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7

philosophie im islam
Mohamed Turki
Herrschaft und Demokratie in der
arabischen Welt

25
Sari Hanafi
Cultural Differences or Cultural Hegemony?

forum
39
Zerrin Kurto�lu
101 Eine Kritik der orientalistischen
Harald Lemke Auffassung der falsafa-Tradition
Der wahre Geschmack des Zen
Zur japanischen Weg-Kunst des
49
Essens – ryôridô Souleymane Bachir Diagne
Iqbal – Philosophie des Neuseins
bücher und medien
61
121 Sarhan Dhouib
Jameleddine Ben-Abdeljelil »Dialog der Kulturen« versus »Kampf der
Schriften und Werke zur Philosophie im Kulturen«? Die Aktualität von Ibn Ruschd
modernen arabisch-islamischen Kontext. in der arabisch-islamischen Philosophie der
Ein Literaturbericht Gegenwart.

125 77
Rezensionen & Tipps Abbas Manoochehri
Die Dialektik der Asabiyya und
144 die Sozialphilosophie des ‘umran
IMPRESSUM
93
145 Asghar Ali Engineer
polylog bestellen Islam: Religion und Vernunft
Interview mit Ursula Baatz
Sarhan Dhouib
»Dialog der Kulturen« versus »Kampf der Kulturen«?
Die Aktualität von Ibn Ruschd in der arabisch-islamischen Philosophie
der Gegenwart

philosophischen Diskurs,1 ist vielfältig und


kompliziert. Dies verdeutlicht die ausführ-
I liche Monographie von Anke von Kügelgen
Inwiefern kann Ibn Ruschd (1126–1198), ein Averroes und die arabische Moderne. Ansätze zu ei-
Philosoph des 12. Jahrhunderts, für den heu- ner Neubegründung des Rationalismus im Islam, die Sarhan Dhouib hat Philoso-
tigen philosophischen Diskurs von Interesse eine intensive Auseinandersetzung arabischer phie in Tunesien (Universität
sein? Ist es nicht von vornherein unplausibel, Intellektueller mit Ibn Ruschds Philosophie Sfax) und Frankreich (Paris 1
ausgehend von einer mittelalterlich geprägten 1 »Seit dem 10. Jh. war Arabisch die gemeinsame Panthéon-Sorbonne) studiert
Weltanschauung die gegenwärtigen philo- Sprache für Muslime, Christen und Juden, beson- und promoviert z. Z. an den
sophischen Probleme behandeln zu wollen? ders im Bereich der Philosophie, Medizin, Astro- Universitäten Bremen und
Kann und soll man philosophische Fragen nomie und anderer Wissenschaften. Der Islam als Tunis (DAAD-Stipendiat) über
zivilisatorischer Rahmen und Horizont ermöglich-
wie Rationalität, Moderne, Postmoderne, te eine hegemonial heterogene multiethnische und
Schellings Identitätsphilosophie.
Globalisierung, Menschenrechte, Interkultu- multikulturelle Struktur, die auf vielseitige sozio- Seine Arbeitsschwerpunkte sind
ralität oder Transkulturalität mit Hilfe eines kulturelle Symbiose verweist.« J. Ben-Abdeljelil: der Deutsche Idealismus, die
Weltbildes erörtern, das einem anderen kul- Ibn Ruschds Philosophie interkulturell gelesen, Nordhau- arabisch-islamische Philosophie
turellen Kontext entstammt und dem solche sen, 2005, S.  82–83. Ben-Abdeljelil weist auf die und Interkulturalität.
Fragen scheinbar fremd sind? folgenden Schriften hin: Ernest Renan: Averroès et
l´averroisme, Paris, 1997, S. 113–135; Haim Zafrani:
Ibn Ruschds Einfluss auf die gegenwärtige Juifs d´Andalousie et du Maghreb, Paris, 1996; Maurice-
arabisch-islamische Philosophie, d. h. auf den Ruben Hayoun: Les lumières de Courdoue à Berlin, Paris, polylog 17
arabischsprachigen und vom Islam geprägten 1996, Bd. 1. Seite 61
Sarhan Dhouib:

darstellt.2 Diese Auseinandersetzung bein- Einen weiteren Aspekt der Aktualität von
haltet nicht nur eine systematische Untersu- Ibn Ruschd bildet die interkulturelle Inter-
chung der Philosophie Ibn Ruschds, sondern pretation seines Werks vor dem Hintergrund
auch eine Ausarbeitung seiner Philosophie der Geschichte der Philosophie. So untersucht
im Hinblick auf die unterschiedlichen kul- Jameleddine Ben-Abdeljelils Buch Ibn Ruschds
turellen, theologischen und philosophischen Philosophie interkulturell gelesen seine Rezeption
Probleme des arabisch-islamischen Denkens bei den Lateinern und im jüdischen Kultur-
im 20. Jahrhundert.3 raum. Der Autor beginnt mit folgendem Satz:
»In der Philosophiegeschichte Dabei ist die Frage nach der Aktualität »In der Philosophiegeschichte liefert uns Ibn
liefert uns Ibn Ruschd ein Ibn Ruschds nicht historisch, sondern kultu- Ruschd ein einzigartiges Beispiel für ein inter-
einzigartiges Beispiel für ein rell und philosophisch zu verstehen. Vielen kulturelles Schicksal par excellence. Als Ibn
interkulturelles Schicksal par arabischen Intellektuellen dient seine Phi- Ruschd bei den Arabern, Averroes bei den
excellence.« losophie als Grundlage für die heutigen phi- Lateinern und Ben Ruschd (B"R) bei den Ju-
losophischen Debatten. Vor allem den »ara- den stellt er mit seiner Philosophie bis heute
Jamel Ben-Abdeljelil bischen Averroisten«4 bietet Ibn Ruschd einen ein facettenreiches Phänomen in der philoso-
»aufgeklärten« und »rationalistischen« phi- phischen Rezeptionsgeschichte dar, das aber
losophischen Hintergrund, von dem sie neue auch umstritten ist und sich einer simplen
Ansätze für die Behandlung der »Krise« in der Definition widersetzt.«5
arabisch-islamischen Kultur erhoffen. Die Aktualität Ibn Ruschds in der heutigen
Zeit basiert also auf drei Komponenten: der
2 Vgl. Anke von Kügelgen: Averroes und die ara- Vielfalt seiner Texte, der Komplexität der kul-
bische Moderne. Ansätze zu einer Neubegründung des Ra-
tionalismus im Islam, Leiden/New York/Köln, 1994.
turphilosophischen Probleme der Gegenwart
Dies.: »Averroisten« im 20. Jahrhundert – Zur Ibn-Rušd- und deren philosophischer Behandlung vor
Rezeption in der arabischen Welt, in: Friedrich Niewöh- dem Hintergrund seines Denkens. Die philo-
ner und Loris Sturlese: Averroismus im Mittelalter sophische Erörterung der drei Komponenten
und in der Renaissance, Zürich, 1994, S. 351–371. kann je nach Motiv und Ziel eine innovative
3 Diese Beschäftigung mit den klassischen ara- Interpretation der heutigen Probleme ausge-
bischen Philosophen, wie Ibn Ruschd, begann mit
Farah Anton und Muhammad Abduh und erhielt mit
hend von Ibn Ruschd ermöglichen.
Mohammad Ammara, Mahmoud Qasim, Majed Fak- In diesem Zusammenhang berufen sich ei-
hri, Atef Al-Iraki und Mohamed-Abid Al-Gabri eine nige arabisch-islamische Intellektuelle auf Ibn
zunehmende philosophische Orientierung. Vgl. Anke Ruschds Denken, um kulturelle Streitfragen
von Kügelgen: Averroes und die arabische Moderne. An- im Kontext der Globalisierung zu behandeln.
sätze zu einer Neubegründung des Rationalismus im Islam, Ein anschauliches Beispiel dafür bietet ihre
S. 57–320.
4 Am Beispiel von Mohamed-Abid Al-Gabri und
Auseinandersetzung mit der seit einigen Jah-
polylog 17 Mohamed Mesbahi. Vgl. J. Ben-Abdeljelil (Fn. 1), ren von Samuel P. Huntington vertretenen
Seite 62 S. 119. 5 Vgl. J. Ben-Abdeljelil (Fn. 1), S. 9.
»Dialog der Kulturen« versus »Kampf der Kulturen«?

