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Thomas Noppeney

Helmut Nüllen

Diagnostik und Therapie der Varikose


Thomas Noppeney
Helmut Nüllen

Diagnostik und Therapie


der Varikose
Mit 357 Abbildungen und 140 Tabellen

123
Dr. med. Thomas Noppeney
Versorgungszentrum für Gefäßmedizin
Obere Turmstraße 8
90429 Nürnberg
TN@gefaesszentrum-nuernberg.de

Dr. med. Helmut Nüllen


Gemeinschaftspraxis für Gefäßmedizin in Mönchengladbach (GPG-MG)
Rheydter Straße 276
41065 Mönchengladbach
hnuellen@t-online.de

ISBN 978-3-642-053658-8 Springer Medizin Verlag Heidelberg

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Planung: Dr. Fritz Kraemer, Heidelberg


Projektmanagement: Willi Bischoff, Heidelberg
Lektorat: Kathrin Nühse, Mannheim
Einbandgestaltung: deblik Berlin
Satz, Reproduktion und digitale Bildbearbeitung: Fotosatz-Service Köhler GmbH – Reinhold Schöberl, Würzburg
Photographie der Abb. 26.1–26.4, 26.7, 26.8, 26.10 und 26.13a, b: Katharina Müller, Color-Foto-Dienst, Mönchengladbach

SPIN: 12165476

Gedruckt auf säurefreiem Papier WB/2111 – 5 4 3 2 1 0


V

Vorwort
Die Diagnostik und insbesondere die Therapie der Varikose hat in den letzten Jahren eine gera-
dezu unglaubliche Innovation erlebt, in einem Ausmaß, wie in vielen Jahrzehnten vorher nicht.
Alles scheint im Fluß. Jahrzehntelang gepflegte und für unumstößliche gehaltene Postulate wer-
den aufgegeben, therapeutische Konzepte geändert, pathophysiologische Dogmen angezweifelt.
Veränderung und Entwicklung ist eine permanente Verpflichtung für jede wissenschaftliche
Disziplin. Aber je größer die Wandlung von Teilen, umso größer ist allerdings auch die Gefahr,
dass die Orientierung und der Zusammenhang verloren gehen.
Die Diagnose und die Therapie der Varikosis stellt einen wesentlichen Anteil in der Arbeit des
Gefäßmediziners dar und umfasst einen Großteil des Lehrgebäudes der Phlebologie. Trotz der
großen epidemiologischen und sozialmedizinischen Relevanz hatte die Diagnostik und Therapie
der Varikose leider in der Gefäßchirurgie über lange Zeit eine eher untergeordnete Bedeutung.
Erfreulicherweise nimmt in den letzten Jahren die wissenschaftliche Diskussion über die Varikose
in der gefäßchirurgischen Öffentlichkeit wieder zu.
Nicht zuletzt aus dieser Sicht glauben wir, dass es an der Zeit ist, eine kritische Bestandsauf-
nahme durchzuführen.
Für die Darstellung haben wir dabei den Weg gewählt, uns an der Diagnose zu orientieren und
diese konsequent in allen ihren Facetten zu behandeln. Dabei haben wir uns um Vollständigkeit
bemüht und auch Themenbereiche einbezogen, die ansonsten eher selten abgehandelt werden. Es
sollte eine große Übersicht entstehen.
Wir waren bestrebt zu einzelnen Themen ausgewiesene Spezialisten zur Mitarbeit zu gewin-
nen. Dieses Buch soll ein Lehrbuch sein mit einem hohen Anspruch an eine wissenschaftliche
Orientierung und Darstellung. Hier den Mittelweg zwischen wissenschaftlichem Anspruch, prak-
tischer Umsetzbarkeit und begrenztem Raum zu finden, war nicht immer leicht. Das Buch wendet
sich gleichermaßen an den gefäßmedizinischen Spezialisten wie an den Lernenden und kann auch
dem Allgemeinmediziner als Nachschlagewerk bei den Entscheidungen in der täglichen Praxis
dienen.
Wann immer möglich haben wir uns bemüht, tabellarische Zusammenfassungen und Dar-
stellungen einzufügen, um einfache Überblicke zu gewinnen.
Bei dem schnellen Umsatz in der wissenschaftlichen Welt auch in der Gefäßmedizin muss
man akzeptieren, dass Zusammenfassungen in Büchern von einer kurzlebigen Aktualität in Bezug
auf Einzeldaten gekennzeichnet sind. Diese Momentaufnahme aber soll in einer Zeit der Wand-
lung den Standort und den Standpunkt der Diagnostik und Therapie der Varikosis definieren.

Wir sind dem Springer-Verlag zu großem Dank verpflichtet, dafür dass es ermöglicht wurde eine
solche umfassende Darstellung zu erarbeiten und zu publizieren.

Wir wünschen dem Buch einen guten Weg in die Studierzimmer und freuen uns über Reaktionen
aus der Leserschaft.

Thomas Noppeney
Helmut Nüllen
VII

Inhaltsverzeichnis
4.2.2 24-Städte Kohorten Studie, Italien
I Grundlagen der Varikose (Chiesa et al. 2005a, b) . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
4.2.3 Bonner Venenstudie I, Deutschland
(Rabe et al. 2003) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
1 Geschichte der Varizenbehandlung . . . . . . 3 4.2.4 Polnische Venenstudie (Jawien et al. 2003) . . . . 39
T. Noppeney 4.2.5 Französische Venenstudie (Carpentier et al. 2004) 41
4.3 Prävalenz von Varizen und CVI . . . . . . . . . . . 41
2 Anatomie und pathologische Anatomie 4.4 Risikofaktoren für Varizen und CVI . . . . . . . . 41
des epifaszialen Venensystems . . . . . . . . . 9 4.4.1 Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
2.1 Anatomie des epifaszialen Venensystems . . . 10 4.4.2 Positive Familienanamnese . . . . . . . . . . . . . 42
P. Ströbel 4.4.3 Geschlecht, Schwangerschaft und Hormone . . 42
2.1.1 Histologischer Aufbau von Venen . . . . . . . . . 10 4.4.4 Übergewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
2.1.2 Das epifasziale Venensystem . . . . . . . . . . . . . 10 4.4.5 Andere Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
2.1.3 Venensystem des Fußes . . . . . . . . . . . . . . . . 14 4.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
2.1.4 Tiefe Beinvenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
2.1.5 Venae perforantes (PV) . . . . . . . . . . . . . . . . 16 5 Varikose in verschiedenen Lebens-
2.2 Spezielle Anatomie der Crossenregionen . . . . 18 abschnitten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
E. Brenner Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
2.2.1 Crosse der V. saphena magna . . . . . . . . . . . . 18 H. Nüllen, T. Noppeney
2.2.2 Crosse der V. saphena parva . . . . . . . . . . . . . 22 5.1 Varikose im Kindesalter . . . . . . . . . . . . . . . 46
2.3 Pathologie des epifaszialen Venensystems . . . 24 S. Reich-Schupke, M. Stücker
P. Ströbel 5.1.1 Epidemiologie im Kindesalter . . . . . . . . . . . . 46
2.3.1 Pathohistologische Veränderungen an varikösen 5.1.2 Diagnostik im Kindesalter . . . . . . . . . . . . . . 47
Venen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 5.1.3 Therapie im Kindesalter . . . . . . . . . . . . . . . . 47
2.4 Anatomische Varianten am epifaszialen 5.2 Varikose im höheren Lebensalter . . . . . . . . . 48
Venensystem der Beine . . . . . . . . . . . . . . . 26 H. Nüllen, T. Noppeney
H. Nüllen, T. Noppeney 5.2.1 Epidemiologie im höheren Lebensalter . . . . . . 48
2.4.1 Varianten der Mündungsregion 5.2.2 Therapie im höheren Lebensalter . . . . . . . . . . 48
der Vena saphena magna (VSM) . . . . . . . . . . 26
2.4.2 Varianten im Verlauf des Stammes der VSM . . . 27 6 Physiologie und Pathophysiologie
2.4.3 Varianten der Mündungsregion der venösen Hämodynamik . . . . . . . . . . . 51
der Vena saphena parva (VSP) . . . . . . . . . . . . 28 A.H. Wagner
2.4.4 Varianten im Verlauf des Stammes der VSP . . . . 29 6.1 Einfluss der Schwerkraft auf den venösen
2.4.5 Dorsale Venenstämme des Oberschenkels . . . . 29 Druck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
2.4.6 Arterien im Bereich des Hiatus saphenus . . . . . 31 6.2 Venenfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
6.3 Venentonus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
3 Ätiologie der Varikose . . . . . . . . . . . . . . . 33 6.4 Physiologie des venösen Rückstroms . . . . . 53
P. Ströbel 6.4.1 Abdominothorakale Zweiphasenpumpe . . . . . 53
3.1 Ätiologie der Varikose . . . . . . . . . . . . . . . . 34 6.4.2 Muskel- und Gelenkpumpe . . . . . . . . . . . . . 54
3.2 Pathogenese der Varikose . . . . . . . . . . . . . 35 6.5 Venöse Gefäßerkrankungen . . . . . . . . . . . . 55
6.5.1 Phlebothrombose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
4 Epidemiologie chronischer Venen- 6.5.2 Thrombophlebitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
krankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 6.6 Chronische venöse Insuffizienz . . . . . . . . . . 57
E. Rabe, F. Pannier 6.6.1 Venenklappeninsuffizienz . . . . . . . . . . . . . . 57
4.1 Frühe epidemiologische Studien . . . . . . . . . 38 6.6.2 Klappeninsuffizienz und Muskelpumpe . . . . . . 57
4.2 Epidemiologische Studien – 6.7 Rezirkulationskreise und sekundäre
CEAP-Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Leitveneninsuffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
4.2.1 San Diego Bevölkerungsstudie, USA 6.8 Folgen der venösen und kapillaren
(Criqui et al. 2003) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Hypertonie für die Endstrombahn . . . . . . . . 59
VIII Inhaltsverzeichnis

7 Sozialmedizinische und ökonomische 10.4 Phlebodynamometrie (PDM) . . . . . . . . . . . . 89


Aspekte der Varikose . . . . . . . . . . . . . . . . 61 M. Emter, T. Noppeney
H. Nüllen, T. Noppeney 10.4.1 Methode und Durchführung . . . . . . . . . . . . . 89
7.1 Datenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 10.4.2 Messergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
7.2 Inanspruchnahme der medizinischen 10.4.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
Versorgungsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . 62
7.3 Leistungsstatistik: Operative Eingriffe 11 Sonographische Diagnostik . . . . . . . . . . . 93
am Venensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 11.1 B-Bild-Sonographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
7.4 Arbeitsunfähigkeit wegen Varikose . . . . . . . 64 A. Brunner
7.5 Rentenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 11.1.1 Praktische Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . 94
7.6 Krankheitskosten bei Varikose . . . . . . . . . . . 65 11.1.2 Beurteilungskriterien in der Venendiagnostik . . 95
7.7 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 11.1.3 Artefakte in der B-Bild-Sonographie . . . . . . . . 96
11.1.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
11.2 Duplexsonographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
W. Lang
II Diagnostik 11.2.1 Geräteeinstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
11.2.2 Durchgängigkeit, Thrombosediagnostik . . . . . 97
11.2.3 Veneninsuffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
8 Grundlagen der Diagnostik . . . . . . . . . . . 69 11.2.4 Topographie von Vena saphena magna
H. Nüllen, T. Noppeney und parva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
11.2.5 Mündungsinsuffizienz – Rezidivdiagnostik . . . . 99
9 Klinische Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . 71 11.2.6 CHIVA-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
H. Nüllen, T. Noppeney 11.2.7 Endovenöse Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 100
9.1 Anamnese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
9.2 Klinische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . 72 12 Radiologische Diagnostik . . . . . . . . . . . . . 101
9.3 Biometrische Untersuchungen . . . . . . . . . . 72 12.1 Phlebographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
9.4 Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 H. Nüllen, P.W. Esser
12.1.1 Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
10 Hämodynamische Diagnostik . . . . . . . . . . 75 12.1.2 Indikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 12.1.3 Voruntersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
H. Nüllen, T. Noppeney 12.1.4 Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
10.1 Venöse Photoplethysmographie (PPG) . . . . . 76 12.1.5 Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
V. Blazek 12.1.6 Abbildungstheorie und Röntgenanatomie . . . 105
10.1.1 Methodische Grundlagen der venösen 12.1.7 Radiomorphologie und Interpretation . . . . . . 106
Photoplethysmographie . . . . . . . . . . . . . . . 76 12.1.8 Befundung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
10.1.2 Die Muskelpumpe des Beines – Antrieb 12.1.9 Fehler und Irrtümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
des venösen Rückstroms beim aufrechten Gang 78 12.1.10 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
10.1.3 Anwendungsbeispiele des venösen 12.2 Computertomographie (CT) und Magnet-
PPG-Muskelpumpen-Tests . . . . . . . . . . . . . . 80 resonanztomographie (MRT/MRA) . . . . . . . . 111
10.1.4 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . 82
10.2 Venenverschluss-Plethysmographie (VVP) . . 83 13 Sonstige diagnostische Verfahren . . . . . . . 113
V. Blazek H. Nüllen
10.2.1 Messprinzip, Untersuchungsablauf und 13.1 Biometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
Bewertungsparameter . . . . . . . . . . . . . . . . 83 13.2 Volumetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
10.2.2 Einige Tipps zur VVP-Anwendung . . . . . . . . . 86 13.2.1 Umfangsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
10.2.3 Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 13.2.2 Wasserplethysmographie . . . . . . . . . . . . . . . 115
10.3 cw-Dopplersonographie . . . . . . . . . . . . . . . 87 13.2.3 Kegelstumpfvolumetrie . . . . . . . . . . . . . . . . 115
M. Emter 13.2.4 Multifrequente Bio-Impedanz-Analyse (M-BIA) . 116
10.3.1 cw-Dopplersonographie in der Varikose- 13.3 Planimetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 13.4 Medizinische Fotographie in der Phlebologie 117
10.3.2 Der Valsalva-Pressversuch . . . . . . . . . . . . . . 88
10.3.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
IX
Inhaltsverzeichnis

15.11.2 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141


III Klinik und Indikations- 15.11.3 Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
stellungen bei Varikose 15.12 RezidivvarikoseRecurrent Varices
after Treatment (REVAT) . . . . . . . . . . . . . . . 142
15.12.1 Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
14 Beschwerdebild bei Varikose . . . . . . . . . . . 123 15.12.2 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
J. Noppeney 15.12.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
15.13 Periphere Ödeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
15 Klassifikationen, Stadieneinteilungen, 15.13.1 Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
Graduierungen und Scores . . . . . . . . . . . . 127 15.13.2 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
H. Nüllen, T. Noppeney 15.13.3 Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
15.1 Ätiologische Klassifikation . . . . . . . . . . . . . 130 15.14 Wundheilungsstörung nach Szilagyi . . . . . . . 146
15.1.1 Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 15.14.1 Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
15.1.2 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 15.14.2 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
15.1.3 Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 15.14.3 Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
15.2 Anatomische Klassifikation . . . . . . . . . . . . . 130 15.15 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
15.2.1 Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
15.2.2 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 16 Formen der Varikosis . . . . . . . . . . . . . . . . 147
15.2.3 Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 16.1 Primäre Varikosis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
15.3 Klinischer Schweregrad der Varikose . . . . . . 131 T. Hertel, H. Nüllen
15.3.1 Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 16.1.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
15.3.2 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 16.1.2 Typisierung, Nomenklatur . . . . . . . . . . . . . . 148
15.3.3 Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 16.1.3 Ätiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
15.4 CEAP-Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 16.1.4 Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
15.4.1 Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 16.1.5 Verlauf, Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . 149
15.4.2 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 16.1.6 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
15.4.3 Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 16.1.7 Verlaufsbeobachtung, Nachsorge . . . . . . . . . 149
15.5 Venous Clinical Severity Score (VCSS) . . . . . . 135 16.2 Kutane Varikose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
15.5.1 Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 F. Pannier, E. Rabe
15.5.2 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 16.2.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
15.5.3 Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 16.2.2 Lokalisation und Ausprägung . . . . . . . . . . . . 151
15.6 Venous Disability Score (VDS) . . . . . . . . . . . 137 16.2.3 Häufigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
15.6.1 Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 16.2.4 Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
15.6.2 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 16.2.5 Klinische Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
15.6.3 Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 16.2.6 Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
15.7 Stammveneninsuffizienz nach Hach . . . . . . . 138 16.2.7 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
15.7.1 Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 16.3 Sekundäre Varikosis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
15.7.2 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 H. Nüllen, T. Noppeney
15.7.3 Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 16.3.1 Diagnostik und Indikationsstellung . . . . . . . . 154
15.8 Chronisch venöse Insuffizienz (CVI) . . . . . . . 138 16.3.2 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
15.8.1 Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 16.4 Schwangerschaftsvarikosis . . . . . . . . . . . . . 155
15.8.2 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 U. Kamphausen
15.8.3 Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 16.4.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
15.9 Sklerose-Faszien-Score nach Hach . . . . . . . . 139 16.4.2 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
15.9.1 Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 16.4.3 Ätiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
15.9.2 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 16.4.4 Beschwerdebild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
15.9.3 Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 16.4.5 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
15.10 Postthrombotisches Syndrom (PTS) . . . . . . . 140 16.4.6 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
15.10.1 Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 16.4.7 Verlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
15.10.2 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 16.5 Varikose bei Angiodysplasien . . . . . . . . . . . 158
15.10.3 Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 H. Nüllen, T. Noppeney
15.11 Stammvenenvarikophlebitis . . . . . . . . . . . . 141 16.5.1 Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
15.11.1 Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 16.5.2 Angiodysplasie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
X Inhaltsverzeichnis

16.5.3 Häufigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 18 Rezidivvarikose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197


16.5.4 Systematik der Angiodysplasien . . . . . . . . . . 159 18.1 Rezidivvarikose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
16.5.5 Diagnostik der Angiodysplasien . . . . . . . . . . 162 T. Noppeney, H. Nüllen
16.5.6 Formen der Angiodysplasien mit varikösen 18.1.1 Definition und Klassifikation . . . . . . . . . . . . . 198
Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 18.1.2 Technischer/taktischer Fehler . . . . . . . . . . . . 198
16.5.7 Therapie der Venektasien bei Angiodysplasien . 167 18.1.3 Progression der Grunderkrankung . . . . . . . . . 200
18.1.4 Neovaskularisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
17 Komplikationen bei Varikose . . . . . . . . . . . 171 18.1.5 Definition der Rezidivvarikose . . . . . . . . . . . . 201
17.1 Phlebitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 18.1.6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
H. Nüllen, T. Noppeney 18.2 Neovaskularisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
17.1.1 Besondere Phlebitisformen . . . . . . . . . . . . . 173 S. Rewerk, T. Noppeney
17.2 Varikophlebitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 18.2.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
J. Noppeney, T. Noppeney 18.2.2 Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
17.2.1 Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 18.2.3 Immunhistochemische Nachweisbarkeit
17.2.2 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 der Neovaskularisation . . . . . . . . . . . . . . . . 204
17.2.3 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 18.2.4 Klinische Nachweisbarkeit der Neovaskula-
17.2.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 risation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
17.3 Varizen und tiefe Beinvenenthrombose . . . . . 176 18.2.5 Pathogenese der Neovaskularisation . . . . . . . 205
H. Lawall 18.2.6 Problematik der Forschung . . . . . . . . . . . . . 206
17.3.1 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 18.2.7 Zusammenfassung und Schlussfolgerung . . . . 206
17.4 Chronisch venöses Ödem . . . . . . . . . . . . . . 179
H. Nüllen, T. Noppeney 19 Besondere Krankheitsbilder und Syndrome 209
17.4.1 Physiologie und Pathophysiologie . . . . . . . . . 180 H. Nüllen, T. Noppeney
17.4.2 Ätiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 19.1 Pudendale Varikose . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210
17.4.3 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 19.2 Pelvines Stauungssyndrom . . . . . . . . . . . . . 211
17.4.4 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 19.3 Varizenblutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
17.5 Ulcus cruris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 19.4 Canyon-Varizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
G. Salzmann 19.5 Heterotope Knochenbildung bei chronischer
17.5.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Veneninsuffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
17.5.2 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 19.6 Arthrogenes Stauungssyndrom . . . . . . . . . . 213
17.5.3 Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 19.7 Chronisch venöses Kompartmentsyndrom . . 214
17.5.4 Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
17.5.5 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 20 Indikation zur ambulanten und stationären
17.5.6 Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Versorgung in der Varizenchirurgie . . . . . . 217
17.5.7 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 H. Nüllen, T. Noppeney
17.5.8 Nachbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 20.1 Ambulante Chirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
17.6 Trophische Störungen der Haut bei Varikosis . 189 20.2 Anspruch auf stationäre Versorgung . . . . . . . 218
S. Reich-Schupke, M. Stücker 20.3 Stationsersetzende Leistungen . . . . . . . . . . 221
17.6.1 Ekzeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 20.4 Indikation zur ambulanten Versorgung . . . . 221
17.6.2 Atrophie blanche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 20.4.1 Patient und seine Begleiterkrankungen . . . . . . 221
17.6.3 Purpura jaune d’ocre . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 20.5 Indikation zur stationären operativen
17.6.4 Pseudo-Kaposi-Sarkom . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
17.6.5 Sklerose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 20.6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
17.7 Hautpflege bei chronischen Venen-
erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
S. Reich-Schupke, M. Stücker
17.7.1 Hautpflege in der Ulkusumgebung und Schutz
der Wundränder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195
17.7.2 Typ-IV-Sensibilisierungen . . . . . . . . . . . . . . . 195
XI
Inhaltsverzeichnis

23 Verödungstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
IV Nicht operative Therapie 23.1 Geschichte und Entwicklung der Verödungs-
therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269
P. Waldhausen
21 Nicht operative Therapie der Varikose . . . . 227 23.1.1 Historie der Injektion und der Verödungs-
H. Nüllen mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269
21.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 23.1.2 Entwicklung der Verödung . . . . . . . . . . . . . . 271
21.2 Therapieoptionen und Therapiekonzepte . . . 228 23.1.3 Entwicklung der Schaumverödung . . . . . . . . 272
23.2 Indikationsstellung zur Verödungstherapie . . 274
22 Konservative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . 229 F. X. Breu
22.1 Kompressionstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . 230 23.3 Empfehlungen zur Sklerotherapie
H. Nüllen, T. Noppeney mit flüssigen Mitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
22.1.1 Theoretische Grundlagen der Kompressions- E. Rabe, F. Pannier
therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 23.3.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
22.1.2 Kompressionsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 23.3.2 Indikationen: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
22.1.3 Kompressionsverband . . . . . . . . . . . . . . . . 234 23.3.3 Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
22.1.4 Kompressionsstrumpf . . . . . . . . . . . . . . . . 235 23.3.4 Komplikationen und Risiken . . . . . . . . . . . . . 277
22.1.5 Ergebnisse der Kompressionstherapie . . . . . . 239 23.3.5 Diagnostik vor Sklerotherapie . . . . . . . . . . . . 278
22.1.6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 23.3.6 Duplexsonographisch kontrollierte
22.2 Intermittierende pneumatische Verabreichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
Kompression (IPK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 23.3.7 Effektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
V. Wienert 23.4 Technik und Praxis der Verödungstherapie . . 280
22.2.1 Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 M. Schadeck
22.2.2 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 23.4.1 Technik bei große Varizen . . . . . . . . . . . . . . 282
22.2.3 Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 23.4.2 Technik bei kleinen Varizen . . . . . . . . . . . . . . 286
22.2.4 Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 23.4.3 Kompression nach Sklerosierung,
22.2.5 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 Nachbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
22.2.6 Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 23.4.4 Komplikationen und Ergebnisse . . . . . . . . . . 287
22.2.7 Behandlungskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . 242 23.4.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288
22.3 Pharmakotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 23.5 Schaumverödung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288
J. Ranft, C. Nielen, H. Nüllen F. X. Breu
22.3.1 Medikamentöse Therapie . . . . . . . . . . . . . . . 242 23.5.1 Verödungsschaum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289
22.3.2 Orale systemische Medikamente . . . . . . . . . . 243 23.5.2 Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289
22.3.3 Studienlage zur Pharmakotherapie . . . . . . . . 243 23.5.3 Kontraindikationen und unerwünschte
22.3.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290
22.4 Balneotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 23.5.4 Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291
B. Hartmann, D. Strass 23.5.5 Gewichteter Literaturüberblick . . . . . . . . . . . 294
22.4.1 Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 23.6 Laser in der Therapie der kutanen Varikose . . 295
22.4.2 Wirkprinzipien der Balneotherapie . . . . . . . . . 246 U. Müller
22.4.3 Praktische Konsequenzen für die 23.6.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
Differentialtherapie (einschließlich Rehabilitation 23.6.2 Wirkprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
und »long term care«) . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 23.6.3 Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296
22.5 Bewegungstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 23.6.4 Gerätetechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296
P. Waldhausen 23.6.5 Hautkühlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296
22.5.1 Medizinische Bewegungstherapie . . . . . . . . . 252 23.6.6 Hautreaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297
22.5.2 Allgemeine Empfehlungen zur Bewegung . . . . 254 23.6.7 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297
22.5.3 Besonderheiten bei der Bewegungstherapie . . 256 23.7 Elektrokoagulation bei kutaner Varikose . . . . 298
22.5.4 Bewegungstherapie in den Leitlinien . . . . . . . 257 H. Nüllen
22.6 Wundmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 23.7.1 Praktische Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . 299
E.S. Debus 23.8 Lichtkoagulation bei kutaner Varikose . . . . . 300
22.6.1 Definition der Wunde . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 H. Nüllen
22.6.2 Wundheilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259
22.6.3 Wundbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261
XII Inhaltsverzeichnis

27.4.4 Konventionelle Techniken . . . . . . . . . . . . . . 336


V Operative Therapie 27.4.5 Endoskopische Perforansdissektion . . . . . . . . 338
W. Lang

24 Grundsatzbemerkungen . . . . . . . . . . . . . 303 28 Endovenöse Techniken . . . . . . . . . . . . . . . 343


H. Nüllen, T. Noppeney Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344
T. Noppeney, H. Nüllen
25 Operative Technik bei Stamm- 28.1 Radiofrequenzobliteration . . . . . . . . . . . . . 344
und Seitenastvarikose . . . . . . . . . . . . . . . 305 T. Noppeney
25.1 Operation der Vena saphena magna . . . . . . . 306 28.1.1 Technische Durchführung . . . . . . . . . . . . . . 344
T. Noppeney, H. Nüllen 28.1.2 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345
25.1.1 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 28.1.3 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346
25.2 Operation der Vena saphena parva . . . . . . . . 311 28.1.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348
25.2.1 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 28.2 Endovenöse Laserablation . . . . . . . . . . . . . 349
25.3 Seitenastexstirpation . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 C.-G. Schmedt, R. Sroka, B. M. Steckmeier
25.4 Zugangswege in der Varizenchirurgie . . . . . . 312 28.2.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349
M. Winkler 28.2.2 Physikalische Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . 350
25.4.1 Zugang zur Crossektomie . . . . . . . . . . . . . . 312 28.2.3 Indikationen und Kontraindikationen . . . . . . . 350
25.4.2 Zugang beim Crosssenrezidiv . . . . . . . . . . . . 313 28.2.4 Behandlung der V. saphena magna . . . . . . . . 350
25.4.3 Zugang zum sapheno-poplitealen 28.2.5 Dosimetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352
Übergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 28.2.6 Behandlung der V. saphena parva . . . . . . . . . 354
25.4.4 Zugang zur distalen Vena saphena magna 28.2.7 Perioperative Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . 354
und parva in Knöchelbereich . . . . . . . . . . . . 314 28.2.8 Laserschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354
28.2.9 Klinische Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355
26 Spezielle chirurgische Techniken . . . . . . . . 317 28.2.10 Aktuelle Entwicklungen der endovenösen
26.1 Strippingtechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 Lasertherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356
H. Nüllen, T. Noppeney 28.2.11 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357
26.1.1 Stadiengerechtes Strippen . . . . . . . . . . . . . . 318
26.1.2 Strippingsonden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 29 Konservierende Verfahren
26.1.3 Sondierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 in der Varizenchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . 359
26.1.4 Strippingmanöver . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360
26.1.5 Studienlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 H. Nüllen, T. Noppeney
26.1.6 Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 29.1 Venenklappenrekonstruktion
26.2 Miniphlebektomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 bei Stamminsuffizienz der VSM . . . . . . . . . . 360
26.2.1 Inzisionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 A. Mumme, T. Hummel
26.2.2 Phlebektomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 29.1.1 Indikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361
26.2.3 Fehler und Gefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 29.1.2 Operationstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361
26.2.4 Verschluss der Inzisionen . . . . . . . . . . . . . . . 325 29.1.3 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362
26.2.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 29.2 CHIVA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363
26.3 Operation in Blutleere . . . . . . . . . . . . . . . . 325 H. Nüllen, T. Noppeney
H.J. Hermanns 29.2.1 Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363
26.3.1 Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 29.2.2 CHIVA-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363
26.3.2 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 29.2.3 Venennetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363
29.2.4 Rezirkulationskreise und Shunt-Typen . . . . . . 364
27 Chirurgie der Perforans-Varikosis . . . . . . . 329 29.2.5 Therapiekonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364
H. Nüllen, T. Noppeney 29.2.6 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365
27.1 Definition und Nomenklatur . . . . . . . . . . . . 330 29.2.7 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366
27.2 Spezielle Anatomie der Perforansvenen . . . . 332 29.3 Erhalt von venösem Transplantationsmaterial 366
27.3 Physiologie und Pathophysiologie . . . . . . . . 334 T. Noppeney, H. Nüllen
27.4 Therapie der Perforansvarikose . . . . . . . . . . 335 29.3.1 Häufigkeit der Insuffizienz des belassenen
27.4.1 Lokalisationsdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Stammvenensegments . . . . . . . . . . . . . . . . 367
27.4.2 Konservative Therapieverfahren . . . . . . . . . . 336 29.3.2 Qualität des belassenen Stammvenen-
27.4.3 Operative Therapieverfahren . . . . . . . . . . . . 336 segments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368
XIII
Inhaltsverzeichnis

29.3.3 Häufigkeit der Thrombose/Obliteration 32.5 Chirurgische Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . 401


des belassenen Stammvenesegmentes . . . . . . 369 32.5.1 Recrossektomie der Vena saphena magna . . . . 401
29.3.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 32.5.2 Rezidivcrossektomie in der Fossa poplitea . . . . 402
32.5.3 Komplikationen bei Rezidivoperationen . . . . . 402
30 Fehler und Gefahren in der Varizen- 32.5.4 Adjuvante Maßnahmen bei Rezidivoperationen 402
chirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 32.6 Ergebnisse von Rezidivoperationen . . . . . . . 403
K. Balzer
30.1 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 33 Chirurgie des Ulcus cruris venosum . . . . . . 405
30.2 Fehler und Gefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 H.J. Hermanns
30.2.1 Fehlerhafte Indikationsstellung . . . . . . . . . . . 372 33.1 Diagnostik bei Therapieresistenz . . . . . . . . . 406
30.2.2 Fehleranalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 33.1.1 MRT und CT des Unterschenkels . . . . . . . . . . 406
30.2.3 Unzureichende präoperative Diagnostik 33.1.2 Kompartmentdruckmessung (KDM) . . . . . . . . 407
in der Varizenchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . 374 33.1.3 Bakteriologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407
30.2.4 Unzureichende operative Technik in der Venen- 33.1.4 Wundbiopsie und Histologie . . . . . . . . . . . . 408
chirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 33.2 Operative Therapieansätze . . . . . . . . . . . . . 408
30.2.5 Unzureichende postoperative Therapie 33.2.1 Venenchirurgie und endovenöse Verfahren
in der Varizenchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . 377 bei Ulcus cruris venosum . . . . . . . . . . . . . . . 408
30.3 Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 33.2.2 Perforansvenenchirurgie bei Ulcus cruris
venosum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408
31 Spezielle Komplikationen in der invasiven 33.2.3 Shave-Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410
Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 33.2.4 Faszienchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413
31.1 Komplikationen und unerwünschte Ereignisse 33.3 Nachbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415
nach endovenösen Verfahren . . . . . . . . . . . 382
T. Noppeney
31.1.1 Radiofrequenzobliteration . . . . . . . . . . . . . . 382
31.1.2 Endovenöse Lasertherapie . . . . . . . . . . . . . . 383 VI Organisation und
31.2 Lymphgefäßläsionen bei der Varizen- Qualitätsmanagement
behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386
H. Nüllen, T. Noppeney
31.2.1 Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 34 Aufklärung vor therapeutischen
31.2.2 Topographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419
31.2.3 Häufigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 H. Nüllen, T. Noppeney
31.2.4 Schädigungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . 388 34.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420
31.2.5 Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 34.1.1 Aufklärung und Einwilligung als Prozess . . . . . 420
31.2.6 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 34.1.2 Rechtgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420
31.3 Nervenläsionen in der Varizenbehandlung . . 388 34.2 Inhalt der Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . 421
H. Nüllen, T. Noppeney 34.2.1 Umfang der Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . 421
31.3.1 Häufigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 34.2.2 Form der Aufklärung und der Einwilligung . . . . 421
31.3.2 Schädigungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . 389 34.2.3 Zeitpunkt der Aufklärung und der Einwilligung 421
31.3.3 Lokalisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 34.2.4 Besonderheiten des Aufklärungs-
31.3.4 Systematik der möglichen Nervenläsionen . . . 391 und Einwilligungsprozesses . . . . . . . . . . . . . 422
31.3.5 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 34.3 Einschränkungen der Aufklärungspflicht . . . . 422
31.3.6 Vermeidungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . 395 34.4 Fehler und Gefahren bei der Aufklärung . . . . 422
31.3.7 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 34.5 Aufklärung vor Verödungstherapie . . . . . . . 423
31.4 Fasziitis necroticans . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 34.6 Aufklärung vor operativen Maßnahmen . . . . 423
H. Nüllen, T. Noppeney 34.7 Aufklärung vor endovenösen Maßnahmen . . 424
T. Noppeney, H. Nüllen
32 Chirurgie der Rezidivvarikose . . . . . . . . . . 399
K. Wölfle
32.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400
32.2 Symptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400
32.3 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400
32.4 Indikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401
XIV Inhaltsverzeichnis

35 Anästhesieverfahren in der Varizen- 39 Nachsorge und Langzeitbetreuung . . . . . . 455


chirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 H. Nüllen, T. Noppeney
H. Röpcke
35.1 Präoperative Evaluation . . . . . . . . . . . . . . . 426 40 Lebensqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459
35.2 Zeitpunkt des anästhesiologischen H. Nüllen, T. Noppeney
Aufklärungsgesprächs . . . . . . . . . . . . . . . . 426 40.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460
35.3 Präoperatives Nüchternheitsgebot 40.2 Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461
bei elektiven Eingriffen . . . . . . . . . . . . . . . 427 40.2.1 Nutzentheoretische Messverfahren . . . . . . . . 461
35.4 Präoperative Medikation . . . . . . . . . . . . . . 427 40.2.2 Psychometrische Messverfahren . . . . . . . . . . 461
35.4.1 Perioperative Fortsetzung einer Dauer- 40.3 Spezielle Testverfahren . . . . . . . . . . . . . . . 462
medikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 40.4 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463
35.4.2 Medikamentöse Vorbereitung
für eine Anästhesie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 41 Begutachtung bei Varikose . . . . . . . . . . . . 465
35.5 Narkose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 H. Nüllen, T. Noppeney
35.6 Spinal- oder Periduralanästhesie . . . . . . . . . 428 41.1 Anforderungen an den Gutachter . . . . . . . . . 466
35.7 Lokalanästhetika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 41.2 Formale Anforderungen an ein Gutachten . . . 466
35.8 Lokalanästhetika-Intoxikation . . . . . . . . . . . 430 41.3 Struktur des sozialen Sicherungssystems . . . . 467
35.9 Tumeszenz-Lokalanästhesie . . . . . . . . . . . . 431 41.4 Wichtige Begriffe und Terminologie
35.10 Lagerung des Patienten . . . . . . . . . . . . . . . 431 im Gutachterwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467
35.11 Postoperative Schmerztherapie . . . . . . . . . . 432 41.5 Arbeitsunfähigkeit bei Varikose . . . . . . . . . . 470
35.12 Postoperative Übelkeit und Erbrechen . . . . . 432 41.6 Bewertungsgrundsätze der Varikose
35.12.1 Prophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 in gutachterlicher Hinsicht . . . . . . . . . . . . . 470
35.12.2 »rescue medication« . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 41.7 Begutachtung bei Varikose im Rahmen
35.13 Entlassung nach ambulanter Anästhesie . . . . 433 des Arzthaftungsrechtes . . . . . . . . . . . . . . . 472
35.14 Qualitätssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434
42 Leitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473
36 Thromboembolieprophylaxe . . . . . . . . . . 435 H. Nüllen, T. Noppeney
T. Noppeney, H. Nüllen 42.1 Geschichte und Entwicklung . . . . . . . . . . . . 474
36.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 42.2 Haftungsrechtliche Relevanz . . . . . . . . . . . . 474
36.2 Thromboseprophylaxe in der Varizenchirugie 436 42.3 Standards der Leitlinienentwicklung . . . . . . 474
36.3 Thromboseprophylaxe bei endovenösen 42.4 Leitlinien in der Gefäßmedizin . . . . . . . . . . . 475
Eingriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437
36.4 Thromboseprophylaxe bei Sklerosierung . . . 438 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477
36.5 Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . 438

37 MRSA in der Phlebologie . . . . . . . . . . . . . 441


H. Nüllen, U. Kamphausen, C. Nielen, T. Noppeney
37.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442
37.2 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442
37.3 Übertragung und Ausbreitung . . . . . . . . . . 443
37.4 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443
37.5 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443
37.6 MRSA-Management . . . . . . . . . . . . . . . . . 443
37.6.1 MRSA-Management in der ambulanten Praxis . 444
37.6.2 MRSA-Management in der Klinik . . . . . . . . . . 445
37.7 MRSA-Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . 446

38 Qualitätssicherung in der Varizenchirurgie 447


T. Noppeney, H. Nüllen
38.1 Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448
38.2 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449
38.3 Wertung und Weiterentwicklung . . . . . . . . . 452
XV

Mitarbeiterverzeichnis
Balzer, Klaus, Prof. Dr. med. Hartmann, Bernd, PD Dr. med. Noppeney, Jeanette, Dr. med.
Schemelsbruch 25 Innere Medizin, Sportmedizin, Medizinisches Versorgungszentrum
45478 Mülheim a.d. Ruhr Naturheilverfahren, Allergologie für Gefäßmedizin
St. Galler Straße 2 Obere Turmstraße 8
Blazek, Vladimir, Prof. Dr. Ing. 79249 Merzhausen/Freiburg 90429 Nürnberg
RWTH Aachen
Melatener Straße 25 Hermanns, Hans-Joachim, Dr. med. Noppeney, Thomas, Dr. med.
52056 Aachen Gemeinschaftspraxis für Gefäßmedizin Medizinisches Versorgungszentrum
Neue Linner Straße 86 für Gefäßmedizin
Brenner, Erich, Ao. Univ. Prof. Dr. med. 47799 Krefeld Obere Turmstraße 8
Medizinische Universität Innsbruck 90429 Nürnberg
Department für Anatomie, Histologie Hertel, Thomas, Dr. med.
und Embryologie, Sektion für klinisch- MVZ Gefäßzentrum Zwickau Nielen, Ch., Dr. med.
funktionelle Anatomie Bahnhofstraße 30 Gemeinschaftspraxis für Gefäßmedizin
Müllerstraße 59 08056 Zwickau in Mönchengladbach
A-06020 Innsbruck Rheydter Straße 276
Hummel, Thomas, Dr. med. 41065 Mönchengladbach
Breu, Franz-Xaver, Dr. med. Klinik für Gefäßchirurgie,
Facharzt für Allgemeinmedizin, St. Josefs Hospital Nüllen, Helmut, Dr. med.
Phlebologie Gudrunstraße 56 Gemeinschaftspraxis für Gefäßmedizin
Tegernseerstraße 101 44791 Bochum in Mönchengladbach
83700 Rottach-Egern Rheydter Straße 276
Kamphausen, Ulrich, Dr. med. 41065 Mönchengladbach
Brunner, Andrea, Dr. med. Gemeinschaftspraxis für Gefäßmedizin
Medizinisches Versorgungszentrum in Mönchengladbach Pannier, Felizitas, Dr. med.
für Gefäßmedizin Rheydter Straße 276 Statthalterhofweg 50
Obere Turmstraße 8 41065 Mönchengladbach 50858 Köln
90429 Nürnberg
Lang, Werner, Prof. Dr. med. Rabe, Eberhard, Prof. Dr. med.
Debus, E.-Sebastian, Prof. Dr. med. Uni. Erlangen/Gefäßchirurgie Universitätshautklinik
Klinik und Poliklinik für Gefäßmedizin Krankenhausstraße 12 Sigmund-Freud-Straße 25
Universitäres Herzzentrum GmbH 91054 Erlangen 53105 Bonn
Universitätsklinikum Hamburg-
Eppendorf Lawall, Holger, Dr. med. Ranft, Jürgen, Dr. med.
Martinistraße 52 Klinikum Karlsbad Knappschaftskrankenhaus Bottrop
20246 Hamburg Guttmannstraße 1 Klinische und Interventionelle
76307 Karlsbad Angiologie
Emter, Michael, Dr. med. Osterfelder Straße 157
Facharzt für Innere Medizin – Angiologie Müller, Ute, Dr. med. 46242 Bottrop
Bödecker Straße 72 Elisabeth Krankenhaus
30161 Hannover Lützowstraße 24–26 Reich-Schupke, Stefanie, Dr. med.
10785 Berlin Klinik für Dermatologie und Allergologie
Esser, Paul-Willi, Dr. med. Ruhr Universität Bochum,
Facharzt für Radiologie Mumme, Achim, Prof. Dr. med. St. Josef Hospital
Radiologische Gemeinschaftspraxis Klinik für Gefäßchirurgie, Gudrunstraße 56
Erkelenz St. Josefs Hospital 44791 Bochum
Am Schneller 13 Gudrunstraße 56
41812 Erkelenz 44791 Bochum
XVI Mitarbeiterverzeichnis

Rewerk, Stephan, Dr. med. Stücker, Markus, PD Dr. med.


Heidelberger Praxisklinik Klinik für Dermatologie und Allergologie
Sofienstraße 29 Ruhr Universität Bochum,
69115 Heidelberg St. Josef Hospital
Gudrunstraße 56
Röpke, Heiko, PD Dr. med. 44791 Bochum
Chefarzt der Abteilung
für Anästhesiologie Wagner, Andreas, PD Dr. rer. nat.
Städtische Kliniken Mönchengladbach Medizinische Fakultät der Universität
Hubertusstraße 100 Heidelberg
41238 Mönchengladbach Institut für Physiologie
und Pathophysiologie
Salzmann, Gerhard, Dr. med. Im Neuenheimer Feld 326
HELIOS William Harvey Klinik 69120 Heidelberg
Benekestraße 2–8
61231 Bad Nauheim Waldhausen, Peter, Dr. med.
Gemeinschaftspraxis für Gefäßmedizin
Schadeck, Michael, Dr. med. Neue Linner Straße 86
5, rue Michel Chasles 47799 Krefeld
F-75012 Paris
Wienert, Volker, Prof. Dr. med.
Steckmeier, Bernd, Prof. Dr. med. RWTH Aachen
Klinikum der Universität München Pauwelsstraße 6
Gefäßzentrum, Gefäßchirurgie 52074 Aachen
Pettenkoferstraße 8a
80336 München Winkler, Markus, Dr. med.
Medizinisches Versorgungszentrum
Schmedt, Claus-Georg, PD Dr. med. für Gefäßmedizin
Klinik für Gefäßchirurgie Obere Turmstraße 8
Katharinenhospital 90429 Nürnberg
Kriegsbergstraße 60
70174 Stuttgart Wölfle, Klaus-Dieter, Prof. Dr. med.
Klinikum Augsburg
Sroka, Roland, Dr. rer. Biol. Hum. Klinik für Gefäßchirurgie
Laser-Forschungslabor im Life-Center Stenglinstraße 2
Klinikum Großhardern LMU 86156 Augsburg
Marchioninistrasse 23
81377 München

Strass, Dieter, Dr. med.


Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Institut für Sport- und Sportwissenschaft
Schwarzwaldstraße 175
79117 Freiburg

Ströbel, Philipp, Prof. Dr. med.


Universitätsklinikum Mannheim
Pathologisches Institut
Theodor-Kutzer-Ufer 1–3
68167 Mannheim
I Grundlagen der Varikose
1 Geschichte der Varizenbehandlung –3
T. Noppeney

2 Anatomie und pathologische Anatomie des epifaszialen


Venensystems – 9
P. Ströbel, E. Brenner, H. Nüllen, T. Noppeney

3 Ätiologie der Varikose – 33


P. Ströbel

4 Epidemiologie chronischer Venenkrankheiten – 37


E. Rabe, F. Pannier

5 Varikose in verschiedenen Lebensabschnitten – 45


H. Nüllen, T. Noppeney, S. Reich-Schupke, M. Stücker

6 Physiologie und Pathophysiologie der venösen Hämodynamik – 51


A.H. Wagner

7 Sozialmedizinische und ökonomische Aspekte der Varikose – 61


H. Nüllen, T. Noppeney
1

1 Geschichte der Varizenbehandlung


T. Noppeney
4 Kapitel 1 · Geschichte der Varizenbehandlung

Die Varizentherapie hat eine sehr lange Tradition. Bereits nis zu der Erkrankung gestanden hätten, würde er sich das
1 Hippokrates (460–375 v. Chr.) (. Abb. 1.1) empfahl in andere Bein nicht operieren lassen (Gurlt 1898).
seiner Schrift über Wunden und Geschwüre Varizen von Bei Avicenna (980–1037) wurden prädisponierende
Zeit zu Zeit anzustechen. Krampfadern waren schon in der Faktoren und Berufe für die Varikose benannt, dazu zählen
Antike ein bekanntes und offensichtlich verbreitetes Krank- körperliche Belastung und mangelnde Bewegung; beruf-
heitsbild, so dass sie Eingang in die bildenden Künste fan- lich waren Läufer, Lastträger und Wachen, die zur Seite des
den. So ist auf einem Votivrelief aus dem Jahr 400 v. Chr. ein Königs stehen, belastet (Vaubel 1976). Von dem arabischen
varizentragender Unterschenkel abgebildet. Arzt Albucasis (936–1013) wurde das Anschwellen der
Die erste Krampfaderexstirpation wurde von dem Füße infolge einer Varikose beschrieben.
berühmten Arzt Aulus Cornelius Celsus (30 v. Chr.– Die Technik der Krampfaderexstirpation wurde über
45 n. Chr.) (. Abb. 1.2) beschrieben. Die Krampfader wur- die Jahrhunderte fortgeführt. Sie findet sich in den Schriften
de über einzelne Inzisionen im Verlauf freigelegt, mit einem von Oribasius (325–403 n. Chr.), der diese Technik bei
Haken hervor luxiert, durchtrennt und dann herausge- schwer heilenden Geschwüren angewandt hat. Zusätzlich
zogen. Abschließend wurden die Wundränder adaptiert beschreibt Oribasius die Skarifikation von Ulzera und das
und mit einem Pflaster versehen (Scheller 1906). Römische Ansetzen von Blutegeln.
Schriften belegen, dass dieser Eingriff auch tatsächlich Ein anderer Mediziner, Aetius Amideus, der Mitte des
durchgeführt wurde. Cajus Plinius Secundus (23–79 n. Chr.) 6. Jahrhunderts in Mesopotamien lebte, schrieb ebenfalls
schrieb über eine derartige Krampfaderoperation an dem über die chirurgische Therapie bei Krampfadern, für die
mehrfachen römischen Konsul C. Marius, der die Opera- zwei Methoden zur Verfügung stünden, die Exstirpation
tion im Stehen ohne Schmerzäußerungen über sich ergehen oder die Koagulation. Die Exstirpation von Krampfadern
ließ. Mit dem Ergebnis der Operation war C. Marius zufrie- ist auch im 14. Jahrhundert von Guy de Chauliac (1298–
den, aber angesichts der Schmerzen, die in keinem Verhält- 1368) unverändert ausgeführt worden. Eine ausführliche

. Abb. 1.1. Hippokrates. Unsignierter Kupferstich (aus Hach, Hach- . Abb. 1.2. Aulus Cornelius Celsus
Wunderle 1994)
1 · Geschichte der Varizenbehandlung
5 1

. Abb. 1.4. Fabricius Acquapendente

1590) verwendete eine lokale Kompression bei Ulzera. All-


gemeine Anerkennung erhielt die Kompressionstherapie
durch die Publikationen des königlich preußischen Ge-
neralchirurgen Johann Christian Theden (1714–1793;
. Abb. 1.3. Armamentarium chirurgiucum des Johannes Scultetus
Vaubel 1976)
Ulmensis anno 1661 (aus Hach, Hach-Wunderle 1994) 1589 hatte Fabricius Hildanus (1560–1634) die Um-
kehr des venösen Kreislaufs in erweiterten Venen bei Lage-
änderungen beschrieben. Im Jahre 1603 publizierte Fabri-
Beschreibung der Operationstechnik findet sich im Arma- cius Aquapendente seine Entdeckung der Venenklappen
mentorium chirurgicum des Johann Scultetus Ulmensis (. Abb. 1.4). Die Kenntnis der Venenklappen war eine der
(1595–1645), das im Jahre 1653 erschienen ist. Hier wendet Voraussetzungen, die William Harvey (1578–1657) zur
Scultetus die Exstripation von Krampfadern (. Abb. 1.3), Entdeckung des Blutkreislaufes geführt hat.
die er in Padua als Student erlernte, an einem Patienten an. Die Erkenntnisse zur Physiologie und Pathophysiologie
Dieser wurde nach der Operation von einer heftigen Infek- des Venensystems hatten keinen Einfluss auf die Fort-
tion befallen. Als Konsequenz schloss Scultetus daraus, in schritte der operativen Therapie. Erst mit der Entdeckung
Zukunft Patienten mit Strümpfen aus Hundsfellen oder des Asepsis und der Einführung einer adäquaten Schmerz-
Arzneien zu versorgen (Hach 2008). therapie, bzw. der Narkose, wurden die chirurgischen Tech-
Diese Haltung spiegelt den Zeitgeist gut wieder. Seit niken weiterentwickelt. Die Grundlagen der modernen
dem Mittelalter stand man operativen Eingriffen wegen Varizenchirurgie wurden durch Otto Madelung (1846–
der hohen Komplikationsraten, auch mit Todesfolge, und 1926) und Friedrich Trendelenburg (1844–1924) gelegt.
den mit dem Eingriff verbundenen Schmerzen zunehmend Der Rostocker Ordinarius Madelung hielt 1884 auf
ablehnend gegenüber. der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie
Varizen wurden vornehmlich mit Aderlass, Ulzera mit einen Vortrag zum Thema: »Über die Ausschälung cir-
der Auflage von Ätzmitteln und ggf. äußerer Kompression soider Varicen an den unteren Extremitäten« (Madelung
behandelt. 1884) (. Abb. 1.5). Über lange Inzisionen am Unterschen-
Kompressionsverbände sind schon in den medizini- kel, teilweise mit Ablösung der Haut, und der Unterbin-
schen Werken der Antike erwähnt. Sie bestanden aus ver- dung von Perforansvenen wurden die Varizen exstirpiert.
schiedenen Materialien, häufig Tierhäuten. F. Aquapen- Die Ergebnisse der Operation waren gut, sie fand in
dente (1537–1619) empfahl neben der Anfrischung der Deutschland relativ weite Verbreitung.
Wunde bei Ulcus cruris die Kompression mit Binden und Trendelenburg entdeckte das pathophysilologische
Schnürstrümpfe aus Hundeleder. Ambroise Pare (1510– Konzept des Privatkreislaufs mit Reflux des venösen Blutes
6 Kapitel 1 · Geschichte der Varizenbehandlung

dernen Venenchirurgie, die sich Anfang des 20. Jahrhun-


1 derts in mehreren Ländern gleichzeitig entwickelte.
William Keller publizierte 1905 (Keller 1905) die Venen-
exstirpation mittels eines Drahtes über zwei kleine Inzi-
sionen. Babcock stellt 1907 das Stripping der V. saphena
magna von der Leiste bis zum Innenknöchel mittels einer
Sonde aus Kupfer oder Messing, an deren Ende jeweils ein
runder Kopf befestigt ist, an 11 Patienten vor. Diese Patien-
ten, meist Ulkusträger, konnten so erfolgreich operiert
werden (Babcock 1907) (. Abb. 1.6).
Die Trendelenburgsche Operation hatte in einem
hohen Prozentsatz sofortige Erfolge zu verzeichnen, über
einen längeren Zeitraum hinweg verschlechterten sich die
Befunde drastisch (Hohlbaum 1998). In Hohlbaum 1998
wird von einer Untersuchung an 60 Patienten berichtet, die
1–2 Jahre nach der Operation eine Besserung von 81,25%
aufwiesen, 7–10 Jahre postoperativ nur noch in 4%. Wegen
der sich bei der Trendelenburgschen Ligatur sehr schnell
entwickelnden Kollateralen, strebte man bald danach, die
Ligatur immer höher anzusetzen. Wanscher führte 1901
als einer der ersten korrekte Crossektomien durch (Hohl-
baum 1998). 1910 berichtete Moro dann über systema-
tische Crossektomien (Moro 1910). Trotz aller Hinweise
darauf, dass die Ausschaltung der Crosseäste Rezidiven
vorbeugen kann, blieb die Technik bis in die 20er Jahre des
. Abb. 1.5. Operationsmethode nach Mandelung (1884). Exzision letzten Jahrhunderts umstritten (Hohlbaum 1998).
der Krampfadern durch ausgedehnte Schnittführungen am Unter- Parallel zu den o.g. chirurgischen Prinzipien, die noch
schenkel (aus Hach, Hach-Wunderle 1994) heute die Technik der klassischen Varizenoperation prägen,
entwickelten sich andere Verfahren, die sich, trotz teilwei-
ser guter Resultate, nicht durchsetzen konnten:
1877 berichtete Max Schede (1844–1902) über multi-
ple, bis zu 100 Ligaturen und Durchtrennungen von
Krampfadern am Unterschenkel (Schede 1877).
1908 wurden von Friedel und Rindfleisch (1836–1909)
spiralförmige, zirkuläre Schnitte um die betroffene Extre-
mität ausgeführt. Diese sollte dazu dienen, den venösen
Rückstrom zu unterbrechen und die Ulkusheilung zu be-
fördern. Die Ergebnisse dieser Technik hinsichtlich der
Ulkusabheilung waren wohl gut, die kosmetischen Resul-
tate jedoch verheerend (Hach 2001).
1927 publizierte Moszkowicz die Ligatur der V. saphe-
na magna am Oberschenkel in Kombination mit Sklerosie-
rung der Vene nach distal mit einer konzentrierten Zu-
. Abb. 1.6. Stripping der V. saphena magna. Operationszeichnung ckerlösung (Moszkowicz 1927). Moszkowicz selbst war ein
aus der Arbeit von Babcock 1907 (aus Hach, Hach-Wunderle 1994) erklärter Gegner der Crossektomie und sah darin sogar
die Ursache von Todesfällen (Hohlbaum 1998). Diese Ope-
rationstechnik wurde noch bis in die 2. Hälfte des letzten
in die insuffiziente V. saphena magna. In seiner Veröffent- Jahrhunderts häufig durchgeführt. Sie führte zu einer ho-
lichung 1891 leitete er aus dieser Theorie die Ligatur der hen Anzahl von Rezidiven – zum einen Rekanalisierung
V. saphena magna ab, um einen Rückfluss des venösen der sklerosierten Vene, zum anderen erneute Varikose aus
Blutes und damit eine Druckentlastung am Unterschenkel dem nicht behandelten Mündungsgebiet. Die Operation
zu erreichen (Trendelenburg 1891). Die Kombination nach Mozkowicz wird deshalb heute nicht mehr ange-
dieser beiden Verfahren bildete den Grundstock der mo- wandt.
1 · Geschichte der Varizenbehandlung
7 1
1906 stellte Delbet sein Verfahren der sapheno-femo- Literatur
ralen Anastomose vor (Delbet 1906). Die Anastomose zwi- Babcock WW (1907) A new operation of varicose veins of the leg. New
York Medical J 86: 153–156
schen V. saphena und V. femoralis wurde ca. 12 cm distal
Delbet P (1906) Traitment de varices par l anastomose sapheno-femo-
der ehemaligen Saphenamündung angelegt, durch die pro- ral. Bull Med 20 : 1119–1121
ximal in der V. femoralis gelegene Klappe sollte dadurch Gurlt E (1898) Geschichte der Chirurgie und ihrer Ausübung, Bd. 1
ein Rückstrom in die V. saphena verhindert werden. Hirschwald, Berlin 334–879
1906 veröffentlichte Narath (1864–1924) eine Opera- Hach W, Hach-Wunderle V (1994) Die Rezirkulationskreise der primä-
ren Varikose Springer Berlin, Heidelberg, New York, 26–54
tionsmethode, die letztlich auf die Technik von Celsus zu-
Hach W, Hach-Wunderle V (2001) Die Wandlung der theoretischen
rückgeht. Die V. saphena wurde über ca. 1 cm messende Konzepte in der Chirurgie der Stammvarikose im 19. Jahrhundert.
Inzisionen im Abstand von 10–12 cm entfernt (Narath Gefäßchirurgie 6: 111–118
1906). Hach W (2008) Historische Einführung in die Chirurgie der Venen.
Wie aus dem oben Geschilderten abzulesen ist, S. 1–4. In: Hach W; Venenchirurgie. Schattauer Stuttgart,
New York
herrschte schon zum Ende des 19. und Beginn des 20. Jahr-
Hohlbaum GG (1998) Pathogenetische Theorien und chirurgische
hunderts eine Polypragmasie in der Therapie der Varikose. Therapie der Varizen im 19. und 20. Jahrhundert; Teil 1. Phlebolo-
Dies erinnert an heutige Zeiten, in denen zahlreiche Me- gie 27: 138–146
thoden zur Therapie der Varikose propagiert werden – Hohlbaum GG (1998) Pathogenetische Theorien und chirurgische
CHIVA, Entfernung der Stammvenen ohne Crossektomie, Therapie der Varizen im 19. und 20. Jahrhundert; Teil 2. Phlebo-
logie 27: 171–179
ausschließliche Entfernung der Seitenäste, thermische Zer-
Keller W (1905) a new method of exstirpating the internal saphenous
störung der V. saphena mit Wasserdampf – die bislang in and similar veins in varicose conditions; a preliminary report.
wissenschaftlichen Studien ihre Nachhaltigkeit nicht nach- New York Medical J 82: 365
weisen konnten. Sie verlassen teilweise die fundamentalen Madelung O (1884) Über die Ausschälung circoider Varicen an der
Grundsätze der Varikosetherapie, die sich in Jahrhun- unteren Extremität. Verh Dtsch Ges Chir 13: 114–117
Moro G (1910) Über die Pathogenese und die zweckmäßigste Behand-
derten bewährt haben.
lung der Krampfadern der unteren Extremitäten. Beitr klin Chir
Wir benötigen zur nachhaltigen Therapie der Varikose 71:420
nicht Polypragmasie, sondern wissenschaftlich fundierte Moszkowicz L (1927) Behandlung der Krampfadern mit Zuckerin-
Erkenntnisse, die Antworten auf folgenden Fragen liefern: jektionen kombiniert mit Venenligatur. Zentralbl Chir 54: 1732–
4 Was leistet ein Verfahren? 1736
Narath A (1906) Über die subkutane Exstirpation ektatischer Venen
4 Bei welchem Patienten ist es einzusetzen?
der unteren Extremität. Dtsch Z Chir 83: 104–110
4 Welche Komplikationen oder unerwünschte Wirkun- Schede M (1877) Über die operative Behandlung von Unterschenkel-
gen hat es? varicen Berlin Klin Wochenschr 14: 85–89
4 Was ist im Langzeitverlauf zu erwarten? Scheller E (1906) Aulus Cornelius Celsus über die Arzneiwissenschaft
Vieweg und Sohn, Braunschweig, 430–431
Trendelenburg F (1891) Über die Unterbindung der Vena saphena
Meilensteine in der Behandlung der Varikose magna bei Unterschenkelvaricen. Beitr Klin Chir 7: 195–210
Vaubel WE, Enes-Gaio F (1976) Aus den Anfängen der Varizenbehand-
4 Exstirpation von Krampfadern (Celsus 30 v. Chr. –
lung Med Welt 27: 991–994
45 n. Chr.)
4 Kompressionstherapie (Antike bis zur Gegenwart)
4 Entfernung der erkrankten V. saphena (Madelung
1884)
4 Entdeckung des Rezirkulationskreislaufs
(Trendelenburg 1891, Hach 1994)
4 Ligatur der V. saphena magna im Mündungs-
bereich (Trendelenburg 1891)
4 Stripping der V. saphena magna (Babcock 1907)
4 Crossektomie V. saphena magna (Moro 1919)

Auch wenn für die Crossektomie keine wissenschaftlichen


Studien auf höchstem Evidenzniveau vorliegen, so muss
man aufgrund der historischen Entwicklung anerkennen,
dass die exakte Crossektomie die Rezidivraten der Varizen-
chirurgie deutliche senken konnte und damit unverzicht-
barer Bestandteil der klassischen Varizenoperation ist.
2

2 Anatomie und pathologische


Anatomie des
epifaszialen Venensystems
2.1 Anatomie des epifaszialen Venensystems – 10
P. Ströbel
2.1.1 Histologischer Aufbau von Venen – 10
2.1.2 Das epifasziale Venensystem – 10
2.1.3 Venensystem des Fußes – 14
2.1.4 Tiefe Beinvenen – 14
2.1.5 Venae perforantes (PV) – 16

2.2 Spezielle Anatomie der Crossenregionen – 18


E. Brenner
2.2.1 Crosse der V. saphena magna – 18
2.2.2 Crosse der V. saphena parva – 22

2.3 Pathologie des epifaszialen Venensystems – 24


P. Ströbel
2.3.1 Pathohistologische Veränderungen an varikösen Venen – 24

2.4 Anatomische Varianten am epifaszialen Venensystem


der Beine – 26
H. Nüllen, T. Noppeney
2.4.1 Varianten der Mündungsregion der Vena saphena magna (VSM) – 26
2.4.2 Varianten im Verlauf des Stammes der VSM – 27
2.4.3 Varianten der Mündungsregion der Vena saphena parva (VSP) – 28
2.4.4 Varianten im Verlauf des Stammes der VSP – 29
2.4.5 Dorsale Venenstämme des Oberschenkels – 29
2.4.6 Arterien im Bereich des Hiatus saphenus – 31
10 Kapitel 2 · Anatomie und pathologische Anatomie des epifaszialen Venensystems

2.1 Anatomie des epifaszialen WPBs enthalten das Matrixprotein von-Willebrand-Fak-


Venensystems tor (vWF), einen wichtigen Faktor für die Adhäsion von
Endothelzellen an die Basalmembran und für die Stabili-
2 P. Ströbel sierung des Gerinnungsfaktors VIII. Mangel an von-Wil-
lebrand-Faktor zählt zu den häufigsten angeborenen Ur-
Venen führen das Blut aus den Kapillarnetzen zum Herzen sachen für eine erhöhte Blutungsneigung. Bei Verletzung
zurück. Sie verlaufen im großen Kreislauf normalerweise der Endothelzellschicht bindet der vWF Thrombozyten,
parallel zu den Arterien. Das venöse System hat eine viel die den Defekt sofort bedecken und die spätere Heilung
größere Kapazität als das der Arterien (Blutreservoir). Der durch neugebildete Endothelzellen vorbereiten.
Wandaufbau der postkapillären Venolen ähnelt noch dem Die Intima mittelgroßer Venen bildet Klappen, die den
der Kapillaren (fenestriertes Endothel, Basallamina und Blutstrom zum Herzen frei geben, jedoch den Rückstrom
Perizyten). Postkapilläre Venolen zeichnen sich durch ihre der Blutsäule verhindern. Sie fehlen in den meisten Bauch-
besonders hohe, regulierbare Durchlässigkeit aus und sind venen und im Kopf-Hals-Bereich. Die Anzahl der Venen-
bei Entzündungen Hauptort der Auswanderung von Leu- klappen in der unteren Extremität nimmt von proximal
kozyten aus dem Blut. Durch Entzündungsmediatoren nach distal hin zu. Meist kommen Venenklappen noch in
(z. B. Histamin und Bradykinin) kommt es zu einer re- der V. femoralis vor, aber in etwa einem Drittel der Fälle ist
versiblen Lösung der Zellkontakte mit Auftreten großer die V. femoralis oberhalb der Einmündung der V. saphena
Lücken, durch die Wasser und Plasmaproteine austreten magna und V. iliaca externa klappenlos. Dies führt dazu,
können. Mit zunehmender Größe der Venolen treten auch dass erhöhte intraabdominelle Venendrücke auf die die
glatte Muskelzellen auf, die sich nach und nach zu einer V. saphena magna übertragen werden.
Tunica media organisieren.
Media
Im Unterschied zu Arterien sind in der Media von Venen
2.1.1 Histologischer Aufbau von Venen die glatten Muskelzellen eher in Bündeln als in konzent-
rischen Schichten angeordnet. Ihre Dicke ist von der ana-
Venen sind aufgrund der weniger entwickelten Muskulatur tomischen Lokalisation abhängig: so ist die Media der
meist dünnwandiger als Arterien, unterscheiden sich in Venen der unteren Körperhälfte muskelzellreicher als die
ihrem Wandaufbau jedoch nicht grundsätzlich von ihnen. der Venen der oberen Körperhälfte.
Wie Arterien bestehen auch Venen aus einer Tunica intima,
einer Tunica media und einer Adventitia. Im Unterschied Adventitia
zu Arterien ist diese Schichtengliederung bei den Venen Die Adventitia ist bei den meisten Venen nur unscharf von
weniger deutlich ausgeprägt und wird von der anatomi- der Media abgegrenzt (Venen besitzen im Unterschied zu
schen Lokalisation bestimmt. Die Textur der Venenwand Arterien keine Lamina elastica externa), vielmehr geht das
ist meist lockerer als die der Arterien und weist kollagen- Bindegewebsgerüst der Media allmählich in das adventi-
faserreiche Bindegewebszüge auf. tielle Bindegewebe über, durch das die Vene in dem umlie-
genden Weichgewebe verankert wird. Bei größeren Venen
Intima finden sich hier auch die Zuflüsse der Vasa vasorum und
Die Intima besteht aus einem einschichtigen Epithel (En- reichlich sensible und vegetative Nerven.
dothel) mit unterschiedlich dicker Basalmembran. Das
Endothel erfüllt 3 wichtige Aufgaben
1. Aufrechterhalten einer regulierbaren Barriere zwischen 2.1.2 Das epifasziale Venensystem
Blut und Interstitium
2. Verhindern der spontanen Blutgerinnung (Antithrom- Die Venen der unteren Extremität werden in drei Systeme
bose, z. B. durch die Produktion und Ausschüttung von unterteilt:
Prostazyklinen) 4 das superfizielle System
3. Kontrolle des Gefäßtonus durch Abgabe von vasoak- 4 das tiefe System
tiven Substanzen (Vasokine), die sowohl verengend 4 das perforierende venöse System
(z. B. Endothelin-1, Plättenaktivierungsfaktor PAF) als
auch erweiternd (z. B. Stickstoffmonoxid, Prostacycli- Das superfizielle Venensystem liegt im superfiziellen
ne) wirken können Kompartment, das zur Tiefe hin durch die Muskelfaszie (Fas-
cia lata) und zur Oberfläche hin durch die Dermis begrenzt
Besonders die Endothelien von Venen enthalten spezi- wird (daher auch als »epifasziales« System bezeichnet). Die
fische Organellen, die sog. Weibel-Palade-bodies (WPB). meisten durch den Gefäßmediziner behandelten Venen sind
2.1 · Anatomie des epifaszialen Venensystems
11 2

. Abb. 2.1. Epifasziale Venen. a, b An einem rechten Bein. c Oberflächliche (epifasziale) und tiefe (subfasziale) Venen des Unterschenkels
der rechten Seite (aus Tillmann 2004)
12 Kapitel 2 · Anatomie und pathologische Anatomie des epifaszialen Venensystems

dem superfiziellen System zuzurechnen. Der Begriff »per-


forierend« ist für die Venen reserviert, welche die Muskel- . Tab. 2.1. Übersicht über die Venen des superfiziellen
Systems
faszie durchbrechen und das superfizielle mit dem tiefen
2 Venensystem verbinden. Als »kommunizierend« werden Aktuelle Nomenklatur Synonyme und ältere
solche Venen bezeichnet, die Venen des gleichen Systems Bezeichnungen
miteinander verbinden. In der Nomenklatur des Venen- (falls abweichend)
systems ist generell die Verwendung der anatomischen Be- V. saphena magna Große Rosenkranz-Vene
zeichnungen der Verwendung von (historisch nicht selten
inkorrekten) Eigennamen vorzuziehen (. Tab. 2.1). V. pudenda externa

V. circumflexa superficialis ilium V. circumflexa superficialis


Vena saphena magna (VSM)
V. epigastrica superficialis
Die V. saphena magna ist die größte superfizielle Trans-
port- und Sammelvene und zugleich die längste Vene des V. dorsalis penis/clitoridis super-
Körpers. Die VSM liegt in einem eigenen Bindegewebs- ficialis
kompartiment, das zur Tiefe hin von der Muskelfaszie Vv. scrotalis/labialis anteriores
(Fascia lata) und zur Subkutis hin durch die Fascia saphena
V. circumflexa femoris anterior
(früher auch als Scarpa-Faszie bezeichnet) begrenzt wird
und in dem nur die VSM selbst, der Nervus saphenus und V. circumflexa femoris posterior Giacomini
begleitende Arterien liegen. Die Zuflüsse der VSM liegen
V. saphena magna accessoria V. saphena accessoria
sämtlich außerhalb dieses Kompartiments. anterior
Die VSM beginnt als V. marginalis medialis am medialen
Fußrand, zieht vor dem Malleolus medialis zur medialen V. saphena magna accessoria V. saphena accessoria
posterior
Seite des Unterschenkels und hinter dem Condylus medialis
des Oberschenkels über das Kniegelenk hinweg zur medi- V. saphena magna accessoria V. saphena accessoria
alen Oberfläche des Oberschenkels hinauf (. Abb. 2.2). superficialis
Hier verläuft sie am medialen Rand des Musculus sar- V. tibialis anterior superficialis
torius, bevor sie im Trigonum femorale in die V. femoralis
V. tibialis posterior superficialis
einmündet (sapheno-femorale Junktionszone, SFJ). Im kli-
nischen Sprachgebrauch werden sowohl die Einmündung Vv. intersaphenae
der V. saphena magna in die V. femoralis als auch die Ein-
V. saphena parva Kleine Rosenkranz-Vene
mündung der V. saphena parva in die V. poplitea als Crosse
bezeichnet (crosse, frz.: der Bischofsstab). Die Crosse der Extensio cranialis V. saphenae V. femoro-poplitealis
parvae
VSM liegt topographisch in der inguinalen Hautfalte, einen
Fingerbreit medial der A. femoralis. Die genauen anatomi- V. saphena parva superficialis
schen Begrenzungen nach proximal und distal sind nicht accessoria
einheitlich definiert worden. Streng genommen bezeichnet Laterales Venensystem
die anatomische Bezeichnung nur die tatsächliche Ein-
mündung der V. saphena mit ihrer terminalen Klappe. Arcus venosus dorsalis und
plantaris pedis
Diese Klappe kann auch einige Millimeter distal der Ein-
mündung liegen (subterminale Lage) und verhindert den Rete venosum dorsale pedis
venösen Reflux aus der V. femoralis. Neuere Arbeiten ver-
Superfizielle metatarsale Venen Vv. plantares metatarsales
wenden den Begriff SFJ aber häufig für einen Abschnitt bis (dorsal und plantar)
3-5 cm distal der präterminalen Venenklappe der VSM,
Subkutanes plantares Venen-
welche Reflux von kleineren Zuflüssen (Begleitvenen von
geflecht
Arterien der Bauchhaut, der Leistengegend und des äuße-
ren Genitales) in den Hauptstamm der V.saphena verhin- Superfizielle digitale Venen
dert. Die Begrenzung der SFJ nach proximal wird bezeich- V. marginalis lateralis und medialis
net durch die oberhalb der Einmündung gelegenen Venen-
klappe in der V. femoralis. In Anlehnung an: International Interdisciplinary Consensus
Committee on Venous Anatomical Terminology, 2002

V. dorsalis penis/clitoridis superficialis


Sie drainiert Skrotum, Penis bzw. Vulva und Perineum.
Variköse Veränderungen kommen bei iliakalen Obstruk-
2.1 · Anatomie des epifaszialen Venensystems
13 2
. Abb. 2.2. Topographie der V. saphena magna
und parva.

tionen oder schweren pelvinen Varizen, auch bei Variko- Die Eintrittsstelle in die VSM liegt meist 5-10 cm un-
zele, vor. terhalb der Einmündung der VSM in die V. femoralis. Da
das Gefäß näher an der Muskelfaszie liegt, imponieren
V. epigastrica superficialis und V. circumflexa variköse Veränderungen häufig weniger ausgeprägt als bei
superficialis ilium der V. saphena magna accessoria anterior. Anastomosen
Diese Venen drainieren das untere Abdomen, sowie Hüfte mit der Extensio cranialis der V. saphena parva kommen in
und den oberen Teil der Haut des Oberschenkels. Der Haupt- etwa 70% vor und entsprechen der V. circumflexa femoris
stamm dieses verzweigten Gefäßsystems wird kurz vor posterior (»Giacomini-Vene«) (. Abb. 2.2).
seinem Eintritt in die V. saphena magna von der A. pudenda Neuere Arbeiten legen nahe, dass die Giacomini-Vene
externa begleitet, die bei Verletzungen stark bluten kann. bei Insuffizienz von VSM und VSM eher selten mitbetrof-
Das gesamte epigastrische System ist bei Verschlüssen fen ist.
der V. cava oder portaler Hypertension Teil des wichtigsten
Umgehungskreislaufes. An dieser Stelle soll darauf hinge- V. tibialis anterior superficialis
wiesen werden, dass auch die Venen der Beckeneingeweide Sie ist meist auch bei normalen Verhältnissen von außen
eine wichtige Rolle in der Entstehung variköser Veränderun- sichtbar. Nach variablem Verlauf entlang des Schienbeins
gen der unteren Extremität spielen können. Die Anatomie mündet das Gefäß knapp unterhalb der Patella in die VSM
des Venensystems im Becken ist sehr komplex mit zahl- ein. Mit den tiefen Vv. tibiales anteriores bestehen Verbin-
reichen variablen Anastomosen und Abflüssen, auf die im dungen über Perforans-Venen.
Rahmen dieser Beschreibung nicht näher eingegangen
werden kann. V. tibialis posterior superficialis
Sie verläuft an der posterioren medialen Oberfläche der
V. saphena magna accessoria anterior Wade. Die große klinische Bedeutung dieses Astes liegt in
Dieses Gefäß stellt zusammen mit der V. saphena magna den topographisch relativ konstanten Verbindungen zur
accessoria posterior die beiden Hauptzuflüsse der VSM am gleichnamigen Vena tibialis posterior des tiefen Venensys-
Oberschenkel dar. Der anatomische Begriff bezeichnet tems über 2 bis 3 Perforans-Venen (Vv. perforantes tibialis
jedes in anteriorer Position parallel zur VSM aufsteigende posterior (»Cockett«)), die häufig eine Rolle bei kutanen
Venensegment. Da dieses Gefäß häufig varikös verändert Komplikationen der Knöchel- und Fußregion spielen.
ist, besteht manchmal Verwechslungsgefahr mit der VSM Anastomosen der V. tibialis posterior superficialis mit der
selbst. Anastomosen mit der V. circumflexa superficialis Vena saphena parva oder ihren Ästen sind häufig.
ilium sind häufig und zahlreich.
V saphena parva (VSP)
V. saphena magna accessoria posterior Die V. saphena parva (VSP) zieht oberflächlich vom late-
Definiert als jedes in posteriorer Position parallel zur VSM ralen Fußrand, beginnend mit der V. marginalis lateralis,
aufsteigende Venensegment. epifaszial hinter dem lateralen Knöchel zur Wade, durch-
14 Kapitel 2 · Anatomie und pathologische Anatomie des epifaszialen Venensystems

bohrt aufsteigend die Faszie und mündet zwischen den Venen am Fußrücken, das Rete venosum dorsale pedis, wel-
beiden Köpfen des M gastrocnemius in der Tiefe in die ches über ebenfalls klappenlose Perforansvenen auch Blut
V. poplitea (. Abb. 2.2). aus der Tiefe aufnimmt. In ihn münden auch die Vv. digi-
2 Diese Crosse liegt in über 50% der Fälle innerhalb von tales dorsales pedis von der Dorsalfläche der Zehen.
5 cm um die Hautfalte des gebeugten Knies, in den übrigen Diese Verbindungen zwischen den Venen der Fußsoh-
Fällen 5–10 cm oberhalb dieser Marke. Gelegentlich mün- le mit den Venen des Fußrückens beteiligen sich bei Belas-
det die VSP nicht in die V. poplitea, sondern in die VSM, tung des Fußes am Auspressen des schwammartigen Fuß-
oder sie zieht weiter nach proximal, wo sie in die V. glute- sohlennetzes und können darüber hinaus die Fortleitung
alis, pudenda interna oder die V. saphena magna accessoria von Entzündungen begünstigen.
posterior mündet. Gewöhnlich durchbohrt die VSP die Während die tiefen Fußvenen direkt in die V. dorsalis
Muskelfaszie nicht gleich, sondern verläuft eine Strecke pedis (Fußrücken) bzw. V. tibialis posterior (Fußsohle)
lang intrafaszial. Die Durchtrittshöhe kann bei Varikose drainieren, liegt der Hauptabfluss vom Fußrückennetz an
eine Rolle spielen, da die Vene häufig nur distal vom Fas- den Fußrändern und erfolgt vor allem über die Vv. margi-
zieneintritt varikös entartet ist, proximal davon aber suffi- nales medialis und lateralis, die dann ihrerseits in die Vena
zient. Die wichtigsten Zuflüsse erhält die VSP aus lateralen saphena magna (V. marginalis medialis) bzw. parva
und medialen Ästen, die aufgrund der hohen Variabilität (V. marginalis lateralis) einmünden.
nicht näher benannt werden. Diese Seitenäste sind meist
klein und führen Blut aus dem Subkutangeflecht der Wade Tipp
und der Knieregion. In der Wadenregion gibt es drei Ver-
Die Klappenlosigkeit der Perforansvenen des Fußes
bindungsäste zwischen VSP und VSM (Vv. intersaphenae),
und der Knöchelregion kann durch Punktion einer
die bei Varikose häufig betroffen sind: einer im unteren
Fußrückenvene und Drosselung des oberflächlichen
Drittel, einer in Wadenmitte und einer dicht unterhalb des
Blutabflusses mittels Stauschlauch für die gezielte
Knies. Normalerweise fließt das Blut von der VSP zur
Kontrastmitteldarstellung der tiefen Unterschenkel-
VSM. Bei Insuffizienz der VSM findet dagegen eine Um-
venen ausgenutzt werden.
kehr dieser Strömungsrichtung mit Rückstau in die VSP
statt. Klinisch bedeutsam auch die Verbindung zwischen
VSP und VSM in der Knöchelregion, über die sich variköse
Veränderungen bei Insuffizienz der VSP auf beide Knöchel 2.1.4 Tiefe Beinvenen
ausdehnen können.
Die tiefen Venen können unterteilt werden in intermus-
kuläre und intramuskuläre Venen. Intermuskuläre Venen
2.1.3 Venensystem des Fußes (Vv. comites) sind Begleitvenen der Arterien, sind mit
diesen in gemeinsame Gefäßscheiden eingeschlossen und
Der venöse Blutfluss des Fußes weist aufgrund der hohen werden nach ihnen benannt. Die meisten Arterien (mit
lokalen Druckbelastungen der Fußsohle anatomische und Ausnahme von A. femoralis und A. poplitea) werden von
funktionelle Besonderheiten auf. Zusammen mit den Ve- paarigen Venen begleitet, die strickleiterartig miteinander
nen der Knöchelregion bilden die Fußvenen eine der sog. verbunden sind und periarterielle Geflechte bilden kön-
Wadenmuskelpumpe vorgeschaltete Druck-Saug-Pumpe. nen. Meist vereinigen sich diese Begleitvenen vor Einmün-
Die Fußsohle ist von einem dichten und feinmaschigen dung in die hierarchisch nächstgrößere Vene.
venösen oberflächlichen Venengeflecht überzogen (»vas- Intramuskuläre Venen verlaufen dagegen innerhalb
kuläre Sohle«). Das Blut aus diesem Netzwerk wird an den der Muskulatur, die sie drainieren. Von den zahlreichen
Fußrändern über die Vv. marginales medialis und lateralis intramuskulären Venen sind vor allem die Vv. solealis und
in die Vena saphena magna (V. marginalis medialis) bzw. Vv. gastrocnemii von klinischer Bedeutung, da die Kon-
parva (V. marginalis lateralis) drainiert, zusätzlich bestehen traktion dieser beiden Muskelgruppen (M. soleus und
klappenlose Perforansvenen, welche eine Verbindung zu gastrocnemius) für den größten Teil der Muskelpumpe der
den tiefen Vv. plantares herstellen, welche ihrerseits in die Wadenmuskulatur verantwortlich sind.
V. tibialis posterior münden. Im Fußballenbereich vereini-
gen sich die oberflächlichen Venen zu einem Arcus venosus Intermuskuläre tiefe Beinvenen
plantaris, der über VV. interdigitales mit dem Arcus veno- (Venae comites)
sum dorsalis pedis des Fußrückens in Verbindung stehen. V. femoralis (communis)
Über diese Vv. interdigitales bildet der Arcus venosum dor- Sie entsteht durch Zusammenfluss der V. femoralis mit
salis pedis den Hauptabfluss für das Blut der Fußsohle, zu- der V. profunda femoris. Die V. femoralis setzt sich aus
gleich begrenzt er bogenförmig ein Netzwerk superfizieller der V. poplitea am oberen Rand der Kniekehle fort und
2.1 · Anatomie des epifaszialen Venensystems
15 2
windet sich im Canalis adductorius schraubenförmig um mit der V. tibialis posterior und der V. fibularis zur Vena
die A. femoralis, mit der sie in einer gemeinsamen Gefäß- poplitea.
scheide liegt, die aber innen durch ein sagittales Septum
unterteilt ist. Vv. tibiales posteriores
Die V. profunda femoris entsteht durch Vereinigung Sie entstehen durch Zusammenfluss der Vv. plantares,
von Venen, welche die Muskulatur der hinteren und seit- steigen auf der Rückseite des Unterschenkels in der tiefen
lichen Hüftregion drainieren, sowie durch tiefe femorale Wadenloge auf und nehmen hier Muskelvenen und Per-
Vv. communicantes. foransvenen aus der V. saphena magna auf. Durch Zusam-
menfluss mit der V. fibularis bilden sie den Truncus tibio-
! Cave
fibularis.
In vielen älteren Texten wird die V. femoralis noch
als V. femoralis superficialis bezeichnet. Diese irre- Vv. peronaeae
führende Bezeichnung sollte unbedingt verlassen
Diese großkalibrigen Venen verlaufen in ihrer unteren
werden, da es sich anatomisch um eine tiefe Bein-
Hälfte unter dem M. flexor hallucis longus in der Nachbar-
vene handelt und die Bezeichnung auch nicht in
schaft der Membrana interossea, in der oberen Hälfte in
der offziellen Terminologia anatomica auftaucht.
der tiefen Flexorenloge, bevor sie in die Vv. tibiales poste-
riores einmünden
V. ischiadica
Sie ist embryologisch der Hauptstamm des primordialen Intramuskuläre tiefe Beinvenen
tiefen Venensystems. Beim Erwachsenen kann sie bei Ver- Unter den zahlreichen intramuskulären tiefen Beinvenen
schluss der V. femoralis eine wichtige Rolle als Umge- sind vor allem die Soleus- und Gastrocnemiusvenen von
hungskreislauf einnehmen. Sie entsteht im oberen Drittel klinischem Interesse, die eine funktionelle Einheit bilden
des Oberschenkels durch Vereinigung von Muskelästen und eine wichtige Funktion im Rahmen der Wadenmus-
mit perforierenden Anastomosenästen aus der V. circum- kelpumpe haben. Daneben kommen zahlreiche Verbin-
flexa femoris medialis und verläuft entlang des Nervus dungen zu den epifaszialen Venen vor.
ischiadicus, bevor sie sich vor dem Foramen ischiadicum
majus mit der V. glutaea inferior vereinigt. Soleusvenen (Vv. solealis)
Durch die V. ischiadica und assoziierte Perforansar- Soleusvenen sind drei breite sinusoidale und klappenlose
kaden entsteht eine direkte oder indirekte Verbindung Längsstämme, die durch zahlreiche Anastomosen eine Art
zwischen A. poplitea und (via V. glutaea inferior) V. iliaca intramuskuläres Geflecht bilden. Der Abfluss erfolgt über
interna. die Vv. peronaeae und die Vv. tibiales posteriores. Klinisch
ist vor allem der venöse Abfluss der unteren Soleushälfte
V. poplitea von Bedeutung, der hier über die V. tibialis posterior er-
Diese distale Fortsetzung der V. femoralis liegt in der Knie- folgt, die in dieser Region zusätzlich Vv. perforantes aus
kehle dorsal der A. femoralis und sammelt Blut aus der der inneren Retromalleolarregion (dem sog. Ulzerations-
Kniegegend und dem Unterschenkel. Sie entsteht durch gebiet) aufnimmt. Daher können sich Thrombosen aus
Vereinigug des Truncus tibiofibularis und der V. tibialis den Muskelvenen einerseits durch die Vv. perforantes nach
anterior. Aufgrund der Variabilität der Einmündungen außen, d. h. in die innere Malleolarregion und die Innen-
dieser Zuflüsse findet sich nur in etwa der Hälfte der Fälle seite der Wade oder nach proximal durch die V. tibialis
ein Gefäßstamm in der Kniekehle, in der anderen Hälfte posterior fortsetzen.
der Fälle zwei Gefäßstämme, die sich erst am oberen Ende
der Kniekehle zur V. femoralis vereinigen. Gastrocnemiusvenen (Vv. gastrocnemii)
Die V. poplitea nimmt außerdem auch die Zuflüsse Sie sind normalerweise dünner als die Soleusvenen und
aus dem Plexus venosus genicularis (Vv. geniculares) auf, besitzen zahlreiche, dicht stehende Klappen. Da beide
einem komplexen anastomosierenden Venengeflecht der Gastrocnemiusköpfe mit paarigen Venen ausgestattet sind,
Knieregion. die sich proximal und distal zu je einem Stamm vereinigen,
ist eine Unterteilung in eine mediale und laterale Gastro-
Vv. tibiales anteriores cnemius-Vene sowie eine in der Mitte zwischen den beiden
Diese paarigen Venen sind die Fortsetzung der Vv. dorsales Muskelköpfen gelegene V. intergemellaris möglich. Die
pedis. Sie verlaufen an der Vorderseite der Membrana in- Vv. gastrocnemii sind durch Perforansvenen mit der
terossea, die Tibia und Fibula verbindet. Im Kniegelenks- V. saphena parva und dem R. posterior der V. saphena
bereich, etwa auf Höhe des Fibulaköpfchens treten sie nach magna verbunden. Als Gastrocnemiuspunkt wird die Stelle
dorsal durch die Membrana interossea und vereinigen sich bezeichnet, an der die Achillessehne sich mit den beiden
16 Kapitel 2 · Anatomie und pathologische Anatomie des epifaszialen Venensystems

Gastrocnemiusköpfen vereinigt. Dieser Punkt entspricht In der Knöchelregion konzentrieren sich PV in den ante-
etwa den Abgang der V. perforans, welche die V. saphena rioren, medialen und lateralen Gruppen.
parva mit den Gastrocnemiusvenen verbindet. Die Teilinsuf-
2 fizienz des unteren Saphenaabschnittes ist vermutlich auf Perforansvenen des Unterschenkels
die Insuffizienz dieser Perforansvene zurück zu führen. Die PV des Unterschenkels werden in 4 Hauptgruppen
(mediale-vordere-laterale-hintere) unterteilt.

2.1.5 Venae perforantes (PV) PV des medialen Unterschenkels.


Sie bilden die klinisch bedeutsamste Gruppe. Sie werden in
Die perforierenden Venen (PV) verbinden superfizielle eine paratibiale und posteriore tibiale Gruppe gegliedert.
und tiefe Venen. Sie besitzen Klappen, die meist subfaszial Paratibiale PV verbinden den Hauptstamm oder Seiten-
liegen. Sie spielen in der venösen Drainage der unteren äste der V. saphena magna mit den VV. tibiales posteriores
Extremität eine wichtige Rolle, indem sie den Blutfluss und verlaufen nahe der medialen Oberfläche der Tibia. Zu
vom oberflächlichen in das tiefe Venensystem dirigieren. diesen Venen gehören die im klinischen Gebrauch als
Durch ihr Klappensystem schützen sie zudem bei Muskel- Sherman-Venen (im distalen und mittleren Teil der Tibia)
kontraktion das oberflächliche Venensystem vor Reflux. bzw. Boyd-Vene (im proximalen Teil der Tibia) bezeich-
Ein bi-direktionaler Blutfluss ist ein typischer patholo- neten PV. Die posterioren tibialen PV (Cockett) verbin-
gischer Befund bei primärer Varikose. In der klinischen den die Vena saphena magna accessoria posterior mit den
Praxis wurden und werden PV häufig mit Eigennamen be- Vv. tibiales posteriores. Meist handelt es sich dabei um drei
legt, oft historisch inkorrekt und gelegentlich irreführend. Venen (untere, mittlere und obere), die in einem Abstand
Die neuere Literatur verwendet daher durchgehend de- von 6, 13,5 und 18,5 cm über dem Malleolus medialis
skriptive topographische Bezeichnungen. Obwohl sich in liegen. Die Eintrittsstelle der oberen PV wird klinisch als
anatomischen Präparationen bis zu 150 PV in der unteren »Soleuspunkt« bezeichnet. Zusätzlich liegt häufig über der
Extremität mit hoher Variabilität bezüglich ihrer genauen oberen PV noch eine weitere (die »24 cm-PV« wegen ihrer
Lage, Verteilung, Anastomosen und Größe nachweisen ungefähren Höhe 24 cm oberhalb der Fußsohle).
lassen, besitzen nur einige von ihnen klinische Bedeutung
und folgen einem für die klinische Praxis ausreichend re- PV des vorderen Unterschenkels.
produzierbaren Verteilungsmuster (. Tab. 2.2, . Abb. 2.3). Sie verbinden die vorderen Zuflüsse der V. saphena magna
mit den VV. tibiales anteriores. Sie liegen in inkonstanten
Perforansvenen des Fußes Abständen 2 bis 5 cm lateral des Tibiarandes.
Die Hauptgruppen der PV am Fuß sind die dorsalen, plan-
taren, medialen und lateralen Perforantes. Eine konstante PV des lateralen Unterschenkels.
große PV im ersten interossären Metatarsalraum verbindet Sie verbinden Venen des lateralen venösen Plexus mit den
den Arcus venosus dorsalis pedis mit den tiefen Fußvenen. Vv. fibulares.

. Abb. 2.3. Projektionsorte klinisch wichtiger Venae perforantes


2.1 · Anatomie des epifaszialen Venensystems
17 2

. Tab. 2.2. Überblick über die Perforansvenen

Hauptgruppe Untergruppe (Eigenname) Durchschnittliche Verbindung zwischen


Anzahl

Fuß Dorsale 10–14 V. plantaris und VSM bzw. VSP

Mediale 6 V. dorsalis pedis und und VSM bzw. VSP

Laterale 6 V. peronaea und VSP

Plantare 13–16 Tiefen Plantarvenen und Rete plantare

Fußgelenk Mediale (May/Kuster) 3 V. dorsalis pedis und VSM

Anteriore 2

Laterale 2–3 V. tarsea fibularis und VSP

Unterschenkel Mediale

Paratibiale PV (Sherman 4 VSM und V. tibialis posterior


bzw. Boyd)

Posteriore tibiale PV (Cockett) 3 (–5) VSM accessoria posterior und V. tibialis posterior

Anteriore 3 Anterioren Zuflüssen der VSM und V. tibialis anterior

Laterale 3–5 Laterale Äste der VSP und V. peronaea

Posteriore

Medialer Gastrocnemius R. posterior der VSM und Gastrocnemiusvenen

Lateraler Gastrocnemius VSP und Gastrocnemiusvenen

Intergemelläre PV (May) 1

Para-achilläre PV (Bassi) 1 VSP und V. fibularis

Knie Mediale 3–5 VSP und V. poplitea

Suprapatellare PV 1–2

Laterale 4 Laterales Venengeflecht u. V. poplitea

Infrapatellare

Kniekehlen-PV 4 VSP und V. poplitea

Oberschenkel Mediale

PV des Femoral-Kanals (Dodd) 3–5 VSM (VSP) und V. femoralis

Inguinale 1 V. circumflexa superficialis ilium und profunda

Anteriore 6–12 Ästen der VSM und Muskelvenen

Laterale 3–9

Posteriore

Posteromediale 1–5 VSM und V. femoralis

ischiadicus 2–3 Extensio cranials der VSP und V. femoralis

Posterolaterale (Hach) 3–9 Subkutanes Venengeflecht und Muskelvenen

Pudendale 2 Subkutanes Venengeflecht und V. pudenda

Gluteale Gluteal superiore 4–6 Subkutane Venen und V. glutaea superior

Gluteal inferiore 4–7 Subkutane Venen und V. glutaea inferior

In Anlehnung an: International Interdisciplinary Consensus Committee on Venous Anatomical Terminology, 2002
18 Kapitel 2 · Anatomie und pathologische Anatomie des epifaszialen Venensystems

PV des hinteren Unterschenkels. proximale Grenze ist mit der tatsächlichen Einmündung in
Sie werden unterteilt in die V. femoralis comm. klar definiert; die distale Grenze
4 Vv. perforantes gastrocnemii medialis fällt mit der präterminalen Klappe der V. saphena magna
2 4 Vv. perforantes gastrocnemii lateralis zusammen. In die Crosse münden große, benannte und
4 Vv. perforantes intergemelli (May) (Austrittsstelle in kleine, unbenannte Seitenäste ein.
der Wadenmittellinie) Für diesen Abschnitt anatomisch bedeutsam sind die
4 Vv. perforantes paraachillares (Bassi): eine klinisch Faszienverhältnisse, die einmündenden Seitenäste sowie
wichtige Verbindung zwischen der V. saphena parva die Venenklappen.
und VV. peronaeae etwa 5 cm oberhalb des Tuber cal-
canei, darüber die sog. 12 cm-Perforansvene.
Anatomische Details der Saphena-magna-
Perforans-Venen des Oberschenkels Crossenregion

Unter den PV des Oberschenkels sind neben den ingui- 4 Nomenklatur der Crossenregion
nalen besonders die des Femoralkanals (Dodd) von klini- 4 Faszienverhältnisse
scher Bedeutung. Diese Venen verbinden die V. saphena 4 Fascia saphena
magna mit der Femoralvene. Als besonders wichtig gilt die 4 Venenklappen der Crossenregion
etwa 16–20 cm oberhalb des Patellarrandes gelegene sog. 4 Venenklappen der V. saphena magna
»mid-hunter-canal perforating vein«, welche über Seiten- 4 Venenklappen der V. femoralis comm.
äste sowohl Versorgungsgebiete der VSM als auch der VSP 4 Einmündende Venen (»Seitenäste«)
mit dem tiefen Venensystem verbindet. Die PV des Femo-
ralkanals können auf jeder Höhe des medialen Oberschen-
kels auftreten, liegen aber meist im mittleren Drittel. Von Nomenklatur der Saphena-magna-
ihnen gehen nach Varizenausschaltung häufig Rezidive Crossenregion
aus, während die lateralen Gruppen selten von klinischer Oftmals ist die Nomenklatur der Venen Anlass für eine
Bedeutung sind. nicht unbeträchtliche Verwirrung, da die unterschied-
lichsten Namen für die einzelnen Strukturen angewandt
Literatur werden. Dabei kollidieren überlieferte Bezeichnungen,
Caggiati A, Bergan JJ, et al. (2002) Nomenclature of the veins of the die offizielle anatomische Nomenklatur (Terminologia
lower limbs: An international interdisciplinary consensus state-
Anatomica; TA) sowie die als Konsens der UIP definieren
ment. J Vasc Surg. 36(2): 416–22
Drenckhahn D (2004) Systematik des Venensystems. In: Benninghoff-
Bezeichnungen. Besondere Verwirrung stiftet dabei die
Drenckhahn. Urban&Fischer, München V. femoralis, die nach der offiziellen anatomischen No-
Federative International Committee on Anatomical Terminology menklatur aus der V. poplitea durch den Durchtritt durch
(1998) Terminologia Anatomica. Stuttgart: Thieme den Canalis adductorius entsteht und die V. femoralis
Mozes G, Gloviczki P (2004) New Discoveries in Anatomy and New
profunda aufnimmt. Nach der neueren Nomenklatur der
Terminology of Leg Veins: Clinical Implications. Vasc Endovasc
Surg; 38(4):367–374
UIP vereinigt sich die V. femoralis mit der V. femoralis
Tillmann B (2004) Atlas Der Anatomie Des Menschen, Springer Berlin profunda zur V. femoralis communis. Auf alle Fälle ver-
Heidelberg S 517 mieden werden sollte der Begriff einer »V. femoralis super-
Van Neer PA, Veraart JC, Neumann HA (2003) Venae perforantes: ficialis«, da er – fälschlicherweise – zur Annahme verleitet,
a clinical review. Dermatol Surg 29(9): 931–942
dass diese Vene subkutan bzw. epifaszial läge. Auf Basis
dieser Fehleinschätzung wurden und werden oftmals
Thrombosen dieser tiefen Vene nicht adäquat therapiert
2.2 Spezielle Anatomie (. Tab. 2.3).
der Crossenregionen In der anglo-amerikanischen Literatur wird statt des
Begriffs der »Crosse« die Bezeichnung der »sapheno-fe-
E. Brenner moral junction« verwendet, wobei hier immer wieder
Uneinigkeit besteht, ob dieser Begriff nur die tatsächliche
Einmündung der V. saphena magna in die V. femoralis
2.2.1 Crosse der V. saphena magna comm. umfasst oder eben, wie von der UIP empfohlen,
den gesamten Bereich von der präterminalen Klappe bis
Als »Crosse« bezeichnet man jenen terminalen Abschnitt zur Einmündung betrifft. Andererseits inkludiert die
der V. saphena magna, mit dem sie von ihrem epifaszialen »sapheno-femoral junction« auch die relevanten Anteile
Verlauf kommend durch die Fascia lata des Oberschenkels der V. femoralis comm. zwischen den Valvae supra- et in-
tritt und in die V. femoralis communis einmündet. Die frasaphenicae.
2.2 · Spezielle Anatomie der Crossenregionen
19 2

. Tab. 2.3. Terminologie der Saphena-magna-Crossenregion

Lateinische Bezeichnung Englische Bezeichnungen Deutscher Name/


Synonyme
TA TA UIP

Vena femoralis Femoral vein Common femoral vein (CFV) Oberschenkelvene/


Vena femoralis superficialis
Femoral vein (FV)

Valva suprasaphenica Suprasaphenic valve

Valva infrasaphenica Infrasaphenic valve

Vena femoralis profunda Profunda femoris vein Profunda femoris vein (PFV) Tiefe Oberschenkelvene
deep femoral vein

Vena saphena magna Great saphenous vein Great saphenous vein (GSV) Große Rosenvene /
Long saphenous vein
Greater saphenous vein

Valva ostealis – Astklappe /


Osteal valve

Valva terminalis Terminal valve Mündungsklappe

Valva praeterminalis Preterminal valve Schleusenklappe

Vena(e) pudenda(e) External pudendal vein(s) External pudendal vein(s) (EPV)


externa(e)

Vena circumflexa ilium Superficial circumflex Superficial circumflex iliac vein


superficialis iliac vein (SCIV)

Vena epigastrica superficialis Superficial epigastric vein Superficial epigastric vein (SEV)

Vena saphena accessoria Accessory saphenous vein Anterior accessory great Vena saphena accessoria
saphenous vein (AASV) lateralis

Posterior accessory great sa- Vena saphena accessoria


phenous vein (PASV) medialis

Superficial accessory great Vena saphena accessoria


saphenous vein (SASV) superficialis

Venae dorsales superficialis Superficial dorsal veins Superficial dorsal veins


clitoridis sive penis of clitoris or penis of clitoris or penis

Venae labiales anteriores Anterior labial veins Anterior labial veins

Venae scrotales anteriores Anterior scrotal veins Anterior scrotal veins

Fascia lata Fascia lata

Hiatus saphenus Saphenous opening

Margo falciformis Falciform margin

Fascia cribrosa Cribriform fascia Fascia SCARPAE

Junctio sapheno-femoralis – Sapheno-femoral junction ≈ Crosse

Confluens venosus – Confluence of superficial Venenstern


subinguinalis inguinal veins

Nicht in der Terminologia anatomica enthaltene lateinische Begriffe sind in der Tabelle kursiv dargestellt
20 Kapitel 2 · Anatomie und pathologische Anatomie des epifaszialen Venensystems

Faszienverhältnisse bricht erst am distalen Unterschenkel zuerst die Membrana


Das oberflächliche Kompartiment des Oberschenkels, die vastoadductoria und anschließend die Fascia lata, wodurch
Subkutis, wird nach außen durch die Haut und nach innen er neben die V. saphena magna zu liegen kommt.) Die
2 durch die Fascia lata begrenzt. Innerhalb dieses subku- V. saphena magna ist innerhalb des Kompartiments durch
tanen Kompartiments liegen sämtliche oberflächliche seitliche Bindegewebsplatten (»Ligg. venae saphenae
Venen, aber auch (Haut-)Nerven und die Lymphgefäße, magnae«) mit der Fascia saphena verbunden. Durch diese
welche in die oberflächlichen inguinalen Lymphknoten Konfiguration entsteht im sonographischen Bild das so-
(Nodi lymphatici inguinales superficiales, Tractus hori- genannte »Saphena-Auge«.
zontalis et verticalis) einmünden. Nur wenn innerhalb des Saphena-magna-Kompar-
Die Fascia lata ist die den gesamten Oberschenkel um- timents zwei Venen liegen, kann von einer gedoppelten
hüllende Faszienhülle. Sie besitzt mehrere Durchtrittsstel- V. saphena magna gesprochen werden; findet sich eine
len für Nerven und Gefäße. Die größte Durchtrittsstelle oberflächlich der Fascia saphena und parallel zur V. saphe-
dient dem Eintritt der V. saphena magna in das subfasziale na magna verlaufende Vene, so wird diese als V. saphena
Kompartiment und wird als Hiatus saphenus bezeichnet. accessoria superficialis bezeichnet.
Der proximale, der laterale und der distale Rand bilden den
Margo falciformis, während der mediale Rand keine scharfe Venenklappen der Saphena-magna-
Grenze besitzt. Vielmehr biegt hier die Faszie in die Tiefe Crossenregion
um und trennt als relativ dünnes Septum die distale Verlän- Heute leider häufig übersehen, werden Venenklappen
gerung der Lacuna vasorum (mit der A. femoralis und der grundsätzlich in zwei Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe
V. femoralis comm.) von der distalen Verlängerung des über bzw. an den Mündungen von Venen in die nächst-
Canalis femoralis (mit den Lymphgefäßen und -knoten der höhere Venenhierarchie wird als Astklappen (Valvae oste-
tiefen inguinalen Gruppe). Die Hautäste der Nerven (Ramus ales, osteal valves) bezeichnet; die zweite Gruppe liegt im
femoralis n. genitofemoralis, Rami cutanei anteriores n. Lumen der jeweiligen Vene selbst und wird als Taschen-
fermoralis) treten nicht durch den Hiatus saphenus, son- klappen (Valvae parietales, parietal valves) bezeichnet.
dern zumeist lateral davon durch die Fascia lata. Astklappen sind seltener zu finden als Taschenklap-
Die Subkutis wird sowohl von vertikalen, von der pen. Sie finden sich unmittelbar an der Einmündung einer
Oberfläche in die Tiefe ziehenden, als auch horizontalen, kleineren Vene in eine größere Vene. Astklappen bestehen
parallel zur Fascia lata verlaufenden, Septen unterteilt. Un- zumeist aus einer einzelnen Falte, die ungefähr zwei Drittel
mittelbar unter der Oberfläche ist diese Septierung sehr des distalen, scharfen Randes der Venenmündung umfasst,
unvollständig. Etwas tiefer bilden diese Bindegewebs- entsprechend dieser Situation findet sich kein Klappen-
lamellen vor allem über dem Hiatus saphenus, ähnlich wie wulst. Franklin (1927) stellt klar, dass eine Klappe, »welche
am Bauch, eine »Fascia subcutanea cribrosa«, früher auch nicht an der Zirkumferenz der aktuellen Einmündung an-
als Fascia superficialis femoris oder Fascia Scarpae be- setzt, keine Astklappe, sondern eine Taschenklappe ist,
zeichnet. egal wie nahe sie der Einmündung liegt«. Eine vollständige
Astklappe der V. saphena magna ist mit einem oder zwei
Fascia saphena Klappensegeln versehen nur selten zu finden (ca. 11%).
Eine Sonderstellung nimmt hinsichtlich der Faszienver- Auch die Seitenäste der V. saphena magna besitzen nur sel-
hältnisse die V. saphena magna ein. Sie ist in ihrer epifas- ten echte Astklappen.
zialen Lage durch eine eigene Fascia saphena fixiert. Die Die Taschenklappen besitzen zumeist zwei gegenüber
Fascia saphena wird am distalen Oberschenkel von einer liegende Klappensegel, gelegentlich kommen aber auch
semitransparenten fibroelastischen Membran gebildet, die Taschenklappen mit nur einem Klappensegel oder aber bis
durch transversale Bindegewebszügel verstärkt wird. In zu fünf Klappensegeln vor. Nach Franklin (1927) entspricht
der subinguinalen Region, über dem Hiatus saphenus, ist die Länge einer Taschenklappe oftmals dem doppelten
sie deutlich dünner und die Bindegewebszügel sind radiär Venendurchmesser. Die Bucht zwischen Klappensegel und
bzw. unregelmäßig angeordnet. Proximal ist die Fascia Venenwand wird als Klappentasche (Sinus) bezeichnet, die
saphena am Lig. inguinale angeheftet. zumeist verdickte Anheftung des Klappensegels an der
Durch diese Faszie entsteht ein eigenständiges Sa- Venenwand bildet den Klappenwulst (Agger), der glatte
phena-magna-Kompartiment. Dieses enthält am proxima- Muskelzellen enthält. Der Klappenwulst ist an der Regu-
len Oberschenkel die V. saphena magna und ihre Vasa lierung der Drainage der Vasa venarum beteiligt. Die Klap-
vasorum, die oberflächlichen inguinalen Lymphknoten pensegel sind dabei so angeordnet, dass eine Linie durch
sowie die Mündungen der Seitenäste, welche die Fascia die beiden Kommissuren parallel zur Oberfläche verläuft,
saphena vorher durchbrechen. (Der N. saphenus liegt im also stets ein oberflächliches und ein tiefes Klappensegel
hier zu besprechenden Bereich noch subfaszial; er durch- dargestellt werden kann.
2.2 · Spezielle Anatomie der Crossenregionen
21 2
jedoch nicht haltbar. Nach der Zusammenfassung, die
Gottlob und May 1986 in ihrem Buch geben, finden sich in
der gesamten V. saphena magna 7–9 Taschenklappen mit
einem durchschnittlichen Abstand von 40 mm.
4 Valva terminalis: Als terminale Klappe oder Mün-
dungsklappe der V. saphena magna ist eine Taschen-
klappe zu definieren, welche zwischen der eigentlichen
Einmündung der V. saphena magna in die V. femoralis
comm. und der Einmündung des ersten, am weitesten
proximal mündenden Seitenasts liegt. Nach unseren
Untersuchungen (N = 217) ist eine solche terminale
Klappe nur in 70% der Fälle mit einem durchschnitt-
lichen Abstand von 4,4 mm (0–15 mm) zum distalen
Rand der Einmündung vorhanden.
4 Valva praeterminalis: Als präterminale Klappe oder
Schleusenklappe der V. saphena magna wird eine Ta-
schenklappe definiert, welche in engem räumlichen Zu-
sammenhang distal der Einmündung des letzten, am
weitesten distal mündenden Seitenasts der Crosse liegt.
Sie definiert damit auch das distale Ende der Crosse.
Nach unseren Untersuchungen (N = 217) ist eine präter-
minale Klappe in knapp 85% vorhanden, sie liegt durch-
schnittlich 42 mm (3–123 mm) vom distalen Rand der
Einmündung der V. saphena magna entfernt. Da die
präterminale Klappe häufiger vorkommt als die termi-
nale Klappe, kann der Fall eintreten, dass die prätermi-
nale Klappe tatsächlich die am weitesten proximal in der
. Abb. 2.4. Schematische Darstellung einer idealisierten Crosse V. saphena magna gelegene Klappe ist (eigene Untersu-
der V. saphena magna. Die Prozentangaben geben die Häufigkeit chungen: 14%). Zwischen terminaler und präterminaler
an, die Millimeterangaben die mittlere Position an (von der Mün-
Klappe kann aber auch eine weitere Taschenklappe lie-
dung der V. saphena magna in die V. femoralis comm. gemessen
›blaue Linie‹). CIS V. circumflexa ilium superficialis; ES V. epigastrica gen (nach unseren Untersuchungen in etwa 4%).
superficialis; FC V. femoralis comm.; PES V. pudenda externa superfi-
cialis; SAA V. saphena accessoria anterior; SAP V. saphena accessoria Taschenklappen der V. femoralis comm.
posterior; SM V. saphena magna; is Valva infrasaphenica; pt Valva Auch die Zahl der Taschenklappen in der V. femoralis
praeterminalis; ss Valva suprasaphenica; t Valva terminalis
comm. war bereits oftmals Ziel von Untersuchungen. Wie
bei der V. saphena magna, waren auch hier die Ergebnisse
Die aus funktioneller Sicht wichtigsten Taschenklap- recht unterschiedlich und auch hier stand bei vielen Unter-
pen der V. saphena magna sind die terminale (Mündungs-) suchungen die Zahl, weniger aber die Position der Klappen
Klappe und die präterminale (Schleusen-)Klappe, in der im Zentrum. Gottlob und May (1986) beschreiben eine
V. femoralis comm. sind die Klappen ober- und unterhalb Taschenklappe proximal der Saphena-Magna-Mündung
der Einmündung der V. saphena magna (. Abb. 2.4). und drei weitere distal dieser Mündung. Der durchschnitt-
liche Abstand dieser Klappen soll 22 mm betragen. Meh-
Taschenklappen der V. saphena magna rere Untersuchungen lassen den Schluss zu, dass die An-
Die Zahl der Taschenklappen in der V. saphena magna wur- zahl der Taschenklappen ethnische Unterschiede zeigt.
de bereits oft untersucht, wobei die Ergebnisse in weiten 4 Valva suprasaphenica: Die Valva suprasaphenica ist
Bereichen schwankten. Beim Vergleich der Studien tritt ein die erste proximal der Einmündung der V. saphena
wesentliches Problem zutage: zumeist wurden die Taschen- magna liegende Taschenklappe der V. femoralis com-
klappen ohne Bezug zu ihrer Lage untersucht. Die Zahl der munis. In unserer eigenen Untersuchung war diese in
Taschenklappen scheint darüber hinaus mit zunehmen- etwa 70% der Fälle vorhanden; ihr durchschnittlicher
dem Alter abzunehmen, wobei die Ursache zumeist in pa- Abstand zur Mündung betrug 39 mm. In seltenen
thologischen Prozessen, wie etwa Thrombosen der Klappen- Fällen können im weiteren proximalen Verlauf der
sinus, zu suchen ist. Das Postulat einer generellen Abnahme V. femoralis communis noch weitere Taschenklappen
der Taschenklappenanzahl mit steigendem Lebensalter ist vorkommen.
22 Kapitel 2 · Anatomie und pathologische Anatomie des epifaszialen Venensystems

4 Valva infrasaphenica: Der distal der Einmündung der 4 Vena(e) pudenda(e) externa(e): Die zumeist zwei
V. saphena magna liegende Teil der V. femoralis comm. Vv. pudendae externae vereinigen sich in den meisten
soll nach übereinstimmenden Beschreibungen mehre- Fällen bereits vor ihrer Einmündung in die Crosse zu
2 re Taschenklappen enthalten. Unsere eigene Unter- einem großen Seitenast, welcher in 90% der Fälle mit
suchung zeigte eine Valva infrasaphenica, also die erste einem durchschnittlichen Abstand zur sapheno-fe-
distal der Einmündung der V. saphena magna liegende moralen Mündung von etwa 17 mm (max. 5 cm) in die
Taschenklappe, mit 87% relativ häufig; der durch- V. saphena magna einmündet. Stammbildungen fin-
schnittliche Abstand betrug etwa 50 mm. Eine zweite, den sich vor allem mit der V. epigastrica superficialis
distal gelegene Taschenklappe war in ca. der Hälfte der (12%).
Fälle vorhanden; selten auch eine dritte. 4 Vena saphena accessoria anterior: Die V. saphena
accessoria ant. besitzt in ihrem proximalen Abschnitt
Einmündende Venen (»Seitenäste«) eine eigene Faszienhülle, ähnlich der V. saphena magna
In die Crosse münden einerseits große, benannte Seiten- mit ihrer Fascia saphena. Sie mündet allerdings in nur
äste, andererseits aber auch kleine, unbenannte Seitenäste etwa der Hälfte der Fälle mit einem durchschnittlichen
ein. Diese kleinen Seitenäste entstammen mehrheitlich Abstand von 20 mm zur sapheno-femoralen Mündung
den oberflächlichen inguinalen Lymphknoten; es kann in die Crosse ein. Stammbildungen kommen mit der
sich dabei aber auch um Begleitvenen der Gefäße und Ner- V. circumflexa ilium superficialis und/oder der V. epi-
ven (Vv. commitantes, Vv. vasorum, Vv. nervorum) sowie gastrica superficialis vor.
kleine Hautvenen handeln. Die benannten großen Seiten-
äste (major superficial inguinal tributary veins; [major] Sonstige Seitenäste der V. saphena magna
saphenous junctional tributaries) bilden den sogenannten 4 Vena saphena accessoria posterior: Nach eigenen
»Venenstern«. Untersuchungen ist die V. saphena accessoria post.
nicht zu den großen Seitenästen der Crosse zu zählen,
Seitenäste der Crosse obwohl sie in der anatomischen Literatur gelegentlich
Die großen Seitenäste der Crosse bilden den sogenannten noch zum Venenstern gezählt wird, was wohl auf
Venenstern. Dieser Begriff bezeichnet jedoch kein ein- die gelegentliche Einmündung in die anderen großen
heitliches Einmündungsmuster; vielmehr kann jede dieser Seitenästen zurückzuführen ist. Sie mündet zwar rela-
Venen entweder selbständig oder unter Bildung eines ge- tiv häufig (85%) in die V. saphena magna ein, tut dies
meinsamen Venenstamms mit einer oder mehreren ande- aber mit einem durchschnittlichen Abstand zur saphe-
ren großen Seitenästen sowohl in die V. saphena magna no-femoralen Mündung von mehr als sieben Zenti-
als auch in die V. femoralis comm. einmünden. Zumeist metern (74 mm). Sie liegt damit distal der prätermi-
münden drei bis vier große Seitenäste in die Crosse. Eine nalen Klappe. Zudem stellt sie letztendlich den eigent-
Klassifizierung der Mündungsvarianten, wie sie verschie- lichen Mündungsteil der dorsalen Längsvene(n), der
denste Autoren versucht haben, erscheint aufgrund der V. saphena parva und ihrer proximalen Verlängerung,
großen Zahl der möglichen und auch tatsächlich vorkom- der V. femoropoplitea, dar.
menden Muster, nicht wirklich sinnvoll.
4 Vena circumflexa ilium superficialis: Dieser Seiten-
ast mündet in 83% in die V. saphena magna mit 2.2.2 Crosse der V. saphena parva
einem durchschnittlichen Abstand von etwa 11 mm
(max. 2 cm) von deren Mündung. Sie ist damit je- Im Gegensatz zur V. saphena magna stellt die »Crosse« der
ner Seitenast, welcher, im Durchschnitt gesehen, V. saphena parva nicht ihre eigentliche Mündung dar, son-
am weitesten proximal in die Crosse einmündet. Sehr dern vielmehr eine Perforansvene zur V. poplitea, während
häufig bildet dieser Seitenast einen gemeinsamen sich die V. saphena parva als V. femoropoplitea auf den
Stamm mit der V. epigastrica superficialis (30%), ge- Oberschenkel fortsetzt. Die proximale Grenze der »Crosse«
legentlich sogar unter Einbeziehung der VV. pudendae ist jedenfalls mit der tatsächlichen Einmündung in die
externae. V. poplitea eindeutig; die distale Grenze sollte durch den
4 Vena epigastrica superficialis: In vier von fünf Fällen Abgang der bzw. den Übergang in die V. femoropoplitea,
(78%) mündet dieser große Seitenast mit einem durch- wenn vorhanden, definiert werden.
schnittlichen Abstand von knapp 12 mm zur sapheno-
femoralen Mündung in die Crosse. Eine Stammbildung
findet sich mit der V. circumflexa ilium superficialis
alleine (32%), oder unter Einbeziehung der V. saphena
accessoria ant. (18%).
2.2 · Spezielle Anatomie der Crossenregionen
23 2
Das generelle Problem der V. saphena parva ist ihre
Anatomische Details der Saphena-parva- uneinheitliche Bezeichnung ihrer Abschnitte. Wenn man
Crossenregion die grundlegenden anatomischen Quellen mit der Be-
4 Nomenklatur der Crossenregion schreibung von Carlo Giacomini aus dem Jahre 1873 syn-
4 Faszienverhältnisse thetisiert, so ergibt sich folgendes Bild.
4 Mündungsverhalten der Saphena-parva-Crosse Die V. saphena parva ist die dorsal-laterale Längsvene
4 Venenklappen der V. saphena parva des Unterschenkels und setzt sich als V. femoropoplitea auf
4 V. femoropoplitea (»thigh extension«) die Dorsalseite des Oberschenkels fort. Diese wiederum
biegt medial um den proximalen Oberschenkel herum und
mündet letztendlich als V. saphena accessoria posterior in
Nomenklatur der Saphena-parva- die V. saphena magna ein. Im Bereich der Kniekehle besitzt
Crossenregion diese dorsale epifasziale Längsvene relativ häufig eine unter-
Die Nomenklatur der V. saphena parva stellt sich wesent- schiedlich stark ausgebildete Anastomose mit der V. popli-
lich einfacher dar. Hier kommt es zu keinen Begriffsver- tea. Diese Anastomose stellt also eigentlich eine sapheno-
wirrungen, sieht man von der V. femoropoplitea als pro- popliteale Perforans-Vene dar; wird aber in generellen
ximale Fortsetzung der V. saphena parva einmal ab. Die Sprachgebrauch als »Crosse« der V. saphena parva bezeich-
V. femoropoplitea wird in der anglo-amerikanischen For- net. Der Abgang der »Crosse« ihrerseits stellt die Grenze
mulierung entweder – durchaus richtig – als »thigh exten- zwischen V. saphena parva und V. femoropoplitea dar.
sion« (Oberschenkelverlängerung bzw. -fortsatz) oder aber Aus dieser generellen Situation ergeben sich je nach
auch – anatomisch falsch – als »cranial extension« (krania- Ausprägung der einzelnen Komponenten, insbesondere
ler Fortsatz; der Begriff »kranial« wird an Extremitäten der »Crosse« und der V. femoropoplitea, die unterschied-
nicht eingesetzt, stattdessen muss der Begriff »proximal« lichsten Varianten.
verwendet werden) (. Tab. 2.4)
Die anglo-amerikanische Literatur kennt auch hier Faszienverhältnisse
den Begriff der »Crosse« nicht; anstelle dessen wird dort Wie die V. saphena magna besitzt auch die dorsale Längs-
der Begriff der »sapheno-popliteal junction« verwendet, vene (V. saphena parva und V. femoropoplitea) eine eigene
welche in Analogie zur »sapheno-femoral junction« den Fascia saphena (parva). Nach unseren Untersuchungen
terminalen Abschnitt der V. saphena parva sowie die rele- beginnt diese Faszie nahe des Außenknöchels und erstreckt
vanten Anteile der V. poplitea umfasst. sich das gesamte Bein nach proximal. Einzig die »Crosse«

. Tab. 2.4. Terminologie der Saphena-parva-Crossenregion

Lateinische Bezeichnung Englische Bezeichnungen Deutscher Name/Synonyme

(TA) TA UIP

Vena poplitea Popliteal vein Popliteal vein Kniekehlenvene

Valva suprasaphenica Suprasaphenic valve

Valva infrasaphenica Infrasaphenic valve

Vena saphena parva Small saphenous vein Small saphenous vein (SSV) Kleine Rosenvene /
Short saphenous vein

Valva ostealis – Astklappe / Osteal valve

Valva terminalis Terminal valve Mündungsklappe

Valva praeterminalis Preterminal valve Schleusenklappe

Venae gastrocnemicae Gastrocnemicus veins Gastrocnemicus veins

Vena femoropoplitea Femoropopliteal vein Thigh extension of the SSV »cranial« extension of the SSV
Giacomini vein

Fascia cruris Crural fascia

Junctio sapheno-poplitea – Sapheno-popliteal junction ≈ Crosse


24 Kapitel 2 · Anatomie und pathologische Anatomie des epifaszialen Venensystems

der V. saphena parva durchbricht letztendlich die Fascia Caggiati A (2000) Fascial relations and structure of the tributaries of
the saphenous veins. Surg Radiol Anat 22:191–196
poplitea, um zur V. poplitea zu gelangen.
Caggiati A, Bergan JJ, Gloviczki P, et al (2005) Nomenclature of the
Auch hier kann die Situation eintreten, dass eine akzes- veins of the lower limb: extensions, refinements, and clinical
2 sorische Vene oberflächlich und außerhalb dieser Faszie application. J Vasc Surg 41:719–724
verläuft, die dann als V. accessoria superficialis zu bezeich- Caggiati A, Bergan JJ, Gloviczki P, et al (2002) Nomenclature of the
nen wäre. veins of the lower limbs: an international interdisciplinary
consensus statement. J Vasc Surg 36:416–422
Delis KT, Knaggs AL, Khodabakhsh P (2004) Prevalence, anatomic
Mündungsverhalten der Saphena-parva- patterns, valvular competence, and clinical significance of the
»Crosse« Giacomini vein. J Vasc Surg 40:1174–1183
Im Gegensatz zur V. saphena magna ist die Lage der Franklin KJ (1927) Valves in Veins: An Historical Survey. Proc R Soc Med
»Crosse« der V. saphena parva relativ variabel, wobei sie 21:1–33
Georgiev M, Myers KA, Belcaro G (2003) The thigh extension of the
bei Patienten mit venöser Inkompetenz deutlich weiter dis-
lesser saphenous vein: From Giacomini‘s observations to ultra-
tal liegen soll. sound scan imaging. J Vasc Surg 37:558–563
Die »Crosse« der V. saphena parva kann unterschied- Giacomini C (1873) Osservazioni anatomiche per servire allo studio
lichste Ausprägungen besitzen. Wir haben in unseren Un- della circolazione venosa delle estremità inferiori. Giornale della
tersuchungen etwa 56% eine »regelrechte Crosse« ge- Reale Accademia di Medicina di Torino 13:109–215
Gottlob R, May R (1986) Venous valves: morphology, function, radiol-
funden, unter Umständen als ein sehr feines Gefäß oder
ogy, surgery. Wien: Springer
gedoppelt; in 15% war ein regelrechtes Netzwerk feiner Mühlberger D, Morandini L, Brenner E (2008) An anatomical study of
Venen vorhanden. In den restlichen Fällen (29%) fehlte die femoral vein valves near the saphenofemoral junction. J Vasc Surg
»Crosse« vollständig. 48:994–999
Die Saphena-parva-»Crosse« mündet zumeist von Mühlberger-Reisinger D (2006) The Frequency and Exact Position of
Valves in the Saphenofemoral Junction. In: Division of clinical-
(dorsal-)lateral her in die V. poplitea ein.
functional Anatomy. Thesis: Innsbruck Medical University
Wichtig ist hier auch die Lage im Bezug auf die beiden Raivio EVL (1948) Untersuchungen über die Venen der unteren Extre-
großen Nervenstämme der Fossa poplitea, dem N. tibialis mitäten, mit besonderer Berücksichtigung der gegenseitigen
und dem N. fibularis comm. Der N. tibialis liegt nach unse- Verbindungen zwischen den oberflächlichen und tiefen Venen.
ren Untersuchungen in etwa zwei Dritteln der Fälle lateral, Ann Med Exp Biol Fenn 26:286
Ricci S, Georgiev M (2002) Ultrasound anatomy of the superficial veins
in einem Drittel medial der »Crosse«. Besonderes Augen-
of the lower limb. Journal of Vascular Technology 26:183–199
merk ist auf den N. fibularis comm. zu richten, da er selten Schweighofer G (2008) Small saphenous vein - valves and topograph-
aber doch (2,5% der Fälle) medial um die »Crosse« herum- ical anatomy. In: Division for clinical-functional Anatomy. Thesis:
zieht und dann relativ schräg die Kniekehle kreuzt. Innsbruck Medical University; 41

Venenklappen
In der »Crosse« der V. saphena parva findet sich zumeist 2.3 Pathologie des epifaszialen
nur eine Taschenklappe, die demnach als terminale Klappe Venensystems
bezeichnet werden kann; sie kann in seltenen Fällen auch
fehlen. Wenn eine zweite Taschenklappe in der V. saphena P. Ströbel
parva vorhanden ist, so liegt diese stets distal des »Ab-
gangs« der V. femoro poplitea. Unter den klinisch relevanten Veränderungen der epifas-
zialen Venen machen Varikosis und die Thrombophlebitis
Vena femoropoplitea (»thigh extension«) etwa 90% der Fälle aus. Die Varikose betrifft etwa 15–20%
Die V. femoropoplitea stellt also die proximale Fortsetzung der Bevölkerung und ist damit eine ausgesprochen häufige
der V. saphena parva dar; sie liegt – zumindest am Ober- Erkrankung.
schenkel – in einer eigenen Faszienloge und mündet
schlussendlich als V. saphena accessoria posterior in die
V. saphena magna. In unseren Untersuchungen haben wir 2.3.1 Pathohistologische Veränderungen
sie in 84% der Fälle gefunden; diese Häufigkeit korreliert an varikösen Venen
sehr gut mit der Einmündung der V. saphena accessoria
posterior (85%). Als Varizen werden krankhaft erweiterte Venen bezeich-
net, wobei die Erweiterung der Gefäße umschrieben oder
Literatur
segmental verlaufen kann und häufig mit Schlängelung
Bardeleben K (1880) Das Klappen-Distanz-Gesetz. Jenaische Natur-
wiss 14:467–529
oder Knäuelung der betroffenen Vene einhergeht.
Caggiati A (1999) The saphenous venous compartments. Surg Radiol Das histologische Bild der Varikosis wird durch die
Anat 21:29–34 Ursache (primäre Varikose mit Venenwandschwäche vs.
2.3 · Pathologie des epifaszialen Venensystems
25 2
sekundäre Varikose nach Thrombophlebitis) und die
Dauer des Bestehens geprägt. Im Frühstadium ist vor
allem eine unterschiedliche Wanddicke von Venenquer-
schnitten zu beobachten, wobei die Media sowohl atro-
phisch als auch hypertrophiert sein kann. Dazwischen
kommen Ablagerungen PAS-positiven Materials vor. Ent-
zündliche Reaktionen fehlen meist. Im Spätstadium ent-
wickelt sich das Vollbild einer Phlebosklerose mit Ab-
nahme der elastischen Fasern in der Media. Entzündungs-
herde und Thrombosen sind in solchen Abschnitten recht
häufig. Durch die Entzündung kommt es zu einer weiteren
Zerstörung des elastischen Apparates. Thrombophlebi-
tiden können somit sowohl Ursache als auch Folge von
varikös veränderten Venen sein. Sekundäre Verkalkungen a
bis hin zu Verknöcherungen der Venenwand kommen
vor. Im benachbarten perivaskulären Weichgewebe finden
sich oft chronische Ödeme oder Zeichen der Gewebsdys-
trophie.
Im Gegensatz zur Stammvarikose, die meist im Ein-
zugsgebiet der V. saphena magna, seltener der V. saphena
parva lokalisisert ist und die Vene in ihrer Gesamtheit oder
lediglich einzelne Segmente betreffen kann, sind soge-
nannte Besenreiser und retikuläre Varizen Störungen der
Venenwand kleinerer Hautvenen. Besenreiser sind intra-
dermale Mikrovarizen, die netz- oder arkadenförmig um
eine »Nährvene« (meist eine größere Hautsammelvene)
angeordnet sind. Retikuläre Varizen entstehen primär
durch Wandschädigung einzelner oder mehrerer subku-
b
taner Venen. Man findet sie meist an der Innenseite der
Unterschenkel, an der Vorderseite der Oberschenkel und . Abb. 2.5. Histologisches Bild einer normalen (a) und einer vari-
an den Fußrändern. Histologisch finden sich in ihrer kös (b) veränderten epifaszialen Vene. Die Intima in (b) weist eine
Umgebung gelegentlich dysplastische Kollagenfibrillen. fokale, asymmetrische Vernarbung auf, so dass hier wahrscheinlich
eine sekundäre Varize bei Zustand nach Thrombophlebitis vorliegt
Sogenannte »blow-outs« entstehen durch Insuffizienz im
Bereich von Vv. perforantes durch den lokal erhöhten
Rückstrom aus den tiefen Venen. Die histologischen Ver-
änderungen bei lokalisierten Varikosen entsprechen durch die varikös veränderten Venen ganz im Vorder-
grundsätzlich denen der Stammvarikose. grund. Jede Thrombose einer größeren Vene geht mit ent-
Sekundärveränderungen der chronischen venösen In- zündlichen Vorgängen einher, da der Organismus auf die
suffizienz betreffen die Haut in Form der sog. Stauungs- lokale Gerinnungsstörung mit dem Versuch reagiert, den
dermatose/-dermatitis. Als Folge der venösen Insuffizi- Thrombus enzymatisch abzubauen. Durch Übergreifen
enz sieht man eine Fibrose der gesamten Dermis mit Ver- der Entzündung auf die äußeren Schichten der Venenwand
breiterung des Stratum papillare, starker Vermehrung von kommt es zu einer Schädigung des elastischen Apparates.
Anschnitten dickwandiger Venolen, Eryhtrozytenextrava- Solche geschädigten Areale können zum Ausgangspunkt
saten und zahlreichen Siderophagen. In fortgeschrittenen sog. sekundärer Varizen werden. Der weitere Verlauf einer
Fällen entwickelt sich eine Sklerose, die sich auch auf die Thrombose entspricht dem einer Wundheilung: nach etwa
Subkutis erstrecken kann (Lipodermatosklerose). 48–72 h beginnt die Organisation, in deren Rahmen Fibrin
Als Thrombophlebitis bezeichnet man die Entzün- und Erythrozyten zunächst durch Makrophagen abgebaut
dung der Venenwand, meist im Gefolge, selten auch als werden, später (etwa ab Tag 5) wandern Fibroblasten ein
Ursache eines Thrombus. Während bei der tiefen Bein- und erste Kapillaren beginnen zu sprossen. Hat der Throm-
venenthrombose neben Störungen der Hämodynamik bus zu einer Lumenobliteration geführt, besteht die Mög-
meist auch Veränderungen der Blutgerinnung im Sinne lichkeit einer Rekanalisation, wobei meist narbige Verän-
einer »zweiten Krankheit« vorliegen, steht bei den ober- derungen zurück bleiben, die häufig dystroph verkalken
flächlichen Venenthrombosen meist die gestörte Drainage und sogar verknöchern können (. Abb. 2.5).
26 Kapitel 2 · Anatomie und pathologische Anatomie des epifaszialen Venensystems

Literatur
Caggiati A, Bergan JJ, et al. (2002) Nomenclature of the veins of the
lower limbs: An international interdisciplinary consensus state-
ment. J Vasc Surg. 36(2): 416–22
2 Drenckhahn D (2004) Systematik des Venensystems. In: Benninghoff-
Drenckhahn. Urban&Fischer, München.
Federative International Committee on Anatomical Terminology
(1998) Terminologia Anatomica. Stuttgart: Thieme
Mozes G, Gloviczki P (2004) New Discoveries in Anatomy and New
Terminology of Leg Veins: Clinical Implications. Vasc Endovasc
Surg; 38(4):367–374
Van Neer PA, Veraart JC, Neumann HA (2003) Venae perforantes: a
clinical review. Dermatol Surg 29(9): 931–942

2.4 Anatomische Varianten


am epifaszialen Venensystem
der Beine

H. Nüllen, T. Noppeney

Die Anatomie des epifaszialen Venensystems ist außer-


ordentlich Variantenreich und insofern ist Brenner
(7 Kap. 2.2) vom Grundsatz her zuzustimmen, dass die
detaillierte Angabe von Varianten eigentlich nicht sinnvoll
ist. Dennoch ist es für den operativ oder endovenös tätigen
Gefäßmediziner von Bedeutung neben der normalen
Anatomie (. Abb. 2.7) eine Vorstellung von (typischen)
Varianten in der Anatomie des epifaszialen Venensystems,
insbesondere in den Mündungsregionen, zu haben. Es
sollen daher einige Aspekte der Variabilität aufgeführt
werden, ausdrücklich ohne Anspruch auf Vollständigkeit
und immer eingedenk der Tatsache, dass die angegebenen
. Abb. 2.6. Normale Anatomie des Magnastromgebietes
Möglichkeiten nur einen Teil der Wirklichkeit abbilden.
1. V. saphena magna (VSM)
Besonders kritisch sind Zahlenangaben zur relativen Häu- 2. V. saphena magna accessoria posterior
figkeit zu werten, da natürlich diese Zahlen nur die Wirk- 3. V. saphena magna accessoria anterior
lichkeit des jeweiligen Untersuchers bzw. der untersuchen- 4. V. epigastrica superficialis
den Institution widerspiegeln und insofern von einem 5. V. pudenda externa
6. V. circumflexa femoris posterior
Selektionsbias gekennzeichnet sind. Entsprechend schwan-
7. V. circumflexa femoris anterior
ken die Angaben in der Literatur erheblich. Häufigkeits- 8. V. circumflexa superficialis ilium
angaben sind für den Therapeuten auch eigentlich ohne 9. Vordere Bogenvene
Bedeutung, er muss in der Diagnostik auf anatomische Va- 10. Hintere Bogenvene
rianten achten und in der Therapie auf Überraschungen 11. Verbindung zur Vena saphena parva (VSP)
gefasst sein. Das »Denken« an die Möglichkeit anatomi-
scher Varianten schützt vor Fehleinschätzungen und ist
obligatorischer Bestandteil des Risikomanagements bei 2.4.1 Varianten der Mündungsregion
invasiven Verfahren. der Vena saphena magna (VSM)
Die Frage, ob Abweichungen von der »normalen« Ana-
tomie als Varianten anzusehen sind, oder in den Bereich Die Varianten im Bereich der Mündungsregion der VSM
der Angiodysplasien gehören, wird unterschiedlich bewer- (Magna-Crosse) betreffen zum einen die Mündung
tet (7 Kap. 16.5). selbst (. Abb. 2.7) und zum anderen die Zahl und die
Lokalisation der einmündenden Äste in den »Venenstern«
(. Abb. 2.8).
Die topographische Lage der Crosse bzw. der Mün-
dung der VSM in die V. femoralis ist relativ konstant und
2.4 · Anatomische Varianten am epifaszialen Venensystem der Beine
27 2

. Abb. 2.9. Kaudale Mündungsvariante der VSM

durch den Hiatus saphenus definiert. Kaudale Mündungs-


varianten sind beschrieben (. Abb. 2.9) und unter dem
. Abb. 2.7. Normale Anatomie der Magna-Crosse (Venenstern) Gesichtspunkt der Gefahr von Fehlsondierung bei klassi-
scher Strippingoperation aber auch bei endovenösen Tech-
niken zu beachten. Auch hohe Einmündungen sind be-
schrieben, wobei hier eine echte Mündung in die V. femo-
ralis bzw. V. iliaca nicht vorliegt. Hierbei überquert die
VSM das Leistenband und vereinigt sich mit einer Bauch-
deckenvene.
Die unterschiedlichen morphologischen Erschei-
nungsformen der VSM und der Mündungsregion sind
durch unterschiedliche Varianten der Lage des oberen In-
suffizienzpunktes bei der Varikose bedingt (. Abb. 2.10).
Sie führen so zu inkompletten Formen der Stammvarikose
der VSM und dürfen nicht zu den anatomischen Varianten
gerechnet werden, sondern sind Ausprägungen der Er-
krankung.
Meist münden 2–4 Ästen in den Venenstern ein (7 Kap.
2.2.1). Viele andere Varianten sind beschrieben. In den Fäl-
len einer von der »Norm« abweichenden Anatomie der
Crosse muss die Region präparatorisch soweit bearbeitet
werden, dass auch direkt in die V. femoralis einmündende
Ästen aufgefunden werden können.

2.4.2 Varianten im Verlauf des Stammes


der VSM

In ca. einem Drittel der Fälle zeigt die VSM im Ober-


schenkel einen gedoppelten Verlauf unterschiedlicher
Länge. Auf die strengen Anforderungen der Nomenklatur
. Abb. 2.8. Venenstern, Mündungsvariante. Die V. epigastrica
für die Feststellung einer Doppelläufigkeit der VSM sei
superficialis und eine V. pudenda externa münden oberhalb der pro- verwiesen (7 Kap. 2.2.1). Gleichgültig, ob nun echte Dop-
ximalen Circumferenz der Crosse direkt in die V. femoralis communis pelläufigkeit oder akzessorische Vene, der Therapeut sollte
28 Kapitel 2 · Anatomie und pathologische Anatomie des epifaszialen Venensystems

a b c d e f
. Abb. 2.10. Verschieden Ausprägungen der inkompletten Stammveneninsuffizienz der VSM. Keine Mündungsvarianten

die Variante erkennen, da ansonsten das »Frührezidiv«


droht.

2.4.3 Varianten der Mündungsregion


der Vena saphena parva (VSP)

Die Höhe der VSP-Mündung wird meist zum Kniekeh-


lenspalt in Bezug gesetzt. Bei den Varianten der Mün-
dungsregion der VSP sind die unterschiedlichen Höhen
der Mündung der VSP (relativ zum Kniegelenkspalt) in
die Vena politea zu beachten (. Abb. 2.11). Zahlreiche Va-
rianten sind beschrieben (. Abb. 2.12). Die Häufigkeits-
angaben beziehen sich auf das Klientel von R. May und
dürfen daher nicht als repräsentativ betrachtet werden.
Zahlreiche andere Varianten sind denkbar und möglich,
. Abb. 2.11. Einmündung der VSP in die V. poplitea. Varianten der
z. B. eine von uns kürzlich beobachtete breitflächige,
Einmündung in Relation zum Kniegelenkspalt. a Gelenkspaltebene;
b 1-3 cm proximal der Gelenkspaltebene; c 3-5 cm proximal der
gemeinsame Mündung der VSP und der V. femoropoplitea
Gelenkspaltebene; d mehr als 3 cm proximal der Gelenkspaltebene; (Giacomini). Selten aber komplikationsträchtig ist die
e mehr als 5 cm (bis zu 14 cm) proximal der Gelenkspaltebene distale Mündungsvariante in eine tiefe US-Vene, meist

. Abb. 2.12. Mündungsvarianten der VSP


2.4 · Anatomische Varianten am epifaszialen Venensystem der Beine
29 2
Von einer hohen Einmündung der VSP spricht man
dann, wenn die VSP in der Knieregion keine Verbindung
zur tiefen Vene aufweist (. Abb. 2.13).

2.4.4 Varianten im Verlauf des Stammes


der VSP

Varianten im Verlauf der VSP betreffen im Wesentlichen


die topographischen Verhältnisse des Venenstammes zur
Fascia cruris (. Abb. 2.14).
In der Wadenregion existieren in unterschiedlicher
Präsenz 3 Verbindungsvenen zwischen VSP und VSM
(Vv. communicantes), je eine im unteren US-Drittel, im
mittleren US-Drittel und eine unterhalb des Kniegelenkes.
Im Knöchelbereich zieht häufig eine Reihe von Verbin-
dungsvenen aus dem Parvastromgebiet über die Achilles-
sehne zur hinteren Bogenvene und findet so Anschluss an
das Magnastromgebiet. Hierdurch kann sich eine VSP-In-
suffizienz Grad 3 nach Hach in beide Knöchelregionen
auswirken.

. Abb. 2.13. Hohe Mündung der VSP. VSP Vena saphena parva; 2.4.5 Dorsale Venenstämme
VFP Vena femoralis profunda; 1 V. femoralis posterior; 2 V. femoro- des Oberschenkels
poplitea (Giacomini)
Die Beschreibung und Bezeichnung der dorsalen Venen-
stämme in der Literatur ist verwirrend, worauf auch Bren-
die V. fibularis, wobei man bei der Operation keine Parva ner (7 Kap. 2.2) hinweist. Die dorsale Fläche des Beines
an typischer Stelle findet und daher bei schlanken Pa- weist im Ideal, in unterschiedlicher Häufigkeit und Varianz
tienten in der Gefahr ist, die V. politea als VSP anzu- der Ausbildung, ähnlich wie die ventrale Fläche eine durch-
sprechen. gehende subkutane oder auch subfasziale venöse Drainage

. Abb. 2.14. Topographische Varianten der


VSP in Bezug zur Fascia cruris

a b c d
30 Kapitel 2 · Anatomie und pathologische Anatomie des epifaszialen Venensystems

a b
. Abb. 2.15. Dorsale Venenstämme am Oberschenkel, hier die
subkutan verlaufende V. femoralis posterior. Bei subkutanem Ver- . Abb. 2.16. Dorsale Venenstämme am Oberschenkel, hier die
lauf endet die V. femoralis posterior im oberflächlichen Venennetz subfaszial verlaufende V. femoralis posterior. a Bei subfazialem
des Oberschenkels und der Glutealregion. 1 Vv. cutaneae glutaeae; Verlauf mündet die V. femoralis posterior über eine Perforansvene
2 V. circumflexa fem. med. superf.; 3 V. acc. post.; 4 N. cutaneus in die V. profunda femoris. b Oder über die V. ischiadica und V. glutea
femoris post.; 5 V. femoralis posterior in die V. iliaca interna

bis zur Glutealregion, anlog zur Leiste, auf (. Abb. 2.15). 4 Verdämmern im oberflächlichen Venennetz, bei sub-
Zwischen beiden Stämmen besteht eine medial den Ober- kutanem Verlauf
schenkel umkreisende Verbindung vom dorsalen ober- 4 Perforansvene zur V. femoralis profunda, bei subfaszia-
flächlichen Venenstamm zum ventralen oberflächlichen lem Verlauf
Venenstamm bzw. als Variante auch direkt zur V. femoralis 4 über V. ischiadica und V. glutea in die V. iliaca interna,
(Giacomini-Vene). Brenner bezeichnet den dorsalen Ve- bei subfaszialem Verlauf
nenstrang unter Berufung auf die Originalliteratur seit
Giacomini als V. femoropoplitea. Andere Autoren (Kubik Vena femoropoplitea
1984) unterscheiden zwischen einer V. femoralis posterior Die V. femoropolitea stellt in der Interpretation von Kubik
und der V. femoropoplitea, die in unterschiedlicher Häu- bei Ausbildung einer Vena femoralis posterior eine Kur-
figkeit einzeln oder gemeinsam vorkommen können. schlussverbindung zwischen dieser und dem VSM-Strom-
Brenner weist darauf hin, dass in der Konsequenz der An- gebiet dar und im Falle, dass die Vena femoralis posterior
nahme eines dorsalen pedo-iliacalen, subcutanen Draina- fehlt, eine Verlängerung der VSP (. Abb. 2.17).
gestammes es eine »Parva-Crosse« eigentlich nicht geben Die Frage, wie man die unterschiedlichen Varianten
kann, sondern es sich dabei eigentlich um eine Perforans- nennen soll, ist unter praktischen Gesichtspunkten nicht
vene zur V. politea handelt. wichtig. An entsprechende Varianten muss bei atypischer
Verteilung der sichtbaren Varizen, insbesondere am dorsa-
Vena femoralis posterior len Oberschenkel, gedacht werden. Ob man die verwirren-
Folgt man der Interpretation von Kubik u.a., so stellt die de Vielfalt der Möglichkeiten in diesem Stromgebiet noch
Vena femoralis posterior, bei einer Präsens von 90– pauschal als Mündungsvarianten der VSP bezeichnen
95%, eine Verlängerung der VSP nach proximal dar, kann, wie dies gelegentlich getan wird, erscheint zweifel-
die unterschiedliche Mündungsvarianten aufweisen kann haft. Hier wird wiederum die fließende Grenze zur Angio-
(. Abb. 2.16). dysplasie deutlich.
2.4 · Anatomische Varianten am epifaszialen Venensystem der Beine
31 2
2.4.6 Arterien im Bereich
des Hiatus saphenus

Im Bereich des Hiatus saphenus treten drei aus der


A. femoralis abgehende Hautarterien durch den Hiatus
saphenus an die Oberfläche, die bei der Präparation im
Bereich der Crosse beachtet werden müssen (Aa. pudendae
externae, epigastrica, circimflexa ilium superficialis). Die
Aa. pudendae externae zeigen eine Reihe von Verlaufsva-
rianten. Sie können sowohl die VSM im Mündungsbereich
in Ihrem Verlauf zum Skrotum bzw. zur Labia majora
sowohl unter- als auch überkreuzen oder sogar in einem
Y-förmigen Verlauf nach medial die VSM unter- und über-
kreuzen.
Auch eine hoch aus der A femoralis communis abge-
hende A. profunda femoris oder eine A. circumflexa femo-
ris medialis kann die V. femoralis communis direkt ober-
halb der proximalen Grenze der Crosse überkreuzen und
kann entsprechend bei der Präparation in dieser Region
verletzt werden (. Abb. 2.18).

Literatur
Kubik St (1984) Anatomie des Oberschenkels in vasculärer Sicht. In:
Brunner U (Hrsg.) der Oberschenkel. Aktuelle Probleme in der An-
. Abb. 2.17. Dorsale Venenstämme am Oberschenkel, hier die giologie: 43, Huber Bern
V. femoropoplitea. (Giacomini) Kubik St (1986) Anatomie der Beinvenen. In: Wuppermann T, Varizen,
Ulcus cruris und Thrombose. Springer heidelberg
May R (1987) Primäre Varikosis. In: Heberer G, van Dongen RJAM,
Gefäßchirurgie. Springer Heidelberg

. Abb. 2.18. Arterienvarianten im Hiatus saphenus. 1 AFS; 2 AFP


oder A. circumflexa med.; 3 VFC; 4 VSM; 5 Aa. pudendae externae
3

3 Ätiologie der Varikose


P. Ströbel

3.1 Ätiologie der Varikose – 34

3.2 Pathogenese der Varikose – 35


34 Kapitel 3 · Ätiologie der Varikose

Physiologie und Pathophysiologie des Venensystems


Die Funktion der Beinvenen umfasst weit mehr als den
alleinigen passiven Transport des Blutes zurück zum Her-
zen. Venen spielen eine wichtige Rolle in der Regulation
der Körpertemperatur und als Blutreservoir. Die ausge-
prägte Elastizität der Venen befähigt sie dazu, sich an aus-
3 geprägte Veränderungen des Blutvolumens bei nur gerin-
gen Druckschwankungen anzupassen. Das Klappensystem
der Venen, welches einen gerichteten unidirektionalen
Blutstrom vom superfiziellen in das tiefe Venensystem be-
wirkt, ist von zentraler Bedeutung für den venösen Rück-
strom des Blutes. Die Varikose ist gekennzeichnet durch
ein Versagen des Klappensystems mit Reflux des Blutes . Abb. 3.1. Ätiologie der Varikose
aus dem tiefen in das epifasziale Venensystem (bidirektio-
naler Blutstrom) und der Folge einer chronisch erhöhten
Druckbelastung des epifaszialen Venensystems mit hie- Bei der primären Varikose findet sich in über 70% der
raus resultierenden Veränderungen des Wandaufbaus der Fälle eine familiäre Belastung, meist mütterlicherseits. Als
Venen (. Abb. 3.1). Ursache wird eine im Einzelnen bislang nicht aufgeklärte
Während das oberflächliche Venensystem ständig mit hereditäre, mechanische und/oder hormonelle Schwäche
Blut gefüllt ist und der Schwerkraft lediglich durch den der Venenwand diskutiert. In mehreren Studien wurden
muskulären und elastischen Apparat der Venenwand ent- übereinstimmend als wichtigste Faktoren das Alter und an
gegen wirken kann, werden die tiefen Venen durch die zweiter Stelle eine familiäre Disposition benannt. Weibliches
Muskelpumpe entleert. Hierdurch entsteht ein Druckgra- Geschlecht und mehrfache Schwangerschaften sowie lang-
dient zwischen den beiden Systemen, der bis zu 100 mm Hg jährige stehende Tätigkeit sind wichtige Realisationsfaktoren.
betragen kann und der zu einer raschen Drainage des ober- Neben der erhöhten Druckbelastung der Venen könnte bei
flächlichen Systems über die Perforans-Venen und zur Fül- der Schwangerschaft auch der erhöhte Progesteronspiegel
lung der tiefen Venen führt. Bei der Kontraktion wirken eine Rolle spielen, durch den der Tonus der glatten Musku-
auf die Muskelvenen des Unterschenkels Drücke von 200– latur gesenkt wird. Übergewicht hingegen spielt ätiologisch
300 mm Hg ein und treiben bei jedem Schritt ca. 80–100 ml keine Rolle. Seltene angeborene Störungen der Venenwand
Blut aus. Angesichts dieser hohen Drücke ist die Integrität (z.B. das Klippel-Trenaunay-Syndrom) sind mit valvulärer
des Klappensystems für die Funktion der Beinvenen von Insuffizienz und Reflux assoziiert. Patienten mit valvulärer
entscheidender Bedeutung. Die Klappen normaler Venen Agenesie weisen insuffiziente Saphena-Stämme und varikös
widerstehen retrograden Druckbelastungen von mehr als erweiterte Oberflächenvenen auf.
300 mm Hg. Sekundäre Varizen entstehen meist postthrombotisch,
Neben diesen mechanischen Faktoren ist in den letzten wobei hier ätiologisch neben einer direkten Schädigung
Jahren die Bedeutung des Endothels in der Entstehung einer betroffenen Vene auch hämodynamische Faktoren
der Varikose zunehmend in das Zentrum des Interesses im Rahmen eines postthrombotischen Syndroms in Be-
gerückt. Endothel spielt über die Freisetzung verschiedener tracht kommen: sowohl die Akutphase einer tiefen Bein-
vasoaktiver Substanzen (z. B. Endothelin-1, Stickstoff- venenthrombose als auch die Rekanalisationsphase einer
monoxid, NO) eine wichtige Rolle in der Regulation des tiefen Beinvenenthrombose kann zu einer sekundären
Gefäßtonus, daneben reguliert es die Blutgerinnung und Varikose oberflächlicher Hautvenen führen. In der Akut-
die Leukozytenadhäsion und -transmigration. Die beim phase stellt der thrombotische Verschluss ein Drainage-
normalen Blutstrom auf das Endothel einwirkenden Scher- hindernis dar. Die Rekanalisation eines tiefen Thrombus
kräfte werden über die endothelialen Stressfasern regis- kann zu einer Schädigung der Venenklappen und somit zu
triert und fortgeleitet und sind ein wichtiges antiinflamm- Reflux in das epifasziale System führen, wo es durch die
atorisches Signal. Stauung zu einer relativen Klappeninsuffizienz kommen
kann. Rund 60% aller unbehandelten Patienten, die eine
Phlebothrombose hatten, entwickeln im Laufe von 10 Jah-
3.1 Ätiologie der Varikose ren eine sekundäre Varikose.
Histologisch zeigen primäre Varikosen in erster Linie
Die Ätiologie der Varikose ist multifaktoriell. Nach ihrer deutliche Veränderungen des Venenkalibers mit Zeichen
Entstehungsweise werden primäre und sekundäre Formen einer chronischen Distention, welche zu einem diffusen
unterschieden. Verlust des elastischen Fasernetzes führt(. Abb. 3.2). Bei
3.2 · Pathogenese der Varikose
35 3

a b

c d

. Abb. 3.2. Venenquerschnitte. a/c normale Vene b/d varikös Färbung (c, d) zeigt sich im Gegensatz zum Normalbefund c ein
veränderte Vene. Das varikös veränderte Gefäß zeigt eine deutliche diffuser, intimal betonter Verlust der elastischen Faser (*) in d. Die
Schlängelung, welche durch eine unregelmäßige Verdickung der eher diffusen Veränderungen sprechen hier für eine primäre Varize
muskulären Wand hervorgerufen wird. In der Elastica-van-Gieson-

sekundären Varizen lassen sich häufig fokale Veränderun- > Unter normalen Umständen besteht ein Gleich-
gen, z. B. Residuen eines organisierten Thrombus, nach- gewicht zwischen ständig ablaufenden endothe-
weisen (7 Kap. 2, . Abb. 2.5). lialen Mikrotraumen und Aktivierung der Entzün-
dungskaskade auf der einen Seite sowie deren
Reparatur und früher Beendigung der lokalen
Entzündung auf der anderen. Risikofaktoren wie
3.2 Pathogenese der Varikose langes Stehen oder Inaktivität, verbunden mit
einer genetischen Prädisposition, könnten dieses
Am Anfang steht in den meisten Fällen eine Veränderung Gleichgewicht zugunsten einer Endothelschädi-
der intravenösen Strömungsgeschwindigkeit. Mehrere Ar- gung stören.
beiten haben gezeigt, dass sowohl eine Verminderung als
auch eine Erhöhung der Strömungsgeschwindigkeit eine Veränderte venöse Druckbelastung und Entzündung füh-
Verschiebung von einem protektiven hin zu einem proin- ren zu strukturellen Veränderungen der Venenklappen
flammatorischen Zustand des Endothels bewirkt. Klappen und der Venenwand. Eine Vielzahl histologischer Untersu-
variköser Venen weisen fast immer entzündliche Verände- chungen lassen sich so zusammenfassen, dass es zu einer
rungen auf. Interessanterweise finden sich in Venen von Störung der funktionellen Ordnung zwischen Intima, Me-
Personen mit familiärer Disposition vermehrt Mastzellin- diamuskelzellen und kollagenen und elastischen Faserwer-
filtrate, was darauf hinweist, dass in diesen Fällen die Ent- ken kommt, bei der die Muskelzellen einen Verlust der
zündung eher Ursache als Folge der Varikose sein könnte. gerichteten Kontraktionsübertragung aufweisen. Die Folge
36 Kapitel 3 · Ätiologie der Varikose

ist eine Dilatation der Venenwand mit zunehmender In-


suffizienz der Venenklappen. Dies bewirkt einen sich selbst
verstärkenden Circulus vitiosus mit Reflux des Blutes aus
dem tiefen in das oberflächliche Venensystem und ein da-
mit zusammenhängendes Versagen der Muskelpumpen
der Fuß- und Wadenmuskulatur. Grundsätzlich kann es
3 bei Durchbrechen dieses Circulus vitiosus zu einer Rück-
bildung dieser Veränderung mit Normalisierung des Ve-
nendurchmessers kommen. Nach lange bestehender pri-
märer oder bei sekundärer Varikose verändert sich aller-
dings die muskuläre Venenwand durch Bindegewebsum-
bau mit Verlust des elastischen Apparates irreversibel, eine
vollständige Rückbildung ist in diesem Stadium nicht mehr
möglich.

Literatur
Bergan J, Pascarella L, Schmid-Schönbein GW (2008). Pathogenesis of
primary chronic venous disease: insights from animal models of
venous hypertension. J Vasc Surg, 47(1): 183–192
Bergan J (2007). Molecular Mechanisms in chronic venous insufficien-
cy. Ann Vasc Surg; 21: 260–266
Belcaro G, Nicolaides AN, Veller M (1995). Venous disorders. A manual
of diagnosis and treatment. Saunders, London Philadelphia.
Staubesand J, Seydewitz V (1986). Zur formalen Pathogenese der Vari-
kose. In: Wupperman T (Hrsg) Varizen, Ulcus cruris und Thrombo-
se. Springer, Berlin Heidelberg.
4

4 Epidemiologie chronischer
Venenkrankheiten
E. Rabe, F. Pannier

4.1 Frühe epidemiologische Studien – 38

4.2 Epidemiologische Studien – CEAP-Klassifikation – 38


4.2.1 San Diego Bevölkerungsstudie, USA (Criqui et al. 2003) – 38
4.2.2 24-Städte Kohorten Studie, Italien (Chiesa et al. 2005a, b) – 38
4.2.3 Bonner Venenstudie I, Deutschland (Rabe et al. 2003) – 39
4.2.4 Polnische Venenstudie (Jawien et al. 2003) – 39
4.2.5 Französische Venenstudie (Carpentier et al. 2004) – 41

4.3 Prävalenz von Varizen und CVI – 41

4.4 Risikofaktoren für Varizen und CVI – 41


4.4.1 Alter – 41
4.4.2 Positive Familienanamnese – 42
4.4.3 Geschlecht, Schwangerschaft und Hormone – 42
4.4.4 Übergewicht – 42
4.4.5 Andere Risikofaktoren – 42

4.5 Zusammenfassung – 42
38 Kapitel 4 · Epidemiologie chronischer Venenkrankheiten

In den letzten Jahrzehnten wurden weltweit zahlreiche epi- ten (. Tab. 4.1). In der überarbeiteten CEAP-Klassifikation
demiologische Studien zu chronischen Venenkrankheiten sind präzise venöse Definitionen gegeben worden (Eklöf et
durchgeführt. Die meisten konzentrierten sich auf das al. 2004):
Krampfaderleiden (Beebe-Dimmer et. al 2005, Evans et. al 4 Teleangiektasien: Zusammenfluss von geweiteten intra-
1994, Evans et al 1999, Fischer 1981, Fowkes et al. 2001a, dermalen Venen mit weniger als 1 mm Durchmesser
Heit et al. 2001, Ruckley et al. 2002, Widmer et al. 1981). Bei 4 Retikuläre Venen: Erweiterte bläuliche subdermale
der Bewertung dieser Studien wurden einige grundsätzliche Vene, 1 mm bis weniger als 3 mm Durchmesser
Probleme deutlich. Zum einen verwandte man in den ver- 4 Varizen: Subkutane erweiterte Venen, 3 mm Durch-
4 schiedenen Studien unterschiedliche Definitionen von Va- messer oder größer, gemessen in aufrechter Position
rizen und chronischer venöser Insuffizienz, zum anderen 4 Ödem: Eindrückbare Flüssigkeitsvermehrung in Haut
wurden unterschiedlich Alterseinteilungen verwendet. Nur und Unterhautfettgewebe
in sehr wenigen Studien basierte die untersuchte Studien- 4 Chronische venöse Insuffizienz: venöse Funktions-
population auf einer randomisierten Stichprobe der Allge- störung mit Ödem (C3), Hautveränderungen (C4)
meinbevölkerung (Rabe et al. 2003). In vielen Studien wur- oder venöse Ulzerationen (C5-6).
den nur die Ergebnisse eines Fragebogens genutzt. Klinische
und duplexsonographische Untersuchungen fanden selten Die CEAP-basierten Studien unterscheiden sich auch wei-
Berücksichtigung, ebenso wie die Einarbeitung der CEAP- terhin in der Art der Rekrutierung der Studienpopulation,
Klassifikation in das Studiendesign (Rabe et. al 2003, Car- der Definition der CVI, des Alters und der Untersuchungs-
pentier et al. 2004, Chiesa et al. 2005a, Chiesa et al. 2005b, methoden.
Criqui et al. 2003, Jawien et al. 2003).

4.2.1 San Diego Bevölkerungsstudie, USA


4.1 Frühe epidemiologische Studien (Criqui et al. 2003)

In frühen epidemiologischen Studien differierte das Vor- Rekrutierung: Zwischen 1994 und 1996 wurden 2.211
kommen von Varizen von 1–73% in der weiblichen und Männer und Frauen zwischen 40 und 70 Jahren auf das
von 2–56% in der männlichen Bevölkerung. Bei der chro- Vorliegen von chronischen venösen Veränderungen hin
nischen venösen Insuffizienz variierten die Werte von 1 bis untersucht.
40% bei den Frauen und von 1 bis 17% bei den Männern Untersuchung: Teleangiektasien, Varizen, trophische
(Beebe-Dimmer et al. 2005). Diese Werte resultierten einer- Veränderungen und Ödem wurden visuell und durch
seits aus den Evaluationsmethoden, andererseits aus den eine Duplexuntersuchung untersucht. Eine modifizierte
unterschiedlichen geographischen Regionen. CEAP-Klassifikation mit dem am stärksten ausgeprägten
In westlichen Ländern wurde bei 25–33% der Frauen C-Stadium fand Verwendung. C3 wurde nicht berück-
und bei 10–20% der männlichen Erwachsenen über ein sichtigt.
Krampfaderleiden berichtet (Beebe-Dimmer et al. 2005, Ergebnis: Bei 19% der Untersuchten wurde C0, bei
Evans et al. 1994, Fowkes et al. 2001a, Widmer et al. 1981). 51,6% C1, bei 23,3% C2 und bei 6,2% wurde C4–6 klassi-
Die Inzidenz von Krampfadern in der Framingham-Studie fiziert. Bei 5,8% der Gesamtbevölkerung wurde ein Ödem
lag bei Frauen bei 2,6% und bei Männern bei 1,9% (Brand diagnostiziert, 7,4% davon Männer und 4,9% Frauen. Venö-
et al. 1988). Bei der untersuchten Bevölkerung wurde in se Erkrankungen stiegen an mit dem Alter. Weiße nicht-
3–13% über Hautveränderungen berichtet, in 1–2,7% über spanischer Herkunft hatten häufiger venöse Erkrankungen
aktive oder abgeheilte Ulzera. Bestätigte Risikofaktoren für als die anderen ethnischen Gruppen. Die Stadien C1 und
Varizen waren höheres Lebensalter, eine positive Familien- C2 kamen häufiger bei Frauen vor, wohingegen die Stadien
anamnese, weibliches Geschlecht, zahlreiche Schwanger- C4–6 bei Männern häufiger auftraten.
schaften, eine stehende Tätigkeit und höheres Körperge-
wicht bei Frauen (Beebe-Dimmer et al. 2005, Evans et al.
1994, Fowkes et al. 2001a, Brand et al. 1988). 4.2.2 24-Städte Kohorten Studie, Italien
(Chiesa et al. 2005a, b)

4.2 Epidemiologische Studien – Rekrutierung: In diese Querschnittstudie wurden im Som-


CEAP-Klassifikation mer und Herbst 2003 5.247 Einwohner aus Nord-/Zentral-
und Süditalien eingeschlossen. Angeworben wurden die
In den vergangenen Jahren sind fünf Studien publiziert Teilnehmer durch Anzeigen in Fernsehen und Zeitungen
worden, die auf der CEAP-Klassifikation (7 Kap. 15) basier- und durch Flyer. 85,9% der Teilnehmer waren Frauen.
4.2 · Epidemiologische Studien – CEAP-Klassifikation
39 4
Untersuchung: Alle beantworteten einen standar-
disierten Fragebogen und wurden klinisch und duplex-
sonographisch untersucht. Alle vorhandenen C-Stadien
wurden klassifiziert.
Ergebnis: 22,7% gehörten zur C0-Gruppe, 64,8% zur
C1-Gruppe, 43% zur C2-Gruppe, 13,6% zur C3-Gruppe,
3,4% zur C4a-Gruppe und 8,6% zur C4b-C6-Gruppe. Die
CVI wurde als C1–C6 definiert. Risikofaktoren für das
Auftreten von Varizen waren höheres Lebensalter, das Le- . Abb. 4.2. Häufigkeiten der klinischen Stadien (CEAP, C0 – C6) in
der Bonner Venenstudie
ben in Süditalien, die Zahl der Schwangerschaften und
eine positive Familiengeschichte.

Klassifikation zeigten nur 9,6% der Teilnehmer (13,6%


4.2.3 Bonner Venenstudie I, Deutschland Männer, 6,4% Frauen) keine Zeichen von venösen Er-
(Rabe et al. 2003) krankungen (C0), 59,1% (58,4% Männer, 59,5% Frauen)
wiesen Teleangiektasien oder retikuläre Venen auf (C1)
Rekrutierung: Zwischen November 2000 und März 2002 (. Abb. 4.2). 14,3% (12,4% Männer, 15,8% Frauen) der
wurde von der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie und Probanden hatten Varizen ohne Ödem oder Hautverände-
dem Bundesministerium für Gesundheit in der Stadt Bonn rungen; 13,4% (11,6% Männer, 14,9% Männer) hatten ein
und zwei ländlichen Nachbargemeinden die Bonner Venen- eindrückbares prätibiales Ödem; nur 2,9% (3,1% Männer,
studie I durchgeführt. Die Teilnehmer wurden über eine 2,7% Frauen) hatten Hautveränderungen wie Pigmentie-
Zufallsstichprobe der Einwohnermeldeämter ausgewählt. rung oder Lipodermatosklerose (C4). 0,6% der Probanden
3.072 Personen (1.722 Frauen, 1.350 Männer) zwischen 18 hatten abgeheilte venöse Ulzera (C5) und 0,1% aktive ve-
und 79 Jahren wurden untersucht. nöse Ulzera (C6). Nur die weiblichen Probanden in den
Untersuchung: Alle Teilnehmer beantworteten einen Stadien C2 und C3 zeigten eine signifikant höhere Präva-
standardisierten Fragebogen und wurden klinisch und lenz, die städtische Bevölkerung wies ein höheres Aufkom-
duplexsonographisch von 4 erfahrenen Phlebologen un- men der CVI auf und die Prävalenz der Stadien C2 zu C6
tersucht (. Abb. 4.1). Die komplette CEAP-Klassifikation stieg mit dem Alter an.
wurde eingesetzt. Die klinische Klassifizierung orientierte In einer Multivarianzanalyse konnte gezeigt werden,
sich jeweils am höchsten C-Stadium. dass Krampfadern häufiger mit höherem Alter, weiblichem
Ergebnis: 49,1% der Männer und 62,1% der Frauen Geschlecht und Schwangerschaften korreliert waren. Für
hatten venöse Beinbeschwerden wie Schweregefühl, die CVI waren dies das höhere Alter, Übergewicht und
Schwellungsneigung. Das Vorkommen der Beschwerden städtischer Wohnort.
stieg mit dem Alter an. 14,8% der Teilnehmer berichteten
über Beinschwellungen in den letzten 4 Wochen (7,9% der
Männer und 20,2% der Frauen). Bezüglich der CEAP- 4.2.4 Polnische Venenstudie
(Jawien et al. 2003)

Rekrutierung: 40.095 polnische Erwachsene zwischen 16


und 97 Jahren (Mittelwert 44,8 Jahre) wurden ausgesucht.
Untersuchung: Sie wurden in einer Querschnitts-
Multicenter-Studie von 803 Primärärzten (Allgemeinärzte,
Internisten, Gynäkologen) interviewt und klinisch unter-
sucht. Es wurden jeweils 50 konsekutive Patienten (vorwie-
gend weibliche Patienten -84%) in den Praxen ausgewählt.
Die CEAP-Klassifikation (höchste klinische Level) wurde
zur Klassifizierung genutzt. Eine CVI wurde bei Vorliegen
eines Stadiums C1–C6 diagnostiziert.
Ergebnis: Die Probanden berichteten über Beinbe-
schwerden in 81% der Fälle in der Varizengruppe und in
35% in der Varizen-freien-Gruppe. 10% der Probanden
hatten Ödeme, 34,3% Varizen und 1,5% aktive oder abge-
. Abb. 4.1. Ablauf der Bonner Venenstudie heilte venöse Ulzera. C0 lag bei 51,1% der Fälle vor, C1 bei
4
. Tab. 4.1. Prävalenz von C0–C6 in aktuellen Studien
(G gesamt, m Männer, f Frauen)

Literatur Land m/f Alter n C0 C1 C2 C3 C4 C5 C6


(Jahr) (in %) (in
Jahren) G m f G m f G m f G m f G m f G m f G m f

Criqui1 USA 35,3/64,7 40–79 2,211 19,0 33,6 11,0 51,6 43,6 55,9 23,3 15,0 27,7 5,8 7,4 4,9* 6,2 7,8 5,3
(2003) (bein-
haltet
C4–C6)
40 Kapitel 4 · Epidemiologie chronischer Venenkrankheiten

Jawien1 Polen 16,0/84,0 16–97 40,095 51,5 16,5 21,8 4,5 4,6 1,0 0,5
(2003)

Rabe1 Deutsch- 43,9/56,1 18–79 3,072 9,6 13,6 6,4 59,1 58,4 59,5 14,3 12,4 15,8 13,4 11,6 14,9 2,9 3,1 2,7 0,6 0,6 0,6 0,1 0,1 0,1
(2003) land

Carpentier2 Frank- 67,7/32,3 über 18 409 48,7 23,7 46,3 1,1 2,2 4,0 2,1 1,4 0,7 0,0 0,0
(2004) reich (bein-
haltet
C0+C1)

Chiesa2 Italinen 14,1/85,9 18–90 5,187 22,7 63,0 20,6 64,8 33,4 69,9 29,4** 29,3 29,4 13,6 11,4 13,9 3,4 5,2 3,1 8,6 11,6 8,1
(2005) 13,6*** 11,4 13,9 (bein- (bein-
haltet haltet
nur C4bC6)
C4a)

1 höchstes C-Stadium erfasst, 2 alle C-Stadien erfasst

* Ödem in der Gesamtpopulation, ** Astvarikose, *** Stammvarikose


4.4 · Risikofaktoren für Varizen und CVI
41 4
16,5%, C2 bei 21,8%, C3 bei 4,5%, C4 bei 4,6%, C5 bei 1,0%
und C6 bei 0,5%. . Tab. 4.2. Risikofaktoren für Varizen (V) und Chronische

Risikofaktoren für Varizen waren höheres Lebensalter, Venöse Insuffizienz (CVI)

die Zahl der Schwangerschaften, eine positive Familien- (+ sicher, ± unsicher,– keine Assoziation)

anamnese und Übergewicht. Das Geschlecht war kein Ri- V CVI


sikofaktor.
Höheres Alter + +

Positive Familienanamnese + +
4.2.5 Französische Venenstudie
(Carpentier et al. 2004) Frauen + ±

Schwangerschaften + ±
Rekrutierung: In dieser Querschnittsanalyse wurde eine
Übergewicht ± +
Subpopulation einer Studie, das Raynaud Phänomen be-
treffend, genutzt: 409 Teilnehmer, davon 277 Männer und Hormoneinnahme – –
132 Frauen.
Untersuchung: Sie füllten einen standardisierten Frage-
bogen aus und wurden klinisch von erfahrenen Phlebolo- In den CEAP-basierten epidemiologischen Studien ist
gen untersucht. die Prävalenz in den meisten Fällen vergleichbar (. Tab. 4.1).
Ergebnis: 48,7% der Probanden wurden C0 oder C1 zu- C0 und C1 zusammen waren in mehr als 60% der Fälle prä-
geordnet, C2 waren 23,7% der Männer und 46,3% der Frauen, valent (48,7–70,6%). Krampfadern wurden bei mehr als 20%
C3 waren 1,1% beziehungsweise 2,2%. 4,0% der Männer und der Probanden (21,8–29,4%) diagnostiziert, wobei der An-
2,1% der Frauen hatten Hautveränderungen (C4), Abgeheil- teil der Frauen hier höher war. Hautveränderungen bis hin
te venöse Ulzera zeigten 1,4% der Männer und 0,7% der zu venösen Erkrankungen, einschließlich venöser Ulzera,
Frauen. Aktuell aktive venöse Ulzera traten nicht auf. wiesen weniger als 10% der Untersuchten auf (3,6–8,6%).
Positive Familienanamnese, höheres Lebensalter, Die Prävalenz für aktive Ulzera variierte zwischen 0,0 und
Schwangerschaften, das Gewicht bei Frauen und körper- 0,5% (Rabe et al. 2003, Carpentier et al. 2004, Chiesa et al.
liche Bewegung weniger als einmal pro Woche bei den 2005a, Criqui et al. 2003, Jawien et al. 2003).
Männern galten als primäre Risikofaktoren Varizen.

4.4 Risikofaktoren für Varizen und CVI


4.3 Prävalenz von Varizen und CVI
Die hauptsächlichen Risikofaktoren für Krampfadern sind
Die hohe Prävalenz von chronischen Venenkrankheiten in höheres Lebensalter, weibliches Geschlecht, Schwanger-
der Allgemeinbevölkerung ist aus zahlreichen Studien be- schaften und eine positive Familienanamnese (. Tab. 4.2)
kannt (Beebe-Dimmer et al. 2005, Evans et al. 1994, Fowkes
et al. 2001a). Die Vergleichbarkeit von neueren Studien mit
ausführlicher klinischer und duplexsonographischer Un- 4.4.1 Alter
tersuchung und älteren Studien, die nur mit Fragebögen
und Fotos durchgeführt wurden, ist fraglich. Bedingt durch Ein höheres Lebensalter war in allen Studien mit einem
die Tatsache, dass in den meisten Studien die Prävalenz vermehrten Vorkommen von Krampfadern und der CVI
von chronischen Venenkrankheiten mit dem Alter und bei assoziiert (Beebe-Dimmer et al. 2005, Fowkes et al. 2001a,
Frauen ansteigt, sollten alle Daten auf auf diese Einfluss- Widmer et al. 1981, Rabe et al. 2003,Carpentier et al. 2004,
faktoren adjustiert werden. Chiesa et al. 2005b, Criqui et al. 2003, Jawien et al. 2003,
Sogar die kürzlich publizierten CEAP-basierten Stu- Brand et al. 1988). In der San Diego Studie zeigte das hö-
dien wiesen Unterschiede bezüglich der Probandenrekru- here Lebensalter eine signifikant höhere Odds Ratio von
tierung, des Alters, der Geschlechterzusammensetzung bis zu 2,42 für Krampfadern bis zu 4,85 für die CVI (Criqui
und der CVI-Definition aus. Nur in drei Studien wurden et al. 2003). Die Bonner Venenstudie bestätigte das höhere
die Teilnehmer duplexsonographisch untersucht (Rabe et Lebensalter als den wichtigsten Risikofaktor für die
al. 2003, Chiesa et al. 2005a, Criqui et al. 2003). Die ver- Krampfaderbildung und die chronische venöse Insuffizi-
wendete Methode zum Ödemnachweis wurde nur in der enz (Rabe et al. 2003).
Bonner Venenstudie angegeben. Dies erklärt auch die Un-
terschiede bei der Prävalenz von C3, die zwischen 1,1%
und 14,9% variierte (. Tab. 4.1).
42 Kapitel 4 · Epidemiologie chronischer Venenkrankheiten

4.4.2 Positive Familienanamnese up-Studie demonstrierten Jukkola et al. (2006) ebenfalls,


dass die Einnahme von Hormonen kein Risikofaktor für
Eine positive Familienanamnese wurde in zahlreichen Stu- das Auftreten von Krampfadern war. Bérard et al. (2001)
dien als Risikofaktor für die Entstehung von Krampfadern fanden einen protektiven Effekt der Hormoneinnahme in
und venösen Erkrankungen angesehen (Beebe-Dimmer et Bezug auf die Entwicklung von venösen Ulzera.
al. 2005, Widmer et al. 1981, Rabe et al. 2003,Carpentier et
al. 2004, Jawien et al. 2003). In der Bonner Venenstudie
betrug die Odds Ratio für Krampfadern bei Männern 2,1, 4.4.4 Übergewicht
4 bei Frauen 2,3. Für die CVI lag sie bei 1,4 (Männer) und bei
1,3 (Frauen). Dieser Zusammenhang schwächt sich mit Die Rolle des Gewichtes bei der Entwicklung von Krampf-
dem Alter ab (Hirai et al. 1990). Obwohl die Vererbung ein adern wird kontrovers beurteilt. So stieg in der Framing-
Risikofaktor für das Auftreten von Varizen zu sein scheint, ham-Studie bei einem BMI > 27 kg/m2 das Risiko für das
ist bisher kein genetischer Defekt identifiziert worden. Auftreten von Krampfadern bei Frauen, aber nicht bei
Männern (Brand et al. 1988). In der Bonner Venenstudie
kam es zu einem nicht signifikanten Anstieg der Prävalenz
4.4.3 Geschlecht, Schwangerschaft von Krampfaden bei einem BMI > 30 kg/m2. Im Gegensatz
und Hormone dazu stieg das Risiko für die CVI bei Männern und Frauen
(OR 6,5 und 3,1) (Rabe et al. 2003). Iannuzzi et al. (2002)
Grundsätzlich lag die Prävalenz für Krampfadern bei konnten einen Anstieg der Krampfaderentwicklung bei
Frauen höher als bei Männern (Beebe-Dimmer et al. 2005). Frauen in der Menopause bei einem BMI > 30 kg/m2 zei-
Die durchschnittliche2-Jahres-Inzidenz für Varizen in der gen. Carpentier et al. fanden kein erhöhtes Risiko für
Framingham-Studie lag bei 5,2% bei Frauen und bei 3,9% Krampfadern bei höherem Gewicht, aber eine Assoziation
bei Männern (Brand et al. 1988). In der San Diego Studie mit der Körpergröße. In der polnischen Studie stellte das
betrug die Odds Ratio für Frauen bei Krampfadern 2,18, in höhere Gewicht einen Risikofaktor für venöse Erkran-
der Bonner Venenstudie 1,5 (Rabe et al. 2003, Criqui et al. kungen dar (Jawien et al. 2003).
2003). Ähnliche Ergebnisse konnten in anderen Studien
gezeigt werden. Im Gegensatz dazu gab es keinen offen-
sichtlichen Geschlechterunterschied beim Vorkommen 4.4.5 Andere Risikofaktoren
der CVI. Chiesa et al (2005) fanden eine höhere Prävalenz
für Ödeme (13,9 vs. 11,4), aber eine niedrigere Prävalenz Für andere Risikofaktoren wie Rauchen, arterielle Hyper-
für C4a (3,1 vs. 5,2) und C4b–C6 (8,1–11,6) bei Frauen tonie oder körperliche Aktivität sind die Daten wider-
im Vergleich zu Männern. Ähnliche Ergebnisse zeigte sprüchlich (Beebe-Dimmer et al. 2005, Evans et al. 1994,
auch die Bonner Venenstudie (Rabe et al. 2003). In der San Fischer 1981, Fowkes et al. 2001a, b, Lee et al. 2001). Wenn
Diego Studie lag die Odds Ratio für das weibliche Ge- überhaupt vorhanden, so ist das Risiko für chronische Ve-
schlecht und trophische Veränderungen bei 0,65 (Criqui et nenkrankheiten niedrig.
al. 2003).
Der wichtigste Grund für die Geschlechterunterschiede
beim Auftreten von Krampfadern könnte in der Zahl der 4.5 Zusammenfassung
Schwangerschaften liegen. Chiesa et al. (2005a) fanden
eine höhere Odds Ratio für Frauen mit früheren Schwan- Chronische venöse Erkrankungen wie Krampfadern und
gerschaften (OR 1,11) als für diejenigen, die nie schwanger die CVI gehören zu den häufigsten Krankheitsbildern in
waren (OR 0,75). In der Bonner Venenstudie stieg die den westlichen Industrieländern. Venöse Symptome wie
Odds Ratio mit der Zahl der Schwangerschaften von 1,3 Schweregefühl der Beine, Schwellungsneigung und Schmer-
auf 2,2 an. Frauen, die niemals schwanger waren, und zen während des Stehens sind häufige Beschwerden in der
Männer hatten eine ähnliche Prävalenz für das Auftreten Allgemeinbevölkerung. Die Häufigkeit von ernsteren chro-
von Krampfadern (Bromen et al. 2004). nischen venösen Zeichen wie Ekzem, Pigmentation oder
Hormonersatztherapien oder orale Kontrazeptiva stell- Dermatoliposklerose und venöse Ulzerationen liegt bei ca.
ten scheinbar keine Risikofaktoren für das Auftreten von 5% bei Männern und Frauen. Krampfadern zeigen ca. 20%
Krampfadern oder CVI dar. Die Hormoneinnahme war im der Allgemeinbevölkerung. Bestätigte Risikofaktoren für
Rahmen der der Bonner Venenstudie offensichtlich kein Krampfadern sind höheres Lebensalter, eine positive Fa-
Faktor für das Auftreten von Krampfadern (OR 0,9), wäh- milienanamnese, weibliche Geschlecht und Schwanger-
rend sie mit dem Auftreten der CVI negativ assoziiert war schaften. Bei der CVI spielt das höhere Gewicht eine wich-
(OR 0,6) (Bromen et al. 2004). In einer 5-Jahres-Follow- tige zusätzliche Rolle.
4.5 · Zusammenfassung
43 4
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5

5 Varikose in verschiedenen
Lebensabschnitten
Einleitung – 46
H. Nüllen, T. Noppeney

5.1 Varikose im Kindesalter – 46


S. Reich-Schupke, M. Stücker
5.1.1 Epidemiologie im Kindesalter – 46
5.1.2 Diagnostik im Kindesalter – 47
5.1.3 Therapie im Kindesalter – 47

5.2 Varikose im höheren Lebensalter – 48


H. Nüllen, T. Noppeney
5.2.1 Epidemiologie im höheren Lebensalter – 48
5.2.2 Therapie im höheren Lebensalter – 48
46 Kapitel 5 · Varikose in verschiedenen Lebensabschnitten

Einleitung Die Bochumer Arbeitsgruppe sammelte in einer welt-


weit bisher einzigartigen, prospektiven, longitudinalen
H. Nüllen, T. Noppeney Studie in 4 Untersuchungsdurchgängen Daten von initial
740 Kindern und Jugendlichen vom 11. bis zum 30. Lebens-
Die Varikose stellt nach allgemein akzeptierter Auffassung jahr. Die ersten drei Durchgänge dieser Studie (BO I–III)
eine angeborene Erkrankung mit einer ihr immanenten wurden unter der Schirmherrschaft des Kultusministeriums
Tendenz zur Progression dar. Das Lebensalter gilt als ein von NRW in 11 Bochumer Gymnasien durchgeführt. Dabei
wesentlicher Realisationsfaktor und damit wird auch die wurden die Schüler eines Jahrganges einmal zu Beginn, ein-
Zeitdauer der manifesten Erkrankung zu einem wesent- mal in der Mitte und einmal zu Ende ihrer 9-jährigen Schul-
lichen Faktor für die Ausprägung der Folgen der krank- zeit untersucht. Die Teilnahme an der Studie war freiwillig,
5 heitsbedingten venösen Hypertonie, wie Beschwerden und d. h. Eltern und Schüler mussten einverstanden sein. Die in
Komplikationen. Unter dem Aspekt des Lebensalters der BO I erfassten Teilnehmer wurden jeweils in den folgenden
Betroffenen und der Krankheitsdauer bzw. der Zeitdauer Durchgängen (BO II, BO III) erneut kontaktiert und – wie-
der gestörten venösen Hämodynamik, sind zwei Alters- derum auf freiwilliger Basis – nachuntersucht. Die Untersu-
gruppen besonders zu beachten, Kinder und Jugendliche chungen erfolgten in BO I bis BO III in den Schulräumen
sowie ältere und alte Patienten. und umfassten eine ärztliche Untersuchung, diverse Mes-
sungen einschließlich der Photoplethysmographie durch
speziell trainiertes Hilfspersonal und einen (zuvor ver-
5.1 Varikose im Kindesalter schickten) Fragebogen. Pro Schulklasse standen 2 Schul-
stunden (d. h. insgesamt 90 Minuten) zur Verfügung, die
S. Reich-Schupke, M. Stücker nicht überschritten werden konnten.
11 Jahre nach Schulende konnte dann eine 4. Unter-
suchungsreihe (BO IV) in der phlebologischen Abteilung
5.1.1 Epidemiologie im Kindesalter der Klinik für Dermatologie am St. Josef-Hospital geführt
werden. Den Studienteilnehmern wurde ein in Anlehnung
Aus großen epidemiologischen Studien in den letzten Jah- an BO I bis BO III konzipierter Fragebogen vorgelegt und
ren (z. B. Bonner Venenstudie, Baseler Venenstudie) sind diverse Untersuchungen der Venen inklusive der Photo-
zahlreiche Daten zur Varikose im Erwachsenenalter be- plethysmographie durchgeführt. Die besonderen Schwie-
kannt. Angaben zur Epidemiologie der Varikose im Kin- rigkeiten dieser letzten Nachuntersuchung bestanden da-
desalter finden sich nur vereinzelt. Die durch Schultz-Eh- rin, dass die Untersuchungsteilnehmer nicht mehr im
renburg initiierte Bochumer Studie stellt hier eine Ausnah- Klassenverband aufgesucht werden konnten, sondern in-
me dar. dividuellen Berufstätigkeiten nachgingen. Mit Hilfe von

. Tab. 5.1. Epidemiologie der Varikose entsprechend der Bochumer Studie in Anlehnung an die CEAP-Klassifikation [%] (Bochumer
Studie)

CEAP–Klassifikation Bochum I Bochum II Bochum III


11–12 Jahre 14–16 Jahre 18–20 Jahre
n = 740 n = 518 n = 459

C1 Besenreiser 0 3,7 12,9

Retikuläre Varizen 10,7 30,3 35,3

C2 Stammvarizen 0 1,7 3,3

Seitenastvarizen 0 0,8 5,0

Perforansvarizen 0 4,1 5,2

C3 0 0 0

C4 0 0 0

C5 0 0 0

C6 0 0 0
5.1 · Varikose im Kindesalter
47 5
Stadtverwaltung, des Telefonbuchs, alten Adressen der El- treten früher auf und nehmen dann im Verlauf auch in
tern und Kontakte der ehemaligen Schüler untereinander höherem Maße stetig zu.
wurden die Untersuchungsteilnehmer einzeln ausfindig
gemacht und zur Untersuchung gebeten.
Im Laufe der Durchgänge sank die Anzahl der Stu- 5.1.2 Diagnostik im Kindesalter
dienteilnehmer stetig ab. Am stärksten war dieser Abfall
erwartungsgemäß von BO III zu BO IV. Häufig genannte Die Lichtreflexionsrheographie (LRR) oder Digitale Pho-
Gründe hierfür waren Wohnortwechsel und kein weiteres toplethysmographie (DPPG) wird bei Erwachsenen als
Interesse an der Studie. Screeningmethode im Rahmen der Varikosediagnostik
An dieser Stelle sind vor allem die Daten vom 11. bis genutzt. Im Kindesalter jedoch liefert sie häufig falsch-
zum 18. Lebensjahr von Interesse. Daten jüngerer Patien- pathologische Ergebnisse verglichen mit den für Erwach-
ten wurden im Rahmen der Bochumer Studie nicht erho- sene gültigen Normwerten.
ben. In der weiteren Literatur gibt es nur Daten in Form Es besteht dabei keine Korrelation zu Dopplersono-
von Einzelfallberichten. graphisch detektierbaren Refluxen oder sichtbaren Varizen.
Während in Bochum I lediglich bei 10,7% der Kinder Die Ursache für dieses Phänomen ist möglicherweise die
retikuläre Varizen sichtbar waren, zeigte sich bereits in bei den Kindern und Jugendlichen noch geringe Weichteil-
Bochum II eine deutlich Zunahme der klinisch auffälligen und Muskelmasse. Dies zeigt sich in einer noch nicht
Varikose. Hier waren bereits Stamm-, Seitenastvarizen und ausgereiften Funktion der Wadenmuskel-Venen-Pumpe.
insuffiziente Perforantes nachweisbar. Die retikulären Vari- Eigene Normwerte für die DPPG bei Kindern sind nicht
zen waren bei einem Drittel der Kinder vorhanden. Vier bekannt, angesichts der starken Schwankungen hinsicht-
Jahre später zeigten etwa 5% der jungen Erwachsenen lich der körperlichen Entwicklung bei Kindern und den
Seitenastvarizen und insuffiziente Perforansvarizen. Bei damit großen Schwankungen bei Größe, Gewicht und
3,3% bestand eine Stammvarikose. Muskelmasse. Damit ist die LRR bzw. DPPG bei Kindern
Von der Stamm- und Seitenastvarikose war im Gesamt- und Jugendlichen weder zur Früherkennung noch zur Er-
kollektiv im Gesamtverlauf in ca. 2/3 der Fälle das Strom- kennung präklinischer Stadien der Varikose geeignet.
gebiet der V. saphena magna betroffen. Perforansvarizen Die Doppler- und Duplexsonographie scheint, ent-
fanden sich in der Mehrzahl der Fälle am Oberschenkel. sprechend den Daten der Bochumer Studie, bei Kindern
Die Verteilung der großen und kleinen Varizen unter- gleichermaßen einsetzbar zu sein wie bei Erwachsenen.
schied sich zwischen den Geschlechtern. Während bei den Nach den Daten der Bochumer Studie handelt es sich bei
männlichen Personen große Varizen (Jungen : Mädchen den Kindern- und Jugendlichen vor allem um deszendie-
13 vs. 7%) dominierten, waren bei den Mädchen vor allem rende Refluxe.
die kleinen Gefäße (Mädchen : Jungen 48 vs. 30%) be-
troffen.
Der Manifestation klinisch sichtbarer Varizen gingen 5.1.3 Therapie im Kindesalter
meist Doppler- oder duplexsonographisch messbare Re-
fluxe zeitlich voraus. Initial finden sich oft nur Rückflüsse Die Therapie der Varikose im Kindesalter unterscheidet
im Bereich der Mündungsregionen. Die Refluxlänge nahm sich prinzipiell nicht von der eines Erwachsenen. Maßstab
vom Kindes- zum Jugendalter hin deutlich zu. Mit Eintritt für die Indikationsstellung ist der Schweregrad nach hämo-
in das Erwachsenenalter (Bochum III) finden sich bei je- dynamischen Kriterien und das Beschwerdebild. Bei Kin-
dem Fünften messbare Refluxe, während nur jeder Zwölfte dern und Jugendlichen im Schulalter sind die kosmetischen
klinisch sichtbare große Varizen aufweist. Auswirkungen der Varikose und die damit evtl. verbunde-
Im Gegensatz zu den großen Varizen zeigen retikuläre nen Beeinträchtigungen des Selbstwertgefühls und der
Varizen und Teleangiektasien ein anderes Zeitmuster. Sie Persönlichkeitsentwicklung in einem besonderen Bedin-
gungen gehorchenden sozialen Umfeld zu bedenken.
Die technischen Optionen bei der Therapie der Vari-
. Tab. 5.2. Häufigkeit Dopplersonographisch messbarer kose unterscheiden sich im Kindesalter ebenfalls nicht von
Refluxe im Kindesalter [%] (Bochumer Studie) denen im Erwachsenenalter. Auf eine kosmetisch scho-
nende Vorgehensweise ist dabei besonders zu achten.
Bochum I Bochum II Bochum III
11–12 Jahre 14–16 Jahre 17–19 Jahre

VSM 2,9 10,4 13,5

VSP 0,2 1,9 6,3


48 Kapitel 5 · Varikose in verschiedenen Lebensabschnitten

Literatur pumpe. Dies wiederum hat eine steigende Ödemneigung


Schultz-Ehrenburg U, Stücker M, Reich S, Altmeyer P, Weindorf N zur Folge (Dependency-Syndrom).
(2005) Longitudinale epidemiologische Studie zu Frühformen
und Vorläuferzeichen der Varicosis (Bochumer Studie I–IV). J Dtsch
Dermatol Ges Suppl 1; S74
Schultz-Ehrenburg U, Stücker M, Reich S, Altmeyer P, Weindorf N 5.2.2 Therapie im höheren Lebensalter
(2007) Bochumer Studie I-IV: Vom Vorläufer zur manifesten Vari-
kose. Individuelle Verlaufsentwicklungen von Refluxen und Vari- Der Gefäßmediziner wird somit in Zukunft immer häu-
zen von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter. J Dtsch Dermatol
figer mit der Frage konfrontiert, ob er seinem alten Patien-
Ges Suppl 2; 5: S86
Schultz-Ehrenburg U, Reich-Schupke S, Robak-Pawelczyk B, Rudolph T,
ten noch eine invasive Therapie zumuten und empfehlen
Moll C, Weindorf N, Hirche H, Altmeyer P, Stücker M (2009) kann oder ob die konservative Therapie die einzige verblei-
5 Prospective epidemiological study on the beginning of varicose bende Option darstellt.
veins. Bochum study I-IV. Phlebologie 38:17–25 Die Lösung kann im Einzelfall schwierig sein. Zum
Seyberth HW, Werner J, Bien S, Dünne AA, Folf BJ, Lippert BM (2002)
einen muss mit zunehmendem Lebensalter mit einem
Fortgeschrittene extrakranielle Hämangiome und vaskuläre
Malformationen. Dtsch Ärztebl 99:A188–193
höheren Anteil an limitierenden Begleiterkrankungen ge-
Stücker M, Reich S, Robak-Pawelczyk, Altmeyer P, Schultz-Ehrenburg U rechnet werden, die die invasiven Maßnahmen begrenzen;
(2003) Bochumer Studie: Prospektive Studie über die Entstehung zum anderen können gerade die Begleiterkrankungen, ins-
variköser Venen über 20 Jahre. Vasomed 15: 154–155 besondere des Bewegungsapparates, auch die Umsetzbar-
Stücker M, Reich S, Robak-Pawelczyk B, Moll C, Rudolph T, Altmeyer P,
keit einer strukturierten konservativen Therapie, ins-
Weindorf NG, Hirche H, Gambichler T, Schultz-Ehrenburg U (2005)
Changes in venous refilling time from childhood to adulthood in
besondere der Kompressionstherapie, Grenzen setzen.
subjects with apparently normal veins. J Vasc Surg 41:296–302 Darüber hinaus muss die Auswirkung bzw. der Nutzen der
Weindorf N, Schultz-Ehrenburg U (1990) The development of varicose jeweiligen Therapiemaßnahme für die Restlebenszeit des
veins in children and adolescents. Phlebologie 43:573–577 betroffenen Patienten bewertet werden. Ziel aller Über-
legungen ist es, dem Patienten ein Behandlungskonzept
anzubieten, das einerseits sein Beschwerdebild bessert bzw.
5.2 Varikose im höheren Lebensalter erträglich hält und andererseits seine Selbstversorgungs-
fähigkeit weitgehend möglich macht.
H. Nüllen, T. Noppeney Es gilt zu klären:
4 Gibt es besondere Indikationen im höheren Lebens-
alter?
5.2.1 Epidemiologie im höheren 4 Gibt es besondere Kontraindikationen im höheren Le-
Lebensalter bensalter?
4 Welchen Nutzen hat der alte Patient von der jeweiligen
Angesichts der Altersstruktur der deutschen Bevölkerung Therapiemaßnahme?
und der geänderten Lebenserwartung stellt die Beschäfti-
gung mit den Problemen und Besonderheiten der Indika- Das Therapiespektrum der Behandlung der Varikose im
tionsstellung sowie der Therapieoptionen beim alten Men- höheren und hohen Lebensalter unterscheidet sich grund-
schen in allen medizinischen Bereichen eine zunehmende sätzlich nicht von dem in jüngeren Jahren, d. h. alle be-
Herausforderung dar. Man geht von einem 50%igen Anteil kannten Verfahren können auch im höheren Lebensalter
der mehr als 65-jährigen an der Gesamtbevölkerung im zum Einsatz kommen. Unkritische Kompromisse mit dem
Jahre 2050 aus. Dies belegt eindringlich die Notwendigkeit, Ergebnis einer aufgeschobenen Entscheidung sind in
sich über die medizinische Versorgung im höheren Le- jedem Fall unglücklich. Auch dem älteren Patienten muss
bensalter insgesamt Gedanken zu machen, und hat inzwi- eine »Lösung« angeboten werden. Diese sollte, nach ent-
schen auch die Gutachterkommission der Konzertierten sprechender Aufklärung, ggf. auch unter Zuziehung von
Aktion im Gesundheitswesen beschäftigt. Vertrauten und Angehörigen, gemeinsam mit dem Patien-
Bezogen auf unser Thema der primären Varikose und ten getroffen werden (shared decision making).
ihrer Folgekrankheiten ist zu berücksichtigen, dass alle Zweifel an der Zumutbarkeit der konservativen Thera-
großen epidemiologischen Studien der Vergangenheit be- pie und der Sklerosierungstherapie werden i.d.R. von den
legen, dass die Prävalenz der Varikose und ihrer Beschwer- betroffenen Patienten kaum ausgesprochen. Dies trifft für
den und Komplikationen mit höherem Lebensalter zu- operative Maßnahmen und auch endovenöse Oblitera-
nehmen. Dies ist zum einen dem Alter, d. h. der Krank- tionen nicht unbedingt zu. Der Patient und häufig seine
heitsdauer, geschuldet, aber auch der Tatsache, dass mit Angehörigen und Vertrauten äußeren offen die Sorge vor
zunehmendem Lebensalter die Beweglichkeit insgesamt einer unterstellten besonderen Belastung des alten Patien-
nachlässt und damit auch die Funktionalität der Muskel- ten durch einen operativen Eingriff.
5.2 · Varikose im höheren Lebensalter
49 5
Im deutsche Sprachraum wurden kürzlich zur Frage
der Varizenoperation im höheren Lebensalter (70 bis
85 Jahre bzw. ≥ 65 Jahre) zwei Untersuchungen mit einem
ausschließlich stationären versorgten Klientel publiziert
(Miszczak et al. 2008, Eder et al. 2008, Eder 2009).
In 49,6% der Fälle wiesen die Patienten mehr oder
weniger ausgedehnte Begleiterkrankungen auf (Miszczak
2008). Die Komplikationsraten waren vergleichbar mit den
Komplikationsraten in anderen Altersklassen. Die Patien-
tenzufriedenheit ergab im Mittel gute Ergebnisse. Die bei-
den Untersuchungen sind wegen des sehr unterschied-
lichen Designs nicht direkt vergleichbar, stimmen jedoch
in ihren Schlussfolgerungen überein. Die operative Sanie-
rung der Varikose beim älteren Menschen unterscheidet
sich im Ergebnis nicht wesentlich von der bei jüngeren Pa-
tienten.

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für Phlebologie. Phlebologie 32:1–14
6

6 Physiologie und Pathophysiologie


der venösen Hämodynamik
A.H. Wagner

6.1 Einfluss der Schwerkraft auf den venösen Druck – 52

6.2 Venenfunktion – 52

6.3 Venentonus – 53

6.4 Physiologie des venösen Rückstroms – 53


6.4.1 Abdominothorakale Zweiphasenpumpe – 53
6.4.2 Muskel- und Gelenkpumpe – 54

6.5 Venöse Gefäßerkrankungen – 55


6.5.1 Phlebothrombose – 56
6.5.2 Thrombophlebitis – 56

6.6 Chronische venöse Insuffizienz – 57


6.6.1 Venenklappeninsuffizienz – 57
6.6.2 Klappeninsuffizienz und Muskelpumpe – 57

6.7 Rezirkulationskreise und sekundäre Leitveneninsuffizienz – 59

6.8 Folgen der venösen und kapillaren Hypertonie


für die Endstrombahn – 59
52 Kapitel 6 · Physiologie und Pathophysiologie der venösen Hämodynamik

Die Extremitätenvenen gliedern sich in tiefe intra- und in- pillaren; verglichen damit, ist der Anteil der Venolen am
termuskuläre (= subfasziale) Venen, in ein oberflächliches gesamten peripheren Gefäßwiderstand mit 5% relativ klein.
unter der Haut gelegenes (epifaszialen) Venensystem und Er ist trotzdem von großer Bedeutung, da die kapillare Fil-
in Verbindungsvenen (Vv. perforantes). An den unteren tration durch Änderung des Verhältnisses zwischen prä-
Extremitäten vereinigen sich die oberflächlichen Venen zu und postkapillarem Widerstand beeinflusst wird.
zwei Hauptstämmen, die als V. saphena magna und parva
in die tiefen Venen münden (7 Kap. 2). Speicherfunktion Die extrathorakalen Venen enthalten
mit 50–60% mehr als die Hälfte des gesamten Blutvolu-
mens. Auf die Arterien entfallen dagegen nur etwa 15%.
6.1 Einfluss der Schwerkraft Beim Aufstehen aus einer sitzenden oder liegenden Posi-
auf den venösen Druck tion, steigt die Wandspannung in den Venen an, sodass
mehr Blut in den zirkulierenden Kreislauf und zum Herzen
Der hydrostatische Druck ist im Liegen praktisch zu ver- zurückgeführt wird. Hierbei trägt der hydrodynamisch
6 nachlässigen. Die Fähigkeit des menschlichen Körpers, erzeugte Druckanteil aufgrund der niedrigen Strömungs-
den Blutdruck und somit das Kreislaufsystem in aufrechter widerstände nur geringfügig zum mittleren Blutdruck bei.
Lage (Sitzen oder Stehen) anzupassen, wird als orthosta- Dieser wird in erster Linie vom Füllungsvolumen des ve-
tische Anpassung oder Orthostase-Reaktion bezeichnet. nösen Systems und seiner elastischen Dehnbarkeit (Com-
pliance) bestimmt.
> In aufrechter Körperposition (Orthostase) bildet
sich im Gefäßsystem ein hydrostatischer Druck- > Die Compliance wird als Quotient von Volumenän-
gradient aus. Die auf den Fußvenen lastende derung (ΔV) und transmuraler Druckänderung be-
Blutsäule erzeugt einen hydrostatischen Druck rechnet: ΔPtm = intravasaler Druck – extravasaler
von 90 mm Hg, während der zentrale Venendruck Druck (. Abb. 6.1)
auf etwa –3 mm Hg abfällt.
Die Compliance des Niederdrucksystems ist etwa 25-mal
Beim Übergang vom Liegen zum Stehen kommt es auf- größer als die des Hochdrucksystems. Dementsprechend
grund der Schwerkraft zu einem sofortigen Absacken des findet die Volumenverschiebung während orthostatischer
venösen Blutes in die Beine und in den Bauchraum (venö- Belastung hauptsächlich in den venösen Kapazitätsgefäßen
ses Pooling). Je weiter distal die Beinvenen liegen und im der unteren Extremitäten statt. Bis zum Erreichen eines
Stehen dem hydrostatischen Druck ausgesetzt ist, desto kreisförmigen Gefäßquerschnitts ist nur ein geringfügiger
mehr Klappen haben sie. Das venöse Pooling findet über- Druckzuwachs notwendig
wiegend in den ersten 10 s nach der Lageänderung statt Dies bedeutet, dass Venen als sog. Kapazitätsgefäße
und ist nach 3–5 min beendet. Hierbei versacken etwa 10% schon bei niedrigem Druck relativ große Volumina auf-
(ca. 0,5 l) des gesamten Blutvolumens in der unteren
Körperhälfte. Der verminderte venöse Rückstrom und
der daraus resultierende, um ca. 25% verminderte Blutaus-
stoß des Herzens führen zu einer Verminderung des Blut-
drucks.

6.2 Venenfunktion

> Die Funktion der Venen besteht im Rücktransport


des Blutes zum Herzen. Dabei besitzen die Venen
neben der Widerstandsfunktion auch eine Spei-
cherfunktion.

Widerstandsfunktion Die Venolen, auch postkapilläre


Widerstandsgefäße genannt, sind auf der venösen Seite an
der Regulation des peripheren Widerstands beteiligt. Die- . Abb. 6.1. Beziehung zwischen transmuralem Druck (Ptm) und
den relativen Querschnittsänderungen eines Venensegments.
ser wird zur Kreislaufregulation und zur bedarfsgerechten
Die Querschnittszunahme pro Druckeinheit ist im Druckbereich
Verteilung des Blutes in die einzelnen Organe variiert. Der zwischen 0 und 10 mm Hg, in dem der Übergang vom elliptischen
gesamte periphere Gefäßwiderstand verteilt sich zu 50% auf zum kreisrunden Gefäßquerschnitt erfolgt, wesentlich größer als
die arteriellen Widerstandsgefäße und zu 25% auf die Ka- nach Erreichen des kreisrunden Querschnitts
6.4 · Physiologie des venösen Rückstroms
53 6
nehmen können. Im Gegensatz dazu ist der mittlere Blut- zu, und die Haut wird zur Wärmeabgabe vermehrt durch-
druck im Arteriensystem primär ein hydrodynamisch er- blutet. Daraus folgt, dass bei hohen Temperaturen die Re-
zeugter Druck, der sich aus dem Produkt von Herzminu- gulationsreserven des Körpers geringer sind und bei un-
tenvolumen und peripherem Widerstand ergibt. zureichender Gehirndurchblutung ein orthostatischer
Kollaps droht.
Ein abnehmender Venentonus begünstigt den arteriel-
6.3 Venentonus len Einstrom und erhöht den Perfusionsdruck in die kuta-
nen Plexus der Beine. Da die Viskosität des Blutes bei lang-
Der Venentonus wird durch die simultane Registrierung samer Strömung zunimmt, verstärkt die Strömungs-
des intravasalen Drucks und des Volumens in den Glied- verlangsamung des Blutes in den überdehnten Venen mit
maßen bei verschiedenen Staudruckstufen bestimmt. Da- nachfolgender Stase die Abflussstörung. Ziel einer Venen-
bei steuern die Aktivität des sympathischen Nervensys- therapie ist somit eine Normalisierung des Venenquer-
tems bzw. Katecholamine (Adrenalin und Noradrenalin) schnitts. Erkrankungen wie z. B. Herzinsuffizienz oder
zentral das Venensystem. Im Gegensatz dazu wird die schwere Anämie, bei welchen der zentrale Venendruck ge-
Durchblutung der Arterien großenteils den wechselnden steigert ist, gehen in der Regel mit einem erhöhten Venen-
nutritiven Bedürfnissen durch lokale Stoffwechselpro- tonus einher.
dukte (Metabolite) angepasst.
Ein verminderter venöser Rückstrom aus den unteren
Körperpartien zum Herzen hat eine Gegenregulation des 6.4 Physiologie des venösen Rückstroms
vegetativen Nervensystems zur Folge. Arterielle Baro-
rezeptoren (Pressorezeptoren) oder Dehnungsrezeptoren, > Während der Impuls für den arteriellen Blutstrom
die im Aortenbogen und dem Karotissinus, sowie im Herz phasenweise und mit hohem Druck durch die
und den Lungen lokalisiert sind, initiieren eine reflexhafte Kontraktion des linken Ventrikels gegeben wird,
Reaktion des Körpers. Über diesen Reflex wird das sym- erfolgt der venöse Rückstrom eher kontinuierlich
pathische Nervensystem aktiviert und der Katecholamin- und wird nur durch geringe Druckunterschiede
spiegel im Blut steigt an. Die Folge davon ist eine Zunahme aufrechterhalten.
der Herzfrequenz und der Myokardkontraktilität, und da-
mit eine Steigerung der Auswurfleistung des Herzens. Zu- Der venöse Rückfluss des Blutes aus den Beinen zum Her-
sätzlich kontrahieren die Arterien und Venen durch den zen hat zum einen seinen Antrieb durch die Druckdifferenz
erhöhten Katecholaminspiegel wodurch der arterielle Blut- zwischen dem rechten und linken Herzen und zum ande-
druck wieder ansteigt. Gleichzeitig sinken die Haut-, Nie- ren in einem komplexen System von Saug- und Pump-
ren- oder Muskeldurchblutung. mechanismen. Das Druckgefälle, das die gerichtete Strö-
mung des Blutes gewährleistet, ist im Venensystem gering.
> Die Barorezeptoren messen als Proportional-Dif-
In horizontaler Körperlage reicht der durch die Herzaktion
ferential-Rezeptoren im Sinus caroticus und im
erzeugte Druckgradient vom postkapillaren Bereich bis
Aortenbogen den absoluten Blutdruck. Sie regis-
zum Herzen gerade aus, um eine langsame Blutströmung
trieren Änderungen des Blutdrucks und die Ge-
als Vis a tergo (latein. »von hinten wirksame Kraft«) auf-
schwindigkeit einer solchen Änderung und ge-
recht zu erhalten. Die Herzkontraktion löst zusätzlich durch
ben die Informationen an das Kreislaufzentrum
die Sogwirkung eine Beschleunigung des venösen Blut-
in der Medulla oblongata weiter. Dort wird der
stroms aus. Im Gegensatz dazu wirkt die Atmung durch die
Blutdruck nach dem Prinzip der negativen Rück-
gegensinnigen periodischen intrathorakalen und intraab-
kopplung reguliert.
dominellen Druckschwankungen als vis a fronte.
Die sympathischen Reflexe sind bei der Gabe von Sympa-
thikusblockern und bei Systemerkrankungen des ZNS ver-
mindert. Diese Erkrankungen haben einen Ausfall von 6.4.1 Abdominothorakale Zweiphasen-
Funktionen des Rückenmarks und einzelner Gehirnner- pumpe
ven (Tabes dorsalis) oder eine Multisystematrophie des
ZNS (Shy-Drager-Syndrom) zur Folge. Es kommt zu einer Bei der Inspiration sinkt mit der Absenkung des Zwerch-
sog. orthostaischen Hypotonie. fells der Druck im Thoraxbereich, während der abdomi-
Zusätzlich hängt die Regulationsbreite des Kreislaufs nale Druck ansteigt. Es kommt zu einem beschleunigten
von der Umgebungstemperatur ab, die den Venentonus Abströmen des Blutes aus dem Abdomen herzwärts,
und die Vasokonstriktion der Hautgefäße beeinflusst. Bei gleichzeitig tritt mit der Druckerhöhung in den abdomi-
Wärme sinkt der Venentonus, d. h. die Compliance nimmt nalen Venen ein Schluss der letzten Venenklappen der un-
54 Kapitel 6 · Physiologie und Pathophysiologie der venösen Hämodynamik

teren Extremitäten ein, der einen Rückfluss des Blutes in men erforderlich. Durch die Muskel- und Gelenkpumpen
die Beine verhindert. Durch den Druckanstieg im Abdo- der unteren Extremitäten kommt es zu einer zusätzlichen
men kommt es aber auch zu einem Sistieren der Blutströ- Druckerhöhung in den tiefen Beinvenen, die die Beinve-
mung aus den Beinen ins Abdomen. Bei der Exspiration nen quasi auspresst. Während im Liegen der Druck im
erfolgen mit Zwerchfellhebung eine Druckerhöhung im Venensystem der Extremitäten bei ca. 10 mm Hg liegt,
Thorax und eine Drucksenkung im Abdomen. Die Femo- steigt er in stehender Position beim Menschen im Unter-
ralvenenklappen öffnen sich und das Blut fließt aus den schenkelbereich auf Druckwerte von 90–100 mm Hg an
Beinvenen wieder herzwärts ab. (. Abb. 6.2).
Eine Muskelkontraktion, die z. B. durch einen Zehen-
spitzenstand ausgelöst werden kann, hat das Verschieben
6.4.2 Muskel- und Gelenkpumpe von ca. 200 ml Blut zur Folge. Daher wird die Muskelpum-
pe auch als »peripheres Herz« angesehen. Ob die Gelenk-
Im Liegen und in Ruhe reichen die Mechanismen der ab- pumpen oder die Muskelpumpen den größeren Anteil an
6 dominothorakalen Zweiphasenpumpe aus, um eine suffi- der Beschleunigung des venösen Rückflusses haben, wird
ziente Strömung im venösen Gefäßsystem aufrechtzuer- zurzeit noch kontrovers diskutiert.
halten. In aufrechter Körperhaltung sind jedoch – bedingt
> Das im Bindegewebesystem eingelagerte tiefe
durch den hydrostatischen Druck– zusätzliche Mechanis-
Venensystem ist über Faserzüge mit den um-
gebenden Muskelgruppen verbunden. Die Blut-
flussrichtung wird durch die ventilartigen Venen-
klappen gesteuert. Sie erlauben im gesunden
Zustand den Blutfluss nur in Richtung Herz. Ein
Zurückfließen und Aufstauen, z. B. in den Unter-
schenkeln, wird somit verhindert.

Muskelpumpe – Systole
Kontrahieren die Muskeln, so steigt der Druck im inter-
muskulär gelegenen Venensegment um das 2- bis 7-fache
der Ruhewerte an und die tiefen Venen werden kompri-
miert. Das in den Gefäßen enthaltene Blut wird nach pro-
ximal beschleunigt und der nach distal gerichtete Reflux
wird durch intakte Venenklappen verhindert (. Abb. 6.3a).
Dies ist von Bedeutung, da sich die Beine während des
Stehens oder Sitzens deutlich tiefer als das Herz befinden
und der Blutfluss somit entgegen der Schwerkraft nach
oben erfolgen muss. Bei einer Muskelkontraktion steigt der
Druck im tiefen Venensystem über den in den oberfläch-
lichen Venen an. Die Klappen in den Vv. perforantes
schließen und verhindern einen Reflux des Blutes in das
oberflächliche Venensystem

Muskelpumpe – Diastole
In der Entspannungsphase der Muskulatur weiten sich
die tiefen Venen wieder und es entsteht ein Sogeffekt, der
venöses Blut aus der Peripherie in den betroffenen Venen-
abschnitt saugt (. Abb. 6.3b). Durch den Schluss der proxi-
mal gelegenen Venenklappen wird ein Reflux von proximal
in den dilatierten Bereich hinein verhindert. Zusätzlich
öffnen sich die Klappen in den Perforansvenen wieder, da
. Abb. 6.2. Mittlere arterielle und venöse Drücke beim ruhig
der Druck im tiefen Venensystem unter den der oberfläch-
stehenden Menschen. Durch die Wirkung der Muskelpumpe sind lichen Venen abfällt. Dies ermöglicht auch den Einstrom
die Drücke in den Beinvenen beim Gehen deutlich niedriger als beim von venösem Blut aus den oberflächlichen Venen über die
ruhigen Stehen Verbindungsvenen in die tiefen Venen.
6.5 · Venöse Gefäßerkrankungen
55 6

a b

c d

. Abb. 6.3. Druck- und Strömungsverhältnisse in epifazialen und bzw. fehlende (c,d) Venenklappen während der Muskelkontraktion
subfazialen Venen. a,b suffiziente Venenklappen und insuffiziente (»Systole«) und Relaxation (»Diastole«)

Gelenkpumpe Muskelkontraktion erhalten bleibt (. Abb. 6.4). Dieses


Von den Venenmuskelpumpen arbeitet die Waden- Druckniveau ist abhängig von der Außentemperatur bzw.
muskelpumpe neben der Oberschenkelmuskelpumpe und der Hauttemperatur des Fußes. Bei niedriger Temperatur
der Fußsohlenmuskelpumpe am effektivsten. Auch ohne der Extremität sind die arteriellen Widerstandsgefäße
aktive Beteiligung der Muskulatur führt eine passive Be- konstringiert und die Durchblutung ist sehr gering. Daher
wegung im Sprunggelenk zu einer Beschleunigung der ist die Zeitspanne zwischen der letzten Muskelkontraktion
venösen Blutströmung. Die subfaszialen Venen sind im und dem Wiederauftreten des vollen hydrostatischen
Sprunggelenksbereich dreidimensional aufgehängt und Drucks länger als bei höheren Temperaturen und damit
verändern ihren Querschnitt bei der Gelenkbewegung. dilatierten Arteriolen.
Das Wechselspiel zwischen Plantarflexion und Dorsal-
extension führt zu einer wechselseitigen Erweiterung und
Verengung des Venenlumens im Fußgelenk. Hiermit ist 6.5 Venöse Gefäßerkrankungen
eine Beschleunigung der herzwärts gerichteten Blutströ-
mung verbunden, die besonders bei der Dorsalextension Mit zunehmendem Alter, etwa mit dem 3. Lebensjahr-
ausgeprägt ist. zehnt, tritt eine generelle Veränderung der Venenstruktur
Bei rhythmischer Aktivität der Skelettmuskulatur mit auf. Die venöse Durchblutung nimmt im Verlauf der Zeit
Kontraktion und Erschlaffung, wie sie z. B. beim Gehen ab. Das führt zu morphologischen Veränderungen am En-
auftritt, wird auf diese Weise Blut von Segment zu Segment dothel, aber auch an anderen stützenden Strukturelemen-
zum Bauchraum hin gefördert. Der Druck in den peri- ten. Infolgedessen können, z. B. unter starker Belastung
pheren Venenabschnitten nimmt hierdurch kurzfristig ab, beim Anstieg des Venendrucks, funktionelle Störungen
steigt aber wieder an, da Blut von der arteriellen Seite in die hervorrufen werden. Die Folge dieser veränderten Venen-
entleerten Venen nachströmt. Auf diese Weise stellt sich in struktur sind eine übersteigerte Dehnbarkeit mit Zusam-
den Fußvenen beim Gehen ein mittleres Druckniveau ein, menbruch der Klappenfunktion und eine Insuffizienz der
das unterhalb des theoretisch zu erwartenden hydrosta- Muskelpumpe. Durch den verlangsamten Blutfluss und
tischen Drucks liegt und für die Dauer der rhythmischen den gestörten Rückfluss steigt der Druck im Kapillargebiet
56 Kapitel 6 · Physiologie und Pathophysiologie der venösen Hämodynamik

. Abb. 6.4. Veränderungen des Drucks in


den Fußrückenvenen bei rhythmischer Mus-
kelkontraktion in Abbhängigkeit von der
Außentemperatur bzw. Hauttemperatur

an und es treten zunehmend Ödeme auf oder es finden sich oder zu einer höhergradigen Verlegung des Venenlumens.
vermehrt Varizen. Hierdurch bedingt, kommt es meist zu stauungsbedingten
Die Venenthrombose ist eine weitere Ursache von Ent- Flüssigkeitsansammlungen im betroffenen Bein, zusätz-
sorgungsstörungen, die zu einer irreversiblen Schädigung lich zu Schweregefühl und Schmerzen. Der Venendruck
und zum Verlust der Elastizität und Kontraktilität des nimmt distal des Strombahnhindernisses zu. Die venöse
Gefäßes führen. Die sich als Folge der Thrombose ent- Drainage erfolgt über Kollateralvenen (venöser Kollateral-
wickelnde Veneninsuffizienz wird als postthrombotisches kreislauf), die jedoch gegenüber den Stammvenen nur eine
Syndrom bezeichnet. Im Folgenden sollen die tiefe Venen- geringere Transportkapazität aufweisen. In diesen Fällen
thrombose (Phlebothrombose) und die Entzündung der ist der erhöhte Abflusswiderstand in den Kollateralen von
oberflächlichen Beinvenen (Thrombophlebitis) in Grund- pathologischer Bedeutung. Außerdem ist die Strömungs-
zügen dargestellt werden. geschwindigkeit, z. B. in der Vena saphena magna bei Loka-
lisation des Venenverschlusses im Oberschenkel, gestei-
gert. Charakteristisch ist, dass der venöse Rückstrom im
6.5.1 Phlebothrombose Liegen kontinuierlich und ohne wesentliche respirato-
rische Schwankungen verläuft und nicht wie bei Gesunden
Neben der Stenose der tiefen Venenstämme durch Kom- phasisch vom Wechsel zwischen In- und Expiration ab-
pression von außen, ursächlich ausgehend von Tumoren, hängt. Eine Phlebothrombose hinterlässt meist einen
Muskelhämatomen oder Baker-Zysten, werden Venen am dauerhaften Schaden am tiefen Venensystem und eine ir-
häufigsten durch Thrombosen verschlossen. Alle Unter- reversible Schädigung der Venenklappen.
brechungen und Veränderungen der Blutgefäßwand, die
> Die Phlebothrombose ist ein thrombotischer Ver-
für einen konstanten Blutfluss notwendig ist, sowie Störun-
schluss subfaszialer Beinvenen mit Entzündungs-
gen der Hämostase oder der endogenen Fibrinolyse führen
folge, der mit der Gefahr einer chronisch venösen
zu einem gesteigerten Risiko für das Auftreten von throm-
Insuffizienz einhergeht.
boembolischen Ereignissen. Weiterhin ist das Risiko einer
Thrombose bei chirurgischen Eingriffen, Traumata, Im-
mobilisation, während der Schwangerschaft oder durch
die Einnahme von oralen Kontrazeptiva erhöht. 6.5.2 Thrombophlebitis
Diese Faktoren haben letztlich ebenfalls eine Hyper-
koagulabilität oder eine venöse Stase zur Folge. Die Blut- In den meisten Fällen ist die genaue Ursache von ober-
gerinnsel führen entweder zum vollständigen Verschluss, flächlichen Venenentzündungen unklar. Es wird vermutet,
6.6 · Chronische venöse Insuffizienz
57 6
dass proentzündliche Mediatoren aus Blutgerinnseln frei- In den Venen nimmt der Blutdruck von ca. 20–30 mm Hg
gesetzt werden und es sich weniger um eine bakteriell oder in den Kapillaren auf bis zu 0 mm Hg in den herznahen
allergisch bedingte Entzündungen handelt. Die Venenent- Venen ab. Durch eine venöse Thrombose, primär oder
zündungen entstehen meist auf der Basis von Krampf- sekundär pathologische Venenklappen oder eine abge-
adern, wobei Frauen bis zu 4-mal häufiger betroffen sind schwächte Muskelpumpe steigt der Druck in den ober-
als Männer. Die Thrombophlebitis führt zu deutlichen ent- flächlichen Venen auf pathologische Werte von 60–
zündlichen Verhärtungen der betroffenen oberflächlichen 90 mm Hg an. Dieser Hochdruck ist die Ursache für die
Hautvenen mit umschriebener Rötung, Schwellung und anatomischen, physiologischen und histologischen Ver-
Druckschmerzhaftigkeit. änderungen der Gefäße und die Zerstörung der Venen-
klappen. Infolge dessen persistiert der Hochdruck auch bei
> Die Thrombophlebitis ist eine Entzündung epi-
einer Rekanalisation.
faszialer Venen mit sekundärer Ausbildung von
Die Folgen des dauerhaft erhöhten venösen Drucks
Thrombosen.
sind eine Verbreiterung des Kapillarbetts, eine erhöhte
Einlagerung von Kollagen IV in die Basalmembran und
eine perikapillare Einlagerung von Fibrin. Durch die ge-
6.6 Chronische venöse Insuffizienz steigerte endotheliale Permeabilität manifestiert sich ein
interstitielles Ödem mit entzündlich zellulären Exsudaten.
Die chronische venöse Insuffizienz (CVI) beruht auf einer Das Zusammenspiel dieser pathologischen Folgen führt zu
Mikrozirkulationsstörung der Gefäße infolge einer venö- lokaler Gewebeproliferation, Entzündungsvorgängen und
sen Abflussbehinderung. Die Folge sind schwere Venen- Kapillarthrombosen.
und Hautveränderungen. Diesem Krankheitsbild liegen
eine oder mehrere pathogenetische Faktoren zugrunde.
6.6.1 Venenklappeninsuffizienz
Pathogenetische Faktoren der chronischen
> Die Venenklappen sind bikuspidal. Wenn der
venösen Insuffizienz
Druck distal der Klappe höher liegt als zentral,
4 Insuffizienz der Klappen des tiefen und/oder so öffnet sich die Klappe, während sie bei umge-
oberflächlichen Venensystems kehrten Druckverhältnissen schließt und so
4 Insuffizienz der der Perforans-Venenklappen einen Rückfluss in die Peripherie verhindertrd.
4 Insuffizienz der Muskelpumpe bei Paresen oder
ungenügender Gelenkfunktion Neben der Zerstörung der Klappe durch thrombotische
4 Mechanische Behinderung des venösen Rück- Vorgänge kann auch der Klappenansatzring bis zur Schluss-
stroms (partieller oder kompletter Venenverschluss unfähigkeit gedehnt werden. Diese zweite Form der Klap-
peninsuffizienz ist zum Teil reversibel. Schwache oder
Es wird die primäre von der sekundären Form der chro- insuffiziente Klappen können den unidirektionalen,
nisch venösen Insuffizienz unterschieden, wobei die se- herzwärts gerichteten Rückfluss des Blutes nicht verhin-
kundäre am häufigsten auftritt. dern. Das venöse Blut fließt dann aus den tieferliegenden
Venen, die unter höherem Druck stehen als die ober-
flächlichen Venen, in das oberflächliche Venensystem. Die
Formen der chronischen venösen Insuffizienz Fließrichtung des Blutes kehrt sich um. Dadurch werden
4 Primäre venöse Insuffizienz: das Venensystem weitere Venenklappen angegriffen und zerstört und es
ist durch eine Klappenagenesie (konstitutionell kommt zu einer »Aufdehnung« der Venen.
bedingtes Fehlen einzelner Venenklappen) oder
einer kongenitalen Angiodysplasie (anlagebe-
dingte Missbildung venöser Strukturen) nicht in 6.6.2 Klappeninsuffizienz
der Lage, die anfallende venöse Blutmenge zum und Muskelpumpe
Herzen zurückzuführen.
4 Sekundäre venöse Insuffizienz: es liegen zu- Wie in . Abb. 6.4 bereits dargestellt ist, sinkt der systolische
nächst andere Venenerkrankungen vor, z. B. tiefe Druck während der Wadenmuskelkontraktion auch in den
Leitveneninsuffizienz nach Thrombosen, Verlet- Venen der Tibialis-posterior-Gruppe aufgrund der zuneh-
zungen oder Tumoren; Erkrankungen der Kolla- menden Pumpleistung progressiv ab. Vor allem die Venen
genfasern des Bindegewebes (Kollagenosen). der Tibialis-posterior-Gruppe sind oft von tiefen Bein-
venenthrombosen betroffen. Bei Patienten mit insuffizi-
58 Kapitel 6 · Physiologie und Pathophysiologie der venösen Hämodynamik

enten Venenklappen liegen während der Systole bzw. Dias- tragen. Diese subkutan gelegenen Gefäße werden durch
tole die folgenden Druckverhältnisse vor: die einzelnen Druckwellen, die durch die Muskelkontrak-
tionen ausgelöst werden, zunehmend mechanisch gedehnt.
Klappeninsuffizienz und Muskelpumpe – Somit führt der Privatkreislauf zu einer volumenmäßigen
Systole Überlastung und zu einer Erhöhung des Blutdruckes in
Der venöse Druck bleibt konstant oder kann sogar noch den Venen, sodass sich die die am Privatkreislauf teilneh-
zunehmen. Der Reflux wird durch die insuffizienten menden Venenabschnitte (Venae perforantes, betroffene
Klappen nicht verhindert, sodass bei jeder Kontraktion das tiefe Unterschenkelvenen, V. poplitea, V. femoralis) im
Blut der tiefen Beinvenen sowohl in Richtung Herz und Verlauf der Zeit varikös erweitern. Trendlenburgs Dar-
als auch in die Peripherie strömt (. Abb. 6.3c). Hierbei stellung des Privatkreislaufs, der auch eine zusätzliche Be-
können bis zu 25% des gesamten Blutvolumens eines lastung für die muskulovenöse Pumpe darstellt, wurde
Beines nicht abtransportiert werden und fließen, wenn 1970 und 1972 durch direkte elektromagnetische Fluss-
gleichzeitig die Klappen der Verbindungsvenen Vv. perfo- messungen bestätigt.
6 rantes defekt sind, in den oberflächlichen Venen wieder ins
> Die Stammvarikose führt über einen »Privatkreis-
Bein zurück. Ein Teil des Blutes weicht an dem insuffi-
lauf« mit retrogradem Saphenafluss zu einer volu-
zienten sapheno-femoralen Übergang von der V. femoralis
menmäßigen Überlastung der tiefen Leitvenen.
ab und fließt durch den insuffizienten Saphenastamm
peripherwärts in die Varizen am Unterschenkel. Von dort Eine Entlastung des tiefen Beinvenensystems erfolgt nach
gelangt er über die Perforansvenen in die tiefen Unter- Unterbrechung der Privatkreisläufe. Allerdings hat sich
schenkelvenen und wird durch die Muskelpumpe weiter in gezeigt, dass eine solitäre Saphena-Ligatur beim Privat-
die V. poplitea und V. femoralis transportiert. Diese patho- kreislauf der Stammvarikose nicht erfolgreich ist, da da das
logische venöse Strömung wurde bereits 1891 von dem Venensystem ein Gefäßnetzwerk ist. Typisch für dieses Ge-
deutschen Chirurgen Friedrich Trendelenburg (1844– fäßnetz ist die Möglichkeit der Kompensation eines Gefäß-
1924) bei Varizenpatienten beschrieben und als »Privat- verschlusses durch anatomisch präformierte Kollaterale.
kreislauf« benannt (. Abb. 6.5). Daher hat sich die operative Behandlung der schweren
Dabei wird der hohe systolische Druck des tiefen Ve- Krampfaderkrankheit durch Crossektomie und Stripping
nensystems ungedämpft auf die Oberflächenvenen über- durchgesetzt. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass
sich der Durchmesser sowohl der Perforansvenen als auch
der V. tibialis post. sechs Monate nach Beseitigung des
Saphenarefluxes und nach Volumenentlastung statistisch
signifikant verkleinert.

Klappensinsuffizienz und Muskelpumpe –


Diastole
Auch bei insuffizienten Klappen sinkt der Druck in der
Relaxationsphase der Wadenmuskulatur ab. Allerdings
kann der niedrige Druck nach rhythmischer Arbeit der
Wadenmuskulatur nur kurz aufrecht erhalten werden. Bei
intakten Klappen wird ein Reflux aus der V. poplitea ver-
hindert, wogegen bei einer vorliegenden Schädigung das
Blut peripheriewärts fließt (. Abb. 6.3d). Gleichfalls kann
das Blut auch von einem insuffizienten Saphenastamm
und über die Vv. perforantes retrograd in die tiefen Venen
fließen. Bei einer ausgeprägten Rückflussstörung ist der
Druckabfall in den Knöchelvenen gering oder fehlt ganz.
In aufrechter Körperhaltung besteht eine mehr oder we-
niger konstante venöse Hypertension, die in der Nähe des
hydrostatischen Drucks liegt.

> Schwache oder insuffiziente Venenklappen kön-


nen den Rückfluss des Blutes nicht verhindern:
. Abb. 6.5. Privatkreislauf einer Stammvarikose der V. saphena Dasas venöse Blut fließt aus den subfazialen
magna. Darstellung durch Trendelenburg 1891 6
6.8 · Folgen der venösen und kapillaren Hypertonie für die Endstrombahn
59 6
Venen, die unter höherem Druck stehen als die
epifaszialen Venen, in das oberflächliche Venen-
system. Die Fließrichtung des Blutes kehrt sich
um. Dadurch werden weitere Venenklappen
angegriffen und zerstört. Es kommt zu einer Er-
weiterung der Venen.

6.7 Rezirkulationskreise und sekundäre


Leitveneninsuffizienz

In der Pathophysiologie der Varikose stellen die Vorstel-


lungen von Trendelenburg zu den Privatkreisläufen eine
wichtige Rolle dar, die dann in der Weiterentwicklung in
dem theoretischen Konzept der Rezirkulationskreise nach
Hach münden.
Bei einem Rezirkulationskreis handelt es sich defini-
tionsgemäß um einen pathologischen venösen Kreislauf . Abb. 6.6. Rezirkulationskreise nach Hach. Schematische Dar-
im Bereich der unteren Extremität, in den eine variköse stellung der vier Abschnitte eines Rezirkulationskreises der V. Sapena
Stammvene einbezogen ist. Der Rezirkulationskreis be- magna
steht aus vier Anteilen, die exemplarisch in . Abb. 6.6 an
der V. saphena magna dargestellt sind:
4 1. Abschnitt: am proximalen Insuffizienzpunkt in der überlastet. Sie erweitern sich, bis die Venenklappen nicht
Leiste fließt das Blut aus der V. femoralis communis mehr schließen. Die Effektivität der peripheren Venen-
retrograd in die V. saphena magna bis zum distalen In- pumpe fällt aus, es resultieren eine antegrade Strömungs-
suffizienzpunkt ein insuffizienz und mit ihr das chronisch-venöse Stauungs-
4 2. Abschnitt: am distalen Insuffizienzpunkt beginnt syndrom. Wenn der Rezirkulationskreis dekompensiert,
die konjugierende Seitenastvarikose, die den Blutstrom entsteht die sekundäre Leitveneninsuffizienz. Das Blut
weiter nach distal zum Einstromgebiet von verschie- kann durch die Aktivierung der peripheren Venenpumpen
denen Vv. perforantes leitet nicht mehr entleert werden. Der periphere Venendruck
4 3. Abschnitt: Einstromgebiet von verschiedenen fällt bei der Muskelarbeit nicht mehr genügend ab (»venöse
Vv. Perforantes Hypertonie«), und die venöse Kapazität steigt an. Grund-
4 4. Abschnitt: über die tiefen Venen wird das rezirku- sätzlich weist jede Schwellungsneigung der Extremität und
lierende Blut nach proximal abgeführt und tritt in der die Symptome des chronischen venösen Stauungssyn-
Leistenregion wieder in den Rezirkulationskreis ein. droms auf die Dekompensation des Rezirkulationskreises
hin.
Der Rezirkulationskreis einer Stammvarikose verändert
> Die sekundäre Leitveneninsuffizienz ist die Folge
seinen prinzipiellen Aufbau auch nach jahrzehntelangem
eines persistierenden Rezirkulationskreises bei
Krankheitsverlauf nicht, kann jedoch dekompensieren
der Stamm- oder Perforansvarikose und für die
und dadurch eine Verschlimmerung des klinischen Bildes
Entstehung der chronischen venösen Insuffizienz
herbeiführen. Aus diesem Grund treten schwere Krank-
mit allen Folgen und Komplikationen verantwort-
heitssymptome und die Komplikationen erst im späteren
lich zu machen.
Lebensalter des Patienten auf.
> Bei der Stadieneinteilung der Stammvarikose
nach Hach definieren proximaler und distaler
6.8 Folgen der venösen und kapillaren
Insuffizienzpunkt Typ und Ausdehnung der
Hypertonie für die Endstrombahn
Stammvarikose. Bei einer kompletten Stamm-
varikose liegt der proximale Insuffizienzpunkt
Eine chronische Hypertonie in aufrechter Körperhaltung
in Leistenhöhe, bei einer inkompletten Stamm-
hat eine Schädigung von Kapillaren, Arteriolen und Ve-
varikose weiter peripher.
nolen der Endstrombahn zur Folge. Im Bereich topisch
Mit der Zeit werden die tiefen Venen der poplitealen und gestörter Hautareale lassen sich Mikroangiopathien nach-
femoralen Region durch das rezirkulierende Blutvolumen weisen. Die Kapillaren sind erweitert und vermehrt ge-
60 Kapitel 6 · Physiologie und Pathophysiologie der venösen Hämodynamik

schlängelt. Werden Kapillaren zerstört, entsteht ein Ödem.


Nach einiger Zeit kommt es zu einer Sklerosiering des Bin-
degewebes. Beide Veränderungen bewirken eine Minder-
versorgung des Gewebes mit Blut und Nährstoffen. Als
Folge der venösen Abflussstörungen werden Stoffwechsel-
produkte nicht abtransportiert und verursachen ein Ab-
sterben des Gewebes hauptsächlich an den Knöchelinnen-
seiten und an der Vorderseite des Unterschenkels. Bei
fortschreitenden Veränderungen, können schon eine klei-
ne Verletzung zu Beingeschwüren (Ulcus cruris) führen.

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Ödems. Medizin und Praxis Sept.:10-13
Rabe E, Gerlach HE (2005) Praktische Phlebologie. Empfehlungen zur
differenzierten Diagnostik und Therapie phlebologischer Krank-
heitsbilder. 2. Auflage, Thieme Stuttgart
Recek C, Karisch E, Gruber J (2000) Veränderungen der Perforansvenen
und tiefen Unterschenkelvenen nach Beseitigung des Saphena-
Refluxes. Phlebologie 29:37–40
Recek C (2001) Venöse Hämodynamik in den Beinen bei Gesunden
und bei primärer Varikose. Phlebologie 30: 107–114
Sippel K u. Jünger M (2006) Kompressionstherapie bei Varikose und
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Stumptner T (2007) Der Fuß in seiner neurofunktionellen und mecha-
nischen Bedeutung für den Beinvenenkreislauf. Orthopädie-
schuhtechnik Dez.: 22–26
Walter J (2007) Lexikon für Gefäßchirurgie, http://www.lexikon.
drwalter.at/
7

7 Sozialmedizinische und ökonomische


Aspekte der Varikose
H. Nüllen, T. Noppeney

7.1 Datenlage – 62

7.2 Inanspruchnahme der medizinischen Versorgungsstrukturen – 62

7.3 Leistungsstatistik: Operative Eingriffe am Venensystem – 62

7.4 Arbeitsunfähigkeit wegen Varikose – 64

7.5 Rentenversicherung – 64

7.6 Krankheitskosten bei Varikose – 65

7.7 Zusammenfassung – 65
62 Kapitel 7 · Sozialmedizinische und ökonomische Aspekte der Varikose

7.1 Datenlage welche Faktoren Art und Umfang der Inanspruchnahme


medizinischer Versorgungsstrukturen und -maßnahmen
Die großen epidemiologischen Studien (Baseler-, Tübin- bestimmen. Die Erkenntnisse, die hieraus bislang gewon-
ger-, Bonner-Studie) haben mit hinreichender Deutlich- nen wurden, sind zwar sehr interessant und teilweise über-
keit und Genauigkeit die epidemiologische Situation der raschend, insofern sie in der Gesundheitspolitik bislang
Venenerkrankungen insgesamt und der Varikose im Be- gepflegte Dogmen nicht bestätigen (Thode et al. 2005), sie
sonderen dargelegt und die Bedeutung der Varikose als geben jedoch keine krankheitsspezifischen Erkenntnisse
Volkskrankheit belegt. In Zeiten knapper werdender Res- wieder.
sourcen und deutlicher Finanzierungslücken in der öffent- Zur Häufigkeit der ärztlichen Konsultationen wegen
lichen Gesundheitsversorgung und den Systemen der sozia- Varikose ist wenig bekannt. Die Baseler Studie zeigt, dass
len Sicherung stellt sich damit die Frage, welche Bedeutung sich 42% der Krampfaderträger mindestens einmal einer
hat die Varikose für die folgenden Einflussgrößen ärztlichen Behandlung unterzogen (31% bei »leichter« und
4 Inanspruchnahme der medizinischen Versorgungs- 51% bei »schwerer« Varikose). Die Behandlungsmaß-
strukturen nahmen verteilten sich auf Sklerosierung (24%), Stripping-
4 Arbeitsunfähigkeit Operation (10%), Kompressionstherapie (6%) Externa
7 4 Rentenversicherung (6%), Interna (3%) (Holtz et al. 1989).
4 Krankheitskosten Aus der Tübinger Studie ist bekannt, dass 5% der Be-
fragten über erhebliche Behinderungen im Berufsleben zu
Bereits in der Baseler-Studie (Widmer et al. 1981) und der klagen hatten.
Tübinger Studie (Fischer et al. 1981) wurde nach Bezügen Die Bonner Venenstudie (Rabe et al 2003) fand unter
zur sozialmedizinischen Dimension gesucht, die jedoch 3072 repräsentativ ausgewählten Probanden in 6,9% der
rudimentär blieben. In der Tübinger Studie klagten 5% der Fälle durchgeführte Venenoperationen, in 14,6% Kom-
Befragten mit Beschwerden durch die Varikose über eine pressionsstrumpfverordnungen und in 6,9% der Fälle die
wesentliche Beeinträchtigung im Beruf. Einnahme von Venenmedikamenten.
Die Datenlage zu diesen Fragestellungen ist in Deutsch-
land seit jeher schlecht, wenngleich durch die Konzentrie-
rung der an unterschiedlichen Orten verfügbaren Daten in 7.3 Leistungsstatistik: Operative
der Gesundheitsberichterstattung des Bundes (http://www. Eingriffe am Venensystem
gbe-bund.de/) eine gewisse Erleichterung und Übersicht-
lichkeit geschaffen wurde. Die Operationen an den epifaszialen Venen gehört zu den
Eine zentrale Datenerfassung für die Medizinalstatistik häufigsten Eingriffen in der Bundesrepublik. Ein lücken-
gibt es allerdings nach wie vor nicht. Orientierende Daten loser Überblick über die tatsächlich in den letzten Jahren
können aus dem Datenpool der AOK und der Deutschen durchgeführten operativen Eingriffe ist nicht verfügbar,
Rentenversicherung gewonnen werden. Die Krankenhaus- da:
statistik sowie die Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen 4 für Krankenhäuser und vertragsärztliche Institutionen
Vereinigungen ergeben weitere Details, die zu einer Ge- unterschiedliche Erfassungssysteme vorliegen
samtschau zusammengetragen werden können. In Bezug 4 in den letzten Jahren die Grundlagen der Dokumenta-
auf die AOK-Daten ist anzumerken, dass die AOK nach tion mehrfach geändert wurden und eine einfache
wie vor die größte Krankenkasse Deutschlands ist und Überführung der einen Systematik in die andere nicht
beim AOK-Bundesverband über einen umfangreichen Da- ohne weiteres möglich ist
tenbestand verfügt. Dieser Datenpool erlaubt jedoch auf- 4 eine bereichsübergreifende, zentrale Gesundheits- bzw.
grund der besonderen Struktur der Versicherten der AOK Medizinalstatistik in der Bundesrepublik nicht existiert
keine repräsentative Gewichtung in Bezug auf die Gesamt- 4 die ICD-Verschlüsselung eine Zuordnung zu klaren
bevölkerung der Bundesrepublik. Diese einschränkenden klinischen Diagnosen nicht erlaubt
Bedingungen sind bei der Betrachtung aller Zahlenanga- 4 die G-DRGs nicht alle tatsächlich unter klinischen Be-
ben für die genannten Fragestellungen zu bedenken. dingungen durchgeführten Eingriffe widerspiegeln

Eine mehrere Jahre umfassende Übersicht über die unter


7.2 Inanspruchnahme der medizinischen stationären Bedingungen durchgeführten Varizen-Opera-
Versorgungsstrukturen tionen kann aus den vorliegenden Daten nicht ermittelt
werden. Besserung ist in Sicht, da mit Einführung der
Die sich in Deutschland allmählich etablierende Versor- G-DRGs neben den ICD-Schlüsseln auch die OPS-Codes
gungsforschung beschäftigt sich intensiv mit der Frage und die sich hieraus ergebenden DRG-Nummern vor-
7.3 · Leistungsstatistik: Operative Eingriffe am Venensystem
63 7
Bereich vor. Auch hier sind Einschränkungen gegeben da-
. Tab. 7.1. Vollstationäre Varizeneingriffe 2005–2007. Häufig- durch, dass diese Daten nur bis zum Ende des 1. Quartals
keit der Operationen (OPs: 5-385 Unterbindung, Exzision und
Stripping von Varizen)
2005 reichen und die ambulanten Eingriffe zu Lasten der
PKV nicht zentral erfasst werden. Zahlen aus der Zeit der
Jahr Anzahl Anzahl der Anzahl Rang Geltung des EMB-2000plus liegen bislang nicht vor.
aller OPs 50 häufigs- OPS 5-385 In der nachfolgenden Tabelle sind die Häufigkeiten der
ten OPs Eingriffe nach den Gebührenordnungspositionen 2860
2005 12.129.075 6.227.289 155.073 12 (Seitenäste), 2861 (V. saphena parva) und 2862 (V saphena
magna) des EBM 96 dargestellt
2006 12.617.955 6.429.905 152.822 14
Im vertragsärztlichen Bereich ist die Zahl der Eingriffe
2007 13.288.291 6.759.563 149.586 14 nach einem Hoch in den Jahren 1996 und 1997 im Jahr
2004 unter die Ausgangszahlen von 1993 zurückgegangen
Quelle: Statistisches Bundesamt
(. Tab. 7.2). Die Gründe hierfür dürften am ehesten in der
Tatsache zu finden sein, dass zumindest ein Teil dieser
Leistungen sich jetzt in den ambulanten Leistungen nach
liegen. Für das Jahr 2006 sind die Daten verfügbar, mit der §115b SGB V wiederfinden.
Einschränkung, dass zu diesem Zeitpunkt nicht alle Kran- Fasst man alle bekannten Zahlen aus den genannten
kenhäuser nach DRG abgerechnet haben, sodass die Zah- Teilbereichen zusammen, so kann man davon ausgehen,
len unvollständig sind. dass in den letzten Jahren in der Bundesrepublik insgesamt
In den vorliegenden Statistiken (. Tab. 7.1) sind die mehr als 300.000 Eingriffe pro Jahr am oberflächlichen
ambulanten Varizen-Operationen, die nach §115b SGB V Venensystem wegen Varikosis durchgeführt wurden. Be-
als Institutsleistung durch die Krankenhäuser erbracht rücksichtigt man die nicht genau bekannten Zahlen aus
wurden, nicht erfasst, da diese direkt mit den jeweiligen den Eingriffen nach §115b, den ambulant bei Nicht-GKV-
Kassen abgerechnet werden. Patienten durchgeführten Eingriffen und die Eingriffe mit-
Zuverlässige längerfristige Daten liegen daher z. Z. nur tels endovenöser Techniken, so kommt man auf eine Zahl
über Krampfaderoperationen aus dem vertragsärztlichen von deutlich mehr als 350.000 Eingriffen pro Jahr.

. Tab. 7.2. Häufigkeit von Eingriffen wegen Varikose im vertragsärztlichen Bereich.

Jahr belegärztlich ambulant gesamt

2860 2861 2862 2860 2861 2862 2860 2861 2862 ∑


SÄ VSP VSM SÄ VSP VSM SÄ VSP VSM

1993 2.373 2.470 23.923 60.127 17.330 42.777 62.500 19.800 66.700 149.000

1994 3.808 2.068 24.466 69.192 18.132 52.534 73.000 20.200 77.000 170.200

1995 5.650 2.218 26.600 76.250 18.082 59.300 81.900 20.300 85.900 188.100

1996 1.883 2.455 26.906 49.462 16.276 76.653 51.347 18.731 103.559 173.637

1997 2.202 2.617 25.915 56.641 15.578 76.030 54.844 18.195 101.945 174.984

1998 2.337 2.633 25.459 51.357 13.699 66.922 53.694 16.332 92.381 162.407

1999 2.319 2.510 24.271 51.674 13.781 65.369 53.993 16.291 89.640 159.924

2000 2.238 2.509 24.217 51.375 13.550 63.898 53.613 16.059 88.115 157.787

2001 2.240 2.810 24.849 52.929 13.212 62.309 55.169 16.022 87.158 158.349

2002 1.835 2.527 23.856 51.733 12.082 58.047 53.568 14.609 81.903 150.080

2003 1.775 2.588 22.482 52.437 12.069 56.845 54.212 14.657 79.327 148.196

2004 1.487 2.074 19.199 50.614 11.753 55.718 52.101 13.827 74.917 140.845

1/2005 342 584 5.200 13.987 3.605 16.313 14.329 4.189 21.513 40.031

Quelle: Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), (2008) Leistungsstatistik Varizen-Operationen 1993 bis 2005 Q1
64 Kapitel 7 · Sozialmedizinische und ökonomische Aspekte der Varikose

7.4 Arbeitsunfähigkeit wegen Varikose die letzten Jahre hinweg eine deutliche Absenkung der
AU-Tage zu verzeichnen ist. Dies entspricht dem allgemei-
Die Zuverlässigkeit bzw. Genauigkeit der Häufigkeit von nen Trend. Auf der anderen Seite erscheint eine durch-
Arbeitsunfähigkeit wegen Erkrankungen der Diagnose- schnittliche Zahl an AU-Tagen pro Fall von 18,56 Tagen
gruppe I83 ist mit Vorbehalt zu sehen. Zu den oben bespro- noch sehr hoch.
chenen allgemeinen Gründen kommt, dass die Berech-
nungen ausschließlich auf Daten aus den zentralen Daten-
banken der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) zu- 7.5 Rentenversicherung
rückgreifen können.
In älteren Arbeiten (Haardt 1989) ist die Datenlage Rentenverfahren wegen Erwerbsunfähigkeit mit der allei-
noch dürftiger. Die Angaben sind darüber hinaus nur be- nigen Hauptdiagnose Varikose dürften eher selten sein.
dingt vergleichbar, da sie sich noch auf eine Verschlüsse- Unbeschadet dessen weisen die Statistiken eine über die
lung nach ICD 9 beziehen. Jahre zwar stark rückläufige, aber immer noch nennens-
Als Schlussfolgerung bleibt hier lediglich zu konsta- werte Zahl an Rentenbewilligungen unter der Hauptdiag-
tieren, dass bei der in . Tab. 7.3 abgebildeten Klientel über nose I83 auf (. Tab. 7.4).
7
. Tab. 7.3. Arbeitsunfähigkeit bei AOK Pflichtmitgliedern ohne Rentner bei Varikose

Jahr ICD Kennziffer AU-Fälle AU-Tage Tage/Fall

1984 9 454* 262.100 3.454800 32,26

2002 10 Alle Krankheiten 13.681220 187.416.548 13,70

2002 10 I00–I99 Krankheiten des Kreislaufsystems 518.409 11.919.478 22,99

2002 10 I83 Varizen der unteren Extremitäten 43.583 975.203 22,38

2006 10 Alle Krankheiten 10.066.219 121.469.031 12,07

2006 10 I00–I99 Krankheiten des Kreislaufsystems 391.198 7.332.622 18,74

2006 10 I83 Varizen der unteren Extremitäten 29.753 552.328 18,56

2007 10 Alle Krankheiten 10.721.781 125.374.662 11,69

2007 10 I00–I99 Krankheiten des Kreislaufsystems 384.276 7.208.355 18,76

2007 10 I83 Varizen der unteren Extremitäten 30.243 552.211 18,26

Quelle: Statistisches Bundesamt, * Haardt 1989

. Tab. 7.4. Rentenzugänge wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bei den Gesetzlichen Rentenversicherungen

ICD 9 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999

Alle Krankheiten 271.159 297.022 297.152 283.629 266.258 237.193 218.136

454 Varizen der unteren Extremität 804 293 319 247 191 175 183

ICD 10 2000 2001 2002 2003

Alle Krankheiten 214.017 200.504 176.014 174.279

I83 Varizen der unteren Extremität 105 165 106 115

ICD 10 2004 2005 2006 2007

Alle Krankheiten 169.390 163.905 158.351 160.005

I83 Varizen der unteren Extremität 101 86 75 73

Quelle: Statistisches Bundesamt


7.7 · Zusammenfassung
65 7
In der bereits erwähnten Recherche von Haardt finden
sich noch im Jahre 1984 insgesamt 1.611 Rentenzugänge . Tab. 7.5. Krankheitskosten je Einwohner in €

wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit der Hauptdiag- Jahr ICD Kennziffer Krankheitskosten
nose 454 (ICD 9). je Einwohner in €

2002 10 Alle Krankheiten 2.650

7.6 Krankheitskosten bei Varikose 2002 10 I00-I99 Krankheiten 410


des Kreislaufsystems
Realistische Krankheitskosten für die Varikose zu berech- 2002 10 I83 Varizen der 10
nen ist praktisch unmöglich. Zum einem haben sich die unteren Extremitäten
Abrechnungsgrundlagen in allen Bereichen des Versor-
2006 10 Alle Krankheiten 2.870
gungssystems in den letzten Jahren ständig geändert, zum
anderen hat eine immer stärkere Verlagerung der Behand- 2006 10 I00-I99 Krankheiten 430
lung in den ambulanten Bereich stattgefunden, was eine des Kreislaufsystems
Absenkung der Kosten zur Folgen hätte haben müssen. 2006 10 I83 Varizen der 10
Zahlen zu den zuordnungsfähigen Sachkosten sind eben- unteren Extremitäten
falls nur eingeschränkt bekannt. Wollte man die volkswirt-
Quelle: Statistisches Bundesamt
schaftlich relevanten Kosten berechnen, so müsste zusätz-
lich auch noch die Gesamtzahl der AU-Tage bekannt sein.
Verfügbar ist z.Z. lediglich eine Angabe zu den Krank-
heitskosten je Einwohner für den Diagnosebereich I83, wie 7.7 Zusammenfassung
sie der Bund in seiner Gesundheitsberichtserstattung
publiziert. Es handelt sich hierbei um ein »sekundärstatis- Bedenkt man, dass es sich bei der Diagnosegruppe I83
tisches Rechenwerk«, in dem eine top-down-gestützte Re- »Varikosis der unteren Extremitäten« um eine nicht lebens-
chensystematik für die Zuordnung der Kosten gewählt wur- entscheidende Erkrankung handelt, so schlägt sie dennoch
de. Mit anderen Worten, es wurde ausgehend von den Ge- in der Gesamtsicht der sozioökonomischen Daten in er-
samtkosten des Gesundheitswesens versucht, Einzelbereiche heblichem Umfang zu Buche. Wenngleich die Datenlage in
abzugrenzen und die Kosten zuzuordnen. Dabei ergibt sich Bezug auf Zuverlässigkeit und Abbildungstreue der Wirk-
für das Jahr 2006 ein Kostensatz von 10 € pro Einwohner für lichkeit eher zweifelhaft ist, so lassen sich drei Fakten doch
die Diagnosegruppen I83 (Statistisches Bundesamt 2008). klar herauslesen.
Unterstellt man eine Bevölkerungszahl von 80 Mio. so wür- 4 Die Varikose ist unter sozioökonomischer Sicht auf-
den in 2006 für die Diagnosegruppe I83 etwa 800 Mio. € an grund der Häufigkeit, der Behandlungsbedürftigkeit
direkten Krankheitskosten angefallen sein (. Tab. 7.5). und ihrem Anteil an den Gesundheitskosten und dem
Berücksichtigt man, dass diese Zahlen auf einer einge- Produktivitätsverlust eine unverändert bedeutsame Er-
schränkten und unsicheren Datenbasis berechnet wurden, krankung.
so muss man wohl unterstellen, dass die tatsächlichen Kos- 4 Die Zahlen belegen – über die Jahre betrachtet – eine
ten noch höher zu veranschlagen sind. dem Trend gegenläufige Entwicklung. Die Kosten sind
Versucht man die Krankheitskosten auf verschiedene trotz unveränderter Häufigkeit und Behandlungsbe-
Einrichtungen bzw. Versorgungsbereiche aufzuteilen, so dürftigkeit stabil.
ergibt sich das . Tab. 7.6 dargestellte Bild. Die hier aufge- 4 Die Zugänge zur Rentenversicherung wegen vermin-
führten Darstellungen sind exemplarisch und nicht voll- derter Erwerbsfähigkeit mit der Hauptdiagnose »Vari-
ständig. zen der unteren Extremitäten« sind stark rückläufig.

. Tab. 7.6. Krankheitskosten in Mio. € für Deutschland nach Einrichtung

Jahr Kennziffer Alle Ein- Stationäre Arztpraxen Handwerk/ Apotheke


richtungen Versorgung Einzelhandel

2002 I83 Varizen der unteren Extremitäten 1.014 452 277 44 69

2006 I83 Varizen der unteren Extremitäten 809 286 271 34 38

Quelle: Statistisches Bundesamt


66 Kapitel 7 · Sozialmedizinische und ökonomische Aspekte der Varikose

Ob jedoch dieses letzte Phänomen echt ist oder nur ein


Ausdruck geänderter und verbesserter Verschlüsselungs-
systematik, ist unklar.

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Fischer H (Hrsg) (1981) Venenleiden – Eine repräsentative Untersu-
chung in der Bundesrepublik Deutschland (Tübinger Studie)
München, Urban & Schwarzenberg
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Zur Sozio-ökonomischen Bedeutung der Varikose: Prävalenz und
Modus der Varizenbehandlung aus der Sicht des Patienten. VASA
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Kassenärztliche Bundesvereinigung (2008) Leistungsstatistik Varizen-
Operationen, Persönliche Mitteilung
7 Rabe E, Pannier-Fischer F, Bromen K, Schuldt K, Stang A, Poncar Ch,
Wittenhorst M, Bock E, Weber S, Jöckel KH, (2003) Bonner Venen-
studie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie. Phlebologie
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Persönliche Mitteilung
Thode N, Bergmann E, Kamtsiuris P, Kurth BM, (2005) Einflussfaktoren
auf die ambulante Inanspruchnahme in Deutschland. Bundes-
gesundheitsblatt-Gesundheitsforsch-Gesundheitsschutz 48:296–
306
Widmer LK, Stähelin HB, Nissen C, da Silva A. (1981) Venen-, Arterien-
Krankheiten koronare Herzkrankheiten bei Berufstätigen. Huber
Verlag Bern Stuttgart Wien
II Diagnostik
8 Grundlagen der Diagnostik – 69
H. Nüllen, T. Noppeney

9 Klinische Diagnostik – 71
H. Nüllen, T. Noppeney

10 Hämodynamische Diagnostik – 75
H. Nüllen, T. Noppeney

11 Sonographische Diagnostik – 93
A. Brunner, W. Lang

12 Radiologische Diagnostik – 101


H. Nüllen, P.W. Esser

13 Sonstige diagnostische Verfahren – 113


H. Nüllen
8

8 Grundlagen der Diagnostik


H. Nüllen, T. Noppeney
70 Kapitel 8 · Grundlagen der Diagnostik

Unter dem Einfluss der technischen Entwicklung in der


Medizin insgesamt und speziell in der Gefäßmedizin, die Minimalanforderungen für eine phlebologische
zu der Verfügbarkeit einer Vielzahl an neuen und leicht Erstkonsultation bei Varikose:
anwendbaren Möglichkeiten zur nichtinvasiven hämodyna- 4 Anamnese
mischen und morphologisch/bildgebenden Untersuchung 4 klinische Untersuchung
des Gefäßsystems geführt hat, hat sich die phlebologische 4 technische Untersuchungen
Diagnostik bei Varikose in den letzten Jahren wesentlich – arterieller Druckindex (ABI)
gewandelt. – LRR oder VVP
Die technischen Untersuchungen haben eine absolute – Duplexsonographie
Dominanz erlangt, aber auch ganz zweifellos die Präzision 4 standardisierte Dokumentation
der Diagnosestellung entscheidend verbessert. In der Kon- 4 Diagnose-Festlegung
sequenz hat dies u. a. dazu geführt, dass diese Untersu- 4 Klassifikation
chungen als Marketinginstrument in einschlägigen Insti- 4 Beratung, ggf. Indikationsstellung
tutionen eingesetzt werden. Weitgehend auf der Strecke 4 Bericht
geblieben ist dabei die Einschätzung der Bedeutung der
klinischen Diagnostik.
Die Möglichkeiten für eine effektive Therapie bei Vari- Die Einbindung eines bildgebenden Verfahrens in die pri-
kose wurden in den letzten Jahren ebenfalls weiterent- märe Diagnostik bei Varikosis generell und insbesondere
8 wickelt und differenziert. Damit ist auch der Anspruch an vor operativen, bzw. invasiven Maßnahmen entspricht
die phlebologische Diagnostik im Hinblick auf die Klärung auch der Forderung durch die einschlägige Leitlinie. Dies
ätiologischer, hämodynamischer, morphologischer und wird in der Regel, wegen der fehlenden Invasivität, die
topischer Gegebenheiten ganz wesentlich gewachsen. Duplexsonographie sein.
Die technischen Untersuchungen alleine führen nicht
zu aussagefähigen Diagnosen, sie müssen sich in eine Ge-
samtsicht aller Aspekte des jeweiligen Falles, auch unter
Einbezug des gesamten traditionellen Rüstzeuges klini-
scher Diagnostik, einfügen. Schließlich führen erst die Ge-
wichtungen und die Schlussfolgerungen des erfahrenen
Untersuchers zu einer objektiven Diagnose, aus der thera-
peutische Konsequenzen abgeleitet werden können.
Es gilt darüber hinaus, bei der Planung eines diagnos-
tischen Algorithmus (7 Innerer Buckdeckel) das rechte Maß
zu finden. Diagnostik mit dem klinischen Blick aus gebüh-
render Entfernung zum Patienten ist ebenso wenig ange-
bracht wie Überdiagnostik mit grundsätzlichem Einsatz
des gesamten Spektrums der Möglichkeiten. Beides wird
aber angetroffen, wie mancher Gutachter zu berichten
weiß. Letztlich geht es um die Fragen, was ist minimaler
Standard und wann müssen alle Register moderner Diag-
nostik gezogen werden. In Zeiten unzureichender Res-
sourcen ist dies nicht nur pragmatischer Ansatz, sondern
auch eine Fragestellung, die Teil einer neu zu definierenden
ärztlichen Verantwortung für den Einsatz dieser knappen
Mittel ist.
9

9 Klinische Diagnostik
H. Nüllen, T. Noppeney

9.1 Anamnese – 72

9.2 Klinische Untersuchung – 72

9.3 Biometrische Untersuchungen – 72

9.4 Dokumentation – 73
72 Kapitel 9 · Klinische Diagnostik

Unter dem Begriff klinische Diagnostik verstehen wir alle weise zu ggf. vorhandenen Fehlbelastungen und Bewe-
ärztlich diagnostischen Maßnahmen außerhalb des Einsat- gungsstörungen.
zes hämodynamischer und bildgebender Untersuchungs-
methoden, die erfolgen sollten, um zu einer begründeten Palpation Die Palpation ergibt insbesondere bei fettge-
und sachgerechten Diagnose zu gelangen. Hierzu gehören websreichen Beinen Informationen über die Lokalisation,
nach unserem erweiterten Verständnis von klinischer Di- Verteilung und den Umfang der Varikose, da Varizen in
agnostik die Anamnese und der klinische Untersuchungs- solchen Fällen häufig besser tastbar als sichtbar sind. Durch
befund, aber auch die Klassifikation und die Dokumenta- Kompressionsteste über der Schienbeinfläche und im re-
tion des Befundes. tromalleolaren Bereich lässt sich der Ödemstatus be-
stimmen. Die aktive und passive Bewegungsprüfung der
großen Gelenke gehört insbesondere beim älteren Patien-
9.1 Anamnese ten zum Untersuchungsablauf.

Die systematische und standardisierte Erhebung der anam- Funktionsteste Die klassischen Funktionstests nach
nestischen Daten bietet, neben der Feststellung historischer Trendelenburg, Schwartz, Perthes und Mahoner/Ochsner
Daten, die Erkenntnis über die Einschätzung der Erkran- haben in der Zeit objektiver Prüfmethoden an Bedeutung
kung durch den Patienten und des ggf. vorhandenen Lei- verloren. Sie erfassen, methodisch bedingt, jeweils nur
densdruckes. Minimalforderungen an eine systematische einen bestimmten Aspekt der Krampfadererkrankung. Die
Anamnese sind: Auffassung, dass diese Funktionsteste ad acta gelegt wer-
4 Frühere Anamnese den sollten, teilen wir nicht, da diese Tests besonders unter
9 5 Dauer und Ausprägung der Erkrankung Ausbildungsgesichtspunkten durchaus als didaktisch wert-
5 Familiäre Belastung voll anzusehen sind. Die Tests fördern einerseits die Tu-
5 Risikofaktoren gend der klinischen Untersuchung und andererseits das
5 Vorausgegangene Komplikationen der Erkrankung Denken in hämodynamischen Kategorien. Alle Tests funk-
5 Vorausgegangene Therapiemaßnahmen tionieren nur bei guter Sichtbarkeit der zu prüfenden Va-
5 Thromboembolische Ereignisse beim Patienten rizen (. Tab. 9.1).
und/oder in der Familie
5 Sonstige klinisch bedeutsame Begleiterkrankungen
5 Berufsanamnese 9.3 Biometrische Untersuchungen
4 Jetzige Anamnese
5 Beschwerdebild Die Erfassung biometrischer Daten ist beim Erstkontakt
5 Aktuelle Therapie empfehlenswert. Neben Köpergröße und Körpergewicht
sowie ggf. Bestimmung des Body-Mass-Index (BMI) kön-
Die Erhebung einer Berufsanamnese ist insbesondere bei nen auch Beinlängen und Beinumfänge, ggf. auch Bewe-
schweren Krankheitsbildern empfehlenswert, da hier frü- gungsausmaße (Winkel) hilfreich sein, um differential-
her oder später mit Anfragen zur Gefährdung der Erwerbs- diagnostische Überlegungen zu untermauern.
tätigkeit zu rechnen ist.
Umfangsmessungen Eine einfache und ohne großen
Aufwand anwendbare und als Statusbeschreibung und
9.2 Klinische Untersuchung zur Verlaufsbeobachtung unverändert gut verwertbare
Methode ist die Umfangsmessung. Die Messstandards, wie
Die klinische Untersuchung sollte grundsätzlich bei voll- sie in der Umfangsmessung im Begutachtungsverfahren
ständiger Entkleidung beider Beine am stehenden Patien- der Berufsgenossenschaften angewendet werden, sollten
ten, ggf. auf einem erhöhten Standort und bei guter Be- hierbei eingehalten werden. Bei Kontrollen muss durchaus
leuchtung erfolgen. nicht der ganze Messkatalog erneut abgearbeitet werden,
sondern hier kann man sich ggf. auf die Erfassung eines für
Inspektion Bei der Inspektion der Beine aus allen Rich- den vorliegenden Fall charakteristischen Umfangs als In-
tungen können Art, Umfang, Lokalisation und Verteilung dikator beschränken (7 Kap. 13.1).
der Varizen, ggf. vorhandene Hautveränderungen, Narben
und Ödeme, aber auch Nebenbefunde wie Fußdeformitä-
ten, Abweichungen der Beinachsen, Längendifferenzen,
Deformitäten der Kniegelenke etc. beurteilt werden. Die
Prüfung der Fußsohlenbeschwielung gibt wertvolle Hin-
9.4 · Dokumentation
73 9

. Tab. 9.1. Klassische klinische Funktionsteste der Venen der unteren Extremitäten

Autor Test

Robert Ritchie Linton


(amerikanischer Internist) Prüfkriterium: Ausreichender oder eingeschränkter Abstrom über die Beckenetage.
1900–1979 Vorgehen: Kompression der gestauten Stammvenenvarizen am Oberschenkel Beinhochlagerung am
liegenden Patienten und Freigabe der Kompression.
Gute Entleerung: Abstrom über die Beckenetage ausreichend.
Keine oder schlechte Entleerung: Unzureichende Drainage über die Beckenetage.

Friedrich Trendelenburg Trendelenburg F (1891) Über die Unterbindung der vena saphena magna bei Unterschenkelvarizen.
(deutscher Chirurg) Beitr Klin Chir 7:195
1844–1924 Trendelenburg I
Prüfkriterium: Funktion der Perforansvenen
Vorgehen: Anlegen einer Staubinde am erhobenen Bein bei entleerten Varizen, z. B. im leistennahen
Bereich. Aufrichten des Patienten.
Auffüllen der Varizen bei insuffizienten Perforansvenen. Der Test kann mit Kompression in verschiede-
nen Niveaus ausgeführt werden, z. B. Leiste, Knie, Unterschenkel.
Trendelenburg II
Prüfkriterium: Funktion Saphena-Klappen
Vorgehen: Anlegen einer Staubinde am erhobenen Bein bei entleerten Varizen. Aufrichten des Patienten.
Auffüllen der z. B. der VSM bei Stammveneninsuffizienz

Schwartz Schwartz E (1892) de la ligature et la résection de la veine saphène interne dans le traitment des
varices. Paris
Prüfkriterium: Nachweis der VSM-Insuffizienz
Vorgehen: Perkutieren mit dem Finger über der Saphenamündung und Tasten der Volumenwelle distal
im Verlauf der VSM.

Georg Clemens Perthes Perthes G (1895) Über die Operation der Unterschenkelvarizen nach Trendelenburg. Dtsch Med
(deutscher Chirurg) Wochenschrift 21:253
1869–1927 Prüfkriterium: Durchgängigkeit der tiefen Leitvenen, Klappenfunktion der Perforansvenen.
Vorgehen: Am stehenden Patienten anlegen einer Staubinde oberhalb oder unterhalb des Knies.
Rasches Gehen.
Völliges Entleeren der Varizen am Unterschenkel: Tiefe Venen durchgängig, Perforantes suffizient.
Unvollständiges Entleeren der Varizen am US: Tiefe Venen durchgängig, Perforantes insuffizient.
Fehlende Entleerung: Perforans-Insuffizienz.
Zunahme der Füllung: Verschluss tiefer Venen.

Howard R. Mahoner Mahoner HR, Ochsner A (1936) A new test for evaluating circulation in the venous system of the lower
(amerikanischer Chirurg) extremity affected by varicosities. Arch Surg 33:479
1903–1977; Prüfkriterium: Funktion der Perforansvenen und Höhenlokalisation.
Alton Ochsner Vorgehen: Anlegen einer Staubinde in unterschiedlichen Segmenten von proximal nach distal und
(amerikanischer Chirurg) Beobachtung der Entleerungstendenz der Varizen bei zügigem Gehen.
1896–1981 Fehlende oder unzureichende Entleerung: Im Segment unterhalb der Staubinde müssen sich eine oder
mehrere insuffiziente Perforansvenen befinden.

9.4 Dokumentation mentationen des Varizenbefundes, die in Beinsilhouetten


eingezeichnet wurden sehr beliebt und weit verbreitet. Im
Eine gründliche und nachvollziehbare Dokumentation Zeitalter der elektronischen Dokumentation wurde dieses
von Anamnese und Befund sowie von ggf. erfolgten The- Verfahren schwieriger bis unmöglich. Mit den Möglich-
rapien sind nicht nur eine gesetzliche Pflicht sondern auch keiten der heute verfügbaren schnellen Scanner kann auch
eine unabdingbare Notwendigkeit unter dem Qualitäts- das papiergestützte Verfahren wieder empfohlen werden.
gesichtspunkt der Rückverfolgbarkeit. Hier unterscheidet Eine neue Möglichkeit der Befunddokumentation bie-
sich die Dokumentation bei Varikosis nicht von anderen tet die elektronische Fotographie. Die Fotodokumentation
Bereichen in der Medizin. von Befunden bei Varikose hat eine lange Tradition und
Wie dokumentiert man jedoch nachvollziehbar ein wurde bereits in der Baseler Studie von Widmer systema-
Gewirr von Krampfadern? Zu Zeiten einer überwiegend tisch eingesetzt. Die elektronische Fotographie, die damit
papiergestützten Dokumentation waren graphische Doku- gegebene sofortige Verfügbarkeit der Bilder und die elek-
74 Kapitel 9 · Klinische Diagnostik

tronischen Speicherung erleichtert dem Phlebologen die


Dokumentation (7 Kap. 13.5).

Literatur
Bradbury A, Ruckley CV (2001) Clinical assessment of Patients with
venous disease. In: Gloviczki P and Yao JST Handbook of Venous
Disorders 2nd Edition. Arnold London New York New Delhi
p 71–82
Kistner RL, Eklof BO (2001) Classification and diagnostic evaluation
of chronic venous disease. In: Gloviczki P and Yao JST, Handbook
of Venous Disorders 2nd Edition. Arnold London New York New
Delhi p94–103
Noppeney T, Kluess HG, Gerlach H, Braunbeck W, Ehresmann U,
Fischer R, Hermanns H-J, Langer C, Nüllen H, Salzmann G,
Schimmelpfennig L (2004) Leitlinie zur Diagnostik und Therapie
des Krampfaderleidens der deutschen Gesellschaft für Phlebo-
logie, der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie, des Berufs-
verbandes der Phlebologen e.V. und der Arbeitsgemeinschaft der
niedergelassenen Gefäßchirurgen Deutschlands e.V. Gefäßchi-
rurgie; 9:290ff
Widmer LK, Stähelin HB, Nissen C, da Silva A. (1981) Venen-, Arterien-
Krankheiten koronare Herzkrankheiten bei Berufstätigen. Huber
Verlag Bern Stuttgart Wien
9
10

10 Hämodynamische Diagnostik
Einleitung – 76
H. Nüllen, T. Noppeney

10.1 Venöse Photoplethysmographie (PPG) – 76


V. Blazek
10.1.1 Methodische Grundlagen der venösen Photoplethysmographie – 76
10.1.2 Die Muskelpumpe des Beines – Antrieb des venösen Rückstroms
beim aufrechten Gang – 78
10.1.3 Anwendungsbeispiele des venösen PPG-Muskelpumpen-Tests – 80
10.1.4 Zusammenfassung und Ausblick – 82

10.2 Venenverschluss-Plethysmographie (VVP) – 83


V. Blazek
10.2.1 Messprinzip, Untersuchungsablauf und Bewertungsparameter – 83
10.2.2 Einige Tipps zur VVP-Anwendung – 86
10.2.3 Schlussfolgerungen – 87

10.3 cw-Dopplersonographie – 87
M. Emter
10.3.1 cw-Dopplersonographie in der Varikose-Diagnostik – 88
10.3.2 Der Valsalva-Pressversuch – 88
10.3.3 Zusammenfassung – 89

10.4 Phlebodynamometrie (PDM) – 89


M. Emter, T. Noppeney
10.4.1 Methode und Durchführung – 89
10.4.2 Messergebnisse – 90
10.4.3 Zusammenfassung – 91
76 Kapitel 10 · Hämodynamische Diagnostik

Einleitung insuffizienz (CVI) bewährt. Auf Grund ihrer einfachen und


schnellen Handhabung lässt sich mit der PPG neben der
H. Nüllen, T. Noppeney Früherkennung von Beinvenenerkrankungen auch die hä-
modynamische Auswirkung besonderer Belastungssitua-
Die Kenntnis von Physiologie und Pathophysiologie des tionen, wie z. B. Schwangerschaft und Wochenbett, quanti-
venösen Rückstroms sind Grundvoraussetzung zum Ver- fizieren und Erhebung epidemiologischer Venenparameter
ständnis des Krankheitsbildes der primären Varikose. durchführen. Die PPG stellt somit eine Methode dar, die
Desweiteren ist die Kenntnis der venösen Hämodynamik sowohl in der täglichen Routine als auch in der klinischen
im Einzelfall Grundvoraussetzung für eine exakte Diagno- Forschung breite Anwendung findet.
sestellung und Therapieplanung ebenso wie zur Erfolgs- Zur Einordnung und Überprüfung der Aussagekraft
kontrolle nach erfolgter Therapie. Die venöse Hämody- der venösen Photoplethysmographie wurden in den letz-
namik ist im Sinne eines übergeordneten Regelkreises ver- ten 20 Jahren von verschiedenen Autoren auch mehrere
bunden mit der arteriellen Hämodynamik. Daher wird bei vergleichende Studien mit der invasiven Venendruckmes-
venösen Erkrankungen das arterielle System orientierend sung (Phlebodynamometrie, oft in der Literatur als appa-
mit untersucht. Die hämodynamische Diagnostik bei Vari- rativer »Goldstandard« bezeichnet) durchgeführt. In einer
kose umfasst alle Methoden, die über das Druck- und Fluss- Multicenter-Studie wurde beispielsweise für die venöse
verhalten des Blutes im venösen Stromgebiet Auskunft Auffüllzeit ein Korrelationskoeffizient von 0,78 (n = 146)
geben. Hierzu zählen neben rheographischen und plethys- festgestellt. Auch die Variationskoeffizienten beider Me-
mographischen Methoden auch im Einzelfall Druckmess- thoden bei Messwiederholungen waren vergleichbar:
verfahren. In der Duplexsonographie vermischen sich 15,9% bei der Phlebodynamometrie und 16,2 % bei der
morphologische Diagnostik und hämodynamische Diag- Photoplethysmographie (Blazek 2005).
nostik zu einem kombinierten Verfahren, das heute in der Eine neue, faszinierende Perspektive zeichnet sich für
10 Angiologie und Phlebologie die Diagnostik dominiert. die PPG für die nahe Zukunft mit dem Photoplethysmo-
Unbeschadet dessen haben die rheographischen und ple- graphie-Imaging (PPGI) ab. Dies wird erstmals eine kon-
thysmographischen Methoden ihre Bedeutung behalten, taktlose, ortsaufgelöste Visualisierung der dermalen ve-
weil sie, je nach Anwendung, sowohl globale als auch loka- nösen und/oder arteriellen Perfusion ermöglichen, was
le Änderungen der venösen Perfusion erfassen. Anspruchs- z. B. im Bereich von Wunden und Ulzera von großem Wert
volle Phlebologie verlangt nach einer umfassenden Verfüg- sein dürfte.
barkeit und Kenntnis aller genannten Methoden.

10.1.1 Methodische Grundlagen


10.1 Venöse Photoplethysmographie der venösen Photoplethysmographie
(PPG)
Der Name »Photoplethysmographie« geht zurück auf
V. Blazek Hertzman, er nannte 1938 sein Gerät »photoelectric ple-
thysmograph«, Dieser Technik liegt die Tatsache zu Grun-
Bei der funktionellen Beurteilung des peripheren (venö- de, dass selektives Licht im nahen Infrarotbereich (800 bis
sen und/oder arteriellen) Gefäßstatus sind nichtinvasive 1000 nm) von Hämoglobin bzw. von Blut wesentlich stär-
Screeningtests und Untersuchungstechniken heute die ker als von Gewebe absorbiert wird. Da z. B. eine Gefäßer-
Verfahren der ersten Wahl. Sie sind risikolos, kostenspa- weiterung mit einer Zunahme des Blutvolumens verbun-
rend und praxisnah einsetzbar und vom Patienten fast un- den ist, vergrößert sich zwangsläufig auch das Absorp-
eingeschränkt akzeptiert. tionsvolumen. Sendet man das unsichtbare, energiearme
Im Rahmen der funktionellen Beinvenendiagnostik Infrarotlicht in das Gewebe hinein, so registriert ein De-
hat neben der Ultraschall-Doppler-Sonographie vor allem tektor im PPG-Sensor mit Zunahme des Blutvolumens im
auch die venöse Photoplethysmographie (kurz PPG), frü- Messareal weniger Licht (. Abb. 10.1).
her oft auch als Licht-Reflexions-Rheographie (LRR) be- Definiert man die Messtiefe eines PPG-Sensors als
zeichnet, in den letzten zwei Dekaden eine große Aus- Tiefenbereich, in dem die relative Empfindlichkeit größer
breitung gefunden (Abramovitz et al. 1979; Barnes 1979, als der 1/e-te Teil der maximalen relativen Empfindlichkeit
Blazek und Schultz-Ehrenburg 1991, Kerner et al. 1992, ist, ergibt sich beispielsweise für den PPG-Venensensor
Schultz-Ehrenburg und Blazek 1993). Sie ist in den unter- in . Abb. 10.1a der Tiefenmessbereich von 0,1 bis 3,3 mm.
schiedlichsten klinischen Anwendungsgebieten eingesetzt Das mittlere Messvolumen beträgt etwa 120 mm3. Das
und erprobt worden und hat sich vor allem zur Beurteilung PPG-Signal spiegelt somit Blutvolumenschwankungen in
der Muskelpumpenwirksamkeit bei chronischer Venen- kutanen und subkutanen Gefäßnetzen wieder und setzt
10.1 · Venöse Photoplethysmographie (PPG)
77 10

a b
. Abb. 10.1. Photoplethysmographie. a Typischer PPG-Sensor für tor (Si-Photodiode). b Schematische Darstellung eines Gefäßbettes
venöse Tests (Nicolaides 2000). Der Sensor besteht aus vier Licht- unter dem PPG-Sensor zur Erklärung der Entstehung des PPG-Mess-
quellen (IR-LED) und aus einem zentrisch angebrachten Lichtdetek- signals

. Abb. 10.2. Zusammensetzung des photoplethysmographi- riellen und venösen Gefäßsegmenten im Messareal. Eine Trennung
schen Messsignals. Die detektierte Intensität des aus der Haut zu- der venösen und arteriellen Signalanteile ist durch elektronische
rück gestreuten Lichtes ist abhängig von dem Blutvolumen in arte- Signalfilterung möglich

sich in erster Näherung aus einem sehr großen durchblu- 5 Druckänderungen im Gefäßsystem sind in erster
tungsunabhängigen gleich bleibenden Anteil (Streuung Näherung proportional zu dessen Oberflächen-
im Gewebe), einem quasistatischen Venensignal und änderung, nicht aber zu dessen Blutvolumenände-
einem sehr geringen, periodischen Arteriensignal zusam- rung;
men (. Abb. 10.2). Die arteriellen und venösen Signal- 5 eine Drucksenkung im Venensystem bewirkt im-
anteile lassen sich mit der modernen digitalen Filtertech- mer eine Erhöhung der selektiven dermalen Licht-
nik softwaremäßig voneinander problemlos trennen. Für reflexion (Hauthelligkeit) und somit einen Anstieg
die photoplethysmographische Abtastung dermaler Blut- des PPG-Signals;
volumenänderungen gelten folgende biophysikalische Ge- 4 die PPG-Kurve entspricht näherungsweise spiegelbild-
setzmäßigkeiten: lich der invasiv gemessenen Venendruckkurve.
4 es besteht ein Zusammenhang zwischen den Druckän- 4 die Amplitude der PPG-Kurve lässt sich im Gegenteil
derungen im tiefen Beinvenensystem und den Druck- zu der phlebodynamometrischen Kurve lediglich in
änderungen in den vom PPG-Sensor erfassten venösen relativen Einheiten (PPGI%) kalibrieren; bei Verwen-
Gefäßnetzen der Haut: dung des quantitativen PPG-Messprinzips sind diese
5 jede Druckänderung im Gefäßsystem bewirkt eine jedoch intra- und interindividuell vergleichbar.
Änderung der Gefäßoberfläche;
5 bleibt die Oberfläche der Gefäße konstant, hat sich
der Druck in den Gefäßen nicht verändert;
78 Kapitel 10 · Hämodynamische Diagnostik

10.1.2 Die Muskelpumpe des Beines – Varikosis und deren Therapiekontrolle hat sich diese effi-
Antrieb des venösen Rückstroms ziente Untersuchungstechnik bereits in der Klinik und
beim aufrechten Gang Praxis bewährt.
Bei dem standardisierten Muskelpumpen-Test führt
Unter physiologischen Bedingungen strömt das Venenblut der Patient im Sitzen acht Dorsalextensionen im Sprung-
von »körperfern zu körpernah« und von der Oberfläche in gelenk bei am Boden abgestützter Ferse (»Fußwippübun-
die Tiefe. Der postkapillare Restdruck einerseits und die gen«) innerhalb von 16 Sekunden durch. Der PPG-Sensor
Ansaugung durch respiratorische Druckschwankungen im wird mit Hilfe eines beidseitig klebenden Folienrings
Brust- und Bauchraum bzw. durch die Herzaktion ande- (. Abb. 10.3a) etwa 10 cm oberhalb des Innenknöchels be-
rerseits gewährleisten eine derartige Strömung im Liegen. festigt. Bei Venengesunden kann das abgepumpte Blut in-
Beim Sitzen, Stehen und Gehen muss das Blut in den folge der Venenklappen nicht einfach wieder zurückfallen.
Beinvenen »bergauf« fließen. Dieses logistische Transport- Es kommt deshalb zu einer deutlichen Venenentleerung in
problem wird bei Gesunden spielend dadurch bewältigt, den Füßen und Unterschenkeln, die über eine Verkleine-
dass zu den vorgenannten Fördermechanismen der nor- rung des Gefäßdurchmessers zu erhöhter Reflektivität und
malen Blutströmung »herzwärts« zusätzlich die sogenann- damit zum Anstieg des PPG-Signals führt. In der Ruhe-
te Muskelgelenkpumpe aktiviert wird. Jede Muskelkont- pause nach Ende der Übung füllen sich die Beinvenen im
raktion führt zu einer Kompression der Beinvenen, deren Normalfall durch den arteriellen Einstrom wieder auf, so-
Blutinhalt dadurch nach proximal ausweicht. Die Funktion dass die PPG-Kurve relativ langsam in die Nähe der beim
der einzelnen Muskelgruppen des Beines und die Wirkung D-PPG-Gerät automatisch kalibrierten Basislinie (R0) ab-
der Gelenke sind untereinander so fein abgestimmt, dass sinkt (. Abb. 10.3b). Bei Venenkranken führt der patholo-
die notwendige Rückflussenergie gewonnen werden kann. gische Reflux des Blutes in den Beinvenen (Venenklappen
Die in den Venen vorhandenen Ventile – die Venenklap- undicht, defekt oder nicht vorhanden) zu einer deutlich
10 pen – verhindern dabei im Normalfall in der Orthostase schnelleren Auffüllung und damit zu einer Verkürzung der
die Rückströmung des Blutes. Wiederauffüllphase. Für die Diagnosestellung können u. a
Im Bereich der Vena saphena magna befinden sich bei- folgende funktionelle Bewertungsparameter der PPG-
spielsweise 23 Venenklappen, in der Vena saphena parva 7 Kurve entnommen werden:
bis 13 (Rabe 2004). Bei kranken Venen kommt es jedoch 4 venöse Auffüllzeit T0 in Sekunden
zum peripheren Reflux des Blutes und zur Blutstauung in 4 venöse Pumpleistung V0 in Prozent des optischen Sig-
den Beinen mit all den daraus resultierenden Krankheits- nals (Reflexionsänderung der Haut, bezogen auf die
bildern. kalibrierte Ruhereflexion R0 vor Beginn der Übung).
Das Hauptanwendungsgebiet der venösen Photo-
plethysmographie liegt deshalb in der funktionellen In Anlehnung an bisherige Verfahren gilt die venöse Auf-
Überprüfung der globalen Bluttransporteigenschaften des füllzeit (Zeitintervall vom Kurvenmaximum nach Ende
Beinvenensystems unter Muskelarbeit. Vor allem bei der der Bewegung bis zum Wiedererreichen einer konstanten
Schweregradsbestimmung der chronischen Veneninsuf- Hautdurchblutung) als zurzeit wichtigster Bewertungs-
fizienz und bei der Abklärung der Differentialtherapie der parameter der PPG-Kurve. Je nach Verkürzung der Auf-

a b

. Abb. 10.3. Muskelpumpen-Test. a Einer der Photoplethysmo- Testdurchführung sowie Nomenklatur und die wichtigsten Bewer-
graphen auf dem Markt (D-PPG-Gerät, www.elcat.de). b Schema zur tungsparameter der peripheren Venodynamik
10.1 · Venöse Photoplethysmographie (PPG)
79 10
. Abb. 10.4. Muskelpumpen-Test. Typi-
sche PPG-Kurven im Vergleich und hämo-
dynamische Gradeinteilung der venösen
Abflussstörungen. In der Regel verkürzt
sich die venöse Auffüllzeit und verringert
sich die venöse Pumpleistung mit Zunah-
me der hämodynamischen Störung

füllzeit, z. B. in Folge pathologischer Blutrefluxe in insuffi- Alternative Bewegungsprogramme zu der sitzenden


zienten Beinvenen, wurde folgende hämodynamische Übung zeigt die . Abb. 10.5. Die standardisierte Messung
Schweregradeinteilung eingeführt (. Abb. 10.4): im Sitzen ist bequem, ruhig durchführbar und wird da-
4 Normale Hämodynamik (Venengesund): mit der körperlichen Belastbarkeit älterer Patienten in
T0 ≥ 25 s besonderem Maße gerecht. Sie ist jedoch auch mit ge-
4 Grad I (leichte hämodynamische Störung): wissen Nachteilen behaftet. So ist sie beispielsweise un-
20 ≤ T0 <25 s geeignet bei Patienten mit Bewegungsstörung im Sprung-
4 Grad II (mittelschwere hämodynamische Störung): gelenk, auch die aufzuwendende Kraft bei der Dorsal-
10 ≤ T0 < 20 s extension ist schwer standardisierbar. Nach Ergebnis-
4 Grad III (schwere hämodynamische Störung): sen bei Langzeitmessungen und bei unterschiedlichen
T0 < 10 s Übungsprogrammen werden halbe Kniebeugen (abge-
stützt im Stehen) als gute Alternative angesehen (Blazek
Statistische Auswertung von Messungen an verschiedenen und Schultz-Ehrenburg 1991), da sie nicht so große kör-
Probanden- und Patientengruppen deuten darauf hin, dass perliche Belastung abverlangen wie die früher propa-
die venöse Auffüllzeit früher zwischen Venengesunden und gierte Übungsart »volle Kniebeugen«. Statt einer aktiven
CVI-Patienten diskriminieren kann, während die venöse Beinübung wird gelegentlich auch eine passive Übungs-
Pumpleistung besser signalisiert, wann eine Varikose behand- art – der Hochlagerungstest – angewandt, z. B. bei Kin-
lungsbedürftig wird (Blazek und Schultz-Ehrenburg 1996). dern.

a b c

. Abb. 10.5. Muskelpumpen-Test. Alternative Bewegungsprogramme: a halbe Kniebeugen, b Zehenstände, c passiver Elevationstest
80 Kapitel 10 · Hämodynamische Diagnostik

10.1.3 Anwendungsbeispiele des venösen venöser Auffüllzeit. Diese Ergebnisse erlauben auch die
PPG-Muskelpumpen-Tests Schlussfolgerung, dass die venöse Auffüllzeit bessere Dis-
kriminierung zwischen Venengesunden und Venenkran-
Neben der Hauptindikation des photoplethysmogra- ken bietet. Die venöse Pumpleistung wird vor allem im
phischen Muskelpumpen-Tests im Rahmen der phlebo- Hinblick auf die therapeutischen Konsequenzen vermehrt
logischen Screeningdiagnostik zur Quantifizierung der in Betracht gezogen.
aktuellen, integralen Beinvenenhämodynamik bei allen Zur Beurteilung der Reproduzierbarkeit wurde bei
Venenerkrankungen (liegt der weitere Anwendungs- diesem Patienten der photoplethysmographische Muskel-
schwerpunkt in der Abschätzung des zu erwartenden The- pumpen-Test mit und ohne Tourniquet 20-mal (im zwei-
rapieerfolgs. Ein Ultraschall-Doppler-Gerät bietet im Ver- tägigem Abstand) an der vorgemerkten Stelle wiederholt.
gleich zu PPG nur eine lokale hämodynamische Informa- Die statistische Auswertung der erzielten T0 To-Messwer-
tion in dem beschallten Gefäß. tepaare werden in den . Abb. 10.7 dargestellt.
Die Messung wird ohne und mit Tourniquet durch- Die . Abb. 10.7a zeigt die Häufigkeitsverteilung von
geführt (. Abb. 10.6). Unter Tourniquet versteht man die T0. Im Mittel stieg die venöse Auffüllzeit von 14,2 (± 1,9)
experimentelle Ausschaltung des Refluxes in den ober- auf 22,6 (± 2,9) Sekunden. Die Streuwertbreite und Signi-
flächlichen Beinvenen in der Regel unter dem Knie in der fikanz der Messwertveränderung beider Stichproben kann
Höhe der Boyd’schen Perforansvene, z. B. durch manuellen noch deutlicher mit Hilfe der Boxplot-Darstellungen
Druck, durch eine Staubinde oder am besten durch eine (. Abb. 10.7b) visualisiert werden. Mit der Änderung des
2 bis 3 cm breite Staumanschette mit einem Staudruck von Medianwertes nach Tourniquet (von 14 auf 23 s; plus 64%)
mindestens 80 mm Hg. Bessert sich die Venodynamik vergrößern sich auch die Werte des Interquartillabstandes
unter Tourniquet, so handelt es sich um eine sogenannte (von 2 auf 3,5 s; plus 75%) und besonders deutlich der Ab-
»besserbare« venöse Insuffizienz (Entscheidungsschema standswert zwischen den oberen und unteren Whiskern
10 nach Nicolaides 2000). (von 6 auf 12 s; plus 100%). Von den nativen T0-Werten
Wie aus den in . Abb. 10.6 gezeigten Untersuchungs- (vor Tourniquet) wurde ein oberer Ausreißer (o) identi-
ergebnissen eines Patienten mit besserbarer Venenfunk- fiziert. Statistisch gesehen kann festgehalten werden, dass
tion bei extrafascialer CVI zu entnehmen ist, geht oft die die mit der PPG-Methode gemessene Änderung der ve-
Normalisierung von T0 mit einer gleichsinnigen Verbesse- nösen Auffüllzeiten in Folge des Tourniquet-Tests eine
rung aller anderen Parameter einher. In diesem Fall ver- hohe Signifikanz aufweist. Der t-Wert lag bei 16,1, was
bessert sich unter Tourniquet T0 um 12 s (plus 109%) und einer Irrtumswahrscheinlichkeit von weniger als 0,1% ent-
V0 um 2,2 PPG% (plus 46%). Generell ist aber dieser Sach- spricht.
verhalt nicht »vorprogrammiert«. Gerade bei Patienten Ein weiteres, aus der diagnostischen Sicht interessantes
mit leichten Stadien der venösen Abflussstörung findet Anwendungsbeispiel der venösen Photoplethysmographie
sich oft eine noch physiologische Wirkung der Muskel- ist die experimentelle Bestimmung der maximalen Beinve-
pumpe (hohe V0-Werte) bei bereits deutlich reduzierter nenentleerung und daraus abgeleiteten Muskelpumpen-

. Abb. 10.6. PPG-Muskelpumpen-Test mit und ohne Tourniquet. als auch die venöse Pumpleistung V0 (besserbare Varikosis, Nico-
Bei einem Patienten mit Stammvarikose der vena saphena magna laides 2000). Neben den Hauptbewertungsparametern T0 und V0
und mit Refluxen bis in die untere Unterschenkeletage, insuffiziente können auch weitere Parameter der PPG-Kurve vom D-PPG-Gerät
Boydsche PV. Im Vergleich zum Normalzustand normalisiert sich berechnet werden
unter dem Tourniquet in diesem Fall sowohl die venöse Auffüllzeit T0
10.1 · Venöse Photoplethysmographie (PPG)
81 10

. Abb. 10.7. Wiederholter Tourniquet-Test (n=20). a Häufigkeits- sungen vor und nach der experimentellen Ausschaltung der ober-
verteilungen der venösen Auffüllzeiten im Vergleich. b Boxplot-Dar- flächigen Refluxe. Aus statistischer Sicht unterscheiden sich die
stellungen visualisieren anschaulich die Streubreite der PPG-Mes- beiden Strata hoch signifikant (p<0,001)

wirksamkeit. Dieses Manöver liefert gleichzeitig auch In- einer vollständigen Entleerung der Beinvenen. Der V0-Pa-
formation über die Entleerungskinetik des in sitzendem rameter nimmt den maximal möglichen Wert an (V0max).
Bein vorhandenen Venenpools. Dabei wird die standardi- Anschließend wird das Bein in Tieflagerung gebracht und
sierte, sitzende MPT-Beinübung durch eine passive Hoch- die Wiederauffüllphase beginnt.
lagerung der untersuchten Extremität ergänzt, ein Unter- Eine während dieses Manövers registrierte PPG-Kurve
suchungsvorgehen, das zwar bereits vor geraumer Zeit zeigt die . Abb. 10.8. Die Messung wurde unmittelbar nach
beschrieben (Blazek und Schultz-Ehrenburg 1991, Blazek dem MPT, dargestellt in der . Abb. 10.6 links, aufgenom-
und Schultz-Ehrenburg 1996), dennoch bisher kaum an- men. Da der Messkopf zwischen den beiden Tests nicht
gewandt wurde. Etwa 1 min nach Ende des aktiven MPT abgenommen wurde, sind die Amplitudenwerte der bei-
im Sitzen wird das untersuchte Bein von einer Hilfsperson den Photoplethysmogramme vergleichbar. Neben der Ver-
über die hydrostatische Indifferenzebene (etwa die Herz- längerung der venösen Auffüllzeit nach maximaler Bein-
höhe) für etwa 15 s angehoben. Sind keine Abflusshinder- entleerung (von 11 auf 17 s) ist vor allem der V0max-Wert
nisse vorhanden, kommt es während der Elevationsphase zu (12,8 PPG%) im Vergleich zu dem infolge der sitzenden
82 Kapitel 10 · Hämodynamische Diagnostik

10.1.4 Zusammenfassung und Ausblick

Der Einsatz rechnerunterstützter Screening-Untersu-


chungsmethoden gehört mittlerweile in den meisten
medizinischen Fachdisziplinen zum Alltag. Die Vorzüge
dieser Techniken werden besonders dort deutlich, wo dem
Arzt funktionelle Parameter zur Beurteilung eines Krank-
heitsbildes an die Hand gegeben werden, welche sowohl zur
Sicherung der Diagnose als auch zur Schweregradbestim-
mung eingesetzt werden können. Die quantitative Photo-
plethysmographie erfüllt diese Ansprüche in besonderem
Maße. Die automatische Regelung des Sendestroms für eine
exakte Einstellung der Haut- und Gefäßillumination im
. Abb. 10.8. PPG-Messung mit dem orthostatischen Lagewech- Messareal unter dem PPG-Sensor macht PPG-Messungen
seltest. Zwischengeschaltete, etwa 15-sekündige passive Elevation unabhängig von der Hautfarbe. Die automatische Kontrol-
der Extremität zur Ermittlung der maximalen Entleerung der Beinve- le der konstanten Ruhedurchblutung als Kriterium für die
nen. Es ist der gleiche Patient wie in . Abb. 10.6 beschrieben Freigabe des Untersuchungsstarts sowie ein rechnerge-
steuerter Messablauf sind weitere wichtige Merkmale dieser
Technik.
Beinübung gemessenen V0-Wert (4,8 PPG%) interessant: An zwei ausgewählten Anwendungsbeispielen wurde
Mit Hilfe der Gleichung die Leistungsfähigkeit der venösen Photoplethysmogra-
phie demonstriert. Die PPG-Messungen sind schnell, kos-
V0
10 M0 – × 100% tengünstig und »vor Ort« in jeder Praxis durchführbar.
V0max Unter Nutzung des apparativen Fortschritts, insbeson-
dere auf dem Gebiet der rechnergesteuerten Videokamera-
lässt sich den beiden Amplitudenwerten die Effizienz der technik und der digitalen Bildverarbeitung, ist es seit kur-
Muskelpumpe Mo ermitteln. Im obigen Fall lag sie bei zem möglich, die hier beschriebene funktionelle Muskel-
37,5%, d. h., infolge der acht Dorsalextensionen im Sitzen pumpenprüfung auch kontaktlos mit Hilfe eines photo-
wurden 37,5% des maximal mobilisierbaren Venenpools plethysmographischen Imaging-Systems (kurz PPGI) zu
aus dem Messgebiet unter dem PPG-Sensor abgepumpt. realisieren (Hülsbusch und Blazek 2005). Mit Hilfe der

. Abb. 10.9. Ortsaufgelöster, kontaktloser Muskelpumpen-Test. dizintechnik der RWTH Aachen entwickeltes Messsystem. Für die
Aufgenommen mit einem kamerabasierten Photoplethysmogra- drei gewählten Untersuchungsgebiete (virtuelle PPG-Sensoren,
phie-Imager (PPGI), einem in der Forschungsgruppe Optische Me- links) sind rechts die errechneten PPG-Kurven dargestellt
10.2 · Venenverschluss-Plethysmographie (VVP)
83 10
. Abb. 10.9 soll die Leistungsfähigkeit dieser zukunfts- als Spezies hierfür zahlen. Sind Wirbelsäulenleiden meist
weisenden Technik demonstriert werden. Dank dieser »nur« schmerzhaft, stellt die tiefe Venenthrombose ein
Technik ist die PPG-Messung erstmals auch im Bereich schwerwiegendes Gesundheitsrisiko dar, weil ein Ablösen
von Wunden möglich. Einzig die Bewegungsartefakte, die des Blutgerinnsels eine tödliche Lungenembolie zur Folge
aus der Trennung des Sensors von der Haut resultieren, haben kann. Wird die Thrombose überlebt, rufen Spät-
müssen durch eine entsprechende Datenaufbereitung mi- komplikationen oft eine wesentliche Beeinträchtigung der
nimiert werden. Lebensqualität hervor.
Die funktionellen Eigenschaften des Venensystems bei
Literatur Muskelruhe lassen sich mit einer venenverschlussplethys-
Abramovitz HB et al. (1979) The use of Photoplethysmography in the mographischen Untersuchungstechnik bestimmen. Dabei
assessment of venous insufficiency: a comparison to venous pres-
wird der plötzliche Abfluss von gestautem venösen Blut aus
sure measurement. Surgery 86: 431–441
Barnes RW (1979) Noninvasive diagnostic techniques in pheriperal
der Extremität erfasst und analysiert. Aus der Abflusskine-
vascular disease. Amer Heart J 97: 2–9 tik lassen sich direkte Aussagen über den Venenzustand
Blazek V, Schultz-Ehrenburg U (1991) Zur Reproduzierbarkeit der digi- gewinnen. Hauptanwendungsgebiete sind die Screening-
talen Photoplethysmographie. Ergebnisse bei Langzeitmessun- Diagnose, Schweregradbestimmung und Therapiekontrol-
gen und bei unterschiedlichen Übungsprogrammen. Phlebologie
le der akuten Beinvenenthrombose, ferner auch die Erken-
in der Praxis 2: 13–22
Blazek V, Schultz-Ehrenburg U (1996) Quantitative Photoplethysmog-
nung anderweitiger Abstrombehinderungen, z. B. in der
raphy. Basic facts and examination test for evaluating peripheral Schwangerschaft.
vascular functions. VDI Düsseldorf, ISBN 3-18-319220-9
Blazek V (2005) Funktionelle Beinvenendiagnostik mit der quantita-
tiven Photoplethysmographie – bewährte und neue Untersu-
10.2.1 Messprinzip, Untersuchungsablauf
chungstests der peripheren venösen und arteriellen Diagnostik.
In.: Hübner, K.: Sklerotherapie. Viavital-Verlag 49–59
und Bewertungsparameter
Blazek V, Noppeney T (2007) Wertigkeit der Photoplethysmographie
(PPG) und der Straingaugeplethysmographie (SGP) im Rahmen Plethysmographie heißt bekanntlich Volumenmessung.
der funktionellen Beinvenendiagnostik. Gefäßchirurgie 5: 374– Venenverschluss meint die Art des während der Messung
378
angewandten Provokationstests. Dieser wird mit einer luft-
Hertzman AB (1938) The blood supply of various skin areas as esti-
mated by the photoelectric plethysmograph. Amer J Physiol 124:
gefüllten Staumanschette bei einem Druck vorgenommen,
329–340 der für eine definierte Zeit den venösen Abfluss aus der
Hülsbusch M, Blazek V (2005) Ist ein kontaktloser PPG-Muskelpumpen- untersuchten Extremität blockiert, den arteriellen Ein-
Test machbar und wünschenswert? MedReport Nr.28, Jahrgang 29, strom dagegen durchlässt. Im Laufe des Untersuchungs-
10
vorgangs werden unterschiedliche Teilfunktionen des Ve-
Kerner J, Schultz-Ehrenburg U, Lechner W (1992) Quantitative Photo-
plethysmographie bei gesunden Erwachsenen, Kindern und
nensystems geprüft, die sich quantitativ beurteilen lassen.
Schwangeren und bei Varizenpatienten. Phlebol 21: 134–139 Dafür stehen heute eine Reihe leistungsfähiger Techniken
Nicolaides AN (2000) Investigation of Chronic Venous Insufficiency – zur Verfügung, die mit unterschiedlichen Sensoren ausge-
A Consensus Statement. Circulation 102: e126–e163 stattet sind und die verschiedene mit der Änderung des
Rabe E (2004) Grundlagen der Phlebologie. Viavital Köln ISBN
Blutvolumens einhergehende Vorgänge direkt oder indi-
3-934371-33-7
Schultz-Ehrenburg U, Blazek V (1993) Inovations in venous photo-
rekt beurteilen (. Abb. 10.10):
plethysmography. In: Burgdorf WHC, Katz S (Eds): Dermatology, 4 Straingauge-Plethysmographie: Erfassung der Um-
progress & perspectives. Proceedings of the 18th World Congress fangsänderung eines Extremitätensegmens mit einem
of Dermatology, Partenon New York Dehnungsmessstreifen; ähnlich funktioniert auch die
Strölin A, Häfner HM, Jünger M (2004) Dynamische Venenfunktion-
Glasfaser-Plethysmographie, bei welcher die Umfangs-
stests – Bedeutung nicht invasiver phlebologischer Messverfah-
ren im Vergleich zum Referenzverfahren Phlebodynamometrie.
änderung der Extremität Änderung der optischen
MedReport Nr. 31, Jahrgang 28, 6 Dämpfung des beinumschlingenden Glasfasersensors
registriert wird,
4 Wasserplethysmographie: auch Fußvolumetrie ge-
10.2 Venenverschluss-Plethysmographie nannt, Erfassung der Volumenänderung eines Extre-
(VVP) mitätenabschnitts durch Wasserverdrängung mit an-
schließender Messung des Wassersäuledrucks,
V. Blazek 4 Impedanzplethysmographie: Erfassung der Gewebe-
impedanzänderung,
Im Laufe der Evolution hat der Homo sapiens den auf- 4 Luftplethysmographie: Erfassung der Luftdruckände-
rechten Gang erworben. Wirbelsäulenleiden und Venen- rung in einer die Extremität einschließender Man-
krankheiten der unteren Extremität sind der Preis, den wir schette oder luftdichter Messkammer,
84 Kapitel 10 · Hämodynamische Diagnostik

a b

10

c d

e f

. Abb. 10.10. Venenverschlussplethysmographischen Sensoren Sensor, e computerunterstützter gravimetrischer Plethysmograph,


und Systeme. a Straingauge- und Glasfasersensorik, b Wasserplethys- f Mikrowellen-Plethysmograph
mograph, c Impedanzplethysmograph, d Luftplethysmographischer
10.2 · Venenverschluss-Plethysmographie (VVP)
85 10
4 Optische Venenverschluss-Plethysmographie: Erfas- Auflösung registriert. Die so gewonnenen SGP-Kurven
sung der Reflexionsänderung des Gewebevolumens werden abgespeichert und automatisch ausgewertet. Im
unter dem Sensor, Rahmen des Protokollausdrucks werden u. a. folgende
4 Gravimetrische Plethysmographie: Erfassung der Bewertungsparameter ausgegeben (. Abb. 10.12):
Gewichtsänderung der Extremität. 4 Arterieller Einstrom AF als initiale Einstromrate (mitt-
4 Mikrowellen-Plethysmographie: Erfassung der Ge- lere Zunahme des Beinumfangs in den ersten 5 s nach
webeabsorption im Mikrowellenbereich des elektro- Staubeginn),
magnetischen Spektrums (um 2 GHz). 4 venöse Kapazität VC als Zunahme des Beinumfangs
(in Prozent, bezogen auf den initialen Beinumfang vor
In der Praxis hat sich bisher die Straingauge-Plethys- Testbeginn),
mographie am besten bewährt. Als Sensor dient ein in der 4 venöser Abstrom VO als initiale Abflussrate (mittlere
Regel mit Quecksilber (als elektrischen Strom leitendes Abnahme des Beinumfangs in den ersten 3 s, umge-
Fluid) gefüllter, dünner und hochdehnbarer Schlauch rechnet als maximale venöse Kapazität pro Minute)
(. Abb. 10.11). Die Anwendung dieser Sensorart zur Volu- nach Stauende.
menmessung in der Medizin geht auf Brodie und Russel
(1905) zurück. Im Jahre 1949 führte Whitney diese Tech- Im Normalfall kann das gestaute Blut in wenigen Sekun-
nik in die Gefäßdiagnostik ein. Bezüglich der historischen den nach Stauende aus der Extremität abfließen, sodass
Vorbilder dieser Technik sowie ihrer Vor- und Nacheile sei der Parameter VO relativ hohe Werte erreicht. Er ist ab-
auf die Literatur (Ensing 1982, Fronek 1989, Weindorf und hängig von den Messbedingungen (z B. Lagerung, Tempe-
Schultz-Ehrenburg 1984, Blazek et al. 1986, Schultze-Eh- ratur), beträgt jedoch bei Gesunden in der Regel mehr als
renburg und Blazek 1992) verwiesen. 30%/min VO-Werte zwischen 20 und 30%/min gelten als
Der SGP-Venenverschluss-Test wird heute standard- grenzwertig. Bei stark gestörtem Abstrom (z.B. durch eine
mäßig wie folgt angewendet (. Abb. 10.11): hämodynamisch wirksame Thrombose oder Raumforde-
4 bei einem ruhenden Patienten wird die Extremität et- rungen anderer Genese) ist die Abstromkinetik noch deut-
was erhöht und weich gelagert. Der Dehnungsmess- licher verlangsamt (unter 15%/min).
streifensensor wird wegen der Messfehlerminimierung Ein Beispiel hierzu zeigt die . Abb. 10.13. Bei einem
im Bereich des maximalen Unterschenkelumfangs zir- Probanden mit normaler Venodynamik wurde ein deut-
kulär um die Wade gelegt. Am Oberschenkel wird dann licher Anstieg der SGP-Kurve in der Stauphase gemessen,
durch eine breite Staumanschette mit Staudruck von der VC-Wert betrug 4,5% (. Abb. 10.13a). Da die hydrau-
80 mm Hg der venöse Abstrom blockiert. Die sich wäh- lische Leitfähigkeit ungestörter Beinvenen sehr hoch ist,
rend des künstlichen Venenstaus (z. B. 2 min) einstel- kam es unmittelbar nach Stauende zu einer schnellen Vo-
lende Blutvolumenzunahme distal der Staumanschette lumenreduktion, der VO-Wert betrug 56,8%/min (Blut-
wird durch lokale Zunahme des Extremitätenumfangs volumenänderung pro Zeiteinheit beschreibt den Blut-
unter dem Dehnungssensor registriert. Sie spiegelt in volumenstrom). Während einer zweiten Messung wurde
der Regel mit ausreichender Näherung die Änderungen ein Abflusshindernis durch eine zweite Staumanschette am
im gesamten Venenpool der gestauten Extremität wi- proximalen Oberschenkel (Staudruck 40 mm Hg) simu-
der. In der Entleerungsphase nach Stauende wird inner- liert. Nach Lösen des am distalen Oberschenkel gelegenen
halb von 20 s die Abstromkinetik mit erhöhter zeitlicher ersten Venenstaus (Staudruck 80 mm Hg) ergab sich die

a b

. Abb. 10.11. Straingauge-Plethysmograpie. a Untersuchungsan- Reduktion der Kurvenamplitude innerhalb von wenigen Sekunden
ordnung beim VVP-Test, b Typische Kurve eines Gesunden mit An- nach Beginn der Entleerung errechnet, kann also als Steilheitsgerade
gaben zur Berechnung der Parameter VC und VO. VO gilt als wich- dargestellt werden (eingetragene Linien in der Entleerungsphase
tigster der VVP-Parameter und wird als initiale Abflussrate aus der der Kurve)
86 Kapitel 10 · Hämodynamische Diagnostik

a b
10 . Abb. 10.12. Einkanaliger Straingauge-Plethysmograph mit b Typisches SGP-Untersuchungsprotokoll mit Angabefeldern zum
Dehnungssensor und Untersuchungsprotokoll. a Dünner, mit Versuch, der Kurve und zugehörigen VVP-Bewertungsparametern
Quecksilber gefüllter Schlauch, Gerätmodell D-SGP (Elcat, Germany)

a b

. Abb. 10.13. Typische SGP-Kurvenformen bei normaler (a) und tungsparameter bei experimentell gestörtem Abstrom (VC auf 51%,
gestörter (b) Venodynamik. Deutliche Reduktion der beiden Bewer- V0 auf nur 14% der nativen Werte)

SGP-Kurve mit zugehörigen Bewertungsparametern, die 3. Die Breite der verwendeten Staumanschette soll min-
auf der rechten Bildhälfte dargestellt sind, der provozierte destens 15 cm betragen. Eine Standardmanschette
Abstromhindernis wurde sicher erkannt. für die Blutdruckmessung am Oberarm ist für die-
sen Zweck ungeeignet, da der Druckreduktion in
Richtung Beinachse von der Manschettenbreite ab-
10.2.2 Einige Tipps zur VVP-Anwendung hängt und dadurch – gerade bei umfanggrößeren
Oberschenkeln – der tiefe Beinvenenstrom während
1. Damit sich aus diagnostischen Überlegungen hinaus der Stauphase womöglich nicht vollständig unterbun-
das gestaute Blut nur über die tiefen Beinvenen ent- den wird.
leert, ist bei diesem Test das Anlegen eines, die ober- 4. Die Geschwindigkeit des Druckaufbaus und des Druck-
flächlichen Venennetze hinreichend blockierenden ablassens in der Staumanschette hat eine Auswirkung
Tourniquet ein Muss. auf die Qualität der Messergebnisse. Damit ist, wenn
2. Der Anpressdruck des Straingauge-Messwertaufneh- möglich, ein automatisierter Stauvorgang einem ma-
mers gegen das Beingewebe soll möglichst gering sein. nuell kontrollierten vorzuziehen.
10.3 · cw-Dopplersonographie
87 10
hat sie doch wie kaum andere Untersuchungsmethodik
zum Verständnis der Physiologie und Pathophysiologie
des Venensystems beigetragen.
Mit der Straingauge-VVP steht eine reproduzierbare
und kostensparende Untersuchungstechnik zur Verfü-
gung, die eine objektive Erfassung der peripheren venösen
Abstromkinetik unter Muskelruhe erlaubt. Die einfachen,
tragbaren und kostensparenden SGP-Geräte sind in be-
sonderem Maße für den Einsatz in der täglichen Routine
geeignet, neben einen menügesteuerten Untersuchungs-
ablauf erlauben sie auch eine Analyse der Messkurven,
Berechnung relevanter Ein- und Abstromparameter des
während des Verschlusstests bewegten Venenpools inkl.
Protokollausdruck.
Es soll jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass
mit dem Venenverschlusstest generell nur hämodynamisch
wirksame Abstromhindernisse erkannt werden können.
. Abb. 10.14. Vorschlag für eine zweidimensionale graphische
Kein medizinisches Gerät, also auch kein computerunter-
Gegenüberstellung der beiden wichtigsten VVP-Bewertungspara- stütztes, kann die Erfahrung und das fachliche und expe-
metern Venöser Abstrom (VO) und Venöse Kapazität (VC). Einge- rimentelle Know-how des Arztes ersetzen. Diese Technik
zeichnet sind Bereiche für ungestörte, grenzwertige und gestörte kann ihm jedoch von der komplizierten technischen Para-
Abststomkinetik und auch beide Wertepaare aus den Kurven in
meterauswertung befreien und die diagnostische Entschei-
. Abb. 10.13
dung erleichtern, sichern und dokumentieren helfen.

5. Eng anliegende Bekleidungsstücke können die Ab- Literatur


stromkinetik verfälschen und damit falsch positive Blazek V, Schultz-Ehrenburg U, Rütten W, Schmitt HJ, Schibilla R (1986)
Venenverschluß-Plethysmographie: Aktueller Entwicklungsstand
VO-Werte liefern.
und neue apparative Möglichkeiten. VASA, Suppl. 32, 466–470
6. Da sich eine akute Beinvenenthrombose nur in selte- Brodie TG, Russell AE (1905) On the determination of the rate of the
nen Fällen auf die Abstromkinetik beider unteren Ex- blood flow through an organ. J. Physiol. (Lond.) 32, 47P
tremität auswirkt, ist ein messtechnischer Seitenver- Ensing FBM (1982) Geschichte und Methodik der Venenverschluß-
gleich immer ratsam. plethysmographie und tierexperimentelle Validierung der Deh-
nungsmeßstreifentechnik. Inaugural-S Dissertation an der Univer-
7. Eine vergleichende VO/VC-Messwertdarstellung in
sität zu Göttingen
zweidimensionale Grenzwertdiagramme (. Abb. 10.14) http://www.eurasburger-berichte.de/html/venenverschluss-plethys-
kann die diagnostische Entscheidung erleichtern. mografi.html
8. Der VVT hat naturgemäß nur eine geringe Treffsicher- Fronek A (1989) Noninvasive diagnostics in vascular disease. Mc Graf-
heit für Thromben außerhalb des Hauptleitersystems. Hill, New York, ISBN 0-07-022508-7
Schultz-Ehrenburg U, Blazek V (1992) Erfassung der Blutvolumenkine-
Auch nicht vollständig verschließende bzw. wandstän-
tik beim Venenverschlußtest. Vergleich der computerunterstütz-
dige Thromben werden nicht befriedigend erfasst. ten gravimetrischen Plethysmographie mit indirekten Meßme-
9. Auf die Besprechung der diagnostischen Wertigkeit thoden. Phlebol. 21, 144-148
des VVP-Messparameters AF (Arterieller Einstrom) Weindorf N, Schultz-Ehrenburg U (1984) Der Wert der Venenverschluß-
wird hier absichtlich verzichtet, was aber keineswegs plethysmographie in der Dermatologie. Akt. Dermatol. 10, 83–87
Whitney RJ (1949) The measurement of changes in human limb-
bedeuten soll, das dieser Parameter im Rahmen der
volume by means of a mercury-inrubber strain gauge. J Physiol
globalen Beurteilung des Durchblutungsstatus der un- 109, Proc. 5
tersuchten Extremität eine nur untergeordnete Rele-
vanz hat. Gesichert aussagekräftig gilt dieser Parameter
aber nur im Fall eines schnellen Druckaufbaus in der 10.3 cw-Dopplersonographie
Staumanschette.
M. Emter

10.2.3 Schlussfolgerungen Für die Untersuchung funktioneller Defekte bei venösen


Erkrankungen stellt die cw-Dopplersonographie mit Stift-
Die Venenverschluss-Plethysmographie zählt zu den wert- sonden eine durchaus ausreichende Methode dar. Die Un-
vollsten Untersuchungsmethoden in der Phlebologie, tersuchungen können sowohl mit unidirektionalen sog.
88 Kapitel 10 · Hämodynamische Diagnostik

Taschendopplern ausgeführt werden als auch mit bidirek- d h. während der Inspiration verlangsamt sich die venöse
tionalen Geräten mit und ohne Schreibvorrichtung für das Strömung durch Senken des Diaphragmas bis hin zum
Dopplersignal. Bei allen richtungsanzeigenden Doppler- Stopp des venösen Flusses; während der Exspiration findet
techniken ist es vor Beginn der eigentlichen Untersuchung eine maximale, nach zentral gerichtete Fließbeschleuni-
wichtig, festzustellen, welches Signal eine Strömungsrich- gung statt (Bollinger 1970).
tung auf die Sonde zu angibt und welches Signal die Strö-
mungsrichtung von der Sonde weg angibt.
Auf die technischen Voraussetzungen soll an dieser 10.3.2 Der Valsalva-Pressversuch
Stelle nicht weiter eingegangen werden, hier wird auf die
einschlägigen Lehrbücher verwiesen (Barnes 1978, Fischer Die tiefe Inspiration mit anschließender Bauchpresse in-
1985). duziert einen provozierten Reflux venösen Blutes Richtung
Die Wahl der Sondenfrequenz ist wesentlich für den Peripherie. Bei physiologischem, regelrechtem Klappen-
Erfolg der Untersuchung und somit für die Qualität und schluss sistiert die venöse Strömung, d. h. ein Doppler-
Verwertbarkeit der Ergebnisse. Für die oberflächlich gele- signal ist nicht mehr nachweisbar.
genen Venen bzw. Varizen sollte eine 8 MHz–Sonde zum Diesen Test zur Aufdeckung einer potentiellen Reflux-
Einsatz kommen. Für die tiefer gelegenen peripheren strecke kann man entlang des gesamten Verlaufs der
Venen sind Sonden mit einer Sendefrequenz von 4 MHz V. saphena magna oder parva Schritt für Schritt nach distal
notwendig. hin durchführen.
Die Kenntnis der anatomischen Grundlagen stellt eine Auch das tiefe Venensystem kann mit der gleichen
unverzichtbare Voraussetzung dar für die rein akustische Technik untersucht werden. In der Folge thrombotischer
Untersuchung bzw. die Strömungsdetektion im Bereich Ereignisse finden sich Refluxphänomene im subfaszialen
des Venensystems. Venensystem. Bei Klappenverlust in der Oberschenkeletage
10 Die Physiologie des Venensystems als »Niederdruck- in der V. femoralis superficialis und durchgängiger Strom-
system« ist wesentlich von der Muskeltätigkeit und von der bahn lassen sich Refluxsignale im Valsalva-Pressversuch im
Atmungsdynamik abhängig und der gezielte Einsatz bzw. Bereich der V. poplitea nachweisen (. Abb. 10.16).
die Lenkung dieser funktionellen Stellglieder für den ve- Lokale Klappeninsuffizienzen, etwa im Bereich von
nösen Blutfluss erbringen weiterführende Informationen Perforansvenen können ebenfalls durch Provokation er-
im Rahmen einer dopplersonographischen Untersuchung. kannt werden. Besteht der Verdacht auf eine insuffiziente
Perforansvene wird diese mit der Dopplersonde aufgesucht
und proximal der Sonde eine Kompression der Muskulatur
10.3.1 cw-Dopplersonographie des Beines mit der Hand ausgeführt. Findet sich ein nach
in der Varikose-Diagnostik außen gerichtetes Signal, so ist die Klappe defekt. Es liegt
eine Perforansinsuffizienz vor.
Das Aufdecken von Refluxstrecken und das Auffinden in- Auf diese Weise können alle peripheren Venen auf De-
suffizienter Perforansvenen stellen die Haupt-Einsatz- fizite und Refluxstrecken getestet werden.
gebiete der cw-Dopplersonographie in der Diagnostik Die Untersuchung kann sowohl am liegenden als auch
dar. am stehenden Patienten durchgeführt werden. Hierbei
Die Sonde wird in der Leiste über der V. femoralis muss beachtet werden, dass im Liegen nicht oder wenig
communis platziert. Unter normalen Bedingungen findet gefüllte Venen kollabieren und dem Dopplersignal entge-
sich hier ein atemmoduliertes Flusssignal (. Abb. 10.15), hen können.

. Abb. 10.16. Reflux im Valsalvaversuch als Ausdruck eine Klap-


peninsuffizienz

. Abb. 10.15. Normales atemmoduliertes Strömungssignal über


der V. femoralis
10.4 · Phlebodynamometrie (PDM)
89 10
10.3.3 Zusammenfassung wird. Das gesamte Schlauchsystem ist vor Anschluss an die
Punktionsnadel oder Verweilkanüle mit NaCl Lösung zu
Die uni-/bidirektionale Dopplersonographie bietet eine spülen, um die Luft zu entfernen und nach Anschluss ggf.
preiswerte und bei adäquater Anwendung gute Möglich- zurücklaufendes Blut ausspülen zu können. Nach dem
keit der Überprüfung der Funktionalität sowohl des epi- Nullabgleich kann dann der Venendruck gemessen werden
als auch des subfaszialen Venensystems. Die Kenntnis der (Marshall 1987, May 1978).
topographisch-anatomischen Gegebenheiten stellt eine
unverzichtbare Voraussetzung dar, um die zu untersuchen-
Fehlermöglichkeiten bei der Phlebodynmometrie
den Venen auch aufzufinden. Für subtilere Fragestellungen,
bzw. die Diagnostik vor invasiven Eingriffen ist die An- 4 fehlerhafte Punktion
wendung der Duplexsonongraphie als Standarddiagnostik 4 thrombosierte Kanüle
zu fordern. 4 Kanüle liegt der Venenwand oder Venenklappe an
4 nicht durchgeführter Nullabgleich
Literatur 4 mangelnde Mitarbeit des Patienten
Barnes RW (1978) Doppler ultrasonic examination of venous disease. 4 Bewegungseinschränkung im Sprunggelenk
In: De Vlieger, Holmes Kazner et. Al. (eds): Handbook of Clinical
Ultrasound, New York Toronto: Wiley
Bollinger A, Rutishauser W, Mahler F, Grüntzig A (1970) Zur Dynamik
des Rückstroms aus der Vena femoralis. Z Kreislaufforsch 59:963 Bei Beginn der Untersuchung steht der Patient, unter phy-
Fischer M, Wuppermann Th (1985) Einführung in die Doppler-Sono- siologischen Ruhebedingungen wird in stehender Position
graphie. Urban & Schwarzenberg, München. ein Druck von ca. 90 mm Hg gemessen.
Marschall M (1996) Praktische Doppler-Sonographie. Springer Berlin
Für die Funktionsbeurteilung stehen verschieden Tests
Heidelberg New York, (2. Aufl.).
zur Verfügung (s. u.). In der klinischen Routine hat sich ein
Funktions- und Belastungstest mit der Ausführung von
zehn Zehenständen in 15 s bewährt.
10.4 Phlebodynamometrie (PDM)
Funktionstests für die Phlebodynamometrie
M. Emter, T. Noppeney
4 10 Zehenstände in 15 s, Zehenstände bis zum
Die Phlebodynamometrie (PDM) ist eine invasive Mess- tiefsten Punkt der Druckkurve
methode zur Bestimmung des venösen Druckverhaltens in 4 10 Kniebeugen in 20 s, Kniebeugen bis zum
Ruhe und unter ambulatorischen Bedingungen. Wegen der tiefsten Punkt der Druckkurve
Invasivität ist sie speziellen Fragestellungen vorbehalten 4 Gangsimulation im Stehen > Heben der Füße
und wird zur Beurteilung gutachterlicher Fragestellungen abwechselnd 15 cm
eingesetzt. 4 Stufentest nach Kaltenbach
4 Gehen auf dem Laufband, 2 km/h, 8% Steigung

10.4.1 Methode und Durchführung


Diese Funktionsversuche weisen normale oder patholo-
Grundsätzlich kann die Venendruckmessung an nahezu gische Druckveränderungen nach. Beim Gesunden indu-
jeder tiefen und oberflächlichen Vene der unteren Extre- zieren Muskelkontraktionen des Unterschenkels eine Re-
mität durchgeführt werden. Für die Beurteilung der Funk- duktion des Druckes von 90 auf ca. 20–30 mm Hg.
tion der Beinvenenmuskelpumpen wird normalerweise an Nach Sistieren der Bewegung steigt der Druck unter
der zu untersuchenden Extremität eine Fussrückenvene normalen physiologischen Bedingungen langsam wieder
punktiert, meist die V. marginalis medialis. Die Punktion an, wobei die Zeit bis zum Erreichen des Ausgangsdruckes
erfolgt im Sitzen entweder mit einer Butterfly-Kanüle oder 25 s betragen sollte (Marees 1978, Nachbur 1971, Varady
einer Verweilkanüle, z. B. einer Braunüle. Dabei ist es 1978, Kügler 2007) (. Abb. 10.17).
wichtig, die Punktionskanüle gut zu fixieren, damit sie bei Wird die genannte Druckreduzierung nicht erreicht
der Funktionsuntersuchung nicht disloziert. Weiter muss oder liegt eine Verkürzung der Druckausgleichzeit vor, so
darauf geachtet werden, dass die Kanüle nicht der Venen- kann man pathologische Verhältnisse im Venensystem
wand anliegt, da sonst falsche Drucke gemessen werden. unterstellen. Hiernach ist die Differenzierung der kausalen
Die Punktionsnadel oder Verweilkanüle wird mit einer Zusammenhänge notwendig.
Heidelberger-Verlängerung verbunden, die an einen
Druckwandler (z. B. Statham-Element ) angeschlossen
90 Kapitel 10 · Hämodynamische Diagnostik

. Abb. 10.17. Normaler Druck-Kurvenverlauf während 10 Zehen- . Abb. 10.18. Druck-Kurvenverlauf während 10 Zehenstände bei
stände primärer Varikosis. Grenzwertiger Druckabfall und verkürzte
Druckausgleichzeit

10.4.2 Messergebnisse

Unter Betätigung der Wadenmuskelpumpe fällt der Ve-


nendruck beim gesunden Probanden auf ca. 20–30 mm Hg
ab. Pathologische Zustände lassen sich aus einer Vermin-
10 derung des Druckabfalls (ΔP) und einer Verkürzung der
Zeit bis zum Erreichen des Ausgangsdruckes ablesen:
So beträgt der Druckabfall nach Kügler (2007) bei Patien-
ten mit leichter Varikose im Durchschnitt nur ca. 45 mm Hg
(51,8% des Ausgangswerts), die Druckausgleichszeit 13,8 s.
Liegt eine schwerere Form der Varikose vor, z. B. Patienten
mit ausgeprägter Stammvenen- und Perforansinsuffizienz
und/oder Stadium C4 bis C6, beträgt der Druckabfall im
. Abb. 10.19. Druck-Kurvenverlauf während 10 Zehenstände bei
Durchschnitt nur noch 21 mm Hg (24,2% des Ausgangs- Beckenvenenthrombose
werts), die Druckausgleichszeit verkürzt sich auf ca. 5–6 s
(. Abb. 10.18). Noch schlechtere Werte werden bei Patienten
mit postthrombotischem Syndrom gemessen (. Abb. 10.19). Findet sich eine Verminderung der Druckreduktion oder
Diese Werte beziehen sich auf Zehenstandsübungen, bei eine Verkürzung der Druckausgleichszeit, so muss geklärt
anderen Übungsprogrammen, z. B. Kniebeugen, liegt der werden, ob das epi- oder subfasziale Venensystem für die-
tiefste gemessene Druck (P2) um ca. 10 mm Hg niedriger. sen Effekt verantwortlich ist und ob ggf. eine Ausschaltung
Die geschilderten Werte sind nur Anhaltspunkte, ins- des epifaszialen Venensystems eine Verbesserung der Hä-
besondere die Werte der Druckausgleichszeit weisen sehr modynamik zur Folge haben kann. Die Differenzierung
große interindividuelle Differenzen auf. Unter Umständen geschieht durch den Tourniquet-Test. Das epifasziale Ve-
sind Vergleichsmessungen am erkrankten und am gesun- nensystem wird mit einem Tourniquet oder einer Blut-
den Bein eines Patienten sinnvoll. druckmanschette etagenweise in Knöchelhöhe, unterhalb
des Knies und am Oberschenkel komprimiert. Die Kom-
pressionsdrucke sollten zwischen 70 und maximal
Relevante Messparameter der Phlebodynamo- 130 mm Hg betragen. Bei Werten über 130 mm Hg lassen
metrie sich bereits Kompressionseffekte im tiefen Venensystem
4 Ruhedruck P1 im mm Hg nachweisen und die Messergebnisse sind verfälscht (Kügler
4 tiefster Druck nach Funktionstest P2 in mm Hg 2007).
4 maximaler Druckabfall ΔP in mm Hg Die Kompression unterbricht den epifasziale Reflux
4 Druckausgleichszeit t = Zeit nach Beendigung der und damit wird ein Effekt des Reflux auf die Messergeb-
Übung bis zum Erreichen eines neuen Ruhedrucks nisse durch eine entsprechende refluxbedingte Drucker-
in Sekunden höhung ausgeschlossen. Werden unter diesen Vorausset-
zungen auch bei Anlage der Blutdruckmanschette in Höhe
10.4 · Phlebodynamometrie (PDM)
91 10
Literatur
. Tab. 10.1. Druckwerte der PDM im Funktionstest mit Kriessmann A, May R (1978) Empfehlungen zur Standardisierung und
10 Zehenständen in 15 s praktischen Anwendung der peripheren Venendruckmessung.
In: May R, Kriessmann A (Hsrg) Periphere Venendruckmessung.
Normale Venen ΔP ≥ 50 mm Hg; P2 ≤ 30 mm Hg Thieme, Stuttgart, 177
Kügler C (2007) Phlebodynamometrie in: Kröger K, Gröchenig E (Hrsg)
Primäre Varikosis ΔP ~ 45 ± 10 mm Hg; P2 ~ 40 mm Hg
Nicht invasive Diagnostik angiologischer Krankheitsbilder. ABW
Primäre Varikosis und ΔP ~ 20 ± 10 mm Hg; P2 ~ 65 mm Hg Wissenschaftsverlag Berlin, 225-245
Perforansinsuffizienz Marees H de, Wuppermann T, Zschge C (1978) Funktionsprüfung des
peripheren Venensystems mit Hilfe peripherer Kreislaufgrößen.
Postthrombotisches Grad I: ΔP < 40 mm Hg Vasa 7: 282
Syndrom Grad II: ΔP < 20 mm Hg Marshall M (1987) Praktische Phlebologie. Springer, Berlin, Heidel-
Grad III: ΔP = 0 mm Hg berg, New York
May R., Kriessmann A Hrsg. (1978) Periphere Venendruckmessung.
nach Kriessmann 1978
Symp. in Seefeld. Georg Thieme, Stuttgart
Nachbur B (1971) Die periphere Venendruckmessung: Eine Methode
zur Bestimmung der venösen Leistungsreserve der unteren Extre-
mität. Zentralbl Phlebol 10: 224
des Knöchels weiterhin pathologische Werte gemessen, Strauss AL (1998) Periphere Venendruckmessung. In: Rieger H, Schoop
liegt der Nachweis für eine Insuffizienz des subfaszialen W (Hrsg.) Klinische Angiologie. Springer Heidelberg, S 929f
Varady Z (1978) Venendruckmessung in der phlebologischen Praxis.
Venensystems vor (. Tab. 10.1).
In: May R, Kriessmann A (Hrsg) Periphere Venendruckmessung.
Eine besondere Bedeutung hat die Phlebodynamomet- Thieme, Stuttgart, 159.
rie bei der Planung eines varizenausschaltenden Eingriffs
bei sekundärer Varikose. Bei dieser besonderen Situation
lässt sich mit Hilfe der Phlebodynamometrie nachweisen,
ob z. B. die V. saphena magna eine hämodynamisch be-
deutsame Kollaterale darstellt, oder ob sie ohne Schaden
für die hämodynamische Gesamtsituation entfernt werden
darf. Erfolgt in dieser Situation nach Anlage des Tourni-
quets bei den Funktionstests ein höherer Druckabfall und
verlängert sich die Druckausgleichszeit im Vergleich zu
den Werten ohne Tourniquet, so kann die VSM ausge-
schaltet werden. Verschlechtern sich die gemessenen Wer-
te, so stellt die VSM eine hämodynamisch bedeutsame
Kollaterale dar und darf nicht entfernt werden.

10.4.3 Zusammenfassung

Die Phlebodynamometrie ist eine Messmethode, mit der


die Hämodynamik des Venensystems in Ruhe und unter
Betätigung der Wadenmuskelpumpe beurteilt werden
kann. Vor allem bei sekundärer Varikose aufgrund eines
postthrombotischen Syndroms kann eine Beurteilung der
Indikation zur Operation besser getroffen werden.
11

11 Sonographische Diagnostik
11.1 B-Bild-Sonographie – 94
A. Brunner
11.1.1 Praktische Anwendung – 94
11.1.2 Beurteilungskriterien in der Venendiagnostik – 95
11.1.3 Artefakte in der B-Bild-Sonographie – 96
11.1.4 Zusammenfassung – 96

11.2 Duplexsonographie – 97
W. Lang
11.2.1 Geräteeinstellung – 97
11.2.2 Durchgängigkeit, Thrombosediagnostik – 97
11.2.3 Veneninsuffizienz – 97
11.2.4 Topographie von Vena saphena magna und parva – 99
11.2.5 Mündungsinsuffizienz – Rezidivdiagnostik – 99
11.2.6 CHIVA-Methode – 99
11.2.7 Endovenöse Verfahren – 100
94 Kapitel 11 · Sonographische Diagnostik

11.1 B-Bild-Sonographie > Je höher die Amplitude der empfangenen


Schallwellen, desto heller der zugeordnete
A. Brunner Grauwert.
Je niedriger die Amplitude, desto dunkler der
Die zweidimensionale B-Bild-Sonographie (B = bright- korrespondierende Grauwert.
ness = Helligkeit) ist die Grundlage der gesamten Ultra-
schalldiagnostik. In der Gefäßdarstellung dient sie mit ihrer Im Schallgerät erfolgt auch die Zuordnung der emp-
hohen Auflösung und der relativ schnellen Bildfolge zur fangenen reflektierten Schallwellen vom Gewebe zu
Erfassung morphologischer Veränderungen von Gefäßen entsprechenden Koordinaten auf dem Monitor, so dass
und Gefäßwand. Aussagen zur funktionellen Bedeutung ein zweidimensionales Schnittbild des untersuchten
dieser Veränderungen können dann mit Hilfe von Farb- Organs entsteht. Beim Bildaufbau ist die Laufzeit vom
duplexverfahren oder Power-Mode erfolgen. Schallkopf zum reflektierenden Objekt und zurück zum
Kennzeichnend im B-Mode-Verfahren ist die Dar- Schallkopf das Maß für den Abstand und damit für die
stellung der Untersuchungsregion in verschiedenen Grau- entsprechende Position im Koordinatennetz auf dem
tönen. Vom Ultraschallgerät werden elektrische Signale Monitor.
zum Schallkopf gesendet, der diese in mechanische Schall-
wellen umwandelt. Diese Schallwellen durchdringen das
Gewebe und werden an Grenzflächen mit unterschied- 11.1.1 Praktische Anwendung
lichem Schallwiderstand (Impedanz) reflektiert und zum
Schallkopf zurückgeschickt. Hier werden die reflek- Die Wahl des verwendeten Schallkopfes hängt von der be-
tierten mechanischen Schallwellen wieder in elektrische nötigten Eindringtiefe ab. Oberflächliche Strukturen wer-
Signale zurück übersetzt und vom Sendegerät analysiert. den mit einem 7–10 MHz Schallkopf dargestellt, im Abdo-
Die empfangenen Signale können sodann in Form men werden 2–6 MHz benötigt. An den Extremitäten und
von Amplituden unterschiedlicher Höhe dargestellt zur Darstellung der supraaortalen Gefäße kommt ein
werden. Die unterschiedlichen Amplituden werden einer Linearschallkopf zum Einsatz, im Bereich des Abdomens
11 Grauwert-Skala zugeordnet und auf dem Monitor an- wird der Sektorscanner bevorzugt.
gezeigt Um eine optimale Bildeinstellung zu erreichen, sollte
An Bereichen mit geringem Impedanzunterschied die Einstellungskorrektur am besten in einem unauffäl-
wird die Schallwelle weitgehend ungeschwächt ins Gewebe ligen Organabschnitt beginnen. Durch eine entsprechende
fortgetragen, der reflektierte Anteil ist gering und wird als Wahl von Sendeleistung, Empfangsverstärkung (gain) und
Echo mit kleiner Amplitude dargestellt, im B-Bild erscheint entsprechender Tiefenverstärkung (time gain compensa-
ein dunkler Grauton. tion = TCG und depth gain compensation = DGC) zum
Umgekehrt führen Zonen mit großem Impedanzun- Erreichen homogener Grauwertabstufungen wird das
terschied zu einer starken Reflexion der Schallwellen, ent- B-Bild verbessert. Im untersuchten Bereich erfolgt zu-
sprechend einer hohen Amplitude, die im B-Bild als heller sätzlich noch die entsprechende Fokussierung des Zielbe-
Grauton in Erscheinung tritt. (. Abb. 11.1, . Abb. 11.2) reiches.

. Abb. 11.1. Crosse V. saphena magna . Abb. 11.2. Mündungsregion V. saphena parva
11.1 · B-Bild-Sonographie
95 11
> Grundsätzlich sollte mit der niedrigsten Emp-
fangsverstärkung (gain) gearbeitet werden, mit
der noch eine differenzierte Darstellung von
Strukturen möglich ist.
Bei höheren Gain-Einstellungen nehmen die
Artefakte zu.

11.1.2 Beurteilungskriterien
in der Venendiagnostik

Bei der Diagnostik der Varikosis liefert die B-Bild-Sonogra- a

phie wichtige Hinweise über Vorhandensein und Ausmaß


einer Venenerkrankung. Vena saphena magna und parva
werden im Stehen und Liegen in ihrem Verlauf mit dem
Linearschallkopf untersucht. Dabei wird der Venendurch-
messer dokumentiert, Doppelung von Venenabschnitten
fallen ebenso auf wie einmündende Seitenäste und erwei-
terte Perforansvenen. Für die Beurteilung von Insuffizi-
enzen muss der Reflux unter Zuschaltung der Farbskala
oder des Pulsed Wave-Dopplers überprüft werden.
Im Bereich der venösen Diagnostik gilt die B-Bild-So-
nographie bei der Thrombosesuche oberflächlicher und
tiefer Venen als Goldstandard. Als Kompressionssonogra- b
phie mit dem 5 MHz-Schallkopf durchgeführt, können in
der Regel alle Extremitätenvenen, mit Ausnahme der Be-
ckenetage, und auch die Armvenen untersucht werden. . Abb. 11.3. Thrombose V. pop. a Ohne Kompression. b Mit Kom-
Mit der vollständigen Komprimierbarkeit eines venösen pression
Gefäßes bei der Darstellung im Querschnitt ohne erkenn-
bare Wandablagerungen wird eine Thrombose in diesem
Bereich ausgeschlossen. stimmung ist jedoch mangels Standardisierung nur an-
nähernd möglich. Typisch bei frischen tiefen Venenthrom-
> Beweisend für eine Thrombose im tiefen Venen- bosen ist das Anschwellen des Venendurchmessers auf
system und die Thrombophlebitis im oberfläch- das 1,5- bis 2-fache der benachbarten Arterie. Die Vene
lichen Venensystem im B-Bild ist die unvollstän- erscheint aufgetrieben, wie »balloniert«, die Untersuchung
dige oder vollkommen fehlende Komprimierbar- ist schmerzhaft.
keit des Venenlumens im Querschnitt. Bei älteren Thrombophlebitiden oder ihren Residuen
ist die Kompression zwar nicht möglich, aber nicht mehr
Typisch bei einer Thrombophlebitis der oberflächlichen schmerzhaft.
Venen der Extremitäten ist neben der nicht oder nur un- Im B-Bild erfolgt auch die Ausmessung des Venenlu-
vollständig zu erreichenden Kompression des Gefäßes eine mens beim präoperativen Venenmapping zur Beurteilung
erkennbare Verdickung der Venenwand mit echoreichen der Eignung einer Vene für die Bypasschirurgie. Fibrotisch
Reflexen. Die Kompressionsuntersuchung ist oftmals in veränderte Gefäße mit nicht dehnbaren Gefäßwänden
den entzündeten Bereichen schmerzhaft. nach einer abgelaufenen Thrombophlebitis und vermin-
Mit der B-Bild-Sonographie kann die weitere Ausdeh- dertem Durchmesser unter 3 cm sind als Bypassmaterial
nung der Thrombophlebitis in den erkrankten Venenab- zumeist nicht geeignet. Die Untersuchung entscheidet so-
schnitten während der Behandlung beurteilt werden. dann über das weitere operative Procedere. Im Rahmen
Sowohl bei der Thrombophlebitis der oberflächlichen des Mappings bieten einige Gerätehersteller, das Seascape
Vene als auch bei der tiefen Beinvenenthrombose können Verfahren an. Hierbei wird ein zweidimensionales Ultra-
im Lumen des Gefäßes Thromben mit echoarmer, ge- schallbild durch gleichmäßige kontinuierliche Beschallung
mischt echogener oder echoreicher Struktur nachweis- im Verlauf z. B. einer Vene zu einem zusammengesetzten
bar sein. Die Echogenität des Thrombus nimmt mit dem Bildfeld erweitert. Hierdurch können anatomische Gege-
Alter des Thrombus zu, eine Einordnung bzw. Altersbe- benheiten in einem deutlich größeren Bereich zusammen-
96 Kapitel 11 · Sonographische Diagnostik

hängend erfasst werden, als dies mit dem Standardbild gerte Laufzeit wird das beschallte Objekt in einer größeren
möglich ist. Tiefe abgebildet, als es sich tatsächlich befindet.
Zunehmend kommen in der Chirurgie der oberfläch- Beispiel: streifenförmig hintereinander liegende Arte-
lichen Venen auch endovaskuläre Verfahren mit Radio- fakte bei der Darstellung eines Gefäßes, begünstigt durch
frequenzobliteration oder Laser zur Ausschaltung der vari- Verkalkungen in der Gefäßwand mit hohem Impedanzun-
kös veränderten, oberflächlichen Venen zur Anwendung. terschied zum übrigen Gewebe.
Die Dokumentation eines Mappings kann natürlich auch
mit standardisierten Bildfolgen, z. B. Mündungsbereich Spiegelartefakte
bzw. Crosse, OS-Mitte, unterhalb des Kniegelenkes etc. er- Relativ häufig zu beobachtendes Phänomen bei Auftreffen
folgen. Das Mapping kann mit einer Refluxprüfung kom- des Schallstahles an schräg stehenden Grenzflächen wie
biniert werden. Pleura und Zwerchfell, aber auch an Gefäßwänden. Die
Präoperativ wird bei einem Mapping der Vene die ausgesendete Schallwelle wird reflektiert, durch die Schräg-
Durchgängigkeit des Gefäßes in seinem Verlauf durch stellung des Reflektors nicht direkt auf kürzestem Weg zum
Kompression geprüft, um Strombahnhindernisse und da- Empfänger geschickt, sondern nochmals abgelenkt. Die
mit den vorzeitigen Abbruch eines endovaskulären Ein- Richtungsänderung des Strahls wird nicht registriert,
griffes von vorne herein vermeiden zu können. Während nur die verlängerte Laufzeit, so dass ein zweites Objekt in
der endovenösen Behandlung einer Stammvene kann die größerer Tiefe dargestellt wird.
Lage der Behandlungskatheter mit der B-Bild-Sonogra- Beispiel: Darstellung der Leber hinter dem Zwerchfell.
phie bestimmt und kontrolliert und die Tumeszenzlösung
eingebracht werden. Schallschattenartefakte
Um thermische Schäden an Haut und Weichteilen bei Im B-Bild zeigt sich hinter Bereichen mit starker Impe-
der Anwendung thermischer Verfahren auszuschließen, danz, wie zum Beispiel Knochen, eine deutlich dunklere
sollte ein Abstand zwischen der zu okkludierenden Vene Darstellung des beschallten Objektes durch die vorange-
und der Haut von etwa 1 cm sein. Diese Beurteilung erfolgt gangene verstärkte Abschwächung der Schallwelle.
am einfachsten in der B-Bild-Sonographie.
11 Bei der Beurteilung des Therapieerfolges der endovas- Schichtdickenartefakt
kulären Verfahren ist ebenfalls die Kompressionssonogra- Bei der Beschallung eines schräg verlaufenden Gefäßes
phie das gängige Verfahren. Die mangelnde Komprimier- wird der Schallstrahl mit unterschiedlicher Laufzeit je nach
barkeit des behandelten Gefäßes in seinem Verlauf kann in Winkel zwischen Schallstrahl und schräg stehendem Ob-
diesem Fall als Behandlungserfolg dokumentiert werden. jekt reflektiert. Dadurch erfolgt die Darstellung des Reflek-
Die Abnahme des Venenlumens, gemessen an entsprechen- tors nicht als Linie sondern als Band.
den Punkten im Venenverlauf gilt als Nachweis des Um- Beispiel: zu hoch gemessene Intima-Media Dicke bei
baus des obliterierten Gefäßes. nicht waagrecht sondern schräg stehenden Gefäßwänden.
> Das Mapping der epifaszialen Venenstämme ist
gleichermaßen bedeutsam für die Eingriffspla-
11.1.4 Zusammenfassung
nung in der klassischen Varizenchirurgie wie bei
den endoluminalen Verfahren. Diese Form der
Die B-Bild-Sonographie hat auch nach der rasanten Wei-
Venendarstellung bietet darüber hinaus gute
terentwicklung der sonographischen Technik mit Farb-
Dienste bei der Beurteilung der epifaszialen
codierung etc. ihren Platz in der Diagnostik der Erkran-
Venen in Bezug auf ihre Eignung für Bypassver-
kungen des Venensystems behauptet. Sie ist insbesondere
fahren in der Herzchirurgie und bei peripheren
in der Diagnostik der Varikose in Form des Mappings eine
arteriellen Rekonstruktionen.
unverzichtbare Untersuchungstechnik und ersetzt bei ge-
schicktem Einsatz weitgehend die Phlebographie.

11.1.3 Artefakte in der B-Bild-Sonographie Literatur


Huck K (2004) Kursbuch Doppler- und Duplexsonoraphie, 2. Aufl.
Wiederholungsechos (Mehrfachreflexionen, Thieme Verlag Stuttgart
Revertebrationen) Kopp H, Ludwig M (2007) Checkliste Doppler- und Duplexsono-
graphie, 3. Aufl Thieme Verlag Stuttgart
An nahe beieinander liegenden Grenzflächen mit hohem
Kubale R, Stiegler H (2002) Farbkodierte Duplexsonographie, 1. Aufl.
Impedanzunterschied wird der einfallende Schallstrahl Thieme Verlag Stuttgart
mehrfach reflektiert und mit entsprechend verlängerter Schäberle W (2004) Ultraschall in der Gefäßdiagnostik, 2. Aufl. Springer
Laufzeit zum Gerät zurückgeschickt. Durch diese verlän- Verlag Berlin
11.2 · Duplexsonographie
97 11
Widder B, Görtler M (2004) Doppler- und Duplexsonographie der hirn- Druck mit dem Schallkopf im Querschnitt untersucht.
versorgenden Arterien, 6. Aufl. Springer Verlag Berlin
Durch die dünne Venenwand ist eine Kompression bei
Wolf K-J, Fobbe F (1993) Farbkodierte Duplexsonographie, 1. Aufl.
Thieme Verlag Stuttgart durchgängigem Lumen leicht möglich, während thrombo-
Wuppermann T (2000) Ultraschallkurs Gefäße 1. Aufl. Urban und tische Verschlüsse, eine Wandsklerose oder postthrombo-
Fischer Verlag München tische Residuen die Komprimierbarkeit unmöglich machen
oder erschweren. Diese Untersuchung ist einfach und zeigt
eine hohe diagnostische Treffsicherheit. Die oberflächen-
11.2 Duplexsonographie nahe Lage der epifaszialen Venen erleichtert dabei zusätz-
lich die Diagnostik. Die Kompressionssonographie ist die
W. Lang erste Wahl bei der Diagnostik der Thrombophlebitis oder
Varikophlebitis. Eine invasive Diagnostik durch Phlebogra-
Seit der Einführung der Duplexsonographie Mitte der phie verbietet sich in diesen Fällen alleine wegen der to-
80er Jahre ist die Sonographie zur Diagnostik der Venener- xischen Wirkungen des Kontrastmittels auf das Endothel.
krankungen nicht mehr wegzudenken. Klinische Tests wie Die Abbildungsqualität der epifaszialen Venen ist sehr
zum Beispiel nach Trendelenburg und Perthes werden gut. Die oberflächennahe Lage ermöglicht die Verwen-
nicht mehr ausschließlich angewendet. Auch die alleinige dung hochfrequenter Schallköpfe (wahlweise linear oder
cw-Dopplersonographie genügt nicht den Anforderungen curved array). Mit hochfrequenten, meist Linearschall-
an eine moderne Venendiagnostik. Inzwischen hat die Du- köpfen lassen sich auch in der Nachkontrolle nach endo-
plexsonographie in Kombination mit der farbkodierten venösen Verfahren Rekanalisationen mit dünnlumiger
Dopplersonographie die invasive Venendiagnostik nahezu Wiedereröffnung partieller oder kompletter Venenseg-
komplett verdrängt. mente präzise darstellen.
Die Einführung endovenöser Ablationsverfahren und
die Schaumsklerosierung haben die Duplexsonographie
zusätzlich in die Therapie der Varikosis eingebunden. 11.2.3 Veneninsuffizienz

Die sonographische Diagnostik der Varikosis umfasst


11.2.1 Geräteeinstellung mehrere Bereiche. Die Klappenfunktion wird nicht durch
eine direkte Beschallung und Visualisierung der Klappen-
Für die Untersuchung werden meist Schallköpfe mit einer segel, sondern durch eine Analyse der Richtung des Blut-
Frequenz zwischen 5 und 7,5 MHz verwendet. Schallköpfe stromes dargestellt. Neben der Richtung des spontanen
mit höherer Frequenz (10 MHz bis 12 MHz) zeigen eine Venenflusses ist die Darstellung der Blutflussrichtung un-
bessere Darstellung sehr oberflächennaher Venen im Nah- ter Provokationstests (Valsalva, manuelle Kompressions-
feld des Schallkopfes zuungunsten der geringeren Ein- tests etc.) entscheidend. Die Duplexsonographie der epi-
dringtiefe. Für die kombinierte Betrachtung epi- und sub- faszialen Venen ermöglicht alle für die Diagnostik und
faszialer Venen in einem Untersuchungsgang sind sie meist Differenzialtherapie der Varikose relevanten Informatio-
nur bei sehr schlanken Patienten geeignet. Ein Konvex- nen. Im Wesentlichen soll die Untersuchung folgende
schallkopf lässt größere Abschnitte in einem Untersu- Punkte erfassen:
chungsgang erkennen und kann leichter anguliert werden, 4 die Mündungsregionen der Vena saphena magna und
ohne die Ankoppelung des Schallkopfes zu verlieren. parva
Bei der Duplexsonographie und Farb-Dopplersonogra- 4 die Feststellung eines Refluxes und dessen Ausdeh-
phie ist auf eine ausreichend niedrige Pulsrepetitionsfre- nung in den genannten Venen
quenz zu achten, damit auch sehr langsame Flüsse erfasst 4 die Darstellung und Markierung eines proximalen und
werden. Das Aliasing durch kurzzeitige hohe Flussgeschwin- distalen Insuffizienzpunktes
digkeiten bei Kompressionstests ist nicht von Bedeutung, da 4 die ergänzende Untersuchung der Klappenfunktion
der zeitliche Verlauf und die Richtung, nicht die absoluten des tiefen Venensystems
Geschwindigkeiten der Blutströmung relevant sind.
Bei der Untersuchung genügt es nicht, die Mündungsre-
gionen isoliert zu untersuchen, da segmentale oder inkom-
11.2.2 Durchgängigkeit, plette Insuffizienzen der Stammvenen der Diagnostik ent-
Thrombosediagnostik gehen würden. Es wird stets der komplette Venenverlauf
mit Refluxtests in mehreren Segmenten dargestellt. Durch
Wie bei der Kompressionssonographie des tiefen Venensys- das Einbeziehen dieser relevanten Punkte wird eine kom-
tems werden die oberflächlichen Venen durch leichten plette Erfassung des gesamten Rezirkulationskreislaufs
98 Kapitel 11 · Sonographische Diagnostik

erreicht – eine wesentliche Voraussetzung der stadienge-


rechten Differenzialtherapie der Varikose.
> Die Untersuchung der Stammvenen umfasst alle
Abschnitte. Die alleinige Darstellung der Mündung
ist nicht ausreichend. Ein Rückfluss länger als
0,5 Sekunden wird als pathologisch angesehen.

Die Untersuchung der Veneninsuffizienz erfordert die Pro-


vokation eines eventuell distal gerichteten Refluxes. Das
Valsalva-Manöver alleine ist nicht geeignet in allen Fällen
zuverlässig den Reflux darzustellen. Schwierigkeiten des Pa-
tienten bei der Durchführung und eine mögliche Kompres-
sion der Beckenvenen bei der Bauchpresse können fälschli-
cherweise einen Rückfluss verhindern oder nur einge-
schränkt darstellen. Für eine weitgehend standardisierte a
Refluxdiagnostik wird die Untersuchung am stehenden Pa-
tienten vorgeschlagen. Alternativ kann auch ein Kipptisch
verwendet werden. Die Farbkodierung des Flusssignals er-
leichtert das sofortige Erkennen der Insuffizienz. Die Dauer
des Refluxes sollte nach den gängigen Empfehlungen 0,5 s
nicht übersteigen. Nur mit der Duplexsonographie kann
zuverlässig die entsprechende Vene anatomisch identifiziert
und die Dauer des Refluxes auf der Zeitachse dokumentiert
werden. Für die Bilddokumentation muss auf jeden Fall die
Darstellung eines Rückflussanteils gefordert werden, um
11 zu dokumentieren, dass das Dopplertor nicht während
des Kompressionstests aus dem Venenlumen disloziert ist
(. Abb. 11.4, . Abb. 11.5). Ein Nullfluss unter Kompression
ohne kurzen Rückflussanteil ist nicht verwertbar. Bei einem
Normalbefund kann die Darstellung dieses geringen und b
kurzen Rückflussanteils bis zum Klappenschluss schwierig . Abb. 11.4. Test der Klappenfunktion der Vena saphena magna
sein. Dabei sind besonders Fehler durch falsche Geräteein- im Querschnitt. a Mit anguliertem Schallkopf. Der Klappenschluss
stellungen zu vermeiden (z. B. zu hoher Wandfilter, zu hohe ist am kurzen Rückflussanteil in Richtung Schallkopf zu erkennen.
Pulsrepititionsfrequenz, zu niedrige Verstärkung). b Mit verlängertem Klappenschluss, aber noch unter 0,5 s Dauer

> Zur Dokumentation des normalen Klappen-


schlusses muss ein kurzer Rückflussanteil (peak)
dargestellt werden, um zu demonstrieren, dass
das Dopplertor während des Provokationsmanö-
vers tatsächlich im Venenlumen lag und nicht
verschoben wurde.

Neben den Provokationsmanövern des Valsalva-Tests und


der distalen Kompression kann die Untersuchung auch mit
speziellen, schnell deflatierbaren Manschetten oder durch
eine Provokation mit aktiver Zehenbeugung des Patienten
mit anschließender Relaxation erfolgen.
Bei der Perforansinsuffizienz kann die Flussrichtung
und ggf. Flussumkehr ebenfalls gezeigt werden. In allen
Fällen einer vermutlichen Perforansinsuffizienz sollten die
angrenzenden Segmente der epi- und subfaszialen Venen
mit untersucht werden. Insbesondere der Nachweis eines
tiefen Refluxes ist für die weitere Therapie der Perforans- . Abb. 11.5. Deutliche Insuffizienz der Vena saphena magna mit
veneninsuffizienz von Bedeutung. langem Rückflussanteil (inverse Darstellung)
11.2 · Duplexsonographie
99 11
11.2.4 Topographie von Vena saphena Die V. saphena parva zeigt eine sehr variable Mündung.
magna und parva Für die Praxis ist dies sehr relevant, da Insuffizienzen der
V. saphena parva auch einen proximalen Zustrom aus der
Die Vena saphena magna verläuft im Mündungsbereich V. femoralis superficialis oder über Anastomosen aus der
medio-ventral zur V. femoralis und kann leicht im Quer- V. saphena magna zeigen können (7 Kap. 2.1, 2.2 und 25).
schnitt identifiziert werden. Bei liegendem Patienten ist Mit der präoperativen, sonographisch gestützten Markie-
auf eine leichte Hüftbeugung zu achten damit die Vene rung der Mündung der V. saphena parva durch Untersu-
nicht in Neutral- oder Streckstellung komprimiert wird. chung im Längs- und Querschnitt lässt sich der Hautschnitt
Ein weiterer Fixpunkt ist der Ursprung der Vene ventral optimal platzieren und auch in der Länge minimieren. Das
des Malleolus medialis. Die Vene kann von der Leiste nach Zugangstrauma zur Mündung und die Gefahr eines Rest-
distal mit dem Schallkopf am besten im Querschnitt ab- stummels der Vene durch eine falsche Schnittführung wer-
gefahren werden. Die Lagebeziehung am Oberschenkel ist den erheblich reduziert.
charakterisiert durch eine Fascia saphena und eine Mus-
kelfaszie. Die Fascia saphena hebt sich spindelförmig
von der Muskelfaszie ab. Die Vena saphena magna läuft in 11.2.5 Mündungsinsuffizienz –
dieser Duplikatur und ist so eindeutig identifizierbar (sog. Rezidivdiagnostik
»Ägyptisches Auge«, siehe . Abb. 11.6). Bei der Darstel-
lung der Faszien ist zu beachten, dass der Ultraschallkopf Wird nach einer früheren Resektion und Mündungsligatur
senkrecht zur Faszie gehalten wird, um ein optimales der V. saphena magna im Verlauf ein erneuter Reflux in der
B-Bild zu erreichen. Wird auf die Darstellung des Blut- Leiste gefunden, ist dies ein großes Problem in der Differen-
flusses fokussiert, muss demgegenüber der Schallkopf tialdiagnostik. Nicht selten wird durch eine falsche Inter-
anguliert werden, um ein gutes Dopplersignal zu detek- pretation von Ultraschallbefunden nach Crossektomie und
tieren. Stripping der Eindruck eines Behandlungsfehlers erweckt.
Auch die V- saphena parva läuft in einer solchen Fas- Einerseits gibt es eindeutige Fälle bei denen die Ligatur der
zienduplikatur. Sie wird leichter zwischen proximalem und Vena saphena magna nicht im Niveau der Mündung, son-
mittleren Unterschenkeldrittel dorsal zwischen den Köpfen dern viel zu weit distal erfolgte, andererseits sind viele
des Musculus gastrocnemius im Querschnitt aufgesucht scheinbar operationstechnisch bedingte Refluxe Ausdruck
und nach proximal oder distal verfolgt. Die Mündungsre- einer Neovaskularisation. Häufig werden Rezidive oder so-
gion ist so eindeutiger von parallel einmündenden Muskel- genannte Rezidive durch eine Duplexsonographie der Leis-
venen (z. B. Gastrocnemiusvenen) zu unterscheiden. te diagnostiziert. Die diagnostische Sicherheit, zwischen
Wie bei der V. saphena magna laufen Seitenäste und einem belassenen Stumpf der V. saphena magna und einer
retikuläre Äste außerhalb dieses Kompartiments und Neovaskularisation zu unterscheiden, ist nicht immer gege-
können dadurch leicht von der V. saphena parva unter- ben. Aus diesem Grund sollte die Diagnose eines operati-
schieden werden. onstechnisch bedingten »Rezidivs« nur bei eindeutig belas-
senem Stumpf gestellt werden. In vielen Fällen lässt sich nur
durch eine histologische Untersuchung der Venenäste eine
Neovaskularisation beweisen bzw. ausschließen.
! Cave
Treten nach einer Crossektomie in der Leiste
neue Venenäste in Erscheinung, kann die Duplex-
sonographie die Neovaskularisation nicht aus-
reichend exakt darstellen und differenzieren. Vor
einer leichtfertig gestellten Diagnose »operati-
onstechnischer Fehler« muss gewarnt werden,
da viele dieser Befunde einer kritischen Prüfung
nicht standhalten.

11.2.6 CHIVA-Methode

. Abb. 11.6. Lage der Vena saphena magna in der Fasziendupli- Bei der Operation nach der CHIVA-Methode wird das Ziel
katur (sog. »Ägyptisches Auge«), s. auch . Abb. 11.7. verfolgt, die hydrostatische Druckwirkung zu unter-
100 Kapitel 11 · Sonographische Diagnostik

Venensystem unterscheiden lassen und jede Sonde intra-


luminal zur Darstellung kommt, ist die B-Mode-Sonogra-
phie eine ideale Kontrollmöglichkeit der Intervention. Bei
der Schaumsklerosierung lässt sich die Ausbreitung des
Schaums durch die Lufteinschlüsse des Sklerosierungsmit-
tels vergleichbar einem Kontrastmittel darstellen. Durch
gezielte Kompression definierter Venenabschnitte durch
den Schallkopf kann gegebenenfalls die Ausbreitung des
Schaums in unidirektionaler Richtung gestoppt werden
(z. B. vor Erreichen des tiefen Venensystems im Bereich
der Saphenamündung.

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gery. Br J Surg 92:688–694
Geier B, Mumme A, Hummel T, Marpe B, Stücker M (2009) Validity of
. Abb. 11.7. Schema der Topographie der Seitenäste, der Vena duplex-ultrasound in identifying the cause of groin recurrence
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Lang W (2007) Ultraschall in der Gefäßchirurgie. Chirurg 78:428–434
Schäberle W (2008) Ultraschalldiagnostik in der Gefäßchirurgie. Teil 2:
periphere Venen, extracranielle hirnversorgende Arterien. Gefäss-
brechen. Dies schließt eine Korrektur der pathologischen chirurgie 13:299–312
Rezirkulationskreisläufe ein. Bei der CHIVA-Methode
werden die varikösen Stammvenen und die Perforans-
venen erhalten, die Besonderheit der Methode besteht
11 im Erhalt der Wiedereintrittswege des pathologischen
retrograden Blutstromes in das tiefe Venensystem. Die
Duplexsonographie ist eine wesentliche Voraussetzung des
CHIVA-Verfahrens. Ohne eine subtile sonographische
Vordiagnostik ist die Operationsmethode nicht anzuwen-
den. Die verschiedenen Shunttypen werden sonographisch
differenziert (. Abb. 11.7). Hierfür eignet sich die Unter-
suchung des Patienten im Stehen mit einem Linearschall-
kopf zwischen 7 und 10 MHz. Die Venennetze und ihre
topographischen Beziehungen zu den Faszien am Bein
können anhand der echoreichen Strukturen im B-Mode
gut differenziert werden. Die Fascia cruris und die Fascia
lata umschließt dabei die intrafaszialen Leitvenen (Rezir-
kulationsnetz R1). Die V. saphena magna liegt im R2-Netz
und die epifaszialen Seitenäste im R3-Netz (. Abb. 11.7).
Mit Hilfe der Duplexsonographie werden präoperativ am
besten durch den Operateur selbst die auszuwählenden
Ligaturen markiert.

11.2.7 Endovenöse Verfahren

Alle derzeit gängigen endovenösen Verfahren benötigen


die B-Mode-Sonographie zur Kontrolle während der Be-
handlung. Die Lagebeziehungen der Sonden für die Radio-
frequenzablation und zur intraluminalen Anwendung des
Lasers lassen sich gut mit dem Ultraschall erfassen. Da sich
die epifaszialen Venen anatomisch eindeutig vom tiefen
12

12 Radiologische Diagnostik
12.1 Phlebographie – 102
H. Nüllen, P.W. Esser
12.1.1 Historie – 102
12.1.2 Indikation – 102
12.1.3 Voruntersuchungen – 103
12.1.4 Kontraindikationen – 104
12.1.5 Technik – 104
12.1.6 Abbildungstheorie und Röntgenanatomie – 105
12.1.7 Radiomorphologie und Interpretation – 106
12.1.8 Befundung – 106
12.1.9 Fehler und Irrtümer – 106
12.1.10 Zusammenfassung – 106

12.2 Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie


(MRT/MRA) – 111
102 Kapitel 12 · Radiologische Diagnostik

12.1 Phlebographie bende Defizite im Hinblick auf die ursprüngliche Fragestel-


lung müssen zu einer konsiliarischen Beratung zwischen
H. Nüllen, P.W. Esser dem technischen Dienstleister und dem Kliniker führen.
Den Autoren sind Fälle aus der gutachterlichen Praxis
Die Phlebographie gilt auch heute im Zeitalter der Duplex- bekannt, in denen Fehlinterpretationen, die einzig aus der
sonographie noch als der »Goldstandard« der bildgeben- fehlenden Zusammenführung von radiologischem Sach-
den Diagnostik im Bereich des Venensystems. An den verstand und klinischer Befundkenntnis zurückzuführen
Maßstäben der geltenden Standards der Phlebographie, waren, zu fortgesetzten Fehlentscheidungen führten, die
wie sie die Altmeister May und Nissl, Hach und Weber in letztlich zu Komplikationen Anlass gaben, die wiederum
den letzten 30 bis 40 Jahren im deutschen Sprachraum er- medico-legale Konsequenzen nach sich zogen.
arbeitet haben, muss sich heute zum einen der Untersu-
> Die Verantwortung für die abschließende Inter-
cher, der die Phlebographie meist als nicht spezialisierter
pretation einer Phlebographie und den Abgleich
»Gefäßradiologe« erstellt, ebenso messen lassen, wie der
der so gewonnen Erkenntnisse mit dem klini-
Kliniker, der die Duplexsonographie in der täglichen Rou-
schen Befund trägt der Gefäßmediziner.
tine als etablierte Alternative zur Radiologie nutzt.
Die Forderung nach einer Phlebographie vor allen in- Die hier vorgelegte Darstellung des Basiswissens zur Phle-
vasiven Maßnahmen am epifaszialen Venensystem, wie sie bographie impliziert ein vertiefendes Studium anhand ein-
noch vor wenigen Jahren auf einschlägigen Tagungen zu schlägiger Monographien zur Phlebographie der Bein- und
heftigen Diskussionen Anlass gab, ist jedoch eindeutig Beckenvenen.
nicht mehr aufrecht zu erhalten und gehört mit dem heute
erreichten Standard in der Duplexsonographie der Vergan-
genheit an (Baldt et al. 1996). Diese Forderung wurde viel- 12.1.1 Historie
mehr modifiziert zu der Forderung nach dem Einsatz min-
destens eines bildgebenden Verfahrens vor allen invasiven Die erste Venendarstellung, allerdings an einer amputier-
Maßnahmen am epifaszialen Venensystem. Entsprechende ten Hand, wurde bereits kurz nach der Entdeckung der
Aussagen finden sich seit Jahren auch in den einschlägigen Röntgenstrahlen 1896 durch Hascheck und Lindenthal
Leitlinien wieder (Noppeney et al. 2004). vorgenommen. Die ersten Venendarstellungen am leben-
12 Im Folgenden sollen einige Überlegungen zur Indika- den Menschen erstellten Berberich und Hirsch 1923/24
tion und zu den unverzichtbaren Forderungen an die Tech- unter Verwendung von Strontiumbromid (May, Nißl
nik der Phlebographie sowie an die Aussagefähigkeit der 1973). Nach vielen Versuchen mit unzureichender Technik
Bilder angestellt werden, aber auch zu deren Interpretation und insbesondere unzureichenden Kontrastmitteln datiert
und zur Aufgabe des Gefäßmediziners in diesem Kontext. die Entwicklung einer brauchbaren Methodik Ende der
Es dürfte heute zu den großen Ausnahmen gehören, 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts und ist mit dem
dass der Gefäßmediziner, der auf der bildgebenden Diag- Namen von Dos Santos verbunden. May und Nißl gingen
nostik seine Entscheidungen zu weitergehenden Maßnah- einen entscheidenden Schritt von der »blinden« Phlebo-
men aufbaut, auch gleichzeitig die ggf. indizierte Phlebo- graphie mit Übertischröhre und Bucky-Tisch zur Phlebo-
graphie selbst erstellt. Vielmehr wird die Ausführung der graphie unter Durchleuchtungskontrolle, die sie als Phle-
Phlebographie i.d.R. von Radiologen als diagnostische Auf- boskopie bezeichneten (May, Nißl 1959, 1973). Eine Viel-
trags- und Dienstleistung erbracht. Die weiterführenden zahl unterschiedlicher Modifikationen in Bezug auf die
Entscheidungen liegen in der Verantwortung des Gefäß- angewandte Gerätetechnik, Lagerung, Zugang, Kontrast-
mediziners, der die weitergehenden Maßnahmen nicht aus- mittelart und -menge, mit einem oder mehreren und ohne
schließlich auf Basis eines schriftlichen Befundes, sondern Stauschläuche etc. wurde publiziert. Hach schließlich ent-
aufgrund einer eigenen Sichtung der Originalbilder und warf, aufbauend auf den vielfältigen Vorläufertechniken,
deren eigenständiger Interpretation veranlassen sollte. Nur das überzeugende Konzept der »ascendierenden Press-
so ist die Verbindung von Klinik und Radiomorphologie phlebographie« (Hach 1981), die auch heute im Rahmen
herzustellen und die Bildgebung in die Synthese der Ent- der radiologischen Diagnostik bei Varikose überwiegend
scheidungsfindung aufgrund der vaskulären Kernkompetenz Anwendung findet.
des Gefäßmediziners einzubinden. Der Gefäßmediziner
muss die Qualität der technischen Ausführung der Phlebo-
graphie, die gebotene Abbildungsqualität ebenso wie die 12.1.2 Indikation
phlebologische Fragestellung anhand der abgebildeten
Radiomorphologie selbständig beurteilen können. Unzu- Die Indikation zur Durchführung einer Phlebographie
reichende Abbildungsformate oder -qualitäten oder verblei- bei Varikose im Bein- und Beckenbereich hat sich in den
12.1 · Phlebographie
103 12
letzten 20 Jahren mit der Entwicklung und flächendecken-
den Verfügbarkeit der Duplexsonographie grundlegend Indikation zur Phlebographie bei Varikose
gewandelt. Von der Routineuntersuchung im Rahmen der 4 Primäre Varikose
bildgebenden Diagnostik der Venenerkrankungen ist sie – blande, nicht vorbehandelte, nicht komplika-
zu einer Untersuchung ausschließlich für spezielle Frage- tionsbelastete primäre Varikose: i.d.R. keine
stellungen geworden. Als invasive und kontrastmittelab- Indikation zur Phlebographie
hängige Untersuchungsmethode steht sie im Konzert der – Rezidivvarikose:
diagnostischen Methoden an letzter Stelle. Im eigenen Be- – in allen Fällen, in denen eine eindeutige
reich liegt die Quote an Phlebographien bei der Diagnostik Lokalisation der relevanten Insuffizienz-
der primären Varikose vor geplanter invasiver Therapie punkte nicht mit ausreichender Sicherheit
relativ konstant zwischen 10 und 15%. gelungen ist
Grundsätzlich ist die Phlebographie immer dann indi- – atypische oder unklare Voroperationen
ziert, wenn unter Ausschöpfung aller technischer Möglich- – Schwere, komplikationsbelastete Krankheits-
keiten eine eindeutige Klärung der anstehenden Fragestel- bilder, ggf. mit oder nach Ulzerationen
lung mit der (farbkodierten) Duplexsonographie nicht zu – Verdacht auf anatomische Varianten
erreichen ist, und wenn aus dem angestrebten zusätzlichen 4 Sekundäre Varikose
Erkenntnisgewinn durch die Phlebographie therapeuti- – bei klinisch relevantem postthrombotischen
sche (selten gutachterliche) Konsequenzen gezogen werden Syndrom mit der Fragestellung nach der
sollen. Kollateralfunktion der bzw. von bestimmten
Die Indikation stellt der Kliniker in Kenntnis des kli- Varizen
nischen und hämodynamischen Befundes. Es liegt auf – bei ungeklärten Abflusswegen im Leisten-
der Hand, dass ein zusätzlicher Erkenntnisgewinn durch und Beckenbereich
eine Phlebographie nur dann erzielt wird, wenn die Phle- 4 Angiodysplasien
bographie in enger Absprache zwischen Gefäßmediziner 4 besondere Fragestellungen
und Radiologe angefertigt wird. Denn auch der beste – pudendale Varikose
Radiologe ist kein Hellseher und wird den Patienten – pelvines Stauungssyndrom
vor Durchführung der Phlebographie kaum klinisch-phle- – Beteiligung des tiefen Venensystems bei
bologisch untersuchen können. Wenn also der Radiolo- Phlebitis
ge seiner Aufgabe gerecht werden können soll, bedarf
er der Hinweise darauf, wonach gesucht werden soll, d. h.
zum Untersuchungsauftrag gehört zwingend die Angabe Darüber hinaus kann gelegentlich eine Phlebogra-
von: phie sinnvoll sein, um das ganze Ausmaß einer sekun-
4 klinische Diagnose mit Angaben zur Klassifikation dären tiefen Leitveneninsuffizienz darzulegen und zu
(z. B. Primäre Varikose Stad. C4a) dokumentieren und damit zur Abschätzung der Frage
4 technischer Untersuchungsauftrag (z. B. ascendieren- nach dem Benefit weiterer invasiver Maßnahmen bei-
de Pressphlebographie, links, ggf. Varikographie) zutragen.
4 Angabe zur Seitenwahl
4 Angaben zur Vorgeschichte und Risikokonstellation
(KM-Reaktion, Z. n. TVT, PTS, Z. n. OP etc.) 12.1.3 Voruntersuchungen
4 spezielle Fragestellung (z. B. Oberer Insuffizienpunkt?;
Cocket II-Insuffizienz? etc.) Vor der Durchführung einer Phlebographie ist eine spe-
zielle Anamneseerhebung zu vorausgegangenen Untersu-
Indikationskataloge haben immer den Nachteil, dass sie chungen mit Kontrastmittelgabe (KM) aus Gründen der
im Bestreben umfassend zu sein, keinen wirklichen Selek- Sorgfaltspflicht erforderlich:
tionsfaktor mehr enthalten, andererseits aber bei zu stren- 4 Bei weiblichen Patienten im gebährfähigen Alter ist
ger Selektion dem speziellen Einzelfall nicht gerecht wer- nach einer bekannten Gravidität zu fragen. Die elektive
den. Wir suchen hier den Mittelweg. Im folgenden ist der Phlebograpgie sollte in der ersten Hälfte des Zyklus
Indikationskatalog aufgezeigt, wie er sich in den letzten bzw. in den ersten 14 Tagen nach Beginn der letzten
Jahren unter dem Einfluss der immer besser werdenden Menstruation erfolgen.
Ultraschalltechnik ergeben hat, mit der Ergänzung, dass 4 Wurde bereits in der Vergangenheit eine Röntgen-
Abweichungen hiervon nach Lage des Einzelfalles immer untersuchung mit Kontrastmittelgabe durchgeführt?
möglich sind und auch von uns selbst wahrgenommen 5 ggf. wann zuletzt?
werden. 5 Wie wurde das KM vertragen?
104 Kapitel 12 · Radiologische Diagnostik

4 Vorerkrankungen des Patienten? (80 Tropfen 30 min vor der Untersuchung, danach
5 Allergische Diathese? 3mal 30 Tropfen/Tag für 1 Woche)
5 Eingeschränkte Nierenfunktion? 4 Metformin: Wenn möglich, 1 Tag vor und 1 Tag nach
5 Schilddrüsenerkrankungen? der Untersuchung absetzen
5 Diabetes; (Metformin)? 4 Gravidität: Muss soweit als möglich ausgeschlossen
4 Medikamenteneinnahme werden können. Bei unsicheren oder ausweichenden
5 Antikoagulantien Angaben der betroffenen Patientin zur Frage einer
5 Metformin möglicherweise stattgehabten Konzeption sollte die
elektive Phlebographie ausgesetzt und unmittelbar
Vor elektiven Untersuchungen mit Kontrastmittel sollen nach Ende der nächsten Menstruation durchgeführt
Laborparameter erhoben werden werden
4 Kreatinin
4 TSH
12.1.5 Technik
Für die Durchführung einer Phlebographie ist, wie für alle
invasiven Untersuchungsmethoden und Methoden mit ei- In der technischen Durchführung der ascendierenden Press-
ner Belastung durch ionisierende Strahlen, eine rechtsgül- phlebographie folgen wir weitgehend den Angaben, wie sie
tige Einwilligungserklärung des Patienten erforderlich und von Hach in der Darstellung seiner Methode angegeben wur-
setzt damit ebenso eine rechtsgültige Aufklärung voraus. de. Geändert bzw. angepasst an die technische Entwicklung
Die Verantwortung für die genannten Voruntersuchungen, und persönliche Erfahrungen und Ansprüche haben wir le-
Aufklärungen etc. liegen beim ausführenden Untersucher,
also i.d.R. beim Radiologen. Es ist jedoch sicherlich ange- Tipp
zeigt, die notwendigen anamnestischen Klärungen, Vorun- Verwendung von einem oder mehreren
tersuchungen und Voraufklärung zum Zeitpunkt der Indi- Schläuchen am Bein?
kationsstellung vorzunehmen. Man erspart sich damit be- Es werden sehr unterschiedliche Angaben gemacht
rechtigte Vorwürfe des Patienten, wenn aus banalen und (Masell 1948; Shermann 1949; May 1973). Wir selbst
vorhersehbaren Gründen die vorgesehene Untersuchung benutzen zwei Stauschläuche (oberhalb des Sprung-
12 zum Termin nicht durchgeführt werden konnte. gelenkes und knapp oberhalb des Kniegelenkes).
Wichtig sind hierbei die Vermittlung einer ausreichen-
den hohen Druckes, um den Abflussweg über die
12.1.4 Kontraindikationen oberflächlichen Venen zu blockieren und ein gutes
Anschmiegen des Stauschlauches an die Zirkumferenz
Die Kontraindikationen für die Durchführung einer Phle- des Beines. Handelsübliche Stauschläuche mit einer
bographie sind die gleichen wie für alle übrigen Untersu- Auslösemechanik sind für diesen Zweck wenig geeig-
chungen, die mit der Gabe von nicht-ionischen Kontrast- net (zu breit, zu starr); wir benutzen daher unverän-
mitteln und der Anwendung ionisierender Strahlen ver- dert einen weichen Silikonschlauch, wie er ursprüng-
bunden sind. lich angegeben wurde, der mit einer eingezogenen
4 Kontrastmittelallergie: Bei der Angabe von Reaktio- Schleife fixiert wird.
nen auf KM ist stets genauer nachzufragen, um welche
Untersuchung es sich dabei gehandelt hat und welches
KM dabei benutzt wurde, sowie die Art der damals auf- Tipp
getretenen Reaktion (Symptomatik). Anhand der Er- Schwierigkeiten bei der Punktion einer peri-
gebnisse dieser Befragung und der Relativierung der pheren Vene im Bereich der Großzehe?
Indikationsstellung muss dann entschieden werden, ob Falls dies der Fall ist, ist man gezwungen eine Vene
an der Indikation festgehalten werden soll oder ob auf im Bereich des Fußrückens zu punktieren. Um auch in
die Untersuchung wegen zu großer Risiken verzichtet diesem Falle noch eine vollständige Darstellung der
werden soll Fußvenen zu erreichen, punktiert man die Vene ent-
4 eingeschränkte Nierenfunktion: Kreatinin oberhalb gegen der physiologischen Strömungsrichtung, also
1,2–1,5 mg/dl in Richtung auf die Fußspitze zu. Unter Kompression
4 Hyperthyreose: Kontraindikation bei manifester Hy- der physiologischen Strömungsrichtung kann man
perthyreose; bei latenter Form soll die Indikation kri- auch so den Abstrom des injizierten KM in die Tiefe
tisch überprüft werden. Bei Aufrechterhaltung der In- erreichen.
dikation erfolgt eine Blockade mit Irrenat-Tropfen
12.1 · Phlebographie
105 12

. Tab. 12.1. Vorgehen bei Phlebographie

Nr. Maßnahme Bemerkungen

1 warmes Fußbad für 5 min Die Haut wird weicher und die Venen treten gut sichtbar hervor.

2 Aufklärung und Einübung des Pressver- Die Übung erscheint uns wichtig, weil viele Patienten dieses Manöver nicht
suches nach Valsalva unmittelbar verstehen und dabei unwillkürlich die Beinmuskulatur anspannen,
was dann zu einem ungewollt schnellen Abfluss des Kontrastmittels (KM) führt.

3 Demonstration und Einübung der Lage- Die Entlastung des zu untersuchenden Beines erschließt sich vielen Patienten
rung auf dem Kipptisch und der Entlas- nicht unmittelbar und die ungewollte Belastung des zu untersuchenden Beines
tung des zu untersuchenden Beines führt zu einem ungewollt schnellen Abfluss des KM.

4 Punktion (i.d.R.) der V. halucis dorsalis Vasofix-Braunülle 22G; Fixation mit Pflaster. Heidelberger-Verlängerung.
tibialis im Sitzen (Braunüle 22G)

5 Anlegen der supramalleolären Staubinde Siklikonschlauch mit Schlaufenfixation

6 Injektion von 50 ml Kontrastmittel Schnelle und zügige Injektion; Beobachtung des KM-Eintritts in die tiefen Bein-
(300 mg Jod/ml); vorgewärmt (!). venen, kein oder wenig KM-Abfluss über die oberflächlichen Venen

7 Darstellung der Fußvenen

8 Darstellung der Unterschenkelvenen

9 Darstellung der Oberschenkelvenen

10 Darstellung der Leistenregion. Simultanes, dosiertes manuelles Auspressen der Wade.


Valsalva-Pressmanöver

11 Ablaufdarstellung in die Beckenvenen Die Darstellung der Beckenetage stellt heute mit digitaler Technik oder Bildwand-
bis zur V. cava ler-Technik, die eine kurze Anlaufzeit aufweisen i.d.R. kein Problem dar. Wenn
unter Phleboskopie der KM-Bolus die Beckenetage erreicht, sind bei entsprechen-
der Reaktionszeit des Untersuchers, die Geräte schnell genug, um genau in
diesem Moment eine Aufnahme zu speichern.

12 second look Nach Abschluss der eigentlichen Untersuchung ist ein schnelles Abfahren der
untersuchten Abschnitte sinnvoll, da sich die Varizen häufig sehr verzögert füllen
und man kann in diesen Fällen noch gezielte Aufnahmen von interessierenden
Regionen machen.

13 Entfernen der Venen-Kanüle, Kompres- Eine Spülungsbehandlung, wie häufig angegeben, führen wir nicht durch.
sionsverband. Will man einen solchen Effekt wirklich erreichen, sind große Flüssigkeitsmengen
Gezielte Übungsbehandlung mit Aktivie- und eine hoher Fluss pro Zeiteinheit erforderlich.
rung der US-Pumpen zum schnellen
Abtransport der KM-Reste.

diglich die Röntgentechnik mit digitaler Bildverarbeitung da dies den Rahmen und die Intention dieses Buches
sowie die Anzahl der dokumentierten Abbildungen. sprengt.
Wir führen die ascendierende Pressphlebographie an Für die zu erzielende Abbildungsschärfe der dargestell-
einem Multifunktionsangiographiearbeitsplatz mit kipp- ten anatomischen Strukturen und den Grad der maßstabs-
barem Tisch, C-Bogen und digitaler Bildverarbeitung getreuen Abbildung im Bild gelten feste physikalische
durch. Die Ausgabe der Bilder erfolgt auf einem großfor- Regeln:
matigen Film oder einem entsprechenden Paperprint. 4 je geringer der Abstand der interessierenden Struktur
vom Abbildungsmedium (Röntgenfilm, bzw. Bildträ-
ger) umso schärfer ist die Abbildung
12.1.6 Abbildungstheorie 4 je weniger Streustrahlung auftreten kann (Einblen-
und Röntgenanatomie dung, achsengerechter Strahlengang) umso schärfer ist
die Abbildung
Von einer Darstellung der speziellen Röntgenphysik sowie 4 je größer der Abstand der Strahlungsquelle (Röntgen-
die Darstellungen von Strahlungscharakteristiken und röhre) von der interessierenden Struktur umso maß-
Strahlungsstärken soll hier Abstand genommen werden, stabsgetreuer ist die Abbildung
106 Kapitel 12 · Radiologische Diagnostik

Zu den Details der Röntgenanatomie muss ebenfalls auf 4 venöses Aneurysma (. Abb. 12.4)
die einschlägigen Monographien verwiesen werden. 4 Dow’sches Zeichen (. Abb. 12.5)
Der Gefäßmediziner muss sich mit der Röntgenana- 4 radiomorphologie insuffizienter Perforansvenen
tomie der Gefäße vertraut machen, um pathologische von (. Abb. 12.6)
normalen Bildern unterscheiden zu können. Wichtiger ist 4 Leitveneninsuffizienz (. Abb. 12.7)
es aber, eine exakte Zuordnung der Gefäßanatomie unter 4 popliteo-femorale Abwinkelung: Bei Leitveneninsufi-
unterschiedlichen Abbildungswinkeln und Drehrichtun- zienz im Bereich der großen Leitvenen kommt es durch
gen vornehmen zu können. Elongation im Bereich der femoropolitealen Über-
Ausgehend von einer Darstellung in anterior-poste- ganges gelegentlich zu ein echten Abknickung des Ve-
rioren Strahlengang (ap) »wandern« die, bezogen auf die nenrohres.
anterior der Ebene der Drehachse gelegenen Strukturen 4 Radiergummizeichen (. Abb. 12.8)
gleichsinnig zur Drehrichtung und die posterior der Ebene 4 unterschichtung (Layer formation) (. Abb. 12.9)
der Drehachse gegensinnig zur Drehrichtung. Dabei ist die 4 Prallfüllung (. Abb. 12.9)
Strecke, um die sich die Struktur verschiebt, umso größer, je 4 Ausspüleffekt; Auswaschphänomen
größer der Drehwinkel ist und umso größer der Abstand der 4 fehlende Darstellung von Segmenten des tiefen Venen-
Struktur von der Ebene der Drehachse ist (. Abb. 12.1). systems
4 Gullmo-Zeichen (. Abb. 12.2)

12.1.7 Radiomorphologie und Interpretation


12.1.8 Befundung
Zur Interpretation einer Phlebographie gehört als erstes
die Beurteilung der technischen Kriterien in Bezug auf Beschrieben werden darf in einem radiologischen Befund
4 Abbildungsqualität immer nur das, was man auch tatsächlich sehen kann.
4 primäre und komplette Füllung des tiefen Venensystems Keine Vermutungen, keine Interpretationen; diese sind
4 gleichmäßige Verteilung des Kontrastes bestenfalls in einer Zusammenfassung erlaubt und müssen
4 komplette Darstellung aller Extremitätenabschnitte dann auch als solche klar erkennbar sein.
(Fuß, Unterschenkel, Oberschenkel, Leiste, Becken) Die radiologische Befundbeschreibung zeichnet sich
12 Komplette Füllung!! durch sprachliche Klarheit und Zurückhaltung aus und
4 ausreichende Kompression im Knöchelbereich bewegt sich im Rahmen der radiologischen Terminologie.
4 komplette Darstellung aller Venensegmente Vermischungen mit klinischer Terminologie ist sowohl in
4 ausreichende Zahl an Abbildungen (2 Drehrichtungen der Befundbeschreibung als auch in der radiologischen
pro Extremitätenabschnitt) Diagnose geeignet, falsche Vorstellungen zu erzeugen.
4 klar erkennbarer Pressversuch (Gullmo-Zeichen =
erkennbare, druckbedingte externe Kompression der
V. iliaca externa im Bereich des Leistenbandes bzw. der 12.1.9 Fehler und Irrtümer
linea terminalis)
4 Abflussverhältnisse im Beckenbereich dargestellt Fehler und Irrtümer bei der Beurteilung einer Phlebogra-
4 ggf. Zielaufnahmen besonders auffälliger Bezirke phie können zustande kommen durch
4 wurden die Aufgaben des Untersuchungsauftrages 4 technisch unzureichende Ausführung
abgearbeitet? 4 nicht erkennen objektiver Befunde
4 Fehlinterpretation erkannter objektiver Befunde
Es lohnt auch den Patienten zu fragen, wie er die Untersu- 4 Überinterpretation erkannter objektiver Befunde
chung empfunden hat. Berichtet der Patient über starke
Schmerzen und kommt dies beim gleichen Untersucher
häufiger vor, so stimmt etwas mit der Technik nicht. 12.1.10 Zusammenfassung

Spezielle radiomorphologische Phänomene Die Phlebographie ist unbeschadet der großen Fort-
4 Teleskopzeichen (. Abb. 12.4) schritte der sonographischen Diagnostik immer noch
4 Reflux (. Abb. 12.3) eine wertvolle und unverzichtbare diagnostische Methode
4 infravalvuläre Dilatation: Das fehlende Teleskop- auch bei der Diagnostik und Therapie der Varikose. Sie
zeichen und eine leichte Ektasie unterhalb einer Schleu- ist eindeutig kein Instrument der Primärdiagnostik,
senklappe gilt bereits als Hinweis auf eine, allerdings sondern das Instrument zur Klärung spezieller Frage-
klinisch noch unbedeutende, Klappeninsuffizienz. stellungen. Der Einsatz der Phlebographie ist nur dann
12.1 · Phlebographie
107 12
. Abb. 12.1. Schematische Darstellung der
Lagebeziehungen der tiefen Unterschenkel-
venen und der VSP in unterschiedlichen Pro-
jektionen bei der Phlebographie. dargestellt
ist ein linkes Bein. 1 Vv. tibialis posteriores,
2 Vv. tibiales anteriores, 3 Vv. peroneae, 4 VSP
a = ap-Strahlengang
b = 25° Einwärtsdrehung
c = 30° Auswärtsdrehung
d = seitliche Projektion

a b c d

. Abb. 12.2a, b. Gullmo-Zeichen. a Sponta-


ner KM-Fluss bei normaler Atemlage. b Im
Pressversuch kommt es bei der Erhöhung des
intraabdominellen Drucks zu einem Abknicken
der V. femoralis communis bzw. der V. iliaca an
der Linea terminalis mit einer entsprechend
nachweisbaren Einengung. Diese gilt als indi-
rekter Nachweis für einen effektiven Valsalva-
Versuch

a b
108 Kapitel 12 · Radiologische Diagnostik

a b c

12

d e f

. Abb. 12.3. Darstellung von Refluxphänomenen in der ascen- Leistenniveau nach unvollständiger Crossektomie mit Abfluss über
dierenden Pressphlebographie. a Magnareflux bei komplette Mag- die Vv. pudendae externae zur Labia majora. e Reflux über einen ein-
nainsuffizienz. b Parvareflux. c Ausgedehnter Reflux im Leistenni- zelnen Crossenast. f Reflux über multiple dünne und feien Äste aus
veau nach unvollständiger Crossektomie. d Ausgedehnter Reflux im dem Crossenbereich, (fraglich) Neovarkularisation
12.1 · Phlebographie
109 12

. Abb. 12.4. Teleskopzeichen. Kalibersprung in der Region der . Abb. 12.6. Dow’sches Zeichen. Blow out-Phänomen im Ausfluss-
Schleusenklappen im crossennahen Bereich mit Verdämmern des bereich einer insuffizienten Perforansvene
Kontrastmittelstroms nach initialem Rückfluss mit Stopp

. Abb. 12.5. Aneurysmen. a Aneurysma


unter halb einer Schleusenklappe der VSM,
b Circumskriptes Poplitea-Aneurysma

a b
110 Kapitel 12 · Radiologische Diagnostik

a b c

. Abb. 12.7. Insuffiziente Perforanvenen. a Perforans der rungen der Venenwand. b Insuffiziente Dodd’sche Perforans. c Insuf-
Cockett’schen Gruppe. Man beachte die Abweichung des Einstrahl- fiziente laterale Perforans aus dem Profundastromgebiet
winkels in die tiefen Venen und die morphologischen Verände-

12

. Abb. 12.8. Leitveneninsuffizienz, Ektasie, Knickbildung, . Abb. 12.9. Tiefe Beinvenenthrombose mit Radiergummi-
Klappeninsuffizienz phänomen
12.2 · Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT/MRA)
111 12
. Abb. 12.10. Strömungseffekte und unterschied-
liche Mischungs- und Dichteverhältnisse zwischen
KM-freiem und KM-gesättigtem Blut. Diese und der
Einstrom von KM-freiem Blut in ein KM-vermischtes
Gefäß können zu den unterschiedlichsten Strö-
mungsphänomenen führen, die zu Fehlinterpreta-
tionen Anlass sein können

gerechtfertigt, wenn einerseits die Möglichkeiten der Literatur


nichtinvasiven Diagnostik vollständig ausgeschöpft wur- Baldt MM, Böhler K, Zontsich T, Bankier AA, Breitenseher M, Schnei-
der B, Mostbeck GH (1996) Preoperative Imaging of Lower Extre-
den und andererseits bei der Indikationsstellung ab-
mity Varicose Veins: Color Coded Duplex Sonography or Veno-
schätzbar ist, dass mit der Phlebographie ein Erkennt- graphy? J Ultrasound Med 15:143–154
nisgewinn zum Nutzen für den Patienten verbunden sein Hach W (1981) Spezielle Diagnostik der primären Varikose. Demeter,
wird. Gräfelfing
Hach W (1985) Phlebographie der Bein- und Beckenvenen. 3. Auflage,
Schnetztor-Verlag Konstanz
Hach W, Hach-Wunderle V (1996) Phlebographie der Bein- und Be-
12.2 Computertomographie (CT) ckenvenen. 4. Auflage, Schnetztor-Verlag Konstanz
und Magnetresonanztomographie Hach W, Hach-Wunderle V (1997) Phlebographv and Sonography of
(MRT/MRA) the Veins. Springer-Verlag Heidelberg
May R, Nißl R (1973) Die Phlebographie der unteren Extremität. 2. Auf-
lage, Thieme Stuttgart
Die modernen Schnittbildtechniken wie CT und MRT/
Noppeney T, Kluess HG, Gerlach H, Braunbeck W, Ehresmann U,
MRA wurden inzwischen zu einer festen Größe in der Di- Fischer R, Hermanns H-J, Langer C, Nüllen H, Salzmann G, Schim-
agnostik der zentralen Anteile des Venensystems (V. cava, melpfennig L (2004) Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des
Viszeralvenen) insbesondere im Zusammenhang mit der Krampfaderleidens der deutschen Gesellschaft für Phlebologie,
Abklärung von Thrombosen, Lungenembolien, Kompres- der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie, des Berufsver-
bandes der Phlebologen e.V. und der Arbeitsgemeinschaft der
sionssyndromen und Dysplasien. Für die peripheren Ve-
niedergelassenen Gefäßchirurgen Deutschlands e.V. Gefäßchi-
nen, z. B. der unteren Extremitäten und insbesondere im rurgie; 9:290ff
Zusammenhang mit der Diagnostik bei Varikosis kommen Order BM, Müller-Hülsbeck S (2001) MRT-Diagnostik im Rahmen
diese Verfahren nicht routinemäßig zum Einsatz, wenn- der Abklärung phlebologischer Krankheitsbilder. Phlebologie
gleich in der peripher kontrastverstärkten MRA durchaus 30.124–131
Rubin GD, Rofskyn NM (2009) CT and MR Angiography. Lipincott,
Entwicklungspotential gesehen wird (Order et al. 2001,
Williamsen, Wilkins, Baltimore
Vogt et al. 2005). Vogt FM, Herborn CU, Goyen M (2005) MR Venography. Magn Reson
Imaging Clin N Am 13:113-129
Weber J, May R (1990) Funktionelle Phlebologie. Thieme Stuttgart
13

13 Sonstige diagnostische Verfahren


H. Nüllen

13.1 Biometrie – 114

13.2 Volumetrie – 114


13.2.1 Umfangsmessung – 115
13.2.2 Wasserplethysmographie – 115
13.2.3 Kegelstumpfvolumetrie – 115
13.2.4 Multifrequente Bio-Impedanz-Analyse (M-BIA) – 116

13.3 Planimetrie – 116

13.4 Medizinische Fotographie in der Phlebologie – 117


114 Kapitel 13 · Sonstige diagnostische Verfahren

Neben den hämodynamischen und sonographischen diag- dokumentiert wird. Für die Ödembeurteilung empfiehlt
nostischen Verfahren kann der Einsatz anderer, ergänzen- sich die Erfassung von zwei Umfangsmaßen am Unter-
der Verfahren notwendig oder wünschenswert sein. schenkel. Nicht geeignet für eine Verlaufsbeurteilung sind
die Maßangaben, wie sie für die Kompressionsstrumpfan-
passung verwendet werden (b- und c-Maß), da hier i.d.R.
13.1 Biometrie kein Referenzpunkt festgelegt und somit eine annähernd
genau Reproduzierbarkeit nicht gegeben ist.
Im Rahmen der Diagnostik bei Varikose sollten die Kör- Metrische Angaben zur Beinlänge sind nur bei offen-
pergröße und das Körpergewicht routinemäßig erfasst und sichtlichem Missverhältnis der beobachtetet Beinlängen
der Body-Mass-Index (BMI) bestimmt werden, da das empfehlenswert.
Übergewicht als isolierter Risikofaktor bei einer Vielzahl Geschätzte Angaben von Bewegungsmaßen sind im
von therapeutischen Entscheidungen von Bedeutung ist Rahmen der phlebologischen Befunderhebung i.d.R. aus-
(http://www.bmi-rechner.net/). reichend. Winkelmessungen sind nur im Zusammenhang
Umfangsmessungen an den Beinen, insbesondere als mit Begutachtungen notwendig (Neutral-Null-Methode).
Verlaufsdokumentation, geben eine gute Übersicht im Semiquantitative Angaben zu evtl. vorhandenen Bewe-
Hinblick auf die Ödemsituation. Umfangsmessungen wer- gungseinschränkungen und Fehlstellungen sind z. B. für
den jeweils an den gleichen Stellen durchgeführt. Hierzu die Einschätzung der Qualität der Fuß- und Wadenmus-
ist ein eindeutiger Referenzpunkt für die Bestimmung der kelpumpe durchaus sinnvoll.
Umfangslokalisation erforderlich. In der Regel wird als
Referenzpunkt der mediale Kniegelenkspalt empfohlen
bzw. in den Messblättern der Berufsgenossenschaften 13.2 Volumetrie
sogar vorgeschrieben. Im Einzelfall kann die eindeutige
Lokalisation des inneren Kniegelenkspaltes bei fettgewebs- Um die Ödemsituation an den unteren Extremitäten, ins-
reichen Beinen oder stark arthrotisch veränderten bzw. besondere in Form der Verlaufsbeurteilung unter Ödem-
deformierten Kniegelenken schwierig bis unmöglich sein. therapie, objektiv beurteilen zu können, wäre die Angabe
In diesen Situationen kann jeder beliebige, eindeutig defi- von absoluten Volumina erstrebenswert. Hierzu sind eine
nierbare Bezugspunkt gewählt werden, der entsprechend Vielzahl von Versuchen unternommen worden. Alle diese
Versuche kranken an dem methodischen Problem, dass
das wahre Volumen des gesunden Beines weder bekannt
13 . Tab. 13.1. Messung der Beine mit Bezug zu einem Refe- noch bestimmbar ist. Daher fokussieren sich alle verwen-
renzpunkt, entsprechend der BG-Vorgaben deten Methoden darauf, die Änderung der Volumina bzw.
von Surrogatparametern der Volumina bestimmter Seg-
Lokalisation Rechtes Linkes
mente des Beines zu bestimmen.
Bein Bein
Für die Volumenbestimmung an unregelmäßigen Kör-
Beinumfang in cm pern, wie z. B. dem menschlichen Bein, wurden metho-
20 cm oberhalb innerer Knie-
disch sehr unterschiedliche Vorschläge unterbreitet und
Gelenkspalt getestet.
4 einfache Umfangsmessungen als Analogparameter der
10 cm oberhalb innerer Knie-
Volumenänderung
Gelenkspalt
4 Tauchmethoden nach dem Prinzip des Archimedes
Kniescheibenmitte (Wasserplethysmographie)
15 cm unterhalb innerer Knie- 4 Durchmesserbestimmungen durch Schattenwurf in
Gelenkspalt Kombination mit der mathematischen Berechnung der
abhängigen Rotationskörper
Unterschenkel, kleinster Umfang
4 tomographische Methoden mit zirkulär angeordneten
Knöchel Lichtdioden
Rist über Kahnbein
4 multiple Umfangsmessungen in festen Abständen und
Summation der hieraus berechneten Einzelvolumina
Vorfußballen nach dem Prinzip des stumpfen Kegels.
Beinlänge in cm

Spina iliaca anterior superior –


Außenknöchelspitze
13.2 · Volumetrie
115 13
13.2.1 Umfangsmessung

Um den Erfolg einer Ödemtherapie zu bewerten, ist die


genaue Kenntnis der tatsächlich verschobenen Volumina
i.d.R. nicht zwingend erforderlich. Vielmehr kann die An-
gabe eines oder mehrerer Umfangsmaße aus dem Thera-
piegebiet als hinreichender Qualitätsindikator herange-
zogen werden. Diese Analogie wird gelegentlich als un-
zulässig bemängelt, da natürlich Umfang und Volumen
einander nicht direkt proportional, sondern durch eine
quadratische Funktion verbunden sind. Ein weiteres Prob-
lem ergibt sich, da gleiche Umfänge nicht auch gleiche
Flächen bedeuten (Ellipse, Kreis). Bei stark geschwollenen
Extremitäten nähert sich die zum Umfang korrelierende
Fläche immer mehr dem Kreis, wohingegen bei stark ent-
stauten Extremitäten sich die Querschnittsfläche vom
Kreis in Richtung »ellipsoide Fläche« verändert. So kann es
vorkommen, dass bei weiterer Volumenabnahme das Um-
fangsmaß dies nicht widerspiegelt. Es bleibt jedoch auch in
Kenntnis dieser mathematischen Korrelationen bei der
Aussage, dass unter den Bedingungen der täglichen Routi-
ne die richtungsweisende Änderung der Umfangsmaße
über die Zeit als hinreichend stabiler Indikator für den Er-
folg oder Misserfolg der Ödemtherapie gelten kann. . Abb. 13.1. Tauchvolumetrie. Überlaufgefäß und Messgefäße

13.2.2 Wasserplethysmographie 13.2.3 Kegelstumpfvolumetrie

Methodisch einleuchtend und scheinbar einfach ist die Sie geht davon aus, dass ein menschliches Bein in erster
Wasserverdrängungsvolumetrie: Ein Bein wird in ein spe- Näherung einen kreisförmigen Querschnitt aufweist. Teilt
zielles, mit Wasser gefülltes Gefäß getaucht und die Menge man ein Bein in eine gewisse Anzahl von Scheiben einer
des Wasserüberlaufs wird gemessen. Dieses Verfahren ist gewissen Länge ein, so ergeben sich zwei Möglichkeiten:
theoretisch einfach und einleuchtend, jedoch schwierig, 1. die Umfänge in der Scheibe bleiben gleich, was zur
umständlich und fehlerträchtig in der Anwendung. Die Geometrischen Form eines Zylinders führt
Reproduzierbarkeit der Messergebnisse ist schlecht. Art 2. die Umfänge sind ungleich, was im Ideal zur geometri-
und Geschwindigkeit des Eintauchens führen ebenso zu schen Form eines stumpfen Kegels führt
unterschiedlichen Messergebnissen wie die Körperhaltung
und die Wassertemperatur. Überschwappendes Wasser Aus den Umfängen und der Dicke der Scheibe lässt sich
verfälscht das Ergebnis, die genaue Bestimmung des Was- das Volumen berechnen. Die Summe der so bestimmten
serüberlaufes in Millilitern erfordert das Dekantieren in endlichen Zahl von Zylinder- bzw. Kegelvolumina ergibt
kleiner graduierte Messbecher etc. Alternative Volumen- ein Volumen, das, unter Beachtung der idealisierenden
bestimmungen über Steigrohre sind mit einem hohen Annahmen, ein Maß für das tatsächliche Volumen im ver-
technischen Aufwand verbunden und bedingen bei an- messenen Beinsegment ergibt. Die Änderung des Volu-
sonsten fehlerfreier Technik dennoch Ablesefehler von mens zwischen zwei Messungen soll dabei, unter Beach-
mehr als 5%. Einfacher ist die Volumenbestimmung durch tung des Messfehlers, dem wahren Wert der Volumenände-
Wiegen der verdrängten Wassermenge (1 l = 1 kg). Um- rung sehr nahe kommen. Auch dieses Verfahren ist metho-
ständliche Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen der disch aufwendig und für die Routine nicht geeignet. Das
Tauchbehälter nach Beendigung der Messreihe bedeuten Ergebnis einer solchen Volumenbestimmung unter Anga-
darüber hinaus einen hohen Arbeitsaufwand, so dass sich be eines bestimmten Wertes in Millilitern täuscht aufgrund
diese Methodik nicht durchsetzen konnte. der vielen idealisierenden Annahmen eine Genauigkeit
vor, die die Methode nicht hergibt.
Ähnlich wird bei Verfahren vorgegangen, die auf un-
terschiedliche Art und Weise, apparativ unterstützt, seg-
116 Kapitel 13 · Sonstige diagnostische Verfahren

mentale Beindurchmesser bestimmen, hierzu einen Rota-


tionskörper einer gewissen Dicke berechnen und über die
Summation der Rotationskörper ein segmentales Volumen
angeben. Die Genauigkeit der Volumenangabe mag dabei
größer sein als bei der manuellen Umfangsmessung der
Kegelstumpfvolumetrie, da bei diesen apparativ unterstüt-
zen Methoden eine wesentlich größere Zahl von Durch-
messern bestimmt wird. Allerdings wird dieser Vorteil
zumindest teilweise aufgewogen durch die Tatsache, dass
bei diesen Methoden das Problem der Wiederholungs-
messung am identischen Bein-Segment nicht zuverlässig
gelöst ist.
Sehr genaue und gut reproduzierbare volumetrische . Abb. 13.2. Beispiel für eine elektronische Flächenmessung
(Pixelzählung)
Vermessungen der Extremitäten sind theoretisch mittels
CT und MRT möglich, was sich angesichts des apparativen
Aufwandes, der Strahlenbelastung beim CT und den ho- und des Therapieerfolges ist allerdings eine hohe Genauig-
hen Kosten verbietet. keit von eher geringer Bedeutung. Als Qualitätsindikator
für die Wundheilung interessiert hierbei vielmehr die Än-
derung der Fläche über die Zeit.
13.2.4 Multifrequente Bio-Impedanz- Die Berechnung unregelmäßig begrenzter Flächen ist
Analyse (M-BIA) mit einer einfachen Flächenformel nicht möglich. Eine der
Möglichkeiten der Berechnung unregelmäßig begrenzter
Diese Messmethode beschreibt die relative Änderung des Flächen besteht darin, die vorliegende Fläche in möglichst
Beinvolumens durch einen gut gewählten Parameter und ist viele kleine Quadrate zu zergliedern und deren Fläche
so als Qualitätsindikator für die Ödemtherapie geeignet. So mit der Anzahl der Quadrate, welche die zu berechnende
kann man davon ausgehen, dass die Bestimmung des Ge- Fläche ausfüllen, zu multiplizieren. Dabei wird der Wert
webewassers der Extremität mittels M-BIA und die Angabe umso genauer, je kleiner die Inhaltsquadrate sind.
eines extremitätenbezogenen, sog. Fluiditätsindex, eine
ebenfalls hinreichend genaue Beschreibung des Ödem- Digitale Planimetrie Mit der o. g. Methode der Zergliede-
13 status darstellt. Die Ergebnisse der Methode sind sehr gut rung agieren auch elektronische Planimetriewerkzeuge,
reproduzierbar und sie ist leicht anwendbar. Die M-BIA ist die bei Vorliegen eines Referenzmaßstabes und Umfahren
jedoch im Hinblick auf diese Fragestellung z. Z. nicht aus- der Flächengrenzen aus elektronischen Fotos Flächenbe-
reichend validiert. Darüber hinaus schlagen hohe Geräte- rechnungen durchführen können (. Abb. 13.2).
kosten und Kosten für Verbrauchsmaterial zu Buche.
Einfache geometrische Berechnung (Achsenmessung)
Mit einer gewissen Näherung und unter Beachtung der
13.3 Planimetrie o. g. Ansprüche an einen Indikator der Wundheilung ist
eine einfache Berechnung mit der Flächenformel für die
Die Planimetrie beschäftigt sich mit geometrischen Frage- Ellipse (F = r1×r2×Π) möglich. Hierzu müssen der größte
stellungen in der Ebene, insbesondere mit Flächenberech- Längsdurchmesser (r1) und der größte Querdurchmesser
nungen. (r2) z. B. in cm bestimmt werden.
Planimetrische Verfahren kommen in der Phlebologie
im Wesentlichen zur Bestimmung der Flächen von Wun- Planimetrie mittels Punktzählmethode (sog. Trefferme-
den und Ulzera zur Anwendung. Die Behandlung von thode) Eine Rasterfolie, ausgefüllt mit Flächen mit der
chronischen Wunden und Ulzera ist aufwendig und teuer. Kantenlänge von 1 cm wird über die zu vermessende Flä-
Die Ansprüche an eine entsprechende, objektive Verlaufs- che gelegt. Danach werden die Schnittpunkte der Gitter-
dokumentation im Rahmen des Wundmanagements sind linien gezählt, die eindeutig innerhalb der Wundgrenzen
entsprechend hoch. Ein wichtiger Teil dieser Dokumen- liegen und mit 1 cm2 multipliziert (F = ∑ P × ap). Liegen
tation liegt in der regelmäßigen Größenbestimmung der z. B. 25 Punkte eindeutig innerhalb der Wundränder, so
Wund- bzw. Ulkusfläche. Die Wahl der Messmethode ist misst die Wundfläche 25 cm2, (. Abb. 13.3).
abhängig von der verfügbaren technischen Ausstattung Die digitale Methode ist berührungsfrei und beinhaltet
und dem Anspruch an die Genauigkeit der Messung. Bei damit im Vergleich zu den beiden anderen genannten Me-
der Flächenreduzierung als Indikator der Wundheilung thoden kein Kontaminationsrisiko. Bei der Anwendung
13.4 · Medizinische Fotographie in der Phlebologie
117 13
Eine Profiausrüstung ist für die Befunddokumentation nicht
notwendig, eine Kamera, die mindestens über eine Makro-
funktion und eine Zoomfunktion verfügt, reicht aus.
Ideal für die praktische Umsetzung ist ein besonders ein-
gerichteter Arbeitsplatz zur Fotodokumentation mit beson-
derem, erhöhten Standplatz für den Probanden, verschie-
denen, wählbaren Hintergründen, optimaler, schattenfreier
Beleuchtung, festen Entfernungen und festgelegten Kame-
rapositionen, geschultem Personal etc. Solche idealen Be-
dingungen dürften sich allerdings in den meisten Institutio-
nen nicht finden. Hier sind natürlich Kompromisse möglich
und schon aus Kostengründen unerlässlich.
Die Arbeitsanweisungen für die Erstellung von Be-
funddokumentationen bei Varikosis müssen an die jeweilig
vorherrschenden lokalen Verhältnisse angepasst werden.
. Abb. 13.3. Treffermethode. Bei der Zählung der Quadrate (1)
muss berücksichtigt werden, wie groß die Zahl der vollständig in- Wenn die fotografische Befunddokumentation zur Routi-
nenliegenden Quadrate ist, wie viele Quadrate durch den Wundrand ne im Arbeitsablauf werden soll, müssen einfache Bedin-
geteilt werden und mit welchem Flächenanteil diese innerhalb der gungen definiert werden, die immer und jederzeit zu ver-
Wundränder liegen. Diese umständliche Kalkulation wird vermieden gleichbaren Ergebnissen führen und so gestaltet sind, dass
bei Anwendung der Treffermethode (2)
die Fotos nach kurzer Einarbeitung von allen Mitarbeite-
rinnen angefertigt werden können.
der Achsenmessung und der Folienmethode ist auf die Technische Mindestanforderungen an die Kamera
Vermeidung der Kontamination und ggf. sorgfältige Des- 4 Makrofunktion
infektion zu achten. 4 Zoom
4 Autofokus
4 Farbtreue
13.4 Medizinische Fotographie 4 Weißabgleich
in der Phlebologie 4 Datum einblenden
4 Ggf. ID einblenden (Alternativ: Beschriftetes Schild ins
Die Entwicklung der elektronischen Fotografie macht es Bild legen und mit aufnehmen)
sowohl technisch als auch kostenmäßig möglich, fotogra-
fische Methoden zur Befunddokumentation großzügig Bei der Übersichtsfotografie sollen die Beine aus einem ent-
und einfach, in einem bislang nicht gekannten Umfang in sprechend festgelegten Abstand formatfüllend in verschie-
der Tagesroutine einzusetzen. denen Stellungen scharf abgebildet werden. Hierzu wird am
An die Erstellung von Fotos zur Unterstützung der Be- besten, ausgehend von einer relativ großen Person, die op-
funddokumentation müssen besondere Anforderungen timale Kameraposition zum Objekt festgelegt (Hochformat
gestellt werden, wenn die fotographischen Dokumente oder Querformat, Entfernung vom Objekt, Höhe über Bo-
dem gesteckten Zie, einer objektiven Befunddokumenta-
tion, genügen sollen. Neben besonderen technischen An-
forderungen müssen auch besondere Anforderungen an
die Art der Darstellung gestellt werden. Hierzu ist es not-
wendig, analog etwa den Standards in der Radiologie, Po-
sitionen zu definieren, die den Erfordernissen des jeweils
darzustellenden Objektes bzw. Befundes gerecht werden.
Leider fehlt es bislang an professioneller Anleitung und
Literatur. Die letzten Lehrbücher zur medizinischen Foto-
grafie in deutscher Sprache, stammen aus den sechziger
Jahren des vergangenen Jahrhunderts und widmen sich
völlig anderen Themen und Problemen als sie sich stellen,
wenn es um den Einsatz elektronischer Bilder zur Unter-
stützung der medizinischen Befunddokumentation geht.
Elektronische Fotoapparate sind in allen Preislagen
verfügbar von »Knipsapparat« bis hin zur Profiausrüstung. . Abb. 13.4. Übersichtsaufnahme mit Schild zur Patienten-ID
118 Kapitel 13 · Sonstige diagnostische Verfahren

. Abb. 13.5. Positionen zur Fotodokumentation


der Beine im Stehen

den, Vermeidung von tangentialen Aufnahmewinkeln). Da


es auf Übersichtsfotografien i.d.R. auf den Gesamteindruck – Position 6: Aufrecht stehend; 45 Grad Außen-
ankommt, ist eine Maßstabstreue nicht zwingend erforder- rotation der Ferse; Foto von hinten; Beine leicht
lich, so dass bei kleineren Personen das formatfüllende Bild gespreizt
durch Zoom erreicht werden kann. Wer trotzdem eine
maßstabsgerechte Darstellung wünscht, kann hilfsweise
einen festen Maßstab im Hintergrund mitführen (Mess- Schwieriger wird die Situation bei Detailaufnahmen, z. B.
latte, Rahmendarstellung mit festem Kantenmaß etc.). bei Ulzera. Hier sollten zumindest Abstände, Formate,
Um eine optimale Ausleuchtung ohne Schattenwurf zu Richtungen etc. festgelegt werden.
erreichen, ist eine hohe lokale Ausleuchtung mit diffusem
und farbfreiem Licht wünschenswert. Diese ermöglicht es
dann, ohne Blitz zu fotografieren. Sind die lokalen Verhält- Mindestanforderungen an die Detail-
nisse nicht optimal und auch nicht mit vertretbarem Auf- fotographie:
wand zu optimieren, so müssen durch Versuch und Irrtum 4 Position der Extremität (z. B. unterer Bildrand
die bestmöglichen Parameter, ggf. sogar für mehrere entspricht fußwärts)
13 Standorte, ermittelt und in Form einer Checkliste doku- 4 Position des ID-Schildes
mentiert werden. 4 Maßstab im Bild
4 Kameraabstand zum Objekt
4 Bild-Format: Hochformat oder Querformat
Fotodokumentation bei Varikosis: Gesamtansicht
4 Aufnahmetechnik
. Abb. 13.5, Abb. 13.7
– mindestens 1 Übersicht
4 Beine komplett entkleidet – mindestens 1 Detailaufnahme, formatfüllend.
4 Füße bis Leiste darstellen
4 Stellungen
– Position 1: Aufrecht stehend; frontal; von vorne;
Beine leicht gespreizt
– Position 2: Aufrecht stehend; 45 Grad Außen-
rotation des Vorfußes; Foto von vorne; Beine
leicht gespreizt
– Position 3: Aufrecht stehend; 45 Grad Innen-
rotation des Vorfußes; Foto von vorne; Beine
leicht gespreizt
– Position 4: Aufrecht stehend; frontal; von
hinten; Beine leicht gespreizt
– Position 5: Aufrecht stehend; 45 Grad Innen-
rotation der Ferse; Foto von hinten; Beine leicht
gespreizt
6
. Abb. 13.6. Detailaufnahme Ulcus cruris
13.4 · Medizinische Fotographie in der Phlebologie
119 13
Die Festlegung der Details, angepasst auf die lokalen Ver- werden, stehen unter dem Rechtsvorbehalt des §203a StGB
hältnisse und die technische Ausrüstung, erfordert einige »Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch
Tests. Die gewonnen optimalen Parameter für jeden Stand- Bildaufnahmen«. Der Paragraph wurde im 36. Strafrechts-
ort, an welchem fotografiert werden kann bzw. soll, sollten änderungsgesetz 2004 sicherlich ohne Bedacht der medizi-
in Form einer Checkliste festgehalten werden und vor Ort nischen Befunddokumentation in das StGB eingefügt. Will
verfügbar sein. man Ärger vermeiden, so empfiehlt sich eine Einwilli-
Die Anfertigung und Weiterverwendung von Foto- gungserklärung des Patienten, z. B. im Rahmen der Erklä-
graphien, wie sie zur Befunddokumentation angefertigt rung zur Weitergabe von medizinischen Informationen.

Position 1 Position 2 Position 3

Position 4 Position 5 Position 6

. Abb. 13.7. Fotodokumentation Varizenbeine. Übersichtsserien in 6 Positionen


120 Kapitel 13 · Sonstige diagnostische Verfahren

Literatur
. Tab. 13.2. Beispiel einer Checkliste Fotodokumentation Bahmer FA, Schwichtenberg U (2000) Effiziente Bestimmung der
Fläche von Ulcera und Wunden mittels Punktzählmethode.
Checkliste Fotodokumentation Phlebologie 29:33-36
Standort: Raum 11 Kersting R (1978) vergleichende Volumenbestimmung der Beine
Detailaufnahme Ulcus cruris gesunder Probanden. Inaugural Dissertation, Bonn
Orbach H (1971) Medizinische Fotografie und Kinematografie.
1 Patient: liegend Thieme, Stuttgart
Röhlig HW (2005) Aktualisierte gesetzliche Bestimmungen zur Fo-
2 Bein: aufliegend
todokumentation. Hartmann Wundforrum 1:5-7
3 Schild: proximal

4 Beschriftung: EDV-Nr.

5 Unterlage: blau

6 Kamerastellung zur Beinachse: parallel

7 Kamerastellung zur Beinebene: parallel

8 Höhe über Boden: entfällt

9 Übersicht: mindestens 1

10 Detail: mindestens 1

11 Flächenmessung: +

12 Einstellung: Digital-Macro

13 Blitzfunktion: aus

14 Raumbeleuchtung: ein

15 Bildformat: Hochformat

16 Tagesdatum: ein

17 Kameraabstand: 1 m
13
III Klinik und Indikations-
stellungen bei Varikose
14 Beschwerdebild bei Varikose – 123
J. Noppeney

15 Klassifikationen, Stadieneinteilungen, Graduierungen


und Scores – 127
H. Nüllen, T. Noppeney

16 Formen der Varikosis – 147


T. Hertel, H. Nüllen, F. Pannier, E. Rabe, T. Noppeney, U. Kamphausen

17 Komplikationen bei Varikose – 171


H. Nüllen, T. Noppeney, J. Noppeney, H. Lawall, G. Salzmann,
S. Reich-Schupke, M. Stücker

18 Rezidivvarikose – 197
T. Noppeney, H. Nüllen, S. Rewerk

19 Besondere Krankheitsbilder und Syndrome – 209


H. Nüllen, T. Noppeney

20 Indikation zur ambulanten und stationären Versorgung


in der Varizenchirurgie – 217
H. Nüllen, T. Noppeney
14

14 Beschwerdebild bei Varikose


J. Noppeney
124 Kapitel 14 · Beschwerdebild bei Varikose

Ein typisches Beschwerdebild, das nur der primären Va- tienten toleriert, weil er die Varikosis nicht als störend
rikose zugeordnet werden kann und das insgesamt oder empfindet und nicht als Krankheit realisiert.
teilweise bei der Varikose obligat vorkommt, gibt es nicht. Eine Störung der Befindlichkeit kann in vielerlei Hin-
Dies belegen die unterschiedlichen Angaben der Patien- sicht entstehen. Dies reicht von der Störung der Ästhetik
ten in der täglichen Praxis, wie auch die verschiede- und des Lifestyles bis hin zur Beeinträchtigung des körper-
nen Angaben in der Literatur zu diesem Thema. In der lichen Wohlbefindens und der Leistungsfähigkeit. Werden
Baseler Studie gaben 2/5 der Männer und 3/4 der Frauen in einem oder mehreren dieser Bereiche Störungen aus-
ohne nachweisbare Varizen Beschwerden in den Beinen gelöst, wird der Patient den Arzt aufsuchen und über
an. Symptome klagen. Daneben sind die Patienten zu sehen,
Beinbeschwerden stellen häufig ein mehrschichtiges die wegen der Varikose noch keine Beeinträchtigung emp-
Problem dar. Patienten mit Beinbeschwerden weisen häu- finden, diese jedoch für die Zukunft befürchten.
fig mehrere Diagnosen auf, sodass die Differenzierung Bei der Zuordnung von Beschwerden zu einem be-
und Zuordnung der einzelnen Symptome zu den jewei- stimmten Pathomechanismus bei Varikose kommen in
ligen Krankheitsbildern sehr schwierig sein kann. Zur Betracht:
Unterscheidung stellt man das Gesamtbeschwerdebild den 4 lokale Dehnungsreizungen
am häufigsten vorkommenden Diagnosen gegenüber. Zu 4 großes Refluxvolumen
den häufigsten Beinbeschwerden zählen: 4 venöse Hypertonie mit Ödemneigung
4 unregelmäßig auftretende Schmerzen in den Beinen
4 Juckreiz Die hierzu passenden Symptome können sein:
4 Parästhesieen 4 lokale Schmerzen im Bereich der Varizen
4 Spannungs- und Schweregefühle 4 ödemassoziierte Beschwerden wie Juckreiz, Schwere-
4 müde Beine gefühl,
4 Brennen in den Beinen und Füßen 4 Spannungsschmerzen, gelegentlich auch Parästhesieen,
4 nächtliche Muskelkrämpfe 4 nächtliche Wadenkrämpfe
4 unruhige Beine
4 Hitze- und Kältegefühl Alle übrigen Beschwerden sind nicht allein der Varikose
4 ziehende und/oder stechende Schmerzen in den zuzuordnen. Die sog. »typischen« Beschwerden treten nur
Beinen dann auf, wenn die Funktionsstörung als Folge der Vari-
kose nicht mehr kompensiert wird.
Diese vielfältigen, in den unterschiedlichen Kombinatio- Wichtig für den Arzt in der Sprechstunde ist es, dem
nen vorkommenden und nicht charakteristischen Beinbe- Patienten zu verdeutlichen, dass die Therapiebedürftigkeit
schwerden können einer Reihe unterschiedlichster Diag- der Varikose nicht allein von der Intensität des Beschwer-
14 nosen zugeordnet werden: debildes abhängig ist. Die Indikation zu einem bestimmten
4 Varikose therapeutischen Vorgehen ergibt sich aus der zum Zeit-
4 Ödeme punkt der Untersuchung vorherrschenden hämodyna-
4 Polyneuropathie mischen Situation und den morphologischen Verände-
4 LWS-Syndrom rungen.
4 Restless-leg-Syndrom Dies bedeutet, dass auch Patienten mit fehlendem oder
4 Psychosomatische Erkrankungen geringem Beschwerdebild einer Sanierung der Varikose
5 psychovegetatives Syndrom zugeführt werden sollten, um den zeitabhängigen Kompli-
5 Depressionen kationen und Spätfolgen der Varikose vorzubeugen.
4 Schmerzsyndrom anderer Ursache Auch die ästhetisch störende Varikose, die häufig die
5 Arthrosen Lebensqualität der meist weiblichen Patienten einschränkt,
5 Arthritis ist unabhängig vom klinischen Beschwerdebild behand-
5 rheumatischer Formenkreis lungsbedürftig.
5 Meralgie Das Beschwerdebild bei Varikosis bedarf immer der
5 Myalgien differentialdiagnostischen Abgrenzung gegenüber ande-
ren Ursachen für Beschwerden im Bereich der Beine. Be-
Das Beschwerdebild bei bestehender Varikose variiert sehr lastungsabhängige Schmerzen verlangen nach dem Aus-
stark. Patienten mit monströsen Krampfaderbefunden schluss einer Arteriellen Verschlusskrankheit (AVK).
können häufig völlig beschwerdefrei sein, während Patien- Die Differentialdiagnosen liegen vornehmlich auf in-
ten mit geringfügigen Varizen über heftigen Beschwerden ternistischem, neurologischem und orthopädischem Ge-
klagen. Häufig wird ein mäßiges Beschwerdebild vom Pa- biet. Bestehen neben der Varikose eine oder mehrere Be-
14 · Beschwerdebild bei Varikose
125 14

. Tab. 14.1. Beinbeschwerden bei Varikose – Differentialdiagnose

Ödeme Neurologische Symptome Schmerzen

Lipödeme Polineuropathien Chronische Schmerzen aus multifaktorieller


Ursache (Schmerzpatient)

Lympholipödeme LWS-Syndrom Arthrosen

Hydrostatische Ödeme Ischialgie Arthritis

Posttraumatische Ödeme Psychovegetatives Syndrom Rheumatischer Formenkreis

Postoperative Ödeme Restless legs Fehlstellungen im Bewegungsapparat

Medikamentös induzierte Ödeme Posttraumatische oder postoperative Fußdeformitäten


neurologische Störungen

Ödeme bei primär internistischen Andere neurologische Erkrankungen Myalgien


Krankheitsbildern

gleiterkrankungen, die Beschwerden im Bereich der Beine


verursachen können, so kann die eindeutige Zuordnung
des Beschwerdebildes sehr schwierig sein.
Dies sollte vor einer Behandlung der Varikosis mit
dem Patienten eindeutig besprochen werden. Der Patient
sollte darüber aufgeklärt sein, dass er nicht in jedem Falle
nach Sanierung der Varikose mit Beschwerdefreiheit rech-
nen kann.
> 4 regelhaft und zwingend bei Varikose auftre-
tende Beschwerden gibt es nicht
4 differentialdiagnostische Überlegungen sind
bei vermeintlich varikoseassoziierten Be-
schwerden immer anzustellen
4 die Therapieentscheidung zur Sanierung der
Varikose fällt ggf. unabhängig vom geklagten
Beschwerdebild
15

15 Klassifikationen,
Stadieneinteilungen,
Graduierungen und Scores
H. Nüllen, T. Noppeney

15.1 Ätiologische Klassifikation – 130


15.1.1 Historie – 130
15.1.2 Definition – 130
15.1.3 Bewertung – 130

15.2 Anatomische Klassifikation – 130


15.2.1 Historie – 130
15.2.2 Definition – 131
15.2.3 Bewertung – 131

15.3 Klinischer Schweregrad der Varikose – 131


15.3.1 Historie – 131
15.3.2 Definition – 132
15.3.3 Bewertung – 132

15.4 CEAP-Klassifikation – 132


15.4.1 Historie – 132
15.4.2 Definition – 133
15.4.3 Bewertung – 134

15.5 Venous Clinical Severity Score (VCSS) – 135


15.5.1 Historie – 135
15.5.2 Definition – 136
15.5.3 Bewertung – 136

15.6 Venous Disability Score (VDS) – 137


15.6.1 Historie – 137
15.6.2 Definition – 137
15.6.3 Bewertung – 137

15.7 Stammveneninsuffizienz nach Hach – 138


15.7.1 Historie – 138
15.7.2 Definition – 138
15.7.3 Bewertung – 138
15.8 Chronisch venöse Insuffizienz (CVI) – 138
15.8.1 Historie – 138
15.8.2 Definition – 139
15.8.3 Bewertung – 139

15.9 Sklerose-Faszien-Score nach Hach – 139


15.9.1 Historie – 139
15.9.2 Definition – 139
15.9.3 Bewertung – 139

15.10 Postthrombotisches Syndrom (PTS) – 140


15.10.1 Historie – 140
15.10.2 Definition – 141
15.10.3 Bewertung – 141

15.11 Stammvenenvarikophlebitis – 141


15.11.1 Historie – 141
15.11.2 Definition – 141
15.11.3 Bewertung – 142

15.12 Rezidivvarikose Recurrent Varices after Treatment (REVAT) – 142


15.12.1 Historie – 142
15.12.2 Definition – 143
15.12.3 Zusammenfassung – 143

15.13 Periphere Ödeme – 144


15.13.1 Historie – 144
15.13.2 Definition – 145
15.13.3 Bewertung – 145

15.14 Wundheilungsstörung nach Szilagyi – 146


15.14.1 Historie – 146
15.14.2 Definition – 146
15.14.3 Bewertung – 146

15.15 Zusammenfassung – 146


15 · Klassifikationen, Stadieneinteilungen, Graduierungen und Scores
129 15
Die Eindeutigkeit von Diagnosen in der täglichen Routine Anwendungsbereich Es bedarf in jedem Fall einer ein-
und auch die Vergleichbarkeit wissenschaftlicher Unter- deutigen Festlegung zum Anwendungsbereich der Klassi-
suchungen sind unabdingbar verbunden mit der Einhal- fikation, d. h. für welche Krankheitsbilder, Diagnose etc.
tung einheitlicher Kriterien in der Nomenklatur und der die Klassifikation entwickelt und definiert wurde. Besteht
Terminologie. Dies ist nicht immer einfach einzuhalten im Anwendungsbereich die theoretische Chance zur Aus-
angesichts historisch gewachsener, empirischer Grund- weitung der Anwendung, soll ebenso eindeutig definiert
lagen und überkommener Definitionen. sein, für welche Anwendungsbereiche die Klassifikation
Im wissenschaftlichen Bereich sind Vergleiche zwi- nicht gedacht ist.
schen unterschiedlichen Berichten bzw. Studien selbst bei
identischen Krankheitsbildern häufig kaum möglich, weil Beurteilungskriterien Zu jeder Klasse, jedem Stadium,
nicht klar ist, ob die betrachteten Fälle hinsichtlich des Schweregrad etc. müssen die Auswahl- bzw. Einordnungs-
Ausmaßes und der Schwere der Erkrankung vergleichbar kriterien definiert werden. Diese sollen so definiert sein,
sind. Gleiches gilt für die Beurteilung der Ergebnisse von dass sie durch den Anwender eindeutig erkennbar und be-
unterschiedlichen oder identischen Therapieverfahren der nennbar sind. Es muss darüber hinaus klar erkennbar bzw.
gleichen oder auch von unterschiedlichen Institutionen, definiert sein, auf welchen Erkenntnisstand die Beurtei-
wenn nicht ein standardisiertes und einheitlich angewen- lung bzw. Gruppierung sich beziehen soll. Soll eine rein
detes Klassifikations- bzw. Graduierungsverfahren ange- klinische Beurteilung erfolgen oder sollen die Ergebnisse
wendet wurde. technischer Untersuchungen in die Beurteilung einbezo-
Bei der rückblickenden, klinischen Bewertung von gen werden?
Langzeitverläufen oder auch im Rahmen von Begutach-
tungen fällt immer wieder auf, dass eine wirklichkeits- Graduierung Beim Design einer Klassifikation muss Maß
getreue Bewertung des Schweregrades einer Erkrankung gehalten werden, will man dem Ziel der Verkürzung einer
und ggf. deren Verschlimmerung oder Verbesserung durch an sich komplexen Aussage gerecht werden. Je komplexer
therapeutische Maßnahmen Grenzen gesetzt sind. Rein die Graduierung, umso weniger eindeutig und hilfreich ist
verbale Befundbeschreibung und Diagnosebenennung er- die Aussage, die durch die Klassifikation erreicht wird.
geben häufig keine ausreichende Information für eine ge- Eine gute Klassifikation soll in der täglichen Routine ohne
nauere Einschätzung des Schweregrades der Erkrankung. technische Hilfsmittel, Tabellen etc. anwendbar sein.
Eine neue Bedeutung hat die Klassifikation, Stadien- Dieses Ziel ist am besten zu erreichen, wenn sich die Klas-
einteilung und Graduierung in letzter Zeit gewonnen, sifikation auf eine kleine, bereits ausreichend vorselek-
wenn man die Probleme und Aufgaben der Qualitätssiche- tierte, definierte nosologische Entität bezieht. Ein in zuneh-
rung mit in Betracht zieht. In Zukunft wird die Ergebnis- mendem Maße akzeptiertes und verbreitetes Klassifika-
orientierung in der Beurteilung von Therapieverfahren tionssystem, das den genannten Forderungen allerdings
eine immer größere Bedeutung gewinnen. nicht in allem gerecht wird, ist die CEAP-Klassifikation des
Klassifizierungsversuche sind wahrscheinlich so alt American Venous Forum. An diesem Beispiel wird deut-
wie die Bemühungen um eine wissenschaftliche Medizin, lich, dass der Versuch eine Systematik über die gesamte
aber nicht alle Versuche der Klassifikation, auch in unserer Phlebologie (Varikosis, thromboembolische Erkrankungen
Zeit, können als gelungen bezeichnet werden. Mit der und Dysplasien) zu spannen, notwendigerweise in einer
Gründung des American Venous Forum hat in der Gefäß- hochkomplexen Systematik enden muss.
medizin der USA eine Rückbesinnung auf die Phlebologie
stattgefunden. Das American Venous Forum hat sich in Trennkriterien Aufeinander folgende Klassen, Schwere-
den letzten Jahren mit einer Vielzahl von Klassifikationen grade, Stadien oder auch Scores müssen zur Gewährleis-
beschäftigt, die aufgrund von Anwendererfahrungen mo- tung einer eindeutigen und reproduzierbaren Zuordnung
difiziert und ergänzt wurden. über jeweils eindeutige Unterschiede in der Definition,
Stadieneinteilungen, Klassifizierungen, Graduierungen also Trennkriterien, verfügen. Es dürfen die unterschied-
und Scores führen im Ergebnis zu einer verkürzten Aus- lichen Klassen einer Klassifizierung durchaus einen oder
sage zu Ausprägung und Schweregrad der Erkrankung. mehrere gemeinsame Kriterien aufweisen, zur Unterschei-
Daher gilt es als zwingend notwendig, eindeutige Kriterien dung muss jedoch mindestens ein eindeutig unterscheid-
für die Klassifikation etc. zu definieren, will man reprodu- bares Kriterium angegeben sein. Die Trennkriterien sollten
zierbare Ergebnisse erzielen. Dies betrifft insbesondere so definiert sein, dass die Klassifizierung für den einzelnen
Anwendungsbereich, Beurteilungskriterien, Graduierung, Patienten in einer Verlaufsbeobachtung sowohl einen Up-
Trennkriterien und Bewertung. grade als auch einen Downgrade zulassen, ein Umstand,
der z. B. bei der historischen Klassifikation der chronisch
venösen Insuffizienz nach Widmer nicht beachtet wurde.
130 Kapitel 15 · Klassifikationen, Stadieneinteilungen, Graduierungen und Scores

Bewertung Das Ergebnis einer Klassifikation muss in Unter primären Varizen versteht man diejenigen Vari-
einer stets nachvollziehbaren und immer gleichen, reprodu- zen, die durch konstitutionell bedingte Faktoren vorliegen.
zierbaren, Bewertung münden. Die Klasse muss beim An- Die primäre Varikosis wird als degenerative Erkrankung
wender eine eindeutige und klinisch verwertbare Vorstel- der suprafaszialen, intrakutanen und subkutanen Venen
lung auslösen. Auf die dynamische Funktion einer guten verstanden.
Klassifikation wurde bereits verwiesen. Strittig ist, ob es
gerechtfertigt ist mit bestimmten Klassifizierungen, Stadi- Sekundäre Varikosis Synonym: Komplizierte Varikosis;
en etc. Standardtherapieoptionen zu verbinden. Es gibt Kompensatorische Phlebektasien
durchaus gelungene Beispiele für eine solche Vorgehens- Sekundäre Varizen entstehen als Folge einer mecha-
weise, z. B. in der Kardiologie. nischer Behinderungen des venösen Rückstromes mit Bil-
Die hier dargestellten Klassifikationen und Scores wur- dung eines Kollateralkreislaufes, meist nach tiefer Beinve-
den unter dem Gesichtspunkt des Generalthemas Varikose nenthrombose.
ausgewählt. Die Zusammenstellung ist weder vollständig
noch wertet die Auswahl der einzelnen Klassifikationen im
Hinblick auf die klinische Bedeutung der Klassifikation 15.1.3 Bewertung
bzw. die Notwendigkeit ihrer Anwendung. Man kann je-
doch, ohne prophetische Fähigkeiten zu besitzen, vor- Unter »normalen« Bedingungen ist die Zuordnung einer
hersagen, dass die Notwendigkeit bzw. Verpflichtung Varikosis zur Klassifikation primär oder sekundär unprob-
zum Einsatz von Klassifikationen, Stadieneinteilungen, lematisch. Selbst Mischformen können meist, zumindest
Schweregradskalen etc. in der täglichen klinischen Routine anamnestisch, weitgehend differenziert und zugeordnet
weiter anwachsen wird. werden. Nicht klar ist hingegen die Zuordnung der Schwan-
Eine Bewertung der verfügbaren Instrumente zur gerschaftsvarikose und der Varikose bei Angiodysplasien
Klassifikation in der Phlebologie, im Hinblick auf den Nut- und entsprechend wird dies unterschiedlich beschrieben.
zen, muss noch erfolgen. Welche Irrungen und Wirrungen Wir selbst behandeln die Schwangerschaftsvarikose und
mit einer Dokumentation um der Dokumentation Willen die Varikose bei Angiodysplasien als eigenständige Enti-
durchschritten werden können, ist am Beispiel des G-ICD täten und nehmen eine Zuordnung zu primärer und se-
abzulesen. Es muss in den Maßnahmen zur Klassifizierung kundärer Varikosis hierbei nicht vor.
außerhalb des wissenschaftlichen Anspruches auch ein
Nutzen für den Patienten und für die Sozialgemeinschaft Literatur
erkennbar sein. Eine Dokumentationsverpflichtung darf Hach W (2006) VenenChirurgie. Schattauer Verlag Stuttgart New York
Nüllen H, Varikose (2007) In: Luther B. (Hrsg.) Kompaktwissen Gefäß-
nicht zur Strafe verkommen.
chirurgie. Springer Verlag Heidelberg
May R (1974) Die Chirurgie der Beinvenen. In: Heberer, Rau, Schoop
(Hrsg.). Angiologie Thieme Verlag Stuttgart
15.1 Ätiologische Klassifikation Rabe E (2003) Chronische Venenerkrankungen. In: Rabe E. (Hrsg.)
15 Grundlagen der Phlebologie. Viavital Verlag Köln
15.1.1 Historie

Der deskriptiv nosologische Begriff der Varikose ist seit 15.2 Anatomische Klassifikation
jeher die Bezeichnung für eine unregelmäßige degenera-
tive Erweiterung von epifaszialen Venen (lat. varicosus = 15.2.1 Historie
knotig). Die Unterscheidung von Fällen ohne und mit
einer erkennbaren äußeren Ursache führte zwangsläufig zu Die wesentlichen Kriterien für die Unterscheidung und
einer Unterscheidung von hereditären und erworbenen Typisierung bei Varizen liegen in der anatomischen und
Formen. physiologischen Hierarchie des jeweiligen Abschnittes in-
Die Definition ist eingeführt und unstrittig. Sie hat auch nerhalb des Gefäßsystems, der Lokalisation und dem Ka-
Eingang gefunden in neuere, komplexe Klassifizierungssys- liber. Unter anatomischer Klassifikation versteht man
teme wie z. B. die CEAP-Klassifikation (7 Abschn. 15.4). somit, die Benennung unterschiedlicher Venen- bzw. Vari-
zen-Typen.

15.1.2 Definition

Primäre Varikosis Synonym: Nicht komplizierte Variko-


sis; Genuine Varikosis
15.3 · Klinischer Schweregrad der Varikose
131 15
15.2.2 Definition

. Tab. 15.1

Deutsche Bezeichnung Englische Bezeichnung Definition


und Synonyma

Epifasziale Venen = Oberflächliches Epifascial veins = superficial veins Venen die ohne festen Bezug zum Fasziensystem
Venensystem in der amorphen subkutanen Fettschicht verlaufen

Interfasziale Venen Interfascial veins Unter den interfaszialen Venen versteht man die
Saphena-Stämme

Subfasziale Venen = tiefe Venen Deep veins Alle Venen innerhalb der durch eine Muskelfaszie abge-
trennten Kompartimente.

Vena saphena magna (VSM) Great saphenous vein Große Rosen-Vene

Vena saphena parva (VSP) Small saphenous vein Kleine Rosen-Vene

Stammvenen-Varizen Saphenous trunk Variköse Veränderungen im Verlauf der VSM und der VSP.
s. a. komplette und inkomplette Stammveneninsuffizienz

Seitenast-Varizen Small varicose veins

Perforans-Varizen Perforators

Retikuläre Varizen Reticular veins

Besenreiser-Varizen Teleangiectasias, spider veins

Kutane Varikosis

Canyon-Varizen Venous guttering

15.2.3 Bewertung 15.3 Klinischer Schweregrad der Varikose

Eine einheitliche Nomenklatur, insbesondere die Benen- 15.3.1 Historie


nung der Varizentypen, ist für die Beschreibung von Be-
funden und Therapiemaßnahmen unentbehrlich. Die Ein- Die primäre Varikosis kann nach klinischen Kriterien in
teilung ist üblich und allgemein akzeptiert. 4 Schweregrade unterteilt werden. Die weithin gebräuch-
liche, klinisch orientierte Stadieneinteilung des Krampf-
Literatur aderleidens folgt der im klinischen Gebrauch häufig anzu-
Caggiati A (2003) Neue anatomische Aspekte in der Terminologie der treffenden Unterscheidung von 4 Klassen. Die Herkunft
oberflächlichen Venen der unteren Extremitäten. In: In: Rabe E.
der Definition, der hier erläuterten, klinischen Stadien-
(Hrsg.) Grundlagen der Phlebologie. Viavital Verlag Köln
Noppeney T, Kluess HG, Gerlach H, Braunbeck W, Ehresmann U, Fischer
einteilung, ist nicht sicher zu belegen.
R, Hermanns H-J, C. Langer C, Nüllen H, Salzmann G, Schimmel- In den älteren angiologisch-phlebologischen Werken
pfennig L (2004) Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Krampf- von Ratschow (1959), Heberer, Rau, Schoop (1974), Bol-
aderleidens der deutschen Gesellschaft für Phlebologie, der linger (1979), Ehringer, Fischer, Netzer et al. (1979), Alex-
Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie, des Berufsverbandes
ander (1994) finden sich keine Hinweise auf die hier dis-
der Phlebologen e.V. und der Arbeitsgemeinschaft der nieder-
gelassenen Gefäßchirurgen Deutschlands e.V. Gefäßchirurgie
kutierte 4-Stadienklassifikation des klinischen Schwere-
9:290ff grades der primären Varikosis. Es fehlt sogar erstaunlicher-
weise jeder Versuch einer Systematisierung bzw. einer
klinischen Graduierung der Varikose.
Die Autoren der Baseler Studie (Widmer 1981), der
ersten, großen epidemiologischen Studie zum Vorkom-
men u. a. der Varikosis, sahen sich allerdings der Notwen-
digkeit gegenüber, Ordnungskriterien zu definieren, um
132 Kapitel 15 · Klassifikationen, Stadieneinteilungen, Graduierungen und Scores

Klassen und Unterklassen hinsichtlich der klinischen Be- 15.3.3 Bewertung


deutung der Varikose bilden zu können. Widmer et al.
konnten sich hierbei nicht auf Voruntersuchungen bzw. Die Klassifikation bewertet ausschließlich klinische Para-
bereits gesicherte Erkenntnisse stützen. Die durch die da- meter. Die klinische Stadieneinteilung hat den Vorteil der
malige Arbeitsgruppe herausgearbeiteten Definitionen einfachen und sicheren Anwendung im klinischen Alltag.
und Einteilungskriterien (s. a. Widmer et al. S.66–106) Eine hinreichend genaue Zuordnung unterschiedlicher
sind verwirrend und zeichnen sich z. T. durch eine un- Erscheinungsbilder der Krampfadererkrankung ist mit ho-
zureichende Trennschärfe aus. Ein wesentliches Defizit bei her Sicherheit möglich, die Reproduzierbarkeit ist sehr gut.
diesem historischen Versuch einer Klassifikation des Studien zur Validierung der Klassifikation liegen nicht vor.
Krampfaderleidens ist das Bestreben, morphologische Kri- Diese Einteilung in 4 klinische Schweregrade ist für die
terien (Varizentypen) und funktionelle bzw. pathophysio- Bedürfnisse des klinischen Alltags als ausreichend anzu-
logische Kriterien in einer einzigen Klassifikation zu ver- sehen.
einigen. So wurde z. B. die medizinisch nicht bedeutsame
Varikose (disorder) von der medizinisch bedeutsamen Va- Literatur:
rikose (disease) unterschieden, wobei Letztere weiter un- Noppeney T, Kluess HG, Gerlach H, Braunbeck W, Ehresmann U, Fischer
R, Hermanns H-J, C. Langer C, Nüllen H, Salzmann G, Schimmel-
terteilt wurde in eine Gruppe mit relevanter Varikose oder
pfennig L (2004) Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Krampf-
mit einer krankhaften Varikose. Die Definitionen waren aderleidens der deutschen Gesellschaft für Phlebologie, der
und sind schwer zu handhaben und sind u. a. daher nur Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie, des Berufsverbandes
noch von historischem Interesse. Geblieben ist aus diesen der Phlebologen e.V. und der Arbeitsgemeinschaft der niederge-
Versuchen nur noch die durchaus problematische Defini- lassenen Gefäßchirurgen Deutschlands e.V. Gefäßchirurgie
9:290ff
tion der chronisch venösen Insuffizienz (CVI), die mit
Nüllen H, Noppeney T (1998) Primäre Varikose. In: Allenberg JR, Zehle
dem Namen von Widmer verbunden ist (7 Abschn. 15.8). A. Leitlinien zu Diagnostik und Therapie in der Gefäßchirurgie.
Alle diese aufgezählten Mängel der historischen Defi- Deutscher Ärzteverlag Köln
nitionsversuche im Rahmen der Baseler Studie vermeidet Nüllen H (2007) Varikose. In: Luther B. Kompaktwissen Gefäßchirurgie.
die u. g. Klassifizierung (. Tab. 25.2). Sie ist in der Aussage Springer Verlag Heidelberg
Widmer LK, Stähelin HB, Nissen C, da Silva A (1981) Venen-, Arterien-
klar beschränkt auf den klinisch definierten Schweregrad.
Krankheiten koronare Herzkrankheiten bei Berufstätigen. Huber
Trennkriterien sind dabei die Beschwerden, die Komplika- Verlag Bern Stuttgart Wien
tionen und das floride Ulkus. Die Klassifikation sagt nichts
aus über die Ätiologie der Varikose, d. h. zur Frage der pri-
mären oder sekundären Varikosis.
15.4 CEAP-Klassifikation
15.3.2 Definition
15.4.1 Historie

15 . Tab. 15.2. Klinische Klassifikation der primären Varikose Die Versuche eine klassifizierende Ordnung in die viel-
fältigen Erscheinungsformen der Erkrankungen des ve-
Grad Definition nösen Systems zu bringen, sind unbeschadet der langen
1 Krampfadern Geschichte der Behandlung venöser Erkrankungen, erst ab
Beschwerden: keine (wesentlichen), den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts zu verfolgen. Auf die
Komplikationen: keine Probleme der Baseler Arbeitsgruppe um Widmer, die Viel-
2 Krampfadern falt der Erscheinungen in eine verkürzte Aussage zu ver-
Beschwerden: Dysästhesien, Juckreiz, Schwere- dichten, sei erneut verwiesen (7 Abschn. 15.3.1), aber auch
gefühl, Spannungsgefühl, leichte Schwellneigung, erste Versuche aus den USA (Porter 1988) sind an diesem
Wadenkrämpfe, Schmerzen usw.
Komplikationen: keine Problem letztlich gescheitert. Wiederum andere fanden
nicht die notwendige publizistische Verbreitung bzw. sind
3 Krampfadern
Beschwerden: wie Grad 2, jedoch stärker ausgeprägt
an der Akzeptanz gescheitert (s. a. Bergan 1999). Die Unzu-
Komplikationen: trophische Hautstörungen (Indura- länglichkeiten des ersten Reports wurden schließlich 1994
tion, Pigmentierungen, Dermatitis, Ekzem, Atrophie; unter der Leitung des American Venous Forum (Hawaii
ggf. Ulkusnarben); ggf. Varikophlebitis. classification) dahingehend korrigiert, dass die getroffenen
4 Krampfadern Definitionen auch in einer verwertbaren Codierung umge-
Beschwerden: wie Grad 3 setzt wurden (Porter 1995, Bergan 2001). Klar erkennbares
Komplikationen: wie Grad 3, jedoch stärker aus-
Ziel des mit der definitorischen Arbeit betrauten Komitees
geprägt; florides Ulcus cruris
war es, ein umfassendes Klassifikationssystem zu schaffen,
15.4 · CEAP-Klassifikation
133 15
welches den gesamten Bereich der venösen Erkrankungen 4 Einführung des Deskriptors n = no venous abnorma-
umfasst. So ist das von den Autoren 1995 publizierte System lity für die Klassen E-, A- und P
der CEAP-Klassifikation anwendbar bzw. »gültig« für 4 Empfehlung die CEAP-Klassifikation jeweils bei
4 Varikose neuer Festlegung mit dem Erstellungsdatum zu hin-
4 Chronisch venöse Insuffizienz (der unteren Extremi- terlegen
täten) 4 Empfehlung einen »Level of investigation« bei jeder
4 Sie ist auch anwendbar auf thromboembolische Ve- neuen Klassifikation anzugeben
nenerkrankungen 4 Entwicklung einer vereinfachten Dokumentation mit-
tels der Basis-CEAP-Klassifikation.
Die Klassifikation wurde allein bis Februar 1997 weltweit
in mehr als 20 prominenten Journalen durch die Gruppe
der Initiatoren publiziert (Bergan 1999). Die CEAP-Klas- 15.4.2 Definition
sifikation hat sich, sicherlich nicht zuletzt deshalb, seither
weltweit als anerkannter Standard für die wissenschaftliche Die Extremitäten mit einer chronischen Venenerkrankung
Klassifikation bei Erkrankungen des venösen Systems sollen klassifiziert werden unter Berücksichtigung von 4
durchgesetzt. Kategorien:
Bei dem weltweiten Erfolg der CEAP-Klassifikation 1. Klinische Zeichen (C)
wird häufig vergessen, dass es sich um die Niederschrift 2. Ätiologische Klassifikation (E)
von Expertenmeinungen handelt. Die Klassifikation wur- 3. Anatomische Verteilung (A)
de vor der Publikation keinem Praxistest unterzogen 4. Pathophysiologische Bedingungen (P)
(Bergan 1999)
In 2004 wurde eine weitere Revision der CEAP-Klassi- Weitere Details und Schweregrade werden als tiefgestellte
fikation publiziert. Die Revision bezieht sich auf Indizes an die jeweiligen Kategorie-Bezeichnungen ange-
4 die Einführung eindeutiger Begriffsdefinitionen hängt. Die weiteren Details erschließen sich aus der nach-
4 Verfeinerung der C-Klassen folgenden Tabelle.

. Tab. 15.3. CEAP-Klassifikation

C Klinische Zeichen Clinical signs Asymptomatisch, Symptomatisch, Grad 0-6

E Ätiologische Klassifikation Etiologic Congenital, Primär, Sekundär

A Anatomische Verteilung Anatomic Superficial, Deep, Perforans

P Pathophysiologie Pathophysiologic Reflux, Obstruktion

C Clinic signs:
Beine mit chronischer Venenerkrankung werden klassifiziert in klinischen Klassen 0-6 in Abhängigkeit von objektiven
klinischen Zeichen. Darüber hinaus wird nach asymptomatisch und symptomatisch unterschieden.

C0 Keine sichtbaren oder palpablen Zeichen einer Venenerkrankung

C1 Besenreiser, Retikuläre Varizen, Corona phlebektatika

C2 Varizen ohne Ödeme

C3 Varikose mit Ödemen ohne Hautveränderungen

C4a Varikose mit Hautveränderungen (Pigmentationen, Stauungsekzeme)

C4b Varikose mit Hautveränderungen (Dermatoliposklerose, Hypodermitis)

C5 Hautveränderungen und Ulkus-Narben

C6 Florides Ulcus cruris

S Symptomatisch (inkl. Schmerzen, Engegefühl, Hautirritationen, Schweregefühl und Muskelkrämpfe sowie anderen
Beschwerden, die auf eine venöse Störung zurückzuführen sind.
6
134 Kapitel 15 · Klassifikationen, Stadieneinteilungen, Graduierungen und Scores

. Tab. 15.3 (Fortsetzung)

C Klinische Zeichen Clinical signs Asymptomatisch, Symptomatisch, Grad 0-6

E Ätiologische Klassifikation Etiologic Congenital, Primär, Sekundär

A Anatomische Verteilung Anatomic Superficial, Deep, Perforans

P Pathophysiologie Pathophysiologic Reflux, Obstruktion

A Asymptomatisch

E Venenerkrankungen können kongenital, primär oder sekundär bedingt sein.

Ec Congenital = kongenital

Ep Primär

Es Sekundär (postthrombotisch)

En No venous cause identified, d. h. keine venöse Ursache feststellbar.

A Die Anatomische Klassifikation

As Superficial = oberflächliche Venen

Ap Perforans Venen

Ad Deep = tiefe Venen

An No venous location identified, keine venöse Lokalisation

P Pathophysiologische Klassifikation
Ursache der Beschwerden sind:

Pr Reflux

Po Obstruktion

Pro Reflux und Obstruktion

Pn No venous pathophysiology identiable, keine venöse Pathophysiologie feststellbar

15 Die vereinfachte Form der CEAP-Klassifikation (basic- den sind. Daraus ergibt sich dann notwendigerweise im-
CEAP) verzichtet auf die ausführliche Zuordnung der pa- mer ein Überwiegen des Klientels, das ausgesucht wurde.
thologischen Veränderungen (. Tab. 15.4). So fand sich bei ersten Testanwendungen der Klassifika-
tion ein deutliches Überwiegen der klinischen und ana-
tomischen Klassifikationspunkte, die ohne technische Un-
15.4.3 Bewertung tersuchungen erkennbar waren. Die Klassifikation zeigte
also, was man sehen konnte. Dies ist eine zwangsläufige
Die CEAP-Klassifikation wurde entwickelt und publiziert Folge der Anwendung einer Klassifikation unter rein kli-
unter dem Gesichtspunkt, ein Maß für die Vergleichbarkeit nischen Kriterien, die nicht rein klinisch definiert ist.
von Fällen in wissenschaftlichen Untersuchungen im Hin- Die amerikanische Society for Vascular Surgery för-
blick auf die Zusammensetzung und auch auf die Ergeb- derte ein Studie zu SEPS. Bei der Registration wurde die
nisse von ggf. vorgenommenen Interventionen zu haben. CEAP-Klassifikation als zu schwierig und umständlich in
Sie ist aber keine rein klinische Klassifikation und ver- der Anwendung empfunden und man beschränkte sich auf
langt daher bei der vollständigen Anwendung der Doku- die Anwendung von C4 bis C6 (Iafrati 1994).
mentation Informationen, die nur durch sehr detaillierte Zusammenfassend ist festzustellen, dass an einer kon-
Untersuchungen technischer Art zu erlangen sind. Bergan sequenten Anwendung der CEAP-Klassifikation in wissen-
weist mit Recht darauf hin, dass diese selbst bei korrekt schaftlichen Untersuchungen wohl kein Weg vorbeiführt.
dokumentierten, wissenschaftlichen Untersuchungen, je Die Frage, ob die Anwendung unter klinischen Alltagsbe-
nach Design der Studie, nicht immer vollständig vorhan- dingungen, fernab wissenschaftlicher Ambition notwen-
15.5 · Venous Clinical Severity Score (VCSS)
135 15
Eklöf B, Rutherford RB, Bergan JJ, Carpentier PH, Gloviczki P, Kistner RL,
. Tab. 15.4. Klassifikation der Lokalisation für die fortge- Meissner MH, Moneta GL, Myers K, Padberg FT, Perrin M, Ruckley
schrittene CEAP-Klassifikation CV, Smith PC, Wakefield TW (2005) Revision der CEAP-Klassifika-
tion für chronische Venenleiden. Consensus Statement. Phlebo-
Oberflächliche Venen logie 34:220–225
Iafrati MD, Belkin M, O’Donnell T (1994) Correlation of venous nonin-
1 Teleangiektasien/Besenreiser/Retikuläre Venen
vasive tests with the SVS/ISCVS clinical classifikation of cronic
2 VSM – OS venous insufficiency. J Vasc Surg 19:1001–1007
Porter JM, Moneta GL (1995) and an International Consensus Commit-
3 VSM – US tee on Chronic Venous Disease. Reporting standards in venous
disease: An update. J Vasc Surg 21:635–45
4 VSP
Porter JM, Rutherford RB, Claget GP, Cranley JJ, O’Donnel TF, Raju S,
5 Seitenäste Zierler RE, Browse N, Nicolaides A (1988) Reporting standards in
venous disease. J Vasc Surg 8:172–81
Tiefe Venen Rutherford RB, Padberg FT, Comerota AJ, Kistner RL, Meissner MH,
Moneta GL (2000) Venous severity scoring: An adjunct to venous
6 Vena cava inferior
outcome assessment. J Vasc Surg 31:1307–1312
7 Vena iliaca communis

8 Vena iliaca interna


15.5 Venous Clinical Severity Score
9 Vena iliaca externa (VCSS)
10 Beckenvenen: Gonadalvenen, Ligamentum latum-
Venen, andere 15.5.1 Historie
11 Vena femoralis communis
Qualitätssicherungsinstrumente zur differenzierten Be-
12 Vena femoralis profunda schreibung von Verläufen und Therapieergebnissen sind
13 Vena femoralis nicht nur für die Objektivierung und Vergleichbarkeit
wissenschaftlicher Darstellungen wünschenswert und not-
14 Vena poplitea
wendig, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der Recht-
15 Unterschenkelvenen: Vv. tibiales anteriores; -posteriores, fertigung von Kosten in der Gesundheitsversorgung zu-
Vv. peroneae
nehmend erforderlich.
16 Muskelvenen: Gastrocnemius, Soleusvenen, andere Sowohl klinische Klassifikationen und Stadienangaben
als auch gemischte Klassifikationen unter Einbezug tech-
Venae perforantes
nischer Untersuchungsergebnisse orientieren sich an ob-
17 Oberschenkel jektiv durch den Untersucher wahrnehmbaren Kriterien.
18 Unterschenkel Änderungen im Sinne von Verschlimmerung oder Verbes-
serung, die sich in den genannten objektiven Kriterien
nicht oder nicht differenziert wieder finden, können der
dig ist, muss verneint werden. Andere, einfachere, klinisch Darstellung und damit der Bewertung entgehen. Dies trifft
orientierte Klassifikationen können, wenn ausreichend va- sogar für relativ differenzierte Darstellungsformen wie
lidiert, durchaus sinnvoller sein, wenn die Grundvoraus- z. B. CEAP zu. Hinzu kommt, dass klinisch objektive
setzungen definitorischer Klarheit bei der Konzeption be- Stadieneinteilungen nichts über die Situation bzw. den
achtet wurden. Schweregrad der Erkrankung aus der Sicht des Patienten
aussagen. Dieser Umstand hat bereits in den Anfängen der
Literatur Entwicklung der CEAP-Klassifikation zu Versuchen ge-
Bergan JJ (1999) Classification of Venous Insuffiency. In: Goldman MP, führt, Ergebnis-Scores in die Gesamtsystematik einzu-
Weiss RA, Bergan JJ Varicose Veins and Telangiectasias. p 87–93 binden. Schon in der Erstpublikation von Porter et al. 1988
QMP St. Louis, Missouri
findet sich ein grobes Raster für die Ergebnisbeurteilung
Bergan JJ, Eklof B, Kistner RL, Moneta GL, Nicolaides AN (2001) Classi-
fication and grading of chronic venous disease in the lower limbs.:
nach operativen Eingriffen am tiefen Venensystem, die
a consensus statement. In: Gloviczki P and Yao JST Handbook of sich in dieser Form jedoch nicht durchgesetzt hat.
Venous Disorders 2nd Edition. Arnold London New York New Im Rahmen des American Venous Forum wurde in der
Delhi Folge eine Score für den klinischen Schweregrad ent-
Eklöf B, Rutherford RB, Bergan JJ, Carpentier PH, Gloviczki P, Kistner RL,
wickelt, der erstmals 1996 publiziert wurde. Dieser Score
Meissner MH, Moneta GL, Myers K, Padberg FT, Perrin M, Ruckley
CV, Smith PC, Wakefield TW (2004) Revision of the CEAP classifica-
schloss die Varikosis nicht in die Beurteilung ein. Im Jahre
tion for chronic venous disorders: Consensus statement. J Vasc 2000 wurde der Score schließlich erweitert und modifiziert
Surg 40: 1248–1252 zu der hier dargestellten Form. Der Score wird von den
136 Kapitel 15 · Klassifikationen, Stadieneinteilungen, Graduierungen und Scores

Protagonisten als Ergänzung zur CEAP-Klassifikation ver- 15.5.3 Bewertung


standen.
Die Systematik ist sehr umfangreich und berücksichtigt
weitgehend alle denkbare Symptomatiken und relevanten
15.5.2 Definition Befunde. Die Trennschärfe der einzelnen Kriterien lässt viel-
leicht zu wünschen übrig, was jedoch bei der hohen Zahl der
Zehn Merkmale werden anhand einer klinischen Defini- maximal erreichbaren Punkte wahrscheinlich keine allzu
tion bewertet und vier Schweregraden von 0 bis 3 zugeord- große Bedeutung hat, da sich dies bei kontinuierlicher Beur-
net. Die so ermittelten Punkte werden addiert und ergeben teilung »herausmitteln« dürfte. Man kann zwar aus den Pu-
eine mögliche Variation von 0 bis 30. Sinkt die Punktzahl blikationen rückschließen, dass einiges an Probeläufen mit
bei aufeinander folgenden Bewertungen ab, so kann eine der Klassifikation erfolgte, eine echte Validierung, insbeson-
klinische Verbesserung der Schwere der Erkrankung gefol- dere im Hinblick auf die Reproduzierbarkeit des Scores bei
gert werden. unterschiedlichen Untersuchern, liegt jedoch nicht vor.

. Tab. 15.5. Venous Clinical Severity Score (VCSS)

Merkmal keine = 0 mild = 1 moderat = 2 deutlich = 3

1 Schmerz keine gelegentlich, keine Ein- ständig, geringe Ein- täglich, deutliche Ein-
schränkungen, kein schränkungen, gelegent- schränkungen, regel-
Bedarf an Analgetika lich Analgetika mäßig Analgetika

2 Varizena keine wenige, vereinzelte mupltiple Varizen; ausgeprägte Varikosis


Seitenastvarizen Magna-Varikose begrenzt an OS und US oder VSM-
auf OS oder US und VSP-Varikose

3 Venöses Ödemb keine abendliche Knöchel- nachmittags Ödeme morgendliche Ödeme


ödeme oberhalb der Knöchel oberhalb der Knöchel;
Erfordernis der Schonung
oder Hochlagerung

4 Pigmentationenc keine oder fokal Diffus, aber disseminiert diffus in gamaschen- großflächige Verteilung
von geringer und alt (braun) artiger Verteilung (unteres (mehr als unteres Drittel)
Intensität Drittel) oder junge und junge Pigmenta-
Pigmentation rötlich tionen

5 Entzündung keine milde Hypodermitis, moderate Hypodermitis, deutliche Hypodermitis


begrenzt auf den Rand betrifft den größten Teil (unteres Drittel und da-
15 eines Ulkus des Umfanges (unteres rüber hinaus) oder deutli-
Drittel) ches Stauungsekzem

6 Induration keine focal; perimalleolar medial oder lateral, mindesten das untere
(< 5 cm) weniger als das untere Drittel des Beines oder
Drittel des Beines mehr

7 Zahl der Ulzera 0 1 2 >2

8 Dauer der keine < 3 Monate > 3 Monate, < 1 Jahr > 1 Jahr
Ulzeration

9 Ulkusgrößed keine < 2 cm Durchmesser 2–6 cm Durchmesser > 6 cm Durchmesser

10 Kompressions- keine oder keine gelegentliches Tragen überwiegendes Tragen volle Compliance
therapie Compliance von Kompressions- von Kompressions-
strümpfen strümpfen
a Varizen müssen einen Durchmesser von > 4 mm aufweisen
b Das Ödem soll charakteristisch sein für eine venöse Ursache (fest, nicht körnig oder schwammig) mit einem deutlichen Effekt auf
aufrechten Stand bzw. Hochlagerung und/oder klinisch erkennbare venöse Ätiologie (Varizen oder TVT in der Vorgeschichte); das
Ödem soll regelmäßig auftreten, gelegentliche oder ganz diskrete Ödeme gelten nicht als bemerkenswert im Sinne der Klassifikation
c Fokale Pigmentationen im Bereich von Varizen gelten nicht als Pigmentation i. S. der Klassifikation.
d Größte Ausdehnung/Durchmesser des größten Ulkus
15.6 · Venous Disability Score (VDS)
137 15
Die Anwendung scheint bei der Abgrenzung und Fest- auf die Tätigkeit bzw. Leistung zu beziehen, die der Er-
legung von 30 Kriterien auf den ersten Blick schwierig aber krankte vor Beginn seiner Erkrankung in der Lage war zu
lösbar. Zurzeit dürfte es sich beim VCSS um das einzige erbringen.
vernünftige Instrument zur Beurteilung des klinischen
Schwergrades bei venösen Erkrankungen handeln.
15.6.2 Definition
Literatur
Nicolaides AN (1996) members of executive committee. Classification
and grading of cronic venous disease in the lower limbs: a con- . Tab. 15.6. Venous Disability Score
sensus statement. In: Gloviczki P and Yao JST Handbook of Venous
Disorders 1nd Edition. London Chapmann and Hall 652–60 Score Venous Disability Score (VDS)
Porter JM, Moneta GL (1995), and an International Consensus Commit-
tee on Chronic Venous Disease. Reporting standards ins venous 0 Asymptomatisch
disease: An update. J Vasc Surg 21:635–45
1 Symptomatisch, aber ohne Kompressionsmaß-
Porter JM, Rutherford RB, Claget GP, Cranley JJ, O’Donnel TF, Raju S,
nahmen in der Lage, die üblichen körperlichen
Zierler RE, Browse N, Nicolaides A (1988) Reporting standards in
Aktivitäten zu bewältigen.
venous disease. J Vasc Surg 8:172–81
Rutherford RB, Padberg FT, Comerota AJ, Kistner RL, Meissner MH, 2 Symptomatisch, aber nur mit Kompressionsmaß-
Moneta GL (2000) Venous severity scoring: An adjunct to venous nahmen oder Hochlegen der Beine in der Lage, die
outcome assessment. J Vasc Surg 31:1307–1312 üblichen körperlichen Aktivitäten zu bewältigen.
Rutherford RB, Padberg FT, Comerota AJ, Kistner RL, Meissner MH,
Moneta GL (2001) Venous outcome assessment. In: Gloviczki P 3 Nicht in der Lage, die üblichen körperlichen Aktivi-
and Yao JST Handbook of Venous Disorders 2nd Edition. Arnold täten zu bewältigen, auch unter Zuhilfenahme von
London New York New Delhi Kompressionstherapie oder Hochlegen der Beine

Übliche körperlichen Aktivitäten = körperliche Aktivitäten, die


der Patient vor Beginn der Beeinträchtigung durch die venöse
Erkrankung in der Lage war zu leisten.
15.6 Venous Disability Score (VDS)

15.6.1 Historie
15.6.3 Bewertung
Der Venous Disability Score (VDS) entspringt dem Be-
dürfnis eine gestaffelte und standardisierte Beurteilung des Dieser Score ist nur bedingt auf deutsche Verhältnisse zu
Leistungsvermögens von Patienten mit Venenerkrankun- übertragen. Für die Beurteilung eines Therapieergebnisses
gen zu ermöglichen. kann der Score jedoch ein allerdings grobes Raster bieten.
Im deutschen Sprachraum ist eine derartige Klassifika- Man muss aber bedenken, dass Klassifikationen, die die
tion in der Vergangenheit nicht entwickelt worden, wobei Leistungsfähigkeit des Bewerteten beinhalten, zumindest
man unterstellen kann, dass sicherlich ein Zusammenhang in Deutschland, immer auch versicherungsrechtliche Im-
mit den in Deutschland geltenden komplexen sozialrecht- plikationen bedingen. Die hier genannte Klassifikation
lichen Bestimmungen besteht. Unbeschadet dessen ist es ist mit den differenzierten Bewertungen im deutschen Ver-
sicherlich wünschenswert, über ein standardisiertes Ins- sicherungsrecht (AU, BU, EU, Verweis auf Tätigkeiten des
trument für die Beurteilung der Entwicklung der Leis- allgemeinen Arbeitsmarktes, Unterschiede im Rentenrecht
tungsfähigkeit, sowohl im Spontanverlauf der Erkrankung, und im Versorgungsrecht etc.) nicht in Einklang zu
als auch im Zusammenhang mit Therapiemaßnahmen zu bringen.
verfügen.
Der VDS wurde ursprünglich zusammen mit der Literatur
CEAP-Klassifikation entwickelt und publiziert. In 2000 Fritze J, Mehrhoff F (Hrsg.) (2007) Die ärztliche Begutachtung. Stein-
kopf Darmstadt
schlugen Rutherford u. a. als Ergebnis der Arbeit des
Nicolaides AN (1996) members of the executive committee. Classifica-
ad hoc Committee on Venous Outcomes Assessment des tion and grading of chronic venous disease in the lower limbs:
American Venous Forum eine definitorische Modifika- a consenus statement. In: Glowiczki P, Yao JST, editors. Handbook
tion vor, die sich auf die Definition der Arbeit bzw. Tätig- of venous disorders. London: Chapman and Hall 652–60
keit der jeweils bewerteten Personen bezog. Wurde ur- Rutherford RB, Padberg FT, Comerota AJ, Kistner RL, Meissner MH,
Moneta GL (2000) Venous severity scoring: An adjunct to venous
sprünglich für Score 2 die Fähigkeit zur Ableistung eines
outcome assessment. J Vasc Surg 31:1307–1312
8-stündigen Arbeitstages unterstellt und in Score 3 die ge- Verband deutscher Rentenversicherungsträger (Hrsg.) (2003) Sozial-
nerelle Fähigkeit zur Arbeit (Tätigkeit) erfragt, so schlugen medizinische Begutachtung in der gesetzlichen Rentenversiche-
Rutherford et al. vor, diese Frage der Fähigkeit zur Arbeit rung. 6. Aufl. Springer Heidelberg
138 Kapitel 15 · Klassifikationen, Stadieneinteilungen, Graduierungen und Scores

15.7 Stammveneninsuffizienz 15.7.3 Bewertung


nach Hach
Die Gradeinteilung der Stammveneninsuffizienz nach Hach
15.7.1 Historie hat sich im klinischen Alltag bewährt und allgemein durch-
gesetzt. Sie ist einfach zu erfassen und gibt eine umfassende
Im derzeit präferierten pathophysiologischen Konzept Information über das Ausmaß der Refluxstrecken.
der refluxbedingten Rezirkulation und der konsekutiven Die Gradeinteilung der Stammveneninsuffizienz nach
ambulatorischen venösen Hypertonie spielt die Stammva- Hach ist zunächst ein morphologisch orientierte Klassifi-
rikose eine entscheidende Rolle. Der Länge der Reflux- kation, gibt jedoch korrelierend zur Länge der Refluxstre-
strecke wird dabei eine wesentliche Rolle für den Verlauf cke einen Anhaltspunkt für den Schweregrad der Erkran-
und den Schweregrad des Krankheitsbildes der Varikose kung. Darüber hinaus kann sie Einteilung nach Hach als
zugesprochen. Über die klinische, sonographische oder Grundlage für die Therapieplanung zur Ausschaltung der
phlebographische Definition des oberen und unteren In- Refluxstrecke dienen.
suffizienzpunktes der Stammvene gelang es Hach 1977
eine Gradeinteilung zu definieren. Literatur
Hach W, Girth E, Lechner W (1977) Einteilung der Stammvarikose der
Die Häufigkeit der Grade 1 bis 3 wird von Hach mit je
V. saphena magna in vier Stadien. Phleb u Proktol 6:116–123
einem Drittel der Patienten mit einer Stammveneninsuffi- Noppeney T, Kluess HG, Gerlach H, Braunbeck W, Ehresmann U, Fischer
zienz der VSM angegeben. Der Grad 4 wird als selten mit R, Hermanns H-J, Langer C, Nüllen H, Salzmann G, Schimmel-
einer Häufigkeit von 1% angegeben. pfennig L (2004) Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Krampf-
Der obere Insuffizienzpunkt ist die am weitesten pro- aderleidens der deutschen Gesellschaft für Phlebologie, der
Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie, des Berufsverbandes
ximal gelegene Stelle in der Stammvene an der eine insuf-
der Phlebologen e.V. und der Arbeitsgemeinschaft der nieder-
fiziente transfasziale Kommunikation nachgewiesen wer- gelassenen Gefäßchirurgen Deutschlands e.V. Gefäßchirurgie
den kann. 9:290ff
Liegt der obere Insuffizienzpunkt nicht in der Saphena-
Mündung (magna und parva) spricht man von einer in-
kompletten Stammveneninsuffizienz. 15.8 Chronisch venöse Insuffizienz (CVI)
Der untere Insuffizienzpunkt ist die fußwärtige Stelle
an welcher der Refluxstrom wiederum auf eine suffiziente 15.8.1 Historie
Klappe in der Stammvene trifft. In diesem Bereich mündet
eine mehr oder weniger ausgeprägte Seitenastvarize in die Der Begriff der Chronisch venösen Insuffizienz wird meist
Stammvene ein bzw. drainiert den Reflux. mit dem Namen von L.K. Widmer in Verbindung gebracht.
Der Begriff ist jedoch wesentlich älter und geht auf van der
15.7.2 Definition Molen (1962) zurück. Historisch korrekt muss man daran
erinnern, dass van der Molen diesen Begriff prägte, um
15 einen Terminus für diejenigen Fälle zu haben, bei welchen
. Tab. 15.7. Stammveneninsuffizienz nach Hach die Ursache des venösen Stauungssyndroms nicht so ohne
weiteres offensichtlich war.
Vena saphena magna

Grad 1 Insuffizienz der Mündungsklappen » … Schließlich kann es sich auch um eine allgemeine
Grad 2 Insuffizienz der Venenklappen mit retrogradem
venöse Insuffizienz der Beine ohne stärkere Varikose und
Blutstrom bis oberhalb des Knies ohne vorausgegangene Thrombose handeln;
eine solche Insuffizienz, die durch hereditär bedingte
Grad 3 Insuffizienz der Venenklappen mit retrogradem
Blutstrom bis unterhalb des Knies Bindegewebsschwäche hervorgerufen oder durch starke
berufliche Anforderungen in besonderem Maße provo-
Grad 4 Insuffizienz der Venenklappen mit retrogradem
Blutstrom bis zur Knöchelregion ziert wurde, nennen wir »chronisch venöse Insuffizienz«
(CVI) … .« (Hach, 2006).
Vena saphena parva

Grad 1 Insuffizienz der Mündungsklappen Ursprünglich wurde der Begriff der CVI geprägt für die
Grad 2 Insuffizienz der Venenklappen mit retrogradem
nicht ohne weiteres erklärbaren venösen Insuffizienzen,
Blutstrom bis zur Wadenmitte wobei es sich wahrscheinlich um die Leitveneninsuffizienz
gehandelt haben dürfte.
Grad 3 Insuffizienz der Venenklappen mit retrogradem
Blutstrom bis zur Knöchelregion Der Begriff der CVI ist also älter als die Graduierung,
die offensichtlich später von Widmer hinzugefügt wurde.
15.9 · Sklerose-Faszien-Score nach Hach
139 15
15.8.2 Definition 15.9 Sklerose-Faszien-Score nach Hach

CVI nach Widmer Die chronisch venöse Insuffizienz, 15.9.1 Historie


meist im Knöchelbereich und distalen Unterschenkel loka-
lisiert, umfasst Venen- und oder Hautveränderungen. Im Zusammenhang mit seinen Arbeiten über das von ihm
4 CVI Grad 1: Kölbchenvenen, »Corona phlebektatica« definierte chronisch venöse Stauungssyndrom und der
van der Molen. daraus sich entwickelnden Faszienchirurgie hat Hach 1994
4 CVI Grad 2: Hyper- oder Depigmentierung mit oder den Sklerose-Faszien-Score (SFS) entwickelt. Dieses Kons-
ohne »Corona phlebectatica«. trukt orientiert sich stark am historischen Vorbild der
4 CVI Grad 3: Florides oder abgeheiltes Ulkus. Chronisch Venösen Insuffizienz (CVI) nach Widmer und
unterscheidet 4 Stadien. Den einzelnen Stadien ordnet
Hach auch direkt eine Therapieoption zu, die sein Konzept
15.8.3 Bewertung der Faszienchirurgie widerspiegelt.

Die Problematik der Begriffskonstruktion zumindest in


der Ausweitung, wie sie Widmer vorgenommen hatte, wird 15.9.2 Definition
daran deutlich, dass Widmer selbst erkennen musste,
dass diese Graduierung für eine sichere Klassifizierung der
Klientele in der Baseler Studie unzureichend waren. Um . Tab. 15.8. Sklerose-Faszien-Score nach Hach

dem abzuhelfen, wurde die medizinisch nicht bedeutsame


Stadium Definition
Varikose (disorder) von der medizinisch bedeutsamen Va-
rikose (disease) unterschieden, wobei letztere weiter unter- 1 Schwellneigung, reversible, verschiebbare
teilt wurde in eine Gruppe mit relevanter Varikose oder mit Ödeme, ggf. Narben, Pigmentierungen und
Krampfadern, jedoch ohne Gewebesklerose
einer krankhaften Varikose. Die Definitionen waren und
sind schwer zu handhaben und sind u. a. deshalb nur noch 2 Verhärtungen der Haut und des Subkutange-
von historischem Interesse. webes (Dermatoliposklerose); Ulzera möglich,
die unter konservativer Therapie zur Abheilung
Fasst man zusammen, so kann man festhalten, dass kommen.
wegen der aufgeführten Unzulänglichkeiten der Begriff
3 Sklerotische Gewebeveränderungen der Haut,
der CVI allenfalls noch als globale Kennzeichnung indi-
des Subkutangewebes und umschriebener
vidueller Krankheitsverläufe Verwendung finden sollte, Areale der Faszie (Dermatolipofasciosklerosis
aber keinesfalls in Form der Widmer’schen Klassifikation regionalis); persistierende Ulzera, pathologische
für Graduierungsversuche in konkreten Diagnosen oder Kompartmentdrucke.
gar in wissenschaftlichen Arbeiten. 4 Chronisch venöses Kompartmentsyndrom;
sklerotische Gewebeveränderungen der Haut,
Literatur des Subkutangewebes und der Faszie zirkulär
Hach W (2006) VenenChirurgie. Schattauer Verlag Stuttgart New York am Unterschenkel mit ausgedehnten, manch-
279ff mal zirkulären Ulzerationen.
Molen, van der HR, Kuiper JP (1962) Anthologia phlebologica. Emme-
rich/Th: Varitex 13–4
Molen, van der HR (1970) Progrès cliniques et therapeutiques dans le
domaine de la Phlebologie. Stenvert, Apeldoorn 15.9.3 Bewertung
Klüken, N (1974), Der variköse Symptomenkomplex. In : Heberer, Rau,
Schoop (Hrsg.), Angiologie, Thieme Stuttgart
Der SFS nach Hach ist sehr speziell ausgerichtet auf die
Widmer LK, Stähelin HB, Nissen C, da Silva A (1981) Venen-, Arterien-
Krankheiten koronare Herzkrankheiten bei Berufstätigen. Huber
von Hach fokussierte Faszienchirurgie bei dem von ihm
Verlag Bern Stuttgart Wien inaugurierten chronisch venöse Stauungssyndrom. Dieser
Score ist daher für eine allgemein gültige Klassifizierung
im Rahmen der Phlebologie nicht geeignet. Die hier dar-
gelegte Sicht der Dinge ist zu speziell, um Allgemeingültig-
keit erlangen zu können. Die Intention liegt auch eher auf
der Standardisierung der Indikationsstellung zu bestimm-
ten Therapieformen. Die ganz wesentliche Forderung nach
Wiedergabe von Therapieergebnissen ist hier nicht um-
gesetzt. Die Klassifikation gibt lediglich einen Zustand vor
einer geplanten Therapie wieder.
140 Kapitel 15 · Klassifikationen, Stadieneinteilungen, Graduierungen und Scores

Literatur nisch venösen Stauungssyndrom, wie paratibiale Fazioto-


Hach W (1994) Eigene Angabe, persönliche Mitteilung
mie, Fasziektomie etc. Während Salzmann im Stadium 3
Hach W (2006) VenenChirurgie. Schattauer Verlag Stuttgart New York
Hach W, Hach-Wunderle V, Präve F (2000) Die Graduierung der chro-
keine Ulzerationen angibt, findet sich bei Hach die Angabe
nisch venösen Insuffizienz. Gefäßchirurgie 5:25–61 von persistierenden bzw. rezidivierenden Ulzera. Darüber
Hach W, Schwahn-Schreiber C, Kirschner P, Nestle HW (1997) Die kru- hinaus muss angemerkt werden, dass Hach in seiner De-
rale Fasziektomie zur Behandlung des inkurablen Gamaschenul- finition den intrafaszialen Kompartmentdruck mit be-
cus. Gefäßchirurgie 2:101,107
rücksichtigt und auch die Beteiligung der Faszie selbst am
Salzmann G (1998) Posthrombotisches Syndrom einschließlich Ulcus
cruris. In: Allenberg JR, Zehle A. Leitlinien zu Diagnostik und The-
pathologischen Prozess einbezogen hat. Diese technischen
rapie in der Gefäßchirurgie. Deutscher Ärzteverlag Köln bzw. histomorphologischen Parameter können mit kli-
nischen Mitteln zwar vermutet, aber nicht zweifelsfrei diag-
nostiziert werden.

15.10 Postthrombotisches Syndrom


(PTS) . Tab. 15.9. Klinische Klassifikation des PTS nach Salzmann
in Anlehnung an Hach

15.10.1 Historie Stadium Definition

Eine allgemein anerkannte spezielle klinische Klassifika- 1 Schwellneigung ohne Gewebesklerose.


tion des postthrombotischen Syndroms ist nicht bekannt. 2 Verhärtungen der Haut und des Subkutan-
Die Kriterien des PTS werden von der CEAP-Klassifika- gewebes (Dermatoliposklerose).
tion abgedeckt, verbunden mit den Nachteilen, die eine
3 Sklerotische Gewebeveränderungen der Haut,
derartig globale Klassifikation aufweist. des Subkutangewebes und umschriebener
Für das Postthrombotische Syndrom (PTS) wurde in Areale der Faszie (Dermatolipofasciosklerosis
den Leitlinien der DGG von 1998 von Salzmann vorge- regionalis).
schlagen, die Klassifikation zu übernehmen, die Hach 1994 4 Sklerotische Gewebeveränderungen der Haut,
für das von ihm definierte »chronisch venöse Stauungs- des Subkutangewebes und der Faszie zirkulär
syndrom« angegeben hatte und eigentlich von Hach als am Unterschenkel mit ausgedehnten, manch-
Sklerose-Faszien-Score (SFS) bezeichnet wurde. Hierzu ist mal zirkulären Ulzerationen.
kritisch anzumerken, dass die ursprünglich von Hach vor-
geschlagene Definition nicht primär für das PTS entwickelt
wurde und daher auch nicht alle Facetten des PTS ab- Wir möchten unter Bezug auf die vorgenannten Autoren
decken kann. Vielmehr erkennt man in Bezug auf das Kri- die Weiterentwicklung einer klinischen Klassifikation des
terium venöse Insuffizienz als auch in den Definitionen PTS vorschlagen, das die genannten Widersprüche auf-
der einzelnen Stadien eher eine Weiterentwicklung der De- hebt, mit klinischen Mitteln anzuwenden ist und alle Sta-
15 finition der CVI nach Widmer mit einer Fokussierung auf dien des PTS berücksichtigt. Bei der Definition wurde
die Gewebeveränderungen. Dies war sicher auch das an- Wert gelegt auf die Notwendigkeit zwischen allen Stadien
gestrebte Ziel von Hach im Hinblick auf die von ihm ange- eindeutige und klinisch verifizierbare Trennkriterien fest-
gebenen invasiven Behandlungsmaßnahmen beim chro- zulegen.
15.11 · Stammvenenvarikophlebitis
141 15
15.10.2 Definition Rutherford RB, Padberg FT, Comerota AJ, Kistner RL, Meissner MH,
Moneta GL (2000) Venous severity scoring: An adjunct to venous
outcome assessment. J Vasc Surg 31:1307–1312
Salzmann G (1998) Posthrombotisches Syndrom einschließlich Ulcus
. Tab. 15.10. Klinische Klassifikation des PTS.
cruris. In: Allenberg JR, Zehle A. Leitlinien zu Diagnostik und The-
Voraussetzung für die Anwendung dieser Klassifikation ist
rapie in der Gefäßchirurgie. Deutscher Ärzteverlag Köln
der sichere anamnestische Nachweis mindestens einer durch-
gemachten tiefen Beinvenenthrombose (TVT), die mehr als
6 Monate zurückliegt
15.11 Stammvenenvarikophlebitis
Grad Definition

1a Keine Beschwerden; keine Schwellneigung; 15.11.1 Historie


keine trophischen Störungen.
Häufigkeit, klinische Bedeutung und Komplikationsmög-
1b Leichte bis mäßige Orthostasebeschwerden
(Schweregefühl, Spannungsgefühl); Schwell-
lichkeiten der Varikophlebitis wurden bis vor wenigen Jah-
neigung; keine trophischen Störungen. ren wesentlich unterschätzt. Noch in den 70er und 80er
Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde die Variko-
2 Deutliche Orthostasebeschwerden (Schmerzen,
phlebitis als unangenehme, lästige aber harmlose Komp-
Schweregefühl, Spannungsgefühl); erhebliche
Schwellneigung; trophische Störungen, ggf. mit likation einer Varikose betrachtet. Erst die Arbeiten von
begrenzten hypodermitischen Veränderungen und Bergqvist machten insbesondere auf den hohen Anteil an
Indurationen der Haut (lokalisierte Dermatolipo- begleitenden tiefen Beinvenenthrombosen und Lungen-
sklerose) embolien bei dieser als Begleitphänomen eingestuften
3 Erhebliche Orthostasebeschwerden (Schmerzen, Komplikation der primären Varikose aufmerksam. Inzwi-
Schweregefühl, Spannungsgefühl); erhebliche schen liegt eine Vielzahl von Arbeiten vor, die diese Ergeb-
Schwellneigung; ausgedehnte trophische Störun- nisse bestätigen. In der Folge dieser Erkenntnisse hat sich
gen mit größeren, konfluierenden hypodermiti- das Konzept für die Therapie der Varikophlebitis grund-
schen Veränderungen und Indurationen der Haut;
Verdacht auf Beteiligung der Faszie (Dermatolipo-
legend gewandelt und ist wesentlich invasiver geworden,
fasciosklerosis regionalis) wobei der Fokus auf der Vermeidung bzw. Begrenzung der
TVT und ggf. embolischer Komplikationen aus den betei-
4a Erhebliche Orthostasebeschwerden (Schmerzen,
ligten oberflächlichen Venen liegt.
Schweregefühl, Spannungsgefühl); erhebliche
Schwellneigung; ausgedehnte, zirkuläre trophische
Störungen mit ausgedehnten, zirkulären hypodermi-
tischen Veränderungen und Indurationen der Haut; 15.11.2 Definition
Verdacht auf Beteiligung der Faszie, (Dermatolipofas-
ziosklerose), ggf. Ulkusnarben; kein florides Ulkus.
Steckmeier versuchte 1998 die Varikophlebitis zu klassi-
4b Erhebliche Orthostasebeschwerden (Schmerzen, fizieren. Er unterschied hierbei 4 Typen und ordnete
Schweregefühl, Spannungsgefühl); erhebliche diesen Typen jeweils standardisierte Therapie-Optionen
Schwellneigung; ausgedehnte, zirkuläre trophische zu. Nüllen et al. (2008) unternahmen, aufbauend auf
Störungen mit ausgedehnten, zirkulären hypoder-
mitischen Veränderungen und Indurationen der
dieser Klassifikation, einen neuen Versuch der Klassifika-
Haut; Verdacht auf Beteiligung der Faszie, (Derma- tion ohne Einbeziehung von Therapieoptionen, jedoch
tolipofasziosklerose): florides Ulkus jeder Größe unter Anwendung einer klareren anatomischen Zuord-
nung.
Einordnungskriterium ist der höchste Grad der vorlie-
15.10.3 Bewertung genden Pathologie. Bei einer mündungsnahen Stamm-
venenvarikophlebitis (Typ 4) z. B. der VSM bleibt die ggf.
Es handelt sich um eine einfache, ausschließlich auf kli- begleitende Seitenastvarikophlebitis in der Codierung un-
nischen Kriterien beruhende Klassifikation, die unter den berücksichtigt.
Bedingungen der alltäglichen klinischen Arbeit als ausrei-
chend zu betrachten ist.

Literatur
Hach W (2006) VenenChirurgie. Schattauer Verlag Stuttgart New York
2006;
Porter JM, Moneta GL (1995) and an International Consensus Commit-
tee on Chronic Venous Disease. Reporting standards in venous
disease: An update. J Vasc Surg 21:635–45
142 Kapitel 15 · Klassifikationen, Stadieneinteilungen, Graduierungen und Scores

Literatur
. Tab. 15.11. Klassifikation der Varikophlebitis Bergqvist D, Jaroszewski H (1986) Deep vein thrombosis in patients
with superficial thrombophlebitis of the leg. BMJ 292: 658
Typ Bezeichnung Noppeney T, Noppeney J, Winkler M, Kurth I (2005) Akute Throm-
bophlebitis – eine unterschätzte Gefahr! Gefäßchirurgie 10:
1 Seitenastvarikophlebitis 51–54
Zusatz- Noppeney T, Noppeney J, Winkler M, Kurth I (2006) Strategien zur
code Antikoagulation und Operation bei akuter Thrombophlebitis.
Zentralbl Chir 131:51–56
a Unterschenkel Nüllen H (1996) Ist die Krampfadererkrankung ein Risikofaktor für
das Auftreten einer tiefen Beinvenenthrombose und ergibt sich
b Oberschenkel daraus ggf. eine Indikation zur prophylaktischen Operation einer
Krampfadererkrankung? Gefäßchirurgie 2:116–117
c Unter- und Oberschenkel
Nüllen H, Noppeney T, Kamphausen U, Noppeney J, Nielen C, Winkler M,
d Perforansvene Falkenburg PM (2008) Klassifikation der Varikophlebitis. Gefäßchi-
rurgie 13:55–58
x Beteiligung des tiefen Venensystems Verrel F, Steckmeier B, Parzhuber A, Spengel FA, Rauh G, Reininger CB
(1999) Die aszendierende Varikophlebitis. Gefäßchirurgie 4:
2 Segmentale Stammvenenvarikophlebitis
13–19
Zusatz- Verrel F, Ruppert V, Spengel FA, Steckmeier B (2001) Stadiengerechtes
code Therapiekonzept bei aszendierender Varikophlebitis. Zentralbl
Chir 126:531–536
M VSM

P VSP

x Beteiligung des tiefen Venensystems 15.12 Rezidivvarikose


Recurrent Varices after Treatment
3 Aufsteigende Stammvenenvarikophlebitis
(REVAT)
Zusatz-
code 15.12.1 Historie
M VSM
Rezidiv, Pseudorezidiv oder Progression der Grunderkran-
P VSP
kung? Das Wiederauftreten von Varizen in einem vorbe-
x Beteiligung des tiefen Venensystems handelten Stromgebiet ist ein ewiges Thema in der Phlebo-
logie. Hach (1998) hat dazu gesagt, eine Rezidivvarikose
4 Mündungsnahe Stammvenenvarikophlebitis
Mündungsnah = VSM ≤ 5 cm; VSP ≤ 3 cm im eigentlichen Sinne des Wortes gebe es gar nicht, denn
die Varizen seien nach einer Operation nicht mehr vorhan-
Zusatz-
den. Jedoch sind wiederauftretende Varizen nach Therapie
code
15 ein alltägliches Phänomen in der gefäßmedizinischen
M VSM Sprechstunde.
P VSP
Der Wunsch, durch klare Definitionen und Klassifika-
tionen Ordnung in die Vielzahl von Erscheinungsformen
x Beteiligung des tiefen Venensystems der »Rezidivvarikose« zu bringen, ist naheliegend und
wird mit der Diskussion um Für und Wider der Neovasku-
larisation im Interesse einer Katharsis der wissenschaft-
15.11.3 Bewertung lichen Diskussion geradezu zwingend.
Die vorliegenden Klassifikationssysteme für die »Rezi-
Die Klassifikation wird von den Autoren als Weiterent- divvarikose« nähern sich dem Problem von unterschied-
wicklung und Stratifizierung des Vorgängerentwurfes ge- lichen Seiten und kommen zu unterschiedlichen, mehr
sehen. Eine Validierung liegt bislang nicht vor. oder weniger komplexen Systematiken. Für wissenschaft-
Die Problematik der Klassifikation liegt u. a. darin, liche Fragestellungen sind solche Klassifikationen zweifel-
dass bei Vorliegen einer Beteiligung des tiefen Venensys- los aussagekräftig, wegen ihrer Komplexität im Alltag aber
tems am thrombotischen Prozess die Diagnosebezeich- nur schwer anwendbar (Perrin 2000, Stonebridge 1995).
nung wegen der größeren Bedeutung der tiefen Beinve- Angeregt durch diese Vorarbeiten wurde von uns eine
nenthrombose und der damit unterschiedlichen Therapie Klassifikation entwickelt, die die verschiedenen Formen
geändert werden muss und die Varikophlebitis zur Neben- der Rezidivvarikose unterscheidet, mit der auch komplexe
diagnose zurückgestuft wird. Formen der Rezidivvarikose abgebildet werden können
15.12 · Rezidivvarikose Recurrent Varices after Treatment (REVAT)
143 15
und die einfach in ihrer Anwendung ist (Noppeney 2005, Die . Abb. 15.2 zeigt zwei Beispiele für die Anwendung
2009). der Klassifikation. In der Zusammenfassung kommt für je-
den Fall eine Formel zustande, mit der sich sehr einfach die
Art und Lokalisation der Rezidivvarikose beschreiben lässt.
15.12.2 Definition

Während wir in der ursprünglichen Publikation das Akro- 15.12.3 Zusammenfassung


nym REVAS (= Recurrent Varices after Surgery) verwendet
haben, sind wir jetzt dazu übergegangen das Akronym Da bislang keine genauen Zahlen vorliegen, die die ver-
REVAT (= Recurrent Varices after Treatment) zu verwen- schiedenen Arten der Rezidivvarikose und deren Häufig-
den. Dies war notwendig, um auch Rezidive nach anderen keit angeben, ist in Studien und Fallsammlungen eine De-
Therapieverfahren, z. B. nach Sklerotherapie oder endove- finition und Beschreibung der Art der Rezidivvarikose für
nösen Verfahren, abzubilden. REVAT beschreibt die unter- die Zukunft notwendig. Der Begriff Rezidivvarikose sollte
schiedlichen Ursachen der Rezidivarikose. Hierzu zählen in Publikationen nicht mehr undifferenziert verwendet
das Fortschreiten der Grunderkrankung, die Neovaskulari- werden. Zur eindeutigen Erfassung der Arten der Rezidive
sation und das Rezidiv infolge eines taktischen oder tech- ist eine einfache Klassifikation nötig, wie sie von den Auto-
nischen Fehlers beim Ersteingriff, bzw. das Versagen eines ren vorgeschlagen wird.
obliterierenden Verfahrens (. Abb. 15.1). Die Rekanalisati-
on nach Sklerotherapie oder endovenösen Verfahren ist als Literatur
Rezidiv zu werten, da ursprünglich die Intention bestand, Hach W (1998) Das theoretische Verständnis der Rezidivvarikose nach
Operation. Gefäßchirurgie 3:42–46
das behandelte Venensegement auszuschalten, bzw. den
Noppeney T, Nüllen H (2005) Die Rezidivvarikose – Was ist das? Gefäß-
Rezikulationskreislauf komplett zu unterbrechen. Eine Re- chirurgie 10:424–427
kanalisation ist auch dann als Rezidiv zu werten, wenn der Noppeney T, Nüllen H (2009) REVAT-Definition und Klassifikation der
rekanalisierte Venenabschnitt hämodynamisch nicht be- Rezidivvarikose. Phlebologie 38: 271–274
deutsam ist. Perrin M, Guex JJ, Ruckley CV, des Palma R, Royle J, Eklof B, Nicolini P,
Jantet G (2000) Recurrent Varices after Surgery (REVAS), a Consen-
Die von uns geschaffene Klassifikation setzt die Art des
sus Document. Surg 8:233–245
vorliegenden Rezidivs zur operierten bzw. behandelten Stonebridge PA, Chalmers N, Beggs I, Bradbury AW, Ruckley CV (1995)
Strombahn in Bezug. Daraus lässt sich eine Formel gene- Recurrent varikose veins: A varicographic analysis leading to an
rieren, die die Rezidivvarikose exakt beschreibt. new practical classification. Brit J Surg 82:60–62

. Abb. 15.1. Systematik der Rezidiv-Klassifikation nach REVAT


144 Kapitel 15 · Klassifikationen, Stadieneinteilungen, Graduierungen und Scores

15

. Abb. 15.2. Beispiele der REVAT-Klassifikation der Rezidivvarikose

15.13 Periphere Ödeme ebenso wenig einen Treffer wie die Durchsicht alter und
neuer Lehrbücher aus dem Bereich Gefäßchirurgie, An-
15.13.1 Historie giologie oder Phlebologie. Zwar finden sich Einteilungs-
versuche im Hinblick auf akute und chronische Prozesse,
Periphere Beinödeme sind im Zusammenhang mit unter- reversible und irreversible Ödeme sowie primäre bzw. se-
schiedlichen klinischen Stadien der Varikose häufig anzu- kundäre Ödeme. Eine Klassifikation, bzw. Beschreibung
treffen. Eine Klassifikation der Beinödeme nach Schwere- von Ödemen im Sinne einer Quantifizierung, wird jedoch
graden ist bislang nach unserer Kenntnis nicht beschrie- meist nur im Zusammenhang mit Umfangsmessungen
ben, so dass i.d.R. mehr oder weniger fantasiereiche, des- und volumetrischen Verfahren unternommen. Sieht man
kriptive Darstellungen der peripheren venösen Ödeme einmal davon ab, dass derartige Verfahren bei beidseitigem
üblich sind. Die Recherche in der Originalliteratur ergibt Prozess versagen, weil die Vergleichbarkeit mit dem patien-
15.13 · Periphere Ödeme
145 15
tentypischen Normalbefund fehlt, so sind sie an mehr oder
weniger aufwendige technische Maßnahmen gebunden. . Tab. 15.12. Ödemscore

Die einer klinischen Einteilung immanente Bewertung des Grad 0 Klinisch unauffälliger Befund
Prozesses kann hiermit nicht erreicht werden. bzw. normales, physiologisches zirkadianes Ödem.
Die Autoren haben den Versuch unternommen, basie-
Grad 1 Geringes Ödem
rend auf der täglichen klinischen Erfahrung, einen ein- prätibiale, geringe Dellenbildung im Fingerdruck-
fachen Ödemscore zu definieren. versuch; retromalleolare Kulissen und Fuß frei von
Ödem oder bei starker Druckausübung gerade
nachweisbar. Haut noch faltbar.
15.13.2 Definition Grad 2 Deutliches Ödem
deutliche Dellenbildung im Fingerdruckversuch;
Graduierung der klinischen Schweregrade von Bein- deutlich nachweisbares Kulissen-Ödem, Beteili-
ödemen – Ödemscore gung des Vorfußes, Haut nicht mehr oder nur
grob faltbar.
4 Die Klassifizierung bezieht sich ausschließlich auf die
Ödeme der unteren Extremitäten. Grad 3 Erhebliches Ödem
4 Generalisierende Ödeme, wie z. B. das Idiopathische erhebliche Dellenbildung im Fingerdruckversuch,
die Ödemeinlagerung hat den gesamten Unter-
Ödem und Ödeme der oberen Extremitäten bleiben
schenkel u.U. mit Beteiligung der Knieregion
unberücksichtigt, bzw. werden nur in Bezug auf die erfasst, die retromalleolare Kulisse ist verstrichen,
Ödemlokalisation »Untere Extremitäten« erfasst, bzw. der gesamte Vorfuß u.U. einschließlich Zehen ist
ggf. in einer Zusatzkodierung angegeben. beteiligt. Die Haut ist nicht mehr faltbar.
4 Fokale Ödeme sind nicht berücksichtigt. Grad 4 Gravierendes Ödem
4 Die Bezeichnung lautet: Schweregrad der Beinödeme tiefe Dellenbildung im Fingerdruckversuch, die
= Grad Ödemeinlagerung hat den gesamten Unterschen-
4 Die Graduierung ist rein deskriptiv und folgt aus- kel ggf. mit Beteiligung der Knieregion und des
schließlich klinischen Kriterien ohne Berücksichtigung Oberschenkel erfasst, die retromalleolare Kulisse
ist verstrichen, der gesamte Vorfuß, ggf. unter
der Ergebnisse technischer Untersuchungen. Ballonierung des Fußrückens, und die Zehen sind
4 Das mit den Ödemen ggf. einhergehende Beschwerde- an der Ödemeinlagerung beteiligt. Unter Umstän-
bild bleibt unberücksichtigt. den sind Glanzhaut und Hypodermitis nachweis-
4 Die Ätiologie des Ödems bleibt unberücksichtigt. bar, die Haut ist nicht mehr faltbar; die Beweglich-
4 Die Graduierung umfasst: keit im Oberschenkelgelenk ist eingeschränkt und
im passiven Elevationsversuch ist ein Abblassen
5 den Normalzustand der gestauchten Haut nachweisbar.
5 vier klinische Stadien.
4 Die Graduierung wird getrennt für das rechte und das
linke Bein festgelegt. Zusatzcodierung
4 Die Dokumentation des Ödem-Scores folgt der For- 4 a = akut
mat-Vorgabe 5 Ödeme, die kürzer als 4 Wochen bestehen, bzw.
Seitenangabe – klinischer Schweregrad – Zusatzcode 5 Aufgrund ihrer »Weichheit« im Finger-Druckver-
5 Seitenangabe such als akut klassifiziert werden können.
– L = linkes Bein 4 c = chronisch
– R = rechtes Bein 5 Ödeme, die länger als 4 Wochen bestehen, oder
– B = beidseits gleichwertig ausgeprägt 5 aufgrund der Festigkeit bzw. Derbheit im Finger-
5 Klinischer Schweregrad Druckversuch als chronisch klassifiziert werden
können.
4 k = komplettes (ganzes) Bein

15.13.3 Bewertung

In der Tat erweist sich bei näherer Betrachtung die Materie


als sperrig und der Versuch alle Möglichkeiten und Even-
tualitäten einzuschließen als schwierig. Kompromisse sind
daher erforderlich und die definitorische Beschränkung
auf Kardinalsymptome zwingend. Entscheidend für die
146 Kapitel 15 · Klassifikationen, Stadieneinteilungen, Graduierungen und Scores

Einordnung des Befundes soll das sein, was wichtig und Literatur
einfach zu erkennen ist. Dass hierbei der spezielle Fall ge- Szilagyi DE et al. (1972) Infektion in arterial reconstruction with syn-
thetic grafts. Ann Surg 176:321–333
legentlich Probleme bei der Zuordnung macht, soll akzep-
tiert sein und kann bei Vorliegen einer gewissen Häufung
ggf. durch Erweiterung der Zusatzcodierung vollständig
erfasst werden. Angesichts der Komplexität des klinischen 15.15 Zusammenfassung
Bildes und der Vielzahl an ätiologischen Kausalitäten bei
den Beinödemen, soll die Mehrzahl der Fälle abgebildet Bedenkt man, dass die aus der Literatur zusammengetra-
sein, und nicht der Ehrgeiz bestehen, alle Zustände, auch gene und hier dargelegte Auswahl an Stadieneinteilungen,
den seltensten Sonderfall, zu erfassen. Klassifikationen und Scores nicht vollständig ist, sehr spe-
Eine Validierung des Ödem-Scores steht aus. zielle Klassifikationen, wie z. B. CHIVA etc., hier nicht auf-
geführt wurden und schließlich unterschiedliche Verfah-
Literatur ren zur Bestimmung der Lebensqualität (LQ) noch hinzu-
Nüllen H, Noppeney T (2007) Ödeme. Gefäßchirurgie 12:134–138 kommen (7 Kap. 40), so lässt sich zusammenrechnen, dass
der beflissene Phlebologe leicht die Auswahl unter mehr
als 20 Stadieneinteilungen, Klassifikationen und Scores
15.14 Wundheilungsstörung treffen kann. Wofür soll er sich aber nun entscheiden?
nach Szilagyi Man kann hier sicherlich keine generellen Empfeh-
lungen aussprechen. Alle Methoden haben ihre Vorteile
15.14.1 Historie und ihre Schwächen. Unter den Bedingungen des klini-
schen Alltags sind sicherlich all diejenigen Klassifikationen
Die Einteilung von Szilagyi ist entstanden im Rahmen der zu bevorzugen, die einer rein klinisch orientierten Syste-
Beschäftigung mit Gefäßinfektionen nach arteriellen Re- matik folgen und einfach und ohne Hilfsmittel anwendbar
konstruktionen. sind. Solange keine Forderungen bzw. Vorschriften, z. B.
seitens Kostenträger, Abrechnungsstellen etc., bezüglich
der anzuwendenden Klassifikation bestehen, gilt freie Me-
15.14.2 Definition thodenwahl.
Lediglich für die Dokumentation mit wissenschaft-
Je nach Tiefenausdehnung der Infektion wird eine Gradu- lichem Ansatz ist, aufgrund der Dominanz der Publika-
ierung in vier Schweregrade vorgenommen. tionen aus den Reihen des American Venous Forum,
zwangsläufig die Entscheidung für die Klassifikationen mit
und rund um die CEAP-Klassifikation gefallen.
. Tab. 15.13. Stadien der Wundinfektion nach Szilagyi Die Forderung nach einer standardisierten und nach-
vollziehbaren Diagnose- und Indikationsstellung setzt die
Wundheilungs- Betroffene Strukturen
15 störung Anwendung von Klassifikationen zwingend voraus.

Grad 1 Haut und Hautanhangsgebilde

Grad 2 Haut und Subcutis

Grad 3 Haut, Subcutis und subfaszialer Raum

Grad 4 Haut, Subcutis; subfaszialer Raum


einschl. der Gefäße und ggf. Gefäßersatz

15.14.3 Bewertung

Die Einteilung der Wundinfektionen nach Szilagyi ist gut


geeignet für die Klassifikation von Wundheilungsstörun-
gen im Rahmen der Gefäßmedizin.
16

16 Formen der Varikosis


16.1 Primäre Varikosis – 148
T. Hertel, H. Nüllen
16.1.1 Definition – 148
16.1.2 Typisierung, Nomenklatur – 148
16.1.3 Ätiologie – 148
16.1.4 Klinik – 149
16.1.5 Verlauf, Komplikationen – 149
16.1.6 Therapie – 149
16.1.7 Verlaufsbeobachtung, Nachsorge – 149

16.2 Kutane Varikose – 150


F. Pannier, E. Rabe
16.2.1 Einleitung – 150
16.2.2 Lokalisation und Ausprägung – 151
16.2.3 Häufigkeit – 152
16.2.4 Risikofaktoren – 152
16.2.5 Klinische Relevanz – 153
16.2.6 Differentialdiagnose – 153
16.2.7 Zusammenfassung – 153

16.3 Sekundäre Varikosis – 153


H. Nüllen, T. Noppeney
16.3.1 Diagnostik und Indikationsstellung – 154
16.3.2 Therapie – 154

16.4 Schwangerschaftsvarikosis – 155


U. Kamphausen
16.4.1 Definition – 155
16.4.2 Epidemiologie – 155
16.4.3 Ätiologie – 156
16.4.4 Beschwerdebild – 156
16.4.5 Diagnostik – 157
16.4.6 Therapie – 157
16.4.7 Verlauf – 158

16.5 Varikose bei Angiodysplasien – 158


H. Nüllen, T. Noppeney
16.5.1 Terminologie – 158
16.5.2 Angiodysplasie – 159
16.5.3 Häufigkeit – 159
16.5.4 Systematik der Angiodysplasien – 159
16.5.5 Diagnostik der Angiodysplasien – 162
16.5.6 Formen der Angiodysplasien mit varikösen Veränderungen – 162
16.5.7 Therapie der Venektasien bei Angiodysplasien – 167
148 Kapitel 16 · Formen der Varikosis

16.1 Primäre Varikosis 16.1.2 Typisierung, Nomenklatur

T. Hertel, H. Nüllen Versuche, die klinische Bedeutung der Varikose zu definie-


ren, finden sich bereits bei Widmer et al. (1981), die den
Varizenträger als Gruppe mit einer medizinisch unbe-
16.1.1 Definition deutenden Varikose von der Gruppe von Patienten unter-
scheiden, die an einer medizinisch bedeutsamen Varikosis
Varikosis ist ein deskriptiver Krankheitsbegriff und be- leiden. Die Gruppe mit einer medizinisch bedeutsamen
zeichnet eine degenerative Erkrankung der Venen mit der Varikose wird weiter unterteilt in Subgruppen mit einer
Ausbildung von Varizen (Varix = lat. Knoten). Varizen be- relevanten bzw. einer krankhaften Varikose. May (1987)
zeichnen das morphologische Korrelat der Varikosis, die spricht von Varizenträgern und Varizenkranken. Solche
erkrankten Venen. Der deutsche Begriff Krampfadern gibt schwer nachzuvollziehende Einteilungen sind nur noch
wegen seiner sprachlichen Nähe zum (Muskel)-Krampf von historischem Interesse und durch standardisierte Klas-
auch heute immer noch bei Ärzten ebenso wie bei Patienten sifikationssysteme abgelöst (7 Kap. 15).
Anlass zu Verwechselungen bzw. Fehlinterpretationen. In Bezug auf die Anatomie und die Lokalisation kön-
Etymologisch verweist Krampfader hingegen auf Krampf- nen verschiedene Varizentypen unterschieden werden.
ader (althochdeutsch) = Krummader, womit auf die häufige 4 epifasziale Varizen
Schlängelung der erkrankten Venen verwiesen ist. 5 Stammvenenvarizen
Eine einheitlich anerkannte Definition der Varikose ist – Vena saphena magna (VSM)
nicht bekannt. Vielfältige Versuche einer mehr oder weni- – Vena saphena parva (VSP)
ger umfassenden Definition sind belegt. Eine kleine Aus- 5 Seitenastvarizen (SA)
wahl sei angefügt. Unter einer primären Varikose versteht 5 Perforansvarizen
man eine … 4 kutane Varizen
4 knotenförmige, einseitige Aussackungen der Venen- 5 Retikuläre Varizen
wand mit grobem Umbau (Hort 1974). 5 Besenreiservarizen
4 Ungleichmäßige Erweiterungen des Venenrohrs, ver-
bunden mit zirkumskripten, einseitigen, d. h. exzent-
rischen ampullären Aussackungen. Morphologisch 16.1.3 Ätiologie
liegt dieser Veränderung ein degenerativer Umbauvor-
gang der Venenwand zugrunde, wobei unter Verlust Ätiologisch wird die primäre Varikose allgemein als ange-
der Elastizität die Muskulatur weitgehend durch Bin- borener Defekt angesehen. Für einen genetisch definierten
degewebe ersetzt wird (van den Berg 1994). Defekt oder Disposition liegen allerdings keine wirklich
4 hereditäre, unheilbare, degenerativ-dilatative Vasopa- gesicherten Erkenntnisse vor. Das unterschiedliche Er-
thie des epifaszialen Venensystems der Beine (Nüllen scheinungsbild in Form und Manifestation (. Tab. 16.1),
2007). Lokalisation, Ausprägung, Progredienz und Krankheits-
4 sackförmig oder zylindrisch erweiterte oberflächliche wert sind derartig vielfältig, dass es schwerfällt, an einen
16 Venen, wobei die Venenerweiterung umschrieben oder uniformen, genetisch definierten Defekt zu glauben. Die
streckenförmig sein kann und zumeist mit einer familiäre Häufung von Varizenbildung weist zwar auf eine
Schlängelung und Knäuelbildung einhergeht (WHO, erbliche Disposition hin und die Manifestationshäufigkeit
1984 Prervosky) bei Erkrankung eines Elternteiles von 68% und von 75%
bei Erkrankung beider Elternteile (Hort 1974) lässt sogar
Formal ist die primäre (hereditäre, genuine, idiopathische) einen einfach dominanten Erbgang vermuten. Aber was
Varikose in Abgrenzung zur sekundären Varikose zu be- wird eigentlich vererbt?
greifen, die als erworbene Form der Varikose definiert ist. Die Versuche aufgrund von biomechanischen Daten
Die Zuordnung der Schwangerschaftsvarikose zu dieser eine Klärung der Ätiologie der Varikose zu erlangen, gehen
zweigeteilten Klassifikation primäre und sekundäre Vari- weit in die Vergangenheit zurück. Bereits Edwards (1940)
kose ist unklar. Eine Sonderstellung nehmen ein die Vari- konnten zeigen, dass die Ursachen für die Insuffizienz der
kose bei Angiodysplasie und die posttraumatische Vari- erkrankten Venen nicht in den Klappen sondern in der
kose, wobei das tatsächliche Vorkommen einer posttrau- Venenwand zu suchen seien. Thulesius (1977) fand an ge-
matischen Varikose unsicher ist bzw. als umstritten gelten sunden, isolierten Venensegmenten eine Stabilität der
muss. Klappenfunktion bis zu Refluxdrucken von 800 mm Hg.
Dabei besteht eine positive Korrelation zwischen dem
Elastizitätsmodul der Venenwand und dem Refluxdruck.
16.1 · Primäre Varikosis
149 16
16.1.5 Verlauf, Komplikationen
. Tab. 16.1. Manifestation der Varikosis

Disponierende Alter; positive Familienanamnese; Unbehandelt führt die Krampfadererkrankung aufgrund


Faktoren weibliches Geschlecht der ihr innewohnenden Tendenz zur Progression und der
Permanenz der gestörten Hämodynamik nach Jahren zu
Realisationsfaktoren Lebenszeit; stehende und/oder
sitzende Tätigkeit,
einem mehr oder weniger ausgedehnten Krankheitsbild
(? Schwangerschaftsvarikose) und endet in einem großen Teil der Fälle im »Krampfader-
leiden«. Die unbehandelte, hämodynamisch relevante
Nicht bedeutsame Übergewicht
Varikose führt in einem hohen Anteil zu Komplikationen
Faktoren
und im Langzeitverlauf, bedingt durch das mehr oder min-
in Anlehnung an van den Berg 1984, 1987. der große Rezirkulationsvolumen, zu einer sekundären
Leitveneninsuffizienz (Hach 2002).

Der Zustand der elastischen und kollagenen Elemente ent-


scheidet offensichtlich über Gesundheit oder Manifesta- 16.1.6 Therapie
tion der Erkrankung. Damit kann man sich auf die Defini-
tion einer primären Erkrankung der Venenwand einigen, Die Therapie der primären Varikose umfasst eine ganzes
ohne dass diese Erkenntnis eine weitere Klärung der Kau- Spektrum an Möglichkeiten, das sich in den letzten Jahren
salität erbracht hätte. durch das Aufkommen der endovenösen Techniken und
Von den Varizen werden die Phlebektasie oder tubu- die Wiederentdeckung der Schaumverödung sogar noch
läre Ektasie als konzentrische Dilatation des Venenrohres wesentlich erweitert hat. Die Frage, die Therapeut und Pa-
ohne Schlängelung unterschieden. Ob es sich bei Varikosis tient gleichermaßen bewegt, ist nicht die Frage nach der
und Phlebektasie um unterschiedliche Erscheinungs- Methodik, nach dem Zeitpunkt für die Therapie. Über die
formen ein und derselben nosologischen Entität handelt Behandlungsbedürftigkeit der unkomplizierten primären
oder ob hier grundsätzlich unterschiedliche Phänomene Varikose (Stadium C2; varicose disorder n. Widmer; Va-
vorliegen, ist ebenfalls unklar. rizenträger nach May) wird in der wissenschaftlichen
In seiner sog. »Hormonstudie konnte van den Berg Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Stehen ästhetische
(1984, 1987) nachweisen, dass der disponierende Faktor Aspekte im Vordergrund und liegen keine hämodyna-
»weibliches Geschlecht« als hormonale Disposition zu mischen Störungen vor, könnte man mit der Behandlung
werten ist und keine geschlechtsgebundene Disposition abwarten. Warten bedeutet in dieser Situation i.d.R. Warten
darstellt. So ist auch die sog. »Schwangerschaftsvarikose« auf Komplikationen oder Dauerschaden. Der Rat an den
in ihrer Zuordnung unklar. Die Schwangerschaft ist in Be- Patienten auf Komplikationen zu warten, kann nicht Er-
zug auf die Varikose wohl eher als Realisationsfaktor zu gebnis einer sachgerechten und objektiven Beratungs-
werten (7 Abschn. 16.4). leistung sein. Wann also ist der richtige Zeitpunkt für die
Indikationsstellung zur Therapie? Diese Frage kann nur im
Einzelfall entschieden werden. Eine Empfehlung, bei nach-
16.1.4 Klinik gewiesener hämodynamischer Störung, aber fehlender
Klinik, von einer Sanierung der Varikose abzusehen, oder
Selbst bei massiven Varizen mit entsprechenden hämo- diese sogar abzulehnen, kann nur zurückgewiesen werden.
dynamischen Auswirkungen zeigen sich beim Patienten Eine solche Taktik wird die Zahl der Patienten mit irrever-
oft erstaunlich geringe Beschwerden. Dies führt immer siblen Spätschäden auf Dauer vergrößern und weitreichen-
wieder für den Therapeuten zu der Frage, ob man in seiner de Folgen auch für die Krankheitskosten, Erwerbstätigkeit
Entscheidungsfindung der Forderung nach einer Sanie- etc. haben.
rung der hämodynamischen Störung oder der Klinik folgt.
Das gleiche Problem stellt sich beim betroffenen Patienten.
Der Therapeut neigt dazu hier den Zeitfaktor ins Spiel zu 16.1.7 Verlaufsbeobachtung, Nachsorge
bringen, d. h. das Auftreten entsprechender Beschwerden
sei lediglich eine Frage der Zeit. Einzelbeobachtungen Die primäre Varikose gilt als unheilbar. Die Verlaufsbeob-
belegen, dass auch im hohen Lebensalter massive Varizen achtung und Nachsorge nach evtl. durchgeführten Be-
ohne adäquates Beschwerdebild vorkommen. Der Grund handlungsmaßnahmen und ggf. einer planvollen Nach-
hierfür ist unklar, die Vermutung ist gerechtfertigt, dass die behandlung gelten daher als berechtigte Forderung. Feste
Suffizienz der Rezirkulationskreise hier die entscheidende Regeln hierfür gibt es jedoch nicht. Studien, die gewisse
Rolle spielt (van den Berg 1994). Verhaltensmuster hierzu empfehlen könnten, liegen nicht
150 Kapitel 16 · Formen der Varikosis

vor. Lediglich die epidemiologischen Studien belegen den Nüllen H (2007) Varikose. In: Luther B (Hrsg.) Kompaktwissen Gefäß-
chirurgie. Springer Verlag Heidelberg
Anstieg der Beschwerden und der Komplikationen über
Thulesius O, Gjöres KE, Eriksson L, Weywardt E, Berlin E (1977) Studies on
die Zeit. venous wall elasticity, valvular function und lysozomal enzymes in
Unter pragmatischen Gesichtspunkten, die auch die primary varikose veins. In: Symposium on Venous Insufficiency.
Realisierbarkeit von Nachsorgekonzepten unter Kapazi- Stand. Cardio-Angiol. Methods. New Trends in venous Diseases,
tätsgesichtspunkten und gesundheitsökonomischen Ge- Bd. IV, hrsg. Von A. Kappert, Huber bern
Widmer LK, Stähelin HB, Nissen C, da Silva A. (1981) Venen-, Arterien-
sichtspunkten berücksichtigen, sollte die Führung des Pa-
Krankheiten koronare Herzkrankheiten bei Berufstätigen. Huber
tienten umso enger sein, je schwerwiegender das Krank- Verlag Bern Stuttgart Wien
heitsbild sich darstellt und je geringer die Compliance ist. WHO (1984) Prervosky I, Diseases of the veins. Word Health Organiza-
Kontrolluntersuchungen sollen anempfohlen bzw. ge- tion, internal communication MHO/PA/109.64
fordert werden bei:
4 Patienten mit klinisch nicht relevanter Varikose
5 Statusänderung (Progression, Komplikation, neu 16.2 Kutane Varikose
aufgetretene Beschwerden).
4 Patienten unter konservativer Therapie F. Pannier, E. Rabe
5 Statusänderung (Progression, Komplikation, neu
aufgetretene Beschwerden).
5 Anlässlich der Erneuerung von Hilfsmitteln. 16.2.1 Einleitung
4 Patienten nach Sklerosierung, operativer Sanierung
oder endovaskulären Maßnahmen Man unterscheidet im Venensystem des Beines das sub-
5 Statusänderung (Progression, Komplikation, neu fasziale Venensystem, das intrafasziale System der Venae
aufgetretene Beschwerden). saphenae und suprafasziale Venensystem im subkutanen
5 3 Monaten und 1 Jahr nach der Therapie, danach Fettgewebe. Darüber hinaus werden die oberen Haut-
nur bei Bedarf. schichten durch intradermale Venen und Venen an der
4 Patienten mit trophischen Störungen Grenze zwischen Cutis und Subcutis drainiert. Bei patho-
5 Statusänderung (Progression, Komplikation, neu logischer Dilatation bezeichnen wir diese als Besenreiser-
aufgetretene Beschwerden). varizen und retikuläre Varizen.
5 In jährlichen Abständen. Im internationalen Schrifttum werden die Besenreiser
4 Patienten nach Ulcus cruris auch als Teleangieektasien bezeichnet. Diesen Begriff ver-
5 Statusänderung (Progression, Komplikation, neu wendete erstmals von Graf 1807 für Venen, die in der Haut
aufgetretene Beschwerden). mit bloßem Auge sichtbar sind, verwendet (Merlen 1970).
5 In 3- bis 6-monatigen Abständen. In einem Konsensusdokument der Union Internatio-
nale de Phlébologie aus dem Jahr 2003 werden Teleangie-
Bei den Kontrollen sollte neben der klinischen Untersu- ektasien (Besenreiser) als permanent dilatierte intra-
chung ein apparativer hämodynamischer Test, sowie eine dermale Venolen von bis zu 1 mm Durchmesser definiert
Duplexsonographie durchgeführt werden. (Allegra et al. 2003). Diese sind üblicherweise bei einem
16 Literatur
Abstand von ca. 2 m bei guten Lichtkonditionen mit
bloßem Auge sichtbar. Demgegenüber werden retikuläre
Berg van den E (1984) Prospektive und epidemiologische und expe- Venen als intradermale Venen mit permanenter Dilatation
rimentelle Untersuchungen zur Pathophysiologie der primären
und einem Durchmesser von 1–3 mm definiert. In der
Varikose (Hannover-Studie). Habilitationsschrift, Hannover.
Berg van den E (1987) Die primäre Varikosis und ihre prädisponie-
CEAP-Klassifikation werden sie unter der klinischen
renden Faktoren. Zehnjahres-Verlaufsstudie zur Pathophysio- Klassifikation C1 zusammengefasst (Eklof et al. 2004). Sie
logie der primären Varikose (Hannover-Studie). Fortschr Med sind üblicherweise geschlängelt in ihrem Verlauf. In der
105:517 Realität liegen retikuläre Venen meist im kutan-subkuta-
Berg van den E (1994) Primäre Varikose. In: Alexander K (Hrsg.) Gefäß-
nen Übergang oder in der oberen Subcutis (. Abb. 16.1).
krankheiten. Urban & Schwarzenberg München
Edwards JE, Edwards EA (1940) The saphenous valves in varicose veins.
Nicht unter diese Definition fallen normale sichtbare
Amer Heart J 19:338–351 Venen in relativ transparenten Hautarealen. Es wird an-
Hach W (2002) Die Entdeckung der sekundären Leitveneninsuffizienz. genommen, dass die Besenreiser in retikuläre Venen ab-
Phlebologie 32:18–22 fließen. Raymond-Martimbeau und Dupuis konnten 1995
Hort W (1974) Venen. In: Heberer G, Rau G, Schoop W (Hrsg.) Angio-
hingegen zeigen, dass dies nur in ca. 71% der untersuchten
logie. Thieme Stuttgart
May R (1987) Primäre Varikosis. In: Kirschnersche allgemeine und
Besenreiser der Fall war, während 13% in das oberfläch-
spezielle Operationslehre. Heberer G, van Dongen RJAM (Hrsg.) liche Venensystem und 9% direkt in das tiefe Venensystem
Gefäßchirurgie, Springer Heidelberg drainieren.
16.2 · Kutane Varikose
151 16

. Abb. 16.2. Besenreiser und retikuläre Varizen am lateralen


Oberschenkel

. Abb. 16.1. Schematische Darstellung der kutanen und sub-


kutanen Venenanatomie

16.2.2 Lokalisation und Ausprägung

Der Begriff »Besenreiser« kommt vom Birkenreisig, der


früher zur Herstellung von Besen, daher Besenreisig oder
Besenreiser, verwendet wurde und ein typisches Verzwei-
gungsmuster aufweist.
Besenreiser haben an den Beinen bevorzugte Lokalisa-
tionen und können unterschiedliche Formen annehmen.
Typische Lokalisationen sind der laterale Oberschenkel,
der Innenkniebereich sowie der laterale Unterschenkel.
Auch alle anderen Lokalisationen können betroffen sein.
Die Besenreiser im Bereich des lateralen Oberschen-
kels treten häufig büschel- oder fächerförmig auf und
haben einen Konfluenzpunkt, über den sie drainieren.
Diese Besenreiser sind oft entlang einer retikulären dila-
tierten Vene angeordnet, die auch als »Nährvene« bezeich-
net wird. Daneben können die Besenreiser auch einzeln . Abb. 16.3. Fächerförmige Besenreiser mit retikulären Varizen
und isoliert auftreten (. Abb. 16.2, 16.3). (Nährvene)
Eine besondere Form ist die Corona phlebectatica pa-
raplantaris. Sie kommt meist im medialen, gelegentlich
auch im lateralen Fußrandbereich vor und gilt als frühes darstellen (. Abb. 16.4). In beiden Fällen konnten insuffi-
Zeichen der chronischen venösen Insuffizienz. Sie tritt ziente Veneklappensegmente in den Besenreisern nach-
meist in Kombination mit einer Varikose oder einem post- gewiesen werden. Nach diesen Untersuchungen sind Be-
thrombotischen Syndrom auf (Uhl et al. 2006). senreiser pathologische Veränderungen des venösen Ge-
In der Literatur wird oft zwischen roten und blauen fäßsystems im subpapillären Gefäßplexus. In der gleichen
Teleangiektasien unterschieden, wobei die roten Teleangi- Untersuchung wurden nur bei stern- und fächerförmig
ektasien oft dem arteriellen Schenkel von Kapillaren zu- angeordneten Besenreiservarizen Nährvenen gefunden.
geordnet werden (Duffy 1998). Wienert et al. konnten an
Ausgusspräparaten von Besenreisern zeigen, dass sowohl
blaue Teleangiektasien mit einem mittleren Durchmesser
von 0,4 mm als auch rote Teleangieektasien mit einem
mittleren Durchmesser von 0,2 mm rein venöse Gefäße
152 Kapitel 16 · Formen der Varikosis

. Abb. 16.5. Corona phlebectatica und retikuläre Varizen an


einem Beispiel aus der Bonner Venenstudie I

b
In der Bonner Venenstudie I fand sich eine ausgeprägte
Corona phlebectatica bei Probanden mit ausgeprägter
chronischer venöser Insuffizienz (CVI) in den Stadien C4
und C5 in ca. 50% der Fälle (. Abb. 16.5). In den Stadien
C2 und C3 war dies nur bei 12–13% der Fall. Gering aus-
geprägte Teleangiektasien im Fußrandbereich fanden sich
bei ca. 50% aller Venenpatienten, unabhängig vom klini-
schen Stadium.

16.2.4 Risikofaktoren
c
16 In einer Multivarianzanalyse im Rahmen der Bonner
. Abb. 16.4. Ausgusspräparate von Besenreisern Venenstudie, adjustiert für Alter und Wohnort, wurde die
Assoziation von Risikofaktoren zur Häufigkeit von Tele-
angiektasien untersucht. Hauptrisikofaktor hierbei war
16.2.3 Häufigkeit das Alter. Oberhalb des 60. Lebensjahres war das Risiko
10–20-mal höher als bei der unter 30-jährigen Bevölke-
In der Bonner Venenstudie I traten Besenreiser als isolier- rung. Frauen sind mit einer Odds Ratio von 2,3 signifikant
ter Befund und unabhängig von der Ausprägung bei 59% häufiger betroffen. Abgelaufene Schwangerschaften oder
der untersuchten Durchschnittsbevölkerung zwischen die Einnahme von Hormonpräparaten zur Schwanger-
dem 18. und 79. Lebensjahr auf (Rabe et al. 2003). Von schaftsverhütung oder in der Hormonersatztherapie hatten
Besenreisern und retikulären Venen als Maximalausprä- in dieser Untersuchung keinen signifikanten Einfluss auf
gung der Venenveränderungen ohne zusätzliche Varikose das Auftreten von Besenreisern und retikulären Venen.
oder chronische venöse Insuffizienz waren 58,4% der Trotzdem wird in Einzelfällen immer wieder über eine
Männer und 59,3% der Frauen betroffen. Allerdings treten schubweise Zunahme von Teleangiektasien in der Schwan-
diese Venenveränderungen häufig auch in Kombination gerschaft oder unter Östrogeneinfluss berichtet. Diese Ver-
mit einer Stamm- oder Astvarikose auf. Die Gesamtpräva- änderungen waren in der Land- und Stadtbevölkerung
lenz liegt bei über 80%. gleich häufig vertreten. Beim Body Mass Index (BMI) über
16.3 · Sekundäre Varikosis
153 16
30 kg/m2 zeigten Frauen eine signifikant häufigere Assozi- kann die Atrophie der Haut ebenfalls zur Ausprägung von
ation mit Besenreisern als Normalgewichtige. kutanen Venektasien führen.
Zusammengefasst ist das zunehmende Alter der Haupt-
risikofaktor für das Auftreten von Besenreisern und reti-
kulären Varizen. Dies hängt möglicherweise mit dem Alte- 16.2.7 Zusammenfassung
rungsprozessen in der Haut und im Hautbindegewebe
zusammen. Kutane Venenerweiterungen im Sinne von Besenreisern
sind ein ausgesprochen häufiges Erscheinungsbild in der
Durchschnittsbevölkerung. Die Häufigkeit nimmt mit
16.2.5 Klinische Relevanz dem Alter zu. Sie haben nach heutigem Kenntnisstand vor-
wiegend kosmetische Relevanz. Im Rahmen der chroni-
Nach heutigem Kenntnisstand haben Besenreiser und re- schen venösen Insuffizienz können sie als Corona phlebec-
tikuläre Varizen in der Mehrzahl der Fälle nur kosmetische tatica paraplantaris im medialen oder lateralen Fußrand-
Relevanz. Allerdings berichten einzelne Patienten über bereich Indikator für die venöse Insuffizienz sein. Darüber
brennende Sensationen und Druckgefühl im Bereich hinaus können kutane Venenerweiterungen an den Bei-
dieser Venen. In der Bonner Venenstudie I klagten Pro- nen, aber auch an jeder anderen Körperregion im Rahmen
banden mit C1-Venen als maximale klinische Ausprägung zahlreicher anderer Krankheitsbilder auftreten.
häufiger über Schweregefühl und Schwellungsgefühl in
den Beinen. Die Frage ob sich aus einer Besenreiser- oder Literatur
retikulären Varikose im Verlaufe von Jahren eine subku- Allegra C, Antignani P-L, Bergan JJ, Carpentier PH, Coleridge-Smith P,
Cornu-Thénard A, Eklöf B, Partsch H, Rabe E, Uhl J-F, Widmer M-T
tane Varikose oder eine CVI entwickeln kann, kann zum
(2003) The »C« of CEAP: Suggested definitions and refinements:
heutigen Zeitpunkt nicht beantwortet werden. An International Union of Phlebology conference of experts. J
Die ausgeprägte Corona phlebectatica ist Ausdruck Vasc Surg 37: 129–131
einer fortgeschrittenen CVI. Wenn es zu Varizenblutungen Duffy DM (1998) Small vessel sclerotherapy: an overview. Adv Derma-
kommt, so treten diese in der Regel in prominenten kuta- tol 3: 221–242
Eklöf B, Rutherford RB, Bergan JJ, Carpentier PH, Gloviczki P, Kistner RL,
nen Venen im Knöchelbereich auf. Besonders gefährdet Meissner MH, Moneta GL, Myers K, Padberg FT, Perrin M, Ruckley
sind Patienten mit Herzinsuffizienz und Trikuspidalklappe- CV, Coleridge-Smith P, Wakefield TW (2004) Revision of the CEAP
insuffizienz. classification for chronic venous disorders: Consensus statement.
J Vasc Surg 40: 1248–1252
Merlen JF (1970) Red teleangiectasias, blue teleangiectasias. Soc Franc
Phlebol 22: 167
16.2.6 Differentialdiagnose Rabe E, Pannier-Fischer F, Bromen K, Schuldt K, Stang A, Poncar Ch,
Wittenhorst M, Bock E, Jöckel K-H (2003) Bonner Venenstudie der
Neben dem isolierten Auftreten von Besenreisern können Deutschen Gesellschaft für Phlebologie. Phlebologie 32: 1–14
erweiterte intradermale Venen auch bei einer Reihe von Raymond-Martimbeau P, Dupuis JL (1995) Teleangiectasias: incidence,
classification and relationship with the superficial and deep
anderen Krankheitsbildern auftreten. Ein typisches Bei- venous system: a double-blind study. In: Negus D (ed.) Phlebol-
spiel ist der Naevus flammeus, der entweder isoliert oder ogy ’95 1: 169
in Kombination mit venösen Malformationen wie dem Uhl J-F, Cornu-Thénard A, Carpentier PH, Widmer M-T, Partsch H, Anti-
Klippel-Trénaunay-Syndrom auftritt. Im Rahmen von gnani PL (2006) Clinical and hemodynamic significance of corona
phlebectatica in chronic venous disorders. J Vasc Surg 42: 1163–
venösen Malformationen kommt der Naevus flammeus
1168
meist einseitig im Zusammenhang mit weiteren Gefäßver- Wienert V, Simon HP, Böhler U (2006) Angioarchitecture of spider
änderungen vor. Daneben treten kutane Venenerweiterun- veins. Phlebologie 35: 24–29
gen auch bei der kongenitalen Poikilodermie (Rothmund-
Thomson-Syndrom), als essentielle progressive Teleangi-
ektasien und als Cutis marmorata teleangiectatica con- 16.3 Sekundäre Varikosis
genita auf, um nur einige Beispiele zu nennen.
Erworbene Krankheitsbilder wie Kollagenosen oder H. Nüllen, T. Noppeney
die Mastozytose gehen ebenfalls mit einer höheren Rate
von kutanen Venenerweiterungen einher. Kutane Varizen Unter einer sekundären Varikose versteht man nach weit-
können auch nach Trauma oder im Bereich von Narben verbreitetem Konsens die Varizen, die in der Folge einer
auftreten. In der Schwangerschaft kann es zum Aufschie- externen Ursache, i.d.R. einer hämodynamisch relevanten
ßen von naeviformen Teleangiektasien im Stammbereich tiefen Beinvenenthrombose (TVT) entstehen. Die Vorstel-
kommen und bei längerfristiger topischer Kortikosteroid- lungen zur Pathogenese der sekundären Varikose gehen
therapie oder bei der Acrodermatitis chronica atrophicans davon aus,
154 Kapitel 16 · Formen der Varikosis

4 dass es in der Folge der TVT zu wesentlichen Strö- eine Bedeutung haben. Ist dies der Fall, dürfen die Kollate-
mungsbehinderungen kommt, die zur Eröffnung von ralgefäße nicht ausgeschaltet werden, ohne eine entschei-
Kollateralisationswegen im oberflächlichen System dende Verschlechterung der venösen Drainage des betrof-
führen. Im weiteren Verlauf kommt es zu einer Volu- fenen Beines in Kauf zu nehmen.
menüberlastung der Kollateralen, die dann dilatieren Das Zielorgan für den Reflux jeder insuffizienten Vari-
und varikös verändert werden. ze ist die Haut bzw. das epifasziale Gewebe. Jede Neutra-
4 dass infolge der Obstruktion wesentliche Mengen des lisation einer insuffizienten Vene kann damit die hämo-
venösen Transportvolumens über nunmehr insuffizi- dynamische Belastung der Haut vermindern.
ente Perforansvenen in die Oberfläche gedrängt wer- Wenn die sekundären Varizen durch die hämody-
den, wodurch wiederum die durchströmten oberfläch- namischen Veränderungen beim postthrombotischen
lichen Venen dilatieren und varikös degenerieren. Syndrom (PTS) verursacht werden, dann ist eine perma-
nente Kompressionstherapie in der Zeit nach einer TVT
Diese Theorie ist zwar herrschende Lehrmeinung und sinnvoll.
einiges spricht dafür, dass es so ist, aber es liegen keine
wirklichen Beweise für diese Annahme vor.
Die Differenzierung von der primären Varikose ist 16.3.1 Diagnostik und Indikationsstellung
problematisch, weil das Vorliegen einer postthrombo-
tischen Veränderung im tiefen Venensystem noch nichts Die Diagnostik bei sekundärer Varikose unterscheidet sich
darüber aussagt, ob die vorliegende Varikose ausschließ- nicht vom Ablauf bei primärer Varikose. Die wesentliche
lich Folge einer hämodynamisch relevanten Veränderung Intention der Diagnostik bei sekundärer Varikose ist da-
im tiefen Venensystem ist. Genauso könnte eine primäre rauf gerichtet, die Frage zu klären, ob die sekundären Vari-
Varikose vorliegen und die postthrombotisch veränderten zen eine Kollateralfunktion haben oder nicht. Die Duplex-
tiefen Venen keine ursächliche Rolle spielen. Beide Mög- sonographie kann die Kollateralfunktion einer sekun-
lichkeiten können auch nebeneinander vorkommen. Auch dären Varize aufdecken, sie ist nicht in der Lage die hämo-
der Hinweis, den Vergleich mit der kontralateralen Seite, dynamische Relevanz der Kollaterale zu beweisen. Hier-
die evtl. nicht postthrombotisch verändert ist, als Differen- bei spielen die Phlebodynamometrie (7 Kap. 10.4) und
zierungsargument für die Frage primär oder sekundär zu die Phlebographie mit besonderen Kompressionstesten
nehmen, hilft nicht weiter, da einseitige massive Varizener- (7 Kap. 12.1) eine herausragende Rolle.
krankungen durchaus bekannt sind. Für die Indikationsstellung zu invasiven Maßnahmen
Häufig werden die varikösen Veränderungen, wie sie gilt: kommt es bei der Phlebodynamometrie unter Kom-
bei Angiosyplasien gesehen werden, als sekundäre Varizen pression der sekundären Varizen zu keiner Verbesserung
bezeichnet. Dies ist nicht glücklich gewählt, da alle Angio- der ambulatorischen venösen Hypertonie, darf die Haupt-
dyplasien ganz besondere Probleme mit sich bringen, die kollaterale nicht ausgeschaltet werden. Dies bedeutet nicht,
durch eine eigenständige Nomenklatur zum Ausdruck dass lokale Eingriffe zur Verbesserung hämodynamischen
kommen sollte. Es ist besser hier von »varikösen Verände- Belastung der Haut in kritischen Bereichen ausgeschlossen
rungen bei Angiodysplasie« sprechen (7 Abschn. 16.5). sind.
16 Eine pathologische Perfusionssituation durch AV-Fis-
teln hat ebenso die Entwicklung einer sekundären Varikose
zur Folge. 16.3.2 Therapie
Wir möchten den Begriff der »sekundären Varikose«
auf die varikösen Veränderungen im Rahmen eines post- Ziel der Therapie bei sekundärer Varikose ist die Verbes-
thrombotischen Syndroms beschränken. Hierbei ist es serung der ambulatorischen venösen Hypertonie. Je höher
gleichgültig, ob es sich um eine sekundäre Varikose im der ambulatorische venöse Druck, desto höher ist die
eigentlichen Sinne handelt oder um eine primäre Varikose Wahrscheinlichkeit eine Ulcus cruris zu entwickeln (Nico-
bei Vorliegen einer posthrombotischen Schädigung des laides 1993). Die Behandlung muss in eine Gesamtkonzept
tiefen Venensystems. eingebunden werden, zu dem eine adäquate Kompres-
Für die Therapie der sekundären Varikose im eigent- sionstherapie, die Ausschaltung der sekundären Varizen
lichen Sinne ist es wichtig, ob sich die hämodynamische und ggf. die Chirurgie des tiefen Venensystems zählt.
Situation des betroffenen Beines durch Ausschaltung der Kompressionsstrümpfe können die Effekte der venösen
»sekundären Varizen« verbessern lässt oder nicht. Vor der Hypertension auch beim PTS eindämmen (Bernand 1986).
endgültigen Beantwortung dieser Frage ist zunächst zu Das konsequente Tragen von Kompressionsstrümpfe, vor
klären, ob die betrachteten Varizen für das betroffene Bein allem in den ersten zwei Jahren, konnte in einer prospektiv
als Kollateralgefäße für das geschädigte tiefe Venensystem randomisierten Studie signifikant die Inzidenz sowohl
16.4 · Schwangerschaftsvarikosis
155 16
eines leichten, mittleren als auch schweren PTS mindern verursachte Varikosis und andererseits bereits vorhandene
(Brandjes 1997). Varizen unter den Bedingungen der Schwangerschaft.
Die invasive Ausschaltung der sekundären Varikose Im klinischen Alltag empfiehlt sich die Verwendung
kann im Einzelfall indiziert sein, wenn die Diagnostik eine einer möglichst eindeutigen, im Idealfall im Rahmen von
deutliche Verbesserung der Hämodynamik erwarten lässt Leit- und Richtlinien abgesprochenen Nomenklatur. Im
und/oder eine Stabilisierung bzw. Verbesserung trophi- Rahmen klinischer Forschung wird diese zur conditio sine
scher Störungen möglich erscheint. Zur Frage der Ausschal- qua non. Daher ist es sinnvoll, eine Begriffsbestimmung
tung von Varizen bei sekundärer Varikose gibt es auch des Phänomens Schwangerschaftsvarikose zu versuchen.
gegenteiligen Ansichten. So konnte Stacy (1988) keine Ver-
besserung der Hämodynamik nach Operationen am epi-
Schwangerschaftsvarikosis
faszialen Venensystem bei Patienten mit PTS zeigen.
Das therapeutische Arsenal ist identisch mit dem bei 4 Typ 1: Varizen, die bei venengesunden Frauen
der primären Varikose. Für die operativen Verfahren, auch während der Gravidität aufgetreten
für die endoskopische Perforansdiszision liegen keine pro- 4 Typ 2: primäre oder sekundäre Varikosis bei
spektiven randomisierten Studien vor, die den hämodyna- Frauen, die schwanger sind
mischen Nutzen belegen.
> Der Nutzen der Chirurgie der sekundären Variko-
Diese simple Differenzierung soll dazu beitragen, die Be-
se muss sehr kritisch gesehen werden. Die kon-
sonderheit der Schwangerschaftsvarikosis im engeren
servative Therapie ist die Therapie der Wahl.
Sinne (Typ 1) gegenüber anderen Formen der Varikosis
herauszuarbeiten.
Literatur
Bernand K et al. (1986) Brit Med J 293 :224–225
Brandjes DP, Bullet HR, Heijboer H, Huisman MV et al. (1997) Ran-
16.4.2 Epidemiologie
domised trial of effect of compression stockings in patients with
symptomatic proximal-vein thrombosis. Lancet 349 :759–762
Nicolaides AN, Hussein MK, Szendro G, Christipoulos D et al. (1993) The Zur Epidemiologie (7 Kap. 4) der Schwangerschaftsvariko-
realation of venous ulceration with ambulatory venous pressure sis müssen allgemeine Aussagen über die Häufigkeitsver-
measurements. J Vasc Surg 17 :414–419 teilung der Varikosis (siehe z. B. Robertson 2008) herange-
Rieger H (1999) Varikose. In: Rieger, Schoop (Hrsg.) Klinische Angiolo-
zogen werden:
gie. Springer Heidelberg.
Stacy MC, et al (1988) Brit Med J 75:436–439
4 bei über 65-jährigen Probanden (Bergan 2006, Cano-
nico 1998) fand man doppelt so häufig Varizen bei
Frauen (35,2%) wie bei Männern (17,0%)
4 bemerkenswert war dabei der Befund einer Varizen-
16.4 Schwangerschaftsvarikosis entwicklung in der Zeit nach einer Schwangerschaft
bei 40,5% (Canonico 1998). Multiparität scheint die
U. Kamphausen Entwicklung von Varizen zu verstärken
4 während der Schwangerschaft wurden bei 28% der
Varizen, speziell in der Schwangerschaft, gelten als häufig. Graviden Varizen beschrieben, die vor der Schwanger-
Sie werden von den betroffenen Frauen mit Besorgnis schaft als venengesund galten (Dindelli 1993)
wahrgenommen und führen zum Besuch beim behandeln-
den Frauenarzt oder Hausarzt. Erstaunlicher Befund: Trotz Unter Berücksichtigung der problematischen Datenlage
der weiten Verbreitung der Erkrankung finden sich in der könnte ein Versuch die epidemiologische Situation der
Literatur der letzten 20 Jahre keine großen Studien, son- Schwangerschaftsvarikose zu beschreiben, wie in der fol-
dern allenfalls kleine Fallsammlungen. Möglicherweise ist genden Übersicht dargestellt aussehen:
die »Normalität« der Schwangerschaftsvarikosis ein Grund
für die ungewöhnlich dürftige Datenlage.

16.4.1 Definition

Der nur im deutschsprachigen Raum verwendete Begriff


»Schwangerschaftsvarikosis« ist zweideutig: Er impliziert
einerseits die im Verlauf bzw. durch die Schwangerschaft
156 Kapitel 16 · Formen der Varikosis

die diesen unter Umständen nicht zuzuordnen sind. Eine


Epidemiologie der Schwangerschaftsvarikose Differenzierung durch sorgfältige Erhebung der Anamne-
Typ 1 se ist ratsam.
4 jede 3. Schwangere erfährt die Entwicklung von
> Besonders in der Schwangerschaft ist die sorg-
Varizen, das linke Bein ist etwas häufiger als das
fältige Anamnese mit Differenzierung der geklag-
rechte betroffen
ten Beschwerden wesentlich.
4 jede 8. Frau erlebt nach einer Schwangerschaft
Varizen Häufig werden anfallsweise auftretende Dys- und Pa-
Typ 2 rästhesien in den Beinen beschrieben, diffuses dumpfes
4 alle übrigen Frauen (2–60% der Varizenträge- Druckgefühl mit Fortleitung aus den Oberschenkeln in die
rinnen), die vor der ersten Schwangerschaft Unterschenkel, Brennschmerzen. Die Intensität und Schwe-
bereits Varizen aufweisen re der geklagten Symptome korreliert oft nicht mit dem zu
erhebenden phlebologischen Befund. Eine Zunahme der
Symptome mit fortschreitender Schwangerschaftsdauer ist
zu beobachten. Diesen Beschwerdekomplex interpretieren
16.4.3 Ätiologie wir mehr als »intrapelvines Drucksyndrom« (Cordts 1996)
und weniger als varizenbedingten Symptomenkomplex.
Die Ätiologie der Schwangerschaftsvarikose ist weitgehend Zunehmende Ödemneigung beidseitig wie auch zuneh-
unklar. Für die Schwangerschaftsvarikosis Typ 1 werden mend erkennbare Varizen mit im Tagesverlauf sich stei-
zwei Hypothesen diskutiert: gerndem Schweregefühl kennzeichnen eher eine venenbe-
1. venöse Hypertension: dingte Auslösung des Beschwerdebildes.
der erhöhte intrapelvine Druck führt zur Dilatation, Vulva- und inguinale Varizen stellen eine Übergangs-
später zur Inkompetenz der Venenklappen und im Ver- situation zum intrapelvinen Drucksyndrom her.
lauf zur Entwicklung sichtbarer Varizen (Cordts 1996) Schmerzen, vor allem einhergehend mit erkenn- und
2. Kongestion der venösen Gefäßwand: tastbarer Strangbildung im Varizenbereich, einseitige
die zunehmende Weichheit der Gefäßwand (hormo- spontane Beinschwellungen, Ödeme nach längerdauernder
nell getriggert?) bedingt die Gefäßdilatation bis zur Bettruhe, unerklärliche »grippale« Symptome sind unter
Klappeninsuffizienz und damit im Verlauf die Ausbil- den Bedingungen der Schwangerschaft als besondere Not-
dung sichtbarer Varizen (Sparey 1999). fallsituation zu interpretieren und müssen unverzüglich
abgeklärt werden. Auszuschließen sind die aszendierende
Beide Hypothesen postulieren eine erhöhte Inflammations- Varikothrombose oder Thrombophlebitis ebenso wie die
bereitschaft der venösen Gefäßwand. TVT mit und ohne Lungenembolie.
Weitere Faktoren:
4 genetische Disposition
Symptome bei Schwangerschaftsvarikosis
4 hormonelle Faktoren
Typ 1 und 2
4 Venenwand-Rezeptoren für Östrogen und Progesteron
4 eher intrapelvines Drucksyndrom
16 (Mashiah 1999)
– Brennen
Für den Typ 2 gelten die bisher bekannten ätiologischen Fak- – diffuses deszendierendes Druckgefühl
toren der Varizenbildung. Die Abgrenzung zu Typ 1 wird – Dys- und Parästhesien im Beinbereich
schwierig, wenn man unterstellt, dass bei einer »normalen« – Vulva- und inguinale Varizen (intrapelvine
Disposition zur Ausbildung einer Varikose die vorliegende Varizen, Ligamentvarizen)
4 eher venös verursacht
Schwangerschaft als Realisationsfaktor gelten kann.
– Ödemneigung
– im Tagesverlauf sich verstärkendes Schwere-
gefühl in den Beinen
16.4.4 Beschwerdebild
– Erkennbare Varizen, insbesondere Stammvarizen

Grundsätzlich gilt die Aussage, dass es keine pathogno-


monischen Beschwerden bei Varikosis gibt, auch für die > Einseitige Schwellungen unklarer Genese, anhal-
Schwangerschaftsvarikose Typ 1 und 2. Da die in der Regel tende oder rezidivierende »grippale« Symptome,
jungen Frauen in der Gravidität auf allgemeine und äußere tastbare oder erkennbare varikothrombotische
Veränderungen des Körpers intensiver achten, werden Va- oder thrombophlebitische Veränderungen sind
rizen für multiple Beschwerden verantwortlich gemacht, unverzüglich abzuklären!
16.4 · Schwangerschaftsvarikosis
157 16
Da sich in der Gravidität Symptome häufig überlagern und 16.4.6 Therapie
daher nur selten eine klare Abgrenzung möglich ist, erfor-
dern Anamnese und klinische Befunderhebung besondere Die Kompressionstherapie mit Zweizug-Kompressions-
Sorgfalt. strümpfen bzw. Kompressionsstrumpfhosen ist die wich-
tigste Säule der Behandlung (Thaler 2001). Dies gilt für
beide Typen der Schwangerschaftsvarikosis. Die Kompres-
16.4.5 Diagnostik sionsklasse 2 ist in der Regel ausreichend. Bei voluminösen
Beinen muss im Einzelfall die Kompressionsklasse 3 ge-
Die Diagnostik folgt den üblichen phlebologischen Vorge- wählt werden. In Deutschland ist die Verordnung von
hensweisen mit der Inspektion und Palpation der Beine, Kompressionsstrümpfen in der Schwangerschaft beson-
bevorzugt bei stehender Patientin. ders zu kennzeichnen. Es entfällt in diesen Fällen die Re-
zeptgebühr.
Die Beurteilung erstreckt sich auf > Vor der Verordnung von Kompressionstrümpfen
4 Ödeme müssen bestehende Ödeme mittels Zweizug-
4 erkennbare Varizen, Kompressionsbandagierung konsequent besei-
4 thrombophlebitische oder varikothrombotische tigt werden!
Veränderungen, Diskutiert werden kann bei Typ 1 der Erkrankung der Ein-
4 Hautveränderungen satz von Rutosiden oder Rosskastanienextrakten, sofern
4 Unterbauch Ödem und Schwellungsbeschwerden nicht ausreichend
– Palma Varizen durch Kompressionstherapie behebbar sind (Bamigboye
– Inguinaler Varikosis 2007). In Fällen der Unmöglichkeit komprimierender Maß-
4 Fußpulse nahmen kann die medikamentöse Therapie im Einzelfall
Nützliches leisten. Invasive Maßnahmen wie Sklerotherapie
oder Operation sollten während der Schwangerschaft unter-
Wegen der Notwendigkeit der Verlaufskontrolle sollte der lassen werden. Ausreichende Flüssigkeitszufuhr und kör-
klinische Befund tabellarisch dokumentiert werden. Un- perliche Bewegung, bei Fehlen geburtshilflicher oder ande-
bedingt gehört dazu die Umfangmessung der Beine an den rer Kontraindikationen Rückengymnastik zur Kräftigung
Positionen: der Rücken- und Beckenbereichsmuskulatur, vernünftige
4 C: kleinster Umfang am Knöchel Gewichtskontrolle sowie vitamin- und mineralstoffreiche
4 D: größter Wadenumfang Ernährung sind wichtige unterstützende Maßnahmen.
4 G: größter Oberschenkelumfang
Behandlungsgrundlagen der Schwangerschafts-
Die fotografische Dokumentation auffälliger Befunde
varikosis Typ 1 und Typ 2
kann hilfreich sein.
4 Kompressionsstrümpfe oder Kompressionshosen
Sonographie Man beginnt bei der (farbkodierten) Du- Klasse 2
plexsonografie mit der Untersuchung der Beckenvenen, 4 Körperliche Bewegung, Gymnastik, wenn nicht
ein May´scher Beckenvenensporn sollte ausgeschlossen kontraindiziert
werden. Anschließend beurteilt man die Beinvenen sowie 4 Gewichtskontrolle
übersichtsmäßig die dazugehörige arterielle Strombahn. 4 ausreichende Flüssigkeitszufuhr
Die venöse Untersuchung sollte zusätzlich in Kompres- 4 adaptierte Ernährung
sionstechnik ausgeführt werden, um phlebothrombotische 4 evtl. Rutoside oder Rosskastanienextrakte
oder varikothrombotische Veränderungen nicht zu über-
sehen. Dies gilt besonders bei linksseitig betonter Varikosis
> Eine operative Varizensanierung sollte auf die
und Beschwerden.
postpartale Phase verschoben werden, davon
> Die einseitige, bevorzugt linksseitige Becken- auszunehmen sind Notfalleingriffe bei aszen-
venenthrombose muss in der Differentialdiag- dierter Varikothrombose.
nostik der simplen linksbetonten Schwanger-
schaftsvarikosis ausgeschlossen werden.
Therapie der Komplikationen der Varikosis unter der
Funktionelle Untersuchungen wie LRR, VVP sind vor Schwangerschaft Als Hauptkomplikation gilt die Vari-
allem zur Verlaufskontrolle nützlich. kothrombose, die in der Regel bei Patientinnen mit Typ 2
158 Kapitel 16 · Formen der Varikosis

eintritt. Die zu Recht gefürchtete tiefe Venenthrombose Mashiah A, Berman V, Thole HH, Rose SS, Pasik S, Schwarz H, Ben-Hur
H (1999) Estrogen and progesterone receptors in normal and
(TVT) stellt nicht selten eine Folge der aufsteigenden Va-
varicose saphenous veins, Cardiovasc Surg 7:327–31
rikothrombose dar. Die gewichtsadaptierte Behandlung Robertson L, Evans C, Fowkes FG, (2008) Epidemiology of chronic
mit einem niedrigmolekularen Heparin sowie Kompres- venous desease, Phlebology 23(3):103–11
sionstherapie sind unverzüglich einzuleiten. Sparey C, Haddad N, Sissons G, Rosser G, de Cossart L (1999) The effect
of pregnancy on the lower-limb venous system of women with
> Das rechtzeitige Erkennen und die unverzügliche varicose veins, Eur J Vasc Endovasc Surgery 18:294–99
umfassende Therapie einer Varikothrombose Sparey C, Sissons G, Haddad N, Rosser G, de Cossart L (1999) Serial
oder TVT in der Schwangerschaft stehen an vor- colour flow duplex scanning of the veins of the lower limb through-
out pregnancy, Br J Obstet Gynaecol 557–602
derster Stelle des Komplikationsmanagements.
Thaler E, Huch R, Huch A, Zimmermann R (2001) Compression sto-
ckings prophylaxis of emergent varicose veins in pregnancy:a
prospective randomised controlled study, Swiss Med Wkly Dec
1;131(45-46):659–62
16.4.7 Verlauf

Über den Verlauf der Schwangerschaftsvarikose ist wenig


bekannt. Vereinzelte Fallstudien und die klinische Erfah- 16.5 Varikose bei Angiodysplasien
rung zeigen, dass die Patientinnen mit Typ 1 meist nach
der 6. postpartalen Woche den Status vor der Schwanger- H. Nüllen, T. Noppeney
schaft erreicht haben (Sparey 1999). Patientinnen mit eher
dem pelvinen Drucksyndrom zuzuordnenden Beschwer- Im Zusammenhang mit Angiodysplasien von Varizen zu
den erfahren häufig postpartal keine entsprechende Linde- reden ist wahrscheinlich terminologisch inkorrekt, gleich-
rung der Symptome. In diesem Fall empfiehlt sich die früh- wohl allgemein üblich. Betrachtet man den Begriff ledig-
zeitige orthopädische Mitbetreuung. Langanhaltende Be- lich als Ausdruck einer morphologischen Klassifizierung
schwerden im pelvinen Bereich können auf restierende (venektatische Veränderungen), so mag dies auch akzep-
variköse Ligament- und intrapelvine Varizen zurückzu- tabel sein.
führen sein. Eine Kernspinuntersuchung gibt erste Auf- Die Darstellung der Angiodysplasien beschränkt sich
schlüsse, die Klärung ergibt sich durch die Angiografie der im hier gegebenen Zusammenhang, um den gegebenen
Beckenvenen. Rahmen, angesichts des großen und komplexen Themas,
Bei Patientinnen des Typ 2 wird man den Verlauf nicht zu sprengen. Für die Therapieentscheidung bei ven-
über einen längeren Zeitraum beobachten. Bei fortschrei- ektatischen Veränderungen bei Angiodysplasien ist eine
tender Varikosis gelten die allgemeinen Regeln zur The- möglichst umfassende und exakte Diagnose zwingend
rapie des Varizenleidens unter Ausnutzung des gesamten notwendig, um böse Überraschungen zu vermeiden. Aus
Repertoires der konservativen und operativen Behand- diesem Grunde wird es trotz der o. g. Einschränkungen
lung. unvermeidlich sein, einige grundsätzliche Betrachtungen
zum Thema Angiodysplasien voranzustellen.
Literatur
16 Bamigboye AA, Smyth R (2007) Interventions for varicose veins and
leg oedema in pregnancy, Cochrane Database Syst Rev. Jan 24;1: 16.5.1 Terminologie
CD001066
Bergan JJ, Schmid-Schönbein GW, Coleridge Smith PD, Nicoalides AN,
Die Angaben von Diagnosen bei Anomalien im Bereich der
Boisseau MR, Eklof B (2006) Chronic venous disease N Engl J Med
355:488–98
Gefäße zeichnen sich oft durch eine terminologische Un-
Canonico S, Gallo C, Paolisso G, Pacifico F, Signiorello G, Sciaudone G, schärfe aus. Hierbei werden häufig zwei nosologische Be-
Ferrara N, Piegari V, Varricchio M, Rengo F (1998) Prevalence reiche miteinander vermengt, die eine völlig unterschiedliche
of varicose veins in an Italian elderly population, Angiology Genese und Pathologie ausweisen (Mulliken et al. 1982):
49,2:129–135
4 vaskuläre Tumore
Cordts PR, Gawley TS (1999) Anatomic and physiologic changes in
lower extremity vgenous hemodynamics associated with preg-
4 Missbildungen des Gefäßrohres
nancy, J Vasc Surg 24:763–67
Dindelli M, Parazzini F, Basellini A, Rabaiotti E, Corsi G, Ferrari A (1993) Man unterscheidet:
Risk factors for varicose disease before and during pregnancy, 4 Angiodysplasie = Angeborene Gefäßfehler
Angiology 44,5:361–367
4 vaskuläre Malformation = kongenitale Fehlbildung
Evans CJ, Allan PL, Bradbury AW, Ruckley CV, Fowkes FG (1998)
Prevalence of venous reflux in the general population on
4 Hamartome (griech. Verfehlen) = während der embry-
Duplex scanning:The Edinbourgh vein study, J Vasc Surg 28: onalen Entwicklung entstehende tumorartige Fehlbil-
767–76 dung durch atypische Differenzierung von Keimge-
16.5 · Varikose bei Angiodysplasien
159 16
webe (Hamartie). –Die Hamartome gehören somit
definitionsgemäß zu den Angiodysplasien, da sie em- . Tab. 16.2. Formale Ausprägung von Angiodysplasien

bryonaler Genese sind Normale Ausbildung 4 Anormaler Verlauf (Verlaufs-


4 Hämangiome = postnatal, langsam wachsende, gut- des Gefäßrohres, aber anomalie)
artige Tumoren des vaskulären Endotheliums. – Die 4 Anomale Einmündungen
Hämangiome gehören somit nicht zu den Angiodys- (Mündungsanomalie)
4 Doppelungen (numerische
plasien, da sie nicht embryonaler Genese sind, sondern
Varianten)
stellen eine eigenständige Klasse von Gefäßverände-
rungen dar Entwicklungsstörun- 4 Aplasie, Agenesie, Atresie,
gen des Gefäßrohres Hypoplasie, Hyperplasie
4 Persistenz embryonaler Vor-
läufergefäße
16.5.2 Angiodysplasie 4 Dilatierende Dysplasien (Ekta-
sien, Aneurysma, Zysten)
Der Begriff Angiodysplasie (Syn. vaskuläre Malformation) 4 Frühembryonale mesenchy-
male Entwicklungsstörung mit
ist eine Zusammenfassung aller kongenitalen Gefäßmiss-
Ausbildung dysplastischer
bildungen bzw. angeborener Gefäßfehler (Malan 1974) Gefäßkonvolute und multipler
und erfasst als Oberbegriff alle Dysplasien von den dys- arteriovenöser Fisteln
plastischen Varianten über die einfachen Angiektasien bis (gemischte Dysplasien).
hin zur komplexen systemischen Missbildung. Der Begriff
Angiodysplasie umfasst somit alle Anomalien, sowohl bei
normaler Ausbildung des Gefäßrohres als auch die Ent- erkennt, wie erheblich die kalkulierte Zahl der lebenden
wicklungsstörungen des Gefäßrohres selbst (. Tab. 16.2). Erkrankten schwankt, je nach Konstellation der Grund-
Unter einer systemischen Gefäßmissbildung versteht annahmen. Immerhin liegt die Zahl der lebenden Erkrank-
man Dysplasien mit mehr oder weniger intensiven Beteili- ten in der Bundesrepublik unter diesen Annahmen bei
gung aller Gewebestrukturen und Gefäßarten (Arterien, großzügiger Subsumierung der Entitäten bei mehreren
Venen, Kapillaren, Lymphgefäße, Weichteile, Knochen). Hundertausend Menschen (. Tab. 16.3).
Systemische Missbildungen umfassen Abkömmlinge ver- Gänzlich ohne wirklichen Informationsgehalt sind An-
schiedener Keimblätter (Ektoneurodermale Hamartome, gaben zur Häufigkeitsverteilung von bestimmten Dyspla-
Genoneurodermatosen, Phakomatosen). sien, bevorzugten Lokalisationen etc. in Singlecenterfall-
Über die Ätiologie und Pathogenese der Angiodys- sammlungen, da sie aus einer selektierten Grundgesamt-
plasien ist nur wenig bekannt. Theoretisch denkbare sind heit berechnet werden und somit nicht verallgemeinert
(Todorov 1985): werden können. Selbst Angaben über das Überwiegen
4 embryonale Schäden durch Umwelteinflüsse der vorwiegend venösen Dysplasien mit 65% (Loose et al.
4 Chromosomenschäden 1995) sind mit Vorsicht zu betrachten, soweit es die kon-
4 echte Vererbung (Weitergabe genetischer Information) krete Zahlangabe betrifft. Man kann allerdings festzustel-
len, dass der größte Teil der Patienten mit Angiodysplasien,
In den letzten Jahren wurden eine Reihe von Genloci iden- die sich in der gefäßmedizinischen Sprechstunde vorstel-
tifiziert, denen eine Beteiligung an der Auslösung vaskulärer len, an einer vorwiegend venösen Missbildung leiden.
Malformationen zugeschrieben wird (Limaye et al. 2009).

16.5.4 Systematik der Angiodysplasien


16.5.3 Häufigkeit
Alle Versuche Ordnung in die verwirrende Vielfalt der Er-
Die in der Literatur spärlich vorliegenden Häufigkeitsan- scheinungen bei Angiodysplasien und den ihnen zugrun-
gaben zu Angiodyplasien sind unzuverlässig und wenig deliegenden pathoanatomischen und hämodynamischen
aussagekräftig. Bei der Einschätzung der globalen Häufig- Veränderungen zu bringen, kämpfen mit dem Problem der
keit wird immer wieder auf Tasnadi (1977) verwiesen, der Vielfalt der Veränderungen und Varianten und den oft nur
die Häufigkeit von Angiodysplasien mit 1,2–1,5% der Neu- diskreten Unterschieden zwischen den verschiedenen
geborenen angibt. Die Angabe einer relativen Häufigkeit Ausprägungen insbesondere der systemischen Missbil-
bezogen auf die Geburtenrate lässt kaum erahnen, mit dungen (rudimentäre Fälle). Die Nachvollziehbarkeit und
welcher Häufigkeit an lebenden Erkrankten in der Gesamt- Prägnanz einer Systematik steht und fällt jedoch mit der
bevölkerung unter dieser Annahme zu rechnen ist. Wir definierten Abgrenzung und der verfügbaren Vielfalt von
haben daher verschiedene Szenarien durchgerechnet. Man Trennkriterien.
160 Kapitel 16 · Formen der Varikosis

. Tab. 16.3. Häufigkeit von Angiodysplasien in der Gesamtbevölkerung in Deutschland bei verschiedenen Annahmen zur Geburten-
rate und der Bevölkerungsentwicklung sowie der Absterberate. Die Rohdaten der Geburtenstatistik und der Bevölkerungsstatistik wur-
den den Angaben des Statistischen Bundesamtes entnommen

Sze- Wahrschein- Lebens- Unter- Relative und ab- Relative und ab- Relative und ab-
nario lichkeit für erwartung stellte solute Häufigkeit solute Häufigkeit solute Häufigkeit
das Auftre- aller Neu- Absterbe- von Angiodyspla- von Angiodyspla- von Angiodyspla-
ten einer geborenen rate bei sien im Jahre 2007* sien im Jahre 2050* sien im Jahre 2050*
Angiodys- in Jahren Neuer- Bevölkerungszahl Bevölkerungszahl Bevölkerungszahl
plasie bei krankun- ca. 82,2 Mio. minimale Schät- maximale Schät-
Neugebo- gen in % zung ca. 68 Mio. zung ca. 73 Mio.
renen in %

1 1,5 60 0 1,03% (843.000) 0,85% (581.000) 0,79% (581.000)

2 1,5 60 50 0,51% (422.000) 0,43% (294.000) 0,40% (294.000)

3 1,5 70 50 1,04% (856.000) 1,04% (709.000) 0,96% (709.000)

4 1,0 60 0 0,68% (562.000) 0,57% (390.000) 0,53% (390.000)

5 1,5 80 50 0,51% (422.000) 0,64% (411.000) 0,56% (411.000)

* In Klammern die akkumulierte Zahl der lebenden Erkrankten (gerundet). (Statistik mit freundlicher Hilfe von M. Brunnert, Global
Biostatistics, UCB)

Es gibt eine ganze Reihe von Systematisierungsver- In vielen Übersichten wird auf die Problematik der Schaf-
suchen der Angiodysplasien, die jedoch alle keine befrie- fung von praktikablen Systematisierungen zum Thema
digenden und praktikablen Lösungen anbieten können. Angiodysplasien hingewiesen, nicht ohne darauf zu ver-
Hier sollen nur die prägnantesten Lösungsansätze aufge- weisen, dass die weitere Verwendung von Autorennamen-
führt werden: Syndrombezeichnungen, wie z. B. Klippel-Trénaunay-Syn-
4 Schobinger-Klassifikation (. Tab. 16.4) drom u. ä. diese Bemühungen zusätzlich erschweren. Auch
4 Hamburger-Klassifikation (. Tab. 16.5) in der neueren Literatur finden sich jedoch immer noch
4 ISSVA-Klassifikation (. Tab. 16.6) zahlreiche Publikationen in namhaften Journalen unter
4 Klassifikation nach Mulliken und Glowacky der Verwendung der alten Syndrombezeichnungen. Dies
(. Tab. 16.7) wird wohl auch noch eine gewisse Zeit so bleiben, denn die

. Tab. 16.4. Schobinger-Klassifikation der angeborenen Gefäßfehler. (Schobinger 1977)


16 Arterielle Angiodysplasie Hypoplasie, Aplasien, Atresien, Agenesie, Kongenitale Stenosen, Arteriomegalie,
Fibromuskuläre Dysplasie, Zystische Adventitiadegeneration, Kongenitale Aneurys-
men, Idiopathische zystische Medianekrose,

Venöse Angiodysplasie Hypo- und Aplasie


4 tiefer Venenstämme
4 der Venenklappen
4 der V. cava inferior
Phlebektasien
Venöse Aneurysmen

kapillare (mikrovaskuläre) Dysplasien Teleangiektasien


Hämangiome

Lymphatische Dysplasien Lymphangiektasien, lymphatische Hypo- und Aplasien, Lymphzysten

Komplexe Angiodysplasien
(Polydysplasien)

Kongenitale arteriovenöse Fisteln


16.5 · Varikose bei Angiodysplasien
161 16

. Tab. 16.5. Hamburger-Klassifikation der Angiodysplasien (1989)

Art Trunkuläre Dysplasie (ca. 70%) Extratrunkuläre Dysplasie (ca. 30%)

Vorwiegend arterielle Fehler 4 Aplasie oder Obstruktion 4 Infiltrierend


4 Dilatation 4 Umschrieben

Vorwiegend venöse Fehler 4 Aplasie oder Obstruktion 4 Infiltrierend


4 Dilatation 4 Umschrieben

Vorwiegend lymphatische Fehler 4 Aplasie oder Obstruktion 4 Infiltrierend


4 Dilatation 4 Umschrieben

Vorwiegend arteriovenöse Fehler 4 Tiefe AV-Fistel 4 Infiltrierend


4 Oberflächliche AV-Fistel 4 Umschrieben

Kombinierte Gefäßfehler 4 Arteriell u. venös o. Shunt 4 Infiltrierend hämolymphatisch


4 Hämolymphatisch mit u. ohne Shunt 4 Umschrieben hämolymphatisch

bekannten neueren Klassifikationen sind im täglichen Ge- Eine weitere Klassifikation geht auf die 1992 gegrün-
brauch doch recht sperrig. Das Klippel-Trénaunay-Syn- dete »International Society for the Study of Vascular Ano-
drom würde in der Nomenklatur der Hamburger-Klassifi- malies« (ISSVA) zurück. Ziel war es, eine möglichst ein-
kation z. B. lauten: fache und leicht anwendbare Klassifikation zu schaffen
(. Tab. 16.6). Mulliken und Glowacky entwickelten 1982
»Kombinierter Gefäßfehler mit vorwiegend trunkulärer eine Klassifikation der »vascular anomalies«, deren we-
venöser Angiodysplasie (Varizen, Phlebektasie etc.) mit sentliche Zielrichtung die definitorische Unterscheidung
ossärer Hypertrophie (angioosteohypertrophisches Syn- zwischen Gefäßtumoren (vascular tumors) und Angiodys-
drom) und lateralem Naevus flammeus ohne (hämodyna- plasien (vascular malformations) war. In einer Weiterent-
misch bedeutsame AV-Verbindungen« (Rieger 1998). wicklung wurden darüber hinaus, neben den anatomischen
Klassen, auch hämodynamische Charakteristika aufge-
Gegen eine Verwendung einer Syndrombezeichnung im führt (. Tab. 16.7). Die den Klassen zugeordnete alphabe-
Einzelfall ist, so betrachtet, nichts einzuwenden, allerdings tische Kurzbezeichnung sollen eine leichte Verschlüsselung
muss sie auch im Sinne der Originalbeschreibung zutref- der Diagnose der jeweiligen Malformation ermöglichen.
fend angewendet werden. Auch die beiden zuletzt dargestellten Klassifikationen
Die ältere Klassifikation der Angiodysplasien von haben ihre Vor- und Nachteile und beide sind bislang nicht
Schobinger (. Tab. 16.4) unterscheidet nur zwischen allgemein akzeptiert. Viele weitere, teilweise sehr individu-
Monodysplasien und komplexen Polydysplasien und ori- elle Klassifikationen sind im Gebrauch (Mattassi et al.
entiert sich dabei an anatomischen Kategorien. Damit ist 2009).
die Schobinger-Klassifikation zwar einfacher nachzuvoll-
ziehen als später entstandene Klassifikationen, bildet aber
nicht die Komplexität der Verhältnisse bei den syste-
mischen Dysplasien ab. . Tab. 16.6. Klassifikation der Malformationen (ISSVA 1996)
(Vascular anomaly classification)
Die Hamburger-Klassifikation (. Tab. 16.5) unter-
scheidet zwischen trunkulären Dysplasien und extratrun- Ein-Gefäß-Typ 4 kapillar
kulären Dysplasien. Trunkuläre Dysplasien betreffen den 4 venös
differenzierten Gefäßbaum und die extratrunkulären For- 4 lymphatisch
4 arteriell
men betreffen alle übrigen Gefäßareale. Die extratrunku-
lären Formen entstehen aus Resten des primitiven Kapil- Komplexe Malformation 4 arteriovenös
larnetzwerkes und verbleiben entweder lokal limitiert oder 4 lymphato-venös
4 kapillär-venös
breiten sich expansiv infiltrierend aus. Die Hamburger
4 kapillar-lymphato-venös
Klassifikation basiert dabei wesentlich auf der (embryona-
len) Entwicklungsgeschichte des Gefäßsystems (Mattassi Übersetzt aus: Mattassi R, Loose DA, Vaghi M (2009) Classifi-
et al. 2009). Ein Nachteil der Hamburger Klassifikation cation of Vascular Malformations. In: Mattassi R, Loose DA,
Vaghi M (Ed.) Hemangiomas and Vascular Malformations.
liegt darin, dass die kapillaren Malformationen nicht ein-
Springer Heidelberg
bezogen wurden (Mattassi et al. 2009).
162 Kapitel 16 · Formen der Varikosis

zuschätzen; über die neueren Methoden wie Angio-CT


. Tab. 16.7. Klassifikation der vaskulären Malformationen und MRA liegen bislang keine abschließenden Urteile vor.
nach Mulliken und Glowacky
Insbesondere für das Angio-CT gilt, dass zwar beeindru-
Slow flow 4 kapillar (capillary malformation = CM) ckende Bilder, z. B. in Form von 3D-Rekonstruktionen,
4 lymphatisch (lymphatic malformation erstellt werden können, die Strahlenbelastung für die meist
= LM) jungen Patienten jedoch extrem hoch ist. Ob dies den In-
4 venös (venous malformation = VM)
formationszuwachs aufwiegt, darf bezweifelt werden.
Fast flow 4 arteriell (arterial malformation = AM) Nach der Erhärtung der Verdachtsdiagnose setzt die
Aneurysmen, Coarctatio, Ektasien strukturierte Stufendiagnostik ein, bei der die folgenden
4 AV-Fisteln (AVF)
Fragen geklärt werden müssen (Rieger 1989):
4 AV-Malformationen (AVM)
4 Welcher Gefäßtyp ist vorwiegend dysplastisch betrof-
Komplexe regional begrenzte Syndrome fen, bzw. sekundär deformiert? (Lokalisation, topogra-
Malformation 4 Sturge-Weber: Faciale CM, intra- phische Zugehörigkeit, Ausdehnung)
(oft kombiniert kranielle CM, VM, AVM
4 Handelt es sich um eine
mit skletaler 4 Klippel-Trenaunay: Extremitäten-
Hyperplasie) Stamm kapillar lymphovenös (CMVM) 5 Trunkuläre Dysplasie?
(combined 4 FP-Weber: Extremitäten CLVM mit AVF 5 Extratrunkuläre Dysplasie?
malformation) – Umschrieben?
Diffus ausgebreitete Syndrome – Infiltrativ?
4 Maffucci: LVM, Enchondrome
4 Liegen AV-Fisteln vor?
4 etc.
4 Ist das Sklettsystem betroffen?
Übersetzt aus: Mattassi R, Loose DA, Vaghi M (2009) Classifica- 5 Hypertrophie
tion of Vascular Malformations. In: Mattassi R, Loose DA,
5 Hypotrophie
Vaghi M (Ed.) Hemangiomas and Vascular Malformations.
Springer Heidelberg – Proportioniert
– Dysproportioniert
– Osteolyse
– Knochenerosionen
16.5.5 Diagnostik der Angiodysplasien
Am Ende muss eine gesicherte Diagnose stehen. Der Ge-
Die Verdachtsdiagnose ist in diesen Fällen meist als Blick- fäßmediziner muss sich festlegen. Dabei ist es aus ärzt-
diagnose bei der klinischen Untersuchung zu stellen. Der licher Sicht gleichgültig ob dies in Form einer, an die gän-
Verdacht ist auszusprechen, wenn eine der folgenden Kri- gigen Klassifikationen angelehnte, Prosa geschieht oder
terien gegeben ist: ein Syndrombegriff verwendet wird.
4 Naevus flammeus lateralis
4 auffällige morphologische Unterschiede zwischen den
Extremitäten 16.5.6 Formen der Angiodysplasien
5 Hypertrophie einer Seite mit varikösen Veränderungen
16 5 Riesenwuchs
5 Kompensatorischer Beckenschiefstand Venöse Aneurysmen
5 Systolisch-diastolische Strömungsgeräusche Aneurysmatische Venektasien mit oberflächlicher Lage
4 umschriebene, einseitige Weichteilhypertophie im Be- (epifaszial) sind unbeschadet der scheinbar sicheren Blick-
reich der Extremitäten diagnose differentialdiagnostisch abzuklären im Hinblick
4 sichtbare, schwammartige Blutgefäße, atypische Ve- auf eine weiterführende systemische angiodysplastische
nenkonvolute im oder über dem Hautniveau Erkrankung, bei der die sichtbare Venektasie nur die Spitze
4 abnorme variköse Konvolute oder atypisch lokalisierte des Eisberges darstellt. Erst nach Ausschluss der Beteili-
Varizen (z. B. Marginalvene) gung anderer Gefäßregionen und sonstiger assoziierter
4 atypisch lokalisierte Lymphödeme Symptome und Befunde ist man berechtigt, diese Venekta-
sien in die Gruppe der primären Varizen einzuordnen.
In all diesen Fällen muss das ganze Spektrum der gefäßme-
dizinischen Diagnostik eingesetzt werden, um die beson- Extratrunkuläre diffuse venöse Dysplasie
deren Aspekte des Falles eindeutig zu klären. Neben der Varizenähnliche subkutane Venektasien
Duplexsonographie sind die klassischen Methoden der Eine sog. atypische Varikosis, d. h. Venektasien, die vom
Gefäßdarstellungen wie Phlebographie und Arteriogra- üblichen Erscheinungsbild der primären Varikose abwei-
phie in ihrer Wertigkeit für die Diagnostik hoch ein- chen oder begleitende Wachstumsstörungen oder Formva-
16.5 · Varikose bei Angiodysplasien
163 16
der tiefen Venensystems, wieder zurückbildet. Persistiert
die Marginalvene, so ist sie als ektatisches, klappenloses,
varikös verändertes bis zu fingerdickes Rohr auf der Außen-
seite des Beines vom Unterschenkel bis zur Mündung in
die Tiefe am proximalen Oberschenkel als epifasziale Vene
zu sehen (Generalsstreifen). Belov (1989) fand in Fällen
mit einer mehr oder minder ausgeprägten Hypoplasie oder
Aplasie der tiefen Venen meist eine persistierende Mar-
ginalvene, die mit einer Vielzahl von kleineren oberfläch-
lichen AV-Fisteln kommunizierte (s. a. Vollmar u. Voss
1979). Die persistierende Marginalvene ist dabei gewisser-
maßen als Kollateralgefäß der unzulänglich ausgebildeten
tiefen Strombahn verblieben. Je nach Ausprägung und
Lokalisation der Dysplasien, Hypoplasien und Aplasien
des zugehörigen tiefen Venensystems sind vielfältige un-
terschiedliche Kommunikationen bzw. Mündungsva-
rianten der Marginalvene in das tiefe Venensystem be-
schrieben . Abb. 16.8). Die Differenzierung von 4 Grund-
typen der Marginalvene geht zurück auf Vollmar und Voss
(1979). Weber (2006) fand aufgrund der Analyse der von
ihm untersuchten Fälle, insgesamt 5 verschiedene Typen
durch eine weitere Differenzierung des Typs II nach Voll-
mar in einen Typ IIa und IIb (. Tab. 16.8).
. Abb. 16.6. Dysplasie oder normale Varikose?. , 62 J.; Einseitige
diffuse kleinkalibrige »Varikose« des rechten Beines; mäßige CVI mit
Es sind jedoch auch Marginalvenen beschrieben in
diskreten Ödemen bei Orthostasebelastung; venöse Kapazität leicht Kombination mit einem weitgehend normal ausgebildeten
erhöht im Vergleich zu links; Duplex weitgehend unauffällig, keine oder nur diskret dysplastisch veränderten tiefen Venensys-
Stammvenenvarikose, tiefen Venesystem mäßig exktatisch; keine tem. Loose und Lorenz (1997) forderten daher die Unter-
weiteren klinischen Auffälligkeiten. Dysplasie oder noch normale
scheidung einer persistierenden Marginalvene bei weitge-
Varikosis? Die Frage ist ungeklärt, die Patientin wünscht keine wei-
terführende Abklärung
hend intaktem und funktionsfähigem tiefen Venensystem
von einer persistierenden Embryonalvene als Kollateralge-
fäß eines weitgehend hypo- bzw. aplastischen tiefen Venen-
rianten der Weichteile aufweisen, ist immer verdächtig im systems mit einer entsprechenden Drainagestörung.
Hinblick auf eine zugrundeliegende Angiodysplasie. Beim KTS soll eine Marginalvene in 17% der Fälle vor-
kommen (Vollmar et al. 1979).
Therapie Es sind zwar streng lokal begrenzte, ebenso wie Weber et al. (2006) fanden zwischen 1982 und 1992
diffuse, allerdings rein epifasziale venöse Dysplasien bei den Patienten, die in ihrer Abteilung wegen chronisch
durchaus bekannt, die Beteiligung des tiefen Venensystems venöser Insuffizienz untersucht wurde, 97 Patienten (52 ;
muss jedoch vor jeder weiteren Maßnahme sicher abge- 45 ) mit 102 Extremitäten mit überwiegend venösen Dys-
klärt sein (. Abb. 16.6). Die auf die epifasziale Lokalisation palsien (18% aller Pat mit CVI). 92 Patienten zeigten eine
beschränkten Dysplasien sind relativ einfach und sicher zu persistierende Marginalvene und 10 Patienten eine per-
behandeln, wenn auch z.T. mit einem deutlich höheren sistierende Embryonalvene. Dysplasien oder sekundäre
Aufwand als bei der primären Varikosis. Diese Fälle sind Varikosis im Bereich des epifaszialen Venensystems fan-
gut beherrschbar und sogar unter einer konsequenten kon- den sich in allen Fällen. Beteiligt waren die VSM (31%), die
servativen Therapie langfristig gut zu versorgen. Die wei- VSP (46%), Seitenästenäste in 64%, davon V. acc. lateralis
terreichenden, das tiefe System miterfassenden Dysplasien in 25%, V. acc. medialis in 19%, Vv. arcuatae in 20%. Eben-
(Bockenheimer-Syndrom) dagegen sind begleitet von ei- so beteiligt waren die V. femoropoplitea mit 14%, die
ner schweren CVI mit ungewissem Langzeitverlauf. Vv. gluteales inf. mit 21% und die Vv. gluteales sup. mit
19%. Begleitende und direkt drainierende AV-Fisteln fan-
Persistierende Marginalvene den sich bei der Embryonalvene in 100% der Fälle und in
In einem ersten Schritt bei der embryonalen Entwicklung 38% der Marginalvenen.
des Venensystems der unteren Extremitäten entwickelt
sich die V. marginalis fibularis (Vollmar u. Voss 1979), die Therapie Der ungebremste Reflux in der Marginalvene
sich im weiteren Entwicklungsablauf, nach Etablierung führt zu einer ausgeprägten venösen Hypertonie in den
164 Kapitel 16 · Formen der Varikosis

a b c d

. Abb. 16.7. »Intramuskuläre venöse Dysplasie«. a–f ,


41 J, rein venöse, extratrunkuläre infiltrativ ausgedehnte
Malformation. Zustand nach mehrfachen frustranen (plan-
e f
losen) Explorationen

16

. Abb. 16.8. Verlaufsvarianten der persistierenden Marginalvene (nach Weber)


16.5 · Varikose bei Angiodysplasien
165 16

. Tab. 16.8. Klassifikation der Marginal- bzw. Embryonalvene n. Weber (2006)

Typ n. Typ n. Häufigkeit Verlauf der Marginalvene (MV)


Vollmar Weber Weber 2006

I I 10% Ausbreitung und Verlauf der MV: Nur Unterschenkel.


Drainage: Dorsale Fußvenen, laterale Vv. perforantes (VP)
Mündung: Distale anteriore Seitenäste (SÄ) der VSM

II IIa 4% Ausbreitung und Verlauf der MV:


Drainage: Dorsale Fußvenen, und/oder laterale Vv. perforantes (VP)
Mündung: Hauptabfluss über V. acc. post. am OS zur VSM; laterale VP am OS zur V. femoralis
(profunda)

II IIb 12% Ausbreitung und Verlauf der MV: Außenseite US und OS


Drainage: Dorsale Fußvenen, und/oder laterale Vv. perforantes (VP)
Mündung: Hauptabfluss über V. acc. ant. direkt zur Mündung der VSM; laterale VP am OS
zur V. femoralis (profunda)

III III 46% Ausbreitung und Verlauf der MV: Außenseite US und OS bis zur Hüfte.
Drainage: Dorsale Fußvenen, und/oder laterale Vv. perforantes (VP)
Mündung: Hautabfluss über VP zur V. femoralis, teilweise über die V. circumflexa lateralis.

IV IV 26% Ausbreitung und Verlauf der MV: US und OS bis zur Hüfte oder Becken.
Drainage: Dorsale Fußvenen, und/oder laterale Vv. perforantes (VP)
Mündung: Hautabfluss über VP zu den Vv. gluteales inf. oder sup., teilweise über VP der
OS-Außenseite.

abhängigen Hautarealen mit den Folgen einer CVI. Die aufsuchen, handelt es sich i.d.R. um ein Klippel-Trénaunay-
Marginalvene stellt daher frühzeitig eine Indikation zur Syndrom (. Tab. 16.9). Das FP-Weber-Syndrom sieht dem
funktionellen Ausschaltung dar, mit dem Ziel, die CVI zu KTS zwar sehr ähnlich, ist aber wesentlich seltener anzu-
begrenzen. Wie soll dies geschehen? Vollmar stellte die treffen und durch den Nachweis von hämodynamisch rele-
Funktion der Marginalvene als Kollateralgefäß in den Vor- vanten AV-Fisteln meist leicht abzugrenzen. Das Servell-
dergrund. Er warnte ausdrücklich vor einer Exstirpation Martorell-Syndrom fällt durch den evidenten disproporti-
oder Sklerosierung und bezeichnete die konsequente Kom- onierten Minderwuchs aus dem Rahmen und spielt dif-
pressionstherapie als Methode der Wahl. Diese Festlegung ferentialdiagnostisch keine Rolle. Damit sind aber auch die
auf eine Methode ist angesichts der Erkenntnis nicht zu hal- Grenzen der Klarheit im Rahmen der Syndrom-Systematik
ten, dass es auch persistierende Marginalvenen gibt, die nur erreicht, da die Vielzahl an Varianten, Übergangsformen
bedingt oder überhaupt nicht als Kollateralgefäß dienen. und rudimentären Formen sich hier nicht einordnen lassen
Vor therapeutischen Maßnahmen ist eine genaue phle- (. Abb. 16.8).
bographische Darstellung einschließlich aller Kommuni-
kationen und Perforansvenen zu fordern. Klippel-Trénaunay-Syndrom (KTS)
Im Allgemeinen wird die operative Sanierung durch Beim KTS handelt es sich um eine vorwiegend venöse Dys-
Exstirpation der Vene empfohlen. Wegen der vielfältigen plasie mit den diagnostischen Hauptkriterien:
Kommunikationen und Perforantes, sowie wegen der be- 4 Naevus Flammeus lateralis
schriebenen AV-Fisteln, ist von Strippingmanövern abzu- 4 Ipsilaterale Knochen-Weichteil-Hypertrophie
raten. Die lokale Präparation und Skelettierung, ggf. mehr- 4 Atypische »Varizen« und Venektasien, ggf. auch Hypo-
zeitig, gilt als Methode der Wahl. Vorausgehende Verödung plasien und Atresien.
von größeren Seitenästen wird ebenfalls empfohlen.
Man kann sich vorstellen, dass die Anwendung der Die unteren Extremitäten sind bevorzugt betroffen (. Abb.
Schaumverödung ebenso wie die der endovenösen Tech- 16.11).
niken hier gute Erfolgsaussichten bieten. Erste Berichte Das Vollbild des Syndroms ist charakteristisch. Die
hierzu liegen vor (Fraisir 2008). Verdachtsdiagnose kann klinisch, prima vista getroffen
werden. Zum KTS gehören keine klinisch relevanten
Komplexe Angiodysplasien (Polydysplasien) AV-Fisteln. Dies führt gelegentlich zu der Aussage, dass es
Bei den Patienten mit komplexen Angiodysplasien, die we- beim KTS grundsätzlich keine AV-Fisteln gäbe (Bollinger
gen ihrer »varikösen« Veränderungen die Sprechstunde et al. 1972). Dies stimmt so nicht, man muss vielmehr da-
166 Kapitel 16 · Formen der Varikosis

. Tab. 16.9. Synopsis der Angiodysplastischen-Syndrome (Auswahl)

Syndrom Naevus Weichteil- & Varizen AV-Fisteln Lymph- Sonstiges,


flammeus Knochen- (Vari- ödeme Bemerkungen
(lateralis) Hyper- köse
tophie; Forma-
ipsilateral tionen)

Klippel-Trénaunay KTS + + + (–/+) + Keine oder hämody-


(1900) namisch nicht relevante
AV-Fisteln

FP Weber (1907) PWS + + + + + hämodynamisch relevante


AV-Fisteln

Bockenheimer (1907) – – + – – Phlebektasien Jejunum,


Mundhöhle, Skrotum,
Klappen-Agenesie;
Zystische Angiomatose
von Knochen

Hippel-Lindau HLS + – – – – Hämangiomen von Retina,


Leptomeninx, Cerebellum,
Leber, Niere etc.

Sturge-Weber-Krabbe SWKS + – – + – Glaukom, Intrazerebrale


AV-Fisteln

Mafucci MS + – – – – Knochen-Knorpel-Dys-
plasien, Deformationen,
Spontanfrakturen

Servell-Martorell SMS – – + – – Kavernöse Hämangiome,


(1948) disproportionierter
Minderwuchs

16

a b c

. Abb. 16.9. Klippel-Trénaunay-Syndrom rechts. a–c , 28J.; konser- mediales Ulcus retromalleolar während der Pubertät, unter Vernach-
vatives Vorgehen; dauerhafte Kompressionstherapie mit AD-Strumpf, lässigung bzw. Aussetzen der Kompressionstherapie. Danach kompli-
ccl3; Gelegentliche Sklerosierung von störenden Varizen. 1-mal kleines kationsloser Verlauf; Beobachtungszeit über 22 Jahre.
16.5 · Varikose bei Angiodysplasien
167 16
16.5.7 Therapie der Venektasien
bei Angiodysplasien

Die unterschiedlichen Formen und Schweregrade der Dys-


plasie und insbesondere die Polydysplasien sind nicht heil-
bar. Es geht somit bei den Therapiekonzepten darum,
einerseits die hämodynamischen Störungen soweit als
möglich zu korrigieren bzw. auszugleichen und anderer-
seits die langfristigen Folgen der hämodynamischen Stö-
rungen zu minimieren. Um die Möglichkeiten der Thera-
pie im Bereich venöser Ektasien bzw. Varizen abschätzen
zu können, muss die Morphologie und die Funktionalität
des tiefen Venensystems der Beine und die der zentralen
Abflusswege bekannt sein. Oberflächliche Venen mit einer
eindeutigen Kollateralfunktion bei höhergradiger Hypo-
plasie oder Aplasie im tiefen Venensystem sind i.d.R. nicht
durch komplette Ausschaltung zu behandeln.
Die konservativen Möglichkeiten spielen daher bei
allen therapeutischen Konzepten eine große Rolle. Die The-
rapie soll so früh als möglich, d. h. also i.d.R. im Kindesalter
beginnen. Sieht man einmal von den Syndromen mit AV-
. Abb. 16.10. Rudimentäre Form eines Klippel-Trénaunay-Syn-
drom. , 72 J.; begrenzte Ausdehnung des Naevus auf die untere Shunts ab, so stehen neben den Ausgleichsmaßnahmen für
linken Gesäßhälfte und den proximalen Oberschenkel; angedeutete, die Unterschiede in der Länge der Extremitäten wie ortho-
kaum sichtbare Hypertophie der Extremität; dauerhafte Kompres- pädisches Schuhwerk und Höhenausgleich, die Maßnah-
sionstherapie, gelegentliche Verödungstherapie störender Varizen; men zur Beherrschung der venösen Hypertonie im Vorder-
keine Nennenswerte CVI. Verlaufsbeobachtung 25 Jahre
grund. Im Kindesalter mit Übergang zur Adoleszenz sind
ggf. Maßnahmen zur Wachstumsbegrenzung durch Ein-
von ausgehen, dass die AV-Fisteln beim KTS sehr klein griffe im Bereich der Wachstumsfugen zu diskutieren.
und unbedeutend, also hämodynamisch nicht relevant Neben der lebenslangen konsequenten Kompressions-
sind. Die Übergänge zum FP-Weber-Syndrom sind damit therapie, i.d.R. mit Kompressionsstrümpfen der höheren
als fließend anzusehen. Trennkriterium zwischen beiden Kompressionsklassen, kommt das gesamte Spektrum der
Syndromen ist der Nachweis von hämodynamisch rele- Varizentherapie zur Anwendung.
vanten AV-Fisteln Die operative Exstirpation der Venektasien ist häufig
schwieriger als in der normalen Varizenchirurgie, da eine
F.P. Weber-Syndrom (PWS) deutlich höhere Blutungsneigung, vielfältige Verästelun-
Das FP-Weber-Syndrom wird häufig auch als Parkes- gen und eine auffällige feste Verhaftung der Venen im um-
Weber-Syndrom bezeichnet. Der Autor, ein britischer gebenden Gewebe vorliegen können. Aus diesen Gründen
Arzt, hieß Frederick Parkes Weber. Parkes-Weber insbe- ist immer abzuwägen, ob nicht eine Sklerosierungstherapie
sondere mit Bindestrich geschrieben, wirkt irritierend, da als ausreichende Maßnahme anzusehen ist (Jin et al. 2008).
dies den flüchtigen Betrachter vermuten lässt, es handele Die wiederentdeckte Schaumverödung hat hier die Ein-
sich um ein Autoren-Team (Vollmar 1976). satzmöglichkeiten und die Erfolgsaussichten deutlich ver-
Für das FP-Weber-Syndrom gelten die gleichen diag- bessert. Erste Berichte über die Anwendung endovenöser
nostischen Kriterien wie für das KTS. Hinzu kommt der Techniken liegen vor (Frasier et al. 2008).
Nachweis von mehr oder weniger ausgeprägten, allerdings Bei intensiver Anleitung und Beratung sowie lang-
immer hämodynamisch relevanter, AV-Fisteln. Die teil- fristig angelegter enger Führung des Patienten können die
weise umfangreichen AV-Fisteln mit mehr oder weniger Verläufe auch ausgedehnter und komplexer Krankheits-
großen Shuntvolumina stehen klinisch und therapeutisch bilder so beeinflusst werden, dass eine akzeptable Lebens-
im Vordergrund und bestimmen langfristig das Schicksal qualität resultiert.
der betroffenen Patienten. Therapeutischer Nihilismus ist ebenso unangebracht
wie übertriebener Ehrgeiz und heroische Eingriffe. Alle
Therapieentscheidungen sind ärztlicherseits aus einer kon-
servativen Grundhaltung heraus zu treffen. Die Optimie-
rung des Langzeitverlaufes steht im Vordergrund.
168 Kapitel 16 · Formen der Varikosis

a b c

16

d e f

. Abb. 16.11. Rudimentäre Form eines Klippel-Trénaunay-Syndrom. a-d , 19J.; diskrete Hypertrophie, Naevus auf den Fuß beschränkt,
vorausgegangene Ulzeration
16.5 · Varikose bei Angiodysplasien
169 16
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17

17 Komplikationen bei Varikose

17.1 Phlebitis – 172


H. Nüllen, T. Noppeney
17.1.1 Besondere Phlebitisformen – 173

17.2 Varikophlebitis – 173


J. Noppeney, T. Noppeney
17.2.1 Klinik – 173
17.2.2 Diagnostik – 174
17.2.3 Therapie – 175
17.2.4 Zusammenfassung – 176

17.3 Varizen und tiefe Beinvenenthrombose – 176


H. Lawall
17.3.1 Zusammenfassung – 178

17.4 Chronisch venöses Ödem – 179


H. Nüllen, T. Noppeney
17.4.1 Physiologie und Pathophysiologie – 180
17.4.2 Ätiologie – 181
17.4.3 Diagnostik – 182
17.4.4 Therapie – 182

17.5 Ulcus cruris – 183


G. Salzmann
17.5.1 Definition – 183
17.5.2 Epidemiologie – 183
17.5.3 Pathophysiologie – 183
17.5.4 Klinik – 184
17.5.5 Diagnostik – 184
17.5.6 Differentialdiagnose – 185
17.5.7 Therapie – 186
17.5.8 Nachbehandlung – 188

17.6 Trophische Störungen der Haut bei Varikosis – 189


S. Reich-Schupke, M. Stücker
17.6.1 Ekzeme – 190
17.6.2 Atrophie blanche – 191
17.6.3 Purpura jaune d’ocre – 192
17.6.4 Pseudo-Kaposi-Sarkom – 193
17.6.5 Sklerose – 193

17.7 Hautpflege bei chronischen Venenerkrankungen – 194


S. Reich-Schupke, M. Stücker
17.7.1 Hautpflege in der Ulkusumgebung und Schutz der Wundränder – 195
17.7.2 Typ-IV-Sensibilisierungen – 195
172 Kapitel 17 · Komplikationen bei Varikose

17.1 Phlebitis Grundsätzlich ist die Entstehung einer Phlebitis in einer


vorgeschädigten oder in einer normalen, gesunden bzw.
H. Nüllen, T. Noppeney vermeintlich gesunden Vene möglich. Tritt die Phlebitis
in einer varikös vorgeschädigten Vene auf, spricht man
Der Begriff der Phlebitis besagt zunächst nicht mehr oder von einer Varikophlebitis, tritt sie in einer gesunden oder
weniger, als dass eine Entzündung in einer Vene vorliegt. vermeintlich gesunden Vene auf, spricht man von einer
Dahinter verbirgt sich allerdings eine ganze Reihe von ätio- Thrombophlebitis.
logisch und klinisch sehr unterschiedlichen Phänomenen Pathogenetisch kann man eine primäre oder spontane
mit verschiedenen Bedeutungen. Die Differentialdiagnose (idiopathische) von einer sekundären Phlebitis unter-
phlebitischer Veränderungen ist daher in ärztlichen Krei- scheiden. Die sekundäre Phlebitis kann weiter differenziert
sen nicht zuletzt wegen einer großen nomenklatorischen werden:
Sprachverwirrung wenig geläufig und so kann man nicht 4 sekundäre (Begleit-)Phlebitis (paraneoplastisch, Buer-
selten erleben, dass ein Patient mit einer banalen asepti- ger-Syndrom, M. Behcet, Sarkoidose etc.)
schen Varikophlebitis, bereits mit einem Antibiotikum 4 sekundäre posttraumatische bzw. iatrogene Form der
versorgt, zur weiteren Diagnostik in der phlebologischen Phlebitis (direktes Trauma, Blutentnahme, iv-Injektion,
Sprechstunde erscheint. Sklerosierungstherapie, Venenverweilkanüle bzw. –Ka-
Pathologisch anatomisch bzw. histologisch liegt allen theter).
Phlebitiden eine lokale Thrombose mit einer fokalen
periphlebitischen entzündlichen Reaktion zugrunde. Die Nach der Art der Lokalisation bzw. Ausbreitung unter-
nach außen hin imponierende entzündliche Reaktion scheidet man eine lokalisierte von einer ascendierenden
(Rubor, Calor, Dolor, Tumor) stellt eine uniforme Reaktion und descendierenden Phlebitis und als Verbindungsform
auf die lokale Thrombose dar. Diese ist äußerlich evident zur tiefen Venenthrombose eine transfaszial proliferieren-
und läuft bei der tiefen Venenthrombose nicht grundsätz- de Phlebitis (Kragenknopf-Phlebitis). Schließlich ist eine
lich anders ab als in der Oberfläche, wie von der Operation Phlebitis meist nicht bakteriell, kann aber auch bakteriell
tiefer Beinvenenthrombosen bekannt ist. kontaminiert sein (septische Phlebitis).
Obwohl man mit einiger Wahrscheinlichkeit davon Von einer Phlebitis migrans spricht man bei einer Aus-
ausgehen kann, dass die Pathogenese der oberflächlichen breitung der Phlebitis entlang der befallenen Vene. Diese
und der tiefen Thrombose weitgehend identisch ist, sollte stellt somit keine eigenständige Form dar, sondern bein-
man, der definitorischen Klarheit willen, die Begriffe wie haltet lediglich die Beschreibung eines Verlaufs. Gelegent-
folgt verwenden: lich findet man auch die Verwendung des Begriffs Phlebitis
4 Thrombose: thrombotischen Veränderungen im tiefen migrans sive saltans, meint aber die springende Form. Da-
Venensystem mit ist dann die Verwirrung komplett.
4 Phlebitis (Venenentzündung): thrombotischen Verän- Beim Versuch durch den Entwurf einer Systematik
derungen im oberflächlichen Venensystem Ordnung in die Nomenklatur zu bringen kann man sich

. Tab. 17.1. Systematik der Phlebitiden

Varikophlebitis Primäre Thrombophlebitis Sekundäre Thrombophlebitis


17
Formen Phlebitis in varikös vorge- Idiopathische Phlebitis in varikös Begleitphlebitis
schädigten Venen nicht vorgeschädigten, gesunden Posttraumatisch
oder vermeintlich gesunden Venen Iatrogen

Ätiologie bekannt Nicht bekannt bekannt

Pathogenese Spontan Spontan Paraneoplastisch


posttraumatisch Autoimmunologisch
Posttraumatisch
Iatrogen

Ausbreitung Lokalisiert Lokalisiert


Ascendierend (migrans) Ascendierend
Descendierend (migrans) Descendierend
Transfaszial proliferierend Transfaszal proliferierend
Saltierend
17.2 · Varikophlebitis
173 17
dem Problem von verschiedenen Seiten nähern (Leu 1998, 17.2 Varikophlebitis
Rieger 1998). Die Ergebnisse sind allemal unbefriedigend
(. Tab. 17.1). J. Noppeney, T. Noppeney
Die Systematisierungproblematik liegt in den Über-
schneidungen. So kann natürlich eine Begleitphlebitis im Das klinische Erscheinungsbild einer Varikophlebitis ist
Sinne eines paraneoplastischen Syndroms sich bei beste- sehr variabel. Das Bild reicht von lokalen Befunden in ober-
hender Varikose auch in einer Varize niederschlagen. flächlichen Seitenästen bis zur partiellen oder kompletten
Thrombosierung der Vena saphena magna (VSM) oder der
Vena saphena parva (VSP). Die Stammvenenvarikophlebitis
17.1.1 Besondere Phlebitisformen kann mit schwerem Krankheitsgefühl einhergehen. Da-
rüber hinaus kommt es bei der Varikophlebitis häufig zu
Phlebitis saltans begleitenden tiefen Venenthrombosen, entweder über Per-
Chronisch rezidivierende, sehr oberflächlich gelegene, foransvenen per kontinuitatem in das tiefe Venensystem
lokal eng begrenzte, schubweise springende Phlebitiden in hineinwachsend oder über den sapheno-femoralen bzw.
nicht varikös veränderten Venen. Die Veränderungen sind -poplitealen Übergang. Gelegentlich kann eine begleitende
druckschmerzhaft und heilen spontan nach 2–3 Wochen tiefe Beinvenenthrombose auch unabhängig vom Ort der
unter leichter Pigmentierung ab. Bevorzugt sind die Streck- Varikophlebitis, u. U. auch am anderen Bein, auftreten. Die
und Außenseiten der unteren Extremitäten. Histologisch Häufigkeit der TVT bei Varikophlebitis wird in der Litera-
zeigt sich eine Thrombophlebitis und Periphlebitis mit tur in bis zu 65% beschrieben, die Häufigkeit einer Lungen-
intramuralen Granulomen und Riesenzellen. embolie (LE) beträgt bis zu 33% (. Tab. 17.2).
Als Ätiologie wird eine allergisch-hyperergische Be-
gleitvaskulitis im Zusammenhang mit Fokalinfekten,
M. Buerger, Malignomen, M. Behcet, Lymphomen, Leuko- 17.2.1 Klinik
sen etc. angenommen. Die Therapie ist symptomatisch
lokal antiphlogistisch. Bei rezidivierenden Verläufen ist In den meisten Fällen präsentiert sich die Varikophlebitis
eine systematische weiterführende Diagnostik angezeigt. als rötliche, druckdolente Schwellung im Verlauf einer
Varize. Besteht die Varikophlebitis schon längere Zeit,
Strangförmige Phlebitis, Morbus Mondor kann auch ein verhärteter Strang im Verlauf der Vene ge-
Bei der Mondor’sche Erkrankung (Henri Mondor, franz. tastet werden. Als Begleiterscheinung der Varikophlebitis
Chirurg 1885-1962), auch als Eisendraht-Phlebitis (Phlé- können ein Erythem sowie eine allgemeine Schwellung
bite en fil der fer) bezeichnet, handelt es sich um eine des Beines auftreten, auch wenn keine begleitende tiefe Ve-
strangförmige, harte, meist schmerzlose Phlebitis von nenthrombose vorhanden ist.
nicht vorgeschädigten Venen in unterschiedlichen Körper- In ca. 35%–46% der Fälle sind Männer mit einem
regionen. Häufig betroffen sind die laterale Thoraxwand Durchschnittsalter von 54 Jahren betroffen, bei Frauen
(Mondor), die medialen Oberarmanteile und die Axelhöh- liegt es bei 58 Jahren (Ascher 2001).
len. Daneben finden sich die Veränderungen auch seltener In der Literatur wird als häufigster prädisponierender
an der weiblichen Brust, am Hals und am Penis (Kranz- Faktor für eine Phlebitis die vorbestehende Varikose mit
furchenphlebitis). Die lokal entzündlichen Reaktionen 62% angegeben. Dies konnten wir in eigenen Untersuchun-
sind meist diskret ausgeprägt. Histologisch handelt es sich gen bestätigen. In 58,5% der Fälle war allein die Varikose
um eine Riesenzellvaskulitis mit wahrscheinlich auto- mit der Phlebitis vergesellschaftet, bei 22,8% bestand eine
immunologischer Ätiologie. Varikose und andere prädisponierende Erkrankungen, bei
Die Patienten sind häufig über den auffälligen Befund 13,2% fand sich keine Varikose aber prädisponierende Er-
beunruhigt, eine weitere Diagnostik und Therapie ist je- krankungen und in 5,2% der Fälle blieb die Ursache unge-
doch i.d.R. nicht erforderlich. klärt (Noppeney 2006).
Dass die primäre Varikose per se ein Risikofaktor für
Literatur die Phlebitis darstellt, lässt sich histologisch belegen. So
Braun-Falco O, Plewig G, Wolff HH (1997) Dermatologie und Venerolo- finden sich in varikösen Venen Elongationen und Invagi-
gie. 4. Auflage Springer Heidelberg
nationen der Intima mit Kompression, Ausdünnung und
Rieger H (1998) Entzündliche Venenerkrankungen. In: Rieger, Schoop
(Hrsg.) Klinische Angiologie. Springer Heidelberg
Degeneration der Endothelzellen und streckenweise direk-
Leu HJ (1998) Pathologische Morphologie und Histopathologie der te Exposition der Lamina interna, wodurch die Bildung
Venenwand. In: Rieger, Schoop (Hrsg.) Klinische Angiologie. eines Thrombus begünstigt wird (Wali 2002).
Springer Heidelberg Neben den prädisponierenden Faktoren, wie Alter
über 60, Übergewicht, Zustand nach tiefer Venenthrom-
174 Kapitel 17 · Komplikationen bei Varikose

. Tab. 17.2. Inzidenz der TVT und Lokalisation der Variko- . Tab. 17.3. Ätiologe der Varikophlebitis bei begleitender
phlebitis TVT ( n = 11 von 109)

Autor Stromgebiet Ereignishäu- Risikokonstellation n %


figkeit
Varikose allein 4 (67) 6,0
Ascher (1995) VSP 65 % TVT
Varikose und pärdisponierende Erkrankung 4 (26) 15,4
Beatty (2002) VSM 44 % TVT 4 M. Buerger + Hyperhomozytämie
4 Asthma, positive Familienanamnese
Unno (2001) VSM + VSP 21 % TVT 4 Colitis ulcerosa
4 Z.n. Apoplex
Andreozzi (2000) VSM 33 % LE
pärdisponierende Erkrankung, keine 2 (15) 13,3
Verlato (1999) VSM 33 % LE
Varikose
Skillman (1990) Seitenäste femoral 17 % TVT 4 M. Behcet, Kortisontherapie
Seitenäste krural 5 % TVT 4 Herzinsuffizienz

Jörgensen (1993) Seitenäste, 23 % TVT Unklare Ätiologie 1


Segmente VSM
VSM/VSP ganz

Blumberg (1998) VSM 8,6% TVT erkrankungen oder Risiken für TVT beträgt 5,7% (Belcaro
0,9 % LE 1999). In einer anderen Publikation über Patienten mit
akuten Varikophlebitis, die in 41% neben der Varikose
unter weiteren Begleiterkrankungen – einschließlich 7,8%
bose (TVT) oder vorausgegangene Varikophlebitiden, Neoplasmen – litten, trat eine begleitende TVT mit 11,8%
spielt auch die thrombophile Diathese eine wesentliche deutlich häufiger auf. Zusätzlich war bei 9,8% der Betrof-
Rolle für die Entstehung einer Varikophlebitis. fenen eine Lungenembolie nachzuweisen (Unno 2002). In
Nach einer Phlebitis, mit oder ohne Varikose, sollte unserem Patientenkollektiv (n = 109) war bei Patienten
daher immer nach begleitenden, prädisponierenden Er- mit alleiniger Varikose eine begleitende TVT in 6% der
krankungen gesucht werden. Neben der Thrombophilie Fälle festzustellen. Bestand eine zusätzliche prädisponie-
zählen hierzu auch Tumorerkrankungen. Bei unseren rende Erkrankung, stieg die Inzidenz der TVT auf 15,4%
eigenen Patienten z. B. fanden wir als prädisponierende (. Tab. 17.3).
Begleiterkrankungen jeweils einen Fall von Morbus Winni-
warter-Buerger, Asthma bronchiale, Colitis ulcerosa,
Morbus Behcet, Herzinsuffizienz. 17.2.2 Diagnostik
Die Inzidenz einer begleitenden tiefen Venenthrom-
bose bei Varikophlebitis wird zwischen 5% und 65% an- Für eine Therapieentscheidung hinsichtlich prophylak-
gegeben, auch Lungenembolien werden in bis zu 33% be- tischer oder therapeutischer Antikoagulation sind die exak-
schrieben (Noppeney 2006). Ein entscheidender Faktor für te Feststellung der Varikophlebitis mittels Duplexsono-
die Entstehung einer TVT scheint die Ausdehnung und die graphie, sowie die Erfassung von Akut- und Basisrisiken
Lokalisation der Phlebitis zu sein. Aus den vorliegenden für die Entstehung einer TVT notwendig.
17 Publikationen lässt sich eine eindeutige Korrelation zur Das wahre Ausmaß der Varikophlebitis kann erheblich
Inzidenz einer begleitenden TVT herstellen (. Tab. 17.2). vom klinischen Befund abweichen (Denzel 2000). Daher
Eine ähnliche Korrelation fanden wir in unserem eigenen reicht es nicht aus, die Ausdehnung der Varikophlebitis
Patientenkollektiv. Hier betrug die Inzidenz einer beglei- allein klinisch abzuschätzen. Die Duplexsonographie ist in
tenden TVT bei Varikophlebitis in Seitenästen lediglich der Diagnostik die Methode der Wahl, da sich hier sowohl
5,2%, während sie auf 13,6% bei Befall der VSM am Unter- die Ausdehnung der Varikophlebitis exakt bestimmen
schenkel bzw. der distalen VSP und auf 15,6% anstieg, lässt, als auch das tiefe Venensystem auf das Vorliegen einer
wenn die VSM bzw. VSP in ganzer Länge betroffen waren begleitenden TVT beurteilt werden kann.
(Noppeney 2006). Die Methode ist nicht invasiv und wenig belastend und
Neben der Lokalisation und Ausdehnung der Variko- kann während des Krankheitsverlaufes beliebig oft wieder-
phlebitis sind prädisponierende Faktoren entscheidend holt werden (. Abb. 17.1). Generell gilt die Empfehlung,
für das Entstehen einer begleitenden TVT. Die Inzidenz dass 48 Stunden nach Beginn der Therapie eine erneute
einer begleitenden TVT bei akuter Phlebitis und vorbe- Duplexuntersuchung durchgeführt werden sollte, um eine
stehender der Varikose ohne andere zusätzliche Begleit- Progression der Varikophlebitis auszuschließen.
17.2 · Varikophlebitis
175 17
Da die Inzidenz einer begleitenden tiefen Venenthrom-
bose bei Varikophlebitiden von Seitenastvarizen am Unter-
schenkel gering ist, ist in diesen Fällen neben der Basis-
therapie eine Thromboseprophylaxe mit NMH zwischen
10 Tagen und 4 Wochen ausreichend. Einheitliche Empfeh-
lungen für die Dauer der Thromboseprophylaxe liegen in
der Literatur nicht vor. Sind zusätzliche Basis- oder Akut-
risiken für eine tiefe Venenthrombose bei Seitenastvariko-
phlebitis am Unterschenkel vorhanden, sollte die Throm-
boseprophylaxe risikoadaptiert und eher für einen längeren
Zeitraum bis zu 4 Wochen durchgeführt werden.
Sind Perforansvenen oder Seitenäste am Oberschenkel
betroffen, ist eine therapeutische Antikoagulation für
4–12 Wochen indiziert. Bei Stammvenenphlebitis kann
eine therapeutische Antikoagulation bis zu 3 Monaten er-
wogen werden.
Die Dauer der Antikoagulation wird sehr unterschied-
lich diskutiert. Die Empfehlungen reichen von wenigen
Tagen bis zu 3 Monaten, in Abhängigkeit von Lokalisation
und Ausdehnung der Varikophlebitis, sowie zusätzlich be-
stehenden Risikofaktoren für eine TVT. In der Literatur
wird eine deutliche Abhängigkeit zwischen der Art der
. Abb. 17.1. Phlebographische Darstellung einer Varikophlebitis
Antikoagulation und dem Auftreten einer begleitenden
der VSM TVT nach Phlebitis angegeben. Die Inzidenz einer TVT
betrug bei Marchiori (2002) unter einer Low-dose-Hepa-
rinisierung mit unfraktioniertem Heparin (2-mal 5.000
Eine Phlebographie ist in der Regel nicht notwen- Einheiten pro Tag) 20% während die Inzidenz bei thera-
dig. Sie sollte nur den Fällen vorbehalten sein, in denen die peutischer Antikoagulation (2-mal 12.500 Einheiten pro
Duplexsonographie keine eindeutigen Aussagen über das Tag) nur 3,3% betrug. In einer Studie von Lozano (2003)
Vorliegen einer begleitenden Venenthrombose zulässt. traten unter therapeutischer Antikoagulation bei Variko-
phlebitis der VSM keine TVT oder LE auf. In der Kontroll-
gruppe von Patienten mit Ligatur des sapheno-femoralen
17.2.3 Therapie Überganges ohne Antikoagulation kam es in 6,7% der Fäl-
le zur Lungenembolie.
Die Behandlungsstrategien reichen vom Kompressions- Eine Operation mit Ligatur des sapheno-femoralen-
verband über Thromboseprophylaxe, der therapeutischen oder poplitealen Überganges kann dann in Erwägung
Anitkoagulation bis zur Operation. Keinesfalls sollte gezogen werden, wenn die Varikophlebitis die Mündungs-
man bei Vorliegen einer Varikophlebitis in therapeutischen region erreicht oder die Varikophlebitis trotz ausreichender
Nihilismus verfallen und diese Erkrankung als harmlos Antikoagolation rasch progredient ist. Auch im Falle einer
abtun. operativen Unterbrechung des Mündungsgebietes sollte
Die Basistherapie besteht in der Applikation eines eine therapeutische Antikoagulation für 3 Monate postope-
Kompressionsverbandes mit Kurzzugbinden oder einem rativ durchgeführt werden. Unsere eigene operative Strate-
Zinkleimverband. Der Zinkleimverband hat den Vorteil, gie entspricht dem oben genannten Vorgehen. Wir haben
dass initial durch die Kühlung die lokalen Beschwerden die Indikation zum operativen Vorgehen immer dann ge-
deutlich gemindert werden. Zur Linderung der Schmerz- stellt, wenn die Mündungsregion erreicht oder schon ein
symptomatik können nichtsteroidale Antiphlogistika ver- Thrombus in das tiefe Venensystem im Mündungsgebiet
abreicht werden. Auf keinen Fall sollte der Patient immo- eingewachsen war. Zusätzlich zur Ligatur des sapheno-
bilisiert werden, vielmehr sollte man den Betroffenen zu femoralen- oder poplitealen Überganges wurde dann eine
ausreichender Bewegung anhalten. Thrombektomie des tiefen Venensystems durchgeführt.
Die Entscheidung eine zusätzliche Thrombosepro- Einige Zentren sind in der Indikationsstellung zum
phylaxe oder eine Antikoagulation durchzuführen, hängt operativen Eingriff großzügiger und operieren bereits
von der Lokalisation und der Ausdehnung der Varikophle- dann, wenn die Varikophlebitis bis zu 10 cm an die Mün-
bitis ab. dung ins tiefe Venensystem heran reicht (Denzel 2000).
176 Kapitel 17 · Komplikationen bei Varikose

Es herrscht keine Einigkeit darüber, ob die betroffene greater saphenous thrombophlebitis: a prospective study. Vasc
Surg 37:415–420
VSM oder VSP in gleicher Sitzung gestrippt werden soll.
Marchiori A, Verlato F, Sabbion P, et al. (2002) High versus low doses of
Wir entfernen in der Regel in der gleichen Sitzung die unfractionated heparin for the treatment of superficial thrombo-
betroffenen Stammvenenabschnitte, um das betroffene phlebitis of the leg. A prospective, controlled, randomized study.
epifasziale Venensystem möglichst komplett zu sanieren Haematologica;87:523–527
und die schmerzhaften Begleitreaktionen zu mindern. Noppeney T, Noppeney J, Winkler M, et al (2006) Strategien zur
Antikoagulation und Operation bei akuter Thrombophlebitis,
Eine spätere Sanierung des epifaszialen Venensystems
Zentralbl. Chirurgie;31:51–56
kann bei teilweise verschlossenen oder nur schlecht reka- Skillman JJ, Kent KC, Porter DH, et al, (1990) Simultaneous occurrence
nalisierten Venen schwierig sein. Darüber hinaus können of superifcial and deep Thrombophlebitis in the lower extremity.
die chronisch veränderten Venen Ausgangspunkt für er- J Vasc Surg 11:818–823
neute Varikophlebitiden sein. In der Studie von Lozano Unno N, Mitsuoka H, Uchiyama T, et al (2002) Superficial thromob-
phlebitis of the lower limbs in patients with varicose veins. Jap J
(2003) war die Rezidivrate der Varikophlebitis mit 10% in
Surg 32:397–401
der Gruppe der antikoagulierten Patienten deutlich höher, Wali MA, Eid RA (2002) Intimal changes in varicose veins: an ultrastruc-
als mit 3,3% in der Gruppe der Operierten. tural study. J Smooth Muscle Res;38:63-74

17.2.4 Zusammenfassung 17.3 Varizen und tiefe


Beinvenenthrombose
Eine Varikophlebitis im epifaszialen Venensystem stellt
eine ernsthafte Erkrankung mit u. U. schwerwiegenden H. Lawall
Begleiterkrankungen wie TVT und/oder Lungenembolie
dar. Daher sollte sie nach ausreichender Diagnostik the- Varizen gehören zu den häufigsten Gefäßerkrankungen.
rapeutisch konsequent angegangen werden. Bei Variko- Die primäre Varikose entsteht konstitutionell auf dem
phlebitiden von Seitenastvarizen am Unterschenkel er- Boden degenerativer struktureller Venenwandverände-
scheint eine Thromboseprophylaxe neben basistherapeu- rungen. Bei sekundären Varizen sind andere Erkrankungen
tischen Maßnahmen ausreichend. Bei Befall anderer Venen die Ursache der irreversiblen Venenwandveränderungen.
– Seitenästen am Oberschenkel, Perforansvenen, Seg- Häufig sind sie Folge einer zuvor stattgehabten tiefen Bein-
menten der VSM oder VSP – ist eine therapeutische Anti- venenthrombose und damit Ausdruck eines postthrombo-
koagulation indiziert. tischen Syndroms.
Über die Dauer der Thromboseprophylaxe, bzw. der Das postthrombotische Syndrom mit Ausbildung
Antikoagulation besteht keine Einigkeit. Nach unserer sekundärer Varizen ist ein bedeutsamer Risikofaktor für
Einschätzung sollte eine therapeutische Antikoagulation die venöse Thromboembolie (Geerts et al. 2008). Neben
jedoch mindestens 4 Wochen dauern. Venenwandschäden und Obstruktionen nichtrekanalisier-
Besteht bereits bei Diagnosestellung eine begleitende ter Venen sind pathologische hämodynamische Faktoren
tiefe Venenthrombose, ist eine therapeutische Antikoagu- im venösen Niederdrucksystem dafür mitverantwortlich.
lation entsprechend der Vorgabe der interdisziplinären Diese pathophysiologischen Zusammenhänge zwischen
Leitlinie erforderlich. Die weitere Behandlung erfolgt dann postthrombotisch veränderten Varizen und Entstehung
unter der Hauptdiagnose TVT. einer tiefen Beinvenenthrombose sind nicht Gegenstand
Erreicht die Varikophlebitis den sapheno-femoralen- der nachfolgenden Überlegungen.
17 oder -poplitealen Übergang, sollte zusätzlich zur therapeu- Unklar ist die Bedeutung primärer Varizen in der
tischen Antikoagulation zumindest eine Ligatur des Mün- Entwicklung der tiefen Beinvenenthrombose (TVT) und
dungsgebietes und bei einem Einwachsen des Thrombus in der Lungenembolie (LE). Beide Erkrankungen werden in
das tiefe Venensystem eine Thrombektomie erfolgen. neueren Veröffentlichungen als venöse Thromboembolie
(VTE) zusammengefasst. In den aktuellen Leitlinienemp-
Literatur
fehlungen des American College of Chest Physicians
Ascher E, Hingorani A (2001) Superficial thrombophlebitis; Handbook
of venous disorders 2ND Edition; 17:179–182
werden die primären Varizen als eigenständiger Risiko-
Belcaro G, Nicolaides AN, Errichi EM et al. (1999) Acute superficial faktor für eine venöse Thromboembolie nicht mehr aufge-
venous thrombophlebitis: does emergency surgery have a role? führt (Geerts et al. 2008).
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In der deutschsprachigen Literatur findet man dagegen
Lozano FS, Almaza A, (2003) Low-molecular-weight heparin versus die primäre Stammvarikosis als eigenständigen disposi-
saphenofemoral disconnection for the treatment of above-knee tionellen Risikofaktor für die Entwicklung einer VTE bei
17.3 · Varizen und tiefe Beinvenenthrombose
177 17
nichtchirurgischen Patienten (Lutz et al. 2002). In Analo-
gie zu chirurgischen Patienten werden auch für nichtchi- . Tab. 17.4. Risikofaktoren und VTE-Risiko bei nichtchirur-
gischen Patienten in der MEDENOX-Studie
rurgische Patienten zwei Determinanten des individuellen
Thromboserisikos beschrieben. Dabei werden expositio- Risikofaktor RR 95%-KI P
nelle (auslösende) von dispositionellen (prädisponieren-
den) Risikofaktoren unterschieden. Letztere beinhalten anamnestisch VTE 1,84 1,15-2,94 0,02

das Basisrisiko des Patienten, das angeboren oder erwor- Malignom 1,74 1,13-2,68 0,02
ben sein kann. Die primäre Varikose kann als prädisponie-
Alter > 75 J. 1,51 1,03-2,20 0,04
render Risikofaktor die Entstehung einer tiefen Beinvenen-
thrombose triggern und ist deshalb als Basisrisiko in einem Varizen 1,34 0,91-1,97 0,18
aktuellen Risikoschema zur Erfassung des individuellen Weibliches Geschlecht 1,20 0,83-1,73 0,38
VTE-Risikos aufgeführt (Nüllen 1996, Haas 2005).
Obwohl große epidemiologische Studien zu dieser Adipositas 1,04 0,68-1,60 0,97
Fragestellung fehlen und gerade auch in älteren Unter- (nach Alikhan et al. 2004)
suchungen (SIRIUS-Studie 2000) die Begriffsschärfe oft
unklar ist (Samama 2000), wird in Deutschland die Variko-
se, und hier namentlich die Stammvarikose, als konsens-
basierter dispositioneller Risikofaktor für die Entstehung Stase. Die Gerinnungsaktivierung bei Endothelschädigung
einer venösen Thromboembolie genannt. (Nüllen 1996, führt dann zur lokalen Thrombenbildung. Varizen bei in-
Haas 2007). ternistischen und chirurgischen Patienten können somit
In der genannten SIRIUS-Studie wird die chronisch das Thromboserisiko erhöhen. Alleine sind sie allerdings
venöse Insuffizienz als ein prädisponierender Risikofaktor nur selten der Auslöser einer tiefen Beinvenenthrombose.
für die tiefe Beinvenenthrombose mit einer Odds-Ratio Sie triggern das Thromboserisiko bei Vorhandensein von
von 4,45 (95% – KI 3,10-6,38) ermittelt. Dabei wurde die weiteren Risikofaktoren. Da vielfach mehrere Risikofak-
Varikose nicht ausdrücklich differenziert und von der toren das individuelle Thromboserisiko bestimmen und
oberflächlichen Thrombophlebitis bei Varikose unter- die Varikose nur einer dieser Faktoren ist, ist deshalb der
schieden. In einer aktuellen großen englischen prospek- Stellenwert in epidemiologischen Studien oder großen Ko-
tiven Kohortenstudie stellte sich die Varikose als unab- hortenstudien nur schwer einzuschätzen.
hängiger Risikofaktor für das Auftreten einer tiefen Bein- Diese Problematik drückt sich in der Einschätzung der
venenthrombose und Lungenembolie heraus (Huerta et al. primären Varikose als Risikofaktor für eine VTE aus. Zu-
2007). sammenfassend aus den bisher publizierten Studien und
Unterstützt werden diese Beobachtungen durch die Er- auf der klinischen Erfahrung wird in nationalen und inter-
gebnisse der neuen Studien zur Thromboseprophylaxe bei nationalen Empfehlungen die primäre Varikose als prädis-
internistischen Patienten. In der MEDENOX-Studie wurde ponierender (Basis-)Risikofaktor mit einer schwachen
die Varikosis als Risikofaktor für eine VTE definiert. Eine Relevanz für chirurgische und nichtchirurgische Patienten
Post-hoc-Analyse der MEDENOX-Studie unterstrich die gewertet (Nüllen 1999, Enke et al. 2003, Haas 2003, Hill et
Bedeutung der prädisponierenden Basisfaktoren, insbeson- al. 2007, Kroeger 2007).
dere hinsichtlich der Wirksamkeit einer medikamentösen
Thromboseprophylaxe (Alikhan et al. 2004, . Tab. 17.4). Pathophysiologie der Thrombose bei Varizen
Für den Risikofaktor Varikosis konnte eine signifikante Thromben in varikösen Venen sind Abscheidungsthrom-
Risikoreduktion von 76% nach Gabe von 40 mg Enoxapa- ben, die wandständig oder obturierend sich früh an der
rin beobachtet werden. Als unabhängiger Risikofaktor Venenwand verankern. Eine Embolisierung wird selten
konnte in der univariaten Analyse die Varikose allerdings beobachtet (Leu 1999), häufiger ist eine Ascension oder
nicht identifiziert werden. In der PREVENT-Studie waren Descension bei insuffizientem Kollateralnetz. Im Gegen-
Varizen ebenfalls als statistisch signifikant mit proximalen satz zu den Thromben in Varizen handelt es sich im tiefen
tiefen Beinvenenthrombosen assoziiert (Vaitkus et al. Venensystem in den allermeisten Fällen um fibrin- und
2005). erythrozytenreiche Gerinnungsthromben, die oft das ge-
Wahrscheinlich kann man diese Risikoeinschätzung samte Gefäßlumen ausfüllen, jedoch nicht fest an der Ge-
auch auf chirurgische Patienten übertragen, da die patho- fäßwand haften. Hier ist das Embolierisiko groß.
physiologischen Mechanismen bei der Varikose die glei- Entzündliche Venenerkrankungen bei primärer Vari-
chen sind. Neben der Alteration der Venenwand mit Schä- kose gehen fast regelhaft mit Thromben einher. Diese ent-
digung des Endothels kommt es durch die lokale Venenek- stehen zunächst bei Schädigung des Endothels lokal im
tasie zur Verlangsamung der Blutströmung bis hin zur Bereich der entzündeten Venenwand.
178 Kapitel 17 · Komplikationen bei Varikose

Soweit aus den vorliegenden spärlichen Untersuchun- Trotz vieler Unklarheiten ist die oberflächliche Throm-
gen zu entnehmen, sind hier vordringlich die Stammvenen bophlebitis als Komplikation der primären Varikose ein
zu nennen. Kleinere Seitenäste oder Besenreiser als For- Risikofaktor für das Entstehen und Wiederauftreten einer
men der primären Varikose spielen bei der Entwicklung tiefen Beinvenenthrombose. Allerdings sind zwei charak-
einer TVT keine Rolle. teristische Unterschiede in der Beurteilung der SVT und
TVT festzuhalten:
Varizen, Thrombophlebitiden 1. Varizen sind in über 70% der Fälle bei SVT zu finden
und tiefe Beinvenenthrombosen und sind ein wesentlicher Faktor in der Pathogenese
Die oberflächliche Thrombophlebitis, auch als oberfläch- der SVT, bei der TVT dagegen nur als schwacher prä-
liche Venenentzündung bezeichnet, ist eine der häufigsten disponierender Risikofaktor einzustufen.
Komplikationen der Varikose. In über 70% der Fälle ist die 2. Die Komorbidität und Mortalität ist bei SVT deutlich
Vena saphena magna betroffen. geringer als bei der TVT (0,1–1% vs. 5% (Decousus et
Obwohl genaue Angaben fehlen, schätzt man die Inzi- al. 2005).
denz in der Allgemeinbevölkerung auf 3 bis 11% (Leon
et al. 2005), wobei Frauen deutlich öfter betroffen sind. Die Diese Beobachtungen schränken auch die Ergebnisse
Prävalenz der symptomatischen oberflächlichen Venen- zweier randomisierter Studien von Patienten mit SVT ein.
thrombose ist höher als die der symptomatischen tiefen In der STENOX-Studie und in der VESALIO-Studie hatten
Beinvenenthrombose und Lungenembolie (Di Minno et al. 3% der Patienten mit isolierter SVT eine TVT nach 3 Mo-
2005). In dieser multizentrischen Kohortenstudie war naten (STENOX Study Group 2003, VESALIO Investiga-
die Varikose ein schwacher Risikofaktor für das Auftreten tors Group).
einer VTE.
Eine spontane oberflächliche Thrombophlebitis
(SVT) ist die bei weitem häufigste Form dieser Venener- 17.3.1 Zusammenfassung
krankung und zur tiefen Venenthrombose (TVT) besteht
eine verwandte pathologische Entität: Beiden venösen Einige Kohortenstudien haben einen Zusammenhang zwi-
Krankheitsbildern sind häufige Risikofaktoren gemeinsam schen primären Varizen und tiefer Venenthrombose auf-
und die oberflächliche Thrombophlebitis scheint selbst ein gezeigt. Insbesondere bei oberflächlicher Thrombophlebi-
Risikofaktor für die Entwicklung einer venösen Thrombo- tis als möglicher Komplikation der primären Varikose be-
embolie (tiefe Beinvenenthrombose und Lungenembolie) steht ein erhöhtes Risiko für eine venöse Thromboembolie.
zu sein. Dies gilt für tiefe Beinvenenthrombosen und Lungen-
In einer Übersicht führt die oberflächliche Thrombo- embolien. Allerdings liegen häufig Risikofaktoren für bei-
phlebitis bei Varikose in annähernd 15% der Fälle zu einer de Erkrankungen vor (z. B. Alter, Malignom, entzündliche
tiefen Beinvenenthrombose und bei etwa 5% der Betrof- Erkrankungen), welche die Bedeutung der Varizen relati-
fenen kommt es zu einer Lungenembolie (Decousus et al. vieren. Übereinstimmend wird für chirurgische und nicht-
2003). Allerdings weisen die Autoren zu Recht darauf hin, chirurgische Patienten die Stammvarikosis als schwacher
dass oft maligne Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen prädisponierender Risikofaktor gewertet.
oder entzündliche Erkrankungen als Auslöser bei Throm- Aus klinischer Sicht sollte bei oberflächlicher Throm-
bophlebitiden eine bedeutsame Rolle spielen und ihrerseits bophlebitis eine duplexsonographische Untersuchung des
das Risiko einer venösen Thromboembolie drastisch er- oberflächlichen und tiefen Venensystems erfolgen, um
17 höhen. eine Beteiligung der tiefen Venen und damit mögliche
Hinzu kommt die enge Assoziation zum Lebensalter. Komplikationen nicht zu übersehen. Die Therapie erfolgt
Sowohl die VTE als auch die Varikose bzw. das Auftreten in Abhängigkeit von der Lokalisation und Ausdehnung.
von Varizen ist streng altersabhängig und die Prävalenz Bei Diagnose einer tiefen Beinvenenthrombose gelten die
steigt mit höherem Lebensalter an (Evand et al. 1999). Dies einschlägigen Leitlinienempfehlungen.
gilt ebenso für die Thrombophlebitis (Ruckley et al. 2002).
> Die oberflächliche Thrombophlebitis der Stamm-
Die oberflächliche Thrombophlebitis geht nach sys-
venen ist relevanter als Risikofaktor für eine tiefe
tematischen Ultraschalluntersuchungen in 6 bis 36% der
Beinvenenthrombose als die blande primäre Va-
Fälle mit tiefen Thromben einher, wobei allerdings in der
rikose. Eine Beteiligung des tiefen Venensystems
Mehrzahl der Patienten die tiefe Beinvenenthrombose
sollte wegen der therapeutischen Konsequenzen
asymptomatisch ist (Blumenberg et al. 1998). Inwieweit
ausgeschlossen oder nachgewiesen werden.
diese, insbesondere bei isoliertem Befall der Unterschen-
kelvenen von krankhafter Bedeutung ist, bleibt unklar
(Bounameaux et al. 1997).
17.4 · Chronisch venöses Ödem
179 17
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Di Minno G, Mannucci PM, Tufano A, Palareti G, Moia M, Baccaglini U,
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The first ambulatory screening on thromboembolism : a multi-
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general population: Edinburgh Vein Study. J Epidem Comm fenen Patienten dar, erzeugen einen hohen Leidensdruck
Health 53:149–53
und enden unbehandelt langfristig in einem mehr oder
Geerts WH, Berquist D, Pineo GF, Heit JA, Samama CM, Lassen MR,
Colwell CW (2008) Prevention of Venous Thromboembolism.
minder großen Desaster. Viele Patienten erscheinen in der
8th ACCP Guidelines. Chest 133;381S–453S Ödemsprechstunde im chronischen Stadium bereits mit
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dere mit Diuretika, hinter sich.
tion von Thrombosen und Embolien in der Inneren Medizin.
Springer, Berlin-Heidelberg
Periphere Ödeme, die ihre Ursache in einer venösen
Haas S (2006) Venöse Thromboembolien in der Inneren Medizin. In: Haas Insuffizienz haben, trifft man als akutes Phlebödem bei
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banaler Varikose und beim posthrombotischen Syndrom.
334:1053–54
Huerta C, Johansson S, Wallander MA, Garcia Rodriguez LA (2007) Risk
Daneben existiert eine Reihe von chronischen Ödem-
factors and short-term mortality of venous thromboembolism formen, die nicht ohne weiteres auf eine venöse Ursache
diagnosed in the primary care setting in the United Kingdom. bezogen werden können. Die eindeutige kausale Zuord-
Arch Intern Med 167:935–43 nung eines chronischen Ödems zu einer venösen Ursache
Kroeger K (2007) Risikofaktoren für eine venöse Thromboembolie. DÄ
kann insbesondere bei der primären Varikose schwierig
107:2544–50
Leon L, Giannoukas AD,Dodd D, Chan P, Labropoulos N (2005) Clinical
sein; sind doch jedem Gefäßmediziner die Patienten mit
significance of superficial vein thrombosis. Eur J Vasc Endovasc monströser Varikose bekannt, die keine Ödemneigung auf-
Surg 29:10–17 weisen und auch unter Belastungssituationen nicht über
Leu HJ (1999) Pathologische Morphologie und Histopathologie der Ödeme klagen. Auf der anderen Seite stehen die Patienten
Venenwand .In: Rieger H. , Schoop W (Hrsg) Klinische Angiologie.
mit einer eher diskreten Varikose, bei denen das periphere
Springer, Berlin-Heidelberg-New York
Lutz L, Haas S, Hach-Wunderle V, Betzl G, Jarmatz H (2002) Venöse
Ödem im Vordergrund steht und den primären Anlass zur
Thromboembolie in der Inneren Medizin: Risikoeinschätzung Konsultation ergeben hat. Wie kann man hier zu einer
und medikamentöse Prophylaxe. Med Welt 53:231–34 klaren Zuordnung gelangen, insbesondere, wenn der be-
Nüllen H (1996) Ist die Krampfadererkrankung ein Risikofaktor für troffene Patient die Hoffnung auf eine Heilung von der
das Auftreten einer tiefen Beinvenenthrombose und ergibt sich
Ödemneigung nach einer Sanierung der Varikose erwartet?
daraus ggf. eine Indikation zur prophylaktischen Operation der
Krampfadererkrankung? Gefäßchirurgie 1:116–118
Eigentlich bleibt die ätiologische Diagnose immer von einer
Ruckley CV, Evans CJ, Allan PL, Lee AJ, Fowkes FG (2002) Chronic ve- gewissen Unsicherheit begleitet, da die Ödemkrankheit
nous insufficiency: clinical and duplex correlations. The Edinburgh eine sehr bunte und vielschichtige Ätiologie und Pathophy-
Vein Study of venous disorders in the general population. J Vasc siologie aufweist und auch beim konkreten Patienten
Surg 36:520–25
durchaus nicht immer monokausal verursacht sein muss.
180 Kapitel 17 · Komplikationen bei Varikose

Bei der Betrachtung schematischer Darstellungen, wie sie


in . Abb. 17.3 gezeigt sind, ist zu bedenken, dass der effek-
tive Filtrationsdruck entlang eines Kapillarbettes nicht sta-
tisch zu verstehen ist, insofern, als am Anfang der Strecke
Filtration und am Ende der Strecke Rückresorption erfolgt,
sondern es handelt sich hier um eine Modellvorstellung,
in der ein statistisches Mittel zugrundegelegt wurde. Das
bedeutet, dass in Abhängigkeit von der Perfusionssituation
(Druck, Volumen) und der Permeabilität der Kapillar-
membran (regulatorische Prozesse, Entzündung, phar-
makologische Wirkungen, etc.) sich die Schwerpunkte für
Filtration, bzw. Rückresorption verschieben können, bzw.
dynamisch verhalten (Gamble 1960; Siegenthaler 1970). Es
. Abb. 17.2. Flüssigkeitskompartimente. Angaben in % des bestehen sogar deutliche regionale und organspezifische
Körpergewichtes Unterschiede in der Verteilung der Kräfte für Filtration
und Reabsorption. Zusätzlich wirkt sich auf die Modell-
vorstellung komplizierend aus, dass die Wände der Gefäße
17.4.1 Physiologie und Pathophysiologie bzw. Kapillaren tatsächlich nicht der Idealvorstellung einer
semipermeablen Membran entsprechen, sondern eine ge-
Der Begriff Ödem hat eine griechische Wortwurzel (Ge- wisse Durchlässigkeit für Proteine aufweisen. Daher geht
schwulst, Schwellung) und wird als schmerzlose, i.d.R. das Verhältnis des effektiven onkotischen Druckes über
nicht gerötete Schwellung infolge einer Ansammlung wäss- eine semipermeable Membran zum maximal möglichen
riger (seröser) Flüssigkeit in den Gewebespalten definiert. onkotischen Druck (Reflexionskoeffizient) in die Rech-
Das auf Starling zurückgehende Konzept des Flüssig- nung zur Balance zwischen Filtration und Reabsorption
keitsausgleichs zwischen den verschiedenen Flüssigkeits- ein. Auch der hydrostatische Druck im Interstitium ist
kompartimenten des Körpers (. Abb. 17.2) besagt, dass bei nicht überall gleich sondern weist regionale Unterschiede
einem normalen, ausgeglichenen Zustand, bei welchem auf und ist in der Subcutis, im Muskel und in der Lunge
weder ein Ödem, noch eine Gewebeaustrocknung be- subatmosphärisch, hingegen im Darm, in Niere und Leber
steht, der Flüssigkeitsaustritt (Filtration) aus dem intra- und im Gehirn positiv (Schad 2009).
vasalen in den extravasalen Raum und umgekehrt der Bei dieser Form der Betrachtung, wie sie sich in
Flüssigkeitseintritt (Resorption) aus dem extravasalen . Abb. 17.3 darstellt, bleibt zunächst unberücksichtigt,
in den intravasalen Raum im Gleichgewicht sind (Starling- dass neben Wasser und Elektrolyten auch Eiweiße zum
Gleichgewicht) (Starling 1896). Dieses Gleichgewicht Filtrat gehören, die aufgrund der Gesetzmäßigkeiten der
entspricht einem Gleichgewicht der hier wirkenden physi- Osmose nicht direkt rückresorbiert werden können, son-
kalischen Kräfte: dern zur lymphpflichtigen Last gezählt werden.
4 Hydrostatischer Druck, Bei pathologischen Zuständen kann dieses Starling-
4 Kolloidosmotischer Druck (Onkotischer Druck) Gleichgewicht gestört werden. Wird das Gleichgewicht in
4 Gewebedruck (. Abb. 17.3) Richtung auf ein Übergewicht der Filtration verschoben,

17

. Abb. 17.3. Schema der Ödempathogenese


17.4 · Chronisch venöses Ödem
181 17
so entstehen Ödeme, sobald die Drainagekapazität des Die eigentlichen, lokal auftretenden Ödeme zeichnen
Lymphgefäßsystems erschöpft ist. Entsprechend der jewei- sich dadurch aus, dass das Starling-Gleichgewicht lokal
ligen Ätiologie und Pathogenese kann somit eine Ödem- gestört ist. Aus dieser Gruppe kann man noch die fokalen
bildung durch eine gerichtete Verschiebung der o. g. phy- bzw. perifokalen Ödeme ausgliedern, zu welchen im We-
sikalischen Kräfte ausgelöst werden. sentlichen die infektionsabhängigen Ödeme und die post-
Die Vorstellungen von Filtration und Reabsorption, traumatischen Ödeme zu rechnen sind. Schlussendlich
wie sie sich aus dem klasssichen Schema des Starling- bleiben die lokalisierten oder auch peripheren Ödeme, im
Gleichgewichtes ergeben, sind heute durch eine Vielzahl Wesentlichen der unteren Extremitäten, die im Fokus der
von Einzelbefunden zu relativieren und zu ergänzen. Un- gefäßmedizinischen Betrachtungen und Bemühungen
beschadet dessen ist die Definition von Starling auch mehr stehen.
als 100 Jahre nach ihrer Formulierung bestens geeignet die Die peripheren Ödeme sind im akuten und subakuten
Vorstellungen zur Ödemgenese zu befördern. Stadium leicht reversibel, wenn es gelingt das Starling-
Gleichgewicht durch eine Verschiebung des Gradienten
von der überwiegenden Filtration in Richtung Rück-
Pathogenese peripherer Ödeme
resorption wiederherzustellen. Problematisch werden
↑ Hydrostatischer Druck periphere Ödeme im chronischen und dekompensierten
↓ Onkotischer Druck Stadium. Chronische Ödeme sind immer verbunden mit
↑ Kapillarpermeabilität einer lymphostatischen Komponente, bedingt durch ein
Übergewicht der lymphpflichtigen Last im Vergleich zur
Solange das Lymphgefäß in der Lage ist, das über- Transportkapazität des regionalen Lymphgefäßsystems.
schüssige Filtrat abzutransportieren, entsteht kein Die resultierenden Ödeme sind wegen der zwingenden
Ödem. Lymphpflicht des interstitiellen eiweißhaltigen Filtratan-
teils daher immer eiweißreiche Ödeme.
Diese chronischen, eiweißreichen Ödeme führen all-
Unter systematischen und klinisch-praktischen Gesicht- mählich zu einer Pathomorphose der betroffenen Gewebe
punkten muß man zwischen zwei großen Kategorien von im Sinne einer irreversiblen Fibrosklerose.
Ödemen, den systemischen und den lokalisierten Ödemen
unterscheiden (. Abb. 17.4). Bei den systemischen Öde-
men, zu welchen z. B. die kardialen, nephrogenen, hepa- 17.4.2 Ätiologie
tischen und die Eiweismangelödeme aber auch pharmako-
logisch ausgelöste Ödeme gehören, ist das Starling-Gleich- Beschränkt man die weitere Betrachtung auf die lokalisier-
gewicht systemisch gestört. ten, nicht unmittelbar lymphatischen Ödeme, so kommen
Bei den lokalisierten Ödemen muss man zunächst vier ätiologische Kategorien für die Genese der peripher
diejenigen Ödeme ausgliedern, die zwar lokalisiert auf- lokalisierten Ödeme in Betracht:
treten, aber zunächst ohne Vorliegen einer Störung des 1. Inflammation
Starling-Gleichgewichtes entstehen. Dies sind die Lymph- 2. Trauma
ödeme. Häufig werden hier fälschlicherweise auch die sog. 3. Stase
Lipödeme eingereiht. Die hierbei u.U. auftretenden Ödeme 4. Hyperperfusion
sind jedoch nicht diagnosespezifisch, sondern sekundärer
Natur und als orthostaseabhängige, chronisch hydrosta- Betrachtet man die peripheren Ödeme aus nosologischer
tische Ödeme zu klassifizieren. Sicht, so ergibt sich, bezogen auf die gefäßmedizinischen
Bedürfnisse, die folgende Einteilung (Nüllen et al. 2007).

Nosologische Systematik peripherer Ödeme


Akute und subakute Ödeme
4 Akutes Phlebödem (TVT)
4 Akutes inflammatorisches Ödem
4 Akutes traumatisches Ödem
4 Ischämisches Ödem
4 Postrekonstruktives Ödem
6
. Abb. 17.4. Systematik der Ödeme
182 Kapitel 17 · Komplikationen bei Varikose

wie leicht, mäßig, schwer, erheblich, monströs etc. können


Chronische Ödeme zwar eine gewisse Vorstellung transportieren, sind aber ins-
4 Chronisch hydrostatisches Ödem gesamt wenig hilfreich. Wir haben den Versuch unternom-
4 Chronisch venöses Ödem men eine Klassifizierung der peripheren Ödeme in 5 Schwe-
4 Chronisch inflammatorisches Ödem regrade vorzunehmen (Grad 0–4), die sich in der täglichen
Routine bereits bewährt hat (7 Kap. 15.13, . Tab. 15.12).
Eine Validierung der Scores steht noch aus.
Hier ist zu bedenken, dass die Einteilung einer gewissen Für die objektive Klassifizierung peripherer Ödeme
Willkür nicht entbehrt. Unter dem Begriff der »Chronisch können Umfangsmessungen sowie diverse volumetrische
hydrostatischen Ödeme«, der als Sammelbegriff für Verfahren angewendet werden. Allen objektiven Verfahren
alle nosologisch nicht näher klassifizierbaren Ödeme ge- ist ein gewisser Aufwand eigen, darüber hinaus ist die Ge-
dacht ist, fallen natürlich auch die sog. »chronisch venösen nauigkeit teilweise begrenzt und bei beidseitiger Erkran-
Ödeme«, da diese bei pathophysiologischer Betrachtung kung ist nur die zeitliche Änderung verwertbar. Für den
ebenfalls durch eine gestörte »Hydrostase« bedingt sind. routinemäßigen Einsatz ist ein ideales Verfahren z. Z. nicht
Da die Ätiologie und Pathogenese ungeklärt ist, sind erkennbar, möglicherweise wird in Zukunft die Multifre-
die folgenden Ödeme nicht sicher in diese systematischen quente- Bio-Impedanz-Analyse hier eine Lösung bieten.
Überlegungen einzuordnen:
4 sog. idiopathische Ödeme.
4 Myxödeme 17.4.4 Therapie
4 Zyklische Ödeme
4 Hitzeödem (Sommerbeine) Die Beseitigung des lokalisierten Ödems steht an erster
Stelle und ggf. im zweiten Anlauf, soweit möglich, eine Sa-
Fasst man die Ödemkrankheit weiter, als sie hier betrachtet nierung der zugrunde liegenden Störung. Die Grundlage
wird, und schließt die generalisierten Ödeme ein, die unter des therapeutischen Ansatzes bei der Behandlung peripher
Orthostasebedingungen immer auch eine periphere Loka- lokalisierter Ödeme besteht in der Unterstützung, bzw. In-
lisation zeigen, so ergeben sich eine Vielzahl von nosolo- duktion eines Gradienten, der das Starling’sche Gleich-
gisch mehr oder weniger eindeutig abzugrenzenden Enti- gewicht im Richtung auf Rückresorption verschiebt und
täten (Herpetz 1999, 2001). damit gleichzeitig die weitergehende gesteigerte, patholo-
gische Filtration unterdrückt. Man spricht von einer Ent-
stauungstherapie.
17.4.3 Diagnostik Die Entstauungstherapie funktioniert über die Erhö-
hung des Gewebedruckes. Durch externe Kompression der
Unter dem hier diskutierten gefäßmedizinischen Gesichts- betroffenen Extremität wird der Gewebedruck erhöht und
punkt interessieren nur die peripheren Ödeme venöser das Starling-Gleichgewicht in Richtung Rückresorption
Genese, so dass bei der weiteren Betrachtung die Lymph- verschoben. Die Kompressionstherapie beginnt in der Ent-
ödeme und die dekompensierten Lipödeme, wegen ihrer stauungsphase mit mindestens täglich gewechselten Kom-
besonderen Stellung (Strößenreuther 2001), weiterhin aus- pressionsverbänden (Kurzzugverbänden) und endet in der
geklammert werden. Erhaltungsphase mit der Anpassung von Kompressions-
Die Verdachtsdiagnose »peripheres Ödeme« besteht in strümpfen (Partsch et al. 1999). Je nach Art der ödem-
17 einer Blickdiagnose. Der objektive Nachweis erfolgt durch fördernden Erkrankung und dem Stadium müssen die
eine Druckprobe mit der Provokation einer Dellenbildung Kompressionsstrümpfe vorrübergehend oder dauerhaft
in der betroffenen Region (Bisgard’sche Kulisse, Unter- getragen werden.
schenkel prätibial, Fußrücken, Zehen, Oberschenkel). Diuretika sind i.d.R. für die Behandlung lokaler peri-
Neben der Anamnese ergibt die Derbheit des Ödems eine pherer Ödeme weitgehend ungeeignet. Bei einer gesteiger-
Vorstellung von der Chronizität. Das Vorhandensein bzw. ten Diurese steigt der intravasale onkotische Druck an und
das Fehlen von Hautveränderungen im Sinne trophischer steigert so die Wasserresorption aus dem veränderten in-
und/oder sklerosierender Veränderungen geben weitere terstitiellen Raum. Gleichzeitig erhöht sich aber auch der
Hinweise auf ein fortgeschrittenes Krankheitsstadium. Eine eiweißgebundene onkotische Druck im interstitiellen
allgemein anerkannte klinische Klassifizierung des Raum, so dass der Effekt schnell versiegt. Da bei lokalisier-
Schweregrades von peripheren Ödemen ist, mit Ausnahme ten peripheren Ödemen i.d.R. auch keine Hyperhydrata-
bei den Lymphödemen, nicht bekannt. Die bei Lymph- tion vorliegt, geht man davon aus, dass bereits nach kurz-
ödemen verwendete Klassifizierung ist für die sog. periphe- fristiger Anwendung die Nebenwirkungen der Diuretika-
ren Ödeme allerdings nicht geeignet. Subjektive Angaben therapie überwiegen.
17.5 · Ulcus cruris
183 17
Die Kompressionstherapie zu Entstauungszwecken spricht es dem Grad 4b. In allen Klassifikationen und Scores
an den unteren Extremitäten ist entgegen einer weit ver- ist das Ulcus cruris als schlimmste Variante dieser Erkran-
breiteten Ansicht bei AVK oder nach bypasschirurgischen kungen immer an letzter Stelle in den Skalen zu finden.
Maßnahmen nicht grundsätzlich kontraindiziert. Die An- Ulcus cruris venosum ICD10:183.0 (ohne Entzün-
wendung von Kompressionsmaßnahmen am arteriell min- dung) und 183.2 (mit Entzündung).
derdurchbluteten Bein bedarf jedoch der besonderen Er-
fahrung und Technik.
Die konsequente Anwendung der Kompressionsthera- 17.5.2 Epidemiologie
pie und die Beratung und Führung des chronisch kranken
Ödempatienten sollte zur Ausbildung des Gefäßmediziners Die Prävalenz des Ulcus cruris venosum ist stark alters-
gehören. abhängig. In einer Metaanalyse bei zwischen 1984 und
1996 publizierten Kollektiven im Umfang von 12.000 bis
Literatur 434.699 Personen lag bei 0,29% ein florides Ulcus cruris
Gamble JL (1960) Chemical anatomy, physiology and pathology of the vor (Wienert 1998). In der aktuellen Bonner Venenstudie
extracellular fluid. Havard University Press, Cambridge (Mass.)
liegt die Prävalenz für das abgeheilte Ulcus cruris zwischen
Herpetz U (1999) Ödeme – Pathogenese, Differentialdiagnose und
Therapie (Teil 1). Vasomed 11:208–215
dem 30. und 39. Lebensjahr bei 0,2%, steigt zwischen dem
Herpetz U (1999) Ödeme – Pathogenese, Differentialdiagnose und 50. bis 59. Lebensjahr auf 0,6%, zwischen dem 60. bis
Therapie (Teil 2). Vasomed 11:254–260 69. Jahren auf 1,1% und zwischen dem 70. und 79. Lebens-
Herpetz U (2001) Die häufigsten Beinödeme. Phlebologie 30:48–52 jahr auf 2,4%. In dieser Dekade besteht bei 0,3% ein flo-
Nüllen H, Noppeney T (2007) Ödeme. Gefäßchirurgie 12:134–138
rides Ulcurs cruris (Rabe et al. 2003).
Partsch H, Rabe E, Stemmer R (1999) Kompressionstherapie der
Extremitäten. Editions Phlebologiques Francaises, Paris (ISBN
Für die USA wurden die Behandlungskosten ein-
2.85480.770.7) schließlich Arztbesuche auf 40.000$ pro Patient jährlich
Schad H (2009) Gilt die Starling’sche Hypothese noch? LymphForsch geschätzt.
13:71–77 Bei ca. 50% der Patienten besteht ein Ulcus cruris min-
Siegenthaler W (1970) Klinische Pathophysiologie. Thieme Stuttgart
destens 1 Jahr, bei 20% zwei Jahre und bei 8% über 5 Jahre.
Starling EH (1896) The absorption of fluid from the connective tissue
spaces. J Physiol 19:312-–326
Der gesetzlichen Krankenversicherung entstehen allein für
Starling EH (1896) Physiological factors involved in the causation of stationäre Behandlungen über 1 Milliarde Euro Kosten, bei
dropsy. Lancet I, 1267–1270 einer durchschnittlichen Liegedauer von 15,8 Tagen unter
Strößenreuther RHK (2001) Lipödem und Cellilitis. Viavital-Verlag Köln; DRG Bedingungen. Weitere 0,61 Milliarden Euro Kosten
(ISBN 3-934371-26-4)
entstehen durch ambulante Behandlung. Jährlich soll ein
Verlust von ca. 2,8 Millionen Arbeitstagen durch Folge-
erkrankungen eines Venenleidens verursacht werden. So
17.5 Ulcus cruris resultiert allein durch die Arbeitsunfähigkeit ein volks-
wirtschaftlicher Schaden von einer weiteren Milliarde
G. Salzmann Euro. Zusätzlich werden Patienten mit Ulcus cruris – ver-
glichen mit der Normalbevölkerung – durchschnittlich
8,5 Jahre früher berentet (Blauschun 2004, Rabe et al. 2003,
17.5.1 Definition Wienert 1999).

