Sie sind auf Seite 1von 98

Grundlagen der Diskreten Mathematik und

Algebra 1

Prof. Udo Hebisch

WS 2010/11

Dieses Skript enthält nur den “roten Faden”


der Vorlesung. Wesentliche Inhalte werden ausschließlich
in der Vorlesung vermittelt. Daher ist dieses
Skript nicht zum Selbststudium gedacht, sondern
nur als “Erinnerungsstütze”.

1
INHALTSVERZEICHNIS 2

Inhaltsverzeichnis

1 Aussagen und Mengen 3

1.1 Aussagenlogik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

1.2 Prädikatenlogik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

1.3 Mengenbildung und Mengenalgebra . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

1.4 Relationen und Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

1.4.1 Kartesische Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

1.4.2 Korrespondenzen und Relationen . . . . . . . . . . . . . . 29

1.4.3 Äquivalenz- und Ordnungsrelationen . . . . . . . . . . . . 34

1.4.4 Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

1.4.5 Kardinalzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

1.4.6 Verknüpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

1.5 Verallgemeinerte mengentheoretische Operationen . . . . . . . . . 56

2 Gruppen, Ringe, Körper 59

2.1 Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

2.1.1 Elementare Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

2.1.2 Untergruppen und Homomorphie . . . . . . . . . . . . . . 65

2.1.3 Permutationsgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

2.2 Ringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

2.3 Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

3 Aufgaben 86

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1 Aussagen und Mengen 3

1 Aussagen und Mengen

Weiterführende Informationen zu den Inhalten dieses Kapitels findet man unter

www.mathecafe.de/logik/

1.1 Aussagenlogik

In diesem Abschnitt werden hauptsächlich für veranschaulichende Beispiele


Kenntnisse aus der elementaren Arithmetik vorausgesetzt, also Vertrautheit mit
den Rechengesetzen in den natürlichen Zahlen N0 , den ganzen Zahlen Z und den
rationalen Zahlen Q.

Eine ausführlichere Behandlung dieser Zahlenbereiche und ihrer Rechengesetze


findet man in dem Skript zur Zahlentheorie

www.mathe.tu-freiberg.de/∼hebisch/skripte/zahlenth/zahlenth.pdf

Unter einer “Aussage” versteht man in der Mathematik einen in einer natürli-
chen oder formalen Sprache formulierten Satz, für den eindeutig festgestellt wer-
den kann, ob er in einer gewissen “realen Welt” wahr oder falsch ist. Typische
Aussagen (aus der “Welt der natürlichen Zahlen”) sind etwa

A: 3 ist eine Primzahl.

B: 9 ist keine Primzahl.

C: 2 teilt 9 (als Formel: 2 | 9).

D: Es gibt unendlich viele Primzahlen.

E: Es gibt unendlich viele Primzahlzwillinge.

Die Wahrheit oder Falschheit von A, B und C kann dabei sehr schnell bestimmt
werden, sobald die in den Aussagen auftretenden Begriffe “Primzahl” und “teilt”
geklärt sind. Dagegen ist es erheblich schwieriger, die Wahrheit von D festzustel-
len, wenn der Begriff “unendlich” präzisiert worden ist, was für sich genommen
schon schwierig genug ist und hier in Definition 1.30 geschieht.

E wird ebenfalls als Aussage betrachtet, obwohl bis heute noch niemand entschei-
den konnte, ob dieser Satz wahr oder falsch ist.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.1 Aussagenlogik 4

Dagegen betrachtet man üblicherweise umgangssprachlich ebenfalls durchaus


sinnvolle Sätze wie “3 ist keine wertvolle Primzahl.” oder “Primzahlen sind
schön.” nicht als Aussagen.

Man kann nun “elementare” Aussagen zu komplizierteren zusammensetzen, die


dann ebenfalls stets wahr oder falsch sind, z. B. “Wenn 2 die 9 teilt, dann ist
9 keine Primzahl” kurz: “wenn C, dann B”, was eine wahre Aussage ist. Diese
Ideen werden nun formalisiert.

Definition 1.1 Es sei B = {0, 1} die Menge der Booleschen Wahrheitswerte


(George Boole, 1815 - 1864). Weiterhin sei V = {A, B, C, . . .} eine Menge von
(Aussagen-)Variablen (lat. varius = vielfältig). Dann werden die aussagenlogi-
schen Formeln wie folgt erklärt:

(1) Jeder der Wahrheitswerte und jede Variable ist eine aussagenlogische For-
mel. Sie werden atomare Formeln oder kurz Atome (grch. atomos = unteilbar)
genannt.

(2) Sind p und q aussagenlogische Formeln, dann auch

(¬p), (p ∧ q), (p ∨ q), (p → q), (p ↔ q).

(3) Nur die durch wiederholte Anwendung von (1) und (2) definierten Zeichenket-
ten sind aussagenlogische Formeln. Die Gesamtheit aller so definierten Formeln
werde mit F = F(V) bezeichnet

Bemerkung 1.2 a) Da es genau zwei Wahrheitswerte gibt, handelt es sich bei


der hier betrachteten klassischen Aussagenlogik um eine zweiwertige Logik (grch.
logos = Lehre, Aussage). Entsprechend kann man mehrwertige Logiken definie-
ren. Man interpretiert den Wahrheitswert 1 als “wahr” und entsprechend 0 als
“falsch”. Daher kommen in der Literatur auch andere Bezeichnungen vor: “W”
oder “T” oder “true” oder “>” anstelle von 1 und “F” oder “false” oder “⊥”
anstelle von 0.

b) Die Menge der Variablen wird als abzählbar unendlich (in einem später noch
zu präzisierenden Sinn) vorausgesetzt, so daß man immer “genügend” viele Varia-
blen zur freien Verfügung hat, aber andererseits sie auch durchnumerieren kann.
Man schreibt daher auch oft V = {v0 , v1 , v2 , . . .} oder V = {x0 , x1 , x2 , . . .}. Zur
Vermeidung von Indizes sind aber die hier und in der Literatur häufig verwende-
ten Großbuchstaben bequemer. Jede Variable kann jeweils mit genau einem der
Wahrheitswerte belegt werden. (Auch dies werden wir später präziser ausdrücken
können, indem wir Variablenbelegungen als Abbildungen val : V → B definieren.)

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.1 Aussagenlogik 5

c) Die aussagenlogischen Formeln sind rekursiv (lat. recurrere = zurücklaufen)


definiert. Jede nicht atomare Formel besitzt einen eindeutigen Aufbau aus kürze-
ren Bestandteilen, die selbst wieder Formeln sind. Man kann daher Aussagen über
sämtliche Formeln durch Induktion über diesen Aufbau beweisen oder Eigenschaf-
ten für Formeln induktiv definieren. Insbesondere kann durch programmierbare
Verfahren (Algorithmen) entschieden werden, ob eine vorgelegte Zeichenkette, die
ausschließlich aus Variablen, Klammern und Junktoren gebildet wurde, zu F(V)
gehört oder nicht.

d) Die Symbole ¬, ∧, ∨, → und ↔ werden logische Junktoren (lat. iungere = ver-


binden) genannt und der Reihe nach “nicht”, “und”, “oder”, “wenn..., dann...”
sowie “genau dann..., wenn...” gelesen. Ihre exakte Bedeutung wird gleich defi-
niert. Man nennt ¬p die Negation (lat. negare = verneinen), p∧q die Konjunktion
(lat. coniungere = miteinander verbinden), p ∨ q die Disjunktion (lat. disiungere
= trennen, unterscheiden), p → q die Implikation (lat. implicare = einwickeln)
oder Subjunktion (lat. subiungere = unterordnen) und p ↔ q die Äquivalenz (lat.
aequus = gleich, valere = bewerten) der Formeln p und q. In der Literatur werden
auch andere Symbole für diese Junktoren verwendet, beispielsweise “∼ A” oder
“A” für “¬A”, “&” oder “·” für “∧”, “+” für “∨”, “⊃” oder “⇒” für “→”, “⇔”
oder “≡” für “↔”.

e) Zur Erleichterung der Lesbarkeit und Vermeidung “überflüssiger” Klammern


legt man fest, daß die äußeren Klammern stets weggelassen werden dürfen und
der in d) jeweils weiter links stehende Junktor “stärker bindet” als der rechts
stehende. Man schreibt also beispielsweise A∧¬A → B anstelle von ((A∧(¬A)) →
B).

Eine ausführliche Diskussion weiterer möglicher Junktoren und ihre Bezeichnun-


gen in der Literatur findet man unter

www.mathecafe.de/logik/booleschefunktionen.html

Aufgabe 1.3 Man versuche, den Begriff “arithmetischer Term”, der in fast je-
der Programmiersprache verwendet wird, in ähnlicher Weise wie in Definition 1.1
formal zu präzisieren, damit durch ein automatisches Verfahren überprüft wer-
den kann, ob eine vorgelegte Zeichenkette ein korrekter Term ist. Dabei können
arithmetische Variablen x, y, z, . . . verwendet werden, die jetzt reelle (oder bei-
spielsweise auch nur ganzzahlige) Werte annehmen dürfen, und bestimmte arith-
metische Operatoren wie +, −, ∗, /, max, min. Man nimmt dann diese speziellen
Symbole mit einer ganz festen Bedeutung in die Signatur mit auf.

Wie könnte man diese Definition erweitern, wenn auch Vergleiche zwischen Ter-
men mit den Vergleichsoperatoren =, 6=, <, ≤, >, ≥ zugelassen werden sollen?

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.1 Aussagenlogik 6

Definition 1.4 Die Verknüpfung der Wahrheitswerte von belegten Aussagen-


variablen A und B bei Verwendung der jeweiligen Junktoren wird durch die
folgenden Wahrheitswertetafeln festgelegt.

A B A∧B A∨B A→B A↔B


A ¬A 0 0 0 0 1 1
0 1 0 1 0 1 1 0
1 0 1 0 0 1 0 0
1 1 1 1 1 1

Wird also jede Variable mit einem festen Wahrheitswert belegt, dann wird durch
Rekursion auch jeder aussagenlogischen Formel eindeutig ein Wahrheitswert zu-
geordnet.

Beispiel 1.5 In diesem Beispiel beachte man bei der Überprüfung der angege-
benen Werte besonders die getroffenen Klammerkonventionen.

A B A ∧ ¬A A ∨ ¬A ¬B → ¬A ¬A ∨ B ¬(A → B)
0 0 0 1 1 1 0
0 1 0 1 1 1 0
1 0 0 1 0 0 1
1 1 0 1 1 1 0

Definition 1.6 Zwei aussagenlogische Formeln p und q heißen gleichwertig oder


(semantisch) äquivalent, in Zeichen p ≡ q, wenn beide bei jeder Belegung der (in
ihnen vorkommenden) Variablen denselben Wahrheitswert besitzen.

Eine aussagenlogische Formel p heißt allgemeingültig oder eine Tautologie (grch.


tautologia = dasselbe sagend), wenn p ≡ 1 gilt. Dagegen spricht man bei p ≡ 0
von einer widersprüchlichen Formel oder einer Kontradiktion (lat. contra = gegen,
dicere = sagen, sprechen). Eine nicht widersprüchliche Formel heißt erfüllbar.

Aufgabe 1.7 Wie würde man entsprechend die “Termäquivalenz” für Terme aus
Aufgabe 1.3 definieren?

Durch Aufstellen der entsprechenden Wahrheitswertetafeln beweist man den fol-


genden Hilfssatz. Diese und weitere Äquivalenzen werden diskutiert auf

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.1 Aussagenlogik 7

www.mathecafe.de/logik/formelaequivalenz.html

Lemma 1.8 Für aussagenlogische Formeln x gelten die folgenden Äquivalenzen

(1) ¬0 ≡ 1,
(2) ¬1 ≡ 0,
(3) ¬(¬x) ≡ x,
(4) x ∧ ¬x ≡ 0,
(5) x ∨ ¬x ≡ 1,
(6) x ↔ ¬x ≡ 0,
(7) 0 ∧ x ≡ 0,
(8) 1 ∧ x ≡ x,
(9) 0 ∨ x ≡ x,
(10) 1 ∨ x ≡ 1,
(11) 0 → x ≡ 1,
(12) 1 → x ≡ x,
(13) x → 0 ≡ ¬x,
(14) x → 1 ≡ 1,
(15) x → x ≡ 1,
(16) x ↔ 0 ≡ ¬x,
(17) x ↔ 1 ≡ x.

Beweis:

x 0 1 ¬x ¬0 ¬1 ¬(¬x) x ∧ ¬x x ∨ ¬x x ↔ ¬x
0 0 1 1 1 0 0 0 1 0
1 0 1 0 1 0 1 0 1 0

x 0 1 ¬x 0∧x 1∧x 0∨x 1∨x 0→x 1→x


0 0 1 1 0 0 0 1 1 0
1 0 1 0 0 1 1 1 1 1

x 0 1 ¬x x→0 x→1 x→x x↔0 x↔1


0 0 1 1 1 1 1 1 0 
1 0 1 0 0 1 1 0 1

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.1 Aussagenlogik 8

Bemerkung 1.9 Aufgrund der Definition des Junktors ↔ und der Äquivalenz
≡ von Formeln gilt p ≡ q genau dann, wenn p ↔ q eine Tautologie ist.

Aus (1) und (2) folgt insbesondere, daß die Tautologien gerade die Negationen
der Widersprüche sind und umgekehrt.

Die Formel (3) beschreibt die “doppelte Verneinung”, welche wieder die ursprüng-
liche Aussage ergibt.

Die Formel (5) ist auch als “tertium non datur” bekannt: Jede Aussage kann nur
wahr oder falsch sein, eine dritte Möglichkeit gibt es nicht. (Dies liegt natürlich
an der vorausgesetzten Zweiwertigkeit der Logik!)

Die Formel (11) zeigt, daß aus einem Widerspruch jede beliebige Aussage folgt:
“ex contradictione quodlibet” oder kürzer aber nicht ganz korrekt “ex falso quod-
libet”.

Die Formel (13) begründet das Prinzip des Widerspruchsbeweises: Wenn aus einer
(als wahr angenommenen) Aussage ein Widerspruch gefolgert werden kann, muß
diese Aussage falsch sein, “tertium non datur”.

Die Formel (15) beschreibt die “Selbstimplikation”, also jede Formel impliziert
sich selbst.

Satz 1.10 Für aussagenlogische Formeln x, y, z gelten die folgenden Äquivalen-


zen

(18) x∧x ≡ x,
(19) x∨x ≡ x,
(20) x∧y ≡ y ∧ x,
(21) x∨y ≡ y ∨ x,
(22) x↔y ≡ y ↔ x,
(23) x ∧ (y ∧ z) ≡ (x ∧ y) ∧ z,
(24) x ∨ (y ∨ z) ≡ (x ∨ y) ∨ z,
(25) x ↔ (y ↔ z) ≡ (x ↔ y) ↔ z,
(26) x ∧ (x ∨ y) ≡ x,
(27) x ∨ (x ∧ y) ≡ x,
(28) x → (x → y) ≡ x → y,
(29) x ∧ (y ∨ z) ≡ (x ∧ y) ∨ (x ∧ z),
(30) x ∨ (y ∧ z) ≡ (x ∨ y) ∧ (x ∨ z),

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.1 Aussagenlogik 9

(31) x → (y ∧ z) ≡ (x → y) ∧ (x → z),
(32) x → (y ∨ z) ≡ (x → y) ∨ (x → z),
(33) x∧y →z ≡ (x → z) ∨ (x → z),
(34) x∨y →z ≡ (x → z) ∧ (x → z),
(35) ¬(x ∧ y) ≡ ¬x ∨ ¬y,
(36) ¬(x ∨ y) ≡ ¬x ∧ ¬y,
(37) ¬(x → y) ≡ x ∧ ¬y,
(38) ¬(x ↔ y) ≡ ¬x ↔ y,
(39) (x ∧ ¬y) ∨ (y ∧ ¬x) ≡ (x ∨ y) ∧ ¬(x ∧ y).

Beweis: Übungsaufgabe! 

Bemerkung 1.11 Die Äquivalenzen (35) und (36) werden auch De Morgansche
Regeln genannt, nach Augustus de Morgan (1806 - 1871).

Folgerung 1.12 Für aussagenlogische Formeln x, y gelten die folgenden Äqui-


valenzen

(40) x ↔ y ≡ (x → y) ∧ (y → x),
(41) x → y ≡ ¬x ∨ y,
(42) x ∨ y ≡ ¬(¬x ∧ ¬y),
(43) x ∧ y ≡ ¬(¬x ∨ ¬y).

Beweis: (40) ergibt sich aus der folgenden Wahrheitswertetafel:

x y x↔y x→y y→x (x → y) ∧ (y → x)


0 0 1 1 1 1
0 1 0 1 0 0
1 0 0 0 1 0
1 1 1 1 1 1

(41) folgt aus (37) mittels (35) und doppelter Verneinung (3).

(42) und (43) folgen aus (36) bzw. (35) ebenfalls durch doppelte Verneinung. 

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.1 Aussagenlogik 10

Bemerkung 1.13 Diese Folgerung zeigt, daß sich nacheinander ↔, → und ∧


aus allen Formeln entfernen lassen, so daß man “eigentlich” nur die Junktoren
¬ und ∨ in der Definition 1.1 (2) benötigt. Dasselbe gilt aber auch für ¬ und
∧. Es ist nur eine Frage der Bequemlichkeit, die anderen Junktoren ebenfalls
zu benutzen. Man bezeichnet die jeweils verwendete Menge von Junktoren, also
Σ = {¬, ∧, ∨, →, ↔} bzw. Σ = {¬, ∧} usw. auch als logische Signatur (lat. signum
= Zeichen, Kennzeichen) der gerade betrachteten Logik.

Definition 1.14 Atomare Formeln und deren Negationen heißen Literale. Eine
Disjunktion p1 ∨ . . . ∨ pn , wobei jede Teilformel pi eine Konjunktion von Literalen
ist, heißt eine disjunktive Normalform oder alternative Normalform. Eine Kon-
junktion q1 ∧ . . . ∧ qn , wobei jede Teilformel qi eine Disjunktion von Literalen ist,
heißt eine konjunktive Normalform.

Ohne Beweis sei der folgende Satz mitgeteilt, der dann natürlich auch verwendet
werden darf.

Satz 1.15 Zu jeder aussagenlogischen Formel gibt es eine äquivalente in disjunk-


tiver Normalform und eine äquivalente in konjunktiver Normalform.

Satz 1.16 Für aussagenlogische Formeln x, y, z gelten die folgenden Tautologien

(44) x → (y → x),
(45) ((x → y) → x) → x,
(46) (x → (y → z)) → (y → (x → z)),
(47) (x → y) ↔ ((¬y) → (¬x)),
(48) (x → y) → ((y → z) → (x → z)),
(49) (x → (y → z)) → ((x → y) → (x → z)),
(50) (x → y) ∧ (x → z) → (x → y ∧ z),
(51) (x → z) ∧ (y → z) → (x ∨ y → z),
(52) (x → y) ∧ (x → ¬y) → ¬x,
(53) (x → y) ∧ (¬x → y) → y.

Beweis: Einige Formeln lassen sich statt durch Wahrheitswertetafeln auch kürzer
durch Fallunterscheidungen beweisen:

(44): Ist x wahr, dann auch y → x für jede Formel y und daher (44). Ist x aber
falsch, so gilt diese Implikation wegen “ex falso quodlibet”.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.2 Prädikatenlogik 11

(45): Ist x wahr, so gilt die Implikation. Ist x falsch, so gilt x → y für jedes y,
womit dann aber (x → y) → x falsch ist. Daher gilt aber die gesamte Implikation.

Rest: Übungsaufgabe! 

Bemerkung 1.17 In diesem Satz sind einige Beweismethoden angegeben. (44)


beschreibt das Prinzip der “Prämissenbelastung”, (45) ist als “Formel von Peirce”
(C. S. Peirce, 1839 - 1914) bekannt, (46) als “Prämissenvertauschung”. (47) stellt
den “Beweis durch Kontraposition” dar. (48) beschreibt den sogenannten “Ket-
tenschluß”, (49) den “Fregeschen Kettenschluß” (Gottlob Frege, 1848 - 1925).
(52) stellt das “Platonische Falschheitskriterium” (Platon, 428/27 - 348/47 v.
Chr.) dar, (53) das “Euklidische Wahrheitskriterium” (Euklid, um 360 - um 280
v. Chr.)

Bemerkung 1.18 Die Methode der Wahrheitswertetafeln stellt eine universel-


le Beweismethode für aussagenlogische Formeln dar, jedoch steigt der Aufwand
exponentiell mit der Anzahl der auftretenden Variablen. Man ist daher an Verfah-
ren (Algorithmen) interessiert, die “wesentlich schneller” die Wahrheit, Falschheit
oder Erfüllbarkeit einer Formel feststellen. Daß die Suche nach derartigen Algo-
rithmen nicht nur für die Aussagenlogik große Bedeutung hat, sondern für fast
alle Bereiche der Mathematik (und ihrer Anwendungen), zeigt die Komplexitäts-
theorie.

1.2 Prädikatenlogik

Sei E ein Grundbereich von Objekten auch Universum genannt. Dann ist eine
Variable x über E ein Zeichen, für welches jedes Objekt aus E eingesetzt werden
kann. Eine Aussageform oder Prädikat P über E ist ein sprachliches Gebilde
einer natürlichen oder formalen Sprache, in dem wenigstens eine Variable über E
auftritt und aus dem beim Einsetzen von Objekten aus E für alle Variablen aus
P eine Aussage entsteht. Wenn in dem Prädikat P genau die Variablen x1 , . . . , xn
auftreten, schreibt man P (x1 , . . . , xn ), nennt P ein n-stelliges Prädikat und sagt,
daß die Variablen x1 , . . . , xn in P frei vorkommen.

Eine Aussageform hat noch keinen Wahrheitswert, sondern dieser wird erst fest-
gelegt, wenn jede Variable in ihr durch einen Wert aus E ersetzt wird. (Ähnlich
haben die in Aufgabe 1.3 betrachteten arithmetischen Terme erst dann einen
Wert, wenn jeder Variablen eine (reelle) Zahl zugeordnet wurde. Man beachte
auch, daß die im zweiten Teil dieser Aufgabe betrachteten Vergleichsoperatoren
gerade zweistellige Prädikate sind.)

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.2 Prädikatenlogik 12

Sei E = N0 die Gesamtheit aller natürlichen Zahlen.

P (x): x ist eine Primzahl.

T (x, y): x teilt y.

G(x) : T (2, x), also “x ist gerade”.

P (9) ist also die falsche Aussage “9 ist eine Primzahl”, P (3) die wahre Aussage
“3 ist eine Primzahl”. Ebenso ist T (2, 9) eine falsche Aussage, aber T (2, x) ist
noch keine Aussage.

Definition 1.19 Es sei E eine nichtleere Menge von Objekten und VE =


{x0 , x1 , x2 . . .} eine Menge von (Objekt-)Variablen über E. Weiterhin sei P =
{P, Q, R, . . .} eine Menge von Prädikaten, in denen nur Variablen aus VE auftre-
ten. Dann werden die prädikatenlogischen Formeln wie folgt erklärt:

(1) Jeder der Wahrheitswerte und jedes Prädikat ist eine prädikatenlogische For-
mel. Sie werden atomare Formeln oder kurz Atome genannt.

(2) Sind p und q prädikatenlogische Formeln, dann auch

(¬p), (p ∧ q), (p ∨ q), (p → q), (p ↔ q).

(3) Ist p(x) eine prädikatenlogische Formel, in der die Variable x frei vorkommt,
dann sind auch (∀x p(x)) und (∃x p(x)) prädikatenlogische Formeln, in denen die
Variable x nicht mehr frei sondern gebunden ist. Alle anderen in p frei vorkom-
menden Variablen bleiben frei.

(4) Nur die durch wiederholte Anwendung von (1) - (3) definierten Zeichenketten
sind prädikatenlogische Formeln. Die Gesamtheit aller so definierten Formeln
werde mit FP = FP (VE ) bezeichnet

Aufgabe 1.20 Man versuche nun noch einmal eine Formalisierung für den zwei-
ten Teil von Aufgabe 1.3.

Bemerkung 1.21 Man liest ∀x p(x) als “für alle x (aus E) gilt p(x)” und nennt
diese Formel eine Allaussage. Dagegen liest man die Existenzaussage ∃x p(x) als
“es gibt ein x (aus E), für das p(x) gilt”. Weiterhin heißt ∀ der Allquantor oder
Generalisator und ∃ der Existenzquantor oder Partikularisator.

Man schreibt auch oft knapper: Statt ∀x(x ∈ N → x ≤ 2x) kurz ∀x ∈ N(x ≤ 2x)
oder ∀x ∈ N : x ≤ 2x.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.2 Prädikatenlogik 13

Für manche Zwecke ist es nützlich, den Existenzquantor noch zu modifizieren


durch ∃!x p(x) mit der Lesart “es gibt höchstens ein x (aus E), für das p(x)
gilt” und ∃!!x p(x) für “es gibt genau ein x (aus E), für das p(x) gilt”. Man
kann aber beide Formeln durch zusammengesetzte Formeln allein mit Hilfe des
Existenzquantors ausdrücken:

∃!x p(x) ↔ ((∃x p(x) ∧ ∃y p(y)) → x = y)

∃!!x p(x) ↔ (∃x p(x)) ∧ (∃x p(x) ∧ ∃y p(y) → x = y).

Die exakte Festlegung der formalen Semantik der Quantoren und damit der Wahr-
heitswerte von prädikatenlogischen Formeln würde den Rahmen dieser kurzen
Einführung sprengen. Man findet dies aber in dem Skript zur Logischen Pro-
grammierung, das unter www.mathecafe.de/logik/ verlinkt ist.

Es werden auch Alternativen zur Prädikatenlogik untersucht (Fuzzylogik, Mo-


dallogik, Temporallogik, Kausallogik), in denen neben anderen Wahrheitswerten
auch andere Quantoren eingeführt werden.

Der folgende Satz kann nur mit Hilfe der oben erwähnten Präzisierungen streng
bewiesen werden. Er darf jedoch im weiteren Verlauf dieser und anderer Vorle-
sungen angewandt werden.

Satz 1.22 Es sei p(x, y) eine Formel, die von den zwei verschiedenen Variablen x
und y abhängt und q(x) eine Formel, die von x abhängt. Dann gelten die folgenden
Äquivalenzen:

(54) ∀x∀y p(x, y) ≡ ∀y∀x p(x, y),


(55) ∃x∃y p(x, y) ≡ ∃y∃x p(x, y),
(56) ¬∃x q(x) ≡ ∀x ¬q(x),
(57) ¬∀x q(x) ≡ ∃x ¬q(x).

Außerdem gilt die Implikation

(58) ∃x∀y p(x, y) → ∀y∃x p(x, y).

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.2 Prädikatenlogik 14

Beispiel 1.23 Über dem Bereich E = Z der ganzen Zahlen bezeichne p(x, y)
die Aussageform x + y = 0. Dann ist ∀y∃x p(x, y), also ∀y∃x x + y = 0 eine
wahre Aussage, denn man kann zu jeder ganzen Zahl y immer die ebenfalls ganze
Zahl x = −y wählen. Dagegen ist im Bereich E = N0 der natürlichen Zahlen diese
Aussage nicht wahr. Dies zeigt also, daß die Wahrheit oder Falschheit einer Formel
von E abhängt. In beiden Bereichen ist aber die Formel ∃x∀y x + y = 0 falsch.
Daher gilt die Umkehrung in (58) nicht. In allen diesen Aussagen tritt neben dem
mathematischen Standardprädikat “=” noch das weitere (Verknüpfungs-)Symbol
“+” auf, dem hier eine ganz bestimmte Bedeutung unterstellt wird, nämlich die
der Addition von (ganzen oder natürlichen) Zahlen, vgl. Aufgabe 1.3.

Beispiel 1.24 Über dem Bereich E = F aller aussagenlogischen Formeln stellt


die Äquivalenz ≡ gemäß Definition 1.6 ebenfalls ein zweistelliges Prädikat in In-
fixnotation dar. Für Variablen p, q, r aus VE lassen sich dann die Aussagen des
folgenden Lemmas beweisen. Hier werden also Aussagen über Aussagen formali-
siert!

Lemma 1.25 Für aussagenlogische Formeln p, q, r gelten die folgenden Aussa-


gen:

(59) ∀p p ≡ p,
(60) ∀p∀q p ≡ q → q ≡ p,
(61) ∀p∀q∀r p ≡ q ∧ q ≡ r → p ≡ r.

Beweis: (59) ist trivial! (Jede Formel p hat bei jeder Variablenbelegung denselben
Wahrheitswert wie sie selbst.)

(60) ist ebenfalls trivial. (Wenn die Formeln p und q bei jeder Variablenbele-
gung denselben Wahrheitswert besitzen, dann besitzen auch q und p bei jeder
Variablenbelegung denselben Wahrheitswert.)

(61): Wenn p ≡ q und q ≡ r wahr sind, dann besitzen sowohl p und q als auch q
und r bei jeder Variablenbelegung denselben Wahrheitswert. Dann besitzen aber
auch p und r bei jeder Variablenbelegung denselben Wahrheitswert. 

Aufgabe 1.26 Man formalisiere möglichst weitgehend mit Hilfe geeigneter


prädikatenlogischer Formeln die Begriffe “Teiler”, “Primzahl” und “größter ge-
meinsamer Teiler” innerhalb der ganzen Zahlen Z und der natürlichen Zahlen N0 .
Es dürfen also die Prädikate ganz(x) und nat(x) als gegeben betrachtet werden.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.3 Mengenbildung und Mengenalgebra 15

1.3 Mengenbildung und Mengenalgebra

Wir gehen zunächst einmal von der Mengendefinition nach Georg Cantor (1845
- 1918), dem “Vater der Mengenlehre”, aus:

Unter einer Menge verstehen wir jede Zusammenfassung M von bestimmten wohl-
unterschiedenen Objekten m unserer Anschauung oder unseres Denkens (welche
die Elemente von M genannt werden) zu einem Ganzen.

Man notiert diesen Sachverhalt formal durch m ∈ M , gelesen: “m ist Element


von M ” oder “M enthält m”. Das Symbol ∈ ist ein stilisiertes griechisches ε
(“Epsilon”) wegen der Bedeutung “Element” (lat. elementum = Grundstoff).

In einer axiomatischen Mengenlehre (grch. axiomata = als wahr angenommener


Grundsatz) wird diese “naive” Vorstellung nun formal präzisiert. Hier wird eine
mögliche Präzisierung angegeben, die von Ernst Zermelo (1871 - 1953) und Abra-
ham Adolf Fraenkel (1891 - 1965) entwickelt wurde und als “ZFC-Mengenlehre”
bezeichnet wird. Dabei steht “C” für das Auswahlaxiom (”axiom of choice”).

Da eine Menge M nach Cantors Vorschlag genau aus ihren Elementen besteht,
fordert man das Extensionalitätsaxiom (lat. extensio = Umfang), d. h. jede
Menge ist durch ihren Umfang bereits eindeutig bestimmt, auf die “inhaltliche
Bedeutung” ihrer Elemente kommt es also nicht an:

∀M ∀N (∀x(x ∈ M ↔ x ∈ N ) ↔ M = N ).

Dies hat weiterhin zur Folge, daß jedes Element einer Menge in dieser Menge
nur einmal vorkommt und daß es auf die Reihenfolge der Elemente einer Menge
ebenfalls nicht ankommt!

Weiterhin präzisiert man die Idee des “Zusammenfassens” von Elementen zu


einer Menge in einem möglichst schwachen Sinn, indem man fordert, daß man
mindestens zwei (nicht notwendig verschiedene) Objekte immer zu einer Menge
zusammenfassen kann. Man formuliert daher das Paarmengenaxiom:

∀a∀b(∃M (∀x x ∈ M ↔ x = a ∨ x = b)).

Nach dem Extensionalitätsaxiom ist M durch a und b jeweils eindeutig bestimmt.


Man nennt diese Menge eine Zweiermenge und notiert sie als M = {a, b}, speziell
für a = b als M = {a}, wobei sie dann als Einermenge bezeichnet wird.

Da es bisher nicht gesichert ist, ob es überhaupt Mengen gibt, fordert man axio-
matisch die Existenz von mindestens einer Menge. Man kann sich hierbei prinzi-
piell auf eine sehr “kleine” Menge beschränken, in der überhaupt keine Elemente
liegen und fordert daher im Nullmengenaxiom:

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.3 Mengenbildung und Mengenalgebra 16

∃M ∀x ¬x ∈ M .

Nach dem Extensionalitätsaxiom gibt es genau eine derartige Menge; diese wird
leere Menge genannt und mit ∅ oder {} bezeichnet.

Damit gibt es wenigstens die paarweise verschiedenen Mengen ∅, {∅}, {{∅}},


{∅, {∅}} usw.

Nennt man nun eine Menge M Teilmenge einer Menge N , wenn jedes Element
von M auch ein Element von N ist, und notiert dies als M ⊆ N , so ist jede
Menge Teilmenge von sich selbt, die leere Menge ist Teilmenge jeder Menge, und
für die oben genannten Beispiele gelten beispielsweise {∅} ⊆ {∅, {∅}} usw.

Man möchte aber auch die Elemente, die in verschiedenen Mengen zusammenge-
faßt wurden, immer zu einer einzigen Menge zusammenfassen dürfen. Wiederum
fordert man in dem kleinen Vereinigungsmengenaxiom möglichst vorsichtig,
daß dies zumindest für zwei Mengen stets erlaubt ist:

∀A∀B∃M (x ∈ M ↔ x ∈ A ∨ x ∈ B)

Wiederum nach dem Extensionalitätsaxiom ist M durch A und B eindeutig be-


stimmt und man schreibt M = A ∪ B.

Nun kann man für jede Menge M den eindeutig bestimmten Nachfolger M + :=
M ∪{M } definieren. Es gelten dann immer M ∈ M + und M ⊆ M + . Insbesondere
hat man dann die “Folge” von paarweise verschiedenen Mengen 0 := ∅, 1 := ∅+ =
∅ ∪ {∅} = {∅} = {0}, 2 := (∅+ )+ = {∅}+ = {∅} ∪ {{∅}} = {∅, {∅}} = {0, 1} usw.
Man möchte nun auch diese “unendlich vielen” Mengen wieder zu einer Menge
zusammenfassen können und fordert das Unendlichkeitsaxiom:

∃M (∅ ∈ M ∧ ∀x(x ∈ M → x+ ∈ M )).

Hiernach muß M nicht genau aus den Elementen der oben genannten Folge be-
stehen, sondern könnte noch mehr Elemente enthalten. Man nennt daher jede
Menge mit dieser Eigenschaft eine Nachfolgermenge. Jetzt kann man die Menge
der natürlichen Zahlen N0 als eindeutig bestimmte Nachfolgermenge definieren,
die in jeder Nachfolgermenge enthalten ist. Speziell in der Mengenlehre wird an-
stelle von N0 auch das Symbol ω benutzt.

Aufgabe 1.27 Man beweise, daß die natürlichen Zahlen in der angegebenen
Form tatsächlich existieren. Dabei darf auch die in Definition 1.32 eingeführte
Durchschnittsbildung benutzt werden.

Weiterhin zeige man, daß die Peano-Axiome (Guiseppe Peano, 1858 - 1932) erfüllt
sind:

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.3 Mengenbildung und Mengenalgebra 17

(P1) ∅ ∈ N0 .

(P2) n ∈ N0 → n+ ∈ N0 .

(P3) ∀n ∈ N0 ∀m ∈ N0 (n+ = m+ → n = m).

(P4) ¬∃n ∈ N0 : 0 = n+ .

(P5) ∀N ⊆ N0 (N Nachfolgermenge → N = N0 ).

Daß die oben zitierte Cantorsche Definition, wenn man sie zu naiv ganz wörtlich
nimmt, schnell zu Widersprüchen (Antinomien) führt, stellte sich bald heraus.
Ein besonders bekanntes Beispiel für eine derartige Antinomie fand Bertrand
Russell (1872 - 1970) mit der sogenannten Russellschen Menge R wie folgt:

Russell definierte zunächst die Allmenge X, also die “Menge aller Mengen”. Da
jede Menge ja ein Objekt unseres Geistes ist, schien diese Mengenbildung nach
der Cantorschen Definition möglich. Diese Menge mußte sich dann notwendiger-
weise selbst enthalten, also X ∈ X erfüllen. Dies sieht zwar ungewöhnlich aus,
scheint aber noch nicht unmöglich zu sein. Russell bildete nun die Menge R aller
“gewöhnlichen” Mengen M , die also ¬M ∈ M , oder kurz M 6∈ M erfüllen. Jetzt
fragte er: “Ist R eine “gewöhnliche” Menge, gilt also R 6∈ R, oder nicht?”

Wäre R eine gewöhnliche Menge, also R 6∈ R, dann müsste sie aber Element von
R sein, also R ∈ R erfüllen, was nicht sein kann.

Wäre aber R eine ungewöhnliche Menge, so wäre R nicht in R enthalten, also


R 6∈ R und damit R eine gewöhnliche Menge, was ebenfalls nicht sein kann.

Daher ist die Bildung von R und damit auch von X widersprüchlich, man darf
also nicht so “uferlos” Mengen bilden.

Ebenfalls von Russell, der übrigens 1950 als bisher einziger Mathematiker den
Literaturnobelpreis erhielt, stammt die hübsche Veranschaulichung dieses “Rus-
selschen Paradoxons” mit dem Dorfbarbier, der genau die Männer eines Dorfes
rasiert, die sich nicht selbst rasieren. (Die Auflösung dieses Paradoxons durch die
Annahme, daß “der” Dorfbarbier eine emanzipierte Frau ist, war damals wohl
noch undenkbar!)

Russell schlug dann als Ausweg (alternativ zu dem oben begonnenen axiomati-
schen) einen stufenweisen Aufbau aller Mengen vor.

Zunächst ging Russell von gegebenen Objekten, sogenannten Urelementen oder


Urmengen aus, die er als Mengen 0. Stufe bezeichnete: X 0 , Y 0 , Z 0 , . . . oder

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.3 Mengenbildung und Mengenalgebra 18

x, y, z, . . . in üblicher Schreibweise. Dies sind die Elemente der gewöhnlichen Men-


gen. (Mit der Bezeichnungsweise “Urmengen” bringt man zum Ausdruck, daß es
nur Mengen gibt, keine anderen Objekte!)

Dann ging er zu den gewöhnlichen Mengen der 1. Stufe über: X 1 , Y 1 , Z 1 , . . . oder


X, Y, Z, . . ..

Jetzt folgten Mengensysteme als Mengen der 2. Stufe: X 2 , Y 2 , Z 2 , . . . oder


X, Y, Z, . . .. Ihre Elemente sind gerade die gewöhnlichen Mengen oder deren Ele-
mente.

So fortfahrend gelangte er zu den Mengen der n. Stufe: X n , Y n , Z n , . . ..

Da jede Menge M einer Stufe n auf diese Weise nur Elemente einer niedrigeren
Stufe enthalten kann, ist M ∈ M ausgeschlossen und die oben dargestellte Anti-
nomie kann nicht mehr auftreten. Es bleibt aber unklar, ob nicht andere Wider-
sprüche durch zu großzügige Mengenbildung auftreten können. Daher schränkt
man die Bildung von Mengen durch das folgende Mengenbildungsaxiom näher
ein. Es handelt sich hierbei nicht um ein einzelnes Axiom sondern um ein Axio-
menschema, aus dem (je nach Wahl der gleich beschriebenen Aussageform P )
unendlich viele verschiedene konkrete Axiome entstehen.

Zunächst bezeichne M n für jede Stufe eine Mengenvariable für Mengen der n.
Stufe. Weiterhin sei P (M n ) eine Aussageform über Mengen n. Stufe, in der also
keine Mengen höherer Stufe auftreten dürfen. Dann soll gelten:

∃M n+1 ∀M n (M n ∈ M n+1 ↔ P (M n )).

Mit dem Extensionalitätsaxiom folgt sogar, daß jede nach dem Mengenbildungs-
axiom gebildete Menge eindeutig bestimmt ist:

Satz 1.28 ∃!!M n+1 ∀M n (M n ∈ M n+1 ↔ P (M n )).

Beweis: Seien M1n+1 und M2n+1 beides Mengen (n + 1). Stufe, die diese Bedin-
gung erfüllen. Dann ist für alle Mengen M n n. Stufe die Aussage M n ∈ M1n+1
gleichwertig zu P (M n ) und die Aussage M n ∈ M2n+1 gleichwertig zu P (M n ).
Wegen Lemma 1.25 folgt hieraus M n ∈ M1n+1 ↔ M n ∈ M2n+1 , also nach dem
Extensionalitätsaxiom die behauptete Gleichheit. 

In der axiomatischen Mengenlehre, in der man keine Stufen betrachtet, formuliert


man anstelle des Mengenbildungsaxioms etwas vorsichtiger das Aussonderungs-
axiom:

∀N ∃M ∀x(x ∈ M ↔ x ∈ N ∧ P (x, x1 , . . . , xn )).

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.3 Mengenbildung und Mengenalgebra 19

Nach dem Extensionalitätsaxiom ist M als Teilmenge von N eindeutig bestimmt


und man schreibt M = {x ∈ N | P (x, x1 , . . . , xn )}. Man nennt P (x, x1 , . . . , xn )
einen definierenden Ausdruck von M .

Beispiel 1.29 In der Russelschen Mengenlehre bezeichne P (x) die Aussageform


x = x für eine Mengenvariable x 0. Stufe. Dann ist E = {x | x = x} die
Allmenge, die alle Urmengen enthält und ∅ = {x | x 6= x} die leere Menge, die
keine Elemente enthält. Beides sind Mengen 1. Stufe.

In der axiomatischen Mengenlehre ist die Bildung der Allmenge nur innerhalb ei-
ner bereits gegebenen Menge möglich und stimmt dann natürlich mit dieser gege-
benen Menge überein. “Allmengen” im naiven Sinn, die zu Widersprüchen führen
können, wenn man zu großzügig mit ihnen umgeht, werden dann als Unmen-
gen bezeichnet. Man kann aber Mengen und Unmengen zu sogenannten Klassen
zusammenfassen und den widerspruchsfreien Umgang mit ihnen in einer “Klas-
senlogik” mathematisch korrekt formulieren. Dies überschreitet aber den Rahmen
dieser Vorlesung bei weitem. Die “Russellsche Menge” ist dann übrigens ebenfalls
eine Unmenge.

Bei der Bestimmung einer Menge mit Hilfe einer definierenden Eigenschaft sind
oft auch andere suggestive Schreibweisen üblich: Statt nN0 := {x | x ∈ N0 ∧ n | x}
schreibt man auch nN0 := {x ∈ N0 | n | x} oder nN0 := {nm | m ∈ N0 }.

Definition 1.30 Es sei n > 0 eine natürliche Zahl und ai für i = 1, . . . , n Ele-
mente aus E mit ai 6= aj für alle i 6= j. Man nennt derartige Elemente auch
paarweise verschieden, wobei diese Bedingung für n = 1 immer erfüllt sein soll.
Bezeichnet P (x) := x = a1 ∨ x = a2 ∨ . . . ∨ x = an , so schreibt man für die
Menge M = {x | P (x)} auch M = {a1 , . . . , an } und nennt sie eine n-elementige
Menge. Eine Menge M heißt endlich, wenn sie leer ist (0-elementig) oder eine
n-elementige Menge für irgend eine natürliche Zahl n > 0. Alle anderen Mengen
heißen unendlich. Für n = 1 ergeben sich nochmals die oben schon definierten
Einermengen, für n = 2 die Zweiermengen. Man schreibt |M | := n für jede n-
elementige Menge und nennt diese Anzahl ihrer Elemente ihre Mächtigkeit oder
Kardinalität und |M | eine Kardinalzahl. Für alle unendlichen Mengen M schreibt
man |M | = ∞, wobei dieses Symbol keine konkrete Kardinalzahl darstellt, son-
dern nur eine Abkürzung für die Aussage ¬∃n ∈ N0 : |M | = n ist.

Insbesondere ist also die Menge {1, . . . , n} für jede natürliche Zahl n endlich.
Wir werden später sehen, daß diese Mengen gewissermaßen die “Prototypen” der
endlichen Mengen sind.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.3 Mengenbildung und Mengenalgebra 20

Aufgabe 1.31 Zeigen Sie, daß für die Kardinalitäten beliebiger endlicher Men-
gen A und B und dem in Definition 1.32 eingeführten Durchschnitt A ∩ B und
der Vereinigung A ∪ B gilt

|A ∪ B| = |A| + |B| − |A ∩ B|.

Versuchen Sie anschließend, eine Verallgemeinerung dieser Formel für |A1 ∪ . . . ∪


An | bei endlich vielen endlichen Mengen Ai zu finden.

Ersetzt man in einer Mengendefinition M := {x | P (x)} den definierenden Aus-


druck P (x) durch einen dazu gleichwertigen Q(x), so wird wegen des Extensio-
nalitätsaxioms durch Q(x) dieselbe Menge M beschrieben. Insbesondere kann
man die leere Menge auch durch den Ausdruck Q(x) = 0 und die Allmenge
durch R(x) = 1 definieren. Außerdem wird jede Menge M durch den Ausdruck
M (x) := x ∈ M beschrieben. Diese Möglichkeit gestattet es, Verknüpfungen von
Mengen A ◦ B gemäß
(A ◦ B)(x) = A(x) ◦ B(x)
durch Verknüpfungen von Prädikaten durch logische Junktoren ◦ zu definieren,
wobei ◦ sogar eine beliebige zweistellige Boolesche Funktion sein kann. Dabei
übertragen sich die Eigenschaften der Junktoren unmittelbar auf die Eigenschaf-
ten der mengentheoretischen Verknüpfungen. Üblicherweise führt man allerdings
aus historischen Gründen neue Symbole für die Mengenverknüpfungen ein.

Definition 1.32 Für Mengen A und B Mengen definiert man

den Durchschnitt A ∩ B = {x | (A ∧ B)(x)} = {x | x ∈ A ∧ x ∈ B},

die Vereinigung A ∪ B = {x | (A ∨ B)(x)} = {x | x ∈ A ∨ x ∈ B},

das Komplement A = −A = {x | ¬A(x)} = {x | x 6∈ A},

die (mengentheoretische) Differenz A \ B = A ∩ B = {x | x ∈ A ∧ ¬(x ∈ B)},

die symmetrische Differenz A∆B = {x | x ∈ (A \ B) ∪ (B \ A)}.

Zwei Mengen A und B mit A ∩ B = ∅ nennt man disjunkt, und die Elemente
eines Mengensystems M heißen paarweise disjunkt, wenn je zwei Elemente A 6= B
aus M disjunkt sind.

Bemerkung 1.33 Die Veranschaulichung dieser mengentheoretischen Verknüp-


fungen geschieht meist durch Venn-Diagramme (John Venn, 1834 - 1923).

Menge A und Komplement −A

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.3 Mengenbildung und Mengenalgebra 21

−A
A

Durchschnitt A ∩ B

A B

Vereinigung A ∪ B

A B

Differenz A \ B

A B

Symmetrische Differenz A∆B

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.3 Mengenbildung und Mengenalgebra 22

A B

Die Aussagen des folgenden Satzes ergeben sich unmittelbar aus den entsprechen-
den Aussagen für die logischen Junktoren.

Satz 1.34 Für Mengen A, B, C gelten

(62) A∩A = A,
(63) A∪A = A,
(64) A∩B = B ∩ A,
(65) A∪B = B ∪ A,
(66) (A ∩ B) ∩ C = A ∩ (B ∩ C),
(67) (A ∪ B) ∪ C = A ∪ (B ∪ C),
(68) A ∩ (A ∪ B) = A,
(69) A ∪ (A ∩ B) = A,
(70) A ∩ (B ∪ C) = (A ∩ B) ∪ (A ∩ C),
(71) A ∪ (B ∩ C) = (A ∪ B) ∩ (A ∪ C),
(72) A∪∅ = A,
(73) A∩E = A,
(74) A∩∅ = ∅,
(75) A∪E = E,
(76) A∩A = ∅,
(77) A∪A = E,
(78) A = A,
(79) ∅ = E,
(80) E = ∅,
(81) A∩B = A ∪ B,
(82) A∪B = A ∩ B.

Beweis: (62) und (63) folgen aus (18) und (19).

(64) und (65) folgen aus (20) und (21).

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.3 Mengenbildung und Mengenalgebra 23

(66) und (67) folgen aus (23) und (24).

(68) und (69) folgen aus (26) und (27).

(70) und (71) folgen aus (29) und (30).

(72) folgt aus (9) mit (65), (73) aus (8) mit (64).

(74) folgt aus (7), (75) aus (10).

(76) folgt aus (4), (77) aus (5).

(78) folgt aus (3).

(79) folgt aus (1), (80) aus (2).

(81) folgt auch (35), (82) aus (36). 

Bemerkung 1.35 (62) und (63) besagen, daß Durchschnitt bzw. Vereinigung
von Mengen idempotent sind.

(64) und (65) stellen fest, daß beide Operationen auch kommutativ sind.

(66) und (67) beschreiben die Assoziativität der beiden Operationen.

Die Gleichungen (69) und (68) werden Absorptionsgesetze genannt, die Gleichun-
gen (70) und (71) Distributivgesetze.

Schließlich nennt man (76) und (77) die Komplementgesetze.

Gelten ganz allgemein auf einer Menge M für zwei Operationen ∩ und ∪ die
Gesetze (64) - (69), so spricht man von einem Verband. Gelten dazu noch (71)
und (70), so heißt der Verband distributiv.

Ist jedem Element dieses distributiven Verbandes dann noch eindeutig ein “Kom-
plement” zugeordnet und gibt es zwei ausgezeichnete Elemente (meist mit “o”
und “e” bezeichnet), so daß die Komplementgesetze gelten, so spricht man von
einer Booleschen Algebra.

Jede Potenzmenge ist also eine Boolesche Algebra.

Eine ausführlichere Behandlung dieser algebraischen Strukturen findet man in


dem Skript zur Verbandstheorie

www.mathe.tu-freiberg.de/∼hebisch/skripte/verbtheorie/verb.pdf

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.3 Mengenbildung und Mengenalgebra 24

Die Assoziativ- und Kommutativgesetze für Durchschnitt und Vereinigung ge-


statten auch die bekannten Schreibweisen für Durchschnitte und Vereinigungen
endlich vieler Mengen A1 , . . . , An :
Tn
i=1 Ai := (. . . (A1 ∩ A2 ) ∩ . . . ∩ An−1 ) ∩ An ,
Sn
i=1 Ai := (. . . (A1 ∪ A2 ) ∪ . . . ∪ An−1 ) ∪ An .

Folgerung 1.36 Für Mengen A, B, C gelten

(83) A\∅ = A,
(84) A\E = ∅,
(85) ∅\A = ∅,
(86) E\A = A,
(87) A\A = ∅,
(88) A\B = A ∪ B,
(89) (A ∩ B) \ C = (A \ C) ∩ (B \ C),
(90) (A ∪ B) \ C = (A \ C) ∪ (B \ C),
(91) A \ (B ∩ C) = (A \ B) ∪ (A \ C),
(92) A \ (B ∪ C) = (A \ B) ∩ (A \ C),
(93) A \ (B \ C) = (A \ B) ∪ (A \ C).

Beweis: Die ersten fünf Aussagen sind trivial!

(88): Wegen A \ B = A ∩ B folgt aus (81) A \ B = A ∩ B = A ∪ B, wobei in der


letzten Gleichheit noch (78) benutzt wurde.

Rest: Übung! 

Folgerung 1.37 Für Mengen A, B, C gelten

(94) A∆B = (A ∪ B) \ (A ∩ B),


(95) A∆B = B∆A,
(96) (A∆B)∆C = A∆(B∆C),
(97) A∆∅ = A,
(98) A∆A = ∅,
(99) A∆B = A∆B,
(100) A ∩ (B∆C) = (A ∩ B)∆(A ∩ C).

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.3 Mengenbildung und Mengenalgebra 25

Beweis: (94): Es ist nach Definition der symmetrischen und der mengentheore-
tischen Differenz A∆B = (A ∩ B) ∪ (B ∩ A). Mit (70) und (71) folgt hieraus
A∆B = (A ∩ B) ∪ (A ∩ A) ∪ (B ∩ B) ∪ (B ∩ A). Wegen A ∩ A = B ∩ B = ∅ gilt
also A∆B = (A ∪ B) ∩ (A ∪ B) = (A ∪ B) ∩ A ∩ B, wobei die letzte Gleichheit
aus (81) kommt. Mit der Definition der mengentheoretischen Differenz folgt nun
die Behauptung.

(95): Nach Definition der symmetrischen Differenz und wegen (65) gilt A∆B =
(A \ B) ∪ (B \ A) = (B \ A) ∪ (A \ B) = B∆A.

(97): Es ist mit der vorhergehenden Folgerung A∆∅ = (A\∅)∪(∅\A) = A∪∅ = A.

(98): Es ist mit der vorhergehenden Folgerung A∆A = (A\A)∪(A\A) = ∅∪∅ = ∅.

Rest: Übung! 

Definition 1.38 Seien A und B Mengen. Man nennt A eine Teilmenge oder
Untermenge von B und B dann eine Obermenge von A, in Zeichen: A ⊆ B, wenn
∀x(x ∈ A → x ∈ B) gilt. Hat man dann noch A 6= B, so heißt A echte Teilmenge
von B, in Zeichen: A ⊂ B. Diese Beziehung zwischen zwei Mengen nennt man
auch Inklusion (lat. includere = einschließen).

Folgerung 1.39 Für alle Mengen A, B, C gelten

(101) ∅ ⊆ A,
(102) A ⊆ A,
(103) A ⊆ B ∧ B ⊆ A → A = B,
(104) A ⊆ B ∧ B ⊆ C → A ⊆ C.

Beweis: Da x ∈ ∅ für alle x falsch ist, gilt x ∈ ∅ → x ∈ A wegen “ex falso


quodlibet”, also ist (101) richtig. (102) und (103) folgen aus (40) und dem Ex-
tensionalitätsaxiom, (104) folgt aus (48). 

Beispiel 1.40 Für jede natürliche Zahl n ∈ N0 ist nZ := {x | ∃z(z ∈ Z ∧ x =


n · z)} eine Teilmenge von Z und ebenso ist nN0 = nZ ∩ N0 eine Teilmenge von
N0 . Natürlich ist 0Z = {0} und 1Z = Z. Weiterhin gilt n | m ↔ mZ ⊆ nZ,
wodurch man die in (102) - (104) enthaltenen Aussagen über die Inklusion direkt
in Aussagen über die Teilbarkeit in den natürlichen Zahlen übersetzen kann.

Entsprechende Aussagen über Teilmengen von N0 erhält man, wenn man die
Mengen nN0 = N0 ∩ nZ betrachtet.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.3 Mengenbildung und Mengenalgebra 26

Die Aussage (103) wird sehr oft verwendet, um die Gleichheit von zwei Mengen
zu zeigen.

Für unendliche Mengen ist durch die bisherigen Axiome nicht gesichert, daß man
sämtliche Teilmengen einer Menge wieder zu einer Menge zusammenfassen darf.
Daher fordert man noch das Potenzmengenaxiom:

∀M ∃P ∀X(X ∈ P ↔ ∀y(y ∈ X → y ∈ M )).

Definition 1.41 Für jede Menge M sei P(M ) = {A | A ⊆ M } die Potenzmenge


von M , also die Menge aller Teilmengen von M .

Beispiel 1.42 Es ist P(∅) = {∅}, P({a}) = {∅, {a}}, P({a, b}) =
{∅, {a}, {b}, {a, b}}, P({a, b, c}) = {∅, {a}, {b}, {a, b}, {c}, {a, c}, {b, c}, {a, b, c}}.

Folgerung 1.43 Für Mengen A und B und ihre Potenzmengen gelten

(105) P(A) ∩ P(B) = P(A ∩ B),


(106) P(A) ∪ P(B) ⊆ P(A ∪ B).

Beweis: Sei X ⊆ A ∩ B, dann gilt auch X ⊆ A und X ⊆ B. Also liegt jedes


X ∈ P(A ∩ B) sowohl in P(A) als auch in P(B). Ist andererseits Y eine Menge,
die sowohl in P(A) als auch in P(B) liegt, dann ist Y Teilmenge von A und
Teilmenge von B. Also ist jedes y ∈ Y sowohl in A als auch in B enthalten und
liegt daher im Durchschnitt A ∩ B. Dies zeigt dann Y ∈ P(A ∩ B). Daher sind
beide Seiten gleich.

Rest: Übung! 

Um auch Vereinigungen über unendlich viele Mengen bilden zu können fordert


man das große Vereinigungsmengenaxiom, woraus natürlich das kleine sofort
folgt:

∀M∃X∀x(x ∈ X ↔ ∃M (M ∈ M ∧ x ∈ M )).

Definition 1.44 Es sei M ein Mengensystem. Man definiert

= {x | ∃X (X ∈ M ∧ x ∈ X)} und
S
die Vereinigung über M als M

den Durchschnitt über M 6= ∅ als = {x | ∀X (X ∈ M → x ∈ X)}.


T
M

Speziell für Mengensysteme M = {An | n ∈ N0 } schreibt man auch


S
M =
S∞
M= ∞
T T
n=0 An bzw. n=0 An .

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.4 Relationen und Abbildungen 27

Bemerkung 1.45 Für Zweiermengen M = {A, B} stimmt M mit der Vereini-


S

gung A ∪ B und M mit dem Durchschnitt A ∩ B überein.


T

S T
und erniedrigen in einer gestuften Mengenlehre die Stufe der Menge um 1.

Für M = ∅ würde sich ∅ = E, die Allmenge, ergeben. Man verzichtet üblicher-


T

weise in einer nicht gestuften Mengenlehre auf derartige Durchschnittsbildungen,


wenn das Mengensystem nicht einer festen Potenzmenge entstammt!

Aufgabe 1.46 Man beweise durch vollständige Induktion: Ist M eine n-


elementige Menge, so ist die Potenzmenge P(M ) 2n -elementig, kurz: |P(M )| =
2|M | . Man schreibt daher auch 2A oder 2A für P(A) bei beliebigen Mengen A.

Aufgabe 1.47 Versuchen Sie, den Beweis des Euklid für die Aussage, daß es
nicht nur endlich viele Primzahlen gibt, möglichst weitgehend mit mengentheo-
retischen und prädikatenlogischen Mitteln zu formalisieren

Aufgabe 1.48 Man beweise die Möglichkeit der sogenannten Division mit Rest:
Zu a, b ∈ Z mit b 6= 0 existieren ein eindeutig bestimmtes q ∈ Z, der Quotient, und
ein eindeutig bestimmtes r ∈ Z, der Rest mit a = q · b + r und 0 ≤ r < |b|. (Man
kann also a stets durch b 6= 0 eindeutig mit Rest r dividieren.) Sei n > 0 eine
ganze Zahl, also eine natürliche Zahl n 6= 0. Definiert man für r = 0, 1, . . . , n − 1
die (nichtleeren!) Mengen [r]n = {x ∈ Z | x läßt bei Division durch n den Rest
r}, dann sind diese Restklassen modulo n nicht leer und paarweise disjunkt und
für das Mengensystem Z/(n) = {[r]n | r = 0, . . . , n − 1} gilt Z = Z/(n).
S

1.4 Relationen und Abbildungen

1.4.1 Kartesische Produkte

Die folgende Definition des geordneten Paares und damit des kartesischen Pro-
duktes (René Descartes, 1596 - 1650) geht auf Kazimierz Kuratowski (1896 -
1980) zurück.

Definition 1.49 Für beliebige Elemente a und b (aus E) sei das geordnete Paar
(a, b) definiert als Zweiermenge (a, b) = {{a}, {a, b}}.

Sind A und B Mengen, dann heißt A × B = {(a, b) | a ∈ A ∧ b ∈ B} das


kartesische Produkt oder Kreuzprodukt oder direktes Produkt von A und B.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.4 Relationen und Abbildungen 28

Bemerkung 1.50 Das geordnete Paar (a, b) ist eine Menge 2. Stufe und das
kartesische Produkt daher eine Menge 3. Stufe.

Für a 6= b ist (a, b) eine Zweiermenge, für den Spezialfall a = b ist (a, a) = {{a}}
eine Einermenge.

Man kann geordnete Paare (M n , M m ) (und damit Kreuzprodukte) auch für Men-
gen M n , M m beliebiger, sogar verschiedener, Stufen definieren.

Folgerung 1.51 Für geordnete Paare gilt (a, b) = (a0 , b0 ) ↔ (a = a0 ) ∧ (b = b0 ).

Beweis: Natürlich folgt aus (a = a0 )∧(b = b0 ) sofort die Gleichheit (a, b) = (a0 , b0 )
und es ist nur die umgekehrte Implikation zu zeigen.

Wir unterscheiden zwei Fälle: 1. Es ist a = b. Dann ist (a, a) einelementig und
daher auch (a, a) = (a0 , b0 ). Dies ist nur für a0 = b0 der Fall. Also gilt {{a}} =
{{a0 }}, woraus zunächst {a} = {a0 } und damit auch a = a0 folgt.

2. Es ist a 6= b. Dann ist (a, b) eine Zweiermenge und damit auch (a0 , b0 ). Also gilt
ebenfalls a0 6= b0 . Daher sind {a} und {a0 } Einermengen und {a, b} sowie {a0 , b0 }
Zweiermengen. Für die beiden Elemente der gleichen Zweiermengen {{a}, {a, b}}
und {{a0 }, {a0 , b0 }} kann daher nur {a} = {a0 } und {a, b} = {a0 , b0 } gelten. Aus
der ersten Gleichung folgt dann schon a = a0 und hieraus {a, b} = {a, b0 }. Durch
Subtraktion von {a} folgt dann {b} = {b0 } und damit b = b0 . 

Satz 1.52 Für Mengen A, B, C, D gelten die folgenden Aussagen

(107) A×B =∅ ↔ A = ∅ ∨ B = ∅,
(108) C 6= ∅ ∧ A × C = B × C → A = B,
(109) (A ∩ B) × C = (A × C) ∩ (B × C),
(110) A × (B ∩ C) = (A × B) ∩ (A × C),
(111) (A ∪ B) × C = (A × C) ∪ (B × C),
(112) A × (B ∪ C) = (A × B) ∪ (A × C),
(113) (A × B) ∩ (C × D) = (A ∩ C) × (B ∩ D),
(114) (A × B) ∪ (C × D) ⊆ (A ∪ C) × (B ∪ D),
(115) (A \ C) × (B \ D) ⊆ (A × B) \ (C × D).

Sind A und B in einer gemeinsamen Obermenge M enthalten und beziehen sich


die Komplemente auf M bzw. M × M , so gilt

(116) A × B ⊆ A × B.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.4 Relationen und Abbildungen 29

Beweis: (107): Ist A = ∅ oder B = ∅, so kann es natürlich kein Element (a, b) ∈


A × B geben, denn dann müßte a ∈ A und b ∈ B gelten. Also folgt dann
A × B = ∅. Sind andererseits sowohl A als auch B nicht leer, dann gibt es
wenigstens ein a ∈ A und ein b ∈ B. Dann liegt aber (a, b) in A × B und diese
Menge ist nicht leer.

(108): Gelte also C 6= ∅ ∧ A × C = B × C und sei x ∈ A. Dann gibt es ein


c ∈ C und (x, c) ∈ A × C = B × C zeigt x ∈ B. Also gilt A ⊆ B. Durch
Vertauschung der Rollen von A und B folgt auch die umgekehrte Inklusion und
damit die Gleichheit.

(116) Aus (115) folgt (M \ A) × (M \ B) ⊆ (M × M ) \ (A × B), und dies ist


gerade die Behauptung.

Rest: Übung! 

Definition 1.53 Für natürliche Zahlen n ≥ 3 und Mengen Mi , i = 1, . . . , n


sowie Elemente xi ∈ Mi seien n-Tupel rekursiv definiert durch

(x1 , x2 , x3 ) := ((x1 , x2 ), x3 ) für n = 3 und

(x1 , x2 , . . . , xn ) := ((x1 , . . . , xn−1 ), xn ) für n > 3.

Weiterhin sei M1 × M2 × . . . × Mn := {(x1 , . . . , xn ) | x1 ∈ M1 ∧ . . . ∧ xn ∈ Mn }


das kartesische Produkt der Mi .

Speziell für M1 = M2 = . . . = Mn = A schreibt man hierfür An und nennt dies


die n-te Potenz von A mit den Randfällen A2 = A × A, A1 = A und A0 = {∅}.

In der Informatik werden die Elemente (a1 , . . . , an ) von An auch Listen der Länge
n genannt und als [a1 , . . . , an ] notiert. Speziell bezeichnet [ ] dann die leere Liste
aus A0 . Die Menge A heißt in diesem Zusammenhang auch ein Datentyp. Es ist
dann A∗ = ∞ n
S
n=0 A die Menge aller Listen über A.

Aufgabe 1.54 Man beweise durch vollständige Induktion: Ist A eine m-


elementige Menge, so ist An eine mn -elementige Menge, kurz: |An | = |A|n für
alle endlichen Mengen A und n ∈ N0 .

1.4.2 Korrespondenzen und Relationen

Definition 1.55 Es seien A und B Mengen. Eine Teilmenge R ⊆ A × B nennt


man auch eine Korrespondenz oder Relation aus A in B und dazu R−1 := {(b, a) |
(a, b) ∈ R} ⊆ B × A die inverse Korrespondenz. Weiterhin heißen

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.4 Relationen und Abbildungen 30

D(R) := {x | x ∈ A ∧ ∃y ∈ B : (x, y) ∈ R} der Definitionsbereich und

W (R) := {y | y ∈ B ∧ ∃x ∈ A : (x, y) ∈ R} der Wertebereich von R.

Eine Korrespondenz R ⊆ A × B heißt Korrespondenz

von A in B oder linkstotal, falls D(R) = A gilt,

aus A auf B oder rechtstotal, falls W (R) = B gilt,

von A auf B, falls D(R) = A und W (R) = B gelten.

Schließlich setzt man noch R(x) := {y | (x, y) ∈ R} für alle x ∈ D(R) und nennt
R rechtseindeutig, wenn R(x) einelementig für alle x ∈ D(R) ist.

Für Teilmengen A0 ⊆ A und B 0 ⊆ B bezeichnet R|A0 ×B 0 := R ∩ (A0 × B 0 ) =


{(a0 , b0 ) ∈ A0 × B 0 | (a0 , b0 ) ∈ R} die Einschränkung von R auf A0 × B 0 .

Beispiel 1.56 Für A = {1, 2, 3, 4, 5} und B = {a, b, c, d} sei R =


{(1, a), (1, c), (3, b), (4, b)}, also D(R) = {1, 3, 4} und W (R) = {a, b, c}.

R
1 a
D(R) 2 b W(R)
3 c

4 d

5
B
A

Dann gilt beispielsweise R(1) = {a, b}, R(3) = R(4) = {b} und R(2) = R(5) = ∅
sowie R−1 (a) = {1} = R−1 (c), R−1 (b) = {3, 4} und R−1 (d) = ∅.

Bemerkung 1.57 Ist R ⊆ A × B eine beliebige Korrespondenz und setzt man


A0 := {x ∈ A | ∃y ∈ B ∧ (x, y) ∈ R} = D(R) sowie B 0 := {y ∈ B | ∃x ∈
A ∧ (x, y) ∈ R} = W (R), dann ist R0 = R ∩ (A0 × B 0 ) eine Korrespondenz von
A0 auf B 0 , also eine auf diesen Mengen links- und rechtstotale Korrespondenz.
Daher wird oft eine oder sogar beide dieser Eigenschaften allgemein vorausgesetzt,
insbesondere bei Abbildungen.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.4 Relationen und Abbildungen 31

Definition 1.58 Für eine beliebige Korrespondenz R ⊆ A × B werde die Erwei-


terung Rb ⊆ P(A) × P(B) definiert durch R(X)
b := {y ∈ B | ∃x ∈ X : (x, y) ∈
R} = {R(x) | x ∈ X}. Daher hat man auch Rd −1 (Y ) := {x ∈ A | ∃y ∈ Y :
S

(x, y) ∈ R} = {R−1 (y) | y ∈ Y }.


S

Folgerung 1.59 Für jede Korrespondenz R ⊆ A × B ist R b linkstotal und rechts-


eindeutig. Es ist stets R(∅)
b −1 (∅) = ∅. Weiterhin hat man
= ∅ und damit auch Rd
R(A)
b = W (R) und Rd −1 (B) = D(R).

Für alle X1 , X2 ⊆ A und alle Y1 , Y2 ⊆ B gelten

(117) R(X1 ∪ X2 ) = R(X1 ) ∪ R(X2 ),


b b b
−1 (Y ∪ Y ) = R
(118) Rd d −1 (Y ) ∪ Rd−1 (Y ),
1 2 1 2
(119) R(X1 ∩ X2 ) ⊆ R(X1 ) ∩ R(X2 ),
b b b
−1 (Y ∩ Y ) ⊆ R
(120) Rd d −1 (Y ) ∩ R
d −1 (Y ),
1 2 1 2
−1 (B \ Y ) ⊆ A \ R
(121) Rd d −1 (Y ).
1 1

In (119) gilt die Gleichheit, wenn R linkseindeutig ist, in (120) und (121) steht
jeweils die Gleichheit, wenn R rechtseindeutig ist.

Beweis: Man beachte, daß (117) und (118) dieselben Aussagen nur für die un-
terschiedlichen Korrespondenzen R und R−1 sind. Dasselbe gilt bezüglich (119)
und (120).
(117): Für y ∈ B sind jeweils gleichwertig:
y ∈ R(X
b
1 ∪ X2 ),

∃x ∈ (X1 ∪ X2 ) : (x, y) ∈ R,
∃x ∈ X1 : (x, y) ∈ R ∨ ∃x ∈ X2 : (x, y) ∈ R,
y ∈ R(X
b
1 ) ∨ y ∈ R(X2 )
b

y ∈ R(X
b
1 ) ∪ R(X2 ).
b

Man kann aber auch mit Satz 1.127 (4) schließen:


[
R(X1 ∪ X2 ) = {R(x) | x ∈ (X1 ∪ X2 )}
b
[
= {R(x) | x ∈ X1 ∨ x ∈ X2 }
[
= ({R(x) | x ∈ X1 } ∪ {R(x) | x ∈ X2 })
[ [
= {R(x) | x ∈ X1 } ∪ {R(x) | x ∈ X2 })
= R(X1 ) ∪ R(X2 ).
b b

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.4 Relationen und Abbildungen 32

Rest: Übung! 

Definition 1.60 Seien R ⊆ A × B und S ⊆ C × D Korrespondenzen. Dann


heißt

R ◦ S := {(x, z) | (x, z) ∈ A × D ∧ ∃y ∈ B ∩ C : (x, y) ∈ R ∧ (y, z) ∈ S}

die Verkettung von R mit S.

Beispiel 1.61 Für R wie in Beispiel 1.56, C = {b, c, d, e, f }, D = {α, β, γ, δ} sei


S = {(b, α), (d, β), (d, γ), (e, α)}.

R
1 a
S
2 b α

3 c β

4 d γ
B
5 δ
e
A D
f
C

RoS

Dann gilt R ◦ S = {(3, α), (4, α)}.

Satz 1.62 Für Korrespondenzen R, S, T gelten

(122) (R−1 )−1 = R,


(123) (R ◦ S)−1 = S −1 ◦ R−1 ,
(124) (R ◦ S) ◦ T = R ◦ (S ◦ T ).

Beweis: (122) ist trivial.

(123): Für (d, a) ∈ (R ◦ S)−1 sind jeweils gleichwertig

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.4 Relationen und Abbildungen 33

(a, d) ∈ R ◦ S

∃x ∈ B ∩ C : (a, x) ∈ R ∧ (x, d) ∈ S

∃x ∈ C ∩ B : (d, x) ∈ S −1 ∧ (x, a) ∈ R−1

(d, a) ∈ S −1 ◦ R−1 .

(124): Seien R ⊆ A × B, S ⊆ C × D und T ⊆ E × F . Dann sind für alle


(a, f ) ∈ A × F gleichwertig

(a, f ) ∈ (R ◦ S) ◦ T ,

∃d ∈ D ∩ E : (a, d) ∈ R ◦ S ∧ (d, f ) ∈ T ,

∃d ∈ D ∩ E : ∃b ∈ B ∩ C : (a, b) ∈ R ∧ (b, d) ∈ S ∧ (d, f ) ∈ T ,

∃b ∈ B ∩ C : ∃d ∈ D ∩ E : (a, b) ∈ R ∧ (b, d) ∈ S ∧ (d, f ) ∈ T ,

∃b ∈ B ∩ C : (a, b) ∈ R ∧ (b, f ) ∈ S ◦ T ,

(a, f ) ∈ R ◦ (S ◦ T ). 

Definition 1.63 Es sei A eine Menge und n > 0 eine natürliche Zahl. Eine
Teilmenge % ⊆ An heißt eine n-stellige Relation auf A. Im Fall n = 2 spricht
man auch von binären Relationen. Die Menge aller binären Relationen werde mit
BA bezeichnet. Binäre Relationen % schreibt man oft in Infixnotation, also a%b
anstelle von (a, b) ∈ %.

Bemerkung 1.64 Relationen sind also Elemente der Potenzmengen P(An ).


Stets sind ∅, die leere Relation, und An , die Allrelation, Relationen auf An . Zu BA
gehört auch immer die identische Relation oder Identität ιA = {(a, a) | a ∈ A} auf
A. Sie wird auch als idA oder 1A oder ∆A oder schlicht als Gleichheit = notiert.

Folgerung 1.65 Für binäre Relationen %i ∈ BA = P(A × A) auf einer Menge A


gelten

(125) (%1 ∪ %2 ) ◦ %3 = %1 ◦ %3 ∪ %2 ◦ % 3 ,
(126) %1 ◦ (%2 ∪ %3 ) = %1 ◦ %2 ∪ %1 ◦ % 3 ,
(127) (%1 ∩ %2 ) ◦ %3 ⊆ %1 ◦ %3 ∩ %2 ◦ % 3 ,
(128) %1 ◦ (%2 ∩ %3 ) ⊆ %1 ◦ %2 ∩ %1 ◦ % 3 .

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.4 Relationen und Abbildungen 34

Beweis: (125): Für (a, b) ∈ A2 sind jeweils gleichwertig:

(a, b) ∈ (%1 ∪ %2 ) ◦ %3 ,

∃c ∈ A : (a, c) ∈ %1 ∪ %2 ∧ (c, b) ∈ %3 ,

∃c ∈ A : ((a, c) ∈ %1 ∨ (a, c) ∈ %2 ) ∧ (c, b) ∈ %3 ,

∃c ∈ A : ((a, c) ∈ %1 ∧ (c, b) ∈ %3 ) ∨ ((a, c) ∈ %2 ) ∧ (c, b) ∈ %3 ),

(a, b) ∈ %1 ◦ %3 ∨ (a, b) ∈ %2 ◦ %3 ,

(a, b) ∈ %1 ◦ %3 ∪ %2 ◦ %3 .

Rest: Übung! 

1.4.3 Äquivalenz- und Ordnungsrelationen

Definition 1.66 Eine binäre Relation % ∈ BA heißt

reflexiv :↔ ιA ⊆ %,

irreflexiv :↔ ιA ∩ % = ∅,

symmetrisch :↔ %−1 ⊆ %,

asymmetrisch :↔ %−1 ∩ % = ∅,

antisymmetrisch :↔ %−1 ∩ % ⊆ ιA ,

transitiv :↔ % ◦ % ⊆ %,

konnex :↔ % ∪ %−1 ∪ ιA = ωA ,

linear :↔ % ∪ %−1 = ωA .

Eine Äquivalenz(relation) ist eine reflexive, symmetrische und transitive Rela-


tion, eine partielle Ordnung(srelation) ist eine reflexive, antisymmetrische und
transitive Relation. Eine totale oder lineare Ordnung(srelation) ist eine reflexive,
antisymmetrische, transitive und lineare Relation. Mit E(A) werde die Menge
aller Äquivalenzrelationen auf A bezeichnet. Für Äquivalenzrelationen schreibt
man statt % oft andere Symbole wie ≡, ∼ oder ∼ = und benutzt die Infixnotation.
Entsprechend benutzt man für Ordnungsrelationen oft das Symbol ≤ in Infixno-
tation. Ist ≤ partielle Ordnungsrelation auf der Menge A, so nennt man das Paar
(A, ≤) eine partiell geordnete Menge, im Fall, daß ≤ sogar eine lineare Ordnung
ist, eine linear oder total geordnete Menge oder eine Kette. Eine Präordnung oder
Quasiordnung ist eine reflexive und transitive Relation.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.4 Relationen und Abbildungen 35

Beispiel 1.67 Die Identität ιA und die Allrelation ωA liegen stets in E(A). Wegen
der Reflexivität gilt für jede Äquivalenzrelation % auf A bereits ιA ⊆ % ⊆ ωA .

Die Identität ιA ist ebenso stets eine partielle Ordnung auf A, die in jeder an-
deren partiellen Ordnung auf A enthalten ist. Liegen aber in A mindestens zwei
verschiedene Elemente a 6= b, so gilt weder (a, b) ∈ ιA noch (b, a) ∈ ιA und daher
ist dies keine lineare Ordnung. Man schreibt diese partielle Ordnung auf jeder
Menge üblicherweise als Gleichheit, also a = b anstelle von (a, b) ∈ ιA .

Die Gleichwertigkeit ≡ ist wegen Lemma 1.25 eine Äquivalenz auf der Menge
F(V ) aller aussagenlogischen Formeln.

Die Inklusion ⊆ ist wegen Folgerung 1.39 eine partielle Ordnung auf jeder Po-
tenzmenge P(M ). Enthält M mehr als ein Element, so ist diese partielle Ordnung
nicht linear.

Die Teilbarkeitsrelation | ist eine partielle Ordnungsrelation auf der Menge der
natürlichen Zahlen N0 , aber nur eine Quasiordnung auf der Menge der ganzen
Zahlen Z.

Die übliche ≤-Relation ist eine lineare Ordnung auf den Mengen N0 , Z und Q, also
sind (N0 , ≤), (Z, ≤) und (Q, ≤) linear geordnete Mengen.

Bemerkung 1.68 Ist (A, ≤) partiell geordnete Menge, so schreibt man auch
b ≥ a für a ≤ b und a < b für a 6= b mit a ≤ b.

Die hierdurch entstehende binäre Relation < auf A ist irreflexiv, asymmetrisch
und transitiv. Man spricht dann von einer partiellen Ordnung in irreflexiver
Schreibweise. Umgekehrt kann man jede derartige Relation < durch Vereinigung
mit ιA zu einer partiellen Ordnungsrelation ≤ machen.

Jeder partiellen Ordnung ≤ in reflexiver Schreibweise auf einer Menge A ent-


spricht auf diese Weise eindeutig eine partielle Ordnung < in irreflexiver Schreib-
weise. Genau dann ist ≤ linear, wenn < konnex ist.

Bemerkung 1.69 Für (kleine) endliche Mengen A kann man sich partielle Ord-
nungen ≤ auf A durch Hasse-Diagramme (Helmut Hasse, 1898 - 1979) veran-
schaulichen: Man zeichnet für jedes Element von A einen Punkt in der Zeichene-
bene, wobei man den zu einem Element a ∈ A gehörenden Punkt so anordnet,
daß er “oberhalb” von allen Punkten liegt, die zu einem Element x ∈ A gehören,
das x ≤ a erfüllt. Anschließend verbindet man zwei verschiedene Punkte genau
dann durch eine gerade Linie, wenn für die zugehörigen Elemente a ≤ b gilt und
kein Element x ∈ A \ {a, b} mit a ≤ x und x ≤ b existiert. Für die kleinen Po-
tenzmengen aus Beispiel 1.42 ergeben sich damit die folgenden Diagramme. Im
letzten Beispiel ist eine (Teil-)Kette rot hervorgehoben.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.4 Relationen und Abbildungen 36

{a} {a,b}
Φ {a} {b}
Φ Φ
P( Φ ) P({a}) P({a,b})

{a,b,c}

{a,b} {a,c} {b,c}

{a} {b} {c}

Φ
P({a,b,c})

Aufgabe 1.70 Man untersuche, welche der in Definition 1.66 genannten Eigen-
schaften sich von % auf jede Einschränkung von % auf eine Teilmenge A0 ⊆ A
übertragen, also beispielsweise:

Jede Einschränkung einer (linearen) Ordnungsrelation ist wieder eine (lineare)


Ordnungsrelation.

Beispiel 1.71 Es seien (A1 , ≤1 ) und (A2 , ≤2 ) total geordnete Mengen. Dann
definiert (a1 , a2 ) ≤ (b1 , b2 ) :↔ (a1 <1 b1 ) ∨ (a1 = b1 ∧ a2 ≤2 b2 ) eine totale
Ordnung auf A1 × A2 , die lexikographische Ordnung.

Man kann diese Konstruktion der lexikographischen Ordnung daher induktiv auf
kartesische Produkte A1 × . . . × An mit endlich vielen Faktoren übertragen.

Definition 1.72 Es sei A eine Menge. Eine Teilmenge Z ⊆ P(A) \ {∅} heißt eine
Zerlegung oder Partition oder disjunkte Überdeckung von A, wenn die Elemente
S
von Z paarweise disjunkt sind und Z = A gilt.

Satz 1.73 Es sei A eine Menge, E(A) die Menge aller Äquivalenzrelationen auf
A und Z(A) die Menge aller Zerlegungen von A.

a) Für jede Zerlegung Z ∈ Z(A) wird durch


x%Z y :↔ ∃X ∈ Z ∧ x ∈ X ∧ y ∈ X
für alle x, y ∈ A eine Äquivalenzrelation %Z definiert.

b) Ist % ∈ E(A) dann ist Z% = {[x]% | x ∈ A} eine Zerlegung von A, wobei [x]% =
{y ∈ A | x%y} die von x ∈ A repräsentierte Äquivalenzklasse oder Restklasse ist.

c) Für alle % ∈ E(A) und Z ∈ Z(A) gelten %Z% = % und Z%Z = Z.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.4 Relationen und Abbildungen 37

Beweis: a) Sei x ∈ A = Z. Dann gibt es ein X ∈ Z mit x ∈ X und x ∈ X. Also


S

ist %Z reflexiv. Gilt x%Z y für x, y ∈ A, so gibt es ein X ∈ Z mit x, y ∈ X. Dann


gilt aber auch y%Z x, und %Z ist auch symmetrisch. Gelten nun x%Z y und y%Z z für
x, y, z ∈ A, so gibt es X, Y ∈ Z mit x, y ∈ X und y, z ∈ Y . Da die Mengen aus Z
paarweise disjunkt sind, kann dies wegen y ∈ X ∩ Y nur für X = Y gelten. Dann
gilt aber x, z ∈ X und daher x%Z z. Also ist %Z auch transitiv.

b) Wegen x ∈ [x]% ⊆ A für alle x ∈ A aufgrund der Reflexivität von % sind


die Restklassen nichtleere Teilmengen von A und es gilt A = {[x]% | x ∈ A}.
S

Es bleibt zu zeigen, daß die Restklassen paarweise disjunkt sind. Sei dazu a ∈
[x]% ∩ [y]% 6= ∅. Dann ist [x]% = [y]% nachzuweisen. Wegen der Transitivität und
Symmetrie von % ist dies gleichwertig zu x%y. Nun gilt aber x%a und y%a und
daher wiederum wegen der Transitivität und Symmetrie auch x%y.

c) Siehe Vorlesung! 

Definition 1.74 Die zu einer Äquivalenzrelation % ∈ E(A) gehörende Zerlegung


wird auch als A/% = {[x]% | x ∈ A} notiert und Faktormenge von A nach %
genannt. Jedes Element x0 ∈ [x]% wird dann ein Repräsentant der Restklasse [x]%
genannt. Unter einem Repräsentantensystem von % versteht man eine Teilmenge
A0 ⊆ A, so daß für jede Klasse [x]% ∈ A/% genau ein Repräsentant x0 ∈ [x]% ∩ A0
existiert.

Bemerkung 1.75 Auf der Faktormenge F(V )/ ≡ aller aussagenlogischen For-


meln kann man auch die aussagenlogischen Junktoren ¬, ∧ und ∨ definie-
ren, indem man die Äquivalenzklassen repräsentantenweise verknüpft, also etwa
[x]∧[y] := [x∧y]. Dann folgt aus Satz 1.10, daß hierdurch eine Boolesche Algebra
entsteht. Die ausgezeichneten Elemente sind hierbei die Klasse [1], die aus allen
Tautologien besteht, und die Klasse [0], die genau die widersprüchlichen Formeln
enthält.

Beispiel 1.76 Die in Aufgabe 1.48 eingeführten Restklassen [r]n modulo n bil-
den für jede natürliche Zahl n > 0 eine Partition von Z. Die zugehörige Äquiva-
lenzrelation ≡ mod n wird bestimmt durch a ≡ b mod n ↔ a − b ∈ nZ für alle
a, b ∈ Z und gelesen als “a ist kongruent zu b modulo n”. Die Faktormenge wird
meist als Z/(n) notiert.

Beispiel 1.77 Auf der Menge Z := N20 wird durch (a, b) ∼ (c, d) :↔ a + d = b + c
für alle a, b, c, d ∈ N0 eine Äquivalenzrelation definiert. Für die Äquivalenzklassen
schreibt man a − b := [(a, b)]∼ und nennt sie Differenzen der natürlichen Zahlen
a und b. Auf der Menge Z := Z/ ∼ dieser Äquivalenzklassen kann man durch

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.4 Relationen und Abbildungen 38

(a − b) + (c − d) = (a + c) − (b + d) eine Addition und durch (a − b) · (c −


d) := (ac + bd) − (ad + bc) eine Multiplikation definieren. Auf diese Weise erhält
man die ganzen Zahlen Z mit den bekannten Rechengesetzen. Die Menge N0 der
natürlichen Zahlen ist in der Form N0 = {a − 0 | a ∈ N0 } in Z enthalten.

Beispiel 1.78 Auf der Menge Q = Z × (Z \ {0}) wird durch (a, b) ∼ (c, d) :↔
ad = bc für alle (a, b), (c, d) ∈ Q eine Äquivalenzrelation definiert. Für die Äqui-
valenzklassen schreibt man ab := [(a, b)]∼ und nennt sie Quotienten der ganzen
Zahlen a und b 6= 0, wobei a der Zähler und b der Nenner dieses Bruches ist. Auf
der Menge Q := Q/ ∼ dieser Äquivalenzklassen kann man durch ab + dc := ad+bc bd
eine Addition und durch ab · dc := acbd
eine Multiplikation definieren. Auf diese Wei-
se erhält man die rationalen Zahlen Q mit den bekannten Rechengesetzen. Die
Menge Z der ganzen Zahlen ist in der Form Z = { a1 | a ∈ Z} in Q enthalten.

Bemerkung 1.79 Ein in vielen innermathematischen Anwendungen benötigtes


Hilfsmittel zum Nachweis der Existenz bestimmter Mengen stellt das Auswahl-
axiom dar:

Ist M ein Mengensystem paarweise disjunkter Mengen mit ∅ 6∈ M, dann gibt es


eine Auswahlmenge A, so daß für alle X ∈ M die Schnittmenge X ∩A einelementig
ist. Mit anderen Worten, A “wählt” aus jeder Menge aus M genau ein Element
“aus”.

Offensichtlich ist das Auswahlaxiom gleichwertig damit, daß jede Äquivalenzre-


lation auf jeder Menge ein Repräsentantensystem besitzt.

Folgerung 1.80 Es sei % eine Präordnung auf A. Dann ist ∼:= % ∩ %−1 eine
Äquivalenzrelation auf A und auf der Faktormenge A/ ∼ wird durch

(129) [a]∼ ≤ [b]∼ :↔ a%b

für alle [a]∼ , [b]∼ ∈ A/ ∼ eine partielle Ordnung definiert.

Beweis: Da % reflexiv ist, gilt dasselbe für %−1 und damit auch für ∼= % ∩ %−1 .
Aus a ∼ b folgt a%b und a%−1 b und damit b%−1 a und b%a, also b ∼ a. Damit ist
∼ auch symmetrisch. Aus a ∼ b und b ∼ c folgen a%b, b%c, a%−1 b und b%−1 c. Die
Transitivität von % ergibt jetzt a%c und a%−1 c, also auch a ∼ c. Damit ist ∼ eine
Äquivalenzrelation.

Zunächst ist zu zeigen, daß die Definition von ≤ repräsentantenunabhängig ist:


Seien dazu a, a0 , b, b0 ∈ A mit [a]∼ = [a0 ]∼ und [b]∼ = [b0 ]∼ , also a ∼ a0 und b ∼ b0 .

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.4 Relationen und Abbildungen 39

Dann folgen a%a0 und b%b0 sowie a0 %a und b0 %b. Gilt nun a%b, so gelten a0 %a, a%b
und b%b0 , mit der Transitivität also auch a0 %b0 . Daher wird auch [a0 ]∼ ≤ [b0 ]∼
definiert.

Die Reflexivität und Transitivität übertragen sich sich durch (129) von % unmit-
telbar auf ≤.

Gilt nun [a]∼ ≤ [b]∼ und [b]∼ ≤ [a]∼ , so folgt a%b und b%a und daher auch a%−1 b,
also a ∼ b und damit [a]∼ = [b]∼ . 

Definition 1.81 Es sei (A, ≤) eine partiell geordnete Menge und T ⊆ A. Ein
Element a ∈ A heißt

obere (untere) Schranke von T , wenn t ≤ a (a ≤ t) für alle t ∈ T gilt,

maximales (minimales) Element von T , wenn a ∈ T und a ≤ t → a = t (t ≤ a →


a = t) für jedes t ∈ T gilt,

größtes (kleinstes) Element von T , wenn a ∈ T und t ≤ a (a ≤ t) für jedes t ∈ T


gilt.

Die Menge T heißt nach oben (nach unten) beschränkt (in A), wenn sie eine obere
(untere) Schranke besitzt. Ist beides der Fall, nennt man T beschränkt (in A).

Die partiell geordnete Menge (A, ≤) erfüllt die Minimalbedingung, wenn jede
nichtleere Teilmenge T von A ein minimales Element besitzt.

Eine total geordnete Menge (A, ≤) heißt wohlgeordnet, wenn sie die Minimalbe-
dingung erfüllt.

Folgerung 1.82 a) Jedes größte (kleinste) Element ist eindeutig bestimmt und
stets auch maximal (minimal).

b) In einer wohlgeordneten Menge (A, ≤) besitzt jede nichtleere Teilmenge T auch


ein kleinstes Element.

Beweis: a) Sind a, a0 ∈ T größte Elemente von T , so gilt a0 ≤ a, da a größtes


Element ist, und ebenso a ≤ a0 , da a0 größtes Element ist. Mit der Antisymmetrie
von ≤ folgt a = a0 , also die Eindeutigkeit. Ist nun a ∈ T größtes Element von T ,
dann gilt t ≤ a für alle t ∈ T und daher ergibt sich aus t ≤ a wiederum mit der
Antisymmetrie sofort a = t. Also ist a maximal.

Die Behauptungen über kleinste und minimale Elemente folgen dual!

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.4 Relationen und Abbildungen 40

b) Sei T 6= ∅ Teilmenge von A. Dann existiert wegen der Minimalbedingung


ein minimales Element a ∈ T . Für alle t ∈ T gilt wegen der Linearität der
Ordnungsrelation aber t ≤ a oder a ≤ t. Wegen der Minimalität von a ist daher
nur a ≤ t möglich. Also ist a kleinstes Element von T . 

Beispiel 1.83 Betrachtet man für eine n-elementige Menge M mit n > 1 die
Menge A = P(M )\{∅, M } mit der Inklusion ⊆ als partieller Ordnungsrelation, so
ist (A, ⊆) eine partiell geordnete Menge, in der die n Einermengen {m} minimale
und die n − 1-elementigen Mengen M \ {m} für jedes m ∈ M maximale Elemente
sind.

Jede endliche Teilmenge T der ganzen Zahlen Z besitzt in der total geordne-
ten Menge (Z, ≤) ein größtes und ein kleinstes Element, ist also insbesondere
beschränkt. Dagegen besitzt die unendliche Teilmenge N0 zwar ein kleinstes Ele-
ment 0 aber keine obere Schranke.

Die total geordnete Menge (N0 , ≤) erfüllt die Minimalbedingung, ist also wohlge-
ordnet.

Ist M = {a1 , . . . , an }, so definiert ai ≤ aj :↔ i ≤ j eine totale Ordnung auf M


und wegen der Endlichkeit besitzt jede nichtleere Teilmenge von M natürlich ein
kleinstes Element. Also ist (M, ≤) wohlgeordnet.

Die leere Menge ∅ besitzt als einzige binäre Relation die leere Relation ∅ = ∅ × ∅
und diese ist eine totale Ordnungsrelation auf ∅. Offensichtlich ist sie auch eine
Wohlordnung. Dagegen ist die leere Menge nicht beschränkt, da keine Schranken
existieren!

Definition 1.84 Es sei (A, ≤) eine partiell geordnete Menge und T ⊆ A. Ein
Element a ∈ A heißt obere Grenze oder Supremum von T , wenn es obere Schranke
von T ist und für alle oberen Schranken s ∈ A von T bereits a ≤ s gilt, wenn also
a kleinstes Element in der Menge der oberen Schranken von T ist. Man schreibt
dann a = supA T . Dual wird eine untere Grenze oder Infimum von T definiert
und als inf A T notiert.

Existieren in (A, ≤) für jede Zweiermenge T = {a, b} sowohl ein Supremum als
auch ein Infimum, so nennt man (A, ≤) einen Verband. Man schreibt dann auch
a ∧ b := inf{a, b} und a ∨ b := sup{a, b}. Existieren Supremum und Infimum sogar
für jede Teilmenge von A, so spricht man von einem vollständigen Verband.

Beispiel 1.85 Durch das folgende Hasse-Diagramm wird auf der Menge A =
{0, a, b, c, d, 1} eine partielle Ordnung definiert.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.4 Relationen und Abbildungen 41

c d

a b

Die Teilmenge T1 = {a, b, c, d} besitzt die maximalen Elemente c und d, also kein
größtes Element, und die minimalen Elemente a und b, also auch kein kleinstes
Element. Die Menge T2 = {a, b} besitzt die oberen Schranken c, d und 1, aber
kein Supremum, jedoch ist die einzige untere Schranke 0 natürlich Infimum von
T2 . Es handelt sich also nicht um einen Verband.

Bemerkung 1.86 Man beachte, daß sich die Eindeutigkeit von Supremum bzw.
Infimum im Falle ihrer Existenz aus Folgerung 1.82 ergeben.

Die Menge N0 bildet mit der Teilbarkeitsrelation | eine partiell geordnete Menge
(N0 , |), in der für eine beliebige Teilmenge A das Infimum durch den größten
gemeinsamen Teiler ggT (A) aller a ∈ A und das Supremum durch das kleinste
gemeinsame Vielfache kgV (A) aller a ∈ A gegeben ist. Speziell ist ggT (N0 ) = 1
und kgV (N0 ) = 0. Schränkt man die Teilbarkeitsrelation auf die Menge T (n)
aller Teiler einer festen Zahl n ein, so bildet (T (n), |) ebenfalls einen endlichen
und daher vollständigen Verband. Für (T (36), |) erhält man das folgende Hasse-
Diagramm. In ihm ist die Kette {3, 6, 18, 36} rot hervorgehoben.

36

12 18

4 6 9

2 3

Beim zweiten Beispiel, dem Teilerverband (T (30), |), ergibt sich dasselbe Bild wie
bei der Potenzmenge (P({a, b, c}), ⊆) in Bemerkung 1.69, beide halbgeordneten
Mengen sind “irgendwie gleich”. Wir werden dies später im Begriff der “Isomor-
phie” präzisieren.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.4 Relationen und Abbildungen 42

30

6 10 15

2 3 5

Folgerung 1.87 Ist M ⊆ P(A) ein beliebiges Teilsystem einer Potenzmenge, so


gelten sup M = M und inf M = M in der partiell geordneten Menge (P(A), ⊆).
S T

Insbesondere hat man inf ∅ = A = sup P(A) und inf P(A) = ∅ = sup ∅ für die
beiden extremen Fälle M = ∅ und M = P(A). Die partiell geordnete Menge
(P(A), ⊆) ist daher ein vollständiger Verband.

Beweis: Es werden die Behauptungen über die Suprema gezeigt, die Behauptun-
gen über die Infima folgen dann dual.

Sei zunächst M = ∅ und B ⊆ A beliebig. Dann gilt C ⊆ B für jedes C ∈ M, da


es kein derartiges C gibt. Also ist B obere Schranke von M. Die kleinste obere
Schranke ist daher das kleinste Element von P(A), also ∅. Daher gilt ∅ = sup M =
sup ∅ und dies ist natürlich das Infimum von P(A).

Sei nun M 6= ∅ und V := M ⊆ A. Ist dann M ∈ M eine beliebige Menge aus


S

diesem Mengensystem, so gilt x ∈ V für alle x ∈ M , also M ⊆ V . Damit ist


V obere Schranke von M. Sei nun S eine beliebige obere Schranke von M und
x ∈ V . Dann gibt es wenigstens ein M ∈ M mit x ∈ M . Wegen M ⊆ S folgt
x ∈ S, also insgesamt V ⊆ S, und damit ist V kleinste obere Schranke, also

S
sup M = V = M.

Beispiel 1.88 In der wohlgeordneten Menge (N0 , ≤) besitzt zwar jede nichtleere
Teilmenge ein kleinstes Element und daher ein Infimum, aber kein Supremum,
wenn sie nicht endlich ist und daher nicht nach oben beschränkt. Man kann diesen
“Mangel” aber beheben, indem man ein neues Element ∞ 6∈ N0 hinzugibt und
die Wohlordnung ≤ von N0 auf N∞ 0 := N0 ∪ {∞} erweitert gemäß n < ∞ für alle
n ∈ N0 . Dann besitzt in der ebenfalls wohlgeordneten Menge (N∞ 0 , ≤) sogar jede

Teilmenge T ein Infimum und ein Supremum, also ist (N0 , ≤) ein vollständiger
Verband.

Auf der linear geordneten Menge (Z, ≤) reicht es dagegen nicht, ein größtes Ele-
ment ∞ zu adjungieren (lat. adiungere = anbinden), um einen vollständigen
Verband zu erhalten. Hier gibt es auch nach unten unbeschränkte Mengen. Man

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.4 Relationen und Abbildungen 43

fügt also zwei Elemente +∞ und −∞ hinzu und erweitert die Ordnung von Z
auf Z±∞ := Z ∪ {+∞, −∞} durch −∞ < x < +∞ für alle x ∈ Z. Dann ist auch
(Z±∞ , ≤) ein vollständiger Verband.

Auf die gleiche Weise kann man auch die linear geordnete Menge der reellen
Zahlen (R, ≤) zu einem vollständigen Verband (R±∞ , ≤) erweitern, was allerdings
erheblich aufwendiger zu beweisen ist.

Warum funktioniert diese Konstruktion nicht bei den rationalen Zahlen Q?

Folgerung 1.89 a) Es sei E ⊆ E(A) ⊆ P(A × A) eine Menge von Äquivalenzre-


T
lationen auf A. Dann ist auch E eine Äquivalenzrelation auf A.

b) Ist % ∈ BA eine beliebige binäre Relation auf A, dann existiert eine kleinste
Äquivalenzrelation %∗ auf A mit % ⊆ %∗ .

c) Für %, σ ∈ E(A) ist % ◦ σ genau dann ebenfalls eine Äquivalenzrelation, wenn


% ◦ σ = σ ◦ % gilt.

Beweis: a) Für E = ∅ ist E = ωA nach Folgerung 1.87 und dies ist eine
T

Äquivalenzrelation auf A. Sei nun E 6= ∅ und σ := E. Für jedes % ∈ E gilt dann


T

ιA ⊆ %, also auch ιA ⊆ σ. Also ist σ reflexiv. Für (a, b) ∈ σ gilt (a, b) ∈ % und
damit wegen der Symmetrie auch (b, a) ∈ %. Also gilt (b, a) ∈ σ und σ ist auch
symmetrisch. Sind schließlich (a, b), (b, c) ∈ σ so folgt wiederum (a, b), (b, c) ∈ %
und wegen der Transitivität (a, c) ∈ %. Dies zeigt auch (a, c) ∈ σ und σ ist
transitiv.

b) Stets ist die Allrelation ωA eine Äquivalenzrelation auf A mit % ⊆ ωA . Da-


her liefert %∗ := E = inf E für E = {σ ∈ E(A) | % ⊆ σ} 6= ∅ die gesuchte
T

Äquivalenzrelation.

c) Übung! 

Die folgenden Sätze, die für gewisse Grundlagenfragen der Mathematik sehr wich-
tig sind, können im Rahmen einer axiomatisch aufgebauten Mengenlehre mit teil-
weise erheblichem Aufwand bewiesen werden. In dieser Einführung seien sie ohne
Beweis zitiert.

Satz 1.90 Lemma von Zorn (Max August Zorn, 1906 - 1993) Besitzt in der
partiell geordneten Menge (A, ≤) jede Kette eine obere Schranke, dann gibt es ein
maximales Element in A.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.4 Relationen und Abbildungen 44

Satz 1.91 Wohlordnungssatz Jede Menge kann wohlgeordnet werden.

Es kann sogar allgemeiner gezeigt werden:

Theorem 1.92 Es sind äquivalent:

(1) Auswahlaxiom

(2) Wohlordnungssatz

(3) Lemma von Zorn

1.4.4 Abbildungen

Definition 1.93 Sind A und B Mengen, dann versteht man unter einer partiellen
Abbildung f aus A in B eine rechtseindeutige Relation f ⊆ A × B. Ist f noch
linkstotal, so spricht man einfach von einer Abbildung. Man schreibt f : D(f ) →
B für partielle Abbildungen und f : A → B für Abbildungen. Das zu x ∈ D(f )
eindeutig bestimmte y ∈ B mit (x, y) ∈ f wird auch in der Form y = f (x)
notiert. Man nennt den Wertebereich W (f ) = f (A) bei Abbildungen auch das
Bild von f und schreibt Imf (lat. imago = Bild). Für Teilmengen Y ⊆ B nennt
man fd −1 (Y ) auch das Urbild von Y .

Eine rechtstotale Abbildung f : A → B heißt surjektiv oder eine Surjektion


(franz. sur = auf), eine linkseindeutige Abbildung heißt eineindeutig, injektiv
oder Injektion (lat. inicere = hineinwerfen). Eine Abbildung, die sowohl surjektiv
als auch injektiv ist, nennt man bijektiv (lat. bis = zweimal) oder eine Bijektion
zwischen A und B.

Beispiel 1.94 Die identische Relation ιA ist auf jeder Menge A eine bijektive
Abbildung ιA : A → A. Sie wird daher auch identische Abbildung auf A genannt.

Für jede Teilmenge A ⊆ B ist inA = {(a, a) | a ∈ A} ⊆ A × B eine injektive


Abbildung. Sie wird die natürliche Injektion oder Einbettung von A in B genannt.

Ist M = M1 × . . . × Mn 6= ∅ ein kartesisches Produkt, dann wird für i = 1, . . . , n


durch πi (x1 , . . . , xi , . . . , xn ) := xi eine surjektive Abbildung πi : M → Mi defi-
niert, die Projektion auf die i-te Komponente von M . Man nennt eine Teilmenge
A ⊆ M auch ein subdirektes Produkt der Mengen Mi , wenn πi (A) = Mi für
i = 1, . . . , n gilt.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.4 Relationen und Abbildungen 45

Aufgabe 1.95 Abbildungen, die Teilmengen der Zahlenbereiche N0 , Z, Q, R oder


C (komplexe Zahlen) aufeinander abbilden, werden im allgemeinen Funktionen
genannt, beispielsweise in der Zahlentheorie, der Analysis oder der Funktionen-
theorie. Untersuchen Sie die auf Ihrem Taschenrechner (oder in Ihrer Lieblings-
Programmiersprache) realisierten Funktionen hinsichtlich der in Definition 1.93
eingeführten Begriffe. Welches sind bei bijektiven Funktionen die Umkehrfunk-
tionen? Woher kennt der Rechner eigentlich die jeweiligen Funktionswerte mit
derartiger Genauigkeit?

Folgerung 1.96 a) Für jede Abbildung f : A → B ist die Einschränkung


f |A×f (A) : A → f (A) surjektiv.

b) Ist f : A → B injektiv, dann ist auch die Einschränkung f |A0 := f |A0 ×B : A0 →


B für jede Teilmenge A0 ⊆ A injektiv.

c) Für Abbildungen f : A → B und g : B → C ist auch f ◦ g : A → C eine


Abbildung.

d) Ist f : A → B bijektiv, dann ist auch f −1 : B → A eine bijektive Abbildung.


Sie wird die Umkehrabbildung von f genannt.

e) Ist f : A → B eine Abbildung, dann ist kerf := {(x, y) ∈ A2 | f (x) = f (y)}


eine Äquivalenzrelation auf A.

f ) Für Abbildungen f, g : A → B gilt f = g ↔ ∀x ∈ A : f (x) = g(x).

Beweis: a) und b) sind trivial.

c) Für jedes x ∈ A gibt es genau ein y ∈ B mit y = f (x) und für jedes y ∈ B
gibt es genau ein z ∈ C mit z = g(y) = g(f (x)). Also gibt es zu jedem x ∈ A
genau ein z ∈ C mit (x, z) ∈ f ◦ g. Damit ist f ◦ g linkstotal und rechtseindeutig,
also eine Abbildung. Wie hier schon geschehen, schreibt man meist z = g(f (x))
für z = (f ◦ g)(x).

d) Ist f : A → B bijektiv, so ist sie links- und rechtstotal sowie links- und
rechtseindeutig. Damit ist dann f −1 als Relation rechts- und linkstotal sowie
rechts- und linkseindeutig, also der Reihe nach: überall definiert, surjektiv, eine
Abbildung und injektiv, d. h. ebenfalls eine Bijektion.

e) Dies folgt aus der Tatsache, daß die Gleichheit “=” eine Äquivalenzrelation
auf f (A) ist!

f) Gilt f = {(x, f (x)) | x ∈ A} = g = {(x, g(x)) | x ∈ A}, so folgt aus der jewei-
ligen Rechtseindeutigkeit sofort f (x) = g(x) für alle x ∈ A. Hat man umgekehrt

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.4 Relationen und Abbildungen 46

diese Gleichheiten, so folgt wiederum aus der Rechtseindeutigkeit von f und g


als Abbildungen die Gleichheit f = g als Relationen. 

Folgerung 1.97 Für alle Abbildungen f : A → B und g : B → C gelten die


folgenden Aussagen.

a) Es ist f genau dann injektiv, wenn f (x) = f (x0 ) → x = x0 für alle x, x0 ∈ A


gilt.

b) Sind f und g beide injektiv (surjektiv, bijektiv), so ist auch f ◦ g injektiv


(surjektiv, bijektiv).

c) Ist f ◦ g injektiv, dann ist f injektiv.

d) Ist f ◦ g surjektiv, dann ist auch g surjektiv.

e) Ist f ◦ g bijektiv, dann ist f injektiv und g surjektiv.

f ) Genau dann ist f bijektiv, wenn f ◦ f −1 = ιA und f −1 ◦ f = ιB gelten.

Beweis: a) Ist f : A → B eine injektive Abbildung und gilt f (x) = f (x0 ) =


y ∈ B für x, x0 ∈ A, so gelten (x, y) ∈ f und (x0 , y) ∈ f , woraus wegen der
Linkseindeutigkeit sofort x = x0 folgt. Liegen umgekehrt die Paare (x, y) und
(x0 , y) in f ⊆ A × B, so gilt, da f Abbildung ist, f (x) = y = f (x0 ). Damit folgt
aus der vorausgesetzten Implikation dann x = x0 , also die Linkseindeutigkeit.

b) Sind f und g injektiv, so folgt aus (f ◦ g)(x) = g(f (x)) = g(f (x0 )) = (f ◦ g)(x0 )
wegen der Injektivität von g aus a) zunächst f (x) = f (x0 ) und hieraus wegen der
Injektivität von f dann ebenso mit a) x = x0 . Also ist auch f ◦ g injektiv.

Sind f und g surjektiv, so gelten f (A) = B und g(B) = C, also (f ◦ g)(A) =


g(f (A)) = g(B) = C, und damit die Surjektivität dieser Verkettung.

Hieraus ergibt sich unmittelbar die Behauptung für die Bijektivität.

c) Ist f ◦ g injektiv und gilt f (x) = f (x0 ), so folgt (f ◦ g)(x) = g(f (x)) =
g(f (x0 )) = (f ◦ g)(x0 ), und damit aus der Injektivität auch x = x0 . Mit a) folgt
die Behauptung.

d) Ist f ◦ g surjektiv und c ∈ C, so gibt es ein x ∈ A mit c = (f ◦ g)(x) = g(f (x)).


Dann erfüllt y := f (x) ∈ B aber auch g(y) = c, d. h. g ist rechtstotal, also
surjektiv.

e) Dies folgt unmittelbar aus c) und d).

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.4 Relationen und Abbildungen 47

f) Ist f bijektiv, dann nach Folgerung 1.96 d) auch f −1 . Zu x ∈ A gibt es ein


eindeutig bestimmtes y ∈ B mit (x, y) ∈ f , also (y, x) ∈ f −1 , und zu diesem y
ist x = f −1 (y) eindeutig bestimmt, da f −1 Abbildung ist. Es folgt (f ◦ f −1 )(x) =
f −1 (f (x)) = f −1 (y) = x, also f ◦ f −1 = ιA . Vertauscht man nun die Rollen von
f und f −1 (beides sind bijektive Abbildungen!) erhält man f −1 ◦ f = ιB .

Gelten umgekehrt die beiden Gleichungen. Zunächst ist f −1 als Relation rechts-
eindeutig, denn aus (y, x), (y, x0 ) ∈ f −1 folgt (x, y), (x0 , y) ∈ f und daher (x, x0 ) ∈
f ◦ f −1 = ιA , also x = x0 . Dann ist f −1 aber auch linkstotal, denn für y ∈ B gilt
(y, y) ∈ ιB = f −1 ◦ f . Daher existiert ein x ∈ A mit (y, x) ∈ f −1 (und (x, y) ∈ f ).
Insgesamt ist f −1 : B → A ebenso eine Abbildung wie f : A → B. Aus der
Injektivität von ιA = f ◦ f −1 folgt nun mit c) die Injektivität von f und aus der
Surjektivität von ιB = f −1 ◦ f die Surjektivität von f . 

Lemma 1.98 Sei A eine Menge und % ∈ E(A) eine Äquivalenzrelation auf A.
Dann ist die Abbildung ν : A → A/% gemäß ν(x) := [x]% für alle x ∈ A surjektiv
und es ist kerν = %. Weiterhin ist ν injektiv und damit bijektiv genau dann, wenn
% = ιA gilt.

Beweis: Zu [x]% ∈ A/% ist x ∈ A ein Repräsentant dieser Klasse, der von ν auf
diese Klasse abgebildet wird. Also ist ν surjektiv. Es ist (x, x0 ) ∈ kerν gleichwertig
zu ν(x) = ν(x0 ) nach Definition von kerν, und daher zu [x]% = [x0 ]% . Da %
Äquivalenzrelation ist, ist dies wiederum gleichwertig zu (x, x0 ) ∈ %. Dies zeigt
kerν = %. Es ist % = ιA genau dann, wenn jede Klasse [x]% aus genau einem
Element besteht, also gleich {x} ist. Dies ist aber gleichwertig damit, daß ν(x) =
{x} für alle x ∈ A gilt. Dies zeigt dann die Injektivität von ν. Ist andererseits ν
nicht injektiv, so gibt es x 6= x0 in A mit ν(x) = [x]% = ν(x0 ) und damit (x, x0 ) ∈ %
also ist dann % 6= ιA . 

Man nennt die Abbildung ν : A → A/% auch die natürliche Abbildung oder
kanonische Projektion von A auf A/%.

Satz 1.99 Erster Abbildungssatz Es sei f : A → B eine Abbildung, ν :


A → A/kerf die kanonische Projektion und inf (A) die Injektion von f (A) ⊆ B
in B. Dann existiert genau eine bijektive Abbildung ϕ : A/kerf → f (A) mit
f = ν ◦ ϕ ◦ inf (A) .

Beweis: Definiere ϕ : A/kerf → f (A) durch ϕ([x]kerf ) := f (x) für alle


[x]kerf ∈ A/kerf . Dann ist zunächst die Repräsentantenunabhängigkeit oder
Wohldefiniertheit zu zeigen: Für alle x, x0 ∈ A mit [x]kerf = [x0 ]kerf muß bereits

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.4 Relationen und Abbildungen 48

f (x) = f (x0 ) gelten. Aus [x]kerf = [x0 ]kerf folgt aber (x, x0 ) ∈ kerf nach Defini-
tion dieser Äquivalenzklassen. Daher gilt auch f (x) = f (x0 ) nach Definition der
Relation kerf .

Es ist ϕ surjektiv, denn zu y ∈ f (A) gibt es ein x ∈ A mit f (x) = y und daher
gilt für die Klasse [x]kerf ∈ A/kerf bereits ϕ([x]kerf ) = y.

Es ist ϕ auch injektiv und damit bijektiv, denn aus ϕ([x]kerf ) = ϕ([x0 ]kerf ) folgt
f (x) = f (x0 ) und damit (x, x0 ) ∈ kerf , also auch [x]kerf = [x0 ]kerf .

Es ist f = ν ◦ ϕ ◦ inf (A) , denn für alle x ∈ A gilt f (x) = inf (A) (f (x)) =
inf (A) (ϕ([x]kerf )) = inf (A) (ϕ(ν(x))) = ν ◦ ϕ ◦ inf (A) (x), und wegen Folge-
rung 1.96 d) gilt die Gleichheit der Abbildungen.

Schließlich ist ϕ eindeutig bestimmt, denn ist auch ϕ0 : A/kerf → f (A) mit
f = ν ◦ ϕ0 ◦ inf (A) , so folgt aus inf (A) (ϕ(ν(x)) = inf (A) (ϕ0 (ν(x)) für alle x ∈ A
zunächst ϕ(ν(x)) = ϕ0 (ν(x)) aus der Injektivität von inf (A) . Da ν surjektiv ist,
folgt ϕ([x]kerf ) = ϕ0 ([x]kerf ) für alle [x]kerf ∈ A/kerf , also ϕ = ϕ0 wiederum
wegen Folgerung 1.96 d). 

Definition 1.100 Für Mengen A und B bezeichne AB := {f | f : B → A},


also die Menge aller Abbildungen von B in A. Speziell für B = {1, . . . , n}, also
f : {1, . . . , n} → A schreibt man ai := f (i) für i = 1, . . . , n und notiert f kurz als
n-Tupel f = (a1 , . . . , an ) ∈ An anstelle von f = {(1, a1 ), . . . , (n, an )} ⊆ B × A.
Für B = N0 erhält man analog die (unendlichen) Folgen (ai )i∈N0 . Ist B = I eine
beliebige nichtleere Menge, die in diesem Zusammenhang Indexmenge genannt
wird, so spricht man von f auch als einer indizierten Familie und notiert diese
in der Form (ai )i∈I oder (ai | i ∈ I). Ist hierbei A = P(M ), so nennt man (Ai )i∈I
eine Mengenfamilie der Mengen Ai ⊆ M .

Bemerkung 1.101 Mengenfamilien stellen also eine Verallgemeinerung der “un-


geordneten” Mengensysteme dar, indem sie es ermöglichen, über den jeweiligen
Index “gezielt” einzelne Elemente des Mengensystems anzusprechen und es auch
gestattet ist, daß ein- und dieselbe Menge mehrfach in der Familie vorkommt,
was bei Mengensystemen wegen des Extensionalitätsaxioms nicht der Fall ist.

1.4.5 Kardinalzahlen

Definition 1.102 Zwei Mengen A und B heißen gleichmächtig, in Zeichen: A ∼


B, wenn es eine Bijektion f : A → B gibt.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.4 Relationen und Abbildungen 49

Man nennt eine Menge A abzählbar unendlich, wenn A ∼ N0 gilt. Eine endliche
oder abzählbar unendliche Menge heißt abzählbar. Eine nicht abzählbare Menge
wird überabzählbar genannt.

Man schreibt ℵ0 := |N0 | = |N | (“Aleph Null” ist die “Mächtigkeit” von N0 ; Aleph
ist der erste Buchstabe des hebräischen Alphabets) für jede abzählbar unendliche
Menge N . Durch |M | > ℵ0 kürzt man dann die Aussage “M ist überabzählbar”
ab. Unter einer Kardinalzahl versteht man die Mächtigkeit einer Menge, also
die Anzahl ihrer Elemente. Ist die Menge unendlich, so spricht man von einer
transfiniten Kardinalzahl.

Folgerung 1.103 Für Mengen A, B, C gelten

(130) A ∼ A,
(131) A ∼ B → B ∼ A,
(132) A ∼ B ∧ B ∼ C → A ∼ C.

Die Ähnlichkeit ∼ ist also auf jedem Mengensystem M eine Äquivalenzrelation.

Beweis: (130) gilt wegen Beispiel 1.94, (131) wegen Folgerung 1.96 d), (132)
wegen Folgerung 1.97. 

Beispiel 1.104 a) Es ist N ∼ N0 , da die Nachfolgerfunktion f : N0 → N


gemäßf (n) = n + 1 für alle n ∈ N0 bijektiv ist. Es ist nämlich f −1 (n) = n − 1 für
alle n ∈ N die Umkehrabbildung.

Hieraus folgt durch geeignete Einschränkung von f sofort: {0, . . . , n − 1} ∼


{1, . . . , n} und daher {0, . . . , n − 1} ∼ {a1 , . . . , an } für jede n-elementige Menge.
Die Kardinalzahl einer endlichen Menge ist also stets eine natürliche Zahl.

Weiterhin folgt (E ∪ N0 ) ∼ N0 für jede endliche Menge E. Die Vereinigung einer


endlichen und einer abzählbar unendlichen Menge ist stets abzählbar unendlich.
n
b) Es ist Z ∼ N0 , da die Abbildung f : N0 → Z gemäß f (n) = 2
für gerades n
und f (n) = − n+1
2
für ungerades n bijektiv ist.

Hieraus ergibt sich weiter (N ∪ N0 ) ∼ N0 für jede abzählbar unendliche Menge N


und daher: Endliche Vereinigungen abzählbar unendlicher Mengen sind abzählbar
unendlich.

c) Erstes Cantorsches Diagonalverfahren: Es ist N × N ∼ N, da die Abbildung


f : N × N → N gemäß f (n, m) = n(n+1)
2
+ (m+1)(m+2)
2
+ nm − 1 bijektiv ist.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.4 Relationen und Abbildungen 50

Hieraus folgt Q+ ∼ N und daraus dann Q ∼ N0 oder allgemein: Die abzählbare


Vereinigung abzählbarer Mengen ist abzählbar.

Bemerkung 1.105 Man kann auch für unendliche oder transfinite Kardinal-
zahlen wie ℵ0 Summen und Produkte definieren und dann die eben bewiesenen
Aussagen durch Gleichungen ausdrücken. Wir werden diese aber in dieser Vorle-
sung nicht weiter benutzen. Für alle n ∈ N0 gelten:

n + ℵ0 = ℵ0 ,
ℵ0 + ℵ0 = ℵ0 ,
0 · ℵ0 = 0,
n · ℵ0 = ℵ0 (n 6= 0),
ℵ0 · ℵ0 = ℵ0 .

Beispiel 1.106 Ist M ∼ N0 eine abzählbar unendliche Menge und f : N0 → M


eine Bijektion, dann wird analog wie im Beispiel 1.83 für endliche Mengen durch
f (i) ≤ f (j) :↔ i ≤ j eine Wohlordnung auf M definiert. Dies beweist den
Wohlordnungssatz zumindest für abzählbare Mengen.

Satz 1.107 Jede Teilmenge einer abzählbaren Menge ist abzählbar.

Beweis: Sei M ⊆ N und N abzählbar. Für endliches N oder endliches M ist


die Behauptung offensichtlich. Es bleibt der Fall N ∼ N0 und M unendlich zu
betrachten. Dann gibt es eine Bijektion f : N0 → N , also N = {ai = f (i) | i ∈ N0 }
mit paarweise verschiedenen ai . Wegen M ⊆ N und M unendlich existiert eine
Teilfolge (aik )k∈N0 mit M = {aik | k ∈ N0 } und natürlich sind auch diese aik
paarweise verschieden. Daher ist g : N0 → M mit g(k) = aik eine Bijektion und
folglich M ∼ N0 , also M abzählbar. 

Satz 1.108 Satz von Cantor Für jede Menge A gilt A 6∼ P(A). Insbesondere
ist P(N0 ) überabzählbar.

Beweis: Wäre f : A → P(A) eine (sogar nur) surjektive Abbildung, dann gäbe
es zu X := {x ∈ A | x ∈ / f (x)} ein x0 ∈ A mit f (x0 ) = X. Der Fall x0 ∈ X
führt zu x0 6∈ f (x0 ) = X, also einem Widerspruch. Aber auch der Fall x0 6∈ X,
der zu x0 ∈ f (x0 ) = X führt, liefert einen Widerspruch. Nach dem Platonischen
Falschheitskriterium (52) kann es daher kein derartiges x0 ∈ A geben, also kann f
nicht surjektiv und daher auch nicht bijektiv sein. In P(N0 ) liegen die abzählbar

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.4 Relationen und Abbildungen 51

unendlich vielen paarweise verschiedenen Einermengen {n} für n ∈ N0 , daher


kann P(N0 ) nicht endlich sein. Nach dem ersten Teil des Satzes ist P(N0 ) aber
auch nicht abzählbar unendlich. 

Wir zeigen nun noch, daß die reellen Zahlen R, also die Menge aller Dezimalzahlen,
überabzählbar ist. Wegen N0 ⊆ R kann sie natürlich nicht endlich sein.

Lemma 1.109 a) Es gibt eine bijektive Abbildung f : (−1, 1) → R, also


(−1, 1) ∼ R für dieses offene Intervall.

b) Für jedes nichtleere offene Intervall (a, b) ⊆ R ist b − a 6= 0 und daher g :


1
(a, b) → (0, 1) mit g(x) = b−a (x − a) eine Bijektion. Also gilt (0, 1) ∼ R.

Beweis: a) Vorlesung!

b) Es ist g −1 : (0, 1) → (a, b) gemäß g −1 (x) = (b − a)(x + b−a


a
) offensichtlich die
Umkehrabbildung. Also gilt speziell (0, 1) ∼ (−1, 1). Mit a) und der Transitivität
von ∼ folgt hieraus die letzte Behauptung. 

Satz 1.110 Zweites Cantorsches Diagonalverfahren Das offene Einheits-


intervall (0, 1) und damit auch R ist überabzählbar.

Beweis: Jedes x ∈ (0, 1) werde durch einen nicht abbrechenden Dezimalbruch


x = 0.x0 x1 x2 x3 . . . dargestellt, wobei für abbrechende Dezimalbrüche immer die
eindeutig bestimmte alternative Darstellung mit Periode 9 gewählt werde. Wegen
x 6= 1 gibt es aber stets mindestens eine Stelle xi 6= 9. Angenommen, es gäbe eine
Bijektion f : N0 → (0, 1). Dann kann man alle Dezimalbrüche aus (0, 1) auflisten
durch

f (0) = x0 = 0.x00 x01 x02 . . . ,


f (1) = x1 = 0.x10 x11 x12 . . . ,
f (2) = x2 = 0.x20 x21 x22 . . . ,
..
.

Definiere nun die Zahl y = 0.y0 y1 y2 . . . durch folgende Vorschrift. Es sei yi = 1,


falls xii ∈ {0, 2, . . . , 9}, und yi = 2, falls xii = 1 gilt. Dann ist y ∈ (0, 1) und
y 6= xi für jedes i ∈ N0 , also f nicht surjektiv. Es kann daher keine derartige
Bijektion geben. Dies zeigt (0, 1) 6∼ N0 und daher wegen der Transitivität von ∼
und dem vorhergehenden Lemma R 6∼ N0 . 

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.4 Relationen und Abbildungen 52

Bemerkung 1.111 Man definiert nun eine neue Kardinalzahl c := |R| und nennt
diese die Mächtigkeit des Kontinuums.

Es gilt dann ℵ0 < c und die sogenannte Kontinuumshypothese (CH) lautet:

Es gibt keine Kardinalzahl zwischen ℵ0 und c.

Es ist eines der fundamentalsten Ergebnisse der neueren Mathematik, daß die
Kontinuumshypothese aus der axiomatischen Mengenlehre heraus weder wider-
legbar ist (von Kurt Gödel (1906 - 1978) 1938 gezeigt) noch beweisbar (von Paul
Cohen (1934 - 2007) 1963 gezeigt). Man kann also die bisher vorgestellte axioma-
tische Mengenlehre auf zwei völlig verschiedene Arten erweitern, einmal indem
man die Kontinuumshypothese als neues Axiom hinzunimmt, einmal indem man
ihre Negation hinzunimmt. Je nachdem existieren dann ganz unterschiedliche
unendliche Mengen.

Mit Hilfe der Gleichmächtigkeit ∼ von Mengen definierte Richard Dedekind (1831
- 1916) die Endlichkeit einer Menge, ohne auf die natürlichen Zahlen zurückzugrei-
fen, wie folgt: Eine Menge M ist (Dedekind-)endlich, wenn ¬∃X : X ⊂ M ∧ X ∼
M ), wenn sie also keine zu ihr gleichmächtige echte Teilmenge besitzt.

Alfred Tarski (1902 - 1983) schlug dagegen die folgende Definition vor, die eben-
falls keine natürlichen Zahlen benötigt: M ist (Tarski-)endlich, wenn (P(M ), ⊆)
die Minimalbedingung erfüllt.

Bertrand Russell wiederum orientierte sich mehr an der Definition der natürlichen
Zahlen als Nachfolgermenge, indem er definierte: M ist (Russell-)endlich, wenn M
in jedem Mengensystem enthalten ist, das die leere Menge und mit jeder Menge
auch deren Vereinigung mit einer beliebigen Einermenge enthält.

Ohne Beweis sei hier nur angegeben:

Satz 1.112 Für jede Menge M sind gleichwertig:

(1) M ist endlich.

(2) M ist Dedekind-endlich.

(3) M ist Tarski-endlich.

(4) M ist Russell-endlich.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.4 Relationen und Abbildungen 53

Damit hat man dann auch alternative Charakterisierungen unendlicher Mengen,


etwa mit Dedekind: Jede unendliche Menge besitzt eine echte Teilmenge, die zu
ihr gleichmächtig ist.

Aufgabe 1.113 Man beweise: Jede unendliche Menge enthält eine abzählbar
unendliche echte Teilmenge.

1.4.6 Verknüpfungen

Eine ausführlichere Behandlung der hier nur kurz eingeführten algebraischen


Strukturen erfolgt in der Algebra-Vorlesung:

www.mathe.tu-freiberg.de/∼hebisch/skripte/algebra/gruppen.pdf

Definition 1.114 Es sei n ∈ N0 und A eine Menge. Eine n-stellige Verknüpfung


oder (algebraische) Operation (lat. operare = verrichten, arbeiten) in A ist dann
eine Abbildung f : An → A.

Bemerkung 1.115 a) Eine nullstellige Operation in A 6= ∅ ist ein Element aus


A, denn ist f : {∅} → A eine Abbildung, so ist diese eindeutig bestimmt als
f = {(∅, a)} für ein a ∈ A. Konkrete Beispiele sind ∅ und M in jeder Potenzmenge
A = P(M ) oder 0 und 1 in den Zahlbereichen N0 , Z und Q oder 0 und 1 in der
Menge der Wahrheitswerte.

b) Einstellige Operationen sind also nichts weiter als beliebige Abbildungen


f : A → A. Man nennt solche Abbildungen auch Transformationen der Menge
A, beispielsweise bei den Transformationen der Zustandsmenge eines Automaten
oder bei geometrischen Transformationen. Konkrete Beispiele sind die Komple-
mentbildung f (B) = B für B ⊆ M in jeder Potenzmenge A = P(M ), die Negati-
on f (p) = ¬p in der Menge der aussagenlogischen Formeln, das Entgegengesetzte
f (a) = −a in den Zahlbereichen N0 , Z und Q oder das Inverse f (a) = a−1 in der
Menge Q \ {0}.

c) Binäre Operationen f : A2 → A treten (ähnlich wie binäre Relationen) in


der Mathematik am häufigsten auf. Sie werden ebenfalls meistens in der Infixno-
tation geschrieben, also z. B. a ∗ b anstelle von f (a, b). Konkrete Beispiele sind
Durchschnitt ∩, Vereinigung ∪, Differenz \ und symmetrische Differenz ∆ in
jeder Potenzmenge, die Junktoren ∧, ∨, → und ↔ in der Menge der aussagen-
logischen Formeln und die arithmetischen Operationen Summe + (lat. summus
= das Oberste, Höchste) und Produkt · (lat. producere = hervorbringen) in den
Zahlbereichen.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.4 Relationen und Abbildungen 54

Definition 1.116 Eine binäre Operation ∗ in einer Menge A 6= ∅ heißt

assoziativ (lat. associare = verbinden), wenn (a ∗ b) ∗ c = a ∗ (b ∗ c),

kommutativ (lat. commutare = vertauschen), wenn a ∗ b = b ∗ a,

idempotent, (lat. idem = selbst, potens = mächtig), wenn a ∗ a = a

jeweils für alle a, b, c ∈ A gilt. Die Menge A wird Trägermenge der Operati-
on ∗ genannt und das Paar (A, ∗) ein Gruppoid. Unter der Ordnung von (A, ∗)
versteht man dann die Kardinalzahl |A|. Ist die Operation ∗ assoziativ, so nennt
man (A, ∗) eine Halbgruppe. Eine kommutative und idempotente Halbgruppe wird
Halbverband genannt.

Aufgabe 1.117 Welche Tasten Ihres Taschenrechners realisieren nullstellige,


einstellige oder zweistellige Operationen? Welche zweistelligen Operationen da-
von sind assoziativ, kommutativ, idempotent, welche nicht?

Beispiel 1.118 Für jeden Verband (A, ≤) bildet sowohl die Supremumsbildung
a ∨ b = sup{a, b} als auch die Infimumsbildung a ∧ b = inf{a, b} eine binäre Ope-
ration, die assoziativ, kommutativ und idempotent ist. Daher sind dann (A, ∨)
und (A, ∧) Halbverbände. Dies begründet auch die Bezeichnung.

Beispiel 1.119 Für (kleine) endliche Mengen A kann man binäre Operationen
auf A auch durch Cayley-Tafeln (Arthur Cayley, 1821 - 1895) definieren. Man
notiert in einer Tabelle, deren Kopfzeile und erste Spalte jeweils die Elemente von
A in einer festen linearen Ordnung enthält, in der Zeile mit dem ersten Element
ai ∈ A und in der Spalte zu dem Element aj ∈ A das Verknüpfungsergebnis
ai ∗ aj ∈ A. Dann kan man beispielsweise die Kommutativität der durch diese
Tafel definierten Operation ∗ an der Symmetrie zur Hauptdiagonalen erkennen.
Solche Tafeln eignen sich auch dazu, binäre Operationen auf einem Rechner zu
speichern, ihre Gesetzmäßigkeiten zu überprüfen und mit ihnen zu rechnen.

Die Menge B = {0, 1} kann durch 0 < 1 linear geordnet werden. Auf dieser Menge
existieren dann stets das Supremum a ∨ b und das Infimum a ∧ b für alle a, b ∈ B.
Es handelt sich also um einen Verband. Die entsprechenden Cayley-Tafeln sind
dann

∨ 0 1 ∧ 0 1
0 0 1 und 0 0 0
1 1 1 1 0 1

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.4 Relationen und Abbildungen 55

und dies sind genau die Ergebnisse der logischen Junktoren ∨ und ∧, wenn man
sie auf die wahre Aussage 1 und die falsche Aussage 0 gemäß (7) - (10) anwendet.

Man kann übrigens 0 und 1 auch mit den natürlichen Zahlen 0 und 1 identifizie-
ren. Dann wird die oben angegebene Ordnung gerade die gewöhnliche Ordnung
für diese Zahlen und ∧ und ∨ werden Minimum min und Maximum max für
natürliche Zahlen.

Beispiel 1.120 Für jede Menge A ist die Menge TA := AA aller Abbildungen
von A in sich mit der Verkettung ◦ wegen (124) eine Halbgruppe (TA , ◦), die
Transformationshalbgruppe auf A. Insbesondere ist jede bijektive Abbildung f :
A → A in TA enthalten. Diese Abbildungen werden auch Permutationen von A
genannt.

Aufgabe 1.121 Man beweise: Für jede n-elementige Menge A gibt es genau
n! := 1 · 2 · · · n, gelesen: “n Fakultät”, Permutationen auf A.

S∞
Beispiel 1.122 Für eine beliebige Menge A sei A+ := An := {An | n ∈
S
n=1
N}. Durch

(133) (x1 , . . . , xn ) · (y1 , . . . , ym ) := (x1 , . . . , xn , y1 , . . . , ym ) ∈ An+m ⊆ A+

für alle (x1 , . . . , xn ), (y1 , . . . , ym ) ∈ A+ wird dann eine assoziative binäre Opera-
tion auf A+ definiert, die Konkatenation genannt wird. Die Halbgruppe (A+ , ·)
heißt dann die freie Halbgruppe über A. Man schreibt kurz x1 . . . xn anstelle von
(x1 , . . . , xn ) und nennt dieses Element von An ⊆ A+ ein Wort der Länge n über
A. Speziell in der Informatik spricht man in diesem Zusammenhang auch von
dem Alphabet A 6= ∅, nennt die Worte x1 . . . xn auch Strings über A und die
Elemente von A, also die Worte der Länge 1, Buchstaben, Zeichen oder Symbole.
Unter einer formalen Sprache versteht man eine beliebige Teilmenge von A+ .

Bemerkung 1.123 Es ist ∅+ = ∅ und A+ unendlich für A 6= ∅. Für einelemen-


tige Mengen A = {a} gilt A+ = {an | n ∈ N}, also ist A+ abzählbar unendlich
und die freie Halbgruppe (A+ , ·) ist kommutativ. Enthält dagegen A mindestens
zwei verschiedene Elemente a 6= b, so ist wegen ab 6= ba die freie Halbgruppe
(A+ , ·) niemals kommutativ. Bei abzählbarem Alphabet A bleibt A+ aber immer
abzählbar, da An für jedes n ∈ N abzählbar ist und die abzählbare Vereinigung
abzählbarer Mengen ebenfalls.

Für jedes Alphabet A 6= ∅ gibt es also überabzählbar viele formale Sprachen, von
denen man mit endlichen Texten aber nur abzählbar viele beschreiben kann.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.5 Verallgemeinerte mengentheoretische Operationen 56

Konkrete Beispiele sind sämtliche Programmiersprachen, aber auch die Menge


aller aussagenlogischen Formeln über dem Alphabet A = V ∪ B ∪ {¬, ∧, ∨, →, ↔}
oder aller prädikatenlogischen Formeln über dem Alphabet A = VE ∪ P ∪ B ∪
{¬, ∧, ∨, →, ↔, ∀, ∃}. Dasselbe gilt für die Menge der in Aufgabe 1.3 betrachteten
arithmetischen Terme.

Aufgabe 1.124 Man versuche für ein endliches Alphabet, etwa A = {a, b}, auf
A+ eine lexikographische Ordnung zu definieren und damit A+ wohlzuordnen.

Eine ausführliche Darstellung von Beschreibungsmechanismen für formale Spra-


chen findet man in dem Skript zur Automatentheorie

www.mathe.tu-freiberg.de/∼hebisch/skripte/formsprach/formsprach.pdf

1.5 Verallgemeinerte mengentheoretische Operationen

Definition 1.125 Ist (Ai )i∈I eine indizierte Mengenfamilie über einer Menge M ,
so definiert man

Ai := {Ai | i ∈ I} und Ai := {Ai | i ∈ I}.


S S T T
i∈I i∈I

Bemerkung 1.126 Durchschnitt und Vereinigung über Mengenfamilien werden


also über Durchschnitt und Vereinigung von Mengensystemen definiert. Daher
kommt es auf die Reihenfolge der Elemente dieser Mengenfamilie ebensowenig
an, wie darauf, ob einzelne Mengen Ai mehrfach in der Familie auftreten. Insbe-
S S
sondere sind diese Operationen kommutativ, genauer: Es gilt i∈I Ai = i∈I Aπ(i)
und i∈I Ai = i∈I Aπ(i) für jede Permutation π : I → I.
T T

Außerdem ist i∈I Ai das Supremum von {Ai | i ∈ I} in (P(M ), ⊆), also die
S
T
kleinste Menge, die alle Ai als Teilmengen umfaßt, und entsprechend i∈I Ai das
Infimum, also die größte Menge, die in allen Ai als Teilmenge enthalten ist.

Diese Definition verallgemeinert die schon weiter oben eingeführten Bezeichnun-


gen ni=1 Ai bzw. ∞
S S
i=1 Ai für die Vereinigung und analog für den Durchschnitt.

Satz 1.127 Es seien (Ai )i∈I und (Bi )i∈I Mengenfamilien über derselben Menge
M und C ⊆ M . Dann gelten

(1) ∀j ∈ I : Ai ⊆ A j ⊆
T S
i∈I i∈I Ai .

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.5 Verallgemeinerte mengentheoretische Operationen 57

T S
(2) i∈I Ai = i∈I Ai .
S T
(3) i∈I Ai = i∈I Ai .

∪ Bi ) = Ai ∪
S S S
(4) i∈I (Ai i∈I i∈I Bi .

∩ Bi ) = Ai ∩
T T T
(5) i∈I (Ai i∈I i∈I Bi .

Ai ∪ Bi ⊆ ∪ Bi ).
T T T
(6) i∈I i∈I i∈I (Ai

∩ Bi ) ⊆ Ai ∩
S S S
(7) i∈I (Ai i∈I i∈I Bi .

(8) C ∩ ∩ Ai ).
S S
i∈I Ai = i∈I (C

(9) C ∪ ∪ Ai ).
T T
i∈I Ai = i∈I (C
S
Ist I = k∈K Ik eine Partition von I, dann gelten die verallgemeinerten Assozia-
tivgesetze
T T T
(10) i∈I Ai = k∈K i∈Ik Ai .
S S S
(11) i∈I Ai = k∈K i∈Ik Ai .

Beweis: Natürlich kann man jede Gleichung bzw. Inklusion elementweise über-
prüfen. Oft ist es allerdings einfacher, weniger formal sondern mehr inhaltlich zu
argumentieren. Dazu bezeichne VA := i∈I Ai = {Ai | i ∈ I} die Vereinigung
S S

dieser Mengenfamilie und DA := i∈I Ai = {Ai | i ∈ I} ihren Durchschnitt.


T T

Nach Folgerung 1.87 sind dies gerade sup und inf dieser Mengenfamilie in der
partiell geordneten Menge (P(M ), ⊆). Analog seien VB , DB , VA∩B , DA∩B usw.
für die anderen beteiligten Mengenfamilien definiert.

(1) Dies folgt nun unmittelbar aus der Definition von Infimum und Supremum
gemäß Definition 1.84.

Die restlichen Aussagen (2) - (11) sind jeweils paarweise dual zueinander. Daher
reicht es, immer nur eine pro Paar zu beweisen, also etwa (2), (4), (6), (8) und
(10).

(2) Es ist x ∈ i∈I Ai gleichwertig zu ¬∀i ∈ I : x ∈ Ai . Nach (57) ist dies


T

gleichwertig zu ∃i ∈ I : ¬(x ∈ Ai ), also zu x ∈ i∈I Ai .


S

(4) Aus Ai ⊆ VA ⊆ VA ∪ VB und Bi ⊆ VB ⊆ VA ∪ VB folgt nach Definition der


Vereinigung Ai ∪ Bi ⊆ VA ∪ VB für alle i ∈ I und daher nach Definition des
Supremums auch VA∪B ⊆ VA ∪ VB . Umgekehrt folgt Ai ⊆ Ai ∪ Bi ⊆ VA∪B und
daher nach der Definition des Supremums VA ⊆ VA∪B . Analog folgt VB ⊆ VA∪B .

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


1.5 Verallgemeinerte mengentheoretische Operationen 58

Nach der Definition der Vereinigung ergibt sich daher auch die andere Inklusion
VA ∪ VB ⊆ VA∪B .

(6) Wegen DA ⊆ Ai ⊆ Ai ∪ Bi für alle i ∈ I folgt DA ⊆ DA∪B nach Definition


des Infimums. Analog erhält man DB ⊆ DA∪B . Nach Definition der Vereinigung
zeigt dies bereits DA ∪ DB ⊆ DA∪B . Daß die umgekehrte Inklusion nicht immer
gilt, kann man noch durch ein geeignetes Gegenbeispiel zeigen.

(8) Aus (7) folgt mit C = Bi für alle i ∈ I und der Kommutativität des Durch-
schnitts (64) bereits VC∩A ⊆ C ∩ VA . Umgekehrt folgt für jedes x ∈ C ∩ VA auch
x ∈ C ∧ x ∈ Ai für ein i ∈ I und damit x ∈ C ∩ Ai . Dies impliziert aber x ∈ VC∩A ,
also auch die umgekehrte Inklusion.

(10) Es sind jeweils gleichwertig

x∈
T
i∈I Ai ,

∀i ∈ I : x ∈ Ai ,

∀k ∈ K∀i ∈ Ik : x ∈ Ai ,

x∈ 
S S
k∈K ( i∈Ik Ai ).

Satz 1.128 Es sei (Ai,j | (i, j) ∈ I × J) eine durch die Indexmenge I × J doppelt
indizierte Mengenfamilie. Dann gilt

Ai,j ⊆
S T T S
i∈I j∈J j∈J i∈I Ai,j .

Beweis: Es ist x ∈
S T
i∈I j∈J Ai,j gleichwertig zu

∃i ∈ I∀j ∈ J : x ∈ Ai,j .

Nach der Vertauschungsregel für Quantoren (58) folgt hieraus

∀j ∈ J∃i ∈ I : x ∈ Ai,j

und dies ist gleichwertig zu x ∈ 


T S
j∈J i∈I Ai,j .

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


2 Gruppen, Ringe, Körper 59

2 Gruppen, Ringe, Körper

Weiterführende Informationen zu den Inhalten dieses Kapitels findet man unter

www.mathecafe.de/algebra/

2.1 Gruppen

2.1.1 Elementare Eigenschaften

Definition 2.1 Es sei (G, ·) ein Gruppoid. Ein Element e ∈ G heißt linksneutral
oder ein Linkseinselement, wenn e · a = a für alle a ∈ G gilt. Dual spricht man
von einem rechtsneutralen oder Rechtseinselement, wenn a · e = a für alle a ∈ G
erfüllt ist, und e heißt ein neutrales Element oder Einselement, wenn beides gilt.

Dagegen heißt ein Element a ∈ G linksabsorbierend (rechtsabsorbierend, absor-


bierend), wenn a · b = a (b · a = a, beides) für alle b ∈ G gilt.

Eine Halbgruppe (G, ·) mit einem Einselement e wird auch Monoid genannt. Man
notiert dies oft als (G, ·, e).

Beispiel 2.2 Auf jeder nichtleeren Menge G kann man durch a · b := a für alle
a, b ∈ G eine Multiplikation definieren, die wegen a · (b · c) = a = a · b = (a · b) · c
ersichtlich assoziativ ist. Daher ist (G, ·) eine Halbgruppe, die sogenannte Links-
zerohalbgruppe auf G. Hierin ist jedes a ∈ G linksabsorbierend und rechtsneutral.

Dual dazu wird die Rechtszerohalbgruppe auf G durch a · b := b für alle a, b ∈ G


definiert.

Für |G| = 1 erhält man dasselbe (kommutative) Monoid. Es wird auch das triviale
Monoid genannt. Für |G| > 1 sind diese Halbgruppen natürlich nicht kommutativ
und wegen der nächsten Folgerung keine Monoide.

Folgerung 2.3 Ein Einselement e ∈ G (absorbierendes Element a ∈ G) ist,


wenn es existiert, eindeutig bestimmt.

Beweis: Man kann sogar etwas mehr zeigen: Ist e ∈ G Linkseinselement und e0 ∈
G Rechtseinselement, so folgt bereits e0 = e · e0 = e. Ist a ∈ G linksabsorbierend
und a0 ∈ G rechtsabsorbierend, so folgt bereits a = a · a0 = a0 . 

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


2.1 Gruppen 60

Beispiel 2.4 a) (N0 , ·, 1), (Z, ·, 1) und (Q, ·, 1) sind kommutative Monoide.

b) (N , +, 0), (Z, +, 0) und (Q, +, 0) sind additiv geschriebene kommutative Mo-


noide. Wie in diesen Fällen wird ein Einselement in einem additiv geschriebenen
Gruppoid oft Nullelement genannt.

c) Jede Potenzmenge (P(M ), ∩, M ) ist ein kommutatives und idempotentes Mo-


noid. Ebenso ist (P(M ), ∪, ∅) ein derartiges Monoid.

d) In jeder Transformationshalbgruppe (TA , ◦) ist die identische Abbildung ιA ein


Einselement, also (TA , ◦, ιA ) ein Monoid, das (volle) Transformationsmonoid auf
A. Die für jedes a ∈ A definierte konstante Abbildung ca : A → A mit ca (x) = a
für alle x ∈ A ist stets rechtsabsorbierend wegen (f ◦ ca )(x) = ca (f (x)) = a =
ca (x) für jedes f ∈ TA und Folgerung 1.96 f). Existieren also mindestens zwei
verschiedene Elemente a 6= b in A, so ist wegen ca ◦ cb = cb 6= ca = cb ◦ ca dieses
Monoid nicht kommutativ.

e) Ist (G, ·) ein beliebiges Gruppoid, so kann man ein Element e 6∈ G als Eins-
element zu (G, ·) adjungieren, indem man die Multiplikation von G auf G ∪ {e}
fortsetzt durch e · x = x · e = x für alle x ∈ G ∪ {e}, also insbesondere e · e = e.
Dann ist (G ∪ {e}, ·, e) ein Gruppoid mit dem Einselement e. Dieses ist genau
dann idempotent, kommutativ bzw. assoziativ, wenn (G, ·) die jeweilige Eigen-
schaft hat.

Führt man diese Adjunktion eines Einselementes speziell für eine freie Halbgruppe
(A+ , ·) durch, so schreibt man für das Einselement meistens ε oder λ und nennt
es das leere Wort oder den leeren String mit der Länge 0. (Natürlich darf ε bzw.
λ noch nicht in A vorkommen!) Man identifiziert dann A0 mit {ε} und schreibt
mit A∗ := ∞ n ∗
n=0 A kurz (A , ·, ε) für dieses freie Monoid über dem Alphabet A.
S

Definition 2.5 Ein Element a ∈ G eines Gruppoids (G, ·) heißt linkskürzbar


(rechtskürzbar) in (G, ·), wenn a · x = a · y → x = y (x · a = y · a → x = y)
für alle x, y ∈ G gilt. Sind beide Implikationen erfüllt, so nennt man a kürzbar.
Das Gruppoid (G, ·) heißt kürzbar, linkskürzbar, rechtskürzbar, wenn jedes a ∈ G
diese Eigenschaft hat.

Beispiel 2.6 a) Jedes Linkseinselement ist linkskürzbar, jedes Rechtseinsele-


ment rechtskürzbar. Daher ist jede Linkszerohalbgruppe rechtskürzbar und jede
Rechtszerohalbgruppe linkskürzbar.

b) (N0 , +, 0) ist ein kürzbares Monoid und dasselbe gilt für (N, ·, 1). Dagegen ist
0 nicht kürzbar in (N0 , ·).

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


2.1 Gruppen 61

c) Jedes freie Monoid ist kürzbar.

d) Definiert man in einem Gruppoid (G, ·) für jedes a ∈ G die Linkstranslation


λa : G → G durch λa (x) := a · x und dual die Rechtstranslation %a : G → G
durch %a (x) := x · a jeweils für alle x ∈ G, so sind dies Transformationen von G.
Offensichtlich ist λa genau dann injektiv, wenn a linkskürzbar ist, und dual %a
genau dann injektiv, wenn a rechtskürzbar ist. Weiterhin ist (G, ·) genau dann
kommutativ, wenn λa = %a für alle a ∈ G gilt. In diesem Fall nennt man diese
Abbildungen einfach Translationen. Bei Cayley-Tafeln von endlichen Gruppoiden
stehen in der Zeile mit dem Index a gerade die Werte von λa und in der Spalte
mit dem Index a die Werte von %a .

Definition 2.7 Es sei (G, ·, e) ein Monoid und a ∈ G. Ein Element a0 ∈ G mit
a0 · a = e heißt Linksinverses zu a (mit a · a0 = e heißt Rechtsinverses zu a), und es
heißt ein Inverses zu a, wenn es beide Bedingungen erfüllt. In diesem Fall nennt
man a invertierbar. Die Menge aller invertierbaren Elemente von (G, ·, e) werde
mit G∗ bezeichnet.

Folgerung 2.8 Es sei (G, ·, e) ein Monoid.

a) Ein linksinvertierbares (rechtsinvertierbares, invertierbares) Element a ∈ G ist


linskürzbar (rechtskürzbar, kürzbar).

b) Ein Inverses zu einem Element a ∈ G∗ ist stets eindeutig bestimmt und wird
im folgenden mit a−1 bezeichnet.

c) Es ist e ∈ G∗ 6= ∅ und e−1 = e.

d) Für a ∈ G∗ gilt a−1 ∈ G∗ und (a−1 )−1 = a.

e) Für a, b ∈ G∗ gilt a · b ∈ G∗ und (a · b)−1 = b−1 · a−1 .

Beweis: a) Aus a · x = a · y folgt a0 · (a · x) = a0 · (a · y) und daraus mit der


Assoziativität dann x = e · x = (a0 · a) · x = (a0 · a) · y = e · y = y. Dual folgt die
Behauptung bezüglich der Rechtskürzbarkeit und damit dann die bezüglich der
Kürzbarkeit.

b) Ist a0 ∈ G Linksinverses zu a ∈ G und a00 ∈ G Rechtsinverses, so gilt aufgrund


der Assoziativität a0 = a0 · e = a0 · (a · a00 ) = (a0 · a) · a00 = e · a00 = a00 .

c) folgt aus e · e = e, d) folgt aus a−1 · a = e = a · a−1 .

e) Wiederum mit der Assoziativität folgt (a · b) · (b−1 · a−1 ) = a · e · a−1 = e und


(b−1 · a−1 ) · (a · b) = b−1 · e · b = e. 

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


2.1 Gruppen 62

Beispiel 2.9 In dem vollen Transformationsmonoid (TA , ◦, ιA ) besteht TA∗ genau


aus den Permutationen, also den bijektiven Abbildungen f : A → A. (Man
vergleiche noch einmal Folgerung 2.8 d) und e) mit den Aussagen von Satz 1.62.)

Satz 2.10 Für jede Halbgruppe (G, ·) sind gleichwertig:

a) Für alle a, b ∈ G existieren (eindeutig bestimmte) x, y ∈ G mit a · x = b und


y · a = b.

b) Es gibt ein Linkseinselement e` ∈ G und zu jedem a ∈ G existiert ein a0 ∈ G


mit a0 · a = e` .

c) Es gibt ein Einselement e ∈ G und zu jedem a ∈ G existiert ein Inverses


a0 ∈ G, d. h. (G, ·, e) ist Monoid mit G∗ = G.

Beweis: Vorlesung! 

Definition 2.11 Eine Gruppe ist eine Halbgruppe (G, ·), welche die Bedingun-
gen aus Satz 2.10 erfüllt. Eine kommutative Gruppe wird auch abelsche Gruppe
genannt (Niels Henrik Abel, 1802 - 1829).

In einer additiv geschriebenen Gruppe (G, +) notiert man das neutrale Element
auch als 0 und das Inverse zu a ∈ G als −a.

Eine additiv geschriebene abelsche Gruppe (G, +) nennt man auch einen Modul
(lat. modus = Maß, Maßstab) und darin a − b := a + (−b) die Differenz (lat.
differre = sich unterscheiden) von a und b aus G.

Bemerkung 2.12 Die Bedingung a) aus Satz 2.10 besagt (für ein beliebiges
Gruppoid) gerade, daß sämtliche Links- und Rechtstranslationen surjektiv sind.
Für invertierbare Elemente sind diese Abbildungen wegen der Kürzbarkeit nach
Folgerung 2.8 a) daher bereits Permutationen, woraus sich dann schon die Ein-
deutigkeit in a) ergibt.

Für beliebige Gruppoide sind die drei Bedingungen aus Satz 2.10 nicht mehr
gleichwertig. Man nennt Gruppoide, die a) einschließlich der Eindeutigkeit
erfüllen, Quasigruppen. Solche Quasigruppen werden in der Codierungstheorie
zur Konstruktion von fehlererkennenden Codes benutzt.

Wegen Satz 2.10 a) beschreibt die Cayley-Tafel einer endlichen Halbgruppe ge-
nau dann eine Gruppe, wenn jedes Element in jeder Zeile und in jeder Spalte
(genau einmal) auftritt. Tafeln mit dieser Eigenschaft (auch ohne daß die Asso-
ziativität erfüllt ist), werden auch Lateinische Quadrate genannt. Sie werden in
der Kombinatorik untersucht.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


2.1 Gruppen 63

Beispiel 2.13 Ist (G, ·, e) ein Monoid, so ist (G∗ , ·, e) wegen Folgerung 2.8 ei-
ne Gruppe, die Einheitengruppe von (G, ·, e). Insbesondere bilden in dem vollen
Transformationsmonoid (TA , ◦, ιA ) die Permutationen diese Einheitengruppe. Sie
wird auch die volle Permutationsgruppe oder Symmetrische Gruppe auf A genannt
und mit S(A) oder Sym(A) oder SA bezeichnet.

Beispiel 2.14 a) (Z, +, 0), (Q, +, 0), (R, +, 0) sind Moduln.

b) (Q \ {0}, ·, 1) und (R \ {0}, ·, 1) sind abelsche Gruppen.

c) Wegen Folgerung 1.37 ist (P(M ), ∆, ∅) für jede Menge M eine abelsche Grup-
pe. Für eine Zweiermenge M := {a, b} seien die Elemente von P(M ) wie folgt
bezeichnet: 0 := ∅, 1 := {a}, 2 := {b} und 3 := M . Dann erhält man für diese
Gruppe die folgende Cayley-Tafel.

∆ 0 1 2 3
0 0 1 2 3
1 1 0 3 2
2 2 3 0 1
3 3 2 1 0

Diese Gruppe der Ordnung 4 wird Kleinsche Vierergruppe (Felix Klein, 1849 -
1925) genannt und üblicherweise mit V4 bezeichnet.

Für eine Einermenge M := {a} erhält man mit den Abkürzungen 0 := ∅ und
1 := M entsprechend die Cayley-Tafel

∆ 0 1
0 0 1
1 1 0

Diese beschreibt die Addition modulo 2 (ohne Übertrag), also die Addition von
Bits, welche eine grundlegende arithmetische Operation in allen Rechnern dar-
stellt.

Offensichtlich ist sie als “Teil” in der Kleinschen Vierergruppe enthalten, ähnlich
wie die Gruppe der ganzen Zahlen (Z, +) in der Gruppe der rationalen Zahlen
(Q, +) enthalten ist.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


2.1 Gruppen 64

Beispiel 2.15 Für n ∈ N seien P1 , . . . , Pn gleichmäßig auf dem Einheitskreis


angeordnete Punkte, also für n ≥ 3 die Eckpunkte eines regelmäßigen n-Ecks.
Zur Vereinfachung der Schreibweise bezeichnen wir die Punkte nur noch durch
ihre Indizes, wie im Bild für n = 4, und schreiben M := {1, . . . , n} für die Menge
dieser Punkte.

P2

P1 P2 P1 P1

P3

3 1

Mit r sei die Drehung um den Mittelpunkt des Einheitskreises um den Drehwinkel
ϕ = 2π/n in positiver Richtung bezeichnet. Dann permutiert r die Menge M in
der folgenden Weise: r(1) = 2, r(2) = 3, . . . , r(n − 1) = n, r(n) = 1.

Weiterhin sei rk für k ∈ N0 die k-fache Verkettung dieser Drehung mit sich selbst,
also r0 := ιM , r1 := r, r2 := r ◦ r, rk+1 := rk ◦ r. Wegen rn = ιM (Dre-
hung um 2π) gilt rk = rk+n und daher rk ◦ rn−k = ιM = rn−k ◦ rk . Also hat
man (rk )−1 = rn−k . Daher ist die Verkettung eine assoziative Verknüpfung auf
der Menge Cn = {r0 , r1 , . . . , rn−1 }, r0 ist Einselement und jedes Element aus
Cn besitzt in Cn ein Inverses. Es ist also (Cn , ◦, r0 , −1 ) eine Gruppe, die Dreh-
gruppe des regelmäßigen n-Ecks. Sie wird auch zyklische Gruppe der Ordnung n
genannt und ist stets kommutativ. Derartige Gruppen werden u. a. in der Kri-
stallographie und Chemie benutzt, um Symmetrieeigenschaften von Kristallen
und Molekülen zu beschreiben. (Schreibt man die Komponenten xi eines beliebi-
gen n-Tupels (x1 , x2 , . . . , xn ) ∈ An für einen Datentyp A an die Eckpunkte des
n-Ecks, dann bewirkt diese Drehung eine Abbildung shif t : An → An gemäß
shif t(x1 , x2 , . . . , xn ) := (xr(1) , . . . , xr(n) ) = (x2 , . . . , xn , x1 ), also gerade einen zy-
klischen Linksshift der n-Tupel.)

In der folgenden Cayley-Tafel dieser Gruppe für n = 4 werden die Elemente rk


einfach durch ihre Exponenten k dargestellt.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


2.1 Gruppen 65

◦ 0 1 2 3
0 0 1 2 3
1 1 2 3 0
2 2 3 0 1
3 3 0 1 2

Man erhält dieselbe Cayley-Tafel, wenn man die Verknüpfung ⊕ auf Zn =


{0, 1, . . . , n − 1} ⊆ Z als Addition modulo n definiert: Für x, y ∈ Zn ist
x ⊕ y := x + y ∈ Z, wenn bereits x + y < n gilt, sonst ist x ⊕ y := x + y − n.

Dagegen ist die Cayley-Tafel der Kleinschen Vierergruppe hiervon “wesentlich


verschieden”, denn dort ist jedes Element sein eigenes Inverses, was in den zy-
klischen Gruppen Cn für n ≥ 3 nicht der Fall ist. Wir werden die “wesentliche
Gleichheit” (nicht nur) von Gruppen später im Begriff der “Isomorphie” präzi-
sieren.

2.1.2 Untergruppen und Homomorphie

Lemma 2.16 Es sei f : Gn → G eine n-stellige Operation auf einer nichtleeren


Trägermenge G, ∅ 6= U ⊆ G und f |U := f ∩ U n × U die Einschränkung von f
auf U n+1 . Genau dann ist f |U : U n → U eine n-stellige Operation auf U , wenn
f (U n ) ⊆ U gilt.

Beweis: Ist f |U eine n-stellige Operation auf U , so gilt f |U (u1 , . . . , un ) ∈ U für


alle (u1 , . . . , un ) ∈ U n , also f (u1 , . . . , un ) ∈ U , d. h. f (U n ) ⊆ U . Umgekehrt ist
f | U als Einschränkung einer Abbildung selbst eine partielle Abbildung auf U n .
Es bleibt zu zeigen, daß f |U linkstotal ist. Zu beliebigem (u1 , . . . , un ) ∈ U n ist
aber (u1 , . . . , un , f (u1 , . . . , un )) ∈ U n+1 und damit (u1 , . . . , un , f (u1 , . . . , un )) ∈
f |U . Also ist f |U linkstotal. 

Definition 2.17 Es sei (G, ·) ein Gruppoid. Unter einem Untergruppoid (einer
Unterhalbgruppe, einer Untergruppe) (U, ·) von (G, ·) versteht man eine nichtleere
Teilmenge U von G, die zusammen mit der Einschränkung · |U selbst ein Grup-
poid (eine Halbgruppe, eine Gruppe) (U, · |U ) ist.

Mit Sub(G) ⊆ P(G) werde die Menge aller Untergruppoide eines Gruppoids (Un-
terhalbgruppen einer Halbgruppe, Untergruppen einer Gruppe) (G, ·) bezeichnet.

Satz 2.18 Genau dann ist (U, ·) für ∅ =


6 U ⊆ G Untergruppoid des Gruppoids
(G, ·), wenn

(134) U · U := {u · v | u, v ∈ U } ⊆ U

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


2.1 Gruppen 66

gilt. Ist hierbei (G, ·) eine Halbgruppe, so auch (U, ·).

Genau dann ist (U, ·,−1 ) für ∅ 6= U ⊆ G Untergruppe einer Gruppe (G, ·,−1 ),
wenn neben (134) noch

(135) U −1 := {u−1 ∈ G | u ∈ U } ⊆ U

gilt. Gemeinsam sind (134) und (135) gleichwertig zu

(136) U · U −1 := {u · v −1 | u, v ∈ U } ⊆ U.

Das Einselement von G ist dann auch das Einselement von U .

Beweis: Der erste Teil folgt unmittelbar aus Lemma 2.16. Ersichtlich gilt die
Assoziativität für alle a, b, c ∈ U ⊆ G. Bis auf die Behauptung über die Einsele-
mente folgt auch der Rest aus Lemma 2.16. Zu u ∈ U 6= ∅ liegt u−1 ∈ G nach
(135) bereits in U . Dann folgt aber mit (134) auch e = uu−1 ∈ U . 

Beispiel 2.19 a) In jeder Gruppe (G, ·,−1 , e) sind {e} und G Untergruppen, die
trivialen Untergruppen.

b) (N0 , +) ist Unterhalbgruppe von (Z, +), (Z, +) ist Untergruppe von (Q, +),
(Q+ := {q ∈ Q | q > 0}, +) ist Unterhalbgruppe von (Q, +)

c) ({−1, 1}, ·) ist Untergruppe von (Q \ {0}, ·), (Q+ , ·) ist Untergruppe von (Q \
{0}, ·).

Aufgabe 2.20 Bestimmen Sie alle Untergruppen von (Z, +). Hinweis: Die Divi-
sion mit Rest ist hilfreich.

Lemma 2.21 Ist (Ui )i∈I eine Familie von Untergruppoiden eines Gruppoids
(Unterhalbgruppen einer Halbgruppe) (G, ·), so ist D = Ui entweder leer oder
T

ein Untergruppoid (eine Unterhalbgruppe) von (G, ·). Sind hierbei alle Ui Un-
tergruppen einer Gruppe (G, ·), so ist D eine Untergruppe von (G, ·). Also ist
Sub(G) in diesem Fall ein vollständiger Verband.

Ist ∅ 6= A ⊆ G in einem Gruppoid (einer Halbgruppe, Gruppe) (G, ·), dann


existiert ein kleinstes Untergruppoid (eine kleinste Unterhalbgruppe, eine kleinste
Untergruppe) (D, ·) von (G, ·) mit A ⊆ D.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


2.1 Gruppen 67

Beweis: Vorlesung! 

Definition 2.22 Man nennt (D, ·) aus dem zweiten Teil von Lemma 2.21 das
von A erzeugte Gruppoid bzw. die von A erzeugte Halbgruppe (Gruppe) und
schreibt hierfür < A > und nennt A ein Erzeugendensystem von < A >. Eine
Halbgruppe (Gruppe) (G, ·) heißt zyklisch oder monogen, wenn es ein a ∈ G mit
< a >:=< {a} >= G gibt.

Für ein Element a ∈ G einer Gruppe (G, ·) nennt man o(a) = | < a > |, also
die Ordnung der von a erzeugten Untergruppe von (G, ·), die Ordnung von a.
(Nach dem weiter unten bewiesenen Satz von Lagrange ist sie stets ein Teiler der
Ordnung |G| von (G, ·).)

Beispiel 2.23 a) Die Halbgruppe (N, +) wird von {1} erzeugt, ist also eine un-
endliche zyklische Halbgruppe.

b) Die Gruppe (Z, +) wird ebenfalls von {1} erzeugt, ist also eine unendliche
zyklische Gruppe. Jedes Element a 6= 0 hat unendliche Ordnung und 0 hat die
Ordnung 1.

c) Die Drehgruppe Cn wird von der Drehung r um den Winkel ϕ = 2π/n erzeugt,
ist also endliche zyklische Gruppe der Ordnung n. Für n = 4 ist o(r) = 4 und
o(r 2 ) = 2.

d) Sei (G, ·) eine Gruppe und a ∈ G. Für die Untergruppe < a >= {an | n ∈ Z}
gibt es die beiden folgenden Möglichkeiten:

1. Alle Potenzen an sind paarweise verschieden. Dann gilt | < a > | = ∞, also ist
< a > eine unendliche zyklische Gruppe.

2. Es gibt n 6= m in Z mit an = am , wobei m < n angenommen werden darf.


Dann folgt an−m = e, also ak = e für ein k ≥ 1. Dann gibt es ein minimales k ∈ N
dieser Art. Daher gilt < a >= {a0 , a1 , . . . , ak−1 } mit paarweise verschiedenen ai ,
also | < a > | = k. Dann ist < a > eine zyklische Gruppe der Ordnung k = o(a).

Satz 2.24 Es sei (U, ·) Untergruppe einer Gruppe (G, ·). Definiert man für alle
x, y ∈ G

(137) x ∼r y :↔ xy −1 ∈ U und x ∼` y :↔ x−1 y ∈ U,

dann sind ∼r und ∼` Äquivalenzrelationen auf G, die für alle x, y ∈ G

(138) x ∼r y ↔ x−1 ∼` y −1

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


2.1 Gruppen 68

erfüllen. Die zugehörigen Äquivalenzklassen sind für alle x ∈ G

(139) [x]∼r = U x = {ux | u ∈ U } und [x]∼` = xU = {xu | u ∈ U }.

Für jedes x ∈ G ist die Rechtstranslation %x : U → U x eine Bijektion. Also gilt


|U | = |U x| und ebenso |U | = |xU |. Bezeichnet G/ ∼r = {U x | x ∈ G} bzw. G/ ∼`
= {xU | x ∈ G} die Menge der jeweiligen Äquivalenzklassen, dann wird durch
ϕ(U x) = x−1 U ∈ G/ ∼` für alle U x ∈ G/ ∼r eine Bijektion ϕ : G/ ∼r → G/ ∼`
definiert. Also gilt |G/ ∼r | = |G/ ∼` |.

Beweis: Zeige mit Hilfe von Satz 2.18, daß ∼r eine Äquivalenzrelation ist. Dann
folgt dual dasselbe für ∼` . Wegen xx−1 = e ∈ U ist ∼r reflexiv. Mit xy −1 ∈ U
liegt wegen (135) aber auch yx−1 = (xy −1 )−1 in U , also ist ∼r symmetrisch. Aus
xy −1 ∈ U und yz −1 ∈ U folgt wegen (134) auch xy −1 yz −1 = xz −1 ∈ U und damit
die Transitivität von ∼r .

Weiterhin gilt x−1 ∼` y −1 ↔ (x−1 )−1 y −1 = xy −1 ∈ U ↔ x ∼r y. Damit ist auch


(138) gezeigt.

Es ist y ∼r x gleichwertig zu yx−1 = u für ein u ∈ U , also zu y = ux ∈ U x. Dies


zeigt die richtige Beschreibung der Äquivalenzklassen von ∼r und die Behauptung
für ∼` folgt dual.

Die Injektivität der Rechtstranslationen %x folgt aus der Rechtskürzbarkeit von


x in der Gruppe (G, ·), die Surjektivität ist klar.

Da ϕ ebenfalls surjektiv ist, denn offensichtlich wird die Nebenklasse U x−1 auf
eine gegebene Nebenklasse xU abgebildet, bleibt die Injektivität zu zeigen. Aus
ϕ(U x) = ϕ(U y) folgt aber x−1 U = y −1 U , also x−1 ∼` y −1 . Dies führt wegen (138)
aber zu x ∼r y und damit zu U x = U y. 

Definition 2.25 Die Äquivalenzklassen [x]∼r bzw. [x]∼` in Satz 2.24 heißen
Rechts- bzw. Linksnebenklassen von (U, ·) in (G, ·). Die Anzahl |G/ ∼r | = |G/ ∼` |
heißt Index von (U, ·) in (G, ·), in Zeichen: |G : U |.

Folgerung 2.26 Satz von Lagrange (Joseph Louis Lagrange, 1736 - 1813)
Für jede Untergruppe (U, ·) einer Gruppe (G, ·) gilt

(140) |G| = |G : U | · |U |.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


2.1 Gruppen 69

Beweis: Sei zunächst |G| = ∞. Ist dann auch U eine unendliche Untergruppe von
G, so steht auch auf der rechten Seite ∞. Ist dagegen U eine endliche Untergruppe,
so muß es unendlich viele Nebenklassen geben, da alle gleichmächtig zu U sind
und damit die Vereinigung endlich vieler endlicher Klassen nicht die unendliche
Trägermenge G ergeben könnte. Also sind wiederum beide Seiten von (140) gleich.

Sei nun |G| endlich. Dann kann man die Elemente von G abzählen, indem man die
disjunkten |G : U | Nebenklassen abzählt, die aber alle |U | Elemente enthalten.
Hieraus folgt sofort (140). 

Definition 2.27 Es sei (G, ·) ein Gruppoid. Eine Äquivalenzrelation ≡ aus E(G)
heißt linksinvariant, linkskompatibel oder eine Linkskongruenz, wenn

(141) a≡b→c·a≡c·b

für alle a, b, c ∈ G gilt. Dual heißt ≡ eine Rechtskongruenz, wenn

(142) a≡b→a·c≡b·c

für alle a, b, c ∈ G gilt. Sind beide Implikationen stets erfüllt, so nennt man ≡
eine Kongruenz(relation) auf (G, ·).

Lemma 2.28 Es sei ≡ eine Äquivalenzrelation auf dem Gruppoid (G, ·).

a) Genau dann ist ≡ Kongruenzrelation auf (G, ·), wenn

(143) a≡b∧c≡d→a·c≡b·d

für alle a, b, c, d ∈ G erfüllt ist.

b) Ist ≡ Kongruenzrelation auf (G, ·) und G/ ