellt wurde bzw. bei denen nach Ablauf ven Eigenschaften (z. B. Braunkohlenfilterasche,
der Kontrollfristen noch größere Setzungsbeträ- Zementierungsmaterialien unterschiedlicher
398 H.-H. Baumbach et al.

Abb. 6.16   Beispiele erkundeter ehemaliger Filterbrunnen unterschiedlicher Zustände nach Freilegung

Hersteller) entwickelt, die über eine nachweisbar den, ist eine Verwahrung nicht zwingend erfor-
dauerhafte Lagestabilität verfügen. derlich. Aufgrund der unter Wasser entfallenden
Das einzubringende Verfüllmaterial ist bis ca. Bruchmechanik in Verbindung mit den wirksa-
1,5 m unter Rasensohle, mittels Verfüllgestänge, men Auftriebskräften unter Wasser bei gleich-
beginnend von der Brunnensohle, als Suspension zeitiger Verschlämmung des ehemals ganz oder
in Intervallen einzubringen. Dabei sind die Mate- teilweise offenen Bohrloches kann eine Gefähr-
rialverluste durch das Abwandern der hochflui- dung der öffentlichen Sicherheit ausgeschlossen
den Verfüllsuspension in das Bohrungsumfeld zu werden.
berücksichtigen.
Nach Aushärten des Verfüllmaterials ist das
Standrohr bis ca. 1,5 m unter Rasensohle zu ent- 6.5  Praktische Erfahrungen
fernen. Die Baugrube ist mit umgebungskonfor- bei Erkundungs- und
mem Bodenmaterial zu verfüllen. Versatzarbeiten
Generell ist ein Verwahrungsprotokoll anzu-
fertigen und zum Risswerk zu nehmen. Der aktu- 6.5.1 Erarbeitung der
elle Zustand der Bohrung ist im Risswerk nach- Gefährdungsanalyse (GFA)
zutragen. Frankfurt/Oder
Bei Brunnen, die sich zukünftig mehr als 2 m
unter dem niedrigsten Endwasserstand (unter Be- Im Zusammenhang mit der Braunkohlengewin-
rücksichtigung der Staulamelle) einer dauerhaf- nung im Revier Frankfurt/Oder wurden im Stadt-
ten Wasserfläche eines Tagebaurestloches befin- gebiet durch insgesamt 4 Bergbauunternehmen
6  Verwahrung untertägiger bergmännischer Hohlräume und Brunnen 399

Abb. 6.17   Braunkohlen-


abbau im Stadtgebiet
Frankfurt/Oder/Karte:
TK 100, Gen.-Nr.: GB-A
41/2000 vom 31.08.2000
Landesvermessungsamt
des Landes Brandenburg,
Potsdam

in den Jahren von 1842 bis 1925 17 Grubenfelder oberfläche einer bergschadenkundlichen Neube-
betrieben. Der Abbau erfolgte in den konsolidier- wertung zu unterziehen.
ten Braunkohlengruben (Abb. 6.17): Im Auftrag des Landes Brandenburg wurde
„Cons. Vaterland“ bei Frankfurt/Oder die LMBV mbH als Projektträger für die Er-
„Cons. Auguste“ bei Frankfurt/Oder arbeitung der GFA eingesetzt. Der Projektträger
„Cons. Cliestow“ bei Cliestow zeichnet sich für die Erarbeitung der Aufgaben-
„Cons. Frankfurt“ bei Boossen stellung, Ausschreibung, fachliche Betreuung
Für das Altbergbaugebiet liegt bisher kein zu- und Abnahme der Leistung verantwortlich.
sammengeführtes, einheitlich orientiertes Riss- Im Vorfeld der Erarbeitung von GFA sind vor
werk und keine umfassende Gefährdungsein- der Vergabe der Leistungen folgende Faktoren
schätzung vor. Mit der Erarbeitung einer komple- abzuklären (Meier 2004):
xen GFA soll eine flächendeckende Bearbeitung, • Inhaltliche Abgrenzung in Bezug auf das
insbesondere hinsichtlich einer notwendigen konkrete Verwahrungsobjekt Die Anforde-
Gefährdungseinschätzung und abzuleitenden rungen an eine GFA sind für den jeweiligen
Verwahrungsmaßnahmen für die Sanierung des Fall entsprechend der vorhandenen Gegeben-
Altbergbaues, geschaffen werden. In die Be- heiten anzupassen, um sowohl die rechtlichen,
arbeitung sind die vorhandenen Teilanalysen und finanziellen, planerischen und sicherheitsrele-
die Verwahrungsdokumentationen, die für ver- vanten Anforderungen erfüllen zu können. Es
schiedene Bebauungsgebiete und Verkehrstras- sind die im jeweiligen Fall geltenden Rechts-
sen erarbeitet wurden, einzubeziehen. Auf der vorschriften anzuwenden. Bei Verwahrung
Grundlage der Erstellung eines geeigneten, di- von Objekten außerhalb des Bergrechtes
gitalen bergschadenkundlichen Risswerkes sind im Auftrag des Landes ist in der Regel das
die Abbaufelder und Tagesöffnungen unter Be- zuständige Landesbergamt in die Festlegung
rücksichtigung der aktuellen Nutzung der Tages- der geltenden Rahmenbedingungen einge-
400 H.-H. Baumbach et al.

bunden. Das heißt, auch außerhalb des Gel- durch die Firma mit einem großen Aufwand
tungsbereiches des BBergG kann es sinnvoll für die Recherche der vorhandenen Unter-
sein, die speziell für den Bergbau erzeugten lagen und digitalen Aufbereitung der histo-
Regelungen und Auflagen anzuwenden, es ist rischen Daten (Altrisswerke) sowie hohem
jedoch von der Entscheidung der verantwort- bergmännischem Fachwissen erarbeitet.
lichen Behörde abhängig. Mit Vorliegen der GFA entstand ein umfangrei-
• Erstellen der Aufgabenstellung Von beson- ches Dokument, in dem geschichtliche Daten
derer Bedeutung bei der Beauftragung einer mit bisherigen Erkundungs- und Versatzarbeiten
GFA ist die klare Vorgabe zu den vorhande- analysiert und bewertet werden. Darauf aufbau-
nen Rissunterlagen und zu den im Rahmen end konnte mit einer hohen Sicherheitsaussage
der Auftragsbearbeitung zu erstellenden riss- ein Ausblick auf den erforderlichen Sanierungs-
lichen und kartografischen Dokumentatio- umfang, -methoden sowie zu erwartende Kosten
nen. Hierbei ist der Zustand und die Zuver- gegeben werden. Erstmals liegt damit eine kom-
lässigkeit der Orientierung des vorhandenen plexe Darstellung des Braunkohlenbergbaues im
Risswerkes zu beachten, das Erfordernis Stadtgebiet Frankfurt/Oder einschließlich der
künftig weitere Planungsarbeiten mit den Angaben zu Geologie, Hydrologie, bergtech-
Daten umzusetzen, die vorhandenen analo- nische Charakteristik für die einzelnen Gruben
gen und digitalen Regeln für Rissunterlagen sowie eine Auflistung und Wertung der bisher
zu berücksichtigen, die dauerhafte Lesbarkeit durchgeführten Versatzmaßnahmen vor (DMT
der resultierenden Daten sicherzustellen, die GmbH Leipzig 2001).
Ergänzbarkeit (Nachtragungsfähigkeit) der Der Kernpunkt der GFA bestand in der re-
jeweiligen aktuellsten Variante der Rissdoku- chentechnischen Bearbeitung der vorhandenen
mentation zu gewährleisten und die Übergabe Altbergbau-Risswerke nach einheitlichen Kri-
an die zuständige Behörde zu garantieren, um terien für das gesamte Stadtgebiet. Grundlage
Datenverluste und Doppelbearbeitungen aus waren die Grubenrisse aus der Betriebszeit der
fehlender Informationsbereitstellung auszu- einzelnen Gruben. Für die Bearbeitung des digi-
schließen. talen Risswerkes wurde der Schwerpunkt auf die
• Suche nach geeigneten Ingenieurbüros Um Erfassung sämtlicher Tagesöffnungen (Schächte,
alle im Zusammenhang mit bergmännischen Mundlöcher, Tagesbrüche), Baufeldgrenzen der
Verwahrungsarbeiten zusammenhängenden einzelnen Flöze, Einzelstrecken und Strecken-
Aktivitäten kompetent zu realisieren, ist Sach- systeme außerhalb der Bruchbaufelder sowie
verstand, Erfahrung und entsprechende Aus- den Strecken in den Abbaurandbereichen und
rüstung unabdingbar. Mit der Betreuung die- die schachtnahen Strecken (Streckenabgänge,
ser Aufgaben können nur Firmen eingesetzt Füllortbereiche etc.) sowie vorhandene Über-
werden, die mit der komplizierten Materie hauen gelegt, da diese aus geotechnisch-berg-
von untertägigen bergmännischen Gruben- schadenkundlichen Gesichtspunkten für die Ge-
bauen im Braunkohlenbergbau vertraut sind fährdungsklassifizierung und die Auswahl der
und die ein Projektteam von Bergingenieu- optimalen Verwahrungstechnologie von Bedeu-
ren, Bodenmechanikern, Geologen und mark- tung sind. Die Orientierung der Baufelder wurde
scheiderischen Fachleuten einsetzen können. anhand der erkundeten Schachtanlagen und unter
• Ausschreibung entsprechend den Regeln Einbeziehung von sicheren Passpunkten aus frü-
für Vergaben auf der Grundlage öffent- heren Untersuchungen vorgenommen, wobei
licher Mittel des Bundes und der Länder teilweise unterschiedliche Lagegenauigkeiten zu
Im Ergebnis einer fachkundigen Vorauswahl verzeichnen waren. Deshalb wurden die einzel-
geeigneter Auftragnehmer und des nachfol- nen Gruben getrennt orientiert. Auf der Grund-
genden Ausschreibungsverfahrens wurde eine lage dieser markscheiderisch exakten und nach-
geeignete Firma mit der Bearbeitung der GFA vollziehbaren Neuorientierung des Altrisswerkes
Frankfurt/Oder beauftragt. Die GFA wurde wurde ein komplexes digitales Risswerk mit
6  Verwahrung untertägiger bergmännischer Hohlräume und Brunnen 401

Tab. 6.2   Einteilung der Gefährdungskategorien in Altbergbaubereichen im Braunkohlentiefbau


Kategorie Gefährdungspotential Notwendige Maßnahmen Farbkennzeichnung im Riss
1 Sehr hoch Erkundungs- und Sanierungsmaßnahmen dringend Rot
erforderlich akuter Handlungsbedarf
2 2a Hoch Kurzfristige Erkundungs- und kurz- bis mittelfris- Orange
tige Sicherung und Sanierung
2b Mittel Kurzfristige Erkundung zur Konkretisierung des Gelb
Gefährdungspotentials für die Einstufung in die
Kategorie 2a oder 3
3 Niedrig Ohne Sanierungsbedarf Darstellung der Randlinie

der Verschneidung historischer bergtechnischer Gefährdungsbereiche schwerpunktmäßig auf die


Daten und der aktuellen topografischen Situa- Schächte, Randstreckenbereiche, Strecken der
tion geschaffen. Die Rissdarstellung in der GFA Schachtnahbereiche und Bereiche der Überhau-
erfolgte im Maßstab 1: 1000, da dieser Maßstab en mit sensiblen Nutzungen der Tagesoberfläche
ein Kompromiss zwischen Übersichtlichkeit und konzentriert, da hier die eigentlichen Gefährdun-
Detaildarstellung ist. gen durch mögliche Senkungen und Tagesbrüche
Für die Bewertung des Gefährdungspotentials in Verbindung mit der Tagesoberflächensituation
der Altbergbauobjekte wurden die vorhandenen vorhanden sind.
Einstufungskriterien für den Braunkohlentiefbau Mit der GFA Frankfurt/Oder wurde ein Ge-
(Tab. 6.2) verwendet. samtwerk geschaffen, auf dessen Grundlage
Das Gefährdungspotential ist abhängig von weiterführende Sanierungsarbeiten geplant und
der Nutzung der Tagesoberfläche, z. B. als durchgeführt werden können.
Wohn- und Gewerbegrundstücke, Gärten, Ver-
kehrstrassen, Wiesen, Acker usw. Hierbei ist zu
beachten, dass je sensibler und intensiver die 6.5.2 Streckenversatz
Nutzung der Tagesoberfläche ist, umso höher
das Gefährdungspotential einzuschätzen ist. Für Technisch-Technologische Grundlagen
das Stadtgebiet Frankfurt/Oder wurden in der Durch Ansteigen des Grundwassers sind die
GFA von den insgesamt 437 bekannten Tagesöff- meisten Grubenbaue mit Wasser gefüllt. Infolge-
nungen 75 in die Kategorie 2a, 335 in die Kate- dessen ist es erforderlich, die Verfüllmassen über
gorie 2b und 27 in die Kategorie 3 eingeordnet. Bohrlöcher von über Tage aus einzubringen.
Außerdem wurden 19 Überhauen in die Kate- Planungsgrundlage für die Bohr- und Versatz-
gorie 2a und 246 Überhauen in die Kategorie 2b arbeiten sind die für die Grubenbaue vorliegen-
eingestuft. Außerdem wurden für die einzelnen den Bergschadenkundlichen Analysen/Gefähr-
Gruben noch insgesamt 87 allgemeine Gefähr- dungsanalysen.
dungsbereiche ausgewiesen, bei denen eine Ge- Nach Ausarbeitung der konkreten Sanierungs-
fährdung durch offene Streckenhohlräume nicht leistungen und Genehmigung des Finanzierungs-
auszuschließen ist. antrages wird auf Grundlage eines Sonderbe-
Die Berechnung der bergschadenkundlichen triebsplanes das Leistungsverzeichnis für die
Parameter (relative Bruchwahrscheinlichkeit, jeweilige Versatzmaßnahme erstellt. In einem
Tagesbruchdurchmesser, Tagesbruchabstand) Ausschreibungsverfahren werden die Bohr- und
erfolgte erfahrungsgemäß nach den empirischen Versatzarbeiten vergeben. Aus den Rahmenbe-
Formeln von Fenk (1981). Damit liegen die berg- dingungen eindeutige Dokumentation und Inter-
schadensrelevanten Bruchkriterien nach gesi- pretation der Bohrergebnisse sowie Durchfüh-
cherten wissenschaftlichen Erkenntnissen vor. rung der Versatzarbeiten, so dass Gefährdungen
Die in der GFA empfohlenen Erkundungs- der Tagesoberfläche durch Tages- und Grundbrü-
und Sanierungsmaßnahmen sind innerhalb der che, Setzungen usw. während der Arbeiten nicht
402 H.-H. Baumbach et al.

die Umgebung des Hohlraumes (Klüfte der


Kohle, Deckgebirge) verpresst wird.
Vor Aufnahme der Bohrarbeiten sind die für die
Braunkohlenbohrungen erlassenen Bestimmun-
gen zu beachten und die Schachtgenehmigung
(Bescheinigung und Lageplan über Kabel der
Energieversorgung, Kommunikationskabeln,
Entwässerungsleitungen (Trink-, Schmutzwasser)
u. a.), Betretungserlaubnisse der Grundstücks-
eigentümer und die Bescheinigung über Muni-
tionsfreiheit einzuholen. Für eine ausreichende
Baustellenfreiheit ist zu sorgen. Der Fahrweg für
das Bohrgerät, Standplätze für die Baustellenein-
Abb. 6.18   Absteckung Bohransatzpunkt
richtungen und die Versatzanlage muss garantiert
sein. Für das Bohrgerät selbst ist eine sichere Auf-
bzw. nur in vertretbarem Maße hervorgerufen standsfläche zu schaffen. In besonderen Fällen ist
werden und gleichzeitig mit der exakten Dosie- eine Sicherheitsbühne bzw. Larsen auszulegen.
rung der Versatzsuspension ein dauerhaft wirk- Die Bohrarbeiten werden in Eigenverantwortung
samer Versatz erreicht wird ist abzuleiten, dass der Versatzfirma unter Kontrolle des Auftrag-
Aufträge für die Realisierung der komplexen und gebers LMBV mbH durchgeführt. Erkundungs-
komplizierten Verwahrungsarbeiten zur Gewähr- bzw. Verwahrungsbohrungen werden in der
leistung der Erfüllung bergrechtlicher Forderun- Regel als Rotaryspülbohrungen (Abb. 6.19) z. B.
gen und der öffentlichen Sicherheit ausschließ- mit dem Bohrgerät URB 2,5 A, dem Mercedes
lich an kompetente Firmen zu vergeben sind, die ECO-0 oder einem Schrägbohrgerät geteuft. In ei-
die Abschnitt 6.4.2 aufgeführten Voraussetzun- nigen Fällen ist das Niederbringen der Bohrungen
gen erfüllen. im Trockenbohrverfahren (Abb. 6.20) oder als
Beginn der technischen Arbeiten ist die Abste- Vollkern- bzw. Teilkernbohrungen erforderlich.
ckung der in den Planungsunterlagen festgelegten Hier werden oft die Bohrgeräte VSB 2500 oder
Bohransatzpunkte durch ein Vermessungsbüro bei geringen Teufen die RSB 0/1.4 eingesetzt.
(Abb.  6.18). Entsprechend den örtlichen Bedin- Bei Hohlraumfündigkeit sind die Bohrungen
gungen (Baufreiheiten, Auflagen aus Genehmi- bis 0,5 m unter den Hohlraum fortzuführen und in
gungen und Schachterlaubnisscheinen) werden das Bohrloch bis zur Hohlraumfirste ein 2-Stahl-
die Ansatzpunkte auf Realisierbarkeit überprüft rohr für den späteren Druckversatz einzubauen.
und erforderlichenfalls versetzt. Die Ringräume sind entsprechend des Gebirgs-
Bei der Planung der Ansatzpunkte ist der Ab- aufbaues mit geeigneten Materialien (Tongranu-
stand der Versatzbohrungen zu beachten. Dieser lat, Sand/Bohrgut) zu verfüllen (Abb. 6.21).
ist abhängig von: Für eine ordnungsgemäße rissliche Dokumen-
• dem Gefälle der Strecke tation der Versatzergebnisse ist die markschei-
• der Art des Versatzmaterials derische Einmessung der geteuften Bohransatz-
• der Anordnung der Strecken zueinander punkte mit Vorgaben zur Messungsgenauigkeit
• dem Vorhandensein von durch Brüche abge- erforderlich. Die Einmessungen werden in der
riegelter Streckenabschnitte. Regel von dafür geeigneten Vermessungsspezia-
Mit den Bohrlochabständen soll erreicht werden, listen der Versatzfirmen realisiert.
dass Die Bohrergebnisse sind in Schichtenver-
• ein Vollversatz der Grubenbaue erreicht wird zeichnissen zu dokumentieren. Diese müssen
• über Lotungen eindeutige Aussagen über den folgende Angaben enthalten:
Versatzfluss und Versatzgrad möglich sind • Art der Bohrung und Objektbezeichnung
• mit geringem Versatzdruck gearbeitet werden • Koordinaten des Bohrpunktes
kann, wodurch weniger Versatzmaterial in • Bohrdatum
6  Verwahrung untertägiger bergmännischer Hohlräume und Brunnen 403

Abb. 6.21   Eingebautes Versatzrohr

• Schichtgrenzen und Schichtansprache


• Hohlraumober- und unterkante
• Besonderheiten beim Bohrprozess (unter-
schiedlicher Bohrfortschritt, Spülungsverlust,
Hindernisse u. a.)
• Bohrlochverfüllung
• Durchmesser und Einbau der Verrohrung
• Lotergebnis der freien Bohrung mit Angabe
des Grundwasserspiegels.
Abb. 6.19   Bohranlage für Rotaryspülbohrungen Vor Beginn der Versatzarbeiten ist die Versatz-
bohrung ausreichend mit Wasser freizuspülen.
Die Versatzanlage hat die Aufgabe das Ver-
satzmaterial so aufzubereiten, dass es, fließfähig
gemacht, mit Hilfe der Pumpen durch die Druck-
leitungen in die Strecken gedrückt werden kann.
Als Versatzmaterial kommt ausschließlich
eine pumpfähige Suspension aus BFA und Was-
ser zum Einsatz. Die BFA wird mit einem optima-
len Wasser-Feststoff-Faktor, der von der Herkunft
der Asche, Länge der Druckleitungen und maxi-
malen Druckvorgabe abhängig ist, angemischt.
Entsprechend der unterschiedlichen Bekohlung
der verschiedenen Kraftwerke, die als Lieferan-
ten der BFA zur Verfügung stehen, ändert sich die
chemische Zusammensetzung der Aschen. Als
Mindestanforderungen an die BFA gelten:
• ausreichende Lagestabilität, um Wasserbewe-
gungen in den Grubenbauen zu widerstehen
• ausreichende Korrosions- und Erosionsbe-
ständigkeit
• Umweltverträglichkeit entsprechend den
gesetzlichen Bestimmungen.
Das Versatzmaterial ist in regelmäßigen Abstän-
Abb. 6.20   Trockenbohrgerät den labormäßig zu untersuchen. Dazu sind wäh-
404 H.-H. Baumbach et al.

Abb. 6.22   Beispiel einer Versatzanlage mit Hochsilos Abb. 6.23   Beispiel einer Versatzanlage ohne Hochsilos

rend der Versatzmaßnahme arbeitstäglich Rück- der Versatzarbeiten erfolgt an der Pumpe mittels
stellproben zu entnehmen. Manometer und am Bohrlochkopf mittels Druck-
Als Versatzanlage kommen drei Varianten bandschreiber. Bei Erreichen des vorgegebenen
zum Einsatz (Abb. 6.22 und 6.23): Solldruckes am Bohrlochkopf wird die Anlage
• Misch- und Pumpenanlage mit Hochsilos als abgeschaltet.
Komplexanlage Die Messung des Feststoffanstieges in den
• Von der Misch- und Pumpenanlage separate Bohrungen erfolgt durch Loten. Dabei werden
Hochsiloanlage und der Anstieg des Versatzmaterials sowie die Was-
• Misch- und Pumpenanlage ohne Hochsilos. serspiegeländerung erfasst. Als Lotgeräte werden
Der Transport der BFA von den Kraftwerken zur ein Bandmaß mit Probenehmer oder ein Band-
Versatzanlage erfolgt mit Straßensilofahrzeugen. maß mit Pegelpfeife verwendet.
Die Entladung erfolgt in die Silohochbehälter Vollversatz in den Grubenbauen ist erreicht,
bzw. direkt in den Trockengutbehälter mittels wenn:
Druckluft. Nach Zuführung in das Mischrohr • der Versatzeintrag mindestens im Umfang des
wird dem Trockenmaterial die erforderliche Was- theoretischen Hohlraumvolumens erreicht
sermenge zugeführt. Das gemischte Versatzgut wurde
wird dann mittels Pumpen über die Förderleitung • bei den Verfüllarbeiten ein Druckanstieg zu
in das im Bohrloch eingebaute 2-Versatzrohr und verzeichnen ist
von dort in den offenen Grubenbau gepumpt. • Versatzaustritte über Tage zu beobachten sind
Während der laufenden Versatzarbeiten wer- • mit den Bohrungen die Strecke/der Schacht
den zur Erfassung und Beweisführung für die mit Altversatz verfüllt angetroffen wurde
eingebrachten Versatzmengen folgende techni- • bei den Bohrungen zwar Hohlraum oder
sche Parameter ständig gemessen: totaler Spülungsverlust zu verzeichnen war,
• Druck am Bohrlochkopf aber bei den Verfüllarbeiten keine Aufnahme
• Dichte der Suspension des Verfüllgutes gegeben war. Nach Prüfung
• Durchflussmenge der Suspension der Randbedingungen (z. B. Altversatz, Ver-
• Anstieg der Suspension in den umliegenden gleiche mit analogen Bohrungen, möglicher
Bohrungen (Lotungen) einschließlich Doku- Versatzfluss der aktuellen Versatzmaßnahme)
mentation (exakter Lotungsnachweis). kann der Grubenbau hier ebenfalls als ausrei-
Erfahrungsgemäß werden Fördermenge und chend verfüllt eingestuft werden.
Dichte durch eine zentrale Messeinrichtung er- Nach Abschluss der Versatzarbeiten werden die
fasst und über Schreibeinrichtungen kontinuier- Versatzrohre geborgen bzw. mindestens 1,5 m
lich festgehalten. Die Druckmessung während unter Rasensohle abgetrennt. Die Bohrungen und
6  Verwahrung untertägiger bergmännischer Hohlräume und Brunnen 405

Abb. 6.24   Wiederhergestelltes Gelände an einem Ver- Abb. 6.25   Grube „Ada“ bei Plessa, 2007, Versatzaustritt
satzstandort an Bohrung

Spülgruben sind bis Rasensohle zu verfüllen. Der


Versatzstandort wird ordnungsgemäß beräumt
und der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt
(Abb. 6.24).
Abschluss der technischen Arbeiten ist, nach
Wiederherstellung des durch die Baumaßnahme
beeinflussten Geländes, die Abnahme vor Ort
und Übergabe des Versatzberichtes.
Dass die Bohr- und Versatzarbeiten ein sehr
kompliziertes Verfahren zur Sicherung der unter-
tägigen bergmännischen Grubenbaue darstellen,
zeigen die trotz aller Umsicht und Sorgfalt auf- Abb. 6.26   Rissbildung Asphalt
tretenden besonderen Vorkommnisse. Dazu zäh-
len folgende Ereignisse (Abb. 6.24):
• Austritt der Suspension nach Übertage
− aus benachbarten Bohrungen
− aus dem Ringraum der Versatzbohrung
− aus Rissen an der Tagesoberfläche
− aus Tagesbrüchen
− aus Böschungen
• Rissbildungen (Abb. 6.24 und 6.25)
• Hebungen (Abb.  6.27) und Senkungen
(Abb. 6.28) der Tagesoberfläche
• Beschädigungen an Gebäuden und Anlagen
(Straßen, Gleiskörper usw.)
• Tagesbrüche (Abb. 6.29).
In jedem Fall ist bei diesen Ereignissen die
Abb. 6.27   Rissbildung Waldweg
Arbeit sofort einzustellen und gemäß Melde-
ordnung zu verfahren. Bereiche, die eine Ge-
fährdung der öffentlichen Sicherheit bedeuten, Die Arbeiten sind erst nach Untersuchung des
sind gegen unbefugtes Betreten oder Befahren Vorkommnisses und Aufstellung einer Techno-
zu sichern. logie zur Sicherung des Schadensfalles wieder
fortzusetzen.
406 H.-H. Baumbach et al.

Abb. 6.28   Hebung Gartenanlage


Abb. 6.30   Tagesbruch Frankfurt/Oder, Spitzkrug-Multi-
Center 09.12.2004

Abb. 6.29   Senkung Ackerfläche

Abb. 6.31   Mit Braunkohlenfilterasche verfüllte Entwäs-


Die nachfolgenden Bilder zeigen an ange- serungsstrecke
schnittenen Grubenbauen den im Druckversatz-
verfahren mit Braunkohlenfilterasche sehr gut
erreichbaren Verfüllungsgrad. Die Fotos bele-
gen, dass das in der LMBV mbH angewandte
Versatzverfahren für die Sanierung von untertä-
gigen bergmännischen Grubenbauen im Braun-
kohlenbergbau sehr gut geeignet ist (Abb. 6.31
und 6.32).

Versatzmaßnahmen Tagebau Spreetal, Stre-


ckenkomplex 9, Bereich Schacht 12
Abb. 6.32   Schnitt entlang einer verfüllten Entwässe-
rungsstrecke
Territoriale Lage Bei dem zu verfüllenden
Streckenbereich handelt es sich um den schacht-
nahen Bereich des Schachtes 12 des ehemaligen Allgemeine Angaben  Der Schacht 12 wurde
Tagebaues Spreetal (Abb. 6.33). Er befindet sich im Jahr 1961 als Rohrschacht mit einem Durch-
ca. 3 km östlich der Ortslage Bluno und 2 km messer von 3,20 m geteuft. Danach erfolgten
südwestlich der Ortslage Sabrodt an der Nord- die Auffahrung der Strecken und Grubenräume
markscheide des Tagebaus.
6  Verwahrung untertägiger bergmännischer Hohlräume und Brunnen 407

Abb. 6.33   Bereich des


Schachtes 12, Tagebau
Spreetal, Luftbild 2006

im Schachtbereich sowie die maschinelle Auf- Versatzmaßnahmen  Die 1. Versatzmaßnahme


fahrung der Grenzstrecken 14, Sumpfstrecke wurde von 1992–1994 als so genannte Arbeitsbe-
14, Grenzstrecke NW, Sumpfstrecke NW und schaffungsmaßnahme durchgeführt. Das Verfül-
der Entwässerungsstrecken in das Tagebauvor- len der Strecken erfolgte nach dem „Spreetaler
feld. Versatzverfahren – Verfüllung von Untertage“.
Bei der theoretischen Hohlraumermittlung Dabei wurde das Versatzgut über vorhandene
musste eine differenzierte Bewertung vorgenom- technische Bohrungen (Steigleitungen, Kabel-
men werden. Es handelte sich hierbei um Stre- bohrungen u. a.) sowie über Versatzbohrungen
cken mit Normalquerschnitt (4 m2), um Gruben- nach Untertage geleitet und nach der Massen-
räume mit einem Querschnitt > 4 m2 sowie um verteilung über Schnellkupplungsleitungen bis
Schächte bzw. Rohrleitungen mit einem Durch- zum jeweiligen Verfüllungsort weitertranspor-
messer von 0,3 m bis 3,2 m. tiert. Der Streckenbereich wurde in Abschnitte
(VEB BKW Welzow 1983; BLZ Geotechnik von ca. 30 m Streckenlänge (Kaskaden) einge-
GmbH 2001; Erkundungs- und Sanierungsge- teilt und jeweils durch einen Holzbohlenschutz
sellschaft mbH Bergsicherung Cottbus 1999) abgeschlossen. Infolge des Streckengefälles in
Richtung Schacht 12 erwies sich diese Technolo-
Geologische Verhältnisse  Das 2. Lausitzer Flöz gie als vorteilhaft. Sie gewährleistete eine sichere
besitzt im Bearbeitungsgebiet eine Mächtigkeit Verfüllung der Streckenbereiche mit einem Ver-
von 6 m bis 8 m. Das Liegende des Flözes wird füllungsgrad bis zu 100 %. Visuelle Kontrollen
durch einen bis zu 1 m mächtigen Liegendschluff der verantwortlichen Mitarbeiter belegen diese
gebildet. Darunter folgen 4 m bis 7 m mächtige, Annahme. Bis 1993 wurde als Versatzmaterial
mit Schluffstreifen durchsetzte, Feinsande. ein Kohle-Wasser-Gemisch, ab 1994 ein Sand-
Das Flözhangende bildet ein ca. 3,5 m mäch- Wasser-Gemisch verwendet.
tiger Hangendschluff. Darüber folgen mit einer Insgesamt wurden auf einer Streckenlänge
Mächtigkeit von 6 bis 17 m mit Schluffstreifen von 1.977–7.609 m3 Versatzmassen eingebracht.
durchsetzte tertiäre Feinsande. Die Mächtigkeit Durch drei Kontrollbohrungen wurde das Ver-
der pleistozänen Deckschichten schwankt zwi- satzergebnis bestätigt.
schen 20 bis 30 m. Sie bestehen aus Mittel- und Im Rahmen weiterführender Versatzarbei-
Feinsanden. An ihrer Basis tritt in der Regel eine ten wurden im Jahr 1999 Kontrollbohrungen
Geröllschicht auf. Infolge der anstehenden geolo- zum Nachweis der dauerhaften Wirksamkeit
gischen Verhältnisse würden sich auftretende Stre- des Versatzes niedergebracht. Dabei wurde
ckenbrüche bis zur Tagesoberfläche fortsetzen. festgestellt, dass das 1992 im Folgenden 1994
408 H.-H. Baumbach et al.

Abb. 6.34   Lage des Ver-


wahrungsbereiches an der
Landesstraße L55

eingebrachte Versatzmaterial über große Berei- Westgrenze des 1949 eingestellten Tagebaues.
che nicht lagestabil war. Es wurden Hohlräume Die Entwässerung des Deckgebirges sowie der
von ca. 0,5 m bis zu vollständig offenen Stre- Kohle erfolgte mittels Schächten und Entwäs-
ckenquerschnitten erbohrt. Daraufhin erfolgte serungsstrecken. Diese wurden im Zeitraum
im Jahr 2000 der endgültige Streckenversatz 1932 bis 1934 überwiegend als Wölbstrecken
mit selbstaushärtender Braunkohlenfilterasche- mit einem Querschnitt von 2,0 bis 2,2 m2 in
Wasser-Suspension. Dabei wurden allein im unterschiedlichen Sohlenhöhen aufgefahren.
unmittelbaren Schachtbereich 2.461 m3 Sus- Die Grubenbaue waren bis 1935 in Betrieb.
pension eingebracht. Die im Abbaufeld des Tagebaues liegenden
Strecken sind überfahren worden und damit nicht
Versatzmaßnahme Teilflächen des Altbergbau- mehr vorhanden. Strecken in der Tagebaubö-
objektes „Marga“ bei Brieske- Teilbereich der schung und Randstrecken außerhalb der Abbau-
Ortsumfahrung Schipkau, L 55 (LMBV 2006) fläche blieben erhalten.
Im Bereich der zu verwahrenden Strecken be-
Territoriale Lage  Der Verwahrungsbereich finden sich zahlreiche übertägige und untertägige
befindet sich im Land Brandenburg, im Land- Medien:
kreis Oberspreewald-Lausitz, südwestlich der • 110 kV-Überlandleitung der envia M
Ortslage Hörlitz und östlich der Ortslage Schip- • Fernmeldekabel der Deutschen Telekom
kau sowie östlich der BAB 13 (Abb. 6.34). • Trink- und Abwasserleitung
Er umfasst Grubenbaue des ehemaligen Tage- • Steuerkabel des Wasserverbandes Lausitz
baues „Marga“ im direkten Straßen- und Stra- • Hochdruckgasleitung der VNG
ßenrandbereich der zukünftigen Ortsumgehungs- • Lichtwellenleiterkabel der Colt TELEKOM
straße Schipkau (L 55). GmbH.
Die Medientrassen führten teilweise zu einer
Allgemeine Angaben Innerhalb des östlich Beschränkung der Baufreiheit für die geplanten
der Ortslage Schipkau gelegenen Abschnittes Bohransatzpunkte, so dass während der Versatz-
der geplanten Landesstraße L 55 existieren maßnahme die Bohrpunkte den örtlichen Gege-
noch Randstrecken des ehemaligen Tagebaues benheiten angepasst werden mussten.
„Marga“. Die Strecken befinden sich an der
6  Verwahrung untertägiger bergmännischer Hohlräume und Brunnen 409

Geologische Verhältnisse  Das ehemalige Teilbereichen die dokumentierte Auskohlungs-


Abbaufeld Marga befindet sich im Talbogen grenze überschritten wurde.
des Lausitzer Urstromtales am Grenzbereich Die Erstlotungen der verrohrten hohlraumfün-
des Niederlausitzer Grenzwalles. Das geologi- digen Bohrungen vor Beginn der Versatzarbeiten
sche Profil im Bearbeitungsgebiet stellt sich wie dokumentierten eine Verschlämmung der erkun-
folgt dar. Das Liegende des 2. Lausitzer Flözes deten Streckenbereiche.
wird über große Bereiche durch einen gering- Die Versatzarbeiten wurden vom 04.02.2004
mächtigen braunen Ton, vereinzelt auch durch bis 25.03.2004 im Druckspülversatz über Boh-
einen hellen tonigen Schluff gebildet. Das Lie- rung von Übertage aus realisiert.
gende liegt bei + 63 bis + 66 m NHN. Das 2.
Lausitzer Flöz besitzt eine Mächtigkeit von 10 Versatztechnik  Folgende Technik wurde ein-
bis 13 m und wurde teilweise fest und bankig gesetzt:
angesprochen. Das Hangende des 2. Lausitzer • Versatzaggregat ZA 400
Flözes bilden die Oberen Briesker Schichten mit • Anmischen der Versatzsuspension über
dunklem Hangendschluff sowie den bräunlichen Mischer
Glimmerfeinsanden und die Raunoer Schichten • Transport der BFA mit Silofahrzeugen bis 40 t
mit dem 1. Lausitzer Flözhorizont, dem darüber Nutzmasse
anstehenden Braunkohlenton und teilweise Fla- • Versatzleitungen von der Versatzanlage zur
schenton sowie Sande und Kiese. Versatzbohrung,
− NW 50 mm,
Versatzmaßnahmen  Im Auftrag der LMBV − ND bis max. 15 N/mm2, Stahlrohre
mbH wurden von Dezember 2003 bis März 2004 • Wasserzuführungsleitung DN 125 mm
an Grubenbauen des Gefährdungsbereiches VII • Messtechnische Ausrüstung
der Grube „Marga“ die Erkundungs- und Ver- − Druckbandschreiber
satzarbeiten durchgeführt. − Dichtemessgerät
In diesem Sanierungsbereich waren an 36 An- − Tiefenlot und Probenehmer.
satzpunkten Reste der Entwässerungsstrecken
der 3., 5. und 6. Sohle am westlichen Rand des Versatzmaterial  Folgendes Versatzmaterial wurde
ehemaligen Tagebaues „Marga“, Briesker Feld, eingesetzt:
zu untersuchen und zu sanieren. • BFA aus dem Kraftwerk Jänschwalde sowie
Die Bohrarbeiten erfolgten im Zeitraum vom den Heizkraftwerken Berlin-Klingenberg
08.12.2003 bis 27.02.2004 mit folgenden Bedin- und Frankfurt/Oder angemischt zu einer gut
gungen: pump- und fließfähigen Suspension
• Rezeptur
Bohrverfahren Rotary-Spülbohren − 100 % BFA
Bohrgeräte URB 2,5 A − Süßwasser
Bohrwerkzeug Hartmetallkrone, ∅ 120 mm − Wasser-/Feststofffaktor: 0,55–1,20
Spülung Grundspülung auf der Basis
Tonmehl − Dichte der Suspension: Jänschwalde 1,60–
Versatzrohreinbau Stahlrohr DN 50 mit Gewinde 1,65 g/cm3
− Berlin-Klingenberg 1,60–1,63 g/cm3
Die Bohrungen wurden an 36 Ansatzpunkten ge- − Frankfurt/Oder 1,60–1,63 g/cm3
teuft. Bei 32 Bohrungen erfolgte der Einbau von − 28-Tage-Druckfestigkeit: min. 1 N/mm2
Versatzrohren. Mit 3 Bohrungen wurden verfüllte/ erreicht.
verbrochene Streckenabschnitte nachgewiesen. Der Aufbau des Versatzmaterials erfolgte von
Die mit den Bohrungen erkundeten Hohlräu- der Streckensohle bis zur Streckenfirste mit einer
me zeigen eine Übereinstimmung zu den Höhen- durchschnittlichen Dichte des Versatzmaterials
niveaus der dokumentierten Strecken. Weiterhin von 1,6 g/cm3, wobei das in den Strecken vor-
wurde mit einigen Bohrungen festgestellt, dass in
410 H.-H. Baumbach et al.

Abb. 6.35   Lage des Ver-


wahrungsbereiches

handene Wasser bzw. der Schlamm aufgrund der Die Tagesoberfläche wird in der unmittelba-
höheren Dichte des Versatzmaterials verdrängt ren Ortschaft für private Wohngrundstücke, Stra-
wurde. ßen, Wege und einen Sportplatz genutzt. Daran
Es konnte eine Versatzmenge von 6.263,60 t schließt sich das Gelände des ehemaligen Tage-
Braunkohlenfilterasche eingebracht werden. baues Klettwitz an. Hier stehen an der Tagesober-
Nach Auswertung der Erkundungs- und Ver- fläche Kippenböden an, die vorwiegend forstwirt-
satzergebnisse kann eingeschätzt werden, dass schaftlich bzw. als Schafweide genutzt werden.
das Randstreckensystem vollständig verfüllt Die ehemaligen Tagesanlagen der Tagebaue
wurde und damit als sicher verwahrt einzuschät- im Nordwesten und Südosten Kostebraus wur-
zen ist. Mit dem Abschluss der Verwahrungsmaß- den bis auf ein Umspannwerk zurückgebaut. Im
nahme sind die Voraussetzungen zum Bau der Nordwesten wurden 6 Windkraftanlagen errich-
Ortsumgehungsstraße L 55 geschaffen worden. tet. Im äußersten Süden wird das Sanierungsge-
biet von der Landesstraße L 60 Lauchhammer-
Schipkau gequert.
6.5.3 Zusammenwirken von Im Bereich der Ortslage Kostebrau sind nicht
Versatzmaßnahmen unter überbaggerte Bereiche von Oberflözgruben vor-
Bergrecht und im Altbergbau handen. Der Abbau der Braunkohle erfolgte in
am Beispiel Versatzmaßnahme den Gruben „Unser Fritz“ von 1896 bis 1923,
Kostebrau „Friedrichsthal“ von 1899–1900 und „Anna/
Alwine“ im Zeitraum von 1868 bis 1942. Dabei
Das Sanierungsgebiet befindet sich im Bereich wurde das 1. Lausitzer Flöz im Tiefbau (Kam-
der Ortslage Kostebrau im Landkreis Oberspree- merpfeilerbruchbau) sowie untergeordnet im Ta-
wald im Süden des Landes Brandenburg (LMBV gebau gewonnen. Der Kohlentransport erfolgte
2003, 2008; Geotec mbH 2004). Die von Kos- u. a. mittels Kettenbahn. Bei dem angewandten
tebrau nächstgelegenen Ortschaften sind Klett- Abbauverfahren verblieben nach Abschluss der
witz (4 km nordöstlich), Schipkau (4 km östlich), Auskohlung und auch nach der Überbagge-
Lauchhammer (5 km südwestlich) und Senften- rung der Altbergbaugebiete durch die Tagebaue
berg (12 km östlich) (Abb. 6.35). Friedländer und Klettwitz einzelne Stollen und
Im Sanierungsgebiet sind überwiegend gestal- Vorrichtungsstrecken sowie Schachtanlagen an
tete Endböschungen und Kippenflächen der Ta- den Kohlenpfeilern und an den randlichen Bö-
gebaue Klettwitz und „Emanuel“ sowie „Fried- schungssystemen der Baufelder.
länder“ vorhanden.
6  Verwahrung untertägiger bergmännischer Hohlräume und Brunnen 411

Abb. 6.36   Schematische Darstellung der Verhältnisse im Untergrund der Ortslage Kostebrau (NL) mit Strecken-
niveaus im 1. und 2. Lausitzer Flöz

Die Stollen wurden in Holzausbau von der Wölb- und Maschinenstrecken mit einem Stre-
Tagesoberfläche aus, söhlig oder ansteigend im ckenquerschnitt von 1,6 m2 bzw. 4,9 m2 sowie
Flöz aufgefahren. Nach der seinerzeitigen Still- Einrichtungen der Wasserhaltung.
legung der Gruben wurde ausschließlich der Ver- Unter Berücksichtigung des Alters und der
schluss der Stollenmundlöcher realisiert. Sand- Ausbauart der Grubenbaue ist ein Zubruch gehen
versatz war nur im Bereich der Wege und Bebau- von unverwahrten Strecken nicht auszuschlie-
ung üblich. ßen. Des Weiteren ist durch natürliche Setzung,
Schächte wurden ausschließlich für die Be- hydraulische Einflüsse und durch Nachfließen
wetterung und Fahrung genutzt. Ihre Querschnit- der Sandmassen in die angrenzenden Strecken
te sind dementsprechend gering (1,4 × 1,4 m). Die ein eingebrachter Altversatz nicht mehr voll
Schächte wurden generell in Holzausbau herge- wirksam. Da sich die bergmännischen Gruben-
stellt (Bolzenschrotzimmerung). Nach Außerbe- baue an Wegen oder öffentlich genutzten Flächen
triebnahme der Schachtanlagen wurden diese mit befinden, geht von ihnen eine große Gefahr für
rolligem Material zumindest teilweise verfüllt. die öffentliche Sicherheit aus. Versatzarbeiten
Die Vorrichtungsstrecken sind als Wölb- sind damit zwingend erforderlich.
strecken mit einem Querschnitt von 1,8 m2 Das nachfolgende Bild zeigt im Schnitt die
(0,9 × 2,0 m) aufgefahren worden. Wurden Stre- bergbauliche Situation mit 1. und 2. Lausitzer
cken ausgebaut, erfolgte dies mit deutscher Tür- Flözhorizont im Bereich der Ortslage Kostebrau
stockzimmerung (Querschnitt 3,5 m2). (Abb. 6.36).
Neben dem Oberflözbergbau erfolgte im Zeit- Bei der Planung und Realisierung der Erkun-
raum von 1942 bis 1991 der Abbau des 2. Lau- dungs- und Versatzarbeiten war die teilweise
sitzer Flözhorizontes durch die Tagebaue Fried- Überlagerung der Strecken des 1. und 2. Flözes
länder und Klettwitz. Nach Auslauf der Tagebaue zu beachten. Neben dieser bergtechnischen Be-
verblieb ein umfangreiches Netz an Grubenbau- sonderheit war für die durchzuführenden Sanie-
en der ehemaligen Streckenentwässerungen be- rungsarbeiten auch die unterschiedliche berg-
stehen. Das gesamte System östlich und nördlich rechtliche Zuordnung zu berücksichtigen. Die
der Ortslage Kostebrau umfasst ca. 15.680 m Oberflözgruben, als Bergbau ohne Rechtsnach-
412 H.-H. Baumbach et al.

folger, liegen im Hinblick auf die Gefahrenbe- Insgesamt wurden die im Altbergbau erkun-
seitigung in Verantwortung des Landes Branden- deten Grubenbaue mit ca. 23.870 m3 BFA und
burg. Die Tagebaue, die das 2. Lausitzer Flöz ab- ca. 5.844 m3 Feinsand (Altversatz) verfüllt und
bauten, zählen zum Bergbau mit Rechtsnachfol- damit sicher verwahrt.
ger und liegen in bergrechtlicher Verantwortung
der LMBV mbH. Damit waren differenzierte Ge- Grubenbaue 2. Flöz
nehmigungsverfahren und Finanzierungsanträge Der Versatz erfolgte in 4 Bauabschnitten.
für die Ausschreibung der Versatzleistungen not-
wendig. Bauabschnitt 1–3 Die Erkundungsbohrungen-
Durch das Zusammenwirken des Landesamtes wurden im Zeitraum vom 21.02.1991–10.08.1993
für Bergbau, Geologie und Rohstoffe (LBGR), mit einem Rotarybohrgerät ausgeführt. Insge-
als Verantwortlicher für den Altbergbau, und der samt wurden 102 Bohrungen geteuft, von denen
LMBV mbH, für Grubenbaue unter Bergrecht, 91 Hohlräume nachwiesen und zum Versatz vor-
war unter Nutzung von Synergieeffekten eine bereitet wurden. 10 Bohrungen dienten als Kon-
Optimierung der Ausschreibung und Realisierung trollbohrungen.
der Erkundungs- und Versatzarbeiten möglich. Die Versatzarbeiten wurden im Zeitraum vom
Die zu realisierenden Sanierungsarbeiten wurden 18.08.1992–12.11.1993 realisiert. Eingesetzt
in einem Projekt zusammengefasst, wobei die wurden dabei die Versatzaggregate 3ZA 400 und
LMBV mbH durch das Land Brandenburg auf- ZA 320. Für die Versatzarbeiten wurde BFA aus
grund ihrer praktischen Erfahrungen als Projekt- den Kraftwerken Jänschwalde und Lauchham-
träger für den Altbergbau eingesetzt wurde. mer verwendet.
Folgende Versatzarbeiten wurden realisiert: Im Einzelnen wurden folgende Arbeiten rea-
lisiert:
Grubenbaue 1. Flöz
1 Bauab- Zu verfüllen waren 2.340 m Wölb- und
Grube „Friedrichsthal“, Sportplatz Die Ver- schnitt Maschinenstrecken eingebracht wurden
5.783 t BFA im Druckversatz und 5.148 t
satzarbeiten wurden im Zeitraum vom 03.07.1986
im Handversatz
bis 08.04.1986 durchgeführt. Die Versatzarbeiten 2 Bauab- Zu verfüllen waren 5.200 m Wölb- und
beschränken sich nur auf den nördlichen Teil der schnitt Maschinenstrecken eingebracht wurden
Oberflözgrube. Die zum Versatz vorbereiteten 15.857 t BFA im Druckversatz
Bohrlöcher nahmen nur eine geringe Versatz- 3 Bauab- Zu verfüllen waren 1.860 m Wölb- und
menge von ca.121 m3 (Versatz mit Sand) auf. schnitt Maschinenstrecken eingebracht wurden
10.107 t BFA im Druckversatz
Das lässt darauf schließen, dass die Grubenbaue
eine erhebliche Verschlämmung aufweisen und
keine durchgängigen Hohlräume mehr vorhan- Die Bohrergebnisse haben gezeigt, dass die Stre-
den sind. Im Versatzbericht wird eingeschätzt, cken teilweise verschlämmt oder mit Sand verfüllt
dass mit dieser Versatzmaßnahme ein Hohlraum sind. Es konnte in jedem Fall aber Resthohlraum
unbekannter Größenordnung voll verfüllt wurde. bzw. totaler Spülungsverlust nachgewiesen wer-
den. Mit der eingebrachten Versatzmenge wurde
Oberflözbergbau Kostebrau Mit dieser Ver- für die Strecken im 1. bis 3. Bauabschnitt Vollver-
satzmaßnahme wurden bergmännische Gruben- satz erreicht. Dieses konnte über Lotergebnisse,
baue der Gruben „Costebrau“, „Unser Fritz“, Druckanstieg und teilweise durch Austritte von
„Anna-Alwine“ und „Friedrichsthal“ saniert. BFA über Tage bestätigt werden. In einigen Stre-
Die Arbeiten wurden von Dezember 1993 bis ckenabschnitten des 2. Bauabschnittes lässt sich der
Oktober 1994 durchgeführt. Es war die dauer- Vollversatz jedoch nicht eindeutig nachvollziehen.
hafte Wirksamkeit der bisher im 1. Flöz durch-
geführten Versatzarbeiten zu kontrollieren sowie Bauabschnitt 4 Im 4. Bauabschnitt waren rd.
die noch als offen erkundeten Grubenbaue zu 5.200 m Maschinenstrecken mit einem Quer-
verwahren.
6  Verwahrung untertägiger bergmännischer Hohlräume und Brunnen 413

schnitt von rd. 4,9 m2 und einem theoretischen gebracht. In den insgesamt 17 Gefährdungsberei-
Hohlraum von ca. 25.480 m3 sowie die WH chen wurden 179 Bohrungen mit 3.876 Bohrme-
118 mit einem theoretischen Hohlraum von ca. tern geteuft.
2.490 m3 zu verfüllen. Die Lokalisierung der Schachtanlagen er-
Die Bohrarbeiten wurden vom Juni 1993 bis folgte mittels Sondierungen. Dazu wurden mit
Mai 1994 durchgeführt. Insgesamt wurden 59 der leichten bzw. schweren Rammsonde ins-
Bohrungen geteuft, von denen 44 als Versatzboh- gesamt 37 Sondierungen mit 352,9 Sondierme-
rung ausgebaut wurden. tern aufgewendet. Von den 5 zu kontrollierenden
Die Versatzarbeiten sind von November 1993 Schachtsäulen konnten 4 eindeutig nachgewiesen
bis August 1994 realisiert worden. Es kam das werden. Bohrungen mit Hohlraumnachweis oder
Druckspülverfahren mit BFA aus den Kraftwer- totalem Spülungsverlust wurden mit 2“-Schraub-
ken Jänschwalde und Lauchhammer zum Ein- rohren als Versatzbohrung ausgebaut.
satz. Es wurden 26.900 m3 Versatzmaterial ein- Im Einzelnen wurden folgende Erkundungs-
gebracht. arbeiten durchgeführt:
Die Gegenüberstellung eingebrachter Versatz • Grube „Friedrichsthal“
zu theoretischer Hohlraum ergibt einen Versatz- − Wetterschacht (S 1): 5 Sondierungen,
grad von 96 %. Berücksichtigt man außerdem Schacht lokalisiert
eine Massenbewegung aus dem 3. Bauabschnitt, − Wasserschacht (S 2): 5 Sondierungen,
so erhöht sich der vorhandene Versatzgrad noch. Schacht nicht lokalisiert
Damit konnte das Sanierungsziel – Versatzgrad − Stollen (SRS 1): 3 Sondierungen, Stollen
der Grubenbaue > 90 % für eine sichere Verwah- nicht lokalisiert
rung – erreicht werden. − Strecken: insgesamt 14 Bohrungen an 8
Dieses Ergebnis wurde durch Lotungsergeb- Ansatzpunkten; im Vorfeld der Erkun-
nisse während der Versatzarbeiten bestätigt. dungsbohrungen wurden an 6 Ansatz-
Zur Bewertung der erreichten Versatzergeb- punkten schwere Rammsondierungen
nisse wurde im Jahr 2004 im Auftrag des Lan- ausgeführt; davon 4 Bohrungen mit Nach-
des Brandenburg eine GFA für den Altbergbau- weis Ascheversatz und 5 Bohrungen mit
komplex erarbeitet. Mit dieser wurde erstmals Spülungsverlusten
eine komplexe Analyse für das gesamte Altberg- • Grube „Anna/Alwine“
baugebiet Kostebrau erstellt. Die Grubenbaue − Wetterschacht (S 3): 5 Sondierungen,
und die bis dahin durchgeführten Versatzarbei- Schacht lokalisiert
ten werden detailliert analysiert und bewertet. − Wetterschacht (S 4): 5 Sondierungen,
Darauf aufbauend konnten noch bestehende Schacht lokalisiert, 3 Schrägbohrungen mit
Gefährdungspotentiale aufgezeigt werden, so Nachweis von Mittelsand im Schachtbereich
dass in Ergänzung der bisher realisierten Ver- − Wetterschacht (S 5): 5 Sondierungen,
satzmaßnahmen weitere Sanierungsarbeiten not- Schacht lokalisiert, 1 Vertikalbohrung mit
wendig wurden. Die zu sanierenden Strecken und Hohlraumnachweis
Schächte wurden in die Gefährdungskategorien − Strecken/Stollen: insgesamt 159 Boh-
2, 3 und 4 eingeordnet, was einen Sanierungsbe- rungen an 64 Ansatzpunkten; davon 32
darf bei Nutzung der Tagesoberfläche erfordert. Bohrungen mit Hohlraumnachweis oder
Eine Realisierung der ergänzenden Erkundungs- Spülungsverlust
und Versatzarbeiten erfolgte im Jahr 2007. Die • Grube „Unser Fritz“
LMBV mbH wurde dabei wieder als Projektträ- − Strecken: insgesamt 6 Bohrungen an 4
ger eingesetzt. Ansatzpunkten; davon 1 Bohrung mit Spü-
Die Erkundungsarbeiten erfolgten im Zeit- lungsverlust und 2 Bohrungen mit Nach-
raum vom 21.11.2006 bis 20.9.2007. Die Boh- weis Ascheversatz
rungen wurden als Vertikalbohrungen im Spül- Entsprechend den Erkundungsergebnissen konn-
bohrverfahren mit der Rotary-Bohranlage URB ten 37 Bohrungen als Versatzbohrung ausgebaut
2,5A und der RSB 0/1.4 (Fa. Nordmeyer) nieder- werden. Die Versatzarbeiten wurden im Zeitraum
414 H.-H. Baumbach et al.

vom 12.01.2007 bis 14.05.2007 als Druckspül- Zu Beginn der Versatzarbeiten erfolgt die Or-
versatz über Bohrungen von Übertage aus rea- tung der Lage des jeweils gesuchten Schachtes im
lisiert. Für die Arbeiten kam die Versatzanlagen tagesnahen Bereich mittels Rammsondierungen.
Dickstoffpumpe OBERMANN DP 160-45 E und Zum Einsatz kommen dabei leichte Rammson-
OBERMANN DP 160-2 B sowie die Putzmeis- den DPL (Spitzenquerschnitt 5 cm2, Fallgewicht
ter Betonpumpe BSA 1002 SV-D zum Einsatz. 10 kg). Der zuvor abgesteckte vermutete Stand-
Als Versatzmaterial wurde BFA aus dem Kraft- ort des Schachtes wird mit einem Raster von
werk Jänschwalde sowie den Heizkraftwerken Sondierungen im Abstand von ca. einem Meter
Chemnitz und Frankfurt/Oder verwendet. Ins- untersucht, wobei die erste Sondierung immer
gesamt wurde eine Versatzmenge von 1.884 m3 am angenommenen Schachtmittelpunkt durch-
eingebracht. In Auswertung der Erkundungs- und geführt wird. Bei der Erkundung wird die Anzahl
Versatzergebnisse konnte nachgewiesen werden, der Schläge je ein Meter Eindringtiefe ermittelt.
dass die in den Gefährdungsbereichen aufge- Zur Lokalisierung der Tagesöffnung dient der
fundenen Hohlräume sicher verwahrt wurden. Nachweis einer unterschiedlichen Lagerungs-
Außerdem bestätigten die im Jahr 2006/2007 ge- dichte zwischen Füllmaterial der Schachtröhre
teuften Kontrollbohrungen den Versatzerfolg der und unverritztem Gebirge in der unmittelbaren
1985/1986 und 1993/1994 durchgeführten Ver- Umgebung.
satzmaßnahmen. Zum endgültigen Nachweis der Schachtfüll-
Mit den erreichten Ergebnissen kann einge- säule erfolgt mittels Rammkernsondierung am
schätzt werden, dass alle unmittelbar im Bereich Fundpunkt der Rammsondierung ein durch-
der Ortslage Kostebrau vorhandenen untertägi- gehender Kerngewinn. Nach Auswertung des
gen bergmännischen Grubenbaue sicher verfüllt Sondierkernes liegen eindeutige Erkenntnisse
sind. Es bestehen keine Gefährdungen für die zur Schachtlage und zum Verfüllungsgrad der
öffentliche Sicherheit mehr. Die Bereiche sind Schachtsäule vor. Mit Vorlage dieser Ergebnisse
damit sicher verwahrt. kann die Verwahrung des Schachtes über Boh-
rungen realisiert werden.
Versatz von Tageschächten durch Injektion
6.5.4 Versatz von Schachtanlagen von Dämmer® am Beispiel Tagebau Laubusch
(Abb. 6.37)
Veranlassung  Im Tagebau Laubusch (Abb. 6.38)
Abbildung  6.37 zeigt das Profil eines Rohr- waren nach Beendigung des Tagebaubetriebes
schachtes im Braunkohlenbergbau nur noch wenige Tagesschächte vorhanden. Die
Für die dauerhafte Verwahrung von Schacht- Schachtanlagen wurden nach der Stillsetzung in
anlagen kommen im Bereich der Lausitz zwei den Jahren zwischen 1960 und 1977 vermutlich
Verfahren zur Anwendung: mit rolligem Material versetzt. Eine Kontrolle
• Versatz mit BFA der Schachtsäulen auf vollständigen und dauer-
• Versatz durch Injektion mit Spezialwerkstoff haften Versatz erfolgte bisher nicht.
(Dämmer®). Als Grundlage für die Entlassung aus der
Die Auswahl des Verfahrens hängt von verschie- Bergaufsicht ist der Nachweis einer dauer-
denen Faktoren wie z. B. der Nutzung der Tages- standsicheren Verwahrung erforderlich. Um den
oberfläche sowie dem Zustand der Schachtsäule ursprünglichen Zustand der Tagesoberfläche
ab. weitestgehend wiederherzustellen, musste ein
Ist der Schacht locker verfüllt und es liegt eine Verfahren gewählt werden, bei dem nach der
sensible Nutzung der Tagesoberfläche vor, wird Verwahrung auf die vorhandenen Schachtabde-
das Injektionsverfahren eingesetzt. ckungen aus Beton verzichtet werden kann. Die
Bei angetroffenen offenen Schächten ist der Entscheidung fiel auf die Anwendung eines In-
Einsatz des Versatzverfahrens mit zertifizierter jektionsverfahrens, bei dem kohäsives Material
BFA günstiger. über ein Packersystem in die in den Bohrlöchern
6  Verwahrung untertägiger bergmännischer Hohlräume und Brunnen 415

Abb. 6.37   Darstellung eines typischen Rohr-


schachtes im Braunkohlenbergbau

eingebauten Mantelventil- bzw. Manschettenroh- Erkundung  Die Lage der Schächte wurde durch
re eingepresst wird. Das in der Schachtsäule vor- Sondierungen lokalisiert.
handene, locker gelagerte Material wird dadurch
dauerstandsicher stabilisiert (BSF-Bergsicherung Bohrarbeiten  Im Bereich der locker gelager-
und Baugrundsanierung GmbH Frankfurt (Oder) ten Schachtsäulen wurden Trockenbohrungen
2003; DMT Leipzig 2004). niedergebracht. Zum Einsatz kam die Kombina-
Folgende Tagesschächte waren zu erkunden tionsbohranlage WITTE VSB 2500. Als Bohr-
und ggf. zu verwahren (Tab. 6.3).
416 H.-H. Baumbach et al.

Abb. 6.38   Übersichtskarte des Bereiches ehemaliger Tagebau Laubusch

Tab. 6.3   Übersicht zu den Tagesschächten Tagebau Laubusch


Bezeichnung geteuft Endteufe Querschnitt
Wasserhaltungsschacht 1919 1919 ca. 5 m²
Fluchtschacht Kortitzmühle 1940 27 m 4,8 m²
Fluchtschacht Wasserwerk 1940 28 m 4,8 m²
Westlicher Fluchtschacht Kolonie Laubusch um 1941 ca. 29 m
östlicher Fluchtschacht Kolonie Laubusch um 1941 ca. 29 m

werkzeuge wurden Endlosbohrschnecken mit Versatzarbeiten  Für das Anmischen und Ver-
105 mm Durchmesser verwendet. pressen des Injektionsgutes wurde eine stufen-
Sofort nach dem Teufen der Bohrungen er- los regelbare Mischpumpe „tinu“ der BERO
folgte der Einbau der Verfüllrohre. Systemtechnik GmbH verwendet. Die Aufzeich-
Dafür verwendet wurden 2“-PVC–Manschet- nung der Druck- und Volumenstromdiagramme
tenrohre mit einem Manschettenabstand von erfolgte mit dem Messgerät InjektLim 1p/2p der
33 cm. Die oberen zwei Meter der Verrohrung Firma COMDRILL Bohrausrüstungen GmbH.
waren als 2“-Stahl-Vollrohr ausgeführt. Der Das systematische Anfahren der Manschetten
Ringraum zwischen Manschettenrohr und Bohr- in den einzelnen Teufenstufen wurde mit einem
lochwandung wurde abschließend mit Bohrloch- COMDRILL-Manschettenrohr-Packer CSMP
pellets Wetronit® 100/10 abgedichtet. gewährleistet. Es handelt sich hierbei um ein
An der Rasensohle wurden die Rohre mit Doppelpackersystem aus zwei Schlauchpackern.
Stahlschellen abgefangen und mit einer Blind- Transportiert wurde die Suspension von einer
kappe verschlossen. Pumpe zum Bohrloch über eine 1“-Förderlei-
Die Anzahl der Bohrungen je Schacht war ab- tung; der Packerschlauch verjüngte sich auf 1/4“.
hängig vom Schachtquerschnitt und lag zwischen Am Übergang von der Förderleitung zum Pa-
einer und sechs Stück. ckerschlauch erfolgte die Druckmessung.
6  Verwahrung untertägiger bergmännischer Hohlräume und Brunnen 417

Tab. 6.4   Übersicht über eingebrachte Versatzmengen


Bezeichnung injizierter Feststoff (t) verfülltes Volumen (m3)
Wasserhaltungsschacht 1919 13,88 17,49
Fluchtschacht Kortitzmühle 20,51 25,84
Fluchtschacht Wasserwerk 20,59 25,94
westlicher Fluchtschacht Kolonie Laubusch 15,72 19,81
östlicher Fluchtschacht Kolonie Laubusch 11,85 14,93
Summe 82,54 104,00

Als Injektionsmaterial wurde Prefill® K der rungen ausnahmslos eine deutliche Zunahme der
Rüdersdorfer Zement GmbH eingesetzt. Dieses Lagerungsdichte nachgewiesen werden. Es wur-
hydraulisch erhärtende, pulverförmige Bindemit- den ab 2 bis 3 m unter Geländeroberkante (GOK)
tel besteht aus Zement, dem Sulfatträger zur Re- mitteldichte Lagerungsverhältnisse erreicht.
gelung des Abbindens, Kalksteinmehl aus dem Daher kann davon ausgegangen werden, dass
Rüdersdorfer Vorkommen und latent hydraulisch aufgrund der nachgewiesenen Stabilisierung der
wirkendem Hüttensandmehl. Füllsäule der fünf injizierten Schächte das Ziel
Aus einem 22 m3 Standsilo gelangte das Tro- der dauerstandsicheren Verwahrung erreicht
ckenmaterial in die darunter stehende Misch- wurde.
pumpe, wurde unter dosierter Wasserzugabe zu
einer Suspension verarbeitet und mit einem kon- Versatz mit Braunkohlenfilterasche Die Ver-
stanten Volumenstrom von ca. 1.000 l/h zur Boh- wahrung von Schächten mittels BFA erfolgt in
rung gepumpt. Der mittlere Injektionsdruck am zwei Varianten:
Bohrlochkopf lag zwischen 5 und 15 bar. Stieg • über Vertikalbohrungen
dieser Druck über 20 bar bzw. bei Materialaus- • über Schrägbohrungen.
tritten an der Tagesoberfläche wurde der Injek- Bei der Verwendung von Vertikalbohrungen
tionsvorgang unterbrochen und der Packer um wird der Schacht von Übertage vertikal bis zur
eine Teufenstufe von einem Meter angehoben, Schachtsohle mittels Rotary-Spülbohrungen oder
abgedichtet und erneut mit Versatzsuspension Trockenbohrungen durchteuft. Dabei ist darauf
beaufschlagt. zu achten, dass das Bohrgerät durch den Einsatz
In die fünf Schächte wurden insgesamt geeigneter Sicherungsmaßnahmen, wie z. B. Lar-
91,24 m3 Injektionssuspension eingebracht. sen, auf einer sicheren Aufstandsfläche steht, um
Dafür waren 82,54 t Feststoff Prefill® K erfor- bei einem eventuellen Abgehen der Schachtsäule
derlich. Havarien zu vermeiden (Abb. 6.39).
Die Injektionsmengen je Schacht lagen zwi- Schrägbohrungen ermöglichen eine Schacht-
schen 13,10 m3 im Fluchtschacht an der Haupt- erkundung in verschiedenen Teufen, ohne dass
straße und 22,76 m3 im Schacht Wasserwerk. Bohrgerät und Arbeitskräfte im Gefahrenbereich
Laut Herstellerangabe können mit einer Tonne stehen. Die Schachtsäule wird in der Regel in
Feststoff 1,26 m3 Hohlraum verfüllt werden. drei Teufenbereichen mittels Schrägbohrung er-
Danach ergeben sich rechnerisch folgende kundet. Die Schrägbohrungen werden als Ro-
Mengen (Tab. 6.4): tary-Spülbohrungen mit oder ohne Teilkernge-
Nach der Aushärtung des Injektionsmaterials winnung niedergebracht. Der Ansatzpunkt der
erfolgte im Schachtmittelpunkt der fünf Tages- Schrägbohrung wird entsprechend Sicherheitsab-
schächte jeweils eine Nachsondierung mit der stand und Schachtquerschnitt berechnet. Die ent-
leichten Rammsonde (DPL). sprechende Bohrtiefe wird ebenfalls rechnerisch
Wurden mit den Vorsondierungen überwie- ermittelt. Vom Bohransatzpunkt aus wird über
gend locker bis teilweise festigkeitslos gelagerte ein in die Bohrspindel eingespanntes Gestän-
Bereiche durchteuft, konnte mit den Nachsondie- ge der Schachtmittelpunkt anvisiert, die Bohr-
418 H.-H. Baumbach et al.

Abb. 6.40   Prinzip der Schachterkundung durch Schräg-


bohrungen

Abb. 6.39   Havarie Versatz-Bohranlage

maschine ausgerichtet und auf geeignete Weise


gegen Verrücken verankert. Beim Bohrprozess
ist stets auf die Einhaltung des Neigungswinkels
und Abweichungen von der Bohrlochachse zu
achten (Abb. 6.40, Abb. 6.41).
Jede hohlraumfündige Bohrung (Hohlraum
oder Spülungsverlust) wird mit 2-Stahlrohren bis
in den Hohlraum- oder Spülungsverlustbereich
ausgebaut. Es ist dabei zu gewährleisten, dass
je Schacht für die Verwahrung mindestens zwei
verrohrte Bohrungen zur Verfügung stehen. Abb. 6.41   Schrägbohrungen Wasserhaltungsschacht, Alt-
Der Versatz der offenen Schachtsäule erfolgt bergbaugebiet Göhrigk
analog dem Versatzverfahren beim Streckenver-
satz. Der Versatzeintrag erfolgt von unten nach
oben (Bergsicherung Cottbus GmbH 1993; DMT bohrung werden Mantelventilrohre über die ge-
GmbH Leipzig 2003). samte Länge eingebaut, wobei jedoch das unters-
Ein modifiziertes Verfahren der konventionel- te Mantelventilrohr offen ist. Damit besteht die
len Schachtsanierung über Spülbohrungen und Möglichkeit, eine konventionelle Verfüllung von
Verfüllen von BFA ist der Einsatz von Mantel- BFA vorzunehmen und nach der Verfüllung des
ventilrohren. Für das Einbringen der BFA wer- untersten Schachtabschnittes in einer zweiten
den hier nicht Stahl-Vollwandrohre, sondern Phase auch noch locker gelagerte Abschnitte
Mantelventilrohre verwendet. In die Schacht- der gesamten Füllsäule über Manschetten in ein-
6  Verwahrung untertägiger bergmännischer Hohlräume und Brunnen 419

zelnen Teufenstufen durch Verpressen zu stabi- Generationen im Umgang mit Hinterlassenschaf-


lisieren. Diese modifizierte Schachtsanierung ten des Bergbaues/Altbergbaues besteht durch
ist besonders für Schächte geeignet, bei denen die konsequente Nutzung der durch das Deutsche
noch zusätzlich eine Füllortstabilisierung durch Bergrecht klar definierten Regeln für diese Infor-
die Verfüllung der abgehenden Strecken erreicht mationen im Rahmen der DIN 21901 ff. „Berg-
werden kann. männisches Risswerk“ (DIN 2190 1984).
Bei der Schachtverwahrung ist zu beach- Im Risswerk sind alle erforderlichen Infor-
ten, dass die Erkundung und der Versatz der mationen konzentriert, die nach Stilllegung des
Schachtfüllsäulen nach Möglichkeit erst nach Bergbaues spätere Entscheidungen zu diesen Ob-
Abschluss der Streckenverwahrung durchge- jekten optimal unterstützen.
führt werden. Die Stabilisierung des Schachtfu- Ziel muss es daher sein, den Anteil dieser In-
ßes und der Streckenabgänge verhindert einen formationen im Zug der Beendigung der Berg-
unkontrollierten Versatzfluss und bewirkt eine aufsicht in die dann allgemein verfügbaren und
Verringerung des Primärbruchvolumens bei amtlich verbindlichen Geodatensammlungen/
einem möglichen Zusammenbruch der Schacht- Datenbanken zu übernehmen. Darüber hinaus
füllsäule. Daraus ergibt sich eine Erhöhung würde es Sinn machen, zumindest einen we-
Baustellensicherheit. sentlichen Teil dieser lage- und höhenpräzisen
Mit der durch die Injektion und die Verfüllung definierten Informationen aus dem Fundus des
mit kohäsiven Material erreichten Stabilisierung Bergmännischen Risswerkes mit dem Siegel des
der Schachtfüllsäulen wird erreicht, dass „öffentlichen Glaubens“ des Markscheiders in
• langfristig ein Abgehen der Schachtfüllsäule die flurstücksbezogenen, amtlichen Dokumen-
und damit eine Tagesbruchgefahr auszuschlie- tationen zu integrieren. Das gewährleistet eine
ßen ist dauerhafte und rechtsverbindliche, eigentums-
• die Füllortbereiche ebenfalls weitestgehend orientierte Speicherung derartiger, langfristig zu
standsicher stabilisiert bzw. verfüllt werden berücksichtigender Grundlageninformationen zu
• die Füllsäule und damit die Tagesoberfläche definierten Flächen.
eine ausreichende Dauerstandsicherheit besit- Ein Verzicht auf diese einmal aufbereiteten
zen. und verfügbaren Informationen zieht für spätere
Langfristig können auch bei einer erfolgreichen Generationen, die in derartig bergbaulich vorge-
Verwahrung der Schächte geringfügige Setzun- nutzten Bereichen künftig Territorialverantwor-
gen an der Tagesoberfläche im Schacht- und tung tragen, im günstigsten Fall nur die Gefahr
Schachtnahbereich im cm-Bereich nicht völlig von höheren Erkundungskosten bei der Untersu-
ausgeschlossen werden. Diese Setzungen sind chung von Vorkommnissen nach sich, die durch
auf die inhomogenen Verhältnisse der stabilisier- die Spätfolgen bergbaulicher Hinterlassenschaf-
ten Füllsäule und der technologisch nicht erreich- ten verursacht werden.
baren vollständigen Stabilisierung der Füllsäule Prognostische und vorausschauende sowie be-
im Schachtkopfbereich sowie die vorhandenen lastbare Territorialplanung ist ohne derartig ver-
Auflockerungen im oberflächennahen Schacht- lässliche Informationen nicht möglich.
nahbereich zurückzuführen. Für die ordnungsgemäße und berggesetzkon-
forme Nachtragung des bergmännischen Riss-
werkes bei Versatzmaßnahmen ist die LMBV
6.6  Dokumentation von mbH innerhalb ihrer bergrechtlichen Verant-
Verwahrungsmaßnahmen im wortung bzw. bei Maßnahmen im Rahmen der
bergmännischen Risswerk Wahrnahme der Projektträgerschaft fachlich zu-
ständig. Bei Ausschreibung, Vergabe und Aus-
Einen entscheidenden Einfluss auf die Verfügbar- führung von Versatzarbeiten ist sicherzustellen,
keit, Verlässlichkeit und ein Höchstmaß an Voll- dass der eingebundene Markscheider über alle
ständigkeit von Geoinformationen für spätere zur Nachtragung der Risswerke erforderlichen
420 H.-H. Baumbach et al.

Informationen für eine vollständige, richtige und Die Dokumentation der Erkundungs- und Ver-
nachvollziehbare Dokumentation der Verwah- satzergebnisse erfolgt direkt nach Abschluss der
rungsarbeiten verfügt. Dazu ist es notwendig, technischen Arbeiten im Versatzbericht der je-
dass folgende Grundsätze bei der Durchführung weiligen Versatzfirma. Im Versatzbericht werden
von Versatzmaßnahmen beachtet werden: alle durchgeführten Arbeiten beschrieben und
Vor Vergabe der Versatzarbeiten: eine erste Bewertung des Versatzerfolges vorge-
• Ausarbeitung des Leistungsverzeichnisses nommen. Der Inhalt des Versatzberichtes orien-
für die Versatzarbeiten unter Mitwirkung der tiert sich an den, dem Stand der Technik entspre-
Markscheiderei chenden Rechtsvorschriften zur Vorbereitung,
• Festlegung der Versatzbohrungen (Lage, Rei- Durchführung und Dokumentation der speziellen
henfolge) in Zusammenarbeit mit der Mark- Leistungsinhalte. Die Mindestanforderungen/-
scheiderei bestandteile werden im Folgenden beispielhaft,
• Beteiligung der Markscheiderei bei der Ver- auszugsweise, für eine Verwahrungsteilmaßnah-
gabe von Versatzleistungen an eine Versatz- me dargestellt (LMBV 2008):
firma. Mindestanforderungen für die Erstellung von
Während der Versatzarbeiten: Versatzberichten als Grundlage für die Erarbei-
• Laufende Informationen (Wochenberichte) tung der Verwahrungsabschlussdokumentation:
über den Realisierungsstand der Versatzarbei- • rissliche Unterlagen mit den Ansatzpunkten
ten an die Markscheiderei der Versatzbohrungen und den normgerecht
• Verpflichtung des Auftragnehmers zur dargestellten Versatzdaten
Abstimmung mit der Markscheiderei bezüg- • sämtliche, vollständig ausgefüllte und unter-
lich aller Arbeiten, die mit der lückenlosen schriebene Bohrberichte (inkl. Koordinaten
Kontrolle und Dokumentation des Versatzer- und Höhenangaben)
folges im Zusammenhang stehen (wie z. B.: • Auflistung zu jeder realisierten Verwahrungs-
Anzahl und Zeitpunkt von Lotungen, Rück- bohrung mit Angabe des konkreten Versatz-
bau von Versatz- und Kontrollbohrlochaus- zeitpunktes und Einzelrapportierung nach Art
bauten) und Menge der eingebrachten Versatzmassen
• Die Technologie der Verwahrung und die • revisionsfeste Nachweise der eingebrachten
Kontrolle über Versatzbohrungen sind zeitlich Versatzmengen
und räumlich zu koppeln. • Originale der Wiegescheine für BFA bei
Nach den Versatzarbeiten: Druckversatz
• Die Übergabe des Versatzberichtes an die • Nachweis und Dokumentation des aufgewen-
Markscheiderei erfolgt unverzüglich nach deten manometrischen Druckes
Abschluss der Versatzarbeiten. • Unbedenklichkeitserklärung für die einge-
• Zur Vermeidung von Nachleistungen und setzten Versatzmaterialien
Zusatzkontrollen ist eine vollständige, lücken- • Dokumentation der Lotungsergebnisse mit
lose und mit dem Auftraggeber koordinierte Angabe des konkreten Zeitpunktes der Lotung
Dokumentation aller Kontrollparameter zwin- mit Unterschrift des verantwortlichen Objekt-
gend erforderlich. leiters des Auftragnehmer
• Der Versatzbericht muss den Mindestanfor- • Im Versatzbericht sind anhand der Einzel-
derungen (siehe unten) für die Erstellung von nachweise für die Verfüllung die Versatzer-
Versatzberichten entsprechen. gebnisse konkret auf jede Bohrung bezogen
• Bei Fehlen eines oder mehrerer der aufgeführ- zu interpretieren.
ten Punkte ist zwingend eine Vorortprüfung Mindestbestandteile des Versatzberichtes/Inhalt:
durch Zusatzbohrungen mit Verfüllungsnach- • Übersichtsblatt (Kurzcharakteristik mit
weis (Kernbohrung) nach konkreten Vorgaben Angabe von Datum, Firma, Ort, Versatztech-
erforderlich. nik, Versatzmaterial, Menge)
6  Verwahrung untertägiger bergmännischer Hohlräume und Brunnen 421

• Grundlage für den Versatz (Auftrag, Vor-  4. Beschreibung der örtlichen Lage der Ver-
schriften, Genehmigungen) satzbereiche
• Aufgabenstellung (Aufgabenbeschreibung)   5. Nutzung der Tagesoberfläche
• Allgemeine Angaben (territoriale Lage, Geo-   6. Geologische Verhältnisse
logie, Hydrologie, Besonderheiten)   7. Hydrologische Verhältnisse
• Angaben zur eingesetzten Versatztechnik und   8. Allgemeine Angaben zum untertägigen Stre-
Technologie (für Bohr- und Versatzarbeiten) ckensystem und Beziehung zur obertägigen
• Ergebnisse (Einschätzung der Erkundungs- Situation
und Verwahrungsarbeiten)   9. Umfang und Art der Erkundungs- und Ver-
• Nachweisführung (Darstellung der eingesetz- satzarbeiten
ten Technologien) 1. Sanierungsarbeiten Jahr 1
• Zusammenfassung und Schlussfolgerung 2. Sanierungsarbeiten Jahr 2
(Kurzbeschreibung der Maßnahme und Wer- 3. Sanierungsarbeiten Jahr 3
tung des Versatzerfolges). 10. Einschätzung der Versatzberichte
Anlagen: 11. Ergebnisse der Erkundungs-, Versatz- und
• einheitlich digital aufbereitete und geore- Kontrollarbeiten
ferenzierte mit den im Zug der Versatzmaß- 1. Sanierungsarbeiten Jahr 1
nahme erfassten Daten wie z. B. Bohransatz- 2. Sanierungsarbeiten Jahr 2
punkte mit Bezeichnung, normgerechte Ver- 3. Sanierungsarbeiten Jahr 3
satzdatendarstellung und Kennzeichnung der 12. Markscheiderische Arbeiten
nachweislich verwahrten Streckenabschnitte 1. Ausgangssituation
• Zusammenstellung der Bohr- und Versatzer- 2. Schaffung risslicher Unterlagen für die
gebnisse Verwahrungsabschlussdokumentation
• Versatzberichte 13. Noch zu erwartende Einwirkungen auf die
• Bohrberichte Tagesoberfläche und Auswirkungen auf die
• Nachweis der ordnungsgemäßen Verfüllung künftige Nutzung des Territoriums
sämtlicher Bohrungen 14. Zusammenfassung
• Dokumentation sämtlicher Vermessungs- Anlagen:
arbeiten entsprechend MarkschBergV. 1. Übersichtskarte (ca. M 1: 100.000), Lage des
Die Anforderungen an die Ausführung und Qua- Bearbeitungsgebietes
lität der Vermessungsarbeiten ergeben sich aus 2. Übersichtskarte (ca. M 1: 10.000), Darstellung
der „Richtlinie zur Durchführung von Vermes- der Erkundungs- und Versatzbereiche
sungsarbeiten“ der LMBV mbH. 3. Versatzrisse (ca. M 1: 1.000)
In Auswertung des Versatzberichtes, beson- 4. Tabellarische Zusammenstellung der Bohr-
ders im Fall der zeitlich und/oder räumlich ge- und Versatzergebnisse
splitteten Realisierung einzelner Verwahrungs- 5. Versatzberichte
etappen, erfolgt nach Abschluss aller Teilaufträ- 6. Bergschadenkundliche Stellungnahme der
ge die Zusammenführung durch Fachspezialisten Fachbauleitung
der Geotechnik/Markscheiderei der LMBV mbH Die Verwahrungsabschlussdokumentation wird
in einer Verwahrungsabschlussdokumentation. nach Beurkundung durch den Markscheider der
Die Inhalte der Abschlussdokumentation werden LMBV mbH den entsprechenden Bergbehörden
anhand der folgenden Beispielgliederung vorge- übergeben und dient dann als Grundlage für die
stellt (LMBV?): Nachtragung der Rissunterlagen der LMBV in-
  1. Veranlassung und Zielstellung nerhalb des bergrechtlichen Zuständigkeitsberei-
  2. Verwendete Unterlagen ches nach BBergG und MarkschBergV bzw. der
  3. Gesetzliche Grundlagen zuständigen Landesbehörde bei Altbergbauver-
wahrungsmaßnahmen (i. d. R. Landesbergamt).
422 H.-H. Baumbach et al.

Über die Ergänzung bzw. Nachtragung histori- Erkundungs- und Sanierungsgesellschaft mbH Bergsi-
scher, abgeschlossener Risswerke hinaus erfolgt cherung Cottbus (1999) Ergebnisbericht ehemaliger
Tagebau Spreetal, Untersuchung des Verwahrungszu-
die Einbindung der aktuellen Lage- und Sach- standes untertägiger Grubenbaue – Streckenkomplex
informationen in vorhandene Geographische In- 8, 9, 10, 11 und 12
formationssysteme. Fenk J (1981) Eine Theorie zur Entstehung von Tagesbrü-
Die abschließende Information an die zustän- chen über Hohlräumen im Lockergebirge. Freiberger
Forschungsheft A 639, Dt. Verlag für Grundstoff-
dige Behörde in der Verwahrungsabschlussdoku- industrie, Leipzig
mentation kann wie folgt lauten: Geotec mbH (2004) Gefährdungsanalyse für den Altberg-
baukomplex „Kostebrau“ vom 30. Nov. 2004
„Die Bergschadenkundliche Analyse vom …………….
Kammer der Technik (1961) Taschenbuch für den Berg-
ist wie folgt zu ergänzen:
mann, Bd. II, III, IV, Allg. Fachwissen, Tagebau, Tief-
– Der Verwahrungsabschlussbericht ist beizufü-
bau. VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie
gen.
Kirst E (1951) Braunkohlentagebau, Anleitungen für Pla-
– Auf den Titelseiten der Bergschadenkundlichen
nung und Betrieb, Teil II, Aufschlussentwässerung.
Analyse ist der Aufdruck „Gültig nur in Verbin-
Schriftenreihe des Verlages Technik, Bd. 22
dung mit der Verwahrungsabschlussdokumen-
LMBV (2003) Auswertung Versatzarbeiten Tagebau
tation für das Altbergbaugebiet ………... vom
Klettwitz, Ortslage Kostebrau, Bauabschnitte 1 bis 4
…………, LMBV mbH“ anzubringen.
vom 13. März 2003
– Die Anlagen der Bergschadenkundlichen Ana-
LMBV (2006) Verwahrungsabschlussdokumentation
lyse sind mit den entsprechenden Hinweisen zu
für Teilflächen des Altbergbauobjektes „Marga“ bei
versehen.
Brieske, Ortsumfahrung Schipkau L 55 vom 12. Sept.
– Die rissliche Dokumentation der Sanierungs-
2006
arbeiten erfolgt in Betriebsrissen im Maßstab
LMBV (2008) Verwahrungsabschlussdokumentation Alt-
……… durch Kennzeichnung des jeweiligen
bergbaugebiet „Kostebrau“ vom 7. Feb. 2008
Abschnittes der zu sanierenden bergmänni-
LMBV (2008) Verwahrungsabschlussdokumentation,
schen Grubenbaue mit Eintragung der Bohr-
Untertägige Grubenbaue im Altbergbaugebiet Bel-
ansatzpunkte und Nachweis der erreichten
ten, Grube „Guerrini“ bei Vetschau. LMBV mbH,
Erkundungs- und Versatzergebnisse. Die Ver-
Ingenieurbereich Sanierung, Geotechnik Westlausitz/
wahrungsrisse liegen im Lagesystem ………
Markscheiderei
und Höhenbezugssystem ………vor.
LMBV (2008a) Leistungsverzeichnis der LMBV zur
Die Ablage und Archivierung der Verwahrungsab-
Ausschreibung von Verwahrungsmaßnahmen. LMBV,
schlussdokumentation erfolgt in der Markscheiderei/
Abteilung Geotechnik
Geotechnik der LMBV mbH.“
LMBV (2008b) Gliederungsvorlage der LMBV für Ver-
wahrungsabschlussdokumentationen. LMBV, Abtei-
lung Geotechnik
Meier G (2001) Verwahrungsgrundsätze im Altbergbau.
Literatur Tagungsband 1. Altbergbaukolloqium Freiberg 2001,
S 134–140
Benthaus FC, Förtsch H (2004) Erfolgreiches Manage- Meier G (2004) Empfehlung „Geotechnische markschei-
ment von Versatzmaßnahmen in der LMBV mbH. 4. derische Untersuchung und Bewertung von Altberg-
Altbergbaukolloquium, Leoben bau“. 4. Altbergbau-Kolloquium, Leoben
Bergsicherung Cottbus GmbH (1993) Rahmentechnolo- Penzel M, Wallner O, Wedekind C (2001) Bergschaden-
gie Nr. 1/93 vom 22. März 1993 kundliche Analysen. 1. Altbergbaukolloquium Frei-
BLZ Geotechnik GmbH (2001) Versatzbericht zu Maß- berg 2001
nahmen der Gefahrenabwehr im Tagebau Spreetal Sperling D (2004) Historisches Wörterbuch zum Braun-
BSF-Bergsicherung und Baugrundsanierung GmbH kohlenbergbau und zum Bergrecht. Förderverein Kul-
Frankfurt (Oder) (2003) Versatzbericht „Untertägige turlandschaft Niederlausitz e. V., Cottbus
Grubenbaue Restloch Laubusch“ Stoll RD, Niemann-Delius Chr, Drebenstedt C, Müllen-
DMT (2001) Bergschadenkundliche Gefährdungsanalyse siefen K (2009) Der Braunkohlentagebau. Springer-
für den ehemaligen Braunkohlenbergbau im Stadtge- Verlag, Berlin
biet Frankfurt/Oder vom 31. März 2001. DMT GmbH Strzodka K (1975) Hydrotechnik im Bergbau und Bau-
Leipzig wesen.VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie,
DMT (2003) Bergschadenkundliche Stellungnahme Ver- Leipzig
satzarbeiten Frankfurt/Oder, 1. und 2. Bauabschnitt, VEB BKW Welzow (1983) Bergschadenkundliche Ana-
vom 30. Januar 2003. DMT GmbH Leipzig lyse Tagebau Spreetal
DMT (2004) Bergschadenkundliche Analyse für den ehe-
maligen Tagebau Laubusch, vormals Grube „Erika“/
Lausitz vom 28. Mai 2004. DMT GmbH Leipzig
6  Verwahrung untertägiger bergmännischer Hohlräume und Brunnen 423

Gesetzliche Grundlagen Normen


ABAO (1973) ABAO 120/2– Bergbausicherheit im Berg- DIN 21901 (1984) Bergmännisches Risswerk. DIN Deut-
bau unter Tage vom 5. Okt. 1973. Staatsverlag der sches Institut für Normung e. V.
DDR
BBergG (1980) Bundesberggesetz vom 13.08.1980.
Zuletzt geändert durch Gesetz vom 12.02.1990
(BGBl. I, S. 215)
MarkschBergV (1986) Verordnung über markscheide-
rische Arbeiten und Beobachtungen der Oberfläche
(Markscheider–Bergverordnung – MarkschBergV)
vom 19. Dez. 1986
Versatzverordnung (2002) Versatzverordnung vom 24.
Juli 2002 (BGBl. I S. 2833), zuletzt geändert durch
Artikel 11 des Gesetzes vom 15. Juli 2006 (BGBl. I
S. 1619)
Verwahrungsanordnung vom 19. Oktober 1971 (GBl.
DDR 1971 II S. 621) Fortgeltendes Recht der ehem.
Deutschen Demokratischen Republik gem. Anlage
II Kap. V Sachg. D Abschn. III Nr. 1 Buchst. b nach
Maßgabe d. Art. 9 EinigVtr v. 31.8.1990 i. V. m Art. 1
G v. 23.9.1990 II 885, 1202 m. W. v 3.10.1990
Wiedernutzbarmachung
der Flächen von Tages- und 7
Veredlungsanlagen

Michael Illing, Waldemar Hofmann, Hans-Dieter Beerbalk,


Steffen Reußner, Ludwig Luckner, Michael Rüger, Thomas
Daffner, Manfred Kolba, Jan Masnica, Georg Morszeck,
Britta Radoi und Anett Thomas

Inhalt 7.2 Entwicklung von spezifischen Methoden


und Organisationsformen für die
7.1 Grundlagen der Wiedernutzbarmachung Sanierung von Veredlungsstandorten der
von Tages- und Veredlungsanlagen����������  427 Lausitzer Braunkohlenindustrie��������������  437
7.1.1 Definition und Begriffe�������������������������������� 427 7.2.1 Projektmanagement������������������������������������� 438
7.1.2 Veredlungsprozesse und deren 7.2.2 Organisatorischer Aufbau���������������������������� 439
Umweltbeeinflussung���������������������������������� 429
7.1.3 Einflüsse der besonderen wirtschaftlichen 7.3 Technische Maßnahmen����������������������������  439
Verhältnisse in der DDR auf die 7.3.1 Abriss und Rückbau������������������������������������� 439
Standortsituation������������������������������������������ 431 7.3.2 Maßnahmen der Gefahrenabwehr bei
7.1.4 Umweltauswirkungen der Bodenkontaminationen�������������������������������� 443
Braunkohlenveredlung auf die Standorte��   432 7.4 Beispiele technischer Maßnahmen�����������  451
7.1.5 Schutzgüter�������������������������������������������������� 434 7.4.1 Abriss und Rückbau������������������������������������� 451
7.1.6 Folgenutzung����������������������������������������������� 435 7.4.2 Sicherung und Sanierung von
Bodenkontaminationen�������������������������������� 463
7.4.3 Grundwassersanierung��������������������������������� 466
7.4.4 Sanierung von Altablagerungen aus dem
M. Illing () · M. Kolba · J. Masnica · G. Morszeck · Braunkohlenveredlungsprozess������������������� 480
B. Radoi · A. Thomas
Literatur������������������������������������������������������������������  485
Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsge-
sellschaft mbH, Knappenstraße 1,
01968 Senftenberg, Deutschland
E-Mail: m.illing@lmbv.de
W. Hofmann
Johann-Mantel-Straße 10, 03050 Cottbus, Deutschland
H.-D. Beerbalk
S. Reußner
Bund-Länder-Geschäftsstelle für die Braunkohle-
sanierung, Karl-Liebknecht-Str. 33, 10178 Berlin,
Deutschland
L. Luckner
Dresdner Grundwasserforschungszentrum
e. V., Meraner Str. 10, 01217 Dresden, Deutschland
M. Rüger
HPC Harres Pickel Consult AG, Am Stadtweg 8,
06217 Merseburg, Deutschland
T. Daffner
UBV Umweltbüro GmbH Vogtland, Knappenstraße 1,
01968 Senftenberg, Deutschland

C. Drebenstedt, M. Kuyumcu (Hrsg.), Braunkohlesanierung, 425


DOI 10.1007/978-3-642-16353-1_7, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
426 M. Illing et al.

Die Verpflichtungen zur Wiedernutzbarmachung Projektmanagement entwickelt und mit Erfolg


gemäß Bundesberggesetz (BBergG) erstrecken angewendet (s. Abschn. 7.2). Die für die Wieder-
sich auch auf Tages- und Veredlungsanlagen. Die nutzbarmachung notwendigen technischen Maß-
Tagesanlagen mit den dazugehörigen Werkstät- nahmen wie Abriss und Rückbau (oberirdischer
ten und Instandhaltungsanlagen für die Braun- Rückbau, Entflechtung, Tiefenenttrümmerung)
kohlengewinnung im Tagebaubetrieb und vor sowie Maßnahmen der Gefahrenabwehr bei Bo-
allem die thermischen Braunkohlenveredlungs- denkontaminationen sind in Abschnitt 7.3 erläu-
betriebe zur Erzeugung von Energie, Wärme, tert. Unter Abschnitt 7.4 sind ausgewählte Bei-
Gas, Koks Briketts, Teeren, Ölen und weiteren spiele für technische Maßnahmen aus der Lausitz
chemischen Produkten führten aufgrund sehr (z. B. Schwarze Pumpe Brikettfabrik West und
hoher Produktionsleistungen und damit nicht Altkraftwerke, BHT-Kokerei Lauchhammer) und
einhergehender Umweltschutztechnik zu hohen Mitteldeutschland (z. B. Industriestandort Espen-
Emissionen und Immissionen von Schadstof- hain, Schwelerei Deuben, Brikettfabrik/Kraft-
fen der Pfade Luft, Wasser, Boden und zu Ge- werk Holzweißig/Bitterfeld) dargestellt.
bäudekontaminationen. Es kam zu Störfällen, Die thermische Veredlung von Braunkohle
Leckagen und längerfristigem Aussickern von seit über 40 Jahren hatte große wirtschaftliche
Gas- und Flüssigprodukten. Der Anfall von über- Bedeutung für die Erzeugung fester, flüssiger und
schüssigen teerhaltigen Abprodukten (Teer-Öl- gasförmiger Kohlenwasserstoffe. Als Nebenpro-
Feststoffgemische) führte zu Ablagerungen und dukte sind vor allem Teerschlämme, Teer-Koh-
Anlegen von Zwischenlagern ohne Langzeit- le-, Teer-Asche-Mischungen sowie Gas- bzw.
sicherheit und damit erheblicher Umweltgefahr. Schwelwasser angefallen. Für das Schwelwasser
Es besteht das gesetzliche Erfordernis, auch im aus der Braunkohlenschwelerei Deuben wurde
Rahmen der bergrechtlichen Wiedernutzbarma- das Tagebaurestloch Vollert-Süd (Land Sachsen-
chung, zur Gefahrenabwehr eine ordnungsge- Anhalt) als Deponie – trotz Umweltgefährdung
mäße und umweltverträgliche Umweltsanierung – genutzt. Die thermischen Abprodukte Teer-Öl-
zu gewährleisten. Die Aufgaben der bergrecht- Feststoffe (TÖF) und kontaminierte Kohlentrübe
lichen Sanierung zur Altlastenbeseitigung und aus einem der größten Braunkohlenveredlungs-
Sicherung hinsichtlich ihrer flächenmäßigen werke Schwarze Pumpe sind an den Standorten
Dimensionen, der wissenschaftlich-technischen Terpe (Land Brandenburg) und Zerre (Freistaat
Anforderungen und ihrer strukturellen Wirk- Sachsen) in nicht gesicherten Deponien abgela-
samkeit erfordern ingenieurtechnisch anspruchs- gert worden. Aufgrund der akuten und langfris-
volle Leistungen. Um die Komplexität und Ver- tigen Umweltgefahr besteht die Zielstellung der
bundwirtschaftlichkeit der Auswirkungen von Sanierungsmaßnahme in der Beseitigung der von
Tages- und Veredlungsanlagen auf die Umwelt den Abfällen aus TÖF und Kohlentrübe ausge-
und die Sanierung einschätzen zu können, sind henden Gefährdungen für die Schutzgüter Boden
in den Abschnitten 7.1.1 bis 7.1.6 die Grundla- und Grundwasser. Diese Sanierungsleistungen
gen zur Wiedernutzbarmachung gemäß BBergG sind im Abschnitt 7.4.4 detailliert beschrieben.
erläutert. Es sind detailliert dargestellt die Vered- Mit den Leistungen des Rückbaus von TÖF
lungsprozesse und deren Umweltbeeinflussung und Kohlentrübe sowie ihrer fach- und quali-
der betroffenen Schutzgüter. Eine Wertung des tätsgerechten Entsorgung werden die Kontami-
Gefahrenpotentials wird vorgenommen. Nach er- nationsquellen eliminiert. Gleichzeitig sind die
folgreicher Sanierung und Beendigung der Berg- Voraussetzungen für die anschließende Profilie-
aufsicht werden entsprechende Nachnutzungen rung bzw. Konturierung/Abdeckung der verblei-
auch mit Erhöhung des Folgenutzungsstandards benden Ablagerungen zur Wiederherstellung der
erreicht. Spezifische Methoden und Arbeitsver- ursprünglichen Landschaft und der Beendigung
fahren für die Sanierung von Veredlungsstandor- der Bergaufsicht geschaffen worden.
ten wurden bezüglich Organisationsformen und
7  Wiedernutzbarmachung der Flächen von Tages- und Veredlungsanlagen 427

7.1  Grundlagen der Wiedernutz- Bücherei und  ildung der AN und Kom-
B
barmachung von Tages- und Infostelle munikation des Betriebes
Veredlungsanlagen Montageplätze meist im Tagebaubereich zur
Instandsetzung von Tagebau-
7.1.1  Definition und Begriffe geräten und Bandanlagen vor
Ort
Tagesanlagen  Tagesanlagen für Tagebaue Heizhäuser zur Versorgung der Werkstät-
waren notwendig, um alle Hilfs-, Neben- und ten und anderer Verwaltungs-
Versorgungsprozesse des Tagebaubetriebes zu si- einrichtungen mit Wärme
chern. Eingeschlossen waren die eigenständigen Elektroenergie- Eigenversorgung mit Elek-

Verwaltungsprozesse eines klassischen Betriebes erzeugung troenergie oder direkter
zur wirtschaftlichen Führung der Produktion. In Bezug aus dem angrenzen-
den Tagesanlagen waren die Werkstätten für die den Kraftwerk; über Elektro-
mechanische und elektrische Instandsetzung der anlagen auch vor Ort wurde
Tagebau- und Hilfsgeräte, Lagerbereiche, Ver- die Versorgung in den Tages-
waltungsbereiche, Versorgungsbereiche für die anlagen und im Tagebau für
Belegschaft, Küchen, Waschkauen, Bildungsein- die Transport- (Bandanlagen)
richtungen und Kohlenabsatzbereiche unterge- und Fördergeräte organisiert
bracht. Folgende Auflistung erklärt die Aufgaben
einzelner Objekte: Die Tagesanlagen waren an festen Standorten auf
der Ebene Geländeoberkante angeordnet wie in
Hilfsgeräte-  eparatur von Ladern, mobi-
R Abbildung  7.1– Tagebau Berzdorf ersichtlich,
werkstatt len Baggern, Planierraupen, konnten aber zum Tagebau bis 5 km entfernt sein.
Rückraupen, Kfz (LKW,
PKW und sonstige) Sonstige Instandhaltungsanlagen Neben den
Werkstätten Reparatur von Elektroan- Tagesanlagen gab es operative Stützpunkte der
lagen und Baggerteilen, Instandhaltung vor Ort in unmittelbarer Nähe
Schmiede, Schmierstoffbri- des Tagebaubereiches. Gegenüber einem produ-
gaden, Bandanlagen zierenden Betrieb mit einer zentralen Verwal-
Lagerbereich Unterbringung der Materia- tung war für den Tagebaubetrieb die dezentrale
lien aller Fachsparten Ansiedlung in Gebäuden mit relativ geringer
Küchen Versorgung der Belegschaft Lebensdauer charakteristisch.
(mehrschichtig) in den Ta-
gesanlagen und auch teilwei- Veredlungsanlagen (thermische Vered-
se vor Ort lung)  Veredlungsbetriebe dienten zur Erzeu-
Waschkauen Umkleide- und Duschmög- gung von Energie, Energieträgern wie Gas,
lichkeit für die Arbeitnehmer Koks, Treibstoff, Schmierstoff, Wärme und Elek-
(AN) troenergie aus Braunkohle. Dazu dienten Braun-
Haltestellen Mannschaftstransport der kohlenkraftwerke, Brikettfabriken, Kokereien,
AN in den Tagebau zum Destillationsanlagen, Entphenolungen, Rectiso-
Schichtwechsel, Transport lanlagen, Sauerstoff- und Gaserzeugeranlagen.
der AN zu den Tagesanlagen Diese waren meist auf einzelnen Standorten
aus den umliegenden Orten angelegt wie in Schwarze Pumpe oder in Lauch-
Bildungseinrich- Ausbildung und Schulung
 hammer. Die zu veredelnde Kohle wurde logis-
tung von AN und Auszubildenden tisch über Zugbetrieb an die Veredlungsstandorte
für ihre Tätigkeiten im Tage- gebracht.
bau Ein solcher Anlagenkomplex ist in
Abbildung  7.2 am Standort Schwarze Pumpe
dargestellt.
428 M. Illing et al.

Abb. 7.1   Tagesanlagen Tagebau Berzdorf 2001

Abb. 7.2   Veredlungsstandort Schwarze Pumpe 1988


7  Wiedernutzbarmachung der Flächen von Tages- und Veredlungsanlagen 429

Folgende Prozesse mit Anlagen werden ein- ken, die ihren Ursprung Anfang des 20. Jahrhun-
gesetzt: derts hatten. Briketts können in allen Bereichen
der Wirtschaft und in den Haushalten zur Wärme-
Briketterzeugung Pressen von Rohbraunkoh- oder Stromerzeugung eingesetzt werden.
le zu Briketts In den Kraftwerksanlagen wird die geförderte
Destillationsanla- Erzeugung von Benzinen Braunkohle verbrannt und mittels Dampferzeu-
gen aus Braunkohle ger an die Turbinen zur Erzeugung von Strom
Kokereien Erzeugung von Hochtem- gegeben.
peraturkoks
Siebanlagen Erzeugung von Siebkohle Infrastruktur  Zwischen den Tagebauen und
für Wärmekraftwerke der den Veredlungsanlagen waren werkseigene
Region Schienensysteme für Kohlenverbindungsbahnen,
Vergasung Vergasung von Staubkohle den Abraumbetrieb und Kraftwerkszuführungen
zu Gas und Erzeugung von vorhanden. Die Abbildung 7.3 zeigt den Abraum-
Brennstoff für Kraftwerke bahnhof mit Grubenbandanlage im Tagebau
(moderne Verfahren) Holzweißig (Sachsen-Anhalt).
Kraftwerke Erzeugung von Strom aus Dies erforderte ein ausgereiftes Zugleitsys-
Braunkohle tem, welches anfangs manuell über Stellwerke
und später im Zeitalter der Mikroelektronik über
Über ein luftdichtes Hochtemperaturverfah- automatisierte Zugleitsysteme gesteuert wurde.
ren wurde in den Kokereien Lauchhammer und Diese modernen Systeme setzt heute Vattenfall
Schwarze Pumpe aus Briketts Koks erzeugt, zur Versorgung der Kraftwerke und der Brikett-
wobei als Abprodukt Teer entstand. Dieser Teer fabrik ein.
wurde weiterverarbeitet und als hochkalorischer, Die einzelnen Produkte der Veredlung wurden
also energiereicher Stoff im Kraftwerk der Ver- über Zugbetrieb, LKW-Transport oder über Pipe-
brennung zugeführt. Dies geschah aus noch lines an die einzelnen Groß- und Stadtverbrau-
mangelhaften umweltrelevanten Gesetzesvor- cher mit einem hohen logistischen und energeti-
gaben nur zu einem geringen Teil. Zusätzlich schen Aufwand transportiert.
musste durch Steigerung der Produktion in den
80er Jahren des 20. Jahrhunderts dieser Teerstoff
zwischengelagert werden. So entstanden z. B. 7.1.2 Veredlungsprozesse und deren
die Teerdeponien Terpe und Zerre in Schwarze Umweltbeeinflussung
Pumpe sowie weitere in Mitteldeutschland.
Der zwischengelagerte Teer wurde ab dem Chemisch – physikalische Eigenschaften der
1. Verwaltungsabkommen Braunkohlesanierung Braunkohle  Braunkohle ist ein umgangssprach-
1994 untersucht und ordnungsgemäß entsorgt, licher Begriff für brennbare organische Um-
d. h. vorrangig verwertet oder umweltverträglich wandlungsprodukte pflanzlicher Stoffe, deren
beseitigt. Hierzu wurden umfangreiche Studien Bildung durch den sog. Inkohlungsprozess unge-
zur Verwertung dieses giftigen hochkalorischen fähr vor etwa 50–60 Mio. Jahren begann. Braun-
Stoffes gemacht. Zwischen den Jahren 2000 und kohle unterscheidet sich von Steinkohle aufgrund
2007 wurden zur Sanierung der Teerdeponien ihrer unterschiedlichen Entstehungsgeschichte in
zum Beispiel in Terpe und Zerre 750.000 t Teer- der Zusammensetzung und durch einige physi-
ölfeststoffe nach Bestätigung der zuständigen kalische und chemische Eigenschaften, die im
Fach- und Überwachungsbehörden thermisch Zusammenhang mit den Veredlungsprozessen
und stofflich umweltgerecht verwertet. zu charakteristischen Verunreinigungen der Um-
In den Brikettierungsanlagen wird gesiebte weltmedien geführt haben. In der chemischen
Braunkohle unter hohem Druck zu Braunkohlen- Zusammensetzung weist Braunkohle einen ge-
briketts gepresst. Es gab sehr viele Brikettfabri- ringeren Kohlenstoffanteil und einen höheren
430 M. Illing et al.

Abb. 7.3   Zugbetrieb Tage-


bau Holzweißig

Anteil an Sauerstoff und Stickstoff als Steinkoh- matisch. Der Schwefelgehalt der grubenfeuchten
le auf. Braunkohle besteht aus Reinkohle, Asche Kohle liegt unter 2,5 %. Die Braunkohle enthält
und Wasser. In der Reinkohle unterscheiden sich darüber hinaus zahlreiche Salze und Verbindun-
die Stoffgruppen Bitumen, Huminsäuren und gen von Silizium, Aluminium, Eisen, Calcium,
Restkohle. Bitumen sind wachs- und harzartige Magnesium und Natrium.
Bestandteile der Braunkohle, die sich mit orga-
nischen Lösungsmitteln, wie Benzol, Benzin, Thermische Veredlungsprozesse Die im Ter-
Alkohol oder deren Mischungen herauslösen las- tiär entstandenen Braunkohlenlager werden seit
sen. Braunkohlen enthalten mehr bituminöse Be- ca. 200 Jahren im Lausitzer Revier zur Gewin-
standteile und verbrennen mit rußender Flamme nung von Heizmaterial und ab 1871 zur Bri-
und brenzligem Geruch. Huminsäuren sind die kettierung genutzt. Neben der Verwendung als
phenolischen Bestandteile der Braunkohle. Der Heizmaterial zur Wärme und Energiegewinnung
Aschegehalt von Braunkohle ist größer als bei wurde Braunkohle zu höherwertigen Brenn-
der Steinkohle. Das wässerige Produkt der tro­ stoffen und Ausgangsstoffen für die sich insbe-
ckenen Destillation reagiert sauer, bei Steinkohle sondere im 20. Jahrhundert rasant entwickelnde
alkalisch. chemische Industrie veredelt.
In der Braunkohle finden sich verschiedene An den Veredlungsstandorten wurde als Ein-
Verkohlungszustände, vom wenig veränderten zelprozess oder komplex die thermische Kohlen-
Holz bis zur festen, harten, schwarzen, struktur- veredlung durch Verschwelung, Vergasung oder
losen Kohle. Im Durchschnitt besteht Braunkoh- Verkokung durchgeführt. Trotz unterschiedlicher
le aus 50–77 % Kohlenstoff, 3–5 % Wasserstoff, Temperatur- und Prozessverläufe und Zielfüh-
26–37 % Sauerstoff, 0–2 % Stickstoff. Beim Er- rungen beruhen diese Verfahren auf der tempera-
hitzen entwickelt Braunkohle im Gegensatz zur turabhängigen teilweisen oder vollständigen Ab-
Steinkohle kein Methan und zeigt bei höheren trennung der flüssigen und flüchtigen Bestandtei-
Temperaturen ab 200 °C sichtbare Zersetzungen le der Braunkohle.
durch Abgabe von Kohlenstoffoxiden, Schwefel, Die thermische Behandlung der Braunkohle
Wasserstoff und Wasser. Für die Veredlungspro- in Anwesenheit von Sauerstoff bis zu Tempera-
zesse und die Auswirkung auf die Umwelt er- turen von 600 °C wird als Schwelung bzw. bis
weist sich der Schwefelgehalt in der Braunkohle, zu 1.200 °C als Verkokung bezeichnet. Ziel der
der entweder organisch gebunden oder auch an- thermischen Behandlung ist bei der Schwelung
organisch als Sulfat oder Sulfid auftritt, proble- bevorzugt die Gewinnung von Teer als Rohstoff
7  Wiedernutzbarmachung der Flächen von Tages- und Veredlungsanlagen 431

und bei der Verkokung die Erzeugung von Koks. Benzolwäscher, die mit Waschöl berieselt wer-
Neben Teer und Koks fallen bei der thermischen den, das aus dem zuvor abgeschiedenen Teer
Zersetzung noch Gas und Wasser an. Eine Beson- gewonnen wird. Dabei werden das Benzol und
derheit der Veredlung stellt das Lauchhammer- seine Homologen fast vollständig aufgenom-
Verfahren als eine Weiterentwicklung des Lurgi- men. Das gesättigte Waschöl wird vorgewärmt
Spülgas-Verfahrens dar, das mit dem Ziel entwi- und dem Benzolabtreibeapparat zugeführt, wo
ckelt wurde, aus bindemittellosen Braunkohlen- es mittels eingeblasenen Waschdampfs von den
briketts einen Hochtemperaturkoks (Synonyme: Benzolkohlenwasserstoffen befreit wird. Wäh-
Braunkohlen-Hochtemperaturkoks, BHT-Koks) rend das Waschöl im Kreislauf zu den Benzol-
herzustellen. Aus dem bei der Verkokung frei- wäschern zurückgeführt wird, wird das beim
werdenden Gasstrom wurden neben dem Stadt- Abtreiben gewonnene Rohbenzol, das Verunrei-
gas durch Kondensation, Extraktion und Destil- nigungen durch mitgerissenes Waschöl enthält,
lation verschiedene Nebenprodukte stufenweise der Benzolgewinnungsanlage zugeleitet.
entfernt. Aus dem Rohgas scheidet sich bei der Mit der Zeit erhält das im Kreislauf geführte
anschließenden Kühlung bereits der größere Teil Waschöl durch Aufnahme restlicher Teerbestand-
des Teers ab. Dieser wird einem als Hochbehälter teile im Gas eine dickflüssige Konsistenz und
angelegten Teerbehälter zugeführt. Die restlichen lässt in seiner Wirkung nach. Die Regeneration
Teerbestandteile im Rohgas werden durch einen geschieht in einer Anlage mittels einer kontinu-
Teerscheideapparat ausgeschieden und mit dem ierlich arbeitenden Pechkolonne, wo das Verdi-
zugleich ausgefallenen Ammoniakwasser (Gas- ckungspech abgeschieden wird. Die bei der Rei-
wasser) der Scheidegrube zugeführt. Aufgrund nigung von Rohbenzol mit konzentrierter Schwe-
des unterschiedlichen spezifischen Gewichtes er- felsäure entstehende stark harzhaltige Abfallsäu-
folgt hier eine Trennung des Gemisches. Das ab- re stellt ein lästiges Nebenprodukt dar, dessen
laufende 1–2 %ige Ammoniakwasser gelangt in Verwendung bzw. Beseitigung oft Schwierig-
Abtreibeapparate, in denen es unter Kalkzusatz keiten bereitet. Zur besseren Abtrennung der
auf Siedehitze gebracht wird. Die entstehenden Säureharze und Wiedergewinnung der in der Ab-
Schwaden von Wasserdampf und Ammoniak fallsäure enthaltenen Benzolreste wurden beson-
werden im „Sättiger“ durch heiße, verdünnte, dere Säureregenerationsanlagen errichtet. Durch
mit Ammoniumsulfat gesättigte Schwefelsäure Einblasen von Dampf in die Säuremasse werden
geleitet, wobei sich schwefelsaures Ammoniak vorhandene Benzolkohlenwasserstoffe verflüch-
bildet. Das phenolhaltige Abwasser aus den Ab- tigt. Die koksartig verfestigten Harzrückstände
treibeapparaten wird in Klärbecken geleitet, wo (Brandharze) scheiden sich dabei an der Oberflä-
der enthaltene kohlensaure und schwefelsaure che der Säure aus. Nachdem die Harzrückstände
Kalk sich als Kalkschlamm absetzt. In den Ent- entfernt und verbrannt oder auf Halde gekippt
phenolungsanlagen wird die Beseitigung des wurden, konnte die Säure neuerlich verwendet
Phenols aus dem Gaswasser vorgenommen. Als werden. Trotz unterschiedlicher Temperatur- und
Lösungsmittel kommt Benzol zum Einsatz. Die Prozessverläufe und Zielführungen beruhen diese
Gewinnung des Phenols aus der angereicherten Verfahren auf der temperaturabhängigen teilwei-
Waschflüssigkeit erfolgt entweder durch Abtrei- sen oder vollständigen Abtrennung der flüssigen
ben des Benzols (Destillationsverfahren), wobei und flüchtigen Bestandteile der Braunkohle.
das Rohphenol im Rückstand verbleibt und das
Benzol in den Kreislauf zurückkehrt oder durch
Behandlung der angereicherten Waschflüssig- 7.1.3 Einflüsse der besonderen wirt-
keit mit Natronlauge (Laugeverfahren), wobei schaftlichen Verhältnisse in der
das Phenol als Natriumphenolat anfällt. Nach der DDR auf die Standortsituation
Ammoniakwäsche werden aus dem Rohgas die
Benzolkohlenwasserstoffe abgeschieden, soweit Im Zuge des Ersten Weltkrieges begann eine
diese nicht im abgeschiedenen Teer als Leicht- sprunghafte Entwicklung der Kohlenveredlung,
öl enthalten sind. Das Gas durchströmt mehrere die in der Weimarer Republik zu einem raschen
432 M. Illing et al.

Anwachsen der wissenschaftlich – technischen verluste sowie Havarien in den Boden und das
Entwicklung der Veredlung führten. Grundwasser gelangt. Dies gilt vor allem für Ko-
Mit dem industriell mechanisierten Braunkoh- kereibetriebe mit Nebengewinnungsanlagen, da
lentagebau in den dreißiger Jahren des vorigen hier zusätzliche Kontaminationen durch die Ver-
Jahrhunderts begann eine neue Dimension der arbeitung der Nebenprodukte entstanden sind.
Braunkohlenverarbeitung. Die bei der Vergasung und Verkokung der Braun-
Die Braunkohlenveredlung war eng mit der kohle entstandenen Nebenprodukte und Reststof-
industriellen Entwicklung der ehemaligen DDR fe bestimmen die spezifischen Kontaminationen
verbunden und galt in den Anfangsjahren als der Veredlungsanlagen.
Schlüsseltechnologie. Eine der für die DDR Durch die Stillsetzung der Anlagen vor An-
wichtigsten Innovationen der 1950er Jahre – die fang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts und die
Herstellung des so genannten Braunkohlenhoch- damit verbundene Unterbrechung des Schad-
temperaturkoks (BHT-Koks) – erlaubte es, in stoffeintrags erlangen Alterungsprozesse der
Niederschachtöfen Erze zu verhütten. Angesichts entstandenen Schadherde in Grundwasser und
der kaum vorhandenen Steinkohlenvorkommen Boden durch natürliche Rückhalte- und Abbau-
in der DDR erlangte diese Veredlungstechnik eine prozesse auch Einfluss auf die Schadenssitua-
wirtschaftsstrategisch bedeutsame Rolle beim tion. Der umweltverträgliche Abbau des Um-
Aufbau einer eigenen metallurgischen Industrie. weltschadens bzw. die Altlastenbeseitigung i. S.
Zunächst wurde die Herstellung von BHT-Koks des Bundes-Bodenschutzgesetzes (BBodSchG)
in der Großkokerei Lauchhammer erprobt und ist laut gesetzlichem Altlastenbegriff auf die De-
später im Kombinat Schwarze Pumpe eingeführt. kontaminierung und Sicherung von Altablage-
Die komplexe Vernetzung von Braunkohlen- rungen, auf denen mit umweltgefährdenden Stof-
förderung und Veredlung, insbesondere dicht ge- fen umgegangen wird, gerichtet. Die Sanierung
drängt im Lausitzer und mitteldeutschen Revier, der Veredlungsstandorte wird seit Inkrafttreten
führte zu besonderen wissenschaftlich – techni- des BBodSchG von diesem bestimmt und erfolgt
schen Leistungen. Mit Steigerung der Produk- nach den Prinzipien der Altlastensanierung zur
tionsleistungen durch Engpässe bei der Energie- Gefahrenabwehr für die betroffenen Schutzgüter.
versorgung wurden die mit dem Betrieb zuneh- Im Rahmen der Sanierung ehemaliger Standor-
mend verbundenen Umweltbelastungen nicht te der Braunkohlenveredlung in der Lausitz und
mehr beherrschbar. Mitteldeutschland ist der Altlastenbegriff im Zu-
Der große Bedarfsrückgang nach Braun- sammenhang mit der Verpflichtung nach Bun-
kohlen-Veredlungsprodukten und die mit deren desberggesetz für die Wiedernutzbarmachung
Produktion verbundenen ökologischen Proble- und die Gefahrenabwehr aus bergbaulicher Tä-
me führten zur Schließung der Veredlungsanla- tigkeit zu sehen.
gen Anfang der Neunziger Jahre. Die Anlagen
waren veraltet, technisch überholt und häufig Kontaminationssituation  Ausgehend vom Ein-
durch Rest- und Schadstoffablagerungen sowie tragsherd verlagern sich die Schadstoffe durch
Boden- und Grundwasserkontaminationen belas- die Schwerkraft in die Tiefe. Dies geschieht
tet (s. Abschn. 7.1.2). bevorzugt über Bodenschichten mit grobkör-
nigen Bestandteilen. Bodenschichten mit fein-
körnigen Bestandteilen wirken hemmend. Aus
7.1.4 Umweltauswirkungen der diesem Grund findet man nur durchgehend kon-
Braunkohlenveredlung auf die taminierte Bodensäulen, wenn sehr große Men-
Standorte gen nicht zähflüssiger Schadstoffe eingetragen
wurden. Auf schluffigen Schichten und in Braun-
Auf ehemaligen Veredlungsstandorten wie Ko- kohle werden die Schadstoffe akkumuliert.
kerei- und Gaswerksstandorten sind spezifische Die meisten für die Kontaminationssitua-
Schadstoffe durch Handhabungs- und Transport- tion typischen braunkohlenbürtigen Schadstoffe
7  Wiedernutzbarmachung der Flächen von Tages- und Veredlungsanlagen 433

Abb. 7.4   Schadstoff-


verteilung im Boden und
Grundwasser

haben eine geringere Dichte als Wasser. Daher Die Bereiche höchster Schadstoffkonzentra-
führt die beim Übergang in die gesättigte Bo- tionen im Grundwasser stimmen gut mit der im
denzone entstehende stauende Wirkung dazu, Verlauf der Sanierungsuntersuchungen erkun-
dass sich die Schadstoffe oberhalb des Grund- deten Lage der Schadherde mit hohem Quell-
wasseranschnitts sammeln und in Folge sich charakter überein. Dieser Zusammenhang wird
ändernder Grundwasserstände im Grundwasser- durch die Ergebnisse von Sickerwasserprogno-
schwankungsbereich (ca. 1…2 m) angereichert sen bestätigt.
werden. Wenn der Grundwasserspiegel während In Auswertung von Monitoringergebnissen
des Eintrags oder im Verlauf des Absinkens der zeigte sich, dass von einzelnen Eintragsbereichen
Schadstoffe nach dem Eintrag deutlich sinkt oder jeweils einzelne Schadstofffahnen ausgehen, die
steigt, verbleiben im Boden daher Schichten mit über kurze Distanzen absinken. Diese Schadstoff-
höheren Schadstoffgehalten im Teufenniveau des fahnen können sich überlagern. Die Bereiche im
ehemaligen Grundwasserstandes. Grundwasser mit hohen Schadstoffkonzentratio-
Für jeden bekannten Schadherd lassen sich nen sind in der Vertikalen meist weniger als 10 m
ein als „Kernbereich“ bezeichnetes Zentrum mit mächtig. Die Benzolkonzentrationen nehmen mit
deutlich höheren Schadstoffgehalten und ein zunehmender Verlagerung in die Tiefe ab.
„Randbereich“ erkennen. Aus der dreidimensionalen Schadstoffvertei-
Die Schadstoffsättigung bestimmter Boden- lung der untersuchten Schadherde lässt sich ein
zonen führt zur Herabsetzung des Durchlässig- verallgemeinertes Verteilungsschema der Schad-
keitsbeiwertes (kf – Wert) und bewirkt, dass das stoffe in der ungesättigten Bodenzone, wie in
Sickerwasser die schadstoffgesättigten Boden- Abbildung 7.4 ersichtlich ist, erstellen.
zonen nicht durchströmen kann. Das Wasser
folgt bestimmten Vorzugswegen und mobilisiert Dimensionen der Schadherde  Mit Beginn des
vorrangig Schadstoffe aus dem Randbereich des Sanierungsbergbaus in der Lausitz und in Mittel-
Schadherdes. Deshalb werden die Schadher- deutschland wurde der Rückbau und die Sanie-
de über sehr lange Zeiträume als Quelle für die rung von
Grundwasserkontamination wirksam sein. • 57 Brikettfabriken,
• 48 Industriekraftwerken und Kesselhäusern,
434 M. Illing et al.

• 2 Kokereien, 2 Schwelereien und 1 Gaswerk 7.1.5 Schutzgüter


sowie
• die Altlastensanierung der mit dem Abriss die- Eine toxikologische Betrachtung für die Schad-
ser meist großflächigen Betriebsstätten entste- stoffe der Standorte kann nur für eine Auswahl
henden Industriebrachen der tatsächlich vorhandenen chemischen Verbin-
in Angriff genommen. dungen vorgenommen werden, da die toxikologi-
Die Erkundung und Bewertung ergab über sche Beurteilung der Wechselwirkungen mit der
1.230 Altlastenverdachtsflächen für jahrzehnte- Umwelt bisher nur für die Hauptkomponenten,
lang betriebene Anlagen der Braunkohlenvered- wie z. B. Benzol, Naphthalin und Benzo[a]pyren
lung an weit über 100 Standorten. vorliegen.
Im Laufe der Jahre sind ausgehend von den Die organischen Kontaminanten haben sich
Eintragsherden, so genannten Quellbereichen, als Schadstoffphase im Boden und auf dem
Grundwasserschäden entstanden, die aufgrund Grundwasser aufschwimmend sowie am Korn-
erheblicher Schadstoffkonzentrationen und lang- gerüst anhaftend und im Grundwasser gelöst
jähriger Entwicklung beachtliche Ausdehnungen manifestiert. Die niedrig siedenden monoaro-
erreichen konnten. So wurden Benzolfahnen in matischen und polyzyklischen aromatischen
Schwarze Pumpe von bis zu 3 km Länge ermittelt. Kohlenwasserstoffe (BTEX und PAK) treten
verbreitet an den Stellen auf, an denen auf ver-
Schadstoffkomponenten der Standorte der gleichsweise kleinen Arealen Nebengewinnungs-
Veredlungsanlagen  Nach umfangreichen Vor- einrichtungen installiert waren, die höher sieden-
untersuchungen wurden auf den Anlagenflächen den PAK überwiegen prozentual – wenn auch in
folgende charakteristische Schadstoffe ermittelt deutlich geringeren Konzentrationen – auf den
und näher untersucht: aliphatische Kohlenwas- restlichen Flächen. Die Schadstoffverlagerung in
serstoffe – KW (Aliphaten und Olefine), mono- den Untergrund und deren Verteilung bis in das
aromatische Kohlenwasserstoffe – AKW/BTEX Grundwasser ist abhängig von der Mobilität und
(Aromaten, Hauptkomponente Benzol), polyzy- Löslichkeit, die Anwesenheit so genannter Lö-
klische aromatische Kohlenwasserstoffe – PAK severmittler und dem Aufbau des Untergrundes
(Hauptkomponente Naphthalin) sowie Phenol und dessen Durchlässigkeit. Im vom Wasser un-
und alkylsubstituierte Phenole (zusätzliche Subs- gesättigten Boden, in dem die PAK der Schwer-
titution der Phenole durch Alkylgruppen, das kraft folgend nahezu ausschließlich vertikal ein-
sind Kohlenwasserstoff-Radikale, u. a. Methyl- sickern – z. T. durch stauende Schichten behin-
und Äthylgruppen).   Als Nebenkomponenten dert und seitlich abgelenkt, tritt eine Aufspaltung
treten ammonium-, schwefel-, stickstoff- und der Teeröle entsprechend ihrer Mobilität auf. Im
sauerstofforganische Verbindungen in Abhän- Oberboden herrschen die PAK mit geringer Lös-
gigkeit vom Eintragsherd auf. Heterozyklische lichkeit und hohem Siedepunkt vor. In tieferen
N-, O- und S-Verbindungen sind als membran- Schichten sind eher solche Stoffe verbreitet, die
aktive Substanzen insbesondere für die Aktivität die höchste Mobilität besitzen. Schadstoffe mit
von Mikroorganismen von Relevanz. Vereinzelt relativ guter Löslichkeit wie BTEX und Naph-
werden geogen und anthropogen verursachte thalin sind bei vielen Anlagen bereits mit dem Si-
Schwermetallbelastungen erkundet. cker- und Grundwasser abgedriftet. Während die
Die dominierenden Schadstoffe können prin- wenig wasserlöslichen Komponenten des Teeröls
zipiell in lipophile Stoffe (KW, AKW, PAK) und mit hoher Dichte, die über derjenigen von Was-
hydrophile Stoffe (Phenole) und Schwermetalle ser liegt, sich entsprechend der Schwerkraft auf
eingeteilt werden. Die Schadstoffe werden den einer stauenden Schicht im Untergrund ausbrei-
Wassergefährdungsklassen 2 und 3 nach deut- ten, bewegen sich im Grundwasser gelöste oder
schem Wasserrecht zugeordnet. suspendierte PAK und BTEX mit dem Grund-
wasserstrom entsprechend dessen Fließverhal-
ten. Neben verschiedenen gesundheitlichen Be-
einträchtigungen und der Wirkung als Wasser-
7  Wiedernutzbarmachung der Flächen von Tages- und Veredlungsanlagen 435

Abb. 7.5   Stoffstrombild


BHT-Kokerei Lauch-
hammer

schadstoffe besteht die Hauptschadwirkung der Bergaufsicht kann die Nachnutzung beginnen.
Kontaminationen auf die menschliche Gesund- Parallele Zwischennutzungen bzw. der Beginn
heit durch die kanzerogene Wirkung von Benzol der Nachnutzung/Folgenutzung sind unter Be-
und Benzo[a]pyren. rücksichtigung entsprechender bergrechtlicher
Zahlreiche physiologisch wirksame Stoffe Regelungen möglich.
und Komponenten mit biologischer Potenz sind Folgende Nachnutzungstypen können grund-
nach dem Stand der Messtechnik nur bedingt zu- sätzlich unterschieden werden: die industriell-
gänglich und teilweise nur mit unverhältnismäßig gewerbliche Nutzung, die Mischnutzung u. a.
hohem Aufwand analysierbar. Für die Gefähr- mit Gewerbe, Freizeit, Natur, die naturräumliche
dungsabschätzung wird daher von der größten Nutzung (Wald, Sukzessionsfläche, Brachflä-
möglichen Schadwirkung der bekannten Verbin- che), die museale Nutzung/Denkmalschutz und
dungen (Worst-case-Betrachtung) ausgegangen. die Überbaggerung für einen neuen Tagebau.
Als einheitliche Bewertungsgrundlagen für die Jeder Typ hat seine spezifischen Sanierungsan-
Untersuchungen der Veredlungsstandorte in den forderungen; sie werden in den noch folgenden
ostdeutschen Braunkohlenrevieren wurden so- Kapiteln zu den Sanierungsbeispielen aufgeführt.
wohl die Sächsische Altlasten-Methodik (Sächs. Um die Praxiswirksamkeit dieses abstrakten Be-
Altlasten Methodik) als auch das Handbuch zur griffes zu verdeutlichen, sollen drei Fallgruppen
Altlastenbearbeitung im Land Brandenburg her- näher beschrieben werden:
angezogen (Burmeier et al. 2007). Mit Inkraft- Unbestimmte Folgenutzungsmöglichkeiten
treten des Bundes-Bodenschutzgesetzes erfolgte Es sind keine bzw. keine konkreten Nachnutzun-
die Bewertung auf der Basis der Bundes-Boden- gen der Industrieanlagen vorgesehen. Das ist zum
schutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV). Beispiel in den Außenbereichen von Kommunen
Aus den vorhandenen Daten werden Schluss- der Fall. Hier sind einfache Mindestanforderun-
folgerungen für den Handlungsbedarf in den Be- gen bei der Sanierung umzusetzen. Da zumeist
weisniveaus 1 und 2 der Sächsischen Altlasten- land- oder forstwirtschaftliche Nutzungen bzw.
Methodik, Bd. 4 Boden und Bd. 3 Grundwasser Sukzession einer adäquaten standorttypischen,
(Quellencharakter) ermittelt. Ein Beispiel dafür vorbergbaulichen Nutzungsform entsprechen,
ist das Stoffstrombild der BHT-Kokerei Lauch- werden die Anlagen im Regelfall oberirdisch ab-
hammer (Abb. 7.5). gebrochen. Sofern keine Boden- und Grundwas-
serverunreinigungen zu befürchten sind, erfolgt
eine Unterflurenttrümmerung nur in dem Maße,
7.1.6 Folgenutzung dass ein Pflanzenbewuchs nicht ausgeschlossen
ist und wird zumeist über den Auftrag von Kul-
Nach der Zulassung und der ordnungsgemäßen turboden und Initialbewuchs abgeschlossen. So
Realisierung des Abschlussbetriebsplanes nach kann wieder ein geschlossenes Landschaftsbild
§ 55 (2) 2 BBergG, d. h. nach Beendigung der entstehen.
436 M. Illing et al.