These eines »Kampfes der Kulturen« (clash of 2. Drei Prinzipien für den »Dialog der Kul-
civilizations).6 turen«
Um diese Aspekte der Aktualität der Philo- 3. Der Begriff des »gemeinsamen Raums«
sophie Ibn Ruschds veranschaulichen zu kön- 4. Die Philosophie als »neutraler Ort«
nen, konzentriere ich mich im Folgenden auf 5. Das Interessengleichgewicht.
die Analyse des marokkanischen Philosophen
Mohamed Mesbahi 7, der auf der Grundlage
Ibn Ruschds und in kritischer Auseinanderset-
II
zung mit Huntington eine innovative These 1. Ibn Ruschd versus Huntington Mesbahi versteht die Philo-
zum Thema »Dialog der Kulturen« entwickelt Aus Gründen der großen historischen Di- sophie Ibn Ruschds­in dieser
hat.8 stanz scheint eine Gegenüberstellung des Perspektive als geeigneten

Daher möchte ich im Weiteren in fünf Philosophen Ibn Ruschd mit dem Politologen Ausgangspunkt zur Entwicklung
Punkten diese Beschäftigung mit Hunting- Huntington unangemessen. Wie sollte man eines aktuellen Denkansatzes,
tons »Kampf der Kulturen« skizzieren: Ibn Ruschd, einen arabischen Philosophen des welcher den »Dialog der
1. Ibn Ruschd versus Huntington 12. Jahrhunderts, mit Huntington, einem US- Kulturen« in den Mittelpunkt

6 Vgl. Samuel P. Huntington: Der Kampf der Kul-


amerikanischen Politologen des 20. bzw. 21. stellt und eine Alternative zu

turen: Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhun- Jahrhunderts, vergleichen? Mesbahi ermög­ Huntingtons Paradigma »Kampf

dert. Aus dem Amerikanischen von Holger Fliessbach, licht in seinem Text jedoch diese Gegenüber- der Kulturen« bieten kann.
München, 6. Aufl. 1997. stellung, indem er Ibn Ruschds Philosophie
7 M. Mesbahi ist Professor der Philosophie an der heranzieht und kontextbezogen weiterdenkt.
Universität Mohamed V in Rabat – Marokko. Er ver- Somit handelt es sich nicht um eine historische
öffentlichte u. a.: »Bedeutungen und Problemstellungen:
Studien über die arabisch-islamische Philosophie«, (Arab.
Untersuchung der Philosophie Ibn Ruschds,
Orig.: Dalelet wa-iskalat: dirasat fi ‘l-falsafa al-ara- sondern um eine aktualisierte philosophische
biya al-islamiya), Rabat, 1988; »Das andere Gesicht der Bearbeitung dieser Philosophie im Lichte der
Moderne von Ibn Ruschd« (Arab. Orig.: Al-wajh al-akhar aktuellen kulturellen und interkulturellen
li-hadathat Ibn Ruschd), Beirut, 1998; »Ibn-Arabi im Problematik.
Horizont der Postmoderne«, (Arab. Orig.: Ibn-Arabi Mesbahi versteht die Philosophie Ibn
ufoq ma bada’l-hadata), Rabat, 2003.
8 Mesbahis Beitrag, erschienen unter dem Titel
Ruschds­ in dieser Perspektive als geeigneten
»Inwiefern kann Ibn Ruschd eine Einführung zum Dialog Ausgangspunkt zur Entwicklung eines ak-
der Kulturen sein?« (Arab. Orig.: Fi-ayyi ma’na yum- tuellen Denkansatzes, welcher den »Dialog
kinu an jakuna Ibn Ruschd madkhalan li-hiwari th- der Kulturen« in den Mittelpunkt stellt und
thaqafat?), wurde im Mai 2006 in London in der eine Alternative zu Huntingtons Paradigma
arabischsprachigen Zeitung AL-QUDS AL-Arabi »Kampf der Kulturen« bieten kann. Mesbahi
publiziert. Vgl. AL-QUDS AL-Arabi, Vol. 18, Issue
5264, S. 17. Die im Folgenden zitierten Textstellen
versucht somit, sich der Problematik »Dialog
und in Anführungszeichen gesetzten Begriffe sind der Kulturen« über Ibn Ruschd anzunähern; er polylog 17
von mir aus dem Arabischen übersetzt. ist sich jedoch gleichzeitig der philosophischen Seite 63
Sarhan Dhouib:

Grenzen und der Gefahr ahistorischer Miss- Das Paradigma »Kampf der Kulturen« ist
verständnisse bewusst, die eine solche Inter- Ibn Ruschds Philosophie auch terminologisch
pretation in sich birgt. fremd. Begriffe wie Ideologie, Kultur, Kalter
Bevor Mesbahi Ibn Ruschds Philosophie Krieg, Sozialismus, Kapitalismus, Liberalis-
auf das Zeitalter der Globalisierung anwendet, mus usw. sowie die Methodik der modernen
erläutert er in drei Punkten, dass das Paradig- Geisteswissenschaften sind mit seinem episte-
ma »Kampf der Kulturen« Ibn Ruschds Philo- mologischen Paradigma des 12. Jahrhunderts
sophie völlig fremd war: inkompatibel.9
»Der Kampf der Kulturen tobt Das Paradigma »Kampf der Kulturen« wur- Die oben genannten Punkte dürfen in die-
seit einiger Zeit zwischen de erst im 20. Jahrhundert mit seinen komple- sem Kontext nicht übergangen werden, denn
den Fundamentalisten auf xen internationalen Beziehungen geschaffen, der Unterschied zwischen »der Ruschd’schen
westlicher und islamischer namentlich mit der nach dem zweiten Welt- und der Huntington’schen Vorgehensweise«10
Seite und das ohne jegliches krieg entstandenen Spaltung der Welt in Kapi- ist historisch und epistemologisch betrachtet
Gleichgewicht.« talismus und Sozialismus. Nach dem Sieg des erheblich.
»kapitalistischen Liberalismus« unter der Füh- Da sich Mesbahi jedoch der Problematik
Mesbahi rung der USA, bildete sich ein neues Weltbild, der Anwendung der Philosophie Ibn Ruschds
in dessen Rahmen der »Kampf der Kulturen« bewusst ist, kann sein Versuch einer Aktuali-
noch immer ein besonderes geistiges Paradig- sierung der Philosophie Ibn Ruschds in einer
ma einnimmt. Anwendung auf den interkulturellen Dialog
Ibn Ruschd etablierte seine politische Phi- trotz der stark voneinander abweichenden
losophie am Rande seiner Kommentare zu Sichtweisen dieser beiden Denker gerechtfer-
Platons Staat sowie Aristoteles’ Ethik und tigt werden.
Rhetorik. Sie beruht auf einer »vertikalen Des Weiteren stellt die aktuelle politische
Sichtweise«, in der der Wechsel zwischen und kulturelle Lage im »Westen« wie im
acht Regierungsformen innerhalb einer ein- »arabisch-islamischen Raum« eine entschei-
zigen Kultur über psychisch-ethische Gründe dende Schwierigkeit dar. Sie ist unter zwei
erklärt wird. Hingegen beruht das Paradigma Aspekten zu betrachten: Einerseits ist »der
Huntingtons auf einer »horizontalen Sichtwei- Islam in den westlichen Medien die heiße und
se«, in deren Rahmen fünf bis acht Kulturen, blutige Grenze des Westens«; mit den Wor-
die auf der Welt koexistieren, miteinander ten Huntingtons: der »globale Feind des Okzi-
kollidieren. So wurde der »Kampf der Kul- dents«. Anderseits gehört »das Feindbild ›We-
turen« nach dem Fall der Berliner Mauer zum sten‹ und die Ablehnung der modernen Kultur
neuen »Motor der Geschichte« und ersetzte bei einigen intellektuellen Strömungen in
den alten »Motor«, die »Ideologie« des Kalten der arabisch-islamischen Kultur – besonders
polylog 17 Krieges. 9 Vgl. Mesbahi (Fn. 8), S. 17.
Seite 64 10 Vgl. Mesbahi (Fn. 8), S. 17.
»Dialog der Kulturen« versus »Kampf der Kulturen«?