Unter einem Ulcus cruris versteht man einen Gewebs-


defekt am Unterschenkel, der innerhalb von 8 Wochen 17.5.3 Pathophysiologie
nicht abgeheilt ist. Wenn als Ursache eine chronisch-
venöse Insuffizienz vorliegt, handelt es sich um ein Ulcus Ursache eines Ulcus cruris venosum ist eine lange beste-
cruris venosum. Wenn nach 3 Monaten keine Heilungs- hende dynamische venöse Hypertonie (»ambulatorische
tendenz zu erkennen und es innerhalb von 12 Monaten Hypertonie«) verbunden mit einer venösen Hypervolä-
nicht abgeheilt ist, bezeichnet man das Ulkus als therapie- mie. Diese kann durch Folgendes verursacht sein:
resistent (Mayer et al. 1994)). 4 primäre Varikose,
In der Stadieneinteilung von chronischen Venener- 4 postthrombotisches Syndrom
krankungen nach CEAP . Tab. 15.3 entspricht das floride 4 venöse Gefäßdysplasie
venöse Geschwür dem Stadium C6. In dem Sklerose-Fas-
zien-Score nach Hach . Tab. 15.8 treten Ulzera in den Sta- Primär handelt es sich um eine Störung der venösen Makro-
dien 2 bis 4 auf. In der neu formulierten klinischen Klassifi- zirkulation durch Reflux bei Klappeninsuffizienz und/oder
kation des postthrombotischen Syndroms . Tab. 15.10 ent- durch Behinderung des Abstroms durch Obstruktion.
184 Kapitel 17 · Komplikationen bei Varikose

Sowohl bei der primären Varikose als auch beim hatte wegen der nicht therapierbaren Ulzera um eine beid-
postthrombotischen Syndrom hat die Insuffizienz der seitige Unterschenkelamputation gebeten. Bei den regel-
Cockett’schen Perforansvenen eine ursächliche Bedeu- mäßigen Nachuntersuchungen sind die Ulzera beidseits
tung für die Entstehung von Ulzerationen. Auf ihnen lastet dauerhaft abgeheilt (Hach 2006).
wegen der peripheren Lokalisation der größte hydrosta- Kritisch ist dazu anzumerken, dass nur Teile dieser
tische Druck. Sie sind kurz und verlaufen gerade durch die pathophysiologischen Vorstellungen mit harten Daten zu
Faszie ohne zwischengeschaltete Muskelvenen. Bei Muskel- belegen sind. Nachgewiesen sind die Veränderungen der
kontraktionen erfolgt keine Abdichtung durch Verschie- Fibrillentextur an der Faszie (Staubesand et al. 1998). Die
bung von Faszien oder Muskelanteilen. Außerdem mün- Erhöhung des orthostatischen Kompartmentdruckes und
den sie nicht in die dickwandige V. saphena magna, son- des Druckabfalls nach Fasziotomie ist belegt und jederzeit
dern in die hintere Bogenvene, deren schwächere Wand reproduzierbar (Salzmann 2007). Auch eine Verbesserung
zum Abfangen retrograder Druckwellen schlechter geeig- der transkutanen Sauerstoffwerte ist bis 2 Jahre nach Fas-
net ist (Klappert 1989). ziotomie nachgewiesen (Salzmann 2007). Für eine Evidenz
Auch der Ausfall oder Einschränkung der peripheren fehlen entsprechende klinische Studien mit randomisier-
Pumpsysteme führt zu einer Erhöhung des Venendruckes ten Therapiekonzepten und entsprechenden Langzeiter-
(arthrogenes Stauungssyndrom) (Hach 2006). gebnissen. Dabei ist es fast unmöglich, vergleichbare Kol-
Der ständig erhöhte Venendruck führt zu einer Ver- lektive in ausreichender Zahl zu rekrutieren. Die Arbeits-
minderung der arterio-venösen Druckdifferenz und damit gemeinschaft operative Ulkuschirurgie der Deutschen
zu einer Reduzierung des lokalen Blutflusses im Sinne der Gesellschaft für Phlebologie beschäftigt sich mit dieser
Mikrozirkulationsstörung mit Verminderung der nutriti- Thematik.
ven Perfusion. Durch sekundäre Veränderungen an den
Kapillaren, perivaskuläre Ablagerungen und Störungen in
den Gerinnungsparametern und Fließeigenschaften kommt 17.5.4 Klinik
es zur Gewebssklerose und einer nachweisbaren Verschlech-
terung der Sauerstoffversorgung des betroffenen Gewebes. Bei einem Ulcus cruris, im Volksmund als »offenes Bein«
Eine typische Gewebsreaktion bei langjährig bestehen- bezeichnet, ist die Integrität der Körperoberfläche durch
den chronischen Ulzerationen ist die Sklerosierung der eine chronische Wunde gestört. Die Schmerzintensität ist
Ulkusränder, aber auch des Ulkusgrundes. Dadurch wird meist groß, manchmal aber auch erstaunlich gering und
auch die Wirksamkeit einer Kompressionstherapie ver- korreliert nicht mit Größe oder Ulkusdauer. Es gibt viele
mindert. Der Effekt der Shavetherapie (7 Kap. 33.1) besteht Selbsthilfestrategien und Hausrezepte, bei denen immer
darin, die sklerotischen Narbenanteile Schicht für Schicht irgendwann auch die Ringelblumensalbe zur Anwendung
abzutragen. Erst wenn ein weicher, gut durchbluteter Un- kommt. Und viele Patienten erleben, dass ihre Ärzte the-
tergrund erreicht wird, kann ein Hauttransplantat an- rapeutisch erfolglos sind. Ein Ulcus cruris vermindert
heilen. die Lebensqualität erheblich (Klyscz et al. 1998). Bei aus-
In schwersten Fällen kann die Gewebssklerose auch die gedehnten, stinkenden Ulzerationen können familiär, be-
Muskelfaszie erfassen (Dermatolipofasziosklerose) (siehe ruflich und im gesamten sozialen Umfeld erhebliche
Sklerose-Faszien-Score nach Hach . Tab.15.8). Staubesand Schwierigkeiten entstehen, die bis zur Isolation mit ent-
et al. konnten 1998 durch elektronenmikroskopische Stu- sprechenden psychischen Problemen führen können. Die
dien eine Zerstörung der Scherengittertextur der Fibrillen Erwähnung eines Ulcus cruris als drohendes Endstadium
17 nachweisen. Dadurch wird die Compliance der Faszie ge- einer schweren primären Varikose veranlasst viele bisher
stört und es kommt zu einer Druckerhöhung in den Mus- uneinsichtige Varizenträger, doch einer rechtzeitigen chi-
kelkompartimenten, die nur im Stehen nachweisbar ist rurgischen Sanierung zuzustimmen. Patienten, die von
(Salzmann 2007). Sie nimmt mit der Schwere der chro- Ulkusträgern der vorausgehenden Generationen familiär
nisch-venösen Insuffizienz zu und kann ohne weiteres geprägt sind, unternehmen häufig alles, um einem solchen
Werte bis 80 mm Hg erreichen. Auf diese Erkenntnisse Schicksal zu entgehen.
stützt sich die Faszienchirurgie mit der paratibialen Fas-
ziotomie und der großen kruralen Fasziektomie bei aus-
gedehnten chronischen Ulzera. Auch zirkuläre Gama- 17.5.5 Diagnostik
schenulzera, die jahrzehntelang bestehen, werden dadurch
zur Abheilung gebracht (Hach 2006). Hach hat 1993 bei Aus der Krankheitsvorgeschichte gilt es mögliche Ursachen
Gamaschenulzerationen an beiden Beinen erstmals eine der Ulkusentstehung herauszufinden, speziell das Vorlie-
zirkuläre en bloc-Resektion von Ulkus einschließlich der gen einer Varikose oder eines postthrombotischen Syn-
sklerotischen Faszie erfolgreich durchgeführt. Der Patient droms.
17.5 · Ulcus cruris
185 17
4 Liegen typische Risikofaktoren für eine periphere arte- Bei den Blutuntersuchungen ist besonders auf patho-
rielle Verschlusskrankheit vor? logische hämatologische und hämostaseologische Befunde
4 Bestehen rheumatologische oder orthopädische Ein- zu achten. Im Rahmen einer weiterführenden Diagnostik
schränkungen des Bewegungssystems? sind unter Umständen weitere Untersuchungen erforder-
lich: Kryoglobuline, Homocystein, APC-Resistenz, Para-
Die Ulkusdauer, Rezidivhäufigkeit, bisherige Therapiever- proteinämien, Antiphospholipidantikörper, antineutro-
suche, Allergisierung auf Externa, Intensität der Schmer- phile cytoplasmatische Antikörper (ANCA), Spurenele-
zen geben zusätzliche Hinweise. mente und Vitamine (Dissemond 2005). Allergieteste sind
Das typische Ullcus cruris venosum ist zu 80% ober- im Regelfall nicht erforderlich, wichtiger ist es potentielle
halb des Innenknöchels lokalisiert und bei ca. 20% an an- Allergene bei der geplanten Therapie zu vermeiden.
deren Stellen des Unterschenkels. Bei der klinischen Un-
> Beim Ulcus cruris Tetanus-Impfschutz überprüfen.
tersuchung interessiert in erster Linie die Größe des Ulkus,
die Beschaffenheit des Ulkusgrundes, des Ulkusrandes
und Veränderungen der umgebenden Haut. Bestehen Hin-
weise auf eine chronisch venöse Stauung mit Ödem, Pig- 17.5.6 Differentialdiagnose
mentierungen, Atrophie, Induration, Dermatitis oder Der-
matoliposklerose? Der sehr wichtige arterielle Pulsstatus Ein Ulcus cruris ist ein Symptom und keine Diagnose. Mit
kann gleich erhoben werden, gefolgt von einer orien- einer konsequenten phlebologischen Diagnostik ist es mög-
tierenden neurologischen und orthopädischen Unter- lich, den meisten Ulzerationen auch eine Diagnose zuzu-
suchung, bei der speziell der Beweglichkeit des oberen ordnen:
Sprunggelenkes (arthrogenes Stauungsyndrom) getestet 4 ca. 70% aller Ulzerationen an den Unterschenkeln habe
wird. Eine Fotodokumentation mit Planimetrie zu Beginn eine rein venöse Ursache
der Behandlung hilft Therapieerfolge zu objektivieren und 4 ca. 10% sind gemischt arterio-venös
zu dokumentieren (7 Kap. 13.3). 4 ca. 10% rein arteriell bedingt.
Ein bakteriologischer Abstrich vom Ulkusgrund ist bei 4 den verbliebenen 10% liegen vielfältige andere Erkran-
unproblematischen Ulzera routinemäßig nicht erforderlich, kungen zugrunde, die gegebenenfalls in die differen-
da jede chronische Wunde mit Mikroorganismen koloni- tialdiagnostischen Überlegungen einbezogen werden
siert ist. Wenn es allerdings Hinweise gibt, dass eine floride müssen (. Tab. 17.5).
Infektion vom Ulkus ausgeht, muss eine differenzierte bak-
teriologische Diagnostik erfolgen, einschließlich einer Re- Angesichts der Vielfalt der in . Tab. 17.5 angegebenen
sistenzbestimmung. Unter solchen Umständen ist dann möglichen Diagnosen muss man »Kolibri-Diagnosen«
dem Antibiogramm entsprechend eine antibiotische Be- von denen trennen, die erfahrungsgemäß in der Klinik zu
handlung notwendig, die aber systemisch erfolgen sollte. erwarten sind. Häufig sind Unterschenkelgeschwüre bei
Grundsätzlich wichtig ist die Klärung, ob eine Besiedlung Ödemen anzutreffen, die auf primäre oder sekundäre
mit multiresistenten Keimen (MRSA) vorliegt. Danach muss Lymphödeme, aber auch kardiale Ödeme mit erheblicher
das Ausmaß der hygienischen Umgebungsmaßnahmen bei Hautspannung an den Unterschenkeln zurückzuführen
den betreuenden Institutionen festgelegt werden, sei es die sind. Mehrfach im Jahr finden wir durch Hautbiopsien ein
ambulante Pflege, Altenheime, Praxen oder Kliniken. Pyoderma gangränosum, das dann durch Kortikoide oder
Bei der weiterführenden Diagnostik steht die funktio- gegebenenfalls mit Zytostatika oder auch immunmodu-
nelle und morpholoigsche Überprüfung des Venensystems lierenden Calcineurin-Inhibitoren behandelt werden muss
durch apparative und bildgebende Verfahren im Vor- (Dissemond 2005). Selten ist eine Kryoglobulinämie als
dergrund (7 Sektion II). Besteht der Verdacht auf eine pe- Ursache festzustellen. Ebenfalls selten sind rein neuropa-
riphere arterielle Verschlusskrankheit, sollte eine ausführ- thische Ulzera, meist sind sie mit Mikrozirkulationsstö-
liche Diagnostik bis hin zur digitalen Subtraktionsangio- rungen kombiniert. Sehr wichtig ist es, ein Malignom als
graphie durchgeführt werden. Radiologisch lassen sich primäre Ulkusursache, aber auch die sekundäre Entartung
Weichteilverkalkungen nachweisen. Durch Kernspin- und zu erkennen. Besonderer Verdacht besteht, wenn die Mus-
Computertomographie kann der Zustand der Unterschen- kelfaszie durchbrochen ist. Wie bei anderen »atypischen«
kelmuskulatur und der Faszien beurteilt werden. Eher un- Ulzera klärt häufig eine Gewebsbiopsie die Diagnose.
ter wissenschaftlichen Fragestellungen oder in Zweifels- Das differentialdiagnostische Spektrum ist sehr breit
fällen ist eine Kompartmentdruckmessung zu empfehlen. und es kann sehr aufwändig sein, beim Ulkus die ursäch-
Histologische Untersuchungen von Probeexzisonen aus liche Grundkrankheit herauszufinden. Andererseits ist es
dem Ulkusrand können differentialdiagnostische Hinwei- wichtig zu wissen, dass bei allen diesen Krankheitsbildern
se besonders bei atypischen Ulzera geben. auch Ulzera als Symptom auftreten können (. Tab. 17.5).
186 Kapitel 17 · Komplikationen bei Varikose

Neuropathisch Periphere Polyneuropathie


(Diabetes, Alkohol, Medikamente)

Zentral: Tabes dorsalis, Myelo-


dysplasie, Syringomyelie,
Spina bifida,Poliomyelitis, multiple
Sklerose

Hämatologisch Sichelzellanämie

Thalassämie

Polycythaemia vera

Leukämie

Thrombozytopathie

Lymphogranulomatose

Morbus Werlhof

Metabolisch Diabetes mellitus

Hyperurikämie

. Abb. 17.5. Ulkusrand bei Pyoderma gangränosum Amyloidose

Porphyrie

Infektiös Bakterielle Infektionen


. Tab. 17.5. Differentialdiagnose des Ulcus cruris
Mykosen
Ödeme Lymphödem
Protozoen
Ödeme anderer Ursachen
Virale Infektionen (Herpes, Pocken)
Vasculitis Lupus erythematodes
Erythema induratum Bazin (TBC)
Sklerodermie
Neoplastisch Basaliom
Sjögren Syndrom
Plattenepithelkarzinom
Morbus Behcet
Melanom, Lymphom, Sarkom,
Rheumatoide Arthritis Metastasen

Leukozytoklastische Vasculitis Exogen Chemisch

Polyarteriitis nodosa Physikalisch

Pyoderma gangränosum Artifiziell

17 Wegener Granulomatose Genetisch Klinefelter-Syndrom

Churg-Strauss-Syndrom Felty-Syndrom

Livedo vasculitis Faktor-V-Mutation

Werner-Syndrom

Mikrozirkulations- Diabetische Mikroangiopathie


störungen 17.5.7 Therapie
Kryoglobulinämie

Nekrobiosus lipoidica Obwohl die einzelnen Therapieformen in besonderen Ka-


Ulcus hypertonicum piteln differenziert dargestellt werden (7 Sektion IV und V),
soll doch an dieser Stelle auf die beim Ulcus cruris wich-
Cholestrinembolien
tigen Strategien eingegangen werden.
Calciphylaxie Vor allem hier ist die Behandlung kein lokales, sondern
6
ein hämodynamisches Problem. Es gilt die ursächliche
17.5 · Ulcus cruris
187 17
dass der Besserungsanteil des Eingriffs an den Venenklap-
pen schwer zu beurteilen ist. Grundsätzlich ist festzustel-
len, dass beim postthrombotischen Syndrom der Beinve-
nen langstreckige Veränderungen am tiefen Venensystem
vorliegen mit Wandverdickungen, Septenbildung, Zerstö-
rung des Klappenapparates, Obstruktion und Kollateralen-
bildung, so dass eine punktuelle Lösung an einer Klappe
nicht infrage kommt. Derartige Maßnahmen sollten spe-
ziellen Zentren vorbehalten bleiben und eignen sich nicht
zur flächendeckenden Anwendung (Gallenkemper et al.
1996).
Häufig bleibt beim postthrombotischen Syndrom nur
der Eingriff an insuffizienten Cockett’schen Perforans-
venen (7 Kap. 27) eventuell kombiniert mit der Faszienchi-
. Abb. 17.6. Jahrzehntelang bestehende Ulzera mit maligner rurgie als operative Möglichkeit. Bei ausgedehnten Haut-
Entartung veränderungen der chronisch-venösen Insuffizienz emp-
fiehlt sich die Perforansdissektion subfaszial endoskopisch,
weil diese Methode einen Zugang oberhalb der indurierten
Makrozirkulationsstörung im Venensystem zu beseitigen Gewebe ermöglicht (Klein-Weigel et al. 2002, Noppeney et
oder zu bessern. Bei einer zugrunde liegenden primären a. 2004, Sybrandy et al. 1998). Dadurch sind die Heilungs-
Varikose gelten die in 7 Kap. 25 dargestellten Vorgaben. In chancen wesentlich günstiger und im Subfaszialraum sind
den meisten Fällen kann dann sogar eine »Spontanheilung« keine Veränderungen der chronisch-venösen Stauung
des Ulkus abgewartet werden. Problematischer wird es, vorhanden. Für derartige Eingriffe ist eine Abheilung des
wenn ein postthrombotisches Syndrom vorliegt. Die Obs- Ulcus cruris nicht erforderlich. Eine Konditionierung und
truktion und regelmäßig vorhandene Klappeninsuffizienz Behandlung bei infektiösen Umgebungsreaktionen ist aber
– selbst bei guter Rekanalisation – lässt sich selten ursäch- trotzdem immer zu empfehlen. Perioperativ sollte in je-
lich behandeln. Venöse Bypassoperationen (Palma, May/ dem Fall eine Antibiotikaprophylaxe durchgeführt werden
Husny) haben die in sie gesetzten Erwartungen nicht er- (Salzmann 2007).
füllt und werden nicht mehr durchgeführt, weil die Lang- Die Lokalbehandlung der Ulzera entspricht dem ele-
zeiterfolge nicht besser sind als der Spontanverlauf. mentaren medizinischen Bedürfnis Wunden zu heilen. Sie
Rekonstruktionen oder Transpositionen einzelner Venen- wird deshalb oft überbewertet und kann als alleinige Be-
klappen und auch die Transplantation klappentragender handlung nur sehr selten zum Ziel führen (Pirk 2000).
Venensegmente aus anderen Körperregionen haben in Ein- Durch Externa sollte die physiologische Wundheilung
zelfällen gute Ergebnisse (Perrin 2000) 7 Kap. 29. Häufig zumindest nicht gestört werden. Häufigstes Problem ist die
werden aber gleichzeitig andere Eingriffe am Venensys- Allergisierung, die bei 80% therapieresistenter Ulzera
tem, wie zum Beispiel Perforansligaturen durchgeführt, so nachzuweisen ist. Die moderne Wundbehandlung – zum

. Tab. 17.6. Therapie des chronisch-venösen Stauungssyndrom mit Ulcus cruris entsprechend dem Sklerose Faszien Score nach Hach

Symptome Therapie

I Varizen, Ödeme, Keine Gewebssklerose Sanierung der Varikose und konservative Therapie

II Varizen, trophische Hautveränderungen, Verhärtung der Haut Sanierung der Varikose, gegebenenfalls Shaving, Spalthaut
und des Subkutangewebes (Dermato-Lipo-Sklerose)

III Persistierendes, rezidivierendes chronisches Ulkus, fakultativ Sanierung der Varikose (bei primärer Varikose), endoskopische
arthrogenes Stauungssyndrom, sklerotische Veränderungen Perforansdissektion + Fasziotomie, Shaving oder Ulkus/Faszienre-
der Haut, des Subkutangewebes und umschriebener Areale sektion, Spalthaut
der Faszie (Dermato-Lipo-Fascio-sclerosis-regionalis)

IV Zirkuläre chronische Ulzerationen, chronisches Faszienkom- Ulkus/Faszienresektion, krurale Fasziektomie, Spalthaut


pressionssyndrom, erhöhte Kompartmentdrucke, arthrogenes
Stauungssyndrom, zirkuläre Sklerose der Haut, des Subkutange-
webes und der Faszie (Dermato-Lipo-fascio-sclerosis circularis)
188 Kapitel 17 · Komplikationen bei Varikose

Wundmanagement hochstilisiert – beruht auf dem Prinzip


der feuchten Wundbehandlung. Für die verschiedenen
Phasen der Wundheilung, Inflammation, Granulation und
Epithelisation werden entsprechende Wundauflagen emp-
fohlen 7 Kap. 22.6. Die Industrie hat hier einen lukrativen
Markt entdeckt und entwickelt ständig neue Produkte.
Beim Ulcus cruris venosum ist die Qualität der Kompres-
sionstherapie von entscheidender Bedeutung. Sie wird vor-
zugsweise mit textilelastischen Kurzzugbinden durchge-
führt, es werden aber auch spezielle Strumpfsysteme an-
geboten.
. Abb. 17.7. Therapieresistente Ulzera nach erfolglosem Versuch
einer Shave-Therapie
Anforderungen an einen modernen Wund-
verband
4 nicht allergisierend
4 nicht toxisch
4 nicht adhaerent
4 atraumatische Verbandswechsel
4 Aufnahme von Wundsekret
4 Verhinderung von Dehydration
4 Durchlässigkeit für O2, CO2 und Wasserdampf
4 Schutz vor Mikroorganismen
4 angemessene Kosten

Spezielle chirurgische Maßnahmen am Ulkus selbst sind


konsequente Débridement, gegebenenfalls auch »Biosur-
gery« mit Maden oder zur Granulationsförderung Vaku-
umbehandlung. Bei ausgedehnten Ulzera kann, nach Aus- . Abb. 17.8. Sieben Monate nach kruraler Fasziektomie mit
Spalthauttransplantation
schöpfung aller hämodynamischen Besserungsmöglich-
keiten, das sklerotische Narbengewebe schichtweise abge-
tragen werden (Shavetherapie 7 Kap. 32.5). So wird ein gut
durchbluteter Untergrund erreicht, der für eine Hauttrans- zidive (Gallenkemper et al. 1996). Allein diese Zahlen be-
plantation – vorzugsweise als Mesh graft – geeignet ist. Nur legen die Notwendigkeit einer konsequenten Nachsorge
in schwersten Fällen bei meist zirkulären, jahrzehntelang und weiterer intensiver Behandlung. Dazu sind regelmä-
bestehenden Ulzerationen (Dermatolipofasziosklerose) ßige ärztliche Kontrollen auch nach der Abheilung erfor-
oder nach Versagen einer Shavetherapie ist als Alternative derlich. Besonderer Wert ist auf kontinuierliche Mobilität
zur Amputation die crurale Faszienresektion indiziert und Hautpflege ohne allergisierende Substanzen zu legen.
17 (Hach 2006) (. Abb. 17.7). Dadurch kann in vielen Fällen Bei einem Ulcus cruris venosum als Spätfolge einer primä-
sogar eine völlige Abheilung erreicht werden. Es handelt ren Varikose ist die Prognose nach chirurgischer Beseiti-
sich dabei immer um Einzelfälle und kleine Kollektive. gung der Varizen recht günstig, weil die Ursache der ve-
Aber die anhaltenden Therapieerfolge im Einzelfall sind nösen Hypertonie und Hypervolämie beseitigt werden
prägend für Patient und Behandler, auch ohne Evidenz konnte. Beim postthrombotischen Syndrom, aber auch bei
(. Abb. 17.8). der sekundären Leitveneninsuffizienz als Spätfolge einer
primären Varikose kann die Störung der venösen Makro-
zirkulation nicht kausal beseitigt werden. Deshalb ist eine
17.5.8 Nachbehandlung konsequente Kompressionstherapie auf Dauer notwendig.
Der Schutz vor einem Rezidiv steigt mit der Kompressions-
Nach Literaturangaben beträgt nach Abheilung eines Ulcus stärke und Regelmäßigkeit der Anwendung (Nelson et al.
cruris die Rezidivrate zwischen 60 und 90%. Wobei ein 2002). Hierzu ist die nachhaltige Motivierung in regel-
Drittel einmal ein Rezidiv erleidet, ein weiteres Drittel zwei mäßigen Abständen erforderlich. Ohne Compliance ist
bis drei Rezidive und das andere Drittel mindestens 4 Re- kein anhaltender Erfolg möglich.
17.6 · Trophische Störungen der Haut bei Varikosis
189 17
Literatur 17.6 Trophische Störungen der Haut
Blauschun U (2004) Aktuelle ökonomische Aspekte in der Therapie des bei Varikosis
Ulcus cruris – eine Übersicht. Vasomed 16:61–64
Dissemond J. (2005) Ulcus cruris – Genese, Diagnostik und Therapie.
UNI-MED Verlag, Bremen London Boston
S. Reich-Schupke, M. Stücker
Gallenkemper G, Bulling BJ, Kahle B, Klüken N, Lehnert W, Rabe E,
Schwahn-Schreiber C (1996) Leitlinien zur Diagnostik und Bei einer fortgeschrittenen Varikosis finden sich häufig
Therapie des Ulcus cruris venosum. Letzte Überarbeitung Mai neben Besenreisern, Teleangiektasien und sichtbaren Vari-
2004. Phlebol; 25:254–258
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Komplikationen durch Kontaktallergisches Ekzem


Behandlung der CVI
Irritativ-toxisches Ekzem

Impetiginiserung

Arzneimittelunverträglichkeiten
190 Kapitel 17 · Komplikationen bei Varikose

Ursache dieser kutanen Komplikationen ist der per- 17.6.1 Ekzeme


manente Hypertonus im Bereich der Venen, der postka-
pillären Venolen und Kapillaren der unteren Extremität. Definition und Klinik Ekzeme sind definiert als akut bis
Hierdurch kommt es zu einer Störung in der Mikrozirku- chronisch verlaufende, nicht infektiöse Entzündungsreak-
lation der Haut. Die Hautkapillaren sind deutlich dilatiert, tion von Epidermis und Dermis. Im Rahmen einer CVI
elongiert, arkadenartig und teilweise glomerulumartig ge- können sie entweder klein und lokal begrenzt im Bereich
wunden. In späteren Stadien der chronischen venösen großlumiger, stark gestauter Varizen auftreten (. Abb. 17.9)
Insuffizienz (CVI) kommt es zu einer Rarefizierung der oder aber im chronischen Stadium sogar den gesamten Un-
Kapillardichte. Im weiteren Verlauf ändert sich auch die terschenkel umfassen (. Abb. 17.10). Akut finden sich meist
Gefäßwandbeschaffenheit. Es tritt vermehrt Fibrinogen Rötungen und Überwärmungen im Bereich der Haut. Es
aus dem Kapillarraum aus. Proinflammatorische Faktoren kann zur Ausbildung von Bläschen und Exsudation kom-
werden ausgeschüttet, die wiederum Entzündungszellen, men. Bei länger bestehenden Ekzemen sind auch Schup-
u. a. Leukozyten, anlocken. Das Zusammenspiel der patho- pung, Krustenbildung und Lichenifikation möglich.
physiologischen Mechanismen führt zu einem ständig
erhöhten Gewebsdruck, dem Abbau elastischer Struktu- Pathogenese Neben den pathogenetischen Prozessen im
ren in Venen, Lymphgefäßen und im Gewebe. Trophische Rahmen der CVI, können weitere Faktoren die Entwick-
Störungen der betreffenden Region sind die Folgen lung von Ekzemen begünstigen. So können Ekzeme zusätz-
(7 Kap. 6). lich durch Unverträglichkeiten gegenüber Externa oder
eine Xerosis cutis z. B. durch den permanenten Peeling-
effekt unter einem okklusiven Verband oder unter Kom-
pressionsstrümpfen getriggert werden. Unverträglichkeiten
können in dieser Situation sowohl auf irritativ-toxischen

17

. Abb. 17.9. Umschriebenes Ekzem im Verlauf einer Varize . Abb. 17.10. Ausgedehntes chronisches Stauungsekzem im Be-
reich eines Unterschenkels
17.6 · Trophische Störungen der Haut bei Varikosis
191 17
Reaktionen (z. B. gegen Wundexsudat) als auch auf Typ-IV- nachweisen. Die dritte Phase, das so genannte Atrophie-
Sensibilisierung beruhen, wie sie bei der chronischen venö- blanche-Ulkus, entspricht einer, die Atrophiezone ganz oder
sen Insuffizienz gehäuft auftreten. (. Abb. 17.11). teilweise erfassende, Erosion oder Ulzeration (. Abb. 17.11).
Die Schmerzintensität ist meist unverhältnismäßig hoch im
Differentialdiagnose Differentialdiagnostisch muss vor Vergleich zur Ulkusgröße.
allem eine Tinea corporis mittels mykologischer Kultur
ausgeschlossen werden. Auch eine unabhängig von einem Pathogenese Ursache der Atrophie blanche ist eine chro-
Venenleiden bestehende mikrobielle, allergische oder irri- nische Vaskulopathie mit Verschlüssen kleiner Hautgefäße.
tativ-toxische Ekzemreaktion muss bedacht werden.
Differentialdiagnose Abhängig vom klinischen Stadium
Komplikationen und Prognose Ohne eine adäquate Diag- der Atrophie blanche kommen bei differentialdiagnosti-
nostik und Therapie der auslösenden Faktoren können schen Erwägungen die Purpura pigmentosa progressiva,
Ekzeme sich als therapieresistent und rezidivfreudig erwei- sekundär depigmentierte Narben, die Necrobiosis lipoidi-
sen. Insbesondere im Bereich einer gestauten Vene liegen- ca oder eine Livedovaskulopathie (. Abb. 17.12) in Be-
de Ekzemherde werden, selbst bei kurzfristiger Abheilung tracht. Falls die Zusammenschau von Anamnese und Kli-
z. B. durch Tragen eines Kompressionsstrumpfes und ggf. nik keine eindeutige Diagnosestellung erlaubt, ist hier die
einer adjuvanten Steroidtherapie, ohne eine dauerhafte Entnahme einer Hautbiopsie u. U. sinnvoll.
Sanierung der Varikose nicht abheilen.
Komplikationen und Prognose Hat sich das Vollbild
Therapieoptionen An erster Stelle steht hier die Behand- einer Atrophie blanche entwickelt, ist eine Regression nicht
lung des Venenleidens. Daneben sollten Kofaktoren, wie zu erwarten. Atrophie-blanche-Ulzera zeigen eine schlech-
eine möglicherweise bestehende Kontaktallergie (Allergenka- te Heilungstendenz und eine hohe Rezidivquote.
renz), Xerosis cutis (Hautpflege durch rückfettende Externa)
oder irritativ-toxische Reaktionen (adäquate Wundauflagen)
minimiert und falls möglich, komplett eliminiert werden.

Häufigste Typ-IV-Sensibilisierungen bei


chronischer venöser Insuffizienz
4 Wollwachsalkohole (Salbeninhaltsstoff )
4 Aminoglykosidantibiotika
4 Perubalsam (Salbeninhaltsstoff )
4 Cetylstearylalkohol (Salbeninhaltsstoff )
4 Paraben-Mix (Salbeninhaltsstoff )
4 Duftstoff-Mix (Salbeninhaltsstoff )
4 Nickelsulfat
4 Chloramphenicol
4 Kaliumdichromat
4 Kolophonium
4 Propylenglykol

17.6.2 Atrophie blanche

Definition und Klinik Bei der Atrophie blanche handelt


es sich um eine oft sehr schmerzhafte, meist perimalleolär
gelegene, chronische Vaskulopathie kleiner Hautgefäße
meist im Rahmen einer CVI. Die Atrophie blanche nimmt
einen dreiphasischen Verlauf. Zunächst findet sich eine ent-
zündliche Phase mit umschriebenen, lividroten Herden.
Dann kommt es zur Ausbildung kleiner, rundlicher, leicht
eingesunkener, narbiger Bezirke mit umgebender brauner
Pigmentierung. Randständig lassen sich oft Kapillarektasien . Abb. 17.11. Nahaufnahme einer ulzerierten Atrophie blanche
192 Kapitel 17 · Komplikationen bei Varikose

. Abb. 17.12. Bei der differentialdiagnostisch zu diskutierenden . Abb. 17.13. Bei der Purpura jaune d’ocre kommt es progredient
Livedovaskulopathie findet sich im Gegensatz zu den weißlich zu einer fleckförmigen roten bis rot-braunen oder ockerfarbigen
atrophischen Arealen eine rot-livide Verfärbung der Randbereiche Purpura in der Umgebung venöser Gefäße an den unteren Extre-
als Zeichen der Vaskulitis mitäten

Therapieoptionen Therapeutisch stehen neben der Be- Pathogenese Ursache dieser Purpura sind Stauungsblu-
handlung der Grunderkrankung die Schmerztherapie so- tungen im Verlauf der CVI. Die Erhöhung des hydrosta-
wie eine antientzündliche Therapie z. B. mit dem kurzzei- tischen Drucks sowie die zunehmende Verletzlichkeit und
tigen Einsatz externer Glukokortikoide im Vordergrund. Permeabilität der Gefäßwand führt zu einem Übertritt von
Eine intensive Hautpflege mit rückfettenden Externa sowie Erythrozyten ins perivaskuläre Gewebe. Dort kommt es
ggf. eine Abpolsterung (z. B. Schaumstoff-Pelotte) des be- dann auch nach Abbau der Erythrozyten zur Ablagerung
17 troffenen Areals soll das erneute Auftreten einer Ulzera- von Hämosiderin.
tion verhindern und vor einem Trauma an dieser Stelle
schützen. Differentialdiagnose Ein ähnliches klinisches Bild findet
sich unabhängig von einer CVI auch bei der Purpura pig-
mentosa progressiva (mögliche Auslöser: Arzneimittel,
17.6.3 Purpura jaune d’ocre Nahrungsmittelzusatzstoffe, Kryoglobulinämie Typ III,
Färbe- oder Bleichmittel in Baumwolltextilien), bei here-
Definition und Klinik Langsam, aber stetig kommt es zum ditär, medikamentös oder infektiös ausgelösten Thrombo-
Auftreten von fleckförmigen, teils roten, teils rotbraunen zytopenien, aber auch bei postinflammatorischen Hyper-
oder ockerfarbigen Purpura in der Umgebung venöser Ge- pigmentierungen (Melanose).
fäße an den Beinen. Je länger die Veränderungen bestehen,
desto dunkler werden die Verfärbungen an den Unter- Komplikationen und Prognose Unter adäquater Thera-
schenkeln. In der Regel bereiten die Veränderungen keine pie der Varikose kann ein Fortschreiten der Purpura ver-
Beschwerden (. Abb. 17.13). hindert werden (90% der Fälle), es bleiben jedoch meist
17.6 · Trophische Störungen der Haut bei Varikosis
193 17
oder im Bereich von Amputationsstümpfen sowie bei einer
ausgeprägten Adipositas. Bei der CVI kommt es durch die
Veränderung der Mikrozirkulation mit veränderter Sauer-
stoff- und/oder Druckbelastung zur Ausbildung dieser
gutartigen Gefäßproliferationen.

Differentialdiagnose Die wichtigste Differentialdiagnose


ist das Kaposi-Sarkom. Im Zweifel sollte eine histologische
Diagnostik erfolgen.

Komplikationen und Prognose In der Folge von mecha-


nischen Irritationen kann es zu Blutungen aus den betrof-
fenen Arealen kommen.

Therapieoptionen Therapeutisch steht die Behandlung


der CVI im Vordergrund.

17.6.5 Sklerose

Definition und Klinik Bei der Sklerose handelt es sich um


eine chronische, entzündliche Reaktion der Dermis, im
Verlauf ggf. auch der darunter liegenden Gewebeschichten
(. Abb. 17.15). Initial finden sich häufig knotige oder plat-
tenartige Indurationen am medialen Unterschenkel. Im
Verlauf kommt es zur zentripedalen Ausdehnung dieser
Hautveränderungen sowie auch zu einem zunehmenden
Eindringen in die Gewebetiefe. Vielfach wird dabei die
. Abb. 17.14. Durch lokale Veränderungen der Mikrozirkulation
Hypodermitis als eine Vorstufe der Dermatosklerose an-
kommt es zur Ausbildung gutartiger Gefäßproliferationen
gesehen. Unbehandelt geht sie in eine Dermato(lipofaszio)
sklerose über.
Während in den frühen Stadien lediglich die Haut be-
langfristig ggf. lebenslang persistierende Verfärbungen zu- troffen ist (Dermatosklerose), kommt es in den Folge-
rück. In 10% der Fälle ist trotz der CVI-Therapie der Über- stadien zu einem Einbezug des Unterhautfettgewebes
gang in eine chronische Form mit meist schubweise-rezi- (Dermatoliposklerose) und letztlich auch der darunter
divierendem Verlauf möglich. liegenden Faszien (Dermatolipofasziosklerose). Die Lä-
sionen fallen durch eine erhöhte Druck- und Berührungs-
Therapieoptionen Therapeutisch steht die Behandlung empfindlichkeit auf.
der CVI im Vordergrund.
Pathogenese Die Ätiologie der Sklerose im Rahmen der
CVI ist noch nicht abschließend geklärt. Es wird ein ge-
17.6.4 Pseudo-Kaposi-Sarkom häuftes Auftreten derartiger Veränderungen bei einem
Protein-C- oder Protein-S-Defizit beobachtet.
Definition und Klinik Das Pseudo-Kaposi-Sarkom erin-
nert klinisch, aber nicht histologisch an ein Kaposi-Sar- Differentialdiagnose Klinisch muss an eine zirkum-
kom. Anfänglich treten braunrote bis violette Flecken auf, skripte Sklerodermie (Autoimmunerkrankung), Herde
aus denen plaqueartige und knotige Gefäßtumoren ent- einer Necrobiosis lipodica (v. a. bei Diabetes mellitus,
stehen (. Abb. 17.14). Diese neigen zur Konfluenz. eher streckseitig) sowie das Erythema nodosum (be-
gleitende Allgemeinsymptome wie z. B. Fieber, Ab-
Pathogenese Das Pseudo-Kaposi-Sarkom ist zu finden geschlagenheit) gedacht werden. In der Histologie sind
bei der CVI, AV-Shunts im Rahmen von Angiodysplasie- Pannikulitiden anderer Genese z. B. im Rahmen eines
Syndromen oder bei einer dialysepflichtigen Niereninsuf- Lupus erythematodes oder einer Dermatomyositis abzu-
fizienz, gelegentlich auch an paralytischen Extremitäten grenzen.
194 Kapitel 17 · Komplikationen bei Varikose

damit verbundene lokal herabgesetzte Immunitätslage.


Insbesondere Streptokokkeninfektionen (z. B. Erysipel,
Phlegmone) aber auch gramnegative Erreger oder Myko-
sen können sich einfacher ausbreiten und zu schweren In-
fektionen führen.

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17.7 Hautpflege bei chronischen


Venenerkrankungen

S. Reich-Schupke, M. Stücker

Die veränderte Hautstoffwechsellage bei chronischen ve-


nösen Stauungszuständen in Kombination mit der thera-
peutischen, bei phlebologischen Erkrankungen zumeist
unverzichtbaren, Kompressionstherapie bedingt immer
eine starke mechanische Belastung des Hautorgans und
führt in vielen Fällen, als Nebeneffekt, zur Hautschädigung
mit Xerosis cutis, Schuppung und Ekzementwicklung. Im
Rahmen der Mikro- und Makrozirkulationsstörungen
kommt es zu einer stark geschwächten epidermalen
Schutzbarrierefunktion. Die Haut an den Unterschenkeln
. Abb. 17.15. Hyperpigmentierungen mit derber Konsistenz-
ist in hohem Maße verletzlich und gefährdet durch physi-
vermehrung am distalen Unterschenkel sind typisch für eine fort-
geschrittene Dermatoliposklerose kalische und mikrobielle Noxen. Medizinische Hautpflege
mit dermatokurativen und dermatoprotektiven Maßnah-
men ist demnach ein unverzichtbarer Bestandteil der The-
Komplikationen und Prognose Bei ausbleibender oder rapie. Die Wahl der geeigneten Präparate ist ausschlag-
inadäquater Therapie kann es, vor allem unter zusätzlicher gebend für den Therapieerfolg.
Einwirkung eines Traumas, zur Ausbildung eines Ulcus Grundsätzlich ist bei der Auswahl geeigneter Haut-
cruris venosum kommen. pflegepräparate zu unterscheiden zwischen Patienten mit
einer CVI, die einen Kompressionsstrumpf auf weitgehend
Therapieoptionen Therapeutisch steht eine suffiziente gesunder Haut tragen, und solchen, die im Rahmen ihrer
Kompressionstherapie im Vordergrund. Darüber hinaus CVI ein Ulcus cruris entwickelt haben. Bei letzteren ist in
17 können Acetylsalicylsäure (1. Wahl) oder kurzfristig Glu- hohem Maße mit Typ-IV-Sensibilisierungen gegen diverse
kokortikoide (2. Wahl) gegeben werden. Externa-Inhaltsstoffe zu rechnen (7 Abschn. 17.7.2).
Neben den unmittelbar durch die CVI selbst verur- Bisher fehlen evidenzbasierte Untersuchungen zur
sachten Hautveränderungen können in ihrer Folge infek- Hautpflege unter Kompressionstherapie bzw. unter beson-
tiöse Hauterkrankungen begünstigt oder bestehende Haut- derer Berücksichtigung einer chronischen venösen Insuf-
erkrankungen provoziert bzw. aggraviert werden. Beispiels- fizienz, doch haben sich in der alltäglichen Praxis folgende
weise verhält sich eine Psoriasis vulgaris im Bereich der Hautpflegeprodukte bewährt:
Beine bei bestehender CVI deutlich hartnäckiger als am 4 rückfettende Externa (z. B. Lotionen) mit Zusatz von
übrigen Integument. Hier sollte dann an eine CVI-be- Harnstoff (2,5-5%)
dingte Triggerung gedacht und eine entsprechende Diag- 4 Rezepturen mit indifferenter Grundlage und Glycerin-
nostik eingeleitet werden. Zusatz
Infektionen breiten sich im Bereich einer durch die 4 Rezepturen mit indifferenter Grundlage und Olivenöl-
CVI geschädigten Haut deutlich schneller und einfacher Zusatz
aus. Ursache sind die gestörte Mikrozirkulation und die 4 Olivenöl pur
17.7 · Hautpflege bei chronischen Venenerkrankungen
195 17
4 Vaseline allein oder mit Paraffinum subliquid Eine gute, aber auch nicht preisgünstige Alternative
4 Hautöle sind Cavilon®-Produkte in Form von alkoholfreien Sprays
oder Lollys. Sie bilden einen Schutzfilm, auf der Haut, der
Alle Hautpflegeprodukte sollten locker mit der Hand ver- schnell trocknet und atmungsaktiv bleibt. Er schützt bis zu
rieben und sanft in die Haut einmassiert werden. Starker 72 h und brennt auch dann nicht, wenn er auf geschädigte,
Druck und ein kräftiges Reiben sind unbedingt zu vermei- wunde Haut aufgetragen wird.
den, da dies die geschädigte Haut weiter belastet. Zur antiseptischen Reinigung sind octenidin- und
Vermieden werden sollte die Anwendung von: polihexanidhaltige Wundspüllösungen zu empfehlen.
4 alkoholischen Lösungen → Risiko der Austrocknung, Sie können mit einem Sprühkopf in die Wunde gesprayt,
Irritation mit einer Kompresse als Umschlag angewendet oder auch
4 Farbstoffen → Risiko der Sensibilisierung, toxische in die Wunde getropft werden. Lokale Antibiotika machen
Effekte aufgrund der Gefahr einer Keimselektion und der hohen
4 bei Patienten mit einem Ulcus cruris: Externa mit Sensibilisierungsgefahr wenig Sinn. Farbstoffhaltige Lö-
Duftstoffen, Wollwachsen, Perubalsam → Risiko der sungen zur Trockenpinselung sollten nicht angewandt
Sensibilisierung werden.

Zur Hautreinigung sollten keine Seifen, sondern seifen-


freie Waschemulsionen mit hautneutralem pH-Wert be- 17.7.2 Typ-IV-Sensibilisierungen
nutzt werden. Seifen lassen die Haut aufquellen und trock-
nen zu sehr aus. Auch ist das Neutralisierungsvermögen Bei der Auswahl der Pflegeprodukte ist darauf zu achten,
bei älterer Haut eingeschränkt, so dass der pH-Wert der dass Patienten mit einer chronischen venösen Insuffizienz,
Hautoberfläche dauerhaft verändert werden kann. Dies insbesondere solche mit einem Ulcus cruris, vermehrt
führt zu einer weiteren Schädigung der epidermalen Bar- zu einer Typ-IV-Sensibilisierung neigen. In der Literatur
riere. findet man bei Patienten mit einem Ulcus cruris in ca.
40–80% der Fälle entsprechende Typ-IV-Sensibilisie-
rungen. Auch Produkte, die über Jahre komplikationslos
17.7.1 Hautpflege in der Ulkusumgebung vertragen wurden, können plötzlich zu allergischen Reak-
und Schutz der Wundränder tionen führen.
Die wichtigsten Allergene für Patienten mit einer chro-
Bei periulzerösen Ekzemen hat sich die kurzzeitige Anwen- nischen venösen Insuffizienz sind u. a. gängige Externa-
dung (Tage) von topischen Steroiden (z. B. Prednicarbat, Inhaltsstoffe, zum anderen aber auch Wirkstoffe in to-
Triamcinolon, Methylprednisolon, Mometason) in Vase- pischen Antibiotika, Steroiden, Antiseptika und modernen
line-Grundlage (Salbe, Fettsalbe) bewährt. Die Anwen- Wundprodukten (. Abb. 17.16).
dung von Cremes sollte vermieden werden. Hier finden Hydrogele und Hydrokolloide weisen innerhalb der
sich vielfach Präparate mit Wollwachsen, Perubalsam oder aktuell auf dem Markt befindlichen Produkte der moder-
anderen potentiell sensibilisierenden Inhaltsstoffen. nen Wundversorgung eine hohe Zahl irritativer und aller-
Bei der Versorgung der Wundumgebung steht weiter- gischer Reaktionen auf. Als potenzielles Allergen wird
hin der Schutz vor dem aggressiven Wundexsudat im Vor- bei den Hydrogelen u. a. das Propylenglykol, aber auch
dergrund. Hier ist neben einer Therapie der Genese des Carmellosepolymer angeschuldigt. In den Hydrokollo-
vermehrten Exsudats (z. B. Herzinsuffizienz, Lymphödem, iden sind u. a. natives und modifiziertes Kollopho-
Wundinfekt) eine entsprechend absorbierende Wundauf- nium, aber auch Carboxymethylcellulose enthalten, die
lage zu wählen. Insbesondere Alginate und Superabsorber zu entsprechenden Reaktionen führen können. Insgesamt
sind in der Lage ein Vielfaches ihres eigenen Gewichtes an ist die Erfassung von potenziell sensibilisierenden Einzel-
Wundexsudat aufzunehmen und so den Wundrand vor allergenen bei modernen Wundauflagen jedoch bisher
Mazerationen zu schützen. meist unvollständig. Eine reduzierte Deklaration der In-
Die in älteren Lehrbüchern immer wieder empfoh- haltsstoffe, sowie im Verlauf eines Produktlebens zuweilen
lene Zinkpaste hat häufig negative Auswirkungen auf veränderte Zusammensetzung erschweren die Aufklä-
die Wundumgebung. Der stark austrocknende Effekt der rung.
Zinkpaste führt zu Einrissen der Wundränder und er- In Externa finden sich auch immer wieder Stoffe, die
schwert die Beurteilung derselben. Rötungen oder livide neben positiven Reaktionen im Sinne einer Sensibilisie-
Verfärbung, wie sie z. B. bei einem Infekt oder einer Vas- rung auch irritative, also falsch positive, Reaktionen her-
kulitis zu beobachten sind, können dann nur schwer oder vorrufen. Besonders gilt dies für Polyvidoniod und Propy-
gar nicht erkannt und beurteilt werden. lenglykol. Letztlich sollten aber sowohl Unverträglich-
196 Kapitel 17 · Komplikationen bei Varikose

. Abb. 17.16. Die häufigsten positive Reaktionen im Rahmen einer breiten Epikutantestung bei Patienten mit einem chronischen Ulcus
cruris (n=95) an der Ruhr-Universität Bochum (2006-2008)

keiten auf dem Boden einer Sensibilisierung als auch solche Le Coz CJ, Scrivener Y, Santinelli F, Heid E (1998) Contact sensitization
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Im Zweifelsfall sollte bei Patienten mit einer CVI (mit Hautarzt 57:303–308.
und ohne Ulcus cruris) eine entsprechende Epikutantes- Lessmann H, Schnuch A, Geier J, Uter W (2005) Skin-sensitizing and
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18

18 Rezidivvarikose
18.1 Rezidivvarikose – 198
T. Noppeney, H. Nüllen
18.1.1 Definition und Klassifikation – 198
18.1.2 Technischer/taktischer Fehler – 198
18.1.3 Progression der Grunderkrankung – 200
18.1.4 Neovaskularisation – 201
18.1.5 Definition der Rezidivvarikose – 201
18.1.6 Zusammenfassung – 202

18.2 Neovaskularisation – 203


S. Rewerk, T. Noppeney
18.2.1 Definition – 203
18.2.2 Historie – 203
18.2.3 Immunhistochemische Nachweisbarkeit der Neovaskularisation – 204
18.2.4 Klinische Nachweisbarkeit der Neovaskularisation – 205
18.2.5 Pathogenese der Neovaskularisation – 205
18.2.6 Problematik der Forschung – 206
18.2.7 Zusammenfassung und Schlussfolgerung – 206
198 Kapitel 18 · Rezidivvarikose

18.1 Rezidivvarikose suchungen leiden an der Unzulänglichkeit, dass das ope-


rierte Klientel nicht komplett nachuntersucht werden
T. Noppeney, H. Nüllen konnte. Nachuntersuchungsraten von 30–50% sind nor-
mal, mehr als 50% sind schon als sehr gut zu bezeichnen.
Aus diesem Grunde sind die publizierten Daten als nicht
18.1.1 Definition und Klassifikation sehr verlässlich anzusehen. Darüber hinaus liegen nur
wenige prospektiv, randomisierte Studien zur klassischen
In Deutschland werden jährlich mehr als 300.000 varizen- Varizenchirurgie vor. Sie sind meist älteren Datums und
chirurgische Eingriffe durchgeführt, davon 117.000 sta- genügen nicht unbedingt den Anforderungen an evidenz-
tionär (Statistisches Bundesamt 2007). Nach unserer Ein- basierte Medizin, obwohl sie formell dem Evidenzemp-
schätzung werden nur maximal 10% dieser Eingriffe in fehlungsgrad A entsprechen (. Tab. 18.1). Dies ist nicht
ambulanten oder stationären Einrichtungen durchgeführt, verwunderlich, da evidenzbasierte Medizin bei der Pla-
die über entsprechende Erfahrung und besondere Kennt- nung und Durchführung dieser Studien noch nicht be-
nisse in Diagnostik und Therapie auf diesem Gebiet ver- kannt war.
fügen. Diese Zahlen belegen, dass die Varikose und damit Unter dem Begriff Rezidivvarikose werden ursächlich
auch die Rezidivvarikose eine große volkswirtschaftliche völlig verschiedene Phänomene unkritisch zusammen-
Relevanz aufweisen. gefasst. So sorgte vor einigen Jahren eine Publikation von
Unter dem Begriff Rezidivvarikose wird eine ganze Mumme (2002) für erhebliche Aufregung, in der mit über
Reihe von Entitäten begrifflich sehr unsauber zusammen- 50% technische Fehler beim Ersteingriff als Hauptursache
gefasst. der Rezidive aufgeführt wurden. Andere Publikationen
Wegen der begrifflichen Unschärfe ist die tatsächliche stellen den natürlichen Verlauf der Erkrankung in den Vor-
Häufigkeit des Phänomens Rezidivvarikose völlig unklar. dergrund, wieder andere sehen als Hauptursache des Rezi-
Die in der Literatur angegebenen Zahlen schwanken zwi- divs die Neovaskularisation (Frings 2004).
schen 6 und 60% (Noppeney 2004). Detaillierte Angaben Die genannten Widersprüche und divergenten Inter-
finden sich in . Tab. 18.1. pretationen lassen erkennen, dass eine genaue Beschrei-
Die dort angegebene Häufigkeit ist zum einen von der bung und Definition des Varizen-Rezidivs notwendig ist,
Art der Nachuntersuchung (klinisch, nicht invasive Mess- um in Zukunft, durch entsprechend eindeutige Untersu-
methoden, Duplexsonographie etc.) abhängig, zum ande- chungen, genaue Daten und Zahlen zu diesem wichtigen
ren beeinflusst der Zeitpunkt der Untersuchung und der Problem zu erhalten.
Abstand zur vorausgegangenen Operation bzw. invasiven Was verbirgt sich unter dem Begriff Rezidiv und wie
Therapie die Quote. Nahezu allen retrospektiven Unter- hoch ist die Inzidenz von Rezidiveingriffen? Entsprechend
den vorliegenden Daten aus der »Qualitätssicherung Vari-
zenchirurgie der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirur-
. Tab. 18.1. Rezidivraten nach Varizenoperation
gie« (DGG) betrug die Anzahl der Rezidiveingriffe 7.365
(= 14,75%) bei 49.939 behandelten Strombahnen. Die Da-
Autor FU Rezidiv- Studien- Evidenz- ten beziehen sich auf die Jahre 2001–2003 (Noppeney
rate typ level 2004).
Chant 1972 5a 24 RCT A

Hobbs 1974 5a 21 RCT A 18.1.2 Technischer/taktischer Fehler


Hobbs 1984 10a 29 RCT A
18 Jakobson 3a 10 RCT A
Wir begegnen ihm täglich. Hierzu zählen lange Saphena-
stümpfe mit Reflux am zuvor ausgeschalteten sapheno-
1979
femoralem bzw. sapheno-poplitealem Übergang. Weiterhin
Einarsson 5a 5 RCT A zählen dazu belassene oder gedoppelte, insuffiziente Seg-
1993
mente der V. saphena magna oder parva. Aus all diesen
Dwerryhouse 5a 34 RCT A technisch inkorrekt operierten Segmenten kann sich über
1999 kurz oder lang eine Rezidivvarikose entwickeln.
Fischer 2000 34a 60 Retro- B
Die Zahlen zur Häufigkeit des technischen Fehlers
spektiv nach Operation als Ursache der Rezidivvarikose schwan-
ken sehr. Sie reichen von 10,7% (Kostas 2004) bis 64%
Noppeney 3a 11 retro- B
(Mumme 2002). Diese stark divergenten Zahlen lassen
2001 spektiv
vermuten, dass den Schwankungen ein in den meisten Un-
18.1 · Rezidivvarikose
199 18
tersuchungen vorliegender Selektionsbias zugrunde liegt,
der die Ergebnisse verfälscht. Während z. B. bei Kostas eine . Tab. 18.2. Rekanalisationsraten nach endovenöser Laser-
therapie
prospektive Untersuchung an 93 Patienten mit 113 ope-
rierten Extremitäten vorgenommen wurde, die 1 Monat Autor Behandel- Rekanali- Follow up
und 5 Jahre postoperativ klinisch und mittels Duplexsono- te Beine sation (%) (Monate)
graphie nachuntersucht wurden, sind in der Arbeit von
Gerard et al. 18 0,0 1,0
Mumme Patienten analysiert, die wegen einer Rezidivvari-
kose operiert wurden. Angaben, woher sich diese Rezidive Proebstle et al. 31 0,0 1,0
rekrutierten, auf welche Gesamtzahl primär operierter
Oh et al. 15 0,0 3,0
Patienten sich die Zahlen beziehen, oder wie hoch der An-
teil der Rezidive beim eigenen Patientenklientel ist, liegen Proebstle et al. 106 10,4 3,0
nicht vor. Proebstle et al. 129 0,0 3,0
Bei den endovenösen, thermischen Verfahren oder der
Sklerosierung ist eine Rekanalisierung des behandelten Proebstle et al. 29 3,4 3,0
Venenabschnittes, wenn man die »intention to treat« zu- Mekako et al. 49 4,1 3,0
grunde legt, nämlich einen Verschluss der Vene und eine
Ausschaltung der pathologischen Rezirkulation zu errei- Navarro et al. 40 0,0 4,2

chen, ebenfalls als technisches Versagen der Methode zu Min et al. 90 1,1 6,0
werten. Dies trifft auch dann zu, wenn die rekanalisierten
Proebstle et al. 39 0,0 6,0
Venen hämodynamisch unbedeutend sind.
Sowohl zur endovenösen Lasertherapie (ELT) als Goldmann et al. 24 0,0 6,0
auch zur Radiofrequenzobliteration (RFO) liegen mittler-
Huang et al. 230 0,0 6,0
weile zahlreiche Daten zur Rezidivrate vor. Die publizierten
Rekanalisationsraten für die ELT bewegen sich zwischen Lahl et al. 32 6,3 6,0
0 und 36% (. Tab. 18.2). Sie sind abhängig von der abge- Siani et al. 77 2,6 6,0
gebenen Energie an die Venenwand und im gewissen Maße
von der Behandlungszeit (7 Kap. 28.2). Timperman et al. 111 23,4 7,0
Für die Radiofrequenzobliteration liegen sowohl Da- Proebstle et al. 104 8,7 12,0
ten aus retrospektiven Untersuchungen, als auch aus pro-
Kabnick 30 6,7 12,0
spektiv, randomisierte Studien vor. In einer Metaanalyse
der Ergebnisse aus den retrospektiven analysierten Studien Sharif et al. 83 24,1 12,0
und einer prospektiv geführten klinischen Datenbank
Petronelli et al. 52 7,7 12,0
(Noppeney 2008) betrug die Rekanalisationsrate für die
Radiofrequenzobliteration (VNUS ClosurePlus®) Durch- Kim et al. 34 0,0 12,2
schnitt 10,9%. Bei den prospektiv randomisierten Studien
Chang et al. 252 0,0 12,0–28,0
betrug die Rekanalisationsrate im Durchschnitt 12,9%
(. Tab. 18.3, . Tab. 18.4). Die Rekanalisationsraten nehmen Navarro et al. 80,0 0,0 18,0
nach derzeitigen Erkenntnissen im zeitlichen Verlauf nicht Sadick et al. 31 3,2 24,0
zu, sondern bleiben stabil (7 Kap. 28.1).
Für die Sklerosierungstherapie der V. saphena magna Min et al. 460 0,7 24,0
oder parva werden ebenfalls Rekanalisierungsraten be- Weiss et al. 200 5,0 24,0
richtet. Die Sklerosierung der genannten Venen mit flüs-
Disselhoff et al. 76 19,7 29,0
sigen Agentien ist mit einer hohen Rekanalisierungsrate
behaftet, die bis zu 40% 5 Jahre nach Sklerotherapie und bis Ravi et al. 143 2,1 36,0
zu 90% nach 10 Jahren betrugen (Noppeney 2001). Deut-
Agus et al. 1.067 3,0 36,0
lich bessere Ergebnisse können mit der Sklerotherapie
aufgeschäumter Agentien erzielt werden. Hier betragen Morrison et al. 50 34,0 50,0
die Rekanalisationsraten bei Sklerotherapie der V. saphena
Bush et al. 620 4,8 k. A.
magna oder parva etwa 20% nach drei bzw. fünf Jahren
follow up (7 Kap. 23.5).
200 Kapitel 18 · Rezidivvarikose

. Tab. 18.3. Metaanalyse VNUS Closure PlusTM Rekanalisationsraten und Follow Up retrospektive Studien und klinische Datenbank
(Noppeney 2008)

Autor Jahr Extremitäten (n) Rekanalisation (n) % Follow up Follow up


(Monate) (%)

Noppeney 1998 13 1 7,7 28,0 100,0

Manfrini 2000 151 14 9,3 4,7 100,0

Goldman 2000 12 0 0,0 6,0 100,0

Chandler 2000 57 9 15,8 12,0 31,7

Sybrandy 2002 26 3 11,5 12,0 100,0

Weiss 2002 67 5 7,5 12,0 50,0

Noppeney 2005 73 5 6,8 4,9 100,0

Merchant 2005 117 19 16,2 60,0 28,8

Summe 516 56 10,9 17,5 76,3

. Tab. 18.4. Metaanalyse VNUS Closure PlusTM Rekanalisationsraten prospektiv, randomisierte Studien (Noppeney 2008)

Autor Jahr Extremitäten (n) Rekanalisation (n) % Follow up Follow up


(Monate) (%)

Rautio 2002 15 0 0,0 2 100,0

Morrison 2005 50 10 20,0 12 100,0

Lurie 2005 36 5 13,9 24 81,8

Perälä 2005 15 0 0,0 36 100,0

Summe 116 15 12,9 18,5 95,5

18.1.3 Progression der Grunderkrankung kuläre Varizen sichtbar waren und 9,9% der Patienten kli-
nisch eine erneute, deutlich sichtbare Varikose aufwiesen,
Es ist allgemein akzeptiert, dass das Varizenleiden eine de- die im Wesentlichen als ein Fortschreiten der Grunder-
generative Erkrankung mit erblicher Disposition darstellt krankung zu werten sind. Auch diese retrospektive Unter-
(Noppeney 2004). Bei dem Fortschreiten der Grunder- suchung ist mit dem Manko behaftet, dass wir nur Infor-
krankung handelt es sich meistens um neu aufgetretene mationen über 906 (57%) der ursprünglich 1575 operierten
Seitenäste oder Perforansvenen im zuvor behandelten Patienten erhalten haben (Noppeney 2002).
18 Strombahngebiet. Die Studiendaten zeigen eine zuneh- In einer Multicenterstudie an Patienten, die wegen
mende Prävalenz der Varikose mit steigendem Alter der eines belassenen Saphenastumpfes (VSM) ein Leistenrezi-
Patienten, sowie eine zunehmende Inzidenz der Reziv- div entwickelten und deswegen eines erneuten Eingriffes
varikose mit zunehmendem Abstand zum Primäreingriff. unterzogen wurden, haben Mumme et al. (2007) per Fra-
Aus dieser Sichtweise lassen sich die hohen Rezidivraten gebogen das beschwerdefreie Intervall nach dem Pimär-
mit längerem, zeitlichem Abstand zur initialen Therapie in eingriff bestimmt. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass
vielen Arbeiten erklären. 7–8 Jahre (7,4 ± 5,7) nach dem Ersteingriff vergehen, bis
Bislang liegen nur sehr wenige Daten vor, die explizit sich ein klinisch relevantes Leistenrezidiv entwickelt hat.
die Häufigkeit des Fortschreitens der Grunderkrankung
beziffern. In der eigenen Arbeitsgruppe konnten wir zei-
gen, dass im Mittel 36 Monate postoperativ bei 56,8% der
nachuntersuchten Patienten kleinere Seitenäste oder reti-
18.1 · Rezidivvarikose
201 18
Hauptursache eines Rezidivs angesehen (van Rij 2004,
Frings 2004).
> Unter dem Begriff Rezidivvarikose sind unter-
schiedliche Formen klinisch und technisch nach-
weisbarer Varizen nach vorausgegangener Thera-
pie zusammengefasst:
4 Rezidivvarikose infolge technischen/takti-
schen Fehlers, bzw. Versagens der Methode
4 Rezidivvarikose infolge Fortschreitens der
Grunderkrankung
4 Rezidivvarikose infolge Neovaskularisation

Die verschiedenen Formen der Rezidivvarikose


können einzeln aber auch gemeinsam an einer
Extremität auftreten (. Abb. 18.1)

. Abb. 18.1. Arten der Rezidivvarikose

18.1.5 Definition der Rezidivvarikose

18.1.4 Neovaskularisation In der Vergangenheit gab es schon einige Versuche die Re-
zidivvarikose mittels Formeln zu beschreiben.
Die Neovaskularisation ist definiert als neu entstandene Bereits Mitte der 90er Jahre wurde eine Definition
Varikose am zuvor korrekt operierten sapheno-femoralen der Rezidivvarikose vorgenommen (Stonebridge 1995).
bzw. -poplitealen Übergang. In der gefäßmedizinischen/ Die Gruppe um Ruckley unterschied im Wesentlichen zwei
phlebologischen Öffentlichkeit ist es nach wie vor um- Gruppen der Rezidivvarikose (. Abb. 18.2).
stritten, ob es eine Neovaskularisation im Bereich des Im Jahr 1998 hat auf Initiative der IUP in Paris eine
sapheno-femoralen oder -poplitealen Überganges über- Konsensuskonferenz zur Beschreibung und Definition der
haupt gibt. Mittlerweile liegen Publikationen vor, die Rezidivvarikose stattgefunden. Hier wurde der Begriff
klar auf das Vorliegen der Neovaskularisation hinweisen REVAS (Recurrent Varices after Surgery) geprägt (Perrin
(7 Abschn. 18.2). 2000). Die Beschreibung und Definitionen waren sehr um-
Auch bei diesem Phänomen ist die Inzidenz als Ur- fangreich (. Tab. 18.5). Neben anatomischen Bezugspunk-
sache einer Rezidivvarikose unklar. Mumme (2002) sah in ten und der Quelle des Refluxes wurden neben der klini-
24% der operierten Rezidive eine Neovaskularisation als schen Relevanz des Refluxes auch prädisponierende Fakto-
Ursache und in weiteren 12% eine Neovaskularisation als ren aufgezählt. Darüber hinaus wurde zwischen techni-
wahrscheinliche Ursache für die Rezidivvarikose an. In schem bzw. taktischem Fehler und der Neovaskularisation
anderen Publikationen wird die Neovaskularisation als als Ursache des Rezidives unterschieden. Diese sehr umfang-

. Abb. 18.2. Definition der Rezidivvarki-


kose nach Stonebridge (1995). Typ 1: VSM-
Mündungsbereich intakt (a); Typ 2: VSM-
Mündungsbereich obliteriert (b–e)

a b c

d e
202 Kapitel 18 · Rezidivvarikose

reiche Definition ist sicher in der Lage eine Rezidivvarikose


. Tab. 18.5. Definition von »REVAS« nach UIP Konsensuskon- exakt zu beschreiben. Wegen der außerordentlichen Kom-
ferenz 1998 (Perrin 2000)
plexität ist sie für wissenschaftliche Zwecke anwendbar, für
T = topographhical g = groin den klinischen Alltag jedoch nicht praktikabel.
site t = thigh Basierend auf der Notwenigkeit, die Ursachen einer Rezi-
p = pop. fossa
divvarikose zu beschreiben und eine Klassifikation zur Ver-
l = lower leg
fügung zu stellen, die im klinischen Alltag anwendbar ist,
S = source 0 = no source haben wir eine vereinfachte Definition entwickelt (Noppeney
of recurrence 1 = pelvic/abdominal
et al. 2005). Während wir in der ursprünglichen Publikation
2 = sapheno-femoral junctioin (SFJ)SFJ
3 = thigh perforator. ebenfalls das Akronym REVAS verwendet haben, sind wir
4 = sapheno-popliteal junction (SPJ) jetzt dazu übergegangen das Akronym REVAT (Recurrent
5 = pop. fossa perf. Varices after Treatment) anzuwenden. Dies war notwendig,
6 = gastrocnemius vein
um auch die Rezidive nach anderen Therapieformen, z. B.
7 = lower leg perforator
nach Sklerotherapie oder endovenösen Verfahren, abzu-
R = reflux R+ = clinical significance probable bilden. REVAT greift zum einen die unterschiedlichen Ur-
R– = clinical significant unlikely
sachen der Rezidivarikose, wie sie eingangs beschrieben
R? = uncertain
sind, auf und setzt sie zur anatomischen Lokalisation in Be-
N = nature of source Ss = same side zug (. Abb. 18.3). Daraus lässt sich eine Formel generieren,
1 = technical failure
die die Rezidivvarikose exakt beschreibt.
2 = tactical failure
3 = neovascularisation
4 = uncertain
5 = mixed 18.1.6 Zusammenfassung
DS = different side
1 = persistent
2 = new Da bislang keine genauen Zahlen vorliegen, die die verschie-
3 = uncertain denen Arten der Rezidivvarikose und deren Häufigkeit be-
schreiben, ist eine Definition und Beschreibung der Art
C = contribution AK = LSV above knee
for persistent BK = LSB below knee unumgänglich. Der Begriff Rezidivvarikose sollte nicht
incompetent SSV = short saphenous mehr kritiklos in Publikationen verwendet werden. Zur Er-
saphenous trunks 0 = neither fassung der Arten der Rezidive ist eine einfache Klassifika-
F = contributing gF = general (family history, obesity, tion nötig, wie sie von den Autoren vorgeschlagen wird.
factors pregnancy, hormones) Diese Klassifikation sollte als Beschreibung der Rezidive in
SF = specific (deep venous income- Qualitätssicherungsregister, wie z. B. die Qualitätssicherung
tence, PTS, iliac vein compression, Varizenchirurgie der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchi-
congenital, lymphatic, calf pump
dysfunction)
rurgie, aufgenommen werden. Nur so werden wir Informa-
tionen über Art und Häufigkeit der Rezidive erhalten.

. Abb. 18.3. Klassifikation der


Rezidivvarikose nach REVAT

18
18.2 · Neovaskularisation
203 18
Literatur dazu handelt es sich bei der Vaskulogenese um die embryo-
Frings N, Nelle A, Tran P, Fischer R, Krug W (2004) Reduction of neore- nale »de-novo-Gefäßneubildung«.
flux after correctly performed ligation of the saphenofemoral
junction. A randomized trial. Eur J Vasc Endovasc Surg 28: 246–
52
Kostas T et al. (2004) Recurrent Varicose Veins after Surgery: A New 18.2.2 Historie
Appraisal of a Common and Complex Problem in Vascular Surgery;
Eur J Vasc Endovasc Surg; 27: 275–282 Als Folge klinischer Beobachtungen postulierte Langen-
Mumme A, Burger P, Hummel T, Frings N, Hartmann M, Schonath M,
beck bereits 1861 die Neovaskularisation als Ursache eines
Schwahn-Schreiber C, D. Stenger7, Stücker M (2007) Der lang
belassene Saphenastumpf - Implikationen für die endovenöse
erneuten venösen Refluxes nach durchgeführter Primär-
Therapie der Varikosis. Phlebologie 36:256–259 therapie. Für viele Jahre wurde dann die technisch unzu-
Mumme A et al. (2002) Saphenofemorales Leistenrezidiv der Vena reichende Crossektomie als Hauptursache des Varizenre-
saphena magna: technischer Fehler oder Neorevaskularisation? zidives in der Leiste oder am sapheno-poplitealem Über-
Phlebologie; 31: 38–41
gang angenommen. Über 100 Jahre nach Langenbeck hat
Noppeney T, Noppeney J, Scheidt A, Kurth I (2001); Indikation und
Technik zur Sklerotherapie bei Varikose; Zentralbl Chir; 126: 546–
Glass (1987) die Neovaskularisation als eine Reparations-
550 form bei zerstörter Stammvene experimentell nachge-
Noppeney et al. (2002) Ergebnisse nach klassischer Varizenchirurgie; wiesen. Radiografisch konnte er an 10 Fällen belegen,
Zentralbl Chir; 127: 748–751 dass es nach knienaher Transsektion der Stammvene
Noppeney T, Kluess HG, Gerlach H, Braunbeck W, Ehresmann U, Fischer
innerhalb von 64 Wochen zunächst über eine Vielzahl
R, Hermanns HJ, Langer C, Nüllen H, Salzmann G, Schimmel-
pfennig L (2004); Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Krampf-
kleinster, knäuelartiger Gefäße zu einer Rekonnektion
aderleidens; Gefäßchirurgie; 9: 290–308 der Stammvenenenden kommen kann. Im weiteren Ver-
Noppeney T, Nüllen H (2005); Die Rezidivvarikose – was ist das? Gefäß- lauf konnte er eine Reduktion der Anzahl dieser Venen
chirurgie; 10: 424–427 bei zunehmender Wanddicke und Ausbildung einer
Noppeney T. et al (2008) Update der Ergebnisse nach Radiofrequenz-
Muskelschicht nachweisen. Infolge seiner Beobachtungen
obliteration zur Ausschaltung der Varikose; Gefäßchirurgie; 14:
258–264
kam Glass zu der Erkenntnis, dass echte Neovaskulate
Perrin M, Guex JJ, Ruckley CV, de Palma R, Royle J, Eklof B, Nicolini P, durch
Jantet G (2000); Recurrent Varices after Surgery (REVAS), a Con- 4 einen gewundenen Verlauf,
sensus Document; Cardiovasc Surg; 8: 233–245 4 narbige Einbettung in situ,
van Rij AM et al (2004) Neovascularisation and Recurrent Varicose
4 Dünnwandigkeit,
Veins: More Histologic and Ultrasound Evidence ; J Vasc Surg; 40:
296–302
4 Klappenlosigkeit und
Schmedt CG, Steckmeier BM (2006) Endoluminale Radiofrequenz 4 Ursprung aus dem tiefen Venensystem
und Lasertherapie zur Therapie der Stammveneninsuffizienz; in
Marshall/Breu (Hrsg.) – Handbuch der Angiologie, 15. Erg.–Lfg.12 charakterisiert sind (. Abb. 18.4).
Stonebridge P.A., Chalmers N., Beggs I., Bradbury A.W., Ruckley C.V.
Mediatoren der Angiogenese wurden bislang weder
(1995); Recurrent varicose veins: A varicographic analysis leading
to a new practical classification; Brit J Surg; 82: 60–62
von Glass, noch von anderen Arbeitsgruppen bei Neovas-
kulaten untersucht.

18.2 Neovaskularisation

S. Rewerk, T. Noppeney

Die Neovaskularisation als Rezidivursache ist in den letz-


ten Jahren in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Bei
der wissenschaftlichen Betrachtung stellen sich Fragen
nach der zweifelsfreien Erkennbarkeit von Neovaskulaten
und den hinter diesem Phänomen sich verbergenden pa-
thogenetischen Prozessen.

18.2.1 Definition
. Abb. 18.4. Dünnwandige, gewundene, in Narbengewebe ein-
Neovaskularisation wird definiert als die adulte Gefäßneu- gebettete Rezidivvene. Sie entspricht makroskopisch einem Neo-
bildung aus bereits präexistenten Gefäßen. Im Gegensatz vaskulat
204 Kapitel 18 · Rezidivvarikose

Bewertung
Die Nachuntersuchungen von Glass waren auf 64 Wochen
begrenzt. Somit bestehen für die Entstehung der Neovas-
kularisation keine darüberhinausgehenden Erkenntnisse
bis auf die klinischen Eindrücke der Operateure einer Re-
zidivvarikose, vornehmlich in der Leiste. Sogenannte ver-
bliebene Crossevenen, vermeintliche technische Fehler,
könnten auch Neovaskulaten in späteren Entwicklungs-
stadien entsprechen. Da Glass knienahe Stammvenenab-
schnitte untersuchte, sind seine Befunde unter Umständen
nur begrenzt auf das sog. Crossenrezidiv übertragbar. Im
Crossenbereich laufen möglicherweise andere relevante,
. Abb. 18.5. Adventitielle Nervenfaser. Längs, mit Braunfärbung
eine Neoangiogenese determinierende Prozesse ab.
Schwann’scher Zellen durch NGF-Antikörper

18.2.3 Immunhistochemische Nachweisbar- ten aus dem sapheno-femoralem Übergang bestand histo-
keit der Neovaskularisation logisch kein Unterschied im Wandaufbau, beide Gruppen
waren S100 Antiköper negativ. Bei Untersuchungen mit
Über zwei Jahrzehnte nach der ersten Beschreibung der dem Proliferationsmarker Ki67 waren die Testergebnisse
morphologischen Kriterien durch Glass hat Nyamekye mit bis auf einen Fall in der Rezidivgruppe negativ.
seiner Arbeitsgruppe auf molekularer Ebene versucht, ein Die eigene Arbeitsgruppe konnte in gesunden Venen,
Differenzierungskriterium zwischen echten Neovaskulaten primären Varizen und makroskopisch als Neovaskulate
und Rezidiven anderer Ursache zu etablieren (Nyamekye klassifizierten Rezidiven – eine Asservation erfolgte ent-
1998). So sollte der immunhistochemische Nachweis von sprechend den morphologischen Kriterien nach Glass –
mit S100-Antikörpern anfärbbarer intramuraler Nerven- mit S100 Antikörper anfärbbare Nervenfasern in der
fasern ein Ausschlusskriterium echter Neovaskulate sein. Adventitia in allen drei Gruppen nachweisen. Die gerings-
Bei 28 Rezidivoperationen in der Leiste wurden die Rezi- te Anzahl positiver Testergebnisse fand sich dabei in der
dive sowohl morphologisch, als auch immunhistochemisch Gruppe mit Neovaskularisation. Aus diesem Grund wurde
klassifiziert. 19 der gewonnenen Präparate waren S100 Anti- ergänzend das ebenfalls neurotope Protein »nerve growth
körper negativ und wurden auch morphologisch als Neo- factor« (NGF) immunhistochemisch untersucht. NGF gilt
vaskularisation eingestuft. Diese und andere Arbeitsgrup- als einer der stärksten nervalen Wachstumsfaktoren mit
pen gingen von der Hypothese aus, in Neovaskulaten sei eigener angiogenetischer Potenz. In der Neovaskulat-
Nervenfaserwachstum ausgeschlossen. Das scheint aller- gruppe zeigte sich die größte mit NGF-Antikörpern detek-
dings wenig plausibel, da Nervenwachstumsfaktoren, z. B. tierbare Nervenfaserdichte, jedoch konnten Nervenfasern
»nerve growth factor«, bekannt sind, die gleichzeitig eine auch in den anderen Gruppen nachgewiesen werden
hohe angiogenetische Potenz aufweisen. Auch die Arbeits- (. Tab. 18.6, . Abb. 18.5).
gruppe um Mumme konnte 2002 in 24% bei Rezidivopera-
tionen in der Leiste histologisch einen unvollständigen > Mit keiner bislang untersuchten immunhisto-
Wandaufbau nachweisen. Diese Präparate waren S100 Anti- chemischen Methode können Neovaskulate von
körper negativ, und wurden daher als Neovaskularisation anderen Rezidivformen hinreichend exakt diffe-
klassifiziert. Andere Gruppen, z. B. Wajeh (2004) und Kol- renziert werden. Insbesondere die Annahme,
18 legen, konnten diese Resultate nicht nachvollziehen. In dass Neovaskulate keine Nervenfasern vorwei-
einer Untersuchung an 19 Rezidiv- und 9 Kontrollpräpara- sen, scheint nicht zuzutreffen

. Tab. 18.6. NGF-Immunhistochemie

Kontrolle (n = 16) Primärvarikosis (n=110) Rezidiv/Neovaskulat (n=24)

NGF-Nervenfaserdichte 0,025 ± 0,034 0,013 ± 0,02 0,035 ± 0,098

Gesichtsfelder 64,83 ± 22,44 79,34 ± 47,54 66,7 ± 46,1

Durchschnittliche Anzahl Nervenfasern pro Gesichtsfeld pro Präparat und Gruppe bei 200facher Vergrößerung
18.2 · Neovaskularisation
205 18
sätzlich wurden gesunde und primär varikös veränderte
Venen, ebenfalls aus dem saphenofemoralen Abschnitt,
untersucht.
Vascular endothelial growth factor (VEGF) gilt als
einer der potentesten Angiogenesefaktoren. Per RT-PCR
konnte zunächst nachgewiesen werden, dass in Venen-
wänden der drei Vergleichsgruppen grundsätzlich gene-
tische Information für eine VEGF-Synthese vorhanden ist,
die zu einer Expression von VGEF in unterschiedlichem
Ausmaß führt. Nachfolgend konnte immunhistochemisch
im Endothel von Neovaskulaten die höchste Färbe-
intensität (Intensitätsstadien 1–4) für VEGF und dem
zugehörigen Rezeptor nachgewiesen werden. Dies gelang
mit absteigender Intensität auch in primären Varizen und
. Abb. 18.6. Variköse Venen aus Narbengewebe. Rechte Leiste gesunden Stammvenen. Die Unterschiede waren in den
nach Rezidvcrossektomie sich entwickelnd nichtparametrischen Tests (Kruskal-Wallis-, U-Test) hoch-
signifikant (. Tab. 18.7, . Abb. 18.7). Als Trend konnten
die Unterschiede der Färbeintensität auch für die Media
18.2.4 Klinische Nachweisbarkeit belegt werden, in der Adventitia kam es nicht zur Fär-
der Neovaskularisation bung.
NGF kann seine angiogenetische Potenz über eine
Frings et al. (2004) konnten in einer prospektiv, randomi- Stimulation der VEGF-Synthese entfalten. Da die mit NGF
sierten Studie indirekt zeigen, dass eine Neovaskularisation anfärbbaren Nervenfasern in der Gruppe der Patienten mit
als Rezidivursache mit hoher Wahrscheinlichkeit möglich Varikose die geringste Dichte hatten und in der Neovas-
ist. In zwei Gruppen wurde der zum umliegenden Gewebe kulatgruppe im Gegensatz dazu die höchste Nervenfaser-
tulpenförmig offene Magnamündungstrichters nach Cross- dichte vorlag, ist es grundsätzlich denkbar, dass VEGF in
ektomie übernäht, um einen Kontakt des Endothels zum der Neovaskulatgruppe über andere Mechanismen stimu-
umgebenden Gewebe zu vermeiden. Zwei Jahre postopera- liert wird als in der Varikosisgruppe. Daraus lässt sich
tiv fand man in diesen Gruppen eine signifikant verminderte schließen, dass Neovaskularisation nicht generell die Ag-
Rezidivinzidenz im Vergleich zu Gruppen ohne Übernä- gravation der primären Varikosis ist, sondern eine eigene
hung, bei sonst gleicher Crossektomietechnik. Hieraus
kann geschlossen werden, dass das Endothel des Magna-
mündungstrichters eine wesentliche Rolle bei der Entste-
hung einer Neovaskularisation spielt. Diese Beobachtung . Tab. 18.7. VEGF und VEGF-R Immunhistochemie
passt zu den eigenen Ergebnissen mit Nachweis der höchs-
Kontrolle Primär- Rezidiv/
ten VEGF-Anreicherung im Endothel von Crossenneo- (n = 16) varikosis Neovaskulat
vaskulaten (7 Abschn. 18.2.5). Aber auch Einzelfallbeobach- (n = 110) (n = 24)
tungen scheinen die Möglichkeit der Neovaskulatbildung
VEGF 1,69 ± 0,7 2,1 ± 0,79 2,92 ± 0,78
im Crossenbereich zu belegen (. Abb. 18.6).
Intima
Andererseits liegen Publikationen vor, die diese Ergeb-
nisse nicht bestätigen (Heim 2008). p-Wert 0,05

<0,0001

<0,0001
18.2.5 Pathogenese der Neovaskularisation
VEGF-R 1,5 0,73 2,05 0,81 2,88 0,95
Mit Ausnahme eigener Publikationen liegen derzeit Intima
keine weiteren, veröffentlichten Daten zur Pathogenese p-Wert 0,0092
der Neovaskularisation vor. Insbesondere wurden bis-
lang keine angiogenetischen Mediatoren in den Venen- <0,0001

wänden untersucht. Die eigene Arbeitsgruppe bediente <0,0001


sich bei der Venenwandasservation der Glass’schen Kri-
Durchschnittliche intimale Expression/Färbeintensität von
terien. Nur wenn diese Kriterien erfüllt waren, wurde
VEG und VEGF-R bei 200facher Vergrößerung
Rezidivvenenwand als Neovaskularisation akzeptiert. Zu-
206 Kapitel 18 · Rezidivvarikose

hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden,


dass eine Neovaskularisation im Crossen- und Stamm-
venenbereich eine Reaktion auf ein operatives Trauma sein
kann. Wenn dem so ist, muss die Neovaskularisation als
eine mögliche Rezidivform akzeptiert werden. Eine exakte
Identifikation echter Neovaskulate mittels Markerproteine
ist derzeit nicht möglich. Nach wie vor sind hierfür die
morphologischen Kriterien von Glass anzuwenden. Die
Annahme, dass in Neovaskulaten keine Nervenfasern vor-
liegen, ist nach den Ergebnissen eigener Untersuchungen
zweifelhaft. Bei der Pathogenese von Neovaskulaten schei-
nen Wachstumsfaktoren, insbesondere VEGF, eine zentra-
le Rolle zu spielen. Molekulargenetische Untersuchungen
a b hierzu stehen noch aus. Dabei könnte es sich bei Patienten
mit Neovaskulaten um eine spezielle Subgruppe von Pa-
. Abb. 18.7. Endotheliale VEGF-Färbeintensität. a Stadium 1 einer
gesunden Vene entsprechend b Stadium 4 einem Neovaskulat ent-
tienten mit Varikose handeln, die möglicherweise eine
sprechend besondere genetische Disposition aufweisen. Es gibt Hin-
weise, dass der operative Verschluss des Magnamündungs-
trichters und des offen liegenden Endothels eine Neovas-
Subgruppe darstellen könnte. Die klinische Beobachtung, kularisation verhindern kann. Nicht ausgeschlossen wer-
dass nicht alle Patienten regelhaft nach unbestimmt langer den kann deshalb, dass minimalinvasive Techniken, die auf
Zeit ein Rezidiv im Sinn einer Neovaskularisation ausbil- eine Eröffnung der proximalen Stammvene verzichten, z.B.
den, könnte ebenfalls dafür sprechen. endovenöse thermische und chemische Verfahren, weni-
ger Neovaskulate initiieren. Hierzu bedarf es weiterer kli-
nischer Langzeit- und Vergleichsuntersuchungen, sowie
18.2.6 Problematik der Forschung intensiver Grundlagenforschung um das Phänomen der
Neovaskularisation endgültig aufzuklären.
Infolge des aufrechten Ganges kommen nur beim Men-
schen, nicht jedoch im Tierreich, variköse Veränderungen Literatur
Duczek C (2007) Die Rolle von Vascular endothelial growth factor
der subkutanen Venenplexus vor. Daher gibt es bislang kein
(VEGF) und S100 bei der Entstehung und beim Nachweis des
valides Tiermodell, anhand dessen eine wissenschaftliche Krossenrezidivs. Inauguraldissertation zur Erlangung des medizi-
Ursachenforschung betrieben werden könnte. Für eine nischen Doktorgrades der Medizinischen Fakultät Mannheim der
Gewebeuntersuchung ist man daher ausschließlich auf Ruprecht-Karls-Universität zu Heidelberg (Betreuer: Rewerk)
humane Proben angewiesen. Diese können ihrerseits nur Frings N, Nelle A, Tran P, Fischer R, Krug W (2004) Reduction of neoreflux
after correctly performed ligation of the saphenofemoral junction.
konsekutiv gesammelt werden, eine Randomisierung ist
A randomized trial. Eur J Vasc Endovasc Surg 28: 246–52
nicht möglich. Die Folge sind u. a. erheblich ungleiche Glass GM (1987) Neovascularization in recurrence of the varicose great
Gruppengrößen, die bei der statistischen Evaluation prob- saphenous vein following transsection. Phlebology 2:81–91
lematisch sein können. Darüber hinaus sind humane Prä- Glass GM (1988) Neovascularization in recurrence of varices of the
parate aus ethisch-forensischen Gründen nur zum Zeit- great saphenous vein in the groin: phlebography. Angiology
39:577–82
punkt einer, ohnehin geplanten Operation asservierbar.
Glass GM (1995) Neovascularization in recurrent sapheno-femoral in-
Präparategewinnung aus wissenschaftlichen Gründen ohne competence of varicose veins: surgical anatomy and morphology.
18 OP-Indikation oder zu einem inadäquat frühen oder aufge- Phlebology 10:136–142
schobenem Zeitpunkt ist nicht vertretbar. Somit können Hansen-Algenstaedt N, Algenstaedt P, Schaefer C, Hamann A, Wolf-
derzeit keine Aussagen zur Morphogenese von Neovasku- ram L, Cingoz G, Kilic N, Schwarzloh B, Schroeder M, Joscheck C,
Wiesner L, Ruther W, Ergun S (2006) Neural driven angiogenesis
larisation von ihrer Initiierung bis zum Abschluss ihrer
by overexpression of nerve growth factor. Histochem Cell Biol
Entwicklung nach Jahren gemacht werden. 125: 637–49
Heim D, Negri M, Schlegel U, DeMaeseneer M Resecting the Great
Saphenous Stump with Endothelial Inversion Decreases Neither
18.2.7 Zusammenfassung Neovascularisation Nor Thigh Varicosity Recurrence J Vasc Surg
2008; 47: 1028–1032
und Schlussfolgerung
Langenbeck B (1861) Beiträge zur chirurgischen Pathologie der Venen.
Arch Klein Chir 8:1–80
Durch die klinischen Untersuchungen von Frings et al. Meyer AJ (2006) Die Bedeutung des »Vascular Endothelial Growth
und die grundlegenden Arbeiten von Glass kann mit Factor« (VEGF), seines Rezeptors (VEGF-R) und des »Nerve Growth
18.2 · Neovaskularisation
207 18
Factor« (NGF) für die Varizenbildung und die Rezidivvarikosis.
Inauguraldissertation zur Erlangung des medizinischen Doktor-
grades der Fakultät für Klinische Medizin Mannheim der Rup-
recht-Karls-Universität zu Heidelberg (Betreuer: Rewerk)
Mumme et al. (2002) Saphenofemorales Leistenrezidiv der Vena
saphena magna: technischer Fehler oder Neorevaskularisation?
Phlebologie; 31: 38-41
Nyamekye I, Shepard NA, Davies B, Heather BP, Earnshaw JJ (1998)
Clinicopathological evidence that neovascularisation is a cause of
recurrent varicose veins. Eur J Vasc Endovasc Surg 15: 412–415
Rewerk S, Noppeney T, Winkler M, Nüllen H, Duczek C, Meyer AJ,
Gruber A, Grobholz R, Willeke F (2007) Venoneuronale De- und
Regeneration bei Varikogenese und Neovaskularisation. Einfluss
von Nerve-growth-Factor. Phlebologie 36: 8–16
Rewerk S, Noppeney T, Winkler M, Willeke F, Duczek C, Meyer AJ,
Gruber A, Grobholz R, Niedergethmann K, Niedergethmann M
(2007) Pathogenese der Primär- und Rezidivvarikosis an der
Magna-Krosse. Die Rolle von VEGF und VEGF-Rezeptor. Phlebolo-
gie 36: 137–142
Rewerk S, Nüllen H, Winkler M, Duczek C, Meyer AJ, Grobholz R (2005)
Nervenfasern in Exzisaten von Rezidivvarizen. Der Wert der S100-
Färbung. Phlebologie 34: 299–304
Wajeh Y EI, Giannoukas AD, Gulliford CJ, Suvarna SK, Chan P (2004)
Saphenofemoral channels associated with recurrent varicose
veins are not neovascular. Eur J Vasc Endovasc Surg 28: 590–594
19

19 Besondere Krankheitsbilder
und Syndrome
H. Nüllen, T. Noppeney

19.1 Pudendale Varikose – 210

19.2 Pelvines Stauungssyndrom – 211

19.3 Varizenblutung – 211

19.4 Canyon-Varizen – 211

19.5 Heterotope Knochenbildung bei chronischer


Veneninsuffizienz – 212

19.6 Arthrogenes Stauungssyndrom – 213

19.7 Chronisch venöses Kompartmentsyndrom – 214


210 Kapitel 19 · Besondere Krankheitsbilder und Syndrome

19.1 Pudendale Varikose

Unter pudendalen Varizen versteht man unmittelbar unter


der Haut gelegene, relativ kleinkalibrige Varizen am pro-
ximalen medialen Oberschenkel bei Frauen (. Abb. 19.1,
. Abb. 19.2). Meist entstehen sie in der Schwangerschaft
und persistieren gelegentlich. Sie kommen sowohl mit als
auch ohne Beteiligung der Beckenvenen im Sinne einer
pelvinen Varikose vor. Häufig machen die pudendalen Va-
rizen keine Beschwerden, werden jedoch von den betroffe-
nen Frauen als störend empfunden. Ihre Zu- und Abfluss-
wege sind anatomisch sehr vielgestaltig. Sie können u. U.
auch unterhalb der Mündungsregion Anschluss an die
Stammvenen gewinnen und so eine inkomplette Stamm-
veneninsuffizienz zur Folge haben.
Die pudendale Varikose macht i.d.R. geringe Beschwer-
den, falls es zu ausgeprägten Beschwerden kommt, muss
die Beteiligung einer pelvinen Varikose bedacht und abge-
klärt werden.
Therapeutisch ist die lokale Exstirpation durch Mini-
phlebektomie ebenso wie eine Sklerosierungstherapie
möglich.
Literatur
Rabe E, Pannier-Fischer F (1999) Die pudendale Varikose – eine selten
diagnostizierte Entität? 11:194–196
. Abb. 19.1. Pudendale Varikose
Rassmussen OO, Jakobson B (1987) Post-partum persisting pudendal
varicose veins – effect of local excision. VASA 16:352–353

19

a b c

. Abb. 19.2. Pressphlebographie bei pudendaler Varikose. Reflux tungen. Auffüllung von Venenplexus in der Labia majora und weite-
aus dem Becken über insuffiziente Äste der V. iliaca interna in die re Auffüllung von anhängigen Varizen am medialen, proximalen
Labia majora links. a–c Darstellung in unterschiedlichen Drehrich- Oberschenkel
19.4 · Canyon-Varizen
211 19
Literatur
Gültash NZ, Kurt A, Ipek A, Günüs M, Yazicioglu KR, Dilme G, Tas I (2006)
The relation between pelvic varicose veins, chronic pelviv pain
an lower extremity venous insufficiency in women. Diagn Interv
Radiol 12:34–38
Simon E, Kunath E, Göretzlehner G (1999) Varikosis im kleinen Becken
bei der gynäkologischen Laparoskopie. Phlebologie 11:197–201
Taylor HC (1949) Vascular congestion and hyperemia. Am J Obstet
Gynecol 57:637
Weber J (1999) Pelvines Stauungssyndrom, Vulva- und Beinvarikose in
Diagnostik und Therapie. Phlebologie 11:202–207

19.3 Varizenblutung

Im Rahmen einer Varikose kann es bei sehr dünnwandigen


und sehr oberflächlich gelegenen Varizen zu Wandruptu-
ren kommen. Diese sind spontan oder traumatisch bedingt
und treten als geschlossene, d. h. subkutane oder offene
Varizenblutungen auf. Die betroffenen Patienten sind
meist sehr erschrocken und neigen zu Panikreaktionen.
Dabei stellt sich bei entsprechenden Befragungen immer
d
wieder heraus, dass offensichtlich die Vorstellungen von
. Abb. 19.2 (Fortsetzung) d Die VSM-Crosse ist suffizient »Abbinden« bei Laien immer noch weit verbreitet sind.
Die so häufig entstehende zusätzliche venöse Stauung kann
zu erheblichen Blutungen führen. Ernsthafte Massenblu-
tungen mit einer vitalen Gefährdung sind bislang nicht
19.2 Pelvines Stauungssyndrom publiziert, dennoch ist auch der u. U. entstandene Schaden
durch Verbreitung von Blut in Kleidung und Mobiliar
Unter einem pelvinen Stauungssyndrom (Pelvic conges- nicht gering. Im akuten Fall hilft die Kompressionstherapie
tion syndrome) (Taylor 1949) versteht man eine mit Druck- immer die Problematik zu beherrschen. Eine Kompressi-
und Schweregefühl im kleinen Becken und/oder Dys- onsbehandlung ist auch im Falle der subkutanen Varizen-
menorrhoe und Dyspareunie einhergehende Varikosis blutung wünschenswert, da die mehr oder weniger aus-
im kleinen Becken. Meist sind junge multipare Frauen, gebreiteten Hämatome zu entsprechenden Beschwerden,
selten sind Nulliparae betroffen. Die Beckenvarikose geht Ödemen und ggf. auch in den Ursprungsvarizen der Blu-
häufig mit atypisch sich ausbreitender oder pudendaler tung zu phlebitischen Veränderungen führen können.
Varikose und/oder Vulvavarizen bei nichtschwangeren Eine prophylaktische Sanierung gefährdeter Bereiche
Frauen einher. Leitsymptom ist der zyklusabhängige ist immer anzuraten. Je nach Kaliber der betroffenen Ve-
Unterbauchschmerz bei atypischer oder pudendaler Va- nen kommen Miniphlebektomie oder Sklerosierung in
rikose oder Vulvavarikose. Die Häufigkeit wird mit 1,8 Betracht.
bis 11% bei chronisch therapieresistentem Unterbauch-
schmerz angegeben (Simon et al. 1999). Gültash (2006)
fand unter 100 Frauen (~38 Jahre) mit chronischen 19.4 Canyon-Varizen
Schmerzen im Beckenbereich in 30 Fällen eine pelvine
Varikose (transvaginaler Ultraschall). 21 der 30 Frauen Unter Canyon-Varizen versteht man, in Analogie zur geo-
hatten gleichzeitig Varizen an den unteren Extremi- logischen Formation des Canyons, mehr oder weniger
täten. kaliberstarke Varizen, die in eine scharfkantig sich abgren-
Therapeutisch stellt die pelvine Varikose eine Heraus- zende, hypodermitisch bzw. dermatoliposklerotisch ver-
forderung dar. Daher kommen nur wirklich schwere Fälle änderte Gewebeformation in der unmittelbaren Venenum-
mit einer eindeutigen und kausal einleuchtenden Diagnose gebung eingebettet sind. Der Tastbefund rechtwinklig zur
für eine Therapie in Betracht. Direkte chirurgische Maß- Venenachse zeigt einen scharfrandigen Übergang von der
nahmen sind zugunsten endovaskulärer Katheterinterven- »weichen« Vene zum verhärteten umgebenden Gewebe
tionen zurückgetreten. Die Literatur umfasst nur wenige (. Abb. 19.3).
Einzelberichte. Nachvollziehbare Ergebnisse anhand grö- Die Canyon-Varize gehört, wie aus der Definition er-
ßerer Fallzahlen liegen nicht vor. sichtlich ist, zum Spätbild der chronisch venösen Insuffi-
212 Kapitel 19 · Besondere Krankheitsbilder und Syndrome

die Canyon-Varize drainierten abhängigen Gewebepartien


zu erzielen. Die Inkompressibilität der umgebenden und
begrenzenden Dermatoliposklerose führt dazu, dass unter
einer normalen Kompression durch einen Verband oder
einen Kompressionsstrumpf das Venenlumen nicht einge-
engt werden kann.
Das therapeutische Ziel der Druckreduktion ist dauer-
haft nur durch eine Obliteration oder eine Exstirpation der
Varizen zu erreichen. Direkte, lokale operative Maßnah-
men führen wegen der stark trophisch gestörten Gewebe
oft zu mehr oder weniger ausgedehnten Wundheilungsstö-
rungen. Verödungsversuche mit flüssigen Sklerosierungs-
mitteln sind meist wenig erfolgreich. Hier hat die Schaum-
. Abb. 19.3. Canyon-Varizen
verödung eine deutliche Verbesserung der Therapieergeb-
nisse erbracht.
zienz. Es sind deutliche Veränderungen im kutanen und
subkutanen Gewebe in den jeweils anhängigen anatomi- Literatur
schen Regionen eingetreten. Sie finden sich meist in der Bassi G (1975) Die Behandlung der Canyon-Varizen der chronisch
venös bedingten Hypodermitis. Phlebol u Proktol 4:180
medialen supramalleolären Knöchelregion im Verlauf der
hinteren Bogenvene. Im Umfeld liegen meist begleitende
dermatitische Veränderungen bis hin zu Ulzerationen vor.
Die anatomische Konstellation der Canyon-Varizen 19.5 Heterotope Knochenbildung
stellt ein besonderes Problem für die konservative Thera- bei chronischer Veneninsuffizienz
pie dar. Es ist unter normalen Lebensbedingungen prak-
tisch unmöglich eine ausreichende und sichere Kom- Lippmann (1960) wies erstmals auf die heterotope Kno-
pression der Varizen in diesem Bereich herbeizuführen, chenbildung bei Venenkranken hin und fand diese bei
um eine Minderung der Druckverhältnisse in den durch jeder 2. Frau im Klimakterium. Die heterotopen Knochen-

. Abb. 19.4. Heterotope Verknöche-


rungen

19
19.6 · Arthrogenes Stauungssyndrom
213 19
anteile sollten sogar blutbildende Elemente enthalten.
Beides konnte in der Arbeitsgruppe von Grüntzig (1973)
so nicht bestätigt werden. Die Patienten mit heterotopen
Knochenbildungen waren in diesen Untersuchungen er-
heblich seltener und in keinem Fall konnten Knochen-
markstrukturen in den Ossifikationen nachgewiesen wer-
den. Die Pathogenese scheint ebenso unklar wie die
Häufigkeit des Phänomens. Ob es sich tatsächlich um eine
spezifische Reaktion im Zusammenhang mit der chronisch
venösen Insuffizienz handelt, ist ebenfalls unklar, da hete-
rotope Ossifikationen auch in anderen Lokalisationen
(Lunge, Muskel) beschrieben wurden (. Abb. 19.4).
Klinische Bedeutsamkeit können solche Ossifikationen
durch lokale Verletzungen der Haut erlangen, im Sinne
eines mechanischen Hindernisses z. B. im Zusammenhang
mit einer Atrophie der Haut. In diesen eher seltenen Fällen
ist eine lokale Exstirpation angezeigt.

Literatur
Lippmann HI, Goldin (1960) Subcutaneous ossification of the leg in
chronic venous insufficiency Radiology 74:279–288
Grüntzig A, Albrecht HJ (1973) Heterotope Knochenbildung in der
Subcutis bei Venenerkrankungen. In: Brunner U, Bollinger A,
Stemmer R Probleme des geschwollenen Beines. Huber Verlag
Bern 148–157

19.6 Arthrogenes Stauungssyndrom


. Abb. 19.5. Schematische Darstellung der Druck-Saug-Pumpen
Unter einem arthrogenen Stauungssyndrom versteht man am Bein. Aus Hach W 1994
die mehr oder weniger ausgeprägte, chronisch venöse
Insuffizienz mit und ohne degenerative Hautverände-
rungen oder trophische Störungen und mit oder ohne
Ulcus cruris als Folge eines inkompletten oder kompletten
Leitsymptome des arthrogenen Stauungs-
Ausfalls der distalen Antriebskräfte der venösen Hämo-
syndroms
dynamik (. Abb. 19.5; Fußmuskelpumpe, Sprunggelenk-
spumpe, Wadenmuskelpumpe) in der Folge einer hochgra- 4 fortgeschrittene CVI
digen Bewegungseinschränkung oder vollständigen Ver- 4 fixierter Spitzfuß
steifung des oberen Sprunggelenkes (OSG) in Spitzfuß- 4 Atrophie der Wadenmuskulatur
stellung (s. u.)

Die Herausarbeitung des Phänomens als klinische Entität


Spitzfußstellung, Ursachen.
geht zurück auf Hach et al. (1983).
4 posttraumatisch Therapeutisch kommt der Versuch einer Mobilisation
4 degenerativ, arthrotisch des OSG durch Übungsbehandlung bzw. ergänzende ortho-
4 durch (Schon)-Haltung bedingt pädische Eingriffe, Versorgung mit orthopädischem Schuh-
werk und ergänzenden Gehhilfen sowie ein Auftrainieren
der atrophischen Wadenmuskulatur (Jünger et al. 1998) in
Dabei ist es gleichgültig, wie die Versteifung in Spitz- Betracht. Die genannten Maßnahmen sind i.d.R. nur sinn-
fußstellung entstanden ist und ob die chronisch venöse voll einzusetzen, wenn das betroffene Bein frei ist von flori-
Insuffizienz als primäres oder sekundäres Ereignis zu den entzündlichen Veränderungen und Ulzerationen.
werten ist. Die fixierte Spitzfußstellung ist i.d.R. von Wenn nach Ausschöpfung aller technischen Optionen
einer Inaktivitätsatrophie der Wadenmuskulatur beglei- die Möglichkeiten einer Remobilisierung im OSG geschei-
tet (s. u.). tert sind, kann eine Arthrodese in Neutralstellung sinn-
214 Kapitel 19 · Besondere Krankheitsbilder und Syndrome

voll sein. Eine solche Stellungskorrektur sichert zwar die lage für diese Abgrenzung war die Beobachtung, dass bei
Stand- und Gehfähigkeit, beseitigt aber nicht den Ausfall Patienten mit ausgeprägter CVI in den muskulären Kom-
der Pumpmechanismen, soweit sie durch den Ausfall der partments des Unterschenkels unter Orthostasebelastung
Bewegung im OSG ausgelöst sind. Ergänzende Maßnah- erheblich höhere Druckwerte nachzuweisen waren als bei
men zur Unterstützung der venösen Drainage (Kompres- gesunden Probanden (Pflug et al. 1990, Langer et al.1995).
sion und krankengymnastische Übungsbehandlung) sind Ausgelöst werden soll dieses Phänomen durch die Gewebe-
in diesen Fällen zusätzlich zwingend notwendig, um eine sklerose, die ausgehend von der Haut über das subkutane
Stabilisierung des Krankheitsbildes zu ermöglichen. Gewebe schließlich auch die Muskelfaszie ergreift (Derma-
Hach (2003) hat darauf hingewiesen, dass in der trau- tolipofasziosklerose). Die durch die Sklerose bedingte Des-
matologischen und orthopädischen Literatur das arthro- truktion führt zu einem Verlust der elastischen Fähigkeiten
gene Stauungssyndrom gänzlich unbekannt ist, wenngleich dieser Grenzstruktur und damit funktionsabhängig zu
davon auszugehen ist, dass Arthrodesen im OSG aus pri- einem unphysiologischen Druckanstieg in der Muskelloge
mär traumatologischer oder orthopädischer Indikation mit den entsprechenden negativen Folgen für die Musku-
mittelfristig zur Auslösung eines mehr oder weniger aus- latur. Die Muskulatur in den so veränderten Logen weist
geprägten arthrogenem Stauungssyndrom führen muss. degenerative Veränderungen bis hin zu Nekrosen auf und
zeigt eine Verarmung an Glykogen.
Literatur Ein klar gegliedertes klinisches Beschwerdebild liegt
Hach W, Langer C, Schirmers U (1983) Das arthrogene Stauungssyn- in Abgrenzung zu anderen Folgen bzw. Stadien des chro-
drom. VASA 12:109–115
nisch venösen Stauungssyndroms, sowohl mit, als auch
Hach W, Hach-Wunderle V (1994) Die Rezirkulationskreise der pri-
mären Varikose. Springer Heidelberg
ohne Ulzeration, nicht vor. Definitorische Leitkriterien für
Hach W (2003) das arthrogene Stauungssyndrom. Gefässchirurgie das chronisch venöse Kompartmentsyndrom sind
8:227–233 4 Fasziosklerose,
Jünger M, Steins A, Zuder D, Klyscz T (1998) Physikalische Therapie bei 4 degenerativen Veränderungen der Muskulatur und
Venenerkrankungen. VASA 27:73–79
4 unphysiologischer Druckanstieg in den Muskellogen
unter ambulatorischen Bedingungen.

19.7 Chronisch venöses Die Frage, ab wann man von einem chronisch venösen
Kompartmentsyndrom Kompartmentsyndrom sprechen darf, ist somit klinisch

Seit den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts


wurde von Hach und seiner Arbeitsgruppe versucht, die
unterschiedlichen Schweregrade der chronisch venösen
Insuffizienz (CVI) bzw. chronisch venösen Stauungs-
syndrome, insbesondere in den Spätstadien zu nutzen,
um differenziertere Krankheitsbilder bzw. Syndrome aus
dieser bislang diffusen Gruppe der chronisch venösen
Stauungssyndrome auszugliedern.
Der gesamten Gruppe der chronisch venösen Stauungs-
syndrome ist gemeinsam der mehr oder weniger weitge-
hende Ausfall der Antriebskräfte und der Regulationsme-
chanismen des venösen Rückflusses der unteren Extre-
mitäten. Die hieraus resultierende statische und ambula-
torische venöse Hypertonie gilt als der pathogenetische
Faktor für alle Folgeerscheinungen. Will man hieraus
19 weitere definierte Entitäten, oder besser Subsyndrome,
a b c
ausgrenzen, so bedarf es eindeutig definierter Trennkrite-
rien. Diese Forderung ist für das gut abgegrenzte arthro- . Abb. 19.6. Schematische Darstellung der kollagenen Faser-
statische Stauungssyndrom eindeutig erfüllt. Für weitere struktur der Fascia cruris. a Scherengitter unter normalen Bedin-
Subsyndrome scheint dies nicht eindeutig gelungen zu gungen im entspannten Zustand. b Scherengitter unter normalen
Bedingungen im kontrahierten Zustand. Die Struktur der kollagenen
sein.
Fasern lässt eine flexible Anpassung an die Formänderung zu. c Des-
Im Jahre 1997 definierten Hach et al. das chronisch ve- truktion der kollagenen Faserarchitektur ohne Möglichkeit der fle-
nöse Kompartmentsyndrom bzw. chronisch venöse Fas- xiblen Anpassung an Formänderungen. Es kommt zum Druckanstieg
zienkompressionssyndrom. Pathophysiologische Grund- im Kompartment bei Muskelkontraktion
19.7 · Chronisch venöses Kompartmentsyndrom
215 19
nicht zu lösen. Technische Untersuchungen, wie Kompart- Literatur
mentdruckmessung, MRT und ggf. histologische Unter- Hach W, Schwahn-Schreiber C, Kirschner P, Nestle HW (1997) Die kru-
rale Fasziektomie zur Behandlung des inkurablen Gamaschen-
suchungen, sind zur eindeutigen Identifizierung des defi-
ulkus (Chronisches Faszienkompressionssyndrom). Gefässchirur-
nierten Syndroms unverzichtbar. gie 2:101–107
Folgend diesem Konzept, das auf der Einschätzung der Hach W, Gerngroß H, Präve F, Sterk J, Willy C, Hach –Wunderle V (2000)
pathogenetischen Bedeutung der Druckerhöhung in den Kompartmentsyndrome in der Phlebologie. Phlebologie 29:1–
Muskelkompartimenten des Unterschenkels beruht, kam 11
Hach W, Hach-Wunderle V (2001) Neue Aspekte zum chronischen
es zur Entwicklung der von Hach propagierten Form der
venösen Kompartmentsyndroms. Gefäßchirurgie 6:164–169
Faszienchirurgie mit Fasziotomie zur lokalen Drucksen- Langer C, Fuhrmann J, Grimm H, Vorpahl U (1995) Orthostatische
kung und lokaler und zirkulärer Fasziektomie etc. im Rah- Kompartmentdruckmessung nach endoskopischer Fasziotomie.
men der Ulkussanierung. Phlebologie 24:163–167
Angaben zur Inzidenz des chronisch venösen Kom- Pflug JJ, Zubac DP, Kersten DR, Alexander ND (1990) The resting inter-
stitial tissue pressure in primary varikose veins. J Vasc Surg
partmentsyndroms fehlen. Das gesamte Konzept ist durch
11:411–417
Studien bzw. Querschnittsuntersuchungen unzureichend
belegt, d. h die Dignität des Syndroms im Hinblick auf die
klinische Relevanz ist nicht ausreichend geklärt.
4 Was führt zum Umbau der Faszie?
4 Wann beginnt dieser Umbau der Faszie?
4 Lassen sich bestimmte Faktoren definieren, die zu die-
sem Umbau im Einzelfall führen, oder ist dieser Um-
bau normaler Bestandteil der Gewebeveränderungen
beim chronisch venösen Stauungssyndrom?
4 Gibt es eine kritische Grenze der Drucksteigerung im
Hinblick auf die klinische Relevanz?
4 Sind die Entstehungsursachen der Ulzerationen in die-
sen Fällen andere als bei unkomplizierten, »einfachen«
Ulzera?

Dies soll nicht bedeuten, dass es grundsätzlich Zweifel an


der Existenz dieses Syndroms gibt. Es ist nicht zu leugnen,
dass die elektronenmikroskopischen Bilder von den Ver-
änderungen der Faszie und der Muskulatur durchaus be-
eindruckend sind und die pathophysiologischen Vorstel-
lungen plausibel erscheinen lassen.
Entscheidendes, bislang nicht erklärtes Manko dieses
Konzeptes ist jedoch die Tatsache, dass die Ulkussanierung
auch durch eine Shave-Therapie mit sofortiger Hauttrans-
plantation ohne Angehen des Kompartment- bzw. Faszien-
problems gelingt. Die Faszienchirurgie mit ihren großen,
teilweise heroischen Eingriffen ist daher, mit Recht, inzwi-
schen nur noch Einzelfällen vorbehalten. Das Problem der
Versorgung der großflächigen und gamaschenartigen
chronischen Ulzera hat sich auf die Nachsorge nach Shav-
ing verlagert.
20

20 Indikation zur ambulanten


und stationären Versorgung
in der Varizenchirurgie
H. Nüllen, T. Noppeney

20.1 Ambulante Chirurgie – 218

20.2 Anspruch auf stationäre Versorgung – 218

20.3 Stationsersetzende Leistungen – 221

20.4 Indikation zur ambulanten Versorgung – 221


20.4.1 Patient und seine Begleiterkrankungen – 221

20.5 Indikation zur stationären operativen Versorgung – 223

20.6 Zusammenfassung – 223


218 Kapitel 20 · Indikation zur ambulanten und stationären Versorgung in der Varizenchirurgie

20.1 Ambulante Chirurgie nennenswerten oder gar unkalkulierbaren Risiko verbun-


den, wird man die Indikation zur Operation verneinen.
Der Siegeszug der ambulanten Chirurgie, insbesondere im Man operiert also immer relativ gesunde Patienten, sodass
Bereich der stationsersetzenden Leistungen, in den letzten die Option für eine ambulante Durchführung einer Ope-
20 Jahren ist beispiellos. Anfangs misstrauisch beäugt und ration in der Varizenchirurgie vom Grundsatz her immer
sogar bekämpft bis hin zu Verunglimpfungen der Pioniere gegeben ist. Die Entscheidung ambulant vs. stationär ist
in der Chirurgie der stationsersetzenden Leistungen, gilt daher eine Entscheidung, die auf einer Abwägung der Risi-
die ambulante Chirurgie heute als allgemein akzeptiert ken und der individuellen Situation des Patienten beruht.
und sogar von den Kostenträgern weithin gefordert. In
den 90er Jahren, als noch die stationäre Versorgung in der
Varizenchirurgie den Standard darstellte, beschäftigte sich 20.2 Anspruch auf stationäre Versorgung
die damalige Leitlinie »Varizen« der Deutschen Gesell-
schaft für Gefäßchirurgie (DGG) u. a. damit, die Umstän- Der Anspruch auf eine stationäre Versorgung im Krank-
den, unter welchen eine ambulante Varizenoperation indi- heitsfall ist in §39 des SGB V (http://db03.bmgs.de/ge-
ziert und zumutbar sei, zu definieren (Nüllen 1998). Die setze/sgb05x039.htm) definiert.
Situation hat sich heute völlig umgekehrt. Heute muss die
Indikationsstellung die stationäre Versorgung besonders §39
begründen. Die ambulante Versorgung ist in der Sicht der Krankenhausbehandlung
Kostenträger praktisch zum Normalfall geworden. (1) Die Krankenhausbehandlung wird vollstationär, teil-
Die ambulante Varizenchirurgie hatte Anfang der 90er stationär, vor- und nachstationär (§115a) sowie ambulant
Jahre ein Hoch und ist jetzt wieder auf die Ausgangswerte (§115b) erbracht. Versicherte haben Anspruch auf voll-
von 1990 zurückgegangen. Dies entspricht allerdings nicht stationäre Behandlung in einem zugelassenen Kranken-
einer echten Abnahme, da zwischenzeitlich die Kranken- haus (§108), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das
häuser zum ambulanten Operieren zugelassen wurden. Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel
Die Zahl der nach §115b in den Krankenhäusern ambulant nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder
durchgeführten Eingriffe wegen Varikose ist jedoch nicht ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Kranken-
bekannt (7 Abschn. 20.3) pflege erreicht werden kann. Die Krankenhausbehand-
Die unter Kostengesichtspunkten angetretenen Förderer lung umfasst im Rahmen des Versorgungsauftrags des
der ambulanten Chirurgie auf der Seite der Kostenträger Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art
schießen häufig weit über das Ziel hinaus: Sie erklären bei und Schwere der Krankheit für die medizinische Versor-
bestimmten Eingriffen die ambulante Durchführung zur gung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind,
Norm und versuchen, dies in ihren Prüfverfahren durchzu- insbesondere ärztliche Behandlung (§28 Abs. 1), Kranken-
setzen. Dies geschieht häufig bewusst unter Vernachlässigung pflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln,
der hart erkämpften Kriterien für die ambulante Chirurgie. Unterkunft und Verpflegung; die akutstationäre Behand-
Die Frage, was man unter ambulanter Chirurgie ver- lung umfasst auch die im Einzelfall erforderlichen und
steht, kann man durchaus von unterschiedlichen Aus- zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzenden Leistungen
gangspunkten her definieren. zur Frührehabilitation.
4 Unter »ambulantem Operieren« versteht man opera-
tive Behandlungsmethoden, bei welchen der operierte Die Rechtsprechung hat hierzu weitere flankierende Ent-
Patient die Nacht vor dem Eingriff und die Nacht nach scheidungskriterien hinzugefügt. Eigentlich sollte damit
dem Eingriff jeweils im eigenen häuslichen Bett ver- alles geklärt sein, allerdings hat der zunehmende Kosten-
bringt (Müller-Osten). druck dazu geführt, dass die Prüfinstanzen der Kosten-
4 Unter ambulantem Operieren versteht man alle Ein- träger unter Berufung auf den Katalog zum ambulanten
griffe, die in Allgemeinnarkose, regional- oder Lokal- Operieren nach §115b SGB V die Prüfkriterien umdrehen.
anästhesie ohne Krankenhausaufenthalt durchgeführt Sie prüfen nunmehr nicht mehr, ob ein Anspruch auf sta-
werden (American College of Surgeons). tionäre Versorgung besteht, sondern ob der Eingriff grund-
20 sätzlich unter ambulanten Bedingungen durchführbar
Bei allen Überlegungen zur Varizenchirurgie gilt es heute wäre. Ergeben sich dennoch unzweifelhafte Kriterien, die
wie damals zu bedenken, dass die Krampfadererkrankung die stationäre Versorgung sanktionieren, so werden i.d.R.
nie eine lebensbedrohliche Erkrankung darstellt. Stehen Beginn und Ende der stationären Versorgung kritisch be-
einer Operation schwerwiegende, lebensentscheidende leuchtet. Daher wird eine stationäre Versorgung wegen
andere Erkrankungen entgegen oder ist der Eingriff am Eingriffen am Venensystem nur noch ausnahmsweise von
epifaszialen Venensystem für den Patienten mit einem den Kostenträgern übernommen (Frings et al 2009).
20.2 · Anspruch auf stationäre Versorgung
219 20
Die Versuche die Prüfkriterien für das Problem der dass sie anerkennen, dass nicht jeder individuelle Einzel-
sog. Fehlbelegung zu objektivieren, haben in der Vergan- fall durch die G-AEP abgebildet werden kann, gehen je-
genheit dazu geführt, dass ein aus dem US-amerikanischen doch davon aus, dass i.d.R. überwiegend diese Kriterien
Gesundheitssystem übernommenes System, das »approp- angewendet werden können. Die Kriterien gliedern sich
riatness evaluation protocol« (AEP) auf deutsche Verhält- in 6 Kategorien (A–F) mit insgesamt 33 Kriterien. Die Kri-
nisse adaptiert wurde (G-AEP) und heute als Checkliste terien unterscheiden sich darin, dass einzelne die sta-
für die Prüfverfahren des MDK gilt. Eine entsprechende tionäre Versorgung per se begründen und andere diese
Vereinbarung wurde zwischen den Spitzenverbänden der nur in Verknüpfung mit einem weiteren Kriterium be-
Krankenkassen und der deutschen Krankenhausgesell- gründen (. Tab. 20.1).
schaft erarbeitet. Diese Liste von Prüfkriterien stellt eine Bei Durchsicht der Kriterien in . Tab. 20.1 erkennt
Positivliste für die ex-ante Beurteilung über die Not- man unschwer, dass die Begründung einer stationären Ver-
wendigkeit der stationären Versorgung im gegebenen sorgung bei Eingriffen am epifaszialen Venensystem an-
Einzelfall dar. Die Verfasser der Prüflisten erklären zwar, hand dieser Kriterien schwer fällt.

. Tab. 20.1. G-AEP-Kriterien: auf deutsche Verhältnisse adaptierte appropriatness evaluation protocol (AEP)

A = Schwere der Erkrankung

Nr. Kriterium In Verbindung mit


Zusatzkriterium + B

A1 plötzliche Bewusstlosigkeit oder akuter Verwirrtheitszustand (Koma oder Nichtansprechbarkeit) nein

A2 Pulsfrequenz: < 50/min oder > 140/min. ja

A3 Blutdruck: systolisch < 90 oder > 200 mm Hg; diastolisch < 60 oder > 120 mm Hg ja

A4 akuter Verlust der Seh- oder Hörfähigkeit oder des Gleichgewichtssinnes ja

A5 akute Lähmung oder andere akute neurologische Symptomatik ja

A6 lebensbedrohliche Infektion oder anhaltendes oder intermittierendes Fieber (> 38,0°C Kern- ja
temperatur )

A7 akute/subakute Blutung mit interventionsbedürftigem Hämoglobinabfall ja

A8 schwere Elektrolytstörung oder Blutgasentgleisung oder aktuelle Entgleisung harnpflichtiger ja


Substanzen

A9 akute oder progrediente Störung mit erkennbarer vitaler Gefährdung ja

A10 dringender Verdacht oder Nachweis einer myokardialen Ischämie nein

A11 Krankheit, die eine Behandlung mit onkologischen Chemotherapeutika oder anderen ja
potenziell lebensbedrohlichen Substanzen erfordert

B = Intensität der Behandlung

Nr. Kriterium In Verbindung mit


Zusatzkriterium + A

B1 kontinuierliche bzw. intermittierende intravenöse Medikation / Infusion (schließt Sonden- ja


ernährung nicht ein)

B2 Operation, Intervention oder spezielle diagnostische Maßnahme innerhalb der nächsten nein
24 Stunden, die die besonderen Mittel und Einrichtungen eines Krankenhauses erfordert

B3 mehrfache Kontrolle der Vitalzeichen, alle 2 Stunden oder häufiger ja

B4 Behandlung auf einer Intensivstation ja

B5 intermittierende, mehrmals tägliche oder kontinuierliche, assistierte oder kontrollierte ja


Beatmung
6
220 Kapitel 20 · Indikation zur ambulanten und stationären Versorgung in der Varizenchirurgie

. Tab. 20.1 (Fortsetzung)

C = Operation / invasive Maßnahme (außer Notfallmaßnahmen)

Nr. Kriterium in Verbindung mit Zusatz-


kriterium A, D,E oder F

C1 Operation / Prozedur, die unstrittig nicht ambulant erbracht werden kann ja

C2 Operation / Prozedur aus dem aktuellen Katalog ambulanter Operationen nach §115b SGB V ja

D = Komorbiditäten in Verbindung mit Operationen oder krankenhausspezifischen Maßnahmen

Nr. Kriterium

D1 signifikant pathologische Lungenparameter

D2 Schlafapnoe-Syndrom: anamnestisch bekanntes mittelschweres oder schweres Schlafapnoe-Syndrom

D3 Blutkrankheiten: operationsrelevante Gerinnungsstörung; operationsrelevante, therapiepflichtige Blutkrankheit

D4 manifeste Herzerkrankungen:
Angina pectoris Grad III oder IV (NYHA)
manifeste Herzinsuffizienz Grad III oder IV (NYHA)

D5 maligne Hyperthermie in der Eigen- oder Familienanamnese

D6 Patienten, bei denen eine besonders überwachungspflichtige Behandlung der folgenden Erkrankungen dokumentiert ist:
4 endokrine Erkrankungen (z. B. Diabetes)
4 Bronchospastische Lungenerkrankungen
4 Schlaganfall und/ oder Herzinfarkt
4 Behandlungsrelevante Nieren-/ Leberfunktionsstörung

E = Notwendigkeit intensiver postoperativer Betreuung in Verbindung mit Operationen oder krankenhausspezifischen


Maßnahmen

Nr. Kriterium

E1 voraussichtliche postoperative Überwachungspflicht über 12 Stunden nach Narkoseende

E2 Amputationen

E3 gefäßchirurgische Operationen (arteriell und/oder zentral)

E4 Einsatz und Entfernung von stammnahen stabilisierenden Implantaten

E5 Einsatz von Drainageschläuchen mit kontinuierlicher Funktionskontrolle

F = soziale Faktoren, aufgrund derer eine sofortige medizinische Versorgung des Patienten im Falle postoperativer
Komplikationen nicht möglich wäre, in Verbindung mit Operationen oder krankenhausspezifischen Maßnahmen –
geprüft und dokumentiert –

Nr. Kriterium

F1 fehlende Kommunikationsmöglichkeit, da der Patient allein lebt und kein Telefon erreichen kann

F2 keine Transportmöglichkeit; große Entfernung von Stellen, die Notfallhilfe leisten könnten

F3 mangelnde Einsichtsfähigkeit des Patienten

20 F4 fehlende Versorgungsmöglichkeiten
20.4 · Indikation zur ambulanten Versorgung
221 20
20.3 Stationsersetzende Leistungen 20.4 Indikation zur ambulanten
Versorgung
Die ambulante Durchführung von Eingriffen, die in
früheren Jahren grundsätzlich unter stationären Bedin- Der über viele Jahre hinweg unstrittige Katalog der Voraus-
gungen erfolgte, geht ausschließlich auf die Erarbeitung setzungen für die Indikationsstellung zur ambulanten
von Konzepten zur ambulanten Chirurgie und die Kon- Durchführung stationsersetzender Leistungen in der Va-
zeption und Schaffung der notwendigen Infrastruktur rizenchirurgie, also Crossektomie und Strippung der Vena
durch niedergelassene Fachärzte zurück. Der Leistungs- saphena magna oder parva, ggf. mit Perforansdissektion
katalog, der sich so im Laufe der Jahre herauskristallisiert und Seitenasterxstirpation hat sich geändert. So sind z. B.
hatte, war Grundlage für die Definition des Kataloges zum die Forderungen an die Infrastruktur der operierenden
ambulanten Operieren nach §115b zu dem die Kranken- Institution weggefallen, da die formelle Zulassung zum
häuser inzwischen weitgehend verpflichtet wurden. ambulanten Operieren seitens der ärztlichen Selbstver-
In der Präambel zum Katalog zum ambulanten Operie- waltung und der Gesundheitsbehörden an klare Bedin-
ren nach §115b (http://db03.bmgs.de/gesetze/sgb05x115b. gungen für bauliche, technische und personelle Bedin-
htm) heißt es: gungen geknüpft ist. Die meisten patientenbezogenen
Voraussetzungen für die Durchführung einer ambulanten
§115b Operation in der Größenordnung der Eingriffe am epi-
Ambulantes Operieren im Krankenhaus faszialen Venensystem sind die gleichen, die in den 90er
(1) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Jahren erarbeitet wurden. Sie entsprechen den unverzicht-
Deutsche Krankenhausgesellschaft oder die Bundes- baren Forderungen an die Sorgfaltspflicht bei der Risiko-
verbände der Krankenhausträger gemeinsam und die einschätzung für den Patienten. So soll die Indikation zur
Kassenärztlichen Bundesvereinigungen vereinbaren ambulanten Durchführung von Eingriffen am epifaszialen
1. einen Katalog ambulant durchführbarer Operationen Venensystem gemessen werden an den individuellen Be-
und sonstiger stationsersetzender Eingriffe, sonderheiten:
2. einheitliche Vergütungen für Krankenhäuser und Ver- 4 Patient und seine Begleiterkrankungen
tragsärzte. 4 Lokalbefund
In der Vereinbarung nach Satz 1 Nr. 1 sind bis zum 31. De- 4 soziales Umfeld.
zember 2000 die ambulant durchführbaren Operationen
und stationsersetzenden Eingriffe gesondert zu benen-
nen, die in der Regel ambulant durchgeführt werden 20.4.1 Patient und seine
können, und allgemeine Tatbestände zu bestimmen, bei Begleiterkrankungen
deren Vorliegen eine stationäre Durchführung erforder-
lich sein kann. In der Vereinbarung sind die Qualitätsvor- Der Patient
aussetzungen nach §135 Abs. 2 sowie die Richtlinien und Eine ambulante Operation der genannten Größenordnung
Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses nach verbietet sich immer dann, wenn der Patient nach sorgfäl-
§92 Abs. 1 Satz 2 und §137 zu berücksichtigen. tiger und umfassender Aufklärung über die Durchfüh-
(2) Die Krankenhäuser sind zur ambulanten Durchführung rung, die Begleitumstände der Durchführung und der
der in dem Katalog genannten Operationen und stations- Nachsorge sowie den Komplikationsmöglichkeiten, sich
ersetzenden Eingriffe zugelassen. Hierzu bedarf es einer eindeutig gegen eine Operation unter ambulanten Be-
Mitteilung des Krankenhauses an die Landesverbände der dingungen ausspricht. Falls der Therapeut den Patienten
Krankenkassen und die Ersatzkassen, die Kassenärztliche zu einer ambulanten Operation »überredet« hat, kann im
Vereinigung und den Zulassungsausschuss (§96); die Falle einer postoperativen rechtlichen Auseinanderset-
Kassenärztliche Vereinigung unterrichtet die Landes- zung, trotz erfolgter Einwilligungserklärung, je nach der
krankenhausgesellschaft über den Versorgungsgrad in Einstellung des Gerichtes ein relevantes rechtliches Pro-
der vertragsärztlichen Versorgung. Das Krankenhaus ist blem für den Operateur entstehen. Das Gericht wird in
zur Einhaltung des Vertrages nach Absatz 1 verpflichtet. einem solchen Fall der Frage nachgehen, ob die Einwilli-
Die Leistungen werden unmittelbar von den Kranken- gungserklärung unter den genannten Umständen rechts-
kassen vergütet. Die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und wirksam zustande gekommen ist und nicht vielmehr eine
Qualität erfolgt durch die Krankenkassen; die Kranken- »seelische Notlage«, in die der Patienten durch Vermitt-
häuser übermitteln den Krankenkassen die Daten nach lung des Arztes geraten ist, seine Entscheidung maßgeblich
§301, soweit dies für die Erfüllung der Aufgaben der Kran- beeinflusst hat. Der aufklärende Arzt muss sehr darauf be-
kenkassen erforderlich ist. dacht sein, dass die Entscheidung für eine Operation unter
(3) … ambulanten Bedingungen zweifelsfrei der »freien« Ent-
222 Kapitel 20 · Indikation zur ambulanten und stationären Versorgung in der Varizenchirurgie

scheidung des Patienten entspricht. Entscheidet der Patient Begleiterkrankungen


nach der Aufklärung, dass er ausdrücklich die Durchfüh- Mit der steigenden Lebenserwartung der deutschen Be-
rung des operativen Eingriffs am Venensystem unter statio- völkerung und den zunehmenden Anzahl von großen Ein-
nären Bedingungen wünscht, so muss der verantwortliche griffen beim älteren Patienten (z. B. Hüftgelenksersatz)
einweisende Arzt ebenso wie der aufnehmende Arzt des werden immer häufiger OP-Indikationen zur Sanierung
Krankenhauses prüfen, ob die Voraussetzungen für eine der Varikose auch beim älteren Patienten gestellt. Die hier
stationäre Versorgung im jeweiligen Fall vorliegen. Liegt angesprochenen Patienten zeigen meist ausgedehntere und
diese in der Interpretation des MDK im Nachgang nach komplizierte Lokalbefunde und häufig einen oder mehre-
Rechnungsprüfung durch den Kostenträger nicht vor, so re, das allgemeine Operationsrisiko erhöhende Begleit-
erhält das Krankenhaus für die erbrachte Leistung eine befunde. Zu den Begleiterkrankungen, die im Einzelfall
deutlich geminderte Bezahlung und ist bei Aufrechterhal- ggf. die Indikation zu einer stationären Versorgung wegen
tung des Anspruches seinerseits in der Nachweispflicht, der direkten Erhöhung des operativen Risikos und der er-
dass der Anspruch auf stationäre Versorgung im jeweiligen höhten Überwachungsbedürftigkeit in der postoperativen
Fall zu Recht bestanden hat. Phase rechtfertigen, gehören u. a.
Damit ist auch das Problem des Patientenwillens auf- 4 Antikoagulation (Bridging)
geworfen. Man muss aufgrund der Rechtslage und der 4 Thrombophilie
durch die Gerichte geübten Rechtspraxis klar feststellen, 4 ausgeprägtes PTS
dass der Patientenwille in der Frage des Anspruches auf 4 Z. n. Lungenembolie
stationäre Versorgung des Versicherten keine Rolle spielt. 4 Herzklapperersatz
Das einzige Maß für die Beurteilung des Anspruches ist 4 KHK
§39 SGB V und in keinem Fall das, was der Patient wünscht 4 Z. n. ACVB, PTCA, Herztransplantation
oder gerne möchte. Ein Umstand der dem GKV-versicher- 4 COPD, Asthma bronchiale
ten Patienten oft schwierig zu vermitteln ist. 4 bekannte Neigung zu hypertonen Krisen
Ein weiterer, in jeder Hinsicht problematischer Bereich 4 schwere Gehbehinderung
ist die mangelhafte Compliance des Patienten. Es herrscht 4 extreme Adipositas
weitgehende Einigkeit darüber, dass vom Patienten, der 4 Diabetes mellitus
unter ambulanten Bedingungen operiert wird, eine be- 4 Niereninsuffizienz
sondere Zuverlässigkeit und Mitarbeit erwartet werden 4 Z. n. früherer problembehafteter Narkoseführung
muss. Aber wie dokumentiert und beweist der Operateur 4 notwendigkeit der Regionalanästhesie
den Umstand, dass im Einzelfall hieran berechtigte
Zweifel bestehen. Dies ist ein fast unmögliches Unter- Lokalbefund
fangen. So ist auf den ersten Blick einleuchtend, dass z. B Der Eingriff an mehr als einem Strombahngebiet in einer
ein dementer Patient für die ambulante Versorgung nicht Sitzung (einzeitig beidseitig oder einzeitig einseitig zwei
gut geeignet. Aber resultiert hieraus automatisch, dass Stromgebiet etc.) ist immer eine Indikation für eine statio-
diese Patienten stationär besser aufgehoben sind? Man näre Versorgung.
kann in einem solchen Fall auch argumentieren, dass diese Der ungewöhnliche oder extreme Lokalbefund kann
Patienten in ihrer gewohnten Umgebung und von spezia- ein Argument gegen die ambulante Durchführung eines
lisiertem Personal lückenloser und besser überwacht und Eingriffs am epifaszialen Venensystem sein (. Tab. 20.2).
geleitet werden können als in einem Versorgungskranken- Das Argument »viele Varizen« allein wird, angesichts der
haus. Die mangelhafte Compliance sollte daher als Argu- insgesamt geringen Komplikationsrate bei varizenauschal-
ment für die Bestätigung eines Anspruchs auf stationäre tenden Eingriffen, die Voraussetzungen für eine sachge-
Versorgung durch den Operateur sehr genau geprüft rechte Begründung der Notwendigkeit einer stationären
werden. Versorgung nicht erfüllen. Die Eingriffe mit einer deutlich
Das Lebensalter des Patienten kann eine Begrün- verlängerten OP- und Narkosezeit und mit einem deutlich
dung für die Notwendigkeit einer stationären Versorgung erhöhten Blutungsrisiko erfüllen die Kriterien.
sein. Das äußere Erscheinungsbild (der biologisch junge,
20 rüstige Patient) und der objektive Gesundheitszustand Soziales Umfeld
können stark voneinander abweichen, auch wenn der Unter dem Begriff des sozialen Umfeldes versteht man die
Patient anamnestisch über keinerlei gesundheitliche häusliche Versorgungssituation des Patienten, der unter
Beeinträchtigungen berichtet. Mit zunehmendem Alter ambulanten Bedingungen operiert werden soll. Der »allein-
sinken die Leistungsreserven der Patienten ab, eine Tat- stehende« Patient soll nicht unter ambulanten Bedingungen
sache, die bei jedem invasiven Eingriff berücksichtigt operiert werden, da die gewünschte, mindestens 24-stün-
werden muss. dige Überwachungssituation nicht gegeben ist. An die Fest-
20.6 · Zusammenfassung
223 20

. Tab. 20.2. Begründungen bei besonderem Lokalbefund

Technischer Aufwand Lange OP- und Narkosezeit Erhöhtes Blutungsrisiko

Rezidivvarizen »Monster«-Varizen »Monster«-Varizen

direkte Recrossektomie Mehrfachrezidive postphlebitisches Syndrom

subfasziale Recrossektomie Z. n. mehrfachen Verödungen Dermatosklerose

Rezidiveingriff am saphenopolitealem Z. n. mehrfachen Phlebitiden Canyon-Varizen


Übergang

3. und 4. Eingriffe mit Recrossektomie Z. n. mehrfachen oder atypischen Vor-OPs heterotope Ossifikationen

Antikoagulation, Bridging

stellung einer fehlenden häuslichen Versorgung werden der Auseinandersetzung mit Kostenträgern und MDK ist
jedoch seitens des MDK ebenfalls weitere Bedingungen ge- eine sorgfältige Dokumentation des stationären Verlaufs.
knüpft. Wenn es die Umstände erlauben, kann es, nach Auf-
fassung einiger MDKs, für den betroffenen Patienten als
zumutbar betrachtet werden, eine häusliche Versorgung, 20.6 Zusammenfassung
z. B. durch in der Nähe wohnende Angehörige, zu organi-
sieren. Bei der Beurteilung der Frage, ob für den Patienten Die Operation unter ambulanten Bedingungen bei der Sa-
eine ausreichende, kompetente häusliche Versorgung be- nierung der primären Varikose ist zweifelsfrei der Stan-
steht, ist der behandelnde Arzt auf die Angaben des Pati- dard. Unbeschadet dessen bleibt ein Klientel, dass aus den
enten angewiesen. Forderungen der Kostenträger, diese unterschiedlichsten Gründen für eine ambulante Versor-
Angaben des Patienten durch den Arzt zu überprüfen, sind gung von vornherein nicht in Betracht kommt oder bei
nicht rechtens. Zu nicht autorisierten Recherchen im priva- Abwägung aller Fakten hierzu nicht geeignet erscheint. Für
ten Umfeld des Patienten ist der Arzt nicht legitimiert. diese Patienten muss die stationäre Versorgung als Mög-
lichkeit erhalten bleiben. Die Indikationsstellung für die
stationäre Versorgung sollte für die Kostenträger durch-
20.5 Indikation zur stationären schaubar und nachvollziehbar sein. Die Indikationskata-
operativen Versorgung loge für eine stationäre Versorgung müssen daher mit den
Kostenträgern abgestimmt werden um kostentreibende
Die Indikation zur stationären Versorgung ist aus ärzt- Prüfverfahren auf ein Minimum zu beschränken.
licher Sicht immer dann zu stellen, wenn die Operation
Literatur
unter ambulanten Bedingungen ein deutlich höheres Risi-
Deutsche Krankenhausgesellschaft (2009) Prüfkriterien zu §17c KHG
ko aufweist als unter stationären oder der ambulante Ein- (G-AEP) http://www.dkgev.de
griff aus Sicht des Patienten nicht zumutbar ist. So klar sich Frings N, Broermann M, Schimmelpfennig L (2009) Perspektiven der
diese Bedingung anhört, so schwierig ist sie im Licht der stationären Varizenchirurgie. Phlebologie 38:122–130
Interpretationsmöglichkeiten und -gewohnheiten der Kos- Nestle HW (2001) Die Varizenoperation unter stationären Bedingun-
gen. Zentralbl Chir 126:505–507
tenträger umzusetzen. Noppeney T, Kluess HG, Gerlach H, Braunbeck W, Ehresmann U, Fischer
Neben der Frage, ob die Voraussetzungen zur statio- R, Hermanns H-J, Langer C, Nüllen H, Salzmann G, Schimmel-
nären Versorgung bei Varizenoperationen überhaupt ge- pfennig L (2004) Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Krampf-
aderleidens der deutschen Gesellschaft für Phlebologie, der Deut-
geben sind, hat sich in den letzten zwei Jahren als weiteres
schen Gesellschaft für Gefäßchirurgie, des Berufsverbandes der
Problemfeld die Frage nach der Dauer der stationären Ver- Phlebologen e.V. und der Arbeitsgemeinschaft der niedergelas-
sorgung ergeben. Für die DRG F39A und F39B wird eine senen Gefäßchirurgen Deutschlands e.V. Gefäßchirurgie; 9:290ff
untere Grenzverweildauer (UGVD) von 1 Tag angegeben, Noppeney T, Nüllen H (2001) Ambulante Operation bei Stammvari-
kose. Zentralbl Chir 126:508–512
eine mittlere Verweildauer von 4,3 Tagen und eine obere
Nüllen H, Noppeney T (1998) Primäre Varikose. In: Allenberg JR,
Grenzverweildauer von 11 Tagen. In den Prüfverfahren des Zehle A. Leitlinien zu Diagnostik und Therapie in der Gefäßchirur-
MDK, die heute fast regelhaft bei Eingriffen wegen Variko- gie. Deutscher Ärzteverlag Köln
se von den Kostenträgern eingeleitet werden, wird versucht Nüllen H, Reese von Ohlen C (1995) Ambulante Varizenchirurgie in der
Praxis. In: Imig H, Schröder A Varizen Poplitea-Aneurysmen. Stein-
die Verweildauer zu minimieren. Die Frage der Verweil- kopf, Darmstadt 1995
dauer bei stationärer Versorgung bei Varizenchirurgie ist Rüggeberg JA (2008) Ambulantes Operieren – eine Standortbestim-
aus ärztlicher Sicht vielschichtig und ungelöst. Hilfreich in mung. Ambulante Chirurgie 13.8–10
IV Nicht operative Therapie
21 Nicht operative Therapie der Varikose – 227
H. Nüllen

22 Konservative Therapie – 229


H. Nüllen, T. Noppeney, V. Wienert, J. Ranft, C. Nielen, B. Hartmann,
D. Strass, P. Waldhausen, E.S. Debus

23 Verödungstherapie – 267
P. Waldhausen, F. X. Breu, E. Rabe, F. Pannier, M. Schadeck, U. Müller,
H. Nüllen
21

21 Nicht operative Therapie


der Varikose
H. Nüllen

21.1 Einleitung – 228

21.2 Therapieoptionen und Therapiekonzepte – 228


228 Kapitel 21 · Nicht operative Therapie der Varikose

21.1 Einleitung dienstes angewiesen ist und so mit dem Verlust der Selbst-
versorgungsfähigkeit einen guten Teil seiner Lebensquali-
Die primäre Varikosis gilt gemeinhin als angeborene Er- tät verliert. Diese wenigen Beispiele zeigen, dass es in der
krankung, wenngleich Kausalität und Vererbungsmodus Versorgung des Krampfaderleidens keine Standardlösun-
als ungeklärt gelten müssen. Sie ist daher verbunden mit gen per se gibt. Die Lösungen müssen in jedem Falle an-
dem Odium der Unheilbarkeit und einer unvermeidlichen hand der individuellen Gegebenheiten und Lebensum-
Progredienz. Unbehandelt führt die primäre Varikosis aus stände entwickelt und nach entsprechender Aufklärung
klinisch geringen und überschaubaren Anfängen fast im- mit dem Patienten im Sinne eines informed consent be-
mer zu mehr oder weniger schwerwiegenden beeinträch- schlossen werden. Hierbei muss klar sein, dass alle Ent-
tigenden Folgen der venösen Durchblutung und wird so scheidungen revidierbar sein müssen. Der Patient, der sich
zum Krampfaderleiden. Nur eine frühzeitige bzw. rechtzei- heute für eine konservative Therapie entscheidet, kann
tige Behandlung kann die häufig am Ende einer Entwick- morgen der Meinung sein, es sei besser, sich operieren zu
lung stehenden schwerwiegenden und/oder desolaten Zu- lassen.
stände der dekompensierten Spätstadien verhindern. Diese Therapiekonzepte können variieren, müssen an die
Tatsache wird unter dem Eindruck der zunehmenden Le- individuellen Gegebenheiten angepasst werden und die
benserwartung der Bevölkerung immer wichtiger, da da- ihnen zugrunde liegenden Entscheidungen können sich
mit auch die Krankheitsdauer entsprechend zunimmt. verändern. Dies muss der Phlebologe beratend begleiten
Die Forderung nach einer konsequenten und frühzei- und akzeptieren. Andererseits jedoch besteht die Aufgabe
tigen Therapie ist zum einen eine Forderung vorausschau- des Phlebologen im Hinblick auf seine Lenkungsfunktion
ender Gesundheitsfürsorge und ärztlicher Ethik und ande- auch darin, den Patienten nachhaltig davon zu überzeu-
rerseits eine ökonomische Notwendigkeit, da die Spät- gen, dass nur die frühzeitige und dauerhafte Behandlung
stadien der dekompensierten Varikose ganz erhebliche eine aussichtsreiche Strategie gegen die dekompensierte
Behandlungs- und sonstige Folgekosten verursachen. venöse Insuffizienz darstellt.
Die großen epidemiologischen Studien, von der Baseler
Studie über die Tübinger Studie zur aktuellen Bonner Venen-
studie, zeigen eine Abnahme der schweren Spätstadien des
Krampfaderleidens. Eine mögliche Erklärung für diese Tat-
sache kann die verbesserte Versorgungslage in der Phlebo-
logie sein.

21.2 Therapieoptionen
und Therapiekonzepte

Nimmt man einmal das therapieresistente Ulcus cruris aus,


so ergibt sich bei der Varikose in jedem Stadium immer
und ausnahmslos eine Option für die konservative Thera-
pie. Dies bedeutet allerdings keineswegs, dass die kon-
servative Therapie in der Hierarchie der Therapieoptionen
eine herausragende Stellung einnimmt. Die Frage nach
dem Benefit für den betroffenen Patienten ist immer zu
stellen und kann je nach Lage der Dinge zu sehr unter-
schiedlichen Schlussfolgerungen führen.
Da ist z B. zum einen ein junger Patient, der eine
schnelle und radikale Sanierung seiner Varikose wünscht
und keinen Gedanken an eine konservative Therapie ver-
schwendet. Anderseits fühlt sich z. B. ein älterer Patient,
der konsequent seinen Kompressionsstrumpf trägt, damit
21 ausreichend versorgt. Nimmt man ein weiteres Beispiel
eines älteren Patienten, der mit einer ausgedehnten Kom-
pressionsstrumpfversorgung zwar gut versorgt ist, aber
hierbei jeden Morgen und jeden Abend auf die Hilfe von
Angehörigen oder sogar eines externen Krankenpflege-
22

22 Konservative Therapie
22.1 Kompressionstherapie – 230
H. Nüllen, T. Noppeney
22.1.1 Theoretische Grundlagen der Kompressionstherapie – 230
22.1.2 Kompressionsmittel – 233
22.1.3 Kompressionsverband – 234
22.1.4 Kompressionsstrumpf – 235
22.1.5 Ergebnisse der Kompressionstherapie – 239
22.1.6 Zusammenfassung – 240

22.2 Intermittierende pneumatische Kompression (IPK) – 241


V. Wienert
22.2.1 Historie – 241
22.2.2 Definition – 241
22.2.3 Indikationen – 241
22.2.4 Kontraindikationen – 241
22.2.5 Ergebnisse – 242
22.2.6 Wirksamkeit – 242
22.2.7 Behandlungskonzepte – 242

22.3 Pharmakotherapie – 242


J. Ranft, C. Nielen, H. Nüllen
22.3.1 Medikamentöse Therapie – 242
22.3.2 Orale systemische Medikamente – 243
22.3.3 Studienlage zur Pharmakotherapie – 243
22.3.4 Zusammenfassung – 245

22.4 Balneotherapie – 246


B. Hartmann, D. Strass
22.4.1 Definitionen – 246
22.4.2 Wirkprinzipien der Balneotherapie – 246
22.4.3 Praktische Konsequenzen für die Differentialtherapie
(einschließlich Rehabilitation und »long term care«) – 251

22.5 Bewegungstherapie – 252


P. Waldhausen
22.5.1 Medizinische Bewegungstherapie – 252
22.5.2 Allgemeine Empfehlungen zur Bewegung – 254
22.5.3 Besonderheiten bei der Bewegungstherapie – 256
22.5.4 Bewegungstherapie in den Leitlinien – 257

22.6 Wundmanagement – 258


E.S. Debus
22.6.1 Definition der Wunde – 259
22.6.2 Wundheilung – 259
22.6.3 Wundbehandlung – 261
230 Kapitel 22 · Konservative Therapie

Unter konservativer Therapie versteht man i.d.R. alle die 4 durch die Rückführung des Ödems und die Reduzie-
Maßnahmen und Verfahren, die nicht operative sind. Auch rung der lymphpflichtigen Last des Ödems die Entzün-
die Verödungstherapie wird häufig der konservativen The- dungsreaktion im Gewebe dämpfen.
rapie zugeordnet, obwohl sie im strengen Sinnen nicht 4 bei chronischen und irreparablen Zuständen (CVI) die
konservativ, sondern invasiv ist. weitere Progression verhindern bzw. mindern (Pro-
Die Güte und Erfolgsträchtigkeit einer konservativen phylaxe)
Therapie bei Varikose ist zum einen abhängig von der 4 den arteriellen Einstrom nicht behindern
Qualität des entwickelten konservativen Therapiekon-
zeptes für den jeweiligen Patienten, zum anderen von der Bei sachgerechter Anwendung ist die Kompressionsthera-
Zuverlässigkeit der Umsetzung durch den Patienten (Com- pie bei Varikose und ihren Folgeerscheinungen und als
pliance). Hier können nur Aufklärung und kontinuierliche adjuvante Maßnahme bei bestimmten invasiven Thera-
Kontrollen und Nachsorge die notwendige Kontinuität der piemaßnahmen eine unverzichtbare und hocheffektive
Bemühungen sichern und festigen. Therapieoption. Die Anwendung von Kompressionsmaß-
nahmen ist Handwerk, das erlernt sein will. Die Beherr-
Literatur schung diverser Techniken zur Kompressionstherapie und
Nüllen H, Noppeney T. (1998) Primäre Varikose. In: Allenberg JR,
Kenntnisse in der Materialkunde müssen obligatorischer
Zehle A. Leitlinien zu Diagnostik und Therapie in der Gefäßchirur-
gie. Deutscher Ärzteverlag Köln
Bestandteil der Aus- und Weiterbildung des Gefäßmedizi-
Noppeney T, H.G. Kluess, H. Gerlach, W. Braunbeck, U. Ehresmann, ners aller Fachbereiche sein.
R. Fischer, H.-J. Hermanns, C. Langer, H. Nüllen, G. Salzmann,
L. Schimmelpfennig (2004) Leitlinie zur Diagnostik und Therapie
des Krampfaderleidens der deutschen Gesellschaft für Phlebo-
22.1.1 Theoretische Grundlagen
logie, der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie, des Berufs-
verbandes der Phlebologen e.V. und der Arbeitsgemeinschaft der
der Kompressionstherapie
niedergelassenen Gefäßchirurgen Deutschlands e.V. Gefäßchi-
rurgie 9:290ff Physikalische Gesetzmäßigkeiten
Die Entwicklung der KT war seit der Antike reine Empirie.
Erst im 20. Jh. wurde sie wissenschaftlich untermauert.
22.1 Kompressionstherapie Die KT gehört in den Bereich der physikalischen Therapie.
Die technische Beherrschung dieser Therapiemöglichkeit
H. Nüllen, T. Noppeney ebenso wie die Lenkung und Überwachung ihres Ein-
satzes in der Therapie venöser Erkrankungen, ist ohne
Die Basis der konservativen Therapie bei der Varikose und gründliche Kenntnisse der zugrunde liegenden Physik
der hierdurch bedingten venösen Hypertonie sowie deren nicht denkbar.
Folgeerscheinungen, ebenso wie bei anderen Erkrankungen Die physikalische Grundlage der KT ist die Laplace’sche
des Venensystems ist die externe Kompressionstherapie Gleichung (Pierre-Simon (Marquis de) Laplace; franz. Ma-
(KT). Mittel der externen Kompressionstherapie sind thematiker und Astronom 1749–1827) (. Abb. 22.1).
4 Kompressionsverbände (KV), Die Aussage der Gleichung nach Laplace ist:
4 medizinische Kompressionsstrümpfe (MKS) und
4 die apparative Kompressionstherapie. Der z. B. durch einen elastischen Verband hervorgerufene,
in radialer Richtung wirkende Druck (Anpressdruck, s. u.)
Die Kompressionsmittel wirken durch die Übertragung verhält sich proportional zur Spannung des elastischen
des jeweils vorgegebenen Anpressdruckes auf das Zielge- Materials und reziprok-proportional zum Krümmungs-
biet der Therapie. radius des komprimierten Körpers. Bei vorgegebener
Zu den Wirkungen, die eine KT bei der konservativen Spannung des Verbandes (S = konstans) sinkt der effektive
Therapie der Varikose und deren Folgeerscheinungen her- radiale Druck mit zunehmendem Radius ab (. Abb. 22.2).
beiführen soll, existieren klare Vorstellungen. Die externe
Kompression soll:
4 im Gefäß den pathologisch erhöhten venösen Drucke
(in Ruhe und unter Aktivität) ausgleichen bzw. redu-
zieren.
4 das Ausmaß der pathologischen Stase reduzieren
4 im Gewebe, den transmuralen Druckgradienten in Rich-
22 tung Rückresorption verschieben (Starling-Gleichge-
. Abb. 22.1. Gleichung von Laplace. D = in radiale Richtung wir-
kender Druck, S = Spannung eines »elastischen« Gewebes, r = Krüm-
wicht). mungsradius der komprimierten Flächen
22.1 · Kompressionstherapie
231 22

. Abb. 22.2. Konsequenzen der Gleichung nach Laplace: D = S/r. wird der Krümmungsradius kleiner r2>r3>r4, der in radiale Richtung
Die Ebene hat einen Krümmungsradius r1 = ∞, der in radiale Rich- wirkende Druck nimmt zu
tung wirkende Druck ist 0; mit zunehmender Krümmung der Fläche

Bezogen auf das Zielgebiet eines Kompressionsverbandes Dieser Forderung ist also bei gleich bleibendem Anpress-
(KV) oder eines medizinischen Kompressionsstrumpfes druck durch die anatomische Form z. B. eines Beines schon
(MKS), z. B. ein Bein, nimmt aufgrund der physikalischen von »Natur aus« genüge getan (. Abb. 22.3)
Gesetzmäßigkeiten der effektive Kompressionsdruck, bei Das mit einem KV oder einem MKS versorgte Bein ist
gleichbleibender Vorspannung des Kompressionsmittels, kein idealer (runder) Körper, sondern in unterschiedlichen
entsprechend der konisch zunehmenden Umfänge vom Querschnitten und ggf. im gleichen Querschnitt zeigen
Knöchel zum Oberschenkel hin ab. Folgend der physika- sich unterschiedliche bzw. mehrere unterschiedliche Ra-
lischen Erkenntnis, dass Fluss nur entlang eines Druck- dien. Daraus ergibt sich hieraus die Situation, dass über
gradienten möglich ist, geht der Grundgedanke der KT Kanten und Vorsprüngen (z. B. Knöchel, Tibiakante) ent-
davon aus, dass zur Unterstützung des Fließverhaltens in sprechend den hier zugeordneten kleinen Krümmungs-
den Venen des Zielgebietes der Kompressionsdruck von radien höhere Drucke wirksam werden als an »flachen«
distal nach proximal hin kontinuierlich abnehmen soll. Abschnitten mit einem zugeordneten großen bzw. größe-
ren Krümmungsradius. Unter physiologischen Gesichts-
punkten entspricht dies nicht dem Ziel einer möglichst
gleichmäßigen und gesteuerten Druckverteilung an der
behandelten Extremität und unter praktischen Gesichts-
punkten ist dies nicht wünschenswert, da an den Stellen
mit einer erhöhten Druckvermittlung Druckschäden auf-
treten können und der betroffene Patient ggf. Schmerzen
durch den hohen Druck verspüren wird. Umgekehrt wird
sich an den Abschnitten mit einer zu »flachen« Krüm-
mung, entsprechend einem zu großen Krümmungsradius,
u. U. ein unzureichender Druck aufbauen, gefolgt von
einem ausbleibenden Therapieeffekt. In der Ödemtherapie
wird es u. U. zu einer Verschiebung von Ödemflüssigkeit
in diesen Bereich mit geringerem oder fehlendem An-
pressdruck kommen.

Druckverteilung
Man unterscheidet bei der externen Kompression zwischen
einer konzentrischen Kompression und einer exzent-
rischen Kompression (Stemmer 1984), wobei letztere wei-
ter differenziert werden kann in eine positiv exzentrische
. Abb. 22.3. Andruck und Beinumfang. Bei gleichbleibendem
und eine negativ exzentrische Kompression (. Tab. 22.1).
Anlagedruck nimmt der effektive Anpressdruck mit zunehmendem Mit dem planvollen und gezielten Einsatz von Unter-
Umfang bzw. Radius ab polsterungen zur Formkorrektur des Zielsegmentes der zu
232 Kapitel 22 · Konservative Therapie

. Tab. 22.1. Druckverteilung bei externer Kompressionstherapie

konzentrische Kompression Die Kompression wird zirkulär auf gleicher Höhe mit gleicher Spannung um einen Körperteil
angelegt. Der resultierende Druck (Anpressdruck) ist abhängig von der Form des Körperteils,
d. h. vom unterhalb des Kompressionsmaterials wirksamen Krümmungsradius.

exzentrische Kompression Durch manipulative Maßnahmen wird der Radius des behandelten Körperteils in bestimmten
Abschnitten verändert, um die Druckübertragung auf den ausgewählten Ort bzw. Abschnitt zu
steuern und zu beeinflussen.

positiv-exzentrische Kompression Durch das Unterlegen von mehr oder weniger komprimierbaren Materialien an den Stellen,
. Abb. 22.5 an welchen eine höhere Druckapplikation gewünscht ist, wird der Radius in diesem Bereich
verkleinert. Der Druck steigt an (z. B. Ulkusbehandlung, Ödembehandlung der retromalleo-
lären Kulissen, Kompression einer V. perforans, Lymphfistel etc.).

negativ-exzentrische Kompression Durch das Auflegen von breitflächigem Polstermaterial wird der überpolsterte Radius ver-
. Abb. 22.6 größert. Der Druck wird abgesenkt (Fußrücken, Knöchel).

. Abb. 22.4. Kompressionsverband in Höhe


des Sprunggelenks. a Aufgrund des von der
idealen Form abweichenden Querschnittes
kommt es zu einer ungleichmäßigen Druck-
verteilung. b Eine Aufpolsterung (P) führt zu
einer gleichmäßigeren Druckverteilung

a b

komprimierenden Extremität kann mit der Technik der


exzentrischen Kompression die Druckcharakteristik der
Kompressionsmaßnahme »gesteuert« werden (. Abb. 22.4,
. Abb. 22.5, . Abb. 22.6).

Druckarten
Die Charakteristik des Drucklaufs einer externen Kom-
pressionsmaßnahme bzw. die Charakteristik des vermit-
telten Druckes auf das Zielgewebe, der sog. Anpressdruck,
ändert sich unter körperlicher Aktivität (Ruhe und Be-
wegung) mit dem Ausmaß der kontraktionsbedingten
Verschiebung von Muskelmassen. Man spricht in diesem
Zusammenhang vom Ruhedruck und vom Arbeitsdruck
(. Tab. 22.2). Darüber hinaus ist die Charakteristik der ver-
mittelten Drucke abhängig von der Art des verwendeten
Kompressionsmaterials (elastisch oder unelastisch) und
. Abb. 22.5. Positiv exzentrische Kompression am linken Unter-
der Vorspannung bzw. Vordehnung mit der das Kompres-
schenkel mit Fokussierung des Druckes über einem Ulcus cruris.
sionsmaterial auf das Zielgewebe aufgebracht wurde
22 (Ruhe-Anpressdruck). Die elastischen Eigenschaften von
Durch Aufpolsterung zu einer »Erhebung« über dem Ulkus wird ein
kleinerer positiver Radius erzeugt und der Druck auf und um den Ul-
Kompressionsmaterialien werden im Test in der sog. Hys- kusbereich verteilt
22.1 · Kompressionstherapie
233 22

a b
. Abb. 22.6. Negativ exzentrische Kompression. Durch Überpols-
terung soll der Radius vergrößert werden. a bei mittelmäßig großem
Radius ist der Effekt gering, b bei spitzen Vorsprüngen (z. B. Knöchel)
bewirkt die Aufpolsterung eine erhebliche Veränderung des Radius

teresekurve (Kraft-Dehnungs-Diagramm) dargestellt. Da-


bei entsteht eine 2-phasige Kurve, da Dehnungskurve und
Rückzugskurve nicht kongruent sind. Je nach Elastizitäts-
verhalten der Materialien (Kurz-, Mittel-, Langzug-Mate-
rialien) entstehen unterschiedliche Hysterese-Kurven . Abb. 22.7. Hysteresekurve elastischer Kompressionsmittel un-
(griech. hysteros = hinterher, später) (. Abb. 22.7) terschiedlicher Dehnbarkeit. Das Kraft-Dehnungs-Diagramm geht
Die Wirksamkeit der Kompressionsmaßnahme ist di- vom Ausgangspunkt A entlang den Kurven a, a’ und a’’ zum maxima-
rekt abhängig vom Verhältnis zwischen dem erreichbaren len Dehnungspunkt B, B’ bzw. B’’. Mit dem Nachlassen der dehnen-
den Kraft beginnt der Rückzugsprozess, der einer im Vergleich zur
Arbeitsdruck und dem Ruhedruck (pA/pR). Diese sind Dehnung unterschiedlichen Kraft-Dehnungs-Kurve folgt. Bei glei-
ihrerseits wiederum anhängig von den Materialeigenschaf- chem Dehnungsgrad ist die aufzuwendende Dehnungs-Kraft größer
ten (Elastizität, Dehnbarkeit) der verwendeten Kompres- als die Rückstellkraft. Je höher die Elastizität (Dehnbarkeit) umso
sionsmittel (Häfner et al. 2001). Der Idealzustand einer weiter driften die Kurventeile auseinander und je geringer die Elasti-
externen Kompressionsmaßnahme ist erreicht, wenn bei zität umso enger liegen Anlagedruck und effektiv wirksamer Druck
beieinander
möglichst niedrigem Ruhedruck ein möglichst hoher Ar-
beitsdruck erreicht wird. Ein solcher idealer Zustand ist nur
durch ein Kompressionsmittel mit einer hohen Steifigkeit
bzw. geringen Elastizität zu erreichen (z. B. Kurzugbinden). Druckmessung
Dieser Zusammenhang ist von hoher praktischer Bedeu- Die Charakteristik des Druckverlaufs kann heute mit
tung. In der akuten Therapiephase, in der die Kompressions- einer Vielzahl von unterschiedlichen Systemen nichtin-
therapie durchgehend 24 h pro Tag wirksam sein soll, kann vasiv gemessen werden (Übersicht bei Partsch et al. 1999).
die notwendige Compliance des betroffenen Patienten nur Derartige Druckmessungen sind für wissenschaftliche
erwartet werden, wenn ein für die nächtliche Ruhephase Fragestellungen unverzichtbar. Auch unter Ausbildungs-
akzeptabel niedriger Ruhedruck erreicht wird, der anderer- gesichtspunkten sind sie von Bedeutung, um dem Ler-
seits unter körperlicher Aktivität einen therapeutisch aus- nenden eine objektive Rückmeldung über die Qualität
reichend hohen Arbeitsdruck garantiert und damit einen und die Konstanz bzw. Reproduzierbarkeit der von
Therapiefortschritt für den Patienten erkennbar macht. ihm ausgeführten Kompressionsmaßnahme geben zu
können.

. Tab. 22.2. Druckarten


22.1.2 Kompressionsmittel
Anpressdruck ist eine dynamische Druckgröße in Ab-
hängigkeit von Vorspannung, Material- Unter Kompressionsmittel versteht man die Materialien
eigenschaften und funktionellem Zustand. mittels derer die Kompressionsmaßnahme durchgeführt
Physikalisch: Kraft/Fläche
wird. Die apparativen Kompressionsmittel sollen an dieser
Ruhedruck ist der permanente Druck bei körperlicher Stelle bei den weiteren Betrachtungen ausgeklammert wer-
Inaktivität, der von außen, also z.B. von der den. Man unterscheidet
Bandage oder einem MKS kommt (Ruhe-
4 elastische Kompressionsmittel von
Anpressdruck).
4 unelastische Kompressionsmitteln und
Arbeitsdruck ist der temporäre Druck, der von innen 4 Kompressionsstrümpfe von
kommt und vom Muskel erzeugt wird, wenn 4 Kompressionsverbänden, sowie
er sich gegen den Widerstand der Bandage
5 Dauerverbände von
stemmt.
5 Wechselverbänden.
234 Kapitel 22 · Konservative Therapie

. Tab. 22.3. Elastizität und Druckwirkung von Kompressionsmaterialien; 1 = gering; 4 = hoch

Bindentyp Dehnbarkeit Material Ruhedruck Arbeits-


druck

Starre Binde 0 z. B. Zinkleim ? 4

Klebebinde ca. 60% Hochgedehnte Baumwolle 1 4

Kurzzugbinde bis 60% Hochgedehnte Baumwolle und/oder texturiertes Polyamid 1–2 4

Mittelzugbinde bis 140 % Polyurethan 1–3 3–4

Langzugbinde über 140 % Polyurethan oder Gummi 2–3 2–3

Elastische Gewebe oder Gestricke 4 Abmessungen (Breiten, Längen, Dicken)


Elastische Materialien üben aufgrund ihrer Elastizität und 4 Pflege (waschbar, farbecht, sterilisierbar)
der Vordehnung bei der Anlage einen permanenten Druck 4 Allergene
auf die komprimierte Extremität aus. Dieser verändert sich
unter der Bewegung und Formmodulation der Extremität Hilfsmittel
und zwar in Anhängigkeit von der Art der Elastizität und des Je nach Indikation und Anlass für die Anlage eines Kom-
Anlagedruckes bzw. der Vordehnung. Die elastischen Rück- pressionsverbandes können unterschiedliche Hilfsmittel
stellkräfte nehmen mit zunehmender Dehnung zu. Das be- notwendig bzw. nützlich sein:
deutet: Elastische Gewebe verfügen über einen hohen Ruhe- 4 Verbandmaterialien (Wundauflagen, Schutz- und Fi-
druck und einen niedrigen Arbeitsdruck (. Tab. 22.3). xierverbände)
4 Polstermaterialien
Unelastische Mittel 5 Watte
Die unelastischen Bindenmaterialien bieten den Vorteil 5 Schaumstoffe
des Widerstandes gegen Dehnungsversuche. Der Anpress- 5 Silikon
druck in Ruhe entspricht daher dem Zug, der bei der An- 4 Schaumstoffbinden (Rutschhilfen, Rutschbremsen)
lage eingebracht wird. Die Steifigkeit des Materials macht
die Anlage an der unregelmäßig geformten Extremität
allerdings technisch schwierig. Bei der Formveränderung 22.1.3 Kompressionsverband
der Extremität unter Arbeitsbedingungen führt die Un-
nachgiebigkeit des Verbandes zu einer arbeitssynchronen Es sind eine Vielzahl von Techniken zur Anlage eines Kom-
Erhöhung des Innendruckes, der unter Ruhebedingungen pressionsverbands beschrieben, die häufig mit Schulen und
wiederum auf das Maß des Anlagedruckes zurückgeht. Eigennamen belegt sind. Ästhetische Ansichten spielten da-
Das bedeutet: Verbände mit unelastische Materialien ver- bei ebenso eine Rolle wie historisch bedingte Besonder-
fügen, bei entsprechender Anlage, über einen niedrigen heiten der Materialverfügbarkeit. Häufig sind die mit Eigen-
Ruhedruck und einen hohen Arbeitsdruck (. Tab. 22.3). namen verbundenen Verbände auch mit historisch falschen
Materialeigenschaften der Kompressionsbandagen be- Vorstellungen verknüpft. So wird in Deutschland eine
stimmen im Wesentlichen die Kraftübertragung, die Wirk- »Pütter-Binde« vertrieben. Pütter hat allerdings keine
samkeit, die Haltbarkeit der Verbände sowie die Trage- Binde angegeben, sondern einen zweilagigen, gegenläufig
eigenschaften und die Toleranz durch den Patienten. gewickelten Verband, also eine Verbandtechnik. Ob nun
Fischer-, Unna- oder Pütterverband, Mehrlagenverband,
Materialeigenschaften Dachziegelverband, Kornährenverband oder nur ein ein-
Materialeigenschaften werden bestimmt durch: facher zirkulärer Verband angelegt wird, ist eigentlich
4 textile Grundstoffe (Baumwolle, Polyurethan, Polya- gleichgültig und nur von den persönlichen Präferenzen und
mid) Vorlieben des Therapeuten bestimmt. Am besten kann man
4 elastische Materialien (Naturgummi, synthetische das, was man regelmäßig macht, d. h. man soll sich für eine
Elastomere) bestimmte Technik entscheiden, die dann auch routine-
4 Dehnbarkeit (Kurzzug, Mittelzug, Langzug) mäßig zur Anwendung kommt. Wichtig ist, dass der Kom-
22 4 Hafteigenschaften (nonhäsiv, kohäsiv, adhäsiv) pressionsverband effektiv ist, dem Träger keine Beschwer-
4 textile Konstruktion und Oberflächenbeschaffenheit den bereitet und dass er an der Extremität sitzt und hält.
22.1 · Kompressionstherapie
235 22
Der Kompressionsverband kann als Dauerverband
oder als Wechselverband ausgelegt werden.

Dauerverbände Sie werden i.d.R. mit selbstklebenden oder


aushärtenden Materialien wie Zinkleimbinden oder mittels
einer über eine textile Grundlage gewickelten Gipsbinde an-
gelegt. Der Nachteil des Dauerverbandes liegt darin, dass er
bei gegebener Effektivität nach kurzer Zeit durch Abschwel-
len der versorgten Gewebe zu weit wird und damit an Wirk-
samkeit verliert. Bei Klebeverbänden, insbesondere, wenn
sie direkt auf die Haut aufgebracht werden, kommt es auf-
grund der Klebstoffe häufig zu Reizungen der betroffenen
Hautareale. Sowohl Klebeverbände als auch Kohäsivmate-
rialien sind darüber hinaus relativ kostenintensiv.

Wechselverbände Sie unterscheiden sich darin, dass sie


in regelmäßigen Abständen, je nach Indikation, ggf. täglich
neu angelegt werden müssen. Die Materialien sind wieder . Abb. 22.8. Ein Satz Binden OS-KV; 1-mal 8 cm, 1-mal 10 cm,
2-mal 12 cm; Schaumstoffbindensegmente für die »Rutschbrem-
verwendbar und waschbar. Der Befund unter dem Ver-
se«; dünnes Polster für den Vorfuß, »Hokkey-Schläger-Polster für die
band kann regelmäßig dokumentiert und bewertet wer- retromalleolären Kullissen. Bei empfindlicher oder sehr dünner Haut
den, die Haut und ggf. vorhandene Hautdefekte oder Wun- (Atrophie) kann eine Wattebinde ggf. über einem Schlachmullunter-
den können gepflegt bzw. versorgt werden und der Kom- zug als erstes aufgebracht werden
pressionsverband kann bei der Neuanlage den jeweiligen,
u. U. geänderten Erfordernissen angepasst werden.
Der Standardverband in der Phlebologie sollte der Kurz- fuß oder oberhalb des Sprunggelenkes, wobei bei letzterem
zugverband sein. Die Vorteile des Kurzugverbandes liegen der Fuß zum Abschluss in den Verband einbezogen wird.
in den o. g. physikalischen Eigenschaften. Der große Nach- Die Bindentouren sollen sich etwa zur Hälfte der Binden-
teil des Kurzugverbandes ist, dass er technisch schwierig breite überlappen, die Ferse muss immer in den Verband
anzulegen und anzumodellieren ist und auch schwer zum einbezogen sein (mindestens 2 Lagen), es kann sowohl auf-
dauerhaften Halten bzw. Sitz an der Extremität gebracht steigend als auch absteigend gewickelt werden, wobei sehr
werden kann. Die Anlage eines Kurzzugverbandes erfordert steil ansteigende Bindentouren vermieden werden sollten.
Übung und ist daher i.d.R. dem Patienten selbst nicht kurz- Eine ausreichend große Mengen an Bindenmaterial ist an-
fristig beizubringen. Ziel der Kompressionstherapie muss es zubringen, so dass in jedem Fall zwei Bindenlagen bzw.
daher immer sein, so schnell als möglich auf eine Kompres- -touren übereinanderliegen (. Abb. 22.9 bis 13). Bezogen
sionsstrumpfversorgung umsteigen zu können. Das An- auf einen KV eines Beines bis zur Leiste sind 4 Kurzzug-
und Ausziehen eines MKS ist für den in der Kompressions- binden erforderlich, bei extremen Ausmaßen der Extre-
therapie ungeübten und den medizinischen Laien schnell zu mität muss das Bindenmaterial in Anzahl und Breite den
erlernen und mit Zuverlässigkeit zu reproduzieren. Verhältnissen angepasst werden (. Abb. 22.8).

Technik des Kompressionsverbandes


Die Forderungen an einen Kompressionsverband, der in 22.1.4 Kompressionsstrumpf
der täglichen Praxis routinemäßig, ggf. je nach Struktur
der Institution in größeren Fallzahlen täglich eingesetzt Die Geschichte des »Kompressionsstrumpfes« lässt sich
werden soll sind: bis ins Mittelalter zurückverfolgen wo bereits »Schnür-
4 einfach strümpfe« bekannt waren. Elastische Gestricke waren da-
4 schnell mals noch nicht möglich. »Elastic stockings« sind erst
4 sicher möglich seit Goodyear 1839 die Vulkanisation des Gum-
4 effektiv mis erfunden hatte. Seither können dünne Gummiplatten
4 hohe Akzeptanz bei Patienten und Anwender in dünne Fäden geschnitten und endlos verbunden wer-
den. Damit besteht die Möglichkeit zum Weben und Stri-
Der einfachste und in seiner Effektivität sichere Verband, cken elastischer Gewebe. Aus dieser Zeit stammt auch die
der diese Forderungen erfüllt, ist der einfache zirkuläre deutsche Bezeichnung »Gummistrumpf«. Zurzeit werden
Tourenverband. Der Start der Bindentouren liegt am Vor- nur noch wenige Strumpfmodelle unter Verarbeitung von
236 Kapitel 22 · Konservative Therapie

10 11

. Abb. 22.10. Fixiertouren am Fuß beginnend. Standardtechnik

. Abb. 22.11. Fixiertouren oberhalb des OSG beginnend. Der Fuß wird sekundär, zum
Schluß der Verbandsanlage gewickelt. Am Fuß können schon mal häufiger Beschwerden
durch »Kneifstellen« auftreten. Wenn dann im ambulanten Versorgungsbereich oder stati-
onär, z. B. im Nachtdienst, kein geübter Verbandtechniker greifbar ist, kann bei dieser
Technik auch durch einen Ungeübten einmal nur der Fußverband abgenommen werden
und danach ohne Vorspannung (»nur fest anlegen«) neu angewinkelt werden

. Abb. 22.9. Schaumstoffbindensegmente in situ; die Schaum- Strumpflängen


stoffstücke werden mit Vorspannung am proximalen Ende des MKS für das Bein werden in mehreren Beinlängen ge-
Verbandes und über dem Kniegelenk angelegt und fixiert. Bei
fertigt. Ein Buchstabencode gibt die Strumpflänge entspre-
US-KV wird nur ein Segment knapp unterhalb des Kniegelenkes
angelegt. Die Schaumstoffsegmente haften gut auf der Haut und chend einer Messvorgabentabelle an (. Abb. 22.15).
dienen ausschließlich als Fixierhilfe im Sinne einer »Rutschbremse«. 4 Wadenstrumpf (AD)
Diese Technik »garantiert« in einem hohen Maße, bei ansonsten 4 Halbschenkelstrumpf (AF)
guter Wickeltechnik, einen sichern und bleibenden Sitz. Bei sehr 4 Schenkelstrumpf (AG)
kräftigen OS kann der ganze OS mit einer Schaumstoffbinde vor-
4 Strumpfhose (AT)
gewickelt werden

Befestigungsarten
Das Gestrick eines MKS ist längs und querelastisch. Der
Naturgummi hergestellt. In den meisten Produkten finden Strumpf muss daher nach korrektem Anlegen am Bein be-
sich synthetische Elastomere, die auch in wesentlich ge- festigt werden, da er ansonsten unweigerlich abrutscht.
ringeren Stärken hergestellt werden können, so dass die Lediglich bei Wadenstrümpfen kann meist auf eine Befes-
Gestricke wesentlich dünner werden. tigung verzichtet werden. Bei Säulenbeinen oder extremen
Beinformen kann auch hier gelegentlich eine Befestigung
Strumpfarten erforderlich werden. Zur Befestigung steht eine Reihe von
Man unterscheidet: Möglichkeiten zur Verfügung:
4 Stützstrümpfe (Nylongewebe) (keine medizinische/ 4 Hüfthalterungen
therapeutische Verwendung) 4 silikonbeschichteter Haftrand
4 medizinischer Thromboseprophylaxe-Strümpfe (weiß) 4 Klebstoffbefestigung
(MTS)
4 medizinische Zweizugkompressions-Strümpfe (MKS) Kompressionsstärken
Für unterschiedliche Indikationen und lokale Gegeben-
heiten werden die MKS in unterschiedlichen Kompres-
22 sionsklassen (ccl) angeboten (. Tab. 22.4). Die angegebe-
nen Kompressionsdrucke entsprechen dem Druck im
22.1 · Kompressionstherapie
237 22

12 13

. Abb. 22.12. Die 8 cm-Binde wird bis zur Einbindung des OSG
aufgebraucht. Die 10 cm-Binde wird angesetzt und für den US auf-
gebraucht. Sie soll die Schaumstoffbinde am Knie mitfassen

. Abb. 22.13. US fertig versorgt. Überlappendes Ansetzen der


12 cm-Binden für den OS

Fesselbereich in Ruhe (Ruhe-Anpressdruck). Der Anpress-


druck soll nach proximal kontinuierlich abnehmen (. Tab.
22.5). Die Auswahl der Kompressionsklasse beim einzel-
nen Patienten richtet sich nach der Indikation zur Versor-
gung mit einem MKS (. Tab. 22.6)

Gestricke
Medizinische Kompressionsstrümpfe werden gestrickt.
Zwei Verfahren kommen zur Anwendung:
4 Flachstrickverfahren: Die Stümpfe werden auf einer
Flachstrickmaschine gestrickt, wie man dies auch als
Hobbystrickmaschine kennt. Es entstehen flächenhafte . Abb. 22.14. Fertiger OS-Verband. Man erkennt, dass bei dieser
Gestricke, die nach Fertigstellung auf Stoß zusammen- Technik durchaus kleiner Verwerfungen und »Tüten« entstehen, die
genäht werden. Man kann während dieses Strickvor- jedoch akzeptabel sind

. Tab. 22.4. Kompressionsklassen medizinischer Kompressi- . Tab. 22.5. Restdruckvorgaben zum kontinuierlichen
onsstrümpfe (MKS). Die angegebenen Drucke gelten an einer Druckabfall. Angaben in % des Druckes an der Fessel. (Mess-
hypothetisch zylindrischen Fessel im Liegen stellen . Abb. 22.15)

Kompres- Intensität Druck Druck hPa Kompres- Mess- Mess- Mess-


sions- mm Hg sions- stelle B1 stelle C stelle F o. G
klasse klasse

1 leicht 18–21 2,4–2,8 1 70 bis 100% 50 bis 80% 20 bis 60%

2 mittel 23–32 3,1–4,3 2 70 bis 100% 50 bis 80% 20 bis 50%

3 kräftig 34–46 4,5–6,1 3 70 bis 100% 50 bis 70% 20 bis 40%

4 sehr kräftig 49 und höher 6,5 und höher 4 70 bis 100% 50 bis 70% 20 bis 40%
238 Kapitel 22 · Konservative Therapie

. Abb. 22.15. Messstellen zur Strumpfanpassung an der unteren Extremität

forderungen hergestellt werden können. Vorteil: Ganz


. Tab. 22.6. Indikation und Kompressionsklasse bei Versor- genaue Anpassung des Strumpfes. Nachteil: Die Mate-
gung mit MKS. (in Anlehnung an Partsch et al 1999) rialstärke ist aufgrund und wegen der Stricktechnik
Klasse 1 Klasse 3 relativ groß. Der Strumpf wird dadurch derb und steif.
4 Rundstrickverfahren (ca. 1950): Der Strumpf wird in
Risikopatienten CVI Stadium 3; TVT
seiner endgültigen Form auf einer Zylinderstrickma-
schwere Beine PTS; Ulcus cruris schine rundgestrickt, d. h. von vornherein ohne Naht
Besenreiser/Retikuläre Varizen posttraumatisches Syndrom
gefertigt. Die Maschenzahl wird auf einer Zylinder-
strickmaschine am Beginn des Strickvorganges je nach
geringe Ödeme Angiodysplasien (ggf. 4) geplantem Produkt vorgegeben (250 bis 450 Maschen)
Akrozyanose tiefe Leitveneninsuffizienz und kann dann während des Strickvorganges nicht
(ggf. 4) mehr geändert werden. Maßvorgaben werden durch
reversibles Lymphödem, unterschiedliche Maschenweiten ausgeglichen. Rund-
Lipödem gestrickte Strümpfe werden als vorgefertigte, normier-
te Konfektionsware und als Maßanfertigung angebo-
Klasse 2 Klasse 4
ten. Vorteil: Relativ dünne und geschmeidige Produkte
vereinzelte Varizen verhärtete Ödeme mit angenehmem Tragekomfort. Nachteil: begrenzte
Stammvarizen ohne CVI chronische Hypodermitis Passgenauigkeit. Die Passgenauigkeit ist umso schlech-
ter je länger der Strumpf sein muss und je größer die
CVI Stadium 1 und 2 irreversibles Lymphödem
Umfangsdifferenzen der engsten und der weitesten
Schwangerschaftsvarizen + Abschnitte ausfallen.
Ödem (ggf 3)

Varizen-OP (ggf. 3) Das Gestrick besteht, entsprechend den Qualitätsnormen


(s. u.), aus mindestens einem textilen, verstrickten Faden
Varizenverödung
und einem eingelegten elastischen Faden in jeder zweiten
Fuß- und Kniearthrosen Maschenreihe. Der elastische Faden ist mit einer textilen
Schicht umsponnen. Die Gestricke sind aufgrund der
Konstruktion längs- und querelastisch (Zweizugkompres-
ganges die Maschenzahl des Gestrickes pro Maschen- sionsstrumpf).
reihe verändern (abnehmen und zunehmen). Flach- In den letzten Jahren ist ein zunehmender Trend zu
gestrickte Strümpfe sind gedacht für schwierige Anpas- modischen Designs und damit auch zu immer dünneren
22 sungen, die im Rundstrickverfahren nicht mit einer Qualitäten zu beobachten. Die dünneren Qualitäten bewe-
ausreichenden Genauigkeit entsprechend den Maßan- gen sich i.d.R. im unteren Grenzbereich der Druckspannen
22.1 · Kompressionstherapie
239 22
für die jeweilige Kompressionsklasse. Hier ist die Sinnhaf-
tigkeit unter den Forderungen der therapeutischen An-
wendung durch den Arzt kritisch zu prüfen.

Qualität
1958 gründeten die Kompressionsstrumpfhersteller die
Gütezeichengemeinschaft Medizinische Kompressions-
strümpfe e. V., die seit 1968 ein RAL-Gütezeichen vergibt
(RAL = Reichsausschuss für Lieferbedingungen (1925).
Heute vergibt die RAL Gütezeichen und Testate). (http://
www.gzg-kompressionsstruempfe.de/)
Die Herstellungs- und Prüfbedingungen für medizi-
nische Kompressionstrümpfe sind streng geregelt. Grund-
lage hierfür ist die RAL-GZ 387, die wiederum die Grund-
lage darstellt für die Norm DIN 58133, die seit dem Jahre
2008 gilt.

Strumpfverordnung . Abb. 22.16. Anziehhilfe »easyslide«. Anziehhilfen basieren auf


dem Gleithilfeprinzip oder ggf. der Vordehnung durch das Aufziehen
Medizinische Kompressionsstrümpfe gelten als medizi- auf ein Aufziehgestell
nische Hilfsmittel und gehören bei gegebener Indikation
zu den Sachleistungen der GKV. Die Rezeptur eines MKS
sollte einigen formalen Vorgaben folgen. So sollen auf dem Strumpfversorgung aus der Sicht des Patienten
Rezept angegeben sein. Der MKS wird i.d.R nur tagsüber unter der Orthostase-
4 Anzahl der MKS belastung getragen. Dies bedeutet, dass der MKS morgens
4 Strumpflänge an und abends ausgezogen werden muss. Hier ist gegen-
4 Kompressionsklasse über dem KV der Vorteil der unbehinderten Haut und
4 Diagnose Köperpflege hervorzuheben.
4 Konfektionsware oder Maßanfertigung Viele Patienten sind aufgrund von Alter, Gebrechen,
Körperfülle etc. nicht oder nur schwer in der Lage ein
Der gelegentlich empfohlene Zusatz »nach Maß« ist miss- MKV anzulegen und auszuziehen und sind daher u. U. auf
verständlich und bedeutet nicht zwangsläufig »Maßanfer- fremde Hilfe angewiesen. In solchen Fällen kann die Un-
tigung«, da auch Konfektionsstrümpfe nur nach einer Ver- terstützung durch Maßnahmen der ambulanten Kranken-
messung der Beine angepasst werden können. pflege verordnet werden. Der verordnende Arzt ist vor der
Zusätzlich können Angaben über die Art der Befesti- Ausstellung einer Verordnung verpflichtet, sich persönlich
gung, Fußkappen, Material (z. B. Baumwollumspinnung) von den Verhältnissen ein Bild zu machen. Erst dann,
angegeben werden. Angaben bestimmter Produkte sind wenn unter Ausschöpfung aller verfügbaren Hilfsmittel
zulässig. und der zumutbaren Hilfe von Angehörigen nicht zum Er-
folg führen, ist die Verordnung gerechtfertigt.
Strumpfanpassung Das An- und Ausziehen eines MKS muss dem Pati-
Die Strumpfabpassung ist eine Maßnahme die von geschul- enten in geeigneter Weise gezeigt werden und ggf. trainiert
tem Personal eines Sanitätshauses, gelegentlich auch einer werden. In den letzten Jahren wurden eine Reihe von An-
Apotheke vorgenommen wird. Es muss jedoch nachdrück- ziehhilfen entwickelt (. Abb. 22.16).
lich darauf verwiesen werden, dass die Strumpfverordnung,
Strumpfanpassung, Kontrolle der Anpassung und die Er-
folgskontrolle eine originäre ärztliche Aufgabe darstellt und 22.1.5 Ergebnisse der Kompressionstherapie
keinesfalls die Aufgabe eines Sanitätshauses ist. Dies ist
umso wichtiger je »schwieriger« die Anpassung ist. Man kann aus den unterschiedlichen Eigenschaften eines
Kenntnisse der Funktion, der Textiltechnik, der An- Kompressionstrumpfes und eines Kompressionsverbandes
passung und der täglichen Versorgung von und mit Kom- als Grunderkenntnis ableiten:
pressionsstrümpfen gehört zu den Weiterbildungsinhalten 4 ein Kompressionsverband macht die Extremität dünn
der ärztlichen Ausbildung ebenso wie die Grundlagen der (Akuttherapie)
Pharmakologie. 4 ein Kompressionsstrumpf hält die Extremität dünn
(Dauertherapie)
240 Kapitel 22 · Konservative Therapie

Bei der Durchführung und für den Erfolg der Kompres- sionstherapie mit MKS war bei guter Compliance lediglich
sionstherapie kommt es entscheidend auf die Compliance 4% und bei schlechter Compliance 57% (Samson 1996)
des Patienten an. Die Compliance bei Kompressionsthera-
pie ist umso größer, je …
4 größer der sichtbare Erfolg 22.1.6 Zusammenfassung
4 besser die Aufklärung und Einsicht
4 überzeugter der Therapeut auftritt (Kompetenz) Kompressionstherapie verläuft mindestens zweiphasig:
4 größer der Tragekomfort 1. Entstauungstherapie/Akuttherapie
5 die Akuttherapie erfolgt mit Kompressionsverbänden
Faktoren, die die Compliance mindern: 2. Dauertherapie
4 falsche Erwartungshaltung 5 die Dauertherapie erfolgt mit Kompressions-
4 Bagatellisierung der Erkrankung strümpfen
4 Notwendigkeit der Änderung der Lebensführung
4 logistische Probleme Verband und Verbandstechnik:
4 grundsätzliche Ablehnung (Das muss doch auch anders 4 Verbandtechnik soll sein: fast & easy
gehen) 4 Verband soll sein: sicher sitzend und effektiv
4 ungünstige Maßverhältnisse mit der Folge technischer 4 ein zu fest angelegter Verband schmerzt und wird nicht
Schwierigkeiten toleriert
4 Wahl der falschen Kompressionsklasse 4 ein korrekt angelegter Verband wirkt sehr schnell und
4 Wahl des falschen Modells wird daher nach Abschwellung lockerer, kurzfristige,
4 Schwierigkeiten beim Anziehen des Strumpfes ggf. tägliche Wechsel sind u. U. angezeigt
4 ein korrekt angelegter Verband muss angenehm bis to-
In einer Untersuchung von Kiev et al. (1990) wurde unter- lerabel sitzen, Rutschfestigkeit muss erzielt werden
sucht, mit welcher Zuverlässigkeit die verordneten MKS
tatsächlich getragen wurden. Lediglich 37% des untersuch- Kompressionsstrumpf:
ten Klientels hatten die MKS wie vorgesehen getragen, 63% 4 die Druckklasse des Kompressionsstrumpfes muss an-
nicht. Als Gründe für die Verweigerung wurden angegeben gepasst sein an den effektiven Filtrationsdruck
der Preis für die MKS (65%), kosmetische Beeinträchtigungen 4 ein Kompressionsstrumpf auf einem geschwollenen
(14%), Schwierigkeiten beim Anziehen der MKS (13%), Un- Bein wird als unangenehm bis schmerzhaft empfunden
bequemlichkeit (5%) und lediglich 3 % machten keine An- und ist ineffektiv
gaben. Eine Abhängigkeit der Compliance vom Strumpf- 4 je länger der Strumpf umso geringer ist die Compliance
modell konnte Weidinger (1989) zeigen. Mit der Länge des
MKS nimmt die Compliance ab (. Abb. 22.17). Literatur
Die Wirksamkeit einer gut geführten Kompressionsthe- Földi M, Kubik S (1999) Lehrbuch der Lymphologie. Fischer Stuttgart
Hach W, Hach-Wunderle V (2001) Die Kompressionstherapie in der
rapie ist vielfach belegt. (ausführliche Literatur bei Partsch
Chirurgie der primären Varikose. Gefäßchirurgie 6:47–53
et al. 1999). Die Rate der Rezidivulzera unter Kompres- Häfner HM, Eichner M, Jünger M (2001) Medizinische Kompressions-
therapie. Zentralbl Chir 126:551–556
Häfner HM, Piche E, Jünger M (2001) The ratio of working pressure to
resting pressure under compression stockings: its significance for
the improvement of venous perfusion in the legs. Phlebologie
30:88–93
Samson RH (1996) Stockings an the prevention of recurrent venous
ulcers. Dermatol Surg 22:373–376
Kiev J et al. (1990) Patient compliance with fitted compression hosiery
monitored by photoplethysmography. Arch Phys Med Rehabil
71:376–379
Sippel K, Jünger M (2006) Kompressionstherapie bei Varikose und
chronisch venöser Insuffizienz. Gefäßchirurgie 11:203–216
Stemmer R (1984) Konzentrische und exzentrische Kompression.
Phlebol u Proktol 13:53–57
Partsch H, Rabe E, Stemmer R (1999) Kompressionstherapie der Extre-
mitäten. Editions Phlebologiques Francaises, Paris (ISBN
2.85480.770.7)
22 . Abb. 22.17. Trage-Compliance von MKS in Abhängigkeit vom Weidinger P (1989) Kompressionsstrumpf – Hilfe oder Trauma – Pa-
Modell. Der Tragekomfort und die Strümpflänge beeinflussen die tientenstatistik. In: Denk, van Dongen: Therapie der Venenerkran-
Compliance (nach Weidlinger 1989) kungen. TM Verlag Hameln 131–4
22.2 · Intermittierende pneumatische Kompression (IPK)
241 22
V. Wienert, H. Gerlach, G. Gallenkemper, B. Kahle, M. Marshall, E. Rabe, D. doppelwandigen Bein-, Hüft- oder Hosenmanschetten. Je
Stenger, M. Stücker, F. Waldermann, M. Zabel (2006) Leitlinie Medi- nach Ausführung des Gerätes können Drucke von 12 bis
zinischer Kompressionsstrumpf (MKS). http://www.uni-duessel-
200 mm Hg erzeugt werden. Man unterscheidet einkamme-
dorf.de/awmf/ll/.
rige von mehrkammerigen Manschetten, die bis zu 12 Ein-
zelkammern aufweisen können. Mit der einkammerigen
Manschette lässt sich nur intermittierend, d. h. regelmäßig
22.2 Intermittierende pneumatische im Wechsel druckaufbauend, druckabbauend arbeiten. Die
Kompression (IPK) mehrkammerigen Manschetten können sowohl intermittie-
rende als auch sequentielle Programme ausführen. Bei se-
V. Wienert quentiellem Vorgehen erfolgt der Druckaufbau fortlaufend
von einer distalen Kammer zu den weiter proximal ge-
legenen Kammern (sog. »milking«). Der Druck wird in de-
22.2.1 Historie finierten Zeitabständen auf- und abgebaut (Inflation, De-
flation). Die optimalen Behandlungsparameter sind bislang
Die ersten Angaben zu einer apparativ unterstützten Kom- noch nicht evaluiert worden (Wienert et al. 2005).
pression stammen von Muray und Clany aus dem Jahre
1835 (Rabe 2003). Über viele Zwischenschritte und Detail-
verbesserungen führte die Entwicklung 1955 zur Vorstel- 22.2.3 Indikationen
lung eines ersten sequentiellen Mehrkammergerätes durch
Sampson und Kirby und das erste seriengefertigte Gerät Indikationen zur maschinellen Kompression sind neben
kam 1981 auf den Markt. Heute besteht ein umfangreiches der chronischen venösen Insuffizienz das postthrombo-
Angebot an Ein- und Mehrkammergeräten in den unter- tische Syndrom und das Ulcus cruris venosum, vor allem
schiedlichsten Ausstattungen. auch Lymphödeme, Lipödeme und alle möglichen ge-
mischten Ödemformen.

22.2.2 Definition
22.2.4 Kontraindikationen
Die IPK (auch AIK = apparative intermittierende Kom-
pression genannt), d. h. die apparative Anwendung pneu- Kontraindikationen sind die dekompensierte Herzinsuffi-
matischer Wechseldrucke, dient im weitesten Sinne der zienz, ausgedehnte Thrombophlebitis, Thrombose oder
Therapie peripherer Ödeme, u. a. der Entstauungsthera- Thromboseverdacht, Erysipel, schwere nicht eingestellte
pie bei venösen Erkrankungen. Hypertonie, akutes Weichteiltrauma der Extremitäten,
Die Geräte zur IPK bestehen aus einem Luftpulsge- Neuropathie und okkludierende Prozesse im Lymphab-
nerator und angeschlossenen ein- oder mehrkammerigen, strombereich.

. Abb. 22.18. 6-Kammergerät (sequenti-


ell arbeitend) (aus Wienert 1999)
242 Kapitel 22 · Konservative Therapie

22.2.5 Ergebnisse Die Angaben in der Literatur zu unterschiedlichen Druck-


programmen bei unterschiedlichen Indikationen unter-
Nebenwirkungen sind bei Beachtung der Kontraindika- scheiden sich sehr, so dass generelle Empfehlungen kaum
tionen extrem selten. In Einzelfällen wurden Peroneusschä- möglich sind. Einigkeit herrscht darüber, dass der Man-
digungen, Drucknekrosen und Kompartmentsyndrome schettendruck in keinem Fall 100 mm Hg überschreiten
beschrieben. soll.
Bei venösen Ödemen wird ein Manschettendruck von
30–40 mm Hg als optimal angesehen.
22.2.6 Wirksamkeit
Literatur
Die Wirksamkeit der IPK bei chronischer venöser Insuffi- Berliner E, Ozbilgin B, Zarin DA (2003) A systematic review of pneuma-
zienz, beim postthrombotischen Syndrom und beim Ulcus tic compression for treatment of chronic venous insufficiency and
cruris venosum ist jeweils gut belegt. venous ulcers. J. Vasc. Surg. 37: 539–544
So verbessert die IPK die Symptomatik eines schweren Coleridge-Smith P, Sarin S, Hasty J et al. (1990) Sequential gradient
pneumatic compression enhances venous ulcer healing: a rando-
postthrombotischen Syndroms. In einer Studie von Gins-
mized trial. Surgery 108: 871–874
berg et al. (1999) wurde die Wirkung der IPK mit thera- Ginsberg JS, Magier D, Mackinnon B et al. (1999) Intermittent com-
peutischen und mit Plazebodrucken geprüft. Der Symp- pression units for severe post-phlebitic syndrome: a randomized
tomscore verbesserte sich signifikant in der Gruppe der crossover study. CMAJ 160: 1303–1306
mit den therapeutischen Drucken behandelten Patienten. Kumar S, Samraj K, Nirujogi V et al. (2002) Intermittent pneumatic
compression as an adjuvant therapy in venous ulcer disease.
Die zusätzliche IPK zum Kompressionsverband (KV)
J Tissue Viability 12: 42–44
(Kumar et al. 2002), zur Lokaltherapie (McCulloch et al. Mc Culloch JM, Marler KC, Neal MB et al. (1994) Intermittent pneuma-
1994) oder zum medizinischen Kompressionsstrumpf tic compression improves venous ulcer healing. Adv. Wound Care
(MKS) mit Lokaltherapie (Coleridge-Smith et al. 1990) be- 7:22–24
schleunigt die Abheilung eines Ulkus signifikant. Die IPK Nikolovska S; Arsovski A, Damevska K et al. (2005) Evaluation of two
different intermittent pneumatic compression cycle settings in
in Verbindung mit dem MKS und der Lokalbehandlung im
the healing of venous ulcers: a randomized trial. Med. Sci. Monit.
Vergleich zum KV zeigt keine signifikanten Unterschiede 11:337–343
hinsichtlich der Abheilungszeit. Die IPK plus MKS bei Rabe E (Hrsg.) (2003) Apparative intermittierende Kompressionsthe-
Heimtherapie ist wirksamer als der Zinkleimverband rapie (AIK) Viavital Verlag, Köln
(Schuler et al. 1996). Nach den Ergebnissen einer Metaa- Schuler JJ, Maibenco T, Megerman J et al. (1996) Treatment of chronic
venous ulcers using sequential gradient intermittent pneumatic
nalyse sollte die IPK bei Patienten, deren Ulzerationen
compression. Phlebology 11:111–116
nach sechsmonatiger Standardtherapie nicht zur Ab- Wienert V (1999) Die medizinische Kompressionstherapie. Blackwell
heilung gekommen sind, eingesetzt werden (Berliner et al. Wissenschafts-Verlag Berlin, Wien
2003). Wienert V, Partsch H, Gallenkemper G, Gerlach H, Jünger M, Marschall
Es konnte gezeigt werden, dass es mittels eines schnel- M, Rabe E, (2005) Leitlinie: Intermittierende pneumatische Kom-
pression (IPK oder AIK) AWMF.de
leren Druckaufbaus in der Manschette zu einer rascheren
Ulkusheilung kommt als mittels einer langsameren Infla-
tion der Luft (Nikolovska et al. 2005).
22.3 Pharmakotherapie

22.2.7 Behandlungskonzepte J. Ranft, C. Nielen, H. Nüllen

Die Behandlung mit Mehrkammergeräten ist zu bevor-


zugen. Die Anzahl der Behandlungen (Behandlungszyklus) 22.3.1 Medikamentöse Therapie
muss individuell je nach Art und Grad der Erkrankung so-
wie der lokalen Gegebenheiten festgelegt werden. Die Be- Chirurgie, Sklerotherapie und mechanische Kompression
handlungsdauer soll i.d.R. 30 min pro Sitzung betragen. sind in der Regel die bevorzugten und wirksamen Therapie-
Im Hinblick auf die Variation des Druckverlaufs unter optionen bei der chronisch venösen Insuffizienz (CVI). Al-
der Behandlung ist zu beachten ternativ oder in Kombination werden darüber hinaus oft
4 Druckanstieg pro Zeiteinheit systemische pharmakologische Behandlungen mit ver-
4 maximale und minimale Druckhöhe meintlich vasoaktiven Substanzen, sog. Venenmittel, Venen-
4 Druckplateau-Zeit therapeutika, Phlebotonica, angewendet, da sie im Vergleich
22 4 Druckabbau pro Zeiteinheit zur Kompressionstherapie und zu invasiven Maßnahmen
4 Druckpause leicht zu handhaben sind (»3-mal1 Tablette täglich«). Sie
22.3 · Pharmakotherapie
243 22
werden daher vom betroffenen Patienten aber auch häufig
vom behandelnden Arzt als Alternative zu eventuell unbe- . Tab. 22.7. Umsatz von zu Lasten der GKV verordneten Ve-
nentherapeutika (Quelle GKV-Arzneimittelindex)
quemen Kompressionsstrümpfen oder anderen etablierten
Therapieverfahren angesehen. Diese zumeist oral einge- Jahr Anzahl der Verordnungen Umsatz
nommenen Substanzen sind laut Beschluss des Gemein- in 1.000 in Mio. €
samen Bundesausschusses (G-BA) nicht mehr zu Lasten der 1992 18.739 320,1
Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) verordnungs-
fähig (Stand 2009). Dies führt zu vermehrter Bewerbung 1995 16.540 255,6
und Abgabe dieser Medikamente außerhalb der ärztlichen 1998 8.064 140,0
Kontrolle. Die Verordnungen sind bereits seit 1991 erheblich
2001 4.018 65,8
zurückgegangen, da Ihre Anwendung in keiner relevanten
Leitlinie als Therapie empfohlen wurde und wohl insgesamt 2004 236 3,3
auch in der Ärzteschaft in zunehmendem Maße berechtigter
2005 122 1,6
Zweifel an der Wirksamkeit der verschiedenen Monothera-
peutika und Mischpräparate aufgekommen sind. 2006 86 1,2
In der Roten Liste 2009 sind 47 orale Venentherapeu-
tika und 35 als Externa ausgewiesene Venentherapeutika
aufgeführt. Seit 2006 ist im Arzneiverordnungsreport von ben oder nicht möglich sind. Außerdem kann eine syste-
Schwabe und Paffrath dieses Kapitel, vermutlich wegen der mische medikamentöse Therapie symptombezogen bei der
rückläufigen Bedeutung, nicht mehr aufgeführt. CVI oder besonderen Begleitumständen eingesetzt werden.
Die Zeitschrift »Pharmazeutische-Zeitung« berichtet Als mögliche Ansatzpunkte einer adjuvanten, syste-
1999 über dieses Phänomen zitiert den Pharmazeuten mischen Pharmakotherapie im Rahmen der Pathophysio-
Hofheinz: logie der CVI können gelten:
4 venöse und kapilläre Hypertonie
»Die Lage spitzt sich durch die aktuelle Gesundheitspolitik 4 Hämokonzentration
noch zu: »Letztes Jahr sind die GKV- und OTC-Umsätze von 4 Mikroangiopathie
Venentherapeutika um vierzig Prozent abgestürzt. Dement- 4 abnormale kapilläre Permeabilität und Ödem
sprechend weniger Patienten werden also behandelt. Unse- 4 perikapilläre Fibrinmanschetten
re Überlegung war: Der Leidensdruck ist wahrscheinlich 4 pathologische Hämorrheologie
groß genug, dass die Betroffenen zur Heilung oder Linde- 4 lokale Lymphdrainagestörungen
rung selbst Geld ausgeben«, erklärte Hofheinz. »Warum
sollten wir diese Versorgungslücke nicht schließen?« Zudem Eine Übersicht über die wichtigsten Substanzgruppen
stehe man mit Venenpräparaten, die Extrakte aus Rosskas- bietet . Tab. 22.8.
taniensamen oder Oxerutine enthalten, auf der sicheren
Seite, da diese Arzneimittel vom Bundesinstitut für Arznei-
mittel und Medizinprodukte zugelassen sind und somit ihre 22.3.3 Studienlage zur Pharmakotherapie
Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bewiesen haben.«
Die Chronisch venöse Insuffizienz (CVI) ist ein sehr kom-
Die in den letzten Jahren zunehmenden Anstrengungen plexes Krankheitsbild und reicht von der banalen, ein-
der Pharmaindustrie in der Bewerbung zur Selbstmedika- fachen primären Varikose bis hin zum schweren post-
tion der Patienten u. a. mit Venentherapeutika hat die er- thrombotioschen Syndrom (PTS), ggf. mit Ulzeration oder
warteten Umsatzzuwächse jedoch nicht erbracht, so dass mehr oder weniger ausgeprägten trophischen Störungen
z. Z. ein jährlicher Umsatz von ca. 45 Mio. Euro mit diesen der Haut. Bezieht man neben objektiven Befunden auch
Venenpräparaten bundesweit angenommen wird (Schwabe Beschwerden und Befindlichkeiten der betroffenen Patien-
und Paffrath). ten mit in die Betrachtung ein, so wird das Bild noch bun-
ter. Es ist zu unterstellen, dass bei dieser Ausgangslage in
Bezug auf die Komplexität des Forschungsgegenstandes,
22.3.2 Orale systemische Medikamente das Design, die Durchführung und die Auswertung von
Studien zur Pharmakotherapie sehr schwierig sind. Die
Eine systemische medikamentöse Therapie mit Substanzen, Intention, eine neben den dominierenden physikalischen
für die eine Wirksamkeit nachgewiesen ist, kann – so wird Therapieprinzipien ergänzende oder sogar ersetzende bzw.
postuliert – bei der CVI indiziert sein; insbesondere, wenn obligate Behandlung mit Pharmakologika bei diesen weit
physikalische Maßnahmen keinen ausreichenden Erfolg ha- verbreiteten Krankheitsbildern zu entwickeln und zu etab-
244 Kapitel 22 · Konservative Therapie

. Tab. 22.8. Pharmakotherapie bei CVI. Wirkstoffe und Wirkprofil (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) (T = tonisierend, ÖP = ödem-
protektiv)

T ÖP

Flavonoide Rutin Wildes Stiefmütterchen (Viola tricolor); Japanischer Schnurbaum – +


(Sophora japonica)
Troxerutin Derivat des Rutin – +
Hesperidin Orangen- und Zitronenschale + +
Diosmin Derivat des Hesperidin + +
Quercetin Rotes Weinlaub und in vielen Obstsorten und Gemüse – +

Saponine Aescin Gemisch aus ca. 30 verschiedenen Saponinen z. B. aus der Rosskastanie – +
Ruscus-Extrakt Mäusedorn + +

alpha-Benzopyrone Cumarine Steinklee; Cumarine in fester Kombination mit Troxerutin – +

Mutterkornalkaloide Dehydroergotamin Derivat des Ergotamin (Mutterkorn) + –

Weitere/Sonstige Pflanzenextrakte ? ?

Synthetische Calciumdobesilat + –
Wirkstoffe
Naphtazon + –

lieren, ist naheliegend und auch wünschenswert. In vielen Spezielle Leitlinien zur medikamentösen Therapie der
anderen Disziplinen waren entscheidende Fortschritte in CVI gibt es in Deutschland nicht. Die z. Z. nicht aktuali-
der Therapie eng mit entscheidenden Fortschritten in der sierte Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie
Pharmakologie verbunden (Smith 2001, 2009). Betrachtet zur Therapie der CVI (Stand 2007) empfiehlt sibyllinisch
man einzelne Untersuchungen zu einzelnen Substanzen, (http://www.phlebology.de/)
so findet sich eine Vielzahl von optimistischen bis po-
sitiven Berichten zur Wirksamkeit bei einzelnen As- »…Eine systemische medikamentöse Therapie mit Subs-
pekten der CVI, wie z. B. Ödemen, Schweregefühl etc. Bei tanzen, für die eine Wirksamkeit nachgewiesen ist, kann
den vorliegenden Studien zur Wirksamkeit von »Venen- bei der CVI indiziert sein, insbesondere wenn physika-
medikamenten« müssen allerdings nach den Ergebnissen lische Maßnahmen keinen ausreichenden Erfolg haben
eines 2009 erschienenen Cochrane Reviews (Martinez- oder nicht möglich sind (z. B. Ödemprotektiva). Außerdem
Zapata et al. 2009) unter rein wissenschaftlichen Gesichts- kann eine systemische medikamentöse Therapie symp-
punkten (evidence based medicine) erhebliche Einschrän- tombezogen bei der CVI oder besonderen Begleitumstän-
kungen gemacht werden, so dass die Effektivität der Ve- den eingesetzt werden …«
nenpharmaka zumindest global als nicht ausreichend belegt
angesehen werden muss. So wurden im genannten Die 2009 veröffentlichten Guidelines des American Venous
Cochrane-Review 110 randomisierte-plazebokontrollierte Forum (Smith 2009) empfehlen (»we recommend)« beim
Studien aus der Weltliteratur selektiert, von welchen ledig- lange bestehenden und großen Ulkus u. a. Pentoxyphyllin;
lich 44 Studien die Kriterien für die Einbeziehung in einen eine Empfehlung, die in Deutschland kaum zu vermitteln
Cochrane-Review erfüllten. Kritisch wird angemerkt, dass ist. Die beiden darüber hinaus genannten Indikationen
eine große Zahl von Studien die angewendeten Kriterien »Ödeme« und »Trophische Störungen« erreichen nur den
zur Diagnose einer CVI und deren Diagnostik nicht ein- Grad 2 der Recommendation (»we suggest«) und der Evi-
deutig beschreibt (77%) und die Klassifikation der Krank- denzgrad wird für alle drei Indikationen mit B (moderate
heitsbilder heutigen Ansprüchen nicht genügen. Nur in quality) bewertet, was in Übereinstimmung mit der Be-
4 Studien wurde die CEAP-Klassifikation angewendet. wertung des Cochrane-Reviews zu sehen ist (. Tab. 22.9).
Die Schweregrade der Erkrankungen, die eingeschlossen Wir haben an dieser Stelle bewusst vermieden, einzelne
wurden, variieren z. T. sehr stark und ein definierter und Substanzen und Präparate zu beschreiben oder zu disku-
objektivierbarer disability-score wurde in keiner Studie tieren. Dies ist an anderer Stelle ausführlich geschehen und
angewendet. Ödemmessungen wurden meist auf Um- der Interessierte wird ausdrücklich hierauf verwiesen
22 fangsmessungen beschränkt, am häufigsten wurde die (Reich et al. 2007, Erhardt 2004, Martinez-Zapata et al.
Venenverschlussplethysmographie verwendet. 2009, Smith 2009).
22.3 · Pharmakotherapie
245 22

. Tab. 22.9. Leitlinien 4.4.0 des American Venous Forum über Medikamentöse Therapie von Varizen, venösen Ödemen und Ulzera.
Aus Smith 2009

Nr. Leitlinie Empfehlungs- Evidenz-


grad* grad**

4.4.1 Wir raten zu venentonisierenden Medikamenten, um Symptome und Ödeme zu bessern, 2 B


die vergesellschaftet sind mit chronisch venösen Erkrankungen. Diese können angewendet
werden zusätzlich zur Kompressionstherapie zur Behandlung unangenehmer Symptome

4.4.2 Für lange bestehende oder große venöse Ulzera empfehlen wir eine Behandlung mit 1 B
Pentoxyphyllin oder mikronisierter Flavonoid-Fraktion in Kombination mit Kompression

4.4.3 Wir raten zu Diosmin und Hesperidin bei trophischen Störungen sowie bei Crampi und 2 B
Schwellungen. Wir raten zu Rutosiden bei Patienten mit venösen Ödemen

* 1 = wir empfehlen (recommend), 2 = wir raten zu (suggest),


** A = hohe Qualität; B = eingeschränkte Qualität; geringe oder sehr geringe Qualität

Die Anwendung von Externa wird insbesondere bei pie bei Venenleiden eine größere Aufmerksamkeit zu
schweren Formen der CVI zum einen für nicht effektiv schenken. Bessere plazebokontrollierte klinische Studien
angesehen. Zum anderen muss unterstellt werden, dass die unter strikter Beachtung der Randomisierung und Ver-
betroffenen Patienten schon gegen alle möglichen Subs- blindung frei von sekundären Interessen sind erforder-
tanzen und Salbengrundlagen sensibilisiert sind. Unbe- lich. Voraussetzung für die Klärung der Fragen nach der
schadet dessen gehört die Anwendung von Externas zu Notwendigkeit und Wirksamkeit einer medikamentösen
den Therapieformen mit der höchsten Compliance. In der Therapie der CVI sind größere Stichproben und genau
Tübinger Studie (Fischer 1981) lag die Compliance für definierte Standards zur diagnostischen Einstufung der
Externa bei 77%, orale Medikation mit Venenpharmaka Krankheitsstadien, sowie die Definition möglichst kla-
kam auf 67% und bei der Kompressionstherapie lag sie bei rer Kriterien für die Objektivierung etwaiger Therapie-
47%. Der Wert von lokal applizierten Antiphlogistika, z. B. erfolge.
bei Varikophlebitis; ist ebenfalls umstritten, wenn gleich
häufig angewendet. Überzeugende Studien fehlen. Im Vor- Literatur
dergrund der Bemühungen um die trophisch gestörten Erhardt M (2004) Qualitätssicherung in der hausärztlichen Behand-
Haut steht die strukturierte Pflege (7 Kap. 17.6). lung der chronisch venösen Insuffizienz -Entwicklung einer evi-
denzbasierten Leitlinie. Dissertation 2004 Fachbereich Medizin
Hamburg.
Fischer H (1981) (Hrsg.), Venenleiden – Eine repräsentative Untersu-
22.3.4 Zusammenfassung
chung in der Bundesrepublik Deutschland (Tübinger Studie)
München: Urban und Schwarzenberg
Was kann man empfehlen? Bewertet man die vorliegende Martinez-Zapata MJ, Bonfill Cosp X, Moreno RM, Vargas E, Capellà D
Literatur zusammen mit der Cochrane-Analyse »Phlebo- (2009) Phlebotonics for venous insufficiency (Review). The
tonics for venous insufficiency (Review)« kann eine wis- Cochrane Collaboration. Published by JohnWiley & Sons, Ltd
Reich S, Altmeyer P, Stücker M, (2007) Evidenzbasierte Daten zur Wirk-
senschaftliche Evidenz für den Nutzen einer Pharmako-
samkeit der Pharmakotherapie bei chronisch venöser Insuffizienz.
therapie bei Varikose und CVI nicht gesehen werden. Dies Vasomed 19: 79–83
bedeutet nicht, dass im Einzelfall nicht ein solches Prä- Rote Liste 2009. Verlag Rote ListeService GmbH, Frankfurt/Main
parat angewendet werden kann. Die verfügbaren Leit- Ritzmann P (2000) Venenmittel, pharmakritik bei infomed -Verlags AG
linien drücken sich in ihren Bewertungen sehr wolkig aus. Bergliweg 17 CH-9500 Wil
Schwabe/Paffrath (Hrsg.) (2008) Arzneiverordnungs-Report 2008:
Überzeugte Statements finden sich hier nicht. Bei der Be-
Aktuelle Daten, Kosten, Trends und Kommentare. Springer
urteilung des Nutzens einer adjuvanten medikamentösen Verlag
Therapie bei CVI für den jeweiligen Patienten ist der er- Smith PDC (2001) The drug treatment of chronic venous insufficiency
hebliche Plazeboeffekt bei dieser Anwendung zu berück- and venous ulceration. In. Gloviczki P, Yao JST. Handbook of
sichtigen. Auf die eingeschränkte Verordnungsfähigkeit zu venous disorders. Guidelines of the American venous forum. 2nd
ed. London: Arnold 2001.
Lasten der GKV wird verwiesen.
Smith PDC (2009) Drug treatment of varikose veins, venous edema,
Wegen der großen klinischen und sozialmedizini- and ulcers. In: In. Gloviczki P, Handbook of venous disorders.
schen Bedeutung der chronisch venösen Insuffizienz er- Guidelines of the American venous forum. 3nd ed. London:
scheint es notwendig dem Problem der Pharmakothera- Arnold 2009.
246 Kapitel 22 · Konservative Therapie

22.4 Balneotherapie Dichte


Die Dichte von Wassers ist temperaturabhängig etwa
B. Hartmann, D. Strass 820-mal höher als die der Luft. Unter der Dichte eines
Stoffes versteht man das Verhältnis zwischen seiner
Masse (m) und einem bestimmten Rauminhalt bzw. Volu-
22.4.1 Definitionen men (V), z. B. etwa die Menge seiner Teilchen in einem
Kubikzentimeter (Strass & Hahn, 2009).
Balneotherapie, als Teil der Balneologie (»Heilbäderwis- Ein Körper schwimmt, wenn seine Dichte geringer als
senschaft«), ist die Behandlung mit natürlichen Mineral- die des Wassers ist. Die Dichte des menschlichen Körpers
und/oder Thermalwässern. In Europa sind amtliche Richt- beträgt ca. 1,0 g/cm3 und ist der des Wassers sehr ähnlich.
linien für solche Heilwässer und Heilbäder in der Regel Folglich sind natürliche Voraussetzungen für die Schwimm-
gesetzlich fest geschrieben. Diese Richtlinien basieren auf fähigkeit des Menschen gegeben. Die Gewebestruktur,
hydro-geologischen, physikalisch-chemischen und hygie- d. h. die Mengenverteilung von Muskulatur, Knochen- und
nischen Kenngrößen und einer medizinisch balneolo- Fettgewebe, bestimmt die individuelle Dichte und damit
gischen Begutachtung. Appliziert werden die Wässer vor die Wasserlage jedes Menschen. Frauen verfügen durch-
allem in staatlich anerkannten Heilbädern mit definierten schnittlich über einen geringeren Dichtewert als Männer.
Indikationen und Kontraindikationen. Die Dichte des menschlichen Körpers ist unmittelbar nur
Hydrotherapie ist die Applikation von Süß- oder Lei- durch die Atmung beeinflusst. Während der Einatmung
tungswasser. Kneipp-Kurorte verwenden Leitungswasser wird die Dichte geringer und der Körper steigt im Wasser
zur meist abkühlenden Thermotherapie und sind bundes- auf und sinkt bei Ausatmung ab.
weit in das deutsche Heilbäderwesen integriert. Die Gren- Die gegenüber Luft (temperaturabhängig) um 800-
zen sind fließend und nur von systematischer Bedeutung. bis 1000-fach höhere Dichte des Wassers führt bei der
Seit langem ist bekannt (z. B. Pratzel et al. 1992; 1995), Bewegung im Wasser zu einer stärkeren muskulären
dass generell nur wenige Mineralien oder Gase bei der Beanspruchung, die subjektiv nicht wahrgenommen wird.
äußerlichen Anwendung, im Voll- oder Teilbad zusätzlich Gleichzeitig wird die Gelenkbelastung durch den sta-
pharmakologisch wirken: tischen Auftrieb gemindert. Bei gleicher subjektiver An-
4 Schwefel (HS) strengung (analog der BORG-Skala, Borg 1985) werden
4 Kohlendioxid (CO2)Radon (Ra) im Wasser 30 bis 50% mehr Kalorien verbraucht als bei
4 Sole (NaCl; Salz in hoher Konzentration) gleicher physikalischer Belastung an Land. Übergewichtige
Venenkranke, insbesondere mit begleitenden Gelenk-
Alle diese dosisabhängig wirkenden und wirksamen In- erkrankungen, sollten daher im Wasser trainieren bis
haltsstoffe kommen natürlich in Heilwässern vor, können ihr Gewicht gelenkadäquat gesenkt ist (Gomez-Garreau
aber auch technisch-»künstlichem« oder dem natürlichen 1985).
Wasser hinzugefügt werden.
Bewegungsbäder in Deutschland sind, mit wenigen Hydrostatischer Druck
Ausnahmen, technisch nach der Deutschen Industrie Norm Der durch das Wasser vermittelte hydrostatische Druck ist
(DIN) 19643 aufbereitet und mit Chlor versetzt. Spezifische bei der Immersion (lat. immergere = eintauchen) neben
chemische Zusatzeffekte sind in diesen Gemeinschafts- der Wassertemperatur der wichtigste Wirkfaktor für die
bädern nicht zu erwarten. hydrotherapeutische Beeinflussung der Venenfunktion,
der Mikrozirkulation und des Lymphflusses.
Der hydrostatische Druck (P) ist physikalisch als Kraft
22.4.2 Wirkprinzipien der Balneotherapie (F) pro Fläche (A) definiert:

Die physikalischen Eigenschaften, welche die Phlebothe- P=F/A


rapie im Wasser maßgeblich beeinflussen sind:
4 Dichte (F) ist dabei als Gewichtskraft des Wassers zu verstehen,
4 hydrostatischer Druck die als Produkt der Masse (m) und der Erdbeschleunigung
4 statischer Auftrieb (Archimedisches Prinzip) (g= 9,81 m/s2) definiert ist: F = m × g. Die Masse (m) wie-
4 Temperatur derum ist das Produkt der Dichte (ρ) des Wassers und des
4 Wasserinhaltsstoffe Wasservolumens (V) aufzufassen: m = ρ × V. Das Volumen
(V) ist das Produkt der Grundfläche (A) des teilweise oder
22 ganz eingetauchten Körpers und der Höhe (h), mit der das
Wasser die Fläche A überragt. Es gilt: V = A × h.
22.4 · Balneotherapie
247 22
> Aufgrund dieser o. g. Definition lässt sich der der Ausschüttung von atrialem und »brain« natriureti-
hydrostatische Druck (P), in einer von der Wasser- schem Peptid (N-terminal pro-B-type natriuretic pep-
oberfläche gemessenen Tiefe (h) wie folgt be- tideT-proBNP renal ausgeschieden) ist die uralte Bade-
rechnen P = ρ × g × h. diurese (»Gauer-Henry-Reflex«) erklärbar. Die Kontra-
Aus dieser Formel wird ersichtlich, dass der indikation bei schwerer Herzinsuffizienz der NYHA-Sta-
auf den Körper einwirkende hydrostatische dien III und IV für das thermoneutrale Bad ergibt sich
Druck mit zunehmender Eintauchtiefe größer aus dieser preload-Erhöhung (Meuche 2009). Zunächst
wird. Die Hydrostase wirkt dabei von allen Seiten wird das Blut dünnflüssiger (Hämodilutation um 5%),
auf den eingetauchten Körper und zwar senk- was sich nach einem einstündigen Aufenthalt im Becken
recht zur jeweiligen Körperoberfläche. ohne Flüssigkeitszufuhr auf das Ausgangsniveau einpen-
delt, um anschließend in eine Erhöhung des Hämatokrits
Eine Wassersäule von 100 cm entspricht einem Druck von zu enden.
73,6 mm Hg! Die Bewegungsbecken in Heilbädern sind in Das Vollbad in sitzender oder stehender Position –
der Regel 135 cm tief, bei einer thermoindifferenten bzw. ohne zusätzliche Bewegung – beeinflusst das Renin-Angio-
thermoneutralen Wassertemperatur von in der Regel 32– tensin-Aldosteron-System, analog den pharmakologischen
35°C. Damit wirkt in vertikaler Körperposition am Fuß ein Hemmern dieses Systems. Es stimuliert zyklisches GMP
hydrostatischer Druck von 100 mm Hg, der kontinuierlich und senkt die Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin
zur Wasseroberfläche hin abnimmt. sowie Dopamin. Zudem verbessert es die Durchblutung
Dieser hydrostatische Druck wirkt auf alle Gewebe, und senkt den arteriellen Blutdruck bei Normotonie und
speziell auf das Niederdrucksystem der Venen und die Hypertonie.
Mikrozirkulation der eingetauchten Körperareale (Hart- Das normale Wannenbad – in halbschräger Körper-
mann 1993). In vertikaler Körperposition wird eine opti- position – oder Schwimmen an der Wasseroberfläche mit
male Antistase erreicht durch Drucke, die oberhalb der deutlich geringerem hydrostatischen Druck sind entspre-
Drucke von Kompressionsstrümpfen, Kompressionsver- chend weniger wirksam.
bänden liegen oder von manueller bzw. apparativer Venenkranken, die diese Wirkungen ausnützen, ist
Druckapplikation. Schon eine Wasserhöhe von 40 cm, dringend zu empfehlen, in richtig temperiertem Wasser
typisch für Kneippsche Tretbecken, vermittelt einen Druck von 32–35°C zu stehen, zu gehen, die Sprung- und Muskel-
von 30 mm Hg, der einer Kompressionsklasse II entspricht. pumpen durch Gymnastik zusätzlich zu aktivieren oder
Bewegungen des eingetauchten Körpers oder des Wassers zumindest im Wasser zu sitzen.
steigern zusätzlich die Reabsorption von Gewebeflüssig-
keiten. So werden die Gewebe entstaut und gleichzeitig die Statischer Auftrieb
Fließeigenschaften des Blutes (Blutfluidität) verbessert. Die Erscheinung des »Getragenwerdens« und des Gefühls
Reicht das Wasser bis zum Hals, werden durch den hy- der Schwerelosigkeit bei ruhiger Wasserlage nennt man
drostatischen Druck ca. 750 ml aus den unteren Körper- statischen Auftrieb. Jeder Körper, der in das Wasser ein-
regionen in den Brustkorb verlagert (250 ml Herzvo- taucht, erfährt einen statischen Auftrieb (Strass & Hahn,
lumenzunahme und 500 ml mehr Füllungsvolumen im 2009).
Herzvolumen). Damit nimmt unter diesen Bedingungen
> Der statische Auftrieb ist gleich der Gewichtskraft
das Schlagvolumen um 20 bis 30% zu (Frank-Starling-
der von ihm verdrängten Flüssigkeitsmenge
Mechanismus) und aufgrund des größeren Drucks im
(Archimedische Prinzip). Die Kraft ist zur Wasser-
rechten Vorhof steigt auch die Herzfrequenz (Bainbridge-
oberfläche hin gerichtet.
Reflex). Durch diese Mechanismen und Reflexe werden
die Herzkammern und Vorhöfe verstärkt belastet. Die
Immersion ist deshalb ab einem brusthohen Wasser als er- Temperatur (Thermoneutralität,
hebliche Volumenbelastung für das Herz zu betrachten. Thermoindifferenz, »Wärme/Kälte«)
Durch verschiedene Mechanismen (Barorezeptor-Reflex Die Wärmeabgabe des menschlichen Organismus im Was-
und Atemschutzreflex) sowie Hormonverschiebungen ser unterscheidet sich vom Wärmeübergang an der Luft.
wird die Homöostase wieder hergestellt. So wirken die Zudem sind die Temperaturen des Thermoneutralitäts-
Barorezeptor-Reflex und der Atemschutzreflex dem An- bzw. Thermoindifferenzbereichs im Wasser und in der
stieg der Herzfrequenz entgegen. Luft verschieden.
Die Herzfrequenz wird nur im subthermalen Wasser Eine konstante Körperkerntemperatur (thermische
unter 32°C reduziert. Homöostase) ist für die optimale Funktion der mensch-
Über eine Verminderung der Ausschüttung von Argi- lichen Stoffwechselprozesse notwendig. Zur Aufrechter-
nin-Vasopressin/antidiuretisches Hormon und Erhöhung haltung der thermischen Homöostase ist dabei ein Gleich-
248 Kapitel 22 · Konservative Therapie

gewicht zwischen Wärmebildung der Wärmeabgabe er- Temperaturrezeptoren (Wärme- und Kältesensoren),
forderlich. die auf der Körperoberfläche verteilt sind, erlauben dem
Die Wärmeabgabe in der Luft erfolgt vor allem durch Menschen die Wassertemperatur als warm oder kalt einzu-
Leitung (Konduktion), Verdunstung und Strahlung. Dabei schätzen. Dabei besitzt der Mensch dreimal so viele Kälte-
wird Wärmeenergie durch molekulare Vorgänge über- wie Wärmesensoren. Die Sensoren melden Erwärmung
tragen. Bei Verdunstung erfolgt die Wärmeabgabe durch und Abkühlung der Körperoberfläche dem Temperaturre-
die Verdampfung von Wasser an der Hautoberfläche und gelzentrum (ZNS) und lösen dort entsprechende Verände-
den Schleimhäuten der Atemwege. Die Verdampfung wird rungen im Temperaturempfinden aus.
durch eine verstärkte Durchblutung der Haut und eine er- Bei der Thermoneutralität kommt es physiologisch be-
höhte Schweißproduktion ausgelöst. Bei der Wärmeabgabe trachtet ohne muskuläre Aktivität weder zur Abkühlung
mittels Strahlung wird die Wärmeenergie durch elektro- noch zur Erwärmung des Körpers. In der Luft liegt die
magnetische Wellen übertragen. Thermoneutralität je nach Luftfeuchte (65% relative
Im Wasser gibt der menschliche Organismus über- Feuchte)und Luftbewegung (≤ 0,1 m/s Geschwindigkeit)
schüssige Wärme fast ausschließlich durch Konduktion zwischen 23 bis 28°C, während sie im Wasser 34,5 ± 0,5°
und Konvektion ab. Bei der Konvektion geschieht die Wär- beträgt.
meabgabe über Gase und Flüssigkeiten, insbesondere über Diese Erkenntnisse beruhen auf systematischen Stu-
das Blut. dien der Raumfahrtmedizin, die den Auftrieb bei ther-
Da Wasser eine 25-fach größere Leitfähigkeit als Luft moneutraler aqualer Immersion zur Simulation der Schwe-
aufweist, kann dem Körper im Wasser eine bis zu 200-fach relosigkeit verwenden und den hydrostatischen Druck als
größere Wärmemenge entzogen werden. Aus diesem Zusatzparameter evaluieren (Meuche 2009). Im Zusam-
Grund sinkt die Hauttemperatur ab und liegt nach länge- menhang mit der Balneotherapie bei Venenerkrankungen
rem Wasseraufenthalt in einer ruhigen Körperposition nur muss auf diese objektive Differenz nachdrücklich hin-
wenig über der Wassertemperatur. Die Mechanismen der gewiesen werden, um die Fehlinformation, dass Wasser
Wärmeabgabe in Luft und Wasser sind im u. a. Schaubild über 28°C bereits eine Wärmebelastung und damit schäd-
illustriert (. Abb. 22.19). Zunächst fällt auf, dass der physi- lich für die Venenfunktion sei, auszuräumen. Bei einer
kalisch-physiologische Wärmeübergang im Wasser größer Wassertemperatur von 28°C sinkt vielmehr auch bei maxi-
als der in Luft ist. Ursache dieser größeren Wärmeabgabe maler körperlicher Beanspruchung die Körpertemperatur.
ist die im Wasser 10-mal kleinere Körperschale (Isolier- Leistungsschwimmer, die zwischen 26 und 27°C trainie-
schicht) des menschlichen Körpers. Man erkennt weiter, ren, erreichen so eine Verminderung der Hautdurchblu-
dass die Wärmeabgabe zum größten Teil durch Leitung tung zugunsten einer stärkeren Muskeldurchblutung.
und Konvektion erfolgt. Ein kleiner Teil der Wärme wird Allerdings handelt es sich hierbei um eine theoretische
auch im Wasser durch Strahlung abgegeben. Dagegen wird Festlegung. Aufgrund des individuell unterschiedlichen
in Luft die meiste Wärme mittels Strahlung abgegeben, Temperaturempfindens spricht man an dieser Stelle des-
Verdunstung und Leitung/Konvektion haben nur einen halb auch von der so genannten Indifferenztemperatur,
kleinen Anteil an der Wärmabgabe. die bei Wasser bei 32 bis 35°C liegt. Diese Wassertempe-

22
. Abb. 22.19. Wärmeabgabe in Luft und Wasser. (Hartmann et al. 2007)
22.4 · Balneotherapie
249 22

. Tab. 22.10. Durchschnittlicher Energieverbrauch (METs)


in Abhängigkeit von der Belastungsintensität und gegebener
Wassertemperatur

Wasser- Belastung Energie-


temperatur verbauch

28 bis 30°C Fitnesstraining 4 METs

30 bis 32°C moderate Aktivität 4 METs

≥ 32°C Therapietraining bei 4 METs


Erkrankungen und
Funktionsstörungen

. Abb. 22.20. Temperaturempfinden nach kurzer Anpassung der


Kühle Applikationen in Form der Kneipp-Therapie
Thermorezeptoren und Bewegungsaktivitäten in unterschiedlich werden kurzfristig über Sekunden appliziert und führen
temperiertem Wasser zur Abkühlung, da zusätzlich zur vorherrschenden Wärme-
leitung (Konduktion) hier die Konvektion z. B. durch
Güsse wirkt. Konvektion ist aber in Flüssigkeiten und
raturen empfindet der Mensch als angenehm, da er weder Gasen immer wirksam, gleichgültig ob sich das Medium
Wärme noch Kälte verspürt. Man spricht daher in diesem (Strömung) oder der Mensch im Medium Wasser bewegt.
Zusammenhang auch von der Behaglichkeitszone. Als Fazit bleibt festzuhalten, dass die Wassertempera-
Die Empfindung der thermischen Behaglichkeit hängt tur besonders die physikalischen Phänomene des Wassers
von der mittleren Hauttemperatur ab. Je höher diese liegt, modifizieren. Sie sollte als Dosisfaktor klar definiert sein.
desto niedriger liegt die Indifferenztemperatur. Und je Sinnvoll ist selbstverständlich auch die Messung der Kern-
niedriger die mittlere Hauttemperatur ist, desto höher liegt temperatur (inzwischen am Trommelfell einfach möglich)
die Indifferenztemperatur. Entspricht die am Rumpf ge- und der Hauttemperatur vor den entsprechenden Anwen-
messene Hauttemperatur der Temperatur des Indifferenz- dungen in der Balneotherapie.
bereichs, empfindet man die Umgebungstemperatur als
angenehm. Schon wenn die Wassertemperatur nur wenig Wasserinhaltsstoffe
unter der unteren oder über der oberen Indifferenzstufe Zusätzliche positive Effekte der Balneotherapie bei phlebo-
liegt, wird die Temperatur des Wassers als zu kalt bzw. als logischen Indikationen sind durch den Zusatz bzw. das Vor-
zu warm empfunden. handensein von CO2 und Schwefel zu erwarten und nach-
Das Thermalwasser ist physikalisch warmes Wasser. gewiesen (Garreau et al.1983; 1985; 1988; Mancini 2003).
Natürliches Wasser ab 20°C kann in Deutschland als Mineralheilwässer sind chemisch nach den Inhalts-
Thermalwasser deklariert werden, da Grundwasser selten stoffen deklariert (DIN). »Trinkwässer« mit Jod, Kalium
mehr als eine Temperatur von 15°C erreicht. Mit diesem und Magnesium sind dann maßgebliche Heilwässer, wenn
15°C warmem Wasser wird nach der Lehre von Kneipp sie heilend, lindernd oder vorbeugend wirken. So können
(Brock 1994) behandelt. »Kneipen« bedeutet also »Kälte- durch ausreichend hoch dosierte Kalzium-, Magnesium-
therapie«. oder Jodid-Wässer diese Inhaltsstoffe zugeführt werden,
In den USA ist eine Untergrenze von 90 Fahrenheit wobei die enterale Resorption durch Kohlendioxid erhöht
(32°C) für therapeutische Wassergymnastik verbindlich. wird. Deshalb sollt man gegebenenfalls immer auf eine
Dafür verwendet man das metabolische Äquivalent (engl. CO2-Konzentration achten. Diese Inhaltsstoffe sind so-
metabolic equivalent MET), um den Energieverbrauch ver- wohl natürlich an der Quelle/dem Brunnen als auch auf
schiedener Aktivitäten zu vergleichen. Es beschreibt den den Etiketten der Mineralwässer in mg/l oder g/l ausge-
Stoffwechselumsatz eines Menschen bezogen auf den wiesen.
Ruheumsatz im Verhältnis zu seinem Körpergewicht. Nach Nicht das Trinken wird hier thematisiert, sondern das
Ainsworth et al. (1993) entspricht 1 MET dem Umsatz Bad und das Bewegungsbad. Die Chemie und Pharmako-
von 3,5 ml Sauerstoff pro Kilogramm Körpergewicht pro logie des Badens erarbeiteten insbesondere die Arbeits-
Minute bei Männern und 3,15 ml/kg/min bei Frauen. Kor- gruppe um Drexel, Pratzel und Schnizer des Balneo-
reliert man die im Wasser erbrachte Leistung bei ca. 50 Watt logischen Institutes der Universität München (Pratzel et al.
mit der entsprechenden Wassertemperatur, erhält man 1992; 1995). Sie fanden heraus, dass die überwiegende
einen Energieverbrauch von etwa 4 METs (. Tab. 22.10). Mehrzahl der Mineralien weder an der Haut spezifische
250 Kapitel 22 · Konservative Therapie

Wirkungen hat noch in ausreichender Konzentration


transkutan resorbiert wird. Demgegenüber haben Koh- . Tab. 22.11. Einzelapplikationen nach der Aufenthaltsdauer
nach Cordes 1980
lendioxid (CO2), Radon (Ra) und Schwefel (HS) sichere
Effekte an der Haut und im Körper durch transkutane Auf- Aufenthaltsdauer Charakteristik
nahme (Inkorporierung).
Schwefel und Radon sind evidente Kurmittel. Kohlen- ≤ 1 min ultrakurz

dioxid, ein natürliches und an die Umgebung abzugeben- 1 – 5 min sehr kurz
des Stoffwechselendprodukt und permanenter physiolo-
> 5 – 10 min kurz
gischer Bestandteil des menschlichen Organismus, ist ein
zusätzlich anerkanntes Heilmittel des verbindlichen Heil- > 10 – 20 min mittel
mittelkatalogs. > 20 – 40 min länger
Kohlendioxid (CO2) ist neben Wasser (H2O) das wich-
tigste Molekül der Balneologie, zusammen mit dem Sauer- > 40 – 60 min lang
stoff (O2) auch der Physiologie des menschlichen Orga- ≥ 60 – 120 min sehr lang
nismus. Dieser Stoff, gelöst in Wasser oder als »Gas«, ist ein
> 20 min ultralang – speziell bei thermo-
authentisches Medikament (Pharmakon und Toxikon),
neutralen Bädern
das alle Kriterien einer rationalen Therapie vollständig er-
füllt, wenn es korrekt indiziert und dosiert wird. In Form
der seriellen Intensivinterventionskur hält der Langzeit-
effekt sechs bis neun Monate an, durch anschließende zwei von 7,5 mg/l. Die Parameter Wiederauffüllzeit der Photo-
bis dreimal wöchentliche Anwendungen auf zwei Jahre plethysmograpie und subjektive Befindlichkeit besserten
ausdehnbar (Hartmann 1990; Jordan 1985; Maeda 2003). sich in der Balneokinesiotherapiegruppe deutlicher als in
Als externes Balneotherapeutikum ist es einzigartig, aber der Kontrollgruppe (Mancini et al. 2003). Allerdings ent-
auch, weil es Basis der Fotosynthese der Flora und zu ex- hielt das Wasser auch Kohlendioxid und die Autoren for-
halierendes Stoffwechselendprodukt ist. dern daher mehr multizentrische Studien. Dieser Aussage
CO2, als Stoffwechselprodukt der Zelle, gelangt che- ist absolut zuzustimmen, um die Balneotherapie als evalu-
misch gebunden und physikalisch gelöst über das venöse ierte und evidente Therapie zu definieren.
Blut, über die Lunge, aber auch über die Haut an die Um- Salz, speziell NaCl in hoher Konzentration (Sole):
welt. Die Haut ist somit für das Molekül in beiden Richtun- Sole erhöht den statischen Auftrieb und wird bei Haut-
gen durchlässig (Blair 1960). Eine Erhöhung der CO2-Kon- wunden jeder Genese, meist in Kombination mit Kohlen-
zentration im den Körper umgebenden Medium, also gelöst dioxid eingesetzt. Physiologische oder klinische Daten bei
in Wasser oder Gas, wirkt spezifisch an der Haut und wird Varikose und postthrombotischem Syndrom wurden le-
inkorporiert. Die Voraussetzung dafür ist eine optimale diglich durch Bolliger mitgeteilt, der eine venentonisie-
Temperatur mit ≥ 28°C und relativer Feuchte von ≥ 95% rende Wirkung von Sole systematisch beobachtet und be-
(Hartmann 1993; Schnizer 1985). CO2 wirkt beim Bad per- schrieb (Bolliger 1964). In vielen natürlichen Heilwässern
kutan appliziert, an der Haut antiseptisch. Es stimuliert ist Kohlendioxid in Solewässer gelöst: Sinnvoll wären hier
die Warmrezeptoren und dämpft die Kalt- und Schmerz- kontrollierte Untersuchungen.
rezeptoren (Hartmann et al. 2007). Damit verschiebt sich Dosierung: Außer physikalischen und chemischen Pa-
die subjektive Thermodifferenz, d. h. kohlensaures Wasser rametern ist die Zeit der Einzelapplikation von Bädern und
wird um 2°C wärmer empfunden als Süßwasser. Anwendungen, der Serie einschließlich des Intervalls (und
In einem Vollbad bei einer Wassertemperatur von gegebenenfalls zusätzlicher Interventionen (. Tab. 22.11).
32 bis 34°C und Kohlendioxidkonzentration von 1.200 g/l Diese Angaben aus systematischen Untersuchungen
werden 30 bis 40 ml/min inkorpiert, was der CO2-Produk- sind von besonderer Bedeutung, weil in Bewegungsbädern
tion bei Muskelaktivität von 25 Watt entspricht. meist die Informationsanzeige zu finden ist: maximal
Schwefel: In einer kontrollierten Untersuchung der 20 min baden.
Universitäten Siena, Mailand und Bologna in Multepiciano
wurde bei Patienten mit chronisch venöser Insuffizienz
untersucht, ob eine tägliche, 30-minütige »Balneokinesio-
therapie« über 12 Tage Langzeiteffekte nach 3 und 6 Mona-
ten hat. Basistherapie für beide Gruppen war die Kompres-
sion. Zusätzlich absolvierte die Verumgruppe ein täglich
22 30-minütiges Gehen gegen die Strömung in einem Wasser-
kanal einer Höhe von 70 cm mit einer Sulfitkonzentration
22.4 · Balneotherapie
251 22
22.4.3 Praktische Konsequenzen für die Hartmann BR (1989) Unterschenkel-Hauttemperatur nach Ganzkörp-
Differentialtherapie (einschließlich er-Immersion in Mineral-Thermalwasser von 34°C. In: Davy A,
Stemmer R (eds). Phlebologie, 89, pp. 91, Libbey London.
Rehabilitation und »long term care«)
Hartmann BR, Drews B, Bassenge E (1998) Venous function in patients
with venous disease and healthy controls before and after a bath-
Bad und Bewegungsbad sind nützliche Interventionen, ing procedure and subsequent cold stimulus. Int. J. Angiology 7,
allerdings zeitaufwendiger als die Pharmakotherapie. 252–254.
Richtig indiziert, ist Balneotherapie wirksam mit zusätz- Hartmann B, Agishi Y, Yorozu H et al. (1990) Results of the Consensus-
Finding Conference on Carbon Dioxide. Z. Phys. Med. Baln. Med.
lichen positiven Nebenwirkungen auf die meisten Körper-
Klim. 19 (suppl), 11–12.
funktionssysteme. Hartmann B, Hartmann M, Strass D (2007) Wirkfaktoren Temperatur
Am einfachsten ist die Immersion in zumindest sitzen- und hydrostatischer Druck In: Rehn, H. & Strass, D. (Red.) Be-
der, besser stehender Körperposition. Diese Intervention wegungsraum Wasser im Spannungsfeld zwischen Theorie und
sollte 60 min dauern und mindestens 3-mal wöchentlich Praxis, S. 86–102, Bad Nenndorf.
durchgeführt werden. Dadurch kann die klinische Symp- Hartmann B, Hartmann M, Strass D. (2007). Pharmakologie chemischer
Inhaltsstoffe von Heilwässern als evidente Therapie und für die
tomatik bei Varikose und CVI nachhaltig gebessert wer- Gesundheit: Rehn, H. & Strass, D. (Red.) Bewegungsraum Wasser
den. Selbstverständlich bleibt die Kompressionstherapie im Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis, S. 103–113, Bad
(an Land) Basis der konservativen Behandlung. Nenndorf.
Die Kombination von Balneotherapie und Bewegungs- Krasney JA, Pendergast DR (2008) The physiology of water immersion.
übungen (Balneo- oder Hydrokinesiotherapie) führt zu In: Taylor, N.A.S. & Groeller, H. (eds.). Physiological Bases of Human
Performance During Work and Exercise, S. 401–411, Churchill
einer wesentlichen Intensivierung. Dies entspricht bzw.
Livingstone Elsevier Edinburgh.
übertrifft die Wirkung der sequentiellen Druckapplikation Jordan VH (1985) Bädertherapie. Z. Physiother. 37, 75–98.
und der Lymphdrainage. Vor allem Übergewichtige jeder Maeda M, Hayashi H, Yokoka M (2003) The effects of High Concentra-
Ausprägung und Personen mit Gelenkbeschwerden pro- tion Artifical CO2-WarmWater Bathing for Arterioslerotic Obstruc-
fitieren von dieser Intervention, wobei diese Klientel sich tion (ASO), J. Jpn. Balneol. Climatol. Phys. Med. 66, 157–163.
Mancini S, Piccinetti A, Nappi G, Mancini S, Caniato A, Cocchieri
gerne in Gruppen im Wasser bewegt.
S(2003)Clinical, functional and quality of life changes after bal-
Sportbäder sind in der Regel ungeeignet wegen zu neokinesis with sulphurous water in patients with varicose veins.
geringer Wassertemperatur und einer Beckentiefe, die den VASA 32: 26–30.
Bodenkontakt verhindert. Dagegen sind Mineral-Ther- Meuche S (2009) Flüssigkeitshaushalt unter besonderer Berücksichti-
mal-Bäder und Thermen zur Venentherapie sehr empfeh- gung der Flüssigkeitsbilanzen und NT-proBNP vor, während und
nach thermoneutraler Immersion. Med. Diss. Charité-Univer-
lenswert.
sitätsmedizin Berlin
Petridou M (1993) Ein standardisiertes Thermalbad von 33-35°C bes-
Literatur sert die Venenfunktion in einer kontrollierten Studie, Med. Diss.
Ainsworth BE, Haskell WL, Leon AS et al. (1993) Compendium of physi- Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.
cal activities: classification of energy costs of human physical ac- Pittler MH, Hartmann BR, Abbot C (1998) Effects of single and serial
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252 Kapitel 22 · Konservative Therapie

22.5 Bewegungstherapie geführt wird. Medizinische Bewegungstherapie ist somit


als Heilmittel einzustufen.
P. Waldhausen In Analogie zum Rehabilitationssport bei der arteriellen
Verschlusskrankheit kann folgendes Ziel definiert werden:
Die grundsätzlichen Überlegungen zur Bewegungsthe- Ausdauer und Kraft zu stärken, Koordination und Flexibi-
rapie beruhen auf den physiologischen Grundlagen des lität zu verbessern, das Selbstbewusstsein etc. zu stärken
venösen Blutflusses zum Herzen. Durch die Aktivierung und Hilfe zur Selbsthilfe zu bieten. Hilfe zur Selbsthilfe hat
der Fußsohlen-Sprunggelenks-Waden-Oberschenkelmus- das Ziel, die eigene Verantwortlichkeit des Behinderten
kelpumpe kommt es zu einer Beschleunigung der herzwärts oder von Behinderung bedrohten Menschen für seine Ge-
gerichteten Strömung im Venensystem der Beine. sundheit zu stärken und ihn zum langfristigen, selbstän-
Ziel der Bewegungstherapie bei der Varikose ist die digen und eigenverantwortlichen Bewegungstraining – z. B.
Aktivierung der Fußsohlen-Sprunggelenks-Waden-Ober- durch weiteres Sporttreiben in der bisherigen Gruppe bzw.
schenkelmuskelpumpe und die Steigerung der Beweglich- im Verein auf eigene Kosten – zu motivieren.
keit im oberen Sprunggelenk. Zusätzlich wird durch das Aus ökonomischen Gründen ist ein Gruppentraining
Gehtraining einer Verbesserung der Gangkoordination einer Einzelbehandlung vorzuziehen. Liegen Kontraindi-
und eine Bewegungsökonomisierung (Waldhausen et al. kationen gegen ein Gruppentraining vor, kann aber häufig
1990) erreicht. noch eine individualisierte Einzelbehandlung durchge-
Durch die Tübinger Arbeitsgruppe konnte in den führt werden.
1990er Jahren erstmals die Effektivität von Gefäßsport zur Voraussetzungen für das Training in einer Gefäßsport-
Therapie venöser Durchblutungsstörungen wissenschaft- gruppe sind:
lich belegt werden (Klyscz et al. 1997, 1999). Unter der 4 ein ohne pathologische Befunde absolviertes Belas-
Therapie mit Kompressionsstrümpfen, Physiotherapie und tungs-EKG mit 1 KW/kg KG (mindestens 75 Watt)
der Teilnahme an einer Gefäßsportgruppe wird die venöse 4 das Fehlen schwerer, die allgemeine Belastbarkeit limi-
Drainage verbessert (Werner 2001). tierender Erkrankungen und Symptome, wie z. B. kon-
Unterschieden werden sollte zwischen allgemeinen sumierende Erkrankungen, Infekte, neurologisch be-
Empfehlungen zur Bewegung durch den Arzt an den Pa- dingte Gangstörungen, Dyspnoe etc. (. Abb. 22.21)
tienten und einer ärztlich verordneten, medizinisch indi-
zierten Bewegungstherapie. In Folgenden wird der Ablauf einer Gefäßsportstunde
nach dem sog. Tübinger Modell dargestellt und erläutert
(. Tab. 22.12). Nach diesem Modell konnten Klyscz und
22.5.1 Medizinische Bewegungstherapie Kollegen (1997) erstmals einen wissenschaftlichen Beleg
zur Wirksamkeit des Gefäßsports bei Patienten mit CVI
Medizinische Bewegungstherapie ist eine ärztlich indi- führen. Die Erfolge reichten von der Besserung der Symp-
zierte und verordnete Behandlung, die vom Therapeuten tome Schmerz und Ödemneigung über die Zunahme der
geplant und dosiert, gemeinsam mit dem Arzt kontrolliert Sprunggelenksbeweglichkeit bis zur Abheilung venöser
und mit dem Patienten alleine oder in der Gruppe durch- Ulzera.

. Abb. 22.21. Gefäßsporttraining –


Pedalergometertraining mit individuell
ausgetesteter Gewichtsbelastung

22
22.5 · Bewegungstherapie
253 22

. Tab. 22.12. Aufbau einer Gefäßsportstunde (Tübinger Modell)

Trainingsphase Trainingsinhalt

4 Aufwärmphase Aufwärmübungen für die Muskulatur


ca. 10–15min. aktive und passive Sprunggelenksmobilisation
Gangkoordination und Gehschulung
Dehnungs- und Koordinationsübungen
Atemtechniken ohne Pressatmung

4 Gehtraining Doppelzehenstände mit beiden Beinen


ca. 20 min. Treppensteigen mit einbeinigen Zehenständen auf der jeweiligen Treppenstufe
3 Gehtrainingsintervalle mit intermittierenden 2-minütigen Pausen

4 Pedalergometertraining Training im Liegen am Gerät


ca. 20 min. (Die Intensität ist so zu wählen, dass 3 Wiederholungen mit jeweils 3 min Ruhepause nach jeder
Trainingseinheit möglich sind).

4 Entspannungs- Hochlagern der Beine zur Förderung der venösen Drainage


und Ruhephase Entspannungsübungen
ca. 10 min. Abschlussgespräch mit Arzt und Trainer

Die Bewegungstherapie wird unter Beibehaltung der von Gummibändern bei den verschiedenen Fußbewe-
jeweiligen Kompressionstherapie (Bandagen, medizinische gungsübungen ist auch die Anwendung einer von Bulling
Kompressionsstrümpfe) durchgeführt. Bei vorbestehen- entwickelten Venenschlinge (Kompresssionssocke mit an-
den deutlichen Ödemen ist eine begleitende manuelle genähtem elastischem Band, . Abb. 22.22) sinnvoll.
Lymphdrainagebehandlung oder die Anwendung der in- Laufen auf wechselndem Untergrund wie Hallenboden,
termittierenden pneumatischen Kompressionsbehandlung Übungsmatten oder Sprungmatten. Hier werden die Be-
angezeigt. weglichkeit im oberen Sprunggelenk verbessert und zwar
sowohl die Dorsalextension als auch die Plantarflexion.
Aufwärmphase Das Atmen beim Heben und Tragen von Lasten wird
Zur Besserung der Gangkoordination und Sprunggelenk- ohne Pressatmung trainiert: Ausatmen bei der Muskelan-
sbeweglichkeit werden Muskulatur und Gelenke aktiv auf- spannung.
gewärmt und gedehnt. Passive Elemente werden unter
Anleitung vom Patienten selbst ausgeführt. Gehtraining
Abrollen der Füße im Sitzen von der Ferse zu den Ze- Beim Gehtraining werden das bewusste Abdrücken des
hen und umgekehrt über Rollen und Bälle. Fußes mit dem Fußballen und das Wiederaufsetzten des
Zehenstände, Dehnungsübungen z. B. an der Spros- Fußes mit der Ferse gefolgt vom Abrollen über die Fuß-
senwand oder gegen Gummibänder. Neben der Nutzung sohle bis zum erneuten Abdrücken mit dem Ballen einge-
übt. Zur Steigerung der Muskelkraft (vermehrte Kompres-
sion der intramuskulären venösen Gefäße) wird ein Kraft-
training durch Zehenstandsübungen gegen das eigene
Körpergewicht und Treppensteigen in das Gehtraining
eingefügt.

Ergometer-Phase
Die Kräftigung der Wadenmuskultur wird in der Phase der
Ergometrie weiter gefördert. Anders als beim herkömm-
lichen Fahrradergometer kann ein spezielles Pedalergo-
meter (Klyscz) individuell auf die jeweiligen Dreh- und
Bewegungsachsen der Gelenke der Beine sowie auf eine
seitendifferente Belastbarkeit des Trainingsteilnehmers
eingestellt werden. Unphysiologische bzw. individuelle
Grenzen überscheitende Gelenkbewegungen werden so
. Abb. 22.22. Training mit der Venenschlinge vermieden (. Abb. 22.23). Die Pedalergometrie erfolgt aus
254 Kapitel 22 · Konservative Therapie

tomorientierte Behandlung der chronischen Veneninsuf-


fizienz. Das Ziel einer konsequenten Bewegungstherapie
(insbesondere flottes Gehen, Radfahren, Schwimmen) ist
die Förderung des venösen Rückstromes durch die Betäti-
gung der Sprunggelenk-Muskelpumpe.
Zu den physikalischen Therapiemaßnahmen gehört
auch eine aktive Krankengymnastik unter besonderer Be-
achtung der Sprunggelenks-Beweglichkeit.
> Empfehlungen bei Venerkrankungen:
SSS – Schlecht sind Sitzen und Stehen
LLL – Lieber Liegen und Laufen

. Abb. 22.23. Pedalergometriegerät nach I. und M. Jünger,


Bewegungsübungen
T. Klyscz und O. Schiebel Eine Vielzahl von detailliert ausgearbeiteten Übungen
kann empfohlen werden. Klyscz beschreibt mehr als
70 Übungen.
hämodynamischen Gründen im Liegen. Hauptsächlich 4 Fußspitzen und Fersen heben.
werden die Wadenmuskeln beansprucht. Die Gesamtmus- Die Fußspitzen ein Stück anheben und nach links ab-
kelmasse wird nicht aktiviert, so dass nur eine geringe setzen und danach die Fersen anheben und in der glei-
Herzkreislaufbelastung eintritt. Die Teilnehmer werden in chen Richtung, nach links, wieder absetzen. Und dann
der Regel alle 4 Wochen bis zu ihrer maximalen Belastbar- einfach wieder zurück in die andere Richtung, also
keit (Gehen und Ergometrie) ausgetestet und absolvieren nach rechts. Das Ganze 10-mal.
das Training dann mit 80% ihrer maximalen Leistungs- 4 Fußränder hochziehen.
fähigkeit. Die Fußränder zur Seite hochziehen und ca. 10 Sekun-
den halten. Dabei müssen die Fersen aufgesetzt bleiben.
Abschlussphase Das Ganze 10-mal. Danach bei aufgesetzten Zehen die
Die Beine werden zur Förderung der venösen Drainage Innenränder der Füße hochziehen und 10 s halten.
hochgelagert. Entspannungsübungen bevorzugt im Liegen. 4 Mit den Füßen wippen.
Abschließend erfolgt ein Abschlussgespräch mit Arzt und Fußsohle ganz betont von vorn nach hinten abrollen.
Trainer. Zur individuellen Anpassung des Stundenablaufs Dadurch werden die Fußgelenke gebeugt und gestreckt.
sei auf die mannigfachen Übungen z. B. in Venen-Fitness 10-mal für jeden Fuß.
Übungen zur Behandlung und Vorbeugung hingewiesen. 4 Strecken und Kreisen.
Die Bewegungstherapie gilt als besonders wirksam, Strecken Sie Ihre Beine und lassen Sie Ihre Füße in den
wenn sie in Kombination mit der biomechanischen Stimu- Sprunggelenken kreisen. Eine Minute lang einwärts,
lationstherapie (BMS) eingesetzt wird. Bei der BMS-The- dann eine Minute auswärts.
rapie definierte longitudinale Schwingungen im Frequenz-
bereich 18–36 Hz auf Fuß und Unterschenkel übertragen. Hilfsmittel Venenschlinge Die Venenschlinge (Bulling) ist
Bei der Anwendung herrschen in den unteren Frequenz- ein Strumpf, in den ein dehnbares Gymnastikband einge-
bereichen eine Erwärmung der Muskulatur und anti- arbeitet ist (. Abb. 22.24). Dadurch wird ein Verrutschen
ödematöse Effekte vor, bei höherer Frequenz wird eine des Bandes am Fuß verhindert, so dass auch Ungeübte ein-
vermehrte Dehnung von Muskulatur und Gelenkstruk- fach und sicher trainieren können. Die Socke der Venen-
turen sowie eine analgetische Wirkung erreicht. Dieses schlinge kann über den Kompressionsstrumpf oder -ver-
Verfahren ist geeignet, um die Beweglichkeit des Sprung- band gezogen werden und die Schlaufen des Gymnastik-
gelenkes bei Patienten mit arthrogenem Stauungssyndrom bandes werden in beide Hände genommen. Die Übungen
zu bessern. sollen in bequemer Haltung mit geraden Rücken durchge-
führt werden. Auch hierfür sind mannigfache Übungen
beschrieben.
22.5.2 Allgemeine Empfehlungen
zur Bewegung Sport bei Venenerkrankungen
In Abhängigkeit von der sportlichen Disziplin kann es zu
22 Neben der medizinischen Bewegungstherapie gibt es die einer Besserung der venösen Symptome, aber auch zu einer
Bewegungstherapie als individuelle Vorsorge oder symp- Verschlechterung der Venenerkrankung kommen, so dass
22.5 · Bewegungstherapie
255 22
Kompressionsverbandes gleicht. Der Wasserdruck führt zu
einem vermehrten Rückstrom von venösem Blut aus den
Beinen zum Herzen, der therapeutisch erwünscht ist.
! Cave
Bei Anzeichen der Herzinsuffizienz und oder
Herzrhythmusstörungen ist eine kardiale Ab-
klärung indiziert. Der verbesserte Rückfluss kann
zur Rechtsherzüberlastung führen, Kältereize
können Herzrhythmusstörungen auslösen.

! Cave
Auskühlung des Körpers, Wassertemperatur
sollte über der Indifferenztemperatur von 31°C
liegen, die Mindesttemperatur von 30°C sollte
nicht unterschritten werden, bei bewegungs-
armer Wassergymnastik > 32°C

Wassertreten Gehen oder Wassertreten am Strand, im


Wattenmeer oder in seichtem Wasser sind empfehlens-
wert.
! Cave
Verletzungsgefahr je nach Untergrund, Wasch-
. Abb. 22.24. Venenschlinge nach Bulling hautbildung mit Infektionsanfälligkeit bei vor-
geschädigter Haut.

nach Expertenmeinung zwischen empfehlenswerten und


nicht empfehlenswerten Sportarten unterschieden werden Hydrotherapie nach Pfarrer Kneipp Morgendliches Ge-
sollte (. Tab. 22.13). hen auf noch taufrischer Wiese sowie gezielte Güsse mit
kaltem Wasser erzeugen eine Venentonisierung, die noch
Schwimmen Ein nahezu idealer Sport für Venenpatien- nach Stunden nachweisbar ist.
ten. Das Wasser übt beim Eintauchen einen Druck auf das
Venensystem aus, der der entstauenden Wirkung eines Skilanglauf Eine empfehlenswerte Sportart, weil hierbei
rhythmische Bewegungen an den Gelenken auftreten und
keine hohen Belastungsdrücke entstehen.
. Tab. 22.13. Sportarten bei Venenerkrankungen
Laufen Wichtig sind gute flache Sportschuhe und ein
empfehlenswert nicht empfehlenswert wenig verletzungsträchtiges Gelände mit federndem Un-
Schwimmen Krafttraining tergrund.

Sport in der Gefäßsport- Gewichtheben


Venenwalking Durch »Walking« oder strammes Gehen
gruppe
werden die Wadenmuskeln aktiviert und die Sprungge-
Gehen Boxen lenksbeweglichkeit gefördert: der venöse Rückfluss des Blu-
Aquajogging Radfahren als Wettkampfsport tes zum Herzen wird angeregt. Venenwalking ist für jeden
geeignet, selbst für eher Unsportliche. Trainingsumfang:
Wandern alpines Skifahren
zwei- bis dreimal wöchentlich 30 Minuten (. Tab. 22.14).
Venenwalking Tennis Einzel Bei gesundheitlichen Risiken oder höherem Alter,
Skilanglauf Squash sollte vor Trainingsbeginn eine ärztliche Abklärung der
Belastbarkeit erfolgen. Die Kleidung sollte bequem, nicht
Radfahren Surfen
einengend und eher luftig sein. Besonderes Augenmerk
Golfspielen Kiten ist auf gut sitzendes und geeignetes Schuhwerk zu legen,
insbesondere die Bewegung im oberen Sprunggelenk sollte
Tanzen
nicht behindert werden.
256 Kapitel 22 · Konservative Therapie

. Tab. 22.14. Venenwalking

Aufwärmen Vor dem eigentlichen Venenwalking Aufwärmen mit Lockerungsübungen, danach erst werden Dehnungs-
übungen der Muskulatur durchgeführt. Dann 3–10 min in langsamen Schritttempo beginnen, wobei die
Geschwindigkeit allmählich zunimmt

Schritte Ganz normale Schritte in individueller Schrittlänge, locker und unverkrampft

Füße Gerade ausrichten. Die Fußspitzen zeigen immer genau zum Ziel. Fuß mit der Ferse auf dem Boden aufsetzen
und vollständig bis zu den Zehen abrollen (im Unterschied zum Joggen). Fuß durch den Einsatz der Fuß- und
Unterschenkelmuskulatur vom Boden abdrücken, Knie locker lassen

Körperhaltung Aufgerichtet und gestrafft. Oberkörper aufrecht, Blick nach vorne, Kinn leicht nach unten und Nacken lang
machen. Brustkorb heben, Schultern leicht zurück. Bauch und Po leicht anspannen. Blick immer geradeaus
nach vorne

Armschwung Hände zu einer lockeren Faust ballen. Ellenbogen nahe am Körper lassen, Unterarme anwinkeln, Arme
im normalen Gehrhythmus des Körpers schwingen. Dabei locker in den Schultern bleiben. Bei schnellerem
Tempo: Arme stärker anwinkeln (bis zu 90 Grad) und diagonal schwingen, d. h. mit der rechten Hand zur
linken Körperhälfte und umgekehrt

Belastungskontrolle Pulsen während des Walkens nach der Faustformel:


220 minus Lebensalter und davon 60–70%
bei Hypertonie und/oder hohem Lebensalter bis zu minus 50%

Ausklingen Langsamer werdende Geschwindigkeit über einen Zeitraum von 3–5 min
Abschluss mit anschließenden Dehnungsübungen

Radfahren Eine günstige Sportart wenn sie entspannt aus- Kraftsport In Analogie zur Pathophysiologie der Varizen-
geführt wird. Die Beine einschließlich der beteiligten Ge- entstehung sind Kraftsportarten, bei denen im Sinne eines
lenkstrukturen werden vom Körpergewicht weitgehend ent- Valsalva-Manövers ein hoher abdomineller Druck auf das
lastet. Die Muskulatur wird gekräftigt und die Springgelenks- Venensystem aufgebracht wird als ungünstig einzustufen.
Wadenmuskelpumpe bei jeder Tretbewegung neu aktiviert. In entsprechenden Einrichtungen sollten die Trainer auf
Radfahren ist eine eher ungünstige Sportart, wenn sie die korrekte Atemtechnik mit Ausatmung bei der Belas-
als Leistungssport ausgeübt wird. Hier kann aber das Tra- tung achten.
gen von medizinischen Kompressionsstrümpfen (MKS)
mehr als ausgleichend wirken. Dies wurde bei Radfahrern
im Rahmen einer Dissertation (Rauschenbach) untersucht. 22.5.3 Besonderheiten bei der Bewegungs-
Die Analyse ergab eine signifikante Reduktion CVI-typi- therapie
scher Beschwerden im Alltag und nach dem Training, die
Lebensqualität war unter der Therapie hoch. Die Comp- Bewegungstherapie beim Ulcus cruris
liance bezüglich der Tragehäufigkeit der MKS war sehr Neben einer optimierten Wundbehandlung besteht eine
hoch. MKS stellen für Radsportler mit CVI keinen Leis- therapeutische Option des floriden Ulcus cruris in der re-
tungsnachteil dar. Die Ergebnisse der Untersuchungen gelmäßigen Durchführung einer spezifischen Bewegungs-
decken sich weitgehend mit einer parallel durchgeführten therapie, beispielsweise im Rahmen von »Gefäßsport-
Studie an Läufern. gruppen«. In der klinischen Studie von Klyscz und Jünger
konnte für Patienten mit Ulcus cruris venosum gezeigt
Ballsportarten Bei den Mannschaftssportarten sind Ball- werden, dass es während eines additiven halbjährigen,
sportarten mit niedrigem Verletzungsrisiko sowie gerin- krankheitsspezifischen Bewegungstrainings zu einer kom-
gen Beschleunigungs- und Bremskräften den so genannten pletten Abheilung der Ulcera bei 70% der Patienten kam.
›schnellen Ballsportarten‹ vorzuziehen.
> Die additive aktive Bewegungstherapie führt
Tennis: Besser Doppel als Einzel: die Spurt- und Stopp-
in einem hohen Prozentsatz zur Abheilung des
belastung wird deutlich vermindert.
venösen Ulcus cruris.
Fußball, Rugby, Basketball und ähnliches: Wegen der
22 Verletzungsrisiken sollte hiervon bewusst Abstand genom- Darüber hinaus gaben die Patienten eine deutliche Besse-
men werden. rung subjektiver Beschwerden wie Schmerzen und Ödem-
22.5 · Bewegungstherapie
257 22

. Abb. 22.25. Krankengymnastik nach Shave-OP

neigung an. Das muskelkräftigende Training führt durch > Bei der venös indizierten Bewegungstherapie
die gesteigerte Kontraktionsfähigkeit zur verbesserten Ab- soll eine Abklärung der arteriellen Gefäßsitua-
pumpleistung. tion erfolgen, um neben den im arteriellen
Ein weiterer durch regelmäßiges sportliches Training Schenkel zu erwartenden günstigen Trainings-
beeinflussbarer Faktor in der Pathogenese des Ulcus cruris effekten mögliche Belastungsgrenzen aufgrund
venosum stellt das arthrogene Stauungssyndrom dar, hier einer pAVK rechtzeitig zu erkennen. Das Training
wirkt der vermehrte Bewegungsumfang im oberen Sprung- in einer Gruppe sollte einen peripheren Knöchel-
gelenk durch den Gefäßsport, unterstützt durch kranken- druck über 60 mm Hg voraussetzten.
gymnastische Einzelbehandlungen abheilungsfördernd.

Bewegungstherapie bei gleichzeitiger 22.5.4 Bewegungstherapie in den Leitlinien


peripherer arterieller Verschlusskrankheit
Spätestens seit den Publikation der GetABI-Daten (Diehm Der Stellenwert der Bewegungstherapie in den gefäßmedi-
et al.), ist evident, dass ca. 20% der über 65-jährigen Patien- zinischen Leitlinien findet in eher kurzen Textpassagen
ten in den deutschen Arztpraxen unter einer peripheren seinen Ausdruck:
arteriellen Verschlusskranheit (pAVK) leiden. Bereits seit
den 1980er Jahren wird der arterielle Gefäßsport in DGG- und DGP-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie
Deutschland propagiert. Durch das Training soll eine Ver- des Krampfaderleidens Neben Hochlagerung und, im
längerung der Gehstrecke durch Steigerung der Flexibili- Hinblick auf eine Betätigung der Sprunggelenkmus-
tät, Koordinationsfähigkeit, Schulung des Gangbildes etc. kelpumpe, ausreichender körperlicher Bewegung stellen
erreicht werden. Die gesteigerte körperliche Leistungsfähig- Kompressionsverbände und medizinische Kompres-
keit bewirkt neben der unmittelbaren Gehstreckenzunah- sionsstrümpfe die Basistherapie dar und sind geeignet,
me auch eine Erhöhung der Lebenserwartung. die venöse Hämodynamik am erkrankten Bein zu ver-
Da die von einer chronisch venösen Insuffizienz Be- bessern.
troffenen häufig ebenfalls zur Gruppe der Älteren gehören,
ist eine breite Koinzidenz der Krankheitsbilder anzuneh- DGP- Leitlinie: Diagnostik und Therapie der Chronischen
men, beim Ulcus cruris liegt sie bei 20% (Wütscher und Venösen Insuffizienz (CVI) Physikalische Therapie: inten-
Bounameaux). siviertes kontrolliertes Gehtraining, krankengymnastische
258 Kapitel 22 · Konservative Therapie

Mobilisierung unter besonderer Beachtung der Sprung- Schmeller W (1990) Das arthrogene Stauungssysndrom. Sprung-
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Varikose Die konservative Therapie umfasst: Kompres- sportes zwischen dem Behinderten-Sportverband Nordrhein-
sionsverbände, medizinische Kompressionsstrümpfe, Me- Westfalen e. V. und dem LandesSportBund Nordrhein-Westfalen
e. V. einerseits sowie den Landesverbänden der Krankenkassen
dikamente.
bzw. Krankenkassen andererseits (2003)
Nachsorge: … Frühmobilisation am Tage der Opera- Waldhausen P et al. (1990) Ambulante Bewegungstherapie in einer
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dieses eingängigen Begriffs dazu geführt hat, dass dem
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Problem der chronischen Wunden eine größere Aufmerk-
22 versität zu Tübingen
samkeit gewidmet wurde und wird. Es wurde evident, dass
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36:196–202 hier, unabhängig vom individuellen Schicksal des Patien-
22.6 · Wundmanagement
259 22
ten, ein früher weitgehend unterschätztes sozialmedizi- 22.6.2 Wundheilung
nischens Problem liegt, dessen bessere Strukturierung und
Bearbeitung auch eine Reihe von gesundheitsökonomi- Mechanismen der Wundheilung
schen Vorteilen mit sich bringt. Mit der verstärkten Auf- Unter einer primären Wundheilung (per primam inten-
merksamkeit ist ein neuer Markt entstanden, der die ein- tionem) versteht man den unkomplizierten Heilvorgang
schlägige Industrie veranlasst hat eine Vielzahl neuer und gut adaptierter Wunden (z. B. nach Hautinzision bei asep-
guter Wundbehandlungs- und Wundversorgungsprodukte tischen Eingriffen). Unter Ausbildung einer minimalen
zu entwickeln und zu vermarkten. Narbe ist der Heilungsvorgang innerhalb von wenigen
Für gefäßmedizinische Institutionen, sowohl Praxis als Tagen beendet. Von einer sekundären Wundheilung (per
auch Klinik ist die Organisation und Strukturierung einer secundam intentionem) spricht man dagegen, wenn der
Wundsprechstunde, ggf. kombiniert mit einer diabetischen Heilvorgang durch lokale (Infekt, mangelnde Durchblu-
Fuß-Sprechstunde heute obligat. tung, venöse Stauungsinduration, bradytrophes Gewebe
etc.) oder systemische Faktoren (Diabetes mellitus, Im-
munschwäche etc.) gestört ist. Die Wunden werden durch
22.6.1 Definition der Wunde Granulationsgewebe ausgefüllt und ziehen sich sekundär
zusammen. Hierdurch entsteht nach mehreren Wochen
Wunden sind umschriebene Gewebsverletzungen. Ist das eine deutlich sichtbare Narbe. Behandlungsziel bei einer
Integument verletzt, spricht man von offenen oder äußeren sekundär heilenden Wunde ist die Umwandlung in eine
Wunden, bei intaktem Hautmantel, aber Vorliegen von in- Heilung per primam intentionen, z. B. durch sekundären
neren Verletzungen dagegen von geschlossenen, inneren Verschluss der Wunde. Kontaminierte Wundregionen mit
Wunden. Die Heilung und Behandlung von Wunden ist Nekroserändern oder Wundtaschen fördern durch Bakte-
abhängig von der Wundentstehung und der Wundart. rienwachstum die Ausbildung einer manifesten Wund-
infektion. Diese Infektionsherde sollten daher durch radi-
Offene Wunden kales chirurgisches Débridement mit Wundrandausschnei-
Sie können durch eine Vielzahl von unterschiedlichen dung innerhalb von 6–8 Stunden entfernt werden (Wund-
Verletzungsmechanismen (Kontusion, Riss-, Stich-, Pfäh- excision nach Friedrich). Dadurch erreicht man zudem
lungs-, Schussverletzung etc.). Der Spezialfall der offenen einen glatten Wundrand, der sich durch eine Naht adaptie-
Verletzung ist die Schnittwunde, zu der auch die Opera- ren lässt. Somit kann auch eine kontaminierte Wunde einer
tionswunde gehört. primären Wundheilung zugeführt werden.
Schnittwunden haben überwiegend glatte Wund- Eine Sonderform der Wundheilung ist die epitheliale
ränder. Sie neigen zu Blutungen und heilen bei fachge- Wundheilung unter Ausbildung von Wundschorf. Die Ver-
rechter chirurgischer Wundversorgung (6–8 Stunden, letzung reicht hier lediglich bis ins Korium. Bei diesen ober-
maximal 12 Stunden nach Wundsetzung) in der Regel pri- flächlichen Wunden des Integumentes kommt es zu einer
mär ab. Restitutio ad integrum, d. h. die Wunde heilt ohne Narben-
bildung aus. Hier kommt es zu einer echten Regeneration
Geschlossene Wunden des ursprünglichen Gewebes. Sie wird auch am Peritoneum,
Prellungen sind Kontusionen der Weichteile mit Bluter- am Gefäßendothel oder an der Pleura beobachtet.
güssen und Ödemen. Neben einer initialen schmerzhaften
Bewegungseinschränkung heilen sie in der Regel folgenlos Organspezifische Regenerationsfähigkeit
aus. Klinisch bedeutsam sind jedoch stumpfe Traumen bei Integument Die Epidermis regeneriert rasch von der
vorbestehender venöser Insuffizienz, insbesondere im Keimschicht aus. Eine Regeneration der Hautanhangsge-
Spätstadium, da hier aufgrund von Stauungsdermatosen bilde (Haare, Talg- und Schweißdrüsen) erfolgt nicht. Nar-
und venöser Kompartmentbildung mit Durchblutungsstö- benwucherungen in Form von breiten, erhabenen Narben
rungen und einer gestörten Wundheilung zu rechnen ist. (hypertrophe Narben) oder mit pseudopodienartigen
Nicht selten kommt es zu einer Nekrosebildung der Haut, Fortsätzen in die Umgebung (Keloide) entstehen in Folge
so dass aus der primär geschlossenen Wunde sekundär einer gesteigerten Kollagensynthese. Die Narben verlieren
eine offene Wunde entsteht. gewöhnlich nach einigen Monaten ihr rötliches Aussehen.
Quetschungen können ebenfalls zu geschlossenen Sie werden schmaler und adaptieren ihre Farbe an das un-
Wunden führen. Die Haut selbst ist zwar nicht perforiert, verletzte umgebende Integument. Unter Narbenneuralgie
daruntergelegene Strukturen können jedoch ausgedehnte versteht man einen druckschmerzhaften Narbenbezirk.
Verletzungen aufweisen. Bei entsprechendem Verdacht Bei Juckreiz oder Schmerzen ist der Versuch der Eindäm-
sollte immer eine bildgebende Diagnostik (z. B. Sonogra- mung einer Narbenwucherung durch eine Kompressions-
phie, CT) durchgeführt werden. behandlung, eine Röntgentherapie oder eine medikamen-
260 Kapitel 22 · Konservative Therapie

töse Behandlung, z. B. mit steroidalen oder nicht-steroida-


len Antiphlogistika, sinnvoll.

Bindegewebe Die Regenerationskraft der verschiedenen


Bindegewebssysteme ist so erheblich, dass selbst große
Hohlräume (z. B. nach radikaler Wundausschneidung, Ne-
krosektomie) vollständig bindegewebig ausgefüllt werden.

Muskulatur Die kontraktile Substanz geht zugrunde.


Fehlt das Sarkolemm, wird der entstandene Defekt durch
Bindegewebe ersetzt.

Reißfestigkeit einzelner Körperregionen Für Wunden


mit primärer Wundheilung gilt, dass Wunden am Kopf
schneller eine Festigkeit aufweisen als Wunden am Rumpf . Abb. 22.26. Nahtdehiszenz nach Saphenektomie. Der kraniale
und an den unteren Extremitäten. Für die Entfernung von Wundanteil ist mit Hautnähten verschlossen, distal liegt eine ausge-
Hautnahtmaterial gelten daher folgende Anhaltspunkte, dehnte Dehiszenz nach Wundinfekt vor. Nach intensiver Wundreini-
gung und lokaler Wundbehandlung hat sich sauberes Granulations-
die natürlich individuellen Schwankungen unterliegen
gewebe gebildet, so dass nun ein sekundärer Wundverschluss er-
können: folgen kann
4 Gesicht und Hals: ab Tag 4
4 Rumpf und Leistenregion: ab Tag 10
4 Rücken: ab Tag 14 weise alle Formen von Nekrosen besonders infektionsge-
4 obere Extremität: ab Tag 10 fährdet.
4 untere Extremität: ab Tag 12 Der Verlauf einer Wundinfektion wird bestimmt durch
die Quantität und Virulenz der Erreger, die Resistenz des
Liegt eine Prädisposition zur Ausbildung von Wundhei- Organismus und die örtlichen Gewebeverhältnisse
lungsstörungen vor (i.e. Durchblutungsstörungen, post- (Fremdkörper, Durchblutung, Gewebs-pO2).
thrombotisches Syndrom), sollte der Zeitpunkt der Faden-
entfernung nicht vor dem 12. postoperativen Tag liegen, Wunddehiszenz Ein postoperatives Auseinanderweichen
da der Zeitraum bis zum Erreichen einer ausreichenden der Gewebeschichten einer Wunde wird als Wunddehis-
mechanischen Stabilität der Wunde aufgrund von Verzöge- zenz oder als Wundruptur bezeichnet. Dies kann durch
rungen im Wundheilungsverlauf länger andauert. in der Tiefe der Wunde gelegene Wundheilungsstörungen
infolge von Infektionen, Seromen, Hämatomen, Ödem-
Wundheilungsstörungen bildungen oder auch bei Nahtspannungen auftreten
Wundinfektionen Chemische oder maschinell bedingte (. Abb. 22.26).
Verletzungen sind weniger infektionsgefährdet als solche, Ätiologisch kommen folgende Faktoren in Betracht:
die in der Landwirtschaft oder im Krankenhaus erworben 4 lokale Faktoren: z. B. schlechter Knotensitz oder
werden. Metzger, Abdecker, Kanal- oder Müllarbeiter sind schlecht gestochene Naht (zu wenig Gewebe), Faszien-
durch selektionierte, besonders virulente Keime beson- nekrose, Serom- oder Hämatombildung, Infektion, un-
ders gefährdet. Von einer primären Infektion spricht man, genügende Sauerstoffversorgung, Dermatoliposklerose
wenn Kontaminationen durch den Verletzungsgegen- (bradytrophes Gewebe)
stand oder durch Keime von der Körperoberfläche ent- 4 allgemeine Faktoren: Leberschaden, Urämie, Diabetes
stehen. Bei sekundären Infektionen werden Keime erst mellitus, Tumorkachexie (Anämie, Hypoproteinämie),
sekundär (z. B. durch Wundversorgung) übertragen. Der Vitaminmangel, Konstitution, hohes Alter (herabge-
Keimgehalt bei Gelegenheitswunden ist zunächst gering. setzte Abwehr)
Die Bakterien (z. B. E. coli, Proteus, Pyocyaneus, seltener 4 medikamentöse Faktoren: Antikoagulanzien, Cytos-
Gasbrand- oder Tetanuserreger) benötigen mehr als sechs tatica, Hormone (Kortikoide, Katecholamine)
Stunden, um sich zu vermehren und so an Virulenz zu 4 mechanische Faktoren: Naht unter Spannung
gewinnen. Streptokokken und Staphylokokken finden
sich meist erst nach 12–24 Stunden. Das Entstehen einer Störungen der Wundheilung und chronische Wunden
Infektion, insbesondere von Anaerobiern, wird durch Vor der Behandlung von chronischen Wunden ist eine ge-
22 Minderdurchblutung mit der Folge ungenügender lokaler naue Ursachenabklärung erforderlich. Lokale, allgemeine,
Sauerstoffversorgung begünstigt. Daher sind beispiels- medikamentöse und mechanische Faktoren, die die Wund-
22.6 · Wundmanagement
261 22
heilung beeinträchtigen (s. o.), müssen soweit wie möglich
ausgeschaltet werden. Hier ist neben der angiologischen
Untersuchung die Abklärung von Stoffwechselstörungen
zu nennen. Auch die Ulkuslokalisation lässt Rückschlüsse
auf die Genese zu (Dekubitalulkus an der Ferse). Entspre-
chend der Genese der chronischen Wunde hat die The-
rapie häufig interdisziplinär zu erfolgen (Gefäßchirurg,
Phlebologe, Diabetologe, Hautarzt). Auch medizinische
Hilfsberufe gehören zum Behandlungskonzept (Kranken-
gymnasten, Orthopädietechniker). Erst wenn die prädis-
ponierenden Faktoren für die Entstehung einer chroni-
schen Wunde so weit wie möglich ausgeschaltet sind (Va-
rizenoperation beim venösen Ulkus, Revaskularisation
beim arteriellen Ulkus, Druckentlastung etc.), kann eine
lokale Wundbehandlung (s. u.) erfolgversprechend durch-
geführt werden.
Wie kommt es zur Ausbildung einer chronischen
Wunde? Auch wenn die prädisponierende Ursache im Ein-
zelnen unterschiedlich ist, so existiert für alle chronischen
Wunden eine gemeinsame Endstrecke, die lokale Ischämie.
4 Das ischämische Ulkus kann durch ein inadäquates
Trauma entstehen, das aber für die bereits minder-
durchblutete Haut zur Entstehung einer Ulzeration
ausreichend ist.
4 Ursächlich für venöse Ulzera sind die ambulatori-
sche venöse Hypertonie und Ödeme. Übersteigt die . Abb. 22.27. Bakterielle Kontamination nach Babcock-Opera-
tion. Es kam zu einer ausgeprägten Infektion mit Staphylokokkus
venöse Hypertension den Kapillardruck der Haut, ent-
aureus, so dass eine Wunderöffnung mit Drainageeinlage erforder-
steht eine lokale Ischämie. Kommt es zu einem klei- lich wurde
nen Trauma in dieser Region, entsteht leicht eine Ul-
zeration, die dann zu einem chronischen Geschwür
werden kann. Wundvorbereitung Der erste Schritt ist die mechanische
4 Durch die diabetische Neuropathie kann es vom Patien- Wundreinigung mit steriler NaCl-Lösung oder Ringer-Lö-
ten unbemerkt zu Traumata im Fußbereich kommen sung. Danach erfolgt die Hautdesinfektion. Eine exakte
(z. B. drückender Schuh). Dies führt zu lokaler Ischä- Blutstillung verbessert die Übersicht. Sie wird an den Ex-
mie und schließlich zur Ulzeration der betroffenen tremitäten durch Anlegen einer Blutsperre oder Blutleere
Haut. erzielt. Die Blutsperre wird bei notfallmäßiger Versorgung
4 Schließlich führt auch der wiederholte Druck beim oder Behandlung von Infektionen (Abszessinzision) ver-
Dekubitalulkus durch lokale Ischämie zur Lazeration wendet. Die Übersicht ist bei der Blutsperre durch die feh-
der betroffenen Hautareale mit Ausbildung eines Ge- lende Blutleere zwar nicht so gut wie die Blutleere, jedoch
schwürs. wird eine Keimeinschwemmung durch das Auswickeln
vermieden. Die Blutleere geht auf den Kieler Chirurgen
Gemeinsam ist allen chronischen Geschwüren eine bakte- F. von Esmarch (1823–1908) zurück. Sie wird durch Aus-
rielle Kontamination (. Abb. 22.27). wickeln einer Extremität mit einer Gummibinde von der
Peripherie aus und darauffolgendes Anlegen einer Blut-
druckmanschette erreicht (Oberarm bis 300 mm Hg,
22.6.3 Wundbehandlung Oberschenkel bis 500 mm Hg). An nicht durchblutungsge-
störten Extremitäten darf eine Blutleere bei Elektiveingrif-
Wundanästhesie Nach Desinfektion ist bei infektions- fen bis zu 1,5 Stunden, maximal bis zu 2 Stunden angelegt
freien, kleineren Wunden eine lokale Infiltrationsanästhe- werden, da sonst ein Kompartmentsyndrom befürchtet
sie ausreichend. Komplizierte Wunden sind in Leitungs- werden muss.
oder Allgemeinanästhesie zu versorgen. Eine Alternative
stellt die lokale Oberflächenanalgesie mittels anästhetisie- Wundtoilette Dieses Vorgehen bei komplizierten Wun-
render Cremes/Salben dar. den geht auf E. Lexer (1867–1937) zurück. Häufig ist eine
262 Kapitel 22 · Konservative Therapie

schichtweise, sparsame chirurgische Säuberung und Glät- troffen sind oder freiliegen. Bei großen Hautdefekten kann
tung der Wundränder erforderlich. Je atraumatischer das durch Hautplastiken oder freie Gewebstransplantation der
Vorgehen, umso geringer ausgeprägt ist die Narbenbil- Hautverschluss erreicht werden.
dung. Wundtaschen, Gewebsspannungen durch erzwun-
gene Nähte prädisponieren zu Wundheilungsstörungen. Wundverband und Verbandswechsel Frische, primär
Vermieden werden sollten ebenfalls: chirurgisch versorgte Operationswunden werden lediglich
4 Austrocknung der Wunde, mit einem sterilen, trockenen Schutzverband abgedeckt.
4 zu lange Operationsdauer, Sie sind bereits nach 24 Stunden verklebt und damit gegen
4 ungenügende Blutstillung und bakterielle Penetration geschützt. Nach spätestens 24 Stun-
4 Verwendung alloplastischer, nicht-resorbierbarer Ma- den sind versorgte Wunden zu kontrollieren. Kommt es
terialien. zu anhaltenden Schmerzen, motorischen oder sensiblen
Defiziten, ist eine ärztliche Wundkontrolle erforderlich.
Erweiterungsschnitte sollen im Verlauf der Langerschen Häufig bessern sich die Beschwerden spontan nach Ab-
Hautspaltlinien erfolgen. Beugefalten eines Gelenkes nahme eines zu eng gewickelten Verbandes. Sind lokale
dürfen nicht senkrecht gekreuzt werden. Bei tiefen Wun- Entzündungszeichen vorhanden (Rubor, Calor, Tumor,
den und bei Nachblutungsgefahr sind Saugdrainagen in- Dolor, Functio laesa), erfordert dies ggf. die Entfernung
diziert. von Nähten und das Spreizen der Wunde. Dann muss die
weitere Behandlung – wie bei jeder sekundär heilenden
Primäre Wundnaht Sie führt durch Ausbildung der ge- und chronischen Wunde – feucht erfolgen. Durch die Ent-
ringsten Narbenbildung in der Regel zum kosmetisch wicklung von semiokklusiven Wundauflagen wurde
besten Heilungsergebnis. Eine systemische Antibiotikathe- eine differenzierte lokale Wundtherapie eingeleitet, die die
rapie kann indiziert sein. Verletzungsart, verzögerte Be- Kenntnis der gebräuchlichen Substanzklassen erforderlich
handlung, Wundlokalisation, Kontamination, Ischämie macht. Die semiokklusiven Wundauflagen zeichnen sich
und Begleitverletzungen können eine primäre Heilung ver- durch eine Vielzahl von Eigenschaften aus, die sich positiv
hindern. Die Behandlung besteht dann in einer offenen auf die Wundheilung auswirken:
Wundbehandlung unter Einleitung einer sekundären Wund- 4 das feuchte Milieu fördert das Wachstum und die Mig-
heilung. ration von Zellen. Signalstoffe (Chemokine, Cytokine,
Wachstumsfaktoren) können frei diffundieren und er-
Verzögerte primäre Wundnaht Bei infizierten Wunden möglichen so die Zell-Zell-Kommunikation
und nach der 12-Stunden-Grenze nach Trauma ist ein 4 überschüssiges Wundsekret wird aufgesaugt
primärer Wundverschluss nicht mehr zulässig. Es kann 4 durch die Okklusion entsteht ein saures Milieu, das
jedoch die sog. verzögerte primäre Wundnaht erwo- einerseits hemmend auf Bakterienwachstum wirkt,
gen werden. Nach chirurgischer Wundtoilette werden zum anderen auch das Kapillarwachstum stimuliert
die Fäden vorgelegt, aber nicht geknüpft. Zeigt es sich 4 aufgrund der Durchlässigkeit von Sauerstoff bleibt
im Verlauf, dass die Wunde sauber bleibt und eine gute der Gasaustausch gewährleistet Schutz der Wunde vor
Granulationstendenz ohne Infektionszeichen aufweist, äußeren Einflüssen (mechanische Irritation)
so können die Fäden nach 3–6 Tagen zugezogen und ge- 4 thermischer Schutz (Schutz vor Auskühlung)
knüpft werden. Stellt sich eine manifeste Wundinfektion 4 geringe Sensibilisierungsrate
ein, unterbleibt der Wundverschluss und die Wunde heilt
sekundär. Vorteil dieser Wundauflagen ist zudem, dass sie über meh-
rere Tage auf der Wunde belassen werden können und
Sekundärnaht Bei Versorgung von mehr als 24 Stunden der Verbandswechsel selbst schmerzarm durchführbar ist.
alten Wunden ist lediglich eine Ruhigstellung (z. B. auf Immer wieder wird hierdurch eine Materialersparnis an-
einer Gipsschiene) gerechtfertigt. Diese Wunden müssen gegeben und aus diesem Grund eine besondere Kosten-
vor Austrocknung bewahrt werden und werden deshalb effektivität postuliert. Die moderne Wundauflage besteht
feucht verbunden. Gelegentlich kann die Heilungszeit aus einem Drei-Schicht-System:
durch Wundrandexzision und Sekundärnaht nach etwa 1. äußere, semiokklusive Deckschicht
10–14 Tagen verkürzt und die Narbe verkleinert werden. 2. »Wundfüller«
3. innere Adhäsivschicht, mit der die Wundauflage auf
Besonderheiten Die 6–8 Stunden Versorgungsgrenze dem Integument fixiert wird.
kann überschritten werden, wenn ältere Läsionen der
22 großen Körperhöhlen und der Gelenke vorliegen. Gleiches Die mittlere Schicht (»Wundfüller«) repräsentiert die ei-
gilt, wenn Gefäße, Knochen, Nerven oder Sehnen mit be- gentliche flüssigkeitsaufnehmende Substanz. Die erste
22.6 · Wundmanagement
263 22
liegt, empfiehlt sich auch die Anwendung von Auflagen
mit antiseptischen Zusätzen (. Tab. 22.15).
Die modernen Wundauflagen lassen sich hinsichtlich
ihrer Wirkung auf die Wunde in drei Gruppen einteilen:
es werden passive von aktiven und interaktiven Wund-
auflagen unterschieden (. Tab. 22.16). Unter den passi-
ven Wundauflagen werden zum einen die klassischen
Gazeverbände verstanden, die zum Erhalt der Wund-
feuchtigkeit entweder regelmäßig (mehrfach täglich) be-
feuchtet oder aber mittels Okklusivverband nach außen
abgedichtet werden müssen. Nachteil der Befeuchtung
ist die Auskühlung der Wunde durch Verdunstung: ein Ab-
sinken der Gewebetemperatur unter 36°C bewirkt eine
Hemmung bzw. ein Sistieren der Stoffwechselaktivität
. Abb. 22.28. Moderne Wundauflage: (biatain ibu®). Es handelt von Zellen (z. B. Fibroblasten). Aus diesem Grund werden
sich um einen Schaumverband, der mit Ibuprofen imprägniert ist. Okklusionsverbände bevorzugt. Die Wunde bleibt feucht,
Hierdurch wird eine lokale Analgesie erreicht, die zu einer Vermin- da das Wundsekret im Verband verbleibt und nicht abge-
derung des systemischen Schmerzmittelverbrauchs führen kann.
geben wird.
Der Schaumverband kann – in Abhängigkeit von der Sekretmenge –
mehrere Tage auf der Wunde belassen werden. Die analgetische Wir- Die interaktiven Wundauflagen besitzen in der Regel
kung hält etwa 3 Tage an eine äußere, für Flüssigkeiten undurchlässige semiper-
meable Membran, die aber den Gasaustausch mit der Um-
gebung ermöglicht. Das Wundsekret wird zunächst in
dieser Wundauflagen ist der Hydrokolloidverband, der diese Wundauflagen aufgesogen, um dann auch wieder an
mit einer Polyurethan-Folienabdeckung versehen ist. Ist die Wunde abgegeben zu werden (= interaktiv, sog. Phasen-
das Hydrokolloid mit Wundsekret gesättigt, kommt es zu umkehr).
einer Phasenumkehr des Materials, und das Hydrokolloid Die aktiven Wundsysteme stellen die letzte Entwick-
gibt Sekret an die Wunde ab. So entsteht ggf. ein fließendes lung der modernen Wundauflagen dar. Ihnen ist die Kom-
Gleichgewicht mit Erhalt der Wundfeuchtigkeit (. Abb. bination einer feuchten Wundauflage mit einer aktiven,
22.28). Je nach Grad der Flüssigkeitsabgabe einer Wunde wundheilungsfördernden Wirksubstanz gemeinsam. Hya-
können Wundauflagen mit unterschiedlich hoher Aufnah- luronsäurehaltige Präparate zur Förderung der Bindege-
mekapazität für Sekret eingesetzt werden. Stark sezernie- websneubildung sind ebenso auf dem Markt wie protease-
rende Wunden neigen häufig zu unangenehmer Geruchs- modulierende Systeme zur Inaktivierung der wundhei-
belästigung. Dieser Eigenschaft kann durch Wundauflagen lungshemmenden, eiweißspaltenden Enzyme.
begegnet werden, die mit geruchsbindenden Zusätzen be- Allen diesen Substanzen gemeinsam ist das Dilemma,
schichtet sind (Aktivkohle). Da die Ursache der Geruchs- dass eine positive Wirkung in theoretischen Überlegungen
bildung meist in der bakteriellen Besiedelung der Wunde zur Wirkungsweise nachvollziehbar ist und im in vitro

. Tab. 22.15. Zusammenstellung von modernen Wundauflagen zur differenzierten feuchten Wundbehandlung. Je nach Sekretions-
grad, Infektionsstatus und Geruchsbildung erfolgt eine stadiengerechte, auf den Einzelfall adaptierte Anwendung

Wirkung Substanzklasse Produktbeispiel

hohe Sekretabsorption Hydrokolloide Comfeel®, Tegasorb®, Varihesive®, Urgo Algoplaque®

Alginate Sorbalgon®, Trionic®, Urgosorb®

sehr hohe Sekretabsorption Hydrofasern Aquacel®

Polyacrylate Tenderwet®

Sekretabgabe Hydrogele Suprasorb®, Varihesive®, Nu-Gel®, Purilon Gel®

Auflagen mit antiseptischen Zusätzen Silberionen-haltig Acticoat®, Actisorb®, Contreet®, Aquaceel Ag®

Geruchsbindende Wundauflagen Karbon-haltig Actisorb Silver 220®, Carbosorb®, Carbonet®


264 Kapitel 22 · Konservative Therapie

. Tab. 22.16. Moderne Wundauflagen. Sie sind nach ihrer Wirkungsweise auf die Wunde katalogisiert

Kategorie Wirkungsweise Beispiele

passive Wundauflagen ohne Okklusion Gaze, Vlies, Fettgaze

mit Okklusion Polyurethanfolie

interaktive Wundauflagen semipermeabel Hydrokolloide, Hydropolymere, Alginate, Hydrogele, Karbonauflagen, Auf-


lagen mit antiseptischen Agenzien, enzymatisch aktive Wundauflagen

aktive Wundsysteme Auflagen mit eigenen hyaluronsäurehaltige Wundauflagen (Hyalofill®, Hyalogran®), proteasemodu-
Wirksubstanzen lierende Matrix (Promogran®), wachstumsfaktorhaltige Systeme (Regranex®)

Versuch meist auch belegt wurde. Die Situation der chroni- Diese Möglichkeiten zielen im Wesentlichen darauf ab,
schen Wunde stellt jedoch ein außerordentlich komplexes, das Wundmilieu so zu konditionieren, dass das intrinsische
bis heute noch nicht voll verstandenes System dar, so dass Wundheilungspotential voll ausgeschöpft werden kann.
die eigentliche Wirksamkeit dieser Substanzen letztlich Neben den genannten Wundauflagen haben sich in der
noch hinterfragt werden muss. Behandlung chronischer und sekundär heilender Wunden
Darüber hinaus müssen sekundär heilende Wunden, zwei weitere Verfahren etabliert: die Vakuumtherapie
vor allem bei Vorliegen eines Wundinfektes, in regelmäßi- (VAC) und die Behandlung mit sterilen Fliegenmaden
gen Abständen gereinigt werden. Diese Wundreinigung (Lucilia serricata).
kann chirurgisch-mechanisch (durch Ausschaben, Exzi-
sion, Waschen) oder biochemisch-enzymatisch erfolgen. Vakuumtherapie Die VAC stimuliert durch topische
Beide Verfahren dienen dem Zweck, fibrinöses Exsudat Applikation eines kontrollierten Unterdruckes (50–
und Zelltrümmer zu entfernen. Hierdurch wird die kata- 125 mm Hg) eine Granulationsförderung der Wunde, die
bole Phase der Wundheilung verkürzt und die anabole zur Auffüllung auch größerer Defekte führen kann. Neben
Phase eingeleitet. Vorteile des chirurgischen Débridements dem offenporigen Polyurethanschwamm sind Polyvinyl-
sind zeitliche Effizienz und ein geringer finanzieller und alkoholschwämme im Handel. Aufgrund der geringeren
instrumenteller Aufwand. Die bewusst provozierte Blu- Porengröße bietet sich der Polyvinylalkoholschwamm
tung führt zur Ablagerung von Thrombozyten und Frei- für Wunden an, die ein wässriges, niedrig-visköses Sekret
setzung von α-Granula mit den darin enthaltenen wund- absondern. Die Vakuumtherapie führt durch den Unter-
heilungsfördernden Zytokinen. Nachteil ist die Schmerz- druck neben einer Ödemausschwemmung zu einer Anre-
haftigkeit. Die enzymatische Wundreinigung dagegen gung der Kapillardurchblutung (Neoangiogenese). Dem
kann ein chirurgisches Débridement zwar nicht ersetzen, mechanischen Reiz durch lokalen Unterdruck wird die In-
jedoch, additiv eingesetzt, von großem Nutzen sein. Es duktion von Granulationsgewebsbildung zugeschrieben.
stehen verschiedene Enzymprärarate zur Verfügung. In Der Unterdruck kann permanent oder intermittierend an-
seltenen Fällen kann es zur Sensibilisierung gegen Enzym- gelegt werden, die Wechselzeiten zwischen den Verbands-
präparate kommen. Ist die Wunde infiziert, sollten Anti- wechseln beträgt in der Regel 2 bis 4 Tage (. Abb. 22.29).
biotika nach Keimaustestung eingesetzt werden. Sie werden
jedoch ausschließlich systemisch – kalkuliert oder nach Behandlung mit sterilen Fliegenmaden Die topische
Austestung – eingesetzt. Die lokale Gabe ist obsolet. Zum Anwendung von Maden hat sich ebenfalls bei chronischen
einen werden Antibiotika nach Lokalapplikation schnell Wunden bewährt (. Abb. 22.30). Die Maden führen durch
durch Enzyme inaktiviert, zum anderen führen sie häufig ihre scharfen Kauwerkzeuge zu einer mechanischen Irrita-
zu Allergisierungsreaktionen und zu Resistenzbildungen. tion im Wundgrund, die stimulierend auf die Granula-
Darüber hinaus hemmen viele Antibiotika die Wundhei- tionsbildung der Wunde wirken soll. Die Maden ingestieren
lung. Zur Wundspülung werden häufig Antiseptika ange- Bakterien und sondern Sekret aus, das eine proteolytische
wandt. Hier ist zu beachten, dass einige dieser Substanzen und antiseptische Wirkung besitzt. Allerdings ist zu beach-
die Wundheilung stark hemmen können. Beispiele hierfür ten, dass Proteus- und Pseudomonas-besiedelte Wunden
sind das Wasserstoffperoxid, Triphenylmethan-Farbstoffe, von der Wirkung dieses Sekretes unbeeinflusst bleiben. Es
Kaliumpermanganat oder hypertone Kochsalzlösung. existieren Erfahrungsberichte, nach denen Maden auch bei
Ideale Antiseptika sind dagegen Silbernitrat 1%, Chlora- Wundinfekten und Osteomyelitis mit Erfolg eingesetzt
22 min T 1%, oder PVP-Jod. Bei Jodlösungen muss die mög- wurden. Allerdings kann es durch die mechanische Irrita-
liche Jodresorption aus der Wunde beachtet werden. tion in der Wunde zu Schmerzen und lokaler Hautirritation
22.6 · Wundmanagement
265 22

a b c

. Abb. 22.29. Vakuumverband. a ein ausgedehntes venöses Ulkus eine Spalthauttransplantation auf die inzwischen sauber granulie-
mit diabetisch-angiopathischer Begleitkomponente wurde mit 4 Zyk- rende Wunde erfolgen c das Transplantat ist reizlos eingeheilt
len Vakuumverband behandelt b nach 3 Wochen konnte schließlich

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Gewebe wird vollständig bis zur nekrobiotischen Grenzzone abge- Schmidt K, Debus ES, Jessberger St. Ziegler UE, Thiede A (2000) Bacte-
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(RPES) on wound healing and angiogenesis in second degre
burns. Proc Ann Symp Adv Wound Care
Konsensusempfehlung zur Auswahl von Wirkstoffen für die Wund-
antiseptik, ZfW3/04
23

23 Verödungstherapie
23.1 Geschichte und Entwicklung der Verödungstherapie – 269
P. Waldhausen
23.1.1 Historie der Injektion und der Verödungsmittel – 269
23.1.2 Entwicklung der Verödung – 271
23.1.3 Entwicklung der Schaumverödung – 272

23.2 Indikationsstellung zur Verödungstherapie – 274


F. X. Breu

23.3 Empfehlungen zur Sklerotherapie mit flüssigen Mitteln – 276


E. Rabe, F. Pannier
23.3.1 Definition – 276
23.3.2 Indikationen – 276
23.3.3 Kontraindikationen – 277
23.3.4 Komplikationen und Risiken – 277
23.3.5 Diagnostik vor Sklerotherapie – 278
23.3.6 Duplexsonographisch kontrollierte Verabreichung – 279
23.3.7 Effektivität – 279

23.4 Technik und Praxis der Verödungstherapie – 280


M. Schadeck
23.4.1 Technik bei große Varizen – 282
23.4.2 Technik bei kleinen Varizen – 286
23.4.3 Kompression nach Sklerosierung, Nachbehandlung – 286
23.4.4 Komplikationen und Ergebnisse – 287
23.4.5 Zusammenfassung – 288

23.5 Schaumverödung – 288


F. X. Breu
23.5.1 Verödungsschaum – 289
23.5.2 Indikationen – 289
23.5.3 Kontraindikationen und unerwünschte Wirkung – 290
23.5.4 Durchführung – 291
23.5.5 Gewichteter Literaturüberblick – 294
23.6 Laser in der Therapie der kutanen Varikose – 295
U. Müller
23.6.1 Einführung – 295
23.6.2 Wirkprinzip – 295
23.6.3 Indikationen – 296
23.6.4 Gerätetechnik – 296
23.6.5 Hautkühlung – 296
23.6.6 Hautreaktion – 297
23.6.7 Ergebnisse – 297

23.7 Elektrokoagulation bei kutaner Varikose – 298


H. Nüllen
23.7.1 Praktische Durchführung – 299

23.8 Lichtkoagulation bei kutaner Varikose – 300


H. Nüllen
23.1 · Geschichte und Entwicklung der Verödungstherapie
269 23
23.1 Geschichte und Entwicklung Er beschreibt 1853 den Verschluss eines Aneurysmas
der Verödungstherapie der A. poplitea durch die Injektion von Eisenchlorid. Bis
zur Jetztzeit wurden zahlreiche Substanzen zur Verödung
P. Waldhausen eingesetzt und ihre Anwendung wieder fallengelassen
(. Tab. 23.1).
Obwohl die Kompressionsbehandlung bei Venener-
23.1.1 Historie der Injektion krankungen bereits seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. (Hippo-
und der Verödungsmittel krates) bekannt ist, hat sich die Kompressionstherapie
während der Verödungsbehandlung erst seit den 1950er
Der Engländer Christopher Wren (1632-1723) gilt als Er- (Sigg und Orbach) und 1960er Jahren (Fegan) etabliert.
finder der intravenösen Injektion. Im deutschen Sprach- Neben der Entwicklung relativ sicherer Verödungsmittel
raum werden erste Injektionen Johann Sigismund Elsholz dürfte die Anwendung der begleitenden Kompression die
(1623–1688) zugeschrieben, der durch eine Klistierspritze Äquivalenz zu den chirurgischen Methoden ermöglicht
über eine Venae sectio destilliertes Wegerichwasser inji- haben.
zierte. Die intravenöse Behandlung der Lues wird 1666 Die Verödungsmittel können in verschiedene Wirk-
von Johannes Schmiedt, genannt Fabritius (1623–1690) stoffgruppen eingeteilt werden:
in Danzig beschrieben. 1682 beschreibt D. Zollikofer 4 hypertone Lösungen
(St. Gallen in der Schweiz) das Einspritzen einer Säure in 4 anionische und nichtionogene Detergentien
die Vene zur Erzeugung eines Thrombus. 4 anorganische Verbindungen
Die apparative Ausstattung war im 17. Jahrhundert 4 Lösungen, die Gerinnungsthromben erzeugen
noch recht simpel. Es wurden Klistierspritzen, Schweins-
blasen, Federkiele, angespitzte Röhrenknöchelchen etc. Das heute im deutschen Sprachraum fast ausschließlich
benutzt. Erst 2 Jahrhunderte später wurden Spritzen und verwandte Polidocanol gehört zur Gruppe der Detergen-
Kanülen hergestellt, mit denen eine exakte Dosierung zien.
möglich war. Der Ursprung der uns heute geläufigen Sprit- Polidocanol verdankt seine Entdeckung der anal-
zen geht auf den Franzosen Charles Gabriel Pravaz zurück getischen Wirkung auf die Schleimhaut. Versuche bei der
(. Abb. 23.1). Anwendung als Injektionsanästhetikum zeigten in den
1930er Jahren in höherer Konzentration aber uner-
wünschte Nebenwirkungen: es gab Reizungen der Venen-
wand bei intravasaler Gabe. Somit war der Einsatz als in-
jizierbares Allgemeinanästhetikum ausschlossen. Otto
Henschel (1913–1999) definierte diese sklerosierende
Nebenwirkung als arzneiliche Hauptwirkung. Womit ein
bis auf die Injektion selbst annähernd schmerzfreies Ver-
ödungsmittel zur Verfügung stand. Darüber hinaus be-
merkte er, dass der Wirkstoff zwar sklerosierte, aber unter
Normalverhältnissen nicht zu den sonst so gefürchteten
Nekrosen führte, die bei den bis dahin gebräuchlichen
Sklerosierungsmitteln nicht ganz selten waren. Selbst bei
versehentlicher paravasaler Injektion kam es nur zu Ver-
härtungen. Seit der Markteinführung als Aethoxysklerol®
wurde das Produkt mehrfach modernisiert und enthält
heute neben Ethanol auch Pufferkomponenten zur exakten
pH-Wert-Einstellung. Auf Konservierungsstoffe wird ver-
zichtet. Dies ist möglicherweise der Grund für die sehr
niedrige Allergisierungsratet. In den vergangenen 20 Jah-
ren wurden schätzungsweise 70–80 Mio. Behandlungen
von Hämorrhoiden, Ösophagusvarizen und Krampfadern
durchgeführt. Polidocanol besteht aus einer hydrophilen
Poly-Ethylenoxidkette und einem hydrophoben alipha-
tischen Dodecyl-Alkoholanteil (. Abb. 23.2).
. Abb. 23.1. Von Charles Pravaz entwickelte Spritze. (Aus Gedeon Im Blut bilden die Polidocanolmoleküle dreidimen-
2006) sionale kugelförmige Strukturen (Mizellen). Diese Gebil-
270 Kapitel 23 · Verödungstherapie

23 . Tab. 23.1. Entwicklung der Verödungsmittel

Jahr Name Substanz Gruppe

1840 Monteggio, Leroy D‘Etiolles Absoluter Alkohol Gerinnungsthromben bildend

1853 Pravaz Eisenchlorid Gerinnungsthromben bildend

1855 Desgranges Jodtanninlösung Anorganische Verbindung

1875 Valette et Delore Jodtanninlösung Anorganische Verbindung

1880 Negretti Choralhydrat

1904 Tavel 5%ige Phenollösung Organische Verbindung

1906 Tavel Jod-Kaliumjodid Anorganische Verbindung

1908 Schiassi Jod-Kaliumjodid Anorganische Verbindung

1910 Scharff Sublimat (Quecksilberjodid) Anorganische Verbindung

1917 Kausch Hypertone Glukoselösung Hypertone Lösung

1919 Sicard und Gauguier Natriumbikarbonat Hypertone Lösung

1919 Sicard und Gauguier Salicylkarbonat Hypertone Lösung

1922 Genevrier Chinin-Urethan Gerinnungsthromben bildend

1922 Lacroix Quecksilberjodid Anorganische Verbindung

1926 Linser Hypertone Kochsalzlösung mit Procain Hypertone Lösung

1927 Doeriffel 50%iger Traubenzucker Hypertone Lösung

1929 Kern und Angel Natriumcitrat Hypertone Lösung

1929 Kern und Angel 20-30%ige Salzlösung Hypertone Lösung

1930 Higgens und Kittel Natriummorrhuat Anionisches Detergenz

1933 Jausion Chromglycerin Anorganische Verbindung

1933 Gerson Jod-Natriumjodid-Lösung Anorganische Verbindung

1937 Biegeleisen Ethanolaminoleat Anionisches Detergenz

1946 Reiner Natriumtetradecylsulfat Anionisches Detergenz

1949 Tounay und Wallois Phenylquecksilber und Amoniumsuccinat Anorganische Verbindung

1959 Imhoff und Sigg Stabilisierte Polyjodidionen Anorganische Verbindung

1966 Henschel und Eichenberger Oxypolyaethxydodecan (Polidocanol) Nichtionisches Detergenz

1969 Mantse NaCl / Dextrose Lösung Hypertone Lösung

1975 Foley Hypertone NaCl und Heparin Hypertone Lösung

1985 Green und Morgan Sotradecol und Haemacel Anionisches Detergenz

nach Imhoff und Stemmer (1968), Holzegel (1970) sowie Goldmann und Bennet (1987).
23.1 · Geschichte und Entwicklung der Verödungstherapie
271 23
23.1.2 Entwicklung der Verödung

Die Sklerotherapie entwickelte sich in Europa in eigenen


»Schulen«.

Deutschland
Die Sklerotherapie wurde in Deutschland zu Beginn des
20. Jahrhunderts von Forschern wie P. Scharff, N. Branner,
. Abb. 23.2. Polidocanol (INN) ist der aktive Wirkstoff in Aethoxy- R. Fischel oder H. Hecht überwiegend mittels Sublimat
sklerol®. (auch bekannt unter Hydroxypolyaethoxydodecanol, Poly- (Quecksilber(II)-chlorid) durchgeführt. Ursprünglich in
ethylenglycol-Monododecylether, Lauromacrogol 400 oder auch der Behandlung der Syphilis benutzt, wurde nach Sublima-
Laureth-9)
tinjektionen trotz des Nachspülens mit physiologischer
Kochsalzlösung Fibrosierungen der Venen ohne periphle-
de sind nicht statisch, sondern stehen in einem stän- bitische Reaktionen beobachtet.
digen Umbau: einzelne Polidocanolmoleküle verlassen Paul Linser (1871–1963) ließ als erster Ordinarius der
die Mizellen und gehen in Lösung und vice versa. Die Tübinger Hautklinik 1916 Camillo Zorne eine Doktor-
Mizelle stellt eine Art Vehikel dar, das selbst nicht arbeit zur Verödungsbehandlung mit Sublimat anfertigen.
mit der Lipiddoppelschicht der Endothelzellmembran Er kam zu dem Ergebnis, dass durch die starke Endothel-
reagiert. Vielmehr interagieren einzelne freie Polido- reaktion ein fester Zusammenhalt zwischen Venenwand
canolmoleküle. Zunächst erfolgt eine Anlagerung an und Thrombus entstand und erklärte über diesen Mecha-
die nächst gelegenen Oberfläche, ein für »oberflächen- nismus »das Fehlen von Embolien«.
aktive« Stoffe typisches Verhalten. Ist die Konzentration Linser benutzte für seine Behandlungen eine Spritze
am Endothel ausreichend hoch, erfolgt eine Emulgie- nach Pravaz und berichtet über mehr als 500 ambulante
rung einzelner Membranbestandteile, also eine Desinteg- Behandlungsfälle. Wichtig war die streng intravasale Ap-
ration oder Denaturierung der Endothelzelloberfläche, plikation, da es ansonsten zu Nekrosen kam. Zudem traten
wobei Lipide etwas besser emulgiert werden als Proteine Quecksilberintoxikationen und schwere Unverträglich-
(. Abb. 23.3). keiten auf.
Die löchrig gewordenen Endothelzellen blähen sich Der nicht mit Paul Linser verwandte Karl Linser
ballonartig auf, da Plasmaflüssigkeit ungehindert eindrin- (1895–1976) nutzte in den 1920er Jahren eine hypertone
gen kann. Durch die Desquamation des Endothels werden Kochsalzlösung (15–30%) zur Varizenverödung. Wegen
subendotheliale Strukturen freigelegt, was zu einem Vaso- der darunter ausgelösten Crampi setzte er Procain als An-
spasmus führen kann und regelmäßig eine primär gefäß- ästhetikum zu. Das Präparat wurde als erstes industriell
wandständige Thrombozytenaggregation provoziert. Der hergestelltes Verödungsmittel unter dem Namen Varicoph-
initiale Verschlussmechanismus wird durch das Ausmaß tin® in Deutschland auf den Markt gebracht. Neben den
der Intimaschädigung in seiner Größe beschränkt und die Salzlösungen wurden auch hochkonzentrierte Zucker-
Blutgerinnung wird durch lokale Denaturierung von Ge- lösungen bis zur Marktreife entwickelt.
rinnungsfaktoren gehemmt. In Deutschland gab es zu dieser Zeit auf der Basis von
Kompression, Operation und Sklerosierungsbehandlung
eine aktive Venenheilkunde. Die über 20 Jahre existieren-
den »Blätter für Beinheilkunde«, der von Nathan Branner
(1870–1949) gegründete Verein der Spezialärzte für Bein-
leiden und zahlreiche Spezialambulatorien für Beinleiden
waren sichtbare Zeichen eines interdisziplinären Entfal-
tungsprozesses.
Die in den 1930er Jahren produzierten anionischen
Detergenzien und fettsäurehaltigen Injektionsmittel
führten zu häufigen und schweren allergischen Reak-
tionen. Wesentlich geringere Nebenwirkungen wurden
unter dem von Rainer 1946 in den USA entwickelten
Thrombovar® bzw Sotradecol® (Natriumtetradecylsulfat)
beobachtet.
. Abb. 23.3. Polidocanol als Mizellen angeordnet und frei über 1957 nach dem 2. Weltkrieg wurde die deutsche Ar-
dem Endothel beitsgemeinschaft für Phlebologie ins Leben gerufen.
272 Kapitel 23 · Verödungstherapie

Karl Sigg und Eduardo Imhoff entwickelten 1959 die Irland


23 Grundlagen für Jod-Alkalijodid bzw. Jod-Ammonium- Georg Fegan (*1921) propagierte in Irland in den 1950–
jodid mit Benzylalkoholzusatz, welches 1961 in Deutsch- 60er Jahren wie Sigg in der Schweiz die Kombination der
land zum Patent angemeldet und unter dem Handelsnamen Verödungsbehandlung mit der anschließenden Kompres-
Varigloban® vertrieben wurde. sionstherapie. Die Varizen wurden im Sitzen punktiert,
Während mittlerweile alle anderen Verödungsmittel dann im Liegen mit eleviertem Bein injizierte er Sodium-
in Deutschland aus dem Handel genommen wurden, wird tetradecyl als Sklerosierungsmittel in die entleerte Varize.
das erst 1963 eingeführte Polidocanol (Aethoxysklerol®) Fegan ging von den am stärksten ausgeprägten insuffi-
bis heute in der täglichen Praxis mit großem Erfolg und zienten Vv. perforantes aus, er verödete von distal nach
geringen Nebenwirkungen angewandt. proximal. 1963 veröffentlichte er seine Resultate von da-
mals über 13.000 behandelten Patienten.
Frankreich
Die Entwicklung ging Anfang des 20. Jahrhunderts in Schweiz
Frankreich und Deutschland parallel zu einander von- Karl Sigg (1912–1986) punktierte die Varizen am stehen-
statten. In beiden Bevölkerungen war nach dem Ende den Patienten mit offenen eher großlumigen Kanülen, das
des ersten Weltkrieges die Notwendigkeit zur Behand- austretende Blut wurde in Schalen aufgefangen. Die Ein-
lung der sich ausdehnenden Lues gegeben und hier spritzung von Varigloban erfolgte mit Glasspritzen dann
wie dort machte man die Erfahrung der sklerosierenden im Liegen mit ca. 30° eleviertem Bein in die fast entleerte
Wirkung von Sublimat nach intravenöser Injektion. In und kollabierte Varize. Die 2 ml Spritzen waren zur Hälfte
Frankreich führte der Leiter der neurologischen Abtei- mit Luft gefüllt, um durch einen »Airblock« die Venen vor
lung im Department XV J. A. Sicard dann aber schon dem Kontakt mit Varigloban gänzlich vom Blut zu ent-
bald die Verödung der Beinvarikose mit Natriumcarbonat leeren. Durch die sehr leicht laufenden Glasspritzen war
ein. Zu Sicards Schülern gehörte Raymound Tournay die intravasale Lage unmittelbar fühlbar. Varigloban wurde
(1893–1984) der sich bereits 1926 als Phlebologe nieder- je nach zu verödendem Kaliber in Konzentrationen von
ließ. Er veröffentlichte 1928 detailliert seine Verödungs- 0,5% bis 12% angewandt.
technik, bei der er kurzgeschliffene, feine Kanülen und Wesentliche Gründe für seine Erfolge in der Varizen-
2–5 ml Spritzen verwandte. Die Punktion erfolgte mit behandlung dürften die Kompressionsbandagierung und
aufgezogener Spritze. Die Injektion führte er am sitzen- unmittelbare Mobilisation gewesen sein. Zur Kompres-
den oder liegenden Patienten durch. Da das Verödungs- sionsbehandlung bediente er sich der Verbandstechnik
mittel so nur langsam abfließt, kommt es zu einer länge- nach Heinrich Fischer, die von ihm in Form von Kurzzug-
ren Kontakt- und Einwirkzeit am Endothel. Erst wurden binden weiterentwickelt wurden.
insuffiziente Crossen und/oder Perforanten verödet, da- In der Schweizer Verödungsschule wurden die Varizen
nach die Stämme und Seitenäste, also von proximal nach vom Knöchel aufsteigend bis zum Leistenband verödet,
distal. also von distal nach proximal.
Tournay war sehr an einer auch internationalen Ver-
breitung der Phlebologie interessiert und so wurde 1959
die Union Internationale de Phlebologie gründete, deren 23.1.3 Entwicklung der Schaumverödung
erster Präsident der Deutsche Erich Krieg wurde.
Lange dominierte die Verödungstherapie die Varizen- Zur Gruppe der Detergenzsklerosierungsmittel gehört
behandlung in Frankreich, erst nach dem 2. Weltkrieg kon- Natriummorrhuat. Als ältester Vertreter dieser Gruppe
kurrierte die Varizenchirurgie ernsthaft und das Stripping wurde es zum ersten Mal 1930 von Higgins und Kittel
der Stammvarikose etablierte sich. 1965 wurde in Straßburg verwendet. Einige Jahre später beschrieb Biegeleisen die
das interdisziplinäre Collége Francaise de Pathologie Vas- Verwendung von Ethanolaminoleat (1937). 1946 führte
culaire gegründet, worin die Phlebologen die größte Grup- Reiner das Natriumtetradecylsulfat ein und Henschel pub-
pe stellten. Der Chirurg Fonataine als Gründungsmitglied lizierte 1966 die ersten Ergebnisse zur Sklerotherapie mit
bekräftigte, dass sich unter dem Dach der Angiologen alle Polidocanol. Nur Verödungsmittel dieser Wirkstoffgruppe
Ärzte zusammenfinden sollten, die sich mit der Behand- eignen sich zur Herstellung eines mehr oder weniger stabi-
lung der Gefäße beschäftigten. Die Angiologie wurde 1976 len Schaumes.
durch Ärztekammer und Krankenkassen offiziell aner- Ein Jahrzehnt nach Einführung des Natriummorrhuats
kannt. beschrieb McAusland 1939 die Anwendung eines Schaum
Robert Stemmer (1925–2000) hat sich um die Verbrei- bei der Injektion von Besenreisern: Er verwendete Natri-
tung der französischen Schule der Verödungbehandlung ummorrhuat in Form eines »Schaums«, den er durch
verdient gemacht. »Schütteln der mittels Gummistöpsel verschlossenen
23.1 · Geschichte und Entwicklung der Verödungstherapie
273 23
. Abb. 23.4. Doppelspitzensystem (DSS)

Flasche und Einsaugen des Schaums in seine Spritze« er- tionssteuerung. Schadeck publizierte 1993 das Monitoring
hielt. 1944 publizierte Orbach die sogenannte »Airblock- der Schaumverödung mittels der Duplexsonographie.
technik«: er injizierte maximal 3 ml Luft in das zu be- Die Schaumsklerotherapie hat durch die vorbeschrie-
handelnde Venensegment, um so das verbliebene Blut benen Entwicklungen in den letzten Jahren weite Verbrei-
vollständig zu verdrängen. In der klinischen Anwendung tung erfahren. Die Schaumverödung ist die günstigste
nutzte er diese »Airblocktechnik« bei kleinen und mittle- Behandlungsmethode und wurde mittlerweile zu einem
ren Varizen. Stemmer und Kollegen zeigten 1970 in einem unverzichtbaren Baustein in der Varizenbehandlung.
Modellversuch, dass die Airblocktechnik aber nur bis zu
einem Gefäßdurchmesser bis 4 mm verlässlich funk- Literatur
tioniert. 1950 stellt Orbach den ersten Vergleich der Wirk- Biegeleisen HI (1937) Fatty acid Solutions for the injection treatment
of varicose veins: evaluation of four new solutions. Ann Surg
samkeit von Schaum mit der von flüssigen Sklerosierungs-
105(4):610–5
mitteln dar. Die Wirksamkeit des durch Schütteln der Bischoff JK (1993) Phlebologie: von der Empirie zur Wissenschaft. G.
Spritze oder des Arzneimittelfläschchens produzierten Fischer, Jena
Schaums stieg im Vergleich zur selben Menge »konventio- Buess H (1946) Die historischen Grundlagen der intravenösen Injek-
neller« Flüssigkeit auf das 3,5- bis 4-fache an tion ein Beitrag zur Medizingeschichte des 17. Jahrhunderts.
H. R. Sauerländer (Aarau in der Schweiz)
Bis 1999 wurden mannigfache Verfahren zur Schaum-
Fegan WG (1963) Continuous compression technique of injecting
herstellung erprobt, erst durch das »Tourbillon-Verfahren« varikose veins. Lancet 2:109
von Lorenzo Tessari gelang die einfache Herstellung eines Gedeon (2006) Science and Technology in Medicine: An Illustrated
sehr dichten und cremigen Schaums unter Verwendung Account Based on Ninety-Nine Landmark Publications from Five
üblicher Medizinprodukte (normale Spritzen und ein Drei- Centuries, Springer Verlag Berlin S 71
http://www.general-anaesthesia.com/people/charles-pravaz.html
wegehahn). Nachteil der Methode war die schlechte Re-
2009
produzierbarkeit, da sich die Schaumeigenschaften schon Goldman MP und Bennet R (1987) Treatment of telangiectasia: a re-
bei kleinsten Änderungen deutlich veränderten. Bessere view. J Am Acad Dermatol. 17(2 Pt 1):167–82
Ergebnisse wurden mit dem als »DSS« (Doppelspritzen- Holzegel K (1970) Über Varizenverödungsmittel. Zentralbl Phlebol
system) oder »Tessari-DSS« bekannten Vorgehen erzielt, 9:43–52
Hübner K. (2008) Praktische Sklerotherapie. Viavital Verlag Essen
mit dem ein stabiler und feinblasiger Schaum erzeugt wur-
Imhoff E, Stemmer R. (1969) Classification et mécanisme d‘action des
de (. Abb. 23.4): sclérosants. Phlebologie 22: 143–8
Knight RM,Vin F, Zygmunt JA. (1989) Ultrasonic guidance of injection
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Spritze (jeweils Luer-Lock), ein Combidyn-Adapter und Stemmer R (eds). John Libbey Eurotext Ltd 339-41
Lauer HH (1972) Venen und Venenerkrankungen in historischer Sicht.
ggf. ein 0,2 μm-Filter (zur Sterilfiltration von Luft). In die
Die Kapsel 29, 1267–79
Injekt-Spritze werden über den Sterilfilter genau 8 ml Luft McAusland S (1939) The modern treatment of varicose veins. Med
aufgezogen, anschließend – nach Entfernung des Filters – Press Circular 201:404–10.
genau 2 ml des Sklerosierungsmittels. Beide Spritzen Orbach EJ (1944) Sclerotherapy of Varicose Veins – Utilization of an
werden mit dem Adapter verbunden. Zunächst erfolgen intravenous air block. Am J Surg LXVI(3):362–6.
Orbach EJ (1950) A new approach to the sclerotherapy of varicose
fünf Pumpbewegungen gegen Widerstand (fester
veins. Angiology 1:302
Daumendruck auf den Spritzenstempel einer Spritze), bis Orbach EJ, Petretti AK (1950) The thrombogenic property of foam of a
beide Komponenten gut durchmischt sind. Danach wird synthetic anionic detergent. Angiol 1:237–43.
der Schaum noch siebenmal rasch zwischen beiden Sprit- Pravaz M (1853) Sur un nouveau moyen d’opérer du sang dans les
zen ohne zusätzlichen Druck hin und her gepumpt, bis ein artères, applicable à la guérison des anevrismes. Bulletin Général
de Thérapeutique, 14.4.1853
homogener Schaum entstanden ist.«
Rabe E, Pannier-Fischer F, Gerlach H, Breu FX et al. (2004) Guidelines
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1989 benutzen Knight, Vin und Zygmunt das in den 70er Schadeck M (1993) Echo-sclerose de la grande Saphene. Phlebologie
Jahren vorgestellte Ultraschallduplexverfahren zur Punk- 46,673–82
274 Kapitel 23 · Verödungstherapie

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die Sklerosierungstherapie der V. saphena magna gesehen
und die Rezidivvarikose, die heute in zunehmendem Maße
als gute Indikation für die Schaumsklerosierung gesehen
23.2 Indikationsstellung wird, wurde damals ebenfalls nicht aufgeführt.
zur Verödungstherapie Im Gegensatz hierzu sieht die deutsche Leitlinie grund-
sätzlich keine Einschränkung der Indikationen zur Sklero-
F. X. Breu sierungstherapie in Abhängigkeit vom Varizentyp.

Die Indikationsstellung zur Verödungstherapie der primä-


Indikation zur Varizensklerosierung. (Leitlinie
ren Varikose hat wie viele andere Bereiche in der Phlebo-
Sklerosierungstherapie der DGP (Rabe et al. 2008))
logie einen Wandel durchgemacht. Während einer der Pio-
niere der modernen Verödungstherapie, Karl Sigg, noch 4 Stammvarizen (VSM und VSP)
davon ausging, dass grundsätzlich alle Typen und Ausdeh- 4 Astvarizen
nungen von Krampfadern, einschließlich der Stammvenen- 4 Varizen im Rahmen der Perforanteninsuffizienz
insuffizienz, der Verödungstherapie zugänglich seien, wur- 4 Retikuläre Varizen
de in den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhun- 4 Besenreiservarizen
derts die Sklerosierungstherapie mehr als adjuvante 4 Rest- und Rezidivvarizen nach Varizen ausschal-
Therapie zusätzlich zur operativen Sanierung der Varikose tenden Maßnahmen
gesehen. Die Wiederentdeckung und Wiederbelebung der 4 genitale und perigenitale Varizen
Schaumverödung hat dann in den letzten Jahren wiederum 4 periulzeröse Venen
zu einer Ausdehnung der Indikation zur Verödungsthera- 4 venöse Malformationen
pie auch auf die Stammvarikose geführt.
Die Ziele der Verödungstherapie unterscheiden sich
> Für die Behandlung von kleinkalibrigen Varizen
nicht von anderen Verfahren zur Behandlung der Varikose.
(retikuläre Varizen, Besenreiser) gilt die Sklerosie-
Die Indikationen zum Einsatz der Verödungstechnik
rungsbehandlung als Methode der ersten Wahl.
werden aber je nach Standpunkt der Autoren oder der auto-
risierenden Organisationen unterschiedlich gesehen. Bei der Ausschaltung von Seitenastvarizen und insuffizien-
ten Perforanten konkurriert die Sklerosierungsbehandlung
mit der perkutanen Phlebextraktion und mit der Perforan-
tenunterbindung bzw. mit der endoskopischen Perforanten-
dissektion. In der Behandlung der Stammveneninsuffizi-
enz mit Ausschaltung des proximalen Insuffizienzpunktes
23.2 · Indikationsstellung zur Verödungstherapie
275 23
und des insuffizienten Venenanteils gilt die operative The-
rapie nach wie vor als Methode der ersten Wahl. Spezielle Leitlinien zur Schaumsklerosierung:
Die Sklerosierungsbehandlung der Stammvarikose hat 4 Wir raten zum Gebrauch von Sklerosierungs-
mit der Wiederentdeckung der Schaumverödung jedoch schaum, hergestellt nach der Monfreux-, Tessari-
eine Renaissance erfahren (7 Abschn. 23.5). und DSS-Technik für die Behandlung eines symp-
tomatischen Refluxes der V. saphena magna, von
C2–C6 Varizen und von Rezidivvarizen.
Leitlinien des American Venous Forum 2009 Empfehlungsgrad: 2B
(Gloviczki et al. 2009)
4 Die Sklerotherapie, sowohl mit flüssigen wie auch
mit aufgeschäumten Sklerosierungsmitteln, ist Bei der Abwägung des adäquaten therapeutischen Vorge-
eine gut akzeptierte therapeutische Methode für hens müssen die gültigen allgemeinen Kontraindikationen
alle Kaliber von Varizen. Wir empfehlen die Sklero- der Sklerotherapie Beachtung finden (. Tab. 23.2).
therapie für die Behandlung von Besenreisern (te- Operative Verfahren und Sklerosierungstherapie soll-
langiectasias). ten nicht als konkurrierende Verfahren gesehen werden.
Empfehlungsgrad: 1B Diese in der Vergangenheit oft der jeweiligen »Schule« ge-
4 Als alleinige Behandlungsmaßnahme bei Varizen zeugte Einseitigkeit oder Verblendung hat der Sache und
hat die Sklerotherapie eine hohe Inzidenz von auch dem Patienten nicht genützt. Die Verfahren ergänzen
Rezidiven. Wir empfehlen die Kombination mit sich vielmehr bei richtiger Indikationsstellung ideal.
entweder der konventionellen Chirurgie oder den
> Die sinnvolle Kombination von Operation und
endovenösen Saphenaablationen.
Sklerosierungstherapie ist bei vielen Patienten
Empfehlungsgrad: 1C
mit Stammveneninsuffizienz das wahrscheinlich
4 Um postsklerotherapeutische Hyperpigmen-
beste Vorgehen bei der Therapie der fortgeschrit-
tierungen zu reduzieren, raten wir zur Mikro-
tenen (und damit oft mittel- bis großkalibrigen)
thrombektomie in den ersten 2–3 Wochen nach
Varizenerkrankung.
der Behandlung.
Empfehlungsgrad: 2C
4 Wir empfehlen eine Kompression nach Sklerothe-
rapie von Besenreisern und größeren Varizen.
Empfehlungsgrad: 1B
6

. Tab. 23.2. Kontraindikationen der Sklerosierungsbehandlung


Leitlinie Sklerotherapie der DGP (Rabe et al. 2008)

Absolute Kontraindikationen Relative Kontraindikationen

Bekannte Allergie auf das Sklerosierungsmittel Beinödem, nicht kompensiert

Schwere Systemerkrankung Diabetische Spätkomplikation (z. B. Polyneuropathie)

Akute tiefe Beinvenenthrombose AVK Stad. II

Lokale oder generalisierte Infektion Schlechter Allgemeinzustand

Längerfristige Immobilität oder Bettlägerigkeit Asthma bronchiale

Fortgeschrittene AVK im Stad. III oder IV Ausgeprägte allergische Diathese

Hyperthyreose (bei jodhaltigen Sklerosierungsmitteln) Thrombophilie oder Hyperkoagulabilität mit oder ohne abgelaufener TVT

Schwangerschaft Eingeschränkte Mobilität

Migräne

Für die Schaumverödung gelten zusätzliche Kontraindikationen 7 Abschn. 23.5


276 Kapitel 23 · Verödungstherapie

Literatur tionellen Ergebnis dem operativen Vorgehen zur Entfer-


23 Breu FX, Guggenbichler S. (2004) European consensus meeting on
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Ziele der Sklerosierungsbehandlung sind:
guided foam sclerotherapy of incompetent perforator veins in a
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Feied CF (1993) Deep Vein Thrombosis: The Risks of Sclerotherapy in Komplikationen
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Gloviczki P (Hrsg.) (2009) Handbook of venous disorders, third edition, tigen
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Stand 06/2005, Aethoxysklerol 3% / 4%, Stand 09/2005, Che-
mische Fabrik Kreussler & Co GmbH
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vollständig überarbeitete Neuauflage, Viavital, Köln
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Phlebologie in Druck 4 Astvarizen
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Yamaki T, Nozaki M, Sasaki K, (2000) Color duplex-guided sclerothera- 4 Rest- und Rezidivvarizen nach varizenaus-
py for the treatment of venous malformations. Dermatol Surg schaltenden Maßnahmen
4:323-8
4 genitale und perigenitale Varizen
4 periulzeröse Venen (De Waard et al. 2005,
Hertzman et al. 2007, Stücker et al. 2006)
23.3 Empfehlungen zur Sklerotherapie 4 venöse Malformationen (Yamaki et al. 2000)
mit flüssigen Mitteln

E. Rabe, F. Pannier Für die Behandlung von kleinkalibrigen Varizen (retikuläre


Varizen, Besenreiser) gilt die Sklerosierungsbehandlung als
Methode der ersten Wahl (Baccaglini et al. 1997a).
23.3.1 Definition Bei der Ausschaltung von Seitenastvarizen und in-
suffizienten Perforanten konkurriert die Sklerosierungs-
Unter der Sklerosierungstherapie versteht man die plan- behandlung mit der perkutanen Phlebextraktion und mit
volle Ausschaltung von intra-, subkutanen und/oder trans- der Perforantenunterbindung bzw. mit der endoskopi-
faszialen (Perforansvenen) Varizen sowie die Sklerosierung schen Perforantendissektion (Einarsson et al. 1993, Ma-
subfaszialer Gefäße bei venöser Malformation durch das louf 2000).
Einspritzen eines Sklerosierungsmittels. Die verschiedenen In der Behandlung der Stammvarikose mit Ausschal-
Verödungsmittel führen zu einer ausgeprägten Schädigung tung des proximalen Insuffizienzpunktes und des insuffi-
des Endothels der Gefäße und eventuell der gesamten Ge- zienten Venenanteils gelten Crossektomie und Stripping
fäßwand. Bei erfolgreicher Sklerosierung kommt es länger- sowie endovenöse Verfahren als Methode der ersten Wahl.
fristig zur Umwandlung der Venen in einen bindegewe- Die Therapie der Stammvarikose durch flüssige Sklerosie-
bigen Strang (Goldman et al. 1990). Ziel der Verödungsbe- rungsmittel ist jedoch ebenfalls möglich (Bullens-Goessens
handlung ist nicht die Thrombosierung des Gefäßes, die et al. 2004, Schultz-Ehrenburg et al. 1984). Methode der
für sich allein genommen rekanalisieren kann, sondern die 1. Wahl im Rahmen der Sklerosierungstherapie der
definitive Umwandlung in einen fibrösen Strang. Dieser Stammvenen ist aber heute die Schaumverödung (Rabe et
kann nicht rekanalisieren und entspricht in seinem funk- al. 2009).
23.3 · Empfehlungen zur Sklerotherapie mit flüssigen Mitteln
277 23
23.3.3 Kontraindikationen
Komplikationen der Sklerosierungstherapie
Absolute und relative Kontraindikationen sind in der fol- 4 allergische Reaktion (Feied et al. 1994)
genden Übersicht wiedergegeben. 4 Hautnekrosen (Bergan et al. 2000, Duffy 1999,
Fisher 2000, Goldman et al. 1995)
4 überschießende Sklerosierungsreaktion (und
Absolute und relative Kontraindikationen
Thrombophlebitis)
der Sklerosierungstherapie
4 Pigmentierung (Conrad et al. 1995, Goldman et al.
Absolute Kontraindikationen (Baccaglini et al. 1997, 1995)
Villavicencio et al. 1996): 4 Matting (Goldman et al. 1995)
4 bekannte Allergie auf das Sklerosierungsmittel 4 Nervenschädigung (Van der Plas et al. 1994,
4 cchwere Systemerkrankung Zipper 2000)
4 akute tiefe Beinvenenthrombose 4 Flimmerskotome (Guex et al. 2005)
4 lokale, im Bereich der Sklerosierung gelegene 4 migräneartige Symptome (Künzelberger et al. 2006)
oder schwere generalisierte Infektionen 4 orthostatischer Kollaps
4 längerfristige Immobilität oder Bettlägerigkeit 4 Thromboembolie (Hohlbaum 1990)
4 fortgeschrittene arterielle Verschlusskrankheit
im Stadium III oder IV
4 Hyperthyreose (bei jodhaltigen Sklerosierungs- Darüber hinaus wird dringend empfohlen, die aktuellen
mitteln) Fachinformationen der eingesetzten Sklerosierungsmittel
4 Schwangerschaft (außer bei zwingender Indi- zu berücksichtigen (Kreussler 2005).
kation) Allergische Hautreaktionen treten gelegentlich als
allergische Dermatitis, Kontakturtikaria oder Erythem
Relative Kontraindikationen (Baccaglini et al. 1997, auf. Anaphylaktischer Schock sowie die versehentliche in-
Villavicencio et al. 1996) traarterielle Injektion sind sehr seltene Komplikationen,
4 Beinödem, nicht kompensiert die eine Notfallsituation darstellen (Feied et al. 1994, Oesch
4 diabetische Spätkomplikationen (z. B. Poly- et al. 1984).
neuropathie) Passagere migräneartige Symptome treten nach
4 arterielle Verschlusskrankheit im Stadium II Schaumsklerosierung häufiger auf als nach Flüssigver-
4 schlechter Allgemeinzustand ödung (Guex et al. 2005).
4 Bronchialasthma Thromboembolische Ereignisse (tiefe Venenthrom-
4 ausgeprägte allergische Diathese bose, Lungenembolie oder Apoplexie) treten nach Sklero-
4 bekannte Thrombophilie oder Hyperkoagulabilität sierungstherapie in seltenen Ausnahmefällen auf. Größere
mit oder ohne abgelaufener tiefer Beinvenen- Mengen an Sklerosierungsmittel und Patienten mit anam-
thrombose (Feied 1993, Hamel-Desnos et al. nestisch abgelaufener Thromboembolie oder bekannter
2003) Thrombophilie (Hamel-Desnos et al. 2003) sind mit einem
höheren Risiko behaftet. Bei Patienten mit diesen Risiko-
faktoren sind eine strenge Indikationsstellung und zusätz-
Darüber hinaus wird dringend empfohlen, die aktuellen liche Vorsichtsmaßnahmen angezeigt.
Fachinformationen der eingesetzten Sklerosierungsmittel Hautnekrosen werden sowohl nach paravasaler Injek-
zu berücksichtigen (Kreussler 2005). tion höherprozentiger Sklerosierungsmittel als auch, selten,
nach lege artis durchgeführter intravasaler Injektion mit ver-
schiedenen Konzentrationen, beispielsweise 0,5% Polidoca-
23.3.4 Komplikationen und Risiken nol bei der Sklerosierung von Besenreisern, beschrieben
(Fisher 2000, Goldman et al. 1995). Im zweiten Fall wird ein
Bei sachgerechter Durchführung ist die Verödungsbe- Mechanismus mit Übertritt des Sklerosierungsmittels über
handlung eine effiziente und nebenwirkungsarme Thera- arterio-venöse Anastomosen in den arteriellen Schenkel
pieform. Im Rahmen der Therapie können prinzipiell eine diskutiert (Bergan et al. 2000). In Einzelfällen wurde dies als
Reihe von unerwünschten Wirkungen beobachtet werden Embolia cutis medicamentosa beschrieben (Geukens et al.
(Goldman et al. 2007). Diese sind in der folgenen Über- 1999, Kersting et al. 1998, Remy et al. 1978).
sicht wiedergegeben. Nach versehentlicher intraarterieller Injektion kann
es zu ausgedehnten Nekrosen kommen (Fisher 2000, Gold-
man et al. 1995, Oesch et al. 1984).
278 Kapitel 23 · Verödungstherapie

Hyperpigmentierungen werden mit einer Häufigkeit


23 zwischen 0,3 und 10% beschrieben (Georgiev 1993, Weiss . Tab. 23.3. Anhaltswerte für Konzentration und Inhaltsmen-
ge von polidocanolhaltigen Skerosierungsmitteln bei Flüssig-
et al. 1999). In der Regel bilden sie sich langsam zurück. sklerosierung – Polidocanolhaltige Skeroskierungsmittel
Das Matting, feine Teleangiektasien im Bereich einer
verödeten Varize, ist eine nicht vorhersehbare individuelle Indikation Menge/Injektion Konzentration
Reaktion des Patienten und kann auch nach der operativen
Besenreiser 0,1–0,2 ml 0,25–0,5%
Ausschaltung einer Krampfader auftreten (Goldman et al.
1995). Zentralvenen 0,1–0,2 ml 0,25–1,0%
Nervenschädigungen sind nach paravasaler Injektion v. Besenreiser
im Experiment beschrieben worden (Van der Plas et al. retikuläre Varizen 0,1–0,3 ml 1,0%
1994, Zipper 2000). Nur sehr selten können lokale Paräs-
kleine Varizen 0,1–0,3 ml 1,0%
thesien auftreten.
Weitere passagere Erscheinungen nach einer Sklero- mittelgroße Varizen 0,5–2,0 ml 2,0–3,0%
sierung sind intravasale Koagula, Phlebitiden, Hämato-
große Varizen 1,0–2,0 ml 3,0–4,0%
me, Geschmacksirritationen, Druckgefühl in der Brust,
Schmerzen am Injektionsort, Schwellungen, Indurationen,
leichte Herz-Kreislaufreaktionen, Übelkeit. Dazu kommen
Komplikationsmöglichkeiten durch den Kompressions- 0,5, 1, 2, 3, und 4% zugelassen. Die maximale Tagesdosis
verband, wie z. B. Blasenbildung (z. B. Blasen im Bereich von Polidocanol beträgt 2 mg/kg Körpergewicht (Kreuss-
eines aufgeklebten Pflasters). Intravasale Koagula können ler 2005).
nach Stichinzision exprimiert werden, um die Entstehung Anhaltswerte für die Konzentration und Menge pro
von Hyperpigmentierungen zu vermindern. Injektion bei der Flüssigsklerosierung gehen aus 7 . Tab.
23.3 hervor (Kreussler 2005).
> Die Verödungsbehandlung ist ein Eingriff, der der
Für die Sklerosierung benötigt man eine leichtgängige
Aufklärung bedarf.
Einmal- oder Glasspritze sowie dünnkalibrige Kanülen.
Zur lokalen Kompression dienen Watte- oder Gazetupfer
oder -polster und Papierpflaster. Die verschiedenen Tech-
23.3.5 Diagnostik vor Sklerotherapie niken variieren erheblich (Baccaglini et al. 1997). Für die
Flüssigsklerosierung selbst gelten folgende Grundsätze:
Die erfolgreiche Sklerotherapie setzt ein planvolles Vor- 4 Die Punktion der zu verödenden Venen kann in auf-
gehen voraus. Die Sklerosierungstherapie soll in der Regel rechter Position oder im Liegen erfolgen.
in der Reihenfolge von den Insuffizienzpunkten und den 4 Die Injektion wird üblicherweise in liegender Körper-
großen Varizen zu den kleineren vorgenommen werden. position durchgeführt. Nach Punktion der Vene mit
Daher ist vor der Behandlung eine ausreichende Diagnos- freier Kanüle oder aufgesetzter Spritze wird die intra-
tik durchzuführen (Baccaglini et al. 1997, Goldman et al. vasale Lage überprüft.
2007, Villavicencio et al. 1996). 4 Die intravasale Injektion des Sklerosierungsmittels er-
Hierzu zählen: Anamneseerhebung, klinische Unter- folgt langsam, eventuell fraktioniert und unter Kon-
suchung und Dopplersonographie. Zusätzlich kommen trolle der intravasalen Lage der Kanüle. Starke Schmerz-
Funktionsuntersuchungen und bildgebende Verfahren wie haftigkeit während der Injektion kann auf paravasale
die Duplexsonographie in Betracht. Injektion hinweisen.
Mit Hilfe der Funktionsuntersuchungen kann die zu 4 Unmittelbar nach Injektion des Sklerosierungsmittels
erwartende Verbesserung der venösen Funktion durch die und nach Entfernung der Kanüle erfolgt die lokale
Ausschaltung der Varikose abgeschätzt werden. Kompression im Verlauf der verödeten Vene (Drake et
Die bildgebende Diagnostik dient insbesondere der al. 1996, Stanley et al. 1991, Tazelaar et al. 1999).
Identifikation insuffizienter Verbindungen zum tiefen 4 Im Anschluss an die Sklerosierung wird die behandelte
Venensystem, der Lokalisation pathologischer Refluxe so- Extremität komprimiert. Dies ist sowohl mit einem
wie der Abklärung postthrombotischer Veränderungen Kompressionsstrumpf als auch mit einem Kompres-
und zur Auswahl der sinnvollsten Therapieoption. sionsverband möglich (Drake et al. 1996, Goldman et
Durchführung der Sklerosierungsbehandlung von Va- al. 1990). Bei Sklerosierung von Besenreiservarizen
rizen wird dies unterschiedlich gehandhabt.
Für die Sklerosierungsbehandlung von Varizen ist in 4 Die lokale Kompression kann am Abend oder am
der Bundesrepublik Deutschland Aethoxysklerol® mit nächsten Tag entfernt werden. Die Kompression wird
dem Wirkstoff Polidocanol in den Konzentrationen 0,25, je nach Kaliber und Lokalisation der Varizen für Stun-
23.3 · Empfehlungen zur Sklerotherapie mit flüssigen Mitteln
279 23
den bis mehrere Tage und Wochen nach Abschluss der sierung von Besenreisern (Kern et al. 2007, Massay 1999,
Sklerosierungsbehandlung durchgeführt (Baccaglini et McDonagh 1999, Weiss et al. 1999). Die Häufigkeit von
al. 1997, Reddy et al. 1986, Villavicencio et al. 1996). Pigmentierungen nimmt signifikant ab (Goldman et al.
4 Nach der Sklerosierungssitzung in konventioneller 1990, Weiss et al. 1999).
Technik soll der Patient einige Zeit gehen (Thrombo- Die lokale exzentrische Kompression erhöht signifikant
seprophylaxe durch ausreichende Mobilität). Auf An- den lokalen Druck im Sklerosierungsbereich und verbes-
zeichen für allergische Reaktionen ist zu achten. sert die Effektivität der Sklerosierung (Stanley et al. 1991).
4 Intensive sportliche Betätigung, heiße Bäder, Sauna Alte Vergleichsstudien zur Behandlung der Stamm-
und ausgeprägte UV-Einstrahlung (Sonnenbank) varikose zwischen operativer Sanierung und Sklerothe-
sollen in den ersten Tagen nach der Sklerosierung ver- rapie mit flüssigen Verödungsmitteln zeigten eine höhere
mieden werden. mittelfristige Rezidivrate bei der Flüssigsklerosierung
(Einarsson et al. 1993).

23.3.6 Duplexsonographisch kontrollierte Literatur


Verabreichung Baccaglini U, Spreafico G, Castoro C, Sorrentino P (1997a) Consensus
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Bullens-Goessens YIJM, Mentink LF, Nelemans PJ, Van Geest AJ, Veraart
ten die zu verödende Vene duplexsonographisch dargestellt
JCJM (2004) Ultrasound-guided sclerotherapy of the insufficient
und unter Sicht punktiert. Die Nadel ist im sonographischen short saphenous vein. Phlebologie Germany 33,3:89–91
Bild sichtbar und die intravasale Injektion kann kontrolliert Conrad P, Malouf GM, Stacey MC (1995) The Australian Polidocanol
werden. Einige Autoren empfehlen eine intermittierende (Aethoxysklerol) study. Results at 2 years. Dermatol Surg 1995;
Kompression mit dem Schallkopf im Anschluss an die In- 21:334–6
jektion (Schadeck 1996, Schadeck et al. 1997). Hierbei kann De Waard MM, Der Kinderen DJ (2005) Duplex ultrasonography-guid-
ed foam sclerotherapy of incompetent perforator veins in a pa-
eine Kontraktion des injizierten Venenabschnittes und die
tient with bilateral venous leg ulcers. Dermatol Surg 31,5:580–3
Länge der verödeten Strecke beurteilt werden. Mit dieser Drake LA, Dinehart SM, Goltz RW, Graham GF, Hordinsky MK, Lewis CW,
Methode wird ein kontrolliertes Vorgehen mit weniger Pariser DM, Skouge JW, Webster SB, Whitaker DC, Butler B, Lowery
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senreiser und retikuläre Varizen) gilt die Sklerosierungsbe- treatment of long saphenaous vein insufficiency. Vasomed 11,
handlung als Standardtherapie, mit der eine bis zu 90%ige Suppl.1:8
Besserung erzielt werden kann (Kahle 2006, Kern et al. Georgiev M (1993) Postsclerotherapy Hyperpigmentations. J Derma-
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> Vor Beginn der Sklerotherapie sollte eine genaue
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Great Saphenous Vein Sclerotherapy Using Standardised Polido- Diagnostik erfolgen. Zur Sklerotherapie sollte
canol Foam (ESAF): A Randomised Controlled Multicentre Clinical ein entsprechender Therapieplan erstellt und die
Trial. Eur J Endovasc Vasc Surg, 35, 2, 238–245 Ergebnisse nach Beendigung evaluiert werden
23.4 · Technik und Praxis der Verödungstherapie
281 23
Unter Varizensklerosierung bzw. Varizenverödung ver- Ausführungen beziehen sich auf die Technik der geschlos-
steht man senen Nadel, d. h. mit aufgesetzter Spritze. Darüber hinaus
4 Die irreversible Schädigung des Endothels einer Vene sind auch Butterflykanülen und Mikrokatheter geeignet.
durch kontrollierte Einspritzung eines lokal toxisch Vor der Punktion sollte das betroffene Hautareal desinfi-
wirkenden Mittels mit konsekutiver Abscheidung eines ziert werden. Dosierung und Injektionsvolumen richten
lokalen Thrombus und Abheilung der Schädigungsfol- sich nach dem jeweiligen Varizentyp. Verschiedene Dosie-
gen unter Obliteration der Vene durch Fibrosierung. rungsprotokolle wurden publiziert(. Tab. 23.4)
Eine Möglichkeit, unerwünschte Wirkungen möglichst
Grundlage aller Sklerotherapieverfahren sind die fol- gering zu halten, besteht in der Verminderung der Wirk-
genden Prinzipien: stoffdosis. Hierbei kommt der weiter unten beschriebenen
4 stets mit der größten Varize beginnen und mit der intermittierenden Kompression eine entscheidende Rolle
kleinsten aufhören zu. Mit dieser Technik lässt sich das Krampfadervolumen
4 von oben (leistenwärts) nach unten (fußwärts) vor- reduzieren und somit auch die Dosis des zu verabreichen-
gehen den Wirkstoffs, bzw. des Wirkstoffvolumens. Die so er-
4 Läsionen vermeiden reichten verminderten Wirkstoffmengen sind nicht immer
deckungsgleich mit den Empfehlungen der 2. Konsensus-
Mit der Wiederentdeckung der Schaumsklerosierung konferenz von 2006 (Breu 2008). Generell sollte man fol-
haben sich sowohl die Injektionstechnik als auch das me- gende Punkte beachten:
thodische Vorgehen etwas verändert. 1. Eine oberflächlich gelegene, stark dilatierte Varize
Neben Polidocanol, das in Europa das gebräuchlichste (Durchmesser >3 mm) ist für eine direkte Schaumgabe
Sklerosierungsmittel ist, stehen noch andere Agenzien zur nicht geeignet. Voraussetzung ist hier eine Kaliber-
Verfügung. Hier handelt es sich um Sodiumtetradecylsul- und damit auch Volumenreduktion. Man erreicht dies
fat (Sotradecol®, 1%, 3%), jodierte Verbindungen (z. B. durch Flüssigsklerosierung bei einer Wirkstoffkonzen-
Variglobin®, 2%, 4%, 8%, 12%) und hypertone NaCl-Lö- tration von 1% oder 3% mit anschließender intermit-
sung (10–30%). In den folgenden Ausführungen geht es tierender Kompression. Die Situation ist nun identisch
ausschließlich um den Einsatz von Polidocanol (Aethoxy- mit der unter Punkt 2.
sklerol® AET) in Form von konventioneller Sklerosie- 2. Eine oberflächlich gelegene, wenig dilatierte Varize
rungsflüssigkeit oder als Schaum bei den verschiedenen kann von einer kleinen Menge (1–2 ml) schwach kon-
Krampfadertypen (Varizen der Saphena magna und parva, zentrierten Schaums (0,5%) profitieren.
Perforans-, Seitenast- und retikuläre Varizen, Teleangiek- 3. Für retikuläre Varizen sind sowohl Flüssigsklerosie-
tasien, postoperative Rezidive). rung als auch Schaumsklerosierung geeignet.
Bei der Sklerotherapie wird ein Sklerosierungsmittel in 4. Eine dilatierte tief gelegene Varize kann zunächst mit-
eine Krampfader beliebigen Kalibers injiziert. Material tels Flüssigsklerosierung, gefolgt von intermittierender
und Instrumente sind exakt an die jeweils vorliegenden Kompression, behandelt werden, um ihren Durch-
Gegebenheiten anzupassen. Empfohlen wird die Ver- messer zu verkleinern. Anschließend werden 1–4 ml
wendung von leichtgängigen Plastikeinmalspritzen (2 bis 3%iger Schaum injiziert. Dabei sollte man stets den
5 ml). Kaliber und Länge der Nadeln sind abhängig von Verlauf der Varize im Auge behalten, denn aus »sub-
Varizengröße und Gewebetiefe zu wählen. Die folgenden faszial« kann leicht »suprafaszial« werden! Es muss

. Tab. 23.4. Wirkstoffkonzentration und Menge des Sklerosierungsmittels in Abhängigkeit vom Varizentyp

Lokalisation/Typ Konzentration Flüssigmittel [ml] Schaum [ml] Bemerkungen

VSM 3% 1–2 1–4 Intermittierende Kompression

Hunter-Perforans 3% Intermittierende Kompression

VSP 3% – 2–3 Subfasziale VSP wird wie VSM behandelt

Rezidive 3% 2 2 Wenn tief gelegen, Intermittierende Kompression

0,5–1% 2 2–5 –

Retikuläre Varizen 0,5% 2 2 –

Teleangiektasien 0,25–0,5% 2 – –
282 Kapitel 23 · Verödungstherapie

verhindert werden, dass ein zu stark konzentriertes Üblicherweise wird initial 1 ml 3%ige Sklerosierungs-
23 Produkt an die Hautoberfläche gelangt (Gefahr einer flüssigkeit injiziert, wodurch ein Spasmus provoziert wird.
entzündlichen Reaktion und/oder Pigmentation). Unter diesem Spasmus erfolgt eine zweite Injektion mit
2 ml 3%igem Schaum. Hierbei ist die Haut nahezu senk-
recht zu perforieren. Die Nadelspitze erscheint in dem
23.4.1 Technik bei große Varizen Ultraschallbild weiß in der Mitte des Venenlumens.

Große Varizen (Saphena- und Perforansvenen, > Es ist darauf zu achten, dass etwas Blut in die
postoperative Rezidive). Spritze zurückgeflossen sein muss, bevor man
mit der Injektion beginnt (. Abb. 23.5)
Der anatomische Verlauf dieser großen Varizen, der Aus-
gangspunkt ihres Refluxes sowie die topographische Ver- Die Injektionsstelle sollte nicht auf Höhe der Crosse, son-
teilung der Kollateralen sind zunächst mittels Duplexsono- dern unterhalb des präterminalen Klappenapparats liegen.
graphie zu bestimmen. Bei den Saphena- und Perforans- Hier ist das Risiko, versehentlich in eine Arterie injizieren,
venen ist die Technik der sonographisch kontrollierten extrem gering. Wie die Hände zu halten, die Sonde und die
Sklerosierung obligatorisch. Bei postoperativen Rezidiven Nadel zu platzieren sind, zeigt . Abb. 23.5.
hängt der Einsatz des Ultraschalls davon ab, wie tief die zu Unter duplexsonographischer Kontrolle kann die In-
behandelnde Varize gelegen ist. Für jeden der im Folgen- jektion sowohl im Längsschnitt als auch im Querschnitt
den besprochenen Fälle ist die Behandlungstechnik etwas durchgeführt werden. Wie . Abb. 23.6 zeigt, hat die trans-
unterschiedlich.

Tipps für die Praxis Sehr sichere Injektionen sind mit der
Butterflykanüle möglich. Hierfür kommen besonders die
in der Nähe der Hautoberfläche gelegenen Varizen in Fra-
ge, z. B. Perforansvarizen (ausgenommen die des Hunter-
Kanals), Varizen der Saphena parva und einige postope-
rative Rezidive. Auch für die Injektion größerer Schaum-
volumina sind Butterflykanülen oder Minikatheter geeig-
net. Bei der Verwendung des Minikatheters ist ein höherer
Zeitbedarf zu bedenken. Hier ist besonders darauf zu ach-
ten, dass die Behandlung aseptisch bleibt.
Die direkte Injektion mit geschlossener Nadel erfordert
eine geübte Hand, ist aber eine sehr viel flexiblere Metho-
de, die hinsichtlich Versuchshäufigkeit, Geschwindigkeit
und Anpassungsfähigkeit deutliche Vorteile hat. Sie ist bei . Abb. 23.5. Manuelle Technik der Venensklerosierung. Voraus-
allen Krampfadertypen möglich. Konzentration, Volumen setzung für eine sichere Injektion ist die stabile Lage der Hände des
und Form des Wirkstoffs sind je nach Varizentyp zu wäh- Therapeuten auf der Extremität des Patienten.
len; man beachte hierbei die unter 7 Abschn. 23.4.1.1 her- 1: Dreikammerplastikspritze; 2: Aspiration von venösem Blut; 3: Nadel-
Schallkopf-Abstand 5–10 mm; 4: Schallkopf in transversaler Position
vorgehobenen 4 Empfehlungen.

V. saphena magna
Der Ausgangspunkt des Refluxes wird mittels Duplexsono-
graphie bestimmt, desgleichen die Venentiefe. Bei dieser
Untersuchung muss der Patient stehen.
Anschließend sitzt oder liegt der Patient, die Beine sind
ausgestreckt. In dieser Stellung wird der Haut-Venen-Ab-
stand gemessen. Nun wählt man eine ausreichend lange
Nadel, mit der man die Hinterwand der Saphena erreichen
kann. Wenn dies nicht beachtet und zu unüberlegt und zu
schnell punktiert wird, kann die Endothelschicht der Vene,
die sehr elastisch ist, nicht durchstochen werden. Wenn
aber die Nadel lang genug ist, um die hintere Venenwand
zu erreichen, lässt sich das Endothel leicht durchstechen, . Abb. 23.6. Position der Nadelspitze. Sie liegt mittig im Venenlu-
so dass eine Injektion problemlos möglich ist. men, nahe der Hinterwand
23.4 · Technik und Praxis der Verödungstherapie
283 23
versale Technik den Vorteil, dass sich die Nadel ins Zen- Beabsichtigt man eine größere Menge Schaum zu
trum der 4 Messlinien führen lässt, die das Venenlumen injizieren (>5 ml), so empfiehlt sich die Verwendung eines
markieren. Dank dieser Möglichkeit können auch kleinere Katheters.
Venen (<2 mm) punktiert werden.
Beste Bedingungen für eine Injektion unter Ultra- Tipps für die Praxis Die Injektionsstelle sollte im oberen
schallkontrolle sind gegeben, wenn man die folgenden Drittel des Oberschenkels liegen. Am besten injiziert man
»10 Gebote« beachtet. dort, wo das Venenkaliber am kleinsten ist, so dass das
Sklerosierungsmittel die Veneninnenwände gut impräg-
nieren kann.
Allgemeine Praxis der Echosklerotherapie
Bei senkrechter Injektion kann es vorkommen, dass
1. Bestimmung der Tiefe der Varizenhinterwand eine Vene komplett durchstochen wird. Das ist hier nicht
2. Wahl einer Nadel von geeigneter Länge weiter gefährlich. Man zieht die Nadel etwas zurück, bis die
3. die Vene muss im Zentrum des Bildschirms Nadelspitze mittig im Venenlumen liegt. Dabei ist häufig
sichtbar werden zu beobachten, dass die Nadelspitze etwas erodiert er-
4. Bezugspunkt für die Platzierung der Nadel ist die scheint und wie ein Angelhaken an der hinteren Venen-
Mitte des Ultraschallkopfs (Abstand 5–10 mm) wand hängt. Im Ultraschall ist gut zu erkennen, wie sich
5. Durchquerung der Venenvorderwand mit kurz diese Wand plötzlich von der Nadel löst und ihre ursprüng-
aufeinander folgenden Stichen liche Lage wieder einnimmt.
6. die Nadelspitze wird ultraschallgesteuert in die Man kann die Wirkung des Sklerosierungsmittels auf
Venenmitte vorgeschoben (. Abb. 23.6) die Venenwand kurz nach der Injektion durch eine sog.
7. zur Kontrolle blutigen venösen Reflux in die intermittierende Kompression deutlich verbessern. Hier-
Spritze aspirieren (. Abb. 23.5) zu benutzt man den Schallkopf, mit dem man im Se-
8. langsame Injektion des Sklerosierungsmittels kundentakt etwa eine Minute lang auf die Vene drückt.
9. um eine sichere Injektion zu gewährleisten, Hiernach kommt es sehr schnell zu einem erheblichen
sind die Hände an der betroffenen Extremität Spasmus in dieser Venenregion (≥ 75%). Dieser Spasmus
abzustützen (. Abb. 23.5) ist immer zu sehen. Es tritt ein Ödem an der Venenwand
10. Ausschluss einer eventuellen extravasalen Injektion auf, wodurch sich das Venenkaliber erheblich verkleinert
(. Abb. 23.7).
Die Dauer des initialen Spasmus lässt sich verlängern,
In der Regel bringt die anschließende Kompression mittels wenn man die Vene etwa 10‒20 cm unterhalb der Injek-
Strumpf oder Verband im oberen Drittel des Oberschen- tionsstelle komprimiert. Die beschriebene Kompressions-
kels keinen weiteren Nutzen, es sie denn, die Saphena ver- methode ist nur nach Verwendung von flüssigem Sklero-
läuft hier nahe der Oberfläche. sierungsmittel angebracht. Hier ist ihre therapeutische

. Abb. 23.7. Parietales Ödem. Im Ab-


stand von 1 mm. Sowohl im Transver-
salschnitt (a) als auch im Longitudinal-
schnitt (b) erscheint das Varizenkaliber an
dieser Stelle deutlich reduziert

a b
284 Kapitel 23 · Verödungstherapie

Wirksamkeit allerdings so beeindruckend, dass man sie Untersuchung verschafft man sich Klarheit über die An-
23 nach jeder Flüssigsklerosierung durchführen sollte. zahl der Mündungsstellen wie auch über das Ausgangs-
Anschließend besteht die Möglichkeit der Schaumskle- niveau des Refluxes. Auch bei der Darstellung der benach-
rosierung: Mit einer kleinen Menge Schaum (2 ml) lässt barten Venen und Arterien und ihrer Beziehung zur
sich bereits ein relativ großer Abschnitt des betroffenen Saphena parva muss der Patient stehen. Liegt die Parva-
Saphenasegments erreichen. Während der Injektion muss mündung oberhalb des Kniegelenkspalts, so sind die Ge-
die Nadel permanent auf dem Ultraschallbildschirm zu fahren arterieller Kontakte reduziert.
sehen sein. Um dies zu erreichen, kann man die Ausrich- Anschließend sollte man die Begleitarterie der Saphena
tung des Ultraschallkopfes so variieren, dass das Ultra- parva aufsuchen und ihren Verlauf vom Kniegelenkspalt bis
schallfeld der Nadelspitze quasi entgegenkommt. Hierin etwa in die Mitte der Wade verfolgen. Diese kleine Arterie
besteht auch die einzige Möglichkeit, eine eventuelle extra- erscheint in der farbkodierten Duplexsonographie variabel,
vasale Injektion zu erkennen, die sich in einem schwarzen, weist kein konstantes Kaliber auf und kann sich in zwei
sichelförmigen, »transsonorem« Feld manifestiert, das sich oder mehrere Äste teilen. Meist bleibt sie in Kontakt mit der
über, unter oder neben der Vene befinden kann. Saphenawand, kann sich aber im mittleren Wadendrittel
Eine extravasale Injektion mit Schaum ist an einer hyper- vom Parvastamm lösen (. Abb. 23.8). Im weiteren Verlauf
echogenen Sichelform zu erkennen, die – bezogen auf die In- nähert sie sich der Parva dann wieder an.
jektionsstelle – über der Vene erscheint. Der dadurch bewirkte Bei der Injektion kann sich der Patient sowohl im sog.
kegelförmige Schatten verhindert jede weitere Kontrolle der Vierfüßlerstand als auch in Bauchlage befinden. In der
Nadelposition. In einer solchen Situation ist es zwingend ge- Bauchlage sollte das zu behandelnde Bein leicht angeho-
boten, die Injektion abzubrechen und an einer benachbarten ben sein, um das fasziale Bindegewebe zu lockern.
Stelle einen erneuten Versuch zu unternehmen. Die Saphena parva, die oft im Inneren der Faszie ver-
Bei geringeren Dosen sind nach extravasaler Injektion läuft, präsentiert sich hierbei ganz unterschiedlich: in der
im Übrigen keine Komplikationen zu erwarten. Wadenmitte wirkt sie im Querschnittsbild elliptisch, wie
Unterhalb des Knies verläuft die V. saphena magna näher abgeflacht, während sie in der Nähe der Kniegelenkspalte
unter der Oberfläche. Hier ist es empfehlenswert, eine kürze- oder ganz unten am Bein eher kreisförmig erscheint.
re Nadel zu wählen und diese mehr tangential zu führen. Bei der Wahl der Injektionsstelle hat man also auf
die Nähe der Vene zur Begleitarterie zu achten und auf
V. saphena parva den Abschnittstyp, der einer Punktion zugänglich sein
Zu Recht gilt die Behandlung der kleinen Saphenavene als muss. Wegen der geringen Venentiefe verwenden wir eine
heikel, stellt doch ihre arterielle Umgebung ein perma- 25- oder 26-G-Nadel. Noch sicherer wird die Injektion,
nentes potenzielles Risiko dar. Zunächst ist es wichtig, eine wenn man einen Minikatheter oder eine Butterflykanüle
Untersuchung am stehenden Patienten durchzuführen, verwendet.
um zu sehen, um welchen Mündungstyp es sich bei dieser Üblicherweise werden 2‒3 ml AET-Schaum (keines-
Stammvene handelt. Sie kann in die V. poplitea münden, in falls mehr) in 3%iger Konzentration injiziert. Die Injek-
die V. saphena magna, in die V. femoralis superficialis oder tion sollte immer im Transversalschnitt erfolgen, wobei
auch in das Gebiet der Oberschenkelhinterseite. Durch die die Nadelspitze mittig im Venenlumen zu platzieren ist.

a b

. Abb. 23.8. Begleitarterie der V. saphena parva. a In der Farbdup- Nerv dicht nebeneinander. b An dieser Stelle im mittleren Waden-
lexsonographie liegen die Saphena parva, ihre Begleitarterie und ihr drittel hat sich die Arterie deutlich vom Saphenastamm entfernt
23.4 · Technik und Praxis der Verödungstherapie
285 23
Nur so lässt sich vermeiden, dass versehentlich die manch- spricht dem bei der Saphena magna (s. o.): Flüssigsklero-
mal kaum sichtbare Parvabegleitarterie punktiert wird. sierung an der engsten Stelle, gefolgt von intermittierender
Man sollte schräg einstechen, die Vene so gut wie möglich Kompression, anschließend Schaumsklerosierung etwas
katheterisieren und die Nadel im Veneninneren stabil unterhalb des ersten Einstichs. Auch die injizierten Dosen
halten. sind vergleichbar.
Eine Kompression empfiehlt sich vor allem bei ober-
flächlichen, stärker hervortretenden, großkalibrigen Ästen. Andere Perforansvenen
Die Dauer der Behandlung liegt zwischen 2 und 6 Tagen. Sie liegen in allen möglichen anatomischen Regionen:
innen-, außen- und lateralseitig im Oberschenkel, lateral im
Tipps für die Praxis Aufgrund der besonderen Diffu- Unterschenkel, aber auch posterior in der Wade, wo die
sionsmechanismen des Schaums ist die Frage nach dem gastrocnemischen Perforantes verlaufen und eine große
Injektionsniveau bei der Schaumsklerosierung zunächst Nähe zu benachbarten Arterien und zur Begleitarterie der
von untergeordneter Bedeutung; im Vordergrund sollten V. saphena parva besteht. Als Hauptgefahr gilt die Injektion
die Sicherheitsmaßnahmen stehen. in ein anderes Blutgefäß, denn längs des Perforanskanals
Es ist auf das Kriterium »Sicherheitsabstand« zur verlaufen zahlreiche Arteriolen. Bei der Injektion muss die
Parvabegleitarterie zu achten. Auch wird man sich einen Nadel daher immer tangential zur Haut geführt werden, um
Ort aussuchen, an dem die Vene am stärksten dilatiert ist, zu vermeiden, dass eine dieser Arteriolen getroffen wird.
denn es ist nur eine einzige Injektion möglich. Eine suk- Menge, Konzentration und Volumen des Sklerosierungs-
zessive zweite Injektion wäre zu gefährlich, denn der mit mittels sind abhängig von Typ, Länge, Kaliber und Lage der
der Erstinjektion eingebrachte Schaum könnte verhindern, jeweiligen Perforans. Üblich sind kleinere Mengen (1‒2 ml),
dass sich die Nadelspitze visualisieren und ihre genaue Po- die Wirkstoffkonzentration liegt meist bei 3%. An der
sition im Venenlumen bestimmen lässt. Oberfläche genügen 2 ml 0,5%iger Schaum.
Die intermittierende Kompression ist nur bei größeren
Waden möglich, in denen der betroffene Saphena-parva- Tipps für die Praxis Die Sklerosierung eines Perforans-
Abschnitt zirkulär bleibt. Dann befindet man sich in der kanals kann sicher recht spektakulär sein ‒ sie ist aber auch
gleichen Situation, wie sie weiter oben für die Saphena gefährlich, da sich in der nahen Umgebung zahlreiche Ar-
magna beschrieben wurde. teriolen befinden. Des Weiteren bringt sie kaum Nutzen,
denn ein Großteil des Sklerosierungsmittels fließt in die
V. accessoria anterior tiefen Venenstämme ab, so dass die Wirkung auf das vari-
Aufgrund ihres oft dilatierten und sehr oberflächlichen köse System gering ist.
Verlaufs auf der Vorderseite des Oberschenkels besteht bei Obwohl sich die Perforansvenen besser füllen lassen,
dieser Art Vene die Gefahr der Pigmentation nach Sklero- wenn der Patient steht oder mit hängendem Bein sitzt,
therapie. Bei der Behandlung ist an einige der weiter oben sollte für die Echosklerotherapie ausschließlich das Sitzen
aufgeführten Prinzipien zu denken. mit ausgestrecktem Bein gewählt werden. In dieser Posi-
4 subfasziale Flüssigsklerosierung (1 ml, 3%), möglichst tion können die Hände des Therapeuten stabil aufliegen,
weit oben, aber unter Sicherheitsabstand zur Crosse, wodurch die Injektion sicherer wird.
mit anschließender intermittierender Kompression.
4 Schaumsklerosierung mit schwach konzentriertem Rezidivvarikose nach Operation
Schaum (0,5%, 1‒2 ml) knapp unterhalb des Spasmus. Für Rezidive nach chirurgischer Behandlung ist eine Echo-
Man kann dann sehen, wie sich der Schaum in den sklerotherapie besonders hilfreich, denn ohne die Hilfe des
suprafaszialen Anteilen der Vene verteilt. Ultraschalls wären sie, zumindest teilweise, unzugänglich.
Allerdings ist ihre Behandlung sehr schwierig, da sie ex-
Vv. perforantes trem unregelmäßig verlaufen, variierende Kaliber auf-
Für eine Sklerotherapie in der Tiefe sind nur die auf der weisen und komplexe Gefäßnetze entwickeln können.
Innenseite des Oberschenkels gelegenen Perforansvenen Aufgrund ihrer Größe kann es manchmal zu starken post-
des Hunter-Kanals geeignet. Man behandelt sie wie die sklerotischen Reaktionen kommen.
V. saphena magna. Bei allen anderen tief gelegenen Per- Wie bei den Stammvenen beginnt man auch hier so
foransvenen besteht die Gefahr, in eine Arterie oder Arte- hoch wie möglich. Wichtig ist es, daran zu denken, dass
riole zu stechen, wenn man sie in der Tiefe aufsucht. durch Gefäßneubildung zahlreiche Arteriolen entstanden
sind, insbesondere im Bereich der eingewanderten Lymph-
Hunter-Perforans knoten, der niemals punktiert werden sollte.
Zunächst ist ein Reflux zum über der Perforans liegenden Die Injektion fällt leichter, wenn man die am weitesten
Saphenastamm auszuschließen. Das weitere Prozedere ent- dilatierte Stelle der Varize aufsucht und dort eine kleinere
286 Kapitel 23 · Verödungstherapie

Menge Flüssigsklerosierungsmittel (1 ml) in höherer Kon- Man verabreicht insgesamt 2 ml niedrig konzentriertes
23 zentration (3%) injiziert. Anschließend wird intermit- Flüssigsklerosierungsmittel (0,25‒0,5%) in 10‒15 Injek-
tierend komprimiert. Erscheint danach das Kaliber ver- tionen.
kleinert, so wird Schaum injiziert, um das Varizennetz in
seinen wesentlichen Anteilen zu veröden. Hier sollte die Tipps für die Praxis Nie sollte die größtmögliche Fläche
Konzentration zwischen 0,5 und 1% liegen, die Menge 4 ml auf einmal behandelt werden, denn es gibt noch keine be-
nicht überschreiten. friedigende Technik, mit der das Sklerosierungsmittel in
dieser Art von Gefäßnetzen zu verteilen wäre.
Tipps für die Praxis Varizenrezidive sind meist nicht in- Zur Vermeidung von Überdosierungen durch Mehr-
trafaszial fixiert, sondern verlaufen frei in der Muskel- fachinjektionen in ein und dieselbe Region hat sich fol-
masse. Bei der Punktion gelingt es daher oft nicht, die gendes Mittel bewährt: Nach jeder Injektion wird ein
Varize im ersten Anlauf zu durchstechen. Sie wird zurück- kleiner Wattebausch mit Heftpflaster auf der Einstichstelle
geschoben, ohne dass sich ihre Wand perforieren ließe. fixiert.
Man muss dann erneut punktieren, und zwar mit kleinen,
kurz aufeinander folgenden Stichen. Oft weisen Varizen-
rezidive stark geschlängelte Passagen auf, die eine Punk- 23.4.3 Kompression nach Sklerosierung,
tion erschweren können. Man sollte daher besser einen Nachbehandlung
möglichst geradlinigen Abschnitt aufsuchen, der leichter
zu punktieren ist. Über die Notwendigkeit der Kompression nach Sklero-
therapie besteht keine einheitliche Meinung. Sowohl in
den Leitlinien des American Venous Forum (Villavicencio
23.4.2 Technik bei kleinen Varizen 2001) als auch in den derzeit gültigen Leitlinien der Deut-
schen Gesellschaft für Phlebologie (Rabe 2008) wird eine
Superfizielle Kollateralen und retikuläre Varizen Kompressionstherapie nach Sklerosierung empfohlen.
Aufgrund ihrer oberflächlichen Lage ist bei Varizen dieser Durch die Kompression
Art keine Echosklerosierung erforderlich. Allerdings kann 4 kann eine effektivere und schnellere Fibrosierung der
ihre Dilatation auf einen tiefer gelegenen Reflux hinweisen, behandelten Vene erreicht werden
nach dem immer zu fahnden ist und der dann zuerst be- 4 wird das Ausmaß eines eventuell entstehenden Throm-
handelt werden muss: bus begrenzt und damit die Rate von Pigmentierungen
4 üblicherweise wird dazu eine ausreichend starre, stabi- gesenkt
le 26-G-Nadel verwendet 4 werden Schmerzen im Bereich der Injektionsstelle ge-
4 die Injektion erfolgt tangential nach Aspiration von mindert
Blut zur Kontrolle des intravasalen Nadelsitzes
4 es wird niedrig konzentriertes Flüssigmittel oder Diese in den Leitlinien beschriebenen Vorteile für die
Schaum injiziert Kompression nach Sklerotherapie wurden durch eine pro-
spektiv randomisierte Studie bestätigt. Nach Sklerosierung
Tipp für die Praxis Eine dilatierte oberflächliche Vene ist von Besenreisern mit flüssigem Mittel wurden einer Grup-
die logische Konsequenz eines tiefer gelegenen, unbehan- pe Kompressionsstrümpfe für drei Wochen verordnet,
delten Refluxes, der allerdings sehr klein sein kann und die andere Gruppe wurde ohne Kompression versorgt. Die
sich evtl. nicht darstellen lässt. In diesen Fällen sollte man gemessene Patientenzufriedenheit war in beiden Gruppen
eher vorsichtig dosieren, um ausgeprägte entzündliche Re- gleich. Es zeigte sich hinsichtlich des Erfolges der Verödung
aktionen zu vermeiden. ein signifikanter Unterschied zugunsten der Kompres-
sionsgruppe (Kern 2007).
Besenreiservarizen Ob Kompressionsverbände oder Kompressionsstrümp-
4 es gibt blaue und rote Besenreiser, die kleineren sind fe zur Anwendung kommen, ist letztlich dem Behandler
die roten überlassen. Jedoch sollte lokal an der Injektionsstelle eine
4 man beginnt mit den größten, also blauen Besenrei- zusätzliche, exzentrische Kompression appliziert werden,
sern um die o. g. Effekte zu verstärken.
4 verwendet werden folgenden Nadeltypen: Auch über die Dauer der Kompression besteht kein
5 die wegen ihrer Vielseitigkeit hier besonders geeig- einheitlicher Konsens. Für Besenreiser und retikuläre Vari-
nete 26-G-Kanüle für Besenreiser und angrenzende zen sind 24 Stunden ausreichend, während bei Sklerosie-
retikuläre Varizen rung größerer Varizen ein Kompressionsdauer bis zu drei
5 die 30-G-Kanüle für sehr kleine Teleangiektasien. Wochen angegeben werden (Villavicencio 2001).
23.4 · Technik und Praxis der Verödungstherapie
287 23
> Hinsichtlich der Senkung der Rate von Pigmen- rungen werden in der Literatur mit einer Häufigkeit zwi-
tierungen nach Sklerotherapie sollten die Patien- schen 10% und 80% angegeben. Meist verblassen sie inner-
ten angewiesen werden Sonnenexposition oder halb eines Jahres, lediglich 1% ist länger als ein Jahr zu
Solarium für sechs Wochen zu meiden. beobachten (Goldman 1987). Die Inzidenz von Hyperpig-
mentierungen und Matting lässt sich durch vorsichtige
Nach der Verödungsbehandlung sollten die Patienten zur Injektion ohne allzu hohen Druck senken.
Thromboseprophylaxe laufen. Eine Thromboseprohpyla- Gelegentlich kann es durch die Sklerotherapie zu einer
xe mit niedermolekularem Heparin ist in der Regel nicht Varikophlebitis im verödeten Venensegment kommen.
erforderlich, es sei denn, es bestehen besondere Throm- Bei Verödungsbehandlung größerer Venen mit flüssigen
boserisiken. Aktivitäten und sportliche Betätigungen, die Agenzien scheint diese Komplikation häufiger aufzutreten.
den Venendruck erhöhen, sollten nach der Sklerotherapie Insgesamt wird die Häufigkeit von Varikophlebitiden zwi-
vermieden werden. schen 0,08 und 1% angegeben (Noppeney 2001). Das Auf-
Eine erneute Sklerosierung des zuvor verödeten Areals treten einer TVT nach Sklerotherapie mit flüssigen Mitteln
sollte frühestens nach 14 Tagen erfolgen, besser ist ein län- ist ebenfalls eine seltene Komplikation. Historisch betrug
gerer Abstand, empfohlen werden 4 bis 8 Wochen. Erst die Inzidenz 0,14%, aktuellere Daten von großen Kollek-
nach 4 Wochen kann der Erfolg der Sklerotherapie, insbe- tiven gegen eine Inzidenz von 0,02% an (Noppeney 2001).
sondere bei Besenreisern und retikulären Varizen, beur- Es ist wichtig vor einer Sklerosierungstherapie alle Risiko-
teilt werden. Dies führt zu weniger Sitzungen und nutzt faktoren zu analysieren, die mit einem erhöhten Throm-
damit dem Patienten. boserisiko einhergehen. Sollte ein besonders stark er-
höhtes Thromboserisiko bestehen – z. B. homozygote Fak-
tor V Leiden Mutation, durchgemachte TVT und hohes
23.4.4 Komplikationen und Ergebnisse Alter – muss das für und wider der Sklerotherapie genau
abgewogen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ge-
Die Inzidenz von Komplikationen bei Sklerosierung mit mäß den gültigen Leitlinien zu Sklerotherapie die Throm-
flüssigen Agenzien ist insgesamt sehr niedrig. Im Rahmen bophilie als relative Kontraindikation gilt.
der niedrigen Inzidenz sind am häufigsten beschrieben Zu den Ergebnissen der Sklerotherapie mit flüssigen
4 allergische Reaktionen Mittel sind in der Literatur zahlreiche Veröffentlichungen
4 Hyperpigmentierungen vorhanden, jedoch nur sehr wenige prospektiv kontrollier-
4 Matting te, randomisierte Studien. Für die Sklerosierung der VSM/
4 Hautnekrosen VSP mit flüssigen Mitteln im Vergleich zur Strippingope-
4 Varikophlebitiden ration liegen prospektiv vergleichende Studien vor, diese
4 tiefe Venenthrombose. Studien sind leider alle älteren Datums (. Tab. 23.5).
Aber auch neuere Arbeiten, die sich mit der Sklerosie-
Bei der Anwendung großer Mengen von Polidocanol kann rung der VSM mit flüssigen Mitteln befassen, zeigen eine
ein metallischer Geschmack auf der Zunge auftreten. relativ hohe Rekanalisierungsrate nach fünf Jahren mit
In einer großen Studie zur Anwendung von Polidoca- 27,8% (Schadeck 1999).
nol an 16.804 Extremitäten traten allergische Reaktionen Für die Verödung kleinster Varizen – Besenreiser und
in 0,2% der Fälle auf, wobei es sich meistens um eine Urti- retikuläre Varizen – gilt die Sklerotherapie als das Standard-
caria handelte (Conrad 1995). Die Häufigkeit von Haut-
nekrosen wird für Polidocanol zwischen 0,001% und 0,2%
angegeben. Das Potential anderer Sklerosierungsmittel
hinsichtlich Hautnekrosen wird als höher eingeschätzt . Tab. 23.5. Ergebnisse prospektiv randomisierter Studien,
(Noppeney 2001). Ursache für Hautnekrosen können peri- Rekanalisation nach Sklerotherapie mit flüssigen Agenzien

vasale Injektionen, Injektion in eine dermale Arteriole, ein


Autor Nachunter- Rekanalisie-
starker reaktiver Spasmus der behandelten Gefäßes oder suchung (Jahre) rung (%)
massiver Druck durch lokale Kompression oder einen
Kompressionsverband sein. Jacobsen 1979 3 37
Hyperpigmentierungen oder Matting können prinzi- Chant 1972 5 40
piell nach Sklerosierung von Venen jeglichen Kalibers auf-
Hobbs 1974 5 70
treten. Die Wahrscheinlichkeit steigt je oberflächlicher die
Venen liegen, je höher die Konzentration des Sklerosie- Einarsson 1993 5 51
rungsmittels und wenn sich die Patienten nach Verödung
Hobbs 1984 10 94
zu früh der UV-Bestrahlung aussetzen. Hyperpigmentie-
288 Kapitel 23 · Verödungstherapie

verfahren. Hier kann eine bis zu 90% Erfolgsrate erzielt and deep venous diseases of the lower limbs. Edizioni Minerva
23 werden.
Medica, Turin 243–246
Jacobsen HB (1979) The value of different forms of treatment for vari-
cose veins. Br J Surg 66: 72–76
Kern P, Ramelet AA, Wütschert R, Hayoz D (2007) Compression after
23.4.5 Zusammenfassung sclerotherapy for telangiectasias and reticular leg veins. A rando-
mized controlled study. J Vasc Surg 45:1212–1216
Noppeney T, Noppeney J, Scheidt A, Kurth I (2001) Indikation und
Die Varizensklerosierung kann relativ einfach sein, wenn
Technik zur Sklerotherapie bei Varikose. Zentralbl Chir 126: 546–
man einige grundlegende Prinzipien beachtet. Besonders 550
wichtig ist eine gute Technik. Als Anfänger sollte man zu- Partsch B (2004) Die Schaumverödung – eine Renaissance der Sklero-
nächst die Verödung mit Flüssigsklerosierungsmittel erler- therapie. Phlebologie 33: 30–36
nen, sei es mit oder ohne Ultraschallkontrolle. Rabe E, Pannier F, Gerlach H, Breu FX, Guggenbichler S, Wollmann JC
(2008) Leitlinie Sklerosierungsbehandlung der Varikose. Phlebo-
Mit dem Schaum hat sich ein neuer Sklerosierungsmit-
logie 37: 27–34
teltyp etabliert. Für den Anfänger ist die Therapie damit Schadeck M (1994) Duplex & Phlebology. Gnocchi, Napoli, 115–128
nicht leichter geworden; gleiches gilt für Phlebologen, die Schadeck M, Allaert FA (1999) Langzeitstudie zur Sklerosierungsbe-
bislang nur mit der Flüssigsklerosierung vertraut waren. handlung der Vena saphena magna. Vasomed 11: 155–159
Bei der Echosklerotherapie von Varizen und varikösen Schadeck M (2001) Die Duplex-kontrollierte Sklerosierungsbehand-
lung. Phlebologie 30: 94–100
Gefäßnetzen ist zu bedenken, dass sich die Behandlung
Sigg K (1976) Varizen, Ulcus cruris und Thrombose. Springer Berlin
nicht in einer Ebene, sondern auf unterschiedlichen Ebe- 1976
nen abspielt, die sich jeweils auf einem verschiedenen Tournay R (1985) La sclerose des varices. Expansion Scientifique Fran-
Niveau befinden. Für jeden Patienten ist darum ein indivi- caise, Paris, 4th edn.
dueller Behandlungsplan zu erstellen, in dem folgende Villavicencio L (2001) Sclerotherapy guidelines in : Gloviczki P, Yao J
(edts) Handbook of venous disorders. Arnold, London, New York,
Kriterien optimal aufeinander abgestimmt sind:
New Delhi, 2nd Edition, 253–266
1. welche Vene bzw. welches Areal zuerst Wildenhues B (2003) Endovenöse Schaumsklerosierung, ein minimal
2. Sklerosierungsformen (Flüssig- und/oder Schaumskle- invasives Katheterverfahren zur Behandlung der Stammvarikosis
rosierung), der Vena Saphena magna und parva. Phlebologie 32: A11–12
3. Wirkstoffkonzentrationen (z. B. schwach 0,25% oder Wollmann JC (2004) Herstellung und Eigenschaften von Sklerosie-
rungsschaum. Vasomed 16: 24
stark ≥3%),
4. Injektionsvolumina (z. B. klein bis 0,5 ml oder groß
4‒6 ml).
23.5 Schaumverödung
Vor jeder echosklerotherapeutischen Behandlung einer
varikösen Erkrankung muss man sich insbesondere über F. X. Breu
diese 4 Parameter klar werden.
Die Schaumsklerotherapie geht zurück auf Egmont James
Literatur Orbach, der bereits 1944 die Airblocktechnik bei der
Breu FX et al. (2008) 2nd European Consensus Meeting on Foam
Sklerotherapie der Varikose vorstellte. Seine ursprüngliche
Sclerotherapy 2006. Vasa 37 (Suppl 71): 1–29 Idee war es, durch Injektion einer Luftblase das Blut in der
Chant Ad, Jones HO, Weddell JM (1972) Varicose veins: a comparison zu behandelnden Vene zu verdrängen um so einen länge-
of surgery and injection compression sclerotherapy. Lancet: ren und intensiveren Kontakt des anschließend injizierten
1118–1192
flüssigen Verödungsmittels mit dem venösen Endothel
Conrad P, Malouf GM, Stacey MC (1995) The Australian Polidocanol
study. Dermatol Surg 21: 334–336
zu erreichen. Auch Karl Sigg beschrieb bereits 1949 ein
Dagrada A, Schadeck M, Uhl J-F (2006) L’artère petite saphène: essai Schaumblockverfahren bei der Verödungsbehandlung.
innovant d’investigation et de prise en charge. Phlébologie 59: Von 1939 bis 2007 wurden ca. 20 verschiedene Methoden
143–148 zur Präparation von Sklerosierungsschaum beschrieben,
Einarsson E, Ekloff B, Neylen P (1993) Sclerotherapy or surgery as treat-
die unterschiedliche Spritzenvorrichtungen, Apparaturen
ment for varicose veins: a prospective randomized study. Phlebo-
logy 8. 22–26
zum Aufschäumen und Gase (Raumluft, O2, CO2 u.a.) er-
Fegan WG (1967) Varicose veins: compression sclerotherapy. Heine- fordern. Gemeinsames Ziel der Entwicklung der Airblock-
mann Medical Books, London und Schaumtechnik war, die Wirkung des Verödungsmit-
Georgiev M (1990) Postsclerotherapy hyperpigmentations; a one year tels auf die variköse Gefäßwand zu verstärken, ohne dafür
follow up. J Dermatol Surg Oncol 16: 608–610
vermehrt unerwünschte Wirkungen in Kauf nehmen zu
Hobbs JT (1974) Surgery and sclerotherapy in the treatment of vari-
cose veins. Arch Surg 190: 793–796
müssen. Die Einführung der Sonografie bei der Sklerosie-
Hobbs JT (1984) Surgery or sclerotherapy for varicose veins: 10 year rungsbehandlung stellte den entscheidenden Fortschritt
results of a random study in. Tesi M, Dormandy J (eds) Superficial dar und ebnete durch die Sichtbarmachung des Verödungs-
23.5 · Schaumverödung
289 23
mittels und der initialen Gefäßreaktion (Vasospasmus)
dem »Siegeszug« des Schaums den Weg. Inzwischen hat
die Schaumverödung zu einer weltweiten Renaissance der
Sklerotherapie geführt und sich als ausreichend effektive
und sichere Behandlungsmethode bei allen Formen der
Varikose, einschließlich bestimmter venöser Malformati-
onen, erwiesen (7 Abschn. 23.2).

23.5.1 Verödungsschaum
. Abb. 23.9. DSS-System Easy-Foam® der Fa. Kreussler zur
Die Herstellung von Sklerosierungsschaum setzt voraus, Schaumherstellung
dass das Sklerosierungsmittel oberflächenaktiv (ein Deter-
gens) ist. Durch verschiedene Mischungsverhältnisse des
Sklerosierungsmittels mit einem Gas sowie verschiede-
nen Konzentrationen des flüssigen Mittels kann man Erste Untersuchungen am Endothelzellmonolayer so-
den jeweiligen Indikationen angepasste, in Struktur und wie im Tierversuch zeigten, dass Sklerosierungsschaum
Stabilität und damit in ihrer Wirkung verschiedene eine höhere effektive Konzentration am Endothel hat als
Schäume produzieren. Für die Verödung von großkalib- flüssiges Verödungsmittel. Die stärkere sklerosierende
rigen Varizen haben sich feinblasige und damit visköse Wirkung des Schaums beruht auf seiner Verdrängung des
(»steife«) Schäume (Mikroschaum mit einer Bläschen- Blutes, einer wesentlich langsameren Verdünnung durch
größe < 100 μm), für die Therapie von Besenreisern und das Blut und damit schwächeren Inaktivierung, die durch
retikulären Venen eher großblasige und inhomogene (eher die hohe Eiweißbindung des Verödungsmittels an Blut-
flüssigere) Schäume bewährt. Bevorzugte Anwendung bestandteile bei flüssigen Mitteln wesentlich rascher er-
finden heute drei verschiedene Techniken zur Schaum- folgt. Die Verweilzeit des Agens an der Gefäßwand ist
herstellung: wesentlich länger und der mit Schaum erzeugte Vasospas-
1. Monfreux-Technik (Monfreux 1997), die einen eher mus stärker ausgeprägt. Andererseits erzeugt Verödungs-
flüssigen und grobblasigen Schaum erzeugt schaum trotz dieser stärkeren intravasalen Wirkung weni-
2. Tessari-Technik (Tessari 2000) ger Nebenwirkungen bei versehentlicher paravasaler In-
3. DSS-Technik (double-syringe-system) (Wollmann jektion, da überwiegend Gas in das perivaskuläre Gewebe
2001) injiziert wird.
> Im Allgemeinen gilt, dass Verödungsschaum min-
Bei den letzten beiden Herstellungsmethoden wird durch
destens doppelt so potent in seiner intravasalen
»Hinundherpumpen« des Verödungsmittels in 2 Plastik-
Wirkung ist als die gleiche Menge flüssigen Ver-
spritzen über einen Konnektor (spezielle Konnektoren
ödungsmittels gleicher Konzentration. Komplika-
sind hierfür neu entwickelt worden) oder 3-Wege-Hahn
tionen bei paravasaler Injektion sind dagegen
ein sehr visköser, homogener und feinblasiger und damit
wesentlich seltener. Alle bisher durchgeführte
lange Zeit stabiler und in seiner Wirkung hochpotenter
Studien konnten zeigen, dass die Qualität des
Schaum erzeugt, der zur Behandlung großkalibriger Vari-
Schaums von größerer Bedeutung für das (auch
zen (C2-Varikose) verwendet werden sollte. Als optimales
langfristige) Therapieergebnis ist als anfangs ge-
Mischungsverhältnis zur Erzeugung der besten Schaum-
dacht wurde.
qualität hat sich ein Verhältnis Flüssigkeit zu Gas von
1:5 erwiesen (1 Teil flüssiges Verödungsmittel plus 4 Teile
Gas, z. B. Raumluft) (. Abb. 23.9). Je höher die Konzen-
tration des Verödungsmittels ist (z. B. Polidocanol 3%), 23.5.2 Indikationen
umso visköser und damit potenter ist der damit pro-
duzierte Schaum. Niedrigere Konzentrationen (z. B. Poli- Während der beiden Europäischen Konsensuskonferenzen
docanol 0,25% oder 0,5%) ergeben instabilere und da- zur Schaumsklerotherapie 2003 und 2006 am Tegernsee
mit »dünnflüssigere« Schäume. Somit kann heute auf wurde ausdrücklich betont, dass alle Varizen, unabhängig
die Monfreux-Technik weitgehend verzichtet werden, da von Art und Kaliber, mit der Schaumsklerotherapie erfolg-
mit der DSS- oder Tessari-Methode alle benötigten reich behandelt werden können. In den letzten Jahren
Schaumqualitäten für jede Indikation produziert werden haben sich aber spezifische Indikationen speziell für die
können. Schaumsklerotherapie herausgebildet.
290 Kapitel 23 · Verödungstherapie

23.5.3 Kontraindikationen
23 Spezifische Indikationen der Schaumsklero- und unerwünschte Wirkung
therapie:
4 großkalibrige Besenreiser und Zentral- bzw. Neben den absoluten und relativen Kontraindikationen
»Nährvenen« von Besenreisern der Sklerotherapie allgemein (siehe dort) müssen bei der
4 retikuläre Varikose Schaumsklerotherapie spezielle Kontraindikationen beach-
4 jede Form einer isolierten Astvarikose tet werden. So können bei der Anwendung von Sklerosie-
4 Rezidivvarikose (REVAS, recurrent veins after rungsschaum (verglichen mit Flüssigkeit) gering vermehrt
surgery) Phlebitiden, Sehstörungen, eine Migräne und extrem selten
4 Teilstreckeninsuffizienz der V. saphena magna passagere zentralnervöse Störungen auftreten. Fokal neu-
und parva vom Seitenast- oder Perforanstyp rologische Ausfälle wurden bisher in Zusammenhang mit
4 Stammvarikose beim multimorbiden/alten einem offenen Foramen ovale beschrieben. (Breu und
Patienten Partsch 2006) Das Auftreten tiefer Beinvenenthrombosen
4 Varizenruptur, Varizenspontanblutung korreliert unter anderem mit dem Volumen des applizierten
4 Adipositas Schaums pro Injektionsstelle und Bein bzw. Therapiesit-
4 periulzeröse Varikose (alter Patient, Patient mit zung. Während der 2. Europäischen Konsensuskonferenz
pAVK im Stad. II) 2006 (Breu et al. 2008) hat man sich besonders mit diesen
4 Patient, der OP oder andere Verfahren ablehnt sich daraus ergebenden spezifischen Kontraindikationen
4 Patienten mit Varikose und Lymphödem befasst und folgende Empfehlungen gegeben:
4 relative Kontraindikation für OP (z. B. orale Anti-
koagulation)
Kontraindikation: eine bekannte Thrombophilie
4 Patienten mit erhöhtem Risiko während einer
(mit hohem Risiko für TE)
Heparinbrückentherapie (bridging)
4 venöse Malformationen, z. B. Klippel-Trennaunay- Folgendes wird empfohlen:
Syndrom 4 Heparinprophylaxe (konform mit den entspre-
4 Vulvavarikose chenden Leitlinien), Prophylaxe durch physika-
4 evtl. Varizenkonvolute und stark geschlängelte lische Maßnahmen
Varikose (ungeeignet für endovenösen Laser und 4 Verwendung von geeigneten Konzentrationen
Radiofrequenztherapie) und Schaumvolumina für die zu behandelnde
Vene
4 Entscheidung von Fall zu Fall (Abwägung von
Bereits während der 1. Konsensuskonferenz 2003 (Breu Nutzen und Risiko bezüglich der jeweiligen Indi-
und Guggenbichler 2004) wurde aber auch konstatiert, kation)
dass die Verwendung von Schaum im Vergleich zu flüs- 4 vor einer Schaumsklerosierung ist es grundsätz-
sigen Sklerosierungsmitteln ein besseres Therapieergeb- lich nicht notwendig, laborchemisch nach Throm-
nis für Venen größeren Kalibers und für Varizenre- bophilien zu suchen.
zidive erzielt. Es wurde darauf hingewiesen, dass bei
viskösen Schäumen eine untere Kalibergrenze der zu ver-
ödenden Varikose besteht. Unterhalb dieser Grenze
(Besenreiservarikose und Teleangiektasien, also C1-Va- Kontraindikation: ein bekanntes asympto-
rizen) können visköse Schäume mehr Gewebeschäden matisches offenes Foramen ovale
verursachen. Folgendes wird empfohlen:
4 länger in Rückenlage liegen bleiben, zwischen
! Cave 8 und 30 min
Besenreiser, Teleangiektasien und retikuläre 4 Verwendung geringer Schaumvolumina (2 ml)
Varizen sollten mit einem eher »flüssigen« 4 Vermeidung von Valsalva-Manövern
Schaum (z. B. aus 0,25% oder 0,5% Polidocanol) 4 Verwendung flüssiger Sklerosierungsmittel
verödet werde, nicht nur um die Injektion durch 4 Beinelevation um 30 cm
die schmalkalibrigeren Kanülen zu erleichtern,
sondern auch um mögliche Gewebeschäden Ein bekanntes symptomatisches offenes Foramen
durch eine zu starke Sklerosierungsreaktion ovale ist eine absolute Kontraindikation der Schaum-
durch einen zu stark wirksamen »steifen« sklerosierung!
Schaum zu vermeiden.
23.5 · Schaumverödung
291 23
Das seltene Auftreten passagerer Sehstörungen (in bis zu satzes des Ultraschalls bei der Schaumsklerotherapie und
0,5% der Fälle) konnte inzwischen als ophtalmoplegische fand folgenden abschließenden Konsens:
Migräne identifiziert werden (Künzelberger et al. 2006).
> Konsens: Sonografisch gesteuerte Schaum-
Bei Patienten mit Migräneanamnese scheinen sie häufiger
sklerotherapie
aufzutreten. Migräneanfälle sind auch bei der Flüssigver-
Die Sonografie ist bei der Punktion nicht-sicht-
ödung beschrieben worden, wenn auch seltener. Die Häu-
barer Varizen ein wichtiges Hilfsmittel, um eine
figkeit tiefer Beinvenenthrombosen, meistens in Form
Fehlpunktion zu vermeiden. Bei der direkten
von Muskelvenenthrombosen am Unterschenkel, wird mit
Punktion und Injektion in die nicht-sichtbare
0% bis 0,93% angegeben; nach Applikation sehr großer
V. saphena magna (GSV), V. saphena parva (SSV),
Schaumvolumina (bis 52 ml pro Sitzung) zwischen 4% und
Perforansvenen und nicht-oberflächliche Varizen
6%. Dies zeigt, dass eine strikte Begrenzung des appli-
in der Leiste oder der Kniekehle ist eine Steue-
zierten Schaumvolumens nötig ist (s. u.). Vorübergehend
rung (guidance) mit Ultraschall (vorzugsweise
schmerzhafte Phlebitiden werden in bis zu ca. 5% der Fälle
Duplexsonographie) zwingend erforderlich
beschrieben. Häufigste unerwünschte Wirkung ist das
(mandatory). Auch bei anderen nicht sichtbaren
Auftreten ästhetisch störender Hyperpigmentierungen
Varizen wird eine Steuerung mit einem Ultra-
(»the ghost of the vein«). In einer eigenen prospektiven
schallbild empfohlen.
Untersuchung zur Schaumverödung sahen wir sie in über
15% der Fälle. Die meisten sind selbstlimitierend und ver- Am flach liegenden Patienten wird die zu behandelnde
schwinden nach einigen Monaten wieder. Sehr selten per- Vene am geplanten Punktionsort mit Ultraschall im Quer-
sistieren sie länger als ein Jahr. Deshalb stellen sehr ober- schnitt mit einer möglichst hochauflösenden Sonde (7,5–
flächlich liegende mittel- bis großkalibrige Varizen, speziell 13 MHz) dargestellt. Der Abstand der schallkopffernen
bei jüngeren Frauen, bei uns eine relative Kontraindikation Venenwand zur Hautoberfläche wird gemessen, was für
für die Schaumverödung dar. die Wahl der Länge der Kanüle / Braunüle® wichtig ist.
Die Nadel sollte ca. 5 mm länger sein als dieser Abstand,
wodurch ein Hindurchstechen durch die Vene vermieden
23.5.4 Durchführung werden kann. Die Kanüle wird schräg zur Hautoberfläche
exakt unter der Mitte des Schallkopfes eingestochen und
Obwohl durch Studien nicht eindeutig belegt, scheint es mit der Spitze in Richtung schallkopfnaher Venenwand
günstiger zu sein, auch bei der Schaumverödung der fran- geführt (. Abb. 23.10). Bei Abweichungen zur Seite kann
zösischen Schule zu folgen und die Varikose von proximal die Stichrichtung unter Sicht korrigiert werden. Vor dem
schrittweise nach distal und an den großkalibrigen bzw. Eindringen der Kanülenspitze in die Vene beobachtet man
den Stammvenen beginnend weiter zu den kleineren Kali- ein Eindellen der Wand und spürt oft auch einen leichten
bern zu sklerosieren. Der Einsatz der (Duplex-) Sonografie Widerstand. Die Nadel wird schließlich in die zu behan-
bietet neben der präsklerotherapeutischen Diagnostik und delnde Vene eingestochen und die korrekte Lage durch
postsklerotherapeutischen Kontrolle entscheidende Vor- aspiriertes bzw. oft schon spontan zurückfließendes Blut
teile speziell bei der Schaumverödung unmittelbar wäh- im Kanülenansatz sowie durch das typische Ultraschallbild
rend der Therapie: kontrolliert. Die anschließende Injektion des Schaums
4 Ortung nicht sichtbarer insuffizienter Venen, z. B. führt zu einem sofortigen Sichtbarwerden im Ultraschall-
V. saphena magna am Oberschenkel u. a. bild in Form wolkiger echoreicher Strukturen mit dorsaler
4 Bestimmung der besten Punktionsstelle Schallauslöschung (. Abb. 23.11). Die Ausbreitung des
4 Abgrenzung benachbarter Arterien Schaums wird beobachtet und kann durch manuelles Ver-
4 Tiefenbestimmung der Vene für die Auswahl der rich- streichen ohne stärkeren Druck auf die Haut sowie durch
tigen Länge der Kanüle/Braunüle® die Lagerung des Beins beeinflusst werden (. Abb. 23.12).
4 Visualisierung der Kanülenspitze bzw. des Katheters Da Schaum in der Blutsäule oben auf schwimmt, kann man
4 Visualisierung der intravenösen Ausbreitung des ihn durch Hochlagerung des Beins nach peripher, durch
Schaums eine leichte Kippstellung der Liege mit leichter Fußtief-
4 Verschiebung der Schaumsäule in zu verödende Areale lagerung in proximale Areale leiten. Ob eine generelle
4 Visualisierung des Vasospasmus als initiale Sklerosie- Hochlagerung des Beins nötig oder sinnvoll ist, ist umstrit-
rungsreaktion ten. Der optimale Nadeldurchmesser sollte zwischen 19G
4 Dokumentation der Sklerosierung und 23G liegen. Dünnere Nadeln scheinen zwar den
Schaum nicht zu zerstören, was neuere Untersuchungen
Während der Konsensuskonferenz 2006 am Tegernsee be- gezeigt haben. Im Ultraschallbild sind sie aber schlechter
fasste man sich eingehend mit der Notwendigkeit des Ein- oder gar nicht sichtbar. Die Punktion und Injektion mit
292 Kapitel 23 · Verödungstherapie

23

a b

. Abb. 23.10. Prinzip der sonographisch kontrollierten Punktion . Abb. 23.12. V. saphena parva mit ausgeprägtem Vasospasmus.
einer Stammvene. (Mit freundlicher Genehmigung von Bernhard a vor, b nach Injektion von Skleroschaum
Partsch, Wien)

gesamte Schaumvolumen unter Kompression der Saphena-


mündung appliziert. Die Kathetertechnik wird im Allge-
meinen unter Hochlagerung des Beins durchgeführt.
Sicht- und tastbare Seitenäste und kleine Varizen ohne
Insuffizienz der Stammvenen können mit der konven-
tionellen Technik ohne Ultraschallkontrolle sklerosiert
werden. Vorheriges Anzeichnen mit einem Hautmarker,
die Punktion der Varizen im Stehen auf einer Kippliege
oder im Sitzen auf einem Verödungsstuhl erleichtern das
Prozedere. Bei dieser Technik kann auch ein Butterfly mit
kurzem Silikonschlauch eingesetzt werden.

Konsens zu den Themen: Zugangswege,


Konzentration, Schaumvolumina, Sicherheitskriterien
Bei der Behandlung der V. saphena magna durch Direkt-
a b punktion wird ein Zugang am proximalen Oberschenkel
mit einem Abstand von 8–10 cm von der Mündung emp-
fohlen, bei der Behandlung der V. saphena parva ein Zu-
. Abb. 23.11. Schallverstärkung – Schallauslöschung. a Variköse
V. saphena accessoria ant. mit dorsaler Schallverstärkung. b Vaso- gang am proximalen oder mittleren Drittel des Unter-
spasmus der Varize unmittelbar nach Injektion von echoreichem schenkels. Die Konzentrationen und Schaumvolumina
Sklerosierungsschaum mit dorsaler Schallauslöschung finden sich in . Tab. 23.6 und . Tab. 23.7.
Um die Sicherheit zu erhöhen, wird folgendes emp-
fohlen:
einem kurzen Katheter (Venenverweilkatheter/Braunüle®) 4 Vermeiden der sofortigen Kompression über inji-
erhöht die Sicherheit. zierten Gefäßabschnitten
Neben der Direktpunktion mit bereits aufgesetzter 4 Ultraschall-Kontrolle der Schaumlokalisation
Spritze und der Technik der offenen Nadel, bei der erst nach 4 Injektion von viskösen Schäumen
der Punktion die Spritze aufgesetzt wird, findet die Kathe- 4 Keine Patienten- oder Beinbewegung über 2–5 min,
tertechnik mit Führungsdraht (Seldinger-Technik) insbe- kein Valsava-Manöver, keine Muskelanspannung
sondere bei der Therapie der Stammvenen Anwendung
(Wildenhues 2003). Dabei wird zum Beispiel die V. saphena ! Cave
magna unterhalb des Knies punktiert und der Katheter bis Das maximale applizierte Schaumvolumen pro
knapp unterhalb der sapheno-femoralen Mündung vorge- Bein und/oder pro Therapiesitzung sollte 10 ml
schoben. An dieser Stelle, noch kaudal der Einmündung nicht überschreiten!
der V. epigastrica superficialis, wird über den Katheter das 6
23.5 · Schaumverödung
293 23

. Tab. 23.6. Konzentrationen Aethoxysklerol® zur Schaumproduktion

Liquid 0,25% 0,5% 1% 2% 3% 4%

V. saphena magna + ++ ++

V. saphena parva + ++ +

Seitenäste ++

Rezidivvarzien (+) ++ ++ +

Perforansvenen (+) ++ + (+)

retikuläre Venen (+) (+) ++ +

Besenreiser ++ (+)* (+)*

venöse Malformationen + ++ +

(+) wird von einigen/wenigen Experten oder selten genutzt


+ wird von den Experten ebenfalls benutzt, aber weniger häufig als ++
++ wird von den meisten Experten bei dieser Indikation zur Schaumherstellung genutzt

. Tab. 23.7. Schaumvolumina

Indikation durchschnittliches Volumen maximales Volumen Bemerkungen


pro Punktion pro Punktion

V. saphena magna 2–4 ml 6 ml

V. saphena parva 2–4 ml 4 ml

Seitenäste bis zu 4 ml 6 ml Einige verwenden bis 10 ml

Rezidivvarizen bis zu 4 ml 8 ml

Perforansvenen bis zu 2 ml 4 ml Nicht direkt in die Perforansvene

retikuläre Venen weniger als 0,5 ml weniger als 1 ml

Besenreiser weniger als 0,5 ml weniger als 0,5 ml

venöse Malformationen 2–6 ml weniger als 8 ml

Bei der Punktion ist die duplexsonographische vor gibt es einen internationalen Streit über die Notwen-
Abgrenzung von benachbarten Arterien beson- digkeit einer postsklerotherapeutischen Kompressions-
ders wichtig um versehentliche intraarterielle In- therapie, deren Nutzen bisher nur für die Sklerosierung
jektionen mit der Gefahr ausgedehnter Nekrosen, von Besenreisern nachgewiesen ist (Kern 2007). Nach 12
bis hin zur Amputation zu vermeiden. Die Gefahr bis 24 h kann ein Verband entfernt werden. Die Kompres-
der intraarteriellen Injektion ist in der Kniekehlen- sionstherapie wird bei uns mit einem Kompressions-
region am höchsten (A. saphena parva u. a.)! strumpf für den Zeitraum von 3 Wochen weitergeführt.
Die erste postsklerotherapeutische Kontrolle wird allge-
Nach der Behandlung wird ein Kompressionsverband mit mein nach 5 bis 7 Tagen empfohlen. Zu diesem Zeitpunkt
Pelotte über den sklerosierten Arealen angelegt und der können Sklerothrombi schon inzidiert und exprimiert
Patient aufgefordert 20 min spazieren zu gehen. Manche werden, was vor allem das kosmetische Ergebnis verbes-
Sklerotherapeuten legen keinen Kompressionsverband an, sern soll. Nach sonographischer Kontrolle der Verödungs-
machen eine nur lokal exzentrische Kompression der be- reaktion, die immer erst nach einigen Tagen erfolgen sollte,
handelten Areale oder lassen sofort einen Kompressions- kann entschieden werden, ob Nachinjektionen nötig sind
strumpf der Kompressionsklasse 2 anziehen. Nach wie (. Abb. 23.13).
294 Kapitel 23 · Verödungstherapie

tigte bisher gemachte Erfahrungen mit der Schaumsklero-


23 therapie. Patienten, die nicht nur einmal, sondern kurz-
fristig wiederholt behandelt wurden, zeigten die besten
Ergebnisse nach 3 Jahren mit einer Erfolgsrate um die 80%.
Interessant in dieser Arbeit war, dass die V. saphena magna
erfolgreicher sklerosiert werden konnte als die V. saphena
parva, Seitenäste erfolgreicher als die Saphenastämme.
Schlechtere Ergebnisse fand man bei Patienten, die jünger
als 40 Jahre waren, bei Varizen mit größerem Diameter
(> 6 mm) und bei kleineren Schaumvolumina (< 12 ml).
Ceulen et al. (2007) fand bessere Ergebnisse bei 3%igen
Schäumen verglichen mit 1%igen. Beim 3%igen Schaum
traten gering mehr Phlebitiden auf, die alle folgenlos ab-
. Abb. 23.13. Sonographische Kontrolle der Schaumverödung. heilten. In der in Deutschland durchgeführten Multi-
V. saphena magna 4 ml Schaum 3%, nach 4 Wochen, homozygote centerstudie (Rabe et al. 2007) an 108 Patienten (Schaum
Faktor V-Mutation, Z.n. Beckenbeinvenenthrombose vor 12 Jahren.
Saphenofemorale Mündung mit noch perfundierter V. epigastr. su-
versus Liquid) mit einem maximalen Schaumvolumen von
perfic. (blau kodiert) 5 ml 3% Aethoxysklerol® zur Behandlung der V. saphena
magna ergab wohl wegen des relativ kleinen applizierten
Volumens eine initiale Erfolgsrate um die 70% nach 3 Mo-
> Die Schaum-Sklerotherapie sollte in Hospitations-
naten. Die Therapie wurde mit einem maschinell herge-
zentren und Weiterbildungskursen theoretisch
stellten und damit standardisierten Schaum durchgeführt.
und praktisch erlernt werden. Eine Ausbildung
Bedeutsam ist, dass in dieser Studie keine schwerwie-
in der Duplex-Sonographie ist für die Therapie
genden unerwünschten Wirkungen, wie Thrombosen,
der Stammvenen nötig. Siehe dazu auch
Lungenembolien, Sehstörungen, Migräne oder gar neuro-
www.ag-sklerotherapie.de.
logische Ausfälle, auftraten. Die Behandlung mit Schaum
war signifikant erfolgreicher als mit flüssigem Verödungs-
mittel. Ergebnisse weiterer Studien mit inakzeptabel hohen
23.5.5 Gewichteter Literaturüberblick Raten schwerwiegender Komplikationen wie vor allem
Thrombosen durch sehr hohe applizierte Schaumvolumi-
In einer randomisierten Kontrollstudie wurde Polidoca- na bleiben hier bewusst unerwähnt.
nolschaum versus flüssiges Polidocanol in einer Konzent-
ration von 3% bei 88 Patienten mit einer Stammvarikose Literatur
der V. saphena magna verglichen. Nach einer einzigen Barrett J M, Allen B, Ockelford A, Goldman M P. (2004) Microfoam
Therapiesitzung wurden die Refluxe in 84% der Schaum- ultrasound-guided sclerotherapy of varicose veins in 100 legs.
Dermatol Surg 20:1,6–12
behandelten Gruppe eliminiert, im Vergleich zu 40% in der
Breu FX, Guggenbichler S.(2004) European consensus meeting on
mit flüssigem Polidocanol behandelten. Nach einem Jahr foam sclerotherapy. April, 4-6, 2003, Tegernsee, Germany. Derma-
kam es zu Rekanalisationen in 2 Fällen in der Schaum- tol Surg 30,5:709–17
gruppe und in 6 Fällen in der mit Flüssigkeit behandelten Breu FX, Partsch B. (2006) Reversible neurologische Komplikationen
(Hamel-Desnos 2003). Eine retrospektive Studie über die bei der Schaum-Sklerotherapie. Phlebologie 3:115–6
Breu FX, Guggenbichler, Wollmann JC. (2008) 2nd European Consen-
Therapie von Stammvarizen mit Schaumsklerotherapie an
sus Meeting on Foam Sclerotherapy, 28–30 April 2006, Tegernsee,
415 Patienten ergab eine Erfolgsrate von 80% nach 5 Jah- Germany. Vasa 37(1) Supplement 71:1–32
ren Follow-up (Cabrera 2001). In einer neueren prospek- Cavezzi A, Frullini A, Ricci S, Tessari L. (2002) Treatment of varicose
tiven Studie konnten erfolgreiche Behandlungen der veins by foam sclerotherapy: Two clinical series. Phlebology
V. saphena magna und parva in 97% der Fälle nach 3 Mo- 17:13–8
Ceulen RPM, Bullens-Goessens YIJM, Pi-Van De Venne SJA. (2007) Out-
naten gefunden werden (Barret 2004). Die Behandlung
comes and side effects of duplex-guided sclerotherapy in the
von Ulkuspatienten mit Sklerotherapie der Stammvenen treatment of great saphenous veins with 1% versus 3% Polidoca-
sowie der periulzerösen Varizen erbrachten signifikant nol foam: Results of a randomized controlled trial with 1-year
bessere Ergebnisse für die »Schaumgruppe« (Pascarella follow-up. Dermatol Surg 2007;33,3:276–81
2006). Sehr gute Ergebnisse mit Verschlussraten von 92% Guex JJ, Allaert F-A, Gillet J-L.(2005) Immediate and midterm compli-
cations of sclerotherapy: Report of a prospective multicenter
der behandelten Vv. saphena magnae nach einem Jahr
registry of 12,173 sclerotherapy sessions. Dermatol Surg 31,2:
konnten mit der Kathetertechnik erzielt werden (Wilden- 123–8
hues 2003). Neueste Studienergebnisse einer australischen Hamel-Desnos C, Desnos P, Wollmann JC et al. (2003) Evaluation of the
Arbeitsgruppe (Myers et al. 2007) an 490 Patienten bestä- efficacy of Polidocanol in the form of foam compared with liquid
23.6 · Laser in der Therapie der kutanen Varikose
295 23
form in sclerotherapy of the long saphenous vein: Initial results. Retikuläre Besenreiser gehen aus Verbindungsvenen
Dermatol Surg 29,12:1170–5
hervor und liegen etwas tiefer.
Kern P, Ramelet AA, Wütschert R, Hayoz D. (2007) Compression after
sclerotherapy for telangiectasias and reticular leg veins. A rando- Besenreiser können überall am Bein und im Knöchel-
mized controlled study. J Vas Surg 45,6:1212–6 bereich auftreten. Als Ursache für ihre Entstehung kom-
Künzelberger B, Pieck C, Altmeyer P, Stücker M (2006) Migraine men erbliche, hämodynamische und hormonelle Ursachen
ophthalmique with reversible scotomas after sclerotherapy with in Frage.
liquid 1% polidocanol. Derm Surg 32:1410
Nach May sind 16% der 25-jährigen und bis zu 64% der
Monfreux A (1997) Traitement Sclérosant des Troncs Saphèniens et
leurs Collatèrales de Gros Calibre par la Méthode Mus. Phlébolo- 55-jährigen betroffen, wobei Frauen ungefähr zwei Drittel
gie 50,3:351–353 der Patienten ausmachen. Besenreiser können manchmal
Myers K A, Jolley D, Clough A et al. (2007) Outcome of ultrasound- einen Hinweis für andere venöse Veränderungen sein; für
guided sclerotherapy for varicose veins: Medium-term results die meisten Patienten stellen sie aber ein erhebliches ästhe-
assessed by ultrasound surveillance. Eur J Vasc Endovasc Surg
tisches Problem dar.
33,1:116–21
Partsch B (2004) Die Schaumverödung – eine Renaissance der Sklero- Die am häufigsten durchgeführte Behandlung ist die
therapie. Phlebologie 33:30–36 Sklerosierung. Sie ist bei richtiger Anwendung effektiv,
Pascarella L, Bergan JJ, Mekenas LV (2006) Severe chronic venous aber auch mit Nebenwirkungen wie Nekrosen bei para-
insufficiency treatet by foam sclerosant. Ann Vasc Surg 20: vasaler Injektion, Phlebitiden, Hyperpigmentierungen und
83–91
selten systemischen Reaktionen behaftet, so dass Alterna-
Rabe E, Otto J, Schliephake D, Pannier F (2007) Efficacy and Safety
of Great Saphenous Vein Sclerotherapy Using Standardised tivmethoden entwickelt wurden.
Polidocanol Foam (ESAF): A Randomised Controlled Multi-
centre Clinical Trial. Eur J Endovasc Vasc Surg, accepted for publi-
cation 23.6.2 Wirkprinzip
Tessari L, Cavezzi A, Frullini A (2001) Preliminary experience with a new
sclerosing foam in the treatment of varicose veins. Dermatol Surg
27:58–60 Bei der Laserbehandlung der Besenreiser ist die Zielstruk-
Wildenhues B. (2005) Endovenöse kathetergestützte Schaumsklero- tur das Hämoglobin. Unter der Lichteinwirkung ändert sich
sierung. Phlebologie Germany 34(3):165–70 dessen optische Eigenschaft. Ab einer Temperatur von
Wollmann JC (2004) The history of sclerosing foams. Dermatol Surg 500°C wandelt sich das oxygenierte Hämoglobin in Met-Hb
30:694–703
um, welches das Licht wesentlich stärker absorbiert. Da-
Yamaki T, Nozaki M, Iwasaka S (2004) Comparative study of duplex-
guided foam sclerotherapy and duplex-guided liquid sclero- durch wird die Behandlung deutlich effektiver.
therapy for the treatment of superficial venous insufficiency. Im Unterschied zur Sklerosierung, bei der man unter
Dermatol Surg 30,5:718–22 der Behandlung schon die Effekte erkennt, führt die Laser-
behandlung zu verzögerten Reaktionen.
Die Laserbehandlung unterscheidet sich von der Skle-
23.6 Laser in der Therapie der kutanen rosierung insofern, als nur dort eine Wirkung erzielt wird,
Varikose wo der Strahl auftrifft. Dies bedeutet, dass nach Vorküh-
lung oder unter Kühlung das Gefäß punktförmig mit
U. Müller einem geringen Überlapp von ungefähr 15% »abgescannt«
wird. Bei stärkerem Überlapp- bzw. Doppelexpositionen
kann es zu unerwünschten Hautschädigungen kommen.
23.6.1 Einführung Setzt man die Spots in einem zu weiten Abstand, kann es
passieren, dass das Gefäß in den Zwischenräumen nicht
Besenreiser sind rein intradermale Erweiterungen von verklebt. Es kommt zu einem perlschnurartigen Bild von
kleinen Kapillaren, die häufig fächerförmig an der Außen- hellen (verschlossenen) und offenen (blutgefüllten) Gefäß-
seite des Oberschenkels in kleinen Hautrinnen liegen. Sie abschnitten.
stellen keine isolierte Gefäßstruktur dar, sondern sind Teil Durch die thermische Wirkung des Lasers kommt es
eines umfassenden Systems, welches vom tiefen Venen- zu einem Aufquellen des Endothels und einem konseku-
system bis zum dermalen Gefäßplexus in den Papillenspit- tiven Verkleben des Gefäßes. Es entsteht in der Folge ein
zen reicht. bindegewebiger Strang, der im Verlauf resorbiert wird. Bei
Es werden rote und blaue Besenreiser differenziert. Die kleinlumigen Gefäßen macht es deshalb keinen Unter-
Roten stammen aus dem arteriellen Schenkel und weisen schied, ob es sich um rote oder blaue Besenreiser handelt,
eine höhere O2-Sättigung des Blutes auf. Zudem unter- weil es nicht auf den Aufbau der Muscularis und den Sauer-
scheidet sich die Wandstruktur gegenüber den blauen stoffgehalt ankommt.
venösen Besenreisern durch eine stärkere Muskulatur mit
einer höheren Kontraktionsfähigkeit.
296 Kapitel 23 · Verödungstherapie

23.6.3 Indikationen 23.6.5 Hautkühlung


23
Die Indikationen für eine Laserbehandlung sind gegeben Wichtig bei der Lasertherapie ist eine suffiziente Hautküh-
bei lung, um Koagulationen mit nachfolgenden Narbenbil-
4 Gefäßen unter 2 mm Durchmesser dungen zu verhindern sowie zur Schmerzreduktion. Dazu
4 einem Matting nach Sklerosierung stehen unterschiedliche Systeme zur Verfügung wie Eis,
4 kleinkalibrigen Residuen nach Sklerosierung Kühlküvette, Luftkühlungssysteme oder Kühlsprays sowie
4 bei Kontraindikationen gegen eine Sklerosierung »chilled tips«.
Mit den Eiswürfeln kann die Haut vorgekühlt werden,
Als Matting werden die flächigen Rötungen bezeichnet, die es handelt sich um ein effizientes und kostengünstiges Ver-
sich durch das Auffüllen von winzigen Hautgefäßen um fahren.
das sklerosierte Areal bilden. Die Kühlküvette (. Abb. 23.14) ist ein Hohlsystem mit
Jeder Besenreiserbehandlung sollte eine Venendiag- Zu- und Abfluss sowie einer Möglichkeit, einen Lichtleiter
nostik vorangestellt werden, um Veränderungen bzw. Er- anzuschließen. Dieser erlaubt eine gute Ausleuchtung des
krankungen größerer oder tiefer gelegener Venen zu detek- zu behandelnden Areals. Die Kühlküvette zeichnet sich
tieren, damit diese zuerst behandelt werden können. Die durch eine flexible Membran an der Unterseite aus. Sie hat
Besenreiser stehen immer am Ende eines Therapiekon- den Vorteil, dass damit auch unebene Flächen durch Ver-
zeptes. formung der Unterseite eine effiziente Kühlung erfahren.
Durch die Möglichkeit der Kompression erhöht sich auch
die Eindringtiefe, so dass tiefer gelegene Gefäße erreicht
23.6.4 Gerätetechnik werden. Die Kühlküvette wird von mit Glykol versetztem
Eiswasser durchflossen. Die Flussgeschwindigkeit und
Für die Behandlung der Besenreiser hat sich der Nd:YAG- damit der Füllungszustand der Küvette kann dem jewei-
Laser (Neodym-Yttrium-Aluminium-Granat-Laser) als ligen Bedarf individuell angepasst werden.
effizient erwiesen. Er hat eine Wellenlänge von 1064 nm Kaltluftkühlungssysteme werden an die Lasersysteme
und eine höhere Eindringtiefe als Laser mit den Wellen- angeschlossen und haben auch unterschiedliche Einstel-
längen 410, 524, 577 oder 980 nm. Eine bessere Effizienz lungsmöglichkeiten, was die Stärke des Luftstrahls anbe-
wird auch dadurch erreicht, dass die Wellenlänge 1064 nm langt. Ist dieser zu stark eingestellt, kommt es zu Un-
nicht nur vom Oxyhämoglobin, sondern auch vom Hämo- ebenheiten auf der Hautoberfläche, was das Lasern etwas
globin absorbiert wird. Somit ist es möglich, sowohl blaue erschweren kann. Bei zu schwacher Einstellung ist die
als auch rote Besenreiser, selbst, wenn sie etwas tiefer ge- Schmerzreduktion manchmal nicht ausreichend.
legen sind, zu verschließen. Kühlsprays und Chill tips kühlen effizient, führen aber
Der gepulste Farbstofflaser mit einer Wellenlänge von bei unsachgemäßer Anwendung zu Erfrierungen und Pig-
585–595 nm ist für die Behandlung der Besenreiser unge- mentstörungen der Haut.
eignet. Er findet Anwendung beim Matting, das als ober-
flächliche Rötung nach Sklerosierung auftreten kann. Seine
Anwendung beinhaltet das Risiko der Hyperpigmentie-
rung.
Der Argon-Laser (488, 514 nm) eignet sich ebenso
wenig wie der KTP-Laser (532 nm) zur Behandlung, weil
die Eindringtiefe nicht ausreicht. Beide Systeme kommen
nur zum Einsatz bei winzigen oberflächlichen Residuen.
Mit ihnen werden gute Ergebnisse bei der Behandlung von
Teleangiektasien im Gesichts-und Dekolletébereich er-
zielt.
Diodenlaser mit Wellenlängen zwischen 800 und
1000 nm zeigen gute Erfolge bei größeren Gefäßdurch-
messern, die alternativ auch einer Sklerosierung zugäng-
lich sind. Sie haben ihr Haupteinsatzgebiet in der endolu-
minalen Anwendung. . Abb. 23.14. Kühlküvette
23.6 · Laser in der Therapie der kutanen Varikose
297 23
23.6.6 Hautreaktion

Für die Laserapplikation hat sich der gepulste Nd:Yag-La-


ser besonders bewährt. Das Handstück hat einen Spot-
durchmesser von 2,5 mm. Abhängig vom Hauttyp, der
Tiefe der Gefäße sowie dem Gefäßdurchmesser empfiehlt
sich eine Energie zwischen 80 bis 145 J/cm2 und eine Puls-
länge zwischen 20 und 60 ms. Die Pausen zwischen den
einzelnen Spots variieren abhängig vom Hauttyp; je dunk-
ler die Haut, desto länger die Pausen. a
Die Patienten sollten ihre normale Hautfarbe haben,
nicht gebräunt sein und währen der Behandlungsphase
kein Solarium aufsuchen, weil die oberflächlichen Pig-
mente mit reagieren und es dann zu unschönen dauer-
haften Depigmentierungen kommen kann. Ebenso sollten
Saunabesuche unterbleiben. Durch die Körpererwärmung
stellen sich die peripheren Gefäße zur Temperaturregula-
tion weit, so dass sich Besenreiser, deren Endothel noch
nicht komplett verklebt ist, wieder füllen können.
Unmittelbar nach der Laseranwendung kommt es zu
Hautreaktionen wie Rötungen und Quaddelbildung. Diese
können mehrere Stunden anhalten. Im Verlauf von 3–5 Ta- b
gen kann sich ein flacher intrakutaner Schorf entwickeln,
der sich nach ungefähr 10 Tagen ablöst. Es empfiehlt sich,
die Haut 2-mal am Tag zu fetten. Im Unterschied zur Skle-
rosierung ist ein Kompressionsverband nach der Behand-
lung nicht erforderlich, weil es nicht wie bei dem Sklerosie-
rungsmittel auf eine Kompression des Gefäßes für einen
besseren Kontakt mit dem eingebrachten Medikament an-
kommt.
Der Erfolg einer Behandlung zeigt erst nach 3–4 Wo-
chen. Erst danach sollte über eine erneute Behandlung des c
gleichen Areals entschieden werden.

23.6.7 Ergebnisse

Auch bei einer sorgfältigen Auswahl des jeweiligen Laser-


systems kommt es nicht immer zu dem gewünschten Er-
folg. Unter eigenen Behandlungen an 1034 Patienten ergab
sich eine Rezidivrate von durchschnittlich 10%. Etwa 50%
der Patienten ließen sich im Mittel nach 3 Jahren erneut d
wegen neu aufgetretenen Besenreiservarizen behandeln.
Als Ursache für den fehlenden Erfolg kommen soge- . Abb. 23.15. Besenreiserbehandlung mit Laser. a Behandlung;
nannte Nährvenen, die etwas tiefer liegen und den Befund b Zustand unmittelbar nach Behandlung; c Zustand einige Tage
nach Behandlung; d Ergebnis
immer wieder auffüllen, als auch kleine arterio-venöse
Shunts in Frage.
Hier kann ähnlich wie bei der Behandlung von insuffi- Dazu wird das zuführende Gefäß mit einem Schallkopf
zienten Perforansvenen eine interstitielle Lasertherapie von13,5 MHz aufgesucht und auf der Haut markiert. Nach
angewandt werden. Das Prinzip beruht darauf, dass das Desinfektion, sterilem Abdecken und Infiltration der Haut
Gewebe um das Zielgefäß koaguliert wird. Es kommt dann mit Xylonest 1% wird ein Punktionssystem unter Ultra-
zu einer perivaskulären Schrumpfung mit einem konseku- schallkontrolle bis wenige mm an das Gefäß herangeführt.
tiven Gefäßverschluss. Die Metallnadel wird entfernt und eine 600 μm Laserfaser
298 Kapitel 23 · Verödungstherapie

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Laserthe-


23 rapie eine ergänzende Methode zur Sklerosierung darstellt,
Sie ist keinesfalls als Konkurrenz oder Alternative zu se-
hen. Bei sorgfältiger Indikationsstellung und richtiger
Laserauswahl hat sie durchaus ihre Berechtigung in der
Phlebologie.

Literatur
Ehlers B, Kunz M, Gross G, (2001) Dioden-Laser zur Behandlung der
Besenreiser Varikosis. Akt. Dermatologie 27:409–413
Müller U, Philipp C, Fuchs B, Berlien HP, (1994) Laser in der Perforans-
behandlung. Lasermedizin 10:150–154
Müller U, Berlien HP, (2003) Laser Applications in Phlebology APPLIED
LASER MEDICINE, Chapter III-7.7 Springer Verlag
Müller U, Philipp CM, Urban P, Berlien HP, (2002) Interstitial and intra-
luminal Nd:YAG-Laser therapy of superficial and deep varicose
. Abb. 23.16. Schema der Perforansbehandlung veins. 22.nd Annual Meeting, American Society for Laser Medi-
cine and Surgery, April 10-14, Atlanta, USA
Rietschel F, Zabel M, (2007) Aktueller Stand der Lasersklerosierung
von Besenreisern. Derm 13:1–5
Wurlitzer A, Röttger K, Richter A, (2007) Lasertherapie oder Stripping?
Ambulante Chirurgie 4:25–30
Weber J, May R, (1990) Funktionelle Phlebologie Georg Thieme Verlag
Stuttgart, New York

23.7 Elektrokoagulation bei kutaner


Varikose

H. Nüllen

Die Möglichkeiten der Hochfrequenztechnik (Diathermie)


in Analogie zum »elektrischen Messer« auch zur Koagula-
tion von kutanen Varizen zu nutzen ist naheliegend und
wird auch seit vielen Jahren angeboten und praktiziert.
Dies kann sowohl in monopolarer Technik (Sutter Medi-
zintechnik) als auch in bipolarer Technik (Willmen 1995)
erfolgen. Mit einer entsprechend feinen monopolaren
. Abb. 23.17. Klinische Darstellung der Perforansbehandlung oder bipolaren (Mini)-Elektrode wird die Besenreiserva-
rize angestochen und koaguliert (thermische Verödung)
eingesetzt. Es muss streng darauf geachtet, dass diese 3– (. Abb. 23.18). Die Nachteile dieser Technik liegen in
4 mm aus dem Führungskatheter heraus ragt, damit es der deutlichen Schmerzhaftigkeit für den Patienten so-
nicht zu einem Verschmelzen von Laserfaser und Füh- wie in den unbefriedigenden kosmetischen Ergebnissen.
rungskatheter kommt. Eine Punktion des Zielgefäßes soll An den Einstichstellen bleiben häufig kleine weisliche
vermieden werden. Unter Ultraschallkontrolle wird nun Punkte sichtbar, die wahrscheinlich einer kleinen lokalen
das Gewebe mit 5 Watt, kontinuierlich koaguliert, bis es zu Narbe als Folge der Hitzekoagulation der Haut entspre-
sichtbaren Veränderungen im Gewebe kommt. Während chen. Wissenschaftliche Literatur zu dieser Technik ist
des gesamten Vorganges muss die Hauttemperatur digital nicht verfügbar; Studien zu Wirksamkeit und Ergebnissen
kontrolliert werden, damit es nicht zu thermischen Schä- fehlen.
digungen von innen nach außen kommt. (. Abb. 23.15, Eine weitere Methode zur Zerstörung von kutanen Va-
. Abb. 23.16, . Abb. 23.17). rizen unter Verwendung von elektrischer Energie (Elektro-
Auch hier handelt es sich um einen langsamen Prozess, Thermo-Koagulation, Thermo-Galvanik) wird ohne metho-
dessen Erfolg erst nach 3–4 Wochen beurteilt werden dologische Bezeichnung unter den gerätebezogenen Handels-
kann. Manchmal kommt es schon währen der Behandlung namen Teleangiotron® und bimanoTron® (. Abb. 23.19)
zu einer deutlichen Abblassung des Hautbefundes. angeboten. Hierbei handelt es sich um eine Chemothermo-
23.7 · Elektrokoagulation bei kutaner Varikose
299 23

a
. Abb. 23.18. Diathermie-Behandlung von Besenreiservarizen. (Aus Diehm 1999)

lyse, deren Wurzel in der dauerhaften Haarentfernung (Epi- 23.7.1 Praktische Durchführung
lation) mittels Thermokoagulation liegen.
Ein amerikanischer Augenarzt führte erstmals eine Zer- Der Patient umfasst eine neutrale Elektrode. Die Spitze
störung eines Haarfollikels bei einem eingewachsenen Augen- einer Edelmetallsonde (Gold, 0,075 mm) wird in den Be-
wimpernhaar (Trichiasis) mittels Gleichstrom durch (Michael reich der Besenreiser-Varize eingestochen oder bei sehr
1875). Nach der Theorie soll durch Elektrolyse an der Son- oberflächlicher Lage nur aufgesetzt und der Gleichstrom
denspitze aus der Gewebeflüssigkeit eine kleine Menge Lauge eingeschaltet (200 bis 400 μA). Das Auftreten der »Lauge«
(Natriumhydroxid, NaOH) mit einem pH-Wert von ca. 8 führt zu einem »Abblassen« des Gefäßes. Danach erfolgt
(Jagow 2004) entstehen. In Frankreich wurde erstmals von das Zuschalten des hochfrequenten Wechselstromes (z. B.
Bordier (1923) die Zerstörung eines Haarfollikels durch 13,5 MHz). Dieser soll den pH-Wert langsam steigern.
Thermolyse mittels hochfrequentem Wechselstrom durchge-
»… Bei Erreichen eines pH-Wertes von ca. 9,5 bis 10 löst
führt. Hinkel und Piere (USA 1938) kombinierten beide Me- die Lauge die Eiweißstrukturen des Zielgewebes auf. Es
thoden zum Blend-Verfahren (blend = engl. mischen), dass führt zu einer Verflüssigung des Gewebes mit einer so
auch heute noch in der Epilation zur Anwendung kommt. kleinen Molekularstruktur, die der Körper problemlos re-
Das Blend-Verfahren wurde technisch adaptiert auf die Be- sorbieren kann. Der Temperaturanstieg der Lauge wäh-
dürfnisse der Behandlung von kutanen Varizen. rend des Prozesses beträgt nur ca. 6°C. …« (Jagow 2004).

a b

. Abb. 23.19. bimanoTron. Gerät (a) und Sondenspitze (b)


300 Kapitel 23 · Verödungstherapie

Nebenwirkungen werden nicht angegeben, die Ergebnisse Nuß (1999) fand in einer kleinen Serie so gut wie keine
23 als gut bezeichnet. Wissenschaftliche Literatur zu dieser positiven Effekte im Sinne einer Befundverbesserung.
Technik ist nicht verfügbar. Studien zu Wirksamkeit und
Ergebnissen fehlen. Literatur
Goldman MP (1996) Laser and Noncoherent Pulsed Light Treatment of
Literatur Leg Telangiectasias and Venules. In: Goldman, bergan: Ambulato-
ry Treatment of Venous Disease. Mosby St Louis
Jagow von D (2004) Es muss nicht immer Laser sein… . Kosmetische
Nuß B, Brodersen J, Kapp A (1999) Therapie von Besenreisern mittels
Medizin 25:2-4 http://www.teleangitron.com/KM.pdf
PhotoDerm VL und SkleroPLUS Laser. Phelbologie 28:149–52
Sutter Medizintechnik. http://www.sutter-med.de/katalog/bm780ii/
Proebstle TM (2009) Percutaneous laser therapie of teleangierktasias
video_0001.html
and varikose veins. In: Gloviczki P (Ed,) Handbook of Venous Dis-
Willmen HR (1995) http://patent-de.com/19961002/DE4414807C2.html
orders. Third Edition, Arnold Ltd. London
Raulin C, Schroeter C, Maushagen- Schnaas (1997) Einsatzgebiete
einer hochenergetischen Blitzlampe (PhotoDerm®VL). Hautarzt
23.8 Lichtkoagulation bei kutaner 48:886–89
Varikose

H. Nüllen

Neben dem Hitzekoagulationsverfahren durch Laser gibt


es eine zweite Methode zur lichtinduzierten Thermolyse
(Photothermolyse) in der Behandlung der kutanen Vari-
kose mit nichtkohärentem (polychromatischem) Licht
(PhotoDerm®VL). Hierbei emittiert eine hochenerge-
tische Blitzlampe Lichtimpulse in einem kontinuierlichen
Wellenlängenbereich von 515 bis 1200 nm. Um die Selek-
tivität für bestimmte Absorptionsmaxima und Eindring-
tiefen zu erreichen kann das Wellenlängenspektrum durch
Vorsatzfilter begrenzt werden (cut off-filter). Die Applika-
tion der gepulsten Lichtblitze auf die Haut kann über einen
rechteckigen, direkt aufgesetzten Quarzleiter (foot-prints)
von bis zu 2,8 cm2 (8 × 35 mm) erfolgen. Die applizierte
Energiedichte kann frei gewählt werden zwischen 3 und
90 J/cm2. Die Impulsdauer kann variiert werden. Ein- und
Mehrfachimpulse sind wählbar. Die Pausen zwischen den
Impulsen sind ebenfalls variabel (Goldman 1996, Raulin
1997). Aufgrund der großen Variabilität der wählbaren
Parameter können Gefäße von bis zu 3 mm Durchmesser
bis zu 2 mm unterhalb der Dermis/Epidermisgrenze eben-
so behandelt werden wie kleine Teleangiektasien von 0,2
bis 0,6 mm Durchmesser (Goldman 1996). Die Ankopp-
lung erfolgt über ein klares Gel, das gleichzeitig als ein
Überhitzungsschutz wirkt.
Der Vorteil der Methode liegt in der flächenhaften An-
wendungsmöglichkeit. Nachteile sind, wie bei allen ther-
mischen Verfahren, die Erhitzung der Haut und entspre-
chend hierdurch ausgelöste Schmerzen. Die lokale kutane
Analgesie und Maßnahmen zur Hautkühlung werden des-
halb empfohlen.
Die Angaben zu den Ergebnissen sind uneinheitlich. Es
liegen mehrere Studien vor mit und ohne Vergleichsme-
thode (meist zur Laser-Anwendung) vor, die gute bis sehr
gute Ergebnisse angeben (Proebstle 2009). Die beste Wirk-
samkeit wird für Gefäße mit einem Durchmesser unter
1,0 mm angegeben.
V Operative Therapie
24 Grundsatzbemerkungen – 303
H. Nüllen, T. Noppeney

25 Operative Technik bei Stamm- und Seitenastvarikose – 305


T. Noppeney, H. Nüllen

26 Spezielle chirurgische Techniken – 317


H. Nüllen, T. Noppeney, H.J. Hermanns

27 Chirurgie der Perforans-Varikosis – 329


H. Nüllen, T. Noppeney, W. Lang

28 Endovenöse Techniken – 343


T. Noppeney, H. Nüllen, C.-G. Schmedt, R. Sroka, B. M. Steckmeier

29 Konservierende Verfahren in der Varizenchirurgie – 359


H. Nüllen, T. Noppeney, A. Mumme, T. Hummel

30 Fehler und Gefahren in der Varizenchirurgie – 371


K. Balzer

31 Spezielle Komplikationen in der invasiven Therapie


der Varikose – 381
H. Nüllen, T. Noppeney

32 Chirurgische Techniken bei Rezidiv-Varikose – 399


K. Wölfle

33 Ulcus-Chirurgie – 405
H.J. Hermanns
24

24 Grundsatzbemerkungen
H. Nüllen, T. Noppeney
304 Kapitel 24 · Grundsatzbemerkungen

Die operative Behandlung der Varikose hat sich in den letz- tagonisten der CHIVA-Methodik noch anders. Diese blei-
ten 10 Jahren mehr gewandelt als in den davor liegenden ben zwar bei der femoralisnahen Unterbrechung der VSM
150 Jahren seit Trendelenburg. Ist der technische und me- (CHIVA 1), lassen jedoch die Refluxstrecke in situ und be-
24 thodische Fortschritt wissenschaftlich betrachtet prinzi- nutzen sie als Flussstrecke für die verbliebene und als not-
piell durchaus positiv zu werten, so ist jedoch nicht zu wendig unterstellte kutane Drainage unter Umkehrung der
verkennen, dass die Entwicklung zur Methodenvielfalt von physiologischen Flussrichtung bis zum unteren Insuffi-
einem deutlichen Theoriedefizit begleitet ist. So haben wir zienzpunkt im Sinne von Hach (. Tab. 24.1).
registriert, dass die Protagonisten der klassischen Varizen- Die Verwirrung ist somit komplett. Wer hat nun Recht?
operation die alten Prinzipien der operativen Behandlung Oder ist es am Ende gleichgültig, was man macht? Ein ein-
der Varikose, nämlich vollständige Crossektomie und Ent- heitliches Lehrgebäude ist nicht mehr zu erkennen.
fernung der Refluxstrecke, weiterhin propagieren, wohin- Forschung tut Not. Immerhin handelt es sich bei dem
gegen die Vertreter der endovenösen Techniken zwar die hier diskutierten Bereich der operativen Therapie der Va-
Refluxstrecke ausgeschaltet wissen wollen, aber die voll- rikose, wie die Behandlungszahlen belegen, nicht gerade
ständige Crossektomie für nicht erforderlich halten. Um um einen unbedeutenden Teil der medizinischen Versor-
die Verwirrung vollständig zu machen, ist es bei den Pro- gung.

