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Westfälische Hochschule

Elektrotechnik und angewandte Naturwissenschaften


- Bärmann -
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Mathematik I
Prof. Dr. Frank Bärmann

Mathematik I - 1
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Elektrotechnik und angewandte Naturwissenschaften
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Mathematik

1. Mengenlehre

2. Zahlenbereiche und Rechenoperationen

2.1 Die natürlichen Zahlen


2.2 Körper der rationalen Zahlen
2.3 Körper der reellen Zahlen
2.4 Potenzen, Wurzeln, Logarithmen und Betrag reeller Zahlen
2.5 Vollständige Induktion
2.6 Binomischer Lehrsatz

3. Zahlenfolgen

3.1 Definition und Eigenschaften


3.2 Grenzwert einer Zahlenfolge

4. Reelle Funktionen

4.1 Grundbegriffe
4.2 Allgemeine Funktionseigenschaften
4.3 Operationen mit Funktionen und Umkehrfunktionen
4.4 Grenzwert einer Funktion
4.5 Stetigkeit einer Funktion
4.6 Funktionsübersicht
4.6.1 Polynome
4.6.2 Gebrochen-rationale Funktion
4.6.3 Potenzfunktionen und Wurzelfunktionen
4.6.4 Trigonometrische Funktionen
4.6.5 Tangens- und Cotangensfunktionen
4.6.6 Arcusfunktionen
4.6.7 Exponentialfunktionen
4.6.8 Logarithmusfunktionen
4.6.9 Normalverteilung
4.6.10 Spezielle Funktionen

5. Differentialrechnung

5.1 Differenzierbarkeit, Ableitung, Differential


5.2 Ableitungsregeln
5.3 Mittelwertsatz und Satz von Taylor
5.4 Regeln von de l’Hospital
5.5 Eigenschaften differenzierbarer Funktionen

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6. Integralrechnung

6.1 Stammfunktion
6.2 Das bestimmte Integral
6.3 Fundamentalsatz der Differential- und Integralrechnung
6.4 Integrationsregeln
6.5 Uneigentliche Integrale

7. Unendliche Reihen

7.1 Konvergenz von Reihen


7.2 Potenzreihen

8. Lineare Algebra

8.1 Determinanten
8.2 Vektoren
8.3 Zeitabhängige Vektoren
8.4 Matrizen
8.5 Rechenregeln für Matrizen
8.6 Lineare Gleichungssysteme

9. Funktionen mehrerer Veränderlicher

9.1 Grundbegriffe
9.2 Partielle Ableitungen
9.3 Totales Differential, Taylorformel
9.4 Fehlerrechnung
9.5 Implizite Funktionen
9.6 Lokale Extremwerte

10. Mehrfachintegrale

10.1 Doppelintegrale
10.2 Doppelintegrale in Polarkoordinaten
10.3 Dreifachintegrale
10.4 Zylinderkoordinaten

Mathematik I - 3
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11. Linienintegrale

11.1 Vektorfunktion, Vektordarstellung von Kurven


11.2 Skalare Felder und Vektorfelder
11.3 Das Linienintegral

12. Komplexe Zahlen

12.1 Definition und Darstellung komplexer Zahlen


12.2 Gaußsche Zahlenebene
12.3 Potenzen, Wurzeln und Logarithmen komplexer Zahlen
12.4 Komplexe Rechnung in der Wechselstromtechnik

13. Gewöhnliche Differentialgleichungen

13.1 Grundlagen
13.2 Differentialgleichungen 1. Ordnung
13.3 Lineare Differentialgleichungen
13.4 Lineare Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten
13.5 Systeme gewöhnlicher Differentialgleichungen

14. Numerische Mathematik

14.1 Fehleranalyse
14.2 Pivotisierung und Fehleranalyse der Gaußschen Eliminationsmethode
14.3 Interpolation
14.4 Numerische Integration
14.5 Numerische Nullstellenbestimmung
14.6 Numerische Lösung von Differentialgleichungen

15. Laplace-Transformation

15.1 Grundlagen
15.2 Eigenschaften der Laplace-Transformation
15.3 Periodische Funktionen
15.4 Anmerkungen zur Rücktransformation ILT
15.5 Anwendungen der Laplace-Transformation

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Literatur:

Papula: Mathematik für Ingenieure 1-2


Vieweg

Fetzer/Fränkel: Mathematik 1-3


VDI-Verlag

Stingl: Mathematik für FH, Technik und Informatik


Hanser Verlag

Wörle, Rumpf: Taschenbuch der Mathematik


Oldenbourg Verlag

Bronstein, Semendjajew: Taschenbuch der Mathematik


Verlag Harry Deutsch

Hainzl: Mathematik für Naturwissenschaftler


Teubner Studienbücher

Leupold, Conrad, Völkel, Große: Analysis für Ingenieure


Verlag Harry Deutsch

Nickel, Kettwig, u.a.: Algebra und Geometrie für Ingenieure


Verlag Harry Deutsch

Brauch, Dreyer, Haake: Mathematik für Ingenieure


Teubner Stuttgart

Mathematik I - 5
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1. Mengenlehre
In diesem Kapitel werden grundlegende Begriffe der Mengenlehre, die im folgenden immer
wieder benötigt werden, bereitgestellt. Zunächst die Begriffe der Menge, Teilmenge,
Vereinigungsmenge etc.:

1.1 Definition:
Menge M = Gesamtheit von irgendwelchen Objekten, die durch ein gemeinsames Merkmal
charakterisiert werden. Objekte der Menge werden als Elemente bezeichnet.

x ∈M Objekt x ist Element der Menge M


x ∉M Objekt x ist nicht Element der Menge M

Beispiele:
A = {1,2,3,4} B = {2,4,6,8,...,2n,...} C = {x | x eine natürliche Zahl und x >
10}
∅ = { } leere Menge (kein Element)

1.2 Definition:
Teilmenge: Menge A ist Teilmenge der Menge B (bzw. Menge A ist in der Menge B
enthalten), wenn jedes Element von A auch Element der Menge B ist
A ⊂ B ⇔ ( a ∈ A ⇒ a ∈B) A Teilmenge B

Dabei bedeutet:
p⇔q p ist genau dann wahr, wenn q wahr ist. "Äquivalenz".

p⇒q wenn p wahr ist, dann ist auch q wahr. Aus p folgt q. "Folgerung" (oder
Implikation).
Das Umgekehrte gilt nicht! D.h. wenn p falsch ist, dann kann q wahr oder
falsch sein.

1.3 Definition:
Gleichheit von Mengen: A = B ⇔ (A ⊂ B ∧ B ⊂ A)

p∧q gelesen: p und q. p ∧ q ist genau dann wahr, wenn sowohl p als auch q wahr
ist.

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1.4 Definition:
Vereinigungsmenge: V = A ∪ B ⇔ (a ∈V ⇔ a ∈A ∨ a ∈B)
A vereinigt B

p∨q gelesen: p oder q. p ∨ q ist wahr, wenn mindestens eine Aussagen p oder q
wahr ist.

1.5 Definition:
Schnittmenge: S = A ∩ B ⇔ (a ∈ S ⇔ (a ∈ A ∧ a ∈ B))

Beispiel:

1.6 Definition:
Differenzmenge: D = A \ B ⇔ (a ∈ D ⇔ (a ∈ A ∧ a ∉ B))

Beispiel:

A B

Das Mengenprodukt A×B (gelesen: A Kreuz B) machen wir uns zunächst an einem Beispiel
klar:
A = {a,b,c} B = {1,2}
C = A×B = {(a,1), (a,2), (b,1), (b,2), (c,1), (c,2)}

(a,1) ist ein geordnetes Paar. An erster Stelle steht ein Element von A, an zweiter Stelle ein
Element von B. Die Reihenfolge ist dabei wesentlich, d.h. (a,1) und (1,a) sind im allgemeinen
verschieden.

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1.7 Definition: Mengenprodukt


Das Mengenprodukt A×B ist die Menge aller geordneten Paare mit a∈A und b∈B.

Zuordnung von Mengen, Abbildungen:


Beispiel: A = {a,b,c,d} Menge der Lichtschalter in einem Raum
B = { u,v,w,x,y,z} Menge der Lampen

Jedem Schalter werden die Lampen zugeordnet, die durch ihn bedient werden. Möglichkeiten:
a) (a,v), (a,x), (a,z), (b,w), (b,y), (c,x)

b) c)
A B u
u a v
a v,x,z b w
b w,y c x
c x d y
d z

1.8 Definition: Abbildung


Werden durch eine bestimmte Vorschrift Elementen einer Menge A Elemente einer Menge B
zugeordnet, so spricht man von einer Abbildung aus der Menge A in die Menge B.

Entspricht dem a ∈A ein b ∈ B, so heißt b Bild von a und a Urbild von b.


Urbildmenge: Menge aller Urbilder (Teilmenge von A)
Bildmenge: Menge aller Bilder (Teilmenge von B)

1.9 Satz:
Eine Abbildung aus einer Menge A in eine Menge B wird durch eine Teilmenge des
Mengenprodukts A×B dargestellt.

Eindeutige Abbildungen: Jedes Urbild hat genau ein Bild.


Eindeutige Abbildungen mathematischer Objekte werden als Funktionen bezeichnet.

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Eineindeutige Abbildungen: Jedes Urbild hat genau ein Bild und jedes Bild hat genau ein
Urbild.
Beispiele:
a x a x
b y b y
c z c z

eindeutig, aber eineindeutig


nicht eineindeutig

1.10 Definition: Umkehrabbildung


Die aus einer gegebenen Abbildung durch Vertauschen von Urbild- und Bildmenge
entstehende Abbildung heißt Umkehrabbildung.

Um die Anzahl der Element einer Menge zu beschreiben, führt man den Begriff der
"Mächtigkeit" einer Menge ein. Bei Mengen mit nur endlich vielen Elementen stimmt die
Mächtigkeit mit der Zahl der Elemente überein. Bei unendlichen Mengen möchte man
zumindest Aussagen darüber machen können, ob zwei Mengen gleich mächtig sind.

1.11 Definition: Mächtigkeit


Ist es möglich, die Menge A eineindeutig auf die Menge B abzubilden, so heißen die Mengen
gleichmächtig.

Entspricht dem Nebeneinanderlegen von je einem Element aus A und aus B.

Beispiele:
a) {a,b,c,d}, {W,X,Y,Z}
a W
b X
c Y gleichmächtig (je 4 Elemente)
d Z

b) A = {1,2,3,....} Menge der natürlichen Zahlen


B = {2,4,6,....} Menge der geraden Zahlen
Zuordnung: A B

1 2 eineindeutig, d.h. die geraden Zahlen haben die gleiche


2 4 Mächtigkeit wie die natürlichen Zahlen!
3 6
4 8
. .
Es sind jedoch nicht alle unendlichen Mengen gleichmächtig.

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2. Zahlenbereiche und Rechenoperationen

2.1 Die natürlichen Zahlen

Ursprünglich entstanden die natürlichen Zahlen um die Mächtigkeit von Mengen zu bewerten
("Diese Schafherde hat 25 Tiere."). Wir führen die natürlichen Zahlen an dieser Stelle im
Dezimalsystem ein. Sie können jedoch auch unabhängig von der speziellen Wahl einer
Zahlendarstellung definiert werden.

2.1 Definition:
Menge der natürlichen Zahlen N = {1,2,3,....}
N0 = {0,1,2,3,...}

Die Addition hat dann den Zweck, die Elementzahl s der Vereinigungsmenge S der beiden
elementfremden endlichen Mengen A und B mit den Elementzahlen a und b anzugeben:

2.2 Definition: Addition natürlicher Zahlen


S = A∪B ∧ A∩B = ∅
s=a+b

Diese Definition hängt nicht an einer speziellen Zahlendarstellung. Für die Addition
natürlicher Zahlen gelten die bekannten Grundgesetze der Addition:

1. Die Addition ist unbeschränkt ausführbar, d.h. zu je zwei Zahlen a und b gibt es stets ein c
mit c = a + b.

2. Die Summe ist eindeutig bestimmt:


a = a' ∧ b = b' ⇒ a + b = a' + b'
Das bedeutet: "Ich darf auf beiden Seiten einer Gleichung das Gleiche tun"

3. Assoziativgesetz:
a + (b + c) = (a + b) + c
Das Assoziativgesetz ist nicht so selbstverständlich, wie man vielleicht meint. Bei anderen
2
Operationen gilt es nicht unbedingt. Beispiel: 5(3 ) ≠ (53 ) 2

4. Kommutativgesetz:
a+b=b+a
Es gibt auch Verknüpfungen mathematischer Objekte, für die das Kommutativgesetz nicht
gilt.

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Die Menge der natürlichen Zahlen ist geordnet. D.h. es gibt eine Vergleichsoperation ≤,
genannt kleiner gleich, so daß für je zwei Zahlen a,b mindestens eine der Beziehungen a ≤ b
oder b ≤ a gilt. Die Vergleichsoperation ist durch die folgenden Eigenschaften definiert:

2.3 Definition: kleiner gleich


Für ≤ gilt:
a≤a "reflexiv"
a ≤ b ∧ b ≤ a ⇒ a = b "antisymmetrisch"
a ≤ b ∧ b ≤ c ⇒ a ≤ c "transitiv"

Die Addition erfüllt in Zusammenhang mit der Vergleichsoperation ein Monotoniegesetz:


5. Monotoniegesetz: a ≤ b ⇒ a + c ≤ b + c

Weiter gilt noch: a + 0 = a

Die Subtraktion führt man nun ein, indem man sie auf die Addition zurückführt.

2.4. Definition Subtraktion


Die Differenz d = a - b ist die Zahl, die zu b addiert a ergibt.

Die Rechenregeln für die Subtraktion folgen aus denen der Addition. Subtraktion ist in den
natürlichen Zahlen nicht unbeschränkt ausführbar, denn in N0 muß b ≤ a sein.

Die Multiplikation kann frei von jeder speziellen Zahlendarstellung mit Hilfe des
Mengenprodukts definiert werden. Wir hatten ja bereits gesehen, daß das Mengenprodukt
gerade die Anzahl von Elementen besitzt, die dem Produkt der Elementzahlen der
Einzelmengen entspricht. Man mache sich klar, daß die Multiplikation gerade die
entsprechende Zahl von Zuordnungsmöglichkeiten beschreibt.

2.5 Definition: Multiplikation


Die Elementzahl p des Mengenprodukts P der beiden endlichen Mengen A und B mit den
Elementezahlen a und b heißt Produkt der Zahlen a und b und wird durch a.b oder kurz ab
bezeichnet:
P = A×B
p = a.b

Rechenregeln der Multiplikation:

1. Die Multiplikation ist unbeschränkt ausführbar. Zu zwei Zahlen a und b gibt es stets ein c
mit c = a.b.

2. Das Produkt ist eindeutig bestimmt:


a = a' ∧ b = b' ⇒ a.b = a'.b'

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3. Assoziativgesetz:
a.(b.c) = (a.b).c

4. Kommutativgesetz:
a.b = b.a

5. Distributivgesetz:
a.(b + c) = a.b + a.c

6. Monotoniegesetz:
a ≤ b ∧ c > 0 ⇒ a.c ≤ b.c

Dabei wird der Ausdruck a > b wie folgt definiert: a > b ⇔ b ≤ a ∧ b ≠ a

Als nächstes definieren wir Potenzen ganzer Zahlen:

2.6 Definition: Potenz


Für a,n ∈ N ist die n-te Potenz von a (gelesen a hoch n) definiert durch:
a n = a ⋅ a ⋅ ...⋅a
1424 3
n Faktoren

a heißt Basis, n Exponent, a 0 wird als Eins definiert: a 0 = 1

2.7 Satz
a.b = 0 ⇔ a = 0 ∨ b = 0

Die Division läßt sich nun analog zur Subtraktion einführen:

2.8 Definition: Division


Der Quotient c = a : b (bzw. a/b) ist die Zahl, die mit b multipliziert a ergibt, d.h. für die b.c =
a gilt.

Die Rechenregeln für die Division folgen aus denen der Multiplikation. Wie die Subtraktion
ist die Division in den natürlichen Zahlen nicht unbeschränkt ausführbar. Aus diesem Grund
werden die natürlichen Zahlen entsprechend erweitert.

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2.2 Körper der rationalen Zahlen

Bei der Lösung von Gleichungen in den natürlichen Zahlen tritt das Problem auf, daß die für
die Lösung benötigten Operationen Subtraktion und Division nicht unbeschränkt ausführbar
sind. Wenn wir den Zahlenbereich entsprechend erweitern, kommen wir zu den ganzen und
den rationalen Zahlen.

Für die Subtraktion werden die Zahlen 0 - n =: -n für n∈N hinzugefügt. Dies liefert die
ganzen Zahlen:

2.9 Definition: Ganze Zahlen


Der Bereich Z der ganzen Zahlen wird von den Zahlen ...,-3,-2,-1,0,1,2,3... gebildet.

Rechenregeln für ganze Zahlen:

1. a + (-a) = 0 (-a ist nach Definition die Zahl, die zu a addiert 0 ergibt.)
2. -(-a) = a (mit 1.)
3. a + (-b) = a - b
4. a - (-b) = a + b
5. -(a + b) = -a - b
6. -(a - b) = -a + b
7. a.(-b) = -ab
8. (-a).(-b) = ab
9. a < b ∧ c < 0 ⇒ ac > bc

2.10 Definition: Rationale Zahlen


g
Eine Zahl heißt rational, wenn sie sich als Bruch (bzw. g/h) zweier ganzer Zahlen g und h
h
schreiben läßt, wobei h ungleich 0 ist. Dabei ist g/h die Zahl, die mit h multipliziert g ergibt,
d.h. (g/h).h = g. Die Menge der rationalen Zahlen wird mit Q bezeichnet.

2.11 Satz:
Die Division durch Null ist in keinem Zahlenbereich möglich.

Rechenregeln für rationale Zahlen:

1. g/h = g'/h' ⇔ gh' = g'h

g k g⋅k
2. ⋅ =
h l h⋅l

g k g l
3. : = ⋅
h l h k
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g k g± k
4. ± =
h h h

Also sind die vier Grundrechenarten bis auf die Division durch Null unbeschränkt ausführbar.
Ein Zahlenbereich mir dieser Eigenschaft heißt Körper (hier also Körper der rationalen
Zahlen Q). Q ist der kleinste Zahlenkörper, der die natürlichen Zahlen enthält. Dennoch sind
die Mächtigkeiten von rationalen und natürlichen Zahlen gleich.

2.12 Satz: Mächtigkeit der rationalen Zahlen


Es gibt abzählbar unendlich viele rationale Zahlen. Dabei heißt eine Menge abzählbar, wenn
ihre Elemente nach einem bestimmten Schema wie die natürlichen Zahlen durchgezählt
werden können, wobei sichergestellt ist, daß jedes Element irgendwann (d.h. nach endlich
vielen Zählschritten) mal an die Reihe kommt.

Abzählschema

1 2 3 4 5 6 ...

0 0/1 0/2 0/3 0/4 0/5 0/6 ...

1 1/1 1/2 1/3 1/4 1/5 1/6 ...

2 2/1 2/2 2/3 2/4 ...

3 3/1 3/2 3/3 ...

4 4/1 ...
:

In obigem Schema kommt jede positive rationale Zahl nach endlich vielen Schritten einmal
dran. Wenn wir die negativen rationalen Zahlen jeweils nach ihrem positiven Gegenstück
aufzählen, kommt jede rationale Zahl vor. D.h. man kann sagen, es gibt genau so viele
rationale Zahlen wie natürliche Zahlen. Frage: Besitzt jede unendliche Menge, die
Mächtigkeit der natürlichen Zahlen ? Antwort: Die reellen Zahlen besitzen eine größere
Mächtigkeit.

2.13 Satz:
Die rationalen Zahlen sind dicht, d.h. zu je zwei rationalen Zahlen p und q mit p < q gibt es
eine rationale Zahl r mit p < r < q . Eine solche Zahl ist z.B. der Mittelwert (p + q)/2.

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Die rationalen Zahlen lassen sich als Punkte auf dem Zahlenstrahl darstellen:

-1 -2/3 0 1/2 1 3/2

Frage: Ist jeder Punkt des Zahlenstrahls eine rationale Zahl ?

2.3 Körper der reellen Zahlen

Frage: Welche rationale Zahl ergibt mit sich selbst multipliziert den Wert 2, d.h. für welche p
 p  p
und q (∈Z, q ≠ 0) ist     = 2 ?
 q q

Behauptung: Es gibt keine rationale Zahl, deren Quadrat gleich 2 ist. Die Zahl 2 hat keine
rationale Wurzel.

Indirekter Beweis:
Annahme: Es seien p,q∈Z , q≠0 und p/q nicht weiter kürzbar und
( p / q) 2 = ( p / q ) ⋅ ( p / q) = 2 .

⇒ p 2 = 2q 2

Es folgt: p2 ist eine gerade Zahl, also enthält p den Faktor 2 und damit p2 den Faktor 4, d.h. es
gibt r∈Z mit p2 = 4r2 und damit folgt 4r2 = 2q2 also ist auch q2 gerade und damit enthält auch
q den Faktor 2. Dies steht aber im Widerspruch zur Annahme, daß p und q nicht weiter
kürzbar sind. D.h. es gilt die Behauptung.♦

Eine Zahl, deren Quadrat gleich 2 ist (d.h. 2 ) läßt sich jedoch auf dem Zahlenstrahl mit
Zirkel und Lineal konstruieren.

0 1 2
Die Diagonale im Quadrat der Länge 1 hat nach dem Satz von Pythagoras die Länge 2 .
Also gibt es Punkte auf dem Zahlenstrahl, die keiner rationalen Zahl entsprechen. Diese
Zahlen werden als nicht rationale (bzw. irrationale), reelle Zahlen bezeichnet. Bevor wir die
reellen Zahlen definieren können, benötigen wir hier noch den Begriff der Zahlenfolge, auf
den später noch genauer eingegangen wird.

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2.14 Definition: Zahlenfolge


Unter einer (unendlichen) Zahlenfolge versteht man eine eindeutige Abbildung der Menge N
der natürlichen Zahlen auf einen Zahlenbereich.

Beispiel:
1)
N 1 2 3 4 5 6 7 ... n
______________________________________________________________
A 1/2 2/3 3/4 4/5 5/6 6/7 7/8 n/(n+1) -> 1

2)
N 1 2 3 4 5 6 ...
______________________________________________________________
A 1 1.4 1.41 1.414 1.4142 1.41421 ... -> 2

Beispiel 2) ist nach folgendem Schema aufgebaut: ergänze jeweils die nächste Dezimale, so
daß die neue Zahl zum Quadrat gerade noch kleiner als 2 ist. Jedes Element der Folge ist dann
eine rationale Zahl, der Grenzwert 2 dagegen nicht (der Begriff des Grenzwerts wird später
genauer erklärt). Aber 2 läßt sich beliebig genau durch rationale Zahlen annähern. 2
ergibt sich als unendlicher Dezimalbruch, d.h. als Dezimalzahl mit unendlich vielen
Nachkommastellen. Auf diese Weise lassen sich alle reellen Zahlen darstellen:

2.15 Definition: Reelle Zahlen


Eine Zahl heißt reell, wenn sie als unendlicher Dezimalbruch geschrieben werden kann. Die
Menge der reellen Zahlen wird mit R bezeichnet. Die Rechenregeln für rationale Zahlen
gelten auch für reelle Zahlen (Permanenzprinzip).

2.16 Satz:
Eine reelle Zahl ist dann und nur dann rational, wenn sie durch einen periodischen
Dezimalbruch dargestellt wird.

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Zur Erläuterung betrachten wir die Zahl


x = 132438
. = 132
. + 0.00438 (1)
und schreiben sie in einen Bruch ganzer Zahlen um:
132 1
x= + (0. 438) (2)
100 100
Wir setzen den periodischen Anteil gleich y:
y = 0. 438 (3)
1000y = 438. 438 (4)
Subtrahieren wir nun Gleichung (3) von Gleichung (4) folgt:

999 y = 438
438 (5)
y=
999

und damit ergibt sich für x:

1 438 132306
x= (132 + )=
100 999 99900

2.17 Satz:
Die reellen Zahlen sind eineindeutig den Punkten der Zahlengeraden zugeordnet. Sie bilden
ein "Kontinuum" (keine Lücken).

Punkt der Zahlengerade

Folge rationaler Zahlen, bei denen jeweils eine Dezimale angefügt wird.
(Konstruktion analog zu 2 )

2.18 Satz:
Die Menge der reellen Zahlen ist nicht mehr abzählbar. "Es gibt mehr reelle als natürliche
Zahlen".

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2.4 Potenzen, Wurzeln, Logarithmen und Betrag reeller Zahlen

Für natürliche Zahlen a, n ist an = a.a.....a bereits definiert. Das wollen wir nun auf reelle
Zahlen (soweit wie möglich) verallgemeinern. Im folgenden sind Zahlen, wenn nichts anderes
angegeben, immer aus R.

2.19 Definition:
1
a≠0, n∈N: a − n : = , a0 := 1
an

}n
a n
a⋅..⋅a
Die Definition ist sinnvoll wegen = = a n− m .
am ⋅..⋅a
a{
m

2.20 Definition: n-te Wurzel

a > 0, n ∈N: w = n a ⇔ w n = a

Bemerkung: 1) a heißt Radikand


2) Für 2 a wird a geschrieben.

Mit diesen beiden Definitionen können wir nun rationale Exponenten von positiven reellen
Zahlen definieren:

2.21 Definition: rationaler Exponent


m
a > 0, m ∈ Z , n ∈ N: a n := n am

2
Wir benötigen auch reelle Exponenten reeller Zahlen, z.B. 2 . 2 wird angenähert durch
eine Folge rationaler Zahlen:
a1 = 1 a 1 a1 = 1
a 2 = 14
. a 2 a 2 = 160169
. ....
a 3 = 141
. a 3 a 3 = 1620169
. ...
a 4 = 1414
. a 4 a 4 = 163206
. ...
a 5 = 14142
. a 5 a5 = 163249
. ...
a 13 = 1414213562373
. a 13 a13 = 1632526919438
. ...

Offensichtlich nähert sich diese Folge einem Grenzwert an, der dann den Wert
2
2 repräsentiert. Dieses Vorgehen führt allgemein zur Definition reeller Potenzen:

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2.22 Definition:
Für a > 0, b reelle Zahlen, wird a b erklärt als Grenzwert, der sich ergibt, wenn für a und b
immer bessere Näherungen durch rationale Zahlen eingesetzt werden.

Nach dem wir nun allgemeine Potenzen erklärt haben, können wir entsprechend dem
Vorgehen bei der Einführung der Subtraktion bzw. Division den Logarithmus definieren:

2.23 Definition: Logarithmus


Für a, b > 0, b ≠ 1 ist der Logarithmus definiert durch:
c = log b a ⇔ b c = a

c heißt Logarithmus a zur Basis b. Für den Logarithmus zur Basis 10 (dekadischer
Logarithmus) wird anstelle von log 10 a auch log a geschrieben.

Es folgt eine Zusammenstellung der Rechengesetze für Potenzen Wurzeln und Logarithmen:

Rechengesetze für Potenzen:


1. a s ⋅ a t = a s+ t

2. a s / a t = a s− t

3. a s b s = (ab) s

4. a s / b s = (a / b) s

5. (a s ) t = a st

Rechengesetze für Wurzeln:


1. n
anb = n
ab
2. n
a/nb = n a
b
t
3. n
a = n
at
4. m n a = mn
a

Rechengesetze für Logarithmen:


1. log a ( uv) = log a u + log a v
u
2. log a = log a u − log a v
v

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3. log a u t = t log a u
1
4. log a n u = log a u
n
5. log a x = log a b ⋅ log b x
Beweis für 5):
Setze im fünften Potenzgesetz, d.h. in (a s ) t = a st linke und rechte Seite = x:
a) linke Seite: x = (a s ) t = b t mit b = a s
d.h. s = log a b und t = log b x.
Also ist st = log a b ⋅ log b x

b) rechte Seite: x = a st d.h. st = log a x

Beispiele:

1. log 2 a = log 2 10 ⋅ log 10 a , aber woher erhalte ich log 2 10 , wenn mein Taschenrechner nur
Logarithmen zur Basis 10 kennt?
Sei x = log 2 10 ⇒ 2 x = 10 ⇒ x log 10 2 = log 10 10 = 1
⇒ x = 1log 2
10
log 10 a
damit ergibt sich: log 2 a =
log 10 2

2 2⋅ 2 2⋅2 2
2. ( 2 ) 2
= 2 = 2 = 2 =2

x
3. x = log 2
1
2 ⇒ 2 = 12 ⇒ x log 2 2 = log 2 12
⇒ x log 2 2 2 = log 2 2 −1
1

1
⇒ x log 2 2 = − log 2 2
2
1
⇒ x = −1 ⇒ x = −2
2

Wir benötigen darüber hinaus noch die Ausdrücke Signum (Vorzeichen) und Betrag reeller
Zahlen:

2.24 Definition: Signum (Vorzeichen)


 1, für a > 0

Für eine reelle Zahl a definiert man sign(a ) =  0, für a = 0
−1, für a < 0

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2.25 Definition: Betrag


 a, für a ≥ 0
Für eine reelle Zahl a definiert man a = 
−a , für a < 0

Beispiel:
Bestimme die Menge der x für die x + 5 ≥ 7 gilt:
1. Fall: x + 5 ≥ 0, d. h. x ≥ − 5
x+ 5≥ 7
x≥2
2. Fall: x + 5 < 0, d. h. x < − 5
−x− 5≥ 7
x ≤ − 12
d.h. die Lösungsmenge ist gegeben durch { x x ≤ − 12 ∨ x ≥ 2}

Regeln:
1. −a = a
2. − a ≤ a ≤ a
3. x ≤ a ⇒ − a ≤ x ≤ a

4. a ± b ≤ a + b 
 Dreiecksungleichungen
5. a − b ≥ a − b 

6. a ⋅ b = a b
a a
7. =
b b

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2.5 Vollständige Induktion

Um einen Beweis zu führen, gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten, die Deduktion und die
Induktion.
Deduktion: Schluß vom allgemeinen auf das Besondere
Beispiel: alle Säugetiere sind Warmblüter, Hunde sind Säugetiere ⇒Hunde sind Warmblüter.

Induktion: Schluß vom besonderen auf das Allgemeine


Beispiel: Ich beobachte eine Schafherde. Alle Schafe, die ich sehe, haben ein weißes Fell. Ich
schließe daraus, daß alle Schafe ein weißes Fell haben (Induktion). Offensichtlich geht die
Induktion schief, wenn es schwarze Schafe gibt!

Die Deduktion ist ein logisch korrektes Schlußverfahren, die Induktion i.a. nicht. Dennoch
wird die Induktion insbesondere zur Aufstellung naturwissenschaftlicher Gesetzmäßigkeiten
auf der Basis experimenteller Beobachtungen benötigt. Die sogenannte vollständige Induktion
der Mathematik ist dagegen logisch korrekt. Es handelt sich um ein Beweisverfahren für
Aussagen (Gleichungen, Ungleichungen), in denen natürliche Zahlen vorkommen.

n( n + 1)
Beispiel: 1 + 2 + 3 + ...+ n = n ∈N
2

Prüfen:
1⋅ 2
n=1 1=
2
2⋅3
n=2 1+ 2 =
2
3⋅ 4
n=3 1+ 2 + 3 =
2

Problem: Wie zeigen wir die Behauptung für alle n.


Lösung: Wir zeigen, daß die Behauptung für ein erstes n gilt (siehe oben n=1), und daß die
Behauptung, wenn sie für n gilt, dann auch für n+1 gelten muß.
Die Behauptung gelte also für n:

n( n + 1)
1 + 2 + ....+ n =
2
n( n + 1)
⇒ 1 + 2 + ......+ n + n + 1 = + n+1
2
n
= ( n + 1)( + 1)
2
n+ 2
= ( n + 1)( )
2
( n + 1)( n + 2)
=
2

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2.26 Satz: Vollständige Induktion


Um eine Aussage zu beweisen, die eine von einer gewissen Größe an frei wählbare Zahl n
enthält, genügt es zu zeigen:

a) Die Aussage gilt für die kleinste Wahl von n (Induktionsanfang)

b)Wenn sie für n gilt, dann auch für n+1 (Schluß von n auf n+1)

Bemerkung: Auf den Induktionsanfang kann nicht verzichtet werden. Sonst könnte man
n = n + 1beweisen.

Beispiele:

1. Für die Anordnung von n verschiedenen Objekten hat man 1 ⋅ 2 ⋅ 3⋅.....⋅n =: n ! (gelesen n-
Fakultät) viele Möglichkeiten.
Z.B.: (a,b,c), (a,c,b), (b,a,c), (b,c,a), (c,a,b), (c,b,a)

Induktionsanfang: n = 1, eine Möglichkeit, o.k.

Schluß von n auf n + 1:


Man hat also n + 1 Objekte. Jedes davon kann als 1. verwendet werden. Für die jeweils
verbleibenden n Stück hat man nach Induktionsannahme (d.h. der Annahme, daß die
Aussage für n bereits gültig ist) n! viele Möglichkeiten, d.h. insgesamt
( n + 1) ⋅ n ! = ( n + 1) ⋅ 1 ⋅ 2 ⋅ 3...⋅n = ( n + 1)! viele Möglichkeiten. Damit ist der Schluß von n
auf n+1 durchgeführt.♦

2. Bernoullische Ungleichung:
Für x ∈ R, x > − 1, n ∈ N gilt:
(1 + x) n ≥ 1 + nx Bernoullische Ungleichung
Induktionsanfang: n = 1 (1 + x) 1 ≥ 1 + x o. k.
Induktionsschluß: (1 + x) n +1 = (1 + x)(1 + x) n ≥ (1 + x)(1 + nx)
= 1 + nx + x + nx 2
> 1 + ( n + 1) x o.k.
Zusatz:
Falls zusätzlich x ≠ 0 und n ≥ 2 gilt:
(1 + x) n > 1 + nx

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2.6 Binomischer Lehrsatz

Frage: Was ist (a + b) n , a , b ∈ R, n ∈ N 0


(a + b ) 0 = 1
(a + b ) 1 = a + b
(a + b) 2 = a 2 + 2ab + b 2
(a + b) 3 = a 3 + 3a 2 b + 3ab 2 + b 3
(a + b) 4 = a 4 + 4a 3 b + 6a 2 b 2 + 4ab 3 + b 4
(a + b) 5 = a 5 + 5a 4 b + 10a 3 b 2 + 10a 2 b 3 + 5ab 4 + b 5

Betrachten wir nur die Koeffizienten vor den einzelnen Summanden


Zeile:
0 1 Pascalsches Dreieck
1 1 1 (Blaise Pascal, franz.
2 1 2 1 Math., 1623-1662)
3 1 3 3 1
4 1 4 6 4 1
5 1 5 10 10 5 1
| |
0. Stelle n-te Stelle

d.h. wir können (vermutlich) die Koeffizienten aus dem Pascalschen Dreieck ermitteln. Sehr
unbequem für große n.
Berechnung der Koeffizienten nach Euler (Leonhard Euler, Schweizer Math., Phys.,
Astronom 1707-1783):
 n
An der k-ten Stelle der n-ten Zeile steht der Koeffizient   (gelesen: n über k):
 k

 n n( n − 1)( n − 2) ⋅ ...⋅( n − k + 1) n!
 = =
 k 1 ⋅ 2 ⋅ 3⋅...⋅k k ! ( n − k )!

dabei wird 0! = 1, n ! = 1 ⋅ 2⋅...⋅n gesetzt.

Also lautet das Pascalsche Dreieck:


 0
 
 0
 1 1
   
 0 1
 2  2  2
     
 0  1  2

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 n
Eigenschaften der Eulerschen Symbole   :
 k
1. Symmetrie:

 n  n 
 = 
 k   n − k

 n  n! n!  n
Beweis:  = = = 
 n − k ( n − k )! ( n − ( n − k ))! k ! ( n − k )!  k

2. Jeder Koeffizient ergibt sich als Summe der beiden über ihm stehenden Koeffizienten, d.h.:

 n + 1  n   n
 = + 
 k   k − 1  k

Beweis als Übungsaufgabe!

2.27 Satz: Binomischer Lehrsatz


Für n∈No ergibt sich die n-te Potenz des Binoms a + b zu:

 n  n  n  n  n− 1  n n
(a + b) n =   a n +   a n − 1b1 +   a n− 2 b 2 +...+   ab +  b
 0  1  2  n − 1  n

Beweis durch vollständige Induktion in den Übungen.

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3. Zahlenfolgen

3.1 Definition und Eigenschaften

Wir hatten ja bereits zur Definition reeller Zahlen den Begriff der Zahlenfolge benötigt. In
diesem Kapitel soll der Begriff weiter vertieft werden.

3.1 Definition: Zahlenfolge


Unter einer (unendlichen) Zahlenfolge versteht man eine eindeutige Abbildung der Menge N
der natürlichen Zahlen auf einen Zahlenbereich. (a i ) i∈N = a 1 , a 2 , a 3 , ....
Die Zahlen a 1 , a 2 , a 3 , .... heißen Glieder der Folge, a n ist das n-te Glied.

Beispiele:
1.) a n = 1n , n ∈ N
d.h. (a n ) = 1, 21 , 13 , 41 , (Bem.: a n → 0)

2.) a n = 2 n , n ∈N 0
d.h. (a n ) =1,2, 4,8,16,.. (Bem. : a n → ∞)

3.) a n = (−1) n , n ∈N 0
d.h. (a n ) =1,− 1,1, − 1,1,.. alternierende Folge, d.h. wechselndes Vorzeichen

4.) a 1 = 1,
4
a n +1 = a n 2 + 1
4
n ∈N
d.h. (a n ) = 1 , 5 , 89 ,
4 16 256
....
Eine Folge, deren Glieder sich aus vorherigen Gliedern ergibt, heißt rekursive Folge.

5.) a 1 = 3, a n + 1 = a n n ∈N
d.h. (a n ) = 3, 3, 3, .... Konstante Folge

6.) a 1 = c, a n + 1 = a n + d n ∈N
d.h. (a n ) = c, c + d , c + 2d , c + 3d , ... Arithmetische Folge
d heißt Differenz der Folge.

7.) a 1 = c, a n + 1 = a n ⋅ q n ∈N
d.h. (a n ) = c, cq , cq 2 , cq 3 , ... Geometrische Folge
q heißt Quotient der Folge.

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3.2 Definition: Monotonie von Folgen


Eine Folge heißt:
monoton wachsend, falls für alle n ∈ N gilt: an ≤ a n +1
streng monoton wachsend, falls für alle n ∈ N gilt: an < a n +1
monoton fallend, falls für alle n ∈ N gilt: an ≥ a n +1
streng monoton fallend, falls für alle n ∈ N gilt: an > a n +1

3.3 Definition: Beschränktheit von Folgen


Eine Folge heißt:
nach oben beschränkt, falls ein K ∈ R existiert, so daß für alle n gilt: a n ≤ K
nach unten beschränkt, falls ein k ∈ R existiert, so daß für alle n gilt: a n ≥ k
beschränkt, falls sie nach oben und unten beschränkt ist.

Beispiele:
n− 1
1.) a n = n+ 1
,n ∈N
d.h. (a n ) = 0, 13 , 24 , 53 ,
Die Folge ist streng monoton wachsend und beschränkt, z.B. k = 0, K = 2.

n
2.) a n = ,n ∈N
2n
d.h. (a n ) = 21 , 24 , 83 , 4 ,
16
Die Folge ist monoton fallend und beschränkt, z.B. k = 0, K = 1.

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3.2 Grenzwert einer Zahlenfolge

Betrachten wir die Folge

(a n ) = (1 − 1n )
(a n ) = 0, 21 , 23 , 43 , ...., 1000
999 , ...., 99999 , ...
100000

Alle Glieder der Folge sind kleiner als 1, die Folge ist streng monoton wachsend, mit
wachsendem n unterscheidet sich an immer weniger von 1, an kommt 1 beliebig nahe.

a a a3 a4
1 2

0 1/2 2/3 3/4 1

alle Glieder der Folge an n > 3 liegen


in diesem Intervall

Alle Glieder an mit n ≥ 100 liegen im Intervall ( 100


99 , 1) . Die Zahl 1 wird als Grenzwert der

Folge (an) bezeichnet.

Allgemein:

a
1 a an g-ε g g+ε
2
o -1

ε -Umgebung
Die reelle Zahl g heißt Grenzwert einer Folge (an), falls für alle ε-Umgebungen von g alle
Folgenglieder ab einem bestimmten n0 in dieser ε-Umgebung liegen.

Anders ausgedrückt:

3.4 Definition: Grenzwert einer Folge


g heißt Grenzwert (Limes) der Folge (an), falls es zu jedem ε > 0 eine natürliche Zahl no gibt,
so daß für alle n ≥ n o ( = n o (ε )) gilt:

an − g < ε

Existiert der Grenzwert einer Folge, dann heißt die Folge konvergent. Man schreibt:

lim a n = g
n→∞

Eine Folge, die keinen Grenzwert besitzt, heißt divergent.

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Beispiele:
1.) a n = 1n , n ∈ N
d.h. (a n ) = 1, 21 , 13 , 41 ,
lim 1 =0 " Nullfolge"
n→∞ n

2 n− 1
2.) a n = 3n
,n ∈ N
d.h. (a n ) = 13 , 63 , 95 ,
lim a n = 23
n→∞

3.) a n =1 − (−1) n , n ∈N 0
d.h. (a n ) = 0, 2, 0, 2,..
(an) ist divergent

4.) a n = n 2 + 5, n ∈ N
d.h. (a n ) = 6, 9, 14, ..
(an) ist divergent, speziell gilt (an) ist nicht beschränkt. Man sagt dann, (an) besitzt den
uneigentlichen Grenzwert ∞ oder − ∞ , bzw. die Folge geht gegen ∞ oder − ∞ .
Schreibweise:

lim a n = ∞ oder lim a n = − ∞


n→∞ n→∞

5.) lim n α = ∞ falls α > 0


n→∞
1
lim = 0 falls α > 0
n→∞ nα

0 q < 1

6.) lim q =  1 q = 1
n
n→∞
∞ q > 1

Aus den elementaren Folgen lassen sich durch folgende Rechengesetze auch die Grenzwerte
anderer Folgen berechnen:

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3.5 Satz Rechengesetze für Grenzwerte


Seien (an), (bn) konvergente Folgen mit lim a n = a und lim b n = b . Dann sind auch die
n→∞ n→∞
a 
Folgen (a n + b n ), (a n ⋅ b n ),  n  für ( b n ≠ 0, b ≠ 0) und (a n ) r konvergent, und es gilt:
 bn 

a) lim (a n + b n ) = lim (a n ) + lim ( b n ) = a + b


n→∞ n→∞ n→∞

b) lim (a n ⋅ b n ) = lim (a n ) ⋅ lim ( b n ) = a ⋅ b


n→∞ n→∞ n→∞

c) lim (c ⋅ a n ) = c ⋅ lim (a n ) = ca
n→∞ n→∞

 a n  nlim
→∞
(a n )
a
d) lim   = =
n→∞ b n  lim ( b n ) b
n→∞

r
e) lim (a n ) r =  lim (a n ) = a r
n→∞  n→∞ 

Beispiele:
−2 n 2 + 4 n − 5 −2 + 4 − 5
n n2
1.) lim = lim
n→∞ 8n 2 − 3n + 7 n→∞ 8− 3+ 7
n n2

lim ( −2) + lim ( 4n ) − lim ( 5)


n→∞ n→∞ n→∞ n
2 −2 + 0 − 0 2 1
= = =− =−
lim (8) − lim ( n3 ) + lim ( 72 ) 8− 0+ 0 8 4
n→∞ n→∞ n→∞ n

( n+ 1+ )
( ) ( )
n
n+ 1− n = lim n+ 1−
( n)
2) lim n
n→∞ n→∞ n+ 1+

 1 
lim  =0
n→∞ n + 1 + n 

3
 2 n − 1 8
3) lim   = ..... =
n→∞ 5n + 2  125

3 ⋅ 10 n + 4 ⋅ 10 2 n 4
4) lim = ... = = − 20
n→∞ 4 ⋅ 10 n − 1 − 2 ⋅ 10 2 n− 1 (⋅10−2 n ) − 15

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2 
5) a 1 = 1, a n = 1 a  rekursive Folge.
+
2  n− 1
a n− 1 

Wenn es einen Grenzwert gibt (!), dann gilt:
 2  1
a = lim a n = 21  lim a n− 1 +

 = a + 2a
lim a n−1  2
( )
⇒ a = ± 2 , da alle a n positiv ⇒ a = 2

a n = 1, 23 , 17 ,
12
... Es läßt sich zeigen, daß die Folge der an für n > 1 monoton fallend und nach
unten beschränkt ist. Vermutung: an ist konvergent.

Ein Kriterium für die Existenz von Grenzwerten liefert der folgende Satz:

3.6 Satz von Bolzano-Weierstrass

Eine monoton wachsende bzw. monoton fallende Folge, die nach oben bzw. nach unten
beschränkt ist, ist konvergent.

Hiermit läßt sich zeigen, daß die Folge (a n ) = 1 + ( 1 n


n ) einen Grenzwert besitzt:

3.7 Die Eulersche Zahl e

Die Folge  1 +
 ( )
1 n
n 
 ist konvergent. Der Grenzwert heißt e (Eulersche Zahl).

e = lim 1 +
n→∞
( 1 n
n )
Beweis: Anwendung des Satzes von Bolzano-Weierstrass:
( )
1.  1 + 1n  ist monoton wachsend
n
 

Aus der Bernoullischen Ungleichung (Abschnitt 2.5) folgt:

(1 − ) > (1 − ) ⇒ (1 − ) (1 + ) > (1 − )
n
1 1 1 n 1 n 1
n2 n n n n

( ) ( )
n− 1 n− 1
( ) > (1 − n1 )
1 n − n+ 1
⇒ 1+ n
= n
n−1
= 1+ 1
n−1
, a n > a n− 1 d.h. monoton wachsend.

2. Es läßt sich zeigen, daß  1 +


 ( )
1 n
n 
 < 3 ist für alle n, d.h. die Folge ist nach oben
beschränkt.

Aus 1. und 2. folgt die Existenz des Grenzwertes: e = 2.718281828459...

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4. Reelle Funktionen

4.1 Grundbegriffe

In Kapitel 1 hatten wir den Abbildungsbegriff eingeführt. Es seien zum Beispiel zwei Mengen
A und B gegeben mit
A = {a,b,c,d} Menge der Lichtschalter in einem Raum
B = { u,v,w,x,y,z} Menge der Lampen

Eine Abbildungsvorschrift ordnet jedem Schalter a∈A die Lampen b∈B zu, die durch ihn
bedient werden können. Dann ist die Abbildung durch eine Teilmenge F⊆AxB definiert.

Beispiel: F: {(a,v), (a,x), (a,z), (b,w), (b,y), (c,x)}

Abbildung F: A ---------> B

u
a v
b w
c x
d y
z

(Wiederholung 1.8 Definition: Abbildung)


Werden durch eine bestimmte Vorschrift Elementen einer Menge A Elemente einer Menge B
zugeordnet, so spricht man von einer Abbildung aus der Menge A in die Menge B.

Anstelle der Bezeichnung benutzen wir in der Analysis den Begriff Funktion. Funktionen
werden i.a. auf Teilmengen der reellen Zahlen definiert. Sie dienen zur Beschreibung von
Abhängigkeiten zwischen Zielgrößen und Einflußgrößen.

Beispiel: Der Luftwiderstand eines Fahrzeuges FW wächst quadratisch mit der


ρ
Fahrgeschwindigkeit v: FW ( v) = c W ⋅ ⋅ A S ⋅ v 2
2

Luftwiderstand in [N]

1200
1000
800
600
400
200
0
25 50 100 150 200
km/h km/h km/h km/h km/h

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kg
Man setze zum Beispiel ρ = 1.2 3
, Dichte der Luft bei 20 oC, und typische Werte eines
m

Mittelklassewagens: Luftwiderstandsbeiwert cW = 0.30, Stirn-Schattenfläche AS = 2.0 m 2


ein (s. Diagramm Luftwiderstand).

4.1 Definition: Funktion

Eine Funktion f ist eine Abbildungsvorschrift, die jedem Element aus einer Menge D, dem
Definitionsbereich, genau ein Element y aus einer Menge Z, der Zielmenge, zuordnet.
Für eine reelle Funktion müssen Definitionsbereich und Zielbereich reellwertig sein.
Das bedeutet: D ⊆ R und Z ⊆ R .

Schreibweise: f : D → Z , mit y = f(x).

Beispiele reeller Funktionen

a) Eine Zahlenfolge (a n ) n∈N ist Spezialfall einer reellen Funktion mit D = N⊂R.

x +1
b) f ( x) = , D = R \ {0}, Z = R ist eine reelle Funktion
x

x +1
c) g( x) = , mit g : R → R ist keine reelle Funktion, da g(x) an der Stelle x = 0 nicht
x
definiert ist.

d) h( x) = x 2 − 1, mit h : R → R ist keine reelle Funktion, da h(x) an der Stelle x < 1


nicht definiert ist. Man könnte hier den Definitionsbereich von h auf x ≥ 1 einschränken, um
zu einer reellen Funktion zu kommen, oder man definiert h bereichsweise:

 x 2 − 1, für x ≥ 1
e) h( x) =  , mit h : R → R ist eine reelle Funktion
 0 , sonst

1, für x irrational


f) f ( x) =  , mit f : R → R ist eine reelle Funktion
 0 , sonst

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4.2 Definition: Gleichheit zweier Funktionen

Die Funktionen
f1 : D1 → Z1 , mit y = f1(x) und
f2 : D2 → Z2 , mit y = f2(x) beides reellwertige Funktionen heißen gleich, falls

(a) D1 = D2 gilt und


(b) für alle x∈D1 gilt: f1(x) = f2(x).

Bemerkungen:

1.) Das „ = “ -Zeichen auf Funktionen angewandt (z.B. f1 = f2) hat also eine andere Bedeutung
als das „ = “-Zeichen zwischen Zahlenwerten (z.B. f1(x) = f2(x) )
x2 − x
2.) f ( x) = , f : R \ {0} 
→ R und
x
g( x) = x − 1, g: R  → R sind nicht gleich wegen Df ≠ Dg.

3.) Häufig wird bei einer Funktion nicht der Definitionsbereich angegeben. In diesem Fall
besteht die Konvention, daß D die größte Teilmenge von R ist, auf der die
Definitionsvorschrift definiert ist. Dies nennen wir den maximalen Definitionsbereich Dmax
von f. Betrachte zum Beispiel
1
f ( x) = . Dann ist Dmax = R \ {0,5}
x ⋅ ( x − 5)

4.) Die Bildmenge W ist die Menge aller y∈Z für die ein x∈D existiert mit y = f(x). Man
schreibt „w = f(D)“

4.2 Allgemeine Funktionseigenschaften

4.3 Definition: Nullstelle einer Funktion

Eine Funktion y = f(x) besitzt in x0∈D eine Nullstelle, falls f(x0) = 0.

In einer Nullstelle schneidet oder berührt der Funktionsgraph die x-Achse.

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Beispiel: f(x) = x2(x-1) = x3 - x2

0.4 x**3-x**2

0.2

y 0
Nullstelle
Nullstelle x=1
-0.2 x=0

-0.4

-0.5 0 0.5 1 1.5 2


x

Abb. 4.1: Funktionsverlauf der Funktion f(x) = x2(x-1)

Die Funktion f(x) = x2(x-1) hat zwei Nullstellen und zwar x0=0 und x0=1 (siehe Diagramm).

4.4 Definition: Gerade und ungerade Funktion

Eine Funktion y=f(x) heißt gerade, falls gilt

(S) für alle x∈D ist auch - x∈D „symmetrischer Definitionsbereich“


(G) f (x) = f (-x)

Eine Funktion y=f(x) heißt ungerade, falls für alle x∈D gilt

(S) für alle x∈D ist auch - x∈D


(U) f (x) = - f (-x)

Beispiele:

1.) y = | x | ist eine gerade Funktion, weil wegen D = Dmax = R für alle x∈D auch (-x)∈D
(Bedingung S) und f ( − x) − f ( x) =|− x| −| x| = 0 (Bedingung G) erfüllt sind.

2.) y = x3 ist eine ungerade Funktion, weil wegen D = Dmax = R für alle x∈D auch (-x)∈D
(Bedingung U1) und f ( − x) + f ( x) = ( − x) 3 + x 3 = 0 (Bedingung U) erfüllt sind.

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2
abs(x)
x**3
1.5

|x|
1

y 0.5 x3

-0.5

-1
-2 -1 0 1 2 3
x

Abb. 4.2: Beispiel einer geraden Funktion (y=|x|) und einer ungeraden Funktion (y=x3).

3.) y = x3 - x2 ist weder gerade noch ungerade (s. Abb. 4.1). Zwar ist wegen D = Dmax =R für
alle x∈D auch (-x)∈D (Bedingung S), aber wegen f(x) - f(-x) ≠ 0 und f(x) + f(-x) ≠ 0 ist
weder (G) noch (U) erfüllt. Beweis als Übung!

4.5 Definition: Monotonie einer Funktion

Gegeben sei eine Funktion y = f(x), f : D → Z, und x1, x2∈D seien beliebig. Dann heißt die
Funktion f
monoton steigend , falls x1 < x2 ⇒ f(x1) ≤ f(x2)
streng monoton steigend, falls x1 < x2 ⇒ f(x1) < f(x2)
monoton fallend, falls x1 < x2 ⇒ f(x1) ≥ f(x2)
streng monoton fallend, falls x1 < x2 ⇒ f(x1) > f(x2)

Bemerkung: Die Monotoniebedingungen sind schwächer als die der strengen Monotonie, d.h.
(streng monoton steigend) ⇒ (monoton steigend) und
(streng monoton fallend) ⇒ (monoton fallend)

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15

3
10 y=x +x+3

5
2
y=x -1

0
x

3
y = - x -2
-5

-10
-1 -0.5 0 0.5 1 1.5 2

Abb. 4.3: Beispiele für die Monotonie von Funktionen:

y = x3 + x + 3 ist streng monoton steigend,


y = -x3 - 2 streng monoton fallend und
y = x2 - 1 für x<0 streng monoton fallend und für x>0 streng monoton steigend.

4.6 Definition: Periodizität einer Funktion

Eine Funktion f : D → Z , y=f(x) heißt periodisch mit der Periode p, falls für alle x∈D
(P) f ( x ) = f ( x + p ).

Mit p ist auch (± k . p) mit k∈N eine Periode für f. Die kleinste Periode p>0 einer Funktion
heißt primitive Periode von f.

Typische Beispiele periodischer Funktionen sind die trigonometrische Funktionen Sinus,


Cosinus etc. (siehe Abschnitt 4.6).

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1 sin(x)

0.5

y 0

-0.5

-1

-10 -5 0 5 10
x
Abb. 4.4 Periodische Funktion Sinus mit Periode 2π

Im Vorgriff an Abschnitt 4.6 eine Kurzdefinition des Sinus:


Der Sinus, definiert als Länge der Gegenkathete in einem rechtwinkligen Dreieck mit
Hypothenusenlänge 1, ist eine periodische Funktion des Bogenmaßes x ( Bogenmaß 2π
entsprechen 3600 Winkelmaß). Zusammen mit dem Cosinus, der Länge der Ankathete gilt der
Satz von Pythagoras: ( sin x )2 + ( cos x )2 = 1.
Damit folgt unmittelbar | sin x | ≤ 1 und | cos x | ≤ 1

Wir greifen jetzt die Definition von injektiv, surjektiv und bijektiv für Abbildungen aus
Kapitel 1 auf und verwenden sie zukünftig im selben Sinne für Funktionen:

4.7 Definition: Injektivität, Surjektivität, Bijektivität

Eine Funktion f : D → Z , y = f(x) heißt injektiv (umkehrbar), falls für alle x1,x2∈D gilt:
x1 ≠ x2 ⇒ f(x1) ≠ f(x2). ⇔ [f ( x 1 ) = f ( x 2 ) ⇒ x 1 = x 2 ]

Eine Funktion f : D → Z , y = f(x) heißt surjektiv , falls f(D) = Z (Bildmenge = Zielmenge),


das heißt, für alle y∈Z existiert ein x∈D mit f(x) = y.

Eine Funktion f : D → Z , y = f(x) heißt bijektiv , falls f injektiv und surjektiv ist.
Beispiele:

a) f : R → R , f(x) = 2x+1 ist injektiv, denn für alle x1, x2 ∈R gilt


f(x1)-f(x2)= (2x1+1) - (2x2+1) = 2 (x1-x2). Für x1 ≠ x2 ∈R gilt somit f(x1) ≠ f(x2).
y −1
f ist auch surjektiv, denn für jedes y∈R gibt es ein x∈R, nämlich x = .
2
y −1
Beweis: f ( x) = 2 x + 1 = 2( ) +1= y. #
2

b)f : R → R≥0 , f(x) = x2 ist surjektiv, denn für jedes y≥0 gibt es ein x, nämlich x = y ,
f ist nicht injektiv, denn zum Beispiel ist f (2) = 4 = f (-2).

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4.3 Operationen mit Funktionen und Umkehrfunktion

Analog zur Definition der Grundoperationen für reelle Zahlen Addition, Multiplikation etc.
(siehe Kapitel 2) führen wir jetzt die entsprechenden Operationen auch für reelle Funktionen
ein.

4.8 Definition: Grundoperationen (Addition, Multiplikation etc. von Funktionen)

Es seien
f : Df → Zf , mit y = f(x) und
g : Dg → Zg , mit z = g(y) beides reellwertige Funktionen. Dann definieren wir:

1.) h = f  durch h : Df → Zh , mit h(x) = f(x) 


.
2.) h = c f durch h : Df → Zh , mit h(x) = c.f(x)
3.) h = f + g durch h : Df ∩Dg → Zh , mit h(x) = f(x) + g(x)
4.) h = f . g durch h : Df ∩Dg → Zh , mit h(x) = f(x) . g(x)
f f ( x)
5.) h = durch h : Df ∩(Dg\G0) → Zh , mit h(x) = und G0={x∈Dg; g(x)=0}
g g( x)

Ein wichtiger Operator ist die Verkettung zweier Funktionen. Er erlaubt es, relativ komplexe
Funktionen als Verkettung mehrerer relativ einfacher Funktionen zu betrachten.

4.9 Definition: Verkettung zweier Funktionen

Falls
f : Df → Zf , mit y = f(x) und
g : Dg → Zg , mit z = g(y) beides reellwertige Funktionen sind
und weiterhin f(Df) ⊆ Dg gilt, dann ist auch
h : Df → Zg , mit h(x) = g ° f (x) eine reellwertige Funktion, die aus f und g
zusammengesetzte Funktion. Schreibweise: h = g ° f oder h(x) = g(f(x)), Sprechweise „g nach
f“.

f g

Dg
Df
h=g °f

Abb. 4.5: Verkettung zweier Funktionen

Der Verknüpfungsoperator ist nicht kommutativ. In der Regel gilt: g ° f ≠ f ° g.

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Beispiel:

x +1
f ( x) = mit f : R \ {0} → R und
x
g ( y ) = y 2 , mit g : R → R≥0 sind reellwertige Funktionen. Also ist auch
h : R \ {0} → R≥0 definiert über h = g ° f eine reellwertige Funktion, und es gilt
2
 x + 1
h( x ) =   .
 x 

4.10 Definition: Umkehrfunktion (inverse Funktion)

Gegeben sei eine injektive Funktion f : D → Z , y=f(x).


Die Funktion g : f(D) → D, die jedem y ∈ f(D) dasjenige x∈D zuordnet, für das y = f(x) gilt,
heißt Umkehrfunktion von f. Schreibweise g = f -1.

Bemerkung: Falls f eine injektive Funktion ist, dann führt die Verkettung von f mit der
Umkehrfunktion von f, also h = f - 1 ° f, auf die Identität auf D
h: D → D, mit h(x) = f -1 ( f(x) ) = f -1(y) = x.

Beispiele
a) f : R → R, y = f(x) = 2x+1 ist injektiv (s. Beispiel nach Definition 4.7) und damit auch
umkehrbar. Um die inverse Funktion von y = f(x) abzuleiten, löst man y = f(x) nach x auf
y −1
Damit folgt die Umkehrfunktion f -1 : R → R , mit x = f −1 ( y) = . und es gilt
2
(2 x + 1) − 1
f -1 ( f(x) ) = f -1 (2x+1) = =x
2
b) f : R → R , f(x) = x2 ist nicht injektiv und damit auch nicht umkehrbar. Allerdings

c) f : R≥0 → R , f(x) = x2 ist injektiv mit der Umkehrfunktion f -1 (y) = y

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d) Die Umkehrung einer Funktion entspricht der Spiegelung einer Funktion an der
Winkelhalbierenden des x-y-Diagramms

3
x2 x**2
sqrt(x)
2.5
x
y=x
2

y 1.5
x
1

0.5

0
0 0.5 1 1.5 2 2.5 3
x
Abb. 4.6 : f(x) = x2 und die zugehörige Umkehrfunktion f -1(x) = x

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4.4 Grenzwert einer Funktion

Der Grenzwert einer Funktion hat eine zentrale Bedeutung in der Differential- und
Integralrechnung. Mit Hilfe von Grenzwerten werden wir den Ableitungsbegriff und das
Integral einer Funktion einführen.

Reelle Funktionen
(Kap. 4.1 + 4.2)

Folgen und
Grenzwerte
Grenzwerte
(Kap. 4.4)
(Kap. 3.)

Stetigkeit

Differential Integral

4.11 Definition: Grenzwerte von Funktionen

Gegeben sei eine Funktion f : D → Z , mit y = f(x) und ein x0∈D. Dann heißt z der
Grenzwert einer Funktion an der Stelle x0, falls für alle Folgen (xn)n∈N mit xn∈D gilt

lim x n = x 0 ⇒ lim f ( x n ) = z
n→∞ n→∞

Man schreibt lim f ( x ) = z


x→ x 0

Gilt für jede von links her gegen x0 strebende Folge lim f ( x) = z −
x
→ x0
x< x0

so heißt z- linksseitiger Grenzwert von f für x → x0. Schreibweise lim f ( x) = z −


x→ x 0−

Der entsprechende Grenzwert lim f ( x) = z + heißt rechtsseitiger Grenzwert


x
→ x0
x> x0

der Funktion f für x → x0. Schreibweise lim f ( x) = z +


x→ x 0+

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4.12 Satz: Existenz des Grenzwertes einer Funktion

Eine Funktion f besitzt genau dann den Grenzwert z an der Stelle x0, falls z - und z + existieren
und gleich sind. Dann ist z - = z + = z .

Die Definition des Grenzwertes z verlangt nicht, daß f (x0) existiert oder z = f(x0) existiert.

Analog zum Grenzwert an der Stelle x0 kann auch der Grenzwert für x → ∞ oder
x → - ∞ betrachtet werden. Dieser Grenzwert wird als uneigentlicher Grenzwert bezeichnet:

lim f ( x) = z
x
→ ∞

 x2 − 1
 , x ∈ R >0 \ {1}
Beispiel: f ( x) =  x − 1
 −1, x<0
 x

7
y

6 -1/x

5 (x**2-1)/(x-1)

2
Definitionslücke

1
-1 0 1 2 3 4
Abb. 4.7: Graph der Funktion f

mit den folgenden Grenzwerten:

lim f ( x) = 0
x
→ −∞

lim f ( x) nicht definiert


x
→ ∞

lim f ( x) nicht definiert


x→ 0
x< x0
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lim f ( x ) = 1
x → 0
x >x0

lim f ( x) nicht definiert


x
→ 0

lim f ( x) = 2 = lim f ( x) = lim f ( x) = 2


x
→ 1 x
→ 1 x
→ 1
x <1 x>1

Rechnen mit Grenzwerten

Seien f, f1, f2 in einer Umgebung von x0 definiert, und es mögen die Grenzwerte

lim f ( x) = z , lim f1 ( x ) = z 1 , lim f 2 ( x) = z 2 existieren. Dann existieren auch


x
→ x 0 x
→ x 0 x
→ x 0

die folgenden Grenzwerte, und es gilt

a) lim ( f1 ( x) + f 2 ( x )) = lim f1 ( x ) + lim f 2 ( x) = z1 + z 2


x
→ x 0 x
→ x 0 x
→ x 0
b) lim ( f1 ( x) f 2 ( x )) = lim f1 ( x ) ⋅ lim f 2 ( x) = z1 ⋅ z 2
x
→ x 0 x
→ x 0 x
→ x 0
lim f1 ( x )
f ( x) x
→ x 0 z1
c) lim ( 1 ) = = , für z 2 ≠ 0
→ x 0 f 2 ( x)
x lim f 2 ( x) z2
x
→ x 0
d) lim f ( x) = z
x
→ x 0

e) lim cf ( x) = cz
x → x 0

f) lim ( f ( x)) n = z n , n∈N


x
→ x 0

g) lim n f ( x ) = n z , n∈N, z ≥0
x → x 0
h) es sei g auf einer Umgebung von z stetig (siehe 4.13) und es gelte g(z) = ζ. Dann gilt
lim g( f ( x)) = g( z) = ζ
x
→ x 0
i) Gilt in einer Umgebung von x0 f(x)≤h(x)und lim h( x ) = 0 , dann ist auch
x
→ x 0
lim f ( x) definiert , und es gilt lim f ( x) = 0 .
x → x 0 x
→ x 0

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Beispiel a): Gesucht sei lim 1 + 2 x 2 sin 2 ( 1x )


x → 0

Zur Definition des Sinus vergleiche Abschnitt 4.2! Da wir die Rechenregeln (a) bis (h) nicht
direkt anwenden können ( lim sin 2 ( 1x ) ist nicht definiert) , gehen wir in zwei Schritten
x
→ 0
vor:

Schritt 1: Wähle f ( x ) = x 2 sin 2 ( 1x ), h ( x) = x 2 .


Die Funktion h konvergiert für x → 0 gegen 0. Da | sin x | ≤ 1 gilt, ist auch f(x)≤h(x).
Daher kann (i) angewandt werden, und es gilt

lim x 2 sin 2 ( 1x ) = 0 .
x → 0

Schritt 2: Nun kann die betrachtete Funktion als Verknüpfung zweier „einfacherer“
Funktionen betrachtet werden:

1 + 2 x 2 sin 2 ( x1 ) = g( f ( x)) mit f ( x) = x 2 sin 2 ( 1x ), g( y ) = 1 + 2 y .

Dann gilt mit lim f ( x ) = 0, lim g( y ) = 1 und Grenzwertregel h)


x
→ 0 y
→ 0

lim 1 + 2 x 2 sin 2 ( 1x ) = lim g ( f ( x )) = 1 #


x
→ 0 x
→ 0

2
1.8 sqrt(1+2*x**2*sin(1/x)**2)

1.6
1.4

1.2
1
y

0.8

0.6
0.4
0.2
0
-3 -2 -1 0 1 2 3
x

Abb. 4.8: Graph der Funktion 1 + 2 x 2 sin 2 ( 1x )

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4.5 Stetigkeit einer Funktion

Die Stetigkeit einer Funktion bildet die Grundlage des Ableitungsbegriffes einer Funktion.

4.13 Definition: Stetigkeit einer Funktionen

Gegen sei eine Funktion f : D → Z , mit y = f(x). ε>0 sei eine beliebig kleine positive Zahl, so
daß das Intervall [ x0, x0+ε ) ⊆D. Dann heißt f an der Stelle x0 rechtsseitig stetig, falls

lim f ( x) = f ( x 0 )
x
→ x0
x > x0

an der Stelle x0 linksseitig stetig, falls mit ε>0 (x0-ε,x0] ⊆D und gilt

lim f ( x) = f ( x 0 )
x
→ x0
x < x0
an der Stelle x0 stetig, falls mit ε>0 (x0-ε,x0+ε) ⊆D und

lim f ( x) = f ( x 0 )
x→ x0

Eine Funktion heißt stetig auf ihrem Definitionsbereich, wenn sie an allen Stellen im Innern
ihres Definitionsbereiches stetig und an den Rändern einseitig stetig ist!

Bemerkungen:

a) Stetigkeit an einer Stelle x0 ∈ D setzt also voraus, daß rechtsseitige und linksseitige
Grenzwerte in x0 ∈ D existieren und gleich sind (vergleiche Definition des Grenzwertes) und
daß der Grenzwert gleich f (x0) ist.

b) Eine Funktion heißt in x0∈D unstetig, falls f in einer Umgebung von x0 definiert ist, f aber
in x0 nicht stetig ist.

c) Beispiel einer Funktion, die nirgendwo stetig ist:


 1 für x irrational
f ( x) =  , mit f : R → R
0 , sonst

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 x2 − 1
 , x ∈ R >0 \ {1}
Beispiel: f ( x) =  x − 1
 −1, x<0
 x

7
y

6 -1/x

5 (x**2-1)/(x-1)

1
-1 0 1 2 3 4
Abb. 4.7: Graph der Funktion f

f ist für alle x aus den Intervallen (-∞,0), (0,1) und (1, ∞) stetig. Mit der zusätzlichen
Definition f(1) = 2 wäre f auch an der Stelle x = 1 stetig (behebbare Unstetigkeit !). f ist an
der Stelle x = 0 rechtsseitig stetig, aber nicht linksseitig stetig (keine behebbare
Unstetigkeitsstelle).

Bemerkungen: Wir unterscheiden vier Typen von Unstetigkeitsstellen:

1.) der rechtsseitige und der linksseitige Grenzwert existieren und sind gleich (z+ = z-).
Allerdings ist f(x0) ≠ z+= z-. Hier liegt eine behebbare Unstetigkeitsstelle vor. Mit der
Umdefinition
f(x0) = z+= z- wird die Unstetigkeit behoben.

2.) der rechtsseitige und der linksseitige Grenzwert existieren, aber sind verschieden (z+ ≠ z-),
(Unstetigkeitsstellen 1. Art , bzw. Sprungstelle)

3.) Unstetigkeitsstellen, an denen lim f ( x) → ±∞ gilt, nennen wir Polstellen.


x→ x 0
4.) lim f ( x) existiert nicht, und es existieren auch nicht die beiden einseitigen Grenzwerte.
x→ x 0

Dies ist zum Beispiel bei sin 1x für x → 0 der Fall (Oszillationspunkt).

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sin(1/x)
1

0.5

0
y

-0.5

-1

-1 -0.8 -0.6 -0.4 -0.2 0 0.2 0.4 0.6 0.8 1


x
Abb. 4.9: Graph der Funktion sin 1x

Für stetige Funktionen gelten die folgenden Sätze

4.14 Satz: Beschränktheit einer Funktionen

Ist eine Funktion f : [a,b] → Z auf dem abgeschlossenen Intervall [a,b] stetig, dann ist sie
dort beschränkt.

4.15 Satz: Zwischenwertsatz für stetige Funktionen

Ist eine Funktion f : [a,b] → Z auf dem abgeschlossenen Intervall [a,b] stetig und gilt
f(a) . f(b) < 0, so gibt es mindestens ein ζ ∈ [a,b] mit f (ζ) = 0.

Bemerkung: Die Bedingung f(a) . f(b) < 0 kann leicht interpretiert werden:

f(a) . f(b) < 0 ⇔ (es gilt f(a) > 0 und f(b) < 0) oder (es gilt f(a) < 0 und f(b) > 0)

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4.6 Funktionsübersicht

4.6.1 Polynome

4. 16 Definition: Polynom

Eine Funktion f : R → R , mit

f(x) = a0 + a1 x + a2 x2 + .... + an xn mit n∈N, a0, a1, ...., an ∈ R und an ≠ 0 heißt Polynom n-
ten Grades. Die Koeffizienten ai ∈ R heißen Koeffizienten des Polynoms

Zwei Polynome sind genau dann gleich, wenn ihre Koeffizienten gleich sind.
Der maximale Definitionsbereich von Polynomen ist R . Polynome sind auf R stetig.

4
x*(x-1)*(x-2)*(x-3)*(x-4)
3

0
y

-1

-2

-3

-4
-1 0 1 2 3 4 5
x
Abb. 4.10 Graph des Polynoms vom Grade 5: f(x) = x(x-1)(x-2)(x-3)(x-4)

4.17 Hilfssatz: Faktorzerlegung von Polynomen

Ist f ein Polynom n-ten Grades und x0 eine Nullstelle von f, dann gibt es ein Polynom g vom
Grade n-1, so daß f(x) = (x-x0) g(x)

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Beweis:
Wie leicht nachzurechnen ist, gilt für jedes i ∈N

(H) : ( x − x 0 )( x i −1 + x 0 x i −2 + x 0 2 x i − 3 +...+ x 0 i −1 ) = x i − x 0 i
144444424444443
Pi −1( x):Polynom vom Grad i−1

Damit gilt:

( )
n n n n
f ( x) − f ( x 0 ) = ∑ a i x i − ∑ a i x 0 i = ∑ a i x i − x 0 i = ∑ a i ( x − x 0 ) Pi −1 ( x) =
i =0 i=0 i =0 i=0
n
= (x − x0 ) ∑ a i Pi−1 ( x) = ( x − x 0 )g ( x )
= 04243
i1
Polynom vom Grade i−1: g

Mit f(x0) = 0 folgt die Behauptung. #

Bemerkung: Aus diesem Satz folgt, daß Polynome n-ten Grades höchstens n Nullstellen haben

4.6.2 Gebrochen-rationale Funktionen

4. 18 Definition: Gebrochen-rationale Funktion

Eine Funktion f : D → R , die sich als Quotient zweier Polynome pm(x) und qn(x)
m

p (x ) ∑a x i
i

f (x) = m = i=0
n
q n (x )
∑b x
i =0
i
i

schreiben läßt, bezeichnen wir als gebrochen-rationale Funktion. Der Definitionsbereich ist
Dmax= R\{Nullstellen der Funktion qn(x)}

Bemerkung:

a) Wir können voraussetzen, daß pm(x) und qn(x) keine gemeinsame Nullstelle x0 haben.
Sonst könnte man nämlich bei beiden Polynomen den Faktor (x-x0) abspalten und wegkürzen.

b) x1 heißt k-fache Nullstelle von f, falls pm (x1) = 0 . Damit gilt qm (x1) ≠ 0 wegen a.).

c) x1 heißt k-fache Polstelle von f, falls qn (x1) = 0 . Damit gilt pn (x1) ≠ 0 wegen a.).