bei den ›Fundamentalisten‹ – zur Alltäglich- 2. Drei Prinzipien für den »Dialog der
keit«. Mesbahi fasst zusammen: »Der Kampf Kulturen«
der Kulturen tobt seit einiger Zeit zwischen Die Schaffung »eines gemeinsamen Raums«
den Fundamentalisten auf westlicher und beruht auf drei Grundprinzipien der Philoso-
islamischer Seite und das ohne jegliches phie Ibn Ruschds:
Gleichgewicht.«11 1. Die Vergänglichkeit der Kulturen
Mesbahi hat eine Kritik an Huntingtons Laut Ibn Ruschd bilden die Philosophien, die
Paradigma »Kampf der Kulturen« entwickelt, Künste und die Wissenschaften den Kern der
die bedenkenswert ist: In welche Richtung Kulturen. Sie sind als Lebewesen zu betrach- Laut Ibn Ruschd bilden die
geht seine Kritik? ten, d. h. als Seiende, die dem Naturgesetz des Philosophien, die Künste und die
Das Anliegen Mesbahis ist es »Selbstkritik« Entstehens und des Vergehens unterliegen. Wissenschaften den Kern der
zu üben, um »die Tür des Dialogs mit dem Betrachten wir also die Kulturen als Indi- Kulturen. Sie sind als Lebewesen
Selbst zu öffnen« und »die Möglichkeit eines viduen, d.h. in ihrem kontextbezogenen Rah- zu betrachten, d. h. als Seiende,
allgemeinen Raums zu schaffen, in dem wir men bestimmt durch ihren Ort, ihre Zeit und die dem Naturgesetz des

[die arabisch-islamische Kultur; S. D.] uns mit ihre Träger, dann sind sie als vergänglich zu Entstehens und des Vergehens

dem Westen treffen, um die Leistungen der bezeichnen. Betrachten wir aber die Kultur unterliegen.
modernen menschlichen Zivilisation zu be- an sich, d. h. in ihrer allgemeinen, univer-
wahren, die ein universelles Gut darstellen«.12 sellen Dimension, dann ist sie als »unvergäng-
Um dies verwirklichen zu können, zieht Mes- lich« und damit als »ewig« aufzufassen. Kul-
bahi die Ruschdsche Herangehensweise der tur verschwindet irgendwo und irgendwann,
Huntingtonschen vor. Er beabsichtigt die um zwangsläufig an einem neuen Ort zu neu-
Begegnung der Menschen in einem »Dialog er Blüte zu gelangen, »denn die Welt würde
der Kulturen«, anstatt sie in einem »Kampf nie frei von Kultur sein können, solange der
der Kulturen« kollidieren zu lassen. Er über- Mensch existiert«.13
nimmt den Ansatz Ibn Ruschds, der die Bezie- In der Anwendung des Prinzips der Ver-
hung der Scharia zur griechischen Philosophie gänglichkeit der Kulturen auf die gegenwär-
von innen (Scharia) nach außen (griechische tige Lage in der arabisch-islamischen Welt
Philosophie) gerichtet behandelte. lässt Mesbahi erkennen, dass die Kultur dieser
Dieser Ansatz begründet drei Prinzipien Region seit langer Zeit aufgehört hat, innova-
eines »Dialogs der Kulturen«, die im Fol- tive Perspektiven zu gestalten. Das vorherr-
genden erläutert werden. schende klassische Weltbild der arabisch-isla-
mischen Kultur wird bezüglich der heutigen
Herausforderungen als ungeeignet betrachtet;
es habe nur noch historischen Wert. Diese
11 Vgl. Mesbahi (Fn. 8), S. 17. Darstellung sollte von kritischen arabischen polylog 17
12 Vgl. Mesbahi (Fn. 8), S. 17. 13 Mesbahi: (Fn. 8), S. 17. Seite 65
Sarhan Dhouib:

Intellektuellen jedoch nicht als Demütigung einem Zeitalter nur eine einzige universelle
empfunden werden. Im Gegenteil, Mesbahi Kultur geben kann, und diese erscheint in der
behauptet, dass das Anerkennen dieser Tat- modernen Zeit unter dem Namen westliche
sachen den arabischen Intellektuellen helfen Kultur.«14 Es ist daher Unsinn, diese »west-
könne, die von der europäischen und nord­ liche Kultur« zurückzuweisen, denn »ein
amerikanischen Moderne stark geprägte aktu- Ablehnen aller Errungenschaften des Wes­
elle Kultur als eine universelle Kultur wahr- tens, ob politische Institutionen oder geistige,
zunehmen. Dies deckt sich paradoxerweise wissenschaftliche, technische bzw. ethische
Denn angenommen, Gott sei mit einer Schlussfolgerung Huntingtons. Systeme, mit der Behauptung, dass diese un-
einer, die Welt sei eine und die 2. Einheit der Kultur sere [d. h. die arabisch-islamische; S. D.] Exi-
Menschheit sei eine, dann muss Wie kann man die Einheit der Kultur bewei- stenz und Identität bedrohten, zeugt von einer
auch die Kultur eine sein. sen? Wie kann man dieses Prinzip ausgehend Überheblichkeit und einer Verschlossenheit in
von der Philosophie Ibn Ruschds herleiten? sich selbst.«15
Mesbahi antwortet, indem er sich auf Ibn Der Ausdruck »Einheit der Kultur« wird
Ruschds These der »Einheit der Welt« bezieht. jedoch differenziert: »dieses Prinzip bedeutet
Denn angenommen, Gott sei einer, die Welt keine Abschaffung der kulturellen Vielfalt.«16
sei eine und die Menschheit sei eine, dann Laut Mesbahi sei in diesem Sinne die »west-
muss auch die Kultur eine sein. Die Kultur liche Kultur« als Bereicherung für andere Kul-
spiegele sich in den verschiedenen Weltan- turen zu betrachten. Und er betont, dass sich
schauungen und Weltbildern wider und kann diese Schlussfolgerung im Wesentlichen nicht
daher unterschiedliche Attribute tragen. So von der Huntingtons unterscheide.
beschreibe der Lauf der Geschichte die grie- 3. Strukturierung der Beziehung zwischen
chische, die römische, die persische oder die dem Wesentlichen und dem Historischen
islamische Kultur und werde heute »westliche Mesbahi beabsichtigt basierend auf dem Prinzip
Kultur« genannt. einer Strukturierung der Beziehung zwischen
Die Kultur bleibt jedoch im Wesentlichen dem Wesentlichen und dem Historischen eine
eine, prinzipiell charakterisiert durch einen Kritik der »kulturellen Besonderheit« unter
Dialog zwischen Mensch und Mensch bzw. Verwendung der Ruschdschen Philosophie
zwischen Mensch und Natur mit dem Ziel, zu legitimieren. Diese Kritik richtet sich vor
die Entwicklung der menschlichen Existenz allem gegen die These der »Fundamentalisten«,
gewährleisten zu können. wonach die arabisch-islamische Kultur sich in
Mesbahi bemerkt, dass die »Einheit der ihrem »Wesen« von der »westlichen Kultur«
Kultur« ein »ungenauer Begriff« sei, da kei- völlig unterscheidet. Die Anhänger dieser
ne Kultur unbeeinflusst durch andere Kul- 14 Vgl. Mesbahi (Fn. 8), S. 17.
polylog 17 turen ist. Er fügt jedoch hinzu: »Der Sinn der 15 Vgl. Mesbahi (Fn. 8), S. 17.
Seite 66 Einheit der Kultur besteht darin, dass es in 16 Vgl. Mesbahi (Fn. 8), S. 17.
»Dialog der Kulturen« versus »Kampf der Kulturen«?

Auffassung lehnen Begriffe wie Demokratie, Auseinandersetzung mit dem Anderen, deren
Menschenrechte, Frauenrechte oder Men- Rahmen über den Begriff des »gemeinsamen
schenwürde ab, indem sie sich auf die jewei- Raums«18 definiert werden kann. Man sollte
lige »kulturelle Besonderheit« berufen. Doch nach dem suchen, was den Kulturen gemein-
solche Begriffe sind der arabisch-islamischen sam ist, und nicht nach dem, was sie spaltet.
Kultur nicht fremd, man spürt sie in den
Kommentaren Ibn Ruschds und muss sie nur 3. Der Begriff des »gemeinsamen Raums«
entschlüsseln. Es ist festzustellen, dass »keine Der »gemeinsame Raum« bildet einen Rah-
Besonderheiten in der Demokratie existieren, men, in dem sich ein interkultureller Dialog »Modernität stellt die Mög-
weil es nur eine Menschheit, eine Freiheit und verwirklichen kann. Das Ziel ist es, eine ge- lichkeit dar, einen neutralen
eine allgemeingültige Menschenwürde gibt«.17 meinsame Sprache sowie gemeinsame Vorstel- Ort und einen universellen

Der Unterschied zwischen der »arabisch-is- lungen zu finden. Die gemeinsamen Wurzeln gemeinsamen Bereich für alle
lamischen« und der »westlichen« Kultur stellt der arabisch-islamischen und der westlichen Menschen und alle Kulturen zu
sich somit nicht als eine »Frage ihres Wesens« Kultur sollten gewürdigt werden. Beide sind schaffen, – einen Ort, in dem
dar, sondern als eine »Frage ihrer Aneig- durch ihre monotheistischen Religionen und die Erfahrungen der Mensch-
nung«. Die gegenwärtige arabisch-islamische ihr griechisches und römisches Erbe bestimmt. heit aus aller Welt und Zeit
Welt befinde sich lediglich auf einer anderen Ibn Ruschd würde den Unterschied zwischen miteinander koexistieren und
Sprosse der »Leiter der Geschichte« als die den beiden Kulturen als sekundär und nicht sich gegenseitig inspirieren.«
europäische Moderne, strebe jedoch nach den als substanziell betrachten.
gleichen universellen Werten. Diesen »gemeinsamen Raum« findet Mes- Mesbahi
Für Mesbahi bietet Ibn Ruschd einen wert- bahi in der »Modernität«, die grundsätzlich
vollen Denkansatz: Dieser aufgeschlossene vom Begriff »Westen« zu trennen sei, denn
Gelehrte kommentierte die griechische Phi- »Modernität stellt die Möglichkeit dar, einen
losophie und die Naturwissenschaften und neutralen Ort und einen universellen gemein-
trug damit zur Auseinandersetzung mit und samen Bereich für alle Menschen und alle
zur Annäherung an die Kultur des »Anderen« Kulturen zu schaffen, – einen Ort, in dem die
bei. Daher sollten die arabisch-islamischen In- Erfahrungen der Menschheit aus aller Welt
tellektuellen dem Beispiel Ibn Ruschds folgen und Zeit miteinander koexistieren und sich
und sich nicht durch kulturell bedingte Vor- gegenseitig inspirieren.«19
urteile und Ängste davon abhalten lassen, den
Weg zu einer intensiveren interkulturellen 18 Vgl. Mesbahi (Fn. 8), S. 17.
Begegnung mit der »westlichen Kultur« zu 19 Vgl. Mesbahi (Fn. 8), S. 17. Ausführlicher über
ebnen. Im Gegensatz zum »Kampf der Kul- den neutralen Ort bei Mesbahi, vgl. J. Ben-Abdeljelil
(Fn. 1), S. 123–124. Ben-Abdeljelil bezieht sich auf
turen« ermöglicht der »Dialog der Kulturen« Mesbahis Buch »Das andere Gesicht der Moderne von Ibn
eine differenzierte und kompromissbereite Ruschd« (Arab. Orig.: Al-wajh al-akhar li-hadathat Ibn polylog 17
17 Vgl. Mesbahi (Fn. 8), S. 17. Ruschd), Beirut, 1998, S. 35–36. Seite 67
Sarhan Dhouib:

Die Modernität kann jedoch nur dann ei- yy Ein Verzicht auf das »Prinzip einer ge-
nen »gemeinsamen Raum« bilden, wenn sie genseitigen Überlegenheit« bezüglich
als neutraler Ort verstanden wird. Im Unter- der jeweiligen kulturellen Werte und die
schied zum Begriff »Westen«, welcher »einen Übernahme des »Prinzips einer relativen
bestimmten und begrenzten Bereich« defi- [kulturellen; S. D.] Verschiedenartigkeit«.
niert, bietet die »Modernität« einen für alle yy Eine Überwindung der Angst seitens des
Kulturen zugänglichen Raum, da sie im Laufe Westens vor einer »Belagerung« durch
der Geschichte von den verschiedenen, auch »die Anderen«, die seinen Fortschritt und
Die praktische Vernunft bildet miteinander konkurrierenden Kulturen ge- seine Werte bedrohen, sowie die Aufgabe
hier den Rahmen für den Plura- schaffen wurde. Die Modernität beansprucht der »Verschwörungstheorien« seitens der
lismus und die Entwicklung der demzufolge keine Exklusivität und auch keine arabisch-islamischen Welt.
verschiedenen menschlichen gewalttätige Durchsetzung ihrer Werte. Lei- Es werde keinen interkulturellen Dialog ge-
Erfahrungen und der unter- der missbraucht die westliche Welt den Begriff ben, solange es die Menschen nicht schaffen,
schiedlichen Religionen. »Modernität«, um ihre Vormachtstellung auf- sich von der »Psychologie der Konfrontation
rechtzuhalten. Indem Mesbahi die Modernität und Ablehnung« zu befreien. Ferner sei es
als neutralen Ort definiert, überwindet er für die arabisch-islamische Kultur entschei-
diesen westlichen, hegemonialen Sinngehalt dend, eine Einigung mit der modernen »west-
des Begriffs, der die Anderen auszuschließen lichen Kultur« zu suchen und nicht eine Spal-
versucht. Doch der Anspruch, eine im gene- tung. Das Postulat, »unsere« Kultur, d. h. die
rellen Kontrast zu den Anderen definierte arabisch-islamische Kultur, sei »wesentlich
Identität zu besitzen, bleibt charakteristisch anders«, kann nur zu einer Isolation führen.
für die Anschauung der Fundamentalisten, ob Diese Einigung impliziert jedoch nicht die
sie aus westlicher oder islamischer Seite stam- vollständige Assimilation der westlichen Kul-
men. Mesbahi erklärt: »In diesem Punkt sind tur und leugnet auch nicht den Pluralismus.
sich die traditionellen Fundamentalisten und Sie bildet die Substanz im Gegensatz zu der
der westliche Fundamentalist Huntington ei- Verschiedenartigkeit, die das Akzidentelle
nig. Sie alle definieren ihre Länder, ihre Völ- konstituiert.
ker und ihre Geschichte im Kontrast zu und Da sich Mesbahi auf den Denkansatz Ibn
über die Abwertung von den Anderen.«20 Ruschds stützt, betrachtet er konsequenter
Um die Schaffung eines »gemeinsamen Weise die theoretische Vernunft als Einheit, in
Raums« ermöglichen zu können, bedarf es deren Rahmen sich die Naturwissenschaften
der Zugeständnisse von westlicher wie von und die Philosophie entwickeln können. Die
arabisch-islamischer Seite. Die wichtigsten praktische Vernunft bildet hier den Rahmen
sind laut Mesbahi: für den Pluralismus und die Entwicklung der
polylog 17 verschiedenen menschlichen Erfahrungen und
Seite 68 20 Vgl. Mesbahi (Fn. 8), S. 17. der unterschiedlichen Religionen. Unter die-
»Dialog der Kulturen« versus »Kampf der Kulturen«?

sem Standpunkt ist der Pluralismus innerhalb als Diskurs der Vernunft bietet dem Men-
der Einheit zu rechtfertigen, denn die Einheit schen einen Bereich, in dem er seine Freiheit
stellt hier keine starre kulturelle Identität dar, verwirklichen kann.
sie dient eher der Diversität als der Diversität Trotz aller Kritik an der »Vernunft«, sei
der Einheit dient. sie romantisch oder epistemologisch, sei sie
Mesbahis Auffassung bezüglich der Inter- ontologisch oder logisch, sei sie strukturali-
kulturalität kommt in dem folgenden Zitat stisch oder dekonstruktivistisch, stehen ihr
prägnant zum Ausdruck: »Der Dialog der Kul- Mesbahi und andere arabische Intellektuel-
turen zwischen uns [der arabisch-islamischen le optimistisch gegenüber. Da die Vernunft »... eine flexible Vernunft, die

Kultur; S. D.] und der westlichen Kultur be- eine kulturübergreifende Einheit bildet, stellt durch Herz und Vorstellungs-
deutet, die Vernunft als Kommunikationsme- sie einen »gemeinsamen Ort für die gesamte kraft genährt wird; eine Ver-
dium einzusetzen; es darf jedoch nicht die Art Menschheit«23 dar. nunft, welche die Grenzen nicht
von Vernunft sein, die zum Kulturzentrismus Mesbahi versteht diesen »gemeinsamen Ort« in Schlachtfelder verwandelt,
und Fanatismus gegenüber anderen Kulturen als einen »neutralen Raum«, der eine kommu- sondern in Ufer, von denen aus
führt, sondern eine flexible Vernunft, die nikative und handlungsbezogene Begegnung sich die offenen beweglichen
durch Herz und Vorstellungskraft genährt zwischen den Menschen ermöglichen könne. und wechselseitigen Identitäten
wird; eine Vernunft, welche die Grenzen Dieser Ort ist geprägt vom »Miteinandersein«, der Gesprächspartner entfalten
nicht in Schlachtfelder verwandelt, sondern d. h. von dem, was die Menschen verbindet. können ...«
in Ufer, von denen aus sich die offenen beweg- Dagegen definiert sich eine »Kultur der
lichen und wechselseitigen Identitäten der Ge- Identität«24 als eine Kultur der Exklusion: Mesbahi
sprächspartner entfalten können.«21 sie beruht auf einer einseitigen Beziehung
zu sich selbst und lehnt den Anderen ab. Sie
4. Die Philosophie als »neutraler Ort«22 führt zu Kulturzentrismus, d. h. zu »Isolation
Die Suche nach einem gemeinsamen Ort, in und Einsamkeit.«25 Im Gegensatz dazu, kon-
dem sich die Menschen trotz ihrer unter- struiert Mesbahi im Hinblick auf Ibn Arabi
schiedlichen Kulturen begegnen können, ist (1165–1240) und Ibn Ruschd, eine »Kultur des
die Aufgabe der Philosophie. Die Philosophie Miteinander.«26 Diese suggeriert einen offenen
21 Vgl. Mesbahi (Fn. 8), S. 17.
Umgang mit dem Anderen, der als Grundvor­
22 Ich beziehe mich hier auf den Beitrag von M. aussetzung für ein Zusammenleben gilt, das
Mesbahi: »Die Philosophie als neutraler Ort« (Arab. nicht durch eine von gegenseitiger Überlegen-
Orig.: Al-Falsafa biwasfiha makanan muhayidan), in:
Zouaoui Beghoura (direction): Les Lumières et autres 23 Vgl. Mesbahi (Fn. 22), S. 27.
contributions, Ain Mlila, Algerie, o.J., S. 27–39. Dieser 24 Vgl. Mesbahi (Fn. 22), S. 28. Die »Kultur der
Text wurde 2001 an der Universität Mentouri – Con- Identität« (Arab. Orig.: thaqafatu l-huwiya) ist bei
stantine (Algerien) im Rahmen der Aktivität des UN- Mesbahi negativ geprägt.
ESCO-Lehrstuhls der Philosophie für die arabischen 25 Vgl. Mesbahi (Fn. 22), S. 29. polylog 17
Welt vorgetragen, vgl. Z. Beghoura: Ebd., S. 3. 26 Vgl. Mesbahi (Fn. 22), S. 28. Seite 69
Sarhan Dhouib:

heit geprägte Beziehung bestimmt ist, sondern che seit Al-Kindi (801–870) in der arabisch-
durch ein Gleichgewicht, in dessen Rahmen islamischen Kultur des Mittelalters vertreten
sich Pluralismus und wechselseitige Achtung wird. So schreibt er in seiner Abhandlung
ausdrücken können.27 Während der Diskurs über die erste Philosophie: »We ought not to
der Identität ein geschlossener Diskurs ist, der be ashamed of appreciating the truth and of
uns zu einer »Kultur des Gegensatzes« führt, acquiring it wherever it comes from, even if it
bietet der Diskurs der offenen Vernunft eine comes from races distant and nations different
»Kultur des Miteinander«, die nach den Ge- from us. For the seeker of truth nothing takes
»We ought not to be ashamed meinsamkeiten der Menschheit strebt, ohne precedence over the truth, and there is no dis-
of appreciating the truth and jedoch die verschiedenen Aspekte der kultu- paragement of the truth, nor belittling either
of acquiring it wherever it rellen Vielfalt der Menschen zu leugnen. of him who speaks it or of him who conveys
comes from, even if it comes Die Vernunftsnormen des philosophischen it. (The status of) no one is diminished by the
from races distant and nations transkulturellen Diskurses definieren den truth; rather does the truth ennoble all.«28
different from us.« Rahmen eines bestimmten rechts-ethischen Ein weiteres Beispiel für die Offenheit des
Systems. Doch sie können die Handlungs- philosophischen Diskurses in der arabisch-
Al-Kindi weisen, die daraus resultieren, kaum fixieren. islamischen Kultur bietet die Philosophie Ibn
Aus dem Charakter der jeweiligen Vernunfts- Ruschds. Für den Gelehrten aus Cordoba be-
normen resultiert ihr Grad an Offenheit ge- steht die Philosophie zu dem Zweck, die Er-
genüber den Anderen. Im Vergleich zu anderen kenntnis des Wahren mittels der demonstra-
Diskursen, die sich aufgrund ihrer Prinzipien tiven Beweisführung zu erreichen. Und »da
und Strukturen nur mit einzelnen kulturellen die religiösen Gesetze Wahrheit sind und zu
Erscheinungen beschäftigen, bemüht sich die der Spekulation auffordern, welche zur Er-
Philosophie, einen transkulturellen Ort zu kenntnis der Wahrheit führt, so wissen wir
schaffen, in dem eine geistige Begegnung ent- Muslime positiv, daß die demonstrative Spe-
stehen könnte. Die Sprache der Vernunft, d.h. kulation nicht zu einem Widerspruch zu dem
der Philosophie, ist eine universelle Sprache. im Gesetz Enthaltenen führt, denn die Wahr-
Dieses Streben nach dem Universellen und heit kann der Wahrheit nicht widersprechen;
dem Allgemeingültigen ist charakteristisch im Gegenteil, sie stimmt mit ihr überein und
für eine offene rationale Philosophie, wel- legt Zeugnis von ihr ab.«29
28 Ya’koub ibn Ishaq al-kindi: Treatise on the first
27 In diesem Zusammenhang bietet die gemeinsame philosophy, Translation Alfred L. Ivry, New York,
Forschung von Hans Jörg Sandkühler und Fathi Tri- 1974, S. 58.
ki über die Aufgabe der Philosophie in der transkul- 29 Ibn Ruschd: Philosophie und Theologie von Aver-
turellen Welt einen Orientierungspunkt. Vgl. Hans roes, hrsg. und dt. übers. v. M. J. Müller, mit einem
Jörg Sandkühler/Fathi Triki (Hg.): Die Aufgabe Nachwort v. M. Vollmer, Weiheim, 1991, S. 7. Zi-
polylog 17 der Philosophie in der transkulturellen Welt. Frankfurt am tiert nach Mohamed Turki: Glauben und Wissen in der
Seite 70 Main, 2002. arabisch-islamischen Philosophie. Ibn Ruschd (Averroes) und
»Dialog der Kulturen« versus »Kampf der Kulturen«?

Während Ibn Ruschd die demonstrative 6. Interessengleichgewicht


Beweisführung den Philosophen vorbehält Die von Mesbahi vertretene These »Dialog
und daher das allgemeine Publikum vom Ge- der Kulturen« ist als kontextbezogene Neu-
brauch der theoretischen Vernunft ausschließt, begründung des averroistischen Geistes in
behandelt Mesbahi die Frage nach der theore- der gegenwärtigen arabisch-islamischen Kul-
tischen Vernunft im Horizont der Demokratie tur zu verstehen. Diese Neubegründung des
des Wissens. Es ist heute nicht mehr möglich Rationalismus – die Offenheit gegenüber dem
diesen elitären Diskurs sowie die Trennung Anderen, die Demokratie und die daraus re-
zwischen einer »Elite« und einem »Publi- sultierenden kulturellen und philosophischen »Der Erfolg der Erneuerung [...]
kum« beizubehalten. Deshalb sollte man die Probleme – ist charakteristisch für die »ara- der arabischen Vernunft und
Aufklärung nicht wie bei Ibn Ruschd auf die bischen Averroisten«. Dieses Anliegen wurde der Neubegründung [...] des
theoretische Vernunft beschränken, sondern bereits in Mohamed-Abid Al-Gabris Kritik islamischen Denkens, um die wir
auch die praktische Vernunft mit einschließen. der arabischen Vernunft30 eingeführt und bil- uns bemühen, hängt nicht nur
Diese Vernunft sollte einen neutralen Ort für det ein signifikantes Merkmal seines Denkens: davon ab, in welchem Umfang
die gesamte Menschheit anbieten, in deren »Der Erfolg der Erneuerung [...] der arabischen wir die zeitgenössischen wissen-
Rahmen das Handeln der Menschen weder Vernunft und der Neubegründung [...] des is- schaftlichen und methodischen
vom moralischen Gesetz des Staates Al-Fa- lamischen Denkens, um die wir uns bemühen, Errungenschaften vor und
rabis (873–950) noch vom kategorischen Im- hängt nicht nur davon ab, in welchem Umfang auch nach dem 20. Jahrhundert
perativ Kants bestimmt wird, sondern allein wir die zeitgenössischen wissenschaftlichen adaptieren, sondern wohl in
durch das kommunikative und freie Handeln. und methodischen Errungenschaften vor und erster Linie davon, inwieweit wir
Begriffe wie Kosmopolitismus, Gerechtigkeit, auch nach dem 20. Jahrhundert adaptieren, in der Lage sind, die kritische
Gleichheit, Menschenrechte werden durch sondern wohl in erster Linie davon, inwieweit Haltung [...] Ibn Hazms, den
dieses Verständnis verstärkt. wir in der Lage sind, die kritische Haltung Rationalismus Ibn Ruschds, die
Dabei sollte man jedoch die durch die prak- [...] Ibn Hazms, den Rationalismus Ibn Rusch- Prinzipienlehre [...] as-Schatibis
tische Vernunft vermittelten »Meinungen« ds, die Prinzipienlehre [...] as-Schatibis und und das Geschichtsbewußtsein
nicht in »Dogmen« bzw. »absolute Wahr- das Geschichtsbewußtsein [...] Ibn Khalduns [...] Ibn Khalduns wiederzuer-
heiten« verwandeln. Eine solche Transfor- wiederzuerlangen.«31 langen.«
mation der freien »Meinungen« in exklusive 30 Es handelt sich dabei um die vier Bände seines phi-
Wahrheiten ist ein Kennzeichnen der »Funda- losophischen Projekts: Die Genese der arabischen Vernunft. Al-Gabri
mentalisten«, die weder einen gemeinsamen (Arab. Orig.: Takwin al-‘aql al-‘arabi), Beirut, 1984;
noch einen neutralen Ort für die Menschen Die Struktur der arabischen Vernunft. (Arab. Orig.: Buni-
anerkennen. yat al-‘aql al-‘arabi), Beirut, 1986; Die politische arabische
Vernunft (Arab. Orig.: Al-‘aql as-siyasi al-‘arabi), Beirut,
1990; Die moralische arabische Vernunft (Arab. Orig.: Al-
‘aql al-akhlaqi al-‘arabi), Beirut, 2001.
der erste Versuch der Aufklärung im Islam, in: Dialektik, 31 Mohamed Abid Al-Gabri: Struktur der arabischen polylog 17
1996/1, Hamburg, 1996, S. 36–37. Vernunft (Arab. Orig.: Bunyat al-‘aql al-‘arabi), Bei- Seite 71
Sarhan Dhouib:

Die Beschäftigung mit Ibn Ruschd im Al-Gabri vertritt die These, dass die »eu-
Kontext der Globalisierung und der Bezug ropäische Vernunft« stark vom Begriff des
zum von Huntington vertretenen Paradigma »Kampfes« geprägt sei. Daher fragt er sich in
»Kampf der Kulturen« ist auch bei Al-Gabri diesem Kontext, ob es Parallelen zwischen
latent vorhanden, sie kommt jedoch nicht oft dem »Kampf der Kulturen« bei Huntington
explizit zum Ausdruck. Seine Überlegungen und dem »Klassenkampf« bei Marx und Engels
in Bezug zum »Dialog der Kulturen« sind ei- geben könnte. Abgesehen von den kulturphi-
nerseits ein Plädoyer für die Ethik des Dialogs, losophischen Hintergründen dieser Intellek-
Al-Gabri vertritt die These, wie man sie beispielsweise im Text Ethik des tuellen, spielt der Begriff »Kampf« für sie eine
dass die »europäische Dialogs und dessen Regeln bei Ibn Ruschd 32 entscheidende Rolle in der Weltgeschichte.
Vernunft« stark vom Begriff des findet. Andererseits werden sie durch eine Während Marx in seinem Manifest den »Klas-
»Kampfes« geprägt sei. Auseinandersetzung mit dem Begriff »Kampf« senkampf« als Motor der Geschichte voraus-
in der europäischen Philosophie sowie durch setzt, verfasst Huntington das »Manifest einer
eine Bearbeitung des Themas »Interessen- neuen Weltordnung«, indem der »Kampf der
gleichgewicht« im Rahmen einer wirtschaft- Kulturen« ins Zentrum vorrückt.
lich-philosophischen Weltpolitik bestimmt, Die Gegenüberstellung von Marx und Hun-
wie in seinem Beitrag Die europäische Vernunft tington wird von Al-Gabri aus der Negativität
und der Begriff des Kampfes.33 hergeleitet, denn sie hebt die Fehlinterpreta-
Diese aufschlussreiche Kritik Al-Gabris zu den tionen beider Denkweisen hervor. Al-Gabri
Themen »Kampf der Kulturen« und »Dialog der nennt drei Fehler:
Kulturen« wird im Folgenden näher erörtert. Erstens: Marx hat die sozialen Klassen in-
rut, 1987, S. 552. Zitiert nach Anke von Kügel-
nerhalb eines »vertikalen Schemas« verortet.
gen: Averroes und die arabische Moderne. Ansätze zu ei- Dabei verfügten die verschiedenen Gesell-
ner Neubegründung des Rationalismus im Islam, Leiden/ schaften über dieselben sozialen Klassen. Die
New York/Köln, 1994, S. 270. (Die im Original kulturellen, religiösen und ethnischen Unter-
verwendete Transkription arabischer Namen ist im schiede gehörten zum »Überbau« und spielten
Zitat leicht geändert). Vgl. ferner Mohamed Abid Al- in seiner Theorie eine Nebenrolle. Al-Gabri
Gabri: Introduction à la critique de la raison arabe. Über-
setzung: Ahmed Mahfoud und Marc Geoffry, Paris,
räumt den »kulturellen Besonderheiten« je-
1995, S. 77–170. doch eine entscheidende Rolle im mensch-
32 Vgl. Mohamed Abid Al-Gabri: Ethik des Dialogs lichen Leben ein. Huntingtons These »Kampf
und dessen Regeln bei Ibn Ruschd (Arab. Orig.: Akhlaqi- der Kulturen« will die Geschichte dynami-
yatu l-hiwar wa qawa‘iduhu ‘inda Ibn Ruschd), vom sieren und betrachtet sie daher nicht mehr
22. und 28. 9. 2006. Vgl. Mohamed Abid Al-Gabri: als »Werden« und »Fortschritt«, sondern als
http://www.aljabriabid.net/textes.htm.
»Kampf« auf einer »horizontalen Ebene«. Er
33 Vgl. M. Abid Al-Gabri (Fn. 32). Vgl. Die europä-
polylog 17 ische Vernunft und der Begriff des Kampfes. (Arab. Orig.: beschreibt die Kulturen als isolierte Inseln,
Seite 72 Al-‘aql al-‘urubbi wa maqulatu as-sira’). zwischen denen ein unsinniger »Kampf« tobt.
»Dialog der Kulturen« versus »Kampf der Kulturen«?

Zweitens: In seiner Analyse der kapitali- deren brauche, um seine Überlegenheit zu be-
stischen Gesellschaftsstruktur hat Marx seine haupten. Die Negation des Anderen ist für ihn
auf Grundlage der europäischen Gesellschaft konstitutiv, um sein Selbst zu bestätigen.
gewonnenen Erkenntnisse auf die gesamte Es verbirgt sich also hinter dem »Kampf der
Menschheit übertragen. Seine philosophische Kulturen« ein »Kampf der Interessen«. In der
Einstellung ist stark eurozentrisch geprägt. neuen Weltordnung, die vom Kapitalismus be-
Ähnlich bei Huntington: Der »Westen« – Eu- herrscht ist, beruhen die bilateralen wirtschaft-
ropa und die USA – bildet seinen Ausgangs- lichen Beziehungen zwischen dem »Westen«
und Bezugspunkt. Der »Kampf der Kulturen« und den »proletarischen Nationen« auf einem Im Gegensatz zu einem

verläuft u. a. entlang der Grenze zwischen wirtschaftlichen Ungleichgewicht, welches die Kulturzentrismus, welcher zur