. Tab. 24.1. Methodenvergleich operativer Verfahren in der Varizenchirurgie

Methode Crossektomie Entfernung/Verschluss Mini-Phleb- Perforans- Sonstiges


der Refluxstrecke ektomie Dissektion

Klassische Varizen-OP + + + + –

Endovenöse Verfahren – + + + –

CHIVA (+) – + (+) +

Klappenrekonstruktion – – – + +
25

25 Operative Technik bei Stamm-


und Seitenastvarikose
25.1 Operation der Vena saphena magna – 306
T. Noppeney, H. Nüllen
25.1.1 Ergebnisse – 309

25.2 Operation der Vena saphena parva – 311


25.2.1 Ergebnisse – 311

25.3 Seitenastexstirpation – 312

25.4 Zugangswege in der Varizenchirurgie – 312


M. Winkler
25.4.1 Zugang zur Crossektomie – 312
25.4.2 Zugang beim Crosssenrezidiv – 313
25.4.3 Zugang zum sapheno-poplitealen Übergang – 314
25.4.4 Zugang zur distalen Vena saphena magna und parva
in Knöchelbereich – 314
306 Kapitel 25 · Operative Technik bei Stamm- und Seitenastvarikose

25.1 Operation der Vena saphena magna mündenden Äste werden isoliert, ligiert und durchtrennt.
Einige Autoren fordern die Ligatur der Seitenäste bis zur
T. Noppeney, H. Nüllen 2. Aufteilung, um einem Rezidiv über netzartige Verbin-
dungen außerhalb des Crossebereichs vorzubeugen. Am
Die Exstirpation der VSM bei Stammveneninsuffizienz SFÜ ist darauf zu achten, dass auch medial oder lateral in
(. Abb. 25.1) erfolgt stadiengerecht, entsprechend der diag- die V. femoralis communis einmündende Äste isoliert und
25 nostizierten Refluxstrecke. Die Entfernung der V. saphena durchtrennt werden, da auch diese Äste Ausgangspunkt
magna (VSM) erfolgt durch ein Strippingverfahren (7 Kap. eines erneuten Refluxes sein können.
26.1) und nur bei besonderen Verhältnissen, wie segmen- Abschließend wird die VSM auf dem Niveau des tiefen
talen Verschlüssen, durch lokale Exstirpation. Venensystems an ihrer Einmündung doppelt ligiert. Dabei
Der erste Schritt der klassischen Varizenoperation bei muss beachtet werden, dass zum einen das tiefe Venen-
Stammvarikose der VSM ist die Crossektomie (. Abb. 25.2). system durch die Ligatur nicht eingeengt und zum an-
Nach der Hautinzision (7 Abschn. 25.4) und Durchtren- deren kein Saphenastumpf bzw. Mündungstrichter zu-
nung des subkutanen Fettgewebes geht man direkt auf rückbleibt, der evtl. Ausgangspunkt einer TVT sein kann
die VSM ein und präpariert in Längsrichtung venennah (. Abb. 25.4).
in Richtung des sapheno-femoralen Übergangs (SFÜ) Zur Senkung der Quote an lokalen Rezidiven bzw. der
(. Abb. 25.3). Neovaskularisation wird von einigen Autoren zur Ligatur
der VSM am SFÜ die Verwendung von nicht resorbier-
> Bei adipösen Patienten: die Inzision in der Leiste
barem Nahtmaterial gefordert (Gorny 1994, Kluess 1998).
darf nicht zu tief angesetzt werden, da die äußer-
Die Ausschaltung des freiliegenden Endothels im Mün-
lich sichtbare Beugefalte durch die Adipositas
dungstrichter des Saphenastumpfes soll darüber hinaus die
meist fußwärts verlagert ist und dann bei Inzi-
Inzidenz der Neovaskularisation vermindern (Frings 2004)
sion in der Beugefalte der SFÜ nicht mehr oder
(. Abb. 25.5).
nur sehr schwer dargestellt werden kann.
Wenn die VSM in ihrer gesamten Länge erkrankt ist
Der SFÜ wird komplett dargestellt, wobei die V. femoralis (Hach IV), erfolgt die Inzision über dem Innenknöchel.
communis (VFC) nach kranial und distal jeweils 1,0 bis Die VSM wird aufgesucht, isoliert, nach zentral ange-
1,5 cm präpariert wird (. Abb. 25.3). Alle in den SFÜ ein- schlungen und nach distal ligiert. Hier ist darauf zu achten,

. Abb. 25.1. Stammveneninsuffizienz


der VSM beidseitig mit Insuffizienz
accessorischer Venen. Präoperative
Markierung des rechten Beines im Stehen

a b
25.1 · Operation der Vena saphena magna
307 25

. Abb. 25.4. a Präparation des sapheno-femoralen Übergangs und


Ligatur der einmündenden Seitenäste. b Ligatur der V. saphena
magna en niveau

. Abb. 25.2. Varizenoperation beidseitig. 4-Tuchabdeckung

. Abb. 25.5. Saphenastumpf nach Ligatur im Niveau der V. femo-


ralis

dass die VSM sorgfältig von begleitendem Bindegewebe,


insbesondere von den Fasern des N. saphenus, befreit wird.
Die Vene wird eröffnet und anschließend eine Stripper-
sonde bis zum Venenstumpf in der Leiste vorgeschoben
und geborgen. Die Sonde wird mit dem anschlingenden
Faden am Knöchel und in der Leiste eingeknotet. Dann
wird die VSM proximal und distal abgesetzt (. Abb. 25.6).
Entsprechend der Logik des stadiengerechten Operierens
. Abb. 25.3. Magnacrosse nach Ligatur aller Äste des Venen- wird bei partieller Insuffizienz der Stammvene (Hach Grad
sterns II und III) die Stammvene von der Leiste her sondiert und
am distalen Insuffizienzpunkt über eine Stichinzision aus-
geleitet (. Abb. 25.7).
308 Kapitel 25 · Operative Technik bei Stamm- und Seitenastvarikose

25

. Abb. 25.6. Platzieren der Strippingsonde in der V. saphena . Abb. 25.7. Distale Ausleitung der Strippersonde über eine
magna und Stripping Richtung von proximal nach distal Stichinzision

Das Strippen bis zum Knöchel ist von einer hohen gener Sklerotherapie und bei ausgeprägten meanderför-
Rate an dauerhaften Sensibilitätsstörungen im Ver- migen Veränderungen der Stammvene, kann eine mehr-
sorgungsgebiet des N. saphenus begleitet. Daher wird fache, segmentale Sondierung der Vene erforderlich sein.
häufig auch bei einer Stammveneninsuffizienz Grad IV Die Stammvene wird dann i.d.R. zur Vermeidung größerer
nach Hach die Vene nur bis knapp unterhalb des Knie- Inzisionen mit der nicht kopfbewehrten Sonde in Invagi-
gelenkes gestrippt (. Abb. 25.8). Der verbliebene dis- nationstechnik gestrippt.
tale Anteil der insuffizienten VSM rekompensiert in Eine insuffiziente V. accessoria anterior kann bei ent-
den meisten Fällen und ist nicht weiter behandlungsbe- sprechendem Kaliber von der Leiste her sondiert und ge-
dürftig. strippt werden.
In manchen Fällen, insbesondere bei postphlebitischen Zur Vervollständigung der Operation werden im An-
Veränderungen, nach Teiloperationen oder vorausgegan- schluss die Seitenäste und ggf. insuffiziente Perforansvenen

a b

c d

. Abb. 25.8. Strippen der VSM mit zwei gekoppelten Sonden (Rückzugtechnik) von proximal nach distal. Ausleiten der Vene über die
liegende Sonde am distalen Austrittspunkt
25.1 · Operation der Vena saphena magna
309 25

. Tab. 25.1. Ergebnisse nach Varizenchirurgie, prospektiv,


randomisierte Studien

Autor/Jahr Nachunter- Rezi- RCT


suchung divrate
Jahre %

Jakobson 3 10 Chirurgie vs.


1979 Sklerotherapie

Chant 1972 5 24 Chirurgie vs.


Sklerotherapie

Einarsson 5 5 Chirurgie vs.


1993 Sklerotherapie

Dwerryhouse 5 34 Crossektomie
. Abb. 25.9. Miniphelbektomie (Häkelmethode) zur Entfernung 1999 vs. Crossekto-
der Seitenäste und ggf. von Perforansvenen mie
u. Stripping

Hobbs 1974 5 21 Chirurgie vs.


über gesonderte Stichinzisionen entfernt (7 Abschn. 25.3) Sklerotherapie
(. Abb. 25.9).
Hobbs 1984 10 29 Chirurgie vs.
Zum Verschluss des Zuganges in der Leiste werden un-
Sklerotherapie
terschiedliche Vorgehensweisen empfohlen. So wird z. B.
der Verschluss des Hiatus saphenus durch Naht mit Ver-
senken des Saphenastumpfes zur Prophylaxe der Leisten-
rezidivs beschrieben. Um eine gute Unterpolsterung der eingriff steigt die Anzahl der Rezidive, wobei es sich 10 Jah-
Narbe im Leistenbereich zu erreichen, wird die fortlau- re und mehr nach Operation meistens um eine Progression
fende Subkutannaht durchgeführt. Die Hautnaht kann, der Grunderkrankung handeln dürfte.
je nach kosmetischem Anspruch, in Rückstich- oder Intra- Retrospektive Studien geben nach Crossektomie und
kutantechnik erfolgen. Stripping der VSM nach 38 Monaten, bzw. 5 Jahren eine
Rezidivrate im Crossebereich zwischen 11,1 und 14% an;
die Nachuntersuchungen erfolgten mittels Duplexsono-
25.1.1 Ergebnisse graphie (Noppeney 2002, Allegra 2007). In dem von uns
nachuntersuchten Patientenkollektiv (678 von ursprüng-
Die Angaben zu den Ergebnissen nach Operation der VSM lich 1019 Patienten, 4–66 Monate Follow up, Durchschnitt
variieren sehr stark. Dies liegt zum einen daran, dass 38 Monate) wiesen 33,3% der Patienten keine Varizen auf,
der Begriff Rezidiv undifferenziert benutzt und nicht zwi- bei 56,8% bestanden Besenreiser oder retikuläre Varizen,
schen Fortschreiten der Grunderkrankung, Neovaskula- bei 9,9% war eine erneute deutliche Varikose sichtbar.
risation und technischem/ taktischen Fehler, bzw. dem In zwei weiteren retrospektiven Untersuchungen, die
Versagen der Methode beim Ersteingriff unterschieden mit 14 bzw. 34 Jahren nach Operation einen längeren Zeit-
wird (7 Kap. 18). Zum anderen sind die Nachuntersu- raum überblicken, wurden duplexsonographisch Rezidiv-
chungsraten in den publizierten Singlecenterstudien teil- varizen im Crossebereich in Höhe von 7% (Hartmann
weise sehr niedrig. In der oft angeführten Studie von 2006) bzw. 60 % (Fischer 2001) gefunden.
Fischer (2001), die über einen Nachuntersuchungszeit- Die vorliegenden prospektiv, randomisierten Studien
raum von 34 Jahren berichtet, beträgt die Nachuntersu- zeigen ganz ähnliche Ergebnisse (. Tab. 25.1). Die Arbeit
chungsrate nur 15%. Deshalb sind die Daten dieser Studien von Dwerryhouse zeigte ganz klar, dass das Risiko der Re-
infolge des Selektionsbias nur vorsichtig zu interpretieren. operation nach Crossektomie und Stripping um 2/3 nied-
Darüber hinaus liegen, trotz der langen Tradition der Vari- riger ist als nach alleiniger Ligatur des SFÜ. Die Rezidivrate
zenchirurgie, nur wenige prospektive, vergleichende Stu- betrug 23,1% vs. 51,7%, der Unterschied war signifikant
dien vor. Multizentrische prospektive Langzeitbeobach- (Dwerryhouse 1999).
tungen mit hohen Fallzahlen sind nicht vorhanden. Aus den prospektiv, randomisierten Studien können
Generell scheinen die Ergebnisse nach Operation der folgende weitere Schlüsse gezogen werden:
VSM, angesichts der angeborenen Disposition der Erkran- 4 die Operation ist der Sklerosierung mit flüssigen Mit-
kung, gut zu sein. Mit zunehmendem Abstand zum Erst- teln in den Ergebnissen überlegen
310 Kapitel 25 · Operative Technik bei Stamm- und Seitenastvarikose

4 Crossektomie in Verbindung mit Stripping ist der allei- Literatur


nigen Crossektomie überlegen, auch wenn sie mit Skle- Allegra C, Antignani P.L., Carlizza A (2007) Recurrent varicose veins
following surgical treatment: our experience with 5 years follow
rosierung der VSM verbunden ist (Belcaro 2000).
up. Eur J Vasc Endovasc Surg 751–756
Belcaro G, Nicolaides AN, Ricci A et al. (2000) Endovascular sclero-
Gegenüber der Normalbevökerung ist die Lebensqualität therapy, surgery and surgery plus sclerotherapy in superficial
der Patienten mit Varikose erheblich eingeschränkt und venous incompetence: A randomised, 10-year follow-up trial –
25 verbessert sich nach der Operation signifikant. Die Ana- final results. Angiology; 51: 529–34.
Chant ADB, Jones HO, Weddell JM (1972) Varicose veins: a comparison
lyse wurde prospektiv an 137 Patienten mit dem SF-36 und
of surgery and injection/compression sclerotherapy. Lancet; 96:
dem Aberdeen Varicose Vein Questionnaire erhoben 1188–1192.
(Smith 1999). In einer weiteren prospektiven Untersuchung Durkin MT, Turton EP, Wijesinghe LD et al. (2001) Long saphenous vein
mit dem SF-36 und dem EuroQol Fragebogen konnten stripping and quality of life – a randomized trial. Eur J Vasc Endo-
diese Ergebnisse bis zu sechs Monaten postoperativ be- vasc Surg; 21: 545–549.
Dwerryhouse S, Davies B, Harradine K et al (1999) Stripping the long
stätigt werden (Durkin 2001). Der Effekt der Verbesserung
saphenous vein reduces the rate of reoperation for recurrent
der Lebensqualität konnte prospektiv bis zu zwei Jahren varicose veins: five-year results of a randomised trial. J Vasc Surg;
postoperativ festgestellt werden. Die Unterschiede zur prä- 29: 589–592.
operativen Beeinträchtigung waren signifikant (MacKen- Einarsson E, Eklöf B, Neglén P (1993) Sclerotherapy or surgery as treat-
zie 2002). In der retrospektiven Untersuchung von Fischer, ment for varicose veins: a prospective randomized study. Phlebo-
logy; 8: 22–26.
die 34 Jahre Follow up überblickt, wurde auch über eine
Fischer R, Linde N, Duff C et al. (2001) Late recurrent saphenofemoral
länger anhaltende Verbesserung der Lebensqualität nach junction reflux after ligation and stripping of the greater
Varizenoperation berichtet (Fischer 2001). saphenous vein. J Vasc Surg; 34: 236–240.
Insgesamt sind die Patienten mit dem Ergebnis der Fischer R, Linde N, Duff C (2001) Cure and reappearance of symptoms
Operation zufrieden. In der Nürnberger Nachuntersu- of varicose veins after stripping operation – a 34 year follow-up.
JP; 1: 49–60.
chung konnten von den ursprünglichen 1019 Patienten
Frings N, Nelle A, Tran P et al. (2004) Reduction of neoreflux after cor-
103 mittels Fragebogen analysiert werden. In den Frage- rectly performed ligation of the sapheno femoral junction. A ran-
bögen wurde auch die Zufriedenheit abgefragt. 62,2% der domised trial. Eur J Vasc Endovasc Surg 28:246-–252
Patienten waren mit dem Ergebnis der Operation zufrie- Gorny P, Reinharez D, Hutinel B et al (1994) Chirurgie post-stripping en
den, nur 8,7% waren es nicht (. Tab. 25.2).In einer anderen ambulatoire. Une ètude sur 124 interventions et une discussion
sur la néogenèse. Phlébologie; 47: 265–272.
retrospektiven Untersuchung fünf Jahre nach Operation
Hartmann K, Klode J, Pfister R, Toussaint M, Weingart F, Waldermann F,
beurteilten 27,9% der Patienten das Ergebnis der Opera- (2006) Recurrent varicose veins: Sonography-based re-examina-
tion als sehr gut, 35,9% als gut und 36,2% als schlecht tion of 210 patients 14 years after ligation and saphenous vein
(Neuhauser 1998). Auch in einer Multicenterstudie nach stripping. VASA; 21–36
ambulanter Varizenoperation gaben die Patienten einen Hermanns HJ (2008) Frühergebnisse nach Varizenchirurgie – Resultate
einer Patientenbefragung. Zbl Chir; 133: 359–362
sehr hohen Zufriedenheitsgrad unmittelbar nach dem Ein-
Hobbs JT (1974) Surgery and sclerotherapy in the treatment of vari-
griff an (Hermanns 2008). cose veins: Arch Surg; 109: 793–796.
Hobbs JT (1984) Surgery or sclerotherapy for varicose veins: 10 year
results of a random study in: Testi M, Dormandy J (eds) Superficial
and deep venous diseases of the lower limbs. Edizione Minerva-
Medica Turin; 243–246
. Tab. 25.2. Zufriedenheit nach Varizenoperation (Noppeney Kluess H, Rabe E, Mulkens PJM (1998) Welche Bedeutung hat das Naht-
2002), Ergebnisse einer Fragebogenaktion (n=103) material in der Varizenchirurgie? (Ergebnisse einer Umfrage zu
19.000 Stammveneneingriffen). Vasomed ; 10, Suppl.: 24
Bewertung n % MacKenzie RK, Paisley A, Allan PL et al (2002) The effect of long
saphenous vein stripping on quality of life. J Vasc Surg; 35: 1197–
ganz zufrieden 43 41,7
1203.
zufrieden 21 20,5 Neuhauser B, Mildner A, Hilbe G (1998) 5-year results after varicose
vein surgery. Acta Chir Austriaca; 2: 80–84
gering zufrieden 6 5,8 Noppeney T, Noppeney J, Kurth I (2002). Ergebnisse nach klassischer
Varizenchirurgie. Zbl Chir; 127: 748–751
nicht zufrieden 9 8,7
Smith JJ, Garratt AM, Guest M et al. (1999) Evaluating and Improving
keine Angaben 24 23,3 Health-Related Quality of Life in Patients with Varicose Veins;
J Vasc Surg; 30: 710–719
25.2 · Operation der Vena saphena parva
311 25
25.2 Operation der Vena saphena parva Nach Präparation des SPÜ kann die popliteanahe Ligatur
analog zum Vorgehen bei der VSM erfolgen. Der Gebrauch
Auch bei Insuffizienz der V. saphena parva (VSP) wird des Nahtmaterials, sowie die Behandlung des VSP-Stump-
diese stadiengerecht entsprechend der Refluxstrecke ent- fes und ggf. des freiliegenden Endothels erfolgt nach den
fernt. Die Exstirpation der VSP erfolgt durch Strippingver- gleichen Grundsätzen wie bei der VSM.
fahren und nur gelegentlich, bei besonderen Verhältnissen Die Sondierung der VSP wird unter dem Gesichts-
wie bei segmentalen Verschlüssen, durch lokale Exstirpa- punkt der Komplikationsvermeidung im Versorgungs-
tion. Die Operation der VSP sollte grundsätzlich in Bauch- gebiet des N. suralis am besten von proximal nach
lage erfolgen, um immer einen ungehinderten Zugang distal durchgeführt. Das Strippen der VSP ist nur bei
zum sapheno-poplitealen Übergang (SPÜ) zu gewähr- zwingendem Erfordernis bis zum Außenknöchel durch-
leisten. zuführen.
Die Mündung der VSP ist extrem variantenreich Zur Frage der Fasziennaht beim Verschluss des Zu-
(. Abb. 25.10). Nur in knapp 25% der Fälle mündet die VSP ganges zur Parvamündung liegen keine verbindlichen Er-
in Höhe des Kniegelenkspaltes in die V. poplitea. Daher ist kenntnisse vor und entsprechend wird dies sehr unter-
bei Stammvarikose der VSP präoperativ die eindeutige schiedlich gehandhabt. Für die Behandlung der Subcutis
Identifizierung der Mündung unerlässlich und zur Erleich- und der Haut gelten die gleichen Grundsätze wie bei der
terung des Operateurs sollte die Mündungsregion vor Be- VSM in der Leiste.
ginn der Operation mittels Ultraschall bestimmt und mit
einem Markerstift gekennzeichnet werden. Der Zugang
zur Mündung der VSP erfolgt direkt über der markierten 25.2.1 Ergebnisse
Mündungsregion, wobei kosmetische Aspekte berücksich-
tigt werden sollten. Wenn es von den Mündungsverhält- Angaben zu Ergebnissen nach Operation der VSP sind in
nissen her vertretbar ist, ist die kosmetisch günstigste Lo- der Literatur nur selten zu finden. In einer prospektiven
kalisation für die Inzision in der Kniekehlenbeugefalte Multicenterstudie aus Großbritannien mit 219 Patienten
gelegen. und 234 operierten Extremitäten zeigten sich 1 Jahr nach
Nach Eröffnung der Faszie – längs oder quer – wird die Operation (Nachuntersuchung an 204 Extremitäten) kli-
VSP aufgesucht und angeschlungen. Das Vorpräparieren nisch erneute Varizen in 18% nach Ligatur des SPÜ und
in die Tiefe muss sehr vorsichtig und venenwandnah er- Stripping der VSP im Gegensatz zu 24% nach alleiniger
folgen, um nervale Strukturen rechtzeitig zu erkennen und Ligatur des SPÜ. Der Unterschied war statistisch nicht sig-
unter kontrollierten Bedingungen abschieben zu können. nifikant. Ein duplexsonographisch diagnostizierter, er-
Das Einsetzen von Haken und der Gebrauch der Diather- neuter Reflux am SPÜ war bei 13% der Extremitäten nach
mie sind wegen der Nähe großer, funktionell bedeutender Stripping und bei 32% der Extremitäten nach alleiniger
Nervenstränge, unter größter Umsicht durchzuführen. Ligatur des SPÜ festzustellen. Der Unterschied war statis-
Identifizierte, in den SPÜ einmündende Seitenäste, bzw. tisch signifikant (p < 0,01; O’Hare 2008).
eine V. femoropoplitea, werden isoliert, ligiert und durch- Allegra (2007) fand 5 Jahre postoperativ nach korrekt
trennt. Die Einmündung in die V. poplitea und die Vorder- ausgeführter Primäroperation, die unmittelbar postope-
wand der V. poplitea sollte eindeutig identifiziert sein. rativ mit Duplexsonographie kontrolliert wurde, ein Re-

. Abb. 25.10. Mündungsvarianten der V. saphena parva (aus Heberer, van Dongen 2004)
312 Kapitel 25 · Operative Technik bei Stamm- und Seitenastvarikose

zidiv am SPÜ bei 30% der Operierten. In einer retrospek- fast vollständig abgelöst durch minimalinvasive Techniken,
tiven Studie mit einem durchschnittlichen Nachunter- die zusammengefasst als Miniphlebektomie bezeichnet
suchungsintervall von 9,2 Jahren wurde ein Rezidiv aus werden (7 26.2).
einem VSP-Stumpf in 14,8% und ein Rezidiv bei nach wie
vor vorhandener VSP in 32,1% festgestellt. Die Autoren
folgern, dass mehr als die Hälfte der Rezidive auf eine 25.4 Zugangswege in der
25 unzureichende Voroperation zurückzuführen seien (Vin Varizenchirurgie
2001). Auch andere Publikationen bezeichnen den be-
lassenen Stumpf der VSP als häufige Ursache einer Re- M. Winkler
zidivvarikose. Weiterhin können eine Neovaskularisation
und insuffiziente Gastrocnemiusvenen für eine Rezidiv-
varikose nach Operation der VSP verantwortlich sein 25.4.1 Zugang zur Crossektomie
(Perrin 2008).
Aus dem eigenen Kollektiv konnten 142 von 251 ope- Beim Zugang zur Dissektion des sapheno-femoralen Über-
rierten Extremitäten im Durchschnitt 38 Monate post- ganges der V. saphena magna (VSM) gibt es 3 Möglich-
operativ duplexsonographisch nachuntersucht werden. keiten für den Hautschnitt:
Die Ergebnisse zeigten ein Rezidiv in der Fossa poplitea bei 1. unmittelbar in der Leistenbeugenfalte
7,1% der operierten Extremitäten. Bei diesen Rezidiven 2. den spuprainguinalen Zugang ca. 2 Querfinger ober-
handelte es sich entweder um einen zu langen VSP Stumpf halb der Leistenbeuge (Brunner 1979)
oder um erneute Seitenäste aus dem SPÜ. Bei 2,1% war ein 3. sowie den infrainguinalen Hautschnitt ca. 1–2 cm un-
Rest der VSP verblieben (Noppeney 2002). terhalb der Leistenbeuge (. Abb. 25.1)

Literatur Die Crossektomie wird in Rückenlagerung durchgeführt,


Allegra C, Antigniani PL, Carliazza A (2007) Recurrent varicose veins wobei das betroffene Bein gestreckt gelagert werden kann
after surgical treatement: our experince with fife year follow up.
oder mit Außenrotation im Hüftgelenk und leichter Fle-
Eur J Vasc Endovasc Surg; 33: 751-756
Noppeney T, Noppeney J, Kurth I (2002) Ergebnisse nach klassischer
xion im Kniegelenk. Hierbei ist einer möglichen Druck-
Varizenchirurgie. Zbl Chir 127: 748-751
O Hare JL, Vandenbroeck CP, Whitman B et al. (2008) Prospectiv eva-
luation of the outcomes after small saphenous varicose vein sur-
gery with one-year-follow-up. J Vasc Surg; 48: 669–673
Perrin M, Gillet JL (2008) Management of recurrent varices of the
popliteal fossa after surgical treatment. Phlebology; 23: 64-68
Vin F, Chleir F (2001) Ultrasonography of postoperatively recurrent
varicose veins in the area of the short saphenous vein. Ann Surg;
126: 320-324

25.3 Seitenastexstirpation

Eingriffe zur Exstirpation von Seitenastvarizen kommen


vor als Einzelmaßnahme oder als Ergänzung zur Sanie-
rung einer Stammvarikose.
In der traditionellen Varizenchirurgie wurden nach
Markierung der Varizenverläufe auf der Haut in stehender
Position des Patienten an taktisch günstigen Positionen,
z. B. Verzeigungspunkten, Inzisionen von 2–3 cm Länge
angebracht. Durch diese Inzisionen hindurch wurden in
klassischer chirurgischer Präparationstechnik, mit Pinzet-
te und Präparationsschere, die Varizen dargestellt, frei-
präpariert und ggf. abgerissen bzw. zwischen Ligaturen
reseziert. Diese aufwendige und traumatisierende Metho-
dik ist heute weitgehend verlassen und hat nur noch in
bestimmten Situationen und Einzellokalisationen ihre Be- . Abb. 25.11. Zugangswege zur Crossektomie. Suprainguinaler
rechtigung. Die klassische Präparationstechnik wurde Zugang und Hautschnitt in der Leistenbeuge
25.4 · Zugangswege in der Varizenchirurgie
313 25
schädigung des N. peroneus im Bereich der Wadenbein-
köpfchen durch ausreichende Polsterung entgegenzu-
wirken.
Unabhängig von der Lage der Hautinzision sollten die
Zugangswege von ausreichender Länge sein (3–6 cm), um
die atomischen Verhältnisse sicher darstellen zu können
und Komplikationen, bedingt durch fehlende Übersicht,
zu vermeiden.

Tipp

Der Hautschnitt in der Leistenbeuge muss zur über-


sichtlichen Präparation ausreichend lang sein und ist
dabei kosmetisch wenig störend.

Der Übergang vom lateralen Drittel zum mittleren Drittel


der Schnittlänge sollte über dem tastbaren Leistenpuls
liegen. Damit liegt das mittlere Drittel der Schnittführung
direkt über der V. femoralis und damit direkt über der
Crossenregion. Die quere Hautinzision wird unter der . Abb. 25.12. Zugänge nach Li, Brunner, Junod. 1 Exzision der
Haut in eine Präparationsrichtung in Längsrichtung ver- Narbe nach Li, 2 suprainguinaler Zugang nach Brunner, 3 lateraler
kehrt. Die Durchtrennung des subkutanen Fettgewebes Zugang nach Junod
sowie Eröffnen der subkutanen Faszie mit anschließen-
der konsequenter Darstellung der Gefäße erfolgt in Längs-
richtung der Gefäßstrukturen und immer gefäßwand- 25.4.2 Zugang beim Crosssenrezidiv
nah, um Lymphstrukturen und Nerven weitgehend zu
schonen. Der direkte Zugang zum Crossenrezidiv durch die alte
Liegt die Inzision direkt in der Leistenbeuge, ist die Hautizision und das vorrausgegangene Operationsgebiet
subkutane Fettgewebsschicht weniger stark ausgeprägt als ist durch die vernarbten Gewebestrukturen und die ver-
beim suprainguinalen und infrainguinalen Zugang. Somit letzlichen Gefäßregenerate mühsam und unübersichtlich.
ist der präparatorische Aufwand geringer, allerdings liegt Zudem ist die Gefahr einer Verletzung der Lymphstruk-
die Wunde dann, insbesondere bei adipösen Patienten, turen in der Leiste besonders hoch (Brunner 1975). Daher
direkt in der u. U. nässenden Scheuerzone, was zu Wund- sollte die Darstellung des Crossenrezidivs aus nicht vor-
heilungsstörungen führen kann. Kosmetisch ist diese operiertem Gebiet kommend erfolgen. Hierzu sollte die
Schnittführung jedoch am günstigsten. Präparation von lateral (Klein u Lenze 1998) oder medial
Wird der Hautschnitt unterhalb der Leistenbeuge erfolgen, wobei auch dies über eine quere Hautinzision mit
angebracht, ist der Weg zur Crosse durch das aus- Präparation des subkutanen Fettgewebes in Längsrichtung
geprägtere subkutane Fettgewebe etwas weiter und birgt erfolgen kann (. Abb. 25.2). Kommt man von lateral,
die Gefahr eines zu lang belassenen Saphenastumpfes in wird das Narben-Lymph-Konglomerat nach medial weg-
sich. präpariert, kommt man von medial wird es nach lateral
Der laterale Zugang nach Junod, der wie bei der Freile- weggezogen. Es wird die Gefäßscheide dargestellt und
gung der arteriellen Femoralisgabel über einen längsver- längs eröffnet. Von lateral kommend muss man zunächst
laufenden Hautschnitt am vorderen Rand des M. sartorius die A. femoralis darstellen und über diese hinweg die
angelegt wird, ist aus kosmetischer Sicht bei einem Pri- V. femoralis und den Mündungstrichter der V. saphena
märeingriff nicht gerechtfertigt magna darzustellen. Wird von medial präpariert, so
können entlang der V. femoralis communis der Mündungs-
trichter der VSM und die verblieben Crossenäste darge-
stellt werden ohne die A. femoralis frei zu legen. Durch
einen deckenwärts gerichteten Zug am Wundhaken werden
die Gewebsstrukturen aufgespannt und der Mündungs-
trichter der V. saphena magna kann zirkulär freipräpariert
werden.
314 Kapitel 25 · Operative Technik bei Stamm- und Seitenastvarikose

Eine weitere Möglichkeit des Zugangs durch nicht


voroperiertes Gebiet bietet die Hautinzision oberhalb der
Leistenbeuge mit Darstellung des Leistenbandes (Hach
1996). Durch Präparation entlang der Vorderwand der
V. femoralis lässt sich der Saphenastumpf darstellen.
Bei Exzision der alten Narbe und des subkutanen Fett-
25 gewebes einschließlich der Varizenkonvolute (Li 1975)
treten häufig Lymphfisteln und Lymphödeme auf. Dies
kann deshalb nicht empfohlen werden.
Der laterale Zugang nach Junod über einen Hautschnitt
in Längsrichtung ist meist nicht erforderlich und kosme-
tisch ungünstig.
. Abb. 25.14. Hautschnitt zur Freilegung der distalen V. saphena
Tipp
magna nach Fischer

Tipp: Die Präparation des Crossenrezidivs erfolgt


außerhalb des Narbengewebes von lateral, medial
oder kranial. Tipp

Tipp: Die prä- bzw. intraoperative Ultraschallmarkie-


rung des sapheno-poplitealen Überganges und die
25.4.3 Zugang zum sapheno-poplitealen
Längsspaltung der Faszie sind hilfreich bei der Dar-
Übergang
stellung der VSP-Mündungsregion.

Anatomisch bietet die Einmündung der V. saphena parva


(VSP) in die V. poplitea zwei Besonderheiten:
4 sie mündet in unterschiedlicher Höhe in die 25.4.4 Zugang zur distalen Vena saphena
V. poplitea magna und parva in Knöchelbereich
4 knapp vor dem sapheno-poplitealen Übergang mündet
die V. femoropoplitea in die V. saphena parva (May Muss die V. saphene magna oder parva im Bereich der
1987) (. Abb. 25.10). Knöchelregion freigelegt werden, so erfolgt dies über eine
0,5–1 cm lange Hautinzision über der präoperativ mar-
Wird der quere Hautschnitt stets in der Kniebeuge ange- kierten Vene. Ob der Hautschnitt quer- oder längsverlau-
legt, so besteht die Gefahr, dass die Mündung der V. saphe- fend angelegt wird, ist operationstechnisch und kosmetisch
na parva nur schwer oder nicht erreicht bzw. eingesehen nicht entscheidend. Wichtig ist, dass die weitere subkutane
werden kann und u. U. ein langer Stumpf mit der einmün- Präparation konsequent in Längsrichtung durchgeführt
denden V. femoropoplitea belassen wird, was zwangsläufig wird, um Schädigungen der zu den Venen parallel verlau-
zum Rezidiv führt. Wegen der vielfältigen Mündungsva- fenden Nerven und Lymphbahnen zu vermeiden. Hierzu
rianten ist die prä- bzw. intraoperative sonographische muss sowohl am Innenknöchel der N. saphenus als auch
Darstellung und Markierung des sapheno-poplitealen am Außenknöchel der N. suralis sicher dargestellt und von
Überganges sehr hilfreich für die Planung des Zuganges der Vene atraumatisch freipräpariert werden. Als Alter-
zur Kniekehlenregion. Der Eingriff wird bevorzugt in native zu Freilegung der distalen V. saphena magna am
Bauchlagerung unter leichter Flexion im Kniegelenk Innenknöchel gilt die Freilegung der Vene am Fußrücken
durchgeführt. Für die Hautinzision genügt eine Länge von über eine längsverlaufende Inzision (. Abb. 25.14), was die
2–4 cm. Das Subkutangewebe wird stumpf abgeschoben Lymphbahnen sicherer schonen und ein besseres kosme-
und dann die Faszie in Längsrichtung über der zumeist tisches Ergebnis erbringen soll (Fischer 1976).
durchscheinenden V. saphena parva eröffnet. Die Längs-
spaltung der Faszie ermöglicht das kulissenartige Verschie- ! Cave
ben der Inzision durch die subfaszial eingesetzten Wund- Bei Darstellung der V. saphena magna oder parva
haken unmittelbar über die Einmündung der V. saphena im Knöchelbereich ist eine Traumatisierung der
parva in die V. poplitea. begleitenden Nerven vermeiden.
25.4 · Zugangswege in der Varizenchirurgie
315 25
Literatur
Brunner U (1979) Suprainguinaler Zugang zur Crossektomie. In: Brunner
U (Hrsg) Die Leiste. Verlag Hans Huber Bern Stuttgart Wien
Brunner U (1975) Zur Vermeidung von sekundären Lymphödemen
nach Varizenoperation. Phlebol u Proktol 4: 266–272
Fischer R (1976) In: Die chirurgische Behandlung der Varizen. Huber
Bern Stuttgart Wien
Hach W (1996) Zugangswege für die präfemorale Ligatur und Dissek-
tion des kurzen Saphenastumpfes bei der Operation einer Rezi-
divvarikose. Gefäßchirurgie 1: 56–57
Li AKC (1975) A technique for reexploration of the saphenofemoral
junction for recurrent veins. Br J Surg 62: 745–752
Klein M, Lenz A (1998) Inguinaler lateral-subfaszialer Zugang zur Kor-
rektur des Crossenrezidives. Vasomed 1: 19–22
May R (1987) Primäre Varikosis. In Heberer, van Dongen (Hrsg) Gefäß-
chirurgie. Thieme, Stuttgart New York
26

26 Spezielle chirurgische Techniken


26.1 Strippingtechniken – 318
H. Nüllen, T. Noppeney
26.1.1 Stadiengerechtes Strippen – 318
26.1.2 Strippingsonden – 318
26.1.3 Sondierung – 320
26.1.4 Strippingmanöver – 320
26.1.5 Studienlage – 322
26.1.6 Schlussfolgerung – 323

26.2 Miniphlebektomie – 323


26.2.1 Inzisionen – 323
26.2.2 Phlebektomie – 324
26.2.3 Fehler und Gefahren – 325
26.2.4 Verschluss der Inzisionen – 325
26.2.5 Zusammenfassung – 325

26.3 Operation in Blutleere – 325


H.J. Hermanns
26.3.1 Technik – 326
26.3.2 Ergebnisse – 326
318 Kapitel 26 · Spezielle chirurgische Techniken

26.1 Strippingtechniken

H. Nüllen, T. Noppeney

Die subkutane, langstreckige Exhairese von Stamm- oder


Sammelvenen nach zuvor durchgeführter Sondierung mit
speziellen Sonden wird als Stripping (engl. to strip = ab-
streifen) bezeichnet. Die Technik geht auf den Amerikaner
26 William Wayne Babcock (1907) zurück. Babcock führte
keine Crossektomie durch, sondern eine Saphenaligatur.
Streng genommen wurde die Strippingtechnik bereits
2 Jahre früher von Keller (1905) in Form eines Invagina-
tionsstrippings in der gleichen Zeitschrift publiziert. Der
Name Babcock hat sich durchgesetzt. Die Gewohnheit die
. Abb. 26.1. Strippersonden (Photo: Katharina Müller, Mönchen-
klassische Varizenoperation mit Crossektomie, Stripping
gladbach)
der Stammvene und Seitenastexhairese als »OP nach Bab-
cock« zu bezeichnen, ist aus diesem Grunde historisch
falsch, jedoch weit verbreitet und akzeptiert.

26.1.1 Stadiengerechtes Strippen

Dem Vorgehen kranke Venenanteile zu entfernen und ge-


sunde zu belassen, entspricht der Grundsatz der stadien-
gerechten Eingriffsplanung. In Bezug auf das Strippen der
Stammvenen versteht man hierunter ausschließlich die
Entfernung der insuffizienten Venenanteile entsprechend
der festgelegten Stadien der Stammveneninsuffizienz
(Hach 1977).
. Abb. 26.2. Nabatoff-Besteck (Photo: Katharina Müller, Mönchen-
gladbach)
26.1.2 Strippingsonden

Die verschiedenen vom Handel angebotenen Stripping-


sonden zur Sondierung der Stammvenen unterscheiden
sich durch das Sondenmaterial, die Ausbildung der Son-
denspitze und die Methodik der Ankupplung der Stripper-
köpfe und sonstiger Hilfsmittel (. Abb. 26.1). Objektive
Daten zu Vor- und Nachteilen unterschiedlicher Modelle
liegen nicht vor. Die Entscheidung für das eine oder ande-
re Modell liegt in den Präferenzen des Operateurs, häufig
auch im Preis.
Das von Nabatoff (1953) angegebene Besteck (. Abb.
26.2) besteht aus einer Metallsonde mit Schraubgewinde an . Abb. 26.3. Doppelsonde unter Verwendung einer Nabatoffsonde
(Photo: Katharina Müller, Mönchengladbach)
beiden Enden, auf die Sondenspitzen, Stripperköpfe und
Handgriffe aufgeschraubt werden können. Durch zusätz-
liches Einfräsen eines Kanals mit Innengewinde in die Kup- Daneben werden von unterschiedlichen Firmen spe-
pel des Sondenkopfes kann leicht eine Doppelsonde für ein ziell designte Strippersonden mit besonderen Spitzen ange-
Rückzugstripping hergestellt werden (. Abb. 26.3). boten, die eine Sondierung auch von stark geschlängelten
Seit Jahren haben sich Kunststoffsonden mit einer Venen ermöglichen sollen (vastrip®spezial) (. Abb. 26.4)
kleinen Olive am Sondenende als Einmalartikel weitgehend oder die durch eine Klemm- und Cut-Mechanik ein retro-
durchgesetzt. Stripperköpfe unterschiedlicher Größe kön- grades Stripping mit nur einer einzigen Inzision ermög-
nen i.d.R. mittels einer Schlitzkupplung befestigt werden. lichen sollen (LeMaitre®) (. Abb. 26.5).
26.1 · Strippingtechniken
319 26
. Abb. 26.4. Besondere Sondenspitze.
(vastrip®spezial) (Photo: Katharina Müller,
Mönchengladbach)

. Abb. 26.5. InvisiGrip® Vein Stripper.


Detailansicht und Funktionsprinzip
320 Kapitel 26 · Spezielle chirurgische Techniken

26.1.3 Sondierung auf die physiologische Strömungsrichtung in der Stamm-


vene zu unterscheiden. Hierbei bedeutet
Die Sondierung der Stammvene soll zur Vermeidung einer 4 retrogrades Stripping z. B. von der Leiste aus nach dis-
ungewollten Sondierung der tiefen Vene möglichst erst tal in Richtung auf den Fuß und
nach korrekt durchgeführter Crossektomie erfolgen. Unter 4 anterograd von distal, (fußwärts gelegen) in Richtung
den Vorsichtsmaßnahmen des stadiengerechten Strippings auf die Leiste.
ist die retrograde Sondierung von der Leiste aus nach distal
obligat. Hierbei kann die Sonde kontrolliert bis zur ersten Die Strippingrichtung ist bei einigen Methoden, wie z. B.
26 suffizienten Klappe vorgeschoben werden. beim Pin-Stripping und beim Kryostripping bereits weit-
Bei ausgeprägter Varikose mit starker Schlängelung gehend vorgegeben. Gelegentlich findet man Angaben,
und großen bullösen Ektasien oder nach Phlebitiden mit dass die retrograde Strippingrichtung wegen des Mün-
Teilobliterationen der Stammvene gelingt es häufig nicht, dungswinkels von Seitenästen in die Stammvene zu bevor-
die Sonde retrograd ausreichend weit vorzuschieben. In zugen und darüber hinaus die Quote an Schädigungen der
diesen Fällen bleibt meist kein anderer Weg als in klassi- sensiblen Hautnerven geringer sei. Für eine solche Aussage
scher Weise die Stammvene im Knöchelniveau oder auch fehlen die objektiven Belege. Wir selbst bevorzugen das
im Kniebereich aufzusuchen, zu sondieren oder eine seg- retrograde Stripping mit der Doppelsondentechnik, weil
mentale Phlebektomie ohne Strippingmanöver durchzu- sich hierbei die distale Inzision auf eine Stichinzision von
führen. 2–3 mm begrenzen lässt.
Bei allen Sondierungsmanövern muss immer daran Bei den Strippingtechniken unterscheidet man fol-
gedacht werden, dass die Sonde ungewollt durch transfas- gende Methoden:
ziale Verbindungen, z. B. die ggf. noch in situ befindliche
Crosse oder durch Perforansvenen in das tiefe Venensys- Kopfstripping
tem abgleiten kann. Der Vorschub der Sondenspitze soll Strippen der Stammvene unter Verwendung eines »Mit-
daher immer mindestens durch begleitende Fingerpalpa- nehmerkopfes«. Hierbei wird die Vene beim Stripping-
tion verifiziert werden. Bei übergewichtigen Patienten, bei manöver durch den Stripperkopf mitgenommen und
welchen der Tastbefund gelegentlich schwierig bis un- staucht sich unter dem einwirkenden Zug vor dem Kopf
möglich sein kann, muss ggf. eine Ultraschallkontrolle er- ziehharmonikaförmig auf (. Abb. 26.6).
folgen. Ein »Verschwinden« der Sonde muss immer den
Verdacht auf eine Sondierung des tiefen Venensystems
auslösen.

26.1.4 Strippingmanöver

Die Strippingmethode gilt weithin als ein Verfahren mit


einer relativ großen Gewebetraumatisierung. Diese Aus-
sage ist sicherlich nicht unberechtigt, wenngleich die atrau-
matische Venenexhairese erst noch erfunden werden muss.
Schließlich kommt es – wie immer in der Chirurgie – auch
auf den Operateur an. Unbeschadet dessen soll man be-
strebt sein, das Operationstrauma so gering wie möglich zu
halten. Zu diesem Zwecke wird der jeweils kleinstmögliche
Stripperkopf gewählt und der Zug auf die Sonde erfolgt
durchaus kräftig, aber gleichmäßig und langsam. Wir
selbst vertreten, gestützt auf die klinische Erfahrung, die
Ansicht, dass eine begrenzte Hämatombildung im Strip-
pingkanal und den angrenzenden Gebieten durch Abriss
der Seitenäste, das angestrebte therapeutische Ziel, die
Ausschaltung insuffizienter Seitenäste, eher fördert. Ob-
jektive Belege bzw. Untersuchungen hierfür gibt es jedoch
nicht.
Beim Strippingmanöver ist nach der Stripping-Technik
und nach der Frage der Richtung des Strippings in Bezug . Abb. 26.6. Kopfstripping (aus Hach 1994)
26.1 · Strippingtechniken
321 26

. Abb. 26.7. Rückzugstripping. Fadenmethode (Photo: Katharina


Müller, Mönchengladbach)

. Abb. 26.8. Rückzugstripping. Doppelsondenmethode (Photo:


Katharina Müller, Mönchengladbach)

Durchzugmethode
Bei der Durchzugsmethode wird der Kopf komplett unter
der Haut durchgezogen. Dies bedeutet, dass die distale In-
zision eine Länge haben muss, die es erlaubt, dass der Strip-
perkopf durch die Haut durchtreten kann.
. Abb. 26.9. Invaginationsstripping. Die Vene wird an der Sonde
durch Ligatur fixiert. Durch den Rückzug der Sonde ergibt sich die
Rückzugsmethode Einstülpung der Vene in sich selbst (Invagination) (aus Hach 1994)
Hierbei wird die Strippersonde nach der Sondierung durch
eine Stichinzision von 2–3 mm am distalen Sondierungs-
ende ausgeleitet. Danach wird am proximalen Sondenende Invaginationsstripping
ein zweite Sonde angekoppelt (z. B. durch einen Doppel- Invaginationsstripping wurde bereits von Keller (1905)
kopf) oder ein langer Faden angeknotet. Nun kann die durchgeführt Beim Invaginationsstripping (van der Stricht
Vene nach distal gestrippt werden und die distal aufge- 1963) wird die Stammvene an der Strippingsonde je nach
kräuselte Vene durch die distale Inzision herausgezogen, Methode in unterschiedlicher Weise befestigt und der
von der Sonde entfernt und diese danach wieder leisten- Strippingvorgang durch Rückzug eingeleitet, wobei sich
wärts zurückgezogen werden. die Vene einstülpt und jeweils an der Umkehrfalte aus
der geweblichen Fixierung im umgebenden Gewebe löst
Fadenmethode Hierbei wird zum Rückzug der Sonde ein (. Abb. 26.9). Das Problem bei der Invaginationstechnik
an den Kopf angeknoteter langer, kräftiger Faden einge- stellt das Abreißen der Vene dar. Dies ist bei langer Strecke
setzt (. Abb. 26.7) und stark veränderter Vene nicht selten.

Doppelsonden-Methode Hierbei wird ein spezieller Invagination mit normaler Kunststoff-Strippersonde


Kopf benutzt, der es erlaubt zwei Sonden zusammenzu- Die Vene wird durch eine kräftige Ligatur auf der Sonde
kuppeln (. Abb. 26.8) fixiert, wobei der Olivenkopf der Sonde das Widerlager für
322 Kapitel 26 · Spezielle chirurgische Techniken

die Ligatur bildet. Zur Ligatur wird ein kräftiger Faden den. Hierbei friert die Sonde an der Venenwand fest (Kälte-
genommen, wir verwenden 0-Seide, der lang belassen wird brücke) und die so fixierte Vene kann nun durch kräftigen
und als Leitschiene bzw. Rückzugsmöglichkeit bei Abriss Zug aus ihrer Kontinuität abgerissen werden und im Rück-
der invaginierten Vene genutzt werden kann. Bei nicht zu zug durch Invaginationsextraktion entfernt werden
adipösen Beinen kann auch auf den Faden verzichtet (. Abb. 26.11). Der Kälteeffekt wird durch die kontrol-
werden, da die Abrissstelle bei dem geforderten langsamen lierte Gasentspannung von NO2 oder CO2 erzeugt (Joule-
Zug an der Sonde i.d.R. palpatorisch lokalisiert werden Thomson-Effekt). Die ursprünglich vollständig starre
kann. Die Vene bzw. die invaginierte Vene kann als dicker Sonde, die häufig Schwierigkeiten bei der Einführung in
26 Strang über eine Stichinzision mit einem Phlebohäkchen die VSM mit sich brachte, wurde inzwischen durch eine
für die Miniphlebektomie vorluxiert und geborgen und flexible Spitze modifiziert (Breuninger 2000). Hierdurch
erforderlichenfalls neu an der Sonde fixiert werden. konnte die erfolgreiche Sondierung mit proximalem Zu-
gang von 67% auf 91% der Fälle gesteigert werden. Mit der
PIN-Stripping Diese Form des Invaginationsstrippings Kryotechnik lassen sich durch paravenöse Vorgehensweise
(Oesch 1993) wird mit einer starren, speziell geformten Seitenäste extrahieren.
und mit endständigen Ösen versehener Strippersonde aus-
geführt. Das Instrumentarium wurde vom Erstbeschreiber Auch die Frage nach dem Zeitpunkt des Strippings im Ope-
zur Intervention nach einem Abriss des Invaginates später rationsablauf kann objektiv nicht eindeutig beantwortet
erweitert (Oesch 1998). Aufgrund persönlicher Erfahrung werden, ebenso wie die Frage, ob das Stripping bei einem
des Autors war ein Vorteil gegenüber dem Invaginations- liegenden Kompressionsverband oder ohne erfolgen soll.
verfahren mit einer normalen Kunststoffsonde nicht er- Wir bevorzugen, bedingt durch einen hohen Anteil an am-
kennbar. bulanten Operationen und den Wunsch die Blutung aus
dem Strippingkanal sicher kontrollieren zu können, das
Kryostripping frühzeitige Stripping im Operationsverlauf ohne zusätz-
Über Sklerosierung (Milleret 1981) und Strippingmanöver liche Kompression.
unter Einsatz von Kältesonden (. Abb. 26.10). wurde be-
reits seit den 1980er Jahre aus Frankreich berichtet (Le
Pivert 1987). Hierbei wird die Stammvene mittels einer 26.1.5 Studienlage
starren, speziellen Kryosonde von der Leiste aus sondiert
(Klöpper 1996). Die Temperatur an der Sondenspitze kann, Die Studienlage zur Frage der Methodik des Strippings ist
durch den Operateur gesteuert, auf -85°C abgesenkt wer- nicht erhellend, da die wenigen Studien, die vorliegen, me-

. Abb. 26.10. Kryostripping (Photo: Katharina Müller, Mönchengladbach)

a b

. Abb. 26.11. Kryostripping. Flexible Sondenspitze


26.2 · Miniphlebektomie
323 26
thodische Mängel aufweisen. Ohne dass hier auf Einzelheiten Klöpper M (1996) Die Kryovariektomie – Methode und Ergebnisse
1988-1996. Ambulant Operieren 3:132–4
eingegangen werden soll, kann festgehalten werden:
Le-Pivert P (1987) Cryochirurgie controlee des varices des membres
Noppeney et al. (2001) vergleichen konventionelles inferieurs. Une approche therapeutique nouvelle. A propos 350
Durchzugsstripping mit retrogradem Invaginationsstrip- cas. Phlebologie 40:123–148
ping (Fadenmethode) bei Stripping von der Leiste bis zum Milleret R, LePivert P (1981) Cryosklerose des troncs spapheniens
Knöchel. Die Fragestellung zielt auf technische Durchführ- dans les reflux varieux de l’obese et du viellard. Phlebologie
34.601–605
barkeit, verfahrenstypische Komplikationen, Häufigkeit
Nabatoff RA (1953) A complete stripping of varicose veins under local
und größere postoperative Hämatome und Schädigungen anaestesia. New York State J med 53:1445–8
des N. saphenus. Ein eindeutiger Vorteil für das eine oder Noppeney T, Noppeney J, Scheidt A, Kurth I (2001) Vor- und Nachteile
das andere Verfahren kann nicht belegt werden. des invaginierenden Strippings der V.saphena magna gegenüber
Butler et al. (2002) vergleichen PIN-Stripping mit kon- dem konventionellen Verfahren. Vasomed 13:107–110
Oesch A (1993) Pin-Stripping. A novel method of atraumatic stripping.
ventionellem Stripping und findet einen geringen Vorteil
Phlebology 8:171–173
beim PIN-Stripping durch geringeren Blutverlust und Oesch A (1998) Der Pin-Stripper und der Retriever. Technik und Resul-
kürzere OP-Zeiten. Die Unterschiede sind gering und be- tate. Vasomed 10:292–6
weisen nur eine minimale Überlegenheit der Invagina- Stötter L, Schaaf I, Bockelbrink A, Baurecht HJ (2005) Radiowellen-
tionsmethodik gegenüber einem klassischen Strippen mit obliteration, invaginierendes oder Kryostripping. Phlebologie
34:19–24
Kopfsonde.
Stricht van der J (1963) Saphenectomie par invagination sur fil. Press
Stötter et al. (2005) vergleichen RFO mit Invagina- Méd 71:1081
tionsstripping und Kryostripping. Im hier interessierenden
Zusammenhang kommt es auf die Unterschiede zwischen
Invaginationsstripping und Kryostripping an. Invagina-
tionsstripping schneidet danach in allen geprüften Para- 26.2 Miniphlebektomie
metern (postoperative Befindlichkeit, Schmerzen, Häma-
tomgröße, Rückkehr zur Routine bzw. Arbeitsfähigkeit) Unter einer Miniphlebektomie versteht man eine segmen-
deutlich besser ab als Kryostripping. tale Ektomie von Varizen (Phlebektomie) durch Miniinzi-
Haas et al. (2006) vergleichen Kopfstripping (Rück- sionen. »Mini« bezieht sich also nicht auf das Kaliber der
zugsmethode mit Fadentechnik) mit PIN-Stripping und Vene, sondern auf die Minimierung der Invasivität, insbe-
Kryostripping. Kryostripping schneidet in der Bewertung sondere in Bezug auf die Inzision. Die Miniphlebektomie-
der Autoren aufgrund der Handhabung und der Zeitvor- technik kommt mit Hautinzisionen von 2–3 mm aus und
teile besser ab als die anderen Methoden, obwohl die Rate eignet sich sowohl für die isolierte Seitenastentfernung
an postoperativen Beschwerden hierbei am höchsten war. (SA) als auch für die Seitenastentfernung im Rahmen einer
Babcock’schen Operation (i. S. von Crossektomie, Strip-
ping, SA-Ektomie und ggf. Perforansdissektion). Es han-
26.1.6 Schlussfolgerung delt sich bei der Miniphlebektomie also um eine minimal
invasive Operationstechnik und nicht um ein Behand-
Eine eindeutige Überlegenheit einer bestimmten Strip- lungskonzept.
pingmethode ist nicht zu erkennen. Als Grundaussage
kann gelten, dass erlaubt ist was gefällt. Das Prinzip der
Minimierung der Invasivität und der Gewebetraumatisie- 26.2.1 Inzisionen
rung soll dabei beachtet werden.
Die Stich-Inzisionen von 2–3 mm Länge werden im prä-
Literatur operativ markierten Bereich mit einem Stilett-Skalpell
Babcock WW (1907) A new operation for the exstirpation of varikose (Nr. 11) eingebracht. Bei den kleinen Ausmaßen der Stich-
veins of the leg. NY Med J 86:153–6 inzisionen ist es gleichgültig, ob die Stiche parallel oder
Breuninger H (2000) Kryostripping der Vena saphena magna. Vaso-
rechtwinklig zur Beinachse gesetzt werden, jedoch sollten
med 12:22–25
Butler CM, Scurr JH, Coleridge Smith PD (2002) Prospective rando-
alle Stiche in die gleiche Richtung weisen. Wir selbst bevor-
mized trial comparing conventional (Babcock) stripping with in- zugen die Längsrichtung, da nach unserem Empfinden die
verting (Pin) stzripping of the long saphenous vein. Phlebology Miniinzisionen nach Abheilung bei dieser Lage weniger
17:59–63 auffallen als quere Inzisionen (. Abb. 26.12).
Hach W, Girth E, Lechner W, Einteilung der Stammvarikose der V. saphe-
na magna in vier Stadien. Phleb u Proktol 1977; 6:116–123
Keller WL (1905) A new method of exstirpating the internal saphenous
an similiar veins in varicose conditions; A preliminary report. NY
Med J 82:365
324 Kapitel 26 · Spezielle chirurgische Techniken

26

a b

. Abb. 26.12. a Miniincision mit Strippersonde in situ, b Miniincision 4 Wochen postoperativ

a b

. Abb. 26.13. VerschiedeneVenenextraktor-Modelle. a Venenextraktor nach Nüllen und nach Varaday. b Detailaufnahme mit Handarbeits-
häkelnadel zum Vergleich (Photo: Katharina Müller, Mönchengladbach)

26.2.2 Phlebektomie den Vorteil eines relativ stumpfen Hakens, der verhindert,
dass beim Vorluxieren die Vene perforiert wird (. Abb.
Mittels eines Phlebohäkchens (Häkelnadel) wird die unter 26.14). Bei der Wahl des Häkchens ist es so, dass jeder Ope-
der Inzision liegende Vene blind geangelt und vorluxiert. rateur durch Versuch und Irrtum das Häkchen ausfindig
Danach wird nach Säuberung der Vene von umgebendem machen sollte, mit dem er sich wohlfühlt.
Gewebe mittels eines kleinen Spatels (Dissektor) die Vene Der Terminus »Miniphlebektomie« sagt natürlich
weiter vorgezogen, zwischen kleinen Klemmchen durch- nichts über die Instrumentierung beim minimalinvasiven
trennt und nur durch Zug und subkutaner Präparation Vorgehen zur Extraktion von z. B. kleinkalibrigen Varizen.
mittels Dissektor über mehr oder weniger lange Strecken So können hierbei auch andere Techniken als »Häkel-
extrahiert. Phlebohäkchen, gelegentlich auch Phlebextrak- häkchen« zum Einsatz kommen. So ist z. B. die Kryotech-
tor genannt, werden in unterschiedlicher Größe und Ha- nik mit einer paravenösen Extraktionstechnik geeignet zur
kenform von Instrumentenfirmen angeboten. Wir selbst Seitenastextraktion. Die TRIVEX-Technik (Transillumi-
nutzen einen Phlebextraktor der einer Handarbeitshäkel- nated powered phlebektomy) kann eher als Außenseiter-
nadel (1,75) nachempfunden ist (. Abb. 26.13). Dieser hat methodik angesehen werden. Hierbei werden durch sub-
26.3 · Operation in Blutleere
325 26
tiert. Wir selbst nähen die Inzisionen mit einer überwend-
lichen Naht mit einem 6-0 monofilen Kunststofffaden und
können als Konsequenz dessen den Patienten erlauben, ab
dem Abend des 2. postoperativen Tages das operierte Bein
ungeschützt der Dusche auszusetzen.

26.2.5 Zusammenfassung

Die Miniphlebektomie ist eine ideale Technik zur Extrak-


tion geschlängelter subkutaner Varizen jeden Kalibers. Sie
. Abb. 26.14. Vorluxieren der Venen durch eine Miniincision mit ist bei einiger Übung
einem Venenextraktor nach Nüllen 4 schnell und sicher ausführbar
4 erbringt kosmetisch günstige Ergebnisse
4 heilt schnell ab
kutanes »Fräsen« und Zerschneiden von Varizen bei sub- 4 macht deutlich weniger Beschwerden als große Inzisi-
kutaner Illumination unter gleichzeitigem Absaugen des so onen durch die hindurch mit klassischer chirurgischer
erzeugten Gewebebreies die Venensegmente zerstört. Technik präpariert wurde

26.2.3 Fehler und Gefahren 26.3 Operation in Blutleere

Beim der Suche nach der subkutanen Vene und der fol- H.J. Hermanns
genden der Extraktion ist je nach der gerade bearbeiteten
anatomischen Region auf ggf. zu erwartende Begleitstruk- Die erste Anwendung einer Blutsperre in der Venenchi-
turen zu achten. Hier sind insbesondere die Lymphbahnen rurgie wurde bereits 1965 von Fischer beschrieben. Er be-
des ventromedialen Lymphbündels, als auch die tiefen Ve- nutzte zunächst orthopädische, pneumatische Manschet-
nen und die Arterien in den retromalleolären Kulissen und ten. Zum Erzielen einer Blutleere musste die Extremität
auf dem Fußrücken zu nennen. Aber auch die Sehnen und mit einer Eschmarschen Gummibinde ausgewickelt wer-
Sehnenscheiden im Fußbereich sowie die Bursae im Knie- den. Der Manschettendruck war mit Werten zwischen 300
bereich können beim Häkeln verletzt werden. Bei der vor- bis 400 mmHg Eingriffen aus der Orthopädie und Trau-
sichtig vorluxierten Struktur ist zunächst zu prüfen, ob es matologie angepasst und nach heutiger Erkenntnis zu hoch
sich tatsächlich um eine Vene handelt. Danach erst soll die und lokal traumatisierend. Eine wesentliche Verbesserung
verifizierte Vene mit dem Dissektor von allem begleitenden stellte die von Löfqvist 1988 entwickelt Rollmanschette dar.
Gewebe durch Abschieben gesäubert werden. Dabei sollten Sie führt zu einer relativen Blutleere, die für die Varizen-
die Hautränder der Stichinzisionen nicht zu sehr gedehnt chirurgie ausreichend ist. Die Löfqvist-Manschette ist
oder gequetscht werden. Bei so entstandenen Hautschäden heute daher die Methode der Wahl. Insbesondere bei aus-
können sich unangenehme Pigmentierungen im Narben- geprägten Befunden, großen Seitenästen, massiver Adi-
bereich ergeben, die die kosmetischen Vorteile der Vorge- positas mit vermehrtem Blutungsrisiko und fortgeschrit-
hensweise zunichtemachen. Wenn man stark geschlängelte tenen Hautveränderungen bis hin zu Ulzerationen bietet
Stammvenenabschnitte oder »Monster«-Varizen auf diese die Blutleere hohen Behandlungskomfort.
Weise extrahiert, ist es gelegentlich zu empfehlen, die Inzi-
> Indikation
sion etwas zu vergrößern.
Die Anwendung der relativen Blutleere zur Vari-
zenexhairese hat viele Vorteile, ist aber durch die
temporäre Unterbrechung der Blutzirkulation ein
26.2.4 Verschluss der Inzisionen
invasives Hilfsmittel. Die Indikation ist relativ und
richtet sich nach den Konzepten des Operateurs.
Der Verschluss der Inzisionen kann auf unterschiedliche
Erfolgreiche Venenchirurgie kann auch ohne
Art erfolgen, wie z. B. Gewebekleber, Steristrips oder Naht.
diese Technik erfolgen.
Wenn die Inzisionen nicht zu sehr gedehnt wurden und
ggf. weit klaffen, kann ein Verschluss auch unterbleiben.
Durch den Kompressionsverband werden die kleinen In-
zisionen zusammengedrängt und meist hinreichend adap-
326 Kapitel 26 · Spezielle chirurgische Techniken

26.3.1 Technik Saphenakanal und in subkutane Kanäle nach Astexhaire-


sen kann durch konsequentes Hochhalten der Extremität
Der Einsatz von Rollmanschetten ist bei der operativen über mindestens 5 min nach Abnahme der Blutleere und
Therapie aller Varikoseformen geeignet. Verwendet wer- manuelle Kompression der Saphenalogen weitgehend ver-
den Manschetten in den Umfangsgrößen 35–50 cm (klein), mieden werden. Eine zusätzliche Kompression des Saphe-
50–70 cm (mittel) und 60–90 cm (groß) der Firma Pomi- nakanals durch vorgefertigte Watterollen unter dem ange-
dor AB (Schweden), die einziger Produktanbieter sind. legten Kompressionsverband hat einen zusätzlichen posi-
Bei einer Varikosis im Stromgebiet der V. saphena parva tiven Effekt.
26 (Bauchlage), bei Seitenastvarikosis, Perforansveneneingrif-
fen oder Rezidiveingriffen ohne Rekrossektomie wird die Tipp
Manschette bereits von Beginn der Operation angelegt. Bei
4 Kontrolle des Manschettendrucks zur Vermeidung
Operationen mit Krossektomie und Stripping der V. saphe-
eines arteriellen Einstroms mit nachfolgender
na magna erfolgen zunächst die Krossektomie und das Ein-
venöser Stase und Einblutung ins Operations-
führen der Sonde ehe die Manschette am proximaler Ober-
gebiet.
schenkel platziert wird. Das Rollen der Manschette an ihre
4 Schlecht gepflegte oder alte Manschetten können
endgültige Position sollte am erhobenen Bein und nicht zu
aufgrund von Materialermüdung zu intraopera-
schnell erfolgen, damit die Entleerung der oberflächlichen
tiven Druckverlust in der Manschette führen.
und auch tiefen Venen möglichst komplett erfolgt. Durch
4 Der systolische Blutdruck des Patienten sollte intra-
Zunahme des Umfangs vom Unter- zum Oberschenkel
operativ relativ konstant bei 100 bis 120 mmHg
wird ein Druck erzeugt, der das Venensystem entleert und
liegen.
zu einer arteriellen Sperre führt. Um die Manschette
4 Die Dauer der Blutleere soll so kurz als möglich
während des Eingriffs zu fixieren, stehen Gummikeile oder
gehalten werden.
Metallstopper zur Verfügung. Die Manschette sollte auf
120 mmHg standardisiert aufgepumpt werden. Damit ist
ein ausreichender Auflagedruck zu erzielen, um eine Blut-
leere für Varizenoperationen, aber auch für andere chirur- 26.3.2 Ergebnisse
gische oder orthopädische Eingriffe an den Extremitäten zu
ermöglichen. Das Strippingmanöver erfolgt unter Blutleere. Der Einsatz der Blutleere im Rahmen der Varizenchirurgie
Direktes Einbluten in den Saphenakanal durch das Abrei- wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Eine Cochrane-
ßen der Seitenäste wird hierdurch verhindert. Seitenäste Metaanalyse (Rigby 2002) mit der Bewertung von 19 Stu-
lassen sich mit hohem Behandlungskomfort ohne störende dien zeigte zwar keinen hohen Evidenzgrad für den Einsatz
Blutungen und mit minimalen Inzisionen entfernen. Der der Blutleere, aber Blutverlust und Hämatombildung waren
Hautverschluss mit Klebestreifen (Steristrips) bei meistens in vielen Studien signifikant reduziert. Auch Komplikations-
trockenen Hautverhältnissen gelingt problemlos. raten waren bei Verwendung der Blutleere im Vergleich zu
Nach Beendigung der Operation wird zunächst ein Eingriffen ohne Blutleere nicht erhöht.
Kompressionsverband bis zum Oberschenkel angelegt und Betrachtet man die Ergebnisse der Qualitätssicherung
dann die Manschette entfernt. Die nun einsetzende reak- (QS) »Varizen« der DGG von 2001 bis 2007 im Hinblick
tive Hyperämie mit der Möglichkeit des Einblutens in den auf das Anwenderverhalten in deutschen Gefäßzentren, so
wurden von 85.951 Eingriffen 17.321 (20,2%) in Blutleere
durchgeführt. Bei der Auswertung von 10.646 eigenen
Operationen (1995 bis 2007) unter Verwendung der Roll-
manschette traten keine intraoperativen »Majorkomplika-
tionen« auf.
Die postoperative Thromboserate in einer selektiven
Auswertung von 2001 bis 2005 (3.968 Patienten) lag im
eigenen Krankengut bei 0,05% nachgewiesenen und kli-
nisch relevanten tiefen Beinvenenthrombosen. Thrombo-
sen scheinen durch die fibrinolytische Aktivität während
der Blutsperre eher seltener aufzutreten.
Zu der Frage, ob eine besondere, erweiterte periopera-
tive Thromoseprophylaxe aufgrund der Invasivität der
Blutsperre im Vergleich zu Operationen ohne diese Tech-
. Abb. 26.15. Varizenchirurgie in Blutleere, Miniphlebektomie nik erforderlich ist, liegen keine validierten Daten vor.
26.3 · Operation in Blutleere
327 26

. Tab. 26.1. Varizenchirurgie in Blutleere

Vorteil Nachteil

Blutungsfreie Operation Invasivität

Hoher Operationskomfort Materialkosten

Geringer Materialverbrauch (Tupfer) Materialpflege

Reduzierte OP-Zeiten Venöse Stase möglich

Weniger Blutverlust

> Jede fünfte Varizenoperation in Deutschland


wird in Blutleere durchgeführt. Intra- und post-
operative Komplikationen sind im Vergleich zu
anderen Operationstechniken nicht erhöht.

Literatur
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fahrungen mit der neuen Boazul-Manschette bis 90 cm Beinum-
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280–282
27

27 Chirurgie der Perforans-Varikosis


H. Nüllen, T. Noppeney

27.1 Definition und Nomenklatur – 330

27.2 Spezielle Anatomie der Perforansvenen – 332

27.3 Physiologie und Pathophysiologie – 334

27.4 Therapie der Perforansvarikose – 335


27.4.1 Lokalisationsdiagnostik – 335
27.4.2 Konservative Therapieverfahren – 336
27.4.3 Operative Therapieverfahren – 336
27.4.4 Konventionelle Techniken – 336
27.4.5 Endoskopische Perforansdissektion – 338
W. Lang
330 Kapitel 27 · Chirurgie der Perforans-Varikosis

27.1 Definition und Nomenklatur

In der Benennung der Verbindungsvenen zwischen dem


tiefen und dem epifaszialen Venensystem herrscht im Hin-
blick auf die Unterschiede zwischen anatomischer und
klinischer Nomenklatur seit jeher eine durchgehende
Sprachverwirrung, die immer wieder auf entsprechenden
Symposien zu Versuchen einer Vereinheitlichung geführt
hat. Diese Versuche waren von nur mäßigem Erfolg ge-
krönt. Im klinischen Alltag hat sich im deutschsprachigen
27 Raum die nicht immer korrekte Nomenklatur weitgehend
durchgesetzt, die auf dem Perforans-Symposion in Korb
. Abb. 27.1. Vena perforans Nomenklaturschema (nach May)
1979 inauguriert wurde (May 1981).
> Danach versteht man unter einer Vena perforans
Man unterscheidet die Perforansvenen nach der Zu-
eine Verbindungsvene zwischen einer Vene, die
gehörigkeit zum Stromgebiet der V. saphena magna (VSM)
dem tiefen Leitvenensystem zuzurechnen ist, und
und dem Stromgebiet der V. aphena parva (VSP) so-
einer epifaszialen Vene, die die Faszie durchbohrt.
wie nach der Lokalisation am Oberschenkel oder Unter-
Ihre physiologische Strömungsrichtung ist von
schenkel.
der Oberfläche in die Tiefe gerichtet (. Abb. 27.1).
4 Dodd’sche Gruppe
Auch auf die Bezeichnung der klinisch wichtigsten Perfo- Neue Nomenklatur: Perforators of the femoral canal
ransvenen durch Eigennamen, seien sie nun historisch Eine oder mehrere Perforansvenen im Bereich des
korrekt oder nicht, wird man wohl nicht mehr verzichten Adduktorenkanals. Die Dodd’sche Vene drainiert die
können, da diese sich, sowohl im täglichen Sprachge- VSM oder ihre Begleitvenen in die Vena femoralis
brauch, als auch in der klinischen Literatur, durchgesetzt (. Abb. 27.2).
haben. Im internationalen Schriftum soll jedoch auf Eigen- 4 Hunter’sche Vene
namen wegen der drohenden Missverständnisse verzichtet Neue Nomenklatur: Perforators of the femoral canal
werden und die neue Nomenklatur verwendet werden Perforansvene knapp oberhalb der Patella. Gehört
(Gloviczki et al. 2009). eigentlich zur Dodd’schen Gruppe.

a b
. Abb. 27.2. Schematische Darstellung der wichtigsten Perforansvenen an der unteren Extremität. Ansicht (a) von medial und (b)
von dorsal
27.1 · Definition und Nomenklatur
331 27

a b

. Abb. 27.3. Kustersche Perforansvenen im Bereich des Außen- und Innenknöchels

4 Hach’sche Perforans 4 May’sche Perforans


Die Hach’sche Perforans liegt am proximalen dorso- Neue Nomenklatur: Medial gastrocnemius perforators
lateralen Oberschenkel und drainiert die dorsalen Die May’sche Perforans, auch Gastrocnemiuspunkt
Oberschenkel-Seitenäste in das System der V. profunda oder Gastrocnemius blowout genannt, liegt etwa in
femoris. Wadenmitte etwas lateral der VSP und drainiert das
4 Boyd’sche Vene Parvastromgebiet über Begleitvenen in die Vv. gas-
Neue Nomenklatur: Proximal paratibial perforators trocnemii.
Die Boyd’sche Vene liegt unmittelbar lateral des Margo 4 Laterale Perforansvenen
medialis des Tibiakopfes. Sie drainiert die Abflussge- Neue Nomenklatur: Lateral leg perforators
biete der VSM direkt oder über Vermittlung einer Be- Die lateralen Perforansvenen liegen i.d.R. auf einer
gleitvene in die Vv. tibiales posteriores. Durch die Fas- Linie 1–2 Finger breit dorsal der Fibulakante. Sie
zienlücke der Boyd’schen Vene tritt häufig ein größerer drainieren die lateralen Sammelvenen in die Vv. fi-
Ast des N. saphenus mit aus (. Abb. 27.2). bulares.
4 Shermann Perforans 4 Kuster’sche Perforantes
Neue Nomenklatur: Proximal paratibial perforators Neue Nomenklatur: Ankle perforators
Die Shermann Perforans liegt in Unterschenkelmitte Als Kuster’sche Perforantes werden die Perforantes am
direkt an der medialen Tibiakante (Margo medialis). medialen und lateralen Knöchel bezeichnet, die von
In unmittelbarer Nachbarschaft verläuft häufig ein Kuster und Lofgren beschrieben wurden. Die jetzt ge-
größerer Ast des N. saphenus (ramus cutanei medialis bräuchliche Systematik geht auf May und Kubik zurück
n. sapheni). (. Abb. 27.3)
4 Cockett’sche Perforantes 4 Linton’sche Linie
Neue Nomenklatur: Posterior tibial perforators (lower, Gedachte Linie, die ein Querfinger dorsal des Malleo-
middle, upper) lus medialis senkrecht zur Beinachse nach proximal
Die Cockett’schen Perforansvenen liegen in der Lin- zieht. Sie entspricht weitgehend dem Verlauf der hin-
ton’schen Linie in relativ konstanten Höhen gemessen teren Bogenvene (V. arcuata cruris posterior) und mar-
von der Innenknöchelspitze. Sie drainieren das VSM- kiert die Linie auf der sich die Vv. perforantes der
System über die hintere Bogenvene in die Vv. tibiales Cockett’schen Gruppe finden.
posteriores. Die Cockett’sche Gruppe gehört zu den 4 Dowsches Zeichen
Perforansvenen, die im Falle der Insuffizienz die größ- Bei der Insuffizienz einer Perforansvene bildet sich
te klinische Bedeutung haben (. Abb. 27.2). häufig durch den Druck des retrograden Stromes und
4 Kniekehlenperforans des postulierten Jetstromes (Hach) gegenüber der Ein-
Die Kniekehlenperforans drainiert das Parva- und mündung der Perforansvene in die Sammelvene eine
Magna-Stromgebiet über entsprechende Begleitvenen, Ausbauchung (blow out Phänomen), das häufig auch
die sich nach medial zwischen den beiden Stammvenen als Dow’sches Zeichen bezeichnet wird (May 1981). Es
ausdehnen und drainiert in die V. poplitea. Die Mün- wird jedoch auch die Meinung vertreten, dass das
dung liegt etwa in Höhe der VSP, jedoch weiter medial, Dow’sche Zeichen eine Folge des blow downs ist. Die
weshalb es hier gelegentlich zu Verwechslungen kom- Erklärung wird im sog. »Balloneffekt« oder auch »Fahr-
men kann. radschlauchphänomen« gesucht.
332 Kapitel 27 · Chirurgie der Perforans-Varikosis

27
a b c
. Abb. 27.4. Schematische Darstellung des Durchtritts einer VP durch die Faszie in Begleitung einer Arterie und eines Nerven. a Ansicht
von außen. b Querschnitt Normalbefund. c Querschnitt bei IPV

27.2 Spezielle Anatomie perforantes (IVP) auch eine lokale Beeinträchtigung der
der Perforansvenen arteriellen Versorgung der Haut zur Folge haben kann
(Staubesand 1981). Van Limborgh (1981) beobachtete eine
Die Venae perforantes (VP) sind meist paarig angelegt Anastomosierung der Vasa nervorum des Begleitnerven
und enthalten eine oder mehrere Venenklappen, die unter der VP mit einer insuffizienten Perforansvene und einen
physiologischen Bedingungen eine Blutströmung nur von hierdurch hervorgerufenen Rückstau mit entsprechender
der Oberfläche in die Tiefe gestatten. Die VP durchdringen Dilatation der Vasa nervorum und postuliert, dass hier-
die Muskelfaszie in Begleitung einer Arterie und eines durch Schmerzphänomene bei IVP hervorgerufen werden
sensiblen Hautnerven in schräger Richtung von distal können.
außen nach proximal innen (. Abb. 27.4a). Im Stadium
der Insuffizienz kann es durch die Dilatation und Prall-
füllung der VP zu einer Druckbelastung des Faszienrandes
und der Begleitstrukturen kommen, was einerseits zu
Dilatationen der Faszienlücken führt und andererseits
aber auch zu trophischen Störungen und Schmerzphäno-
menen infolge der Druckbelastung der Arterie bzw. Vene
führen kann. Die Begleitarterie ist insofern von Bedeu-
tung, als theoretisch, insbesondere bei trophisch vorge-
schädigter Haut, die Ausschaltung der insuffizienten Venae

. Tab. 27.1. Radiologische Kriterien der Perforansinsuffizienz


im Phlebogramm (nach Hach 1981)

Suffiziente Perforansvene Insuffiziente Perforansvene


(SPV) (IPV)

Paarige Darstellung Unpaarige Darstellung

Spitzer Mündungswinkel Abstumpfung des Mündungs-


winkels

Nachweis schlussfähiger Klappenverlust


Klappen

Spindelform Zylindrische Form

Glatte Randkonturen Unregelmäßige Randkonturen . Abb. 27.5. Normale, suffiziente Vena perforans im Röntgenbild.
Nebenbefund: Segmentale Thrombose in den Vv. fibulares
27.2 · Spezielle Anatomie der Perforansvenen
333 27
Die Durchtrittsstellen durch die Faszie sind anato-
misch präformiert und können je nach der lokal dominie-
renden Faserstruktur der Faszie rautenförmige, runde,
schlitzförmige oder quadratische Formen annehmen.
Der physiologischen Blutflussrichtung in der VP von
außen nach innen entspricht ein strömungsdynamisch
günstiger spitzer Mündungswinkel in die tiefe Vene von ca.
30° (Hach 1981) (. Abb. 27.5). Die Phlebographie gestattet
eine gute Darstellung von Vv. perforantes. Die Darstellung
einer Perforansvene im Phlebogramm sagt per se aller-
dings noch nichts über deren Suffizienz oder Insuffizienz
aus. Weitere radiomorphologische Kriterien müssen beur-
teilt werden (. Tab. 27.1). . Abb. 27.6. Insuffiziente Perforansvene der Cockett’schen-Grup-
Die farbkodierte Duplexsonographie erlaubt eine ge- pe in der Duplexsonographie
naue Darstellung von Perforansvenen und bietet darüber
hinaus die Möglichkeit von funktionellen Aussagen (. Abb.
27.6). venen für die Haut und die Subcutis (subkutane Begleit-
Die Zahl der theoretisch vorkommenden Vv. perforan- venen) unterschieden werden. Beide Systeme anastomo-
tes ist bei der gegeben erheblichen Varianz des epifaszialen sieren miteinander und fließen über Vv. perforantes in die
Venensystems sehr groß und wird mit bis zu 150 pro Bein Tiefe ab. Die meisten der subkutanen Begleitvenen fließen
angegeben (van Limborgh 1965) (. Abb. 27.7). über klinisch unbedeutende Perforansvenen ab, z. T. anas-
Am epifaszialen Venensystem können ein Saphena- tomosieren sie allerdings auch mit Sammelvenen des Sa-
system (VSM und VSP) sowie ein System von Drainage- phenasystems oder münden direkt in Vv. perforantes des

. Abb. 27.7. Schema und Nomenklatur der Vv. perforantes nach van Limborgh. Der von van Limborgh verwendete Begriff V. communicans
ist deckungsgleich mit der hier bevorzugten Begriff V. perforans
334 Kapitel 27 · Chirurgie der Perforans-Varikosis

Saphenasystems. Die Vv. perforantes, die dem Saphena- 4 In der Muskeldiastole resultiert durch die entleerten
system zugeordnet sind, stehen meist mit speziellen Sam- tiefen Leitvenen eine Druckdifferenz zwischen innen
melvenen in Verbindung (z. B. hintere Bogenvene) und und außen mit einem Gradienten von außen nach in-
nur ausnahmsweise mit den Saphenastämmen direkt. Eine nen. Es ergibt sich ein Blutfluss von außen nach innen
Ausnahme bilden die Dodd’sche Vene und die Boyd’sche via Perforansvenen.
Vene, die gelegentlich direkt in die VSM einmünden kön-
nen. Die Zahlenangaben über die Art und die Bedeutung Bei der Stammveneninsuffizienz und Perforansinsuffi-
der Perforansvenen variieren sehr stark, je nach Art der zienz kommt es wegen der Klappeninsuffizienz, dargelegt
Darstellung bzw. Präparation. In Injektionspräparaten am Beispiel der VSM, zu einem Rückstrom von Blut aus
drainierten 60% der Vv. perforantes in Begleitvenen von der V. femoralis in die insuffiziente und dilatierte Vena
27 Hautarterien und nur 40% in Vv. perforantes, die dem saphena magna (oberer Insuffizienzpunkt) nach distal
Saphenasystem zuzuordnen waren (Schäfer 1975, 1981). (blow down) bis zur ersten wieder funktionsfähigen
Welche Vv. perforantes werden nun insuffizient und Venenklappe (unterer Insuffizienzpunkt). In dessen Nähe
welche nicht, und welche Bedeutung hat dies für die Ent- findet sich eine Querverbindung zu einer drainierenden
wicklung der venösen Insuffizienz? Perforansvene, die das Blut in das tiefe Venensystem leitet
Die entscheidende Frage ist dabei nicht die nach der (blow in). Das so drainierte Blut wird durch die tiefen Leit-
hämodynamischen, sondern nach der klinischen Signifi- venen nach proximal transportiert und der Vorgang be-
kanz der Perforansinsuffizienz, d. h. tragen diese »insuf- ginnt von Neuem. Dies entspricht dem klassischen Kon-
fizienten« Perforansvenen tatsächlich zur Progression zept des Privatkreislaufes von Trendelenburg und den
und zum Schweregrad der chronisch venösen Insuffizienz
(CVI) bei, oder stellen sie lediglich Seiteneffekte der ober-
flächlichen und/oder der tiefen Veneninsuffizienz dar
(Rhodes et al. 2009).
In einem anatomischen Vergleich von Vv. perforantes
konnte gezeigt werden, dass systemisch- oder topogra-
phisch-anatomische Faktoren keinen prädiktiven Wert für
die Neigung zur Insuffizienz haben (van Limborgh 1981).

27.3 Physiologie und Pathophysiologie

Bei allen Überlegungen zur Physiologie und Pathophysio-


logie der VP soll man sich immer der physikalischen
Grunderkenntnis bewusst sein, dass Fluss nur entlang
eines Druckgradienten möglich ist. Die Richtung des Gra-
dienten entscheidet über die Flussrichtung. Die Festlegung
einer bestimmten Richtung des Blutflusses ist vom Vor-
handensein von Venenklappen unabhängig, wie die klap-
penlosen Perforansvenen am Fuß beweisen.
Fokussiert auf das hier interessierende Problem der Per-
foransinsuffizienz, kann das venöse Kreislaufschema ver-
kürzt, wie folgt, dargestellt werden (Netzer 1979, Bjordal
1981).
4 Unter physiologischen Bedingungen liegt der Druck
in den subkutanen Venen beim stehenden Probanden
im Unterschenkel- bzw. Fußbereich knapp über dem
hydrostatischen Wert. Die Blutsäule im subkutanen
Bereich stagniert.
4 Bei Wadenmuskelkontraktion (Wadenmuskelpumpe)
steigt der Druck leicht an oder bleibt gleich. Die Blut-
säule in den subkutanen Venen erfährt eine geringe
Beschleunigung nach proximal. Die tiefen Leitvenen . Abb. 27.8. Einteilung des Rezirkulationskreislaufs in Rezirkula-
werden nach proximal entleert. tionsabschnitte (nach Hach 1994)
27.4 · Therapie der Perforansvarikose
335 27
weiteren Differenzierungen zum Konzept der Rezirkula- zufriedenstellende Trefferquote ergeben. Feuerstein
tionskreise nach Hach. Entsprechend der Rezirkulations- (1981) gibt allerdings, je nach Erfahrung des Untersu-
strecken Stammvene (1) Begleit- oder Sammelvene (2), chers, falsch positive Resultate von 25 bis 50% an.
Perforansvene (3), tiefe Leitvenen (4) teilt Hach den Rezir- 4 Thermographie
kulationskreislauf in 4 Abschnitte ein (. Abb. 27.8). Auf die interessierende Region aufgelegte Thermogra-
Die rezirkulierenden Blutvolumina können ganz er- phiefolien zeigen hotspots an, die den Mündungs-
heblich sein. Volumina bis zu 600 ml/min wurden mittels bereich der IVP angeben. Fehlinterpretationen sind
elektromagnetischen Strömungsmessungen bestimmt durch hotspots gegeben, die andere epifasziale Fluss-
(Bjordal 1981). Die großen Rezirkulationsvolumina führen phänomene anzeigen. Die Trefferquote liegt in der
bei längerer Persistenz zwangsläufig zu einer konsekutiven Größenordnung der Palpation, lässt sich aber in Kom-
sekundären tiefen Leitveneninsuffizienz mit den Folgen bination mit dem Ultraschall-Doppler (USD) deutlich
eines »mixed venous disease«. erhöhen (Feuerstein 1981)
Die drainierenden Vv. perforantes sind bei großen 4 Ultraschall-Doppler-Sonographie (cw-USD)
Drainagevolumina meist dilatiert und es lässt sich im Mittels bidirektionaler USD lässt sich in Kombination
Kompressionsversuch häufig ein Reflux nachweisen. Dies mit Tourniquets und/oder Kompressionstests eine Lo-
bedeutet nicht zwangsläufig, daß diese Perforansvenen kalisation der IPV erreichen (Marschall 1996). Richtig
permanent dilatiert und klappeninsuffizient sind, wie in positive Ergebnisse, im Vergleich mit den operativen
hämodynamischen Experimenten nachgewiesen werden Ergebnissen, werden mit 60 bis 82% angegeben
konnte (Bjordal 1981). Recek (2000) konnte mit phlebo- (Schneider 1981)
graphischer Technik zeigen, dass die Durchmesser der Per- 4 Duplexsonographie
foransvenen nach operativer Sanierung der insuffizienten Mittels Duplexsonographie kann am stehenden Patien-
Stammvenen signifikant abnehmen und konnte damit die ten durch Flussmessung mittels USD oder Farbkodie-
flussdynamischen Ergebnisse von Bjordal bestätigen. rung die Flussrichtung in der Perforansvene unter
Wadenkompression und Dekompression bestimmt
werden. Da als physiologische Strömungsrichtung die
27.4 Therapie der Perforansvarikose Drainage von außen nach innen gilt, muss unterstellt
werden, dass unter Wadenkompression bei suffizienter
Die Indikationsstellung zur Therapie der Perforansinsuffi- Perforansvene ein Klappenschluss erfolgt und kein
zienz und die Intensität mit der das Ziel der Ausschaltung Fluss nach außen provoziert werden kann. Bei Dekom-
der Perforansvenen betrieben wird, muss sich wesentlich pression kann ein kurzer Drainagefluss sichtbar wer-
orientieren an der Frage der klinischen Relevanz der im den. Umgekehrt ist bei einer IVP unter Kompression
Fokus stehenden IVP. Hat man sich für die Ausschaltung eine Reflux aus der Tiefe an die Oberfläche nachweis-
von bestimmten Perforansvenen entschlossen, so ist un- bar und unter Dekompression ggf. ebenfalls ein Drai-
abhängig vom gewählten Therapieverfahren, eine zuver- nagefluss von außen nach innen.
lässige und methodisch vertretbare prätherapeutische Lo- 4 Andere Verfahren
kalisationsdiagnostik notwendig. Andere Verfahren wie Fluoreszenz-Darstellung, Infra-
rotthermographie etc. haben wegen ihres metho-
dischen Aufwandes nur noch historische Bedeutung.
27.4.1 Lokalisationsdiagnostik
Die Angaben zur Zuverlässigkeit der Methoden zur Loka-
Der Therapiephase vorausgegangene diagnostische Ver- lisation und Markierung von IPV müssen unter dem Ge-
fahren, wie Duplexsonographie oder Phlebographie bzw. sichtspunkt kritisch betrachtet werden, dass die »wahre
Varikographie, erleichtern die prätherapeutische Lokalisa- Zahl« der IVP i.d.R. nicht bekannt ist. Somit muss rela-
tionsdiagnostik und Markierungsarbeit. Für die Lokalisa- tiviert werden zwischen der tatsächlich vorhandenen Zahl,
tion der IVP wurden verschiedene Verfahren beschrieben der Zahl der markierten und der tatsächlich intraoperativ
(Wienert 1981). gefundenen IVP. Das Ganze wird noch dadurch kompli-
4 Palpation ziert, dass der Operateur u. U. intraoperativ mehr IVP ge-
Klinische Inspektion (Blow out Phänomen) und Fin- funden haben kann, als präoperativ lokalisiert und mar-
ger-Palpation mit Suche nach der Faszienlücke können kiert wurden. Oder aber es wird eine gute Übereinstim-
bei vorliegen entsprechender Vorinformationen und mung dadurch vorgetäuscht, dass der Operateur nur unter
Orientierung an den »Perforanslandkarten« für die den Markierungen gesucht hat (Wuppermann 1981).
gängigen, topographisch einigermaßen konstanten, Man muss also davon ausgehen, dass zusätzlich zur
klinisch bedeutsamen Perforanslokalisationen eine Schwierigkeit der Einschätzung der klinischen Relevanz
336 Kapitel 27 · Chirurgie der Perforans-Varikosis

einer IPV die Schwierigkeit der Auffindbarkeit hinzu- 2 Monaten 23 Extremitäten (55%) und nach 2 Jahren
kommt. Dies führt dazu, dass es, insbesondere bei minimal 25 Extremitäten (60%) keine Perforansinsuffizienzen auf.
invasiver Technik, eher selten sein wird, alle ideellen Ziele Nach zwei Jahren lag die Quote der CVI an den Extremi-
zeitgleich zu erreichen, nämlich die richtigen, d. h. klinisch täten mit präoperativer IPV ohne Sanierung bei 11 von 42
relevanten IPV, vollständig in einem Vorgehen ausschalten (26%) und an den Extremitäten ohne präoperative IVP bei
zu können. Andererseits macht es auch keinen Sinn unter 18 von 61 (30%). Die Autoren schließen daraus, dass bei
Aufgabe des minimal invasiven Konzeptes durch radikale den meisten Patienten die IPV (und die VSM unterhalb
Maßnahmen die Auffindbarkeit der IVP möglicherweise des Kniegelenkes) beim Ersteingriff nicht ausgeschaltet
zu verbessern, da die ggf. in erster Sitzung verbliebenen werden müssen. Wesentlich für die Rezidiv-CVI sind die
IVP unschwer in Lokalanästhesie in zweiter Sitzung aus- Rezidive an der Crosse und der Parvamündung, sowie die
27 geschaltet werden können. Diesen Umstand gilt es bei der Progression der Grunderkrankung. Stuart et al. (1998)
Therapieplanung zu berücksichtigen und in die Patienten- konnten zeigen, dass die Sanierung des epifaszialen Re-
aufklärung einzubeziehen. fluxes zu einer signifikanten Reduktion der IVP und zu
einer signifikante Reduktion von IPV-Durchmessern etc.
führte. Der positive Effekt der Operation blieb aus, wenn
27.4.2 Konservative Therapieverfahren der epifasziale Reflux unzureichend ausgeschaltet war oder
eine Insuffizienz des tiefen Systems vorlag.
Die konservative Therapie der Varikosis wird an anderer Fasst man zusammen, so kann man festhalten, dass die
Stelle umfassend dargestellt (7 Sektion IV). Die konserva- Fälle mit leichten Stadien der CVI (C2, C3) und insbeson-
tive Therapie hat auch bei der gezielten hämodynamischen dere diejenigen ohne morphologischen Veränderungen im
Neutralisation der IPV in besonderen Fällen eine Indika- tiefen Venensystem von einer Unterbrechung der vorhan-
tion. Kompressionsverfahren mit Ergänzung durch gezielte denen IPV bei der primären Sanierung der epifaszialen
Unterpolsterung können eine suffiziente, passagere Thera- Insuffizienz nicht profitieren. Somit bleibt die Indikation
pie der IPV erreichen. zur Perforansausschaltung den schweren Stadien der CVI
Die Sklerosierungsbehandlung als semikonservative (C4, C5, C6) vorbehalten, entweder primär oder in mehr-
Therapie kann sowohl als Flüssigkeitsverödung als auch zeitigem Vorgehen mit dem Bestreben die Ausdehnung der
als Schaumverödung für die Therapie der IPV, ggf. unter Maßnahmen im Bereich der IPV auf das Notwendige zu
Ultraschallkontrolle, eingesetzt werden. beschränken.
Die endoluminalen, thermischen Occlusionsverfahren Wird die insuffiziente Stammvene ausgeschaltet oder
(RFO, EVLT) können ebenfalls in geeigneten Fällen einge- entfernt, so entscheidet der Grad der zwischenzeitlich ein-
setzt werden. Im angloamerikanischen Schrifttum wurde getretenen Degeneration der Venenwand der PV und der
hierfür ein neuer Begriff geprägt, PAP (Percutaneous abla- dort lokalisierten Venenklappen ob eine Regeneration mit
tion of perforators). einer resultierenden suffizienten PV sich entwickeln kann.
Ist die Degeneration der Wandelemente und der Venen-
klappen fixiert, so bleibt die PV insuffizient mit einem
27.4.3 Operative Therapieverfahren retrograden Strömungsvolumen in der Muskelsystole. Im
ersteren Falle ist die Ausschaltung der VP überflüssig und
Klinische Studien zeigen häufig, dass nach alleiniger Sa- im zweiten Falle ist sie geboten.
nierung des epifaszialen Refluxes eine Rekompensation
der Perforansinsuffizinez erreicht werden kann. In der
ESCHAR-Studie (Barwell 2004) zeigte sich ein signifi- 27.4.4 Konventionelle Techniken
kanter Rückgang der Perforansinsuffizienz. Mendes et al.
(2003) untersuchte Patienten mit einer epifaszialen Insuf- Insuffiziente Perforansvenen standen lange im Verdacht die
fizienz und hämodynamisch IPV bei unbeteiligtem tiefen Ursache für die Entwicklung oder zumindest die Weiterent-
Venensystem. Sie fanden 71% der ursprünglich insuffi- wicklung von Rezidiven bei Varikose verantwortlich zu
zienten Perforansvenen bei der Nachuntersuchung nach sein. Dodd und Cockett entwickelten, basierend auf dieser
operativer Sanierung der epifaszialen Insuffizienz voll Hypothese, ein ebenso radikales wie aufwendiges Konzept
funktionsfähig. Blomgren et al. (2005) untersuchte 64 Ex- der Varizenchirurgie mit hohen Komplikationsraten, z. B.
tremitäten mit einer epifaszialen Insuffizienz der VSM und Wundheilungsstörungen bis zu 24%. Die Ergebnisse aller-
einer zusätzlichen, objektivierten Insuffizienz von Perfo- dings waren enttäuschend (Rose 1999, Rhodes 2009).
ransvenen. Bei allen Extremitäten wurde die VSM bis Zur operativen Ausschaltung der IPV steht eine Reihe
unterhalb des Kniegelenkes entfernt. An 42 Extremitäten von konventionellen operativen Verfahren zur Verfügung,
wurden die IPV nicht saniert. Bei diesen wiesen nach von denen nur noch die offene Ligatur und die Miniphleb-
27.4 · Therapie der Perforansvarikose
337 27
Sammelvene oder die Perforansvene direkt vorluxiert
und ggf. bis zur Darstellung der Perforansabganges
(T-Aufzweigung) präpariert. Je nach Situation kann die
Perforansvene epifaszial ligiert oder einfach zerrissen
werden (. Abb. 27.10).
4 Perkutane Diszision mit dem Klapp’schen-Messer
Mit einem lanzzettenähnlichen Messer wird die Haut
perforiert, dass Messer schräg in den subkutanen Raum
eingeführt und die in diesem Bereich lokalisierten Venen
und Perforansvenen blind durchtrennt (. Abb. 27.11).
4 Perforans-Diszision nach Bassi
Über eine Miniinzision wird ein von Bassi angegebe-
nes Häkchen eingeführt und durch drehen des Instru-
mentes die Perforansvene aufgefädelt und zerrissen
(. Abb. 27.12).
4 Nicht selektive Perforansdissektion nach Hach
(1981)
. Abb. 27.9. Offene Ligatur einer IVP (aus Hach 1994)
Von einem proximal der Perforansinsuffizienz in einem
gesunden Hautareal gelegenen Hautschnitt aus wurde
eine subfasziale blinde und stumpfe Dissektion der
ektomie von Bedeutung sind. Zu Technik und Ergebnissen Vv. perforantes, ggf. kombiniert mit einer Fasziotomie,
der SEPS wird auf das 7 Abschn. 27.4.5.3 verwiesen. durchgeführt. Das Verfahren ist wegen der ausgedehn-
4 Subfasziale Ligatur ten Traumatisierung nur noch von historischem Inter-
Über der präoperativ lokalisierten und markierten Per- esse.
foransvene wird eine Inzision (2–3 cm) angelegt, die es 4 Offene subfasziale Perforansligatur nach Cockett
erlaubt die subcutan gelegenen Sammelvenen und die (1953)
Abzweigung der Perforansvene präparatorisch dar- Die Cockett’sche Operation zur Ausschaltung der Ve-
zustellen. Sodann erfolgt die subfasziale Ligatur und nen der Cockett´schen Gruppe ist wegen der großen
Durchtrennung der IVP und eine Naht der Faszien- Gewebetraumatisierung und der schlechten lokalen
lücke (. Abb. 27.9). Ergebnisse mit protrahiertem Heilungsverlauf nur
4 Dissektion durch Miniphlebektomie noch von historischem Interesse. Die Cockett’sche
(Häkel-Methode) Operation wird häufig mit der Linton-OP (1938)
Über der präoperativ lokalisierten und markierten Per- gleichgesetzt, die sich jedoch durch noch radikalere
foransvene wird eine Stichinzision von 2–3 mm ange- Freilegungen auszeichnete. Die Linton-Operation
bracht wie bei der Miniphlebektomie von Seitenästen. wurde auch im Rahmen der Ulkusnachsorge einge-
Mit einem Venenextraktor bzw. Häkelnadel wird die setzt, jedoch erst nach Abheilung der Ulzeration.

. Abb. 27.10. Häkel-Methode zur Dissektion einer IVP nach Bassi


338 Kapitel 27 · Chirurgie der Perforans-Varikosis

Nüllen H, Noppeney T (1998) Primäre Varikose. In: Allenberg JR, Zehle


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schaft für Gefäßchirurgie, des Berufsverbandes der Phlebologen e.V.
und der Arbeitsgemeinschaft der niedergelassenen gefäßchirurgen
Deutschlands e.V. Gefäßchirurgie; 9:290ff
. Abb. 27.11. Klapp’sches Messer Recek C, Karisch E, Gruber J (2000) Veränderungen der Perforansvenen
und tiefen Unterschenkelvenen nach Beseitigung des Saphena-
Refluxes. Phlebologie 29:37–40
27 Rhodes JM, Kalra M, Gloviczki P (2009) The managament of incompe-
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Limborgh van J, Hage RW (1981) Anatomische Merkmale einiger
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suffizient werden. In: May R, Partsch H, Staubesand J (Hrsg.) Venae vor allem beim Ulcus cruris, zeigen invasive Operationen
perforantes. Urban & Schwarzenberg München mit ausgedehnten Schnitten und einer starken Trauma-
Marshall M (1997) Praktische Dopplersonographie. Springer Heidel-
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berg
May R (1981) Die Nomenklatur der chirurgisch wichtigen Verbin- der Perforansvenenunterbrechung mittels eines stumpfen,
dungsvenen. In: May R, Partsch H, Staubesand J (Hrsg.) Venae epifaszial eingeführten Dissektors konnte die Komplika-
perforantes. Urban & Schwarzenberg München tionsrate reduziert werden. Aber erst die Einführung der
Mendes RR, Marston WA, Farber MA, Keagy BA (2003) Treatment of endoskopischen subfaszialen Diszision von Perforans-
superficial and perforator venous incompetence without deep
venen (ESDP) durch Hauer im Jahre 1985 ermöglichte eine
venous insufficiency: Is routine perforator ligation neccessary?
J Vasc Surg 38:981–5
minimal-invasive Operation insuffizienter Perforansvenen
Netzer CO (1979) Physiologie. In: Ehringer H, Fischer H, Netzer CO, durch einen proximalen Zugang. Dadurch wurde eine Un-
Schmutzler R, Zeitler E, Venöse Abflussstörungen. Enke Stuttgart terbrechung im Subfaszialraum unter Sicht ermöglicht.
27.4 · Therapie der Perforansvarikose
339 27
4 »Geradeausoptik« versus »Winkeloptik«
. Tab. 27.2. Verschiedene Prinzipien der Ausschaltung insuf- 4 Spezialinstrumentarium versus laparoskopisches Stan-
fizienter Perforansvenen
dardinstrumentarium
extrafaszialer intrafaszialer 4 Methoden der Dilatation des Subfaszialraumes (Blut-
Zugangsweg Zugangsweg leere oder Rollmanschette, Dilatatoren, CO2-Insuffla-
tion, Verwendung mehrerer Trokare, …)
selektive Techniken nach May nach Hauer
(ESDP)
4 unterschiedliche Methoden der Unterbrechung (Koa-
nach Bassi gulation, Clip, Laser, Ultraschall, …)
nicht selektive nach Klapp nach Hach
Techniken Entscheidend für die Sicht im Subfaszialraum ist eine aus-
nach Feuerstein reichende Weite. Distale Sklerosierungen der Faszie kön-
Nach Hach W (2000) nen dabei vor allem das Vorschieben des Endoskops, den
Einblick in den Subfaszialraum und das Instrumentieren
erschweren. Distale Perforansvenen der Cockett-Gruppe
werden häufig erst durch die zusätzliche Eröffnung des
Der Vorteil einer ESDP (im englischsprachigen Raum: Septum intermusculare stammnah unterbrochen. Dadurch
SEPS = subfascial endoscopic perforator surgery) wurde wird die ESDP aufwändiger mit ansteigender spezieller
vor allem in der genauen Lokalisation der Perforansvenen Komplikationsrate.
unter Vermeidung der Inzision über trophisch gestörten
> Während der gesamten Entwicklung der ESDP
oder ulzerierten Hautarealen gesehen. Die ESDP schaltet
konnte für keine operationstechnische Variante
die Perforansvenen selektiv im intrafaszialen Raum aus. Die
eine Überlegenheit gezeigt werden.
Videoendoskopie garantiert den direkten Einblick in den
Distale Perforansvenen der Cockett-Gruppe
Subfaszialraum und die Aus- und Weiterbildung. Durch die
erfordern häufig eine zusätzliche Eröffnung des
proximale Inzision am medialen Unterschenkel wird bei
tiefen Kompartments mit einer erhöhten Gefahr
der ESDP die Rate an Wundheilungsstörungen verringert.
an Begleitverletzungen des posterioren Gefäß-/
Nicht-selektive Techniken sind mit einer vergleichsweise
Nervenbündels.
hohen Rate an Rezidiven oder einem insuffizienten Primär-
ergebnis vergesellschaftet. Die ESDP findet Anwendung am
medialen Unterschenkel, die Durchtrennung anderer Per- Komplikationen der ESDP
foransvenen (z. B. lateraler Unterschenkel) wird in Einzel- In der Literatur finden sich relativ wenige Arbeiten, die
fällen beschrieben, kann aber nicht als wesentlicher Be- systematisch die Komplikationsrate der ESDP erfassen.
standteil des Indikationsspektrums gesehen werden. Vielfach handelt es sich um Einzelberichte relevanter Kom-
Durch die Videoendoskopie konnte neben der verbes- plikationen. Der Vergleich der Studien wird erschwert
serten Einsicht in das Operationsgebiet auch eine direkte durch unterschiedliches Patientenklientel. In den vorlie-
Kontrolle der paratibialen Fasziotomie nach Hach gesichert genden Arbeiten sind alle Stadien des CEAP-Schemas ver-
werden. treten (überwiegend C3 bis C6), welche sich z.B. schon bei
Anfang der 90er Jahre divergierte die ESDP in zwei der Betrachtung der Wundkomplikationen durch die Aus-
Richtungen. Unterschiedliche Arbeitsgruppen propagier- gangssituation unterscheiden. Verschiedene Komplika-
ten die Technik unter differenten Indikationsstellungen: tionen im Rahmen von Kombinationseingriffen sind nur
4 betonte Indikationsstellung auch bei unkomplizierter bedingt der ESDP zuzuordnen, wie z. B. Läsionen des
Stammvarikose mit Perforansinsuffizienz (z. B. Jugen- Nervus saphenus, welche sowohl durch die Strippingope-
heimer), ration als auch durch den proximalen Zugang in den Sub-
4 fokussiert auf schwere Formen des chronisch-venösen faszialraum entstehen können. Schmerzhafte postopera-
Stauungssyndroms (z. B Hauer) tive Beinschwellungen mit Einschränkungen der Mobilität
sind nach zusätzlichen Eingriffen an der Faszie mit Ein-
Techniken der ESDP blutung in die distale gelenknahe Unterschenkelregion
Es gibt keine einheitliche Technik der ESDP. Während der häufiger zu erwarten als bei singulärer Perforansunterbre-
gesamten Entwicklung wurden verschiedenste Varianten chung. Es ergeben sich aber auch durch die endoskopische
publiziert. Viele Veröffentlichungen stellten technische Technik postoperative Schmerz- und Schwellungszustän-
Veränderungen und Innovationen vor. Dabei wurden viele de im Subfaszialraum, welche bei einfacher epifaszialer
Verfahren kontrovers diskutiert, u. a.: Ausschaltung der Perforansvenen in diesem Umfang nicht
4 großkalibriger versus kleinkalibriger Instrumenten- zu erwarten sind. Offenbar liegt in diesen Fällen eine post-
kanal operative Schwellung des subfaszialen Kompartments vor,
340 Kapitel 27 · Chirurgie der Perforans-Varikosis

welche noch nicht zum manifesten Kompartmentsyndrom ESDP bei primärer Stammvarikose
führt, aber Tage bis Wochen andauernde Schmerzzustände und kombinierter Perforansinsuffizienz
nach sich zieht. Anfang der 90er Jahre wurde die kombinierte Anwendung
der ESDP zum Stripping der V. saphena magna bei zu-
> Die spezielle Komplikationsrate der ESDP ist
sätzlicher Insuffizienz von Perforansvenen propagiert. Vor
nicht unerheblich und muss bei der Aufklärung
allem die Arbeit von Jugenheimer (1992) postulierte den
zum Eingriff berücksichtigt und dokumentiert
Vorteil einer subfaszialen selektiven Ausschaltung der Per-
werden.
foransinsuffizienz.
Im eigentlich relativ unkomplizierten Stadium C3 stellte Die Begeisterung für die Kombinationsverfahren bei
Nelzén (2000) eine Rate gravierender Schwellungen primärer Varikose hielt aber nicht lange an, da der Nutzen
27 (»severe swelling«) von 10% fest, die im Trend sogar höher niemals evident wurde und der endoskopische Part des
lag als bei den schwereren Stadien C4 (6%) und C5 und Eingriffs auch eine Erhöhung der Operationsmorbidität
C6 zusammen (3%). Bei 30% der Patienten war eine ini- nach sich zog. Bereits die Ergebnisse der Qualitätssiche-
tiale relevante Einschränkung der Gehstrecke zu verzeich- rung »Varizen« der DGG in den Jahren 2001 bis 2004
nen. zeigten, dass nur 0,8% aller erkrankten Perforansvenen
In einer systematischen Analyse der eigenen Patienten mittels endoskopischer Technik unterbrochen wurden.
durch Meister (2000) fanden sich bei 101 Operationen (da- Stuart (2001) konnte nachweisen, dass die alleinige Thera-
von 28% im Stadium C6 und 18% im Stadium C5) sono- pie des Refluxes in den Stammvenen genügt, um Beschwer-
grafisch nachgewiesene Hämatome in 12%, Wundinfek- defreiheit oder sogar eine Rückbildung der Perforansin-
tionen in 3% und Dysästhesien des Nervus plantaris in 2% suffizienz zu erzielen. Heute ist die Methode unter dieser
(davon in einem Fall persistierend). In 1% der Fälle trat Indikation kontraindiziert, da kein evidenzbasierter Nach-
eine tiefe Venenthrombose auf. weis des Effektes existiert und nachweislich die Morbidität
TenBrook (2004) erfasste in einem systematischen Re- des Kombinationseingriffes höher ist.
view von 20 Studien, davon nur eine randomisierte Studie
und 19 Fallserien (!), die Komplikationen an 1140 Extre- ESDP im Stadium C5 und C6
mitäten die mit der ESDP behandelt wurden (. Tab. 27.3). Nach der Etablierung der ESDP waren die Erwartungen im
Hinblick auf die dauerhafte Abheilung venöser Ulzera sehr
! Cave hoch. Leider existieren kaum systematische Publikationen,
Bei der ESDP treten relevante Komplikationen welche die Langzeiteffekte der ESDP aufzeigen. Die Grün-
unabhängig von der technischen Variante auf. de hierfür liegen einerseits in einer starken Betonung der
Wundheilungsstörungen mit abszedierendem Literatur auf operationstechnische Aspekte und Entwick-
Infekt des Subfaszialraumes und operationstech- lungen von Instrumentarien, andererseits aber auch im
nisch bedingte Läsionen des posterioren Gefäß-/ Versäumnis frühzeitig prospektiv, randomisierte Studien
Nervenbündels können zu schwerwiegenden durchzuführen, die den Einzeleffekt der ESDP belegen
Dauerschäden führen. Postoperative Schwellun- können. Es gibt eine geringe Anzahl systematischer Stu-
gen des Subfaszialraumes können längerdauern- dien, die aber alle gemischte Patientengruppen aufweisen.
de Schmerzzustände verursachen; im ungünstigs- Es werden nicht nur die relevanten klinischen Stadien C3
ten Fall ein drohendes oder manifestes Kompart- bis C6 sondern auch kombinierte Eingriffe, also z. B. kom-
mentsyndrom. plettes oder partielles Magnastripping mit ESDP ein- oder

. Tab. 27.3. Komplikationen nach ESDP, Sammelstatistik

Infektion Hämatom* Neuralgie Venenthrombose

Komplikationsrate 6% 9% 7% 1%
CI, 4%–8%; CI ,6%–13%; CI, 6%–9%; CI, 0,7%–3%;
range, 0%–16% range, 0%–23% range, 0%–17% range, 0%–2%

Extremitäten (N) 961 538 525 529

Studien (N) 18 11 13 7

aus: TenBrook JA et al (2004)


* es wurde nicht zwischen operationspflichtigen und Hämatomen mit konservativer Therapie unterschieden
27.4 · Therapie der Perforansvarikose
341 27

. Tab. 27.4. Kumulierte Ulkusrezidivrate während zweier Nachbeobachtungszeiträume

Kumulierte Ulkusrezidivrate (life table analysis)

Medianes Follow-up in Monaten Alle Beine N (%) Stadium C6 N (%) Stadium C5 N (%)
(range)

Serie 1 41 (20–86) 11/82 (13) 10/41 (24) 1/41 (2)

Serie 2 69 (48–112) 21/78 (27) 13/37 (35) 8/41 (20)

aus: Nelzén O, Fransson I (2007)

zweizeitig vermischt, so dass letztlich der isolierte Effekt Unter Berücksichtigung teilweise positiver Resultate ein-
der ESDP auch in Subgruppenanalysen statistisch niemals zelner Serien mit niedrigem Evidenzniveau kann eine ESDP
belegt werden konnte. in Übereinstimmung mit Fischer erwogen werden bei:
Die Rezidivrate für venöse Ulzera liegt nach den Daten 4 mehreren großkalibrigen, insuffizienten Perforans-
des NASEPS-Registers (Gloviczki et al. 1997) nach einem venen mit assoziierter regionaler Manifestation einer
Jahr bei 16%, nach 2 Jahren bei 28% und nach 3 Jahren bei chronischen Veneninsuffizienz in Ergänzung einer Sa-
39%. Beim postthrombotischen Syndrom (PTS), bei dem nierung der epifaszialen Venen,
man sich einen relativ großen Effekt auf die Ulkusheilung 4 einzelnen Perforansvenen der Cockett-Gruppe, wenn
erhofft hatte, blieb dieser aus. Patienten mit PTS als Aus- eine schwere regionale Störung, z. B. durch eine Der-
löser der Ulzera zeigten höhere Rezidivraten als Patienten matofasziensklerose, vorliegt und zu einem erhöhten
mit primärer Klappeninsuffizienz (nach 2 Jahren Verlaufs- Risiko des konventionellen Eingriffs führen würde,
beobachtung: 46% gegenüber 20%). Auch andere relevante 4 einer simultanen Indikation zur paratibialen Faszio-
Serien zeigten eine ansteigende Rate an Ulkusrezidiven mit tomie (nicht: Fasziektomie).
zunehmender Verlaufsbeobachtung.
! Cave
In einer aktuelleren Arbeit von Nelzén (2007) wird
Kontraindikationen zur ESDP sind:
auch 17 Jahre nach der Einführung der Technik durch
4 eine primäre Stammvarikose mit zusätzlicher
Hauer eine randomisierte Studie für notwendig erachtet,
Perforansinsuffizienz im Stadium C3 und ge-
um den Beitrag der ESDP zu beweisen. Nelzén konnte
ringer Symptomatik
ohne Berücksichtigung verstorbener Patienten eine lange
4 eine arterielle Durchblutungsstörung
mediane Nachbeobachtungszeit von 77 Monaten aufwei-
4 die Notwendigkeit einer ausgedehnten Ulkus-
sen (range, 60–112). 29% der Patienten entwickelten ein
chirurgie (z. B. Shaving, Fasziektomie, …)
Ulkusrezidiv im Nachbeobachtungszeitraum, davon 35%
der C6-Patienten und 22% der C5-Patienten (. Tab. 27.4).
> Der größte Effekt der ESDP wurde für die Stadien Literatur
Fischer R, Schwahn-Schreiber C, Sattler G, Duff C (2004) Die Indikation
C5 und C6 erwartet.
zur subfaszialen endoskopischen Perforantensanierung hat sich
Auch nach ESDP zeigen sich hohe Rezidivra- geändert. Phlebologie 33:145–148
ten venöser Ulzera, die einen positiven Langzeit- Gloviczki P, Bergan JJ, Menawat SS, Hobson RW, Kistner RL, Lawrence PF,
effekt der ESDP nicht belegen. Lumsden A, O‘Donnell TF, DePalma RG, Murray J, Pigott JP,
Mutmaßliche Therapieeffekte der ESDP Schanzer H, Ascer E, Kalman P, Calligaro KD, Ballard JL, Cambria RA,
Rhee RY, Rubin BG, Ilstrup DM, Harmsen WS, Canton LG (1997)
können nicht bewiesen werden, da prospektive,
Safety, feasibility, and early efficacy of subfascial endoscopic
randomisierte Studien mit einer definierten Indi- perforator surgery: a preliminary report from the North American
kationsgruppe und einer standardisierten und registry. J Vasc Surg 25:94–105
kontrollierten Therapie fehlen. Hach W, Hach-Wunderle V, Nestle W (2000) Die Insuffizienz der
Cockett-Vv.-perforantes und die operative Behandlung. Gefäß-
chirurgie 5:130–137
Zusammenfassung Hauer G (1985) Die endoskopische subfasciale Diszision der Perforans-
Welche Indikationsstellung verbleibt? Die Indikation zu venen – vorläufige Mitteilung. VASA 14:59–61
Hermanns H-J (2006) Operative Therapie des Ulcus cruris venosum.
ESDP ist nur noch in ausgewählten Fällen gegeben. Ur-
Gefässchirurgie 11:281–286
sächlich für die rückläufige Anwendung der Technik sind Jugenheimer M, Junginger T (1992) Endoscopic subfascial sectioning
Rezidivraten, relevante Komplikationen und fehlende Zu- of incompetent perforating veins in treatment of primary varico-
ordnungsmöglichkeit der Ergebnisse. sis. World J Surg 16:971–975
342 Kapitel 27 · Chirurgie der Perforans-Varikosis

Lang W (2006) Die Wertigkeit der endoskopischen subfaszialen Per-


foransdissektion (ESDP). Gefässchirurgie 11:356–359
Lang W (2001) Die Entwicklung der Perforansvenenchirurgie vom
offenen Verfahren nach Linton und Cockett zur endoskopischen
Dissektion. Zbl Chir 126:495–500
Meister R, Schmidt O, Lang W (2000) ESDP beim postthrombotischen
Syndrom oder bei der Varikosis - Übereinstimmung zweier ver-
schiedener Indikationen? Phlebologie 29:54–57
Nelzén O (2000) Prospective study of safety, patient satisfaction and
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Nelzén O, Fransson I (2007) True long-term healing and recurrence
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competent calf perforating veins are found in association with
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Pauker SG, Lau J, Wong JB (2004) Systematic review of outcomes
after surgical management of venous disease incorporating sub-
fascial endoscopic perforator surgery. J Vasc Surg 39:583–589
28

28 Endovenöse Techniken

Einleitung – 344
T. Noppeney, H. Nüllen

28.1 Radiofrequenzobliteration – 344


T. Noppeney
28.1.1 Technische Durchführung – 344
28.1.2 Komplikationen – 345
28.1.3 Ergebnisse – 346
28.1.4 Zusammenfassung – 348

28.2 Endovenöse Laserablation – 349


C.-G. Schmedt, R. Sroka, B. M. Steckmeier
28.2.1 Einleitung – 349
28.2.2 Physikalische Prinzipien – 350
28.2.3 Indikationen und Kontraindikationen – 350
28.2.4 Behandlung der V. saphena magna – 350
28.2.5 Dosimetrie – 352
28.2.6 Behandlung der V. saphena parva – 354
28.2.7 Perioperative Maßnahmen – 354
28.2.8 Laserschutz – 354
28.2.9 Klinische Ergebnisse – 355
28.2.10 Aktuelle Entwicklungen der endovenösen Lasertherapie – 356
28.2.11 Zusammenfassung – 357
344 Kapitel 28 · Endovenöse Techniken

Einleitung 28.1.1 Technische Durchführung

T. Noppeney, H. Nüllen Ein Katheter wird durch Punktion im Knöchelbereich bzw.


ultraschallgesteuert am Unterschenkel oder mittels direk-
Die Prinzipien der klassischen Varizenchirurgie (KV) ge- ter Freilegung der Vene über eine Schleuse in der zu behan-
hen zurück auf die Konzepte zum Reflux im epifaszialen delnden Vene (V. saphena magna (VSM), V. saphena parva
Venensystem, wie sie im 19. Jh. von Trendelenburg (1891) (VSP)) platziert. Die Spitze des Katheters wird so positio-
u.a. entwickelt und wie sie in unserer Zeit unter dem Ter- niert, dass immer ein Abstand von ca. 1 cm zum Übergang
minus der Rezirkulationskreise bei der primären Varikose in das tiefe Venensystem besteht. Am sapheno-femoralen
in Sinne von Hach (1994) weiterentwickelt und perfek- Übergang (SFÜ) sollte die V. epigastrica superior durch die
tioniert wurden. Das hieraus abgeleitete Konzept zur Sa- thermische Energie nicht verschlossen werden, um einen
nierung der epifaszialen Varikose bestand über viele Jahr- antegraden Einstrom in den sapheno-femoralen Mün-
zehnte in der Crossektomie zur Ausschaltung des oberen dungsbereich aufrecht zu erhalten und so einer Thrombus-
28 Insuffizienzpunktes und im Stripping der Stammvene zur bildung in diesem Bereich vorzubeugen. Wird die Kathe-
Entfernung der Refluxstrecke. terspitze zu nah an den Übergang in das tiefe Venensystem
Das Streben nach Minimierung der Invasivität führte vorgeschoben, besteht die Gefahr, dass sich in diesem Be-
zur Entwicklung der endovenösen thermischen Verfahren. reich ein Thrombus bildet, der auch in das tiefe Venensys-
Diese schalten analog der Operation die Refluxstrecke aus, tem einwachsen kann. Besteht bei den Patienten eine insuf-
verzichten aus Gründen der Invasivität aber auf die opera- fiziente V. accessoria posterior oder anterior, so muss diese
tive Crossektomie. in gleicher Sitzung ausgeschaltet werden, um einer erneu-
ten Varikose über die accessorische Vene vorzubeugen.
Dies kann mittels Exstirpation, Sklerotherapie oder Radio-
28.1 Radiofrequenzobliteration frequenzobliteration erfolgen.
Das Verfahren sollte immer unter dem Schutz von Tu-
T. Noppeney meszenzflüssigkeit bzw. von Tumeszenzanästhesie durch-
geführt werden. Dabei soll die Tumeszenzflüssigkeit ultra-
Die Radiofrequenzobliteration als endovenöse Therapie- schallkontrolliert in die Faszienloge, in der die VSM ver-
option zur Ausschaltung der Stammvarikose ist seit 1998 läuft, oder perivasal bei der VSP eingespritzt werden. Die
in Deutschland zugelassen. Ziel des Verfahrens ist es, die Tumeszenzflüssigkeit hat zwei Effekte, zum einen ein
behandelte Vene zu verschließen und den pathologischen Schutz vor Hitzeschäden im perivasalem Gewebe und der
Rezirkulationskreislauf bei Stammvarikose zu unter- Haut, zum anderen wird eine Kompression der Vene be-
brechen. Dazu wird durch einen Generator Radiofre- wirkt und so ein möglichst guter Kontakt der Elektroden
quenzenergie erzeugt (460 KHz), diese wird an den in der bzw. der Katheterspitze mit der Venenwand und damit ein
Vene liegenden Katheter abgegeben. Bei den zu Verfügung möglichst perfekter Energieübergang erreicht. Die Appli-
stehenden Systemen wird die Energie entweder direkt über kation von Tumeszenzflüssigkeit kann mittels Rollerpum-
Elektroden an der Katheterspitze an die Venenwand abge- pe oder Spritzen erfolgen. Vor der letzten Einspritzung von
geben und diese dadurch auf 85°C/90°C (VNUS Closure Tumeszenzflüssigkeit im Mündungsbereich sollte noch-
Plus®) bzw. zwischen 60°C und 100°C (RFITT®) erhitzt mals die Lage der Katheterspitze mittels Ultraschall über-
oder ein Segment an der Katheterspitze wird in Folge der prüft werden.
Energieübertragung auf 120°C aufgeheizt (VNUS Closure Nach exakter Platzierung des Kathetersystems, der
Fast®). Durch die Erhitzung der Venenwand kommt es ultraschallgesteuerten Applikation von Tumeszenzanäs-
zum einen zu einer Endothelschädigung, zum anderen zu thesie, wird der Katheter zurückgezogen (VNUS Closure
einem Schrumpfen der kollagenen Fasern in der Venen- Plus®; RFITT®) (. Abb. 28.1). Beim Rückzug ist auf die
wand und dadurch zum konsekutiven Verschluss der Vene. adäquate Temperatur, sowie auf den ausreichenden Wider-
Die homogene thermische Schädigung der Venenwand stand (VNUS Closure Plus®) zu achten, um die gewünsch-
und anschließende Fibrosierung konnten in Tierexperi- te thermische Schädigung der Venenwand und damit die
menten (Weiss 2002) als auch in einem »ex vivo Modell« Obliteration der Vene zu erreichen. Bei dem anderen zur
am Rinderfuß nachgewiesen werden (Schmedt 2006). Verfügung stehenden System (VNUS Closure Fast®) er-
folgt eine segmentale thermische Obliteration der Vene in
7 cm messenden Schritten (. Abb. 28.2). Die segmentale
Radiofrequenzobliteration der Vene führt zu einer deutlich
kürzeren Behandlungszeit. Selbst längere Venenabschnitte
können in 2–3 min behandelt werden (Pröbstle 2008).
28.1 · Radiofrequenzobliteration
345 28
. Abb. 28.1. Kontinuierlicher Rückzug
VNUS Closure Plus® Katheter. (Mit freund-
licher Genehmigung der Firma VNUS
Medical GmbH, Deutschland)

> Absolute und relative Kontraindikationen Die Radiofrequenzobliteration sollte möglichst in einem
4 akute tiefe Bein- oder Beckenvenenthrombose blutleeren Gefäß durchgeführt werden. In den Anfangs-
4 akute Varikophlebitis der VSM oder VSP zeiten wurde dazu das Bein mit einer Esmarch-Binde aus-
4 chronisch obliterierende Veränderungen gewickelt. Diese Technik wird heute so gut wie nicht mehr
nach Varikophlebitis der VSM oder VSP angewandt. Um eine möglichst komplette Blutleere zu er-
reichen wird der Patient in Trendelenburg-Position wäh-
Daneben gelten im Wesentlichen die gleichen, rend des Rückzugmanövers gelagert.
absoluten und relativen Kontraindikationen wie Postoperativ kann man eine deutliche Verminderung
bei operativer Ausschaltung der Varikose des Durchmessers des sapheno-femoralen Mündungsseg-
mentes feststellen. Dies ist zum einen auf die Ausschaltung
des Refluxes, zum anderen auf die thermische Einwirkung
auf den SFÜ zurück zuführen. Die Reduktion des Durch-
messers des sapheno-femoralen Mündungssegmentes bleibt
in der Regel dauerhaft bestehen und zeigt dadurch, dass es
sich um eine thermische Einwirkung mit Kontraktion der
kollagenen Fasern auch in diesem Segment handelt.
Die thermische Behandlung der Vene sollte immer nur
bis knapp unterhalb des Knies erfolgen, da sonst die Rate
von Sensibilitätsstörungen in Folge thermischer Effekte
durch die enge Nachbarschaft des Nervus saphenus am
Unterschenkel mit der VSM stark ansteigt. Nach Abschluss
des Rückzugmanövers sollte die erfolgreiche Obliteration
. Abb. 28.2. Platzierung VNUS Closure Fast Katheter und seg- der Vene mittels Ultraschall überprüft werden.
mentale Ablation. (Mit freundlicher Genehmigung der Firma VNUS
Die Radiofrequenzobliteration wird hauptsächlich zur
Medical GmbH, Deutschland)
Ausschaltung der Stammvenen (VSM, VSP) angewendet.
Weitere Indikationsbereiche bestehen in der Ausschaltung
von Seitenastvarizen sowie der Perforansvarikose (Whiteley
2004). Für die Anwendung bei Perforansvenen wurde ein
spezieller Radiofrequenzkatheter entwickelt (. Abb. 28.3).

28.1.2 Komplikationen
. Abb. 28.3. Radiofrequenzkatheter zur Obliteration von Perfo-
ransvenen. (Mit freundlicher Genehmigung der Firma VNUS Medical Die perioperative Komplikationsrate des Verfahrens ist ins-
GmbH, Deutschland) gesamt sehr niedrig. Beschrieben sind meist passagere peri-
346 Kapitel 28 · Endovenöse Techniken

operative Nervenläsionen, Phlebitiden, Hautverbrennungen, Die Angaben zur Rekanalisationsrate in den retrospek-
Thrombuspropagation in das tiefe Venensystem, tiefe Ve- tiven Studien und der prospektiv geführten, klinischen,
nenthrombosen und Lungenembolien (7 Kap. 31.1). multizentrischen Kohortenstudie bewegten sich zwischen
0% und 16,2% für 6–60 Monate postoperativ, im Durch-
schnitt 10,9% bei einem durchschnittlichen Nachbeob-
28.1.3 Ergebnisse achtungszeitraum von 17,5 Monaten (Noppeney 2008)
(. Tab. 28.1). In den bislang publizierten prospektiv, ran-
Die Datenlage für die Ergebnisse nach Behandlung der domisierten Studien mit längerem Follow up beträgt die
Varikose mit Radiofrequenzobliteration ist relativ gut. Es Rekanalisationsrate zwischen 0% und 20% bei 2–36 Mona-
liegen zahlreiche retrospektive Analysen vor, zusätzlich ten postoperativ. Hieraus errechnet sich eine durchschnitt-
existieren fünf prospektiv, randomisierte kontrollierte Stu- liche Rekanalisationsrate von 12,9% bei einem durch-
dien über Radiofrequenzobliteration versus Crossektomie schnittlichen Nachbeobachtungszeitraum von 18,5 Mona-
und Stripping bzw. endovenöse Lasertherapie (Peralä 2005; ten (Noppeney 2008) (. Tab. 28.2).
28 Lurie 2005, Rautio 2002, Morrison 2005, Stötter 2005), wo- In ihrer Metaanalyse gibt van den Bos (2009) die Er-
bei die Studie von Stötter nur den perioperativen Zeitraum folgsrate der Radiofrequenzoblitertion mit 84% (75–90%)
bis sechs Wochen auswertet. Bislang sind drei Metaana- nach einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von
lysen und eine Übersichtsarbeit publiziert (Schmedt 2006, 32,2 Monaten an. In die Analyse zur RFO wurden 19 pub-
Lübke 2008, Noppeney 2008, van den Bos 2009). lizierte Studien mit 2514 behandelten Extremitäten einge-
In allen analysierten Studien wurden die behandelten schlossen.
Extremitäten sowohl perioperativ als auch während des Die Verschlussraten nach Radiofrequenzobliteration
Follow-ups mittels Duplexsonographie nachuntersucht. bleiben über die Jahre stabil (Merchant 2005). Dies unter-

. Tab. 28.1. Rekanalisationsraten nach Radiofrequenzobliteration; retrospektive Studien und prospektive klinische Datenbank nach
VNUS Closure Plus® (Noppeney 2008)

Autor Jahr Extremitäten (n) Rekanalisation (n) % FU (m) FU (%)

Noppeney 1998 13 1 7,7 28,0 100,0

Manfrini 2000 151 14 9,3 4,7 100,0

Goldmann 2000 12 0 0,0 6,0 100,0

Chandler 2000 57 9 15,8 12,0 31,7

Sybrandy 2002 26 3 11,5 12,0 100,0

Weiss 2002 67 5 7,5 12,0 50,0

Noppeney 2005 73 5 6,8 4,9 100,0

Merchant 2005 117 19 16,2 60,0 28,8

Summe 516 56 10,9 17,5 76,3

. Tab. 28.2. Rekanalisationsraten nach Radiofrequenzobliteration; prospektiv, randomisierte Studien VNUS Closure Plus®
(Noppeney 2008)

Autor Jahr Extemitäten (n) Rekanalisation (n) % FU (m) FU (%)

Rautio 2005 15 0 0,0 2 100,0

Morrison 2005 50 10 20,0 12 100,0

Lurie 2005 36 5 13,9 24 81,8

Perälä 2005 15 0 0,0 36 100,0

Summe 116 15 12,9 18,5 95,5


28.1 · Radiofrequenzobliteration
347 28
. Abb. 28.4. Venenverschluss nach VNUS
Closure Fast. Ergebnisse der multizentri-
schen, prospektiven, europäischen Studie
(Verschlussrate)

scheidet das Verfahren deutlich von der endovenösen La- lität untersucht. Die Lebensqualität und die einzelnen Un-
sertherapie, die steigende Rekanalisationsraten mit zuneh- terparameter wurden mit Hilfe des CIVIQ 2-Fragebogens
menden Follow-up zu verzeichnen hat. untersucht. Der CIVIQ 2 wurde speziell für Patienten mit
Für RFITT® sind bislang nur Kurzzeitergebnisse pub- chronischen Venenerkrankungen entwickelt und validiert
liziert, die eine Verschlussrate der VSM in Höhe von 90% (Launois 1996). Der Fragebogen untersucht 4 Dimen-
nach 103 Tagen ergeben haben (Camci 2009). In einem sionen: Schmerz, physische Aktivitäten, soziales Leben
anderen Kollektiv betrug die Verschlussrate nach 12 Mo- und psychisches Wohlbefinden.
naten 97% (Zierau 2009). In der EVOLVES-Studie schnitten die Patienten mit Ra-
Für das weiterentwickelte VNUS Closure Fast® Verfah- diofrequenzobliteration im Vergleich zu Patienten mit klas-
ren sind die 6 Monatsergebnisse einer prospektiven, multi- sischer Varizenoperation hinsichtlich der Schmerzsympto-
zentrischen europäischen Studie veröffentlicht worden. Die matik sowohl perioperativ (72 h, 1 Woche) als auch 1 und
Verschlussrate lag hier bei 99,6% (Pröbstle 2008). Die Nach- 2 Jahre postoperativ signifikant (p < 0,05) besser ab (Lurie
untersuchungen nach 12 und 24 Monaten dieser Studie 2005). Auch hinsichtlich der sozialen Funktionen bestand
sind abgeschlossen. 12 Monate postoperativ ergab sich eine ein signifikanter Unterschied (p < 0,05) zu Gunsten der Pa-
Verschlussrate bei 223 nachuntersuchten Extremitäten von tienten nach Radiofrequenzobliteration, perioperativ bis zu
96,7%, nach 24 Monaten von 94,1% (. Abb. 28.4). 3 Wochen im Vergleich zu Patienten nach Crossektomie
In einem hohen Prozentsatz ist die behandelte Vene und Stripping. Die Lebensqualität global gemessen war
duplexsonographisch 12 bzw. 24 Monate postoperativ ebenfalls signifikant besser für die Radiofrequenzgruppe,
nicht mehr nachweisbar. perioperativ (p < 0,01) als auch 1 (p < 0,01) und 2 Jahre
Die Angaben hierzu bewegen sich zwischen 40% und (p < 0,05) postoperativ (. Abb. 28.5). Hinsichtlich der psy-
86% für das Closure Plus® Verfahren (Lurie 2005, Pichot chischen Parameter schnitten die radiofrequenzobliterierten
2004). Auch in der europäischen Multicenterstudie für das Patienten besser ab als die Strippingpatienten, die Unter-
Closure Fast® Verfahren war in einem hohen Prozentsatz schiede waren jedoch nicht statistisch signifikant.
die VSM bereits 12 Monate postoperativ nicht mehr sicht- 80,5% der Patienten in der Gruppe nach Radiofrequen-
bar. zobliteration waren innerhalb eines Tages zu ihren norma-
Die Erfolgsraten der Perforansvenenausschaltung mit len täglichen Aktivitäten zurückgekehrt, in der Gruppe
Radiofrequenzobliteration werden mit 75–80% angegeben nach Crossektomie und Stripping waren dies nur 46,9%
(Peden 2007). der Patienten (p < 0,01).
Die Verbesserung der Lebensqualität und die Dauer der Auch Lübke (2008) bestätigt in seiner Metaanalyse eine
Arbeitsunfähigkeit, als auch die Veränderungen des Venous generelle Verbesserung der Lebensqualität für Patienten,
Clinical Severity Scores (VCSS) nach Radiofrequenzobli- die mit Radiofrequenzobliteration behandelt wurden.
teration wurden in mehreren Studien analysiert. In der RECOVERY-Studie wurde das VNUS Closure
In zwei, prospektiv randomisierten Studien, der Fast® Verfahren mit endovenöser Lasertherapie verglichen
EVOLVES-Studie (Lurie 2005) und der RECOVERY-Stu- (940 nm-Laser). Auch hier zeigte sich eine signifikante
die (Almeida 2009) wurden neben den Verschlussraten, Verbesserung der Lebensqualität (p = 0,045) im Vergleich
perioperativen Komplikationen vor Allem die Lebensqua- zu den Laserpatienten. Die radiofrequenzobliterierten Pa-
348 Kapitel 28 · Endovenöse Techniken

. Abb. 28.5. Entwicklung der Lebens-


qualität nach Radiofrequenzobliteration
im Vergleich zu Crossektomie und Strip-
ping. Geringere Werte bedeuten bessere
Lebensqualität

28 . Abb. 28.6. Verbesserung der VCSS in


der europäischen mulitzentrischen VNUS
Closure Fast Studie

tienten hatten signifikant weniger Schmerzen, Verhärtun- tiv festgestellt werden (. Abb. 28.6). Eine deutliche Verbes-
gen und unerwünschte Ereignisse (Almeida 2009). serung des VCSS nach Radiofrequenzobliteration konnte
In der EVOLVES-Studie wurde zusätzlich die Zeit bis auch in der RECOVERY-Studie erreicht werden. Der Unter-
zur Aufnahme der Arbeit gemessen. Die Radiofrequenz- schied war signifikant besser im Vergleich zu den Patienten
obliterierten kehrten durchschnittlich 7,7 Tage früher an nach endovenöser Laserbehandlung (Almeida 2009).
den Arbeitsplatz zurück, als Patienten nach Venenstrip- Trotz höherer Materialkosten und technischem Auf-
ping. Auch dieser Unterschied war statistisch signifikant wand gibt es Hinweise, dass auf Grund der verkürzten Ge-
(p < 0,05; Lurie 2005). Lübke fand in seiner Metaanalyse nesungsphase und schnellerer Aufnahme der täglichen
ebenfalls Unterschiede zu Gunsten früherer Arbeitsauf- Aktivitäten, bzw. deutlich verkürzter Arbeitsunfähigkeit,
nahme für die mit Radiofrequenzobliteration behandelten die RFO insgesamt kostengünstiger ist als eine Stripping-
Patienten (Lübke 2008). operation (Rautio 2002). Dies deckt sich auch mit unseren
In der europäischen, multizentrischen VNUS Closure eigenen Kalkulationen, nach denen in Deutschland bei
Fast® Studie wurde der so genannte Venous Clinical Seve- konsequenter Anwendung der RFO zur Therapie der Vari-
rity Score (VCSS) analysiert. Der VCSS wurde im Ameri- kose und damit Verschiebung vom stationären in den am-
can Venous Forum zur Erfassung des klinischen Schwere- bulanten Bereich Kosteneinsparungen für die Krankenkas-
grades der Varikose entwickelt und erstmals 2000 publi- sen in Höhe von ca. 58 Mio. € erzielt werden können. Durch
ziert (Rutherford 2000) (7 Kap. 15). die schnellere Aufnahme der Arbeit könnten über 400.000
Es werden Schmerz, das Bestehen von Krampfadern, Tage Arbeitsunfähigkeitszeit pro Jahr eingespart werden.
venöses Ödem, Pigmentierung, Entzündung, Induration
und Zahl der Ulzerationen erfasst. Daneben Dauer der Ul-
zeration, Ulkus-Größe und Kompressionstherapie. 28.1.4 Zusammenfassung
In der europäischen Closure Fast® Studie konnte eine
deutliche Verbesserung des VCSS bereits 3 Monate post- Mit der Radiofrequenzobliteration liegt ein mittlerweile gut
operativ und eine weitere Verbesserung 1 Jahr postopera- etabliertes, wenig invasives Therapieverfahren zur Behand-
28.2 · Endovenöse Laserablation
349 28
lung der Stammvarikose vor. Die Ergebnisse des Verfahrens Pichot O, Kabnick L, Creton D, et al (2004) Duplex ultrasound findings
two years after great saphenous vein radiofrequency endovenous
sind in der Literatur relativ gut dokumentiert, Ergebnisse
obliteration. J Vasc Surg; 39: 189–95
bis zu 5 Jahren postoperativ sind beschrieben. Eine deut- Pröbstle T, Vago B, Alm J et al (2008) Treatment of the incompetent
liche Verbesserung in den Ergebnissen erfuhr das Verfahren great saphenous vein by endovenous radiofrequency powered
durch die Einführung des VNUS Closure Fast® Systems, segmental thermal ablation: First clinical experience. J Vasc Surg;
mit dem, zumindest im Verlauf bis zu 24 Monate postope- 47: 151–6
Rautio T, Ohinmaa A, Perälä J et al (2002) Endovenous obliteration
rativ, bessere Ergebnisse, als mit dem VNUS Closure Plus®
versus conventional stripping operation in the treatment of pri-
erreicht werden können. mary varicose veins : A randomized controlled trial with com-
Weiterhin kann man feststellen, dass sich die Lebens- parison of the costs. J Vasc Surg; 35: 958–65
qualität global als auch in nahezu allen Unterparametern Rutherford RB, Padberg FT, Comerota AJ et al (2000) Venous Severity
signifikant für die Patienten nach Radiofrequenzoblitera- Scoring; an adjunct to venous outcome assessment. J Vasc Surg;
31: 1307–1312
tion im Vergleich zu Crossektomie und Stripping oder en-
Schmedt CG, Steckmeier BM (2006) Endoluminale Radiofrequenz
dovenöser Lasertherapie verbessert. Diese Unterschiede und Lasertherapie zur Therapie der Stammveneninsuffizienz; in
bestanden auch 1 und 2 Jahre postoperativ. Weitere Para- Marshall/Breu (Hrsg.) – Handbuch der Angiologie, 15. Erg.-Lfg.12
meter, wie Rückkehr zu den täglichen Aktivitäten und Stötter L, Schaf I, Bockelbrink A (2005) Radiowellenobliteration, in-
Dauer der Arbeitsunfähigkeit, wiesen ebenfalls signifi- vaginierendes Stripping oder Kryostripping – Welches Verfahren
belastet den Patienten am wenigsten? Phlebologie 34: 19–24
kante Vorteile für die Patienten nach Radiofrequenzobli-
Schmedt CG, Sroka R, Steckmeier B et al. (2006) Investigation on radio-
teration im Vergleich zu anderen operativen Verfahren frequency and laser (980nm) effects after endoluminal treatment
auf. of saphenous vein insufficiency in an ex-vivo model. Eur J Vasc
Wichtig für die erfolgreiche Anwendung des Verfahrens Endovasc Surg; 32: 318–25
ist sicher die genaue Indikationsstellung, das heißt für den van den Bos R, Arends L, Kockaert M et al (2009) Endovenous therapies
of lower extremity varicosities: A meta-analysis. J Vasc Surg; 49:
richtigen Patienten das richtige Verfahren auszuwählen.
230–239
Weiss R (2002) Comparison of endovenous radiofrequency versus
Literatur
810nm diode laser occlusion of large veins in an animal model;
Almeida JI, Kaufmann J, Göckeritz O et al. (2009) Radiofrequency Dermatol Surg; 28: 56–61
endovenous Closure Fast versus laser ablation for the treatment Whiteley MS, Holdstock J (2004) Percutaneous radiofrequency abla-
of great saphenous reflux: a multicenter single blinded rand- tion of varicose veins (VNUS Closure) vascular and endovascular
omized study (RECOVERY study) J Vasc Interv Radiol; 20: 752– challenges. 361–74
759 Zierau U (2009) Die endovenöse RFITT-Therapie bei Varicosis, ein neu-
Camci M, Harnoss B, Akkerskijk B et al (2009) Effizienz und Verträg- es Verfahren der interventionellen Phlebologie – Technik und
lichkeit der bipolaren Radiofrequenz Induzierten Thermotherapie erste Ergebnisse. Phlebologie; 38: 12–16
(RFITT) zur Behandlung insuffizienter Stammvenen; Phlebologie;
38: 5–11
Launois R, Reboul-Marty J, Henry B (1996) Construction and validation
of a quality of life questionnaire in chronic lower limb venous in- 28.2 Endovenöse Laserablation
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Lübke T, Brunkwall J (2008) Systematic review and meta-analysis of
C.-G. Schmedt, R. Sroka, B. M. Steckmeier
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apy, and foam sclerotherapy for primary varicosis; J Cardiovasc
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Lurie F, Creton D, Eklof B et al (2005) Prospective randomised study of 28.2.1 Einleitung
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and vein stripping (EVOLVES) : two-year follow-up; Eur J Vasc
Den therapeutischen Ansatz der bipolaren endovenösen
Endovasc Surg ;29 :67–73
Merchant R, Pichot O (2005) for the Closure study group Long-term
Radiofrequenztherapie (VNUS ClosurePLUS®) aufgreifend,
outcomes of endovenous radiofrequency obliteration of saphe- wurde kurze Zeit nach der endovenösen Radiofre-
nus reflux as a treatment for superficial venous insufficiency; quenztherapie auch die endovenöse Lasertherapie (ELT) zur
J Vasc Surg; 42: 502–9 Behandlung der Varikosis als medizinische Therapie zuge-
Morrison N (2005) Saphenous ablation: what are the choices, laser or
lassen. Erste Berichte über klinische Ergebnisse der ELT
RF energy Semin Vasc Surg;18:15–8
Noppeney T, Noppeney J, Winkler M (2008) Update der Ergebnisse
wurden von Boné (Boné 1999) und Navarro (Navarro 2001)
nach Radiofrequenzobliteration zur Ausschaltung der Varikose. publiziert. Wie die Radiofrequenztherapie hat auch die ELT
Gefäßchirurgie;13:258–264 das Ziel insuffiziente Stammvenen hämodynamisch auszu-
Peden E, Lumsden A (2007) Radiofrequncy ablation of incompetent schalten. Dies soll durch thermische Alteration der Venen-
perforator veins. Perspec Vasc Surg Endovasc Ther; 19: 73–77
wand mit konsekutiver Obliteration der behandelten Vene
Perälä J, Rautio T, Biancorie F, et al (2005) Radiofrequency endovenous
obliteration versus stripping of the long saphenous vein in the
erreicht werden. Beide endothermischen Verfahren werden
management of primary varicose veins; 3-year outcome of a ran- überwiegend ambulant in Lokalanästhesie (Tumeszenzan-
domized study. Ann Vasc Surg;19:1–4 ästhesie) und meist ohne Crossektomie durchgeführt.
350 Kapitel 28 · Endovenöse Techniken

28.2.2 Physikalische Prinzipien Verlauf auf, so ist eine Sondierung mit dem Schleusen-
system oft nicht möglich. Große Venendurchmesser
Wie bei der endovenösen Radiofrequenztherapie wird (> 20 mm) können ebenfalls als relative Kontraindikation
auch bei der endovenösen Lasertherapie (ELT) das Gewebe angesehen werden, da hier die adäquate gleichmäßige zir-
durch die Anwendung elektromagnetischer Wellen erhitzt. kuläre thermische Alteration der Venenwand erschwert ist.
Diese befinden sich jedoch nicht im Wellenlängenbereich Von manchen Autoren wird die Unverträglichkeit von
der Radiowellen sondern im Wellenlängenbereich des nicht-steroidalen antiinflammatorischen Medikamenten
Lichtes (Photonen). Lasergeneratoren emittieren mono- ebenfalls als relative Kontraindikation gesehen, da eine an-
chromatisches Licht mit Wellenlängen, welche vom ver- algetische Therapie aufgrund der beobachteten postopera-
wendeten Lasermedium abhängig sind. Das Laserlicht tritt tiven Phlebitis häufig notwendig ist (Ravi 2006, Elmore
parallel aus dem Generator aus, ist damit gut fokussierbar, 2008). Erhöhtes Alter (> 70 Jahre) mit entsprechend er-
kann über flexible Lichtwellenleiter transportiert und so höhter Co-Morbidität scheint per se keine Kontraindika-
exakt auf das Zielgewebe appliziert werden. Laserlicht wird tion darzustellen. Auch eine perioperativ fortgeführte
28 in der Medizin seit Jahren zur Koagulation und Ablation orale Antikoagulation mit Cumarinpräparaten wird nicht
von Gewebe bei verschiedenen Indikationen angewendet. als absolute Kontraindikation angesehen, einige Autoren
Bei der endovenösen Anwendung wird das Laserlicht sehen gerade bei diesen Patienten einen besonderen Vor-
mit einem flexiblen Lichtwellenleiter über ein Schleusen- teil der ELT (Elmore 2008, Theivacumar 2009). In einer
system in das Venenlumen geleitet. In Abhängigkeit von prospektiven Untersuchung über das strukturierte Screen-
der benutzten Laserwellenlänge und der Absorptions- ing aller Patienten mit einer Indikation zur operativen
kennlinie des primären Targetmoleküls im Gewebe (z. B. Sanierung des epifaszialen Venensystems waren rund 60%
Wasser oder Hämoglobin) wird die Laserenergie absor- der Patienten ohne Einschränkungen für ein endovenöses
biert und in Wärmeenergie umgewandelt. Die Gewebe- Therapieverfahren geeignet (Sharif 2006).
erhitzung führt dann zur Zelldestruktion und Kollagen-
denaturierung. Die einzelnen physikalischen Absorptions-
und Erhitzungsmechanismen der Venenwandstrukturen 28.2.4 Behandlung der V. saphena magna
im Rahmen der ELT sind noch nicht vollständig unter-
sucht und verstanden. Im Rahmen der präoperativen Diagnostik sollte zur Be-
Zur endovenösen Lasertherapie stehen Lasersysteme rechnung der adäquaten Energiedichte eine Messung der
verschiedener Hersteller zur Verfügung. Derzeit werden Venendurchmesser durchgeführt werden.
Lasersysteme mit den Wellenlängen (λ) im infraroten Prinzipiell kann die ELT als ambulanter Eingriff aus-
Spektralbereich (810 nm, 940 nm, 980 nm, 1064 nm, schließlich in Lokalanästhesie (Tumeszenzanästhesie)
1320 nm und 1470 nm) klinisch angewendet. Licht dieser durchgeführt werden. Bei simultaner chirurgischer Sanie-
Wellenlängen ist für das menschliche Auge nicht sichtbar. rung insuffizienter Perforansvenen oder multipler varikö-
Zur Orientierung wird zusätzlich auch sichtbares Licht als ser Seitenäste kann auch eine Allgemeinanästhesie oder
Pilotstrahl emittiert. Bei den meisten Systemen wird eine Spinalanästhesie sinnvoll sein. Die V. saphena magna kann
am distalen Faserende senkrecht geschliffene Glasfaser als in gesamter Länge, also von der sapheno-femoralen Mün-
Bare Fiber mit einem Durchmesser von 200–600 μm über dung bis zum distalen Unterschenkel mittels ELT behan-
ein 5French-Schleusensystem in die Vene eingeführt. delt werden. Allerdings ist insbesondere am Unterschenkel
auf eine adäquate Tumeszenz und Lichtdosimetrie zu ach-
ten, um bei enger Nachbarschaft des N. saphenus postope-
28.2.3 Indikationen und Kontraindikationen rative Parästhesien zu vermeiden.
Die intraoperative Anwendung der Sonographie ist in-
Prinzipiell gelten für die endovenöse Lasertherapie (ELT) tegraler Bestandteil der ELT-Behandlung. Die Verwen-
die gleichen Indikationen und Kontraindikationen wie für dung einer Injektionspumpe zur Anlage der perivenösen
die konventionelle operative Sanierung insuffizienter Tumeszenz hat sich aufgrund der besseren Dosierung und
Stammvenen mit Crossektomie und Stripping. Zeitersparnis bewährt. Der Lasergenerator sollte in adä-
Als Kontraindikation für endovenöse thermische Ver- quater Reichweite zur Überwachung durch den Operateur
fahren wird die akute aszendierende Thrombophlebitis der und zur Bedienung durch Assistenzpersonal positioniert
Stammvene angesehen. Weiterhin ist die ELT nicht optimal sein. Aus Gründen der Lasersicherheit sollte sich zwischen
möglich, wenn postphlebitische Stenosen, segmentale Lasergenerator und Patient kein Personal aufhalten, hier-
Obliterationen oder ausgeprägte aneurysmatische Aufwei- durch wird die Gefahr eines Faserbruches mit unkontrol-
tungen der zu behandelnden Stammvene vorliegen. Weist liertem Austritt von Laserlicht minimiert. Eine sinnvolle
die Stammvene einen ausgeprägten meanderförmigen Anordnung der am Eingriff beteiligten Personen und der
28.2 · Endovenöse Laserablation
351 28

. Abb. 28.8. Bare Fiber (600 μm) in Schleuse (5 French)

. Abb. 28.7. Anordnung des Personals und der Geräte zur endo-
venösen Lasertherapie

erforderlichen Gerätschaften ist in . Abb. 28.7 dargestellt.


Wir verwenden diese Anordnung zur Behandlung des lin-
ken wie auch des rechten Beines.
Nach Hautdesinfektion wird das Operationsgebiet
steril abgedeckt. Hierbei muss auch bei nicht geplanter
Crossektomie die Leistenregion zugänglich sein, da die
intraoperative sonographische Untersuchung der sapheno-
femoralen Mündung unter sterilen Kautelen erforderlich
ist. Außerdem sollte im Falle intraoperativer Schwierig-
keiten bei der adäquaten Durchführung der ELT auch ein
Umsteigen zur offenen Operation mit Crossektomie und
Stripping möglich sein. Der Schallkopf wird mit einem ste- . Abb. 28.9. Sonographischer Längsschnitt im Bereich der sa-
rilen Überzug versehen. pheno-femoralen Mündung mit Darstellung der Bare Fiber und
Zunächst wird die Stammvene im Bereich des distalen der Schleuse. (VF = V. femoralis, VSM = V. saphena magna)
Insuffizienzpunktes freigelegt (venae sectio) oder unter
sonographischer Kontrolle punktiert. Hierbei ist eine Anti-
Trendelenburg-Lagerung des Patienten hilfreich, da so die liegen kommt. Die exakte Platzierung der Faserspitze ist
Venenfüllung maximal ist. mit Hilfe der Sonographie sehr gut möglich (. Abb. 28.9).
Vor dem Einbringen des Schleusensystems wird die Eine natürliche Markierung stellt auch die V. epigastrica
Bare Fiber probeweise soweit in die Schleuse eingeführt, superficialis dar. Zur groben Lokalisationskontrolle des
dass die Faserspitze ca. 1–2 cm über das Schleusenende Lichtwellenleiters kann auch der transkutan sichtbare Pilot-
hinausragt (. Abb. 28.8). Diese Position muss am Lichtwel- strahl verwendet werden. Die alleinige Verwendung des
lenleiter außerhalb der Schleuse markiert werden, damit Pilotstrahles zur Abschätzung der Faserposition im Be-
sie immer wieder exakt erreicht werden kann. Dies ist reich der sapheno-femoralen Mündung ist jedoch nicht
wichtig, da die Faserspitze während der Behandlung auf ausreichend.
mehrere hundert Grad Celsius erhitzt werden kann, was Nach Platzierung der Faserspitze erfolgt die perivenöse
bei zu geringem Abstand zur Schleuse zum Schmelzen des Injektion eines Flüssigkeitsmantels (Tumeszenzanästhesie)
Schleusenmaterials führt. Manche Schleusensysteme sind unter Ultraschallkontrolle. Der Flüssigkeitsmantel soll das
mit passendem Lichtwellenleiter vom Hersteller so konfi- perivenöse Gewebe vor thermischer Alteration schützen
guriert, dass der Lichtwellenleiter nur in dieser Position und durch Kompression und Spasmus das Lumen der
fixiert werden kann. Stammvene reduzieren (. Abb. 28.10).
Das Schleusensystem (meist 5 French, 60–100 cm) Als Tumeszenzflüssigkeit sind NaCl 0,9% oder Ringer-
wird über einen langen Führungsdraht an die sapheno- Lactat geeignet. Pro Bein sind üblicherweise 250–300 ml
femoralen Mündung vorgeschoben. Nach Entfernung des Tumeszenzflüssigkeit ausreichend. Bei Durchführung der
Führungsdrahtes und des Dilatators wird der Lichtwellen- ELT-Prozedur ohne weitere Anästhesie, wird die Tumes-
leiter eingeführt. zenzflüssigkeit durch ein Lokalanästhetikum ergänzt. Die
Die Schleuse wird mit darin fixierter Faser unter sono- Maximaldosis des verwendeten Lokalanästhetikums darf
graphischer Kontrolle so positioniert, dass die Faserspitze nicht überschritten werden. Von vielen Autoren wird die
ca. 1-2 cm distal des sapheno-femoralen Überganges zu Behandlung in Trendelenburg Position empfohlen, da so
352 Kapitel 28 · Endovenöse Techniken

Miniphlebektomie, Perforansvenenligatur, Sklerotherapie,


Crossektomie, Ulkusdébridement) in gleicher Sitzung
kombiniert werden.

Arbeitsschritte der ELT Prozedur


4 präoperative duplexsonographische Untersu-
chung und Messung des Durchmessers und der
Länge sowie Markierung des zu behandelnden
Venensegmentes
4 Desinfektion und steriles Abdecken des Beines
wie zur konventionellen Operation
4 Lokalanästhesie im Bereich des distalen Insuffi-
28 . Abb. 28.10. Sonographischer Querschnitt der V. saphena magna
zienzpunktes
mit einer ELT-Schleuse nach perkutaner Injektion der perivenösen 4 Venae sectio oder Punktion der Stammvene am
Tumeszenzflüssigkeit distalen Insuffizienzpunkt
4 Vorbereiten der Laserfaser und der Schleuse, Faser
soll ca. 2 cm über das Schleusenende herausstehen
eine weitere Lumenreduktion der Stammvene und eine 4 Einbringen eines Führungsdrahtes und Vorschie-
Reduktion der intravasalen Blutmenge und damit eine ben unter sonographischer Kontrolle über den
Standardisierung der Behandlungsbedingungen erreicht sapheno-femoralen Übergang bis in die V. femo-
wird. Dies wird durch eine dosierte manuelle Kompression ralis communis
der Vene während der thermischen Behandlung unter- 4 Einführen des Schleusensystems, Platzierung
stützt. des Schleusenendes am sapheno-femoralen
Bei der Applikation des Laserlichtes unterscheidet man Übergang, Entfernung des Dilatators
zwischen dem getakteten (schrittweisen) Rückzug und 4 Einführen der Laserfaser in die Schleuse bis zur
dem kontinuierlichen Rückzug der Schleuse mit Faser. Markierung
Beim getakteten Rückzug wird nach einer Beleuchtungs- 4 unter sonographischer Kontrolle Positionierung
zeit von 1–3 s die Faser mit Schleuse um 1–5 mm zurück- der Faserspitze 1–2 cm distal des sapheno-femo-
gezogen und dann ein weiterer Beleuchtungspuls aktiviert. ralen Überganges bzw. im Bereich der Einmün-
Dieses Verfahren ist besonders für den Anfänger geeignet, dung der V. epigastrica superficialis
da auf diese Weise relativ einfach eine definierte Energie- 4 Injektion der perivenösen Tumeszenzlösung
menge pro Zentimeter Venensegment appliziert werden 4 Trendelenburg-Lagerung
kann. Beim kontinuierlichen Rückzug erfolgt eine dauer- 4 Laserschutz-Maßnahmen
hafte Beleuchtung, wobei die Zuggeschwindigkeit üb- 4 Einstellung der gewünschten Leistung (Watt) am
licherweise 1–3 mm/s beträgt. Die Schleuse wird mit Faser Lasergenerator
unter getakteter oder kontinuierlicher Beleuchtung bis 4 Beginn der Behandlung unter getaktetem oder
zum distalen Insuffizienzpunkt zurückgezogen. Nach kontinuierlichem Rückzug der Faser mit Schleuse
Entfernung der Schleuse erfolgt die Ligatur der Vene nach 4 dosierte, manuelle Kompression über der Faser-
zentral und peripher. Fakultativ kann intraoperativ eine spitze
sonographische bzw. duplexsonographische Kontrolle des 4 nach Erreichen des distalen Insuffizienzpunktes
Behandlungserfolges durchgeführt werden. Falls kein Laser ausschalten. Entfernung der Faser mit
adäquater Verschluss der Vene erzielt wurde, kann die Be- Schleuse.
handlung nochmals wiederholt werden. Dies ist jedoch 4 Ligatur der Vene nach zentral und peripher
nur in Ausnahmefällen erforderlich und kann aufgrund 4 weitere Maßnahmen entsprechen der Befund-
des postinterventionellen Venenspasmus und zumindest konstellation
teilweiser Wandverdickung mit Lumenreduktion und Ok-
klusion des Lumens durch Blutkoagel erschwert sein.
Bei Vorliegen einer Duplikatur der V. saphena magna
mit Reflux oder insuffizienter akzessorischer Äste der 28.2.5 Dosimetrie
Stammvene müssen diese ebenfalls behandelt werden. Die
ELT kann fakultativ mit weiteren operativen oder interven- Die vom Generator pro Beleuchtungszyklus freigesetzte
tionellen Maßnahmen zur Behandlung der Varikosis (z. B. Energie (Joule) errechnet sich durch die eingestellte Leis-
28.2 · Endovenöse Laserablation
353 28
tung (Watt) x Beleuchtungszeit (s). Da der erzeugte Ge-
websschaden proportional zur applizierten Laserenergie . Tab. 28.3. Empfohlene Energiedichten zur effektiven ELT
mit unterschiedlichen Wellenlängen
ist, scheint die Einhaltung eines geeigneten Energieniveaus
entsprechend der Länge und des Durchmessers des zu Autor Wellenlänge LEED EFE
behandelnden Venensegmentes sinnvoll. Prinzipiell kann (nm) (J/cm) (J/cm2)
die applizierte Energiedichte in Joule pro cm Vene ange-
Proebstle (2004) 940 23,6 13,0
geben werden. Dieser Parameter wird von Proebstle als
»Linear Endovenous Energy Densitiy« (LEED) bezeichnet Timperman (2004) 810/940 >80 –
(Proebstle 2005). Hier wird jedoch der Venendurchmesser Proebstle (2006) 940 – 20,0
bzw. die beleuchtete Venen Innenfläche nicht berücksich-
tigt. Legt man dem zu behandelnden Venensegment ein Kim (2006) 980 32,7 9,82
zylindrisches Modell mit einem Radius (r) und einer Län- Desmyttère (2007) 980 50-120 29-41
ge (l) zugrunde, kann die Veneninnenfläche (F) mit fol-
Kontothanassis (2007) 980 45-60 –
gender Formel errechnet werden: F = 2×r×π×l. Die appli-
zierte Laserenergie kann dann in Bezug zur beleuchteten Vuylsteke (2008) 980 – 52,0
Fläche gebracht und als sogenannte »Laserfluence« (Joule/
Elmore (2008) 810 109,6 46,6
cm2) beschrieben werden. Da die bisher überwiegend zur
endovenösen Lasertherapie verwendeten Bare Fiber Licht- Theivacumar (2009) 810 >70 –
wellenleiter das Licht nur nach vorne in einem relativ Pannier (2009) 1470 >100 –
spitzen Winkel emittieren und die Venenwand nach Son-
dierung und Anlage der Tumeszenz einen Spasmus mit
Auffaltung des Endothels aufweist, kann hier die bestrahl-
te Fläche nur näherungsweise bestimmt werden. Aus die- meingültige Empfehlungen zur adäquaten Energiedichte
sem Grund wurde von Proebstle im endovenösen Anwen- konnten bisher jedoch nicht festgelegt werden. Die . Tab.
dungsbereich die Benennung dieses Parameters in Ein- 28.3 gibt einen Überblick über bisher formulierte Empfeh-
heiten Joule/cm2 als »Endovenous Fluence Equivalent« lungen verschiedener Autoren. Hierbei ist in jüngerer Zeit
(EFE) vorgeschlagen (Proebstle 2005). Für jede Behand- ein Trend zur Empfehlung höhere Energiedichten zu ver-
lung sollten folgende Parameter dokumentiert werden: zeichnen.
4 Durchmesser des behandelten Venensegments d (cm), Als Faustregel für die ELT mit λ = 980nm unter Ver-
4 Länge des behandelten Venensegmentes l (cm), wendung einer Bare Fiber hat sich in den vergangenen Jah-
4 Laserwellenlänge λ (nm), ren eine einfache Formel durchgesetzt, anhand welcher die
4 Laserleistung P (Watt), minimal notwendige Energiedichte (LEED) entsprechend
4 Beleuchtungszeit t (s) und Schrittweite (mm) beim des Durchmessers der Vene berechnet werden kann. Pro
getakteten Rückzug bzw. Rückzugsgeschwindigkeit V Millimeter Venendurchmesser werden ca. 10 J/cm emp-
(mm/s) beim kontinuierlichem Rückzug fohlen. Eine Vene mit einem Durchmesser von 7,5 mm
sollte also mit einer Energiedichte (LEED) von mindestens
Nur so kann die LEED und das EFE für jede Behandlung 75 J/cm behandelt werden. Bei getakteter Beleuchung im
berechnet werden, um klinische Ergebnisse unterschied- Intervall von 2 mm und einer Beleuchtungszeit von 1,5 s
licher Behandlungsprotokolle vergleichen zu können. pro Intervall muss das Lasersystem auf eine Leistung von
Alternativ zur getakteten Beleuchtung kann die Schleuse 10 Watt eingestellt und 5-mal für 1,5 s aktiviert werden,
mit Faser auch unter kontinuierlicher Beleuchtung ohne um 1 cm Vene zu behandeln (10 Watt x 7,5 s Beleuchtungs-
Unterbrechung mit einer definierten Geschwindigkeit V zeit pro cm entspricht 75 Joule pro cm) siehe . Tab. 28.4.
(1–3 mm/s) zurückgezogen werden. Die Einhaltung der Bei kontinuierlichem Rückzug mit einer Geschwindigkeit
geplanten Rückzugsgeschwindigkeit beim manuellen von 2 mm/s sollte eine Leistung von 15 Watt eingestellt
Rückzug ist jedoch nur mit ausreichender Übung und mar- werden (. Tab. 28.5).
kierten Schleusensystemen exakt möglich. Einige Lasergeneratoren verfügen mittlerweile über
Klinische Analysen deuten darauf hin, dass »Therapie- weiterführende Software mit Kalkulation der Leistungs-
versager« mit Non-Okklusionen oder Rekanalisierungen einstellung nach Eingabe der gewünschten Energiedichte;
nach ELT-Behandlung mit ausreichend hoher Energie- des Venendurchmessers bzw. der Länge des zu behandeln-
dichte seltener beobachtet werden, als bei geringer LEED den Venensegmentes und Wahl des geplanten Rückzug-
bzw. EFE (Proebstle 2004, Timperman 2004, Proebstle protokolls sowie eine visuelle und akustischer Unterstüt-
2006, Kim 2006, Desmyttère 2007, Kontothanassis 2007, zung des Operateurs zur Einhaltung der berechneten Be-
Vuylsteke 2008, Elmore 2008, Theivacumar 2009). Allge- handlungsparameter.
354 Kapitel 28 · Endovenöse Techniken

28.2.6 Behandlung der V. saphena parva


. Tab. 28.4. An das Venenlumen angepasste Leistungsein-
stellung eines Lasers (980 nm) bei getaktetem Rückzug einer
Bare Fiber (Beleuchtungszeit 1,5 s, Intervall 2 mm) und die re-
Prinzipiell gelten für beide Stammvenen die gleichen Be-
sultierende Energiedichte (LEED, EFE) handlungsprinzipien. Die V. saphena parva sollte jedoch in
Bauchlage behandelt werden. Die Platzierung der Schleuse
Venendurch- Leistung des LEED EFE und der Faserspitze muss an der sapheno-poplitealen
messer Generators (J/cm) (J/cm2) Mündung sehr vorsichtig erfolgen, um eine Perforation zu
(mm) (Watt)
vermeiden. Auch hier muss auf einen ausreichenden Ab-
5,0 7 50 33,4 stand (ca. 2 cm) zwischen Faserspitze und tiefer Leitvene
geachtet werden, um eine thermische Läsion der V. popli-
7,5 10 75 31,8
tea zu vermeiden. In der Fossa poplitea und im Verlauf des
10,0 13 100 31,1 dorsalen Unterschenkels verlaufen N. tibialis bzw. N. sura-
lis in enger Nachbarschaft zur V. saphena parva, so dass
28 12,5 17 125 32,5
hier besonders auf eine adäquate Lichtdosimetrie und peri-
15,0 20 150 31,8 venöse Tumeszenz geachtet werden muss.
Die angegebenen Werte dienen lediglich zur Orientierung Vereinzelt wurde auch über die erfolgreiche ELT Be-
über die allgemein empfohlene minimale Energiedichte bei handlung der V. femoropoplitea (Giacomini) (Bush 2007,
ELT. Entsprechend der individuellen klinischen Situation und Theivacumar 2007) und insuffizienter Perforansvenen
der Erfahrungen des Operateurs kann eine Abweichung von
(Proebstle 2007) berichtet.
diesen Zielwerten sinnvoll sein.

28.2.7 Perioperative Maßnahmen


. Tab. 28.5. An das Venenlumen angepasste Leistungsein-
stellung eines Lasers (980 nm) bei kontinuierlichem Rückzug Zur sicheren Dokumentation des Therapieerfolges, uner-
einer Bare Fiber (Geschwindigkeit 2 mm/s) und die resultieren- wünschter Ereignisse und zum Ausschluss einer postope-
de Energiedichte (LEED, EFE)
rativen Beinvenenthrombose bzw. einer Thrombuspropa-
Venendurch- Leistung des LEED EFE
gation in die tiefen Leitvenen sollte innerhalb der ersten
messer Generators (J/cm) (J/cm2) postoperativen Woche eine klinische und duplexsonogra-
(mm) (Watt) phische Untersuchung des behandelten Beines durchge-
führt werden. Zum Ausschluss eines persistierenden oder
5,0 10 50 31,8
erneuten Refluxes im Verlauf der sapheno-femoralen bzw.
7,5 15 75 31,8 sapheno-popitealen Mündung oder einer Rekanalisation
10,0 20 100 31,8
der behandelten Vene bzw. eines erneuten epifaszialen pa-
thologischen Refluxes in der behandelten Strombahn sollte
12,5 25 125 31,8 die klinische und duplexsonographische Untersuchung
15,0 30 150 31,8 regelmäßig wiederholt werden. Akut postoperativ stellt
sich die behandelte Stammvene im sonographischen Bild
Die angegebenen Werte dienen lediglich zur Orientierung
diskret wandverdickt dar. Das Lumen ist meist reduziert
über die allgemein empfohlene minimale Energiedichte bei
ELT. Entsprechend der individuellen klinischen Situation und und mit echoreichem Thrombusmaterial ausgefüllt. Im
der Erfahrungen des Operateurs kann eine Abweichung von weiteren Verlauf kann im Rahmen von Reparations- bzw.
diesen Zielwerten sinnvoll sein. Vernarbungsprozessen auch eine strangförmige fibröse
Umwandlung bis zur fehlenden sonographischen Darstell-
barkeit beobachtet werden (Elmore 2008).
Die präoperative sonographische Berechnung des Ve-
nendurchmessers wird derzeit noch uneinheitlich gehand-
habt. Wir empfehlen die Messung im Stehen an mindestens 28.2.8 Laserschutz
3 Segmenten der zu behandelnden Stammvene:
1. sapheno-femoraler Übergang Wie bei jeder klinischen Verwendung der Laserenergie
2. distaler Insuffizienzpunkt müssen die entsprechenden Sicherheitsbestimmungen
3. im Venenverlauf zum Schutz der Patienten und des medizinischen Perso-
nals eingehalten werden (Unfallverhütungsvorschriften
der Berufsgenossenschaften, VBG B2, http://www.pr-o.
info/bc/uvv/93/titel.htm). Hierzu gehören insbesondere
28.2 · Endovenöse Laserablation
355 28
die Nutzung speziell ausgewiesener und gekennzeichneter menhang zwischen Okklusionrate und der endovenös de-
Behandlungsräume mit nach außen abgedeckten Glasflä- ponierten Laserenergie (LEED, EFE). Weitere Faktoren,
chen und die Verwendung von geeigneten Laserschutz- die eine Rekanalisierung begünstigen, wurden bisher nicht
brillen als persönliche Schutzausrüstung für Patienten und identifiziert.
Personal. Die Laseranwendung darf nur durch entspre- Postoperative Schmerzen im Verlauf der behandelten
chend qualifizierte und geschulte Ärzte erfolgen. Die Teil- Stammvenen sind zu erwarten. Sie werden von den meis-
nahme an einem Laserschutzkurs als Nachweis für die ten Patienten (81,5%) als leicht bis moderat eingeschätzt.
notwendige Sach- und Fachkunde zeichnet den bewussten Allerdings wurden bei einer Serie von 113 Patienten nach
Umgang mit der Laserenergie als medizinische Behand- ELT trotz routinemäßiger Analgetikagabe (Ibuprofen) von
lungsform aus. Alle im OP anwesenden Personen sollten 18,5% der Patienten auch starke bis sehr starke Schmerzen
über das Verhalten im Laserbereich informiert sein. Zwi- beschrieben (Elmore 2008). Mit einer postoperativen
schen Lasersystem und Patient sollte der Durchgang nicht Induration der Stammvene ist bei 78,1% der Patienten zu
möglich sein, um eine versehentliche Diskonnektion oder rechnen, perivenöse Ekchymosen und Hämatome werden
Beschädigung des Lichtwellenleiters mit konsekutivem bei durchschnittlich 52,2% der Patienten beobachtet
unkontrolliertem Austritt von Laserlicht zu vermeiden. (Luebke 2008). Einzelne Studien berichten jedoch auch
über höhere Raten mit postoperativen Ekchymosen und
Hämatomen bei bis zu 60–80% der Patienten (Proebstle
28.2.9 Klinische Ergebnisse 2005, Sharif 2005). Eine Phlebitis der Stammvene wird
bei durchschnittlich 2,8% der Patienten beobachtet, wo-
Seit den ersten klinischen Berichten über die ELT im Jahre bei auch hier einzelne Studien deutlich höhere Inziden-
1999 wurden in den vergangen Jahren zahlreiche Daten zu zen mit bis zu 17,2% berichten (Disselhoff 2005). Weitere
klinischen Serien und Kohortenstudien mit meist geringen Komplikationen wie persistierende Dysästhesie (1,7%),
Fallzahlen und relativ kurzen Nachbeobachtungszeit pub- Hautverbrennungen (0,5%), Thrombuspropagationen in
liziert. Vereinzelt wird jedoch auch über Serien und Multi- das tiefe Leitvenensystem (0,2%) oder Lungenembolien
centerstudien mit mehr als 500 Behandlungen und Nach- (0,02%) werden relativ selten beobachtet (Schmedt
beobachtungszeiten von mehr als 60 Monaten berichtet 2006, Handbuch der Angiologie). In Einzelfällen wurden
(Agus 2006, Elmore 2008, Desmyttère 2007, Min 2005, AV-Fisteln (Theivacumar 2009), Hyperpigmentierungen
Nwaejike 2009, Ravi 2009). Derzeit stehen damit Daten (Agus 2006) oder ischämische Insulte (Caggiati 2009) be-
von mehr als 60 Publikationen mit insgesamt mehr als schrieben.
15.000 ELT Behandlungen zur Verfügung. Desweiteren Mehrere randomisierte kontrollierte Studien, welche
existieren Übersichtsarbeiten, welche die vorliegenden Er- die ELT mit der offenen chirurgischen Behandlung durch
gebnisse zusammenfassen und werten (Schmedt 2006 Crossektomie und Stripping vergleichen, wurden veröf-
Handbuch für Angiologie, Luebke 2008, Darwood 2009, fentlicht (Darwood 2008, de Medeiros 2005, Disselhoff
van den Bos 2009). 2008, Kalteis 2008, Rasmussen 2007) (. Tab. 28.6).
Bei adäquater Patientenselektion ist die Durchführung
einer ELT Behandlung mit erfolgreicher Sondierung der
Stammvene technisch bei mehr als 99% der Patienten mög-
lich (Elmore 2008). Bei korrekter Anwendung der ELT . Tab. 28.6. Randomisierte kontrollierte Studien zum Ver-
gleich der ELT versus Crossektomie und Stripping
kann von einer sicheren Behandlung mit effektiver Okklu-
sion und hämodynamischer Ausschaltung der behandel- Autor Nation Proze- Vergleich
ten Venensegmente ausgegangen werden. Es werden je- duren
doch auch unerwünschte Ereignisse und Komplikationen
De Medeiros BRA n=20 ELT vs. Crossekto-
beobachtet. Im Rahmen der Metaanalyse von Luebke und
(2005) mie/Stripping
Brunkwall (Luebke 2008) wird eine durchschnittliche In-
zidenz von Non-Okklusionen oder Früh-Rekanalisierun- Rasmussen DK n=137 ELT vs. Crossekto-
(2007) mie/Stripping in LA
gen von 2,3% berechnet. Im weiteren Verlauf muss bei
4,5% der Patienten mit einer Rekanalisierung gerechnet Darwood GB n=103 ELT vs. Crossekto-
werden. Allerdings übersteigen die Nachuntersuchungs- (2008) mie/Stripping
zeiten der analysierten Studien bisher selten mehr als Kalteis (2008) A n=95 ELT vs. Crossekto-
6–12 Monate und die Studien weisen zum Teil erhebliche mie/Stripping
Unterschiede der Ergebnisse auf. So werden Rekanalisa-
Disselhoff NL n=120 ELT vs. Crossekto-
tionen mit einer Inzidenz bis zu 24,1% beobachtet (Sharif
(2008) mie/Kryostripping
2006). Wie bereits erwähnt, besteht offenbar ein Zusam-
356 Kapitel 28 · Endovenöse Techniken

Insgesamt ist die Fallzahl dieser Studien eher gering stalten, befindet sich die ELT weiterhin in einem dyna-
und die Nachbeobachtungzeiten liegen zwischen 2 und mischen Entwicklungsprozess, dessen Ende derzeit noch
12 Monaten, eine abschließende Beurteilung des Lang- nicht abzusehen ist. Um Karbonisierung, extreme Erhit-
zeitergebnisses der ELT ist somit derzeit nicht möglich. zung der Faserspitze, akzentuierte Gewebealterationen mit
Zusammenfassend dokumentieren die Studien zumindest Venenperforationen und andere unerwünschte Gewebe-
initial eine effektive Elimination des epifaszialen Refluxes effekte zu vermindern, werden verschiedene Modifika-
nach endovenöser Lasertherapie bei niedrigem Nebenwir- tionen der Behandlung evaluiert. Offenbar kann bei der
kungsprofil. Die ELT führt in der Mehrzahl der Studien zu Verwendung von Lasersystemen, die Laserlicht mit länge-
geringeren postoperativen Schmerzen und einer schnel- ren Wellenlängen (λ= 1340 nm und λ = 1470 nm) emittie-
leren Rekonvaleszenz im Vergleich zur Strippingoperation, ren, eine Reduktion unerwünschter Gewebeeffekte beob-
allerdings sind die Ergebnisse einzelner Studien teilweise achtet werden (Proebstle 2005, Pannier 2009, Maurins
widersprüchlich. 2009). Bei diesen Wellenlängen wird die Energie haupt-
Mit dem Verzicht auf eine Crossektomie verlassen die sächlich im Wasser absorbiert und damit eher im Zyto-
28 endovenösen Therapieverfahren die bisher geltenden Vor- plasma der Venenwandzellen als im Hämoglobin der
gaben zur operativen Sanierung insuffizienter Stamm- Erythrozyten in Wärme umgewandelt.
venen. Ob der Verzicht auf eine Crossektomie im Langzeit- Experimentelle und klinische Untersuchungen konnten
verlauf zu einer erhöhten Inzidenz eines erneuten epifas- zeigen, dass insbesondere die endovenöse Lichtapplikation
zialen Refluxes im Bereich der behandelten Strombahn mit einer plan geschliffenen Bare Fiber ungünstige Eigen-
führt oder sogar positive Effekte hat (z. B. eine Reduktion schaften aufweist (Schmedt 2006, Schmedt 2007, Vuylsteke
von Neovaskularisationen am sapheno-femoralen Über- 2008). Im Rahmen umfangreicher experimenteller Unter-
gang), müssen weitere kontrollierte Studien und insbeson- suchungen wurden zirkulär abstrahlende Laserlichtappli-
dere weitere Nachuntersuchungen der bereits randomi- katoren entwickelt (. Abb. 28.11) und für die ELT-Behand-
sierten Patienten zeigen. lung standardisiert getestet (Beck 2008, Blagova 2008).
Diese Modifikation der Lichtapplikation ermöglicht
eine gleichmäßige zirkuläre zylindrische thermische Alte-
28.2.10 Aktuelle Entwicklungen ration der Venenwand ohne signifikante Karbonisierungen,
der endovenösen Lasertherapie Ablationen oder Perforationen. Erste klinische Anwen-
dungen unter kontinuierlichem Rückzug dieses Lichtappli-
Während mit der endovenösen Radiofrequenztherapie kators bestätigten die effektive Okklusion der insuffizienten
durch die Implementierung von Feedback-Mechanismen Stammvenen ohne thermische Nebenwirkungen (Schmedt
mit automatischer, generatorgesteuerter Regulation der 2008).
Energiedichte und standardisierten Behandlungsproto- Ein weiterer radial abstrahlender Lichtwellenleiter
kollen bereits reproduzierbare definierte Gewebeschäden (ELVeS Radial) wurde von der Firma Biolitec entwickelt
erzeugt werden, sind die Auswirkungen der ELT auf das
Gewebe und damit auf das klinische Ergebnis offenbar
sehr unterschiedlich (Schmedt 2006). Die ELT ist durch die
Verwendung unterschiedlicher Wellenlängen, Rückzugs-
protokolle und Energiedichten kaum standardisiert. Feed-
back-Mechanismen, durch welche die adäquate Energie-
dichte bei der ELT gesteuert werden könnte, fehlen. Dies
erschwert die adäquate Licht-Dosierung für eine suffi-
ziente thermischen Alteration des Gewebes.
Neben umschriebenen Ablationen von Venenwand-
strukturen können auch transmurale Schädigungen mit
Wandperforationen beobachtet werden (Schmedt 2007).
Diese können klinisch relevante Folgen wie Ekchymosen
und postoperative Schmerzen haben. Andererseits hinter-
lässt eine lokal akzentuierte, nicht komplett zirkuläre ther-
mische Alteration der Venenwand auch nur gering lokal
. Abb. 28.11. Prototyp eines zirkulär abstrahlenden zylind-
geschädigte Wandareale, was zu einer höheren Inzidenz
rischen Lichtapplikators (Diffusor) zur endovenösen Laserthera-
von Non-Okklusion oder Rekanalisierung führen kann. pie. (Mit freundlicher Genehmigung der Fa. Curalux und des Laser-
Um diese Nachteile zu beseitigen und die endother- forschungslabors Klinikum Großhadern der Ludwig-Maximilians-
mische Okklusion effektiver und reproduzierbarer zu ge- Universität München)
28.2 · Endovenöse Laserablation
357 28
und den offenen chirurgischen Therapieverfahren zu ver-
gleichen.

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handlungen mit diesem Lichtapplikator unter Verwendung
of print]
eines λ = 1470 nm Lasergenerators deuten auf ein nied- Darwood RJ, Theivacumar N, Dellagrammaticas D, Mavor AI, Gough MJ
riges Nebenwirkungsprofil bei sehr guter Effektivität mit (2008) Randomized clinical trial comparing endovenous laser ab-
hoher Verschlussrate hin (Maurins 2008, Soracco 2009). lation with surgery for the treatment of primary great saphenous
varicose veins. Br J Surg 95:294–301
Darwood RJ, Gough MJ (2009) Endovenous laser treatment for un-
complicated varicose veins. Phlebology 24 Suppl 1:50–61
28.2.11 Zusammenfassung de Medeiros CA, Luccas GC (2005) Comparison of endovenous treat-
ment with an 810 nm laser versus conventional stripping of the
Trotz guter klinischer Ergebnisse mit effektiver und great saphenous vein in patients with primary varicose veins.
schmerzarmer Okklusion der insuffizienten Stammvenen Dermatol Surg 31:1685-94.
Desmyttère J, Grard C, Wassmer B, Mordon S (2007) Endovenous
werden nach endovenöser Lasertherapie auch uner-
980-nm laser treatment of saphenous veins in a series of 500 pa-
wünschte Effekte wie Ekchymosen, Phlebitiden und Re- tients. J Vasc Surg 46:1242–1247
kanalisationen beobachtet. Diese sind vorwiegend auf fo- Disselhoff BCVM, der Kinderen DJ, Moll FL (2005) Is there recanaliza-
kal akzentuierte thermische Läsionen der Venenwand mit tion of the great saphenous vein 2 years after endovenous laser
transmuralen Gewebeablationen und Perforationen bzw. treatment. J Endovasc Ther 12:731–738
Elmore FA, Lackey D (2008) Effectiveness of endovenous laser treat-
Venensegmenten mit geringer thermischer Alteration zu-
ment in eliminating superficial venous reflux. Phlebology 23:21–
rückzuführen. Durch systematische experimentelle Unter- 31
suchungen und Analysen klinischer Ergebnisse konnte Kalteis M, Berger I, Messie-Werndl S, Pistrich R, Schimetta W, Pölz W,
in den vergangenen Jahren das Verständnis über die Zu- Hieller F (2008) High ligation combined with stripping and endo-
sammenhänge zwischen endovenöser Laserapplikation venous laser ablation of the great saphenous vein: Early results of
a randomized controlled study. J Vasc Surg 47:822–9
und klinischem Ergebnis erweitert werden. Dies hat zu
Kim HS, Nwankwo IJ, Hong K, McElgunn PS (2006) Lower energy endo-
einer kontinuierlichen Entwicklung und Optimierung der venous laser ablation of the great saphenous vein with 980 nm
ELT geführt. Insbesondere die endovenöse Lasertherapie diode laser in continuous mode. Cardiovasc Intervent Radiol
unter kontinuierlichem Rückzug des Lichtwellenleiters, 29:64–69
die Verwendung von Lasergeneratoren mit längeren Wel- Kontothanassis D, Di Mitri R, Ferrari Ruffino S, Ugliola M, Labropoulos
N, IEWG Group (2007) Endovenous thermal ablation. Standardiza-
lenlängen und die Verwendung von radial abstrahlenden
tion of laser energy: literature review and personal experience. Int
Lichtwellenleitern scheinen das Nebenwirkungsprofil und Angiol 26:183–8
die Okklusionsrate positiv zu beeinflussen. Die ELT kommt Luebke T, Brunkwall J (2008) Systematic review and meta-analysis of
damit dem Ziel in Richtung einer Standardisierung eines endovenous radiofrequency obliteration,endovenous laser ther-
optimalen Behandlungsprotokolls immer näher. Aller- apy, and foam sclerotherapy for primary varicosis. J Cardiovasc
Surg (Torino) 49:213–33
dings sind neue kontrollierte Studien erforderlich, um die
Maurins U (2008) ELVeS 360 – Einsatz radial abstrahlender Laser-
in Kohortenstudien dargestellten guten Ergebnisse der sonden zur Behandlung der Veneninsuffizienz: Klinische Ergeb-
optimierten ELT zu untermauern und um die optimierte nisse und Bewertung. Präsentation 50. Jahrestagung der Deut-
ELT mit anderen aktuellen endothermischen Verfahren schen Gesellschaft für Phlebologie, Bochum, 17. Oktober 2008.
358 Kapitel 28 · Endovenöse Techniken

Maurins U, Rabe E, Pannier F (2009) Does laser power influence the Soracco JE, López D‘Ambola JO (2009). New wavelength for the endo-
results of endovenous laser ablation (EVLA) of incompetent vascular treatment of lower limb venous insufficiency. Int Angiol
saphenous veins with the 1470nm diode laser? A prospective ran- 28:281–288
domized study comparing 15 and 25 W. Int Angiol 28:32–37 Theivacumar NS, Dellagrammaticas D, Mavor AI, Gough MJ (2007)
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invasive method of treatment for varicose veins-preliminary ob- Theivacumar NS, Darwood R, Gough MJ (2009). Neovascularisation
servations using an 810 nm diode laser. Dermatol Surg 27:117– and recurrence 2 years after varicose vein treatment for sapheno-
22 femoral and great saphenous vein reflux: a comparison of surgery
Nwaejike N, Srodon PD, Kyriakides C (2009) 5-years of endovenous and endovenous laser ablation. Eur J Vasc Endovasc Surg 38:203–
laser ablation (EVLA) for the treatment of varicose veins – a pro- 207
spective study. Int J Surg 7:347–9 Theivacumar NS, Gough MJ (2009). Arterio-venous fistula following
Pannier F, Rabe E, Maurins U (2009) First results with a new 1470nm endovenous laser ablation for varicose veins. Eur J Vasc Endovasc
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28 veins. Phlebology 24:26–30


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Proebstle TM , Moehler T, Herdemann S (2006) Reduced recanalization new cases. Dermatol Surg 35:1206–1214
rates of the great saphenous vein after endovenous laser treat- Vuylsteke M, Liekens K, Moons P, Mordon S (2008) Endovenous laser
ment with increased energy dosing: definition of a threshold for treatment of saphenous vein reflux: how much energy do we need
the endovenous fluence equivalent. J Vasc Surg 44:834–839 to prevent recanalizations? Vasc Endovascular Surg 42:141–9
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Sharif MA, Soong CV, Lau LL, Corvan R, Lee B, Hannon RJ (2006) Endo-
venous laser treatment for long saphenous vein incompetence.
Br J Surg 93:831–835
29

29 Konservierende Verfahren
in der Varizenchirurgie

Einleitung – 360
H. Nüllen, T. Noppeney

29.1 Venenklappenrekonstruktion bei Stamminsuffizienz


der VSM – 360
A. Mumme, T. Hummel
29.1.1 Indikation – 361
29.1.2 Operationstechnik – 361
29.1.3 Ergebnisse – 362

29.2 CHIVA – 363


H. Nüllen, T. Noppeney
29.2.1 Historie – 363
29.2.2 CHIVA-Konzept – 363
29.2.3 Venennetze – 363
29.2.4 Rezirkulationskreise und Shunt-Typen – 364
29.2.5 Therapiekonzepte – 364
29.2.6 Ergebnisse – 365
29.2.7 Anmerkungen – 366

29.3 Erhalt von venösem Transplantationsmaterial – 366


T. Noppeney, H. Nüllen
29.3.1 Häufigkeit der Insuffizienz des belassenen Stammvenensegments – 367
29.3.2 Qualität des belassenen Stammvenensegments – 368
29.3.3 Häufigkeit der Thrombose/Obliteration des belassenen
Stammvenesegmentes – 369
29.3.4 Zusammenfassung – 369
360 Kapitel 29 · Konservierende Verfahren in der Varizenchirurgie

Einleitung 29.1 Venenklappenrekonstruktion


bei Stamminsuffizienz der VSM
H. Nüllen, T. Noppeney
A. Mumme, T. Hummel
Nachdem sich die Crossektomie in Kombination mit der
Strippingoperation nach Babcock (1907) als Standardver- Bei der Behandlung einer Stammveneninsuffizienz werden
fahren zur Sanierung der Stammvenenvarikose etabliert überwiegend ablative Verfahren eingesetzt, die auf die Ent-
hatte, galt für lange Zeit das Strippen von der Leiste bis zum fernung oder die Zerstörung des Refluxgefäßes abzielen.
Knöchel als obligat. Hier hat sich in den letzten Jahrzehnten Das am häufigsten angewandte Verfahren ist dabei die
ein Wandel vollzogen, seit klar wurde, dass die Stamm- Strippingoperation. In jüngster Zeit werden auch interven-
veneninsuffizienz Grad 4 nach HACH nur in 1–3% der tionelle Methoden wie die Radiofrequenz- oder Laserthe-
Fälle vorliegt (Hach 1977). Die stadiengerechte Operation rapie eingesetzt.
wurde propagiert. Sowohl die operativen als auch die interventionellen
Neben den mehr oder weniger radikalen, obliterie- Verfahren beinhalten eine nicht unerhebliche Morbidität,
renden und exstirpierenden OP-Verfahren zur Sanierung die zum einen auf die postoperative Hämatombildung und
29 des venösen Refluxes mit Entfernung der Refluxstrecken, zum anderen auf eine postinterventionelle Phlebitis zu-
sind eine Reihe von Verfahren beschrieben, die durch ent- rückzuführen sind. Weiterhin sind sowohl die operativen,
sprechende Maßnahmen dazu führen sollen, den Reflux zu als auch die thermoablativen Methoden mit dem Risiko
unterbrechen bzw. zu begrenzen und gleichzeitig die nicht der Nervenverletzung belastet. Der Verlust der Stammvene
betroffenen suffizienten Stammvenenanteile zu erhalten kann sich ungünstig auf die Prognose auswirken, wenn
oder sogar die klappeninsuffiziente Stammvene komplett aufgrund kardiovaskulärer Erkrankungen dringend benö-
oder teilweise zu konservieren. Motivation zu diesem Vor- tigtes, autologes Gefäßersatzmaterial durch die Behand-
gehen ist einerseits die Überzeugung, dass die Entfernung lung der Varikosis verbraucht wurde.
bzw. Ausschaltung von »gesundem Venenmaterial« als Grundsätzlich besteht ein Bedarf für die reparative The-
ethisch nicht vertretbar gilt, im Hinblick auf mögliche rapie der Stammveneninsuffizienz. Die Erhaltung der Vene
Komplikationen als forensisch bedenklich gelten muss, sollte nicht nur bei bestehender Disposition für arterioskle-
und auch die Überlegung, dass durch derartig konser- rotische Erkrankungen angestrebt werden, sondern auch
vierende Verfahren wertvolles Venenersatzmaterial zur dann, wenn eine tiefe Beinvenenthrombose abgelaufen ist.
Verwendung bei rekonstruktiven Eingriffen in der Koro- Bei Obstruktion der tiefen Vene kann die Saphenastrom-
narchirurgie und der peripheren Gefäßchirurgie erhalten bahn eine wichtige Drainagefunktion übernehmen.
werden kann. Schließlich wird bei CHIVA aus hämodyna- Von den diversen Ansätzen zur venenerhaltenden The-
mischer Sicht die Entfernung der Refluxstrecke sogar als rapie der Stammveneninsuffizienz hat die extraluminale
falsch oder zumindest unnötig bewertet. Valvuloplastie die weiteste Verbreitung gefunden. Das
Der Einsatz konservierender Verfahren ist allerdings Verfahren zielt darauf ab, die Verschlussfunktion der
nur dann sinnvoll, wenn damit das Ziel einer Besserung Schleusenklappen durch eine Einengung der Vene von
des klinischen Zustandes im Hinblick auf die zugrunde außen wiederherzustellen. Die erweiterte Vene wird so
liegende Varikose unter klinischen und/oder funktionellen lange eingeengt, bis der aus der tiefen Vene kommende
Gesichtspunkten nicht verfehlt wird und wenn die zu kon- Reflux sistiert. Dies ist bei einem Venendurchmesser von
servierenden Venen bzw. Venenanteile unter morpholo- 6 mm nahezu regelhaft der Fall. Durch die Reparatur der
gischen Gesichtspunkten als erhaltenswert eingestuft wer- Schleusenklappen und die daraus resultierende Beseiti-
den können. gung des Refluxes sollen sich die peripheren Venenab-
Die Wertigkeit der verfügbaren Verfahren ist kritisch schnitte retonisieren. Der Eingriff beschränkt sich auf den
zu messen anhand der Bewertung der folgenden Kriterien: Crossenbereich der Vena saphena magna, so dass im Ver-
4 methodischer Aufwand und Kosten gleich zum Stripping oder zur Hitzeablation ein geringes
4 verfahrenstypische Komplikationen Operationstrauma resultiert.
4 Erfolg im Hinblick auf das Ziel »Sanierung der Vari-
kose und Unterbrechung des Refluxes« > Das Prinzip der extraluminalen Valvuloplastie
4 Rezidivquote basiert auf der Wiederherstellung des physiologi-
4 Länge der konservierten Venensegmente schen Durchmessers der Stammvene im Crossen-
4 weitere Verwendbarkeit der konservierten Venen- bereich. Mit einer von außen um die Vene geleg-
segmente ten Manschette wird die dilatierte Vene so lange
eingeengt, bis die distrahierten Klappensegel
wieder Kontakt bekommen und schließen.
29.1 · Venenklappenrekonstruktion bei Stamminsuffizienz der VSM
361 29
29.1.1 Indikation

Die Indikation zur extraluminalen Valvuloplastie wird an-


hand einer duplexsonographischen Untersuchung gestellt,
mit der die morphologischen Veränderungen an der insuf-
fizienten Vena saphena magna erfasst werden. Hochauflö-
sende Geräte ermöglichen die Darstellung der Mündungs-
klappensegel, deren Vorhandensein eine Voraussetzung
für die Anwendung des Verfahrens ist. Kontraindikatio-
nen ergeben sich, wenn die morphologischen Gegeben-
heiten gegen eine Rekonstruktion sprechen, wie z. B. bei:
4 Avalvulie . Abb. 29.1. Darstellung der Saphena- Crosse. Die Seitenäste sind
4 Venendurchmesser in der Mündungsregion < 7 mm bis auf die Indikatorvene ligiert. Distal ist die Vene mit einem Vessel-
oder > 12 mm loop okkludiert. Der Patch ist platziert
4 degenerative Veränderungen der Stammvene wie z. B.
Aneurysmen oder Phlebolite
4 Zustand nach Phlebitis

Besonders geeignet ist das Verfahren, wenn sich aus der


Entfernung oder Zerstörung der Stammvene eine poten-
zielle Prognoseverschlechterung ergeben kann und damit
die Venenerhaltung besonders erstrebenswert ist. Dies gilt
für Patienten mit:
4 Koronarer Herzkrankheit
4 PAVK
4 Postthrombotischem Syndrom
4 Thrombophilie

Darüber hinaus ist die Valvuloplastie bei der Insuffizienz


der Vena akzessoria medialis oder lateralis eine gute Alter-
. Abb. 29.2. Der Valvuloplastie-Patch wird unter die Vena saphe-
native zur Strippingoperation. Die in diesem Fall meist na magna gelegt. Die U-förmige Aussparung nimmt die Vena saphe-
intakten trunkalen Anteile der Stammvene können erhal- na magna in Höhe ihrer Einmündung auf
ten bleiben, wenn durch die Valvuloplastie die Insuffizienz
der proximalen Schleusenklappen behoben ist.
durch die proximalen Schleusenklappen an. Solange beim
> Die extraluminale Valvuloplastie setzt eine Patien-
Pressen Blut austritt, sind die vorgeschalteten Klappen in-
tenselektion voraus. Patienten mit ausgeprägter
suffizient.
degenerativer Veränderung der Stammvene eig-
Ein 4 × 2 cm messender Kunststoffstreifen mit einer
nen sich nicht für eine Klappenrekonstruktion.
U-förmigen Aussparung wird aus einem Dacron- oder
PTFE-Flies zurechtgeschnitten. Seit 2008 kann auch auf
einen vorgefertigten Kunststoffstreifen aus Polyurethan
29.1.2 Operationstechnik (VenoPatch, Fa. BIBraun-Aesculap, Tuttlingen) zurückge-
griffen werden. Der Valvuloplastie-Patch wird dann unter
Über einen querverlaufenden kurzstreckigen Schnitt (ca. die Vena saphena magna gelegt, so dass die U-förmige Öff-
4 cm) erfolgt die Darstellung der Crossenregion und der nung im Winkel zwischen der Magnaeinmündung und der
tiefen Vene 2 cm proximal und 1 cm distal der Saphenaein- tiefen Vene zu liegen kommt (. Abb. 29.2).
mündung. Die Seitenäste werden mit Ausnahme der soge- Der Patch wird manschettenförmig um die Vena saphe-
nannten Indikatorvene durchtrennt und ligiert. Bei der na magna-Mündungsregion gelegt und unter Valsalva-
Indikatorvene handelt es sich um den am weitesten distal Manövern (Lokal- bzw. Spinalanästhesie) oder Überdruck-
einmündenden Seitenast, der zunächst nicht ligiert wird. beatmung (Vollnarkose) sukzessive eingeengt. Das Sistie-
Distal der Indikatorvene wird die Vena saphena magna mit ren des Blutflusses aus der Indikatorvene zeigt den suffizi-
einem »Vesselloop« passager okkludiert (. Abb. 29.1). Die enten Klappenschluß in den proximalen Schleusenklappen
Indikatorvene zeigt beim Valsalva-Manöver den Reflux an (. Abb. 29.3).
362 Kapitel 29 · Konservierende Verfahren in der Varizenchirurgie

fixiert (5-0 Polypropylen-Faden). Die beiden proximalen


Lefzen der Manschette werden mit Einzelknopfnähten an
der Adventitia der tiefen Vene angeheftet, so dass im Cros-
senbereich eine trompetenförmige Verjüngung der Vene
resultiert. Nach einer abschließenden Überprüfung des
Refluxes wird die Indikatorvene ligiert und das Vesselloop
entfernt (. Abb. 29.4).
Die Seitenastvarikosis kann in gleicher Sitzung ope-
rativ entfernt werden oder im Intervall mit einer Sklero-
sierungstherapie. Die postoperative Nachbehandlung er-
folgt entsprechend der herkömmlichen Varizenoperation
mit einer Kompressionstherapie mit Kompressions-
strümpfen.

29 29.1.3 Ergebnisse
. Abb. 29.3. Sukzessives Einengen des Durchmessers der Vena
saphena magna bis zum Sistieren des Blutaustrittes aus der Indi- Aufgrund der Selektion der Patienten und fehlender ran-
katorvene. Hierzu wird der Valvuloplastie-Patch mit Klemmchen
gefasst
domisierter Studien sind die Ergebnisse der extralumina-
len Valvuloplastie derzeit nur eingeschränkt vergleichbar
mit denen herkömmlicher Behandlungsmethoden.
Falls es nicht gelingt, die Verschlussfunktion der proxi- In nach unterschiedlichen Kriterien selektionierten
malen Schleusenklappen wiederherzustellen, wird anstelle Kollektiven monozentrischer Studien wurde über Langzeit-
der Valvuloplastie eine Crossektomie vorgenommen. ergebnisse mit einem follow up von bis zu 15 Jahren be-
richtet. Die australische Arbeitsgruppe um Lane berichtete
Tipp über 1516 Valvuloplastien der Vena saphena magna mit
einer silikonverstärkten Dacronmanschette (Venocuff,
Mit Hilfe einer nicht ligierten Seitenastvene (Indika-
AllVascular Pty Ltd, Sydney, Australien). Etwa 5 Jahre nach
torvene) kann die Verschlussfunktion der vorgeschal-
der Implantation sei bei 90 % der Rekonstruktionen eine
teten Klappen überprüft werden. Der Austritt von Blut
intakte Funktion der Venenklappen festgestellt worden.
während eines Valsalva-Manövers zeigt den fehlenden
Die Autoren beschrieben eine Retonisierung der Vena
Klappenschluss an.
saphena magna, deren in Kniehöhe gemessener Durch-
messer sich von 6,9 mm auf 4,9 mm verringert habe. Die
Gelingt die Beseitigung des Refluxes, wird der Valvuloplas- klinische Rezidivrate wurde für das 5-Jahres-Intervall mit
tie-Patch mit Einzelkopfnähten in Form einer Manschette 9% angegeben (Lane 2002).
Geier et al. publizierten die 5-Jahres-Ergebnisse nach
Valvuloplastie mit einer manuell zurechtgeschnittenen
Dacronmanschette und bestätigten die Retonisierung der
Stammvene. Nach 5 Jahren war der Venendurchmesser im
Mittel um 3 mm verringert. Weiterhin wurde eine signi-
fikante Verbesserung der Venenfunktion festgestellt. Die
venöse Wiederauffüllzeit war im Schnitt um 5 s verlängert.
88,5% der Rekonstruktionen zeigten einen zufriedenstel-
lenden Klappenschluss. Subjektive Beschwerden wie z. B.
Stauungsgefühle waren nach 5 Jahren noch signifikant ge-
bessert. Die Rezidivrate der Varikosis wurde mit 18,5%
angegeben (Geier 2004).
Das Verfahren der extraluminalen Valvuloplastie der
Vena saphena magna ist technisch einfach und von jedem
geübten Operateur anwendbar. Gleichwohl begründen die
. Abb. 29.4. Nach Fertigstellung der extraluminalen Valvuloplas- Überprüfungen der Klappenfunktion eine im Vergleich
tie resultiert eine trompetenförmige Verjüngung der Vena saphena zur Crossektomie und Strippingoperation um etwa 10 min
magna im Crossenbereich verlängerte Operationsdauer. Das Verfahren kann bei allen
29.2 · CHIVA
363 29
Patienten mit Stamminsuffizienz der Vena saphena magna 29.2.2 CHIVA-Konzept
eingesetzt werden, sofern keine Avalvulie besteht und die
Degeneration der Stammvene nicht zu weit fortgeschritten Die CHIVA-Methode basiert auf der Vorstellung von
ist. Insbesondere bei Patienten mit begleitender arterieller Franceschi, dass die Varikosis nicht generell eine primäre
Verschlusskrankheit oder durchgemachter tiefer Beinve- Erkrankung der Venenwand sei, sondern zumindest zum
nenthrombose stellt die Valvuloplastie eine interessante Teil auf der Basis einer hämodynamischen Störung ent-
Erweiterung des Therapiespektrums dar. standen sei. Franceschi schloss dies aus seinen Beobach-
tungen, dass:
Literatur 4 Varizen im Liegen oft nicht mehr zu erkennen sind.
Geier B, Voigt I, Barbera L, Marpe B, Stücker M, el Gammal S, Mumme 4 Varizen im Stehen bei Kompression des oberen Insuf-
A (2004) Extraluminale Valvuloplastie bei Stamminsuffizienz der
fizienzpunktes nicht mehr gefüllt sind (Trendelenburg,
V. saphena magna: Fünf-Jahres-Ergebnisse. Phlebologie; 33, 149–
155
Perthes).
Jessup G, Lane RJ (1998) Repair of incompetent venous valves: a new 4 Vasospasmen auch an varikösen Venen vorkommen.
technique. J Vasc Surg; 8: 569–575 4 eine Varikozele sich zurückbilden kann bei Ausschal-
Reuther T, Nordmeier R, el Gammal C, Altmeyer P, el Gammal S (1999) tung der V. spermatica (Bernadi 1942).
Durchmesser der Vena saphena magna in der Krossenregion bei
gesunden Venen und primärer Stammvarikosis. Phlebologie; 28:
48–52
Die Schlussfolgerung von Franceschi aus all dem war, dass
Labropoulos N, Giannoukas A, Delis K, Mansour M, Kang S, Nicolaides es zur Behandlung der Varikosis genügen müsse, die hämo-
A, Lumley J, Baker H (1997) Where does venous reflux start? J Vasc dynamischen Konsequenzen aus den Privatkreisläufen
Surg; 26: 736–742 nach Trendelenburg bzw. Rezirkulationskreisen nach Hach
Labropoulos N, Leon M, Nicolaides N, Giannoukas A, Volteas N, Chan P
zu ziehen und diese zu unterbrechen, ohne die Venen je-
(1994) Superficial venous insufficiency: correlation of anatomic
extent of reflux with clinical symptoms and signs. J Vasc Surg; 20:
weils zwingend entfernen zu müssen. Vielmehr sei es aus-
953–958 reichend, wenn man gleichzeitig eine Drainage der verblie-
Lane RJ, Cuzzilla M, Coroneos J (2002) The treatment of varicose veins benen Refluxstrecke nach distal hin erhalten könne. An-
with external stenting to the saphenofemoral junction. Vasc En- ders ausgedrückt:
dovasc Surg; 36: 736–742
Das Ziel bei CHIVA besteht darin,
Recek C (2001) Venous hemodynamics in the legs of healthy human
subjects and in primary varicose veins. Phlebologie; 30: 107–114
4 den Reflux zu unterbrechen (oberer Insuffizienzpunkt)
Sakurai T, Gupta P, Matsushita M, Nishikimi N, Nimura Y (1998) Corre- und
lation of the anatomical distribution of venous reflux with clinical 4 die Refluxstrecke zu belassen und
symptoms and venous hemodynamics in primary varicose veins. 4 durch das gleichzeitige Belassen eines unteren Draina-
Br J Surg; 85: 213–216
gepunktes (unterer Insuffizienzpunkt) ein Saphena-
Drainagesystem zu schaffen (Carandina et al. 2007).

29.2 CHIVA
29.2.3 Venennetze
H. Nüllen, T. Noppeney
Ausgehend von der Unterteilung des Venensystems der
unteren Extremitäten in ein oberflächliches und ein tiefes
29.2.1 Historie Venensystem und der Tatsache, dass die physiologische
Richtung des Blutflusses im Venensystem der unteren
Im Jahre 1988 wurde von Claude Franceschi eine Methode Extremitäten von der Oberfläche in die Tiefe führt und
zur operativen Behandlung der primären Varikose veröf- das Blut in der Tiefe schließlich zentralwärts fließt, unter-
fentlicht, die er als »Cure Conservative et Hémodynamique schied Franceschi 4 verschiedene Venennetze (. Abb. 29.5),
de l’Insuffisance Veineuse en Ambulatoire« bezeichnete die in einer hierarchischen Beziehung zueinander stehen
(Franceschi 1988). Aus dem Titel wurde das Akronym und die mit R1 bis R4 (R für Resaux = franz. Netze) be-
CHIVA abgeleitet. Die anfangs in Frankreich enthusias- zeichnet wurden. Die ursprünglichen Definitionen von
tisch aufgenommene Methode wurde dann dort schnell Franceschi wurden inzwischen mehrfach überarbeitet (s.a.
wieder wegen ausbleibender Erfolge weitgehend verlassen . Tab. 29.1)
und wird z. Z. in Frankreich noch in 5% der Fälle angewen- Unter physiologischen Bedingungen fließt nach dieser
det (Carandina et al. 2007). Anders in Spanien, wo angeb- Terminologie das Blut stets aus einem »höheren« Netz in
lich 50% der Fälle nach der CHIVA Methodik behandelt ein »niedrigeres« Netz, also z. B. R3 → R2 (z. B. Seitenast
werden (Carandina et al. 2007). In Deutschland konnte (SA) in die VSM) oder R2 → R1 (z. B. VSM in die V. femo-
sich die Methode bislang nicht durchsetzen. ralis) etc. Unter pathologischen Bedingungen in einer Re-
364 Kapitel 29 · Konservierende Verfahren in der Varizenchirurgie

. Tab. 29.1. Venennetze, modifiziert nach Franceschi

R1 Tiefes Venensystem und die Perforansvenen

R2 Interfasziale Sammelvenen. VSM und VSP und


ggf. andere Venen soweit sie die Kriterien ganz
oder teilweise Erfüllen

R3 Seitenäste (epifaszial)

R4 R3 Venen, die zwei R2 Venen miteinander verbinden, . Abb. 29.5. Schematische Darstellung der Venennetze n.
z. Verbindungen zwischen der VSM und der VSP Franceschi. R1 tiefe Bein- und Perforansvenen; R2 »interfaszial« ver-
(transversale R4) oder Korbhenkelvenen z.B. von der laufende Gefäße; R3 epifasziale Gefäße (aus Mendoza 2007)
VSM in die VSM (longitudinale R4).

zirkulation fließt zum einen Blut aus einem »niedrigen« Protagonisten der Methode, nimmt diese Untersuchung,
29 Netz in ein »höheres« Netz, also z.B. R1 → R2 (z. B. V. femo- in geübter Hand, zwischen 20 und 40 min Zeit in Anspruch
ralis in die VSM), zum anderen muss aber, um den Kreis (Fichelle 1992).
zu schließen, an einer Stelle das Blut wiederum in der phy- Für die Zuordnung eines Befundes zu einem bestimm-
siologischen Richtung fließen, also von R3 → R2 (z. B. SA ten Shunt-Typ sind Regeln zu beachten.
in die VSM), von R3 → R1 (z. B. SA in eine Perforansvene) Bei der Bestimmung des unteren Drainagepunktes
oder von R2 → R1 (z. B. VSM in die V. femoralis). dürfen nur »gedehnte« Perforansvenen in Anspruch ge-
nommen werden.
Bei komplexen Rezirkulationskreisen wird für die Typi-
29.2.4 Rezirkulationskreise sierung die »Hauptrezirkulation« als Maßstab genommen.
und Shunt-Typen . Tab. 29.2 gibt einen Überblick über die verschiedenen
Shunt-Typen und ihre Häufigkeitsverteilung.
Auf der Basis dieser Einteilungen wurden 5 verschie-
dene Typen von Rezirkulationskreisen definiert, die in
der CHIVA-Terminologie als Shunt-Typen bezeichnet 29.2.5 Therapiekonzepte
werden. Zur Bestimmung des Shunt-Typs, aus der sich das
Therapiekonzept ableitet, ist eine genaue duplexsono- Folgend der Grundüberlegung von Franceschi, die Stamm-
graphische Flußanalyse notwendig. Nach Angaben von venen als Drainagesystem zu erhalten und den Reflux

. Tab. 29.2. CHIVA-Shunttypen

Shunt- Hauptrezirkulation Beschreibung Häufigkeit n. Abbildung


typ (Capelli et al. 1996)

I R1→R2→R1 Haupt-Rezirkulation in der Stammvene 34% . Abb. 29.6

II R2→R3→R2 Reine Seitenastvarikose, »ohne Beteiligung 16% . Abb. 29.7


von Blut aus den tiefen Venen«

III R1→R2→R3→(R2→) R1 Hauptrezirkulation in der Stammvene. 39% . Abb. 29.8


Die Drainage geschieht über einen Seitenast und
nicht direkt über eine Perforansvene.

IV Der »obere Insuffizienzpunkt« liegt im kleinen 11%


Becken.

V R1→R3→ (R2) →R1 Der Reflux entspringt einer Perforansvene

VI Alle anderen Nicht näher klassifizierte Fälle, die den o.g. Typen
nicht zuzuordnen sind.

(in Anlehnung an Mendoza 2007)


29.2 · CHIVA
365 29
Hieraus resultieren in der Praxis bezogen, auf eine Vielzahl
von individuellen Lokalbefunden und hämodynamischen
Situationen, eine Vielzahl von Therapievorschriften bezo-
gen auf den oberen und unteren Insuffizienzpunkt, ein-
zeitigem oder mehrzeitigem Vorgehen, mit oder ohne
Miniphlebektomie, die wiederum eine Vielzahl von Ent-
scheidungsmöglichkeiten eröffnen. Ein detailliertes Ein-
gehen auf die verschiedenen Möglichkeiten würde den
Rahmen dieser Darstellung sprengen. Dazu muss für den
interessierten Leser auf die Originalliteratur verwiesen
werden.

. Abb. 29.6. Schematische Darstellung des Shunt-Typ I. 1 = tiefe


Vene, 2=VSM; 3=VSP; 4= Hunter-Perforans 5=Seitenast, 6=Perforans- 29.2.6 Ergebnisse
vene (aus Mendoza 2009)
Aus der Arbeitsgruppe von Franceschi wurden funktionell
zufriedenstellende Ergebnisse in 89% der Fälle berichtet
und ästhetisch zufriedenstellende Ergebnisse in 68% der
Fälle (Fichelle et al. 1992).
Kürzlich wurden die Ergebnisse einer randomisierten
Studie mit einem Vergleich zwischen CHIVA 1 und klas-
sischer Varizen-OP mit Crossektomie und Stripping nach
Babcock, bei 10-jähriger Nachbeobachtungszeit vorgelegt
(Carandina et al. 2007). Die Ergebnisse in diesen beiden
Kollektiven wiesen bei der Nachuntersuchung nach 3 Jah-
ren keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf die ge-
wählten Zielparameter auf. Die Zufriedenheit wurde mit-
tels eines 4-gliedrigen Scores bewertet und zeigte in beiden
. Abb. 29.7. Schematische Darstellung des Shunt-Typ II. 1= tiefe Kollektiven einen mittleren Score unter 2 ohne signifi-
Vene, 2=VSM; 3=VSP (aus Mendoza 2009) kanten Unterschied. Der Lokalbefund wurde mit dem von
Hobbs (1978) entwickelten Score bewertet. Hier zeigte sich
ein geringer Vorteil für die CHIVA-Gruppe.
Da dies die einzige verwertbare Langzeitstudie zu die-
sem Bereich der Varizentherapie darstellt und die Protago-
nisten der Methode in Deutschland darüber klagen, nicht
erstgenommen zu werden, bzw. eine wissenschaftliche
Auseinandersetzung mit ihrer Methode nicht oder nur un-
zureichend stattfinde, soll an dieser Stelle diese Studie et-
was genauer analysiert werden.
Die Studie weist einige Mängel auf und die Interpreta-
tion der Ergebnisse ist schwierig. Die zugrundegelegte
Nullhypothese mit 25% weniger Rezidive bei CHIVA im
Vergleich zur Stripping-OP muss als nicht erreicht ange-
. Abb. 29.8. Schematische Darstellung des Shunt-Typ III. 1= tiefe sehen werden. Bei einer ohnehin kleinen Fallzahl pro
Vene, 2=VSM; 3=VSP (aus Mendoza 2009) Gruppe (75) war die Dropout-Rate in der Strippingruppe
unverhältnismäßig hoch im Vergleich zur CHIVA-Gruppe
(21 zu 5). Die Vergleichbarkeit der Kollektive in Bezug auf
zu »leiten« wurden von ihm 4 therapeutische Ansätze als die Zielgröße Rezidive ist problematisch, wie sich anhand
CHIVA-Strategie definiert: der Ergebnisse zeigt. Es werden 5 unterschiedliche Typen
1. Unterteilen der Drucksäule von Varizenrezidiven unterschieden. Angaben zur Durch-
2. Unterbrechen der Rezirkulationskreisläufe gängigkeit der erhaltenen Stammvene in der CHIVA.-
3. Erhalt der Wiedereintrittswege Gruppe fehlen. Bei den Rezidivtypen 1 bis 3 (Crossenin-
4. Ausschalten von nicht drainierenden Seitenästen. suffizienz, Pelviner Reflux und Perforansinsuffizienz)
366 Kapitel 29 · Konservierende Verfahren in der Varizenchirurgie

zeigte sich kein signifikanter Unterschied. Lediglich bei ist im Einzelfall kaum zu beweisen und auch die hämody-
den Typen 4 und 5 war ein signifikanter Unterschied nach- namische Bedeutung der gegen die physiologische Fluss-
weisbar. Sieht man einmal von der Frage ab, ob es sinnvoll richtung erfolgenden Drainage für die tiefen Leitvenen ist
und erlaubt ist die Rezidivvarikose in der dargestellten Art unbeantwortet.
und Weise aufzuteilen, so kann man dies für die Typen 1 Aus methodischen Gründen muss darüber hinaus die
bis 3 noch akzeptieren, nicht jedoch für die Typen 4 und 5. Zulässigkeit der Wahl der Zielparameter Reflux und Rezi-
Der Rezidivtyp 4 kann nur im CHIVA-Kollektiv vorkom- divvarizen als Indikatoren für Erfolg oder Misserfolg beim
men, da eine Drainage in die VSM bei gestrippter Vene hier gewählten Methodenvergleich angezweifelt werden
natürlich unmöglich ist. Bei Typ 5 ist bereits die Definition (Nüllen et al. 2008).
problematisch, hierbei sollen Seitenastvarizen von mehr Die Sinnhaftigkeit oder gar ein überwiegender Nutzen
als 5 mm Durchmesser betrachtet werden, die keinen er- der Methode im Vergleich zu anderen operativen Metho-
kennbaren Abfluss aufweisen. Hier ist die Frage, ob es dies den zur Sanierung der Varikose ist somit auch weiterhin
überhaupt gibt. Man kann sich auch des Eindrucks nicht nicht belegt.
erwehren, dass diese Definition durch den Zusatz »without
any demonstrable escape points or change of compart- Literatur
29 ment« bereits sehr durch die CHIVA-Brille gesehen, ent- Capelli M, Molino Lova R, Ermini S, Turchi A, Bono G, Franceschi C
(1996) Comparison between the CHIVA cure and stripping in the
wickelt wurde. Bezogen auf die Gesamtquote an Rezidiven
treatment of varicose veins in the legs: follow-up of 3 Years. J Mal
wird ein signifikanter Unterschied zugunsten von CHIVA Vasc 21:40–46
(13 = 18% vs. 19 = 35%) angegeben. Die Autoren erwäh- Capelli M, Lova RM, Ermini S, Turchi A, Bono G, Bahnini A et al. (2000)
nen in der Diskussion der Ergebnisse zwar, dass der hohe Ambulatory conservative haemodynamic management of vari-
Dropout in der Strippinggruppe die abschließende Bewer- cose veins: critical analysis of results at 3 years. Ann Vasc Surg
14:376–384
tung signifikant beeinflusst haben könnte, dies hält sie
Carandina S, Mari C, de Palma M, Marcello MG, Cisno C, Legnaro A,
jedoch nicht davon ab den abschließenden Schluss zu Liboni A, Zamboni P (2007) Varicose vein Stripping vs Haemo-
ziehen, dass die Rezidivrate bei CHIVA geringer sei als dynamic Correction (CHIVA): a Long term Randomised Trial. Eur J
beim Stripping und das dies wahrscheinlich auf den Erhalt Vasc Endovasc Surg
der Stammvene zurückzuführen sei. Fichelle JM, Carbone P, Franceschi C (1992) Results of ambulatory and
hemodynamic treatment of venous insufficiency (CHIVA cure).
J Mal Vasc 17:224–228
Franceschi C (1988) Théorie et Pratique de la Cure Conservatrice et
29.2.7 Anmerkungen Hemodynamique de l’Insuffisance Veneuse en Ambulatoire.
Précy-sous-thill (Armancon)
Die zugängliche spärliche Literatur zu CHIVA aus den letz- Hach W, Girth E, Lechner W (1977) Einteilung der Stammvarikose der
V. saphena magna in vier Stadien. Phleb u Proktol; 6:116–123
ten Jahren stammt fast ausschließlich aus den gleichen
Hobbs JT, (1978) Surgery or sklerotherapy for varicose veins: 10 year
3 Arbeitsgruppen. Dies ist problematisch, denn wenn nur results of a random trial. Lancet 27:1149
die Protagonisten einer Methode über ihre Methode be- Mendoza E (2002) Die CHIVA Methode, ein Handbuch, Arrien Wunstorf
richten ist die objektive Bewertung schwierig. (ISBN: 3-00-009545-4)
Dem Grundgedanken bei CHIVA liegt die Überzeu- Mendoza E (2007) Duplexsonographie der oberflächlichen Beinvenen.
Steinkopff Darmstadt
gung zugrunde, dass die gestörte Hämodynamik bei der
Nüllen H, Noppeney T, Eisebitt E (2009) Zur Vergleichbarkeit von Me-
Varikose der wesentliche und primäre Faktor in der Ge- thoden in der Varizenchirurgie. Gefäßchirurgie 14:138–142
nese der Varikosis darstellt. Folgerichtig entwickelt sich
hieraus die Überzeugung, den Reflux aus der Tiefe des
Systems zu unterbrechen und die Refluxstrecke in der 29.3 Erhalt von venösem
Oberfläche nicht zu entfernen sondern hieraus durch Ver- Transplantationsmaterial
änderungen im Bereich der Zuflüsse und den Erhalt eines
distalen Abflusses, ein Drainagesystem (entgegen der phy- T. Noppeney, H. Nüllen
siologischen Flussrichtung) zu erhalten, würde das Prob-
lem der Varikose (hämodynamisch) lösen. Unter konservierenden Verfahren sollen hier die Opera-
Die Frage nach Henne oder Ei, Ursache oder Folge tionsverfahren zur Sanierung der Varikose verstanden
muss jedoch für die Varikose als ungeklärt gelten und alle werden, die am varikösen Prozess nicht oder nur gering
einseitigen Festlegungen müssen als spekulativ abgetan beteiligten Stammvenenabschnitte in situ belassen unter
werden. Die Bedeutung der morphologischen Veränderun- dem Aspekt des Erhalts von venösem Transplantationsma-
gen der Venenwand wird in der CHIVA-Literatur daher terial.
auch weitgehend ausgeklammert. Dass postoperativ die Die einfachste und am eindeutigsten definierte Metho-
Rezirkulation auf allen Ebenen wirklich unterbrochen ist, de ist die stadiengerechte Operation der Stammvenen, wie
29.3 · Erhalt von venösem Transplantationsmaterial
367 29
sie von Hach als Konsequenz aus seiner Definition der ver-
schiedenen Grade der Stammveneninsuffizienz abgeleitet . Tab. 29.4. Anteil der nachuntersuchten Patienten in den
drei Gruppen
wurde (Hach 1977). Die sich hieran anknüpfenden Fragen
in Bezug auf die Sinnhaftigkeit dieser Vorgehensweise Operationsart Operiert Nachunter-
sind: (n) sucht (n)
4 Häufigkeit der Insuffizienz des verblieben Segments in
Partielle Crossektomie der VSM 67 58
der Folgezeit
4 Verwendbarkeit des verbliebenen Segments zu Trans- Crossektomie und Stripping 25 22
plantationszwecken der VSM-Oberschenkel
4 Häufigkeit der Thrombose/Obliteration des verbliebe- Stripping VSM-Unterschenkel 28 25
nen Segments
Summe 120 105

29.3.1 Häufigkeit der Insuffizienz des


belassenen Stammvenensegments . Tab. 29.5. Suffizienz/ Insuffizienz der VSM nach partieller
Crossektomie, mittlere Nachuntersuchung 58 Monate .
Im Rahmen einer Doktorarbeit (Hülse 2002) wurden
120 Patienten, die in den Jahren 1993–1994 wegen einer Gesamt Teilweise Gesamt
Stamminsuffizienz der V. saphena magna (VSM) Grad I suffizient suff./insuff. insuffizent
und II nach Hach, bzw. wegen einer distal inkompletten Patientenzahl n 42 6 10
Stammvarikose der VSM, operiert wurden, nachunter-
In % 72,4 10,3 17,3
sucht. Die Nachuntersuchung erfolgte mittels farbcodierter
Duplex-Sonographie (FCDS) zwischen 54 und 65, im Mit-
tel 59 Monaten postoperativ (. Tab. 29.3).
Es wurden 67 partielle Crossektomien – Unterbindung Reflux festzustellen, bei neun (15,5%) Operierten fand sich
und Durchtrennung aller Seitenäste im Crossenbereich ein spontaner Reflux in die VSM. Die Oberschenkel-VSM
ohne Durchtrennung der Stammvene – durchgeführt (ent- zeigte sich bei 37 (63,8%) suffizient, während bei 9 (15,5%)
spricht 56% aller inkompletten Stammvenenoperationen). der Untersuchten eine beginnende Insuffizienz und bei 12
Ausschlaggebende Indikation war in allen Fällen eine mit- (20,7%) eine manifeste Insuffizienz zu diagnostizieren war.
tels Ultraschall diagnostizierte Stammveneninsuffizienz Die Untersuchung der VSM im Unterschenkelbereich er-
I. Grades nach Hach bei Insuffizienz der proximalen gab bei 42 der 58 (72,4%) eine suffiziente VSM, bei 6 (10,3%)
Schleusenklappe(n) und/oder Insuffizienz mehrerer ein- war eine beginnende Insuffizienz und bei 10 (17,2%) ein
mündender Seitenäste im Mündungsbereich bei entspre- spontaner Reflux festzustellen (. Tab. 29.5). Klinisch fan-
chenden klinischen Beschwerden. In 25 Fällen wurde ein den sich postoperativ bei lediglich 15% dieser Patienten-
Oberschenkel-Stripping der VSM in Verbindung mit einer gruppe Beschwerden, 18% zeigten abgesehen von Besen-
Crossektomie bei Hach Grad II und III, in 28 Fällen ein reisern und retikulären Varizen eine erneute, deutliche
isoliertes Stripping der VSM am Unterschenkel bei distal Seitenastvarikose, 3% wiesen Ödeme und Zeichen einer
inkompletter Stammvarikose durchgeführt. Von den ur- chronisch venösen Insuffizienz auf.
sprünglich operierten 120 Patienten konnten 105 (87,5 %)
Patienten nachuntersucht werden (. Tab. 29.4). Patienten mit partiellem Stripping der VSM
Stripping OS Im Mittel 5 Jahre nach Crossektomie und
Patienten mit partieller Crossektomie Stripping der VSM am Oberschenkel stellte sich in der Dup-
Im Mittel 5 Jahre nach der partiellen Crossektomie fand lexkontrolle das Unterschenkelsegment in 6 Fällen (27,3%)
sich in der FCDS bei 41 der 58 (85,4%) keine Insuffizienz suffizient dar, in 10 Fällen (45,5%) war ein beginnender Re-
im Crossebereich. In 8 Fällen (13,8%) war ein beginnender flux festzustellen; bei 6 der Operierten (27,3%) fand sich ein

. Tab. 29.3. Nachuntersuchung der partiell operierten Patienten, n=105 von 120 (87,5%)

Monate post-OP 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65

Farbkodierte Duplexsono- 1 5 12 9 15 14 9 12 15 5 5 3
graphie-Kontrollen
368 Kapitel 29 · Konservierende Verfahren in der Varizenchirurgie

spontaner Reflux in der VSM am Unterschenkel. Klinisch


fanden sich postoperativ bei 40% Beschwerden, 50% zeig- . Tab. 29.6. Vergleich des durchschnittlichen Lumens zu
Grad der Insuffizienz nach partieller Crossektomie
ten eine deutliche erneute Varikose, meist in Verbindung
mit Ödemen und dezenten Hautveränderungen. ∅ in mm bei beg. Insuf- Insuffi-
Suffizienz fizienz zienz
Stripping US Nach isoliertem Stripping der Unterschen-
VSM Crosse 4,29 4,91 5,45
kel-VSM stellte sich in der Ultraschallkontrolle die Crosse
in 15 der 25 (60,0%) untersuchten Extremitäten suffizient Oberschenk.- 3,2 3,88 4,36
dar, in 3 Fällen (12,0%) war ein beginnender Reflux fest- VSM
zustellen; bei 7 Operierten (28,0%) fand sich spontaner Re- Unterschenk.- 2,27 2,67 3,33
flux in die Crosse. Die Oberschenkel-VSM zeigte sich bei VSM
14 Patienten (56,0%) in der Ultraschalluntersuchung suffi-
zient, während bei 4 der Untersuchten (16,0%) eine begin-
nende Insuffizienz und bei 7 (28,0%) eine manifeste Insuf-
fizienz zu diagnostizieren war. Klinisch fanden sich post- Das Gefäßlumen nach partiellem Stripping
29 operativ bei 27% dieser Patientengruppe Beschwerden, 32% der VSM
zeigten abgesehen von Besenreiser bzw. retikulären Varizen Stripping OS Nach Crossektomie und Stripping der VSM
eine erneute, deutliche Seitenastvarikose, außerdem boten am Oberschenkel maß bei intakter segmentaler Klappen-
35% mit Ödemen und dezenten Hautveränderungen Zei- funktion das Innenlumen der VSM am Unterschenkel im
chen einer chronisch venösen Insuffizienz. arithmetischen Mittel 2,3 mm (1,9 bis 2,7 mm). Bei be-
In einer anderen Untersuchung konnte eine Insuffi- ginnender Insuffizienz fand sich am Unterschenkel ein
zienz des verbliebenen Segments der Stammvene nach sta- durchschnittlicher Innendurchmesser von 2,45 mm (1,6
diengerechtem Stripping in keinem von 35 nachunter- bis 3,5 mm). Bei aufgehobener Klappenfunktion wurde ein
suchten Fällen fünf Jahre nach der Operation nachgewie- durchschnittlicher Innendurchmesser von 3 mm (2,75 bis
sen werden (Hach 2000). 3,6 mm) im Unterschenkelsegment der VSM ermittelt.
Die morphologische Qualität der belassenen VSM am
Unterschenkel war gut. Es fanden bis auf drei Fälle (12%)
29.3.2 Qualität des belassenen weder klinisch noch im FCDS-Bild Zeichen deutlicher
Stammvenensegments variköser Degeneration, wie Schlängelung, Lumenschwan-
kung oder Sklerosierung.
Das Gefäßlumen der VSM nach partieller
Crossektomie Stripping US Das Gefäßlumen der Rest-VSM nach iso-
Das Innenlumen der VSM maß bei intakter Klappenfunk- liertem Stripping der VSM am Unterschenkel betrug bei
tion am Unterschenkel durchschnittlich 2,27 mm (1,61 bis intakter segmentaler Klappenfunktion am Oberschenkel
3,5 mm), am Oberschenkel 3,23 mm (2,31 bis 5,3 mm) im arithmetischen Mittel 3,09 mm (2,8 bis 3,4 mm) und
und im Mündungsbereich 4,29 mm (2,4 bis 6,4 mm). Bei an der Crosse 4,01 mm (3,1 bis 5,2 mm). Bei beginnender
Patienten mit beginnender Insuffizienz fand sich am Un- Insuffizienz fand sich am Oberschenkelsegment ein durch-
terschenkel ein durchschnittlicher Innendurchmesser von schnittlicher Innendurchmesser von 3,75 mm (3,3 bis
2,67 mm (1,9 bis 3,5 mm), im Oberschenkel Segment ein 4,0 mm) und der Innendurchmesser an der Crosse maß
Lumen von 3,88 mm (3,0 bis 5,2 mm) und die Crossere- 4,83 mm (4,6 bis 5,0 mm). Bei aufgehobener Klappenfunk-
gion maß 4,91 mm (2,8 bis 6,0 mm). Bei manifester Insuf- tion wurde ein durchschnittlicher Innendurchmesser von
fizienz wurde ein durchschnittlicher Innendurchmesser 4,63 mm (3,0 bis 5,2 mm) im Oberschenkelsegment der
von 3,33 mm im Unterschenkelsegment ermittelt (2,9 bis VSM und von 5,0 mm (3,5 bis 5,6 mm) am sapheno-femo-
3,9 mm), von 4,36 mm (2,8 bis 5,7 mm) im Oberschenkel- ralen Übergang ermittelt.
segment und 5,45 mm (3,0 bis 8,3 mm) am sapheno-femo- Seitens der morphologischen Qualität der belassenen
ralen Übergang gemessen. Es zeigte sich eine Korrelation VSM fanden sich weder klinisch noch in der FCDS Zei-
zwischen zunehmender Insuffizienz und Zunahme des chen deutlicher variköser Degeneration wie Schlängelung,
Durchmessers (. Tab. 29.6). Lumenschwankung oder Sklerosierung. Alle erhaltenen
Morphologisch fanden sich in der erhaltenen VSM Venen wären als Transplantatmaterial geeignet gewesen.
keine Zeichen deutlicher variköser Degeneration, wie In der Literatur liegen nur sehr wenige Publikationen zu
Schlängelung, Lumenschwankung oder Sklerosierung. diesem Thema vor. Schweiger (2002) konnte in einer Nach-
Alle Venen wären als Transplantat in der Koronarchirurgie untersuchung an 60 Extremitäten 2–7 Jahren nach Strip-
oder arteriellen Chirurgie geeignet gewesen. ping der VSM bis in Höhe Knie bzw. Boyd zeigen, dass von
29.3 · Erhalt von venösem Transplantationsmaterial
369 29
den erhaltenen Venesegmenten am Unterschenkel nur 15% Die Ergebnisse unserer Dissertation und die Literatur
komplett offen waren und 62% postthrombotische Verän- zeigen, dass nach limitierter Varizenoperation doch in
derungen aufwiesen und somit nicht als Transplantatma- einem verhältnismäßig hohen Prozentsatz ein Segment der
terial geeignet gewesen wären. Im Gegensatz dazu ist die VSM für Gefäßersatz zur Verfügung steht.
VSM in 78% der Fälle als Transplantatmaterial geeignet, Aus der Analyse der vorliegenden Daten ergibt sich,
wenn bei Vorliegen einer Stamminsuffizienz eine Ligatur dass die geringere Rate an Verschlüssen dann auftritt, wenn
des sapheno-femoralen Übergangs in Kombination mit die VSM in ganzer Länge erhalten bleibt. In diesen Fällen
Exstripation von varikösen Seitenästen erfolgt. Dies konnte scheint auch das Konzept der partiellen Crossektomie
im Mittel 52 Monate postoperativ mit Duplexsonographie seine Berechtigung zu haben, da ohne Ligatur der VSM die
erwiesen werden (Hammarsten 1990). Ähnliche Ergebnisse Erhaltensrate noch höher ist.
fand Fligelstone (1995) mit der gleichen Operationstech- Daher gilt bei den o. g. Patienten – sofern sie überhaupt
nik. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von vier an Varizen operiert werden müssen – die VSM in ganzer
Jahren waren 65% der erhaltenen Vv. saphenae magnae im Länge zu erhalten, auch bei einer Insuffizienz Hach IV,
Ultraschall mit einer durchschnittlichen Länge von 51 cm evtl. eine partielle Crossektomie durchzuführen und die
und einem Durchmesser oberhalb des Kniegelenks von varikösen Seitenäste zu entfernen.
3,6 mm als Transplantatmaterial geeignet.
Literatur
Fligelstone LJ, Salaman RA, Oshodi TO et al (1995) Flush sapheno-
femoral ligation and multiple stab phlebectomy preserve a useful
29.3.3 Häufigkeit der Thrombose/
greater saphenous vein four years after surgery. J Vasc Surg; 22:
Obliteration des belassenen 588–592
Stammvenesegmentes Hach W, Girth E, Lechner W (1977) Einteilung der Stammvarikose der
V. saphena magna in vier Stadien. Phleb u Proktol; 6: 116–123
Nach Stripping der VSM bis zum Knie oder Unterschenkel Hach W, Hach-Wunderle V, (2000) Das Stripping und die Konkurrenz-
verfahren zur chirurgischen Behandlung der Stammvarikose. Ge-
ist das Restsegment der VSM am distalen Unterschenkel
fäßchirurgie; 5: 56–61
häufig verschlossen. In der Untersuchung von Schweiger Hammarsten J, Pedersen P, Cederlund CG et al (1990) Long saphenous
(2002) fand sich ein kompletter Verschluss in 23%. Hach vein saving surgery for varicose veins. A long term follow up.
fand bei der phlebographischen Nachuntersuchung 5 Jah- J Vasc Surg; 4: 361–364
re nach stadiengerechtem Stripping unter 35 Kontrollier- Hülse K (2002) Das Schicksal der Vena saphena magna nach partieller
Operation bei Stammvarikose – Langzeituntersuchung belasse-
ten eine Obliteration (Hach 2000).
ner VSM-Segmente nach Varizenoperation. Inauguraldissertation
In einer prospektiv, randomisierten Studie stellte sich Medizinische Fakultät Friedrich Alexander Universität Erlangen
nach Crossektomie mit Unterbindung der VSM und Seiten- Schanzer H, Skladany M (1994) Varicose vein surgery with preserva-
astexstirpation ein kompletter Verschluss der VSM in 25%, tion of the saphenous vein: a comparison between high ligation-
eine partielle Thrombose der VSM in 62,5% der Fälle ein avulsion versus saphenofemoral banding valvuloplasty-avulsion.
J Vasc Surg; 20: 684–687
(Schanzer 1994). Nur 13% der so operierten VSM blieben
Schweiger H, Schnell O, Sturm J (2002) Das Schicksal der Restsaphena
offen. In der Vergleichsgruppe, bei der die VSM am saphe- nach stadiengerechter Varizenoperation. Gefäßchirurgie; 7: 13–16
no-femoralem Übergang nicht abgesetzt, sondern mit
einem Silicon Band umschlungen wurde – ein Vorgehen
ähnlich unserer partiellen Crossektomie – blieb die VSM
nach der gleichen Nachuntersuchungszeit von 9,4 Mo-
naten in 87% komplett offen und war nur in 13% ver-
schlossen.

29.3.4 Zusammenfassung

Neben der Festlegung in der Leitlinie zu Varikose, dass die


Varikose stadiengerecht operiert und gesunde Venenab-
schnitte erhalten werden sollen, muss man sich der Über-
legung nach venensparendem Operieren bei Patienten
stellen, die bereits an einer arteriellen Verschlusskrankheit
oder einer koronaren Herzerkrankung leiden, oder die die
entsprechenden Risikofaktoren für die Entwicklung einer
Arteriosklerose aufweisen.
30

30 Fehler und Gefahren


in der Varizenchirurgie
K. Balzer

30.1 Komplikationen – 372

30.2 Fehler und Gefahren – 372


30.2.1 Fehlerhafte Indikationsstellung – 372
30.2.2 Fehleranalyse – 373
30.2.3 Unzureichende präoperative Diagnostik in der Varizenchirurgie – 374
30.2.4 Unzureichende operative Technik in der Venenchirurgie – 375
30.2.5 Unzureichende postoperative Therapie in der Varizenchirurgie – 377

30.3 Schlussfolgerungen – 378


372 Kapitel 30 · Fehler und Gefahren in der Varizenchirurgie

Obwohl die Krampfaderoperation als leicht und risikoarm


gilt, kommen schwerwiegende Komplikationen mit Betei- . Tab. 30.1. Komplikationen in der Varizenchirurgie (Natali
1964)
ligung von Arterien, Venen und Nerven doch immer wie-
der vor und erfordern bei der Rekonstruktion das gesamte Intra- und postopera- Zahl der n Kom- % Kom-
Spektrum der Gefäßchirurgie. Es gehört seit jeher zu einer tive Komplikationen Fälle plika- plika-
Grundforderung in den operativ tätigen Fächern, dass tionen tionen
selbständige Operateure in der Lage sein müssen, mit den Verletzungen der 87.685 5 0,006
Anforderungen des Eingriffs ebenso wie mit den mög- A. femoralis
lichen Komplikationen des Eingriffs vertraut sein sollen
Verletzungen der 87.685 2 0,002
und in der Lage sein müssen, diese ggf. auftretende Prob-
V. femoralis
leme und Komplikationen auch zu beherrschen. Gelegen-
heitseingriffe sind daher unter den heute gegebenen dich- Tiefe Beinvenenthrom- 58.765 256 0,29
ten Versorgungsstrukturen abzulehnen. Diese Grund- bose (TVT)

sätze haben u. a. auch Eingang gefunden in die immer Lungenembolie (LE) 87.685 100 0,114
wieder diskutierten Forderungen nach Mindestmengen
bei bestimmten Maßnahmen und Eingriffen, die gefor- Todesfälle 87.685 18 0,0204

dert werden sollten, um eine Institution zur Erbringung


dieser Leistungen zu ermächtigen. Es ist aus dieser Sicht
30 daher zu fordern, dass der Operateur, der Eingriffe am den großen Gefäßen mit 0,0017 bis 0,3% sehr niedrig ist.
Venensystem vornimmt über eine angemessene gefäßchi- Die Verteilung zwischen Beteiligung der V. femoralis und
rurgische Erfahrung verfügt. Für die ambulante Varizen- der A. femoralis war annähernd gleich (44/43). Nur 30%
chirurgie im vertragsärztlichen Bereich ist zu fordern, dass der arteriellen Komplikationen wurden intraoperativ be-
Absprachen mit gefäßchirurgischen Versorgungszentren merkt. Die Amputationsrate betrug 34%. Sie stieg auf 42%
bestehen, die eine kurzfristige Übernahmen von Kompli- beim versehentlichen Stripping von US-Arterien an und
kationsfällen gewährleisten, die unter den Bedingungen lag bei 100% bei gleichzeitiger intraoperativer Sklerothera-
der vertragsärztlichen Zentren nicht endgültig versogt pie. Alle tödlichen Verläufe gingen zulasten venöser Ver-
werden können. letzungen (5/81).
Neben der technisch einwandfrei durchgeführten
Krampfaderoperation sind darüber hinaus eine ausrei-
chende präoperative Diagnostik und eine sorgfältige post- 30.2 Fehler und Gefahren
operative Betreuung der Patienten zu fordern.
30.2.1 Fehlerhafte Indikationsstellung

30.1 Komplikationen Die Fokussierung der Betrachtung auf die Komplikations-


rate in der Varizenchirurgie, die unbeschadet der Folgen
Komplikationen in der Varizenchirurgie sind selten. Im ei- für den Einzelfall in der Größenordnung doch eher als
genen Krankengut traten in einem Zeitraum von 30 Jahren gering betrachtet werden darf, verstellt den Blick auf ein
Komplikationen in der Varizenchirurgie mit einer Häufig- wesentliches Merkmal der Krampfaderoperation. Die ope-
keit von 0,27% auf. Gemessen an der Tatsache, dass es sich rierte Stammvene ist endgültig verloren und steht u. a. als
bei den Eingriffen am epifaszialen Venensystem um nicht Ersatzmaterial nicht mehr zur Verfügung. Die V. saphena
lebensentscheidende Eingriffe für die betroffenen Patienten magna und die V. saphena parva stellen den besten physio-
handelt, ist jedoch auch diese, im Vergleich zu Komplika- logischen Gefäßersatz dar. Eingriffe am peripheren arte-
tionen in der Chirurgie insgesamt durchaus ernst zu riellen Gefäßsystem und den Coronarien haben, angesichts
nehmen. der demographischen Entwicklung in unserer Gesellschaft,
Natali (1964) berechnete aus einer Umfrage anlässlich sicherlich ihren Zenit noch nicht überschritten und die
einer Jahrestagung französischer Phlebologen die angege- Frage nach einem adäquaten Bypassmaterial wird daher
benen Komplikationen in der Varizenchirurgie aus 87.685 eine große Bedeutung bei der Versorgung von Gefäßkran-
Fällen (. Tab. 30.1). Weitere, zahlenmäßig größere Analy- ken behalten, wenn nicht sogar noch in gesteigertem Maße
sen stammen aus retrospektiven Betrachtungen einzelner erfahren. Die epifaszialen Stammvenen des Beines dürfen
Zentren bzw. prospektiv aus Qualitätssicherungsprojekten deshalb nicht kritiklos geopfert werden. Neben der Bedeu-
(. Tab. 30.2). tung als »Ersatzteil« sind die Stammvenen auch als venöse
Eine Metaanalyse von Rudström et al. konnte zeigen, Blutleiter nicht ohne Bedeutung, sondern können im Fall
dass die Inzidenz für intraoperative Komplikationen an einer ausgedehnten Mehretagenthrombose wichtige Kol-
30.2 · Fehler und Gefahren
373 30

. Tab. 30.2. Komplikationen in der Varizenchirurgie

Helmig (1983) Balzer (1983) Nüllen (1995) Noppeney (2005)


13.024 Patienten 25.457 Patienten 1.981 Beine 36.323 Patienten
20.353 Beine retrospektiv prospektiv 49.939 Beine
retrospektiv stationär QS-Pilotprojekt prospektiv
stationär ambulant QS der DGG
ambulant und
stationär

n % n % n % n %

Intraoperative Komplikationen

Blutungsschock 1 0,007 4 0,015 0 – KA –

Starke Blutung im Stripping-Kanal KA – KA – 11 0,55 KA –

Starke Blutung bei Recrossektomie KA – KA – 2 0,10 KA –

Verletzung der A. femoralis 10 0,05 3 0,01 0 – 1 0,0028

Verletzung der V. femoralis 7 0,04 2 0,007 0 – 14 0,04

Verletzung der V. poplitea 3 0,23 Ka – 0 – 7 0,02

Verletzung d. N. tibialis/peroneus KA – KA – KA – 6 0,0165

Verletzung des N. saphenus/suralis KA – KA – KA – 34 0,09

Sonstige Nervenläsionen KA – KA – KA – 14 0,04

Sonstige intraoperative Komplikationen KA – KA – KA – 56 0,16

Postoperative Komplikationen

Nachblutung 26 0,12 15 0,06 2 0,10 585 1,61

Transfusion 42 0,32 KA – 0 –0,05 23 0,06

Wundinfekt 25 0,12 13 0,05 1 0,05 115 0,32

Wundheilungsstörung KA – KA – 1 0,05 271 0,75

Lymphfistel 112 0,55 16 0,06 3 0,15 KA –

Tiefe Beinvenenthrombose 11 0,08 7 0,03 2 0,10 39 0,11

Lungenembolie 2 0,01 5 0,02 0 – KA –

Thrombophlebitis KA – KA – KA – 143 0,40

Todesfälle 1 0,007 1 0,007 0 – 0 –

KA = Keine Angaben

lateralfunktionen übernehmen. Letztlich führt die Ent- 30.2.2 Fehleranalyse


fernung dieser Venen zu einem Zustand, der durch eine
rekonstruktive Maßnahme nicht behoben werden kann. Wenn die Ursachen für Fehler und Komplikationen bei
Der wichtigste Fehler in der Krampfaderchirurgie ist, so Krampfaderoperationen näher betrachtet werden, so er-
betrachtet, die fehlerhafte Indikation zur Entfernung der geben sich keine prinzipiellen Unterschiede zur übrigen
V. saphena magna bzw. parva. Es gilt heute als unbestritten, Gefäßchirurgie. Die Fehler und Komplikationen haben
dass die V. saphena magna und parva nur dann entfernt ihre Ursachen in
werden dürfen, wenn das Gefäß selbst varikös erkrankt ist 4 unzureichender präoperativer Diagnostik,
und damit für den Gefäßersatz nicht in Frage kommt bzw. 4 unzureichender operativer Technik
wenn es als Blutleiter beim tiefen Venenschaden keine Kol- 4 unzureichender postoperative Therapie bzw. Nach-
lateralfunktion besitzt. sorge.
374 Kapitel 30 · Fehler und Gefahren in der Varizenchirurgie

30.2.3 Unzureichende präoperative schiedener nicht invasiver Messverfahren, insbesondere


Diagnostik in der Varizenchirurgie der Ultraschall-Doppler-Sonographie, der Lichtreflexions-
rheographie und der Plethysmographie ist eine ausreichen-
Anamnese Die sorgfältige Anamneseerhebung ist auch de funktionelle Beurteilung des Venensystems möglich,
bei der Krampfaderoperation besonders wichtig. Eine sorg- so dass vielfach auf die kostenträchtige und immer noch
fältige Befragung des Patienten macht es möglich schwer- nicht ganz risikolose Phlebographie verzichtet werden
wiegende bzw. das individuelle Operationsrisiko be- kann. Niemand sollte sich jedoch auf den klinischen Be-
stimmende, vorbekannte Grunderkrankungen zu erfassen fund einschl. der bekannten Staubindentests und sein diag-
und anhand dessen die Indikation ggf. zu relativieren. nostisches Gespür verlassen. Eine von uns bereits vor Jah-
Die Erfragung individueller Thromboserisiken, wie Rau- ren durchgeführte prospektive Studie zeigte, dass erfahrene
chen, Kontrazeptive, spezielle Medikation, durchgemach- Kliniker bei der Beurteilung eines tiefen Venenschadens gar
te Thrombosen oder familiäre Thromboserisiken sind nicht so selten irren. Immerhin bestand seinerzeit in 14,1%
obligat. der Fälle, die als normale Varikosis gedeutet wurden, ein
Gelegentlich sind Krampfadern Zeichen anderer Er- messtechnisch nachweisbares postthrombotisches Syn-
krankungen, insbesondere systemische Bindegewebserkran- drom (Balzer 1978).
kungen, wie z. B. das Ehlers-Danlos-Syndrom und das Bei der heutigen Treffsicherheit der Duplex-Sono-
Marfan-Syndrom, bzw. Folgen oder Begleitphänomen von graphie kann diese als »Golden Standard« für die Krampf-
Angiodsyplasien (Kippel-Trenauny-Syndrom, F.P.-Weber- aderoperation in Verbindung mit einer funktionellen
30 Syndrom etc.) (. Abb. 30.1). hämodynamischen Untersuchungsmethode gelten. Die
Messmethoden, insbesondere die nach wie vor für die Be-
Präaoperative Diagnostik Bei der präoperativen Diag- urteilung der Hämodynamik unübertroffene Phlebo-
nostik ist es seit Jahren eine Streitfrage, ob in jedem Fall eine dynamometrie, können zur Entscheidung beitragen, ob
Phlebographie erforderlich ist, um das Ausmaß eines evtl. bei einem tiefen Venenschaden die erkrankte V. saphena
bestehenden tiefen Venenschadens abzuschätzen und Ano- magna entfernt werden kann oder ob dieser Eingriff unter-
malien der Anatomie aufzuzeichnen. Seit dem Einsatz ver- bleiben sollte.

. Abb. 30.1. F.P.-Weber-Syndrom, das nicht diagnostiziert als Va- operativ auszuschalten. Zwischen a und c liegt ein Zeitraum von
rikosis operiert wurde (Stripping der VSM). Schwere Blutung und 15 Monaten. Letztlich zunächst Unterschenkel-, dann Oberschen-
postoperative Komplikationen. Rasches Fortschreiten der Grunder- kelamputation. Wieder starke Zunahme der Fisteln. Krankheitsver-
krankung trotz mehrerer Versuche die AV-Fisteln interventionell und lauf insgesamt 23 Jahre
30.2 · Fehler und Gefahren
375 30
. Abb. 30.2. AV-Fistel nach Unterbin-
dung und Umstechung der V. femoralis
und Situs mit teilexstirpierter V. femo-
ralis. a Präoperatives Angiogramm, b Intra-
operativer Situs, c Intraoperatives Rönt-
genbild

a b c

Es sollte zumindest die Ultraschall-Untersuchung und Ligatur oder Durchtrennung der Arterie oder der tiefen
ein hämodynamisch relevantes Messverfahren oder aber Venen der Fehler unmittelbar bemerkt wird. Eine Rekon-
ein Phlebogramm mit der von Hach beschriebenen Press- struktion der Blutstrombahn ist dann durch einen erfah-
phlebographie und entsprechender Stadienklassifikation renen Gefäßchirurgen stets möglich. Allerdings stellt ein
vor einer Varizenoperation obligat sein, um den Nachweis versehentliches Stripping der Arteria oder Vena femoralis
freier tiefer Venen und die ausreichende venöse Drainage- auch erfahrene Gefäßoperateure vor große Probleme. Bei
kapazität zu dokumentieren und um die insuffizienten von durchgeführter Exhairese der V. femoralis ist eine Rekon-
gesunden Venenanteilen für die Krampfaderoperation zu struktion immer unmöglich (. Abb. 30.2).
unterscheiden.
Bei antegradem Vorschieben der Sonde kann diese un-
bemerkt in die Vena femoralis abgleiten Eine fehlerhaf-
30.2.4 Unzureichende operative Technik te Ligatur der V. saphena magna an der Einmündung in
in der Venenchirurgie die V. femoralis kann bei zu langem Stumpf zu einer mehr
oder weniger ausgeprägten Rezidivvarikose führen, wenn
Dass ein Operateur über die Anatomie einschließlich die abgehenden Seitenäste des Venensterns nicht miter-
ihrer möglichen Varianten informiert sein muss, er- fasst werden. Schwerwiegender ist jedoch die Einengung
scheint selbstverständlich. In der Literatur und in gut- der V. femoralis durch eine zu knappe Ligatur. Bei einer
achterlichen Erfahrungsberichten tauchen jedoch immer Lumeneinengung von mehr als 30% hat dies erhebliche
wieder Berichte auf, die zeigen, dass Varianten im Gefäß- hämodynamische Auswirkungen. Eine Schwellneigung
verlauf nicht erkannt wurden und es deshalb schwerwie- des Beines wird stets zu erwarten sein, die Gefahr einer
gende Komplikationen die Folge waren. Die Mündungs- Thrombose ist erheblich.
verhältnisse der V. saphena magna und der V. saphena Mit ausgedehnteren Blutungen im Leistenniveau, der
parva stellen den Operateur gelegentlich vor Probleme. Poplitea oder beim Abriss großkalibriger Perforansvenen
Ohne auf die zahlreichen möglichen Einzelheiten ein- muss stets gerechnet werden. Dies gilt insbesondere für die
gehen zu können, sei der Hinweis erlaubt, dass nur exakt doch häufiger vorkommenden venösen Aneurysmen bzw.
identifizierte Gefäße durchtrennt werden dürfen. Ein ver- Venektasien. Gelegentlich kann trotz sorgfältiger Präpara-
sehentliches Stripping der V. poplitea und der V. femoralis tionstechnik die Einmündungsstelle selbst ausreißen. Für
lässt sich dann sicher vermeiden. Die Verwechslung der jede Blutung, insbesondere im Bereich der Leistenbeuge,
Vene mit der Arterie scheint theoretisch kaum vorstellbar, gilt der Grundsatz, dass sie nicht durch Umstechung, son-
kommt aber bei niedrigem intraoperativem Blutdruck dern nur gezielt bei ausreichender Übersicht nach den Kri-
oder arteriosklerotisch veränderten Gefäßen immer terien der rekonstruktiven Gefäßchirurgie gestillt werden
wieder vor. darf. Ist eine direkte Naht (. Abb. 30.3) nicht möglich,
muss ein Venenstreifen als Patch eingenäht werden. Beson-
Die blinde Umstechungen in der Leiste kann schwere ders unangenehm sind ausgedehnte Blutungen bei einer
Nebenverlezungen verursachen Der bleibende Schaden Freilegung der Leiste in Lokalanästhesie (Bishop 1986).
bei einer versehentlichen Traumatisierung der großen Diese schränkt die Möglichkeit der ausreichenden Über-
Gefäße kann nur dann gering gehalten werden, wenn nach sicht deutlich ein. Bei einer Verletzung in der Leistenbeuge
376 Kapitel 30 · Fehler und Gefahren in der Varizenchirurgie

. Abb. 30.3. Thrombose durch Verlet-


zung der V. femoralis bei fehlerhafter
Crossektomie. a Thrombose durch Verlet-
zung einer tief mündenden Vene b Intra-
operativer Situs, Korrektur mit Naht der
V. femoralis

30 a b

. Abb. 30.4. Arterielle Komplikation in


der Leiste bei Varizenoperation. a Femo-
ro-iliacaler Verschluss b Rekonstruktion
durch Anheften der Dissektion in der
A. femoralis

a b

unter Lokalanästhesie sollte daher im Zweifel durch einen kann und sich insbesondere Schäden der Nerven und
Kompressionsverband die Situation stabilisiert und weitere Lymphbahnen weitgehend vermeiden lassen. Wenn auch
Maßnahmen erst unter Allgemeinnarkose eingeleitet Lymphfisteln selten sind, so ist eine postoperativ aufge-
werden (. Abb. 30.4). tretene Schwellneigung oft auf den intraoperativ gesetz-
ten Schaden am Lymphgefäßsystem zurückzuführen
Ein unzureichender Zugang verringert die Übersicht (. Abb. 30.5) (Ouvry 1993).
und erhöht das Operationsrisiko Obwohl das Strippen
der V. saphena magna eine sehr grobe Methode darstellt, Die Traumatisierung von Lymphbahnen lässt sich bei
kommt es hierdurch selten zu Komplikationen. Die Son- exakter Präparation nahe entlang der Venenwände weit-
denperforation ist in der Regel kein Problem. Mit Aus- gehend vermeiden Nervenschäden führen zu Sensibili-
nahme des Strippingmanövers sollte eine atraumatische tätsverlust und unangenehmen Parästhesie oder zu moto-
Präparation jedoch oberstes Gebot sein. Beim Stripping ist rischen Paresen. Eine kausale Therapie ist nicht bekannt.
die Invaginationsexhairese ein Verfahren, bei der die Trau- Es ist daher wichtig, den Patienten vor dem Eingriff auf die
matisierung der Gefäßumgebung gering gehalten werden Möglichkeit eines Nervenschadens hinzuweisen.
30.2 · Fehler und Gefahren
377 30
. Abb. 30.5. Lymphödem nach Verlet-
zung der Lymphkollektoren im Zuge der
Varzienoperation. a Lymphkollektoren
schematisch (nach Brunner), b Postopera-
tives Lymphödem

a
b

In der Folge einer Fasziotomie oder endoskopischen Üppige Hämatome bilden die Ursache für ausgedehnte
Perforansdissektion sind Blutungskomplikationen, Ner- Beschwerden des Patienten. Sie können aber auch bei Ein-
venschäden und Wundheilungsstörungen bis zu Haut- blutungen in tiefere Schichten, etwa nach Abriss von Per-
nekrosen zu bedenken. Bei Durchführung der SEPS ist foransvenen, zu Kompartment-Syndromen führen. Da-
eine gezielte Aufklärung zu beachten. rüber hinaus bilden Hämatome auch einen idealen Nähr-
boden für Keime. Schwerwiegende Infektionen in der
Varizenchirurgie können dramatische Verläufe nehmen.
30.2.5 Unzureichende postoperative Fälle von Sepsis mit Todesfolge wurden berichtet. Insge-
Therapie in der Varizenchirurgie samt sind allerdings Infektionen selten. Im nationalen Re-
ferenzzentrum für Surveillance von nosokomialen Infek-
Die postoperative Therapie beginnt bereits mit dem Ver- tionen (NRZ) wurde unter AMBUKISS eine Infektions-
band. Der Kompressionsverband dient der Vermeidung quote von 0,2% erfasst, wobei in dieser Erfassung der
von Nachblutungen bzw. der Verstärkung von subkutanen Schweregrad der Infektion nicht berücksichtigt wurde und
Hämatomen und schließlich der Entwicklung des post- die Rötung einer Wunde mit mehr oder weniger ausge-
operativen Ödems. Er soll so angelegt sein, dass eine aus- prägter Sekretion (Szilagyi Grad 1) als Infektion registriert
reichende Kompression erreicht wird. wurde.

. Tab. 30.3. Infektionsquote Varizenchirurgie im Vergleich zu anderen Eingriffen (Auswahl)

Teil- n n Durchschnittliche 25. 75.


Operation nehmer Operationen Infektionen Infektionsrate Perzentil Median Perzentil

Arthroskopische OP’s 108 91.149 74 0,08 0,00 0,00 0,10

Leistenhernien 96 26.940 53 0,20 0,00 0,00 0,39

Varizen-OP’s 92 46.435 92 0,20 0,00 0,00 0,23

Quelle: AMBUKISS Auswertung Januar 2004 bis Dezember 2008; NRZ (http://www.nrz-hygiene.de/)
378 Kapitel 30 · Fehler und Gefahren in der Varizenchirurgie

30
. Abb. 30.6. Kompartmentsyndrom nach Varizenoperation. Zu- Verbandes. Nachfolgender Infekt, Nervenlähmung, monatelange
stand nach schwerem Kompartmentsyndrom infolge eines zu engen Hospitalisation

Der Verband darf jedoch weder eine venöse Stauung in den einschlägigen Leitlinien der Einsatz einer systemi-
und erst recht keine Einschnürung des arteriellen Einstroms schen Thromboseprophylaxe mit Heparin nicht obligato-
bewirken. Durch fehlerhafte Verbandstechnik und Abschnü- risch empfohlen. Vielmehr soll eine systemische medika-
rung der arteriellen Zirkulation ist es zu der Verlust von mentöse Thromboseprophylaxe abhängig gemacht werden
Gliedmaßen gekommen, so wird berichtet (. Abb. 30.6). von den besonderen Umständen des Einzelfalles und den
Der Verband soll daher am Operationstag mehrfach kont- ggf. vorhandenen Risikofaktoren.
rolliert werden. Beschwerden dürfen nicht bagatellisiert
werden. Bei ambulanter Versorgung in der Varizenchirurgie
muss bereits durch präoperative Aufklärung sicher gestellt 30.3 Schlussfolgerungen
sein, dass der Patient Beschwerden im Bein, insbesondere
solche, die sich unter der Bewegung nicht bessern, frühzeitig Die in der industriellen Fertigung heute weitgehend pro-
dem Operateur meldet, damit auch unter diesen Bedingun- pagierte Null-Fehler-Philosophie wird es beim Umgang
gen eine Kontrolle möglich ist. Es sind auch Fälle beschrie- mit biologischen Systemen und so auch in der operativen
ben, bei denen es allein durch unzureichende Verbandstech- Medizin nie geben können. Dies bedeutet allerdings nicht,
nik zur ischämischen Kontraktur mit nachfolgendem Ver- dass man sich dieser Philosophie nicht soweit als möglich
lust der Gliedmaße gekommen ist (Balzer 1983). Bei guter nähern bzw. anschließen kann. Die meisten Fehler und
Verbandtechnik und Verwendung von Kurzzugbinden kön- Gefahren in der Varizenchirurgie lassen sich durch Sorg-
nen jedoch solche Verläufe immer vermieden werden. falt und Umsicht sowie durch Training und damit Beherr-
Der Umstieg von Kompressionsverbänden auf Kom- schung der Methodik vermeiden. Dies bedeutet, um in der
pressionsstrumpfversorgung sollte frühzeitig erfolgen und Terminologie des Qualitätsmanagements zu bleiben, dass
die Kompressionsstrumpfversorgung ausreichend lange die beste Fehlervermeidungsstrategie in der Standardi-
beibehalten werden. Die Konzepte für die Handhabung der sierung der Prozesse zu sehen ist. Hierzu gehört auch die
Kompressionstherapie (Verbandtechnik, Zeitpunkt der Qualifikation des Personals. Die Leitung von Eingriffen am
Strumpfversorgung, Kompressionsklasse, Dauer der Kom- epifaszialen Venensystem gehört daher in die Hand gut
pressionstherapie etc.) schwanken von OP-Zentrum zu ausgebildeter und erfahrener Operateure, wie dies für viele
OP-Zentrum. Offensichtlich führen hier mehrere Wege Eingriffe anderer Art auch gilt. Die Ansicht von der ver-
zum angestrebten Ziel. Wichtig ist allein das Ziel, eine aus- meintlichen Banalität der Varizenoperation wird durch die
reichende Kompression zu erreichen. enormen Konsequenzen bei fehlerhaftem Verhalten oder
Die Inzidenz für postoperative tiefe Beinvenenthrom- unzureichender Technik bzw. Ablauforganisation nicht be-
bosen nach Krampfaderoperation ist mit und ohne syste- stätigt. Die Varizenoperation ist daher als Gelegenheitsein-
mische Thromboseprophylaxe gering, entsprechend wird griff nicht geeignet.
30.3 · Schlussfolgerungen
379 30
Literatur
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in varikose vein surgery: a systematic review. World J Surg 31:
228–33
31

31 Spezielle Komplikationen
in der invasiven Therapie
31.1 Komplikationen und unerwünschte Ereignisse
nach endovenösen Verfahren – 382
T. Noppeney
31.1.1 Radiofrequenzobliteration – 382
31.1.2 Endovenöse Lasertherapie – 383

31.2 Lymphgefäßläsionen bei der Varizenbehandlung – 386


H. Nüllen, T. Noppeney
31.2.1 Anatomie – 386
31.2.2 Topographie – 387
31.2.3 Häufigkeit – 387
31.2.4 Schädigungsmechanismen – 388
31.2.5 Klinik – 388
31.2.6 Therapie – 388

31.3 Nervenläsionen in der Varizenbehandlung – 388


H. Nüllen, T. Noppeney
31.3.1 Häufigkeit – 389
31.3.2 Schädigungsmechanismen – 389
31.3.3 Lokalisationen – 391
31.3.4 Systematik der möglichen Nervenläsionen – 391
31.3.5 Diagnostik – 395
31.3.6 Vermeidungsstrategien – 395
31.3.7 Therapie – 396

31.4 Fasziitis necroticans – 396


H. Nüllen, T. Noppeney
382 Kapitel 31 · Spezielle Komplikationen in der invasiven Therapie

31.1 Komplikationen und


unerwünschte Ereignisse nach . Tab. 31.2. Phlebitis der behandelten Vene nach VNUS
endovenösen Verfahren Closure Plus® ( Noppeney 2008)

Autor Jahr Extremi- Phlebitis %


T. Noppeney täten

Noppeney 1998 13 0 0,0

31.1.1 Radiofrequenzobliteration Rautio 2002 15 0 0,0

Weiss 2002 140 0 0,0


Die perioperative Komplikationsrate nach Radiofrequenz-
obliteration (RFO) ist insgesamt sehr niedrig. Die vorlie- Lurie 2003 44 6 13,6
genden Daten beziehen sich hauptsächlich auf die Closure Merchant 2003 985 29 2,9
Plus® Methode, da hier bislang die meisten Publikationen
vorliegen. Ogawa 2005 25 0 0,0

Perioperative Nervenläsionen, meist passager, sind Puggioni 2005 53 0 0,0


häufiger zu verzeichnen. In einer prospektiven, multizent-
Noppeney 2005 73 1 1,4
rischen Kohortenstudie betrug die Inzidenz an 985 Extre-
mitäten 12,3% (Merchant 2005). Dies entspricht auch dem Hinchcliff 2006 16 0 0,0
Ergebnis einer Metaanalyse der vorliegenden Publika- Summe 1695 64 3,8
tionen, wo die durchschnittliche Häufigkeit mit 12,6% an-
31 gegeben wird (Noppeney 2008; . Tab. 31.1). Einen deut-
lichen Einfluss auf die Häufigkeit der Nervenläsionen hat
die Behandlungsstrecke. Wir selbst haben anfangs nach
. Tab. 31.3. Hautverbrennungen nach Radiofrequenzoblite-
Einführung der Methode, ähnlich dem operativen Strip- ration mit VNUS Closure Plus® (Noppeney 2008)
pingverfahren, die gesamte Länge der V. saphena magna
behandelt. In dieser Serie von 1998 betrug die Inzidenz von Autor Jahr Extremi- Verbren- %
perioperativen Sensibilitätsstörungen 46,2%. Nachdem täten nungen
wir die RFO nur noch bis unterhalb des Kniegelenks aus- Noppeney* 1998 13 1 7,7

Rautio 2002 15 1 6,7


. Tab. 31.1. Perioperative Nervenläsionen nach VNUS Closure
Weiss 2002 140 0 0,0
Plus® ( Noppeney 2008)
Merchant 2002 319 0 0,63
Autor Jahr Extremi- Nerven- %
täten läsionen Noppeney 2005 73 0 0,0

Noppeney* 1998 12 6 46,2 Summe 560 2 0,36

Manfrini 2000 151 34 22,5 * ohne Tumeszenzanästhesie

Sybrandy 2002 26 5 19,2

Weiss 2002 140 12 8,6 geführt hatten, sank die Rate an perioperativen Nervenstö-
Rautio 2002 15 2 13,3 rungen auf 5,5% (. Tab. 31.1).
Dauerhafte Nervenläsionen, (länger als 6 Monate) be-
Lurie 2005 44 10 22,7
standen in 9,8% bei 935 analysierten Extremitäten (Nop-
Merchant 2005 985 121 12,3 peney 2008).
Eine Phlebitis der behandelten Vene trat im Durch-
Ogawa 2005 25 0 0,0
schnitt in 3,8% (Noppeney 2008) bzw. 3,2% (Lübke 2008)
Puggioni 2005 53 0 0,0 der operierten Extremitäten auf (. Tab. 31.2).
Noppeney 2005 73 4 5,5 Die postoperative Häufigkeit von Verbrennungen im
Bereich der Haut betrug im Durchschnitt 0,36% (Noppe-
Hinchliff 2006 16 0 0,0 ney 2008; . Tab. 31.3). Durch die konsequente Anwendung
Summe 1541 194 12,6 der Tumeszenzanästhesie sinkt die Inzidenz der Hautver-
brennungen deutlich, auf nahezu 0% ab. Dies entspricht
* ohne Tumeszenzanästhesie
auch unseren eigenen Erfahrungen, während die Inzidenz
31.1 · Komplikationen und unerwünschte Ereignisse nach endovenösen Verfahren
383 31

. Tab. 31.4. Inzidenz von Thrombuswachstum in die V. femo- . Tab. 31.6. perioperative Komplikationen und uner-
ralis communis nach VNUS Closure Plus® (Noppeney 2008) wünschte Ereignisse VNUS Closure Fast®

Autor Jahr Extremi- Throm- % Pröbstle Almeida


täten bus (2008) (2009)

Manfrini 2000 86 3 3,5 Sensibilitätsstörungen 3,2% 2,2%

Chandler 2000 180 1 0,56 Thrombophlebitis 0,8% 0,0%

Hingorani 2004 73 11 15,1 Ekchymosen 6,4% 2,2%

Merchant 2005 985 9 0,9 Pigmentierungen 2,0% 2,2%

Summe 1324 34 2,6 Hautverbrennungen 0,0% 0,0%

TVT/LE 0,0% 0,0%

. Tab. 31.5. Inzidenz von Lungenembolie und tiefer Ve-


nenthrombose nach Radiofrequenzobliteration mit VNUS Inzidenz einer Lungenembolie ebenfalls 0,2% (Noppeney
Closure Plus® (Noppeney 2008) 2008; . Tab. 31.5).
In der Metaanalyse von Lübke (2008) wird die Inzidenz
Autor Jahr Extre- TVT % LE %
der TVT mit 0,4% angegeben. Die Inzidenz einer TVT/LE
mitäten N N
liegt nach RFO in der gleichen Größenordnung wie die In-
Manfrini 2000 86 0 0,0 1 1,2 zidenz der TVT/LE nach klassischer Strippingoperation.
Hingorani 2004 73 1 1,4 KA KA Zu perioperativen Ergebnissen nach VNUS Closure
Fast® liegen zwei Arbeiten vor, die europäische Multicen-
Kistner 2002 300 2 0,7 0 0,0
terstudie (Pröbstle 2008) und die RECOVERY Studie, eine
Weiss 2002 140 0 0,0 0 0,0 Vergleich zwischen VNUS Closure Fast® und endovenöser
Lasertherapie (Almeida 2009).
Merchant 2005 985 0 0,0 1 0,1
In der europäischen Multicenter-Studie traten Sensi-
Summe 1584 3 0,2 2 0,2 bilitätsstörungen in 3,2%, eine Thrombophlebitis in 0,8%,
Ekchymosen in 6,4% und Pigmentierungen in 2,0% der
behandelten Extremitäten auf. Hautverbrennungen oder
in der ersten von uns durchgeführten Serie 1998 (ohne tiefe Venenthrombosen waren nicht zu verzeichnen. Die
Tumeszenzanästhesie) noch 7,7% betrug, hatten wir in der Ekchymosen wurden nicht auf die Energieapplikation,
zweiten Serie 2005 (mit Tumeszenzanästhesie) an 73 Ex- sondern auf die Einspritzung der Tumeszenzanästhesie
tremitäten keine Hautverbrennung zu verzeichnen. zurückgeführt (Pröbstle 2008).
In einigen Publikationen wurde über ein Thrombus- Die RECOVERY-Studie zeigte signifikant weniger pe-
wachstum vom sapheno-femoralen Übergang (SFÜ) in rioperative Verhärtungen und Ekchymosen (2,2%) für die
die V. femoralis communis berichtet. Die Inzidenz bewegte mit VNUS Closure Fast® behandelten Patienten. Hyper-
sich zwischen 0,9% und 15,1%, im Durchschnitt errech- pigmentierungen und Parästhesien lagen mit jeweils 2,2%
nete sich daraus eine Inzidenz an 1324 analysierten Extre- in der gleichen Größenordnung wie bei der europäischen
mitäten von 2,6% (Noppeney 2008; . Tab. 31.4). Multicenterstudie. Tiefe Venenthrombosen oder Hautver-
Über die Ursachen dieser Komplikation ist in den ein- brennungen konnten nicht beobachtet werden (. Tab. 31.6;
zelnen Publikationen nichts ausgesagt, am ehesten ist zu ver- Almeida 2009).
muten, dass mit der Radiofrequenzobliteration zu nah am Die bislang für RFITT publizierten Daten geben eine
Einmündungsbereich in das tiefe Venensystem begonnen Häufigkeit von Sensibilitätsstörungen von 13,7%, Ekchy-
worden ist, alle in den SFÜ einmündenden Venen verschlos- mosen in 3,4% und ein ausgedehntes Hämatom in 1 von
sen wurden und sich so ein Appositionsthrombus mit einem 337 behandelten Strombahnen an (Zierau 2009).
Einwachsen in das tiefe Venensystem bilden konnte.
Soweit in den vorliegenden Publikationen erwähnt,
wurde auch die durchschnittliche Inzidenz der periopera- 31.1.2 Endovenöse Lasertherapie
tiven Venenthrombosen (TVT) und / oder Lungenembo-
lien (LE) analysiert. Bei 1584 untersuchten Extremitäten Das perioperative Komplikationsspektrum der die endo-
betrug die Inzidenz der tiefen Venenthrombose 0,2%, die venösen Lasertherapie (EVLT) unterscheidet sich deutlich
384 Kapitel 31 · Spezielle Komplikationen in der invasiven Therapie

von dem der Radiofrequenzobliteration. Dies ist vor Allem


auf das Wirkungsprinzip zurückzuführen (7 Kap. 28.2). . Tab. 31.7. Inzidenz von Hämatomen und Ekchymosen nach
EVLT
Die Laser mit einer Wellenlänge unter 1.000 nm benötigen
Blut zur Vaporisation, dadurch verbleibt in der behan- Autor Jahr Behandel- Perivasku- %
delten Vene nach EVLT ein Thrombus bestehen. Die sehr te Extre- läre Häma-
dünnen Laserfasern lassen sich auch mit Führungskatheter mitäten tome/Ek-
schlecht steuern, so dass sie häufig an der Venenwand an- chymosen
liegen und es zu Perforationen der Venenwand kommt. Navarro 2001 80 0 0,0
Dies konnte Schmedt (2006) in Experimenten an Venen
Chang 2002 252 58 23,0
des Rinderfußes histologisch nachweisen. Im Gegensatz
zur Radiofrequenzobliteration, bei der eine homogene Oh 2003 15 15 100,0
Schädigung der gesamten Venenwand ohne Perforationen
Proebstle 2003 39 18 46,2
zu verzeichnen war, kam es bei der EVLT häufig zu Perfo-
rationen und punktueller Karbonisation der Venenwand. Min 2003 499 120 24,0
Aus diesem Grund sind die am häufigsten auftretenden Sadick 2004 24 22 71,0
perioperativen Komplikationen Hämatome und Ekchy-
mosen. Pröbstle berichtete in seinen ersten Publikationen Goldmann 2004 24 0 0,0

über eine Inzidenz von Hämatomen von 45% nach Aus- Perkowski 2004 203 200 98,5
schaltung der V. saphena magna und 46% nach Ausschal-
Disselhoff 2005 93 29 31,2
tung der V. saphena parva (Pröbstle 2002, Pröbstle 2003).
31 In einer Übersichtsarbeit über die Ergebnisse nach EVLT Puggioni 2005 77 1 1,3
wird die Häufigkeit von Hämatomen, bzw. Ekchymosen Huang 2005 230 0 0,0
zwischen 0 und 100% angegeben (. Tab. 31.7; Schmedt
2006). Die Metaanalyse von Lübke (2008) weist eine durch- Proebstle 2005 104 76 73,1
schnittliche Häufigkeit von Ekchymosen in Höhe von Proebstle 2005 113 88 77,9
52,2% bei 2090 analysierten Extremitäten auf.
Proebstle 2005 136 110 80,9
Durch die hohe Anzahl von perioperativen Häma-
tomen erklärt sich auch eine hohe Rate an perioperativen Proebstle 2005 33 20 60,6
Schmerzen, die teilweise lange anhalten können. In einer
Min 2005 1000 250 25,0
Sammelstatistik von Perrin (2004) wird die Dauer der
Schmerzsymptomatik zwischen 54 und 67 Wochen ange- Kim 2005 34 9 26,5
geben, dies dürfte jedoch nicht der Regel entsprechen. In Agus 2006 1067 415 38,6
einer Publikation mit einem großen Kollektiv (500 behan-
Sharif 2006 124 103 83,1
delte Patienten) wurde die Rate der perioperativen Schmer-
zen mit 9,3% berichtet (Desmyttere 2007). Summe
Neben Hämatombildung wurde auch bei der EVLT
(nach Schmedt 2006)
über Thrombophlebitiden berichtet, die Angaben reichen
von 1,6 bis 10% (Perrin 2004), wobei in einigen Publika-
tionen gar keine Phlebitiden auftraten (Desmyttere 2007).
Die Metaanalyse von Lübke (2008) ergab eine durch- Es wurde aber auch über längerdauernde Indurationen,
schnittliche Häufigkeit von 2,8% bei 2179 behandelten Ex- 90 Wochen, berichtet (Min 2003).
tremitäten. In einer kleinen randomisierten Studie zwischen EVLT
Hypästhesien, bzw. Parästhesien traten auch nach und Kryostripping wurde untersucht, ob nach EVLT Ver-
EVLT auf. Die Angaben dazu variieren, Desmyttere (2007) letzungen der Lymphbahnen auftreten. An 17 mit EVLT
berichtet über eine Inzidenz von 7%, in der Metaanalyse behandelten Patienten konnte mittels Lymphszintigraphie
von Lübke (2008) waren durchschnittlich 1,7% zu ver- keine Verletzung der Lymphbahnen nachgewiesen werden
zeichnen. Die Parästhesien sind meistens vorübergehender (Disselhoff 2008).
Natur. Pigmentstörungen (Mekako 2007), Infektionen (Dunst
Indurationen im Verlauf der behandelten V. saphena 2006), Serombildung (Jannee dOthee 2008) und das Auf-
magna treten perioperativ sehr häufig auf. Bei 12 aus- treten einer AV-Fistel (Timpermann 2004) wurden in Ein-
gewerteten Publikationen wird das Phänomen in 407 von zelfall Schilderungen angegeben.
521 Extremitäten beschrieben (Lübke 2008). Meistens ist Über die Häufigkeit tiefer Venenthrombosen nach
die Induration nach 3–4 Wochen nicht mehr vorhanden. EVLT liegen sehr unterschiedliche Angaben vor. In der
31.1 · Komplikationen und unerwünschte Ereignisse nach endovenösen Verfahren
385 31
Literatur
. Tab. 31.8. Inzidenz einer TVT nach EVLT Almeida JI, Kaufmann J, Göckeritz O et al. (2009) Radiofrequency
endovenous Closure Fast versus laser ablation for the treatment of
Autor Jahr TVT/Extremi- TVT (%) great saphenous reflux: a multicenter single blinded randomized
tät sonogra- study (RECOVERY study) J Vasc Interv Radiol; 20: 752–759
phisch kon- Camci M, Harnoss B, Akkerskijk B, et al (2009) Effizienz und Verträg-
trolliert (n) lichkeit der bipolaren Radiofrequenz Induzierten Thermotherapie
(RFITT) zur Behandlung insuffizienter Stammvenen; Phlebologie;
Navarro 2001 0/40 0 38:5–11
Desmyttère J, Grard C, Wassmer B et al (2007) Endovenous 980-nm
Gerrard 2002 0/20 0
laser treatment of saphenous veins in a series of 500 patients.
Min 2003 0/400 0 J Vasc Surg; 46:1242–1247
Disselhoff RCVM, der Kinderen DJ, Moll FE (2008) Is there a risk for
Proebstle (VSM) 2003 0/104 0 lymphatic complications after endovenous laser treatment versus
cryostripping of the great saphenous vein? A prospective study.
Proebstle (VSP) 2003 1/33 3,0 Phlebology; 23: 10–14
Dunst KM, Huemer GM, Wayand W, Shamiyeh A (2006) Diffuse phleg-
Oh 2003 0/15 0
monous phlebitis after endovenous laser treatment of the greater
Perkowski 2004 0/203 0 saphenous vein. J Vasc Surg; 44: 912–913
Gerard JL, Desgranges P, Bequemin J (2002) Feasibility of endovenous
Timperman 2004 1/111 0,9 laser for the treatment of GSV varicise veins: one month outcome
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Mozes 2005 3/39 7,7
Gibson K, Brian, L, Ferris L (2005) Endovenous laser ablation of the less-
Puggioni 2005 3/54 5,6 er saphenous vein: results and complications – ACP presentation
Janne d‘Othée B, Faintuch S, Schirmang T, Lang EV (2008) Endovenous
Gibson (VSP) 2005 3/30 10,0 laser ablation of the saphenous veins: Bilateral versus unilateral
single-session procedures. J Vasc Interv Radiol;19:211–5
Lübke 2008 27/9317 0,3
Lübke T, Brunkwall J 2008; Systematic review and meta-analysis of
endovenous radiofrequency obliteration, endovenous laser ther-
apy, and foam sclerotherapy for primary varicosis; J Cardiovasc
Metaanalyse von Lübke wird die Häufigkeit einer TVT Surg; 49:213–33
Mekako A, Chetter I (2007) Cutaneous hyperpigmentation after
nach EVLT mit 0,3% (27 von 9317 Extremitäten) ange-
endovenous laser therapy: a case report and literature review.
geben (Lübke 2008). Andere Statistiken zeigen höhere In- Ann Vasc Surg; 21: 637–639
zidenzen. So scheint die Rate von TVT nach EVLT der Merchant R, Pichot O for the Closure study group (2005) Long-term
V. saphena parva besonders hoch zu sein, Pröbstle berich- outcomes of endovenous radiofrequency obliteration of saphenus
tet über 3% (2003), Gibson über 10% (2005). Neben wei- reflux as a treatment for superficial venous insufficiency; J Vasc
Surg; 42:502–509
teren Publikationen mit sehr hohen Raten von TVT – 5,6% Min RJ, Khilnani N, Zimmet SE (2003). Endovenous laser treatment of
(Puggioni 2005), 7,7% (Mozes 2005) – gibt es zahlreiche saphenous vein reflux: long-term results. J Vasc Interv Radiol
Veröffentlichungen, die keine TVT periinterventionell 2003; 14:991–996
verzeichnen (. Tab. 31.8). Einige dieser als TVT bezeich- Mozes G, Kira M, Carmo M et al (2005) Extension of saphenous throm-
neten Fälle sind Thrombuspropagationen vom SFÜ in das bus into the femoral vein: a potential complication of new endov-
enous ablation techniques. J Vasc Surg; 41: 130–35
tiefe Venensystem (Mozes 2005). Lungenembolien sind Navarro L, Min R, Boné C (2001) Endovenous laser: a new minimally in-
nur vereinzelt publiziert. vasive method of treatment for varicose veins – preliminary obser-
Die Anzahl von unerwünschten Nebenwirkungen, vations using an 810nm diode laser. Dermatol Surg; 27: 117–122
speziell Hämatome und Ekchymosen, scheint bei Lasern Noppeney T, Noppeney J, Winkler M (2008) Update der Ergebnisse
nach Radiofrequenzobliteration zur Ausschaltung der Varikose,
mit höherer Wellenlänge, die ihr Absorptionsmaximum in
Gefäßchirurgie;13:258–264
H2O haben, geringer zu sein (van den Bos 2008). Dies ist Oh C, Jung D, Jang HS et al (2003) Endovenous laser surgery of the
wohl dadurch zu erklären, dass bei höheren Wellenlängen incompetent greater saphenous vein with a 980nm diode laser.
weniger Perforationen der Venenwand auftreten. Darüber Dermatol Surg; 29: 1135-1140
hinaus scheint eine kontinuierliche Lichtabgabe geringere Perkowski P, Ravi R, Gowda RC et al (2004) Endovenous laser ablation
of the saphenous vein for treatment of venous insufficiency and
Komplikationen zu verursachen als ein gepulster Laser
varicose veins: early results from a large single center experience.
(van den Bos 2008). Die Entwicklung der EVLT ist noch J Endovasc Ther; 11: 132–138
nicht abgeschlossen, radial abstrahlende Lichtleiter lassen Perrin M (2004) Endoluminal treatment of lower limb varicose veins by
geringere Nebenwirkungen erwarten, als bare Fibers. endovenous laser and radiofrequency techniques, Phlebology;
19:170–178
Proebstle T, Gul D, Kargl A et al (2002) Endovenous laser treatment of
the greater saphenous vein with a 940nm diode laser: Throm-
botic occlusion after endoluminal thermal damage by laser gen-
erated steam bubbles. J Vasc Surg; 35: 729–736
386 Kapitel 31 · Spezielle Komplikationen in der invasiven Therapie

Proebstle T, Gul D, Lehr HA et al (2003) Infrequent early recanalization Für die Zwecke der Varizenchirurgie lässt sich jedoch
of greater saphenous vein after endovenous laser treatment.
die anatomische Vielfalt in einige wenige Aussagen ver-
J Vasc Surg; 38: 511–516
Proebstle T, Gul D, Kargl A, Knop J (2003) Endovenous laser treatment dichten, die bei der Operationsplanung durchaus Beach-
of the lesser saphenous vein with a 940nm diode laser: early tung finden sollten (. Abb. 31.1). Man unterscheidet:
studies. Dermatol Surg; 29: 357–361 Fußrückenkollektoren: Die in dicht gepackten Bah-
Pröbstle T, Vago B, Alm J et al (2008) Treatment of the incompetent great nen aus dem gesamten Fuß in Richtung auf die frontale
saphenous vein by endovenous radiofrequency powered segmen-
Zirkumferenz des Sprungelenkes zusammenlaufenden
tal thermal ablation: First clinical experience. J Vasc Surg; 47: 151–6
Puggioni A, Kalra M, Carmo M et al (2005) Endovenous laser treatment Fußkollektoren drainieren den Fußrücken und den medi-
and radiofrequency ablation of the great saphenous vein: analysis alen Fußrand aber auch die Fußsohle und werden mit
of early efficacy and complications. J Vasc Surg; 42: 488–493 Übertritt auf den Unterschenkel (US) zum
Schmedt CG, Sroka R, Steckmeier B et al. (2006) Investigation on radio- Ventromedialen Bündel: Dieses vordere präfasziale
frequency and laser (980nm) effects after endoluminal treatment
Lymphgefäßbündel zieht durch bis zu den Leistenlymph-
of saphenous vein insufficiency in an ex-vivo model. Eur J Vasc
Endovasc Surg; 32: 318–25 knoten und drainiert die Oberfläche des gesamten Beines
Schmedt CG, Steckmeier BM (2006) Endoluminale Radiofrequenz mit Ausnahme des lateralen Fußrandes und eines schma-
und Lasertherapie zur Therapie der Stammveneninsuffizienz; in len Mittelstreifens über der Wade. Dieser Mittelstreifen
Marshall/Breu (Hrsg.) – Handbuch der Angiologie, 15. Erg.-Lfg.12
Timperman PE (2007) Endovenous laser treatment of incompetent be-
low-knee great saphenous veins. J Vasc Interv Radiol; 18:1495–9
van den Bos RR, Kockaert MA, Neumann HAM et al (2008) Technical
review of endovenous laser therapy for varicose veins. Eur J Vasc
Endovasc Surg; 35: 88–95
31 Zierau U, Lahl W (2009) The endovenous RFITT treatment of varicose
veins, a new method of interventional phlebology; technique and
first results. Phlebologie; 38: 12–16

31.2 Lymphgefäßläsionen
bei der Varizenbehandlung

H. Nüllen, T. Noppeney

Die Verletzung von Lymphgefäßen im Zusammenhang mit


der Behandlung von Krampfadern gehört zu den eher
harmloseren jedoch durchaus unangenehmen Komplika-
tionen. Die Verletzungen können sich als lokale Komplika-
tionen – Lymphzyste, Lymphfistel – oder als postoperatives
Lymphödem manifestieren. Im Folgenden soll nur auf die
lokalen Komplikationen eingegangen werden.

31.2.1 Anatomie

Das Lymphgefäßsystem wird – ebenso wie das Venensys-


tem an den unteren Extremitäten – in ein oberflächliches
und ein tiefes System unterteilt. Das oberflächliche Lymph-
gefäßsystem drainiert die Haut und die Subcutis. Die regio-
nalen Lymphknotenstationen sind die Lnn. poplitei super-
ficiales und die Lnn. inguinales superficiales. Das ober-
flächliche und das tiefe Abflusssystem stehen über Anas-
tomosen miteinander in Verbindung. Die verwirrende
Vielfalt im Verlauf der einzelnen Lymphbahnen lassen sich a b
zu einigen Drainage- und Verlaufstypen zusammenfassen,
. Abb. 31.1. Verlauf der subkutanen Lymphbahnen der unteren
die jedoch im Einzelnen für die Operationsplanung ohne Extremitäten. a Ventrale Ansicht, b Dorsale Ansicht (Kubik 1999).
Bedeutung sind, da die Lymphgefäße ja nun leider nicht 1. Kollektoren; 2. Ventromediales Bündel; 3 ventromediales Bündel,
sichtbar bzw. lokalisierbar sind. poplitealer Abschnitt; 4. dorsolaterales Bündel
31.2 · Lymphgefäßläsionen bei der Varizenbehandlung
387 31
über der Wade drainiert in die poplitealen Lymphknoten 4 Die Lage der Lymphkollektoren ist abhängig von der
und wird als dorsolaterales Bündel bezeichnet. Schichtdicke des subkutanen Fettgewebes. Bei fehlen-
Im Unterschenkel- und Oberschenkelbereich (OS) der oder ganz dünner Fettschicht sind die Kollektoren
verläuft das ventromediale Bündel, entgegen der Bezeich- am Corium adhärent und somit leicht verletzlich. Mit
nung »Bündel« relativ breit gefächert, um im Kniebereich zunehmender Dicke der Fettschicht liegen die Kollek-
sich, wie auch die Vena saphena magna (VSM), nach me- toren in die Fettschicht eingelagert.
dial hinter der Beugeachse des Kniegelenkes zu bündeln 4 Am Fußrücken überkreuzen die Kollektoren die Venen,
(poplitealer Abschnitt). bilden also die oberste Schicht.
4 Am Unterschenkel werden die Venen mit Ausnahme
der VSM von den Kollektoren unterkreuzt.
31.2.2 Topographie 4 Die VSM wird von den Kollektoren überkreuzt.
4 Im Oberschenkelbereich, verlaufen die Kollektoren bei
Für die Berücksichtigung der Lymphgefäßversorgung bei entsprechender Dicke des subkutanen Fettgewebes in
der Operationsplanung ist das Wissen um einige topogra- 3 unterschiedlich tiefen Schichten.
phische Details hilfreich (. Abb. 31.2). 4 Im Bereich der Cockett’schen Perforansvenen liegen
die Kollektoren sehr eng bei den Perforantes, insbeson-
dere bei Cockett 2 und 3.
4 Die VSM wird nur an einigen Stellen von wechselnden
Kollektoren begleitet. Diese liegen jedoch immer außer-
halb der Venenscheide.
4 Das 4–5 cm lange crossennahe Endstück der VSM ist
nie von Lymphgefäßen begleitet.
4 Zur Vermeidung von Verletzungen von Lymphknoten
und Lymphbahnen in der Leiste bietet ein Kreuz,
dessen Zentrum sich über der Saphenamündung findet
und dessen senkrechte Achse entlang der Achse der
VSM verläuft, eine gute Orientierungshilfe. Bei Spal-
tung der Gefäßscheide direkt über dem Verlauf der
VSM-Achse liegen die meisten Lymphknoten und
Lymphbahnen lateral der VSM-Achse.
4 Von medial können im Bereich des Venensterns die
afferenten Kollektoren der Genitalregion kreuzen.
Deren Verletzung kann vermieden werden durch Prä-
paration nahe der Gefäßwand der VSM.
4 Die efferenten Gefäße der inguinalen Lymphknoten
verlaufen entlang der Vena femoralis. Hier ist besonde-
re Vorsicht geboten. Verletzungen oder Unterbindun-
gen unterbrechen den inguinalen Lymphabfluss aus
dem gesamten Bein mit den entsprechenden Folgen
eines mehr oder minder ausgeprägten sekundären
Lymphödems

31.2.3 Häufigkeit

Systematische Untersuchungen zur Häufigkeit von Verlet-


zungen des oberflächlichen Lymphgefäßsystems liegen
. Abb. 31.2. Topographische Beziehungen der Lymphknoten und nicht vor. In der einschlägigen Literatur wird zwar das The-
Lymphbahnen zur VSM-Crosse . (Kubik 1999). Die Crossenregion ma angesprochen, konkrete Angaben zur Häufigkeit fin-
wird durch ein Projektionskreuz mit Zentrum über der Saphena-
den sich jedoch nur in wenigen Arbeiten (. Tab. 31.9). Im
mündung in 4 Quadranten aufgeteilt. Die zentrale Mündungsregion
ist durch einen Kreis gekennzeichnet. a Topographische Beziehun-
eigenen Bereich wird heute, bei praktisch ausschließlicher
gen. b Häufigkeitsangaben zur Lymphknotenverteilung: Anwendung der Miniphlebektomie zur Seitenastexstirpa-
x=Variabilität; y=Durchschnitt; z=Häufigkeit des Vorkommens tion und Perforansdissektion, mit einer Häufigkeit eine
388 Kapitel 31 · Spezielle Komplikationen in der invasiven Therapie

31.2.6 Therapie
. Tab. 31.9. Häufigkeit postoperativer Lymphfisteln nach
Varizenoperationen
Im blanden Stadium genügt die gezielte lokale Kompres-
Autor Operationen n % sion. Die Verklebung der Lymphbahn und das damit ver-
bundene Sistieren der Sekretion sind in wenigen Tagen zu
Balzer (1983) 15.378 OPs 2 0,01 erwarten. Eine engmaschige Kontrolle der betroffenen Pa-
Helmig (1983) 20.353 Extremitäten 112 0,55 tienten ist anzuempfehlen, zum einen, um die Effizienz
und Konstanz der Kompressionsmaßnahmen zu überwa-
Nüllen (1995) 1.981 Extremitäten 3 0,15
chen und zum anderen um sich ggf. entwickelnde Infek-
tionen rechtzeitig zu erkennen. Eine prophylaktische Anti-
biose ist nicht erforderlich. Punktionen sollten, von sehr
Lymphzyste bzw. einer Lymphfistel von 1 pro 300 Eingrif- großen, mechanisch beeinträchtigenden Lymphverhal-
fen gerechnet. tungen abgesehen, wegen der Gefahr der Keimverschlep-
pung unterbleiben. Die Kompressionstherapie kann bei
Lymphgefäßläsionen in der Leiste sehr schwierig bis un-
31.2.4 Schädigungsmechanismen möglich sein. Bei Lymphfisteln ist hier die Ableitung der
Lymphflüssigkeit in einen aufgeklebten Drainagebeutel
Bei der Schädigung von Lymphgefäßen im Zusammen- sinnvoll um Haut und Inzision durch feuchtes Verbands-
hang mit Behandlungsmaßnahmen bei Varikosis handelt material nicht zu mazerieren. Bei persistierenden Lymph-
es sich fast ausschließlich um Kontinuitätsdurchtrennun- fisteln sind u. U. Revisionseingriffe indiziert. Die Indika-
31 gen von Lymphgefäßen. In den seltensten Fällen werden tion ist streng zu stellen, erst nach vollständigem Aus-
die Lymphgefäße während oder nach der Verletzung iden- schöpfen aller konservativen Optionen.
tifiziert. Gelingt dies doch, so sollte eine Ligatur oder
Koagulation erfolgen. Bei blindem Vorgehen, wie z. B. Literatur
beim Häkeln im Rahmen der Miniphlebektomie, ist eine Kubik S (1999) Anatomie des Lymphgefäßsystems. In: Földi M,
Kubik S, (Hrsg.) Lehrbuch der Lymphologie 4. Aufl. Fischer Stutt-
Identifikation bzw. Kontrolle unter Sicht des Auges nicht
gart
möglich. Hier hilft als Vermeidungsstrategie nur die Mei- Balzer K (1983) Venen. In: Carstensen G (Hrsg.) Intra- und postoperative
dung besonders gefährdeter Regionen oder besonders vor- Komplikationen. Springer, Berlin Heidelberg New York, S107 ff
sichtige Präparationstechnik mit sorgfältiger Säuberung Helmig L, (1983) Häufigkeit von Frühkomplikationen bei 13.024
der vorluxierten Venenanteile von allen Gewebeauflage- Krampfaderoperationen. Phlebol u Proktol 12:184–195
Nüllen H, Reese von Ohlen C (1995) Ambulante Varizenchirurgie in der
rungen (Dissektor). Nach klinischer Erfahrung gehören zu
Praxis. In: Imig H, Schröder A, Varizen, Poplitea-Aneurysmen. Stein-
den besonders gefährdeten Regionen der Übergang vom kopf Darmstadt
Fußrücken zum oberen Sprunggelenk sowie das prätibiale
Hautareal am distalen Unterschenkeldrittel.
Rezidiveingriffe oder Eingriffe im Bereich von trophi-
schen Störungen erhöhen das Risiko der Lymphbahnver- 31.3 Nervenläsionen in der
letzung. Varizenbehandlung
Dennoch wird auch bei sorgfältigster Planung und
Technik eine gelegentliche Verletzung von Lymphbahnen H. Nüllen, T. Noppeney
im Zusammenhang mit der Varizenoperation nicht zu ver-
meiden sein. Die Lymphbahnschädigung gehört daher Schädigungen von peripheren Nerven im Zusammenhang
zum Inhalt der Risikoaufklärung. mit einer Behandlungsmaßnahme wegen Varizen gehören
zu den besonders unangenehmen Komplikationen, weil sie
einer kausalen oder nützlichen Therapie nicht zugänglich
31.2.5 Klinik sind, und damit häufig Anlass zu rechtlichen Auseinander-
setzungen geben. Grundsätzlich können Schädigungen peri-
Die klinischen Zeichen der Lymphbahnläsion nach Ein- pherer Nerven im Zusammenhang mit allen denkbaren
griffen am epifaszialen Venensystem sind die Lymphzyste Therapieoptionen zur Behandlung der Varikose auftreten,
bei geschlossenem Integument und die Lymphfistel. Meist angefangen von der Kompressionstherapie mit Kompres-
sind die Veränderungen blande und harmlos, wenngleich sionsverbänden oder -strümpfen (Hördegen-Lüdin 1999),
lästig und störend. Kommt es zu einer Wundinfektion bei über die Sklerotherapie bis hin zu den operativen Verfahren
bestehender Zyste oder Fistel, kann diese Komplikation einschließlich der neuern Verfahren zur Thermookklusion
durchaus klinische Relevanz entwickeln. der Stammvenen. Diese, zunächst wertneutral zu betrachte-
31.3 · Nervenläsionen in der Varizenbehandlung
389 31
ten, iatrogenen Schäden werden im Laienverständnis häufig maßnahmen an den Krampfadern nur unvollständig wie-
gleichgesetzt mit einem schuldhaften Versagen im Zusam- der. Dies sowohl in Bezug auf die Häufigkeit als auch in
menhang mit der erfolgten Behandlungsmaßnahme. Die Bezug auf die geschädigten Nerven.
Kenntnis der Schädigungsmöglichkeiten, ebenso wie die Angesichts der hohen Zahl von Eingriffen am epifas-
dazugehörigen Vermeidungsstrategien, ist daher von großer zialen Venensystem erscheinen die wenigen objektivier-
Bedeutung für den in der Behandlung der Varikose tätigen baren Zahlen zu Nervenläsionen im Zusammenhang mit
Gefäßmediziner. Darüber hinaus sind die routinemäßige der Varizenoperation tatsächlich sehr gering.
Aufklärung, die frühzeitige Erkennung von peripheren Ner- Auch der Rückgriff auf die Statistiken der Gutachter-
venläsionen durch routinemäßige Nachfrage und Prüfung kommissionen bei den Ärztekammern gibt nur ein unvoll-
auf charakteristische Veränderungen, ebenso wie deren ständiges Bild. Zum einen, weil sie natürlich nur über ein
sorgfältige Dokumentation, wichtige Maßnahmen zum superselektiertes Klientel Auskunft geben, das den Weg in
Schutz vor unberechtigten Schadensersatzforderungen. die Gutachterkommission gefunden hat, zum anderen, weil
die Berichtsgewohnheiten der Kommissionen ungewöhnlich
und der Zugang zu den Originalunterlagen schwierig bis
31.3.1 Häufigkeit unmöglich ist. Die Unterlagen der Gutachterkommission für
ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nord-
Die Angaben in der Literatur zur Häufigkeit von Nerven- rhein (ÄKNo) liegen uns für zwei Berichtszeiträume vor,
läsionen im Zusammenhang mit Behandlungsmaßnahmen vom 01.01.2002 bis um 31.12.2006 und vom 01.01.2004 bis
bei Varizen ergeben ein sehr inhomogenes und wenig klä- zum 31.12.2008 (. Tab. 31.11). Die Überschneidung der Be-
rendes Bild über die Komplikationsrate ab. So liest Weber richtszeiträume gestaltet die Auswertung der Daten schwie-
(2003) aus der Literatur eine globale Rate an Nervenlä- rig. Bei den annähernd gleichen Zahlen für die genannten
sionen im Zusammenhang mit Varizenoperationen mit Zeiträume, haben wir eine Extrapolation über den Gesamt-
der erstaunlichen Streubreite von 7–53%. Carstensen zeitraum gewagt. Man kann davon ausgehen, dass sich der
(1983) gibt Läsionen des N. saphenus mit einer Häufigkeit absolute Fehler in engen Grenzen hält (. Tab. 31.11) Über
von 15–29% an, ohne die Quelle zu nennen. May nennt in einen Gesamtzeitraum von 7 Jahren wurden annähernd
seinem Lehrbuch aus 1969 einen Fall einer Peroneusparese 10.000 Verfahren von der Kommission abgewickelt, dabei
ebenfalls ohne Quellenangabe (Zit. n. Carstensen 1983). immerhin 0,65% der Fälle wegen Auseinandersetzungen
Die Angaben zur Schädigung bei einzelnen, bestimmten nach Varizen-OP, was angesichts der Häufigkeit des Eingriffs
Nerven schwanken für die häufigsten Lokalisationen wie als eher gering angesehen werden kann und 0,16% wegen
N. saphenus und suralis und auch N. peroneus ganz erheb- Nervenläsionen nach Varizen-OP, was einem Anteil von
lich (s. a. . Tab. 31.10). Dies ist nicht weiter verwunderlich, 24,1% an den Verfahren nach Varizenoperation entspricht.
da die Angaben zu Läsionen der peripheren Nerven meist Die Zahl der Fälle, die wegen Nervenläsionen nach Va-
nur retrospektiv gewonnene Begleitangaben sind und hier- rizen-OP im Gesamtzeitraum verhandelt wurden, konnte
zu gezielte Untersuchungen vollständig fehlen. Darüber mit 15 Fällen exakt ermittelt und ausgewertet werden
hinaus ergibt sich hier auch das bekannte Problem der Dig- (. Tab. 31.12). Man erkennt an der Zusammenstellung,
nität der Diagnose der Läsionen, wie es sich analog z. B. in dass fast alles vorkommt, was theoretisch denkbar ist. Dies
der QS-Studie der DGG zur Karotischirurgie exemplarisch unterstreicht, dass die publizierten Fälle nur einen Aus-
dargestellt hat. Die Gruppe der operierten Patienten, die schnitt der Wirklichkeit vermitteln. Bezieht man die Ein-
von einem Neurologen prä- und postoperativ untersucht griffe wegen TVT (venöse Thrombektomie) mit ein, so
wurden, wiesen zu einem 1/3 mehr neurologische Defizite werden auch Fälle von Schädigungen des N. femoralis
auf als solche, die nur vom operierenden Gefäßchirurgen cuatneus lateralis und der N. femoralis angegeben.
nachuntersucht wurden. Hinzu kommt auch, dass die
großen Komplikationen mit Läsion großer motorischer
Nerven, wie N. ischiadicus, tibialis und peroneus i.d.R. 31.3.2 Schädigungsmechanismen
nicht so gerne publiziert werden.
Die wenigen vorliegenden Angaben zur Rate der Ner- Die außerordentlich große Vulnerabilität von Nervengewe-
venläsionen in der Varizenbehandlung, meist bezogen auf be ist hinlänglich bekannt. Im Zusammenhang mit Behand-
Operationen, stammen aus Analysen von speziell selek- lungsmaßnahmen bei Varikose kommen alle denkbaren
tierten Klientelen aus einzelnen Institutionen und können Schädigungsmechanismen auch tatsächlich vor. So können
damit natürlich auch keine annähernd zuverlässigen Wer- Nervenläsionen auch im Zusammenhang mit konservativer
te zur »wahren« Komplikationsrate geben. Therapie oder Verödungstherapie auftreten, wenngleich der
Die Literatur spiegelt somit die tatsächliche Häufigkeit Fokus der Betrachtung meist auf Schädigungen im Zusam-
der Nervenläsionen im Zusammenhang mit Behandlungs- menhang mit operativen Maßnahmen liegt.
31
390

. Tab. 31.10. Synopsis der Nervenverletzungen nach Eingriffen am epifaszialen Venensystem (Literaturübersicht).
*N. saphenus + N. suralis.
**Keine echten Häufigkeitsangaben, Bezugsgröße ist die Zahl der Verfahren vor der Gutachterkommission.

Anatomische Bezeichnung
May (1969)
Helmig (1983)
Negus (1993)
Zit.n. Hach (2002)
Feuerstein (1993)
Zit.n. Hach (2002)
Hofer (2001)
Mildner un Hilbe (2001)
Hach (2002) Lit.-Angaben
Keine eigene Fälle
Frings (2002)
Weber (2002) keine Häufig-

Carstensen (1983)
Ohne Quellenangabe
Fischer (1987) in der
Schweiz ihne Quelle
Critchley (1997)
keitsangaben
QS-Varizen –DGG
Noppeney (2005)
Gutachterkommission
ÄKNo**
Volkertswill (1981)

N. fem. cutaneus 0
lateralis

N. femoralis 0

N. saphenus 15-20% 5-10% 13/1167 14,5% 5-14% 34/49.939* 2/10.000


1,11%
Kapitel 31 · Spezielle Komplikationen in der invasiven Therapie

N. ischiadicus 2/6152 2/10.000

N. tibialis 1/10.000

N. peroneus 1Fall 3/1094 1/6152 3 Fälle 6/49.939 6/10.000


communis 0,0165%

N. peroneus 1/10.000
superficialis

N. suralis 3% 1,7% 5/269 3/10.000


1,86%

»Nervenverlet- 1/973 14/49.939


zung« oder 0,1% 0,04%
»Sonstige«
31.3 · Nervenläsionen in der Varizenbehandlung
391 31

. Tab. 31.11. Häufigkeit von Gutachterfällen der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nord-
rhein. *Die Zahlen für den Gesamtzeitraum (7 Jahre) liegen nicht vor und wurden extrapoliert

Zeitraum Gutachten wg. Venen Varizen-OP Nervenläsionen % d. OPs

01.01.2002 – 31.12.2006 6.766 (100%) 90 (1.33%) 44 (0,65%) 11 (0,16%) 25%

01.01.2004 – 31.12.2008 7.053 (100%) 101 (1,43%) 45 (0,64%) 8 (0,11%) 17,8%

01.01.2002 – 31.12.2008* 9.600 (100%) 130 (1,35%) 62 (0,65%) 15 (0,16%) 24,1%

Die naturgegebene Vulnerabilität von Nervengewebe kann


. Tab. 31.12. Nervenläsionen bei Verfahren vor der Gut- im Einzelfall durch besondere anatomische Verhältnisse
achterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der noch verstärkt sein, wie z. B. bei extrem schlanken Patien-
Ärztekammer Nordrhein (n = 15)
ten und wahrscheinlich auch durch den altersbedingten
Anatomische Bezeichnung n Strukturwandel des Nervengewebes.
Es gibt darüber hinaus offensichtlich Individuen, die
N. femoralis cutaneus lateralis 0
extrem empfindlich auf Druck im Bereich von Nervenge-
N. femoralis 0 webe reagieren, was in der Neurologie zur Abgrenzung
N. saphenus 2
eines Syndroms mit der Bezeichnung »Hereditäre Poly-
neuropathie mit Neigung zu Druckparesen« (hereditary
N. ischiadicus 2 polyneuropathy with liability to pressure palpies, HNPP)
N. tibialis 1 geführt hat. Die Ursache dieser passageren, meist reversib-
len, peripheren neurologischen Defizite ist unklar. Die Di-
N. peroneus communis 6
agnose ist abhängig vom Nachweis einer familiären Häu-
N. peroneus superficialis 1 fung druckbedingter peripherer nervaler Defizite. In 85%
N. suralis 3 der Fälle ist eine Deletion des PMP-22-Gens auf Chromo-
som 17 nachweisbar.

Bei operativen Eingriffen gehören neben der scharfen


Durchtrennung, Ab- und Ausriss bei Strippingmaßnah- 31.3.3 Lokalisationen
men und Extraktionsmanövern insbesondere stumpfe
Traumen durch Druck und Zug von Instrumenten zu den Betrachtet man die Frage, welche Nerven bei einer Va-
relevanten Traumen (s. Übersicht), z. B. rizenbehandlung geschädigt werden können, so muss man
4 intraoperativ durch Haken und Pinzetten davon ausgehen, dass theoretisch alle peripheren Nerven
4 intraoperativ durch Blutleere-Manschette im Bereich des Beines gefährdet sind. Dies spiegelt sich
4 postoperativ durch Nähte jedoch im Schrifttum nicht wieder. Im Zusammenhang
4 intraoperativ lagerungsbedingt mit der gutachterlichen Tätigkeit für verschiedene Schlich-
4 postoperativer Kompressionsverband tungsstellen bzw. Gutachterkommissionen für ärztliche
4 postoperativer Kompressionsstrumpf Behandlungsfehler der Landesärztekammern konnten die
Autoren beobachten, dass bestimmte Lokalisationen von
Schädigungsmechanismen bei der Läsion Läsionen in gutachterlichen Fragestellungen regelmäßig,
peripherer Nerven wenngleich selten, bekannt werden, die sich jedoch in der
einschlägigen Literatur nicht wieder finden.
Mechanische Schädigung
4 Druck
4 Zug
4 Durchtrennung 31.3.4 Systematik der möglichen
Nervenläsionen
Chemisch-toxisch
4 Verödungsmittel Die Kenntnis der Anatomie ist selbstverständliche Voraus-
Sonstige setzung jeder operativen Tätigkeit, dennoch ist es immer
4 Externes Narbengewebe wieder sinnvoll, sich die topographischen Beziehungen
gefährdeter Begleitstrukturen in Bezug auf die Zielstruktur
392 Kapitel 31 · Spezielle Komplikationen in der invasiven Therapie

31

. Abb. 31.3. Topographie der wichtigsten Nerven aus dem Plexus . Abb. 31.4. Anordnung der sensiblen Dermatome n. Stöhr u. Rif-
lumbalis. (L1-L4, 1 Ast aus Th12) und dem Plexis sacralis (L5-S4). Die fel. Bei der diagnostischen Zuordnung sind im Bereich des Beines
Äste aus dem Plexus lumbalis erreichen das Bein frontal des Hüftge- insbesondere die distalen Anteile der Dermatome pathognomo-
lenkes und die des Plexus sacralis dorsal des Hüftgelenkes nisch (aus Berlit 1999)

der operativen Bemühungen klar zu machen (. Abb. 31.3 Klinik Die vollständige Schädigung des N. femoralis be-
und . Abb. 31.4). einträchtigt die Beugung im Hüftgelenk und die Streckung
im Kniegelenk. Es resultiert eine Stand- und Gangun-
N. femoralis sicherheit bzw. Verlust des Einbeinstandes an der betrof-
Anatomie Gemischter Nerv mit Wurzeln aus L1 bis L4 fenen Seite.
zieht entlang des lateralen Randes des M. psoas nach distal
und verlässt das Becken unterhalb des Leistenbandes durch Mögliche Schädigung Unter normalen Bedingungen
die Lacuna musculorum und liegt hier lateral der A. fem. verläuft die Crossektomie epifaszial ab, so dass der N. fem.
com. Ab hier zerteilt er sich fächerförmig in seine Endäste nicht tangiert wird. Bei der Recrossektomie von subfaszial
für den M. quadrizeps, M. sartorius und den M. pectineus. lateral ist auf den lateral der A. femoralis verlaufenden
Der Ast zum M. pectineus nimmt einen variablen Verlauf Nerven zu achten. Intrapelvin kann der Nerv durch ein
und unterkreuzt meist die großen Gefäße. Mehrere rami retroperitoneales Hämatom geschädigt werden.
cutanei durchbrechen in unterschiedlicher Höhe die Faszia
lata und versorgen die ventrale und mediale Fläche des OS Prognose Abhängig von der Art des Traumas, in der Re-
bis zum Knie (. Abb. 31.5) gel schlechte Remission.
31.3 · Nervenläsionen in der Varizenbehandlung
393 31

. Abb. 31.5. Versorgungsgebiete der sensiblen Hautnerven am Bein

N. saphenus Mögliche Schädigung Beim Strippingmanöver aber auch


Anatomie Längster, rein sensibler Ast des N. femoralis, teilt bei Miniphlebektomien im distalen US- und Fußbereich,
sich im Leistenbereich aus dem N. femoralis ab und verläuft bzw. durch thermische Schädigung bei endovenösen Ver-
weiter subfaszial auf der Lateralseite der AFS bis zum fahren. Die Schädigungswahrscheinlichkeit bei Strippen
Adduktorenkanal, unterkreuzt hier die Arterie und durch- nimmt zu, je weiter nach distal hin gestrippt wird.
bricht die Faszie des Adduktorenkanals im distalen Drittel.
Er zieht weiter am dorsalen Rand des M. sartorius zum Prognose Gute Remissionsaussichten für das sensible De-
medialen Kniebereich. Nach Abgabe des R. infrapatellaris fizit bis zu 50% der Fälle innerhalb Jahresfrist (Mildner
begleitet es am Unterschenkel die VSM bis hin zum Fuß. Im und Hilbe 2001), da das autonome Versorgungsgebiet des
Oberschenkelbereich versorgt der N. saphenus über Rr. arti- N. saphenus mit einem Areal über dem Innenknöchel re-
kulares Teile des Hüftgelenkes und über Rr. cutanei die lativ klein ist und die Versorgung über andere Dermatome
anteromediale Haut des Oberschenkels bis zum Knie. Am erfolgen kann.
Unterschenkel versorgt der sensible N. saphenus die media-
len Hautbereiche einschließlich Fuß. Er verläuft hier in N. ischiadicus
enger Nachbarschaft mit der VSM. Anatomie Gemischter Nerv mit Ursprung aus dem Plexus
sacralis. Verlässt das Becken dorsal, zieht über die kleinen
Klinik Sensiblitätsstörungen der Haut im Versorgungsge- Rollmuskeln hinweg und verläuft weiter zwischen dem
biet des Nerven, insbesondere im Bereich des medialen US Sitzhöcker und dem Trochanter major auf dem M. adduk-
und des Innenknöchels (. Abb. 31.5). tor magnus liegend nach distal in Richtung Kniekehle, wo
394 Kapitel 31 · Spezielle Komplikationen in der invasiven Therapie

er oberhalb des Gefäßstranges liegt. In unterschiedlicher


Höhe erfolgt die Aufteilung in den N. tibialis, und den
N. peroneus communis.
Klinik Eine komplette Ischiadikuslähmung betrifft die
gesamte Unterschenkel- und Fußmuskulatur sowie die
ischiocrurale Muskelgruppe.
Mögliche Schädigung Die Schädigung bei der Varizen-
operation ist kaum vorstellbar. Unbeschadet dessen sind
Fälle aus der gutachterlichen Tätigkeit bekannt. Hier muss
man im Wesentlichen Druckschädigungen entweder durch
fehlerhafte Verbandstechniken oder durch Blutleere-Man-
schetten unterstellen.

Prognose Dehnungs- und Druckschädigungen des N. is-


chiadicus haben eine weitgehend gute Prognose (Stöhr
1996). Verläufe von 2–3 Jahren sind beschrieben.

N. tibialis
Anatomie Gemischter Nerv, der nach der Teilung des
31 N. ischiadicus den dorsalen Nervenstrang nach distal hin
fortsetzt. Der Nerv versorgt die Muskeln der Beugeseite
des US. Noch in der Kniekehle gibt er einen Ast für die
sensible Versorgung des dorsalen US ab. In der Kniekehle
liegt die VSP in 40,9% der Fälle lateral des N. tibialis und . Abb. 31.6. Verzweigungen des N. peroneus
in 40,9% medial (Lang, Wachsmuth 1972).

Klinik Unterschiedliches klinisches Bild und Beschwerde- Klinik Lähmung der Fuß- und Zehenheber (Steppergang).
bild je nach Höhe der Schädigung. Bei Schädigungen im
Bereich des Kniegelenkes Parese der US- und Fußmusku- Mögliche Schädigung Zug und direktes Trauma beim
latur. Durch ein relatives Überwiegen der Extensorenmusku- Zugang zur Poplitea. Druckschädigung im Bereich des
latur kommt es zum Krallenfuß. Sensibilitätsstörungen im Fibulaköpfchens durch Lagerungsschaden oder Kompres-
Bereich der Fußsohle. Unvollständige, insbes. distale Läsio- sionsmaßnahmen.
nen führen häufig zu brennenden Schmerzen (Kausalgie).
Prognose Abhängig von der Art und Umfang der Schädi-
Mögliche Schädigung Durch Druck, Zug und Elektro- gungen. Vollremissionen sind bekannt.
koagulation bei den Eingriffen in der Kniekehle. Der Nerv
zieht mitten durch den Situs. Distale Läsionen bei SEPS. N. suralis
Anatomie Nach dem Abgang aus dem N. tibialis in der
Prognose Bei Zug- und Druckläsionen weitgehend gute Kniekehle verläuft der N. suralis in der Rinne zwischen den
Prognose mit langen Verläufen, analog der Situation beim Gastrocnemiusköpfen nach distal weiter, zieht am distalen
N. ischiadicus. Unterschenkel am lateralen Rand der Achillessehne vorbei
und endet am lateralen Rand des Fußes bzw. der kleinen
N. peroneus communis Zehe.
Anatomie Gemischter Nerv, der nach der Teilung des
N. ischiadicus aus der Achse nach lateral hin abweicht und Klinik Sensibilitätsstörungen am distalen Unterschenkel
hinter das Fibulaköpfchen zieht. Unterhalb des Fibula- und am lateralen Fußrand.
köpfchens teilt er sich in den N. peroneus superficialis und
den N. peroneus profundus (. Abb. 31.6). Er gibt häufig Mögliche Schädigung Strippingmanöver an der VSP und
noch in der Kniekehle den sensiblen Nerven für die laterale thermische Schädigung bei endovenösen Verfahren.
Unterschenkelhaut ab (N. cutaneus surae lat.), ein Ast, der
R. communicans peroneus verbindet sich mit einem sen- Prognose Gute Remission durch Überlappung der sen-
siblen Ast aus dem N. tibialis zum N. suralis. siblen Versorgungsgebiete. Autonomes Versorgungsgebiet
31.3 · Nervenläsionen in der Varizenbehandlung
395 31
am lateralen Fußrand und an der Kleinzehe, gelegentlich Prognose Gut. Spontanheilung bis 25%. Schmerztherapie
bis D3. durch lokale Blockaden im Bereich der Spina leicht durch-
führbar.
Sonstige
Leiste
31.3.5 Diagnostik
Anatomie Im Leistenniveau finden sich sensible Versor-
gungsgebiete des N. iliohypogastricus, N. genitofemoralis
Die Feststellung bzw. der Verdacht auf neurologische De-
und N. ilioinguinalis, die bei operativen Eingriffen in die-
fizite nach Eingriffen am epifaszialen Venensystem sollten,
ser Region im Bereich ihrer Endäste traumatisch geschä-
auch wenn sich der Operateur mit seiner Diagnose sicher
digt werden können (. Abb. 31.7).
ist, schon aus forensischen Gründen, immer eine sofortige
genaue neurologische Untersuchung und Dokumentation
Klinik Sensibilitätsstörungen und/oder Schmerzen
zur Folge haben. Neben der topographischen Zuordnung
der Schädigung durch Beschreibung der Läsion ist eine
Mögliche Schädigung Direkte Traumatisierung.
neurophysiologische Untersuchung und Dokumentation
der Defizite erforderlich. Bei der Schädigung großer und
Prognose Ungewiss bis schlecht.
insbesondere motorischer Nerven ist auch der Einsatz
N. cutaneus femoris lateralis bildgebender Verfahren (Sonographie 10–20 MHz, MRT,
Dünnschicht-CT) (Simonetti 1999) anzustreben.
Anatomie Rein sensibler Nerv, der direkt medial der
Spina iliaca anterior superior unterhalb des Leistenbandes
durch die Lacuna musculorum das Becken verlässt und die 31.3.6 Vermeidungsstrategien
Teile des frontalen OS und den lateralen Oberschenkel bis
zum Knie versorgt. Die Durchtrittsstelle unterhalb des Leis- Betrachtet man die möglichen Schädigungsmechanismen,
tenbandes ist eine physiologische Enge; hier ändert der direktes Trauma, Zug- und Druck- und thermische Schä-
Nerv seine bislang horizontale Verlaufsrichtung abrupt in digung und die kritischen anatomischen Lokalisationen,
einen vertikalen Verlauf. so ergeben sich als Risikokonstellationen im Rahmen der
Varizenchirurgie:
Klinik Sensibilitätsstörungen und Schmerzen. (Meralgia 4 operativer Zugang zur Lacuna vasorum
paraesthetica) (. Abb. 31.7). 4 operativer Zugang zur Poplitea
4 SEPS
Mögliche Schädigung Bauchlagerung bei Operation der 4 Strippingmanöver
VSP. 4 thermische endovenöse Verfahren
4 Lagerungsschäden
4 Kompression (Verbände, Druckmaschetten zur Blut-
leere. Kompressionsstrümpfe)

Grundlage jeder Fehlervermeidungsstrategie ist immer


das Bewusstsein des Akteurs um die Gefährdungspoten-
tiale, im Zusammenhang mit bestimmten Tätigkeiten und
Maßnahmen.
Im Zusammenhang mit der operativen Tätigkeit und
der postoperativen Versorgung stehen im Vordergrund:
4 ausreichende Übersicht bei der Exposition des Situs
4 weitgehend atraumatische Operationstechnik
4 gefäßnahe Präparationstechnik
4 gezielter und dosierter Einsatz von Haken und Sperrer
4 Vermeidung von tiefgreifenden Umstechungen und
Massenligaturen
4 Strippen in retrograder Richtung mit möglichst kleinen
Stripperköpfen
4 anatomisch begrenzter Einsatz thermischer Verfahren
. Abb. 31.7. Sensible Innervationsareale im Leistenbereich (aus 4 widerstandsfreie Lagerung
Berlit 1999) 4 sorgfältige und kontrollierte Verbandstechnik
396 Kapitel 31 · Spezielle Komplikationen in der invasiven Therapie

31.3.7 Therapie Schlegelmann K, Gierer S, Gierer St, Stöhr M (1999) Berlit (Hrsg.)
Klinische Neurologie. Springer Heidelberg, 313ff
Simonetti S, Bianchi S, Martinoli C (1999) Neurophysiological and
Die Möglichkeiten einer Therapie bei iatrogenen Schädi- ultrasound findings in sural nerve lesions following stripping of
gungen von Nervengewebe sind begrenzt. Bei einem be- the small saphenous vein. Muscle Nerve 22:1724–1726
gründeten Verdacht auf eine Durchtrennung oder Kom- Stöhr M (1996) Iatrogene Nervenläsionen. Thieme Verlag Stuttgart
1996
pression von Nerven durch Umstechungen, Nähte oder
Volketswill CD (1981) Neurologische Komplikationen nach Varizen-
Ligaturen oder Narben kommen operative Revisionen operationen. Inauguraldissertation Zürich
(direkte Naht, Interponat, Neurolyse etc.) innerhalb von Weber H, Stöhr M, Loeprecht H, (2003) N.-peronaeus-communis Läsion
3 Wochen nach der Läsion in Betracht. Wenn operative als Komplikation des V.-saphena-parva Strippings. Gefässchirurgie
Maßnahmen nicht sinnvoll sind oder ausscheiden, was im 8:36–39

hier gegebenen Zusammenhang wohl meist der Fall sein


dürfte, beschränken sich die Angaben in der einschlägigen
neurologischen Literatur auf die Empfehlung einer »kon- 31.4 Fasziitis necroticans
servativen Therapie«. Konservative Therapie heißt in
diesem Zusammenhang: H. Nüllen, T. Noppeney
4 Schmerztherapie
4 Krankengymnastik und Bewegungstherapie bei Läh- Wundinfektionen spielen im Zusammenhang mit opera-
mungen tiven Maßnahmen am epifaszialen Venensystem eine ge-
4 Hilfsmittel bei muskulären Paresen ringe Rolle und werden in den Statistiken mit einer Häu-
4 Abwarten figkeit von 0,05 bis 0,32% der Fälle angegeben. In der Ge-
31 samtstatistik des Nationalen Referenzzentrums für Sur-
Sogenannte neurotrope Medikamente spielen in der The- veillance von nosokomialen Infektionen für ambulante
rapie keine Rolle. Operationen (AMBUKISS) wird die Zahl der postope-
Der Nutzen einer Elektrotherapie ist beim Menschen rativen Infektionen unter 46.435 registrierten Fällen von
nicht belegt. 92 Institutionen mit 0,20% angegeben. Die Quote ist damit
identisch mit der von Leistenhernienoperationen. Die Be-
Literatur wertung dieser Zahlen ist problematisch, da in allen vorlie-
Engelhardt A (1999) Polyneuropathien. In: Berlit P (Hrsg.) Klinische
genden Statistiken keine Detailangaben über das Ausmaß
Neurologie. Springer Berlin, 431
Feistner H, Weissenborn K, Heinze HJ, Patzold U (1986) Familiäre Polyneu- und die Umstände der Infektionen vorliegen.
ropathie mit Disposition zu Druckparesen. Ein Beitrag zur Differen- Der Schweregrad einer Infektion ist durch die Ein-
tialdiagnose der Mononeuropathien. Nervenarzt 57:654–657 dringtiefe ebenso wie durch die flächenmäßige Ausdeh-
Feuerstein W (1993) Zur Behandlung der Vena saphena-parva-Varizen. nung und die Virulenz der Keimbesiedlung definiert.
Phlebologie 22:230–235
Fischer R, Vogel P (1987) Die resultate der Strippingoperation bei der
Schwerwiegende Infektionen nach Varizeneingriffen wer-
Vena saphena parva. VASA 16:349–351 den als selten und wenig bedeutsam angesehen, da nur
Frings N, Tran van-Thann P, Glowacki O, Subasighe Ch (2002) Kompli- wenige Publikationen zu dieser Frage vorliegen. Dieser
kationen in der Varizenchirurgie und Strategien zu ihrer Vermei- Rückschluss ist problematisch, da eine systematische Er-
dung. Phlebologie 31:256–37
fassung fehlt und die Teilnahme an externen Qualitäts-
Gasser G, Pohl P, Mildner A (1995) Läsionen des Nervus saphenus
in Abhängigkeit von der Technik des Strippings. Phlebologie sicherungssystemen wie z. B. AMBUKISS freiwillig ist. Er-
24:76–77 reicht eine postoperative Infektion tiefere Gewebeschichten
Gierer S, Gierer St, Stöhr M (1999) Periphere Nervenläsionen der unte- oder den i.d.R. mehr oder weniger hämatomgefüllten
ren Extremität. In: Berlit (Hrsg.) Klinische Neurologie. Springer Strippingkanal oder den subfaszialen Raum z. B. nach
Heidelberg
Hach W, Hach-Wunderle V (2002) Nervenläsionen in der Chirurgie der
SEPS, so können schwerwiegende Verläufe bis hin zur
primären Varikose. Gefässchirurgie 7:97–102 Sepsis und vitaler Gefährdung die Folge sein. Aus persön-
Hagmüller GW (1992) Komplikationen bei der Chirurgie der Varikose. lichen Mitteilungen sind eine Reihe unpublizierter Fälle
Langenbecks Arch Klin Chir Suppl, S 470–474 mit schwerwiegenden Verläufen bekannt.
Helmig L (1983) Häufigkeit von Frühkomplikationen bei 13.024
Natürlich spielen im hier gegebenen Zusammenhang
Krampfaderoperationen. Phlebol u. Proktol 12:184–195
Hördegen-Lüdin KM (1999) Nervenläsionen durch Kompressions- nicht nur postoperative Infektionen eine Rolle, sondern
strümpfe. Phlebologie 28:61–63 auch Infektionen, die im Zusammenhang mit Ulzerationen
Lang J, Wachsmuth W (1972) Praktische Anatomie. Bein und Statik. auftreten können und durchaus einen foudroyanten Ver-
Springer Heidelberg, S 226–229 lauf nehmen können.
Meier W (1984) Nervus-Saphenus-Syndrom. In: Brunner U. der Ober-
schenkel. Aktuelle Probleme der Angiologie: 43
Diesem Problem muss unter der zunehmenden MRSA-
Mildner A, Hilbe G (2001) Komplikationen bei der Varizenchirurgie. Problematik, aber auch unter dem Gesichtspunkt beson-
Zentralbl Chir 126:543–545 ders agressiv und foudroyant verlaufenden Infektionen mit
31.4 · Fasziitis necroticans
397 31
speziellen Keimkostellationen, besondere Beachtung ge- 4 ödematöses, gräulich verfärbtes Unterhautfettgewebe
schenkt werden. 4 ausgeprägte Allgemeinsymptome
Tiefgreifende Infektionen (Grad 3 und 4 nach Szilagyi) 4 Weiterverbreitung der Weichteilinfektion und Zu-
sind immer als eine drohende, schwerwiegende, vitale Ge- nahme der Allgemeinsymptome trotz antibiotischer
fährdung des Patienten zu betrachten und entsprechend Abdeckung.
den Grundsätzen und Regeln der septischen Chirurgie in 4 Verschiebbarkeit und Abhebbarkeit des Subkutange-
einer stationären Einrichtung mit Expertise und Equip- webes von der Faszie
ment zu behandeln.
Besonders erwähnt werden soll in diesem Zusammen- Bei den Laborveränderungen finden sich ausgeprägte Er-
hang die nekrotisierende Fasziitis (NF). Die NF ist keine höhungen der Leukozyten, der Akutphasenproteine und
typische Infektion nach Eingriffen am Venensystem oder der Kreatinkinase.
in der Ulkuschirurgie, sondern kann ebenso nach Bagatell- Differentialdiagnostisch sind abzugrenzen alle übrigen
verletzungen oder nach anderen Eingriffen auftreten. entzündlichen und/oder nekrotisierende, oberflächen-
Teuflisch an dieser Infektion ist die Tatsache, dass es sich nahen Erkrankungen wie
hierbei um eine Infektion mit ubiquitär vorhandenen 4 banale Wundinfekte
Keimen handelt und eine besondere Risikokonstellation, 4 Erysipel
die ein proaktives Handeln rechtfertigen würde, nicht zu 4 Erythema induratum
erkennen ist. Bislang wurden nur wenige Einzelfälle im 4 Pyoderma gangränosum
Zusammenhang mit Eingriffen am Venensystem publiziert
(Carstensen 1983, Vopahl 1996). Therapeutisch entscheidend ist das frühzeitige, aggressive
Die nekrotisierende Fasziitis ist eine sich flächenhaft aus- und großflächige Débridement aller infizierten Gewebe. In
dehnende Weichteilinfektion der Subcutis und der angren- allen Publikationen wird darauf hingewiesen, dass der
zenden Faszie, die rasch fortschreitend in großflächige Ne- Beginn des Débridements nicht durch langwierige bak-
krosen übergeht. Das Krankheitsbild wurde erstmals be- teriologische Diagnostik aufgeschoben werden darf. Die
schrieben von Meleney (1924). Ursache ist eine lokale Infek- Möglichkeiten der molekulargenetische Keimdiagnostik
tion mit hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A = (Schnelltest) hat hier sicherlich eine Verbesserung der Diag-
GAS (Streptococcus pyogenes), auch als NF Typ 2 bezeich- nostik erbracht, an dem Postulat des schnellen und unver-
net, oder eine Mischinfektion (NF Typ 1) sowohl mit Anaero- züglichen Handelns allerdings nichts geändert.
biern als auch mit fakultativen Anaerobiern. Erste Fälle mit Ohne chirurgische Intervention ist die Letalität 100%,
MRSA sind beschrieben. Warum diese Keime einmal mehr bei verzögertem Therapiebeginn 38% und bei sofortiger,
oder weniger überschaubare Infektionen auslösen und im bzw. frühzeitiger chirurgischer Intervention 4,2% (Kujat
Falle der NF zu einem dramatischen, lebensgefährlichen Ver- 1998, Podbielski 1998).
lauf beitragen ist nur in Ansätzen geklärt (Podbielski 1998). Die Antibiotikatherapie rangiert in ihrer Bedeutung
Als Eintrittspforten können kleinste Hautverletzungen, erst an zweiter Stelle. Die GAS sind immer noch sensibel
Spritzenabszesse etc. oder auch Operationszugänge die- auf Penicillin G.
nen. Betroffen sind sowohl kranke und ältere, abwehrge- Eine Liste mit Diagnosekriterien zur Abgrenzung ge-
schwächte Patienten als auch junge und gesunde Patienten genüber anderen nekrotisierenden Infektionen geht auf
z. B. nach Bagatelleingriffen. Der Verlauf der Infektion ist Fisher (1979) zurück.
foudroyant und immer lebensbedrohlich. Die Inzidenz
wird mit 0,4/100.000 Einwohner angegeben. Die Morta-
litätsrate beträgt im Mittel 33%. Todesursache ist i.d.R. ein Diagnosekriterien zur nekrotisierenden Fasziitis
Multiorganversagen in der Folge eines Endotoxinschocks (Fisher 1979)
(toxic shock like syndrome). 1. extensive Nekrose der oberflächlichen Faszie
mit Ausdehnung auf die angrenzende Haut
> Die Früherkennung der Infektion ist entschei-
2. mittlere bis schwere Systemintoxikation mit Be-
dend für den Verlauf.
wusstseinsstörung
3. Fehlen einer primären Muskelbeteiligung
Klinische Zeichen 4. Fehlen von Clostridien im Wundabstrich
4 unscharf begrenzte Rötung im Bereich von Wunden 5. Fehlen eines ursächlichen Gefäßverschlusses
und Verletzungen 6. histologisch: Leukozyteninfiltration, fokale
4 Schwellung und Blasenbildung im Umfeld der Wunden Nekrose der Faszie und des umgebenden Ge-
4 im Vergleich zu den entzündlichen Zeichen inadäquat webes sowie mikrovaskuläre Thrombosen
hohe Schmerzhaftigkeit
398 Kapitel 31 · Spezielle Komplikationen in der invasiven Therapie

Die Problematik der NF liegt, abgesehen von der Dramatik


des Krankheitsbildes selbst, darin, dass frühzeitig Indikatio-
nen zu weitgehenden, verstümmelnden chirurgischen Maß-
nahmen gestellt werden müssen, zu einem Zeitpunkt, wo
eine objektive Diagnosesicherung meist nicht möglich ist.

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32

32 Chirurgie der Rezidivvarikose


K. Wölfle

32.1 Definition – 400

32.2 Symptome – 400

32.3 Diagnostik – 400

32.4 Indikation – 401

32.5 Chirurgische Technik – 401


32.5.1 Recrossektomie der Vena saphena magna – 401
32.5.2 Rezidivcrossektomie in der Fossa poplitea – 402
32.5.3 Komplikationen bei Rezidivoperationen – 402
32.5.4 Adjuvante Maßnahmen bei Rezidivoperationen – 402

32.6 Ergebnisse von Rezidivoperationen – 403


400 Kapitel 32 · Chirurgie der Rezidivvarikose

32.1 Definition System ein sog. inguinales Varizenbeet entstehen (Hach


2006).
Der Begriff »Rezidivvarikose« wird im wissenschaftlichen Weitere Gründe für ein inguinales Rezidiv ist die Neo-
Sprachgebrauch nicht einheitlich verwendet. Auf der einen vaskularisation. Diese soll nach Darke 1992 in 50% für ein
Seite wird von Hach (Hach 2006) eine sehr eng einge- Leistenrezidiv verantwortlich sein bzw. nach Jones et al.
grenzte Begriffsbestimmung angewandt. Danach findet 1996 die Hauptursache für eine solche Veränderung dar-
der Terminus Rezidivvarikose nur für ein erneutes Auf- stellen.
treten einer klinisch relevanten Varikose im früheren Ope- Von klinischer Bedeutung ist auch eine Rezidivvariko-
rationsgebiet Anwendung. Ursache dafür ist eine nicht se im Verlauf eines belassenen Saphenastranges bzw. einer
fachgerechte chirurgische Therapie bzw. das Zurücklas- gedoppelten V. saphena magna, die über aktivierte Perfo-
sung von Venensegmenten, die unter veränderter Hämo- ransvenen, vorwiegend der Dodd’schen Perforansvene,
dynamik varikös degenerieren können. hervorgerufen wird (Hach 2006).
Viel weiter gefasst ist die Definition des REVAS-Kon- Weitere Details zur Defintion und Klassifikation fin-
sensus-Dokuments (Perrin et al 2000), wobei hier unter den sich in 7 Kap. 15.12 und Kap. 18.
Rezidivvarikose das generelle Vorhandensein von varikö-
sen Venen an der unteren Extremität nach einer Varizen-
OP mit oder ohne adjuvante Therapie verstanden wird. 32.2 Symptome
Diese rein klinische Definition umfasst sowohl das Vor-
handensein echter Rezidive, die Präsenz von residualen Eine Rezidivvarikose kann auf zweifache Weise auffällig
Venensegmenten sowie neuerliche Varizen auf der Basis werden. Zum einen werden derartige Fälle bei routine-
des Fortschreitens der Grunderkrankung. mäßigen Follow-up Untersuchungen festgehalten. Zum
Nach Varizenoperation kommt es zu einer klinischen anderen stellen sich Patienten erneut vor, die ein schlechtes
32 Rezidivrate zwischen 20 und 80% innerhalb eines Zeit- kosmetisches Ergebnis nach Varizenoperation beklagen
raums von 5–20 Jahren (Hobbs 1974). Die Rezidivrate ist oder bei denen es zu neuerlichen klinischen Symptomen
bei alleiniger Ausschaltung der Crosse höher als wenn zu- gekommen war. Die Symptome einer Rezidivvarikose um-
sätzlich ein Stripping der V. saphena magna am Ober- fassen Jucken bzw. Schmerzen im Bereich der Beine, Bein-
schenkel erfolgte (Jones et al. 1996). Ebenso ist die Ope- schwellung, Ekzem, Hyperpigmentierungen sowie das
ration einer Parva-Crosse mit einer höheren Rezidivrate Auftreten einer Lipodermatosklerose. In beträchtlichem
assoziiert als eine Crossektomie der V saphena magna Umfange (11–29%) finden sich floride bzw. abgeheilte
(Allegra et al. 2007, Creton 1995, Creton 1999). Ulzerationen (Perrin et al. 1993; Quigley et al. 1994). Die
Eine Rezidivoperation wird nach einer Übersicht Klassifikation der Rezidivvarikose sollte nach der CEAP
(REVAS) in 7,5–25% der Fälle erforderlich; neuere Publi- Einteilung (Porter und Moneta 1995) bzw. einer für Rezi-
kationen sprechen von einer zu erwartenden Reopera- divvarikose modifizierten speziellen Einteilung erfolgen
tionsrate um 20% (Bradbury et al. 1994, Gillies und Ruck- (Consensus Group; Vasc Surg 1996).
ley 1996). Die Zeitspanne zwischen Ersteingriff und Zweit- Insgesamt wünschten in einer Nachuntersuchung von
operation ist lange und beträgt im Schnitt 6 bis 20 Jahre Perin (Perrin et al. 1993), die an Patienten mit symptoma-
(Puppinck et al. 1996). tischer Rezidivvarikose erfolgte, 82% eine erneute Behand-
Die neu auftretende sapheno-femorale Inkompetenz, lung. Man kann davon ausgehen (Puppinck et al. 1996,
die im Übrigen erstmals von Langenbeck beschrieben wur- Perrin et al.1997), dass das Beschwerdebild bei Rezidiv-
de (Langenbeck 1881), ist wahrscheinlich der Hauptgrund varizen gravierender ist als bei Vorliegen einer primären
für das Vorkommen einer Rezidivvarikose (Nyamekye et Varikose.
al.1998, Stonebridge et al. 1995, Darke 1992).
Eine wesentliche Ursache dafür ist die technisch in-
adäquate chirurgische Durchführung der Crossektomie 32.3 Diagnostik
(Ali und Callam 2007), wobei hier natürlich die erheb-
liche anatomische Variationsbreite der Saphenamündung Der erste Schritt ist die Erhebung einer sorgfältigen Anam-
mit zu berücksichtigen ist (Royle 1986). Ein weiterer Prä- nese, in der vor allem die Details der vorausgegangenen
dispositionsfaktor ist die unterbliebene Entfernung der Operation abgefragt werden. Von besonderer Bedeutung
V. saphena magna am Oberschenkel (Ali und Callam ist die Inspektion der Narbenbereiche, sowohl was deren
2007). Insgesamt kann über eine Inkompetenz des Sa- Qualität betrifft als auch einen etwaigen Zusammenhang
phenastumpfes ein neuerliches Auftreten von Varizen am mit vorausgegangenen Eingriffen, vor allem in der Leiste
Oberschenkel erfolgen oder aber über intakte Seiten- und Kniekehle. Zu achten ist auch auf noch vorhandene
äste bzw. eine aktivierte Verbindung zum tiefen venösen Stammvenen im Verlauf der V. saphena magna bzw. parva
32.5 · Chirurgische Technik
401 32
Lage schließt sich eine offene oder endoskopische subfas-
ziale Perforansdissektion an, gefolgt von einem Stripping
des veränderten Saphenastammes. Zusätzliche Seitenäste
oder Varizen mit ausschließlich kosmetischer Relevanz
ohne Anschluss an einen Rezirkulationskreis bieten sich
für eine Sklerosierung an.
Falls sich nach Varizenoperation eine neue Varikosis in
einem anderen Saphenagebiet entwickelt, gilt für deren
Beseitigung die gleiche Vorgehensweise wie bei einem Erst-
eingriff.

32.5 Chirurgische Technik

. Abb. 32.1. Sonographischer Refluxnachweis an der sapheno- 32.5.1 Recrossektomie der Vena saphena
femoralen Einmündung nach vorausgegangener Crossektomie magna

Grundsätzlich sollte zur Vermeidung von präparatorischen


sowie ihren Zusammenhang mit etwaigen insuffizienten Schwierigkeiten bei der Exploration der voroperierten Re-
Perforansvenen. Aufgabe der apparativen Untersuchung gion die tiefe Leitvene außerhalb von Narbengewebe,
ist vor allem der Nachweis einer pathologischen trans- Lymphbahnen und vulnerablen Venenkonvoluten in un-
faszialen Kommunikation (. Abb. 32.1), die für die Rezi- berührtem Neuland freigelegt werden. Von Bedeutung ist,
divvarikose verantwortlich ist und der Nachweise der dass die Präparation bei Vorliegen von Neovaskulaten im
hämodynamischen Relevanz. Sorgfältige Beachtung ist Vergleich zu einer unzureichend voroperierten Crosse er-
auch Erkrankungen des tiefen Venensystems zu schenken, schwert ist, weil hier narbige Verwachsungen auch im Be-
da derartige Veränderungen die Prognose der Rezidiv- reich der tiefen Vene typisch sind (Mumme 2002). Für die
operation in erheblichem Umfang beeinflussen (Ali und Exposition bei Vorliegen eines echten Crossenrezidivs er-
Callam 2007). geben sich unterschiedliche Zugangswege:
4 der suprainguinale Zugang 1 cm oberhalb des Leis-
tenbandes (Hach 2006, Brunner 1996). Dabei erfolgt
32.4 Indikation die Darstellung der V. femoralis und nachfolgend der
Saphenamündung von zentral.
Bei symptomatischen Patienten mit neuerlichen Varizen 4 der mediale Zugang nach Halliday (1970). Hierbei
und pathologischer Hämodynamik sollte eine Beseitigung führt die Präparation häufig durch Varizenkonvolute
des Reflux sowie der varikösen Äste erfolgen. Durch die und Lymphbahnen und ist daher nicht zu empfehlen.
narbigen Veränderungen im Bereich einer voroperierten 4 der laterale Zugang nach Junod (1971) bzw. Li (1975):
Crosse ist der Eingriff im Vergleich zu einer Erstoperation Über einen Längsschnitt am medialen Rand des
sicher erschwert. Diese Tatsache muß dem Patienten im M. sartorius wird zunächst die A. femoralis freigelegt
Aufklärungsgespräch unterbreitet werden. Allerdings kann und davon ausgehend der Saphenastumpf dargestellt.
die Operation von einem erfahrenen Gefäßchirurgen unter
Einhaltung der im Folgenden geschilderten Regeln sicher Nach unserer Erfahrung erlaubt die letztere Methode mit
durchgeführt werden. orientierendem Beginn der Präparation in unberührten
Im Einzelnen ist bei Patienten mit inguinalem oder anatomischen Strukturen eine sichere Darstellung der
poplitealem Neoreflux und schwerer Symptomatik (z. B. saphenofemoralen Mündungsstelle. Im Bedarfsfall lassen
C 4–6) eine Recrossektomie bzw. Ligatur des sapheno- sich ein primär nicht korrekt versorgter Saphenamün-
poplitealen Übergangs zu empfehlen, wenn ein klinisch dungsstumpf mit seinen Seitenästen ebenso wie refluxive
signifikanter Reflux nachzuweisen ist. Falls der Refluxnach- Neovaskulate umfahren und ggf. anzügeln. Die Mün-
weis nicht gelingt, sollte zunächst eine engmaschige sono- dungsregion wird dann mit einer atraumatischen Klemme
graphische Kontrolle der entsprechenden Mündungsre- im Bereich der Vorderwand der Vena femoralis communis
gion erfolgen. ausgeklemmt. Zuletzt erfolgt nach Durchtrennung der re-
Wenn eine Varikose im Verlauf eines Saphenarestes am fluxiven inguinalen Gefäße der lumenkongruente Ver-
Ober- bzw. Unterschenkel auffällt, ist nach einer dafür ver- schluss der Mündungsöffnung mit nicht resorbierbaren
antwortlichen Perforansinsuffizienz zu fahnden. Je nach Einzelknopfnähten (. Abb. 32.2). Es ist allerdings nicht
402 Kapitel 32 · Chirurgie der Rezidivvarikose

32.5.2 Rezidivcrossektomie in der Fossa


poplitea

Nach Baier 2006 empfiehlt sich eine quere Hautinzision


oberhalb der alten Operationsnarbe und eine Längsinzi-
sion der Faszie, um anschließend von der Arterie ausge-
hend die V poplitea darzustellen und die Rezidivursache
festzustellen. Ein zu lang belassener V. saphena parva-
Stumpf wird durch bündige Ligatur abgetragen. Eventuell
vorhandene, varikös veränderte Gastrocnemiusvenen wer-
den beseitigt. Gegebenenfalls kann auch eine sanierungs-
bedürftige Vena femoropoplitea oder Kniekehlenperforans
vorgefunden werden. Subfasziale Konvolute sollten soweit
a
wie möglich abgetragen werden. Der spannungsfreie Ver-
schluss der Faszie geschieht mit Einzelknopfnähten, im
Bedarfsfalle ist eine Patchplastik mit Vicrylnetz angebracht.
Belassene extrafasziale Anteile des Parvastromgebietes
werden – soweit erforderlich – mit gleichen Techniken wie
beim Ersteingriff angegangen.

32.5.3 Komplikationen
32 bei Rezidivoperationen

Die eingriffsspezifische Komplikation bei Recrossektomie


b
liegt in dem Verletzungsrisiko der V. femoralis communis
bzw. poplitea beim Umfahrungsmanöver des jeweiligen
Saphenastumpfes. Weitere aufklärungsbedürftige Kompli-
kationen betreffen Begleitverletzungen von Lymphbahnen
und Nerven. Hier ist speziell der N. peroneus profundus
bei Präparationen in der Kniekehle zu nennen. Nur eine
subtile Präparation durch einen erfahrenen Gefäßchi-
rurgen und eine übersichtliche Darstellung der betroffenen
Strukturen unter Vermeidung von groben Umstechungs-
ligaturen und blinden Abklemmversuchen sichern ein
gutes Ergebnis.

c 32.5.4 Adjuvante Maßnahmen


. Abb. 32.2. Technische Durchführung der Recrossektomie. a An- bei Rezidivoperationen
zügeln des Saphenastumpfes mit refluxiven Seitenästen, b Ausklem-
men der saphenofemoralen Mündung, c nach dem Absetzen erfolgt Zahlreiche technische Varianten sind einzeln oder in Kom-
der Verschluss der Venotomie mit Einzelknopfnähten bination zur Vermeidung eines Rezidivs nach primärer
Varizenoperation angegeben worden und haben sicher
auch Bedeutung für die Versorgung einer Rezidivvarikose.
gesichert, dass dieses Vorgehen bei der Crossenrevision Diese prophylaktischen Maßnahmen umfassen den Ersatz
mit Absetzen des Saphenastumpfes bzgl. der Verhinderung der saphenofemoralen Ligatur durch eine Gefäßnaht an
eines Neorefluxes einer alleinigen Ligatur überlegen ist der V. femoralis, die Übernähung der Saphenastumpfro-
(Klein et al. 2005). Abschließend sollten größere, variköse sette mit monofilem Faden (Frings et al. 1999) sowie die
Seitenäste bzw. Anteile einer gedoppelten V. saphena Elektrokoagulation des freiliegenden Endothels der Stumpf-
magna durch Exhairese entfernt werden und kleinere rosette (Hartmann et al. 2005). Speziell für die Reoperation
Seitenäste durch Miniphlebektomie saniert oder einer wurden verschiedene Barrieremethoden angegeben, um
späteren Sklerotherapie zugeführt werden. durch das Einbringen von autologem oder alloplastischem
32.6 · Ergebnisse von Rezidivoperationen
403 32
Material eine Abschirmung der Crossenregion vom Sub- inhomogenen und kleinen Patientenklientels bisher nicht
kutangewebe zu erreichen und damit insbesondere einer verwertbar (Creton 2007).
Neoangiogenese vorzubeugen. Dazu gehören
4 die Deckung des Saphenastumpfes durch Faszia pecti- Literatur
Allegra C, Antignani PL, Carlizza A (2007) Recurrent varicose veins fol-
nea-Lappen (Gibbs et al. 1999),
lowing surgical treatment: our experience with five years follow-
4 sowie das Aufbringen eines Silikon- (DeMaeseneer et up. Eur J Vasc Endovasc Surg. 33: 751–756
al. 2002, 2004) oder PTFE-Patches (Winterborn und Ali SM, Callam MJ (2007) Results and significance of colour duplex
Earnshaw 2007, Creton 2002, Jones et al. 1996) auf die assessment of the deep venous system in recurrent varicose
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Es gibt in der Literatur nur wenige Daten zu Ergebnissen Brunner U (1996) In: Breitner Chirurgische Operationslehre Band 13,
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In wie weit adjuvante Maßnahmen wie Barriereme- front of the femoral vein: long term outcome in 119 extremities.
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eine Senkung der Rezidivrate von 58 auf 26% sowie eine to treat recurrent saphenofemoral incompetence : long term
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bei stellte er fest, dass eine begleitende Sklerotherapie eine
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sinnvolle Maßnahme sein könnte. Die Ergebnisse der aus- saphenofemoral incompetence: a prospective randomised trial
schließlichen Schaumsklerosierung von Rezidivvarizen using a reflected flap of pectineus fascia. Eur J Vasc Endovasc Surg
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33

33 Chirurgie des Ulcus cruris venosum


H.J. Hermanns

33.1 Diagnostik bei Therapieresistenz – 406


33.1.1 MRT und CT des Unterschenkels – 406
33.1.2 Kompartmentdruckmessung (KDM) – 407
33.1.3 Bakteriologie – 407
33.1.4 Wundbiopsie und Histologie – 408

33.2 Operative Therapieansätze – 408


33.2.1 Venenchirurgie und endovenöse Verfahren
bei Ulcus cruris venosum – 408
33.2.2 Perforansvenenchirurgie bei Ulcus cruris venosum – 408
33.2.3 Shave-Therapie – 410
33.2.4 Faszienchirurgie – 413

33.3 Nachbehandlung – 415


406 Kapitel 33 · Chirurgie des Ulcus cruris venosum

Chronische Beingeschwüre, hervorgerufen durch venöse Herausforderung darstellen. Der Leidensweg der Patienten
Erkrankungen, sind in der Medizingeschichte schon lange erstreckt sich häufig über Jahrzehnte ohne Ulkusheilung,
bekannt. Bis zum heutigen Zeitpunkt hat sich dadurch ein geprägt durch chronische Schmerzen, Berufsunfähigkeit
unüberschaubares Angebot an Behandlungskonzepten ent- und soziale Randständigkeit. Der häufige Arztkontakt und
wickelt. Keine andere spezifische Erkrankung ist von größe- die dauerhafte Beschäftigung mit dem Krankheitsbild füh-
rer Polypragmasie geprägt. Die meisten Ulzera heilen unter ren nicht selten zu schweren psychischen Veränderungen
der Anwendung konservativer Therapiemaßnahmen ab. und erheblicher Einschränkung der Lebensqualität.
Für persistierende, schlecht heilende Geschwüre, ist
> In Deutschland leiden 100.000 Menschen an
der Begriff der Therapieresistenz bedeutend. Bei der Defi-
einem floriden Ulcus cruris venosum.
nition ist die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phle-
25.000 Ulzera sind häufig über Jahrzehnte
bologie wegweisend, die den Begriff in einen zeitlichen
therapieresistent.
und nicht kausalen Zusammenhang stellt.
Neben der funktionellen, phlebologischen Untersuchung
mit mindestens einem bildgebenden Verfahren ist zur
Therapieresistenz beim Ulcus cruris bedeutet:
Sicherung der Diagnose spätestens zu diesem Zeitpunkt
4 keine Heilungstendenz nach 3 Monaten auch ein arterieller Gefäßstatus erforderlich. Dadurch ist
4 keine Abheilung nach 12 Monaten die prognostisch und therapeutisch wichtige Zuordnung
der Ulzera nach ihrer Ursache zumeist möglich.

Sind in diesem Zeitraum alle konservativen Behandlungs-


Genese des Ulcus cruris venosum:
möglichkeiten ausgeschöpft, sollte die Indikation zu ope-
rativen Therapie geprüft werden. 4 primäre Varikose
4 sekundäre Varikose
> Die Indikation zur Ulkus-Chirurgie ist bei Thera- 4 Leitveneninsuffizienz
pieresistenz gegeben. 4 postthrombotisches Syndrom
33 Nach den Ergebnissen der Bonner Venenstudie (Rabe et al. 4 gemischte Formen mit Beteiligung arterieller
2004) gibt es in Deutschland in der Allgemeinbevölkerung Begleiterkrankung
0,1% floride Ulcera crura venosum, entsprechend C6 der
CEAP-Klassifikation. Schätzungsweise 25.000 dieser Bein-
geschwüre müssen davon als therapieresistent eingestuft 33.1 Diagnostik bei Therapieresistenz
werden, die auch heute noch eine große therapeutische
Werden Operationsmethoden angestrebt, die die Fascia
cruris in das Therapiekonzept einschließen, sollten prä-
operative Kenntnisse über morphologische und funk-
tionelle Veränderungen der subfaszialen Kompartimente
vorliegen. Zur speziellen Diagnostik morphologischer Be-
funde des Unterschenkels stehen MRT und CT zu Verfü-
gung. Funktionelle Aussagen über die Druckverhältnisse
in den Muskellogen des Unterschenkels erhält man durch
eine Kompartmentdruckmessung.

Spezielle Diagnostik bei Therapieresistenz:


4 MRT oder CT beider Unterschenkel
4 Kompartmentdruckmessung
4 Bakteriologie
4 Histologie

33.1.1 MRT und CT des Unterschenkels

. Abb. 33.1. Ulcera cruris postthromboticum. Beidseits seit Die ersten CT-Untersuchungen des Unterschenkels bei
42 Jahren, Eisenmangelanämie (Hb 6,5 g%) chronisch venöser Insuffizienz gehen auf Gmelin und
33.1 · Diagnostik bei Therapieresistenz
407 33
hung in den subfaszialen Muskelkompartments durch eine
. Tab. 33.1. Beurteilungskriterien des Unterschenkels im schwere chronische Venenerkrankung der entscheidende
MRT
Faktor zur Entstehung, Persistenz und Rezidiventwicklung
Haut Ulkusregion Sklerosegrad eines Ulcus cruris venosum. Kausaltherapeutisch sind fa-
ziendekomprimierende Verfahren (paratibiale Faszioto-
Subcutis Ödem Sklerose
mie, krurale Fasziektomie) gefordert. Messungen in den
Faszie Verbreiterung Abgrenzbarkeit dorsalen Kompartments des Unterschenkels haben die
Venendarstellung regelmäßig unregelmäßig (PTS) größte Sensibilität gezeigt. Bevorzugt wird das tiefe dorsa-
le Kompartment, erreichbar durch einen transmembranen
Muskulatur normal Fettige Degeneration Zugang nach Gerngroß. Messungen im Liegen, Stehen und
Knochen normal pathologisch unter Belastung führen zu verwertbaren Aussagen. Ver-
schiedene direkte und indirekte Druckmessverfahren ste-
hen zur Verfügung. Da es sich hierbei um ein invasives
Schmeller (1989) zurück. Folgende Strukturen können un- Verfahren mit entsprechenden Komplikationsmöglich-
terschieden und differentialdiagnostisch beurteilt werden: keiten handelt, wird die KDM i.d.R. nur in spezialisierten
Ulkusregion, Haut, Subkutis, Faszien, Gefäße, Muskulatur Zentren eingesetzt.
und Knochen. Wichtig ist der Seitenvergleich.
> Die Kompartmentdruckmessung am Unterschen-
Beide Verfahren haben in der Diagnostik am Unter-
kel dient dem Nachweis eines chronisch venösen
schenkel Stärken und Schwächen. Im MRT ist die Differen-
Kompartmentsyndroms. Die KDM ist invasiv und
zierung zwischen Epidermis und Dermis teilweise nicht
wird nur in spezialisierten Zentren eingesetzt.
möglich, wobei Flüssigkeiten (Ödeme) gut abgebildet
werden und die Unterscheidung zwischen Sklerose und
Flüssigkeit möglich ist. Auch die muskulären Verände-
rungen, wie fettige Degeneration und muskuläre Involu- 33.1.3 Bakteriologie
tion, sind im Vergleich zum CT besser beurteilbar. Möchte
man die Gewebeveränderungen am Unterschenkel, ent- Jedes Ulcus cruris ist bakteriell besiedelt. Bei den therapie-
standen durch das von Hach postulierte chronisch venöse resistenten Formen mit langer Anamnese sind die Stadien
Kompartmentsyndrom (CVKS) nachweisen, sollte heute der Kontamination und Kolonisation häufig verlassen und
eine MRT-Diagnostik optional erfolgen (. Tab. 33.1). in eine Infektion übergegangen. Die Keimspektren bei chro-
nischen Ulzerationen unterscheiden sich deutlich von aku-
> Spezielle Diagnostika wie MRT, Kompartment-
ten Wunden. Die meisten Mikroorganismen, die Ulzera
druckmessung, Histologie und Bakteriologie
besiedeln, bilden heute hartnäckige Biofilme, die die Resis-
ergänzen die operative Planung.
tenzentwicklung begünstigen. Führende Keime sind Pseu-
domonas aeruginosa, Staphylococcus aureus und Echeris-
chia coli und verschiedene Enterokokken, die zusammen
33.1.2 Kompartmentdruckmessung (KDM) 2/3 aller nachgewiesen Keime in Ulzera ausmachen. Die
häufigsten Keime in unseren Auswertungen der Eingangs-
Entsprechend den pathogenetischen Konzepten des chro- abstrichen waren Ps. aeruginosa (25%) und Staph. aureus
nisch venösen Kompartmentsyndroms ist die Druckerhö- (23%), gefolgt von E. coli (8%), Enterokokken (8%). Die

. Abb. 33.2. MRT beider Unterschenkel.


Links ausgedehntes Ulcus cruris bei PTS,
massive fettige Degeneration der Musku-
latur, Dermatolipofasziosklerose
408 Kapitel 33 · Chirurgie des Ulcus cruris venosum

MRSA-Besiedlung war im Zeitraum von 1999 bis 2007 mit 3. Verfahren mit Faszienchirurgie: paratibiale Faszioto-
insgesamt 7,2% der Patienten erfreulich gering. Die Ten- mie, Fasziektomie
denz ist in den letzten Jahren ist jedoch zunehmend
(2005/7,5%, 2006/15%, 2007/33%). Betrachtet man die Re-
sistenzentwicklung aller untersuchten Keime unserer Pa- 33.2.1 Venenchirurgie und endovenöse
tienten seit 1999, erkennt man eine besorgniserregende Verfahren bei Ulcus cruris venosum
Zunahme von Resistenzen, hervorgerufen durch Pseudo-
monas aeuruginosa. Aufgrund des hohen Potentials zur Bei einem Ulcus cruris varicosum, bedingt durch eine pri-
Gewebedesktruktion und der damit verbundenen raschen märe Varikose, führt die alleinige Ausschaltung der insuf-
Vergrößerung von Ulzerationen, ist dieser Keimgruppe fizienten Venenabschnitte in vielen Fällen zur Abheilung
zukünftig eine erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen. Für des Geschwürs. Sind die Ulzera großflächiger und eine
die Prognose der Ulkusheilung scheint ein Pseudomonas- Spontanheilung fraglich, können lokale Maßnahmen kom-
befall für den betroffenen Patienten von größerer Bedeu- biniert werden. Methode der Wahl ist die Shave-Therapie
tung zu sein als ein MRSA-Nachweis. mit simultaner Meshgraftplastik.
Für die Planung einer operativen Maßnahme spielt die Neben der klassischen Venenchirurgie, sind die endo-
Keimbesiedlung eine untergeordnete Rolle. Durch die tan- venösen Verfahren (Lasertherapie, Radiowellentherapie,
gentiale Nekrosektomie mit dem Akkudermatom werden Schaumsklerosierung) eine gute Therapieoption. Welches
Keime und Nekrosen mechanisch ohne wesentliche lokale Verfahren bevorzugt werden sollte, ist noch nicht ausrei-
oder systemische Begleitstörungen entfernt. Erregerspekt- chend belegt. Zufriedenstellende Langzeitergebnisse, be-
rum und Resistenznachweise sollten jedoch präoperativ zogen auf die Heilungsraten, liegen für die Venenchirurgie
vorliegen. Zwingend erforderlich für die korrekte Hygiene- vor. Für die endovenösen Methoden gibt es bisher nur
planung einer Wundstation ist heute der Nachweis oder mittlere Nachbeobachtungszeiten. Vergleichbare Heilungs-
der Ausschluss von MRSA-Stämmen vor einer stationären raten sind jedoch zu erwarten. Besondere Konstellationen,
Aufnahme. wie das Vorliegen eines Ulkus mit einer behandlungsbe-
dürftigen Varikose bei massiver Adipositas, können zum
33 > Der präoperative Nachweis des Erregerspektrums
Indikationsbereich für die weniger invasiven, neuen Ver-
und die Resistenzbestimmung (MRSA) chronischer
fahren werden. Die Vorteile sind in kürzerer Operations-
Ulzerationen sind zur Operations- und Hygiene-
zeit, geringerer Traumatisierung und Infektionsmöglich-
planung wichtig.
keit zu suchen.
Die Ausschaltung der Varikose kann vor oder gleich-
zeitig mit der Ulkus-Chirurgie erfolgen. Das gilt auch für
33.1.4 Wundbiopsie und Histologie die so genannte sekundäre Varikose bei postthrombo-
tischem Syndrom. Hilfreich zur Diagnosesicherung und
Chronische Wunden, so auch venöse Ulzera, können ma- Therapieentscheidung ist die funktionelle Bewertung der
ligne entarten. Die Entstehung eines Karzinoms auf dem zu operierenden Strombahn. Mit einer Phlebodynamo-
Boden eines langjährig bestehenden venösen Unterschen- metrie, unter zusätzlicher sonographischer Kompression
kelgeschwürs ist sehr selten. Liegen jedoch Therapieresis- der auszuschaltenden insuffizienten Refluxstrecken, lässt
tenz, atypische Lokalisationen oder ein suspekter klinischer sich gezielt feststellen, ob sich die Varikose problemlos aus-
Befund vor, sollte ein standardisiertes Biopsieverfahren schalten lässt.
zur Diagnosesicherung führen.
> Maligne Entartungen primär venöser Ulzera sind
33.2.2 Perforansvenenchirurgie
sehr selten. Bei suspekten Befunden immer eine
bei Ulcus cruris venosum
Biopsie entnehmen.

Insuffiziente Perforansvenen wurden schon frühzeitig (Ma-


delung 1884) als eine mögliche, hämodynamische Ursache
33.2 Operative Therapieansätze für die Entstehung eine Ulcus cruris venosum erkannt. Ver-
schiedene Operationsverfahren, von der offenen, radikalen
Die operative Sanierung venöser Ulzera beruht auf drei Ligatur aller Perforansvenen am Unterschenkel (Linton
unterschiedlichen Ansätzen: 1938), der epifaszialen Ligatur oder Diszision (Homans
1. Venenchirurgie und endovenöse Verschlussverfahren 1916, Bassi 1981 u. a.), der subfaszialen nichtselektiven Dis-
2. Ulkus-Chirurgie: Shave-Therapie, Ulkusexzision n. zision mit einem Spatel (Hach 1981) bis zur endoskopischen
Homan, und andere Verfahren subfaszialen Diszision (Hauer 1885, ESDP oder SEPS),
33.2 · Operative Therapieansätze
409 33
. Abb. 33.3. Ulcus cruris varicosum.
a Therapieresistent seit 5 Jahren b Lang-
zeitergebnis nach Varizenchirurgie (10 Jah-
re postoperativ), kein Ulkusrezidiv

a b

wurden entwickelt. Die offenen Verfahren wurden wegen verzichten auf die Klärung pathophysiologischer Zusam-
ausgeprägter Wundheilungsstörungen bald wieder verlas- menhänge.
sen. Die in den 90ziger Jahren stark favorisierten endos-
kopischen Verfahren haben in den letzten Jahren zahlen- Literatur
mäßig an Bedeutung verloren. Hohe Komplikationsraten, Gallenkämper G, Ehresmann U, Hermanns HJ et al. (2008) Leitlinien zur
persistierende postoperative Beschwerden und Rezidiv- Diagnostik und Therapie des Ulcus cruris venosum. http://www.
raten zwischen 40% bis 75% nach SEPS führten zu einer uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/037-009.htm
deutlichen Abnahme der Eingriffshäufigkeit. Gmelin E, Rosenthal M, Schmeller W (1989) Computertomographie
und Kernspintomographie des Unterschenkels bei chronisch
Legt man die Ergebnisse der Qualitätssicherung »Va-
venöser Insuffizienz. Fortschr Röntgenstr 151: 50–56
rizen« der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie des Greger B, Habig H, Sonnefeld R et al. (2002) Kritische Prüfung des
Zeitraums 2001 bis 2007 (. Tab. 33.2) zugrunde, die sich Stellenwertes der ESDP bei der operativen Therapie der primären
auf die Auswertung von 85.951 operierten Strombahnen Varikosis. Vasomed 14: 136–143
beziehen, werden nur noch 0,8% aller insuffizienten Perfo- Hach W (2007) Die chronische venöse Insuffizienz (CVI) in: Hach W,
Gruß JD, Hach-Wunderle V, Jünger M. VenenChirurgie – Leitfaden
ransvenen durch ein endoskopisches Verfahren ausge-
für Gefäßchirurgen, Angiologen, Dermatologen und Phlebolo-
schaltet . Bevorzugt werden heute die epifasziale Disske- gen. Stuttgart: Schattauer-Verlag; 279–316
tion (33%) oder die Ligatur (26%). Welche Rolle die iso- Hermanns HJ (2006) Die endoskopisch subfasziale Dissektion von
lierte Ausschaltung von refluxerkrankten Perforansvenen Perforansvenen (Kommentar). Phlebologie 35: 92–93
auf die dauerhafte Ulkusheilung spielt, ist in den bisher Noppeney T, Eckstein HH, Niedermeier M, Umscheid T, Weber H (2005)
Ergebnisse des Qualitätssicherungsprojektes Varizenchirurgie
publizierten Studien nicht eindeutig belegt. Viele Studien
der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie. Gefäßchirurgie
konzentrieren sich mehr auf Vergleiche technischer Mög- 10: 121–128
lichkeiten oder vermischen verschieden Operationsverfah- Pannier F, Rabe E (2007) Endovenöse Lasertherapie mit dem 980-nm-
ren (SEPS und Stripping-OP) in ihrem Studiendesign und Diodenlaser bei Ulcus cruris venosum. Phlebologie 5: 250–255

. Tab. 33.2. Fasziotomie – ESDP – Ulkuschirurgie, Ergebnisse QS »Varizen« DGG von 2001 bis 2007

Patienten Anteil OP mit Anteil OP mit Anteil Anteil Varizen-OP + Anteil


gesamt C4 bis C6 Fasziotomie in % ESDP in % C6 Ulkuschirurgie in %

85.951 11.456 882 7,7% 622 5,4% 1.426 748 52%


410 Kapitel 33 · Chirurgie des Ulcus cruris venosum

Rabe E, Pannier-Fischer F, Bromen K, et al. (2003) Bonner Venenstudie ! Cave


der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie. Phlebologie 32: 1–14
Die tangentiale Abtragung der Nekrosen sollte
TenBrock J et al. (2004) Systematic review of outcomes after manage-
ment of venous disease incorporating subfascial endoscopic per- pro Schicht 0,3 bis 0,4 mm betragen. Dies schützt
forator surgery. J Vasc Surg; 39: 583–9 vor zu raschem Vordringen in tiefere Gewebe-
Van Rij A. et al (2005) A prospective study of the fate of venous leg schichten und vor Verletzung von Begleitstruktu-
perforators after varicose vein surgery. J Vasc Surg 42/6: 1156– ren (Achillessehne, Gelenkkapsel).
1162

Durch die schichtweise, kontrollierte Abtragung aller Ne-


krosen und fibrotischen Ulkusanteile wird eine frische,
33.2.3 Shave-Therapie möglichst plane Wunde geschaffen, die ein ideales Trans-

Die Shave-Therapie oder »Rasiertechnik« von Unterschen-


kelgeschwüren und chronischen Wunden anderer Lokalisa-
tion basiert auf Arbeiten von Hynes (1959) und Quaba
(1987). Das Ulkus und die umgebende Dermatoliposkle-
rose werden tangential Schicht für Schicht entfernt, von
Quaba als »layered shaving« bezeichnet. Die so erzielte
Nekrosektomie und Fibrosektomie ist ausschließlich auf
die suprafaszialen Gewebeschichten begrenzt. Die Faszia
cruris wird nicht eröffnet.
> Shave-Therapie: Tangentiale, ausschließlich
suprafasziale Nekrosektomie und Fibrosektomie
chronischer Ulzerationen

Schmeller hat in Deutschland die Shave-Therapie ab 1994


33 in das operative Behandlungsspektrum des Ulcus cruris
a

venosum eingeführt und wissenschaftlich etabliert.


> Die Shave-Therapie ist die Methode der Wahl in
der operativen Behandlung des therapieresisten-
ten Ulcus cruris venosum

Technik
Vor dem eigentlichen Shaving wird im ersten Schritt aus-
reichend Spenderhaut entnommen. Die Hautentnahme
sollte nach Möglichkeit am erkrankten Bein erfolgen, vor-
zugsweise vom lateralen Oberschenkel, der eine stabile
b
und ausreichend dicke Hautschicht anbietet. Spalthaut-
Schichtdicken von 0,3 bis 0,4 mm haben sich bewährt.
Dickere Haut heilt schlechter ein, dünnere Maschenhaut
ist weniger belastungsstabil und weniger alltagstauglich.
Gleiches gilt für das Mesh-Verhältniss: 1 zu 1,5 ist besser
als 1 zu 3.
Zur Hautentnahme und Shave-Therapie stehen ver-
schiedene Handdermatome (Quaba, Schmeller) oder ma-
schinelle Dermatome (Hermanns, Obermayer) zur Ver-
fügung. Es ist günstig akku- oder wellenbetriebene Shaver
zu benutzen. Sie erlauben ein exaktes Entfernen der Ne-
krosen und Fibrosen und bieten ein komfortables und
schnelles Operieren. c

. Abb. 33.4. Shave -Therapie. a Hautentnahme am Oberschenkel.


b Shave-Therapie – Nekrosekomie und Fibrosektomie. c Simultane
Meshgraftplastik
33.2 · Operative Therapieansätze
411 33
plantatlager für die vorbereitete Spalthaut bietet. Abschlie-
ßend wird die Spalthaut spannungsfrei aufgetragen und Behandlungspfad OP-Tag:
durch einzelne fixierende Nähte, Kleber oder selbsthaf- Allgemein:
tende Wundauflagen positioniert. 4 Allgemein- oder Regionalanästhesie
Zur Frage wie viel Material vom Ulkusgrund abgetra- 4 Antibiotikatherapie:
gen werden muss gibt es keine validierten Aussagen. Ent- – Ciprofloxacin 500 mg oder
scheidend sind ausreichend kapillare Blutungen des neuen – selektiv nach Antibiogramm
Wundgrundes. Nähert man sich bradytrophen Faszien- – Hautentnahme zur Spalthauttransplantation
strukturen, werden kapillare Blutungen eher weniger auf- – Histologie (optional)
treten. Die Schichttiefe ist letztlich auch abhängig von der
eigentlichen Ulkustiefe, die soweit als möglich ausgeglichen Shave-Therapie:
werden muss. Hier das richtige Maß zu finden liegt in der 4 ausreichend kapillare Blutungen
Erfahrung des Operateurs. 4 Wundfläche eben

Tipp

Zur intraoperativen Blutstillung können adrenalin- Behandlungspfad postoperatives Vorgehen:


getränkte Kompressen auf alle Wundflächen aufge- 4 Hochlagerung (Kissen, Bettende erhöht, ggf.
tragen werden. Die Blutstillung tritt rasch ein und ver- Schienenlagerung)
kürzt die Operationszeit. 4 eingeschränkte Bettruhe bis 1. VW (Mahlzeiten
Dosierung: 2 Ampullen Adrenalin in 250 ml im Sitzen, Toilettenstuhl)
NaCl 0,9% 4 1. Verbandswechsel ( 4.–5. Tag),
4 ab Tag 7 täglich:
– komplexe physikalische Entstauungstherapie
Perioperatives Vorgehen (KPE)
Das perioperative Management sollte standardisiert und – Krankengymnastik ( Sprunggelenk)
nach einem einheitlichen Operationskonzept durchge- – Kompressionsstrumpfversorgung
führt werden. Dadurch erhöht sich die Ergebnisqualität
und Fehler sind einfacher analysierbar.
Langzeitergebnisse
Gute bis sehr gute Langzeitergebnisse mit Nachbeobach-
Behandlungspfad Shave-Therapie präoperativ:
tungszeiten bis zu 84 Monaten liegen von einigen Arbeits-
4 Abstrich vom Ulkusgrund gruppen vor. Rezidivfreiheit nach Shave-Therapie kann in
4 Fotodokumentation 70% bis 80% der operierten Ulzera erzielt werden. Berück-
4 Planimetrie der Ulkusfläche sichtigt man, dass die Ergebnisse bei Patienten mit therapie-
4 bei Ödemen: resistenten Ulzerationen erzielt wurden, deren Anamnese
– 2-mal täglich IPK teilweise 40 Jahre und länger betrug, ist derzeit mit keinen
– 1-mal täglich manuelle Lymphdrainage anderen Therapieverfahren in der Ulkus-Behandlung ein
– Kompressionsverbände gleichwertiges Ergebnis zu erreichen. Im eigenen Kranken-
4 bei Stauungsdermatitis: gut betrug die Ulkus-Dauer bis zur operativen Behandlung
– Kortikoide lokal / systemisch durch Shave-Therapie im Mittelwert 16,3 Jahre. Vergleich-
4 bei Infektionszeichen: bare Methoden, wie die Konditionierung des Wundgrundes
– Antibiotika systemisch nach Antibiogramm und Anzüchtung von Granulationsgewebe als Transplanta-
4 Thromboseprophylaxe: tionsgrundlage, erzielen mit Einheilungsraten von 30% bis
– Heparinisierung mit NMH 50% deutlich schlechtere Resultate. Auch die Fasziektomie,
– Brigding bei Antikoagulation als konkurrierendes Verfahren mit fraglichem kausalem
Therapieansatz, zeigt im Langzeitvergleich mit 50%iger
Heilungsrate nach 84 Monaten keinen herausragenden
Vorteil für diese Patientengruppe. Im direkten Vergleich ist
die Shave-Therapie einfacher und sicherer, die Operations-
zeiten sind deutlich kürzer und die Belastung für den Pa-
tienten ist gering. Dadurch ist es besonders bei Patienten im
hohen Alter problemlos anzuwenden.
412 Kapitel 33 · Chirurgie des Ulcus cruris venosum

. Abb. 33.5. a Ulcus cruris postthrom-


boticum seit 40 Jahren b Langzeitergebnis
nach Shave-Therapie

a b

Der stationäre Aufenthalt bis zur kompletten Konsoli- nie, Erysipel oder Lymphfisteln. Da sich der Eingriff im
dierung der transplantierten Haut und Alltagstauglichkeit suprafaszialen Gewebelager abspielt ist auch bei größerer
beträgt in unserem Patientengut 36,4 Tage und liegt damit Transplantatabstoßung keine wesentliche Problematik zu
deutlich unter den bekannten Daten von Hach nach Fas- erwarten. Anders ist dies nach Freilegung des subfaszialen
ziektomie (50,2 Tage). Die Rate der Patienten, die zu einer Raumes durch krurale Fasziektomie. Bei Transplantatver-
erneuten operativen oder konservativen Maßnahme auf- sagen liegen alle tiefen Strukturen des Unterschenkels frei
33 genommen wurden, ist mit 10,5% akzeptabel. und stellen eine weitere große therapeutische Anforderung
Auch das direkte kosmetische Ergebnis ist durch die dar.
plane Wundfläche gut. Es entsteht keine Stufenbildung,
wie man es von der kruralen Fasziektomie kennt. Rezidivulkus nach Shave-Therapie
Nur in wenigen Fällen kommt es nicht zu einer vollstän-
> Die Shaving-Therapie bei therapieresistentem
digen primären Einheilung der Transplantate. Komplette
Ulcus cruris ist mit einer Heilungsrate von 70–80%
Abstoßungen wurden im eigenen Krankengut bisher nicht
im Langzeitverlauf allen anderen operativen Ver-
beobachtet. Eine kritische Phase stellt für die Heilungs-
fahren überlegen.
und Reparationsprozesse die 2. postoperative Woche dar.
Durch zunehmende Mobilisation kommt zu einer ver-
Schmerzverhalten mehrten Belastung des Operationsgebietes. Gelegentlich
Trotz des chronischen Krankheitsverlaufs und der lang- lösen sich in dieser Phase primär fixierte Spalthautanteile
jährigen Anamnese leiden die Betroffenen mit floridem zweizeitig ab. Meistens sind es nur kleinere umschriebene
Ulcus unter erheblichen Schmerzen. Bei der Auswertung Areale, die jedoch unter konservativen Maßnahmen noch
des eigenen Patientenkollektivs wurden Schmerzen anhand
der visuellen Analogskala (1 bis 10) vor stationärer Aufnah-
me im Mittel mit 6,8 angegeben. Einschätzungen der
Schmerzen bis Stärke 10 waren keine Seltenheit. Bereits
beim ersten Verbandswechsel am vierten postoperativen
Tag sind die Operierten fast schmerzfrei (0,4 im MW). Die
Schmerzreduktion ist ein wesentlicher Faktor im physi-
schen und psychischen Genesungsprozess. Genaue patho-
physiologische Vorstellungen zum Phänomen der Schmerz-
freiheit nach Shave-Therapie bestehen bisher nicht.

Komplikationen
Begleitstörungen nach Shave-Therapie sind selten. In weni-
gen Fällen entwickelten sich postoperativ Fieber, Pneumo- . Abb. 33.6. Erysipel nach Shave-Therapie bei BMI > 40 kg/m2
33.2 · Operative Therapieansätze
413 33
zu einer kompletten Abheilung führen können. Kleine 33.2.4 Faszienchirurgie
Restläsionen hindern das gute Ergebnis jedoch nicht. Die
Defekte heilen in fast allen Fällen noch während des sta- Die paratibiale Fasziotomie und die Fasziektomie sind
tionären Aufenthaltes ab. Solche Restläsionen kommen bei Operationsverfahren, die die Faszia cruris in die Therapie
etwa 8% bis 10% der operierten Patienten vor. des Ulcus cruris venosum einbeziehen. Durch Eröffnung
10% bis 12% der Ulzerationen heilen unter den ange- des subfaszialen Raums und Druckentlastung der Unter-
gebenen Maßnahmen nicht oder es kommt zu größeren schenkelkompartments stellen sie den kausalen Therapie-
Transplantatabstoßungen. Für diese Ulkusrezidive stehen ansatz im Konzept des chronisch venösen Kompartment-
weitere Therapieoptionen zur Verfügung. Zunächst kann syndroms (CVKS) dar.
eine nochmalige erweiterte Shave-Therapie, je nach Be-
fundausprägung, kombiniert mit einem simultanen VAC- Paratibiale Fasziotomie (PTF) nach Hach
Verband, zur Abheilung führen. Treten Re-Rezidive auf Die paratibiale Fasziotomie wurde 1985 von Hach und
oder liegen transfasziale Nekrosen vor, sollte die Läsion Vanderpuye entwickelt. Die Eröffnung der Faszia cruris
einschließlich der Faszienstrukturen exzidiert werden. mittels eines breiten Spatels herbeigeführt wurde zunächst
Dies entspricht einer partiellen oder kruralen Fasziekto- zur unkontrollierten Perforansdissektion genutzt. Später
mie. Transplantatlager sind dann subfasziale Strukturen wurde sie wesentlicher Bestandteil und theoretischer Aus-
(Muskulatur, Sehnen, Knochen). gangspunkt des chronisch venösen Kompartmentsyn-
droms.
Shave-Therapie und Alter
Wegen der geringen Allgemeinbelastung ist die Shave- Technik
Therapie besonders für den älteren Menschen risikoarm Technisch entwickelte sich die Fasziotomie von der »blin-
und ohne Einschränkung zu vertreten. Durch den konti- den«, nicht selektiven Dissektion mit einer Metzenbaum-
nuierlichen Anstieg der Lebenserwartung wird sich bis Schere über die Herstellung eines speziellen Instrumen-
2050 die Anzahl der über 80-jährigen verdreifachen. Auch tariums (Hach-Fasziotom). Durch einen 3–5 cm langen
die Anzahl älterer Menschen mit floriden Ulcera cruris paratibialen Schnitt werden Haut, Subcutis und die Faszia
venosum wird zunehmen. Jeder 5. Patient im eigenen cruris eröffnet. Die Fazia cruris wird dann mit einer Schere
Krankengut ist heute bereits zum Zeitpunkt der Operation oder dem Hach-Fasziotom bis zum Innenknöchel gespal-
älter als 80 Jahre. Die Ergebnisse bei den älteren bzw. alten ten. Hierbei werden das tiefe und das oberflächliche dorsa-
Patienten unterscheiden sich nicht wesentlich von den Er- le Kompartment eröffnet. Bei Dissektion von Perforansve-
gebnissen bei jüngeren Patienten. Schmerzen und Pflege- nen im Verlauf der Fasziotomie kann es zu einer schwallarti-
aufwand werden deutlich durch die Shave-Therapie redu- gen Blutung kommen, die zur Vermeidung von subfaszialen
ziert. Im hohen Alter ist die operative Ulkus-Therapie eine Hämatomen kontrolliert werden sollte. Eine Faszienspal-
sehr sinnvolle Maßnahme im Konzept der Ulkus-Behand- tung nach proximal schließt sich in der Regel an. Nach Ein-
lung. führung der endoskopischen subfaszialen Perforansdiscisi-
on durch Hauer (1985) bestand auch die Option, eine Fas-
Literatur ziotomie kontrolliert und selektiv durchzuführen.
Hermanns HJ, Hermann V, Waldhausen P, Gallenkemper G (2000) Die Einlage einer Wunddrainage (Nachblutung), sowie
Lebensqualität vor und nach Shave-Therapie bei therapieresis- eine perioperative Antibiotikaprophylaxe (subfasziale In-
tenten Ulcera cruris. Vasomed 2000; 12: 162 fektion) sind zu empfehlen.
Hermanns HJ, Gallenkämper G, Kanya S, et al. (2005) Die Shave-Thera-
pie im Konzept der operativen Behandlung des therapieresis-
Ergebnisse
tenten Ulcus cruris venosum. Phlebologie 34: 209–215
Hermanns HJ (2006) Operative Therapie des Ulcus cruris venosum. Die paratibiale Fasziotomie ist bis heute ein rein empi-
Gefäßchirurgie 11:281–286 risches Verfahren. Retrospektive Analysen oder prospek-
Quaba AA, McDowall RA, Hackett ME (1987) Layered shaving of tive Studien wurden bisher nicht publiziert. Die von Hach
venous leg ulcers. Br J Plast Surg 40: 68–72
und Mitarbeitern begonnene PAFAS-Studie wurde nicht
Schmeller W, Roszinski S (1996) Shave-Therapie zur operativen Behand-
lung persistierender venöser Ulzera mit großflächiger Dermato-
abgeschlossen. Die Studiengruppe berichtete aber in vielen
liposklerose. Hautarzt 47: 676–681 Vorträgen über positive Veränderungen funktioneller,
Schmeller W, Gaber Y (1998) Die Spätergebnisse nach Shave-Therapie hämodynamischer Parameter nach Fasziotomie und güns-
sind abhängig vom Zustand des tiefen Venensystems. Phlebo- tige Abheilungsraten bestehender trophischer Störungen.
logie 27: 195–200
Da eine PTF häufig mit anderen Verfahren (ESDP, Strip-
Schmeller W, Schwahn-Schreiber C, Hiss U et al. (1999) Vergleich
zwischen Shave-Therapie und kruraler Fasziektomie bei der Be-
ping) kombiniert wird, ist ihr alleiniger Wirkungsme-
handlung therapieresistenter venöser Ulzera. Phlebologie 28: chanismus bisher ungeklärt. Die Indikation zur PTF sollte
53–60 heute streng gestellt werden.
414 Kapitel 33 · Chirurgie des Ulcus cruris venosum

Legt man die Ergebnisse des QS »Varizen« der DGG


von 2001 bis 2007 als ein deutschlandweites Anwender-
verhalten zugrunde, so wurden von 85.951 ausgewerteten
Varizeneingriffen 1% mit einer Fasziotomie kombiniert
oder ein solcher Eingriff selektiv durchgeführt. Spezifiziert
man das Kollektiv nach klinischen Schweregraden der CVI
und geht man davon aus, dass nur Patienten mit den kli-
nischen Merkmalen C4 bis C6 der CEAP-Klassifikation
fasziotomiert wurden, so sind es 7,7% der möglichen Ein-
griffe, die heute so behandelt werden.

Komplikationen a
Ergebnisse über Komplikationen liegen nur begrenzt vor.
Hach beschreibt bei über 1.500 Eingriffen drei schwere
Komplikationen (AV-Fistel, Arterienverletzungen). Genaue
Angaben über revisionsbedürftige subfasziale Hämatome,
Nervenläsionen, postoperative Lymphödeme, Wundhei-
lungsstörungen, Infektionen und tiefe Beinvenenthrom-
bosen bestehen nicht. Da das Verfahren häufig nicht selek-
tiv durchgeführt wird, sind aber Begleitstörungen zu er-
warten.

Faziektomie nach Hach


> Bei der Fasziektomie werden alle nekrotischen b
33 Gewebeanteile einschließlich der Faszia cruris in
. Abb. 33.7. Faziektomie. a Transfasziale Nekrose mit Sehnendes-
einem Block entfernt. Liegt ein zirkuläres Ulkus truktion. b Partielle Fasziektomie, Sehnenresektion, Mehgraftplastik
(Gamaschenulkus) vor, so spricht man von einer 12 Wochen postoperativ
kruralen Faziektomie.

Sind die Läsionen kleiner, ist der Eingriff vergleichbar mit


der Homans-Operation (1917), die die Exzision des Ge- Ergebnisse
schwürs einschließlich der darunterliegenden Faszie be- Randomisierte, prospektive Studien, insbesondere Ver-
schreibt. Homan deckte den entstandenen Defekt mit einer gleichsstudien zur Shave-Therapie, liegen nicht vor. Hach
Thiersch-Plastik. Als »partielle Fasziektomie« erfolgt heu- und Nestle berichten über eine retrospektive Analyse von
te eine Deckung durch simultane Meshgraft-Plastik. 15 fasziektomierten Patienten (19 Extremitäten) im Zeit-
Das Transplantatlager nach Faszienresektion sind sub- raum von 1993 bis 1996 mit einer mittleren Nachbeobach-
fasziale Strukturen, wie Muskulatur, Sehnen und Knochen. tungszeit von 76,3 Monaten. 13 Beine (68%) waren kom-
Mit der Resektion der Faszienanteile wird der subfasziale plett abgeheilt. Schmeller und Schwahn-Schreiber ver-
Raum eröffnet und nach den theoretischen Konzepten glichen ihre Ergebnisse der Shave-Therapie versus Faszi-
des chronisch venösen Kompartmentsyndroms kommt es ektomie nach 7 Jahren. Die Shave-Gruppe zeigte bei der
zur Druckentlastung in den Kompartments des Unter- Kontrolluntersuchung 70,6% Abheilung, die Patienten der
schenkels, die entscheidend für die dauerhafte Heilung Fasziektomie-Gruppe nur 50%. Insgesamt waren die unter-
sein soll. suchten Fallzahlen klein (12 zu 9 Patienten). Es zeigt deut-
Die Durchführung des Eingriffs wird wegen des gro- lich, wie selektioniert Patientenzahlen und Operations-
ßen Traumas und der zu erwartenden Blutungen in rela- frequenz bei diesen extremen Befunden sind. Die guten
tiver Blutleere nach Löfqvist empfohlen. Werden subfas- Ergebnisse nach Shave-Therapie machen dieses einfache,
ziale Strukturen während der Blockresektion verletzt (Seh- weniger traumatisierende Verfahren heute zur Methode
nenscheiden, Periost), ist eine Transplantatabstoßung der ersten Wahl (. Tab. 33.3).
wahrscheinlich. Sorgfältige und schonende Operations-
techniken setzen eine große Erfahrung des Operateurs > Verbliebene Indikationen zur Fasziektomie:
voraus. Gefäß- und Nervenverletzungen sind mögliche 4 primäre transfaziale Nekrosen
intraoperative Komplikationen und müssen beherrsch- 4 mehrfache Rezidiven nach Shave-Therapie
bar sein. 4 ausgeprägte metaplastische Ossifikation
33.3 · Nachbehandlung
415 33

. Tab. 33.3. Operative Ulkus-Therapie – Langzeitergebnisse im Vergleich

Untersucher Schmeller Hermanns Popescu Schwahn-Schreiber

OP-Verfahren Shave-Therapie Shave-Therapie Shave-Therapie Fasziektomie

Patienten 12 244 28 10

Beine 17 320 30 14

Abheilung (%) 70,6 77,5 72,0 50,0

Nachbeobachtung 84 51,5 24 84

Jahr 2006 2006 2003 2006

Faszienchirurgie, CVKS, Ulkusheilung Literatur


Welche Bedeutung die Faszienchirurgie als vermeintlich Hach W, Gerngroß H, Präwe F, Sterk J, Willy Ch, Hach-Wunderle V (2000)
Kompartmentsyndrome in der Phlebologie. Phlebologie; 29: 1–11
kausaler Therapieansatz in der Behandlung des therapie-
Hach W (2004) Wie es zur paratibialen Fasziotomie kam. Phlebologie
resistenten Ulcus cruris venosum spielt, ist ungeklärt. Die 33: 110–114
beschriebenen subfaszialen Druckerhöhungen finden sich Hermanns HJ, Schwahn-Schreiber Ch, Waldermann F et al (2006)
bei langjährigen Ulzerationen häufig und die von Hach Stellenwert der operativen Verfahren in der Behandlung des
im CT oder MRT beschriebenen morphologischen Verän- Ulcus cruris venosum. Phlebologie 35: 199–203
Langer CH, Fuhrmann J, Grimm H, Vorpohl U (1995) Orthostatische
derungen (Faszienverbreiterung, fettige Degeneration der
Kompartmentdruckmessung nach endoskopischer Fasziotomie.
Muskulatur) des Unterschenkels sind regelhaft anzutref- Phlebologie 24: 163–167
fen. Langzeitergebnisse nach Shave-Therapie zeigen im Perrin M (2004) Place de la chirurgie dans le traitement de l’ulcere
Vergleich zu den fasziendekomprimierenden Verfahren veineux de jambe. In : Encyclopedie Medico-Chirurgicale 43-169-H
günstigere Resultate. Trotz Nachweis eines CVKS mit Schmeller W, Schwahn-Schreiber C, Hiss U et al. (1999) Vergleich
zwischen Shave-Therapie und kruraler Fasziektomie bei der
Druckerhöhungen im tiefen, dorsalen Kompartment und
Behandlung therapieresistenter venöser Ulzera. Phlebologie 28:
morphologischen subfaszialen Veränderungen heilen 53–60
Ulzera dauerhaft ab, obwohl die muskulären Veränderun- Schmeller W, Gaber Y (2001) Persistierendes Ulcus cruris und chro-
gen unverändert bestehen bleiben. Offensichtlich ist weder nisches venöses Kompartmenrsyndrom – Gibt es wirklich einen
die Eröffnung noch die Resektion der Faszie für eine er- kausalen Zusammenhang? Phlebologie 30: 75–80
Schwahn-Schreiber C, SchmellerW, Gaber Y (2006) Langzeitergebnisse
folgreiche und dauerhafte Ulkusheilung erforderlich.
(7 Jahre) nach Shave-Therapie bzw. kruraler Fasziektomie bei per-
sistierenden venösen Ulcera. Phlebologie 35: 89–91

33.3 Nachbehandlung

Einen langfristigen Erfolg kann nur eine konsequente


postoperative und poststationäre Begleittherapie gewähr-
leisten. Die Kompressionstherapie, nach Möglichkeit mit-
tels Kompressionsstrumpf, sollte dauerhaft und lebenslang
beibehalten werden. Die Ödemprophylaxe durch Anwen-
dung häuslicher apparativer intermittierender Kompres-
sion mit patienteneigenen Geräten ist ein wichtiger Bau-
stein im Behandlungskonzept. Auch die Schulung im Um-
gang mit der Erkrankung und mit der Pflege von Haut und
Transplantaten führt zu einer guten Patientenmotivation
und resultiert in hoher Compliance. Wichtig ist auch die
Einbeziehung und Schulung ambulanter Pflegedienste,
besonders zur Betreuung der älteren Menschen, um den
Langzeiterfolg zu garantieren.
VI Organisation
und Qualitätsmanagement
34 Aufklärung vor therapeutischen Maßnahmen – 419
H. Nüllen, T. Noppeney

35 Anästhesieverfahren in der Varizenchirurgie – 425


H. Röpcke

36 Thromboembolieprophylaxe – 435
T. Noppeney, H. Nüllen

37 MRSA in der Phlebologie – 441


H. Nüllen, U. Kamphausen, C. Nielen, T. Noppeney

38 Qualitätssicherung in der Varizenchirurgie – 447


T. Noppeney, H. Nüllen

39 Nachsorge und Langzeitbetreuung – 455


H. Nüllen, T. Noppeney

40 Lebensqualität – 459
H. Nüllen, T. Noppeney

41 Begutachtung bei Varikose – 465


H. Nüllen, T. Noppeney

42 Leitlinien – 473
H. Nüllen, T. Noppeney
34

34 Aufklärung vor therapeutischen


Maßnahmen
H. Nüllen, T. Noppeney

34.1 Grundlagen – 420


34.1.1 Aufklärung und Einwilligung als Prozess – 420
34.1.2 Rechtgrundlagen – 420

34.2 Inhalt der Aufklärung – 421


34.2.1 Umfang der Aufklärung – 421
34.2.2 Form der Aufklärung und der Einwilligung – 421
34.2.3 Zeitpunkt der Aufklärung und der Einwilligung – 421
34.2.4 Besonderheiten des Aufklärungs- und Einwilligungsprozesses – 422

34.3 Einschränkungen der Aufklärungspflicht – 422

34.4 Fehler und Gefahren bei der Aufklärung – 422

34.5 Aufklärung vor Verödungstherapie – 423

34.6 Aufklärung vor operativen Maßnahmen – 423

34.7 Aufklärung vor endovenösen Maßnahmen – 424


T. Noppeney, H. Nüllen
420 Kapitel 34 · Aufklärung vor therapeutischen Maßnahmen

34.1 Grundlagen deführer u. a. auch bezogen auf Fehler oder Unzulänglich-


keiten in der Aufklärung und deren Dokumentation. Dies
Bestrebungen, zu moderner und professioneller Aufklä- trifft die Gefäßmedizin genauso wie andere Fachbereiche.
rung, Entscheidungsfindung und deren Dokumentation
zu gelangen, können unter dem Oberbegriff »der infor-
mierte Patient« subsumiert werden. Alle Entscheidungen 34.1.1 Aufklärung und Einwilligung
verlangen den umfassenden Einbezug des Patienten und als Prozess
die Berücksichtigung seines Selbstbestimmungsrechts. Für
diese Form der Beteiligung des Patienten am Entschei- Die Fragen der Umsetzung des Aufklärungs- und Einwil-
dungsprozess hat sich international der Begriff »shared ligungsprozesses in der täglichen Arbeit und der Entwick-
decision making« eingebürgert, der im Deutschen zu dem lung einer Ablaufroutine und deren Dokumentation im
gewichtigen Begriff der partizipativen Entscheidungsfin- Qualitätsmanagement der Institution spielen daher eine
dung mutierte. gewichtige Rolle, um medico-legale Folgen aus Unzuläng-
lichkeiten bzw. Unterlassungen zu vermeiden. Die Ent-
»… Partizipative Entscheidungsfindung wird als Interakti- wicklung, Dokumentation und Implementierung dieses
onsprozess mit dem Ziel definiert, unter gleichberech- Prozesses ist kein lästiges Beiwerk sondern eine essentielle
tigter und aktiver Beteiligung von Patient und Arzt auf Ba- Führungsaufgabe.
sis geteilter Information zu einer gemeinsam verantwor- Der Aufklärungsprozess vor Therapiemaßnahmen
teten Übereinkunft zu gelangen. …« (Loh et al. 2007) wird als eine Mischung aus schriftlich angebotener Sach-
aufklärung und einem klärendem ärztlichen Gespräch von
Um zu einer so vorbereiteten Entscheidung kommen zu angemessener Länge gesehen. An dessen Ende steht eine
können, benötigt der Patient schriftlich und mündlich Einwilligungserklärung. Ob hierzu in Eigenregie ent-
transportierte Entscheidungshilfen durch den Arzt; wenn- wickelte Broschüren, Flyer etc. und Einwilligungspro-
gleich die Zahl der Patienten, die ihrerseits durch eine tokolle eingesetzt werden oder von bestimmten Verlagen
Internet-Recherche sich bereits vorab sachkundig gemacht angebotene eingriffsspezifische Aufklärungs- und Einwil-
haben, ständig anwächst. Die vom Arzt an den Patienten ligungsdokumente erworben werden, spielt hierbei keine
vermittelten Informationen sollen Angaben enthalten zu: Rolle. Es kommt vielmehr auf die Lückenlosigkeit des Auf-
34 4 Art und Umfang der Erkrankung klärungs- und Einwilligungsprozesses an. Es sei ausdrück-
4 Verlauf der Erkrankung lich erwähnt, dass gerade im Hinblick auf die Lückenlosig-
4 Behandlungsbedürftigkeit (relative und absolute Indi- keit auch eine formal korrektes, käufliches Aufklärungs-
kationen, Dringlichkeit) und Einwilligungsdokument im speziellen Einzelfall keine
4 Risikoaufklärung Sicherheit bieten kann vor unangenehmen rechtlichen Fol-
5 Behandlungsmöglichkeiten (Behandlungsmethoden) gen. Die Planung und Überwachung des lückenlosen Auf-
einschließlich der jeweiligen Vor- und Nachteile, ggf. klärungs- und Einwilligungsprozesses bleibt eine in jedem
Information über selbst zu tragende Kosten Fall nicht delegierbare Aufgabe, sondern eine Aufgabe des
5 Komplikationsmöglichkeiten verantwortlichen Arztes. Die praktische Umsetzung kann
5 Wahrscheinlichkeiten einen bestimmten Behand- im Einzelfall von ärztlichen Partnern oder auch von nach-
lungserfolg zu erzielen geordneten Ärzten erbracht werden, nicht hingegen von
4 Sicherungsaufklärung nichtärztlichem Personal. Verantwortlich bleibt der jewei-
5 Aufklärung, Beratung und Information über thera- lige Therapeut bzw. ggf. der verantwortliche Leiter.
piegerechtes Verhalten zur Sicherung des Therapie- Bei den weiteren Erörterungen wird das Thema Auf-
erfolges, klärung und Einwilligung begrenzt auf die Zielgruppe
5 Aufklärung über Maßnahmen und Ereignismög- der Patienten mit der Diagnose Varikose. Zu besonderen
lichkeiten in der Folge nach der Behandlung, z. B. Fragestellungen, die Probleme außerhalb dieser Zielgrup-
über Kontrolluntersuchungen, therapiegerechte pe betreffen, muss auf die einschlägige Literatur verwiesen
Verhalten, Ausschlüsse, Vorsichtsmaßnahmen, Ver- werden.
bote etc.

Aufklärung, Entscheidungsfindung und Einwilligungser- 34.1.2 Rechtgrundlagen


klärung sowie deren angemessene Dokumentation sind
ein immer wichtiger werdender Teil der Arbeit des Arztes. Das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungs-
In fast allen Gutachten wegen des Verdachtes auf einen recht des Menschen leitet sich her aus der Menschenwürde
Behandlungsfehlers argumentiert die Seite der Beschwer- und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit. Übernom-
34.2 · Inhalt der Aufklärung
421 34
men aus der Auffassung des Reichsgerichtshofes (1894) ist 34.2.1 Umfang der Aufklärung
auch gemäß der ständigen Rechtsprechung des Bundesge-
richtshofes (BGHSt 35, 246) jeder ärztliche Eingriff seiner Die Aufklärung muss spezifisch, umfassend und vollstän-
Natur nach eine Körperverletzung im Sinne des Strafge- dig sein. Ausnahmen von diesen Forderungen sind nur
setzbuches (§§223ff.) und wird erst durch eine rechtsver- unter ganz bestimmten und eingeschränkten Bedingungen
bindliche Einwilligung des Betroffenen zu einem ärztlichen rechtlich unbedenklich (7 Abschn. 34.1.8). Es bedeuten in
Heileingriff. An die erforderliche ärztliche Aufklärung diesem Zusammenhang.
werden besondere Anforderungen gestellt, wenn die Ein- 4 spezifisch: Die anzuwendenden Maßnahmen und
willigung als rechtsverbindlich angesehen werden soll. Verfahren müssen detailgenau dargestellt werden. Al-
ternativen müssen aufgezeigt werden.
»… Durch die ärztliche Aufklärung wird unter Berücksich- 4 umfassend: Vorbereitung, Ablauf und Nachsorge der
tigung der Sichtweise des Patienten die erforderliche Ent- Maßnahmen und Verfahren müssen detailgenau dar-
scheidungsgrundlage geschaffen, eine Abwägung der gestellt werden. Die Verhaltensanweisungen für den
Gründe vorzunehmen, die für oder gegen einen Eingriff Patienten nach dem Eingriff bzw. der Intervention
unter Berücksichtigung der spezifischen Umstände der muss erklärt werden, ebenso wie die Form und den
Krankheit und deren Verlauf sprechen. Der Patient muss Ablauf der Nachsorge.
sich nach seinem individuellen Erwartungshorizont neben 4 vollständig: Verfahrenstypische Gefährdungen und
den Erfolgschancen auch über Fehlschläge und Risiken im Komplikationen müssen dargestellt werden und allge-
Klaren sein, sogenannter »Informed consent« (BGH NJW mein akzeptierte Ergebnisse der Methodik müssen
1981, 1320 ff.). …« (Parzeller et al. 2007) vorgestellt werden.

Es entspricht einem weit verbreiteten Irrtum, dass der Be-


griff »Eingriff« gleichgesetzt wird mit einer Operation 34.2.2 Form der Aufklärung
(operativer Eingriff). Hier allerdings ist der Eingriff sinn- und der Einwilligung
gemäß als Eingriff in die körperliche Unversehrtheit zu
interpretieren. Die Aufklärung kann unter Zuhilfenahme von schrift-
lichen Darstellungen erfolgen. Der Patient muss aus-
»Als »Eingriff« gelten neben Operationen auch die Verab- reichend Zeit zum Studium der Aufklärungsunterlagen
reichung von Medikamenten oder sonstige eingreifende haben und der Aufklärende muss sich davon überzeugen,
und theoretisch komplikationsträchtige Therapiemaßnah- dass der Patient, die schriftlichen Unterlagen gesichtet und
men, aber auch diagnostische Maßnahmen, wie Endosko- verstanden hat. Dem Patienten muss ausreichend Zeit und
pien, radiologische Untersuchungen, ja sogar diagnosti- Gelegenheit zum Fragen gegeben werden.
sche Blutentnahmen und selbst Rasur und Haarschnitt.« Die rechtsverbindliche Einwilligungserklärung sollte
(Parzeller et al. 2007) immer schriftlich erfolgen. Eine bestimmte Form ist nicht
vorgeschrieben.
Neben der strafrechtlichen Sicht sind auch die zivilrecht-
lichen Haftungsgründe (vertraglich, §280 BGB und/oder
deliktisch, §§823, 831, 839) für den rechtswidrigen ärzt- 34.2.3 Zeitpunkt der Aufklärung
lichen Eingriff zu bedenken und schließlich auch noch die und der Einwilligung
standesrechtliche Sicht zu berücksichtigen.
Fragt man danach, worum es den bei Rechtstreitig- Als Grundsatz und Handlungsdirektive gilt: Das Aufklä-
keiten im Zusammenhang mit Aufklärung und Einwilli- rungsgespräch muss rechtzeitig erfolgen.
gung geht, so kann man feststellen, dass sich die weit über- In der Regel geht man davon aus, dass die Aufklärung
wiegende Zahl der Auseinandersetzungen dreht um Inhalt, und Einwilligung, von Notfall- und Akutsituationen ab-
Umfang, Form und Zeitpunkt der Aufklärung und Ein- gesehen, mindestens 24 h vor dem Eingriff erfolgen sollte.
willigung. Idealerweise stellen sich Aufklärung und Einwilligung als
ein mehrzeitiger Prozess dar, der seinen Abschluss in der
formalen Unterschrift unter die Einwilligungserklärung
34.2 Inhalt der Aufklärung findet. Zentren mit größerem Einzugsgebiet, auswärtigen,
ggf. alten Patienten und ggf. schlechten Verkehrsanbin-
Eine rechtswirksame Einwilligung kann bei Vorliegen dungen etc. können den Aufklärungs- und Einwilligungs-
einer lückenlosen Aufklärung ausdrücklich oder konklu- prozess unter gewissen Bedingungen so gestalten, dass auf
dent durch schlüssiges Verhalten abgegeben werden. die persönlichen Belange der Patienten hinreichend Rück-
422 Kapitel 34 · Aufklärung vor therapeutischen Maßnahmen

sicht genommen werden kann. Ist eine solche Entwicklung dass eine ausreichende Relativierung der Ergebniser-
der Entscheidungsfindung durch den Patienten gewähr- wartung vorgenommen und alle Aussagen vermieden
leistet, kann mit Einverständnis des Patienten von solchen wurden, die in irgendeiner Art und Weise als Garantiever-
o. g. Zeitvorgaben abgewichen werden. sprechen interpretiert werden können.

34.2.4 Besonderheiten des Aufklärungs- 34.3 Einschränkungen


und Einwilligungsprozesses der Aufklärungspflicht

Aufklärung bei Minderjährigen Kinder bis zur Voll- Unter bestimmten Voraussetzungen sind geringe Abstriche
endung des 7. Lebensjahres sind geschäftsunfähig. Hier ist an der grundsätzlich umfassenden Aufklärungspflicht
in jedem Falle die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters rechtlich toleriert.
erforderlich, i.d.R. beider Elternteile. 4 Allgemein bekannte Risiken, die im Zusammenhang
mit einem Eingriff auftreten können, bedürfen nicht
Aufklärung und Einwilligung bei eingeschränkter Ge- der ausdrücklichen Erwähnung (BGH NJW 1994,
schäftsfähigkeit Minderjährige zwischen der Vollendung 2414), hingegen müssen schwerwiegende Risiken mit
des 7. bis 18. Lebensjahres sind eingeschränkt geschäfts- weitreichenden Folgen auch dann dargelegt werden,
fähig. Bei Einwilligung in die Durchführung eines operati- wenn sie sehr selten sind. Unter »allgemein bekannt«
ven Eingriffes oder einer sonstigen Intervention empfiehlt könnte man z. B. die Möglichkeit von Nachblutung
sich die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, i.d.R. bei- und/oder Wundinfektionen nach operativen Eingrif-
der Elternteile, einzuholen. fen verstehen. Bei Anwendung dieser Regel ist aller-
dings Vorsicht geboten, da der Begriff »allgemein be-
Aufklärung und Einwilligung bei fehlender Geschäftsfä- kannt« durchaus Raum für eine richterliche Interpre-
higkeit Geschäftsunfähig sind neben Kindern Menschen tation lässt.
jeden Lebensalters, die aufgrund einer krankhaften Stö- 4 Bei einfachen Routineeingriffen oder Notfällen kann
rung der Geistestätigkeit nicht in der Lage sind, eine freie auf ein persönliches Aufklärungsgespräch zu Risiken
Willensentscheidung herbeizuführen. In diesen Fällen ist eines Eingriffs verzichtet werden.
34 die rechtswirksame Einwilligung zur Durchführung eines 4 Bei Routineeingriffen kann beim Fehlen von Beson-
operativen oder sonstigen Eingriffes abhängig von der Un- derheiten auf Seiten des Patienten ein Merkblatt zur
terschrift des gesetzlichen Vertreters bzw. eines gerichtlich Aufklärung ausreichen, wenn dem Patienten ausführ-
autorisierten Betreuers. lich Gelegenheit geboten wurde Fragen zu stellen.
4 Verfügt der Patient durch vorausgegangene artgleiche
Aufklärung und Einwilligung bei Verständigungsprob- Eingriffe bereits über Kenntnisse und Erfahrung, so
lemen Bei sprachlichen Verständigungsproblemen ist da- können die nach verbreiteter Ansicht insofern in die
rauf zu drängen, dass der Betroffene Adressat der Aufklä- Aufklärung vereinfachend einbezogen werden, als
rung ist und eine rechtsverbindliche Einwilligung nur er- unterstellt werden kann, dass der Patient bereits über
teilt werden kann, wenn der Inhalt der Aufklärung vom »Fachkenntnisse« verfügt.
Betroffenen verstanden wurde. Der Aufklärende hat dafür 4 Insgesamt sind Erleichterungen bzw. Vereinfachungen
zu sorgen, dass eine Übersetzungsmöglichkeit gegeben ist. im Verfahren der Aufklärung und Einwilligungsdoku-
Das Vorliegen von Verständigungsproblemen kundzutun mentation eher mit Zurückhaltung zu bewerten und
ist hingegen Pflicht des Patienten. im Interesse der rechtlichen Sicherheit eine standardi-
Es ist bei sprachlichen Verständigungsproblemen emp- sierte, aber den individuellen Besonderheiten Rech-
fehlenswert, die Situation und den Ablauf der Aufklärungs- nung tragende Aufklärung durchzuführen und ent-
und Einwilligungssitzung exakt zu dokumentieren. sprechend der Prozessdefinition zu dokumentieren.

Aufklärung und Einwilligung bei kosmetischen Indika-


tionen Die Aufklärung bei kosmetischen Indikationen im 34.4 Fehler und Gefahren
Zusammenhang mit einer Therapie der Varikose unter- bei der Aufklärung
scheidet sich nicht grundsätzlich von der Vorgehensweise
bei einer medizinischen Indikation. Es sollte in diesen Fäl- Rechtsstreitigkeiten wegen unterschiedlicher Auffassung
len jedoch auf eine wirklich umfassende und gut doku- zum Inhalt und zur Art der Durchführung und Dokumen-
mentierte Aufklärung und auf eine gut dokumentierte tation von Aufklärungsprozessen sind relativ häufig. Bei
Einwilligung zu achten. Insbesondere ist darauf zu achten, der Gestaltung des Gesamtprozesses »Aufklärung und Ein-
34.6 · Aufklärung vor operativen Maßnahmen
423 34
willigung« sind daher einige Punkte zu bedenken, um dem
Gebot der umfassenden, verständlichen und vollständigen . Tab. 34.1. Verödungstherapie - verfahrenstypische, aufklä-
rungsbedürftige Komplikationen und Verläufe
Aufklärung gerecht zu werden. Zu bedenken sind:
4 Wer klärt auf? Problem: Komplikation Flüssig- Schaum Besen-
5 Delegation keit reiser
4 Wen klärt der Arzt auf? Problem:
allergische Reaktion + + +
5 Kinder
5 Minderjährige Phlebitis + + +
5 Geschäftsunfähige Hautnekrose + + +
5 Verständigungsprobleme
4 Wann wird aufgeklärt? Problem: Pigmentierung + + +
5 Rechtzeitigkeit Matting + + +
4 Wie wird aufgeklärt? Problem:
tiefe Beinvenen- + + –
5 Form
thrombose (TVT)
– Schriftlich
– Mündlich Flimmerskotome – + –
4 Worüber wird aufgeklärt? Problem:
5 Krankheitsbild
5 Intervention
5 Komplikationen
. Tab. 34.2. Operationen – verfahrenstypische, aufklärungsbe-
5 Verhaltensweise des Patienten nach dem Eingriff dürftige Komplikationen und Verläufe bei Operationen
5 Nachbehandlung
5 Ergebnisse Komplikation Cross- Seitenast- SEPS
4 Wie weit wird aufgeklärt? Problem: ektomie + exstirpation/
Stripping Miniphleb-
5 Umfang
ektomie
5 Vollständigkeit
Blutung + + +

Verletzung großer + – +
34.5 Aufklärung vor Verödungstherapie Gefäße

Verletzung von + + +
Institutionen, die regelmäßig Verödungstherapien durch-
Nerven
führen, sollten entsprechend speziell ausgerichtete Aufklä-
rungsbroschüren vorrätig haben. Die Erstellung einer Wundinfektion + + +
schriftlichen Einwilligungserklärung ist angezeigt. Auf- Narbenbildung + + +
geklärt werden sollte über die in . Tab. 34.1 dargestellten
Hämatom + + +
Fakten.
Phlebitis + + –

Schwellung + + +
34.6 Aufklärung vor operativen
Maßnahmen Pigmentierung + + –

Matting + + –
Institutionen, die regelmäßig operative Eingriffe durch-
führen, sollten entsprechend speziell ausgerichtete Aufklä- Wundrandnekrose + + +

rungsbroschüren vorrätig haben. Die Erstellung einer Hautnekrose + + +


schriftlichen Einwilligungserklärung ist angezeigt. Auf-
tiefe Beinvenen- + + +
geklärt werden sollte über die in . Tab. 34.2 dargestellten thrombose (TVT)
Fakten.
424 Kapitel 34 · Aufklärung vor therapeutischen Maßnahmen

34.7 Aufklärung vor endovenösen


Maßnahmen . Tab. 34.3. Endovenöse Maßnahmen – verfahrenstypische,
aufklärungsbedürftige Komplikationen und Verläufe

T. Noppeney, H. Nüllen Komplikation RFO EVLT

Institutionen, die regelmäßig endovenöse Eingriffe durch- tiefe Beinvenenthrombose (TVT) + +

führen, sollten entsprechend speziell ausgerichtete Aufklä- Verbrennungen + +


rungsbroschüren vorrätig haben. Die Erstellung einer
Wundinfektion - -
schriftlichen Einwilligungserklärung ist angezeigt. Auf-
geklärt werden sollte über die in . Tab. 34.3 dargestellten Nervenläsionen + +
Fakten. Insbesondere ist darzulegen, was mit den Seiten- Phlebitis + +
astvarizen geschehen soll und in welcher Art diese behan-
delt werden sollen. Pigmentierungen + +

Matting + +
Literatur
Jansen C (1995) Zeitpunkt der Aufklärung bei ambulanten und statio- Hämatome + +
nären Operationen. Rheinisches Ärzteblatt März:48–50
Loh A, Simon D, Kriston L, Härter M (2007) Patientenbeteiligung bei
medizinischen Entscheidungen. Deutsches Ärzteblatt 104:1483–
1488
Noppeney T, Kluess HG, Gerlach H, Braunbeck W, Ehresmann U, Fischer
R, Hermanns H-J, Langer C, Nüllen H, Salzmann G, Schimmel-
pfennig L (2004) Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Krampf-
aderleidens der deutschen Gesellschaft für Phlebologie, der
Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie, des Berufsverbandes
der Phlebologen e.V. und der Arbeitsgemeinschaft der niederge-
lassenen Gefäßchirurgen Deutschlands e.V. Gefäßchirurgie;
9:290ff
Nüllen H, Noppeney T. (1998) Primäre Varikose. In: Allenberg JR, Zehle
34 A. Leitlinien zu Diagnostik und Therapie in der Gefäßchirurgie.
Deutscher Ärzteverlag Köln
Parzeller M, Wenk M, Zedler B, Rothschild M (2007) Aufklärung und
Einwilligung bei ärztlichen Eingriffen Deutsches Ärzteblatt
104:576–586
35

35 Anästhesieverfahren
in der Varizenchirurgie
H. Röpcke

35.1 Präoperative Evaluation – 426

35.2 Zeitpunkt des anästhesiologischen Aufklärungsgesprächs – 426

35.3 Präoperatives Nüchternheitsgebot bei elektiven Eingriffen – 427

35.4 Präoperative Medikation – 427


35.4.1 Perioperative Fortsetzung einer Dauermedikation – 427
35.4.2 Medikamentöse Vorbereitung für eine Anästhesie – 428

35.5 Narkose – 428

35.6 Spinal- oder Periduralanästhesie – 428

35.7 Lokalanästhetika – 429

35.8 Lokalanästhetika-Intoxikation – 430

35.9 Tumeszenz-Lokalanästhesie – 431

35.10 Lagerung des Patienten – 431

35.11 Postoperative Schmerztherapie – 432

35.12 Postoperative Übelkeit und Erbrechen – 432


35.12.1 Prophylaxe – 433
35.12.2 »rescue medication« – 433

35.13 Entlassung nach ambulanter Anästhesie – 433

35.14 Qualitätssicherung – 434


426 Kapitel 35 · Anästhesieverfahren in der Varizenchirurgie

35.1 Präoperative Evaluation durchzuführenden Untersuchungen richtet sich dann


nicht nach medizinischen Kriterien im eigentlichen Sinne
Gemäß den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für sondern nach ökonomischen Abwägungen. Zu überlegen
Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI), American ist, wie viel eine Untersuchung kostet, und wie hoch die
Society of Anesthesiologists (ASA) und des National Guide- Chance ist, durch diese Untersuchung einen behandlungs-
line Clearinghouse™ (U.S. Department of Health and bedürftigen Befund zu erkennen. Der Umfang standard-
Human Services) sind die wesentlichen Elemente der prä- mäßig durchgeführter Untersuchungen kann je nach per-
operativen Evaluation: sönlicher Einschätzung variieren. Es empfiehlt sich daher,
4 gründliche Anamnese dies im Vorfeld zwischen Operateur und Anästhesist abzu-
4 gründliche körperliche Untersuchung sprechen. In der eigenen Abteilung ist der in . Tab. 35.1
4 Auswertung der vom Patienten mitgebrachten oder im aufgeführte Standard festgelegt:
Krankenhaus bzw. Praxis erhobenen Vorbefunde. Im Falle gravierender Begleiterkrankungen ist ein dif-
ferenziertes Untersuchungsprogramm (Rücksprache mit
Die Indikation für zusätzliche diagnostische Untersuchun- dem Anästhesisten ggf. konsiliarische Untersuchung der
gen (ergänzende Laborbefunde, EKG, Röntgenbild des entsprechenden Fachkollegen) angezeigt.
Thorax etc.) ergibt sich erst aus der Bewertung von
4 Schweregrad der Grunderkrankung Literatur
4 Schweregrad der Begleiterkrankungen ICIS Health Care Guideline: Preoperative Evaluation. www.icsi.org
ASA Practice Advisory for preanesthesia Evaluation. www.asahq.org
4 Invasivität des geplanten operativen Vorgehens
DGAI (1998) Leitlinie zur anästhesiologischen Voruntersuchung. An-
ästh. Intensivmed. 39:204–205
Konsequenterweise sind bei ansonsten anamnestisch ge-
sunden Patienten mit unauffälligem körperlichen Unter-
suchungsbefund und geringfügigem operativen Eingriff
keine ergänzenden diagnostischen Untersuchungen erfor- 35.2 Zeitpunkt des anästhesiologischen
derlich. Aufklärungsgesprächs
Ein derartig restriktives Vorgehen, obwohl medizinisch
korrekt, kann bei unterschiedlicher Beurteilung durch An- Die Rechtsprechung geht von der Erwartung aus, dass das
ästhesist bzw. Operateur, oder durch die zeitliche Termi- Aufklärungsgespräch über eine Anästhesie genauso wie
nierung der Patientenuntersuchung zu Problemen im or- über den operativen Eingriff mit dem Patienten so frühzei-
35 ganisatorischen Ablauf der Patientenversorgung (zeitliche tig geführt wird, dass der Patient in aller Ruhe die Inkauf-
Verzögerung bis hin zum »Absetzen« der Patienten) füh- nahme der Risiken des medizinischen Eingriffs abwägen
ren. Dies geht zu Lasten der Patienten und führt zu höhe- kann. Wie lange der dem Patienten einzuräumende Zeit-
ren Kosten in der Patientenversorgung. Daher kann es raum sein muss, ist nicht explizit festgelegt. In der Regel
sinnvoll sein, einen Standard zwischen Anästhesist und werden 24 h als ausreichend angesehen. Im Einzelfall, bei
Operateur zu vereinbaren. Der Umfang der präoperativ besonderen Risiken, können auch längere Zeiträume erfor-

. Tab. 35.1. Standard: Untersuchungen vor Anästhesie bei operativen Eingriffen

Routine ggf. erweitert um

Kinder 4 Anamnese
< 18 J. 4 körperliche Untersuchung
4 keine Laborwerte

Erwachsene 4 Anamnese 4 Laborwerte (für Leber- oder Nierenfunktion, Stoff-


4 körperliche Untersuchung wechsel (z. B. Blutzucker, Schilddrüsenhormone),
4 Laborwerte: Blutgerinnung, Urin, Schwangerschaftstest),
– Hb 4 Untersuchungsverfahren z. B. Lungenfunktionstest,
– Quick, aPPT, Thrombozyten Belastungs-EKG, Echokardiographie etc.
– Na+, K+ 4 wenn sich aus Anamnese, Medikamentenein-
4 EKG ab Alter ≥ 40 Jahre nahme, körperlichem Untersuchungsbefund oder
Röntgen Thorax nur bei neu aufgetretener oder sich ver- klinischem Verlauf Hinweise auf entsprechende
schlechternder kardialer oder pulmonaler Erkrankung Erkrankungen bzw. Funktionsstörungen ergeben.

Abteilung für Anästhesiologie Städtische Kliniken Mönchengladbach GmbH


35.4 · Präoperative Medikation
427 35
derlich sein (hierzu ist dem Autor aus dem anästhesio- laminstoffwechsel wurde ein präoperatives Absetzen der
logischen Bereich jedoch kein gerichtsrelevanter Fall be- Medikamente vielfach empfohlen. Ggf. können neuere
kannt). Umgekehrt werden gerade bei ambulant durchge- Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer eingesetzt werden,
führten Eingriffen Aufklärungsgespräche am Morgen des ihre hämodynamischen Nebenwirkungen sind deutlich
Operationstages als ausreichend angesehen. Auf jeden Fall schwächer ausgeprägt. Ob jedoch die Inkaufnahme mög-
problematisch ist eine Aufklärung erst unmittelbar vor licher Risiken, die wiederum mit dem Absetzen oder Um-
dem Beginn der medizinischen Maßnahme. stellen einer antidepressiven Medikation einher gehen,
gerechtfertigt ist, erscheint zu mindestens fraglich, zumal
Literatur bei vorsichtiger Narkoseführung ausgeprägte hämodyna-
Parzeller M, Wenk M, Zedler B, Rothschild M (2007) Aufklärung und Ein- mische Nebenwirkungen rar sind.
willigung bei ärztlichen Eingriffen. Dtsch Ärztebl 104:567–586
In jedem Falle empfiehlt es sich, den zuständigen An-
ästhesisten in diesen Fragen zu konsultieren.