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Beispiele:
x −1
a) f ( x) =
x+2
Die Funktion f hat eine einfache Nullstelle bei x = 1 und einen einfachen Pol bei x = - 2.

4
(x-1)/(x+2)
3

1
Pol-
y 0
stelle
-1

-2

-3

-4
-8 -6 -4 -2 0 2 4 6 8
x
x −1
Abb.: 4.11 Die Funktion f ( x) =
x+2

b)
x**2/((x+1)**2*(x-3))
4 Pol-
Stellen

Null-
stelle
0

-2

-4

-4 -2 0 2 4 6 8
2
x
Abb. 4.12: Die Funktion f ( x) =
( x + 1) 2 ( x − 3)
Die Funktion f hat eine doppelte Nullstelle bei x = 0, einen zweifachen Pol bei x = - 1 und
einen einfachen Pol bei x = 3 .

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4.6.3 Potenzfunktionen und Wurzelfunktionen

4. 19 Definition: Potenzfunktion

Potenzfunktionen sind Funktionen f : D → R der Form

f ( x) = x r , r ∈R

Maximaler Definitionsbereich, Wertebereich und Funktionsverlauf hängen von r ab

Wir betrachten zunächst nur Exponenten mit natürlichen Zahlen:

Fall a) f(x) = xn = x2k , k=1,2,3,... ( f wird zu einem Polynom)

Es ist Dmax = R, W = R≥0.

f ist symmetrisch: f(-x) = (-x)2k = ( (-x)2)k = x2k = f(x)


f ist auf (-∞,0) streng monoton fallend und
auf (0, ∞ ) streng monoton steigend

Die Restriktion von f auf R≥0 umkehrbar: Die Umkehrung heißt Wurzelfunktion
1
≥0 ≥0
-1
f :R → R , f ( x) = x = n 2k
x= x 2k , k ∈N

Es ist

f −1 ( f ( x)) = f −1 ( x 2 k ) = 2 k x 2 k = x

6
y x**0
4
x**2
x
5 20
x**4
x x**20
4
2
3 x

2
0
1 x

0
x
-1
-2 -1.5 -1 -0.5 0 0.5 1 1.5 2

Abb. 4.13: Graph der Potenzfunktionen mit geradem Exponenten

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Den Graphen der Umkehrfunktionen können wir wie üblich durch Spiegelung an der
Winkelhalbierenden darstellen.

2
x**(0.5)
x**(0.25)
1.8 x**(0.1)

1.6

1.4

1.2

1 x0.1
0.8
x0.2
0.6
x0.5
0.4

0.2

0
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2 1.4 1.6 1.8 2

Abb 4.14 : Graphen verschiedener Wurzelfunktionen als Umkehrfunktionen zu


Potenzfunktionen mit geradzahligem Exponenten

Fall b) f(x) = xn = x2k+1 , k=1,2,3,... ( f wird zu einem Polynom)

Dmax= R, W=R.

f ist ungerade: f(-x) = (-x)2k+1 = (-x) ( (-x)2)k = (-x)x2k = -f(x)


f ist auf (-∞,∞) streng monoton steigend und umkehrbar.

Die Umkehrung von f heißt ebenfalls Wurzelfunktion


1
2 k +1
f : R → R, f ( x) = x =
-1 n
x= x +1
2 k , k ∈N

Da f mit ungeradem Exponenten eine streng monoton steigende Funktion auf R darstellt, kann
die Umkehrfunktion ebenfalls auf dem gesamten Zielbereich von f definiert werden, und dies
ist hier ebenfalls R.

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4
y x
x**3
x**11
3 11
x 3
x

2
x

0
x

-1

-2
-2 -1 0 1 2 3
Abb 4.15 : Graphen der Potenzfunktionen mit ungeradem Exponenten

3
y x
sgn(x)*abs(x)**0.3333
sgn(x)*abs(x)**0.2
2
y=x 3
x

1
5
x
0
x
-1

-2
-2 -1 0 1 2 3
Abb. 4.16 : Graphen verschiedener Wurzelfunktionen als Umkehrfunktionen zu
Potenzfunktionen mit ungeradem Exponenten

Fall c) f(x) = xq , q rationale Zahl

m
Mit q = definieren wir f ( x) = x q = n x m
n

Fall d) f(x) = xr , r irrationale Zahl

Sei (qi)i∈N eine Folge rationaler Zahlen mit lim q i = r , dann ist der Funktionswert xr über
i→∞
lim x qi
=x r
definiert.
i→∞

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4.6.4 Trigonometrische Funktionen

Bogenmaß

In der ebenen Geometrie werden üblicherweise Winkel in Gradmaß gemessen (00 bis 3600).
Statt des Gradmaßes kann jedoch auch das Bogenmaß zur Winkelmessung benutzt werden:

Bogenmaß x
α

Das Bogenmaß x eines Winkels α ist die Länge des Bogens, der dem Winkel α im
Einheitskreis gegenüberliegt. In einem Kreis mit Radius r gilt
Bogenmaß α
Bogenmaß x =
r
Zwischen Bogenmaß x und Gradmaß α besteht die lineare Beziehung:

x α π 180 o
= daraus folgt: x =
α α =
2π 360 o 180 o
bzw.
π
x

mit π = 3.1415....... eine universelle reelle Zahl.

Tabelle spezieller Winkel:

α -900 00 300 450 900 1800 2700 3600 7200


π π π 3π
x −
2
0 6
π
4 2
π 2
2π 4π

Drehsinn: positiv: Gegenuhrzeigersinn


negativ: Uhrzeigersinn

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4. 20 Definition: Sinus- und Cosinus-Funktion

Der Sinus eines beliebigen Winkels x ∈ R (im Bogenmaß) ist definiert als der Ordinatenwert
des zu x gehörenden Punktes P auf dem Einheitskreis.

Der Cosinus eines beliebigen Winkels x ∈ R (im Bogenmaß) ist definiert als der
Abszissenwert des zu x gehörenden Punktes P auf dem Einheitskreis.

Gegenkathete Ordinate von P


sin x = =
Hypotenuse 1
Ankathete Abzisse von P
cos x = =
Hypotenuse 1

Darstellung von Sinus und Cosinus im Einheitskreis:

P = (cos α, sin α),

sin α
α

cos α u

Bemerkung: Anwendungsfelder trigonometrischer Funktionen sind außer in der Geometrie


überall dort, wo Schwingungen oder periodische Abläufe zu beschreiben sind, z.B.:
- Wellen, Pendelbewegung
- Wechselstromkreise etc.

Im folgenden sei k∈Z, eine ganze Zahl.

Symmetrieeigenschaften:

sin(-x) = - sin(x) → Sinus ist ungerade Funktion


cos(-x) = cos(x) → Cosinus ist gerade Funktion

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Periodizität

sin(x+2kπ) = sin(x) → Sinus ist periodisch mit primitiver Periode 2π


cos(x+2kπ) = cos(x) → Cosinus ist periodisch mit primitiver Periode 2π

Nullstellen

sin x = 0 bei x = kπ,


cos x = 0 bei x= π2 + kπ,

Beschränktheit

|sin(x)| ≤ 1 |cos(x)| ≤ 1

Satz von Pythagoras

sin2(x) + cos2(x) = 1

Bemerkung: Wir schreiben als Kurzform von ( sin(x) )2 = sin2 x.

Additionstheoreme

sin(x1+x2) = sin x1 cos x2 + cos x1 sin x2


cos(x1+x2) = cos x1 cos x2 - sin x1 sin x2

Aus den Additionstheoremen lassen sich nützliche Rechenregeln ableiten, z.B.

sin (2x) = 2 sin x cos x


cos(2x) = 2 cos2 x - 1
sin(x+π) = - sin (x)
cos(x+π) = - cos (x)
sin(x+ π2 ) = cos (x)
cos(x+ π2 ) = - sin (x)

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1 sin(x)

cos(x)

0.5

0 π 2π

-0.5

-1

0 2 4 6 8 10
Abb 4.17: Graphen der Sinus- und der Cosinus-Funktion

Monotonie

Sinus und Cosinus sind als Funktionen auf R definiert, aber dort nicht monoton, also auch
nicht umkehrbar. Schränkt man allerdings Sinus auf das Intervall (- π2 , π2 ) ein und Cosinus auf
(0,π), so sind beide Funktionen streng monoton und damit umkehrbar. Die Umkehrfunktionen
werden als Arcussinus und Arcuscosinus bezeichnet (Definition später Abschnitt 4.6.6).

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4.6.5 Tangens- und Cotangensfunktion

Darstellung von Tangens im Zusammenhang mit Sinus und Cosinus im Einheitskreis:

v Q = (1, tan α),

P = (cos α, sin α)
tan α

sin α

cos α 1
P0 u
Q0

Der Tangens wird wie auch Sinus und Cosinus im Einheitskreis definiert. Er ist hier die Länge
der Gegenkathete, wenn die Ankathete die Länge 1 hat. Aus der geometrischen Ähnlichkeit
sin α tan α
der Dreiecke OP0P und OQ0Q folgt = . An der Skizze können wir weiterhin
cos α 1
abschätzen, daß für α∈(0, π2 ) gilt : sin α < α < tan α.

4. 21 Definition: Tangens- und Cotangens-Funktion

Der Tangens eines beliebigen Winkels x ∈ R (im Bogenmaß) ist definiert als

tan: R \ { π2 + kπ; k ∈ Z} 
→ R
sin x
tan x =
cos x

Der Cotangens eines beliebigen Winkels x ∈ R (im Bogenmaß) ist definiert als

cot: R \ {kπ; k ∈ Z} 
→ R
cos x
cot x =
sin x

Tangens und Cotangens können im Einheitskreis interpretiert werden als

Gegenkathete Ordinate von P


tan x = =
Ankathete Abzisse von P
Ankathete Abzisse von P
cot x = =
Gegenkathete Ordinate von P

Bemerkung: Schreiben als Kurzform von ( tan(x) )2 = tan2 x, etc..

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Symmetrieeigenschaften:

tan(-x) = - tan(x) → Tangens ist ungerade Funktion


cot(-x) = -cot(x) → Cotangens ist ungerade Funktion

Periodizität

tan(x+kπ) = tan(x) → Tangens ist periodisch mit primitiver Periode π


cot(x+kπ) = cot(x) → Cotangens ist periodisch mit primitiver Periode π

Nullstellen

tan x = 0 bei x= kπ,


cot x = 0 bei x= π2 + kπ,

Polstellen

tan x → ±∞ bei x= π
2 + kπ,
cot x→ ±∞ bei x= kπ,

Monotonie

Tangens und Cotangens sind auf ihren maximalen Definitionsbereichen nicht monoton.
Allerdings ist Tangens auf (- π2 , π2 ) streng monoton wachsend und Cotangens auf (0,π) streng
monoton fallend. Auf diesen Intervallen sind die Funktionen auch umkehrbar. Die
Umkehrfunktionen werden als Arcustangens und Arcuscotangens bezeichnet (Definition
später Kapitel 4.6.6).

3
y tan(x)
1/tan(x)
2
tan x

1
cot x

0 π 2π
x

-1

-2
-1 0 1 2 3 4 5 6 7 8
Abb. 4.18: Tangens- und Cotangensfunktion
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4.6.6 Arcusfunktionen

4. 22 Definition: Arcusfunktionen

Die Umkehrfunktionen von Sinus, Cosinus, Tangens und Cotangens werden Arcusfunktionen
genannt.

Winkelfunktionen Arcusfunktion
sin: [- π2 , π2 ] → [-1,1], y=sin x arcsin: [-1,1] →[- π2 , π2 ] , y=arcsin x = sin-1 x
cos: [0,π] → [-1,1], y=cos x arccos: [-1,1] →[0,π] , y=arccos x = cos-1 x
tan: [- π2 , π2 ] → R, y=tan x arctan: R → [- π2 , π2 ] , y=arctan x = tan-1 x
cot: [0,π] →R, y=cot x arccot: R → [0,π] , y=arccot x = cot-1 x

Im gültigen Definitionsbereich gilt arcsin( sin x ) = x , sin( arcsin x ) = x und entsprechend


auch für die übrigen Umkehrfunktionen.

Symmetrieeigenschaften:

arcsin(-x) = - arcsin(x) → Arcussinus ist ungerade Funktion


arctan(-x) = -arctan(x) → Arkustangens ist ungerade Funktion
arccos(-x) = π- arccos(x) → arccos(x) - π2 ist ungerade Funktion
arccot(-x) = π-arccot(x) → arccot(x) - π
2 ist ungerade Funktion

Periodizität

Die Arcusfunktionen sind nicht periodisch.

Nullstellen

arcsin x = 0 bei x= 0,
arccos x = 0 bei x= 1,
arctan x = 0 bei x= 0,
arccot x > 0 für alle x∈R

Monotonie

Alle Arcusfunktionen sind streng monoton:


arcsin : streng monoton steigend
arccos : streng monoton fallend
arctan : streng monoton steigend
arccot : streng monoton fallend

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3
sin(x) cos(x)
asin(x) 4 acos(x)
2.5
x x

2
arcsin x 3
1.5

1 2
y y arccos x
0.5
sin x
1
0
cos x
-0.5
0
-1

-1.5 -1
-1.5 -1 -0.5 0 0.5 1 1.5 -1 -0.5 0 0.5 1 1.5 2 2.5 3
x x
Abb 4.19 Sinus- und Arcussinus Abb. 4.20 Cosinus- und Arcuscosinus

6 6
tan(x) 1/tan((sgn(x)+1)*x/2)
atan(x) atan(1/x)-3.1415*(sgn(x)-1)/2
5 5
x cot x x

4 4
tan x
arccot x
3 3

2 2
y y
1 1
arctan x
0 0
arctan x
-1 -1

-2 -2

-3 -3
-3 -2 -1 0 1 2 3 -3 -2 -1 0 1 2 3
x x
Abb 4.21 Tangens- und Arcustangens Abb. 4.22 Cotangens- und
Arcuscotangens

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Rechenregeln mit trigonometrischen Funktionen und den Arcusfunktionen:

arcsin x = arccos 1 − x 2 , x ∈[0,1]


arccos x = arcsin 1 − x 2 , x ∈[0,1]
arctan( x) = arc cot( x1 ) , x > 0
arc cot( x) = arctan( x1 ) , x > 0

sin(arccos x) = 1 − x 2 , x ∈[ −1,1]
cos(arcsin x) = 1 − x 2 , x ∈[ −11
,]
tan(arc cot x) = 1
x
, x ∈ R \ {0}
cot(arctan x) = 1
x
, x ∈ R \ {0}

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4.6.7 Exponentialfunktion

4. 23 Definition: Exponentialfunktionen

Funktionen vom Typ f: R → R>0 , mit f(x) = ax mit positiver Basis a>0, a≠1 heißen
Exponentialfunktionen.

Symmetrieeigenschaft:

1
f ( − x) = a-x = (ax)-1 =
f ( x)

Exponentialfunktionen haben keine Nullstellen, sind nicht periodisch und nicht beschränkt.

Monotonie

Für 0 < a < 1 sind die Exponentialfunktionen streng monoton fallend.


Für a > 1 sind die Exponentialfunktionen streng monoton steigend.
Damit sind die Exponentialfunktionen für a>0 und a≠1 umkehrbar → Logarithmusfunktionen

Von besonderer Bedeutung ist die Exponentialfunktion zur Basis a=e, e=2,71828..... Dabei ist
e der Grenzwert:

n
 1
e = lim  1 + 
n → ∞ n

Die Funktion y=ex wird als e-Funktion bezeichnet.

Jede Exponentialfunktion vom Typ y = ax ist in der Form y = a x = e λx , mit a = e λ


darstellbar:
a x = e ln (a ) = e x ln a = e λx λ = ln a
x

Bemerkung: e-Funktionen sind in der Physik häufig auftretende Funktionstypen.


Beispiele: - radioaktiver Zerfall
- Entladung eines Kondensators
- Wachstumsprozesse

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4.6.8 Logarithmusfunktion

4. 24 Definition: Logarithmusfunktionen

Die Logarithmusfunktion f: R>0 → R, mit f(x) = loga x mit positiver Basis a>0, a≠1 ist als
Umkehrfunktion der Exponentialfunktion f: R→ R>0, mit f(x) = ax definiert.

Unabhängig von der Basis hat jede Logarithmusfunktion eine Nullstelle bei x = 1 und einen
Pol bei x = 0 (Asymptote x = 0).
Logarithmusfunktionen sind nicht periodisch und nicht beschränkt.

Monotonie

Für 0 < a < 1 sind die Logarithmusfunktionen streng monoton fallend.


Für a > 1 sind die Logarithmusfunktionen streng monoton steigend.

Der Logarithmus zur Basis e hat eine besondere Bedeutung. Er wird natürlicher Logarithmus
genannt (Schreibweise ln x = loge x).

6
x
exp(x)
ex log(x)
4

x=y

2
ln x
y

-2

-4
-2 -1 0 1 2 3 4
x
Abb. 4.23: Graph der Exponentialfunktion und des natürlichen Logarithmus

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4.6.9 Normalverteilung

Eine besondere Bedeutung hat die Funktion y = e − x in der Statistik. Sie wird uns dort als
2

x−µ )2
A −( 2σ2
sogenannte Normal- oder Gaußverteilung in der Form: y = ⋅ e begegnen.
σ

4. 25 Definition: Normalverteilung bzw. Gaußfunktion

( x− µ )2
A − 2σ2
Funktionen vom Typ f: R → R>0 , mit f ( x) = ⋅ e mit positiver Basis µ, σ ∈ R und
σ
σ >0 heißen (µ, σ)-Normalverteilungen.

Symmetrieeigenschaften:

(( µ− x )−µ )2 ( − x )2 ( x )2 (( µ + x ) −µ ) 2
A − A − A − 2 A −
f ( µ − x) = ⋅ e 2 σ2
= ⋅e 2 σ2
= ⋅ e 2σ = ⋅ e 2 σ2
= f ( µ + x)
σ σ σ σ

1.2
exp(-x**2)
exp(-x**2/4)/2
exp(-x**2/9)/3
1

0.8

0.6
y

0.4

0.2

0
-6 -4 -2 0 2 4 6
x
Abb. 4.24: Graphen der (0,1)-, (0,2)- und (0,3)-Normalverteilungen

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4.6.10 Spezielle Funktionen

a) Betragsfunktion | | : : R → R≥0, definiert durch

 x, falls x ≥ 0
| x| = 
− x, falls x < 0

2
abs(x)
1.5

0.5

0
Y

-0.5

-1

-1.5

-2
-2 -1.5 -1 -0.5 0 0.5 1 1.5 2
X
Abb. 4.25 Graph der Funktion | x |

b) Heavyside-Funktion H : R → R≥0, definiert durch

1, falls x ≥ 0
H ( x) = 
0, falls x < 0

c) Signum-Funktion sgn : R → R, definiert durch

 1, falls x > 0

sgn( x) = 0, falls x = 0
−1, falls x < 0

Zeige zur Übung: sgn(x) = H(x) - H(-x) und


|x| = x sgn(x)
jeweils durch Fallunterscheidung!

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2
sgn(x)
1.5

0.5

0
Y

-0.5

-1

-1.5

-2
-2 -1.5 -1 -0.5 0 0.5 1 1.5 2
X
Abb. 4.26 Graph der Funktion sgn(x)

c) Gaußklammer: [ ] : R → Z, definiert durch

[ x] = max{z ≤ x}
z∈Z

Das heißt: [x] ist die größte ganze Zahl kleiner gleich x.

Die Funktion f(x) = x - [x] wird als Sägezahnfunktion bezeichnet. Sie hat eine besondere
Bedeutung zum Beispiel in der Elektrotechnik.

2
x-[x]
1.5

0.5

Y 0

-0.5

-1

-1.5

-2
-2 -1.5 -1 -0.5 0 0.5 1 1.5 2
X
Abb. 4.27 Graph der Funktion x - [x]

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5. Differentialrechnung

5.1 Differenzierbarkeit, Ableitung, Differential

Die Differentialrechnung wurde Ende des 17. Jahrhunderts fast gleichzeitig von Newton und
Leibniz entwickelt. Sie bildet zusammen mit der Integralrechnung die Grundlage der rapiden
technischen Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert.

Wir betrachten die Steigung einer „glatten“ Funktion an der Stelle x0.
6
y
Q
5

4
Sekante
3

2 Tangente
P an x0,f(x0)
glatte
1 Funktion

0
x0 x0+h
-1
-1 -0.5 0 0.5 1 1.5 2 2.5 3

Abb. 5.1: Tangente an den Punkt P einer „glatten“ Funktion

Die Steigung der Funktion im Punkt x0 ist gleich der Steigung der Tangente t an P=(x0,f(x0)).
Die Steigung der Tangente werden wir aus der Steigung der Sekante s zwischen
Q=(x0+h,f(x0+h)) und P=(x0,f(x0)) über eine Grenzwertbetrachtung ableiten.

Die Tangente t an eine Funktion f in x0 wird durch die Gerade

y = mt . (x-x0) + f(x0)

beschrieben. mt , die Steigung der Geraden, ist zu bestimmen.

Wir definieren eine Funktion ms(h) mit h≠0 :

f ( x o + h) − f ( x 0 ) f ( x o + h ) − f ( x 0 )
m s ( h) = =
( x 0 + h) − x 0 h

ms(h) beschreibt die Steigung der Sekante S, die durch Q = (x0+h, f(x0+h)) und P = (x0, f(x0))
verläuft. Falls nun der Grenzwert der Funktion ms an der Stelle h = 0 existiert, ist dieser
gleich der Steigung der Tangente t:

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f ( x o + h) − f ( x 0 )
m t = lim m s ( h) = lim
h→ 0 h→0 h

Anschaulich bedeutet dies, daß wenn wir Q gegen P streben lassen ( h → 0 ), die Sekante s in
die Tangente t übergeht.

5.1 Definition: Differenzierbarkeit einer Funktion und Ableitung

Sei f : D → R , mit y = f(x), x0∈D und f in einer Umgebung von x0 definiert. f heißt
differenzierbar in x0, wenn der Grenzwert

f ( x o + h) − f ( x 0 )
lim
h→0 h

existiert. Dieser Grenzwert heißt Ableitung der Funktion f an der Stelle x0 oder
Differentialquotient von f an der Stelle x0.

f ( x o + h) − f ( x 0 )
Schreibweise: y ′ ( x 0 ) = f ′( x 0 ) = lim
h→0 h

Sei Df ’ = {x; x∈D und f ’(x) existiert}, dann heißt die Funktion
f ’ : Df ’ → R , mit y = f ’(x) die Ableitungsfunktion von f oder kurz Ableitung von f.

Beispiel a): Bestimme die Ableitung von f : R → R, mit f(x) = x2 in x0!

Betrachte
f ( x o + h) − f ( x 0 ) ( x o + h) 2 − ( x 0 ) 2 x 0 2 + 2 x 0 h + h 2 − ( x 0 ) 2
m s ( h) = = = = 2x 0 + h
( x 0 + h) − x 0 h h

Der geforderte Grenzwert für h → 0 existiert und es gilt

f ( x o + h) − f ( x 0 )
f ′ ( x 0 ) = lim = lim m s ( h) = lim (2 x 0 + h) = 2 x 0 #
h→ 0 h h→ 0 h→0

Beispiel b): Man bestimme die Ableitung von sin x !

Schritt 1: Wir leiten dazu zunächst zwei Nachträge zu Abschnitt 4.4 Grenzwerte von
1
Funktionen her: (1) lim sin( h) = 1 !
h → 0 h
Im Abschnitt 4.6.5 hatten wir bei der Einführung der Tangensfunktion gezeigt: für x ∈ (0, π2 )
gilt

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sin x
sin x < x < tan x. Dies ist äquivalent mit der Abschätzung (*) cos x < < 1. Die
x
Einschließung (*) gilt in den Intervallen x ∈ (0, π
2 ) und x ∈ ( - π2 , 0). Aus lim cos( h ) = 1
h → 0
1
folgt mit Hilfe von (*) nun auch lim sin( h) = 1
h → 0 h
1
Nachtrag (2) lim (1 − cos( h)) = 0
h → 0 h
Mit den Rechenregel für trigonometrische Funktionen gilt: 1 − cos( h) = 2 sin 2 ( 2h )

Damit gilt
1  2 h   h  2 h 
lim  (1 − cos( h )) = lim  sin 2 ( ) =  lim sin ( )  lim sin( ) = 0
h → 0 h  h → 0 h 2   h → 0 2   h → 0 h 2 
144 42444 3 144 42444 3
0 1

Schritt 2: Wir betrachten nun:

f ( x o + h) − f ( x 0 ) sin( x o + h) − sin( x 0 ) sin x 0 cosh + cos x 0 sinh − sin( x 0 )


m s ( h) = = = =
( x 0 + h) − x 0 h h
cos( h) − 1 sin( h)
= sin x 0 ⋅ + cos x 0
h h

Unter Verwendung der Ergebnisse aus Schritt 1 folgt:

 cos( h ) − 1  sin( h) 
lim m s ( h) = lim  sin x 0 ⋅  + lim  cos x 0 =
h
→ 0 h→ 0 h  h → 0 h 
 cos( h) − 1  sin( h) 
= sin x 0 ⋅ lim   + cos x 0 lim   = cos x 0
h1
 → 0  h  h 
 → 0 h 
4442444 3 1442443
0 1

Bemerkungen:

a) Das Berechnen der Ableitung nennt man Differenzieren.

b) Die Betrachtung des Grenzwertes mit h→0 ist vollkommen identisch mit der Betrachtung
des Grenzwertprozesses x0+h = x → x0. Der Quotient

f ( x o + h) − f ( x 0 ) f ( x) − f ( x 0 )
bzw. wird Differenzenquotient genannt. Von ihm rührt
( x 0 + h) − x 0 x − x0
eine weitere Schreibweise der Ableitung her:

df
f ′( x 0 ) = (x0 )
dx

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c) Falls die rechtsseitigen bzw. linkseitigen Grenzwerte der Funktion

f ( x o + h) − f ( x 0 ) f ( x o + h ) − f ( x 0 )
m s ( h) = =
( x 0 + h) − x 0 h
existieren, spricht man von der rechtsseitigen bzw. linksseitigen Ableitung.

Beispiel c): Bestimme die Ableitung von f : R → R, mit f(x) = | x3 | in x0!

Führe Fallunterscheidung durch:

 x 3 , für x ≥ 0
f ( x ) =| x | =  3
3
− x , für x < 0

Betrachte Fall 1: x>0

f ( x o + h) − f ( x 0 ) ( x o + h) 3 − ( x 0 ) 3 x 0 3 + 3x 0 2 h + 3x 0 h 2 + h 3 − ( x 0 ) 3
m s ( h) = = = = 3x 0 2 + 3x 0 h + h 2
( x 0 + h) − x 0 h h

Der geforderte Grenzwert für h→0 existiert und es gilt

f ( x o + h) − f ( x 0 )
f ′ ( x 0 ) = lim = lim m s ( h) = lim(3x 0 2 + 3x 0 h + h 2 ) = 3x 0 2
h→ 0 h h→0 h→ 0

Betrachte Fall 2: x<0

Der geforderte Grenzwert für h→0 existiert ebenfalls und es gilt

f ( x o + h) − f ( x 0 )
f ′ ( x 0 ) = lim = lim m s ( h) = lim( −3x 0 2 − 3x 0 h − h 2 ) = −3x 0 2
h→ 0 h h→ 0 h→ 0

Es bleibt der Fall 3: x=0 zu betrachten:

Linksseitiger und rechtsseitiger Grenzwert existieren und sind gleich, nämlich 0. Damit ist
f(x) = | x3 | auf ganz R differenzierbar mit der Ableitung

 3x 2 , für x ≥ 0 
f ′ ( x) =   = 3 ⋅ x⋅| x|
−3x 2 , für x < 0

Beispiel d): f : R → R, mit f(x) = | x| ist in x0=0 nicht differenzierbar! Zum Beweis genügt
es f eingeschränkt auf R\{0} zu betrachten. Auf R\{0} ist f nämlich differenzierbar und es gilt

 1, für x > 0 
f ′( x) =  
−1, für x < 0

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An der Ableitung erkennt man unmittelbar, daß zwar linksseitige und rechtsseitige
Ableitungen für x=0 existieren nämlich

f ( x) − f (0) f ( x) − f (0)
f +′ (0) = lim = 1 bzw. f −′ (0) = lim = −1 .
x→ 0 + x x→ 0− x

Sie sind aber verschieden, so daß keine Ableitung an der Stelle x=0 definiert werden kann.

5.2 Definition: n-te Ableitung

Sei f : D → R , mit y = f(x), x0∈D differenzierbar in x0,und es sei die Ableitung f ’ ebenfalls
differenzierbar, dann ist zweite Ableitung von f, nämlich f ’’, definiert durch die Ableitung
der Funktion ( f ’).
2
′ d f ( x)
Schreibweise: y ′′( x) = f ′′( x) = ( f ′ ( x)) =
dx 2
Entsprechend werden die 3., 4. Ableitung usw. definiert. Wir formulieren allgemein die n-te
Ableitung von f mit n∈N


(
y ''.....' ( x) = f ( n) ( x) = f ( n −1) ( x) ) =
d n f ( x)
dx n

f heißt n-mal stetig differenzierbar, falls f n-mal differenzierbar und f(n) stetig ist.

5.2 Ableitungsregeln

5.3 Summenregel

Sind die Funktionen u,v differenzierbar, so auch (u+v) mit


(u+v)’ = u’ +v’

5.4 Faktorregel

Ist u differenzierbar, so auch c.u mit c∈ R mit


(c u)’ = c u’

5.5 Produktregel

Sind die Funktionen u,v differenzierbar, so auch (u.v) mit


(u.v)’ = u’.v + u.v’

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5.6 Quotientenregel

Sind die Funktionen u,v differenzierbar und ist v(x)≠0, so auch (u/v) mit
u u ′v − uv ′
( )′ =
v v2

u( x ) x2
Beispiel: f : R\{-1} → R, f ( x) = =
v( x ) x + 1
u’(x) = 2x, v’(x) = 1 Damit folgt nach der Quotientenregel

u ′ ( x ) v( x ) − u ( x ) v ′ ( x) 2 x( x + 1) − x 2 x 2 + 2x
f ′ ( x) = = =
v 2 ( x) ( x + 1) 2 ( x + 1) 2

5.7 Kettenregel

Seien f: Df → Wf, g: Dg → Wg . Sei f differenzierbar in x∈Df und u = f(x) ∈Dg. Weiterhin


sei g differenzierbar an der Stelle u. Dann ist g ° f differenzierbar an der Stelle x∈Df , und es
gilt

(g ° f) ’ (x) = g’(u) . f ’(x) = g’( f(x) ) . f ’(x)

Man nennt g’ die äußere Ableitung, f ’ die innere Ableitung von g°f.

Zur Verkettung von Funktionen vergleiche man Definition 4.9.

2
 x2 
Beispiel: h : R\{-1} → R, h( x) =  
 x + 1

u( x ) x2
Definiere f wie im letzten Beipiel f ( x) = = und g(x) = x2. Dann ist h = g ° f.
v( x ) x + 1
Damit folgt nach der Kettenregel und g’(x) = 2x:

 x 2  x 2 + 2x
h ′ ( x) = g ′ ( f ( x)) ⋅ f ′( x) = 2 ⋅
 x + 1 1 ( x + 13
)2
1424 3 424
g ′( f ) f′

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5.8 Ableitung der Umkehrfunktion

Seien f: Df → Wf umkehrbar, stetig und in x∈Df differenzierbar mit f’(x)≠0. Dann ist f-1 an
der Stelle y=f(x) differenzierbar, und es gilt

( )
f −1 ( y) =
1
−1
f ′ f ( y)( )
1
Beispiel: Man zeige die Ableitung von f ( x) = x ist f ′( x) = !
2 x
Man wähle g : R+ → R+, g( x) = x 2 . Dann ist g −1 ( y) = y


( g ) ( y ) = g ′ g 1 ( y ) = g ′( 1 y ) = 2 1 y
−1

( )
#
−1

5.9 Übersicht von Ableitungen bekannter Funktionen

Funktion Ableitung Inverse Funktion Ableitung


x a , i.a. x>0 a −1 a
x , a ∈N, i.a. x>0 1
ax
a a x a −1
sin x cos x arcsin x, |x| <1 1
1 − x2
cos x -sin x arccos x, |x| <1 1
-
1 − x2
tan x, x≠ π2 + nπ 1 arctan x 1
cos 2 x 1 + x2
cot x, x≠ nπ 1 arccot x 1
− 2 -
sin x 1 + x2
ax, a>0, a≠1
x
a ln a logax, x>0 1
x ln a

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5.3 Mittelwertsatz und Satz von Taylor

5.10 Mittelwertsatz der Differentialrechnung

Sei f : [a,b] → R eine auf dem abgeschlossenen Intervall [a,b] stetige und auf (a,b)
differenzierbare Funktion. Dann exisitiert mindestens eine Stelle u∈(a,b) mit

f ( b) − f ( a )
f ′ ( u) =
b−a

Wir veranschaulichen uns die Aussage für den Spezialfall f(a) = f(b) = 0. Wenn eine auf
einem Intervall differenzierbare Funktion zwei Nulldurchgänge hat, muß sie an einer
Zwischenstelle die Steigung Null besitzen:

Beispiel: f(x) = -x (x-1) (x-2) hat die Nullstellen 0 und 1. Damit muß die Funktion im
Intervall (0,1) eine Stelle u mit f ’(u) = 0 besitzen. Prüfe als Übung, daß f ’(x) = -3x2 + 6x -2
eine Nullstelle im Intervall (0,1) besitzt.

1
-x*(x-1)*(x-2)
0.8

0.6

0.4

0.2

0
a b
-0.2

-0.4
u mit f’(u)=0
-0.6

-0.8

-1
-0.5 0 0.5 1 1.5 2 2.5 3

Abbildung 5.2: Graph der Funktion -x(x-1)(x-2) zur Erläuterung des Mittelwertsatzes

Wir können den Mittelwertsatz auch etwas anders beschreiben:

Sei f : [a,a+h] → R eine auf dem abgeschlossenen Intervall [a,a+h] stetige und auf (a,a+h)
differenzierbare Funktion mit h>0. Dann existiert mindestens eine Stelle u = a+θh ∈ (a,a+h)
mit
θ ∈ (0,1), so daß

f ( a + h ) = f ( a ) + h ⋅ f ′ ( a + θ ⋅ h)
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Dies hat praktische Bedeutung, wenn wir zum Beispiel den Funktionswert von f an der Stelle
x0 kennen und die Ableitung von f abschätzen können. Mit Hilfe des Mittelwertsatzes können
wir dann auch die Werte von f in der Umgebung von x0 abschätzen.

Beispiel: Man schätze den natürlichen Logarithmus für x0=1.5 : ln (1.5) !


1
Es ist bekannt, daß ln(1) = 0 gilt. Ferner ist die Ableitung von f(x) = ln x f ′ ( x) =
x
(s. Tabelle 5.9). In dem Intervall (1,1.5) gelten die Voraussetzungen des Mittelwertsatzes.

2 1
Weiterhin ist für alle x∈(1,1.5): < f ′( x) = < 1 . Damit können wir ln 1.5 abschätzen,
3 x
und zwar exisitiert nach dem Mittelwertsatz ein u∈(1,1.5) mit

1 1
. ) = f (1) + 0.5 ⋅ f ′( u) = ln(
f (15 1) + ⋅ f ′( u) < ⋅1
{ 2 2
0
1 1 2
. ) = f (1) + 0.5 ⋅ f ′( u) = ln(
f (15 { 2 ⋅ f ′ ( u) >
1) + ⋅
2 3
0

1 1
Damit folgt: < ln 15
. < .#
3 2

Wir können den Satz für n+1-mal differenzierbare Funktionen ausweiten:

5.11 Satz von Taylor

Sei f : [a,b] → R eine auf dem abgeschlossenen Intervall [a,b] stetige und auf (a,b) n+1-mal
differenzierbare Funktion. x und x+h seien aus [a,b]. Dann existiert mindestens θ∈(0,1), so
daß

f ′′ ( x) 2 f ′′′ ( x) 3 f ( n) ( x) n f ( n+1) ( x + θ ⋅ h) n +1
f ( x + h) = f ( x ) + f ′ ( x) ⋅ h + ⋅h + ⋅ h +.....+ ⋅h + ⋅h
2! 3! n! ( n + 1)!

Im Satz von Taylor tritt der Term

f ′′( x) 2 f ′′′( x) 3 f ( n ) ( x) n
Pn ( h) = f ( x) + f ′ ( x) ⋅ h + ⋅h + ⋅ h +.....+ ⋅h ,
2! 3! n!

auf, den wir als Polynom vom Grad n in der „Variablen h“ auffassen können. Wir bezeichnen
Pn(h) als das Taylor-Polynom von f. Der lineare Anteil darin f ‘(x) . h wird als „Differential
der Funktion f an der Stelle x zum Zuwachs h “ bezeichnet.

Die entscheidende Bedeutung des Satzes von Taylor liegt darin, daß wir eine differenzierbare
Funktion lokal durch Polynome approximieren können. Ferner können wir den Fehler der
Näherung durch die Differenz zwischen f(x+h) und des n-ten Taylor-Polynoms Px(h) aus der
n+1-ten Ableitung abschätzen.

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Beispiel a): Wir möchten den natürlichen Logarithmus von 1.5 genauer als im obigen
Beispiel abschätzen!
Wir verwenden den Satz von Taylor mit f = ln , x=1, h=0.5, n=3 und benutzen f ’(x) = x-1,
f ’’(x) = - x-2, f(3)(x) = + 2x-3, f(4)(x) = - 6x-4,

f ′′(1) 2 f ′′′(1) 3 f ( 4 ) ( x + θ ⋅ h ) 4
ln(1 + 0.5) = ln(1) + f ′(1) ⋅ h + ⋅h + ⋅h + ⋅h =
2! 3! 4!
1 1 f ( 4) ( x + θ ⋅ h ) 4
= 0 + h − h 2 + h3 + ⋅h =
2 3 24
1 1 1 f ( 4) ( x + θ ⋅ h )
= − + +
2 4824
1 24
3 14 242
4 ⋅ 16
44 3
10 min{f ( x ); x ∈ [1,1.5]}
(4)
max{f ( 4) ( x ); x ∈ [1,1.5]}
<ε<
24 384 384

 min{f ( 4) ( x); x ∈[115


, . ]} = −6

Es gilt  16
 max{f ( x); x ∈[1,15 . ]} = −6 = −1185185
(4)
.
 81

⇒ Abschätzung: 0.40104 < ln 1.5 < 0.413358 #

Die Abschätzung kann mit höherem n beliebig verbessert werden!

Beispiel b): Man bestimme das Taylorpolynom zu f(x) = sin x an der Stelle x = 0 zum Grade
5!

Über vollständige Induktion ist zu zeigen

f ( 2 n ) (0) = ( −1) n sin(


123 0) und f ( 2 n−1) (0) = ( −1) n −1 cos(
123 0)
0 1
Damit folgt
f ′′(0) 2 f ′′′(0) 3 f ( 4 ) (0) 4 f (5) (0) 5
P5 ( h) = { f (0) + f ′(0) ⋅ h + ⋅h + ⋅h + ⋅h + ⋅h =
2!24 3! 4!243 5!
0 1 4 3 1 4
0 0
= +h − 16 h 3 + 120
1 h5

n
 2  +1
 
(−1) i −1 2i −1
Für n beliebig ist das Taylorpolynom zu sin an der Stelle x=0: Pn (h ) = ∑ h
i =1 (2i − 1)!
Wie Abbildung 5.3 wird die Sinus-Funktion durch ein Taylorpolynom vom Grade 7 bereits gut auf
dem Intervall (-2π, +2π) gut dargestellt.

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2 sin(x)
x
P1 (x)=x x-x**3/6
1.5 x-x**3/6+x**5/120
x3 x5
x-x**3/6+x**5/120-x**7/5040
P5 ( x) = x − +
3! 5!
1

0.5

P3 ( x) = x − x3
3!
-0.5
sin(x)
3 5 7
P7 (x) = x − x3! + x5! − x7!
-1

-1 0 1 2 3 4 5 6

Abb. 5.3: Approximation der Sinus-Funktion durch seine Taylorpolynome im Punkt


x=0.

5.4 Regeln von de l’Hospital

Für die Analyse von Kurven haben die Regeln von de l’Hospital eine besondere Bedeutung.
Sie stellen ein Hilfsmittel für die Bestimmung von Grenzwerten von Funktionen in
„Ausnahmefällen“ dar.

5.12 Regel von de l’Hospital

Seien f und g : U(x0) → R auf einer Umgebung von x0 differenzierbare Funktionen, und es
sei g’(x0) ≠ 0.

0
Regel 1) Für den Fall lim f ( x) = lim g( x) = 0 gilt: „ “
x→ x 0 x→ x 0 0
f ′( x) f ( x)
Aus der Existenz von lim folgt die Existenz von lim , und die Grenzwerte
x→ x 0 g ′ ( x ) x→ x 0 g ( x )
sind gleich:

f ′ ( x) f ( x)
lim = lim
x→ x 0 g ′ ( x ) x→ x 0 g ( x )


Regel 2) Für den Fall lim f ( x) = lim g( x) = ∞ gilt: „ “
x→ x 0 x→ x 0 ∞
f ′( x) f ( x)
Aus der Existenz von limfolgt die Existenz von lim , und die Grenzwerte
x→ x 0 g ′ ( x ) x→ x 0 g ( x )
sind ebenfalls gleich (siehe Regel 1)

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sin( x)
Beispiel: Man berechne den Grenzwert lim mit Hilfe der Regeln von de l’Hospital!
x→0 x
Mit f(x)=sin x und g(x)=x sind die Voraussetzungen der 1. Regel von de l’Hospital erfüllt:
• Differenzierbarkeit von f und g in einer Umgebung von x=0,
• g’(0)=1≠0,
• f(0)=g(0)=0.
(sin( x)) ′ cos( x)
Wir betrachten deshalb lim = lim = 1 . Aus der Existenz dieses Grenzwertes

x→ 0
( x) x→ 0 1
sin( x)
folgt nunmehr also lim =1
x→ 0 x

f ′( x)
Bemerkungen: a) Bleibt der Ausdruck lim unbestimmt, so können die Regeln von de
x→ x 0 g ′ ( x )
l’Hospital iterativ angewendet werden. Beispiel: Man berechne den Grenzwert
1 − cos( x)
lim !
x→ 0 x2
Mit f(x)= 1-cos x und g(x)=x2 gilt mit f ’(x) = sin x und g’(x) = 2x ebenfalls

f’(0) = sin 0 = 0 und g’(0) = 0.


f ′′( x) 1
Allerdings ist f’’(x)= cos x und g’’(x)=2: = . lim
x→ x0 g ′′ ( x) 2
f ′ ( x) 1 f ( x) 1
Daraus folgt mit der Regel von de l’Hospital lim = und lim = .
x→ x0 g ′ ( x) 2 x→ x 0 g ( x ) 2

f ′( x)
b) Existieren der Grenzwerte lim nur links- oder rechtsseitig, so gelten die Regeln
x→ x 0 g ′ ( x )
von de l’Hospital ebenfalls links- bzw. rechtsseitig.

Betrachte als Beispiel: lim x ln x !


x→ 0 +
Wähle f(x) = ln x und g(x) = x-1. Zeige, daß mit f ’(x) = x-1 und g’(x) = - x-2 der Grenzwert
f ′ ( x) f ( x)
lim = 0 existiert. Das bedeutet lim =0
x→ 0 + g ′ ( x ) x→ 0 + g ( x )

c) Die Regeln von de l’Hospital gelten auch für uneigentliche Grenzwerte, das heißt für
f ( x) f ( x)
lim und lim #
x→∞ g( x) x→−∞ g( x)

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5.5 Eigenschaften differenzierbarer Funktionen

Satz 5.13 Differenzierbarkeit ⇒ Stetigkeit

Ist f: Df → Wf an der Stelle x0∈Df differenzierbar, dann ist f an der Stelle x0 auch stetig!

Beweis: Setzen voraus: f sei an der Stelle x0∈Df differenzierbar, das heißt:

f ( x) − f ( x 0 )
y ′ ( x 0 ) = lim
x→ x 0 x − x0

Daraus können wir die Stetigkeit wie folgt herleiten:

f ( x) − f ( x 0 ) f ( x) − f ( x 0 )
lim f ( x) − f ( x 0 ) = lim ( x − x 0 ) = lim lim ( x − x 0 ) = 0 #
x→ x 0 x→ x 0 x − x0 x→ x 0 x − x0 1 x→4x0
144 42444 3 4244 3
y′ ( x 0 ) 0

Definition 5.14 Extremwerte von Funktionen

f besitzt an der Stelle x0 ein relatives Maximum, falls in einer Umgebung von x0 U(x0) gilt
f(x0) ≥ f(x) für alle x ∈ U(x0)
f besitzt an der Stelle x0 ein relatives Minimum, falls in einer Umgebung von x0 U(x0) gilt
f(x0) ≤ f(x) für alle x ∈ U(x0)

Satz 5.15 Notwendige Bedingung für Extremwerte differenzierbarer Funktionen

Sei f differenzierbar und f besitze in x0 einen relativen Extremwert (Minimum oder


Maximum), dann folgt f ’(x0) = 0.

Satz 5.16 Hinreichende Bedingung für Extremwerte differenzierbarer Funktionen

Eine Funktion f sei 2-mal differenzierbar und es gelte f ’(x0) = 0.


Dann folgt aus f ’’(x0) <0 : f hat in x0 ein Maximum,
aus f ’’(x0) >0 : f hat in x0 ein Minimum.

Anmerkung:
Eine notwendige Bedingung für Sachverhalt A besagt: Ist das Kriterium erfüllt, kann
Sachverhalt A zutreffen, muß aber nicht unbedingt. Ist das notwendige Kritrium aber verletzt,
trifft Sachverhalt A nicht zu.

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Eine hinreichende Bedingung für Sachverhalt A besagt: Ist das Kriterium erfüllt, muß
Sachverhalt A zutreffen. Es kann aber Fälle geben, in denen der Sachverhalt A gilt, ohne daß
das hinreichende Kriterium erfüllt ist.
Beispiel: f(x) = x3 - 3 x2.

50
x**3-3*x**2
3*x**2-6*x
40 6*x-6

30
2
f’(x)=3x -6x
20

10 f’’(x)=6x-6
3 2
f(x)=x -3x
0
x
Minimum
-10

-20
-2 -1 0 1 2 3 4 5

Abb. 5.4: f(x) = x3 - 3 x2 mit 1. und 2. Ableitung

f(x) = x3 - 3 x2 ist eine zumindest 2-mal stetig differenzierbare Funktion:


f ’(x) = 3 x2 - 6 x
f ’’(x) = 6 x - 6.

Wir prüfen zunächst die notwendige Bedingung für Extrema: f ’(x0)=0 . Hier also

3 x 02 - 6 x 0 = 0

Die Nullstellen von f ’ lauten: x0,1=0 bzw. x0,2=2. Für diese beiden Nullstellen von f ’ prüfen
wir jetzt das hinreichende Kriterium f ’’(x0) <0 bzw. f ’’(x0) > 0. Es gilt

f ’’(x0,1) = 6 x0,1 - 6 = -6 < 0

f ’’(x0,2) = 6 x0,2 - 6 = +6 > 0

Aus Satz 5.15 folgt x0,1 ist ein Maximum und x0,2 ist ein Minimum von f (siehe auch
Abbildung).#

Bemerkung: Es gibt Fälle, in denen die beiden Kriterien zu keiner Entscheidung über
Minimum bzw Maximum führen,

Beispiel 1: f(x) = x3 . Hier ist das notwendige Kriterium bei x0 = 0 erfüllt, das hinreichende
nicht. x0 = 0 ist auch kein Extremwert, sondern eine sogenannte Wendestelle.

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Beispiel 2: f(x) = x4 . Hier ist das notwendige Kriterium bei x0 = 0 erfüllt, das hinreichende
nicht. Trotzdem ist x0 = 0 ist ein Extremwert, und zwar ein Minimum (s. Abb. 5.4)

6
x**3
5
x**4
4

3 x4

1 Minimum
für x4
0
Sattelpunkt x
-1 für x3

-2
x3
-3

-4
-1.5 -1 -0.5 0 0.5 1 1.5
Abb. 5.5: Veranschaulichung von x mit Sattelpunkt bei x = 0 und x4 mit Minimum bei
3

x=0

Wir führen deshalb ein allgemeineres hinreichendes Kriterium ein:

Satz 5.17 Hinreichende Bedingung für Extremwerte, bzw. Sattelpunkte


differenzierbarer Funktionen

Sei f n-mal differenzierbar mit n≥2, und es gelte f ’(x0)=....=f (n-1)(x0) = 0 und f (n)(x0) ≠ 0.
Dann gilt:
a) Ist n gerade, so hat f in x0 ein Extremum, und zwar falls
f(n)(x0) < 0 : f hat in x0 ein Maximum,
f(n)(x0) > 0 : f hat in x0 ein Minimum.

b) Ist n ungerade, so hat f in x0 kein Extremum, sondern einen sogenannten Sattelpunkt.

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Definition 5.18 Wendepunkt

Sei f n-mal differenzierbar mit n≥2, und es gelte f ’’(x0)=....=f (n-1)(x0) = 0 und f (n)(x0) ≠ 0, und
n sei eine ungerade Zahl, so hat f in x0 einen sogenannten Wendepunkt. Die Gerade

w(x)=f ’(x0)(x-x0) + f(x0)

heißt Wendetangente an f in x0.

Ein Sattelpunkt ist ein Spezialfall eines Wendepunktes mit horizontaler Wendetangente, das
heißt mit f ‘(x0) = 0.
8
x*(x-3)**2
y
-3*(x-2)+2
6 Wendetangente

2
4 x(x-3)

0
Wende-
punkt x

-2

-4
-1 0 1 2 3 4 5

Abb. 5.6 Wendepunkt x = 2 und Wendetangente an die Funktion x(x-3)2

Definition 5.19 Konvexe bzw. konkave Funktionen

Ist f: (a,b) → Wf eine für alle x∈(a,b) differenzierbare Funktion, soheißt die Funktion f
konvex, falls alle Tangenten an die Funktion im Intervall (a,b) unterhalb der Funktion liegen.
Das heißt mit: tx0(x) = (x-x0) f ’(x) + f(x0) gilt für alle x0∈(a,b)

(KX) f(x) ≥ tx0(x).

Entsprechend heißt die Funktion Funktion f konkav, falls alle Tangenten an die Funktion im
Intervall (a,b) oberhalb der Funktion liegen, also für alle x0∈(a,b) gilt

(KV) f(x) ≤ tx0(x).

Die Funktionen heißen streng konvex, bzw. streng konkav, falls das Gleichheitszeichen in
(KX) bzw. (KV) nur für x=x0 gilt.

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Beispiel: Die Funktion f(x) = x2 + 1 hat die Ableitung 2x. Die Tangente an die Funktion f in
einem beliebigen Punkt x0 wird durch

t = ( x-x0) 2x0 + f(x0)

beschrieben. Wir zeigen: f(x)- t(x) ≥ 0:

f(x) - t(x) = x2 + 1 - ( x-x0) 2x0 - ( x02+1) = x2 - x02 - ( x-x0) 2x0


= (x - x0) (x + x0) - ( x-x0) 2x0
= (x - x0) (x + x0 -2x0) = (x - x0)2 ≥ 0. Damit ist f auf ganz R konvex#

4
x**2+1
-(x+0.5)+1.25
2*(x-1)+2
3
x2+1

1
Tangenten

0
x

-1
-1.5 -1 -0.5 0 0.5 1 1.5

Abb. 5.7 Graph der konvexen Funktion x2+1

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1
-x**2-1
(x+0.5)-1.25
-2*(x-1)-2
0

-1

-2

-3

-4
-1.5 -1 -0.5 0 0.5 1 1.5
2
Abb. 5.7 Graph der konkaven Funktion -x -1

Satz 5.20 :Hinreichende Bedingungen für Konvexität bzw. Konkavität

Sei f: (a,b) → Wf eine für alle x∈(a,b) 2-mal differenzierbare Funktion. Dann gilt
f(2)(x) < 0 : für alle x∈(a,b), so ist f auf (a,b) streng konkav
f(2)(x) > 0 : für alle x∈(a,b), so ist f auf (a,b) streng konvex

5.21 Definition Asymptoten

Eine Gerade t = a x + b heißt Asymptote für x → ∞ an f falls

lim ( f ( x) − t ( x) ) = 0 bzw.
x→∞

Asymptote für x → -∞ an f falls

lim ( f ( x) − t ( x)) = 0
x→−∞
.

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5.22 Satz Existenz und Bestimmung von Asymptoten

f sei eine differenzierbare Funktion. Falls die Grenzwerte

a = lim f ′ ( x)
x→∞
b = lim ( f ( x) − ax)
x→∞

existieren, gibt es eine Asymptote an f für x → ∞ . Die Asymptote ist durch t = a x + b


bestimmt.

Dieser Satz gilt analog für die Asymptote x → -∞.

x2 + 1
Beispiel: f ( x) =
x

12
(x**2+1)/x
y x

10

x2 + 1
4
x y=x

0
0 2 4 6 8 10
x2 + 1
Abb. 5.9: Graph der Funktion f ( x) = mit der Asymptoten y = x.
x

Zeige zur Übung


x2 − 1 x2 − 1 x2 − 1 1− 1
x2
f ′ ( x) = und a = lim f '( x) = lim = 1 . (Hinweis: für x≠0 gilt = )
x2 x→∞ x→∞ x2 x2 1

 x2 + 1 
Bleibt zu zeigen: lim  − x = 0
x→∞  x 

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 x2 + 1   x2 + 1 x2   1
lim  − x = lim  −  = lim   = 0 .
x→∞  x  x→∞ x x  x→∞ x 

Damit folgt t = x ist eine Asymptote an die Funktion f für x gegen ∞.

5.23 Definition Kurvendiskussion

In einer Kurvendiskussion sind folgende Merkmale einer (differenzierbaren) Funktion zu


untersuchen:
1. Definitionsbereich bzw. Definitionslücken
2. Wertebereich
3. Schnittpunkte mit den Koordinatenachsen
4. Symmetrie
5. Periodizität
6. Verhalten bei Annäherung an die Grenzen des Definitionsbereiches bzw. an
Definitionslücken
7. Asymptoten
8. Stetigkeitsbereiche
9. Differenzierbarkeitsbereiche
10.Extremstellen
11.Monotoniebereiche
12.Wendepunkte
13.Konvexitätsbereiche

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6. Integralrechnung

6.1 Stammfunktion

Bisher hatten wir eine Funktion y = f ( x) gegeben und suchten die Ableitung y' = f ' ( x) .
Häufig liegt jedoch die umgekehrte Situation vor. Gegeben ist eine Funktion f. Finde
diejenige Funktion F, deren Ableitung gerade die vorgegebene Funktion f ist.

6.1 Definition: Stammfunktion


Jede Funktion F mit F' ( x) = f ( x) heißt eine Stammfunktion zu f.

Wenn es zu einer Funktion eine Stammfunktion gibt, dann auch unendlich viele. Zwei
beliebige Stammfunktionen zu f unterscheiden sich durch eine additive Konstante:

F1 ( x) = F2 ( x) + C

Beispiele:

1. f ( x) = sin x, F( x) = − cos x + C

denn: F' ( x) = ( − cos x + C)' = sin x

1
2. f ( x) = e x + , F( x) = e x + arctan x + C
1+ x 2

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6.2 Das bestimmte Integral

Wir stellen uns die Aufgabe, den Flächeninhalt zwischen einer Kurve und der x-Achse zu
berechnen:

Obersumme

Untersumme

x
a x1 x x b=x
2 n-1 n

Wir nehmen eine Zerlegung Z k = {x 0 , ..., x n } des Intervalls [a,b] mit

a = x 0 , x 1 , x 2 , ..., x n = b , x k − x k −1 = ∆x k vor.

Dabei definiert man als Feinheitsmaß der Zerlegung: d( Z k ) = max{∆x1 , ..., ∆x n }


Der gesuchte Flächeninhalt A liegt zwischen Untersumme Un und Obersumme On mit:

∑ f ( x k − 1 )∆x k
n
U( Z n ) =
k=1
n
O( Z n ) = ∑ f ( x k )∆x k
k=1

U( Z n ) ≤ A ≤ O( Z n )

Mit d( Z n ) → 0 und n → ∞ gilt hoffentlich:

lim U( Z n ) = lim O( Z n ) = A
d ( Zn )→0 d ( Zn )→0

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Man schreibt symbolisch für diesen Grenzwert, der unabhängig von der Zerlegung ist:

lim U( Z n ) = lim O( Z n ) = ∫a f ( x)dx


b
d ( Zn )→0 d ( Zn )→0

f heißt Integrand, a,b: Integrationsgrenzen, x: Integrationsvariable.


Geometrisch gibt der Grenzwert den Flächeninhalt A zwischen der x-Achse und er Kurve mit
der Gleichung y = f ( x) an.

6.2 Definition: Bestimmtes Integral


n
Der Grenzwert lim
n→∞ k = 1
∑ f ( x k )∆x k heißt, falls er existiert, das bestimmte (Riemannsche)

∫a f ( x)dx
b
Integral der Funktion f in den Grenzen a und b und wird durch bezeichnet.

Bei Flächenberechnungen mit dem Integral ist jedoch Vorsicht geboten, da Flächen unterhalb
der x-Achse negativ gezählt werden.

2
sin(x)
1.5

0.5

0
a b
-0.5

-1

-1.5

-2
0 2 4 6 8 10

∫a f ( x) dx
b
Flä che A =

6.3 Satz
Jede auf einem abgeschlossenen Intervall stetige Funktion ist integrierbar.

Bemerkung: 1. Statt "stetig" reicht auch "stetig bis auf endlich viele Sprungstellen".
2. Bei offenen Intervallen ist alles möglich.

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Beispiel:

b
I= ∫a x dx Integrand ist differenzierbar ⇒ Integrand ist stetig ⇒ Integral existiert.

b− a
Wähle Zerlegung Zn äquidistant: ∆x k = , k = 1, ..., n
n
b− a b− a
d( Z n ) = , xk = a + k , k = 0, ..., n
n n
n n
 b − a b − a
O( Z n ) = ∑ f ( x k )∆x k = ∑ f  a + k 
k =1 k=1  n  n

 n b − a b − a b− a n ( b − a) 2 n
= ∑ a + k  =a ∑1 + ∑k
k = 1 n  n n k =1 n2 k=1

= a( b − a ) +
( b − a) 2
n( n + 1)
= a( b − a ) +
n+1
2
1
2 ( b − a) 2
n 2 n

I = lim O( Z n ) = a( b − a ) +
n→∞
1
2 (b − a) 2 = 1
2 (b 2
− a2 )

x
a b

Eigenschaften des bestimmten Integrals:

∫a f ( x)dx + ∫b f ( x)dx = ∫a f ( x)dx


b c c
1.

∫a f1( x)dx + ∫a f2 ( x)dx = ∫a ( f1( x) + f2 ( x))dx


b b b
2.

∫a c f ( x)dx = c ⋅∫a f ( x)dx


b b
3.

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4. f1 ( x) ≤ f 2 ( x), für alle x ∈ [a, b] ⇒ ∫a f1 ( x)dx ≤ ∫a f2 ( x)dx


b b

{
5. ( b − a) ⋅ sup f ( x) x ∈[a, b] ≥ } ∫a f ( x)dx ≥ ( b − a) ⋅ inf {f ( x) x ∈[a, b]}
b

∫a f ( x)dx ≤ ∫a f ( x) dx
b b
6.

Ist die Funktion f über [a,b] integrierbar , so nennt man die Funktion I: x → I( x) mit
I( x) = ∫a f ( t )dt
x
eine Integralfunktion der Funktion f.

x2 − a 2
Beispiel: f = x, I( x) =
2

6.4 Definition: Integralmittelwert


Der Integralmittelwert der Funktion f über dem Intervall [a,b] ist durch
I= 1 bf
b− a a ∫ ( x)dx
definiert.

Auf diese Art wird z.B. der Effektivwert von Strom und Spannung definiert.

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6.3 Fundamentalsatz der Differential- und Integralrechnung

Die Berechnung des bestimmten Integrals über Ober- und Untersummen ist i.a. sehr mühsam.
Wir werden nun den Zusammenhang zwischen der bereits eingeführten Stammfunktion und
dem bestimmten Integral herstellen und damit eine einfachere Möglichkeit zur Berechnung
des bestimmten Integrals bereitstellen. Im folgenden werden wir zunächst die Integralfunktion
differenzieren:

I ( x + h ) − I ( x)
lim =?
h→0 h

f(x+h)
f(x)

x
a x x+h b

f ( x)h ≤ I( x + h) − I( x) ≤ f ( x + h)h

I( x + h) − I( x)
⇒ f ( x) ≤ ≤ f ( x + h)
h

Mit h → 0 und der Stetigkeit von f gilt:

f ( x) ≤ I' ( x) ≤ f ( x)

d.h. I' ( x) = f ( x)

d.h.
d
dx (∫ f (t)dt) = f (x)
x
a

d.h. I(x) ist eine Stammfunktion zu f .

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6.5 Satz Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung


Ist f stetig auf [a,b], so ist die zugehörige Integralfunktion I(x) differenzierbar mit

I' ( x) = f ( x) , d.h.
d
dx (∫ f (t)dt) = f (x)
x
a

Analog folgt:

6.6 Satz
Ist f auf [a,b] stetig differenzierbar, dann gilt:

∫a f ' ( t )dt = f ( b) − f (a)


b

D.h wir haben die Berechnung des bestimmten Integrals auf die Bestimmung einer
Stammfunktion zurückgeführt. Die Stammfunktion wird aus diesem Grund auch als
unbestimmtes Integral bezeichnet.

6.7 Satz
Ist f stetig und ist F Stammfunktion von f, so gilt:

∫ f ( x)dx = F( x) + C

∫a f ( x)dx = F( b) − F(a) ≡ F( x) a
b b

Tabelle einiger unbestimmter Integrale (Stammfunktionen):

α x α +1
∫ x dx = α +1
+ C (α ≠ −1)

1
∫ x dx = ln x + C

∫e
x
dx = e x + C

ax
∫ a dx = +C a>0
x
ln a

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∫ sin xdx = − cos x + C

∫ cos xdx = sin x + C

1
∫ dx = tan x + C
cos 2 x

1
∫ dx = − cot x + C
sin 2 x

1
∫ dx = arcsin x + C
1 − x2

1
∫ dx = arctan x + C
1 + x2

Berechnungsbeispiele:

∫1 ( x )
2
a) 3
− 2 x 2 + 5 dx

∫ (x − 2 x 2 + 5 dx = ) x4 − + 5x + C
3 1 2 x3
4 3

Wir nehmen die Stammfunktion mit C = 0:

∫1 ( x ) [ ] = (4 − ) ( 41 − 23 + 5) = 1249
2 2
3
− 2 x 2 + 5 dx = 1
4
x4 − 2 x3
3
+ 5x 16
3
+ 10 −
1

π
∫0 sin xdx = [− cos x]0
π
b) = − cos π − ( − cos 0) = 2

(1 + 3 x )
2
8 8
1 + 2x 3 + x
1 2
3

c) ∫ dx = ∫ dx
1 x2 1 x2

∫( ) [ ] + [ −3x ]
8 8
 1 8 − 13 8
= x −2 + 2 x − 3 + x − 3 dx = −  + 2 − 23 x − 3
5 4 2

1  x 1 1 1

= 1− 1
8
+2 ( 23 − 83) + 3 − 23 = 378
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6.4 Integrationsregeln

Wir werden in diesem Abschnitt einige Methoden bereitstellen, mit den man in bestimmten
Fällen Stammfunktionen ermitteln kann. Es gibt jedoch keine allgemeingültigen Verfahren
zur Bestimmung einer Stammfunktion. Vielmehr gibt es erstaunlich einfach aussehende
Integranden, für die keine Stammfunktionen (als Kombinationen üblicher Funktionen)
angebbar sind. Beispiele dafür sind:

ex sin x cos x x x 2 2

∫ x dx, ∫ x dx, ∫ x dx, ∫ ln x dx, ∫ e dx, ∫ sin x dx etc.

Im folgenden seien die Funktionen f, g , h alle integrierbar.

6.8 Satz Summenregel


Für a, b aus R gilt:
∫ ( af ( x) + bg( x)) dx = a ∫ f ( x) dx + b∫ g( x) dx

Aus der Produktregel der Differentiation folgt durch "hochintegrieren"

6.9 Satz Produktregel

∫ g( x)h' ( x) dx = g( x)h( x) − ∫ g' ( x)h( x) dx

Beispiel:
Gesucht wird ∫ x sin x dx . Wir setzen g( x) = x , h' ( x) = sin x , dann gilt
g' ( x) = 1 , h( x) = − cos x . Also folgt nach Satz 6.9:

∫ x sin x dx = g( x)h( x) − ∫ g' ( x)h( x)

= x( − cos x) − ∫ 1 ⋅ ( −cosx) dx

= − x cos x + ∫ cos x dx

= − x cos x + sin x + C

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Aus der Kettenregel der Differentialrechnung folgt die Substitutionsregel:

6.10 Satz Substitutionsregel

Es sei mit F(g) = ∫ f (g) dg eine Stammfunktion zu f (g) sowie eine reelle Funktion
g = g( x) gegeben, dann ist F(g( x)) Stammfunktion von f ( g( x)) ⋅ g' ( x) und es gilt:

∫ f ( g( x)) ⋅ g' ( x) dx = ∫ f (g) dg = F(g) + C = F(g( x)) + C

Beispiel:
Gesucht ist eine Stammfunktion zu f ( x) = sin 2 x . Substituiert man g = g( x) = 2 x mit
dg
g' ( x ) = = 2 und dx = 21 dg so erhält man durch Einsetzen:
dx

∫ f ( x) dx = ∫ sin 2x dx = ∫ sin g dx = ∫ sin g ⋅ 21 dg


= 21 ∫ sin gdg = − 21 cos g + C
= − 21 cos 2 x + C

6.11 Satz Logarithmische Integration

g' ( x)
∫ g( x) dx = ln g( x) + C

Dies ist eine der einfachsten Integrationsanleitungen. Es kommt nur darauf an, die
Anwendbarkeit dieser Regel zu erkennen. Dazu ist der Integrand gegebenenfalls etwas
umzuformen.

Beispiel:
x
Gesucht wird eine Stammfunktion zu f ( x) = . Formt man die Funktion um zu
1 + x2
1 2x
f ( x) = ⋅ , so steht im Nenner die Funktion g( x) = 1 + x 2 und im Zähler deren
2 1 + x2
Ableitung g'( x) = 2 x . Also gilt nach 6.11:

x 1 2x 1
∫ dx = ∫ dx = ln 1 + x 2 + C = ln 1 + x 2 + C
1+ x 2 2 1+ x 2 2

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Als letzte Methode ergibt sich noch unmittelbar aus der Summenregel die
Partialbruchzerlegung:

6.12 Satz Partialbruchzerlegung

Ist für eine rationale Funktion f ( x) eine Zerlegung in Partialbrüche gegeben, so ist die
Stammfunktion von f ( x) gleich der Summe der Stammfunktionen aller Partialbrüche.

Beispiel 1):

x 4 + 2x 3 − x − 1 x
f ( x) = = x 2 + 2x + 1 +
x −1
2
x −1
2

x 4 + 2x 3 − x − 1  x 
∫ f ( x) dx = ∫ x −1
2
dx = ∫  x 2 + 2 x + 1 + 2

 dx
x − 1

2x
= 13 x 3 + x 2 + x + 21 ∫ dx
x2 − 1

= 13 x 3 + x 2 + x + ln x 2 − 1 + C

Beispiel 2):

1  x −1 
∫x dx = ln +C
2
−1  x +1 
 

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6.5 Uneigentliche Integrale

Bisher gingen wir davon aus, daß die zu integrierende Funktion beschränkt ist und die
Integrationsgrenzen endlich sind. Diese Voraussetzungen wollen wir jetzt abschwächen.
Beispiel: Man berechne die Fläche A unter der Kurve f ( x) = e − x für 0 ≤ x < ∞ .

3
y
exp(-x)
2.5

1.5

0.5

A
0
-1 0 1 2 3 4 5

Obwohl der Integrationsbereich unendlich ist, hat die Fläche A eine endlichen Wert. Dies
wollen wir nun genauer definieren:

6.13 Definition: Uneigentliches Integral 1. Art


Die Funktion f(x) sei stetig und integrierbar. Man nennt die folgenden Grenzwerte

∞ c
∫a f ( x) dx = lim ∫a f ( x) dx
c→∞
bzw.
b b
∫− ∞ f ( x) dx = d→−
lim ∫d f ( x) dx

(an der oberen bzw. unteren Grenze) uneigentliche Integrale 1. Art. Existieren die
zugehörigen Grenzwerte, so heißen die Integrale konvergent.

Für beidseitig unendliche Integrationsbereiche setzt man

∞ a ∞
∫− ∞ f ( x) dx = ∫− ∞ f ( x) dx + ∫a f ( x) dx

Beispiel:
∞ −x
[ ] ( )
c c
∫ e dx = lim ∫ e − x dx = lim − e − x = lim 1 − e − c = 1 .
0 c→∞ 0 c→∞ 0 c→∞
Das uneigentliche Integral konvergiert also.

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Neben diesen uneigentlichen Integralen 1. Art, die durch unbeschränkte Integrationsgrenzen


charakterisiert sind, ist der Fall denkbar, daß die zu integrierende Funktion f(x) innerhalb oder
an den Grenzen des Integrationsintervalls Pole (d.h. Unendlichkeitsstellen) besitzt. Dies
definiert die uneigentlichen Integrale 2. Art.

6.14 Definition: Uneigentliches Integral 2. Art


Die Funktion f(x) sei integrierbar und habe an der Stelle x = b eine Polstelle. Man nennt die
Grenzwerte

b c
∫a f ( x) dx = clim ∫ f ( x) dx
→b a
bzw.
d d
∫b f ( x) dx = clim ∫ f ( x) dx
→b c

(an der oberen bzw. unteren Grenze) uneigentliche Integrale 2. Art. Existieren die
zugehörigen Grenzwerte, so heißen die Integrale konvergent.

Beispiel:
1
Man berechne die Fläche A unter der Kurve f ( x) = für x ∈ [0,1] . Schema:
x
8
(1/sqrt(x))
7
6
5

4
3

2
1 A
0
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2 1.4 1.6 1.8 2

= lim [2 x ] = lim (2 − 2 b ) = 2 .
1 1 dx 1
∫0 dxx = blim
→0
∫b x b→ 0 b b→ 0

Das uneigentliche Integral konvergiert also.

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7. Unendliche Reihen
Aufbauend auf dem Begriff der Zahlenfolge werden wir die unendlichen Reihen als
Grenzwerte endlicher Reihen einführen. Von besonderem Interesse sind Funktionenreihen
(Potenzreihen), die erst die Berechnung spezieller Funktionen wie Sinus, Cosinus,
Logarithmus, Exponentialfunktion etc. ermöglichen.

7.1 Konvergenz von Reihen

7.1 Definition: Unendliche Reihe



Wir definieren die unendliche Summe ∑ ai als Grenzwert der Zahlenfolge ihrer Teilsummen
i=0
m ∞ m
sm = ∑ ai , d.h.: ∑ ai = lim ∑ ai
i =0 i =0 m→∞ i=0

Wenn der Grenzwert existiert (d.h. endlich ist), heißt die Summe konvergent, sonst divergent.

7.2 Satz: Geometrische Reihe



Die geometrische Reihe ∑ ai = 1 + a + a 2 + a 3 + ... ist genau dann konvergent mit dem
i= 0
1
Grenzwert , falls a < 1 gilt.
1− a
Andernfalls ist die geometrische Reihe divergent.

Beweis:
Man zeigt mit vollständiger Induktion (Übung), daß für die m-te Teilsumme gilt:
m 1 − a m+ 1
∑ a i = 1 + a + ...+ a m = 1− a
i =0

und bildet dann den Grenzwert für m gegen unendlich.

Beispiele:

1. Die harmonische Reihe ∑ 1i = 1 + 1
2
+ 1
3
+ 1
4
+ ... ist divergent.
i=1

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( −1) i +1
2. Die alternierende harmonische Reihe ∑ i
= 1− 1
2
+ 1
3
− 1
4
+ ... ist konvergent.
i =1
Grenzwert ist ln 2.


3 Die Reihe ∑ i(i1−1) = 1
2
+ 1
6
+ 1
12
+ 1
20
+ ... ist konvergent. Grenzwert ist 1.
i =2


= 1+ + + + ... ist konvergent. Grenzwert ist π2
4. Die Reihe ∑ i1 2
1
22
1
32
1
42 6
.
i=1

7.3 Satz Leibnizsches Konvergenzkriterium


∑ ( −1)
i
Bilden die Beträge der Glieder einer alternierenden Reihe a i mit a i ≥ 0 von einem
i =0
beliebigen Glied a N an eine monotone Nullfolge, so ist die Reihe konvergent. Der Grenzwert
der Reihe liegt zwischen den Werten zweier aufeinanderfolgender Teilsummen.

7.4 Satz Majorantenkriterium


Ist ∑ ai eine konvergente unendliche Reihe mit positiven Gliedern, gibt es weiter eine Zahl
i= 0
∞ ∞
N ∈ N , so daß b n ≤ a n für n ≥ N , so konvergiert auch die Reihe ∑ bi . Die Reihe ∑ ai
i= 0 i= 0

heißt dann Majorante zu ∑ bi .
i= 0


Sei dagegen ∑ ci eine divergente Reihe, sei weiter d n ≥ c n > 0 für n ≥ N , so divergiert
i= 0
∞ ∞ ∞
auch ∑ d i . Die Reihe ∑ ci heißt dann Minorante zu ∑ d i .
i= 0 i= 0 i= 0

Beispiel:
∞ ∞
1. ∑ 1
i3
ist konvergent, da ∑ i1 2 eine konvergente Majorante ist.
i=1 i=1

∞ ∞
1
2 ∑ i
ist divergent, da ∑ 1i eine divergente Minorante ist.
i=1 i=1

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7.5 Satz Quotientenkriterium


Die unendliche Reihe s = ∑ ai konvergiert genau dann, wenn ein q < 1 und ein N(q )
i=0
a n+ 1
existieren, so daß < q ist für alle n ≥ N (q ) . Das ist insbesondere dann der Fall, wenn
an
gilt
a n+ 1
lim <1 .
n→∞ an

Die Reihe ist divergent, wenn obiger Grenzwert größer als 1 ist.
Das Kriterium versagt, wenn obiger Grenzwert gleich 1 ist.

Beispiel:

Die Reihe ∑ i1! = 01! + 11! + 21! + ... ist konvergent, denn
i =0
1
a n+ 1 ( n + 1) !
lim = lim = lim n!
n→∞ an n→∞ 1 n→∞ ( n + 1) !
n!

= lim n! = lim 1 =0
n→∞ ( n + 1) ! n→∞ ( n + 1)

Der Grenzwert ist die Eulersche Zahl e.

7.6 Definition: absolut konvergent

∞ ∞
Die unendliche Reihe ∑ ai heißt absolut konvergent, wenn ∑ ai konvergiert.
i= 0 i=0

7.7 Satz

Auf absolut konvergente Reihen können alle Rechenregeln der endlichen Addition angewandt
werden.

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7.2 Potenzreihen

Von den numerischen Reihen des letzten Abschnitts unterscheiden sich Potenzreihen dadurch,
daß die einzelnen Glieder der Reihe Potenzen einer unabhängigen Variablen x enthalten. Für
jeden fest gewählten Wert von x bilden Potenzreihen also jeweils unendliche Reihen.

7.8 Definition: Potenzreihe

Eine unendliche Reihe der Gestalt


a 0 + a 1 x1 + a 2 x 2 + ... = ∑ a i xi = f ( x)
i=0
heißt eine Potenzreihe.

7.9 Definition: Konvergenzbereich

Die Menge B aller Argumente x, für die eine Potenzreihe konvergiert, heißt ihr
Konvergenzbereich.

7.10 Satz Konvergenzradius


Eine Potenzreihe ∑ a i xi
i= 0

konvergiert absolut für alle x < r


divergiert für alle x > r

sofern man den Konvergenzradius r durch den Grenzwert


an
r = lim
n→∞ a n+ 1
definiert.
Bei x = ± r muß die Konvergenz gesondert untersucht werden.
b n +1
Der Beweis folgt unmittelbar aus dem Quotientenkriterium: lim < 1 Mit b n = a n x n :
n→∞ bn
a n+1 x n +1 an
lim < 1 ⇒ x < lim =r
n→∞ anxn n→∞ a n +1

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Anmerkung: Falls sich die aufeinanderfolgenden Summanden um die zweite Potenz von x
an
unterscheiden, lautet das Kriterium: x < r mit r 2 = lim
n→∞ a n+ 1
Beispiele:
1 3 1 5 1 7 ∞ x 2i− 1
1. f ( x) = x − x + x − x +... = ∑ (−1) i+ 1
3! 5! 7! i =1 (2i − 1)!
Es folgt für den Konvergenzradius:

1
( −1) n + 1
an (2 n − 1)!
r 2 = lim = lim
n→∞ a n + 1 n→∞ 1
( −1) n + 2
( 2( n + 1) − 1) !
= lim
(2n + 1)! = lim 2n (2n + 1) → ∞
n→∞ (2n − 1)! n→∞
Die Reihe konvergiert also für alle reellen Zahlen und damit ist die durch die Reihe
gegebene Funktion f überall definiert. Es handelt sich, wie wir noch sehen werden um den
Sinus.

∞ 2i− 1
1 3 1 5 1 7 i+1 x
2. f ( x) = x − x + x − x +... = ∑ ( −1)
3 5 7 i =1 (2i − 1)
Der Konvergenzradius berechnet sich zu

( −1) n + 1 2 n1− 1
r = lim
2
n→∞ ( −1) n + 2 1
2 ( n + 1) − 1
2n+ 1
= lim =1
n→∞ 2 n − 1

so daß die Reihe sicherlich für x < 1 konvergiert. Mit Hilfe des Leibniz-Kriteriums kann
auch noch die Konvergenz bei x = ±1 nachgewiesen werden. Die Reihe stellt den Arcus
Tangens dar.

7.11 Satz

Der Definitionsbereich einer durch eine unendliche Reihe definierten Funktion f ( x) ist
identisch mit ihrem Konvergenzbereich.

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7.12 Satz


Jede Potenzreihe f ( x) = ∑ a i xi stellt für alle x ∈ B eine Funktion dar. Dabei sind gliedweise
i=0
Differentiation und Integration erlaubt, d.h. für alle x ∈ B gilt:


f ' ( x ) = ∑ a i i x i −1
i =0

 ∞ i
∞ ∞

∫∑ ∑ ∑ i +1
∫ f ( x )dx =  a i x  dx = a i∫ x i
dx = ai
i +1 x +C
i=0  i=0 i=0

Beispiel:
Darstellung von ln(1 + x) durch eine Potenzreihe.
1. Durch Ableiten erhalten wir:
1
ln' (1 + x) =
1+ x

2. Mittels der geometrischen Reihe läßt sich die Ableitung umschreiben:

1
ln' (1 + x) = = 1 − x + x 2 − x 3 + x 4 − ...
1+ x

= ∑ ( − x) i
i=0

3. Durch gliedweises Integrieren ergibt sich nun die gesuchte Potenzreihe:


ln(1 + x) = ∫ ln' (1 + x) dx = ∫ ∑ (− x) dx
i
i =0
∞ ∞ x i+ 1
= ∑ ∫ (− x) i dx = ∑ (−1) i +C
i=0 i=0 i +1

Für die Integrationskonstante C ergibt sich wegen ln1 = 0 der Wert 0.

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7.13 Satz MacLaurin-Entwicklung

Die Funktion f ( x) sei an der Stelle x = 0 unendlich oft differenzierbar. Dann kann die
Funktion in eine Potenzreihe entwickelt werden und es gilt:

f ' (0) 1 f " (0) 2 f ' '' (0) 3


f ( x) = f (0) + x + x + x + ...
1! 2! 3!
f ( i) (0) i

=∑ x
i=0 i!

Beweisskizze:
Man leite die Potenzreihenentwicklung n-mal ab und zeige, daß dabei an der Stelle x = 0
tatsächlich f ( n) (0) herauskommt.

Beispiele:
1. Exponentialfunktion:
f ( x) = e x , f ' ( x) = e x , f "( x) = e x , ... d.h.

f (0) = e 0 = 1, f '(0) = 1, f "(0) = 1, ...

Daraus folgt für die Potenzreihendarstellung der Exponentialfunktion:

1 1 1 2 1 3 ∞ 1 i
ex = 1 + x + x + x + ... = ∑ x
1! 2! 3! i=0 i !

2. Sinus:
f ( x) = sin x f (0) = 0
f ' ( x) = cos x f ' (0) = 1
f "( x) = − sin x f "(0) = 0
f ' ' ' ( x) = − cos x f ' ' ' (0) = − 1
f ( 4) ( x) = sin x f ( 4) (0) = 0 usw.

Daraus folgt:

1 1 1 3 1 5 ∞ x 2i − 1
sin x = x − x + x − ... = ∑ (−1) i + 1
1! 3! 5! i =1 (2i − 1)!

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Statt eine Funktion in eine Potenzreihe um den Punkt x = 0 zu entwickeln, kann auch jeder
andere Punkt des Definitionsbereichs einer Funktion gewählt werden. Dies führt auf die
Taylorentwicklung.

7.14 Satz Taylorentwicklung

Die Funktion f ( x) sei an der Stelle x unendlich oft differenzierbar. Dann kann die Funktion
im Punkt x in eine Potenzreihe entwickelt werden und es gilt für den Funktionswert an einer
benachbarten Stelle x + h :

f ' ( x) 1 f " ( x) 2 f ' '' ( x) 3


f ( x + h) = f ( x ) + h + h + h + ...
1! 2! 3!
f ( i ) ( x) i

= ∑ h
i=0 i!

Der Konvergenzradius berechnet sich nach Satz 7.10, nun allerdings für die zulässigen Werte
von h. D.h. die Taylorreihe gilt in einer Umgebung des Punktes x, deren Radius durch den
Konvergenzradius r = r(x) gegeben ist.

Bemerkung:
Die Entwicklung einer Funktion in eine Taylorreihe um einen Punkt x ≠ 0 ist vor allem dann
sinnvoll, wenn man speziell am Verhalten der Funktion in der Umgebung dieses Punktes
interessiert ist.

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8. Lineare Algebra
Eine Algebra bezeichnet eine Theorie der Rechenoperationen bestimmter mathematischer
Objekte, z.B. der rationalen Zahlen. Die Objekte der linearen Algebra sind Vektoren und
Matrizen. Hauptziel ist die Lösung linearer Gleichungssyteme.

8.1 Determinanten

Betrachten wir das folgende System von zwei linearen Gleichungen in zwei Unbekannten x1
und x2 :

a 11 x1 + a 12 x 2 = b1
a 21 x1 + a 22 x 2 = b 2

Nach Auflösung ergibt sich:

b1a 22 − b 2 a 12
x1 =
a 11a 22 − a 12 a 21

b 2 a 11 − b1a 21
x2 =
a 11a 22 − a 12 a 21

Beide Nenner sind gleich. Außerdem entscheidet (determiniert) der Wert des Nenners, ob das
System überhaupt lösbar ist. Ist der Nenner gleich Null, ist das System nicht (eindeutig)
lösbar. Aus diesem Grund wird der Nenner als Determinante bezeichnet und wie folgt
geschrieben:

a 11 a 12
D= = a 11a 22 − a 12 a 21
a 21 a 22

Die Zähler können ebenfalls als Determinanten geschrieben werden und damit kann die
Lösung des Systems über Quotienten von Determinanten angegeben werden. Dies ist aber bei
Systemen mit mehr als 3 Unbekannten keine praktikable Lösung! Dennoch werden wir in
einigen wenigen Fällen den Begriff der Determinante benötigen.

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8.1 Definition: Determinante


Eine Determinante n-ter Ordnung ist eine Zahl, die aus einem Schema mit n2 Elementen der
Form

a 11 a 12 ... a 1n
a 21 a 22 ... a 2 n
. . . .
D=
. . . .
. . . .
a n1 a n2 ... a nn

berechnet werden kann.

Bemerkung: Der erste Index eines Elementes bezeichnet die zugehörige Zeile, der zweite die
Spalte. Zeilen und Spalten werden auch als Reihen bezeichnet.

Die Berechnung einer Determinante erfolgt mittels des Entwicklungssatze von Laplace:

8.2 Satz Entwicklungssatz von Laplace

n n
i+ k
D= ∑ (−1) a ik D ik = ∑ (−1) i+ k a ik D ik
k =1 i =1
i = const k = const

Dabei bezeichnet Dik die Unterdeterminante, die durch Streichen der i-ten Zeile und k-ten
Spalte aus D entsteht.

Für die Berechnung von Determinanten gelten die folgenden Regeln:


1. Multiplikation mit einem Faktor: Werden alle Elemente einer Reihe mit einem konstanten
Faktor multipliziert, so verändert sich der Wert der Determinante um diesen Faktor.
2. Addition von Reihen: Addiert man zu einer Reihe ein beliebiges Vielfaches einer anderen
Reihe, so ändert sich der Wert der Determinante nicht.
3. Sind zwei Reihen einander proportional, so hat die Determinante den Wert Null.

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8.2 Vektoren

8.3 Definition: Vektor


Ein Vektor ist eine gerichtete Größe, d.h. eine Größe, die erst durch Angabe eines Wertes und
einer Richtung vollständig bestimmt ist.

Beispiele für Vektoren sind die physikalischen Größen Kraft, Geschwindigkeit,


Beschleunigung, elektrische Feldstärke. Dagegen ist die Temperatur bereits durch die Angabe
ihres Wertes vollständig bestimmt. Solche Größen heißen Skalare.

Vektoren werden üblicherweise als Pfeile (Vektor lat. = Pfeil) in einem Koordinatensystem
dargestellt:

x2

r
a2 a

r
e2
x1
r
e1 a1

r
Dabei bezeichnen x1 und x2 zwei Achsen (Richtungen) eines Koordinatensystems und e1 und
r
e 2 die Einheitsvektoren (d.h. Vektoren der Länge 1) in die entsprechenden Richtungen. Der
r
Vektor a besitzt die Koordinaten a1 und a2 in Richtung der Koordinatenachsen. Es gilt also:

a = a 1e1 + a 2 e 2
r r r

r
Der Vektor a ist also durch seine Komponenten a1 und a2 vollständig bestimmt. Aus diesem
Grund wird im allgemeinen die folgende Notation verwendet:

r  a1 
a= 
a2

Der Betrag (die Länge des Vektors) ergibt sich mittels des Satzes von Pythagoras zu:

a = a 12 + a 22

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Entsprechend wird ein Vektor mit n Komponenten wie folgt dargestellt:

8.4 Satz Koordinatendarstellung und Betrag


Für einen Vektor in n Komponenten erhält man die Koordinatendarstellung:

 a1 
 
a
r  2
a =  .  = a 1e1 + a 2 e 2 +...+a n e n .
r r r
 
. 
an

Für den Betrag ergibt sich: a = a 12 + a 22 +...+ a 2n


r

Dabei sind natürlich n Einheitsvektoren entlang der n Koordinatenachsen vorgegeben.

8.5 Definition: Gleichheit von Vektoren


Zwei Vektoren heißen gleich, wenn sie in Betrag und Richtung übereinstimmen und das
bedeutet, daß sie in allen Koordinaten übereinstimmen:

a = b ⇔ (a 1 = b 1 ∧ a 2 = b 2 ∧...∧a n = b n )
r r

8.6 Definition: Addition von Vektoren


 a 1 + b1 
 
 a 2 + b2 
c=a+b⇔c= . 
r r r r
 
 . 
 
a n + bn 
d.h. die Addition von Vektoren wird komponentenweise durchgeführt.

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Geometrisch stellt sich die Summe zweier Vektoren wie folgt dar:

x2

r
r c
b r
b

r
a
x1

r
Der Vektor b wird parallel verschoben, so daß sein Anfangspunkt auf den Endpunkt des
r
Vektors a fällt.
r
Konvention: Statt a wird auch oft a bzw. a geschrieben. Wir werden im folgenden häufig die
Form a verwenden.

Für die Addition von Vektoren gilt das Kommutativgesetz: a + b = b + a

8.7 Definition: Nullvektor


Der Nullvektor ist durch die Eigenschaft a + 0 = a definiert. Er hat die
Koordinatendarstellung:

 0
 
 0
0 =  .
 
 .
 
 0

8.8 Definition: negatives Vorzeichen


Der Vektor -a hat den gleichen Betrag, aber die entgegengestzte Richtung wie der Vektor a.
Alle Komponenten werden mit -1 multipliziert.

8.9 Definition: Subtraktion


d = a − b ⇔ d = a + ( −b)

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8.10 Definition: Multiplikation mit einem Skalar


 pa 1 
 
 pa 2 
b = pa ⇔ b =  . 
 
 . 
 
 pa n 

Geometrisch bedeutet die Multiplikation mit einem Skalar p eine Änderung des Betrages
eines Vektors um den Faktor p und ggf. Änderung der Richtung (falls p < 0).

8.11 Satz
Für die skalare Multiplikation gelten die folgenden Gesetze:
1. Kommutativgesetz: pa = a p
2. Assoziativgesetz: p(qa ) = ( pq )a = pqa

p( a + b ) = pa + pb
Distributivgesetze:
( p + q ) a = pa + qa

Bemerkung: Anschaulich bedeuten diese Gesetze, daß die üblichen Rechenregeln für reelle
Zahlen bei Vektoren komponentenweise anzuwenden sind.

Beispiel:
Newtonsches Kraftgesetz: F = ma
Kraft und Beschleunigung haben die gleiche Richtung und sind einander proportional. Die
Proportionalitätskonstante ist die Masse des Objekts, auf das die Kraft wirkt.

Neben den bisher diskutierten Rechenoperationen, die im wesentlichen den bekannten


Operationen in den einzelnen Komponenten eines Vektors entsprechen gibt es noch das
sogenannte Skalarprodukt zweier Vektoren sowie bei Vektoren mit 3 Komponenten das
Vektorprodukt. Wie die Namen bereits andeuten, liefert das Skalarprodukt zweier Vektoren
einen Skalar, das Vektorprodukt einen Vektor.

8.12 Definition: Skalarprodukt


Das Skalarprodukt zweier Vektoren a und b ist definiert durch:
a ⋅ b = ab cos(a , b)
gesprochen: a Punkt b oder a mal b. Das Skalarprodukt ist ein Skalar. Es ist gleich dem
Produkt aus den Beträgen der beiden Vektoren und dem Cosinus des von beiden Vektoren
eingeschlossenen Winkels.

Bemerkung: Das Skalarprodukt ist nicht mit der skalaren Multiplikation zu verwechseln. Bei
der skalaren Multiplikation wird ein Vektor mit einem Skalar multipliziert und liefert einen
Vektor. Beim Skalarprodukt werden zwei Vektoren miteinander multipliziert und liefern
einen Skalar.
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8.13 Satz
Es gilt:
a ⋅ b = a 1 b1 + a 2 b 2 +...+a n b n
a ⋅ (b + c) = a ⋅ b + a ⋅ c
a ⋅ a = a2

Beispiel: Die Arbeit (Energie) W ist das skalare Produkt aus Kraft F und Weg s, da stets nur
die in Richtung des Weges fallende Kraftkomponente Fs zur Arbeit beiträgt. Die Koordinate
dieser Komponente ist aber Fs = F cos(F,s), deshalb ist W = Fs cos(F,s) = F ⋅ s . Skizze:

s
Fs

Sind F und s in Koordinaten gegeben, so erhält man unmittelbar die Arbeit:


bei F = (-3, 2, -5) N und s = (1, 2, 4) m folgt W= (-3 + 4 - 20) Nm = -19 J

Mit Hilfe des Skalarprodukts läßt sich der Winkel zwischen zwei Vektoren berechnen:

8.14 Satz Winkel zwischen Vektoren


Für den Winkel zwischen den Vektoren a und b gilt:

a xbx + ayby + azbz


cos(a , b) =
(a 2
x )(
+ a 2y + a 2z b 2x + b 2y + b 2z )

Bemerkung: Bei Vektoren mit mehr als drei Komponenten wird der „Winkel“ dann über die
entsprechende Formel definiert.

8.15 Definition: Vektorprodukt

c = a × b ⇔ (c = ab sin(a , b) ∧ c⊥a , b ∧ a , b, c bilden ein Rechtssystem)

gesprochen: a Kreuz b. Das vektorielle Produkt zweier Vektoren ist ein Vektor. Sein Betrag
ist gleich dem Produkt aus den Beträgen der beiden Faktoren und dem Sinus des
eingeschlossenen Winkels. Seine Richtung ergibt sich aus der Festsetzung, daß c senkrechrt
auf der von a und b gebildeten Ebene steht und die Vektoren a, b, c in dieser Reihenfolge ein
Rechtssystem bilden (rechte Handregel).

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8.16 Satz
Für das Vektorprodukt gelten die folgenden Beziehungen:

 aybz − azby 
 
c =  azbx − axbz 
a b − a b 
 x y y x

a × b = −b × a antikommutativ
a × (b + c) = a × b + a × c distributiv

Das Assoziativgesetz gilt nicht!

Beispiel:
Drehmoment: M = r × F

r F||

α
F⊥

F F

F⊥
sin α = ⇒ F⊥ = F sin α
F
M = r ⋅ F⊥ = r ⋅ F ⋅ sin α

M zeigt in die Papierebene hinein (Richtung der Drehachse).

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8.17 Definition: Lineare Abhängigkeit


n Vektoren heißen linear abhängig, wenn es Zahlen c1 , c 2 ,..., c n gibt, die nicht sämtlich gleich
Null sind, so daß:

c1v 1 + c 2 v 2 +...+c n v n = 0

Die Vektoren heißen linear unabhängig, wenn die Gleichung nur für
c1 = 0, c 2 = 0,.., c n = 0 erfüllbar ist.

Beispiel:
 2  −4  −20
Die drei Vektoren   ,   ,   sind linear abhängig, denn
 1  2   14 

 2  −4  −20  0
2  + 6  + ( −1)  = 
 1  2  14   0

8.18 Satz
In einem n-dimensionalen Raum sind n+1 Vektoren immer linear abhängig.

8.3 Zeitabhängige Vektoren

In der Physik tritt häufig der Fall zeitlich veränderlicher Vektoren auf, z.B. hängt der Ort r
eines Teilchens im allgemeinen von der Zeit t ab.

8.19 Definition: Vektorfunktion


Sind die Koordinaten eines Vektors r Funktionen einer skalaren Größe t, so liegt eine
Vektorfunktion vor. In den Komponenten erhält man:

 x( t )
 
r( t ) =  y( t )
 
 z( t )
Bezeichnet t die Zeit und x, y, z die Raumkoordinaten, so heißt r der Ortsvektor des Punktes
P(x,y,z).

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∆r
Bahn eines Punktes
(Teilchen)
r( t 1 )

r( t 2 )

∆r = r( t 2 ) − r ( t 1 )

Mittlere Geschwindigkeit des Teilchens während der Zeit [t1, t2]:

r( t 2 ) − r( t 1 )
v=
t 2 − t1

Lassen wir nun das Zeitintervall gegen 0 gehen, ergibt sich die Momentangeschwindigkeit als
Ableitung des Ortsvektors.

8.20 Definition:
Die 1. Ableitung der Vektorfunktion r(t) ist der Grenzwert:

r ( t + ∆t ) − r ( t ) ∆r
lim = lim
∆t → 0 ∆t ∆t→0 ∆t

8.21 Satz
Die Koordinaten der Ableitung eines Vektors erhält man durch Differenzieren der
Koordinaten des Vektors.

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Beispiel:
Schiefer Wurf: Körper wird zum Zeitpunkt t = 0 am Punkt (x0, y0) mit der
 v 0x 
Anfangsgeschwindigkeit v 0 =   gestartet.
 v 0y 

F = −mge y

v 0y v0

ey
x
v 0x

Newtonsches Kraftgesetz: F = ma
 mx
&&  0 
m&&r =   =   =F
&&  − mg
 my

&&x = 0 ⇒ x& = C1 = v 0x
⇒ x = v 0x t + C 2 = x 0 + v 0x t

g 2
&&y = −g ⇒ y& = −gt + C 3 = v 0y − gt ⇒ y = v 0y t − t + C4
2
g 2
⇒ y = y 0 + v 0y t − t
2

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8.4 Matrizen

Zwischen zwei Systemen mathematischer Größen x1 , x 2 , x 3 ,..., x n und y1 , y 2 ,..., y m


bestehen häufig Beziehungen der Art:

a 11 x1 + a 12 x 2 +...+a 1n x n = y1
a 21 x1 + a 22 x 2 +...+a 2 n x n = y 2
.
.
.
a m1 x1 + a m2 x 2 +...+a mn x n = y m

Dabei sind in der Regel die Größen aij, yi vorgegeben, die xi sind gesucht. Ein solches
Gleichungssytem heißt „System von m linearen Gleichungen in n Unbekannten“.
Ein Beispiel dafür ist ein elektrisches Netzwerk, in dem die yi vorgegebene Spannungen sind,
die aij sind die Widerstände des Netzes und die xi sind die zu berechnenden Teilströme.

Für ein solches System führt man die Schreibweise:

Ax = y

ein und nennt das Koeffizientenschema A eine Matrix. x und y werden dabei als
Spaltenvektoren geschrieben.

8.22 Definition: Matrix


Unter einer Matrix A vom Typ (m, n) (auch als m × n bezeichnet) versteht man ein aus m
Zeilen und n Spalten angeordnetes Zahlenschema:

 a 11 a 12 ... a 1k ... a 1n 
 
 a 21 a 22 ... a 2k ... a 2 n 
 . . . . 
 . . . . 
 
A = (a ik ) =  . . . . 
 a i1 a ik a in  i − te Zeile
 . . . 
 
 . . . 
 . . . 
 
 a m1 a m2 ... a mk ... a mn 


k.-te Spalte

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Dabei heißen:
aik: Matrixelemente, Koeffizienten
i: Zeilenindex
k: Spaltenindex
m: Anzahl der Zeilen
n: Anzahl der Spalten
a i = (a i1 , a i2 ,..., a in ) i-ter Zeilenvektor (transponierter Vektor)
T

 a 1k 
 
 a 2k 
 . 
ak =  k-ter Spaltenvektor
. 
 
 . 
 
 a nk 

Im Gegensatz zu den Determinanten ist bei Matrizen häufig m ≠ n .

8.23 Definition: Transponierte Matrix


Vertauscht man in einer Matrix alle Zeilen mit den entsprechenden Spalten, so erhält man die
T
zur Matrix A transponierte Matrix A

Beispiel:

 a 11 a 21 
 a 11 a 12 a 13   
A=  A =  a 12
T
a 22 
 a 21 a 22 a 23   
 a 13 a 23 

8.24 Definition: Quadratische Matrix


Eine Matrix, deren Zeilenzahl mit der Spaltenzahl übereinstimmt, heißt quadratische Matrix.
Die Elemente a 11 , a 22 ,.., a ii ,..., a nn bilden die Hauptdiagonale (d.h. von links oben nach rechts
unten).

8.25 Definition: Symmetrische Matrix


Eine quadratische Matrix mit a ik = a ki für alle i,k heißt symmetrisch. Eine solche Matrix ist
T
gleich ihrer Transponierten, d.h.: A = A

Beispiel:
1 2 4 
 
2 3 8 
 
 4 8 16

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8.26 Definition: Diagonalmatrix


Eine Matrix, deren Elemente nur in der Hauptdiagonalen von Null verschieden sind, heißt
Diagonalmatrix.

8.27 Definition: Einheitsmatrix


Eine Diagonalmatrix, in der die Elemente der Hauptdiagonalen den Wert Eins haben, heißt
Einheitsmatrix. Sie spielt in der Matrizenrechnung die gleiche Rolle wie die Zahl Eins in der
Arithmetik.

Beispiel:
 1 0 0
 
 0 1 0 3-reihige Einheitsmatrix
 
 0 0 1

8.28 Definition: Nullmatrix


Eine Matrix, deren sämtliche Elemente gleich Null sind, heißt Nullmatrix

8.29 Definition: Dreiecksmatrix


Eine quadratische Matrix, bei der alle Elemente unterhalb der Hauptdiagonale gleich Null
sind, heißt obere Dreiecksmatrix U (U wie upper). Entsprechend heißt eine Matrix, bei der
alle Elemente oberhalb der Hauptdiagonalen gleich Null sind, untere Dreiecksmatrix L (L wie
lower).

Beispiel:

 u11 u12 u13 


 
U= 0 u 22 u 23 
 
 0 0 u 33 

 l11 0 0
 
L =  l 21 l 22 0
 
 l 31 l 32 l 33 

Obere Dreiecksmatrizen spielen die zentrale Rolle bei der Lösung linearer
Gleichungssysteme. Die übliche Lösungsstrategie besteht darin, eine vorgegebene Matrix A in
eine Dreiecksmatrix U zu überführen.

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8.30 Satz
Die Determinante einer Dreiecksmatrix ist gleich dem Produkt der Hauptdiagonalelemente.

Der Beweis folgt direkt aus Satz 8.2 (Laplacescher Entwicklungssatz)

8.31 Definition: Rang einer Matrix


Der Rang einer Matrix ist die maximale Anzahl ihrer linear unabhängigen Zeilen- oder
Spaltenvektoren.

Der Rang einer Matrix ergibt sich aus dem noch zu besprechenden Lösungsverfahren für
lineare Gleichungssysteme automatisch. In vielen Fällen ist ein Gleichungsstem nur dann
lösbar, wenn die Matrix den größtmöglichen Rang hat. Bei einer quadratischen (nxn)-Matrix
ist der größtmögliche Rang wegen Satz 8.18 gleich n.

8.5 Rechenregeln für Matrizen

8.32 Definition: Gleichheit zweier Matrizen


Zwei Matrizen sind gleich, geschrieben A = B, wenn sie in Zeilen- und Spaltenzahl
übereinstimmen (d.h. wenn sie vom gleichen Typ sind) und wenn gilt:
a ik = b ik für alle i, k

8.33 Definition: Matrizenaddition


Für zwei Matrizen A, B vom gleichen Typ gilt:

C = A + B ⇔ (c ik = a ik + b ik für alle i, k)

d.h. die Addition wird komponentenweise ausgeführt.

8.34 Definition: Skalare Multiplikation


B = pA ⇔ ( b ik = pa ik für alle i, k)
Skalare Multiplikation erfolgt komponentenweise.

Für Matrizen mit passender Zeilen- und Spaltenzahl läßt sich auch eine Multiplikation
definieren, die wieder eine Matrix liefert. Das Naheliegendste wäre wohl eine
komponentenweise Multiplikation. Diese hat aber für die Praxis keine Bedeutung. Wir werden
noch sehen, daß die Multiplikation eines Vektors (d.h. einer (mx1)-Matrix) mit einer (nxm)-
Matrix gerade einen neuen (nx1)-Vektor liefert, also eine (sogar lineare) Abbildung von
Vektoren der Länge m auf Vektoren der Länge n darstellt. Die Matrizenmultiplikation wird
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nun so definiert, daß sie gerade der Hintereinanderausführung zweier solcher Abbildungen
entspricht.

8.35 Definition: Multiplikation zweier Matrizen


Gegeben sei eine (mxn)-Matrix A und eine (nxr) Matrix B, dann ist das Matrizenprodukt
C = AB eine (mxr)-Matrix. Die Elemente von C sind definiert durch:

n
C = AB ⇔ (c ij = ∑ a ik b kj für i = 1,.., m ; j = 1,..r)
k =1

Beispiele:
 a 11 a 12 
   x 11   x1 
1.) A =  a 21 a 22  x =   =  
   x 21   x 2 
 a 31 a 32 

 a 11 x11 + a 12 x 21   a 11 x1 + a 12 x 2 
   
y = Ax =  a 21 x11 + a 22 x 21  =  a 21 x1 + a 22 x 2 
   
 a 31 x11 + a 32 x 21   a 31 x1 + a 32 x 2 

d.h. die Matrix A bildet den Vektor x (d.h. die (mx1)-Matrix) auf den Vektor y ab. Den
Vektor y multiplizieren wir jetzt anschließend mit der (1x3)-Matrix B:
B = ( b11 , b 12 , b13 ) daraus folgt:

By = b 11 y1 + b12 y 2 + b13 y 3
= b 11 (a 11x 1 + a 12 x 2 ) + b 12 (a 21 x1 + a 22 x 2 ) + b 13 (a 31x 1 + a 32 x 2 )
= ( b11a 11 + b 12 a 21 + b13a 31 ) x 1 + ( b11a 12 + b12 a 22 + b 13a 32 ) x 2

Berechnen wir nun zum Vergleich zunächst C = BA und anschließend Cx so folgt:

 a 11 a 12 
 
C = BA = ( b 11 , b12 , b13 ) a 21 a 22  = ( b11a 11 + b12 a 21 + b 13a 31 , b11a 12 + b12 a 22 + b13a 32 )
 
 a 31 a 32 

Es folgt für Cx:


 x1 
Cx = ( b11a 11 + b 12 a 21 + b13a 31 , b 11a 12 + b12 a 22 + b13a 32 ) 
 x2 
= ( b11a 11 + b 12 a 21 + b13a 31 ) x 1 + ( b11a 12 + b12 a 22 + b 13a 32 ) x 2

Dieses Beispiel zeigt, daß folgendes gilt:


1. Die Multiplikation eines Vektors mit einer Matrix bildet den Vektor auf einen neuen
Vektor ab.
2. Die Hintereinanderausführung zweier solcher Abbildungen (hier erst die Multiplikation mit
der Matrix A, anschließend die Multiplikation mit B) entspricht gerade der Multiplikation
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mit der Matrix C = BA. Das Matrizenprodukt wird gerade so definiert, daß es diese
Eigenschaft hat.
Die Lösung eines linearen Gleichungssystems der Form y = Ax entspricht gerade der
Aufgabe: Finde den Vektor x der durch die Matrix A auf den Vektor y abgebildet wird.
Dies ist analog zur Bestimmung der Nullstelle (des Lösungsvektors) von:
F(x) = Ax − y = 0

Weiterhin hat die Multiplikation eines Vektors mit einer Matrix noch die folgenden
Eigenschaften:

4. Die Multiplikation eines Vektors mit einer Matrix ist eine lineare Abbildung, d.h.:
A( px + qy) = pAx + qAy .
5. Jede lineare Abbildung eines Vektors auf einen anderen läßt sich als Matrixmultiplikation
schreiben.

2. Beispiel zur Matrixmultiplikation:

 0 −a z ay   bx 
   
A =  az 0 −a x  b =  b y 
 −a  
 y ax 0   bz 

 −a z b y + a y b z   a x   b x 
     
Ab =  a z b x − a x b z  =  a y  ×  b y  = a × b
 −a b + a b   a   b 
 y x x y z z

d.h. das Vektorprodukt a × b läßt sich als Multiplikation des Vektors b mit einer geeignet
definierten Matrix A, die die Koeffizienten des Vektors a als Elemente enthält, auffassen.

8.36 Satz Eigenschaften des Matrixprodukts


1. Das Kommutativgesetz gilt im allgemeinen nicht. Es ist sogar i.a. nicht möglich, die
Faktoren zu vertauschen, da dann Zeilen- und Spaltenzahlen nicht mehr zusammenpassen.
Im übrigen war ja auch die Hintereinanderausführung von Abbildungen i.a. nicht
kommutativ.
2. Es gelten Assoziativ- und Distributivgesetz:
( AB )C = A (BC)
A(B + C) = AB + AC
3. Für die transponierten Matrizen gilt:
( AB ) T = B T A T

Wenn man eine Operation, wie hier die Matrizenmultiplikation definiert hat, stellt sich immer
die Frage nach dem neutralen Element (d.h. a∗ e = e∗ a = a )und dem inversen (d.h.
a∗ a −1 = e ) Element.

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8.37 Satz Multiplikation mit der Einheitsmatrix


Für die (mxm )-Einheitsmatrix Em, die (nxn)-Einheitsmatrix En und die (mxn)-Matrix A gilt:
AEn = EmA = A

Für quadratische Matrizen kann die Inverse definiert werden. Sie existiert allerdings selbst für
von der Nullmatrix verschiedene Matrizen nicht immer.

8.38 Definition: Inverse Matrix


Ist das Produkt zweier quadratischer Matrizen gleich der Einheitsmatrix E, so nennt man die
eine Matrix die inverse Matrix (kurz Inverse) der anderen und schreibt:

A −1 A = AA −1 = E

Die Inverse ist eindeutig bestimmt.

Mit Hilfe der Inversen läßt sich die Lösung eines linearen Gleichungssystems direkt angeben:

Ax = y
⇒ A −1Ax = A −1y
⇒ x = A −1 y
Allerdings läßt sie sich nicht ganz leicht berechnen. Der Aufwand steigt mit der dritten Potenz
der Zeilen- bzw. Spaltenzahlen.

8.39 Satz
Das Bilden der Inversen und das Transponieren sind vertauschbar, d.h.:

( A T ) −1 = ( A −1 ) T

Beweis:
8.36
( AA −1 ) = E ⇒ ( AA −1 ) T = E T ⇒ ( A −1 ) T A T = E
Also ist ( A −1 ) T die Inverse zu A T , d.h.: ( A −1 ) T = ( A T ) −1

8.40 Satz
Ist A symmetrisch, d.h. A = A T , dann ist auch A −1 symmetrisch.

T
Zum Beweis ersetze man auf der linken Seite von 8.39 A durch A.

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8.6 Lineare Gleichungssysteme

Wie bereits in der Einleitung zu Kapitel 8 angedeutet, ist das Hauptziel der linearen Algebra
die Lösung linearer Gleichungssysteme, die in der Praxis sehr häufig auftreten, z.B. bei der
Berechnung statischer Systeme (z.B. Statik von Bauteilen, stationärer Betrieb von
Chemieanlagen), elektrischer Netze oder betriebswirtschaftlicher Optimierungsaufgaben. Bei
der i.a. mathematisch noch wesentlich aufwendigeren Berechnung komplizierter dynamischer
Systeme (z.B. Schwingungsverhalten von Brücken, Dämpfungs- und Schwingungsverhalten
von Achskonstruktionen, Crashsimulation von Fahrzeugkarosserien, Berechnung von
Tragflächenprofilen, An- und Abfahrverhalten von Chemieanlagen, Wetterberechnungen)
müssen häufig große lineare Gleichungssysteme (einige 100 bis einige hunderttausend
Gleichungen) als Teilprobleme der übergeordneten Aufgabenstellung unter Umständen
hunderte von Malen gelöst werden. Entsprechend groß ist das Interesse der numerischen
Mathematik an leistungsfähigen Verfahren zur Lösung linearer Gleichungssysteme. Wir
werden im folgenden nur das einfachste Verfahren, das Gaußsche Eliminationsverfahren,
diskutieren, und dieses auch nur für den in der Praxis häufigsten Fall eines quadratischen
Systems (d.h. n Gleichungen in n Unbekannten). Dieses Verfahren ist nur für nicht zu große
Probleme (weniger als 100 Gleichungen) geeignet. Der Aufwand beträgt bei n Gleichungen in
n Unbekannten etwa 13 n 3 Multiplikationen (bzw. Divisionen).

Gegeben ist also eine (nxn)-Matrix A und ein Spaltenvektor b der Länge n. Gesucht ist ein
Spaltenvektor x, ebenfalls der Länge n mit Ax = b, d.h.:

a 11 x1 + a 12 x 2 +...+a 1n x n = b 1
a 21 x1 + a 22 x 2 +...+a 2 n x n = b 2
.
.
.
a n1x 1 + a n2 x 2 +...+ a nn x n = b n

Ziel des Gaußverfahrens ist es, durch äquivalente Umformungen das System in die folgende
Form zu überführen:

c11 x1 + c12 x 2 + c13 x 3 +...+c1n-1 x n −1 + c1n x n = d 1


c 22 x 2 + c 23 x 3 +...+c 2n-1x n−1 + c 2 n x n = d 2
c 33 x 3 +...+c 3n-1 x n −1 + c 3n x n = d 3
.
.
c n-1n-1 x n −1 + c n −1n x n = d n −1
c nn x n = d n

d.h. in die Form Cx = d, wobei C eine obere Dreiecksmatrix ist. In dieser Dreiecksform kann
das System nämlich rekursiv gelöst werden. Betrachten wir zunächst den Fall, daß alle
Diagonalelemente von Null verschieden sind (Standardfall). Dann ist die Determinante von C
und damit auch die Determinante von A von Null verschieden und das Gleichungssystem hat
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genau eine Lösung. Zunächst ergibt sich aus der untersten Zeile x n = d n / c nn . Dies kann in
die vorletzte Zeile für xn eingesetzt werden und damit kann aus der vorletzten Zeile xn-1
berechnet werden. Entsprechend werden in der (n-i)-ten Zeile die bereits berechneten Größen
xn-i+1 bis xn eingesetzt und anschließend kann xn-i berechnet werden.

Falls nicht alle Diagonalelemente von Null verschieden sind, kann durch das noch zu
besprechende Diagonalisierungsverfahren immer dafür gesorgt werden, daß die ersten k
Diagonalelemente von Null verschieden sind und nur die letzten n-k Elemente gleich Null
sind. Wir diskutieren hier nur den Fall, daß nur das letzte Element cnn gleich Null ist. In
diesem Fall gibt es zwei Möglichkeiten:

1. das Element dn ist von Null verschieden. Dann hat die letzte Gleichung des
Diagonalsystems offensichtlich keine Lösung (denn da steht ja: 0 ⋅ x nn = d n ), und damit
ist auch das Ausgangssystem unlösbar.
2. das Element dn ist ebenfalls gleich Null, d.h. die letzte Gleichung lautet: 0 ⋅ x n = 0 In
diesem Fall kann für xn jeder beliebige Wert ausgewählt werden, und damit können dann
die übrigen Gleichungen genauso wie im Standardfall gelöst werden. In diesem Fall hat das
System unendlich viele Lösungen.

Ein lineares Gleichungssystem hat demnach entweder genau eine Lösung, keine Lösung oder
unendlich viele Lösungen, aber niemals 2, 5 oder 42 Lösungen. Diese Aussage ist auch im
Fall mehrerer verschwindender Diagonalelemente richtig.

Als nächstes müssen wir uns klarmachen, was bei einem linearen Gleichungssystem
äquivalente, d.h. die Lösungsmenge nicht verändernde Umformungen sind. Dabei beachte
man den wichtigen Satz: „Ich darf bei einer Gleichung auf beiden Seiten das Gleiche tun!“

Äquivalente Umformungen sind:


1. Zwei Gleichungen dürfen miteinander vertauscht werden. Dies ändert ja nur die
Reihenfolge in der die Gleichungen aufgeschrieben werden.
2. Jede Gleichung darf mit einer von Null verschiedenen Zahl multipliziert werden.
3. Beliebige Vielfache einer Gleichung dürfen zu einer anderen Gleichung addiert werden
(auf beiden Seiten das Gleiche getan).

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Beschreibung des Gaußschen Eliminationsverfahren:

1. Der erste Schritt besteht in der Elimination der Größe x1 aus den Gleichungen 2 bis n.
a
Dazu wird zu der Gleichung i (für i = 2 bis n) jeweils das − i1 - fache der ersten
a 11
Gleichung addiert. Dadurch fällt der Term mit x1 gerade heraus. Falls a11 gleich Null sein
sollte, führt man vorher eine Vertauschung der 1.-ten Zeile mit einer Zeile durch, bei der
der Koeffizient von x1 von Null verschieden ist. Nach diesem 1. Schritt enthält nur noch
die erste Zeile einen Term mit x1 alle anderen Gleichungen fangen erst mit x2 an.
2. Mit dem aus den Gleichungen 2 bis n bestehendem Subsystem verfährt man nun ganz
analog. Man läßt die 2. Zeile unverändert und addiert zur 3. bis n-ten Zeile jeweils das
a
− i2 - fache der 2. Zeile (dabei sind natürlich mit den Koeffizienten aik jetzt die neuen
a 22
Koeffizienten, die sich nach dem 1. Schritt ergaben, gemeint).
3. Sukzessive fortfahrend, erhält man schließlich ein gestaffeltes System, das wie oben
besprochen, von unten nach oben aufzulösen ist.

Erläuterung des Verfahrens an einem Beispiel:

x1 + x 2 + x 3 = 2 (1)
2 x1 + 3x 2 + x 3 = −1 (2)
3x1 + x 2 + 4 x 3 = 13 (3)

Die erste Gleichung wird übernommen. Zur zweiten wird das -2-fache der ersten Zeile addiert,
zur dritten wird das -3-fache der ersten Zeile addiert. Es ergibt sich:
x1 + x 2 + x 3 = 2 (1)
x 2 − x 3 = −5 (2' )
−2 x 2 + x 3 = 7 (3' )

Zur Zeile 3’ wird nun das 2-fache der Zeile 2’ addiert:


x1 + x 2 + x 3 = 2 (1)
x 2 − x 3 = −5 (2' )
− x 3 = −3 (3")

Damit haben wir das System auf Dreiecksform gebracht. Aus 3’’ folgt nun zunächst x 3 = 3 .
Setzen wir nun den Wert 3 für x3 in der Gleichung 2’ ein folgt x2 = -2 und schließlich aus der
ersten Gleichung x1= 1.

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2. Beispiel: Berechnung eines elektrischen Netzwerkes

Ic
R 1 = 1Ω
R3
R 2 = 5Ω
R2
R 3 = 3Ω
I a = 1A
I3 I2 I b = 2A

R1
Ia Ib
I1

Gesucht sind I1, I2, I3, Ic. Anwendung von Knoten- und Maschenregeln liefert:
I a + I1 = I 3
I b = I1 + I 2
Ic = I2 + I3
R 1I 1 + R 3 I 3 − R 2 I 2 = 0

Mit den vorgegebenen Werten erhalten wir das folgende System:

I1 I2 I3 Ic Rechte Seite in
Ampere

1 0 -1 0 -1
1 1 0 0 2
0 1 1 -1 0
1 -5 3 0 0

1 0 -1 0 -1
0 1 1 0 3
0 1 1 -1 0
0 -5 4 0 1

1 0 -1 0 -1
0 1 1 0 3
0 0 0 -1 -3
0 0 9 0 16

1 0 -1 0 -1
0 1 1 0 3
0 0 1 0 16
9
0 0 0 1 3
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Aus der letzten Zeile folgt: Ic = 3A ,was von vornherein klar war, da der abfließende Strom
gleich der Summe der einfließenden Ströme sein muß.
Aus der vorletzten Zeile erhalten wir I 3 = 16 9 A , damit folgt aus der 2. Gleichung:
I 2 = − 16 9 A + 3A = 119 A und aus der 1. Gleichung ergibt sich:
I1 = 16 9 A − 1A = 7
9A

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9. Funktionen mehrerer Veränderlicher


9.1 Grundbegriffe

Wir hatten bereits in Abschnitt 8.5 die Multiplikation eines Vektors mit einer Matrix als
spezielle, nämlich lineare, Abbildung eines Vektors x auf einen Vektor y kennengelernt. Wir
wollen im folgenden beliebige Abbildungen von Vektoren definieren und ihre Eigenschaften
untersuchen. Solche Fragestellungen kommen in der Praxis häufig vor. Z.B. ergibt sich der
Gesamtwiderstand eines Netzes ohmscher Widerstände als (nicht unbedingt lineare) Funktion
aller im Netz auftretenden Widerstände. Dies wird schon an folgendem sehr einfachen
Beispiel klar:

R1

R 2

R3

1
Bekanntlich gilt für den Gesamtwiderstand einer Parallelschaltung: R ges =
1 1 1
+ +
R1 R 2 R 3
Der Gesamtwiderstand ist also eine Funktion aller Einzelwiderstände oder anders gesprochen,
eine Funktion des Vektors der Einzelwiderstände, d.h.:
 R1 
 
R ges = f ( R 1 , R 2 , R 3 ) = f (R ) mit R =  R 2 
 
 R3
Jede konkrete Ausprägung der 3 Einzelwiderstände bildet also einen Vektor im 3-
dimensionalen Raum. Die Koordinaten dieser Widerstandsvektoren sind dabei keine Längen,
wie im Ortsraum, sondern eben Widerstände. Ansonsten verhalten sich diese
Widerstandsvektoren mathematisch genau wie Ortsvektoren. Da Widerstandsnetze aus
beliebig vielen Komponenten bestehen können, ist klar, daß in solchen Fällen Vektoren mit
beliebig vielen Komponenten auftreten können. Ein anderes Beispiel ist der Gewinn eines
Unternehmens, der vom Umsatz sämtlicher Produkte, die das Unternehmen vermarktet,
abhängig ist. Die Umsatzzahlen aller Produkte des letzten Monats bilden dabei einen Vektor
im Raum der monatlichen Umsätze. Es macht also mathematisch durchaus Sinn, sich mit
Vektoren mit beliebig vielen Komponenten zu beschäftigen, auch wenn unsere Anschauung
auf 3-dimensionale Räume beschränkt ist. Wir werden also zunächst den Begriff des n-
n
dimensionalen Raumes R einführen und anschließend Abbildungen, d.h. Funktionen auf
diesem Raum untersuchen. Erinnern wir uns zunächst noch einmal an das Mengenprodukt
(Definiton 1.7): Das Mengenprodukt A × B ist die Menge aller geordneten Paare mit
a ∈ A und b ∈ B . Also ist das Mengenprodukt R × R die Menge aller geordneten Paare aus
zwei reellen Zahlen. Dies sind aber gerade die Vektoren mit zwei Komponenten.
Entsprechend liefert das n-fache Mengenprodukt R 1×4
4 ×4
R2...×
43R = R n gerade die Vektoren mit
n
n-Komponenten. Dies führt uns auf die Definition des n-dimensionalen Vektorraums:

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9.1 Definition: n-dimensionaler Raum


n n
Jedes Element der Menge R wird als Punkt eines n-dimensionalen Vektorraumes R
bezeichnet. In der Regel wird ein solcher Punkt durch den Vektor x bezeichnet.

n
Funktionen im R werden im allgemeinen auf sogenannten Gebieten definiert. Wir benötigen
also den Begriff des Gebietes:

9.2 Definition: Gebiet


n
Ein Gebiet ist eine offene und zusammenhängende Teilmenge des R

Beispiele:
1
1. Ein offenes Intervall (a,b) ist ein Gebiet des R =R
2. Ein offener Quader {x ∈ R n
|(a 1 < x1 < b1 ) ∧ (a 2 < x 2 < b 2 )∧...∧(a n < x n < b n ) ist ein }
n
Gebiet des R

9.3 Definition: Funktion


n
Ist jedem Punkt eines Gebietes des R eindeutig ein Wert y ∈ R zugeordnet, so ist y eine
 x1 
 . 
Funktion der Koordinaten x1,x2,..,xn (bzw. des Vektors x =   ) und man schreibt:
 . 
 xn 
y = f ( x1 , x 2 ,..., x n )

Beispiel:
Die Temperatur auf der Erde ist eine Funktion der Längen- und Breitenkoordinate sowie der
Höhe über dem Erdboden.

Bei Funktionen mit nur zwei unabhängigen Veränderlichen wird häufig z = f(x,y)
geschrieben. In diesem Fall lassen sich die Funktionen auch noch graphisch darstellen.

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z = e−01. x −04
2 2
.y

0.8
z
0.6
0.4
0.2
0

-5 5
-4 4
-3 3
-2 2
-1 1
0 0
1 -1
x 2 -2 y
3 -3
4 -4

Weitere Möglichkeiten bestehen in der Darstellung als Höhenlinien:

Höhenlinien der Funktion


z = e −0.1x − 0.4 y 2
2
0.832
0.666
0.499
10 0.333
0.166

0 y

-5

-10
-10 -5 0 5 10

oder als Kennlinienfeld:


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y=0
0.9
−0.1x2 − 0.4 y 2
z=e y = 0.5
0.8 für y = 0,0.5,1 y=1
0.7

0.6

0.5

0.4

0.3

0.2

0.1

-10 -5 0 5 10

Für Funktionen mehrerer Veränderlicher lassen sich nun die Begriffe Grenzwert, Stetigkeit,
Ableitung etc. in ähnlicher Weise einführen wie für Funktionen einer Veränderlicher. Die
Begriffe werden häufig darauf zurückgeführt, daß man jeweils n-1 Koordinaten festhält und
dann die Abhängigkeit nur von der verbleibenden Koordinate untersucht. Beim Begriff des
Grenzwertes einer Funktion liefert dies jedoch nur notwendige, aber nicht hinreichende
Kriterien.

9.4 Definition: Grenzwert


Eine Funktion hat an einer Stelle x0 = (x01,x02,...,x0n) einen Grenzwert g, wenn für jede Folge
von Vektoren (xn) mit lim x n = x 0 stets lim f (x n ) = g gilt. Insbesondere darf es nicht darauf
n→∞ n→∞

ankommen, auf welchem Wege man sich dem Punkt x0 nähert.

9.5 Satz
Notwendig, jedoch nicht hinreichend für die Existenz eines Grenzwertes einer Funktion f(x)
ist, daß alle nacheinander gebildeten partiellen Grenzwerte unabhängig von der Reihenfolge
gleich sind. Dabei spricht man von einem partiellen Grenzwert, wenn nur eine Koordinate xi
gegen x0i konvergiert und alle anderen Koordinaten konstant gehalten werden.

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Beispiele:
x2 − y2
1. Hat die Funktion z = im Punkt (0,0) einen Grenzwert?
x2 + y2
 x2 − y2  x2
lim  lim 2  = lim =1
x→0 y→0 x + y 2  x→ 0 x 2

 x2 − y2  −y 2
lim  lim  = lim 2 = −1
y→0 x→0 x 2 + y 2  y→ 0 y

Der erste Grenzwert entspricht einer Annäherung an den Punkt (0,0) entlang der x-, der
zweite entlang der y-Achse. Das seltsame Verhalten der Funktion kommt auch im
Höhenlinienplot zum Ausdruck:

x2 − y2
z= 0.714
x2 + y2 0.429
0.143
10 -0.143
-0.428
-0.714
5

0 y

-5

-10
-10 -5 0 5 10
x

2xy
2. Für die Funktion z = existieren beide partiellen Grenzwerte und sind gleich Null.
x + y2 2

dennoch besitzt die Funktion im Punkt (0,0) keinen Grenzwert, denn bei Annäherung
entlang der 45°-Linie, d.h. y=x folgt für den Grenzwert:
2 xx
lim 2 = 1. Auch hier schneiden sich die Höhenlinien im Punkt (0,0):
x→ 0 x + x 2

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2 xy ((2*x*y)/(x*x+y*y))
z= 0.714
x2 + y2 0.429
0.143
10 -0.143
-0.429
-0.714
5

0 y

-5

-10
-10 -5 0 5 10

9.6 Definition: Stetigkeit


Eine Funktion f(x) ist im Punkt x0 stetig, wenn
1. sie an dieser Stelle definiert ist und
2. an dieser Stelle einen Grenzwert besitzt und
3. der Funktionswert mit dem Grenzwert übereinstimmt.

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9.2 Partielle Ableitungen

Wie schon bei Funktionen einer Veränderlichen liefert der Begriff der Ableitung auch bei
Funktionen mehrerer Veränderlichen den Schlüssel zur Analyse von Zusammenhängen. Die
Ableitung einer Funktion mehrerer Veränderlicher wird mittels partieller Ableitungen auf den
Fall eindimensionaler Funktionen zurückgeführt. Betrachten wir die Situation zunächst bei
Funktionen zweier Veränderlicher (Skizze).

y = const

x = const

x (x0,y0)

Im Punkt (x0,y0) sind die Schnittebenen x = const und y = const eingezeichnet. Innerhalb der
jeweiligen Schnittebene liegt dann nur noch eine Funktion z = f(x) (für y = const) bzw. z =
g(y) (für x = const) vor. Insbesondere bereitet die Bildung der Ableitung in diesen Fällen
keine Schwierigkeiten. Dies führt uns zum Begriff der partiellen Ableitung.

9.7 Definition: Partielle Ableitung


Die partielle Ableitung 1. Ordnung der Funktion

y = f ( x1 , x 2 ,..., x n )
nach der Variablen xi ist durch den folgenden Grenzwert definiert:
∂y f ( x , x ,..., x i −1 , x i + h, x i +1 ,..., x n ) − f ( x1 , x 2 ,..., x i −1 , x i , x i +1 ,..., x n )
(x) = lim 1 2
∂x i h→ 0 h

Umgangssprachlich bedeutet dieser Grenzwert: Betrachte alle Variablen mit Ausnahme von xi
als feste Parameter und bilde die übliche Ableitung nach der Variablen xi.

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Beispiel:
e x3
1.) y = x 12 x 2 ln x 3 + x 1 sin x 2 +
x1
∂y 1 e x3
= 2 x 1x 2 ln x 3 + sin x 2 − 2
∂x 1 2 x1 x1
∂y
= x12 ln x 3 + x1 cos x 2
∂x 2
∂y 1 e x3
= x12 x 2 +
∂x 3 x 3 x1

2. Die Zustandsgleichung eines idealen Gases lautet:


RT
p( V, T) =
V
∂p RT
=− 2
∂V V
∂p R
=
∂T V
d.h. bei Volumenvergrößerung sinkt der Druck (deshalb dehnt sich ein Luftballon beim
Aufblasen aus und reduziert damit den Innendruck), bei Temperaturerhöhung steigt der
Druck.

Wie diese Beispiele zeigen, sind die partiellen Ableitungen im allgemeinen selbst wieder
Funktionen sämtlicher, in der Ausgangsfunktion auftretender, Veränderlicher.

Sind alle partiellen Ableitungen stetig, so heißt die Funktion stetig differenzierbar.

9.8 Definition: Stetig differenzierbar


Ist eine Funktion an allen Stellen eines Gebietes G differenzierbar und sind die partiellen
Ableitungen stetig, so heißt die Funktion im Gebiet stetig differenzierbar.

Die besondere Bedeutung dieser Definition liegt darin, daß stetig differenzierbare Funktionen
in einer (kleinen) Umgebung eines Punktes durch den Funktionswert in diesem Punkt und
sämtliche partiellen Ableitungen angenähert (approximiert) werden können.
Wir haben in den Beispielen gesehen, daß die partiellen Ableitungen selbst wieder Funktionen
aller n Variablen sind. Damit lassen sich dann auch höhere Ableitungen bilden, in dem man
diese n Funktionen wieder nach allen n Variablen ableitet. Allgemein gibt es n Ableitungen
2 k
1. Ordnung, n Ableitungen 2. Ordnung, n Ableitungen k-ter Ordnung. Betrachten wir im
ersten Beispiel die sogenannten gemischten zweiten Ableitungen:

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∂  ∂y  ∂  1 e x3 
 =  2 x 1x 2 ln x 3 + sin x − 
∂x 2  ∂x1  ∂x 2  2
x12 
 2 x1
1
= 2 x1 ln x 3 + cos x 2
2 x1
∂  ∂y 
 =

∂x1  ∂x 2  ∂x1
(
x12 ln x 3 + x1 cos x 2 )
1
= 2 x1 ln x 3 + cos x 2
2 x1

Daß diese erstaunliche Übereinstimmung kein Zufall ist, besagt der Satz von Schwarz:

9.9 Satz Satz von Schwarz


Ist eine Funktion von mehreren Veränderlichen k-mal stetig differenzierbar, so sind die
gemischten Ableitungen k-ter Ordnung unabhängig von der Reihenfolge des Differenzierens.

Wie wir gerade gesehen haben, gilt für k = 2:

∂  ∂y  ∂2 y ∂2y ∂  ∂y 
  = = =  
∂x i  ∂x j  ∂x i ∂x j ∂x j ∂x i ∂x j  ∂x i 

Beispiel:
2y
u= tan z
x
∂u −2 y ∂u 2 y 1
= 2 tan z =
∂x x ∂z x cos 2 z
∂  ∂u  −2 ∂  ∂u  2 1
 = tan z  =
∂y  ∂x  x 2 ∂y  ∂z  x cos2 z
∂  ∂ 2 u  −2 1 ∂  ∂ 2 u  −2 1
 =  =
∂z  ∂y∂x  x 2 cos2 z ∂x  ∂y∂z  x 2 cos 2 z

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9.3 Totales Differential, Taylorformel

Zur Einführung des Begriffs „Totales Differential“ betrachten wir zunächst noch einmal die
Situation im eindimensionalen. Gegeben sei eine Funktion y = f(x) und wir untersuchen diese
Funktion in einer Umgebung des Punktes x0. Skizze:

dy ∆y

dx

x
x0

Am Punkt x0 ruft eine kleine Änderung der x-Koordinate um dx (d.h. von x0 auf x0 + dx)
einen Funktionszuwachs ∆y hervor:

∆y = f ( x 0 + dx) − f ( x 0 )

Dieser Zuwachs kann näherungsweise durch das Differential dy abgeschätzt werden:

dy = f ' ( x 0 )dx

Es gilt i.a.: ∆y ≠ dy , aber ∆y ≈ dy wenn dx hinreichend klein. D.h in einer hinreichend


kleinen Umgebung um den Punkt x0 können Funktionsänderungen mittels des Differentials
angenähert werden. Dies wollen wir nun auf Funktionen mehrerer Veränderlicher übertragen.
Die Rolle der Tangente im Punkt (x0, y0) übernimmt dabei die Tangentialebene:

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z = f(x,y)

z
∆z
dz
P0

dx dy
0

Es gilt:
∆z = f ( x 0 + dx, y 0 + dy) − f ( x 0 , y 0 ) Zuwachs der Funktion
∂f ∂f
dz =
∂x ∂y
( )
( x 0 , y 0 )dx + x 0, y 0 dy Zuwachs der Tangentialebene
Falls dx, dy hinreichend klein gilt: dz ≈ ∆z

9.10 Definition: totales Differential


Das totale Differential einer Funktion z = f(x,y) im Punkt (x0,y0) ist definiert durch:
∂f ∂f
dz =
∂x
( x 0 , y 0 )dx + x 0, y 0 dy
∂y
( )
Es gilt: dz ≈ ∆z wenn dx, dy hinreichend klein sind.
Die Tangentialebene im Punkt (x0,y0) ist gegeben durch:
∂f ∂f
z = z 0 + ( x 0 , y 0 )(x - x 0 ) +
∂x ∂y
x 0, y 0 (y - y 0 )( )

Zum Beweis setzt man die Tangentialebene in allgemeiner Form z = a + bx + cy an und führt
einen Koeffizientenvergleich durch.

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Bei Funktionen von n Variablen ergibt sich die folgende Definition:

9.11 Definition: totales Differential


Das totale Differential einer Funktion y = f ( x1 , x 2 ,..., x n ) wird definiert durch:
∂f ∂f ∂f
dy = dx 1 + dx 2 +...+ dx n
∂x 1 ∂x 2 ∂x n
dabei sind alle partiellen Ableitungen im betreffenden Punkt zu nehmen.
Es gilt auch hier: dy ≈ ∆y wenn dx1 , dx 2 ,..., dx n hinreichend klein sind.

Beispiele:
1) z = 2 x + y 2 x = 3, y = 5, dx = 0.3, dy = 0.2
z1 = f ( x, y) = f (3,5) = 31
z 2 = f ( x + dx, y + dy) = f (3.3 , 5.2) = 33.64
∆z = 2.64
dz = 2dx + 2 ydy = 2 ⋅ 0.3 + 2 ⋅ 5 ⋅ 0.2 = 2.6
also gilt tatsächlich: ∆z ≈ dz

2) z = x ⋅ y y
∆z = ( x + dx)( y + dy) − xy xdy dxdy
= ydx + xdy + dxdy
dz = ydx + xdy y
ydx
dz = ∆z bis auf Terme 2. Ordnung xy

x
x

RT
3) Ein ideales Gas genügt der Zustandsgleichung p( V, T) = (für 1 Mol). Das totale
V
Differential dieser Funktion lautet somit:

∂p ∂p RT R
dp = dV + dT = − 2 dV + dT
∂V ∂T V V

und gibt näherungsweise die Änderung des Drucks bei kleinen Volumen- und
Temperaturänderungen wieder.

Aus dem totalen Differential folgt unmittelbar:


n
∂f
f ( x + h ) ≈ f ( x) + ∑ (x) h i
i =1 ∂x i

Genauer gilt:

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9.12 Satz von Taylor


n
∂f 1 n n ∂2f
f ( x + h ) = f ( x) + ∑ ( x) h i + ∑ ∑ (x) h i h j +...
i =1 ∂x i 2 ! i =1 j=1 ∂x i ∂x j
dabei treten im k-ten Term k-fache Summen über sämtliche gemischte partielle Ableitungen
der Ordnung k auf.

In der Praxis beschränkt man sich auf k = 1 oder k = 2.

Für k = 2 folgt aus dem 2. Beispiel von oben:


∂z ∂z ∂2 z ∂2z ∂2 z ∂2 z
z = xy , =y, =x, =0, =1= , =0
∂x ∂y ∂x∂x ∂x∂y ∂y∂x ∂y∂y
Damit ergibt sich nach dem Taylorschen Satz
∂z ∂z 1  ∂2 z ∂2 z ∂2 z ∂2 z 
z( x + dx, y + dy) ≈ z( x, y) + dx + dy +  dxdx + dxdy + dydx + dydy
∂x ∂y 2  ∂x∂x ∂x∂y ∂y∂x ∂y∂y 
1
= z + ydx + xdy + (0 + dxdy + dydx + 0) = z + ydx + xdy + dxdy = xy + ydx + xdy + dxdy
2
= ( x + dx)( y + dy)
d.h. es ergibt sich in diesem Fall der korrekte Wert.

9.4 Fehlerrechnung

Eine typische Anwendung des totalen Differentials ist die Fehlerrechnung. Es sei eine Größe y
gegeben, die nicht direkt meßbar ist (z.B. Ohmscher Widerstand). Die Größe sei aber aus den
n meßbaren Größen x1, x2,..., xn berechenbar:
y = f ( x1 , x 2 ,..., x n )

Wie wirken sich nun die Meßfehler ∆x1 , ∆x 2 ,.., ∆x n (die i.a. nur betragsmäßig
näherungsweise bekannt sind, z.B. ∆x1 ≈ ±1V ) auf den Fehler ∆y aus ? Mit Hilfe des totalen
Differentials folgt:

∂f ∂f ∂f
∆y ≈ dy = dx 1 + dx 2 +...+ dx n
∂x 1 ∂x 2 ∂x n

dx1 = ± ∆x1 ,..., dx n = ± ∆x n Vorzeichen sind nicht bekannt.

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Mit den geschätzten Fehlern ∆x i ergibt sich der absolute Maximalfehler:

 ∂f ∂f ∂f 
∆y max = ± ∆x1 + ∆x 2 +...+ ∆x n 
 ∂x 1 ∂x 2 ∂x n 

∆y max
häufiger ist man am relativen Fehler interessiert: ∆y r =
y

Als Beispiel untersuchen wir die Situation bei der Wheatstoneschen Brückenschaltung:

Wheatstonesche Brückenschaltung

Rx R

0 1000

Zur Bestimmung des unbekannten Widerstands Rx wird der bekannte Referenzwiderstand R


verwendet. In der Mitte der Brücke befindet sich ein Widerstandsdraht (z.B. der Länge
1000mm) mit konstantem Querschnitt. Entlang dieses Drahtes wird der Kontakt so
verschoben (auf die Position x), daß durch das Galvanometer kein Strom mehr fließt („Brücke
abgeglichen“). Im Fall der abgeglichenen Brücke verhalten sich die Widerstände wie die
Streckenabschnitte entlang des Drahtes, d.h.:

x
Rx = R
1000 − x

Für den Meßfehler folgt:

 ∂R x ∂R x 
∆R x = ± ∆R + ∆x 
 ∂R ∂x 
 x 1000 − x − x( −1) 
= ± ∆R + R ∆x
 1000 − x ( − ) 2 
 1000 x 

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Für den relativen Fehler folgt:

∆R x  ∆R 1000 
= ± + ∆x 
Rx  R x(1000 − x) 

∆R 1
Nun ist ≈ 1000 als Toleranz des Referenzwiderstands. Der zweite Fehlerterm läßt sich
R
jedoch durch geschickte Wahl des Referenzwiderstands beeinflußen. Der zweite Term wird
minimal, wenn der Nenner (d.h. x(1000-x)) maximal wird. Dies ist bei x = 500 der Fall. Ein
Abgleich der Brücke bei x = 500 bedeutet: R = Rx , d.h. der Referenzwiderstand ist möglichst
passend zu wählen. Um das zu können, muß man jedoch schon eine Vorstellung von der
Größe des gesuchten Widerstands Rx haben, d.h. „je mehr ich über das Problem bereits weiß,
desto genauer kann ich die Messung durchführen“.

9.5 Implizite Funktionen

Bisher hatten wir Funktionen einer Veränderlicher immer in der Form y = f ( x) (explizite
Form) kennengelernt. Es tritt jedoch auch der Fall auf, daß die gesuchte Funktion nur implizit
durch eine Gleichung der Form F( x, y) = 0 gegeben ist. Beispiel:
F1 ( x, y) = x 2 − 2 y + 5 = 0
In diesem einfachen Beispiel kann die Funktion y sofort durch Auflösen der impliziten Form
nach y in die explizite Form überführt werden:
y = 0.5( x 2 + 5)
Bei Funktionen in impliziter Form ist auch nicht von vornherein klar, ob durch den Ausdruck
eine oder mehrere Funktionen gegeben sind. Beispiel:
F2 ( x, y) = x 2 + y 2 − 1 = 0
In diesem Fall gelingt die explizite Auflösung. Es folgt:
y = ± 1 − x2
Es sind also 2 Funktionen gegeben.
In vielen Fällen ist die Auflösung nach y nicht oder nur mit sehr hohem Aufwand möglich.
Beispiele:
F3 ( x, y) = x 5 − 4x 3 y − 8x 2 y 2 − 9 y 5 − 23 = 0
F4 ( x, y) = 3 cos x − 2xy − 6 sin y = 0
Die Berechnung einzelner Funktionswerte muß nach Vorgabe eines x-Wertes im allgemeinen
durch ein Näherungsverfahren (z.B. Newtonverfahren) erfolgen. Im Fall der Gleichung
F3 ( x, y) = 0 ergeben sich die Funktionswerte y für x = 1 aus der Gleichung:
1 − 4 y − 8y 2 − 9 y 5 − 23 = 0
die als Gleichung 5. Grades bekanntlich nicht direkt lösbar ist und bis zu 5 reelle Lösungen
besitzen kann.

Obwohl also die Berechnung von Funktionswerten impliziter Funktionen schwierig sein kann,
lassen sich mit Hilfe des totalen Differentials jedoch verhältnismäßig leicht die Ableitungen

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der Funktion y(x) an einem Punkt (x0,y0) berechnen. Es sei also die Funktion y(x) durch eine
implizite Gleichung der Form F( x, y( x)) = 0 gegeben, und es gelte F( x 0 , y 0 ) = 0 . Wir
interpretieren den Ausdruck F(x,y) = 0 nun als Höhenlinie der Funktion z = F( x, y) zum
Höhenlinienwert 0. Entlang der Höhenlinie gilt stets z = 0 (Definition der Höhenlinie). Also
gilt auch für das totale Differential dz entlang der Höhenlinie dz = 0. Daraus folgt:

∂F ∂F
dz = dx + dy = 0
∂x ∂y
∂F ∂F
dy = − dx
∂y ∂x

dy
Lösen wir nun formal nach = y' auf, so folgt:
dx

∂F
= − ∂x
dy
y' =
dx ∂F
∂y

9.13 Satz Implizite Differentiation


Der Anstieg y’ einer in der impliziten Form F( x, y) = 0 gegebenen Funktion y in einem Punkt
( x 0 , y 0 ) mit F( x 0 , y 0 ) = 0 ergibt sich aus:

∂F
(x0 , y0 )
( x 0 ) = − ∂x
dy
y' ( x 0 ) =
dx ∂F
(x0 , y0 )
∂y

Bemerkung: Die implizite Differentiation läßt sich zur näherungsweisen Berechnung des
Funktionsverlaufs einsetzen. Ausgehend von einem 1. Startwert erhält man eine
Differentialgleichung für den Funktionsverlauf.

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y
F(x,y)=1
(x1,y1)

F(x,y) = 0

(x0,y0)

Obwohl der entlang der Tangente an die Kurve F(x,y) = 0, d.h. an die Funktion y(x),
bestimmte Punkt (x1,y1) nicht mehr exakt auf der Kurve liegt, läßt er sich i.a. als guter
Startwert für ein Berechnungsverfahren verwenden.

Beispiel: Welche Steigungen besitzt die implizit durch 2 y 3 + 6x 3 − 24 x + 6y = 0 gegebene


Funktion in ihren Nullstellen:
1. Bestimmung der Nullstellen, d.h. y = 0:
6x 3 − 24 x = 0 ⇒ 6x( x 2 − 4) = 0 ⇒ x 1 = 0, x 2 = 2, x 3 = −2

2. Berechnung der Ableitungen:

∂F
(0,0)
∂x 18x 2 − 24
y' ( x 1 ) = − =− (0,0) = 4
∂F 6 y 2
+ 6
(0,0)
∂y

∂F
(2,0)
18x 2 − 24
y' ( x 2 ) = − ∂x =− (2,0) = −8
∂F 6 y 2
+ 6
(2,0)
∂y

∂F
( −2,0)
∂x 18x 2 − 24
y' ( x 3 ) = − =− ( −2,0) = −8
∂F 6 y 2
+ 6
( −2,0)
∂y

∂F
( x, y)
18x 2 − 24
allgemein: y' ( x) = − ∂x =− Differentialgleichung für den
∂F 6( y( x)) + 6
2
( x, y)
∂y
Funktionsverlauf.

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9.6 Lokale Extremwerte

Analog zur Situation bei Funktionen einer Veränderlicher, lassen sich auch bei Funktionen
mehrerer Veränderlicher die Begriffe lokales Minimum oder Maximum definieren.
Notwendige Bedingungen ergeben sich aus den partiellen Ableitungen.

9.14 Definition: relatives Minimum, relatives Maximum


Eine Funktion y = f ( x 1 , x 2 ,.., x n ) besitzt im Punkt x 0 = ( x 01 , x 02 ,..., x 0n ) ein relatives
Minimum, wenn in einer Umgebung von x0 stets:
f ( x1 ,..., x n ) > f ( x 01 ,..., x 0n ) für alle x ≠ x 0
gilt.
Ein relatives Maximum liegt vor, falls in einer Umgebung stets:
f ( x1 ,..., x n ) < f ( x 01 ,..., x 0n ) für alle x ≠ x 0 gilt.

Ein Kriterium für das Vorliegen von Extremwerten liefert der nächste Satz:

9.15 Satz
Eine notwendige, aber im allgemeinen nicht hinreichende Bedingung für einen Extremwert
einer Funktion mehrerer Veränderlicher ist, daß sämtliche partiellen Ableitungen 1. Ordnung
an der betreffenden Stelle zu Null werden.

Bemerkungen:
1. Bei zwei Veränderlichen folgt der Satz aus der Forderung, daß ein Extremwert eine
waagerechte Tangentialebene haben muß.
2. Die Angabe hinreichender Kriterien ist bei mehr als zwei Variablen schwierig. Für zwei
Variablen erhält man als hinreichendes Kriterium:

9.16 Satz
Eine Funktion z = f ( x, y) besitzt an der Stelle (x0,y0) mit Sicherheit einen relativen
Extremwert, wenn die folgenden Bedingungen zugleich erfüllt sind:
∂f ∂f
1. ( x 0 , y 0 ) = 0 und ( x 0 , y 0 ) = 0 notwendige Bedingung
∂x ∂y

2
∂2 f ∂2 f  ∂2 f 
2. ∆: = −  >0
∂x∂x ∂y∂y  ∂x∂y 

∂2 f ∂2 f
Im Fall < 0 liegt ein relatives Maximum, im Fall> 0 ein Minimum vor.
( )
∂x
2
( )
∂x
2

Ist die Diskriminante ∆ < 0 so liegt kein Extremwert, sondern ein Sattelpunkt vor.