Konkrete Folgenutzungen Das Herrichten Braunkohlesanierung als so genannte § 4-Maß-


des Standortes für eine spezifische und damit nahmen im Anschluss an die so genannte Grund-
beschränkte Möglichkeit der Folgenutzung stellt sanierung, also die Erfüllung der bergrechtlichen
das wünschenswerte Ziel der Braunkohlesanie- Verpflichtungen, ergänzend durchgeführt.
rung dar. Grundlage ist zumeist eine planerisch Die Wiedernutzbarmachung der bergrecht-
und verbindlich ausgewiesene, vorbestimmte lich bestimmten Inanspruchnahme von Flächen
Folgenutzung. Häufiges Beispiel stellte vor allem durch Tages- und Veredlungsanlagen erfolgt im
der Nachnutzungstyp Gewerbegebiet dar. Vor- Wesentlichen aus Kapazitäts- und Budgetgrün-
teilhaft ist dabei die Nachnutzung einzelner Ge- den oftmals zeitlich gestaffelt für Teilflächen.
bäude oder die Flächennutzungsausweisung für Ziel dieser Vorgehensweise ist es, eine Folge-
Gebäude mit einer flachen Gründung. Hierdurch nutzung schnell zu ermöglichen und wieder-
können Abriss- und Unterflurenttrümmerungs- nutzbar gemachte, aber brach liegende Flächen
aufwendungen eingespart werden. Allerdings weitestgehend zu vermeiden. Einhergehen kann
wirkt sich eine umfangreichere Sanierungsmaß- mit dieser flächengestaffelten Wiedernutzbar-
nahme, z. B. Tiefenenttrümmerung bei einer machung auch eine gestaffelte Beendigung der
Industriewiederansiedlung mit vorhandenen In- Bergaufsicht über ordnungsgemäß wieder nutz-
vestoren positiv auf die regionale Entwicklung bar gemachte Teilflächen. Bei wenige ha zäh-
aus. Da insbesondere in den Anfangsjahren der lenden Flächen der Tagesanlagen ehemaliger
Braunkohlesanierung infolge des wirtschaftli- Tagebaue bzw. Veredlungsanlagen ist es jedoch
chen Umbruchs konkrete und verbindliche Fol- effektiver, diesen Prozess in einem Schritt durch-
genutzungen rar waren, wurden auch auf Basis zuführen. Die Beendigung der Bergaufsicht für
von Nachnutzungsvorstellungen der Kommunen Standorte der Tages- und Veredlungsanlagen ist
die Sanierungsumfänge bestimmt. Bei solchen aber nicht allein an die Erfüllung der Wieder-
sanierten Standorten konnte das Risiko eines et- nutzbarmachungsverpflichtung für in Anspruch
waigen späteren Sanierungsdefizits nicht ausge- genommene Tagesoberflächen gebunden. Der
schlossen werden, wenn zwischenzeitlich andere Bergaufsicht ist gem. § 4 (7) BBergG auch der
Nachnutzungen Verbindlichkeit erlangen. Erdkörper unter diesen Flächen unterworfen. Für
Konkrete Nachnutzungen mit Erhöhung des die unter Bergaufsicht stehenden Standorte kann
Folgenutzungsstandards Die Wiedernutzbarma- gem. § 69 (2) BBergG deshalb diese erst dann
chung der Oberfläche und das Herrichten dersel- insgesamt enden, wenn von diesen Erdkörpern
ben für eine anspruchsvolle Folgenutzung, deren – im Fall ihrer Kontamination – nach allgemei-
Standard signifikant über den vorbergbaulichen ner Erfahrung keine Gefahr ausgeht. Die durch
Zustand hinausgeht, werden hier als einheitliche den Bergbaubetrieb bewirkten schädlichen Bo-
Aufgabe realisiert. Als Beispiel seien Ver- und denveränderungen gem. § 2 (3) BBodSchG und
Entsorgungsneuerschließungen durch Leitungen, Grundwasserschäden sind deshalb darauf hin
Straßen, Radwege an und um die verschiedenen bewertend zu untersuchen, ob und in welchem
Altindustriestandorte genannt. Hierdurch werden Maße von ihnen Gefahren ausgehen, die eine
die durch den Bergbau hinterlassenen strukturel- weitere Schutzgutschädigung mit hinreichender
len Defizite in den jeweiligen Regionen gemin- Wahrscheinlichkeit erwarten lassen.
dert und die Lebens- und Arbeitsbedingungen So haben sich z. B. unterhalb von Vered-
allgemein verbessert, ohne jedoch private Inves- lungsanlagen am Standort Schwarze Pumpe be-
titionen unzulässigerweise zu subventionieren. triebsbedingt schwerwiegende schädliche Bo-
Da die Aufwendungen/Kosten hierbei über die denveränderungen und Grundwasserschäden
bergrechtlichen Verpflichtungen zur Wiedernutz- herausgebildet (Abb. 7.6), die einer aufwändigen
barmachung der Tagesoberfläche hinausgehen, Sanierung bedürfen, um Bodenfunktions- und
bedarf es zusätzlicher Finanzierungsquellen. Seit Grundwasserschäden zu mindern (Gebot der an-
1998 werden von den an der Braunkohlesanierung gemessenen Schadensminderung) und Gefahren,
beteiligten Ländern Finanzmittel in einem bedeut- die für Schutzgüter von diesen Schäden in ihrem
samen Umfang bereitgestellt und im Rahmen der Umfeld ausgehen, dauerhaft zu mindern (Gebot
der angemessenen Gefahrenminderung).
7  Wiedernutzbarmachung der Flächen von Tages- und Veredlungsanlagen 437

Abb. 7.6   Bodenkontaminationen Schwarze Pumpe

Die Schadensminderung und die damit oft- digung der Bergaufsicht dieser Schadensbereiche
mals verbundene Minderung der Gefahren, die entkoppelt, da deren Sanierung ungleich längere
von diesen Schäden ausgehen, sind unter Beach- Zeiträume in Anspruch nimmt. Der Vollständig-
tung der natürlichen Schadstoffabbaupotentiale keit halber ist hier auch die „Wiedernutzbarma-
zu bewerten. Der Überwachung dieser natürli- chung“ jener Tagesoberflächen außerhalb des
chen Schadens- und Gefahrenminderung kommt Bergrechts zu nennen. So existieren Standorte
dabei besondere Bedeutung zu, sie wird gemein- mit Tages- und Veredlungsanlagen, die aus ver-
hin als Monitored Natural Attenuation (MNA) schiedenen Gründen zwar zum Stichtag 1. Juli
bezeichnet. Als eine Herausforderung anzuse- 1990 nicht mehr unter Bergaufsicht standen bzw.
hen ist die Aufgabe, ihren Wirkungsumfang zu auch nie standen, für die das ehemalige Bergbau-
prognostizieren, in die Sanierungsstrategie zu unternehmen als Eigentümer jedoch im wesentli-
implementieren und eine Akzeptanz durch die chen gemäß Polizei- und Ordnungsrecht mit dem
zuständige Behörde zu erreichen. Die Sanierung Ziel der Gefahrenabwehr verantwortlich ist.
dieser Untergrundschäden durch aktive Siche-
rungs- und Dekontaminationsmaßnahmen steht
in der Regel der Wiedernutzbarmachung der 7.2  Entwicklung von spezifischen
Tagesoberfläche der Standorte der Veredlungs- Methoden und Organisations-
anlagen und damit auch ihrer Folgenutzung nicht formen für die Sanierung von
im Wege. Zum Erhalt und der Wiederbelebung Veredlungsstandorten der
von Industriestandorten – wie z. B. Schwarze Lausitzer Braunkohlenindustrie
Pumpe – ist dies von zentraler Bedeutung. So
wird im Interesse einer zügigen Folgenutzung – Die Sanierung von erheblichen Boden- und
so z. B. zum Bau neuer Produktionsanlagen – die Grundwasserkontaminationen, konzentriert an
Wiedernutzbarmachung der Oberfläche von der den Standorten der Braunkohlenveredlung, erfor­
Sanierung der Untergrundschäden und der Been- derte eine Entwicklung spezifischer Methoden
438 M. Illing et al.

und Organisationsformen zur Steuerung und Ko- komplex zu bearbeiten und nicht jeden einzelnen
ordinierung der komplexen logistischen und tech- Schadherd als eigenständige Altlast auszuwei-
nischen Aufgaben. Neben der technischen Lösung sen. Mit fortschreitendem Erkenntnisgewinn
und finanziellen Absicherung hängt der Erfolg offenbarte sich die Notwendigkeit, ein standort-
eines Sanierungsvorhabens auch von einer Kon- bezogenes Netzwerk von Sanierungsmaßnahmen
sensfindung der oftmals diametralen Interessen der zu planen und angesichts der Dimensionen von
Beteiligten und der Träger öffentlicher Belange ab. Schadherden und Schadstoffkonzentrationen
Mit Beginn der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts verhältnismäßig umzusetzen. Die anfänglich
wurden zahlreiche leistungsfähige Verfahren zur verfolgten Strategien der vollständigen Dekonta-
Boden- und Grundwasserdekontamination ent- mination wurden durch nachnutzungsorientierte
wickelt. Es stellte sich jedoch sehr schnell heraus, Konzepte zur Sicherung und Sanierung der Ver-
dass zur unmittelbaren Sanierung der Veredlungs- edlungsstandorte ersetzt. Letzteres erforderte ein
standorte der Lausitzer Braunkohle technische frühzeitiges Einbeziehen aller kommunalen und
Verfahren an die spezifischen Standortbedingun- behördlichen Entscheidungsträger.
gen und Kontaminationen der Braunkohlenver- In kurzer Folge wurden die Altlastenerfas-
edlung angepasst werden mussten. Für geeignete sungen, Gefährdungsabschätzungen und Sanie-
Sanierungsverfahren wurde der marktverfügbare rungsarbeiten begonnen und durchgeführt. Im
Stand der Technik im Rahmen der Standortanpas- Detail wurde die Altlastenbearbeitung in Über-
sung bis zur Einsatzreife entwickelt. einstimmung mit den entstehenden sächsischen
Eine konzeptionelle und technische Heraus- und brandenburgischen Altlastenbearbeitungs-
forderung ergab sich aus der Größe der zu sanie- methodiken ausgeführt. Für grenzüberschreiten-
renden Objekte von bis zu mehreren Quadratki- de Projekte zum Land Sachsen, z. B. die grenz-
lometern und die damit verbundenen braunkoh- überschreitenden Objekte Schwarze Pumpe und
lenspezifischen Schadstoffdimensionen. Diese Terpe/Zerre, wurde das Stufenprogramm der
Randbedingungen und zunehmenden Erkennt- Sächsischen Altlastenmethodik als Handlungs-
nisse führten etwa seit 1995 -1997 zur Entwick- grundlage für die Behörden der beteiligten Län-
lung der Arbeit mit dynamischen Sanierungskon- der Brandenburg und Sachsen zugrunde gelegt.
zepten und ihrer kontinuierlichen Präzisierung Durch das Verwaltungsabkommen Altlasten
sowie bei den großen Projekten zur Einführung (VA) wurden die Standortsanierung von Ver-
spezieller Projektstrukturen. edlungsanlagen (Brikettfabriken, Kraftwerke,
Die Notwendigkeit wurde dadurch unterstri- Schwelereien, Kokereien, Gaswerke und De-
chen, dass mit zunehmendem Erkenntnisfort- ponien), die Behandlung von Altablagerungen
schritt zeitgleich an verschiedenen Objekten auf und die begleitende wissenschaftlich – techni-
einem Veredlungsstandort unterschiedliche Schrit- sche Optimierung der Sanierungsmaßnahmen als
te der Altlastbearbeitung unternommen werden Aufgaben fixiert.
mussten. Dadurch entstanden erhöhte Anforderun-
gen an die bergrechtlichen Genehmigungsverfah- Monitoring  Die Sanierung und Sicherung ist mit
ren und die Informationsflüsse zu den beteiligten der Organisation und Durchführung von Überwa-
Behörden. Einen entscheidenden Faktor zur zeit- chungsleistungen (Monitoring) und der Entwick-
gleichen Bearbeitung unterschiedlicher Planungs- lung modellgestützter Prognosen (Modellierung)
und Sanierungsetappen für die Standorte stellt der verbunden. Mit der wissenschaftlich-technischen
Wiederanstieg des Grundwassers dar. Vorbereitung und Begleitung der Sanierungs-
maßnahmen wird die Qualität der Ausführung
gesichert. Gleichzeitig werden entscheidungs-
7.2.1 Projektmanagement relevante Sachverhalte, wie die qualitativen und
quantitativen Veränderungen der historischen
Methodische Schritte  Für die Veredlungsstand- Schadstoffeinträge, untersucht und bewertet und
orte wurde bei der Altlastenbearbeitung darauf das Sanierungskonzept dahingehend präzisiert.
orientiert, den jeweils gesamten Industriestandort So führen großflächige Umwandlungsprozesse
7  Wiedernutzbarmachung der Flächen von Tages- und Veredlungsanlagen 439

sowie der postmontane Grundwasserwiederan-


stieg zu erheblichen Änderungen des Schadstoff-
verhaltens im Grundwasser und im Porenraum,
die nicht mehr ursächlich mit dem Schadstoffein-
trag im Zusammenhang stehen und bei den fest-
gestellten Konzentrationen erhebliche technische
Aufwendungen und Kosten verursachen. Zur
Abstromsicherung sind hierfür gesonderte Ent-
wicklungen erforderlich.
Um bei den ehemaligen Standorten der ther-
mischen Kohlenveredlung das Schadstoffinven-
tar, Schadstoffverhalten und die Abbauprodukte
ständig zu überwachen, wird ein zielgerichtetes
Abb. 7.7   Projektstruktur Sanierung Veredlungsstandorte
Monitoring im Grundwasser und Boden durch-
geführt. Damit werden der Sanierungsfortschritt
und Sanierungserfolg ständig überprüft und Das Gremium zur Koordination und Organi-
dokumentiert. Z. B. wurden zur Vorbereitung sation der Sanierung bildet die Projektgruppe der
der technischen Sanierung am Industriestand- jeweiligen Veredlungsstandorte (Arbeitsgruppe
ort Schwarze Pumpe 300 Bohrungen abgeteuft Kokerei Lauchhammer, Projektgruppe Schwar-
und über 2.700 Bodenmischproben analysiert. ze Pumpe) der LMBV. Die Projektgruppe setzt
Mit dem Grundwassermonitoring an diesem sich aus dem Projektmanagement und dem Rah-
Sanierungsstandort werden jährlich bis zu 375 mengutachter sowie Fachgutachter der LMBV
Messstellen beprobt und die Grundwasserpro- zusammen. Die Fachberatung und fachlich in-
ben untersucht. Analoge Monitoringkonzepte haltliche Abstimmung der Vorbereitung und
kommen bei den Veredlungsstandorten in Mittel- Durchführung der Sanierung erfolgt durch spe-
deutschland zur Anwendung (s. Abschn. 7.4.3). zielle Fachgruppen, die das Projektmanagement
des Bergbauunternehmens, die Fachbehörden
und betroffenen Kommunen zusammenführen.
7.2.2  Organisatorischer Aufbau Die fachliche Koordination des Projektes
obliegt dem Rahmengutachter. Dies ist ein un-
Mit dem Beginn der Sanierungstätigkeiten wurde abhängiger externer Spezialist für Altlastensa-
beispielhaft für das braunkohlenverarbeitende nierung, der selbst nicht Träger eines eigenen
Kerngebiet Lauchhammer durch das damali- Sanierungsverfahrens ist. Auf diese Weise wird
ge Ministerium für Umwelt, Naturschutz und sichergestellt, dass die Entwicklung des Sanie-
Raumordnung des Landes Brandenburg ein Flä- rungskonzeptes zielorientiert und unabhängig
chenrecyclingprojekt ins Leben gerufen. von Einsatzinteressen eines bestimmten Verfah-
Für die großen Sanierungsprojekte – Koke- rens geführt wird.
rei Lauchhammer, Industriestandort Schwarze Die Genehmigung der Sanierungsvorhaben
Pumpe, Teerbecken Zerre/Abproduktenhalde erfolgte bzw. erfolgt durch bergrechtliche Zulas-
Terpe – wurden wegen der Komplexität der sungen unter Beteiligung der Fachbehörden.
jeweiligen Gesamtvorhaben dreistufige Arbeits-
ebenen mit der jeweiligen Arbeitsstruktur ge-
sch­affen (Abb.  7.7). 7.3  Technische Maßnahmen
Die Projektsteuerung und strategische Ausrich-
tung der Sanierung erfolgt durch einen Projektbeirat 7.3.1  Abriss und Rückbau
bestehend aus dem Projektmanagement (LMBV)
und den Finanziers von Bund und dem zuständigen Die Grundlage für die Abriss- und Rückbautätig-
Land im Steuerungs- und Budgetausschuss. keiten bilden die zu erarbeitenden Abschlussbe-
440 M. Illing et al.

triebspläne. Mit diesen Plänen werden die räum-


lichen und sachlichen Geltungsbereiche definiert.
In Abhängigkeit von den Zielen der Nachnutzung
wird der Umfang der Abriss- und Rückbaumaß-
nahmen festgelegt.
Dazu sind folgende Tätigkeiten erforderlich:
• Stillsetzen, Sichern und Säubern der Anlagen
• Demontage von Ausrüstungen und techni-
schen Einrichtungen
• Abbruch von Gebäuden und baulichen Anla-
gen
• Entsorgung, Verwertung oder Beseitigung von
Abfällen
Abb. 7.8   Abriss von Anlagen im Kraftwerk Trattendorf
• Sanierung von Bodenkontaminationen 1999
• Wiedernutzbarmachung der Oberfläche
Auf den Rückbauflächen sind die aus dem ehe-
maligen Bergbaubetrieb hervorgehenden Gefah-
ren zu beseitigen und die Betriebsareale unter
der Beachtung von Nachnutzungsanforderungen
wieder nutzbar zu machen.
Im Rahmen der Zielauswahl erfolgt die Prä-
zisierung hinsichtlich der Folgenutzung für eine
Wiedereingliederung in den wirtschaftlichen
Kreislauf der Region.

Oberirdischer Rückbau und Entflechtung   


Auf der Grundlage zugelassener Abschluss-
betriebspläne mit seinen Nebenbestimmungen Abb. 7.9   Schornsteinsprengung Trattendorf 1999
sind Ausführungsplanungen für den oberirdi-
schen Rückbau und Entflechtung vorzunehmen über die erforderliche Zuverlässigkeit und Fach-
(Abb. 7.8 und 7.9). kunde gemäß Bundesberggesetz verfügen, die
Zur Gewährleistung einer gefahrlosen Reali- ordnungsgemäße Beaufsichtigung erfolgt.
sierung der Abbrucharbeiten zählen die Anlagen- Im Rahmen der Oberflächensanierung ist für
freischaltung und Medienentflechtung. Dabei ist den oberirdischen Rückbau eine Beräumung von
auf der Grundlage § 3 der Allgemeinen Bundes- Fundamenten und Gebäuderesten im Regelfall
bergverordnung (ABBergV) das entsprechende von 0,3 bis 0,5 m vorzunehmen. Bei Flächen-
Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokument entsiegelungen ist die entsprechende Separie-
zu erarbeiten. Aus ihm muss hervorgehen, dass rung der anfallenden Massen zu planen und die
im Zusammenhang mit den Abbruchtätigkeiten Verwertung oder Beseitigung der angefallenen
keine Gefährdungen hervorgehen sowie ange- Abfallarten gemäß Kreislaufwirtschafts- und Ab-
messene Maßnahmen in technischer, personeller fallgesetz (KrW-/AbfG) sicherzustellen.
und organisatorischer Hinsicht für die Sicherheit Zur Bewertung der Abfälle und Festlegung
und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten ge- des Entsorgungsweges sind Deklarationsana-
troffen werden. Wesentlich für die Realisierungs- lysen durchzuführen. Entsprechend Belastungs-
phase ist die Koordinierung der Abläufe vor Ort grad der Abfälle sind diese im Rahmen der Ent-
zwischen den Auftragnehmern durch den Berg- sorgung vorrangig stofflich oder energetisch zu
werksunternehmer. Des Weiteren hat er dafür zu verwerten. Die Verwertung der Abfälle hat ord-
sorgen, dass durch verantwortliche Personen, die nungsgemäß und schadlos zu erfolgen. Es sind
7  Wiedernutzbarmachung der Flächen von Tages- und Veredlungsanlagen 441

die Zuordnungswerte gemäß den Anforderungen


an die stoffliche Verwertung von mineralischen
Abfällen – (Technische Regeln der Länder-
arbeitsgemeinschaft Abfall) – anzuwenden. Der
Vorrang der Verwertung entfällt, wenn die Be-
seitigung die umweltverträglichere Lösung dar-
stellt. Dabei wurden insbesondere berücksichtigt:
• die zu erwartenden Emissionen
• die einzusetzende oder zu gewinnende Ener-
gie
• die Anreicherung von Schadstoffen in Erzeug-
nissen, Abfällen zur Verwertung oder daraus
gewonnenen Erzeugnissen
Abb. 7.10    Tiefenenttrümmerung Kraftwerk Mitte
Die Abfälle sind so zu verwerten oder zu besei- Schwarze Pumpe
tigen, dass nach dem Stand der Technik die Um-
weltverträglichkeit gewahrt bleibt. die nicht an Dritte veräußert werden können,
Erst nach lückenloser Nachweisführung der gefahrenfrei abgebrochen werden, wie im Kraft-
Sanierungstätigkeiten und gutachterlicher Be- werk Mitte am Standort Schwarze Pumpe erfolgt
wertung der Altlastenfreiheit kann die Beendi- ist (Abb. 7.10).
gung der Bergaufsicht erfolgen. In Abstimmung Das Ziel von Sanierungs- und Tiefenenttrüm-
mit den Bergbehörden sind für das Sanierungs- merungsarbeiten besteht in der Schaffung von
gebiet folgende Dokumente im Abschlussbericht Nutzungsmöglichkeiten, die gleichwertig ange-
beizubringen: sehen werden können, wie sie ohne Inanspruch-
• Bodenmechanisches Abschlussgutachten nahme des Geländes durch den Bergbau bestan-
• Gutachten zur Grundwasserbeschaffenheit den hätten. Für eine gewerblich/industrielle Nut-
und -prognose zung kann eine Enttrümmerungstiefe größer 0,3
• gutachterliche Bewertung der Altlastensanie- bis 0,5 m unter Gelände erforderlich werden. Bei
rung Vorliegen von Kontaminationen im Boden bzw.
• Nachweise der Abfallentsorgung aus Entker- an Bausubstanz und Fundamenten werden ggf.
nung, Demontage, Abbruch und Beräumung spezielle Anforderungen an die Tiefenenttrüm-
• Nachweis der Tiefenenttrümmerung und merung gestellt, die gesondert geregelt werden.
Angabe der Enttrümmerungstiefen, verblei- Innerhalb von Bodensanierungsbereichen erfolgt
bende Baurestmassen und Dichtwände der Rückbau bis zur entsprechenden Aushubtiefe
• Verwahrungsdokumentation untertägiger für die Bodensanierung. Tiefer liegende Funda-
Grubenbaue, Schächte, unterirdischer Wirt- mente werden gesichert. Versorgungsleitungen
schaft, Filterbrunnen, Grundwasserbeobach- verbleiben im Boden, sofern von diesen keine
tungsrohre Gefährdung ausgeht. Flächenübergreifend wer-
• durchgeführte Rekultivierungsarbeiten wie den im Boden verbliebene Plattenfundamente
Begrünungen, Aufforstungen, Erosionsschutz, perforiert, im Boden verbliebene Leitungen ver-
Pflegemaßnahmen, Flächenabnahmen schlossen und Schächte verfüllt.
• Gutachten zum Nachweis der Gefährdungs- Herstellung des Verdichtungsgrades Bau-
freiheit verbleibender Anlagen und Gebäude gruben sind mit verdichtungsfähigem Sand/Kies
(Bodengruppen nach DIN 18196; GE, GW, GI,
Tiefenenttrümmerung SE, SW, SI, GU, GT, SU, ST; Bodenklasse 3,
Definition und Umfang Die LMBV hat im Frostklasse F1), Zuordnungswert Z0 zu verfül-
Rahmen ihrer Sanierungsverpflichtungen gegen- len. Erfolgt im Einzelfall die Verfüllung der Bau-
über den Bergbehörden nachzuweisen, dass alle grube mit ausgehobenem Bodenmaterial, muss
nicht nachnutzungsfähigen Gebäudebestände, der Aushub den Kriterien nach dem Abschluss-
442 M. Illing et al.

betriebsplan für den Wiedereinbau oberhalb des


Grundwasserspiegels entsprechen. Die Verdich-
tung erfolgt lagenweise mit maximaler Lagen-
höhe von 50 cm. Der Grad der Verdichtung hat
sich an dem Umgebungsmaß zu orientieren. Die
Verfüllung von perforierten Baukörpern kann
dabei abweichend von den allgemeinen Festle-
gungen mit verdichtungsfähigem Recyclingma-
terial (Korngröße < 45 mm und Güte bis Z 1.2)
oder vergleichbaren Böden erfolgen. Die oberste
Schicht wird mit mindestens 25 cm kulturfähi-
gem Boden hergestellt. Der Einbau erfolgt ohne
Verdichtung mit 5 cm Überhöhung.
Erteilung Baufreiheit gemäß Bebauungs-   Medienentflechtung
Abb. 7.11  Standort Schwarze
Pumpe
plan Eine nachnutzungsorientierte Enttrüm-
merung ist nur bei konkreten Ansiedlungs- und
Nachnutzungsinteressen möglich. Auf Flächen
ohne diese Interessen kann nicht mit Sicherheit
ausgeschlossen werden, dass zu einem späteren
Zeitpunkt nachträgliche Sanierungs- und Ent-
trümmerungsarbeiten notwendig werden. Zum
Beispiel wurden mit der Einführung der Bundes-
Bodenschutzverordnung (BBodSchV) neue Sa-
nierungszielwerte und Vorsorgeverpflichtungen
festgelegt. Das betrifft im Einzelnen durchzufüh-
rende Entsiegelungsmaßnahmen und nachnut-
zungsbezogene Gefahrenabwehr- und Vorsorge-
maßnahmen. Zur Schaffung einer durchwurzel-
baren Bodenschicht ist somit eine Tiefenenttrüm- Abb. 7.12    Vorbereitung Flächennachnutzung durch
merung von − 1 m erforderlich bzw. ein Kulturbo- Papierfabrik am Standort Schwarze Pumpe
denauftrag von 1 m. Kontaminierte Fundamente
sind anhand neuer Bewertungskriterien so tief zu
enttrümmern, dass keine schädlichen Bodenver- mationssystem mit dem Altlastenkataster. Hier
änderungen und Grundwasserschäden entstehen sind alle Altlasten im Verantwortungsbereich des
können. Unternehmens mit
• Standort,
Nachnutzungsorientierter Rückbau Eine be- • Gefahrenpotential,

ondere Form der Umsetzung von Abschluss- • Fläche und Ausmaß,
betriebsplänen stellt der nachnutzungsorientierte • Gutachterliche Bewertung,
Rückbau von stillgelegten Bergbauarealen dar. • Stand der Bearbeitung
Die Besonderheiten liegen in der komplexen • und noch notwendigem Handlungsbedarf für
Betrachtung der Nachnutzungsanforderungen. diese Areale nach Verdachtsklassen ausgewie-
Schwerpunkt bildet dabei die Entkernung der sen.
Bausubstanz verbunden mit der Teilentflech- Das Fachinformationssystem beinhaltet somit
tung der Medien beispielsweise im Kraftwerk die so genannte „Umwelt-Lebenslauf-Akte“ für
Schwarze Pumpe (Abb. 7.11 und 7.12). jede erkundete Altlastverdachtsfläche (ALVF).
Ein wesentliches Ausgangselement für die Erforderliche gutachterliche Prüfungen für die
Einschätzung des erforderlichen Sanierungsum- Sanierungsvorhaben belegen den aktuellen Ent-
fanges bildet unter anderem das Altlasteninfor-
7  Wiedernutzbarmachung der Flächen von Tages- und Veredlungsanlagen 443

Abb. 7.13   Grundelemente


einer Gefahrensituation

wicklungsstand der Altlastensanierung bezüglich Grundlagen der Maßnahmen der Gefahren-


Handlungsbedarf bzw. Gefährdungsfreiheit. abwehr bei Kontaminationen stellen die gutach-
Als Ergebnis dieser Maßnahmen und Bewer- terliche Bewertung für alle bekannt gewordenen
tungen werden in Abhängigkeit von der Nachnut- Altlastverdachtsflächen auf der Basis der Ergeb-
zung und unter Berücksichtigung der Verhältnis- nisse der vorliegenden Gefährdungsabschätzun-
mäßigkeit weitere Sanierungs- bzw. Sicherungs- gen und Unterlagen der jeweiligen Grundstücke
maßnahmen für die Betriebsareale festgelegt. dar. Die dabei erkannten Defizite werden im
Ohne den Nachweis der Kontaminationsfreiheit Rahmen der Sanierungsuntersuchungen aufge-
beziehungsweise die Einhaltung der nachnut- arbeitet. Je nach lokalen Randbedingungen sind
zungsorientierten Sanierungsziele wird für diese ehemalige Eintragsbereiche – die sog. Schad-
Gebiete die Bergaufsicht für eine Folgenutzung herde – im Oberboden, in der Aerationszone und
nicht beendet. im Grundwasserschwankungsbereich belastet.
Das ist mit Gutachten lückenlos in einer Ab- Diese Betrachtungshorizonte sind mit den jewei-
schlussdokumentation gegenüber der Bergbehör- ligen Schadherden in Tabelle 7.1 aufgeführt.
de zu belegen. Grundlage für den Sanierungs- Die Schadstoffe finden sich am Bodenkorn an-
erfolg ist die klare Definition des Umfanges und gelagert, gelöst im Porenwasser sowie verteilt als
des Nachweises einer zielorientierten Realisie- flüssige Phase (NAPL). Auf dem Werksgelände
rung. Der Abschlussbericht zur Beendigung der sind die Schadherde Entphenolung, Tanklager,
Bergaufsicht gilt als ein Kriterium für eine gefahr- Rectisolanlage mit dem größten Quellpotential
lose Nachnutzung bergbaulicher Liegenschaften. für das Grundwasser ermittelt worden. Weiter-
hin sind mehrere lokale Schadherde ausgewiesen.
Die Lage der Bodenschadherde in der Entpheno­
7.3.2 Maßnahmen der lung Schwarze Pumpe ist in Abbildung 7.14
Gefahrenabwehr bei Bodenkon- ersichtlich.
taminationen Die dominierenden Schadstoffe können prin-
zipiell in lipophile Stoffe (KW, AKW, PAK) und
Grundlagen Grundsätzlich wird jede Gefah- hydrophile Stoffe (Phenole) eingeteilt werden. In
rensituation durch die drei in Abbildung 7.13 Folge mikrobiologischer Umsetzungsprozesse
ausgewiesenen untrennbar miteinander ver- befinden sich Ammonium, Schwefelwasserstoff,
knüpften Grundelemente gekennzeichnet, d. h. Methan gelöst im Grundwasser. Die Schadstoffe
durch die Quelle der Gefahr, den Wirkungspfad werden den Wassergefährdungsklassen 2 und 3
und das gefährdete Schutzgut. Als Wirkungspfad zugeordnet.
wird hierbei der Weg bezeichnet, auf dem die Eine toxikologische Betrachtung für Kohlen-
Gefahrenquelle ihre schädigende Wirkung für veredlungsstandorte kann nur für eine Auswahl
das betroffene Schutzgut zu realisieren vermag. der vorhandenen chemischen Verbindungen vor-
Die nachfolgend zu betrachtenden Gefahren genommen werden, da die toxikologische Be-
gehen von Gefahrstoffen aus (bodengefährdende urteilung der Wechselwirkungen mit der Umwelt
und wassergefährdende Stoffe) und die zu be- bisher nur für Hauptkomponenten, wie z. B.
trachtenden Schäden werden durch Schadstoffe Benzol, Naphthalin und Benzo[a]pyren vorlie-
determiniert. gen. Zahlreiche physiologisch wirksame Stoffe
und Komponenten mit biologischer Potenz sind
444 M. Illing et al.

Tab. 7.1   Typische Verteilung des Schadstoffinventars im ungesättigten Horizont von Veredlungsflächen des Lausitzer
Reviers

%HWUDFKWXQJVKRUL]RQW 6FKDGKHUG *HIlKUGHWHV 7UDQVSRUW


6FKXW]JXW

P $EODJHUXQJ 0HQVFKOLFKH $XVJDVXQJ


*HVXQGKHLW 6WDXE
%RGHQ]XU 1XW]XQJVEHGLQJWH
2EHUERGHQ .RQWDPLQLHUWHU JHZHUEOLFKHQ $XIQDKPH
%RGHQ 1XW]XQJ
*UXQGZDVVHU 6LFNHUZDVVHU3KDVH
0RELOHXQG
P UHVLGXDOHgOSKDVH

%RGHQ]XU 1XW]XQJVEHGLQJWH
JHZHUEOLFKHQ $XIQDKPH
$HUDWLRQV]RQH  1XW]XQJ
HLQVFKOLH‰OLFK *UXQGZDVVHU 6LFNHUZDVVHU3KDVH
*UXQGZDVVHUVFKZDQ
NXQJVEHUHLFK FDP 

ELVP $XIVFKZLPPHQGH
gOSKDVH )ORDWLQJ

1LFKWNRQWDPLQLHUWHV 6FKDGVWRIIHLQ/|VXQJ
*UXQGZDVVHUXQG
3KDVH
*UXQGZDVVHU]RQH 0RELOHgOSKDVH $EVWURP
2EHUIOlFKHQZDVVHU
*HO|VWH
6FKDGVWRIIH

selprozessen werden Metabolite gebildet, die die


Anzahl der Kohlenwasserstoffverbindungen wei-
ter erhöhen.
Für die Gefährdungsabschätzung und die Be-
urteilung des Handlungsbedarfs wird daher von
der größten möglichen Schadwirkung der be-
kannten Verbindungen (Worst-case-Betrachtung)
ausgegangen.
Als wichtige Randbedingung bei Bodensanie-
rungsmaßnahmen muss der nachgewiesene, sehr
hohe Gehalt an aromatischen Verbindungen im
Boden berücksichtigt werden. Es wurden Kon-
Abb. 7.14   Schadstoffausbreitung Entphenolung Standort zentrationen von Benzol über 300 mg/kg fest-
Schwarze Pumpe
gestellt. Benzol hat einen hohen Dampfdruck
und ist auch schon in geringen Konzentrationen
nach dem Stand der Messtechnik nur bedingt krebserzeugend. Daher gelten sowohl seitens des
zugänglich und teilweise nur mit unverhältnis- Arbeitsschutzes als auch des Immissionsschutzes
mäßig hohem Aufwand analysierbar. Im Zusam- hohe Anforderungen beim Umgang mit Benzol.
menhang mit den mikrobiologischen Stoffwech- Diese müssen bei allen Verfahren, bei denen der
7  Wiedernutzbarmachung der Flächen von Tages- und Veredlungsanlagen 445

Abb. 7.15   Grundwasser


als Schutzgut nach Wasser-
haushaltsgesetz (WHG)

kontaminierte Boden in direkten Kontakt mit der edlungsanlagen wurden durch Detailerkundung
Atmosphäre tritt, berücksichtigt werden. und Sanierungsuntersuchungen ermittelt. Aus
Die Auswahl geeigneter Sanierungsverfahren den Daten lassen sich allgemeine Aussagen zur
wurde durch die spezifische Schadenssituation Schadstoffverteilung in den Schadherden unter
der einzelnen Schadherde und die aktuelle bzw. den Randbedingungen des Standortes ableiten.
künftige Nutzung bestimmt. Grundsätzlich ist
die Bodensanierung auf die wirksame Unterbre- Ausgangssituation im Boden Aus der drei-
chung der Gefährdungspfade ausgerichtet. dimensionalen Darstellung der untersuchten
Schadherde lässt sich ein allgemeingültiges
Sicherung und Sanierung von Bodenkonta- Verteilungsschema der Schadstoffe in der unge-
minationen  Dies wird mit zwei prinzipiellen sättigten Bodenzone erstellen. (s. Abb. 7.15).
Vorgehensweisen erreicht: die Sicherung und die Ausgehend vom Eintragsherd verlagern sich die
Dekontamination der Schadherde. flüssigen Schadstoffphasen der Schwerkraft fol-
Durch die Sicherungsmaßnahmen werden gend in die Tiefe. Dies geschieht bevorzugt über
Schadstoffausträge durch z. B. den Sickerwas- Bodenschichten mit grobkörnigen Bestandteilen.
serpfad in das Grundwasser oder den Gaspfad Bodenschichten mit feinkörnigen Bestandteilen
(Geruchsemission) aus Ablagerungen wirksam wirken hemmend und führen oft zu einer hori-
unterbrochen. zontalen Ausbreitung. Auf schluffigen Schich-
Die anteilige oder vollständige Dekontami- ten und in Braunkohle werden die Schadstoffe
nation wird durch das Entfernen der Schadstoffe akkumuliert. Die braunkohlenbürtigen Schad-
aus dem Boden durch Bodenaushub oder in situ stoffe haben überwiegend eine geringere Dichte
durch chemische oder mikrobielle Zerstörung als Wasser. Daher besitzt die Übergangszone in
der Schadstoffe realisiert. Die chemische oder die gesättigte Bodenzone eine stauende Wirkung,
mikrobielle Umwandlung der Schadstoffe im so dass sich die Schadstoffe oberhalb des Grund-
ausgehobenen Boden an der Geländeoberfläche wasseranschnitts als Phase anreichern. Wenn
(On-Site-Kompostierung) bzw. in speziellen Bo- der Grundwasserspiegel während des Eintrags
denbehandlungs- oder Verwertungsanlagen off oder im Verlauf des Absinkens der Schadstoffe
site sind Möglichkeiten der Nutzbarmachung des nach dem Eintrag deutlich sinkt oder steigt, ver-
Bodens. bleiben im Boden daher Schichten mit höheren
Die Lage, Ausdehnung und Schadstoffzu- Schadstoffgehalten im Teufenniveau des ehe-
sammensetzung der bekannten, als Schadherd maligen Grundwasserstandes. Für jeden bekann-
bezeichneten kontaminierten Bereichen auf den ten Schadherd lassen sich ein als „Kernbereich“
vormals bergbaulich genutzten Flächen der Ver- bezeichnetes Zentrum mit deutlich höheren
446 M. Illing et al.

Schadstoffgehalten und ein „Randbereich“ aus- für Arbeitsschutz, Handling und Entsorgungen
weisen. Die Schadstoffsättigung bestimmter werden konventionelle Aushubverfahren mit
Bodenzonen führt zur Herabsetzung der kf- Werte vorlaufender Belüftung und Entgasung (Bo-
und bewirkt, dass Sickerwasser die schadstoffge- denluftabsaugung) kombiniert. Die Belüftung
sättigten Bodenzonen nicht durchströmen kann. und Entgasung hat eine Umstellung der Milieu-
Das Wasser folgt bestimmten Vorzugswegen und bedingungen zur Folge und kann damit, in Ab-
mobilisiert vorrangig Schadstoffe aus dem Rand- hängigkeit der Einwirkdauer, eine teilweise bio-
bereich des Schadherdes. Deshalb werden die chemische Oxidation organischer Schadstoffe im
Schadherde über sehr lange Zeiträume als Quelle Boden bewirken. Ein Effekt dieser Verfahren ist
für die Grundwasserkontamination wirksam sein. die Unterdrückung von Gas- und Geruchsemis-
sionen bei der Öffnung des Untergrundes.
Aushubmethoden und Verfahren in der Pra-
xis der Braunkohlesanierung In der Sanie- Prinzip der Bodenumlagerung Die Umla-
rungspraxis der Lausitzer und mitteldeutschen gerungsprojekte sind durch eine intensive
Veredlungsanlagen hat sich die Umlagerung mit Stoffstromlogistik und zeitweilig extensive
der Dekontamination durch Aushub kleinräu- Flächennutzung für die Zwischenlagerung von
mig kontaminierter Bodenbereiche (Hotspots) Aushub und Baustoffen charakterisiert. Mit
mit anschließender gesicherter Ablagerung und der Oberflächenabdichtung wurde der Schich-
Oberflächenabdichtung zur schnellen Nutz- tenaufbau sowohl mit mineralischer Dichtung
barmachung von Flächen bewährt. Mit der als auch Bitumendichtungen hergestellt. Eine
Umlagerung sind in Abhängigkeit von der detaillierte Darstellung dieser Sicherungsmaß-
Zusammensetzung und Konzentration der nahmen erfolgt in den Abschnitten 7.4.1, 7.4.2
Schadstoffe zur Einhaltung des Arbeits- und und 7.4.4. Für die Abdeckung geringer kontami-
Umgebungsschutzes aufwendige und kos- nierter Ablagerungen wurden auch qualifizierte
tenintensive Maßnahmen verbunden. Diese Oberflächenabdeckungen durch Gestaltung einer
bestehen z. B. für leichtflüchtige Schadstoffe, Wasserhaushaltsschicht mit entsprechender Rest-
aus Gründen des Umgebungsschutzes, in einer durchsickerung realisiert.
Einhausung des Schadensbereiches mit aktiver
Entlüftung und Abluftdeodorierung der Hallen- Bodenluftabsaugung  Bei einer Kontamination
luft. Bei der Abgrabung ist auf die Minimierung mit leichtflüchtigen organischen Substanzen hat
offen liegender Kontaminationsherde zu achten. sich die Bodenluftabsaugung als effektives und
Deshalb werden kleinräumige Entnahmever- kostengünstiges In-Situ-Verfahren für Böden
fahren zur Anwendung gebracht. In der Praxis erwiesen. Es gilt heute als Standard-Sanierungs-
haben sich Bodenaushub mit überschnittener verfahren und kommt auch als Ex-Situ-Verfahren
Großbohrtechnik und kleinräumiger Aushub in in Bodenmieten zum Einsatz.
Spundwandkästen zur Minimierung der Schad- Die Sanierungsdauer ist von der Bodenart, der
stoffemissionen und der Einsparung von Wasser- Schadstoffmenge und dem Ausmaß des Schadens
haltungsmaßnahmen bewährt. abhängig. Da der Schadstoff in die Gasphase
Der Einsatz der so genannten Wabentechnik überführt wird, muss die entstandene schadstoff-
weist die Vorteile der überschnittenen Großboh- belastete Luft mit einem Abluftreinigungsverfah-
rung aus, führt aber aufgrund des passgerechten ren gereinigt werden.
Sechseckprofils nicht zu Überschneidungen mit Durch die Bodenluftabsaugung sind die leicht-
bereits verfüllten Bereichen, die bei der Groß- flüchtigen Aromaten und Kohlenwasserstoffe der
bohrtechnik bis zu 25 % betragen können. Die Veredlungsstandorte wie die z. B. BTEX- Aro-
Wabentechnik erfordert allerdings entsprechende maten und niedermolekulare aliphatische und ali-
Baufreiheit und kann derzeit bis maximal 8 m zyklische KW (z. B. Cyclopentan) sowie Naph-
Endteufe eingesetzt werden. Zur Minimierung thalin eliminierbar, die einen hohen Dampfdruck
der Schadstoffemission und der weiteren Kosten (> 10 mbar) und eine hohe Sättigungskonzentra-
7  Wiedernutzbarmachung der Flächen von Tages- und Veredlungsanlagen 447

tion (> 10 g/m³) besitzen. Die Absaugung erfolgt das verdampfende Bodenwasser als Träger ver-
über Bohrungen mit perforierten Rohren. Der wendet werden kann (Trägerdampfdestillation
benötigte Unterdruck wird mit Ventilatoren oder oder Dampfstripping). Über Sauglanzen werden
Vakuumpumpen aufgebaut. Aufgrund des Ab- die Schadstoffe hochkonzentriert erfasst und
saugvorgangs wird die Gleichgewichtslage der Kühlungsanlagen bewirken eine Rückkondensa-
entstandenen Gasphase der Kontaminanten im tion der Schadstoffe.
Porenraum des Bodens verschoben. Viele durch- Das Verfahren lässt sich mit mikrobiolo-
geführte Absaugversuche zeigen die Sensibilität gischen In-Situ-Verfahren kombinieren. Die
der Gleichgewichtsverschiebung, die leichtflüch- In-Situ-Chemische-Oxidation (ISCO) ist ein
tigen organischen Substanzen sowohl von der Verfahren zur Oxidation von Schadstoffen im
flüssigen Phase als auch von der Bodenmatrix Grundwasser und Boden durch Injektion von
und der Grundwasseroberfläche in die Gasphase mit Oxidationsmitteln angereichertem Wasser
übertreten lässt. Bei durchlässigen Böden kann vorrangig in den Grundwasserleiter. Als Oxida-
ein Absaugradius von 50 m erreicht werden, der tionsmittel werden Wasserstoffperoxid (H2O2),
sich aber bei undurchlässigen Böden auf 1 bis Fentons Reagens (durch die Reaktion von Was-
2 m verkleinern kann. serstoffperoxid mit Eisenkatalysatoren freige-
setzte Hydroxylradikale, die aufgrund ihres un-
Immobilisierungs- und Einschlusstech- gesättigten Elektronenpaars sehr reaktionsfähig
niken  Eine weitere Sicherungsmöglichkeit bie- sind), Kaliumpermanganat (KMnO4), Ozon (O3)
tet die Immobilisierung, bei der durch Zugabe und molekularer Sauerstoff (O2) eingesetzt. Die
von z. B. Bindemitteln die Eluierbarkeit der Wirkung dieser Oxidationsmittel kann durch die
Schadstoffe im Untergrund deutlich verrin- Erzeugung reaktionsfähiger OH- (Hydroxyl-)
gert wird. Immobilisierungstechniken wurden Radikale bei kombinierter O3/H2O2-Behandlung
nach vorplanerischer Betrachtung aufgrund der oder H2O2/UV- bzw. O3/UV-Bestrahlung wesent-
Schadherddimension und der fehlenden Erfah- lich verstärkt werden (weitergehende Oxidation).
rungswerte für das Langzeitverhalten nicht wei- Organische Schadstoffe können durch ISCO
ter verfolgt. vollständig zu Wasser und Kohlendioxid oxidiert
Vertikale Dichtwände wurden ebenfalls für werden. In der Regel wird der Einsatz von Oxida-
die Einkapselung von Schadherden diskutiert. tionsmitteln im gesättigten Porenraum mit einer
Die Nutzung von z. B. Schlitz-, Gefrier-, Spund- hohen Reinigungsleistung von über 90 % für un-
und Injektionswänden bieten unterschiedliche gesättigte Kohlenwasserstoffe und aromatische
Vorteile. Das System der Einkapselung scheidet Verbindungen wie Benzol angegeben. Grund-
jedoch unter dem Einfluss des nachbergbauli- sätzlich werden solche In-Situ-Verfahren im un-
chen Grundwasserwiederanstiegs und dem damit gesättigten Boden durch Effekte wie die Ausbil-
verbundenen langjährigen Wassermanagement dung von Vorzugswegen (preferential flow) und
im kontaminierten Bereich aus. eingeschränkte Injektionsbereiche limitiert. Zu
den chemisch-physikalischen In-Situ-Verfahren
In-Situ-Dekontamination des Bodens  Die gehören In-Situ-Bodenwaschverfahren. Die Ver-
Dekontamination von Boden und Bodenluft fahren unterscheiden sich hinsichtlich der Löse-
kann mit In-Situ-Verfahren häufig kostengüns- und Entnahmetechnik sowie der eingesetzten
tiger durchgeführt werden. Zahlreiche Konzepte Waschmittel. Am Standort Schwarze Pumpe wur-
zu In-Situ-Technologien sind aus thermischen den für den Boden die In-Situ-Propanolwäsche
und biologischen sowie chemisch-physikali- und für den Grundwasseranschnitt die In-Situ-
schen Verfahren entwickelt worden. Durch das Tensid-Wäsche erprobt. In-Situ-Wäschen basie-
Einbringen von z. B. thermischer oder hochfre- ren auf dem Prinzip, aus dem anstehenden Boden
quenter Energie in den Untergrund lassen sich mit Hilfe von aus Injektionslanzen austretenden
die belasteten Bodenbereiche auf 100 bis 160 °C Waschlösungen oder Lösemitteln Schadstoffe
erhitzen. wobei für die höher siedenden Stoffe herauszulösen, wodurch in gewissem Grade in
448 M. Illing et al.

situ gewaschen wird. Die eigentliche Trennung denwäsche als Behandlungsverfahren bei einem
von Schadstoffen aus dem Waschmittel/Wasser/ Feinkornanteil kleiner als 30 % (Masse) aus.
Schadstoffgemisch erfolgt on site. Detailliertere Biologische Verfahren stellen eine in vielen
Ausführungen zur In-Situ-Bodenwäsche erfol- Fällen ökologisch sinnvolle Methode der Schad-
gen in Kapitel 7.4.2. Die Anwendung der Verfah- stoffbehandlung im Boden dar, solange die toxi-
ren ohne Bodenaushub ist im Vergleich zu den schen Stoffe im Boden mit technisch und ener-
On-Site- und Off-Site-Verfahren vergleichsweise getisch geringem Aufwand durch Stoffwechsel-
gering. Dies ist z. T. auf die geringere Kontrol- prozesse der bodeneigenen Mikroorganismen
lierbarkeit des Sanierungserfolges als auch auf entgiftet werden können. Biologische Verfahren
die verfahrenstechnische Umsetzung zurückzu- zur Bodensanierung zielen auf den beschleunig-
führen. ten Abbau vorhandener organischer Verbindun-
gen durch Aktivierung und Optimierung bereits
Off-Site-Verfahren  Neben den praktizierten vorhandener Bakterien und durch Zugabe spe-
Umlagerungsverfahren kann grundsätzlich eine ziell gezüchteter Stämme ab. Von besonderer Be-
Bodenbehandlung in On-Site(mobilen)-Anla- deutung für die Effektivität der Abbauprozesse
gen und Off-Site(stationären)-Anlagen durch- sind optimale Lebensbedingungen für Bakterien.
geführt werden. Die Bodenbehandlungsanlagen Von den in kontaminierten Böden vorkommen-
beinhalten mehrere Teilanlagen, die zusammen- den Schadstoffen sind viele organische Stoffe
gefasst die Bodenvorbereitung, Bodenwäsche, vorwiegend aerob leicht abbaubar. Das gilt ins-
Abtrennung des gereinigten Grobkornanteiles besondere für aliphatische und aromatische Koh-
vom Feinkornanteil und die Wasserbehandlung lenwasserstoffe und mit gewissen Einschränkun-
umsetzen. gen auch für polyzyklische aromatische Koh-
Als chemisch-physikalische Verfahren zur lenwasserstoffe (PAK). Grundsätzlich werden
Behandlung kontaminierter Böden haben sich drei verschiedene Technologien unterschieden:
insbesondere Verfahrenstechniken zur Schad- Landfarming, Regenerationsmieten und Bioreak-
stoffextraktion mittels Bodenwäsche in mehreren toren. Beim Landfarming wird der ausgekofferte
Anlagen großtechnisch durchgesetzt. Sie unter- Boden nach einer mechanischen Aufbereitung
scheiden sich in ihren Konzeptionen vorrangig (Siebung und/oder Schreddern) und Störstoffab-
durch die gewählte Anordnung von unterschied- trennung (Gesteinsbrocken, Kunststoffe, größere
lichen Klassierungs- und Trennverfahren sowie Holzteile) zu einem großflächigen Flachbeet aus-
durch unterschiedliche Waschmedien. Die An- geschüttet. Die Größe der Beete wird im Grunde
wendbarkeit von Bodenwaschverfahren ist von nur durch die örtlichen Gegebenheiten begrenzt.
den Eigenschaften der vorhandenen Schadstoffe In der Praxis wurden schon Rechteckbeete bis zu
und des Bodens abhängig. 20.000 m2 erreicht. Die aufgeschütteten Flach-
Ein bedeutendes Kriterium ist die Korngrö- beete werden durchgemischt. Die Durchmi-
ßen- und Korndichteverteilung hinsichtlich des schung dient der Homogenisierung und Belüf-
Feinkornanteiles im zu behandelnden Boden. tung des kontaminierten Bodens. Nach jeder Bo-
Die Ursachen liegen in den kleinen Durchmes- dendurchmischung werden in vorab berechneten
sern bei relativ großen Oberflächen der Boden- Mengen Nährstoffe, Prozesswasser sowie ggf.
partikel, aufgrund dessen von einer stärkeren Mikroorganismen dem Boden hinzugegeben. Die
Bindung zwischen Schadstoff und Partikel und gesamte Sanierungszeit beträgt je nach Art und
einer höheren Kontamination auszugehen ist. Grad der Verschmutzung mehrere Monate bis zu
Dieser Feinkornanteil beinhaltet den Hauptbe- einigen Jahren. Die häufigste Methode der bio-
standteil an gebundenen Schadstoffen und wird logischen Behandlung des Bodens ist das Mie-
i. d. R abgetrennt und gesondert entsorgt bzw. tenverfahren, bei dem die kontaminierten Böden
weiterbehandelt. Aufgrund der spezifischen Bo- zum Schutz des Grundwassers auf einer entspre-
denzusammensetzung (Korngrößen- und Korn- chend abgedichteten Fläche zu Mieten aufgesetzt
dichteverteilung) der Standorte scheidet die Bo- werden. Je nach Verfahren werden unterschiedli-
7  Wiedernutzbarmachung der Flächen von Tages- und Veredlungsanlagen 449

che Bearbeitungsschritte wie Bodenaufbereitung angemessenem Maße zu mindern. Die zu erfül-


(analog zum Landfarming), Homogenisierung, lenden Anforderungen bestimmen sich nach dem
Nährstoff- und Bakterienzugabe, Sickerwasser- Wasserrecht (z. B. § 4(4) 3. Satz BBodSchG).
kreislaufführung, Belüftung und Umsetzung an- § 48 (WHG) regelt die Reinhaltung des Grund-
gewandt. Die Mieten werden üblicherweise mit wassers. § 97 SächsWG bestimmt dies z. B. wie
einer Abdeckung versehen. Durch die Abdeckung folgt:
besteht zudem die Möglichkeit der Schaffung „Die für die Verunreinigung Verantwortlichen
optimaler Rahmenbedingungen (Temperatur, haben die erforderlichen Maßnahmen zur Scha-
Feuchtgehalt). Zur Beschleunigung der Abbau- densermittlung und Schadensbegrenzung und zur
prozesse und zur Optimierung von Steuerungs- Sanierung von Verunreinigungen auf ihre Kosten
möglichkeiten werden Bioreaktoren eingesetzt. durchzuführen oder durchführen zu lassen. Mit
Ein Bioreaktor ist ein geschlossenes System, in der Sanierung ist sicherzustellen, dass dauerhaft
dem die Behandlung des kontaminierten Bodens Gefahren beseitigt werden.“ Die wasserrechtlich
verfahrenstechnisch am besten beherrschbar ist. bestimmten Anforderungen sind somit darauf
Die Reaktoren können on site eingesetzt werden, gerichtet, dass von einem bereits eingetretenen
oftmals wird der Boden jedoch off site aus meh- Grundwasserschaden keine erheblichen Gefah-
reren Bioreaktoren verbracht. ren für andere Schutzgüter – so für noch unver-
Aufgrund der bergrechtlichen Verpflichtung sehrtes Grundwasser, für Rohwasserfassungen
zur Wiedernutzbarmachung der bergbaulich ge- der öffentlichen Trinkwasserversorgung, für
nutzten Flächen werden für die Bodensanierung oberirdische Gewässer (in die Grundwasser aus-
Verfahren favorisiert, die eine möglichst schnel- tritt), für vom Grundwasser abhängige Landöko-
le Verfügbarkeit garantieren. Deshalb sind die systeme (so z. B. grundwassergestützte Feucht-
o.g. On-Site-Verfahren aufgrund ihrer hohen biotope) und für im Grundwasserkontakt stehen-
und langjährigen Inanspruchnahme von Flächen de Bauwerke – ausgehen.
nicht zielführend. Die auf das Grundwasser bezogene Gefahren-
abwehr muss somit
Grundwasserkontamination/-schäden  Grund- • die Abwehr von Gefahren, die das Schutzgut
wasser ist wasserrechtlich als Grundwasserkörper, Grundwasser bedrohen, und
als Gewässer sowie als Grundwasserressource • die Abwehr von Gefahren, die von geschädig-
Schutz- bzw. Rechtsgut. Gefahren, die Grund- tem Grundwasser für weitere noch ungeschä-
wasserschäden erwarten lassen, sind deshalb zur digte Schutzgüter ausgehen, beachten. Abbil-
Gewährleistung des vorsorgenden Grundwasser- dung 7.15 veranschaulicht diese Betrach-
schutzes abzuwehren. Gefahrenquellen für das tungsweise.
Grundwasser sind diesbezüglich insbesondere Der geschädigte Grundwasserkörper (Syno-
Abfallablagerungen (so Deponien, Altablagerun- nym für Grundwasserschadstofffahne) wird oft-
gen, Halden, Kippen u. a. m.), Abwasseranlagen, mals in verschiedene Schadenszonen unterteilt.
Flüssigkeitsspeicher u. a. Elemente mit erhebli- Kriterien hierfür sind in der Regel der Grad der
chem Gefahren- bzw. Schadstoffinventar, deren Grundwasserschädigung. Als weiteres Unter-
Containment Leckagen aufweist. Dabei gilt es scheidungsmerkmal dient u. a. auch das Vor-
stets zu beachten, dass nicht nur das unversehrte kommen oder Nichtvorkommen mobiler oder
Schutzgut, sondern auch bereits geschädigtes residualer öliger Flüssigphasen (NAPL) oder in
Schutzgut vor Gefahren seiner Verschlechterung den Grundwasserbereich eingetragene feste re-
laut § 47a WHG zu bewahren ist. mobilisierbare grundwassergefährdende Stoffe.
Grundwasser ist durch das geltende deut- Die Abwehr von Gefahren, die dem Grund-
sche und europäische Wasserrecht Schutzgut. wasser unterhalb der Standorte von Tages- und
Grundwasserschäden (Synonym für nicht nur Veredlungsanlagen von Bodenfunktionsschäden
geringfügig verunreinigtes Grundwasser) sind als Gefahrenquelle her drohen (Abb. 7.16), wur-
deshalb basierend auf einer Schadensanalyse in den im Abschnitt 7.1.4 erörtert, so dass nachfol-
450 M. Illing et al.

Abb. 7.16   Bodenschadherde unter Veredlungsanlagen

gend nur die Abwehr von Gefahren, die weiteren off site über Tage gereinigt und reinfiltriert
Schutzgütern von bereits geschädigtem Grund- oder der oberirdischen Vorflut bzw. einem
wasser bzw. nicht mehr mit angemessenen Mit- Kanalnetz zugeführt. Gemäß § 9 (WHG) sind
teln vermeidbaren Grundwasserschäden drohen, das Zutagefördern von Grundwasser sowie die
zu betrachten sind. Rückführung des behandelten Grundwassers
Grundsätzlich werden dabei unterschieden: in oberirdische Gewässer oder das Grundwas-
• Dekontaminationsmaßnahmen des Grundwas- ser Benutzungshandlungen, die einer wasser-
serschadensbereiches, d. h. Gefahrenabwehr- rechtlichen Erlaubnis bedürfen.
maßnahmen durch Minderung des Gefahr- • In-Situ-Behandlungsmaßnahmen des konta-
bzw. Schadstoffinventars im zu betrachtenden minierten Grundwassers im zu betrachtenden
Grundwasserschadensbereich Grundwasserschadensbereich. Diese Maßnah-
• Sicherungsmaßnahmen der zu betrachtenden men werden in der Regel durch den Eintrag
Schutzgüter, die der Gefahr unterliegen, von gasförmiger, flüssiger oder fester Reaktanten
den Gefahr- bzw. Schadstoffen des Grund- in den Grundwasserschadensbereich erstrebt,
wasserschadensbereiches nicht nur geringfü- die eine In-Situ-Wandlung der maßgebenden
gig geschädigt zu werden Gefahr- bzw. Schadstoffe in ungefährliche,
Die Dekontaminationsmaßnahmen des Grund- keine Schäden bewirkende Stoffe zu bewir-
wasserschadensbereiches werden gemeinhin ken vermögen, oder eine möglichst irreversi-
unterteilt in: ble In-Situ-Immobilisierung der Gefahr- bzw.
• On- bzw. Off-Site-Behandlungsmaßnahmen Schadstoffe hervorrufen.
des kontaminierten Grundwassers aus dem Die Sicherungsmaßnahmen der zu betrachtenden
betrachteten Grundwasserschadensbereich. Schutzgüter zielen auf die Unterbrechung des
Diese Maßnahmen werden in der Regel als Wirkungspfades gem. Abbildung 7.13 ab, ohne
Pump-And-Treat-Maßnahmen  bezeichnet, die Quelle der Gefahr zu mindern. Gewöhnlich
d. h. das geschädigte Grundwasser wird hier- werden unterschieden:
bei abgepumpt (über Tage gefördert), on oder
7  Wiedernutzbarmachung der Flächen von Tages- und Veredlungsanlagen 451

Abb. 7.17   Brikettfabrik und Kraftwerk West 1 in Schwarze Pumpe 1993

• Maßnahmen der Einkapselung der Gefah- Hoyerswerda im Nordosten Sachsens und Sprem-
renquelle durch Dichtwände, dichte Sohlen berg im Südosten Brandenburgs. Das Werksge-
(Basisdichtungen) und dichte Abdeckungen lände Schwarze Pumpe, für das eine Sanierungs-
• Maßnahmen, die das aus dem Grundwasser- konzeption entwickelt wurde, umfasst eine Flä-
schadensbereich abströmende verschmutzte che von ca. 480 ha. Die Landesgrenze zwischen
Grundwasser in situ behandeln dem Bundesland Brandenburg und dem Freistaat
Diese gewöhnlich als aktive und passive durch- Sachsen verläuft durch das Werksgelände.
strömten reaktive Wände (engl. permeable re- In den Jahren 1955 bis 1970 sind Anlagen
active barriers, kurz PRB) bezeichneten In-Situ- zur Erzeugung von Elektroenergie, Fernwärme,
Durchflussreaktoren haben ganz unterschiedli- Stadtgas, Brikett, Koks und flüssigen Wertstoffen
che Bauformen, bekannt sind insbesondere die aus Braunkohle errichtet worden. Auf dem Be-
vollverfilterten Feststoffwände, die Funnel-And- triebsstandort wurden 3 Kraftwerke, 3 Brikettfa-
Gate-Systeme und die Drain-And-Gate-Systeme briken, ein Druckgaswerk und eine Kokerei be-
(Burmeier et al. 2007). trieben (Abb. 7.17 und 7.18).
Die Realisierung des Sanierungsprojektes
„Brikettfabrik West Schwarze Pumpe“ erfolgte
7.4  Beispiele technischer im Zeitraum von September 1996 bis Dezember
Maßnahmen 2002.
Das Gelände, auf dem die Wiedernutzbar-
7.4.1  Abriss und Rückbau machung abgeschlossen wurde, befindet sich im
Industriekern Schwarze Pumpe auf brandenbur-
Abriss ohne konkrete gischem Gebiet westlich in einer Entfernung von
Nutzungsanforderung ca. 1,2 km vom Ortsteil Schwarze Pumpe. Das
Brikettfabrik West Schwarze Pumpe  Der In- Territorium der gesamten Sanierungsfläche Bri-
dustriekomplex Schwarze Pumpe liegt zwischen kettfabrik West hat eine Größe von 7,8 ha.
452 M. Illing et al.

Abb. 7.18   Brikettfabrik


West 2 in Schwarze Pumpe

Da keine Nachnutzungsanforderung vor- West waren die Voraussetzungen für die Been-
lag, erfolgte die Sanierung der Anlagen auf der digung der Bergaufsicht gemäß (BBergG) § 69
Grundlage der vorliegenden Abschluss- und Son- Abs. 2 gegeben.
derbetriebspläne, der LMBV-internen Richtlinien
für die Sanierungsplanung und des LMBV-Hand- Brikettfabrik/Kraftwerk Holzweißig  Mit dem
buches Sanierungsplanung und -controlling. Aufschluss des Tagebaues Grube Leopold 1908
Nach der Stilllegung der Brikettfabrik West und dem ansteigenden Bedarf an Brennstof-
am 1. Juli 1996 begann die Demontage der fen für die entstehende chemische Industrie in
technischen Einrichtungen in den Gebäuden und Bitterfeld schlug auch die Geburtsstunde der
baulichen Anlagen bis Ende 1997. Brikettfabrik einschließlich einer Stromerzeu-
Entsprechend den Forderungen des Kreislauf- gungsanlage zur Abdeckung des Eigenbedarfes.
wirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG) ist Mit dem ständig steigenden Bedarf an Briketts
bei dem Rückbau von Gebäuden und baulichen und Elektroenergie erfolgte eine stetige Erwei-
Anlagen eine höchstmögliche Verwertung der terung der Brikettfabrik mit den dazugehörigen
anfallenden Abrissmassen anzustreben. Daraus Kesselhäusern. Die bebaute Fläche betrug 1990
resultierend musste der Abbruch nach dem Prin- ca. 13 ha, auf denen 23 Gebäudekomplexe und
zip des selektiven Rückbaus erfolgen. Dies be- 2 Schornsteine standen. In dem durch Wärme-
inhaltete speziell die Trennung der beim Abbruch Kraft-Kopplung betriebenen Veredlungskom-
bzw. der Entkernung anfallenden Materialien plex wurden Briketts, Siebkohle, Elektroenergie,
nach Stoffgruppen und eine Trennung der konta- Fernwärme und Dampf für die Hauptabnehmer
minierten von der unbelasteten Bausubstanz. chemische Industrie und Haushalte des Kreises
Diese Verfahrensweise wurde beim Abbruch Bitterfeld produziert (Abb. 7.19).
der Gebäude und baulichen Anlagen des Be- Unter Beachtung des sinkenden Absatzes, vor
triebsstandortes der ehemaligen Brikettfabrik allem an Hausbrandbriketts, wurde die Produk-
West Schwarze Pumpe grundsätzlich angewandt. tion der Brikettfabrik zum 31. März 1993 einge-
Es wurden die zur Entsorgung der Materialien er- stellt. Das Kraftwerk wurde nach Entflechtung
forderlichen Deklarationsanalysen und der Nach- von Fernwärme- und Dampfleitungen am 15.
weis der Kontaminationsfreiheit erbracht. April 1993 außer Betrieb genommen.
Mit dem Abschlussbericht aller notwendi- Zur Vorbereitung der Außerbetriebnahme der
gen Sanierungstätigkeiten zum Rückbau und Produktionsanlage wurde bei der zuständigen Be-
der Oberflächensanierung ohne Folgenutzung hörde, dem Bergamt Halle, ein Abschlussbetriebs-
für das ehemalige Betriebsgelände Brikettfabrik plan eingereicht und die ordnungsgemäße Außer-
7  Wiedernutzbarmachung der Flächen von Tages- und Veredlungsanlagen 453

Abb. 7.19   Brikettfab-


rik Holzweißig vor der
Sanierung

Abb. 7.20   Brikettfabrik


Holzweißig während
der Sanierung

betriebnahme, die Demontage/Erntkernung, der das Leerfahren und Reinigen der braunkohlen-
Abbruch der baulichen Anlagen, die Entsorgung verarbeitenden Produktionsanlagen, wie Bunker,
kontaminierten Materials und die Medienentflech- Röhrentrockner, Brikettpressen, Fördermittel und
tung sowie die nachnutzungsorientierte Herstel- Dampferzeuger. Diese Arbeitsschritte sind unter
lung der Flächen angezeigt. Unter Beachtung, dass Beachtung der Explosionsgefährdung durch Koh-
für die vorhandenen Gebäude und Anlagen keine lenstaub eine Grundvoraussetzung für die folgen-
Nachnutzung durch die Kommune bzw. Dritter den Demontage- und Abbrucharbeiten gewesen.
vorgesehen war, erfolgte der Gesamtabbruch des Für die Entkernung der Gebäudekomplexe
Veredlungskomplexes (Abb. 7.20). wurde dem Bergamt eine Technologie eingereicht.
Das Bergamt Halle ließ den Abschlussbe- Die Entkernungstechnologie regelt die Freischal-
triebsplan am 3. August 1994 zu. tung der Anlagen, die Entsorgung von Betriebs-
Der erste Schritt zur Vorbereitung der Anla- stoffen (Öle, Fette) und die Trennung der Medien-
gendemontage und Entkernung der Gebäude war leitungen (Dampf, Wasser, Elektroenergie).
454 M. Illing et al.

Abb. 7.21   Standort Bri-


kettfabrik Holzweißig nach
der Sanierung

Die zurückgebauten Anlagenteile wurden auf Der Abschluss der Sanierung wird mit Einrei-
einem zentralen Schrottplatz zerkleinert und ver- chung der Anzeige auf Beendigung der Bergauf-
laden. Bei der Entkernung sind ca. 11.540 t Stahl- sicht dokumentiert. Die protokollierte gemeinsa-
schrott angefallen. Nach Abschluss der Entker- me Abschlussbegehung mit Berg- und beteiligten
nungsarbeiten erfolgte der maschinelle Abbruch anderen Behörden und Bergbauunternehmen
der Gebäude durch Seilbagger mit Fallgewicht LMBV stellt im Falle einer Nichtbeanstandung
und Hydraulikbagger. Die Schornsteine (120 m die Beendigung der Bergaufsicht und die Bestäti-
und 70 m hoch) wurden gesprengt. Für jedes ab- gung einer ordnungsgemäßen Sanierung dar.
zubrechende Gebäude wurde beim zuständigen Der sanierte Bereich wurde der Gemeinde
Bauordnungsamt ein Abbruchantrag mit Techno- Holzweißig verkauft. Nach bestätigtem Flächen-
logie zur Genehmigung eingereicht. Die Besei- nutzungsplan ist eine Ansiedlung von Gewerbe
tigung der Fundamente wurde unter Beachtung vorgesehen. Die Erschließung des Standortes für
der (Nicht-)Nachnutzung ca. 0,5 m unter Gelän- eine Gewerbeansiedlung ist durch die Kommune
deoberkante vorgenommen. Kontaminierte Fun- zu planen (Abb. 7.21).
damentbereiche wurden komplett beseitigt. Die
Abbruchmassen betrugen 122.000 m3, die je nach Nachnutzungsbezogene Abriss- und
Schadstoffbelastung vermarktet bzw. entsorgt Rückbaumaßnahmen
wurden. Die Entsorgung schadstoffbelasteter Stof- Altkraftwerke Schwarze Pumpe  In Erfüllung
fe ist in einer Größenordnung von 7.610 t erfolgt. des Sonderbetriebsplanes (SBP) „Baufeldfrei-
Für die Sanierung des Standortes ohne konkrete machung zur Errichtung einer Papierfabrik am
Nachnutzung wurden 19,8 Mio. € aufgewendet. Standort Schwarze Pumpe“ und der Abschluss-
In Vorbereitung der abschließenden Flächen- betriebspläne (ABP) „Kraftwerke Schwarze
gestaltung des Sanierungsobjektes ist eine Ge- Pumpe“, der ABP „Nebenanlagen Gaswerk“ und
fährdungsabschätzung mit Deklarationsanalyse der ABP „Brikettfabrik Ost 2 Schwarze Pumpe“
erarbeitet worden. wurden seit Oktober 1998 bis März 2003 Gefah-
Der Nachweis, dass nach Abbruch der Be- ren beseitigt und unter Beachtung der Nachnut-
triebsanlagen keine Gefährdungen mehr für zungsziele folgende Tätigkeiten durchgeführt:
Mensch, Boden, Luft und Wasser bestehen, war • Stillsetzen der Anlagen
durch ein Gutachten zu erbringen. Die sanierten • Demontage
Flächen wurden zur Vermeidung von Bodenero- • Abbruch von Gebäuden und baulichen Anla-
sionen durch Wind und Wasser zwischenbegrünt. gen
7  Wiedernutzbarmachung der Flächen von Tages- und Veredlungsanlagen 455

Abb. 7.22   Schornstein-


sprengung Altkraftwerk
Schwarze Pumpe 1999

• Entsorgung (Verwertung und Beseitigung von Entkernung anfallenden Materialien nach Stoff-
Abfällen) gruppen und eine Trennung der kontaminierten
• Sanierung von Bodenkontaminationen von der nicht kontaminierten Bausubstanz.
• Wiedernutzbarmachung der Gesamtfläche Nach der Stilllegung der Altkraftwerke und
Das Baufeld umfasste das Gelände der ehemali- der dazu gehörenden Nebenanlagen am 30. Juni
gen Kraftwerke Mitte und Ost (Land Branden- 1998 begannen mit der Zulassung des Sonderbe-
burg) und der Luftzerlegung Nord des ehemali- triebsplanes die Arbeiten zur Trennung von Ver-
gen Gaswerkes (Land Brandenburg und Freistaat sorgungssystemen und zur Gefahrenabwehr.
Sachsen). Im Jahr 2001 erfolgte der oberirdische Abriss
Die Tiefenenttrümmerung und zur Baufeld- des Maschinenhausgebäudes KW West.
freimachung notwendige Medienumverlegung Die Sprengung der drei 120 m hohen Stahl-
erfolgten entsprechend dem Sonderbetriebsplan. betonschornsteine des Kraftwerkes West erfolgte
Der Umfang und der zeitliche Ablauf der Sa- am 10. Juli 1999; die drei 140 m hohen Stahl-
nierungsarbeiten richteten sich unter Berücksich- betonschornsteine des Kraftwerkes Mitte wurden
tigung der Verhältnismäßigkeit nach dem Fabrik- am 28. August 1999 gesprengt (Abb. 7.22).
layout der W. Hamburger AG als Investor für eine Die mit mineralischen Kohlenwasserstoffen
Nachnutzung zur Errichtung und dem Betrieb (MKW) belasteten Bereiche wurden entsorgt, so
einer Papierfabrik. Die Gefährdungsabschätzun- dass die Abbruchareale als kontaminationsfrei
gen und die aus dem Sanierungsfortschritt resul- eingestuft werden konnten.
tierenden Nachuntersuchungen waren die Grund- Für die beiden 200 m hohen Stahlbeton-
lage für die durchgeführte Sanierungsbegleitung schornsteine des Kraftwerkes Ost wurde mit dem
und die Feststellung des Sanierungserfolges. Fortschritt der Sanierungsarbeiten der Rückbau
Gemäß der Verpflichtung der LMBV wurden im Jahr 2000 erforderlich.
die vor dem 1. Juli 1990 verursachten Altlasten Der Abriss der Schornsteine musste aufgrund
beseitigt und der Nachweis der Gefährdungsfrei- von weitergehenden Nutzungen angrenzender
heit erbracht. Anlagen zweistufig durchgeführt werden.
Beim Rückbau von Gebäuden und baulichen Die Aktivitäten zur Entwicklung und
Anlagen wurde eine höchstmögliche Verwertung Vermarktung des Standortes wurden, wie in
der anfallenden Abbruchmassen angestrebt. Dar- Abschnitt 9.5.6 beschrieben, in engen Abstim-
aus resultierend erfolgte der Abbruch nach dem mungen zwischen den großen Flächeneigentü-
Prinzip des selektiven Rückbaus. Dies beinhaltete mern, den zuständigen Kommunen und Landkrei-
speziell die Trennung der beim Abbruch bzw. der sen erfolgreich durchgeführt. Mit der Ansiedlung
456 M. Illing et al.

werkes Espenhain (BVE) wurden 1937 bis 1942


errichtet und umfassten eine Fläche von ca. 248 ha.
Die Produktion umfasste die Erzeugung von Braun-
kohlenbriketts, Schwelkoks, Schwelteer, Leichtöl,
Schwefel sowie Wärme und Elektroenergie. Die
Luftangriffe im 2. Weltkrieg, die ungenügende
Instandsetzung und die unwirtschaftlichen Techno-
logien führten zu einer hohen Schadstoffbelastung
der Bausubstanz, des Bodens, der Luft und lokal des
Grundwassers.
Hauptkontaminanten waren Mineralölkoh-
lenwasserstoffe, Phenole, BTEX, polyzyklische
Abb. 7.23   Tiefenenttrümmerung Standort Papierfabrik aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und
Schwarze Pumpe Quecksilber. Die Eindringtiefe der Schadstoffe
in den Boden umfasste im Regelfall 2 m bis 3 m,
in Tanklagerbereichen und der Entphenolung
der österreichischen Papierfabrik „W. Hamburger bis 12 m. Im Sächsischen Altlastenkataster wird
AG“ waren Sanierungsarbeiten zur Baufeldfrei- der Altstandort mit 24 verschiedenen Altlastver-
machung bzw. -vorbereitung notwendig. dachtsflächen geführt. Innerhalb des bergrechtli-
Die Unterflurenttrümmerung erfolgte auf der chen Verfahrens zur Entlassung der Flächen aus
Fläche der zukünftigen Papierfabrik entspre- der Bergaufsicht wurden entsprechend der Säch-
chend dem Fabriklayout von 0,3 m bis 7,0 m sischen Altlastenmethodik die Sanierungsmaß-
unter Geländeoberkante. Unterirdische Leitun- nahmen gemäß dem Sanierungsziel – gewerbli-
gen mit einem Durchmesser von kleiner 400 mm che Nutzung – geplant und ab 01.07.1991 durch-
sind im Erdreich verblieben, Rohrleitungen ab geführt. Von 1990 bis 1992 wurden im Rahmen
Durchmesser 400 mm mit Kies versetzt. Der des Pilotprojektes „Modellhafte Altlastensanie-
Nachweis der Unbedenklichkeit liegt vor. rung des Betriebsstandortes Espenhain/Böhlen
Mit der Realisierung der Sanierungsmaß- mit dem Ziel eines umweltfreundlichen Gewer-
nahmen auf der Fläche des Geltungsbereiches be- und Industrieparks“ historische und orientie-
der Kraftwerke Schwarze Pumpe (39,2 ha), auf rende Altlastenerkundungen von verschiedenen
den Teilflächen der Geltungsbereiche des ABP Ingenieurbüros durchgeführt. Abbildung 7.24
Nebenanlagen Gaswerk (8,5 ha) und ABP Bri- zeigt den Industriestandort Espenhain im Jahr
kettfabrik Ost 2 Schwarze Pumpe (0,2 ha) sowie 1995.
der Fläche des Verkaufsgegenstandes Papierfab- Einteilung Sanierungsareale Unter der Maß-
rik (37,5 ha) wurden stillgelegte Industrieanlagen gabe einer industriell-gewerblichen Nachnutzung
mit Gefahren für die Allgemeinheit beseitigt. Es erfolgte durch das Bergamt Borna 1993 die Fest-
bestehen keine Restrisiken. Der Sanierungserfolg legung von Eingreif- und Sanierungszielwerten,
wurde mit der Beendigung der Bergaufsicht die 1995 für die Hauptsanierungsbereiche Des-
gemäß § 69 BBergG bestätigt. tillationen, Ofenhäuser, Verkaufstanklager und
Diese nachnutzungsorientierte Sanierung des Entphenolung neugefasst wurden. Das Belas-
ehemaligen Industriegeländes der Altkraftwerke tungsvolumen nach der flächendeckenden orien-
Schwarze Pumpe trug wesentlich zum Erfolg tierenden Untersuchung vom Institut Fresenius
einer Wiederansiedlung von Industrie am Stand- 1993 belief sich auf 534.500 m3 kontaminierten
ort bei (Abb. 7.23). Bodens. Für 30 Flächenareale wurde jeweils ein
Teilabschlussbetriebsplan nach Kontaminations-
Industriestandort Espenhain art und -tiefe aufgestellt und entsprechend dem
Historie und Kontaminationssituation Die Gefährdungspotential für den Grundwasserleiter
Anlagen des ehemaligen Braunkohlenveredlungs- 1.51 nach zeitlichem Handlungsbedarf unterteilt:
7  Wiedernutzbarmachung der Flächen von Tages- und Veredlungsanlagen 457

Abb. 7.24   Industriestandort Espenhain 1995

• Flächen mit kurzfristigem, akuten Handlungs- bereiche mit 16 Teilabschlussbetriebsplänen


bedarf zusammengefasst, für die die Fachbehörden ge-
• Flächen mit langfristigem Handlungsbedarf änderte Sanierungszielwerte für das Schutzgut
(Grundwasseranstieg) Boden festlegten. Mit Ausnahme von Queck-
• Flächen mit Handlungsbedarf bei Nachnut- silber gab es keine Eingreifwerte mehr, sondern
zung nur noch Sanierungszielwerte, die das Bergamt
Die Sanierungsplanung für die einzelnen Alt- Borna in der Zulassung zum ABP im Jahr 1997
lastbereiche wurde somit auch objektkonkret bestätigte.
und nutzungsbezogen nach den von der Alt- Objektkonkrete Sanierungsdurchführung
lastenfachkommission (Gremium aus Bergamt und städtebaulicher Rahmenplan Ab dem
Borna, Staatliches Umweltfachamt Leipzig und Jahr 1997 erfolgten die Entkernungen, Abrisse
Landratsamt Leipziger Land) 1995 festgelegten oberirdischer Anlagen, Tiefenenttrümmerungen,
Sanierungszielwerten durchgeführt. Die Bewer- thermische Entsorgung von Teerrückständen aus
tung der im Abschlussbetriebsplan vorgeschla- Tanklagerbereichen, Aushub und Entsorgung von
genen Sanierungsmaßnahmen durch das Staat- quecksilberhaltigem Boden Ofenhaus I und II,
liche Umweltfachamt Leipzig führte auf der Sicherung der Kalkhalde, der Teerbecken und der
Grundlage der Verteilung der Hauptschadstoffe LKW-Schuttkippe, mikrobiologische On-Site-
sowie unter Berücksichtigung des Gefährdungs- Behandlung von phenolkontaminiertem Boden
pfades Boden – Grundwasser zu einer teilflä- in der Entphenolung, Abdeckung der Aschekippe
chenbezogenen Differenzierung der Grenzwer- und Teerablagerungen mit 1m bindigem Boden
te, so dass für sensiblere Bereiche (Altlastenbe- sowie viele weitere Sanierungsmaßnahmen in
reiche mit hoher Belastungssituation an mobilen ehemaligen Produktions- und Nebenanlagen.
Schadstoffen und geringem Grundwasser-Flur- Die Tiefenenttrümmerung zur Entfernung
abstand), wie das Verkaufstanklager, strengere nicht kontaminierter Fundamente wurde entspre-
Werte vorgeschrieben wurden. Ab 1996 wurden chend bergamtlicher Zulassung vom 15.08.1996
kleinere Teilflächen in nur noch 16 Sanierungs- bis − 0,5  m unter Geländeoberkante (GOK) für
458 M. Illing et al.

industriell-gewerbliche Flächen und wegen der im ehemaligen BVE ergibt sich folgende Auf-
Durchwurzelbarkeit bis − 1  m unter GOK für teilung:
Begrünungs-/Waldbereiche realisiert. In Kon- • 34 % Verwertung der Aushubmassen auf der
taminationsbereichen erfolgte die Unterflurent- betriebseigenen Schuttkippe
trümmerung gemeinsam mit der Bodensanierung • 30 % Mikrobiologische Behandlung on site
bis − 3 m und lokal bis 5,5 m unter GOK, später und off site
nachnutzungsbezogen entsprechend Bebauungs- • 18 % Thermische Behandlung
plan. Bodensanierungsmaßnahmen in kontami- • 14 % Beseitigung auf Deponien
nierten Bereichen fanden bis − 5,5 m unter GOK • 4 % Sonstiges (Bodenwäsche etc.)
statt, tiefere Belastungen wurden mit bindigem Weiterhin kamen umfangreiche Sicherungsmaß-
Material gesichert. nahmen bei Altablagerungen (Kalkhalde, Teerbe-
Aufgrund der vorhandenen besonderen cken, Aschekippe, Schuttkippe) zur Anwendung.
räumlich-strukturellen und wirtschaftlichen In Abbildung 7.25 ist der Industrie- und Gewer-
Potentiale hatte der Standort des ehemaligen bepark Espenhain 2007 dargestellt.
BVE gute Voraussetzungen für eine erfolg- Weiterer Sanierungsbedarf besteht noch in
reiche Revitalisierung als raumbedeutsamer Straßen-, Gleis- und Schleusenbereichen und
Industrie- und Gewerbestandort. Im Jahr 1996 Baulichkeiten sowie Ablagerungsflächen ab-
wurde ein städtebaulich-landschaftsplaneri- seits von Erschließungsabschnitten. Am Stand-
scher Ideenwettbewerb für 290 ha durchgeführt, ort Espenhain ist keine Grundwassersanierung
der 1999 in einen städtebaulichen Rahmen- erforderlich, jedoch wird das montanhydrologi-
plan mündete. Dieser bildete die Grundlage des sche Monitoring zur Altlastüberwachung für den
durch die Gemeinde Espenhain aufgestellten Gesamtstandort noch bis 2020 durchgeführt. Ins-
und genehmigten Bebauungsplanes, der 113 ha gesamt wurden am Gesamtstandort des Braun-
umfasste, und die bereits angesiedelten Indus- kohlenverarbeitungswerkes Espenhain 382 Ein-
trie-, Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe zelgutachten zur historischen und orientierenden
berücksichtigte. Ein spezieller Aspekt bestand Erkundung, der Sanierungskonzeptionen, der
im Abgleich dieser Planungsinhalte, wie Schaf- Detailuntersuchung, der Genehmigungs- und
fung von Bau- und öffentlichen Grünflächen, Ausführungsplanung, der Sanierungsbegleitung
mit dem im Abschlussbetriebsplan fixierten und der Abschlussdokumentationen realisiert.
Sanierungsziel und den Maßnahme- und Prüf- Das war der Tatsache geschuldet, dass es 24
werten für Industrie- und Gewerbegrundstücke. Altlastbereiche und 30 Teilabschlussbetriebsplä-
Flächen mit verbliebenen oder gesicherten Be- ne gab und in jeder neuen Phase der Standort-
lastungen mussten gekennzeichnet werden, um entwicklung die Sanierungsplanung den neuen
bei der Vermarktung der Flächen eine fundierte Umweltgesetzlichkeiten, den behördlich neu
Grundlage zur Flächenverfügbarkeit für poten- abgestimmten objektkonkreten Eingreif- und Sa-
tielle Investoren zu haben. Wie bereits darge- nierungszielwerten und den Vorgaben der Bun-
stellt, fungierte die LMBV auf der Grundlage desbodenschutz- und Altlastenverordnung ange-
eines städtebaulichen Rahmenvertrages mit der passt wurde.
Gemeinde Espenhain als Geschäftsbesorger für
die öffentlich-rechtliche Erschließung und In- Oberflächenabdichtung
wertsetzung des Standortes. Teerabsetzbecken
Realisierte Bodenbehandlungs- und Ent- Aufbau und Funktion des Bauwerks  Die Teer­
sorgungsverfahren Bis auf eine Altlast (DBO absetz- und Kohlentrübebecken (TAB) liegen im
707– Teerschlamm- und Ostbecken) wurden alle NO des Werksgeländes Schwarze Pumpe, direkt
anderen 23 Altlastbereiche im ehemaligen Braun- an der Werksgrenze. Das Bauwerk der TAB hat
kohlenverarbeitungswerk Espenhain bis 2006 sa- eine Gesamtausdehnung von ca. 210 × 55 m. Es
niert. In Auswertung der bis dahin angewandten besteht aus zwei Beckenreihen mit jeweils vier
Bodenbehandlungs- und Entsorgungsverfahren Becken pro Reihe. Jedes einzelne Becken misst
7  Wiedernutzbarmachung der Flächen von Tages- und Veredlungsanlagen 459

Abb. 7.25   Industrie- und Gewerbepark Espenhain 2007

ca. 50 × 21 m. Die Anlage wurde 1959/60 als TAB im Grundwasserschwankungsbereich Kon-
Ascheabsetzbecken für den Aschebrei aus den taminationen oberhalb des sächsischen Altlasten-
Kraftwerken errichtet und als solche bis 1966 maßnahmewertes. Das Grundwasser war ebenfalls
betrieben. Danach wurden schrittweise die vier bis zu mehr als das Zehnfache des Maßnahmewer-
nördlichen Becken für die aus der Kohlendruck- tes belastet.
vergasung anfallenden, extrem Staub-Dickteer
belasteten Prozesswässer umgerüstet, die süd- Umlagerungskonzept  Unter Abwägung der
lichen als Ascheabsetzbecken weiterverwendet. Gefährdung und des notwendigen Aufwandes
Zur Wartung der Becken und zum Auffangen und wurde für die TAB der Rückbau bis GOK vor-
Sammeln von abgetrenntem Wasser verfügt das gesehen. Die dann freiliegenden Fundamente
Bauwerk über ein unterirdisches Gangsystem be- ermöglichten Synergieeffekte mit der Sanie-
stehend aus Pumpenschacht mit 3,50 m Durch- rung des Gesamtgeländes. So konnten im Rah-
messer, dem Mittelgang sowie Längs- und Ver- men des Umlagerungskonzeptes in die Becken
bindungskanälen die insgesamt ein Volumen von der TAB Böden und Rückbaumassen aus der
1.500 m3 besitzen. Der Staub-Dickteer wurde Sanierung anderer Schadherde eingelagert wer-
durch Absetzen abgetrennt und ausgebaggert. den. Durch eine Oberflächenabdichtung in eben-
Später wurde zusätzlich Teerölfeststoff in die erdiger Ausführung erfolgte abschließend die
nördlichen Absetzbecken eingeleitet. Sicherung der Schadstoffe gegen Mobilisierung
durch Sickerwässer. In Vorbereitung des Rück-
Gefährdungsabschätzung  Durch  Handhabungs- baus der Teerabsetzbecken wurden Gefährdungs-
verluste und Havarien gelangte Produkt in die abschätzungen und Entsorgungskonzeptionen
Umgebung und in die unterirdischen technischen erarbeitet. Zur Abschätzung und Klassifizie-
Bereiche, auch Wirtschaft genannt, die im Laufe rung des zu erwartenden Bauschutts haben die
der Betriebszeit vollständig mit den Produkten Untersuchungsergebnisse von Bausubstanzpro-
verfüllt wurden. Der Boden zeigt im Norden der ben beigetragen. Die festgestellte Belastung des
460 M. Illing et al.

Bauwerkes erforderte eine Sanierung. Ziel einer im Bereich TAB und der Baufeldvorbereitung
solchen Sanierung muss es sein, entweder die zum Bau der Papierfabrik genutzt.
schadstoffbelasteten Massen und Bauteile zu ent-
fernen, oder durch geeignete Maßnahmen eine Oberflächenabdichtung  Die  Oberflächenab-
Mobilisierung der vorhandenen Schadstoffe und dichtung des ebenen Bauwerks erfolgte als bitumi-
einen damit verbundenen Eintrag in die Umge- nöse Abdichtung zum Abdecken der Gesamtfläche
bung zu unterbinden. Im Falle des vollständigen des Restbauwerkes und der verfüllten Becken
Rückbaus der TAB war mit hohen Kosten und auf ca. 9.900 m2 zur Nachnutzung als Park- oder
großen Schwierigkeiten in Bezug auf die Wasser- Lagerfläche mit einem Unterbau gemäß Straßen-
haltung in der Baugrube zu rechnen. Es wäre die baurichtlinie. Die Abdeckung wurde mit einem
gesamte, z. T. erheblich kontaminierte Baumasse mehrschichtigen Aufbau aus 52 cm Frostschutz-
mit nicht unerheblichen Wandstärken (bis ca. 2 m schicht, 14 cm Tragschicht und 4 cm Deck-
bewehrter Beton) abzubrechen und zu entsorgen. schicht realisiert. Im Rahmen der Bedingungen
Die Baugrube hätte während der Entnahme der für die Nachnutzung der Fläche wurde festgelegt,
Teerprodukte eingehaust und die Abluft gerei- dass künftig kein Eingriff in die Oberflächen-
nigt werden müssen, da mit erheblichen Luft- abdichtung erfolgen darf. Ein direkter Kontakt
schadstoffbelastungen zu rechnen gewesen war. mit Restkontaminationen der Bausubstanz oder
Während der gesamten Rückbauphase ab Ober- dem eingelagerten gering kontaminiertem (< Z2
kante Beckensohle hätte eine Wasserabsenkung LAGA) Material ist daher ausgeschlossen. Mit
und -haltung von ca. 11.500 m3 Wasser erfolgen nachfolgenden Sanierungsuntersuchungen wurde
müssen. Das Füllvolumen der Baugrube hätte der Bodenbereich der ehemaligen TAB u. a. mit-
140.000 m3 betragen. tels Schrägbohrungen mehrfach untersucht. Es
Das Konzept zur Nutzung der ehemaligen wurde kein Schadherd mit Quellcharakter fest-
Teerabsetz- und Kohlentrübebecken sah jedoch gestellt. Im Norden und Süden der ehemaligen
vor, gering kontaminierte Böden und Abbruch- TAB wurden im Anschluss an die Asphaltabdich-
material vom eigenen Grundstück um- und ein- tung grabenförmige Sickermulden zur Aufnahme
zulagern. Der Rückbau der Becken mit vollstän- des Abflusses von Niederschlag von der Abdich-
diger Entfernung der Fundamente hätte einen tung errichtet. Hierzu wurden auf diesen Flächen
erheblichen technischen und kostenintensiven befindliche Fundamente und Gleisanlagen rückge-
Aufwand erfordert. Mit der Einlagerung von baut. Die hierbei entstandenen Baugruben wurden
schwach kontaminierten Böden und Bauschutt nach Nachweis der Kontaminationsfreiheit mittels
konnte ein Volumen von ca. 31.200 m3 aufgefüllt Sohlbeprobung mit hierfür geeignetem Material
werden, die ansonsten extern zu marktüblichen verfüllt und verdichtet. Die Sicherung und Wieder-
Preisen zu entsorgen gewesen wären. Als ver- nutzbarmachung der Fläche erfolgte auf Grundlage
hältnismäßige Maßnahme wurde der Abbruch der 5. Ergänzung zum Sonderbetriebsplan Boden
der oberirdischen Anlagen mit Betonstärken bis und Grundwasser Schwarze Pumpe. Die Arbeiten
2 m und Bewährungen bis 5 cm Durchmesser bis sind seit dem Oktober 2004 mit der Fertigstellung
0,30 m u GOK, die Entleerung der Becken und der Asphaltabdichtung und der Profilierung der
des Pumpenschachtes, die statische Sicherung umgebenden Oberfläche abgeschlossen. Somit
der untertägigen Wirtschaft zur Vorbereitung der konnte die Beendigung der Bergaufsicht erfolgen.
Umlagerung realisiert. Anschließend erfolgte der Das nachfolgende Schema zeigt die ebenerdige
Einbau von Abbruch- und Umlagerungsmaterial Oberflächenabdichtung der TAB (Abb. 7.26).
in die TAB und die Ausführung der Oberflächen- Die Situation der Teerabsetzbecken in der
abdichtung nach Verfüllung der Beckenreihen. Phase der Verfüllung sowie der Oberflächenab-
Zur Verfüllung wurde hauptsächlich gering kon- dichtung sind in den Abbildung 7.27 und 7.28
taminiertes Material (< Z2 LAGA) aus der Bo- veranschaulicht.
densanierung, dem Rückbau von Fundamenten
7  Wiedernutzbarmachung der Flächen von Tages- und Veredlungsanlagen 461

Veredlungsanlage notwendige Heizhaus versah


seinen Dienst ab 1967 zur Versorgung der Stadt
Halle mit Fernwärme. Die Anlagen der Kohlen-
veredlung wurden bis 1971 oberirdisch zurück-
gebaut und für die Weiternutzung zum Betrieb
des Heizwerkes umgerüstet. Das Heizwerk hat
Abb. 7.26   Schema der ebenerdigen Oberflächenabdich-
tung im Jahr 1992 einen technischen Verschleiß und
baulichen Verfallzustand erreicht, der einen wirt-
schaftlichen Weiterbetrieb unter Berücksichti-
gung arbeitshygienischer Gesichtspunkte und
aus Gründen des Umweltschutzes nicht mehr ge-
währleistete. Die endgültige Stilllegung erfolgte
zum 30. Juni 1992.
Für die Entkernung und den Abbruch der still-
gelegten Anlagen wurde am 8. Oktober 1993 ein
Abschlussbetriebsplan bei der zuständigen Be-
hörde, dem Bergamt Halle, eingereicht und im
März 1994 zugelassen. Unter Berücksichtigung
der verschiedenen Veredlungsstufen der Braun-
kohle auf dem Standort war eine Gefährdungsab-
schätzung zur Altlastensituation notwendig.
Abb. 7.27   Oberflächenabdichtung Teerabsetzbecken Die Ergebnisse der Detailuntersuchungen be-
stätigten das Schadstoffinventar, welches bei der
Veredlung von Braunkohle als Abprodukt anfällt
(Abb. 7.29).
Die Sanierung der seit Jahrzehnten entstande-
nen Bergbaualtlast war aufgrund der Lage dieser
Fläche in einem geplanten Gewerbegebiet im
Stadtbereich Halle ein vielschichtiges ökologi-
sches und wirtschaftliches Problem. Es mussten
zur Altlastensanierung Lösungen erarbeitet wer-
den, die ökologisch und wirtschaftlich vertretbar
sind. Dabei wurden folgende Gesichtspunkte als
notwendig erachtet:
• ökologischer Effekt – Schutzgutsanierung
• Zeitdauer bis zum Erreichen des Sanierungs-
Abb. 7.28   Teerabsetzbecken in der Phase der Verfüllung zieles
• Flächenrecycling und Nutzungsinteressen
• Durchführbarkeit und Kostenstruktur der
Tiefenenttrümmerung und Sanierung
Gefahrenabwehrmaßnahmen am Beispiel Zur effektiven Umsetzung und Berücksichtigung
Heizwerk Bruckdorf aller Gesichtspunkte wurde eine Sanierungspla-
Der Braunkohlenbergbau und die Kohlenvered- nung erarbeitet, die Kostenoptimierung, Nut-
lung im Raum Bruckdorf erfolgten ab dem Jahr zungsinteresse und vor allem eine Schutzgutbe-
1903. Auf dem Territorium Bruckdorf mit einer trachtung/-sicherung beinhaltete.
bebauten Fläche von ca. 13,8 ha produzierte bis Die Altlastensituation am Standort war ge-
1928 eine Wachsfabrik, bis 1939 eine Schwele- kennzeichnet mit einer Bodenkontamination
rei und bis 1967 eine Brikettfabrik. Das für die durch Mineralölkohlenwasserstoffe, PAK, Phe-
462 M. Illing et al.

Abb. 7.29   Bruckdorf Sa-


nierung Heizwerk 1997

nole und BTEX, vor allem im Bereich der ehe-


maligen Schwelerei und der dazugehörigen Klär-
teiche. Eine weitere Bodenkontamination wurde
im Bereich des Hochbunkers für Braunkohle,
ehemaliger Standort der Schwelerei, ermittelt.
Da die Altlastensanierung kostenoptimiert
und nutzungsbezogen erfolgen musste, war eine
grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem
Nutzungskonzept der Stadt Halle erforderlich.
Diese Auseinandersetzung wurde auf Basis der
erhobenen Daten und Entwicklung solider Nut-
zungs- und Sanierungsziele geführt. Eine Grund-
Abb. 7.30   Kraftwerkstandort Bruckdorf nach der Sanie-
lage zur Umsetzung der ökologischen Sanie- rung 2003
rungsziele ist eine umfangreiche Erkundung zur
Ausbreitung der Bodenkontaminationen und der
hydrogeologischen Prognose des allgemeinen den Abfälle betragen nach Aushub der kontami-
Grundwasserwiederanstieges. Im Ergebnis dieser nierten Bodenbereiche ca. 49.000 t. Zur Wieder-
Erkundungsmaßnahmen sind die notwendigen auffüllung und Herstellung des Geländes sind
Leistungen zur Tiefenenttrümmerung und Ent- 162 Tm3 Massen bewegt worden. Insgesamt sind
sorgung kontaminierter Böden ermittelt worden. für die Sanierung 16 Mio. €, davon 5 Mio. € Ent-
Die Bereiche mit einer erheblichen Bodenkon- sorgungskosten am Standort Bruckdorf aufge-
tamination bedingten einen Bodenaustausch bis wendet worden.
zu einer maximalen Tiefe von 9 m unter Gelän- Das Sanierungsziel wurde erreicht, so dass die
deoberkante. Zur Sicherung der Baugruben und Weiterentwicklung nach der Standortentschei-
Verminderung eines Schadstofftransportes durch dung zum „Messegelände Stadt Halle“ erfolgen
Oberflächenwasser in dem Grundwasserleiter konnte.
mussten die Bereiche mit Spundwand gesichert Die sanierten Flächen wurden durch einen
werden. Bauträger der Stadt Halle überbaut und für die
Auf dem Standort Bruckdorf sind Ab- Errichtung eines Großparkplatzes mit Zufahrts-
bruchleistungen in einer Größenordnung von straße genutzt (Abb. 7.30).
97.000 m3 realisiert worden. Die zu entsorgen-
7  Wiedernutzbarmachung der Flächen von Tages- und Veredlungsanlagen 463

7.4.2 Sicherung und Sanierung von Ganz wesentlich war dabei die Festlegung von
Bodenkontaminationen Sanierungszielen aus Sicht des Fachbereiches
Altlasten (Einbeziehen der Fachbehörden) und
Bodenaushub und Umlagerungskonzept am aus Sicht der Standortnutzung (Einbeziehen der
Beispiel des Umlagerungsbauwerks Kokerei Kommune und des Landkreises). Die Nachnut-
Lauchhammer zung sieht vorwiegend für den östlichen, stadt-
nahen Teil die Ansiedlung von Industrie und Ge-
Situationsbeschreibung  Im Westen der Stadt
werbe vor. Die Flächen des zentralen und west-
Lauchhammer befindet sich das 122 ha große
lichen Bereiches sollen durch gesteuerte Sukzes-
Gelände der ehemaligen BHT-Kokerei. Die Ko-
sion (nichtagrarisches Ökosystem) landschaftlich
kerei, deren Bau 1951 begann, produzierte nach
einen fließenden Übergang in den angrenzenden
dem Lauchhammer-Verfahren aus Braunkohle
Naturpark ‚Niederlausitzer Heidelandschaft‘ bil-
jährlich bis 1990 ca. 1,1 Mio. t Hochtemperatur-
den und bieten Möglichkeiten der Entwicklung
koks, 700 m3 Stadtgas sowie 140.000 t Teer- und
eines attraktiven Erholungsraumes. Sanierungs-
Ölprodukte. Bei einem 24 Stunden Betrieb ent-
maßnahmen müssen daher für den Bereich des
sprach dies einer Tagesproduktion von 3.000 t
Gewerbegebietes eine angemessene „Kontami-
Koks. Als Nebenerzeugnisse wurden Leicht- und
nationsfreiheit“ und für die Sukzessionsfläche
Mittelöle, Gasbenzin, Phenolöl u. a. gewonnen.
eine Möglichkeit der Sicherung und Gestaltung
Die ausbleibende Nachfrage an BHT-Koks führ-
auch im Hinblick des Übergangs zum Naturpark
te ab 1989 zu einer Reduzierung der Produktion.
gewährleisten.
Mit der Außerbetriebnahme der Kokerei Lauch-
Vorteile des Umlagerungskonzeptes Das
hammer am 30.10.1991 wurde mit dem vollstän-
Konzept der Umlagerung der kontaminierten
digen oberirdischen Rückbau und der Planung
Böden beinhaltet im Wesentlichen den Aushub
und Umsetzung der Sicherungs- und Sanierungs-
kontaminierter Böden aus den kleinflächigen
maßnahmen begonnen. Während der Betriebszeit
Hotspots des künftigen Gewerbebereichs und
der Kokerei führten die Produktionsverfahren
deren Umlagerung auf vergleichsweise hoch
selbst, Handhabungsverluste, Leckagen sowie
kontaminierte Flächen der zukünftigen Sukzes-
die Deponierung von Produktionsrückständen zu
sionsgebiete. Extrem kontaminierter Aushub
Schadstoffbelastungen mit Kokerei-spezifischen
wurde extern entsorgt. Für die Bodensanierung
Schadstoffen wie Monoaromaten (AKW, BTEX),
teilte man das Gelände der Kokerei entsprechend
polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe
dem Belastungspotential in Schadensgebiete
(PAK) und Alkyl-Phenolen. Eine flächenhafte
und punktuelle Kontaminationen (Hotspots).
Quecksilberbelastung aus der Vornutzung des
Kernstück der Bodensanierung stellte die Um-
Geländes stellte eine besondere Anforderung an
lagerung punktueller Kontaminationen auf die
die Sicherungs-/Sanierungsmaßnahmen inner-
am stärksten belasteten Flächen dar. Das sind
halb des Sanierungskonzeptes dar. Um den zahl-
der Kernbereich Ofentrasse (Schadensgebie-
reichen Anforderungen wie die Unterbrechung
te A bis C) sowie die Halde G. Die punktuellen
der Gefährdungspfade, die Nachnutzung, die
Kontaminationen wurden ausgekoffert und auf
Bewältigung großer Mengen an kontaminierten
belastungsäquivalente Bereiche für quecksilber-
Böden, die Sanierung des Grundwassers, das
(Schadensgebiet A 1) und mischkontaminierte
Quecksilberproblem, den Arbeits- und Umge-
Materialien (Schadensgebiete A 2 und A 3) sowie
bungsschutz, die Finanzplanung u. a. bei einem
für Kokerei-spezifisch kontaminierte Materialien
vertretbaren finanziellen Aufwand zu erfüllen,
(Schadensgebiete B und C) aufgelagert. Eine
wurde ein multivalentes, nachnutzungsbezogenes
Umlagerungsplanung für kontaminierte Böden
Sanierungskonzept erarbeitet. Der Sanierungsbe-
zeigt Abbildung 7.31.
darf resultiert aus dem geringen Flurabstand im
Mit einer mineralischen Oberflächenabdich-
Niederungsgebiet der Schwarzen Elster mit einer
tung (Abb. 7.32) ist gewährleistet, dass der Ge-
südlichen Grundwasserströmung in Richtung
fährdungspfad der Schadstoffe aus den Scha-
Wohnbebauung und der Schwarzen Elster.
464 M. Illing et al.

Abb. 7.31   Umlagerungs-


planung für kontamin-
ierte Böden

Abb. 7.32   Schichtenauf-


bau der Oberflächenab-
dichtung

densgebieten sowie die umgelagerten Materia- weisung der Baufelder, die Baufeldvorbereitung
lien dauerhaft unterbrochen werden und Nieder- durch Beräumung von Haufwerk, Gleisschotter
schlagswasser nicht zu einer Verfrachtung der und Weichenbereichen und der Rückbau von
Schadstoffe über den Grundwasserpfad führen Gebäuden, Anlagen, Ver- und Entsorgungslei-
können. tungen ein besonderes Gewicht. Kernstück der
Errichten des Umlagerungsbauwerks Nach Koordination der Baustelle war die Entwicklung
Abschluss der vorbereitenden Maßnahmen der und Präzisierung einer internen und externen
Bodenumlagerung in den Jahren 2000 und 2001 Stoffstromlogistik. Die Organisation der Zentral-
erfolgte ab dem 01.10.2001 die Umsetzung des baustelle mit Oberbauleitung zur Absicherung
Sonderbetriebsplanes „Bodensanierung durch paralleler oder vernetzter Arbeitsabläufe wurde
Aushub, Umlagerung, externe Entsorgung sowie während der wechselnden Arbeitsschwerpunk-
Oberflächenversiegelung und andere Dichtungs- te stetig angepasst. Erfolgskontrolle, Qualitäts-
maßnahmen“. Aufgrund der Bauzeit von drei sicherung und Dokumentation sowie die Vor-
Jahren erhielten die vorbereitenden Maßnahmen bereitung der Entsorgung nicht ablagerungsfä-
wie die Errichtung der Zentralbaustelle und Zu- higer Aushub- und Rückbaumaterialien sowie
7  Wiedernutzbarmachung der Flächen von Tages- und Veredlungsanlagen 465

Behandlung kontaminierter Grundwässer der und hydraulischen Bedingungen am Standort ist


Baustellenentwässerung und die Fortschreibung es möglich, zur Sicherung des Abstroms und zur
der Arbeitsschutz- und Sicherheitskonzeption für Reinigung des eher gering belasteten Grundwas-
die Zentralbaustelle sowie die Umsetzung der sers im zentralen Geländebereich eine passive
Umgebungsschutzkonzeption waren Schwer- hydraulische Maßnahme als innovative Sanie-
punkte der Bearbeitung. Die umgelagerten Böden rungslösung zu entwickeln. Zur Abstromsiche-
erhielten eine Geländeprofilierung und wurden rung ist ein Funnel-And-Gate-System zum Ein-
in die Oberflächenabdichtungen einbezogen. Die satz gekommen.
Oberflächenabdichtung erfolgte nach bewähr-
tem Aufbau einer mineralischen Dichtung. Aus In-Situ-Sanierungsvorhaben  Bei der In-Situ-
der Auflagerung kontaminierter Böden und der Sanierung kontaminierter Böden wird grundsätz-
Oberflächenabdichtung ergeben sich folgende lich angestrebt, einen Gas- oder Flüssigkeitsstrom
Lagen oberhalb der Geländeoberkante: aufgela- durch den kontaminierten Bodenkörper zu füh-
gerter kontaminierter Boden, Ausgleichsschicht ren. Damit soll der Austrag von Schadstoffen aus
aus recycelten Bauschutt, zweilagige minera- diesen Körpern erreicht werden. Bei der Nutzung
lische Abdichtung, Entwässerungsschicht und von Gas wird dabei von In-Situ-Schadstoff-Strip-
kulturfähiger Oberboden. Bedingt durch die vor- pen und bei der Nutzung von Flüssigkeiten von
gegebenen Schichten und der Einhaltung von 5 % In-Situ-Schadstoff-Waschen gesprochen. Dieses
Gefälle zur Ableitung der Niederschlagswässer Ausstrippen oder Auswaschen kann durch Ener-
entstand ein gegliedertes Landschaftsbauwerk gieeintrag (Wärme, Dampf, elektromagnetische
von ca. 9 ha und einer Gesamthöhe der Oberflä- Wellen u. a. m.) bzw. durch Wirkstoffe (z. B.
chenabdichtung im Scheitelpunkt von ca. 4,5 m Lösungsvermittler) befördert werden. Mischt
über Geländeoberkante. Das anfallende Nieder- man in Strippgase oder Waschflüssigkeiten
schlagswasser wird nach Passage der Rekultivie- Stoffe ein, die einen mikrobiellen In-Situ-Schad-
rungsschicht durch die Entwässerungsschicht in stoffabbau bewirken, spricht man gewöhnlich
einem umlaufenden gedichteten Graben aufge- von Bioventing bzw. Biowashing. Die aus dem
fangen und abgeleitet. kontaminierten Boden in den Fluidstrom über-
Überwachung und Monitoring Im Rahmen tragenen Gefahr- bzw. Schadstoffe sind durch
der Nachsorgemaßnahmen finden regelmäßig Abreinigung aus diesen zu entfernen.
Funktionskontrollen des Schichtenaufbaus sowie Beispiel für ein derartiges In-Situ-Boden-
die Überprüfung des Sanierungserfolges durch waschverfahren ist die Alkoholwäsche, die mit
Langzeitüberwachung und Messprogramme 1-Propanol als Waschmittel in einem Pilottest
statt. Eine mögliche Ausgasung der umgelager- zur Auswaschung von immobiler Produktölpha-
ten Bodenaushübe unter der Oberflächenabdich- se (residualer LNAPL) erfolgreich vor allem
tung wird durch ein jährliches Gasmonitoring an im Grundwasserspiegelschwankungsbereich
Gaspegeln überwacht. am Standort Schwarze Pumpe erprobt wurde
Zusammenspiel Umlagerung und Grund- (BMBF-Fördervorhaben der LMBV 2003).
wassersanierung Aufgrund der Randbedin- 1-Propanol weist mit der Wassergefährdungs-
gungen wurden für das Kokereigelände Lauch- klasse WGK 1 die niedrigste von einem Lösungs-
hammer teilflächenbezogene, aktive und passive vermittler erreichbare WGK auf. 1-Propanol ist
Grundwassersanierungsmaßnahmen entwickelt. mikrobiell leicht abbaubar – vor allem aerob.
Durch die Dimension der Grundwasserschäden Seine Bedeutung als „Waschmittel“ beruht auf
und der Schadstoffverteilung im Untergrund wird seiner „schwellenden“ Wirkung. 1-Propanol-Mo-
durch pump and treat allein in überschaubaren leküle werden von der immobil im Untergrund
Zeiträumen kein Sanierungsfortschritt zu erwar- vorliegenden Produktölphase absorbiert (d. h.
ten sein. Deshalb wurde die aktive hydraulische vom immobilen Produktöl aufgesogen). Die im-
Sanierung durch erfolgssichernde Maßnahmen, mobile Produktölphase schwillt dadurch auf,
wie dem konzentrierten Aushub von Hotspots vermindert ihre Dichte, löst sich von der Fest-
vorbereitet. Durch die besonderen geologischen stoffmatrix des Bodens durch Minderung ihrer
466 M. Illing et al.

Abb. 7.33   Technologie-


Schema

Haftung, geht als Mobilisat von oben und unten beitung von ca. jährlich 40 Mio. t Rohbraunkohle
her dem Grundwasserspiegelbereich zu und bil- zu Briketts, Koks, Gas und Elektroenergie vorge-
det dort eine mobile ölige, auf dem Grundwas- nommen. Dies erfolgte in ehemals 3 Brikettfabri-
serspiegel aufschwimmende – als Floatings be- ken mit ca. 10 Mio. t Jahresproduktion, einer Ko-
zeichnete – neue Flüssigphase. kerei mit 80 Öfen (Jahresproduktion: 1,5 Mio. t
Diese Floatings lassen sich durch Spezial- Koks), in 3 Kraftwerken mit einer elektrischen
brunnen vorteilhafter im hochkontaminierten Leistung von 1.062 MW und 5.808 MW thermi-
Grundwasserspiegelbereich abfördern und einer sche Leistung und einem Druckgaswerk mit 24
sehr kostengünstigen thermischen Entsorgung Generatoren.
zuführen. Abbildung 7.33 stellt dieses Waschver- Diese Produktionsanlagen und insbesondere
fahren in einer Übersicht dar. die zugehörigen Verfahren der Entphenolung,
Bei diesem Pilottest in Schwarze Pumpe wur- Extraktion und Destillation führten zu Belastun-
den 25 t 1-Propanol eingesetzt. Mehr als 6 t resi- gen des Bodens und des Grundwassers mit den
duale Produktölphase konnte hiermit mobilisiert Schadstoffen:
und aus dem Untergrund ausgetragen werden. • Aliphatische Kohlenwasserstoffe (Aliphaten
Eine signifikante Auswaschung von Schadstof- und Olefine)
fen aus der Produktölphase in das Grundwasser • Monoaromatische Kohlenwasserstoffe
trat nicht auf. Die Schadstoffe der Residuals sind (Hauptkomponente Benzol)
vollständig in der öligen Phase verblieben und • Phenole und substituierte Phenole
mit ihr entsorgt worden. • Polyzyklische aromatische Kohlenwasser-
stoffe – PAK – (Hauptkomponente Naphthalin)
• Nitrat
7.4.3 Grundwassersanierung • Schwefelverbindungen
Im Rahmen der Sanierungskonzeption des
Pump-And-Treat-Maßnahmen mit Werksgeländes Schwarze Pumpe nimmt neben
Sanierungsmodulen im Kernbereich des der Sanierung der ungesättigten Bodenzone die
Standortes Schwarze Pumpe Verhinderung des Abströmens von Kontaminan-
Aufgaben von Pump-And-Treat-Maßnahmen ten mit dem Grundwasserfluss, die Abreicherung
im Rahmen des Sanierungskonzeptes  Auf dem des Grundwasserkörpers von den Schadstoffen
Werksgelände der Schwarzen Pumpe wurde vor mittels pump and treat eine bedeutende Stellung
1989 durch ca. 14.000 Arbeitnehmer die Verar- ein.
7  Wiedernutzbarmachung der Flächen von Tages- und Veredlungsanlagen 467

Abb. 7.34   Prinzipschema


der anaeroben mikrobio-
logischen Grundwasser-
reinigung

Lage und Dimension der Pump-And-Tre- Anaerobe Mikrobiologische Reinigung Je


at-Maßnahmen  Die  Grundwasserströmungs- nach Zusammensetzung der Schadstoffkon-
verhältnisse am Standort werden neben den zentration wird bei dieser Reinigungsmethode
natürlichen hydrologischen (GWN, Vorfluter dem Festbettreaktor eine Grobaufbereitung vor-
Spree) und geologischen (Rinnenstrukturen), geschaltet bzw. Feinreinigung nachgeschaltet
auch maßgeblich durch die anthropogenen Rand- (Abb. 7.34).
bedingungen aktiver Tagebautätigkeit (Tage- In Abhängigkeit vom Filterwiderstand sind
bau Welzow) bestimmt. Mit der Einstellung der die Festbettreaktoren rückzuspülen. Das Rück-
Tagebauentwässerung kommt es im Bereich der spülwasser muss aufbereitet werden. Im vorlie-
Schwarzen Pumpe zum Grundwasserwiederan- genden Fall der Schwarzen Pumpe ist die An-
stieg und damit einhergehender Änderungen der wendung von Nassaktivkohle als Aufwuchsträ-
Grundwasserdruckpotentiale (abwärts/aufwärts ger für einen mikrobiologisch aktiven Biofilm in
gerichtete Druckgradienten) sowie zur Änderung einem geschlossenen stehenden Druckfilter ein-
der Hauptgrundwasserfließrichtung um ca. 180°. gebaut. Aufgrund des hohen Eisengehaltes des zu
sanierenden Grundwassers auf dem Werksgelän-
Angewandte Sanierungsverfahren Nach der de Schwarze Pumpe wird mit dem geschlossenen
Feststellung der Schadstoffverteilung sind 21 Verfahren, d. h. keine Zufuhr von Sauerstoff, die
Grundwasserhaltungsbrunnen so installiert wor- Eisen(II)-ausfällung verhindert.
den, dass eine weitere Ausbreitung der Schad- Die zum Einsatz kommende Aktivkohle ist
stoffe aus den Quellbereichen und vor allem über gezielt auf die Abreinigung von Benzol aus­
die Werksgrenzen hinaus unterbunden wird. Das gerichtet. Die Mikroorganismen benutzen das
geförderte schadstoffbelastete Grundwasser wird Benzol bzw. den darin enthaltenen Kohlenstoff
in die Kläranlage bzw. über fünf Sanierungsmo- als Kohlenstoffquelle.
dule abgereinigt und zur Ausgleichung der Was- Beim Erschöpfen der biologischen Aktivität
serbilanz reinfiltriert. wird die gesamte Aktivkohle komplett ausge-
Als Verfahren kommen in den Sanierungsmo- tauscht. Nach der Regenerierung im Hersteller-
dulen werk erfolgt der Wiedereinbau in der Anlage.
• die Extraktion von Kohlenwasserstoffen Eine solche biologische Reinigungsstufe be-
mittels selektiver makroporöser Polymere nötigt zur sicheren Reinigung bei jedem Wet-
(MPPE-Systeme) und ter und leicht schwankenden Eingangsfrachten
• Anaerobe Mikrobiologie auf Nassaktivkohle meist größere Reaktorvolumina als vergleich-
zur selektiven Abreinigung von Benzol zum bare „klassische“ Reinigungsverfahren. Das in
Einsatz. der Schwarzen Pumpe zum Einsatz kommen-
de (Abb. 7.35) zeichnet sich jedoch durch ver-
468 M. Illing et al.

Abb. 7.37   Detail der MPPE-Anlage


Abb. 7.35    Mikrobiologische Grundwasserreinigung
Schwarze Pumpe

Abb. 7.38   Struktur des MPP

Abb. 7.36   Container einer MPPE-Anlage

gleichsweise geringe Betriebskosten für Strom


oder Aktivkohle aus und ist wartungsarm.
Makroporöse Polymere Extraktion (MPPE-
Systeme) In fünf Sanierungsmodulen (SAM)
kommt das Verfahren der MPPE zur Abreinigung
des durch Kohlenwasserstoffe (BTEX, PAK)
kontaminierten Grundwassers zum Einsatz. Die
Anlagen (Vorfilter, Messinstrumente für Druck, Abb. 7.39   Beladung Kolonne 1
Temperatur, Durchfluss etc., Polymerbehälter,
Wärmeaustauscher) sind in Containern unterge- fernen der Schadstoffe aus dem Extraktionsmittel
bracht (Abb. 7.36 und 7.37). und damit Regenerierung des MPPE-Materials)
Zusätzlich befindet sich je SAM ein Behälter des Polymers mittels Dampf. Die patentierte, of-
zur Aufnahme von Phasenrückständen (abgerei- fenporige Struktur des MPP ist vollständig per-
nigtes Material). meabel. In die Poren wird Extraktionsmittel im-
Der kontinuierliche Betrieb der MPPE-An- mobil eingebracht (Abb. 7.38).
lagen erfolgt in einem 2-Kolonnensystem im Die Beladung der Kolonne 1 und Regenerie-
Wechsel von Extraktion (Entfernen der Schad- rung Kolonne 1 (Beladung Kolonne 2) zeigen die
stoffe aus dem Wasser) und Regeneration (Ent- Abbildung 7.39 und 7.40.
7  Wiedernutzbarmachung der Flächen von Tages- und Veredlungsanlagen 469

wassersanierung über die gehobenen Grundwas-


sermengen, die Abreinigungsgrade in den Sanie-
rungsmodulen und die Beschaffenheitszusam-
mensetzung des reinfiltrierten Grundwassers.

Pump-And-Treat-Maßnahmen mit
Grundwasserreinigungsanlage
Schwelerei Deuben
Der östliche Teil des Burgenlandkreises im süd-
lichen Sachsen-Anhalt ist stark geprägt durch
eine über 100-jährige Bergbautätigkeit. Durch
Abb. 7.40   Beladung Kolonne 2 die Gewinnung von Braunkohle im Tief- und
Tagebau wurde großflächig in die natürlichen
Lagerungsverhältnisse und den Grundwasser-
Das gehobene kontaminierte Grundwasser haushalt eingegriffen. Die auf dem Braunkoh-
wird durch die MPPE-Anlage bis zu 99,9 % von lenbergbau aufbauende Veredlungsindustrie hat
den Kohlenwasserstoffen gereinigt und anschlie- in dieser Region in unterschiedlicher Intensität
ßend wieder zustromig zu den Haltungsbrunnen zur Belastung der Umwelt geführt. Einen regio-
reinfiltriert (Tab. 7.2). nalen Schwerpunkt der anthropogenen Eingriffe
stellt die auf einer Fläche von ca. 9 ha über viele
Sanierungsergebnisse  Mit dem installierten Jahrzehnte betriebene Schwelerei Deuben dar.
System von Haltungsbrunnen, Sanierungsmo- Die Schwelerei verursachte durch Einträge von
dulen (SAM) mit MPPE und der Anaeroben veredlungstypischen Schadstoffen, wie Mineral-
Mikrobiellen Reinigung und anschließender ölkohlenwasserstoffe, Phenole, PAK und aro-
Reinfiltrationen gereinigten Grundwassers wer- matische Kohlenwasserstoffe in den Untergrund
den stabile Sanierungsergebnisse erreicht. Damit schwere ökologische Schäden. Von der Schädi-
konnte ein Abströmen von Schadstoffen über gung betroffen sind sowohl der Boden- als auch
die Werksgrenzen verhindert werden. Die der Grundwasserbereich. Die für die Schwelerei
Abreinigung in den Quellbereichen und in den erstellte Gefährdungsabschätzung lokalisierte
Schadstofffahnen führte trotz des grundwasser- im Wesentlichen drei voneinander unabhängige
wiederanstiegsbedingten Nachlieferns gelöster Schadensquellbereiche, die für die Kontami-
Schadstoffe zur Unterbrechung von Fahnen. nation des Grundwassers verantwortlich sind
Die regelmäßige Auswertung von Schadstoff- (Abb. 7.41).
konzentrationen im Grundwasser, der Abreini- Bereich 1- Ofenhaus Dieser Bereich umfasst
gungsraten der SAM und der hydrodynamischen den Standort eines ehemaligen Ofenhauses, eines
Verhältnisse im Umfeld der Haltungsbrunnen Lagerplatzes für Reinigungsrückstände aus dem
führt zu deren Optimierung hinsichtlich der Schwelereiprozess und die Kondensation. Durch
Standorte und Förderraten. unsachgemäßen Umgang und Öl-Leckagen ge-
langten die Schadstoffe in das Grundwasser. Auf
Überwachung und Erfolgskontrolle (Moni- dem obersten Grundwasserleiter 14 (Abb. 7.42)
toring)  Maßgebliche Bewertungskriterien sind bildete sich auf einer Fläche von ca. 10.000 m2
die Sanierungszielwerte, die in den Haltungs- eine mobile Ölphase aus. Wesentliche Kom-
brunnen, um die Haltungsbrunnen und an den ponenten des gelösten Schadstoffinventars im
Werksgrenzen nach hydrogeologischen Grund- Grundwasser sind hier Mineralölkohlenwasser-
sätzen angeordneten Grundwassermessstellen zu stoffe, PAK, Phenole und aromatische Kohlen-
erreichen sind. wasserstoffe.
Ein umfangreiches Monitoring des Betriebes Bereich 2- Entphenolung Quellen der Schad-
der Haltungsbrunnen und des Grundwasserkör- stoffeinträge waren hier die Phenolverladung, die
pers sichert eine zeitnahe Bewertung der Grund- Entphenolung und ein havarierter Schwelwas-
470 M. Illing et al.

Tab. 7.2   Reinigungsraten einer MPPE-Anlage auf dem Werksgelände Schwarze Pumpe
Schadstoff Input Output Einleit-bedingung (WRE) Durch- schnittliche Abreiche-rung
mg/l mg/l % %
BTEX 49,53 0,33 95 99,36
Benzol 38,76 0,14 – 99,65
Naphthalin 0,335 0,00029 95 99,92
PAK 0,349 0,00215 80 99,37
Phenolindex 230,0 201,86 – 17,45
NH4-N 433,75 413,75 – 4,62

Abb. 7.41   Schadens-


quellbereiche Schwelerei
Deuben

sertank. Die Schadenssituation im Grundwasser • Unterbinden einer progressiven Schadstoff-


ist durch außerordentlich hohe Phenol- (maxima- fahnenentwicklung in den oberen Grundwas-
ler Phenolindex: 9.800 mg/l) und sehr hohe CSB- serleitern GWL 14 bis GWL 33 über die Gren-
Werte (bis 20.000 mg/l) gekennzeichnet. zen des Schwelereigeländes hinaus.
Bereich 3- Tanklager Den dritten Kontamina- Im Ergebnis eines Variantenvergleiches zur Sa-
tionsschwerpunkt stellt das ehemalige Tanklager nierungstechnologie fiel die Wahl in diesem Sa-
dar. Hier dominieren aromatische Kohlenwasser- nierungskonzept auf eine Kombination aus In-
stoffe, insbesondere Benzol, das Schadensbild. Situ- und On-Site-Verfahren. Entsprechend der
Ausgehend von den Eintragsbereichen haben Sanierungsstrategie werden die aus den verschie-
sich die Kontaminationsfahnen sowohl vertikal denen Schadenszentren gehobenen hochkonta-
über natürliche aber auch durch Altbergbau verur- minierten Wässer über eine mehrstufige Grund-
sachte hydraulische Verbindungen in tiefer liegen- wasserreinigungsanlage behandelt (Abb. 7.43).
de Grundwasserleiter als auch lateral in den betrof- Teile des aufbereiteten Wassers werden den
fenen Grundwasserleitern über die Grenzen des Aquiferen über Infiltrationsbrunnen wieder zu-
Schwelereigeländes hinaus bewegt (Abb. 7.42). geführt. Die restlichen Mengen des aufbereiteten
Für das unter Bergaufsicht stehende Schwele- Wassers werden kontrolliert in die Vorflut abge-
reigelände wurden in einem Grundwassersanie- geben. Zur Entfernung der mobilen Ölphase im
rungskonzept aus dem Jahr 1996 folgende Sanie- Sanierungsbereich 1 kommen als effektives Ver-
rungsziele formuliert: fahren phasengrenzflächengesteuerte Pumpen
• Schutz des wasserwirtschaftlich bedeutsamen zum Einsatz.
Grundwasserleiters (GWL 52) vor Schadstoff-
eintrag und
7  Wiedernutzbarmachung der Flächen von Tages- und Veredlungsanlagen 471

Abb. 7.42   Synoptischer Schnitt mit Schadstoffverbreitung Schwelerei Deuben

Abb. 7.43   Schema der Grundwasserreinigungsanlage

Ein umfangreiches Monitoring überwacht den derten eine modelltechnische Unterstützung des
Sanierungsfortgang. Die Vielzahl der über drei hydraulischen Sanierungsregimes.
Grundwasserleiter verteilten Förder- und Infil- Mit Aufnahme der Grundwassersanierung
trationsbrunnen, die sich teilweise gegenseitig 1999 stand ein strömungsmechanisches Grund-
hydraulisch beeinflussen, und die komplizierten wassermodell zur Steuerung der hydraulischen
hydrogeologischen Standortverhältnisse erfor- Sanierungseingriffe in den lokalen Grundwasser-
haushalt zur Verfügung.
472 M. Illing et al.

Die Grundwassersanierung auf dem Gelände Situ-Reinigungssystem wurde in einem Pilottest


der Schwelerei Deuben erfolgte bisher in meh- die Abreinigung der Grundwasserschadstofffah-
reren Phasen: ne, die sich weiter ausdehnt, untersucht. Diese
1. Aufnahme der Ölphasenabschöpfung im Systeme weisen in der Regel drei unterschied-
GWL 14, hydraulisch unterstützt durch lokale liche  In-Situ-Grundwasserbehandlungszonen
Grundwasserabsenkung auf. In der anstromigen Behandlungszone A er-
2. komplexe Teilsanierung Einsatz des In-Situ- folgt gewöhnlich die Vorbehandlung. Diese soll
Verfahrens in einem abgegrenzten Bereich durch Injektion reaktiver Gase (z. B. Sauerstoff,
eines Grundwasserleiters (Nitrat-Infiltration) Ammonium) erreicht werden. Dadurch wird das
3. Vollsanierung Ausweitung der Grundwasser- strömende Grundwasser enteisent. Die zweite
sanierung auf die GWL 14 bis 33 (Kombina- Behandlungszone ist der Gate-Bereich. In dieser
tion In-Situ- und On-Site-Verfahren) Zone B erfolgt die In-Situ-Hauptgrundwasser-
4. schrittweiser Übergang von der aktiven behandlung. Sie wird von einem Grundwasser-
Grundwassersanierung zum kontrollierten na- sammler und einem -verteiler, die in der Regel
türlichen Schadstoffrückhalt und -abbau mit einer Pumpe zur Erzeugung der hydrauli-
Nach über siebenjähriger Sanierungsdauer haben schen Trennstromfläche zwischen dem konta-
sich die Kontaminationsverhältnisse am Standort minierten und dekontaminierten Grundwasser-
deutlich verbessert. Die Verbreitung der mobilen bereich verbunden sind, gebildet. Der durch den
Ölphase konnte durch die hydraulisch unterstütz- Sammler gebündelte Grundwasserstrom wird
te Ölabschöpfung auf ca. 30 % der ursprüng- im Gate-Bereich sequentiell in technischen In-
lichen Fläche reduziert werden. Im genannten Situ-Fluidbettwirbelreaktoren behandelt. Dem
Sanierungszeitraum wurden bis 2008 ca. 100 m3 zu behandelnden Wasserstrom werden in die-
Ölphase abgeschöpft. sen Reaktoren fehlende flüssige, feste oder gas-
Neben der weiter betriebenen Ölphasenab- förmige Reaktionsmittel, z. B. Ozon, zugeführt
schöpfung im Sanierungsbereich 1 erstreckt und Reaktionsprodukte entzogen. Leicht flüch-
sich die eigentliche Grundwassersanierung seit tige Wasserschadstoffe können gestrippt, andere
2001 über alle drei Sanierungsschwerpunkte. sorptiv gebunden und so ausgetragen werden.
Mit Ausnahme des Ofenhausbereiches konnten Die dritte Zone C vermag der Nachbehandlung
die Konzentrationen der gelösten Schadstoffe in zu dienen. Nach der Rückverteilung des gebün-
den Quellbereichen der Kontaminationsfahnen delten Grundwasserstroms in den abstromigen
im stationären Sanierungsbetrieb auf 10 bis 30 % Grundwasserleiterbereich mittels Verteiler kann
ihrer ursprünglichen Höhe reduziert werden. In diese Nachbehandlung im natürlichen Festbett
Abhängigkeit vom erzielten Sanierungsfort- wiederum durch den Eintrag reaktiver Gase, ins-
schritt wird der schrittweise Übergang von der besondere zur Formierung einer Biooxidations-
aktiven Grundwassersanierung zum kontrollier- zone, erfolgen (Abb. 7.44). Mit dem dabei umge-
ten natürlichen Schadstoffrückhalt und -abbau setzten Verfahrenskonzept zur In-Situ-Oxidation
(Sanierungsphase 4) angestrebt. Hierbei erfordert des kontaminierten Grundwasserstroms mittels
jeder einzelne Schadensbereich aufgrund seiner eines aktivem Drain-And-Gate-Systems galt es,
eigenen hydrogeologischen Situation und Schad- einen Grundwasserstrom von 1,5 m3/h, den ein
stoffspezifik eine speziell auf diesen Standort zu- Sammler aus einem 60 m breiten Anstrom bün-
geschnittene Herangehensweise. delt, mit 0,7 mg/l Benzol, 1 mg/l BTEX, 20 mg/l
Alkylphenolen, 80 mg/l Eisen (II) und 200 mg/l
In-Situ-Maßnahmen Ammonium in situ zu reinigen. Die gestellten
Standort Schwarze Pumpe Am Standort Reinigungsziele wurden hierbei erreicht und
Schwarze Pumpe wurde 2006/2007 der Einsatz übertroffen.
eines aktiven Drain-And-Gate-Systems erprobt.
Das sind Spezialformen durchströmter reaktiver
Reinigungswände (s. Kap. 7.3.2). Mit diesem In-
7  Wiedernutzbarmachung der Flächen von Tages- und Veredlungsanlagen 473

Abb. 7.44   Pilotversuch Drain-And-Gate-Wasserbehandlung Schwarze Pumpe

Schwelerei Deuben  Neben den oben beschrie- ren Umfeld der Schadstoffherde ist ein Beleg für
benen Pump-And-Treat-Maßnahmen zur Sanie- Schadstoffabbau mittels Sulfatreduktion. Mit den
rung des Grundwasserschadens auf dem Gelände durchgeführten mikrobiologischen Untersuchun-
der ehemaligen Schwelerei Deuben wurde von gen konnte nachgewiesen werden, dass die sa-
Beginn an auch auf eine Sanierung in Kombina- nierungsrelevanten Grundwasserleiter eine hohe
tion mit einer In-Situ-Behandlung orientiert. Besiedlung mit Mikroorganismen aufweisen und
Voraussetzungen für eine erfolgreiche An- sowohl unter aeroben als auch unter anaeroben
wendung von In-Situ-Maßnahmen sind: Milieubedingungen mikrobiologische Abbaupro-
• ausreichende Kenntnisse über die hydrodyna- zesse ablaufen, die einen natürlichen Abbau der
mischen und hydrochemischen Verhältnisse standortrelevanten Schadstoffe bewirken.
am Standort Um die Abbauprozesse im geschädigten
• vor Aufnahme der In-Situ-Sanierung ist die Grundwasserkörper zu unterstützen, wurden
Eignung des ausgewählten Verfahrens prak- technische Möglichkeiten zur dosierten Zugabe
tisch im Feldversuch nachzuweisen von Elektronenakzeptoren bzw. Sauerstoff ge-
• der In-Situ-Prozess ist durch ein umfassendes schaffen.
Monitoring zu begleiten und zu kontrollieren Teile des aufbereiteten Wassers werden den
Die hydrochemischen Verhältnisse am Standort Grundwasserleitern über Infiltrationsbrunnen
der ehemaligen Schwelerei Deuben werden in wieder zugeführt. Die Infiltrationsbrunnen sind
großen Teilen durch ein anaerobes Milieu be- in der Regel in einem Doppelring um einen Sa-
stimmt. Ein starker Abfall der ansonsten natür- nierungsbrunnen angeordnet. Hierbei kann zur
lich hohen Sulfatkonzentrationen im unmittelba- Unterstützung der in situ ablaufenden Schad-
474 M. Illing et al.

Abb. 7.45   Grundwas­


serreinigung über
Infiltration

stoffabbauprozesse das Wasser des inneren Infil-


trationsringes mit zusätzlichen Elektronenakzep-
toren versetzt werden. Die Brunnen des äußeren
Ringes infiltrieren das gereinigte Wasser ohne
Zusatzstoffe. Sie sichern hydraulisch den Sanie-
rungsraum und so auch den kontrollierten Ein-
satz der Elektronenakzeptoren (Abb. 7.45).
In zwei Teilbereichen des Sanierungsstand-
ortes wurde die Zugabe von Nitrat als Elekt-
ronenakzeptor bzw. von reinem Sauerstoff zur
Optimierung des Schadstoffabbauverhaltens
getestet. Während die Zugabe von Nitrat trotz Abb. 7.46   Prinzip des Funnel-And-Gate-Systems
vielversprechender Vorversuche im Labor im
Versuchsfeld nicht den gewünschten Erfolg rung des südlichen und südöstlichen Abstroms
zeigte, wurde mit der Zugabe von im Infiltra- aus dem ca. 9 ha großen ehemaligen Kernbereich
tionswasser gelöstem Sauerstoff eine deutlich zwischen den Ofentrassen durch eine passive
positivere Beeinflussung der in situ ablaufenden hydraulische Sanierungsmaßnahme, das Funnel-
Abbauprozesse festgestellt. And-Gate-System, realisiert. Das Prinzip ist in
Es ist deshalb vorgesehen, die Infiltration Abbildung 7.46 dargestellt. Ziel der Maßnahme
von sauerstoffangereichertem Wasser in größe- ist es, trotz erheblicher Heterogenität und Stö-
rem Maßstab vorerst an der Peripherie der Scha- rungen des Grundwasserleiters, das in die süd-
denszentren, später dann auch in den Zentren lich gelegene Wohnsiedlung abströmende, mit
selbst einzusetzen, um den mikrobiologischen BTEX, Phenolen und PAK kontaminierte Grund-
Abbau zu beschleunigen und die kosteninten- wasser zu reinigen.
sive Pump-And-Treat-Technologie auf längere Das Funnel-And-Gate-System besteht hy-
Sicht abzulösen. draulisch bedingt aus einem Leitwandsystem
(funnel) an dem an mehreren Stellen Reinigungs-
Funnel-And-Gate im Abstrom der Kokerei elemente als Durchbrüche (gate) für das Grund-
Lauchhammer wasser angeordnet sind. Die Leitwände dienen
Aufgabe des Funnel-And-Gate-Systems im der Führung des Grundwassers in Richtung der
Rahmen des Sanierungskozeptes  Im Rahmen gates, in denen dann die eigentliche Dekonta-
der Umsetzung des bestätigten, hydraulischen mination erfolgt. Die Leitwände werden in den
Sanierungskonzeptes für das Gelände der ehe- Grundwasserstauer abgeteuft. Sie schließen mit
maligen Kokerei Lauchhammer wird die Siche- der Geländeoberkante ab.
7  Wiedernutzbarmachung der Flächen von Tages- und Veredlungsanlagen 475

Das kontaminierte Grundwasser wird somit fen des Grundwasserleiters angeordneten Hori-
an wenigen Stellen zusammengeführt und durch zontalfilterbrunnen, die den Grundwasserleiter
Adsorption der Schadstoffe an oberflächenak- in den Teufen auf einer Länge von bis zu 20 m
tiver Kohle bei der Passage der gates von den erschließen. Damit wird der Inhomogenität des
Schadstoffen gereinigt. Auf der Grundlage vor- Untergrundes Rechnung getragen. Die identisch
angegangener Variantenuntersuchungen wurde aufgebauten gates bestehen aus je einem Spund-
das Funnel-And-Gate-System als optimales Be- wandkasten, der durch Düsenwände in Fließrich-
handlungsverfahren ermittelt. tung in drei bis vier Kammern unterteilt wird und
mit einer Unterwasserbetonsohle abschließt. Der
Lage, Dimension und Besonderheit der Funnel- Zustrom in die erste Kammer ist über Schieber
And-Gate-Lösung  Durch Technikumsversuche, steuerbar. Neben dem Absetzen von Schlamm
Batch- und Säulenversuche, wurden verschie- und Feinkorn soll hier aufschwimmende Phase
dene Aktivkohlen getestet und die Langzeitsta- abgetrennt sowie der Zustrom des Grundwas-
bilität der Reinigungswirkung der geeigneten sers zu den folgenden mit Aktivkohle gefüllten
Aktivkohlen für den Standort nachgewiesen. Kammern homogenisiert werden. Gleichzeitig
Dadurch konnten die Eingangsparameter für die dient die erste Kammer als Mess- und Probe-
Dimensionierung der gates ermittelt werden. nahmeraum. Die weiteren Kammern werden mit
Durch Modellierung der Grundwasserströmung Aktivkohle bis über das Niveau der Maximal-
wurden die Lage und die Anzahl der gates ent- wasserstände gefüllt. Die Einteilung in Kam-
sprechend der standortspezifischen Anforderun- mern ermöglicht die selektive Überwachung
gen festgelegt. Die technische Lösung für die des Zustandes sowie einen segmentweisen Aus-
Sicherung des Abstroms der ehemaligen Koke- tausch der Aktivkohle. Nach dem Durchströmen
rei Lauchhammer besteht aus fünf gates und der Aktivkohlenkammern fließt das gereinigte
einem funnel, welches aus einer ca. 1.100 m Grundwasser über ebenfalls Horizontalbohrun-
langen Stahlspundwand gebildet wird, die in 6 gen in den nach Süden abströmenden Grund-
bis 7 m Tiefe in den Grundwasserleiter unter- wasserleiter zurück. Die Konzentration der
lagernden Braunkohlenschluff einbindet. Der Schadstoffe im Zentrum des Schadensgebietes
korrosiven Wirkung des kontaminierten Grund- wird durch diese passive Sanierung nicht redu-
wassers wird durch eine entsprechend stärker ziert. Aus diesem Grund wurden Reinigungsziel-
ausgelegte Stahlspundwand Rechnung getragen. werte für die Summe BTEX von 0,01 mg/l, für
Die Stahlspundwände werden mittels Hochfre- Naphthalin von 0,005 mg/l und für Phenole als
quenzvibrationsverfahren und Einpressverfahren Phenolindex von 0,100 mg/l für das gereinigte
eingebracht. Dabei mussten sensible Berei- Grundwasser am Auslauf der gates vorgegeben.
che, wie Hochspannungsmastfundamente und Jedes gate lässt sich komplett aus dem Grund-
angrenzende Bebauung berücksichtigt werden. wasserstrom entkoppeln und bei Notwendigkeit
Die Baumaßnahme erfuhr deshalb eine externe auch leer pumpen. Der Schadstoffgehalt des
Beweissicherung und statische Prüfung. Aus den gereinigten abströmenden Grundwassers wird
geologischen und hydraulischen Bedingungen nach einem speziellen Programm regelmäßig
sowie basierend auf den Erfahrungen an ande- überwacht. Dazu wurden 14 Überwachungsmess-
ren Standorten wurden funktionale Eigenschaf- stellen errichtet, die im Rahmen des Grundwas-
ten wie Mess- und Steuerbarkeit des Zuflusses, sermonitorings beprobt und analysiert werden.
Abscheiden von auftretender Leichtphase vor
der Aktivkohle, Rückspülbarkeit der Aktivkohle, Bauablauf  Der Bau des Funnel-And-Gate-Sys-
Gewährleistung der Reinigungswirkung bei den tems wurde 2006 durch Infrastrukturmaßnahmen
bestehenden Grundwasserstandsänderungen für vorbereitet und erfolgte 2007. Die gates wer-
die gates abgeleitet. Die gates besitzen daher den als passive Sanierungselemente über einen
einen speziellen Aufbau. Der Zustrom in die Zeitraum von mindestens 30 Jahren betrieben.
gates erfolgt über zwei in verschiedenen Teu- Sie gewährleisten diese Funktion ohne laufende
476 M. Illing et al.

Abb. 7.48   Funnel Süd-Abschnitt

Abb. 7.47   Errichten des funnels

mechanische Aggregate bei minimalem Perso-


nalaufwand (Abb. 7.47, 7.48, 7.49 und 7.50).

Nutzung natürlicher
Selbstreinigungseffekte (NA-Prozesse) Abb. 7.49   Künftiges gate
am Beispiel der ehemaligen Schwelerei
Profen von > 1.000 mg/l in den Grundwasserleiter kam.
Standortverhältnisse und Kontaminationssi- Daneben wurden weitere Dekontaminationsarbei-
tuation  Der Standort der ehemaligen Schwele- ten, wie das Abschöpfen von Ölphase, die Ausräu-
rei Profen befindet sich in Sachsen-Anhalt west- mung von Teerteichen und die oberflächenhafte
lich der Ortschaft Profen. Im Nordwesten liegt Abdeckung und Begrünung durchgeführt. In den
der aktive Braunkohlentagebau Profen-Süd der Bodenschadensbereichen Tanklager und Leicht-
MIBRAG. Südlich grenzt die Halde Predel an ölabfüllung verblieben Kontaminationen. Daraus
das Schwelereigelände. Südöstlich befindet sich resultieren Schäden im Grundwasserabstrom der
ca. 1  km entfernt der Vorfluter Weiße Elster im beiden Bodenschadensbereiche mit BTEX und
Landschaftsschutzgebiet „Elsteraue“. Gegenwär- PAK und der aus der Phenolverpressung resultie-
tig ist ein Grundwasserabstrom in nordwestli- rende Restgrundwasserschaden. Abbildung 7.52
che Richtung zur Kippe Profen zu verzeichnen zeigt die Entwicklung der Phenolkonzentration
(Abb. 7.51). über den Sanierungszeitraum. Die Verlaufskurve
Im Zeitraum 1998 bis 2002 erfolgte am Stand- zeigt die sinkende Effizienz der aktiven Dekon-
ort Profen die Quellensanierung des lokalen tamination. Die Abwägung des Kosten-Nutzen-
Hauptschadensherdes Phenol, an dem es während Verhältnisses führte zu der Entscheidung, die ak-
des Schwelereibetriebes höchstwahrscheinlich tive Grundwasserreinigung einzustellen.
zur Direkteinleitung von Phenollaugen mit durch- Ende der 1990er Jahre, als die LMBV mit den
schnittlichen Ausgangsgehalten (Phenolindex) Untersuchungen zum natürlichen Schadstoff-
7  Wiedernutzbarmachung der Flächen von Tages- und Veredlungsanlagen 477

Einstellung der Grundwasserreinigung geneh-


migt. Mit dieser zunächst befristeten Genehmi-
gung waren folgende Nebenbestimmungen ver-
bunden:
• Prognose der quantitativen Rückgänge der
bereits eingetretenen Gemeinschäden und
Ausweisung der durch NA-Prozesse bewirk-
ten Rückgänge sowie der von den verbliebe-
nen Schadstoffherden möglicherweise noch
ausgehenden Gefahren für ungeschädigte
Schutzgüter
• Nachweis der Rückläufigkeit der Schadens-
entwicklung anhand definierter Überwa-
chungsgrößen (Schadstoffkonzentration im
Grundwasser, Ausdehnung der Schadstoff-
fahne im Grundwasserleiter sowie Schadstoff-
frachtemission aus den Boden- und Grund-
wasserschadensbereichen)
• Erstellung einer Sickerwasserprognose zur
Bewertung der von verbliebenen Bodenkonta-
minationen ausgehenden möglichen Gefahren
für das Grundwasser
Abb. 7.50   Funnel – fertig gestellt
• Fortsetzung des Grundwassermonitorings zur
Kontrolle der NA-Prozesse mit zeit-, orts- und
rückhalt und -abbau begann und 2001 den Antrag stoffkonkreten Sanierungszielwerten und tole-
bei der Bergbehörde des Landes Sachsen-Anhalt rierbaren Abweichungen
stellte, gab es in Deutschland kaum Erfahrungen • Planung/Vorhalten von aktiven Sanierungs-
mit der Genehmigungspraxis. Für alle Beteilig- maßnahmen im Versagensfall des MNA-Kon-
ten war es ein Lernprozess. Bereits im Jahr 1999 zeptes
begannen Untersuchungen zur Einbindung von
natürlichem Schadstoffrückhalt und -abbau bei Durchführung der Risikoprognose und Er-
der Grundwassersanierung – sowohl im Rahmen gebnisse  Die Konzeption und Ausführung der
einer standortübergreifenden Untersuchung als Risikoanalyse erfolgte nach folgendem Algorith-
auch speziell für den Standort der ehemaligen mus:
Schwelerei Profen. Diese beinhalteten die Ab- I. Bewertung des IST-Zustandes der verblie-
grenzung der Schadstofffahne, den Nachweis na- benen Boden- und Grundwasserschäden
türlicher Schadstoffabbauprozesse durch stand- und der aktuellen Gefahren für rechtlich
ortstämmige Mikroorganismen, die Entwicklung definierte Schutzgüter.
von zonierten Kontrollwerten sowie die Aufstel- II. 
Prognose der langfristigen Entwicklung
lung eines Monitoringkonzeptes (MNA). Auf der verbliebenen Boden- und Grundwas-
der Grundlage der Untersuchungsergebnisse be- serschäden und der Entwicklung potenziel-
antragte die LMBV die Einstellung der aktiven ler Gefahren. Dabei waren geprüfte Rand-
Grundwasserreinigung. Unter Berücksichtigung bedingungen zugrunde zu legen und die
der bisher am Standort durchgeführten Sanie- Unschärfen der Prognosen auszuweisen.
rungsmaßnahmen sowie unter Beachtung des III. 
Kontroll- und Maßnahmeprogramme
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, hatte die Ge- durch Anpassung des Monitoringpro-
nehmigungsbehörde, das Landesamt für Geolo- gramms sowie Aufstellen eines Kontroll-
gie und Bergwesen Sachsen-Anhalt (LAGB), die algorithmus mit Gefahrenabwehrmaßnah-
men im Versagensfall.
478 M. Illing et al.

Abb. 7.51   Lage des


Standortes Schwelerei
Profen

Abb. 7.52   Entwicklung 


5RKZDVVHUHQWZLFNOXQJLQ%U
der Phenolkonzentration
Standort Schwelerei 

Profen
3KHQROJHKDOW>PJO@












     
6DQLHUXQJV]HLW

Eine Besonderheit stellt der Standort Profen Ab ca. 2030 wird sich mit der Flutung des ge-
insofern dar, als dass sich wegen der geplanten planten Tagebaus ein Grundwasseranstieg um ca.
Braunkohlenabbautätigkeit durch die MIBRAG 3 m einstellen und damit im stationären Zustand
zukünftig die hydraulischen Bedingungen ändern einen Grundwasserabstrom nach Nordosten in
werden. Es sind folgende Zeiträume zu unter- Richtung Elsteraue bewirken.
scheiden: Als Ergebnisse zum Prognosezeitraum bis
Bis 2015 erfolgt der Abstrom in nordwestliche 2015 liegen nun die Sickerwasserprognose und
Richtung zur Kippe Profen. die Prognose der Entwicklung der Boden- und
Wegen der Bergbautätigkeit der MIBRAG er- Grundwasserschäden inklusive Schadstofffrach-
gibt sich von ca. 2015–2030 eine Absenkung des ten sowie die Prognose der Entwicklung der Ge-
Grundwassers und damit ein Abstrom nach Wes- fahrensituation für definierte Schutzgüter vor. Es
ten in Richtung des geplanten Tagebaugebietes wurden das Monitoringprogramm angepasst und
im Bereich der Halde Predel. Vorschläge für Sanierungszielwerte unterbrei-
7  Wiedernutzbarmachung der Flächen von Tages- und Veredlungsanlagen 479

Abb. 7.53   Monitoring der


Schadstofffahne am Stand-
ort Schwelerei Profen

tet. Diese orientieren sich nun nicht mehr nur an Abbauprozesse in den geschädigten Boden- und
Schadstoffkonzentrationen in einzelnen Grund- Grundwasserbereichen orientieren.
wassermessstellen (singuläre Schadenskriterien),
sondern auch an schadstoffspezifischen Frach- Erfahrungen mit dem Monitoring  Kurz nach
ten, Inventarmassen und Fahnenlängen (integ- Beendigung der aktiven Grundwasserdekon-
rale Schadenskriterien), für die der rückläufige tamination erfolgte im Zeitraum 2002/2003
Trend in Bezug auf das Schutzgut Grundwasser niederschlagsbedingt ein extremer Anstieg der
langfristig zu einem guten chemischen Zustand Grundwasserstände. Das Monitoring dokumen-
führen soll. Abschließend erfolgten Vorschläge tiert diese Auswirkungen der Extremsituation.
für Rückfallmaßnahmen und Kriterien für das Die Schwankungen der Fahnenausdehnung
Auslösen von Aktivitäten. Für das angrenzende und der Schadstoffeintrag sonst ungesättigter
Grundwasser besteht aktuell und für den Prog- Bereiche wurden belegt. Auch kleinräumige
nosezeitraum bis 2015 infolge des stationären Gegebenheiten, die während der früheren Unter-
Strömungsregimes und der Schadensprognosen suchungs- und Sanierungsphasen nicht erkannt
keine Gefahr einer lateralen oder vertikalen Aus- worden waren, wurden nun erfasst.
dehnung der Grundwasserschäden. Aktive Sanie- Aufgrund dieser Erkenntnisse wurde das
rungsmaßnahmen sind für diesen Zeitraum des- Messstellennetz zur besseren Abgrenzung der
halb nicht vorgesehen. Gefahren für die öffent- Schadstofffahne im GWL ergänzt. Es wurden 14
liche Vorflut, Trinkwasserversorgung und andere neue Messstellen für die detailliertere Erfassung
Schutzgüter des öffentlichen Rechts sind auch der Abstromprofile Phenolschaden, Werksge-
mittelfristig gesichert ausgeschlossen. Langfris- lände, Kippe Profen sowie Fahnenspitze mit der
tig sind bei Präzisierung der Randbedingungen Fassung des Schadstoffeintritts in die Kippe er-
die Risiken neu zu bewerten und entsprechende richtet (Abb. 7.53).
Maßnahmen bei Nichterreichen der Prognosezie- Die ausgewiesene schmale, scharf abgegrenz-
le und dem Versagen des natürlichen Schadstoff- te BTEX-PAK-Fahne wurde durch die Erwei-
abbaus zu planen und finanziell abzusichern. terung des Messstellennetzes bestätigt. An der
Die Prognose des selbstständigen Schadstoff- Spitze ist die Fahne hydraulisch bedingt geteilt.
rückganges sowie die Maßnahmen zur Prognose- Die Fahne entlässt eine Schadstofffracht in die
kontrolle und im Versagensfall wurden in 2005 Kippe, die als NA-Reaktor benutzt wird.
als Ergänzung zum Abschlussbetriebsplan bei
der Bergbehörde Sachsen-Anhalt eingereicht, Übertragbarkeit auf andere Altlastensanie-
im Juni 2007 erfolgte die Zulassung. Damit er- rungsstandorte, allgemeingültige Schluss-
hält die LMBV erstmalig die behördliche Zu- folgerungen  Bei den ehemaligen Standorten
stimmung zu Sanierungszielwerten, die sich an der thermischen Kohlenveredlung der LMBV
Prognosewerten ausgehend vom Wirken der lassen sich bezüglich des Schadstoffinventars
und auch der Abbauprodukte Regelmäßigkeiten
480 M. Illing et al.

Abb. 7.54   Kostenent-


wicklung

feststellen. Auch die mögliche Definition eines Auch wenn inzwischen verschiedene Arbeits-
Leitparameters (hier Benzen) hat sich mehrfach hilfen und Empfehlungen vorliegen, in denen die
bestätigt. Nicht ohne weiteres übertragbar sind Anforderungen an die Genehmigungsfähigkeit
die jeweiligen hydrogeologischen und geochemi- der Einstellung der aktiven Dekontamination
schen Randbedingungen, die einen erheblichen zugunsten der Nutzung des natürlichen Schad-
Einfluss auf die jeweilige Schadstofffahne haben. stoffabbaus dargelegt werden, wird es vermutlich
Aufgrund der im Allgemeinen höheren Er- auch zukünftig in erster Linie eine Ermessensent-
kundungsintensität (behördliche Anforderungen) scheidung bleiben, insbesondere bei der Abwä-
bei der Umsetzung des kontrollierten natürlichen gung der Verhältnismäßigkeit. (Abb. 7.54)
Schadstoffrückhalts und -abbaus gegenüber der Die Erfahrungen auf dem Standort Profen
herkömmlichen aktiven Dekontamination steigt haben gezeigt, dass es sich bei der Nutzung von
die Kenntnis des Schadstoffverhaltens am Unter- natürlichem Schadstoffabbau eben nicht um
suchungsstandort. Das zielgerichtete Monitoring „kontrolliertes Nichtstun“ handelt. Die Kenntnis
ist gut geeignet, das Schadstoffverhalten auf über die hydrogeologischen Randbedingungen,
einem Standort zu kontrollieren. die Schadstoffverteilung und das Ausbreitungs-
Am Standort Profen waren als Entscheidungs- verhalten der Schadstoffe wurden in einer Detail-
grundlage für die Genehmigungsbehörde noch liertheit erkundet, die bei weiterer Anwendung
umfangreiche gutachterliche Ausführungen not- herkömmlicher Dekontaminationsmaßnahmen in
wendig. Zumindest von der Tendenz ist das auch der Praxis nicht erreicht worden wäre.
auf andere Standorte übertragbar, auf denen be-
reits vor Jahren die aktive Sanierung eingeleitet
wurde und bei denen nun die Nutzung des na- 7.4.4 Sanierung von
türlichen Schadstoffabbaus angestrebt wird. Ein Altablagerungen aus dem
entsprechender Zeitraum für die Sichtung der Braunkohlenveredlungsprozess
vorhandenen Daten, die Erhebung ergänzen-
der Daten und weiterführender Untersuchungen Sanierung des Restloches Vollert-Süd
muss eingeplant werden. Historie  Das Restloch Vollert-Süd befindet
Es ist sinnvoll, die Genehmigungsbehörden sich nahe der Ortslage Trebnitz (Land Sachsen-
bereits zu einem relativ frühen Zeitpunkt – so- Anhalt). Es handelt sich um die bergbauliche
bald Ansätze eines natürlichen Schadstoffabbaus Hohlform des ehemaligen Tagebaues Vollert-
nachweisbar sind – einzubinden. Hierdurch las- Süd. Der Braunkohlenabbau wurde 1944 einge-
sen sich die Faktoren Zeit und ggf. auch Kosten stellt. Die Nutzung des ausgekohlten Tagebaues
im Genehmigungsmanagement reduzieren. erfolgte ab dem Jahr 1950 als Deponie für die
Abwässer der Braunkohlenschwelerei Deuben.
7  Wiedernutzbarmachung der Flächen von Tages- und Veredlungsanlagen 481

• Färbung des Wassers durch langlebige


schwerabbaubare Polymerverbindungen mit
huminstoffähnlichen Eigenschaften
Die Analyse des Deponiewassers hat jedoch ge-
zeigt, dass trotz toxischer Schadstoffe Mikro-
organismen nachgewiesen wurden, die aber in
ihrer Aktivität gehemmt waren. Um einen Über-
blick über die Fähigkeit der vorhandenen Mikro-
organismen zum Abbau der Schadstoffe zu erhal-
ten, wurden im Labor die analytisch bestimmten
dominanten Phenole zu einem Abbautest durch
Abb. 7.55   Deponie Tagebaurestloch Vollert-Süd 1992 Verdünnung des Deponiewassers herangezogen.
Durch diesen Test wurde die Fähigkeit der kul-
tivierbaren Bakterienmischkultur nachgewiesen.
Die Schwelung ist ein thermisches Verfahren zur Die Verdünnung der Probe im Labor und eine
Verflüssigung und Vergasung von Braunkohle bei Nährstoffergänzung bewirkten eine Reduzie-
Temperaturen bis zu 700 °C. Die Hauptprodukte rung der mikrobiologischen Abbauhemmung,
sind Schwelgas, Schwelteer und Schwelkoks, die die maßgeblich durch Polymerverbindungen
in weiteren Prozessen zu Synthesegas, Kohle, (Dunkelfärbung des Wassers) charakterisiert war.
Teere, Öle, Treibstoffen und Grundchemikalien, Diese nicht abbaubaren Substanzen verhielten
wie Benzol und Phenol verarbeitet wurden. Ein sich analog natürlicher Huminstoffe und kön-
wesentliches Abprodukt der Schwelung ist das nen ebenso durch mehrwertige Kationen ausge-
Schwelwasser bestehend aus Phenolen, Polyphe- flockt werden. Dieses Laborergebnis wurde unter
nolen, Ammonium und wasserdampfflüchtigen In-Situ-Bedingungen in dafür entwickelte Enclo-
Fettsäuren sowie organischen Schwefel- und suren (Versuchseinrichtung, in denen ohne Aus-
Stickstoffverbindungen. Diese Schwelwässer tausch mit dem umgebenen Seewasser Versuche
wurden in das Tagebaurestloch Vollert-Süd ein- unter In-Situ-Bedingungen durchgeführt werden
geleitet (Abb. 7.55). können) wiederholt und mit den entsprechenden
Das Gewässer war gekennzeichnet durch Flockungs- und Dosiertechniken angewandt.
eine dunkelbraune Farbe mit äußerst geringen Die Sanierung der Schwelwasserdeponie er-
Sichttiefen. Die Umwelt wurde durch den star- folgte in drei Verfahrensschritten:
ken Geruch von Schwefelwasserstoff belastet. 1. Flockungsmittelzugabe durch 40 %ige Eisen-
Außerdem war das Grundwasser durch Schad- (III)-chlorid-Lösung bei einem pH-Wert von
stoffkontaminationen gefährdet, so dass eine 4,0–5,0 (IV. Quartal 1996)
Sanierung erforderlich war. Unter Beachtung der 2. Neutralisation mit 20 %iger Kalkmilch auf
vorhandenen Konzentrationen an wasserdampf- den pH-Wert 7,0 (II. und III. Quartal 1997)
flüchtigen Phenolen, Ammonium und der hohen 3. Phosphat-Zudosierung mit 0,73 % Phosphor-
organischen Belastung schien eine Sanierung des säure (dreimal 1998/99)
Gewässers unmöglich, denn Sanierungskonzepte Die Ergebnisse der einzelnen Verfahrensschritte
waren nicht bekannt. Das Wasser enthielt auch an stellten sich wie folgt dar:
der Oberfläche keinen Sauerstoff, da abiotische • Nach der Flockung mit Eisen-(III)-chlorid ist
Oxidationsprozesse abliefen. im sauren Milieu bei pH-Wert 4,0 die Keim-
Sanierungsprozess Zur Sanierung des Ge- zahl drastisch reduziert.
wässers waren folgende Randbedingungen zu • Nach der Neutralisation mit Kalkmilch (auf
beachten: pH-Wert 7,0) steigen die Keimzahl und die
• hoher Gehalt an toxischen Substanzen, über- mikrobielle Aktivität an.
wiegend Phenol • Die neu etablierten Bakterien zeigen eine
• hoher Gehalt an Ammonium höhere Abbauaktivität für die ausgewählten
• kein Sauerstoff typischen Schadstoffe.
482 M. Illing et al.

• Die verbliebenen gelösten niedermolekularen


Schadstoffe des Deponiewassers wurden nach
Zugabe von Phosphat zur Nährstoffergänzung
in Abhängigkeit von jahreszeitlichen Tempe-
raturschwankungen abgebaut.
In einem Zeitraum von fünf Jahren nach der
Flockung ist ein Ökosystem entstanden, das bis
zu einer Tiefe von 6 m gelösten Sauerstoff zeigt
und dessen Wasser gegenüber Algen und Mikro-
organismen nicht mehr toxisch ist. Der See wird
inzwischen von unterschiedlichen Wasservögeln
genutzt. Es ist gelungen, aus den makromole-
kularen huminstoffähnlichen Verbindungen ca. Abb. 7.56   Vergleichende Darstellung der Seewasserqua-
300 t organischen Kohlenstoff aus dem Wasser- lität 1995 und 1999 Restloch Vollert-Süd
körper in die Tiefenzonen zu verlagern und den
biologischen Selbstreinigungsprozess einzu-
leiten. Der Anstieg der Sichttiefe auf 2 bis 3 m
ermöglicht ein besseres Eindringen des Lichtes
und eine tiefere photosynthetische Produktion
von Sauerstoff und die Stimulierung des aeroben
Schadstoffabbaues. Ein weiterer Sanierungs-
schritt war die Stickstoffelimination. Ammonium
wird durch Schilf und andere Sumpfpflanzen
oxidiert. Eine entsprechende Pflanzenkläranla-
ge wurde errichtet. Die Stickstoffelimination im
See konnte über einen längeren Versuchszeit-
raum nachgewiesen werden. Die Nachhaltigkeit
des Sanierungserfolges wird durch Langzeitbe-
  Sanierungsergebnis Restloch Vollert-Süd
Abb. 7.57 
obachtungen dokumentiert: eine vergleichende
2005
Darstellung des Seewassers 1999 und Deponie-
wassers 1995 zeigt Abbildung 7.56. Die Nach-
haltigkeit des Sanierungserfolges kann mit der ca. 330.000 t dieser Abprodukte in einer Mäch-
Abbildung 7.57 dokumentiert werden. tigkeit von ca. 3,7 m bis 7,5 m in einer ehema-
ligen Kiesgrube abgelagert. In Abbildung 7.58
Sanierung von Teerölfeststoffablagerungen ist die Abproduktenhalde Terpe zu Beginn der
am Beispiel Terpe und Zerre Die thermische Sanierungstätigkeiten dargestellt.
Veredlung von Braunkohle hatte im Bereich In Zerre waren auf einer Fläche von ca. 6 ha in
Schwarze Pumpe seit den 1960er Jahren eine den Becken 11 und 12 ca. 420.000 t dieser teer-
große wirtschaftliche Bedeutung für die Erzeu- haltigen Abfälle mit einer Mächtigkeit von 3,2
gung fester, flüssiger und gasförmiger Koh- bis 3,5 m eingelagert worden (Abb. 7.59).
lenwasserstoffe wie Koks, Öl und Gas. Als Nach der Beendigung der Gas- und Koks-
Nebenprodukte der Vergasung und Verkokung produktion Anfang der 1990er Jahre wurden die
fielen vor allem Teerschlämme, Teer-Kohle- und Altablagerungsstandorte gesichert. Es wurde mit
Teer-Asche-Mischungen von hoher kalorischer der Erkundung und Entwicklung von Sanierungs-
Wertigkeit an, welche mangels energetischer strategien mit dem Ziel begonnen, die Entsorgung
Verwertungsmöglichkeit bis 1990 als Restmen- und vorrangig die Verwertung der Teerölfeststoffe
gen an den Standorten Terpe (Brandenburg) und (TÖF) sowie der kontaminierten Kohletrübe zu
Zerre (Sachsen) abgelagert wurden. In Terpe erreichen. Damit sollte die Beseitigung der von
waren auf einer Fläche von ca. 16 ha insgesamt den teilweise ungesicherten Ablagerungen aus-
7  Wiedernutzbarmachung der Flächen von Tages- und Veredlungsanlagen 483

Abb. 7.58   Abproduktenhalde Terpe

Abb. 7.59   Deponie Zerre


484 M. Illing et al.

gehenden Umweltgefährdungen erfolgen. Hier-


zu wurde eine eigenständige Firma gegründet,
an der sich zu gleichen Teilen die ESPAG, später
auf die LBV und LMBV übergegangen, und die
Ruhrkohle Umwelt GmbH, Essen beteiligten. Die
Sanierungsstrategie sah anfangs die energetische
Verwertung der Teer-Öl-Kohle-Abprodukte in den
alten Kohlekraftwerken in Schwarze Pumpe vor,
wofür die bis 2006 betriebene Brennstoffaufberei-
tungsanlage in Zerre zwischen 1991 und 1994 mit
Fördermitteln des Bundes gebaut wurde. Mit die-
ser Anlage war die Konditionierung der TÖF-Ge-
mische mit Braunkohle zunächst zu einem in den   Konditionierung der Teerölfeststoffe mit
Abb. 7.60 
Kraftwerken einsetzbaren Brennstoff verbunden. Asche
Zwischen 1994 und 1999 konnten so 200.000 t
TÖF geborgen und verwertet werden. Das war bei der Abproduktenhalde Terpe (Abb. 7.60), als
die 1. Sanierungsetappe. Die parallel durchgeführ- auch bei der Teerdeponie Zerre.
te stufenweise Ermittlung der Gefahren für die In Zerre, wo ein hoher Anteil flüssiger und
Umwelt und den Menschen über den Boden, das benzenreicher Reststoffe – problematisch hin-
Grundwasser und die Luft zeigten Handlungsbe- sichtlich Einhaltung von Arbeitsplatzkonzentra-
darf insbesondere zum Schutz des Grundwassers tionen bei der Verwertung – lagerte, bestand das
auf. Die Teerölfeststoffablagerungen wiesen ein Sanierungsziel im Bereich der Becken 11 und 12
hohes Schadstoffpotenzial aufgrund der enthalte- in der vollständigen Beräumung und Verwertung.
nen Phenole, Monoaromaten (Benzene), polyzyk- Die 2. Sanierungsphase war durch die Vergabe der
lische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) auf. gesamten Rückbau- und Verwertungsarbeiten ab
Die komplizierten hydrogeologischen Verhält- 1999 an eine ARGE gekennzeichnet. Ursprüng-
nisse und vor allem fehlende (Terpe) bzw. nicht lich sollten die Arbeiten bis 2005 abgeschlossen
ausreichende Basisabdichtung (Zerre) der Abla- sein. Bereits in den ersten Jahren musste jedoch
gerungsstätten führten ab der zweiten Hälfte der die ursprüngliche Zeitplanung überarbeitet wer-
1990er Jahre zur Einrichtung und Betrieb eines den, da sich Anfangsprobleme bei der Geneh-
Haltungsbrunnenbetriebes zur Förderung und Ab- migung und dem Dauerbetrieb der entwickelten
reinigung von kontaminiertem Grundwasser. Mit Pelletieranlage zur Vermischung von benzenrei-
der Stillsetzung alter Kraftwerke entfiel die Ein- chen Teerölfeststoffen mit Klärschlamm ergaben.
satzmöglichkeit des aus den geborgenen teerhalti- Die Pellets dienen der Vergasung im benachbar-
gen Abprodukten erzeugten Mischbrennstoffes, so ten Sekundärrohstoffverwertungszentrum (SVZ)
dass Ende der 1990er Jahre eine Neuausrichtung in speziellen Generatoren verbunden mit einer
der Sanierungsstrategie begann. Neue, genehmi- Methanolherstellung. Der ursprüngliche Entsor-
gungsrechtlich abgesicherte und wirtschaftliche gungsweg für flüssige Abprodukte musste wegen
Verwertungswege waren gefragt, um eine zügige Insolvenz ersetzt werden. Obwohl der Hauptab-
Beseitigung des hohen Schadstoffpotentials und satzweg zur Verwertung mit einer weiteren Insol-
Sicherung von am Standort verbleibenden, gering- venz (SVZ) im Jahr 2004 fast vollständig weg-
kontaminierten Einlagerungsstoffen zu erreichen. brach und beim Rückbau zudem Mengenmeh-
Für Terpe bestand die Sanierungslösung neben rungen auftraten, konnte durch den Einsatz teil-
der Verwertung von hochkalorischen Abproduk- weise innovativer technologischer Verfahren und
ten anderenorts in dem gesicherten Einbau von alternativer Entsorgungswege das Sanierungsziel
Stoffen mit geringer Kontamination vor Ort unter (Ausräumung) letztlich im September 2006 mit
einer Abdeckung nach TA Siedlungsabfall. Es insgesamt 750.000 t seit 1994 erreicht werden.
erfolgte eine standortbedarfsgerechte Konditio- Als Verfahren sind dabei u. a. zu nennen der
nierung der Teerölfeststoffe mit Asche sowohl Rückbau des flüssigen TÖF mittels Schwimm-
7  Wiedernutzbarmachung der Flächen von Tages- und Veredlungsanlagen 485

bagger, die Herstellung von Mischbrennstoff in


unterschiedlichen Mischungsverhältnissen ent-
sprechend der Kontamination der Altablagerun-
gen, der Einsatz eines Trockners und von Stapel-
behältern zur Gewährleistung einer einheitlichen
Konsistenz für die Verwertungsanlagen, der
Umbau des Logistikbereiches des Kraftwerkes
Schwarze Pumpe zur Einhaltung immissions-
schutzrechtlicher Anforderungen für die Annah-
me zur Verwertung und die Konditionierung des
pastösen Teeres mittels einer Vertikalfräse.
Zur Qualitätssicherung der Sanierung wurde Abb. 7.61   Teerdeponie Zerre nach der Sanierung 2009
ein Plan für die Eigen- und Fremdüberwachung
(Monitoring) unter Berücksichtigung der berg-,
immissionsschutz-, wasser- und abfallrechtlichen konstruktive Zusammenarbeit mit den Berg- und
Forderungen sowie der Arbeits- und Gesundheits- den in die Genehmigungsverfahren eingebunde-
schutzbestimmungen erstellt. Es bleibt festzustel- nen anderen Behörden der Länder Brandenburg
len, dass es während der gesamten Rückbauzeit und Sachsen war eine wesentliche Voraussetzung
zu keinem Unfall oder zu einer Verletzung von für den jetzigen Sanierungsstand. Die Abdeckung
Nebenbestimmungen aus behördlichen Genehmi- in Terpe endete 2007. Die Sanierung der Nebenbe-
gungen kam und die umweltrelevanten Parameter cken 4–6 der Deponie Zerre, wo ca. 20.000 t Teer-
eingehalten wurden. Die Nachbarschaft zu Wohn- Kohle-Abfälle lagern, wurde 2010 abgeschlossen.
siedlungen machte insbesondere bei Zerre eine Die jeweils laufende begleitende Grundwas-
intensive Zusammenarbeit mit den Kommunen sersicherung- bzw. -sanierung wird noch mehrere
erforderlich. Zur Minimierung der Geruchs- und Jahre in Anspruch nehmen.
Staubemissionen wurden umfangreiche und kos- Der Sanierungserfolg wird eindeutig nach
tenintensive Maßnahmen getroffen. Dazu zählten dem Rückbau der Teerölfeststoffe aus den Teer-
u. a. das häufige Besprühen mit einer latexähn- becken 11/12 der Deponie Zerre und der Oberflä-
lichen Emulsion (15 %ige Dustcoat-Lösung) zur chengestaltung mit der Aufnahme aus dem Jahr
Unterbindung von Geruchsemissionen während 2009 sichtbar (Abb. 7.61).
des Rückbaues, das Aufstellen der Brecheranlage
in Terpe hinter Schutzdämmen in einer abgesenk-
ten Mulde mit Folien-Einhausung, die kontinu- Literatur
ierliche Befeuchtung aller Flächen zur Minimie-
rung von Staubaufwirbelung, die Einhausung der Burmeier H, Birke V, Ebert M, Finkel M, Rosenau D,
Schad H (2007) RUBIN-Handbuch Anwendung von
Brennstoffmischanlage sowie die Abdeckung der durchströmten Reinigungswänden zur Sanierung von
Beckenoberfläche in Zerre mit Kohlentrübe aus Altlasten, Hrsg. Universität Lüneburg
dem Becken 6 mittels Pistenbully und nachfolgen- LMBV (2003) BMBF-Fördervorhaben der LMBV
der Begrünung durch Nassansaat. Zur Erlangung „Untersuchungen zur LNAPL-Mobilisierung/Solu-
bilisierung im Untergrund zur Effektivitätserhöhung
der notwendigen behördlichen Sanierungsgeneh- hydraulischer Sanierungsmaßnahmen“
migungen waren für Terpe bislang drei Abschluss- Sächsische Altlasten Methodik
betriebspläne gemäß Bundesberggesetz zur Ab- Technische Regeln der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall
produktenhalde selbst, für die Grundwassersanie-
rung und die Oberflächengestaltung mit insgesamt
14 Ergänzungen notwendig. Für Zerre gibt es Gesetzliche Grundlagen
dagegen zwei Betriebspläne, einen Abschlussbe-
triebsplan zur Wiedernutzbarmachung und einen VA Verwaltungsabkommen zwischen der Bundesrepub-
lik Deutschland sowie den neuen Bundesländern über
Sonderbetriebsplan für die Brennstoffaufberei- die Regelung der Finanzierung ökologischer Altlasten
tungsanlage mit insgesamt 18 Ergänzungen. Die 1993–1997 und folgende
486 M. Illing et al.

BbergG Bundesberggesetz vom 13. August 1980 (BGBl. WHG Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasser-
Teil I S. 1310) haushaltsgesetz – WHG) vom 31.07.2009 (BGBl. I
ABBergV Allgemeine Bundesbergverordnung vom 23. Nr. 51 2009)
Oktober 1995 (BGBl. I, S 1466) SächsWG Sächsisches Wassergesetz, Sächs. Gesetz- und
BBodSchG Bundes-Bodenschutzgesetz, 17. März 1998 Verordnungsblatt, Nr. 11, vom 31.08.2004, S 374–397
(BGBl. I 1998, S 502) TA Siedlungsabfall Verwaltungsvorschrift zum Abfall-
BBodSchV Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverord- gesetz, „Technische Anleitung zur Verwertung,
nung, 12. Juli 1999 (BGBl. I, S 1554) Behandlung und sonstigen Entsorgung von Siedlungs-
KrW-/AbfG Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, 27. abfällen“, BAnz. Nr. 99a
September 1994 (BGBl. I, S 2705)
Rekultivierung

Jörg Schlenstedt, Axel Brinckmann,


8
Uwe Häfker, Michael Haubold-Rosar, Anita Kirmer,
Dirk Knoche, Ingmar Landeck, Antje Lorenz,
Frank Rümmler, Michael Stärke, Sabine Tischew und
Dietmar Wiedemann

8.3.3 Substratkartierung, -analyse


Inhalt und -bewertung��������������������������������������������� 503
8.1 Landschaftsgestaltung und Geographische 8.3.4 Melioration��������������������������������������������������� 505
Informationssysteme��������������������������������  490 8.3.5 Bodenentwicklung���������������������������������������� 508
8.1.1 Landschaftsgestaltung��������������������������������  490 8.4 Landwirtschaftliche Rekultivierungen�����  510
8.1.2 Geographische Informationssysteme����������  491 8.4.1 Ansprüche und Ziele der
8.2 Naturraum und spontane landwirtschaftlichen Rekultivierung������������� 510
Besiedelungsprozesse��������������������������������    493 8.4.2 Geeignete Bodensubstrate���������������������������� 510
8.2.1 Naturraum���������������������������������������������������  493 8.4.3 Flurgestaltung����������������������������������������������� 511
8.2.2 Spontane Besiedlungsprozesse��������������������� 496 8.4.4 Rekultivierungsverfahren����������������������������� 511
8.4.5 Wiederherstellung und Nutzung
8.3 Die Wiederherstellung der Böden�������������  499 von Grünland������������������������������������������������ 514
8.3.1 Ziele und Grundprinzipien���������������������������� 499 8.4.6 Maßnahmen zur Vermeidung
8.3.2 Kippsubstrate������������������������������������������������ 500 von Bodenerosion����������������������������������������� 515
8.4.7 Entwicklung der Bodenfruchtbarkeit
und des Ertragspotenzials����������������������������� 516
8.4.8 Neue Nutzungsformen (Nachwachsende
Rohstoffe, Wildobst, Energieholz)��������������� 517
8.5 Forstliche Rekultivierung/
Waldbegründung auf Kippenstandorten��  519
J. Schlenstedt () · M. Stärke 8.5.1 Einleitung������������������������������������������������������ 519
Lausitzer und Mitteldeutsche, Bergbau-Verwaltungsge- 8.5.2 Waldbegründung������������������������������������������� 521
sellschaft mbH, Knappenstraße 1, 01968 8.5.3 Pflegemaßnahmen���������������������������������������� 527
Senftenberg, Deutschland 8.5.4 Waldschutz���������������������������������������������������� 529
E-Mail: J.Schlenstedt@lmbv.de 8.5.5 Walderschließung����������������������������������������� 530
8.5.6 Ausblick�������������������������������������������������������� 531
A. Brinckmann · U. Häfker
Lausitzer und Mitteldeutsche, Bergbau-Verwaltungs- 8.6 Biologische Maßnahmen zum
gesellschaft mbH, Walter-Köhn-Straße 2, 04356 Leipzig, Schutz vor Erosion��������������������������������������  532
Deutschland 8.6.1 Technische Maßnahmen������������������������������� 533
8.6.2 Beschleunigte Vegetationsentwicklung
A. Kirmer · A. Lorenz · S. Tischew auf terrestrischen erosionsgefährdeten
Abteilung Bernburg, Fachbereich 1, Hochschule Anhalt, Böschungsstandorten durch naturnahe
Strenzfelder Allee 28, 06406 Bernburg, Deutschland Methoden������������������������������������������������������ 534
M. H.-Rosar · D. Knoche · I. Landeck · D. Wiedemann 8.7 Naturschutz�������������������������������������������������  541
Forschungsinstitut für Bergbaufolgelandschaften 8.7.1 Entwicklungspotenziale der
e. V. (FIB), Brauhausweg 2, 03238 Finsterwalde, Bergbaufolgelandschaften���������������������������� 541
Deutschland 8.7.2 Auswahl, Gestaltung und Management der
Vorranggebiete für den Naturschutz������������� 544
F. Rümmler 8.7.3 Etablierung eines Schutzgebietssystems������ 553
Institut für Binnenfischerei e. V. Potsdam-Sacrow,
Im Königswald 2, 14469 Potsdam, Deutschland

C. Drebenstedt, M. Kuyumcu (Hrsg.), Braunkohlesanierung, 487


DOI 10.1007/978-3-642-16353-1_8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
488 J. Schlenstedt et al.

8.7.4 Naturerlebnis in Vorrangflächen für durch die Förderung natürlicher Sukzession, Re-
den Naturschutz�������������������������������������������� 556
naturierung, naturnaher Gestaltung, Wiedernutz-
8.8 Fische und Fischerei in barmachung oder Rekultivierung auszugleichen
Braunkohlentagebauseen���������������������������  557
8.8.1 Fischereirechtliche Grundlagen�������������������� 557
oder zu mindern.
8.8.2 Entstehende Gewässerflächen, In diese Forderungen sind auch die Erfahrun-
Wasserqualität und biologische Entwicklung� 558 gen der Wiedernutzbarmachung und Renaturie-
8.8.3 Fischfaunistische und fischereiliche rung von Bergbaustandorten, Abgrabungsstätten
Leitbilder und deren Umsetzung������������������ 560
8.8.4 Fallbeispiel versauerungsgefährdeter großer
und anderen großflächig oberirdisch wirkenden
Maränensee – Gräbendorfer See������������������� 562 Eingriffen des Menschen aus den letzten 250 Jah-
8.8.5 Fallbeispiel Hecht-Schlei- ren eingeflossen.
See – Schönfelder See���������������������������������� 563 Erste gesetzliche Regelungen zur Rekulti-
8.8.6 Fallbeispiel großer Maränensee – Großer
Goitzsche See����������������������������������������������� 564
vierung stammen bereits aus der Mitte des 18.
8.8.7 Fischerei und andere Nutzungen Jahrhunderts. Das „Kurfürstlich sächsische Koh-
der Gewässer������������������������������������������������� 565 lenmandat“ von 1743 erlaubte jedermann, nach
8.8.8 Fischereiliche Verpachtung und Kohlen zu suchen und diese abzubauen, sofern
Bewirtschaftung der Seen����������������������������� 566
8.8.9 Weitere fischereiliche Nutzungsformen������� 568
der Grundeigentümer das Abbaurecht nicht selbst
Literatur������������������������������������������������������������������ 568 ausüben wollte, verpflichtete aber den Bergbau-
treibenden „Flächen im für ackerbauliche Zwe-
cke geeigneten Zustand zurückzugeben“, also
Die Kapitel 4 bis 7 beleuchteten wesentliche eine Art Mutterbodenwirtschaft zu treiben (Berg-
Aspekte der technischen Sanierung. Ehemalige archiv Freiberg). Aus dem Rheinland sind mit der
Braunkohlentagebaue als Lebensräume, Land- Vorschrift zum „Setzen von Erlenstangen“ bei
schaften, ja sogar Naturräume blieben außerhalb Aufschluss der Roddergrube im Jahr 1766 und
dieses Fokus. Im folgenden Kapitel 8 Rekultivie- der Rekultivierungsverordnung für die Rhein-
rung oder biologische Wiedernutzbarmachung lande des Kurfürsten Maximilian Friedrich aus
werden die ökosystemare Bedeutung der Berg- dem Jahr 1784, ebenso erste Rekultivierungsvor-
baufolgelandschaften und die Wege zur Wieder- schriften bekannt. Mit dem Allgemeinen Bergge-
herstellung und Eingliederung in die umgeben- setz für Preußen von 1865 werden die Erfahrun-
den Naturräume behandelt. gen zusammengefasst und die Zuständigkeit für
Kippen, Halden, Böschungen und Restseen die Wiedernutzbarmachung bei der Bergbehörde
sind trotz der massiven menschlichen Eingriffe konzentriert.
und ihrer künstlichen Entstehung Teil des Natur- Von großer praktischer und nachhaltiger Be-
haushalts. deutung waren die Leistungen von Rudolf Heu-
Das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) sohn. Als Forstverwalter der Niederlausitzer
nennt als Ziele des Naturschutzes und der Land- Kohlenwerke mit preußischer Forstausbildung,
schaftspflege den Schutz, die Pflege, die Entwick- war er einer der ersten mit fachlicher Ausbil-
lung und wo erforderlich die Wiederherstellung dung im Dienst eines Bergbauunternehmens.
von Natur und Landschaft aufgrund ihres eigenen Seit den 1920 Jahren wurden unter seiner Anwei-
Wertes und als Lebensgrundlagen des Menschen. sung hunderte Hektar Kippen rekultiviert, die im
Hierbei ist die Leistungs- und Funktionsfähigkeit Zuge der Gewinnung des ersten Lausitzer Flözes
des Naturhaushalts, die Regenerationsfähigkeit entstanden. Größten Wert legte Heusohn dabei
und nachhaltige Nutzungsfähigkeit der Natur- auf eine hohe Gehölzartenartenvielfalt, um die
güter, die Tier- und Pflanzenwelt einschließlich Standortansprüche der Gehölze und ihre Eigen-
ihrer Lebensstätten und Lebensräume sowie die schaften optimal für die Rekultivierung nutzen
Vielfalt, Eigenart und Schönheit und der Erho- zu können. 1929 fasste er seine Erfahrungen in
lungswert von Natur und Landschaft dauerhaft der Schrift „Praktische Kulturvorschläge für
zu sichern. Unvermeidbare Beeinträchtigungen Kippen, Bruchfelder, Dünen und Ödländereien“
von Natur und Landschaft sind insbesondere (Heusohn 1929) zusammen. Er gilt damit als Be-
8 Rekultivierung 489

gründer planmäßiger und systematischer Rekul- weitere Möglichkeit der wirtschaftlichen Nach-
tivierungsversuche in Deutschland. nutzung. Erste Ergebnisse aus dem Anbau ver-
Bevor die Rekultivierungsarbeiten beginnen schiedener Gehölze werden diskutiert. Fragen
können, müssen Konzepte und Pläne zur Gestal- der Erosion wie sie auch auf Landwirtschaftsflä-
tung der neuen Bergbaufolgelandschaften vor- chen von Bedeutung sind, werden ausführlich im
liegen. Im Abschnitt 8.1 Landschaftsgestaltung Abschnitt 8.6 behandelt.
wird auf den Bruch zu Beginn der 1990er Jahre Die Herstellung von Wald gehört zu den klas-
und die erfolgte Neuausrichtung eingegangen. sischen Zielen der Rekultivierung von bergbau-
Geographische Informationssysteme (GIS) und lich beanspruchten Flächen. Der Abschnitt 8.5
Fernerkundung sind dabei heute unverzichtbare beschreibt die Gemeinsamkeiten und revier-
Instrumente. Sie haben für alle Fachgebiete der bezogenen Unterschiede der flächenmäßig be-
Bergbausanierung eine große Bedeutung, die deutendsten Nutzungsart im bergrechtlichen
kreativen Möglichkeiten kommen aber insbeson- Verantwortungsbereich der Lausitz und Mittel-
dere in der Rekultivierung zum Einsatz. deutschlands. Aufforstungen zwischen 1970 und
Ohne Berücksichtigung der Naturräume in 1990 waren überwiegend mono strukturiert. Die
denen die Tagebaue, Halden und sonstigen durch Forschung zu den Standorten und ihren Poten-
den Bergbau beanspruchten Flächen liegen, kön- zialen war eingestellt worden und die Auffors-
nen nicht die Potenziale der neuen Landschaften tungen sollten, vergleichbar landwirtschaftlicher
vollständig bewertet werden. Dies gilt nicht nur Flächen, schnell hohe Holzzuwächse haben. Die
für die natürliche Wiederbesiedlung, die standört- heute 20 bis 50 jährigen Waldflächen sind gleich-
lichen Möglichkeiten für Baumarten und Ertrags- förmig und das Baumartenspektrum beschränkt
potenziale der Landwirtschaft, sondern auch für sich auf wenige Arten. Der Realisierung naturna-
touristische Möglichkeiten. Abschnitt 8.2 stellt hen Waldbaus auf Kippen und Außenhalden war
als zusammenfassende Übersicht die wesentli- das anspruchsvolle Ziel dem etliche Forschungs-
chen Naturräume und ihre Besonderheiten dar. vorhaben gewidmet waren. Damit veränderten
Bergbau ist ohne die Beanspruchung von sich auch der Pflegeaufwand und die Fragen des
Böden nicht möglich. Deren Wiederherstellung, Waldschutzes gegen abiotische und biotische Ge-
die hierbei auftretenden Schwierigkeiten, techni- fahren. Mit diesem Wechsel erhielten auch Ge-
sche Möglichkeiten und auch noch offene Fragen danken zum Naturschutz als integraler Bestand-
werden im Abschnitt 8.3 behandelt. Insbesondere teil von Aufforstungsflächen auf Kippen eine
die stark sauren und heterogenen Mischboden- Basis.
kippen der Förderbrückentechnologie stellen Abschnitt 8.7 befasst sich mit dem Natur-
eine besondere Herausforderung dar. Doch ohne schutz auf Flächen des Sanierungsbergbaus. In
eine Wiederherstellung der Bodenfunktionen und bisher in Mitteleuropa einmaligem Umfang und
eine durch natürliche Prozesse gesteuerte Boden- Vielfalt konnten unmeliorierte Offenlandflächen,
entwicklung ist die Rekultivierung nicht mehr auf eine extensive Nutzung hin geschaffene
als Fassade. Fruchtbarer Boden ist zudem ein Land- und Forstwirtschaftsflächen, geotechnisch
effektiver CO2–Speicher. Bodenschutz ist damit unbedenkliche Steilböschungen und Wasser-
Klimaschutz. flächen dauerhaft für den Naturschutz gesichert
Die landwirtschaftliche Rekultivierung, wie werden. Nationale und europäische Schutzkate-
sie in Abschnitt 8.4 dargestellt wird, hat eben- gorien und das Engagement öffentlicher und pri-
falls ihren Schwerpunkt in der Entwicklung von vater Naturschutzstiftungen haben diesen Erfolg
fruchtbaren, nachhaltig produktiven Böden. Fra- ermöglicht. Wissenschaftliche Untersuchungen
gen der Flurgestaltung, Bodenneigung, Schlag- belegen die hohe Artenvielfalt gerade seltener
größe die für eine moderne Landwirtschaft von und gefährdeter Arten.
hoher Bedeutung sind werden ebenso behandelt Durch die Sanierung werden Wasserflächen
wie alternativer Fruchtanbau. Biomasseproduk- geschaffen und künstliche Fließgewässer ange-
tion auf rekultivierten Bergbauflächen ist eine legt. Sie stellen nicht nur ein völlig neues Land-
490 J. Schlenstedt et al.

schaftselement dar, sondern bilden auch eigene Substrate, Lokalklima, Wasserhaushalt, etc.) und
Lebensräume. Unter dem Aspekt der Fischerei andererseits vor dem Hintergrund gesellschafts-
in Abschnitt 8.8 wird hierauf eingegangen, aber politischer Bedingungen und Ziele.
auch auf die Verpflichtungen und Grenzen des Dies stellte eine große Herausforderung für
Sanierungsbergbaus bei der Herstellung wirt- alle öffentlichen Träger der Bergbausanierung
schaftlicher Nachnutzungsmöglichkeiten. aber auch für die in den Räumen lebenden Men-
schen dar. Notwendige Konflikte mussten formu-
liert, sowohl auf fachlicher als auch gesellschaft-
8.1 Landschaftsgestaltung und licher Ebene diskutiert und gelöst werden, um
Geographische schließlich die erforderlichen Planungsgrundla-
Informationssysteme gen fixieren zu können. Anfang der 1990er Jahre
war das allgemein akzeptierte Ziel die schnelle
8.1.1 Landschaftsgestaltung Beseitigung der ökologischen Schäden jahrzehn-
telanger Landschaftsausbeutung und die Wieder-
Landschaft bedeutet gemäß Artikel 1a der Euro- nutzbarmachung entsprechend der Bilder tradi-
päischen Landschaftskonvention (ELC 2004) tioneller Kulturlandschaften. Es entsprach dem
einen vom Menschen wahrgenommenen Raum, Zeitgeist der frühen 1990er Jahre, die Sanierung
dessen Wesen das Ergebnis von Wirkungen und von „Mondlandschaften“ oder die Schließung
Wechselwirkungen natürlicher und oder mensch- und den Abriss von „Dreckschleudern“ zu forcie-
licher Faktoren ist („Landscape means an area as ren. Folgerichtig kam es im Regelfall zum Total-
perceived by people, whose character is the result verlust insbesondere von Tagebau Großgeräten
of action and interaction of natural and or human und Fabrikgebäuden. Über Jahrzehnte vertraut
factors“). gewordene Landmarken verschwanden von der
Die Bergbausanierung in den neuen Bundes- Bildfläche. Eine unbeeinflusste Fortentwicklung
ländern sah sich zu Beginn der 1990er Jahre mit dieser Situation hätte in überschaubarer Zeit zu
besonderen Ausgangs- und Rahmenbedingungen einer weitgehenden Tilgung der Bergbauspuren
konfrontiert. Einerseits lagen zwischen den Ein- aus der Kulturlandschaft, die durch diesen Wirt-
griffen des Bergbaus und den zu bewältigenden schaftszweig über rund 150 Jahre im Positiven
Ausgleichsmaßnahmen in den meisten Fällen wie im Negativen geprägt wurde, zur Folge ge-
Jahrzehnte. Andererseits hatten sich die gesell- habt (Berkner 2001).
schaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereits wenige Jahre später rückte neben dem
Bedingungen und Zielsetzungen mit den poli- historisch-kulturellem auch der ökologische Wert
tischen Umwälzungen in Deutschland grundle- der weiträumigen, häufig seit Jahrzehnten nahe-
gend verändert. Landschaft, als vom Menschen zu unberührten ehemaligen Tagebaue in das Zen-
wahrgenommener, erlebter und gestalteter Raum, trum des allgemeinen Interesses. Die aufwändige
musste in den Tagebauen neu erobert werden und Sanierung unzerschnittener Biotope und Biotop-
eine neue Identifikation der Bevölkerung mit den komplexe in den ehemaligen Tagebauen, in denen
neuen Lebensräumen für Menschen, Tiere und sich viele Pflanzen- und Tierarten ansiedeln, die
Pflanzen hergestellt werden. in der umliegenden Kulturlandschaft selten ge-
Aus den Hinterlassenschaften des Berg- worden sind, war plötzlich umstritten, zumal sich
baus, den Sanierungsräumen, waren neue Land- günstige Voraussetzungen für eine Unterschutz-
schaftseinheiten zu schaffen, deren individueller stellung aus dem Umstand ergaben, dass sich
Charakter durch die Tagebau- und Verkippungs- die Flächen im Besitz des Bundes befanden. Seit
technologie eine entscheidende Vorprägung auf- Ende der 1990 Jahre wächst zudem der Wunsch
weisen. Die künstliche und willentliche Gestal- nach einer intensiven touristischen Nutzung der
tung der Bergbaufolgelandschaften vollzog sich Bergbaufolgelandschaft sowie nach Flächen für
dabei zum einen auf der Grundlage der abioti- den Anbau von Energiepflanzen. Dieser schnel-
schen technogenen Gegebenheiten (geologische le Wandel der öffentlich diskutierten Ziele der
8 Rekultivierung 491

Landschaftsgestaltung zeigt, dass einerseits nach sollte diese Eigenständigkeit und Eigenart der
und nach die besonderen Möglichkeiten der Sa- Bergbaufolgelandschaften erkennbar bleiben.
nierungsgebiete erkannt wurden und andererseits Die großen Wasserflächen sind sowohl im
eine ständige Veränderung der gesellschaftlichen Lausitzer als auch im Mitteldeutschen Revier
Ziele zu berücksichtigen war. neue, zuvor in dieser Größe und Konzentra-
Zur Steuerung, Moderierung und Entschei- tion nicht vorhandene Landschaftselemente.
dungsfindung der gewünschten Funktionen als Ihre Wechselbeziehungen zu den angrenzen-
Lebensraum für Menschen, Naturraum und neu den Naturräumen einerseits und die Akzeptanz
zu entwickelnder Wirtschaftsraum und nicht zu- und Nutzung durch den Menschen andererseits
letzt Tourismusziel, ist eine Auseinandersetzung sind ein erst am Anfang stehender Prozess. Ge-
über Leitbilder erforderlich, die basierend auf den staltungskonzepte versuchen die Seen und ihre
naturräumlichen Gegebenheiten und Potenzialen Verbindungskanäle einerseits harmonisch in die
die unterschiedlichen Nutzungen hinsichtlich angrenzenden Landschaftsteile einzupassen und
ihrer ökologischen Tragfähigkeit und wirtschaft- andererseits eigenständige Spannungsbögen zwi-
lichen sowie kulturellen Bedeutung bewertet. schen naturnaher Bergbaufolgelandschaft und
Maßgebliche Arbeiten wurden hierzu durch Henle neuer Bedeutung als Erlebnisraum für Tourismus
1997; Thomasius 1997; Saupe 1998; Vorwald und und Kultur aufzubauen.
Wiegleb 1998; Köck et al. 1998; Abresch et al. Die Braunkohlesanierung ist in den Prozess
2000; Eppert et al. 2000 sowie Tischew 2004 und der Raumplanung eingebunden. Der Sanierungs-
andere durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Be- bergbau liefert das notwendige bergbauliche
wertungen fanden Berücksichtigung in den raum- Wissen, um aus Ideen realisierbare Ziele der
ordnerischen Planungen für die Bergbaugebiete. Landschaftsgestaltung werden zu lassen.
Ein Merkmal von Braunkohlentagebaugebie-
ten ist, dass sie sich nicht in einem dynamischen
Wandel entwickelt haben. Der abrupten tota- 8.1.2 Geographische
len Devastierung folgt nach der Auskohlung im Informationssysteme
Regelfall die schnelle Neugestaltung mit unter-
schiedlich starken Anknüpfungen und Bezug- Geographische Informationssysteme (GIS) sind
nahmen an die vorbergbaulichen dynamisch ge- mehr als digital abgelegte Daten zur Erzeugung
wachsenen Kulturlandschaften, aber ohne deren von Karten. Das GIS hielt Mitte der 1990er Jahre
natürliche oder historische Attribute. Die klassi- ernsthaft Einzug in die Bergbausanierung. Eine
schen Nutzungen Forstwirtschaft – als flächen- erste Studie zur Einführung eines Informations-
mäßig bedeutendste Nutzung, – Landwirtschaft systems wurde bereits im Jahr 1994 erstellt. Die
– auf den für moderne Methoden der Bewirt- Digitalisierung des markscheiderischen Kar-
schaftung optimiert gestalteten Flächen – und der tenwerks sowie der Liegenschaften und deren
Naturschutz – mit einzigartigen Möglichkeiten Nutzungsarten ab dem Jahr 1995 markierten
durch die Großflächigkeit, Störungsarmut und den Wendepunkt. Bis dahin wurde das Risswerk
Bodensubstratausstattung – prägen die terrestri- regelmäßig an großen Leuchttischen von Zeich-
schen Flächen der Bergbaufolgelandschaften des nerinnen nachgetragen. Die Risswerke waren
Sanierungsbergbaus auf über 90 % der Gesamt- Insellösungen für den einzelnen Tagebau mit
fläche. Der Rest des Areals wird von Vorrang- eigenem Koordinatensystem. Liegenschaftliche
flächen für den Tourismus, Industrie- und Ge- Darstellungen lagen zudem in unterschiedlichen
werbeflächen sowie Flächen für die Infrastruktur Maßstäben vor.
eingenommen. Im Allgemeinen handelt es sich Der Aufbau von digitalen Datenbanken zu
um junge Landschaften mit instabilen Systemen Fachthemen wie dem Altlastenkataster, dem
und teilweise eigenständigen, neuen Biotopty- Forsteinrichtungswerk und geologischen Daten
pen (Heyde et al. 1998, ergänzt durch Huth et al. folgte. Hiermit wurde erstmals flächendeckend
2004a; Wiegleb 1996). Auch im Landschaftsbild
492 J. Schlenstedt et al.

Tab. 8.1   Meilensteine in der Entwicklung des GIS


1994 Erste Studie zur Einführung eines Geoinformationssystems
1995–1996 Umsetzung erster Schritte zur Gestaltung eines GIS
1999 Beginn der Implementierung eines unternehmensspezifischen Desktop-GIS;
  Die GIS-Informationen sollten den Mitarbeitern direkt zugänglich gemacht werden
2000 Einführung des GIS-Viewers als unternehmenseigenes Informationssystem
2000–2003 Verstärkte Datenzusammenführung/Datenpflege, Straffung und Konzentration des Informations-
systems, Umstellung des Grafiksystems auf neueste Generation
2004–2005 Zusammenführung weiterer auswertbarer Daten,
  Erstellung eines Infosystems Geotechnik
2006 Fortführung des Informationssystems Geotechnik zur Erfassung der Gewässergütedaten
2007 Datenbank für das Management § 3 Maßnahmen; Nachverfolgung von bergrechtlichen Stellung-
nahmen inklusive grafischer Anbindung an das Desktop-GIS
2009 Remodellierung der Datenbank zur Verwaltung der grafischen Informationen
  Beseitigung von Insellösungen
2010 Umstellung aller GIS-Datenbanken auf Microsoft SQL-Server 2008
2011–2012 Integration zu Kippenbereichen in GIS (Kippenkataster)
2013 Entwicklung und Einsatz eines 3-D-Viewers zur Darstellung und Verwaltung von 3-D-Daten

die bergbauliche Situation im Verantwortungsbe- gelmäßig zur weiteren Verarbeitung in MS-SQL-


reich des Sanierungsbergbaus einheitlich erfasst. Server-Datenbanken kopiert.
Die Tabelle 8.1 Meilensteine in der Entwick- Die einzelnen Fachbereiche sind für die Lie-
lung gibt zusammenfassend die Entwicklung von ferung aktueller und korrekter Daten verant-
den Anfängen bis zum Jahr 2010 wieder. wortlich. Daten von Fachämtern werden ebenso
Das Geoinformationssystem hat sich von eingebunden (z. B. Schutzgebiete des Natur-
den ursprünglich geforderten Zielsetzungen der schutzes) wie veranlasste Erhebungen. Im Fach-
aktuellen, sicheren und leicht reproduzierbaren bereich Rekultivierung sind dies vor allem Daten
Nachweisführung der Aktivitäten des Auslauf- zu den Substrateigenschaften der Kippenoberflä-
bergbaus und der Bergbausanierung, der korrek- che, forstliche Daten, Stand der Wiedernutzbar-
ten Darstellung der Liegenschaftssituation sowie machung und Daten zu Biotopstrukturen.
der Verknüpfung von Daten verschiedener Fach- Erst langfristige Datenreihen aus Umwelt-
ebenen zur Planung von Sanierungsmaßnahmen beobachtungen liefern wesentliche Grundlagen
zu einem täglichen Werkzeug der Mitarbeiter der für die Abschätzung langfristiger ökologischer
Bergbausanierung und der Kontroll- und Steue- Trends und für die fundierte Planung und Be-
rungsorgane entwickelt. Heute stehen jedem Mit- wertung von Maßnahmen. Hierbei können auch
arbeiter ein Desktop-GIS zur Verfügung, welches Daten der Fernerkundung Eingang finden. In
es gestattet ca. 400 verschiedene Sachthemen mit dem Forschungsschwerpunkt des BMBF zur Sa-
Datenbankanbindung miteinander zu kombinie- nierung der ostdeutschen Braunkohlengebiete,
ren und mit unterschiedlichen topografischen befassten sich auch mehrere Vorhaben mit den
Hintergrundinformationen (z. B. Bergmänni- Möglichkeiten der Fernerkundung bei der Daten-
sches Risswerk, amtliche topografische Karte der erhebung. Die Erhebung von Daten zu Flächen-
Landesvermessungsämter) zu hinterlegen. nutzungen, Biotopstrukturen und des Biotopbe-
Kernstück des Infosystems sind vier Daten- deckungsgrades sowie das Monitoring der Verän-
bankserver an den Standorten Senftenberg und derung sind notwendige Basisinformationen für
Leipzig, auf denen SQL-Server 2012-Datenban- eine effiziente und ökologische Bergbausanie-
ken installiert wurden. Zur Gewährleistung einer rung und Landschaftsplanung. Fernerkundungs-
hohen Datenaktualität und zeitnahen Verfügbar- systeme bieten mit Verknüpfung der Ergebnisse
keit von Informationen arbeiten die Datenbanken punktueller Erhebungen auf Testflächen, einzel-
replizierend. Oracle- und SAP-Daten werden re- ner Beobachtungspunkte oder Proberaster die
8 Rekultivierung 493

Möglichkeit, die Ergebnisse vom Punkt auf die 8.2 Naturraum und spontane
Fläche zu extrapolieren, d. h. von kleinräumigen Besiedelungsprozesse
Untersuchungen auf die ganze Region zu übertra-
gen. Ein Ergebnis dieser Forschungsarbeiten war 8.2.1 Naturraum
die Erarbeitung eines Biotoptypenschlüssels für
die Mitteldeutschen Bergbaufolgelandschaften. Naturräume sind im geographischen Sinne auf-
Die Anwendung Satelliten gestützter Fernerkun- grund des individuellen Gesamtcharakters ihrer
dungsmethoden mit differenzierten Kanälen im Landesnatur abgrenzbare Raumeinheiten, die
Spektrum erfordert nach Gläßer (2001) jedoch sich in einzelnen oder mehreren abiotischen und
ein hohes Fachwissen und eine gute technische biotischen Faktoren voneinander unterscheiden.
Ausstattung. Gerade das entsprechende Institut Lage, Geologie, Klima, Hydrographie und die
der Universität Halle hat hier Pionierarbeit ge- vorherrschenden Böden sind die wesentlichen
leistet. abiotischen Faktoren. Der Einfluss des Men-
Vermessung aus der Luft mit Helikoptern, schen auf die abiotischen und biotischen Fakto-
so genanntes Airborne Laser Scanning wird ren bleibt hierbei unberücksichtigt.
heute kommerziell angeboten und gehört zu den Jüngere Definitionen weisen aber die groß-
Standardverfahren in der Braunkohlesanierung. räumigen Bergbaureviere als eigenständige Na-
Hochexakte 3D Laserscanning-Daten aktualisie- turräume aus (Bastian 2003). Die völlige Devas-
ren die Risswerksdatenbank regelmäßig. Damit tierung und Umgestaltung des ursprünglichen
werden auch Modellierungen möglich. Dieses Lebensraums durch den Braunkohlenbergbau be-
Werkzeug hat gerade auch in der Landschaftspla- gründen diese Ausweisung als technogene Natur-
nung eine große Bedeutung in den letzten Jahren raumeinheiten. Die Innenkippen, Außenhalden
gewonnen. und die in den Restlöchern entstehenden Seen
Eine Standardanwendung des GIS in der sind erkennbar landschaftsprägend. Das sie aber
Bergbausanierung ist die Bearbeitung so ge- nicht nur als Bergbau(folge)- Landschaften cha-
nannter bergbaulicher Stellungnahmen. Hierbei rakterisiert und gegliedert wurden, verdeutlicht
sind die geplanten Arbeiten Dritter in der Berg- die tief greifenden und nachhaltigen Eingriffe
baufolgelandschaft auf ihre Relevanz für die und Veränderungen in die Raum- Zeit- Strukturen
Bergbausanierung zu prüfen, beziehungsweise und ihre Wirkungsgefüge. Nach Berkner (1998)
notwendige Hinweise zu noch erforderlichen wurde im Zuge der Braunkohlenförderung im
Sanierungsarbeiten zu geben. Auch die Verwer- Mitteldeutschen Revier der Massenumsatz einer
tung der Liegenschaften wird durch die einzelnen pleistozänen Inlandseisüberfahrung erreicht. Al-
Fachbereiche im GIS geprüft. lerdings lag die Umlagerungsgeschwindigkeit
Statistische GIS-Flächenauswertungen sind um das tausendfache höher.
wesentlicher Bestandteil der Nachweisführung Wichtig ist einerseits die Kenntnis der abioti-
zur Beendigung der Bergaufsicht auf ehemaligen schen Faktoren der technogenen Naturraumein-
Tagebau- und Veredlungsflächen sowie der Plan- heiten, andererseits auch die Kenntnis der Fakto-
feststellungsverfahren nach dem Wasserhaus- ren im Umland bzw. der Wechselwirkungen mit
haltsgesetz. den umliegenden gewachsenen Naturräumen, für
Bergbausanierung und Landschaftsplanung eine wie auch immer geartete Form der Rekul-
sind heute ohne ein modernes GIS undenkbar tivierung. Eine einfache Übertragung von Me-
geworden. Die Datenerfassung, die Verknüpfung thoden, Bauweisen, Pflanzen und Biotoptypen
verschiedenster Fachschalen, die Analyse der in andere Naturräume ist daher nicht erfolgreich.
Verschneidungsergebnisse, die Planung und Mo- Die beiden Wirtschafts- und Sanierungsregio-
dellierung von Lösungen und Varianten, deren nen Lausitzer Braunkohlenrevier und Mitteldeut-
Präsentation und schlussendlich die Nachweis- sches Braunkohlenrevier werden folgerichtig ge-
führung im GIS fördern das Verständnis der Zu- trennt charakterisiert.
sammenhänge der Bergbausanierung.
494 J. Schlenstedt et al.

Das Lausitzer Braunkohlenrevier  Das Lausit- der naturräumlicher Haupteinheiten darstellen.


zer Braunkohlenrevier gehört zur Großlandschaft Das zentrale geomorphologische Hauptelement
Nordostdeutsches Tiefland (s. Abschn. 2.2). Im bildet jedoch die Endmoräne der Lausitz – Kalt-
Süden wird es durch das ostsächsische Hügel- zeit (Saale III). Der Niederlausitzer Grenzwall,
und Bergland als Teil der mitteleuropäischen am eindruckvollsten im Teilstück des Muskauer
Mittelgebirgsschwelle begrenzt. Seine Lage Faltenbogens ausgebildet, durchzieht von Bad
in den beiden naturräumlichen Haupteinheiten Muskau im Südosten bis Luckau im Nordwesten
Lausitzer Becken- und Heideland (NR 84) und das Zentrum des Lausitzer Braunkohlenreviers
Oberlausitzer Heideland (NR 89), gemäß Glie- (Nowel et al. 1994). Südlich und westlich vorge-
derung des BfN (IFAG 2003), ermöglichen eine lagert ist ein Komplex aus Moränen, Platten und
weitgehend einheitliche Rekultivierungspra- Staubecken älterer Saale-Kaltzeiten. Rückwärtig
xis. Das davon isoliert liegende Oberlausitzer bestimmen mächtige saaleglaziale Hochflächen,
Braunkohlenrevier im Berzdorfer und Zittauer durch mehrere beckenartige Niederungsgebiete
Becken gehört dagegen zur Haupteinheit Ober- aufgespalten, die Topographie. Die Schmelz-
lausitz mit anderer geologischer Entstehungsge- wässer flossen während der Lausitz – Kaltzeit
schichte und deutlich verschiedener klimatischer südlich des Niederlausitzer Grenzwalls im Lau-
Ausgangslage. sitzer Urstromtal und während des Weichsel-
Die Vorkommen der wirtschaftlich nutzba- Frühglazials im nördlich gelegenen Baruther
ren Braunkohlenlagerstätten und die aktiven Urstromtal ab.
Tagebaue als auch des Sanierungsbergbaus des Klimageographisch gehört das Lausitzer
Lausitzer Reviers liegen im süd-östlichen Bran- Braunkohlenrevier zu den thermisch kontinen-
denburg und in Ostsachsen. Das Revier lässt sich talen Bereichen des norddeutschen Tieflandes.
durch das Oktogon der Städte Guben – Lübben – Bei Jahresmitteltemperaturen um 8,5  °C er-
Luckau – Finsterwalde – Lauchhammer – Berns- reicht die Jahresschwankung der Lufttempera-
dorf – Boxberg – Bad Muskau abgrenzen. Iso- tur 19–19,5 °C (Großer 1998). Im langjährigen
liert davon liegt das Oberlausitzer Revier um die Mittel liegen die höchsten Durchschnittstempe-
Städte Görlitz und Zittau. raturen der Station Cottbus bei 18,6 °C im Juli
Die Lausitzer Braunkohle entstand vor etwa und die Tiefsttemperaturen bei −0,6 °C im Janu-
15–20 Mio. Jahren aus den in subtropischem ar. Die Niederschläge erreichen im Mittel 600–
Klima erwachsenen Sumpfwäldern des Jungter- bis 650 mm/Jahr, wobei die Niederschlagshöhe
tiärs (Miozän). Zu dieser Zeit hatten sich mäch- nach Süden tendenziell zunimmt. Das Oberlau-
tige Torflager gebildet, die, bereits eingebettet sitzer Teilrevier weist höhere Niederschläge mit
in überwiegend sandige Ablagerungen des Ter- 700 mm/Jahr auf.
tiärs, während des nachfolgenden Eiszeitalters Hydrogeographisch bestimmen die drei größ-
durch 10–150 m mächtige Deckschichten aus ten Flusssysteme von Neiße, Spree und Schwar-
Geschiebematerial und Lockersedimenten der ze Elster das Lausitzer Braunkohlenrevier. Die
Eisvorstöße und Abschmelzprozesse von ins- Neiße besitzt auf ihrer westlichen Seite nur ein
gesamt sechs Kaltzeiten überlagert wurden und schmales Einzugsgebiet und fließt der Oder zu,
dabei unter dem gewaltigen Druck dieses Deck- während Spree und Schwarze Elster zum Strom-
gebirges aus tertiären und quartären Ablagerun- gebiet der Elbe gehören. Der Niederlausitzer
gen dem Inkohlungsprozess unterlagen (Großer Grenzwall bildet eine Wasserscheide zwischen
1998). Geomorphologisch prägend sind die drei beiden, nördlich fließen die Fließgewässer der
Saale-Kaltzeiten mit jeweils eigenen Grund- und Spree zu und südlich wird ins Elstertiefland ent-
Endmoränen sowie die nachfolgende Weichsel- wässert. Die Spree durchbricht von Süden kom-
eiszeit. Auf den noch vegetationsfreien Sandflä- mend bei Spremberg den Lausitzer Grenzwall,
chen des Weichsel- Spätglazials entstanden durch die Lausitzer Neiße bereits südlich davon auf der
Windverwehung die großen Binnendünenfelder, Höhe von Bad Muskau.
welche ein gemeinsames Charakteristikum bei-
8 Rekultivierung 495

Der Begriff „Lausitz“ ist slawischen Ur- von Kiefern-Eichenwäldern, reinen Zwerg-
sprungs und bezeichnet ein „niedriges Sumpf- strauch Kiefernwäldern mit Heidel- und Preisel-
land“. Sowohl die ebene bis flachwellige, von beere geprägt (Großer 1998).
Endmoränen, Flugsandfeldern, Binnendünen,
Niederungen und Mooren, wie dem Dubringer Das Mitteldeutsche Braunkohlenrevier Das
Moor bei Wittichenau, geprägte, natürliche To- Mitteldeutsche Revier gehört zu der Großland-
pographie, als auch die vorherrschenden Böden schaft Nordostdeutsches Tiefland (s. Abschn. 2.2).
werden damit charakterisiert. Die Karte der na- Es besteht aus vier bedeutenden und vier klei-
türlichen Böden weist auf rund zwei Dritteln neren Teilrevieren in den Bundesländern Sach-
des Lausitzer Tieflandes Moorstandorte, Gley-, sen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Der Braun-
Auen- und Stagnogley- Bodengesellschaften kohlenbergbau ist seit über 400 Jahren historisch
auf. Das übrige Gebiet wird von Fahlerden, belegt. Er bildete die Basis für die Entwicklung
Sand-Braunerden und Sand-Braunpodsolen ein- der Region zu einer der stärksten deutschen In-
genommen (Großer 1998). Die nährstoffarmen dustrieregionen im 19. Jahrhundert bis zur Mitte
Böden sind tief entkalkt und versauert. Diesen des 20. Jahrhunderts. Dementsprechend sind
natürlichen Böden stehen auf über 40.000 ha der in den vier Hauptrevierteilen die Naturräume
Bergbaufolgelandschaften die neuen, technoge- bis auf wenige Reste stark anthropogen beein-
nen Kipp-Lockersyroseme, -Regosole und -Para- flusst und überprägt. Die Kernreviere Südraum
rendzinen sowie Böden aus Braunkohlenaschen Leipzig, Zeitz-Weißenfels-Hohenmölsen, das
als Standorte zukünftiger Lebensgemeinschaften Geiseltal und das Dreieck Gräfenhainichen-Bit-
und ihrer Entwicklungen gegenüber. terfeld-Delitzsch umfassten stets mehrere Tage-
Die standörtlichen Gegebenheiten bestimmen baue sowie Kraftwerke und Veredlungsanlagen.
die natürliche Vegetation des Lausitzer Braun- Die kleineren Revierteile um Halle, Röblingen,
kohlenreviers. Nährstoffarme Sphagnum-Moo- Aschersleben-Nachterstedt und Harbke an der
re mit Wollgrasfluren und Schilfgürteln, an die Grenze zu Niedersachsen bestanden aus meist
sich Moorwälder mit Birke als Leitbaumart oder nur einem kleineren Tagebau mit entsprechender
Feuchtheide mit Heidekraut und Glockenheide Veredlungsanlage. Hier blieben die Auswirkun-
anschließen, wechseln mit nährstoffreicheren gen auf Landschaft und Naturraum überwiegend
Zwischenmooren aus Großseggen-Riedern und lokal beschränkt (Berkner 1998).
Erlen-Bruchwäldern in den Niederungen ab Der Braunkohlenbergbau in Mitteldeutsch-
(Vogel 1998). Die Überflutungsauen mit Deck- land vollzog sich in seiner Gesamtheit in Tief-
lehm- oder Decktonablagerungen begleiten die landsgebieten mit Höhen von 70 m bis 200 m NN
Flüsse und Fließe. Hier sind Bruch- und Pur- und streifte nur im äußersten Süden im Bereich
purweide, Schwarzpappel, gefolgt von Stiel- des Altenburg-Zeitzer Lößhügellandes gering-
eichen, Hainbuchen, Winterlinde und Flat- fügig höhere Gebiete (Berkner 1998). Charakte-
ter-Ulme die vorherrschenden Baumarten der ristisch für die Geomorphologie der Kernrevie-
natürlichen Waldgesellschaften. Die häufiger re waren tischebene Flussauen und dazwischen
vertretenen Sand-Gleye der Urstromtäler und liegende Platten mit geringer Reliefenergie. Die
Beckenlandschaften tragen je nach Wasserstand im Holozän stark geprägte Morphologie erfasste
Erlen-Eschenbruchwälder und Stieleichen-Hain- auch die älteren pleistozänen Ablagerungen der
buchenwälder bis hin zu Birken-Stieleichenwäl- elster- und saalekaltzeitlichen Grundmoränen aus
dern. Geschiebemergel und Geschiebelehmen, glazif-
Braunerden aus Sanden der verschiedensten luviatilen Schmelzwasser- und Talsanden sowie
geologischen Herkunft sind die Standorte armer weichsel-kaltzeitlichen Löß, Sandlöß und Ge-
Pillenseggen-Buchenwälder und häufig großflä- schiebedecksande. Die tertiären, Kohle führen-
chiger Kiefern-Eichenwälder. Die armen Stand- den Schichten aus dem Miozän und dem Eozän
orte der Sand-Braunerdepodsole aus Talsanden, sind fluviatil-limnische und marin-brackische
Dünen und sandig-kiesigen Altmoränen werden
496 J. Schlenstedt et al.

Sande, Schluffe und Tone in Wechsellagerung Buchenwälder bestimmt. Stieleichen-Hainbu-


(Wünsche et al. 1998). chenwälder stockten auf Sandlöß-Stagnogleybö-
Klimageographisch gehört das Mitteldeut- den. Die Düben-Dahlener-Heide hat Vorkommen
sche Braunkohlenrevier zu den thermisch kon- großflächig natürlicher Kiefern-Traubeneichen-
tinentalen Bereichen des norddeutschen Tief- wälder. Auf ausgeprägt warmen trockenen Stand-
landes (Leipziger Tieflandsbucht) und ist damit orten wie den Südhängen von Tälern und End-
vergleichbar dem Lausitzer Revier. Bei Jahres- moränen kommt es zur Ausbildung lichter, ther-
mitteltemperaturen zwischen 8,0–9,5  °C er- mophiler Eichentrockenwälder und im Bereich
reicht die Jahresschwankung der Lufttemperatur der Flussauen bestimmen die verschiedenen
19–19,5 °C. Der Jahresniederschlag ist dagegen Pflanzengesellschaften des Auenwaldkomplexes
im Mittel bedeutend geringer als im Lausitzer die natürliche Vegetation (Thomasius und Häfker
Revier. Er beträgt nur zwischen 450–600 mm 1998).
(Wünsche et al. 1998).
Die Flüsse Saale, Weiße Elster, Mulde sowie Die technogenen Naturräume Die technoge-
Nebenflüsse wie die Geisel bestimmten die vor- nen Naturräume des Braunkohlenbergbaus sind
bergbaulichen hydrogeographischen Verhältnis- Teil größerer Naturräume und damit Teil der
se. Eine Vielzahl von natürlichen und künstlichen natürlichen Prozesse in diesen. Abweichend von
Vorflutern, so genannten Mühlgräben, durchzog natürlichen Teilräumen beeinflussen und steuern
die Auenlandschaften. Im Gegensatz zur Lausitz jedoch durch den Menschen geschaffene Stand-
entstand jedoch keine ausgeprägte Teichwirt- ortfaktoren die Entwicklung und Geschwindig-
schaft. Natürliche Stillgewässer waren selten. keit der natürlichen Prozesse. Substrate, die
Die angrenzenden Lößplatten waren durch ausge- über geologische Zeiträume in tiefen Schichten
prägte Wasserarmut charakterisiert. Das Abfluss- lagerten, bilden jetzt großflächig die Basis für
regime der Fließgewässer unterlag angesichts des die spontane Neubesiedlung und die geplante
vorherrschenden Ackerbaus und der Waldarmut Rekultivierung. Die gewachsene Schichtung
großen Schwankungen (Berkner 1998). der Grundwasserleiter wurde zerstört und durch
Die natürlichen Böden sind Löß-Parabrau- unregelmäßige technogene Schichtungen ersetzt.
nerden, Pararendzinen, Sandlöß-Parabrauner- Tertiäre Kippen bleiben über Jahrzehnte vege-
den, Stagnogleye, Auen-Gleye, Vegen und lokal tationslos, mit Auswirkungen auf die Boden-
Schwarzerden. Die ackerbauliche Nutzung dieser entwicklung, Grundwasserneubildung und die
überwiegend guten bis sehr guten Böden und die Morphologie. Sie bilden aber auch die Lebens-
damit verbundene Entwicklung einer reichen räume für spezialisierte Tier- und Pflanzenarten
Kulturlandschaft war die Folge dieser Standorts- und prägen die Eigenart der Bergbaufolgeland-
gunst. Wie in der Lausitz sind die technogenen schaften ganz wesentlich (Abb. 8.1). Die weitere
Kipp-Bodensubstrate überwiegend Mischsub- Betrachtung der Möglichkeiten und Ziele einer
strate tertiären und pleistozänen Ursprungs mit Wiedereingliederung in die natürlichen Regel-
sehr geringen Humus- und Nährstoffanteilen, kreisläufe muss daher neben dem Naturraum,
hoher Substratheterogenität, hoher Erosions- in welchen die jeweiligen Tagebaue eingebettet
anfälligkeit und weitgehend fehlenden biologi- sind, immer auch Tagebaugeschichte und -tech-
schen Kreisläufen. nologie im Focus haben.
Die Natürliche Vegetation des Leipziger Rau-
mes wäre ein Eichen-Linden-Hainbuchenwald
(Thomasius und Häfker 1998) mit einer Strauch- 8.2.2  Spontane Besiedlungsprozesse
schicht aus Schwarzem Holunder, Weißdorn,
Hasel und Hundsrose. Das südlich anschließende Die Kenntnis spontaner Besiedlungsprozesse
Altenburg-Zeitzer Revier des kühleren Löß-Hü- der Bergbaufolgelandschaft ist für alle Sanie-
gellandes wird durch Eichen-Buchen-Hainbu- rungsplanungen relevant, da sie wesentliche
chenwälder und schließlich Hainsimsen-Eichen- Anhaltspunkte für die Zielbegründung von Fol-
8 Rekultivierung 497

Zeitraum hinweg können dann weitere Arten


offener Standorte und lichter Wälder aus der nä-
heren und weiteren Umgebung einwandern. Für
die dabei nachgewiesenen Fernausbreitungspro-
zesse sind außergewöhnliche Ereignisse (z. B.
günstige Thermik, Verschleppung durch Tiere
und Menschen) anzunehmen, die als wesentli-
che Ursachen für den relativ hohen Artenreich-
tum der Sukzessionsflächen bei vergleichsweise
artenarmen Lieferbiotopen in der unmittelbaren
Umgebung anzunehmen sind. Im strukturarmen
Abb. 8.1   Tertiäre Kippe im Tagebau Greifenhain 2000. Geiseltal haben beispielsweise 40 % auf Sukzes-
(Foto: LMBV/IBA) sionsflächen im Tagebau gefundenen Arten ihre
nächsten Vorkommen in mehr als 3 km Entfer-
nung. Bei geeigneten Standortbedingungen kom-
genutzungen und die Auswahl geeigneter Arten men in einigen Tagebaubereichen bereits deut-
bei Begrünungsmaßnahmen bietet. Mit Hilfe der lich mehr Arten vor, als auf gleichgroßen Flächen
Bioindikation durch Pflanzen sind summarische in der unmittelbaren Umgebung (Tischew et al.
Aussagen zu den Standorteigenschaften ableit- 2004a).
bar, die ausgesprochen wertvoll in Hinblick auf Mit dem Erreichen des Waldstadiums stellen
die Abschätzung der Entwicklungspotenziale die Kippen- und Haldenflächen potenzielle Le-
sind. Dabei stellt auch die Abschätzung der Zeit- bensräume für Waldarten dar. Da für Waldarten
räume, die für die spontane Entwicklung von be- nur sehr geringe Ausbreitungsgeschwindigkeiten
stimmten Vegetations- und Biotoptypen benötigt angegeben werden (Wulf 2003), kann es in die-
werden, eine wichtige Entscheidungsgrundlage sem Übergangsstadium bei großen Entfernungen
für Sanierungsmaßnahmen dar. In Abhängigkeit zu Lieferbiotopen zu einer verzögerten Ausbil-
von den Folgenutzungen und deren spezifischen dung typischer Waldzönosen kommen (Benkwitz
Zielen muss dann entschieden werden, in wel- et al. 2002; Selent et al. 1999).
chem Rahmen Standortfaktoren durch entspre- Ein wesentliches Ergebnis neuerer Untersu-
chende Maßnahmen verändert werden müssen chungen ist die Bestimmung kausal wirkender
oder ob der Besiedlungsprozesse durch das ge- Standortfaktoren auf die Vegetationsentwicklung
zielte Einbringen von Arten in seiner Richtung mit Hilfe von Ordinationsverfahren sowie durch
gelenkt oder beschleunigt werden sollte. detaillierte Analysen von Datensätzen langjähri-
Da die sterilen Kippsubstrate im Verlauf von ger Dauerbeobachtungen. Diese können im Suk-
Einwanderungsprozessen von Tieren und Pflan- zessionsverlauf als „Schaltstellen“ wirken und
zen neu besiedelt werden müssen, kommt bei so eine bestimmte Entwicklungsrichtung beein-
der Analyse von Sukzessionsprozessen den Ver- flussen (FLB 2003; Tischew et al. 2004b). Durch
netzungs- und Austauschbeziehungen mit dem die Aggregierung von Detailerkenntnissen aus
Umland eine große Bedeutung zu. Die Untersu- verschiedenen Forschungsprojekten konnte ein
chungen zum Einwanderungsverhalten von aus- statistisch abgeleitetes Sukzessionsmodell zur
gewählten Tiergruppen und Pflanzenarten lassen Prognose genereller Entwicklungstendenzen in
übereinstimmende Tendenzen erkennen (Dunger der Bergbaufolgelandschaft entwickelt werden
1998b; Landeck 1996; Tischew et al. 2004a). (Abb.  8.2). Dieses bezieht sich auf den grund-
Für die ersten Besiedlungsphasen sind neben wasserfernen Bereich (> 2 m unter Flur), da hier
offenen Lebensräumen mit Störeinflüssen (z. B. umfangreiche, gesicherte Erkenntnisse für ein
Ruderalfluren, Abbrüche) vor allem auch andere sehr breites Standortspektrum vorliegen. Neben
Abbauflächen in der unmittelbaren Umgebung einer Zeitachse wurden Standortparameter inte-
wichtige Lieferbiotope. Über einen längeren griert, die die Funktion der „Schaltstellen“ (grau
498

XR.RKOHJHKDOW!

XR.RKOHJHKDOW!

Abb. 8.2   Sukzessionsnetz für den grundwasserfernen Bereich (> 2 m unter flussgrößen (die pH-Werte beziehen sich auf 0–30 cm Substrattiefe) (Tischew
Flur) der ostdeutschen Bergbaufolgelandschaft: Stadien, Zeiträume und Ein- et al. 2004a)
J. Schlenstedt et al.
8 Rekultivierung 499

dargestellt) übernehmen und zur Ausprägung be- Diese Standorte scheinen langfristig eine nur
stimmter Sukzessionsstadien führen. In jedem ungenügende Bodenentwicklung (biogene Nähr-
Altersstadium gewinnen hierbei unterschiedli- stoff- und Humusakkumulation) aufzuweisen
che Parameter und Faktoren an Bedeutung. Das und sind daher lediglich für anspruchslose Pio-
Prognosemodell zeigt, dass die Extrembereiche niergehölze besiedelbar. Dennoch ist nicht aus-
im Standortspektrum (extrem sauer und/oder zuschließen, dass diese Pionierwaldstadien sich
hoher Kohlengehalt sowie trocken) über längere nach mehreren Jahrhunderten zu Birken-Eichen-
Zeiträume lediglich von wenigen Spezialisten- bzw. Birken-Kiefern-Eichenwäldern weiter ent-
gesellschaften wie Silbergras-Pionierfluren oder wickeln. Auf Tertiär-Substraten mit Kohlenge-
anderen Pioniergesellschaften besiedelt werden halten < 15 Vol.-% sind dagegen Birken-Eichen
können (Pietsch 1998). Auf weniger extremen bzw. Birken-Kiefern-Eichenwälder zu erwarten,
Standorten erfolgt der Übergang zu initialen Of- wobei letztere verstärkt in der Lausitz auftreten
fenlandgebüschen oder Heiden bei entsprechen- werden.
den Lieferbiotopen in der Umgebung schneller. Auf mittleren bis reichen Standorten ent-
Im mittleren ökologischen Bereich spielen wickeln sich langfristig gesehen je nach Ent-
für die ersten Besiedlungsphasen „first comer- fernung und Artenausstattung der Lieferbiotope
Effekte“ klonal wachsender (z. B. Land-Reitgras eichen- und rotbuchenreiche Laubmischwälder.
– Calamagrostis epigejos) oder zu hoher Dias- Eichenreiche Laubmischwälder sind insbeson-
porenproduktion neigender Arten (z. B. Hänge- dere im Mitteldeutschen Trockengebiet sowie
Birke – Betula pendula) eine große Rolle. Arten, auf Substraten mit geringerer Wasserspeicherfä-
die zuerst auf diese Rohbodenflächen gelangen, higkeit zu erwarten. In den Kippenwäldern der
bestimmen zu Beginn der Sukzession den Ent- kleineren Altbergbaugebiete werden diese Sta-
wicklungsverlauf der Kipp-Rohböden. Demnach dien aufgrund des sehr hohen Nährkraftpoten-
können auf mesophilen Standorten in den ersten zials (Oberbodenauftrag, Flugascheeinträge aus
5 bis 15 Jahren je nach Diasporenquellen die Kraftwerken) und der weniger isolierten Lage
Sukzessionsstadien initialer Pionierwald, Gras- deutlich eher erreicht, als auf den Kippenflächen
Kraut-Flur oder Land-Reitgras-Flur durchlaufen der Großtagebaue. Bei sehr großer Entfernung
werden. Standörtlich bedingte Differenzierungs- zu natürlichen Rotbuchenwäldern des Tagebau-
prozesse hingegen wirken in diesem ökologi- umlandes ist anzunehmen, dass sich Rotbuchen-
schen Bereich verstärkt ab einem Entwicklungs- wälder auf den mittleren bis reichen Standorten
zeitraum von etwa 30 Jahren und gewinnen im in Abhängigkeit von den Lieferbiotopen erst über
weiteren Sukzessionsverlauf zunehmend an Be- ahorn-, eschen-, linden- oder hainbuchenreiche
deutung. Demzufolge wurden für Parameter, die Waldstadien entwickeln werden.
Nährstoffpotenzial und Nährstoffverfügbarkeit
eines Standortes kennzeichnen, erst für mittlere
und ältere Sukzessionsstadien signifikante Zu- 8.3 Die Wiederherstellung der
sammenhänge zur Vegetationsdifferenzierung Böden
festgestellt. Auf der Basis des Entwicklungsstan-
des der untersuchten Kippenwälder in den Alt- 8.3.1  Ziele und Grundprinzipien
bergbaugebieten wurden zusätzlich standörtlich
differenzierte Entwicklungsprognosen getroffen, Durch die Gewinnung der Braunkohle im Ta-
die bisherige Prognosen (Heyde et al. 1998; Tho- gebau mit Großgeräten (Förderbrücken, Eimer-
masius et al. 1997) ergänzen und konkretisieren ketten- und Schaufelradbagger) werden die aus
sollen. Demnach kann nach bisherigem Kennt- den anstehenden geologischen Substraten durch
nisstand für Standorte mit extrem bis sehr stark natürliche Prozesse entstandenen Böden zerstört.
kohlehaltigen Tertiär-Substraten ein Birken- Eine separate Gewinnung und Wiederaufbrin-
bzw. Birken-Kiefernwald prognostiziert werden gung der wenige Dezimeter mächtigen, humosen
(Abb. 8.3). und belebten Oberböden nach dem Abbau stellt
500 J. Schlenstedt et al.

auf Kippenflächen gelten die in Tabelle 8.4 ange-


führten Grundprinzipien.
Hiervon abweichend kann es für bestimmte
Zwecke erforderlich sein, Bodensubstratdecken
mit extremen Eigenschaften aufzutragen. So
sind beispielsweise aus naturschutzfachlicher
Sicht sehr nährstoffarme und trockene, aber auch
Wasser stauende und nasse Standorte, die in der
umgebenden Kulturlandschaft meist selten ge-
worden sind, von besonderer Bedeutung für die
Flächenrenaturierung und die Schaffung von
Biotopen (s. Abschn. 8.7).
Abb. 8.3   Birkensukzession Tagebau Berzdorf 2006.
(Foto: LMBV/Radke)
8.3.2 Kippsubstrate
zwar die ideale Sanierungslösung dar, im Allge-
meinen ist dies jedoch aus technologischen und Die Eigenschaften der Kippsubstrate bestimmen
wirtschaftlichen Gründen nur in Ausnahmefällen entscheidend Richtung und Geschwindigkeit der
möglich. Abbaggerung, Transport und Verkip- Bodenentwicklung sowie das Ertragspotenzial
pung führen vielmehr zu einer Mischung der „ge- der Kippstandorte. Sowohl das Mitteldeutsche
wachsenen“ Böden mit den unterlagernden Subs- als auch das Lausitzer Braunkohlenrevier sind
traten. Durch eine geeignete Betriebsführung las- geologisch durch mächtige tertiäre Beckensedi-
sen sich jedoch bei der Entnahme des Abraums mente gekennzeichnet, die von quartären Subst-
über den Kohlenflözen bzw. bei der Umlagerung raten bedeckt sind (Haubold et al. 1998; Wünsche
bereits verkippter Massen Substrate unterschied- et al. 1998). Die über und unter den Kohlenflözen
licher Qualität getrennt gewinnen und verkippen lagernden tertiären Massen bestehen aus marin-
(s. Abschn. 2.2). brackischen und fluviatil-limnischen, teilweise
Ein vorrangiges Ziel der Bergbausanierung kohlen- und schwefelhaltigen Sanden, Schluf-
ist die Wiedernutzbarmachung der Landschaft fen und Tonen. Die pleistozänen Ablagerungen
durch die Entwicklung nachhaltig und vielfältig setzen sich in erster Linie aus glazifluviatilen
nutzbarer und produktiver Pflanzenstandorte, Schmelzwasser- und Talsanden sowie Geschie-
die gleichzeitig auch die natürlichen Boden- bedecksanden zusammen. In geringeren Mengen
funktionen gewährleisten (Tab. 8.2). Diesem treten wertvollere Geschiebemergel und -lehme
Ziel dienen der abschließende homogene Auf- auf. Im Mitteldeutschen Revier sind zudem die
trag möglichst wertvoller Bodensubstrate in aus- hochwertigen pleistozänen Substrate Sandlöß
reichender Mächtigkeit sowie bodenmeliorative, und Löß sowie Lößlehm und holozäne Auenleh-
acker-, pflanzen- und waldbauliche Maßnahmen me und -schluffe von Bedeutung. Eine Besonder-
im Rahmen der land- und forstwirtschaftlichen heit stellen die insbesondere im Lausitzer Revier
Rekultivierung (Tab. 8.3). großflächig (dort insgesamt ca. 1.100 ha) in der
Hierzu wurden spezielle nutzungs- und stand- Nähe der Kraftwerke verkippten oder verspülten
ortangepasste Rekultivierungsverfahren entwi- Braunkohlenaschen dar (Gunschera 1998a).
ckelt (Gunschera 1998a; Preußner 1998; Hau- Im Lausitzer Revier bestehen die Bodende-
bold-Rosar 2002; Knoche et al. 2002). Grundlage cken der Kippen und Halden zu etwa 90 % aus
der Verfahrensauswahl zur Substratmelioration Sanden und Lehmsanden (Haubold et al. 1998).
und Rekultivierung ist die Qualität und räumli- Etwas mehr als die Hälfte der Standorte werden
che Verteilung der verkippten Substrate (Wün- von tertiären Substraten oder Mischsubstraten
sche et al. 1981; Haubold et al. 1998; Wünsche tertiärer und quartärer Herkunft bedeckt. Im Mit-
et al. 1998). Bei der Wiederherstellung der Böden teldeutschen Revier ist sowohl der Anteil quartä-
8 Rekultivierung 501

Tab. 8.2   Bodenfunktionen in Anlehnung an das Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG 1998)


Natürliche Funktionen als
Lebensgrundlage und Lebensraum für Menschen, Tiere, Pflanzen und Bodenorganismen
Bestandteil des Naturhaushaltes (insbesondere Wasser- und Nährstoffkreisläufe)
Abbau-, Ausgleichs- und Aufbaumedium für stoffliche Einwirkungen
(Filter- und Pufferwirkung, Stoffumwandlung)
Nutzungsfunktion als
Standort für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung

Tab. 8.3   Arbeitsschritte und Ziele der Wiedernutzbarmachung (verändert nach Rauhut 1998)
Arbeitsschritte Ziele
Erarbeiten und Auswerten von boden- Erkundung der Substratzusammensetzung im Deckgebirge, Bilanzierung
geologischen Vorfeldgutachten der für die Rekultivierung einsetzbaren Substrate, Prognose der Zusam-
mensetzung der Kippenkörper
Gewinnung und Verkippung Steuern der Bagger-, Band- und Absetzerkombination im Vorschnitt-
betrieb, selektive Gewinnung und Verkippung kulturfähiger Substrate,
Schaffung homogener Bewirtschaftungseinheiten
Kippenkartierung/Standorterkundung Erfassung der räumlichen Verteilung der verkippten Substrate, ihrer
bodenphysikalischen und –chemischen Eigenschaften und ihres Kultur-
wertes, Ableitung der Nutzungsmöglichkeiten, Festlegen der bodenver-
bessernden Maßnahmen und der Rekultivierungsverfahren
Bodenverbesserung Schaffung günstiger Ausgangsbedingungen für die Entwicklung der natür-
lichen Bodenfunktionen und der Produktionsfunktion der Kippböden
bspw. durch Grundkalkung, -düngung, Gefügemelioration, Anreiche-
rung organischer Substanz
Rekultivierung Förderung der Entwicklung der natürlichen Bodenfunktionen, ins-
besondere der Bodenfruchtbarkeit, Erreichen des substrattypischen
Standortleistungspotenzials

Tab. 8.4   Grundprinzipien der Wiederherstellung von Böden auf Kippenflächen


Selektive Gewinnung der wertvollen Bodensubstrate zur Verkippung als oberste Substratdecke
Substratauftrag in ausreichender Mächtigkeit
Herstellung homogener Substratdecken
Vermeidung von Gefügeschäden bei Verkippung, Planierung und Erstbewirtschaftung
Bodengeologische Aufnahme und Kartierung der Flächen
Substrat- und nutzungsbezogene Meliorations-/Rekultivierungsverfahren nach Stand der Technik
Erosionsschutz
Anbindung an die Vorflut
Monitoring und Erfolgskontrolle

rer Substrate als auch der Anteil bindiger Subst- Durchlüftung und Wasserleitfähigkeit. Ihr Was-
rate mit höheren Schluff- und Tongehalten größer serspeichervermögen sowie ihre Sorptionskapa-
als im Lausitzer Revier (Wünsche et al. 1998). zität für Nährstoffe sind jedoch gering. Im Allge-
Die quartären sandigen Substrate (Becken- meinen liegen geringe bis mittlere Mineral- und
und Talsande, Schmelzwassersande) sind durch Nährstoffvorrräte sowie pH-Werte vor. Kalk-
geringe Schluff- und Tongehalte gekennzeichnet haltige Sande zeigen eine alkalische Bodenreak-
(Tab.  8.5). Sie verfügen über ein hohes Grob- tion und ein stärkeres Puffervermögen. Mit zu-
porenvolumen und damit auch über eine gute
502 J. Schlenstedt et al.

Tab. 8.5   Allgemeine Kennzeichnung der Kippsubstrate. (verändert n. Thum et al. 1992)
Quartär Tertiär
Sandige Substrate
(Terrassenschotter, Schmelz-wasser-, (Fluviatile, marine, brackische
Tal-, Beckensande) Sande und lehmige Sande, häufig
kohlehaltig)
Mittlerer Mineral- und Nährstoffvorrat Geringe bis mittlere Ton- und Geringer bis mittlerer Mineral- und
Schluffgehalte Nährstoffvorrat
Mittlere pH-Werte Lockere Lagerung Eisensulfide
Mittlere bis hohe Luftkapazität Niedrige pH-Werte
Geringe Sorption Verbesserung von Sorption und
Wasserkapazität durch Kohle
Geringe Wasserkapazität
Bindige Substrate
(Löß, Sandlöß, Geschiebe-mer- (Tone und Schluffe, z. T.
gel, Löß-, Geschiebe-, Auen-, kohlehaltig)
Beckenlehme)
Hoher Mineral- und Nährstoffvorrat Hoher Ton-/Schluffgehalt Mittlerer Nährstoffvorrat
Günstige pH-Werte Dichte Lagerung Eisensulfide
Geringe Luftkapazität Vorwiegend 2-Schicht-Tone
Hohe Sorption Niedrige bis mittlere pH-Werte
Hohe Wasserkapazität Verbesserung von Sorption und
Wasserkapazität durch Kohle

nehmenden Ton- und Schluffanteilen verbessern einen positiven Einfluss auf die Wasser- und
sich Wasser- und Nährstoffhaushalt der sandigen Nährstoffversorgung und wertet damit die Pro-
Substrate. duktivität der Standorte auf (Katzur 1998; Hein-
Die quartären bindigen Substrate (Löß/Löß- kele et al. 1999; Knoche et al. 2002).
lehm, Sandlöß/-lehm, Geschiebemergel/-lehm, Im Allgemeinen sind die Kippsubstrate zu-
Auenlehme/-schluffe) weisen in der Regel hohe nächst humusfrei und weisen geringe Gehalte
Mineral- und Nährstoffvorräte auf und sind durch verfügbarer Nährstoffe und eine geringe boden-
eine hohe Sorptionskraft und Basensättigung biologische Aktivität auf (Tab. 8.6). Diese pflan-
sowie günstige pH-Werte gekennzeichnet. Die zenbaulich maßgeblichen Eigenschaften verbes-
Wasser- bzw. Feldkapazität ist ebenfalls hoch. sern sich erst in einem über mehrere Jahrzehnte
Das gilt auch für die Braunkohlenfilteraschen, andauernden Prozess der natürlichen Bodenent-
die allerdings sehr geringe Phosphorgehalte, sehr wicklung.
weite C/N-Verhältnisse und sehr hohe Anfangs- Die unsachgemäße Verkippung, Planierung
pH-Werte (9 bis 12) haben. und anschließende Befahrung bei der Erst- und
Die tertiären Kippsubstrate enthalten meist Folgebewirtschaftung der strukturarmen und ver-
Kohle entweder fein verteilt oder/und in Form dichtungsanfälligen Lockersedimente können zu
von Kohlenbröckeln und -klumpen sowie Eisen- erheblichen Schadverdichtungen führen. Diese
disulfide (Pyrit bzw. Markasit, St bis 1,5 M.-%), sind verbunden mit einer Verschlechterung der
welche bei Luftzutritt zu einer extremen Versaue- bodenphysikalischen Eigenschaften durch:
rung (pH-Wert < 2,5) und hohen Salzkonzentra- • Rückgang der Wasserleitfähigkeit und Infilt-
tionen der Bodenlösung führen. Sie sind deshalb ration (Wasserstau, Wassererosion)
zunächst ausgesprochen vegetationsfeindlich. • Verringerung der Luftkapazität, Luftdurchläs-
Allerdings hat die enthaltene Kohle nach Ein- sigkeit und Gasdiffusion
arbeitung geeigneter Kalk- oder Aschemengen
8 Rekultivierung 503

Tab. 8.6   Nutzungs- und Ertrags- begrenzende Eigenschaften von Kippenböden


Humusarmut (Fehlen rezenter organischer Substanz)
Armut an pflanzenverfügbaren Nährstoffen (insbesondere N und P) und geringes Nährstoffspeicher- und
Nährstofftransformations-Vermögen
Fehlende bzw. geringe bodenbiologische Aktivität
Technogenes Gefüge, geringe Gefügestabilität
Unzureichende Durchlüftung, Wasserleitfähigkeit und Durchwurzelbarkeit (bindige Substrate)
Geringe Wasserspeicherung (sandige Substrate)
Hohes Säurepotenzial eisensulfidhaltiger tertiärer Kippsubstrate

• Erhöhung des Eindringwiderstandes und nach Planungs- bzw. Realisierungsstand der Sa-
Behinderung der Durchwurzelung nierung grundlegende bzw. korrigierende Emp-
• Einschränkung der Wasser- und Nährstoffauf- fehlungen für die Gestaltung und die funktionale
nahme der Pflanzen Einordnung dieser Flächen in die Bergbaufolge-
• Einengung des Lebensraumes von Bodentieren. landschaft ergeben.
(Gunschera 1978; Wünsche und Thum 1990; Die Ausscheidung und Kartierung von Kipp-
Haubold-Rosar 1994; Lebert und Stahl 2001; substrateinheiten und ihre Bewertung im Hin-
Stock 2005; Haubold-Rosar und Neumann 2009). blick auf eine land- oder forstwirtschaftliche
Ein weiteres Problem ist die Anfälligkeit der Nutzung erfolgt auf Grundlage einiger Leitpara-
zunächst humusarmen, durch geringe Aggregat- meter wie geologisches Alter, Bodenart (Textur
stabilität und – im Falle kohlehaltiger Massen – des Feinbodens, Skelettgehalt), Humus-, Koh-
durch Hydrophobie gekennzeichneten Substrate len- und Kalkgehalt. Zur Festlegung der notwen-
gegenüber Wasser- und Winderosion in der offe- digen Meliorations- und Erstbewirtschaftungs-
nen Bergbaufolgelandschaft. Zudem erschwert maßnahmen sind des Weiteren Schwefelgehalt,
die starke Heterogenität vieler Kippenstandorte Kationenaustauschkapazität, pH-Wert, Basen-
die Melioration und die anschließende pflanzen- sättigung, Kalkbedarf, die Gehalte an Hauptnähr-
bauliche Nutzung (Thum 1974; Katzur und Hau- stoffen (N, P, K, Mg, Ca) und das C/N-Verhältnis
bold-Rosar 1997). von Interesse (Wünsche et al. 1981; Katzur und
Haubold-Rosar 1997).
Zu Beginn der 1990er Jahre wurde die vorher
8.3.3 Substratkartierung, -analyse in der DDR übliche Substratansprache und -klas-
und -bewertung sifikation nach Wünsche et al. (1981) auf die
Kartierungsvorgaben der Geologischen Landes-
Nach dem Substratauftrag ist es zunächst erfor- ämter umgestellt (AG Boden 1994; Abo-Rady
derlich, die bodenphysikalischen und -chemi- et al. 1998; Ad-hoc-AG Boden 2005; Tab. 8.7).
schen Eigenschaften der verkippten oder ver- Sie sind die Grundlage für die „Arbeitsanleitung
spülten Bodenmaterialien und ihre räumliche der LMBV mbH zur Anfertigung bodengeologi-
Verbreitung zu erfassen, um das Ertragspotenzial scher Kartierungsberichte auf Kippen- und Ta-
der geschaffenen Standorte zu bewerten und er- gebaurandflächen“ (LMBV 1998, 2007). Diese
forderliche bodenverbessernde Maßnahmen enthält Vorgaben zur Methodik der Feldarbeiten
und Rekultivierungsverfahren im Hinblick auf (Peilstangenbohrungen und Anlage von Boden-
die angestrebte Nutzung abzuleiten. Die Subst- profilen bis 100 cm Tiefe, Probenahme) und der
ratanalyse und -kartierung dient auch der kom- Laboranalysen. Zudem ist die Codierung und
plexen ökologischen Bewertung der neu entste- Eingabe der Ergebnisse in eine Substratdaten-
henden Ökosysteme und der Einschätzung ihres bank und das Geographische Informationssys-
Entwicklungspotenzials. Hieraus können sich je tem der LMBV sowie die Erstellung der Aus-
Tab. 8.7   Ausgewählte Kippsubstrate und ihre Kennwerte
504

Substrat Symbol Kennwerte Lokalbodenforma Symbol


(AG Boden 1994, Ad-hoc-AG Boden Grob- Feinboden Kohle CaCO3 Schwefel Geolog (Wünsche et al. 1981)
2005)
boden Sand Schluff Ton Alter
(Vol.-%) (M.-%) (M.-%) (M.-%) (M.-% Ct) (M.-%) (M.-% SO3)
Reinsubstrate
Kipp-Reinsand oj-ss (t) ≤ 2 85–100 ≤ 10 ≤ 5 ≤ 0,5 ≤ 0,5 < 0,2 Tertiär Kipp-Sand S-Kp
Kies führender oj-(k)ss (q) > 2–25 85–100 ≤ 10 ≤ 5 ≤ 0,5 ≤ 0,5 < 0,2 Quartär Kipp-Mittelgrob- mgS-Kp
Kipp-Reinsand sand
Kohle führender oj-(x)ss (t) ≤ 2 85–100 ≤ 10 ≤ 5 > 0,5–2,0 ≤ 0,5 < 0,2 Tertiär Kipp-Kohlesand x′S-Kp
Kipp-Reinsand
Kipp-Reinsand mit oj- (ll)ss (q) ≤ 2 85–100 ≤ 10 ≤ 5 < 0,5 < 0,5 < 0,2 Quartär Kipp-Gemen- G(l′)S-Kp
Tonlehmbrocken (15– (15–50) (17–35) ge(Lehm-) Sand
68)
Kalk führender oj-(c)ls (q) ≤ 2 48–95 ≤ 25 ≤ 17 ≤ 0,5 > 0,5–2,0 < 0,2 Quartär Kipp-Kalkan- cSl-pKp
Kipp-Lehmsand lehmsand clS-K
Kipp-Kalklehm-
sand
Kipp-Kohlelehmsand oj-xls (t) ≤ 2 48–95 ≤ 25 ≤ 17 > 2–15 < 0,5 0,2–> 1,0 Tertiär Kipp-Kohlean- xSl-Kp
lehmsand xlS-Kp
Kipp-Kohlelehm-
sand
Kipp-Kalksandlehm oj-csl (q) ≤ 2 33–83 ≤ 50 8–25 < 0,5 > 2–25 < 0,2 Quartär Kipp-Kalksand- cSL-Kp
lehm
Kies führender oj-(k)ll (q) > 2–25 15–68 15–50 17–35 ≤ 0,5 ≤ 0,5 < 0,4 Quartär Kipp-Kieslehm kL-Kp
Kipp-Normallehm
Gemischt verkippte Substrate
Kippgemenge von Kohle führendem Lehmsand und Kies führendem Lehmsand oj-(x)ls + (k)ls (t + q) Kipp-Gemenge- Gkx′lS-Kp
kieskohle-lehm-
sand
Kleinräumiger horizontaler und vertikaler Substratwechsel
Kleinräumiger Wechsel von Kies führendem Kipp-Lehmsand und Kipp-Normallehm oj-(k)ls (q) < > oj-ll (q) klS-Kp <> L-Kp
Kipp-Kalknormallehm (0,7 m) über Kipp-Kohlelehmsand oj-cll (q)/oj-xls (t) cL
xlS
a Die Zuordnung der Lokalbodenformen nach Wünsche et al. (1981) zu den Substratarten nach AG Boden (1994) und Ad-Hoc-AG Boden (2005) weist Unschärfen auf, da für
J. Schlenstedt et al.

die Klassenbildung teilweise unterschiedliche Kennwertbereiche verwendet wurden


8 Rekultivierung 505

wertungskarten (Abb. 8.6) geregelt. Bei der Be- Trockenroh- bzw. Packungsdichte abgeleitet,
wertung der Analysenkennwerte wird neben der bei deren Überschreitung im Unterboden eine
Kartieranleitung der Geologischen Landesämter Tieflockerung erforderlich ist, um ihr Ertrags-
(AG Boden 1994; Ad-hoc-AG Boden 2005) auch potenzial für die landwirtschaftliche Nutzung
die Arbeitsrichtlinie Bodengeologie herangezo- auszuschöpfen (Haubold-Rosar 1994; Dumbeck
gen (VEB GFE 1979). 1996). Bei starken Überverdichtungen ist eine
Das damalige Oberbergamt des Landes Bran- effektive Auflockerung bzw. Verbesserung der
denburg erließ im Jahr 2000 die Richtlinie für bodenphysikalischen Verhältnisse in den Unter-
die Wiedernutzbarmachung bergbaulich in An- böden durch natürliche Prozesse wie Durch-
spruch genommener Bodenflächen (Land Bran- wurzelung, Gefrieren, wühlende Tätigkeit von
denburg 2000). Sie gliedert die Bodensubstrate Bodentieren oder Quellung und Schrumpfung
der Kippen und Halden anhand ihrer Beschaf- mittelfristig nicht zu erwarten. Eine deutliche
fenheit und Eignung für bestimmte Wieder- Verbesserung ist durch den Einsatz bewegli-
nutzbarmachungsziele wie die forst- und land- cher Tieflockerungsgeräte (Stechhublockerer,
wirtschaftliche Nutzung oder den Biotop- und Tiefspatenfräse) möglich. Voraussetzungen für
Artenschutz. einen guten Lockerungserfolg ist ein gerin-
ger Wassergehalt (Wassergehalt unterhalb der
Ausrollgrenze). Günstige Bedingungen sind
8.3.4 Melioration im Allgemeinen im Spätsommer gegeben. Der
Wasserentzug durch eine Kulturpflanzendecke
Meliorationsverfahren Während in den Rena- fördert die Austrocknung des Bodens. Nach Tief-
turierungsbereichen der Bergbaufolgelandschaft lockerungsmaßnahmen ist eine bodenschonende
eine Vielfalt an verschiedenen Bodensubstra- Nachbewirtschaftung erforderlich (Bodenruhe,
ten unter besonderer Berücksichtigung von sehr Vermeidung von mechanischen Belastungen).
nährstoffarmen und trockenen aber auch reichen Die Entwicklung des Gefüges und der Tragfä-
und nassen Standorten angestrebt wird, ist es bei higkeit kann durch gezielte Humusanreicherung
nachfolgender land- und forstwirtschaftlicher und Fruchtfolgegestaltung (z. B. tiefe und inten-
Rekultivierung der Kippen und Halden in vielen sive Durchwurzelung) unterstützt werden (Mid-
Fällen aus den zuvor genannten Gründen erfor- delschulte et al. 1992; Weyers 1994).
derlich, eine günstige Entwicklung der Böden Grundkalkung  Bereits Illner und Katzur (1964)
und ihrer Fruchtbarkeit durch bodenmeliorati- sowie Katzur (1971) konnten zeigen, dass selbst
ve Maßnahmen einzuleiten bzw. zu initiieren. stark schwefelsaure Kippsubstrate mit St-Ge-
Hierzu zählen Verfahren der Gefügemelioration halten > 0,2 M.-% (Sande) bzw. > 0,4 M.-%
durch Unterbodenlockerung, die Grundkalkung (Lehme, Schluffe, Tone) einer nachhaltigen land-
und Grunddüngung sowie der Einsatz organi- und forstwirtschaftlichen Nutzung zugeführt
scher Bodenverbesserungsmittel. werden können (Katzur und Böcker 2010). Dies
erfordert jedoch eine andauernde Verbesserung
Tieflockerung  Die flächenhafte Verbreitung der Bodenreaktion durch vorherige Aufkalkung
von schädlichen Unterbodenverdichtungen auf (Katzur 1998). Seit Beginn der 90er Jahre wer-
Kippen und Halden lässt sich durch Kombina- den hierzu bevorzugt fein gemahlene Düngekal-
tionen punktueller Untersuchungen bodenphy- ke (Kalkmergel) mit einer ausgewogenen Initial-
sikalischer Parameter und der Packungsdichte und Depotwirkung eingesetzt. Die angestrebten
mit Penetrometermessungen sowie Pflanzenbo- pH-Werte schwanken zwischen 5,5 (forstliche
nituren und terrestrischen oder luftbildgestützten Rekultivierung) und 6 bis 6,5 (landwirtschaft-
(mehrjährigen) Nassstellenkartierungen fest- liche Rekultivierung). Für die Berechnung des
stellen (Dumbeck 1996; Tenholtern und Harrach Kalkbedarfs wird auf die von Illner und Katzur
1997; Harrach 2000). Für bindige Kippsubstrate (1964) entwickelte Säure-Base-Bilanz (SBB) zu-
wurden Indikatoren und Grenzwerte z. B. der rückgegriffen. Dieses Verfahren bemisst nicht nur
506 J. Schlenstedt et al.

die hydrolytische Azidität, sondern berücksich- gekalken insgesamt rascher und umfassender
tigt vor allem die mögliche Säurefreisetzung bei als bei Applikation von Braunkohlenaschen, in
vollständiger Pyritverwitterung. Im Gegensatz zu denen das Calcium teilweise stark gebunden ist.
den üblichen Verfahren der Kalkbedarfsermitt- Die Aschen wirken aber als langfristig fließende
lung wird so eine dauerhafte Anhebung und Sta- Ca-Quelle, wie Untersuchungen in 30-jährigen
bilisierung des Boden-pH-Wertes erreicht. Dabei Waldbeständen auf grundmeliorierten tertiären
variieren Schwefelgehalt und Pufferkapazität Kippsanden zeigen (Katzur 1998; Drebenstedt
auch innerhalb bestimmter Kippbodenformen er- 1995). Sie enthalten zudem große Mengen an
heblich, so dass für jede Kartierungseinheit der Kalium. Für die Melioration sollten allerdings
Kalkbedarf gesondert ermittelt werden muss. nur Braunkohlenaschen verwendet werden,
Untersuchungen zur notwendigen Tiefe der die geringe Schwermetallgehalte aufweisen
Grundmelioration belegen, dass hohe und stabi- und eine Überschreitung der entsprechenden,
le Pflanzenerträge zu erreichen sind, wenn die gesetzlich vorgegebenen Grenzwerte sowie
für eine landwirtschaftliche Nutzung geeigne- Vorsorgewerte in den meliorierten Böden aus-
ten schwefelhaltigen Kippböden bis in 100 cm schließen.
Tiefe melioriert werden (Katzur und Lorenz Bestandteil der Grundmelioration ist zudem
1976; Katzur und Herbert 1980). Mit den derzeit eine intensive Grunddüngung der tiefgründig
in der Rekultivierungspraxis eingesetzten Tief- gekalkten schwefelhaltigen tertiären Kippsubs-
spatenfräsen wird bei Arbeitstiefen von maximal trate. Diese enthalten meist Kohle und weisen
100 cm eine gute und ausreichende Kalkeinarbei- deshalb ein sehr weites C/N-Verhältnis auf. Das
tung bis 60 cm Tiefe erreicht. In größere Tiefe führt dazu, dass die N-Immobilisation deutlich
werden geringere Kalkmengen eingearbeitet, größer ist als die Stickstofffreisetzung aus der
die den pH-Wert nicht mehr zufrieden stellend Kohle (Katzur 1971; Laves et al. 1993). Die fos-
anheben (Knoche und Haubold-Rosar 2004). sile organische Substanz wirkt somit als N-Sen-
Boden- und ertragskundliche Untersuchungen ke. Neben einer kräftigen N-Grunddüngung sind
der letzten Jahre weisen jedoch darauf hin, dass aufgrund der geringen Gehalte an verfügbarem
bei der forstlichen Rekultivierung die Einarbei- Phosphor und Kalium aber auch hohe P- und K-
tung des für eine 1 m mächtige Bodenschicht Grunddüngergaben notwendig (Illner und Lorenz
kalkulierten Meliorationsmittels bis 60 cm Tiefe 1977; Lorenz und Katzur 1978, Freese 1988,
in den meisten Fällen ausreichend ist. Durch die Katzur 1998).
fortschreitende Auswaschung von Säuren und Für eine anschließende landwirtschaftliche
die Tiefenverlagerung der zugeführten Basen Rekultivierung werden in Abhängigkeit vom
erschließen die Baumwurzeln in ausreichendem Kohlengehalt des Substrates N-Gaben in Höhe
Maße den unmeliorierten Untergrund (Katzur von 120 bis 200 kg/ha empfohlen. Bei hohen
et al. 1998). Eine tiefere, zudem technologisch Kohlengehalten (> 3 % Ct) können auch größere
schwierige Kalkeinarbeitung führt weder zu N-Mengen erforderlich sein. Für den Erstanbau
weiteren Ertragssteigerungen, noch verbessert von Leguminosen können die N-Gaben um 30
sich hierdurch der Anwuchserfolg der Gehölze. bis 50 % reduziert werden. Die N-Grunddün-
Für die Rekultivierung schwefelsaurer Kipp- gung wird in 2 Teilgaben ausgestreut, davon die
substrate werden die Kalkgaben somit für eine erste Teilgabe vor der Aussaat der Testkultur
Meliorationstiefe von 100 cm bemessen und mit und die zweite N-Gabe als Kopfdüngung zur
den derzeit verfügbaren Tiefspatenfräsen mit Testsaat.
der maximal möglichen Bearbeitungstiefe ein- Die K-Grunddüngung aschemeliorierter
gearbeitet. Kippböden für eine landwirtschaftliche Rekul-
Die Freisetzung von basisch wirkendem Cal- tivierung kann auf 150 kg/ha beschränkt wer-
cium und die damit verbundene Säurepufferung den, denn mit der Asche werden den Böden
vollziehen sich bei der Verwendung von Dün- bereits beträchtliche K-Mengen zugeführt. Auf
8 Rekultivierung 507

kalkmeliorierten Kippböden ist die K-Gabe um nen in der Rekultivierung organische Dünge- und
100 kg/ha zu erhöhen. Die P-Grunddüngung Bodenverbesserungsmittel eingesetzt werden.
sollte 200 kg/ha betragen. Die angegebenen Neben der konventionellen Anwendung von
P- und K-Mengen beziehen sich auf eine mit Wirtschaftsdüngern (Stallmist, Gülle) in der land-
heutigen konventionellen Pflügen mögliche wirtschaftlichen Rekultivierung wird der Einsatz
Einarbeitungstiefe von etwa 30 cm. Vor dem von Bodenverbesserungsmitteln aus organischen
Pflügen sollte der Mineraldünger mit der Schei- Massenabfällen wie zum Beispiel Komposten
benegge flach eingearbeitet werden, um eine und Klärschlämmen empfohlen (Haubold-Rosar
bessere Einmischung zu erreichen. In Versuchen und Gast 2005; Hüttl et al. 2004). Dabei ist zu
hat zudem die tiefere Einarbeitung entsprechend gewährleisten, dass in diesen Sekundärrohstof-
erhöhter K- und P-Mengen bis 60 cm insbeson- fen und in den hergestellten Bodenschichten die
dere bei anschließendem Anbau von tief wur- gesetzlich festgelegten Vorsorge-, Richt- oder
zelnden Pflanzen wie z. B. Luzerne zu einem Grenzwerte für unerwünschte Schadstoffe ein-
deutlich stärkeren Wachstum und damit einem gehalten werden (in der BRD nach BBodSchV
besseren Rekultivierungserfolg geführt (Lorenz 1999). Eine Kontamination von Böden, Pflan-
und Katzur 1978). zen und Grundwasser lässt sich durch Auswahl
Auch für die forstliche Rekultivierung wird geeigneter organischer Stoffe und den Einsatz
eine Grunddüngung im Rahmen der Grundme- standort- und nutzungsangepasster Mengen aus-
lioration der schwefel- und kohlehaltigen Kipp- schließen. Die für den Einsatz der Bodenver-
substrate empfohlen. Wenngleich der Nährstoff- besserungsmittel vorgesehenen Kippenflächen
bedarf der Gehölze in den ersten drei Jahren nach sind zuvor entsprechend dem Stand der Technik
der Pflanzung gering ist, wird für das sichere An- tiefgründig aufzukalken, um den bodenart- und
wachsen der Kulturen auf den tertiären Substra- nutzungsspezifischen Ziel-pH-Wert nachhaltig
ten eine Startdüngung als unerlässlich angesehen einzustellen. Auf schwefelsauren Kippsubstraten
(Lorenz 1967; Katzur 1998). In Abhängigkeit ist der Einsatz kalkkonditionierter Klärschlämme
vom Kohlegehalt sind 50 bis 120 kg N/ha anzu- zu bevorzugen.
wenden. N-Gaben über 60 kg sollten zur Hälfte Die Höhe der Kompost- bzw. Klär-
vor der Pflanzung eingearbeitet und zur Hälfte schlammgabe wird in erster Linie durch die
als Kopfdüngung ein Jahr nach der Pflanzung ap- Nährstoffausstattung des jeweiligen Kippsubst-
pliziert werden. Zudem sind vor der Pflanzung rates, den N-Bedarf der Kulturpflanzen, die mit
50 bis 120 kg P und 50 bis 100 kg K/ha bis etwa dem organischen Bodenverbesserungsmittel ap-
30 cm Tiefe einzuarbeiten (LMBV 1998, 2007; plizierten N-Frachten und die N-Freisetzungs-
Katzur 1998). raten bestimmt. Zur Berechnung der N-Mine-
Ein befriedigendes Meliorationsergebnis ralisierung aus den organischen Stoffen im An-
setzt die laufende Kontrolle aller Arbeitsschritte wendungsjahr sind unterschiedliche Mineralisie-
von der exakten Bemessung des Kalkbedarfes rungsraten zu Grunde zu legen (Tab. 8.8).
über die gleichmäßige Ausbringung bis hin zur Die bisherigen Ergebnisse zur landwirtschaft-
tiefen Einarbeitung der Meliorationsmittel vor- lichen Rekultivierung zeigen, dass durch die
aus. Flächenbonituren des Wachstums von Test- Verwertung dieser Stoffe pH-Wert, Humus- und
kulturen und punktuelle Nachuntersuchungen an Nährstoffgehalte, Sorptionsfähigkeit, Wasser-
Substratproben (pH-Wert, Säure-Basen-Bilanz) speicherung und die mikrobiologische Aktivi-
dienen der abschließenden Qualitätskontrolle tät der behandelten Kippböden verbessert und
und der Festlegung eventuell notwendiger Nach- die angestrebte Bodenentwicklung beschleunigt
arbeiten. werden können.
Düngungsversuche mit Kompost und Klär-
Humusanreicherung  Um die Humusanreiche- schlamm zur forstlichen Rekultivierung weisen
rung in den Kippböden zu beschleunigen, kön- ebenfalls auf eine Erhöhung des pflanzenverfüg-
508 J. Schlenstedt et al.

Tab. 8.8   Innerhalb eines Jahres verfügbarer Anteil des Gesamtstickstoffs in Komposten und Klärschlämmen (Hüttl
et al. 2004)
Kompost-/Klärschlammart Verfügbarer Stickstoffgehalt
(% des Gesamtstickstoffgehaltes)
Grünguthäcksel 5 %
Grüngutkompost 5 %
Bioabfallkompost 10 %
Klärschlamm, stark entwässert 10 %
Klärschlamm, mäßig entwässert 25 %
Klärschlamm, nicht entwässert 40 %
Klärschlammkomposte/-gemische In Abhängigkeit von Art und Anteil der Mischungspartner
gutachterlich festzulegen

baren Nährstoffvorrats sowie der organischen 8.3.5 Bodenentwicklung


Substanz im Oberboden und eine Beschleuni-
gung der Humusdynamik hin (Haubold-Rosar Die Kippböden der Rekultivierungsflächen im
und Gast 2005; Wilden 2000; Hüttl et al. 2004). Mitteldeutschen und im Lausitzer Braunkohlen-
Jedoch wurde die Gehölzentwicklung in den ers- revier sind fast ausschließlich jünger als 100
ten Jahren nach der Pflanzung im Vergleich zu Jahre und stehen damit erst am Anfang ihrer
reiner Mineraldüngung nicht signifikant geför- Entwicklung (Katzur und Haubold-Rosar 1997;
dert. Allerdings stimuliert der flächige Einsatz Wünsche und Thomasius 2007). Aus den ver-
organischer Bodenverbesserungsmittel die sich kippten Lockergesteinen entstehen durch die
spontan ansiedelnde Ruderalvegetation. Selbst beginnende Humusakkumulation zunächst Lo-
auf sorptionsschwachen Kippsanden unterlie- ckersyroseme mit einem initialen A-Horizont,
gen die Forstkulturen einer starken Licht- und die sich auf carbonatfreien bzw. -armen Subst-
Raumkonkurrenz durch verdämmende Gräser. raten zu Regosolen, auf kalkhaltigen Substraten
Hierdurch können die Anwuchsrate und das Ju- zu Pararendzinen weiterentwickeln. Die Bil-
gendwachstum der Gehölze negativ beeinflusst dung von Braunerden, Podsolen, Parabrauner-
werden. Ähnliches gilt für die Verbringung von den und den entsprechenden Übergangsboden-
zuvor im Tagebauvorfeld abgetragenem Wald- typen ist erst langfristig zu erwarten (Abb. 8.4
boden (so genannte Waldbodenschüttung, Da- und 8.5). Zu Staunässe und damit zur Entwick-
geförde 1998). Beim Einsatz organischer Sekun- lung von Pseudogleyen kommt es insbesondere
därrohstoffdünger ist somit auf geringe Nähr- dann, wenn in bindigen Substraten starke Ver-
stoffgaben (verfügbare Anteile) zu achten und dichtungen auftreten oder scharfe Übergänge
die gezielte Applikation in die Pflanzreihen oder von grob- zu feinporigen Substraten im Verti-
Pflanzplätze vorzuziehen. kalprofil bestehen.
Der Einsatz von neuartigen Humusdünge- In den kohlen- und schwefelhaltigen tertiären
stoffen aus Braunkohle zeigt ebenfalls sehr posi- Kippsubstraten setzt mit der Verkippung infolge
tive Wirkungen auf den Humus- und Nährstoff- Säurefreisetzung eine intensive Mineralverwit-
haushalt, die bodenbiologische Aktivität und die terung und Auswaschung von Nährstoffen, Me-
Ertragsfähigkeit der behandelten Kippböden. tallkationen (Aluminium, Eisen, Mangan, Spu-
Besondere Vorteile sind ihre einheitliche Pro- renelemente), Schwefelsäure und niedermoleku-
duktqualität und Schadstoffarmut (Katzur et al. laren organischen Verbindungen ein (Abb. 8.6).
2002, 2003). Die Salze werden zu über 99 % als Sulfate ver-
lagert. Durch die Grundmelioration mit Kalken
oder Aschen wird die Mineralzerstörung in der
8 Rekultivierung 509

Abb. 8.4   Bodenentwick- *OLHGHUGHU(QWZLFNOXQJVUHLKH =HLWUDXP :LFKWLJVWH


lung in quartären, kalk- >-DKUH@ ERGHQELOGHQGH
freien Kipp-Sanden 3UR]HVVH
.LSS6DQG .LSS/HKPVDQG

/RFNHUV\URVHP +XPXV
DNNXPXODWLRQ
 SK\VLNDOLVFKH
9HUZLWWHUXQJ
5HJRVRO 6LOLNDWYHUZLWWHUXQJ
!
3RGVRO5HJRVRO %UDXQHUGH5HJRVRO 9HUEUDXQXQJ
*HIJHELOGXQJ
3RGVROLHUXQJ

5HJRVRO3RGVRO 5HJRVRO%UDXQHUGH 9HUEUDXQXQJ
9HUOHKPXQJ
 ! *HIJHELOGXQJ
%UDXQHUGH %DVHQDXV
ZDVFKXQJ
3RGVROLHUXQJ

3RGVRO%UDXQHUGH 3RGVROLHUXQJ

%UDXQHUGH3RGVRO

Abb. 8.5   Bodenent- *OLHGHUGHU(QWZLFNOXQJVUHLKH =HLWUDXP :LFKWLJVWH


wicklung in quartären, >-DKUH@ ERGHQELOGHQGH
kalkfreien Kipp-Lehmen 3UR]HVVH
und -Schluffen .LSS/HKP

/RFNHUV\URVHP +XPXV
DNNXPXODWLRQ
 SK\VLNDOLVFKH
9HUZLWWHUXQJ
5HJRVRO 6LOLNDW
YHUZLWWHUXQJ
!
%UDXQHUGH5HJRVRO 9HUEUDXQXQJ
9HUOHKPXQJ
*HIJHELOGXQJ
5HJRVRO%UDXQHUGH 3VHXGRYHUJOH\XQJ

!
%UDXQHUGH
7RQYHUODJHUXQJ
hEHUJlQJH  S+! 
3DUDEUDXQHUGH
3VHXGRYHUJOH\ XQJ

3VHXGRJOH\

meliorierten Bodenschicht stark herabgesetzt den Kippen-Waldökosystemen schließen sich


(Abb.  8.7 und 8.8). Der Gehalt leicht löslicher die Stoffkreisläufe im Verlauf der ersten 30 Jahre
Salze in der Bodenlösung geht zurück und es weitgehend (Knoche et al. 2002). Die Bodenent-
kommt zur temporären und lokalen Bildung von wicklung erfolgt dann ähnlich wie in den kalk-
Gips und Sekundärkarbonaten. Insbesondere in freien quartären Kippsubstraten.
510 J. Schlenstedt et al.

Abb. 8.6   Tertiär-quartäre Mischbodenkippe 2009. (Foto:


LMBV/Radke) Abb. 8.8   Bodenmelioration mit Tiefspatenfräse, Tage-
bau Klettwitz 2004. (Foto: LMBV/Schlenstedt)

Die landwirtschaftliche Rekultivierung hat das


vorrangige Ziel, eine nachhaltige Entwicklung
der Bodenfruchtbarkeit und Ertragsfähigkeit der
Agrarflächen zur Produktion von Nahrungs- und
Futtermitteln sowie nachwachsenden Rohstof-
fen durch eine standortgerechte und Ressourcen
schonende Bodennutzung zu gewährleisten und
damit Erwerbsgrundlagen in den ländlich ge-
prägten Räumen der Abbaugebiete zu schaffen
und zu erhalten.

Abb. 8.7   Bodenprobennahme zur Bestimmung des Me- 8.4.2  Geeignete Bodensubstrate
liorationsbedarfs. (Foto: LMBV/Stärke)
Zur Herstellung landwirtschaftlicher Nutzflächen
sollen grundsätzlich die wertvollsten verfügbaren
8.4 Landwirtschaftliche Bodensubstrate verwendet werden. Zudem ist
Rekultivierungen eine Steinfreiheit (Steine ≥ 120 mm) bis in 35 cm
Bodentiefe notwendig (Gunschera 1998b).
8.4.1 Ansprüche und Ziele der Der Kulturwert der Bodensubstrate resul-
landwirtschaftlichen tiert insbesondere aus ihrer Mineralzusammen-
Rekultivierung setzung. Er steigt mit Zunahme des Ton- und
Schluffgehaltes, der Nährstoff- und Wasserspei-
Mit der Flächeninanspruchnahme durch den cherkapazität, des Vorrates an nährstoffhaltigen
Bergbau wird der Landwirtschaft in beträchtli- Mineralien und Karbonaten sowie des Gehaltes
chem Maße die Produktionsgrundlage entzogen. an organischer Substanz (Humus, Kohle). Er
Daraus ergibt sich die Notwendigkeit zur Wie- nimmt dagegen ab mit steigenden Anteilen von
derherstellung landwirtschaftlicher Nutzflächen, Kies und Sand (insbesondere Mittel- und Grob-
denn für die betroffenen Agrarbetriebe sind diese sand), Metallsulfiden als Säurebildnern sowie
Rückgabeflächen ein wichtiger Beitrag zur Exis- abnehmenden Luftkapazitäten unter 10 Vol.-%,
tenzsicherung und Bestandteil der Betriebsent- abnehmenden nutzbaren Feldkapazitäten (pF
wicklungsplanung, da andere Möglichkeiten der 1,8 bis 4,2) und zunehmender Dichtlagerung bei
Flächenerweiterung in den Bergbauregionen nur gleichzeitiger Einschränkung des durchwurzel-
in geringem Umfang gegeben sind. baren Bodenraumes.
8 Rekultivierung 511

Ein überdurchschnittliches Ertragsvermögen lichkeit. Mittlere Schlagentfernungen von 6 bis


besitzen insbesondere bindige Quartärsubstrate 10 km sind bei entsprechender Einordnung der
wie Löss/Lösslehm, Auenlehm und Geschiebe- Flächen in die übrige Betriebsflur zu vertreten.
mergel/-lehm. Kipp-Schluffe, -Lehme und -Lehm- In Anpassung an das Fruchtfolgekonzept und die
sande bieten deshalb günstige Voraussetzungen für Schlaggliederung sind Schlaggrößen von 20 bis
die landwirtschaftliche Rekultivierung. Auch das 30 ha bei einem Längen – Breitenverhältnis von
Ertragspotenzial von Kipp-Kohlelehmsanden und 2:1 anzustreben. Eine Strukturierung der Offen-
-Kohlelehmen kann nach angemessener Aufkal- flächen mit Gehölzstreifen in Anpassung an die
kung das Niveau typischer natürlicher Ackerbö- Schlaggestaltung und Wegeführung fördert die
den im Lausitzer und im Mitteldeutschen Braun- Entwicklung der Ertragsfähigkeit durch die Ver-
kohlenrevier übertreffen. Die Auftragsmächtig- ringerung der Winderosion und der Verdunstung.
keit quartärer Kippsubstrate sollte mindestens Neben dem Ziel der landwirtschaftlichen Re-
1 m betragen, um gute Voraussetzungen für eine kultivierung, Erwerbsgrundlagen in den ländlich
rentable landwirtschaftliche Nutzung zu schaffen geprägten Räumen der Abbaugebiete zu schaf-
(Gunschera 1998b). Ist in der Substratdecke nur fen, sind auch die ökologischen Ausgleichsfunk-
eine geringe nutzbare Feldkapazität zu erwarten tionen der Agrarökosysteme zu beachten. Durch
(< 10 Vol.-%), dann sind etwas höhere Auftrags- das Offenhalten von Landschaftsteilen, die Kom-
mächtigkeiten (mindestens 1,2 m) anzustreben bination unterschiedlicher Nutzungssysteme und
(Lebert und Stahl 2001). In oberflächig verkippten –intensitäten sowie die Integration von Klein-
schwefelsauren Tertiärsubstraten sollten die Azidi- strukturen (Feldgehölze, Feuchtbiotope) kann die
tätsverhältnisse bis 1 m Tiefe durch eine Grund- landwirtschaftliche Nutzung von Kippenflächen
melioration verbessert werden (Katzur 1998). zur Gestaltung und Pflege einer abwechslungs-
reichen, attraktiven Kulturlandschaft und zur Er-
höhung der Biotop- und Artenvielfalt beitragen
8.4.3 Flurgestaltung (Wiedemann et al. 1995).

Lage, Größe, Flächenform und Relief sind maß-


gebliche Aspekte für die landwirtschaftliche Nut- 8.4.4 Rekultivierungsverfahren
zung der Kippenstandorte. Eine leicht wellige
Oberfläche mit einer Generalneigung von Mindes- Behandlungseinheiten  Für die Entwicklung
tens 0,5 % bis maximal 7 % sichert die Vorflut und standortspezifischer Verfahren der landwirt-
erfüllt die Anforderungen an die maschinelle Be- schaftlichen Rekultivierung wurden die Kipp-
arbeitung der Kippenflächen (Gunschera 1998b). substrate zu so genannten Behandlungseinheiten
Auf Teilflächen von mindestens 20 ha Größe (Bhe) zusammengefasst (Tab. 8.9). Die zu einer
sollten die Substratverhältnisse weitgehend aus- Bhe gruppierten Kippsubstrate stimmen weitge-
geglichen sein. Die Anforderung ist erfüllt, wenn hend in ihren Eigenschaften überein und weisen
≥ 80 % der Teilfläche auf die dominante Boden- ähnliche Bewirtschaftungsansprüche und ein
substratgruppe entfallen und sich die verblei- vergleichbares Ertragspotenzial auf (Autorenkol-
bende Fläche auf nicht mehr als zwei weitere lektiv 1982). Die in Zusammenarbeit zwischen
Substratgruppen verteilt. Dadurch werden Be- Praxis und Wissenschaft erarbeiteten Verfahren
wirtschaftungserschwernisse (Bodenbearbeitung, der landwirtschaftlichen Rekultivierung enthalten
Düngung, Saatbettbereitung und Pflege) vermie- Empfehlungen zu Fruchtarten, Fruchtfolge, ag-
den und einheitliche Wachstumsbedingungen rotechnischen Maßnahmen sowie mineralischer
(einheitliche Reifegrade der Feldfrüchte) ge- und organischer Düngung für die einzelnen Bhe
schaffen. Auch eine zusätzliche vertikale Subst- in den ersten Rekultivierungsjahren (Werner et al.
ratdifferenzierung behindert die Bewirtschaftung. 1974). Es wurden Richtwerte zur Kennzeichnung
Die Entfernung zum Wirtschaftsstützpunkt der Bodenfruchtbarkeit ausgewiesen, die bei
und die Zufahrtsbedingungen zur Fläche haben verfahrensgerechter Bewirtschaftung nach etwa
Einfluss auf die Nutzungsweise und Wirtschaft- 10–14 Jahren zu erreichen sind und zur Beurtei-
512 J. Schlenstedt et al.

Tab. 8.9  Behandlungseinheiten (Bhe) und bodenkundliche Richtwerte der landwirtschaftlichen Rekultivierung


(Oberboden, 0–30 cm) (nach Gunschera 1978; Vogler 1981; Katzur und Zeitz 1985; Katzur 1987; Katzur und
Hanschke 1990)
Bhe Bodenformen Merkmale
(n. Ad-Hoc-AG Boden 2005) Pa Ka Mg pHKCl Ct dB
−1
(mg 100 g Boden) (%) (g cm−3)
1 Kipp-Kalkschluffe, -Schluffe 9 18 10 6,8–7,2 1,0–1,5 1,65
2 Kipp-Kalklehme (-Kalkkohlelehme) 8 15 9 6,8–7,2 0,5–1,5 1,65
3 Kipp-Lehme, -Sandlehme 7 14 8 6,5–7,0 1,0–1,5 1,60
4 Kipp-Kohlelehme, -Kohleschluffe 7 12 6 6,0–7,0 1,0–1,5 1,65
5 Kipp-Lehmsande, -Kalklehmsande 7 11 6 6,0–7,0 0,5–0,9 1,60
6 Kipp-Kohlelehmsande 7 12 6 6,0–6,5 0,5–0,9 1,50
7 Kipp-Lehmsande, -Kalklehmsande, 7 10 6 6,2–6,5 > 0,5 1,50
-Kalkkohlelehmsandeb
8 Kipp- Kohlelehmsandeb 7 8 5 5,6–6,0 > 0,5 1,50
a
ALE-Auszug, b Bhe 7 und 8: Anlehmsande nach Wünsche et al. (1981)

Tab. 8.10   Vermeidung von Gefügeschäden bei der Bewirtschaftung von Kippböden
Maßnahmen zur Verbesserung/Erhaltung der Tragfähigkeit/Gefügestabilität
Förderung der Humusversorgung und der Entwicklung eines biogenen Gefüges durch: Anbau von Leguminosen und
Getreide-Futterpflanzen-Fruchtfolgen zu Beginn der Rekultivierung, Verzicht auf Humus zehrende Kulturen wie
Zuckerrüben oder Mais, Grün- und Stallmistdüngung, Einsatz von Kompost und Klärschlamm
Strukturschonende (Konservierende) Bodenbearbeitung durch:
sporadischen Pflugverzicht bis hin zur Direktsaat, Mulchsaaten insbesondere bei Mais und Rüben
Maßnahmen zur Verminderung der Bodenbelastung
Verminderung von Kontaktflächendruck, Gesamt- und Radlasten sowie Schlupf durch:
Verringerung der Geräte-/Fahrzeuggewichte, Verwendung von Zwillingsreifen, Gitterrädern, großvolumigen Breit-
reifen mit möglichst geringem Innendruck, Einsatz von leichten Traktoren oder Spezialfahrzeugen und kleinen
Vorratsbehältern bei Pflegearbeiten, Abstimmen von Behältervolumen und Schlaglänge, Fahren des Schleppers
beim Pflügen außerhalb der Furche, Durchführung von spurarmen Rodeverfahren mit geringem Bodendruck und
niedriger Gerätemasse, Vermeidung voller Auslastung der Bunkerkapazität, Verwendung von Allradschleppern
und von angetriebenen anstatt gezogenen Geräten, Bereithalten der Schlagkraft zur Bearbeitung bei optimaler
Bodenfeuchte
Verminderung von Belastungsdauer und -häufigkeit durch: höhere Arbeitsgeschwindigkeiten, Reduzierung der Über-
fahrten durch Zusammenlegen und Einsparen von Arbeitsgängen (z. B. Gerätekombinationen), Spurgassen- bzw.
Lichtschachtverfahren

lung des Rekultivierungserfolges sowie zur Ablei- durch eine Tieflockerung zu meliorieren, um die
tung weiterer Rekultivierungsmaßnahmen dienen Ausschöpfung des Ertragspotenzials zu gewähr-
(Tab. 8.9) (Gunschera 1978; Vogler 1981; Katzur leisten (s. Abschn. 8.3).
und Zeitz 1985; Katzur und Hanschke 1990).
Im Allgemeinen erfordert die Druckempfind- Bodenbearbeitung  Um flachgründige Verdich-
lichkeit der strukturlabilen Kippböden, insbeson- tungen zu vermeiden bzw. zu beseitigen, sollte
dere der bindigen Kippsubstrate, sowohl bei der zumindest in den ersten beiden Fruchtfolgen
Rekultivierung als auch der Folgebewirtschaf- unterschiedlich tief unter Beachtung der spezi-
tung eine besondere Rücksichtnahme (Schröder fischen Ansprüche der anzubauenden Frucht
et al. 1985; Wünsche und Thum 1990; Haubold- gepflügt werden (zwischen 20 und 30 cm). Min-
Rosar 1994; Lebert und Stahl 2001). Daher ist destens einmal in der Fruchtfolge muss 40 cm bis
zu empfehlen, alle Maßnahmen Boden schonend 50 cm tief gelockert werden, um Wiederverdich-
durchzuführen (Tab. 8.10). Stark verdichtete tungen im Pflugsohlenbereich zu beheben (Gun-
Unterböden der Kippenflächen sind frühzeitig schera 1998a).
8 Rekultivierung 513

Tab. 8.11   Richtfruchtfolge der landwirtschaftlichen Rekultivierung (Gunschera 1998a)


Rekultivierungsjahr Fruchtart Bemerkungen
Voranbau
1 Stark bindige Standorte: Ackerbohnen/Felderbsengemenge (z. B. mit Mulchdüngung
Mais, Sonnenblume) (Frühjahr)
Bindige u. schwach Winterroggen (Herbst) Mulchdüngung
Bindige Standorte: Steinklee bzw. Steinklee/Knaulgras oder
Knaulgras/Roggendeckfrucht
Anlaufrotation
2 Winterweizen (Bhe 1–3) o. Winterzwischenfrucht
3 Winterroggen
4 Luzerne/Gras
5 Luzerne/Gras
6 Luzerne/Gras
7 Luzerne/Gras Krumenbasislockerung
8 Silomais Strohdüngung
Winterweizen oder Winterroggen
Folgerotation
9 Wintergerste o. Winterraps (Bhe 1 bis 3), Organische Düngung (Stalldung)
Winterroggen
10 Feldgras
11 Winterweizen oder Winterroggen Strohdüngung
12 Wintergerste (Bhe 1 bis 3) oder Winterroggen Winterzwischenfrucht
13 Luzerne/Gras
14 Luzerne/Gras
15 Luzerne/Gras
16 Luzerne/Gras Krumenbasislockerung

Die Bodenbearbeitung dient auch der Homoge- Kippböden stellen und eine rationelle Nutzung
nisierung der Substratgemenge und der gleichmä- der Bodenwasservorräte ermöglichen. Weitere
ßigen Verteilung von Dünge- und Meliorations- Auswahlkriterien sind die Fähigkeit, den Boden
mitteln im Bearbeitungshorizont. Dafür sind grö- möglichst tief und intensiv zu durchwurzeln,
ßere Zugkräfte und mehr Arbeitsgänge notwendig Stickstoff zu binden und anzureichern sowie eine
als auf den „gewachsenen“ Standorten, was sich große Menge an Ernte- und Wurzelrückständen
kostenerhöhend auswirkt. Eine gute Vermischung zu bilden (Humusmehrer). Für die Gestaltung der
ist nur zu erreichen, wenn der Kippboden in einem Fruchtfolgen auf den Rekultivierungsflächen im
optimalen Feuchtigkeitszustand bearbeitet wird, Mitteldeutschen und im Lausitzer Revier kommen
was wiederum eine hohe Schlagkraft der Technik deshalb in erster Linie Luzerne und Luzerne-Gras-
erfordert. Die Durchmischungseffekte sind in ver- Mischungen sowie andere Leguminosen (Acker-
tikaler Richtung mit dem Pflug und im Saatbett- bohne, Steinklee) sowie Wintergetreide und
bereich mit Grubber und Scheibenegge erreichbar. nachgeordnet Winterraps bzw. Mais (nach Legu-
minosen) in Betracht (Gunschera 1998a; Vogler
Fruchtarten und Fruchtfolgen  Bei der Auswahl et al. 1998; Tab. 8.11). Der Anteil des mehrjäh-
der anzubauenden Kulturen sind ihre Standortan- rigen Luzerne- bzw. Luzernegrasanbaus sollte
sprüche und die Bodenfruchtbarkeit fördernden zu Beginn der Rekultivierung etwa 40 bis 50 %,
Wirkungen von besonderer Bedeutung. Vorzugs- der Getreideanteil 25 bis 35 % betragen. Mit fort-
weise sollen Feldfrüchte angebaut werden, die das schreitender Rekultivierung kann der Getreidean-
Ertragspotenzial der Kippsubstrate weitgehend teil auf 40 bis 45 % gesteigert werden. Außerdem
ausnutzen, keine hohen Ansprüche an das Boden- können Ölfrüchte mit 5 bis 10 % der Fruchtfolge
gefüge und die Nährstoffdynamik der jungen den Marktfruchtanbau auf Kippenflächen erhöhen.
514 J. Schlenstedt et al.

Tab. 8.12   Rekultivierungsspezifischer zusätzlicher jähr- Wirtschaftsdünger, insbesondere Stallmist ein-


licher Mineraldüngeraufwand in den ersten 8 Rekultivie- gesetzt werden. Neben einer konsequenten Grün-
rungsjahren (Haubold-Rosar und Gunschera 2009)
und Strohdüngung fördern der Zwischenfrucht-
Bhe N P K
anbau und der Futteranbau mittels Legumino-
1/2, 3 30 30 –
sen-Gras-Gemengen den Humusaufbau. Zudem
4 50 30 70
können organische Bodenverbesserungsmittel
5, 6 40 30 60
wie z. B. Komposte zum Einsatz kommen (Gun-
7, 8 30 30 50
9 40 30 50
schera 1998a; Haubold-Rosar 2002).

Aufgrund der erschwerten Anbaubedingun- 8.4.5 Wiederherstellung und Nutzung


gen in den ersten Rekultivierungsjahren (un- von Grünland
günstige Bodenstruktur im Saatbettbereich, un-
ausgeglichenes Nährstoffangebot während der Eine intensive Wiesen- und Weidenutzung ist nur
Jugendphase) ist die Anbausicherheit durch eine auf den ertragreichen Kippenböden (Bodenart
um 10 % bis 20 % höhere Saatmenge gegenüber Lehmsand bis Lehm, Schluff) möglich. Je nach
den allgemeinen Saatempfehlungen zu erhöhen. Ziel der Grünlandbewirtschaftung und den Bo-
denverhältnissen werden unterschiedliche Gras-/
Düngung  Aus mehrjährigen Nährstoffsteige- Kräuteransaaten benötigt (Tab. 8.13).
rungs- und -mangelversuchen wurden Dünge- Für die ärmeren und trockeneren, landwirt-
empfehlungen für die angeführten Kulturen schaftlich rekultivierten Standorte wird eine
und Fruchtfolgen in den ersten 16 Jahren der Mutterkuh- oder Schafhaltung empfohlen. Die
Rekultivierung erarbeitet (Illner und Katzur Beweidung durch Schafe ist auch zur „exten-
1969; Gunschera 1978; Autorenkollektiv 1982; siven Nutzung“ und Pflege von Sukzessions-
Haubold-Rosar und Gunschera 2009). Auf den flächen (Erhaltung bestimmter Sukzessionssta-
Kippenflächen sind vor allem zu Beginn der dien), Böschungen (Erhaltung des Trockenrasen-
Rekultivierung NPK-Mineraldüngergaben not- charakters) und Ufersäumen von Restlochseen
wendig, die deutlich über den Entzugswerten mit feucht-frischem Grünland geeignet.
der Ernteprodukte liegen und höher sind als auf Allgemein stellen nährstoffarme Kippenstand-
natürlichen Böden, wenn ein annähernd ver- orte eine geringe und zeitlich begrenzte Futter-
gleichbares Pflanzenwachstum erreicht werden grundlage dar (< 25 dt TM Futterertrag/ha). Sie
soll (Tab. 8.12; Gunschera 1998a). sollten mit weniger als 0,5 GV/ha lediglich zwei-
Die in den schwefelhaltigen Kippsubstraten mal in der Vegetationsperiode mit einer Schaf-
zumeist vorhandene Braunkohle enthält große herde überhütet werden. Durch differenzierte
Mengen an organisch gebundenem Stickstoff, der Beweidung mit geringen Besatzdichten und auf
allerdings aufgrund der sehr weiten C:N – Ver- die Samenreife ausgewählter Blütenpflanzen ab-
hältnisse der Kohlen schwer mineralisierbar ist. gestimmte Beweidungstermine können abwechs-
Das führt dazu, dass die Stickstoff-Immobilisation lungsreiche, die faunistische und floristische
in den kohlehaltigen Kippsubstraten deutlich grö- Artendiversität fördernde Vegetationsmosaike
ßer ist als die Stickstofffreisetzung aus der Kohle entstehen. Durch die Hütehaltung wird zudem
(Katzur 1971; Laves et al. 1993). Die fossile orga- die Einwanderung von Arten auf große und ab-
nische Substanz wirkt somit insbesondere zu Be- gelegene Kippenareale beschleunigt, insbeson-
ginn der Rekultivierung als N-Senke und erfordert dere wenn Biotope mit hoher Artendiversität
bereits bei der Grundmelioration der schwefel- einbezogen werden. Eine intensive Beweidung
sauren Substrate eine kräftige N-Grunddüngung ist hingegen geeignet, die Pflanzendecke junger
sowie hohe P- und K-Gaben (Katzur 1998). Bestände zu schließen und den Aufwuchs von
Um die Humusentwicklung zu fördern soll- Gehölzen zu unterbinden. Allerdings lassen sich
ten bei landwirtschaftlicher Nutzung verfügbare geschlossene Landreitgrasbestände kaum durch
8 Rekultivierung 515

Tab. 8.13   Mischempfehlungen für Luzerne-Grasansaaten auf Kippenstandorten unterschiedlicher Qualität (nach
Wöhler et al. 2000): Mischung 1 – Mahd auf besseren Standorten, Mischung 2 – Weide auf besseren Standorten,
Mischung 3 – Weide auf schlechteren Standorten
Pflanzenart Mischung 1 Mischung 2 Mischung 3
[kg ha−1] [%] [kg ha−1] [%] [kg ha−1] [%]
Luzerne 20 66 12 34 8 20
Knaulgras 2 7 5 14 14 36
Ausdauerndes Weidelgras 2 7 5 14 5 12
Wiesenschweidel 5 17 6 17 – –
Rotschwingel 1 3 3 9 8 20
Weißklee – 2 6 3 7
Hornklee – 2 6 2 5
Gesamt 30 100 35 100 40 100

Weidebetrieb reduzieren. Bei intensiver Bewei- leewärtigen Schutzbereich aus, der das 25-fache
dung sollten Teilflächen ausgegrenzt werden, um der Durchschnittshöhe beträgt. Auf der Luv-Seite
Rückzugsareale mit einem ausreichenden Blü- ergibt sich ein Schutzbereich innerhalb der 5fa-
tenangebot für Insekten bereitzustellen (Schmal- chen Durchschnittshöhe. Bei der Neuanlage und
wasser und Strittmatter 2001). Restauration von Flurgehölzen ist auf die Ver-
wendung gebietseigener Gehölze zu orientieren
(Kowarik und Seitz 2003).
8.4.6 Maßnahmen zur Vermeidung Entscheidend für die Vermeidung der Wind-
von Bodenerosion erosion wie auch der Wassererosion ist die mög-
lichst lang andauernde und dichte Bedeckung
Zu Beginn der Rekultivierung ist die zunächst der Bodenoberfläche durch Kulturpflanzen oder
großflächig offene und strukturarme Bergbau- Pflanzenreste (Frielinghaus 1998). Der mehrjäh-
folgelandschaft in starkem Maße der Wirkung rige Anbau von Futterpflanzen, der Zwischen-
des Windes ausgesetzt. Windschutzmaßnahmen fruchtanbau sowie Unter- und Mulchsaaten sind
vermindern die Verwehung der für die Boden- somit bei der Fruchtfolgegestaltung zu berück-
fruchtbarkeit besonders wichtigen mineralischen sichtigen.
und organischen Feinpartikel. Sie unterstützen Der Wassererosion ist bereits bei der Gestal-
deshalb die Entwicklung der Ertragsfähigkeit der tung der landwirtschaftlichen Nutzflächen durch
Rohböden. Die Pflanzung von Flurgehölzen bzw. die Einhaltung geringer Hangneigungen wirksam
Hecken quer zur Hauptwindrichtung als Wegbe- zu begegnen. Selbst bei geringen Neigungen kann
gleitgrün oder zur Strukturierung großer Schlä- ein zusätzlicher Erosionsschutz durch eine quer
ge stellt eine sehr wirksame Gegenmaßnahme verlaufende Bodenbearbeitung erreicht werden.
dar (Benndorf et al. 1983). Die Reichweite des Darüber hinaus tragen alle acker- und pflan-
Windschutzes auf der Lee-Seite ist abhängig von zenbaulichen Maßnahmen, welche die Stabilität
der Durchschnittshöhe und der Winddurchlässig- des Bodengefüges und seiner Aggregate steigern,
keit der Hecke. Für einen optimalen Windschutz wie z. B. der Humusaufbau, zu einer Verringe-
sollte eine Hecke zu etwa 30 bis 50 % durchblas- rung der Erodierbarkeit der jungen Kippböden
bar sein. Erhöhte Windgeschwindigkeiten durch bei. Die Vermeidung von Bodenverdichtungen
Wirbelbildung und Düseneffekte an den He- sowie die Förderung der Durchwurzelung und
ckenrändern und Durchlässen werden dadurch der Bodenmakrofauna verbessern darüber hinaus
reduziert. Am Boden jedoch muss die Hecke die Bildung von Grobporen und damit die Was-
dicht geschlossen sein. Die für die Windschutz- serdurchlässigkeit und Regenverdaulichkeit der
pflanzungen auf Kippenflächen häufig zugrunde Böden, so dass der Oberflächenabfluss reduziert
gelegte TGL 28 039/04 (1984) geht von einem wird.
516 J. Schlenstedt et al.

&KHPLVFKH
%RGHQHLJHQVFKDIWHQ

'XUFKZXU]HOXQJ :DVVHU VRZLH


%RGHQOHEHQ 1lKUVWRIIDQJHERW (UWUDJVIlKLJNHLW
'XUFKZXU]HOEDUNHLW XQGDXIQDKPH

3K\VLNDOLVFKH

Abb. 8.9   Faktoren der Ertragsfähigkeit (nach Haubold-Rosar und Gunschera 2009)

8.4.7 Entwicklung der Boden­­ Mittelfristig veränderbar sind jene ertragswirk-


fruchtbarkeit und des samen Faktoren, die durch bodenbiologische
Ertragspotenzials Prozesse beeinflusst werden können. Das betrifft
den Komplex der Humusbildung. Erst über den
Die langfristige Entwicklung vom Rohboden Humusaufbau kommt die Nährstoffdynamik in
zum Kulturboden auf den Kippenflächen ver- Gang, die insbesondere eine kontinuierliche und
läuft im Zusammenspiel von bodenchemischen, ausgewogene, für hohe Erträge erforderliche Er-
-physikalischen und -biologischen Prozessen, an nährung der Pflanzen gewährleistet. Alleinige
denen Pflanzen, Tiere und die Bewirtschaftung Mineraldüngung vermag bei ungünstigen Wachs-
beteiligt sind. Es kommt darauf an, diese Vorgän- tumsbedingungen (Trockenheit, Kälte) diese An-
ge durch geeignete Rekultivierungsmaßnahmen forderungen nicht zu erfüllen. Eine Verbesserung
so zu beeinflussen, dass sich die Wachstumsbe- der Wasserspeicherung wird außerdem erreicht.
dingungen für die landwirtschaftlichen Kultur- Entsprechende Ertragseffekte zeigen sich in der
pflanzen stetig und möglichst schnell verbessern, 2. Rekultivierungsphase (16. bis 40. Jahr).
so dass die Ertragsfähigkeit steigt (Abb. 8.9). Die Entwicklung von qualitativ hochwertigem
Das natürliche Ertragspotential wird grund- Humus und die Herausbildung von Ton-Humus-
legend durch stabile Standorteigenschaften be- komplexen sowie die Stabilisierung des Boden-
stimmt. Auf Kippenstandorten sind die in den gefüges auch im Unterbodenbereich verlaufen
Abschlusskippen anstehenden Abraumsubstrate sehr langsam und erstrecken sich über größere
und deren verkippungstechnologisch bedingtes Zeiträume (60 bis 80 Jahre). Dementsprechend ist
horizontales und vertikales Verteilungsmuster in dieser Periode mit einer weiteren, verhaltenen
von entscheidender Bedeutung. Insbesondere der Anhebung des Ertragsniveaus zu rechnen. Die
Ton-Schluff-Gehalt beeinflusst die Höhe der Er- weitgehende Ausschöpfung der stabilen Wachs-
träge. So nimmt das Ertragspotential mit steigen- tumsbedingungen wird auf den ertragsschwäche-
den Ton-Schluff-Gehalten signifikant zu. ren Böden schneller als auf den stark bindigen und
In der 1. Rekultivierungsphase (8 bis 16 Jahre) bindigen Flächen erreicht. mit fortschreitender
sind insbesondere die folgenden veränderbaren Entwicklung der Bodenfruchtbarkeit verbessern
Bodeneigenschaften zu verbessern: sich auch die Voraussetzungen für eine intensivere
• die Nährstoffverhältnisse durch Düngung und und vielseitige Pflanzenproduktion. Darüber hin-
den Anbau von Leguminosen aus werden die negativen Witterungseinflüsse auf
• die Bodenreaktion durch Zufuhr basisch wirk- die Ertragsentwicklung zum Teil wesentlich ge-
samer Substanzen dämpft. Abbildung 8.10 verdeutlicht beispielhaft
• das Gefüge durch mechanische Bodenlocke- den Ertragstrend für verschiedene Kippsubstrate
rung und Einlagerung Struktur stabilisieren- in Abhängigkeit vom Nutzungsalter. Einem ver-
der organischer Masse sowie mit Hilfe der hältnismäßig zügigen Anstieg der Ertragskurven
Pflanzenwurzeln. in den ersten 5 bis 8 Nutzungsjahren folgt eine
8 Rekultivierung 517

Abb. 8.10   Entwicklung .LSS.DONOHKP


der Ertragsfähigkeit und .LSS*HPHQJHNRKOHOHKP
.LSS.DONOHKPVDQG
Äquivalentackerzahlen
 .LSS*HPHQJHNRKOHOHKPVDQG

(UWUDJVIlKLJNHLW>GW*(KD@
(AZ) verschiedener Kipp- .LSS.DONDQOHKPVDQG AZ:
substrate (nach Haubold-  .LSS.RKOHDQOHKPVDQG
Rosar und Gunschera 58

2009) 48

 28-33
 26-27



          
5HNXOWLYLHUXQJV]HLW>-DKUH@

Tab. 8.14   Ertragsentwicklung und -richtwerte auf landwirtschaftlich genutzten Kippenböden im Lausitzer Braunkoh-
lenrevier in GE/ha. (nach Haubold-Rosar und Gunschera 2009)
Behandlungs- einheit Erträge in der Rekultivierungsphase Ertragsrichtwerte
1.–8. Jahr 9.–16. Jahr 32.–40. Jahr 60.–80. Jahr
1/2 32 37 58 80
3 30 36 55 67
4 30 36 54 68
5 28 33 42 52
6 25 28 40 47
7 24 26 32 42
GE Getreideeinheit: 1 dt Getreidekorn (87 % TS) = 1 GE 1 dt Luzerne-Gras (21 % TS) = 0,13 GE

zunehmende Abflachung, wie es auch Trendrech- des Futterbaus übernommen werden. In diesem
nungen für die Zeiträume bis 40 und bis 80 Jahre Zusammenhang wurden im Lausitzer Braunkoh-
nach Rekultivierungsbeginn zeigen (Tab. 8.14). lenrevier gute Erfahrungen mit dem Anbau von
Anhand der Ertragskurven kann in Kennt- Hanf gewonnen, der zudem Erträge bis zu 13 t
nis der Standortverhältnisse und der Dauer der Röststroh je ha und gute Faserqualitäten lieferte
sachgerechten Bewirtschaftung (Einhaltung der (Berlin et al. 2001). Auch Wildobstanlagen (Hei-
Rekultivierungsempfehlungen) für die jeweilige delbeere, Edel-Eberesche, Sanddorn, Holunder)
Behandlungseinheit etwa die aktuelle Ertragsfä- können bei ausreichender Flächengröße rentabel
higkeit eingeschätzt werden. Die schlagspezifi- bewirtschaftet werden. Eine verstärkte Einbezie-
sche Heterogenität muss dabei beachtet werden. hung nachwachsender Rohstoffe und von Wild-
Insbesondere in den ersten Rekultivierungsjah- obst in die landwirtschaftliche Folgenutzung von
ren beeinträchtigen witterungsbedingte Ertrags- Kippböden kann zu einer Steigerung der Biotop-
ausfälle das Ertragsmittel. und Artenvielfalt und damit Verbesserung der
ökologischen Funktion führen. Besondere Be-
deutung für blütenbesuchende Insekten besitzen
8.4.8 Neue Nutzungsformen Buchweizen, Resede, Saflor, Lupine und Marien-
(Nachwachsende Rohstoffe, distel. Hochsommerliche Blütenmangelphasen
Wildobst, Energieholz) in Grünlandbereichen und Sukzessionsflächen
können durch alternative Kulturen (z. B. Lupi-
Durch den Anbau nachwachsender Rohstoffe ne, Buchweizen, Resede und Saflor) kompensiert
mit besonderer Eignung für die Kippenböden werden (Landeck et al. 2000b, 2005; Berlin et al.
können die fruchtbarkeitssteigernden Wirkungen 2001; Landgraf et al. 2003).
518 J. Schlenstedt et al.

Abb. 8.11   Luftbild


Tagebau Schlabendorf
Süd 2008. (Foto: LMBV/
Radke)

Abb. 8.12   Sonnenblumen auf Kippenfläche 2007. (Foto: Abb. 8.13   Ernte Schnellwuchsplantage Robinie im Ta-
LMBV/Radke) gebau Welzow 2009. (Foto: LMBV/Schlenstedt)

Der Anbau schnell wachsender Baumarten CO2 in Holzprodukten und die CO2-neutrale
wie Pappel, Robinie, Weide, Aspe oder Erle im energetische Nutzung wirken zudem entlastend
Kurzumtrieb auf Kippenflächen wird seit Mitte auf den weltweiten Treibhauseffekt. Die Preis-
der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts in Zusam- entwicklung bei den fossilen Energieträgern
menarbeit zwischen Forschungseinrichtungen, führt zur Wirtschaftlichkeit des Energieholzan-
Bergbautreibenden, Landnutzern und Kom- baus für den regionalen Bedarf und eröffnet neue
munen erprobt (Bungart 1999; Schneider et al. Einkommensmöglichkeiten für den Landwirt als
2004; Landgraf et al. 2006; Böhm et al. 2011). „Energiewirt“ (Landgraf et al. 2007; Kröber et al.
Im drei- bis ca. fünfzehnjährigen Umtrieb kön- 2008).
nen Schwachholzsortimente erzeugt werden, die Die Abbildungen 8.11, 8.12 und 8.13 zeigen
als Brennstoff oder Industrieholz Verwendung Beispiele für die landwirtschaftliche Rekultivie-
finden und dazu dienen, die steigende Holznach- rung von Kippen.
frage abzudecken. Die nachhaltige Bindung von
8 Rekultivierung 519

8.5 Forstliche Rekultivierung/ Vor allem im Mitteldeutschen Revier führt


Waldbegründung auf Kippen- die verkippungsbedingte Dichtlagerung bindi-
standorten ger Löß- und Geschiebelehme zu erheblichen
Unterbodenverdichtungen, so dass derart stau-
8.5.1 Einleitung nasse Rekultivierungsflächen nur flach durch-
wurzeln (Drebenstedt 2001). Ab Trockenroh-
Flächenbilanz und Standortverhältnisse In dichten >1,75 g cm−3 bzw. Luftkapazitäten < 5
den ostdeutschen Braunkohlenrevieren kommt Vol.-% wird eine Tiefenlockerung empfohlen
der forstlichen Rekultivierung eine Schlüsselstel- (Haubold-Rosar 1994). Daneben führt die
lung für die Landschaftsgestaltung zu. So nimmt Durchmischung von quartären und tertiären
der Waldanteil im landwirtschaftlich geprägten Schichten unterschiedlicher Textur bzw. Che-
Mitteldeutschen Revier etwa 40 % des Rekulti- mie häufig zu einer kleinräumigen Substrat-
vierungsareals ein und übertrifft somit das vor- heterogenität, welche die Aufforstung zusätz-
bergbauliche Niveau deutlich. In der dünner be- lich erschwert (Thum 1974). Hinzu kommt das
siedelten Lausitz beträgt die Aufforstungsfläche strahlungs- und verdunstungsintensive Freiflä-
rund 35.000 ha, dies sind 60 % des Sanierungsbe- chenklima. Witterungsextreme, wie Früh- und
reiches. Allein dort werden jährlich weitere 300 Spätfröste oder Trockenperioden erschweren
bis 400 ha bestockt. Vor allem durch ihre ökolo- die Aufforstung.
gische Ausgleichfunktion leisten die im Aufbau
befindlichen Kippenwälder einen wesentlichen Forstliches Leitbild  In den ersten bodenkund-
Beitrag zur Revitalisierung des stark beanspruch- lich untersetzten Bestandeszieltypen für Kippen-
ten Landschaftsraumes (Katzur 1997; Thomasius aufforstungen favorisierten Lorenz et al. (1968,
und Häfker 1998). 1970) bzw. Schwabe (1970) vergleichsweise
Kippenaufforstungen des Braunkohlenberg- anbausichere Pioniergehölze mit geringen Stand-
baus gelten aufgrund der Rohbodensituation mit ortansprüchen und weiter ökologischer Amp-
ihren aus pflanzenbaulicher Sicht noch unaus- litude. Hierfür stehen insbesondere Gemeine
gewogenen Substrateigenschaften als schwierig. Kiefer, Gemeine Birke, Robinie, Rot-, Weißerle
Charakteristisch sind eine sehr geringe Nähr- sowie Aspe (Tab. 8.15).
stoffverfügbarkeit (NPK), weitgehende biologi- Diese anhand von Jungbeständen abgeleite-
sche Inaktivität sowie das Fehlen rezenter orga- ten Bestockungsempfehlungen bezogen sich auf
nischer Substanz (Katzur 1998). Infolgedessen noch kaum entwickelte Rohböden. Nach heutiger
etablieren sich die ökosystemaren Prozesse, Einschätzung wurde damit das pflanzenbauliche
beispielsweise des Nährstoffumsatzes, mit Ver- Potenzial vieler Kippsubstrate erheblich unter-
zögerung. Die Bestandesentwicklung wird zu- bewertet (Knoche 2001). So blieben natürliche
nächst gehemmt (Heinsdorf 1996). Pyrithaltige Bodenentwicklungsprozesse (Humusanreiche-
(FeS2) Tertiärsubstrate, wie sie im Lausitzer rung, Gefügebildung, Nährstoffumsatz etc.), aber
Revier vorherrschen, weisen zudem eine starke auch vormalige, basenreiche Flugascheeinträge
Versauerung (pH < 3,5) bzw. intensive Silikat- der Braunkohlenindustrie und der nachberg-
verwitterung auf, sie gelten als ausgesprochen bauliche Grundwasserwiederanstieg unberück-
vegetationsfeindlich und erosionsgefährdet sichtigt. Nicht zuletzt werten spezifische Kipp-
(Katzur und Liebner 1998; Knoche et al. 2002). bodeneigenschaften, wie Kohlengehalt oder
Ihre Inkulturnahme erfordert eine dem Ver- Beimengungen von Ton- und Lehmbrocken, die
sauerungspotenzial angemessene Aufkalkung Standorte nachhaltig auf. Daher ist deren Boden-
mit bis zu 300 t ha−1 bodenwirksamem CaO. fruchtbarkeit häufig günstiger einzustufen, als
Die Einarbeitungstiefe des Meliorationsmittels diejenige ähnlich texturierter Lockerböden des
(60 cm bis 100 cm) bestimmt den effektiven Tagebauumlandes (Katzur et al. 2000). Bereits
Wurzelraum.
520 J. Schlenstedt et al.

Tab. 8.15   Überblick der jüngeren ostdeutschen Forstgeschichte sowie forstlichen Rekultivierung im Lausitzer und
Mitteldeutschen Braunkohlenrevier (nach Thomasius und Häfker 1998, ergänzt)
Jahr Jüngere Forstgeschichte in Geschichte der forstlichen Rekultivierung
Ostdeutschland
1920 Dominanz des schlagweisen Spontane Renaturierung, vereinzelte Gehölzpflanzungen durch sog.
Hochwald-Systems „Werksgärtner“
Auseinandersetzung zwischen den
Befürwortern des schlagweisen
und -freien Hochwaldes
1935 Dauerwaldbewegung Aufforstungsversuche mit zahlreichen Baum- und Straucharten
Erste Ära standortgemäßer Planmäßige Rekultivierung unter Berücksichtigung geowissen-
Forstwirtschaft schaftlicher Erkenntnisse
1940 Kriegs- und empirisch geprägte Rekultivierung und spontane Renaturierung
Nachkriegsforstwirtschaft
1950 Vorratspflege Durch Pappel- und Birkenanbau geprägte Aufforstungsperiode
1960 Zweite Ära standortgemäßer Intensive boden- und forstökologische Forschung mit Vorlage fun-
Forstwirtschaft dierter Rekultivierungsrichtlinien (Substratansprache, Meliora-
tion, Düngung und Bestockungsempfehlungen)
1970 Einseitige Einstellung der Rekultivierungsforschung, Maximierung der Holz-
Produktivitätsorientierung produktion durch großflächige, z. T. standortwidrige Reinbestände
(Kiefer, Roteiche, Birke, Pappel)
1985 Rückbesinnung auf waldökologische Zusammenhänge und Funktionsvielfalt
1990 ökologisch orientierte und multifunktionale Waldbewirtschaftung

auf mäßig bindigen Kippsubstraten lassen sich Braunkohlenplänen) bzw. Sanierungsplänen


ausgesprochen wüchsige Eichen-, Winterlinden- die Rahmenbedingungen der neu zu schaffen-
und Hainbuchenmischbestände begründen (Tho- den Bergbaufolgelandschaften verbindlich fest-
masius et al. 1999; Wünsche und Selent 2000). gelegt (Wittig 1998). Sie fixieren nicht nur die
Basierend auf einer umfassenden pflanzenbauli- Oberflächengestaltung und räumliche Verteilung
chen und ökologischen Standortbewertung voll- der Nutzungsarten. Vielmehr erfolgen bereits
zieht sich seit etwa 1990 eine Neuorientierung auf dieser übergeordneten Planungsebene kon-
der forstlichen Rekultivierung. Dabei sollen in- krete Zielvorgaben, beispielsweise bezüglich
stabile Pionierwälder durch laubholzbetonte Kli- der Substratqualität oder Dauer und technischen
maxbestände abgelöst werden (Haubold-Rosar Durchführung von Rekultivierungsmaßnahmen
und Knoche 2007; Preußner 2009). Nur solche (Olschowy 1993; Drebenstedt 1998). So muss
Waldaufbauformen gewährleisten die dauerhafte die forstwirtschaftliche Rekultivierung gewähr-
Erfüllung aller Waldfunktionen (Nutz-, Schutz-, leisten, dass aus den verkippten Substraten pro-
Erholungsfunktion) auf hohem Niveau. Damit duktive Pflanzenstandorte entstehen, welche den
einher geht das landesplanerische Bestreben Anforderungen des Bodenschutzrechtes genü-
nach Erhalt der Waldfläche bzw. ihrer Mehrung gen. Die zukünftigen Waldgebiete sollen:
in waldarmen Sanierungsgebieten, insbesondere • eine nachhaltige Entwicklung der Boden-
des Mitteldeutschen Reviers. fruchtbarkeit ermöglichen,
• ihrer Schutz- sowie Erholungsfunktion
Aufforstungsplanung  Rechtliche Grundlagen gerecht werden,
Für die stillgelegten Braunkohlentagebaue des • die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes
Mitteldeutschen und Lausitzer Reviers wer- verbessern und
den mit den Sanierungsrahmenplänen (auch • wirtschaftlich nutzbar sein.
8 Rekultivierung 521

Abb. 8.14   Schematische 


Übersicht zur Entschei-

JVSODQ
dungsfindung der Auffors-

DQ
:D

VSO
tungsplanung

%RGHQ
VVH

LHE
6DQLHUXQ

HWU
5H

P V
UKD

J l QJ
U
VVE
JL

WH
HU KX
XVK
RQ

U% DF
G H D UP
KOX
DO
NOL

DOW
)Ol

HQ ]E
VF

O L Q XW
P
FK

KW UQ
D
HQ

$E

ULF HGH
IXQ

L
NWLR

:
HVHW]
Q VZDOGJ
/DQGH
*HOlQGHIR
UP
1DWX
UVFKX
3IODQ]IOlFKH GHU/ W]JHVHW]
lQGH
)R U
KHQ
UIOlF
UV
D WYH
1DFKE UP
HK
J UX
XQ QJ

3OD
P
Q VJ
OD XW

WUDX
JH
WS

QX
VH

|ONHUXQJ|UWOLFKHQ%HY
JH

WHULDO
W]

3IODQ] EDUNHLW

QJ
]HL
G

1DFKQ
%X

$N]HSWDQ]GHU?

HQ
QJV

HQPD

'
LHUX

ULWW
XW]HU
9HUI J

HU
DOLV
5H

Voraussetzung hierfür ist die standortgerechte che, präzisiert die Bestandesstruktur und mündet
Baumartenwahl, wobei zur Risikominimierung letztlich in Leistungsbeschreibungen zur Kultur-
eine hohe ökologische Vielfalt angestrebt wird. begründung. Abbildung 8.14 veranschaulicht die
Reinbestände und gebietsfremde Gehölzarten standörtlichen, betrieblichen sowie gesetzlichen
sind zu vermeiden, bereits vorhandene struktur- Rahmenbedingungen der waldbaulichen Ent-
arme Waldkomplexe durch Biotopverbundmaß- scheidungsfindung.
nahmen aufzuwerten. Besonderes Augenmerk In den forstlichen Leistungsverzeichnissen
gilt den Waldrändern mit ihrer herausragenden werden alle mit der Bestandesbegründung ver-
Bedeutung für den Naturschutz und die Erho- bundenen Tätigkeiten (Beschaffung, Anlieferung
lungswirkung. des Pflanzmaterials, Zaunbau etc.), Pflanzver-
Die Konkretisierung dieser Entwicklungs- fahren sowie die vorgesehenen Arbeitsmittel
ziele geschieht in Verfahren nach Landeswald- maßnahmenbezogen und terminlich bestimmt.
gesetzen und den bergrechtlichen Betriebsplänen Entscheidend für den Kulturerfolg sind Anga-
(Abschluss- und Sonderbetriebspläne). Letztere ben zur Qualität des Pflanzmaterials (Sortimen-
untersetzen die Aufforstungsmaßnahmen unter te, Pflanzenalter, Herkünfte) bzw. Saatgutes und
Beteiligung der Träger öffentlicher Belange flä- Sicherung der Kulturen. Schließlich wird ein
chenscharf bis zur Ausführungsreife. Insoweit maßstabsgetreuer Pflanzplan mit Darstellung der
umreißen diese Planungsunterlagen den Hand- Pflanzverbände, Baumartenverteilung sowie Mi-
lungsspielraum für die anschließende, bestandes- schungsform erstellt.
bezogene Aufforstungsplanung.
Forstliche Fachplanung Mit Abschluss
der Flächenvorbereitung (Geländeprofilierung, 8.5.2 Waldbegründung
Substratabdeckung, Grundmelioration) beginnt
die forstliche Fachplanung. Sie definiert das Be- Betriebszieltypen und Baumartenwahl Haupt-
stockungsziel der jeweiligen Aufforstungsflä- anliegen der forstlichen Rekultivierung ist die
522 J. Schlenstedt et al.

Tab. 8.16   Bestandeszieltypen der Kippenaufforstungen Mitteldeutschlands und der Lausitz für terrestrische Standorte
(Feuchtestufe 1-3, Grundwasserflurabstand > 2 m)
Kippsubstrat Nährkraftstufe Feuchtestufe Bestandeszieltyp
Kalklehm, Kieskalklehm, reich (R) frisch (1) bis Stieleiche-Winterlinde, Edellaubholz
Kalkschluff, Kieskalkschluff, mäßig frisch (Spitz-, Bergahorn, Esche)-Stieleiche,
Schluff, Kalkkohlelehm (2) Edellaubholz-Buche
trocken (3) Traubeneiche-Birke, Traubeneiche-Kiefer,
Trauben-/Stieleiche-Winterlinde
Lehm, Lehmsand, Schluff, kräftig (K) frisch (1) bis Trauben-/Stieleiche-Winterlinde/Hain-
Kalkkohlelehmsand mäßig frisch buche, Stieleiche-Edellaubholz,
(2) Buche-Edellaubholz
trocken (3) Traubeneiche-Birke, Traubeneiche-Kiefer
Lehm, Lehmsand, Kohlelehm, mittel (M) frisch (1) bis Trauben-/Stieleiche-Winterlinde/
Kohlelehmsand, Kohleschluff, mäßig frisch Hainbuche, Traubeneiche-Buche,
Kalkkohlesand (2) Traubeneiche-Bergahorn
trocken (3) Traubeneiche-Kiefer, Traubeneiche-Birke
Lehmsand, Kieskohlelehmsand, gering (G/Z) frisch (1) bis Trauben-/Stieleiche-Kiefer/Birke
Mittelsand, Feinsand, Kohle- mäßig frisch
sand, Kieskohlesand, Kiessand (2)
trocken (3) Traubeneiche-Kiefer/Birke, Trauben-
eiche-Birke, Stieleiche-Birke,
Kiefer-Birke
Grobsand, Kohlesand, Kiessand, arm (A) frisch (1) bis Kiefer-Rein, Birke-Rein, Kiefer-Birke
Kies mäßig frisch
(2)
trocken (3) Kiefer-Rein, Birke-Rein, Kiefer-Birke
Zuordnung der ökologischen Nährkraft- und Feuchtestufen nach Kopp und Schwanecke (1994)

Etablierung einer standortangepassten und da- (Kiese, Kiessande, Grobsande) anspruchslosen


durch nachhaltig stabilen Bestockung. Nach Kiefern-Bestandeszieltypen vorbehalten. Bereits
systematischer Aufnahme von rund 100 Weiser- auf kohlefreien, schwach lehmigen Mittelsan-
flächen in älteren Kippenwäldern leitet sich hier- den geringer Nährkraft ist die Aufforstung mit
für ein praktikables Schema der Baumartenwahl Eichen möglich. Dabei werden bei günstigeren
ab, welches die Bodenklassifikation ökologisch Reaktionsverhältnissen des Wurzelraumes (pH-
untersetzt (Thomasius et al. 1999; Böcker et al. Wert > 4,5) die heimische Trauben- und Stieleiche
1999; Stähr 2003) (Tab. 8.16). Die ausgewiese- favorisiert. Im Vergleich zur säuretoleranteren
nen Bestockungszieltypen spiegeln das stand- Roteiche weisen sie eine bessere Streuqualität
örtliche Entwicklungspotenzial und entsprechen auf, ihr Wuchsverhalten ist ähnlich. Für nähr-
einer sich bei freier Sukzession schlussendlich stoffkräftige, z. T. noch Carbonat führende Kipp-
einstellenden Baumartenkombination. Eine vo- substrate der Trophiestufe K und R sind ab pH-
rangegangene Flächenvorbereitung, ggf. durch Werten > 5,5 anspruchsvolle, edellaubholzreiche
Gefüge- bzw. Kalkmelioration, gemäß den Kar- Mischbestands-Typen mit Stieleiche realisierbar.
tierungsergebnissen wird vorausgesetzt. Aus ökologischer Sicht wird eine Misch-
Unter den klimatischen Verhältnissen des bestandsbegründung forciert, wobei der wald-
Tieflandes (mäßig trockenes bis trockenes Klima bauliche Gestaltungsspielraum mit zunehmen-
der Stufe Tm, Tt, (Kopp und Schwanecke 1994; der Standortgüte wächst. So bieten sich für
Müller-Westermeyer 1996; s. Abschn. 2.2) blei- sorptionsschwache Kippreinsande als Neben-
ben so nährstoffarme und trockene Kippsubstrate baumarten der Gemeinen Kiefer lediglich die
8 Rekultivierung 523

stresstolerante Birke bzw. Aspe an. Auf ärme-


ren Eichenstandorten kann wiederum die Kie-
fer beigemischt werden, was dem natürlichen
Baumartenspektrum insbesondere des Lausitzer
Braunkohlenreviers entspricht. Typische Misch-
baumarten kräftiger und ausreichend wasserver-
sorgter Lehmböden sind Winterlinde, Hainbu-
che, Berg-, Spitzahorn, Feld- bzw. Bergulme, im
Übergang zur niederschlagsreicheren Mittelge-
birgsschwelle auch Rotbuche und Esche. Neben
den Standorteigenschaften beeinflusst auch die
künftige Gewichtung einzelner Waldfunktionen
die Baumartenwahl. Beispielsweise sind aus
Gründen der biologischen Vielfalt bzw. Land-
schaftsästhetik truppweise Ergänzungen durch
seltene heimische Nebenbaumarten (u. a. Feld-
ahorn, Ulmen, Wildobst, Weiden, Eberesche)
und Sträucher (Hundsrose, Schwarz-, Weißdorn)
möglich (Abb. 8.15). Abb. 8.15   Birkenkultur im Tagebau Seese Ost 2006.
(Foto: LMBV/Radke)

Pflanzung  Infolge der zunächst schwierigen


Substratverhältnisse, etwaiger Meliorationsmän- gefüge- oder kalkmeliorierten Flächen sollte die
gel und des verdunstungsintensiven Freiflächen- Bestandesbegründung frühestens im Folgejahr
klimas können die Bestandesverluste während erfolgen. Dies ermöglicht einen Qualitätsnach-
der Anwuchsphase bis zu 40 % der Pflanzen- weis der Meliorationsmaßnahmen (Bodengut-
zahlen erreichen. Hinzu kommt eine anfängliche achten, Testsaat). Unzureichend vorbereitete
Wuchsdepression der Kulturen („Verpflanzungs- Flächen können nachmelioriert werden, falls
schock“), wodurch sich der Bestandesschluss erforderlich lässt sich das ursprüngliche Besto-
verzögert. Dies gilt selbst für die anspruchslose ckungsziel korrigieren.
Kiefer, noch im Dickungsalter bleibt ihre Höhen- Meist wird maschinell gepflanzt, die erheb-
entwicklung hinter derjenigen vergleichbarer lich kostenintensivere Handpflanzung wird in
Jungbestände des Tagebauumlandes zurück, nicht befahrbaren Kippenbereichen, steileren
gleicht sich dann aber an (Katzur et al. 2000; Böschungen sowie bei kleinflächigen Sonder-
Stähr und Katzur 2005). Bei ähnlichen Produk- maßnahmen (Wind-, Erosionsschutz-, Waldrand-
tionszielen werden so im Vergleich zu gewach- pflanzungen) durchgeführt. Bei Einbringung von
senen Waldstandorten um etwa 25  % höhere mehreren Baumarten sind die Pflanzenzahlen
Pflanzenzahlen benötigt (Tab. 8.17). den Mischungsverhältnissen anzupassen. Die
Nach bewährter Rekultivierungspraxis sollen Mischungsform orientiert sich an der potenziel-
die Pflanzverbände etwa 2,0 (1,8) × 1,0 m bis len Kronenfläche erntereifer Bäume und erfolgt
1,5 × 0,7 m bzw. 2,0 (1,8) × 0,5 (0,6) m betragen. daher trupp- bis gruppenweise, Nebenbaumarten
Es empfehlen sich handelsübliche Pflanzensorti- oft auch reihenweise.
mente (1 + 0, 2 + 0 (unterschnitten) bzw. 30/50) Trotz anfänglicher Wuchsstockung kann auf
aus zugelassenem Vermehrungsgut des regio- dienende Pioniergehölze verzichtet werden.
nalen Herkunftsgebietes. Aufgrund der Spät- Gleichwohl lassen sich durch den weitständigen
frostgefahr und häufigen Frühjahrstrockenheit Mitanbau von Roterle oder Pappel (4,0 × 4,0 m
exponierter Kippenflächen ist bei Laubholz die bis 6,0 × 6,0 m) positive Bestockungseffekte er-
Herbstpflanzung (November) vorteilhafter. Auf zielen. Vor allem auf mittleren bis reichen Stand-
524 J. Schlenstedt et al.

Tab. 8.17   Rahmenvorgaben der Pflanzenzahlen und Mischungsverhältnisse für die Kippenaufforstung
Baumart Pflanzenzahl ha−1 Mischbaumart Pflanzenzahl ha−1
a
Kiefer 6.000–8.000 (10.000–12.500) Birke, Traubeneiche, Aspe 6.000
Roteiche 5.000–7.000 (6.000–10.000) Linde, Hainbuche 3.000
Trauben-/Stieleiche 5.000–7.000 (8.000–10.000) Linde, Hainbuche 3.000
Edellaubhölzer 6.000–8.000 Edellaubhölzer, Buche 2.000
Roterle 2.500–3.500 Esche 1.000
Birke 2.000–3.000 (2.500–3.500) Traubeneiche, Kiefer 2.000
a
Angaben in Klammern beziehen sich auf Reinbestandsbegründung

orten bewirkt die Überschirmung eine stärkere


Bestandesstrukturierung (Ertle 2005). Durch die
Minderung kleinklimatischer Extreme kann das
Wachstum der bestandesbildenden Zielbaum-
arten gefördert werden. Daneben begünstigt die
leicht mineralisierbare Blattstreu die Bodenent-
wicklung. Sofern das Betriebsziel nicht gefähr-
det wird, sind auch ein etwaiger Birken- und
Weidenanflug bzw. die Ansamung der Eberesche
als lockerer Vorwaldschirm (Zeitmischung) er-
wünscht.
Abb. 8.16   Etablierung eines Feldgehölzes im Tagebau
Saat  Zur Begründung von Kiefern- und Bir- Meuro 2006. (Foto: LMBV/Radke)
ken-Pionierwäldern bietet sich eine künstliche
Bestandesbegründung durch Saat an.
Dies betrifft vor allem schwer zugängliche und 30 kg/ha (Lorenz 2004). Schnell austrock-
Kippenabschnitte, wie Uferzonen, Senkenlagen nende Kipp-Sande und bestockte Pionierwälder
und Steilböschungen. Geeignet sind vegetations- benötigen bis zu 40 kg/ha, eine Beimischung von
freie Rohböden, insbesondere nährstoffarme Kiefernsamen (0,5–1 kg/ha) ist vorteilhaft.
Sande (Tischew et al. 2004a). Dagegen über- Gegen eine Gehölzansaat sprechen jedoch
wachsen auf bindigen, deutlich besiedlungs- häufig betriebliche Zwänge, beispielsweise Mo-
freundlicheren Substraten häufig Langgräser dalitäten zur Leistungsausschreibung, Kontrolle
( Calamagrostis-Dominanzbestände) bzw. un- und Abnahme der Maßnahmen (Gewährleis-
duldsame Kräuter (z. B. Steinklee) die Ansaat tung). Zudem ist der geeignete Zeitraum für die
(Lorenz 2004a). Grundsätzlich empfiehlt sich Aussaat häufig sehr eng und nur schwer planbar.
die Mulchdecksaat, wobei mit den Gehölzsamen
ca. 0,5 bis 1 kg/m2 Mahdgut konkurrenzschwa- Schutzpflanzendecke  Nach überzeugenden
cher Kräuter und Gräser aufgebracht wird. Das Praxisbeispielen fördert in Pflanzbeständen die
ungehäckselte Material bewirkt einen effektiven Einsaat einer lockeren Kraut-/Grasvegetation das
Schutz des Saatgutes vor Austrocknung, Verwe- Gehölzwachstum. Empfehlenswert sind auf mitt-
hung oder Verspülung. Im Vergleich zur Direkt- leren bis reichen Standorten Saatgutmischungen
saat sind so deutlich höhere Auflaufdichten mög- mit Luftstickstoff bindenden Leguminosen (ins-
lich (Lorenz 2006). Als idealer Saatzeitpunkt gilt besondere perennierende Lupine, verschiedene
das zeitige Frühjahr (Schneedecksaat, Hartig und Kleearten). Für ärmere Böden hat sich eine
Lemke 2002). Die Saatgutmenge zur Etablie- Mischung von Schaf- und Rotschwingel (je 7 kg/
rung lockerer Birkenbestände beträgt bei durch- ha bis 9 kg/ha), Weißklee (2 kg/ha bis 3 kg/ha),
schnittlicher Keimfähigkeit zwischen 15 kg/ha Blauer Lupine (3 kg/ha bis 5 kg/ha) und Wald-
8 Rekultivierung 525

dere auch Rückbauflächen, wie ehemalige Gleis-


anlagen oder Baggertrassen, berücksichtigt.
Die Prognose von Sukzessionsserien erfordert
eine Detailkenntnis der ökologischen Wirkungs-
zusammenhänge, bleibt jedoch mit Unsicher-
heiten behaftet (Felinks 2000a). Zunächst ist zu
prüfen, ob die Standorte grundsätzlich waldfähig
sind. Beispielsweise erfordern schwefelsaure
Kippsubstrate mit pH-Werten < 4,0 in aller Regel
eine angemessene Kalkmelioration. Häufig wird
schon im Initialstadium der Sukzession deutlich,
Abb. 8.17   Natürliche Wiederbewaldung Tagebau Klett- ob sich langfristig Gehölze etablieren. Neben der
witz 2006. (Foto: LMBV/Radke) Substratqualität ist die Distanz zu den nächst-
gelegenen Diasporenspendern entscheidend,
Entfernungen von über einem Kilometer lassen
staudenroggen (9 kg/ha bis 12 kg/ha) bewährt. kaum einen ausreichenden Sameneintrag erwar-
Höhere Einsaatstärken sind aufgrund der Was- ten (vgl. Thomasius et al. 1999). Unter Umstän-
serkonkurrenz meist kontraproduktiv. Handels- den können aber auch verdämmende Langgräser
übliche Kraut-/Grassaatgutmischungen (RSM) die Waldentwicklung über Jahrzehnte hinaus blo-
finden hauptsächlich beim Landschaftswegebau ckieren.
Verwendung. Aber auch dort wird in jüngster In der natürlichen Sukzessionsabfolge spielen
Zeit die Ausbringung von autochthonem Saatgut Pionierbaumarten wie Kiefer, Birke und Aspe als
mit gutem Erfolg praktiziert. „Standortvorbereiter“ eine Schlüsselrolle. Ihre
Ansiedlung beginnt während des jungen Roh-
Natürliche Wiederbewaldung  Neben Vor- bodenstadiums und kulminiert in der Verbus-
rangflächen des Naturschutzes (Renaturierungs- chungsphase. Je nach Standortqualität kann die
bereiche) können auch beplante Waldflächen angeflogene Birke bereits nach 5 bis 15 Jahren
einer natürlichen Wiederbestockung unterliegen fruktifizieren und weitere Besiedlungsimpulse
(Abb. 8.17). einleiten (Krüssmann 1997). Mit fortgeschritte-
Den Kostenvorteilen gegenüber steht jedoch ner Bestandesentwicklung gewinnt der Diaspo-
der unbestimmte Zeitraum bis solche Areale reneintrag durch Vögel an Bedeutung (Lorenz
die erforderliche Waldeigenschaft entsprechend 2006). Für Flächen, welche ein abwechslungs-
Landeswaldgesetzen aufweisen. Es sollten daher reiches Bestandesbild zum Ziel haben (z. B.
keine besonderen, rasch zu etablierenden Schutz- Waldrandbereiche), bietet sich die Ergänzung
funktionen, wie Immissions-, Erosions- oder mit Intermediär- und Klimaxbaumarten an. So
Sichtschutz festgelegt sein. Ebenso muss die können sich unter dem lockeren Schirm von Bir-
vom Gesetzgeber geforderte Wiederherstellung ken/Aspen-Pionierwäldern standortabgestimm-
der Bodenfunktionen gewahrt bleiben. te Einsaaten der Trauben- bzw. Stieleiche, Ge-
In erster Linie werden Waldvorrangflächen meinen Esche, Hainbuche, Rotbuche aber auch
der Sukzession überlassen, nachdem bereits eine heimische Straucharten (Kreuzdorn, Pfaffenhüt-
aus forstlicher Sicht ausreichende und betriebs- chen, Weißdorn) frohwüchsig entwickeln (Strie-
zielkonforme Verjüngung aufgelaufen ist. Dane- se 2004; Tischew et al. 2004b, c).
ben empfehlen sich für eine natürliche Wieder-
bewaldung schwer rekultivierbare Rohkippen, Integrierter Natur- und Landschaftsschutz 
welche oft eine hohe ökologische Wertigkeit Unbestritten stellt die standortgerechte Forstwirt-
besitzen (Selent et al. 1999). Aufgrund ihrer un- schaft eine Landnutzungsform mit sehr hoher
günstigen Flächenausformung werden insbeson- Naturnähe dar. Darüber hinaus können im Zuge der
526 J. Schlenstedt et al.

forstlichen Rekultivierung weitere naturschutzför- Oberflächig vernässte Areale finden sich oft
dernde Strukturelemente in die Kippenlandschaft nach unsachgemäßer Befahrung bindiger Roh-
eingebracht werden, und dies mit verhältnismäßig böden durch Baufahrzeuge. Eine starke hyd-
geringem Mehraufwand. Dazu zählen: romorphe Prägung zeigen auch flaschenton-
• Findlingshaufen haltige Substrate mit Tongehalten > 40 M.-%.
Die während der Eiszeiten durch Gletscher Solche pflanzenbaulich problematischen
abgelagerten Blöcke und Steine werden bereits Bereiche verbleiben als Sukzessionsflächen
während des laufenden Bergbaus zusammen- und werden ggf. mit Strauch- oder Baumwei-
getragen und deponiert. Größere Geschiebe- den umgeben. Vegetationsarme Sandflächen
mengen fallen auch bei der Einebnung sowie entstehen vor allem auf schwefelsauren Kipp-
Grundmelioration von Kippenflächen an. substraten nach unzureichender Kalkmeliora-
Durch Findlingshaufen lassen sich frühzeitig tion. Aufgrund ihrer mosaikartigen Verteilung
Sonderbiotope in die zunächst noch struktur- können sie nur mit unverhältnismäßig hohem
armen Aufforstungsflächen einbinden. Sie Aufwand nachmelioriert werden. Sie ver-
bieten vielen Wärme liebenden Kleinsäugern bleiben daher als ökologisch wertvolle Roh-
und Kriechtieren Lebensräume, so dass die bodenstandorte und stellen einen bevorzugten
Wiederbesiedlung größerer Kippenkomplexe Lebensraum für bodenbesiedelnde Insekten
beschleunigt wird. dar.
• Benjeshecken und Stubbenwälle
Bei der Beräumung des Tagebauvorfeldes und Waldrandgestaltung  Gestufte Waldränder sind
sanierungsvorbereitenden Holzungsarbeiten gerade in waldarmen, dicht besiedelten Regio-
lassen sich Kronenreisig und Wurzelstubben nen von hervorragender ökologischer sowie
gewinnen. Hieraus ergibt sich eine kosten- landschaftsästhetischer Bedeutung. Sie verbes-
günstige Möglichkeit zur Anlage von Reisig- sern die Forststruktur, dienen dem Artenschutz
bzw. Stubbenwällen. Als Elemente der Wald- (Lebensraum, Biotopverbund) und wirken ero-
randgestaltung gliedern sie darüber hinaus die sionsmindernd (Abb. 8.18).
Landschaft und vernetzen in ihrer Linienstruk- Waldaußensäume verbinden die Kippenwäl-
tur die verschiedenen Biotope. Erstbesiedler der mit den umgebenden Landwirtschafts- und
sind verbreitet nitrophile Ruderalpflanzen, Renaturierungsflächen oder dem waldfreien Ta-
wie Schwarzer Holunder oder Brombeere, gebauumland. Nach Empfehlungen der Arbeits-
aber auch die Robinie und Birke. Zwar begrü- gemeinschaft Forsteinrichtung (1993) bzw. des
nen sich die Wallhecken meist nur zögerlich AID (1993) erfolgt die Bepflanzung ausgehend
mit wenigen Baum- bzw. Straucharten, dafür von der Wald-/Feld-Grenze über einen Kräu-
bieten sie aber Kleinsäugern, Vögeln, Kriech- tersaum (Sukzessionsbereich) hin zu Bäumen
tieren sowie Insekten sofortigen Schutz. zweiter (< 20 m Oberhöhe) und erster Ordnung
• kleinflächige Blößen (> 20 m Oberhöhe, Übergangsbereich zum
Durch den Verzicht kleinflächige Pflanzaus- Hauptbestand). Dabei sollte die Breite des unbe-
fälle nachzubessern, entstehen unbestockte stockten Randstreifens mindestens 5 m betragen,
Areale, die unter anderem Rot- und Schwarz- für die abgestufte Strauch- und Baumzone zwei-
wild als Rückzugsraum dienen. Innerhalb der ter Ordnung sind 5 m −15 m ausreichend. Wäh-
Waldrandzone verleihen unregelmäßige Blö- rend Waldsäume in Hauptwindrichtung bis zu
ßen dem Waldbild eine gewisse „Natürlich- 50 m einnehmen können, sind Waldinnenränder
keit“. Pflanzenausfälle können allerdings nur deutlich schmaler. Diese folgen als mehrreihige
soweit toleriert werden, als dass sie das forst- Gehölzstreifen bestehenden Wegen, Schneisen
liche Betriebsziel nicht infrage stellen. und Erschließungslinien oder unterbrechen an-
• Vernässungsbereiche und bewuchsarme Sand- grenzende Waldbestände. Dadurch leisten sie
flächen. ihren Beitrag zur räumlichen Ordnung der Auf-
8 Rekultivierung 527

biss, wobei zwangsläufig ungünstige Zaunflä-


chenformen entstehen. Es ist darauf zu achten,
dass Forstgatter für wechselndes Wild barriere-
frei bleiben. Daher soll alle 100 m bis 150 m eine
etwa 10 m breite, unbestockte Aussparung belas-
sen werden.

8.5.3 Pflegemaßnahmen

Zu den forstgesetzlich geforderten Mindestan-


forderungen einer ordnungsgemäßen Waldbe-
wirtschaftung zählen auf Rekultivierungsflächen
Abb. 8.18   Waldrandgestaltung Tagebau Meuro 2007.
(Foto: LMBV/Stärke) alle Maßnahmen, welche der Kultursicherung
und funktionsgerechten Bestandesentwicklung
dienen. Die Pflegeeingriffe müssen sowohl vita-
forstungsflächen und mindern das Waldbrandri- litäts- als auch stabilitätsfördernd sein, sie sollen
siko. eine standortangepasste Ertragsbildung ermög-
Auf den überwiegend sandigen Kippsubs- lichen.
traten haben sich für die Waldrandgestaltung
robuste, einheimische Wildrosen- und Weiden- Begleitwuchsregulierung  Den Pflegeschwer-
arten, Schlehe sowie der Eingriffelige Weiß- punkt in der Anwuchsphase bildet die Zurück-
dorn bewährt. Unter den Obstgehölzen besitzt drängung unerwünschter Gräser und Kräuter.
die Wildbirne die standörtlich weiteste Anpas- Dabei variiert der Pflegeaufwand je nach Stand-
sungsfähigkeit. Zuverlässiger Anwuchsgarant für ortqualität, Artenspektrum der Bodenvegetation,
ärmste Böden ist der Sanddorn. Seine rasche Ver- verwendeten Gehölzarten, Pflanzensortimenten
breitung über Wurzelausläufer macht ihn jedoch und den Witterungsverhältnissen. Grundsätz-
schnell zu einem kostenintensiven Pflegeprob- lich erweisen sich schattentolerante Gehölze
lem, gerade bei wegebegleitenden Anpflanzun- (Winterlinde, Rotbuche, Hainbuche, Bergahorn)
gen. Für wuchskräftige Geschiebelehme emp- gegenüber dem Konkurrenzdruck der Begleit-
fehlen sich anspruchsvollere Straucharten, wie vegetation weniger empfindlich als Lichtbaum-
Zweigriffeliger Weißdorn, Hartriegel, Schlehe, arten (Trauben-, Stieleiche, Gemeine Kiefer,
Gemeiner Schneeball und Schwarzer Holunder. Birke, Esche, Roterle). Nach allgemeinen Praxis-
Als Nebenbaumarten zweiter Ordnung sind dort erfahrungen erfordern vor allem Langgräser und
Berg-, Spitz-, Feldahorn, Eberesche, Vogelkir- nitrophile Ruderalpflanzen, wie die Brombeere,
sche, Wildapfel sowie Elsbeere vertreten. steuernde Eingriffe. Reicht auf nährstoffarmen
Die Pflanzung von Sträuchern erfolgt trupp- Sandböden oftmals ein Pflegedurchgang aus, so
weise (jeweils 3–10 Exemplare der gleichen Art) können wuchskräftige K- und R-Standorten bis
im Verband 1,0 × 1,0 m bis 2,0 × 2,0 m, i. d. R ver- zu drei Maßnahmen je Jahr erfordern. Meist ist
setzt. Für Bäume eignet sich ein Pflanzverband die gezielte Standraumförderung einzelner Forst-
von 4 × 4 m (zweiter Ordnung) bzw. 5 × 6 m (ers- pflanzen ausreichend, was den Aufwand mini-
ter Ordnung). Bei der Ausgestaltung des Wald- miert. Gleichzeitig gewährleistet die zwischen
randbereiches ist eine gerade Linienführung zu und in den Pflanzreihen verbleibende Bodenve-
vermeiden. Einbuchtungen bzw. Vorsprünge er- getation einen gewissen Schutz gegenüber Wit-
höhen den Erlebniswert und verbessern die öko- terungsextremen.
logische Wirkung (Kleinhabitate). Waldränder In engständigen Kulturen muss bisweilen die
erfordern meist eine Zäunung gegen Wildver- gesamte Pflanzreihe freigestellt werden. Solche
528 J. Schlenstedt et al.

Pflegemaßnahmen werden bestandesschonend rationell. Darüber hinaus unterliegt die Besto-


mit Sichel, Sense, Heppe oder Freischneider ckung während dieser Entwicklungsphase einer
(Motorsense) durchgeführt. Aufgrund des hohen hohen Wuchsdynamik: Weder Vitalität, Quali-
Kostenfaktors händischer Verfahren setzt sich in tätserwartung noch Wuchsverlauf der einzelnen
der Rekultivierungspraxis zunehmende die mo- Bestandesglieder lassen sich hinreichend sicher
tormanuelle Freistellung durch. Sie birgt jedoch prognostizieren. Die ersten bestandesausformen-
die Gefahr, dass unerfahrene Arbeitskräfte Kul- den Durchforstungseingriffe und Erschließungs-
turpflanzen übersehen oder beschädigen. Zuver- maßnahmen erfolgen ab dem Stangenholzalter
lässigkeit und genaue Anleitung des Personals entsprechend den waldbaulichen Zielen des
sind daher unerlässlich. Als Ergänzung hierzu künftigen Waldbesitzers.
kann eine reihenweise Freistellung mit Schmal-
spurtraktoren notwendig sein, sie ist gerade in Düngungsmaßnahmen  Kipprohböden sind
größeren Pflegeblöcken Erfolg versprechend. unabhängig ihrer geologischen Ausgangssitua-
Dagegen ist ein flächiger Herbizideinsatz auf den tion durch sehr geringe Gehalte an pflanzenver-
noch unbelasteten Rohböden aus ökologischen fügbaren Nährstoffen, vor allem Stickstoff und
Gründen möglichst zu vermeiden. Zur Absiche- Phosphor, gekennzeichnet. Neben kritischen
rung von Gewährleistungsansprüchen sollten Reaktionsverhältnissen, bisweilen auch Gefü-
Aufforstung und Kulturpflege in Regie des glei- gemängeln, wirkt zunächst die unzureichende
chen Auftragnehmers liegen. Während Gemeine N-Verfügbarkeit wachstumslimitierend. Dagegen
Kiefer und Birke das gesicherte Kulturstadium treten in aller Regel keine Versorgungsengpässe
innerhalb von 7 bis 10 Jahren erreichen, müs- an Calcium, Magnesium und Mikronährstoffen
sen Trauben-, Stieleiche oder Winterlinde meist auf. Für das sichere Anwachsen der Forstkultu-
über einen längeren Zeitraum gepflegt werden. ren ist daher eine begleitende NP(K)-Düngung
Bei einer standortabgestimmten Baumartenwahl notwendig (Heinsdorf 1992, Heinsdorf 1996),
kann jedoch im Idealfall auf eine Begleitwuchs- wobei sich die wuchsoptimalen Nährstoffgaben
regulierung verzichtet werden (Wünsche und in einer Größenordnung von rund 100 kg N/ha
Thomasius 2007). bzw. 50 bis 100 kg P/ha bewegen (Tab. 8.18).
Die Mineraldüngung erfolgt ab dem dritten
Standraum- bzw. Mischungsregulierung Die Standjahr der Kulturen. Zu diesem Zeitpunkt hat
Standraumregulierung zielt auf den Aushieb qua- sich das Feinwurzelsystem etabliert, andererseits
litativ unbefriedigender Vorwüchse noch wäh- sind die Nährstoffreserven der intensiv gedüng-
rend des Jungwuchsstadiums. Zugleich lässt sich ten Baumschulpflanzen nunmehr erschöpft. Eine
das Mischungsverhältnis korrigieren, beispiels- dauerhafte Verbesserung des Ernährungszustan-
weise wenn eine Leitbaumart frühzeitig gefördert des ist erst mit 2 bis 3-maliger Wiederholung der
werden soll. Zielstammzahlvorgaben sind wenig N-Gabe nach jeweils ein- bis dreijähriger Unter-
sinnvoll, der Bestandesschluss muss im Inter- brechung erreichbar (Heinsdorf 1999). Dabei
esse einer Selbstdifferenzierung gewahrt bleiben. reagieren Laubholzbestockungen ausgesprochen
Dabei erfolgen die Eingriffe aus arbeitstechni- sensibel auf Nährstoffdefizite, während die Ge-
schen Gründen in aller Regel zwischen 1,5 und meine Kiefer selbst bei mangelhafter N-Versor-
3,0 m Oberhöhe. Selbst auf Prozessschutzflächen gung in ihrer Höhenentwicklung kaum zeichnet.
sind unter Umständen Pflegemaßnahmen not- Mit dem Dickungsschluss gleicht sich die
wendig. Ein Beispiel hierfür ist die Eliminierung Ernährungssituation von ungedüngten und be-
gebietsfremder Pionierbaumarten (Robinie). handelten Beständen einander an. Die ökosyste-
Im anschließenden Dickungsalter (Oberhöhe maren Stoffkreisläufe entwickeln sich, atmogene
3,0 bis 12,0 m) werden keine weiteren Pflege- Nährstoffeinträge beschleunigen diesen Prozess
maßnahmen erforderlich. So sind Eingriffe in (Knoche et al. 2002). In Ausnahmefällen können
den dichten, kaum begehbaren Beständen wenig gezielte Ergänzungsdüngungen erforderlich sein.
8 Rekultivierung 529

Tab. 8.18   Düngungsregime der Hauptwirtschaftsbaumarten auf Kippenböden


Baumart kohlefreie Kippsubstrate kohlehaltige Kippsubstrate
Kiefer 3N1001P70 3N1001P90
Birke 3N80 3N801P80
Roteiche 3N1001P501K40 3N1001P1001K40
Trauben-/Stieleiche 3N1001P501K40 3N1001P1001K40
Winterlinde 3N1001P1001K40 3N1001P1001K40
Edellaubhölzer 3N1001P1001K40 2N1001P1001K40
3N1001P501K40 = dreimalige Düngung von jeweils 100 kg N/ha, im ersten Düngejahr zusätzlich 50 kg P/ha und
40 kg K/ha

Zuvor erfolgt eine Bewertung der Nährstoffver- chen Forstverwaltung frühzeitig die Waldbesitzer
sorgung anhand repräsentativer Blatt- bzw. Na- und Hegeringe des Tagebauumlandes einzubin-
delanalysen. den.
Bereits bei der Aufforstungsplanung ist fest-
zulegen, wie einzelne Forstkulturen vor Verbiss-
8.5.4 Waldschutz schäden geschützt werden sollen. Da sich bei
Kippenaufforstungen kleinere Pflanzensortimen-
Die Landesforstgesetze verpflichten alle Wald- te bewährt haben und das Höhenwachstum in den
besitzer zum Schutz ihrer Wälder tätig zu wer- ersten Kulturjahren stagniert, favorisiert die Re-
den. Im klassischen Sinn umfasst dies alle Maß- kultivierungspraxis den flächigen Schutz durch
nahmen zur Überwachung, Prognose, Verhütung Wildgatter. Alternative Verfahren, wie die Ver-
sowie Bekämpfung abiotischer und biotischer wendung chemischer oder biologischer Verbiss-
Schadfaktoren. Auf den Rekultivierungsflächen bzw. Fegeschutzmittel, sind bereits nach wenigen
des Braunkohlentagebaus soll hierdurch eine Anwendungsjahren erheblich kostenträchtiger.
standort- und funktionsgerechte Bestandesentwi- Gezäunte Flächen sollen etwa 3 ha nicht über-
cklung gesichert werden, welche Voraussetzung schreiten, um eine wirksame Kontrolle der Kul-
für die spätere Entlassung von Waldflächen aus turen auf eingedrungenes Wild zu ermöglichen.
der Bergaufsicht ist. Bei der Auswahl des Zaunmaterials haben sich
verzinkte Pfosten und ein Forstknotengeflecht
Wildschadensverhütung  Forstkulturen wer- bewährt, dessen Drahtstärke je nach Wildarten
den in einer zunächst noch äsungsarmen Berg- variiert. Der Pfostenabstand beträgt 4 m bis 6 m,
baufolgelandschaft rasch vom Schalenwild die Zaunhöhe ab Bodenoberkante mindestens
angenommen und sind daher ausgesprochen 1,6 m (Rehwild) bzw. 1,8 m (Rotwild). Dabei
verbissgefährdet. Zur Sicherung der exponier- wird die Zaununterkante in vorher angelegte
ten Jungwüchse bedarf es einer Absenkung Pflugstreifen gesetzt (ca. 20 cm Tiefe), anschlie-
hoher Wildestände auf die ökologisch tragfä- ßend das umgeschlagene Forstknotengeflecht
hige Populationsdichte. Derart anspruchsvolle mit Erdreich bedeckt. Nur so lässt sich auf ero-
jagdpolitische Ziele erfordern zwangsläufig ein sionsgefährdeten Sandböden eine ausreichende
regionales Wildtiermanagement. Dieses umfasst Wilddichtigkeit des Gatters erreichen.
neben effizienten Bejagungsstrategien ins-
besondere Maßnahmen der Biotopgestaltung, Weitere Schadfaktoren Während Schadinsek-
bzw. -verbesserung (inklusive Anlage von Wild- ten und Pilze in der forstlichen Rekultivierung
äsungsflächen), die Schaffung von barrierefreien eine untergeordnete Rolle spielen, können vor
Wildkorridoren sowie störungsarmen Rückzugs- allem Mäuse während ihrer Massenvermehrung
räumen. In solche Vorhaben sind neben der örtli- bestandesbedrohend sein. Vorbeugende Maßnah-
530 J. Schlenstedt et al.

men sind hier die ständige Flächenkontrolle, bei


wertvollen Laubholzpflanzungen auch der Ein-
zelschutz sowie die Förderung natürlicher Feinde
z. B. durch Greifvögel-Ansitzhilfen (Sitzkrü-
cken). Wird das Betriebsziel gefährdet, ist eine
verdeckte Ausbringung von Rodentiziden mittels
Köderstationen notwendig.
Nur in Ausnahmefällen empfiehlt sich die Be-
kämpfung forstlicher Schadinsekten. So werden
Kiefernkulturen gelegentlich durch den Kiefern-
Graurüßler oder die Kiefernbuschhornblattwespe
befallen. Trotz Verlustes eines ganzen Nadeljahr-
gangs regenerieren die Gehölze in den Folge-
Abb. 8.19   Feuerlöschteich 2006. (Foto: LMBV/Stärke)
jahren erfahrungsgemäß, so dass eine chemische
Bekämpfung nur bei wiederholtem Befall not-
wendig wird. Ähnliches gilt für den gelegentlich 8.5.5 Walderschließung
auftretenden Schüttebefall der Kiefer.
Aufgrund der exponierten Offenlandsituation Bewirtschaftung und Schutz der forstlichen Re-
sind die Forstkulturen in besonderem Maße Wit- kultivierungsflächen erfordern eine permanente
terungseinflüssen, wie Sturm, Frost oder Dürre, Erschließung. Hierzu dienen Wirtschaftswege
ausgesetzt. Die Einbringung einer Schutzpflan- und unbefestigte Rückeschneisen bzw. -gassen.
zendecke kann kleinklimatische Extreme ab- Sie sollen insbesondere:
mildern und die Humus- bzw. Bodenbildung • die für eine Bewirtschaftung erforderlichen
beschleunigen. Dies begünstigt die Gehölz- Verkehrs- und Transportvorgänge auf wirt-
entwicklung (Wünsche und Thomasius 2007), schaftliche Weise ermöglichen
wobei ähnliche Effekte durch den weitständige • Flächen gliedern
Mitanbau von Pionierbaumarten (Pappel, Erle) • Produkt- und Materiallagerplätze verbinden
erreicht werden. • den nicht motorisierten Erholungsverkehr len-
Dagegen ist das Waldbrandrisiko auf Kippen- ken
flächen deutlich geringer als in den bisweilen • Forstschutz und insbesondere die rationelle
stark vergrasten Kiefernreinbeständen des Ta- Waldbrandbekämpfung sowie Rettungsmaß-
gebauumlandes. Dies lässt sich in erster Linie nahmen ermöglichen.
auf den höheren Laubholzanteil, die günstigen Grundsätzlich erfolgt die Groberschließung
Bestandesstrukturen und eine optimierte Wald- durch LKW-fähige Hauptwirtschaftswege (RLW
randgestaltung (Waldbrandschutzstreifen) zu- 1999). Um eine optimale Flächenerschließung
rückführen (Preußner 2001). Auch werden inner- zu gewährleisten, sollte die Wegeführung paral-
halb der künftigen Waldflächen Feuerlöschtei- lel gestaltet, dabei jedoch den jeweiligen land-
che systematisch angelegt. Dabei sollen die ge- schaftlichen Besonderheiten angepasst werden.
bräuchlichen Folienteiche über ihre Umzäunung So sind markante Geländepunkte, aber auch ehe-
hinaus einen Flachwasserbereich aufweisen und malige Siedlungsbereiche in die Trassenführung
gleichzeitig als Wildtiertränke sowie Laichge- einzubinden. Unverzichtbar bleibt die Anbin-
wässer dienen. Hinzu kommen befestigte Lösch- dung des vorhandenen Straßennetzes und seiner
wasserentnahmestellen entlang der entstehenden Wirtschaftswege (Drebenstedt 1998). Ziel ist ein
Gewässer. Selbstverständlich ist die enge Ab- hoher Erschließungsgrad mit möglichst geringer
stimmung mit den für allgemeinen Brandschutz Wegelänge. Für die meist ebenen bis schwach
zuständigen Landkreisen bzw. örtlichen Feuer- geneigten Kippenflächen empfiehlt sich eine
wehren (Abb. 8.19). Fahrwegedichte von rund 15 lfm/ha.
8 Rekultivierung 531

Abb. 8.20   Schema Wege-


profil

Angestrebt wird eine Fahrbahnbreite von lich. Zugleich sind die Folgekosten gering, be-
3,5 m mit Ausweichstellen in genügendem Ab- schränkt sich doch die Wegeunterhaltung auf das
stand. Dies entspricht unter Berücksichtigung der Abziehen der Fahrbahn mit Grader in etwa zwei-
nicht befahrbaren Seitenstreifen etwa 5,5 m Kro- jährigem Turnus. Dabei wird das zur Wegemitte
nenweite. Die Dimensionierung richtet sich nach und an den Fahrbahnrand verschobene Material
der Tragfähigkeit des Untergrundes sowie späte- der Verschleißschicht („Gleisbildung“) über die
ren Verkehrsbeanspruchung. Bei stark bindigen, gesamte Fahrbahnbreite nachprofiliert.
zur Vernässung neigenden Substraten kann eine Die Feinerschließung ihrerseits ermöglicht
Untergrundstabilisierung mit Folien, Fasermat- eine rationelle und zugleich schonende Bestan-
ten oder Bindematerial erforderlich sein. Für den despflege. Unbefestigte Wege werden durch das
Oberbau hat sich folgende Standardbauweise Anlegen einer Fahrspur vorbereitet und ggfl. mit
durchgesetzt: Tragschicht 0,3 m, aus Schotter- Grasansaaten stabilisiert. Schneisen lassen sich
Splitt-Brechsand-Gemisch (Körnung 0/56 oder leicht nach Auslassen von Pflanzreihen realisie-
0/45 mm, alternativ Schotter aus Gleisrückbau), ren. Sie ermöglichen so eine dauerhafte Trauf-
Deckschicht 0,2 m (0/32 mm), Verschleißschicht bildung entlang der Bestandesinnenränder. Ihre
0,05 m aus Splitt-Brechsand-Gemisch (0/11 oder Festlegung geschieht bereits in den Pflanzplänen.
0/5 mm) (Abb. 8.20). Schließlich sind Holz- bzw. Materiallagermög-
Die Entwässerung erfolgt in ebenen Lagen lichkeiten vorzuhalten.
durch eine entsprechende Querneigung (5 %-iges
Dach-, bzw. Graderprofil) und beidseitige Tra-
pez-, Mulden- oder Spitzgräben, welche zur Ver- 8.5.6 Ausblick
sickerung des Regenwassers in den angrenzen-
den Waldflächen alle 50 m unterbrochen sind. Bereits in der ersten Waldgeneration lassen sich
Eine solche Bauweise ist für eine Bewirtschaf- auf Kippen des Braunkohlentagebaues stabi-
tung mit geringer Verkehrsbelastung ausgelegt. le, vitale und wüchsige Wälder etablieren. Eine
Sie wird einer multifunktionellen Nutzung am biologische Bodenvorbereitung, beispielsweise
Besten gerecht und gilt als ökologisch verträg- durch mehrjährige, extensive Grünlandzwischen-
532 J. Schlenstedt et al.

nutzung oder die Begründung von Pionierwald-


beständen, erübrigt sich. Selbst auf schwefelsau-
ren Reinsanden können die Zielbaumarten nach
angemessener Flächenvorbereitung (Grundme-
lioration) unmittelbar gepflanzt werden. Voraus-
setzung für den nachhaltigen Bestockungserfolg
ist jedoch eine standortgerechte Baumartenwahl,
welche die besonderen Eigenschaften der techno-
genen Rohböden und deren Entwicklungspoten-
zial würdigt. Hinzu kommen Maßnahmen der
Begleitwuchs- und Standraumregulierung sowie
Startdüngung (NPK).
Dabei entsprechen die Betriebszieltypen in
Abb. 8.21   Lindenkultur Tagebau Nochten 2009. (Foto:
ihren Grundzügen den Waldbaurichtlinien der LMBV/Schlenstedt)
Landesforstverwaltungen bzw. einer guten fach-
lichen Praxis. Dies gilt ebenso für die weitere
Bewirtschaftung der Bestände nach ihrer Entlas- Landnutzung erfolgt die Kopplung von land- und
sung aus der Bergaufsicht. Ein Beispiel hierfür forstwirtschaftlicher Produktion auf gleicher Flä-
ist der frühzeitige Umbau standortwidriger Rein- che (sog. „Alley Cropping“, Hüttl 2005; Böhm
bestände (Kiefer, Pappel, Birke) in regionaltypi- et al. 2009).
sche Bestockungen mit hohem Laubholzanteil Somit ist eine sanierungsbegleitende Rekulti-
(u. a. Knoche 2005; Gaier et al. 2009). vierungsforschung weiterhin unverzichtbar. Sie
Gerade in hochdynamischen Systemen kön- soll nicht nur die Entwicklung der Gehölzbe-
nen mitunter nur schwer prognostizierbare stände im Sinne einer Erfolgskontrolle begleiten
Faktoren die Bestandesentwicklung erheblich und alternative Nutzungsformen aufzeigen, son-
beeinflussen. Dies betrifft zum einen langfris- dern vor allem Anregungen zur Optimierung der
tige Veränderungen der Randbedingungen, wie forstlichen Rekultivierung liefern. Nicht zuletzt
die Auswirkungen des Klimawandels oder den bieten sich die Neulandböden als einzigartiges
nachbergbaulichen Grundwasserwiederanstieg. „Landschaftslabor“ an. Hier können, wie in kaum
Daneben stehen interne, standörtlich begründe- einer anderen Region Mitteleuropas, grundlegen-
te Ereignisse, wie der alarmierende Befall von de Prozesse der frühen Waldökosystementwick-
Kiefern-Erstdurchforstungsbeständen durch den lung beobachtet werden (u. a. Hüttl und Weber
aggressiven Weißfäulepilz Heterobasidion an- 2001; Tischew 2004a; Gerwin et al. 2009). Er-
nosum Bref. (Wurzelschwamm) (Emmrich et al. gebnisse dieser Untersuchungen finden bereits
2001; Knoche und Ertle 2007). Beides erfordert heute Eingang in die Rekultivierungspraxis, wie
eine Anpassung der Bewirtschaftung. die vielfach erfolgreiche Waldbegründung durch
Schließlich ergeben sich aus den gesell- gelenkte Sukzession und der Anbau anspruchs-
schaftspolitischen Ansprüchen ständig neue Her- voller Baumarten belegen (Abb. 8.21).
ausforderungen für die forstliche Rekultivierung.
Beispielsweise sollen die Bergbauregionen, nicht
zuletzt aufgrund ihrer Flächenverfügbarkeit, eine 8.6 Biologische Maßnahmen zum
Vorreiterrolle bei der Energieholzerzeugung in Schutz vor Erosion
Kurzumtriebsplantagen (KUP) einnehmen. Der-
zeit werden hierzu erste Anbauversuche mit leis- Im Kapitel 4 wird ausführlich auf die wissen-
tungsfähigen Pappelklonen und der anspruchslo- schaftlichen Grundlagen und die technischen
sen Robinie angelegt (Bungart et al. 2004; Ertle Möglichkeiten zur Herstellung der geotechni-
et al. 2008; Landgraf und Böcker 2009). In einem schen Sicherheit eingegangen. Hiezu zählen auch
weiteren, viel versprechenden Ansatz innovativer die Maßnahmen zum Schutz vor Erosion durch
8 Rekultivierung 533

Abb. 8.22   Wasserfanggraben Tagebau Berzdorf 2009. Abb. 8.23   Verbau mit Totholzfaschinen und Anspritzbeg-
(Foto: LMBV/Schlenstedt) rünung Tagebau Spreetal 2013 (Foto LMBV/Schlenstedt)

Wasser und Wind. Dieses Kapitel beschränkt Abfluss des gefangenen Oberflächenwassers und
sich daher auf die biologischen Maßnahmen und verhindern damit wirksam die Erosion in den
nennt nur wenige technische Maßnahmen, die im Gräben. 20 cm niedrigere Stege als das Umfeld
weiteren Sinn auch zu den biologischen Maßnah- erlauben bei Hochwasser den Abfluss im Graben
men gezählt werden können. und verhindern ein Übertreten der Grabenbö-
schung auf die Hangfläche.
Totholzfaschinen, das sind 30–50 cm starke
8.6.1  Technische Maßnahmen ca. 3 m lange Reisigbündel, eigenen sich bei rich-
tigem Einbau hervorragend zur Erststabilisierung
Zu den grundlegenden Maßnahmen des Ero- von noch nicht begrünten Hängen. Die Verlegeart
sionsschutzes an Böschungen, großen flach ge- kann in unterschiedlichen Mustern erfolgen; ent-
neigten Landwirtschaftsflächen und begleitend weder hangparallel, leicht schräg im Hang oder
an den Wirtschaftswegen gehört der Bau von als Rauten verkreuzt über die Hangfläche. Wich-
Wasserfanggräben (Abb. 8.22). tig bei allen Einbauten sind zwei Hinweise:
Das Fehlen solcher Gräben ist immer kritisch 1. Der Einbau darf nicht oberflächlich auf dem
zu bewerten und kann im schlimmsten Fall den Hang erfolgen, sondern die Faschine muss zu
Erfolg sämtlicher weiterer Maßnahmen wie des einem Drittel in die Hangoberfläche eingegra-
Verbaus der Böschung und der Begrünung dauer- ben werden. Nur hierdurch wird ein Unterspü-
haft verhindern. Der Übergang zwischen der len verhindert.
Berme und dem unterliegenden Hang sollte mit 2. Die Faschinen sind mit je zwei Holzpflöcken,
einem leicht negativen Gefälle zur Berme hin welche durch die Faschine geschlagen wer-
erfolgen. Der Bau der Wasserfanggräben erfolgt den, zu sichern.
mit einem geeigneten Löffelbagger. Die obere Da das Material in wenigen Jahren verrottet, ist der
Weite des Grabens beträgt ca. 2–3 m, die Bö- Hang im Anschluss an das Verlegen zu begrünen.
schungsneigung im Graben liegt bei 1:3. In Ab- Steile Rohböden können durch Nassansaat,
hängigkeit von der Querneigung zum Gefälle des der so genannten Anspritzbegrünung, entspre-
Hanges müssen Stege mit einer Mindestbreite chend DIN 18918 erfolgreich begrünt werden
von 1 m im Abstand von 30–50 m im Grabenpro- (Abb. 8.23).
fil verbleiben. Diese sollten direkt bei der Anlage Die Ausbringung hierbei erfolgt durch Hy-
des Grabens stehen bleiben. Nachträglich einge- droseeder. Vor der eigentlichen Nassansaat ist
brachte Stege weisen deutlich geringere Stabili- häufig eine oberflächige pH-Wertverbesserung
täten auf. Die Stege verhindern den schnellen erforderlich. 20–25 % Kalkmilch mit hoher Re-
534 J. Schlenstedt et al.

aktivität ist auf die Böschung aufzusprühen. Die der; siehe Tischew und Lorenz 2005; Kirmer
Nassansaatmischung besteht aus einem natürli- und Tischew 2006; Lorenz et al. 2009), sollten
chen Kleber, einem wasserspeichernden Quell- vorwiegend Arten früher Sukzessionsstadien
mittel, Zellulose und aus einer Saatgutmischung eingesetzt werden, da diese am besten an die
aus ca. 30 % Kräuter und 70 % Gräser. Wenige spezifischen Bedingungen der nährstoffarmen
Gramm Saatgut reichen völlig aus. Die Grasarten Rohböden angepasst sind. Unter Wahrung der
Rotes Straußgras ( Agrostis capillaris), Flecht- ingenieurbiologischen Anforderungen (z. B.
straußgras ( Agrostis stolonifera), Kammgras Standsicherheit, Erosionsschutz) bleibt damit das
( Cynosurus cristatus) sowie die beiden Schwin- naturschutzfachlich wertvolle Potenzial der Flä-
gelarten ( Festuca ovina und F. nigrescens) und chen weitgehend erhalten, da durch die Maßnah-
Schafgarbe ( Achillea millefolium), Esparsette men die Wachstumsbedingungen auf Rohböden
( Onobrychis viciifolia), Spitzwegerich ( Planta- nur in dem Umfang verbessert werden, dass eine
go lanceolata) und Leimkraut ( Silene vulgaris) rasche und nachhaltige Entwicklung standortge-
haben sich mit weiteren Begleitarten auf den Bö- rechter Arten gewährleistet ist. Untersuchungen
schungen der LMBV bewährt. Durch die Nass- zeigen, dass bei extremen Standortbedingungen
ansaat wird oberflächennah der Wasserhaushalt (z. B. auf Rohböden) gebietseigene Ökotypen
verbessert und damit die Keimung des Saatgutes vergleichbarer Standorte erfolgreicher sind als
beschleunigt, die Fruchtbarkeit erhöht und güns- Ansaaten mit Regelsaatgutmischungen. Bei den
tige Voraussetzungen für ein gutes Wurzelwachs- Kosten, die neben den zu erwartenden Erfolgs-
tum geschaffen. aussichten ein wichtiges Kriterium sind, müssen
Für weitere ingenieurbiologische Maßnah- auch mögliche Folgekosten berücksichtigt wer-
men, wie Spreitlagenbau, wird auf die zahlreiche den, die beispielsweise durch Nachsaaten oder
Spezialliteratur und Richtlinien insbesondere aus -pflanzungen bei Ausfällen aufgrund der Ver-
dem Straßenbau verwiesen. wendung nicht standortgerechter oder gebiets-
fremder Materialien entstehen können (Marzini
und Vollrath 2003; Conrad 2007).
8.6.2 Beschleunigte Vegetations- Generell sollte die Methode gewählt wer-
entwicklung auf terrestrischen den, mit der die gewünschte Zielgesellschaft
erosionsgefährdeten mit möglichst geringem Aufwand entwickelt
Böschungsstandorten durch werden kann. Auch Verfügbarkeit, Praktikabili-
naturnahe Methoden tät, Kosten, eventuelle Folgenutzungen und ein
möglicher Nachsorgeaufwand (Pflege) sind zu
In den vergangenen Jahren wurde in Koopera- berücksichtigen. Grundsätzlich ist dabei gebiets-
tion mit wissenschaftlichen Einrichtungen durch eigenen oder lokalen Ressourcen der Vorrang zu
die LMBVmbH eine Vielzahl von naturnahen geben. Aufgrund spezifischer Anpassungen an
Begrünungsmaßnahmen auf unterschiedlichen die jeweiligen Standortverhältnisse sind dabei
Standorten erfolgreich umgesetzt (LMBV 2000; Herkünfte aus vergleichbaren Biotoptypen zu
Tischew 2004; Kirmer und Tischew 2006; Kir- bevorzugen, da diese Arten optimal an den zu
mer et al. 2008, Kirmer et al. 2009). Die Auswahl begrünenden Standort angepasst sind. Um die
der geeigneten Methode sowie der entsprechen- Entwicklung von stabilen Populationen zu ge-
den Arten hängt von der jeweiligen Zielstellung währleisten, sollte die Gewinnung von Samen
(z. B. schnelle Erosionssicherung, Entwicklung und Material in mehreren vergleichbaren Popu-
naturnaher und pflegeextensiver Bestände, Aus- lationen bzw. Standorten in der Nähe der zu be-
gleichsfläche im Rahmen der Eingriffsregelung) grünenden Fläche erfolgen. Folgende in der Sa-
sowie den Standortbedingungen ab. Auch wenn nierungspraxis erprobte naturnahe Begrünungs-
mit naturnahen Methoden unterschiedliche Ent- methoden werden vorgestellt:
wicklungsstadien auf Rohböden etabliert werden • Wildpflanzenansaaten mit/ohne Mulchauflage
können (z. B. Magerrasen, Frischwiesen, Wäl- mit Saatgut aus gebietseigenen Herkünften
8 Rekultivierung 535

• Auftrag von samenreichem frischem Mahdgut sehr stark variieren, ist bei der Planung von Saat-
oder Heu mischungen die Vorgabe der Samenzahl je Quad-
• Übertragung von Oberboden mit Vegetation ratmeter für die einzelnen Arten sinnvoller, da sie
und Samenbank ein realistischeres Bild von der Struktur des zu
• Pflanzungen mit gebietseigenen Herkünften. erwartenden Bestandes vermittelt. In zahlreichen
Das Ziel von Wildpflanzenansaaten ist neben Praxisversuchen mit Wildpflanzenmischungen
dem Erosionsschutz die Initiierung naturnaher hat sich eine Anzahl von 2.000 bis 3.000 Samen/m2
Pflanzenbestände. Grundsätzlich ist es ökono- (3–5 g/m2) als ausreichende Ansaatmenge er-
misch und ökologisch sinnvoller, die Saatmi- wiesen (Kiehl et al. 2009). Auch bei schwierigen
schung dem Standort anzupassen, als aufwän- Boden- oder Substratbedingungen erreicht man
dige Bodenverbesserungen durchzuführen, um damit rasch Dichten von 200 bis 400 Pflanzen/m2.
einen „Wunschpflanzenbestand“ zu etablieren. Solche Pflanzenbestände entwickeln sehr schnell
Der Zusammenstellung von Saatmischungen ausgedehnte Wurzelsysteme, die den Boden opti-
werden Vegetationsaufnahmen natürlicher oder mal erschließen und den Erosionsschutz gewähr-
naturnaher Standorte zugrunde gelegt, die dem leisten. Zu dichte Pflanzenbestände sind wesent-
zu begrünenden Standort möglichst ähnlich sind. lich anfälliger für Trockenstreß und konkurrieren
Die Auswahl der Arten erfolgt nach folgenden um vorhandene Ressourcen (Wasser, Nährstoffe).
Kriterien (Stolle 2003): Für die Zusammenstellung konkreter naturraum-
• Ziel der Begrünung und Nachnutzung (z. B. und standorttypischer Saatgutmischungen wird
Böschungssicherung, Erholungsnutzung, dringend empfohlen, Fachleute zu beauftragen.
Naturschutz, Biotopverbund, Landschafts- Bei Mulchdecksaaten werden Ansaaten von
bild) gebietseigenem Saatgut mit samenarmen Mulch-
• Standortverhältnisse der zu begrünenden Flä- auflagen kombiniert. Diese Methode eignet sich
che und daraus abgeleitet die Zielvegetation besonders gut auf stärker erosionsgefährdeten
• Vorkommen der Arten im Gebiet (floristische Standorten, da durch die Mulchauflage ein so-
Kartierung) fortiger Erosionsschutz erzielt wird und die
• Entwicklungspotenzial der einzelnen Arten Ansaat vor Austrocknung, starken Temperatur-
(z. B. Vermeidung von Dominanzbeständen) schwankungen und mechanischen Einflüssen
• artspezifische Vermehrungskoeffizienten (wie (Wind, Regenaufprall) schützt. Die Qualität der
viele Samen sind für die Etablierung einer Mulchmaterialien, insbesondere das Kohlenstoff/
bestimmten Anzahl an Pflanzen unter den Stickstoff (C/N)-Verhältnis, spielt für die Pflan-
jeweiligen Standortbedingungen erforderlich) zenentwicklung eine entscheidende Rolle (Stolle
• Verfügbarkeit des Saatgutes (bei ausreichen- 1998). Strukturreiches, langhalmiges Material
dem Planungsvorlauf können Samen für nicht mit einem engen C/N-Verhältnis (z. B. kraut-
verfügbare Arten in der Regel produziert wer- reicher Wiesenschnitt) ist stets günstiger zu be-
den) urteilen als beispielsweise Stroh, da beim Abbau
• Bei erosionsgefährdeten Standorten: Kombi- des Strohs ein Teil der auf Rohböden in der Regel
nation verschiedener Durchwurzelungstypen, knappen Stickstoff-Ressourcen verbraucht wird
Wuchshöhen und Lebensrhythmen. und nicht der sich entwickelnden Vegetation
Gegenwärtig werden in Deutschland ca. 300 Grä- zur Verfügung steht (Stolle 1998). Bei der Ver-
ser und Kräuter aus verschiedenen Herkunftsge- wendung von Strohauflagen auf nährstoffarmen
bieten innerhalb Deutschlands produziert (http:// Rohböden wird daher die Zugabe einer geringen
www.natur-im-vww.de/). Dieses Spektrum er- Menge organischen Düngers empfohlen, um eine
möglicht die Zusammenstellung verhältnismäßig optimale Vegetationsentwicklung zu ermögli-
artenreicher, regional angepasster Mischungen chen. Weitere Informationen siehe Kirmer und
mit einer breiten Palette von Standorttypen (ver- Tischew 2006 (Abb. 8.24).
schiedene Feuchtestufen und Substrattypen). Da Auch Gehölzstadien können effektiv über An-
die Tausendkorngewichte der einzelnen Arten saaten entwickelt werden (Lorenz 2006). Sollen
536 J. Schlenstedt et al.

Abb. 8.24   Beispiel einer 


PLWWOHUHNXPXODWLYH'HFNXQJ 
Mulchdecksaat im Tagebau Q 
Rossbach auf gestörtem
Löß (pH 7-7,5) Kirmer 

2004a und unveröffentlich-


te Daten 6WUHX


*HK|O]H
1LFKW=LHODUWHQ


=LHODUWHQ

0RRVH)OHFKWHQ



               

0XOFKGHFNVDDW .RQWUROOH

auf Rohböden Pionierwälder entwickelt wer- higkeit, Standortgüte und Entwicklungsziel (ge-
den, so ist zunächst zu prüfen, ob die Standorte schlossener Bestand; initiale Stadien):
prinzipiell waldfähig sind, wobei besonders die • Birke, dichter Bestand: 40 kg/ha (sandige
Standortparameter Bodenart, pH-Wert, Boden- Substrate), 25 kg/ha bis 30 kg/ha (bindige
feuchte, geologische Herkunft des Materials und Substrate)
Exposition beachtet werden müssen. Als nicht • Birke, lückiger Bestand: 15 kg/ha bis 30 kg/
waldfähig gelten Standorte mit oberflächlich an- ha (je bindiger das Substrat desto niedriger die
stehenden, stark kohlehaltigen Tertiärsubstraten benötigte Saatmenge)
(Hetsch und Hanskötter 2000), extrem trockene, • Beimischung von Kiefer auf sehr trockenen
sandige Rohböden mit einem pH-Wert ≤ (3,5) 4 Standorten der Lausitz: 0,5 kg/ha bis 1 kg/ha.
und sehr steile Südhänge mit stark zur Austrock- Durch eine Mulchauflage erhöht sich die Anzahl
nung neigenden Substraten. Auf potenziell wald- erfolgreich etablierter Individuen (Abb. 8.25 und
fähigen Standorten werden Birkensaaten emp- 8.26).
fohlen, deren erfolgreiche Durchführung bereits Auch typische Straucharten regionaler Her-
in der Mitte des 18. Jahrhunderts dokumentiert kunft (z. B. Europäisches Pfaffenhütchen – Eu-
wurde. Auf sehr nährstoffarmen, trockenen und onymus europaeus, Roter Hartriegel – Cornus
sandigen Böden ist die Gemeine Kiefer ( Pinus sanguinea) können über Ansaaten etabliert wer-
sylvestris) neben der Birke eine charakteristische, den (Striese 2004; Tischew et al. 2004b). Die
Pionierwald bildende Baumart, die ebenfalls aus- Ansaat von Baum- und Straucharten ist in der
gesät werden kann (Lorenz 2004; Tischew et al. Regel kostengünstiger als die Durchführung
2004b). Birkensaaten werden als Schnee- bzw. von Pflanzungen. Zudem ermöglichen Ansaa-
Wintersaat durchgeführt. Ein idealer Zeitpunkt ten eine sehr frühe Adaption der Gehölze an die
für die Durchführung von Birken- sowie Birken- jeweiligen Standortbedingungen. Vor allem auf
Kiefernsaaten ist der Zeitraum Februar bis März, Rohböden bzw. auf Böden mit initialen Boden-
da auf diese Weise die Schneeschmelze sowie genesestadien spielt dieser Faktor eine große
die niederschlagsreiche Periode im Frühjahr ge- Rolle, da die Böden für das Wachstum der an-
nutzt werden kann. Von Vorteil ist insbesondere spruchsvolleren Intermediär- und Klimaxge-
die Ansaat auf Neuschnee. Das Aufbringen von hölze vergleichsweise ungünstige Bedingungen
Birkensamen auf verharschtem Schnee führt da- bieten. Bei bereits vorhandener krautiger Vege-
gegen zur Verwehung des Saatgutes. Die Saat- tation besteht die Möglichkeit, den Oberboden
gutmenge ist abhängig vom Tausendkorngewicht mittels Waldmeisterpflug streifenweise abzutra-
(TKG) der Arten und variiert je nach Keimfä- gen und die Pionierbaumarten in die entstande-
8 Rekultivierung 537

ken erleichtert werden (Sachsen-Anhalt: www.


spenderflaechenkataster.de, Thüringen: www.
tlug-jena.de/sfk-thueringen/).
Der Auftrag von frischem Mahdgut oder Heu
erzeugt eine mehr oder weniger geschlossene
Mulchauflage, die Keimung und Etablierung er-
leichtert. Auch die Einwanderung von Arten aus
der Umgebung wird gefördert, da die Auflage als
Samenfänger wirkt. Die Mulchdecke beschattet
den Boden, dient als Verdunstungsschutz, mildert
Temperaturschwankungen und reduziert die Auf-
prallenergie von Regentropfen. Dadurch wird be-
Abb. 8.25   Auftrag von Mulchsaat, Halde Klobikau Au-
reits vor der Etablierung von Pflanzen ein effek-
gust 2005. (Foto: Lorenz) tiver Erosionsschutz gewährleistet. Zur Gewin-
nung von frischem, samenreichen Mahdgut oder
Heu wird eine geeignete Spenderfläche zu einem
Zeitpunkt gemäht, an dem möglichst viele Ziel-
arten fruchten. In der Regel führt ein Mahdtermin
zwischen Juli und August zur Übertragung einer
breiten Palette von Arten. Die Übertragung des
gesamten Artenspektrums (z. B. im Rahmen von
Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen) kann auch
mehrere Mahdzeitpunkte erforderlich machen.
Das gemähte Material kann bei Bedarf auch ge-
trocknet und eingelagert werden, wobei zu be-
achten ist, dass bei der Lagerung meist ein Groß-
teil der Samen ausfällt und sich als Feinmaterial
auf dem Boden ansammelt. Dieses samenreiche
Feinmaterial muss unbedingt mit ausgebracht
Abb. 8.26   Situation Halde Klobikau nach Mulchsaat im
Juni 2006. (Foto: Lorenz) werden. Wird das Mahdgut im frischen Zustand
aufgetragen, passt es sich durch den Trocknungs-
prozess dem Untergrund an und kann nicht ver-
nen Rohbodenbereiche einzusäen. Vor allem auf weht werden. Heu muss dagegen mindestens eine
den nährstoffärmeren Sanden war diese Metho- Nacht auf der Fläche liegen, dann haftet es durch
de sehr erfolgreich (vgl. Lorenz 2004; Tischew die Aufnahme von Tau und die anschließende
et al. 2004b). Auf nährstoffreichen, bindigen Trocknung ebenfalls am Untergrund. Auf geneig-
Substraten dagegen laufen nach dem Anlegen der ten, stark erosionsgefährdeten Flächen sollten
Saatstreifen innerhalb kürzester Zeit zahlreiche 1 kg bis 2 kg Frischgewicht/m2 (entspricht einer
Samen aus der Diasporenbank auf und verursa- Auflagenhöhe von 5 cm bis 10 cm) ausgebracht
chen hohe interspezifische Konkurrenzeffekte. werden. Da das Samenpotenzial im Mahdgut in
Auf diesen Standorten sind Saaten mit Pionierge- der Regel sehr hoch ist, kann die Auftragsmen-
hölzen wenig erfolgversprechend (Lorenz 2004; ge auf ebenen Flächen auf 0,5 bis 1 kg Frisch-
Tischew et al. 2004b). gewicht/m2 reduziert werden. Das Verhältnis
Samenreiches Mahdgut oder Heumulch erfül- Auftrags- zu Entnahmefläche hängt stark von
len höchste naturschutzfachliche Ansprüche nach der Spenderfläche ab und schwankt zwischen 2:1
lokaler Herkunft, wenn das Material in der un- und 1:10. Weitere Informationen in Kirmer und
mittelbaren Umgebung der zu begrünenden Flä- Tischew 2006. Im Folgenden werden drei Praxis-
che gewonnen wird. Die Recherche geeigneter beispiele vorgestellt (Abb. 8.27).
Spenderflächen kann durch Internet-Datenban-
538 J. Schlenstedt et al.

0LWWOHUH'HFNXQJ  Q 



6WUHX

*HK|O]H
 1LFKW=LHODUWHQ

 =LHODUWHQ
0RRVH)OHFKWHQGHU6DQGWURFNHQUDVHQ

0RRVH)OHFKWHQ

              
0DKGJXW .RQWUROOH

9HUVXFKVDQODJHLP7DJHEDX*RLW]VFKH 
 
PLWWOHUHNXPXODWLYH'HFNXQJ  PLWWOHUHNXPXODWLYH'HFNXQJ 
Q  Q 

 

 

 

 
                             
0DKGJXW .RQWUROOH 0DKGJXW .RQWUROOH

9HUVXFKVDQODJHLP7DJHEDX 9HUVXFKVDQODJHLP7DJHEDX5R‰EDFK 
0FKHOQ,QQHQNLSSH 

Abb. 8.27   Entwicklung der mittleren Deckung auf Flä- Innenkippe und Roßbach mit Standardabweichung für
chen mit Mahdgutauftrag im Vergleich zu unbehandelten Gesamtdeckung Moose/Flechten und Krautschicht (Kir-
Kontrollflächen in den Tagebauen Goitzsche, Mücheln/ mer 2004a, b und unveröffentlichte Daten)

Im Tagebau Goitsche wurde im August 1994 pe frisches, samenreiches Mahdgut aus einem
auf einem Böschungsabschnitt (quartärer Sand; artenreichen Halbtrockenrasen ausgebracht (Kir-
mittlerer pH 4,4; Neigung 15°; nordexponiert) mer 2004a). Das Substrat ist tertiären Ursprungs
am Restloch Holzweißig-West frisches, samen- (stark kohlehaltiger, sandig-toniger Schluff;
reiches Mahdgut aus einem nahegelegenen, stau- mittlerer pH 5,5; 0,82 Masse-% Schwefelgehalt
denreichen Sandtrockenrasen ausgebracht (Kir- (Elementaranalyse); Neigung 15°; südexponiert).
mer 2004b). Auf den Mahdgutflächen übernimmt Obwohl die mittlere Gesamtdeckung aufgrund
die sich rasch entwickelnde Vegetation den Ero- der ungünstigen Standortbedingungen im 6.
sionsschutz, der zu Beginn von der Mulchdecke Jahr nur 40 % erreicht hat, ist die Fläche nicht
gewährleistet wird. Auf den unbehandelten Kon- erosionsgefährdet. Die Kontrollflächen sind da-
trollflächen kam es nur allmählich zu einer Zu- gegen von einer starken Rinnenerosion geprägt
nahme der mittleren Deckung. und weisen auch nach sechs Jahren keine Vegeta-
Im Tagebau Mücheln wurde im August 1999 tionsentwicklung auf.
auf einem Böschungsabschnitt in der Innenkip-
8 Rekultivierung 539

Abb. 8.28   Entwicklung 


0LWWOHUH'HFNXQJ 
der mittleren Deckung Q 
auf Sodenschüttungs- und 
Kontrollflächen von 1996 6WUHX
bis 2001 (Kirmer 2004a, b)
 *HK|O]H
1LFKW=LHODUWHQ

 =LHODUWHQ
0RRVH)OHFKWHQGHU6DQGWURFNHQUDVHQ

           

6RGHQVFKWWXQJ .RQWUROOH

Im Tagebau Roßbach wurde Anfang Septem- sollte möglichst im Frühjahr oder Herbst bei
ber 2000 eine ca. 160 × 70 m große Versuchsan- feuchter Witterung durchgeführt werden, um die
lage eingerichtet (geschütteter Löß; mittlerer pH Anwuchsraten zu erhöhen. Eine weitere Mög-
7,5; Neigung ca. 7°; westexponiert). Es wurden lichkeit der Übertragung von Oberboden ist die
auf drei 18 m breiten Streifen frisches Mahdgut aufwändigere Sodenversetzung (Kirmer und Ti-
aus trockenen Glatthaferwiesen (NSG Götter- schew 2006).
sitz) ausgebracht (Kirmer 2004a). Bereits im 2. Auch der humose Oberboden in Wäldern ent-
Jahr lag die mittlere Deckung auf den behandel- hält ein hohes Potenzial an Pflanzen und anderen
ten Flächen bei 100 %. Auf den Kontrollflächen Organismen, die zumeist aufgrund von fehlenden
verlief die Entwicklung wesentlich langsamer Fernausbreitungsmechanismen nicht oder nur
und es konnte in den ersten Jahren eine Rinnen- mit großer zeitlicher Verzögerung auf Renaturie-
erosion beobachtet werden. Zudem war auf den rungsflächen gelangen können (z. B. Benkwitz
Kontrollflächen der Anteil an Ruderalarten we- et al. 2002). Die Übertragung von Oberboden aus
sentlich höher als auf den Mahdgutflächen. Laubmischwäldern ist deshalb eine Möglichkeit,
Die Übertragung von Oberboden mittels So- Ausbreitungsschranken zu überwinden. Die Wir-
denschüttung erzeugt ein Mikrorelief mit keimfä- kung dieser Methode wird auf Kippenflächen des
higen Substraten, verbessert das Mikroklima und Rheinischen Braunkohlenreviers seit 1984 beob-
beschleunigt auf diese Weise die Vegetationsent- achtet (Wolf 1987, 1998, 2000).
wicklung (Abb. 8.28). Pflanzungen sind in der Regel aufwändiger
Durch die Umwälzung des Oberbodens wird und daher kostenintensiver als z. B. das Auf-
die Samenbank des Bodens aktiviert, so dass bringen von Mahdgut oder Mulchdecksaaten.
dort vorhandene Samen an die Oberfläche gelan- Sie haben aber bei kritischen Standortverhält-
gen und keimen können. Es ist dabei zu beach- nissen den Vorteil, dass die Entwicklungsdauer
ten, dass mit zunehmender Tiefe die Menge an verkürzt wird, und dass die besonders empfind-
keimfähigen Samen in der Samenbank abnimmt. lichen Keimlings- und Juvenilstadien über-
In der Regel wird deshalb nur die samenreiche sprungen werden. Das Ausbringen von fertigen
Oberschicht bis zu einer maximalen Tiefe von Vegetationsmatten ist zu empfehlen, wenn ein
20 cm verwendet und mit einer Schichtstärke von sofortiger flächendeckender Schutz vor Erosion
maximal 3 cm bis 5 cm ausgebracht (z. B. Fi- notwendig ist, z. B. an stark erosionsgefährdeten
scher 1986). Da durch die Entnahme des Oberbo- Ufern (Grüttner 2006). Dort muss eine sofor-
dens die Spenderpopulation zerstört wird, sollte tige Initialisierung von Röhrichten stattfinden,
eine großflächige Entnahme auf durch Bau- oder um zu vermeiden, dass durch Abtrag von Fein-
Sanierungsmaßnahmen beeinträchtigte Standor- material und Kliffbildung sowohl eine spontane
te beschränkt bleiben. Eine kleinflächige (z. B. als auch eine initiierte Röhrichtansiedlung ver-
streifenweise) Entnahme kann auch im Rahmen hindert wird (Bestmann 1997). Bei der Planung
von Pflegemaßnahmen erfolgen. Die Entnahme von Röhrichtinitialisierungen müssen vielfältige
540 J. Schlenstedt et al.

Aspekte berücksichtigt werden, z. B. Böschungs- Wachstum sofort beginnen kann und die Pflan-
neigung, standortgerechte Ufervegetation (Arten, zen Belastungen wie hochsommerliche Trocken-
Höhenzonen), Substrateigenschaften (pH-Wert, perioden bzw. kritische Witterungsbedingungen
Nährstoffe, Leitfähigkeit, Wasserversorgung) im Winter mit bereits ausgedehntem, tiefreichen-
und Eigenschaften des Wassers (pH-Wert, Nähr- den Wurzelwerk besser ertragen. Bei einer hohen
stoffe, Leitfähigkeit). Eine Nährstoffversorgung Wellenbelastung muss ein mechanischer Wellen-
aus dem Wasser kann dabei die Nährstoffarmut schutz ausgebracht werden.
von Rohböden kompensieren. Wichtig ist auch Die Pflanzenbestände auf herkömmlich sa-
der Wasserstandsgang (mittlerer Wasserstand, nierten Böschungen (Schwingel/Weidelgras do-
Wasserstandsamplitude, zeitliche Charakteris- minierte Mischungen) sind in der Regel nicht ge-
tik), da die Belastung der Ufervegetation mit den eignet, einen nachhaltigen Schutz des zukünftigen
Wasserstandsschwankungen zunimmt (Pardey Uferbereiches gefluteter Restlöcher zu gewähr-
1997) und große Schwankungen nur von weni- leisten, da sie den zukünftigen Standortbedin-
gen Arten vertragen werden. Für eine Röhricht- gungen nicht entsprechen. Da der Wasseranstieg
initialisierung können sowohl Einzelpflanzen in bei den meisten Restlöchern rasch erfolgt, haben
Kübeln oder Eimern als auch Pflanzenverbände Pflanzenarten, die normalerweise Uferbereiche
auf in Nährlösung schwimmenden Vegetations- besiedeln und stabilisieren, keine Möglichkeit
matten angezogen werden. Um die im Gewächs- den Uferschutz schnell genug zu übernehmen.
haus angezogenen Pflanzen auf das Wachstum Neben der Initiierung von Röhrichtbeständen am
auf nährstoffarmen Rohböden vorzubereiten, zukünftigen Seeufer, können durch das Ausheben
sollte bei der Vorkultivierung auf eine Düngung von Mulden (Größe z. B. 5 × 20 m) im Bereich
weitgehend verzichtet werden (Grüttner 2006). der künftigen Uferlinie Standortbedingungen ge-
Vegetationsmatten sollten lückig, d. h. in ufer- schaffen werden, unter denen sich Röhrichtarten
parallelen Streifen oder im Schachbrettmuster, bereits vor dem Erreichen des Endwasserstandes
ausgelegt werden. Eine weitere Möglichkeit ist etablieren können (Stolle und Sonntag 2004). Bei
die schonende Handentnahme von einzelnen neutralen pH-Werten und einer optimalen Plat-
Pflanzen oder Soden aus natürlichen Beständen. zierung der Arten bezüglich der Wasserlinie bzw.
Folgende Röhrichtarten kommen für eine Initia- Wasserversorgung kann neben Schilf ( Phragmi-
lisierung infrage: Schmalblättriger Rohrkolben tes australis) eine relativ große Zahl von Arten
( Typha angustifolia), Breitblättriger Rohrkolben etabliert werden (z. B. Gemeine Strandsimse
( Typha latifolia), Gemeines Schilf ( Phragmites ( Bolboschoenus maritimus), Flutender Schwa-
australis), Wasser-Schwertlilie ( Iris pseudaco- den ( Glyceria fluitans), Flatter-Binse ( Juncus
rus), Gemeiner Wasserdost ( Eupatorium can- effusus), Gewöhnlicher Blutweiderich ( Lythrum
nabinum), im oberen Bereich abschnittsweise salicaria), Schmalblättriger Rohrkolben ( Typha
Strandsimse ( Bolboschoenus maritimus), Sumpf- angustifolia)). Einschränkungen in der Arten-
Segge ( Carex acutiformis), Salz-Teichsimse palette treten vor allem bei sinkenden pH-Wer-
( Schoenoplectus tabernaemontani), Rispen-Seg- ten und Wassermangel oder auch bei zu hohen
ge ( Carex paniculata) sowie Flatter-Binse ( Jun- Wasserständen (z. B. Gemeiner Wasserdost:
cus effusus), Blaugrüne Binse ( Juncus inflexus), Grüttner 2002) auf. Die Vorkultur der ausge-
Platthalm-Binse ( Juncus compressus), Wasser- wählten Arten sollte in Topfpaletten der Abmaße
Minze ( Mentha aquatica), Großes Flohkraut 50 × 50 × 150 mm erfolgen. Diese besonders tie-
( Pulicaria dysenterica), Gemeiner Blutweide- fen Töpfe erzielen einen langen, schmalen Wur-
rich ( Lythrum salicaria), Falsche Fuchs-Segge zelballen, der eine optimale Ausnutzung der Bo-
( Carex otrubae). Falls ein Ufer vor Erreichen des denfeuchte am zukünftigen Standort ermöglicht.
Endwasserstandes mit Röhricht bepflanzt wird, Bei den vorgestellten, naturnahen Verfah-
ist in der Übergangsphase eine Bewässerung un- ren kann bei der Auswahl von geeigneten Me-
umgänglich. Als Pflanzmonate sind in der Regel thoden und Materialien in der Regel von sehr
März und April am günstigsten, da dann das hohen Erfolgsquoten ausgegangen werden. Bei
8 Rekultivierung 541

allen Methoden spielt die Flächengröße eine falt sowie der hohen geomorphologischen Dy-
entscheidende Rolle, da auf größeren Flächen namik im Bereich der unsanierten Kippen- und
der Maschineneinsatz entscheidend optimiert Haldenflächen einmalige Entwicklungschancen
werden kann und sich die Gesamtkosten pro für Pflanzen- und Tiergemeinschaften sowie Bio-
Flächeneinheit folglich stark reduzieren. Zum topstrukturen, die in der umgebenden Kultur-
Teil besteht die Möglichkeit, geeignetes Mate- landschaft selten sind (Mahn und Tischew 1995;
rial (Mahdgut, Mulchmaterial) kostenfrei zu er- Wiedemann 1998; Kirmer und Tischew 2009).
halten. Entsprechende Flächen sind in der Regel Dieses Paradoxon in der Bewertung der Folgen
in Naturschutzgebieten, Flächennaturdenkmalen des Braunkohlentagebaus führte in der Vergan-
oder FFH-Gebieten zu finden. Oberboden kann genheit zu zahlreichen Irritationen aller Akteure
genutzt werden, wenn dieser bei Baumaßnah- im Umgang mit den Entwicklungspotenzialen
men, Rohstoffabbau oder bei Pflegemaßnahmen der Bergbaufolgelandschaft (s. Abschn. 8.1). Ein
von naturschutzfachlich wertvollen Flächen an- weiterer, in der Vergangenheit häufig vernachläs-
fällt. Durch die Produktion von gebietseigenem sigter Aspekt, ist die unerwartet hohe Regenera-
Saatgut im Naturraum besteht zudem ein nicht tionsfähigkeit vieler Kippenökosysteme und die
zu unterschätzendes Potenzial für den regionalen daraus resultierenden Gratisleistungen der Natur
Arbeitsmarkt. bei der Begrünung der Bergbaufolgeflächen
Naturnahe Methoden gewährleisten eine er- (Tischew und Kirmer 2003).
folgreiche und nachhaltige Begrünung von Roh- Das vorliegende Kapitel versucht, unter Be-
böden bei gleichzeitigem Erosionsschutz. Hier achtung des oben dargestellten Spannungsfeldes
greifen Funktionalität (Erosionsschutz, rasche einen kurzen Überblick zum aktuellen Wissens-
Besiedlung), Ökologie (nachhaltige Entwick- stand und zum Stand der Umsetzung für den Be-
lung naturnaher Pflanzenbestände) und Ökono- reich der Folgenutzung „Naturschutz“ zu geben.
mie (geringere Nachsorge, Schaffung regionaler
Arbeitsplätze) optimal ineinander. Wichtig ist,
dass diese Methoden in der Zukunft verstärkt 8.7.1 Entwicklungspotenziale der
eingesetzt und damit zunehmend als echte Alter- Bergbaufolgelandschaften
nativen zur konventionellen Begrünung in der
Öffentlichkeit bekannt werden. Stärker als bisher Die Entwicklungspotenziale der Bergbaufolge-
müssen Begrünungsmaßnahmen auch einer lang- landschaft werden nachfolgend für drei ökosyste-
fristigen Erfolgskontrolle unterzogen werden, die mare Ebenen aufgezeigt. Dieser Zusammenstel-
sowohl ökologische als auch ökonomische Para- lung liegen die Ergebnisse zahlreicher Arbeiten
meter erfasst. zugrunde (u. a. Durka et al. 1997; Köck 1999;
Pietsch 1998; Tischew 2004; Wiedemann et al.
1995; Wiegleb et al. 2000; Tischew et al. 2009).
8.7 Naturschutz
Ebene der Bergbaufolgelandschaft Die Fol-
Über viele Jahrzehnte hinweg hatte der Braun- geflächen des Braunkohlentagebaus sind durch
kohlenabbau mit den tagebauübergreifenden die umfangreiche Flächeninanspruchnahme der
Absenkungstrichtern, der Zerstörung oder Beein- Großtagebaue und den damit verbundenen inf-
trächtigung von ausgedehnten naturnahen Auen- rastrukturellen Veränderungen in der Regel sehr
ökosystemen, Wäldern und Elementen der Kul- großflächig, unzerschnitten und störungsarm.
turlandschaft sowie zumindest temporär wirksa- Durch die Umlagerung des Abraumes und die
men Isolationseffekten aus der Sicht des Natur- Verkippung des Oberbodens in tiefere Schich-
schutzes vor allem negative landschaftsökologi- ten bzw. dessen Vermengung mit humusfreien
sche Folgen (Berkner 1998). Nach der Auskoh- Substraten aus tieferen Schichten sind die ent-
lung der Gebiete bestehen andererseits aufgrund stehenden Kipp-Substrate zumeist sehr nähr-
der Nährstoffarmut, der Substrat- und Reliefviel- stoffarm (Haubold-Rosar 1998; Wünsche et al.
542 J. Schlenstedt et al.

Abb. 8.30   Bärenhofinsel in der Goitsche. (Foto: LMBV/


Abb. 8.29   Schüttrippenkomplexe Tagebau Greifenhain. Radke 2009)
(Foto LMBV/Petrick 2001)

zurück. Steilufer, Abbrüche, Rohbodenbereiche


1998). Dies steht im Gegensatz zum Tagebau- oder weiherartige Kleingewässer sind Gratis-
umland, das, wie weite Gebiete Deutschlands produkte der Abbautätigkeit. Im Verlauf der
und Mitteleuropas, durch eine fortschreitende natürlichen Sukzession können sich auf geeig-
Landschaftszerschneidung sowie durch flächige neten Standorten sowie bei Vorhandensein von
Eutrophierungsprozesse gekennzeichnet ist. In Lieferbiotopen in der Umgebung sehr schnell
jungen Kippenökosystemen wirken zudem ins- Silbergras-Pionierfluren und Sandtrockenrasen,
besondere Grundwasserabsenkung und/oder die Kalkmagerraseninitiale, Röhrichte, Weidenge-
zum Teil extrem niedrigen pH-Werte von Terti- büsche und Pionierwälder mit Hänge-Birke oder
är-Substraten selektierend auf die Artenzusam- Wald-Kiefer bilden. Mittel- bis langfristig ist
mensetzung. Aufgrund dieser eigenständigen eine Entwicklung von Sümpfen, Niedermooren,
Standortfaktoren stellen Kippen und Halden in Seggenriedern sowie Heiden und Laubmischwäl-
den ersten Besiedlungsphasen Ökosysteme mit dern möglich. Auf Sonderstandorten können sich
geringem Konkurrenzdruck dar, die vorrangig beispielsweise bei wechselnden Wasserständen
durch Spezialisten besiedelt werden. Der Zufall Zwergbinsen-Gesellschaften oder bei geologisch
und so genannte First-comer Effekte sind hierbei bedingten hohen Salzgehalten Binnensalzstellen
wichtige Besiedlungsfaktoren. Durch die größ- entwickeln (Abb. 8.31 und 8.32). Im Mitteldeut-
tenteils ungeordnete Verkippung der Substrate schen Raum sind makrophytenreiche Gewässer,
und die betriebstechnisch bedingten groß- und zum Teil mit ausgeprägten Armleuchteralgenra-
kleinflächigen Strukturen, wie z. B. Schüttrippen, sen, ebenfalls keine Seltenheit. In der Niederlau-
Halden, Geländemulden und Erosionsrinnen, sitz dominieren dagegen extrem saure Gewässer
weisen die Folgeflächen mit ihren heterogenen mit Dominanzbeständen von Zwiebelbinse (Jun-
Landschaftselementen ein hohes Entwicklungs- cus bulbosus) und Schilf. Den Besonderheiten
potenzial für eine große biologische Vielfalt der Biotopentwicklung wird ein eigens für die
sowie eine hervorzuhebende Eigenart und bizarre Bergbaufolgelandschaft entwickelter Biotop-
Schönheit auf. Die jungen Ökosysteme unterlie- typenschlüssel gerecht (Sachsen-Anhalt: Heyde
gen in ihrer Entwicklung einer hohen Dynamik, et al. 1998, ergänzt durch Huth et al. 2004a,
die auf Standorten mit anhaltenden geomorpho- Brandenburg: LENAB 1998).
logischen Prozessen über längere Zeiträume
erhalten bleibt (Abb. 8.29 und 8.30). Artebene  Die Potenziale auf der Ebene von
Arten sind nicht nur an die Entwicklung der ent-
Biotopebene  Naturschutzfachlich wertvolle sprechenden Lebensräume im engeren Sinne
Biotope der Bergbaufolgelandschaft gehen auf (Habitate) gekoppelt, sondern auch an die Ausprä-
besondere geomorphologische Bedingungen gung der Potenziale auf landschaftsökologischer
8 Rekultivierung 543

blierungsmöglichkeiten verbessert. Außerdem


weisen sie zumeist geringe Wuchsformen auf, so
dass sie auch in der adulten Phase (als entwickelte
Pflanze) bessere Entwicklungsmöglichkeiten als
in der umgebenden, oft durch Eutrophierung
gekennzeichneten Landschaft vorfinden. Diese
Arten verfügen zudem über sehr gut flugfähige
Diasporen. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese
Arten auch tatsächlich auf die Tagebauflächen
gelangen, wird wiederum durch die Großflächig-
keit der Tagebaue und die Winddurchgängigkeit
der offenen Landschaften erhöht, da damit die
„Trefferwahrscheinlichkeit“ bei Fernausbrei-
Abb. 8.31   Biotopmosaike Feuchtbereiche im Tagebau
Kleinleipisch. (Foto: Landeck 2008) tungsprozessen ansteigt (Kirmer et al. 2008).
Selbst Hochgras-Bestände wie Land-Reit-
gras-Fluren stellen unter den besonderen land-
schaftsökologischen Rahmenbedingungen der
Bergbaufolgelandschaft für viele Tierarten wert-
volle Lebensräume dar (u. a. Zikaden, Laufkä-
fer, Spinnen, Heuschrecken) (Heyde et al. 1998;
Lenab 1998; Al Hussein 1999; Oelerich 2000;
Tischew et al. 2009).
Durch das Zulassen geomorphologischer Pro-
zesse (Abbrüche, Erosion) können über lange
Zeiträume Rohbodenstandorte für Spezialisten
wie dem Sandohrwurm oder der Blauflügeligen
Sandschrecke immer wieder neu entstehen.
Abb. 8.32   Sukzession im Tagebau Golpa Nord. (Foto: Viele Tierarten benötigen für ihren vollen Le-
LMBV/Radke 1998) bens- und Reproduktionszyklus vielfältig struk-
turierte Lebensräume (Jagdreviere, Brutreviere,
Überwinterungsstätten etc.) die im Verlauf der
Ebene. Erst die Eigenschaften „Großflächigkeit“ natürlichen Sukzession auf Kippenstandorten
und „Unzerschnittenheit“ der neu entstandenen durch Substrat- und Standortheterogenität sowie
Kippenökosysteme gewährleisten die Störungs- durch zufällige Ereignisse während des Besied-
armut, die viele Tierarten für ihre Reproduktion lungsprozesses entstehen. Sind diese Biotopmo-
benötigen (z. B. Röhrichtbrüter). Nährstoffarme saike aus Offenland-, Gebüsch- und Vorwaldsta-
Niedermoore und Sümpfe bieten vor allem des- dien oder vielfältig strukturierten Uferbereichen
halb Orchideenarten und anderen Moorspezia- mit Abbrüchen in entsprechender Ausdehnung
listen über längere Zeit Lebensräume, weil die ausgeprägt, können zahlreiche Tierarten, die in
angrenzenden Flächen ebenfalls sehr nährstoff- der umgebenden Kulturlandschaft selten gewor-
arm sind und damit wie ein effektiver natürlicher den sind, hier stabile Populationen aufbauen. Das
Puffer zum Umland wirken. Diese und andere betrifft beispielsweise Libellen, Röhrichtvögel
konkurrenzschwache Arten reagieren vor allem (z. B. Rohrweihe, Graugans, Sumpfhuhn), Vögel
empfindlich auf Lichtkonkurrenz. Aufgrund der des Offen- und Halboffenlandes (z. B. Braun-
geringeren Biomasseproduktion und den damit kehlchen, Grauammer, Rebhuhn, Wiedehopf),
verbundenen lichtreichen Standorten werden für aber auch Hautflügler (z. B. Wildbienen, Kreisel-
Arten, deren Samen oder Sporen kein oder wenig wespe) und andere Wirbellose (z. B. Segelfalter,
Nährgewebe besitzen, die Keimungs- und Eta- Wegerich-Scheckenfalter, Großer Weidenpracht-
544 J. Schlenstedt et al.

käfer (Gotthold und Hornburg 2007)). Selbst für den Kippenflächen vertreten. Rund 15 % dieser
Greifvögel, wie z. B. Seeadler und Milan, kön- Arten stehen in den Roten Listen. Für die Lau-
nen unter diesen landschaftsökologischen Rah- sitz können ähnliche Größenordnungen ange-
menbedingungen äußerst wertvolle Lebensräume geben werden (Wiedemann et al. 1995). Hier
entstehen. Mit der Entwicklung von Ufergehöl- wurden zwischen 45 % (Webspinnen) und 73 %
zen an großen Tagebaurestseen und den gleich- (Amphibien) des Artenbestandes in der Berg-
zeitig vorhandenen Einwanderungslinien konnte baufolgelandschaft nachgewiesen. Dabei ist das
sich in der Lausitz bereits der Elbebiber ansie- Arteninventar der einzelnen Tiergruppen in ab-
deln (Müller 2002). Seine Ausbreitung schreitet soluten Zahlen ausgedrückt in beiden Bergbau-
zügig voran und hat gegenwärtig die Grenze zum regionen sehr ähnlich. Für viele Pflanzen- und
ostsächsischen Braunkohlenrevier erreicht, im Tierarten stellt die Bergbaufolgelandschaft in-
sachsen-anhaltinischen Bitterfelder Revier ist er zwischen das Hauptverbreitungsgebiet in den
bereits seit längerem nachgewiesen. entsprechenden Landschaftsräumen dar, wie
Eine Besonderheit mittlerer und später Pio- beispielsweise Sumpf-Sitter und Steifblättriges
nierwaldphasen in der Bergbaufolgelandschaft Knabenkraut (Sachsen-Anhalt), Natternzungen-
ist die hohe Akkumulation von Alt- und Totholz. gewächse, Wintergrün-Arten, Breitblättriger Sit-
Aufforstungen aus den Pionierbaumarten Pappel, ter, Brachpieper, Grauammer, Wachtel, Rebhuhn,
Erle, Birke altern und sterben ab. Das Totholzvo- Flussregenpfeifer und Blauflügelige Sandschre-
lumen solcher Bestände ist vergleichbar mit dem cke in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Branden-
von Zerfallsphasen europäischer Urwälder (Ti- burg bzw. Segelfalter in Sachsen und Branden-
schew et al. 2004b). Trotz notwendigem Wald- burg (Abb. 8.33 und 8.34). Diese Arten konnten
umbau dieser Bestände und gestiegener Nach- aufgrund des geringen Konkurrenzdruckes oft
frage nach Holz ist ein Verbleib absterbender außergewöhnlich große Populationen aufbauen
und bereits abgestorbener Stämme wichtig. Hier (u. a. Esfeld et al. 2008).
bestehen einmalige Möglichkeiten zur Entwick-
lung potenziell geeigneter Habitate für xylobion-
te Arten. Jedoch auch ältere Kippenforstbestände 8.7.2 Auswahl, Gestaltung
können naturschutzfachlich wertvolle xylobion- und Management der
te Käfergemeinschaften beherbergen (Landeck Vorranggebiete für den
et al. 2006). Naturschutz
Obwohl die Bergbaufolgelandschaft für eine
ganze Reihe von Arten aufgrund der naturräumli- Vorranggebiete für den Naturschutz sollten vor
chen Bedingungen (z. B. keine montanen Regio- allem einen möglichst hohen Anteil an Sukzes-
nen, kaum Fließgewässer und Felsfluren) keine sionsflächen mit ausgeprägter bergbautypischer
Lebensräume bieten kann, ist der Besiedlungs- Strukturvielfalt aufweisen. Die dynamischen
stand beeindruckend hoch (Tab. 8.19). Das be- Prozesse auf diesen Standorten bieten vielen
trifft insbesondere das Potenzial für bestimmte gefährdeten Arten räumliche und zeitliche Eta-
Tierartengruppen. In der Bergbaufolgelandschaft blierungsnischen (Dorsch und Dorsch 1988;
Sachsen-Anhalts sind für Amphibien, Heuschre- Großer 1997; Baasch et al. 2009; Lorenz et al.
cken und Libellen ca. 50 % der Arten der Roten 2009). Sukzessionsflächen weisen hierbei einen
Listen des Landes Sachsen-Anhalt nachgewiesen überdurchschnittlich hohen Artenreichtum auf
worden. Der Besiedlungsstand liegt, gemessen (Hadacova und Prach 2003; Tischew und Kirmer
an der Gesamtartenzahl Sachsen-Anhalts, ins- 2003). Auf quartären Substraten geht die Vegeta-
gesamt bei ca. 60 % bis 75 % (FBM 1999; FLB tionsbesiedlung allgemein sehr rasch vonstatten.
2003). 50 % der Spinnenarten des Landes haben Es entstehen schnell landschaftsästhetisch reiz-
auf den Kippenflächen Rückzugs- und Ent- volle und reich strukturierte Landschaften. Zur
wicklungsräume gefunden. 35  % der höheren landschaftlichen Eigenheit von Abgrabungsflä-
Pflanzen Sachsen-Anhalts sind inzwischen auf chen tragen aber auch Flächen mit sehr langsa-
8 Rekultivierung 545

Tab. 8.19   Besiedlungsstand der Bergbaufolgelandschaft (= BFL) Sachsen-Anhalts und Brandenburgs für ausgewählte
Tier- und Pflanzenartengruppen (AZ = Artenzahl). (Quellen: FLB (2003)
Artengruppe AZ in der Anteil an der AZ Rote-Liste- AZ in der BFL Anteil an der AZ Rote-
BFL Sach- Gesamtarten- Arten (Sach- Brandenburgs Gesamtarten- Liste-Arten
sen-Anhalts zahl Sachsen- sen-Anhalt) zahl Bran- (Brandenburg)
Anhalts in der BFL den-burgs in der BFL
Sachsen-Anhalts Brandenburgs
Höhere Pflanzen 828 36 % 100 723f, g, h, i, j, k, 37 % 148
l, p, r

Reptilien 5 83 % 3 5d, h, i, n 63 % 5


Amphibien 11 61 % 6 11f, j, k, o, p 73 % 6
Sand-Laufkäfer 216a 65 % 48 203d, l, n 58 % 16d, e
Heuschrecken 35 58 % 13 35f, j, k, p, q 62 % 8
Zikadenb 164 42 % 57 k. A. k. A. k. A.
Libellen 47 75 % 23 43f, j, j, o, p, r 65 % 13
Webspinnen 301a ca. 60 % 54 289f, j, k, l, m, r 45 % 47
Landasselnc 7 14 % 0 k. A. k. A. k. A.
a Al
Hussein et al. (1999)
b
Funke und Witsack (2002)
c Bergmann und Witsack (2002)
d Brunk (2007)
e Landeck unpubl.
f Wiedemann et al. (1995)
g Böcker et al. (1999)
h Gunschera et al. (1999)
i Felinks (2000)
j Müller et al. (2001a)
k Müller et al. (2001b)
l Ertle et al. (2003)
m Wiedemann et al. (2005)
n Barndt et al. (2006)
o Donath (2007)
p Landeck et al. (2007)
q Heinz-Sielmann-Stiftung, unpubl.
r Forschungsinstitut für Bergbaufolgelandschaften (FIB), unpubl)

Abb. 8.33   Kreuzkröte ( Bufo calamita). (Foto: Landeck Abb. 8.34   Sandstrohblume ( Helichrysum arenarium).
2008) (Foto: Landeck 2008)
546 J. Schlenstedt et al.

mer Besiedlung bei, wie beispielsweise Abbrüche breitungsmechanismen verfügen (Benkwitz et al.
oder sehr saure Tertiär-Substrate. Diese Standor- 2002). Positive Effekte einer beschleunigten
te mit verzögerter Sukzession sind ein wesentli- Waldentwicklung konnten im Tagebaugebiet Go-
ches Potenzial der Bergbaufolgelandschaften im itzsche (Mitteldeutschland) durch den Erhalt der
Lausitzer und Mitteldeutschen Raum, da sie Pio- Waldflächen im Bereich der Tagesanlagen nach-
nier- und Offenlandarten über lange Zeiträume gewiesen werden. Ein weiteres Beispiel für die
konkurrenzarme Nischen bieten und der Pflege- Vernetzung von Lieferbiotop und Empfängerbio-
aufwand zum Erhalt dieser Offenlandstadien auf top ist das NSG Bergbaufolgelandschaft Grün-
diesen Standorten wesentlich geringer ist, als in haus (Lausitz), das aus einem teilweise seit 1939
der gewachsenen Landschaft (Tischew und Kir- geschützten Altwaldkomplex und einem jungen
mer 2007). Kippengebiet mit überwiegender Totalreservats-
Im Sanierungstagebau mit Verkippungstätig- funktion besteht. Die wirksame Grenzlänge quer
keit können Substratanteile in ihrer Zusammen- zur Hauptwindrichtung beträgt hier ca. 700 m.
setzung entsprechend der geologischen Herkunft Bezüglich der an die Bergbaufolgelandschaft an-
beeinflusst werden. Unter Berücksichtigung grenzenden Waldkomplexe sind auch die offenen
naturschutzfachlicher Aspekte ist demzufolge bis halboffenen Ökotone (Waldsäume, Heiden,
schon bei der Verkippung der Materialien auf Waldweiher und Moore) mit ihrer spezifischen
einen entsprechenden Anteil von Tertiär- und Artenstruktur im Hinblick auf ihre langfristig zu
Mischsubstraten zu achten. Um eine naturraum- erhaltende Lieferfunktion zu beachten. Sie be-
typische Waldentwicklung zu ermöglichen, sind herbergen eine Vielzahl von Arten unterschied-
Kippen mit Quartär-Substraten als Sukzessions- licher Stadien, welche sich mit der Reifung der
flächen auszuweisen, da einerseits diese oberen Kippenwälder, vom Pionierstadium bis zur Alt-
Schichten den Substraten in den angrenzenden holzphase sukzessive in der Bergbaufolgeland-
unverritzten Naturräumen stärker ähneln, als die schaft etablieren können. Dies setzt in Bezug auf
tiefer liegenden tertiären Substrate und anderer- Waldweiher und Moore auch die Förderung ent-
seits keiner boden-meliorativen Maßnahmen sprechender Standortbedingungen voraus.
bedürfen. Außerdem können sich seggen- und Ältere Sukzessionsflächen sind zugleich auch
orchideenreiche Sumpfbiotope lediglich auf ba- Akkumulationsräume für Pflanzenarten, die aus
senreichen Standorten entwickeln, die in den weiterer Entfernung über Fernausbreitung und
tertiären Schichten nur in Ausnahmefällen vor- außergewöhnliche Ereignisse allmählich in die
kommen. Hier ist eine entsprechende Wasserfüh- Abbaugebiete eingetragen werden (Gilcher und
rung zu planen. Zur Verbesserung der Akzeptanz Bruns 1999; Tränkle und Beisswenger 1999;
von verzögerten Besiedlungsprozessen sollten Tischew und Kirmer 2003; Kirmer et al. 2008).
schwer besiedelbare Tertiär-Substrate möglichst Diese Arten können benachbarte jüngere Flächen
in ortsfernen Bereichen oberflächennah verkippt schneller besiedeln. Der Prozess der sukzessiven
bzw. Sukzessionsflächen auf derartigen Stand- Besiedlung wird durch ein Mosaik von Stand-
orten nach Möglichkeit nicht in der Nähe von orten unterschiedlicher Besiedlungsfähigkeit
Siedlungen bzw. touristischen Zielen ausgewie- gefördert, zum Beispiel durch Verkippen von
sen werden. Substratgemischen aus unterschiedlichen geo-
Da für die frühen Besiedlungsphasen vor logischen Zeiträumen. Eine zugleich hohe Re-
allem Lieferbiotope benachbarter, älterer Abbau- liefvielfalt kann die Entwicklung mosaikartiger
flächen mit ihren Pionierarten von Bedeutung Vegetationsstrukturen zusätzlich fördern. Leicht
sind, ist die Ausweisung von Bergbaufolgeflä- besiedelbare Standorte, wie beispielsweise Ge-
chen unterschiedlichen Alters prinzipiell von ländemulden oder Quartär-Substrate, wirken als
Vorteil. Für die Einwanderung von Waldbodenar- Akkumulationsräume und Lieferbiotope für wei-
ten ist insbesondere der Erhalt von Altwaldresten tere Besiedlungsprozesse auf Grenzstandorten,
in den Abbaugebieten von größter Bedeutung, da wie sie unter anderem sehr trockene Standorte
viele Waldarten nur über sehr ineffektive Aus-
8 Rekultivierung 547

(z. B. Südböschungen) oder sehr saure Tertiär- (z. B. Spinnen, Sandohrwurm, Steinschmätzer).
Substrate darstellen. Das Ökosystem ist in diesem Zustand von einem
Die Einwanderung von Tierarten ist in stär- permanenten Input von außen abhängig. Für die
kerem Maße vom Vorhandensein von Vernet- Artenzusammensetzung spielen in diesem Ent-
zungsstrukturen zu den Lieferbiotopen im Um- wicklungsstadium Zufallsereignisse deshalb
land abhängig, die bei Abbauvorhaben unbe- eine große Rolle. Mit zunehmender Ausprägung
dingt erhalten bzw. deren Entwicklung gefördert der Vegetation werden die Zoozönosen stabiler,
werden sollte. Insbesondere bei wenig mobilen komplexer und immer autarker vom Umland.
Tierartengruppen zeigen die Tagebaue deshalb Auf Besonderheiten einiger Faunengruppen soll
mittelfristig häufig nur ein Teilartenspektrum im Folgenden beispielhaft detaillierter eingegan-
der umgebenden, unverritzten Landschaft. Bei gen werden.
Molchen sind beispielsweise nur geringe Wan- Kleinere Wirbellose werden im Besiedlungs-
derungsdistanzen von wenigen hundert Metern prozess häufig passiv und zufällig, vor allem
(bis ca. 1 km) zwischen Laichhabitat und Som- durch Wind, seltener durch Wasser (Restloch-
merlebensraum bekannt (Huth et al. 2004b). flutung) oder durch Vögel in die Tagebaugebiete
Für viele Froschlurche, insbesondere Jungtie- eingetragen. Häufigkeit und Intensität der Be-
re, wurden Wanderungen von bis zu max. 2 km siedlung hängen von der Mobilität der Arten (ins-
nachgewiesen – nur in Ausnahmefällen, wie bei- besondere vom Flugvermögen) und deren Popu-
spielsweise bei der Wechselkröte, auch deutlich lationsstärken im Umland ab (Huth et al. 2004b).
darüber (Günther und Podloucky 1996). Bei der Die durch die offene Bergbaufolgelandschaft
langfristigen Besiedlung neuer Lebensräume, verstärkten Luftbewegungen und Turbulenzen
beispielsweise durch Amphibien, spielen deshalb sind insbesondere bei der passiven Windver-
Trittsteinbiotope oder Ausbreitungskorridore wie breitung von Wirbellosen von großer Bedeutung.
Bachauen, Gräben oder linienhafte Säume inner- Hierbei sind Tiergröße, Ausbildung von Flügeln
halb von Ackerflächen im Tagebauumland eine oder Nutzung von Flughilfsmitteln (z. B. Faden-
große Rolle, weil durch sie auch größere Entfer- flöße bei Spinnen) ganz entscheidend (Landeck
nungen aktiv überwunden werden können (Reh 1996).
und Seitz 1993). Sind solche Ausbreitungskor- Libellen gelten im Vergleich zu anderen flug-
ridore nicht vorhanden, können selbst typische fähigen Insektengruppen überwiegend als sehr
Pionierarten wie die Kreuzkröte aus weiteren mobil. Deshalb ist die Besiedlung der Bergbau-
Entfernungen nicht einwandern. Sie fehlt trotz restgewässer vergleichsweise wenig vom Um-
scheinbar optimaler Habitatausstattung in groß- land abhängig (Huth 2004). Die Mobilität ist
flächigen Tagebauregionen Sachsen-Anhalts wie jedoch von Art zu Art verschieden. Gute Flie-
Geiseltal, Halle-Ost und Merseburg-Ost (FBM ger sind vor allem Großlibellen, insbesondere
1999). Die nächsten bekannten Vorkommen der Edellibellen ( Aeshnidae) und Falkenlibellen
Kreuzkröte zu diesen Gebieten liegen mindestens ( Corduliidae). Weniger flugtüchtig sind da-
7 km entfernt. Bei einer sehr guten Vernetzung gegen Kleinlibellen ( Zygoptera) und Segellibel-
der Tagebaue zum Umland wurden aber auch len ( Libellulidae). Neu entstehende Gewässer
sehr hohe Einwanderungsraten verzeichnet (z. B. können bei schneller Vegetationsentwicklung
Tagebauregion Gräfenhainichen, Bitterfeld). binnen kürzester Zeit durch eine Vielzahl von
Landeck (1996) und Huth et al. (2004b) stel- Arten besiedelt werden. Dennoch hat die offen-
len zur Besiedlungsfolge mit einzelnen ökolo- sichtlich regionale Verbreitung einiger Libellen-
gischen Faunengruppen folgendes fest: Da ein- arten im Umland der Tagebaulandschaft einen
gewanderte oder eingedriftete pflanzenfressen- Einfluss auf die Besiedlung der Restgewässer.
de Tierarten auf den vegetationsarmen Flächen In der Bergbaufolgelandschaft Sachsen-Anhalts
kaum Nahrungsgrundlagen vorfinden, überwiegt beispielsweise ist die Wirkung der regionalen
während der initialen Besiedlungsprozesse zu- Spezifik des Naturraumes der Dübener Heide
nächst die carnivore Lebensweise der Tierarten besonders stark. Einige Libellenarten kommen
548 J. Schlenstedt et al.

im südlichen Sachsen-Anhalt wahrscheinlich bewältigen dagegen 300 m in diesem Zeitraum.


nur hier vor und bleiben damit auch auf die an Beispielhafte Untersuchungen im Tagebau Berz-
den Naturraum angrenzenden Bergbauregionen dorf (Oberlausitz) belegen die Bedeutung von
Bitterfeld und Gräfenhainichen beschränkt, wie Laubholzwäldern für die Einwanderung streu-
zum Beispiel die Moorarten Speer-Azurjungfer abbauender Arten. Passive (anthropogene) Ein-
( Coenagrion hastulatum) und Nordische Moos- schleppung über Waldbodeneintrag und aktive
jungfer ( Leucorrhinia rubicunda). Insgesamt Einwanderung sind neben den Eigenschaften
bleibt bei 9 (= 19 %) der 47 in der Bergbaufol- der Kippböden (pH-Werte, Feuchte, Streuaufla-
gelandschaft Sachsen-Anhalts nachgewiesenen ge) wesentliche Besiedlungsfaktoren, die in der
Libellenarten das Besiedlungspotenzial aufgrund Regel zu inselartigen, räumlich eng begrenzten
ihrer lokalen Verbreitung auf bestimmte Berg- Ansiedlungen führen, von denen die weitere
bauregionen begrenzt. Für die übrigen Arten ist Ausbreitung erfolgt (Dunger 1998b).
anzunehmen, dass sie bei Vorhandensein oder Insbesondere die großen Restgewässer haben
nach Entwicklung essenzieller Habitatstrukturen sich zu wichtigen Vogelbrutgebieten (Möckel
(in Abhängigkeit vom Gewässeralter) alle Berg- 2002, 2005; Uhl 1999) bzw. Rastplätzen für nor-
baugebiete in Mitteldeutschland relativ schnell dische Zugvögel entwickelt. Die Komplexe aus
besiedeln können (Huth 2004). Insbesondere Altbergbaugewässern und jüngeren Wasserflä-
die weniger flugtüchtigen Arten sind aber auf chen sind oft fester Bestandteil der Vogelzug-
strukturelle Leitlinien im Umland angewiesen. routen und somit zu international bedeutsamen
Für bodennahe Wanderungen von Libellen ist „bird areas“ geworden, die wesentlich zum Erhalt
das Vorhandensein von Leitlinien in Form von der Biodiversität in Mitteleuropa beitragen (Uhl
linearen Landschaftselementen (Fließgewässer- 1999; Wiedemann 2002; Wiedemann et al. 2002).
läufe und ihre Saumstrukturen sowie Wald- und Im Rahmen der Gestaltung und Entwicklung
Gehölzkanten) ganz entscheidend (Sternberg und von Flächen mit Vorrangnutzung Naturschutz
Buchwald 1999). Daraus schlussfolgernd haben wird weitgehend auf Ansaaten mit Regelsaatgut-
die Tagebauregionen innerhalb der Flussauen mischungen und Aufforstungen verzichtet. Auf
(z. B. Merseburg-Ost, Halle-Ost) und am Rande Rohbodenflächen mit Erosionsgefahr, die berg-
der von Bachniederungen durchsetzten Wald- bautechnisch nicht zu tolerieren ist, oder in der
gebiete (z. B. Gräfenhainichen, Bitterfeld) eine Nähe von Ortschaften, bei denen eine Staubbelas-
gute strukturelle Einbindung in das Umland und tungsgefahr infolge Substratverwehung besteht,
sind deshalb besonders gut durch Libellen be- stehen in Abhängigkeit von den Standortbedin-
siedelbar. Die Wiederbesiedlung der Bergbau- gungen und den gewünschten Zielbiotopen ver-
folgelandschaft des Lausitzer Reviers durch Li- schiedene Methoden der naturnahen Einleitung
bellen wurde ebenfalls in zahlreichen Veröffent- oder Beschleunigung einer Vegetationsentwick-
lichungen dokumentiert (Donath 1987b, 2000, lung zur Verfügung. Auf der Grundlage einer
2001, 2007) und ein Indikatorsystem entwickelt Standortanalyse und Prognose der spontanen Ve-
(Donath 1987a). getationsentwicklung werden dabei mittels ver-
Viele der Lumbricidenarten (Regenwürmer) schiedener Methoden Arten der Zielgesellschaf-
wandern dagegen extrem langsam in die Kippen- ten eingebracht (u. a. Kirmer 2004, Kirmer und
ökosysteme ein (z. B. Dunger 1968, 1969, 1998a, Tischew 2006; Lorenz 2004; s. Abschn. 8.6). In
b). Einige Arten haben beispielsweise auf der zum Teil großflächigen Praxisversuchen wurden
Halde Klobikau im Geiseltal (Mitteldeutschland) im Rahmen der Sanierung in Naturschutzvor-
in 40 Jahren lediglich eine Entfernung von 80 m ranggebieten erfolgreich Sandtrockenrasen, Hei-
zurücklegen können (Stolle und Tischer 2004). den, Kalkmagerrasen sowie Frischwiesen entwi-
Vor allem anspruchslosere Regenwurmarten, ckelt. Diese Offenlandbiotope können über die
zu denen die Pionierart Aporrectodea calligino- Methoden Sodenschüttung, Sodenversetzung,
sa gehört und die oft einziger Besiedler saurer, Auftrag von Mähgut sowie Mulchdecksaaten
tertiärer Kippböden ist (Dunger 1969, 1998b), etabliert werden. Auch für eine naturnahe Ufer-
8 Rekultivierung 549

sicherung wurden inzwischen Verfahren entwi- 1999). Dazu bedarf es ausreichend großer, zu-
ckelt (s. Abschn. 8.6, Grüttner 2002). sammenhängender Vorranggebiete für den Na-
Die gesteuerte Entwicklung von Pionier- turschutz (mindestens 400 ha, möglichst 2.000
wäldern ist über Saat auf schwach besiedelten bis 3.000 ha, vgl. auch Wiedemann et al. 1995,
Flächen und in entwickelten Land-Reitgras-Do- Blumrich 2003), um Randeffekte zu minimieren.
minanzbeständen erst nach Oberbodenabtrag ini- Außerdem können nur bei ausreichend großen
tierbar. Gleichfalls können kleinere Initialpflan- Flächen mit unterschiedlich besiedelbaren Stand-
zungen gewünschter Baumarten den Prozess der orten kontinuierlich Rückzugsräume für kon-
natürlichen Waldentwicklung beschleunigen. kurrenzschwache Arten erhalten bleiben. Diese
Unter besonderen Rahmenbedingungen, z. B. großflächigen Biotopmosaike sind zudem wich-
Schutz angrenzender Altwälder vor Säure- und tige Habitate für viele Tierarten mit größeren Ak-
Staubeintrag bei gleichzeitigem Erhalt rohbo- tionsräumen und differenzierten Ansprüchen an
denreicher Initialstadien, besteht unter phytoto- Habitatstrukturen (z. B. strukturell differenzierte
xischen Rahmenbedingungen die Möglichkeit, Nahrungs- und Bruthabitate bei Greifvögeln).
die extrem sauren Tertiärrohböden auf pH-Werte Populationen unterliegen in größeren Schutzge-
zwischen 3,5 bis 4,2 abzupuffern (Barndt et al. bieten außerdem generell dem geringeren Risiko
2006; Landeck und Wiedemann 2000; Wiedemann einer Auslöschung durch zufällige Ereignisse
et al. 2005). Zur ersten Festlegung sandiger Kipp- (Amler et al. 1999). Werden kleinere Gebiete
substrate können anschließend die Arten der ausgewiesen, bedarf es guter Konzepte für eine
Sandtrockenrasen über eine lückige Saat oder Pufferung der Flächen gegenüber Nährstoffein-
Sodenschüttung ausgebracht werden (Kirmer trag und Störung sowie fundierter Management-
2004). Auf Extremstandorten in Vorranggebie- konzepte zum Erhalt der Arten, da die Habitate
ten für Naturschutz wurde vor allem im Mittel- durch fortschreitende Sukzession verloren gehen
deutschen Raum generell versucht, diese Flächen können und aufgrund der geringen Flächengröße
einer spontanen Entwicklung zu überlassen, da kaum Ausweichstandorte vorhanden sind. Wer-
insbesondere die Rohbodenstadien für viele Tier- den die Gebiete auch für einen sanften Tourismus
arten einzigartige Rückzugsstandorte darstellen, genutzt, ist eine strategische Besucherlenkung
die in der Kulturlandschaft verschwunden sind von großer Bedeutung (BUND 2003). Auch hier
oder nur mit hohem Aufwand erhalten werden sind größere Vorranggebiete im Sinne einer Kon-
können (Oelerich 2000). Dazu sind gegebenen- fliktminimierung leichter zu steuern.
falls Absperrungen oder natürliche Barrieren zu Im Rahmen der Planung und Gestaltung von
errichten, zum Beispiel durch Insellagen, Pla- Restlöchern mit Vorrangnutzung „Naturschutz“
nung der Wegeführung oder Schutzpflanzungen konnten aufgrund des fortgeschrittenen Stan-
außerhalb der Flächen. des der Schüttung zu Sanierungsbeginn nicht in
In Abbildung 8.35 werden die oben aufge- jedem Fall optimale Bedingungen geschaffen
führten Aspekte in einem Entscheidungsschema werden. Die Ergebnisse der Forschungsverbund-
zusammengefasst. Dieses Entscheidungsschema projekte FBM (1999) und FLB (2003) haben ge-
ermöglicht es, die am besten geeigneten Flächen zeigt, dass der naturschutzfachliche Wert vieler
für eine spontane Sukzession auszuwählen bzw. großer Tagebaurestlöcher und der sich entwi-
Flächen zu determinieren, auf denen Maßnahmen ckelnden Seen in Sachsen-Anhalt relativ gering
zur Beschleunigung der Vegetationsentwicklung ist. Lediglich die Bedeutung dieser Restseen als
notwendig sind. Rast- und/oder Überwinterungsgebiet für Was-
Die naturschutzfachlichen Entwicklungs- servögel ist hervorzuheben. Als positive Beispie-
potenziale von Abbaugebieten werden für viele le sind dagegen einige Modellprojekte an kleine-
Arten erst dann wirksam, wenn die landschafts- ren Restseen (Ufergestaltung Bärenhofinsel, vgl.
ökologischen Besonderheiten „Unzerschnit- auch Eppert et al. 2000 und Restloch Holzweißig
tenheit“, „Störungsarmut“ und „Nährstoffar- – West in der Goitzsche) oder Teilbereiche grö-
mut“ langfristig erhalten werden können (Köck ßerer Seen (Innenkippe Mücheln) zu nennen, für
550 J. Schlenstedt et al.

Abb. 8.35   Entscheidungsschema zur Auswahl und Entwicklung von Vorranggebieten Naturschutz/Erholung (sanfter
Tourismus), nach Lorenz und Tischew 2004 verändert

die gesonderte naturschutzfachlich untersetzte Gestaltung von Tagebaurestlöchern zusammen-


Sanierungsplanungen vorgenommen und erfolg- gefasst.
reich umgesetzt wurden. Deshalb werden im Fol- Als Ursache für den geringeren Wert großer
genden ergänzend zu dem Entscheidungsschema Seen als (Teil-)Lebensraum für Arten und Le-
(Abb. 8.35) einige Aspekte zur Optimierung der bensgemeinschaften als auch unter landschafts-
8 Rekultivierung 551

ökologischen Aspekten sind nach Reuter und Ein Management der Entwicklungsprozesse
Oelerich (2004) vor allem folgende Punkte zu auf Vorrangflächen für den Naturschutz wird vor
nennen: allem dann notwendig, wenn Populationen, die
• durch monotone Ufermorphologie keine im Landschaftsraum inzwischen ihren eindeuti-
Strukturvielfalt, zumeist fehlende Flachwas- gen Verbreitungsschwerpunkt in der Bergbaufol-
serzonen und Steiluferbereiche gelandschaft besitzen, in ihrer weiteren Entwick-
• infolge der Großflächigkeit der Seen schlech- lung gefährdet sind. Dazu ist beispielsweise in
tere Erwärmbarkeit des Wasserkörpers und großen zeitlichen Intervallen die Schaffung von
starker Wellenschlag (dadurch können sich Rohbodenflächen durch Abschieben oder der
selbst an flacheren Ufern oft keine breiten lokale Erhalt von Steilwänden als so genannte
Röhrichtsäume entwickeln oder diese Berei- „ökologische Fenster“ notwendig. Ein Manage-
che sind beispielsweise als Laichplatz für ment kann aber auch die lokale Steuerung des
Amphibien ungeeignet) Gebietswasserhaushaltes („Vernässung“) betref-
• seltenes Vorhandensein großflächiger, zusam- fen, um beispielsweise Sumpfarten (u. a. Sumpf-
menhängender Röhrichte; in tieferen Berei- Sitter, Gemeine Natternzunge) einen Konkur-
chen Entwicklung nur sehr dünnhalmiger, renzvorteil gegenüber wüchsigen Stauden oder
lichter Röhrichte, die bei Wellenschlag leicht Gehölzen zu ermöglichen oder Maßnahmen zur
brechen und häufig auch als Brutplatz für Besucherlenkung, um einen Bruterfolg von stö-
Wasservögel nicht geeignet sind rungsempfindlichen Vogelarten zu sichern.
• geringere Strukturvielfalt der Röhrichte (nur Rohbodenbiotope als Lebensraum für Spezia-
selten Ausbildung von Kleinröhrichten, wel- listen (z. B. Sandohrwurm, Sand- und Ödland-
che beispielsweise für viele gefährdete Libel- schrecken, Sandbienen, Flussregenpfeifer) kön-
lenarten große Bedeutung besitzen) nen über mehrere Jahrzehnte ohne ein aufwän-
• größerer Einfluss von Fischen als Prädatoren diges Management gesichert werden, wenn grö-
von Libellen- oder Amphibienlarven (Fisch- ßere Tertiärkippenbereiche ohne jegliche Grund-
besatz; dauerhafte Wasserführung; meist melioration (Planierung und Tiefenkalkung)
wenig Versteckmöglichkeiten in den tieferen, erhalten bleiben. Die natürliche Verwitterung der
pflanzenarmen Seen). schwefelhaltigen Pyrite und Markasite setzt so
Daraus ergeben sich als Optimierungsvorschläge viel Säure frei, dass die Böden über sehr lange
für zukünftige Planungen und Umsetzungen fol- Zeiträume in einem phytotoxischen Zustand ver-
gende Konsequenzen (Wiedemann 1998): bleiben, der keine pflanzliche Besiedlung zulässt.
• Planung/Gestaltung von potenziellen Flach- Als Grundlage für Fachplanungen des Natur-
wasserzonen an zukünftigen Restseen (mög- schutzes im Rahmen der Wiedernutzbarmachung
lichst innerhalb von Buchten und in einer oder für die Erstellung von Pflege- und Ent-
von der Hauptwindrichtung abgewandten wicklungsplänen wurden in Erweiterung zu den
Lage; eine Alternative zum letztgenannten grundlegenden Arbeiten von Henle et al. (2001)
Punkt können auch dem Ufer vorgeschobene Zielartenkonzepte entwickelt, die der hohen Dy-
Dämme oder Inseln darstellen → Schutz vor namik von Bergbaufolgelandschaften gerecht
Wellenschlag) werden (Tischew et al. 2004a; Tab. 8.20). Es
• Integration von Steilufern sollten vorrangig Zielartenkollektive zum Ein-
• Planung/Anlage von vom Hauptsee separier- satz kommen, um eine möglichst breite Anwend-
ten Flach- oder Kleingewässern in Ufernähe barkeit zu garantieren und den vielfältigen Ent-
des Restsees wicklungswegen in Bergbaufolgelandschaften
• Initiierung von Röhrichten (Stolle 2003) im zu entsprechen. Für konkrete Planungen müssen
Bereich der zukünftigen Uferlinie, bei zu die Zielarten an die spezifischen Standortbedin-
erwartendem starken Wellenschlag oder stei- gungen bzw. Habitatstrukturen sowie die lokalen
ler Uferböschung. bzw. regionalen Besonderheiten (Lieferbiotope,
Verbreitungsgebiete, Arealgrenzen) angepasst
Tab. 8.20   Dynamisches Leitbild- und Zielartenkonzept für Bergbaufolgeflächen (Beispiel mitteldeutsche Reviere, fett gedruckte Arten = Vorkommensschwerpunkt, nach
552

Tischew et al. 2004a)


Stadium Initialstadium Frühes Mittleres Spätes Entwicklungs- stadium Reifestadium
Entwicklungs- stadium Entwicklungs-stadium
Alter 0–5 Jahre > 5–15 Jahre > 15–45 Jahre > 45–100 Jahre > 100 Jahre
Leitbild Rohboden, Pionier- Mosaike: Rohboden, Pio- Mosaike: Offenland, Zumeist dichte Vorwaldbereiche Vorrangig Wälder, Röhrichte,
Biotop- ausstattung vegetation, initiale nier- vegetation, lückige Gebüschgruppen, Pio- durchsetzt mit überwiegend Feuchtvegetation, Nieder-
Röhrichte Gras-Krautfluren, arten- nierwälder, Röhrichte, verbuschten Offenlandbe- moore, wenig Offenland- und
reiche Röhrichte Niedermoorinitiale, reichen, junge Niedermoore, Extremstandorte: tertiäre
vegetationsarme Bereiche vegetationsarme Bereiche auf Rohböden, Erosionsrinnen
auf Extremstandorten Extremstandorten
Zielarten Pflan- Nanocyperion-Arten: Epipactis palustris, Equise- Epipactis palustris, Eriophorum angustifolium, Equise- Salix repens, Eriophorum angus-
zen (nasser Limosella aqua- tum palustre, Eriopho- Dactylorhiza incarnata, tum palustre, Epipactis palus- tifolium, Epipactis palustris,
und wechsel- tica, Centaurium rum angustifolium, D. maculata, Equisetum tris, Dactylorhiza incarnata, D. Equisetum palustre, Dactylor-
feuchter Stand- pulchellum Limosella aquatica, palustre, Eriophorum maculata, Carex vulpina, Salix hiza incarnata, D. maculata,
orte) Centaurium pulchellum, angustifolium, Ophiog- repens, (Equisetum variegatum), Utricularia australis, Chara
Pulicaria dysenterica lossum vulgatum, Carex Utricularia australis, Chara spec., spec., Equisetum variegatum,
vulpina, Salix repens, Nanocyperion-Arten im Wasser- Nanocyperion-Arten
Utricularia australis, schwankungsbereich der Restseen
Chara spec
Zielarten Brachpieper, Brachpieper, Offenland Vorwälder: keine Wälder: möglichst arten- und
Vögel Steinschmätzer Steinschmätzer (-Mosaike): Raubwürger, Zielarten Röhrichte: Rohrdommel individuenreiche Greifvogel-
Grauammer, Braunkehl- großflächige Feuchtgebiete: lokal und Höhlenbrüterzönose
chen, Schwarzkehlchen Kranich, Bekassine Röhrichte: Rohrdommel
Röhrichte: Rohrdommel, großflächige Feuchtgebiete/
Blaukehlchen Niedermoore: lokal Kranich,
Bekassine
Zielarten Heu- Sandohrwurm Rohböden, Pionierfluren: Halbtrockenrasen und strukturreiche Feuchtgebiete: strukturreiche Feuchtgebiete:
schrecken, (Labidura riparia), Blauflügelige Ödland- ähnliche Habitate: Blau- Sumpfschrecke (Stethophyma Sumpfschrecke (Stethophyma
Ohrwürmer Blauflügelige schre-cke (Oedipoda flügelige Ödlandschrecke grossum), Kurzflügelige Schwert- grossum), Kurzflügelige
Sandschrecke caerulescens), Sandohr- (Oedipoda caerulescens) schrecke (Conocephalus dorsalis) Schwertschrecke (Conoce-
(Sphingonotus wurm (Labidura riparia), Halbtrockenrasen und ähnliche phalus dorsalis) Halbtrocken-
caerulans) Blauflügelige Sand- Habitate: Blauflügelige Ödland- rasen und ähnliche Habitate:
schrecke (Sphingonotus schrecke (Oedipoda caerulescens) Blauflügelige Ödlandschrecke
caerulans) (Oedipoda caerulescens)
J. Schlenstedt et al.
8 Rekultivierung 553

werden. Bei der Auswahl der faunistischen Ziel- Um die Qualität dieser Flächen im Sinne viel-
arten werden nach Möglichkeit Arten für unter- fältiger Entwicklungspotenziale für den Natur-
schiedliche Raumebenen integriert, das heißt, schutz zu sichern, ist es notwendig, Entwick-
es werden sowohl der Raumanspruch als auch lungsziele frühzeitig zu berücksichtigen und ge-
die Komplexität benötigter Reproduktions- und eignete Maßnahmen zur Flächengestaltung, wie
Nahrungsgebiete beachtet. Für Amphibien und zum Beispiel Substratauswahl, Reliefgestaltung,
Libellen ist es sinnvoll, detailliertere habitatspe- Lage und Flächengröße oder auch eine Ziel füh-
zifische Zielartenkonzepte zu entwickeln, da bei rende Besucherlenkung, möglichst frühzeitig in
diesen Artengruppen die individuelle Entwick- die Sanierungs- und Wiedernutzbarmachungs-
lung der verschiedenen Lebensräume in Berg- planung zu integrieren.
baufolgelandschaften eine höhere Bedeutung
besitzt als allgemeine landschaftliche Entwick-
lungsprozesse (Tab. 8.21). 8.7.3 Etablierung eines
Bisherige Forschungen haben gezeigt, dass Schutzgebietssystems
aufgrund großer Übereinstimmungen dieses
Zielartenkonzept zumindest auch für Südbran- 1990 lag der Rekultivierungsgrad unter Berück-
denburg angewandt werden kann (Wiedemann sichtigung der Alttagebaue zwischen 52 und 55 %
et al. 1995; LENAB 1998; Landeck et al. 2007). in der Lausitz und Mitteldeutschland (Köck 2001;
Unterschiede bestehen weitgehend in der Häufig- LAUBAG 1991). Aufgrund der abrupten Einstel-
keit einzelner Arten, nicht aber in der prinzipiellen lung der Braunkohlenförderung in 26 ostdeut-
Zusammensetzung der Zielartenkollektive. schen Tagebauen zwischen 1989 und 1995 be-
Zukünftig sollte bei einer naturschutzorientier- fanden sich große Teilbereiche im Rohbodensta-
ten Sanierungs- bzw. Wiedernutzbarmachungs- dium. Deren weitere Entwicklung war aufgrund
planung bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt, des damaligen Wissensstandes schwer zu prog-
begleitend zu den Forschungs- und Planungs- nostizieren. Nachvollziehbare und wissenschaft-
vorhaben, eine intensivere Öffentlichkeitsarbeit lich begründete Leitbilder für die Entwicklung
integriert werden. Die Fachkompetenz und die der Bergbaufolgelandschaften, naturschutzfach-
finanziellen Ressourcen, die für eine erfolgreiche liche Kriterien zur Inwertsetzung der Potenziale
Begleitung des Umsetzungsprozesses notwendig der Bergbaufolgelandschaft und flächenscharfe
sind, werden oft unterschätzt. Dass eine „Wild- Bewertungen waren nur sektoral vorhanden. Ein
nisentwicklung“ im urban-industriellen Raum, wesentliches Konfliktpotenzial stellte die Her-
das heißt eine nicht oder kaum durch den Men- stellung der Bergsicherheit für viele Kippen- und
schen beeinflusste Entwicklung einer Natur der Haldenbereiche dar, in deren Verlauf spontane
„vierten Art“ (Kowarik 1992), sehr wohl von Besiedlungsprozesse nochmalig zurückgeworfen
den meisten Bevölkerungsgruppen akzeptiert wurden und die ursprüngliche Strukturvielfalt der
und für Erholungszwecke auch genutzt wird, be- Bergbaufolgelandschaft nivelliert wurde. Dazu
legen empirische soziologische Studien aus dem kam ein verständliches Interesse der Länder und
Ruhrgebiet (Keil 2003). Die Bevölkerung weist Kommunen in den ehemaligen Tagebauregionen,
solchen Naturräumen einen hohen Wert zu und die beschäftigungspolitischen Impulse der Sanie-
erfährt durch sie eine Erhöhung ihrer Lebensqua- rung so schnell wie möglich zu nutzen. Die wis-
lität (Keil 2003). Mit einer stärkeren Öffentlich- senschaftliche Bearbeitung zu Zielkonzepten für
keitsarbeit und einem aktiven Werben für „Wild- die Bergbaufolgelandschaft konnte vor allem zu
nisgebiete“ könnte auch im ostdeutschen Raum Beginn der Förderperiode in den Bundesländern
eine Akzeptanz in einer breiten Bevölkerungs- Sachsen-Anhalt und Sachsen mit den aktuellen
schicht erreicht werden (BUND 2003). Sanierungsplanungen nicht Schritt halten.
Vorranggebiete für Natur und Landschaft mit Nicht zuletzt entwickelte sich aufgrund un-
dem Ziel Prozessschutz können aber auch im realistischer Planungen zur Nachnutzung der
Sinne eines sanften Tourismus genutzt werden. Flächen im Sinne eines überregionalen Touris-
554 J. Schlenstedt et al.

Tab. 8.21   Habitatspezifisches Zielartenkonzept für Amphibien und Libellen in der Bergbaufolgelandschaft Sach-
sen-Anhalts, fettgedruckte Arten weisen im entsprechenden Entwicklungsstadium ihren Verbreitungsschwerpunkt auf.
(Tischew et al. 2004a)
Landschaftliches 0–5 Jahre > 5–15 Jahre > 15–45 Jahre > 45 Jahre
Entwicklungsstadium
Amphibien
Temporäre Kreuzkrötea Kreuzkrötea
Kleinstgewässer
Ausdauernde Knoblauchkröte Kammmolcha Kammmolcha
Kleingewässer Knoblauchkröte Knoblauchkröte
Flachgewässer Kreuzkrötea Knoblauchkröte Knoblauchkröte Knoblauchkröte
Wechselkröte Wechselkröte Wechselkröte Moorfroscha
Kreuzkrötea Laubfroscha
Laubfroscha Moorfroscha
Moorfroscha
Weiher Wechselkröte Knoblauchkröte Knoblauchkröte Kammmolcha
Wechselkröte Wechselkröte Knoblauchkröte
Laubfroscha Laubfroscha Seefrosch
Seefrosch Seefrosch
See Wechselkröte Wechselkröte Wechselkröte Seefrosch
Seefrosch Seefrosch
Libellen
Rinnsale/kleinere Orthetrum brunneum Orthetrum Orthetrum coerulescens Orthetrum
Fließgewässer brunneum coerulescens
Orthetrum
coerulescens
Weiher/Flachgewässer Ischnura pumilio Lestes virens Lestes virens Lestes virens
Lestes dryasa Lestes dryasa Lestes dryasa
Aeshna isosceles Aeshna isosceles Aeshna isosceles
Leucorrhinia dubiaa Leucorrhinia dubiaa
Leucorrhinia pectoralisa Leucorrhinia
pectoralisa
See Ischnura umilio Erythromma Erythromma viridulum Aeshna isosceles
viridulum Aeshna isosceles Anax parthenope
Aeshna isosceles Anax parthenope
Anax parthenope
Moor- und Aeshna junceaa Aeshna junceaa
Sumpfinitiale Somatochlora Somatochlora
flavomaculataa flavomaculataa
a nur lokal verbreitet oder selten

mus, zeitweilig eine starke Flächenkonkurrenz. landschaft gibt Tabelle 8.22. Die terrestrischen
Trotz dieser Schwierigkeiten sind die Ergebnisse Kerngebietsflächen betrugen mit Stand Juni
der Forschungsprojekte erfolgreich in die Sanie- 2003 13.233,6 ha. Durch Hinzunahme weiterer
rungsplanung überführt worden. Die von den Flächen und dem Wegfall von Flächen veränder-
Forschungsprojekten (z. B. FBM 1999; Henle te sich die absolute Flächengröße mehrfach. Im
et al. 2001; Wiedemann et al. 1995) erarbeiteten Land Brandenburg ist bereits ein Anteil von 15 %
Flächenvorschläge für naturschutzfachlich wert- an der Bergbaufolgefläche erreicht.
volle Bereiche wurden von der LMBV im We- Beispielhaft engagierten sich private und öf-
sentlichen in das so genannte Kerngebietssystem fentliche Stiftungen der Bundesländer und des
des Naturschutzes überführt. Eine Übersicht be- Bundes (z. B. Heinz Sielmann Stiftung, Stif-
züglich des Flächenumfanges bisher ausgewie- tung Umwelt und Naturschutz, Naturschutz-
sener Kerngebietsflächen auf Eigentumsflächen Fonds, DBU) und Naturschutzverbände (BUND,
der LMBV in der ostdeutschen Bergbaufolge- NABU) für die naturnahe Entwicklung der Berg-
8 Rekultivierung 555

Tab. 8.22   Flächenumfang terrestrischer Kerngebiete in den Bundesländern der ostdeutschen Bergbaufolgelandschaft.
(LMBV mbH, Stand 05.02.2005/30.06.2003)
Brandenburg Ostsachsen Westsachsen Sachsen-Anhalt Summe
6.359 ha 2.957,4 ha 1.341 ha 2.576,2 ha 13.233,6 ha

Tab. 8.23   Anteile der Braunkohlen-Folgelandschaft am Ökologischen Verbundsystem des Landes Sachsen-Anhalt
am Beispiel der Landkreise Bitterfeld, Merseburg-Querfurt und Weißenfels
Fläche des Kreises Fläche der Verbund- BFL-Flächen Anteil der BFL-
einheiten (Kern- und innerhalb Flächen an den
Entwicklungsflächen) der Verbundeinheiten Verbundeinheiten
Landkreis Angaben in km2
Bitterfeld 504,5 158,4 49,4 31,2 %
Merseburg-Querfurt 804,6 193,2 37,9 19,6 %
Weißenfels 372,4 48,8 14,9 30,1 %

baufolgelandschaft und kauften große Flächen Gebiete mit einer Flächengröße von 7.308 ha
oder fördern den Flächenankauf. und mehr als 11.000 ha als Special Protected
Soweit der Stand der Sanierungsplanung es Areas (SPA) ausgewiesen. Im Freistaat Sachsen
zuließ, wurden bei der Gestaltung dieser Flächen liegen insgesamt 15 FFH-Gebiete mit 4.087 ha
Hinweise aus den Forschungsvorhaben integ- in Bergbaufolgelandschaften und 16 SPA-Ge-
riert. Das betrifft die Gestaltung von Restlöchern biete dienen auf 5.975 ha ehemaliger Braunkoh-
(z. B. Wiedemann 1998) oder ganzer Tagebaue lentagebauflächen dem internationalen Vogel-
(„Modelltagebaue“, LENAB 1998) nach natur- schutz.
schutzfachlichen Kriterien sowie die naturnahe Eine große Bedeutung besitzen Bergbaufolge-
Ufer- und Böschungsgestaltung (FLB 2003; Kir- flächen auch für den regionalen und überregio-
mer und Mahn 2001). nalen Biotopverbund. Im Land Sachsen-Anhalt
Im Rahmen der seit 1998 stattfindenden na- fand dies bereits in den regionalen Verbundpla-
turschutzfachlichen Begleitung werden die Maß- nungen auf Ebene der Landkreise Berücksichti-
nahmeplanungen und praktischen Ausführungen gung. Die Vorschläge des Forschungsverbundes
in den Vorrangbereichen des Naturschutzes be- Braunkohlentagebaulandschaften Mitteldeutsch-
gleitet und kontrolliert (Wiedemann 2003). So lands (FBM 1999) für Naturschutzgebiete und
ist es möglich, auch in der Umsetzung auf Ab- Geschützte Landschaftsbestandteile wurden
weichungen und Möglichkeiten zu reagieren und dabei direkt in das überörtliche Biotopverbund-
die Maßnahmen effektiv zum erforderlichen Ziel system übernommen und gegebenenfalls mit
zu führen. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse, weiteren Entwicklungsflächen abgerundet. Be-
zum Beispiel zur naturnahen Ökosystementwick- sonders in den Landkreisen Bitterfeld, Merse-
lung, Ufer- und Böschungsgestaltung, können burg-Querfurt und Weißenfels wurden große Be-
dabei eingebracht werden (Stolle 1998; Wiedem- reiche der ehemaligen Tagebaue als Kern- und
ann 1998; Landeck 2002; Kirmer 2004; Kirmer Entwicklungsflächen in die Planung einbezogen.
und Tischew 2006; Lorenz et al. 2009). Tabelle 8.23 gibt einen Eindruck von dem großen
Aktuell sind große ehemalige Tagebaugebiete Flächenpotenzial, das die BFL dabei besitzt.
als Naturschutzgebiete ausgewiesen oder einst- Die in den rechtsverbindlichen Sanierungs-
weilig sichergestellt. In Sachsen-Anhalt und plänen der Länder ausgewiesenen und in wis-
Brandenburg betreffen das gegenwärtig jeweils senschaftlichen Projekten als besonders geeig-
etwa 4.000 ha in der Bergbaufolgelandschaft des net bewerteten und konzipierten Vorrangflächen
Alt- und Sanierungstagebaus. Im Land Branden- für Naturschutz bilden die Basis für das System
burg wurden beispielsweise außerdem 14 FFH- der „Kerngebiete für den Naturschutz in der
556 J. Schlenstedt et al.

LMBV“. Die Umsetzung der Naturschutzziele in für den „Industriewald Ruhrgebiet“ – einer viel-
der Sanierung und der Erhalt der Flächen auch fältig strukturierten Sukzessionslandschaft auf
ohne gesetzlichen Schutzstatus, unter anderem 10.000 ha Fläche ehemaliger Industriebrachen
durch besondere Verwertungsmodalitäten, ist das und Steinkohlengruben – die große Bedeutung
Ziel des Systems (Schlenstedt 1999, 2003). als Naherholungs- und Freizeitraum der im Um-
Für Brandenburg wurden in einer vom LUA feld lebenden Bevölkerung (Keil 2003; Neiss
Brandenburg (2000/2001) beauftragten Studie 2003). Starke ökonomische Zwänge waren dort
31 prioritäre Naturschutzflächen mit einer Ge- Triebkraft für das Sich-Selbst-Überlassen großer
samtfläche von 10.543 ha in den Sanierungstage- Landschaftsräume, da sie eine aufwändige, kos-
bauen und den aktiven Tagebauen ausgewiesen tenintensive Rekultivierung bzw. Sanierung der
(Blumrich 2003). Flächen unmöglich machten.
Die zunehmende Akzeptanz von natürlich
entwickelten, jungen Sukzessionslandschaf-
8.7.4 Naturerlebnis in Vorrangflächen ten auf ursprünglich anthropogenen und zuvor
für den Naturschutz stark devastierten Standorten resultiert unter
anderem aus der abnehmenden Verfügbarkeit an
Den natürlich entwickelten Sukzessionsland- natürlichen peri-urbanen Landschaften. Dies ist
schaften kommt neben ihrer Funktion als abio- Folge einer anhaltenden Zerstörung natürlicher
tische und biotische Ressource auch eine grund- Lebensräume aufgrund eines fortschreitenden
legende sozio-geografische Bedeutung zu. Denn Urbanisierungsprozesses (Bauer 2003). Es exis-
die großflächigen, unzerschnittenen Bergbau- tieren vor allem in den urban-industriell gepräg-
folgeflächen stellen eine wichtige landschafts- ten Bereichen der Bergbaufolgelandschaft kaum
ästhetische Ressource für eine naturgebundene noch zusammenhängende und strukturreiche
Erholungsnutzung dar. Positive Kopplungsef- Landschaften, die als Erholungs- und Erlebnis-
fekte in Bezug auf Naherholungsmöglichkeiten raum durch die Bevölkerung dieser Regionen
und regionale wirtschaftliche Impulse können im genutzt werden könnten. Die Landschaftsräu-
Rahmen eines sanften Tourismus verstärkt ge- me der ehemaligen Braunkohlengebiete bieten
nutzt werden, wie das Beispiel des ehemaligen daher vielfältige Potenziale für eine naturge-
Tagebaugebietes „Goitzsche“ bei Bitterfeld zeigt bundene Erholungsnutzung. Leider konzent-
(BUND 2003). Auch in der Lausitz unterneh- rieren sich natürlich entwickelte Sukzessions-
men die verschiedenen Naturschutzgroßprojekte landschaften bisher vor allem auf die Vorrang-
große Anstrengungen, Strukturen für den Natur- gebiete für Natur und Landschaft, die mit dem
tourismus aufzubauen bzw. weiter zu entwickeln. Ziel Prozessschutz ausgewiesen wurden. In den
Dazu werden von den Stiftungen für die jewei- nächsten Jahren wird der Nutzungsdruck durch
ligen Gebiete spezifische Umweltbildungspro- Erholungssuchende in den Prozessschutzflä-
gramme angeboten. chen zunehmen und es besteht die Gefahr, dass
Natürlich entwickelte Offenlandschaften dies zu Konflikten mit Naturschutzinteressen
und Pionierwälder in anthropogen entstandenen führt. Daher sollten auch Bergbaufolgeflächen
Landschaftsräumen finden eine weitaus stärkere mit Vorrang Erholungsnutzung verstärkt über
Akzeptanz in der Bevölkerung, als bisher an- Sukzession entwickelt werden, um in diesen
genommen wurde. Dies zeigen Beobachtungen Bereichen ebenfalls eine vielfältig strukturierte
aus dem ehemaligen Tagebaugebiet Goitzsche, Landschaft zu entwickeln (Wiedemann 2005).
in dem die natürlich entwickelten Gebiete mit Bei der Einbindung dynamischer Prozesse der
Vorrangnutzung Natur und Landschaft im westli- Vegetationsentwicklung bestimmen neben den
chen Bereich deutlich stärker angenommen wer- Standortbedingungen auch zufällige Ereignisse
den (z. B. zum Baden, Pilze sammeln, Wandern, und lokale Besonderheiten, wie beispielsweise
Radfahren, Picknicken) als die rekultivierten Flä- die floristische Zusammensetzung von Liefer-
chen im östlichen Bereich des Gebietes. Zudem biotopen, die Vielfalt an Vegetationsmustern und
belegen sozio-geographische Untersuchungen -strukturen. Sie führen auf diese Weise zu der
8 Rekultivierung 557

besonderen Eigenart und Schönheit der struktur-


und abwechslungsreichen Erlebnisräume in der
Bergbaufolgelandschaft. In enger Verzahnung
bieten kleine, temporäre Gewässer, Offenlän-
der, Offenland-Gebüsch-Stadien und Wälder in
Wechselwirkung mit den Restseen eine ästhe-
tisch reizvolle Landschaft für einen naturgebun-
denen Naherholungstourismus.
Sich selbst überlassene und dynamisch entwi-
ckelnde „Wildnisgebiete“ können daher nicht nur
zum Erhalt von Biodiversität beitragen, sondern
großflächig interessante und sich dynamisch ver-
ändernde attraktive Erholungsräume für die in
Abb. 8.36   Heinz Sielmann (†) mit Kindern im Tagebau
der Region lebende Bevölkerung bereitstellen. Schlabendorf 2002. (Foto: Sielmann-Stiftung)
Aufgrund eines Defizits an Naturlandschaften
kann hier Natur wieder erlebbar gemacht und
die Lebensqualität in der Region erhöht werden ausschließliche Aneignungsrecht an den Fischen.
(Eissing und von Osten 2003). In größeren Re- Gleichzeitig ist er zur Hege, d. h. dem Aufbau
gionen der ostdeutschen Bergbaufolgelandschaft und dem Erhalt einer den Gewässerbedingun-
sollte deshalb natürliche Dynamik als Chance gen angepassten einheimischen Fischfauna, ver-
genutzt und gefördert werden, ohne dies vorder- pflichtet.
gründig mit funktionellen wirtschaftlichen Zie- Ist der Gewässergrundstückseigentümer nicht
len zu verknüpfen (Abb. 8.36). befähigt, die Fischereiausübung selbst vorzuneh-
men, muss er diese durch Abschluss eines Pacht-
vertrages an einen Fischereiausübungsberechtig-
8.8 Fische und Fischerei in ten, der die erforderliche Qualifikation (Fische-
Braunkohlentagebauseen reischein) besitzt, oder eine rechtsfähige Organi-
sation der Angler oder Berufsfischer übertragen.
Braunkohlenbergbau und Fischereirecht sind Zumindest ist er aber verpflichtet die Hege der
eine Verknüpfung, die erst auf den zweiten Blick Fischbestände abzusichern.
sinnvoll – ja zwingend ist. Durch den Bergbau Unter den besonderen Bedingungen der Ent-
und die Wiedernutzbarmachung wird in Still- und stehung von Braunkohlentagebauseen setzt die
Fließgewässer eingegriffen und die bestehenden fischereiliche Hegepflicht für die LMBV erst ein,
fischereilichen Rechte und Pflichten müssen be- wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
achtet werden. Im Verantwortungsbereich der • Der pH-Wert des Wasserkörpers liegt über 6,0
LMBV im Besonderen, entstehen fischereiliche und ermöglicht damit die Entwicklung arten-
Gewässer mit bedeutsamen Auswirkungen auf reicher Fischbestände.
die regionalen Strukturen. • Der Endwasserspiegel ist annähernd erreicht.
• Der Zustand der Böschungen lässt ein gefahr-
loses Betreten und Befahren des Sees durch
8.8.1  Fischereirechtliche Grundlagen unterwiesenes Personal zu.
Die Hegepflicht schließt den Fischbesatz mit ein,
Die Fischereigesetze der Bundesländer regeln soweit dieser zur Entwicklung eines gewässerty-
die Fischerei in den Oberflächengewässern ein- pischen Fischbestandes erforderlich ist.
schließlich der entstehenden Restseen der Braun- Eine Verpachtung des Fischereirechts kann
kohlentagebaue. erst vorgenommen werden, wenn zusätzlich die
Der Eigentümer des Gewässergrundstücks Sicherheit für die Fischereiausübenden gewähr-
hat als Inhaber des Eigentumsfischereirechts das leistet ist. Unter diesen Voraussetzungen ist die
558 J. Schlenstedt et al.

Tab. 8.24   Übersicht über die Fläche (oben) und die Anzahl (unten) der entstandenen bzw. entstehenden größeren
Braunkohlentagebauseen in den Ländern Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen (Thüringen) (Rümmler et al. 2004)
Brandenburg Sachsen-Anhalt Sachsen Gesamt (ha)
(Thüringen)
Vor 1990 entstandene größere Seen 1.986 1.064 1.110 4.160
Seen des nach 1990 stillgelegten o. 6.462 6.562 13.704 27.869
ausgelaufenen Bergbaus (LMBV)
Zukünftige Seen der aktiven 3.520 2.256 4.749 10.691
Tagebaue
Gesamt bis 2040–2060 11.968 10.006 19.563 42.720
Brandenburg Sachsen-Anhalt Sachsen Gesamt (Stück)
(Thüringen)
Vor 1990 entstandene größere Seen 16 6 5 14
Seen des nach 1990 stillgelegten o. 20 20 34 77
ausgelaufenen Bergbaus (LMBV)
Zukünftige Seen der aktiven 3 6 4 13
Tagebaue
Gesamt bis 2040–2060 39 32 43 104

fischereiliche Verpachtung auch bereits vor der die Bioproduktion in der ersten Entwicklungs-
Beendigung der Bergaufsicht für einen See mög- phase im oligotrophen bis leicht mesotrophen
lich. Bereich.
Die wichtigste Voraussetzung für die Ent-
wicklung von Fischartengemeinschaften, die
8.8.2 Entstehende Gewässerflächen, natürlichen Verhältnissen angenähert sind und
Wasserqualität und biologische eine fischereiliche Nutzung der Braunkohlen-
Entwicklung tagebauseen gestatten, sind pH-Werte über 6,0.
Niedrigere pH-Werte führen bei den meisten
Insgesamt werden aus den Restlöchern der ehe- Fischarten zu Einschränkungen der Reproduk-
maligen und aktiven Braunkohlentagebaue in tion, zu verschlechterten Wachstumsbedingun-
den Bundesländern Brandenburg, Sachsen-An- gen und schließlich zum Tod (Lenhart und Stein-
halt und Sachsen bis zur Mitte dieses Jahrhun- berg 1992; Duis et al. 2001). Dabei unterscheiden
derts ca. 104 größere Seen mit einer Gesamtflä- sich die verschiedenen Fischarten und Altersstu-
che von ca. 42.000 ha entstehen (Rümmler et al. fen hinsichtlich ihrer Säuretoleranz voneinander
2003a; Tab. 8.24). (Rümmler et al. 2005b).
Es handelt sich überwiegend um große, tiefe Bei jährlichen Schwankungen des Wasser-
und im Sommer thermisch geschichtete Seen. In- spiegels von weniger als einem Meter beginnt die
folge der Technologie der Braunkohlenförderung Ausbildung von Über- und Unterwasserpflanzen-
entstehen in den meisten Fällen Restseen mit beständen als wichtiges Refugium, Nahrungs-
einer steil-scharigen Beckenform, einer geringen quelle und Laichsubstrat für Fische. Nach dem
Uferstrukturierung und begrenzten Flachwasser- Klarwerden der Seen im Anschluss an die Flu-
bereichen. Die Anzahl der flacheren großen Seen tung wachsen in flacheren Seebereichen häufig
ist gering. Laichkräuter, Tausendblatt und Wasserpest. Arm-
Die Flutung erfolgt hauptsächlich mit Fremd- leuchteralgen sind bis in große Tiefen zu finden
wasser aus nahe gelegenen Fließgewässern oder (Klapper et al. 2001).
mit Sümpfungswasser des aktiven Bergbaus Als wichtige Fischnährtiergruppe ist das Zoo-
sowie durch Grundwassereigenaufgang. Infolge plankton mit der Entstehung des Wasserkörpers
des hohen Phosphorbindungsvermögens dieser sofort vorhanden. Verschiedene Ruderfußkrebse
Seen liegen die Nährstoffkonzentrationen und ( Cyclops und Eudiaptomus) und Wasserflöhe
8 Rekultivierung 559

%DUVFK 3O|W]H +HFKW =DQGHU


+HFKW 3O|W]H %OHL
%OHL 5RWIHGHU *VWHU *UQGOLQJ
.DXOEDUVFK 6FKOHL *LHEHO 8NHOHL 8NHOHL 5RWIHGHU *UQGOLQJ
6WLFKOLQJ +DVHO '|EHO $ODQG .DXOEDUVFK =ZHUJVWLFKOLQJ 6WLFKOLQJ
.DUDXVFKH .DUSIHQ '|EHO $ODQG =DQGHU
*VWHU
)OXWXQJ )OXWXQJ
6PSIXQJV :HL‰H 6PSIXQJV  :HL‰H
*UXQGZDVVHU 0XOGH *UXQGZDVVHU 0XOGH
ZDVVHU (OVWHU ZDVVHU (OVWHU
 
$UWHQDQ]DKOGHV*HZlVVHUV $UWHQDQ]DKOGHV*HZlVVHUV
             

(LQKHLWVIDQJ NJPð 1DFKW

(LQKHLWVIDQJ NJPð 1DFKW





 




 
KH
UQ
H

G
G

XH
D
XH

E

UQ

KH
D
OVH

E
OVH
NH

VF
6

VD

NH
VW
VD

6
VW

VF
VW

VW
OWD

OWD
W]
|F
LJ

QD

LJ
2

|F
2

W]
QD

2
RL

2
VH

VH
|Q

|Q
D\

RL
UJ

D\
UJ

*
HL

UJ

UJ
HL
.

*
.

.
EX

EX
*

EX
*

EX
VH

VH

VH

VH
HU

HU

HU

HU
0

Abb. 8.37   Ergebnisse von Probebefischungen als Masse der Flutung) mit Multimaschen-Kiemennetzen als Grund-
– Einheitsfänge in frisch gefluteten Braunkohlentagebau- netze im tieferen Uferbereich (links) und Schwebnetzen
seen in Sachsen-Anhalt (Geiseltalsee Wasserhaltung vor im Freiwasser (Rümmler et al. 2005b)

( Bosmina longirostris) treten häufig dominie- In den Restseen der Braunkohlentagebaue


rend auf (Rümmler et al. 2005a, b). konnte eine sehr schnelle Besiedelung mit Fi-
Die zweite wichtige Nahrungsgrundlage für schen festgestellt werden. Bei der Flutung mit
Fische bilden die den Gewässergrund besiedeln- Oberflächenwasser im freien Gefälle oder durch
den wirbellosen Bodentiere. Bereits in den ersten die Wasserförderung mit Pumpen können alle in
Jahren nach Flutungsbeginn wurden Individuen- den Fließgewässern vorkommenden Fischarten,
zahlen und Biomassen festgestellt, die mit nähr- zumindest im Ei-, Larven und Jungfischstadium
stoffarmen natürlichen Seen vergleichbar sind in die Gewässer gelangen. Eine Artenanzahl von
(Bauch 1956; Rümmler 2001). Häufig wurden zehn und mehr wurde bereits während der Flu-
Zuckmückenlarven der Artengruppe Tanytar- tungsphase nachgewiesen (Abb. 8.37). Daneben
sus sp., die charakteristisch für oligotrophe und werden auch charakteristische Arten der Fließ-
mesotrophe Gewässer sind (Bauch 1956) sowie gewässer, wie z. B. Döbel u. Hasel, mit dem
Tanypodinae sp., die vorrangig Fließgewässer Flusswasser in die entstehenden Seen eingeleitet
besiedeln, nachgewiesen (Rümmler et al. 2003b, (Abb.  8.37). Diese strömungsliebenden Arten
2005b). finden aber in Standgewässern langfristig keine
ausreichenden Lebensbedingungen.
560 J. Schlenstedt et al.

Auch in den Seen, die durch Grundwasser-


eigenaufgang entstanden oder mit Sümpfungs-
wasser des aktiven Bergbaus bzw. gefiltertem
Oberflächenwasser gefüllt wurden, konnten nach
kurzer Zeit Fische nachgewiesen werden. Verant-
wortlich dafür sind wahrscheinlich Wasservögel
(v. Brandt und Kucklentz 1993; Knösche 1998)
oder menschliche Aktivitäten.
Aufgrund der Zufälligkeit dieser Ereignis- Abb. 8.38   Kleine Maräne ( Coregonus albula L.). (Foto:
Vilcinskas)
se kann es insbesondere in isolierten Seen zur
Massenentwicklung weniger Erstbesiedelerarten
kommen. Dabei handelt es sich überwiegend um Im Gegensatz zum eiszeitlichen Einwande-
Arten wie Plötze und Barsch, die nur geringe spe- rungsprozess der Fischarten in die Seen Nord-
zifische Ansprüche an Habitat- und Nahrungsart deutschlands können die Leitfischart Kleine
stellen (Abb. 8.37). Maräne sowie die Große Maräne nur durch In-
itialbesatzmaßnahmen in den neu entstandenen
Seen eingebürgert werden. Der Besatz mit Aalen
8.8.3 Fischfaunistische und ist aufgrund des fehlenden oder nicht ausreichen-
fischereiliche Leitbilder und den Aufstiegs von Jungaalen über die Fließge-
deren Umsetzung wässer kontinuierlich erforderlich. Alle anderen
gewässertypischen Fischarten können zumindest
Mit der weiteren Ausbildung von Habitatstruktu- bei der Flutung aus den nahe gelegenen Fließ-
ren (z. B. Wasserpflanzen) und Nahrungsnetzen gewässern der Blei- und Barbenregion in die
(Zooplankton und Bodentiere) in den neu entstan- Seen gelangen. Bei Grundwassereigenaufgang
denen Seen geht auch die Entwicklung der Fisch- oder Flutung mit Sümpfungswasser des aktiven
bestände von der zufälligen Erstbesiedlergemein- Bergbaus bzw. aufbereitetem Oberflächenwasser
schaft zu einer den veränderten Gewässerbedin- sowie einer fehlenden Anbindung an die fließen-
gungen angepassten Artengemeinschaft einher. de Welle muss die vorhandene zufällige Arten-
Die Ermittlung des fischfaunistischen und gemeinschaft der Erstbesiedlung gegebenenfalls
fischereilichen Leitbildes der Braunkohlentage- ergänzt werden.
bauseen ist daher eine wichtige Grundlage für Das Leitbild des Maränensees konnte an-
alle weiteren Maßnahmen zur Entwicklung der hand von Befischungsergebnissen in vier älteren
Fischbestände und für die zukünftige fischerei- oligo- bis mesotrophen Braunkohlentagebauseen
liche Nutzung. Bis zum Vorliegen genauerer Er- bestätigt werden (Abb. 8.39).
kenntnisse ist es sinnvoll, für die Restseen die Alle Seen wurden ein- bis dreimal mit der
vorhandenen fischereibiologischen Seenklassifi- Kleinen Maräne und zwei Seen zusätzlich mit der
kationen der glazial entstandenen norddeutschen Großen Maräne besetzt (Rümmler und Schiewe
Seen heranzuziehen. 1999). In allen Fällen kam es zum Aufbau sich
Morphologie, Schichtung, Trophie und Fisch- selbst reproduzierender Bestände der Kleinen
nährtiergrundlage der großen, tiefen, oligo- bis me- Maräne. Die Große Maräne bildete dagegen nur
sotrophen Restseen können mit den Maränenseen II vergleichsweise geringe Bestände aus (Rümmler
und I nach Bauch (1955,1966)verglichen werden. et al. 2003b, 2005a, b). Durch die mineralische
Die Leitfischart dieser Seen ist die Kleine Maräne Sedimentoberfläche und die sauerstoffreiche
(Abb. 8.38), die in den tiefen, auch im Sommer kal- Wasser-Sediment-Kontaktschicht weisen die
ten Zonen des Freiwassers lebt und sich ausschließ- Braunkohlentagebauseen gute Reproduktions-
lich von Zooplankton ernährt. In einigen Seen tritt möglichkeiten für Maränenartige auf.
auch die Große Maräne auf. Weiterhin kommen Die Kleine Maräne und Barsche sowie ge-
Hecht, Plötze und große Barsche reichlich vor. legentlich Plötzen dominieren im Freiwasser.
8 Rekultivierung 561


0DUlQH *UR‰PDUlQH %DUVFK 3O|W]H
%DUVFK 3O|W]H %OHL 6FKOHL
*VWHU 5RWIHGHU
=DQGHU +HFKW +HFKW =DQGHU
%OHL 6SLHJHONDUSIHQ 0DUlQH *UR‰PDUlQH
7URSLHLQGH[ .DXOEDUVFK 6SLHJHONDUSIHQ
7URSKLHLQGH[
 
 



(LQKHLWVIDQJ NJPð 1DFKW

(LQKHLWVIDQJ NJPð 1DFKW







7URSKLHLQGH[

7URSKLHLQGH[







 
 

   
HH
HH

QD

D
WN

HH
HH

QD

D
U6
HV

RU

WN
RU

U6
HV

RU
HQ

%

RU
JH

0

HQ

%
HO

JH
HQ

0
HU

HU

HO

HQ
+

HU
FN

QE

HU
FK

FN

QE
EH

FK
WH

HL

EH

WH
QI
HU

HL
6S

QI
HU
6H
FK

6S
6H
FK
HL

HL
6S

6S

Abb. 8.39   Ergebnisse von Probebefischungen als Masse Schwebnetze im Freiwasser (links) und als Grundstell-
– Einheitsfänge in älteren Braunkohlentagebauseen mit netze in tieferen Uferbereich (rechts), Trophieindex nach
Maränenbeständen mit Multimaschen-Kiemennetzen als LAWA (1998) (Rümmler et al. 2005a)

Als fischereiliche Besonderheit dieser Seen Gegenwärtig (Stand 2013) gibt es in Branden-
ist der relativ hohe Zanderanteil unter meso- burg, Sachsen-Anhalt und Sachsen 14 größere
trophen Bedingungen zu werten. Die Ursache Braunkohlentagebauseen mit Beständen der Klei-
könnte neben dem guten Jungfischaufkommen nen Maräne, die in 13 Fällen durch Besatz ein-
der Kleinen Maräne als Nahrungsgrundlage der gebürgert wurden und eine Gesamtfläche von
Zustrom eisenhaltigen Grundwassers sein. Da- ca. 6.000 ha umfassen. Seit 2002 wurden sieben
durch kommt es zu Trübungserscheinungen mit große, neu entstandene Seen in Westsachsen,
möglichen Konkurrenzvorteilen für den Zander Sachsen-Anhalt und Brandenburg mit der Kleinen
gegenüber Hecht und Barsch. Der Fischbestand Maräne aus dem Arendsee in Sachsen-Anhalt be-
im tieferen Uferbereich (litoral und sublitoral) setzt. In den meisten Fällen erfolgten zwei Besatz-
setzt sich überwiegend aus einem hohen oder maßnahmen mit je 5.000 Stück Brut (M0)/ha Flä-
dominierenden Anteil von Barschen sowie Karp- che der sommerlichen Temperatursprungschicht.
fenartigen zusammen. Letztere überwiegen unter Insgesamt handelt es sich dabei um eine Gewäs-
mesotrophen Verhältnissen. serfläche von 3.6000 ha. Zusätzlich erfolgte in
einigen Seen der Besatz mit Großmaränen (1.000
562 J. Schlenstedt et al.

Stück Brut (GM0)/ha Sprungschichtfläche). In Typ existieren bisher (Stand 2010) vier Braun-
den meisten Fällen waren Wiederfänge zumindest kohlentagebauseen mit einer Gesamtfläche von
von Einzelexemplaren auch dieser Fischart zu 700 ha, die bereits fischereilich genutzt werden.
verzeichnen. Im Speicher Dreiweibern östlich von
Hoyerswerda wurden 2003 Bestände der Kleinen
Maräne und der Großen Maräne nachgewiesen, 8.8.4 Fallbeispiel versauerungsge-
die mit hoher Wahrscheinlichkeit aus einem ande- ­fährdeter großer Maränensee –
ren Braunkohlentagebausee, dem Speicher Mort- Gräbendorfer See
ka, über die Kleine Spree nach Dreiweibern einge-
wandert sind. Die Fließgewässerstrecke, die dabei Im 456 ha großen und ca. 35 m tiefen, oligotro-
zurückzulegen war, beträgt ca. 2 km (Rümmler phen Gräbendorfer See in Brandenburg kam es
et al. 2005b). In Restseeketten, die über kurze Ka- infolge des Rückgangs der verfügbaren Flutungs-
näle, Fließe oder Rohrleitungen miteinander ver- wassermengen zu einer Verringerung des pH-
bunden sind, wird es daher ausreichend sein, nur Wertes. Damit verbunden war auch eine Verän-
einen See zu besetzen. derung der Fischartengemeinschaft (Abb. 8.40).
Die Hege und Bewirtschaftung der Marä- Stabile pH- neutrale Verhältnisse werden für die-
nenseen erfordert aufgrund ihrer großen Fläche ses Gewässer erst ab ca. 2010 prognostiziert.
sowie der praktisch nicht angelbaren und als Im Jahr 2001 konnten bei pH-Werten von 5,8–
Massenfisch auftretenden Kleinen Maräne den 5,2 acht Fischarten nachgewiesen werden. Sehr
Einsatz berufsfischereilicher Mittel. Alle 13 Seen wahrscheinlich gelangen in erster Linie Brut
wurden bereits an Berufsfischer, Anglerorganisa- und Jungfische mit dem Flutungswasser aus der
tionen oder rechtsfähige Vereinigungen von Ang- Spree in den See. Unter den 2004 herrschenden
lerverbänden und Berufsfischern verpachtet oder pH-Werten von 4,3–4,6 konnten nur noch Bar-
die Verpachtung befindet sich in Vorbereitung. sche nachgewiesen werden. Erst ab 2005 wurden
Für tiefe, nährstoffarme, kleinere Seen bis ca. mit dem Wiederanstieg des pH- Wertes auf über
150 ha, die durch Anglerorganisationen ange- 5,0 neben Barschen erneut Kaulbarsche sowie
pachtet wurden, bietet sich ein Bestandsaufbau Hecht, Plötze und Blei gefangen. Eine Reproduk-
mit der Großen Maräne an. Die Große Maräne tion der Barsche und die Entwicklung der Larven
lässt sich mit der Grundangel an der Scharkante erfolgt erst bei pH- Werten um 5,5. Ein Überle-
vom Ufer aus oder mit Hilfe der sog. Hegene im ben von Jungfischen über begrenzte Zeiträume
Freiwasser vom Boot aus fangen. Bisher wurden ist aber anscheinend schon bei pH-Werten unter
drei kleinere, tiefe und nährstoffarme Gewässer 5,0 möglich. Die während der Versauerungspha-
in Sachsen, die durch Anglerorganisationen be- se untersuchten großen Barsche wiesen Kiemen-
wirtschaftet werden, mit Großmaränen besetzt. schäden, Augentrübungen und Flossenschädi-
Nach den bisherigen Erfahrungen ist der Be- gungen auf. In der Lausitz wird dieses Szenario
standsaufbau der Großen Maräne aber nicht so eine Reihe größerer Seen betreffen, die erst nach
unkompliziert wie der der Kleinen Maräne und einer längeren Nachsorgeperiode mit weiterer
erfordert einen größeren Besatz- und Beglei- Oberflächenwasserzufuhr pH- neutral werden.
tungsaufwand (Rümmler et al. 2003b, 2005a, b). Der Gräbendorfer See besitzt die morpholo-
Die flachen, meist kleineren Seen mit einer gischen und trophischen Voraussetzungen eines
mittleren Tiefe unter 5–10 m und mesotrophen Maränensees. Im Frühjahr 2007 wurde der erste
Verhältnissen werden beim Vorliegen ausgedehn- Initialbesatz mit der Kleinen Maräne im Auftrag
ter Unterwasserpflanzenbestände den natürlichen des Sanierungsbergbaus als Hegeverpflichteter
klaren Hecht-Schlei-Seen (Bauch 1955,1966) äh- vorgenommen. Zu diesem Zeitpunkt herrschten
neln. In diesen Seen bilden Hecht, Schleie, Plötze pH-Werte von 5,7, die als unterer Grenzwert für
und Rotfeder gute Bestände aus. In den tieferen das Überleben der Larven eingestuft werden. Im
Gewässern findet auch die Kleine Maräne noch Jahr zuvor waren unter den Zooplanktern neben
ausreichende Lebensbedingungen. Von diesem den Rädertierchen erstmalig auch Ruderfuß-
8 Rekultivierung 563

Abb. 8.40   Verlauf des 


pH-Wertes im Gräben- %DUVFK%OHL
dorfer See von 2001 bis  *UQGOLQJ*VWHU %DUVFK %DUVFK %DUVFK
+DVHO %DUVFK .DXOEDUVFK
2006 und nachgewiesene .DXOEDUVFK %DUVFK .DXOEDUVFK
.DXOEDUVFK .DXOEDUVFK
 6WLFKOLQJ +HFKW3O|W]H +HFKW%OHL
Fischarten (gemittelter pH- 3O|W]H.DUSIHQ

S+:HUW
Wert über der Wassersäule 
6WLFKOLQJ
während der Sommersta-
gnation) 





2NW

2NW

2NW

2NW

2NW

2NW
-XO

-XO

-XO

-XO

-XO

-XO
$SU

$SU

$SU

$SU

$SU

$SU
-DQ

-DQ

-DQ

-DQ

-DQ

-DQ
krebse und Wasserflöhe als wichtige Nahrungs- die Naturschutzziele werden in regelmäßigen
grundlage für die Kleine Maräne nachgewiesen Abständen neu bewertet.
worden. Im Herbst 2007 wurden zwei Exemplare
der Brut mit einer Länge von 10–11 cm wieder
gefangen. 8.8.5 Fallbeispiel Hecht-Schlei-See –
Im Frühjahr 2008 erfolgte der Zweitbesatz. Schönfelder See
Die Bestandesentwicklung der Kleinen Maräne
unterlag über mehrere Jahre einem Monitoring. Dem 150 ha großen und 12 m tiefen oligo-me-
Teilflächen des Sees wurden von den Anrainer- sotrophen Schönfelder See in Brandenburg lässt
Kommunen erworben. Die Stiftung Naturschutz- sich das Leitbild eines klaren Hecht-Schlei-Sees
fonds Brandenburg ist durch Zuordnung weiterer zuordnen. Der Endwasserstand wurde durch die
Teil-Flächen bereits Eigentümer. Die künftigen Flutung mit Wasser aus der Spree im Jahr 2001
Nutzer haben sich zur Bildung eines Fischereibe- erstmals erreicht und wird seitdem durch geringe
zirks auf den Landesanglerverband Brandenburg Stützungswasserzufuhr annähernd gehalten.
e. V. (LAVB) als gemeinsamen Pächter geeinigt. Die Entwicklung der Gewässerbedingungen
Die Auswahl des Pächters sowie der zu entrich- in den Jahren 2000–2005 lässt sich in drei Stufen
tende Pachtzins waren zwischen den Gemeinden unterteilen: Flutungsphase mit größeren Wasser-
wie auch innerhalb der Gemeinden abzustimmen. standsänderungen, Übergang zum Standgewäs-
Der See wurde Mitte 2007 gemeinsam durch den ser und Ausbildung der Gewässerbedingungen
Träger der Bergbausanierung als grundbuchli- des klaren Hecht-Schlei-Sees. Letztere Stufe ist
cher Eigentümer der künftigen Gemeindeflächen durch geringe Wasserstandsänderungen, eine
und dem NaturSchutzFonds Brandenburg an den hohe Sichttiefe, gute Bodentierbesiedelung und
LAVB verpachtet. einen nahezu flächendeckenden Unterwasser-
Die Bewirtschaftung der Kleinen Maräne pflanzenbewuchs bis zur sommerlichen Tempe-
wird durch einen Berufsfischereibetrieb über ratursprungschicht gekennzeichnet (Tab. 8.25).
eine gesonderte Vereinbarung mit dem Pächter Parallel dazu hat sich auch der Fischbestand
vorgenommen. Die Eigentumsfläche des Natur- verändert. Nach ihrem Masseanteil dominierten
SchutzFonds Brandenburg mit seinen drei Inseln ursprünglich Barsche und Plötzen. In der Folge-
wurde als Europäisches Vogelschutzgebiet ge- zeit verringerte sich der Barschanteil zugunsten
meldet. Um die damit verbundenen naturschutz- von Plötze und Ukelei im Freiwasser, Plötze,
fachlichen Ziele umsetzen zu können, waren Ukelei, Schleie und Rotfeder im tieferen Uferbe-
Einschränkungen bei der Bewirtschaftung und reich sowie Hecht und Rotfeder im Röhricht. Die
Nutzung der Wasserflächen im Pachtvertrag er- Einheitsfänge wurden in allen drei befischten Ge-
forderlich. Die Auswirkungen der Fischerei auf wässerbereichen im Verlauf der Jahre geringer.
Diese Entwicklung könnte auf die Stabilisierung
564 J. Schlenstedt et al.

Tab. 8.25   Gewässerbedingungen im Schönfelder See 2000–2005


2000–2001 2004–2005
Wasserstandsveränderung (m/a) + 1,1 (2001) + 0,2–0,4
Sommerliche Sichttiefe (m) 4,8 6,7–7,0
Tiefe Unterwasserpflanzenbesiedelung (m) 3,0 (2001) 7,0–7,5
Anteil der Uferlinie mit durchgehender oder inselartiger Besiedelung mit 81 93–95
Unterwasserpflanzen (%)
Mittlere Bodentieranzahl (St./m2) 1.429 1.909
Mittlere Trockenmasse Bodentiere (g/m2) 0,54 1,04

der niedrigen Trophie mit dem „Klarwerden“ des


Sees zurückzuführen sein. Die Ergebnisse zeigen
die sehr schnelle und parallele Entwicklung der
für klare Hecht-Schlei-Seen charakteristischen
Fischartengemeinschaft mit zunehmender Aus-
dehnung der Unterwasserpflanzenbestände und
der Erhöhung der Bodentierbesiedelung.
Der Schönfelder See wurde 2003 an eine Ge-
nossenschaft der Spreewaldfischer verpachtet.
Abb. 8.41   Maränenbrut. (Foto: LMBV/Radke 2008)
Ein Besatz mit Karpfen sollte in klaren Hecht-
Schlei-Seen unterbleiben (Knösche 2002). Der
Mittelwert der Erträge der Jahre 2003–2005
beträgt 4,5 kg/ha und liegt noch unter den ab- Der Große Goitzsche See wurde im April 2002
geschätzten Ertragserwartungen von 8,7 bzw. und 2003 mit jeweils 4 Mio. Stück Brut (M0) der
11,5 kg Fisch/ha*a. Kleinen Maräne besetzt (Abb. 8.41).
Bei den Probebefischungen 2003 konnte be-
reits ein gutes Aufkommen der ein- und zwei-
8.8.6 Fallbeispiel großer Maränensee – sömmrigen Fische und eine schnelle Veränderung
Großer Goitzsche See der Fischartenzusammensetzung im Freiwasser
(Abb. 8.42) in die Richtung des Leitbildes festge-
Der Große Goitzsche See in Sachsen-Anhalt ge- stellt werden. Die 2004 nachgewiesene Brut der
hört mit einer Fläche von 1.330 ha zu den größten Kleinen Maräne kennzeichnet den Beginn der
Braunkohlentagebauseen. Der See hat eine ma- eigenen Reproduktion nach dem Ablaichen der
ximale Tiefe von 54,5 m und eine mittlere Tiefe ersten zweisömmrigen Fische des Initialbesatzes.
von 16 m. Mit einem Gesamtphosphorgehalt von Unter der Voraussetzung, dass im Wesentlichen
ca. 10 µg/l (2007) liegt er im Übergangsbereich zwei- und dreisömmrige Fische die Laicherjahr-
vom oligotrophen zum mesotrophen Zustand. gänge der Kleinen Maräne bilden, wird der natür-
Die Flutung des Sees mit Muldewasser begann liche Bestandsaufbau aus eigener Reproduktion
im Mai 1999. Durch das Hochwasser im August erst nach acht Jahren abgeschlossen sein.
2002 brachen mehrere Hochwasserschutzdämme Die Einheitsfänge der 2004–2006 durch-
und es flossen ca. 85 Mio. m3 Muldewasser in geführten Probebefischungen mit Kiemen-
den Großen Goitzsche See sowie den benachbar- stellnetzen der Maschenweite 22–28 mm von
ten Seelhausener See. Beide Seen waren inner- 3,1–4,4 kg Maränen/100 m2 Netz * Nacht ver-
halb weniger Tage über ihren geplanten Wasser- deutlichen die Bewirtschaftungsmöglichkei-
endstand hinaus bis zur Restlochoberkante geflu- ten der Maränenbestände in diesem Zeitraum.
tet. Nach Schließung bzw. Wiederherstellung der Baugleiche Netze werden auch durch die Be-
Schutzdämme wurde der Große Goitzsche See rufsfischerei zum Fang marktfähiger Fische
auf den geplanten Endwasserstand abgesenkt. eingesetzt. Die Probefänge mit großmaschigen
8 Rekultivierung 565

 6SLHJHO
:HOV NDUSIHQ
=DQGHU $ODQG
 
8NHOHL =DQGHU 
(LQKHLWVIDQJ NJPð 1DFKW

3O|W]H 

 *VWHU 3O|W]H
%OHL  %DUVFK
%DUVFK 
+HFKW
$ODQG 
 .OHLQH0DUlQH *VWHU

'|EHO
 %OHL


Abb. 8.43   Mittlere Fischartenzusammensetzung (Mas-
 
seanteile) der Fänge der Probebefischungen mit groß-
maschigen Kiemennetzen als Grundstellnetze im tiefe-
Abb. 8.42   Ergebnisse von Probebefischungen im Frei-
ren Uferbereich im Großen Goitzschesee in den Jahren
wasser des Großen Goitzschesees mit schwebenden Mul-
2004–2006
timaschen-Kiemennetzen im Freiwasser

Grundstellnetzen der Maschenweite 35–70 mm einzustufen. Allerdings sind die Stückmassen seit
im tieferen Uferbereich ergaben in den Jahren 2007 deutlich gesunken. Mit der bisher eingesetz-
2004–2006 einen hohen durchschnittlichen Ein- ten Maschenweite konnten nahezu keine Erträge
heitsfang von 8,3 kg Fisch/100 m2 Netz * Nacht. mehr erzielt werden. Ob es sich hierbei um die
Diese Fänge dienen der Einschätzung der mög- in natürlichen Maränenseen häufig beobachteten
lichen fischereilichen Fangzusammensetzung. jährlichen Schwankungen der Erträge oder die
Neben einem dominierenden Anteil großer Bar- mit dem Bestandsaufbau bei niedriger Trophie
sche kommen verstärkt Blei sowie Zander und verbundenen Stückmasse- und Ertragsreduzie-
Hecht vor (Abb. 8.43). rung (Rümmler et al. 2003b, 2005a, b) handelt,
1.050 ha Wasserfläche des Großen Goitz- ist durch weitere Untersuchungen zu klären.
sche Sees wurden an den Landesanglerverband
Sachsen-Anhalt e. V. fischereilich verpachtet.
Zur fachgerechten Bewirtschaftung der Kleinen 8.8.7 Fischerei und andere Nutzungen
Maräne wurde als Unterpächter ein regional an- der Gewässer
sässiger Berufsfischer gebunden, der parallel die
uneingeschränkte Fischereiausübung vornehmen Die Regelungen der Fischereigesetze der Bun-
darf. Für die ca. 600 ha Wasserfläche des Sees, desländer zur Nutzung und Hege der Fischbe-
für die bereits die Bergaufsicht beendet wurde, stände gelten unabhängig von den Festlegungen
ist eine gefahrlose Betretung der Uferzonen zur in den raumordnungsrechtlichen Planungen. Die
Ausübung der Angelfischerei möglich. Die Ge- in den Unterlagen der Regionalplanung (Sanie-
meinnutzung dieser Wasserflächen für Badebe- rungspläne, Sanierungsrahmenpläne, regionale
trieb, Wassertouristik und Fischerei wurde durch Teilgebietsentwicklungsprogramme) angegebe-
eine entsprechende Verordnung geregelt. Der nen allgemeinen Nutzungsziele für die entstehen-
Fang der Kleinen Maräne durch einen Berufsfi- den Gewässer (z. B. Landschaftssee) beinhalten
schereibetrieb hat bereits 2004 begonnen. Gute keine aus fischereirechtlicher Sicht eingrenzen-
Erträge liegen im Bereich von 3 kg–5 kg/ha. Die den bzw. beschränkenden Vorgaben. Zur Vermei-
mittlere Stückmasse, der mit einer Maschenwei- dung von späteren Problemen mit den Fischerei-
te der Kiemenstellnetze von 22 mm gefangenen behörden ist es erforderlich, die fischfaunisti-
Maränen, lag bisher über 80 g und war im Ver- schen und fischereilichen Belange bereits bei der
gleich zur herrschenden Trophie als relativ hoch planerischen Bewältigung der Raumordnung und
566 J. Schlenstedt et al.

insbesondere im Rahmen der wasserrechtlichen konzentrationen (Rümmler et al. 2003a) oder der
Planfeststellungsverfahren zu berücksichtigen. Bodentiermasse ergaben für 39 Seen über 100 ha
Bei der Ausweisung von Schutzgebieten Fläche jährliche Ertragserwartungswerte im Be-
durch Verordnungen über Naturschutzgebiete, reich von 4 bis ca. 20 kg/ha. Der Mittelwert liegt
Nationalparke und Biophärenreservate kann die bei 8,5 kg/ha*a. Gewässertrophie, -größe und
fischereiliche Nutzung eingeschränkt werden, -tiefe sind hierbei die wichtigsten Einflussfak-
wenn die Erreichung des jeweiligen Schutz- toren. Den Hauptanteil der Fänge der Berufsfi-
zwecks dies nachweislich begründet erfordert. scherei werden die Maränen bilden. Der Anteil
Die fischereiliche Hege bleibt von diesen Ein- der gut verkäuflichen Edelfischarten Maränen,
schränkungen weitgehend unberührt. Aal und Zander ist unter mesotrophen Gewässer-
Bei der Herstellung der Braunkohlentagebau- bedingungen relativ hoch.
seen sollten auch Aspekte der späteren Entwick- Die Kleine Maräne ist eine berufsfischereilich
lung der Fischbestände und der fischereichen bewirtschaftete Edelfischart, die als Räucherwa-
Nutzung berücksichtigt werden. Dazu gehören re angeboten gute Preise erzielt. Insbesondere
u. a. die Entfernung von Tagebauausrüstungen in mesotrophen Braunkohlentagebauseen bilden
und höherer Vegetation (Bäume, Sträucher) aus sich nach wenigen Jahren nutzbare Bestände mit
den Gewässern vor der Überflutung, die Ab- vermarktungsfähigen Stückmassen über 62,5 g
flachung möglichst umfangreicher Uferzonen (Sortierung I) aus (Rümmler et al. 2003b, 2005a,
sowie der wasserwirtschaftliche Betrieb der Seen b). Unter oligotrophen Bedingungen führt das
im Nebenschluss zu den Fließgewässern. Letzte- begrenzte Nahrungsangebot zu geringeren Fän-
re Forderung bedeutet in vielen Fällen eine Ver- gen der Kleinen Maräne mit Stückmassen unter
legung der Fließgewässer um die Seen herum. 62,5 g (Sortierung M II). Diese sind auf das be-
Ziel ist es dabei das Fließgewässerkontinuum grenzte Nahrungsangebot bei diesem Trophie-
zu erhalten. In Seen, die als wasserwirtschaft- niveau und der demgegenüber hohen Reproduk-
liche Speicher genutzt werden, sollten die Was- tionsrate zurückzuführen. Durch die besonders
serstandsschwankungen auf Werte von maximal individuenreichen ersten Jahrgänge und die Nah-
0,7 m begrenzt werden, um den Erhalt der Über- rungskonkurrenz zwischen den einzelnen Alters-
und Unterwasserpflanzenvegetation zu sichern. stufen stagniert das Wachstum der älteren Fische.
Als Mindestforderung zur Verhinderung einer Die damit verbundene schlechte Kondition dürf-
Einengung des genetischen Potenzials sollte ein te die Hauptursache dafür sein, dass der Anteil
für Fische oder Fischbrut passierbarer Zulauf von von älteren Kleinmaränen auch ohne Fischerei-
der fließenden Welle zum jeweiligen Braunkoh- ausübung unter diesen Bedingungen vergleichs-
lentagebausee oder einer Restseekette gewähr- weise gering ist (Rümmler et al. 2003b, 2005a,
leistet werden. Für den Bau von ablaufseitigen b). Wie die Erfahrungen aus norddeutschen Seen
Fischaufstiegen liegen entsprechende technische zeigen, bestehen aber auch für diese Fische Ab-
Lösungen vor (DVWK 1996; Jens et al. 1997; satzchancen.
Dumont 2006). Die Notwendigkeit der Errich- Die Kleine Maräne wird in der Regel von
tung von Fischwanderhilfen sollte immer im Ein- Juni bis in den Herbst mit Kiemenstellnetzen in
zelfall entschieden werden. den tiefen kalten Zonen des Freiwassers gefan-
gen. Nach den bisherigen Erfahrungen sind die
Absatzmöglichkeiten der Kleinen Maräne im
8.8.8 Fischereiliche Verpachtung und Hofverkauf, überwiegend als Räucherware, be-
Bewirtschaftung der Seen grenzt. Größere Mengen können an Fischereibe-
triebe in Norddeutschland sowie auf Fischer- und
Die Braunkohlentagebauseen werden infolge Volksfesten abgesetzt werden. Im letzteren Fall
ihrer Nährstoffarmut nur relativ niedrige fische- werden die Fische nach dem Fang ausgenom-
reiliche Gesamterträge ermöglichen. Die bis- men, anschließend gefrostet gelagert und später
herigen Prognosen auf der Basis der Phosphor- geräuchert oder frittiert. Qualitätsbeeinträchti-
8 Rekultivierung 567

gungen wurden dabei nicht festgestellt (Rümmler


et al. 2005b).
Daneben wird in den Maränenseen das Auf-
kommen an Hecht, großen Barschen, Zander und
Aal sowie Großmaränen für die Berufsfischerei
von Bedeutung sein. Bis auf den Aal werden
diese Fischarten mit Kiemen-Grundstellnetzen
im tieferen Uferbereich gefangen. Reusenstell-
plätze sind in der Regel nur in geringem Umfang
vorhanden. Für die Angelfischerei sind neben
diesen Arten auch die vorkommenden Karpfen-
artigen wie Plötze und Blei von Interesse.
In den Hecht-Schlei-Seen können als Fang-
geräte der Berufsfischerei im wesentlichen Stell-
netze und Reusen eingesetzt werden.
Die berufsfischereiliche Seenbewirtschaf-
tung der großen Braunkohlentagebauseen wird
sich wie auf den natürlichen Gewässern in den
meisten Fällen ökonomisch nicht selbst tragen
Abb. 8.44   Fischbesatz im Seelhausener See. (Foto:
(Rümmler 2001). LMBV/Radke 2008)
Für die großen Maränenseen zeichnet sich
daher immer mehr eine gemeinsame Nutzung
durch Anglerorganisationen und Berufsfischer Vom Zeitpunkt des Einsetzens der Hegepflicht
als der günstigste Weg ab. Mögliche Rechtsfor- bis zur Verpachtung des Fischereirechts ist der
men können dabei rechtsfähige Vereinigungen, Sanierungsträger für die fischereiliche Hege zu-
Unterverpachtungen oder zivilrechtliche Ver- ständig. In der Regel umfasst diese ein Monito-
einbarungen sein. Die für diese Verfahrensweise ring der Fischbestände und den Maränenbesatz
maßgebenden Gründe sind: auf der Grundlage eines Gutachtens (Abb. 8.44).
• die Hege- und Bewirtschaftungsanforderun- Die fischereilichen Gutachten geben Auskunft
gen der Fischbestände auf großen Gewässern, über den vorhandenen fischereilichen und fisch-
insbesondere der praktisch nicht angelbaren faunistischen Zustand, definieren das fischer-
und als Massenfisch auftretenden Leitfischart eiliche und das fischfaunistische Leitbild und
Kleine Maräne, die nur mit Fangmitteln der benennen die Anforderungen an die zukünftige
Berufsfischerei realisiert werden können Hege und Bewirtschaftung der Fischbestände.
• gegebenenfalls längerer Fischbestandsaufbau Diese Gutachten werden auch durch die Fische-
ohne Erträge für die Berufsfischerei reibehörden zur Umweltverträglichkeitsprüfung
• Bedienung der Pachtpreisforderungen für die im Rahmen der Planfeststellungsverfahren zum
großen Gewässer Gewässerausbau nach § 31 Abs. 2 des Wasser-
• Bestrebungen der Anglerorganisationen nach haushaltsgesetzes gefordert.
umfangreicheren eigenen Gewässerflächen In den Fällen, in denen keine grundbuchli-
• Erhaltung eines Pachtpreisniveaus, das sich an che Übertragung des Eigentums an die Erwerber
der Ertragsfähigkeit der Gewässer orientiert. der Seen schnell erfolgen kann (s. Abschn. 9.4),
Einige kleinere Braunkohlentagebauseen wurden wird das Gewässer im Einvernehmen mit den
bereits an Anglerorganisationen verpachtet, oder Grundstückserwerbern an Berechtigte verpachtet
diese haben Gewässer gekauft. Dieser Trend wird (s. Abschn. 8.8.4 bis 8.8.6).
sich fortsetzen.
568 J. Schlenstedt et al.

8.8.9 Weitere fischereiliche AG Boden (1994) Bodenkundliche Kartieranleitung, 4


Aufl. Hannover
Nutzungsformen AID (1993) Auswertungs- und Informationsdienst für
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten e. V. Waldrän-
Die morphologischen Voraussetzungen für den der gestalten und pflegen Eigenverlag, Bonn
Bau von Karpfenteichen, d. h. flachen ablassba- Al Hussein IA et al (1999) Die Tierwelt der Bergbaufol-
gelandschaften. In: Köck U-V, Oelerich H-M (Hrsg)
ren Gewässern, die zur Karpfenaufzucht vorge- Braunkohlenbergbau-Folgelandschaften in Sachsen-
sehen sind, werden nur selten vorhanden sein. Anhalt. Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt, Son-
Der Bau der Zu- und Ableiter, Dämme und Ab- derheft Braunkohlenbergbau-Folgelandschaften,
fischungseinrichtungen erfordert zusätzliche grö- S 23–40
Amler K et al (1999) Populationsbiologie in der Natur-
ßere Kosten. schutzpraxis: Isolation, Flächenbedarf und Biotop-
In einigen Fällen wird die Errichtung von ansprüche von Pflanzen und Tieren. Eugen Ulmer
Netzgehegeanlagen auf neu entstandenen Braun- Verlag, Stuttgart
kohlentagebauseen durch die Fischerei ange- Arbeitsgemeinschaft Forsteinrichtung (1993) Biotop-
Pflege im Wald: Ein Leitfaden für die forstliche Pra-
strebt werden. Insbesondere die Aufzucht von xis, 4 Aufl. Kilda-Verlag, Greven
Regenbogenforellen steht dabei im Vordergrund. Autorenkollektiv (1982) Empfehlungen zur landwirt-
Die produktionstechnologischen Vorteile von schaftlichen Rekultivierung von Kippen des Braun-
Netzgehegeanlagen auf neutralen Braunkohlen- kohlenbergbaues. (Hrsg: AdL der DDR) Markkleeberg
Barndt D et al (2006) Sukzession der Laufkäferfauna
tagebauseen bestehen vor allem darin, dass im (Coleoptera, Carabidae) in der Bergbaufolgeland-
Vergleich zu den überwiegend eutrophen natür- schaft Grünhaus (Brandenburg: Niederlausitz). Märk
lichen Gewässern auch im Hochsommer in den Ent Nachr 8(1):81–112
tieferen Wasserschichten günstige Temperatur- Bastian O (2003) Naturraum.In: Klausnitzer B, Reinhardt
B (Hrsg, 2003) Beiträge zur Insektenfauna Sachsens.
und Sauerstoffverhältnisse für Forellen herrschen – Mitt Sächs Entomologen Suppl. 1:16–23 (incl. 1
und dadurch eine durchgehende Fütterung mög- Karte)
lich ist. Im Gegensatz zu dem an das Gewässer- Bauch G (1955) Norddeutsche fischereiliche Seentypen.
eigentum gekoppelten Fischereirecht stellt eine Arch Hydrobiol Suppl 22:278–285
Bauch G (1956) Chemismus und Fischnährtierproduktion
Netzgehegeproduktion einen wasserrechtlichen in den von der Kleinmaräne (Coregonus albula L.)
Genehmigungstatbestand dar. Bei der notwen- bewohnten norddeutschen Gewässern. Abhandlun-
digen Betrachtung der Emissionen der Netz- gen und Berichte für Naturkunde und Vorgeschichte,
gehegeproduktion müssen die Auswirkungen Bd. X, Nr. 2, S 15–36
Bauch G (1966) Die einheimischen Süsswasserfische.
des Phosphoreintrags auf die Gewässertrophie Neumann Verlag
im Vordergrund stehen. Eine nachhaltige Ver- Bauer N (2003) Befürwortung oder Ablehnung von Wild-
schlechterung der Gewässergüte ist zu verhin- nis: Einstellung zu „Wildnisgebieten“ im periurbanen
dern. Die Aufstellung einer Phosphorbilanz für Raum. In: Vorträge zur internationalen Fachtagung
„Urwald in der Stadt – Postindustrielle Stadtlandschaf-
das Gewässer, die Bewertung der Einträge durch ten von morgen“. Institut für Ökologie der TU Berlin
die Netzgehegeproduktion und die Festlegung & Projekt Industriewald Ruhrgebiet, Dortmund:32
einer gewässerverträglichen Produktionshöhe BBodSchG (1998) Gesetz zum Schutz vor schädlichen
wurden am Beispiel des Speichers Borna darge- Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten
(Bundes-Bodenschutzgesetz). Bundesgesetzblatt, I.
stellt (Rümmler et al. 2003c). Teil, Nr. 16 vom 24.3.1998
BBodSchV (1999) Bundes-Bodenschutz- und Altlasten-
verordnung. Bundesgesetzblatt, I. Teil, Nr. 36 vom
Literatur 16.7. 1999
Benkwitz S et al (2002) „Arche Noah“ für Pflanzen?
Zur Bedeutung von Altwaldresten für Wiederbesied-
Abo-Rady M et al (1998) Substratansprache auf Kippen lungsprozesse im Tagebaugebiet Goitsche. Hercynia
und Halden des Braunkohlenbergbaus. Schriftenr. 2:147–161
Angew Geowiss 3:21–34 Benndorf D et al (1983) Aerodynamische Grundlagen für
Abresch JP et al (2000) Naturschutz und Braunkohlesa- Windschutzpflanzen. Teil III: Die Schutzwirkung von
nierung. Angewandte Landschaftsökologie 27:1–428 Gehölzstreifensystemen. Zeitschr. f. Meteorologie
Ad-hoc-AG Boden (2005) Bodenkundliche Kartieranlei- 33:226–233
tung. 5. verb. u. erw. Aufl. Hannover
8 Rekultivierung 569

Bergmann S, Witsack W (2002) Zur Arthropodenfauna landschaft am Beispiel der Goitsche. Zwischenbericht
von Tagebaufolgelandschaften Sachsen-Anhalts. I. 2003, Landesverband Sachsen-Anhalt
Landasseln (Oniscoidea, Isopoda, Crustacea). Hercy- Bungart R (1999) Erzeugung von Biomasse zur energe-
nia N F 34:261–283 tischen Nutzung durch den Anbau schnellwachsender
Berkner A (1998) Naturraum und ausgewählte Geo- Baumarten auf Kippsubstraten des Lausitzer Braun-
faktoren im Mitteldeutschen Förderraum – Aus- kohlenreviers. (Cottbuser Schriften zu Bodenschutz
gangszustand, bergbaubedingte Veränderungen, und Rekultivierung Bd 7) Cottbus
Zielvorstellungen. In: Pflug W (Hrsg) Braunkohlenta- Bungart R et al (2004) Schnellwachsende Baumarten in
gebau und Rekultivierung. Landschaftsökologie – Fol- der Bergbaufolgelandschaft. Energetische Nutzung
genutzung – Naturschutz. Springer, Berlin, S 767–779 von Balsampappel, Weide, Aspe. AFZ-DerWald
Berkner A (2001) Projekt Mitteldeutsche Braunkohlen- 59(5):232, 235–237
straße. In: Südraum Journal, Heft 2 Freizeit- und Erho- Conrad M (2007) Zielerreichung und Kosten zur Etablie-
lungslandschaft Südraum Leipzig. Leipzig, S 23–31 rung artenreichen Grünlandes. Dissertation TU Berlin
Berlin K et al (2001) Lösungen zur extensiven und alter- Dageförde A (1998) Vegetationsentwicklung nach Wald-
nativen Nutzung sowie zur Landschaftspflege gehölz- bodenauftrag im Tagebau Reichwalde. In: Bungart
freier Kippenareale im Lausitzer Braunkohlenrevier. R, Hüttl R-F (Hrsg) Landnutzung auf Kippenflächen
In: Sächsische Landesanstalt für Landwirtschaft – Erkenntnisse aus einem anwendungsorientierten
(Hrsg) Multifunktionale Landwirtschaft auf Kippen Forschungsvorhaben im Lausitzer Braunkohlenrevier.
des Braunkohlenbergbaus. (= Schriftenreihe der LfL, Cottbuser Schriften zu Bodenschutz und Rekultivie-
6. Jg., H. 5), S 33–48 rung 2, S 141–152
Bestmann L (1997) Erfahrungen mit Röhrichten an Tal- DIN 18918 Deutsche Industrienorm Ingenieurbiologische
sperren. In: Hacker E (Hrsg) Ingenieurbiologie und Sicherungsweisen, Deutsches Institut für Normung,
stark schwankende Wasserspiegel an Talsperren. 2002-08
Aachen: Selbstverlag Gesellschaft für Ingenieurbio- Donath H (1987a) Vorschlag für ein Libellen-Indikator-
logie e. V., S 107–112 system auf ökologischer Grundlage am Beispiel der
Blumrich H (2003) Prioritäre Naturschutzflächen in der Odonatenfauna der Niederlausitz. Ent Nachr Ber
Bergbaufolgelandschaft Südbrandenburgs (Sanie- 31(5):213–217
rungsberegbau). In: Naturschutz in Bergbauregionen Donath H (1987b) Die Besiedlung von Gewässern in
– Braunkohlenbergbau eine Chance für den Natur- rekultivierten Gebieten des ehemaligen Tagebaues
schutz. Sächsische Akademie für Natur und Umwelt Schlabendorf-Nord (Bezirk Cottbus) durch Odonaten.
6/03, S 120–127 Ent Nachr Ber 31(1):37–43
BNatSchG (2009) Bundesnaturschutzgesetz i. d. F. 29. Donath H (2000) Bergbaufolgelandschaft – Leit- und Ziel-
Juli 2009, BGBl. I, S 2542 arten zur Beurteilung von Naturschutzkonzepten. Teil
Böcker L et al (1999) Zustand, Entwicklung und Behand- 2: Libellen. Biologische Studien Luckau 29:25–41
lung von Waldökosystemen auf Kippenstandorten Donath H (2001) Sukzessionsverlauf und Libellenzö-
des Lausitzer Braunkohlenreviers als Beitrag zur nosen an Tagebauseen im Naturpark Niederlausitzer
Gestaltung ökologisch stabiler, multifunktional nutz- Landrücken. Abhandlungen und Berichte des Natur-
barer Bergbaufolgelandschaften. Abschlußbericht kundemuseums Görlitz 73(1):17–18
Projekt-Nr. 06733, Deutsche Bundesstiftung Umwelt, Donath H (2007) Die Entwicklung der Odonatenfauna im
Osnabrück Gebiet des früheren Braunkohlentagebaus Schlaben-
Böhm C et al (2009) Alley cropping – An option to com- dorf-Süd (Land Brandenburg, Niederlausitz über drei
bine crop and woody biomass production at degraded Jahrzehnte (Odonata). Ent Nachr Ber 51(1):7–13
post-mining sites in Germany, Agroforestry – The Dorsch H, Dorsch I (1988) Analyse der Entwicklung von
Future of Global Land Use, Book of Abstracts, 2nd Vegetation und Avifauna in Tagebaugebieten bei Leip-
World Congress of Agroforestry (Nairobi 2009), S 253 zig. Diss. Akademie d. Landwirtschaftswiss. d. DDR
Böhm C et al (2011) Assessing the short rotation woody Drebenstedt C (1995) Besonderheiten der Inkulturnahme
biomass production on marginal post-mining areas. J kulturfeindlicher Kipprohboden im Lausitzer Braun-
For Sci 57:303–311 kohlenrevier In: Braunkohle 5/1995: 39–47
v. Brandt I, Kucklentz V (1993) Entwicklung von Bio- Drebenstedt C (1998) Planungsgrundlagen der Wieder-
zönosen in einem neugeschaffenen, nutzungsfreien nutzbarmachung. In: Pflug W (Hrsg) Braunkohlen-
Stillgewässer im Vergleich zu benachbarten Fischtei- tagebau und Rekultivierung. Landschaftsökologie
chen. DGL-Tagungsbericht 1992 (Konstanz), Krefeld, – Folgenutzung – Naturschutz. Springer, Berlin,
S 647–657 S 487–512
Brunk I (2007) Diversität und Sukzession von Laufkäfer- Drebenstedt C (2001) Boden. In: Lausitzer und Mittel-
zönosen in gestörten Landschaften Südbrandenburgs. deutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH
Dissertation BTU Cottbus (Hrsg) Wissenschaftliche Begleitung der ostdeut-
BUND (2003) (Bund für Umwelt und Naturschutz schen Braunkohlesanierung. Eigenverlag der LMBV,
Deutschland) Bergbaufolgelandschaften – Chancen S 81–104
zur Integration von Wildnisgebieten in die Kultur- Duis K et al (2001) Grenzen der Säuretoleranz einheimi-
scher Fischarten unter den hydrochemischen Bedin-
570 J. Schlenstedt et al.

gungen der Lausitzer Tagebaurestseen. In: Dethlefsen Generation AG (Hrsg) Die Erle in der Rekultivierung.
V, Hilge V (Hrsg) Aktuelle Probleme der Gewässer- Sonderheft Jahrestagung „Schutzgemeinschaft Deut-
verschmutzung. Arbeiten des Deutschen Fischerei- scher Wald“ 2003, S 10–17
Verbandes, Bd 77. Cottbus, S 67–85 Ertle C et al (2003) Umbau nichtstandortgerechter, junger
Dumbeck G (1996) Rekultivierung unterschiedlicher Kiefern- sowie älterer Birken- und Kiefernerstauf-
Böden und Substrate. In: Blume H-P et al (Hrsg) Hand- forstungen auf Kippen und Halden der Niederlausitz
buch der Bodenkunde. Ecomed-Verlag, Landsberg/ in horizontal und vertikal strukturierte Mischbestände
Lech mit hoher funktionaler Wertigkeit. Abschlussbericht
Dumont U (2006) Hydraulische und geometrische Teilprojekt 1 im Forschungsverbund Waldumbau zur
Dimensionierung von Fischaufstiegsanlagen. In: Nachhaltssicherung der forstlichen Nutzung (FKZ
DWA (Hrsg) Durchgängigkeit von Gewässern für 0339770), FIB Finsterwalde
die aquatische Fauna. DWA-Themen. DWA – Deut- Ertle C et al (2008) Wuchspotential von Stockausschlägen
sche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und der Robinie. AFZ-DerWald 18/2008, S 994–995
Abfall, Hennef, S 31–41 Esfeld K, Hensen I, Wesche K, Jakob S, Tischew S, Blatt-
Dunger W (1968) Die Entwicklung der Bodenfauna auf ner FR (2008) Molecular data indicate multiple inde-
rekultivierten Kippen und Halden des Braunkohlenta- pendent colonizations of former lignite mining areas
gebaues. Ein Beitrag zur pedozoologischen Standort- in Eastern Germany by Epipactis palustris (Orchida-
diagnose. Abhandl. Ber. Naturkundemuseum Görlitz ceae) Biodivers. Conserv. 17, S 2441–2453
43(2):1–256 FBM (Forschungsverbund Braunkohlenfolgelandschaften
Dunger W (1969) Fragen der natürlichen und experimen- Mitteldeutschlands) (1999) Konzepte für die Erhal-
tellen Besiedlung kulturfeindlicher Böden durch Lum- tung, Gestaltung und Vernetzung wertvoller Biotope
briciden. Pedobiologia 9:146–151 und Sukzessionsflächen in ausgewählten Tagebausys-
Dunger W (1998a) Ergebnisse langjähriger Untersuchun- temen. unveröff. Abschlussbericht
gen zur faunistischen Besiedlung von Kippböden. In: Felinks B (2000a) Primärsukzession von Phytozönosen
Pflug W (Hrsg) Braunkohlenbergbau und Rekultivie- in der Bergbaufolgelandschaft. Dissertation BTU
rung – Landschaftsökologie, Folgenutzung, Natur- Cottbus
schutz. Springer, Berlin, S 625–634 Felinks B (2000b) Dynamik der Vegetationsentwicklung
Dunger W (1998b) Immigration, Ansiedlung und Primär- in den terrestrischen Offenlandbereichen der Bergbau-
sukzession der Bodenfauna auf jungen Kippböden. folgelandschaft. In: Wiegleb G, Bröring U, Mrzljak
In: Pflug W (Hrsg) Braunkohlenbergbau und Rekulti- J, Schulz F (Hrsg) Naturschutz in Bergbaufolgeland-
vierung – Landschaftsökologie, Folgenutzung, Natur- schaften – Landschaftsanalyse und Leitbildentwick-
schutz. Springer, S 635–644 lung. Physica, Heidelberg, S 160–176
Durka W et al (1997) Naturschutz in Bergbaufolgeland- Fischer A (1986) Feinanalytische Sukzessionsunter-
schaften des Südraumes Leipzig unter besonderer suchungen in Grünlandbrachen – Vegetationsent-
Berücksichtigung spontaner Sukzession. UFZ-Be- wicklung ungelenkt und nach Begrünung. Veröff.
richt, Nr. 22 Naturschutz u. Landschaftspflege Bad.-Württ. 61,
DVWK (1996) Merkblatt 232 Fischaufstiegsanlagen – S 349–390
Bemessung, Gestaltung, Funktionskontrolle. Wirt- FLB (Forschungsverbund Landschaftsentwicklung Mit-
schafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH teldeutsches Braunkohlenrevier) (2003) Analyse,
Bonn Bewertung und Prognose der Landschaftsentwicklung
Eissing H, von Osten W (2003) Ungepflegte Sehnsüchte. in Tagebauregionen des Mitteldeutschen Braunkoh-
Von Zaubereicheln und Drecksecken. In: Vorträge lenreviers. BMBF-FKZ: 0339747, Abschlussbericht,
zur internationalen Fachtagung „Urwald in der Stadt S 497
– Postindustrielle Stadtlandschaften von morgen“. Freese D (1988) Einfluss verschiedener Meliorations-
Institut für Ökologie der TU Berlin & Projekt Indust- mittel und –verfahren auf den P-Zustand und andere
riewald Ruhrgebiet, Dortmund, S 30 Bodenfruchtbarkeitskennziffern rekultivierter Braun-
ELC (2004) Europäische Landschaftskonvention. Euro- kohlen-Kippsubstrate. Diss. Berlin
parat SEV 176 Frielinghaus M (1998) Bodenbearbeitung und Bodenero-
Emmrich W-D et al (2001) Absterbeerscheinungen in sion. In: KTBL (Hrsg) Bodenbearbeitung und Boden-
Kiefernstangehölzern auf Kippsubstraten. AFZ-Der- schutz – Schlussfolgerungen für gute fachliche Praxis.
Wald 24/2001, S 1296–1299 (= KTBL-Arbeitspapier 266) Darmstadt
Eppert F et al (2000) Entwicklung und Erprobung von Funke T, Witsack W (2002) Zur Arthropodenfauna von
Methoden und Gestaltungskonzepten zur ökologisch Tagebaufolgelandschaften Sachsen-Anhalts. II. Zika-
verträglichen Sanierung von Bergbaufolgelandschaf- den (Auchenorrhyncha, Hemiptera, Insecta) von
ten in ausgewählten litoralen und terrestrischen Berei- Offenlandhabitaten. Hercynia N. F. 35:91–122
chen des Tagebaus Goitsche im Landkreis Bitterfeld. Gaier C et al (2009) Voranbau von Laubholz auf Kipp-
BMBF-FKZ: 0339643/7, Abschlussbericht standorten der Niederlausitz. AFZ-DerWald 18/2009,
Ertle C (2005) Leistungen und Wirkungen der Schwarz- S 992–993
erle nach 40-jähriger Waldgeschichte in der Berg- Gerwin W et al (2009) The artificial catchment ‚Chicken
baufolgelandschaft. In: Vattenfall Europe Mining u. Creek‘ (Lusatia, Germany): A landscape laboratory for
8 Rekultivierung 571

interdisciplinary studies of initial ecosystem develop- Haubold-Rosar M (1994) Bodenphysikalische und


ment. Ecol Eng 35(12):1786–1796 -mechanische Eigenschaften landwirtschaftlich rekul-
Gilcher S, Bruns D (1999) Renaturierung von Abbau- tivierter Böden aus Löß und Geschiebemergel/-lehm
stellen. Reihe Praktischer Naturschutz. Eugen Ulmer sowie Möglichkeiten ihrer Melioration. Diss., Univer-
Verlag, Stuttgart sität Trier
Gläßer C (2001) Fernerkundung. Wissenschaftliche Haubold-Rosar M (1998) Das Niederlausitzer Braunkoh-
Begleitung der ostdeutschen Braunkohlesanierung – lenrevier: Bodensubstrate, landwirtschaftliche und
Forschungsprojekte 1994–2000. LMBV, S 217–235 forstwirtschaftliche Rekultivierung – Bodenentwick-
Gotthold S, Hornburg M (2007) Neu- und Wiederfunde lung. In: Pflug W (Hrsg) Braunkohlenbergbau und
märkischer Prachtkäfer sowie Anmerkungen zu wei- Rekultivierung – Landschaftsökologie, Folgenutzung,
teren Arten unserer Fauna (Coleoptera; Buprestidae). Naturschutz. Springer, Berlin, S 573–588
Märk Entomol Nachr 9(2):245–256 Haubold-Rosar M (2002) Landwirtschaft. In: LMBV
Großer KH (1997) Waldökosysteme im Oberlausitzer (Hrsg) Wissenschaftliche Begleitung der ostdeutschen
Heideland – Möglichkeiten und Grenzen ihrer Ent- Braunkohlesanierung. Berlin, S 132–154
wicklung in der Region des Braunkohlenbergbaues. Haubold-Rosar M, Gast M (2005) Einsatz von Klär-
In: Naturschutz in Bergbauregionen – Umsetzung von schlamm und Kompost bei der landwirtschaftlichen
Naturschutzstrategien im Braunkohlenbergbau. Säch- Rekultivierung von Kippenböden im Lausitzer Braun-
sische Akademie für Natur und Umwelt 2/97, S 65–81 kohlenrevier. Workshop „Klärschlammkompost im
Großer KH (1998) Der Naturraum und seine Umgestal- Landschaftsbau“, Halle/Saale, 23.11.2004, (= Agrar-
tung In: Pflug W (Hrsg) Braunkohlentagebau und technische Berichte aus Sachsen-Anhalt Nr. 3):44–61
Rekultivierung – Landschaftsökologie, Folgenutzung, Haubold-Rosar M, Knoche D (2007) Forest Reclama-
Naturschutz. Springer, Berlin, S 461–474 tion in the Lusatian Coal Mining District (Germany).
Grüttner A (2002) Oberflächenwassermonitoring der Zeszyty Naukowe Uniwersytetu Zielonogόrskiego
Uferzone im Restloch Großkayna in der Jahresscheibe 133:162–172
2002. Abschlussbericht LMBV, Bitterfeld Haubold-Rosar M, Gunschera G (2009) Düngeempfeh-
Grüttner A (2006) Pflanzungen an Seeufern. In: Kirmer lungen für die landwirtschaftliche Rekultivierung von
A, Tischew S (Hrsg), Handbuch naturnahe Begrünung Kippenflächen. (Schriftenreihe des FIB e. V., Bd 1)
von Rohböden. Teubner-Verlag, Wiesbaden, S 59–165 Finsterwalde
Gunschera G (1978) Landwirtschaftliche Rekultivie- Haubold-Rosar M, Neumann T (2009) Bodenstruktur von
rungsmaßnahmen auf quartären bindigen Kippsubst- Kipp-Kalklehmsanden nach unterschiedlicher Pla-
raten in der Niederlausitz. Diss. Halle nierung im Tagebau Jänschwalde, Brandenburg. In:
Gunschera G (1998a) Landwirtschaftlicher Rekultivie- 17. Tagung für Ingenieurgeologie und Forum „Junge
rung. In: Pflug W (Hrsg) Braunkohlentagebau und Ingenieurgeologien“, Zittau, S 263–268
Rekultivierung: Landschaftsökologie, Folgenutzung, Heinkele T et al (1999) Zur Pedogenese pyrit- und koh-
Naturschutz. Springer, Berlin, S 589–599 lehaltiger Kippsubstrate im Lausitzer Braunkoh-
Gunschera G (1998b) Stellung der Landwirtschaft in der lenrevier. In: Hüttl RF, Klem D, Weber E (Hrsg)
Abbauregion. In: Pflug W (Hrsg) Braunkohlentagebau Rekultivierung von Bergbaufolgelandschaften – Das
und Rekultivierung: Landschaftsökologie, Folgenut- Beispiel des Lausitzer Braunkohlereviers. De Gruyter
zung, Naturschutz. Springer, Berlin, S 513–516 Verlag, Berlin, S 45–71
Gunschera G et al (1999) Lösungen zur extensiven und Heinsdorf D (1992) Untersuchungen zur Düngebedürftig-
alternativen landwirtschaftlichen Nutzung sowie keit von Forstkulturen auf Kipprohböden in der Nie-
zur Landschaftspflege gehölzfreier Kippenareale im derlausitz. Habilitationsschrift, TU Dresden
Lausitzer Braunkohlenrevier. Forschungsbericht zum Heinsdorf D (1996) Development of forest stands in the
BMBF-Forschungsvorhaben 0339634, Finsterwalde Lusatian lignite mining district after mineral fertiliza-
Günther R, Podloucky R (1996) Wechselkröte – Bufo tion adapted to site and tree species. Water, Air, and
viridis. In: Günther R (Hrsg) Die Amphibien und Soil Pollution 91, S 33–42
Reptilien Deutschlands. Gustav Fischer Verlag, Jena, Heinsdorf D (1999) Düngung von Forstkulturen auf Lau-
S 322–343 sitzer Kippen. Antworten der Wissenschaft auf Fragen
Hadacova D, Prach K (2003) Spoil heaps from brown coal der Praxis, Eberswalde
mining: Technical reclamation versus spontaneous Henle K et al (1997): Naturschutz in Bergbaufolgeland-
revegetation. Restor Ecol 11(3):385–391 schaften des Südraumes Leipzig unter besonderer
Hartig G, Lemke C (2002) Birkenschneesaat. AFZ-Der- Berücksichtigung spontaner Sukzession. Abschluss-
Wald 4/2002, S 170–173 bericht BMBF FKZ: Z-8802-3525/7
Harrach T (2000) Methodische Ansätze der Bodenbewer- Henle K et al (2001) Vorrangflächen für Naturschutz in
tung auf rekultivierten Bergbauflächen. Mitteilungen der Bergbaufolgelandschaft Westsachsens und Nord-
Deutsche Bodenkundliche Gesellschaft 93:258–261 thüringens. Abschlussbericht, Umweltforschungszen-
Haubold W et al (1998) Standortkundliche Grundlagen. trum Leipzig-Halle GmbH, FKZ: 0339721/6
In: Pflug W (Hrsg) Braunkohlentagebau und Rekul- Hetsch W, Hanskötter B (2000) Anlage, Förderung und
tivierung: Landschaftsökologie, Folgenutzung, Natur- Nutzung von Pionierwaldgesellschaften auf ter-
schutz. Springer, Berlin, S 536–558 tiären Rohböden des Braunkohlenbergbaus. FHS
572 J. Schlenstedt et al.

Hildesheim/Holzminden, Göttingen. Unveröff. Katzur J, Böcker L (2010) Chronik der Rekultivierungs-


Abschlussbericht forschung und Ladschaftsgestaltung im Lausitzer
Heusohn R (1929) Praktische Kulturvorschläge für Kip- Braunkohlenrevier bis 1990. Weißensee Verlag, Berlin
pen, Bruchfelder, Dünen und Ödländereien. Verlag Katzur J, Hanschke L (1990) Pflanzenerträge auf melio-
J.Neumann-Neudamm rierten schwefelhaltigen Kippböden und die boden-
Heyde K et al (1998) Biotoptypen der Braunkohlen- kundlichen Zielgrößen der landwirtschaftlichen
Bergbaufolgelandschaften Mitteldeutschlands. For- Rekultivierung. Arch. Acker- u. Pflanzenbau und
schungsverbund Braunkohlentagebaulandschaften Bodenkunde 34:35–43
Mitteldeutschlands (FBM) Katzur J, Haubold-Rosar M (1997) Zum Kulturwert der
Huth J (2004) Libellen. In: Tischew S (Hrsg) Renaturie- Deckgebirgsschichten und zur Bodentypenentwick-
rung nach dem Braunkohlenabbau. Teubner, Stuttgart, lung auf den Kippenstandorten der Lausitz. Braun-
S 161–163 kohle – Surface Mining 49:587–594
Huth J et al (2004a) Biotoptypen in der Bergbaufolge- Katzur J, Herbert P (1980) Die Bedeutung der Melio-
landschaft. In: Tischew S (Hrsg) Renaturierung nach rationstiefe für die Fruchtbarkeit der meliorierten
dem Braunkohlenabbau. Teubner, Stuttgart, S 31–68 schwefelhaltigen Kippböden, dargestellt am Beispiel
Huth J et al (2004b) Einwanderungsverhalten von Tieren: praktischer Großversuche. Archiv Acker- und Pflan-
Ein Exkurs über Libellen und Amphibien. In: Tischew zenbau u. Bodenk. 6:335–342
S (Hrsg) Renaturierung nach dem Braunkohlenabbau. Katzur J, Liebner F (1998) Effects of superficial tertiary
Teubner, Stuttgart, S 161–163 dump substrates and recultivation variants on acid out-
Hüttl RF (2005) Innovationen aus der Rekultivierungs- put, salt leaching and development of seepage water
forschung. In: Internationales Symposium Change quality. In: Geller W, Klapper H, Salomons W (Hrsg)
– Landschaft und Energie 9.–10.6. 2005. Cottbus, Acidic mining lakes: Acid mine drainage, limnology
Tagungsband, S 15–19 and reclamation. Environmental Science. Springer,
Hüttl RF, Weber E (2001) Forest ecosystem development Berlin, S 251–265
in post-mining landscapes: a case study of the Lusa- Katzur J, Lorenz W-D (1976) Die Fruchtbarkeit melio-
tian lignite district. Naturwissenschaften 88:322–329 rierter schwefelhaltiger Kippböden in Abhängigkeit
Hüttl RF et al (2004) Leitfaden zum Einsatz von Kompost von der Meliorationstiefe. Neue Bergbautechnik
und Klärschlamm bei der Rekultivierung. Cottbuser 7:541–545
Schriften zur Ökosystemgenese und Landschaftsent- Katzur J, Zeitz J (1985) Bodenfruchtbarkeitskennzif-
wicklung 3:1–123 fern zur Beurteilung der Qualität der Wiederurbar-
IFAG (2003) Karte der Bundesrepublik Deutschland, machung, schwefelhaltiger Kippböden. Archiv für
Landschaften 1:1.000.000, Institut für angewandte Acker- u. Pflanzenbau und Bodenkunde 29:195–203
Geodäsie, Frankfurt a. M Katzur J et al (1998) Zu den Auswirkungen der Melio-
Illner K, Katzur J (1964) Betrachtungen zur Bemessung rationstiefe auf das Waldwachstum der Kippen-
der Kalkgaben auf schwefelhaltigen Tertiärkippen. Z. Erstaufforstungen. Beitr. Forstw. u. Landsch.ökol.
Landeskultur 5:287–295 32(4):170–178
Illner K, Katzur J (1969) Untersuchungen zur optimalen Katzur J et al (2000) Ertragskundliche Untersuchungen
Nährstoffversorgung während der Rekultivierung von auf Rekultivierungsflächen im Lausitzer Braunkoh-
Kippen. Ztschr. f. Landeskultur 10, S 169–176 lenrevier. In: Broll G, Dunger W, Keplin B, Topp W
Illner K, Lorenz WD (1977) Landwirtschaftliche Rekul- (Hrsg) Rekultivierung in Bergbaufolgelandschaften.
tivierung von meliorierten schwefelhaltigen Kipproh- Springer, Berlin, S 147–172
böden. Technik und Umweltschutz 18:130–139 Katzur J et al (2002) Kennwerte und Eigenschaften der
Jens G et al (1997) Fischwanderhilfen – Notwendigkeit, auf Braunkohlenbasis durch oxidative Ammonolyse
Gestaltung, Rechtsgrundlage. Schriftenreihe des Ver- hergestellten Humusdüngestoffe. Arch Agron Soil Sci
bandes Deutscher Fischereiverwaltungsbeamter und 48:637–646
Fischereiwissenschaftler e. V. Heft 11 Katzur J et al (2003) Düngewirkung der N-modifizier-
Katzur J (1971) Die Bodenmelioration extrem saurer ten Braunkohle und ihre Auswirkungen auf Pflanze,
Kippsandböden. Dissertation, HU Berlin Boden und N-Auswaschungsverluste. Arch Agron
Katzur J (1987) Zur Entwicklung der Humusverhält- Soil Sci 49:61–75
nisse auf den meliorierten schwefelhaltigen Kippbö- Keil A (2003) Industriebrachen – Innerstädtische Nut-
den. Arch. Acker-Pflanzenbau Bodenkunde 31,4, S zungs-, Wahrnehmungs- und Erholungsräume. In:
239–247 Vorträge zur internationalen Fachtagung „Urwald in
Katzur J (1997) Bergbaufolgelandschaften in der Lau- der Stadt“ – Postindustrielle Stadtlandschaften von
sitz – Naturraumpotentiale und Naturressourcen im morgen“. Institut für Ökologie der TU Berlin & Pro-
Braunkohlenrevier. Naturschutz u. Landschaftspla- jekt Industriewald Ruhrgebiet, Dortmund, S 21
nung 29(4):114–121 Kiehl K et al (2009) Species introduction in restora-
Katzur J (1998) Melioration schwefelhaltiger Kippböden. tion projects – evaluation of different techniques
In: Pflug W (Hrsg) Braunkohlentagebau und Rekul- for the establishment of semi-natural grasslands in
tivierung. Landschaftsökologie – Folgenutzung – Central and Northwestern Europe. Basic Appl Ecol
Naturschutz. Springer, Berlin, S 559–572 11:285–299
8 Rekultivierung 573

Kirmer A (2004a) Methodische Grundlagen und Köck UV (1999) Naturschutzaspekte im Rahmen der
Ergebnisse initiierter Vegetationsentwicklung auf Bergbauverbundforschung des BMBF. Schriftenr. d.
xerothermen Extremstandorten des ehemaligen Braun- Dt. Rates f. Landespflege 70:41–45
kohlentagebaus in Sachsen-Anhalt. Diss. Botanicae Köck UV (2001) Naturschutz. Wissenschaftliche Beglei-
Kirmer A (2004b) Beschleunigte Entwicklung von Offen- tung der ostdeutschen Braunkohlesanierung. LMBV
landbiotopen auf erosionsgefährdeten Böschungs- mbH, Berlin, S 155–192
standorten. In: Tischew S (Hrsg) Renaturierung nach Köck UV et al (1998) Konzepte für die Erhaltung, Gestal-
dem Braunkohleabbau. Teubner-Verlag, Wiesbaden, tung und Vernetzung wertvoller Biotope und Suk-
S 234–248 zessionsflächen in ausgewählten Tagebausystemen;
Kirmer A, Mahn EG (2001) Spontaneous and initiated Forschungsverbund, Abschlussbericht, FKZ: 0339647
succession on unvegetated slopes in the abandoned Kowarik I (1992) Das Besondere der städtischen Flora
lignite strip mining area of Goitsche, Germany. J. Appl und Vegetation. Schriftenr. des Dt. Rates f. Landes-
Veg Sci 4:19–27 pflege 61:33–47
Kirmer A, Tischew S (Hrsg) (2006) Handbuch naturnahe Kowarik I, Seitz B (2003) Perspektiven für die Verwen-
Begrünung von Rohböden. Teubner-Verlag, Wiesba- dung gebietseigener Gehölze. Neobiota 2:3–26
den, 195 S Knösche R (1998) Ordnungsgemäße fischereiliche
Kirmer A et al (2008) Importance of regional species Bewirtschaftung natürlicher Gewässer unter beson-
pools and functional traits in colonization processes: derer Berücksichtigung der Verhältnisse im nord-
predicting re-colonization after large-scale destruction deutschen Tiefland. Ministerium für Ernährung,
of ecosystems. J Appl Ecol 45:1523–1530 Landwirtschaft und Forsten des Landes Brandenburg
Kirmer A et al (2009) Renaturierung über Initialenset- Knösche R (2002) Karpfenbesatz in freien Gewässern –
zungen – naturnahe Methoden zur Beschleunigung pro und contra. Fischer & Teichwirt 53:376–378
der Vegetationsentwicklung. In: Zerbe S, Wiegleb G Kröber M et al (2008) Energieholzanbau aus der Sicht des
(Hrsg) Renaturierung von Ökosystemen in Mittel- Landwirts – dafür oder dagegen? Einflüsse betriebli-
europa. Springer, Berlin, S 372–380 cher und regionaler Rahmenbedingungen auf die Ent-
Kirmer A, Tischew S (2009): Spontane Besiedelung von scheidung zur Anlage von Kurzumtriebsplantagen. In:
Bergbaufolgelandschaften. Chancen und Perspektiven Cottbuser Schriften zur Ökosystemgenese und Land-
für den Naturschutz. Artenschutzreport 25:38–41 schaftsentwicklung, Bd 6. Cottbus, S 1–14
Klapper H et al (2001) Bergbaufolgegewässer. In: Hand- Krüssmann G (1997) Die Baumschule – Ein praktisches
buch Angewandte Limnologie – 13.Erg.Lfg. 11, V – Handbuch für Anzucht, Vermehrung, Kultur und
1.3 Absatz der Baumschulpflanzen. P. Parey, Berlin
Knoche D (2001) Forstliche Rekultivierung. In: Lausit- Land Brandenburg (2000) Richtlinie des OLB für die
zer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesell- Wiedernutzbarmachung bergbaulich in Anspruch
schaft mbH (Hrsg) Wissenschaftliche Begleitung der genommener Bodenflächen
ostdeutschen Braunkohlesanierung. Eigenverlag der Landeck I (1996) Diasporenangebot im Umland der
LMBV, S 105–131 Tagebaue des Untersuchungsgebietes und die Wieder-
Knoche D (2005) Effects of stand conversion by thinn- besiedlung der Kippen und Halden durch Flora und
ning and underplanting on water and element fluxes Wirbellose (Käfer, Ameisen, Spinnen, Libellen, Heu-
of a pine ecosystem (P. sylvestris L.) on lignite mine schrecken). – Tagungsband (Ergebnispräsentation)
spoil. For Ecol Manag 212:1–3, 214–220 des BMBF-Förderprojektes „Schaffung ökologischer
Knoche D, Ertle C (2007) Infektion von Kiefernerstauf- Vorrangflächen bei der Gestaltung der Bergbaufolge-
forstungen (P. sylvestris L.) durch Wurzelschwamm landschaft“. Forschungsinstitut für Bergbaufolgeland-
(H. annosum (Fr) Bref.) im Lausitzer Braunkohlere- schaften e. V., Finsterwalde, S 93–127
vier – Einfluss der Kippbodeneigenschaften auf die Landeck I, Wiedemann D (2000) Das NSG Grünhaus –
Befallsdisposition. Archiv f. Forstwesen u. Landsch. Rückzugsgebiet und Ausbreitungszentrum für gefähr-
ökol.41 3:105–112 dete Tierarten in der Bergbaufolgelandschaft. Natur
Knoche D, Haubold-Rosar M (2004) Grundkalkung stark und Landschaft der Niederlausitz 20:3–20
schwefelsaurer Kippsande des Braunkohlenbergbaus Landeck I et al (2000a) Untersuchungen zur Bodenvege-
– Ein praxisnaher Technikversuch. Arch Agronom tation ostsächsischer Kippenforsten. Forstwirtschaft
Soil Sci 50(4/5):377–387 und Landschaftsökologie 34(1):20–28
Knoche D et al (2002) Water and element fluxes of red Landeck I et al (2000b) Blütenangebot und blütenbesu-
oak ecosystems during stand development on post- chende Insekten – Ökologische Ausgleichsfunktion
mining sites (Lusatian lignite district). Water Air Soil gehölzfreier Areale. In: Sächsiche Landesanstalt für
Pollut 141:219–231 Landwirtschaft (Hrsg) Landwirtschaft auf Rekultivie-
Kopp D, Schwanecke W (1994) Standörtlich-naturräum- rungsflächen, Dresden, S 17–21
liche Grundlagen ökologiegerechter Forstwirtschaft: Landeck I (2002) Nektarpflanzen der Borstigen Bol-
Grundzüge von Verfahren und Ergebnissen der forst- chwespe Scolito hirta in der Lausitz (Mitteleuropa)
lichen Standortserkundung in den fünf ostdeutschen bei Berücksichtigung von Blütenfarbe, Blüten- und
Bundesländern. Deutscher Landwirtschaftsverlag, Blütenstandsmorphologie (Hymenoptera, Scolidae).
Berlin Entomol Gener 26(2):107–120
574 J. Schlenstedt et al.

Landeck I et al (2005) Beobachtungen zu Blütenbesuchern Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft


an Färber-Resede (Reseda luteola L.) [Resedaceae] mbH. Berlin
und Saflor (Carthamus tinctorius L.) [Asteraceae] – LMBV (2000) Begrünung aus naturschutzfachlicher
Ein Beitrag zur ökologischen Bedeutung des Anbaus Sicht. Naturschutzfachliche Begleitung, Bitterfeld,
von Färberpflanzen. Ent Nachr Ber 49(1):15–24 S. 26
Landeck I, Ertle C, Böcker L (2006) Xylobionte Käfer LMBV (Hrsg) (2007) Arbeitsanleitung zum „Bodengeo-
in Waldumbaubeständen auf Kippenflächen in Süd- logischen Kartierungsbericht“ in der Lausitzer und
Brandenburg und Ost-Sachsen. Archiv f. Forstwesen Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft
Landsch.ökol. 40(3):126–139 mbH. 2. Aufl. Berlin
Landeck I, Knoche D, Leiberg C (2007) Monitoring- LMBV, Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwal-
konzeptes am Beispiel der Bergbaufolgelandschaft tungsgesellschaft mbH (1998) Forstwirtschaftliche
„Naturparadies Grünhaus“. Arbeitsbericht 2007, Rekultivierung und Naturschutz in der Bergbau-
Deutsche Bundesstiftung Umwelt, Osnabrück folgelandschaft – ein Widerspruch? Broschüre der
Landgraf D, Böcker L (2009) Regionale Wertschöpfungs- Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungs-
ketten im Rahmen der Nutzung schnellwachsender gesellschaft mbH Berlin
Baumarten im ländlichen Raum am Beispiel Süd- Lorenz WD (1967) Untersuchungen über die Wieder-
brandenburgs. In: Reeg T, Bemmann A, Konold W, urbarmachung von kulturfeindlichen Kippen nach
Murach D, Spiecker H (Hrsg) Anbau und Nutzung dem Domsdorfer Verfahren. Disseration Berlin
von Bäumen auf landwirtschaftlichen Flächen. Wiley- Lorenz A (2004a) Initiierung einer naturnahen Waldent-
Verlag CH, Weinheim, S 125–133 wicklung über Birken- und Birken-Kiefernsaat. In:
Landgraf D et al (2003) Etablierung mehrjähriger Son- Tischew S (Hrsg) Renaturierung nach dem Braunkoh-
der- und Wildobstkulturen als ein Beitrag zur Stabi- leabbau. Teubner, Stuttgart, S 142–146
lisierung ökologischer Funktionen von Offenflächen Lorenz A (2004b) Initiierung einer naturnahen Waldent-
und zur Sicherung der Erwerbstätigkeit im ländlichen wicklung über Birken- und Birken-Kiefernsaat. In:
Raum – Abschlussbericht – BMBF FKZ: 033 9749 Tischew S (Hrsg) Renaturierung nach dem Braunkoh-
Landgraf D et al (2006) Primäre Energiewirtschaft mit lenabbau. Teubner-Verlag, Wiesbaden, S 263–272
Holzfeldern – Entwicklungschancen für die Landwirt- Lorenz A (2006) Ansaaten (Gehölze) Hinweise für die
schaft. Energie & Pflanzen I/2006, S 14–20 praktische Umsetzung. In: Kirmer A, Tischew S
Landgraf D et al (2007) Holz vom Feld als Möglichkeit (Hrsg) Handbuch naturnahe Begrünung von Rohbö-
der Holzmarktentlastung am Beispiel Brandenburgs. den. Teubner Verlag, Wiesbaden, S 118–131
Forst und Holz 62/11, S 18–21 Lorenz WD, Katzur J (1978) Zum Einfluss einer P-K-
LAUBAG (1991) Bericht über das erste Geschäftsjahr der Tiefendüngung bei der Grundmelioration auf die
Lausitzer Braunkohle Aktiengesellschaft Fruchtbarkeit schwefelhaltiger Kippböden. Neue
Laves D, Franko U, Thum J (1993) Umsatzverhalten Bergbautechnik 11:643–647
fossiler organischer Substanzen. Archiv für Acker- u. Lorenz A, Tischew S (2004) Strategien einer nachhalti-
Pflanzenbau und Bodenkunde 37, S 211–219 gen Entwicklung von Bergbaufolgelandschaften. In:
LAWA (1998) Gewässerbewertung – Stehende Gewässer. Tischew S (Hrsg) Renaturierung nach dem Braunkoh-
Länderarbeitsgemeinschaft Wasser lenabbau. Teubner, Stuttgart, S 283–294
Lebert M, Stahl H (2001) Auswirkungen der acker- Lorenz WD et al (1968) Zur Bildung von Standortgrup-
baulichen Nutzung von Bergbaufolgeflächen auf pen und zur Baumartenwahl auf Kippstandorten in der
die Bodenfunktionen sowie die Wirtschaftlichkeit. Niederlausitz. Veröffentl. Inst. f. Landschaftspflege d.
In: Sächsische Landesanstalt für Landwirtschaft H U Berlin 2, S 1–29
(Hrsg) Multifunktionale Landwirtschaft auf Kippen Lorenz WD et al (1970) Die Methoden der Klassifizierung
des Braunkohlenbergbaus. Schriftenreihe der LfL von Standorten auf Kippen und Halden des Braunkoh-
6(5):1–32 lenbergbaues. Archiv Forstwesen 12:1295–1309
Lenhart B, Steinberg C (1992) Gewässerversauerung. In: Lorenz A et al (2009) Analyse der Skzessionsdynamik
Besch et al (Hrsg) Limnologie für die Praxis. ecomed spontan entwickelter Wälder auf Kippenflächen der
Verlag, S 384–390 ehemaligen ostdeutschen Braunkohlentagebaue.
LENAB (Forschungsverbund Leitbilder für naturnahe Forstarchiv 80, S 151–162
Bereiche) (1998) Erfassung und Bewertung des Mahn EG, Tischew S (1995) Spontane und gelenkte Suk-
Entwicklungspotenzials naturnaher terrestrischer, zession in Braunkohlentagebauen – Eine Alternative
semiaquatischer und aquatischer Bereiche der Nieder- zu traditionellen Rekultivierungsmaßnahmen? Ver-
lausitz und Erarbeitung von Leitbildern und Hand- handl Ges Ökol 24:585–592
lungskonzepten für die verantwortliche Gestaltung Marzini K, Vollrath B (2003) Versuche der LWG mit
und nachhaltige Entwicklung. Unveröff. Abschluss- gebietsheimischen Gehölzen. BfN-Skripten 96:63–67
bericht 1998 FKZ BMBF: 0339648 Middelschulte D et al (1992) Melioration und boden-
LMBV (Hrsg) (1998) Arbeitsanleitung zum „Bodengeo- schonende Bewirtschaftung rekultivierter Böden aus
logischen Kartierungsbericht“ in der Lausitzer und Löss im Rheinischen Braunkohlenrevier – Wurzel-
wachstum und Erträge. Mitt Ges Pflanzenbauwiss
5:209–212
8 Rekultivierung 575

Möckel R (2002) Naturschutzfachliche Bewertung der Rauhut H (1998) Gezielter Umgang mit kulturfähigen
Wiederherstellung des bergbaulich gestörten Was- Substraten als Grundlage einer erfolgreichen und
serhaushaltes in der Niederlausitz. Naturschutz in wirtschaftlichen Rekultivierung. In: DEBRIV (Hrsg)
Bergbauregionen – Vorsorge in der Region und Ent- Rekultivierungskongress „Neue Landschaft folgt dem
wicklung in der Bergbaufolgelandschaft. Sächsische Tagebau“ Köln/Brauweiler 1998, S 69–73
Akademie für Natur und Umwelt 2/02:72–89 Reh W, Seitz A (1993) Populationsstudien beim Gras-
Möckel R (2005) Die Bedeutung der Seevogelinseln in frosch – Ein Beitrag der Populationsbiologie zu Land-
der Bergbaufolgelandschaft. In: Naturschutz in Berg- schaftsplanung und Biotopverbund. Naturschutz und
bauregionen – Naturschutz und Tourismus in der Landschaftsplanung, S 10–16
Bergbaufolgelandschaft. Sächsische Akademie für Reuter M, Oelerich M (2004) Auswirkungen von Flu-
Natur und Umwelt 5: 63–77 tungsprozessen auf die Entwicklung von Röhrichten.
Müller L et al (2001a) Schutzwürdigkeitsgutachten für In: Tischew S (Hrsg) Renaturierung nach dem Braun-
das geplante Naturschutzgebiet „Bergbaufolgeland- kohlenabbau. Teubner, Stuttgart, S 225–227
schaft Grünhaus“. Lausitzer und Mitteldeutsche Berg- RLW (1999) DVWK-Regeln 137/1999, Richtlinien für
bau-Verwaltungsgesellschaft mbH, Brieske den ländlichen Wegebau
Müller L et al (2001b) Schutzwürdigkeitsgutachten NSG Rümmler F (2001) Fische und Fischerei in Braunkohleta-
„Westteich Tröbitz“ (Überarbeitung der vorhandenen gebaurestseen. In: Dethlefsen V, Hilge V (Hrsg) Aktu-
Schutzwürdigkeitsgutachten für das NSG). Lausitzer elle Probleme der Gewässerverschmutzung. Arbeiten
und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft des Deutschen Fischerei-Verbandes 77:86–106
mbH, Brieske Rümmler F, Schiewe S (1999) Untersuchungen zu den
Müller-Westermeyer G (1996) Klimadaten Deutsch- fischereilichen Nutzungsmöglichkeiten von Braun-
land 1961–1990. Selbstverlag des Deutschen kohlentagebaurestseen. Abschlußbericht zum For-
Wetterdienstes schungsvorhaben Nr. 0339673 BMBF
Neiss T (2003) Industriewald Ruhrgebiet: Auferstanden Rümmler F et al (2003a) Die fischereiliche Nutzung von
aus Ruinen? Konzepte zu einer neuen Stadt-Natur. Braunkohlentagebaurestseen. Schriftenreihe der Säch-
Vorträge zur internationalen Fachtagung „Urwald in sischen Landesanstalt für Landwirtschaft, Nr. 8,
der Stadt – Postindustrielle Stadtlandschaften von S 1–12. www.landwirtschaft.sachsen.de/lfl/publika-
morgen“, Institut für Ökologie der TU Berlin & Pro- tionen/download/962_1.pdf
jekt Industriewald Ruhrgebiet, Dortmund, S 15 Rümmler F et al (2003b) Untersuchung der Fischbestände
Nowel W et al (1994) Geologie des Lausitzer Braunkoh- in bestehenden sächsischen Braunkohlentagebaurest-
lenbergbaus, LAUBAG, Senftenberg seen. Schriftenreihe der Sächsischen Landesanstalt für
Oelerich H-M (2000) Zur Geradflüglerfauna der Braun- Landwirtschaft, Nr. 8, H. 4, S 13–35. www.landwirt-
kohlen-Bergbaufolgelandschaften Sachsen-Anhalts schaft.sachsen.de/lfl/publikationen/download/962_1.
(Dermaptera, Blattoptera, Ensifera, Caelifera). Hercy- pdf
nia N. F. 33:117–154 Rümmler F et al (2003c) Entwicklung der fischereilichen
Olschowy G (1993) Bergbau und Landschaft. Paul Parey, Seenbewirtschaftung und Nährstoffeinträge durch
Hamburg, S 1–215 die Netzgehegeproduktion auf dem Speicherbecken
Pardey A (1997) Anpassung von Uferpflanzen stehen- Borna. Schriftenreihe der Sächsischen Landesanstalt
der Gewässer bei starken Wasserspiegelschwankun- für Landwirtschaft, Nr. 8, S 36–53. www.landwirt-
gen. In: Hacker E (Hrsg) Ingenieurbiologie und stark schaft.sachsen.de/lfl/publikationen/download/962_1.
schwankende Wasserspiegel an Talsperren. Aachen: pdf
Selbstverlag, Gesellschaft für Ingenieurbiologie e. V., Rümmler F et al (2004) Fischereiliche Bewirtschaftung
S 51–71 von Braunkohlentagebauseen – Möglichkeiten und
Pietsch W (1998) Naturschutzgebiete zum Studium der Besonderheiten. Aktuelle Probleme der Gewässer-
Sukzession der Vegetation in der Bergbaufolgeland- verschmutzung. In: Lukowicz M, Hilge H (Hrsg)
schaft. In: Pflug W (Hrsg) Braunkohlentagebau und Fischereiliche Bewirtschaftung künstlich angelegter
Rekultivierung – Landschaftsökologie, Folgenutzung, stehender Gewässer. Arbeiten des Deutschen Fischerei-
Naturschutz. Springer, Berlin, S 677–686 Verbandes, S 29–57
Preußner K (1998) Wälder und Forste auf Kippenstand- Rümmler F et al (2005a) Die Entwicklung der Fischbe-
orten. In: Pflug W (Hrsg) Braunkohlentagebau und stände und der Fischerei auf den neu entstehenden
Rekultivierung. Landschaftsökologie – Folgenutzung Braunkohlentagebauseen im Osten Deutschlands. In:
– Naturschutz. Springer, Berlin, S 600–609 Keiz G (Hrsg) Über Fische und Fischerei in künstlich
Preußner K (2001) Waldbrandschutz und Rekultivierung angelegten stehenden Gewässern. VDSF-Schriften-
in der Niederlausitz. Chancen für eine Region. AFZ- reihe Fischerei und Naturschutz, Nr. 7, S 55–73
Der Wald 56/11, S 566–567 Rümmler F et al (2005b) Erschließung neuer Ressourcen
Preußner K (2009) Forstliche Rekultivierung als Beitrag durch Maränenbewirtschaftung von Tagebaurestseen
zum Waldumbau. In: Schutzgemeinschaft Deutscher in Sachsen. Schriftenreihe der Sächsischen Landesan-
Wald (SDW) (Hrsg) Neuer Wald – Forstliche Rekulti- stalt für Landwirtschaft, Nr. 10, 14, S 54–139. www.
vierung im Lausitzer Braunkohlenrevier, S 31–39 landwirtschaft.sachsen.de/lfl/publikationen/down-
load/1698_1.pdf)
576 J. Schlenstedt et al.

Saupe G (1998) Entwicklung und Gestaltung von Stolle M (2003) Hinweise zur Planung von Begrü-
Erholungsgebieten in Bergbaufolgelandschaften, nungs- und Rekultivierungsmaßnahmen im zukünf-
Abschlussbericht FKZ: 0339682 tigen Uferbereich. In: FLB – Forschungsverbund
Schlenstedt J (1999) Aktuelle Entwicklungen von Natur- Landschaftsentwicklung Mitteldeutsches Braun-
schutz in der laufenden Sanierung. In: Ammermann kohlenrevier: Analyse, Bewertung und Prognose der
K, Abresch J-P (Hrsg) Naturschutz und Bergbaufolge- Landschaftsentwicklung in Tagebauregionen des
landschaft, BfN-Skripten 28 Mitteldeutschen Braunkohlenreviers. BMBF-FKZ:
Schlenstedt J (2003) Naturschutzfachliche Begleitung 0339747, Schlussbericht, S 439–443
und Verwertung von für den Naturschutz bedeutsamen Stolle M, Sonntag HW (2004) Ufersicherung im Vorfeld
Flächen. In: Naturschutz in Bergbauregionen – Säch- der Flutung. In: Tischew S (Hrsg) Renaturierung nach
sische Landesstiftung Natur und Umwelt dem Braunkohlenabbau. Teubner-Verlag, Wiesbaden,
Schmalwasser T, Strittmatter K (2001) Auswirkungen der S 248–263
Beweidung auf die Standortparameter von Kippen- Stolle M, Tischew S (2004) Regenwürmer als Bioindi-
böden unter Berücksichtigung der Eignung verschie- katoren für die Bodengenese. In: Tischew S (Hrsg)
dener Schafrassen. In: Sächsische Landesanstalt für Renaturierung nach dem Braunkohlenabbau. Teubner,
Landwirtschaft (Hrsg) Multifunktionale Landwirt- Stuttgart, S 142–146
schaft auf Kippen des Braunkohlenbergbaus. (Schrif- Striese G (2004) Förderung von Intermediär- und Klimax-
tenreihe der LfL, 6. Jg., H. 5) S 57–78 stadien des Waldes über Saat. In: Tischew S (Hrsg)
Schneider B-U et al (2004) Produktion von Holz auf Neu- Renaturierung nach dem Braunkohlenabbau. Teubner,
landstandorten. Bornimer Agrartechnische Berichte Stuttgart, S 273–278
35:41–52 Tenholtern R, Harrach T (1997) Das Bodenqualitätsziel
Schröder D et al (1985) Eigenschaften, Entwicklung und – Bodendichte – in Regosolen und Pararendzinen
Wert rekultivierter Böden aus Löss im Gebiet des aus unterschiedlichen Substraten im rheinischen und
Rheinischen Braunkohlentagebaues. Z Pflanzenernähr im westsächsischen Braunkohlenrevier. Mitteilun-
Bodenk 148:131–146 gen Deutsche Bodenkundliche Gesellschaft, 85(III):
Schwabe H (1970) Ergebnisse der forstlichen Rekultivie- 1359–1362
rung auf vorwiegend kulturfreundlichem Abraumma- TGL 28039/04 (1984) Fachstandard Flurholzwirtschaft,
terial des Braunkohlenbergbaues in der Niederlausitz. Funktionstyp Windschutzpflanzung
Dissertation TU Dresden Thomasius H, Häfker U (1998) Forstwirtschaftliche
Selent H et al (1999) Wald- und Forstökosysteme auf Rekultivierung. In: Pflug W (Hrsg) Braunkohlentage-
Kippen des Braunkohlenbergbaus in Mitteldeutsch- bau und Rekultivierung. Landschaftsökologie – Fol-
land – ihre Entstehung, Dynamik, Produktivität und genutzung – Naturschutz. Springer, Berlin, S 839–872
Bewirtschaftung. Forst Holz 54:231–236 Thomasius H et al (1997) Zustand, Entwicklung und
Stähr F (2003) Interaktion zwischen Boden und multifunktionale Wirkung von Wald- und Forstöko-
Bestockung auf Kippenstandorten des Niederlau- systemen auf Kippen und Halden des Mitteldeutschen
sitzer Braunkohlenrevieres am Beispiel der Rekulti- Braunkohlenbergbaus in Abhängigkeit vom Geotop,
vierungsbaumarten Gemeine Kiefer, Gemeine Birke von der Rekultivierungsart und der waldbaulichen
und Traubeneiche. – Wachstums-, ernährungs- und Behandlung. Deutsche Bundesstiftung Umwelt, Osna-
bodenkundliche Untersuchungen. Diss. Techn. Univ. brück, unveröff. Abschlussbericht zum Forschungs-
Dresden, S 1–198 projekt (Az: 05168), S 309
Stähr F, Katzur J (2005) Ertragsleistung und Wuchsgang Thomasius H et al (1999) Wald- und Forstökosysteme auf
von Traubeneichen-Erstaufforstungen auf Kippen- Kippen des Braunkohlenbergbaus in Sachsen – ihre
standorten des Lausitzer Braunkohlenrevieres. Beitr Entstehung, Dynamik und Bewirtschaftung. Schrif-
Forstwirtsch Landschökol 39(4):180–188 tenreihe der Sächsischen Landesanstalt für Forsten
Sternberg K, Buchwald R (2000) Die Libellen Baden- 17:1–71
Württembergs Bd 2 Großlibellen (Anisoptera), Lite- Thum J (1974) Über die Variabilität von Kippenboden-
ratur. Verlag Eugen Ulmer, Stuttart eigenschaften und den notwendigen Stichpropen-
Stock O (2005) Untersuchungen zum Verfestigungsver- umfang für flächenbezogene Mittelwerte. Arch
halten saalezeitlichen Geschiebemergels am Beispiel Acker- Pflanzenbau Bodenkunde 12:909–915
landwirtschaftlicher Rekultivierungsstandorte der Thum J et al (1992) Rekultivierung im Braunkohlenberg-
Niederlausitzer Bergbaufolgelandschaft. Diss. BTU bau der östlichen Bundesländer. In: Rosenkranz D,
Cottbus Bachmann G, Einsele G, Harreß H-M (Hrsg) Boden-
Stolle M (1998) Böschungssicherung, Erosions- und schutz, 2. Bd. Schmidt, Berlin. Kennziffer 7240
Deflationsschutz in Bergbaufolgelandschaften – Zur Tischew S (2004) Renaturierung nach dem Braunkohlen-
Anwendung von Mulchdecksaaten. In: Pflug W abbau. Teubner, Stuttgart
(Hrsg) Braunkohlenbergbau und Rekultivierung – Tischew S, Kirmer A (2003) Entwicklung der Biodiversi-
Landschaftsökologie, Folgenutzung, Naturschutz. tät in Tagebaufolgelandschaften: Spontane und initi-
Springer, Berlin, S 873–881
8 Rekultivierung 577

ierte Besiedlungsprozesse. Nova Acta Leopoldina N. Wiedemann D (1998) Gestaltung eines Kippenstandortes
F. 87, Nr. 328, S 249–286 für den Naturschutz. In: Pflug W (Hrsg) Braunkoh-
Tischew S, Lorenz A (2005) Spontaneous Development lentagebau und Rekultivierung – Landschaftsökolo-
of Peri-Urban Woodlands in Lignite Mining Areas gie, Folgenutzung, Naturschutz. Springer, Berlin, S
of Eastern Germany. In: Kowarik I, Körner S (Hrsg) 697–705
Urban Wild Woodlands. Springer, Berlin, S 163–180 Wiedemann D (2002) Standortalternativen für die Siche-
Tischew S et al (2004a) Monitoring auf der Ebene von rung von Kranichschlafplätzen in den Sanierungs-
Arten: Dynamisches Ziel- und Indikatorartenkonzept räumen Lauchhammer I und II. unveröffentlichtes
für die Bergbaufolgelandschaft Sachsen-Anhalts. In: Gutachten
Tischew S (Hrsg) Renaturierung nach dem Braunkoh- Wiedemann D (2003) Die naturschutzfachliche Beglei-
leabbau. Teubner, Stuttgart, S 307–311 tung der Sanierung in Brandenburg. In: Naturschutz in
Tischew S et al (2004b) Analyse, Prognose und Lenkung Bergbauregionen – Braunkohlenbergbau eine Chance
der Waldentwicklung auf Sukzessionsflächen der für den Naturschutz. Sächsische Akademie für Natur
Mitteldeutschen und Lausitzer Braunkohlenreviere. und Umwelt 6/03, S 52–62
unveröff. Abschlussbericht des Forschungsvorhabens, Wiedemann D (2005) Das Miteinander von Naturschutz
gefördert durch das Bundesministerium für Bildung, und Tourismus in der künftigen Bergbauseenland-
Wissenschaft, Forschung und Technologie und die schaft der Lausitz aus der Sicht des praktischen
Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungs- Naturschutzes. In: Sächsische Landesstiftung Natur
gesellschaft mbH (FKZ 0339770) und Umwelt (Hrsg) Naturschutz in Bergbauregionen:
Tischew S et al (2004c) Analyse, Prognose und Lenkung Naturschutz und Tourismus in der Bergbaufolgeland-
der Waldentwicklung auf Sukzessionsflächen der Mit- schaft. Dresden, 1. Aufl. S 17–27
teldeutschen und Lausitzer Braunkohlereviere. Unver- Wiedemann D et al (1995) Schaffung ökologischer
öff. Abschlussbericht. Forschungsprojekt im Auftrag Vorrangflächen bei der Gestaltung der Bergbaufol-
des BMBF und der LMBV mbH. FKZ 0339770: gelandschaft. Forschungsinstitut für Bergbaufolge-
S 350, 352 landschaften in Finsterwalde e. V., Abschlussbericht
Tischew S et al (2009) Renaturierung von Tagebaufolge- des BMBF-Förderprojektes (FKZ: 0339393)
flächen. In: S. Zerbe und G. Wiegleb (Hrsg) Renatu- Wiedemann D et al (2002) Ornithologische Betrachtun-
rierung von Ökosystemen in Mitteleuropa. Spektrum gen zur Bergbaufolgelandschaft Kleinleipisch – Klett-
Akademischer Verlag, Heidelberg, S 349–388 witz bei Berücksichtigung der sich verändernden
Tränkle U, Beißwenger T (1999) Naturschutz in Steinbrü- Raumfunktionen und Entwicklungstendenzen nach
chen. Schriftenr. d. Umweltberatung im ISTE, Baden- abgeschlossener Sanierung. Gutachten i. A. Umwelt-
Würtemberg 1 amt des Landkreises Elbe-Elster
Uhl K (1999) Vorkommen und Bestrandsentwicklung Wiedemann D et al (2005) Sukzession der Spinnenfauna
des Kranichs in der Niederlausitz. Vogelwelt 120, (Arach.: Araneae) in der Bergbaufolgelandschaft
S 285–290 Grünhaus (Niederlausitz). Naturschutz Landschafts-
VEB GFE (1979) Arbeitsrichtlinie Bodengeologie, Halle pflege 14:52–59
Vogel J (1998) Das Dubringer Moor Eine Naturdokumen- Wiegleb G (1996) Leitbider des Naturschutzes in Berg-
tation, Naturforschende Gesellschaft der Oberlausitz baufolgelandschaften am Beispiel der Niederlausitz.
e. V. und Staatliches Umweltfachamt Bautzen (Hrsg), Ver Ges Ökol 25:309–319
S 128 Wiegleb G et al (2000) Naturschutz in Bergbaufolgeland-
Vogler E (1981) Zur Reproduktion der Bodenfruchtbar- schaften – Landschaftsanalyse und Leitbildentwick-
keit bei der Wiedernutzbarmachung. Arch. Natur- lung. Physica, Heidelberg, S 381
schutz u. Landschaftsforsch. 21, S 35–44 Wilden R (2000) Bodenlösungschemie und Elementbi-
Vogler E et al (1998) Landwirtschaftliche Rekultivierung. lanzen von vier forstlich genutzten Kippenstandor-
In: Pflug W (Hrsg) Braunkohlentagebau und Rekul- ten im Lausitzer Braunkohlenrevier unter besonderer
tivierung: Landschaftsökologie, Folgenutzung, Natur- Berücksichtigung des Einsatzes von Klärschlamm und
schutz. Springer, Berlin, S 828–838 Kompost bei der Rekultivierung. Cottbuser Schriften
Vorwald J, Wiegleb G (1998) Beispielhafte Entwick- zu Bodenschutz Rekultivierung 12:1–210
lung von Leitbildern in der Bergbaufolgelandschaft. Wittig H (1998) Braunkohlen- und Sanierungsplanung
Brandenburgische Technische Universität, Fakul- im Land Brandenburg. In: Pflug W (Hrsg) Braun-
tät Umweltwissenschaften und Verfahrenstechnik, kohlentagebau und Rekultivierung. Landschaftsöko-
Cottbus logie – Folgenutzung – Naturschutz. Springer, Berlin,
Werner K et al (1974) Verfahren zur landwirtschaftlichen S 475–486
Rekultivierung von Kippen des Braunkohlenbergbaus. Wolf G (1987) Untersuchungen zur Verbesserung der
Selbstverlag AdL, ILN, Dölzig forstlichen Rekultivierung mit Altwaldboden im Rhei-
Weyers M (1994) Auswirkungen von Melioration und nischen Braunkohlenrevier. Natur und Landschaft
bodenschonender Bewirtschaftung auf Bodeneigen- 62:364–368
schaften und Wasserhaushalt rekultivierter Böden aus Wolf G (1998) Freie Sukzession und forstliche Rekulti-
Löss im Rheinischen Braunkohlengebiet. Dissertation vierung. In: Pflug W (Hrsg) Braunkohlentagebau und
Universität Trier Rekultivierung. Springer, Berlin, S 289–301
578 J. Schlenstedt et al.

Wolf G (2000) Der Einfluss des Diasporengehaltes im Braunkohlenrevier. Forstwiss. Beiträge Tharandt, Bei-
Boden auf die Vegetationsentwicklung forstlicher heft 1, S 96–111
Rekultivierungsflächen. In: Bönecke G, Seiffert P Wünsche M, Thomasius H (2007) Kippenböden und
(Hrsg) Spontane Vegetationsentwicklung und Rekul- forstliche Rekultivierung im Mitteldeutschen Braun-
tivierung von Auskiesungsflächen. Culterra 26:77–92 kohlenrevier. In: Krummsdorf A (Hrsg) Ökonologie in
Wöhler V et al (2000) Abwechslungsreiche Bergbaufolge- Landschaftsgestaltung, Tagebau-Rekultivierung und
landschaften durch Grünland auf Rekultivierungsflä- Landeskultur/Umweltschutz. Sax-Verlag, Beucha,
chen. In: Sächsiche Landesanstalt für Landwirtschaft S 101–118
(Hrsg) Landwirtschaft auf Rekultivierungsflächen. Wünsche M et al (1981) Die Klassifikation der Böden auf
Dresden, S 44–45 Kippen und Halden in den Braunkohlenrevieren der
Wulf M (2003) Preference of plant species for woodlands Deutschen Demokratischen Republik. Neue Bergbau-
with differing habitat continuities. In: Flora 198, technik 1:42–48
S 444–460 Wünsche M et al (1998) Bodenkundliche Kennzeichnung
Wünsche M, Thum J (1990) Bodensubstrate und Boden- der Abraumsubstrate und Bewertung der Kippenbö-
entwicklung der landwirtschaftlich genutzten Flur- den für die Rekultivierung im Mitteldeutschen Braun-
kippe Espenhain (Sachsen). Arch Naturschutz kohlenrevier. In: Pflug W (Hrsg) Braunkohlentagebau
Landschaftsforschung 30:217–229 und Rekultivierung – Landschaftsökologie, Folgenut-
Wünsche M, Selent H (2000) Waldökosysteme und zung, Naturschutz. Springer, Berlin, S 780–796
Waldbau auf Kippen und Halden im Mitteldeutschen
Nachnutzung und
Flächenvermarktung 9
Bernd Krüger, Karla Ebersbach, Andreas Kadler, Herbert
Klapperich und Rolf Kuhn

Inhalt 9.4    Flurneuordnung in
Bergbausanierungsgebieten������������������������ 606
9.1    Grundsätze�����������������������������������������������   580
9.5    Umnutzung und Erschließung von
9.2    Nutzungsarten im Ergebnis der industriellen Altstandorten����������������������� 609
Braunkohlesanierung������������������������������   583 9.5.1  Ziele und Besonderheiten���������������������������� 609
9.5.2 Finanzierungsquellen und
9.3    Planung der Folgenutzung����������������������   585
Fördermittel�������������������������������������������������� 610
9.3.1 Ergebnisse und Chancen des regionalen
9.5.3  Erschließungsplanung und
Strukturwandels in den
Projektsteuerung������������������������������������������ 613
Bergbauregionen�����������������������������������������   585
9.5.4 Besonderheiten der Abstimmung
9.3.2 Grundlagen der Folgenutzungsplanung������� 588
zwischen Bergbausanierung, Erschließung
9.3.3 Nutzungskonzepte, Rahmen- und
und Folgenutzungsinvestitionen������������������ 616
Masterpläne sowie Regionale
9.5.5  Marketing und Vermarktung������������������������ 618
Entwicklungs- und
9.5.6 Fallbeispiele������������������������������������������������� 618
Handlungskonzepte�������������������������������������� 589
9.3.4 Arbeitsweise und Projekte der 9.6    Vermarktung der Liegenschaften������������� 626
Internationalen Bauausstellung (IBA) 9.6.1  Grundsätze, Ziele, Strategien����������������������� 626
Fürst-Pückler-Land 2000–2010������������������� 599 9.6.2  Vermarktung nach Hauptnutzungsarten��������� 629
9.3.5 Öffentliche Aufmerksamkeit und 9.6.3 Identifizierung von Flächen mit
wirtschaftlicher Erfolg des entstehenden höherwertigen Nutzungspotenzialen������������ 631
Lausitzer Seenlandes������������������������������������ 602 9.6.4  Zielgruppenorientiertes Marketing�������������� 637
9.6.5 Darstellung ausgewählter Fallbeispiele
für eine erfolgreiche Vermarktung��������������� 640
B. Krüger () 9.6.6 Spezielle Fragen der Verkaufsvorbereitung
Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsge- und Vertragsgestaltung bei der
sellschaft mbH, Knappenstraße 1, Vermarktung von Bergbauflächen��������������� 642
01968 Senftenberg, Deutschland Literatur������������������������������������������������������������������ 644
E-Mail: cub.krueger@kabelmail.de
K. Ebersbach
Kuckhoffstraße 33, 10356 Berlin, Deutschland
A. Kadler
Post-mining & brownfields consulting,
Wollankstraße 131 a, 13187 Berlin, Deutschland
H. Klapperich
Institut für Geotechnik, TU Bergakademie Freiberg,
Gustav-Zeuner-Straße 1,09596 Freiberg, Deutschland
R. Kuhn
Internationale Bauausstellung (IBA)
„Fürst-Pückler-Land“, Seestraße 84-86,
01983 Großräschen, Deutschland

C. Drebenstedt, M. Kuyumcu (Hrsg.), Braunkohlesanierung, 579


DOI 10.1007/978-3-642-16353-1_9, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
580 B. Krüger et al.

Im Ergebnis der in den vorherigen Kapiteln be- Folgenutzungsinvestitionen erforderlich, die im


schriebenen Sanierung und Wiedernutzbarma- Abschnitt 9.5 in ihren verschiedenen Facetten
chung ehemaliger Tagebaugebiete entstehen neue geschildert wird. Abschnitt 9.6 widmet sich der
Landschaften mit veränderter Nutzungsstruktur gezielten Vermarktung der Liegenschaften mit
und vielfältigen Potenzialen für eine Folgenut- den Schwerpunkten Produktbildung, Marketing
zung. Nach grundsätzlichen Überlegungen zur und Vertragsgestaltung. Die dargestellten Lö-
Wiedereingliederung der Bergbauflächen in den sungsansätze und Fallbeispiele beziehen sich auf
Nutzungskreislauf in Abschnitt 9.1 wird dieser Erfahrungen und betriebsinterne Regelungen der
Nutzungsartenwandel in Abschnitt 9.2 beispiel- LMBV. Verallgemeinerungen sind möglich.
haft beschrieben.
Der Abschnitt 9.3 beschreibt die komplexen Zu-
sammenhänge der Planung der Folgenutzung von 9.1 Grundsätze
Bergbaufolgelandschaften. Dabei ist zu berück-
sichtigen, dass bis Ende der 1980er Jahre kaum Die Nachnutzung und Vermarktung schließt sich
Erfahrungen zur Bewältigung solcher Aufgaben an die erfolgte technische Sanierung entspre-
in einer so einzigartigen Dimension vorlagen. chend der berg- und wasserrechtlichen Bestim-
Dazu kam eine völlig neue rechtliche Rahmenset- mungen an. Im Rahmen des Zyklus „Fläche im
zung. Mögliche Szenarien sowie die Grundlagen Kreislauf“ erfolgt eine Wiedernutzung der Flä-
der Folgenutzungsplanung unter den neuen Aus- chen mit Funktionsänderung – es entstehen Berg-
gangsbedingungen, die im Weiteren entwickel- baufolgelandschaften.
ten Planungsinstrumente und Vorgehensweisen Die vielschichtigen Aspekte der Folge-
sowie die damit erreichten Ergebnisse sind in den nutzungsplanung unter Berücksichtigung der
Abschnitten 9.3.1 und 9.3.2 exemplarisch darge- Landes- und Regionalplanung, der kommuna-
stellt. Neben dem Bergbaubetrieb ist eine Vielzahl len Bauleitplanung und informeller Planungen
neuer Akteure an der Folgenutzungsplanung be- bieten Chancen und Möglichkeiten für den an-
teiligt, die den begonnenen Nutzungsartenwandel gestrebten Strukturwandel. Hilfreich für die nö-
mit ihren Ideen, Planungen und Investitionen be- tigen Abstimmungsprozesse und Kommunika-
gleiten und weiterführen. Zur Bündelung dieser tionsstränge sind entwickelte standortkonkrete
vielfältigen Aktivitäten und Einordnung in die Vorplanungsinstrumente (s. Abschn. 9.3.2).
regionale Entwicklung hat sich die Erarbeitung Bei Flächenentwicklungsplanungen muss eine
von Nutzungskonzepten bewährt. Die im ostdeut- Vielzahl von potenziellen und tatsächlichen par-
schen Braunkohlenbergbau hierbei gesammelten allelen Nachnutzungen für Flächen und Regionen
Erfahrungen sind Thema des Abschnittes 9.3.3. betrachtet werden. Oft kann erst bei der Umset-
Von besonderer Bedeutung für die Gestaltung zung entschieden werden, welche Nutzungen
des Struktur- und Imagewandels in der Lausitz konkurrieren bzw. störend fungieren. Aufgrund
ist die Internationale Bauausstellung (IBA) Fürst- von Vermarktungs- oder Entwicklungsproblemen
Pückler-Land, deren Anspruch, Arbeitsweise und können viele Flächen jedoch keinen geschlosse-
vorzuweisende Resultate in den Abschnitten 9.3.4 nen Kreislauf aufweisen und somit nicht zu einer
und 9.3.5 beispielhaft dargelegt werden. Der not- nachhaltigen Nutzung beitragen. Heute ist das
wendigen Neuordnung der Eigentumsverhältnisse Wort Nachhaltigkeit und nachhaltige Entwicklung
entsprechend den neuen Nutzungsstrukturen wid- im Rahmen der Reduzierung der Flächeninan-
met sich Abschnitt 9.4. spruchnahme und der Entwicklung von Brachen
Von besonderer Bedeutung ist die Umnut- und Bergbaufolgelandschaften in aller Munde.
zung und Erschließung industrieller Altstandor- Erstmals wurde der Begriff „Nachhaltigkeit“
te, da hierdurch Gewerbe- und Industrieflächen im 18. Jahrhundert vom Freiberger Berghaupt-
für die Ansiedlung neuer Firmen ohne weitere mann Hans von Carlowitz (1713, „Sylvicultura
Zersiedelung der Landschaft entstehen. Dabei oeconomica“) geprägt und erwähnt. Obwohl die
ist eine sehr enge Abstimmung zwischen Berg- Begriffsbestimmung hierbei auf die Forstwirt-
bausanierung, öffentlicher Erschließung und schaft zurückgeht, ist das erste Mal von einer Art
9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 581

Flächenmanagement die Rede. Holz wurde zum das Bebauen der Fläche auftritt. Somit muss es
damaligen Zeitpunkt vor allem für den Bergbau das Ziel von Flächeneigentümern sein, Flächen
verwendet und in großen Mengen benötigt. Ziel gezielt zu vermarkten und eventuell auch Nut-
der Nachhaltigkeit im heutigen Sinne ist es öko- zungsänderungen ins Auge zu fassen, die primär
logische, ökonomische und soziale Bedürfnisse als nicht gewinnbringend erscheinen. Die Ver-
zu vereinigen und dadurch die Lebensgrundlage schiedenheit der Flächen spielt somit bei der Ver-
für zukünftige Generationen zu erhalten (Otpar- marktung eine wesentliche Rolle.
lik et al. 2009). Im Rahmen des europäischen Forschungs-
Die Ziele der Nachhaltigkeit haben beim Flä- programms CABERNET (Concerted Action on
chenverbrauch in der Vergangenheit keine große Brownfield and Economic Regeneration Net-
Rolle gespielt. In den Jahren 1960 bis 1997 kam work) wurden drei Typen von vermarktbaren
es trotz einer stabilen demografischen Situation zu Flächen benannt. Dabei spricht man von A-Flä-
einem extrem gestiegenen Bedarf an Siedlungs- chen – Flächen die sich von „selbst“ entwickeln,
und Verkehrswegeflächen. Dies ist zum einen der B-Flächen – Flächen die potenziell entwickelt
weiter fortgeschrittenen Industrialisierung aber werden können (hierzu zählen auch Flächen, die
auch dem gestiegenen Wohlstand in den letzten 40 mit Hilfe von PPP (Public-Private-Partnership)
Jahren geschuldet, da ein Haus im „Grünen“ als entwickelt werden), und C-Flächen – so genann-
eines der großen Ziele gewertet wird. te Reserveflächen. Neuere Forschung zeigt, dass
Dennoch ist der Gedanke, genutztes Land noch eine vierte Kategorie sinnvoll ist. Flächen,
wieder zu nutzen, aktueller denn je. Der Unter- die keine Chancen für eine Entwicklung bieten
schied zu früher liegt im Wert und in der hohen (D-Flächen).
Nachfrage nach Raum und Energie weltweit. Wir
reden heute von Kreisläufen der Wiedernutzung, Nutzungs- und Aktivierungsstrategien Eine
von Flächenkreisläufen oder dem Brachflächen- Basis für ein effektives Flächenmanagement ist
recycling. eine Einordnung und Ausrichtung bei großem
Durch die politische Wende 1989/90 sind vor Flächenangebot. Für ausgewählte Standorte
allem die bergbaulich geprägten Regionen Ost- Bedingungen auszuloten, um die Funktion als
deutschlands aufgrund der plötzlichen Stilllegung Industrie- und Gewerbestandorte zurückzuge-
von Bergbau- und Industriebetrieben, großflächig winnen, werden facettenreich in Abschnitt 9.5
devastierter Landschaften und rückläufiger demo- „Umnutzung und Erschließung von industriellen
graphischer Entwicklung negativ beeinflusst. Mit Altstandorten“ erläutert, einschließlich Finan-
der landschaftlichen Neugestaltung vollzieht sich zierungsquellen, Erschließungsplanung und Pro-
eine wirtschaftliche und ökologische Aufwertung jektsteuerung.
der vormals bergbaulich genutzten Flächen. Die Revitalisierung von Industriestandorten
Durch Sanierungstechnologien können „vor- durch eine nutzungsortientierte Sanierung, ein-
genutzte“ Flächen wieder zu „Grünland“ um- hergehend mit deutlich ökonomischen Vorteilen,
gewandelt werden. Das Hauptaugenmerk bei bietet Chancen für „Vorleistungen“ bei konkreten
solchen Recyclingprozessen liegt auf der Kom- Nutzungsanforderungen.
bination von Dekontaminationsprozessen mit der Die Umsetzung bei öffentlicher Förderung der
Wiedereingliederung der Fläche in die natürliche Maßnahmen, unter Berücksichtigung des Primats
Umgebung. „Gefahrenabwehr“, ist nur zielführend in enger
Gerade unter dem Gesichtspunkt des demo- Abstimmung mit den regionalen und kommuna-
graphischen Wandels muss verstärkt über den len Planungsinstanzen zu erreichen.
nachhaltigen Umgang mit dem Gut „Fläche“ Um Freiflächenpotenzial zu schaffen, sind oft
nachgedacht werden. Aber genau dieser Aspekt Zwischennutzungen, Umnutzungen u. ä. von be-
birgt zum Teil auch Gefahren, denn wem nützt bauten Flächen notwendig. Eine Möglichkeit für
es, neben bergrechtlichen Anforderungen und den Eigentümer sind Gestattungsvereinbarungen,
ökologischen Gesichtspunkten, Flächen zu be- d. h. Flächen werden mit kommunalen Mitteln
räumen bzw. zu sanieren, wenn kein Investor für mobilisiert und für die Allgemeinheit zugänglich
582 B. Krüger et al.

Abb. 9.1   Entwicklungs-


szenarien für Flächen
(Klapperich et al. 2007)

gemacht; der Eigentümer kann die Fläche aber „Fläche und Energie“ bilden im Gesamtkon-
dennoch vermarkten. text von Nutzung und Wandel eine bemerkens-
Grob können bei der Revitalisierung von werte Konstante.
Flächen drei Strategien unterschieden werden:
Aktivierung (Entwicklung), Bewahrung und Re- Bewahren (Umnutzung, Zwischennut-
naturierung. Diese drei Arten können nun weiter zung)  Unter dem Begriff Bewahren kann die
feiner untergliedert werden (Abb. 9.1). Strategie der Umnutzung verstanden werden.
Hierunter werden Nutzungsänderungen zusam-
Aktivierung (Neunutzung, Ursprungsnut- mengefasst, die sich von der vorgenannten
zung)  Unter dem Begriff Aktivierung werden ursprünglichen Nutzung wegbewegen. Das heißt,
Prozesse verstanden, die längere Zeit (mehrere die Fläche wird entweder anderweitig nachge-
Jahrzehnte) Gültigkeit haben sollen. Es werden nutzt oder teilweise bzw. temporär umgenutzt.
hierbei zwei Strategien unterschieden: Neunut- Zwischennutzung fasst hiermit alle Zustände
zung und Ursprungsnutzung. zusammen die temporärer Natur sind. Oft beset-
Neunutzung, wenn eine Fläche einer völlig zen sie Terrains in einer Umgebung, die primär
neuen Nutzung zugeführt wird. Dieser Prozess nicht als geeignet für Umnutzungen erscheint. Ihr
dauert jedoch oft mehrere Jahre und verursacht Merkmal sind ein niedriger Nutzungsgrad, meist
Vorinvestitionen, was zu Planungs- und Markt- geringe Mieterträge und hohe Unterhaltskosten.
risiken für den Investor führt. Hemmend können Zwischennutzungen bleiben oft jahrelang be-
hierbei z. B. Nutzersuche, Planungsverfahren stehen, bis der Eigentümer eine ertragssteigernde
oder die Projektierung wirken. Umnutzung vornimmt.
Unter dem Begriff Ursprungsnutzung wird die
letzte industrielle oder gewerbliche und somit ur- Renaturierung  Eine dauerhafte Umnutzung
sprüngliche Nutzung verstanden. Nicht mehr be- brachliegender Standorte zu Grün- bzw. Frei-
nötigte Gebäudeteile bzw. Areale werden meist flächen wird als Renaturierung verstanden.
als nicht betriebsnotwendig bezeichnet. Insbesondere im suburbanen Raum stellt die
Bergbaufolgelandschaften bieten vielfältige Nachnutzung von Brachflächen, vor dem Hin-
Nutzungspotenziale. In Abschnitt 9.6 „Vermark- tergrund fehlender Nachfragen und auf Grund
tung der Liegenschaften“ werden auch Sonder- der Lage benachteiligender Standortbedingun-
nutzungen vorgestellt, vornehmlich für Flächen, gen, ein wesentliches Hemmnis dar. Erscheint
die keiner anderen gewerblichen Nutzung zuge- aufgrund der derzeitigen finanziellen Situation
führt werden können. Ein prominentes Beispiel oder zukünftiger demographischer Entwicklun-
stellen die erneuerbaren Energien mit Windparks gen eine Nutzung als nicht sinnvoll, wird Rena-
und Solarfeldern dar. turierung mit dem Ziel einer ökologischen bzw.
9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 583

Abb. 9.2   Nutzungsarten- (QWZLFNOXQJGHV*UXQGHLJHQWXPVGHU/0%9QDFK+DXSWQXW]XQJVDUWHQ


wandel im Ergebnis der
Braunkohlesanierung


 6RQVWLJH)OlFKHQ

 1DWXUQDKH)OlFKHQ

 :DVVHUIOlFKHQ
  )RUVWIOlFKHQ
 /DQGZLUWVFKDIWVIOlFKHQ
%HWULHEVIOlFKHQ$EEDXODQG



 





   



 

 





 
 
OVW QDFK6DQLHUXQJ OVW QDFK6DQLHUXQJ
 

sozioökonomischen Aufwertung als Alternative tief greifenden Nutzungsartenwandel verbunden.


des Brachliegens verstanden. Aus land- und forstwirtschaftlich genutzten Flä-
Bergbaufolgelandschaften werden meist voll- chen wird Abbauland, aus dem – nach Beendi-
kommen neu gestaltet, sodass ein Großteil der gung der bergbaulichen Tätigkeit und Abschluss
oben genannten Unterteilungen hier nicht an- der Sanierung – wieder neue Nutzungsarten ent-
wendbar ist. Hauptziel der Renaturierung von stehen. Abbildung 9.2 zeigt diesen Nutzungsar-
Bergbauflächen ist die Langzeitsicherung und tenwandel in den stillgelegten Braunkohlenbe-
Stabilisierung der Flächen sowie deren Wie- trieben Ostdeutschlands seit 1995.
dereingliederung in den Naturhaushalt. Somit Rund 47 % sind land- und forstwirtschaftlich
entstehen meist neue und innovative Nachnut- rekultivierte Flächen. In großem Umfang (17 %)
zungen, z. B. Erholung, Naturschutz, aber auch werden Flächen der natürlichen Sukzession über-
Land- und Forstwirtschaft. lassen und für den Natur- und Landschaftsschutz
bereitgestellt. Die in Folge des Massendefizits
entstandenen Tagebaurestlöcher werden in den
9.2 Nutzungsarten im Ergebnis der meisten Fällen zu Bergbaufolgeseen umgestaltet.
Braunkohlesanierung Die so entstehenden Wasserflächen machen 28 %
der insgesamt beanspruchten Flächen aus.
Die bergbauliche Inanspruchnahme von Liegen- In Abbildung 9.3 ist dieser Nutzungsarten-
schaften sowie ihre anschließende Sanierung wandel am Beispiel des südlich des Spreewaldes
sind immer mit einem zweifachen großflächigen, gelegenen, ca. 5.800 ha großen, Sanierungsge-
584 B. Krüger et al.

Abb. 9.3   Flächennutzung im Sanierungsgebiet Seese um 1850, 1990 und 2010

Tab. 9.1   Flächennutzung im Sanierungsgebiet Seese um 1850, 1990 und 2010


Jahr 1850 1990 2010
Nutzungsart ha % ha % ha %
Abbauland 0 0 2.207 38 0 0
Forstfläche 1.770 31 1.527 26 2.344 40
Landwirtschaftsfläche 3.457 60 1.732 30 2.211 38
Sukzessionsfläche/Unland 383 7 42 1 348 6
Wasserfläche 90 1 23 0 622 11
Siedlungs- und Verkehrsflächen 93 1 262 5 268 5
Gesamt 5.793 100 5.793 100 5.793 100

bietes Seese grafisch dargestellt (Baumbach et al. Die im Ergebnis der bergbaulichen Sanie-
2007, LMBV 2007-2010). rung entstehenden Nutzungsarten stellen jedoch
Um 1850 war die Region überwiegend land- nur die Basis für weitergehende Nutzungen dar.
und forstwirtschaftlich geprägt. Rund 60 % der Vor allem die Gewässerrandbereiche und indus-
Fläche wurden landwirtschaftlich genutzt. Weitere triell-gewerblichen Altstandorte beinhalten viel-
31 % waren bewaldet. Gräben, Teiche und kleine fältige Potenziale für touristische, gewerbliche
Seen machten lediglich 1 % der Fläche aus. und sonstige Nutzungen oder exklusives Woh-
Mit dem ab 1962 beginnenden großflächi- nen (Abb. 9.4). Diese Vielfältigkeit entspringt
gen Braunkohlenabbau wurde die Landschaft den unzähligen Konzepten, Ideen und Visionen
grundlegend umgestaltet und durch den Berg- der am Prozess der Gestaltung der Landschaften
bau geprägt. Im Jahr 1990 waren noch ca. 38 % beteiligten Akteure. Die Palette reicht von weit-
in bergbaulicher Nutzung. Die Waldflächen gehend sich selbst überlassenen Bereichen, in die
(26 %) sind fast vollständig rekultivierte Kip- der Mensch nicht bzw. nur sehr behutsam ein-
penflächen des ehemaligen Tagebaues Seese- greift, über Konzepte, die die Künstlichkeit der
West. Auch die Landwirtschaftsflächen (30 %) Bergbaufolgelandschaft hervorheben und Zeu-
befinden sich zu rund 50 % auf bereits wieder gen der zumeist langjährigen Industriegeschich-
rekultivierten Kippen. Die kleinen Gewässer te erhalten wollen bis zu völlig neu gestalteten
wurden fast vollständig überbaggert bzw. tro- Landschaftsreliefs mit integrierten Landart-Ob-
cken gelegt. Lediglich 10 % des Sanierungs- jekten und touristischen Highlights.
gebietes wurden nicht bergbaulich in Anspruch Diese Potenziale der Bergbaufolgelandschaf-
genommen und devastiert. ten zu erkennen und zu erschließen, die vorhan-
In der Phase der Braunkohlesanierung wan- denen Konzepte, Ideen und Visionen zu erfassen,
delt sich der Charakter der Landschaft zum zwei- zu bewerten und miteinander abzugleichen be-
ten Mal. Um 2010 hat sich der Braunkohlenberg- darf weiterer, über die bergrechtliche Abschluss-
bau vollständig zurückgezogen. Die Landschaft betriebsplanung weit hinausgehender Planungen
prägen wieder große zusammenhängende Wälder sowie eines gemeinsamen, zielgerichteten Wir-
(40 %) sowie Landwirtschaftsflächen (38 %). Neu kens aller an diesem Prozess beteiligten Akteure
sind die großen Wasserflächen, die rund 11 % des (LMBV 2007, 2009).
Sanierungsgebietes bedecken (Tab. 9.1).
9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 585

Abb. 9.4   Nutzungspoten-


ziale für sanierte Bergbau-
liegenschaften

9.3 Planung der Folgenutzung erkennen wir zwei Szenarien, die gegensätzlicher


nicht sein könnten.
9.3.1 Ergebnisse und Chancen des Szenario 1 beschreibt den Wunsch vieler der
regionalen Strukturwandels in unmittelbar Betroffenen: Von der zwar ehemals
den Bergbauregionen für Reichtum sorgenden, aber letztlich doch zer-
störerischen, schmutzigen und stinkenden Indus-
Wie in den vorherigen Kapiteln bereits ausge- trie möchte man nichts mehr sehen. Leitmotiv
führt wurde, ist die Landschaft der Lausitz durch ist schon eher ein Hauch von Mecklenburg-Vor-
den Braunkohlentagebau geprägt. Seit 1990 hat pommern, eine sanfte Seenlandschaft, der man
hier die LMBV ca. 60.000 ha Land saniert, das ihre industrielle Vergangenheit nicht mehr an-
heißt, so aufbereitet, dass sich zu etwa je einem sieht, die auch die Natur, zum Beispiel die Eis-
Viertel nutzbare Wasser-, Landwirtschafts-, zeit, so geschaffen haben könnte.
Forstwirtschafts- und Naturschutzflächen ent- Szenario 2 vertreten vor allem intellektuelle
wickeln. Dabei entsteht ein Seenland mit rund Außenstehende, die weit weg von der Lausitz
14.000 ha neuer Wasserfläche. leben und arbeiten: Ihre Vorstellung ist, dass diese
Welchem Bild soll jedoch diese Landschafts- durchaus faszinierende Landschaft mit Canyons,
gestaltung folgen? Wie soll diese neue Land- Wüsten, halbgefüllten Gruben mit romantischen
schaft, dieses neue Seenland nach dem Bergbau Inseln, saurem Wasser sowie burgruinenähn-
aussehen? Sumpfig wie vor dem Bergbau? Wie lichen Industrierelikten der Natur überlassen
ein Naturidyll oder robust wie die Industrie, der werden sollte und so allmählich ein einzigartiger
diese Landschaft folgte? Oder bringt das tech- Naturpark entstehen könnte. Abbildung 9.5 zeigt
nisch vom Menschen gemacht sein auch einen beispielhaft eine derartige unsanierte Tagebau-
eigenen attraktiven Charakter hervor, der den landschaft.
wirtschaftlichen Strukturwandel begünstigt? Fra- Ohne Zweifel haben die Kombination von
gen, die in den folgenden Abschnitten beantwor- Industriekultur und Industrienatur sowie der all-
tet werden sollen. mähliche Prozess des Wandels, wie in Szenario
2 beschrieben, etwas Faszinierendes. Und die
Gestalt und Qualität der Landschaft nach Natur sowie ihre Beobachter und Bewunderer
der Bergbausanierung: Entwicklungsszena- hätten damit auch kein Problem – im Gegenteil,
rien  Versetzen wir uns zurück in die Anfangs- es wäre eine große Herausforderung und ein tol-
jahre der Braunkohlesanierung und holen die les Schauspiel.
Diskussionen von damals ins Gedächtnis, dann
586 B. Krüger et al.

Abb. 9.6   Prinzipskizze


Architektur

Abb. 9.5   Unsanierte Tagebaufolgelandschaft

Abb. 9.7   Logo der


Doch wenn man weiß, wie weiträumig Land IBA Fürst-Pückler-
beim Wasseraufstieg in die 40 bis 60 m tiefen Land
Gruben rutscht, welch eine Gefahr also dieses
Schauspiel darstellt, dann weiß man auch, dass in
den Tagebaurandbereichen niemand mehr leben
und diese Flächen bewirtschaften könnte. Szena-
rio 2 ist also schlichtweg mit der Bewohnbarkeit
des Gebietes nicht vereinbar. Schweizer Architekten und Publizisten Alfred
Die Wünsche der Bewohner, Benutzer sowie Roth theoretisch begründet (Abb. 9.6). Mit dem
Sanierer dieser Landschaft, wie in Szenario 1 be- Hinweis, dass das Abgleiten der Architektur hin
schrieben, sind verständlich. Die immer gleichen zu nur einem der beiden Pole ihr Tod wäre (Poli-
Nutzungs- und Gestaltungsmuster von See zu technika Krakowska 2004).
See, von einem zu sanierenden Landschaftsteil Aber warum sollte man bei der Neugestaltung
zum nächsten enden allerdings in Monotonie und die industrielle Vergangenheit dieser Landschaft
Langeweile. Das Ergebnis wäre eine geschichts- verleugnen? Geben diese Zeugnisse einer gigan-
und gesichtslose Landschaft, die weder für tou- tischen Großindustrie mit ihrem monumentalen
ristische noch für andere Wirtschaftsbereiche Er- Charakter dem „platten Pfannkuchen“, wie Fürst
folg versprechende Ansätze bietet. Pückler die Niederlausitz abfällig nannte, doch
Wo liegt nun der dritte Weg? Am aufwändi- Bewegung sowie Profil und erzählen von einer
gen Sanierungsprozess der Bergbaufolgeland- in Zukunft immer unwahrscheinlicher klingen-
schaft führt kein Weg vorbei. Man kann auch auf den zweischneidigen Industriegeschichte. Und
keines seiner Elemente verzichten, sonst würde warum sollte man der neuen Landschaft nicht an-
alles noch teurer werden und das Gesamtsystem sehen, dass sie vom Menschen gemacht ist?
nicht funktionieren. Man könnte also gar keinen Um genau diese Fragen zu beantworten, er-
Nutzen aus der Landschaft ziehen. Und Kultur- kämpfte sich die Regionale Planungsgemein-
landschaft entsteht durch ein produktives, mög- schaft Lausitz-Spreewald das Recht, im Süden
lichst kulturvolles Wechselverhältnis zwischen Brandenburgs, in dem vom Braunkohlenabbau
Mensch und Natur, das die kurz- und langfristige geprägten Teil der Lausitz, im Zeitraum 2000 bis
Reproduktion und Weiterentwicklung beider Sei- 2010 die Internationale Bauausstellung (IBA)
ten umfasst. Dieses Prinzip, Architektur – auch Fürst-Pückler-Land durchzuführen (Abb. 9.7).
Landschaftsarchitektur – als einen Weg zwischen Diese soll den Gedanken der IBA Emscher
den beiden Polen Wissenschaft, Technik, Ökono- Park – nämlich einen wirtschaftlichen mit einem
mie einerseits und Idee, Philosophie und Kunst gestalterischen Wandlungsprozess in Bezie-
andererseits zu begreifen, wurde 1949 vom hung zu setzen – vom Westrand an den Ostrand
9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 587

Abb. 9.8   Tagebauerkun-


dung

Deutschlands tragen, vom Ruhrgebiet in die Lau- verbundenes Seengebiet mit insgesamt etwa
sitz. Das strategisch Besondere dieser Internatio- 7.000 ha Wasserfläche, unterschiedlichen Natur-
nalen Bauausstellung resultiert aus der Thematik und Erlebnisräumen sowie einem breiten, für Mit-
„Landschaftswandel in einer dünn besiedelten teleuropa wohl einmaligen Nutzungsspektrum,
Region“. Erstmalig in der langen Tradition von ohne dass sich die verschiedenen Nutzungsarten
Bauausstellungen in Deutschland steht „Land- gegenseitig stören oder gar ausschließen.
schaft“ im Mittelpunkt der Arbeit. Dabei geht Ein weiterer Vorteil der ganzheitlichen Pla-
es nicht einfach um eine Heilung der durch den nung ist, dass die Ufer für Fußgänger und Fahr-
Bergbau (Tagebau) in Anspruch genommenen radfahrer frei gehalten werden und man trotzdem
Landschaft oder gar um eine „Wiederherstel- sein Haus am Wasser und das Boot am Haus
lung“. Da dies schon technisch und naturräum- haben kann. Letzteres durch den Bau schwim-
lich gar nicht möglich wäre, ist das Anliegen mender Häuser, die durch schwimmende Stege
dieser IBA in erster Linie, das Element „Neue zu erreichen sind und später durch schwimmende
Landschaft“ als strukturelle, wirtschaftsfördern- Restaurants, Anlegestellen, Sonnendecks, Aus-
de Möglichkeit und damit als Entwicklungschan- leihstationen und ähnliches ergänzt werden. 2005
ce für die Lausitz sowie als Beispiel für andere haben Studentinnen aus Berlin sogar ein schwim-
Bergbauregionen einzusetzen. mendes Freiluftkino entworfen.
Alle am Flutungs- und Gestaltungsprozess der Bleibt die Frage nach den vergänglichen Can-
Lausitzer Seenkette Beteiligten, sogar über die yons, den wüstenähnlichen Landschaftsteilen
Ländergrenze zwischen Brandenburg und Sachsen sowie den romantischen Zwischenstadien beim
hinweg, verfolgen das Ziel, zehn Seen so mitein- Fluten. Die IBA nutzte die Gunst der Stunde und
ander zu verbinden, dass nicht nur genügend Flu- die Teile, die noch nicht geflutet waren, für faszi-
tungswasser durch die 13 schiffbaren Verbindun- nierende Tagebauspaziergänge (Abb. 9.8).
gen fließt, sondern auch Schiffe von See zu See Da der Braunkohlenabbau durch die Vattenfall
fahren können. Ein mit sächsischen Planern ge- Europe Mining AG noch einige Jahrzehnte fort-
meinsam erstellter Masterplan für das Gesamtge- gesetzt wird, kann dieses Erlebnis weiterentwi-
biet dieser Seenlandschaft gibt sehr unterschiedli- ckelt und über einen sehr langen Zeitraum fort-
che Nutzungsschwerpunkte vor: vom Wassersport gesetzt werden. Dazu gehören auch Boots- und
über das Familienerlebnis bis zum Naturschutz- Floßfahrten auf erst halbgefüllten und dadurch
areal. Dadurch entsteht ein riesiges miteinander exotisch anmutenden Seen.
588 B. Krüger et al.

Darüber und über die weiteren Projekte der Alle Regionalvorhaben der Sanierung sind berg-
IBA und ihre Arbeitsweise wird in Abschnitt 9.3.4 rechtlich zulassungspflichtig und gehen in ein
ausführlich berichtet. Betriebsplanverfahren in Form von Abschlussbe-
triebsplänen ein. Von entscheidender Bedeutung
für die Zulassung eines Abschlussbetriebsplanes
9.3.2 Grundlagen der Folgenut- sind vor allem:
zungsplanung • die Sicherstellung des Schutzes Dritter vor
den durch den Betrieb verursachten Gefahren
Grundlage für die Planung der bergrechtlichen für Leben und Gesundheit auch noch nach
Sanierungsmaßnahmen ist hinsichtlich Umfang Einstellung des Betriebes
und genereller Zielsetzung die Rahmengesetzge- • die Sicherstellung der ordnungsgemäßen
bung des Bundes mit Wiedernutzbarmachung der Oberfläche auf
• dem Raumordnungsgesetz, der vom einzustellenden Betrieb in Anspruch
• dem Bundesnaturschutzgesetz, genommenen Fläche
• dem Baugesetzbuch, • die Angabe über die Beseitigung der betrieb-
• dem Bundes-Bodenschutzgesetz lichen Anlagen und Einrichtungen oder über
• dem Bundesberggesetz sowie deren anderweitige Verwendung.
• ausgewählten Fachgesetzen. Erst mit der vollständigen Erfüllung der Vorga-
Durch die Landesplanungen werden die teil- ben des Abschlussbetriebsplanes wird die Berg-
raumbezogenen Vorgaben für die Sanierung er- aufsicht für die entsprechende Fläche beendet.
arbeitet. Hierfür sind auf Landesebene spezielle Der Bergbaubetrieb hat sich bei der Aufstellung
Instrumente wie der Abschlussbetriebspläne an den landesplaneri-
• der Sanierungsplan (Brandenburg), schen Vorgaben sowie an den Festsetzungen der
• der Braunkohlenplan als Sanierungsrahmen- kommunalen Bauleitplanung zu orientieren.
plan (Sachsen) und Aus betriebswirtschaftlichen Gründen, ins-
• die Regionalen Teilgebietsentwicklungspro- besondere der Verpflichtung zum sparsamen und
gramme (Sachsen-Anhalt) wirtschaftlichen Umgang mit öffentlichen Mitteln
geschaffen worden (s. Kap. 3). entsprechend § 53 Haushaltsgrundsätzegesetz des
Diese speziellen Instrumente werden auf der Bundes, kann sie nicht alle Forderungen der Lan-
Grundlage von Landesentwicklungsprogrammen, desplanungen in die bergrechtliche Abschlussbe-
der Landesentwicklungspläne und in Abstimmung triebsplanung übernehmen, sondern muss sich auf
mit der Regionalplanung unter Einbeziehung der das bergrechtlich Notwendige beschränken. Dies
Öffentlichkeit und der regionalen Akteure aufge- birgt selbstverständlich teilweise erheblichen
stellt. Sie legen die Ziele der Raumordnung und Konfliktstoff in sich, da Länder und Kommunen
Landesplanung für das betreffende Gebiet fest. im Ergebnis der kostenintensiven bergrechtlichen
Die Sanierungspläne, Sanierungsrahmenpläne Sanierungsmaßnahmen möglichst unmittelbare
bzw. Regionalen Teilgebietsentwicklungspro- Wirkungen im Rahmen des angestrebten Struk-
gramme sind gesetzestechnisch den Teilregional- turwandels erwarten. Dieses Konfliktpotenzial
plänen gleichgestellt. Sie werden schrittweise in kann in dem Maße verringert werden, in welchem
die Regionalplanung integriert. Sie besitzen je- es gelingt, aktiv am Prozess der Entwicklung von
doch eine Doppelfunktion indem sie landesplanerischen Vorgaben und bauleitplaneri-
• erstens die Raumordnungs- und Landes- schen Festsetzungen mitzuwirken.
planung mit der bergrechtlichen Planung
verknüpfen und Vorgaben für die konkrete Entwicklung, Chancen und Probleme der
Umsetzung entwickeln kommunalen Bauleitplanung in Bergbauge-
• zweitens die Grundlagen für die bergrechtliche bieten  Eine wichtige Voraussetzung für die Schaf-
Abschlussbetriebsplanung sowie Leitlinien für fung der Verwertungsfähigkeit der Liegenschaften
die kommunale Bauleitplanung festlegen. (insbesondere für eine höherwertige Nutzung)
9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 589

aber auch als Grundlage für eine möglichst nut- wurden integrierte Nutzungskonzepte entspre-
zungsorientierte Sanierung ist die entsprechende chend § 140 BauGB als Instrumente der informel-
planungsrechtliche Sicherung der Flächen. len Planung erarbeitet und der standortkonkreten
Mit der Beendigung der bergbaulichen bzw. Entwicklung zugrunde gelegt (s. Abschn. 9.3.3).
industriellen Nutzung verlieren die Bergbauflä- Die Nutzungskonzepte definieren zukünftige im-
chen und Industriealtstandorte ihren planungs- mobilienwirtschaftliche Nutzungen der jeweili-
rechtlichen Status. Damit sind im Rahmen der gen Liegenschaft unter Berücksichtigung einer
Planungshoheit der Kommunen und in Überein- effizienten Bauflächengestaltung potenzieller
stimmung mit den Sanierungszielen und -ergeb- Nutzerzielgruppen sowie die sich daraus erge-
nissen die Bedingungen und Chancen der künfti- benden Infrastruktureinrichtungen. Das setzt ein
gen Folgenutzung neu zu bestimmen. mit der Kommune abgestimmtes Vorgehen und
Die bauleitplanerischen Aktivitäten der Bele- die Sicherung eines kommunal bindenden Sta-
genheitskommunen wiesen für die Mehrzahl der tus dieser Konzepte voraus. Damit wird sowohl
LMBV-Standorte überwiegend keine verbindli- ein wichtiger konzeptioneller Vorlauf als auch
chen Festsetzungen für deren Folgenutzung aus. eine fachliche Grundlage der kommunalen Bau-
Unter den spezifischen Rahmenbedingungen der leitplanung geschaffen. Darüber hinaus ergibt
Flächenaktivierung ausgewählter Industriealt- sich unternehmensintern die Möglichkeit, die
standorte in der LMBV, dass bergrechtliche Abschlussbetriebs- und darauf
• die notwendigen Aktivitäten in den Phasen der basierende Maßnahmeplanung mit der Standort-
Vorbereitung sowie Planung und Genehmi- entwicklung qualifiziert zu verknüpfen (nach-
gung nicht in einem zeitlichen Nacheinander nutzungsorientierte Sanierung). Die Konzepte
(z.  B. Sanierung/Wiedernutzbarmachung → bilden demzufolge ein wichtiges strategisches
Bebauungsplanung der Fläche für Folgenut- Bindeglied zur Steuerung der Abhängigkeiten
zung → Erschließungsplanung/Erschließung bergrechtlicher Sanierungsplanung und bauleit-
→ Vermarktung), sondern parallel erfüllt wer- planerischer Folgenutzungsplanung. Integrierte
den müssen Nutzungskonzepte sind somit Kernstücke einer
• die Sanierung auf den für eine Flächenakti- informellen strategischen Vorlaufplanung einer
vierung ausgewählten Industriealtstandorten nutzungsorientierten Sanierung sowie der Reak-
(Prioritätenstandorte) einerseits noch nicht tivierung ausgewählter Industriealtstandorte.
abgeschlossen, andererseits die Vorbereitung
von Erschließungsmaßnahmen erforderlich
ist und schließlich das Produkt „sanierte Flä- 9.3.3 Nutzungskonzepte, Rahmen-
che“ sehr erheblich die Erschließungsstrategie und Masterpläne sowie
beeinflusst Regionale Entwicklungs- und
• die Entwicklung/Erschließung der Standorte Handlungskonzepte
von wichtigen wirtschaftlichen Zielsetzungen
ausgehen muss (Schaffung wettbewerbsfä- Anfänge der Nachnutzungsplanung  Zu Beginn
higer Erschließungsstandards, hoher Bauflä- der Sanierung und Wiedernutzbarmachung der
chenausweis, Wirtschaftlichkeit der Erschlie- Landschaften und Industriestandorte des ehema-
ßung, zügige Ansiedlung und Vermarktung) ligen Braunkohlenbergbaus gab es nur wenige flä-
• gesicherte Informationsgrundlagen für bau- chenkonkrete Planungen zur nachbergbaulichen
leitplanerische und fachplanerische Zwecke Nutzung. Durch die Braunkohlenländer wurden
benötigt werden im Rahmen der Landes- bzw. Regionalplanung
• fachliche Grundlagen für die Beantragung entsprechende Sanierungspläne (Brandenburg),
von Fördermitteln aus der Gemeinschafts- Braunkohlenpläne als Sanierungsrahmenpläne
aufgabe „Verbesserung der regionalen Wirt- (Sachsen) bzw. Regionale Teilgebietsentwick-
schaftsstruktur“ (GRW) bereitgestellt werden lungsprogramme (Sachsen-Anhalt) erarbeitet.
müssen, In diesen sind lediglich die Ziele der künftigen
Nutzung generalisiert und großmaßstäblich dar-
590 B. Krüger et al.

gestellt. Auch die bergrechtlichen Abschlussbe- Die grundlegende Arbeit an den Nutzungskon-
triebsplanungen konnten die Anforderungen an zepten ist inzwischen abgeschlossen. Die Rah-
eine flächenkonkrete Nachnutzungsplanung aus menpläne der Konzepte werden in regelmäßigen
verschiedenen Gründen nicht erfüllen. Darüber Abständen fortgeschrieben und an die neuesten
hinaus steckte die kommunale Planung noch in Entwicklungen angepasst.
den Kinderschuhen, da sich viele Gemeinden Aufbauend auf den Nutzungskonzepten wur-
wegen der nicht absehbaren Risiken und einer den durch die Länder weitere informelle Planun-
unklaren Rechtslage zunächst noch scheuten, die gen in Form der Regionalen Entwicklungskon-
künftige Nutzung der unter Bergaufsicht stehen- zepte (REK) angestoßen. Solche Konzepte, die
den Flächen in Form einer vorbereitenden oder weniger auf die einzelnen Bergbausanierungsge-
gar verbindlichen Bauleitplanung festzulegen. biete, als auf die regionalen Entwicklungszusam-
Ein Ausweg aus dieser unbefriedigenden Situ- menhänge und Handlungsbedarfe gerichtet sind,
ation bestand darin, die Planungen der Nachnut- liegen u. a. vor für die Regionen:
zung der Bergbaufolgelandschaften über infor- • Dübener Heide (2001)
melle, d. h. nicht rechtsverbindliche Planungen • Südraum Leipzig (2001)
zu vollziehen, auf denen zu einem späteren Zeit- • Altenburger Land – Nordregion (1994/2002)
punkt die kommunale Bauleitplanung aufbauen • Niederlausitzer Heide- und Teichlandschaft
könnte. Dabei wurden in den einzelnen Ländern, (1999/2001)
Regionen und Kommunen sehr unterschiedliche • Lausitzer Seenland (sächsischer Teil, 2003).
Wege beschritten. Auf Initiative einzelner Ge- Darüber hinaus entwickelten sich weitere viel-
meinden bzw. bereits bestehender Zweckverbän- fältige Initiativen zur Steuerung und Unterstüt-
de wurden zunächst so genannte Masterpläne zur zung des landschaftlichen und wirtschaftlichen
Nachnutzung der Bergbaugebiete erarbeitet. Strukturwandels in den Bergbauregionen. In
Diese Planungen waren untereinander außer- Brandenburg wurde mit der Internationalen Bau-
ordentlich inhomogen und lagen darüber hinaus ausstellung (IBA) „Fürst-Pückler-Land“ ein be-
nur für einzelne Räume vor. sonderer Weg gewählt, der unter Abschnitt 9.3.4
Ab 1999 wurden deshalb im Auftrag der ausführlich dargestellt ist. Um die wachsenden
LMBV nahezu flächendeckend Nutzungskon- Aufgaben zur Entwicklung der touristischen In-
zepte für die Bergbaufolgelandschaften in der frastruktur in den Bergbaufolgelandschaften zu
Lausitz und in Mitteldeutschland erarbeitet (Krü- bewältigen und Vorlauf für die weitere Entwick-
ger et al. 2002). Der Bedarf an integrierten, abge- lung zu gewinnen, wurde darüber hinaus in den
stimmten Planungen der künftigen Flächennut- Jahren 2007 und 2008 ein Integriertes Touris-
zung der Bergbaufolgelandschaften resultierte muskonzept für den brandenburgischen Teil des
vor allem aus der folgenden Situation: Lausitzer Seenlandes erarbeitet.
• Unbefriedigender Stand der kommunalen In Mitteldeutschland führte ein länderübergrei-
Bauleitplanung in den Bergbauregionen fendes Regionalforum im Jahr 2006 eine Reihe
• Gleichzeitige Existenz von zahlreichen, oft- von Workshops mit dem Titel „Mitteldeutsche
mals konkurrierenden und nicht immer rea- Seenlandschaft“ durch. Dieses Forum zielte auf
listisch erscheinenden Projektvorhaben und die wechselseitige Abstimmung der Entwicklung
Nutzungsvorstellungen für die Bergbaufolge- der Seenlandschaften ab. Weiterhin wurden in
landschaften fast allen früheren Bergbauregionen kommunale
• Erfordernis der Abstimmung von Sanierungs- Zweckverbände zur Koordinierung der Entwick-
und Folgenutzungsplanung zur Kosteneinspa- lung der Landschaften und Standorte gegründet.
rung und Vermeidung von Doppelarbeiten Im Weiteren soll detaillierter auf die unter Ver-
• Gemeinde-, kreis- und teilweise länderübergrei- antwortung der LMBV, aber mit Unterstützung
fende Ausdehnung der Bergbaugebiete und die der Länder, Regionen und Kommunen sowie
daraus resultierende Notwendigkeit der inter- weiterer Träger öffentlicher Belange entstan-
kommunalen Abstimmung und Koordination. denen Nutzungskonzepte eingegangen werden.
9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 591

Abb. 9.9   Das Nutzungs-


konzept als Instrument zur
Zusammenführung der
Planungen

Diese stellen nicht nur für das Unternehmen, son- Angesichts der Vielzahl bereits vorliegender
dern auch die beteiligten Partner eine besondere Planungen lag die Aufgabe der Nutzungskon-
Form der Planung der Nachnutzung der Bergbau- zepte nicht primär darin, existierenden Vorhaben
folgelandschaften dar. noch weitere hinzuzufügen. Ziel war vielmehr,
die zahlreichen Projekte zu analysieren und auf
Ziele, Möglichkeiten und Grenzen der Nut- ihre Realisierbarkeit unter finanziellen, sanie-
zungskonzepte  Die Nutzungskonzepte verfol- rungstechnischen und städtebaulich-landschafts-
gen zwei grundsätzliche Zielstellungen: gestalterischen Aspekten zu überprüfen und mit
1. Untersetzung der heterogenen Regional-, benachbarten bzw. konkurrierenden Planungen
Sanierungs- und Abschlussbetriebspläne, u. a. abzugleichen.
durch Bewertung und Abstimmung konkreter Die Nutzungskonzepte bündeln somit die
Einzelprojekte, als Vorbereitung bzw. zur Ver- in unterschiedlichen Planungen aufgeführten
tiefung kommunaler Bauleitplanungen. Somit Nutzungen und Projekte in einem abgestimmten
bilden die Nutzungskonzepte auch die Grund- Konzept, wobei für jeden Standort ein eigenes
lage für noch durchzuführende, nachnut- Leitbild entwickelt wird. Dieses dient nicht zu-
zungsorientierte Sanierungsmaßnahmen und letzt auch einer klaren Profilierung der einzelnen
darauf aufsetzende Programme zur Inwertset- Standorte im Sinne der Schaffung von Allein-
zung ausgewählter Liegenschaften einschließ- stellungsmerkmalen und der Vermittlung der
lich notwendiger privater Investitionen. Dazu vorrangigen Entwicklungsziele. Das Spektrum
gehört nicht zuletzt auch ihre Verwendung zur der Entwicklungsziele umfasst land- und forst-
Darstellung der Zielnutzungen als Angebot wirtschaftliche, naturschutzfachliche, aber auch
für potenzielle Erwerber der Flächen. siedlungs- und infrastrukturelle, touristische und
2. Planung und Vorbereitung der Vermarktung wirtschaftliche Aspekte. Die Einzugsbereiche er-
der Bergbaufolgelandschaften unter beson- strecken sich weit über die dünn besiedelten und
derer Berücksichtigung der Ausweisung von mit relativ schwacher Wirtschaftskraft ausgestat-
Flächen höherwertiger Nutzungen (Bauflä- teten Bergbauregionen hinaus.
chen für Gewerbe, Wohnen und Erholung). Die Nutzungskonzepte sind eine wichtige
Die Nutzungskonzepte dienen somit auch der Grundlage sowohl für eine nachnutzungsorien-
Erfassung, Bewertung und Analyse der Lie- tierte Sanierung als auch für die Vermarktungs-
genschaften im Eigentum der LMBV in Vor- planung der LMBV. Sie stellen aber auch ein
bereitung auf deren Vermarktung. Angebot an die öffentlichen Planungsträger dar,
592 B. Krüger et al.

Abb. 9.10   Nutzungskonzepte und Rahmenpläne der LMBV für Bergbaufolgelandschaften

in dem die Erfahrungen und Ergebnisse aus der die Gültigkeit der Nutzungskonzepte als Grund-
Sanierungsplanung mit den öffentlichen Planun- lage der weiteren Entwicklung der Bergbaufolge-
gen zusammengeführt sind (Abb. 9.9). Die digi- landschaft.
talen Rahmenpläne der Nachnutzung sind auf der
Grundlage der Planzeichenverordnung (PlanzV) Räumliche und fachliche Strukturierung  Die
erstellt und somit direkt kompatibel mit den Bau- Konzepte beziehen sich jeweils auf einen Stand-
leitplänen der Kommunen. ort bzw. Standortraum, der durch sanierungs- und
Die Inhalte der Nutzungskonzepte als in- flutungstechnische sowie räumliche Gegeben-
formelle Instrumente sollen möglichst in ver- heiten definiert ist und in der Regel einen grö-
bindliche, von den Regionen und Kommunen ßeren Restsee und dessen Umfeld umfasst. Das
bei ihrer Entwicklungs- und Bauleitplanung zu Untersuchungsgebiet der Nutzungskonzepte
beachtende Planungen überführt werden. Dies wurde zunächst bestimmt durch die Grenze des
wird durch das Erlangen so genannter Selbstbin- Sanierungsgebietes sowie des Grundeigentums
dungsbeschlüsse durch die Kommunalparlamen- der LMBV. In Abstimmung mit den betroffenen
te erreicht. Ein vom Kommunalparlament be- Kommunen wurde es unter raumstrukturellen
schlossenes Nutzungskonzept ist nach § 1 Abs. 5 Gesichtspunkten teilweise erweitert, um die künf-
BauGB bei der Aufstellung von Bauleitplänen zu tige Entwicklung in ihren komplexen Zusam-
berücksichtigen. In Brandenburg und Sachsen- menhängen zu erfassen und so dem Anspruch an
Anhalt haben die Mehrzahl der vom Bergbau be- ein integriertes Nutzungskonzept gerecht werden
troffenen Kommunen derartige Selbstbindungs- zu können.
beschlüsse gefasst. Auch die überörtlichen Ins- Von 1999 bis 2009 wurden 16 Nutzungs-
titutionen wie Regionalversammlungen oder die konzepte und weitere Rahmenpläne für insge-
Braunkohlenausschüsse fassten Beschlüsse über samt 57 Standorte in Bergbaufolgelandschaften
9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 593

erarbeitet, die sich über eine Gesamtfläche von Als Anlage zum Nutzungskonzept sind üblicher-
knapp 124.000 ha erstrecken (Abb. 9.10). Bei der weise nachfolgende Pläne enthalten:
Erarbeitung der Nutzungskonzepte wurden In- • Rahmenplan mit Darstellung der Zielnutzun-
formationen aus nachfolgenden Quellen erfasst, gen nach Planung und Bestand im Maßstab
zusammengeführt und bewertet: 1:2.000
• Öffentliche Planungen • Rahmenplan mit Darstellung des LMBV-Ei-
− Landes- und Regionalplanung (Sanie- gentums
rungsplan, Braunkohlenplan, Regionales • Übersichtskarte des Straßen- und Wegenetzes
Teilentwicklungsprogramm) • Kartografische Darstellungen für ausgewählte
− Bauleitplanung (Flächennutzungsplan, Spezialthemen (Einzeldarstellungen von Ent-
Bebauungsplan) wicklungsgebieten, Standortkonkurrenzen u. a.).
− weitere Fachplanungen (Landschaftsrah- Die Karten werden digital erstellt und sind somit
menplan, Tourismuskonzept). auch mit anderen Daten im Geoinformationssys-
• Sanierungs- und Verwertungsplanungen der tem (GIS) der LMBV kompatibel.
LMBV (Abschlussbetriebspläne, Vermark- Für die Erarbeitung der Nutzungskonzepte
tungskonzepte). wurde ein einheitliches Verfahren entwickelt und
• Informelle Planungen und Projektideen ver- unter Berücksichtigung regionaler Besonderhei-
schiedenster regionaler Akteure. ten als Standardvorgehen angewandt.
Nach einer Bestandsaufnahme der wichtigsten
Inhalt und Vorgehensweise  Hauptbestandteile Daten und Fakten zum Untersuchungsgebiet er-
der Nutzungskonzepte sind verschiedene digi- folgte ein intensiver Dialog mit der Landes- und
tal erstellte, thematische Karten sowie textliche Regionalplanung sowie den kommunalen Be-
Bewertungen und Schlussfolgerungen in Form hörden und anderen regionalen bzw. lokalen Ak-
eines Erläuterungsberichtes. Dieser ist folgender- teuren. Im Ergebnis dieser Arbeitsphase wurde
maßen aufgebaut: im Rahmen einer Erörterungsveranstaltung der
1. Zielstellung des Nutzungskonzeptes erste Entwurf des Nutzungskonzeptes vorgestellt
2. Analyse der Rahmenbedingungen des Stand- und den beteiligten Partnern übergeben. Dabei
ortes (Lage, Größe, Geschichte, Wirtschafts- wurde der gleiche Teilnehmerkreis wie bei einem
struktur, touristisches Umfeld etc.) Verfahren mit den Trägern öffentlicher Belange
3. Beschreibung des Sanierungsstandes und Dar- (TÖB-Verfahren) einbezogen.
stellung der noch durchzuführenden Maßnah- Innerhalb der folgenden längeren Phase hat-
men ten die Beteiligten die Möglichkeit, ihrerseits
4. Erfassung, Bewertung und Zusammenführung Einwände, Hinweise und Vorschläge zum Inhalt
der Nachnutzungsvorstellungen aus LMBV- des Nutzungskonzeptes vorzubringen, die abge-
internen, regionalen, kommunalen und weite- wogen und berücksichtigt oder begründet ver-
ren Planungen sowie detaillierte Darstellung worfen wurden. Im Ergebnis entstand der zweite
der künftigen Nutzungsstruktur des Standortes Entwurf des Nutzungskonzeptes. Dieser wurde
5. Entwicklung eines standortbezogenen Leitbil- im Rahmen einer weiteren Erörterung erneut mit
des und Herausarbeitung von Vor- und Nach- allen Akteuren diskutiert.
teilen des Standortes sowie Alleinstellungs- Danach wurde das Nutzungskonzept fertig-
merkmalen gestellt und den Ländern, Regionen, Kommunen
6. Definition der Handlungsbedarfe und -emp- und anderen Partnern übergeben. Die Kommu-
fehlungen, u. a. zur Einbindung in ein touris- nen wurden aufgefordert, dieses im jeweiligen
tisches Gesamtkonzept, zur Fortführung des Kommunalparlament zu behandeln und mög-
Interessenabgleichs zu den geplanten Pro- lichst mit Selbstbindungsbeschluss für verbind-
jekten innerhalb des Standortes, zu einzelnen lich zu erklären. Abschließend erfolgte die Vor-
Entwicklungsvorhaben und zum Standortmar- stellung der Konzepte bedarfsweise vor weiteren
keting. Gremien, wie dem Braunkohlenausschuss des
594 B. Krüger et al.

Abb. 9.11   Benutzerober-


fläche der GIS-Fachschale
Standortentwicklung

Landes Brandenburg oder der Regionalversamm- In einer ersten Einsatzphase der Fachschale
lung des Planungsverbandes Lausitz-Spreewald. wurden im Zeitraum 1997-98 für ca. 50 ehema-
lige Industriestandorte des ostdeutschen Braun-
Einsatz von Geoinformationssystemen  Der kohlenbergbaus die Grundlagendaten erfasst und
Umfang und die räumliche Ausdehnung der Nutzungsziele definiert.
Sanierungsgebiete der LMBV erfordern zwin- Aufgrund der positiven Ergebnisse wurde
gend den Einsatz moderner Technologien zur in den Jahren 1999–2003 verstärkt dazu über-
Verarbeitung raumbezogener Informationen. Bei gegangen, die Möglichkeiten der Fachschale
der Planung der Nachnutzung und Vermarktung auch für die Erstellung von rahmenplanerischen
gilt es außerdem eine Vielzahl bergbaulicher, Grundlagen der Nachnutzung für großflächi-
katasterlicher, raumordnerischer, landes-, regio- ge Tagebausanierungsgebiete auszuschöpfen.
nal- und kommunalplanerischer Geodaten zu Dabei wurden mit Hilfe der Fachschale alle re-
berücksichtigen (Kadler 2002). levanten Nachnutzungsplanungen der beteiligten
Deshalb lag es nahe, Geoinformationssysteme Länder, Regionen und Kommunen sowie der
für die Bereitstellung von Daten und Informa- LMBV in einer einheitlichen Umgebung erfasst
tionen zur Entwicklung, Nachnutzung und Ver- und dargestellt. Die so erzeugten Informationen
marktung von Liegenschaften des ehemaligen waren die Grundlage für die Klärung von Pla-
Braunkohlenbergbaus zu nutzen. nungs- und Entwicklungskonflikten und eine
Mitte der 90er Jahre wurde eine spezifische engere Verknüpfung mit der Sanierungsplanung,
GIS-Fachschale Standortentwicklung auf der dem bergmännischen Risswerk und anderen
Grundlage des CAD-Systems MicroStation ent- Fachinformationen.
wickelt, die zunächst zur Unterstützung der Aufgrund der schnellen technologischen Ent-
Entwicklung und Vermarktung der ehemaligen wicklungen im GIS-Bereich wurden die techni-
Industriestandorte genutzt wurde. Die GIS-Funk- schen und technologischen Grundlagen zur Er-
tionalitäten zur Erfassung von Sachdaten sowie fassung sowie Be- und Verarbeitung von raumbe-
zur Verdichtung, Analyse und Ausgabe von Sach- zogenen Informationen mehrfach modifiziert und
daten einschließlich thematischer Reports wur- unternehmensweit vereinheitlicht (Stephan et al.
den mit den Funktionalitäten des Modular GIS 2002). Die heute vorhandene unternehmensein-
Environment (MGE) und einer leistungsfähi- heitliche Plattform ermöglicht eine schnelle Ver-
gen ORACLE-Datenbank realisiert. (Abb. 9.11, knüpfung mit anderen Liegenschaftsdaten (Flur-
Ebersbach et al. 1999)
9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 595

Abb. 9.12   Datengrundlagen und Ergebnis der Rahmenplanung der Bergbaufolgelandschaften

stücke, Verkaufsobjekte), dem bergmännischen ses Ergebnis war mit einer intensiven Diskussion
Risswerk, der Sanierungsplanung, dem Altlasten- mit den beteiligten Ländern, Regionen und Kom-
kataster und anderen Fachschalen (Geotechnik, munen sowie weiteren öffentlichen und privaten
Hydrologie, Forstwirtschaft u. a.) (Abb. 9.12). Partnern bei der Gestaltung und Nutzung der
Mittels eines speziell entwickelten Informations- Landschaften nach dem Bergbau verbunden. Die
systems namens TEKTOview werden die Geo- folgenden zwei Beispiele sollen einige Resultate
und Sachdaten jedem Mitarbeiter bereitgestellt der mehrjährigen Arbeit an den Nutzungskon-
und können durch ihn am PC grafisch verknüpft zepten und Rahmenplänen darstellen.
und ausgewertet werden.
Diese intensive Nutzung erfordert eine kon- Landschaftspark Goitzsche  Die Bergbaufolge-
tinuierliche Aktualisierung der Konzepte, da der landschaft Goitzsche erstreckt sich auf einer
komplexe Planungsprozess der Bergbaufolge- Gesamtfläche von über 6.800 ha zwischen den
landschaften sich beständig weiterentwickelt. Städten Bitterfeld und Delitzsch. Sie ist verkehrs-
Der Aktualisierungsbedarf ergibt sich vor allem technisch gut über die Bundesautobahn A9 und
aus folgenden Faktoren: die Bundesstraße B100 zu erreichen. Das Gebiet
• Fortschreibung der Sanierungsplanung, wird durch die Landesgrenze zwischen Sachsen
• Fortschreibung der öffentlichen Planungen, und Sachsen-Anhalt geteilt.
• Vermarktungsaktivitäten der LMBV, Das Nutzungskonzept für den Standortraum
• Neue Investitionsvorhaben und Projektideen. Goitzsche wurde 2001 erarbeitet und im Jahr
2003 infolge der Hochwasserflut 2002 aktuali-
Ausgewählte Beispiele  Seit 1999 wurden durch siert (Abb. 9.13). Vor allem aufgrund der Ein-
die LMBV insgesamt 57 informelle Planungs- bindung des Landschaftsparkes Goitzsche in die
grundlagen für Sanierungsgebiete im Lausitzer Korrespondenzregion der EXPO 2000 waren be-
und Mitteldeutschen Revier geschaffen, die den reits umfangreiche planerische Grundlagen vor-
aktuellen Stand der geplanten Nachnutzung der handen. Dazu zählten im Einzelnen:
Bergbaufolgelandschaften dokumentieren. Die-
596 B. Krüger et al.

Abb. 9.13   Rahmenplan des Nutzungskonzepts für den Landschaftspark Goitzsche

Regionalplanerische Dokumente: • Masterplan „Bergbaufolgelandschaft Goitz-


• Landschaftsprogramm des Landes Sachsen- sche“ (1996)
Anhalt • Tourismus-/Freizeitentwicklungskonzept
• Regionales Entwicklungsprogramm Dessau Goitzsche (1999)
(1996) • Konzept zur infrastrukturellen Erschließung
• Regionales Teilgebietsentwicklungspro- der Bergbaufolgelandschaft Goitzsche (1999)
gramm für den Planungsraum Goitzsche • Struktur- und Entwicklungskonzept Seelhau-
(Sachsen-Anhalt 1997) sener See (2002)
• Regionalplan Westsachsen (2001) • „Projektbündel“ des Zweckverbandes Berg-
• Braunkohlenplan als Sanierungsrahmenplan baufolgelandschaft Goitzsche“ (2003)
für den Tagebaubereich Goitzsche-Holzwei- • Projekte der EXPO 2000 Sachsen-Anhalt
ßig-Rösa (Sachsen 2002). • Bebauungspläne für Teilbereiche.
Bergrechtliche Planungen: Der Haupteinzugsbereich des Standortraumes
• Abschlussbetriebsplan Tagebau Goitzsche Goitzsche liegt im Norden des Gebietes, wo
(1993) einschließlich Ergänzungen. deutlich geringere Standortkonkurrenzen auf-
Kommunale und sonstige Planungen: treten als im Süden des Raumes. Aufgrund sei-
• Flächennutzungsplanungen der Anliegerkom- ner Größe und Alleinstellungsmerkmale hat der
munen (zum Teil noch im Entwurf) Landschaftspark Goitzsche gute Chancen, sich
• Regionales Aktionsprogramm Anhalt-Bitter- zu einem überregional bedeutsamen Erholungs-
feld-Wittenberg- EXPO 2000 (1997/98) gebiet zu entwickeln. Er hat den Vorteil, dass
9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 597

hier ein überdurchschnittlich hohes Maß an Nut- wasserfläche von über 4.000 ha werden durch
zungspotenzialen vorhanden ist. Die Schaffung Kanäle schiffbar miteinander verbunden. Die ers-
klar zugewiesener, gegeneinander abgegrenzter ten Verbindungen zwischen den einzelnen Seen
Bereiche stellt ein besonderes Standortmerkmal wurden bereits realisiert. Auch eine Verbindung
dar. So sind vor allem die Nord- und Ostbereiche zum bereits etablierten Senftenberger See über
des Großen Goitzsche Sees mit Angrenzung an zwei Tunnel und eine Schleuse wird 2013 fertig-
die Ortslagen Bitterfeld, Mühlbeck und Pouch gestellt.
für eine intensive Nutzung für Tourismus und Durch die Anbindung an weitere Seen im
Naherholung prädestiniert, während der Zentral- Osten des Standortraumes entsteht hier bis 2015
und südwestliche Teil des Landschaftsparks vor eine der großen Seenlandschaften Deutschlands
allem den Belangen des Natur- und Landschafts- und damit ein ausbaufähiges Potenzial für die
schutzes und einer ruhigen Erholung vorbehalten Entwicklung einer neuen Tourismusdestination.
bleibt. Bereits heute locken die Bitterfelder Was- Bei Umsetzung der geplanten vielfältigen Pro-
serfront, der Pegelturm am Nordufer des Großen jekte und der schrittweisen Entwicklung von
Goitzsche Sees und die Halbinsel Pouch mit der Anlagen für den allgemeinen Erholungstouris-
Agora, die die Kulisse für spektakuläre Freiluft- mus kann sich dieser Standortraum zu einer
veranstaltungen bietet, tausende Besucher an. deutschlandweit bekannten Tourismusdestina-
Bekannt wurde der Standortraum auch durch tion entwickeln.
diverse, im Rahmen der EXPO 2000 realisierte Im Osten des Standortraumes befinden sich
Landschaftskunstobjekte, die in Form und Aus- der Partwitzer See und der Geierswalder See, die
maß einmalig in Deutschland sind und maßgeb- beide teilweise auf sächsischem und brandenbur-
lich zur Attraktivität und Profilierung des Land- gischem Territorium liegen. Am Partwitzer See
schaftsparks Goitzsche beigetragen haben. sollen im Rahmen des Vorhabens „Aqua Terra“
Der „Landschaftspark Goitzsche“ steht daher verschiedene touristische Projekte realisiert wer-
als ein vor allem der Erholung dienender Natur- den. Ein Initial dieser Entwicklung ist das erste
raum unter dem Leitbild „Einzigartige Kunst- schwimmende Haus im Lausitzer Seenland, das
und Kulturlandschaft mit hoher touristischer At- am Ostufer des Sees errichtet wurde.
traktivität“. Am Geierswalder See soll eine Wasserwelt
Das Nutzungskonzept Goitzsche wurde nach mit vielfältigen touristischen Angeboten entste-
dem bereits dargestellten Verfahren erarbeitet. hen. Neben dem bereits errichteten Hafen sind
Eine besondere Herausforderung ergab sich aus u. a. der Bau einer schwimmenden Ferienhaus-
dem Ländergrenzen überschreitenden Untersu- anlage, eines Campingplatzes und einer Wasser-
chungsraum, wodurch eine intensive interkom- skianlage vorgesehen.
munale und länderübergreifende Abstimmung Der sich nordwestlich anschließende Sedlitzer
erforderlich wurde. In den Abstimmungsprozess See ist Standort einer Reihe weiterer Vorhaben.
waren die sachsen-anhaltinischen und sächsi- Südlich der Ortslage soll die Wohnbebauung zum
schen Kommunen, die Landkreise Bitterfeld und See hin abgerundet werden und mit der so ge-
Delitzsch, das Regierungspräsidium Dessau und nannten Lagune Sedlitz eine außergewöhnliche
der Regionale Planungsverband Westsachsen Wohnanlage entstehen. Am Nordufer des Sees
und der kommunale Zweckverband Goitzsche ist ein komplexer touristischer Entwicklungsbe-
einbezogen. reich geplant, dessen Kern der Wasserlandeplatz
für Flugzeuge sein soll. Außerdem wird die tech-
Lausitzer Seenland (brandenburgischer Teil)  Die nische und finanzielle Realisierbarkeit des Baus
Bergbaufolgelandschaft Lausitzer Seenland eines schwimmenden Steges an der schmalsten
umfasst Flächen der ehemaligen Tagebaue Sed- Stelle des Sees geprüft. Am südöstlichen Aus-
litz, Scado, Koschen und Meuro in Brandenburg gangspunkt der möglichen Verbindung zwischen
und im Freistaat Sachsen. Die mit der Sanierung den Ufern wurde eine Landmarke in Form eines
entstehenden vier Restseen mit einer Gesamt- Aussichtsturmes errichtet, die zum Wahrzeichen
des Sees werden könnte.
598 B. Krüger et al.

Abb. 9.14   Rahmenplan des Nutzungskonzeptes der LMBV für den brandenburgischen Teil des Lausitzer Seenlandes

Der letzte der vier Seen ist der Großräschener Maßnahmen überhöht dargestellt werden. Damit
See, der das Seenland zugleich nach Westen hin wird die Einzigartigkeit des Raumes unterstri-
abschließt. Der zwischen den Städten Großrä- chen.
schen und Senftenberg gelegene See wird, nicht Die Schaffung klar zugewiesener, gegenei-
zuletzt dank seiner verkehrsgünstigen Lage nahe nander abgegrenzter und mit allen Beteiligten
der Bundesautobahn A13, damit zum Ausgangs- abgestimmter Nutzungszonen für Erlebnistou-
punkt für die Erkundung des Lausitzer Seenlan- rismus, sanfte Erholung und so genannte Tabu-
des. Am Nordufer des Großräschener Sees be- zonen für die ungestörte Entwicklung der Natur
findet sich der zentrale städtebauliche Entwick- ist ein Mittel, die nachnutzungsorientierte Sanie-
lungsbereich. rung zielgerichtet durchzuführen und Planungs-
Das gesamte Lausitzer Seenland ist gleich- sicherheit zu erreichen. Somit liegen alle Voraus-
zeitig einer der Entwicklungsschwerpunkte der setzungen auch für die Realisierung touristischer
Internationalen Bauausstellung (IBA) Fürst-Pü- Großprojekte vor, denen der Raum eine spannen-
ckler-Land. de Kulisse bietet.
Während die anderen drei Seen infolge des Bei der Erarbeitung des Nutzungskonzeptes
Aufgangs von Grundwasser bereits weitgehend galt es, die Entwicklungsziele für den Raum vor
gefüllt sind, wurde die Flutung des Großräsche- dem Hintergrund des gesamten Lausitzer Seen-
ner Sees im Jahr 2007 begonnen. Die durch den landes, über die Landesgrenze hinaus, zu fixieren
Braunkohlenbergbau entstandenen spezifischen (Abb. 9.14). Zum anderen kam es darauf an, die
Landschaftsformen um den Großräschener See aufgrund der Größe und Ausdehnung des Unter-
sollen exemplarisch erhalten bzw. durch bauliche suchungsgebietes verstärkt auftretenden Nut-
9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 599

zungskonkurrenzen zu vermeiden oder zumin- Projekte müssen zwar zunächst einmal Ideen ge-
dest einzugrenzen. Schließlich war eine Vielzahl funden werden. Entscheidend ist aber: Wie sind
landesentwicklungspolitischer, regionaler und die Ideen umzusetzen? Mit welchen Mitteln und
kommunaler Interessen zu berücksichtigen. In mit welchen Partnern? So hat sich für jede Land-
diesem Zusammenhang hatten die Impulse und schaftsinsel ähnlich einem „Inselrat“ ein Koordi-
die koordinierende Wirkung der Arbeit der IBA nationsgremium herausgebildet, in dem die be-
einen positiven Einfluss auf die Entstehung der teiligten Akteure miteinander kooperieren.
Nutzungskonzepte. Die IBA ist auf die Zusammenarbeit mit Drit-
Im Land Brandenburg war der Erarbeitung ten angewiesen. Sie ist keine Behörde oder Ge-
von Nutzungskonzepten für Bergbaufolgeland- bietskörperschaft, sondern eine zeitlich befristete
schaften, die durch kommunale Selbstbindungs- GmbH. Als intermediäre Organisation steht sie
beschlüsse fast ausnahmslos ein wichtiger Aus- außerhalb der Planungshierarchie – sie erstellt
gangspunkt für die kommunale Bauleitplanung keine Bebauungspläne, hat keinen Planungsvor-
wurden, von besonderer Bedeutung. Das war der behalt und keine Befugnisse. Sie hat nur die Mit-
Situation geschuldet, dass die bereits Anfang der tel der Kommunikation. Die IBA kann Projekte
1990er Jahre aufgestellten Sanierungspläne in vorschlagen, initiieren und geeignete Entschei-
vielen Teilen nicht mehr aktuell und zu ungenau dungsträger zusammenbringen. Die IBA ver-
waren. Die Nutzungskonzepte dienten somit zu- sucht, den ohnehin anstehenden Strukturwandel
gleich der Aktualisierung der landesplanerischen zu qualifizieren und mit gestalterischen Ansprü-
Grundlagen für die Gestaltung der Bergbaufolge- chen zu versehen. Sie „macht“ keine Projekte,
landschaften. sondern fördert Projektträger, wo sie bestehen
und gründet neue, wo diese für ungewöhnliche
Ideen gesucht werden. Die IBA versteht sich
9.3.4 Arbeitsweise und Projekte der somit gleichzeitig als Initiator von Netzwerken,
Internationalen Bauausstellung als Forum, Ideenfinder, Motor und Katalysator
(IBA) Fürst-Pückler-Land des Wandels sowie als Anwalt des industriellen
2000–2010 Erbes und das auf Basis einer tragfähigen Zu-
kunftsvision.
Die IBA Fürst-Pückler-Land arbeitet gleichzeitig Die wichtigsten Kooperationspartner der IBA
an 30 verschiedenen Einzelprojekten, welche sich sind das Land Brandenburg über verschiedene
thematisch und flächenmäßig in neun Teilgebiete Ministerien, vor allem dem Ministerium für Inf-
einordnen – ein Zentrum, sieben Landschafts- rastruktur und Raumordnung, der Bergbausanie-
inseln und eine Europainsel. Diese „Inseln“ sind rer LMBV, der Bergbaubetreiber Vattenfall, die
Gebiete mit ganz bestimmten Gegebenheiten, Kreise, Kommunen und Gemeinden sowie Stif-
Strukturen und Problemen. Jedes hat ein eigenes tungen, Vereine und Unternehmen der Region.
Thema (Abb. 9.15). In immer wieder anderen Konstellationen
Da gibt es zum Beispiel die Landschaftsinsel versucht die IBA anspruchsvolle Ideen durchzu-
„Industriekultur“ rund um Lauchhammer mit setzen und dafür die entsprechenden Bündnisse
ausgewählten Industriedenkmälern wie dem Be- verschiedener Partner zu schmieden. Ein erstes
sucherbergwerk F60, den Biotürmen in Lauch- wirtschaftliches Ergebnis der zunächst gestal-
hammer (Abb. 9.16) und dem Kraftwerk Plessa. terisch-organisatorischen Arbeit (einschließlich
Die Landschaftsinsel „Wasserwelt Lausitzer Finanzierungs-, Träger- und Betreibermodelle)
Seenkette“ hingegen widmet sich der entstehen- sind touristische Aktivitäten in Gebieten, die man
den Seenlandschaft zwischen Großräschen und vorher als eher besucherabweisend einschätzte.
Hoyerswerda (Abb. 9.17). Seit 2002 entwickelt die IBA die verschie-
Weil es bei den Einzelprojekten innerhalb der densten Touren und touristischen Angebote
Landschaftsinseln oft ähnliche Probleme gibt, (Abb. 9.18).
wird das Vorgehen abgestimmt. Für jedes der
600 B. Krüger et al.

Abb. 9.15   Karte mit IBA-Projekten und Landschaftsinseln

der Lausitz beitragen. Schließlich ist es erklär-


tes Ziel der IBA, wirtschaftliche Impulse für die
Lausitz zu geben. Der durch die IBA-Aktivitä-
ten angeregte Tourismus befördert alle drei Ziele
gleichzeitig.
Viele bislang abgeriegelte und geheimnis-
voll wirkende Tagebaue und Industrieareale mit
ihrer eigentümlichen Schönheit werden nun für
die Öffentlichkeit zugänglich. Geführte Touren
durch die Tagebaue lassen Einheimische und
Gäste „Steppe, Canyons und Giganten aus Stahl“
(so der Titel einer der Touren) entdecken und er-
Abb. 9.16   Biotürme Lauchhammer
möglichen damit neue Sichtweisen auf die Lau-
sitz im Wandel. Einige der Attraktionen gibt es in
wenigen Jahren nicht mehr, wenn die Tagebaue
Damit werden drei Ideen verfolgt: Zum einen geflutet und zur größten künstlichen Seenland-
soll die Arbeit der IBA und die Idee vom Struk- schaft geworden sind. Solange lassen sich die
turwandel anschaulich werden. Gleichzeitig will Veränderungen in Flora und Fauna und der land-
die IBA, indem sie auf neue Weise die Qualitäten schaftliche Wandel unmittelbar miterleben.
der Region erlebbar macht, zum Imagewandel
9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 601

Abb. 9.17   Schwimmendes


Haus auf dem Partwitzer
See

Abb. 9.18   Tagebauerkun-


dung „Reise zum Mars“

Ständig wird das Angebot ergänzt, teilweise Projekte, wie die IBA-Terrassen, das Besucher-
durch die IBA selbst, teilweise durch Partner- bergwerk F60 (Abb. 9.19) oder die Slawenburg
unternehmen. Neu hinzugekommen sind ab 2005 Raddusch, von Beginn an möglichst rasch auf
zum Beispiel Off-Road-Touren mit dem Gelän- eigenen Füßen zu stehen.
dewagen oder auch Floßfahrten auf den entste- So will die IBA Impulse geben und Entwick-
henden, erst halb gefüllten Seen. Weitere Touren lungen anstoßen. Ziel ist es, regionale Akteure
führen zu den Industriemonumenten und ent- unter Nutzung eigener Potenziale und Ressour-
lang des neu geschaffenen Fürst-Pückler-Weges. cen der Region nachhaltig zum Handeln zu ak-
Die IBA schuf und schafft in der Lausitz völlig tivieren.
neuartige touristische Produkte. Dafür schult Die Veränderung der Landschaft als Thema
sie auch Gästeführer und unterstützt die IBA- der IBA ist auch ein Thema des Informations-
602 B. Krüger et al.

Finale 2010 wollte die IBA ihre eigenen diesbe-


züglichen Projekte in den Vordergrund rücken,
sie wollte sich aber auch mit ihrem Informati-
ons- und Ausstellungszentrum „IBA-Terrassen“
(Abb. 9.20 und 9.21) sowie regionalen Kampag-
nen über ihre eigenen Projekte hinaus als Schau-
fenster und Plattform für die Region und ihre Ak-
teure insgesamt anbieten.

9.3.5 Öffentliche Aufmerksamkeit
Abb. 9.19    Besucherbergwerk F60 als Licht-Klang-
und wirtschaftlicher Erfolg
Installation des entstehenden Lausitzer
Seenlandes

und Ausstellungszentrums IBA-Terrassen in Das Hauptpotenzial des Lausitzer Seenlandes


Großräschen-Süd. Seit 2007 kann man von hier liegt im Wassertourismus. Die derzeitigen infra-
aus das steigende Wasser im ehemaligen Tagebau strukturellen Nachteile im Vergleich zu anderen
Meuro und damit die Transformation der Land- Wasserlandschaften fordern ein besonders star-
schaft besonders gut beobachten. Derzeit bietet kes Konzept der Entwicklung, welches schein-
sich die höchstmögliche Spannung zwischen bare Nachteile in Vorteile ummünzt.
archaischer Grubenlandschaft und feinsinniger Das Lausitzer Seenland unterscheidet sich
klarer Architektur. von anderen touristischen Gebieten durch die Be-
Von 2000 bis 2010 hatten die IBA und ihre sonderheit der durch den Bergbau gebauten und
Partner elf Jahre, um eine ungewöhnliche, at- neu geplanten Landschaft. Sie ist die größte von
traktive Seenlandschaft mit zu gestalten. Danach Menschenhand gebaute Wasserlandschaft Euro-
setzen die Partner und Akteure die begonnene pas. Eine markante Gestalt und Ästhetik dieser
Arbeit fort. In den ersten fünf Jahren der IBA neuen Kulturlandschaft wird mitentscheidend
ging es vor allem darum, Soforthilfe zu leisten, sein für eine überregional wirksame touristische
um das durch drohenden Abriss oder Verfall akut Anziehungskraft. Auch der „Beginn als unbe-
gefährdete industrielle Erbe zu retten und damit schriebenes Blatt“ beim Aufbau eines wasser-
die Identität der Region zu wahren. Nach dem orientierten Tourismus bietet trotz vieler Heraus-
Motto „Zukunft braucht Herkunft“ sollte damit forderungen eine große Chance für eine optimale
auch die Chance auf eine eigenständige Regio- Funktionalität und einen eigenständigen Charak-
nalentwicklung erhalten werden. In der ersten ter (Abb. 9.22).
Hälfte der IBA wurde für diese Entwicklung das Die Konzeption des Lausitzer Seenlandes
Fundament gelegt. Zudem organisierte die IBA zielt zum einen auf die Entwicklung einer zeit-
mit ihren Partnern erste Höhepunkte wie die Er- lich-räumlich optimal funktionierenden „Stan-
öffnungen des Besucherbergwerks F60, der Sla- dard“-Infrastruktur. Ein vom Besucher allgemein
wenburg Raddusch und der IBA-Terrassen in erwartetes Angebot an Produkten wird grundsätz-
Großräschen. lich breit abgedeckt. Unterkünfte, Restauratio-
In der zweiten Hälfte wurde auf diesem Fun- nen, Besucherservice, Promenaden und Marinas
dament erster Erfolge aufgebaut. Es entstand müssen in sehr guter Qualität entwickelt werden.
Neues, das in der Region, in ihrer Geschichte und Auf dieser Grundlage sind Schwerpunktsetzun-
Kultur wurzelt und in die Zukunft weist. gen möglich und nötig. Schließlich ist der Erfolg
Mit Jahresthemen wie Europa in der Lau- des Lausitzer Seenlandes in Konkurrenz zu an-
sitz 2006, Energieland Lausitz 2007, Seensucht deren gut entwickelten Seengebieten in Europa
Lausitz 2008, Neues Land 2009 und dem IBA-
9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 603

Abb. 9.20   Luftbild mit


Seebrücke + IBA-Terras-
sen am Großräschener See
– vor der Flutung

Abb. 9.21   Seebrücke +


IBA-Terrassen am Groß-
räschener See – nach der
Flutung (Vision)

nur durch Besonderheiten bis hin zu Superlativen kann mit einem schrittweisen Aufbau und einem
wahrscheinlich (Abb. 9.23). vielfältigen System aus Investoren und Betrei-
Ziel ist, das Lausitzer Seenland insgesamt als bern langsam entstehen und korrespondiert somit
ein offenes, flexibles System zu verstehen und auch gut mit der aufgrund des Wasseranstieges
zu entwickeln. Als Gegensatz dazu sind das ge- allmählichen Entwicklung des Seenlandes. Ge-
scheiterte Projekt eines „Karl-May-Landes“ in schlossene Teilsysteme können an bestimmten
der Lausitz oder künstliche Erlebniswelten wie Standorten durchaus integriert werden; sie bilden
Themenparks á la Disneyland als geschlossene aber nicht die Basis der Entwicklung.
Systeme zu verstehen und hier abzulehnen. Of- Die tourismuswirtschaftliche Konzeption des
fene Systeme sind in der Lage, auf sich ändernde Seenlandes darf nicht nur auf die aktuellen Märk-
Nachfragesituationen reagieren zu können. Sie te reagieren, sondern muss in Anbetracht der lan-
bauen auf eine gezielte Überlagerung und Ergän- gen Entwicklungszeiträume, auf der Grundlage
zung der Freizeitteilmärkte und eine gelungene allgemeiner Trends, Märkte selber gestalten und
Mischung von Produkten. Ein offenes System neue Marktnischen definieren.
604 B. Krüger et al.

Abb. 9.22   Schwimmen-


de Tauchschule auf dem
Gräbendorfer See

Abb. 9.23   Wasserflug-


zeug beim Landen auf dem
Sedlitzer See

Voraussetzung ist eine stabile, länderüber- und das Seenland als Ganzes nach außen als ein
greifend abgestimmte Zusammenarbeit, die Ver- einmaliges und attraktives Reiseziel wahrgenom-
ständigung der Kommunen über ihre Stärken und men wird.
Schwächen und eine daraus folgende Abstim- Die Identifikation der Bevölkerung mit ihrer
mung zur Standortentwicklung einschließlich Region und die Akzeptanz des Wandlungspro-
der notwendigen Organisationsstrukturen und zesses hin zur Tourismusregion sind Grundvor-
Betriebsformen. aussetzungen für eine erfolgreiche touristische
Die Stärke des Gebiets liegt in der guten Ver- Entwicklung. Die gastgebende Bevölkerung ist
netzung der Seen miteinander zu einem starken ein wichtiger Botschafter für die Region. Zufrie-
Seenverbund. Dies erfordert eine enge interkom- dene Gäste, die sich freundlich empfangen füh-
munale Kooperation. Planung und Entwicklung len und das Gefühl vermittelt bekommen, sich
müssen abgestimmt erfolgen, damit die touristi- in einer auch von den Bewohnern als attraktiv
schen Einzelprodukte sich gegenseitig ergänzen empfundenen Region zu befinden, werden zu
9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 605

positiven Multiplikatoren. Die Qualitäten der


neuen Urlaubsregion „Lausitzer Seenland“ und
die damit verbundenen Chancen müssen daher
immer auch in der Region selber kommuniziert
werden. Ziel des Innenmarketings ist vor allem
die Herausbildung einer Identifikation der Be-
wohner mit dem Lausitzer Seenland. Die Bevöl-
kerung muss über Informationsveranstaltungen Abb. 9.24   Logo Lausitzer Seenland
und imagebildende Maßnahmen in den Wand-
lungsprozess einbezogen werden. Beim Imageaufbau ist unter dem Dach einer
Gleichzeitig mit der Identifikationsbildung zu gründenden gemeinsamen Organisation kon-
nach innen muss der Imagewandel der Region zertiertes Handeln aller Akteure notwendig. Er-
nach außen strahlen. Das Lausitzer Seenland hat folgsfaktoren für das gemeinsame Handeln sind
als Urlaubsregion noch keinen Namen, die Lau- die konsequente Orientierung an den Gästewün-
sitz wird bislang noch nicht mit einer attraktiven schen, die Zurückstellung lokaler und kleinräu-
Seenlandschaft in Verbindung gebracht. Dieser miger Interessen sowie die Bündelung von Auf-
Prozess ist wie der nach innen nicht von heute gaben und finanziellen Mitteln.
auf morgen leistbar, sondern muss frühzeitig be- Im Vergleich mit dem ebenfalls künstlich ent-
gonnen und kontinuierlich gepflegt und entwi- standenen Fränkischen Seenland hat das Lausit-
ckelt werden. zer Seenland die sechsfache Wasserfläche. Die
Für den Imageaufbau nach außen ist also der Entfernung zu größeren Städten und Ballungs-
interne Konsens über die zu kommunizierenden gebieten ist ähnlich. Aufgrund einer sehr konse-
Schlüsselthemen von grundlegender Bedeutung quenten und gut abgestimmten Planung und Rea-
aber auch die konsequente Einhaltung gestalte- lisierung wurde das Fränkische Seenland zum
rischer Leitlinien. Im Wettbewerb der Regionen Erfolgsmodell mit ca. 1.600 neuen Arbeitsplät-
sind klare Schwerpunktsetzungen und Wieder- zen. Im Vergleich damit müssten im Lausitzer
erkennungseffekte wichtig, um vom Gast als Seenland mindestens 2.000 neue Arbeitsplätze
Ganzes wahrgenommen zu werden. durch den Tourismus entstehen. Eine steigende
Aufbauend auf Begriffen wie „Region im touristische Anziehungskraft ist ein Zeichen für
Entstehen“, „Landschaftswandel“, „aktiv + sport- die Attraktivität einer Region und wirkt als wei-
lich“, „originell + innovativ“ werden emotionale cher Standortfaktor förderlich auf weitere wirt-
Botschaften formuliert. Dabei muss vermittelt schaftliche Entwicklungen und Ansiedlungen
werden, dass das Lausitzer Seenland eine touris- auch außerhalb des Tourismusgewerbes (z. B. bei
tische Destination im Entstehen ist. Auch wenn Industrieansiedlungen).
vieles noch Zukunft ist, ist der Wandlungspro- Entscheidend für all diese positiven Entwick-
zess bereits jetzt für sich betrachtet ein spannen- lungen ist, dass das Lausitzer Seenland seine
des Ereignis, das es lohnt mitzuerleben. Künstlichkeit (das industriell Gewordensein und
Eine einheitliche Außendarstellung durch ein das vom Menschen Gemachtsein) nicht kaschiert
gemeinsames Corporate Design ist Grundvoraus- oder verleugnet, sondern dass es dies zu seiner
setzung dafür, dass die Region von außen über- Besonderheit und zu seinem Markenzeichen
haupt wahrgenommen wird. Vor diesem Hinter- macht (Abb. 9.25).
grund ist die entwickelte Wort-Bild-Marke und Dabei spielen in der großen und naturräum-
der Internetauftritt bereits eine entscheidende lich vielfältigen Wasser- und Landfläche, die
Weichenstellung. Um die neue Marke „Lausitzer die Hälfte des Seenlandes schiffbar verbinden-
Seenland“ (Abb. 9.24) möglichst schnell bekannt den Kanäle, die erhaltene, sanierte und um-
zu machen, ist sie konsequent in allen inhaltli- funktionierte Industriekultur und die schwim-
chen Zusammenhängen des Seenlandes und von mende Architektur, die das Freihalten der Ufer
allen regionalen Akteuren zu transportieren. mit völlig neuen Erlebnissen und Aufenthalten
606 B. Krüger et al.

zwischen dem Eigentumsnachweis im Grundbuch


und der tatsächlichen Lage des Grundstückseigen-
tums in der Örtlichkeit herzustellen, nicht mehr
sinnvoll erfüllen. Somit besteht die Notwendigkeit
einer umfassenden Neuordnung der Liegenschaf-
ten in den ehemaligen Tagebaugebieten an Hand
der neu entstandenen Nutzungs- und Eigentums-
verhältnisse. Die rechtlichen Grundlagen für eine
Neuordnung des Liegenschaftskatasters schafft
das Flurbereinigungsgesetz.
Die Flurneuordnung nach Flurbereinigungs-
gesetz (FlurbG) dient der Verbesserung der
Abb. 9.25   Radfahrer vor Landschaft im Wandel
Produktions- und Arbeitsbedingungen in der
Land- und Forstwirtschaft sowie der Förderung
auf dem Wasser verbindet, eine entscheidende der allgemeinen Landeskultur und der Land-
Rolle. entwicklung. Sie wird in einem behördlich ge-
Dadurch, dass es der Regionalen Planungs- leiteten Verfahren innerhalb eines bestimmten
gemeinschaft Lausitz-Spreewald gelungen ist, Gebietes (Flurbereinigungsgebiet) unter Mit-
diesen Wandlungsprozess mit einer Internatio- wirkung der Gesamtheit der beteiligten Grund-
nalen Bauausstellung zu kombinieren und sich eigentümer und der Träger öffentlicher Belange
nicht auf ein regionales Entwicklungsprojekt sowie der landwirtschaftlichen Berufsvertretung
beschränken zu lassen, war von vornherein eine durchgeführt (§ 2 Abs. 1 FlurbG). Dabei werden
nationale und internationale Aufmerksamkeit in die Eigentumsverhältnisse im Flurbereinigungs-
Fachkreisen und zu bestimmten Höhepunkten gebiet entsprechend der jeweiligen Landschafts-
auch in den Medien gesichert. struktur unter Abwägung der Interessen aller
Die inhaltliche Ausrichtung des Wandlungs- Beteiligten nach landeskulturellen und betriebs-
prozesses, seine gestalterisch-organisatorische wirtschaftlichen Gesichtspunkten neu geordnet.
Absicherung und die schon während des Prozes- Das Liegenschaftskataster wird an die vorhande-
ses vorhandene mediale Aufmerksamkeit, sind nen Nutzungsverhältnisse angepasst; zersplitter-
wohl die entscheidenden Beiträge der IBA Fürst- ter oder unwirtschaftlich geformter Grundbesitz
Pückler-Land für den Erfolg des mit dem Berg- wird zusammengelegt und nach Lage, Form und
bau verbundenen Strukturwandels in der Lausitz. Größe zweckmäßig gestaltet. Die Grundeigentü-
mer bringen ihre innerhalb des Flurbereinigungs-
gebietes liegenden Grundstücke in das Verfahren
9.4 Flurneuordnung in Bergbausa- ein und erhalten im Ergebnis der Flurneuordnung
nierungsgebieten gleichwertige, jedoch neu zugeschnittene Grund-
stücke zurück.
Die bergbaulichen Tätigkeiten und anschließenden Die Flurneuordnung stellt damit ein geeigne-
Sanierungsarbeiten führen dazu, dass die Eigen- tes und kostengünstiges Verfahren zur großflä-
tumsstrukturen des Liegenschaftskatasters nicht chigen Neuordnung der Nutzungs- und Eigen-
mehr den tatsächlichen Nutzungen entsprechen. tumsverhältnisse in den Bergbausanierungsge-
Die Grenzmarkierungen vor Ort wurden in den bieten dar.
ehemaligen Tagebaubereichen fast vollständig be- In Abhängigkeit von der Veranlassung, dem
seitigt. Eine Wiederherstellung der alten vorberg- möglichen Verfahrensverlauf und weiteren Fak-
baulichen Grenzverläufe wäre äußerst aufwendig toren kommen unterschiedliche Verfahren zur
und im Hinblick auf die zukünftige Nutzung der Anwendung:
Flächen auch nicht sinnvoll. Das Liegenschafts- • Regelverfahren nach § 1 und § 37 FlurbG
kataster kann seine Aufgabe, eine Verknüpfung • Sonderverfahren
9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 607

Abb. 9.26   Flurneuord-


nungsverfahren Gräben-
dorf- Flurstücksgrenzen
des Liegenschaftskatasters
vor der Flurneuordnung

− Vereinfachtes Verfahren nach § 86 FlurbG Im Jahr 1997 wurde mit dem Flurneuord-
− Unternehmensverfahren nach § 87 FlurbG nungsverfahren „Gräbendorf“ ein Pilotverfahren
− Verfahren bei Grundabtretung für ein Berg- für die Neuordnung von Bergbaufolgelandschaf-
werksunternehmen nach § 90 FlurbG ten in Brandenburg als vereinfachtes Verfahren
− Beschleunigte Zusammenlegungsverfah- nach § 86 FlurbG eröffnet. Das Verfahren wurde
ren nach § 91 FlurbG Ende 2009 mit der Ausführungsanordnung been-
− Freiwilliger Landtausch nach § 103a det. Die Abbildungen 9.26 und 9.27 zeigen das
FlurbG. Liegenschaftskataster vor und nach Abschluss
Für großflächige Tagebausanierungsgebiete ist des Flurneuordnungsverfahrens. Deutlich er-
das vereinfachte Verfahren nach § 86 FlurbG kennbar sind die Verringerung der Anzahl der
wegen Flurstücke und die Verlegung der Grenzen der
• der möglichen Beantragung durch einen Maß- Landkreise.
nahmeträger - z. B. der Bergbaubetrieb, Im Zeitraum 1999 bis 2004 wurde das Ta-
• dem vereinfachten Verfahrensablauf und gebausanierungsgebiet Olbersdorf (Freistaat
einem möglichen Verzicht der Aufstellung Sachsen) neu geordnet (beschleunigte Zusam-
eines Gewässer- und Wegeplanes mit land- menlegung nach § 91 ff. FlurbG). Aufbauend
schaftspflegerischem Begleitplan (dieser wird auf diesen Erfahrungen hat die LMBV für ihre
durch gleichartige Festlegungen im Abschluss- Sanierungsgebiete ab 2001 weitere 43 Flurneu-
betriebsplan ersetzt) ordnungsverfahren mit einer Gesamtfläche von
besonders geeignet. rund 80.000 ha beantragt. Grundlage waren ein
Beschluss des StuBA zur anteiligen Finanzierung
608 B. Krüger et al.

Abb. 9.27   Flurneuord-


nungsverfahren Gräben-
dorf- Flurstücksgrenzen
des Liegenschaftskatasters
nach der Flurneuordnung

der Flurneuordnungskosten sowie vertragli- − Eigentümerermittlungen bzw. Vertreterbe-


che Vereinbarungen mit den Bundesländern zur stellungen
Durchführung der Verfahren. − Einholung von Eigentümerzustimmungen
Neben den regionalpolitischen Aufgabenstel- − Abschluss von Vereinbarungen zur Klä-
lungen (Förderung der allgemeinen Landeskul- rung der Eigentumsverhältnisse und damit
tur und der Landentwicklung, Beseitigung von verbundene Verringerung der Gefahr von
Landnutzungskonflikten) haben die Flurneuord- Einsprüchen im Verfahren.
nungsverfahren auch für die LMBV als Eigentü- • Verbesserung der Vermarktungsbedingungen
mer und Projektträger der Sanierung eine Reihe im Grundstücksverkehr durch
praktischer Vorteile: − optimierte Flächenzuschnitte
• Neuordnung der Nutzungs- und Eigentums- − Einsparung von Vermessungskosten durch
verhältnisse durch Bereitstellung vermessener Grundstücke.
− Anpassung des Liegenschaftskatasters an Die Vermarktung von Grundstücken ist auch bei
die veränderte Nutzungsstruktur nach der laufenden Flurneuordnungsverfahren möglich.
Sanierung An die Stelle des notariellen Grundstückskauf-
− Klärung der Eigentumsverhältnisse vertrages (dieser kann selbstverständlich auch
− Beseitigung von Zersplitterungen weiterhin abgeschlossen werden) tritt dabei in
− Umsetzung der Eigentümerverpflichtun- der Regel eine Vereinbarung nach § 52 FlurbG
gen aus den Vermessungsgesetzen. (Landabfindungsverzicht). Danach erklärt der
• Unterstützung der wasserrechtlichen Planfest- Verkäufer schriftlich gegenüber der Flurbereini-
stellungsverfahren durch gungsbehörde, dass er gegen sofortige Zahlung
9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 609

einer Geldabfindung (Kaufpreis) auf seine An- nigungsbehörden übernahmen den Grunderwerb
sprüche auf Landzuteilung nach Verfahrensab- in der erforderlichen Größenordnung und stellten
schluss zu Gunsten eines Dritten (Käufer) ver- der LMBV durch Neuaufteilung des Verfahrens-
zichtet. Der Käufer tritt als neuer Verfahrensteil- gebietes die benötigten Grundstücke zur Verfü-
nehmer der Teilnehmergemeinschaft bei. Seine gung. Durch vorläufige Besitzeinweisung gemäß
Ansprüche werden bis zum Verfahrensende § 36 FlurbG wurde ein zügiger Beginn der Bau-
durch Eintragung eines Verfügungsverbotes im maßnahmen ermöglicht, obwohl die Verfahren
Grundbuch gesichert. Zu beachten ist, dass eine noch nicht abgeschlossen sind. Da die LMBV
derartige Vereinbarung nach Zugang bei der Begünstigte des Verfahrens ist, hat sie neben den
Flurbereinigungsbehörde nicht mehr rückabge- Kosten für den Grunderwerb und eventuelle Ent-
wickelt werden kann. Im normalen Grundstücks- schädigungen auch die durch sie verursachten
verkehr übliche Vertragsklauseln, wie Haftungs- Ausführungs- und Verfahrenskosten zu tragen.
freistellungen, Mehrerlösklauseln, Sanierungs-
oder Bewirtschaftungsverpflichtungen, dinglich
gesicherte oder ungesicherte Rechten u. a. sind 9.5 Umnutzung und Erschließung
auf diesem Wege nicht vereinbar. Die LMBV von industriellen Altstandorten
schließt daher gleichzeitig mit der Vereinbarung
nach § 52 FlurbG eine notarielle Zusatzvereinba- 9.5.1 Ziele und Besonderheiten
rung ab, in der all diese Themen geregelt werden.
Neben der vereinfachten Flurneuordnung nach Die LMBV hatte zu Beginn ihrer Tätigkeit in
§ 86 FlurbG kann in Einzelfällen auch die Unter- ihrem Liegenschaftsbestand 114 Industriealt-
nehmensflurbereinigung nach § 87 FlurbG zur standorte mit einer Gesamtflächengröße von
Unterstützung des Sanierungsprozesses sinnvoll 2.400 ha. Es handelte sich hierbei um Standorte,
sein. Ziel dieses Verfahrens ist die Bereitstellung deren Art und Funktion ausschließlich durch die
von Land in großem Umfang für Unternehmen. Veredlung und Verstromung der Braunkohle ge-
Die Flurneuordnung soll dabei den notwendigen prägt waren. Dieses Standortnetz entsprach den
Landverlust auf einen größeren Kreis von Eigen- Erfordernissen der Braunkohlenwirtschaft unter
tümern verteilen. den Bedingungen einer monostrukturierten Pri-
Diese Möglichkeit hat die LMBV beim not- märenergie- und Veredlungswirtschaft. Insofern
wendigen Grunderwerb für den Bau bzw. Aus- musste mit dem Brachfallen dieser Standorte
bau des oberen Landgrabens genutzt. Die Bau- und den wirtschaftlichen Strukturumbrüchen in
maßnahme war notwendig, um im Rahmen der den Regionen von veränderten Bedingungen der
Rehabilitierung des Wasserhaushaltes der Nie- Standortbildung, -erhaltung bzw. -aktivierung
derlausitz, Wasser aus dem Einzugsgebiet der ausgegangen werden.
Spree in das der Schwarzen Elster überzuleiten Im Kontext mit dem Sanierungs- und Ver-
und so die Frischwasserspeisung der Restlöcher wertungsgeschehen dieser Industriealtstandorte
Spreetal-Bluno, Scado und Sedlitz zu realisie- stand die Aufgabe und Entscheidung, unter wel-
ren. Er besitzt langfristig, sowohl für die Flu- chen Bedingungen ausgewählte Standorte ihre
tung als auch für die Rehabilitierungsphase der Funktion als Industrie- und Gewerbestandorte
neuen Seen eine große Bedeutung. Die Tras- zurückgewinnen und in den Wirtschaftskreislauf
senführung erstreckt sich entlang der Landes- eingeordnet werden können.
grenze zwischen Brandenburg und Sachsen und Nicht alle der 114 Industriealtstandorte der
tangiert beide Bundesländer. Zur Realisierung LMBV hatten potenzielle Chancen für ihre
des Grunderwerbs von ca. 35 ha wurden im Jahr Wiedereingliederung in den wirtschaftlichen
2003 und 2004 zwei Flurneuordnungsverfahren Kreislauf der Region. Aufgrund der Spezifik
auf der Grundlage eines entsprechenden Antra- des wirtschaftlichen Strukturwandels in den Re-
ges der LMBV eingeleitet. Die Gesamtfläche gionen der Braunkohlenindustrie, der bestehen-
beider Verfahrensgebiete beträgt über 1.000 ha den Konkurrenzsituation (planungsrechtlicher
mit 466 betroffenen Eigentümern. Die Flurberei- Ausweis und Erschließung einer Vielzahl von
610 B. Krüger et al.

Abb. 9.28   Vorrangig


geeignete Industriestand-
orte zur Entwicklung und
Erschließung

Gewerbegebieten auf der „grünen Wiese“), der und Inwertsetzung zu verbessern. Gleichzeitig
eingeschränkten Nachfragesituation nach Ge- wurde dadurch Standortsicherheit für bereits an-
werbeflächen sowie der beschränkten finanziel- sässige Unternehmen geschaffen und die LMBV
len Ressourcen im Rahmen der Wirtschaftsförde- von aufwändigen Ver- und Entsorgungsver-
rung der Länder, war eine Konzentration auf aus- pflichtungen befreit. Die standortaufwertenden
gewählte Standorte und auf realistische Entwick- Maßnahmen hatten damit mindestens zwei Ziel-
lungsvoraussetzungen erforderlich. Nur solche setzungen zu erfüllen:
Standorte mit günstigen Standortbedingungen • Vorbereitung von Standortangeboten für Neu-
und entwicklungsfähigen Potenzialen können die ansiedlungen sowie
Chance einer künftigen industriellen und/oder • Herstellung von Standortsicherheiten für
gewerblichen Nutzung erhalten. Die Bewertung bereits ansässige Betriebe.
der Altstandorte erfolgte mit dem unter 9.6.3 be-
schriebenen mehrstufigen Selektionsprozess. Im
Ergebnis wurden elf Standorte (später erfolgte 9.5.2 Finanzierungsquellen und
eine weitere Reduzierung auf sieben Standorte) Fördermittel
für eine aktive Standortaufwertung ausgewählt
(Abb. 9.28). Die Revitalisierung von ausgewählten Industrie-
Die Reaktivierung dieser ausgewählten Indus- altstandorten in der Revitalisierungskette „Sanie-
triebrachen war nur um den Preis einer struktur- rung → Planung/Erschließung → Vermarktung/
wandelnden Nutzungsumstellung und der Schaf- Inwertsetzung“ ist ein komplexer und kostenin-
fung von darauf gerichteten modernen, wettbe- tensiver Prozess (Abb. 9.29).
werbsfähigen Entwicklungs- und Erschließungs- Die Aufwendungen für die Aufbereitung im
standards möglich. Daher führte, die LMBV auf Rahmen der bergrechtlichen Sanierung sowie für
den ausgewählten Industriealtstandorten neben die Planung, Entwicklung und Erschließung von
der bergrechtlichen Sanierung auch medientech- Industriealtstandorten übersteigen die erzielbaren
nische und verkehrliche Erschließungsmaßnah- Verkaufserlöse um ein Vielfaches. Im Ergebnis
men durch, um wettbewerbliche Standortbedin- der bergrechtlichen Sanierung ist zwar die grund-
gungen und die Chancen für ihre Vermarktung sätzliche Wiedernutzbarkeit der Fläche im Sinne
9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 611

Abb. 9.29   Revitalisierung von Industriealtstandorten (Ebersbach 2005)

einer ersten Stufe der Werthaltigkeit erreicht, dungen für die Vorbereitung und Durchführung
eine industrielle und/oder gewerbliche Folge- der medientechnischen und infrastrukturellen
nutzung ist jedoch erst nach entsprechender pla- Erschließung der Standorte als Voraussetzung für
nungsrechtlicher Sicherung und Durchführung ihre Wiedereingliederung in den wirtschaftlichen
von infrastrukturellen Erschließungsmaßnahmen Kreislauf der Regionen waren und sind ebenfalls
möglich. Dies erfordert die Durchführung weite- nicht ohne öffentliche Mittel zu finanzieren. Für
rer Investitionen. Die in diesem Zusammenhang diese Maßnahmen kamen und kommen in den
erforderlichen Aufwendungen für die Aktivie- neuen Bundesländern vorzugsweise Mittel aus
rung der Flächenpotenziale durch Maßnahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der
der medientechnischen und infrastrukturellen regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW-Mittel),
Erschließung, betragen in Auswertung langjähri- anteilig zusammengesetzt aus Landes-, Bundes-
ger Erfahrungen von Immobilienunternehmen in und EU-Mitteln zum Ansatz. Es handelt sich
Deutschland im Durchschnitt 30 €/m2 bis 35 €/ hierbei um so genannte „verlorene Zuschüsse“,
m2. Demgegenüber waren und sind aufgrund die im Ausnahmefall bis zu 80 % (bzw. 90 %) der
der Marktlage, insbesondere in den ehemaligen förderfähigen Gesamtinvestition betragen kön-
Braunkohlenregionen, lediglich 10 €/m2 bis 15 €/ nen. Der komplementär aufzubringende Eigen-
m2 Verkaufserlöse für erschließungsbeitragsfreie anteil zur Finanzierung der Gesamtinvestition
Industrie- und Gewerbeflächen realisierbar. wurde und wird durch die LMBV über Kredit-
Die Revitalisierung von Industriealtstandor- aufnahmen vorfinanziert. Die LMBV konnte und
ten – insbesondere der Braunkohlenindustrie kann die Revitalisierungsmaßnahmen über die
– war und ist somit nur auf dem Wege externer bergrechtliche Sanierung hinaus jedoch nur dann
monetärer Interventionen möglich. durchführen, wenn
Die Finanzierung der Maßnahmen der Wieder- • die Maßnahmen der planerischen Aufberei-
nutzbarmachung im Rahmen der bergrechtlichen tung und infrastrukturellen Erschließung eine
Sanierung war und ist über das Verwaltungsab- Refinanzierung der eingebrachten Mittel über
kommen zwischen Bund und Braunkohlenländern Verkäufe ermöglichen, d. h., die Maßnahme in
gesichert. Die darüber hinaus gehenden Aufwen- sich wirtschaftlich ist
612 B. Krüger et al.

