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7.

TODD-AO
70mm-
Filmfestival
7. - 9. Oktober 2011

Filmtheater
Schauburg
Marienstr. 16 Auf unserer original
76137 Karlsruhe
Tel.: 0721-3 50 00 18
www.schauburg.de
Riesenbildwand
MANY THANKS TO:

Georg Fricker ✝ Stefan Drößler Cordula Lau Bernhard Wilmer


Torsten Frehse Mark Lyndon Jakub Klima
Christian Appelt Bernhard Gugsch Gunter Oehme
Günter Backes Wolfram Hannemann Clemens Scherer Team Projektion:
Sven Braun Thomas Hauerslev Galina Shaveika Vincent Koch & Marcus Vetter
Jürgen Brückner Rolf Junghanns Dr. Peter Kohl
Ninette Christensen Christine Kummer Pavel Tomešek
Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe 3

7 Jahre Todd-AO Festival


in der Schauburg
4 Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe

„Willkommen!“
von Herbert Born & Thomas Hauerslev
Können Sie sich vorstellen, ein Wochenende in Der Geruch von Essig, Metalloxid und alten Filmen
Karlsruhe mit Michael Douglas, Anna Karina, im Allgemeinen könnte im Lauf des Wochenendes
Max von Sydow, Julie Christie, Ava Gardner, ins Foyer dringen; die Festivalleitung kann Ihnen
Charlton Heston, Clint Eastwood und vielen aber versichern, dass dieser völlig harmlos ist
anderen zu verbringen? Wenn Ihre Antwort „Ja“ und lediglich zur Entspannung der 70 mm-Fans
lautet, werden einige Sie möglicherweise fra- im Laufe des Wochenendes beitragen wird. Die
gen: „Warum“, „Wie“ oder gar „Wer“? Nun, sie ursprüngliche Optik einiger dieser Kopien ist längst
werden alle dort sein, „in 70 mm“, auf der rie- verloren, da die Farben zu rosa oder braun verbli-
sigen Cinerama-Leinwand der Schauburg. chen sind; dadurch wird Ihnen dennoch nicht die
einmalige Gelegenheit genommen, Filme in der
Für alle potentiellen Neulinge: der 70 mm-Film ver- passenden Umgebung zu erleben – möglicherwei-
fügt über ein sehr großes Negativ und eine riesige se zum letzten Mal.
Projektionsfläche, so dass auf der Leinwand außer-
gewöhnliche scharfe Bilder erzeugt werden. Der Vor diesem Hintergrund präsentieren wir Ihnen
Film sieht im Vergleich zum herkömmlichen 35 mm- mit Stolz unser Programm. Wir heißen Sie
Film viel strahlender und schärfer aus, es gibt mehr alle herzlich willkommen und wünschen Ihnen
Details. 70 mm wird manchmal mit einem „Fenster viel Vergnügen beim 7. Todd-AO-Festival.
zur Welt“ verglichen und ist eine sehr realistische
Illusion der Wirklichkeit. Die Auflösung ist so hoch
und die Bilder sind so klar, dass Sie wahrschein-
lich noch nichts Vergleichbares gesehen haben.

An diesem Wochenende werden wir 70 mm und


6-Spur-Stereoton genießen, das erstklassige
Format, mit dem viele von uns vertraut sind und
das wir so lieben. Den High-End-Projektor, der
verwendet wurde, um zahlreiche monumentale
Roadshow-Filme aufzunehmen, von denen die mei-
sten vor mehr als 40-50 Jahren Premiere hatten.

Das 7. Todd-AO-Festival ist eine jährliche nostal-


gische „Reise“ in die Vergangenheit und bietet die
Möglichkeit, eine große Bandbreite von Filmen zu
sehen - bekannte und weniger bekannte. Einige
Filme galten sogar lange als verschollen und extrem
selten, so dass es sich unseres Wissens um die
einzigen existierenden Kopien handelt, die gezeigt
werden können.

Einige fragen womöglich: „Was hat Sie auf 70 mm


gebracht?“ Ich denke, Fans würden zum Beispiel
so antworten: „70 mm ist so scharf“, „Der Sound
ist spitze“, „Das erinnert mich an meine erste
Verabredung“ oder „Ich habe diesen Film gesehen,
als ich jung war, und niemals vergessen“. Alles
wahre Aussagen und sicherlich existieren noch viel
mehr Gründe, wenn Sie einmal Ihre Sitznachbarn
fragen.
Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe 5

„Welcome!“
by Herbert Born & Thomas Hauerslev

Herbert Born Thomas Hauerslev, Copenhagen, Denmark


Organisator des Festivals Herausgeber von www.in70mm.com

Can you imagine spending a weekend in some less well known. Some titles even thought to
Karlsruhe with Michael Douglas, Anna Karina, be long lost and so extremely rare, that we under-
Max von Sydow, Julie Christie, Ava Gardner, stand they are the only prints left to be shown.
Charlton Heston, Clint Eastwood and many
more? If the answer is “Yes”, some might Some may even ask “What has drawn you to
ask you “Why”, “How” or even “Who”? Well, 70mm?” I think fans will say something like;
they are all there “in 70mm”, on the majestic “70mm is so sharp”, “The sound is very good”,
Cinerama screen of the Schauburg Kino. “It reminds me of my first date”, or “I saw this
film in my youth, and I never forgot it”. All true
For those who may be a newcomer, 70mm film statements and surely there are many more
has a very large negative and projection area, if you ask the people sitting next to you.
which produces extraordinarily sharp images on
the movie screen. The film will look much brighter The odour of vinegar, magnetic oxide and old
and sharper compared to ordinary 35mm film. films in general, might get into the foyer during the
There are more details, and 70mm is someti- weekend, but management can assure you, it is
mes likened to being a “window to the world”. completely harmless, and will only make the 70mm
70mm is a very realistic illusion of reality. There fans relax during the weekend. The original specta-
is so much resolution and clarity, that it’s pro- cle of some of the prints is long gone as the colors
bably unlike anything you have ever seen. are faded to pink or brown, however, that does not
take away the unique chance to experience films in
This weekend, we will all be enjoying 70mm and the proper environment – perhaps for the last time.
6-track stereophonic sound, the premiere for-
mat, which many of us know and appreciate. The With all that in mind, we are proud to present
high-end film projection system which was used our program. We welcome all of you, and hope
to photograph many EPIC road-show films, most you will enjoy the 7th Todd-AO Festival.
of which premiered more that 40-50 years ago.

The 7th Todd-AO Festival is the annual nostalgic


“trip” down memory lane and an opportunity to
see a wide range of films - some well-known, and
6 Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe

Die Kino-Revolution
fand nicht statt:
Breitfilm und Breitwand
um 1930
von Christian Appelt

Ein merkwürdiges der Laterna Magica und der renden Fotonationen Frankreich,
Kapitel: Wie es im 18. Jahrhundert erfunde- Deutschland, England und den
nen Fotografie. (Tatsächlich Vereinigten Staaten, teils unab-
zum Normalfilm sahen viele Filmpioniere die hängig voneinander, teils auf den
kam Kinematographie zunächst Arbeiten ihrer Zeitgenossen auf-
nur als Erweiterung jener bauend, eine Reihe von Schritten
Ende der 1920er Jahre unternah- Laterna-Magica-Techniken, nach vorn, die den Sprung
men Filmtechniker und -gestalter die durch Überblendprojektion von der Chronophotographie
den Versuch, das Format des und verschiebbare Glasbilder (Reihenaufnahmen, die einen
Kinofilmbildes grundlegend zu Bewegung erzeugten!) Vorgang in Einzelaufnahmen
verändern. Bevor wir einen Blick Während man für Laterna- zerlegten) zum eigentli-
auf diese von der klassischen Magica-Vorführungen das runde chen Film ermöglichten.
Filmgeschichtsschreibung weit- oder quadratische Format Weder Max Skladanowsky in
gehend ignorierte Phase film- bevorzugte, paßte die Fotografie Berlin noch die Brüder Auguste
technischer Entwicklung werfen, sich dem Aufnahmesujet an und und Louis Lumière in Lyon
zunächst ein paar Gedanken übernahm die Vorgaben der haben das Kino allein erfunden,
zur Entstehung und Herkunft Malerei: Porträts und Figuren auch nicht der amerikanische
des bis dahin üblichen "nor- bevorzugt im Hochformat, Patentkönig Thomas Alva Edison
malformatigen" Filmbildes. Personen mit Hintergrund und oder die Brüder Latham, deren
Was wir heute Kino nennen, ent- Landschaften im Querformat. "latham loop" (Filmschleife im
stand nicht aus dem Nichts, son- Projektor) Laufzeiten von mehr
dern baute auf vorbestehenden Zwischen 1890 und 1895 mach- als einer Minute erst möglich
medialen Techniken auf, beson- ten Erfinder und Pioniere in aller machte. Viele Erfindungen des
ders auf der Projektionskunst Welt, besonders aber in den füh- industriellen Zeitalters lagen
Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe 7

einfach in der Luft, und zahllose Deutschland bauten geschäfts- Kinetoscope


Erfinder, Bastler und Techniker tüchtige Schausteller die
arbeiteten oft ohne Verbindung Kinetoskope nach, ohne Edison
auf verschiedenen Kontinenten Lizenzgebühr zu entrichten. Aber
nebeneinander her, bis plötzlich woher sollten nun neue Filme für
"der Funke zündete" und schlag- die raubkopierten Abspielgeräte
artig der technische Fortschritt kommen? Die beste Lösung
sich bemerkbar machte. bestand offensichtlich darin,
selbst welche zu drehen, und
Weltweit hatte sich schon in zwar im mit dem Kinetoskop
den ersten Jahren des Mediums kompatiblen 35-mm-Format! Wie
der 35mm (1 3/8 Zoll) breite die Brüder Lumière legten sich
Kinofilm durchgesetzt, den die meisten Filmproduzenten
Thomas Edisons Mitarbeiter auf diese Schnittbreite und
William K.L. Dickson um 1891 den Transportschritt von vier
für die Filmaufnahme- und Perforationslöchern fest,
Wiedergabegeräte seines wobei die Form und Lage der
Arbeitgebers festgelegt hatte. Perforation und des fotografi-
Edisons Filmaufnahmen wur- schen Bildes durchaus variierten.
den nicht im dunklen Raum
projiziert, sondern in einem Festzuhalten ist, daß der
"Peepshow"-Betrachtungsgerät, 35-mm-Film ursprünglich
auch Kinetoskop genannt, als weder für hochwertige foto-
Endlosschleife vorgeführt. Dabei grafische Aufzeichnung noch Edison betrachtet Film
blickte der Zuschauer durch ein mit dem Ziel einer Vorführung
Okular direkt auf das vorbeilau- in Großprojektion geschaffen
fende Filmband, sah also nur wurde. In den ersten Jahren
ein recht kleines Bild. 35mm der Kinematografie spielte das
Filmbreite ergab sich daraus, noch keine Rolle, aber spä-
daß das aufgezeichnete Bild ter, nachdem die grundsätzli-
einen Zoll (2,54cm) messen chen Probleme des präzisen
sollte, die zusätzliche Breite Bildstandes, der genauen
nahmen die Perforationslöcher Belichtung, Entwicklung und
ein, die zum Transport des Kopierung gelöst waren, nach-
Bildbandes durch Kamera und dem auch die Vorführung einen
Betrachtungsgerät dienten. Qualitätssprung gemacht hatte,
Übrigens war das Material der stieß man doch an die qualita-
Edison-Filme nicht klar, sondern tiven Grenzen des international
leicht mattiert, um eine gleich- eingeführten Normalfilms.
mäßige Lichtverteilung bei der
Betrachtung zu gewährleisten.
Etwas optische
In vielen Großstädten entstan- Theorie...
den "Kinetoscope Parlours", Obwohl eine verbindliche
also Ladengeschäfte, in denen Normung erst Jahrzehnte Betrachtungswinkel, mit ihm
reihenweise Kinetoskop- später stattfand, bestand bei sind alle Fragen von Auflösung
Münzautomaten mit jeweils den Filmpionieren Einigkeit und Bildqualität fest verbunden,
knapp einer Minute Film in darüber, daß projizierte um die es gleich gehen soll.
Endlosschleife standen. Nach Filmbilder nicht im gleichen
Einwurf einer Münze konn- Winkel wie Standfotografien In der Standfotografie lag die
te der Betrachter bewegte betrachtet werden konnten. Sache einfach, denn bis in die
Bilder aus aller Welt, boxende Entscheidend ist der soge- 1920er Jahre hinein bevor-
Hunde und Katzen, muskel- nannte Betrachtungswinkel: zugte man ohnehin große
strotzende Kraftmenschen Hält man einen Fotoabzug von Aufnahmeformate, die nicht
und verschleierte Tänzerinnen 13x18cm in der Hand, so füllt stark vergrößert werden muß-
ansehen. Auch der berühmte das Bildmotiv den doppelten ten, weder als Papierabzug
erste Kuß der Filmgeschichte Blickwinkel aus wie bei einem noch in der Diaprojektion. Auch
wurde für die Auswertung 9x13cm großen Bild. Es ist wich- die Körnigkeit der fotografi-
in Edisons Münzautomaten tig zu verstehen, daß es nicht schen Schicht spielte keine
gedreht. An die Projektion vor auf die tatsächliche Bildgröße Rolle, und die Bilder wirkten
größerem Publikum glaubte ankommt, sondern nur auf scharf und detailreich. Ganz
der Erfinder zunächst nicht, den Betrachtungswinkel. Wer anders sah es beim Kinofilm
er befaßte sich damit erst, als im Kino zehn Meter von einer auf 35mm aus: Sein Bild war
die Konkurrenz damit anfing. acht Meter breiten Bildwand kaum größer als eine Briefmarke
entfernt sitzt, sieht das Bild in und konnte viel weniger
Ohne es zu wollen, trug gleichem Winkel, als säße er Information speichern, auch
Edison aber erheblich zur von einer vier Meter breiten trat die Struktur der Bildschicht
Standardisierung der Filmtechnik Bildfläche fünf Meter entfernt. ab einer gewissen Größe als
bei. In England, Frankreich und Entscheidend ist lediglich der "Kornkribbeln" störend hervor.
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der Pariser Weltausstellung trollierten Gildensystem unter


1900 mit einer 20 Meter breiten den Filmtechnikern für kon-
Vorführung, für die sie ein spezi- stante technische Qualität,
elles Filmband von 75mm Breite führten aber auch zur opti-
einsetzten. Nicht weit davon schen Gleichförmigkeit vieler
befand sich Grimoin-Samsons Studiofilme. (Barry Salt hat
spektakuläre Cinéorama- in seinem verdienstvollen
Vorführung, bei der der Standardwerk "Film Style
Besucher in einer Ballongondel and Technology" auf die
stehend von einem 360-Grad- Unterschiede zwischen den
Rundumbild umfangen wurde, "optischen Stilen" verschie-
das sich aus zehn synchron dener Major-Studios und die
laufenden 70-mm-Bildern von je zugrunde liegenden technischen
9x9 Metern zusammensetzte! Hintergründe hingewiesen.)

"Brot- und Butterformat" der Ab 1926 experimentierte


aufstrebenden Filmindustrie man damit, das projizier-
blieb aber weiterhin das 35-mm- te Kinobild szenenweise als
Bei der Filmaufnahme mit 16 Filmband. Nur die "American besonderen Effekt durch
oder mehr Bildern pro Sekunde Mutoscope and Biograph Co.", Weitwinkeloptiken zu vergrößern.
entfiel zudem die Möglichkeit, von W.K.L. Dickson nach seinem Bei OLD IRONSIDE (1926) und
länger als 1/50 Sekunde zu Abschied von Edison gegrün- Aufführungen des mitreißenden
belichten, so daß auch niedrigere det, verwendete konsequent Fliegerfilms WINGS (1927) rea-
Filmempfindlichkeit mit feine- 68mm breiten Film und ein spe- gierte das Publikum begeistert,
rem Korn keine Lösung bot. zielles Reibrad-Schaltwerk, um als die Leinwand plötzlich um
der Verfolgung durch Edisons mehr als die Hälfte breiter wurde.
So war der weltweite Erfolg Anwälte zu entgehen, der für Bei aller Euphorie war allerdings
von Edisons Kinetoskop- jede Bewegtbildproduktion kaum zu übersehen, daß man-
Filmformat zwar einerseits auf amerikanischem Boden gelnde Bildschärfe und Filmkorn
ein Segen, denn man konnte Lizenzgebühren zu kassieren äußerst störend in Erscheinung
mit geringem Aufwand Filme gedachte. Sein "Motion Picture traten. Immerhin gab dieser reine
über Länder und Kontinente Trust" verbreitete jahrelang Angst Projektionseffekt, hochtrabend
hinweg austauschen; ande- und Schrecken unter den unab- als "Magnascope" bezeichnet,
rerseits setzte das Format der hängigen Produzenten, die heim- den Anstoß zur Beschäftigung
Bildqualität sehr enge Grenzen. lich Filmkameras aus Europa ein- mit größeren Filmformaten, die
Will man größer projizieren, schmuggelten und schließlich vor eine sichtbar bessere Bildqualität
braucht man mehr Licht. Damit Edisons Schlägerbanden nach ermöglichen sollten. (Noch Jahre
stieß man an die Grenzen des Westen flohen - und so leistete später, nämlich 1948 setzte der
technisch Machbaren, denn Edison ein zweites Mal ungewoll- Produzent David O. Selznick den
das Projektionslicht kam aus te Geburtshilfe: Ein kalifornisches Magnascope-Effekt beim Finale
Kohlebogenlampen, zwischen Nest namens Hollywood, tausen- seines esoterischen Rührfilms
deren Elektroden ein Lichtbogen de Meilen von der Ostküste und PORTRAIT OF JENNIE in eini-
übersprang. Neben Licht erzeug- seinen Trust-Anwälten entfernt, gen Roadshow-Theatern ein.)
te eine solche Lampe natürlich wurde zum neuen Mekka der
Hitze, und das begrenzte die aufstrebenden Filmindustrie. Zunächst war da das von George
Menge Licht, die man durch das K. Spoor und John Berggren
winzige Filmbild schicken konnte, Zwischen 1896 und 1903 stellte vorgestellte Natural Vision, ein
ohne es dabei wie unter einem die "American Mutoscope and Format auf 63mm breitem Film
Brennglas in Flammen aufge- Biograph Co." mehr als 1000 mit einem Seitenverhältnis von
hen zu lassen. Das wäre beim Filme im Breitformat her, die zum etwa 1:1,85. Bereits 1926 dreh-
damals üblichen Zelluloidfilm Teil auch auf 35mm umkopiert ten sie mit ROLLER COASTER
ohnehin katastrophal gewesen, ausgewertet wurden. Nach 1905 RIDE und NIAGARA FALLS
aber lange vor dem Entzünden gab man den qualitativ höher- zwei kurze Demonstrationsfilme,
begann das Filmband, sich im wertigen Breitfilm aus wirtschaft- 1929 folgte ein weiterer Kurzfilm
Lichtstrahl durchzubiegen, was lichen Erwägungen ganz auf. In sowie der Spielfilm DANGER
dann partiell unscharfe Bilder den nächsten zwei Jahrzehnten LIGHTS für das RKO-Studio.
auf der Leinwand ergab. Ein tat sich technisch einiges, und
Filmformat mit größerer Fläche Mitte der 1920er Jahre war die 1929 schlug Ralph G. Fear im
würde die nötigen Lichtströme Zeit der Pioniere endgültig vorbei. "American Cinematographer"
besser vertragen und den Kinos Die Abläufe der Filmherstellung ein doppeltgroßes Format auf
gestatten, auch überdimensio- wurden zunehmend nach 35-mm-Film vor, das wie ein
nierte Bildwände mit akzep- modernen wissenschaftlichen Vorläufer von Vistavision wirkt.
tabler Helligkeit zu bespielen! und industriellen Methoden Allerdings hatte Fear keine
arbeitsteilig organisiert. Bessere Horizontalprojektion vorgese-
Natürlich hatte es für Verfahren bei Rohfilmherstellung hen, sondern wollte nur den
Sonderzwecke immer wieder und Prozeßkontrollen in der Bildschritt verdoppeln und das
Großprojektionen gegeben, Kopierwerksarbeit sorg- Hochkantbild mittels eines
bereits die Brüder Lumière ten in Verbindung mit dem Prismenvorsatzes um 90 Grad
beeindruckten das Publikum gewerkschaftlich strikt kon- drehen - ein Studio davon zu
Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe 9

überzeugen gelang ihm nicht. den parallel aufgenommenen große Schärfentiefe erzeu-
Fassungen. Der Versuch, den gen. Aufgrund der natürlichen
Warner Bros. hatte mit THE Rahmen des althergebrachten Breite des Grandeur-Formates
JAZZ SINGER zwar den Tonfilm 35-mm-Normalbildes zu spren- entsteht ein gewisser pseudo-
keineswegs erfunden, ihm aber gen und höhere Bildgüte in die stereoskopischer Effekt, doch
sehr wohl zum Durchbruch Filmtheater zu bringen, wurde er verschwindet, sofern das
verholfen. Nun entwickelten letzten Endes nur halbherzig Bild nicht genügend Schärfe
Warner-Techniker ein eigenes unternommen, viel zu früh auf- aufweist. Das 70-mm-Bild hat
Format auf 65mm breitem Film, gegeben und rasch vergessen. annähernd die Proportion unse-
das mit 5-Loch-Bildschritt und res natürlichen Sehfeldes, was
Bildseitenerhältnis von 1:2,05 vermutlich die pseudostereosko-
dem modernen 70-mm-Film pische Wirkung erklärt. Daher ist
relativ nah kam. Vitascope lau- es wichtig, Grandeur-Objektive in
tete der Markenname, analog
Fallbeispiel Hinblick auf diese Wirkung aus-
zum firmeneigenen Vitaphone- perfekter Bild- zuwählen, damit wir möglichst
Nadeltonverfahren. Von den drei gestaltung: scharfe Aufnahmen mit erhebli-
gedrehten Vitascope-Filmen cher Tiefenwirkung erreichen."
wurde vermutlich nur KISMET im Raoul Walshs (Arthur Edeson, "Wide Film
Oktober 1930 als Breitfilmkopie THE BIG TRAIL Cinematography", American
aufgeführt, die anderen Titel Cinematographer Sept. 1930)
liefen nur als 35-mm-Version.
(1930)
Die meisten Breitfilme der Leider war THE BIG TRAIL nicht
Das Fox-Studio bestellte bei ersten Welle sind nur noch der erwünschte Erfolg an der
der Mitchell Camera Co. meh- in den parallel gedrehten Kinokasse, und die 70-mm-
rere Kameras für 70mm brei- Normalfilmversionen erhalten. Grandeur-Fassung war nur in
ten Film. Jedes Einzelbild war Glücklicherweise wurden THE wenigen Filmtheatern zu sehen.
vier Perforationslöcher hoch BAT WHISPERS (Magnifilm, So mußte der Hauptdarsteller
und hatte ein Seitenverhältnis 1931) und THE BIG TRAIL John Wayne noch fast ein
von 1:2. Das Filmbild lag (Grandeur, 1930) inzwischen Jahrzehnt warten, bis ihm der
nicht mittig zwischen den im originalen Seitenverhältnis Durchbruch zum Star gelang.
Perforationsreihen, sondern restauriert, so daß wir einen Aus heutiger Sicht kann man
seitlich versetzt, um Platz für Eindruck von der Wirkung der nur bedauern, daß das Breitbild
eine 7mm breite Lichttonspur frühen Breitbildgestaltung erhal- als gestalterisches Mittel damals
nach dem Movietone-System ten können. Am Beispiel von nicht weiter erkundet werden
zu schaffen. Mit HAPPY DAYS THE BIG TRAIL möchte ich konnte, denn die tiefenscharfen,
hatte am 14. Februar 1930 der einige filmgestalterisch inter- oft sehr räumlich wirkenden
erste Grandeur-Film Premiere, essante Punkte ansprechen. Schwarzweißbilder eröffnen dem
drei Wochen später folgte Filmgestalter neue Möglichkeiten
SONG O' MY HEART. Die Die Bilder des Films sind durch- der Interaktionen zwischen
Bildfrequenz betrug zunächst weg auf starke Raumwirkung Schauplatz und Darstellern.
19,5 Bilder pro Sekunde, erst und große Schärfentiefe hin Im Normalformat steht der
im Oktober folgte THE BIG komponiert. Die wenigen ver- Kameramann oft vor dem
TRAIL mit den tonfilmüblichen fügbaren Brennweiten sind Problem, daß bei Verwendung
24 Bildern pro Sekunde. durchdacht eingesetzt, die von Weitwinkelobjektiven Himmel
Schärfentiefe konsequent unter
MGMs Realife-Format verwen- Kontrolle. In Halbnahaufnahmen
dete wie Warners Vitascope heben sich die Figuren ange-
65mm breites Material, BILLY nehm vom nur leicht unscharfen
THE KID und THE GREAT Hintergrund ab, und sobald ein
MEADOW liefen aber zumeist in bildwichtiges Element inszena-
umkopierten 35-mm-Fassungen. torisch durch Bewegung oder
Der Bildschritt betrug 4 Löcher, Position auffällt, ist es in der
das Bildformat etwa 1:2,1. Schärfe. Es ist kaum möglich zu
Mit dem Thriller THE BAT entscheiden, ob die Gestaltung
WHISPERS brachte United mehr Raoul Walshs Regie oder
Artists den einzigen Film im konzeptionellen Überlegungen
Magnifilm-Format heraus, das des Kameramanns Arthur
65mm breiten Film verwende- Edeson zuzuschreiben ist.
te. Die vermutlich eingesetzte In einem Artikel, der 1930 in
Fearless-Superfilm-Kamera "American Cinematographer"
tauchte viele Jahre später bei erschien, schreibt Edeson:
65/70mm-Produktionen der
Nachkriegszeit wieder auf. "Die wichtigste Forderung an
Anfang des Jahres 1931 gaben Aufnahmeobjektive für die
alle beteiligten Studios ihre Breitfilmarbeit ist zum einen,
Breitfilmformate auf, und die daß sie einen möglichst großen
bereits gedrehten Filme wur- Bildwinkel erfassen und zum
den nur noch auf Normalfilm anderen - mindestens ebenso
ausgewertet, in der Regel in wichtig - daß sie eine möglichst
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durchsetzte und erst 25 Jahre größerem Aufwand einset-


später wieder eine Chance in der zen kann. Tiefenscharfe und
kommerziellen Filmproduktion detailreiche Fotografie wie in
bekam? Es gab eine ganze THE BIG TRAIL kommt Filmen
Reihe von guten Gründen: mit Außenaufnahmen fraglos
zugute, erschwert aber das
- Die Breitfilm-Systeme der ver- kostengünstige Drehen auf dem
schiedenen Studios waren in kei- Studiogelände, in Kulissen oder
ner Weise miteinander kompati- mit Rückprojektionen. Sets
bel. Unterschiedliche Filmbreiten, und Kostüme müssen realisti-
Bildgrößen, Perforationsformen scher gestaltet und sorgfältiger
und Transportschritte mach- ausgeführt werden, Stilmittel
ten jedes Format zu einer wie Weichzeichner und gla-
Insellösung. Weniger Wettstreit mouröse Überstrahlungen
und Einigung auf ein gemein- fügen sich schlecht in den rea-
sames Premium-Format hät- listischen Gesamteindruck ein.
ten möglicherweise Erfolg Die Mehrzahl der Hollywood-
gehabt, aber das entsprach Produktionen war schließlich,
nicht dem Konkurrenzdenken wie Alfred Hitchcock einmal
der Branche und Zeit. über seine eigenen Filme
urteilte, "not a slice of life but
- Reine Breitfilmproduktionen a slice of cake" ("kein Stück
konnten in den wenigen umge- aus dem Leben, sondern ein
rüsteten Kinos ihre Kosten nie- Stück Torte"). Die verbesserte
mals einspielen. Daher mußte Schärfe und Auflösung hätte
parallel im 35-mm-Normalformat auch den Maskenbildnern das
gedreht werden, um die breite Leben schwer gemacht, die die
Auswertung in den normalen Stars vor der Kamera ewig jung
Kinos zu gewährleisten, mit und makellos halten sollten.
entsprechend höheren Kosten. Alle diese gestalterischen
Optische Reduktion vom Breitfilm Probleme tauchten mit den
auf 35mm durch Umkopierung Breitformaten der 1950er
war zwar technisch möglich, Jahren übrigens unverändert
aber noch nicht ausgereift. wieder auf - siehe die kuriose
und Boden im Vordergrund zu Fünfundzwanzig Jahre später Farbfilterung in SOUTH PACIFIC
dominant wirken. Das breite ergab es Sinn, von Todd-AO, (Todd-AO, 1958) oder die über-
Grandeur-Bild in Verbindung Cinerama und Ultra-Panavision mäßige Weichzeichnung in THE
mit der erwähnten Schärfentiefe verkleinerte Kopien herzustel- VIKINGS (Technirama, 1958)!
blendet diese "handlungsar- len, denn seit 1953 hatte der
men Zonen" von vornherein Siegeszug von CinemaScope - Die Breitfilmproduktion stand
aus. An keiner Stelle wirkt das breitere Bildwände in viele bereits im Schatten des Tonfilms,
Grandeur-Bild selbstzweckhaft 35-mm-Theater gebracht. der seit den frühen Zwanzigern
oder als reine Demonstration Anfang der 1930er hingegen in vielerlei Form propagiert
technischer Möglichkeiten. hätte man ganze Kinos umbauen wurde. Nicht technische Gründe,
Die Wechselwirkung zwi- müssen, um Reduktionskopien sondern die komplizierte inter-
schen Menschen und der sie im breiteren Seitenverhältnis nationale Patentlage verzögerte
umgebenden "un-zivilisierten" zu spielen, ohne aber Vorteile die Umstellung von Stumm- auf
Landschaften ist sehr eindrucks- in puncto Bildqualität und Tonfilm um einige Jahre, denn
voll und findet eigentlich erst Helligkeit zu bekommen. Auch sowohl Western Electric als
im Cinerama-Film HOW THE wurde keiner der Filme ein so auch die Tobis-Klangfilm-Gruppe
WEST WAS WON einunddreißig durchschlagender Erfolg, daß hätten die Verbreitung der im
Jahre später ihre Entsprechung. er der Breitfilmumrüstung und jeweiligen Konkurrenzsystem
Einige Szenen von THE BIG -produktion einen Schub hätte aufgenommenen Filme blok-
TRAIL erinnern heute an die geben können. (Zum Vergleich: kieren können. Ende Juli 1930
klassischen schwarzwei- Was wäre aus Technicolor endeten Verhandlungen zwi-
ßen Landschaftsbilder des geworden, wenn GONE WITH schen beiden Parteien mit
Fotografen Ansel Adams, und THE WIND, THE WIZARD OF OZ dem "Pariser Tonfilmfrieden",
nur wenige Einstellungen mit und ADVENTURES OF ROBIN in dem die Welt vertraglich
beschleunigten Reiteraufnahmen HOOD "Kassengift" gewesen unter den Patenthaltern aufge-
weisen ungewollt zurück auf wären, und wo stände digita- teilt und die Austauschbarkeit
die Konventionen der ver- les 3-D-Kino, wenn AVATAR von Filmen mit verschiedenen
gangenen Stummfilmära. seine Herstellungskosten nicht Lichttonspuren gesichert wurde.
wieder eingespielt hätte?) Nicht nur die Umstellung auf
Tonfilmproduktion forderte erheb-
Gründe für - Größere und schärfere Bilder liche Investitionen, sondern vor
das Mißlingen im Kino bedeuten auf der allem die Umrüstung der beste-
Woran lag es nun eigentlich, Produktionsseite, daß man henden Vorführanlagen vieler tau-
daß die Breitfilmtechnik sich bestimmte kostensparende send Filmtheater. Der "schwarze
Anfang der 1930er Jahre nicht Techniken nicht oder nur mit Donnerstag" im Oktober 1929
Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe 11

erschütterte die Wirtschaft, und Technik von versehen nahmen sie den
eine der Nachwirkungen der gestern - Demonstrationsfilm "The Miracle
weltweiten Krise mag gewe- of Todd-AO" und die Cowboy-
sen sein, daß Filmstudios und für das Kino Operette OKLAHOMA! (1955)
Kinobetreiber für die höhere von morgen auf. Langjährige Recherchen
Bildgüte des Breitfilms kein des Filmhistorikers Dan
Geld auszugeben bereit waren, Während die Breitfilmkameras Sherlock deuten darauf hin,
der Tonfilm hatte schlichtweg von Mitchell, Debrie und Fearless daß auch die um 1930 gebau-
Priorität. Später, ab Mitte der in den Lagern Staub ansetzten, te Fearless Superfilm Camera
1930er Jahre, trat dann mit dem vergingen fünfundzwanzig Jahre, (65mm) leicht modifiziert für
Technicolor-Verfahren ein attrakti- in denen zwar der Farbfilm an Todd-AO Verwendung fand,
ves Format für Großproduktionen Bedeutung gewann, aber nach möglicherweise sogar bei
in den Vordergrund, das mit dem wie vor das 35-mm-Format den ersten Produktionen in
Breitfilm nicht zu kombinieren die Norm blieb. 1952 erschien Ultra-Panavision (RAINTREE
war: Eine Strahlenteilerkamera Cinerama am Broadway und COUNTRY, BEN-HUR).
mit Breitfilm wäre viel zu entwickelte sich zu einem Zur gleichen Zeit baute Earl
teuer und nicht mehr hand- Überraschungserfolg, der Sponables Kameraabteilung bei
habbar ausgefallen, auch den Studiobossen erhebliche Fox eine Mitchell-70mm-Kamera
die Kosten für breitformatige Kopfschmerzen bereitete. Das aus den 1930ern auf 55.625mm
Druckkopien hätten sich ver- Breitbildverfahren als solches breiten Film um, der Platz für ein
mutlich nicht amortisiert. war zum Star geworden, und extragroßes CinemaScope-Bild
aus dem ganzen Land reisten bot. Das System hieß zunächst
- Das klassische Hollywood- Besucher nach New York, um CinemaScope 4X, weil das Bild
Studiosystem funktionierte mit THIS IS CINERAMA auf eine viermal größer und entspre-
mittels vertikaler Integration, virtuelle Weltreise zu gehen. chend schärfer und feinkörniger
bei der nicht nur Produktion Das Urteil der Techniker in den war, wurde aber dann beim
und Verleih in einer Hand Major-Studios war einstimmig: ersten Spielfilm CAROUSEL
lagen, sondern auch eine Reihe Zu aufwendig, zu kompliziert, (1955) CinemaScope 55
wichtiger Filmtheater oder für die Spielfilmproduktion zu getauft. Das Aufnahmeformat
ganze Kinoketten den Studios teuer, für die Kinos unbezahlbar. gab man nach dem zweiten
selbst gehörten. Auf diese Dennoch, die zurückgehenden Film THE KING AND I wieder
Weise wurde wirklich jeder Besucherzahlen ließen es klug auf, die Kamera aber steht bis
produzierte Film ausgewertet erscheinen, dem zahlenden heute als Ausstellungsstück
und vor dem scharfen Wind Zuschauer neue Attraktionen zu im Clubhaus der "American
des freien Marktes behütet. bieten. Nach dem überhitzten Society of Cinematographers".
Unabhängige Kinobetreiber Boom des 3-D-Films - wie- Viele 70-mm-Filme der fünf-
zwang man mittels der Praxis der löste eine Außenseiter- ziger Jahre werden heute auf
des "Blockbuchens", kassen- Produktion (BWANA DEVIL, Festivals und Blu-ray-Scheiben
mäßig attraktive Studiofilme im ein eher drittklassiger Film) wiederentdeckt und erinnern
Paket mit Durchschnittsware und eine filmtechnische Lawine daran, wie die vergessenen
Billigprodukten abzunehmen. Bis aus - brachte 20th Century Breitfilm-Kameras mit eini-
Ende des Zweiten Weltkrieges Fox mit CinemaScope eine gen Jahrzehnten Verspätung
war das Studiosystem daher Westentaschen-Simulation von doch noch ihren Beitrag zur
ein wirtschaftlicher Selbstläufer, Cinerama heraus, die mit halb- Filmgeschichte leisteten.
und so gab es keine beson- wegs überschaubaren Kosten
dere Motivation für technische in normale Filmtheater integriert
Neuerungen. Noch war ja das werden konnte. CinemaScope Lesempfehlungen:
Fernsehen keine Bedrohung, und seine Konkurrenten wie Brian Coe, The History of
der regelmäßige Kinobesuch VistaVision führten zu größeren Movie Photography, 1981
eine Reflexhandlung und Bildwänden in den Kinosälen, Hervorragendes Buch zur
keine Einzelentscheidung. Das und damit war man wieder Geschichte der Filmfotografie
Geschäft lief, auch ohne neue, bei den bekannten Problemen mit vielen Abbildungen sel-
spektakuläre Seherlebnisse. der 1930er Jahre angelangt: tener Geräte, Filmformate
Sonderformate wie Vitarama Mehr Helligkeit und besse- und Farbsysteme.
(eine Mehrfachprojektion, re Auflösung mußten her!
aus der später Cinerama Als Mike Todd, der zuvor aus www.in70mm.com
wurde) oder 3-D blieben dem Unternehmen Cinerama (diverse Artikel von Dan
auf Weltaustellungen und ausgestiegen war, 1955 J. Sherlock und Rick
Messen beschränkt. Zwar mit Todd-AO sein eigenes Mitchell, denen die mei-
schlugen die technischen Breitfilmverfahren vorstellte, sten Forschungsergebnisse
Fachabteilungen der Studios kamen Mitchell-Kameras aus zu den frühen Breitfilmen
immer wieder Verbesserungen den 1930ern zum Einsatz, die zu verdanken sind)
vor, zum Beispiel ein 50mm ursprünglich für Grandeur-
breites Filmformat, das Earl Produktionen gebaut worden www.widescreenmuseum.com
Sponable bei 20th Century waren. Mit dem berühmten (im "Todd-AO Wing" finden sich
Fox propagierte, aber nichts 128-Grad-Superweitwinkel einige von dem Kameramann
davon wurde realisiert. der American Optical Co. und David Mullen zusammenge-
modernen Objektiven aus der stellte zeitgenössische Artikel
Mittelformat-Standfotografie zu Grandeur-Produktionen)
12 Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe

Kevin Brownlow
in seinem Haus
im November
2010; Foto von
Mark Lyndon.

Wenn Arbeit
das reinste Vergnügen ist
Kevin Brownlow im Gespräch mit Mark Lyndon
Autor: Mark Lyndon. Freitag, den 26. November 2010.
Transkription der Audiodateien von Margaret Weedons.

Brownlow arbeitete bei „Der Teil 1 bereitet – doch seltsam ist


Angriff der leichten Brigade“ nur, dass einem je mehr man
(OT: „The Charge of the Light ML: Der Schriftsteller J.G. tut umso mehr Verantwortung
Brigade“) (1968) unter der Regie Ballard prognostizierte einst schleichend auferlegt wird, und
von Tony Richardson als Cutter. ein Zeitalter, in dem Arbeit schließlich stellt man fest, dass
Zusammen mit Andrew Mollo das reinste Vergnügen und sich das Vergnügen in abso-
führte er bei zwei Spielfilmen Vergnügen die reinste Arbeit lut ernste Arbeit verwandelt;
Regie: „It Happened Here“ sei. Die meisten von uns hatten doch andererseits will man es
(1964) und „Winstanley“ (1975). nicht das Glück, diesen erfreu- auch gar nicht anders haben.
1980 führte er zusammen mit lichen Zustand zu erreichen.
David Gill bei einer 13-teiligen In70mm.com hatte jedoch ML: Wie ernst kann es wer-
Fernsehreihe über den ame- Glück genug, die Genehmigung den, wenn zum Beispiel Ihr
rikanischen Stummfilm für für ein Interview mit Kevin Foto auf der Oscar-Webseite
Thames TV Regie. 1980 wurde Brownlow zu erhalten – Autor, erscheint, auf dem Sie neben
seine fünfstündige restaurierte Autorenfilmer, Filmhistoriker, der einem gewissen Herrn mit
Fassung von „NAPOLEON“ Experte schlechthin in Bezug auf Bart [gemeint ist Francis Ford
(Regie: Abel Gance) mit einer Stummfilme und Greta Garbo; Coppola] zu sehen sind?
von Carl Davis komponierten ihm wurde vor Kurzem der ulti-
Musikbegleitung aufgeführt. mative Preis - ein Ehrenoscar KB: Das ist eher eine
Nach der Schließung von - für sein Lebenswerk verliehen, Nebensache, Preisverleihungen
Thames TV gründeten Brownlow oder war es eher Vergnügen? und dergleichen; ich glaube,
und Gill gemeinsam mit Patrick dass der Rechtsstreit nun vorbei
Stanbury eine eigene Firma, KB: Es gibt nichts Besseres ist. Er wurde außergerichtlich
Photoplay Productions. Zu ihren als sein Leben mit dem zu ver- geregelt und wir hoffen, dass wir
Restaurationsprojekten gehört bringen, was einem Vergnügen alle zusammenarbeiten können.
der Valentino-Klassiker „DIE VIER
REITER DER APOKALYPSE“
(OT: „THE FOUR HORSEMEN
OF THE APOCALYPSE“) (1921).
1995 stellten sie die sechs-
teilige Reihe „KINO EUROPA:
DIE KUNST DER BEWEGTEN
BILDER“ (OT: „CINEMA
EUROPE: THE OTHER
HOLLYWOOD“) anläs-
slich von einhundert Jahren
Kinogeschichte fertig.
David Gill starb im Jahr 1997.
Brownlow und Stanbury
setzten die Tradition mit
Dokumentationen wie „CECIL
B. DEMILLE – AMERICAN
EPIC“ und „I’M KING KONG“
über die Arbeit von Merian Kevin Brownlow bei einem Vortrag über Stummfilme auf der
C. Cooper für TCM fort. „Berlinale 2009“; Foto von Thomas Hauerslev.
Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe 13

zwei von Ihnen in den Räumen


ML: Es besteht also definitiv die des British Film Institute (BFI)
Möglichkeit einer Vorführung in der Shaftesbury Avenue.
des größten Films aller Zeiten - Thomas erwähnte, dass Sie
wenn ich ihn so nennen darf? über dieses Treffen und des-
sen Folgen einige amüsante
KB: Ja, absolut, wir hoffen es. Anekdoten zu berichten hätten.

ML: In der Festival Hall oder im KB: Sie müssen ein bisschen
Barbican Centre oder in Amerika weiter zurückgehen; ich traf
– gibt es irgendwelche Hinweise? nämlich einen Journalisten
namens Dr. Francis Koval; er
KB: Wir wissen es noch nicht, hat mir ein Foto von Gance
weil noch Unmengen digitaler geliehen, mit einer Widmung
Arbeit zu bewältigen sind. von Gance an ihn; das Jahr war
das erste, in dem ich profes-
ML: Mit anderen Worten: es hat sionell für ein kleines Magazin
eine Wiederannäherung zwi- namens Amateur Cineworld
schen allen Parteien gegeben. geschrieben habe, und im
Dezember des Jahres brachten
KB: Ja. Der Grundgedanke ist, sie einen Artikel heraus, in dem
dass die Fassung von Coppola Napoleon vorkam. Ich schickte
um unser Material ergänzt ihnen dieses Foto von Gance
wird, und wir hoffen, dass und die Drucker haben die
unsere Fassung zu guter Letzt Unterschrift unten auf dem Foto
auf DVD veröffentlicht wird. diensteifrig mit Säure entfernt.
Ich konnte es nicht fassen! Ich Wahrscheinlich ein niederländisches
ML: Auf Blu-ray? war darüber sehr verärgert und „Napoleon“-Poster, gefunden im Internet.
musste warten, bis ich Gance
KB: Ja. wiedertraf und ihn bitten konnte,
das Foto erneut zu signieren. sofort nach Hause kommen –
ML: Hoffentlich mit der und das tat ich; sie sagte, Abel
Musikbegleitung von Carl Davis. Gance sei im NFT, er hätte gera-
Hat es einen Kompromiss in
„Est vous de Kontakt aufgenommen. Also
puncto Musikbegleitung von Monsieur Gance?“ schnappte ich mir das Drehbuch,
Carmine Coppola gegeben? Ich zeigte es meinem Freund das auf Französisch veröffentlicht
Liam O’Leary, der stellvertreten- worden war, und die wenigen
KB: Nein! Die wird stets bei der Direktor des National Film Standbilder, die ich hatte, und
ihrer Fassung zu hören sein. Archive war; ein paar Tage spä- hastete zum NFT. Dort traf
ter war er in seinem Büro beim ich den berühmten Mann.
ML: Aber sie haben die BFI, schaute durch die Glastür
Genehmigung erteilt, beide und sah den Mann auf dem Ich erinnere mich daran, wie das
Fassungen heraus zu bringen? Foto: also ging er hinaus und Taxi ankam und dieser äußerst
fragte in seinem grauenvollen gutaussehende Mann ausstieg,
KB: Es sollen beide Fassungen Französisch mit irischem Akzent: mit seinem wallenden Haar, wie
erhältlich sein, aber Ich glau- „Est vous Monsieur Gance?“, ein Heiliger aus dem Mittelalter,
be, man will beide Fassungen und Gance war verblüfft, dass und einem strahlenden Lächeln,
veröffentlichen, aber es dauert er erkannt worden war. Liam und natürlich verfluchte ich die
wirklich alles ungeheuer lang. bearbeitete James Quinn, der Stunden, die ich damit verbracht
das BFI zu der Zeit leitete, und hatte, Französisch zu lernen,
er erteilte die Genehmigung in denen ich aber nicht wirk-
Die Entdeckung für einen Empfang im damals lich aufgepasst hatte. Er selbst
ML: Ich möchte ein wenig über neuen National Film Theatre. sprach kein Englisch und somit
den Film selbst sprechen: die hatten wir ein Problem, aber
Entdeckung des Films, die Aber blenden wir nun zu glücklicherweise gab es genug
unglaublichen Umstände – man- mir über; ich arbeitete zu Leute, die übersetzen konnten.
che würden sagen, am Ende der Zeit hart für eine Probe-
dieser langen Reise könnte eine Abschlussklausur in Deutsch
Filmbiografie (biopic) fällig sein, und die einzige Möglichkeit, Startschuss für
die im Wendejahr 1954 begann; einer Sache wie dieser zu ent- die Restaurierung!
die Produktion des ersten gehen, war ein Todesfall in der
Todd-AO-Films „Oklahoma!“ Familie. Als nun jemand in der Zu dem Zeitpunkt besass
hatte begonnen, Cinerama Schule anrief, ging man auto- ich den Großteil des Films
schaffte den Sprung über den matisch davon aus, dass ein auf Schmalfilm – so ziem-
großen Teich, Abel Gance hatte Familienangehöriger gestorben lich das Gegenteil von Ihrem
den Kanal überquert, um sich sei und ließ mich gehen, ohne Breitwandformat – ich hatte ihn
in der Old Compton Street mir eine einzige Frage zu stellen. auf 9,5mm; je mehr ich davon
Cinerama anzusehen, und bekam, umso besser wurde
zu dem Zeitpunkt trafen sich Meine Mutter sagte, ich solle er schließlich. Ich konnte nicht
14 Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe

Historiker besuchten mich, um


den Film in meiner Wohnung
zu sehen – David Robinson,
Derek Hill, Lindsay Anderson,
es war wirklich aufregend. Ich
hatte Orchesterbegleitung von
LP, und die [Ouvertüre] 1812
wurde stark überbeansprucht,
aber dieser Film war - selbst in
der Form - absolut fesselnd.
Ich hatte das Gefühl, dies sei
Kino, wie es meiner Meinung
nach sein sollte – es wurde nicht
nur das 18. Jahrhundert auf eine
unglaublich realistische Art und
Weise nachempfunden - es sah
aus, wie eine Wochenschau aus
der Zeit - sondern die Kamera
vollbrachte außerdem Dinge,
Poster aus dem Internet.
die ich sie noch nie zuvor hatte
vollbringen sehen. So gibt es
verstehen, warum es endlose wer war daran schuld? zum Beispiel eine erstaunliche
Aufnahmen von Truppen gab, Sequenz eines Sturms, in der
die von links nach rechts und KB: Zum Teil war es darauf Napoleon in einem Sturm vor
von rechts nach links marschier- zurückzuführen, dass die Korsika in einem offenen Boot
ten – man nämlich hatte die Verleiher üblicherweise Filme gefangen ist. Dieser Vorfall hat
Triptychon-Aufnahmen zerlegt herausbrachten, die um 1912 sich tatsächlich ereignet und
und hintereinander geschnit- mit 16 Bildern pro Sekunde Gance entdeckte, dass es in der-
ten! Wie auch immer, von dem gedreht worden waren. Wenn selben Nacht im Nationalkonvent
Zeitpunkt an war ich von die- sie nun mit der Tonfilm- einen Tumult gegeben hatte,
sem Film absolut besessen und Frequenz von 24 Bildern pro bei dem die Jakobiner auf die
als ich zum Film kam, konnte Sekunde abgespielt wurden, Girondisten losgingen - die
ich eine Dokumentation über sah zunächst alles lächer- Radikalen wandten sich gegen
Gance für die BBC drehen lich aus. Man unterlegte das die Gemäßigten. Und er wollte
und entdeckte Filmmaterial, Ganze mit Tingeltangel-Musik den Satz von Victor Hugo nach-
dass seit der Erstaufführung und humorigen Kommentaren, empfinden – „Ein Mitglied der
des Films verschollen war; und die Zuschauer lachten Nationalversammlung zu sein ist
das war der Startschuss sich krumm, während sich die wie eine Woge im Meer zu sein“.
für die Restaurierung. Älteren fragten: „Dafür haben
wir uns vor so vielen Jahren KB: Er berichtete seinem tech-
ML: War dies eine Art begeistert?“ Man schämte sich, nischen Leiter davon und dieser
Gralssuche? (Daher die über Stummfilme zu sprechen, baute ein Trapez auf, auf dem
Eignung für eine mögliche weil sie so gezeigt wurden... eine Kamera angebracht war,
Filmbiografie.) Haben Sie je die hinunter zur Menge sauste,
die Hoffnung aufgegeben? So wurden die Techniker der wodurch der Eindruck einer
Vergangenheit als Idioten Welle entstand. Jedenfalls hatte
KB: Nein! betrachtet, und ich hatte immer ich das als Kind gesehen und
das Gefühl, es sei meine Pflicht, dachte „Das ist es!“. Noch nie
ML: An welchem Punkt wird ein das Gegenteil zu beweisen; hatte ich so etwas gesehen – ich
Hobby zur historischen Mission einige von ihnen waren so kann Ihnen sagen, so etwas
- oder anders gefragt: Waren genial, dass sie immer noch bekamen Sie im Odeon der
Sie sich darüber im Klaren, wie unerreicht sind. Ich brauchte 50er Jahre niemals zu sehen –
wichtig dieses Projekt war? lange, um dies zu erkennen, alles war lang und dünn - die
aber jeder visuelle Fortschritt im Darsteller standen brav auf-
KB: Nein! Kino, natürlich mit Ausnahme gereiht, um ihre Dialogzeilen
Zunächst einmal müssen Sie sich der Computeranimation, vorzutragen, und heraus kamen
ins Gedächtnis rufen, dass es zu ereignete sich bereits in Filme wie „Das Gewand“ (OT:
dem Zeitraum enorme Vorurteile der Stummfilm-Ära! „The Robe“) (Ich sollte den
gegenüber dem Stummfilm an Film nicht verdammen, denn
sich gab – die Kriegsgeneration ich habe ihn nicht gesehen.)
lehnte Stummfilme komplett
Die Jagd
ab; man sagte stets: Oh, Sie KB: Ich wusste, dass der Film (ML: [Richard] Burton war
machen Witze, diese Filme ruk- in 9,5mm auf sechs Rollen im Grunde neurotisch.)
keln, flackern und sind lächerlich herausgebracht worden war;
schlecht gespielt; ich konnte ich inserierte in „Exchange
das nicht nachvollziehen. and Mart“ und durchkämmte
Der lange Weg
London; ich besuchte jedes außen herum
ML: Diese Unwissenheit Filmarchiv und hatte schließlich KB: Ich fand diese frühen
war niederschmetternd - alle sechs Rollen zusammen. CinemaScope-Filme extrem
Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe 15

unscharf und äußerst langweilig; Klebeband, aber vieles war auch wurde die Grundlage für DIE
hier [in NAPOLEON] war die- in hervorragendem Zustand, GROSSE RESTAURIERUNG.
selbe Idee dagegen mit einem soweit ich mich erinnere – und Als ich mich - 12 Wochen lang
solchen Enthusiasmus und sol- ich übertreibe möglicherweise: in nächtlicher Arbeit - damit
cher Begeisterung umgesetzt Jede einzelne Filmrolle enthielt befasste, war dies die Kopie, mit
worden. Also schrieb ich einen etwas neues, das nicht inder der ich gearbeitet habe – und
Fanbrief an Gance und er ant- 9,5mm-Schmalfilmfassung war. noch einmal: Ich habe dafür
wortete – das war der allererste bezahlt, so dass niemand außer
Kontakt mit ihm. Danach blieb mir selbst Geld verloren hat.
ichmit ihm in Kontakt, ging nach
Paris, traf mich mit ihm und
Eine Avantgarde-
begann anschließend mit der Retrospektive! „NAPOLEON“
Restaurierung, die ganze 25 KB: Außerdem - und das ist KB: Wir führten den Film
Jahre in Anspruch nahm – wobei äußerst wichtig - veranstaltete gelegentlich im National Film
ich natürlich nicht durchgehend das BFI 1965 eine Avantgarde- Theatre vor, um die Fortschritte
damit beschäftigt war; doch Retrospektive und „Napoleon“ zu zeigen; die Reaktionen der
um das Material zu finden, wurde zum ersten Mal seit Zuschauer: es war immer prop-
musste ich einen gewissen seiner Erstaufführung gezeigt; penvoll und die Leute schrieben
Kontakt zur Archivwelt halten, die Cinémathèque Française anschließend, wie unglaublich es
und der kam erst zustande, schickte ihre „nicht sehr gute war – und ich leitete diese Briefe
nachdem ich begonnen hatte. Kopie“ – „nicht sehr gut“ - sie an Gance weiter. Er wurde selbst
Ich musste dies alles mit war eine einzige Katastrophe! so angesteckt, dass er eine wei-
meinem eigenen Geld finan- tere Fassung drehte, was keine
zieren, und ein freundlicher ML: War dies in erster Linie die gute Idee war, weil es sich -
Zeitgenosse beim BFI über- Schuld von [Henri] Langlois? anders als der ursprüngliche Film
ließ mir einen Vorführraum im - eher um eine Dokumentation
BFI; der Leiter des Archivs KB: Ja! - Glücklicherweise handelte. Doch weil er daran
konnte mich aber nicht lei- konnte ich es erkennen – wenn arbeitete, hatte ich immerhin
den, weil ich ein Filmsammler ich die 9,5 mm-Kopie nicht die Möglichkeit, auch auf seine
war - also war es wie bei den gesehen hätte, wäre ich aus Negative zuzugreifen – es gelang
alten Wetterhäuschen – er kam dem Kino gegangen und hätte ihm, sie aus der Cinémathèque
aus einer Tür heraus und ich nie wieder etwas mit dem Film heraus zu bekommen: aber
ging durch die andere hinein. zu tun gehabt. Ich verließ das das könnte endlos so weiter-
Kino tatsächlich – ich hatte näm- gehen – ich muss an dieser
ML: Wie in einem lich meine damalige Freundin Stelle einen Punkt setzen.
Feydeau-Schwank? mitgenommen, um sie zu
beeindrucken; doch es war so
KB: Ja, und ich musste grauenhaft, dass wir hinausge-
die ganze Nacht in diesem hen mussten. Der Film enthielt
Vorführraum an dem Film arbei- Testaufnahmen - zum Beispiel
ten; in zwölf Wochen nächtlicher eine Nahaufnahme von Albert
Arbeit habe ich ihn zusammen- Dieudonné – er tat dies (nimmt
gesetzt. Der Leiter der Central eine lächerlich theatralische Pose
Booking Agency - David Meeker ein) länger als fünf Minuten!
– sprach mit Jacques Ledoux,
dem Leiter der FIAF (Fédération ML: Wie eine frühe
Internationale des Archives Portillo-Darstellung?!
du Film), und er übernahm es
selbst, mit allen Archiven Kontakt KB: Ja, die Zuschauer lach-
aufzunehmen und ihnen mitzu- ten sich krumm! Folgendes
teilen, dass sie, wenn sie etwas war passiert: Dies sollte mit
über „Napoleon“ hätten, dieses sechzehn anderen Aufnahmen
Material an Kevin Brownlow beim überblendet werden, was im Polyvision-Kameraaufstellung; beachten Sie die
BFI senden sollten. Und um Film hervorragend funktionierte; Anordnung der Kameras übereinander.
Gottes willen, die Dosen trafen aber Gance wollte sehen, wie es
so ein – viele rostig, die Filme wie ohne alles aussah, und machte
eine Testaufnahme. Langlois
oder jemand anderes fügte
Die technischen
diese dann in den Film ein, das Aspekte?
war unverzeihlich; daher tut es ML: Ich bin - wie sicherlich
mir nicht leid, dass ich die von auch die meisten unserer
ihnen geschickte Filmkopie – Leser - neugierig auf die tech-
eingefärbt, zwar unvollständig, nischen Aspekte, die immer
aber dennoch eine gute Kopie noch in vielerlei Hinsicht
– ausgeliehen und kopiert habe; richtungsweisend sind.
sie war gerade deshalb so gut,
weil sie schließlich bei einem der KB: Es gibt einen wunderbaren
Brände in der Cinémathèque Mann namens George Dunning,
zerstört wurde; diese Kopie der als Trickfilmzeichner für
16 Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe

mir, ich hätte die Erlaubnis,


Triptychon-Projektoren im AFI-
Theatre in Washington zu instal-
lieren; warum sollte man es nicht
mit „Napoleon“ eröffnen, und das
wurde dann auch vereinbart.

Die Rechte
KB: Ich besaß keine Rechte, wie
mir Patrick ein Stockwerk höher
regelmäßig ins Gedächtnis ruft.
Hätte ich die Rechte erworben,
wäre keines der Probleme, die
wir heute haben, aufgetreten,
aber ich hätte niemals damit
gerechnet, dass dabei irgendet-
was passieren würde – ich war
immer noch der Junge mit dem
9,5 mm-Schmalfilmprojektor.
„Yellow Submarine“ verantwort- werfen!“ Also gab er mir ein Es war also fantastisch; ich
lich war; er hatte zusammen 35mm-Negativ der Triptychons war nicht dort, aber ich hörte,
mit Richard Arnell die Idee, ein aus „Napoleon“ – das war schon es sei ein unglaublicher Erfolg
Breitwandfestival im Odeon- mal ein ziemlich guter Anfang. gewesen– mit stehendem
Kino am Leicester Square zu Beifall.Dann riefen 1979 die
veranstalten. Ich hatte nichts ML: Sie waren in der Tat der Organisatoren des Telluride
damit zu tun, aber er war klug einzige Ansprechpartner für Film Festivals an und fragten
genug, Kontakt zu Langlois auf- dieses sich verselbständigende – „Glauben Sie, Gance würde
zunehmen und das Triptychon Projekt; wurde man sich langsam nach Telluride kommen?“, und
auszuleihen. Ich weiß nicht, darüber im Klaren, was für eine ich antwortete - „Nein, ich denke
wann genau ich davon erfahren gewaltige Aufgabe das war? nicht, , er war sehr krankund
habe, aber ich erinnere mich, in ist 89 Jahre alt, da besteht
das Odeon am Leicester Square KB: Nein! überhaupt keine Chance“.
gegangen zu sein und gesehen Nun, die Anreise nach Telluride
zu haben, wie die Filmvorführer ML: ...und dass Sie Gottes war schrecklich – man braucht
mit Vorschlaghammern auf die Vertreter auf Erden waren, über 24 Stunden - und als
Projektoren eindroschen, um die oder zumindest Gances? ich endlich dort ankam, von
drei ihnen zur Verfügung stehen- diesen Erfahrungen völlig aus
den Projektoren enger zusam- der Bahn geworfen, sah ich
men zu bringen; leider blieb ein
„Lange, dünne und Gance! Er erwartete „Napoleon“
schwarzer Rand zwischen den eingerissene Film- in voller Länge zu sehen, und
drei Filmbildern, aber immer- abschnitte!“ es fand eine Veranstaltung zu
hin führten sie das Triptychon seinen Ehren in der Oper statt;
vor – sie ließen Original- KB: Das wurde tatsächlich ich wurde gebeten, meine
Nitrofilmkopien laufen. Ich glaube gelegentlich im NFT gezeigt - Dokumentation über Gance
nicht, dass ihnen das bewusst Punkt! Ich erinnere mich, sehr vorzuführen – schön, er hat
war!Natürlich leuchteten meine hart gegenüber Langlois gewe- sie gesehen – es ist keine
Augen auf – ich nahm den Film sen zu sein, indem ich seine Überraschung – und sie gefiel
von der Leinwand auf und ich Kopie stahl und sie ins Labor ihm, er hieß sie gut, aber nicht
erinnere mich daran, dass das brachte - aber sie war in einem zu diesem Zeitpunkt! Ich sollte
Publikum aus Werbefilmmachern entsetzlichen Zustand. Teile ihm seine Telluride-Medaille über-
bestand. Es war mitten am des Films hingen wie Konfetti reichen – er kam auf die Bühne
Tag, als der Film vorgeführt herab – ich erinnere mich, auf und sagte auf Französisch zum
wurde; ich erinnere mich an die Bühne im NFT gegangen zu Publikum (was sofort wunderbar
Leute, die es schwierig fanden, sein und den Zuschauern diese übersetzt wurde) – „Beurteilen
einen 30-Sekunden-Werbespot langen, dünnen und eingeris- Sie meine Arbeit nicht anhand
zu drehen, und über das senen Filmabschnitte gezeigt des Mülls, den Sie soeben
Triptychon von Gance lächelten! zu haben, die aber dennoch gesehen haben – Fragmente
Ich ging zu George Dunning – ein sehr gutes Bild erzeugten. eines Gedichtes, die stüm-
er war Kanadier - natürlich in 1979 – oder etwas früher - ver- perhaft zusammengestückelt
der Hoffnung, dieses Material bot Präsident Nixon einen Film wurden...“ – Danach musste ich
in die Hände zu bekommen von Costa-Gavras mit dem Titel ihm die Medaille umhängen – ich
– und er sagte: „Ich habe „Der unsichtbare Aufstand“ hätte ihn am liebsten erwürgt!
schlechte Nachrichten für (OT: „État de siège“), der zur
Dich, Kevin – ich habe den Eröffnung des American Film
Film zurück geschickt“ – lange Institute Theatre in Washington
Eine eiskalte
Pause – „aber ich habe ihn gezeigt werden sollte. Also sagte Nacht! – Aber
vorher kopiert, und ich denke, mir David Shephard, Archivar Coppola hat Ihn
Du solltest einen Blick darauf beim AFI und ein Freund von
Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe 17

gesehen sagte: „Ach komm schon – er von den anderen Jungen freige-
KB: Er dachte, dies sei bereits ist fast fünf Stunden lang, Du lassen wird, kommt zurück zu
die Restaurierung gewesen. Er würdest niemals ein Publikum ihm auf die Kanone; die dazu
war sich nicht darüber im Klaren, dazu bringen, so lange sitzen gespielte Musik von Carl war
dass er eine eiskalte Nacht zu bleiben“. Aber lass uns einfach fantastisch und für das
von 22 bis 3 Uhr am nächsten mal schauen - und sie schau- Publikum war es unglaublich.
Morgen würde durchstehen ten - und zwar auf einem
müssen, um den Film im Freien Steenbeck-Schneidetisch. Ich ML: Die emotionale Wirkung
zu sehen, weil dafür eine riesige glaube nicht, dass einer von war die stärkste, an die ich mich
Leinwand benötigt wurde – und ihnen 100-prozentig sicher war, erinnern kann - Carl live mit
er hatte sich sowieso in sein aber sie zogen es durch und den Londoner Philharmonikern
dahinter liegendes Hotelzimmer Carl hatte drei Monate Zeit, um und das „Kriegskind“; er schläft
zurückgezogen – doch dann die Filmmusik zu schreiben. auf der Kanone, das war so
begriff er und entschuldigte sich. gewaltig – instinktiv, wirklich.
Und das war der Zeitpunkt,
zu dem Coppola den Film
Etwas wirklich au- KB: Ja, absolut! Dann wurde
sah und dachte: „Mein Vater ßergewöhnliches mir klar, dass wir einen Treffer
erzählt mir immer wieder, dass KB: Ich war wie gelähmt, ich gelandet hatten. Jeremy Isaacs,
Stummfilme mit Orchestermusik dachte, dies wäre das Ende der die Hollywood-Reihe ins
begleitet wurden, also lasst meiner Liebe zu „Napoleon“, Leben gerufen hatte (er sollte
uns das Ganze mit einem aber als ich an diesem Channel 4 leiten), kam aus dem
Symphonieorchester unterlegen“. Sonntagmorgen aus der Kino und ich hörte ihn sagen,
Ich dachte nicht, dass sich dar- U-Bahn-Station trat, schlie- wenn dies nicht auf Channel 4
aus etwas ergeben würde, doch fen draußen Menschen auf laufen würde, würde es keinen
das war tatsächlich der Fall; der Straße, um Eintrittskarten Channel 4 geben. Die Leute
Coppola Senior kam herüber dafür zu ergattern (und das kamen an und sagten ‚Es
hat mein Leben verändert‘.

ML: Eine lebensverändernde


Erfahrung. KB: Ja - und so
war es nach jeder Vorführung.

Also - Auf nach


New York!
Eine Szene aus „Napoleon“ in Polyvision: ein Triptychon-Panorama KB: Gehen wir nun nach New
aus drei nebeneinander angeordneten Aufnahmen. York: Die Amerikaner haben
beschlossen, den Film zu
nach London, um sich mit Carl war, bevor Frau Thatcher dies schneiden (und das ist abso-
Davis zu treffen, der gerade eine unter Strafe stellte); es war lut legitim), weil sie ihn in der
13-stündige TV-Dokumentation brechend voll und ich wus- Radio City Music Hall vorführen
fertiggestellt hatte, die David Gill ste, dass sich etwas wirklich wollten, was ein sehr mutiges
und ich gedreht hatten und die außergewöhnliches ereignete. Vorhaben war. Dafür mussten
den Titel „Hollywood“ trug – die sie den Film kürzen, weil die
Geschichte des Stummfilms in Am Ende des zweiten Aktes Laufzeit maximal vier Stunden
Amerika. Carl war verreist - nach gibt es eine sehr bewegen- betragen durfte, glaube ich; und
Amerika, um sich mit den noch de Episode, in der der junge ich sagte, dass Gance 1927
lebenden Musikern zu treffen. Mann als Kadett - nach in der Oper genau dieselbe
einer Kissenschlacht, die in Erfahrung gemacht habe und
Doch nach der Fertigstellung von Polyvision gedreht wurde, mit den Film auf dreieinhalb Stunden
„Hollywood“ dachten David und
Carl, es wäre wundervoll, diese
Bilder mit Orchester wieder ins
Kino zu bringen – ein Orchester
macht den Unterschied; okay,
man kann sich Stummfilme
auch mit guten Pianisten anse-
hen, und das ist sehr effektvoll,
aber einem Orchester kommt
nichts gleich. Sie schlugen
„Gebrochene Blüten“ (OT:
„Broken Blossoms“) von [David
Wark] Griffith mit Lillian Gish vor;
und um eine Genehmigung zu Szene in Polyvision, für die Veröffentlichung 1980 auf 70 mm-Film kopiert.
erhalten, zeigten sie den Film
einem Produzenten von Thames neun, sechs, zwölf Aufnahmen gekürzt hätte. Sie befolgten
TV; dessen Reaktion lautete „zu zugleich- aus der Schule hin- also dieselbe Schnittreihenfolge,
kitschig“; also fragte David, wie aus gejagt und in den Schnee fügten aber die herausgeschnit-
wäre es mit „Napoleon“? Ich geworfen, und sein Adler, der tenen Sequenzen später nicht
18 Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe

„Bonaparte und die Revolution“ mit der Musik von [Arthur]


(OT: „Bonaparte et la révolu- Honegger zu unterlegen.
tion“). So standen die Dinge, Honegger schrieb die Original-
und so wurde es schwerer und Filmmusik, jedoch nur zwan-
schwerer, den Film zu zeigen. zig Minuten davon. Der Rest
stammte von Haydn, Mozart
ML: Es gab im Grunde genom- und Beethoven, wie bei der
men zu viele Köche, die den Filmmusik von Carl Davis; sie
Brei verdorben haben? passt offensichtlich nicht. Ich
habe mich nie dazu überwinden
können, den Film mit dieser
Filmmusik anzuschauen, sie
Und eine Franzö- macht ihn jedoch anscheinend
sische Fassung? mausetot; sie geht nicht mit
KB: Ja. Bei der Vorführung in dem Film einher: Die Musik ist
Edinburgh 1983 verkaufte eine einfach da, passt aber nicht,
junge Frau T-Shirts; sie machte wurde auch nicht komponiert,
den Fehler, hinein zu gehen. Sie um zu passen, mit Ausnahme
beschloss, eine französische der wenigen eigens für den Film
Fassung zu machen und ging komponierten Stücke. Es ist also
zur Cinémathèque: sie gehörte eine echte Tragödie. Menschen
Französisches „Napoleon“-Poster,
zur absoluten Oberschicht und werden kreativ, sobald sie diesen
gefunden im Internet.
hatte ein sehr gebieterisches Film in die Hände bekommen,
Auftreten. Man beauftragte sie, sie wollen ihn neu machen.
wieder ein und zeigten die gegen Bezahlung das gesamte Also erwerben die Franzosen
Restaurierung niemals vollständig dort lagernde Filmmaterial durch- nun möglicherweise die Rechte
oder wenigstens so vollständig, zugehen und eine neue Fassung von Lelouch, so dass sie auf
wie es damals möglich war. zu erstellen. Mittlerweile war ich der sicheren Seite sind; wir
ebenfalls in der Cinémathèque haben hingegen das Problem,
Wie auch immer, ich war damals gewesen und ich hatte viel dass wir ganz und gar auf
dort - die Einführung übernahm mehr Material gefunden und Grossbritannien beschränkt sind.
Gene Kelly – Lillian Gish war dort, eingefügt. Sie beschloss, eine
Leonard Bernstein – das gesam- Fassung mit französischen Titeln
te New Yorker Show-Business anzufertigen; sie machte aller-
Napoleon-
war anwesend; Taxifahrer spra- dings das, was Gance bei der Touristen
chen darüber - 6.000 Menschen Kurzfassung getan hatte: Sie ML: Ich denke, Sie werden
an einem Abend – sie mus- hat den Doppelsturm durch ein „Napoleon“-Touristen haben
sten es verlängern, es war ein Triptychon des Doppelsturms - die Reisebüros arrangieren
Bombenerfolg, aber ich stellte ersetzt - ich habe jemanden Flüge aus Australien, aus der
fest, dass die Musik - wenn sie gefunden, der bei der Vorführung ganzen Welt, aus Kanada etc.
auch einige großartige Stücke dabei war - somit wären wir nun
von Mendelssohn und ande- wieder beim Breitwandformat. KB: Das stimmt, wir hatten
ren enthielt - nicht die starke sie 2004, 2001, doch wardie
Wirkung besass, die Carl Davis' Ich habe das Gefühl, dass dies Vorführung 2004 das letzte Mal,
Musik auf uns ausübt hatte.. bei der Kurzfassung toll gewesen dass der Film in diesem Land
sein muss, aber bei der langen gezeigt wurde . Wir hatten Gäste
ML: Davis ist ein Genie, Fassung kann man den ersten aus aller Welt – und das meine
ganz einfach. Teil nicht an dieser Stelle enden ich wörtlich – sehr aufregend!
lassen - man kann dort einfach Es handelt sich hierbei um
KB: Ja, das stimmt! keine Pause machen. Ich hielt es die dritte Restaurierung und
Ich erinnere mich besonders für völlig falsch, nach einer Dosis wir haben jeden Titel in der
an eine Szene - und zwar als Triptychon wieder zur kleinen Schrifttype des Originals nach-
Napoleon nach Korsika zurück- Leinwand zurückzukehren; doch gedreht - die Schrift ist also
kehrt, zum ersten Mal seiner sie war der Meinung, man könne identisch; wir haben ihn auf die
Mutter gegenübertritt und sie es. Diese Produktion wurde dann richtige Weise - nach der alten
es kaum glauben kann – hier von den Franzosen für viel Geld Methode - eingefärbt, so dass
wirktees emotional bewegend mit einer neuen Filmmusik unter- die Farbtöne, die in der alten
- in Amerika haben siegelacht; legt, weil zu dem Zeitpunkt die Fassung nicht enthalten waren,
das war der Unterschied. Verbindung nach England nicht hier durchgehend Verwendung
erwünscht war, oder im Fall von finden. Und wir haben zusätzli-
Die beiden Fassungen wur- Carl Davis gar nach Amerika! ches Material entdeckt, finden
den mehr oder weniger paral- immer noch neues Material -
lel gezeigt, aber dann kaufte ML: Noch schlimmer! wovon ein Teil immer noch einge-
Coppola – oder Robert Harris KB: Noch schlimmer. arbeitet werden muss; aber ich
als Verleiher – die Rechte von weiß nicht, ob Sie mein Interview
Claude Lelouch, der Vermittler mit Gance gesehen haben; er
gewesen war, Produzent dieser
Honegger sagt, dass er das Interesse am
Fassung, zu der Gance inspiriert KB: Also beauftragten sie normalen Kino verloren habe,
worden war, ebenso wie von Marius Constant, den Film sobald er die Wirkung des
Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe 19

Triptychons sah; er sagte, hier


sei ein neues Alphabet für das
Kino. Ich sollte Ihnen das in der
Tat zeigen, nicht wahr - es ist
nur ein kurzes Interview, sagt er,
aber es ist für Ihren Artikel auf
in70mm.com relativ wichtig.

ML: Die technischen Aspekte –


die Verwendung von Elfenbein
für die Iris, der Einsatz des
Wollensak-Objektivs – einer
ihrer verblüffendsten Effekte
zeigt sich beim ‚Ball der Opfer‘
(OT: ‚Bal des Victimes‘), wo
sie schimmert – man hat die-
ses fantastisch schimmern- Kevin Brownlow & Abel Gance bei einem Vortrag in Berlin im Februar
de Bild vor Augen, begleitet 2009; Foto von Thomas Hauerslev.
von einem neunzigköpfigen
Symphonieorchester, und das
Ganze ist einfach überwältigend! auf ein weiteres Vorgehen. dabei üblicherweise schrieb:
„Primordiale!“, was auch immer
KB: Vierzigköpfig! KB: Wenn es etwas bringt. das heißt, und dann darunter
„Ich muss den Szenenbildner
ML: Es fühlt sich an und klingt ML: Ich drücke die Daumen. von ‚Der Golem‘ kriegen“.
wie mehr – sah auf jeden Fall Oder er schrieb: „Primordiale!
von meinem Platz aus sehr Nosferatu!“ - und er musste
groß aus! - MZu dem Zeitpunkt
Das Brachyscope? Szenen von [Friedrich Wilhelm]
bombardierte Coppola - oder ML: Die Linsen – die Murnau übernehmen – und dann
vielmehr seine Anwälte - das Verwendung eines umge- ging er zu [D.W.] Griffith und
British Film Institute mit Briefen. . drehten Makroobjektivs für sah „America“ – und machte
Nahaufnahmen – Totalen alle Arten von Notizen - aber
KB: Ja, das stimmt - aber wir – all diese Dinge. nichts über [Fritz] Lang oder
sollten darüber nicht reden. „Metropolis“. Was sehr merk-
KB: Ja, das Brachyscope - das würdig ist, weil er normalerweise
ML: Seitdem ist viel Wasser extreme Weitwinkelobjektiv. sehr offen in Bezug auf seine
den Bach herunterge- Einflüsse ist – und seltsamer-
flossen, nicht wahr? ML: War das vor „Metropolis“? weise wurde er unter anderem
von [Cecil B.] DeMille beein-
KB: Ja, sie haben sich KB: Nein, „Metropolis“ flusst – nicht so sehr hierbei,
unheimlich aufgeregt, wie kam 1926 raus - da war aber bei seinen früheren Filmen;
Sie sich vorstellen können. „Napoleon“ noch in Arbeit. „Der Betrug“ (OT: „The Cheat“)
aus dem Jahr 1915 hatte ihn
ML: Lassen Sie uns auf Herrn völlig umgehauen – zu der
Coppola mit seinem exzel-
„Primordiale“! Zeit drehte er seine Filme, die
lenten Wein anstoßen; sein KB: Ich habe keine Hinweise wie „Der Betrug“ aussahen.
„Director's-Cut“-Wein für auf „Metropolis“ gefunden, weil
eine abschließende Einigung Gance seine Notizen führte und
Ein neues Alpha-
bet für das Kino
An dieser Stelle beschloss
Kevin Brownlow, Abel Gance
das letzte Wort zu überlassen,
und zeigte mir einen Ausschnitt
aus seiner Dokumentation, in
der Gance das möglicherwei-
se aus historischer Sicht erste
Manifest für ein großformatiges
Kino verkündete. „Ich hatte das
Gefühl, dass es mir in einem
gewissen Sinn an Größe fehl-
te, und dass das vorhandene
‚Image‘ für mich zu klein war. Die
Zeit war reif für ein gewaltiges
Panorama.“ - Hier hatten wir ein
neues Alphabet für das Kino.

Vorführ- und Rückspulanlage von Kevin Brownlow; Das als Polyvision bezeichne-
Foto von Mark Lyndon. te Triptychon-System wurde
20 Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe

kommen wir noch spä- andere britisches Militärmaterial,


ter in Zusammenhang mit und Andrew hatte deutsches (ich
„Winstanley“). Sie boten ihnen dachte nur: Oh jeh, er ist einer
diese Möglichkeit, und man von denen!? Aber glücklicher-
war sehr wütend - Sie spra- weise war er es nicht!). Er sagte:
chen von einer Dame aus „Wenn Du einen fiktiven Film dre-
Edinburgh, die sagte: „Dies sind hen willst, muss er realistischer
Briten, die das getan haben!“ als normal sein, um die Leute zu
überzeugen“. Er unterstrich dies,
KB: Der Film begann schlicht- indem er die echten Sachen,
weg als jugendliche Angeberei. die echten Uniformen vor die
Ich hatte nicht die Absicht, den Kamera brachte, nicht nur
Film zu machen - was ich wollte, Dinge, die so zurecht gemacht
war eine Szene zu drehen, die waren, dass sie wie die echten
Produzenten in den Bann zie- Sachen aussahen – es gab echte
hen würde, so dass sie sagen Uniformen und Fahrzeuge, alles
würden: „Hier ist das Geld, um – und es war ein Unterschied
den Rest zu drehen“. Meine wie Tag und Nacht; ich war
Aufnahmen waren grauenvoll, von dieser Erich-von-Stroheim-
aber ich brauchte jemanden, der Methode vollständig hingerissen.
mir das sagte; ich traf diesen Wir gingen los und schauten uns
sechzehnjährigen Studenten die neuesten Filme an; sie waren
namens Andrew Mollo, und er tatsächlich fast alle unglaublich
dachte, ein Film sei etwas, das fehlerhaft, vor allem in den fünf-
Bucheinband man im Odeon auf einer großen ziger Jahren – der einzige, bei
Leinwand sieht, das absolut dem dies nicht der Fall war, war
erläutert. Henri Chretien wurde ..... aussieht! Und als er mein das Meisterwerk eines Kollegen
angeregt, das anamorphotische Material zu sehen bekam, pack- namens Stanley Kubrick mit dem
Objektiv zu entwickeln, nach- te ihn das Grausen; er hatte Titel „Wege zum Ruhm“ (OT:
dem er „Napoleon“ gesehen sich bereit erklärt, mir zu helfen, „Paths of Glory“) – der Film hatte
hatte. Die Branche war aller- doch als er meine Aufnahmen uns komplett umgehauen; er war
dings noch nicht dafür bereit, sah, war er entsetzt und sagte: unheimlich überwältigend, und
bis zur Wiederentdeckung „Alles ist verkehrt“. Ich erinnere Jahre später half er [Kubrick] uns
durch die Amerikaner[in Form mich an seinen Wortlaut, und mit übriggebliebenem Rohfilm-
von CinemaScope]. Und der natürlich wurde ich wütend. Material (short ends), unsere
Rest, wie sie sagen, .....! Ich war zwei Jahre älter als er Produktion fertig zu stellen.
und mochte es nicht, wenn
Pause meine Arbeit kritisiert wurde.
Unter dem Einfluss
von Orson Welles!
Teil 2 „Realistischer Aber ich wollte auch ein zweiter
Orson Welles sein und schaute
als normal!“ mir stets seine Arbeiten an.
Ich verstand nicht wirklich, was
„It happened here“ er meinte; aber er besaß eine ML: „Mit der Modelleisenbahn
Mark Lyndon: Können wir uns Sammlung – sein Vater war spielen“, so hat er die
ein wenig über „It Happened Russe und seine Brüder hatten Arbeit eines Filmregisseur
Here“ und „Winstanley“ unter- sich auf Frankreich spezialisiert – einmal genannt.
halten? „It happened here“ hatte einer hatte französisches und der
einen fiktiven Hintergrund.

Kevin Brownlow: Ja.

ML: Und dennoch habe ich


bisher keinen realistischeren
Film gesehen – das ist das zen-
trale Paradoxon. Er fühlt sich
unglaublich real an, und das hat
die Leute möglicherweise zu
der Meinung verleitet, dass Sie
ein offenes Mikrofon bereitge-
stellt hätten, um Faschisten...

KB: Ja...

ML: ... eine Plattform zu bie-


ten, von der aus sie als Ranter
[in etwa: Eiferer, Hetzer] agie-
ren können (zu den Rantern Kevin Brownlow filmt; Foto von Brownlow.
Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe 21

KB: In „Citizen Kane“ brachte er davon erzählen – ich hasse


eine fiktive Wochenschau, die Leute, die das tun!“ Doch er hat
absolut Weltklasse war – und ich es entweder getan oder Tony
habe die Idee einfach geklaut Richardson hat davon erfahren,
und eine fiktive Wochenschau denn das Projekt erregte reich-
gedreht: Damals, Ende der lich Aufmerksamkeit; Richardson
fünfziger Jahre, arbeitete ich als sagte: „Wenn Ihr diesen Film für
Cutter, und Peter Watkins war £ 3.000 machen könnt, unter-
mein Assistent. Er arbeitete stütze ich Euch“. Also sagten
ähnlich wie wir, wobei ihm war wir natürlich ja und das Budget
die Authentizität nicht so wich- wurde um 100% überschritten;
tigwar, aber er verwendete auch doch schließlich konnten wir
diese Wochenschau-Technik. den kompletten Film für £ 7.000
Befragung von Kevin Brownlow durch die Polizei;
Ich wollte sie nicht während machen und er war sechsund-
Foto von Brownlow.
eines gesamten Films einsetzen, neunzig Minuten lang; er enthielt
sondern den Film auf klassische zahlreiche aufwendige Szenen
Art und Weise drehen, doch und wir wollten damit sagen: Panne hatte, gingen sie hinun-
als es eine Ausrede dafür gab, „Hallo Filmindustrie, hier sind ter in eine U-Bahn-Station; er
ging ich in die Vollen und wir wir – nehmt uns an Bord, wir wusste nicht, was zu tun war!
drehten eine komplette fiktive wollen Filme für euch machen“; „Was mache ich jetzt – was soll
Wochenschau. Ich erinnere mich aber niemand meldete sich!! ich tun?“ – „Nun, Herr Minister,
daran, dass sie auf BBC gezeigt Sie kaufen eine sogenannte
wurde, auf „Personal Cinema“; ML: Sie dachten, eins würde Fahrkarte“ – „Eine Fahrkarte?“
und die Leute protestierten heftig zum anderen führen? – „Ja, Herr Minister, und dann
und sagten: „Das ist doch nichts gehen Sie durch die Schranke“
anderes als Nazi-Propaganda!“ KB: Ja, das war der - „Oh, wirklich sehr originell!“
Grundgedanke; wir hatten aller-
ML: So überzeugend war es. hand aufgefahren, aber keiner KB: Großer Gott!
wollte uns haben. Ich glaube,
KB: Ja. - Der Dreh des Films wir haben zwei grundlegende ML: Ich besuchte einen seiner
dauerte aus Kostengründen Fehler gemacht – der eine war, Vorträge während seiner Zeit
unglaublich lange; wir einen Film zu machen, in dem als Minister unter der Regierung
hatten kein Geld. wir selbst als vermeintliche von [Edward] Heath. Er sagte,
Nazis wahrgenommen werden er habe sich am vergangenen
ML: Ich glaube, er steht konnten, und der andere war Abend ein Theaterstück mit
laut Webseite im Guinness- der, die Konventionen zu bre- dem Titel „Alpha-Beta“ im West
Buch der Rekorde. chen und für sehr wenig Geld End angesehen – „Ich konnte
einen Film zu machen, der um daraus nicht schlau werden“,
KB: Ja, das stimmt, aber das ist die Welt ging; für weniger als sagte er, „Ich mag lieber solche
ein bisschen ungerecht, weil ein die Titelsequenzen der James Stücke, die einen Anfang, eine
Terminplan fortlaufend geplant Bond-Filme gekostet hatten, wie Mitte und ein Ende haben!“.
sein sollte; wir mussten hingegen wir damals zu sagen pflegten. Die Leute kicherten verhalten.
nach jedem Tag unterbrechen Das war eine Enttäuschung –
– jeder Tag war unser erster wenn auch die Arbeit an dem KB: Lindsay [Anderson] würde
– dann mussten wir unterbre- Film eine tolle Erfahrung war und das gefallen! Lord Eccles
chen, sparen, mehr Film kaufen, es noch einige Jahre dauern wurde vom Satiremagazin
kamen dann einen weiteren sollte, bis wir erkannten, dass „Private Eye“ erbarmungslos
kleinen Schritt vorwärts, mussten wir niemals als Filmregisseure verspottet - sie nannten ihn
wieder unterbrechen, sparen, engagiert werden würden. Wir „Schlauberger Eccles“. Aber das
mehr Film kaufen; Andrew hatte probierten und probierten und ist Schnee von gestern – und
jedenfalls kein Geld - er war probierten und wir wollten diesen um auf „Winstanley“ und das
Kunststudent - und ich arbei- Film „Winstanley“ drehen, uns Budget zurück zu kommen:
tete an Dokumentationen; das wurden klar, dass wir ihn auf Ja, das belief sich auf £ 26.000
Ganze war ziemlich chaotisch. eigene Faust machen müssten. - alles war seit Fertigstellung
Ein weiterer Assistent von mir - des anderen Films (von 1965 bis
Mamoun Hassan - wurde Leiter 1975) teurer geworden. Ich war
Harry Saltzman des Produktionsausschusses beim American Film Institute,
KB: Gegen Mitte der Produktion des BFI und beschaffte uns denn Andrew und ich sollten
wurde Andrew Regieassistent bei einige Mittel für diesen Film. einen der Bryan-Forbes-Filme
Harry Saltzman (Laufbursche von für ABPC machen, aber wir
Harry Saltzman) und sein erster wurden gefeuert, bevor auch
Film war „Samstagnacht bis
„Winstanley“ nur eine Aufnahme gemacht
Sonntagmorgen“ (OT: „Saturday ML: Der Vivian Leigh Memorial wurde, weil es Probleme mit der
Night and Sunday Morning“); Fund und [David McAdam] Besetzung gab. So fanden wir
der Produzent war kein gerin- Eccles, der zu dem Zeitpunkt uns damit ab - und es tut mir bis
gerer als Tony Richardson. Nun Minister für Kunst und Kultur war heute leid - dass wir keine Filme
gehörte Andrew zu der Sorte - er hatte noch nie die Londoner zusammen machen würden.
Menschen, die sagen würden: U-Bahn benutzt, und als sein
„Oh nein, ich werde ihm nicht Rolls-Royce mit Chauffeur eine ML: Philip French sagte auf
22 Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe

die Kritiken waren damals...nun, Winstanley; ich erinnere mich an


sagen wir: Ich werde sie nicht so einen schönen Satz: „Ein Anwalt
bald vergessen; aber anderer- liebt Geld wie der Hund eines
seits war es eine tolle Erfahrung, armen Mannes sein Frühstück
diesen Film zu machen. an einem kalten Morgen“.

Wir hatten verschiedene ML: Einfach toll, das spiegelt


Jahreszeiten, denn wir konnten die Zeit wieder - einer der fran-
nur an Wochenenden dre- zösischen Kritiker schrieb, dass
hen, damit wir eine kostenlose sich diese Leute, die kaum
Besetzung hatten. Die einzige überleben konnten, durch
Person, die überhaupt bezahlt Singen aufgebaut haben?
wurde, war Jerome Willis,
der einzige Profi; er bekam
den tariflichen Mindestlohn.
Die Diggers und
Er war unheimlich hilfsbereit; die Ranters
er hat uns Drehorte besorgt, KB: Ja, sie waren eine tolle
an denen wir fast alle unse- Truppe, die Darsteller der
re Innenaufnahmen machen Diggers; aber das Lustige
konnten. Witzigerweise hatte war, dass beim Eintreffen der
Bucheinband er Fairfax in der BBC-Fassung Ranters genau die Distanzierung
gespielt und einen renommier- stattfand, die man zwischen
der Webseite des BFI, dass die ten Fernsehpreis gewonnen. den beiden Gruppen erwartet
größte Tragödie des britischen (Man wird ihnen nicht erzäh- hätte - genau wie es im Film
Kinos die Tatsache sei, dass len, dass die BBC alle seine dargestellt wird. Der Darsteller
seitdem keiner von Ihnen bei Stücke einschließlich dieses des Anführers der Ranters - Sid
einem Film Regie geführt habe. Films vernichtet hat! Es war so Rawle - war ein Prominenter in
ein experimenteller Fernsehfilm, der New-Age-Bewegung: er hat
KB: Nett, dass er das sagt. bei dem die Männer zu Pferd die New -Age-Travellers-Szene
auf Stehleitern saßen.) Wie begründet, er hat das Windsor
ML: Aber das zentrale dem auch sei, Jerome Willis Pop Festival, das Reading Pop
Paradoxon von „Winstanley“? - war dabei gewesen und hatte Festival ins Leben gerufen – er
War es Rosenbaum, der sagte, somit ein Gefühl für den Film. war ein außergewöhnlicher
es sei ein durch und durch Mensch und betrachtete sich
englischer Film, der aber über selbst als Ranter, bezeichnete
den Kanal gelangen musste,
Auf Basis der sich aber als Digger – die New
um mit offenen Armen emp- Originalwerke von Diggers; so lernte ich ihn kennen.
fangen zu werden - insbeson- „Winstanley“
dere von den Franzosen?
KB: Wir drehten den Film auf
Der „Casting-Zug“?
KB: Ja, die Franzosen! der Basis eines historischen KB: Für das Casting fuhren wir
Romans und gingen in das mit der U-Bahn (weil wir von
ML: „Le Monde“ und viele British Museum; wir holten die Eccles sprachen) und ich traf die
andere Kritiker lobten ihn in Original-Pamphlete heraus, die perfekte Wahl für die Rolle des
den Himmel und er hinterließ Winstanley veröffentlicht hatte; Parson Platt – ich verfolgte ihn
wirklich enormen Eindruck, aber das war ein sehr unheimliches aus dem Zug,– den Gang hin-
hierzulande verstand man ihn Gefühl, denn vor uns lagen Marx, unter, stellte ihn, und er sagte:
nicht? Oder was war mit den Engels, Lenin, unglaublich! – „Ich würde Ihnen gerne
Leuten nicht in Ordnung? und im Gorky Park steht eine helfen, aber ich bin ein
Statue zu Ehren von Winstanley! Kaplan der Queen!“
Wir holten diese Pamphlete
Welche Erwar- heraus und sahen eine andere Aber ich glaube, wir haben bei
tungen haben die Geschichte. Nicht nur, dass Parson Platt ganz gute Arbeit
Engländer an ihren diese Pamphlete wundervoll geleistet; Andrew holte unse-
verfasst waren, sie erzählten ren ‚Captain Gladman‘ aus
Film!? auch, was sich ereignet hatte; einer U-Bahn; er stellte sich als
KB: Um ehrlich zu sein: es und nachdem wir den Autor australischer Wochenschau-
lag möglicherweise daran, David Caute gebeten hatten, Kameramann heraus.
dass die Engländer in Bezug ein Drehbuch für uns zu schrei-
auf die Schauspielerei extrem ben, stellten wir nun fest, dass ML: Ja, der Australier, der Akzent
hohe Maßstäbe ansetzen; wir eine ganz und gar andere hat vielleicht ein bisschen irritiert?
ich habe den Verdacht, dass Basis wollten. Also schwenkte
die Franzosen den Stil der der Film zu diesen großartigen KB: Oh, hat man den
Darstellung nicht herausgehört Schriftstücken hinüber, und was herausgehört?
haben. Hätten wir den Stil Sie auf der von Miles Halliwell -
getroffen, den Filmkritiker erwar- dem Darsteller von Winstanley ML: Man hat. Ich habe eine Blu-
teten, hätten wir eine Chance - gesprochenen Tonspur hören, ray gekauft und auf einem sehr
gehabt. Zugegeben, es ist schon entspricht haargenau dem guten Gerät abgespielt; es sah
ein sehr sonderbarer Film, aber Wortlaut der Schriftstücke von absolut toll aus – aus irgend-
Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe 23

einem Grund sieht 16mm auf bei unserem Versuch überwun-


Blu-ray ungewöhnlich gut aus, den hatten, dieses trockenere
weil die Struktur des Filmkorns Aussehen zu bekommen, auch
immer noch vorhanden ist und gegen das Unverständnis der
fantastisch rüberkommt. Techniker im Filmkopierwerk.
Ich habe darüber sogar
KB: Mich hat jemand im NFT auch ein Buch geschrieben:
angehalten und gesagt: „Ich „Winstanley – Warts and All“.
habe vor kurzem Ihren Film auf
Blu-ray gekauft und wünschte,
ich hätte es nicht getan – die
André De Toth
ganze Atmosphäre ist weg!“ und andere,
Meinungen zu 35 mm-Aufnahme mit Andrew Mollo und Kevin
KB: Ich habe es nicht gewagt,
mir den Film anzuschauen. Ich Cinerama Brownlow; Foto von Brownlow.
war von der anderen Fassung ML: Eine letzte Frage, wenn
auf DVD so geschockt, weil die Sie erlauben – ich hatte ML: Oh, ja, die habe ich.
allererste Einstellung des gesam- eine Auseinandersetzung
ten Films schon falsch lichtbe- mit André De Toth... KB: Und darin ist Gance
stimmt war; und ich hatte den zu finden, nicht wahr?
Film von vorne bis hinten exakt KB: Tatsächlich? Irgendwann. – Das ist eine
lichtbestimmt. Der Kameramann fantastische Dokumentation.
hatte den Film ebenfalls von ML: ... in den neunziger Jahren
vorne bis hinten abgestimmt, über Cinerama; er verachte- ML: Dave - er liefert eine tolle
und plötzlich ist alles falsch gefil- te es zutiefst. Er sagte immer Imitation von John Wayne ab.
tert; ich konnte es danach nicht wieder: „Ihr Cinerama ist – so
ertragen, den Film anzuschauen! und so .**.!“ – Und ein paar KB: Wirklich? Ich werde es
Jahre später hatte ich eine mir noch einmal anschauen.
ML: Nun, vielleicht hat man Diskussion mit einem ihrer nahen
das korrigiert, wenn es viel- Nachbarn, Jonathan Miller; ML: Vor einigen Jahren waren
leicht auch nur eine schwa- er ging darüber geringschät- wir in der Bar des Midland Hotel
che Hoffnung sein mag... zig und voller Überheblichkeit in Bradford; die Feierlichkeiten
hinweg und lehnte es schlicht- des Tages waren beendet und
weg ab. Ich fragte mich, was wir fingen an, andere Leute
Weitere Einblicke – hat Cinerama, das einäugigen zu imitieren; er stand auf,
Sozialismus? ungarischen Filmregisseuren ging los und es war perfekt.
KB: Was gibt es noch über und Intellektuellen derar- Das Schöne am „Widescreen
„Winstanley“ zu sagen? – Seine tige Angst einflößt? Weekend“ beim Bradford Film
Ideen waren für diese Zeit abso- Festival ist die Aftershow-Party
lut außergewöhnlich. Es war KB: Oh, André De Toth hat den in der Bar mit Leuten aus der
das erste Mal, dass Sozialismus ersten 3-D-Film gemacht und Branche; wir haben viele amü-
- christlicher Kommunismus - konnte nicht räumlich sehen, weil sante Geschichten, Eindrücke
das darstellte, was es eigentlich er nur ein Auge hat; es ist wirk- und mehr ausgetauscht. Doch
ist. Wir sagen das nicht so oft, lich ironisch, wenn ausgerechnet an dieser Stelle müssen wir
weil dieses Wort die Leute in er Cinerama ablehnt. Aber es aufhören und bedanken uns
Aufregung versetzt; doch er ist die Rummelplatz-Seite des herzlich für das Gespräch.
war ein Kommunist im eigentli- Kinos, Reiseberichte, James
chen Sinn; der Kommunismus Fitzpatrick, und all die Dinge; mit KB: Nichts zu danken.
wurde noch nicht wirklich der Ausnahme, dass sie Merian
versucht, er wird immer nur in Cooper hatten. Wir haben ML: Schnitt!
roten Faschismus verwandelt. darüber einen Film gemacht
- haben Sie ihn gesehen?
ML: Ausnahmslos, abgesehen
von der Kibbuz-Bewegung in ML: Nein, leider nicht – da habe
Israel, um ein Beispiel zu nennen. ich wohl noch Nachholbedarf.

KB: Ja, ich habe davon gehört.


Es hat in diesem Fall ebenso
Dave Strohmaier –
wenig funktioniert, aber es war Cinema Adventure
faszinierend, zu sehen, wie sie KB: Er trägt den Titel „I’m
dachten, was sie dachten, was King Kong“ und handelt von
sie schrieben – unglaublich. der Karriere von Merian [C.]
Ernie Vincze, ein Ungar, war im Cooper; der Film enthält am
Alter von 14 Jahren vor dem Ende einiges über Cinerama.
Ungarnaufstand geflohen. Er Außerdem gibt es einen Kollegen
war an dem Film beteiligt - er namens Dave Strohmaier
war der Kameramann; er hatte - er hat eine fantastische
einen tollen Blick, nachdem wir Dokumentation mit dem Titel Kevin Brownlow filmt;
erst einmal die ersten Hürden „Cinerama Adventure“ gedreht. Foto von Brownlow.
24 Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe

Stoßtrupp Gold
Zur Entstehung

Krieg kann auch Spaß machen. Leben“) , in der dieses Interview in der kleinen französischen
Das ist die politisch nicht zitiert wird, stellt sich die Stadt einmarschiert, verdrückt
korrekte Botschaft, die das Handlung, die nach der Invasion sich der Stoßtrupp Gold samt
actionreiche Kriegsabenteuer der Alliierten in Frankreich ihren Beute durch die Hintertür.
„Kelly´s Heroes“, dem der der Lauf nimmt, folgendermaßen dar: Überdeutlich verrät die
deutsche Verleih den schlag- Von einem gefangenen deut- Inszenierung von Brian Hutton:
kräftigen Titel „Stoßtrupp Gold“ schen Offizier erfährt der Gefreite Geld beziehungsweise Gold
verpasste, dem Kinopublikum Kelly (Eastwood), eigentlich ein regiert die Welt, auch im Krieg.
vermittelt. Aber allzu ernst sollte Ex-Leutnant, der seinerzeit für Zwar soll MGM den Film von
man was Autor Troy Kenndey die Fehler eines anderen als Hutton, der in „Where Eagles
und Regisseur Brian Hutton Sündenbock herhalten mußte Dare“(„Agenten sterben einsam“)
da verzapft haben, auch nicht und deshalb degradiert wurde, zwei Jahre zuvor, ebenfalls mit
nehmen, die Inszenierung von einem geheimen , in einer Clint Eastwood in der Hauptrolle,
signalisiert mit komischen, ja französischen Bank versteckten ein Kriegsabenteuer mit weit
sogar klamaukhaften Elementen Goldschatz. Unglücklicherweise größer Ernsthaftigkeit in Szene
immer wieder, dass sie mit der liegt die Bank jedoch hinter den gesetzt hatte, teilweise erheb-
Realität des Zweiten Weltkrieges feindlichen Linien. Während lich beschnitten haben, wohl
nicht viel zu tun hat. Als Clint eines dreitägigen Fronturlaubs auch weil er sonst einfach zu
Eastwood die Titelrolle des überredet er seinen Vorgesetzten lang geworden wäre. Aber der
Gefreiten Kelly übernahm, hatte Big Joe (Telly Savalas) den etwas comicartige Charakter
er wohl anderes im Sinn, wie Versorgungssergeanten und des Films, der einem Quentin
er 1974 in einem „Playboy“- Schwarzmarktkönig Speckbacke Tarantino gefallen dürfte, war
Interview verrät: „Die Film hätte (Don Rickles) und den recht wohl vorneherein beabsichtigt.
einer besten Kriegsfilme aller unkonventionellen Panzerführer Donald Sutherland, langhaarig,
Zeiten werden können. Er hatte Spinner (Donald Sutherland) sich bärtig und immer gut drauf,
ein überragendes Drehbuch, das Gold im Rahmen eines klei- wirkt in seiner Rolle wie ein
eine gute Besetzung und eine nen Privatkriegs unter den Nagel Hippie der Woodstock-Ära, der
subtile Antikriegsbotschaft. Aber reißen. Nach einigen Schlachten sich in der Zeit vertan hat. Auch
irgendwie ging das alles verloren. gelingt der Coup tatsächlich, die anderen Akteure, darunter
Irgendwo in Jugoslawien ver- obwohl sie mitterweile fast alle vor allem „Kojak“ Telly Savalas,
sandete der Film und wurde zu amerikanischen Kompanien geben dem Affen Zucker. Im
einer Story über ein paar ame- in der näheren Umgebung in Gegensatz dazu verzieht Clint
rikanische Wichser im Zweiten die Sache verwickelt haben. Eastwood kaum eine Miene wie
Weltkrieg, aus der sie dann sogar Unterdessen feuert der zuständi- in den Italo-Western von Sergio
noch ein paar Schlüsselszenen ge General seine Männer kräftig Leone, die ihn mittlerweile zu
herausschnitten.“ In der an, allerdings ohne den wahren einem Weltstar gemacht haben.
Monographie von Gerald Cole Grund für deren Enthusiasmus Unübersehbar gibt es motivi-
und Peter Williams („Clint zu ahnen. Während er zum sche Verbindungen zwischen
Eastwood: Seine Filme – sein Schluß als strahlender Sieger „Stoßtrupp Gold“ und „Zwei
Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe 25

glorreiche Halunken“(1966) ,
auch wenn laut imdb.com der
Tatsachenbericht über einen
Nazi-Goldschatz die Inspiration
für die Geschichte geliefert
haben soll. Augenzwinkernd
ertönt in einer Szene, als Kelly,
Big Joe und Spinner das
Gewehr im Anschlag über einen
Marktplatz gehen, Musik im
Stil von Ennio Morricone. Zwar
waren die Kritiker, auch als der
Film im November 1970 in die
deutschen Kinos kam, gelinde
gesagt, wenig begeistert, ein
solider Kassenerfolg wurde
„Stoßtrupp Gold“ gleichwohl
und ein raues, aber herzloses
Filmvergnügen für harte Männer
und solche, die es sein wol-
len, ist der Film immer noch.

Filminfo:
OT: Kelly’s Heroes
USA 1970 / Aufgenommen in
35mm Panavision Anamorphic®
(1:2.35) / Präsentiert in 70mm
(1:2.21) / 6-Kanal Stereo
Magnetton / Dt. Fassung / 144
Min. / Erstaufführungskopie /
Roadshow-Präsentation mit
Pause / Welturaufführung:
23.06.1970 / Dt.
Erstaufführung: 27.11.1970

Stab:
Produktion: Gabriel Katza,
Sidney Beckerman
Regie: Brian G. Hutton
Buch: Troy Kennedy Martin
Kamera: Gabriel Figueroa
Musik: Lalo Schifrin
Schnitt: John Jympson

Besetzung:
Clint Eastwood (Kelly), Telly
Savalas (Big Joe), Donald
Sutherland (Oddball), Don
Rickles (Speckbacke), Carroll
O‘Connor (General Colt),
Gavin MacLeod (Moriarty),
Hal Buckley (Maitland),
Stuart Margolin (Little Joe)
26 Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe

55 Tage in Peking
Zur Entstehung
Unter Spaniens zumeist blauem einmal die Hälfte seiner Kosten daran sieht. dass fast alle auftre-
Himmel vollzog sich Aufstieg einspielte, leitete den Untergang tenden Figuren frei erfunden sind:
und Fall von Samuel Bronston seines eigenen Imperiums ein, Im Jahr 1900 erheben
(1908 – 1994), der seine zweite das zuvor auch noch zwei Filme sich mehrere chinesische
Heimat zu einer europäischen unter der Regie von Nicholas Bevökerungsgruppen, die,
Filiale von Hollywood machte. Ray hervorgebracht hat, „Kings weil sich auch Mitglieder
Zwischen 1959 und 1964 ließ er of Kings“(1961) und „55 Days der Kampfschulen darunter
in seiner zweiten Heimat sechs in Peking“(1963). Nach dem befinden, als „Boxer“ tituliert
monumentale Filme drehen. Flop des Zirkusfilmes produ- werden, gegen die vermeintli-
Hier fand er nicht nur die ideale zierte Bronston zwar noch mit che Fremdherrschaft in ihrem
Kulisse für Historienfilme wie „El erheblich kleineren Budgets Land. Sie töten Ausländer und
Cid“(1961) und „The Fall of the vier etwas obskure Filme, Christen. Im Diplomatenviertel
Roman Empire“(1964) , jeweils überwiegend war er aber mit in Peking regiert die Angst,
unter der Regie von Antony diversen Konkursverfahren und nachdem der deutsche
Mann, sondern auch günsti- der Tilgung seiner Schulden Botschafter auf offener Straße
ge Produktionsbedingungen beschäftigt. Er hat einen hohen ermordet wurde. Die wankel-
und in Franco-Spanien einen Preis dafür bezahlt, dass er die mütige Kaiserwitwe Tzu-Hsi
willigen Produktionspartner Hollywooddevise „Bigger than (Flora Robson) gibt unter dem
Andere folgten dem Beispiel Life“ beim Wort genommen und Einfluß des intriganten Prinz
von Bronston, der angeblich der in die Tat umgesetzt hat, Der Tuan (Robert Helpmann) dem
Neffe von Leo Trotzki (bürger- Nachwelt hat er aber zumindest Druck der Straße nach, die
lich: Bronstein) war und dessen vier Breitwandepen hinterlas- kaiserliche Armee schließt
Filmographie bis dahin nur zwei, sen, die zu den Evergreens der sich den Aufständischen an.
fast vergessene Filme aus- 70mm-Ära gehören, die beiden Gemeinsam belagern sie die
weist: „City Without Men“(1943) Filme von Anthony Mann und die rund 1000 Europäer, die sich
und das Bio-Pic „Jack von Nicholas Ray. Da mag die im Diplomatenviertel verschanzt
London“(1943). Auch „John Paul zeitgenössische Kritik noch soviel haben. Der US-Major Matt
Jones“(Beherrscher der Meere, daran herumgenörgelt haben, Lewis (Charlton Heston) und
1959), seine erste Produktion da mögen Cineasten heute der englische Gesandte Sir
in Spanien unter der Regie noch die Nase rümpfen und Arthur Robertson (David Niven),
von John Farrow, ist weitge- Historiker feststellen, dass sich der mit seiner Appeasement-
hend in Vergessenheit geraten. in Wirklichkeit alles ganz anders Politik gescheitert ist, organi-
Seiner letzten Großproduktion zugetragen hat. Wer etwas über sieren den Widerstand gegen
„Circus World“(1964) erging es den Untergang Roms erfahren die erdrückende Übermacht,
nicht viel besser, trotz illustren will oder über den Boxeraufstand die sie lange aufhalten kön-
Star-Ensembles (u.a. John in China um 1900, der sollte nen. Menschen und Schicksale
Wayne, Claudia Cardinale, Rita Geschichtsbücher lesen. Die aus aller Herren Länder lassen
Hayworth) . „Der Untergang Geschichte von „55 Tage in einem beim Warten die Zeit nicht
des Römischen Reiches“, der Peking“ hat nur sehr ungefähre lang werden bis zum Ende der
bei einem geschätzten Budget Ähnlichkeit mit der historischen Belagerung. Eine schon etwas
von 19 Millionen Dollars nicht Wirklichkeit,was man allein schon matronenhafte Ava Gardner
Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe 27

gibt die Baronin Natalie Ivanoff, recht beiläufig mitgeteilt.Auch Filminfo:


die nicht nur dem schmucken gelingt es der Inszenierung nicht OT: 55 Days At Peking
US-Major schöne Augen macht, so recht, das Gefühl des stän- USA 1963 / Aufgenommen in
ehe sie sich in einem Akt melo- digen Eingeschlossenseins und 35mm Super Technirama 70®
dramatischer Selbstlosigkeit der der Lebensbedrohung nach- (1:2.21) / Präsentiert in 70mm
Verwundeten annimmt und den vollziehbar zu machen.Zudem (1:2.21) / 6-Kanal-Stereo-
Heldinnentod stirbt. Als alles erschließt sich den ganzen Film Magnetton / Dt. Fassung / 154
verloren scheint, weil die chinesi- über nicht, was genau die aus- Min. / Erstaufführungskopie /
schen Horden nicht mehr länger ländischen Vertretungen eigent- Roadshow-Präsentation mit
aufgehalten werden können, lich nötigt unter Lebensgefahr Pause / Welturaufführung:
treffen endlich die Truppen der in Peking auszuharren. Sir 29.05.1963 / Dt.
USA, Rußlands, Japans und der Robertson versucht es immer Erstaufführung: 20.09.1963
europäischen Staaten ein und wieder zu erklären, dabei kann
machen dem Spuk ein Ende. er nicht einmal seine Frau von Stab:
Es versteht sich eigentlich von der Notwendigkeit seines Tuns Produktion: Samuel Bronston
selbst, dass das Peking, das überzeugen. Die zwei Oscar- Regie: Nicholas Ray
auf der Leinwand zu sehen Nominierungen, die der Film Buch: Philip Yordan, Bernard
ist, sich nicht in China befin- erhielt, galten - durchaus nicht Gordon, Robert Hamer
det, sondern in der Nähe von überraschend - Dimitri Tiomkin Kamera: Jack Hildyard,
Madrid. Dem eklatanten Mangel für die grandiose Filmmusik und Manuel Berenguer
an Chinesen wurde abge- für den Filmsong „So little Time“. Musik: Dimitri Tiomkin
holfen, indem Scouts ausge- Dem deutschen Verleih reichte Schnitt: Robert Lawrence
schickt wurden, um in Spanien, das nicht, er hat die wortlose
Frankreich, Großbritannien Auftaktmusik mit einem mar- Besetzung:
asiastisch aussehende Statisten tialischen Text („Den Aufstand Charlton Heston (Maj. Matt
aufzutreiben. Laut imdb.com dunkler Mächte, den der Hass Lewis), Ava Gardner (Baronin
soll das zu einem zwischenzeit- geboren hat..“) versehen, der Natalie Ivanoff), David Niven
lichen Personalmangel in den vom damals populären Botho- (Sir Arthur Robertson), Flora
Chinarestaurants im Sommer Lucas-Chor gesungen wurde. Robson (Tzu Hsi), John
1962 geführt haben. Da die Ireland (Sgt. Harry), Harry
Boxer im Grunde in der Masse Andrews (Pater de Bearn),
gesichtslos bleiben, erscheint Leo Genn (General Jung-Lu)
das als vergebliche Liebesmüh,
zumal ja auch die chinesischen
Hauptprotagonisten offensicht-
lich nicht von Chinesen verkör-
pert werden. Kein Geheimnis
ist, dass Teile des Films nicht
von Nicholas Ray, sondern von
Guy Green und dem Second
Unit-Regisseur Andrew Marton
gedreht wurden. Ray hatte
nach Querellen mit Bronston
einen Herzinfakt erlitten und
konnte nicht weitermachen bei
einem Filmprojekt, das ohnehin
keine Herzensangelegenheit
für ihn war. Auch wenn nicht
mehr exakt aufzudrösseln ist,
wer was gemacht hat, ver-
rät die elegante Bildfolge zu
Beginn, in der zum Klang ihrer
jeweiligen Nationalhymnen die
beteiligten Militärcorps aus der
Vogelperspektive vorgestellt
werden und auch die ungewöhn-
lichen Kameraperspektiven, mit
denen vor allem im Kaiserpalast,
Machthierarchien sichtbar
gemacht werden, die Hand
des Meisters. Für die recht
eindrucksvollen Action-Szenen
war ohnehin Andrew Marton
zuständig. Unübersehbar sind
aber auch dramaturgische
Schwächen.So wird Robertsons
kleiner Sohn von einer Kugel
getroffen; dass er wider Erwarten
überlebt hat, wird dann später
28 Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe

Bela -Tragik einer Liebe


Zur Entstehung
„Ich habe einen unglücklichen öde zumute … Bald wurde der Anti-Held aus verschie-
Charakter“, bekennt der Offizier ich in den Kaukasus versetzt.“ denen Perspektiven und mit
Petschorin seinem Kameraden Obwohl es zu kurz gedacht ist, unterschiedlichen literarischen
Maxim Maximowitsch gegen- in Petschorin, der zentralen Figur Mitteln beleuchtet wird, eine
über und fährt fort mit seiner des Romans „Ein Held unserer einfache, allerdings tragisch
Lebensbeichte: „Ob ich durch Zeit“ das Alter Ego des Autors endende Liebesgeschichte mit
meine Erziehung so geworden Michail Lermontow zu sehen, romantisch-exotischem Flair,
bin, ob Gott mich so geschaf- steckt doch viel vom Leben die wie der Roman auch im
fen hat – ich weiß es nicht, ich und Empfinden in diesem scho- Kaukasus, in diesem ewigen
weiß nur, daß , wenn ich das nungslosen Selbstbekenntnis, Problemgebiet des russischen
Unglück anderer Menschen einem der bekanntesten der Riesenreiches, spielt. Aus der
verschuldet habe, ich selber russischen Literatur. Lermontow Perspektive des grundgütigen
nicht weniger unglücklich bin. selbst, ein Landadeliger, aufge- Stabshauptmannes Maxim
Natürlich ist das ein schlechter wachsen ohne materielle Not, Maximytsch wird berichtet, wie
Trost, aber es ist nun einmal so. hatte sein Studium abgebrochen der Hauptmann Petschorin
In meiner ersten Jugend, von und danach eine militärische bei einer Hochzeitsfeier unter
dem Augenblick an, da ich der Laufbahn eingeschlagen. 1837 Tscherkessen sich in die jüngste
Aufsicht der Familie entronnen wurde er er wegen eines auf- Tochter eines Fürsten verguckt.
war, gab ich mich wahnsinnig rührerischen Gedichts anlässlich Indem er ihrem Bruder das heiß
allen Genüssen hin, die für Geld des Todes von Puschkin für begehrte Pferd des berüchtigten
zu haben sind, und selbstver- ein Jahr zum Strafdienst in den Räubers Kasbitsch zukom-
ständlich wurden diese Genüsse Kaukasus versetzt. Es war eine men läßt , bringt ihm dieser als
mir endlich zuwider. Dann stürzte Zeit, die er literarisch nutzte, um Gegenleistung seine Schwester.
ich mich in die große Welt, aber den Roman zu schreiben, die er Bela sträubt sich nicht lange
bald wurde die Gesellschaft mir ihn weit über seinen frühen Tod gegen ihren Entführer, der sie
auch langweilig, ich verliebte hinaus berühmt machen sollte. liebevoll umsorgt. Schließlich
mich in Weltdamen und wurde Der 1965 entstandene Spielfilm verliebt sie sich in Petschorin
wiedergeliebt, aber ihre Liebe „Bela -Tragik einer Liebe“ ist, und die beiden scheinen eine
reizte nur meine Einbildungskraft wie der Titel schon verrät, keine Zeit lang ein glückliches Paar zu
und mein Selbstgefühl, das um Vollständigkeit bemüh- sein, allen widrigen Umständen
Herz blieb leer... Ich fing an zu te Verfilmung des russischen zum Trotz. Doch dann ver-
lesen, zu studieren – auch die Romanklassikers. Regisseur liert Petschorin auf einmal das
Wissenschaften wurden mir Stanislaw Rostozki greift sich Interesse an der glutäugigen
überdrüssig, ich sah, daß weder eine der fünf Novellen, die lose Schönen und läßt sie länger
Ruhm noch Glück von ihnen verbunden den Roman ergeben, allein, um auf die Jagd zu
abhängen, denn die glück- heraus und macht dabei das gehen. Bela ist verzweifelt.
lichsten Menschen sind die Tscherkessenmädchen Bela, Maxim Maximowitsch gegenüber
Unwissenden, und der Ruhm ist das auch einem Romankapitel bekennt Petschorin mittlerweile
Zufallssache; um ihn zu gewin- den Namen gibt, zur Titelheldin. von ihr genauso gelangweilt zu
nen, muß man nur gewandt So destilliert er aus einem kom- sein wie von den vornehmen
sein. Da wurde mir furchtbar plexen Romangebilde, in dem Damen. Als die allein gelassene
Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe 29

Bela eines Tages die Festung gefördert wurde, standen seine / 6-Kanal-Stereo-Magnetton
verläßt, fällt sie in die Hände größten Erfolge noch bevor, / Russ. OV mit dt. UT / 112
des rachsüchtigen Kasbitsch, sein zweiteiliger Kriegsfilm „Im Min. / Erstaufführungskopie /
der sie schließlich schwerver- Morgen ist es noch still“(1973) Welturaufführung: 1966 / Dt.
letzt zurückläßt, um seinen wurde ebenso für den Oscar Erstaufführung: 10.11.1967
Verfolgern zu entkommen. nominiert wie „Weißer Bim (DDR) / 06.02.1968 (BRD)
Petschorin kümmert sich rüh- Schwarzohr“(1979), die Odyssee
rend um die Geliebte, kann aber eines Hundes, die weit über die Stab:
ihren Tod nicht verhindern … Grenzen der Sowjetunion hin- Regie: Stanislaw Rostozki
Wie russische Quellen berich- aus die Herzen der Kinogeher Buch: Stanislaw Rostozki
ten, war Regisseur Stanislaw und Fernsehzuschauer rühr- Buchvorlage: Michail
Rostotsky (1922-2001) darum te. Lermontows Roman Lermontow (Roman „Ein
bemüht, die Szenerie mög- scheint ihn nicht losgelassen Held unserer Zeit“)
lichst realistisch und authen- zu haben. Unter dem Titel Kamera: Wjatscheslaw
tisch erscheinen zu lassen, „Maksim Maksimych“(1971) Schumski, J. Postnikow
gedreht vor Ort im Kaukasus. verfilmte er ein weiteres Musik: Kirill Moltschanow
Der Fürstensitz und die Kapitel des Romans. ,
Kosakenfestung wurden auf- Besetzung:
wändig nachgebaut. Für die Filminfo: Wladimir Iwaschow (Petschorin),
Massenszenen engagierte OT: Bela - Geroj S. Berowa (Bela), Alexej
er Schauspieler der lokale Naschego Wremeni Tschernow (Maxim), S. Mamilow
Theaterbühne, aber auch Laien UdSSR 1966 / Westdeutscher (Kasbyl), Alexander Orlow (jun-
aus den umliegenden Dörfern. Titel: Bella / Aufgenommen in ger Offizier), R. Boraschwili
Tänze und Feste wurden 70mm SovScope 70® (1:2.21)
möglichst historisch- ethno- / Präsentiert in 70mm (1:2.21)
grafisch korrekt nachgestellt.
Große Sorgfalt wurde auf die
Kostüme und Requisiten ver-
wandt. Rototsky, der im Zweiten
Weltkrieg einen Fuß verloren
hatte, ließ es sich nicht neh-
men, mit dem Hauptdarsteller
Wladimir Iwaschow (Petschorin)
und anderen Akteuren in den
Drehpausen auszureiten, um
ein besonderes Gespür für die
Reiter- und Kampfszenen zu
entwickeln. Iwaschow, der in
dem Filmklassiker „Die Ballade
vom Soldaten“ (1959) ein aufse-
henerregendes Debüt gegeben
hatte, gehörte damals und in der
Folgezeit zu den poulärsten rus-
sischen Schauspielern. Ein Solo
des weltberühmten Cellisten
Mstislaw Rostropowitsch ist
das musikalische Leitmotiv des
Films, der natürlich, wie ihm vor
allem von der internationalen
Filmkritik vorgeworfen wurde,
nicht die Bedeutungstiefe von
Lermontows Roman ausloten
kann. Petschorin ist nicht nur
wie sein Autor vom Weltschmerz
befallen - Lermontow selbst
fällt 1841 bei einem Duell - ,
er ist der Prototyp des „über-
flüssigen Menschen“, einer
Generation von begabten jungen
Persönlichkeiten aus besseren
Kreisen, die angesichts der
erstarrten gesellschaftlichen
und politischen Verhältnisse im
Zarenreich der Langeweile und
dem Lebensüberdruß verfal-
len. In der Sowjetunion wurde
der Film dennoch ein großer
Publikumserfolg. Rostotsky,
der von Sergej Eisenstein
30 Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe

Hamlet
Zur Entstehung
Shakespeare und der Film – das Kronberg vor laufender Kamera bei dem Lauscher um Claudius.
ist eine lange nicht immer glück- den Hamlet gespielt. Zehn Doch es ist der Vater seiner
liche Liebesgeschichte, die fast Jahre später gab der größte Geliebten Ophelia. Die, ohnehin
so alt ist wie das Kino selbst. Der weibliche Star des europä- verwirrt durch Hamlets rätsel-
erste verbürgte Shakespeare- ischen Kinos, Asta Nielsen, den haftes Verhalten, begeht dar-
Film ist eine abgefilmte Hamlet in einem Konglomerat aufhin Selbstmord. Laertes, ihr
Theaterszene mit dem englischen aus freier Phantasie, Legende Bruder, schwört blutige Rache.
Schauspieler Sir Beerbohm und Shakespeare. Die beson- Es kommt zum Duell zwischen
Tree aus dem Jahr 1899. Weit dere Affinität der Dänen zu Laertes und Hamlet, bei dem
populärer wurde die „Duellszene „Hamlet“ ist leicht zu erklären. Laertes mit vergifteten Degen
von Hamlet“(1900), in der Sarah Shakespeare wurde für seine kämpft. Da sie in der Hitze des
Bernhardt, die damals bekannte- Tragödie durch einer Sage der Gefechts die Waffen wechseln,
ste Schauspielerin der Welt, den altnordischen Literatur inspi- tragen beide tödliche Wunden
Hamlet spielte. Der französische riert. Ort der Handlung ist das davon. Kurz bevor er stirbt, erteilt
Filmpionier George Melies drehte Schloß Helsingöm, der Titelheld Hamlet Claudius einen tödli-
1907 „Die Ermordung des Julius ist ein dänischer Prinz, der nach chen Stich. Da Gertrude auch
Caesar“ und „Hamlet“ mit sich der Rückkehr vom Studium in noch von dem vergifteten Wein
selbst in der Titelrolle. Allein Wittenberg, damit konfrontiert trinkt, den Claudius eigentlich
fürs Jahr 1908 wurden neun- wird, dass sein Vater tot ist. Hamlet zugedacht hat, ist die
zehn Shakespeare-Filme regi- Der Geist seines Vaters, der Tragödie vollendet. Es ist aber
striert, darunter eine Version der ihm nachts erscheint, verrät nicht die etwas verwickelte,
Komödie „Der Widerspenstigen ihm, dass er von seinem Bruder blutrünstige Handlung, die den
Zähmung“ von David Wark Claudius mit dem Wissen von einzigarten Rang von „Hamlet“
Griffith. Am häufigsten wurde Gertrude, Hamlets Mutter, ermor- ausmacht. Es ist Shakespeares
allerdings ausgerechnet det wurde. Claudius heiratet kaum auslotbare Gedankentiefe
Shakespeares komplexestes Gertrude und besteigt den däni- und die Bildkräftigkeit seiner
Werk, das unausdeutbare Drama schen Thron. Beide ahnen, dass Sprache, wie sie vor allem in den
„Hamlet“ verfilmt. Wobei sich Hamlet den wahren Sachverhalt Monologen des Titelhelden zum
allerdings die Frage stellt, wieviel kennt und auf Rache sinnt. Doch Ausdruck kommt. So versteht
Shakespeare in Filmen stecken Hamlet, stets grübelnd und mit es sich fast von selbst, dass
kann, die stumm waren, und bis sich uneins, zögert die Rache der Film seiner Dichtung erst
1910, dem Ende der Einspulen_ auszuführen. Traumwandlerisch richtig entgegenkommen kann,
Periode, nicht länger als zehn entgeht er den Versuchen ihn als er selbst zur Sprache gefun-
bis fünfzehn Minuten dauerten. beseitigen zu lassen, doch den hat. Der Tonfilm macht es
1911 wurde in England erst- durch seine erste richtige Tat auch möglich, dass der größte
mals eine Bühneninszenierung macht er sich selbst schuldig. und bekannteste Shakespeare-
eines Shakespeare-Stücks Er ersticht die Gestalt, die hinter Darsteller seiner Zeit, Laurence
im Filmstudio rekonstruiert. dem Vorhang gelauscht hat, als Olivier, drei Shakespeare-Dramen
Schon im Jahr zuvor hatte er seine Mutter des Mordes an auf die Leinwand brachte, dar-
das Königliche Theater von seinem Vater beschuldigt, in der unter 1948 den „Hamlet“, ein
Kopenhagen auf Schloß Annahme, es handele es sich Schwarzweißfilm, der ganz auf
Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe 31

ihn zugeschnitten ist, in dem Ruhm noch bevorstand, die in 70mm (1:2.21) / 6-Kanal-
die karge und kalte Atmosphäre Ophelia. Auch Frankreichs Dolby (A)-Stereo-Magnetton
des Schlosses durch das Spiel Schauspielheros Gerard / Engl. OV / 242 Min. /
mit Licht, Schatten und Nebel Depardieu, der ihm in der fran- Erstaufführungskopie /
überzeugend eingefangen. zösischen Fassug von „Henry Roadshow-Präsentation mit
Dennoch wirkt Oliviers Spiel V.“ seine Stimme geliehen hatte, Pause / Welturaufführung:
extrem theatralisch, was aber gab Branagh eine kleine Rolle. 25.12.1996 / Dt.
wiederum adäquat erscheint, Die geballte Star-Power hat gele- Erstaufführung: 05.06.1997
wenn man bedenkt, dass Hamlet gentlich etwas Selbstgefälliges
selbst Theater spielt, in dem er wie auch Branaghs Darstellung Stab:
seinen vermeintlichen Wahnsinn des Prinzen, der eine Spur zu Produktion: David Barron
vorführt. Als Kenneth Branagh vital am Rande des Wahnsinns, Regie: Kenneth Branagh
mit seiner fulminanten Version zwischen „Sein oder Nichtsein“, Buch: Kenneth Branagh
von „Henry V.“ 1989 in die entlangbalanciert. Die Kritik Buchvorlage: William
Kinos kam, war auch außerhalb war dann auch nicht durchweg Shakespeare (gleichna-
Großbritanniens nicht zu überse- begeistert, wobei vor allem die miges Bühnenstück)
hen, dass Olivier in dem rothaa- deutsche Presse mit Branagh Kamera: Alex Thomson
rigen Nordiren nicht nur auf der hart ins Gericht ging. Der Musik: Patrick Doyle
Bühne, sondern auch im Film Kritiker von „Zoom“ warf ihm Schnitt: Neil Farrell
einem adäquaten Nachfolger eben wegen seiner Werktreue
gefunden hatte. Es folgte „einen Mangel an innovativer Besetzung:
eine sehr beschwingt-heitere Gestaltungskraft“ vor. Für Kenneth Branagh (Hamlet),
Verfilmung der Shakespeare- Shakespeare-Puristen ist dieser Derek Jacobi (Claudius), Julie
Komödie „Viel Lärm um „Hamlet“ aber ein Fest. Das brei- Christie (Gertrud), Richard
nichts“(1993) und schließlich te Kinopublikum konnte Branagh Briers (Polonius), Kate Winslet
1996 „Hamlet“. Branagh ging mit seinem ambitionierten Film (Ophelia), Michael Maloney
dabei, nachdem er für seinen trotz Staraufgebot nicht errei- (Laertes), Nicholas Farrell
„Frankenstein“-Film erstmals chen. An den Kinokassen fiel (Horatio), Charlton Heston
richtig Prügel von der Kritik sein „Hamlet“ durch. Was weder (Erster Schauspieler), Rufus
bezogen hatte, buchstäblich Branagh selbst, der danach Sewell (Fortinbras), Richard
aufs Ganze. Bislang war das noch „Verlorene Liebesmüh´“ Attenborough (Englischer
Drama nur in erheblich gekürzter und „Wie es euch gefällt“(fürs Gesandter), Billy Crystal (1.
Form auf die Leinwand gebracht Fernsehen) filmisch adaptierte, Totengräber), Judi Dench
worden, Branagh aber nahm noch andere Filmemacher daran (Hecuba), Gérard Depardieu
den ganzen Shakespeare-Text, hinderte, immer wieder mal bei (Reynaldo), Reece Dinsdale
so weit er sich aus den vorhan- Shakespeare nachzuschlagen. (Güldenstern), John Gielgud
denen Quellen erschließen ließ. (Priamus), Rosemary Harris
Entsprechend lang, nämlich über (Königin im Schauspiel),
vier Stunden, dauerte dann auch Filminfo: Jack Lemmon (Marcellus),
der Film. Aber die Länge und GB/USA 1996 / Aufgenommen John Mills (Old Norway),
Texttreue ist nicht das einzige in 65mm Panavision System Timothy Spall (Rosenkranz),
Alleinstellungsmerkmal dieses 65® (1:2.21) / Präsentiert Robin Williams (Osrick)
Films, es ist auch der letztende
abendfüllende Kinofilm, der im
65mm-Format gedreht wurde.
Das konnten Branagh und sein
Kameramann Alex Thompson
natürlich nicht wissen, als sie
daran gingen, den opulenten
Look für „Hamlet“ zu kreieren.
Im Blenheim-Palace des Duke
of Marlborough, dem Geburtsort
von Winston Churchill, wurde ein
Großteil des Films gedreht. Die
Handlung verlegte Branagh ins
19.Jahrhundert. Um sich herum
hatte Branagh ein hochkarätiges
Ensembe geschart, darunter die
Shakespeare-Veteranen John
Gielgud und John Mills, damals
aktuelle englische Bühnenstars
wie Judy Dench und Derek
Jacobi . In den kleinsten Rollen
tummeln sich Hollywoodstars
wie Robin Williams, Billy Crystal
, Charlton Heston und Jack
Lemmon. Julie Christie gab
die Gertrude, die blutjunge
Kate Winslet, der der“Titanic“-
32 Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe

Die größte Geschichte aller Zeiten


Zur Entstehung

Wildwest-Regisseur George „Der Spiegel“ die „Die größte Donald Pleasence als Satan,
Stevens („Shane“) drehte in Geschichte aller Zeiten“ , als der Sidney Poitier als Simon und
amerikanischer Wildwest- Film über das Leben und Wirken Claude Rains als Herodes
Landschaft in Ultra-Panavision von Jesus im August 1965 in – das sorgt im Publikum für
mit drei Dutzend Stars und die deutschen Kinos kommt. Die einen Wiedererkennungseffekt
einem Kostenaufwand von 20 Kritik ist nicht ganz wasserdicht. nach dem anderen, der aber
Millionen Dollor Christi Lebens- Warum, so könnte man zum ganz gewiß nicht im Sinne der
und Leidensgeschichte. Verdruß Beispiel fragen, wird die Jesus- christlichen Botschaft ist. Für
bereitete ihm des Heilands Rolle von einem Schweden Max von Sydow war es der
Wunder-Wirken. Denn gezeigt gespielt, wenn Stevens (1904- erste Filmauftritt außerhalb
wird nur, was medizinisch 1975) tatsächlich die Absicht Schwedens. Er selbst fühlte
erklärbar (Heilung von psy- gehabt hätte, den Messias zu sich bei den Dreharbeiten wie in
chosomatisch Gelähmten), amerikanisieren? Aber ganz einem Gefängnis. Auch außer-
als Vision (Christi Himmelfahrt) ganz daneben sind die bissig- halb des Drehs durfte er keinen
zu deuten oder mit Klamauk- ironischen Anmerkungen eben Alkohol trinken oder seine
Effekten demonstrierbar ist: auch nicht. Tatsächlich scheint Frau empfangen, am Ende war
Einem Boten, der über Christi die Produktionsfirma MGM die er heilfroh, dass jesusmäßige
Wandeln auf dem Wasser berich- Tatsache, dass die zentrale Rolle Leben hinter sich zu haben und
tet, entläßt Pilatus mit Gebrüll mit einem Europäer besetzt nach Schweden zurückkehren
(„Jetzt aber raus“). Von ähnlicher wurde, der bislang nur in den zu dürfen. In den USA dürfte
Ungewißheit über den wahren Filmen eines schwedischen er vor allem durch eine Rolle
Sinn der größten Geschichte Kunstfilmers namens Ingmar bekannt geworden zu sein,
ist auch der stets ratlose Jesus Bergman in Erscheinung getre- die des Ritters in „Das sieben-
selbst (Max von Sydow) geplagt. ten ist, mit einem Aufgebot von te Siegel“(1957), der mit dem
Zweifelsfrei erscheinen nur seine Hollywoodstars kompensieren Tod Schach um sein Leben
physischen Fähigkeiten: Zu zu wollen. Doch selten wirkt spielt. Den Hollywoodoberen
einem nächtlichen Rendezvous die Besetzung stimmig. Der scheint nicht recht bewußt
mit dem Satan erklimmt er, athletische Charlton Heston ist gewesen sein, dass er danach
vorbildlich wie Luis Trenker, als asketischer Wüstenprediger auch noch in den Bergman-
eine hochgelegene Felsenhöhe. nicht gerade glaubwürdig und Filmen „Jungfrauenquelle“(1959)
Dieselben Superman-Qualitäten auch John Wayne als römi- , der wegen einer
eignen auch Charlton Heston, scher Legionär wirkt unter dem Vergewaltigungszene skan-
der als Johannes der Täufer Kreuz, an dem Jesus hängt, dalumwittert war, den blutige
die ausgeschickten Häscher ziemlich deplatziert. Die Crux Rache ausübenden Vater
dutzendweise in den Jordan all dieser Besetzungscoups gespielt hat, und kurz vor sei-
taucht. Die Darbietung sol- ist ohnehin, dass die Präsenz nem Hollywoodabstecher noch
cher Kraftakte läßt ahnen, der allzu bekannten Gesichter in „Licht im Winter“(1962) einen
daß für Regisseur Stevens von Wort und Geist der nach Grübler, der sich umbringt, weil
Christus Amerikaner war. den Evangelien gestalteten er den Glauben an Gott verlo-
Mit Hohn und Spott überzieht der Erzählung ablenkt. „Kojak“ Telly ren hat. Aber abseits solcher
Kritiker des Nachrichtenmagazins Savalas als Pontius Pilatus, Überlegungen wurde Max von
Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe 33

Sydows Jesus-Darstellung als Filminfo: (gleichnamiges Buch)


zu introvertiert und zu distan- OT: The Greatest Kamera: William C.
ziert empfunden, um dem Story Ever Told Mellor, Loyal Griggs
Publikum die frohe Botschaft USA 1965 / Aufgenommen in Musik: Alfred Newman
von der Menschwerdung Gottes 65mm Ultra Panavision® (1:2.76) Schnitt: Harold F. Kress,
nahezubringen. In seinem / Präsentiert in 70mm (1:2.21 – Argyle Nelson, Frank O‘Neill
etwas statuarischen, feierlichen rectified print) / 6-Kanal-Stereo-
Auftreten fügt er sich allerdings Magnetton / Deutsche Fassung / Besetzung:
in das Gesamtbild einer recht 196 Min. / Erstaufführungskopie Max von Sydow (Jesus), Dorothy
statischen Inszenierung, deren / Roadshow-Präsentation mit McGuire (Maria), Charlton
Hauptziel es zu sein scheint, Pause / Welturaufführung: Heston (Johannes der Täufer),
das Breitwandformat mit breit 15.02.1965 / Dt. Telly Savalas (Pontius Pilatus),
angelegten Tableaus auszufüllen. Erstaufführung: 05.08.1965 José Ferrer (Herodes Antipas),
Die Kamera verharrt über weite Robert Loggia (Josef), David
Strecken in Bewegungslosigkeit, Stab: McCallum (Judas), Claude Rains
filmisch bleibt „Die größte Produktion: George Stevens (Herodes), Van Heflin (Lazarus),
Geschichte aller Zeiten“ ein Regie: George Stevens John Wayne (Zenturio), Donald
gutes Stück hinter dem kurz Buch: James Lee Barrett, Pleasence (Satan), Joseph
davor entstandenen Jesus-Film George Stevens Schildkraut (Nikodemus), Joanna
„König der Könige“ von Nicholas Buchvorlage: Fulton Oursler Dunham (Maria Magdalena)
Ray zurück. Publikumserfolge
wurde beide nicht, sieht man
einmal davon ab, dass sie nach
wie vor fester Bestandteil des
österlichen und weihnachtlichen
Fernsehprogramms sind, wobei
die heimische Glotze allerdings
nicht das geeignete Medium
ist, um die buchstäblich breit
angelegten filmischen Evangelien
zu empfangen. Nur auf der
großen Leinwand erschließt
sich die feierliche Schönheit,
die in eigenen Tableaus der
Inszenierung von Stevens auf-
blitzt, und auch die Macht der
Worte der Jesu erschließt sich
besser über eine Sechs-Kanal-
Stereoanlage als über den
kleinen Fernsehlautsprecher.
Reinhold Zwick, Bibeltheologe
und Mitglied der Katholischen
Filmkommission , unter-
nimmt in einer Untersuchung
zur „Evangelienrezeption im
Jesusfilm“ eine Rehabilitation
von Stevens´Jesusfilm. Seiner
Auffassung nach sei es dem
Regisseur ihm nicht um eine
historische Rekonstruktion des
Leben Jesu gegangen, sondern
darum, den irdischen Weg des
Erlösers ausdrücklich unter der
Perspektive des Glaubens als
christlich gedeutete Geschichte
darzustellen. So gesehen
geht der Vorwurf mangelnder
Geschichtstreue und fehlenden
Realismus´ am Kern des erbau-
lichen Bibelspektakels vorbei.
34 Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe

Sheherazade – Der goldene Löwe von Bagdad


Zur Entstehung

Die Schauspielerin Anna Karina Zeit aus, in der er einigermaßen schen Avantgarde um Godard,
und der Regisseur Pierre überzeugend auf der Leinwand Truffaut, Chabrol und Rivette
Gaspard-Huit repräsentieren reiten, hauen und stechen konn- ist „Sheherazade“ Lichtjahre
ganz unterschiedliche Aspekte te. Ein Nachfolger zumindest in entfernt. Konsequenterweise
des französischen Kinos. Der dieser Hinsicht war auch schon ist die Handlung des Films
zumindest außerhalb Frankreichs in Sicht. Der wesentlich jüngere dann auch, wie gleich eine
in Vergessenheit geratene Gérard Barray, der in „Fracasse“ Einblendung zu Beginn verrät,
Gaspard-Huit (Jahrgang 1917) noch an der Seite von Jean im frühen neunten Jahrhundert
war ein Spezialist für gedie- Marais in Erscheinung getreten angesiedelt. Der Ritter Renaud
genes Ausstattungskino war, wurde spätestens durch de Villecroix kommt an der
ohne große künstlerische seine Rolle als D´Artagnan in Spitze einer Delegation aus
Ambitionen. In „Christine“(1958), der zweiteiligen französischen dem fernen Frankenreich in
einer braven Neuauflage Verfilmung des klassischen den Orient, um im Auftrag von
von Ophüls´Meisterwerk Mantel-und-Degen-Geschichte Kaiser Karl dem Großen mit
„Liebelei“, setzte er die blut- „Die drei Musketiere“(1961) dem Kalifen Harun Al-Raschid
junge Romy Schneider in zumindest in seinem Heimatland in Bagdad über den freien
Szene, gerade in der Rolle, ein Star und ein Jugendidol. Zugang zu den heiligen Stätten
die ein Vierteljahrhundert Barray, dessen markante der Christenheit zu verhandeln.
davor ihre Mutter Magda Züge an Pierre Brice erinnern, Doch bevor die Ritterschar in
Schneider gespielt hatte. Das war natürlich auch die erste Bagdad ankommt, finden sie
Bemerkenswerteste an dem Wahl für die Besetzung des an einer Wasserstelle eine ster-
Film, der nicht an das Original edlen Ritters in einem weiteren bende Schöne, die beklagt,
heranreicht, war die folgenreiche Ausstattungsspektakel von Pierre dass ihre Herrin Sheherazade
Begegnung zwischen Romy, die Gaspard-Huit mit dem ebenso von Beduinen geraubt wurde.
von ihrem Sissi-Image loskom- vielversprechenden wie irrefüh- Renaud gibt sein ritterliches
men wollte, und Alain Delon. renden Titel „Sheherazade“(1963) Ehrenwort, dass er sie befreien
Eine Verbindung auf der, wie . Wie es aber dazu kam, das wird. Tatsächlich gelingt es den
man heute weiß, kein Segen lag. die Titelrolle ausgerechnet mit Franken die Räuber zu stellen
Der wohl bekannteste Film von Anna Karina besetzt wurde, ist und Sheherazade aus ihren
Gaspard-Huit, der fast immer nicht zu klären. Die gebürtige Händen zu befreien. Die verliebt
auch am Drehbuch mit wirkte, Dänin war damals die Muse von sich prompt in den schmucken
war wohl der Abenteuerfilm Jean-Luc Godard, mit dem sie Ritter und auch der ist ganz
„Fracasse, der freche von 1961 bis 1968 auch noch hin und weg. Die Sheherazade,
Kavalier“(1961)mit Jean Marais in verheiratet war. Sie wirkte in fast wie sie hier auftritt, hat außer
der Rolle eines heruntergekom- allen Godard-Filmen der 60er- dem Namen wenig gemein mit
menen Barons, der sich einer Jahre mit, durch ihre Auftritte in der Heldin und unermüdlichen
Theatertruppe anschließt und „Eine Frau ist eine Frau“(1961) Erzählerin der Geschichten aus
mit ihr in so manche Gefechte und „Die Geschichte der Nana Tausendundeiner Nacht. Es ist
und Intrigen verwickelt wird. S.“(1962) wurde sie das weibli- einfach ein eingeführter, wohlklin-
Für den sichtlich in die Jahre che Gesicht der Nouvelle Vague. gender Name wie auch Harun
gekommenen Marais lief die Von dieser wirkmächtigen filmi- Al-Raschid, der zugleich eine
Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe 35

historisch verbürgte Figur ist, allem fürs Fernsehen, so führte Superpanorama® (1:2.21) /
die tatsächlich von ca. 760 bis er Regie bei zwei Folgen des Präsentiert in 70mm (1:2.21)
809 lebte, aber eben auch eine in Deutschland und Frankreich / 6-Kanal Stereo Magnetton
märchenhafte Gestalt, an die erfolgreichen „Lederstrumpf“- / Dt. Fassung / 118 Min.
sich viele Geschichten knüp- Vierteilers. Anna Karina drehte / Erstaufführungskopie /
fen. In diesem Fall ist Harun noch ein paar Filme mit Godard, Welturaufführung: 10.05.1963 /
Al-Raschid der künftige Gatte ehe es auch um sie stiller wurde. Dt. Erstaufführung: 09.08.1963
von Sheherazade, die sich Godard selbst steht übrigens
schweren Herzens von Renaud ebenfalls, wenn auch weit hin- Stab:
verabschieden muß. Renaud ten, auf der Besetzungsliste des Produktion: Henri Baum
wird dann Zeuge, wie sie, die Films. Sein Gesicht (ohne Brille) Regie: Pierre Gaspard-Huit
nicht nur schön, sondern auch aus dem bunt kostümierten Buch: Marc-Gilbert Sauvajon,
klug ist, in einem Wettbewerb Haufen von Nebendarstellern Pierre Gaspard-Huit
um die Gunst des Kalifen ihren und Statisten herauszufiltern, Kamera: Christian Matras
beiden Mitbewerberinnen aus- dürfte eine reizvolle Aufgabe Musik: André Hossein
sticht. Wobei sich allerdings für Cineasten sein. Offenbar Schnitt: Louisette Hautecoeur
die Frage stellt, warum sie sich brauchte das Traumpaar des
derart ins Zeug legt, wenn ihr neuen französischen Kinos Besetzung:
Herz eigentlich Renaud gehört. damals gerade etwas Geld. Anna Karina (Sheherazade),
Der verliert aus Liebeskummer Gérard Barray (Renaud de
zum Leidwesen seiner Mitstreiter Filminfo: Villecrois), Antonio Vilar (Haroun-
seine eigentliche Aufgabe aus OT: Sheherazade al-Raschid), Marilù Tolo (Shirin),
den Augen. Die Liebenden tref- F/E/IT 1963 / Aufgenommen Giuliano Gemma (Didier)
fen sich heimlich, die rassige in 65mm MCS 70
Shirin, die in Diensten des schur-
kischen Großwesirs den Kalifen Fotos: Jan-Hein Bal
zum Fall zu bringen versucht, (EYE Film Institute
stellt ihnen eine Falle. Der Kalif Netherlands)
kommt dahinter und verurteilt
Sheherazade zu öffentlicher
Auspeitschung und Hinrichtung.
Die Peitschenhiebe nimmt
Renaud heldenhaft auf sich. Die
Hinrichtung verhindert der König
der Bettler, der Sheherazade
für sich und seine Schar
beansprucht, um mit ihr unaus-
sprechliche Dinge anzustellen.
Doch Renauds Freund Didier,
dargestellt von späteren Italo-
Westernstar Guilano Gemma,
jagt den Bettlern ihre schöne
Beute ab. Gemeinsam fliehen
Didier und Sherezade in die
Wüste.... Aber das ist noch lange
nicht das Ende einer etwas ver-
worrenen Geschichte. Es ist sehr
viel Sand zu sehen, es gibt viele
pathetische Sätze zu hören (z.B.
„Nimm mein Schwert. Es hat nie
eine würdigere Hand geführt.“) in
mäßig überzeugenden Kulissen.
Wenig beeindruckend sind
auch die Kampfszenen in die-
ser insgesamt schwerfälligen
Inszenierung. Die große Crux des
Films ist aber, dass der Funke
der Leidenschaft zwischen
der entrückt wirkenden Anna
Karina und dem etwas hölzernen
Gérard Barray nicht recht über-
springen will. So verwundert
es nicht, dass der Film, der von
heute aus gesehen viele unfrei-
willig komische Momente hat,
kein Erfolg wurde und bald völlig
in der Versenkung verschwand.
Pierre Gaspard-Huit, der immer
noch lebt, arbeitete später vor
36 Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe

Missouri (Wild Rovers)


Zur Entstehung
Einen einzigen Western drehte dem jungen Cowboy Frank Post schon in Mexiko sind und sein
Blake Edwards(1922-2010) im (Ryan O´Neal) taucht irgend- Vater bei einem Gefecht mit
Lauf seiner langen, erfolg- wann die Idee auf, dass es Schafzüchtern tödlich getroffen
reichen Filmkarriere und doch besser wäre, eine Bank wird. Für ein paar Tage können
auf Anhieb gelang dem auszurauben und sich aus Ross und Frank ihren plötzlichen
Komödienspezialisten ein dem Staub zu machen, um in Reichtum genießen mit reichlich
großer Wurf, ein elegischer Mexiko das Leben zu genießen. Whisky, Wannenbädern und
Spätwestern, der sich Zeit Eine Wirtshausschlägerei mit willigen Senoritas, dann wird
läßt, der seinen Figuren Raum Schafshirten, den Urfeinden der ihnen Franks Spielleidenschaft
gibt. 136 Minuten dauert „Wild Richterzüchter, festigt den Bund zum Verhängnis. Ein Pokerspiel
Rovers“(1971), dem der deut- zwischen dem alten und dem endet mit einer Schießerei, bei
sche Verleih den kraftlosen Titel jungen Cowboy, die tatsächlich der Frank schwer verletzt wird...
„Missouri“ gab . Wer sich dabei in der folgenden Nacht daran Man ahnt schon, dass die
langweilt, der hat offenbar kein gehen, die örtliche Bank aus- Sache nicht gut ausgeht, den-
Gespür für die Balance zwi- zuplündern. Dabei gehen sie noch liegt über „Wild Rovers“
schen Realismus und Western- nicht gerade geschickt vor. Sie nicht die bleigeschwängerte
Romantik, die Blake Edwards nehmen die Familie des hiesigen Western-Endzeitstimmung von
dabei gelingt. Es beginnt ganz Filialleiters gewissermaßen in Peckinpahs „Wild Bunch“(1969),
realistisch mit einem Einblick Geiselhaft und erpressen so die in dem William Holden, der in die
in das Arbeitsleben gewöhnli- Herausgabe des Geldes. Die Tat Jahre gekommene Lebemann
cher Cowboys in den achtziger bleibt nicht lange verborgen, die und einstige Schönling schon
Jahren des 19.Jahrhunderts. Söhne des Ranchers Buckman einmal zeigte, wie gut er die
Vom gemeinsamen Frühstück (Karl Malden) haben den Braten Rolle des alten, von Wind
über das Aufsatteln bis gerochen und setzten sich und Wetter und vom Leben
zum Zusammentreiben der schon am nächsten Morgen gezeichneten Westernhelden
Rinderherde, es ist das übliche an die Spitze der Verfolger. auszufüllen versteht. Chefkritiker
Tagewerk. Doch dann passiert Wobei John (Tom Skeritt) sich Roger Ebert bescheinigte ihm
etwas:. Einer der Cowboys wird als wesentlich engagierter als mit dem Alter besser zu wer-
von einem nicht zu bändigenden sein Bruder Paul (Jo Don Baker) den wie ein großer alter Wein.
Pferd an die Wand gedrückt erweist. Er möchte die Chance Überraschenderweise machte
und stirbt. Der Unfall wird nutzen aus dem Schatten sei- auch der junge Ryan O‘Neal in
schnell abgehakt, das Leben nes Bruders zu treten, der vom seinem ersten Film nach dem
und die Arbeit gehen weiter. Vater immer bevorzugt wurde. tränenreichen Welterfolg „Love
Ross Bodine (William Holden) Der alte Buckman nimmt den Story“ als heißsporniger Cowboy
aber gibt der Tod des Kollegen Bankraub und die Flucht seiner eine gute Figur. Auch stimmte
zu denken. Er selbst geht auf beiden Cowboys persönlich und die Chemie zwischen den bei-
die Fünfzig zu und hat im Leben schärft seinen Söhnen ein, die den Hauptakteuren. So war die
nichts erreicht, das Geld, das er Flüchtigen lebendig zurückzu- Filmkritik überwiegend angetan
verdient, zerinnt ihm wie allen bringen. An diesen väterlichen von Blake Edwards´ Western-
anderen Cowboys zwischen Befehl fühlt sich John auch noch Debüt. Joe Hembus schreibt
den Fingern. Im Gespräch mit gebunden, als Ross und Frank in seinem „Western-Lexikon“:
Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe 37

Bei Edwards gibt es keinen


Stress, die Inszenierung ist
entspannt wie die Charaktere,
man läßt sich gehen, man spielt
herum, genehmigt sich einen
Drink, wo man eigentlich wei-
terhasten sollte, gibt sich mit
durstigen Kätzchen ab, wo es
eigentlich Wichtigeres zu tun
gibt. Diese Entspanntheit adelt
die Helden, deren Bankraub ja
auch einem guten Zweck dient,
der Muße. Die Besitzenden
disqualifizieren sich ohnedies
selbst. Als die beiden Cowboys
sich die 36000 Dollar holen,
geben sie 3000 Dollar sofort
zurück, damit der Lohn auf
der Ranch ausgezahlt werden
kann; die Frau des Bankiers
rät aber ihrem Mann, das Geld
einzustecken. Und der rasende
Viehbaron ist schon dadurch
als mieser Kapitalist ausge-
wiesen, dass er sich mit den
kleinen Schafzüchtern anlegt.
Sieht man einmal davon ab, dass
das Kätzchen ein Hündchen ist,
hat das schon seine Richtigkeit.
Die exzellente Fotografie von
Philip H. Lathrop und die
stimmige Filmmusik von Jerry
Goldsmith tragen ihren Teil zum
Gelingen von „Wild Rovers“ bei,
einem der besten Spätwestern,
made in Hollywood.

Filminfo:
OT: Wild Rovers / USA 1971
/ Aufgenommen in 35mm
Panavision® Anamorphic
(1:2.35) / Präsentiert in 70mm
(1:2.21) / 6-Kanal Dolby
Stereo Magnetton / Deutsche
Fassung / 114 Minuten
/ Erstaufführungskopie /
Roadshow-Präsentation mit
Pause / Welturaufführung:
23.06.1971 / Dt.
Erstaufführung: 25.12.1971

Stab:
Produktion: Blake
Edwards, Ken Wales
Regie: Blake Edwards
Buch: Blake Edwards
Kamera: Philip Lathrop
Musik: Jerry Goldsmith
Schnitt: John F. Burnett

Besetzung:
William Holden (Ross Bodine),
Ryan O‘Neal (Frank Post), Karl
Malden (Walter Buckman),
James Olson (Joe Billings),
Victor French (Sheriff), Lynn
Carlin (Sada Billings), Tom
Skerritt (John Buckman), Joe
Don Baker (Paul Buckman)
38 Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe

Dance Craze
Zur Entstehung
Den Ska-Rock, definiert ein The Bodysnatchers und The sten Beatles markierte. Beim
seriöses Sach-Lexikon der Specials durch Großbritannien, Konzertfilm „The Songs Remains
Populärmusik, ganz nüchtern The Beat begleitete das The Same(1976)“ über und
als eine „im Zusammenhang Filmteam auf seiner Herbsttour mit Led Zeppelin saß er im
mit der Reggae-Welle Ende der durch die USA. Gemeinsam ist Regiestuhl, soll dann aber kurz
siebziger Jahre in Großbritannien allen Bands, dass sie einmal bei vor Ende der Dreharbeiten aus-
aufgekommene Spielweise der dem Plattenlabel Two Tone ( so gebootet worden sein. Selbst die
Rockmusik, die auf dem eben- wurde die Musik auch genannt) allwissende Internet-Plattform
falls markant 2-4 betonten, aber unter Vertrag waren, dessen Imbd.com weiß dann kaum noch
wesentlich simpleren Rhythmus Markenzeichen das schwarz- mehr über ihn zu berichten, als
eines Reggae-Vorläufers, dem weiße Schachbrettmuster war. dass er im Jahr 2002 nach kur-
Ska aufgebaut ist. Dieser Den Vertrieb der für das Label zer, schwerer Krankheit gestor-
hatte Anfang der sechziger entstandenen Platten über- ben ist. Der Film „Dance Craze“
Jahre unter der Bezeichnung nahm die wesentlich größere, war nicht dazu angetan, seinen
Bluebeat schon einmal unter finanzkräftigere Plattenfirma Ruhm zu Lebzeiten zu meh-
den farbigen Jugendlichen Chrysalis Records, die auch den ren. Die zeitgenössische Kritik
Großbritanniens eine große Rolle Film finanzierte. Aufgenommen bemängelte die Einfallslosigkeit
gespielt hat.“ Und dann wird wurden die Konzerte in Super des Unternehmens, es
noch der angeblich bekannteste 35mm-Filmverfahren von gehe keine Einblicke in das
Ska-Rock-Vertreter genannt: Kameramann Joe Dunton. Musikerleben backstage, keine
The Selecter. Die Band aus In der Versenkung der Interviews mit den Musikern
Coventry ist mit von der Party Filmgeschichte verschwunden oder mit dem Konzertpublikum.
bei dem Film „Dance Craze“, der ist der Regisseur Joe Massot, Die bloße Abfolge von
so etwas wie die audiovisuelle ein gebürtiger Amerikaner, Konzertmitschnitten beginne auf
Bestandsaufnahme der zweiten der aber in England lebte und die Dauer ein wenig zu langwei-
britischen Ska-Welle darstellt, arbeitete. Ursprünglich wollte len. Tatsächlich gibt es in knapp
die allerdings bei Erscheinen des er einen Film über Madness 80 Minuten neben ein paar alten
Films im Frühjahr 1981 schon im drehen, wurde dann aber, wie Wochenschauschnipseln zur
wieder im Abflauen war wie auch es heißt von seinem Sohn, Auflockerung des Geschehens
der Ruhm von The Selecter. auf die Idee gebracht, einen nur einen einzigen bemer-
Heute noch etwas bekannter Querschnitt der Two Tone-Szene kenswerten Regieeinfall. Bei
sind Madness, die mit „One Step zu liefern, 1968 führte Massot der Klassikerverulkung „Swan
Beyond“ ebenso einen Hit der Regie bei dem etwas obsku- Nut Lake“ von Madness wird
Ära beisteuerten wie „The Beat“ ren Spielfilm „Wonderwall“(„Die der Konzertauftritt der Band
mit „Mirror in the Bathroom“ . Welt voller Wunder“), der unterschnitten mit Bilder
Die Dokumentation läßt ganz fast nur noch Erwähnung fin- einer Ballettvorstellung von
überwiegend die Musik für sich det in Zusammenhang mit „Schwanensee“, wobei die
sprechen, die Aufnahmen ent- dem Soundtrack von George zarten Ballettschritte in wir-
standen zum größten Teil bei den Harrison, der als Solo-Album kungsvollem Kontrast zu den
Konzertourneen von Madness, veröffentlicht den ersten musi- markigen Tanzschritten in
The Selecter, Bad Manners, kalischen Alleingang des jüng- den Doc Martens-Stiefeln ste-
Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe 39

hen. Das rustikale Schuhwerk Filminfo: Mitwirkende:


wurde zum Markenzeichen der GB 1981 / Aufgenommen in Buster Bloodvessel (Bad
Skinheads, einer proletarischen 35mm Super 35® (1:1.66) Manners), Roddy Byers
Jugendbewegung, die Anfang / Präsentiert in 70mm (The Specials), Rhoda Dakar
der 80er-Jahre noch nicht ihre (1:1.66) / 6-Kanal-Dolby (The Bodysnatchers), Jerry
häßlichen, rechtsextremen, (A)-Stereo-Magnetton mit Dammers (The Specials), Terry
fremdenfeindlichen Züge ange- Split Surround / Engl. OV / 91 Hall (The Specials), Horace
nommen hatte. Von dreißig Min. / Erstaufführungskopie / Panter (The Specials), David
Jahren ging es durchaus noch Welturaufführung: 19.02.1981 / Wakeling (The English Beat)
zusammen, einen kahlrasier- Dt. Erstaufführung: 08.10.2011
ten Schädel, Springerstiefel
und eine linke Gesinnung zu Stab:
haben. Das schwarzweiße Produktion:
Farbgebung von Two Tone verrät Gavrik Losey
ja schon, dass der Ska-Kultur Regie: Joe Massot
ganz bestimmt nicht an einer Kamera: Joe Dunton
Ausgrenzung der Schwarzen Schnitt: Ben Rayner,
und der Einwanderer gelegen Anthony Sloman
war, zumal die Wurzeln des Ska
in Jamaika liegen. Aber schon
damals sind sich die Skinheads
und die modebewußten Mods
bei Konzerten von Madness
und Bad Manners gelegentlich
in die Quere gekommen, was
dem Image der Ska-Bands nicht
gerade gut getan hat. Allzu groß
war der gemeinsame Nenner der
Ska-Bands nicht, das belegt der
Film wie auch die Soundtrack-
LP, für die aus den 26 Songs
des Films 15 ausgewählt wur-
den, und Ska hatte auch nicht
die Durchschlagskraft des fast
zeitgleich aufkommenden Punk.
Dafür kann sich die Musik
zumindest stellenweise auch 30
Jahre danach noch hören lassen.
„Dance Craze“ ist zu so etwas
wie ein Steinbruch aus dieser
Ära geworden, auf Youtube fin-
den sich jede Menge Auszüge
aus dem Film, freilich in sehr
eingeschränkter Qualität. Kein
Vergleich mit der 70mm-Projek-
tion und dem Sechskanalstereo-
Ton bei der rauschenden
Uraufführung in London mit
anschließender Party.
40 Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe

The Bat Whispers


Zur Entstehung
Der Tod von Thelma Todd, der mit dem sie nicht nur das Bett die finanzielle Sicherheit wei-
Blondine, die in den Filmen teilte, obwohl er verheiratet war, tere Filme zu drehen, u.a. mit
der Marx Brothers und Laurel sondern auch die Garage und seiner ersten Frau, die sich als
und Hardy ihr komödiantisches das Strandcafé. West soll seiner Schauspielerin den klingenden
Talent bewiesen hatte, gehört Liebschaft überdrüssig geworden Namen Jewel Carmen gab,
zu den großen dunklen Rätseln sein, die Nachbarn hatten einen darunter auch eine Filmversion
der Hollywood-Geschichte. heftigen Streit zwischen den seines Broadwayerfolgs „The
So genüßlich und detailliert beiden beobachtet. Beweise für Unknown Purple“ (1923). Der
breitet Kenneth Anger in sei- diese Spekulationen, bekennt erste erhaltene Film von ihm
ner berühmt-berüchtigten Kenneth Anger, gibt es nicht, ist die obengenannte MGM-
Skandalchronik „Hollywood aber er erwähnt Wests Film Produktion „The Monster“ (1925),
Babylon“ die näheren Umstände „Alibi“, in dem es um das perfek- die Wests Vorliebe für das
und die Gerüchte um das abrup- te Verbrechen geht. Und er nennt Düstere und Unheimliche, aber
te Ableben des Filmsternchens auch noch, um den Rang von auch für dessen Verknüpfung
aus. Am 16. Dezember 1935 Roland West herauszustellen, mit dem Komischen offenbarte.
wurde die Leiche von Thelma die Filme „The Monster“ mit Lon Das kam auch in dem verschol-
Todd in ihrer Garage auf den Chaney in der Hauptrolle und lenen Film „The Bat“(1926)
Palisades zwischen Santa „The Bat Whispers“, einer „der zum Ausdruck, der Verfilmung
Monica und Malibu gefunden. außergewöhnlichsten Krimis, die eines Stücks von Mary Roberts
Sie lag auf dem Vordersitz je gefilmt wurden“. Das man Rinehart. Vier Jahre später drehte
ihres Packard-Cabrios, dessen heute so wenig über Roland er das tönende Remake „The Bat
Motor nicht mehr lief, obwohl die West (1887-1951) weiß, liegt Whispers“. In der Zwischenzeit
Zündung offensichtlich betätigt daran, dass der Großteil seines hatte Roland West seine
worden war. Wochen später Werkes verschollen ist und die Filmsprache nach dem bewun-
wurde das Verfahren abge- wenigen erhaltenen Filme kaum derten Vorbild des deutschen
schlossen mit dem Urteil „Tod zu sehen sind. West, der mit Stummfilm-Expressionismus
durch Kohlenmonoxidvergiftung“, bürgerlichen Namen Roland weiterentwickelt, die ungewöhn-
wobei die Frage ungeklärt blieb, Van Ziemer hieß, Sohn einer lichen Kamerabewegungen- und
wie das Blut auf Gesicht und Schauspielerin, trat in jungen Perspektiven, das Spiel mit
Kleidung der Toten gekommen Jahren als Schauspieler in Licht und Schatten hatte er
ist. Ein Gerücht, das sich um Vaudeville-Sketchen auf, ehe Filmen wie „Variete“, „Faust“
ihren Tod rankte, besagte, dass er sich entschloß selbst Stücke und „Metropolis“ abgeschaut.
Mafia-Boss Lucky Luciano ihre zu schreiben und zu produ- Das alles verrät ein Bulletin der
Ermordung angeordnet hätte, zieren. Ab 1915 kooperierte US-Firma Milestone Film & Video
nachdem sie sich geweigert er mit dem Filmunternehmer (www.milestonefilms.com), die
hatte, in ihrem Strandcafe Joseph Schenck, für den er sich auf die Wiederentdeckung,
Thelma Todd´s Roadside Rest zwei, drei Filme im Stil der die Restauration und den Vertrieb
ein illegales Spielcasino einzu- Zeit drehte. 1918 gelang ihm von Perlen der Filmkunst spe-
richten. Ein andere vermeintliche mit dem Bühnenstück „The zialisiert hat. Lange Zeit gab
Spur führt zu ihrem Liebhaber, Unknown Purple“ ein veritabler es von „The Bat Whispers“ nur
dem Regisseur Roland West, Theatererfolg. Das brachte ihm ein Fragment von 14 Minuten
Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe 41

Länge im 16mm-Format. Bei 1939 einen Superhelden namens Hopwood, Mary Roberts
Nachforschungen kam im Batman in die Welt setzte. Rinehart (Theaterstück)
Nachlass von Mary Pickford, die Kamera: Ray June (35mm),
ein Remake des Films plante, Robert H. Planck (65mm)
eine vollständige 35mm-Version Filminfo: Musik: Hugo Riesenfeld
zu Tage und schließlich auch das USA 1930 / Aufgenommen in (Archivmusik)
65mm-Magnifilm-Masterband. 65mm Magnifilm® (1:2.20) und Schnitt: Hal C. Kern,
Die Wahl dieses ungewöhnli- 35mm (1:1.20) / Präsentiert in James Smith
chen Formats, einem Vorläufer 35mm (1:1.20) / Mono Lichtton /
des Cinemascope, war West Engl. OV / 83 Min. / Neue Kopie Besetzung:
zum Verhängnis geworden. / Welturaufführung: 13.11.1930 / Chester Morris (Detective nder-
Weniger als 20 Kinos in den USA Dt. Erstaufführung: 07.10.2011 son), Chance Ward (Police
konnten das Breitbandformat Lieutenant), Una Merkel (Dale
abspielen. 1930 unterbanden die Stab: Van Gorder), Richard Tucker (Mr.
US-Produzenten und Verleiher Produktion: Joseph M. Schenck Bell), Wilson Benge (The Butler),
ausdrücklich jede weitere techni- Regie: Roland West Maude Eburne (Lizzie Allen)
sche Neuerung, offenbar mußten Buch: Roland Wes
Filmindustrie und Kinogewerbe Buchvorlage: Avery
erst die Umstellung auf den
Tonfilm verdauen. So gab „The
Bat Whispers“ nur ein kurzes
Gastspiel in Lichtspieltheatern,
obwohl der Film alle
Voraussetzungen mitbrach-
te, das Publikum zu fesseln.
Titelheld ist ein geheimnisumwit-
terter Krimineller in einem mon-
strösen Fledermauskostüm, der
Angst und Schrecken verbreitet
und die Polizei an der Nase her-
umführt. Nach einem Bankraub
wird ein abgelegenes Landhaus,
in dem das geraubte Geld ver-
steckt sein soll, zum Mittelpunkt
mysteriöser Geschehnisse,
in die der als Gärtner ver-
kleidete Bankkassierer, der
des Raubs beschuldigt wird,
dessen Verlobte, ein Detektiv,
ein benachbarter Arzt und ein
geheimnisvoller Fremder ver-
wickelt sind. Am Ende wird
sowohl das Versteck des
Geldes gefunden wie auch die
Identität der Fledermaus gelüftet.
Erstmals in der Filmgeschichte
wurde das Publikum direkt
aufgefordert, nicht das Ende
des Films zu verraten, der mit
einem extra für den Film ent-
wickelten Kamerawagen (Dolly),
Miniaturmodellen und gemal-
ten Schatten äußerst effektvoll
gestaltet ist. West drehte noch
einen Film mit Chester Morris,
dem Hauptdarsteller von „The
Bat Whispers“, dann wurde es
bis auf den Fall Thelma Todd
still um ihn. 1959 spielte Vincent
Price die Hauptrolle in einer
Neuverfilmung mit dem schlich-
ten Titel „The Bat“, die unter
dem Titel „Das Biest“ auch in
die deutschen Kinos kam. Nicht
eindeutig nachzuweisen, aber
auch nicht unwahrscheinlich
ist, dass Bob Kane von dem
West-Film inspiriert wurde, als er
42 Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe

A Chorus Line
Zur Entstehung
Als am 26. April 1990 die Jackson von sich Reden mach- che Fernsehkarriere. Die hatte
(damals) letzte Vorstellung te. Im Regiestuhl nahm Richard Michael Douglas als Inspector
von „Chorus Line“ im Shubert Attenborough Platz, der schon Steve Keller in der erfolgreichen
Theatre auf dem Broadway in den Vorbereitungen für sei- Krimiserie „Die Straßen von San
über die Bühne ging, hatte das nen Film über Steve Biko, den Francisco“ bereits hinter sich.
ungewöhnliche Musical - laut ermordeten südafrikanischen Nach den physisch anstrengen-
wikipedia - mit seiner Laufzeit Freiheitskämpfer, steckte. den Auftritten als Abenteurer
von knapp fünfzehn Jahren und Die offensichtlichste Änderung Jack Colton in „Die Jagd nach
6137 Vorstellungen einen neuen gegenüber der Bühnenfassung dem grünen Diamanten“ und
Rekord aufgestellt. Es ist schwer war die Interpretation der Rolle der etwas weniger erfolgrei-
zu sagen, ob die Verfilmung von von Zack, des allmächtigen chen Fortsetzung „Die Jagd
„A Chorus Line“, die 1985 in Regisseurs, der sich bei einem nach dem Juwel von Nil“ war
die Kinos kam, den Erfolgskurs Vorsprechtermin, heute würde seine Rolle als Zack eine ziem-
des Musicals weiter beflügelt man sagen Casting, sechs- lich statische Angelegenheit.
hat. Bei den Fans des Musicals zehn Tänzer und Tänzerinnen
hielt sich die Begeisterung über vorführen läßt, von denen nur „Als diktatorischer Regisseur
die Filmversion in Grenzen, was acht für die Besetzung eines Zack hatte Michael Douglas über
nicht zuletzt daran lag, dass sich geplanten Broadway-Musicals weite Strecken nichts weiter
die filmische Inszenierung viele in Betracht kommen. Auf der zu tun, als zigarillorauchend im
Freiheiten gegenüber der Vorlage Bühne trat Zack nur als Stimme abgedunkelten Theater zu sitzen
nahm. Michael Bennett, der gei- aus dem Off in Erscheinung. Im und mit steinerner Miene den
stige Urheber, Choreograph und Film nimmt Zack Gestalt an und Geschichten der Probanden
Regisseur der Broadway-Version, zwar die von Michael Douglas, zuzuhören: ein neuer Beweis
der ursprünglich auch die der damals auf der Höhe seines für sein Talent zu ambivalen-
Choreographie der Filmfassung Film- und Fernsehruhms stand. ten Charakteren, ansonsten
besorgen sollte, konnte seine Damit hatte der Film einen Star, aber wenig mehr“, schreibt der
Vorstellungen, die weitgehend ein werbekräftiges Zugpferd, deutsche Filmjournalist Norbert
darauf hinausliefen, die minimali- das aus dem Ensemble der für Stresau in seiner Michael
stisch angelegte Bühnenfassung ein breites Kinopublikum weit- Douglas-Monographie. Zack, der
auf die Leinwand zu bringen, gehend unbekannten jungen selbst von den Bewerbern for-
beim Studio MCA nicht durch- Protagonisten herausstach. Einen dert, etwas über sich zu erzäh-
setzen und schied aus. Damit gewissen Bekanntheitsgrad len, muß sich dann gesprochene,
fiel die Wahl auf den 27jährigen hatte noch die „Dallas“-Aktrice getanzte und gesungene private
Jeffrey Hornaday, der gerade Audrey Landers. Alyson Reed, Lebens- und Leidensgeschichten
erst mit seiner Choreographie die sich als Zacks Ex-Freundin anhören, u.a. von Maggie, die
für den Film „Flashdance“ dieses Cassie und Broadway-Star von den Eltern vernachlässigt
Handwerk revolutionierte und ebenfalls um eine Rolle im Chor wurde („Everything was beautiful
mit seiner Arbeit an „Streets bewirbt, machte erst später und at the Ballet“), von Bebe, die
of Fire“ und „Romancing the wohl nicht zuletzt dank dieser nicht mehr länger auf ihre sekun-
Stone“ sowie Musikvideos mit Rolle, die im Film größer war als dären Geschlechtsmerkmale
Paul McCartney und Michael auf der Bühne, eine beachtli- reduziert werden möchte („Tits
Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe 43

and Ass“), von Sheila, die älter Filminfo: Kirkwood (Musical)


als die anderen Mädchen ist USA 1985 / Aufgenommen in Kamera: Ronnie Taylor
und bereits eine Tochter hat und 35mm Super 35® (1:2.35) / Musik: Marvin Hamlisch
von Greg, der bekennt schwul Präsentiert in 70mm (1:2.21) Schnitt: John Bloom
zu sein, was den aufgeklärten / 6-Kanal-Dolby (A)-Stereo-
Zeitgenossen von heute nun Magnetton / Dt. Fassung (Songs Besetzung:
wirklich nicht weiter verwun- in Englisch mit deutschen UT) / Michael Blevins (Mark), Yamil
dert oder gar aufregt. Auf einer 118 Min. / Erstaufführungskopie Borges (Morales), Jan Gan Boyd
Fanseite im Internet (www. / Welturaufführung: 09.12.1985 / (Connie), Michael Douglas (Zach,
angelfire.com/musicals), der Dt. Erstaufführung: 16.01.1986 Regisseur), Audrey Landers
auch die meisten Informationen (Val), Alyson Reed (Cassie),
für diesen Text entnommen sind, Stab: Vicki Frederick (Sheila), Terrence
lassen die Fans des Broadway- Produktion: Cy Feuer, Mann (Larry), Tony Fields
Musicals kaum ein gutes Ernest H. Martin
Haar an dem Attenborough- Regie: Richard Attenborough
Film, in dem sie akribisch alle Buch: Arnold Schulman
Veränderungen gegenüber dem Buchvorlage: Nicholas
Musical auflisten, insbesondere Dante (Musical), James
das Fehlen beziehungsweise
Ersetzen einiger Originalsongs
von Komponist Marvin Hamlish
und Texter Edward Kleban und
auch die Tatsache, dass die in
ihren Augen beste Songnummer
„What I did for Love“ zu einem
Beiwerk degradiert wurde,
während der extra für den Film
geschriebene Song „Surprise
Surprise“ groß herausgestellt
wurde. Das Extra-Lied kann so
schlecht nicht sein, erhielt es
doch eine Oscar-Nominierung.
Weitere Nominierungen betrafen
Ton und Schnitt, wobei gerade
der Schnitt von dem Kritiker der
deutschen Filmzeitschrift „Zoom“
bemängelt wurde, ständig wür-
den die Beine der Tänzer abge-
schnitten, herausgekommen sei
ein Film „ohne den geringsten
Sinn für Rhythmus“. Aber der
Film fand auch Fürsprecher wie
den US-Starkritiker Roger Ebert,
der ihn zur Zeit des Erscheinens
als eines der intelligentesten und
beeindruckensten Filmmusicals
seit langem bezeichnete. Man
mag zu „A Chorus Line“ ste-
hen wie man will, es ist einer
der Filme, die einem spontan
einfallen, wenn vom Kino der
80er-Jahre die Rede ist.
44 Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe

BELA – DIE
TRAGIK GRÖSSTE
EINER GESCHICHTE
LIEBE ALLER
LAND / JAHR: LAND / JAHR:
ZEITEN
UdSSR 1966 USA 1965

BESETZUNG: BESETZUNG:
Wladimir Iwaschow (Petschorin), S. Berowa (Bela), Max von Sydow (Jesus), Dorothy McGuire (Maria),
Alexej Tschernow (Maxim), S. Mamilow (Kasbyl), Charlton Heston (Johannes der Täufer), Telly Savalas
Alexander Orlow (junger Offizier), R. Boraschwili (Pontius Pilatus), José Ferrer (Herodes Antipas), Robert
Loggia (Josef), David McCallum (Judas), Claude Rains
(Herodes), Van Heflin (Lazarus), John Wayne (Zenturio),
Donald Pleasence (Satan), Joseph Schildkraut
(Nikodemus), Joanna Dunham (Maria Magdalena)

STAB: STAB:
Regie: Stanislaw Rostozki Produktion: George Stevens
Buch: Stanislaw Rostozki Regie: George Stevens
Buchvorlage: Michail Lermontow Buch: James Lee Barrett, George Stevens
(Roman „Ein Held unserer Zeit“) Buchvorlage: Fulton Oursler (gleichnam. Buch)
Kamera: Wjatscheslaw Schumski, J. Postnikow Kamera: William C. Mellor, Loyal Griggs
Musik: Kirill Moltschanow Musik: Alfred Newman
Schnitt: Harold F. Kress, Argyle Nelson, Frank O‘Neill

INHALT INHALT
Das Liebesabenteuer eines strafversetzten zaristi- Die Lebensgeschichte Jesu in einer Hollywood-Version:
schen Offiziers mit einem Tscherkessenmädchen. Anders als in herkömmlichen Kolossal-Filmen zum
Aufwendige Verfilmung eines Romans von Thema treten hier die Schaueffekte zurück zugunsten
Lermontow, die die geistig-menschlichen einer eher bedächtigen, wohlkontrollierten Feierlichkeit.
Tiefen des Buches und die problematische Hierzu trägt Max von Sydow bei, der die Hauptrolle
Wechselwirkung zwischen Individuum und zurückhaltend, nachdenklich und sensibel interpretiert.
Gesellschaft nur mangelhaft verdeutlicht und
weitgehend in ästhetische Effekte auflöst.

OT: BELA - GEROJ NASCHEGO WREMENI OT: THE GREATEST STORY EVER TOLD
Westdeutscher Titel: Bella Aufgenommen in 65mm Ultra Panavision® (1:2.76)
Aufgenommen in 70mm SovScope 70® (1:2.21) Präsentiert in 70mm (1:2.21 – rectified print)
Präsentiert in 70mm (1:2.21) 6-Kanal-Stereo-Magnetton
6-Kanal-Stereo-Magnetton Deutsche Fassung
Russ. OV mit dt. UT 196 Min.
112 Min. Erstaufführungskopie
Erstaufführungskopie Roadshow-Präsentation mit Pause
Welturaufführung: 1966 Welturaufführung: 15.02.1965
Dt. Erstaufführung: 10.11.1967 (DDR) Dt. Erstaufführung: 05.08.1965 /
06.02.1968 (BRD)
Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe 45

THE BAT MISSOURI


WHISPERS

LAND / JAHR: LAND / JAHR:


USA 1930 USA 1971

BESETZUNG: BESETZUNG:
Chester Morris (Detective nderson), Chance William Holden (Ross Bodine), Ryan O‘Neal
Ward (Police Lieutenant), Una Merkel (Dale Van (Frank Post), Karl Malden (Walter Buckman),
Gorder), Richard Tucker (Mr. Bell), Wilson Benge James Olson (Joe Billings), Victor French (Sheriff),
(The Butler), Maude Eburne (Lizzie Allen) Lynn Carlin (Sada Billings), Tom Skerritt (John
Buckman), Joe Don Baker (Paul Buckman)

STAB: STAB:
Produktion: Joseph M. Schenck Produktion: Blake Edwards, Ken Wales
Regie: Roland West Regie: Blake Edwards
Buch: Roland West Buch: Blake Edwards
Buchvorlage: Avery Hopwood, Mary Kamera: Philip Lathrop
Roberts Rinehart (Theaterstück) Musik: Jerry Goldsmith
Kamera: Ray June (35mm), Robert H. Planck (65mm) Schnitt: John F. Burnett
Musik: Hugo Riesenfeld (Archivmusik)
Schnitt: Hal C. Kern, James Smith

INHALT INHALT
Trotz einer vorhergehenden Warnung durch die Ein junger und ein älterer Cowboy set-
Polizei, die das Gelände abriegelt, gelingt es einem zen um 1885 den zunächst eher scherzhaf-
„Bat“ genannten Meisterverbrecher, ein Halsband ten Gedanken eines Bankraubs in die Tat um
aus dem Safe eines reichen Prominenten zu steh- und versuchen, nach Mexiko zu entkommen.
len. In einer am Tatort zurückgelassenen Botschaft Melancholische Geschichte um die Entwicklung
erklärt „The Bat“, dass er sich auf das Land einer Freundschaft und das Leben von Cowboys.
zurückzieht, um der Polizei eine Verschnaufpause Sorgfältig in der Milieuzeichnung, mit gehalt-
zu gönnen. Nach einem Banküberfall in Oakdale vollem Dialog, aber allzu breit angelegt und
terrorisiert er die Bewohner eines einsam gele- nicht frei von Melodramatik und Kitsch.
genen Landhauses... (Quelle: Internet)

OT: THE BAT WHISPERS OT: WILD ROVERS


Aufgenommen in 65mm Magnifilm® Aufgenommen in 35mm Panavision®
(1:2.20) und 35mm (1:1.20) Anamorphic (1:2.35)
Präsentiert in 35mm (1:1.20) Präsentiert in 70mm (1:2.21)
Mono Lichtton 6-Kanal Dolby Stereo Magnetton
Engl. OV Deutsche Fassung / 114 Minuten
83 Min. Erstaufführungskopie
Neue Kopie Roadshow-Präsentation mit Pause
Welturaufführung: 13.11.1930 Welturaufführung: 23.06.1971
Dt. Erstaufführung: 07.10.2011 Dt. Erstaufführung: 25.12.1971
46 Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe

SHEHERA-
ZADE – DER
GOLDENE DANCE
LÖWE VON CRAZE
BAGDAD
LAND / JAHR: LAND / JAHR:
F/E/IT 1963 GB 1981

BESETZUNG: MITWIRKENDE:
Darsteller: Anna Karina (Sheherazade), Buster Bloodvessel (Bad Manners), Roddy
Gérard Barray (Renaud de Villecrois), Byers (The Specials), Rhoda Dakar (The
Antonio Vilar (Haroun-al-Raschid), Marilù Bodysnatchers), Jerry Dammers (The Specials),
Tolo (Shirin), Giuliano Gemma (Didier) Terry Hall (The Specials), Horace Panter (The
Specials), David Wakeling (The English Beat)

STAB: STAB:
Produktion: Henri Baum Produktion: Gavrik Losey
Regie: Pierre Gaspard-Huit Regie: Joe Massot
Buch: Marc-Gilbert Sauvajon, Pierre Gaspard-Huit Kamera: Joe Dunton
Kamera: Christian Matras Schnitt: Ben Rayner, Anthony Sloman
Musik: André Hossein
Schnitt: Louisette Hautecoeur

INHALT INHALT
Wie die Liebe der Prinzessin Sheherazade zu einem Rocksteady to both a visual and musical documentary
fränkischen Ritter nach schwersten Prüfungen of the big shot‘s of the English 2-Tone movement of
über den Kalifen Harun al Raschid triumphiert. the late 1970s that has the exhaustive, high-energy
Eine pathetisch erzählte Märchengeschichte performances exploding onto stage. Jump, shout,
mit malerischem Aufwand und einer kühl- twist and crawl and dance to the tunes of Ska and its
tragisch agierenden Hauptdarstellerin. anthems of its rough riders and three-minute heroes
captivated in the moment of a generation of England‘s
concrete jungles and razor blade alley‘s. No longer on
your radio but now on stage, together, with the likes of
Madness, The Specials and The Beat et al, this concert
footage of an era is a must-see, rare and fascinating
OT: SHEHERAZADE look into a once vibrant youth culture of working-class
Aufgenommen in 65mm MCS 70 England and its musical dance craze. (Quelle: Internet)
Superpanorama® (1:2.21)
Präsentiert in 70mm (1:2.21)
6-Kanal Stereo Magnetton OT: DANCE CRAZE
Dt. Fassung Aufgenommen in 35mm Super 35® (1:1.66)
118 Min. Präsentiert in 70mm (1:1.66)
Erstaufführungskopie 6-Kanal-Dolby (A)-Stereo-Magnetton mit Split Surround
Welturaufführung: 10.05.1963 / Dt. Engl. OV
Erstaufführung: 09.08.1963 91 Min.
Erstaufführungskopie
Welturaufführung: 19.02.1981
Dt. Erstaufführung: 08.10.2011
Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe 47

A
HAMLET CHORUS
LINE
LAND / JAHR: LAND / JAHR:
GB/USA 1996 USA 1985

BESETZUNG: BESETZUNG:
Darsteller: Kenneth Branagh (Hamlet), Derek Jacobi Darsteller: Michael Blevins (Mark), Yamil Borges
(Claudius), Julie Christie (Gertrud), Richard Briers (Morales), Jan Gan Boyd (Connie), Michael
(Polonius), Kate Winslet (Ophelia), Michael Maloney Douglas (Zach, Regisseur), Audrey Landers
(Laertes), Nicholas Farrell (Horatio), Charlton Heston (Val), Alyson Reed (Cassie), Vicki Frederick
(Erster Schauspieler), Rufus Sewell (Fortinbras), (Sheila), Terrence Mann (Larry), Tony Fields
Richard Attenborough (Englischer Gesandter), Billy
Crystal (1. Totengräber), Judi Dench (Hecuba),
Gérard Depardieu (Reynaldo), Reece Dinsdale
(Güldenstern), John Gielgud (Priamus), Rosemary
Harris (Königin im Schauspiel), Jack Lemmon
(Marcellus), John Mills (Old Norway), Timothy
Spall (Rosenkranz), Robin Williams (Osrick)

STAB: STAB:
Produktion: David Barron Produktion: Cy Feuer, Ernest H. Martin
Regie: Kenneth Branagh Regie: Richard Attenborough
Buch: Kenneth Branagh Buch: Arnold Schulman
Buchvorlage: William Shakespeare Buchvorlage: Nicholas Dante (Musical),
(gleichnamiges Bühnenstück) James Kirkwood (Musical)
Kamera: Alex Thomson Kamera: Ronnie Taylor
Musik: Patrick Doyle Musik: Marvin Hamlisch
Schnitt: Neil Farrell Schnitt: John Bloom

INHALT INHALT
Kenneth Branaghs Neuverfilmung der Shakespeare- In einem erbarmungslosen Ausleseverfahren
Tragödie um den dänischen Prinzen, der vom Geist wählt ein ehrgeiziger Choreograf vier Tänzer
seines Vaters den Auftrag erhält, dessen Tod zu und Tänzerinnen für eine Broadway-Produktion
rächen, verlegt das Meisterwerk in eine opulente aus. Verfilmung eines Musical-Erfolges, die, allzu
Hofkulisse im 19. Jahrhundert. Das mit gigantischem bedächtig inszeniert, nichts mehr von der Dynamik
Aufwand in Szene gesetzte Opus findet trotz aller des Originals spüren läßt und sich zu sehr an
Kraftanstrengung des Regisseurs, einen „Hamlet“ den Musik- und Tanzgeschmack der 80er Jahre
der Superlative zu schaffen, keinen einheitlichen anpaßt. Hervorragende tänzerische Einzelleistungen
inszenatorischen Stil. Neben unübersehbaren insze- und die eingängigen Songs machen den Film
natorischen Ungereimtheiten und Schwächen sind für Freunde des Genres dennoch reizvoll.
die ausgezeichneten schauspielerischen Leistungen
das Kapital des Films, durch das er trotz seiner
Länge von fast vier Stunden nie langweilig wird.

OT: HAMLET OT: A CHORUS LINE


Aufgenommen in 65mm Panavision System Aufgenommen in 35mm Super 35® (1:2.35) /
65® (1:2.21) / Präsentiert in 70mm (1:2.21) / Präsentiert in 70mm (1:2.21) / 6-Kanal-Dolby
6-Kanal-Dolby (A)-Stereo-Magnetton / Engl. OV (A)-Stereo-Magnetton / Dt. Fassung (Songs
/ 242 Min. / Erstaufführungskopie / Roadshow- in Englisch mit deutschen UT) / 118 Min. /
Präsentation mit Pause / Welturaufführung: Erstaufführungskopie / Welturaufführung:
25.12.1996 / Dt. Erstaufführung: 05.06.1997 09.12.1985 / Dt. Erstaufführung: 16.01.1986
48 Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe

55 TAGE STOSS-
IN PEKING TRUPP
GOLD
LAND / JAHR: LAND / JAHR:
F/E/IT 1963 USA 1970

BESETZUNG: BESETZUNG:
Charlton Heston (Maj. Matt Lewis), Ava Gardner Clint Eastwood (Kelly), Telly Savalas (Big Joe),
(Baronin Natalie Ivanoff), David Niven (Sir Donald Sutherland (Oddball), Don Rickles
Arthur Robertson), Flora Robson (Tzu Hsi), (Speckbacke), Carroll O‘Connor (General
John Ireland (Sgt. Harry), Harry Andrews (Pater Colt), Gavin MacLeod (Moriarty), Hal Buckley
de Bearn), Leo Genn (General Jung-Lu) (Maitland), Stuart Margolin (Little Joe)

STAB: STAB:
Produktion: Samuel Bronston Produktion: Gabriel Katza, Sidney Beckerman
Regie: Nicholas Ray Regie: Brian G. Hutton
Buch: Philip Yordan, Bernard Gordon, Robert Hamer Buch: Troy Kennedy Martin
Kamera: Jack Hildyard, Manuel Berenguer Kamera: Gabriel Figueroa
Musik: Dimitri Tiomkin Musik: Lalo Schifrin
Schnitt: Robert Lawrence Schnitt: John Jympson

INHALT INHALT
Der Boxeraufstand in Peking 1900 als Gegenstand Zur Zeit der alliierten Invasion in der Normandie
eines aufwendigen Monumentalfilms. Die zah- (1944) erobert ein amerikanischer Stoßtrupp
lenmäßig unterlegenen Truppen der interna- privat aus einer Bank hinter den deutschen
tionalen Gesandtschaften halten vereint in Linien 14.000 Goldbarren. Klamaukfilm mit gro-
einem listenreichen Verzweiflungskampf gegen ßer Besetzung - so farbenfroh war der Krieg!
die Übermacht der Aufständischen durch, bis
Ersatz eintrifft. Bemerkenswert an diesem in
der Handlung frei erfundenen Heldenepos in
Starbesetzung sind nur die großartig inszenier-
ten Kampfszenen und die Kameraarbeit.

OT: 55 DAYS AT PEKING OT: KELLY’S HEROES


USA 1963 / Aufgenommen in 35mm USA 1970
Super Technirama 70® (1:2.21) Aufgenommen in 35mm Panavision
Präsentiert in 70mm (1:2.21) Anamorphic® (1:2.35)
6-Kanal-Stereo-Magnetton Präsentiert in 70mm (1:2.21)
Dt. Fassung 6-Kanal Stereo Magnetton
154 Min. Dt. Fassung
Erstaufführungskopie 144 Min.
Roadshow-Präsentation mit Pause Erstaufführungskopie
Welturaufführung: 29.05.1963 Roadshow-Präsentation mit Pause
Dt. Erstaufführung: 20.09.1963 Welturaufführung: 23.06.1970
Dt. Erstaufführung: 27.11.1970
Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe 49

KANADISCHE KURZFILME

A PLACE TO STAND

CDN 1967 / Aufgenommen in 35mm Panavision® Anamorphic


(1:2.35) / Präsentiert in 70mm (1:2.21) / 6-Kanal-Stereo-
Magnetton / Engl. OV / 17 Min. / Erstaufführungskopie /
Welturaufführung: 28.04.1967 / Dt. Erstaufführung: 09.10.2011

Produktion: Christopher Chapman, David Mackay /


Regie: Christopher Chapman / Kamera: Christopher
Chapman, Laszlo George, Josef Seckeresh / Musik:
Dolores Claman / Schnitt: Christopher Chapman

MULTIPLE MAN

CDN 1969 / Aufgenommen in 35mm / Präsentiert in


70mm (1:2.21) / 6-Kanal-Stereo-Magnetton / Engl. OV
/ 16 Min. / Erstaufführungskopie / Welturaufführung:
17.07.1969 / Dt. Erstaufführung: 09.10.2011

Produktion: Robert Forget / Regie: Georges Dufaux,


Claude Godbout / Kamera: Gilles Gascon / Musik: Buddy
Fasano / Schnitt: Georges Dufaux, Claude Godbout

SEASON IN THE MIND

CDN 1971 / Aufgenommen in 35mm Panavision® Anamorphic


(1:2.35) / Präsentiert in 70mm (1:2.21) / 6-Kanal-Stereo-
Magnetton / Engl. OV / 22 Min. / Erstaufführungskopie /
Welturaufführung: 22.05.1971 / Dt. Erstaufführung: 09.10.2011

Produktion: Michael Milne, Peter Pearson / Regie: Michael


Milne, Peter Pearson / Kamera: Tony Ianzelo / Musik:
Larry Crosley, Mac Beattie / Schnitt: Arla Saare

WHERE THE NORTH BEGINS

CDN 1971 / Aufgenommen in 35mm TechniScope®


(1:2.35) / Präsentiert in 70mm (1:2.21) / 6-Kanal-Stereo-
Magnetton / Engl. OV / 22 Min. / Erstaufführungskopie /
Welturaufführung: 11.06.1971 / Dt. Erstaufführung: 09.10.2011

Produktion: David Mackay / Regie: David Mackay


/ Kamera: Robert Ryan, Robert New / Musik: Larry
Crosley, Mac Beattie / Schnitt: Arla Saare

FESTIVAL

OT: Ontario / CDN 1971 / Aufgenommen in 35mm Panavision®


(1:2.35) / Präsentiert in 70mm (1:2.21) / 6-Kanal-Stereo-
Magnetton / Engl. OV / 18 Min. / Erstaufführungskopie /
Welturaufführung: 07.09.1971 / Dt. Erstaufführung: 09.10.2011

Produktion: Christopher Chapman / Regie: Christopher


Chapman / Kamera: Christopher Chapman, Christopher Fryman
/ Musik: William McCauley / Schnitt: Christopher Chapman
50 Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe
Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe 51
52 Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe
Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe 53
54 Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe

Generelles
zu den
Vorführungen:
Alle Filme werden im 70mm-Format
auf die gekrümmte Leinwand der
Schauburg projiziert. Beim Projektor
handelt es sich um eine Philips DP70
(für sphärisches 70mm) Maschine,
ausgestattet mit einer nagelneu-
en Schneider-Optik sowie einem
brandneuen Magnettonkopf und
einem DTS-Reader für 70mm-Film.

Der Ton von 70mm-Kopien mit


DTS-Track wird mittels eines DTS
XD 10 Cinema Media Player deco-
diert und extern in einen Dolby
CP650 XO Prozessor eingeschleust.
Die sechs Tonkanäle von 70mm-
Kopien mit Magnetton werden
über einen Dolby CP200 Prozessor
mit neuentwickelten SCS-7060
Magnettonvorverstärker und SCS-
1246 Filtereinheit korrekt aufbereitet.

Als Endstufen sowie Bühnenlaut-


sprecher dienen Geräte der Firma
„alcons audio“. Die Schauburg verfügt
sowohl über das klassische Todd-
AO-Layout mit fünf Frontkanälen
sowie einem Surroundkanal
sowie dem heute gebräuchli-
chen Digitalton-Layout mit drei
Frontkanälen, zwei Surroundkanälen
und einem Subbasskanal.

Vorgeführt wird mit einer Geschwin-


digkeit von 24 Bildern/Sekunde.
Präsentiert werden die Filme in ech-
tem „Roadshow“-Ambiente, d.h.
mit Ouvertüre, Pause, Intermezzo
sowie Exit Music (sofern vom
Regisseur so vorgesehen).

Alle Angaben ohne Gewähr.


Änderungen und Irrtümer vorbe-
halten, jedoch nicht beabsichtigt.
Das große 70mm Filmfestival - Schauburg Karlsruhe 55
Vielen Dank an unsere Sponsoren, ohne deren Unterstützung
dieses Festival nicht möglich gewesen wäre:
Amsterdam
Mit freundlicher Unterstützung der

Georg Fricker
Stiftung

Gestaltung: Christine Kummer / www.kummerdesign.de

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