35.3 Präoperatives Nüchternheitsgebot Diabetes mellitus


bei elektiven Eingriffen Die perioperative Stoffwechselführung erfordert eine eng-
maschige Überwachung des Blutzuckerspiegels. Bei adä-
Entsprechend der Stellungnahme der Deutschen Gesell- quater Stoffwechseleinstellung sollte der Nüchtern-Blutzu-
schaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) cker am Operationstag normal bis maximal leicht erhöht
und des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten (BDA) sein (< 200 mg%).
können bis 6 h vor der Narkoseeinleitung Nahrung, etwa Sulfonylharnstoffe können wegen ihrer langen Halb-
in Form einer kleinen Mahlzeit, z. B. eine Scheibe Weiß- wertszeit bei präoperativer Nüchternheit Hypoglykämien
brot mit Marmelade, ein Glas Milch, aufgenommen wer- auslösen. Sie sollten deswegen am Morgen des OP-Tages
den. Klare Flüssigkeiten, die kein Fett, keine Partikel und nicht mehr eingenommen werden.
keinen Alkohol enthalten (z. B. Wasser, fruchtfleischlose Biguanide (Metformin), hier wurde früher aus Sorge
Säfte, kohlensäurehaltige Getränke wie Mineralwasser, vor der substanzspezifischen Nebenwirkung einer Lactat-
Limonade, Tee oder Kaffee, jeweils ohne Milch) können in Azidose empfohlen, die Substanz zwei Tage präoperativ
kleinen Mengen (ein bis zwei Gläser/Tassen) bis zu 2 h vor abzusetzen. Die Gefahr des Auftretens einer Lactatazidose
Narkoseeinleitung getrunken werden. Oral applizierbare erscheint jedoch bei adäquater Stoffwechseleinstellung
Medikamente können am Operationstag mit einem verschwindend klein, sodass viele Autoren empfehlen, die
Schluck Wasser bis kurz vor dem Eingriff eingenommen Substanz präoperativ bis zum Vortag der Operation weiter
werden. zu geben. So wird auf jeden Fall die Problematik der Um-
stellung einer antidiabetischen Medikation (Frage alterna-
Literatur tiv verwendeter Medikamente) und des Risikos einer Blut-
Präoperatives Nüchternheitsgebot bei elektiven Eingriffen (2004) zuckerentgleisung vermieden.
Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie
Insulinsensitizer (Glitazone), hier sind nur wenige Da-
und Intensivmedizin (DGAI) und des Berufsverbandes Deutscher
Anästhesisten (BDA). Anästh Intensivmed 45:720–728
ten zur perioperativen Medikation bekannt. Entsprechend
sollten sie wegen des prinzipiellen Risikos einer Hypogly-
kämie am OP-Tag nicht mehr gegeben werden.
Insulin: Zur perioperativen Stoffwechselführung bie-
35.4 Präoperative Medikation ten sich 2 alternative Methoden an:
1. kein Insulin und keine Glukosezufuhr. Erst vor der
35.4.1 Perioperative Fortsetzung nächsten Mahlzeit sollte die entsprechende Dosis an
einer Dauermedikation Insulin gegeben werden.
2. die Hälfte der üblicherweise applizierten morgend-
Fast die Hälfte der zu operierenden Patienten nimmt eine lichen Insulin-Dosis in Form von Alt-Insulin sowie
beträchtliche Anzahl an Medikamenten ein, ein Großteil Applikation von 500 ml einer 5%igen Glukoselösung
davon zur Therapie kardiovaskulärer, pulmonaler oder (entspricht etwa 2 BE). Entsprechend wird auch hier
metabolischer Erkrankungen. Mit Ausnahme der Anti- dann vor der nächsten Mahlzeit die respektive Dosis an
diabetika (s. u.) werden die Medikamente in der Regel bis Insulin gegeben.
einschließlich des Morgens des Operationstages weiter
eingenommen. In jedem Falle sollten Patienten mit einem insulinpflich-
Kontrovers diskutiert werden die tricyclischen Anti- tigen Diabetes mellitus möglichst frühzeitig am Opera-
depressiva. Wegen ihrer Interaktion mit dem Kathecho- tionstag operiert werden.
428 Kapitel 35 · Anästhesieverfahren in der Varizenchirurgie

35.4.2 Medikamentöse Vorbereitung Die Beatmung während der Narkose kann in Form
für eine Anästhesie einer endotrachealen Intubation oder über eine Larynx-
maske sichergestellt werden. Die Einführung einer Larynx-
Die präoperative Applikation von Medikamenten dient maske (der dem Kehlkopf anliegende Teil ist wie ein Nega-
primär der Reduktion von Angst und Stress. Verminderte tiv-Modell des Kehlkopfbereiches geformt) erfordert keine
Magensäuresekretion und Dosisreduktion der Medikamen- Muskelrelaxation. Bei Operationen auf der Dorsalseite der
te zur Narkoseeinleitung und trotzdem kurze postopera- Beine kann eine Lagerung des Patienten in Bauchlage er-
tive Erholungszeiten sind gerne mitgenommene positive forderlich sein. Einige Anästhesisten vertreten auch bei
Effekte. Operationen in Bauchlage die Beatmung über eine La-
Am häufigsten wird ein kurzwirksames Benzodia- rynxmaske, die meisten Anästhesisten würden in diesem
zepin (Midazolam) eingesetzt. Bei bekannten paradoxen Fall die endotracheale Intubation vorziehen.
Reaktionen auf Benzodiazepine kann auf Neuroleptika
ausgewichen werden. Literatur
Prinzipiell ist eine medikamentöse Prämedikation Reischuk, Borowski: Larynxmaske und Bauchlage. Evangelisches Kran-
kenhaus Essen-Werden, E-Mail: narkose@kliniken-essen-sued.de
nicht obligat. Auch intensive persönliche Zuwendung kann
eine deutliche Anxiolyse bewirken. Gleichwohl wird der
überwiegende Teil der stationären Patienten medikamen-
tös prämediziert. Patienten für ambulante Anästhesien 35.6 Spinal- oder Periduralanästhesie
wird eine medikamentöse Prämedikation meist vorenthal-
ten, aus Sorge die Entlassungsfähigkeit (»street fitness«) zu Alternativ zu einer Operation in Narkose können varizen-
verzögern. Auch wenn Patienten mit ambulanten Opera- chirurgische Eingriffe auch in einer Spinal- oder Peridural-
tionen sich meist nur »kleineren« operativen Eingriffen anästhesie durchgeführt werden. Klassische, »medizini-
unterziehen müssen, sollte der Nutzen einer präoperativen sche« Indikationen, Narkose oder rückenmarksnahe An-
Medikation individuell abgewogen werden. ästhesietechniken zu bevorzugen, resultieren aus den Vor-
erkrankungen der Patienten. Da bei der Mehrzahl der
Literatur Patienten mit varizenchirurgischen Eingriffen diesbezüg-
Holstein A, Egberts EH (2006) Traditionelle Metformin-Kontraindika- lich kaum relevante Vorerkrankungen vorliegen, können
tionen – mehr Schaden als Nutzen? Dtsch Med Wochenschr
bei der Wahl des Anästhesieverfahrens Wünsche des Pa-
131:105–110
Redel A, Schwemmer U (2008) Prämedikation – Perioperative Modifi-
tienten und Erfahrungen des Anästhesisten und Opera-
35 kation der Dauermedikation bei kardiovasculären, pulmonalen teurs berücksichtigt werden. Festzuhalten bleibt jedoch,
und metabolischen Erkrankungen. Anästhesiol Intensivmed Not- dass aus juristischen Erwägungen Patienten grundsätzlich
fallmed Schmerzther 2:144–153 über alternative Behandlungsverfahren aufzuklären sind.
Polarz H, Böker Th (2004) Metformin und operative elektive Eingriffe.
Hierzu gehört auch die Alternative Narkose/Regionalanäs-
(Leserbrief ) Anästhesist 53:467–470
thesie. Dies gilt auch dann, wenn die Alternativen im eige-
nen Hause nicht angeboten werden, auch auf die Gefahr
hin, dass der Patient sich dann woanders operieren lässt. In
35.5 Narkose seinen Empfehlungen, zum einen oder anderen Verfahren
zu raten, ist der behandelnde Arzt jedoch frei.
Für die Durchführung der eigentlichen Narkose bestehen Vor der Anlage einer rückenmarksnahen Regionalanäs-
zwei Kombinationsmöglichkeiten thesie sollte wegen des Risikos der Auslösung epiduraler
1. Kombination eines Inhalationsanästhetikums (Isoflu- Hämatome die Blutgerinnung kontrolliert und ein ausrei-
ran, Sevofluran oder Desfluran), eventuell mit Sickoxy- chender zeitlicher Abstand zur letztmaligen Gabe gerinnungs-
dul (Lachgas) und einem Opiat (Fentanyl, Sufentanil, aktiver Medikamente eingehalten werden (. Tab. 35.2).
Alfentanil oder Remifentanil)
2. Kombination eines intravenös applizierbaren Hypno- Literatur
tikums (Propofol) und eines Opiats als sogenannte to- Rückenmarksnahe Regionalanästhesien und Thromboemboliepro-
phylaxe/antithrombotischen Medikation (2007) 2. überarbeitete
tale intravenöse Anästhesie (TIVA), eventuell mit zu-
Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und
sätzlicher Gabe von Lachgas Intensivmedizin, Anästh Intensivmedizin 48:109–124

Klare medizinische Indikationen zur Auswahl zwischen


beiden Narkoseformen existieren im Bereich der Varizen-
chirurgie kaum. Die Wahl richtet sich eher nach persön-
lichen Erfahrungen und Vorlieben des Anästhesisten.
35.7 · Lokalanästhetika
429 35

. Tab. 35.2. Empfohlene Zeitintervalle vor und nach rückenmarksnaher Punktion bzw. Katheterentfernung

vor Punktion / nach Punktion / Laborkontrolle


Katheterentfernunga Katheterentfernunga

Unfraktionierte Heparine (Prophylaxe, 4h 1h Thrombozyten bei Therapie


≤ 15.000 IE Heparin) > 5 Tagen

Unfraktionierte Heparine (Therapie) 4–6 h 1h aPPT, (ACT), Thrombozyten


(keine i.v. Bolusgabe)

niedermolekulare Heparine (Prophylaxe) 12 h 2–4 h Thrombozyten bei Therapie


> 5 Tagen

niedermolekulare Heparine (Therapie) 24 h 2–4 h Thrombozyten (anti Xa)

Fondaparinux 36–42 h 6 –12 h (anti Xa)


(Prophylaxe, ≤ 2,5 mg/d)

Vitamin-K-Antagonisten INR < 1,4 nach Katheter- INR


entfernung

Hirudine (Leipuridin, Desirudin) 8–10 h 2–4 h aPPT, ECT

Agrathrombanb 4h 2h aPPT, ECT, ACT

Acetylsalicylsäure (100 mg/d)c keine keine

Clopidogrel 7 Tage nach Katheter-


entfernung

Ticlopidin 10 Tage nach Katheter-


entfernung

NSAR keine keine

a alleZeitangaben beziehen sich auf Patienten mit einer normalen Nierenfunktion, b verlängertes Zeitintervall bei Leberinsuffizienz,
c NMH einmalig pausieren, kein NMH 36–42 h vor der Punktion oder der geplanten Katheterentfernung

35.7 Lokalanästhetika barkeit entsprechender kontrollierter und randomisier-


ter Studien) sind, noch klare wissenschaftliche Konzepte
Vielfach werden kleinere Eingriffe am epifaszialen Venen- einer exakten Angabe in Milligramm oder mg/kg Kör-
system in Lokalanästhesie/Infiltrationsanästhesie (LA) pergewicht existieren. Vielmehr stammen die Angaben
vorgenommen. Hierbei wird die LA meist vom Operateur hierzu aus Extrapolationen von Tierversuchen, »kli-
vorgenommen. Hinreichende Kenntnisse zur Dosierung nischer« Erfahrung mit der Verwendung verschiede-
der Lokalanästhetika sind vom Anwender zu fordern. ner Dosierungen, Messungen von Blut-Konzentratio-
Die von den Herstellern empfohlenen Höchstdosen für nen und pharmakokinetischer Überlegungen sowie ein-
Lokalanästhetika ohne bzw. mit Vasokonstriktor sind in zelnen Fallberichten von Lokalanästhetika-Intoxika-
. Tab. 35.3 ersichtlich. tionen.
Bei den angegebenen Maximaldosierungen müssen Theoretisch hängt das Erreichen toxischer Lokalanäs-
gegebenenfalls noch die sogenannten Patientenfaktoren thetika-Plasmaspiegel von der Resorptionsrate aus den mit
berücksichtigt werden. Insbesondere fortgeschrittenes Lokalanästhetikum infiltriertem Gewebe ab. Die Resorp-
Alter, eingeschränkte Nieren- oder Leberfunktion, Herz- tionsrate der Lokalanästhetika ist bei subkutaner Injektion
insuffizienz, Schwangerschaft sowie Comedikation limi- kleiner als bei einer peripheren Nervenblockade; bei dieser
tieren die maximal applizierbare Dosis. wiederum kleiner als bei Plexus, epiduraler, kaudaler,
Es bleibt anzumerken, dass die heute verfügbaren interkostaler und intrapleuraler Anwendung. Als Konse-
Angaben zu Maximaldosierungen von Lokalanästhetika quenz hieraus wurde bereits bei einzelnen Lokalanästheti-
aus Lehrbüchern oder seitens der pharmazeutischen ka die maximal empfohlene Dosierung in Abhängigkeit
Hersteller weder evidenzbasiert (im Sinne einer Verfüg- vom Injektionsort angegeben.
430 Kapitel 35 · Anästhesieverfahren in der Varizenchirurgie

. Tab. 35.3. Empfohlene Höchstdosierungen der Lokalanästhetika laut Herstellerangaben

Lokalanästhetikum Handelsname und Maximaldosis ohne Maximaldosis mit


Konzentration Vasokonstriktorzusatz Vasokonstriktorzusatz

Lidocain Xylocain® 1–2% 300 mg Fachinformation ist zurück-


gezogen und deshalb nicht
mehr verfügbar

Licain® 0,5%–1% 200 mg 500 mg

Lidocain® 1% 300 mg 500 mg

Mepivacain Scandicain® 0,5–1–2% 300 mg o. 4 mg/kg KGa


400 mg o. 6 mg/kg KGb 500 mg
o. 7 mg/kg KGc

Meaverin® 0,5–1–2% 300 mg o. 4 mg/kg KG

Mecain® 0,5–1–2% 4 mg/kg KGa


6 mg/kg KGb
7 mg/kg KGc

MepiHEXAL® 1% 300 mg o. 4 mg/kg KGa


400 mg o. 6 mg/kg KGb 500 mg
o. 7 mg/kg KGc

Bupivacain Bucain® 0,25–0,5% 2 mg/kg KG

Bupivacain 0,25–0,5%® 150 mg o. 2 mg/kg KG

Carbostesin® 0,25–0,5% 150 mg o. 2 mg/kg KG

Ropivacain Naropin® 0,2–0,5% 225 mgd

Prilocain Xylonest® 0,5–1–2% 600 mg o. 8,5 mg/kg KG Fachinformation ist zurück-


gezogen und deshalb nicht
mehr verfügbar
35 a Interkostalblockade, b Periduralanästhesie und periphere Blockaden, c Plexusanästhesie, d Leitungs- und Infiltrationsanästhesie

Auch der Zusatz von Vasokonstriktoren zu Lokalan- Literatur


ästhetika verringert die Resorptionsrate. Vereinzelt finden Rosenberg PH, Veering BT, Urmey WF (2004) Maximum recommended
doses of local anesthetics: a multifactorial concept. Reg Anesth
sich Angaben zu Maximaldosierungen der Lokalanästhe-
Pain Med 29:564-75 Review
tika mit und ohne Vasokonstriktorenzusatz. Eine Gesamt- Niescher-Lüftl K (2002) Maximaldosen von Lokalanästhetika – Ver-
dosis von 0,25 mg Adrenalin bildet die Obergrenze. Auf- änderungen durch Adrenalinzusatz? Hautarzt 53:81–82
grund des Nebenwirkungsprofils der Katecholamine sollte Rote Liste® Service GmbH Frankfurt/Main, Stand Juni 2009, www.rote-
bei Vorliegen entsprechender Vorerkrankungen wie ausge- liste.de
prägter Hypertonie, KHK, Herzklappenfehlern, Hyperthy-
reose oder eines Diabetes mellitus der Zusatz von Adrena-
lin nur unter besonderer Abwägung von Nutzen und Risi- 35.8 Lokalanästhetika-Intoxikation
ko verwendet werden.
Je nach Vorerkrankungen und Ausmaß des operativen Die Symptome einer Lokalanästhetika-Intoxikation ent-
Eingriffs kann auch bei alleiniger Regionalanästhesie durch stehen bei Überschreitung entsprechender Plasma-
den Operateur eine Überwachung der Vitalfunktionen spiegel:
und die Anwesenheit eines Anästhesisten als »stand by« 4 durch Verwendung (absolut) zu hoher Dosen (z. B. re-
sinnvoll sein. Ggf. kann auch eine Analgosedierung erwo- petitive Dosierungen)
gen werden. Auch diese sollte in Abhängigkeit von Patient, 4 durch zu schneller Resorption (z. B. Injektion in stark
Operation und Dosierung der verwendeten Substanzen vaskularisiertes Gewebe)
durch einen Anästhesisten erfolgen. 4 bei akzidenteller intravasaler Injektion
35.10 · Lagerung des Patienten
431 35
Akut gefährdet sind die Patienten durch die neurologische kalanästhetikums. Hierfür werden Lidocain oder Prilocain
und kardiale Toxizität. Die entsprechenden Symptome sind verwendet. Normalerweise werden beide Lokalanästhetika
ein perorales Taubheitsgefühl und Kribbeln, Schwindel, in 1–2%igen Konzentrationen eingesetzt. Bei der Tumes-
metallischer Geschmack, verwaschene Sprache und Seh- zenz-Lokalanästhesie kommen 0,05%ige Konzentrationen
störungen, Unruhe, Muskelzittern, generalisierte Krämpfe mit Adrenalin-Zusatz zum Einsatz. Durch die Infiltration
bis hin zu Koma und zentraler Atemlähmung; bzw. Blut- entsteht ein prallelastischer Hautturgor (tumescere = an-
druckabfall, Sinusbradykardie, ventrikuläre Tachykardie, schwellen) sowie ein »Blanching-Effekt« (Abblassung durch
Kreislaufkollaps durch Rhythmusstörungen sowie negative Adrenalin-Zusatz und Gewebedruck). Nach einer Einwirk-
Inotropie und schließlich Kammerflimmern oder Asysto- zeit von 10 bis 30 min wird eine komplette Anästhesie er-
lie. Die neurologischen Symptome treten meist bei nied- reicht, die für viele Stunden anhält.
rigeren Konzentrationen auf als die kardialen. Als problematisch werden die bei der Tumeszenz-Lo-
Die Therapie ist symptomatisch und kann Intubation, kalanästhesie regelmäßig zur Anwendung kommenden
kontrollierte Beatmung und sogar kardio-pulmonale Reani- hohen Dosierungen sowohl des Lokalanästhetikums als
mation umfassen. auch des Adrenalin-Zusatzes angesehen. In seiner Stel-
Der Zusatz von Vasokonstriktoren zu Lokalanästhetika lungnahme warnt der Wissenschaftliche Arbeitskreis Re-
kann die Resorptionsrate und damit die Plasmaspiegel gionalanästhesie der Deutschen Gesellschaft für Anäs-
deutlich verringern. Andererseits beinhalten auch die ein- thesiologie und Intensivmedizin vor schwerwiegenden
gesetzten Vasokonstriktoren, wie Adrenalin, das Risiko Nebenwirkungen durch die Megadosierungen der Lokal-
von Nebenwirkungen wie Hypertension, Tachykardie, anästhetika, durch exorbitante Adrenalin-Dosierungen als
Myokardischämie Herzrhythmusstörungen bis hin zum auch durch die erhebliche parenterale Volumenüberlas-
Kammerflimmern. tung. Die Lokalanästhetika-Konzentrationen im zentralen
Das Lokalanästhetikum Prilocain führt dosisabhängig Kompartiment steigen protrahiert an. Maxima werden
zu einer Oxidation der Hämoglobin-Eisen-Moleküle, d. h. zum Teil erst nach 16 bis 23 h erreicht. Zusätzlich sind Me-
zur Bildung von Methämoglobin mit beeinträchtigten Sau- dikamenteninteraktionen (vor allem in Verbindung mit
erstofftransporteigenschaften. der vielfach begleitenden Sedierung und Analgesie) zu be-
Abzugrenzen von Lokalanästhetika-Intoxikationen fürchten. Speziell im Zusammenhang mit der Verwendung
sind allergische Reaktionen auf Lokalanästhetika. Ins- von Prilocain muss mit einer relevanten Met-Hämoglobin-
gesamt sind dies seltene Ereignisse. Lokalanästhetika vom entwicklung gerechnet werden. Die berichteten Letali-
Estertyp werden zu Derivaten von Paraaminobenzoe- tätsraten (95 Todesfälle bei nahezu 500.000 Fettab-
(PABA-)säure verstoffwechselt, einem in der Lebensmittel- saugungen in den USA; entsprechend 1 Todesfall pro
und kosmetischen Industrie weit verbreiteten Stoff mit 5.244 Operationen oder 19,1 Todesfälle pro 100.000 Ope-
hohem Allergiepotential. Ebenso können Konservierungs- rationen), übersteigen deutlich die elektiver chirurgischer
stoffe (Methylparaben) in Ampullen für Mehrfachgebrauch Eingriffe (3 pro 100.000 bei Leistenhernien-Opera-
Auslöser allergischer Reaktionen sein. tionen).
Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei An- Entsprechend kommt dieses Verfahren in unserer Ab-
wendung potentiell problematischer Lokalanästhetika- teilung nicht zur Anwendung.
Dosierungen die entsprechenden Medikamente sowie das
Instrumentarium zur Reanimation und manuellen Beat- Literatur
mung, Sauerstoffversorgung und Absaugung vor gehalten Schöpf E, Augustin M, Sommer B, Sattler G (2001) Tumeszenz-Lokal-
anästhesie: Ein neues Verfahren der Lokalanästhesie. Dt Ärztebl
werden müssen.
98:545–548
Das Anlegen eines venösen Zuganges ist anzuemp- Grazer FM, de Jong RH (2000) Fatal outcomes from liposuction: Census
fehlen. survey of cosmetic surgeons. Plast Reconstr Surg 105:436–
446
Literatur Tumeszenz-Lokalanästhesie, Stellungnahme des Wissenschaftlichen
Larsen R (1995) Lokalanästhetika. In: Larsen R (Hrsg) Anästhesie. Urban Arbeitskreises Regionalanästhesie der DGAI (2000) Anäth Inten-
& Schwarzenberg, München Wien Baltimore, S 428–454 sivmed 41:114–115

35.9 Tumeszenz-Lokalanästhesie 35.10 Lagerung des Patienten

Die Tumeszenz-Lokalanästhesie (TLA) ist eine Regionalan- Entsprechend der Absprache zwischen den Berufsver-
ästhesie der Haut und des subkutanen Fettgewebes durch bänden der Anästhesiologie und Chirurgie ist die Verant-
direkte Infiltration großer Volumina eines verdünnten Lo- wortung für die intraoperative Lagerung des Patienten eine
432 Kapitel 35 · Anästhesieverfahren in der Varizenchirurgie

gemeinsame Aufgabe von Chirurg und Anästhesist. Die


Art der Lagerung zur Operation richtet sich nach den Er- . Tab. 35.4. WHO-Stufenschema. Dosierungsempfehlungen
für Erwachsene
fordernissen des operativen Vorgehens. Die Durchführung
der Lagerung auf dem Operationstisch fällt in den Aufga- Beispiele
benbereich des Chirurgen. Pflegekräfte, die den Patienten
auf dem Operationstisch lagern, handeln dabei unter seiner Stufe I Nichtopioid- Paracetamol 1.000 mg *
analgetikum Metamizol 2,5 ga
Verantwortung. Der Anästhesist ist verantwortlich für die Diclofenac 50 mg
Lagerung der Extremitäten, die er für die Narkoseüber- Ibuprofen 600 mg
wachung sowie für die Applikation von Narkosemitteln Parecoxib (Dynastat®) 40 mg *
und Infusionen benötigt.
Stufe II Nichtopioid- siehe oben
Besondere Vorsicht ist bei Operationen in Seiten- und analgetikum + Tramadol 100 mga
in Bauchlage geboten. schwaches Tilidin/Naloxon 50 / 4 mg
Opioid
Literatur
Stufe III Nichtopioid- siehe oben
Deutscher Anästhesisten und des Berufsverbandes der Deutschen
analgetikum + Piritramid (Dipidolor®) 15 mga *
Chirurgen (1987) Verantwortung für die prä-, intra- und postope-
starkes Opioid Oxycodon (Oxygesic®) 20 mg *
rative Lagerung des Patienten. Vereinbarung des Berufsver-
bandes Anästh. Intensivmed. 28:65 ff a i.v. applizierbar

35.11 Postoperative Schmerztherapie 35.12 Postoperative Übelkeit


und Erbrechen
Auch wenn in der operativen Behandlung der Varikosis
postoperative Schmerzen im Vergleich zu anderen chirurgi- Postoperative Übelkeit und Erbrechen (PONV = post ope-
schen Eingriffen sicherlich geringer ausfallen, stellen rative nausea and vomiting) stellen einen, die Patienten-
Schmerzen einen wesentlichen, die Patientenzufriedenheit zufriedenheit erheblich beeinträchtigenden Faktor dar. Es
beeinträchtigenden Faktor dar. Daher sollten Schmerzen wurde eine Reihe von Risikofaktoren, die PONV begüns-
postoperativ routinemäßig erfasst und adäquat therapiert tigen, identifiziert. Sie sind zum Teil patientenspezifisch
werden. (weibliches Geschlecht, Nichtraucher, PONV oder Reise-
35 Zur Schmerzerfassung bieten sich an: krankheit in der Anamnese), abhängig von den verwen-
4 verbale Ratingskalen (kein – leichter – mäßiger – star- deten Anästhetika (Inhalationsanästhetika, Lachgas), der
ker – sehr starker – stärkster vorstellbarer Schmerz) intra- und postoperativen Verwendung von Opiaten, der
4 numerische Ratingskalen (Angabe als Zahl einer Skala Dauer des operativen Eingriffs (60% Risikoerhöhung pro
von 0–10 oder 0–100) jeweils 30 min OP-Dauer) und der Art des operativen Ein-
4 visuelle Ratingskalen (Schieber zwischen kein Schmerz griffs (wobei hier varizenchirurgische Eingriffe kein er-
und stärkstem vorstellbaren Schmerz) höhtes Risiko mit sich bringen).
Das individuelle Risiko lässt sich anhand eines ein-
Die Therapie beruht auf den Prinzipien des WHO-Stufen- fachen Risikoscores abschätzen, jeweils 1 Punkt für:
schemas (. Tab. 35.4). 4 weibliches Geschlecht
In der Initialphase nach dem operativen Eingriff bei 4 Nichtraucher
varizenchirurgischen Eingriffen können Opiate zusätzlich 4 PONV in der Anamnese
eine sinnvolle Wirkung entfalten. Wenn ihre Gabe als er- 4 postoperative Gabe von Opiaten.
forderlich erachtet wird, sollte die Applikation titrierend
bis zum Einsetzen der gewünschten Wirkung und unter Die Summe der sich ergebenden Punkte (0, 1, 2, 3 oder 4)
entsprechender Überwachung (Präsens ausgebildeten Per- entspricht einem Risiko von 10%, 20%, 40%, 60% bzw.
sonals) erfolgen. In der Regel sind in der Fortsetzung der 80%.
Therapie dann Nichtopioidanalgetika ausreichend.
Zu bedenken ist, dass insbesondere bei intraopera-
tivem Einsatz moderner, kurzwirkender Opiate deren Wir-
kung bereits in der Ausleitungsphase rapide nachlässt.
Daher sollte bereits während der Operation mit der Gabe
von Analgetika zur postoperativen Schmerztherapie be-
gonnen werden.
35.13 · Entlassung nach ambulanter Anästhesie
433 35
35.12.1 Prophylaxe 35.13 Entlassung nach ambulanter
Anästhesie
Eine Reihe von pharmakologischen Substanzklassen wird
zur Prophylaxe von PONV eingesetzt. Hierzu zählen Gerade Patienten mit varizenchirurgischer Operation
4 Cortison z. B. Dexamethason (Fortecortin®) werden vielfach unter ambulanten Bedingungen operiert.
4–5 mg i.v. Der Anästhesist trägt die Verantwortung sowohl für das
4 die 5-HT3-Rezeptorantagonisten Dolasetron (Anemet®) Betäubungsverfahren als auch für die Überwachung und
12,5 mg i.v., Granisetron (Kevatril®) 0,35–1,5 mg i.v., Aufrechterhaltung der vitalen Funktionen während des
Ondansetron (Zofran®) 4 mg i.v., Tropisetron (Navo- Eingriffs und postoperativ bis zur Aufhebung der Wirkung
ban®) 2 mg i.v. des Anästhesieverfahrens. Das gleiche gilt für Eingriffe in
4 die Neuroleptika Promethazin (Atosil®) 6,25–25 mg, Regionalanästhesie. Entsprechend kommen nur körper-
Haloperidol (Haldol®) 0,5–2 mg i.m./i.v. und Droperi- lich und psychisch stabile Patienten ohne klinisch relevante
dol (z. Z. in Deutschland nicht zugelassen) Begleiterkrankungen, die besondere postoperative Risiken
4 Dimenhydrinat (Vomex A®) 1 mg/kg i.v. oder erhöhten Behandlungsaufwand mit sich bringen, für
4 Scopalamin (Scopoderm TTS®) transdermales Pflaster ambulante Anästhesien in Frage.
Neben der anästhesiespezifischen Aufklärung sind
Da PONV nur bei einem Teil der Patienten auftritt und Verhaltens- und Warnhinweise (schriftlich) zu den Beson-
umgekehrt eine Prophylaxe auch keine 100%ige Sicherheit derheiten des postoperativen Verlaufes, zu Art und Zeit-
vor PONV bietet, müssten eine ganze Reihe von Patienten punkt möglicher Medikation einschließlich des notwen-
prophylaktisch behandelt werden, um einen Fall von digen Hinweises zu Straßen- und Verkehrsfähigkeit zu
PONV zu verhindern. Dies wird durch die sogenannte geben. Diese Hinweise sind dem Patienten oder der Be-
»number needed to treet« (NNT) ausgedrückt. Die NNT treuungsperson in nachweisbarer Form auszuhändigen,
liegt für die meisten Antiemetika im Bereich zwischen nach Möglichkeit bereits im Rahmen einer präoperativen
5 und 8. In Anbetracht des Nebenwirkungsprofils und Anästhesiesprechstunde.
der Kosten wird daher eine allgemeine Prophylaxe für alle Die Entlassung des Patienten erfolgt nach einer zu do-
Patienten nicht empfohlen. Eine Prophylaxe sollten nur kumentierenden Abschlussvisite. Folgende Kriterien müs-
Patienten mit erhöhten Risiken (z. B. Risikoscore ≥ 2) er- sen mindestens erfüllt sein:
halten. 4 Patient ist im Vollbesitz seiner Schutzreflexe
4 stabile Kreislaufverhältnisse
4 keine respiratorischen Einschränkungen
35.12.2 »rescue medication« 4 Orientierung nach Zeit und Ort
4 kein akutes postanästhesiologisches Erbrechen
Tritt postoperativ PONV auf, entweder trotz Prophylaxe 4 Nahrungsaufnahme möglich
oder bei Patienten ohne antiemetische Prophylaxe, so kann 4 Sicherstellung einer adäquaten postoperativen
versucht werden, durch Gabe von Antiemetika eine Besse- Schmerztherapie
rung zu erreichen. Prinzipiell sollte nicht die Dosierung
eines bereits applizierten Antiemetikums erhöht werden, Bei Regionalanästhesien ist zusätzlich zu prüfen und zu
sondern vielmehr ein Medikament einer anderen Subs- dokumentieren
tanzklasse verwendet werden. 4 dass die Blockade von Sensorik und Motorik rückläufig
ist
Literatur
4 bei rückenmarksnahen Verfahren ist zusätzlich die
Gan TJ, Meyer TA, Apfel CC, Chung F, Davis PJ, Habib AS, Hooper VD,
Kovac AL, Kranke P, Myles P, Philip BK, Samsa G, Sessler DI, Temo J,
Blasenfunktion zu berücksichtigen.
Tramèr MR, Vander Kolk C, Watcha M (2007) Society for Ambula-
tory Anesthesia guidelines for the management of postoperative Literatur
nausea and vomiting. Anesth Analg 105:1615–1628 Vereinbarung zur Qualitätssicherung ambulante Anästhesie des Be-
Apfel CC, Läärä E, Koivuranta M, Greim CA, Roewer N (1999) A simpli- rufsverbandes Deutscher Anästhesisten, der Deutschen Gesell-
fied risk score for predicting postoperative nausea and vomiting: schaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin und des Berufs-
conclusions from cross-validations between two centers. Anes- verbandes der Deutschen Chirurgen (2005) Anästh. Intensivmed.
thesiology 91:693–700 46:36-37 sowie Anästh. Intensivmed. 47:50–51
434 Kapitel 35 · Anästhesieverfahren in der Varizenchirurgie

35.14 Qualitätssicherung

Qualitätssicherung besteht aus den Teilbereichen Struktur-


qualität, Prozessqualität und Ergebnisqualität. Zur Erfas-
sung der Ergebnisqualität wurde von der Deutschen Ge-
sellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI)
und vom Berufsverband Deutscher Anästhesisten (BDA)
der sogenannte Kerndatensatz Anästhesie am »runden
Tisch« erarbeitet und beschlossen. Hiermit werden die
präoperative Risikoeinstufung des Patienten, das durch-
geführte Anästhesieverfahren, die durchgeführten opera-
tiven Prozeduren (OPS) und als »Outcome« Besonder-
heiten im anästhesiologischen Verlauf (AVB) erfasst.
Als ergänzendes Instrument bieten sich postoperative
Patientenbefragungen an. Ein derartiges Instrument ist der
ppp33-Fragebogen zur Ermittlung der Patientenzufrie-
denheit genauso wie zur Analyse von Stärken und Schwä-
chen in der Behandlungsqualität operativer Patienten. Hier
wird nicht primär auf die postoperative Erholung fokus-
siert, vielmehr stellt er ein Instrument zur Erfassung der
Lebensqualität von Patienten in der unmittelbaren peri-
operativen Phase dar. In der derzeitigen Version besteht er
aus 33 Fragen zu den Dimensionen Patientenautonomie,
Kommunikation, körperliche Beschwerden, Schmerzen,
Ruhe/Erholung, Angst und Hotelleistungen. Er dient somit
als ein interdisziplinäres Messinstrument, das einen we-
sentlichen Beitrag zur Qualitätssicherung im Rahmen von
operativen Eingriffen leisten kann.

Literatur
35 http://www.dgai.de/06pdf/08_413-QS-Sicherung.pdf
Eberhart LHJ, Kranke P, Bündgen W, Simon M, Geldner G, Wulf H et al.
(2004) Entwicklung und Evaluation eines neuen Instruments zur
Patientenbeurteilung in der perioperativen Phase (PPP-Fragebo-
gen). Anästh Intensivmed 45:436-445
36

36 Thromboembolieprophylaxe
T. Noppeney, H. Nüllen

36.1 Einleitung – 436

36.2 Thromboseprophylaxe in der Varizenchirugie – 436

36.3 Thromboseprophylaxe bei endovenösen Eingriffen – 437

36.4 Thromboseprophylaxe bei Sklerosierung – 438

36.5 Zusammenfassung und Bewertung – 438


436 Kapitel 36 · Thromboembolieprophylaxe

36.1 Einleitung
. Tab. 36.2. Tab. 13.2-1: perioperative TVT Prophylaxe mit
niedermolekularem Heparin. QS Projekt Varizenchirurgie
Seit den Untersuchungen von Kakkar (1971) ist die low- ANG 1997–1999
dose Heparinisierung zum Standard als Thrombosepro-
phylaxe in der operativen Medizin geworden. Komplikatio- Eingriffe 16.713 100,00%
nen nach varizenaussschaltenden Eingriffen sind selten Heparin 5.967 35,70%
und in der Mehrzahl unbedeutend (7 Kap. 30, 31.1, 31.3).
Die einzig schwerwiegende postoperative Komplika- Kein Heparin 10.746 64,30%

tion nach Eingriffen am epifaszialen Venensystem ist die


tiefe Beinvenenthrombose (TVT). Deren Häufigkeit wird
nach operativen Eingriffen mit 0,03 bis 0,1%, nach endo-
. Tab. 36.3. Inzidenz der tiefen Venenthrombose nach Vari-
venöser Therapie mit Radiofrequenz mit 0,2% (Noppeney zenchirurgie. QS-Varizenchirurgie ANG 1997–1999. * p > 0,05
2008), nach Laser mit 0,3% (Lübke 2008) und nach Schaum-
verödung mit 0,0 bis 0,9% (7 23.4) angegeben. Die TVT Eingriffe 16.713 100,00%
stellt damit ein seltenes Ereignis dar. . Tab. 36.1 gibt die Patienten 11.119 100,00%
Häufigkeit einer TVT nach Varizenoperationen an.
TVT 12 operierte Beine 0,072%
Neben dem individuellen und allgemeinen Thrombo-
serisiko beeinflussen forensische Aspekte die Entscheidung Patienten 0,107%
des Arztes eine Thromboseprophylaxe durchzuführen.
LE 0 0,0

TVT b 4 0,095%
36.2 Thromboseprophylaxe TVT c 8 0,064%
in der Varizenchirugie
TVT m. Heparin 2 0,034%*

Die vorliegenden Zahlen über die Durchführung einer TVT o. Heparin 10 0,093%*
TVT-Prophylaxe zeigen ein ziemlich uneinheitliches Bild.
Die Daten des Qualitätssicherungsprojektes Varizenchi-
rurgie der ANG aus den Jahren 1997–1999 bei 16.713 Ein-
griffen zeigen, dass 35,7% der Operierten perioperativ ein 0,093% und in der Heparin-Gruppe 0,034% (. Tab. 36.3).
niedermolekulares Heparin zur Thromboseprophylaxe – Die absolute Risikoreduktion (ARR) betrug somit 0,059%.
im Durchschnitt für 5 Tage – erhielten, 64,3% wurden Die Unterschiede in den objektiv beobachteten Häufig-
ohne Prophylaxe operiert (. Tab. 36.2). Die erfassten Fälle keiten sind statistisch nicht signifikant, sie liegen ausnahms-
36 mit nachgewiesener tiefer Beinvenenthrombose wurden los innerhalb der durch das 95%-Konfidenzintervall defi-
einer besonderen Analyse unterzogen. nierten Grenzen (. Abb. 36.1). Die Wahrscheinlichkeit,
Unter den analysierten 16.713 Operationen fanden sich dass bei 1.000 operierten Patienten nicht mehr als 1 Patient
12 Fälle (0,072%) mit objektiv nachgewiesener tiefer Bein- eine Thrombose erleidet liegt unter diesen Bedingungen in
venenthrombose. Dies entspricht 0,1% der behandelten der Heparin-Gruppe bei 95% und ohne Heparinprophylaxe
Patienten (. Tab. 36.3). Lungenembolien bzw. Todesfälle bei 76%. Die »number needed to treat« (NNT) beträgt 1.695
wurden im erfassten Kollektiv nicht beobachtet. Die Throm- operierte Extremitäten unter Heparinprophylaxe um
boserate betrug in der Gruppe ohne Heparin-Prophylaxe 1 TVT zu verhindern (Nüllen 2006).

. Tab. 36.1. Inzidenz der TVT nach varizenchirurgischen Eingriffen

Balzer 2001 Helmig 1983 Nüllen 1995 Noppeney 2005


25.457 Extremitäten 20.353 Extremitäten 1.981 Strombahnen 49.939 Strombahnen

n % n % n % n %

TVT 7 0,03 11 0,08 2 0,1 37 0,08

LE 5 0,02 2 0,01 0 0 8 0,2

retrospektiv retrospektiv prospektiv prospektiv


1975–1982 1993–1994 2001–2003
36.3 · Thromboseprophylaxe bei endovenösen Eingriffen
437 36
also davon ausgehen, dass auch die Art der Versorgung –
ambulant oder stationär – die Indikation zur Prophylaxe
mit NMH beeinflusst.
In der Literatur liegt bislang nur eine prospektive Stu-
die vor, die systematisch mit prä- und postoperativer Du-
plexsonographie die Frage der TVT-Häufigkeit nach Va-
rizenoperation untersucht (van Rij 2004). Von 377 ope-
rierten Patienten (494 Extremitäten) konnte bei 20 (5,3%)
postoperativ eine TVT nachgewiesen werden. Die meisten
. Abb. 36.1. 95% Konfidenzintervalle (95% KI). Mittlere Markie- Thrombosen (n = 18) betrafen kurze Segmente der Unter-
rung = beobachteter Wert, Werte in Promille (‰). Die beobachteten schenkelvenen bzw. Muskelvenen am Unterschenkel. Es
Unterschiede sind statistisch nicht signifikant. Die beobachtete Häu-
bestand kein signifikanter Unterschied zwischen der
figkeit von Thrombosen in der Gruppe ohne Heparin-Prophylaxe
liegen innerhalb des 95% KI der Heparingruppe. Dieses Diagramm Gruppe mit TVT-Prophylaxe (1-mal NMH präoperativ)
soll den Überlappungsbereich der KI darstellen. Statistisch signifi- und der Gruppe ohne Prophylaxe. Als Risikofaktor für
kant würde bedeuten, dass die KI sich nicht überlappen eine TVT erwiesen sich auf signifikantem Niveau nur die
positive Familienanamnese und die Schwere der Erkran-
kung (Stadien C5 und C6 der Varikose). Die Autoren
Betrachtet man anschließend die Kosten einer Hepa- ziehen die Schlussfolgerung, dass in der Varizenchirurgie
rin-Prophylaxe in der Varizenchirurgie, so spricht das Er- nur Patienten mit individuellen Risikofaktoren, insbeson-
gebnis nicht unbedingt für die routinemäßige Durchfüh- dere wenn mehrere vorliegen, eine Prophylaxe mit NMH
rung der Prophylaxe: benötigen.
Bei einer NNT von 1.695 und einer unterstellten An- Die interdisziplinäre S3-Leitlinie »Thromboembolie-
wendungsdauer von 7 Tagen bei einem mittleren Preis eines prophylaxe« (Enke 2009) sagt zur Thromboseprophylaxe
NMH-Präparates von ca. 27,00€ pro 7 Ampullen muss ein in der Varizenchirurgie, dass bei Patienten ohne zusätz-
Aufwand von ca. 46.000,00€ getätigt werden, um eine TVT liche Risikofaktoren für eine Thromboembolie auf eine
zu vermeiden. Die Gesamtkosten der routinemäßigen He- medikamentöse Thromboseprophylaxe verzichtet werden
parin-Prophylaxe belaufen sich bei ca. 300.000 durchge- kann. Bei diesen Patienten sollen Basismaßnahmen und
führten Eingriffen am epifaszialen Venensystem unter den postoperative Kompressionstherapie eingesetzt werden.
o. g. Voraussetzungen auf ca. 8,1 Mill. € pro Jahr. Eine Prophylaxe mit NMH sollte dann durchgeführt wer-
Die Qualitätssicherungsdaten der Jahre 2001–2003 den, wenn zusätzliche Risikofaktoren für eine Thrombose,
zeigten ein etwas anderes Bild. Die überwiegende Mehrzahl wie z. B. familiäre Belastung, bereits durchgemachte TVT,
der Patienten (n = 31.465; 86,6%) erhielten eine Throm- Thrombophilie, längere Operationsdauer, besondere Me-
boseprophylaxe, davon 69,6% (n = 25.276) zwischen 1 und dikamente, Adipositas, eingeschränkte Beweglichkeit etc.
5 Tage und 17% (n = 6.189) über 5 Tage. 4.858 Patienten vorliegen.
(13,4%) erhielten perioperativ keine Thromboseprophylaxe
mit niedermolekularem Heparin (NMH). Die Rate der
postoperativen venösen Thrombembolien unterschied sich 36.3 Thromboseprophylaxe
in den 3 Gruppen nicht wesentlich: bei endovenösen Eingriffen
4 kein NMH: 0,06 %, n = 3;
4 NMH 1–5 Tage: 0,07 %, n = 18 Die für die endovenösen Ausschaltungsverfahren vorliegen-
4 NMH über 5 Tage: 0,42 %, n = 26 den Daten – Daten aus RCT und Metaanalysen – zeigen,
dass sich die perioperative Thromboserate in vergleich-
Die Nachblutungs-/Hämatomrate war mit 1,21 (n = 59) barer Größenordnung bewegt wie bei der Operation.
und 1,20% (n = 303) in der Gruppe ohne NMH und der Lediglich einige wenige Publikationen weisen höhere
Gruppe mit NMH 1–5 Tage gleich. Sie stieg auf 3,60% periinterventionelle Thromboseraten auf, wobei es sich
(n = 232) bei den Patienten, die NMH länger als 5 Tage zum einen um endovenöse Lasereingriffe an der V. saphena
erhielten (Noppeney 2005). parva (Pröbstle 2003), zum anderen um Thrombuspropa-
Die Unterschiede in der Heparinapplikation in den gation von dem verschlossenen Teil der V. saphena magna
beiden Qualitätssicherungskollektiven lässt sich mit hoher im Mündungsbereich in das tiefe Venensystem (Hingorani
Wahrscheinlichkeit daraus erklären, dass in der Gruppe 2004) handelt.
der ANG überwiegend ambulante Eingriffe erfasst wur- Ungeklärt ist bei endovenösen Eingriffen, vor allem bei
den, während in den Jahren 2001–2003 überwiegend Kli- Anwendung endovenöser Lasertherapie mit Farbstoff-
niken an der Qualitätssicherung teilnahmen. Man kann lasern unter 1000 nm Wellenlänge, ob der in der behan-
438 Kapitel 36 · Thromboembolieprophylaxe

delten Vene zurückbleibende Thrombus ein zusätzliches Die Eingriffsdauer ist verhältnismäßig kurz. Die Aus-
Thromboserisiko, analog dem Geschehen bei Thrombo- wertung der Operationszeiten im Qualitätssicherungs-
phlebitis, darstellt. Messungen von D-Dimeren, Fibrino- projekt der DGG 2001–2003 ergab, dass 67,4% aller durch-
gen, Fibrin oder anderen Gerinnungsparametern, die da- geführten Eingriffe eine Operationszeit von weniger als
rüber Auskunft geben können, liegen in der Literatur nicht 60 min aufwiesen (Noppeney 2005). In der Qualitätssiche-
vor. rungsmaßnahme Varizenchirurgie der ANG wurden sogar
Wichtig ist bei den wenig invasiven, endovenösen Ein- 91,6% aller Eingriffe in weniger als 60 min ausgeführt. Die
griffen, dass auch hier physikalische Maßnahmen zur Eingriffszeiten für endovenöse Verfahren bzw. die Sklero-
Thromboembolieprophylaxe ergriffen und diese nicht der therapie sind vergleichbar kurz.
geringen Invasivität geopfert werden. Darüber hinaus erscheint eine obligatorische Heparin-
Prophylaxe bei konsequenter Beachtung der physika-
lischen Prophylaxemaßnahmen, wie Kompression und
36.4 Thromboseprophylaxe Mobilisation, bei varizenausschaltenden Eingriffen nicht
bei Sklerosierung erforderlich zu sein.
Die Indikation zur Heparin-Prophylaxe ist vielmehr an
Wie bereits eingangs erwähnt, ist die Thromboserate bei den individuellen dispositionellen Risikofaktoren auszu-
Sklerotherapie in der Regel gering. Sie bewegt sich bei der richten, die der jeweilig zu behandelnde Patient aufweist.
Schaumverödung zwischen 0,0 und 0,9%. Ein deutlicher Hierzu zählen vor allem
Anstieg der Thromboserate ist jedoch zu verzeichnen, 4 eine stattgehabte TVT
wenn große Schaumvolumina injiziert werden. Angegeben 4 eine positive Familienanamnese
werden bis zu 6% (7 23.5). 4 eine bekannte Thrombophilie
Das interdisziplinäre 2. Konsensusmeeting zur Schaum- 4 die Schwere der Erkrankung
sklerosierung 2006 (Breu 2008) gibt zur Thrombosprophy-
laxe folgende Empfehlungen: Aber auch andere Faktoren, die sonst eine Bedeutung in
4 Patienten mit einem hohen Risiko für eine Thrombose der Risikostratifizierung für eine TVT haben, sind hier zu
stellen eine relative Kontraindikation zur Schaumver- berücksichtigen.
ödung dar; wenn doch eine Sklerotherapie durchge- Auch in der überarbeiteten Leitlinie zur Varikose
führt wird, dann unter Gabe von NMH (Noppeney et al. 2010) wird ausgeführt, dass eine Throm-
4 eine bekannte Thrombophilie stellt ebenfalls eine rela- boseprophylaxe generell nicht notwendig ist, jedoch bei
tive Kontraindikation für Schaumverödung dar; wenn Vorliegen von individuellen Risiken durchgeführt werden
doch eine Sklerotherapie durchgeführt wird, dann un- sollte.
ter Gabe von NMH
36 4 wenn NMH notwendig, dann Gabe für 7 Tage Literatur
Balzer K (2001) Komplikationen bei Varizenoperationen. Zentralbl Chir
126:537–542
Breu X, Guggenbichler S, Wollmann JC (2008) 2nd European Consen-
36.5 Zusammenfassung und Bewertung sus Meeting on foam sclerotherapy 2006. 37: Suppl. 71, 3–29
Encke et al. (2009) Prophylaxe der venösen Thromboembolie (S3 Leit-
Der Einsatz von Heparin zur Thromboseprophylaxe bei linie) VASA 38:7ff; Supplement S/76 http://www.uni-duesseldorf.
kurz dauernden und/oder wenig invasiven Eingriffen wird de/awmf/ll/003-001.pdf
Helmig L (1983) Häufigkeit von Frühkomplikationen bei 13.024 Krampf-
kontrovers diskutiert. In der täglichen Praxis wird die Ent-
aderoperationen. Phlebol Proktol 12: 184–195
scheidung häufig allein unter forensischen Gesichtspunk- Hingorani AP, Ascher E, Markevich N et al (2004) Deep venous throm-
ten zugunsten der Heparinanwendung getroffen, ohne bosis after radiofrequency ablation of the greater saphenous
dass prädisponierende Faktoren und das individuelle Risi- vein; a word of caution. J Vasc Surg; 40: 500–504
ko des Patienten ausreichend gewürdigt werden. Kakkar VV, Field ES, Nicolaides AN et al (1971) Low doses of heparin in
the prevention of deep vein thrombosis. Lancet 2:45
Eingriffe bei unkomplizierter Varikose sind Eingriffe
Lübke T, Brunkwall J (2008) Systematic review and meta-analysis
mit einem niedrigen expositionellen thromboembolischen of endovenous radiofrequency obliteration, endovenous laser
Risiko. In der Regel werden jüngere, gesunde Personen therapy, and foam sclerotherapy for primary varicosis; J Cardio-
ohne schwere Begleiterkrankungen operiert. Das Durch- vasc Surg; 49:213–33
schnittsalter der Patienten in Qualitätssicherungsprojekt Noppeney T, Eckstein HH, Niedermeier H et al (2005) Ergebnisse des
Qualitätssicherungsprojektes Varizenchirurgie der Deutschen
Varizenchirurgie der DGG betrug 51,7 Jahre. 93,9% der
Gesellschaft für Gefäßchirurgie. Gefäßchirurgie 10:121–128
Patienten befanden sich im Stadium ASA 1, bzw. 2 (Noppe- Noppeney T, Noppeney J, Winkler M (2008) Update der Ergebnisse
ney 2005). Auch in anderen untersuchten Patientenkollek- nach Radiofrequenzobliteration zur Ausschaltung der Varikose.
tiven war das Durchschnittsalter vergleichbar niedrig. Gefäßchirurgie;13:258–264
36.5 · Zusammenfassung und Bewertung
439 36
Noppeney T, Kluess HG, Gerlach H et al (2010) Leitlinie zur Diagnostik
und Therapie der Krampfadererkrankung. Gefäßchirurgie 1, zur
Publikation akzeptiert
Nüllen H, Reese von Ohlen C (1995) Ambulante Varizenchirurgie in der
Praxis. In: Imig, H. Schröder A. Varizen Poplitea Aneurysmen
Steinkopf Darmstadt ,1995
Nüllen H, Noppeney T (2006) Thromboseprophylaxe in der Varizen-
chirurgie Gefäßchirurgie 2006; 11: 117–120
Pröbstle T, Gül D, Kargl A et al (2003) Endovenous laser treatment of
the lesser saphenous vein with a 940 diode laser : early results.
Dermatol Surg; 29: 357–361
van Rij AM, Chai J, Hill GB et al (2004) Incidence of deep vein thrombo-
sis after varicose vein surgery. Br J Surg ; 91:1582–1585
37

37 MRSA in der Phlebologie


H. Nüllen, U. Kamphausen, C. Nielen, T. Noppeney

37.1 Definition – 442

37.2 Epidemiologie – 442

37.3 Übertragung und Ausbreitung – 443

37.4 Diagnostik – 443

37.5 Therapie – 443

37.6 MRSA-Management – 443


37.6.1 MRSA-Management in der ambulanten Praxis – 444
37.6.2 MRSA-Management in der Klinik – 445

37.7 MRSA-Überwachung – 446


442 Kapitel 37 · MRSA in der Phlebologie

37.1 Definition 37.2 Epidemiologie

Chronische Ulzera mit den Problemen der Superinfektion Staphylokokkus aureus ist ein Bakterium, das ubiquitär
sind in der Phlebologie ein altbekanntes und hinreichend verbreitet ist. Es ist bei jedem 2. bis 3. Menschen auf der
gewürdigtes Problem. Mit der zunehmenden Verbreitung Haut und auf der Schleimhaut des Nasenvorhofs koloni-
multiresistenter Keime hat dieses Problem eine neue Di- siert, ohne per se eine Erkrankung bzw. Infektion auszu-
mension erreicht. lösen. Staphylokokkus aureus ist ein typischer Wundkeim
Infektionen durch multiresistente Erreger (MRE) neh- und stellt weltweit das Hauptproblem bei in Krankenhäu-
men seit Jahren weltweit zu. Ein Problem, welches zunächst sern akquirierten Infektionen (nosokomiale Infektionen)
weitgehend als Hospitalisationsphänomen gesehen wurde, dar.
hat inzwischen auch die ambulante Praxis und nicht kran- Die Durchseuchungsgrade in verschiedenen Ländern
kenhaustypische Institutionen erreicht (z. B. Alten- und werden sehr unterschiedlich angegeben. Es ist wichtig, bei
Pflegeheime (. Tab. 37.2), Kinderheime etc.). Eine Reihe Betrachtung der Zahlen immer die Basis zu betrachten, ob
von Abkürzungen (. Tab. 37.1) charakterisieren die spe- es sich also um Infektionen handelt oder um Anteile der
ziellen Erregertypen. MRSA stellten das zeitlich zuerst mikrobiologisch isolierten Keimarten. Betrachtet man die
aufgetretene und das allgemein bekannteste Problem dar, Häufigkeitsangaben in verschiedenen Ländern, so zeigen
wobei die ersten MRSA-Stämme bereits 1960 isoliert wur- sich extreme Unterschiede. In den Niederlanden z. B. be-
den. So wurde der Begriff »MRSA« zum Synonym für den trägt der MRSA-Anteil über die Jahre relativ konstant
gesamten Bereich der multiplen Antibiotikaresistenz. ca. 3%, wohingegen in Deutschland eine Quote von 25%
beobachtet wurde, mit weiterhin steigender Tendenz.
Während in den Niederlanden ein konsequentes Manage-
ment gegen nosokomiale Infektionen seit Jahren erfolg-
. Tab. 37.1. Nomenklatur der Multiresistenz
reich praktiziert wird, stecken entsprechende Maßnahmen
MRSA methicillinresistente Staphylokokken z. B. in der Bundesrepublik noch in den Kinderschuhen. In
VRE vancomycinresistente Enterokokken
den Niederlanden können die Infektionsquoten auf der
Basis von Erhebungen benannt werden, andere Länder,
ESBL Extended-Spektrum-beta-Laktamase-resistente darunter auch die Bundesrepublik, verfügen lediglich über
gram-negative Bakterien
Hochrechnungen. Diese Zahlen sind daher aus epidemio-
MDRSP multidrugresistente Streptococcus pneumoniae logischer Sicht als eher fraglich valide einzustufen.
Kaum noch beherrschbar ist die Situation in Japan,
VISA vancomycinintermediate Staphylokokkus aureus
Stämme USA, Spanien, Italien, Frankreich und England mit Quo-
ten von 20 bis 60%.
VRSA vancomycinresistente Staphylokokkus aureus Wie konnte es zu dieser, inzwischen durchaus kri-
Stämme
tischen Situation kommen? Die Ursachen hierzu werden
37 gesehen in:
4 hohem kumulativem Selektionsdruck durch unkri-
tische und unsachgemäße Antibiotikatherapie
. Tab. 37.2. Prävalenz von MRSA in Alten- und Pflegeheimen
(2003) 4 Mangel an Präventions- und Hygienemaßnahmen (un-
zureichendes Screening, mangelnde Händedesinfek-
Land Quote in % tion etc.)
4 unterlassene oder unzureichende Sanierung der Infi-
USA 8–53
zierten und Kontaminierten
Großbritannien 14–17

Australien 11 Ein besonderes Problem werden in Zukunft die sog. »com-


munity acquired« (CA-)MRSA, d. h. die unter ambulanten
Japan 34
Bedingungen erworbene MRSA-Kontaminationen dar-
Niederlande <1 stellen. CA-MRSA sind in der Lage, bei ansonsten gesunden
Menschen durchaus schwere und bedrohliche Infektionen
Deutschland 2,4
auszulösen. Kürzlich wurde der erste Keim beim Menschen
isoliert, der bislang nur bei Schweinen gefunden wurde,
sodass neben den Menschen aus Gemeinschafts- und Sam-
melunterkünften auch Menschen aus landwirtschaftlich
geprägtem Milieu als CA-MRSA-Träger verdächtig sind.
37.6 · MRSA-Management
443 37
Die CA-MRSA-Quoten, die aus dem Ausland berichtet 4 Krankenhausaufenthalt (> 24 h) innerhalb der letzten
werden, sind durchaus beängstigend. 6 Monate
MRSA-Infektionen führen zu einer Verlängerung der 4 Aufenthalt in Alten- bzw. Pflegeheim (> 24 h) inner-
Liegedauer in den klinischen Abteilungen um 5–12 Tage. halb der letzten 6 Monate
Die Therapie und die notwendigen Hygienemaßnahmen 4 antibiotische Therapie innerhalb der letzten 6 Monate
führen bei MRSA zu Mehrkosten zwischen 6.000 und 4 chronische Pflegebedürftigkeit
20.000€ pro Fall und übertreffen damit die Kosten für Prä- 4 Katheter-Träger
vention um das 100- bis 1.000-fache. 4 Dialysepflichtigkeit
4 chronische Wunde, Ulcus cruris etc.
4 Beschäftigte in der Landwirtschaft, insbesondere mit
37.3 Übertragung und Ausbreitung Kontakt zu Schweinen.

MRSA kann von kontaminierten Personen auf andere Per-


sonen und Patienten übertragen werden. Ein einmaliger 37.5 Therapie
Kontakt eines Gesunden mit MRSA ist aber kaum geeig-
net, eine Übertragungskette in Gang zu setzen. Hierfür Auf die Therapie von MRSA-Infektionen soll hier nicht
sind vielmehr bestimmte biologische Grundvorausset- näher eingegangen werden, vielmehr muss auf die Spezial-
zungen notwendig: literatur verwiesen werden. Die Sanierung (Eradikation)
4 ausreichend hohe Keimzahl auf der Haut des MRSA- der MRSA-Kontamination ist in jedem Falle wünschens-
Trägers wert (. Tab. 37.3). Sie ist jedoch nur dann möglich, wenn
4 stattgehabter direkter und wiederholter Kontakt des keine sanierungshemmenden Faktoren vorliegen. Sanie-
potentiell Kontaminierten mit der kolonisierten Haut rungshemmende Faktoren sind:
des MRSA-Trägers 4 Wunden
4 Übertragung einer kritischen Zahl von MRSA-Bak- 4 Ulcera
terien 4 Langzeitantibiose
4 Erreichen der Haut/Schleimhaut der Kontaktperson 4 Katheter
4 Konversion von transienter zu permanenter MRSA
durchsetzter Flora auf der neu kontaminierten Haut/ Liegen solche Hemmnisse vor, so steht die Behandlung
Schleimhaut dieser Probleme bzw. Beendigung dieser Maßnahmen im
4 Vorliegen von Risikofaktoren bei der Kontaktperson Vordergrund. Erst danach kann eine Eradikation durchge-
(Antibiotika, Wunden, Katheter etc.) führt werden. Die erste Stufe der MRSA-Sanierung dauert
etwa 15 Tage. Eine derartige zusätzliche Liegezeit ist unter
klinischen Bedingungen kaum noch realisierbar, weshalb
37.4 Diagnostik dieses Problem in zunehmendem Maße die ambulante
Praxis belastet.
In der Praxis muss bei Vorliegen von Risikofaktoren (siehe
RKI August 2008) eine Klärung der Infektion bzw. Konta-
mination durch entsprechende mikrobiologische Diag- 37.6 MRSA-Management
nostik durchgeführt werden, wenn dies für den weiteren
Verlauf des Krankheitsfalles oder für die ggf. weiteren ge- Als allgemeine Aufgaben zum Management der MRSA-
planten Maßnahmen bedeutsam ist. Diese Diagnostik ist Problematik gelten
nicht abdingbar, sondern gesetzliche Vorgabe! 4 Aufklärung der Patienten und der Angehörigen
Zur Diagnostik werden Abstriche aus der ggf. vor- 4 Schulung des zuständigen Personals (Krankenpflege-
handenen Wunde und von kritischen Hautarealen (Nasen- personal, medizinische Fachangestellte, Altenpfleger-
Rachen-Raum, Leistenbeuge, Achsel etc.) untersucht. (innen) etc.
Für die Routinediagnostik reichen normale mikrobio- 4 Isolierung von kontaminierten Patienten und Ver-
logische Kulturmaßnahmen aus. Die Durchführung der dachtsfällen bei stationärer Behandlung
wesentlich teureren Schnellteste ist dann erforderlich, wenn 4 standardisierte Hygienemaßnahmen (hygienische
eine kurzfristige stationäre Einweisung notwendig ist. Händedesinfektion, allgemeine Desinfektionsmaß-
Als Risikofaktoren, die einen Verdachtsfall charakteri- nahmen)
sieren, gelten: 4 Eradikation in geeigneten Fällen
4 positive MRSA-Anamnese
4 Kontakt zu einem MRSA-Träger
444 Kapitel 37 · MRSA in der Phlebologie

. Tab. 37.3. Sanierung von MRSA-Trägern

Phase Maßnahme Dauer

A Abklärung durch Abstrichkulturen aus Nasenvorhof, Rachen, Achseln, Leiste, ggf. Rektum, bis zum Ergebnis
Abstrich ggf. Hautläsionen 3–4 Tage

B Vorgehen bei fehlenden Sanierungshemmnissen: 5–7 Tage


Behandlung 4 Nasensalbe: Mupirocin-Nasensalbe 3-mal täglich für 3 Tage (X®) alternativ Bacitracin (X®)
4 Rachenspülungen: Antiseptika
4 Ganzköperwaschung: antiseptische Seifen und Waschlotionen
4 täglich Wäsche, Bettzeug, Waschlappen, Handtücher etc. wechseln
4 Versorgungsartikel desinfizieren (Uhr, Brille, Rasierer, Zahnbürste etc.)

C Abklingphase für ggf. verbliebene Rückstände antiseptischer Substanzen. 2–4 Tage


Pause

D Kontrollabstriche von den vorgenannten Regionen an 3 aufeinander folgenden Tagen. 3 Tage


Erfolgskontrolle

Ergebnis Von einer erfolgreichen Sanierung kann ausgegangen werden, wenn alle unter D erfolgten
Abstriche ein negatives Kulturergebnis zeigen.

E 4 nach 1 Monat
Wiederholungs- 4 nach 3–6 Monaten
abstriche 4 nach 6–12 Monaten

F Nach 12 Monaten und bleibendem negativen Ergebnissen der Abstrichkontrollen gilt der
Frei Patient als endgültig saniert.

37.6.1 MRSA-Management die Beherrschung der Problematik und »to do«-Listen nicht
in der ambulanten Praxis existieren. Dies darf aber den Praxismanager nicht davon
abhalten, seinerseits proaktiv tätig zu werden.
Die MRSA-Problematik ist kein reines »Krankenhausprob-
lem« oder Problem allgemein stationärer Behandlungs- Identifikation
einheiten (Alten- und Pflegeheime etc.), sondern auch ein Eine MRSA-Abklärung ist nicht bei jedem Patienten not-
Problem in der ambulanten Arztpraxis. Die Probleme, die wendig, dies würde alle verfügbaren Ressourcen sprengen.
37 dabei in diesem Versorgungsbereich auftreten können, Bei Erstkonsultationen von Patienten, die in das o. g. Risi-
umfassen: koprofil passen, sollte jedoch vor notwendigen invasiven
4 die Nachversorgung bekannter MRSA-Träger oder Behandlungsmaßnahmen eine Abklärung der MRSA-Kon-
auch MRSA-Infizierter nach der Entlassung aus statio- tamination erfolgen. Die MRSA-Testung muss bei der Erst-
närer Behandlung konsultation von Patienten mit Hautläsionen, chronischen
4 die Identifikation von MRSA-Besiedlungen z. B. bei Wunden und Ulcera cruris obligatorisch sein. Bis zum Vor-
Patienten mit chronischen Wunden vor einer eventuell liegen eines mikrobiologischen Befundes muss der betref-
notwendigen stationären Versorgung fende Patient behandelt werden wie ein bekannter MRSA-
4 Verhinderung der Weiterverbreitung von MRSA-Be- Träger.
siedlung in und durch die eigene Praxis Bei der Übernahme von Patienten mit sekundären
Wunden oder Ulcera aus der stationären Versorgung
Auch die »normale« Arztpraxis und erst recht die gefäßme- müssen Testergebnisse über den MRSA-Status übermittelt
dizinisch bzw. phlebologisch orientierte Praxis wird nicht werden.
umhinkommen, ein MRSA-Konzept zu entwickeln und zu Eine eindeutige und nachvollziehbare Dokumentation
dokumentieren. Kooperationen und Absprachen über In- über den MRSA-Status von Patienten mit einem entspre-
formationswege und Behandlungspfade mit den Kliniken chenden Risikoprofil oder chronischen Wunden bzw.
im Einzugsbereich sind ebenfalls dringend erforderlich. Ulzera in der Patientenakte etc. ist aus medizinischen,
Hierbei erweist es sich als hinderlich, dass immer noch in allerdings auch aus forensischen Gründen wichtig und
vielen deutschen Kliniken nachvollziehbare Konzepte für sollte mit entsprechender Akribie betrieben werden.
37.6 · MRSA-Management
445 37
Isolierung Desinfektionsbäder eingelegt werden, bevor sie der wei-
Nach übereinstimmender Meinung der einschlägig be- teren Reinigung und Sterilisation zugeführt werden.
kannten Experten sind besondere Isolationsmaßnahmen, 4 Nach Beendigung einer Behandlungsmaßnahme wird
Kittelpflege etc. in der ambulanten Arztpraxis nicht erfor- nach Entsorgung der kontaminierten Einmalmate-
derlich. Konkrete Verhaltensmaßregeln (Arbeitsanweisun- rialien eine Flächendesinfektion der Behandlungsliege
gen) für das Praxispersonal und ein dokumentierter ein- vor der Behandlung des nächsten MRSA-Patienten
deutig definierter Arbeitsablauf bei der Versorgung von durchgeführt.
MRSA-Patienten sowie die Festlegung von Desinfektions- 4 Nach Beendigung der Behandlungsserie ist eine gründ-
maßnahmen sind jedoch zwingend notwendig. liche Säuberung und Flächendesinfektion aller Flä-
chen unter Beachtung der Einwirkzeiten erforderlich.
Ablaufplanung Danach können die Räumlichkeiten für den nor-
Um einen standardisierten Behandlungsablauf bei der malen Betrieb wieder freigegeben werden, erkennbar
Versorgung von MRSA-Patienten zu gewährleisten, sollen an der autorisierten Entfernung der o. a. Kennzeich-
feste Regeln in Form von Arbeitsanweisungen aufgestellt nung.
und deren Einhaltung von den verantwortlichen Ärzten
regelmäßig kontrolliert werden. Die aufgeführten Maßnahmen sind als ausreichend zu
4 MRSA-Patienten müssen bekannt sein und in der Do- betrachten. Ein Unterschreiten dieses Standards sollte
kumentation (Kartei/EDV etc.) gekennzeichnet sein. jedoch vermieden werden. Man muss davon ausgehen,
4 MRSA-Träger und MRSA-Infizierte sollen zu festen dass die Spitze der Kontaminations- und Infektionshäu-
Zeiten einbestellt werden. figkeit in Deutschland noch nicht erreicht ist und die Ver-
4 Für die Behandlung sollen nach Möglichkeit immer die sorgungsproblematik MRSA-kontaminierter Patienten
gleichen Räumlichkeiten benutzt werden. in Praxen sich noch weiter verschärfen wird. Der mit der
4 Mit Beginn einer Behandlungsphase müssen die Versorgung verbundene erhebliche zeitliche, logistische
Räumlichkeiten gekennzeichnet werden, damit für alle und personelle Mehraufwand hat bislang keinen Eingang
Eingeweihte erkennbar ist, dass eine MRSA-Behand- in die einschlägigen Gebührenordnungsziffern gefunden.
lungsserie angelaufen ist und die Räumlichkeit für Der hohe Aufwand und die hierzu in keinem vernünftigen
nicht MRSA-Patienten und für nicht eingeteiltes Per- Verhältnis stehende Honorierung sind zwei gewichtige
sonal gesperrt ist. Als Kennzeichnung bietet sich z. B. Gründe für bereits erkennbare Versorgungsengpässe. Es
ein Schild in Form eines laminierten DIN A4 Blattes besteht die Gefahr für ein neuzeitliches »Aussätzigenprob-
mit einem aufgedruckten großen roten Punkt an. lem«!
4 Die Behandlung soll nur von besonders geschultem
und besonders erfahrenem Personal vorgenommen
werden. Eine eindeutige Einteilung und Zuordnung ist 37.6.2 MRSA-Management in der Klinik
erforderlich (Rückverfolgbarkeit).
4 Verbrauchsmaterial, Instrumente etc. sollen vor Be- Die Situation in der Klinik, insbesondere in einer opera-
ginn der Behandlung bereitgestellt werden. Zusätzlich tiven Abteilung, ist grundsätzlich anders zu bewerten als
benötigtes Material soll durch einen »Springer« zuge- die Situation in der Praxis. In der Klinik überwiegen i.d.R.
führt werden. schwerkranke und mehr oder weniger abwehrgeschwächte
4 Alle Maßnahmen am Patienten müssen unter Verwen- Patienten, die darüber hinaus unter invasiven Überwa-
dung von Handschuhen erfolgen. Das Tragen eines chungs- bzw. Therapiemaßnahmen stehen. Diese Situation
Mundschutzes ist empfehlenswert. Besondere »Kittel- führt leicht dazu, dass aus einer MRSA-Kontamination
pflege« ist nicht erforderlich. eine MRSA-Infektion wird. Daher sind hier besondere
4 Während der Behandlung soll die Behandlungsunter- Maßnahmen zu treffen.
lage im Wundbereich aus wasserfestem Einmalmate-
rial bestehen. Aufnahme
4 Alle gebrauchten Verbandmaterialien, gebrauchten Patienten mit Hautdefekten, chronischen Wunden und
Handschuhe, Unterlagen etc. sollen sofort in beson- Ulzera gelten bei der Aufnahme als potentiell kontami-
dere Entsorgungsgefäße (z. B. kleine Müllbeutel) ver- niert und sollen unter Isolationsbedingungen weiter abge-
bracht werden, die bei Abschluss der Behandlung so- klärt werden. Während der Isolation von Verdachtsfällen
fort der endgültigen Entsorgungseinheit zugeführt und bei gesicherten MRSA-Trägern soll sog. »Kittelpflege«
werden. erfolgen.
4 Gebrauchte Instrumente müssen sofort nach Beendi- Wahleingriffe sollten erst nach MRSA-Sanierung er-
gung der Behandlungsmaßnahme in entsprechende folgen.
446 Kapitel 37 · MRSA in der Phlebologie

37.7 MRSA-Überwachung Hinweise zu Risikopopulationen für die Kolonisation mit MRSA


(August 2008) Epidemiologisches Bulletin Nr.42
Robert Koch Institut (2003) Methicillin-restistente Staphylococcus
Das Nationale Referenzzentrum für die Überwachung von aureus (MRSA) in deutschen Alten und Pflegeheimen – zur Situa-
nosokomialen Infektionen (nrz) wurde 1995 vom Bundes- tion. Epidemiologisches Bulletin Nr.19, 09.05.2003 Volltext: http://
gesundheitsministerium zusammen mit dem Robert Koch www.modernealtenpflege.de/Download/A47.pdf )
Institut (RKI) initiiert. Die Verwaltung liegt beim RKI die Robert Koch Institut ( 2008) Auftreten und Verbreitung von MRSA in
Deutschland 2008. Epidemiologisches Bulletin Nr.42
Umsetzung beim Hygiene-Institut der Charité ( www.nrz-
Robicsek A, Beaumont J, Paule SM, Hacek DM, Thomson RB, Kaul KL,
hygiene.de). Aufgabe des nrz war und ist u. a. der Aufbau King P, Petersen LR (2008) Universal surveillance for methicillin-
und die Pflege einer Referenzdatenbank für nosokomiale resistant staphylococcucus aureus in 3 Affiliates Hospitals. Ann
Infektionen (Krankenhaus-Infektions-Surveillance-Sys- Intern Med 148:409–418
tem – KISS).
Inzwischen sind eine Reihe von unterschiedlichen
Modulen entwickelt worden und in Funktion (http://www.
nrz-hygiene.de/surveillance/mrsa.htm ):
4 Modul OP-KISS (für Operationen)
4 Modul ITS-KISS (Intensivstationen)
4 Modul NEO-KISS (für neonatologische ITS)
4 Modul ONKO-KISS (für Patienten mit Blutsstamm-
zelltransplantationen)
4 Modul AMBU-KISS (für ambulante Operationen)
4 Modul DEVICE-KISS (für Normalpflegestationen)
4 Modul MRSA-KISS (für nosokomiale und nicht noso-
komiale MRSA-Fälle im Krankenhaus)

Die Generierung von Daten z. B. mit Hilfe des MRSA-KISS


ist die erste Voraussetzung für Kliniken um einen Über-
blick über die eigene Situation zu gewinnen und die Wirk-
samkeit von Interventionen verfolgen zu können.
Für den ambulanten Praxisbereich gibt es z. Z. prak-
tisch keine Daten. Dies wird aber eine Aufgabe für die Zu-
kunft sein, da die durch die MRSA-Problematik zuneh-
menden Aufgaben und Belastungen in der Praxis sicher-
lich auch einen Niederschlag im Honorierungssystem
finden müssen.
37
Literatur
Chaberny IF, Gastmeier P (2007) Wie präsentiert man am besten MRSA-
Daten? Hyg Med 32:10–14
Diekema DJ, Climo M, (2008) Preventing MRSA infections. JAMA
299:1190–1192
Friedrich AW, Daniels-Haardt I, van Gemert-Pijen LJWC, Hendrix MGR,
(2008) Euregio MRSA-net (www.mrsa-net.org)
Harbarth St, Fankhauser C, Schrenzel J, Christenson J, Gervaz P,
Bandiera-Clerc C, Renzi G, Vernaz N, Sax H, Pittet D (2008) Univer-
sal screening for methicillin-resistant staphylococcucus aureus at
hospital admission and nosocomial infection in surgical patients.
299: 1149–1157
Mitteilung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektions-
prävention am RKI (1999) Empfehlung zur Prävention und Kon-
trolle von Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus-Stäm-
men (MRSA) in Krankenhäusern und anderen medizinischen
Einrichtungen. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung
– Gesundheitsschutz 42: 954–958
Mitteilung der KRINKO und des RKI (2008) Kommentar zu den »Emp-
fehlungen zur Prävention und Kontrolle von MRSA-Stämmen in
Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen«
38

38 Qualitätssicherung
in der Varizenchirurgie
T. Noppeney, H. Nüllen

38.1 Entwicklung – 448

38.2 Ergebnisse – 449

38.3 Wertung und Weiterentwicklung – 452


448 Kapitel 38 · Qualitätssicherung in der Varizenchirurgie

Die Varikose und ihre Folgeerkrankungen gehören zu den exakte Auswertung der Daten möglich. In der strom-
volkswirtschaftlich bedeutenden Erkrankungen. In der ak- bahnbezogenen Auswertung ist auch der entscheidende
tuellsten epidemiologischen Studie, der Bonner Venenstu- Fortschritt im Vergleich zu den Daten des QS Varizen-
die 2003, fand sich chirurgie der ANG zu sehen.
4 bei 12,4% der Männer und 15,8% der Frauen eine Vari- Neben der schlüssigen Auswertung der erfassten Daten
kose ohne Zeichen einer CVI, ist die Definition von Qualitätszielen bzw. Qualitätsindika-
4 bei 11,6% der Männer und 14,9% der Frauen venös toren für die invasive Therapie der Varikose wichtig.
bedingte Ödeme Qualitätsindikatoren sind Hilfsgrößen, die die Quali-
4 bei 3,8% der Männer und 3,4% der Frauen eine fort- tät einer Institution durch Zahlen bzw. Zahlenverhältnisse
geschrittene chronisch venöse Insuffizienz (CEAP: indirekt abbilden. Man könnte sie auch als qualitätsbezo-
C4–C6) (Rabe 2003). gene Zahlen bezeichnen (Peitsch 1996). Verschiedenen
Arten von Qualitätsindikatoren werden unterschieden:
Dies bedeutet, dass knapp 28% der männlichen und 34% 4 globale Indikatoren
der weiblichen Bevölkerung eine mehr oder weniger aus- 4 fachspezifische Indikatoren
geprägte Varikose aufweisen. 4 diagnosespezifische Indikatoren
Die Bedeutung der Varikose spiegelt sich auch in der 4 übergreifende Indikatoren.
Anzahl der jährlich durchgeführten Operationen wieder.
In Deutschland werden jährlich ca. 300.000–350.000 vari- Zu allgemein anerkannten Qualitätsindikatoren in der
zenchirurgische Eingriffe durchgeführt. invasiven Therapie zählen z. B. die Aufklärungsquote,
Die Qualität der durchgeführten Eingriffe wird viel- die Anzahl nosokomialer Infektionen, der postoperative
fach angezweifelt. Eine Publikation aus dem Jahr 2002 Transfusionsbedarf, die Rate der Operationen bis zum
(Mumme) sorgte für erhebliche Unruhe und Diskussionen, 2. Tag nach stationärer Aufnahme und adäquate Diagnos-
da in dieser Arbeit hauptsächlich technische Fehler beim tik. Im Laufe der Qualitätssicherungsmaßnahmen müssen
Ersteingriff für die hohe Rezidivrate nach Varizenopera- dann die Qualitätsindikatoren anhand der erfassten Daten
tionen angeführt werden. auf ihre Validität überprüft werden.
Auf Grund der uns vorliegenden Daten muss davon Für die QS-Varizenchirurgie wurden folgende Quali-
ausgegangen werden, dass z. Z. nur ca. 10% aller Eingriffe tätsziele bzw. -indikatoren definiert:
am epifaszialen Venensystem in spezialisierten Zentren 1. Exakte Beschreibung des Ausmaßes und der Schwe-
mit entsprechender Erfahrung in der operativen bzw. re der Erkrankung
endovaskulären Sanierung der Varikose durchgeführt Die Beschreibung des klinischen Bildeserfolgt mit Hil-
werden. fe der CEAP-Klassifikation; für die Beschreibung der
Anatomie und Pathophysiologie wird die CEAP-Klas-
sifikation und Stadieneinteilung nach Hach verwendet
38.1 Entwicklung (7 Übersicht; 7 Kap. 15). Daraus lässt sich die korrekte
Indikationsstellung zur Ausschaltung der Varikose ab-
Vor diesem Hintergrund und basierend auf den Erfah- leiten; keine operative oder endovenöse Maßnahme im
38 rungen des Qualitätssicherungsprojektes (QS) Varizen- Stadium C1, Operation einer sekundären Varikose nur
chirurgie, das im Bereich der Arbeitsgemeinschaft nieder- bei bestimmter Indikationsstellung
gelassener Gefäßchirurgen (ANG) von 1995 bis 2000 2. Erfassung und Charakterisierung der Diagnostik
durchgeführt worden ist, wurde von Seiten der Qualitäts- Keine Varizenoperation soll ohne bildgebendes Verfah-
sicherungskommisssion der Deutschen Gesellschaft für ren in der präoperativen Diagnostik durchgeführt wer-
Gefäßchirurgie (DGG) die QS-Varizenchirurgie entwi- den. Dieses Qualitätsmerkmal hat auch Eingang in die
ckelt und 2001 eingeführt. Leitlinie zur Therapie des Krampfaderleidens gefunden
Die Schwierigkeit von Qualitätssicherungsmaß- (Noppeney et al. 2004). Als bildgebendes Standardver-
nahmen bei der Varizenchirurgie besteht darin, dass fahren soll die farbcodierte Duplexsonographie einge-
der Patient zwei Extremitäten mit insgesamt bis zu setzt werden. Zusätzlich muss vor einem Eingriff am
vier zu operierenden Stromgebieten hat. Man muss in der epifaszialen Venensystem das tiefe System in der präo-
Erfassung unterscheiden zwischen der Zahl der Patienten perativen Diagnostik beurteilt sein (7 Übersicht).
und der Zahl der Eingriffe. Da die Eingriffe sowohl mehr- 3. Beurteilung des operativen bzw. endovenösen Vor-
zeitig als auch einzeitig durchgeführt werden können, gehens
muss auch nach der Zahl der operierten Strombahnen Aufgrund der erhobenen Befunde soll eine stadien-
differenziert werden. Erst nach »Herunterbrechen« der gerechte Therapie eingeleitet werden. Aus den Daten
Qualitätssicherung auf die einzelne Strombahn war eine sollte sich eine Korrelation zwischen den präoperativen
38.2 · Ergebnisse
449 38
Stadien und dem entsprechenden operativen bzw. 4 intraoperative Gefäßverletzungen ≤ 0,05%
endovenösen Vorgehen ergeben. So sollte bei einer In- 4 tiefe Venenthrombose ≤ 1,00%
suffizienz der V. saphena magna (VSM) Hach I oder II 4 Lungenembolie ≤ 0,05%
lediglich eine Crossektomie ohne oder mit Stripping 4 Wundinfektion ≤ 1,00%
der VSM am Oberschenkel durchgeführt werden, bei 4 Nachblutung/ ausged. Hämatom ≤ 1,00%
einer Insuffizienz der VSM bis zum Unterschenkel – 4 Lymphkomplikationen ≤ 1,00%
Hach III oder IV – eine Crossektomie und Stripping 4 Bluttransfusion ≤ 0,05%
der VSM bis zum Unterschenkel.
4. Erfassung der Ergebnisqualität Daneben lassen sich noch weitere Parameter für eine hohe
Intraoperative Komplikationen sollten äußerst selten Ergebnisqualität definieren, wie z. B. die Rate an periope-
auftreten. Bluttransfusionen sollten nach komplika- rativen Sensibilitätsstörungen, pulmonalen oder kardialen
tionsloser Varizenoperation nicht vorkommen. Darü- Komplikationen. Diese Komplikationen sind jedoch ent-
ber hinaus sollte eine möglichst niedrige perioperative weder relativ häufig – Sensibilitätsstörungen – und müssten
Komplikationsrate erreicht werden (7 Übersicht). ggf. neurologisch nachuntersucht werden, um sie zu vali-
dieren, oder sie treten sehr selten auf und geben letztlich
keine Auskunft über die Qualität des durchgeführten Ein-
Qualitätsziele und Qualitätsindikatoren
griffs.
Varizenchirugie
Es besteht ein weiteres Problem in der Erfassung der
4 exakte Beschreibung des Ausmaßes und der perioperativen Komplikationen. Während der niedergelas-
Schwere der Erkrankung sene Arzt, sei es als ambulanter Operateur, als Beleg- oder
4 keine Varizenoperation ohne bildgebendes Ver- Konsiliararzt, seinen Patienten in der Regel auch postope-
fahren, möglichst häufig Duplexsonographie rativ betreut und so alle Komplikationen bis zu 30 Tagen
4 Einleitung einer stadiengerechten Therapie erfassen kann, sieht der Krankenhausarzt den Patienten in
4 Korrelation zwischen präoperativen Befunden der Regel nur zur Operation und danach maximal 2 Tage.
und operativem Vorgehen Um in dieser Konstellation die Komplikationen bis zu
4 seltenes Auftreten intraoperativer Komplikationen 30 Tagen zu erfassen, muss eine enge Kooperation mit dem
4 möglichst niedrige perioperative Komplikations- zuweisenden Arzt bestehen. Aus der letzten Auswertung
rate von 2008 geht hervor, dass 30,7% der operierten Patienten
4 Eingriff in möglichst gutem Gesundheitszustand nur bis zu drei Tagen postoperativ nachuntersucht wurden
und immerhin 4,9% zwischen 22 bis 30 Tagen und 26,3%
länger als 30 Tage nachuntersucht wurden.
Aus den vorliegenden Daten der Literatur lassen sich vor- Zur Erfassung der Daten wurden die oben genannten
läufige Benchmarks definieren. Qualitätsziele bzw. Qualitätsindikatoren in entsprechende
Nach großen Singlecenterstudien beträgt die intra- Abfragen und Markierungsfelder umgesetzt. Um über-
operative Komplikationsrate mit Verletzungen großer Ge- prüfen zu können, ob die übersandten Daten valide sind,
fäße zwischen 0,0 und 0,05% (Balzer 2001, Helmig 1983). wurden bei verschiedenen Markierungsfeldern Plausibili-
Die perioperative Rate tiefer Venenthrombosen (TVT) tätsabfragen hinterlegt. Die Erfassung der Daten erfolgte
zwischen 0,03 und 0,1%, die Rate von Lungenembolien zunächst schriftlich auf Markierungsbögen, seit 2005 elek-
(LE) wird mit 0,0 bis 0,02% angegeben (Balzer 2001, Hel- tronisch internetbasiert. Die von der DGG beauftragte
mig 1983, Nüllen 1998). Nach endovenösen Eingriffen, die Softwarefirma (Fileteam, Brannenburg) führt eine jähr-
in den vorliegenden Studien alle mittels Duplexsono- liche Auswertung der Daten durch. Jedem Teilnehmer
graphie nachuntersucht wurden, wird die Häufigkeit einer wird eine individualisierte Auswertung im Vergleich zum
TVT in bis zu 2,7% (Perrin 2004), die Häufigkeit einer LE Gesamtkollektiv zur Verfügung gestellt.
in bis zu 0,2% angegeben (Noppeney 2008).
Die Häufigkeit von Infektionen, Nachblutungen und/
oder ausgedehnten Hämatomen, sowie von postoperativen 38.2 Ergebnisse
Lymphfisteln ist mit jeweils unter 1% sehr niedrig. Zu Blut-
transfusionen nach Operation findet sich in der Literatur Die dargestellten Daten beziehen sich auf eine Sammelaus-
nur bei Helmig (1983) eine Angabe, die Häufigkeit beträgt wertung der Jahre 2001, 2002 und 2003 (Noppeney 2005)
0,32%. und die derzeit letzte vorliegende Auswertung von 2008.
Aus diesen Daten lassen sich folgende Grenzwerte ab- Die Zahl der Teilnehmer hat in dieser Zeit von 84 (2001)
leiten, die dann mit den Ergebnissen aus dem QS-Varizen- auf 63 (2008) leicht abgenommen. Der überwiegende Teil
chirurgie abgeglichen werden müssen: der Teilnehmer waren Kliniken.
450 Kapitel 38 · Qualitätssicherung in der Varizenchirurgie

. Abb. 38.1. Altersverteilung, ambulant


und stationär. QS Varizen 2001–2003,
n = 36.323 Patienten

. Abb. 38.2. Klinische Stadien (CEAP).


2001–2003: n = 36.323 Patienten mit
39.777 operierten Extremitäten; 2008: mit
11.453 operierten Extremitäten. Für 2008
liegt die Zahl der Patienten nicht vor

In den drei ersten Jahren wurden 36.323 Patienten mit Eine Zunahme der Eingriffe war im Stadium C6 zu ver-
49.939 Strombahnen operiert, davon waren 26.014 weib- zeichnen.
lich und 10.309 männlich. Das Durchschnittsalter betrug Die Mehrzahl der Operierten in den Jahren 2001–2003
38 51,7 Jahre. Die Altersverteilung zeigt, dass jüngere Patien- wies die Stadien ASA 1 und 2 auf. Patienten im Stadium
ten häufiger ambulant, ältere Patienten häufiger stationär ASA 3 wurden nur selten und Patienten in Stadium ASA 4
operiert wurden (. Abb. 38.1). Im Jahre 2008 flossen 11.453 nur in Ausnahmefällen operiert. Es zeigten sich jedoch
operierte Strombahnen in die Auswertung ein, das Durch- deutliche Unterschiede zwischen dem ambulanten und
schnittsalter der Patienten betrug 55,7 Jahre. dem stationären Bereich in der Verteilung der ASA-Klas-
2001–2003 wurde von den bildgebenden Verfahren die sifikation (. Abb. 38.3). Die Verteilung der ASA-Klassifi-
Duplexsonographie mit 78,91% (n = 28.664) am häufigs- kation hat sich im Verlauf der Jahre nicht geändert.
ten angewendet. Eine Phlebographie wurde in 25,04% Eine Veränderung in den Zahlen hat sich im Zeitver-
der Fälle (n = 9.095) durchgeführt. Zwei bildgebende Ver- lauf zugunsten der ambulanten Operationen ergeben.
fahren, Duplexsonographie und Phlebographie, erhielten Wurden im ersten Zeitraum 44,48% der Patienten ambu-
immerhin 11,20% (n = 4.068). Auffällig war, dass 213 Patien- lant, 55,52% stationär operiert, so betrug der Anteil ambu-
ten präoperativ keiner bildgebenden Diagnostik zugeführt lanter Eingriffe 2008 54,0%, während 46,0% stationär
worden sind. 2008 haben sich die Zahlen deutlich verän- durchgeführt wurden.
dert, die Duplexsonographie wurde in 94,54% angewen- 2001–2003 betrug der Anteil der Rezidiveingriffe
det, die Anzahl der Phlebographien sank auf 13,11%. 14,75%. Er stieg 2008 auf 20,02%.
Der überwiegende Anteil der operierten Extremitäten Während bei der Sammelerhebung der Anteil sonsti-
befand sich im klinischen Stadium C2 und C3 (. Abb. 38.2). ger Operationsverfahren – hier waren damals auch Ra-
38.2 · Ergebnisse
451 38
. Abb. 38.3. ASA-Klassifikation. QS Var-
zien 2001-2003, n 36.323 Patienten

diofrequenzobliteration und endovenöser Laser sub-


summiert – verschwindend klein war, so zeigte sich in der . Tab. 38.1. Intraoperative Verletzungen. Ergebnisse QS Vari-
Auswertung von 2008 ein deutlicher Anstieg der endove- zen 2001–2003, n = 49.949 Strombahnen

nösen und sonstigen Verfahren: 80,8% der Eingriffe waren Lokalisation/Struktur n %


nach wie vor klassische Varizenoperationen, 7,95% Radio-
frequenzobliterationen, 2,7% endovenöse Lasertherapien, A. femoralis 1 0,002
8,6% sonstige Eingriffe. V. femoralis 14 0,028
Die Analyse der Korrelation zwischen präoperativem
A. poplitea 0 0,0
Stadium und durchgeführter Operation ergab, dass bei prä-
operativer Markierung des Stadiums Hach I bei 111 Ein- V. poplitea 7 0,014
griffen die VSM bis zum Innenknöchel gestrippt worden ist N. tibialis/peroneus 6 0,012
(2001–2003). Bei präoperativ diagnostiziertem Stadium
N. saphenus/suralis 34 0,068
Hach IV wurde die VSM 1.329-mal lediglich bis zum Ober-
schenkel gestrippt. Ansonsten bestand eine gute Korrela- sonstige Nervenläsionen 14 0,028
tion zwischen präoperativem Stadium und Ausprägung der
sonstige introp. Komplikationen 58 0,116
Erkrankung und durchgeführtem operativen Eingriff.
Intraoperative Komplikationen traten 2001–2003 mit
0,27% (n = 133/49.939 operierte Strombahnen) selten auf.
. Tab. 38.2. Postoperative Komplikationen. Ergebnisse QS
22-mal handelte es sich um Verletzung der Gefäße, 54-mal
Varizen 2001–2003, n = 36.323 Patienten. ambulant n = 934
um Verletzungen der Nerven, 58-mal war »Sonstiges« mar- (6,14%), stationär n = 860 (4,26%)
kiert (. Tab. 38.1). 2008 waren intraoperative Komplika-
tionen in 0,12% zu verzeichnen, wobei es sich dreimal Art ambulant stationär
um die Verletzung einer tiefen Vene handelte, zweimal um
Nervenverletzungen, 10-mal wurde Sonstiges markiert. n % n %
Eine Verletzung einer Arterie trat nicht auf. Tiefe Venenthrombose 22 0,14 17 0,08
2001–2003 traten postoperative Komplikationen bei
Lungenembolie 2 0,01 6 0,03
1.794 Patienten (4,94%) auf. Die Komplikationsrate bei
ambulanten Patienten betrug 6,14% (n = 934/16.158), bei Wundinfektion, 102 0,63 169 0,84
stationären Patienten 4,26% (n = 860/20.165). Eine diffe- konservativ

renzierte Darstellung der postoperativen Komplikations- Wundinfektion, 39 0,24 76 0,38


raten gibt . Tab. 38.2 wieder. Auffällig ist, dass bei 23 Pa- chirurgisch
tienten im stationären Bereich postoperativ eine Bluttrans- Nachblutung/Hämatom 285 1,76 300 1,49
fusion erfolgte.
Thrombophlebitis 110 0,68 36 0,18
Die niedrigste Komplikationsrate mit 4,25% (n = 825/
19.430) war im Stadium ASA 1, eine höhere Komplika- Bluttransfusion 0 0 23 0,11
tionsrate mit 5,21% (n = 767/14.713) in Stadium ASA 2
pulmonal/kardiovaskulär 1 0,006 24 0,12
und eine deutlich höhere Komplikationsrate mit 9,3%
452 Kapitel 38 · Qualitätssicherung in der Varizenchirurgie

(n = 198/2.129) im Stadium ASA 3 zu verzeichnen. Auch Die in dem QS der DGG definierten Qualitätsziele bzw.
im Stadium ASA 4 war die Komplikationsrate mit 7,48% Qualitätsindikatoren sind im Wesentlichen fachspezifische
deutlich erhöht (n = 4/51). bzw. diagnosespezifische Indikatoren.
Die postoperative Komplikationsrate korrelierte auch Mit Hilfe der CEAP-Klassifikation und der Stadienein-
mit der Schwere des klinischen Erscheinungsbildes an. So teilung nach Hach lässt sich das Ausmaß und die Schwere
betrug die postoperative Komplikationsrate im Stadium der Erkrankung eindeutig beschreiben. Die Auswertung
C4/C5 8,21% (n = 445/5.421) und im Stadium C6 13,4% hat gezeigt, dass kongenitale Veränderungen und die se-
(n = 86/642). Eine positive Korrelation ergab sich auch be- kundäre Varikose zahlenmäßig unbedeutend sind, so
züglich der Infektionsrate und der Operationsdauer: die dass die Erfassung der Ätiologie (»E« aus CEAP) nicht not-
Infektionsrate betrug im ambulanten und stationären Be- wendig erscheint. Auch die Erfassung der Pathophysio-
reich bei einer Operationsdauer unter 30 min 0,13% bzw. logie, (Reflux oder Obstruktion) hat letztlich – wie unsere
0,16% und stieg bei einer Operationsdauer von über Auswertungen zeigten – für die Qualitätssicherung keine
120 min auf 0,52% bzw. 1,30%. Bedeutung.
In der derzeit letzten vorliegenden Auswertung von 2008 Die Beschreibung der Anatomie (S1–S5, D6–D16, P17,
betrug die postoperative Komplikationsrate nur noch 1,9%. P18) ist notwendig, wenngleich die Auswertungen gezeigt
Genauer analysiert wurde 2001–2003 die Thrombose- haben, dass das tiefe Venensystem nur in einem geringen
prophylaxe. Eine postoperative Thromboseprophylaxe er- Prozentsatz der Fälle mit erkrankt ist. Aus diesem Ge-
hielten 31.465 Patienten, davon 69,6% (n = 25.276) zwi- sichtspunkt erscheint es ausreichend, die Beschreibung des
schen 1 und 5 Tage und 17% (n = 6.189) über 5 Tage. tiefen Venensystems zu reduzieren und lediglich zu erfas-
4.858 Patienten (13,4%) erhielten perioperativ keine sen, ob eine begleitende Insuffizienz vorliegt. Auf die Be-
Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem Heparin urteilung des tiefen Venensystems selbst sollte nicht ver-
(NMH). Die Rate der postoperativen venösen Thrombo- zichtet werden, da die Beurteilung des tiefen Venensystems
embolien unterschied sich in den 3 Gruppen nicht wesent- als ein Qualitätsmerkmal einer präoperativ komplett
lich (kein NMH 0,06%, n = 3; NMH 1–5 Tage 0,07%, durchgeführten Diagnostik gelten kann.
n = 18; NMH über 5 Tage 0,42%, n = 26). Die Nachblu- Unsere Auswertungen haben weiter gezeigt, dass es
tungs-/Hämatomrate war mit 1,21 (n = 59) und 1,20% sinnvoll wäre, die klinische Klassifikation und die Stadien-
(n = 303) in der Gruppe ohne NMH und der Gruppe mit einteilung nach Hach der jeweiligen Extremität bzw. ope-
NMH 1–5 Tage gleich. Sie stieg auf 3,60% (n = 232) bei den rierten Strombahn zuzuordnen, da sich dadurch die Aus-
Patienten, die NMH länger als 5 Tage erhielten. wertungen erheblich vereinfachen ließen.
In der präoperativen Diagnostik zeigte sich, dass die
überwiegende Mehrzahl der untersuchten Patienten einem
38.3 Wertung und Weiterentwicklung bildgebenden Verfahren unterzogen wurden. Am häufigs-
ten wurde die Duplexsonographie durchgeführt. Der An-
Das Qualitätssicherungsprojekt der DGG hat eindeutig teil der Duplexsonographie in der Diagnostik stieg von ca.
gezeigt, dass eine Qualitätssicherung im Bereich der Vari- 75% auf ca. 97% in 2008.
zenchirurgie sinnvoll durchführbar ist. Der große Fort- Die Auswertung der Ergebnisse ergab weiterhin, dass
38 schritt in der Qualitätssicherung Varizen bestand darin, nach exakter Beschreibung des Ausmaßes der Erkrankung
die Operationen strombahnbezogen aufzuteilen und so und korrekt durchgeführter präoperativer Diagnostik eine
eine differenzierte Auswertung zu ermöglichen. Dadurch dem Stadium der Erkrankung entsprechende operative
gelingt es, zum einen personenbezogene und zum anderen Therapie durchgeführt wurde. Jedoch entsprach in ca.
operationsbezogene Auswertungen durchzuführen. Hie- 2,9% der operierten Strombahnen 2001–2003 das opera-
rin unterscheidet sich dieses Qualitätssicherungsprojekt tive Vorgehen nicht dem präoperativ ermittelten Stadium.
wesentlich von früheren Qualitätssicherungsprojekten, Hier wurde der Eingriff entweder zu radikal oder zu wenig
wie z. B. der Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Gefäß- ausgedehnt durchgeführt.
chirurgen oder der Qualitätssicherung Varikose in Baden- Die intra- und postoperative Ergebnisqualität der Va-
Württemberg. rizenchirurgie ist generell sehr gut. Die Inzidenz schwer-
Die Auswertung der Qualitätssicherung Varizen der wiegender Komplikationen, wie intraoperative Gefäßver-
DGG hat gezeigt, dass die Qualitätsindikatoren, die defi- letzungen, tiefe Venenthrombose oder Lungenembolie
niert worden sind (7 Übersicht) überprüfbar und valide sind sehr niedrig und ihrer Höhe den Ergebnissen ver-
sind. Sie entsprechen damit der sog. RUMBA-Regel (Rele- gleichbar, die in großen Serien publiziert worden sind
vant for the selected problem, understandable for providers (Balzer 2001, Heidrich 2004, Helmig 1983). Aus den vor-
and patients, measurable with high reliability and validity, liegenden Daten des QS Varizenchirurgie der DGG und
behaviourable and achievable and feasible). lässt sich ableiten, dass die unter dem vierten Qualitätsin-
38.3 · Wertung und Weiterentwicklung
453 38
dikator definierten Benchmarks für gute intra-und peri- Um einen technischen Fehler oder ein Versagen der
operative Ergebnisqualität valide und angemessen sind. Methode auszuschließen muss neben der Erfassung der
Die Auswertung der Komplikationen in Bezug zum peri-, intra- und postoperativen Komplikationen zusätz-
allgemeinen Gesundheitszustand (ASA Klassifikation) lich eine Dokumentation der Refluxausschaltung und des
zeigte einen deutlichen Anstieg der Komplikationsrate ab technischen Erfolges der Operation erfolgen. Dies könnte
Stadium ASA 3. Eine derartige Korrelation der Zunahme z.B. in einer intraoperativen digitalen Fotographie des
der perioperativen Komplikationsraten ist auch in anderen sapheno-femoralen oder sapheno-poplitealen Überganges
Bereichen, wie z. B. der Karotischirurgie beschrieben (Eck- bestehen oder in einer postoperativen duplexsonographi-
stein 2001). Da die Varizenerkrankung keine lebensbe- schen Untersuchung. Diese Dokumentation sollte in das
drohliche oder im Frühstadium keine gesundheitlich QS Varizen mit aufgenommen werden.
schwer beeinträchtigende Erkrankung darstellt und gleich- Ein anderer Parameter, der durch die derzeitige Quali-
zeitig die Komplikationsraten in den Klassen ASA 1 und 2 tätssicherung Varizen nicht erfasst wird, ist die Patienten-
sehr niedrig sind, sie andererseits in höheren ASA Klassen zufriedenheit, die Beeinträchtigung der Lebensqualität
deutlich ansteigen, wurde in Zusammenarbeit und Diskus- und der Venous Clinical Severity Score (VCSS). In mehre-
sion mit der Bundesstelle für Qualitätssicherung (BQS in ren prospektiven Untersuchungen konnte gezeigt werden,
Düsseldorf) als weiteres Qualitätsziel bzw. Qualitätsindi- dass sich die Lebensqualität der Patienten nach varizen-
kator definiert, dass die invasive Therapie der Varikose chirurgischen Eingriffen signifikant verbessert und dieser
in möglichst gesundem Allgemeinzustand durchgeführt Effekt auch bis zu 2 Jahren postoperativ anhält (Dwerry-
werden sollte. Eingriffe in den Klassen ASA 4 und höher house 1999, MacKenzie 2002). Die gleiche Verbesserung
sollten die Ausnahme darstellen und bedürfen einer be- kann auch für den VCSS nachgewiesen werden. Durch die
sonderen Indikation (. Tab. 1). Erfassung der Patientenzufriedenheit wäre eine Überprü-
Eine gute Qualität eines varizenausschaltenden Ein- fung der Strukturqualität der Institution möglich, die Mes-
griffs wird neben einer niedrigen Komplikationsrate vor sung der Lebensqualität und des VCSS lässt einen Schluss
Allem durch eine niedrige Rezidivrate bestimmt. Bei Rezi- auf die Nachhaltigkeit des Eingriffs zu.
diven muss jedoch unterschieden werden, ob sie durch die Die Erfahrungen der letzen Jahre mit dem QS Varizen
Progression der Grunderkrankung, eine Neovaskularisa- hat gezeigt, dass einige der erfassten Daten für den Nach-
tion oder einen technischen Fehler, bzw. ein Versagen der weis einer guten oder schlechten Qualität nicht notwendig
Methode verursacht wurden (7Kap. 18.1). Progression der sind, gleichzeitig die o.a. Punkte nicht im derzeitigen QS
Grunderkrankung und Neovaskularisation können nicht Varizen enthalten sind. Hier ist eine Überarbeitung der
beeinflusst werden, da sie möglicherweise durch genetische Datenerfassung notwendig.
Disposition verursacht werden, eine Rezidivvarikose infol-
ge dieser Entitäten kann deshalb nicht als schlechte Qualität Literatur
definiert werden. Ein Rezidiv wegen eines technischen Feh- Balzer K (2001) Komplikationen bei Varizenoperationen. Zentralbl Chir
lers – z.B. inkomplette Crossektomie – oder eines Versagens 126: 537–534
Dwerryhouse S, Davies B, Harradine K et al (1999) Stripping of the long
der Methode – z. B. Rekanalisation nach endovenöser Aus-
saphenous vein reduces the rate of reoperation for recurrent
schaltung – muss dagegen als schlechte Qualität angesehen varicose veins: five-year results of a randomised trial. J Vasc Surg
werden. Aus diesem Grund ist es wichtig die Rezidive zu 29: 589–592
klassifizieren um gute und schlechte Qualität unterschei- Eckstein H et al (2001) Qualitätsmanagement Carotis der Deutschen
den zu können. Daher sollte bei der QS bei einem Rezidiv- Gesellschaft für Gefäßchirurgie – Ergebnisse 1999. Gefäßchirur-
gie 6: 81–90
eingriff eine Klassifikation des Rezidivs nach dem REVAT
Heidrich M, Balzer K (2004) Stanardisierte Varizenchirurgie – Operations-
Schema vorgenommen werden. Ein Nachteil der Qualitäts- technik, Komplikationen, Ergebnisse. Gefäßchirurgie 9:276–283
sicherungsmaßnahme ist, dass die Ergebnisqualität hin- Helmig L (1983) Häufigkeit von Frühkomplikationen bei 13.024
sichtlich der Rezidivraten in einer Qualitätssicherungs- Krampfaderoperationen. Phebol Proktol 1983; 12: 184–95
maßnahme, die sich nur auf den perioperativen Zeitraum MacKenzie RK, Paisley A, Allan PL et al (2002) The effect of long saphe-
nous vein stripping on quality of life. J Vasc Surg 35: 1197–1203
erstreckt, nicht beurteilt werden kann. In dem QS der DGG
Mumme A, Olbrich S, Barbera L et al (2002) Saphenofemorales Leisten-
wurde abgefragt, wer die Patienten länger als 30 Tage peri- rezidiv nach Stripping der Vena saphena magna: technischer
operativ nachuntersucht. Hierbei zeigte sich, dass bei Fehler oder Neovaskularisation? Phlebologie 31: 38–41
56,08% der Patienten weitere Nachuntersuchungen geplant Noppeney T, Kluess H, Gerlach H et al (2004) Leitlinie zur Diagnostik
waren und immerhin 72,47% der Patienten durch den und Therapie des Krampfaderleidens; Gefäßchirurgie 9: 290–308
Noppeney T, Eckstein H, Niedermeier H et al (2005) Ergebnisse des
gleichen Operateur weiter behandelt werden und so für
Qualitätssicherungsprojektes Varizenchirurgie der DGG. Gefäß-
einen Großteil der Patienten eine Überprüfung der Ergeb- chirurgie 2005; 10: 121–128
nisqualität auch nach Jahren möglich erscheint, ein Nach- Noppeney T (2008) Up-date der Ergebnisse nach Radiofrequenzob-
untersuchungsmodul ist in dem QS-tool angelegt. literation Gefäßchirurgie 2008; 10: 191–194
454 Kapitel 38 · Qualitätssicherung in der Varizenchirurgie

Nüllen H, Rheese von Ohlen C (1995) Ambulante Varizenchirurgie in


der Praxis. In: Ihmig H, Schröder A Hrsg) Varizen, Popliteaaneu-
rysmen. Steinkopff-Verlag, Darmstadt, S 73–80
Peitsch-Breitfeld M (1996) Begriffe und Konzepte des Qualitäts-
managements; Informatik, Biometrie und Epidemiologie 27:
200–230
Perrin M (2004) Endoluminal Treatment of Lower Limb Varicose Veins
by Endo-venous Laser and Radiofrequency Techniques. Phlebol-
ogy; 19:170–178
Rabe E, Pannier-Fischer F, Bromen K et al (2003) Bonner Venenstudie
der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie. Epidemiologische
Untersuchung zur Frage der Häufigkeit und Ausprägung von
chronischen Venenkrankheiten in der städtischen und ländlichen
Wohnbevölkerung. Phlebologie 32: 1–14

38
39

39 Nachsorge und Langzeitbetreuung


H. Nüllen, T. Noppeney
456 Kapitel 39 · Nachsorge und Langzeitbetreuung

Die primäre Varikose gilt als unheilbar. Es gehört daher Der Patient soll darüber aufgeklärt sein, dass der Spontan-
nach der Diagnosestellung in jedem Stadium der Varikose verlauf der Erkrankung individuell unterschiedlich sein
zur Erstaufklärung, den Patienten darüber zu informieren, kann. Dies gilt sowohl im zeitlichen Verlauf als auch in
dass ihn die Probleme, die in der Folge der Varikose auftre- Bezug auf den erreichten Schweregrad. Ein bislang blander
ten können, in Form von Progredienz der Erkrankung, Verlauf bietet keine Gewähr dafür, dass dies auch in der
Zunahme des Beschwerdebildes und Komplikationsmög- Zukunft so bleiben wird.
lichkeiten etc. lebenslang begleiten werden. Es gilt ein Prob- Die Vereinbarung von Nachsorgeterminen und Ver-
lembewusstsein und Wissen zu vermitteln, welches plan- laufskontrollen muss gemessen an den individuellen Be-
volle Vorsorge und Handeln des betroffenen Patienten in sonderheiten des Einzelfalles und dem individuellen An-
der Zukunft möglich machen. Im informierten und prob- spruch und Leidensdruck des betroffenen Patienten be-
lembewussten Patienten liegt die einzige realistische Mög- messen werden. Unter pragmatischen Gesichtspunkten,
lichkeit, langfristig die Rate an schweren und komplika- die die Realisierbarkeit aus Kapazitätsgründen und ge-
tionsreichen Verläufen mit ihren persönlichen und sozio- sundheitsökonomischen Gesichtspunkten berücksichtigt,
ökonomischen Konsequenzen zu verringern. können die im Folgenden näher dargelegten Erfahrungs-
Die Beobachtung des spontanen Krankheitsverlaufs werte eine Orientierung geben.
und eine Entscheidung darüber zu treffen, zu welchem
Zeitpunkt und bei welchen besonderen Entwicklungen
Nachuntersuchungskonzept nach Krampfader-
und Ereignissen eine Fachkonsultation notwendig ist,
operationen
kann der informierte Patient aufgrund seines so erzeugten
Krankheitsbewusstseins i.d.R. selbst vornehmen. 4 unmittelbar nach der Operation, 1. oder 2. post-
Anders ist die Situation bei der Organisation einer operativer Tag
planvollen Nachsorge und Nachbeobachtung nach durch- 4 zum Zeitpunkt der Entfernung von Nahtmaterial
geführten Behandlungsmaßnahmen, Operationen etc. (10–14 Tage postoperativ)
Hier ist die feste Vereinbarung von Nachuntersuchungs- 4 4 Wochen postoperativ (Entscheidung über die
und Kontrollterminen wünschenswert, die je nach Schwe- Fortsetzung der Kompressionstherapie)
re des Falles und ggf. Vorliegen von Spätschäden und Kom- 4 3 Monate postoperativ (Beurteilung des Früh-
plikationen der Grunderkrankung unterschiedlichen Mus- ergebnisses; Refluxprüfung)
tern folgen können. 4 1 Jahr postoperativ (Beurteilung des Gesamt-
Feste Regeln für die Organisation der Nachsorge bei ergebnisses; Refluxprüfung)
Krampfadererkrankung gibt es jedoch nicht. Studien zu 4 außerhalb der festgelegten Zeiten, wenn der
diesem Themenbereich fehlen. Lediglich die epidemio- Patient anhand seiner Beobachtungskriterien eine
logischen Studien belegen den Anstieg der Beschwerden Konsultation für erforderlich hält
und der Schwere der Erkrankung sowie eine Zunahme von
Komplikationen über die Zeit. Wie viel Beratung, Betreu-
ung und Behandlung der Varizenpatient im Laufe seines Für die Nachuntersuchung nach Sklerosierungstherapie
Lebens wirklich braucht ist nicht bekannt. Dies verwun- kann im Prinzip die gleiche zeitliche Abfolge ab der letzten
dert nicht, da Versorgungsforschung in Deutschland in Sklerosierungssitzung gelten.
den Kinderschuhen steckt und z. Z. auch eher auf andere Während also der Patient mit blander bzw. klinisch
Krankheitsbilder fokussiert ist. nicht bedeutsamer Varikose, wie dargelegt, die Notwen-
39 Wenn der betroffene Patient den Verlauf und die Kom- digkeit der Nachuntersuchung selbst beurteilen kann,
plikationsmöglichkeiten der Erkrankung verfolgen und sollte für Patienten unter chronischer Kompressionsthe-
beurteilen soll, muss man ihm Beurteilungskriterien vor- rapie eine geplante Nachsorge und Kontrolle vereinbart
geben, durch die er den Zeitpunkt für eine Konsultation werden. Ein vernünftiger Termin für eine Kontrollmaß-
beim Spezialisten abschätzen kann. nahme könnte z. B. der Zeitpunkt der Erneuerung der
Strumpfversorgung sein oder es sollte, wenn die Strumpf-
Beobachtungskriterien versorgung beim Hausarzt erfolgt, einmal pro Jahr ein
Der aufgeklärte Patient sollte achten auf: Kontrolltermin beim Spezialisten vereinbart werden. Dies
4 Zunahme des Beschwerdebildes betrifft Patienten mit permanenter Kompressionsthe-
4 Zunahme sichtbarer Krampfadern rapie bei
4 Auftreten von Hautveränderungen 4 nicht sanierter Varikose
4 Auftreten von Ödemen 4 Ödempatienten
4 Auftreten von Venenentzündungen 4 tiefer Leitveneninsuffizienz
4 Zustand nach abgeheiltem Ulcus cruris
39 · Nachsorge und Langzeitbetreuung
457 39
Auch hier gelten die genannten Intervalle als Orientierung,
die je nach Schwere des Krankheitsbildes oder dem Auf-
treten von Veränderungen im Verlauf angepasst werden
können und müssen.

Beurteilungskriterien beim Kontrolltermin:


4 Entwicklung und die klinische Veränderung seit
der letzten Konsultation
4 Effektivität ggf. durchgeführter chronischer Be-
handlungsmaßnahmen (Kompressionstherapie)
4 Leistungsfähigkeit der Drainagefunktion (LRR,
VVP)
4 Refluxsituation (Duplexsonographie)
4 arterielle Perfusion (ABI)
4 Änderungsbedarf in der Therapie

Die Beurteilung der arteriellen Perfusion (ABI) gehört ins-


besondere bei älteren Patienten und in der Beurteilung des
Langzeitverlaufes immer mit zum Untersuchungsarsenal,
da bei der hohen Inzidenz der AVK damit gerechnet wer-
den muss, dass bei der Betreuung von Varizenpatienten im
Langzeitverlauf mit dem Auftreten einer AVK in nennens-
werter Häufung zu rechnen ist.
40

40 Lebensqualität
H. Nüllen, T. Noppeney

40.1 Definition – 460

40.2 Methodik – 461


40.2.1 Nutzentheoretische Messverfahren – 461
40.2.2 Psychometrische Messverfahren – 461

40.3 Spezielle Testverfahren – 462

40.4 Ausblick – 463


460 Kapitel 40 · Lebensqualität

40.1 Definition Unter Lebensqualität versteht man

Die Form der Erfolgsbeurteilung nach medizinischen »die Wahrnehmung von Personen über ihre Stellung im
Maßnahmen und Interventionen ist seit jeher ein umstrit- Leben im Zusammenhang mit der Kultur und den Wert-
tenes Problem in der Medizin. In der naturwissenschaft- systemen in denen sie leben und in Bezug auf ihre Ziele,
lich orientierten Medizin (wissenschaftszentrierte Medi- Erwartungen, Standards und Angelegenheiten. Es ist ein
zin) hat man sich darauf geeinigt, möglichst objektive, d. h. weitreichendes Konzept, das in einer komplexen Art von
reproduzierbar messbare Parameter zur Erfolgsbeurtei- der physischen Gesundheit der Person, vom psycholo-
lung heranzuziehen. Unter dem Einfluss eines gesund- gischen Status, dem Grad der Unabhängigkeit, von sozi-
heitsökonomischen Ansatzes, aber auch aufgrund von alen Beziehungen, persönlichen Überzeugungen und ih-
Forderungen der Gesundheitspolitik hat sich die Betrach- rem Verhältnis zu den wichtigsten Merkmalen ihrer Um-
tungsweise dahingehend geändert, dass regelmäßig nach welt beeinflusst wird.« (WHO-QOL Group 1993)
dem Nutzen für den Patienten gefragt wird (patienten- »die Auswirkungen von Gesundheit, Krankheit und
zentrierte Medizin). Behandlung auf das tägliche Leben hinsichtlich sozialer
So kann die Ausschaltung des Refluxes und der Reflux- Beziehungen, beruflicher und materieller Situation, all-
strecke bei der Therapie der Stammvarikose unbestritten gemeiner Leistungsfähigkeit, körperlichem Befinden,
zur Objektivierung der Therapieergebnisse z. B. nach Va- psychischem Befinden und der eigenen sozialen Rolle.“
rizenoperationen herangezogen werden. Unter dem Ge- (Augustin 1998)
sichtspunkt der patientenzentrierten Medizin muss man »ein multidimensionales psychologisches Konstrukt,
jedoch feststellen, dass dieser Parameter den betroffenen das durch mindestens vier Komponenten zu operationali-
Patienten nicht wirklich interessiert. Er kann damit i.d.R. sieren ist: das psychische Befinden, die körperliche Verfas-
wenig anfangen. Den Patienten interessiert, ob sich seiner sung, die sozialen Beziehungen und die funktionale Kom-
Beschwerden gebessert haben und eine Aussicht auf unbe- petenz.« (Bullinger 1998)
schwerte und lang anhaltende Lebensfreude besteht. Diese »Allgemein kann gesagt werden, dass Lebensqualität
Sicht der Dinge führte dazu, dass in den letzten Jahren in eine subjektive Einschätzung von individuell wahrgenom-
zunehmendem Maße Patientenzufriedenheit und Lebens- menen und gewichteten Beschaffenheiten des Lebens ist,
qualität (LQ) zu zentralen Ergebniskriterien (outcome orientiert an einer individuellen Norm. Inhaltlich (jedoch)
assessment) geworden sind. muss Lebensqualität als eine ‚Black box’ angesehen wer-
Lebensqualität ist ein Begriff, der erst sekundär von den.« (Heissel 1998)
der Medizin okkupiert wurde. Die ersten Definitionen und
Anwendungen kamen aus der Volkswirtschaft und Sozial- Akzeptiert man den Ansatz, dass Aussagen zur Lebensqua-
forschung und fanden erst über die Gesundheitsökonomie lität ein angemessenes Kriterium für die Beurteilung des
und die Politik den Weg in das Vokabular der Mediziner. Nutzens eine Behandlungsmaßnahme darstellt, so ist klar,
Der Begriff der Lebensqualität ist ein kritischer Son- dass dieser Nutzen nach den geltenden Regeln der Wissen-
derfall des Qualitätsbegriffes. In einer sehr allgemein ge- schaft auch empirisch überprüfbar sein muss. Die Aufgabe
haltenen und einfachen Definition kann man Qualität als der Lebensqualitätsforschung besteht vornehmlich darin,
ein (hohes) Maß an Übereinstimmung (Konformität) zwi- objektive Maßstäbe für die Darstellung subjektiver Befind-
schen Forderung bzw. Definition und Wirklichkeit be- lichkeiten zu entwerfen und die hierzu notwendigen Ins-
greifen. Der Spezialfall Lebensqualität gehört im Sinne trumente zu entwickeln (Rose 2002).
der klassischen Philosophie (Demokrit) zur subjektiven Bei der Diskussion um verfahrenstechnische Beson-
Qualität. Im persönlichen Horizont ist die Einschätzung derheiten muss man unterscheiden, zu welchem Zweck der
40 der Lebensqualität abhängig von den charakterlichen und Parameter LQ letztendlich erfasst bzw. ermittelt wird. Für
intellektuellen Voraussetzungen und im historischen gesundheitsökonomische Fragestellungen ergeben sich
Horizont von der Lebenserfahrung, den Hoffnungen und durchaus andere Kriterien als für die Generierung eines
Erwartungen des Einzelnen. internen Qualitätsindikators (QI), zur wissenschaftlichen
Unterschiedliche Definitionen des Begriffes Lebens- Bewertung eines Behandlungsverfahrens oder als QI etwa
qualität sind versucht worden, die einen sehr unterschied- im Zusammenhang mit der internen Qualitätssicherung
lichen philosophischen Ansatz widerspiegeln. bzw. einem Versorgungsvertrag mit einem speziellen Kos-
tenträger. Die Beurteilung des Parameters Lebensqualität
als zentraler Qualitätsindikator hat bereits eine große Be-
deutung erlangt, insbesondere in der Sicht der Kostenträ-
ger. Es steht zu erwarten, dass diese Bedeutung weiter an-
wachsen wird.
40.2 · Methodik
461 40

. Tab. 40.1. Konzeptebenen der Lebensqualitätsmessung (in Anlehnung an Rose 2002)

Konzeptebene Inhalt Einsatzgebiet

allgemeine/globale Lebensqualität Aussagen über die allgemeine Lebens- medizinsoziologische und -psychologische
»Quality of life« situation Grundlagenforschung
QOL

gesundheitsbezogene Lebensqualität Aussagen über den allgemeinen Gesund- klinischer Vergleich zwischen verschiede-
»Health related quality of life« heitszustand nen Erkrankungen
HRQL

erkrankungsbezogene Lebensqualität Aussagen über spezifische Belastungen klinischer Vergleich zwischen verschiede-
»Disease specific related quality of life« durch spezifische Erkrankungen oder nen Therapien
DRQL Behandlungen

Utility Messungen Aussagen über die Bedeutung spezifischer Gesundheitsökonomie, klinischer Vergleich
Erkrankungen für die allgemeine Lebens- zwischen verschiedenen Erkrankungen
situation oder Therapien

40.2 Methodik trachtet werden. Beim Urteils-Skalen-Verfahren werden


z. B. Skalen konstruiert, leer oder nummeriert (z. B. 0–10),
Die Lebensqualität stellt einen zwar inzwischen hoch ein- die zu der jeweils abgefragten Kategorie, z. B. Schmerzen,
geschätzten »outcome-Parameter«, jedoch zweifelsfrei Befindlichkeit etc., an einem Ende der Skala den schlimms-
»weichen« Parameter dar, da die Ergebnisse der Befragun- ten denkbaren Zustand und am anderen Ende den besten
gen, trotz aller methodischer Kniffe, immer ein subjektives denkbaren Zustand annehmen. Der Proband ist dann auf-
Element in sich tragen. Dies gilt insbesondere dann, wenn gefordert die Einschätzung seiner Empfindung auf dieser
das Ergebnis der Befragung die LQ des einzelnen Proban- Skala festzulegen.
den verbindlich angeben soll. Bei der Bewertung von Für den interindividuellen Verlauf in einer Beobach-
Gruppen kann die Zuverlässigkeit des Gesamtergebnisses tungsperiode ergibt sich somit ein gut zu verfolgender, auch
gesteigert werden, wenn man die Einzelergebnisse aus ei- graphisch in einer Verlaufskurve darstellbarer Parameter.
ner großen Gruppe mittelt. »Die Wahrheit marschiert mit Ein Nachteil dieses Verfahrens liegt darin, dass jeweils nur
den großen Zahlen« (Wilhelm Doerr). eine Dimension aus einer Vielzahl von denkbaren Befind-
Die Ermittlung des Parameters Lebensqualität erreicht lichkeiten und gesundheitsassoziierten Kategorien erfasst
man durch eine standardisierte Befragung von definierten werden und auch ein Gruppenvergleich primär nur für
Zielgruppen. Hierzu stehen eine Reihe unterschiedlicher diese eine Dimension vorgenommen werden kann. Auf die
Instrumente zur Verfügung, die sich in der Technik der Notwendigkeit und Möglichkeiten besonderer Normie-
Befragung, in der Art der Aussage aber auch in der Darstel- rungsverfahren bei besonderen Fragestellungen bzw. An-
lung der Aussage unterscheiden. forderungen soll hier nicht näher eingegangen werden.
Die Befragung nach der LQ soll ermitteln, wie die be-
fragten Probanden ihren Gesundheitszustand bzw. ihren
Erkrankungszustand unter physischen, psychischen, funk- 40.2.2 Psychometrische Messverfahren
tionalen und sozialen Aspekten bewerten. Hierbei kann
man verschiedene Konzepte der LQ-Messung unterschei- Psychometrische Verfahren zeichnen sich dadurch aus,
den (. Tab. 40.1) dass sie einen Katalog von Fragen enthalten. Von diesem
nimmt man an, dass er geeignet ist, um Aussagen über
verschiedene, hier fokussierte Fragen zum Gesundheits-
40.2.1 Nutzentheoretische Messverfahren zustand und Befinden des Probanden in verschiedenen
Kategorien zu erfassen. Man unterscheidet dabei Profil-
Eine einfach durchführbare und unkomplizierte Form der verfahren von Indexverfahren und krankheitsspezifische
Befragung verbirgt sich hinter dem Begriff »Urteils-Ska- von krankheitsübergreifenden (generischen) Verfahren.
len-Verfahren« (rating-scale–procedure) einem speziel- Letztere dienen der Erfassung der gesundheitsbezogenen
len, weithin bekannten Verfahren aus dem Bereich der LQ von gesunden und kranken Menschen. Die generischen
nutzentheoretische Messverfahren. Zu diesen Messverfah- LQ-Fragebögen ermöglichen durch ihr weites Anwen-
ren gehören noch einige andere, die hier nicht näher be- dungsspektrum den Vergleich von Personengruppen mit
462 Kapitel 40 · Lebensqualität

sehr unterschiedlichen Gesundheitszuständen und eine und sinnvoll ist, einen DRQL auf den gesamten Bereich der
Ermittlung von repräsentativen Bevölkerungsdaten. Erkrankungen des venösen Systems auszurichten (Vari-
Beim Profilverfahren werden verschiedene lebens- kose, CVI, TVT, PTS), oder ob man das Design des Tests
qualitätsrelevante Dimensionen durch unterschiedliche auf einzelne Krankheitsgruppen herunter brechen soll
Abstufungen dargestellt. Beim Indexverfahren werden da- (Rutherford 2009). Ein internationaler Standard ist hier
rüber hinaus die unterschiedlichen Abstufungen gewichtet sinnvoll und wünschenswert.
und in einen Index überführt. Die Gewichtungs- und In- Ein weiterer Gesichtspunkt ist die Praktikabilität eines
dizierungsregeln werden bei der Entwicklung des jewei- Testverfahrens, insbesondere wenn man unterstellt, dass
ligen Testbogens durch zusätzliche empirische Überle- es an leicht erfassbaren Qualitätsindikatoren (QI) im all-
gungen getestet und überprüft. gemeinen und insbesondere in der Phlebologie mangelt
Eine ausführliche Diskussion der unterschiedlichen me- und die Kostenträger im Gesundheitswesen ebenso wie der
thodischen Ansätze, das angestrebte Ziel der Bestimmung Gesetzgeber, gestützt auf entsprechende Empfehlungen
der LQ zu erreichen, Vor- und Nachteile darzustellen und zu des Sachverständigenrates im Gesundheitswesen (SVR),
werten, würde den hier gesetzten Rahmen sprengen. Hierzu auf die Einführung entsprechender QI drängen (pay für
muss auf die weiterführende Literatur verwiesen werden. performance). Ein optimaler Test sollte eine hohe Zuver-
lässigkeit besitzen, sowie schnell und einfach durchzu-
Messung der Lebensqualität führen sein. Es wäre ideal, einen Test zu haben, der auf alle
4 nutzentheoretische Messung Venenerkrankungen ausgelegt ist. Man kann davon ausge-
4 psychometrische Messung hen, dass ein solcher umfassender Test, wie oben skizziert,
5 generische Instrumente bei einer angestrebten hohen Messgenauigkeit einen er-
– Profilbestimmung heblichen Umfang annehmen würde, der seiner allgemei-
– Indexbestimmung nen Akzeptanz und Verbreitung entgegensteht. Bei kom-
5 krankheitsspezifische Instrumente plexen und umfangreichen Fragekatalogen ergibt sich u. U.
– Profilbestimmung das Problem, dass Fragen abgearbeitet werden müssen, die
– Indexbestimmung für die spezielle Situation des Probanden nicht relevant
sind und so eine unnötige Belastung darstellen. Man muss
sogar davon ausgehen, dass sie, obwohl nicht relevant, das
40.3 Spezielle Testverfahren Antwortverhalten des Probanden beeinflussen. Es gibt
neue, von der klassischen Testtheorie abweichende An-
Unter den Bedingungen der täglichen Praxis ergibt sich die sätze für komplexe Testkonstruktionen (Item Response
Frage, für welches Testverfahren soll ich mich entscheiden? Theory), die EDV-gestützt das vorausgegangene Antwort-
Welches Verfahren ist geeignet eine vernünftige Abbildung verhalten des Probanden für die Auswahl und die notwen-
der Lebensqualität des Venenkranken unter den Bedin- dige Zahl der nachfolgenden Fragen verwerten und somit
gungen des Arbeitsalltags, außerhalb wissenschaftlicher den Umfang der Befragung optimieren.
Studien zu gewährleisten? Welche Forderungen sind an ein Nach dem bisherigen Stand der Dinge ist die Erfassung
alltagstaugliches Instrument für die Erfassung der LQ bei der LQ in der Phlebologie auf Studien beschränkt und in
Venenkranken zu stellen? der täglichen Routine-Arbeit nicht praktikabel.
Inzwischen liegt eine Vielzahl von publizierten und 4 SF36
validierten Tests vor, die unterschiedlich strukturiert und Eines der bekanntesten Frageinstrumente ist der 1992
fokussiert sind. Zur HRQL liegen auch in Deutschland ent- von Ware und Sherbourne publizierte SF-36 Fragebo-
standen Testverfahren vor (Heinisch 1991, Bullinger 1993), gen (www.sf-36.org; www.quali-team.de; www.jsigle.
40 wobei unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten und ins- com). International anerkanntes und verbreitetes Ins-
besondere im internationalen Kontext der ›Medical Out- trument für die HRQL.
comes Study Short Form (SF-36) health assessment ques- 4 Aberdeen varicose vein severity score (AVVS)
tionaire‹ sich durchgesetzt hat. (Garrat 1993)
Im Bereich der DRQL liegt eine solche Vielzahl von un- DRQL-Test speziell fokussiert auf die Varikose. Anwen-
terschiedlichen Tests vor, dass man geneigt ist festzustellen, dung in Kombination mit SF36 mit zusätzlichen
dass jede Arbeitsgruppe sich offensichtlich ihren eigenen 20 krankheitsspezifischen Fragen.
Test erfindet. Dies ist natürlich im Sinne der Vergleichbar- 4 CIVIQ (Launois 1996)
keit von Studienergebnissen sehr hinderlich. Es kommt DRQL-Test mit 20 Fragen in 4 Dimensionen (psychi-
hinzu, dass es durchaus nicht als geklärt angesehen werden sches Befinden, Schmerzen, physische Funktionen,
kann, ob es vernünftig ist, einen DRQL immer in Verbin- Sozialleben); erfasst keine schweren Stadien der CVI
dung mit einem HRQL anzuwenden und ob es möglich wie Dermatoliposklerose und Ulzera
40.4 · Ausblick
463 40
4 Freiburg Life Quality Assessment (FLQA) (Augustin Kondering U, Schell H (2001) Lebensqualität. In: Lauterbach, Schrappe,
Gesundheitsökonomie, Qualitätsmanagement und Evidence
1997)
based Medicine. Schattauer-Verlag, Stuttgart
DRQL-Test mit 84 Fragen in 8 Dimensionen (körper- Lamping DL, Schroter S, Kurz X, Kahn RS, Abenhaim L (2003) Evalua-
liche Beschwerden, Alltagsleben, Sozialleben, psychi- tion of outcome in chronic venous disorders of the leg: Develep-
sches Befinden, Therapie, Zufriedenheit, Berufsleben) ment of ascientifically rigorous, patient-reported measure of
4 Venenskala (Dieze 1998) symptoms and quality of life. 37:410–419
Heinisch M, Ludwig M, Bullinger M (1991) Psychometrische Testung
DRQL-Test mit 104 Items in 8 Dimensionen (körper-
der »Münchener Lebensqualitäts-Dimensions-Liste« (MLDL). In:
liche Beschwerden, Behandlung, funktioneller Status, Bullinger M, Ludwig ; von Steinbächel N (Hrsg) Lebensqualität bei
krankheitsspezifische Ängste, Stimmungslage, Zufrie- kardiovaskulären Erkrankungen. Hogrefe, Göttingen
denheit, Sozialleben, Bewertung der Krankheit) Heissel A (1998) Grundlagen der Messung von Lebensqualität.
4 The Charing Cross Venous Ulcer Questionaire (Smith Novartis, Nürnberg
Konerdring U, Schell H (2001) Lebensqualität. In: Lauterbach, Schrappe
2000)
(Hrsg.) Gesundheitsökonomie, Qualitätsmanagement und Evi-
DRQL-Test speziell für venöse Ulzera dence-based Medicine. Schattauer, Stuttgart
4 VEINES (Venous Insufficiency Epidemiological and MacKenzie RK, Paisley A, Allen PL, Lee AJ, Ruckley CV, Bradbury AW
Economic Study Quality of Life and Symptoms (2002) The Effect of long saphenous stripping on quality of life.
(VEINES-QOL/Sym) (Lamping 2003) 35:1197–1203
Nüllen H, Noppeney T (2006) Lehrbuch Qualitätsmanagement in der
DRQL-Test mit Einschluss aller Erkrankungen des
Arztpraxis. Deutscher Ärzteverlag, Köln
Venensystems mit 26 Fragen Rose M (2002) Messung der Lebensqualität bei chronischen Erkran-
kungen. Habilitationsschrift, Humboldt-Universität Berlin
Rutherford RB, Moneta GL, Padberg FT, Meissner MH (2009) Outcomme
40.4 Ausblick assessment in chronic venous disease. In: Gloviczki P (Ed,) Hand-
book of Venous Disorders. Third Edition, Arnold Ltd. London
Smith JJ, Guest M, Greenhalgh RM, Davies AH (2000) Measuring quality
In der Zukunft wird die Messung der Lebensqualität nach of life in patients with venous ulcer. J Casc Surg 31:642–9
dem Willen der Kostenträger im Gesundheitswesen und
der Politik für die Bewertung von Effizienz und Nutzen
medizinischer Leistungen herangezogen werden müssen.
Die Lebensqualität ist nur durch standardisierte Befragung
von Zielgruppen zu bestimmen. Die LQ gehört zu den wei-
chen Zielparametern.
Wenn der Grad der Lebensqualität der bevorzugte Pa-
rameter zur Bestimmung der Ergebnisqualität werden soll,
stellt sich die Frage, wie dies in der Praxis systematisch
erfasst werden kann und soll. Zurzeit kann festgehalten
werden, dass die vorhandenen Instrumente hierzu wenig
geeignet sind. Adaptierte Instrumente hierzu fehlen und
Vorstellungen zur Umsetzung und Kostenerstattung bei
derartig komplexen Erhebungsmodi sind bislang nicht
entwickelt worden.
Literatur
Augustin M, Dieterle W, Zschocke I, Brill C, Trefzer D, Peschen M,
Vanscheidt W (1997) Development and validation of a disease-
specific questionaire on the quality of life of patients with chronic
venous insufficiency. VASA 26:291–301
Augustin M, Zschoke I, Vanscheidt W, Schöpf E (1999) Lebenqualität bei
chronischer Veneninsuffizienz. Deutsches Ärzteblatt 96:1971–1973
Bullinger M, Kirchberger I, von Steinbächel N (1993) der Fragebogen
»Alltagsleben«, ein verfahren zur Erfassung der gesundheitsbezo-
genen Lebensqualität. Z Med Psych 2:121–131
Dietze S, Bullinger M, Kirchberger I, Dinkel R, Unkauf M (1998) Entwick-
lung und Validierung eines krankheitsspezifischen Fragebogens
zur Erhebung der Lebensqualität bei Venenkranken mit chronsich
venöser Insuffizienz (Venenskala). Z Gesundheitswiss 6:21–33
Garrat AM, McDonald LM, Ruta DA, et al. (1993) Towards measurement
of oucome for patients with varikose veins. Qual Health Care
3:5–10
41

41 Begutachtung bei Varikose


H. Nüllen, T. Noppeney

41.1 Anforderungen an den Gutachter – 466

41.2 Formale Anforderungen an ein Gutachten – 466

41.3 Struktur des sozialen Sicherungssystems – 467

41.4 Wichtige Begriffe und Terminologie im Gutachterwesen – 467

41.5 Arbeitsunfähigkeit bei Varikose – 470

41.6 Bewertungsgrundsätze der Varikose in gutachterlicher


Hinsicht – 470

41.7 Begutachtung bei Varikose im Rahmen


des Arzthaftungsrechtes – 472
466 Kapitel 41 · Begutachtung bei Varikose

Begutachtungsfragen spielen auch in der Gefäßmedizin Der Gutachter ist zur Objektivität verpflichtet. Seine
eine immer größer werdende Rolle, d. h. die Anzahl der Beurteilungen haben häufig weitreichende Folgen für das
Begutachtungen nimmt in allen Verfahrensbereichen zu. weitere Schicksal des zu Begutachtenden, aber auch für die
Die Gründe hierfür sind unklar. Versichertengemeinschaft.
Die Beurteilung und Bewertung der Varikose und de- Der Gutachter ist bei seiner Arbeit nur der Sache und
ren Folge für die Leistungsfähigkeit der Betroffenen ist oft seinem Gewissen verpflichtet, also weder dem Betrof-
nicht einfach und führt nicht selten zu Auseinanderset- fenen noch der den Auftrag erteilenden Stelle.
zungen. Dies ist zurückzuführen auf die nicht selten hohe Der Gutachter beurteilt und bewertet den medizi-
Erwartungshaltung der Betroffenen in Bezug auf die Ein- nischen Sachverhalt, ggf. den Zusammenhang der ob-
schätzung der Bedeutung der Varikose für ihre persönliche jektiven Befunde, die Ordnungsmäßigkeit der Behand-
Situation und Leistungsfähigkeit. lung und die Belastungsfähigkeit des Versicherten. Er
Die Kenntnisse, belegt durch objektive Forschung, entscheidet nicht in der Sache. Er ist im Rahmen seines
über Fragen der Belastungsfähigkeit von Versicherten mit Auftrages vielmehr Berater für die Entscheidungsinstanz
Krampfaderleiden und der Zumutbarkeit von Belastun- der jeweiligen Versicherung bzw. deren rechtlicher Ent-
gen bei Krampfaderleiden sind dürftig. Die meisten Fest- scheidungsinstanz, im Sozialrecht also i.d.R. der Sozialge-
stellungen basieren auf dem niedrigsten Evidenzgrad, richte.
der Expertenmeinung. Diese aber hat sich in den letzten Besondere Anforderungen, Erfahrungen und Kennt-
Jahrzehnten, wenn man an die Bemessung von Arbeits- nisse sind erforderlich, um als Gutachter im ärztlichen
unfähigkeitszeiten denkt, an die Verweildauer bei statio- Haftungsrecht und im Zivil- und Strafrecht tätig zu sein
närer Versorgung oder an die Frage der Erfordernis einer (7 Abschn. 41.2).
ambulanten oder stationären Versorgung so grundlegend
gewandelt, dass praktisch keine festen Regeln in der Lite-
ratur zu finden sind, auf die sich der Gutachter stützen 41.2 Formale Anforderungen
kann. So findet man in den einschlägigen Artikeln der an ein Gutachten
älteren Literatur häufig Diskurse über die Pathophysio-
logie und die Pathologie aber weniger über die Bewertung Was ein Gutachten ist bzw. was es sein soll, ist nicht ver-
der Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit. Ist die Litera- bindlich definiert.
tur über die tiefe Beinvenenthrombose und ihre Folgen
noch recht überzeugend, so findet man zum Thema Ein ärztliches Gutachten ist die Anwendung der medizi-
der Varikose und ihrer Folgen eher weniger konkrete An- nisch-wissenschaftlichen Erkenntnis auf einen Einzelfall im
gaben. Hinblick auf eine bestimmte, meist außerhalb des direkten
Die ständigen und schnell aufeinander folgenden Än- medizinischen Bereichs liegende Frage (Ludolph 2002).
derungen der Sozialgesetzgebung in der Bundesrepublik
führen in der Begutachtung zu immer neu zu beachtenden Das ärztliche Gutachten ist Entscheidungshilfe für den
rechtlichen und formalen Änderungen und dies macht es Auftraggeber in einer konkreten Situation und zu einem
notwendig kurz auf die Rahmenbedingungen der Begut- konkreten Zweck. Die damit verbundene Fragestellung
achtung einzugehen. ist i.d.R. vom Auftraggeber vorgegeben. Fehlt die Angabe
einer konkreten gutachterlichen Fragestellung, so bezieht
sich der Auftrag zur Begutachtung i.d.R auf den gesamten
41.1 Anforderungen an den Gutachter Gesundheitszustand des zu begutachtenden bzw. auf den
gesamten Behandlungsverlauf. Die Aufgabe des Gutachter
Bei der Gutachtenerstellung im Bereich der Phlebologie besteht dabei ausschließlich in
sollte die Erstellung eines sachgerechten Befundes für den 4 der Feststellung und Dokumentation von Tatsachen
ausgebildeten Phlebologen keine Schwierigkeit darstellen. zum (objektiven) Befund
41 Die sachgerechte Beurteilung der Befunde und Zusam- 4 der Beurteilung von Befund- und Verlaufstatsachen.
menhänge und deren Einbindung in die unterschiedlichen Dabei ist zu unterscheiden zwischen
Anforderungen des gegliederten Sozialversicherungssys- 5 Beurteilung der Wertigkeit der Befunde (Zustands-
tems und des gegliederten Sozialrechtes in der Bundes- gutachten)
republik ergeben da eher Probleme. Zu unterscheiden sind 5 Beurteilung der Ursachen (Zusammenhangsgut-
Gutachten für die Durchsetzung von Ansprüchen aus dem achten)
öffentlich-rechtlichen und dem privat-rechtlichen Bereich.
Hier ist eine besondere Einarbeitung in die rechtlichen Gutachten dienen der Wissensvermittlung und damit der
Grundlagen unverzichtbar. Entscheidungsgrundlage für Instanzen ohne eigenen me-
41.4 · Wichtige Begriffe und Terminologie im Gutachterwesen
467 41
dizinischen Sachverstand. Dies muss bei der sprachlichen 41.3 Struktur des sozialen
Vermittlung von Tatsachen und Beurteilungen berücksich- Sicherungssystems
tigt werden.
Voraussetzung für ein den Erfordernissen entspre- In der Bundesrepublik Deutschland ist die staatliche Vor-
chendes Gutachten ist die Kenntnis des Rechtsbereichs, für sorge für existenzielle Risiken der Bürger seit Anfängen der
den das Gutachten erstellt wird. Es ist jedoch nicht Aufgabe Bismarckschen Sozialgesetze immer weiter entwickelt
des Gutachters rechtliche Fragen zu erörtern oder zu be- worden zu einem auf die verschiedensten Risiken des Le-
antworten. bens abgestimmten, gegliederten System der sozialen Ab-
Weiterhin ist zu unterscheiden zwischen Vordruckgut- sicherung. Dazu gehören die
achten (Formulargutachten), bei welchen die Gliederung 4 Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) (SGB V)
und die Fragestellungen vorgegeben und teilweise formal 4 Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) (SGB VI)
beantwortet werden sollen und freien Gutachten, bei 4 Gesetzliche Unfallversicherung (GUV) (SGB VII)
welchen der Gutachter den Aufbau und die Gliederung des 4 Arbeitslosenversicherung (SGB II)
Gutachtens frei bestimmen kann. Dennoch sollen auch bei 4 Pflegeversicherung (PflegeVG) (SGB XI)
sog. freien Gutachten gewisse formale Grundsätze beach- 4 Soziales Entschädigungsrecht (SER)
tet werden. 4 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) (SGB IX)
Ein sachgerechtes Gutachten enthält die Darlegung der 4 Sozialhilfe (SGB XII)
Fragestellung, des Sachverhaltes und die Einschätzungen
und Bewertungen mit der vertretbar knappsten Diktion. Grundsätzlich ist im Hinblick auf die Art des Sicherungs-
Aktenauszüge sind überflüssig, da diese der auftraggeben- systems zu unterscheiden zwischen
den Stelle vorliegen. Hier reichen, soweit überhaupt erfor- 4 Versicherung (Solidargemeinschaft zum Zweck des
derlich, Aktenverweise (z. B.: s. a. Bl. 85ff der SchwbG- Risikoausgleiches)
Akte) aus. Auf ausschweifende Prosa soll zugunsten der 4 Versorgung (Ausgleichszahlungen als Entschädigung
Auflistung von Fakten verzichtet werden. aus Steuermitteln)
Verpflichtende formale Vorgaben sind nicht definiert. 4 Fürsorge (Sozialhilfe für Bedürftige zur Deckung eines
Als Beispiel für die Gliederung eines freien Gutachtens Bedarfs ohne Gegenleistung)
kann gelten:.
4 Auftraggeber des Gutachtens, Aktenzeichen etc. Die Terminologie im Hinblick auf gutachterliche Frage-
4 Daten des Begutachteten stellungen ist in diesen verschiedenen Rechtsbereichen
4 Gutachtenverlauf (Eingang, ggf. Tag der Untersuchung, unterschiedlich, was zu beachten ist.
Erstellung, Ausgang)
4 Aufstellung der verwendeten Unterlagen (Akten, Be-
funde, Röntgenbilder, vom Begutachteten vorgelegte 41.4 Wichtige Begriffe und Terminologie
Unterlagen, von Gutachter beigezogene Unterlagen) im Gutachterwesen
4 Fragestellung
4 Sachverhaltsangaben Arbeitsunfähigkeit (AU)
5 Vorgeschichte nach Aktenlage Die rechtlichen Grundlagen für die Handhabe des Instru-
5 Vorgeschichte nach Angaben des Begutachteten mentes der AU liegt zum einem in Sozialgesetzbuch Teil V
4 Klagen des Begutachteten (SGB V) §§44, 46–51 und den Richtlinien des Bundesaus-
4 Untersuchungsbefunde schusses Ärzte Krankenkassen über die Beurteilung der
5 Klinische Untersuchung Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweise
5 Technische Untersuchungen Wiedereingliederung (»Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien«).
5 ggf. Befunde aus Zusatzgutachten Einige Orientierungspunkte aus den AU-Richtlinien seien
4 Diagnosen zitiert; zur Vertiefung der Kenntnisse wird auf die »Anlei-
4 Beurteilung tung zur sozialmedizinischen Beratung und Begutachtung
4 Zusammenfassung bei Arbeitsunfähigkeit (ABBA 2004)« verwiesen.
4 Beantwortung der konkreten Fragen aus dem Gutach-
tenauftrag Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte auf
Grund von Krankheit seine zuletzt vor der Arbeitsunfähig-
Die ggf. in gefäßmedizinischen Gutachten verwendeten keit ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der
Klassifikationen, Stadieneinteilungen und Scores sollten in Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausführen
Form eines Anhanges erläuternd, ggf. tabellarisch darge- kann. Bei der Beurteilung ist darauf abzustellen, welche
stellt werden. 6
468 Kapitel 41 · Begutachtung bei Varikose

Bedingungen die bisherige Tätigkeit konkret geprägt hinaus gemindert ist. Dies darf nicht dazu verleiten, eine
haben. Arbeitsunfähigkeit liegt auch vor, wenn auf Grund Angabe über den Prozentsatz der MdE ganz zu unter-
eines bestimmten Krankheitszustandes, der für sich allein lassen. Die Schätzungen bei einer Minderung unter 20%
noch keine Arbeitsunfähigkeit bedingt, absehbar ist, dass sind daher: »15%«, »10%«, »unter 10%«, nicht etwa summa-
aus der Ausübung der Tätigkeit für die Gesundheit oder risch »unter20 %«.
die Gesundung abträgliche Folgen erwachsen, die Ar- Der Begriff der Erwerbsunfähigkeit in der Unfallver-
beitsunfähigkeit unmittelbar hervorrufen. sicherung ist nicht gleichzusetzen mit den Begriffen der
Arbeitslose sind arbeitsunfähig, wenn sie aufgrund Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung
einer Erkrankung nicht mehr in der Lage sind, leichte Tä- oder Erwerbsunfähigkeit im Sinne der Rentenversiche-
tigkeiten an mindestens 15 Wochenstunden zu verrichten. rung. (s. a. Hinweise für die Erstattung von Gutachten bei
Dabei ist es unerheblich, welcher Tätigkeit der Versicherte Arbeitsunfällen, 2002)
vor der Arbeitslosigkeit nachging. Wird bei Arbeitslosen Der Begriff der MdE wurde bis zum 01.01.2009 mit
innerhalb der ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit anderer Bedeutung auch im SER benutzt und mit der Ver-
erkennbar, dass die Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich sorgungsmedizin Verordnung zu diesem Zeitpunkt durch
länger als sechs Monate andauern wird, ist das auch auf den Begriff »Grad der Schädigungsfolge« (GdS) ersetzt.
der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu vermerken.
Grad der Behinderung (GdB)
Die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit setzt die Befragung Die GdB ist ein Begriff aus dem Rechtsbereich des SER und
des Versicherten durch den Arzt zur aktuell ausgeübten wird in Prozent angegeben. Der GdB bewertet die Auswir-
Tätigkeit und den damit verbundenen Anforderungen und kungen von schädigungsbedingten Gesundheitsstörungen
Belastungen voraus. Das Ergebnis der Befragung ist bei der in allen Lebensbereichen und nicht nur Einschränkungen
Beurteilung von Grund und Dauer der Arbeitsunfähigkeit im allgemeinen Erwerbsleben. Der Schweregrad der Be-
zu berücksichtigen. Zwischen der Krankheit und der da- hinderung gilt im SchwbG und wird in ganzen 10er-Gra-
durch bedingten Unfähigkeit zur Fortsetzung der ausge- den von 20 bis 100 bewertet. Der GdB gilt als finale Bewer-
übten Tätigkeit muss ein kausaler Zusammenhang erkenn- tung und der GdS (früher MdE) als kausale Bewertung im
bar sein. SER. Sie sind aber inhaltlich gleich zu sehen.

Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) Grad der Schädigungsfolge (GdS)


Dieser Terminus kommt aus der gesetzlichen Unfallver- Als Schädigungsfolge wird im sozialen Entschädigungs-
sicherung (GUV). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit recht jede Gesundheitsstörung bezeichnet, die in ursäch-
(MdE) (§56 SGB VII) als Folge des Versicherungsfalles ist lichem Zusammenhang mit einer Schädigung steht, die
eine wesentliche Grundlage für die Rentenbemessung in nach dem entsprechenden Gesetz zu berücksichtigen ist.
der GUV. Für die Bemessung der MdE gibt es keine festen Die Auswirkungen der Schädigungsfolge werden mit dem
Sätze, weil bei jeder Beurteilung die besonderen Umstände Grad der Schädigungsfolgen (GdS) bemessen. Zu den
des Einzelfalles zu berücksichtigen sind. Es haben sich aber Schädigungsfolgen gehören auch Abweichungen vom Ge-
in der Rechtsprechung und in der Literatur für Regelfälle sundheitszustand, die keinen GdS bedingen (z. B. funktio-
Rentensätze herausgebildet. Diese können bei typischen nell bedeutungslose Narben, Verlust von Zähnen).
Verletzungen einen Anhalt für die Beurteilung bieten, sind GdS und GdB werden nach gleichen Grundsätzen be-
aber in jedem Falle nur Anhaltspunkte. messen. Beide Begriffe unterscheiden sich lediglich dadurch,
Die »Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätig- dass der GdS nur auf die Schädigungsfolgen (also kausal)
keit im Versorgungswesen« sind für die gesetzliche Unfall- und der GdB auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig
versicherung allerdings nicht anzuwenden. von ihrer Ursache (also final) bezogen ist. Beide Begriffe
Die MdE ist in einer Staffelung der Prozentsätze von haben die Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen
10 bis 100 (100 = Erwerbsunfähigkeit) auszudrücken, wo- in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschrän-
41 bei Stufen von 5% gestattet sind. Gebräuchlich sind auch kungen im allgemeinen Erwerbsleben zum Inhalt. GdS und
33 1/3% und 66 2/3%. Eine MdE von weniger als 10% ist GdB sind ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen
nicht wesentlich und wird daher nicht entschädigt. In und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchti-
einem solchen Falle muss die Schätzung lauten »unter gung aufgrund eines Gesundheitsschadens.
10%«. Aus dem GdB und aus dem GdS ist nicht auf das Aus-
Voraussetzung für die Gewährung einer GUV-Rente maß der Leistungsfähigkeit zu schließen. GdB und GdS
an Versicherte ist im Regelfall, dass die Erwerbsfähigkeit sind grundsätzlich unabhängig vom ausgeübten oder an-
durch die Folgen eines Versicherungsfalles um wenigstens gestrebten Beruf zu beurteilen, es sei denn, dass bei Be-
20% über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall gutachtungen im sozialen Entschädigungsrecht ein be-
41.4 · Wichtige Begriffe und Terminologie im Gutachterwesen
469 41
sonderes berufliches Betroffensein berücksichtigt werden keit noch ein verwertbares Restleistungsvermögen vorhan-
muss. den, mit dem auch Einkommen durch Erwerbstätigkeit
Die in der GdS-Tabelle aufgeführten Werte sind aus erzielt werden kann.
langer Erfahrung gewonnen und stellen altersunabhängige Versicherte genießen insofern Berufsschutz, als sie im
(auch trainingsunabhängige) Mittelwerte dar. Je nach Ein- Rahmen der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für
zelfall kann von den Tabellenwerten mit einer die beson- eine Berufsunfähigkeitsrente nur auf solche Tätigkeiten
deren Gegebenheiten darstellenden Begründung abge- verwiesen werden dürfen, die ihren Kenntnissen und Fä-
wichen werden. Da der GdS seiner Natur nach nur annä- higkeiten entsprechen, die sie weder geistig noch körper-
hernd bestimmt werden kann, sind beim GdS nur Zehner- lich überfordern (objektive Zumutbarkeit) und die darüber
werte anzugeben (s. a. Versorgungsmedizinverordnung hinaus nicht mit einem unzumutbaren sozialem Abstieg
mit den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen, 2008). verbunden sind (subjektive Zumutbarkeit), (DRV-Schrif-
tenreihe Bd 21).
Erwerbsunfähigkeit Seit dem 01.01.2001 gilt die Berufsunfähigkeit nur
Erwerbsunfähig sind (Renten)-Versicherte, deren Leis- noch für Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren sind,
tungsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen aufgehoben und dies nur noch in Form der teilweisen Erwerbsminde-
ist, sodass sie auf nicht absehbare Zeit (mehr als sechs Mo- rung bei Berufsunfähigkeit (§240 SGB VI)
nate) außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit regelmäßig
oder wirtschaftlich sinnvoll ausüben zu können. Erwerbs- Behinderung
unfähigkeit liegt daher vor, wenn Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funk-
4 eine Erwerbstätigkeit nicht mehr in gewisser Regel- tion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit
mäßigkeit ausgeübt werden kann, unabhängig von der hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von
Höhe der daraus erzielten Einkünfte dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und
4 eine Erwerbstätigkeit zwar in gewisser Regelmäßigkeit daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beein-
ausgeübt werden kann, aus ihr aber nur noch ein ge- trächtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben
ringes Arbeitsentgelt zu erzielen ist in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung
4 Versicherte, die nur noch weniger als zwei Stunden täg- (GdB) nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Fest-
lich arbeiten können, sind stets erwerbsunfähig. stellung ist nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens
20 vorliegt (AHP, 2008).
Der Verlust der Wegefähigkeit führt nach höchstrichter- Schwerbehindert sind Menschen deren Grad der Be-
licher Rechtsprechung, unabhängig von der sonstigen hinderung 50% und mehr beträgt. Schwerbehinderten
Leistungsfähigkeit, immer zur Erwerbsunfähigkeit. Unter gleichgestellt sind Behinderte mit einer GdB von 30% und
Wegefähigkeit versteht man das Vermögen für den Weg mehr, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne diese
zur Arbeitsstätte eine Strecken von mehr als 500 m ein- Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlan-
schließlich Pausen in einer Zeit von 20 min 4-mal täglich gen oder behalten können.
zurückzulegen.
Maßstab für die Erwerbsunfähigkeit ist der allgemeine Nachteilsausgleich
Arbeitsmarkt. Darunter ist der gesamte Arbeitsmarkt zu Im Zusammenhang mit besonderen Behinderungen kön-
verstehen, auf dem ein Angebot an und eine Nachfrage nach nen unabhängig von der GdB besondere Vergünstigungen
jeder nur denkbaren Tätigkeit besteht. Dies gilt auch und vor bzw. Ansprüche gewährt werden, die als Nachteilsaus-
allem für solche Arbeiten, die keine berufliche Qualifikation gleiche bezeichnet werden (G = gehbehindert; aG = außer-
voraussetzen und – wenn überhaupt – nur eine kurze Einar- ordentlich gehbehindert etc.).
beitung erfordern (DRV-Schriftenreihe Bd 21).
Ursache, Mitursache, alleinige Ursache
Berufsunfähigkeit Ursache ist jede Bedingung, die wegen ihrer besonderen
Berufsunfähig sind – unter Beachtung ihres Berufsschutzes Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitge-
– Versicherte, deren Leistungsfähigkeit aus gesundheit- wirkt hat. Mitursachen sind Bedingungen, die für den Ein-
lichen Gründen so gemindert ist, dass sie weder in ihrem tritt des Erfolges annähernd gleichwertig sind. Alleinige
bisherigen Beruf noch in einem anderen zumutbaren Ver- Ursachen sind Bedingungen, die für den Eintritt des Er-
weisungsberuf die Hälfte des Arbeitsentgeltes eines ver- folges eine überragende Bedeutung haben.
gleichbaren Arbeitnehmers erreichen können. Bei der Prü-
fung des Leistungsvermögens ist von den Anforderungen Mitwirkungspflicht
des bisherigen (Haupt-)Berufes auszugehen. Im Unter- Ein Versicherter, der gegenüber dem Versicherungsträger
schied zur Erwerbsunfähigkeit ist bei der Berufsunfähig- einen Leistungsanspruch geltend macht, unterliegt be-
470 Kapitel 41 · Begutachtung bei Varikose

stimmten Mitwirkungspflichten, soweit dies die Aufklä- 4 An Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit: sog.
rung von Anspruchsvoraussetzungen betrifft (§§60 bis Vollbeweis. Es bleibt kein vernünftiger Zweifel.
67 SGB I).
Für die sozialmedizinische Begutachtung gilt §62 SGB I:
Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, soll sich auf 41.5 Arbeitsunfähigkeit bei Varikose
Verlangen des zuständigen Leistungsträgers ärztlichen und
psychologischen Untersuchungsmaßnahmen unterziehen, Seit dem 1.1.2009 besteht in der Bundesrepublik die ge-
soweit diese für die Entscheidung über die Leistung erfor- setzliche Pflicht zur Krankenversicherung, sofern ein an-
derlich sind. derer adäquater Risikoschutz nicht besteht.
Die Grenzen der Mitwirkung sind in §65 SGB I fest- Die häufigste gutachterliche Tätigkeit für die GKV ist
gelegt. Nach §65 Abs. 1 SGB I besteht eine Mitwirkungs- die Bemessung der Arbeitsunfähigkeit. Die Bemessung der
pflicht nur insoweit, als ihre Erfüllung in einem angemes- Dauer der Arbeitsunfähigkeit (AU) bei bestimmten Krank-
senen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozial- heitszuständen und nach bestimmten Interventionen ist
leistung steht. Der Versicherte braucht auch dann nicht seit jeher ein schwieriges Unterfangen gewesen, gilt es doch
mitzuwirken, wenn ihm dies aus einem wichtigen Grund eine gerechte oder doch zumindest überzeugende Synthe-
nicht zugemutet werden kann oder der Leistungsträger se zu finden zwischen rechtlichen, beruflichen und medi-
sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller zinischen Fakten. Es gilt bei der individuellen Bemessung
bzw. Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse der AU den Belangen des Patienten, der sachlich gebote-
selbst beschaffen kann (DRV-Schriftenreihe Bd 21). nen medizinischen Versorgung und Nachsorge sowie den
Interessen der Kostenträger und der Arbeitgeber gerecht
Duldungspflicht zu werden.
Nach §65 Abs. 2 SGB I können Behandlungen und Unter- Waren bis vor wenigen Jahren großzügige Regelun-
suchungen, bei denen im Einzelfall ein Schaden für Leben gen und Bemessungsbräuche sowohl seitens der Forde-
oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit aus- rung durch die Betroffenen als auch seitens der verant-
geschlossen werden kann, die mit erheblichen Schmerzen wortlichen Ärzte an der Tagesordnung, so hat sich dies
verbunden sind oder die einen erheblichen Eingriff in die unter dem Einfluss der hohen Arbeitslosigkeit und der
körperliche Unversehrtheit bedeuten, vom Versicherten ab- permanenten Gefährdung vieler Arbeitsplätze verkehrt,
gelehnt werden. Als mitwirkungspflichtige diagnostische sodass heute gelegentlich sogar eine Tendenz erkennbar
Untersuchungsverfahren gelten z. B. die venöse Blutabnah- ist, zu einem Zeitpunkt an den Arbeitsplatz zurückzu-
me, EKG, Röntgenuntersuchungen einschließlich Compu- kehren, der den medizinischen Erfordernissen nicht ange-
tertomographie, Kernspintomographie, Ergometrie, Lun- messen ist.
genfunktionstest, EEG und EMG, Dopplersonographie und Insgesamt sind die Krankenstände in Deutschland von
Echokardiographie. Als nicht ohne weiteres mitwirkungs- 5,5% der Erwerbstätigen in den 70er Jahren auf unter 3,5%
pflichtige Untersuchungsmethoden gelten die endosko- im Jahre 2004 gesunken. In 2004 fehlte der durchschnitt-
pischen Untersuchungen, Punktionen von Gelenken und liche Arbeitnehmer in Deutschland 14 Tage wegen Krank-
Körperhöhlen sowie alle Methoden, die mit dem Einbringen heit am Arbeitsplatz. Die bedeutet ein Rückgang seit 1996
diagnostischer Substanzen wie z. B. Röntgenkontrastmitteln um 25%.
verbunden sind. Testungen auf HIV benötigen immer eine Die AU-Zeiten bei Varikose sind in . Tab. 41.1 wieder-
gesonderte Einwilligung des Versicherten. In aller Regel ge- gegeben.
nügen hier jedoch die neueren, vom Hausarzt erhobenen
Befunde (DRV-Schriftenreihe Bd 21).
41.6 Bewertungsgrundsätze der Varikose
Graduierung der Kausalität in gutachterlicher Hinsicht
4 Möglichkeit: Der kausale Zusammenhang ist aus wis-
41 senschaftlicher Sicht nicht sicher auszuschließen. Bei der Bewertung der Leistungseinschränkung durch das
4 Wahrscheinlichkeit: Nach geltender medizinisch-wis- Krankheitsbild der Varikose ist neben dem Schweregrad
senschaftlicher Lehrmeinung spricht einiges für einen der Erkrankung insbesondere der Rechtsbereich zu beden-
ursächlichen Zusammenhang (überwiegend wahr- ken für den diese Einschätzung bzw. Bewertung gelten soll.
scheinlich) Die hieraus sich ergebenden unterschiedlichen Konse-
4 Hinreichende Wahrscheinlichkeit: Bei vernünftigem quenzen sind dann am besten zu vermitteln, wenn eine auf
Abwägen spricht mehr für als gegen einen Zusammen- der Basis einer umfassenden phlebologischen Befunder-
hang. Wahrscheinlichkeitsgrad mehr als 50%, aber we- fassung und -dokumentation klare Stadieneinteilung bzw.
niger als 95% Klassifikation erfolgt ist. Hierzu bietet sich wegen der um-
41.6 · Bewertungsgrundsätze der Varikose in gutachterlicher Hinsicht
471 41

. Tab. 41.1. Bemessung von AU-Zeiten bei Varikose (Empfehlung)

Primäre Varikose i.d.R. keine AU


ohne Komplikation

Entstauung bei venösem i.d.R. keine AU;


Ödem Gelegentlich kann eine AU während der Entstauungsmaßnahmen gerechtfertigt sein, wenn aufgrund
der Tätigkeit eine Berufstätigkeit mit den Kompressionsverbänden nicht zumutbar ist, z. B. Bäcker,
Metzger, Köche, Kellner, Arbeiten mit schwerer körperlicher Belastung, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten
etc. im Gegensatz z. B. zum Kfm.-Angestellten oder Verwaltungsbeamten mit reiner Bürotätigkeit.

Varizen-OP ca. 1–14 Tage

Sklerosierungstherapie i.d.R. keine AU

Seitenastphlebitis i.d.R. keine AU

Stammvenenphlebitis bei OP, s. d.


bei konservativer Therapie AU in Abhängigkeit vom Schweregrad 1–14 Tage

Ulcus cruris im akuten Stadium AU, Wiederaufnahme der Tätigkeit in Anhängigkeit vom Beschwerdebild und
vom Abheilungsstadium. AU auch ggf. aus besonderen Gründen (Hygiene, extrem stehende Tätigkeit,
körperlich schwere Arbeiten etc.)

. Tab. 41.2. GdS/GdB-Tabelle nach »Versorgungsmedizinische Grundsätzen« (2008). Die Angabe unter Position 3 findet sich nur in
den AHP (2008) und wird in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen nicht mehr aufgeführt

Pos. Legende GdS/GdB CEAP


in %

1 Unkomplizierte Krampfadern 0 C1; C2

2 Chronisch-venöse Insuffizienz (z. B. Krampfadern), postthrombotisches Syndrom ein- oder beidseitig

2a … mit geringem belastungsabhängigem Ödem, nicht ulzerösen Hautveränderungen, ohne wesent- 0–10 C3
liche Stauungsbeschwerden

2b … mit erheblicher Ödembildung, häufig (mehrmals im Jahr) rezidivierenden Entzündungen 20–30 C3, C4a

2c … mit chronischen rezidivierenden Geschwüren, je nach Ausdehnung und Häufigkeit (einschließlich 30–50 C4b,
arthrogenes Stauungssyndrom) C5; C6

3 Bei postthrombotischen Syndromen im Becken- oder Hohlvenenbereich kommen selten höhere


GdB/MdE-Werte in Betracht

fassenden Dokumentationsmöglichkeit die CEAP-Klassi- mitis? Darüber hinaus ist die Obergrenze einer GdB von
fikation an. 50% für die schwersten Fälle an komplikativen Verläufen
Dies ist umso wichtiger, da die vorliegende Bewertung- bei Varikose mit dekompensierter Leitveneninsuffizienz
stabelle (. Tab. 41.2), die im SER verwandt wird, die Viel- auch ohne Thrombose sicherlich zu gering. Der Zusatz
falt der möglichen Krankheitszustände und komplikativen (Pos. 3), wie er sich in den AHP findet, wird in den gelten-
Verläufe der Varikosis nur unzureichend abbilden (Rabe den versorgungsmedizinischen Grundsätzen nicht mehr
1998). Dies betrifft sowohl die unzureichende Differenzie- aufgeführt. Auch dieser Zusatz würde die o. g. schweren
rung der Legenden als auch die Bewertung des Schwere- Fälle ohne TVT nicht abdecken. Eine Überarbeitung dieser
grades. Der Begriff der chronisch venösen Insuffizienz Tabelle durch den Verordnungsgeber unter Einbeziehung
(CVI) wird in den Legenden sehr eigenwillig verwendet der Fachgesellschaften ist hier sicher wünschenswert.
und lässt den Eindruck zu, als sei dies bei Varikosis etwas Die Zuordnung der CEAP Klassifikation in . Tab. 41.2
grundsätzlich anderes als beim PTS. Was ist mit Entzün- wurde durch die Autoren vorgenommen und findet sich
dungen gemeint: Phlebitiden, bakterielle Infektionen der sowohl in den AHP als auch in den versorgungsmedizi-
Haut, Erysipele, Stauungsdermatitiden oder Hypoder- nischen Grundsätzen in dieser Form nicht. Auch hierbei
472 Kapitel 41 · Begutachtung bei Varikose

zeigt sich, dass die Trennschärfe der Legenden unzurei- langt besondere Erfahrung und Kenntnisse. Die Verpflich-
chend ist. tung zur Sachlichkeit und Objektivität gilt bei diesen Gut-
Die Bewertung von Zustandsbildern und Leistungs- achten für Gerichte oder Gutachterkommissionen der
einschränkungen im Rentenrecht folgt im Vergleich zu den Ärztekammern in besonderem Maße.
Anforderungen an die Bewertung im SER grundsätzlich Die Gutachten in diesem Bereich betreffen am häufigs-
anderen Vorgaben. Bei der Begutachtung im Bereich der ten Fragen wie
gesetzlichen Rentenversicherung geht es um Fragen der 4 Hautveränderungen und Hautschäden nach Ver-
Rehabilitation, der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit. Die ödungstherapie
Beantwortung der Fragestellung, also ob eine Berufs- oder 4 TVT nach operativen Eingriffen und/oder Sklerosie-
Erwerbsunfähigkeit vorliegt, ist nicht Aufgabe des Gut- rungsbehandlungen am epifascialen Venensystem
achters sondern der Verwaltung. Die Entscheidung ist 4 Ödeme nach Varizenbehandlung
dabei anhand des vom Gutachter definierten positiven 4 Nervenschäden nach operativen Eingriffen und/oder
und negativen Leistungsbildes sowie der Einschätzung des Sklerosierungsbehandlungen am epifaszialen Venen-
quantitativen (zeitlichen) Leistungsbildes zu treffen. Be- system
sondere Berücksichtigung muss die Wegefähigkeit finden.
Leistungstabellen, wie im SER und in der GUV, kommen Insgesamt machen die Verfahren wegen Verdachts des Be-
im Rentenversicherungsverfahren nicht zur Anwendung. handlungsfehlers im Zusammenhang mit der Behandlung
Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit allein aufgrund einer Varikose ca. 0,8–1% aller Verfahren vor den Gutach-
der Hauptdiagnose Varikose ist nur im Zusammenhang terkommissionen der Ärztekammern aus. Das ist ange-
mit schweren Stadien einer dekompensierten tiefen Leit- sichts der Häufigkeit der Behandlungsmaßnahmen wegen
veneninsuffizienz ohne TVT bzw. PTS denkbar. Varikose (konservativ plus operativ), unbeschadet der
Eine Beeinflussung des positiven, negativen und quan- Problematik des Einzelfalles, erstaunlich wenig.
titativen Leistungsbildes ist jedoch in Abhängigkeit vom
Stadium der Erkrankung und der Art der Tätigkeit in un- Literatur
terschiedlichem Ausmaß möglich. Bei der Notwendigkeit Anhaltspunkte 2008 für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen
Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht
der permanenten Versorgung mit Kompressionsmaß-
(AHP) (Teil 2 SGB IX). 3. fortgeführte Auflage – Stand: März 2008
nahmen (C3–C6) ist eine Tätigkeit unter den Bedingungen Das ärztliche Gutachten für die gesetzliche Rentenversicherung - Hin-
einer ausschließlichen oder weit überwiegenden Ortho- weise zur Begutachtung - (2000) DRV-Schriftenreihe Band 21.
stasebelastung nicht zumutbar, ebenso wie Tätigkeiten mit Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V (2002) Hinweise für die
besonderen Belastungen durch Umgebungsbedingungen Erstattung von Gutachten bei Arbeitsunfällen
Fritze J, Mehrhoff F (Hrsg) (2008) Die ärztliche Begutachtung. 7. Auf-
der Tätigkeit (Nässe, Staub, Schmutz, besondere Hygiene-
lage, Steinkopf Verlag
anforderungen etc.). Im Prinzip ist jedoch bei Varikose mit Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Kapitel 1.3.1; Arbeitsun-
und ohne CVI unter den Bedingungen einer permanenten fähigkeit; http://www.gbe-bund.de/
und suffizienten Kompressionstherapie eine vollschichtige Kertzendorf KW (1998) Sozialmedizinische Begutachtung in der Angio-
Belastung bei gesicherten Möglichkeiten des Wechsels zwi- logie. Vasomed 10:64–73
Ludolph E, Lehmann R, Schürmann J (2002) Kursbuch der ärztlichen
schen den Belastungsarten Sitzen, Stehen und Gehen leist-
Begutachtung. Ecomed Verlagsgesellschaft Landsberg
bar und zumutbar. Medizinischer Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen e.V.
Die Wegefähigkeit ist im Zusammenhang mit der (2004) Anleitung zur sozialmedizinischen Beratung und Begut-
Varikose i.d.R. nicht beeinträchtigt. Ausnahmen bilden achtung bei Arbeitsunfähigkeit (ABBA 2004) http://www.mdk.
hier seltene, ausgeprägte Formen der CVI ohne PTS mit de/media/pdf/BGA_ABBA_2004.pdf
Rabe E (1998) Begutachtung venöser Durchblutungsstörungen. Vaso-
Dermatolipofasziosklerose oder arthrogenem Stauungs-
med 10:82–91
syndrom. Rieger H (1998) Rehabilitation und Begutachtung bei Venenkrank-
Das floride Ulkus (C6) bedingt in Abhängigkeit von heiten. In: Rieger, Schoop (Hrsg.) Klinische Angiologie. Springer
der Ulkusgröße und -lokalisation sowie der Art der Tätig-
41 keit zunächst ausschließlich Arbeitsunfähigkeit.
Heidelberg
Versorgungsmedizinverordnung mit den Versorgungsmedizinischen
Grundsätzen (2008) (www.bmas.de)

41.7 Begutachtung bei Varikose


im Rahmen des Arzthaftungsrechtes

Die gutachterliche Tätigkeit im Zusammenhang mit der


Hauptdiagnose Varikose im Bereich des Arzthaftungs-
rechtes stellt eine besondere Herausforderung dar und ver-
42

42 Leitlinien
H. Nüllen, T. Noppeney

42.1 Geschichte und Entwicklung – 474

42.2 Haftungsrechtliche Relevanz – 474

42.3 Standards der Leitlinienentwicklung – 474

42.4 Leitlinien in der Gefäßmedizin – 475


474 Kapitel 42 · Leitlinien

42.1 Geschichte und Entwicklung 42.2 Haftungsrechtliche Relevanz

Die Entwicklung von Leitlinien als Handlungsgrundlage Damit ist die medico legale Dimension von Leitlinien an-
für den behandelnden Arzt begann in den USA und Ka- gesprochen. Nach allgemeiner Ansicht ist die Leitlinie
nada. Der Sachverständigenrat zur Konzertierten Aktion definitionsgemäß eine Handlungsempfehlung und somit
im Gesundheitswesen (SVR) hat schließlich in seinem ist im Einzelfall durchaus das begründete Abweichen von
Jahresgutachten 1995 die Entwicklung von medizinischen dieser Empfehlung möglich. Der Arzt, der bewusst von
Leitlinien für Deutschland angeregt, die von den wissen- den Empfehlungen der Leitlinie abweicht, kommt aller-
schaftlichen Fachgesellschaften erarbeitet werden sollten. dings in einen Rechtfertigungszwang, was im Streitfall der
Gleichzeitig wurde die Arbeitsgemeinschaft der Wissen- Umkehr der Beweislast gleich kommt. Somit ist denn ein-
schaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) getreten, was die Kritiker der Bewegung prophezeit haben:
als Leit- und Koordinierungsstelle empfohlen. Die Not- eine weitere Verrechtlichung der Medizin.
wendigkeit von Leitlinien in der Medizin wird vom SVR in Andererseits wird die Relevanz von Leitlinien bei der
der »Vermeidung von Überfluss und Defiziten« gesehen Beurteilung von Tatbeständen im Arzthaftungsrecht auch
und um das »Notwendige zu ermöglichen«. Mit der Ge- unter Juristen unterschiedlich gesehen. Ein Standpunkt, der
sundheitsreform 2000 wurde die Entwicklung von Leitlinie die Leitlinie ins Zentrum der Argumentationskette stellt,
gesetzlich verankert (§137e,3 SGB V). geht davon aus, dass der rechtliche Standard nur dem me-
Schon in der Vergangenheit orientierte sich die Recht- dizinischen Standard folgen kann und daher der rechtliche
sprechung bei Streitfällen in der Medizin am allgemeinen Standard auch der Leitlinie folgen muss, da die Leitlinie den
wissenschaftlichen »Standard« und meinte damit das, medizinischen Standard repräsentiert. Ein anderer Stand-
was entsprechend dem Stand der Wissenschaft anerkannt punkt stellt die Therapiefreiheit des Arztes in das Zentrum
war und von der überwiegenden Zahl der Ärzte angewandt der Argumentationskette. Er sieht die Wahlmöglichkeit des
wurde. Insofern sind Leitlinien nichts Neues. Sie unter- Arztes, frei von den Fesseln eines normierten Regelwerkes,
scheiden sich allerdings vom Standard alter Sichtweise, der im Einzelfall nach pflichtgemäßem und gewissenhaftem
meist durch die vorherrschende Meinung bzw. die Erfah- Ermessen eine vom Regelwerk abweichende Entscheidung
rung medizinischer »Schulen« im Sinne der »Experten- zu treffen, als ebenfalls zu schützendes Rechtsgut. Diese
meinung« bestimmt war, durch ihre systematische, stan- Argumentation folgt der Überlegung, dass normierte und
dardisierte und nachvollziehbare Entwicklung sowie die allgemeingültig formulierte Regeln grundsätzlich nicht jede
gezielte Autorisierung und Implementierung. Eventualität der Wirklichkeit abbilden können und folgend
Die AWMF definierte die Leitlinien: hieraus, auch unter Beachtung der Tatsache, dass sich die
Normen des Zivilrechtes am geschützten Rechtsgut im Ein-
Die »Leitlinien« der Wissenschaftlichen Medizinischen zelfall auszurichten haben, nicht letztlich und grundsätzlich
Fachgesellschaften sind systematisch entwickelte Hilfen verbindlich sein können.
für Ärzte zur Entscheidungsfindung in spezifischen Situa- Als Fazit aus den unterschiedlichen juristischen Argu-
tionen. Sie beruhen auf aktuellen wissenschaftlichen Er- mentationen könnte man festhalten, dass die unreflektierte
kenntnissen und in der Praxis bewährten Verfahren und Annahme eines Behandlungsfehlers aus der alleinigen Ab-
sorgen für mehr Sicherheit in der Medizin, sollen aber weichung von der Leitlinie ebenso unberechtigt ist wie der
auch ökonomische Aspekte berücksichtigen. Die »Leit- Ausschluss eines Behandlungsfehlers bei Einhaltung der
linien« sind für Ärzte rechtlich nicht bindend und haben Vorgaben der Leitlinie. Die Würdigung der Umstände des
daher weder haftungsbegründende noch haftungsbefrei- Einzelfalles bleibt in unserem Rechtsystem in jedem Falle
ende Wirkung. (AWMF) verpflichtend. So gesehen wird dann aus der Leitlinie wie-
derum das was sie nach dem Willen der Initiatoren dieser
Klar zu unterscheiden von den Leitlinien sind die »Richt- Bewegung sein sollte: die Beschreibung des Mainstream
linien«. Hierbei handelt es sich um bzw. eines evidenzbasierten medizinischen Standards.

… Regeln des Handelns oder Unterlassens, die von einer


42 rechtlich legitimierten Institution entwickelt und kon- 42.3 Standards der Leitlinienentwicklung
sensuiert wurden und deren Nichtbeachtung sanktions-
bewehrt ist. Die ersten Versuche der Leitlinienentwicklung waren da-
von gekennzeichnet, eher unverbindliche, dem medizini-
schen Allgemeinwissen nahestehende Darstellungen von
Themenbereichen zu entwickeln. Schnell setzte sich je-
doch die Auffassung durch, dass aufgrund der Zielsetzung,
42.4 · Leitlinien in der Gefäßmedizin
475 42

. Tab. 42.1. Einteilung der Evidenzstärke in Evidenzgrade für . Tab. 42.2. Härtegradempfehlung von Leitlinienaussagen
klinische Leitlinien (AHCPR-Categories for Quality of Evidence.
(AHCPR = Agency for Health Care Policy and Research)) Grad Empfehlung

Grad Definition A ergibt sich aus den Evidenzklassen Ia und Ib oder


ist aus klinischer Sicht als erstrangig einzustufen
Ia evidenzbasiert auf einer Meta-Analyse oder mehre-
ren randomisierten, kontrollierten Studien B ergibt sich aus den Evidenzklassen IIa, IIb und III oder
ist aus klinischer Sicht als zweitrangig einzustufen
Ib evidenzbasiert auf mindestens einer kontrollierten,
randomisierten Studie C ergibt sich aus der Evidenzklasse IV oder ist aus
klinischer Sicht als drittrangig einzustufen
IIa evidenzbasiert auf mindestens einer kontrollierten
oder randomisierten Studie mit gutem Studiendesign

IIb evidenzbasiert auf mindestens einer quasi-expe-


. Tab. 42.3. Stufenmodell der AWMF zur methodischen Be-
rimentellen Studie mit gutem Studiendesign
wertung von Leitlinien
III evidenzbasiert auf einer nicht experimentellen
(Vergleichs-, Korrelations- oder Fallkontroll-) Studie Stufe Methodik
mit gutem Studiendesign
S1 Eine repräsentativ zusammengesetzte Experten-
IV evidenzbasiert auf publizierten Ergebnissen von gruppe der Wissenschaftlichen Medizinischen
Konsensuskonferenzen mit erfahrenen Experten, Fachgesellschaft erarbeitet im informellen Konsens
oder Meinungen und/oder klinischer Erfahrung von eine Empfehlung, die vom Vorstand der Fachgesell-
angesehenen Persönlichkeiten schaft verabschiedet wird.

S2 Leitlinien werden aus formal bewerteten (evidence


level) Aussagen der wissenschaftlichen Literatur
entwickelt oder in einem der bewährten formalen
die Beeinflussung von ärztlichen Routinemaßnahmen zu Konsensusverfahren beraten und verabschiedet:
erreichen, die Leitlinien besonderen Anforderungen ge- 4 nominaler Gruppenprozess
nügen müssen. So haben die ärztlichen Standesorganisa- 4 Konsensuskonferenz
4 Delphikonferenz
tionen, folgend wiederum amerikanischen Beispielen,
Beurteilungskriterien für die Qualität von Leitlinien ent- S3 Leitlinie mit allen Elementen systematischer Ent-
wickelt, die als Leitlinien-Clearingverfahren in die Litera- wicklung
tur eingegangen sind.
Die Ansprüche an die Entwicklung von Leitlinien sind
im Vergleich zu den ersten Schritten auf diesem Gebiete in erhalten, weil diese Aussage von nachrangiger klinischer
jeder Hinsicht (Zusammensetzung des Entwicklungsgre- Bedeutung ist.
miums, Art der Konsensusfindung, Interdisziplinarität, Die AWMF hat umfangreiche methodische Empfeh-
Aktualisierung etc.) gewachsen. lungen zur Entwicklung von Leitlinien aufgestellt. Danach
Wie steht es um die Validität der einzelnen Empfeh- ergibt sich ein 3-Stufenmodell (S1 bis S3), das auch, je nach
lungen in den jeweiligen Leitlinien? Unter dem Einfluss der Art der methodischen Entwicklung, zur methodischen Be-
»Bewegung« der evidenzbasierten Medizin entstanden der wertung der Leitlinie herangezogen werden kann.
Wunsch und die Forderung, den Einzelempfehlungen den
jeweiligen Evidenzgrad zuzuordnen. Dies erfolgt anhand
einer Literaturrecherche zu dem jeweiligen Thema bzw. Ge- 42.4 Leitlinien in der Gefäßmedizin
genstand und folgt der allgemein anerkannten Wertung wie
sie durch die AHCPR publiziert wurde (. Tab. 42.1). Die wissenschaftlichen Fachgesellschaften in der Gefäß-
Aus Gründen der Vereinfachung und Transparenz medizin (DGA, DGG und DGP) haben in den letzten Jah-
wird diese Zuordnung der Evidenzstärke in der Regel ren ihre Abschottungstendenzen weitgehend überwunden
durch eine Härtegradempfehlung verdichtet und gewichtet und begonnen gemeinsame Leitlinien zu entwickeln, um
(. Tab. 42.2). die ausufernde Zahl der Einzelleitlinien zu begrenzen und
Bei dieser Gewichtung durch die Härtegradempfeh- der Gefahr zu begegnen, u. U. sich widersprechende Leit-
lungen ist zu bedenken, dass sie nicht einfach einer Über- linien zu publizieren.
setzung der Evidenzgrade entspricht. So kann beispielswei- Die Aufstellung in . Tab. 42.4 enthält die wesentlichen
se eine bestimmte Aussage in der Leitlinie einen Evidenz- Leitlinien zum Themenbereich Varikose. Die AWMF führt
grad Ia oder Ib aufweisen und trotzdem den Härtegrad C ein strenges Reglement bei der Bewertung und der Über-
476 Kapitel 42 · Leitlinien

Nüllen H, Noppeney T, (1998) Primäre Varikose. In: Allenberg JR, Zehle


. Tab. 42.4. Relevante Leitlinien für den Versorgungsbereich A. Leitlinien zu Diagnostik und Therapie in der Gefäßchirurgie.
der Varikose Deutscher Ärzteverlag Köln
Ollenschläger G, Helou A, Lorenz W, (2000) Kritische Bewertung von
Titel Stufe Leitlinien. In: Kunz R, Ollenschläger G, Raspe H, Jonitz G, Kolk-
mann F-W, Lehrbuch Evidenzbasierte Medizin in Klinik und Praxis.
Diagnostik und Therapie des Krampfaderleidens S2 Deutscher Ärzte-Verlag Köln

Stationäre und ambulante Thromboembolie- S2


Prophylaxe in der Chirurgie und der perioperativen
Medizin

Medizinischer Kompressionsstrumpf (MKS) S1

Phlebologischer Kompressionsverband (PKV) S1

Medizinischer Thromboseprophylaxe-Strumpf (MTS) S1

Intermittierende pneumatische Kompression S1


(IPK oder AIK)

Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Thrombo- S1


phlebitis superficialis

Sklerosierungsbehandlung der Varikose S1

Diagnostik und Therapie des Ulcus cruris venosum S3

prüfung der Gültigkeit bzw. dem Ablauf der Gültigkeit. Es


handelt sich bei dieser Aufstellung also um eine Moment-
aufnahme. Die aktuellen Leitlinien finden sich unter www.
leitlinien-online.de.

Literatur
Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachge-
sellschaften (AWMF). http://www.leitlinien-online.de/
Bollschweiler E, (2001) Leitlinien-Entwicklung In: Lauterbach KW,
Schrappe M (Hrsg) Gesundheitsökonomie, Qualitätsmanage-
ment und Evidence-based Medicine, Schattauer Stuttgart
Bundesärztekammer und Kassenärztlichen Bundesvereinigung (1997)
Beurteilungskriterien für Leitlinien in der medizinischen Versor-
gung. Dt Ärztebl 94:2154–2155
Bundesärztekammer und Kassenärztlichen Bundesvereinigung (1999)
Das Leitlinien-Clearingverfahren. Dt Ärztebl 96:2105–2106
Bundesärztekammer und Kassenärztlichen Bundesvereinigung (2000)
Checkliste Methodische Qualität von Leitlinien. Dt Ärztebl 97:
1170–1172
Gerlach FM, Beyer M, Szecsenyi J, Fischer GC, (1998) Leitlinien in Klinik
und Praxis. Dt. Ärztebl 95:1014–1021
Laufs A, (2006) Zur haftungsrechtlichen Relevanz medizinischer Leit-
linien (Thesen). In: Berg, Ulsenheimer (Hrsg.) Patientensicherheit,
Arzthaftung, Praxis- und Krankenhausorganisation. Springer,
Heidelberg
Noppeney T, Kluess HG, Gerlach H, Braunbeck W, Ehresmann U, Fischer
42 R, Hermanns H-J, Langer C, Nüllen H, Salzmann G, Schimmel-
pfennig L (2004) Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Krampf-
aderleidens der deutschen Gesellschaft für Phlebologie, der
Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie, des Berufsverbandes
der Phlebologen e.V. und der Arbeitsgemeinschaft der nieder-
gelassenen Gefäßchirurgen Deutschlands e.V. Gefäßchirurgie;
9:290ff
Sachverzeichnis
478 Sachverzeichnis

APC-Resistenz 185 Beinödem 144


A Apoplexie 277 Beinschwellung 339
Appositionsthrombus 383 Beinvenenthrombose 153, 176, 178,
A. femoralis 313 appropriatness evaluation protocol 414, 436
Aa. pudendae circimflexa ilium 219 – tiefe 153, 176, 414, 436
superficialis 31 Aquapendente 5 Benzodiazepin 428
Aa. pudendae epigastrica 31 Arbeitsdruck 232, 233 Berufsunfähigkeit 406, 469
Aa. pudendae externae 31 Arbeitsunfähigkeit 64, 467, 470 Besenreiser 25, 276, 295
Abbildungstheorie 105 Arbeitsunfähigkeitszeit 466 – Laserbehandlung 295
Aberdeen varicose vein severity score Argon-Laser 296 Besenreiservarikose 290
(AVVS) 310, 462 Armamentorium chirurgicum 5 Besenreiservarize 150
Abrechnungsdaten 62 Artefakt 96 Beurteilungskriterium 129
Abstrich, bakteriologischer 185 Arterienverletzung 414 Bewegungsökonomisierung 252
Abstrom, venöser (VO) 85 Arzneimittelunverträglichkeit 189 Bewegungstherapie 252
Aderlass 5 Astklappe 20 Biguanide (Metformin) 427
Adventitia 10 Atrophie blanche 189, 191 Bilddokumentation 98
Aethoxysklerol® 269, 278 Ätzmittel 5 Bildeinstellung 94
Aetius Amideus 4 Auffüllzeit, venöse 78 Biometrie 114
Agenesie, valvuläre 34 Aufklärung 104, 222, 420 Biosurgery 188
Airblock 272 – rechtsgültige 104 blow-out 25, 335
Akuttherapie 240 Aufklärungsprozess 420 Blutflussrichtung 97
Albucasis 4 Ausspüleffekt 106 Blutleere 325
Alfentanil 428 Auswaschphänomen 106 Blutreservoir 10
Algorithmus, diagnostischer 70 AV-Fistel 154, 163, 165, 384, 414 Blutsperre 325
Ambroise Pare 5 Avalvulie 361 Body-Mass-Index 114
AMBUKISS 377, 396 Avicenna 4 Bogenvene, hintere 331
Aminoglykosidantibiotika 191 AWMF 475 Bonner-Studie 62
Amputation 188 Bonner Venenstudie 46, 448
Amputationsrate 372 Bonner Venenstudie I 39
Analgosedierung 430 Boyd-Vene 16
Analyse (M-BIA) 116
B Brennen 124
Anamnese 72 Bündel, ventromediales 386
Anamneseerhebung 374 B-Bild-Sonographie 94 Bypassmaterial 372
Anästhesie, ambulante 433 Babcock 6, 318
Aneurysma, venöses 106, 162 Bainbridge-Reflex 247
ANG 448 Balneologie 246
Angiodysplasie 26, 30, 103, 130, 154, Balneotherapie 246
C
158, 165 Barorezeptor 53
– komplexe 165 Barrieremethode 402 Canyon-Varize 211
Ankle perforator 331 Baseler-Studie 46, 62 Charing Cross Venous Ulcer
Anpressdruck 231, 232 Bassi 18 Questionaire 463
Antibiose 388 Beckenvarikose 211 Chauliac, Guy de 4
Antibiotikaprophylaxe 187, 413 Bedingung, pathophysiologische 133 CEAP-Klassifikation 38, 150
– perioperative 413 Begleiterkrankung 222 Celsus, Aulus Cornelius 4
Antibiotikatherapie 442 Begutachtung, sozialmedizinische 470 Cetylstearylalkohol 191
Antidepressiva, tricyclische 427 Begutachtungsfrage 466 Chemothermolyse 298
Antiemetika 433 Behaglichkeitszone 249 chilled tips 296
Antikoagulation 175 Behandlungsfehler 99 Chirurgie, ambulante 218
Antikörper, antineutrophile cytoplas- Behinderung 468, 469 CHIVA 304, 363
matische (ANCA) 185 – Grad der (GdB) 468 – -Konzept 363
Antiphospholipidantikörper 185 Beinbeschwerden 124 – -Methode 99
Antiseptika 264 – müdes Bein 124 Chloramphenicol 191
Anxiolyse 428 – unruhiges Bein 124 CIVIQ (Launois 1996) 462
Sachverzeichnis
479 A–F

Cockett 13, 16 Diszision, perkutane, mit dem Elektro-Thermo-Koagulation 298


Codierung 144 Klapp’schen-Messer 337 Elektrokoagulation 298
Compliance 222 Diuretika 182 Elektrotherapie 396
Computertomographie 185 Dodd 18 Embolia cutis medicamentosa 277
Corona phlebectatica paraplantaris Dodd’sche Gruppe 330 Embryonalvene, persistierende 163
151 Dodd’sche Perforansvene 400 Endothel 34, 306
Cortison 433 Dokumentation 73, 96, 389, 420 Endothelin-1 34
Crosse 12, 18 Dokumentationsverpflichtung 130 Endothelschädigung 35
Crossektomie 6, 304, 306, 310, 352, Dolasetron 433 Endotoxinschock 397
368, 400 Doppelsonden-Methode 321 Energiedichte 353
– partielle 368 Doppelsondentechnik 320 Enterokokken 407, 442
Crossenrezidiv 313 Doppelspritzensystem 273 – vancomycinresistente 442
CT 111, 406 Dow’sches Zeichen 106 Entscheidungsfindung, partizipative
CVI, nach Widmer 139 Drainagekapazität 181 420
cw-Dopplersonographie 87 Droperidol 433 Entsorgungsgefäß 445
DRQL 462 Entstauungstherapie 182, 240, 241
Druck 52, 180 Entzündung 35, 136
– hydrostatischer 52, 180 Epikutantestung 196
D – kolloidosmotischer 180 Eradikation 443
Druck-Saug-Pumpe 14 Ergebnisqualität 449
Dacron-Flies 361 Druckausgleichszeit 90 Erkrankung, Schweregrad 129
Dacronmanschette 362 Druckbelastung, chronisch erhöhte Eruption, pustulöse 189
Dauermedikation 427 34 Erwerbsfähigkeit 64, 468
Dauertherapie 240 Druckgradient 34, 334 – Minderung der (MdE) 468
Dauerverband 233 Druckprobe 182 – verminderte 64
Débridement 188, 264, 397 Drucksyndrom, intrapelvines 156 Erwerbsunfähigkeit 469
Defizit, neurologisches 395 DSS-Technik 289 Erysipel 189, 397, 412
Dehnbarkeit, elastische (Compliance) Duftstoff-Mix 191 Erythema induratum 397
52 Duplexsonographie 47, 97, 174, 333, Erythema nodosum 193
Delbet 7 335, 457 ESDP 339, 408
depth gain compensation 94 – farbkodierte 333 – Komplikation der 339
Dermatolipofasziosklerose 184, 188, Durchzugsmethode 321 EuroQol 310
193 Dysästhesie 340, 355 Evidenzgrad 475
Dermatoliposklerose 193, 410 Dysmenorrhoe 211 EVLT 384
Dermatom 410 Dyspareunie 211 Exhairese 318
Dermatomyositis 193 Expertenmeinung 474
Dermatosklerose 193 Exstirpation 210, 213, 306, 311
Deutsche Rentenversicherung 62 – lokale 213
Diabetes mellitus 427
E Extended-Spektrum-beta-Laktamase-
Diagnostik 47, 69, 70, 72 resistente gram-negative Bakterien
– Grundlagen 69 Echerischia coli 407 442
– im Kindesalter 47 Eingriff 421 Extraktionsmanöver 391
– klinische 70, 72 Einmündung, hohe 27
– phlebologische 70 Einstrom, arterieller (AF) 85
Diathermie 298 Einwilligungserklärung 104, 119
Diathese, thrombophile 174 Ekchymose 384
F
Diclofenac 432 EKG 426
Dimenhydrinat 433 Ektasie, tubuläre 149 Fabricius Hildanus 5
Diodenlaser 296 Ekthymata 189 Fadenmethode 321
Disease specific related quality of life Ekzem 189, 190 Faktor 174, 190
461 – irritativ-toxisches 189 – prädisponierender 174
Dissektor 324 – kontaktallergisches 189 – proinflammatorischer 190
Dissketion, epifasziale 409 Ekzementwicklung 194 Familienanamnese 42
480 Sachverzeichnis

Farb-Dopplersonographie 97 Hautnekrose 277, 287


Farbkodierung 98
G Hautpflegepräparat 194
Farbstofflaser, gepulster 296 Hautreaktion, allergische 277
Fascia lata 20 G-AEP 219 Hautschädigung 194
Fascia saphena 20 gain 95 Hautschnitt, infrainguinaler 312
Fascia Scarpae 20 Gangkoordination 252 Hautvene 25
Fascia subcutanea cribrosa 20 Gastrocnemiuspunkt 15 Hautverbrennung 346, 355, 382
Fasziektomie 140, 184, 407, 413 Gastrocnemiusvene 15 Health related quality of life 461
– krurale 184, 407, 413 Gefäßdysplasie, venöse 183 Heileingriff 421
Faszienrand, Druckbelastung des 332 Gefäßfehler, angeborener 159 Heparinisierung 436
Faszienresektion, crurale 188 Gefäßinfektion 146 Herzkrankheit, koronare 361
Fasziitis, nekrotisierende 189, 397 Gefäßlumen 368 Hiatus saphenus 20, 27
Fasziitis necroticans 396 Gefäßmissbildung, systemische 159 Hilfsmittel, medizinische 239
Fasziosklerose 214 Gefäßneubildung 203 Hippokrates 4
Fasziotomie 140, 339, 407, 413 Gefäßverletzung 414 Hitzegefühl 124
Faziektomie 414 Gefäßwiderstand, peripherer 52 Hitzekoagulationsverfahren 300
Fehler 143 Gelenkpumpe 54 Hitzeödem 182
– taktischer 143 Gerinnungsaktivierung 177 HNPP 391
– technischer 143 Geschlechterunterschied 42 Homocystein 185
Fehlsondierung 27 Gewebedruck 180 Hormonersatztherapie 42
Fentanyl 428 Gewebekleber 325 HRQL 462
Fieber 412 Giacomini 30 Hydrogel 195
Filtration 52, 180 – -Vene 13 Hydrokolloid 195
– kapillare 52 Graduierung 129 Hydrotherapie 246
Flachstrickverfahren 237 Granisetron 433 Hypästhesie 384
Fliegenmade 264 Grenzverweildauer 223 Hyperpigmentierung 192, 278, 287, 291
Fluoreszenz-Darstellung 335 Grunderkrankung 142, 143, 200, 309 – postinflammatorische 192
Flußanalyse 364 – Fortschreiten der 143 Hypertension, venöse 58
Flüssigkeitsausgleich 180 – Progression der 142, 200, 309 Hypertonie 59, 154, 163, 183, 214
Flüssigsklerosierung 278 Gummistrumpf 235 – ambulatorisch venöse 154, 214
Follikulitiden 189 Gutachten 467 – dynamisch venöse 183
Formulargutachten 467 Gutachtenerstellung 466 – primäre 228
Fotodokumentation 73, 118 Gutachterfall 391 – venöse 59, 163
Fotographie 73, 117 Gütezeichengemeinschaft 239 Hypoglykämie 427
– elektronische 73 Hysteresekurve 232
– medizinische 117
FP-Weber-Syndrom 165, 167
Frank-Starling-Mechanismus 247
H
Freiburg Life Quality Assessment 463
I
Friedel 6 Hach 318
Früh-Rekanalisierung 355 Häkelnadel 324 Ibuprofen 432
Funktionstest 72, 73 Halbschenkelstrumpf (AF) 236 Impedanz 94
Fußinfekt, gramnegativer 189 Haloperidol 433 Impedanzplethysmographie 83
Fußmuskelpumpe 213 Hämangiom 159 Impetiginiserung 189
Fußrücken 314 Hamartie 159 Indexverfahren 461
Fußrückenkollektor 386 Hamartom 158 Indifferenztemperatur 248
Fußsohlenmuskelpumpe 55 Hämatom 340, 384, 414 Indikation 48
Fußvene 14 – subfasziales 414 Indikationsstellung 341
Hamburger-Klassifikation 160 Indikatorvene 361
Hämodynamik, venöse 76 Induration 136, 384
Handdermatom 410 Infektion 384, 396, 397, 414, 442, 446
Harvey, William 5 – Grad 3, nach Szilagyi 397
Hautkühlung 296 – Grad 4, nach Szilagyi 397
Sachverzeichnis
481 F–L

– nosokomiale 442, 446 Kittelpflege 445 Kontrastmittelallergie 104


– schwerwiegende 396 Klappe, präterminale 18 Kontrazeptiva, orale 42
Infektionsquote 377 Klappensegel, distrahiertes 360 Kopfstripping 320
Infiltrationsanästhesie 429 Klappenwulst 20 Körperverletzung 421
Infrarotthermographie 335 Klassifikation 129, 130, 132, 133, 141, Kraftsportart 256
Inhalationsanästhetikum 428 144 Krampfaderexstirpation 4
Inspektion 72 – ätiologische 130, 133 Krampfaderleiden 38
Insuffizienz 25, 38, 132, 138, 139, 241, – CEAP 132, 133, 134 Krampfadern, Inzidenz 38
367 – klinische 132 Krampfaderoperation 4, 63
– chronisch venöse (CVI) 25, 38, 132, – des PTS, klinische 141 Krankengymnastik 396
138, 139, 241 Klassifikation nach Mulliken und Krankenhaus-Infektions-Surveillance-
Insuffizienzpunkt 27, 138 Glowacky 160 System – KISS 446
– oberer 27, 138 Klassifikationssystem 132 Krankenhausstatistik 62
– unterer 138 Klippel-Trénaunay-Syndrom 34, 165 Krankheitskosten 65
Insulin 427 KM-Reaktion 103 Kreislauf, venöser 5
Insulinsensitizer (Glitazone) 427 Kneipp-Therapie 249 Krummader 148
Interponat 396 Kniekehlenperforans 331 Krümmungsradius 231
Intervall, beschwerdefrei 200 Knochenbildung, heterotope 212 Kryoglobulin 185
Intima 10 Kollateralgefäß 154 Kryoglobulinämie 185
Intubation, endotracheale 428 Kollateralkreislauf 130 Kryostripping 320, 322, 384
Invaginationsstripping 321 Kollateralvene 56 Kühlküvette 296
Ischämie, lokale 261 Kolophonium 191 Kühlspray 296
Isolationsmaßnahme 445 Kompartmentdruckmessung 406, 407 Kunststoffstreifen 361
ISSVA 161 Kompartmentsyndrom, chronisch Kurzugbinde 233
– -Klassifikation 160 venöses 407, 413
Komplikation 372, 412
– intraoperative 372
Komplikationsrate 372
L
J Kompression 5, 231, 241, 286, 415
– apparativ intermittierende 415 Laborbefund 426
Juckreiz 124 – exzentrische 231 Lachgas 428
Junktionszone, sapheno-femorale (SFJ) – intermittierende pneumatische (IPK) Lactatazidose 427
12 241 Lacuna vasorum 20
Junod 401 – konzentrische 231 Lagerung 432
Kompressionsbehandlung 269 Laplace’sche Gleichung 230
Kompressionsdruck 231, 236 Larynxmaske 428
– effektiver 231 Laserlicht 350
K Kompressionsklasse 236 Lasertherapie 199, 296, 349, 350, 408
Kompressionsmaterial 232 – endovenöse (ELT) 199, 349, 350
Kaliumdichromat 191 Kompressionsmittel 233 Lateral leg perforator 331
Kältebrücke 322 – elastisches 233 Lebensqualität 184, 228, 310, 347, 406,
Kältegefühl 124 – unelastisches 233 460
Kältetherapie 249 Kompressionssonographie 95, 97 – Einschränkung 406
Kapazität, venöse (VC) 85 Kompressionsstrumpf 154, 182, 228, Leistenbeuge 313
Kapazitätsgefäß 52 233, 235, 239, 415 Leistenbeugenfalte 312
Karzinom 408 – medizinischer 239 Leistung, stationsersetzende 218,
Katheterintervention, endovaskuläre Kompressionstherapie 62, 136, 154, 221
211 157, 183, 184, 230, 286, 378, 388, Leitlinie 218, 437, 474
Kegelstumpfvolumetrie 115 415, 456 Leitlinien-Clearingverfahren 475
Keimverschleppung 388 Kompressionsverband 5, 175, 293 Leitveneninsuffizienz 59, 106, 188, 335,
Keller 318 Kompressionsverfahren 336 406
Keller, William 6 Konformität 460 – sekundäre 59, 188
Kernspintomographie 185 Kontraindikation 48, 341, 361 – tiefe 335
482 Sachverzeichnis

Leukozytenadhäsion 34 Maßnahmem operative 48 N. femoralis cutaneus lateralis 389,


Lichen ruber planus 189 Maßstab 118 390, 391
Licht-Reflexions-Rheographie 76 Matting 278, 287, 296 N. genitofemoralis 395
Lichtdosimetrie 350 May 18 N. iliohypogastricus 395
Lichtreflexionsrheographie 47 MDK 219 N. ilioinguinalis 395
Ligatur 175, 337, 409 Media 10 N. ischiadicus 389, 390, 391, 393
– des poplitealen Überganges 175 Medikament, neurotropes 396 N. peroneus 313, 389
– des sapheno-femoralen-Überganges Medizin 460 N. peroneus communis 390, 391
175 – patientenzentrierte 460 N. peroneus superficialis 390, 391
– subfasziale 337 – wissenschaftszentrierte 460 N. saphenus 307, 389, 390, 391, 393
Linie, Linton’sche 331 Medizinalstatistik 62 N. suralis 311, 314, 389, 390, 391, 394
Linton 73 Mehrkammergerät 241, 242 N. tibialis 389, 390, 391, 394
Lipödem 241 Mesh graft 188 Nabatoff 318
Lipodermatosklerose 25 Meshgraft-Plastik 408, 414 Nachbeobachtung 456
Livedovaskulopathie 191 – simultane 408 Nachsorge 149, 456
Löfqvist 325 Messverfahren, nutzentheoretisches Nachuntersuchungskonzept 456
Lokalanästhesie 429 461 Naevus flammeus lateralis 162
Lokalanästhetika 430 Metamizol 432 Nährvene 25, 151, 297
– Maximaldosierung 430 Methodenvielfalt 304 Naloxon 432
– Intoxikation 429, 430 Migräne 291 Narath 7
Lokalisationsdiagnostik 335 Mikrokatheter 281 Narkose 428
LQ-Messung 461 Miniphlebektomie 211, 323, 324, 337, NASEPS-Register 341
LRR 457 352, 365 Nd:YAG-Laser 296
Luftkühlungssystem 296 – Dissektion durch 337 Necrobiosis lipoidica 191, 193
Luftplethysmographie 83 Monfreux-Technik 289 Nekrosektomie, tangentiale 408
Lungenembolie (LE) 176, 277, 346, 383 Morbus Mondor 173 Neoreflux 401
Lupus erythematodes 193 Moro 6 Neovaskularisation 99, 198, 201, 203,
Lymphangitis 189 Moszkowicz 6 306, 400
Lymphbündel, ventromediales 325 MRA 111 Nerv, peripherer 391
Lymphfistel 386, 388, 412 MRSA 442 Nervenläsion 346, 382, 389, 391, 414
Lymphgefäß 386, 387, 388 – -Abklärung 444 – dauerhafte 382
– Schädigung 388 – -Besiedlung 408 – Häufigkeit 389
Lymphgefäßsystem 181 – -Management 444 – perioperative 382
Lymphknoten, inguinaler 387 MRT 111, 406 – periphere 389
Lymphkollektor 387 Multifrequente Bio-Impedanz-Analyse Nervenschädigung 278
Lymphödem 241, 386, 414 116 Nervenverletzung 414
– postoperatives 386, 414 Multiorganversagen 397 Nervus plantaris 340
Lymphzyste 386, 388 Mündung der VSP, hohe 29 Nervus saphenus 12, 339
Mündungs-Klappe, terminale 21 Neurolyse 396
Mündungsvariante 22, 27 Nickelsulfat 191
– kaudale 27 Non-Okklusion 353, 355, 356
M Mupirocin-Nasensalbe 444 Nüchternheitsgebot 427
Muskelkrampf 124 Null-Fehler-Philosophie 378
Madelung, Otto 5 Muskelpumpe 14, 34, 54, 55, 252 number needed to treat 436
Mahoner 73 – Insuffizienz 55
Malformation, vaskuläre 158 Muskelpumpen-Test 78
Malignom 185
Management, perioperatives 411
O
Manschettendruck 242
Marginalvene 162, 163
N Oberschenkelmuskelpumpe 55
– Grundtyp 163 Obliteration 48, 367
– persistierende 163 N. cutaneus femoris lateralis 395 – endovenöse 48
Margo falciformis 20 N. femoralis 389, 390, 391, 392 – Häufigkeit 367
Sachverzeichnis
483 L–P

Occlusionsverfahren 336 Patientenselektion 361 Phlebohäkchen 324


– endoluminales 336 Patientenwille 222 Phlebosklerose 25
– thermisches 336 Patientenzufriedenheit 49, 434 Phleboskopie 102
Ochsner 73 PAVK 361 Phlebothrombose 56
Ödem 38, 136, 144, 179, 181, 182, 377 Pedalergometer 253 Phlegmon 189
– akut Pelvic congestion syndrome 211 PhotoDerm®VL 300
– – inflammatorisches 181 Percutaneous ablation of perforator Photoplethysmographie 46, 76
– – traumatisches 181 336 – digitale 47
– chronisch 179 Perforans 331 Photothermolyse 300
– – hydrostatisches 182 – Hach’sche 331 Physiologie 34
– – inflammatorisches 182 – May’sche 331 Pigmentation 136
– – venöses 182 – Shermann 331 Pigmentstörung 384
– ischämisch 181 Perforans-Diszision 337 PIN-Stripping 320, 322
– lokalisiert 181 – nach Bassi 337 Piritramid 432
– Pathogenese peripherer 181 Perforansausschaltung 336 Planimetrie 116
– peripher 179, 181, 182 Perforansdiscision, endoskopisch sub- Plethysmographie 83, 85
– Klassifizierung 182 fasziale 413 – gravimetrische 85
– postoperativ 377 Perforansdissektion, nicht selektive, – Mikrowellen- 85
– postrekonstruktiv 181 nach Hach 337 – optische Venenverschluss 85
– systemisch 181 Perforansligatur, offene subfasziale, Pneumonie 412
– venös 136 nach Cockett 337 Polidocanol 269, 278
– zyklisch 182 Perforansvene 184, 331, 334, 338 – Schaum 294
Ödemprophylaxe 415 – Bedeutung der 334 Polydysplasie 167
Ödemscore 145 – Cockett’sche 184 Polyneuropathie, hereditäre 391
Ödemsprechstunde 179 – endoskopisch subfasziale Diszision Polyurethan 361
Okklusionsverband 263 (ESDP) 338 Pooling, venöses 52
Ondansetron 433 – laterale 331 Posterior tibial perforator 331
Operation 218, 309 Perforansvenenchirurgie 338, 408 Prädisposition, genetische 35
– ambulante 218 Perforansvenenligatur 352 Prallfüllung 106
– Ergebnis nach 309 Perforantes 331 Prämedikation 428
– Indikation 218 – Cockett’sche 331 Prävalenz 41
Opiat 432 – Kuster’sche 331 Pressphlebographie, ascendierende
Oribasius 4 Perforation 384 102
Orthostase-Reaktion 52 Perforators of the femoral canal 330 Prilocain 431
Ossifikation 213 Periduralanästhesie 428 Privatkreislauf 5, 58, 334, 363
outcome assessment 460 Peroneusparese 389 Probeexzison 185
Oxycodon 432 Perthes 73 Problemwunde 258
Perubalsam 191 Profilverfahren 461
Phänomen, blow out 331 Promethazin 433
Pharmakotherapie 242 Prophylaxe von PONV 433
P Phlebektasie 149 Propofol 428
Phlebextraktor 324 Propylenglykol 191
Palpation 72, 335 Phlebitiden 346 Provokationstest 97
Paraben-Mix 191 Phlebitis 172, 173, 361, 382 Proximal paratibial perforator 331
Paracetamol 432 – primäre 172 Pseudo-Kaposi-Sarkom 189, 193
Parameter, outcome 461 – sekundäre 172 Pseudomonas aeruginosa 407
Paraproteinämie 185 – strangförmige 173 Pseudomonas aeuruginosa 408
Parästhesie 124, 384 – Zustand 361 Pseudorezidiv 142
Parecoxib 432 Phlebitis saltans 173 Psoriasis 189
Parese, muskuläre 396 Phlebödem 179, 181 Psoriasis vulgaris 194
Parva-Crosse 400 – akutes 181 PTFE-Flies 361
Pathophysiologie 34 Phlebodynamometrie 76, 89, 154, 408 PTS 140
Patient, informierter 420 Phlebographie 102, 154, 175, 333 Pulsed Wave-Doppler 95
484 Sachverzeichnis

Pulsrepetitionsfrequenz 97 Rentenversicherung 64 Schede, Max 6


Pulsstatus, arterieller 185 Rentenzugang 64 Schenkelstrumpf (AG) 236
Pumpleistung, venöse 78 Resistenz 408 Schichtdickenartefakt 96
Punktion 388 Resorption 180 Schleusen-Klappe, präterminale 21
Purpura jaune d’ocre 189, 192 Retonisierung 362 Schleusenklappe 360, 362
Purpura pigmentosa progressiva REVAS 143, 201, 400 – Reparatur 360
192 REVAT 143, 144, 202 – Verschlussfunktion der proximalen
Pyoderma gangränosum 185, 189, Rezidiv 142, 312, 365 362
397 Rezidivhäufigkeit 185 Schlitzkupplung 318
Rezidivoperation 400 Schmerz 136, 185, 406
Rezidivrate 309, 341 – chronischer 406
Rezidivulkus 412 – Intensität der 185
Q Rezidivvarikose 142, 198, 274, 285, Schmerztherapie 192, 396, 432
375, 400 – postoperative 432
QS-Varizenchirurgie 448 Rezidivvarize 309 Schmerzverhalten 412
Qualität, subjektive 460 Rezirkulation 138 Schmerzzustand, postoperativer 339
Qualitätsindikator 448, 460 Rezirkulationskreis 59, 363 Schnürstrumpf 5
Qualitätsmanagement 420 – Dekompensation 59 Schobinger-Klassifikation 160
Qualitätssicherung 129, 326, 434, 448, – nach Hach 363 Schuppung 194
460 Rezirkulationsvolumina 335 Schwangerschaftsvarikose 130, 148,
Qualitätssicherungsinstrument 135 RFITT 383 155
Qualitätssicherungsprojekt 372, 436 Rindfleisch 6 Schwartz 73
Qualitätsziel 449 Risikoaufklärung 420 Schwellungszustand 339
Quality of life 461 Risikofaktor 35, 39, 41, 177 Schweregefühl 124
– dispositioneller 177 Schweregrad 131
Rollmanschette 326 Scopalamin 433
Röntgenanatomie 105 Segment, verbliebenes 367
R Rückfluss, venöser 53 Seitenastvarize 312
Rückzugsmethode 321 Selbstversorgungsfähigkeit 48
Radiergummizeichen 106 Rückzugstripping 318 Sensibilitätsstörung 308, 382
Radiofrequenzobliteration 199, 344, Ruhedruck 232, 233 SEPS = subfascial endoscopic perfora-
346, 382 Rundstrickverfahren 238 tor surgery 134, 339, 408
Radiomorphologie 106 Serombildung 384
Radiowellentherapie 408 Servell-Martorell-Syndrom 165
RAL-Gütezeichen 239 SF-36 310, 462
Randständigkeit, soziale 406
S shared decision making 420
rating-scale-procedure 461 Shavetherapie 184, 188, 408, 410
Reaktion 172, 287, 431 Saphena-Auge 20 Sherman-Vene 16
– allergische 287, 431 Saphena-Drainagesystem 363 Shunt-Typ 364
– entzündliche 172 Saphena-magna-Kompartiment 20 Sicherungsaufklärung 420
Realisationsfaktor 34 Saphenastumpf 200, 306, 314 Sklerodermie 193
RECOVERY-Studie 383 – belassener 200 Sklerose 189, 193
Recurrent Varices after Treatment sapheno-femoral junction 18 Sklerose-Faszien-Score (SFS) , nach
(REVAT) 142, 143 sapheno-popliteal junction 23 Hach 139
Reflexionskoeffizient 180 Schädigung, thermische 393 Sklerosierung 62, 211, 276
Reflux 34, 88, 401 Schädigungsfolge, Grad der (GdS) Sklerosierungstherapie 199, 210, 274,
Refluxstrecke 88, 138, 304, 363 468 277, 456
– Drainage der verbliebenen 363 Schädigungsmechanismus 391 – Komplikation 277
Rekanalisation 25 Schallschattenartefakt 96 Sklerotherapie 271, 280, 352
Rekanalisationsrate 346 Schaumsklerosierung 281, 408 Soleuspunkt 16
Rekanalisierung 353, 355, 356 Schaumsklerotherapie 288 Soleusvene 15
Rekanalisierungsrate 199 Schaumverödung 149, 212, 272, 273 Sondierung, retrograde 320
Remifentanil 428 Schaumvolumen 292 Sonografie 291
Sachverzeichnis
485 P–U

Spalthaut 410, 411 Strippingverfahren 306, 311 Thromboserate 436


Spannungsgefühl 124 Strömungsgeschwindigkeit 35 Thromboserisiko 177, 374, 436
Speicherfunktion 52 Strumpfanpassung 239 Thrombus 384
Spiegelartefakt 96 Strumpfhose (AT) 236 Thrombuspropagation 346, 355, 385
Spinalanästhesie 428 Strumpfverordnung 239 Thrombuswachstum 383
Spitzfußstellung 213 Studie, epidemiologische 38 Tilidin 432
Sprunggelenk-Muskelpumpe 254 Stützstrumpf 236 time gain compensation 94
Sprunggelenkspumpe 213 Substanz, vasoaktive 242 Tinea 189
Spurenelement 185 Subtraktionsangiographie, digitale Tinea corporis 191
Stadien der Wundinfektion, 185 TIVA 428
nach Szilagyi 146 Sufentanil 428 Tourniquet 80
Stadieneinteilung 129, 132 Sulfonylharnstoff 427 Tourniquet-Test 90
– klinische 132 Superinfektion 442 Toxizität 431
Stammvarikose 25 Syndrom 56, 140, 183, 187, 241, 361, – kardiale 431
Stammvene 361 377, 406 – neurologische 431
– degenerative Veränderung 361 – Kompartment- 377 Tramadol 432
– Aneurysma 361 – postthrombotisches 56, 140, 183, Transplantationszweck 367
– Phlebolite 361 187, 241, 361, 406 Transplantatmaterial 369
Stammveneninsuffizienz 28, 138, 318 Szilagyi 146 Trauma, stumpfes 391
– inkomplette 28, 138 Trendelenburg 5, 58, 73, 304
Stammvenensegment, Qualität des be- Trennkriterium 129, 159
lassenen 368 Trennschärfe 132
Staphylococcus aureus 407, 442
T Trigonum femorale 12
Staphylokokken, methicillinresistente TRIVEX-Technik 324
442 Taschenklappe 20 Tropisetron 433
Starling-Gleichgewicht 180, 230 Technik, endovenöse 149, 304 Tübinger-Studie 62
Stauungsdermatitis 25 Teleangiektasie 38, 150, 290 Tumeszenz-Lokalanästhesie (TLA) 431
Stauungsdermatose 25 Teleskopzeichen 109 Tumeszenzanästhesie 344, 382
Stauungssyndrom 59, 103, 139, 184, Tessari-Technik 289 Tumorerkrankung 174
211, 213, 214 Tetanus-Impfschutz 185 Tunica intima 10
– arthrogenes 184, 213 Theden, Johann Christian 5 Tunica media 10
– chronisch-venöses 59, 139, 214 Theoriedefizit 304 TVT 385
– pelvines 103, 211 Therapie 47, 48, 228, 230, 245, 389 Typ-IV-Sensibilisierung 195
Steristrip 325 – adjuvant medikamentöse 245
Steroid, topisches 195 – im höheren Lebensalter 48
Steroidtherapie, adjuvante 191 – im Kindesalter 47
Stichinzision 309, 323 – konservative 48, 228, 230, 389
U
Stickstoffmonoxid 34 Therapieresistenz 406
Straingauge-Plethysmographie 83 Thermo-Galvanik 298 Überdruckbeatmung 361
Streptococcus pneumoniae, multidrug- Thermographie 335 Übergewicht 42
resistente 442 Thermoneutralität 248 Übersichtsfotografie 118
Stripperkopf 318 thigh extension 23 Übertragungskette 443
Stripping 6, 318, 320, 368, 369 Thorax, Röntgenbild 426 Übungsbehandlung 213
– anterogrades 320 Thromboembolie, venöse 177 Ulcus cruris 60, 183, 406
– partielles 368 Thrombophilie 361 Ulcus cruris venosum 183, 241, 408, 413
– retrogrades 320 Thrombophlebitiden 384 Ulkus 261, 410
– stadiengerechtes 320, 369 Thrombophlebitis 25, 56, 95, 178 – ischämischer 261
Stripping-Operation 62, 365 Thrombose 172, 367 Ulkusdauer 185
Strippingmanöver 320 – Häufigkeit 367 Ulkusdébridement 352
Strippingmaßnahme 391 – lokale 172 Ulkusfläche 116
Strippingmethode 320 Thromboseprophylaxe 175, 287, 378, Ulkusgröße 136
Strippingrichtung 320 436 Ulkusheilung 341
Strippingsonde 318 – -Strumpf, medizinischer 236 Ulmensis, Johann Scultetus 5
486 Sachverzeichnis

Ultraschall-Doppler-Sonographie – atypische 162 – intermuskuläre 14


(cw-USD) 335 – Definition 148 – intradermale 150
Ulzera 136, 261, 442 – Hautveränderung bei 189 – intramuskuläre 14
– chronische 442 – im höheren Lebensalter 48 – kommunizierende 12
– venöse 261 – im Kindesalter 46 – Mapping 96
– Zahl der 136 – komplizierte 130 – perforierende 12
Ulzeration, Dauer der 136 – pelvine 211 – retikuläre 38
Umfangsmessung 72, 114, 115 – posttraumatische 148 – tiefe 14
Unfallversicherung 468 – primäre 24, 34, 103, 130, 131, 148, Venenchirurgie 408
Unterbauchschmerz 211 173, 183, 187, 406 Venendruck 52, 184
Untersuchung 72 – pudendale 103 – zentraler 52
– biometrische 72 – Risikofaktor 177 Venenklappe 5, 10
– klinische 72 – Schweregrad 131 Venenkrankheit, chronische 38
Urteils-Skalen-Verfahren 461 – sekundäre 25, 103, 130, 153, 406 Venenmittel 242
Varikothrombose 157 Venenmuskelpumpe 55
Varikozele 363 Venennetz 363
Varize 24, 25, 34, 38, 130, 136, 150, 210 Venenskala 463
V – -Typ 130 Venenstern 22, 26
– pudendale 210 Venensystem, epifasziales 34, 330
V. accessoria anterior 308 – retikuläre 25, 150, 276 Venentherapeutika 243
V. femoralis 14, 314 – Risikofaktor 38 Venenthrombose 56, 174, 277, 287,
V. femoralis communis 14, 18 – sekundäre 34 340, 346, 383, 384
V. femoropoplitea 22, 23, 24, 30 – typ 132 – perioperative (TVT) 383
V. ischiadica 15 – Vorkommen von 38 – tiefe 174, 287, 340, 346, 384
V. marginalis fibularis 163 Varizen-OP 389 Venentonus 53
V. poplitea 14, 15, 314 Varizenblutung 211 Venenverschluss-Plethysmographie 83
V. profunda femoris 14 Varizenchirurgie 198, 372 Venocuff 362
V. saphena magna 12, 20 – ambulante 372 Venole 10, 52
– gedoppelte 20 – Qualitätssicherung 198 – postkapilläre 10
V. saphena parva 311, 314 Varizeneingriff 63 VenoPatch 361
V. saphene magna 314 Varizenkranke 148 Venous Clinical Severity Score (VCSS)
V. spermatica 363 Varizenoperation 304, 306, 310, 389 135, 136, 347
Vakuumbehandlung 188 – ambulante 310 Venous Disability Score (VDS) 137
Vakuumtherapie 264 – klassische 304, 306 Verband 234
Valsalva-Manöver 98, 361 Varizensklerosierung 281 – Dachziegel- 234
Valsalvaversuch 88 Varizenträger 148 – Dauer- 235
Valva infrasaphenica 22 Varizentyp 281 – Fischer- 234
Valva praeterminalis 21 Varizenverödung 281 – Kornähren- 234
Valva suprasaphenica 21 Vaskulogenese 203 – Kurzzug- 235
Valva terminalis 21 Vaskulopathie, chronische 191 – Mehrlagen- 234
Valvuloplastie, extraluminale 360 Vasospasmus 363 – Pütter- 234
vancomycinintermediate Staphylo- VEINES 463 – Standard- 235
kokkus aureus Stämme 442 Vena(e) pudenda(e) externa(e) 22 – Unna- 234
vancomycinresistente Staphylokokkus Vena circumflexa ilium superficialis 22 – Wechsel- 235
aureus Stämme 442 Venae perforantes (PV) 16, 332 – zirkulärer 234
Vaporisation 384 Vena epigastrica superficialis 22 Verbindungsvene 330
Variante 26 Vena femoralis posterior 30 Verbrennung 382
Varikophlebitide 287 Vena perforans 330 Vererbung 42
Varikophlebitis 141, 142, 173, 287 Vena saphena accessoria anterior 22 Verfahren 100, 366, 408, 461
– Klassifikation 142 Vena saphena accessoria posterior 22 – endovenöses 100, 408
Varikose 24, 25, 34, 46, 48, 103, 130, Vene 12, 14, 38, 96, 150, 330, 331 – generisches 461
131, 148, 153, 162, 173, 177, 183, – Boyd’sche 331 – konservierendes 366
187, 189, 211, 228, 406 – Hunter’sche 330 – psychometrisches 461
Sachverzeichnis
487 U–Z

Verkalkung, sekundäre 25 – chronische 184, 258, 260


Verknöcherung 25 – geschlossene 259
Verlaufsbeobachtung 149 – offene 259
Verödung, thermische 298 Wundheilung 116, 259
Verödungsbehandlung 276 – primäre 259
Verödungsmittel 269 – sekundäre 259
Verödungstherapie 274, 389 Wundheilungsstörung 146, 260, 414
Versagen, technisches 199 Wundinfekt, banaler 397
Verschlussrate 346, 347 Wundinfektion 340, 388, 396
Versorgungsforschung 62 Wundmanagement 188, 258
Verteilung, anatomische 133 Wundmilieu 264
Verweildauer 223 Wundreinigung 264
Vesselloop 361 Wundspüllösung 195
Videoendoskopie 339 Wundsystem, aktives 263
vis a fronte 53 Wundverband, moderner 188
Vis a tergo 53
Vitamin 185
VNUS Closure Fast® 383
Volumenüberlastung, parenterale 431
X
Volumetrie 114
von-Willebrand-Faktor 10 Xerosis cutis 194
Vorgehen 365
– einzeitiges 365
– mehrzeitiges 365
Vorsorge 456
Z
Vv. peronaeae 15
Vv. tibiales anteriores 15 Zeichen 133, 331
Vv. tibiales posteriores 15 – Dowsches 331
Vv. intersaphenae 14 – klinisches 133
VVP 457 Zinkpaste 195
Zugang 312, 401
– lateraler 401
– medialer 401
W – suprainguinaler 312, 401
Zugangsweg 313
Wadenmuskel-Venen-Pumpe 47 Zweizugkompressions-Strumpf,
Wadenmuskelpumpe 14, 55, 213, 334 medizinischer 236
Wadenstrumpf (AD) 236 Zweizugkompressionsstrumpf 238
Wanscher 6
Wasserplethysmographie 83, 114, 115
Wechselverband 233
Weibel-Palade-body 10
Widerstandsgefäß, postkapilläres 52
Wiederholungsecho 96
Winkelmessung 114
Wirkstoffdosis 281
Wirkstoffvolumen 281
Wollwachsalkohol 191
Wundauflage 263
– interaktive 263
– passive 263
Wunddrainage 413
Wunde 184, 258, 259, 260

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