dem »Westen« und der »islamischen« bzw. Ausbeutung letzterer zur Folge hat. In diesem Isolation und Einsamkeit der In-
»konfuzianischen« Kultur. Zusammenhang zeigt sich die wahre Bedeutung dividuen führt, ist mit Ibn Arabi
Drittens: Die Bourgeoisie und das Prole- des Begriffes »Kampf«: der »Kampf der Kul- und Ibn Ruschd eine »Kultur des
tariat stellten bei Marx die beiden Pole des turen« entpuppt sich als »Kampf der Interessen«. Miteinander« denkbar.
»Kampfes« auf nationaler wie internationaler Dieser »Kampf der Interessen« kann ra­tional
Ebene dar. Die Angehörigen einer Klasse, wel- analysiert werden, denn er ist ein Phänomen
che sich zwischen den beiden Polen befinden mit Ursachen, Erscheinungen und Folgen und
– die Intellektuellen, die Bauern oder die Mit- somit kontrollierbar. Er muss eingeschränkt
telschicht – würden lediglich als »Alliierte« werden, wenn wir ein »Interessengleich­
des Proletariats oder der Bourgeoisie wahrge- gewicht« zwischen den Gesellschaften durch-
nommen. Huntington behandelt die Kulturen, setzen wollen. Dies heißt aber auch, dass der
die zwischen dem »Westen« und der »isla- »Kampf der Kulturen« inkonsistent ist.
mischen« bzw. »konfuzianischen« Kultur ste- Sein Gegenmodell, der »Dialog der Kulturen«,
hen, in ähnlicher Weise. Einige Kulturräume, kann zu Missverständnissen führen, wenn er
wie Japan und Russland, suchten die Allianz lediglich als nicht praxisbezogenes Konstrukt
mit dem »Westen«; andere, wie etwa Süda- gesehen wird. Die Kulturen sind nicht durch
merika, spielten nur eine marginale Rolle.34 den Kampf gegeneinander bestimmt, sondern
Trotz aller inhaltlichen Unterschiede zwi- durch ihre »Verflechtung« miteinander.
schen dem »Klassenkampf« bei Marx und dem Heutzutage lebt man im Zeitalter der Ver-
»Kampf der Kulturen« bei Huntington, handle flechtung der Kulturen, in dem die Kulturen
es sich, laut Al-Gabri, doch um dasselbe »episte- voneinander abhängig sind. Nur die Bewälti-
mologische Modell«. Es ist geprägt von einem gung des »Kampfes der Interessen« und eine
Überlegenheitsdenken und einem »westlichen« konsequente Abrüstung würde dazu beitra-
Vorherrschaftsanspruch. In ihm kann das »west- gen, ein überzeugendes »Interessengleichge-
liche Subjekt« erkannt werden, welches den An- wicht« durchzusetzen. polylog 17
34 Vgl. M. Abid Al-Gabri (Fn. 32). Seite 73
Sarhan Dhouib:

III same zivilisatorische Wurzel begriffen werden


und stellt eine geschichtliche Tatsache dar, die,
Die Aktualität Ibn Ruschds gewinnt in der ara- sofern sie als eine solche anerkannt wird, als
bisch-islamischen Philosophie immer mehr an eine kulturell-historische Grundlage für den
Bedeutung, insbesondere bei den »arabischen »Dialog der Kulturen« gelten kann.
Averroisten«. Die Neubegründung des Ratio- Heute wird in Europa zunehmend die ent-
nalismus erhielt durch Ibn Ruschd einen wich- scheidende Rolle anerkannt, die die arabisch-
tigen Impuls, nicht nur innerhalb der arabisch- islamische Kultur bei der Entstehung der
»[…] die Wahrheit kann der islamischen Gesellschaften, sondern auch im europäischen Aufklärung gespielt hat.35 Die
Wahrheit nicht widersprechen; Hinblick auf einen weltbezogenen kulturellen Einsicht in die Verflechtung der drei monothe-
im Gegenteil, sie stimmt mit ihr Kontext. An dieser Entwicklung könnte auf- istischen Religionen kann Philosophen helfen,
überein und legt Zeugnis gezeigt werden, inwieweit, ausgehend von Ibn eine gemeinsame kulturelle Wurzel zu finden,
von ihr ab.« Ruschd und anderen Philosophen, die arabisch- die als Grundlage für eine bessere diskursive
islamische Philosophie fähig ist, originelle Bei- Annäherung an die heutigen kulturellen und
Ibn Ruschd träge zu aktuellen philosophischen Debatten philosophischen Debatten dienen kann. In
zu leisten und an Auseinandersetzungen über diesem Zusammenhang schreibt Geert­ Hend-
gegenwärtige philosophische Probleme teil- rich: »Gegenüber den gemeinsamen Wurzeln
zunehmen. Der von Mesbahi vorgeschlagene der arabisch-islamischen und der europä-
»neutrale Ort« kann als ein »gemeinsamer ischen Kultur und gegenüber den vielfältigen
Ort« der verschiedenen Kulturen verstanden Beziehungen innerhalb ihrer Geschichte hat
werden, in dessen Rahmen ein philosophischer das europäische Selbstbewusstsein also eine
Dialog geführt werden könnte. bemerkenswerte Verdrängung betrieben,
Nicht nur Ibn Ruschds Philosophie kann die aktuell in die gefährliche Rhetorik vom
als Grundlage für einen fruchtbaren Dialog ›Kampf der Kulturen‹ mündet. Nicht zu Un-
zwischen der arabisch-islamischen Kultur und recht kann man dagegen vom Islam als dem
dem »Westen« gelten, sondern auch die Re- ›verdrängten dritten Erbe‹ der Europäer ne-
zeption seiner Philosophie in der jüdischen ben dem griechisch-antiken und dem jüdisch-
sowie christlichen Kultur. Ibn Ruschd und die christlichen sprechen.«36
arabisch-islamische Kultur sind diesen Kul-
turräumen nicht fremd. Averroes Arabicus,
Averroes Hebraicus und Averroes Latinus 35 Anke von Kügelgen: »Averroisten« im 20. Jahr-
sind Namen, die sich in verschiedenen Kul- hundert – Zur Ibn-Rušd-Rezeption in der arabischen Welt,
turen widerspiegeln und uns ein bedeutendes in: Friedrich Niewöhner und Loris Sturlese:
Averroismus im Mittelalter und in der Renaissance, Zürich,
Beispiel für die Vielfältigkeit der Rezeption 1994, S. 352–353.
polylog 17 dieses Philosophen liefern. Die Rezeption der 36 Geert Hendrich: Arabisch-islamische Philosophie.
Seite 74 Philosophie Ibn Ruschds kann als eine gemein- Geschichte und Gegenwart, Frankfurt/Main, 2005, S. 9.
»Dialog der Kulturen« versus »Kampf der Kulturen«?

In diesem Kontext kommt der Auseinan-


dersetzung mit den fundamentalistischen Ten-
denzen sowohl in der arabisch-islamischen als
auch in der westlichen Kultur große Bedeutung
zu. Der offene Rationalismus, der bereits in
den beiden Kulturen beheimatet ist, kann unter
verschiedenen Aspekten ein normatives Funda-
ment für den neutralen Ort bzw. die Transkul-
turalität liefern. Die kritische philosophische www.polylog.org
Haltung wird zwar heute nicht mehr an den Texte, Foren, Links usw.
Optimismus der europäischen Aufklärung an- auf deutsch, englisch
knüpfen. Doch betrachtet man einige politische und spanisch.
und historische Konsequenzen dieser Aufklä-
rung – Kolonialismus und Totalitarismus –, so
kann man festhalten, dass eine neue Bearbei- www.polylog.net
tung des Rationalismus dringend geboten ist. Die Homepage dieser
Während Mesbahi von der Einheit der Ver- Zeitschrift
nunft ausgeht, und er deshalb den Dialog der
Kulturen als Mittel versteht, dem Kampf der
Kulturen entgegenzutreten, differenziert Al- www.wigip.org
Gabri diesen Vernunftoptimismus, indem Die Homepage der Wiener
er das Ungleichgewicht der politischen und Gesellschaft für
wirtschaftlichen Lage in der heutigen Globa- interkulturelle Philosophie
lisierung beschreibt. Betrachtet man die The- – Herausgeberin
se »Dialog der Kulturen« als Replik auf die von polylog
These »Kampf der Kulturen«, so kann man
zu dem Ergebnis kommen, dass sie an einem
Mangel an Realismus leidet. Es lässt sich nicht
ignorieren, dass hinter dem »Kampf der Kul-
turen« ein »Kampf der Interessen« steckt. Da-
her kann, von einem politisch-ökonomischen
Blickwickel betrachtet, das Gleichgewicht der
Interessen durchaus als Movens und Ziel des
»Dialogs der Kulturen« gelten.

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