Abb. 9.30   Erschließung


von Prioritätenstandorten –
Finanzierungsquellen und
Refinanzierung

• die Maßnahme zu einer Ablösung von Ver- dessen Kosten. Der Städtebauliche Vertrag ist ein
und Entsorgungsverpflichtungen der LMBV öffentlich– rechtlicher Vertrag, der entsprechend
gegenüber bereits angesiedelten Unternehmen der Art der übertragenen Maßnahmen nach fol-
und damit zu entsprechenden Kostenreduzie- genden Typen unterschieden wird:
rungen für das Unternehmen führen, d. h., die • Bauplanungsverträge
Maßnahme aus betriebswirtschaftlicher Sicht • Baufreimachungsverträge
wirtschaftlich ist. • Baurealisierungsverträge
In Abbildung 9.30 sind die Finanzierungsquellen • Folgekostenverträge.
sowie die Refinanzierung der eigenen Aufwen- § 12 BauGB „Vorhaben- und Erschließungsplan“
dungen grafisch dargestellt. ist die rechtliche Grundlage für die bauplanungs-
Die Erschließung, d. h. die Herstellung der rechtliche Zulässigkeit eines in der Regel kom-
Erschließungsanlagen ist im Rahmen der Bauge- plexen Vorhabens und die dafür erforderlichen
setzgebung kommunale Pflichtaufgabe. Die Ein- Erschließungsmaßnahmen. Aufgrund vertrag-
beziehung privater Dritter ist jedoch sowohl im licher Regelungen mit der jeweiligen Kommu-
BauGB (§§ 11, 12, 124) als auch in den Regelun- ne übernimmt der Vorhabenträger Planung und
gen der „Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung Ausführung des Bauvorhabens und der Erschlie-
der regionalen Wirtschaftsstruktur“ ausdrücklich ßungsmaßnahmen auf eigene Verantwortung und
vorgesehen. Dies deswegen, weil die Kommunen eigene Kosten. Auf den Vorhaben- und Erschlie-
aufgrund ihrer insbesondere in den neuen Bun- ßungsplan wird im Weiteren nicht vertiefend ein-
desländern angespannten Finanzsituation oftmals gegangen, da er für die beschriebenen Belange
nicht in der Lage sind, die Erschließungsmaßnah- der LMBV nicht relevant ist.
men eigenständig durchzuführen. Die Übernahme § 124 BauGB „Erschließungsvertrag“ regelt
von bestimmten Erschließungskosten durch die die Übertragung der Herstellung der Erschlie-
LMBV war und ist somit nicht nur eine rechtlich ßungsanlagen auf einen Dritten, der sich auch
zulässige, sondern auch völlig übliche Verfahrens- zur Übernahme eines Teiles oder der Gesamt-
weise bei der Entwicklung großer Liegenschaften. kosten verpflichtet. Auf der Grundlage derartiger
Bei den nach § 11 BauGB „Städtebaulicher Erschließungsverträge werden die beauftragten
Vertrag“ vorgesehenen Regelungen überträgt Erschließungsunternehmen in die Lage versetzt,
die Kommune einem privaten Partner die Vor- die zur baulichen Entwicklung der ihnen regel-
bereitung und Durchführung städtebaulicher und mäßig selbst gehörenden Grundstücke notwen-
bodenordnender Planungen und Maßnahmen auf digen Erschließungsanlagen auf eigene Kosten
9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 613

und als eigene Einrichtungen herzustellen. So- der LMBV bereits ein Bestand von angesiedel-
dann veräußern sie die entsprechend erschlosse- ten Unternehmen – so genannte Fremdanlieger
nen Einzelgrundstücke in bebautem oder unbe- – vorhanden ist und die LMBV im Rahmen der
bautem Zustand (bzw. führen sie einer anderen, Refinanzierung ihrer eingesetzten Mittel auf eine
z. B. mietweisen Vermarktung zu), wobei sie ihre anteilige Erstattung der auf diese Flächen entfal-
Mietraten auf die Grundstückserwerber/Mieter lenden Erschließungskosten angewiesen ist. Die
umlegen. Die öffentlichen Erschließungsanlagen LMBV hat zunächst versucht, von den ansässigen
werden an die Gemeinde übertragen, die damit Unternehmen die anteiligen Erschließungskosten
zugleich die laufenden Verkehrssicherungs- auf der Basis privatrechtlicher Vereinbarungen
pflichten übernimmt. § 124 BauGB Abs. 2 er- zu erhalten. In den Fällen, in denen dies nicht ge-
möglicht die Übertragung der Erschließungskos- lingt leitet die Kommune das Beitragsverfahren
ten, d. h. ohne den nach § 129 BauGB Abs. 1 Satz ein und erstattet der LMBV daraus ihren Kosten-
3 von den Kommunen zu tragenden Eigenanteil, anteil. Der Städtebauliche Rahmenvertrag regelt,
auf den Erschließungsträger. dass die auf die LMBV als Erschließungsunter-
Die genannten Maßnahmen und Vorausset- nehmer entfallenden Erschließungsbeiträge nicht
zungen für eine zielorientierte Flächenaktivie- per Beitragsbescheid abgerechnet, sondern mit
rung sind gebunden an ein qualifiziertes Zusam- ihrem Erstattungsanspruch gegenüber der Kom-
menwirken mit öffentlichen Verwaltungen und mune verrechnet werden.
Planungsstellen in Kommunen, Regionen und Da es sich bei dem Städtebaulichen Rahmen-
Landesministerien und die Bereitstellung von vertrag um einen „Vorfinanzierungsvertrag“ han-
Mitteln der öffentlichen Hand. delt und damit entsprechende Haftungsrisiken
Die LMBV hat im Vorfeld der Durchführung – nicht zuletzt gegenüber dem Förderinstitut be-
ihrer Entwicklungs- und Erschließungsmaßnah- züglich der ordnungsgemäßen Verwendung der
men auf ausgewählten Standorten mit der jewei- Mittel – bei der Kommune verbleiben, muss er
ligen Kommune einen so genannten städtebau- kommunalaufsichtlich genehmigt werden.
lichen Rahmenvertrag abgeschlossen. Dieser ist Mit dem Städtebaulichen Rahmenvertrag hat
in Form und Inhalt ein Kooperationsvertrag zwi- sich die betreffende Kommune verpflichtet:
schen der LMBV als Maßnahmeträger und der • die durch sie beantragten GRW-Mittel an die
Kommune. Er beinhaltet Bestandteile des Städ- LMBV weiterzuleiten
tebaulichen Vertrages entsprechend § 11 BauGB • die LMBV mit der Projektsteuerung zu beauf-
und des Erschließungsvertrages entsprechend tragen
§ 124BauGB. Der Vertrag regelt die Übernah- • den Planungsprozess als hoheitliche Aufgabe
me von öffentlich geförderten Maßnahmen der zielführend und zeitnah wahrzunehmen und
Projektentwicklung (GRW-Förderung) durch die alle Entwicklungsmaßnahmen aktiv zu unter-
LMBV. Entsprechend der Festlegung der GRW- stützen
Förderrichtlinie, dass Zuwendungsempfänger der • erforderlichenfalls Erschließungsbeiträge
GRW-Förderung vorzugsweise die Kommune gegenüber ansässigen Nutzern (Fremdeigen-
sein soll, wurde im Städtebaulichen Rahmenplan tümer) zu erheben und diese an die LMBV
die Trägerschaft durch die jeweilige Kommune weiterzuleiten
festgeschrieben. Die LMBV realisierte im eige- • die erstellte Infrastruktur in kommunale Trä-
nen Namen und auf eigene Rechnung die Aufga- gerschaft zu überführen.
ben der Planung, Erschließung und Vermarktung
der erschlossenen Flächen.
Die Übernahme der Entwicklungs- und Er- 9.5.3  Erschließungsplanung und
schließungskosten durch die LMBV erfolgt in Projektsteuerung
Form einer Vorfinanzierung. Damit bleiben das
Recht und die Pflicht zur Erhebung von Erschlie- Die Maßnahmen der bergrechtlichen Sanierung
ßungsbeiträgen bei den Kommunen. Dies ist des- in Verbindung mit der Aufwertung der entwick-
wegen so wichtig, weil auf den Liegenschaften lungsfähigen Standorte durch Neuerschließung
614 B. Krüger et al.

und Schaffung wettbewerbsfähiger Nutzungs- bereits vorhandener Nutzungen (angesiedelte


standards sind wichtige Vorleistungen für eine Unternehmen) teilflächenkonkret bestimmt.
zielorientierte Flächenaktivierung und Vermark- • Durchführung von Planungs- und Realisie-
tung der Standorte. Dabei sind eine Vielzahl inter- rungsaufgaben der medientechnischen und
ner und externer Vorbereitungsleistungen und Ab- verkehrlichen Erschließung und Ablösung
stimmungen notwendig. Dies sind insbesondere: der Ver- und Entsorgungsverpflichtungen der
• Klärung aller liegenschaftskonkreten Voraus- LMBV
setzungen der Entwicklung von Prioritäten- • Profilierung der Standorte (Branchenausrich-
standorten, wie tung) im Rahmen der Wirtschaftsförderung
− Bestimmung der für die Entwicklung und Durchführung von Maßnahmen des ziel-
infrage kommenden Flächengröße gruppenorientierten Marketings.
− Bewertung des Liegenschaftszustandes, Die genannten Maßnahmen und Voraussetzun-
der Nutzungsgegebenheiten und der Nut- gen für eine zielorientierte Flächenaktivierung
zungseinschränkungen in der LMBV sind gebunden an ein qualifiziertes
− Nutzungs- und Verwertungsfähigkeit nach Zusammenwirken mit öffentlichen Verwaltungen
der Sanierung und Planungsstellen in Kommunen, Regionen
− Bestimmung der Nutzungsziele und Landesministerien und die Bereitstellung
− Klärung der Eigentumsverhältnisse (LMBV-/ von Mitteln der öffentlichen Hand.
Fremdeigentum) Die Reaktivierung von Industriealtstandorten
− Ermittlung von Grunddienstbarkeiten Drit- der Braunkohlenindustrie vollzog sich in einem
ter Spannungsfeld zwischen der LMBV als Grund-
− Erfassung bestehender Miet- und Pachtver- stückseigentümer und Projektträger für die berg-
hältnisse rechtliche Sanierung sowie der Landes- und
− Prüfung der medientechnischen Gegeben- Regionalplanung, den Kommunen als Träger
heiten (Entflechtung, Rückbau, Ver- und der kommunalen Bauleitplanung, der Geneh-
Entsorgungspflichten, nachnutzbare Netze migungsplanung und der Wirtschaftsförderung.
und Straßen) Hinzu kommen auf den Standorten bereits an-
− Erfassung von Sanierungsstand, Sanie- gesiedelte Firmen, die über betriebliche Medien-
rungsplanung (einschließlich Zeitplanung) netze ver- und entsorgt wurden und deren Pro-
und sanierungsbedingter Verfügbarkeit duktionsfluss im Zuge der Standortaktivierung
− Ermittlung möglicher Synergiepotenziale Berücksichtigung finden musste. Dies stellte be-
zwischen Sanierung und Erschließung sondere Anforderungen an das Projektmanage-
− Erfassung des Planungsstandes. ment und die Projektsteuerung in ihrem Wirken
• Detaillierter Abgleich der vorgesehenen Fol- nach „innen“ und „außen“.
genutzung mit der öffentlichen Planung (Lan- Die Aufgaben der Projektentwicklung wurden
des- und Regionalplanung und kommunale bei dem in der LMBV angewendeten Modell im
Bauleitplanung) Gegensatz zu anderen Definitionen – die unter
• Schaffung der planungsrechtlichen Vorausset- Projektentwicklung die Schaffung der techni-
zungen auf den Flächen. Die LMBV erstellte schen, wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmen-
in Abstimmung mit den Belegenheitskommu- bedingungen für das Baurecht verstehen – weiter
nen informelle Vorlaufplanungen in Form von gefasst. Die Projektentwicklung in der LMBV
standortbezogenen Nutzungskonzepten als deckt sämtliche Projektmanagementaufgaben ab.
Grundlage für die Bebauungsplanung durch Insofern wurde die übliche Trennung zwischen
die Kommune. Hierbei wird die erforderliche Projektentwicklung und Projektmanagement
Neuordnung der Nutzungen auf den Standor- unter den spezifischen Unternehmensbedingun-
ten hinsichtlich Nutzungsdichte und -vielfalt gen der LMBV nicht angewendet.
unter Berücksichtigung sanierungsrelevanter Besondere Koordinationsanforderungen erga-
Gegebenheiten, der Wirtschaftlichkeit der ben bzw. ergeben sich aus den weitgehend parallel
erforderlichen Erschließungsmaßnahmen und laufenden Sanierungsaufgaben (s. Abschn. 9.5.4).
9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 615

Abb. 9.31   Standortarbeitskreis zur Entwicklung von Prioritätenstandorten der LMBV

Für die Projektentwicklung wurden die lang- • die Umsetzung von Fachpersonal mit entspre-
jährigen Erfahrungen des Zusammenwirkens chendem Bauingenieurwissen für Zwecke der
mit Kommunen, mit der Landes- und Regional- Bauüberwachung in der Projektdurchführung.
planung sowie den Trägern öffentlicher Belange An der Realisierung eines Projektes sind extern
ausgeschöpft und zielführend für Zwecke der eine Vielzahl von Unternehmen, Behörden und
Planung und im Genehmigungsverfahren ein- Institutionen sowie Personen und nicht zuletzt
gesetzt. In der Rahmensetzung der Bewilligung interne Abteilungen und Experten der LMBV be-
der GRW-Mittel wurden die vorhandene Fach- teiligt (Abb. 9.31).
kompetenz aus der Projektträgerschaft Sanie- Die Durchführung der Projektentwicklungs-
rung für die Projektentwicklung genutzt. Das maßnahmen der LMBV erfolgte über ein LMBV
betraf vor allem: – spezifisches Trägermodell in einem trialen
• Erfahrungen in Projektorganisation und Zusammenspiel. Die Kommune als Träger der
-management GRW-geförderten Infrastrukturmaßnahme und
• die Steuerung und inhaltliche Gestaltung Empfänger der Fördermittel beauftragt die
der Planungsprozesse, insbesondere an den LMBV mit der Projektentwicklung. Die LMBV
Schnittstellen zur bergrechtlichen Unterneh- beauftragt daraufhin ihre Ende 1999 gegründete
mensplanung und zur öffentlichen Planung Tochtergesellschaft Lausitzer und Mitteldeutsche
• die Beteiligung der Ingenieur- und Techni- Immobilienentwicklungsgesellschaft (LMEG)
schen Dienste im Zusammenhang mit Auf- mit der Durchführung der Projektentwicklungs-
gaben der Unterhaltung und Entflechtung der maßnahmen. Da es sich bei der LMEG um eine
Infrastruktur auf den Liegenschaften sowie personenlose Gesellschaft handelt, werden die
der Koordination mit den Fachplanungsträ- Projektentwicklungsaufgaben geschäftsbesor-
gern gend im Rahmen des vorgestellten Organisa-
• den Einkauf, das Finanzmanagement und tionsmodells durch die LMBV durchgeführt.
Controlling Ziel dieser Verfahrensweise ist es, die Maß-
616 B. Krüger et al.

nahmen der Standortaufwertung klar von den Informationsgrundlagen wurden im Rahmen der
Maßnahmen der bergrechtlichen Sanierung zu Erarbeitung der standörtlichen Nutzungskonzep-
trennen und die jeweils zum Einsatz kommen- te geschaffen.
den öffentlichen Mittel (Verwaltungsabkommen Nachdem mit dem Vorliegen des Zuwen-
und GRW-Mittel) über separate Buchungskreise dungsbescheides für die GRW-Förderung die
sauber voneinander abzugrenzen. Projektfinanzierung abschließend geklärt ist,
Für den Erfolg der Projektentwicklungsmaß- wurden nunmehr die Detailabsprachen und die
nahmen ist nicht nur eine effektive Organisa- Projektfeinplanung mit der Kommune
tionslösung innerhalb des Unternehmens eine • zur Aufgabenverteilung
wichtige Voraussetzung, sondern ebenso die • zu den Terminen
Einbindung der standortkonkreten Projektent- • zu den konkreten Verantwortlichkeiten und
wicklungsmaßnahmen in einen konsensbilden- Ansprechpartnern
den Arbeitskreis mit den wichtigsten Beteiligten in den Projektentwicklungsphasen 2 und 3 durch-
außerhalb der LMBV. geführt.
In der Vorbereitungsphase wurden die aus- Seitens der Projektverantwortlichen waren
gewählten Projekte auf ihre Machbarkeit hin ge- folgende Aufgaben zu Beginn der zweiten Phase
prüft, d. h. es wurde untersucht, inwieweit unter zu realisieren bzw. zu aktualisieren:
Beachtung spezifischer Standort- und Rahmen- • Ablaufplan
bedingungen sowie der erforderlichen Maßnah- • Organisationshandbuch für das jeweilige Pro-
men eine Refinanzierung der Investitionsmittel jekt
der LMBV über Grundstücksverkäufe gesichert • Grobterminplan für die Projektentwicklung
werden kann. Nach positiver Entscheidung für • Projektbudget
das Projekt erfolgte die Erarbeitung von detail- Die Bauausführung endete mit der Fertigstellung
lierten standörtlichen Nutzungskonzepten. In das der Projektabschlussdokumentation. Gegenüber
Nutzungskonzept flossen zusammengefasst die dem Fördermittelgeber ist ein entsprechender
Ergebnisse durchgeführter Analysen, Planungen Mittelverwendungsnachweis zu erarbeiten und
und Berechnungen ein. Es bildete damit nicht zu übergeben. Die fertig gestellten Straßen,
nur die Basis für die anschließende Entscheidung Grünanlagen und teilweise auch die Regenent-
über das Weiterführen der Projektentwicklung, es wässerungsanlagen wurden als öffentliche Er-
stellte auch die Grundlagen für die anschließende schließungsanlagen an die Kommunen übereig-
Bebauungs- und Erschließungsplanung und die net. Die Trink- und Schmutzwasserleitungen und
Vermarktung bereit. Das Nutzungskonzept bil- teilweise die Regenentwässerungsanlagen sind
dete somit die Basis der gesamten weiteren Pro- den zuständigen Wasser- und Abwasserzweck-
jektentwicklung. Vor diesem Hintergrund war es verbänden übergeben worden.
zwingend notwendig, dass das Nutzungskonzept
von allen Beteiligten akzeptiert und von den lo-
kalen Behörden formal bestätigt wurde. 9.5.4 Besonderheiten der
Ein weiterer entscheidender Projektvorberei- Abstimmung zwischen Berg-
tungsschritt war die Beantragung und Geneh- bausanierung, Erschließung und
migung der notwendigen Fördermittel aus der Folgenutzungsinvestitionen
Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regio-
nalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) sowie die ab- Unter der Bedingung, dass auf den ausgewähl-
schließende Klärung und vertragliche Fixierung ten Industriealtstandorten der LMBV die Vor-
der Abwicklung und Realisierung des Projektes bereitung und Durchführung der Erschließung
gemeinsam mit der Kommune. Die im Rahmen zum Teil parallel zur bergrechtlichen Sanierung
der Beantragung der GRW-Fördermittel bei den erfolgt, sind im Rahmen der Projektentwicklung
Investitionsbanken, Förderinstituten bzw. den alle Maßnahmen der Erschließung mit denen der
Wirtschaftsministerien der Länder notwendigen Sanierung zu koordinieren. Im Idealfall ist schon
9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 617

bei der Vorbereitung des Projektes von einem Maßnahmen des Abrisses, der Entkernung,
ganzheitlichen Ansatz „Sanierung – Erschlie- der Tiefenenttrümmerung und der Medienent-
ßung“ auszugehen. So sind die notwendigen flechtung einstellen muss. Aus Gründen einer
Maßnahmen für die bergrechtliche Sanierung hohen Wirtschaftlichkeit der Erschließung
und die Entwicklungsmaßnahmen im Rahmen und einer erlöswirksamen Vermarktung ist
eines iterativen Abwägungsprozesses zu er- dabei ein möglichst hoher Nutzungsgrad der
mitteln und hinsichtlich Umfang und zeitlicher Nettofläche als Baufläche zu gewährleisten.
Reihenfolge so aufeinander abzustimmen, dass • Die Sicherung der Medienversorgung der am
sowohl über eine nutzungsorientierte Sanierung Standort bereits ansässigen Unternehmen für
als auch durch eine nahtlose Verbindung von den Zeitraum der Erschließung.
Sanierungs- und Erschließungsmaßnahmen eine • Die Logistik des Umschlusses der medien-
Minimierung der Gesamtkosten erreicht werden technischen Versorgung und der Verkehrsan-
kann. Erfahrungen und Ergebnisse zeigen: Dort bindung auf die neuen infrastrukturellen und
wo diese Planungs- und Abwägungsprozesse Verkehrssysteme.
miteinander verbunden werden können, sind Ein- Auswertungen langjähriger Erfahrungen an-
sparungseffekte auf beiden Seiten möglich. An- derer Bergbauunternehmen wie der Ruhrkohle
dernfalls muss davon ausgegangen werden, dass AG auf dem Gebiet der Revitalisierung von In-
die Wirtschaftlichkeit von Erschließungs- und dustriealtstandorten sowie dazu veröffentlichte
Ansiedlungsmaßnahmen im Einzelfall auch eine Untersuchungen in Deutschland zeigen, dass mit
Nachsanierung erforderlich machen kann. einer nutzungsorientierten Sanierung ein solcher
Der Sanierungsstand auf den sieben in der Zustand der Wiedernutzbarmachung der Fläche
LMBV für eine Flächenaktivierung ausgewähl- erreicht werden kann, der sich auf die beabsich-
ten Industriealtstandorten war sehr differenziert. tigte spätere Nutzung einstellt, d. h. im Bedarfs-
Auf fünf Standorten war die Sanierung bereits falle und bei konkreten Nutzungsanforderungen
fast abgeschlossen, auf zwei weiteren Standorten Vorleistungen ohne zusätzliche Aufwendungen
war sie weit fortgeschritten. Mögliche Synergie- bzw. mit nennenswerten Einsparungseffekten im
effekte, insbesondere in der Vorbereitungs- bzw. Rahmen der bergrechtlichen Sanierung erbringt.
Planungsphase und die damit verbundenen Ein- Das betrifft insbesondere die
sparungspotenziale ließen sich auf diesen Stand- • konkrete Nachnutzung von Gebäuden und
orten nur noch eingeschränkt nutzen. Anlagen
In jedem Fall waren im Rahmen der Projekt- • Berücksichtigung einer rationellen Neuord-
entwicklung der Stand und die weitere Durchfüh- nung der Nutzung und Bauflächengestaltung
rung der Sanierung inhaltlich und zeitlich zu be- einschließlich der Bebaubarkeit von Flä-
achten und in das Projekt zu integrieren. Umge- chen (Problem Unterflurenttrümmerung der
kehrt mussten bereits bekannte Zielsetzungen der Fundamente)
Standortentwicklung in der weiteren Sanierung • konkrete Nutzungsmöglichkeiten von Straßen,
beachtet werden. Die Koordinationsanforderun- Ver- und Entsorgungssystemen, insbesondere
gen und arbeitsteiligen Abhängigkeiten betreffen dann, wenn diese als wichtige Voraussetzung
insbesondere: einer Versorgungssicherheit für Nutzer, Erwer-
• Die zeitliche Durchführung der Maßnahmen. ber und Kommunen benötigt werden.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Entwi- Die nutzungsorientierte Sanierung verbessert
cklungs- und Erschließungsmaßnahmen ent- standortdifferenziert die Voraussetzungen für
sprechend den GRW-Förderbedingungen spä- eine zielorientierte Aufwertung ausgewählter In-
testens nach 36 Monaten abzuschließen sind. dustriealtstandorte und eine zügige Vermarktung.
• Die künftige Bauflächengestaltung ein- Die Zielbestimmung einer nutzungsorientierten
schließlich der umsetzungsorientierten Anfor- Sanierung kann aber nur dann erreicht bzw. in
derungen an die Baugrundverhältnisse, auf vollem Umfang erreicht werden, wenn die in-
die sich die Sanierung durch entsprechende formellen planerischen Vorleistungen der LMBV
618 B. Krüger et al.

Abb. 9.32   Wechselwirkungen in der Planung und Aufgabenerfüllung von bergrechtlicher Sanierung und Folgenutzung

und deren Abstimmung mit den regionalen und Maßnahmen einer regionalwirksamen und über-
kommunalen Planungsinstanzen in ausreichen- regionalen Akquisition unter Nutzung moderner
dem zeitlichen Vorlauf zu den Projekten der Sa- Formen der Informationsbereitstellung.
nierung auf den jeweiligen Standorten stehen.
Die dabei zu beobachtenden Wechselwirkungen
zwischen bergrechtlicher Sanierung und Folge- 9.5.6 Fallbeispiele
nutzungsplanung zeigt Abbildung 9.32.
Industriestandort Lauchhammer Ein heraus-
ragendes Beispiel für die erfolgreiche Revitali-
9.5.5  Marketing und Vermarktung sierung von ausgewählten Industriealtstandorten
der LMBV ist der Standort Lauchhammer Süd.
Die Vermarktung als Kernaufgabe der Inwert- Dieser Standort gehört zu den vier Branden-
setzung wettbewerbsfähiger Standorte erstreckt burgischen Prioritätenstandorten, deren Er-
sich übergreifend über alle Phasen der Projekt- schließung durch die LMBV gemeinsam mit den
entwicklung. Sie beginnt bereits in der Frühpha- betreffenden Kommunen und mit besonderer
se der Projektentwicklung. So werden bereits im Unterstützung des Landes Brandenburg in den
Rahmen der Erarbeitung der standörtlichen Nut- letzten Jahren bereits erfolgreich abgeschlossen
zungskonzepte Marktanalysen (Konkurrenz- und werden konnte.
Bedarfsanalysen) durchgeführt. Über die Profi- Die Prioritätensetzung hinsichtlich einer mög-
lierung der Standorte sowie die Bestimmung von lichen Revitalisierung erfolgte in enger Abstim-
Zielbranchen werden wichtige Grundlagen für mung mit dem Wirtschaftsministerium Branden-
ein zielgruppenorientiertes Marketing geschaf- burg, der Gemeinsamen Landesplanung Berlin-
fen. Unter Nutzung des in der LMBV erarbeiteten Brandenburg sowie dem Landkreis Oberspree-
Instrumentariums wurden standortkonkret wirk- wald – Lausitz auf der Grundlage einer Poten-
same Marketinginstrumente entwickelt und um- zialanalyse im Jahr 1998.
gesetzt (s. Abschn. 9.6.4). Dazu gehören neben Da für diesen und weitere Standorte keinerlei
der zielgruppenorientierten Investorenansprache rechtlich verbindliche planerische Grundlagen
eine projektbezogene Öffentlichkeitsarbeit sowie vorlagen, aber aufgrund der begrenzt verfügba-
9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 619

Abb. 9.33   Altindustriestandort Lauchhammer-Süd vor der Sanierung (1995)

ren Fördermittel, die GRW-Antragstellung zeit- Die Maßnahmen der bergrechtlichen Sanie-
nah erfolgen musste, wurden durch das Land rung erfolgten schrittweise von 1992 bis 2004.
zusätzlich § 4 – Mittel bereitgestellt, um die Bau- Dabei wurden u. a. zwei Brikettfabriken, ein
leitplanung finanzieren zu können. Kesselhaus und mehrere Werkstätten abgerissen.
Die GRW-Antragstellung erfolgte auf der Das Sanierungsvolumen belief sich auf insge-
Grundlage der durch die LMBV erarbeiteten und samt ca. 27 Mio. €.
mit der jeweiligen Kommune und den zuständi- In den Jahren 2000 bis Ende 2003 wurden pa-
gen Genehmigungsbehörden abgestimmten Nut- rallel zu den Sanierungsmaßnahmen, in Koope-
zungskonzepte. Die Bebauungsplanung, die auf ration mit der Stadt Lauchhammer, auf 53,7 ha
der Grundlage dieser Nutzungskonzepte erarbei- Bruttofläche 38 ha Industrie- und Gewerbefläche
tet wurde, erfolgte infolge der zeitlichen Zwänge neu geschaffen (Abb. 9.34 und 9.35).
parallel zur Erschließungsplanung. Das Gesamtinvestitionsvolumen für die Pla-
Diese Vorgehensweise der parallelen Bearbei- nung und Erschließung des Standortes betrug
tung ist nicht typisch für die Revitalisierung von 3,8 Mio. €.
Altstandorten, war aber aufgrund der intensi- Vermarktungserfolge stellten sich erfreu-
ven Zusammenarbeit aller am Projekt Beteilig- licherweise sehr früh ein. So sind derzeit am
ten (Land, Landkreis, Genehmigungsbehörden, Standort neun Unternehmen aus unterschiedli-
Kommunen und LMBV) sehr erfolgreich. chen Branchen (z. B. aus der Elektro-, Metall-
Der Lausitz-Industriepark Lauchhammer ent- und Baubranche) mit insgesamt 556 Arbeitsplät-
stand auf Flächen zweier ehemaliger Industrie- zen angesiedelt. Das entspricht einer Flächenbe-
altstandorte, einem Brikettfabrikstandort und legung von 76 %.
einem Instandhaltungsstandort aus der Anfangs- Ein besonderer Erfolg war die Ansiedlung des
zeit des 20. Jahrhunderts (Abb. 9.33). dänischen Windkraftanlagenherstellers VESTAS,
620 B. Krüger et al.

D H

Lauchhammer-Süd
Stand: Februar 2007

Abb. 9.34   Standort Lauchhammer-Süd – Bebauungsplan

Abb. 9.35   Altindustriestandort Lauchhammer-Süd nach Sanierung und Neuerschließung (2003)


9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 621

Abb. 9.36   Ansiedlung


VESTAS im Lausitz-In-
dustriepark Lauchhammer

der seit dem 8. Mai 2002 am Standort Rotorblät- leistungen im Umfang von rd. 200.000 t. Rund
ter produziert und mittlerweile 450 Arbeitskräfte 525.000 m3 bauliche Anlagen wurden abgebro-
beschäftigt (Abb. 9.36). chen und 705.000 t Abfall entsorgt. Der Sanie-
Da die Ansiedlung noch während der Sanie- rungsumfang betrug insgesamt ca. 100 Mio. €.
rung und Neuerschließung des Standortes erfolg- Bereits Ende der 90iger Jahre haben die Ge-
te, konnten die noch durchzuführenden Sanie- meinde Espenhain, das Regierungspräsidium
rungs- und Erschließungsarbeiten an die spezi- Leipzig, der Freistaat Sachsen und die LMBV
fischen Anforderungen des Investors angepasst nach Wegen gesucht, diesen wichtigen Standort
werden. Auf Grundlage der Fundamentpläne für zu revitalisieren.
die neuen Fabrikanlagen erfolgte im Rahmen der Nach Bewertung der Chancen für eine Revi-
bergbaulichen Sanierung eine punktuelle Tiefen- talisierung wurde durch die Gemeinde Espenhain
enttrümmerung. Der Bau einer zusätzlich geplan- für 113 ha Fläche ein Bebauungsplan aufgestellt
ten Erschließungsstraße konnte eingespart wer- (Abb. 9.38).
den. Die Abstimmung der einzelnen Arbeiten er- Unter Berücksichtigung der bereits vorhande-
folgte durch regelmäßige Baustellenberatungen nen Besiedlung und der vorliegenden Kaufanträ-
im Rahmen einer gemeinsamen Projektgruppe. ge ist zunächst eine erste Teilfläche in einer Grö-
ßenordnung von 68 ha Bruttofläche und 48 ha
Mitteldeutscher Industriepark Espenhain  Die- Nettobaufläche für eine öffentlich rechtliche Er-
ser Standort umfasste die ehemalige Industriean- schließung vorbereitet worden.
lage Braunkohlenveredelung Espenhain, die in der Die für die GRW-Antragstellung erforderliche
Zeit zwischen 1938 bis 1996 mit rd. 6.000 Beschäf- Vorhabensbeschreibung und Kostenschätzung
tigten einer der größten Arbeitgeber im Südraum erfolgte entsprechend der einzuhaltenden Regu-
Leipzig war. Auf insgesamt 290 ha wurden 2 larien im Rahmen der GRW-Förderung auf der
Brikettfabriken, 2 Kraftwerke, 2 Schwelereien, Grundlage eines genehmigten Bebauungsplanes.
1 Schwefelfabrik, 1 Entphenolungsanlage und 1 Die Kosten der förderfähigen Gesamtinves-
Erdölverarbeitungsanlage betrieben (Abb. 9.37). tition beliefen sich auf 13,6 Mio. €. Der Frei-
Nach Stilllegung der letzten Produktionsstät- staat Sachsen fördert diese Infrastrukturmaß-
te im Jahr 1996 wurde mit der bergrechtlichen nahme mit 90 %. Die Erschließungsmaßnahmen
Sanierung des Standortes begonnen. Bis 2004 wurden auch hier in enger Abstimmung und
erfolgten dabei Demontage- und Verschrottungs- unter Nutzung von Synergieeffekten mit der
622 B. Krüger et al.

Abb. 9.37   Industriestand-


ort Espenhain 1995

bergrechtlichen Sanierung realisiert und wurden rung in einer Größenordnung von 3,4 Mio. € ein-
2006 planmäßig abgeschlossen (Abb. 9.39 und zusparen. Diese Einsparungen resultierten insbe-
9.40). sondere aus der Ablösung der Ver- und Entsor-
Im Zusammenhang mit den Maßnahmen der gungsverpflichtungen der LMBV gegenüber den
Standorterschließung war es möglich, Aufwen- bereits auf dem Standort angesiedelten Unterneh-
dungen im Rahmen der bergrechtlichen Sanie- men und in diesem Zusammenhang notwendige

Mitteldeutscher Industriepark Espenhain Flächen zum Verkauf

W
na
ch Standortgrenze
Le
ipz Fläche belegt
ig

A
E

D
B G
F
A72
(geplant)
H
C I
na
ch
Ch

www.mitteldeutsche-industrieparks.de
em
nit

Stand: Februar 2007


zX

Abb. 9.38   Industriestandort Espenhain – Bebauungsplan


9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 623

Abb. 9.39   Industriestandort Espenhain nach Sanierung und Neuerschließung (2007)

Abb. 9.40   Mittel-


deutscher Industriepark
Espenhain – erschlossenen
Fläche

Ertüchtigungs- und Instandhaltungsmaßnahmen Arbeitsplätzen (einschließlich Vermietungen


an den veralteten Trink- und Abwasserrohrsyste- und Verpachtungen). Unter Berücksichtigung
men, die in den nächsten Jahren von der LMBV vorhandener Kaufanträge beträgt die Belegung
zu tragen gewesen wären. sogar rund 80 %.
Die Belegung der ersten Teilfläche lag An- Aufgrund der großen Nachfrage wurde die Er-
fang 2008 bei 76,1 % verkaufter Fläche und 626 schließung eines 61 ha großen Erweiterungsab-
624 B. Krüger et al.

Abb. 9.41   Industriepark Schwarze Pumpe – Darstellung der Standortsituation 1999

schnittes in Angriff genommen und im Jahr 2008 gesamten Standort auf 14 einzelnen Parzellen
abgeschlossen. (Abb.  9.42). Die betrieblichen Mediensysteme
Trink- und Abwasser, Gas-, Stickstoff- und
Industriepark Schwarze Pumpe  Die Situ- Fernwärmeleitungen gehörten zum größten Teil
ation auf dem länderübergreifenden Standort der damaligen LAUBAG und wurden durch sie
„Schwarze Pumpe“ mit einer Gesamtgröße von betrieben.
538,7 ha stellte sich Ende der 90er Jahre des Aufgrund des großflächigen Industrieflächen-
20. Jahrhunderts außerordentlich schwierig dar. anteils und der möglichen Synergieeffekte wur-
Aufgrund seiner Größe, seiner Potenziale und den die Vermarktungschancen trotz der vorhan-
den ansässigen Großbetrieben LAUBAG und denen Probleme als gut eingeschätzt. Ein Verkauf
SVZ sowie einer Vielzahl von klein- und mit- von Teilflächen setzte und setzt aufgrund der
telständischen Unternehmen und insbesondere Lage der Mediensysteme teilflächenkonkret eine
wegen seiner länderübergreifenden Lage (Bran- Neuerschließung voraus.
denburg/Sachsen) hatte der Standort bereits Im Rahmen der 1999 gegründeten von den
damals eine besondere regionalpolitische Wirtschaftsministerien der Bundesländer Sach-
Bedeutung (Abb. 9.41). Trotz der vorhandenen sen und Brandenburg getragenen „Lausitz-Ini-
Ansiedlungen standen rd. 200 ha Entwicklungs- tiative“ war die Entwicklung des Standortes ein
und Vermarktungsfläche zur Verfügung, von besonderes Schwerpunktprojekt.
denen sich etwas mehr als 100 ha im Eigentum Im Jahr 2000 wurde eine Absichtserklärung
der LMBV befanden. Diese Entwicklungs- und zwischen der LAUBAG und der LMBV über die
Vermarktungsflächen waren nicht zusammen- Zusammenarbeit bei der Entwicklung und Ver-
hängend verfügbar, sondern verteilt über den
9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 625

Abb. 9.42   Industriepark Schwarze Pumpe – Lageplan mit Entwicklungsflächen

marktung am Industriestandort Schwarze Pumpe GRW-Förderanträgen für im Zusammenhang mit


unterzeichnet. der Ansiedlung notwendige Erschließungsmaß-
Zunächst war die Gründung einer Stand- nahmen mit. Die Durchführung der Erschließung
ortentwicklungsgesellschaft unter Beteiligung erfolgt aufgrund der unterschiedlichen Eigen-
der LAUBAG (jetzt Vattenfall Europe Mining tumsverhältnisse durch die Altstadtsanierungs-
AG), der LMBV sowie der Belegenheitskom- gesellschaft Spremberg (ASG), eine Tochterge-
munen Spremberg (Brandenburg) und Spreetal sellschaft der Stadt Spremberg und der Gemein-
(Sachsen) vorgesehen. Nach weiteren Untersu- de Spreetal.
chungen verständigten sich die großen Flächen- Im Jahr 2001 bekundete die österreichische
eigentümer mit den Kommunen auf die Bildung Firma W. Hamburger Interesse an ca. 40 ha Flä-
einer „Projektgruppe Standortentwicklung“, in che, um eine Papierfabrik zu errichten. Dazu
die jedes Unternehmen einen Mitarbeiter für waren kurzfristig Verlegungsmaßnahmen der
Entwicklungs-, Koordinierungs- und Marke- medientechnischen Infrastruktur notwendig.
tingleistungen am Standort eingebracht hat. Als Die Beantragung der Fördermittel sowie die
Entscheidungs- und Steuerungsgremium agierte Projektsteuerung erfolgten durch die ASG. Im
ein Projektbeirat, bestehend aus Vertretern der Jahr 2005 konnte die Firma mit der Produktion
Unternehmen die Belegenheitskommunen sowie beginnen. Mittlerweile plant die Firma den Bau
die betroffenen Landkreise (Spree – Neiße und einer zweiten Produktionsstätte im Industrie-
Kamenz), der ein einheitliches und abgestimmtes park Schwarze Pumpe. Mit der Ansiedlung ist
Vorgehen sichert. Die Projektgruppe ist verant- es gelungen, 400 neue Arbeitsplätze am Stand-
wortlich für die Erarbeitung von Entwicklungs- ort zu schaffen.
zielen und ein einheitliches Standortmarketing. Insgesamt konnten in den letzten Jahren auf
Sie ist zentrale Anlaufstelle für Investoren, ko- dem Standort beachtenswerte Vermarktungser-
ordiniert alle mit der Ansiedlung verbundenen folge erzielt werden. Abbildung 9.43 zeigt den
Maßnahmen und wirkt bei der Erarbeitung von Standort im Jahr 2007 mit der Papierfabrik und
626 B. Krüger et al.

Abb. 9.43   Schwarze Pumpe – Darstellung der Standortsituation 2007

dem Braunkohlenkraftwerk der Vattenfall Euro- 9.6 Vermarktung der Liegenschaften


pe Generation AG.
Durch die Entscheidung des Unternehmens 9.6.1 Grundsätze, Ziele, Strategien
Vattenfall, notwendige Erweiterungsinvestitio-
nen auf dem Standort Schwarze Pumpe durch- Mit der Gründung der LMBV im Jahre 1995
zuführen und den Bau der Pilotanlage für ein wurden ihr die Liegenschaften der stillgeleg-
CO2 – freies Kraftwerk ebenfalls dort zu planen ten bzw. stillzulegenden Bergbaubetriebe über-
und unter Berücksichtigung weiterer vorgesehe- tragen. Neben der Braunkohlesanierung gehört
ner Investitionen anderer Firmen, ist der Standort somit auch die Vermarktung dieser Flächen zu
fast vollständig vermarktet. den Aufgaben der LMBV.
Die ursprüngliche Aufgabe der Projektgruppe Der Verwertungsauftrag der LMBV besagt,
ist damit erledigt. Für die Zukunft steht die Auf- dass die übertragenen Liegenschaften schnellst-
gabe für den Standort ein effizientes Standortma- möglich und zum vollen Verkehrswert zu ver-
nagement aufzubauen. Die Vorbereitungen hier- kaufen sind. Vermietungen, Verpachtungen oder
zu einschließlich der Implementierung erfolgten Eigenbewirtschaftungen sind diesem Verwer-
im Jahr 2008. tungsauftrag untergeordnet und stellen damit
lediglich zeitlich begrenzte Formen der Grund-
stücksnutzung vor dem Verkauf dar.
9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 627

Ziel dieser Vermarktungsstrategie ist die zügi- In den Anfangsjahren konzentrierte sich die Lie-
ge Wiedereingliederung der ehemals bergbaulich genschaftsvermarktung vor allem auf den Ver-
beanspruchten Flächen in den Wirtschafts- und kauf bzw. die Vermögenszuordnung nicht be-
Naturkreislauf im Sinne einer nachhaltigen Flä- triebsnotwendiger Grundstücke, wie:
chennutzung sowie die Schaffung von Vorausset- • Ferienheime, Kulturhäuser, Küchen und
zungen für die Ansiedlung neuer Arbeitsplätze in andere Sozialeinrichtungen
den ehemaligen Bergbauregionen. • Wohngebäude (zum Immobilienbesitz der
In Umsetzung dieses Verwertungsauftrages LMBV gehörten insgesamt rund 23.000 Woh-
geht die LMBV von folgenden Grundsätzen aus: nungen)
• Die Vermarktung erfolgt auf der Grundlage • unverritzte Forst- und Landwirtschaftsflächen
rechtsverbindlicher Planungen (Flächennut- im Vorfeld der stillgelegten Tagebaue sowie
zungs- und Bebauungspläne). Liegen diese • Werkstätten, Lagerhallen und andere nach-
noch nicht vor, sind die in den Sanierungs- nutzungsfähige Industrieanlagen als Existenz-
plänen festgelegten Grundsätze und Ziele der grundlage für ausgegründete Betriebsteile
Raumordnung und Landesplanung sowie die oder neu angesiedelte Betriebe.
vorhandenen Nutzungskonzepte als wichtige Seit dem Ende der 90er Jahre des 20. Jahrhun-
Vorplanungsinstrumente die Grundlage für derts steht der großflächige Verkauf von land-
Verkaufslosbildung und Wertermittlung. und forstwirtschaftlich nutzbaren Flächen, Flä-
• Der Verkauf der Liegenschaften hat grund- chen für den Natur- und Landschaftsschutz, Ge-
sätzlich durch öffentliche Ausschreibung zu wässern sowie Gewerbe- und Industrieflächen im
erfolgen. Einzelvergaben sind in Ausnahme- Mittelpunkt.
fällen möglich Für die großflächigen Tagebausanierungsge-
− beim Verkauf an Kommunen und Natur- biete wurden auf der Grundlage
schutzverbände • der aktuellen Sanierungsplanungen
− zur Existenzsicherung bestehender • der vorliegenden Bauleitplanung sowie der
Betriebe Nutzungskonzepte und anderer Konzeptionen
− zur Arrondierung angrenzender Flächen. der Folgenutzung
• Kostenaufwendige Immobilien sowie solche • einer aktuellen Bewertung des Grundstücks-
ohne Wertsteigerungspotenzial werden vor- marktes unter Berücksichtigung von Vor-
rangig verkauft. Vermietungen und Verpach- kaufsrechten, Interessenbekundungen und
tungen sind dem Verwertungsauftrag unterge- Nachfragepotenzialen für einzelne Produkt-
ordnet und stellen damit lediglich eine Form gruppen
der Zwischennutzung bis zum Verkauf dar. standortbezogene Vermarktungskonzepte entwi-
• Die Belegenheitsgemeinden sowie betroffene ckelt, die Grundlage für alle weiteren Vermark-
Pächter und Mieter werden frühzeitig über die tungsaktivitäten sind. Die Abbildungen 9.44
Verwertungsabsicht informiert. Berechtigte und 9.45 zeigen beispielhaft das Nutzungs- und
Interessen werden bei der weiteren Verkaufs- das Vermarktungskonzept für den Standortraum
vorbereitung berücksichtigt. Berzdorf.
• Ankäufe erfolgen nur in Ausnahmefällen, Ziele dieser Vermarktungskonzepte sind ins-
wenn alle anderen Formen der Grundstücks- besondere:
nutzung (Anpachtung, Dienstbarkeiten, Nut- • die Optimierung des Zusammenwirkens von
zungsvereinbarung) oder Neuordnung (Flä- Sanierung und Vermarktung
chentausch) gescheitert sind • die Vermeidung nicht vermarktbarer Rest-
− zur Sicherung der Sanierungsarbeiten oder und Splitterflächen
− zur Neuordnung der Eigentumsverhält- • die Identifikation von Produkten mit voraus-
nisse in Flurneuordnungsverfahren (LMBV sichtlich hohem Wertsteigerungs- und Nach-
2006). fragepotenzial
628 B. Krüger et al.

Abb. 9.44   Nutzungs-


konzept für den Standort
Berzdorf

Abb. 9.45   Vermarktungs-


konzept für den Standort
Berzdorf (Verkaufslose)

• die Schaffung von Grundlagen für eine mittel- den in der Datenbank zum Nachweis des Liegen-
fristige Verwertungsplanung. schaftsbestandes mit den einzelnen Flurstücken
Im Ergebnis der Arbeit an den Vermarktungs- bzw. Teilflächen verknüpft und im Geoinforma-
konzepten werden flächendeckend potenzielle tionssystem (GIS) grafisch hinterlegt. Diese Ver-
Verkaufslose gebildet. Diese Verkaufslose wer- fahrensweise sichert eine exakte Abgrenzung der
9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 629

Verkaufsobjekte voneinander, bei gleichzeitiger se. Neue Konzepte, wie der Energiewald – eine
Vermeidung von Splitterflächen und ermöglicht intensive Form der Waldbewirtschaftung zur
über das GIS die grafische Verknüpfung mit an- Produktion von Hackschnitzeln und Biomasse –
deren Fachinformationen zur Fläche (z. B. Sa- ergänzen das Angebot.
nierungsplanung, Altlastenkataster, Nutzungs- Die Bergbaufolgelandschaften bieten aber
konzepte). Alle neuen Vermarktungsaktivitäten auch besondere Ausgangsbedingungen für den
werden grundsätzlich mit diesen Vermarktungs- Natur- und Landschaftsschutz. Unkultivierte
konzeptionen abgestimmt, um den Verwertungs- nährstoffarme Böden und Kleingewässer sowie
auftrag nicht zu gefährden und keine Vermark- großflächig unerschlossene Areale sind zum Teil
tungshemmnisse für benachbarte Flächen aufzu- einmalige Lebensräume für bedrohte Tier- und
bauen. Pflanzenarten sowie spezifische Lebensgemein-
schaften. Diese Areale sind in einer durch inten-
sive Land- und Forstwirtschaft und eine weiter
9.6.2  V
 ermarktung nach Hauptnut- fortschreitende Zersiedelung geprägten Kul-
zungsarten turlandschaft nicht mehr bzw. immer weniger
vorhanden. Es gilt daher sie zu erhalten und zu
Von den ursprünglich 97.000 ha, die der LMBV schützen. Daher hat die LMBV sehr frühzeitig
nach ihrer Gründung 1995 übertragen wurden, mit dem Bundesumweltministerium, dem Bun-
wurden bis Ende 2009 rund 70.000 ha (72 %) desamt für Naturschutz sowie den zuständigen
verkauft oder anderweitig auf neue Eigentümer Ministerien und Fachbehörden der Bundesländer
übertragen (Restitution nach VermG, Vermögens- die ökologisch wertvollen Flächen identifiziert
zuordnung nach VZOG). Rund 46.000 ha der ur- und als Kerngebiete für den Naturschutz defi-
sprünglichen Fläche werden land- und forstwirt- niert. Auf dieser Grundlage erfolgte die weitere
schaftlich genutzt. 78 % davon sind verkauft. Entwicklung und Vermarktung der Flächen. Er-
Käufer der Landwirtschaftsflächen sind über- werbsinteressenten für diese Flächen sind vor
wiegend die örtlichen Landwirtschaftsbetriebe, allem private bzw. staatliche Naturschutzver-
die diese Flächen zumeist seit vielen Jahren auf bände und Stiftungen aber auch private Käu-
Pachtbasis bewirtschaftet und damit einen wich- fer. Das Bundesamt für Naturschutz sowie die
tigen Beitrag zur Stabilisierung und Hebung der Deutsche Bundesstiftung Umwelt haben diesen
Bodenfruchtbarkeit geleistet haben. Diese Flä- Prozess durch eigene Forschungsarbeiten zu den
chen stellen in der Regel die Existenzgrundlage Wechselbeziehungen zwischen Naturschutz und
der Landwirtschaftsbetriebe dar, sodass der Ver- Braunkohlesanierung (Abresch et al. 2000; Hei-
kauf zumeist als Einzelvergabe zum Verkehrs- decke et al. 2005) sowie ein eigenes Handbuch
wert erfolgte. Bis Ende 2009 wurden über 90 % zum Flächenerwerb und -management für Natur-
aller Landwirtschaftsflächen der LMBV ver- schutzflächen im Lausitzer und Mitteldeutschen
kauft. Braunkohlenrevier (Hennek und Unselt 2002)
Abnehmer der überwiegend noch sehr jungen unterstützt.
Forstflächen sind neben privaten und staatlichen Bis Ende 2009 hat die LMBV rund 12.400 ha
Forstwirtschaftsbetrieben vor allem an einem naturschutzrelevanter Flächen verkauft. Wei-
Eigenjagdbezirk interessierte Jäger. Der Verkauf tere 2.900 ha sollen in den nächsten Jahren im
der Forstflächen erfolgt daher bevorzugt in Los- Rahmen des „Nationalen Naturerbes“ kostenlos
größen über 75 ha (in Brandenburg über 150 ha), auf die Bundesländer oder Naturschutzorganisa-
um den Anforderungen an einen Eigenjagdbezirk tionen übertragen werden.
zu entsprechen. Größere Waldflächen wurden Ziel dieser Aktivitäten ist die möglichst um-
auch an restitutionsberechtigte Alteigentümer fassende und dauerhafte Umsetzung der natur-
zurück übertragen. Vor allem in Zeiten steigen- schutzfachlichen Ziele für die betreffenden Flä-
der Brennholzpreise sind kleinere Rand- und chen. Herausragende Beispiele für die erfolgrei-
Splitterflächen für private Erwerber von Interes- che Realisierung von Projekten des Natur- und
630 B. Krüger et al.

Landschaftsschutzes im Lausitzer und Mittel- besteht nur ein begrenztes Interesse am Erwerb
deutschen Braunkohlenrevier sind unter ande- der Wasserflächen. Andererseits wird die Attrak-
rem: tivität der angrenzenden Landbereiche durch das
• Sielmanns Naturlandschaft Wanninchen Gewässer erhöht. Hier war bereits sehr frühzei-
• das Naturschutzgroßprojekt „Lausitzer Seen- tig ein erhöhtes Käuferinteresse spürbar. Diesem
land“ Umstand Rechnung tragend wurden die Gewäs-
• das Naturparadies Grünhaus im Raum Lauch- ser in Verbindung mit den attraktiven Landbe-
hammer reichen zum Verkauf vorbereitet. Aufgrund des
• die „Goitzsche-Wildnis“ großen öffentlichen Interesses an der Gewässer-
• die Bergbaufolgelandschaft „Grabschützer nutzung hat die LMBV zunächst mit den Anlie-
See“. gerkommunen Verkaufsgespräche geführt und
Die Heinz Sielmann Stiftung erwarb über ihnen ein Vorkaufsrecht eingeräumt. In einigen
3.000 ha ehemaliger Bergbauflächen im Natur- Fällen gelang es auch, private oder öffentliche
park Niederlausitzer Landrücken südwestlich Entwicklungsgesellschaften als Erwerber zu ge-
des Spreewaldes, darunter ca. 2.240 ha von der winnen. Käufer kleinerer Gewässer sowie der
LMBV. Große unzerschnittene Bereiche mit ex- Landschaftsseen waren Fischereibetriebe bzw.
trem nährstoffarmen Böden sind Lebensraum Anglerverbände, Naturschutzorganisationen
für eine einzigartige Tier- und Pflanzenwelt. Als sowie Privatpersonen. Bis Ende 2007 hat die
Beispiel für die ökologische Vielfalt der nachin- LMBV so 57 Gewässer mit einer Gesamtfläche
dustriellen Landschaften gehört Sielmanns Na- von 11.900 ha vor allem in Sachsen-Anhalt und
turlandschaft Wanninchen seit 2005 zu den Pro- Brandenburg vermarktet.
jekten der Internationalen Bauausstellung IBA Ein etwas anderer Weg wurde in Sachsen
„Fürst-Pückler-Land“. beschritten. Hier hat sich der Freistaat Sachsen
Das Naturschutzgroßprojekt „Lausitzer Ende 2007 bereit erklärt, alle noch im Eigentum
Seenland“ umfasst ein Gebiet von insgesamt der LMBV befindlichen Gewässer nach ihrer
27.000 ha, darunter 5.700 ha, die zum so ge- Fertigstellung zu übernehmen. Die LMBV kon-
nannten Kernbereich des Projektes gehören. zentriert sich daher in Sachsen auf eine kleintei-
Ziel des Projektes ist es, das ökologische Poten- ligere Vermarktung der Gewässerrandbereiche
zial der Bergbaufolgelandschaft zu sichern und entsprechend den in den kommunalen Planungen
gleichzeitig geeignete Wirtschaftsweisen zu eta- bzw. Nutzungskonzepten festgelegten Zielnut-
blieren, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen zungen. Mit dem Land Brandenburg wurde Ende
und sozialen Stärkung der Region dienen. Die 2009 eine Vereinbarung abgeschlossen, dass die
LMBV hat bis 2009 rund 1.000 ha Eigentums- wasserwirtschaftlich bedeutsamen Gewässer der
flächen an den Projektträger verkauft. Weitere LMBV nach ihrer Fertigstellung an das Land
1.630 ha werden in den Folgejahren als „Natio- übertragen werden.
nales Naturerbe“ unentgeltlich übertragen. Zum Liegenschaftsbestand der LMBV gehö-
Die Vermarktung der neu entstehenden Ge- ren auch Verkehrsflächen, die die großräumigen
wässer ist eine besondere Herausforderung. Ein Tagebausanierungsgebiete erschließen und als
Grundstücksmarkt für Gewässer ist in Deutsch- ehemalige Betriebsstraßen bereits längere Zeit
land nicht vorhanden. Auf Erfahrungen aus ande- existieren oder im Rahmen der Sanierung als
ren Gewässerverkäufen kann daher nur in Einzel- Wirtschafts-, Rad- oder Wanderwege neu ange-
fällen zurückgegriffen werden. legt wurden. Für diese Straßen und Wege strebt
Die Rechte des Eigentümers sind durch das die LMBV bevorzugt die öffentliche Widmung
Wasserhaushaltsgesetz, die Wasser- und Fische- und Überführung in Kommunaleigentum an.
reigesetze der Bundesländer, durch Allgemein- Beim Verkauf an Dritte werden die erforderli-
verfügungen zur Gewässerbenutzung und ande- chen Wegerechte vertraglich vereinbart und in
re Verordnungen stark eingeschränkt. Insoweit der Regel dinglich gesichert.
9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 631

Abb. 9.46   Mehrstufige Identifizierung des Bestandes an Flächen höherwertiger Nutzung

9.6.3 Identifizierung von Flächen mit formationen unter Verwendung nutzungsspezi-


höherwertigen Nutzungspoten- fischer Indikatorenmodelle sowie fallbezogener
zialen Bewertungsalgorithmen (Abb. 9.46).
Bereits im Jahr 1996 wurde der Gesamtbe-
Mit der Stillsetzung der Tagebaue und Fabrik- stand an ehemaligen Industriestandorten detail-
anlagen entstand die Aufgabe, über die Nachnut- liert aufgenommen und nach raumordnerischen
zung und Vermarktung der zu sanierenden und sowie landes-, regional- und kommunalplaneri-
wiedernutzbar zu machenden Flächen sowie der schen Aspekten bewertet. Zu diesem Zeitpunkt
dazu geeigneten Gebäude und baulichen Anlagen handelte es sich um 114 Standorte mit einer Ge-
zu befinden. In einem ersten Schritt erfolgte die samtfläche von 2.400 ha.
Erfassung und Bewertung der ehemaligen Indus- Im Zeitraum von 1997–2000 wurden diese
triestandorte der LMBV. Mit der fortschreitenden Untersuchungen weiter vertieft und die einstigen
Sanierung der stillgelegten Tagebaue wurde es Industrieareale nach immobilienwirtschaftlichen
notwendig, auch die im Umfeld der entstehenden Grundsätzen kategorisiert. Aus dem ursprüngli-
Bergbaufolgeseen verfügbar werdenden Flächen chen Bestand wurden 60 Standorte identifiziert,
hinsichtlich ihrer Eignung für eine höherwertige die sich für eine höherwertige Nutzung eignen
Nutzung zu untersuchen. Eine wichtige Grund- sollten; 33 Standorte kamen für eine direkte Ver-
lage hierfür waren die im Vorfeld erarbeiteten marktung und 21 Areale für die Renaturierung
Nutzungskonzepte (s. Abschn. 9.3.3). infrage. 19 Standorten wurden sehr gute Entwi-
Höherwertigere Liegenschaften sind in erster cklungs- und Vermarktungschancen eingeräumt.
Linie Bauflächen jeder Art. Sie können in nachfol- Ab 2001 wurden auch die entstehenden Berg-
gende Hauptgruppen zusammengefasst werden: baufolgeseen mit den umliegenden Flächen auf
• Industrie- und Gewerbeflächen ihre Potenziale für höherwertigere Nutzungen
• Flächen für Freizeit und Erholung untersucht. Der Bestand umfasste zu diesem Zeit-
• Wohnbauflächen punkt 117 Standorte mit einer Fläche von 3.140 ha,
• Flächen für Sondernutzungen. davon 37 Flächen für eine industriell-gewerbliche
Die Identifizierung und Bewertung der Flächen Nutzung und 80 Flächen für eine Nutzung als
erfolgte auf Basis der verfügbaren aktuellen In- Freizeit-, Erholungs- und Wohnstandort. Dieser
632 B. Krüger et al.

Bestand wurde in den Folgejahren ständig aktu- − Standortdefizite


alisiert. − Regionale Vernetzungspotenziale.
Die mit der Förderung der Energieerzeugung • Verfügbarkeit der Flächen
aus erneuerbaren Energien zu erwartende erhöhte − zeitliche Verfügbarkeit
Nachfrage nach geeigneten Standorten war An- − nutzungsrechtliche Verfügbarkeit
lass, den Immobilienbestand der LMBV noch- − sanierungsabhängige Verfügbarkeit.
mals gezielt zu bewerten. Bis 2004 wurden 14 • Stand der Erschließung
Standorte für die Errichtung von Windkraftan- − Verkehrsanbindung
lagen mit fast 1.500 ha Fläche ausgewiesen und − technische Infrastruktur
vermarktet. Dazu kamen im Jahr 2005 insgesamt − Bebauung.
15 Standorte mit einer Fläche von 335 ha für die Im Verlauf der weiteren Entwicklung erwies sich
Errichtung von Solarstromkraftwerken. die prinzipielle Richtigkeit der mit der Bestands-
In den Jahren 2007–2009 erfolgte in Verbin- aufnahme vorgenommenen Erstkategorisierung.
dung mit der Erarbeitung neuer Liegenschaftska- Dennoch war nicht zuletzt infolge der rasanten
taloge eine erneute Aktualisierung des Bestandes wirtschaftlichen Strukturveränderungen in den
der Industrie- und Gewerbe- sowie Freizeit-, Er- Bergbauregionen festzustellen, dass einige Annah-
holungs- und Wohnbauflächen. Ende 2009 ver- men und Erwartungen zu optimistisch waren und
fügte die LMBV über 6 aus den früheren Priori- eine Neubewertung der Entwicklungschancen er-
tätenstandorten hervorgegangene Industrieparks forderlich wurde. Diese fand im Jahr 2000 statt und
mit einer Fläche von über 500 ha, 13 weitere führte zu einem neuen Ranking. Dabei wurden vor
Industrie- und Gewerbestandorte mit 217 ha Flä- allem der Stand der Arbeiten zur Sanierung und
che und 14 Standorte für Freizeit, Erholung und Standortentflechtung, sowie aktuelle Entwicklun-
Wohnen mit einer Fläche von rd. 460 ha. Darüber gen am Grundstücksmarkt neu bewertet. Im Ergeb-
hinaus werden die insgesamt 680 ha Flächen des nis wurden lediglich elf Standorte als überregional
Industrieparks Schwarze Pumpe von der Vatten- bedeutsame Industrie- und Gewerbestandorte iden-
fall Europe Mining AG und der LMBV gemein- tifiziert. Im weiteren Verlauf verringerte sich dies
sam vermarktet. auf sieben Standorte. Weitere Standorte sind nur
bedingt, bei entsprechender Nachfrage, für eine
Industrie- und Gewerbeflächen  Die Erfassung zukünftige industriell-gewerbliche Nutzung ge-
und Kategorisierung der Flächen für Industrie eignet. Der überwiegende Teil der Altstandorte ist
und Gewerbe erfolgte in einem mehrstufigen wegen fehlendem Nachfragepotenzial und seiner
Verfahren. Die Kategorisierung Mitte der 90er Lage im Außenbereich nicht für eine industriell-
Jahre des 20. Jahrhunderts wurde vor allem auf gewerbliche Nachnutzung geeignet.
der Basis angebotsorientierter Faktoren durch- In den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde
geführt. Diese Kategorisierung, die auf die deutlich, dass eine Revitalisierung und Neu-
Bewertung der Raumbedeutsamkeit aller 120 erschließung der ausgewählten raumbedeutsa-
industriellen Altstandorte zielte, gründete auf men Standorte nur dann erfolgreich sein kann,
folgenden Kriterien: wenn die Bündelung der Sanierungs- und Er-
• Lage im räumlichen System schließungsmaßnahmen unter Einbeziehung von
− Lage im zentralörtlichen System finanziellen Mitteln aus der Gemeinschaftsaufga-
− Lage im Entwicklungs- und Verbindungs- be zur „Verbesserung der regionalen Wirtschafts-
achsensystem struktur“ (GRW) gelingt. In Abstimmung mit den
− Lage zu Vorbehalts- und Vorranggebieten Ländern, Regionen und Kommunen wurden hier-
− Lage zu Industriekernen oder bedeutenden zu die notwendigen Vereinbarungen getroffen.
Sanierungsobjekten. Damit war nicht nur der Begriff der Prioritäten-
• Status im regionalen und kommunalen Ent- standorte geboren, sondern eine neue Etappe in
wicklungszusammenhang der Planung der Nachnutzung, Entwicklung und
− Planungsstand Vermarktung ehemaliger Industriestandorte des
− Standortkonkurrenzen Braunkohlenbergbaus eingeleitet.
9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 633

Abb. 9.47   Mittel-


deutscher Industriepark
Espenhain

Die Entscheidung zur gezielten Entwicklung • Marinas, Bootsliegeplätzen und Bootsanlege-


der Prioritätenstandorte war zugleich der maß- stellen (LMBV 2010).
gebliche Impuls zur Gründung der Lausitzer und Um diese Areale zuverlässig unter Beachtung
Mitteldeutschen Immobilienentwicklungsgesell- der schnellen Veränderungen zu identifizieren,
schaft mbH (LMEG) als Tochter der LMBV, die wurde im Jahr 2001 eine erste, auf den Nutzungs-
bis zum Jahr 2009 agierte. Die LMBV entwi- konzepten für Bergbaufolgelandschaften basie-
ckelte über die LMEG insgesamt vier Lausitzer rende Bestandsaufnahme von 117 Flächen vorge-
und zwei Mitteldeutsche Industrieparks sowie, nommen. Die Untersuchungen sollten vor allem
gemeinsam mit anderen Partnern, den Industrie- als Entscheidungsgrundlage für die Vermarktung
park Schwarze Pumpe (s. Abschn. 9.5). Abbil- der Flächen dienen. Sie erbrachten aber auch eine
dung 9.47 zeigt den Eingangsbereich des Mittel- Vielzahl neuer Informationen, die für das gezielte
deutschen Industrieparks Espenhain. Immobilienmarketing genutzt werden können.
Durch die Anwendung eines speziell entwi-
Flächen für Freizeit und Erholung Eine an ckelten dreistufigen Indikatorenmodells wurde
Bedeutung gewinnende Kategorie von Flächen eine detaillierte und homogene Bewertung mög-
mit höherwertigen Nutzungspotenzialen sind die lich. Dabei wurden die einzelnen Areale auf den
Flächen für Freizeit und Erholung, die vor allem Ebenen Teilregion, Sanierungsgebiet und Ent-
im Umfeld der neu entstehenden Seen zu lokali- wicklungsgebiet bewertet. Damit wurden sowohl
sieren sind. Bei diesen Flächen, die im Rahmen überregionale, regionale und lokale Nachfrage-
der Untersuchungen als so genannte Entwick- und Angebotsfaktoren in die Bewertung einbe-
lungsgebiete bezeichnet wurden, handelt es sich zogen als auch harte und weiche Standortdaten
um Areale unterschiedlichster Nutzung. Die integriert. Das Modell vereinigt die Vorzüge
Spanne reicht von von immobilienwirtschaftlichen Analysen bzw.
• touristisch nutzbaren Liegenschaften mit Modellen mit dem Wissen um die Spezifika der
komplexen Nutzungsangeboten wie Wasser- Vermarktung von Bergbaufolgeflächen. Nach-
sportzentren und Ferienparks über frage- und Angebotspotenziale wurden durch die
• Ferienhaussiedlungen, Hotels, Wohnwagen- Systematisierung und Kategorisierung der Ent-
stell- und Campingplätze bis zu wicklungsgebiete nach deren Bedeutung für das
634 B. Krüger et al.

Liegenschaftsgeschäft der LMBV aufgedeckt. • Ein hohes Entwicklungspotenzial der Fläche,


Innerhalb der Untersuchungen wurden überdies z. B. ein Entwicklungsgebiet als Siedlungs-
Synergien und Konkurrenzen für diese Areale be- erweiterung einer Stadt zum See hin
stimmt und bewertet. Einige Indikatoren wurden • Eine interessante Nutzungsmischung, z. B.
durch die Verarbeitung raumbezogener digitaler aus Erholen, Wohnen und Arbeiten
Daten mit GIS gewonnen, was eine Quantifizie- • Gute Nachfragefaktoren, z. B. ein hohes
rung einzelner Ergebnisse ermöglichte. Folgende Besucherpotenzial und eine gute Infrastruk-
Indikatoren wurden für die Klassifizierung der turanbindung.
Flächen für Freizeit und Erholung herangezogen Zu den besonders attraktiven Vorhaben für Frei-
(Kadler und Fischer 2004): zeit- und Erholungsnutzungen auf LMBV-Flä-
• Stufe 1: Teilregion chen zählen folgende Gebiete:
− relatives Besucherpotenzial • Bitterfelder Wasserfront am Großen Goitz-
− Konkurrenzen und Synergien. sche See (Abb. 9.48)
• Stufe 2: Sanierungsgebiet • Marina Mücheln am Geiseltalsee
− Zielnutzung • Pier 1 am Cospudener See
− Gewässergröße • Magdeborner Halbinsel am Störmthaler See
− Zeitpunkt der Erreichung des Endwasser- • Nordstrand am Sedlitzer See
standes. • Beach Ressort am Partwitzer See
• Stufe 3: Entwicklungsgebiet • Wassersportzentrum am Spreetaler See
− Komplexität des touristischen Angebots • Wassersportzentrum Tauchritz am Berzdorfer
− Lage im zentralörtlichen System See.
− Verkehrsanbindung
− Planungsstand Wohnbauflächen  Die in den Bergbaufolgeland-
− zeitliche Flächenverfügbarkeit schaften identifizierbaren Wohnbauflächen ste-
− Flächengröße hen oftmals in einem engen Zusammenhang zur
− Flächenanteil der LMBV. Ausweisung von Flächen für Freizeit und Erho-
Die Bewertungen ergaben eine große Heteroge- lung. Dabei handelt es sich vorzugsweise um
nität der untersuchten Entwicklungsgebiete für neue Siedlungsflächen am Rande oder in unmit-
Freizeit- und Erholungszwecke. Die LMBV ver- telbarer Nachbarschaft der entstehenden Seen.
fügt über eine Reihe von Standorten mit heraus- Reine Wohnbauflächen sind die Ausnahme, da
ragenden Entwicklungs- und Verkaufschancen. viele Entwicklungsvorschläge und Projekte von
Dem stehen aber auch viele Flächen mit weit gemischten Nutzungen ausgehen. Bei der Mehr-
ungünstigeren Ausgangsbedingungen gegenüber. zahl der Areale handelt es sich um Flächen mit
Das im Vergleich zur Lausitz dichter besiedelte exklusiver Lage und außergewöhnlichen Ent-
Mitteldeutsche Revier verfügt über deutlich bes- wicklungsperspektiven. Beispiele hierfür sind:
sere Besucherpotenziale und eine dichtere Ver- • Wohnbebauung am Zöbigker Winkel unweit
kehrsinfrastruktur – wichtige Gründe für die ten- des Cospudener Sees (Abb. 9.49)
denziell bessere Bewertung der mitteldeutschen • Kap Zwenkau als siedlungsabrundender
Standorte. Folgende Faktoren zeichnen maßgeb- Wohn- und Freizeitstandort zwischen der
lich die Qualität eines Entwicklungsgebietes aus: Stadt und dem nach ihr benannten See
• Eine hohe Attraktivität eines Standortes für • zukünftige Lagune am Sedlitzer See mit einer
intensive Erholung durch seine Lage am künf- Mischung aus Wohn- und Sonderbauflächen
tigen Uferbereich einer großen Wasserfläche für Erholungsnutzung
in Stadtnähe • Wohngebiet „Alma-Siedlung Großräschen“ in
• Sehr gute Angebotsfaktoren, wie z. B. die unmittelbarer Nähe zum Großräschener See
sofortige Verfügbarkeit, baldige Nutzbarkeit und den IBA-Terrassen.
der Wasserfläche und ein weit fortgeschritte- Darüber hinaus befinden sich in den Bergbaufol-
nes Bebauungsplanverfahren gelandschaften Ortslagen, deren Überbaggerung
9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 635

Abb. 9.48   Die Bitterfelder Wasserfront am Großen Goitzschesee im Jahr 2010

Abb. 9.49   Wohnbebauung am Cospudener See 2008


636 B. Krüger et al.

Abb. 9.50   Windpark Klettwitz

durch die plötzliche Stilllegung der Tagebaue für die Errichtung von Windkraftanlagen ver-
Anfang der 90er Jahre „in letzter Minute“ ver- marktet. Zu den bedeutendsten gehören der
hindert wurde. Ein Beispiel für einen solchen re- Windpark Klettwitz mit insgesamt 38 Wind-
vitalisierten Ort ist Pritzen am Altdöberner See. kraftanlagen und einer installierten Leistung
Die Siedlung befindet sich auf dem Restsockel von 63 MW (Abb. 9.50) und die Kippenfläche
des ehemaligen Tagebaus Greifenhain und ragt Poley mit 13 Anlagen und einer Leistung von
als Halbinsel in den ansteigenden See. Sie war 26 MW.
in der Vergangenheit Schauplatz mehrerer Kunst- Zudem hat sich die LMBV bei der Bereitstel-
bienalen und gehört zu den Projekten der IBA lung von Liegenschaften für die Errichtung von
Fürst-Pückler-Land. Solarkraftwerken engagiert. Eine solche Spezi-
fizierung ist insbesondere für Flächen interes-
Sondernutzungen  Die infolge der wirtschaft- sant, die keiner anderen gewerblichen Nutzung
lichen Entwicklung in den neuen Ländern und zugeführt werden können. Zudem ist die Förder-
des großen Konkurrenzangebots relativ geringe politik für Photovoltaikstandorte, die industrielle
Nachfrage nach gewerblichen und industriellen Brachen und Altlastenflächen bevorzugt, ideal
Bauflächen führte dazu, die Eignung von ehemals für das Flächenangebot der LMBV.
industriell-gewerblich genutzten Liegenschaf- Nach umfassender Recherche und Selektion
ten für neue Nutzungen zu prüfen. Im Ergebnis wurden 15 Standorte mit rund 380 ha als poten-
wurde durch die LMBV eine ganze Reihe von zielle Areale für Solarstromkraftwerke identifi-
Liegenschaften für eine Nutzung als Standorte ziert und gezielt angeboten. Beispiele einer er-
für die Erzeugung von Strom aus regenerativen folgreichen Vermarktung dieser Flächenkatego-
Energiequellen ausgewiesen. rie sind der 2004 errichtete Solarpark Leipziger
Dabei standen, angesichts der Verknappung Land und der 2006 in Betrieb gegangene Solar-
und Preisentwicklung bei fossilen Energieträ- park Borna. Der Solarpark Leipziger Land, un-
gern, die in Verbindung mit entsprechenden weit des Mitteldeutschen Industrieparks Espen-
wirtschaftspolitischen Weichenstellungen zu hain gelegen, verfügt mit seinen 33.500 Solar-
einer stark steigenden Nachfrage nach Flächen modulen über eine Stromerzeugungskapazität
für erneuerbare Energien führten, insbesondere von 5 MW. Der auf dem Gelände der ehemali-
Flächenangebote für Wind- und Solarenergie gen Brikettfabrik und des Kraftwerkes Borna
im Fokus. So hat die LMBV dem Interesse an errichtete Solarpark leistet 3,4 MW. Auf 103 ha
Flächen für Windkraftanlagen frühzeitig durch Kippenflächen des ehemaligen Tagebaus Klein-
ein gezieltes Angebot dieser Kategorie Rech- leipisch ist 2009 eine der größten Solaranlagen
nung getragen. Bislang wurden fast 1.500 ha Deutschlands, der Solarpark Finsterwalde I mit
9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 637

Abb. 9.51   Solarpark Finsterwalde 2009

einer Gesamtleistung von 40,7 MW entstanden Abschluss bis hin zur Realisierung der Transak-
(Abb. 9.51). tion, weitgehend standardisiert wurden. Ziel des
Immobilienmarketings der LMBV war ein akti-
ves Agieren des Unternehmens im spezifischen
9.6.4 Zielgruppenorientiertes Markt nachbergbaulicher Immobilien. Den Be-
Marketing sonderheiten der Vermarktung ehemaliger Berg-
bauliegenschaften muss auch im Rahmen des
Ziele und Ausgangsbedingungen Für die Er- Marketings Rechnung getragen werden.
füllung des Verwertungsauftrages der LMBV
war es notwendig, den gesamten Prozess der Lie- Produktpolitik für Immobilien der LMBV  Die
genschaftsverwaltung und -vermarktung effektiv Immobilienprodukte der LMBV unterschei-
und rationell zu gestalten sowie die verschiede- den sich von anderen vor allem dadurch, dass
nen Formen, Methoden und Instrumentarien des der überwiegende Teil bergbaulich in Anspruch
Immobilienmarketings konsequent in den Dienst genommen wurde und im Ergebnis der Sanie-
einer zeitnahen und erlöswirksamen Vermark- rung und Wiedernutzbarmachung neu entstanden
tung der Immobilien zu stellen. Dabei verfolg- ist. Das bedeutet, dass dieser Teil des Immobi-
te die LMBV von Beginn an einen integrativen lienangebotes aus einem Wandlungsprozess der
kunden- bzw. prozessorientierten Ansatz. Das be- Flächennutzung hervorgegangen ist und mit der
deutet, dass die Aufgaben der Produktpolitik, die neuen Nutzung wieder in den wirtschaftlichen
den Kern des Marketings bildet, über alle Pha- Kreislauf eintritt. Diese Immobilien bilden die
sen der Markttransaktion von Immobilien, von zentralen Produktgruppen der LMBV, aus denen
der Vorbereitung über die Anbahnung und den konkrete Produkte in Form von Verkaufsobjekten
638 B. Krüger et al.

Abb. 9.52   Broschüren und Kataloge der LMBV 2007–2010

zu bilden sind. Die LMBV verfügte bzw. verfügt mobilien wurden die geeigneten produktkonkre-
über folgende Produktgruppen: ten Marketingerzeugnisse über einen längeren
• Lausitzer und Mitteldeutsche Industrieparks Zeitraum systematisch entwickelt. Dabei war
• Flächen für Industrie und Gewerbe zu beachten, dass die Immobilienpalette des
• Flächen für Freizeit, Erholung und Wohnen Unternehmens selbst einem erheblichen Wandel
• Ökologisch wertvolle Flächen unterliegt. Den Kern der Marketingerzeugnisse
• Windkraftflächen der LMBV bilden produktkonkrete Kataloge, in
• Flächen für Solarkraftwerke denen die einzelnen Flächenangebote mit ihren
• Wasserflächen (Neue Seen) Spezifika und Nutzungsmöglichkeiten darge-
• Landwirtschaftsflächen stellt sind (Abb. 9.52).
• Waldflächen Diese werden durch die LMBV direkt oder
• sonstige Flächen (Verkehrsflächen u. a.). über geeignete Vermittler wie Wirtschaftsverbän-
Die Verkaufsobjekte (Verkaufslose) setzen sich de, Wirtschaftsförderungsgesellschaften, Kom-
in der Praxis oft aus Elementen unterschiedlicher munen und andere Partner als Marketinginstru-
Produktgruppen zusammen. Die Zuordnung des mente eingesetzt. Von besonderer Bedeutung ist
Verkaufsloses zu der jeweiligen Produktgruppe hierbei auch der Internetauftritt der LMBV unter
und die daraus abzuleitenden Marketingmaßnah- den Domänen www.lmbv.de, www.lausitz-indus-
men bzw. zu nutzenden Marketinginstrumente trieparks.de und www.mitteldeutsche-industrie-
sind anhand der hauptsächlichen Produktgruppe parks.de.
zu bestimmen. Darüber hinaus waren und sind im Immobi-
Ausgehend von den vorhandenen Möglich- lienmarketing der LMBV weitere Marketinger-
keiten und den Spezifika sanierter Bergbauim- zeugnisse von Bedeutung:
9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 639

• Aufsteller und Tafeln an Standorten bzw. Lie- • Bestimmung der Zielregionen, aus denen die
genschaften der LMBV Zielgruppen zu identifizieren sind
• Prospekte, Flyer bzw. Folder und Exposés • Recherche und Festlegung der den Zielre-
• Präsentationen oder Filme auf digitalen gionen zuzuordnenden Zielgruppen auf der
Medien. Grundlage der produktgruppenbezogenen
Hauptnutzung
Vermarktungs- und Marketingprozess Zur • Auswahl der potenziellen Käufer aus den
Bildung der Produktgruppen wurden zunächst identifizierten Zielgruppen und Dokumenta-
die Daten für die einzelnen Verkaufsobjekte auf- tion der vollständigen Daten als Basis für die
bereitet. Weitere Informationen waren aus den weiteren Marketingmaßnahmen.
unternehmensinternen bzw. externen Quellen Die Maßnahmen zur Aktivierung der ausgewähl-
zu beschaffen. Die konkrete Vorgehensweise ten Zielgruppen umfassen sämtliche Aufgaben
wurde in Abhängigkeit von der jeweiligen Pro- zur Auswahl und Bestimmung der Kommunika-
duktgruppe bestimmt. Ziel der qualitativen und tionswege und Trägermedien, der einzusetzenden
quantitativen Beschreibung der Produkte war es, Marketinginstrumente sowie der Vorbereitung
möglichst sämtliche Profil bildenden Merkmale und Durchführung der Zielgruppenansprache.
und Besonderheiten systematisch zu erfassen und Zur Sicherung der Ergebnisse wird eine konse-
auszuwerten. Dazu zählen u. a.: quente Erfolgskontrolle durchgeführt.
• Bestandsaufnahmen der Daten und Fakten der
Produkte Weitere Aufgaben im Immobilienmarke-
• Erfassung und Beschreibung von Rahmenbe- ting  Das Immobilienmarketing der LMBV
dingungen und der regionalen Potenziale basiert auf einem mittelfristig geltenden Gesamt-
• Identifikation von produktrelevanten regiona- konzept, dessen Grundlage die Lang- und Mittel-
len oder lokalen Besonderheiten fristplanung der Liegenschaftsvermarktung ist.
• Analyse möglicher Konkurrenzen und daraus Dieses Konzept schließt alle wesentlichen Immo-
ableitbarer Erfolgsaussichten bilienproduktgruppen ein. Der Schwerpunkt liegt
• Durchführung und Auswertung von Experten- jedoch auf den Produkten, deren Vermarktung
gesprächen • mit öffentlichen und privaten Investitionen
• Bestimmung branchenkonkreter Zielgruppen verbunden ist
• Erarbeitung und Umsetzung von Maßnahmen • überdurchschnittliche kommerzielle Ergeb-
zur Profilierung des Produktes. nisse erwarten lässt
Die Produkte werden sowohl unter Berück- • von erheblicher öffentlicher Bedeutung ist.
sichtigung vorliegender bzw. bereits bestätigter Das Marketingkonzept bildet die Grundlage für
Flächenplanungen als auch sich neu ergebender die jährliche Planung der Marketingmaßnahmen.
Entwicklungen konkret gestaltet. Dabei werden Deshalb umfasst das Konzept die wichtigsten
alle sich bietenden Spielräume der Produktzu- langfristigen Aufgaben einschließlich der dafür
sammensetzung, Zielgruppenbestimmung und erforderlichen personellen, materiellen und fi-
Käuferauswahl genutzt. Eine wesentliche Grund- nanziellen Mittel.
lage der Produktbildung sind die vorliegenden Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der
Nachnutzungskonzepte. Darüber hinaus sind LMBV in den einzelnen Sanierungsgebieten
auch alternative Nutzungsmöglichkeiten sowie werden auch die konkreten Immobilienangebote
aktuelle gesellschaftliche Rahmenbedingungen vorgestellt. Diese Veranstaltungen werden vor
und wirtschaftliche Trends von Bedeutung. Die allem zur Information über die Offerten im Um-
Bestimmung der Zielgruppen für die einzelnen feld der entstehenden Bergbauseen genutzt.
Produkte erfolgt in Abhängigkeit von der jewei- Weitere wichtige Maßnahmen des Immobilien-
ligen Produktgruppe. Dabei wurde folgenderma- marketings sind die Präsentation der Angebote auf
ßen vorgegangen: Messen und Kongressen, die Durchführung von
640 B. Krüger et al.

zielgerichteten Mailings und die Schaltung von • verkehrsinfrastrukturelle Erschließung der


Anzeigen in öffentlich zugänglichen Medien. Halbinsel sowie Gestaltung eines Rundwe-
ges und eines Boulevards und Errichtung von
sanitären Anlagen für die Besucher
9.6.5 Darstellung ausgewählter • Bau eines Bootsanlegers und eines Hub-
Fallbeispiele für eine schrauberlandeplatzes
erfolgreiche Vermarktung • Eröffnung eines regionalen Bergbaumuseums,
eines Informationszentrums (Orangerie) und
Ferropolis – Die Stadt aus Eisen am Gremmi- eines Kinderspielplatzes sowie Nutzung der
ner See  Der 1991 stillgesetzte Tagebau Golpa- ehemaligen Wartungshallen.
Nord hinterließ neben den devastierten Berg- Heute ist Ferropolis eine überregional bekann-
bauflächen auch eine Reihe von nicht mehr be- te touristische Destination, die zum einen die
nötigten Großgeräten, die zur Verschrottung vor- Bergbaugeschichte der Region dokumentiert und
gesehen waren. Das erste Initial zur Erhaltung, zum anderen jährlich mehr als 40.000 Besucher
Unterschutzstellung und touristischen Nutzung zu Veranstaltungen in einer einzigartigen Kulis-
der Geräte entstand im Rahmen einer Diplomar- se lockt (Abb. 9.53). Die Stadt aus Eisen steht
beit am Bauhaus Dessau, in der auch erstmalig beispielhaft für eine effektive und auf die Anfor-
der Name „Ferropolis“ geprägt wurde. Vier Bag- derungen der künftigen Nutzung ausgerichtete
ger und ein Absetzer wurden auf dem Restpfei- Braunkohlesanierung.
ler, der heute als Halbinsel in den Gremminer
See ragt, in ihre Endstellung gebracht und 1994 Cospudener See  Der Cospudener See ist
unter Denkmalschutz gestellt. Schon zu diesem Bestandteil einer der ersten Landschaften im Süd-
Zeitpunkt unterstützte die LMBV das Vorhaben raum von Leipzig, die vom erfolgreichen Wandel
vor allem dadurch, dass die ursprünglich zur Ver- vom Braunkohlenbergbau zu einer Gewässerland-
schrottung der Anlagen geplanten Mittel zu deren schaft mit deutlicher touristischer Ausrichtung
Erhalt und Sicherung eingesetzt wurden. 1995 zeugen (Abb. 9.54). Der aus dem von 1981 bis
war die offizielle feierliche Namensgebung der 1992 betriebenen Tagebau Cospuden entstan-
Stadt aus Eisen. dene Restsee wurde mit Sümpfungswasser der in
Im selben Jahr wurde Ferropolis im Rahmen der Region noch aktiven Tagebaue geflutet. Die
der EXPO 2000 zur Korrespondenzregion in Anforderungen der künftigen Nutzung des Cospu-
Sachsen-Anhalt. Durch die Bereitstellung von er- dener Sees fanden bereits bei der bergbaulichen
heblichen Fördermitteln konnten die Großgeräte Sanierung Berücksichtigung. Die notwendigen
weiter gesichert sowie eine Veranstaltungsarena Massenbewegungen wurden zur Profilierung der
für 25.000 Besucher errichtet werden. Seit 2000 Uferbereiche und Strände genutzt. Mit der Gestal-
finden nunmehr jährlich Open-air-Großveran- tung des Wegesystems erfolgte gleichzeitig die
staltungen statt, die tausende Besucher aus allen Schaffung der notwendigen touristischen Ver-
Teilen Deutschlands anziehen. kehrsinfrastruktur. In den Jahren 1999 und 2000
Nach einer Phase der Neuorientierung ab wurde in Verbindung mit der Endgestaltung der
2001 wurde Ferropolis auf der Grundlage einer Böschungen und Wege zugleich der Hafen am
städtebaulichen Gesamtplanung weiterentwi- Westufer des Sees errichtet. Die Nominierung des
ckelt, die vor allem auf die Entwicklung des Sees zu einem Korrespondenzstandort der EXPO
Areals zu einem Freilichtmuseum zielte. Mit der 2000 machte die Bereitstellung der dafür nötigen
Umsetzung der Planungen ab 2003 konnte die Fördermittel möglich.
Attraktivität der Stadt durch folgende Maßnah- Mit dem Verkauf bzw. der Übertragung des Sees
men gesteigert werden: und der angrenzenden Flächen an die Städte Leip-
• Sanierung und Sicherung der ehemaligen zig und Markkleeberg wurden die eigentumsrecht-
Tagebaugroßgeräte zur Herstellung einer teil- lichen Voraussetzungen für die weitere Entwick-
weisen Begehbarkeit lung und Erschließung des Gebietes geschaffen.
9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 641

Abb. 9.53   Gremminer See mit Ferropolis, der Stadt aus Eisen 2008

Abb. 9.54   Cospudener See mit dem Freizeitpark Belantis im Vordergrund 2009
642 B. Krüger et al.

Heute zählt der See zu den beliebtesten Aus- Bergrechtliche Verpflichtungen bis zur Been-
flugs- und Erholungsgebieten der Region und digung der Bergaufsicht  Beim Verkauf ehe-
bietet vielfältige Möglichkeiten der wasserge- maliger Bergbauflächen lässt es sich in der Regel
bundenen sportlichen Betätigung und Freizeitge- nicht vermeiden, auch noch in Sanierung befind-
staltung. Dazu zählen neben Baden und Segeln liche Flächen in die Vermarktung einzubeziehen.
auch Trendsportarten wie Kite-Surfen und Tau- Die LMBV hat zum Beispiel den überwiegen-
chen. Über den 14 km langen Rundweg können den Teil ihrer Liegenschaftsverkäufe bereits vor
die naturbelassenen Bereiche des Sees im Westen Abschluss der bergrechtlichen Sanierungsarbei-
und Süden erkundet werden. Zu den besonderen ten und der Beendigung der Bergaufsicht getä-
Freizeit- und Erholungsangeboten gehören: tigt. Die Gründe hierfür sind vielfältig:
• Hafen und Wassersportzentrum Zöbigker • Optimierung der Flächenzuschnitte zur Ver-
am Ostufer des Sees mit Gastronomie- und besserung der Vermarktungschancen und Ver-
Dienstleistungsangeboten, Schiffsanlegestelle meidung von Rest- und Splitterflächen
und Sauna im See • Förderung der kommunalen Bauleitplanung
• ausgedehnte Sandstrände am Nord- und Ost- sowie der Planung von Folgenutzungsinves-
ufer titionen durch Schaffung der eigentumsrecht-
• Landschaftspark Nordufer mit „Erlebnis- lichen Voraussetzungen
achse“ und Tertiärwald • Erschließung von Synergieeffekten zwischen
• Aussichtsturm Bistumshöhe südlich des Sees, Bergbausanierung und Folgenutzung
der einen Blick über die Bergbaufolgeland- • Sicherung eines möglichst frühzeitigen
schaften der Region bietet Beginns der Folgenutzung
• Freizeitpark „Belantis“ mit seinen Vergnü- • Betriebswirtschaftliche Aspekte.
gungs- und Erlebnisangeboten Ein Verkauf vor Beendigung der Bergaufsicht stellt
• 9-Loch-Golfanlage am Ostufer des Sees. besondere – vom normalen Grundstücksgeschäft
Die schon jetzt beachtlichen touristischen An- abweichende – Anforderungen an beide Vertrags-
gebote werden noch an Attraktivität gewinnen, partner und birgt darüber hinaus noch spezifische
wenn der See wie geplant in den Gewässerver- Risiken für den Verkäufer, die nur durch eine ex-
bund der Region Leipzig eingebunden sein wird. akte Verkaufsvorbereitung und Vertragsgestaltung
Danach können vom Cospudener See aus sowohl minimiert werden können. Auch nach einem Ver-
der benachbarte Zwenkauer See im Süden als kauf der Flächen bleibt der Verkäufer als Bergbau-
auch die Leipziger Innenstadt erreicht werden. betrieb gegenüber dem Bergamt verantwortlich
für Ordnung und Sicherheit auf den unter Berg-
aufsicht stehenden Flächen und für die Erfüllung
9.6.6 Spezielle Fragen der der in den Abschlussbetriebsplänen und ergän-
Verkaufsvorbereitung zenden Bestimmungen festgelegten Maßnahmen.
und Vertragsgestaltung Ein Verkauf von Flächen unter Bergaufsicht ist
bei der Vermarktung von daher nur möglich, wenn die Handlungsfähigkeit
Bergbauflächen des Verkäufers zur vollständigen Erfüllung seiner
berg- und wasserrechtlichen Verpflichtungen er-
Beim Verkauf bzw. der Übertragung von Berg- halten bleibt und der Käufer in seinem Handeln
bausanierungsflächen sind einige Besonderhei- die besondere Rechtssituation berücksichtigt. Um
ten zu beachten, die im normalen Grundstücks- die Gefahr von Haftungsrisiken auszuschließen
verkehr so nicht anzutreffen sind. Das betrifft bzw. zu minimieren, ist es erforderlich, die mit
insbesondere spezielle Fragen des Berg- und dem beabsichtigten Verkauf verbundenen poten-
Wasserrechtes, aber auch den zumeist nicht aus- ziellen Risiken zu bewerten und den Käufer um-
reichenden Planungsvorlauf für die Folgenut- fassend über den gegenwärtigen und geplanten zu-
zung. Auf diese Besonderheiten soll im Folgen- künftigen Zustand der Liegenschaft, insbesondere
den näher eingegangen werden. bekannte Sach- und Rechtsmängel zu informieren.
9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 643

Die LMBV unterzieht daher jedes Verkaufs- • gegenwärtige und zukünftige Nutzungsein-
vorhaben einer umfassenden fachlichen Prüfung schränkungen.
und Bewertung, an der fast alle Fachabteilungen 3. Verpflichtung des Käufers, alle Maßnahmen
beteiligt sind. Dabei werden mindestens nachfol- entschädigungslos zu dulden, die zur Erfül-
gend aufgeführte Daten erfasst und bewertet: lung der berg- und wasserrechtlichen Ver-
• Stand der Sanierung und noch durchzufüh- pflichtungen des Verkäufers erforderlich sind.
rende Arbeiten mit Planungsstand und zeitli- 4. Sicherung der erforderlichen Rechte zum Be-
cher Einordnung trieb (einschließlich Errichtung, Wartung und
• geotechnische Bewertung (Standsicherheit, Rückbau) von Pegeln, Brunnen, Vermessungs-
Nutzungseinschränkungen) punkten und Leitungen. In besonderen Fällen,
• hydrologische Situation (gegenwärtig und insbesondere bei längerfristigen Nutzungen,
zukünftig) empfiehlt sich eine dingliche Sicherung dieser
• Altlasten Rechte.
• Lage und Betriebsnotwendigkeit von Pegeln 5. Gewährung der zur Erfüllung der berg- und
und Leitungen wasserrechtlichen Verpflichtungen des Ver-
• erforderliche Dienstbarkeiten für die Sanie- käufers notwendigen Betretungs-, Fahr- und
rung (Wegerechte, Pegel-, Leitungsrechte) Wegerechte für ihn und seine Auftragnehmer.
• Nutzungsbedingungen für den Erwerber (Art Dabei sind auch notwendige Mitbenutzungen
und Zeitpunkt der Nutzung, Bewirtschaf- für die Durchführung benachbarter Sanie-
tungsvorgaben zur Sicherung der Sanierungs- rungsprojekte zu berücksichtigen.
ergebnisse, dauerhafte oder befristete Nut- 6. Verpflichtung des Käufers, dem Verkäufer bis
zungseinschränkungen). zur Beendigung der Bergaufsicht alle Tätig-
Im Ergebnis dieser fachlichen Prüfung und Risi- keiten auf dem Grundstück sowie alle Um-
kobewertung wird über die Verkaufsfähigkeit ent- stände und Vorkommnisse (Unfälle, Brände,
schieden. Sind die Risiken zu hoch oder nicht be- Umweltdelikte und andere straf- und ord-
wertbar, wird der Verkauf zurückgestellt. In allen nungsrechtlich relevanten Ereignisse) unver-
anderen Fällen sind im Grundstückskaufvertrag züglich anzuzeigen, die die bergrechtlichen
Regelungen zu treffen, die die Durchführung der Verpflichtungen des Verkäufers berühren
noch erforderlichen Sanierungsmaßnahmen und können.
die planmäßige Beendigung der Bergaufsicht 7. Verpflichtung des Käufers, alle liegenschafts-
sichern und noch vorhandene Risiken – soweit und nutzungsrelevanten Daten und Unterla-
möglich und rechtlich zulässig – ausschließen. gen, die für die Beendigung der Bergaufsicht
Im Grundstückskaufvertrag sind daher nach- erforderlich sind, unentgeltlich und unverzüg-
folgende Themen eindeutig zu regeln: lich zur Verfügung zu stellen.
1. Erklärung des Verkäufers, dass er bis zur
Beendigung der Bergaufsicht für die Erfüllung Wasserrechtliche Planfeststellungsverfahren 
sämtlicher bergrechtlicher Verpflichtungen Soll im Ergebnis der Bergbausanierung ein
gegenüber der Bergbehörde verantwortlich Gewässer entstehen, muss für dessen Herstellung
bleibt und die notwendigen Sanierungsarbei- in der Regel ein wasserrechtliches Planfeststel-
ten gemäß zugelassenem Abschlussbetriebs- lungsverfahren durchgeführt werden. Ist dieses
plan vollständig durchführen wird. beim Verkauf oder der Übertragung eines Gewäs-
2. Umfassende Information des Käufers über sers oder von Gewässerrandbereichen noch nicht
• die wesentlichen, noch durchzuführenden abgeschlossen, so müssen auch hierzu spezielle
Sanierungsarbeiten, Regelungen im Kaufvertrag getroffen werden.
• bekannte Altlastverdachtsflächen (ein- Das betrifft vor allem die vertragliche Verpflich-
schließlich Sanierungsstand), tung des Käufers:
• erforderlichenfalls geotechnische und • das Planfeststellungsverfahren und die sich
hydrologische Besonderheiten (einschließ- daraus ergebenden Maßnahmen entschädi-
lich der prognostizierten Grundwasser- gungslos zu dulden und
stände),
644 B. Krüger et al.

• die Durchführung des Verfahrens als neuer nutzung wird eine Nachbewertungs- und Mehr-
Grundstückseigentümer nicht zu behindern, erlösklausel vereinbart. Realisiert der Käufer
sondern durch rechtzeitige Abgabe aller erfor- innerhalb eines bestimmten Zeitraumes (10 bis
derlichen Erklärungen zu unterstützen. 15 Jahre) eine höherwertigere Nutzung, zum
Beispiel durch Bebauung, schuldrechtliche Ver-
Haftungsfragen  Obwohl im Rahmen der Sanie- fügung oder Veräußerung, hat er eine Nachzah-
rung alle bekannten Altlasten oder schädlichen lung an den Verkäufer zu leisten. Gleiches gilt bei
Bodenveränderungen beseitigt bzw. gesichert Errichtung von Windkraft- oder Photovoltaikan-
werden und die Beendigung der Bergaufsicht erst lagen auf den Flächen.
erfolgt, wenn nach allgemeiner Erfahrung nicht Nachzuzahlen ist ein im Vertrag definierter
mehr damit zu rechnen ist, dass bergbaubedingte Anteil an der Differenz zwischen Kaufpreis und
Gefahren für Leben und Gesundheit Dritter neuem Grundstückswert. Wertsteigerungen, die
bestehen oder gemeinschädigende Einwirkungen auf grundstücksbezogenen Aufwendungen des
eintreten können, wird der Verkäufer dennoch Käufers beruhen, werden dabei selbstverständ-
bemüht sein, ein eventuell verbleibendes Rest- lich nicht berücksichtigt. Bei der Errichtung von
risiko vertraglich auszuschließen. Bestandteil Windkraft- oder Photovoltaikanlagen errechnet
des Grundstückskaufvertrages sind daher in der sich der Nachzahlungsbetrag zumeist ertrags-
Regel auch nachfolgende Haftungsausschlüsse: wertbezogen aus der insgesamt installierten
• Haftungsfreistellung des Verkäufers für Alt- Nennleistung.
lasten bzw. schädliche Bodenveränderungen Mehrerlös- und Nachbewertungsklauseln sind
im Sinne von § 2 Bundesbodenschutzgesetz in der Literatur zwar umstritten. Für die noch
(soweit rechtlich zulässig) jungen, unbeplanten Flächen in den Tagebausa-
• Bergschadenverzichterklärung des Käufers nierungsgebieten sind sie aber ein gut geeignetes
(dinglich gesichert) Mittel zur Unterstützung des Vermarktungspro-
• Freistellung des Verkäufers von sonstiger zesses. Sie ermöglichen den frühzeitigen Verkauf
Sach- und Rechtsmängelhaftung. von Flächen mit unzureichendem Planungsstand
und behindern Grundstücksspekulationen. Bei
Wertermittlung und Nachbewertung  Wie entsprechender Vertragsgestaltung bieten sie
unter Abschnitt 9.3 ausgeführt, liegen Flächen- auch die Möglichkeit, zunächst einen vorläufi-
nutzungs- oder Bebauungspläne für die Berg- gen Kaufpreis auf Grundlage von Ist-Nutzungen
bausanierungsgebiete zum Verkaufszeitpunkt zu vereinbaren und zu einem späteren Zeitpunkt,
oftmals noch nicht bzw. nur im Entwurfsstadium wenn qualifizierte bauleitplanerische Grundla-
vor. Dies führt bei der Ermittlung des Verkehrs- gen vorliegen, eine Nachbewertung der Flächen
wertes der Verkaufsflächen zu Problemen. Eine vorzunehmen. Das schafft Sicherheit für Käufer
Bewertung des Ist-Zustandes ignoriert die in und Verkäufer gleichermaßen.
den Flächen schlummernden Potenziale. Belast-
bare Plannutzungen sind noch nicht vorhanden.
Nutzungskonzepte und andere Vorplanungs-
Literatur
instrumente sind bei der Bewertung zwar hilf-
reich, stellen aber nur einen unvollkommenen Abresch JP, Gassner E, Korff J (2000) Naturschutz und
Ersatz für die fehlende Bauleitplanung dar. Braunkohlesanierung. Bundesamt für Naturschutz,
Zumeist fehlen auch belastbare Daten zu mög- BfN-Schriftenvertrieb im Landwirtschaftsverlag
lichen Realisierungszeiträumen für höherwerti- GmbH, 48084 Münster, ISBN 3-7843-3702‑3
Baumbach H-H, Kadler A, Fischer M (2007) Digitale
gere Nutzungen. Erfassung des vorbergbaulichen Zustandes der ost-
Die LMBV hat daher die der Kaufpreisermitt- deutschen Braunkohlenreviere als Grundlage der Wie-
lung zu Grunde liegenden Nutzungen in ihren dernutzbarmachung. Kartographische Nachrichten
Grundstückskaufverträgen festgeschrieben. Für Ebersbach K (2005) Grundlagen und Strategien der Revi-
talisierung von Industriealtstandorten der Braunkohle-
den Fall einer wertsteigernden Grundstücksaus- industrie. Dissertation, TU Ostrava
9  Nachnutzung und Flächenvermarktung 645

Ebersbach K, Kadler A, Klammer U, Kutschke K-H LMBV (2007-2010) Schriftenreihe Wandlungen und Per-
(1999) Revitalisierung von Liegenschaften des ost- spektiven
deutschen Braunkohlenbergbaus. GIS Otparlik R, Fritz E, Hanke M, Klapperich H (2009) Nach-
Heidecke H, Kätzel A, Teubert H (2005) Bergbaufolge- haltigkeit von Brachflächen: Möglichkeiten der Nut-
landschaften – Chancen zur Integration von Wild- zung als Träger erneuerbarer Energien. CiF e. V.
nisgebieten in die Kulturlandschaft am Beispiel Politechnika Krakowska (2004) „ARCHITECTURE/AS/
der Goitzsche. Bund für Umwelt und Naturschutz ART“
Deutschland im Auftrag der Deutschen Bundesstif- Stephan U, Kadler A, Scheele M (2002) Landschaft im
tung Umwelt, Abschlussbericht Wandel. GeoBIT
Hennek F, Unselt C (2002) Sicherung von Naturschutz-
flächen in Bergbaufolgelandschaften. Bundesamt für
Naturschutz; BfN-Schriftenvertrieb im Landwirt-
Gesetzliche Grundlagen
schaftsverlag GmbH, 48084 Münster, ISBN 3-7843-
3830‑5 Flurbereinigungsgesetz (FlurbG) in der Fassung der
Kadler A (2002) Nutzungskonzepte für Bergbaufolge- Bekanntmachung vom 16. März 1976 (BGBl. I
landschaften mit GIS. Der Standort 02/2002 S. 546), zuletzt geändert durch Artikel 2, Abs. 23 des
Kadler A, Fischer M (2004) Tourismus auf neuem Grund. Gesetzes vom 12. August 2005 (BGBl. I S. 2354)
GeoBIT Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen
Klapperich H, Otparlik R, Drebenstedt C (2007) Nach- Wirtschaftsstruktur“ (GRW) entsprechend dem
haltige Flächennutzung – Ein Beitrag zum Flächen- jeweils gültigen Rahmenplan des Bundesministeriums
management. Glückauf für Wirtschaft und Technologie
Krüger B, Kadler A, Fischer M (2002) Die Gestaltung von Baugesetzbuch (BauGB) in der Fassung der Bekanntma-
Folgelandschaften des Braunkohlenbergbaus in den chung vom 23.09.2004
neuen Bundesländern. Surface Mining Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Ver-
LMBV (2006) Liegenschaftshandbuch. Internes Arbeits- mögensgesetz - VermG) vom 02.12.1994 i.d.F. der
material Bekanntmachung der Neufassung vom 04.08.1997
LMBV (2007) Liegenschaften, Standorte, Landschaften – unter Berücksichtigung des Vermögensrechtsbereini-
Das Immobilienangebot der LMBV gungsgesetzes vom 20.10.1998
LMBV (2009) Landschaften nach dem Bergbau – Von Gesetz über die Feststellung der Zuordnung von ehemals
Tagebauen zu Seen volkseigenem Vermögen (Vermögenszuordnungsge-
LMBV (2010) Zu neuen Ufern – Perspektiven für Freizeit setz - VZOG) zuletzt geändert am 03.07.2009
und Tourismus.
Schlusswort
10
Mahmut Kuyumcu und Carsten Drebenstedt

Mit der Arbeit an dem vorliegenden Buchprojekt Die verbleibenden Aufgaben insbesondere der
wurde erneut deutlich, dass die Braunkohlesa- Gewässergüteentwicklung sowie der standsiche-
nierung im speziellen und die Bergbausanierung ren Gestaltung von Innenkippen werden auch
im Allgemeinen komplexe, anspruchsvolle und mindestens das nächste Jahrzehnt andauern. Dies
langfristig angelegte Aufgaben sind. macht die Dimensionen der Herausforderungen
Die Wiedernutzbarmachung von rund deutlich.
100.000 ha bergbaulich beanspruchten Flächen Durch die bisherigen Arbeiten konnten in-
mit Tagebaurestlöchern, Kippen und ehemali- zwischen an zahlreichen Standorten Bergbau-
gen Industriestandorten sowie die Sanierung folgelandschaften mit attraktiven Seen und neu
des gestörten Wasserhaushaltes auf einer Fläche erschlossenen, modernen Gewerbe- und Indust-
von 390.000 ha konnten in den letzten 20 Jah- riestandorten gestaltet werden, die den Revieren
ren Dank der zügigen Umsetzung der erforder- neue wirtschaftliche Chancen verleihen und mit
lichen Maßnahmen weit vorangebracht werden. ihren ausgedehnten und zusammenhängenden
Der Aufbau der neuen Landschaft ist bei einigen Naturschutzflächen eine solide Grundlage für
Standorten bis auf Restarbeiten, bzw. langfristig ökologische Nachhaltigkeit schaffen. Sie wer-
anfallenden Überwachungs- und Monitoringauf- den von den Menschen in der Region, zuneh-
gaben bereits abgeschlossen und die Flächen sind mend auch deutschlandweit, gern angenommen.
neuen Nutzungen zugeführt worden. Die bisher Beispiele sind die Goitzsche bei Bitterfeld, Co-
angefallenen finanziellen Aufwendungen belau- spuden südlich von Leipzig, Teile des Lausitzer
fen sich auf fast 10 Mrd. €. Die Abbildungen 10.1 Seenlandes und Berzdorf bei Görlitz.
und 10.2 stellen die Areale der Braunkohlesanie- Aber es gab auch Rückschläge und neue He-
rung für das Lausitzer und Mitteldeutsche Braun- rausforderungen. Die Böschungsbewegung am
kohlenrevier entsprechend dar. 18.07.2009 im Tagebau Nachterstedt, bei der drei
Menschen auf tragische Weise ihr Leben verlo-
C. Drebenstedt () ren haben, ist im Rahmen der Sanierung der 50
Fakultät für Geowissenschaften, Geotechnik und großen LMBV-Standorte das schwerwiegends-
Bergbau, Institut für Bergbau und Spezialtiefbau,
TU Bergakademie Freiberg, Gustav-Zeuner-Straße 1a, te geotechnische Ereignis. Für die Ursachen­
09596 Freiberg, Deutschland ermittlung haben die LMBV und die zuständige
E-Mail: Carsten.Drebenstedt@mabb.tu-freiberg.de Bergbehörde eigene interdisziplinäre Gutachter-
M. Kuyumcu teams eingesetzt. Die Abschlussberichte wurden
Lausitzer und Mitteldeutsche Mitte 2013 fertiggestellt. Inzwischen wurde unter
Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH, Berücksichtigung der neuen Erkenntnisse die Sa-
Knappenstraße 1,
01968 Senftenberg, Deutschland
nierung der Böschungen eingeleitet mit dem Ziel,
E-Mail: mahmut.kuyumcu@lmbv.de

C. Drebenstedt, M. Kuyumcu (Hrsg.), Braunkohlesanierung, 647


DOI 10.1007/978-3-642-16353-1_10, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
648 M. Kuyumcu und C. Drebensted

Abb. 10.1   Geplante Bergbaufolgelandschaft mit Endwasserflächen LMBV und Vattenfall in der Lausitz (Lausitzer
und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH, 2011, siehe auch Klappkarte im Anhang)

den Concordiasee gemäß seiner geplanten Nut- gleichzeitig zu einer Erhöhung der Standards
zung herzustellen. für den aktiven Bergbau. Es ist in Deutschland
Im Jahr 2011 wurde mit der großräumigen gesetzlich geregelt, dass der Verursacher des
Verflüssigung von Innenkippenbereichen im Ta- Eingriffes in Natur- und Landschaft für die ord-
gebau Spreetal die Notwendigkeit der weiteren nungsgemäße Gestaltung der Oberfläche nach
Erforschung der bodenmechanischen Verhält- dem Bergbau, die Wiedernutzbarmachung, ver-
nisse in wassergesättigten Innenkippen deut- antwortlich ist und dafür auch die finanzielle
lich. Die LMBV hat konsequent gehandelt und Vorsorge zu treffen hat. Deshalb wird in über-
umgehend einen geotechnischen Beirat einge- geordneten Ausschüssen, z. B. des Deutschen
richtet, der sich seit dem mit der Aufklärung der Braunkohlen-Industrie-Vereins, der Erfahrungs-
Ursachen zur Schließung der Wissenslücken und austausch mit den aktiven Bergbauunternehmen
den daraus resultierenden Ergänzungen der Sa- vorgenommen. Denn viele Aufgaben, die im
nierungstechnologien befasst. Inzwischen wurde Rahmen der Bergbausanierung nachträglich zu
die „schonende Sprengverdichtung“ erfolgreich lösen waren und sind, können durch Berücksich-
getestet und soll zur Regeltechnologie entwickelt tigung im aktiven Bergbaubetrieb künftig ver-
werden. So werden die praxisorientierten For- mieden oder reduziert werden, insbesondere die
schungsprojekte der Braunkohlesanierung auch Sicherheit der Kippen und Beeinflussung der Ge-
nach zwei Jahrzehnten Tätigkeit fortgesetzt, wässergüte durch selektive Abraumgewinnung,
künftig insbesondere zur Weiterentwicklung ggf. -vergütung und -verkippung.
innovativer Verfahren zur Gewässergütebeherr- In zwei internationalen Sanierungskongressen
schung. 2005 und 2010 wurde das weltweit unikale Wis-
Die im Zuge der Braunkohlesanierung ge- sen der Braunkohlesanierung dem internationa-
wonnenen neuen wichtigen Erkenntnisse führen len Fachpublikum vorgestellt und der Austausch
10 Schlusswort 649

Abb. 10.2   Geplante Berg-


baufolgelandschaft mit
Endwasserflächen LMBV
und MIBRAG in Mittel-
deutschland (Lausitzer und
Mitteldeutsche Bergbau-
Verwaltungsgesellschaft
mbH, 2011, siehe auch
Klappkarte im Anhang)

mit der internationalen Sanierungstheorie und – pe des Bergbaus, der Stilllegung; eine wichtige
praxis gezielt hergestellt. Voraussetzung für die weitere Akzeptanz des
„Bergbau ist nicht eines Mannes Werk“, so Bergbaus.
die Erkenntnis aus Jahrhunderten Tätigkeit in Zuletzt gilt der Dank der Herausgeber den Au-
der Gewinnung mineralischer Rohstoffe. Des- toren des Buches, die in jahrelanger Arbeit das
halb soll an dieser Stelle allen gedankt werden, Material zusammengetragen haben.
die sich in der Bergbausanierung engagieren, von
der Planung und Genehmigung, über die Bereit- Glückauf
stellung der Finanzierung bis zur Umsetzung
von technischen Maßnahmen. Das Wissen und Mahmut Kuyumcu und Carsten Drebenstedt
Können aller Beteiligten ist auch die Grundlage Herausgeber
für die erfolgreiche Gestaltung der letzten Etap-
Glossar

Abbau  (1) Alle bergmännischen Arbeiten zur ABM (Arbeitsbeschaffungsmaßnahme) Zeit-


Entnahme mineralischer Rohstoffe aus und lich befristete Beschäftigung von Arbeitslo-
von der Geosphäre, einschließlich anthropo- sen entsprechend §§ 260 ff. Sozialgesetzbuch
gener Ablagerungen. (2) Zersetzung chemi- (SGB). Die Bundesagentur für Arbeit kann
scher Verbindungen, z. B. von Schadstoffen. Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung fördern,
Abbruch  Beseitigung von Gebäuden oder bau- wenn in den Maßnahmen zusätzliche und
lichen Anlagen durch gezielte mechanische im öffentlichen Interesse liegende Arbeiten
Zerstörung und Entfernen der anfallenden durchgeführt werden.
Schuttmengen. Er bedarf einer baubehörd- Abraum  Teil der Erdkruste, der zur Freilegung
lichen Abbruchgenehmigung nach den Vor- und somit zum Abbau eines oder mehrerer
schriften der Landesbauordnung und des Rohstoffkörper im Tagebau zu bewegen ist
Bundesberggesetzes. und in der Regel selbst keinen Rohstoff dar-
Abfälle  Alle beweglichen Sachen (Stoffe, stellt (s. Begleitrohstoff  ). Er setzt sich aus
Erzeugnisse, Gegenstände, Produkte), deren dem Deckgebirge, den Mitteln, tagebautech-
sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will nisch bedingten Teilen des Liegenden sowie
oder entledigen muss. Die Entledigung liegt den Gewinnungsverlusten (ohne die in den
vor, wenn der Besitzer über die beweglichen Liegendpartien des untersten Rohstoffkör-
Sachen die tatsächliche Sachherrschaft unter pers) zusammen.
Wegfall jeder weiteren Zweckbestimmung Abraumförderbrücke (AFB)  Leistungsstarkes
aufgibt. Der Besitzer muss sich beweglicher Tagebaugroßgerät zum kontinuierlichen För-
Sachen entledigen, wenn diese entsprechend dern und Verkippen von Abraum im Direkt-
ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung nicht versturz, typisch für die Bedingungen des
mehr verwendet werden und aufgrund ihres Lausitzer Braunkohlenreviers.
konkreten Zustandes geeignet sind, gegen- Absetzer  Tagebaugroßgerät, das zum Verkip-
wärtig oder künftig das Wohl der Allgemein- pen von Abraum z. B. zum Verfüllen von
heit, insbesondere die Umwelt, zu gefährden. Tagebauen (Innenkippe), für Aufschüttungen
Abfluss  Teil des Niederschlags, der nicht (Außenkippe), zur Verkippung geeigneter
verdunstet. Es wird unterschieden in Bodenschichten für die Rekultivierung und
oberirdischen und unterirdischen Abfluß (Ver- zur Reliefausformung eingesetzt wird. Ent-
sickerung). Für wasserwirtschaftliche Planun- sprechend dem übergebenden Fördermittel
gen unerlässlich. werden Band- und Zugabsetzer unterschieden.
Abgrabung  Teil der Flächeninanspruchnahme Absetzerkippe  Kippe, die mittel Absetzer her-
bzw. Prozess im Tagebau durch die planmä- gestellt wird.
ßige Gewinnung mit Tagebaugeräten.

C. Drebenstedt, M. Kuyumcu (Hrsg.), Braunkohlesanierung, 651


DOI 10.1007/978-3-642-16353-1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
652 Glossar

Abschlussbetriebsplan  Gemäß Bundesberg- Altablagerung  Altlastverdächtige Fläche gemäß


gesetz (BBergG) dürfen Bergbaubetriebe § 2 Abs. 6 BBodSchG, von der die Gefahr
nur auf der Grundlage von Plänen ( Betriebs- schädlicher Bodenveränderungen oder sons-
plänen) errichtet, betrieben und eingestellt tige Gefahren für den Einzelnen oder die All-
werden (§ 51 BBergG). Diese Betriebspläne gemeinheit ausgehen können.
werden unter Einbeziehung der Öffentlichkeit Altbergbau  In der Vergangenheit erfolgter über-
vom jeweilig zuständigen Bergamt zugelas- und untertägiger Bergbau, der im Regelfall
sen (§ 55 BBergG). Für die Einstellung eines nicht mehr der Bergaufsicht gemäß BBergG
Bergbaubetriebes ist ein Abschlussbetriebs- unterliegt.
plan aufzustellen (§ 53 BBergG), der eine Altlasten  (1) Grundstücke mit stillgelegten
genaue Darstellung der technischen Durch- Abfallbeseitigungsanlagen sowie sonstige
führung und der Dauer der Betriebseinstel- Grundstücke, auf denen Abfälle behandelt,
lung dokumentiert und u. a. den Nachweis gelagert oder abgelagert worden sind (Alt-
führt, dass die erforderliche Vorsorge zur ablagerungen) (2) Grundstücke stillgelegter
Wiedernutzbarmachung der Oberfläche und Anlagen und sonstige Grundstücke, auf denen
die erforderliche Vorsorge gegen Gefahren für mit umweltgefährdenden Stoffen umgegan-
Leben, Gesundheit und zum Schutz von Sach- gen worden ist (Altstandorte) und bei denen
gütern, Beschäftigter und Dritter bei dessen festgestellt wurde, dass durch sie Gefahren
Durchführung und nach der Beendigung der für den Einzelnen oder die Allgemeinheit
Bergaufsicht erfolgt. bzw. Umweltgefährdungen oder -beeinträch-
Abschlussdokumentation   Nachweisführung, tigungen hervorgerufen werden. (3) Verpflich-
dass die in den Abschlussbetriebsplänen ent- tungen für die Sanierung von Tagebauen,
haltenden Festlegungen sowie die Nebenbe- Restlöchern und Brikettfabriken, die vor
stimmungen der Zulassungsbescheide erfüllt dem 01.07.1990 entstanden sind, werden als
wurden. Nach Beendigung der Sanierung ist ökologische und bergbaubedingte Altlasten
sie bei der zuständigen Bergbehörde einzurei- bezeichnet.
chen und dient als Grundlage der Beendigung Altlastenkataster  Register zur Erfassung und
der Bergaufsicht für die sanierten Flächen. Dokumentation von Altlasten bzw. Altlastver-
Abwurfausleger  Bauteil von Tagebaugeräten, dachtsflächen gemäß BBodSchG.
z. B. Absetzer, AFB, Bandwagen. Langge- Altlastensanierung  (1) Maßnahmen, die
streckte, ggf. schwenk- und höhenverstellbare Schadstoffe beseitigen oder vermindern
Stahlkonstruktion auf der sich ein Förderband (Dekontaminationsmaßnahmen); Beispiele:
zum Abwurf des Fördergutes befindet. Mikrobiologische Bodenbehandlung, Boden-
aerob  Stoffwechselvorgang, der nur in Anwe- wäsche, thermische Bodenbehandlung,
senheit von Sauerstoff abläuft. Bodenluftsanierung, Grundwassersanierung
Aerationszone  Belüftete Bodenzone. mittels Hebung und Oxidation (z. B. UVOX)
A:K- Verhältnis Abraum-zu-Kohle-Verhältnis. (2) Maßnahmen, die die Ausbreitung der
Gibt an, wie viel Teile Abraum (m3) besei- Schadstoffe langfristig verhindern oder ver-
tigt werden müssen, um ein Teil Kohle (t) zu mindern, ohne die Schadstoffe zu beseitigen
gewinnen. Gilt analog für andere Rohstoffe. (Sicherungsmaßnahmen); Beispiele: Immobi-
Alley-Cropping  Streifenweiser, alleeartiger lisierung, Oberflächenabdichtung/ -deckung,
Anbau von schnellwachsenden Baumarten Dichtwände, Basisabdichtung, Einkapselung,
(alleys) im Verbund mit flächigem Anbau von Reaktionswände im Grundwasserbereich
landwirtschaftlichen Nutzpflanzen (cropping). Altlastenverdachtsfläche (ALVF) Altablage­
Aliphatische Kohlenwasserstoffe  (aliphar, rungen und Altstandorte, die im Verdacht ste-
gri­
ech.: fettig); Organische Kohlenwasser- hen, dass von ihnen Gefahren für den Einzelnen
stoffketten (ohne Ringschluss). oder die Allgemeinheit bzw. Umweltgefähr-
dungen oder -beeinträchtigungen ausgehen.
Glossar 653

Anstützung  Einbau von Erdmassen zur Gestal- plan (verbindlicher Bauleitplan, § 8 BauGB).
tung von Böschungen, insbesondere zur Stabi- Im Regelfall ist der Bebauungsplan aus dem
lisierung rutschungsgefährdeter Bereiche. Flächennutzungsplan zu entwickeln. Der
anthropogen  vom Menschen verursacht Bebauungsplan enthält die rechtsverbindliche
Arene  leichtflüchtige aromatische Kohlenwas- Festsetzung von Art und Maß der Nutzung der
serstoffe Fläche. Vorschaltinstrumente können gemäß
Arbeitsebene  Horizontale Ebene in Tagebauen § 140 BauGB integrierte Rahmenplanungen
und auf Kippen, auf der Bergbaugeräte statio- sein, die – falls diese von den Gemeinden als
niert sind und betrieben werden. verbindlich erklärt werden – für die nutzungs-
Aufschluss  Herstellung des Zugangs zum Roh- orientierte Sanierung sowie für die Standort-
stoffkörper im Tagebaubetrieb. entwicklung einen orientierenden Charakter
Außenhalde  Außenkippe. besitzen.
Außenkippe  Aufschüttung von Abraum außer- Baustelleneinrichtung  Kosten in der Regel für
halb eines Tagebaus, z. B. zum Aufschluss An- und Abtransport, Aufbau und Vorhaltung
einer Lagerstätte (Aufschlusskippe); auch: von Geräten/ Ausrüstungen, Herstellen von
Außenhalde oder Halde. Baustellen- und Transportzufahrten, Kommu-
Auslaufbergbau  In der Braunkohlesanierung: nikationseinrichtungen der Baustellenleitung
temporärer Weiterbetrieb von ausgewählten und -verwaltung sowie Personalkosten für
Tagebauen und Veredlungsanlagen bis zur Bauleitungspersonal des Auftragnehmers.
endgültigen Stilllegung (hier Ende 1999) Bautagebuch  Dokument für die Erfassung von
Bandabsetzer  Absetzer mit Übernahme des Daten zur Kontrolle, Abnahme und Abrech-
Fördergutes von einer Bandanlage nung von Leistungen.
Bandanlage  Anlage zum Fördern von z. B. Bebauungsplan  Die Nutzung von Grundstü-
Schüttgut wie Abraum oder Rohstoff mittels cken ist unter Hoheit der Kommunen durch
Förderband. Im Tagebau werden stationäre, die Bauleitplanung vorzubereiten und zu lei-
d. h. ortsunveränderliche und rückbare Band- ten. Dazu sind zwei Stufen vorgesehen. Die
anlagen unterschieden. erste Stufe ist die vorbereitende Planung
Bandsammelpunkt  Anlage zur Verteilung durch den Flächennutzungsplan (§ 5 Bau-
von Fördergut von mehreren ankommen- gesetzbuches). In der zweiten Stufe wird der
den Bandanlagen auf mehrere abgehende Bebauungsplan (§ 9 Baugesetzbuches) aus
Bandanlagen. dem Flächennutzungsplan entwickelt. Er ent-
Bandschleifenwagen  Vorrichtung auf Raupen- hält rechtsverbindliche Festsetzungen über die
oder Schienenfahrwerk zur Übergabe des För- Nutzung des Baulandes. Für die Sanierungs-
dergutes, z. B. Abraum, vom Förderband der arbeiten sind die Vorgaben rechtsverbindlich.
Bandanlage an den Bandabsetzer. Aus Flächennutzungsplänen kann noch keine
Bandstraße  Bandanlage rechtsverbindliche Sanierungsvorgabe herge-
Baugeräteliste  Sammlung betriebswirtschaft- leitet werden.
licher Kennzahlen zur Kalkulation der Begleitrohstoffe  Rohstoffe, die neben dem
gebräuchlichsten Baugeräte (s. Hilfsgeräte), Hauptprodukt, z. B. Braunkohle, gesondert in
z. B. Betriebsstoffkosten, Abschreibungen einem Tagebau abgebaut werden, z. B. Ton,
und Instandhaltungskosten. Kies, Findlinge.
Bauleitplanung  Hoheitliche Aufgaben der Bandwagen  Tagebaugerät zur Überbrückung
Gemeinden gemäß Art. 28 GG. Nach Maßgabe von horizontalen und/oder vertikalen Ent-
des Baugesetzbuches (BauGB) umfasst sie die fernungen zwischen anderen Tagebaugeräten
planungsrechtliche Festsetzung der baulichen und -anlagen oder zum Direktversturz.
Nutzung der Grundstücke. Bauleitpläne sind Benzo[a]pyren  (1,2-Benzpyren) ist ein polyzyk-
der Flächennutzungsplan (vorbereitender lischer aromatischer Kohlenwasserstoff.
Bauleitplan, § 5 BauGB) und der Bebauungs-
654 Glossar

Bergaufsicht  Aufsicht des Bergbaus durch das wurde die Priorität des Bergbaus vor allen
Bergamt bzw. das übergeordnete Landesober- anderen Landnutzungsarten festgeschrieben.
bergamt gem. BBergG für die bergbaulichen bergfrei  Im Bundesberggesetz benannte Boden-
Tätigkeiten des Aufsuchens, des Gewinnens schätze, die unabhängig vom Grundeigentum
und Aufbereitens von Bodenschätzen sowie sind. Es handelt sich um volkswirtschaftlich
für die Wiedernutzbarmachung, damit nach bedeutsame Rohstoffe, wie Energierohstoffe
allgemeiner Erfahrung durch den Betrieb und Metalle.
keine Gefahren für Leben und Gesundheit Bergmännisches Risswerk im Gauß-Krüger-
Dritter oder gemeinschädliche Einwirkungen Koordinatensystem = rechtwinkliges Koordi-
eintreten. natensystem, das es ermöglicht, hinreichend
Bergbau  Gezielte menschliche Tätigkeit kleine Gebiete der Erde mit metrischen Koor-
zur Bereitstellung von Rohstoffen aus dinaten konform zu verorten. Risswerks-
Lagerstätten. darstellungen werden mit GIS-Methoden
Bergbaufolgelandschaft  Teil der Erdober- entsprechend aktueller amtlicher abweichen-
fläche, der durch den Bergbau in Anspruch der Koordinatensysteme wie derzeit z. B.
genommen wurde und nach dem Bergbau ETRS 89 transformiert.
durch Wiedernutzbarmachung für die Folge- Bergschäden  Verletzungen des Lebens oder der
nutzung gestaltet wird. Gesundheit von Personen sowie der Unter-
Bergbaufolgesee  Gewässer nach dem Berg- gang oder die Beschädigung von Sachwerten
bau. Entsteht durch Veränderung der Lage die durch bergbauliche Tätigkeiten verursacht
der Oberfläche im Abbaugebiet unterhalb worden sind und für die nach BBergG § 114
des nachbergbaulichen Grundwasserspiegels (1) Ersatz durch den Verursacher zu leisten ist.
(s. Tagebaurestsee). Im Rahmen der Sanie- Bergschadensausfallkasse  Anstalt des öffentli-
rung werden z. B. die Ufer geotechnisch gesi- chen Rechts zur Sicherung von Bergschadens-
chert, gestaltet und rekultiviert. ansprüchen gemäß § 122 Abs. 1 BBergG.
Bergbaumethode  Art und Weise des Berg- Berme  Horizontale Trennfläche relativ geringer
baus. Grundsätzlich wird in Tagebau, Tiefbau, Breite in einem Böschungssystem in der Regel
Unterwasserbergbau und Bohrlochbergbau zur Reduzierung der Generalneigung.
unterschieden. Betriebsplan  Gemäß Bundesberggesetz
Bergbaurichtlinie Sachsen-Anhalt Richtli- (BBergG) Grundlage zum Errichten, Führen
nie über die Gewährung von Zuwendungen und Einstellen von Bergbaubetrieben. Wird
im Rahmen der Bergbausanierung gemäß vom Unternehmer aufgestellt und von der
Runderlass des Ministeriums für Wirtschaft zuständigen Behörde zugelassen. Er muss
und Arbeit des Landes Sachsen-Anhalt eine Darstellung des Umfangs, der tech-
vom 18.12.2002. Sie ist in Kraft seit dem nischen Durchführung und der Dauer des
04.02.2003. Die Zuwendungen bestehen beabsichtigten Vorhabens enthalten. Die ein-
aus Landes- und EFRE-Mitteln. Über diese schlägigen Festlegungen zur Handhabung
Richtlinie werden seit 2004 die § 4-Projekte des Betriebsplanverfahrens enthalten die
im Land Sachsen-Anhalt finanziert und auch §§ 51–57 BBergG. Im Einzelnen werden
sonderfinanzierte Projekte abgearbeitet, an Haupt-, Abschluss-, Sonder- und Rahmenbe-
deren Finanzierung sich die Kommunen mit triebspläne unterschieden
beteiligen. Biochemischer Sauerstoffbedarf (BSB)  Sauer-
Bergbausanierung  Sanierungsbergbau stoffmenge, die für den aeroben mikrobiellen
Bergbauschutzgebiet  Durch Beschluss der Abbau organischer Substanzen benötigt wird.
Bezirkstage oder bei überbezirklicher Bedeu- Gewöhnlich wird der BSB5 bestimmt, welcher
tung des Ministerrates gemäß § 11 Berggesetz den Sauerstoffabbau in den ersten 5 Tagen bei
der DDR festgelegtes Gebiet zur Sicherung einer Temperatur von 20 °C wiedergibt.
des Abbaus mineralischer Rohstoffe. Damit
Glossar 655

Biotop  Lebensraum einer Gemeinschaft von Stützkörpern vor der Böschung, Herstellung
Pflanzen und Tieren von einheitlicher, gegen- von "versteckten" Dämmen durch Bodenver-
über seiner Umgebung mehr oder weniger dichtung in Kippenböschungen und ihrem
scharf abgrenzbarer Beschaffenheit. Hinterland, Herstellung der Tragfähigkeit an
Biozönose  Lebensgemeinschaft von Organis- Kippenböschungen, Herstellung von tech-
men, die untereinander und mit der Umwelt in nischem oder biologischem Uferverbau und
Wechselwirkung stehen. Maßnahmen zur Erosionssicherung.
bituminös  Bitumen enthaltend Böschungssystem  Besteht aus zwei oder meh-
Boden  Belebter oberster Bereich der Erdkruste. reren übereinander gelagerten Böschungen
Er besteht aus den klimabedingten, petro- mit zugehörigen Trennflächen.
und biogenen Umwandlungsprodukten der Braunkohle  Fester, fossiler Energieträger
Locker- und Festgesteine, organischen Stof- pflanzlichen Ursprungs mit geringerem
fen (Humus) sowie einem Porensystem, das Heizwert und höherem Wassergehalt als
Wasser und Luft aufnehmen kann. Steinkohle.
Bodenmechanik  Teilgebiet der Gebirgsmecha- Braunkohlen-Hochtemperaturkoks (BHT-
nik bzw. Geotechnik, das sich mit den mecha- Koks)  Stark kohlenstoffhaltiger Brennstoff,
nischen Eigenschaften von Lockergesteinen der aus Braunkohle durch Wärmeeinwirkung
befasst. unter Sauerstoffabschluss ( Pyrolyse) erzeugt
Bodenverdichtung  Vorgang, der eine Dichtla- wird.
gerung von Boden bewirkt. Es gibt Sackungs-, braunkohlenbürtig  aus Braunkohle herrührend
Druck- bzw. Einlagerungsverdichtungen. Braunkohlenländer  Entsprechend Verwal-
Wichtige Verfahren im Rahmen der berg- tungsabkommen Braunkohlesanierung die
technischen Sanierung, insbesondere zur Ver- Bundesländer, die sich an der Finanzierung
dichtung von locker gelagerten Kippen, sind der Sanierung der Altlasten im Bereich der
Sprengverdichtung, Rütteldruck-/Rüttelstopf- Braunkohle beteiligen (Brandenburg, Frei-
verdichtung, Fallgewichtsverdichtung und staat Sachsen, Sachsen-Anhalt, Freistaat
Verdichtung mittels Walzen. Thüringen).
Böschung  Geneigte Fläche zwischen zwei hori- Braunkohlenplan  In einigen Bundesländern
zontalen Ebenen unterschiedlicher Höhenlage. Teil des Regionalplanes, der für laufende
Im Tagebau werden bleibende Böschun- Braunkohlentagebaue aufzustellen ist, für
gen, die ihre Endstellung erreicht haben und stillgelegte oder stillzulegende Tagebau als
fortschreitende Böschung, deren Lage sich Sanierungsrahmenplan (Sachsen) bzw. Sanie-
infolge der Gewinnung oder Verkippung ver- rungsplan (Brandenburg).
ändert, unterschieden Braunkohlesanierung  Maßnahme von Bund
Böschungsgestaltung  Bergmännische Arbeiten und Braunkohlenländern zur Überwin-
und ingenieurbiologische Maßnahmen zur dung ( Sanierung) der ökologischen Alt-
standsicheren Ausformung und erosionssi- lasten des Braunkohlenbergbaus der DDR,
cheren Oberflächenherstellung von bleiben- der nicht privatisiert werden konnte (s.
den Böschungen für die Folgenutzung. Es Sanierungsbergbau).
kommen Planier- und Erdbautechnik (mobile Braunkohlenstaub  Fester Brennstoff aus
Hilfsgeräte), Tagebaugroßgeräte bzw. Hydro- Braunkohle.
technik zum Einsatz. Brikett  (französisch: la brique – der Ziegel)
Böschungssanierung  Maßnahmen, die zur Fester Brennstoff, u. a. aus Braunkohle.
Herstellung der bodenmechanischen und Bruch  Rutschung einer Böschung oder eines
hydromechanischen Stabilität an einer Böschungssystems. Es wird unterschieden in
Böschung durchgeführt werden. Hierzu zäh- Bruch auf erzwungener, kreisförmiger oder
len Böschungsabflachung und Böschungsge- polygonaler Gleitfläche, die sich bei Über-
staltung, Herstellung von erdbautechnischen schreitung der Scherfestigkeit des anstehen-
656 Glossar

den Lockergesteins einstellen kann und Bruch scher, wissenschaftlicher, technischer, wirt-
auf vorgegebener Gleitfläche, d. h. auf vorhan- schaftlicher, volkskundlicher, städtebaulicher
dener Schwächezone oder auf Trennschichten Bedeutung – gegeben ist und ein öffentli-
zwischen verschiedenen Lockergesteinen. ches Interesse am Erhalt des Gegenstandes
Brunnengalerie  Reihenförmige Anordnung besteht. Im Bergbau z. B. Gebäude, Ensemb-
von Entwässerungsbrunnen im Tagebau. les, Bodendenkmäler und einzelne technische
Bund-Länder-Geschäftsstelle für die Braun- Anlagen und Ausrüstungen. Die Unterschutz-
kohlesanierung  Selbstständige, unabhän- stellung erfolgt durch Eintragung in das
gige der LMBV zugeordnete organisatorische Denkmalbuch bzw. die Denkmalliste oder
Einheit, die dem StuBA ( Steuerungs- und kraft Gesetz und ist durch Landesrecht gere-
Budgetausschuss der Braunkohlesanierung) gelt. Für die Bergbausanierung ist die Untere
gegenüber weisungsgebunden und berichts- Denkmalschutzbehörde zuständig und bei der
pflichtig ist. Sie leistet die fachliche Zuarbeit Planung von Sanierungs- und insbesondere
für den StuBA und bereitet dessen Entscheidun- Abbruchleistungen einzubeziehen. Im Zulas-
gen vor. Die Finanzierung erfolgt aus Mitteln sungsverfahren von Abschlussbetriebsplänen
des jeweils gültigen Verwaltungsabkommens. wird die Untere Denkmalschutzbehörde über
CCS  „Carbon Capture and Storage“ ist der eng- die Bergämter und die Untere Bauaufsichts-
lische Fachbegriff für die Prozesskette der behörde einbezogen. Für nicht weiter genutzte
CO2-Abscheidung und -Speicherung. Objekte besteht keine Verpflichtung zu Auf-
Chemischer Sauerstoffbedarf (CSB) Menge wendungen für die Erhaltung. In der Regel
an Sauerstoff, die zur chemischen Oxidation muss das Objekt belassen und bergrechtlich
der anorganischen und organischen Stoffe abgesichert werden.
im Wasser benötigt wird. Der CSB ist immer Deponie  Ort zur Endlagerung von Abfall und
größer als der Biochemische Sauerstoffbedarf Zwischenlagerung von Industrieprodukten.
(BSB). Deponiesanierung  Arbeiten zur Sicherung einer
Clean Coal (engl.: saubere Kohle) Konzept Deponie, um schädliche Umwelteinflüsse zu
zur Fortentwicklung der Kohlenverstro- vermeiden, z. B. Isolierung von schadstoffbe-
mungstechnik. lasteten Deponiemassen (auch Einkapselung)
CSB-Wert  Menge an Sauerstoff, die zur chemi- gegen Niederschläge und Grundwasser, um
schen Oxidation der anorganischen und orga- eine Schadstoffausspülung ins Grundwasser
nischen Stoffe im Wasser benötigt wird. zu verhindern, Aufnahme und Umlagerung
Cyclopentan  Farblose Flüssigkeit mit phenolar- von Siedlungsmüll und Industrieabfällen aus
tigem Geruch. ungeordneten Deponien zum Zwecke der Ent-
Deckgebirge  Gesamtheit der über dem obersten sorgung, Auftragen von kulturfähigem Mate-
Rohstoffkörper liegenden Gesteine ( Abraum). rial auf Deponieflächen und Begrünung als
Deklarationsanalyse  Dient der chemischen Erosionsschutz (Deponieabdeckung).
und physikalischen Abfallcharakterisierung Dichtwand  Wasserundurchlässige, unterirdi-
(Inhaltsstoffe); Plausibilitätsprüfung für Ent- sche Wand, die den Grundwasserabsenkungs-
sorgungsweg, Verwertbarkeit oder Lagerung. trichter und damit die Zuflüsse zum Tagebau
Demontage  Zerlegen oder Rückbau von Maschi- begrenzt und den natürlichen Grundwasser-
nen und Anlagen zum Abtransport zwecks spiegel im Umfeld des Tagebaus sichert und
Wiederaufbaus oder zur Verschrottung. so z. B. Gewässer und Feuchtgebiete schützt.
Denkmalschutz  Die Denkmaleigenschaft ist Der Einsatz einer Dichtwand ist an bestimmte
eine objektive Eigenschaft eines Gegenstan- geologische Verhältnisse gebunden, wie sie
des (einer Sache, Sachgesamtheit und Teile z. B. im Lausitzer Braunkohlenrevier anzu-
von Sachen), sofern eine der im Gesetz zum treffen sind.
Denkmalschutz festgelegten Eigenschaften Direktversturz  Tagebautechnologie, bei der
– von geschichtlicher, kultureller, künstleri- Abraum über das freie Liegende hinweg
Glossar 657

direkt, d. h. ohne Strossenförderung in eine Endböschung  Bleibende Böschung in der End-
Innenkippe, in speziellen Fällen auch auf eine stellung der Bagger- bzw. Kippenstrossen.
Außenkippe, verkippt wird. Endenergie  Unmittelbar gebrauchsfähige Ener-
Dragline  Schürfkübelbagger gieform, in vielen Fällen aus der Umwand-
Drehpunkt  Punkt, um den der Tagebau lung von Primärenergie entstanden, wie
schwenkt. Heizöl, Benzin, Strom, Fernwärme, Briketts,
Durchlässigkeitsbeiwert (kf – Wert)  Hydrauli- Koks u. a.
sche Leitfähigkeit, die in der Regel die Durch- Entflechtung  Körperliche, sicherheitstechni-
lässigkeit von Boden oder Fels für Wasser sche, organisatorische und rechtliche Tren-
quantifiziert. nung von Anlagen oder von mit Anlagen
Dynamische Kippenstabilisierung Verfahren verbundenen Medien- oder Verkehrssystemen
zur Sanierung und Sicherung setzungsfließ- zum Zwecke des separaten Weiterbetriebes,
gefährdeter Kippen und Kippenböschungen bzw. Trennung weiterzubetreibender von still-
durch Verdichten lockergelagerter, meist ver- zulegenden/ zu beseitigenden Systemen. Zu
flüssigungsgefährdeter Sande. Zum Herstellen entflechten sind im Rahmen der Bergbausa-
von in der Böschung verdichteten, „versteck- nierung z. B. Elektroenergieversorgungsanla-
ten“ Dämmen werden die Sprengverdichtung gen, Nachrichtentechnik, Alarmierungs- und
(SPV) in wassergesättigten Lockergesteinen, Sicherungseinrichtungen einschl. Brand-
die Rütteldruck- (RDV) bzw. Rüttelstopfver- schutz- und Rettungswesen, Dampf-/ Wärme-/
dichtung (RSV) in wassergesättigten und/ Kondensatanlagen, Trinkwasserversorgungs-
oder naturfeuchten Lockergesteinen sowie die anlagen, Brauchwasserversorgungsanlagen,
Fallgewichtsverdichtung (FGV) angewendet. Abwasserentsorgungsanlagen, Fließgewäs-
EFRE  Europäischer Fond für regionale ser, Gasversorgungsanlagen, Straßen/ Wege
Entwicklung und Anschlussbahnen/ Kohlenbahnen einschl.
Eimerkettenbagger  Kontinuierlich arbeiten- Sicherungsanlagen. Ziel ist die Entlassung des
des Tagebaugroßgerät zur Gewinnung von Sanierungsunternehmens aus der Ver-/ Entsor-
Abraum und/oder Rohstoff mittels Eimern, die gungs- sowie der Baulastverpflichtung.
an einer endlosen Kette um einen Ausleger Entkernung  Entfernen von Anlagen, Ausrüs-
aus Stahlfachwerk (Eimerleiter) laufen. tungen und technischen Einrichtungen aus
Einfallen  Neigungswinkel von Abraum- und baulichen Anlagen und Gebäuden ohne Ein-
Kohlenschichten gegenüber der Horizontalen. griffe in die Standsicherheit und die Entfer-
Einzugsgebiet  Begriff der Wasserwirtschaft. In nung nichttragender, nichtmineralischer oder
der Horizontalprojektion gemessenes, durch nichtmetallischer Bauteile (z. B. Fußboden-
Wasserscheiden begrenztes Gebiet, aus dem beläge, Fenster) und Gefahrenstoffe (z. B.
das Wasser einem bestimmten Ort zufließt. Asbest) als Vorbereitung für den Abbruch
Wichtiges Landschaftselement und Funk- bzw. die Nachnutzung.
tionsbereich für die örtliche Regulierung des Entphenolung  Verfahren zur Entfernung von
Wasserhaushalts in der Bergbaufolgeland- Phenolen aus betreffenden Wässern, Koke-
schaft. Es wird in ober- und unterirdische Ein- reien, Schwelereien und Gaswerken durch
zugsgebiete unterschieden. Lösungsmittel, die ausschließlich durch Des-
Emission  Ablassen oder Ausströmen fester, tillation zurück gewonnen werden.
flüssiger oder gasförmiger Stoffe aus Anlagen Entwässerung  Das Lösen, Fassen, Heben und
oder technischen Abläufen, die die Luft, das Ableiten von Grund- und Oberflächenwas-
Wasser oder andere Umweltbereiche verun- ser im Tagebau und Fernhalten von Grund-,
reinigen können. Es ist auch eine Bezeichnung Oberflächen- und Standwasser vom Tage-
für die auf diese Weise abgegebenen Stoffe bau bzw. Restloch zur Gewährleistung der
selbst. Emissionen führen in der Umwelt zu Tagebausicherheit.
Immissionen.
658 Glossar

Entwässerungsanlage  Maschinen-, elektro-, über. Dieser Vorgang wird "Umkippen" des


verfahrens- und bautechnische Anlage zur Gewässers genannt.
Hebung und Ableitung von Wasser. Fallgewichtsverdichtung (FGV)  Verfahren
Epilimnion  Oberste Wasserschicht eines Sees zur Bodenverdichtung, bei dem ein Fallge-
während der Sommerstagnationsphase. wicht bestimmter Größe durch wiederholtes
Ergänzendes Verwaltungsabkommen  s. Abwerfen mittels Seilbagger auf einen Ver-
Verwaltungsabkommen dichtungspunkt den anstehenden Boden stoß-
Erosion  Erdstoffabtragung und Transport durch artig verdrängt und verdichtet. Das Verfahren
die mechanische Wirkung von Wasser und ist bis ca. 12 m Teufe effektiv einsetzbar.
Wind. Fernbandanlage  Bandanlage zur Förde-
ESF  Europäischer Sozialfond rung von Rohstoff und Abraum für große
Euracoal  European Association for Coal Entfernungen.
and Lignite (Verband der Europäischen Feuchtgebiet  Lebensraum, dessen Erschei-
Kohlenindustrie). nungsbild und dessen Pflanzen- und Tierwelt
Europäischer Abfallkatalog (EAK – oder wesentlich vom Wasser geprägt wird, z. B.
EWC – European Waste Catalogue) Auf Sümpfe, Moore, Feuchtwiesen.
die Branche oder den Herstellungsprozess Filterbrunnen  Mit Filterrohr und Filterkies
in 20 herkunftsorientierte Kapitel gegliedert. ausgebautes Bohrloch zum Heben von Grund-
Enthält 91 weitere Gruppen unterteilt in 645 wasser mittels Unterwassermotorpumpe.
Abfallarten mit einer speziellen Abfallbe- Wichtigstes Entwässerungselement im
zeichnung, mit Eigenschaften und Inhaltsstof- Braunkohlentagebau.
fen des Abfalls. Findlinge  Große Steine, die aus Skandinavien
Europäischer Fond für regionale Entwicklung und vom Ostseegrund stammend, durch die
(EFRE)  Fond zur finanziellen Förderung Gletscher der Eiszeit in den Abraum über die
von Projekten der Europäischen Union zum Braunkohle gelangten (geschoben wurden
Ausgleich von regionalen Ungleichgewich- – daher auch der Begriff Geschiebe). Wird
ten sowie die Entwicklung und strukturelle als Begleitrohstoff im Braunkohlentagebau
Umstellung von Regionen. gewonnen.
Europäischer Sozialfond (EFS) Förderungs- Flächen höherwertiger Nutzungen Liegen-
fond der Europäischen Union, aus dem schaften in Bergbaufolgelandschaften, die
u. a. arbeitsmarktpolitische Aktivitäten sich aufgrund ihrer Lage und Ausstattungs-
finanziell gefördert werden können (z. B. merkmale für eine Nutzung als Baufläche,
Einarbeitungszuschüsse, Zuschüsse für insbesondere als Industrie- und Gewerbeflä-
Qualifizierungsmaßnahmen). che, Wohnbaufläche sowie Sonderbaufläche
eutroph  Eigenschaft eines Gewässers, welches für Freizeit- und Erholungsnutzungen eignen,
durch ein massives Wachstum autotropher und für die eine entsprechende planungs-
Pflanzen gekennzeichnet ist. Ursache ist ein rechtliche Sicherung bereits vorliegt bzw. zu
hohes Angebot an verfügbaren Nährstoffen, erwarten ist.
insbesondere Phosphor. Fließgewässer  Ständig oder zeitweise fließen-
Eutrophierung  Die natürliche oder künstliche des oberirdisches Gewässer. Nach oben und
Erhöhung der pflanzlichen Produktion eines unten offene Systeme, d. h. es existiert kein
Gewässers durch Anreicherung von Nährstof- innerer Wasser- und Nährstoffkreislauf (im
fen. Sind die Nährstoffe aufgebraucht, sterben Unterschied zu stehenden Gewässern), son-
die Pflanzen ab und werden von Destruenten dern ein zur Mündung hin gerichteter Trans-
abgebaut, wobei der vorhandene Sauerstoff port. Zu den Fließgewässern zählen Quellen,
verbraucht wird. Der weitere Abbau geht in Bäche, Flüsse und Ströme.
anaerobe (sauerstofffreie) Gärung (Fäulnis)
Glossar 659

Flöz  Im Verhältnis zur flächenhaften Ausdeh- Fördergut  Im Tagebau transportiertes Gestein


nung geringmächtige geologische Schicht, die ( Schüttgut), z. B. Abraum und Rohstoff.
einen nutzbaren Rohstoff enthält, z. B. Braun- Fremdflutung  Füllung eines Tagebaurestraums
kohlenflöz, Kaliflöz, Kupferschieferflöz. ( Restlochs) durch gezielte Einleitung von
Flözmächtigkeit  Dicke eines Flözes Oberflächenwasser meist aus natürlichen Vor-
Folgenutzungsstandard  Qualität der Nutzung flutern, z. B. Flüssen.
von Bergbaufolgelandschaften entsprechend Freistellungsvertrag  Der Sanierungsträger
den Anforderungen des BBergG, die durch die LMBV wird von den ostdeutschen Braun-
Grundsanierung hergestellt wird. Eine Erhö- kohleländern Brandenburg, Sachsen-Anhalt,
hung des Folgenutzungsstandards kann durch Thüringen und Sachsen durch öffentlich-
Maßnahmen gemäß § 4 der Verwaltungsab- rechtliche Verträge gemäß Art. 1 § 4 Abs. 3
kommen Braunkohlesanierung erfolgen. Satz 5, 7 des Umweltrahmengesetzes i. d.
Förderbrücke  Abraumförderbrücke F. des Art. 12 des Gesetzes zur Beseitigung
Flurneuordnungsverfahren  Im Ergebnis der von Hemmnissen bei der Privatisierung von
bergbaulichen Tätigkeit und anschließen- Unternehmen und zur Förderung von Inves-
den Sanierung entsteht eine völlig neue Nut- titionen vom 22.3.1991 von privatrechtli-
zungsstruktur der Flächen. Die im amtlichen chen Schadenersatzansprüchen für Schäden,
Liegenschaftskataster abgebildeten Eigen- die durch vor dem 1.7.1990 vorgenommene
tums- und Nutzungsverhältnisse entsprechen Betriebshandlungen oder betriebliche Grund-
nicht mehr der Realität und sind entsprechend stücksnutzungen verursacht wurden, freige-
den Regelungen des Flurbereinigungsgesetzes stellt. Die Finanzierung der Kosten erfolgt auf
neu zu ordnen. Verfahrensträger sind gemäß der Grundlage des Verwaltungsabkommens
§ 2 Flurbereinigungsgesetz die hiermit beauf- über die Regelung der Finanzierung der öko-
tragten Flurbereinigungsbehörden der Länder. logischen Altlasten. Im Freistellungsvertrag
Die LMBV beantragt für ihre Verfahrensge- sind die Parteien übereingekommen, die Frei-
biete vereinfachte Flurbereinigungsverfahren stellung von der Kostenlast wegen der öffent-
entsprechend § 86 FlurBerG und schließt mit lich-rechtlichen Verantwortung an den Eintritt
den Flurbereinigungsbehörden hierzu einen bestimmter Bedingungen zu knüpfen, wie z. B.
gesonderten Vertrag ab. Ziele sind Neuord- an die Beendigung der Bergaufsicht gemäß
nung der Katastersituation entsprechend der § 69 Abs. 2 BBergG. Das Land ist verpflich-
neuen Nutzungs- und Eigentumsstruktur zur tet, den Zeitpunkt des Bedingungseintritts
Vermeidung von Vermessungskosten und Ver- unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von
besserung der Verwertungsbedingungen, Neu- 9 Monaten durch Verwaltungsakt festzustellen
ordnung der Eigentumsverhältnisse im Bereich und diesen der LMBV zuzustellen.
zukünftiger Gewässer zur Vereinfachung und GA  Gemeinschaftsaufgaben
Beschleunigung der wasserrechtlichen Plan- GA-Fördermittel  In der Regel nicht rückzahl-
feststellungsverfahren und eindeutige Zuord- bare Zuschüsse zu Investitionsvorhaben und
nung der Freistellungsflächen damit das wichtigste Instrument der Bundes-
Flutung  Zuleitung von Wasser, z. B. zur Fül- länder zur Förderung von Investitionen der
lung von Tagebaurestsee und des entwässer- Wirtschaft. Sie werden zu 50 % vom Bund
ten Gebirges. und zu 50 % vom betreffenden Land bzw. bis
Folgenutzung  Geplante Nutzung der Bergbau- zu 80 % vom betreffenden Land und ab 20 %
folgelandschaft. Gibt die Aufgaben der Wie- aus Eigenmitteln des Fördermittelempfängers
dernutzbarmachung und Rekultivierung vor. finanziert. Die Bereitstellung der Mittel bleibt
Förderung  (1) Finanzielle staatliche Unterstüt- der Feststellung in den Haushaltsplänen des
zung, z. B. durch ABM und SAM (2) Transport Bundes und der Länder vorbehalten.
von Stoffen, im Tagebau z. B. Fördergut, oder Geländeeinbruch  Vorwiegend vertikale
Wasser Bewegung ( Rutschung) eines Lockerge-
660 Glossar

steinskörpers als Folge einer plötzlichen der Wiedernutzbarmachung (Verkippung,


Festigkeitsminderung (Verflüssigung) des Böschungsgestaltung etc.) unter Beachtung
Untergrundes. der angewendeten Technologie, der Tage-
Gemeinschaftsaufgaben (GA)  Im Grundgesetz bauentwässerung, des Grundwasseranstiegs
für die Bundesrepublik Deutschland ist im bzw. -wiederanstiegs oder der Flutung. Sie
Abschnitt VIII a., Gemeinschaftsaufgaben, ist Voraussetzung für eine sichere Tagebau-
Artikel 91 a, die Mitwirkung des Bundes bei führung und die Durchführung von Maß-
der Erfüllung von Aufgaben der Länder unter nahmen an/auf Kippen und Halden sowie an
anderem für die Verbesserung der regionalen Tagebaurestlöchern.
Wirtschaftsstruktur festgelegt, wenn diese Geotechnisches Sicherheitsaktiv (GSA)  Tage-
Aufgaben für die Gesamtheit bedeutsam sind bausicherheitsaktiv (TSA) in der
und die Mitwirkung des Bundes zur Verbes- Braunkohlesanierung.
serung der Lebensverhältnisse erforderlich ist. Geotechnische Untersuchungen Dienen der
Generalneigung  Neigung eines Böschungssys- Klärung der komplexen geologischen Verhält-
tems von der Oberkante bis zur Unterkante nisse, der quantifizierten Beschreibung des
über alle Einzelböschungen und Trennflächen. Gebirges als Bauraum, Baugrund und Bau-
geogen  mit der Entstehung der Erde verbunden stoff sowie der Ermittlung von physikalischen
Geohydrologie  Wissenschaft vom natürlichen und Projektierungskennwerten als Grundlage
und beeinflussten Grundwasserhaushalt, die für die optimale Anpassung von Bau- und
über die Lagerstättenkunde des Grundwassers Bergbaumaßnahmen an den Untergrund.
(Hydrogeologie) hinaus geht und geologische, Geschäftsstelle des StuBA siehe Bund-Länder-
hydrologische, hydrographische, klimatologi- Geschäftsstelle für die Braunkohlesanierung
sche, geomorphologische, hydrochemische, Gewässer  Bezeichnung für das in der Natur
hygienische, technische, technologische und fließende oder stehende Wasser einschließlich
ökonomische Momente berücksichtigt. Gewässerbett und Grundwasserleiter. Eine
Geoinformationssystem (GIS) Die erforder- neuere Definition (LAGA, 1996) schließt den
liche Hard- und Software sowie die notwen- Talraum mit ein.
digen Daten vereinendes rechnergestütztes Gewässerbeschaffenheit  Beschreibung der
Informationssystem zur Erfassung, Bearbei- Eigenschaften eines Gewässers durch physi-
tung, Organisation, Analyse und Präsentation kalische, chemische, mikrobiologische und
raumbezogener digitaler Daten (Geo- und biologische Parameter sowie durch morpho-
Sachdaten). Aufgrund der Verknüpfung der logische, hydrographische u. a. Begriffe.
Sach- und Grafikdaten sind gezielte Daten- Gewässergüte  Nutzungsbezogene Gewäs-
bankabfragen mit anschließender Ausgabe serbeschaffenheit, z. B. Trinkwassergüte,
thematischer Grafikinformationen (Karten) Badewassergüte. Die im Sanierungsbergbau
eines oder mehrerer Fachthemen gemeinsam einzuhaltende Gewässergüte in Bergbaufolg-
möglich. eseen und Vorflutern wird im Beschluss zum
Geotechnik  Fasst die Fachgebiete Bodenme- wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahren
chanik, Felsmechanik, Ingenieurgeologie, festgelegt. Die Bestimmung der Parameter
Hydrogeologie, Erdbau, Grundbau, Felsbau erfolgt über chemisch-physikalische und bio-
und Hohlraumbau einerseits und das Fachge- logische Verfahren Die Kontrolle erfolgt über
biet Wasserwirtschaft andererseits zusammen. ein Monitoring.
Geotechnische Sicherheit  Sicherheit gegen Gewässerschutz  Gesamtheit der Maßnah-
Gefahren aufgrund der vorliegenden geo- men, die zum Schutz des Grundwassers und
logischen, hydrogeologischen und boden- der Oberflächengewässer vor nachteiligen
bzw. gebirgsmechanischen Verhältnisse und Einwirkungen aus der Sicht des Natur- und
Bedingungen in allen Phasen des Aufsu- Umweltschutzes sowie der Wasserwirtschaft
chens und Gewinnens von Rohstoffen und getroffen werden. Ist bei der Planung und
Glossar 661

Gestaltung von Bergbaufolgeseen und Vor- Wasser, das infolge Versickerung von Nie-
flutsystemen zu beachten. derschlägen und Versickerung oberirdischer
Gewinnung  Lösen von Gestein aus dem Gewässer in das Gestein eindringt und dort
Gebirgsverband und Laden auf ein För- vorhandene Hohlräume füllt.
dermittel, z. B. mittels Schaufelrad- oder Grundwasserabsenkungstrichter  Ein Gebiet,
Eimerkettenbagger. in dem sich der natürliche Grundwasserspie-
Gipsdepot  Bei der Rauchgasentschwefelung gel infolge der Entwässerung meist trichter-
in den Braunkohlenkraftwerken anfallender förmig absenkt.
Gips wird – wenn er nicht unmittelbar wei- Grundwasserflurabstand  Differenz zwischen
terverarbeitet wird – in speziellen Depots auf der Lage der Grundwasseroberfläche und der
Kippenflächen, z. B. der Tagebaue Jänsch- Geländeoberfläche.
walde und Nochten, für eine spätere Nutzung Grundwasserleiter  Teil der Erdkruste, der
eingelagert. Grundwasser enthält oder aufnehmen kann.
GIS  Geoinformationssystem Wird durch Grundwasserstauer (Gebirgs-
GIS-Fachschale  Komponente eines GIS, das schichten mit einem geringen Durchlässig-
über spezifische themen- bzw. anwendungsbe- keitsbeiwert) hydraulisch getrennt.
zogene Funktionalitäten (z. B. Altlasten, Fors- Grundwasserspiegel  Oberfläche des Grundwas-
ten, geotechnische und markscheiderische serkörpers.
Daten, Liegenschaftskataster, Sanierungspla- Grundwasserwiederanstieg  Anstieg des
nung, Standortentwicklung u. a.) verfügt. Grundwasserspiegels nach Stilllegung von
Gleisrückmaschine  Spezielles Schienenfahr- Entwässerungsanlagen durch Flutung oder
zeug zum Rücken von Gleisen in Tagebauen. natürlichen Zufluss.
Grubenbau  Gesamtheit der vorhanden oder Gurtbandförderer  Bandanlage
ehemaligen systematisch angelegten unterir- Habitat  Lebensraum einer Art
dischen Hohlräume im Bergbau. Halde  Aufschüttung von mineralischen Rohstof-
Grubenwasserreinigungsanlage (GWRA) In fen, Abraum oder Rückständen auf unverritz-
GWRA wird das in den Tagebauen gehobene tem oder wiedernutzbar gemachtem Gelände
Wasser gereinigt, insbesondere vom gelösten (s. Kippe).
Eisen befreit, von Schwebstoffen gereinigt Hangendes  (1) Der Erdoberfläche zugewandte
und im pH-Wert angehoben. Nach der Reini- Seite (Oberseite) des Rohstoffkörpers, z. B.
gung wird das Grubenwasser als Brauchwas- des Kohlenflözes. (2) Geologische Ablage-
ser genutzt, zu Trinkwasser aufbereitet oder rungen über dem Rohstoffkörper.
für eine ökologische Nutzung im Umfeld der Hauptbetriebsplan  Gemäß BBergG für die
Tagebaue verwendet. Errichtung und Führung eines Betriebes in der
Grundbruch  Geländebruch in Folge einer Last- Regel für einen zwei Jahre nicht überschreiten-
erhöhung auf der Geländeoberfläche. den Zeitraum aufzustellen (s. Betriebsplan).
grundeigen  Begriff aus dem Bergrecht für im Hauptgewerk  Strukturiert die Sanierungsleis-
Eigentum des Grundeigentümers stehende tungen nach ihrer Art. In der Braunkohle-
Bodenschätze. sanierung werden z. B. Massenbewegung,
Grundsanierung  Im Regelfall die gemäß Flächenberäumung, Pflege und Bewirtschaf-
BBergG obligatorischen Maßnahmen zur tung, Wasserhebung, Demontage und Ver-
Wiedernutzbarmachung der vom Braunkoh- schrottung, Abbruch, Montanhydrologisches
lenbergbau beanspruchten Oberfläche, aber Monitoring, Verfüllen von Grubenräumen und
auch gemäß anderer öffentlich-rechtlicher Flurneuordnung unterschieden.
Verpflichtungen z. B. aus dem Wasserrecht. Heizwert  Wärmemenge, die bei der Verbren-
Grundwasser  Alles in der äußersten Erdrinde nung von 1 kg festem oder flüssigem bzw.
kreisende, unter der Erdoberfläche befindli- 1 m3 gasförmigem Brennstoff freigesetzt wird
che Wasser, einschließlich Höhlengewässer. (in kJ/kg, kJ/l, kJ/m³).
662 Glossar

Hilfsgeräte  Geräte für Hilfs- und Nebenpro- Hydrologischer Grenzwert  Standsicherheits-


zesse im Tagebau, z. B. zum Materialtrans- berechnungen zu Grunde liegende hydrologi-
port, zur Instandsetzung/ Instandhaltung, sche Randbedingung, d. h. Grundwasserstand
Massenbewegung, Verdichtung, Planierung und -druck, für den jeweiligen maßgeblichen
und für Rückarbeiten. Grundwasserleiter (nach Zeit und Ort).
HOAI  Die Verordnung über die Honorare für Hydrologischer Richtwert Teil von Hydro-
Leistungen der Architekten und Ingenieure geologischen Berechnungen und/oder Hydro-
(HOAI) regelt die Berechnung der Entgelte geologischen Analysen. Charakterisiert eine
für die Leistungen derselben, soweit sie durch Schar von Erwartungswerten zum punktbezo-
Leistungsbilder erfasst werden. Die Leistun- gen zeitlichen Verlauf von Absenkungs- und
gen gliedern sich in Grundleistungen und Wiederanstiegsvorgänge. Er dient der Steue-
besondere Leistungen gemäß § 1,2 HOAI. rung von Entwässerungsanlagen und von
Hoch- und Rechtswert Zahlenwerte eines Flutungsvorgängen.
Punktes in einem Lage-Koordinatensystem, hydrophil  Wasser anziehend bzw. aufnehmend
die durch die Koordinatenwerte x (Hoch- Hypolimnion  Tiefenwasserbereich eines Sees
wert = Ordinate) und y (Rechtswert = Abzisse) unterhalb der Sprungschicht ( Metalimnion).
in Bezug auf den jeweiligen Koordinaten- Immission  Einwirkung von ausgestoßenen
ursprung bestimmt sind ( Bergmännisches Schadstoffen auf die Umwelt, nachdem sich
Risswerk). diese in den Medien Wasser, Luft oder Boden
hochkalorisch  mit hohem Energiegehalt ausgebreitet haben.
Hochschnitt  Arbeitsweise eines Tagebaugerätes Ingenieurbiologie  Arbeitsgebiet des Land-
in der Gewinnung oberhalb der Arbeitsebene. schaftsbaus, in dem lebende Baustoffe
Hochwasserprojekt  Projekt im Land Sachsen- (Pflanzen und Pflanzenteile) zusammen mit
Anhalt, das seit 2003 im Rahmen der Sanie- unbelebten Materialien zur Sicherung von
rung außerhalb des VA III zur Abwehr der Erd- und Wasserbauten aller Art eingesetzt
Gefahren aus dem Augusthochwasser 2002 werden.
im Bereich Goitsche bearbeitet wird. in situ  vor Ort; am Ursprungsort
Homologen  Benzol und die verwandten In-Situ-Verfahren  Verfahren zur Entfernung
Verbindungen von Schadstoffen vor Ort, z. B. im Unter-
Horizontalbrunnen  Brunnen zur Förderung grund. Die Schadstoffe werden im Boden
von Grundwasser in horizontal verlaufen- oder Grundwasser physikalisch, chemisch
den Rohren, die z. B. zu vertikalen Sam- oder biologisch in "ungefährliche" Stoffe
melschächten führen, über die das Wasser umgesetzt.
entnommen wird. Initialbewuchs  Erstbewuchs
Hydrogeologie  Grundwasserkunde. Teil der Inkohlung  Biochemischer und geochemischer
Hydrologie. Vorgang bei der Entstehung der Kohle, bei
Hydrogeologische Bearbeitung  Berechnung dem die Kohlensubstanz mit zunehmender
von Parametern des Grundwassers, z. B. Lage, Inkohlung reicher an Kohlenstoff und ärmer
Menge und Strömung durch Hydrogeologi- an flüchtigen Bestandteilen wird.
schen Nachweis, Hydrogeologische Einschät- Innenkippe  Kippe, z. B. für Abraum, innerhalb
zung oder eine Hydrogeologische Analyse. des abgebauten Tagebauraumes.
Hydroisohypse  Linie gleichen Grundwasser- Institutionelle Förderung Finanzielle Zuwen-
stands. dung des Bund an einzelne Einrichtungen
Hydrologie  Wissenschaft vom Wasserbau und zur Deckung eines Fehlbetrages im Rahmen
der Wasserwirtschaft. Sie gliedert sich in einer Fehlbedarfsfinanzierung. Sie kommt
Potamologie (Flusskunde), Limnologie (Seen- bei Einrichtungen in Betracht, die bei über-
kunde), Hydrogeologie (Grundwasserkunde), wiegender oder vollständiger Finanzierung
und Alluviologie (Geschiebekunde). durch den Bund Aufgaben wahrnehmen, für
Glossar 663

die andernfalls eine Bundesbehörde errichtet Lagerstätte  Bereich der Erdkruste mit wirt-
werden müsste oder deren Tätigkeit auch der schaftlich interessanter Anreicherung eines
Erfüllung von Bundesaufgaben dient, so dass Rohstoffes.
eine kontinuierliche Interessenwahrnehmung Laminare Strömung  Wasserbewegung, bei der
nur durch Förderung der Gesamtbetätigung (gedachte) Wasserteilchen parallel nebenein-
gewährleistet werden kann. ander fließen ohne sich quer zur Fließrichtung
Kameralistik  Rechnungssystem der öffentli- zu durchmischen. Freie Gewässer fließen nie
chen Verwaltung. Wichtigstes Rechnungsziel laminar.
ist der Nachweis der Einhaltung des Haushalt- Lauchhammer-Verfahren  Weiterentwicklung
plans sowie der tatsächlich erreichten Deckung des Lurgi-Spülgas-Verfahrens.
der Ausgaben. Kennzeichen ist die "einfache" Liegendes  (1) Der Erdoberfläche abgewandte
Buchung der Geschäftsvorfälle. Dabei wird Seite (Unterseite) des Rohstoffkörpers, z. B.
auf Aus- und Einzahlungen abgestellt. Nicht des Kohlenflözes. (2) Geologische Ablage-
zahlungsrelevante Vorgänge (z. B. Abschrei- rungen unterhalb des Rohstoffkörpers.
bungen) finden keine Berücksichtigung. Limnologie  Lehre von den Binnengewässern
Kaue  Im Bergbau: Wasch- und Umkleideraum (Oberflächengewässer und Grundwasser) und
kanzerogen  krebserzeugend ihrer Organismenwelt.
Kippe  Räumliches Element des Tagebaus, in lipophil  Gut in Fetten und Ölen lösbar oder
dem Abraum und andere Schüttgüter in der Fette und Öle gut auslösend.
Regel zur endgültigen Ablagerung verkippt Löß  Vom Wind während der Eiszeit herange-
werden. Nach ihrer räumlichen Lage wird tragenes ungeschichtetes Sediment mit Korn-
in Außen- und Innenkippe unterschieden. größe < 0,05 mm, das aus Feldspat, Quarz,
Weitere Unterscheidungen erfolgen nach der Kalk und untergeordnet Glimmer und Ton
Art des Verkippungsgerätes (Absetzerkippe, besteht. Da der Löß ein sehr fruchtbarer
Abraumförderbrückenkippe, Pflugkippe usw.) Boden ist, wird er im Abraumbetrieb getrennt
sowie nach technologischem Zweck, z. B. gewonnen und bei der Rekultivierung als
Vorkippe und Stützkippe, und technologischer oberste Schicht verkippt.
Lage, z. B. Hochkippe. LNAPL  (englisch: Light Non-Aqeuous Phase
Kippensystem  Kippe aus mehreren Einzel- Liquids) Leichte nichtwässrige organische
kippen. Flüssigkeiten (Leichtphasen) mit einer Dichte
Kohlenbunker  Anlage zum Zwischenlagern kleiner 1 g/cm³, die auf Wasser schwimmende
für z. B. Braunkohle vor der Förderung zum Phasen bilden, weil sie dort nicht lösbar sind
Endverbrauch. (Kraftstoffe, Heizöl).
Kontaminanten  Unerwünschte Stoffe, die LMBV  Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-
einem Lebensmittel nicht absichtlich hinzuge- Verwaltungsgesellschaft. Sanierungsträger
fügt werden, jedoch infolge einer Verunreini- der Braunkohlesanierung.
gung durch die Umwelt (Umweltkontaminant) LULUCF-Projekt  Emissionsminderung durch
oder als Rückstand im Zuge der Gewin- Aufforstung oder veränderte Flächennutzung.
nung, Fertigung, Verarbeitung, Zubereitung, Lurgi-Spülgas-Verfahren  Verfahren, um Braun-
Behandlung, Aufmachung, Verpackung, kohle unter hohem Druck mit einem Gemisch
Beförderung und Lagerung im Lebensmittel von Wasserstoff und Sauerstoff zu vergasen.
vorhanden sind. Dazu gehören z. B. Schwer- Makrozoobenthos  Sammelbezeichnung für
metalle wie Blei, Cadmium und Quecksilber, Tiere, die den Gewässerboden bewohnen und
Dioxine, Polychlorierte Biphenyle, Polyzykli- zumindest in einem Lebensstadium mit blo-
sche aromatische Kohlenwasserstoffe, Myko- ßem Auge sichtbar sind.
toxine und andere Umweltgifte. Markscheide  Seitliche Begrenzung eines Berg-
Kyoto-Protokoll  Klimarahmenkonvention der baufeldes, die durch eine Linie an der Erd-
Vereinten Nationen zum Klimaschutz.
664 Glossar

oberfläche festgelegt ist und sich als gedachte entsprechend behördlicher Vorgaben (z. B.
Grenze senkrecht in die Tiefe ausdehnt. von wasserrechtlichen Planfeststellungs-
Markscheiderei  Vermessungstechnische, karto- verfahren) in Grundwasser (Grundwasser-
grafische, GIS-organisatorische und bergscha- monitoring) und in Oberflächengewässern
densrechtliche Fachabteilung im Bergbau. (Oberflächenwassermonitoring) eingesetzt
Markscheiderische Sicherheitskontrolle  (a. und umfasst u. a. Pegelmessungen, Durch-
Markscheiderische Betriebskontrolle) Dient flussmessungen, Wasserprobenentnahme und
der Einhaltung bergbausicherheitlicher For- Laboruntersuchungen.
derungen, insbesondere zur Kontrolle geo- monoaromatische Kohlenwasserstoffe  Leicht-
technischer und technologischer Vorgaben bei flüchtige aromatische Kohlenwasserstoffe
Abbau, Verkippung und Wiedernutzbarma- (Arene) wie AKW/BTEX Benzol (Benzen),
chung/ Sanierung im Tagebau. Toluol, Ethylbenzol, Xylole, Styrol und Iso-
Massenbewegung  Gezielte Aufnahme, Förde- propylbenzol (Cumol).
rung und Verkippung von Gestein mit Tage- Nachsorge  Maßnahmen zur Entwicklung bzw.
baugroß- oder Hilfsgeräten. zum Erhalt des Zustandes wiedernutzbar
Massenverdichtung  Verdichtung insbeson- gemachter Flächen bzw. fertig gestellter Anla-
dere locker gelagerter gleichförmiger san- gen nach Erreichung des Sanierungsziels bis
diger Kippen durch geeignete technische zur Vermarktung der Grundstücke oder Lie-
Verfahren ( Sprengverdichtung, Rütteldruck- genschaften, z. B. der gesicherten Kultur von
verdichtung, Rüttelstopfverdichtung, Fallge- Aufforstungen.
wichtsverdichtung) vor allem zur Abwendung NAPL  (engl.: Non-Aqueous Phase-Liquids)
von Setzungsfließgefahren. Nichtwässrige Flüssigphasen, z. B. Kraft-
Maximale Verdichtung 100 % nachweisliche stoffe oder Öle.
Proctordichte zur Vermeidung von Setzungen. Natural Attenuation (NA)  Natürliche im
mesotroph  Eigenschaft eines Gewässers, deren Boden ablaufende biochemische bzw. -physi-
Intensität der pflanzlichen Produktion im kalische Prozesse, die eine Verringerung der
Übergangsbereich von der oligotrophen zur vorhandenen Verunreinigungen bewirken.
eutrophen Stufe liegt. Netzplan  Planungshilfsmittel, mit dem Vor-
Metabolite  Stoffwechselwege bestehen aus gänge durch Anordnungsbeziehungen, z. B.
Serien enzymatischer Umsetzungen, die spe- zeitliche Reihenfolge von Teilprojekten,
zifische Produkte liefern. Diese Zwischen- strukturiert werden.
produkte (jedem Reaktionsschritt kommt ein Neubauleistung  Bauleistungen zur Errichtung
Substrat und ein Produkt zu) werden als Meta- oder Erstellung eines Gebäudes oder bau-
boliten bezeichnet. licher technischer Anlagen im Rahmen der
Metalimnion  Fachausdruck für die thermische Sanierung.
Sprungschicht. Das ist jener Teufenbereich Nutzungskonzept  In der Braunkohlesanie-
eines Sees, in dem die Wassertemperatur rung informelles Planungsinstrument, das in
sprunghaft abnimmt. Anlehnung an die städtebaulichen Rahmen-
Mittel  Teil des Abraums zwischen Rohstoff- planung gemäß § 140, Zi. 4 Baugesetzbuch
schichten (a. Mittelabraum oder Zwischen- (BauGB) die Nachnutzungsplanung der Berg-
mittel), z. B. Sand- und Schluffschichten im baufolgelandschaften über die Regional- und
Braunkohlenflöz. Abschlussbetriebsplanung hinausgehend
MKW  Mineralölkohlenwasserstoffe. unterstützt. Es besteht aus einem Rahmen-
Monimolimnion  Das nicht an der Zirkulation plan und einem Textteil (Erläuterungsbericht),
teilnehmende Tiefenwasser eines Sees. bündelt Informationen aus bereits vorlie-
Monitoring  Definiertes Kontroll- und Unter- genden öffentlichen Planungen, Planungen
suchungsprogramm. Wird z. B. für die Ein- des Bergbauunternehmens und die jeweilige
haltung von Wassermenge und Wassergüte Bergbaufolgelandschaft betreffenden infor-
Glossar 665

mellen Planungen und vereinigt diese in einer pH-Wert  In der Chemie und Biologie verwen-
eigenen Planungsqualität, die insbesondere deter Parameter für den sauren (pH < 7) oder
die interkommunalen und überregionalen alkalischen (pH > 7) Charakter einer wässrigen
Entwicklungszusammenhänge der einzelnen Lösung. Er gibt den negativen dekadischen
Bergbaufolgelandschaften berücksichtigt. Logarithmus der Wasserstoffionenkonzentra-
Öffentliche Sicherheit Erforderliche Vorsorge tion (H3O + ) an.
gegen Gefahren für Leben, Gesundheit und Planfeststellungsverfahren  Ein von der zustän-
zum Schutz von Sachgütern, welche sich digen Planungsbehörde entsprechend den
aus dem Bergbaubetrieb, der Einstellung des gesetzlichen Vorschriften durchzuführendes
Betriebes und bei der Sanierung eines Berg- Planverfahren mit öffentlicher Beteiligung,
baubetriebes ergeben können. Die Herstellung das zum Ziel hat, raumbedeutsame, komplexe
der öffentlichen Sicherheit ist ein wesentli- Vorhaben unter umfassender Abwägung aller
ches Sanierungsziel. öffentlichen und privaten Belange in sein
off site  abseits, entfernt räumliches Umfeld einzupassen. Das Verfah-
Off-Site-Verfahren  Verfahren entfernt vom zu ren endet mit dem Planfeststellungsbeschluss
sanierenden Grundstück, z. B. durch Boden- der zuständigen Behörde.
abtrag und Behandlung in einer weiter ent- Plankton  Im freien Wasser schwebende Pflan-
fernten Anlage. zen (Phytoplankton), Tiere (Zooplankton) und
on site  am Ort, in der Nähe Bakterien (Bakterioplankton) mit fehlender
On-Site-Verfahren  Verfahren auf dem zu sanie- oder nur geringer Eigenbewegung.
renden Grundstück oder in direkter Nähe, Planum  Speziell eingeebnete Fläche der
z. B. zur Eliminierung oder Abtrennung von Arbeitsebene, auf der sich die Tagebaugeräte
Schadstoffen. befinden.
Ökologische Funktionsfähigkeit  Fähigkeit Polyzyklische aromatische Kohlenwasser-
zur Aufrechterhaltung des Wirkungsgefüges stoffe (PAK) Zwei- und mehrkernige Koh-
zwischen dem z. B. in einem Gewässer und lenwasserstoffe mit aromatischem Charakter,
seinem Umland gegebenen Lebensraum und die auch durch Methylgruppen substituiert
seiner Besiedlung durch Organismen entspre- sein können.
chend der natürlichen Ausprägung des betref- Prioritätenstandort  Ehemaliger Standort der
fenden Gewässertyps. Braunkohlenindustrie, der aufgrund seiner
oligotroph  Eigenschaft eines Gewässers mit Lage-, Anbindungs-, Erschließungs- und Ver-
geringer pflanzlicher Produktion, z. B. sauere netzungspotenziale (Raumbedeutsamkeit) in
Seen. Die Gründe für das geringe Pflanzen- Abstimmung mit dem jeweiligen Land, der
aufkommen können einerseits ein niedriger Region und Kommune auch für eine künftige
Nährstoffgehalt oder andererseits toxische Nutzung als Industrie- bzw. Gewerbestandort
Hemmungen sein. ausgewählt und dessen Entwicklung insbeson-
Pegel  Speziell ausgebaute Bohrungen, in denen dere durch die Bündelung von Maßnahmen
die Höhe des Grundwasserspiegels gemessen der Sanierung mit solchen zur Erschließung
wird (Mengenpegel) und/oder Wasserproben auf der Grundlage der Gemeinschaftsaufgabe
entnommen werden (Gütepegel). (GA) zur Verbesserung der regionalen Wirt-
Phenole  Als Phenole werden in der Chemie schaftsstruktur (GRW) gefördert wurde.
Verbindungen bezeichnet, die aus einem Privatisierungserlöse  Ertrag aus dem Verkauf
aromatischen Ring oder Aren und einer oder von ehemaligem DDR-Volkseigentum, z. B.
mehrerer daran gebundener Hydroxylgrup- durch Privatisierung von Unternehmen und
pen bestehen. Nach der chemischen Nomen- Unternehmensteilen, u. a. von Grundstücken.
klatur werden Phenole durch Anhängen der Projektträgerschaft  Im Bereich der Braun-
Nachsilbe -ol oder Voranstellen der Vorsilbe kohlesanierung fungiert die LMBV als Pro-
Hydroxy- (Hydroxybenzol) bezeichnet. jektträger. Der Projektträger erarbeitet in
666 Glossar

Zusammenarbeit mit Bund und Ländern die an den Raum mit seinen ökologischen Funk-
Prioritäten in der Sanierung und übernimmt tionen in Einklang bringt und zu einer dauer-
die Durchführung der Sanierungsplanung, haften, großräumig ausgewogenen Ordnung
ebenso wie die Ausschreibung und Vergabe; führt. Dabei sind insbesondere die natürliche
zudem sichert er die Kontrolle und Steuerung Lebensgrundlage zu schützen und zu ent-
der Realisierung, die Abrechnung der Anträge wickeln, Standortvoraussetzungen für wirt-
und die Information des Steuerungs- und Bud- schaftliche Entwicklungen zu schaffen, die
getausschusses der Braunkohlesanierung. prägende Vielfalt der Teilräume zu stärken,
In den Ergänzenden Verwaltungsabkommen gleichwertige Lebensverhältnisse in allen
wird auch die Projektträgerschaft der LMBV Teilräumen herzustellen sowie räumliche
für § 3 und 42-Projekte definiert. und strukturelle Ungleichgewichte zwischen
Pump-And-Treat-Verfahren  (engl.: abpumpen Gebieten auszugleichen.
und behandeln) Aktives Verfahren oder Die Planung der Braunkohlesanierung fußt in
Einbringen von Stoffen oder Energie und Form der Sanierungspläne, der Sanierungs-
Behandlung mobilisierter Schadstoffe bei der rahmenpläne und Teilgebietsentwicklungpro-
Sanierung von Altlasten. gramme auf speziellen landesplanerischen
Quartär  Jüngste Formation der Erdgeschichte – Instrumenten.
begann vor ca. 2,5 Mio. Jahren; auch als Eis- Randschlauch  Langgestreckter Tagebaurest-
zeitalter bezeichnet. raum. Entsteht technologisch bedingt bei der
Rahmenbetriebsplan  Betriebsplan für einen Gewinnung und Verkippung von Abraum mit-
bestimmten längeren nach den jeweiligen tels Abraumförderbrücke (AFB), meist an der
Umständen bemessenen Zeitraum. Enthält all- Markscheide eines Tagebaus.
gemeine Angaben über das beabsichtigte Vor- REA  Rauchgasentschwefelungsanlage
haben, dessen technische Durchführung und Reaktive Wand  In den Boden eingelassene Bar-
den voraussichtlichen zeitlichen Ablauf. riere zur Reinigung durchströmenden konta-
Rahmenplan  Als Teil des Nutzungskonzeptes minierten Grundwassers.
digital erstellte großmaßstäbige Karte der Rectisolanlage  Physikalische Sauergaswäsche,
Zielnutzung der Bergbaufolgelandschaft auf die ein organisches Lösungsmittel (typi-
der Grundlage der Planzeichenverordnung scherweise Methanol) bei tiefen Temperatu-
(PlanZVO). Damit bildet der Rahmenplan als ren verwendet. Auf diese Weise werden im
informelles Planungsinstrument die Schnitt- Wesentlichen Schwefelwasserstoff und Koh-
stelle zur kommunalen Bauleitplanung. lendioxid aus dem Synthesegas entfernt.
Rampe  Geneigte Ebene im Tagebau, auf der Regionaler Sanierungsbeirat Die qualifizierte
Groß- und Hilfsgeräte Höhenunterschiede Mitwirkung der Braunkohlenländer bei der
zwischen den Arbeitsebenen überwinden. Planung der Sanierungsprojekte, bei der Ver-
Rasensohle  Erd- /Geländeoberfläche gabe der Sanierungsarbeiten sowie bei der
Raumbedeutsamkeit  Eigenschaft von Vorha- Verwertung der sanierten Grundstücke erfolgt
ben oder Objekten (Standorten) im öffentli- durch vier Regionale Sanierungsbeiräte. Die
chen Raum (Land, Region) mit erheblichem wesentlichen Aufgaben sind qualifiziertes
Einfluss auf dessen planerisch angestrebte Mitwirkungsrecht bei der Planung und Prio-
Funktionen. Die Raumbedeutsamkeit wird ritätensetzung der Sanierungsprojekte vor
vor allem von Größe und Lage eines Vorha- Antragstellung, Ausschreibung und Vergabe
bens bzw. Objektes bestimmt. der Sanierungsarbeiten nach Genehmigung
Raumordnung  Zusammenfassende, übergeord- durch den StuBA, Verwertung der zur Sanie-
nete Planung und Ordnung des Raumes durch rung anstehenden und sanierten Grundstücke
den Bund und die Länder. Leitvorstellung ist sowie Informations- und Vorlagerecht an die
eine nachhaltige Raumentwicklung, welche Geschäftsführung der LMBV und Unterrich-
die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche tung der Geschäftsführung der LMBV über
Glossar 667

o.g. Geschäftsvorfälle. Darüber hinaus treffen Risikomanagement  Abgestimmter Komplex


die Regionalen Sanierungsbeiräte im Rahmen von Maßnahmen zum Erkennen, Vorsorgen
festgelegter Wertgrenzen Entscheidungen und Reagieren auf Risiken.
über Anträge der LMBV in ihrem jeweiligen Rohstoff  Für eine Nutzung geeignetes natürli-
Verantwortungsbereich sowie zu Finanzie- ches Produkt. Im Bergbau: Teile der Erdkruste
rungsanträgen nach § 4. in flüssiger, gasförmiger oder fester Form mit
Regionales Entwicklungskonzept Instrument besonderen Nutzeigenschaften, z. B. Energie-
der Regionalplanung und der regionalen rohstoffe und Baurohstoffe.
Wirtschaftsförderung gemäß § 13 Abs. 2 Zi. Rückhalt ( Retention)  In der Wasserwirtschaft
2 Raumordnungsgesetz (ROG) zur Beein- Verzögerung des Abflusses durch natürliche
flussung der Entwicklung eines geografisch Gegebenheiten (z. B. Geländeform, Vegeta-
bestimmten Raumes durch gezielte politisch- tion) und/oder künstliche Einrichtungen (z. B.
administrative Maßnahmen. Rückhaltebecken).
Rekultivierung  Gemäß Bundesnaturschutz- Rückraupe  Hilfsgerät mit Raupenfahrwerk
gesetz Maßnahme des Ausgleiches von Ein- zum seitlichen Verschieben ( = Rücken) von
griffen in Natur und Landschaft. Ziel der Bandanlagen.
Rekultivierung im Braunkohlenbergbau ist es, Rückstellungen  Dürfen gebildet werden, wenn
eine neue, mehrfach nutzbare und ökologisch genau umschriebene Aufwendungen im vor-
wertvolle (Kultur)Landschaft zu gestalten, die laufenden Geschäftszeitraum verursacht wur-
vollwertig in den Natur- und Wirtschaftskreis- den, diese aber hinsichtlich ihrer Höhe und des
lauf zurück geführt werden kann. Zeitraumes ungewiss sind (§ 249 HGB), z. B.
Renaturierung  Schaffung von naturnahen für ökologische und bergbaubedingte Altlas-
Lebensräumen mittels gezielter Maßnahmen ten. In der Braunkohlesanierung gehen alle
zur weitgehenden Wiederherstellung der Verpflichtungen ein, die aus dem Betrieb des
natürlichen Lebensgrundlagen und Wiederan- Braunkohlenbergbaus und der Braunkohlen-
siedlung der ursprünglichen Flora und Fauna. verarbeitung vor dem 01.07.1990 resultieren.
residual  restlich, zurückbleibend, z. B. residua- Diese Verpflichtungen leiten sich aus rechtli-
ler LNAPL chen Ansprüchen an den Sanierungsträger als
Reserven  Teil der Ressourcen, z. B. von Ener- Bergbautreibenden, im Wesentlichen aus dem
gierohstoffen, die eindeutig identifiziert sind Bergrecht, Umweltrecht und Wasserrecht ab.
und unter heutigen oder in naher Zukunft zu Sie berücksichtigen demzufolge auch unge-
erwartenden Bedingungen technisch und wirt- wisse Verpflichtungen, deren Erfüllung nach
schaftlich abbaubar sind. der Auslegung der Rechtslage nicht auszu-
Ressourcen  Gesamtheit der (Rohstoff-) Vorräte, schließen ist. Sie beschreiben damit unter
die nachgewiesen bzw. wahrscheinlich, aber dem Gesichtspunkt vorhersehbarer Risiken
technisch und/oder wirtschaftlich zur Zeit und kaufmännischer Vorsicht den Umfang
nicht gewinnbar sind. Zu den Ressourcen der anstehenden Sanierungsverpflichtungen
gehören ferner noch nicht nachgewiesene, im Unterschied zu Sanierungsplanungen, wie
geologisch aber mögliche Lagerstätten. z. B. der Fein- oder der Grobplanung, die von
Restloch  Bergmännisch für verbleibenden offe- zweifelsfreien Sanierungsverpflichtungen
nen Tagebau ( Tagebaurestraum). ausgehen. Daraus können Unterschiede in den
Retentionsraum  Begriff aus der Wasserwirt- Bewertungsinhalten und -größen zwischen
schaft: Ausgleichende Wirkung von natür- Planungen und Rückstellungen auftreten.
lichen oder künstlichen Stauräumen auf den Rückstellungsbewertung  Erfolgt im Rah-
Abfluss von Fließgewässern. men der Erstellung des jeweiligen Jahres-
Risiko  Negative Einflüsse auf ein Ziel, z. B. abschlusses des Sanierungsträgers auf der
Sanierungsziel oder Unternehmensziel. Grundlage der Neubewertung der bilanzierten
Verpflichtungen mit aktuellen Mengen- und
668 Glossar

Kostengerüsten. Sie unterliegen der Jahresab- logisch vorgegebene Schwächezonen auftre-


schlussprüfung und haben den Ansprüchen an ten oder tagebauseitig einfallen, ungenügend
Plausibilität und Fortschreibungsfähigkeit zu entwässertes Lockergestein angeschnitten
genügen. wird, wobei Lockergesteinsteilchen augen-
Rütteldruckverdichtung (RDV)  Verfahren scheinlich ausgespült werden, untertägige
zur Massenverdichtung, bei dem die Verdich- Grubenbaue überbaggert werden, bei schluf-
tungsarbeit eine rotierende Unwucht an einer figem oder feinsandigem Lockergestein mit
Rüttellanze, die an der Seilaufhängung eines hoher Gleichförmigkeit oder bei Lockerge-
Bagger von unten nach oben durch das zu stein mit mehr als 30 % bindigem Anteil im
verdichtende Material gezogen wird, leistet. Körnungsband die Kippenhöhe 20 m über-
Wird sowohl in wassergesättigten als auch in steigt, die Kippenauflage in Abbau- und/ oder
erdfeuchten (hier mit Wasserzugabe) Kippen Verhiebsrichtung einfällt oder eine geringe
in Teufen von ca. 60 m eingesetzt. Die um Scherfestigkeit besitzt, in Kippen lockerge-
den Verdichtungsbereich entstehende Setzung lagerte, gleichförmige und wassergesättigte
wird durch Zugabe von Material von oben Sande anstehen, Kippen mit hohem bindigem
ausgeglichen. oder feinsandigem Anteil und hoher Wasser-
Rütteldruckinjektion  Rütteldruckverdichtung sättigung durch Trockenkippen überzogen
mit gleichzeitigem Einbringen von in Flüssig- werden, die Kippenhöhe infolge Überkippen
keit gelösten chemischen Substanzen in den einer vorhandenen Böschungen um mehr als
Verdichtungsbereich. 5 m zunimmt, wobei eine Gefährdung bereits
Rüttelstopfverdichtung (RSV)  Verfahren ana- auftreten kann, wenn die Entfernung zwi-
log Rütteldruckverdichtung, wobei die Zugabe schen dem Fuß der Kippe und der Oberkante
von gut verdichtbaren Böden über Material- der vorhandenen Böschung dem größten
Schleusen (Schleusenrüttler) während des Wert der Höhe der Kippe bzw. der vorhan-
Verdichtungsvorganges erfolgt. Wird in fein- denen Böschung entspricht, Kippen, die sich
und gemischtkörnigen Böden eingesetzt. an vorhandene Böschungen anlehnen und
Rutschung  Rutschungen sind von Brüchen der Strossenendwinkel (zum offenen Tage-
begleitete, unterschiedlich schnell kriechende, bau gemessen) bei gewachsenen Böschungen
gleitende, fließende oder kippende last- 135° und bei gekippten Böschungen 120°
und schwerkraftbedingte Bewegungen von übersteigt, damm- oder inselartige Pfeiler von
Lockergesteins- oder Felsmassen auf vorge- Kippen überzogen werden oder gegen Kippen
gebenen oder erzwungenen Gleitflächen, die stehen bleiben, wenn sie gegenüber der Kippe
infolge der Änderung der Stabilitätsbedingun- zeitweise oder andauernd eine Stützwirkung
gen zu einer vertikalen und horizontalen geo- ausüben, Böschungen, außer beim Einsatz
metrischen Lageveränderung von Böschungen von Schwimmbaggern, ganz oder teilweise
oder Böschungssystemen mit dem Ergebnis im Wasser stehen, Anzeichen von Rutschun-
einer Verringerung ihrer ursprünglichen Nei- gen erkannt oder andere Umstände wahrge-
gung führen. Es wird u. a. in Bruch-, Riss- und nommen werden, die die Standsicherheit der
Fließvorgänge unterschieden. Sie werden häu- Böschung beeinträchtigen und im Bereich von
fig durch Risse, Spalten, Abstaffelungen oder Altkippenböschungen und an nicht fortlaufen-
Aufpressungen angezeigt. den Kippen Verkippungs-, Erd- und Neben-
Rutschungsbegünstigende Verhältnisse Alle arbeiten durchgeführt werden.
Parameter, Verhältnisse und Bedingungen, Sachverständiger  Im Bergbau ein von der
welche die Standsicherheit einer Böschung Bergbehörde (z. B. in Sachsen) anerkann-
oder eines Böschungssystems herabsetzen ter Fachmann mit besonderer Qualifikation
und zum Böschungsbruch führen können. und Erfahrung für die Anfertigung und/oder
Sie liegen z. B. vor, wenn Schichten mit Bestätigung von Standsicherheitsuntersu-
geringer Scherfestigkeit sowie andere geo- chungen/-berechnungen oder Hydrogeologi-
Glossar 669

schen Berechnungen (Sachverständiger für aufgenommenen Fläche keine Sanierungs-


Geotechnik SfG). arbeiten durchgeführt worden sind und bei
Sackung  Verformung ( Setzung) der Kippen- ihrer Veräußerung der Käufer alle Risiken
oberfläche infolge Grundwasseranstieg bzw. übernimmt, wird die Fläche aus der Freistel-
-wiederanstieg. Dabei werden die Kapillar- lungsliste herausgenommen. In den Freistel-
spannungen in nichtbindigen, locker bis mit- lungsverträgen ist die Möglichkeit enthalten,
teldicht gelagerten Kippenböden abgebaut. die Freistellung auf die Käufer zu übertragen.
Die daraus resultierende Verminderung der Sanierungskategorie  Die Sanierungsprojekte
wirksamen Spannungen bewirkt Gefügeän- werden zur inhaltlichen Systematisierung
derungen, die sich in einer Verringerung der geordnet in sonstige, Tagebaue, Veredlungs-
Porenzahlen in den Kippe auswirken. anlagen, Management, Wissenschaftlich-tech-
SAM (Strukturanpassungsmaßnahme) Inst- nische Untersuchungen, Wasserwirtschaft, § 4
rument zur Verzahnung von Arbeitsmarkt- und Erhöhung Folgenutzungsstandard und § 3
Strukturpolitik. Förderfähig sind Maßnahmen Grundwasserwiederanstieg.
zur Verbesserung der Umwelt und des Ange- Sanierungsplan  Im Land Brandenburg der
botes bei den sozialen Diensten und in der überörtliche, fachübergreifende und zusam-
Jugendhilfe. Träger von SAM können unter menfassende Landesplan bezogen auf den
bestimmten Bedingungen für die Beschäfti- Braunkohlenabbau, der mittelfristig aus-
gung von zugewiesenen Arbeitnehmern durch läuft oder bereits eingestellt ist. Der Sanie-
Zuschüsse gefördert werden. rungsplan legt Ziele der Raumordnung und
Sanierung  Im Bergbau die ordnungsgemäße Landesplanung fest, soweit dies für eine
Stilllegung von Bergbaustandorten mit dem geordnete Sanierungsplanung erforderlich ist
Ziel der Gewährleistung einer Folgenutzung (s. Braunkohlenplan).
unter Maßgabe eines ökologischen und sicher- Sanierungsprojekt  Nach räumlichen und sach-
heitlichen Mindeststandards zur Vermeidung lichen Kriterien zusammengefasstes und in
von Gefahren für die Öffentlichkeit. Teilobjekte unterteiltes Großvorhaben der
Sanierungsbereich  Territorial eigenverantwort- Braunkohlesanierung meist für das Gebiet
liche Organisationseinheit des Sanierungsträ- eines Tagebaus.
gers LMBV mit Sitz in den Bundesländern. Sanierungsrahmenplan  Wird im Freistaat
Sanierungsbergbau  Gesamtheit der öffent- Sachsen für stillgelegte oder stillzulegende
lich-rechtlichen und unternehmerischen Tagebaue aufgestellt (s. Braunkohlenplan).
Aktivitäten zur Planung, Durchführung und Er legt Rahmenbedingungen zur Überwin-
Kontrolle der Stilllegung, Sanierung und Wie- dung der bergbaulich bedingten Gegebenhei-
dernutzbarmachung von Bergbaustandorten, ten durch Gestaltung einer für die jeweilige
die durch Wegfall der Rechtsgrundlage nicht Landschaft typischen, vielfach nutzbaren
mehr planmäßig in Verantwortung des Verur- und sicheren Bergbaufolge- und Bergbau-
sachers erfolgt. Mit dem Beitritt der DDR zur nachbarlandschaft als Voraussetzung zur
Bundesrepublik Deutschland ergab sich für Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit
den nicht privatisierungsfähigen Bergbau eine des Naturhaushaltes sowie des menschlichen
solche neue Rechtsgrundlage. Für die Sanie- Lebens- und Wirtschaftsraumes fest.
rung der Tagebaue und Veredlungsanlagen Saprobie  Intensität des Abbaus organischer
der Braunkohlenindustrie der DDR wurde die Substanzen durch Stoffwechselvorgänge in
Braunkohlesanierung mit dem Bergbauunter- einem Gewässer.
nehmen LMBV als Projektträger etabliert. Schaufelrad  Kontinuierlich arbeitende Vorrich-
Sanierungsfläche  Im Kartenwerk erfasste, tung an einem Schaufelradbagger mit der durch
durch den Bergbau in Anspruch genommene um ein Rad laufende Schaufeln das Gestein aus
Grundstücke mit Freistellungsverträgen. dem Gebirgsverband gelöst, aufgenommen und
Soweit auf einer in die Freistellungsliste auf ein Förderband übergeben wird.
670 Glossar

Schaufelradbagger  Kontinuierlich arbeiten- infolge der bei der Verkippung entstehenden


des Tagebaugroßgerät zur Gewinnung von lockeren Lagerung in Kippen besonders groß.
Abraum und/oder Rohstoff (kleinere Geräte In Kippen ist zu differenzieren in Eigenset-
auch untertage). Eignen sich für die selektive zungen, Sackungen infolge Grundwasseran-
Gewinnung. Sehr hohe Tagesleistungen bis stieg bzw. -wiederanstieg und Lastsetzungen
240.000 m3 möglich. infolge zusätzlicher Auflast durch Bauwerke
Schluff  (engl.: Silt) Unverfestigter Feinboden o.ä.
(Lockergestein), der zu mindestens 95  % Setzungsfließen  Plötzliches Fließen (Rut-
aus Komponenten mit einer Korngröße von schung) von Böschungen, dessen Eintreten
0,002 mm bis 0,063 mm besteht. auf die spontane Verflüssigung sandiger,
schluffig  Gestein, das Schluff enthält. hochgradig oder völlig wassergesättigter,
Schreitwerk  Vorrichtung zum Versetzen von gekippter Lockergesteine geringer bis mittle-
Geräten im Tagebau (Bandantriebsstationen, rer Lagerungsdichte infolge des Anstieges des
semi-mobile Brecher, Schürfkübelbagger) Porenwasserdruckes bei Scherdeformation
mittels unterschiedlich angetriebenen Schreit- durch äußere und/oder innere Einwirkungen
füßen (-kufen). (Erschütterung, plötzliche Belastungs-/Span-
Schürfkübelbagger  Diskontinuierlich arbeiten- nungsänderungen etc.) zurückzuführen ist.
des Tagebaugroßgerät, in der Regel für den SGB (Sozialgesetzbuch) (1) Die §§ 260 ff.
Direktversturz von Abraum. Die Abraum- SGB Teil III (Förderung von Arbeitsbeschaf-
gewinnung erfolgt mittels seilgeführtem fungsmaßnahmen) bilden die Grundlage
Schürfkübel. zur Bezuschussung von Trägern der ABM.
Schüttgut  Lockeres Material, z. B. vom Die Förderung erfolgt mit dem Ziel, von der
Gebirgsverband gelöster feinkörniger/ -stü- Arbeitsagentur zugewiesene Arbeitnehmer zu
ckiger Abraum und Rohstoff. beschäftigen und zusätzliche, im öffentlichen
Schutzdamm  Bepflanzter, künstlich aufge- Interesse liegende Arbeiten durchzuführen.
schütteter Erdwall; schützt die Gemeinden im In den Maßnahmen können die Arbeitneh-
Umfeld der Tagebaue, indem er Lärm- und mer durch die Arbeiten beruflich stabilisiert
Staubimmissionen reduziert. oder qualifiziert werden, um deren Einglie-
Sediment  In Schichten abgelagerte Verwit- derungsaussichten in den 1. Arbeitsmarkt zu
terungsprodukte von Gesteinen. Nach dem verbessern (s. AMB). (2) SGB III §§ 272 ff.
Ablagerungsraum werden marine (im Meer) (Arbeitsförderung) bilden die Grundlage der
und terrestrische (auf dem Festland) und nach Bezuschussung von Trägern der Strukturan-
dem Transportmedium fluviatile (in Fließge- passungsmaßnahmen (SAM). Die Förderung
wässern), limnische (in Seen), äolische (durch erfolgt mit dem Ziel, von der Arbeitsagentur
Wind) und glazigene (durch Eis) Sedimente zugewiesene Arbeitnehmer zu beschäftigen,
unterschieden. neue Arbeitsplätze zu schaffen bzw. durch
Selbstbindungsbeschluss  Durch Beschlussfas- Personalanpassungsmaßnahmen entstehende
sung in der Kommunalvertretung ergangene Arbeitsplatzverluste auszugleichen. Es wer-
Entscheidung einer Stadt oder Gemeinde, eine den maßgebliche Aussagen zu förderfähigen
nicht rechtsverbindliche (informelle) Planung Maßnahmen, zur Förderungsbedürftigkeit
( Nutzungskonzept) zur bindenden Grundlage von Arbeitnehmern und deren Zuweisung, zur
der orientierenden und verbindlichen Bauleit- Höhe der Förderung sowie zur Dauer der För-
planung zu machen. derung getroffen.
Setzung  Vertikale Lageveränderung im Locker- Sohle  Teil des Bergwerkes in einer bestimmten
gestein durch Verringerung des Porenvolu- Höhenlage, z. B. Arbeitsebene im Tagebau
mens als Folge der Erhöhung der wirksamen bzw. Teil des Grubenbaus im Tiefbau.
Vertikalspannung. Können in gewachsenen söhlig  horizontal, flach
und gekippten Böden auftreten, sind aber
Glossar 671

Sonderbetriebsplan  Betriebsplan gemäß § 52, nutzungsstandards durch den Einsatz von


Abs. 2/2 BBergG für bestimmte Teile des Mitteln der öffentlichen Hand und von priva­
Betriebes oder für bestimmte Vorhaben. ten Mitteln, um zügig Investitionen, Ansied­
Spaltungsvertrag  In Verbindung mit der Priva­ lungen und Vermarktungen zu ermöglichen
tisierung abgeschlossener Vertrag zur Spal­ sowie den wirtschaftlichen Strukturwandel
tung des ostdeutschen Braunkohlenbergbaus in Regionen zu fördern. Vorbereitende Inst­
in privatrechtlich weiter zu betreibende Teile rumente dafür sind insbesondere Standortent­
und den stillzulegenden und in Verantwortung wicklungskonzeptionen, Nutzungskonzepte,
des Bundes zu sanierenden und wiedernutzbar integrierte Rahmenplanungen und planerische
zu machenden Teil. Festsetzungen in Bauleitplanungen. Die Vor­
Sprengverdichtung (SPV)  Verdichtungsver- bereitung und Durchführung von Maßnahmen
fahren, bei dem in mit Stützflüssigkeit gefüll­ erfolgt im Interessenabgleich mit Gebietskör­
ten Bohrlöchern über die Teufe verteilte und perschaften und setzt entsprechende Planun­
vorgegebene Sprengladungen eingebaut und gen in Kommunen, Regionen und Ländern
systematisch gezündet werden. Eignet sich voraus.
besonders zur Verdichtung von Kippenböden Standortraum  Gebiet mehrerer aneinander
mit einem Feinkornanteil von < 20 %, einer angrenzender und in einem unmittelba­
hohen Wassersättigung (unterhalb des Grund- ren Entwicklungszusammenhang stehender
wasserspiegels) und bereits bestehender Set­ Standorte.
zungsfließgefahr ( Setzungsfließen). Standsicherheit  Sicherheit, die gewährleistet,
Sprung  Geologische Störung ( Verwerfung); dass eine Böschung oder ein Böschungssys­
vertikale, selten auch horizontale Verschie­ tem nicht zu Bruch geht. Sie resultiert aus
bung im Aufbau der Erdkruste dem Verhältnis von Kräften, Momenten oder
Stand der geotechnischen Sicherheit Doku­ Spannungen, die im Böschungskörper einem
ment, das für jedes Sanierungsobjekt erarbei­ Bruch entgegenwirken, zu denen, die einen
tet wird und Aussagen zum jeweiligen Stand Bruch begünstigen bzw. bewirken können. Ihr
und zu Schwerpunkten der geotechnischen numerischer Wert wird durch die Größe des
Sicherheit enthält. Er ist u. a. Grundlage für Standsicherheitskoeffizienten ausgedrückt.
die Beratung des Tagebausicherheitsaktiv Standsicherheitsuntersuchung/-berechnung
(TSA) bzw. Geotechnisches Sicherheitsaktiv Bodenmechanischer Standsicherheitsnach­
(GSA). weis, eine bodenmechanische Standsicher-
Standort  In der Braunkohlesanierung das heitseinschätzung oder eine bodenmechanische
Gebiet einer Bergbaufolgelandschaft, dessen Stellungnahme.
räumliche Ausdehnung durch bergbauliche, Stauhaltung  Künstlich erzeugte Verzögerung
sanierungstechnische und eigentumsrechtli­ des Abflusses durch Querbauwerke (z. B.
che Grenzen sowie raumstrukturelle Aspekte Dämme, Wehre). Dient unterschiedlichen
bestimmt ist. Ein Standort wird regelmä­ Zwecken, wie Wassergewinnung, Elektroener­
ßig durch einen ehemaligen Tagebau oder gieerzeugung usw. Die entstehenden Rück­
einen früheren Veredlungsstandort und deren stauzonen werden als Stauraum bezeichnet.
Umfeld gebildet. Steuerungs- und Budgetausschuss der
Standortentwicklung  Prozess zur Schaffung Braunkohlesanierung (StuBA)  Entschei­
von Voraussetzungen und Angeboten für die dungsgremium zur Umsetzung des „Ver­
Aktivierung von Standortpotentialen (Fläche, waltungsabkommens über die Regelung der
bauliche Anlagen, Netze und Anlagen der Finanzierung der ökologischen Altlasten“ im
technischen und verkehrlichen Infrastruktur) Bereich der Braunkohle. Ist paritätisch mit
sowie zur Erreichung günstiger Standortbe­ Vertretern des Bundes und der Braunkohlen-
dingungen für Unternehmen. Kernpunkt ist länder besetzt und fasst seine Beschlüsse ein­
die Entwicklung wettbewerbsfähiger Folge­ stimmig. Der Vorsitz wird gemeinsam von
672 Glossar

BMF und BMU wahrgenommen. Aufgaben Tagebaurestloch  (Tagebaurestraum) Teil des


sind unter anderem: Prioritätensetzung in der Tagebaus, der nach dem Abbau des Rohstoffs
Sanierungsplanung, Billigung der Gesamt- nicht bis zur Geländeoberfläche verkippt ist
planung für die Sanierung, Genehmigung und damit offen bleibt und von Böschungen
der Finanzierungsanträge, Genehmigung der umgeben ist. Lage und Größe richten sich
Finanzierungsrechnung, Controlling und Ver- z. B. nach Abbautechnologie und A:K-Ver-
wendungsnachweisprüfung. Die fachliche hältnis. Hierzu zählen z. B. die Endstellungen
Zuarbeit leistet die Bund-Länder-Geschäfts- von Tagebauen mit Direktversturztechnologie
stelle für die Braunkohlesanierung. und Randschläuche.
Stollen  Söhliger Zugang zum unterirdischen Tagebaurestsee  Durch Grundwasseranstieg und/
Grubenbau. oder Flutung wassergefülltes Tagebaurestloch
Strosse  Arbeitsbereich ( Arbeitsebene und (s. Bergbaufolgesee).
Böschung) eines Tagebaugerätes mit zuge­ Tagebausicherheitsaktiv (TSA)  Gremium von
ordnetem Fördermittel. Fachleuten, das in regelmäßigen Abständen
Strossenförderung  Förderung von Abraum die geotechnische Sicherheit analysiert und
und/oder Rohstoff mit Fördermitteln entlang bewertet. Es legt konkrete Maßnahmen zur
der Strosse. Gewährleistung der geotechnischen Sicher-
Substrat  (1) Nährboden, Untergrund und heit fest. Das TSA wird im Sanierungsberg-
Besiedlungsfläche für Organismen. Kann bau auch Geotechnisches Sicherheitsaktiv
aus organischen (auch lebende Organismen) (GSA) genannt.
und anorganischen Materialien bestehen. (2) Tagesanlagen  Zentraler Bereich am Tage-
Geologische Ausgangsgesteine, die an der baurand, in der Regel mit Umkleide- und
Kippenoberfläche verkippt werden und das Waschräumen, Büros, Parkplätzen, Betriebs-
Ausgangsmaterial für die Bodenbildung sind. feuerwehr, Sanitätsstation, Werkstätten und
Sukzession  Auf natürlichen Faktoren beru- Magazin.
hende Ansiedlung, Entwicklung und Verbrei- TBK  Trockenbraunkohle
tung von Pflanzen- und Tiergesellschaften an Teilgebietsentwicklungsprogramm, regiona-
einem Standort, z. B. sich weitgehend selbst les  In Sachsen-Anhalt ein wichtiges Koor-
überlassenen Teilen der Bergbaufolgeland- dinierungsinstrument zur Vorbereitung und
schaft. Das zunächst gestörte ökologische Abstimmung von Entscheidungen der Regio-
Gleichgewicht des Standortes wird dadurch nalplanung zur Umstrukturierung und zum
im Laufe der Zeit ausgeglichen. Neuaufbau der Wirtschaft, Schaffung einer
Sukzessionsfläche  Fläche, auf der die Sukzes- modernen Infrastruktur sowie ökologischen
sion stattfindet. Sanierung als Grundlage für weitere Investi-
Sümpfung  Heben und Ableiten von Grundwas- tionen und zukunftssichere Arbeitsplätze.
ser zur Trockenhaltung von Tagebauen und Teilobjekt  Nach räumlichen und technisch-
Tiefbauen (s. Entwässerung). technologischen Kriterien abzugrenzende, zu
Sümpfungsmaßnahmen  Maßnahmen zur Ent- planende und abzurechnende Grundeinheit
fernung von Grund- und Oberflächenwasser der Braunkohlesanierung. Mehrere Teilob-
aus einem Tage- oder Tiefbau durch Hebung jekte bilden ein Sanierungsprojekt.
und Ableitung. Tertiär  Abschnitt der Erdgeschichte – begann
Tagebau  Teil der Erdkruste, in dem Rohstoffe vor ca. 65 Mio. Jahren und endete vor ca.
aus Lagerstätten von der Erdoberfläche aus 2,5 Mio. Jahren – auch Braunkohlenformation
in einer offenen Baugrube abgebaut werden. genannt.
Charakteristisch ist die Beseitigung von Deck- TEKTOview  Speziell für die LMBV entwickel-
gebirge und Abraum über dem Hangenden tes Desktop-GIS zur Visualisierung und Aus-
des Rohstoff, der die Wirtschaftlichkeit dieser gabe verschiedenster thematischer Geo- und
Bergbaumethode begrenzt (s. A:K-Verhältnis). Sachdaten.
Glossar 673

Teufe  Bergmännische Bezeichnung für Tiefe, Treuhandanstalt (THA)  1990 noch in der DDR
gemessen ab Geländeoberfläche. gegründete, später Anstalt des öffentlichen
Tiefbau  Teil der Erdkruste, in dem Rohstoffe Rechts des Bundes in Deutschland zur markt-
aus Lagerstätten untertage abgebaut werden wirtschaftlichen Privatisierung der Volkseige-
(s. Bergbaumethode). nen Betriebe bzw. zur geordneten Stilllegung
Tiefschnitt  Arbeitsweise eines Tagebaugerätes unwirtschaftlicher Unternehmen der DDR.
in der Gewinnung unterhalb der Arbeitsebene. Trophie  (trophisch: die Ernährung betref-
Tiefschüttung  Verkippung von Schüttgut, z.B. fend) Intensität der Produktion organischer
Abraum, unterhalb der Arbeitsebene Substanz durch die Photosynthese in einem
TOC  (engl.: total organic carbon) Gesamter Gewässer.
organisch gebundener Kohlenstoff. Der TOC Trophie-Ebene  Alle Mitglieder einer tro-
kennzeichnet zusammen mit dem Chemischen phischen Funktionsgruppe, wie Primär-
Sauerstoffbedarf (CSB) die Belastung eines produzenten, Primärkonsumenten und
Gewässers mit organischen Stoffen. Sekundärkonsumenten ( Nahrungskette).
Toxizität  Giftigkeit chemischer Substanzen Uferfiltration  Eindringen von Wasser aus Ober-
für Mensch, Tier und Pflanze. Es wird zwi- flächengewässern in den Untergrund. Spielt
schen akuter (bei einmaliger Aufnahme des z. B. eine Rolle bei der Trinkwasserversorgung.
Wirkstoffs), subakuter (bei wiederholter Auf- Umsiedlung  Verlegung von bewohnten Gebäu-
nahme innerhalb kurzer Zeit) und chronischer den und zugehöriger Infrastruktur aus dem
(bei Aufnahme über längere Zeit) Toxizität Vorfeld eines Tagebaues. Zuvor wird im
unterschieden. Braunkohlenplanverfahren geprüft, ob eine
Tragfähigkeit  Maß der Belastbarkeit von Umsiedlung notwendig ist. Ziel ist es, unver-
Arbeitsebenen, Bermen, Rampen, Fahr- und meidbare Umsiedlungen in enger Partner-
Transporttrassen, Böschungsbereichen all- schaft mit den Bürgern vorzubereiten und
gemein (z. B. Uferbereiche) sowie Gelän- durchzuführen; d. h. die Bürger sind in jede
deflächen. Sie ist ausschlaggebend für die Phase der Umsiedlung aktiv einbezogen.
Begeh- und Befahrbarkeit, Gerätestandsicher- Umweltschutz  Gesamtheit der Maßnahmen zur
heit und Bauwerkssicherheit. Im Rahmen des Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen
Sanierungsbergbaus bezieht sie sich insbe- und der Gesundheit des Menschen einschließ-
sondere auf das Betreten von Kippenflächen lich ethischer und ästhetischer Ansprüche vor
mit geringem Grundwasserflurabstand bzw. schädigenden Einflüssen von Landnutzung
von unter der Wasseroberfläche liegenden und Technik.
Kippenarealen (Trittsicherheit). Umweltverträglichkeitsprüfung  Planungsprozess
Träger öffentlicher Belange (TÖB)  Verwalter zur systematischen und vollständigen Ermitt-
öffentlicher Sachbereiche (Behörden, öffentli- lung der ökologischen Folgen eines Projektes.
che Unternehmen), deren Einbeziehung bzw. Sie umfasst die Ermittlung, Beschreibung und
Anhörung bei der Planung und Vorbereitung Bewertung der Auswirkungen eines Vorha-
bestimmter Bauvorhaben, bspw. im Rahmen bens, bei dem mit erheblichen Auswirkungen
der verbindlichen Bauleitplanung gemäß § 4 auf die Umwelt zu rechnen ist: auf Men-
BauGB gesetzlich vorgeschrieben ist, soweit schen, Tiere und Pflanzen, Boden, Wasser,
deren Aufgabenbereich durch die Planungen Luft, Klima und Landschaft. Ihr unterliegen
berührt wird. Vorhaben, wie z. B. Errichtung und Betrieb
Trennfläche  Horizontales geometrisches Ele- von Anlagen, die der Genehmigung nach
ment im Tagebau. Begrenzt Böschungen an § 4 Bundesimmissionsschutzgesetz bedür-
der Ober- und Unterkante. Bei mehreren fen. Hierzu zählen u. a. Errichtung, Betrieb,
Böschungen Teil des Böschungssystems. Dazu Stilllegung und der sichere Einschluss oder
gehören z. B. Arbeitsebenen und Bermen. der Abbau einer ortsfesten kerntechnischen
Anlage, Errichtung und Betrieb einer Abfall-
674 Glossar

entsorgungsanlage, einer zulassungsbedürf- men, dass eine geordnete Zusammenarbeit


tigen Abwasserbehandlungsanlage, Bau und gewährleistet ist (§ 59 Abs. 2).
Änderung einer Bundesfernstraße oder Bun- Verdingungsunterlagen  Gesamtheit der bei
desbahnlinie, etc. der Vergabe öffentlicher Aufträge erfor-
Untergrundreaktor  In den Boden einge- derlichen Dokumente als Grundlage der
brachte technische Anlage z. B. zur geoche- Vergabeentscheidung. Dazu gehören vor
mischen Behandlung durchströmenden sauren allem die Leistungsbeschreibung und die
Grundwassers. Vertragsbedingungen.
unverritzt  nicht (im Tagebau) abgebaut, Veredlungsbetrieb  Industriebetrieb zur Wei-
ursprünglich erhalten terverarbeitung, hier von Rohbraunkohle,
Übergabestation  Anlage zur Weitergabe zu Braunkohlenbriketts, Braunkohlen-
(Übergabe) des Fördergutes zwischen zwei staub, Stadtgas, Koks u. a. karbochemischen
Bandanlagen. Produkten.
Verantwortliche Person Beruhend auf der Verfüllung  (von bergbaulichen Hohlräumen)
Erwägung, dass die Gefahren, die mit dem Beseitigung unterirdischer Hohlräume durch
Abbau von Bodenschätzen in der Regel ver- Einbringen geeigneter Stoffe mit den Zielen:
bunden sind, nur durch eine sachkundige, a) Gewährleistung der Sicherheit der Tages-
von den Regeln der Bergtechnik geleitete oberfläche, b) Verhinderung unerwünschter
Betriebsführung und durch genaue Befolgung hydraulischer Verbindungen, c) Verhinderung
bergbehördlicher Vorschriften entscheidend des Eindringens von Schadstoffen ins Erd-
vermindert werden können, sieht das BBergG reich oder Grundwasser auf den durch Boh-
in seinen §§ 58 ff. die Bestellung verantwort- rungen vorgegebenen Migrationswegen.
licher Personen vor. Die verantwortlichen Verkippung  Prozess im Bergbau zur Ablage-
Personen tragen die verwaltungsrechtliche rung von Schüttgut, insbesondere von Abraum
Verantwortung für die Erfüllung der Pflichten, im Tagebau (s. Kippe).
die sich für die ordnungsgemäße Errichtung, Versatz  Verfahren zur Verfüllung von im Tief-
Führung und Einstellung eines Betriebes ins- bau entstandenen unterirdischen Hohlräumen.
besondere aus dem BBergG, aus Bergverord- Verschrottung  Zerlegung metallischer oder
nungen, aus Verwaltungsakten, zugelassenen nichtmetallischer Anlagen und Geräte.
Betriebsplänen usw. ergeben. Bei der ver- Versteckter Damm  In die Tiefe durch Massen-
waltungsrechtlichen Verantwortung wird an verdichtung hergestellter streifenförmiger
die betrieblich-unternehmerische Verantwor- Kippenkörper
tungsstruktur angeknüpft. Dem gemäß trifft Verwaltungsabkommen  (über die Regelung
den Unternehmer bzw. die vertretungsberech- der Finanzierung ökologischer Altlasten-VA
tigten Personen als geborene verantwortliche Altlastenfinanzierung, VA I) Regelt in der
Personen eine umfassende Verantwortung. Fassung vom 1. 12. 1992 die Finanzierung
Personen, die vom Unternehmer zur Leitung und die Organisation der Braunkohlesanie-
oder Beaufsichtigung eines Betriebes oder rung im Zeitraum von 1993 bis 1997 zwischen
Betriebsteiles bestellt sind, tragen dagegen den beteiligten Bundesländern Brandenburg,
verwaltungsrechtliche Verantwortung nur im Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen
Rahmen der ihnen übertragenen Aufgaben sowie dem Bund. Für den Zeitraum 1998 bis
und Befugnisse. Verantwortliche Personen 2002 wurde das Ergänzende Verwaltungsab-
im Sinne des § 58 Abs. 1 Nr. 2 sind in einer kommen (VA Braunkohlesanierung VA II), den
für die planmäßige und sichere Führung des Zeitraum 2003–2007 das Zweite ergänzende
Betriebes erforderlichen Anzahl zu bestellen. Verwaltungsabkommen (VA III Braunkohle-
Die Aufgaben und Befugnisse der verantwort- sanierung) und für den Zeitraum 2008–2012
lichen Personen sind eindeutig und lückenlos das Dritte ergänzende Verwaltungsabkommen
festzusetzen sowie so aufeinander abzustim- (VA IV Braunkohlesanierung) erlassen. Das
Glossar 675

Vierte ergänzende Verwaltungsabkommen ist trochemischen Aufbereitung schwefelsaurer,


für den Zeitraum 2013–2017 in Kraft. eisenhaltiger Wässer aus dem Sedlitzer See
Verwendungsnachweis  Dient im öffentlichen VOB  Vergabe- und Vertragsordnung für
Bereich dem Nachweis, dass die überwiese- Bauleistungen
nen Gelder gemäß dem Zuwendungszweck VOF  Verdingungsordnung für freiberufliche
eingesetzt, also verwendet wurden. Die Kern- Leistungen
fragen lauten: In welcher Höhe wurden Gel- VOL  Verdingungsordnung für Leistungen (aus-
der überwiesen? An wen wurden diese Gelder genommen Bauleistungen)
ausgezahlt? Wofür wurden die Gelder aus- Vor- und Entwurfsplanung Planungsstufen
gezahlt? Wurde der Zuwendungszweck ein- zur Ermittlung der wirtschaftlichsten techno-
gehalten? Nach Abschluss eines Teilobjektes logischen Alternative aufgrund einer über-
bzw. eines Sanierungsprojektes ist ein Teilob- schlägigen Planung für Kosten, Arbeitnehmer,
jektnachweis bzw. ein Verwendungsnachweis Mengen und Zeiten, die in die jährliche Über-
zu erstellen. arbeitung der Projektplanung eingeht.
Verwerfung  Geologische Störung; vertikale, Vorfeld  Innerhalb der genehmigten Feldesgren-
selten auch horizontale Verschiebung im Auf- zen für den Abbau vorgesehener Bereich an
bau der Erdkruste der Geländeoberfläche. Vor der Abgrabung
Verwertung  Übertragung von (sanierten bzw. oder Überkippung ist das Vorfeld für den nor-
nicht zu sanierenden) Liegenschaften, malen Betrieb entsprechend frei zu machen,
Objekten und Teilflächen an Dritte durch Ver- z. B. von Wald, Straßen, Fundamenten usw.
kauf oder andere gesetzlich vorgesehene Ver- Vorfluter  Natürliche oder bergbaubedingte
fahren (z. B. Kommunalisierung, Restitution). Fließgewässer von wasserwirtschaftlicher
Voraussetzung für die Verkaufsfähigkeit ist Relevanz für den Bergbau, z. B. zur Wasser-
neben der sanierungsbedingten Verfügbarkeit entnahme oder –einleitung.
die Klärung von Restitutionsansprüchen sowie Vorschnitt  Oberhalb des im Direktversturz
die Klärung von Chancen und Bedingungen arbeitenden rohstofffreilegenden Schnittes,
der Folgenutzung, insbesondere der plane- z. B. einer Abraumförderbrücke, weitere/r
rischen Voraussetzungen für eine Folgenut- angeordnete/r Abraumschnitt/e zum Abtrag
zung. In Ausnahmefällen erfolgt vorher eine des Deckgebirges bis zur Rasensohle.
Standortaufwertung. Zwischenformen sind Wasserbau  Baumaßnahme, die die Nutzung
Vermietung und Verpachtung. Die Verwertung des Wassers durch den Menschen ermöglicht,
von Sanierungsflächen sowie die Verwaltung das Land vor überflüssigem oder schädlichem
der bei deren Verwertung erzielten Erlöse ist Wasser oder auch vor Austrocknung schützt,
gemäß dem "Gemeinsamen Positionspapier – mit dessen Hilfe aus Meeren oder Sümpfen
von Bund und Braunkohlenländern zur lang- Neuland gewonnen wird und den Menschen
fristigen Finanzierung und Organisation der und seine Umwelt vor den Wirkungen der
Braunkohlesanierung" vom 11.10.1994 eine Wasserverschmutzung oder des Hochwassers
gesonderte Aufgabe des Sanierungsträgers. schützt.
Verwertungserlöse  Erlöse, die im Rahmen der Wasserbeschaffenheit  Eigenschaften des Was-
Verwertung von Sanierungsflächen abzüglich sers durch physikalische, chemische,
direkt zuordenbarer Aufwendungen erzielt mikrobiologische und biologische Parameter
wurden. Waren eine Finanzierungsquelle im sowie beschreibende Begriffe.
Rahmen des Verwaltungsabkommens (VA I) Wassergüte/-qualität  Bewertung der Wasser-
bzw. des Ergänzenden Verwaltungsabkom- beschaffenheit, z. B. Trinkwasser, Badewas-
mens (VA II). ser, Kesselspeisewasser
VKTA-Anlage  Im Bereich der Grubenwas- Wasserhaushalt  Charakterisiert in den Gren-
serreinigungsanlage Rainitza geplantes, zen eines Einzugsgebietes die Hauptparame-
errichtetes und betriebenes System zur elek- ter Niederschlag, Verdunstung, Versickerung,
676 Glossar

Abfluss und Rückhalt. Aus diesen Parametern über alle Phasen der Bergbautätigkeit, von der
lässt sich eine Bilanz in Form der Wasserhaus- Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung
haltsgleichung aufstellen. der Bodenschätze bis zur Flächenherrichtung.
Wasserscheide  Grenzlinie, von der aus das Was- Planerisch und genehmigungsrechtlich ver-
ser nach verschiedenen Richtungen abfließt. bindlich gemacht wird sie in den verschiede-
Die oberirdische (topographische, orographi- nen bergrechtlichen Betriebsplänen.
sche) muss nicht mit der tatsächlichen hydro- Wirbelschichtbraunkohle  Veredlungsprodukt
logischen übereinstimmen. der Braunkohle. Brennstoff für mittlere
Wasserwirtschaft  Zielbewusste Ordnung aller bzw. große Feuerungsanlagen mit höherem
menschlichen Eingriffe auf das ober- und Heizwert und geringerem Wassergehalt als
unterirdische Wasser bezüglich Menge, Güte Rohbraunkohle.
und Ökologie. worst case  schlimmster Fall, der in Zukunft ein-
Wasserwirtschaftliche Maßnahmen Gesamt- treten kann
heit aller Maßnahmen zur Wiederherstellung ZTV (Zusätzliche Technische Vertragsbedin-
(Rehabilitation) des Wasserhaushalts. Dazu gungen)  Bestandteil der Vergabeunterlagen.
gehören Gräben, Vorfluter, Seen, Biotope, Zuwendungsbescheid  Verwaltungsakt, der
Staueinrichtungen und Regelorgane. über einen rechtlich eigenständigen Anspruch
Wasserwirtschaftliche Nachsorge, bergbau- (ggf. mit Haushaltsvorbehalt) die Förde-
bedingte  Beginnt nach der Herstellung eines rung von Aufgaben des Empfängers mit
Bergbaufolgesees und nach dem Erreichen des öffentlichen Mitteln regelt. Diese Förderung
unteren Zielwasserstands im See. Sie beinhal- unterliegt gewissen Bedingungen, u. a. der
tet die über die Erhaltungsmaßnahmen an Sachbezogenheit dieser Mittel. Die Bedingun-
einem natürlichen See hinausgehenden Auf- gen sind zum Teil in den allgemeinen Neben-
wendungen für die Sicherung und Pflege der bestimmungen des Zuwendungsbescheides
Uferböschungen, für das Warten und Instand- niedergelegt. Ist die rechtliche Grundlage für
halten von wasserwirtschaftlichen Anlagen, den Zuwendungsempfänger, durch den er ein
für das Stabilisieren der Gewässergüte sowie Anrecht auf die öffentlichen Fördermittel hat
für das Monitoring von Wasserstand und Was- und kann durch den Zuwendungsempfänger
sergüte im Gewässer und im angrenzenden eingeklagt werden. Erhält der Sanierungsträ-
Gebirge. ger LMBV bei der Finanzierung der Sanierung
Wertstoffrichtlinie  Regelt die finanzielle ökologischer Altlasten vom Bund und den
Behandlung der bei der Sanierung anfallenden Ländern Brandenburg, Sachsen, Sachsen-An-
Wertstoffe. halt und Thüringen.
Wiedernutzbarmachung  Gemäß BBergG die zuwendungsmindernd  Begriff aus dem
ordnungsgemäße Gestaltung der vom Berg- Zuwendungsrecht des Bundes bzw. der Län-
bau in Anspruch genommenen Oberfläche der, der einen, die vorgesehene Zuwendung
unter Beachtung des öffentlichen Interesses. an den Zuwendungsempfänger um diesen
Eine ordnungsgemäße Gestaltung der Ober- Betrag reduzierenden Finanzierungsbestand-
fläche liegt vor, wenn die vom Bergbau in teil bezeichnet (z. B. Eigenanteil).
Anspruch genommenen Flächen so herge- Zwischenmittel  Abraumschicht zwischen zwei
richtet werden, dass sie sich für eine andere Flözen oder im Flöz (s. Mittel).
sinnvolle Nutzung eignen. In diesem Sinne
sind z. B. Vorrangflächen bzw. Renaturie-
rungsflächen für den Naturschutz (für die
ordnungsgemäße Naturschutznutzung) auf
Kippenstandorten einbezogen, selbst wenn
sie nicht mehr technisch und biologisch über-
formt bzw. gestaltet werden. Sie erstreckt sich
Sachverzeichnis

A Altlasten
Aal 560 Bearbeitung 438
Abfallentsorgung 252 Finanzierung 103
Abflussdauerlinie 340 ökologische 4, 19, 96
Ablagerung, glaziofluviale 58 Altlastenkataster 16, 456, 491
Abprodukt Altlastensanierung 96, 456, 461
flüssiges 484 Altlastverdachtsfläche 442
thermisches 426 Altstandort, industrieller 609
Abproduktenhalde 483 Aluminiumpuffer 294, 296
Abraumbeseitigung 45, 201 Ammoniakwasser 431
Abraumbewegungen 92 Ammonium 481
Abraumförderbrücke 44, 48, 71 Analyse, bergschadenkundliche 383, 390, 391
Abraumgewinnung 46, 70 Anhydritkörper, zechsteinlicher 63
Abraumtransport 48 Aqua Terra 597
Abraumverkippung 49 Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen 102
Abriss 451 Architektur 586
Brikettfabrik 451 Aufforstungsplanung 520, 521, 529
nachnutzungsbezogener 454 Auslaufbergbau 16, 20, 104
ohne konkrete Nutzungsanforderung 451 Abraumgewinnung 21
Abschlagbauwerk 347 Briketterzeugung 21
Abschlussbetriebsplan (ABP) 22, 84 Stauberzeugung 22
Absenkungsprozess 42 Stromerzeugung 22
Absetzerkippen 244 Außenkippe 53
Acidität 327, 347, 357, 358 Autotrophie 360
Aerationszone 443
Agrarfläche 510
Agrarraum, naturbedingter 42 B
Airborne Laser Scanning 493 Bagger-Absetzer-Kombination 48
Alkalinisierung 363 Barriere, geotechnische 255
biogene 358 Barsch 560
Alkalinität 349, 358 Bärwalder See 375
Alkalinitätsproduktion 359 Basalt 199
Alkoholwäsche 465 Baufeldfreimachung 455
Alley Cropping 532 Baugrube, Verdichtungsgrad 441
Allgemeine Bundesbergverordnung (ABBergV) 81, 85 Baugrundrestrisiko 248
Altablagerungen 122 Baugrundverbesserung, Vorbelastung 250
Altbergbausanierung 394, 413 Baugrundvergütung 249
Gefährdungskategorien 401 Bautagebuch 394
Versatzmaßnahmen 394 Bebauung, Grenztragkraft 249
Altenburg-Zeitzer-Lössgebiet 60 Begleitwuchsregulierung 527

C. Drebenstedt, M. Kuyumcu (Hrsg.), Braunkohlesanierung, 677


DOI 10.1007/978-3-642-16353-1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
678 Sachverzeichnis

Benjeshecke 526 hydrochemische Modellierung 320


Benzo[a]pyren 434 sozialpolitische Ziele 28
Benzol 431, 434 Bergbausanierungsgebiet, Flurneuordnung 606
Bergaufsicht 80, 81, 141, 642 Bergbausanierungsgesellschaft 118
Haftungsfragen 644 Bergbauschutzgebiet 15, 75
Nachbetriebsphase 84 Bergbehörde 22, 81, 136
Nachweis des Sanierungserfolges 192 Bergmännisches Risswerk 419
Bergbaualtlasten 26 Bergrecht 74, 80, 133
Bergbaufläche 10 Versatzmaßnahmen 410
Vermarktung 642 Berzdorfer Becken 199
Bergbaufolgegebiet, Gefahrenabwehr 228 Besiedlung neuer Lebensräume 547
Bergbaufolgegewässer 26 Besiedlungsprozess, spontaner 496
Wasserbeschaffenheit 27 Bestandesbegründung durch Saat 524
Bergbaufolgelandschaft 121, 122, 490, 496 Besucherbergwerk 602
Biotope 542 Beteiligungs-Management-Gesellschaft Berlin 113
Endwasserflächen 648 Betriebsplanverfahren 25, 83, 86
Entwicklungspotenziale 541 Bewegungen, epirogenetische 61
Forschungsprojekte 553 Biodiversität 39
Geologie 32 Biomasseproduktion 489
Nachnutzung 590 Biophärenreservat 566
naturgebundene Erholungsnutzung 556 Bioreaktor 448
ökosystemare Bedeutung 488 Biotop 490, 500, 517, 542
Pionierwälder 544 Biotopmosaik 543, 549
Planung der Folgenutzung 580 Biotoptypenschlüssel 493
Planungsprozess 595 Biotopverbund 555
Sondernutzungen 582 Bioventing 465
spontaner Besiedlungsprozess 496 Biowashing 465
umweltgerechten Gestaltung 304 Bitterfelder Flöz 282
Wiederherstellung des Wasserhaushaltes 267 Bitterfelder Glimmersande 282
Wohnbauflächen 634 Bitumen 430
Bergbaufolgesee 19, 266, 583 Bitumendichtung 446
Acidität 295 Blockverhieb 48
als wasserwirtschaftlicher Speicher 271 Blößen 526
Beckenmorphologie 298 Boden
Beschaffenheit 274 Ertragspotenzial 516
chemische Behandlung 349 Feinkornanteil 153
chemische Neutralisation 351 In-Situ-Dekontamination 447
Flutungswasser 270 Schadstoffbehandlung 448
Füllung 331 Verdichtungsverhalten 178
Gewässerbeschaffenheit 303, 305 Wasserdurchlässigkeitsbeiwert 157
höherwertige Nutzung 631 Wiederherstellung 499
hydrogeochemische Genese 288 Bodenaushub 463
hydrogeologische Großraummodelle 304 Bodenbearbeitung 512
In-Lake-Behandlung 307 Bodenbewehrung 250
Limnologie 298 Bodenerosion, Maßnahmen zur Vermeidung 515
limnologische Randbedingungen 301 Bodenfruchtbarkeit 515, 516
Phasen der Entstehung 373 Bodenfunktion 93
Pufferung 294 natürliche 500
saurer 291 Bodenkontamination 437, 443, 461
Uferzonen 28 In-Situ-Sanierung 465
Verflechtung 338 Sicherung und Sanierung 445, 463
wasserwirtschaftliche Nachsorge 372 Bodenlösung 93
Wasserzuführung 269 Bodenluft 93
Wiederversauerung 294 Bodenluftabsaugung 446
Bergbaufreiheit 80 Bodensanierung 444
Bergbaugebiet, kommunale Bauleitplanung 588 Bodenschutz 93
Bergbauimmobilie 638 Bodenschutzrecht 93
Bergbausanierung 242, 490, 585 Verhältnis von Bergrecht 93
Erschließung 616 Bodensubstrat 40
Folgenutzungsinvestitionen 616 Bodenumlagerung 446
Sachverzeichnis 679

Bodenwäsche 448 Braunkohlenländer 29


Böschung Bevölkerungsentwicklung 29
Abstützung 167 Braunkohlenplanung 75, 133
gewachsene 193, 222 als raumordnerische Aufgabe 75
hydromechanische Selbstgestaltung 222 Freistaat Sachsen 78
hydromechanische Stabilität 181 in den berührten Ländern 76
ingenieurbiologischer Verbau 184 Land Brandenburg 76
Sicherung durch Verbau 222 Land Sachsen-Anhalt 78
Standsicherheit während der Flutung 205 Praxis 80
Standsicherheitsnachweise 197 Braunkohlenrevier
Verbaumaßnahmen 209 Geiseltal 284
Böschungsbewegung 203, 230, 236 Lausitz 31, 35
Ursachenforschung 237 Mitteldeutschland 35, 495
Böschungsbruch 164 Nachterstedt/Schadeleben-Königsaue 286
auf kreiszylindrischen Prüfflächen 206 Niederlausitz 275
Böschungsgestaltung 196, 555 Nordraum Leipzig 281
Böschungsneigung 211 Oberlausitz 279
Böschungssanierung 235 regionale Hydrogeologie 274
Böschungssicherung 137, 196, 221 Südraum Leipzig 279
Böschungsstabilität 132, 143 Wulfersdorf/Helmstedt 287
Nachweis 151 Braunkohlenschluff 475
Böschungsstandort, terrestrischer erosionsgefährdeter 534 Braunkohlentagebausee
Brachflächenrecycling 581 Bewirtschaftung 566
Brandharz 431 Fischartengemeinschaften 558
Braunerde, saure 38 Fische und Fischerei 557
Braunkohle fischereiliche Nutzungsformen 568
chemisch-physikalische Eigenschaften 429 Verpachtung 566
thermische Behandlung 430 Braunkohlentiefbau, Versatzmaßnahmen 234
thermische Veredlungsprozesse 430 Braunkohlenverarbeitung, Schadstoffe 10
Braunkohlenabbau 8 Braunkohlenveredlung 8
Braunkohlenabraumkippen, Grundwasserbeschaffenheit Sanierung von Altablagerungen 480
127 Braunkohlenverstromung 15
Braunkohlenausschuss 15 Braunkohlesanierung 3, 4, 15, 340
Braunkohlenbergbau Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen 102
Filterbrunnen 395 Aufgaben 18
Streckenentwässerung 384 Ebenen 97
Wasserhaushalt 87 Erhalt von Arbeitsplätzen 29
Braunkohlenbohrung 402 Finanzierung 19, 95, 102, 104
Braunkohlenbrikett 8, 431 Forschung 121
Braunkohlenfilterasche 502 Gesamtsteuerung 111
Braunkohlenfilteraschesuspension 234 gesellschaftliche Rahmenbedingungen 7
Braunkohlenförderung 9 Grundlagen 73
Braunkohlenformation in der DDR 8
ältere subherzyne 62 inhaltliche Schwerpunkte 99
Lausitzer 62 Kosten 107
Braunkohlengewinnung, Inanspruchnahme von Neuorganisation 110
Flächen 9 Nutzungsarten 583
Braunkohlengewinnung, Standorte 29 Organisation 107
Braunkohlengrube Concordia 233 Projekte 30
Braunkohlenhochtemperaturkoks 432 Projektmanager 114
Braunkohlenindustrie Projektträger 114
Arbeitskräfteverteilung 14 rechtliche Regelungen 74
im Osten Deutschlands nach 1989 11 regionale Sanierungsbeiräte 113
strukturelle Veränderungen nach 1989 15 Sanierungsgesellschaft 116
Umstrukturierung 16 Steuerungs- und Budgetausschuss 108
Braunkohlenlagerstätten 40 technische Ziele 22, 86
epirogenetische 41 Umfang 30
paralische 40 Wasserrecht 86
tektonische 41 wasserrechtliche Bewältigung 88
terrestrische 40 wissenschaftliche Begleitung 120
680 Sachverzeichnis

Braunkohlesanierungsgebiet, regionale Elektronenakzeptoren 474


Entwicklungskonzepte (REK) 590 Elution 301
Brikettfabrik, Abriss 451 Enclosures 361, 481
Brikettierungsanlage 429 End-Of-Pipe-Lösung 352
Brückenbauwerk 250 Endböschung 143
Brunnen 383 Endmoränengebiet 58, 67
Brunnenausbau 396 Energie, erneuerbare 632
Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung Energiebedarf 12
(BBodSchV) 93 Energieholzerzeugung 532
Bundesberggesetz (BBergG) 17, 22, 80, 133, 331 Energieträger, fossiler 8, 11
Betriebsplanarten 83 Energieversorgung 7
Geltungsbereich 82 Energiewirtschaft, monostrukturierte 15
Bundesnaturschutzgesetz 488 Enhanced Natural Attenuation (ENA) 128
Entcarbonisierung 353, 357
Entkernungstechnologie 453
C Entphenolung 456, 457, 466, 469
CABERNET-Programm 581 Entsäuerung 349, 362
Calcium 506 anaerobe 358
Carbonatpuffer 294 Enttrümmerungsarbeit 442
Carbonatverwitterung 290 Entwässerungsbrunnen 166
CAU-Versuch 146 Entwässerungsstrecke 386, 406, 408
Concordiasee 243 Entwässerungstrichter 386
Corporate Design 605 Entwässerungstunnel 258
Cospudener See 640 Epilimnion 299, 322
Erdbewegung 53
Erkundung 462
Erkundungsarbeit 400, 413
D Erkundungsarbeiten 398
Damm, versteckter 171, 226 Erosion 35, 64, 181, 301, 324
Herstellung 171 Erosionsschutz 515, 541
Dampfstripping 447 biologische Maßnahmen 532
DDR-Energiewirtschaft, braunkohlenbasierte 15 Erschließungskosten 613
Debye-Hückel-Gleichung 323 Erschließungsplanung 613, 619
Deckgebirgsentwässerung 386 Erschließungsvertrag 612
Deklarationsanalyse 454 Europäischer Fonds für regionale Entwicklung (EFRE)
Deponie auf einer Bergbaukippe 252 106
Deposition, subhydrische 360 Europäischer Sozialfonds (ESF) 105
Diffusion 328 Eutrophierung 296, 301, 359
Direktversturz 44, 48, 49, 219 kontrollierte 350, 360
Direktversturzkombination 44, 51 Extraktion, makroporöse polymere 468
Dolomit 355
Drain-And-Gate-System 125, 472
Druckversatzverfahren 406
Düngung 514, 528 F
Durchfluss-Diagramm 334 Fallgewichtsverdichtung 171, 226, 249
Durchlässigkeitsbeiwert 433 Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) 94
Faunengruppe, ökologische 547
Feldesentwässerung 386
Fenster, ökologisches 551
E Fernausbreitung 546
Eimerkettenbagger 45 Fernerkundung 489, 492
Einlaufkammer 344 Ferropolis 640
Einschlusstechnik 447 Filterbrunnen 391
Eisendisulfid 288 dauerhafte Sicherung 390
Eisenfällung 292 rückgebauter 395
Eisenhydrolyse 292 Findlingshaufen 526
Eisenhydroxidschlämme 320, 354, 366 Fischereiausübung 557
Eisenminerale 293 Fischereigesetz 565
Eisenoxidation 292 Fischereirecht 95, 557
Eisenpuffer 294, 296 Fischfauna 560
Eisensulfid 361
Sachverzeichnis 681

Fläche Gefährdungsanalyse 390, 398


bewahren 582 Gefahrenabwehr 581
Energie 582 Gefahrenabwehrmaßnahme 461
für Freizeit und Erholung 633 Gefügemelioration 505
höherwertige Nutzung 631 Gehölzansaat 524
im Kreislauf 580 Geländebruch 164
Neunutzung 582 Geländeeinbruch 226
Ursprungsnutzung 582 Geländeentwässerungssystem 4
Flächenaktivierung 617 Geoinformationssystem (GIS) 492, 593, 594, 628
Flächenentwicklungsplanung 580 Geokunststoff 250
Flächenentzug 10 Geologie 230
Flächenkreislauf 581 der Lausitz 67
Flächenmanagement 580, 581 Mitteldeutsches Braunkohlenrevier 61
Flächennutzungsplan 644 Geomorphologie 495
Flächenverbau 222 Geotechnik 195, 213
Befestigungsgrenzen 187 Geruchsemission 445
erdstatische Nachweise 185 Gewässer, künstliche 89
Flächenvermarktung 579 Gewässerbeschaffenheit 305
Flachwasserzone 28 Gewässergüte 124
Fließgewässer 87 Verbesserung 127
natürliches 363 Gewässergüteentwicklung von Bergbaufolgeseen 305
renaturiertes 363 Gewässerherstellung 26
Wiederherstellung 90 Gewässermonitoring 320
Florenzone 39 Gewässernetz 124
Flözbänke 276 öffentliches 270
Flözbildung durch Salzabwanderung 41 Gewässernutzung, Fischerei 565
Flözhorizont 275 Gewässerrenaturierung 365
Fluidbettwirbelreaktor 472 Gewässersanierung 127
Flurbereinigung 609 naturnahe Reinigungsprozesse 127
Flurbereinigungsgesetz 606 Gewässerverunreinigung 89
Flurneuordnung 606, 609 Gewerbefläche 632
Flutungskonzept 272, 350 Gräbendorfer See 562
Flutungssteuerung 332 Granodiorit 199, 202
GRMSTEU 336 Granulometrie 146
Flutungsstrategie 304 Groß-Enclosures 362
Flutungswasser 272, 274 Großrutschung 201
Konditionierung 351 Grubenbau 391
Flutungswasserspiegel 206 bergmännischer 384
Flutungszentrale 92, 306, 335 dauerhafte Sicherung 390
Lausitz 335 Verwahrung 392
Folgelandschaft 80 Vollversatz 404
Folgenutzung 435, 580 Grubenentwässerung 386
konkrete 436 Grubenwasser 139
Planung 585, 588 Grubenwasserreinigungsanlage 267, 396
unbestimmte 435 Grundbruch
Forstknotengeflecht 529 Berechnungen 188
Forstkulturen 529, 530 infolge Verflüssigung 187
Freizeit- und Erholungsnutzung 634 Grundbruchsicherheit 185, 226
Fremdflutung 293 Grundkalkung 505
Wasserbeschaffenheit 296 Grundmelioration 506, 508, 532
Fremdwasserzuführung 269 Grundmoräne 67
Frontverhieb 48 Grundsanierung 436
Fruchtfolgen 513 Grundstückskaufvertrag 644
Funnel-And-Gate-System 474 Grundwasser
anoxisches 291
Eigenaufgang 293
G Gefahrenabwehr 449
Gasgesetz von Boyle-Mariotte 158 saures 293
Gasmonitoring 465 Schadstoffkonzentrationen 432
Gaswasser 431 Versauerung 89
Gebietswasserhaushalt 337 Grundwasserabsenkung 87, 139, 332
entwässerungsbedingte Belüftung 26
682 Sachverzeichnis

Grundwasserabsenkungstrichter 87, 268 Horizontalfilterbrunnen 306


Grundwasseranstieg 166 Hotspots 446
Grundwasseranstrom 228 Huminsäure 430
Grundwasserbeschaffenheit 127 Humus 516
Grundwasserdekontamination, Monitoring 479 Humusakkumulation 508
Grundwasserentwicklung, hydrogeologische Prognose 316 Humusanreicherung 507
Grundwasserflurabstand 318, 319 Hydrochemie 306
Grundwasserflurabstandsentwicklung 317 Hydrodynamik 232, 240
Grundwassergeringleiter 230 Hydrogencarbonat 292
Grundwasserkontamination 449 Hydrogensulfation 295
Grundwasserkörper, Monitoring 469 Hydrogensulfatpuffer 294, 295
Grundwasserleiter 230, 240 Hydrogeologie 230, 266
quartärer 283 Hydroisohypsen 316
tertiärer 280 Hydrokatabasen 314
Grundwassermessstellen 396 Hydrologie 244
Grundwasserneubildung 313 Hydroxylradikale 447
Grundwasserreinigung Hypolimnion 299, 322
mikrobiologische 467
über Infiltration 474
Grundwasserreinigungsanlage 469 I
Grundwassersanierung 465, 466 Immissionsschutzrecht 133
Grundwasserschaden 449 Immobilienmarketing 639
Dekontaminationsmaßnahmen 450 Immobilienprodukt 637
Grundwasserschadstofffahne 449 Immobilisierungstechnik 447
Grundwasserströmungsgeschwindigkeit 371 In-Lake-Neutralisation 322
Grundwasserströmungsmodell 310 In-Lake-Verfahren 329, 351, 361, 374
Grundwasserwiederanstieg 31, 89, 90, 100, 227, 308 In-Situ-Schadstoff
Grünland 581 Strippen 465
Bewirtschaftung 514 Waschen 465
Wiederherstellung und Nutzung 514 Industriealtstandort 609
Grünlandzwischennutzung 531 Industriebrache, Reaktivierung 610
Habitat 542, 547 Industriefläche 632
Industriepark 621
Schwarze Pumpe 624
H Industrieregion, monostrukturiere 29
Halle-Leipziger-Land 59 Industriestandort
Haltungsbrunnen 469 Espenhain 621
Monitoring 469 Lauchhammer 618
Handpflanzung 523 Revitalisierung
Hangendschluff 407 Marketing 618
Hecht-Schlei-See 563 Vermarktung 618
Hegeverpflichtung 95 Infiltrationsbrunnen 470, 473
Henry-Gesetz 324 Informationssystem, geographisches (GIS) 489, 491
Heumulch 537 Ingenieurbauwerk 198
Hochfläche 278 Inklinometermessrohr 258
Hochtemperaturkoks 431 Inkohlungsprozess 429
Hochwasserentlastung 345 Innenkippe 235
Hochwasserprofil 343 Innenkippenentwässerung 227
Hochwasserretention 345 Innenkippenrutschung 203
Hochwasserrückhalteraum 346 Innenmarketing 605
Hochwasserschutz 349, 375 Inselkonzept 224
Hochwasserspeicher 346 Instandhaltungsanlage 427
Hochwasserüberleitung 346 Internationale Bauausstellung (IBA) 590, 599
Hohlräume, untertägige bergmännische 383 Ionenbilanzfehler 369
Sanierung 390
Hohlraumermittlung 407
Hohlraumfündigkeit 402 J
Holarktis 39 Jahresniederschläge 36
Holomixis 361 Jahresniederschlagsmenge 332
Holozän 63
Sachverzeichnis 683

K Kraftwerksasche 354
Kaliumpermanganat 447 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz 440
Kalkhydrat 329 Kulturlandschaft 490
Kalkschlamm 354, 431 Kunststoffdichtungsbahn 255
Kammerpfeilerbruchbau 384 Kurfürstlich sächsisches Kohlenmandat 488
Kanalwasserspiegel 198
Karbochemie 8, 14
Karstgrundwasserleiter 232, 285 L
Katalyse, enzymatische 358 Lagerstättensicherung 75
Kennwertanalyse 205 Landabfindungsverzicht 608
Kippen Landbrücke 249
Anstieg des Grundwassers 155 Landesforstgesetz 529
hydrochemische Prozesse 290 Landestalsperrenverwaltung 346
Quasihomogenitätskontrolle 161 Landfarming 448
setzungsfließgefährdete 193 Landinanspruchnahme 9
Sicherung durch versteckten Damm 169 Landschaftsgestaltung 32, 490
Trittsicherheit 189 Landschaftsinsel 599
Kippenaufforstung 519 Landschaftspark Goitzsche 595
Bestandeszieltypen 522 Landschaftspflege 488
Kippenböschung 136, 147, 246 Landschaftsplanung 493
Sanierung 220 Landschaftsschutz 525
Stabilisierung 175 Landschaftswasserhaushalt, nachbergbaulicher 27
Kippenendböschung, Standsicherheitseinschätzungen Lappwaldmulde 288
197 LASERSCAN-Verfahren 319
Kippenfläche 4 Lausitz
kahle 2 bergbauliche Sanierung 138
Kippengrundwasser 266, 358 Bergbautechnik 70
potentielle Acidität 291 Braunkohlenreviere 31, 66, 494
schwefelsaures 125 morphologische Besonderheiten 69
Kippengrundwasserkörper 359 Sanierungsstrategien 137
Kippenklassifikationskarten 189 Lausitzer Flöz 69
Kippenökosystem 542, 543 Lausitzer Flözhorizont 275
Kippensee 327 Lausitzer Seenland 597, 602
Neutralisation 329 Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-
Kippenstabilisierung 138 Verwaltungsgesellschaft 113
dynamische 215 Leipziger Bucht 58, 61, 63
Kippenwasser 292 Libellen 547
Kippenwasserbehandlung 125 Lieferbiotop 497, 499, 546, 556
Kippgut Liegenschaft, höherwertige 631
Verflüssigung 167 Liegenschaftsvermarktung 626, 639
Verflüssigungsempfindlichkeit 146 nach Hauptnutzungsarten 629
Kippprozess 148 Liegenschaftsverwaltung 637
Kippsicherheit 185 Limnologie 306
Kippsubstrat 66, 497, 500, 522 Linienverbau 222
Kennwerte 504 Liquefaction 134
Klärschlamm 507 Lockergestein 55, 6, 232
Klima 36 kohäsionsloses 153
Klimadiagramm 36 Verflüssigung 134
Klimazonen Europas 37 verflüssigungsunempfindliches 145
Kohlenbildung 40 Lockergesteinsverhalten 153
Kohlentrübebecken 458 Lössschicht 58
Kohlenveredlung 431
thermische 479
Kohlenwasserstoff 434
Kokerei 463 M
Kolmation 182 Mahdgut 537
Kombinate 15 Maräne 560
Kompostschlamm 507 Maränensee, großer 564
Kontamination 432 Markasit 288, 551
Gefahrenabwehr 443 Massenverdichtung 117
Kraftwerk 201 Materialversturz 152
684 Sachverzeichnis

Medienentflechtung 440, 442 Naturpark 630


Medientrasse 408 Naturraum 35, 493
Meeresrückzug (Regression) 40 Lausitz 66
Meeresüberflutung (Transgression) 40 Lausitzer Braunkohlenrevier 58
Melioration 505 Mitteldeutsches Braunkohlenrevier 58
Meromixie 359 technogener 496
Messnetzbetreiberplan 370 Naturschutz 27, 94, 140, 488, 525, 541
Messung, seismische 237 Vorranggebiete 544
Methanol 360 Naturschutzgebiet 566
MIBRAG 58 Naturschutzorganisation 629
Mineraldüngung 528 Naturschutzverbände 28
Miozän 62, 494 Neutralisation
Mischbestandsbegründung 522 chemische 351
Mischbodenkippen 64, 132 Dosierchemikalien 352
bindige 243 Neutralisationsmittel 325, 355
Mischungsregulierung 528 chemische 353
Mischungsverhalten, meromiktisches 361 natriumgetragene 353
Mitteldeutsches Braunkohlenrevier 57, 495 Nichtsanierungsbergbau 106
Bauen auf bindigen Mischbodenkippen 243 Finanzierungsquellen 106
bergbauliche Sanierung 138 Niederschlagserosion 324, 327
Sanierungsstrategien 137 Niedrigwasseraufhöhung 342
Modell, hydrologisches 369 Nutzungsartenwandel 583
Modellgrundwasserleiter 311 Nutzungskonzept 589, 592, 593
Modellierung
hydrochemische 320, 325
hydrogeologische 308 O
Modellrechnung, hydrogeologische 26 Oberboden 538
Modelltagebau 555 Oberflächenabdichtung 460, 465
Modular GIS Environment (MGE) 594 mineralische 463
Mollisoldiapire 63 Teerabsetzbecken 458
Mondlandschaft 50, 490 Oberflächengewässer 272, 316
Monimolimnion 299, 322 Oberflächenwasserhaushalt 88
Monitored Natural Attenuation (MNA) 359, 372, 437 Oberflächenwassermonitoring 140
Monitoring 179 Oberflözbergbau 395
geotechnisch-geohydraulisches 229 Oberflözgrube 410
geotechnisches 251 Off-Site-Dekontamination 448
montanhydrologisches 234, 307, 367, 370, 458 Offenlandbiotop 548
von Wasserstand und Wassergüte 374 Offenlandschaft 556
MPPE-Anlage 468 Ohre-Rift-System 198
Mulchdecksaat 535 Ökologie 27
Müller Resonance Compaction (MRC)-Verfahren 171 Ökosystem, nichtagrarisches 463
Muschelkalk 285 Ökosystementwicklung, naturnahe 555
Muskauer Faltenbogen 68 On-Site-Kompostierung 445
Mutterbodenwirtschaft 488 ORACLE-Datenbank 594
Oxidation 447
in situ chemische Oxidation (ISCO) 447
N Oxidationszone 326
Nachhaltigkeit 580
Nachnutzung 141, 435, 463, 579
Nachnutzungsplanung 589 P
Nachsorge, wasserwirtschaftliche 372 Parabraunerde 38
Naherholung 556 PCGEOFIM-Programm 370
Nährstoffverfügbarkeit 519 Pellets 484
Nahrungs- und Bruthabitat 549 Pelosole 38
Naphthalin 434 Permafrostbereich 63
Nationales Naturerbe 630 Permeable reactive barriers (PRB) 451
Nationalpark 566 Pflanzung 523, 538
Natronlauge 355 Pflugkippe 52
Natural Attenuation (NA) 127, 359 Phenole 434, 443, 481
Sachverzeichnis 685

Photovoltaikstandort 636 Reliefenergie 35


PHREEQC-Programm 323 Reliefgestaltung 255
Pioniergehölz 519, 523 Renaturierung 582
Pionierwald 544, 556 von Fließgewässern 363
Planfeststellungsverfahren, wasserrechtliches 643 Reservefläche 581
Plankton 302 Restkohle 430
Planzeichenverordnung 592 Restlochböschung, Abflachung 137
Pleistozänplatten 58 Revitalisierung von Industriealtstandorten 581, 611, 617
Podsole 38 Rinnen 277
Porenwasserdruck 134, 176 Rinnenerosion 538
dynamischer 178 Rippenkippe 50
Porenwasserdruckbarriere 167 Risikoreduktion 142
Porenwasserüberdruckabbau 167 Risswerk 400, 491
Porphyrvarietät 58 Verwahrungsmaßnahmen 419
Primärenergieverbrauch 12 Rohboden 551
neue Bundesländer 12 Rohbodenbiotop 551
Privatisierungserlös 103 Rohkohle 20
Proctordichte 255 Röhrichtinitialisierung 538
Prognosemodell, hydrochemisches 329 Rohstoffe, nachwachsende 517
Propanolwäsche 447 ROMONTA GmbH 58
Pseudogleyen 508 Rotaryspülbohrung 402, 412
Pump-And-Treat-Maßnahme 466, 469 Rückbau 451
Pumpstation 343 nachnutzungsbezogener 442, 454
Pyrit 288, 361, 551 oberirdischer 440
Pyritverwitterung 301, 326 planmäßiger 118
Rückgriffweite 165
Rupelschluff 282
Q Rutschung 201, 224
Quartär 279 Rutschungskessel 236, 242
Querfurter Platte 59 Rütteldruckverdichtung 171, 176, 215
Geländedeformationen 178
Rütteldruckverdichtungsmaßnahme 169
Rüttelstopfverdichtung 171, 249
R
Rahmenbetriebsplan 83
Randböschung 209
Standsicherheitsberechnungen 209 S
Raumordnungsplanung 75 Saalevereisung 63
Raumordnungsrecht 74 Saat 524
Regelwerk, bergrechtliches 80 Sächsisch-/Brandenburgischen Seenkette 273
Regenerationsmiete 448 Salinar 286
Regenwürmer 548 Salzbewegung 42
Regionalhydrogeologie, Niederlausitz 274 Sander 67
Regionalhydrologie, Oberlausitz 279 Sandlöss 59
Regnertechnologie 355 Sanierung
Regressionsanalyse 149 Abschlussgutachten 192
Reinigung, anaerobe mikrobiologische 467 geotechnische 229
Rekultivierung 52, 55, 118, 122, 140, 487, 489 geplante Nachnutzung 141
Bodenentwicklung 508 naturschutzorientierte 553
Einflussfaktoren 35 nutzungsorientierte 133
forstliche 28, 507, 519 Restrisiko 142
Schadfaktoren 529 Sicherheitsanforderungen 141
landwirtschaftliche 28, 506, 509 wasserwirtschaftliche 124, 139
Behandlungseinheiten 511 Sanierungsbergbau 17, 20, 140
bodenkundliche Richtwerte 512 Sanierungsbetrieb
Flurgestaltung 511 Entwicklung 117
geeignete Bodensubstrate 510 Leistungsspektrum 117
Richtfruchtfolge 513 Sanierungsforschung 122
neue Nutzungsformen 517 Sanierungsgesellschaft 17, 116, 118
Vermeidung von Bodenerosion 515 Privatisierung 119
Rekultivierungsmaßnahme 32 Sanierungsplan 588
686 Sachverzeichnis

Sanierungsräume 490 Speichersystem Lohsa II 217


Sanierungstagebau 117 Funktionsweise 218
Sanierungsunternehmen 116 Sprengverdichtung 169, 173
Saprobisierung 349, 359, 360 Spülkippe 52
Säure-Base-Bilanz 505 Spülrinne 216
Säurepufferung 506 Sickerwasserstrom 217
Schacht 391 Städtebaulicher Vertrag 612
Schachtanlage 414 Standortfaktoren, abiotische 36
dauerhafte Verwahrung 414 Standraumregulierung 528
Schachtgenehmigung 402 Standsicherheit, bodenmechanische 133
Schachtsanierung 418 Standsicherheitsberechnung 162, 174
Schachtverwahrung 419 Standsicherheitsuntersuchung 208
Schadherd 443 Startdüngung 532
Dekontamination 445 Staub 10
Schadinsekt, forstliches 530 Staub-Dickteer 459
Schadstoff, braunkohlenbürtiger 432 Staulamelle 223, 229
Schaufelradbagger 47 Steilböschung 208
Bandbetrieb 44 Steindurchmesser 186
Scherwellengeschwindigkeit 162 Steinkohlenbergbau 2
Schichtenverzeichnis 402 Stellungnahme, bergbauliche 493
Schluffmulde 199 Steuerungs- und Budgetausschuss Braunkohlesanierung
Schmelzwasser, subglaziales 277 (StuBA) 110
Schotterterrasse 63 Stickoxid 10
Schutzgebietssystem 553 Stöchiometrie 360
Schutzgrabenkonzept 222, 224 Strategische Umweltprüfung (SUP) 80
Schutzgüter 434 Strecken, Verfüllen 407
Schutzpflanzendecke 524 Streckenausbau 387
Schwallwellen 136 Eisenausbau 390
Schwarze Pumpe 466, 472, 624 Getriebezimmerung 387
Schwarzerde 38 Holzzimmerung 387
Schwefeldioxid 10 in Beton und Stahlbeton 389
Schwelerei 469, 473 in Mauerung 387
Schwelung 481 Streckenentwässerung 200, 384, 390
Abprodukte 481 Streckenversatz 401
Schwelwasser 470, 481 Streckenverwahrung 419
Schwermetalle 434 Stromverträge 16
Schwingungsausbreitung 177 Strossenförderung 71
Sedimentationsunterbrechung 61 Stubbenwall 526
Seesediment 286 Stützanschüttung 203
Seewasserkörper 360 Stützkippen 203
Seitenblockverhieb 48 Stützkörper 167
Selbstreinigungseffekt, natürlicher 476 gespülter 168
Setzungsfließen 137–139, 143 Stützkörperhinterland 226
Monitoring 179 subherzyn 287
Setzungsfließereignis 134 Subrosion 42, 64, 231, 233, 285
Setzungsfließgefahr 134, 144, 147 Substratanalyse 503
rutschungsbegünstigende Verhältnisse 150 Substratkartierung 503
Setzungsfließrutschung 137, 165, 224, 227 Suffosion 181
Setzungsmulde 251 Sukzession, natürliche 583
Setzungsverhalten 257 Sukzessionsfläche 546
Shovel-And-Truck-Betrieb 45 Sukzessionsgebiet 463
Sicherheit, geotechnische 532 Sukzessionslandschaft 556
Sicherheitsbeiwert 142 Sukzessionsmodell 497
Sickerwasser 257 Sulfatabreinigung 125
Sickerwasserstrom 217 Sulfatkonzentration 348
Silikatverwitterung 290, 519 Sulfatreduktion 126, 128, 358, 360
Solarpark 637 Sulfidschwefel 55
Sonderbetriebsplan 454, 485 Sümpfungsmaßnahme 87, 92
Special Protected Area 555 bergbauliche 2, 26
Speicherbewirtschaftung 229 Sümpfungswasser 27, 266, 269, 304, 316, 326, 329, 558
Speicherlamelle 229
Sachverzeichnis 687

T U
Tagebau 14, 384 Uferbereich, Umformungs- und Umlagerungsprozesse
Abbauverfahren 42 183
des Speichersystems Lohsa II 219 Ufergestaltung 555
Rütteldruckverdichtung 34 Uferschutz 540
Schlabendorf Süd 213 Ufersicherung
Tagesanlagen 427 Gestaltungsprinzipien 182
Tagebauaufschluss 54 Planung 183
Tagebauböschung, Sicherung 220 Uferstabilität, hydromechanische 138, 143
Tagebauentwässerung 133, 267, 386 Umlagerung 459, 463
Tagebauerkundung 587, 601 Umlagerungsbauwerk 464
Tagebaufolgesee 31 Umwelt-Lebenslauf-Akte 442
Tagebaukippen, Querung aus geotechnischer Sicht 246 Umweltrecht 74, 92
Tagebaurestloch 4, 26, 92, 132, 143, 332 Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) 81
Berzdorf 198 Unterbodenverdichtung 519
Böschungsbewegung 234 Ursprungsnutzung 582
geotechnische Gestaltung 117 Urstromtal 67, 278
Nachterstedt 230
Tagebaurestraum 122
Tagebaurestsee 88, 136 V
Böschung 165 Vegetation 35, 39
geotechnische Maßnahmen 195 Lausitz 66
Herstellung 89 Vegetationsentwicklung 497
hydromechanische Stabilität 181 Vegetationszonen in Europa 41
Speicherbewirtschaftung 88 Verbaumaßnahme 184
Versauerung 179 Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur 632
wasserwirtschaftliche Maßnahmen 195 Verdichtung 442
Tagebausee, Neutralisierung 126 Verdichtungsnachweis 175
Tagebautechnik, kontinuierliche 44 Verdichtungssprengung 173
Tagebautechnologie 244 Algorithmus 175
Tagesanlage 427 Ausführungsbestimmungen 174
Tagesbruch 391 Verebnung 278
Tagesbruchgefährdung 384 Veredlung, thermische 426, 427, 430
Tagesschacht 416 Veredlungsanlage 427, 436
Tauchwellentomografie 162 Schadstoffkomponenten 436
Tausendkorngewicht 536 Veredlungsprozess 426
Teer 429 Umweltbeeinflussung 429
Teer-Öl-Feststoff (TÖF) 426 Veredlungsstandort 428, 430
Teer-Öl-Kohle-Abprodukt 484 Abriss- und Rückbautätigkeiten 439
Teerabsetzbecken 458, 460 Projektmanagement 438
Teerölfeststoffablagerung 482 Sanierung 432, 437
Teerölfeststoffe 482 Umweltauswirkungen 432
Teerrückstände 457 Verflüssigung 143, 144
Tensid-Wäsche 447 Grundbruch 187
Tertiär 275, 279 Grundwasserstand 148
Thermokline 322 Verflüssigungskraft 168
Tiefenenttrümmerung 441, 455, 457, 461 Verflüssigungsneigung 145
Tiefenwasser, Salzgehalt 299 Verflüssigungsversuch 146
Tieflockerung 505 Verkippungstechnologie 52
Tiefschüttung 52 Verkokung 430
Totholzfaschinen 533 Vermoorungsgebiet 40
Trägerdampfdestillation 447 Vernässungsbereich 526
Treibgutabweiser 347 Vernässungsschäden 90
Treuhandanstalt (THA) 16, 96, 109 Verpflanzungsschock 523
Triaxialgerät 168 Versatz
statisches 146 mit Braunkohlenfilterasche 417
Triaxialversuch 146, 17, 153, 161 von Schachtanlagen 414
Trittsicherheit 189 von Tageschächten 414
Tschernosem 39 Versatzarbeit 400, 409, 420
688 Sachverzeichnis

Versatzarbeiten 398 Wasserhaushaltsgesetz 26, 92, 274


Versatzbohrung 403 Wasserkörper 558
Versatzmaßnahme Stoffströme 127
Kostebrau 410, 412 Wasserkörperversauerung 124
unter Bergrecht 410 Wasserkraftnutzung 342
Versatzmaterial 409 Wasserlieferungsvertrag 337
Versauerung, siehe auch Acidität 347 Wasserpest 302
Versauerungsproblem 89 Wasserqualität 31
Versauerungsprozess 126 Wasserrecht 74, 86, 133, 449
Vertikaldrainage 249 materielle Sanierungsstandards 88
Vertikalverschiebung der Erdoberfläche 179 Wassersanierung 125
Verwahrung 391 Wasserspeicher 375
Verwahrungsabschlussdokumentation 420, 421 restriktionsfreie 228
Verwahrungsarbeit 383, 400 Wasserstandsverhältnis, kritisches 149
Verwahrungsdokumentation 391 Wasserstoffion 357
Verwaltungsabkommen 96 Wasserstoffperoxid 447
Altlastenfinanzierung 97 Wasserstraße 198
Braunkohlesanierung 98 Anlage 198
Maßnahmen nach §§ 2, 3 und 4 101 Betrieb 198
Vibrationswalzenverdichtung 224 Wassertourismus 602
Vogelbrutgebiet 548 Wasserüberleitung 340
Vogelschutzrichtlinie 94 Weichseleiszeit 494
Volkseigener Betrieb (VEB) 12 Wellenerosion 324, 328
Vorflutsystem 267, 362 Wetterschacht 413
Vorhaben- und Erschließungsplan 612 Wiederbesiedlung 489
Vorranggebiete für den Naturschutz 544 Wiederbewaldung, natürliche 525
Wiedernutzbarmachung 26, 82, 118, 131
Arbeitsschritte und Ziele 501
W bergbauliche 3
Wabentechnik 446 gemäß Bundesberggesetz 426
Waldbaurichtlinien 532 ökologische Ziele 27
Waldbegründung 521 von Land 9
auf Kippenstandorten 519 von Tages- und Veredlungsanlagen 427
Waldbewirtschaftung, Pflegemaßnahmen 527 Wiedernutzbarmachungskonzept 75
Waldbrandrisiko 530 Wiederversauerung 357
Waldentwicklung 546 Wildnisentwicklung 553
Walderschließung 530 Wildpflanzenansaat 535
Waldgesellschaften, ursprüngliche 41 Wildschadensverhütung 529
Waldgesetz 95 Winderosion 515
Waldrandgestaltung 526, 530 Windkraftanlage 636
Waldschutz 529 Windwellen 209
Waldvorrangfläche 525 Wohnbaufläche 634
Waldzönose 497 Wölbstrecke 387
Wandel, demographischer 581
Wasserbeschaffenheit, Konzepte 305
Wasserbilanz Z
hydrogeologische 266 Zechstein 285
instationäre 328 Zechsteinsalz 286
Wasserdurchlässigkeitsbeiwert 157 Zentraldeponie Cröbern 252
Wassererosion 515 Zittauer Becken 69
Wassergütebewirtschaftungsmodell 322
Wasserhaushalt 87, 118, 266
Rehabilitation 140, 302
Sanierung 124, 268

Das könnte Ihnen auch gefallen