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Beispiele:
1. Wir bestimmen die Extremwerte der Funktion z = 3xy − x 3 − y 3 :
∂z ∂z
= 3y − 3x 2 = 3x − 3y 2
∂x ∂y
∂2 z ∂2 z ∂2 z
= − 6x =3 = − 6y
∂x∂x ∂x∂y ∂y∂y

Aus der Forderung, daß die ersten Ableitungen an Extremstellen verschwinden, folgt das
Gleichungssystem:

y − x2 = 0
x − y2 = 0

Löst man die erste Gleichung nach y auf und setzt in die zweite ein, ergibt sich:
x − x 4 = x(1 − x 3 ) = 0 .
mit den Lösungen: x 1 = 0 x 2 = 1 . Die entsprechenden y-Werte sind y1 = 0 y 2 = 1 .
Mittels der Diskriminante prüfen wir nun, ob auch das hinreichende Kriterium erfüllt ist:
Punkt (x1,y1) = (0,0):

∂2 z ∂2 z
(0,0) = (0,0) = 0
(∂x) 2 (∂y) 2
∂2 z
(0,0) = 3
∂x∂y
⇒ ∆ = 0 ⋅ 0 − 32 = −9 kein Extremwert

Punkt (x2,y2) = (1,1):

∂2 z ∂2 z
,)=
(11 , ) = −6
(11
(∂x) 2 (∂y) 2
∂2 z
,)=3
(11
∂x∂y
⇒ ∆ = ( −6) ⋅ ( −6) − 32 = 27 > 0 Extremwert
∂2 z
, ) = −6 < 0
(11 Relatives Maximum
(∂x) 2

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2. Gegeben sind n Punkte im dreidimensionalen Raum mit den Koordinaten Pi = ( x i , y i , z i ) .


Man bestimme den Punkt P = ( x, y, z) , für den die Summe der Quadrate der Abstände zu den
gegebenen Punkten minimal ist. Der Abstand a zweier Punkte P1 und P2 ist bekanntlich:
a = ( x1 − x 2 ) 2 + ( y1 − y 2 ) 2 + ( z1 − z 2 ) 2

Daraus folgt für die zu minimierende Funktion:

[ ]
n
u = ∑ ( x i − x) 2 + ( y i − y) 2 + ( z i − z) 2
i =1

Die partiellen Ableitungen sind:

∂u n n
= −2∑ ( x i − x) = −2∑ x i + 2 nx
∂x i =1 i =1
∂u n n
= −2∑ ( y i − y) = −2∑ y i + 2 ny
∂y i =1 i =1
∂u n n
= −2∑ ( z i − z) = −2∑ z i + 2 nz
∂z i =1 i =1

Aus der Forderung, daß alle partiellen Ableitungen zu Null werden, ergibt sich die Lösung:

1 n 1 n 1 n
x= ∑ xi y= ∑ yi z= ∑ zi
n i=1 n i=1 n i=1

d.h. der Punkt ergibt sich, in dem man in der x-, der y- und der z-Koordinate einzeln den
Mittelwert nimmt. Der Punkt wird wohl auch ein Minimum darstellen, da er zwischen den
anderen Punkten liegt.

3. Gegeben sind n Meßpunkte (xi,yi), die eigentlich auf einer Geraden liegen sollten, aber auf
Grund von Meßfehlern etwas streuen. Gesucht sind nun die Koeffizienten a0 und a1 der
Ausgleichsgeraden, d.h. der Geraden für die die Summe der quadratischen Abweichungen
minimal wird:

Ausgleichsgerade: y = a 0 + a 1 x
Abweichung der Ausgleichsgeraden beim i-ten Datenpunkt: d i = a 0 + a 1 x i − y i
n n
= ∑ (a 0 + a 1 x i − y i )
2
Zu minimierende Funktion: Z(a 0 , a 1 ) = ∑ d 2i
i =1 i =1

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Wir setzen die partiellen Ableitungen gleich Null:

∂Z n
= 2∑ (a 0 + a 1 x i − y i ) =0
∂a 0 i =1

∂Z n
= 2∑ ( a 0 + a 1 x i − y i ) x i = 0
∂a 1 i =1

Es ergibt sich ein lineares Gleichungsystem von zwei Gleichungen für die beiden
Unbekannten a0 und a1:

n n
na 0 + a 1 ∑ x i = ∑ y i
i =1 i =1
n n n
a 0 ∑ x i + a 1 ∑ x 2i = ∑ x i y i
i =1 i =1 i =1

Als Lösung folgt:

∑ x i2 ∑ y i − ∑ x i ∑ x i y i
a0 =
n∑ x i2 − (∑ x i )
2

n∑ x i y i − ∑ x i ∑ y i
a1 =
(∑ x i )
2
n∑ x 2i −

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10. Mehrfachintegrale
In Kapitel 6 hatten wir die Integration von Funktionen einer unabhängigen Variablen
diskutiert. In diesem Kapitel werden wir uns mit dem Begriff des Integrals bei Funktionen
mehrerer Veränderlicher (insbesondere zwei oder drei Veränderliche) beschäftigen. Derartige
Integrale treten u.a. bei den folgenden Anwendungen auf:
• Flächeninhalt
• Schwerpunkte und Flächenmomente
• Volumen, Masse und Schwerpunkt von Körpern
• Massenträgheitsmomente

10.1 Doppelintegrale
Wir stellen uns die Aufgabe, daß Volumen des folgenden zylindrischen Körpers zu
berechnen:

Fläche z = f(x,y)

Säule
Zylinder
y

Grundfläche A

Zunächst zerlegt man die Grundfläche A in n Teilbereiche mit den Flächeninhalten


∆A 1 , ∆A 2 ,... ∆A n . Über jedem solchen Flächenelement ∆A k errichtet man dann eine Säule
der Höhe z k = f ( x k , y k ) wobei der Punkt (xk,yk) als Mittelpunkt des Flächenelementes
∆A k definiert ist. Das Volumen einer Säule ist dann ∆Vk ≈ z k ∆A k = f ( x k , y k ) ∆A k . Das
Gesamtvolumen des Körpers erhalten wir näherungsweise durch Aufsummieren über alle
Säulen:
n n
V= ∑ ∆Vk ≈ ∑ f ( x k , y k )∆A k
k =1 k =1

Die Genauigkeit der Volumenberechnung läßt sich beliebig verbessern, wenn wir die
Grundflächen der Säulen gegen Null streben lassen und damit die Anzahl der Säulen gegen
unendlich. Falls sich dabei ein Grenzwert ergibt, wird dieser als 2-dimensionales
Bereichsintegral von f(x,y) über der Grundfläche A bzw. als Doppelintegral von f über A
bezeichnet. Im Fall f ( x, y) ≥ 0 liefert dieser Grenzwert gerade das gesuchte Volumen:

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10.1 Definition: Doppelintegral

Falls der Grenzwert


n
lim
n→∞
∑ f ( x k , y k )∆A k
( ∆A k →0) k =1
existiert, wird er als Doppelintegral bezeichnet und durch das Symbol
∫∫ f ( x, y)dA gekennzeichnet.
( A)
Dabei heißen:
f(x,y): Integrand
dA: Flächenelement
(A): Integrationsbereich
x,y: Integrationsvariable

Zur Berechnung des Doppelintegrals untersuchen wir die Grundfläche bzw. den Integrations-
bereich nun genauer:

y o = f o ( x)

dA
dy
dx

y u = f u ( x)
x
a b
x

Für das Flächenelement dA gilt: dA = dx dy . Für die darüberliegende Säule ergibt sich
dV = z dA = f ( x, y) dx dy . Betrachten wir nun bei festgehaltenem Wert x alle
Flächenelemente in y-Richtung zwischen den beiden Begrenzungskurven f u ( x) und f o ( x)
und summieren die zugehörigen Säulenvolumina auf, so ergibt sich das Gesamtvolumen einer
unendlich dünnen Scheibe der Dicke dx:

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 y = fo ( x ) 
dVScheibe =  ∫ f ( x, y)dy dx
 
 y= fu ( x) 

Dabei tritt x bei der Integration nur als Parameter auf, d.h. x kann während der Ausführung
dieser Integration als Konstante angesehen werden. Die Integrationsgrenzen hängen jedoch
von x ab, das Ergebnis der Integration ist eine von x abhängige Funktion (multipliziert mit der
Scheibendicke dx). Summieren wir nun anschließend über alle Scheiben, so ergibt sich das
Gesamtvolumen:

10.2 Satz Berechnung des Doppelintegrals

Der Wert des Doppelintegrals ∫∫ f ( x, y)dA läßt sich durch zwei nacheinander auszuführende
(A )
gewöhnliche Integrationen bestimmen:

b fo ( x )

∫∫ f ( x, y)dA = ∫ ∫ f ( x, y) dy dx
(A ) x = a y= fu ( x)
Dabei wird von innen nach außen integriert, d.h. erst bezüglich der Variablen y und dann
bezüglich der Variablen x.
Bei einem Doppelintegral vom Typ
b g2 ( y)

∫ ∫ f ( x, y) dx dy
y = a x = g1 ( y)
wird zuerst über x und anschließend über y integriert.

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Beispiele:
1 π4 1 y= π 4
1 
1) ∫ ∫ x ⋅ cos(2 y) dy dx = ∫ x ⋅  sin(2 y)  dx
x=0 y=0 x=0
 2  y = 0
1 1
1 1 2  1
= ∫ x ⋅  dx =  4 x  = 4
x=0
2  0
Da das Doppelintegral konstante Grenzen hat, kann hier die Reihenfolge der Integrationen
vertauscht werden:

π4 1 π4 1 π4 π4
1 2  1 1  1
∫ ∫ x ⋅ cos(2y) dx dy = ∫  2 x ⋅ cos(2y) dy = ∫ 2 cos(2y)dy =  4 sin(2y) =
4
y=0 x =0 y=0 y=0 0 0

Gebiet:
y

π
4

x
1

x*cos(2*y)

0.5

-0.5
0.1 0.7
0.2 0.6
0.3
0.4 0.5
0.5 0.4
x 0.6 0.3
0.7 0.2
0.8 y
0.9 0.1
0

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( )
1 x 1 x 1 1
1  1 1 1 1  1
2) ∫ ∫ xy dy dx = ∫  xy 2  dx = ∫ x 2 − x 3 dx =  x 3 − x 4  =
x=0 y = x x=0
2  y= x 2 x=0 2 3 4  0 24

Gebiet:
y

y = x = f o ( x)
1

y = x = f u ( x)

x
1

. 5y 15
.

∫ y ⋅[ ] ∫ y ⋅[e ]
15 15
.
5y
15
.
 e 5y e 
3) ∫ ∫ y ⋅ e dx dy =
x
e x dy = 5y
− e dy =  (5y − 1) − y 2  = 467.07
y = 0 x =1 y=0
1
y=0  25 2 
0

Gebiet:
y

x = 5y

1.5

1 x

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10.2 Doppelintegrale in Polarkoordinaten

Häufig vereinfachen sich die Berechnungen mehrfacher Integrale, wenn man anstelle
kartesischer Koordinaten „problemangepaßte“ Koordinaten verwendet. Die gängigsten
Koordinatensysteme sind (nach den kartesischen Koordinaten) bei zweidimensionalen
Problemen die Polarkoordinaten, bei dreidimensionalen Problemen Zylinder- und
Kugelkoordinaten. Zylinder- und Kugelkoordinaten bauen auf den Polarkoordinaten auf. Wir
führen nun zunächst die Polarkoordinaten ein:

r
y

ϕ
x x

Für die Koordinaten x, y des Punktes P gilt:


x = r cos ϕ , y = r sin ϕ (r ≥ 0 , 0 ≤ ϕ ≤ 2 π)
y
r 2 = x 2 + y 2 , tan ϕ =
x

Eine Funktion y = f(x) geht in Polarkoordinaten über in eine Funktion r = g(ϕ) .

Beispiele:
2
1) Mit Hilfe der Polarkoordinaten ergibt sich für die Funktion y = x :
sin ϕ
y = x 2 ⇒ r sin ϕ = r 2 cos2 ϕ ⇒ r =
cos2 ϕ

2) Für die Funktion y = 1 − x 2 folgt:


r sin ϕ = 1 − r 2 cos2 ϕ ⇒ r 2 sin 2 ϕ = 1 − r 2 cos2 ϕ ⇒ r 2 = 1 ⇒ r = 1
dabei ist der Winkel ϕ auf das Intervall [0, π] beschränkt (oberer Halbkreis).

Die Beispiele zeigen, daß sich insbesondere Funktionen, die etwas mit dem Kreis zu tun
haben, in Polarkoordinaten sehr einfach ausdrücken lassen.

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Beispiele einfacher Funktionen in Polarkoordinaten:


1) r = ϕ für ϕ ∈[0, 2π]

90
8
r=ϕ

180 0 0
8

8
270
2) r = sin ϕ und r = cos ϕ für ϕ ∈[0,2 π]

1
cos(ϕ)
0.8 sin(ϕ)

0.6

0.4

0.2

0.2

0.4

0.6

(Negative Werte von r werden in der Gegenrichtung eingetragen)

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Eine von zwei Variablen x und y abhängige Funktion z = f(x,y) geht bei Transformation von x
und y in Polarkoordinaten über in die von r und ϕ abhängige Funktion:
z = f ( r cos ϕ, r sin ϕ) = F( r , ϕ)

Wenn wir nun die Funktion z = F( r , ϕ) über einer Grundfläche A (einem Integrationsbereich,
einem Gebiet A) integrieren wollen, müssen wir uns zunächst klarmachen, wie wir das Gebiet
in Polarkoordinaten beschreiben und wie das Flächenelement in Polarkoordinaten aussieht.
Bei Integration in Polarkoordinaten hat das Integrationsgebiet typischerweise die folgende
Gestalt:

ϕ = ϕ2

r = ra(ϕ)

ϕ = ϕ1
r = ri(ϕ)

Das Integrationsgebiet wird von zwei Strahlen ϕ1 und ϕ2 sowie einer inneren Kurve ri(ϕ) und
einer äußeren Kurve ra(ϕ) begrenzt. Es läßt sich durch die Ungleichungen
ri (ϕ) ≤ r ≤ ra (ϕ) und ϕ 1 ≤ ϕ ≤ ϕ 2
beschreiben.
Das Flächenelement dA wird in Polarkoordinaten von zwei infinitesimal benachbarten
Kreisen mit den Radien r und r + dr und zwei infinitesimal benachbarten Strahlen mit den
Winkeln ϕ und ϕ + dϕ gebildet. Skizze:

ϕ + dϕ

ϕ
dA

r + dr
r

Die Länge des inneren Bogens beträgt r ⋅ dϕ , das gesamte Flächenelement hat die Fläche
dA = ( r dϕ ) dr = r dr dϕ

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Nun könnte man einwenden, daß der obere Bogen ja die Länge ( r + dr ) dϕ besitzt, und daß
damit für das Flächenelement dA gilt:
r dr dϕ ≤ dA ≤ ( r + dr ) dr dϕ
Wir dividieren diese Ungleichungen durch r dr dϕ und betrachten den Grenzwert
dr → 0 , dϕ → 0 . Es folgt:
 dA   ( r + dr ) dr dϕ 
1≤ lim  ≤ lim  
dr →0,dϕ→0 r dr dϕ  dr →0,dϕ→0 r dr dϕ 

Da der rechts stehende Ausdruck im Limes den Wert 1 liefert, ist das Flächenelement dA
tatsächlich durch dA = r dr dϕ gegeben.

10.3 Satz Doppelintegral in Polarkoordinaten

Beim Übergang von kartesischen Koordinaten zu Polarkoordinaten gelten die


Transformationsgleichungen
x = r cos ϕ, y = r sin ϕ, dA = r dr dϕ

Ein Doppelintegral ∫∫ f ( x, y) dA transformiert sich dabei wie folgt:


(A )

ϕ = ϕ 2 r = ra (ϕ )

∫∫ f ( x, y) dA = ∫ ∫ f ( r ⋅ cos ϕ, r ⋅ sin ϕ) ⋅ r dr dϕ
(A ) ϕ = ϕ1 r = ri ( ϕ )

d.h. es wird zuerst über r und anschließend über ϕ integriert.

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Beispiele:

1) Welchen Wert besitzt das Doppelintegral ∫∫ xy dA über den folgenden Integrationsbereich


(A )
(Achtelkreis):
y

π
ϕ=
4

r=2

ϕ=0

f ( x, y) = xy = r 2 ⋅ sin ϕ ⋅ cos ϕ
Grenzen in Polarkoordinaten: 0 ≤ r ≤ 2 und 0 ≤ ϕ ≤ π
4

Also gilt:
π
4 2

∫∫ xy dA = ∫ ∫ r ⋅ sin ϕ ⋅ cos ϕ dr dϕ
3

(A ) ϕ =0 r =0
π
4  2 3 
= ∫ sin ϕ ⋅ cos ϕ ∫ r ⋅ dr dϕ
ϕ =0  r =0 
π
4
= ∫ sin ϕ ⋅ cos ϕ ⋅ (4) dϕ
ϕ =0
π
1  4
= 4 ⋅  sin 2 ϕ 
2 0
1  2  2 
= 4⋅    = 1
2  2  
 

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2) Berechnung der durch die Kurve r = 1 + cos ϕ für 0 ≤ ϕ ≤ 2 π eingeschlossenen Fläche:


1.5
1+cos(ϕ)

0.5

0
0.5

0.5

1.5

Aus Symmetriegründen ist die Gesamtfläche A gleich dem Doppelten der Fläche, die sich für
0 ≤ ϕ ≤ π ergibt:
π r (ϕ ) π 1+ cos ϕ π 1+ cos ϕ π
r2 
∫ (1 + cos ϕ)
2
A = 2⋅ ∫ ∫ dA = 2 ⋅ ∫ ∫ r dr d ϕ = 2 ⋅ ∫ 2 dϕ = dϕ
ϕ =0 r =0 ϕ =0 r =0 ϕ =0  0 ϕ =0
π
= ∫ (1 + 2 cos ϕ + cos )
ϕ dϕ
2

ϕ =0

∫ cos ϕ dϕ ergibt sich analog zu Beispiel 3:


2
Für das unbestimmte Integral
1 1
∫ cos
2
ϕ dϕ =
ϕ + sin 2ϕ
2 4
Damit folgt für die gesuchte Fläche:

π π
A= ( 
) 1 1  3
∫ 1 + 2 cos ϕ + cos ϕ dϕ = ϕ + 2 sin ϕ + 2 ϕ + 4 sin 2ϕ 0 = 2 π
2

ϕ =0

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3) Man berechne die durch die Kurve zu r = sin ϕ ⋅ cos ϕ für 0 ≤ ϕ ≤ 2 π eingeschlossene
Fläche:

0.4
sin(ϕ)*cos(ϕ)
0.3

0.2

0.1

0
0.4
0.1

0.2

0.3

0.4

Aus Symmetriegründen ist die Gesamtfläche A gleich dem 4-fachen der Fläche, die sich für
π
0 ≤ ϕ ≤ ergibt:
2

π π π sin ϕ cos ϕ
2 r (ϕ) 2 sin ϕ cos ϕ r2 
2
A = 4⋅ ∫ ∫ dA = 4 ⋅ ∫ ∫ r dr d ϕ = 4 ⋅ ∫ 2 dϕ
ϕ =0 r =0 ϕ =0 r =0 ϕ =0  0
π π π
2
1 2 1 2
= 2 ⋅ ∫ (sin ϕ cos ϕ) dϕ = ⋅ ∫ (2 sin ϕ cos ϕ) dϕ = ⋅ ∫ (sin 2ϕ) dϕ
2 2 2

ϕ =0
2 ϕ =0 2 ϕ =0

∫ (sin z) dz :
2
Wir bestimmen zunächst eine Stammfunktion zu

∫ sin z dz = − sin z cos z + ∫ cos z dz = − sin z cos z + ∫ (1 − sin z) dz


2 2 2

⇒ 2 ∫ sin 2 z dz = − sin z cos z + ∫ dz


1 z 1 z
⇒ ∫ sin 2 z dz = − sin z cos z + = − sin 2 z +
2 2 4 2

Daraus folgt mit der Substitution z = 2ϕ für die gesuchte Fläche:

π π
π
2
π
(sin 2ϕ) dϕ = ⋅ ∫ sin 2 z dz = ⋅ − sin 2z +  = ≈ 0.3927
1 2 1 1 1 z
A= ⋅ ∫
2 0
4 0 4  4 2 8
0

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− x2
4) Trickreiche Bestimmung von ∫e dx .
−∞
Bekanntlich gibt die Normalverteilung die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten bestimmter
Werte in Abhängigkeit ihres Abstands vom Mittelwert wieder. Dazu muß die

Normalverteilung so normiert werden, daß gilt: ∫ N( x)dx = 1 , denn die
−∞
Gesamtwahrscheinlichkeit für das Auftreten irgendeines Wertes muß natürlich gleich 1 sein.

− x2
dx benötigt. Für die Funktion e − x läßt
2
Für diese Normierung wird gerade das Integral ∫e
−∞
sich jedoch keine Stammfunktion in geschlossener Form angeben. Dennoch läßt sich das
bestimmte Integral berechnen:

2
 ∞ − x2   ∞ − x 2   ∞ − y2   ∞ − x2  ∞ − y2   ∞ ∞ − x2 − y 2
I =  ∫ e dx =  ∫ e dx  ∫ e dy =  ∫ e  ∫ e dy dx = ∫ ∫ e e
2   dx dy
 −∞   −∞   −∞   −∞  −∞   −∞ −∞
∞ ∞
− ( x 2 + y2 )
= ∫ ∫e dx dy
−∞ −∞

Das letzte Integral erstreckt sich über alle möglichen Punkte (x,y). Dieses Gebiet ergibt sich
auch, wenn wir in Polarkoordinaten mit den folgenden Grenzen integrieren:

0 ≤ r ≤ ∞ und 0 ≤ ϕ ≤ 2π

2
In Polarkoordinaten ergibt sich für I :

2π ∞ 2π ∞ 2π
− 1 e − r 2  dϕ =
∫ [ 21 ]dϕ = π
−r2
I =
2
∫ ∫e r dr dϕ = ∫  2  0
ϕ =0 r =0 ϕ =0 ϕ =0

− x2
Es folgt: I = ∫e dx = π
−∞

Die Normalverteilung war nach Abschnitt 4.6.9 gegeben durch:


( x−µ ) 2
A 2σ2
N ( x) = e .
σ

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Dabei wird die Normierungskonstante A festgelegt durch die Bedingung:


∫ N( x) dx = 1
−∞
A können wir nun explizit berechnen. Wir substituieren:
x−µ 1
w= , dw = dx
2σ 2σ
Da die Grenzen im Unendlichen liegen, bleiben sie bei der Substitution unverändert. Es folgt:

∞ − ( x−µ )
2
∞ ∞
A A
2σ ∫ e − w dw = A 2 π
2
1 = ∫ N ( x) dx = ∫ e 2σ dx =
2

−∞
σ −∞ σ −∞

d.h. für A ergibt sich:

1
A=

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10.3 Dreifachintegrale

In 10.2 stellten wir das Doppelintegral bereit, um das Volumen zylindrischer Körper zu
berechnen, d.h. von Körpern, deren Querschnitt sich parallel zu einer Koordinatenachse nicht
ändert. Zur Berechnung von Funktionen (z.B. Volumen, Masse, Wärmeinhalt etc.) über
allgemeinen dreidimensionalen Bereichen wird das Dreifachintegral benötigt.

z
dreidimensionaler
Bereich

y
dreidimensionales
x Volumenelement dV= dxdydz

Wir stellen uns den dreidimensionalen Bereich in Volumenelemente ∆Vk zerlegt vor, die so
klein sind, daß die über diesen Bereich zu integrierende Funktion als näherungsweise konstant
angesehen werden kann.
Beispiel: Wir wollen die Gesamtmasse eines beliebigen dreidimensionalen Körpers
berechnen. Die Dichte der Materie des Körpers ist jedoch nicht konstant, sondern hängt vom
Ort (x,y,z) ab: ρ = ρ( x, y, z) .
Dann ergibt sich die Gesamtmasse näherungsweise durch Aufsummation von hinreichend
kleinen Volumina, in denen die Dichte im wesentlichen als konstant angesehen werden kann.
Jedes Volumenelement liefert einen Beitrag ∆m k zur Gesamtmasse. Für das Massen-
element ∆m k an der Stelle (xk,yk,zk) gilt: ∆m k ≈ ρ( x k , y k , z k ) ∆Vk
Die Gesamtmasse ergibt sich dann durch Summation über alle Massenelemente, d.h.:
n n
m= ∑ ∆m k ≈ ∑ ρ( x k , y k , z k )∆Vk
k =1 k =1
Die Näherung wird immer besser, wenn wir die Zahl der Volumenelemente gegen Unendlich
und entsprechend die Größe der Volumenelemente gegen Null gehen lassen. Der
entsprechende Grenzwert ist dann das Dreifachintegral. Diese Überlegungen lassen sich für
jede Funktion f = f ( x, y, z) anstellen:

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10.4 Definition: Dreifachintegral

Falls der Grenzwert


n
lim
n→∞
∑ f ( x k , y k , z k )∆Vk
( ∆Vk →0) k =1
existiert, wird er als Dreifachintegral bezeichnet und durch das Symbol
∫∫∫ f ( x, y, z) dV gekennzeichnet.
( V)
Dabei heißen:
f(x,y,z): Integrand
dV: Volumenelement
(V): räumlicher Integrationsbereich oder Körper
x,y,z: Integrationsvariable

Die Berechnung eines Dreifachintegrals erfolgt in kartesischen Koordinaten analog zur


Berechnung des Doppelintegrals (Satz 10.2) durch drei nacheinander auszuführende
Integrationen. Dabei dürfen bei der innersten Integration (z-Integration) die
Integrationsgrenzen im allgemeinen noch von x und y abhängen, bei der mittleren Integration
(y-Integration) von x abhängen:

10.5 Satz Berechnung des Dreifachintegrals in kartesischen Koordinaten

Der Wert des Dreifachintegrals ∫∫∫ f ( x, y, z) dV läßt sich durch drei nacheinander
( V)
auszuführende gewöhnliche Integrationen bestimmen:

b y o ( x) z = z o ( x ,y )

∫∫∫ f ( x, y, z) dV = ∫ ∫ ∫ f ( x, y, z) dz dy dx
( V) x = a y = y u ( x ) z = z u ( x ,y )
Dabei wird von innen nach außen integriert, d.h. erst bezüglich der Variablen z, dann y und
zuletzt bezüglich der Variablen x.

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Beispiele:
1) Wir betrachten die Funktion y = x für 0 ≤ x ≤ 9 und lassen diese um die x-Achse
rotieren. Wir wollen nun das Volumen des Rotationskörpers direkt mittels des
Dreifachintegrals bestimmen. Dazu müssen wir uns zunächst die Funktionen der
Integrationsgrenzen überlegen:
Die x-Koordinate läuft also von 0 bis 9. Für jedes vorgegebene x läuft y von − x bis x ,
d.h. y u = − x y o = x :

4
y sqrt(x)
3

0
x
-1

-2
-sqrt(x)
-3

-4
0 2 4 6 8 10

Die Schnittflächen des Rotationskörpers zu vorgegebenem x sind Kreise in der y,z-Ebene mit
Radius x :
z

zo = x − y2
r= x

zu = − x − y2

Für das Volumen ergibt sich demnach:

9 x x − y2 9 x

∫ [z]− x− y2 dy dx
x− y 2
V= ∫ ∫ ∫ dz dy dx = ∫
x = 0 y u =− x z =− x − y 2 x = 0 y u =− x
u

9 x 9 x
  y 
= ∫ ∫ 2 x − y dy dx = ∫
2
 y x − y 2
+ x arcsin   dx
x = 0 y u =− x x=0   x  − x

Der erste Summand verschwindet an der oberen und unteren Integrationsgrenze. Es folgt:

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9 9
π π 
V= ∫ [x arcsin[1] − x arcsin[−1]] dx = ∫  2 x + 2 x dx
x=0 x=0
9
81
=π ∫ x dx = 2
π
x=0

2) Massenträgheitsmomente
Im Zusammenhang mit Drehbewegungen und Rotationen starrer Körper treten die
sogenannten Massenträgheitsmomente auf. Die kinetische Energie einer punktförmigen Masse
m, die sich im Abstand r um eine feste Achse A mit gleichförmiger Winkelgeschwindigkeit
ω dreht, ist
m m 1 1
E kin = v 2 = r 2 ω 2 = ( mr 2 )ω 2 = Jω 2
2 2 2 2
J = mr heißt das Trägheitsmoment von m in bezug auf die Achse A. Das Trägheitsmoment
2

eines starren Körpers in bezug auf eine Achse A wird definiert als die Summe der
Trägheitsmomente seiner Massenelemente ∆m k , deren Abstände von A mit rk bezeichnet
seien:
J = ∑ ∆m k rk2 = ∑ ρ∆Vk rk2 = ∫∫∫ ρ( x, y, z)( r ( x, y, z)) dz dy dx
2

k k ( V)
Dabei ist r ( x, y, z) der Abstand des Volumenelements am Punkt (x,y,z) von der Drehachse
und ρ( x, y, z) die Massendichte des Volumenelements.

2a) Gegeben sei ein homogener (d.h. konstante Dichte) Kreiszylinder der Länge L mit dem
Radius R, dessen Achse die z-Achse bildet. In z-Richtung erstreckt sich der Zylinder von
L L
− bis :
2 2

z
L
2

− L2

Zunächst berechnen wir das Trägheitsmoment Jx bei Rotation des Zylinders um die x-Achse.
Für jeden Schnitt durch den Zylinder bei vorgegebenem z ergibt sich ein Kreis mit Radius R:

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yo = R2 − x2
R

x
Volumen-
element dV
yu = − R 2 − x2

Das Volumenelement dV im Schnittkreis an der Stelle z hat also den Abstand r = y 2 + z 2


von der x-Achse. Für das Trägheitsmoment folgt:

L L
R R 2 − x2 R R2 − x2
2  2 z3  2
Jx = ∫ ∫ ∫ ρ( y
2
+ z ) dz dy dx = ρ
2
∫ ∫ y z + 3  L dy dx
x =− R y =− R 2 − x 2 z =− L
2
x =− R y =− R2 − x2  −
2

R R2 − x2 R R −x
2 2
 2 L3   y 3 L3 
=ρ ∫ ∫  y L +  dy dx = ρ ∫ L 3 + 12 y dx
12
x =− R y =− R 2 − x2   x =− R  − R −x2 2

( )
R
 2 2 3
L3 
=ρ ∫ L 3 R − x
2
+ R 2 − x 2 dx
2

x =− R 
6 

Beide Integrale können mit der Substitution x = R sin u gelöst werden (Übungsaufgabe). Es
folgt:

Jx = ρ
πLR 2
12
[3R 2 + L2 ] =
m
12
3R 2 + L2 [ ]
Aus Symmetriegründen ergibt sich für die Rotation um die y-Achse natürlich der gleiche Wert
für das Trägheitsmoment Jy .
Die Berechnung von Jz, d.h. die Berechnung des Trägheitsmoments bei Rotation um die z-
Achse führt in kartesischen Koordinaten auf mühsame Integrationen. Hier sollte man die
vorliegende Zylindersymmetrie des Problems ausnutzen und zu Zylinderkoordinaten
übergehen.

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10.4 Zylinderkoordinaten

Die Zylinderkoordinaten (r,ϕ,z) entstehen aus den kartesischen Koordinaten (x,y,z), indem
man die x- und y-Koordinate eines Punktes durch Polarkoordinaten ersetzt und die z-
Koordinate beibehält:

z
r

P = (x,y,z)

y
ϕ
r
x

Es gelten die Transformationsgleichungen:

x = r ⋅ cos ϕ, y = r ⋅ sin ϕ, z = z
bzw.
y
r = x 2 + y 2 , tan ϕ =
, z=z
x
Das Volumenelement dV in Zylinderkoordinaten erhalten wir, in dem wir das Flächenelement
mit dz multiplizieren, d.h.:
dV = dA dz = r dr dϕ dz

10.6 Satz Dreifachintegral in Zylinderkoordinaten

Beim Übergang von kartesischen Koordinaten zu Zylinderkoordinaten gelten die


Transformationsgleichungen
x = r cos ϕ, y = r sin ϕ, z = z, dV = r dr dϕ dz

Ein Dreifachintegral ∫∫∫ f ( x, y, z) dV transformiert sich dabei wie folgt:


( V)

∫∫∫ f ( x, y, z) dV = ∫∫∫ f ( r ⋅ cos ϕ, r ⋅ sin ϕ, z) ⋅ r dr dϕ dz


( V) ( V)

dabei wird zuerst über z, dann über r und zuletzt über ϕ integriert.

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Beispiele:
1) Trägheitsmoment des homogenen Zylinders bei Rotation um die Symmetrieachse (z-
Achse):
Der Abstand eines Volumenelements mit den Koordinaten r, ϕ, z von der Rotationsachse
beträgt gerade r. Damit folgt:

L L
R 2π 2 R 2π 2
Jz = ∫ ∫ ∫ ρ r r dr dϕ dz = ρ
2
∫ ∫ ∫r
3
dr dϕ dz
r = 0 ϕ = 0 z =− L r = 0 ϕ = 0 z =− L
2 2
R 2π R
= ρL ∫ ∫r
3
dr dϕ = 2 π ρ L ∫r
3
dr
r =0 ϕ =0 r =0

( )
4
R 1
= 2π ρ L = π R 2 Lρ R 2
4 2
m 2
= R
2

Bei einem Hohlzylinder, d.h. einem Zylinder, der nur aus der Mantelfläche besteht, ergibt sich
nach Definition des Trägheitsmoments:
J z = mR 2
d.h. das Trägheitsmoment eines Vollzylinders ist nur halb so groß wie das Trägheitsmoment
eines gleich schweren Hohlzylinders. Die Massenelemente des Vollzylinders haben eben im
Mittel einen geringeren Abstand zur Rotationsachse.

2) Schwerpunkt eines Rotationskörpers:


Die Koordinaten des Schwerpunkts eines Körpers ergeben sich aus den folgenden
Dreifachintegralen:

1 1 1
xs = ∫∫∫ x ρ dV , y s = ∫∫∫ y ρ dV , z s = ∫∫∫ z ρ dV
m ( V) m ( V) m ( V)

m = ∫∫∫ ρ dV
( V)
Bei Körpern konstanter Dichte (d.h. homogenen Körpern) vereinfachen sich die Ausdrücke:

1 1 1
xs = ∫∫∫ x dV , y s = ∫∫∫ y dV , z s = ∫∫∫ z dV
V ( V) V ( V) V ( V)

V = ∫∫∫ dV
( V)

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Beispiel: Schwerpunkt einer homogenen Halbkugel vom Radius R. Die Halbkugel ergibt sich
durch Rotation des Viertelkreises z = R 2 − x 2 für 0 ≤ x ≤ R um die z-Achse. Ein beliebiger
Punkt auf der Oberfläche der Halbkugel besitzt in Zylinderkoordinaten die Koordinaten
 r , ϕ, z = R 2 − r 2  . Die Integrationen verlaufen damit wie folgt:
 
z-Integration: 0 ≤ z ≤ R 2 − r 2
ϕ-Integration: 0 ≤ ϕ ≤ 2 π
r-Integration: 0 ≤ r ≤ R
Für die z-Koordinate des Schwerpunkts folgt:
2π R R2 − r 2 2π R
[ ]
1 1 R2 − r2
zs = ∫ z r dz dr dϕ = V ∫ ∫ 21 z r dr dϕ
V ϕ∫=0 r =∫0
2
0
z=0 ϕ =0 r =0
2π R 2π R
=
1
∫ ∫
V ϕ =0 r =0 2 [( )]
1 R 2 − r 2 r dr dϕ = 1
[(
1 R 2 r − r 3 dr dϕ
V ϕ∫=0 r =∫0 2
)]
2π 2π R
1 1  2 r2 r4  1 1  R4  1 R4
= − ϕ = ϕ = π
V ϕ∫=02  V ϕ∫=02  4 
 R  d   d
2 4 V 4
0
2
Berücksichtigt man, daß für das Volumen einer Halbkugel gilt: V = πR 3 , so folgt:
3
1 R4 3
zs = π = R
2 πR 3 4 8
3
Aus Symmetriegründen ergibt sich für x- und y-Komponente des Schwerpunkts: x s = 0 = y s ,
 3 
d.h. der Schwerpunkt einer homogenen Halbkugel hat die Koordinaten: S =  0,0, R
 8 

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Ü1: Übung Blatt 1/1


1. Bruchrechnen
Vereinfachen Sie die folgenden Terme unter Angabe des Definitionsbereichs:

x +1 x + 2 x −1 x − 2
a )T ( x ) = − + −
x −1 x −2 x +1 x + 2

1 x +y x +y
b )T ( x , y ) = + 2 −
x x − xy xy + y 2

x2
c)T( x ) =
x2
1−
x2
2−
x2
4−
6

2. Darstellung reeller Zahlen


Rechnen Sie die folgenden Zahlen in Brüche um:
a )10.114735
b)0.0009

3. Potenzen

a b a
a ) T (a , b ) =
b a b
6
a −1 ⋅ 3 a 2 a 3
b ) T (a ) =
4
a −2 a

4. Gleichungen
Bestimmen Sie den Definitionsbereich D und die Lösungsmenge der folgenden Gleichungen:
1 1 2
a) + =
x − 4 x −5 x − 6
x +1 x −5
b) =1 −
x −2 x −2
c) ax − b − ax + b + b =0, a ≠ 0,b >0

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Ü1: Übung Blatt 1/2

5. Rechnen mit Beträgen


a) Formen Sie den folgenden Term um:

T(x ) =2 x −3 x +1 + x − 4

b) Geben Sie die Lösungsmenge der folgenden Gleichungen an:

x +1 = x −1
x −3 − 2 x + 2 =0

6. Ungleichungen
Bestimmen Sie die Lösungsmenge der folgenden Ungleichungen:

a ) x +1 ≥5 −3 x + 2

4x +2
b) ≤3
5 −2x

7. Binomialkoeffizienten
Berechnen Sie:

 2n + 3 
a ) 
 2 

 2n + 3 
b) 
 2n + 1 

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Ü2: Übungen Blatt 2/1


1. Bruchrechnen
Vereinfachen Sie die folgenden Terme unter Angabe des Definitionsbereichs:

−1 −1
 4 4 1  1 1   4 4 1  1 1 
a )T(a , b) = 2 + + 2  +  + 2 − + 2  − 
 a ab b  2b a   a ab b  a 2b 

uv 4 − u 4 v
b)T(u , v ) =
uv3 − u 3 v

−1
 x 2 + y x + y 2  x 2 + xy + y 2 
c)T( x , y) = −  
 y x  xy 

a
d ) T (a ) =
4
a−
3a
a−
3 −a

2. Darstellung reeller Zahlen


Rechnen Sie die folgende Zahl in einen Bruch um:

0.12345

3. Logarithmen

3
3
a )log 1 3
33

2
a− b  b− a 
b)T(a , b ) =log  − 2 log


a+ b 
 b + a   
c)T(u , v ) =log 3 2u 2 v 5

4. Gleichungen
Bestimmen Sie den Definitionsbereich D und die Lösungsmenge der folgenden Gleichung:

1 1 x −1
+ 2 = a ≠2
a − 2 2 x − ax (2 −a )(a − 2 x )

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Ü2: Übungen Blatt 2/2

5. Rechnen mit Beträgen


a) Formen Sie den folgenden Term um:

2
1  1 
T ( x ) = 4 − 2 − 2 x − 2 
x  x 

b) Geben Sie die Lösungsmenge der folgenden Gleichung an:

x +1 + x −1 = 4 3 − x

6. Ungleichungen
Bestimmen Sie die Lösungsmenge der folgenden Ungleichungen:

2 x 2 − 2 x −12
a) ≥0
1 −x
1 3
b) <
x − 1 4x − 7

7. Binomialkoeffizienten
Berechnen Sie:

n
 
k
 n 
 
 k − 1

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Ü3: Übung Blatt 3/1

1. Grenzwerte von Folgen:


Bestimmen Sie die Grenzwerte der Folgen für n → ∞ :

(1 − 2n )(1 + 2n )
a ) (a n ) =
6n 2 + n + 5

n +1
 1 
b) Zeigen Sie: lim 1 −  = e −1 Hinweis: Satz 3.7
n→∞ n + 1

c)(a n ) = n (ln(n + 3) − ln n )

2. Grenzwerte und Stetigkeit

Bestimmen Sie b∈R so, daß die folgende Funktion f stetig ist. Vereinfachen Sie anschließend
die Darstellung von f!

 2 x , für 0 ≤ x ≤ 4
f ( x) = 
log b ( x), für 4 ≤ x

3. Funktionen

a) Geben Sie ein Polynom fünften Grades an, das genau drei einfache Nullstellen hat und
skizzieren Sie es.
b) Ermitteln Sie die Produktdarstellung von P(x) = x 4 - 136 x 3 + 136 x − 1 .
Hinweis: P(1) = 0 =P(-1)

c) Bestimmen Sie die Schnittpunkte der folgenden Kurven. Dabei ist die Menge der
Schnittpunkte zweier Funktionen f1 und f2 definiert als Menge aller Punkte x mit
f1 ( x) = f 2 ( x) :

y1 = 6 cos 2 ( x ), y 2 = 5 − sin( x )

d) Prüfen Sie Symmetrie und Stetigkeit der Funktionen und geben Sie, falls möglich, auf
geeigneten Intervallen Umkehrfunktionen an. Bestimmen Sie den Definitionsbereich, die
Nullstellen und Unstetigkeitsstellen und skizzieren Sie den Verlauf.
x2 + x + 1
i) f ( x ) =
x3 − 1
| x −1|
ii) f ( x ) = ln x
x −1

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Ü3: Übung Blatt 3/2

3. Funktionen

e) Bestimmen Sie die Umkehrfunktion in expliziter Form für folgende Funktion


y = ex − 1

f) Skizzieren Sie, ohne Zuhilfenahme der Berechnung der Funktionswerte, folgende Funktion
1
y = x −2 + ⋅ x −3
2

g) Bestimmen Sie das Symmetrieverhalten der folgenden Funktionen in ihrem maximalen


Definitionsbereich:
x3
i) y = 4 x − 16
2
ii)
x2 +1
iii) y = sin ( x ) ⋅ cos( x ) iv) y = x 2 − 4

h) Wo besitzen die folgenden Funktionen Nullstellen?


x2 − 9  π
i) y = ii) y = sin  x − 
x +1  4

j) Untersuchen Sie die folgenden Funktionen auf Monotonie


i) y = x 4 ii) y = x 3 + 2x

k) Wie lautet die Umkehrfunktion von


i) y =
1
(x > 0 )
2x

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Ü4: Übungen Blatt 4/1

1. Grenzwerte von Folgen:


Bestimmen Sie die Grenzwerte der Folgen für n → ∞ :

n 3 + 5n 2 + 3
a ) (a n ) =
n
(2n + 3) ⋅  
2

(c + n ) 2
b ) (a n ) =
c2 − n 2

n
 5 n
c) (a n ) =  1 −  Hinweis: Setzen Sie z =
 n 5

2. Grenzwerte und Stetigkeit


sin( 1x )
Bestimmen Sie den Grenzwert der Funktion f ( x) = für x→0 !
1
cos( x) − 1 + 2
x

3. Funktionen

a) Ermitteln Sie die Produktdarstellung von P(x) = 3x 3 + 18 x 2 + 9 x − 30 .


Hinweis: P(-5) = 0

b) Bestimmen Sie die Schnittpunkte der folgenden Kurven. Dabei ist die Menge der
Schnittpunkte zweier Funktionen f1 und f2 definiert als Menge aller Punkte x mit
f1 ( x) = f 2 ( x) :
π π
y 2 = 2 sin( x + ), y 2 = cos( x − )
6 3

c) Prüfen Sie Symmetrie und Stetigkeit der Funktionen und geben Sie, falls möglich, auf
geigneten Intervallen Umkehrfunktionen an. Bestimmen Sie den Definitionsbereich, die
Nullstellenmengen und Unstetigkeitsstellen und skizzieren Sie den Verlauf.

cos(2 t )
f (t) =
sin 2 t

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Ü4: Übungen Blatt 4/2

3. Funktionen

d) Bestimmen Sie für − 3 ≤ x ≤ 3 die Umkehrfunktion in expliziter Form für folgende


Funktion
y = x 2 − 6x + 7

e) Bestimmen Sie die Nullstellen der Funktion:


1
(
y = f (x ) = e− x − e− 4 x
2
)
f) Bestimmen Sie das Symmetrieverhalten der folgenden Funktionen in ihrem maximalen
Definitionsbereich:
x2 −1
i) y = ii) y = x 2 − 25
1 + x2

iii) y = 4 ⋅ sin 2 (x )

g) Wo besitzen die folgenden Funktionen Nullstellen?


i) y = x 4 − 4 x 2 − 45 ii) y = (x − 1)e x

h) Untersuchen Sie die folgenden Funktionen auf Monotonie


i) y = x 2 − 2 x + 1 (x ≥ 1) ii) y = e 2 x

j) Wie lautet die Umkehrfunktion von


i) y = 3x (x > 0)
ii) y = 2 ⋅ e x − 0,5

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Ü5: Übung Blatt 5/1

1. Ableitungen:
Bestimmen Sie die Ableitungen der folgenden Funktionen:

x − x2
a) y = 2
x +1

b) y = x n e x

2. Ableitungen:
a) Es ist x( t ) = e −δt (C1 sin ω d t + C 2 cos ω d t ) . Man beweise durch differenzieren, dass x(t)
( )
der Gleichung &&x( t ) + 2δx& ( t ) + ω 2d + δ 2 x( t ) = 0 (gedämpfte Schwingung) genügt.

b) Beweisen Sie: (e x )' = e x direkt, d.h. als Grenzwert des Differenzenquotienten:


Hinweise:
1. e a + b = e a e b
n
 h
2. e = lim 1 + 
h
n→∞ n
3. Binomischer Satz
4. Grenzwertbildung vertauschen.

3. Taylorscher Satz
a) Bestimmen Sie die Zahl e = e1 näherungsweise mit Hilfe des Taylorschen Satzes durch
Entwicklung der e-Funktion bei x = 0. Geben Sie die Intervalle für den Wert von e für die
Entwicklungen mit n = 2, 3, 4 an. Verwenden Sie zur Abschätzung von e im Restglied die
Aussage: e < 3 (aus dem Beweis von Satz 3.7).
-k
b) Wieviele Terme sind zur Berechnung von e auf k Stellen Genauigkeit, d.h. Fehler < 10
für k = 8, 12, 20 notwendig?
n
 x
c) Vergleichen Sie das Taylorpolynom mit der Entwicklung von lim 1 +  nach dem
n→∞ n
Binomischen Lehrsatz (Satz 2.27).

4. De l’Hospital’sche Regeln
a) Man bestimme die folgenden Grenzwerte:
π − arctan x
xn T −4
i) lim x ii) lim 2 iii) lim Q
x→∞ e x→∞ sin x1 T →0
1− eT

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Ü5: Übung Blatt 5/2

5. Extremwerte:
a) Die Leistungsaufnahme eines Verbrauchers vom Widerstand R, der durch eine
Gleichspannungsquelle (Innenwiderstand Ri, Quellspannung U0) gespeist wird, beträgt:
R
P( R ) = U 20
(R + R i ) 2
Zeigen Sie, daß die Leistungsaufnahme des Verbrauchswiderstands R für R = R i maximal
wird (sogenannte Leistungsanpassung).

6. Ableitungen
Berechnen Sie die Ableitungen der folgenden Funktionen:
arctan x
a ) y = e t cos t b) y = x
c) y(t) = Ae- at + Be − bt
e
n
1+ x 
d ) y = tan x 2
e) y = sin (2 x − 4)
2
f) y =  
 x 

7. Kurvendiskussion
In der kinetischen Gastheorie spielt die Maxwell-Verteilung eine wichtige Rolle:

4 2 − x2
y= x e
π

Diskutieren Sie diese Funktion.mit den Parametern


a) Definitionsbereich
b) Nullstellen
c) Symmetrie
d) Asymptote
e) Extremwerte
f) Wendepunkte
g) Skizze Graph

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Ü6: Übungen Blatt 6/1

1. Ableitungen:
Bestimmen Sie die Ableitungen der folgenden Funktionen:

 1   x + 4
a ) y = ln 2  + ln 
x   x 

b) y = sin x

c) y =
2
a
(
ln ax + b + a ( x + d ) )

2. Ableitungen:
Bilden Sie die Ableitung über die Umkehrfunktion:
a ) y = arcsin x
b) y = ln x

3. De l’Hospital’sche Regeln
a) Man bestimme die folgenden Grenzwerte:
sin mx 1 1   sin 2 x 
i) lim m, n ∈ N ii) lim −  iii) lim 
x →π sin nx

x→0 x sin x  x →0
 x 

b) Das von Planck gefundene Strahlungsgesetz lautet:


c2 h
L(λ ) = L ist die Strahlungsleistung bei der Wellenlänge λ
(
λ5 e ch /( kTλ ) − 1 )
Man bestimme L(0).
Hinweis: Ersetzen Sie: u = ch / ( kTλ ) .

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Ü6: Übungen Blatt 6/2

4. Extremwerte:
In einem Wechselstromkreis mit ohmschen Widerstand R, einer Spule der Induktivität L
sowie einem Kondensator der Kapazität C in Reihe fließt beim Anlegen einer
Wechselspannung u = u 0 sin ωt ein Wechselstrom i = i 0 sin(ωt + ϕ) dessen Amplitude i0
gegeben ist durch:
u0
i0 =
2
 1 
R 2 +  ωL − 
 ωC 
Bei welcher Kreisfrequenz ω r besitzt i0 seinen größten Wert (Resonanzfrequenz)?

5. Ableitungen
Berechnen Sie die Ableitung der folgenden Funktionen:

a) y =
ln x
x2
b) y = arctan(x 2 + 1) (
c) y = x ⋅ ln x + e x )2

1 + cos u −2x +5
d) w = f) y = 4 x ⋅lnx
2
e) y = e x
1 − sin u

6. Kurvendiskussion

1
Diskutieren Sie die Funktion y = x + 9 − x2
2
h) Definitionsbereich
i) Nullstellen
j) Symmetrie
k) Extremwerte
l) Monotonie
m) Wendepunkte
n) Skizze

ln x
Diskutieren Sie die Funktion y =
x
a) Definitionsbereich
b) Nullstellen
c) Symmetrie
d) Extremwerte
e) Monotonie
f) Wendepunkte
g) Skizze

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Ü7: Übung Blatt 7/1

1. Stammfunktionen
Berechnen Sie die folgenden Integrale:

a ) ∫ (5x + 12) dx b) ∫ x ⋅ lnxdx


0.5

c) ∫ x ⋅ sin (x 2 )dx
0.5
d) ∫x 1 − x 2 dx Hinweis : Substitution u = 1 − x 2
0

2. Berechnen Sie die folgenden Integrale:


ln x
a)∫ dx b) ∫ arctan xdx Partielle Integration
x


c) ∫ xe− x dx
0

3. Rotationskörper
Die Funktion y = f ( x) sei auf dem Intervall [a,b] überall positiv.

y f(x)

x
b
a

Denken Sie sich nun die Fläche zwischen Kurve f(x) und der x-Achse um die x-Achse
rotierend. Begründen Sie, daß für das Volumen V des Rotationskörpers gilt:

b
V = π ∫ f 2 ( x)dx
a

Berechnen Sie das Volumen einer Kugel als Rotationsvolumen zur Funktion y = r 2 − x 2 für
x ∈[ − r , r ]. Stellen Sie die Funktion y graphisch dar.

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Ü7: Übung Blatt 7/2

4. Untersuchen Sie die folgenden Reihen auf Konvergenz


∞ ∞
1 i3
a) s = ∑ b) s = ∑
n =0 3 + 1
n
i = 0 i!

5. Geometrische Reihen
a) Wie groß ist die Summe der geometrischen Reihe s = 0.875 − 0.8752 + 0.8753 −...
b) Wieviele Reihenglieder n sind aufzusummieren, damit der Fehler der n-ten Teilsumme
kleiner als 0.001 ist.

6. MacLaurinreihen
a) Man entwickle f ( x) = e x (2 x + 1) in eine Potenzreihe. Wie groß ist der Konvergenzradius?
x
sin t
b) Der Integralsinus Si(x) ist definiert durch: Si( x) = ∫ dt . Zur Bestimmung der
0
t
Potenzreihe entwickle man den Integranden in eine Potenzreihe und integriere gliedweise.
Konvergenzradius?

x
c) Das Gaußsche Fehlerintegral φ( x) ist definiert durch: φ( x) = ∫ e − t dt . Man bestimme
2

0
Potenzreihe und Konvergenzradius. Hinweis: Gehen Sie von der Reihe für e x aus, ersetzen
2
Sie in der Reihe x durch -t und integrieren Sie gliedweise.

7. Bestimmen Sie den Konvergenzradius der folgenden Reihen:


a ) f ( x ) = x + 2 x 2 + 3x 3 + 4 x 4 + ...


xn
b) f ( x ) = ∑ n
n =0 2

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Ü8: Übungen Blatt 8/1

1. Stammfunktionen
Berechnen Sie die folgenden Integrale:

1
tdt
a) ∫ b) ∫ x 2 ⋅ e − x dx
−1 1+ t 2

2 5
x-4
c)∫ dx d ) ∫ ln tdt Hinweis : Partielle Integration : lnx = 1 ⋅ lnx
0
x +1 1

1 1 A B
e) ∫ dx Hinweis : = + mit geeigneten A, B
x − a2
2
(x + a)(x - a) ( x + a ) ( x − a )

2. Berechnen Sie die folgenden Integrale:

(ln x )3 dx ∞
b) ∫ x 2e − ax dx (a > 0
a) ∫ x 0

x2 1
c) ∫ x ⋅ arctan xdx Partielle Integration, Hinweis : =1−
1+ x 2
1 + x2

3. Bogenlänge
Für die Länge des Bogens der Funktion f(x) im Intervall [a,b] gilt:
b
1 + ( f ' ( x)) dx
2
s= ∫
a
Berechnen Sie damit den Umfang eines Kreises vom Radius r. Hinweise:
a) Gleichung für den oberen Halbkreis y = r 2 − x 2 .
b) Beschränken Sie sich auf den rechten oberen Viertelkreis.
c) Benutzen Sie die Substitution x = r ⋅ sin u

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Ü8: Übungen Blatt 8/2

4. Untersuchen Sie die folgenden Reihen auf Konvergenz

a) s = 1 +
3 5 7
+ + + .. b) s = ∑

(k!)2
2! 3! 4! k =1 (2 k )!

5. MacLaurinreihen
a) Leiten Sie eine Potenzreihe für f ( x) = (1 + x) α x, α ∈ R her. Zeigen Sie, daß gilt:

 α  α  α α(α -1)(α - 2)⋅...⋅(α - i + 1)
f ( x) = ∑   x i mit   = 1 ,   = Binomialkoeffizient
i =0    0  i
i i!
Die Reihe heißt Binomische Reihe. Bestimmen Sie den Konvergenzradius.

b) Bestimmen Sie die Potenzreihe für den Arcus Tangens. Leiten Sie zunächst ab,
2
interpretieren Sie die Ableitung als Binomische Reihe mit dem Argument x und integrieren
π π
Sie gliedweise. Bestimmen Sie unter Verwendung von tan( ) = 1 eine Reihe für .
4 4

c) Ermitteln Sie analog zu 5b) die Arcus Sinus Reihe.


d) Zeigen Sie: Der Konvergenzradius einer Funktion f ( x) = ∑ a i x i stimmt mit dem
i=0
Konvergenzradius von Ableitung und Stammfunktion überein.

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Ü8: Übung Blatt 8/3

6. Hyperbel- und Areafunktionen


Der Sinus hyperbolicus (Hyperbelsinus) und der Cosinus hyperbolicus (Hyperbelcosinus) sind
definiert durch:
e x − e −x
y = sinh x =
2
e x + e −x
y = cosh x =
2

a) Kurvendiskussionen.

b) Potenzreihenentwicklungen und Konvergenzradien.

c) Leiten Sie für die Umkehrfunktionen Area sinus hyperbolicus (Areasinus) und Area cosinus
hyperbolicus (Areacosinus) die folgenden Ausdrücke her:
y = ar sinh x = ln x + x 2 + 1

y = ar cosh x = ln x + x 2 − 1

Hinweis: Setzen Sie x = sinh y , multiplizieren Sie die Gleichung mit 2e y und lösen Sie die
quadratische Gleichung in e y . Begründen Sie die Wahl des Vorzeichens der Wurzel.

d) Potenzreihe für y = ar sinh x

( )
1 − 12
i) Zeigen Sie y' = = 1 + x2
x2 + 1
2
ii) Entwickeln Sie y’ als Binomische Reihe in x (vgl. Übung 8, Aufgabe 5a).
iii) Bestimmen Sie die Reihe für y = ar sinh x durch gliedweise Integration. Geben Sie
die ersten 4 Reihenglieder an. Berechnen Sie arsinh (0.5) näherungsweise mit den
ersten 4 Reihenglieder. Vergleichen Sie mit dem exakten Wert. Geben Sie das
Bildungsgesetz für die Reihenglieder an. Konvergenzradius?

e) Beweisen Sie:
(cosh x) 2 − (sinh x) 2 = 1
sinh(ar cosh x) = x 2 − 1

cosh(ar sinh x) = 1 + x 2

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Ü8: Übung Blatt 8/4

f) Es sei t ∈[0, ∞) ein reeller Parameter und x und y seien durch x = cosh t , y = sinh t
gegeben. Stellen Sie die Kurve (y(t),x(t)) graphisch dar. Stellen Sie y direkt als Funktion von
x dar, d.h. zeigen Sie, daß y = x 2 − 1 gilt. Diskutieren Sie diese Funktion.

g) Berechnen Sie die schraffierte Fläche:


4

3.5 x

2.5 sqrt(x**2-1)

1.5

1
sinh t
0.5
cosh t
0
0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4

Hinweise:
x
x 2
1. Begründen Sie, daß die Fläche A gegeben ist durch: A = x − 1 − ∫ t 2 − 1 dt
2 1

2. Zur Ermittelung des unbestimmten Integrals ∫ t 2 − 1 dt verwende man die Substitution:


t = cosh u , anschließend Produktintegration.

∫ (cosh u) ∫ (1 + (sinh u) ) du
2 2
3. Für du , setze man

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Ü9: Übung Blatt 9/1

Vektorrechnung
1) Welche Bedingungen müssen die Vektoren a und b erfüllen, damit die Vektoren c = a + b
und d = a - b aufeinander senkrecht stehen?

2) Ein Vektor a liegt in der (x,z)-Ebene und bildet mit der positiven x-Achse einen Winkel
von 45°. Ein Vektor b liegt in der (y,z)-Ebene und bildet mit der positiven y-Achse einen
Winkel von 30°. Wie groß ist der Winkel zwischen den Vektoren?

3) Es sei der folgende Körper gegeben (Spat):

b A

Berechnen Sie das Volumen des Körpers. Hinweise:


1. Die Fläche A des von den Vektoren a und b aufgespannten Parallelogramms ist gleich
Grundlinie mal „Höhe1“.
2. Das Volumen ist gleich Grundfläche mal „Höhe2“.

ax bx cx
Man beweise, dass für das Volumen gilt: V = c ⋅ (a × b) = a y by cy
az bz cz

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Ü9: Übung Blatt 9/2

4) Man beweise den Cosinus-Satz der Trigonometrie mittels Vektorrechnung:

c 2 = a 2 + b 2 − 2ab cos γ

a c

Hinweis: Benutzen Sie c 2 = c ⋅ c

5) Gegeben sind die Vektoren

 1  2 0
     
a =  4  b =  − 1 c =  2 
 − 6 2  3
     

Berechnen Sie die folgenden Vektorprodukte:


a) a × b b) (a − b) × (3c)

Vektorrechnung
6) Beweisen Sie: (a × b) × c = (a ⋅ c)b − (b ⋅ c)a Hinweis: Rechnung in Komponenten.

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Ü9: Übung Blatt 9/3

7) Eine Gerade im dreidimensionalen Raum kann wie folgt definiert werden:

P1
a
λa
P

r1
g

r (λ )

Punkt-Richtungs-Form einer Geraden: r( P) = r (λ ) = r1 + λa


Man zeige, dass für den Abstand d eines Punktes Punkts Q mit dem Ortsvektor rQ von der
a × (rQ − r1 )
Geraden g gilt: d =
a
Man benutze dazu die folgende Skizze:

P1 d

a
r1 rQ P2
g

Der gesuchte Abstand d ergibt sich aus dem Flächeninhalt des von den Vektoren a und P1Q
gebildeten Parallelogramms.

Mathematik I - 196
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Ü9: Übung Blatt 9/4

Matrizen
8) Transponieren Sie die folgenden Matrizen:
 1 5 3
   3 1 − 2
A =  − 5 1 0 , B =  ,
 4 0 1  4 − 5 0 
 

9) Führen Sie mit den Matrizen


 −3 3 
 3 4 0    1 4 0
A=  , B =  1 −1 , C =  
 −1 5 3    2 1 3
 0 2
die folgenden Rechenoperation durch (soweit dies überhaupt möglich ist):
T
2A + C - B

10) Berechnen Sie die Matrizenprodukte A ⋅ A = A 2 , A ⋅ B , B ⋅ A und B ⋅ B = B 2


(soweit diese existieren) für
 3 4 2  1 5 3
   
A =  1 5 3 , B =  − 2 1 0 
0 1 0  − 4 0 3
   
Zeigen Sie anhand dieser Beispiele, dass i.A. A ⋅ B ≠ B ⋅ A ist.

11) Welchen Wert besitzt die dreireihige Determinante?


1 4 7
2 5 8
3 6 9

12) Für welche reellen Parameter λ verschwindet die Determinante (d.h. hat den Wert 0)?
1− λ 2
det A =
1 −2−λ

Lineare Gleichungssysteme
13) Bestimmen Sie die Lösung der folgenden linearen Gleichungssysteme:

3x1 − 3x 2 + 3x 3 = 0  8 7 −6  x  3 
    
a) 8x1 + 10x 2 + 2 x 3 = 6 b)  0 −4 5   y =  −3
    
−2 x1 + x 2 − 3x 3 = 5  −1 3 2   z   9 

x+y−z =0
c) − x + 2 y + 3z = 0 sämtliche Lösungen!
3y + 2z = 0

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Ü10: Übungen Blatt 10/1

Vektorrechnung
1) Eine Kraft von 10 N wirkt in der Richtung der Raumdiagonale eines Würfels, dessen
Kanten die positiven Koordinatenachsen bilden. Man berechne die Arbeit längs eines Weges
von 20 m in Richtung der Winkelhalbierenden zwischen der positiven x- und y-Achse.

2) Man zeige, dass der Produktvektor des Vektorproduktes senkrecht auf den beiden
Faktoren-Vektoren steht.
40 cm
3) Betrachten Sie die folgende Konstruktion:
Berechnen Sie die Stabkraft FH im
Horizontalstab und die Stabkraft FD im
Diagonalstab des Auslegers mittels Vektoren.
Am Ausleger wirkt die senkrecht nach unten
gerichtete Kraft F = 80 N.
50 cm F

4) Zeigen Sie: Die Vektoren

 1   1 
 2  2  0
 
e1 =  0  e2 =  0  e 3 =  −1
 1   −1   
     0
 2   2 
bilden ein orthonormiertes System, d.h. die Vektoren stehen paarweise senkrecht aufeinander
und besitzen jeweils die Länge 1.

5) Eine Kraft vom Betrag F = 85 N verschiebt einen Massenpunkt um die Strecke s = 32 m


und verrichtet dabei die Arbeit W = 1360 J. Unter welchem Winkel greift die Kraft an?

6) Gegeben sind die Vektoren


 1  2  0
     
a =  4  b =  −1 c =  2
     
 −6  2  3

Berechnen Sie die folgenden Vektorprodukte:


a) ( −a + 2c) × ( −b) b) (2a ) × ( −b + 5c)

Mathematik I - 198
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Ü10: Übungen Blatt 10/2

Matrizen
7) Transponieren Sie die folgende Matrix:
 3 − 2
 
C = 2 5 
 8 10 
 

8) Führen Sie mit den Matrizen


 −3 3 
 3 4 0    1 4 0
A=  , B =  1 −1 , C =  
 −1 5 3    2 1 3
 0 2
die folgenden Rechenoperationen durch (soweit dies überhaupt möglich ist):
T T
a) A - B - 3C b) A - 2C + B

9) Berechnen Sie die Matrizenprodukte A ⋅ A = A 2 , A ⋅ B , B ⋅ A und B ⋅ B = B 2


(soweit diese existieren) für
4 1 
 
1 2 3 7 1 1 
A =   , B = 
0 2 0 1 0 − 2
 
1 3 
 
Zeigen Sie anhand dieser Beispiele, dass i.a. A ⋅ B ≠ B ⋅ A ist.

10) Welchen Wert besitzt die dreireihige Determinante?


−2 8 2
1 0 7
4 3 1

11) Für welche reellen Parameter λ verschwindet die Determinante (d.h. hat den Wert 0)?
1- λ 2 0
det B = 0 3−λ 1
0 0 2−λ

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Ü10: Übungen Blatt 10/3

Lineare Gleichungssysteme
12) Bestimmen Sie die Lösung der folgenden linearen Gleichungssysteme:

2 x 1 + x 2 + 4 x 3 + 3x 4 = 0
− x 1 + 2x 2 + x 3 − x 4 = 4
a)
3x 1 + 4 x 2 − x 3 − 2 x 4 = 0
4 x 1 + 3x 2 + 2 x 3 + x 4 = 0

2 x 1 + 5x 2 − 3x 3 = 0
b) 4 x1 − 4 x 2 + x 3 = 0 sämtliche Lösungen !
4 x1 − 2 x 2 = 0

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Ü11: Übung Blatt 11/1

1. Höhenlinien
Skizzieren Sie die Höhenlinien der folgenden Funktionen:
a) z = x 2 + y 2 − 2 y b) z = y − x 2
Eine Höhenlinie zum Wert z0 ist die Menge aller Punkte (x,y), für die die Funktion z = z(x,y)
den Wert z0 annimmt.

2. Partielle Ableitungen
Berechnen Sie die partiellen Ableitungen 1. und 2. Ordnung und prüfen Sie, dass die
gemischten Ableitungen gleich sind:
z x2
a) u = b) y = ( x1 + x 2 ) sin( x 1 − x 2 ) c) y = x 3e x1 x2
y
 x x − 2t
d) z( r; ϕ) = 3 r e rϕ e) z = arctan  f) u( x; t ) =
 y x + 2t

g) z = 5x e − xy + ln x 2 + y 2 + cos( πx + y)

Berechnen Sie: zx(1;0), zy(0;1), zxy(-1;0), zyy(5;0), zxyx(-1;0)


∂z ∂  ∂z 
( zx = , z xy =   etc.)
∂x ∂y  ∂x 

h) Gegeben ist die Funktion z = 3xy − cos( x − y) + x 3 y 5 . Zeigen Sie die Gleichheit der
folgenden partiellen Ableitungen 2. und 3. Ordnung:

i) z xy = z yx ii) z xxy = z xyx = z yxx

j) Zeigen Sie, dass die Funktion z = e y arcsin( x − y) die Beziehung z x + z y = z erfüllt.


x
k) Bestimmen Sie xz x + yz y für die Funktion z = .
y
a
l) Zeigen Sie: Die Funktion u( x; y; z) = + b ist eine Lösung der Laplace-
x2 + y2 + z2
Gleichung ∆u = u xx + u yy + u zz = 0 (a, b sind Konstanten)

Mathematik I - 201
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Ü11: Übung Blatt 11/2

3. Totales Differential
Berechnen Sie für jede der Funktionen a) - e) das totale Differential:

a ) z = 4x 3 − 6 x 2 y 2 + 4 y 3
x y
b) z = +
y x
+ y2 +z2
c) u = e x
2

t2 + x
d ) z( x; t ) =
2t − 4x
e) u ( x; y; z) = ln ax 2 + by 2 + cz 2 a , b, c Kons tan ten

x2
f) Man bestimme ∆z und dz für die Funktion z = an der Stelle x = 12, y = -3 mit
y
dx = dy = 0.2 .

g) Berechnen Sie unter Verwendung des totalen Differentials die Oberflächenänderung


∆O ≈ dO eines Zylinders mit Boden und Deckel, dessen Radius r = 10cm um 5% vergrößert
und dessen Höhe h = 25 cm gleichzeitig um 2% verkleinert wurde und vergleichen Sie diesen
Näherungswert mit dem exakten Wert ∆O exakt .

4. Fehlerrechnung
a) Zur Bestimmung der Viskosität η (eta) einer Flüssigkeit, kann das Hagen-Poiseuillesche
Gesetz verwendet werden:
π ∆p R 4
η= ´
 ∆V 
8l 
 ∆t 
Das Gesetz beschreibt eine Strömung durch ein Rohr der Länge l mit dem Radius R. Dabei ist
η die gesuchte Viskosität, ∆p der Druckunterschied an den Enden des Rohres, der die
 ∆V 
Strömung antreibt.   ist das Flüssigkeitsvolumen pro Zeitintervall, das durch das Rohr
 ∆t 
strömt. Wie hängt der relative Fehler der Viskosität von den relativen Fehlern der meßbaren
 ∆V 
Größen l, R, ∆p ,   ab?
 ∆t 

b) Die Schwingungsdauer T eines ungedämpften elektromagnetischen Schwingkreises läßt


sich aus der Induktivität L und der Kapazität C nach der Formel T = 2π LC bestimmen.
Berechnen Sie mit Hilfe des vollständigen Differentials die prozentuale Änderung von T,
wenn die Induktivität um 5% verkleinert und die Kapazität gleichzeitig um 3% vergrößert
wird.

Mathematik I - 202
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Ü11: Übung Blatt 11/3

5. Implizite Funktionen
a) Bestimmen Sie die Ableitung y’ der Funktion ( y + 2) sin x − sin y = 0 an der Stelle (0;0).

Berechnen Sie die 1. Ableitung der folgenden impliziten Funktionen:


b) xy + arccos x 2 − y 2 + c = 0
(
c) x 2 + y 2 )
2
= a 2x 2 + b2 y2

d) 1
2 ln (x 2
)  y
+ y 2 − ln c = arctan 
 x

( ) ( )
2
e) F( x; y) = x 2 + y 2 − 2 x 2 − y 2 = 0 . Berechnen Sie den Wert der Ableitung im Punkt

(
P = − 21 3; 21 )
f) Unter welchen Winkeln schneidet die in der impliziten Form
F( x; y) = 2 x + 6y − 24 y + 6x = 0 gegebene Funktion die Koordinatenachsen?
3 3

Hinweis: Berechnen Sie zunächst die Schnittpunkte mit den beiden Achsen.

6. Doppelintegrale
Berechnen Sie die folgenden Doppelintegrale:

3 1− x

∫ ∫ (2xy − x )
1 e
x2
a) ∫ ∫ y dy dx b) 2
− y 2 dx dy
x = 0 y =1 x=0 y =0

c) Berechnen Sie die Fläche zwischen der Parabel y = x 2 und der Geraden y = − x + 6 .

7. Flächenberechnung in Polarkoordinaten
a) Berechnen Sie den Flächeninhalt, den die Archimedische Spirale mit der
Funktionsgleichung r (ϕ) = a ϕ im Intervall 0 ≤ ϕ < 2 π einschließt
(a ist eine positive Konstante).

b) Welche Fläche wird von der logarithmischen Spirale r (ϕ) = e 0.1ϕ und den Strahlen ϕ 1 = π
3
und ϕ 2 = 23 π eingeschlossen?

c) Skizzieren Sie die Kurve r(ϕ) = 2 ⋅ sin(2ϕ) im Intervall 0 ≤ ϕ < π


2
und berechnen Sie die
von ihr eingeschlossene Fläche.

Mathematik I - 203
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Ü11: Übung Blatt 11/4

8. Flächenschwerpunkte
y
Homogenes Flächenstück

S
ys

xs x

Für die Koordinaten des Schwerpunkts S eines homogenen Flächenstücks gilt allgemein:

1 1
xs = ∫∫ x dA ys = ∫∫ y dA A = Flächeninhalt
A A
A A

In kartesischen Koordinaten:

bo f ( x) b o f ( x)
1 1
xs =
A x∫=a y = f∫ ( x)
ys =
A x∫=a y = f∫ ( x)
x dy dx y dy dx
u u

In Polarkoordinaten:

ϕ ra (ϕ ) ϕ ra ( ϕ )
1 2 1 2
xs =
A ϕ =∫ϕ ∫ r 2 ⋅ cos ϕ dr dϕ ys =
A ϕ =∫ϕ ∫ r 2 ⋅ sin ϕ dr dϕ
1 r = ri ( ϕ ) 1 r = ri (ϕ )

1) Gegeben sind die Kurven mit den Funktionsgleichungen y = − x ( x − 3) und y = −2 x


a) Welche Fläche schließen sie ein?
b) Wo liegt der Flächenschwerpunkt?

2) Berechnen Sie den Schwerpunkt der von der Kardioide (Herzkurve) r(ϕ) = 1 + cos ϕ für
0 ≤ ϕ < 2 π (vgl. Vorlesungsskript) eingeschlossenen Fläche.
Hinweis: Benutzen Sie zur Lösung eine Integraltafel (z.B. Bronstein, Semendjajew:
Taschenbuch der Mathematik).

Mathematik I - 204

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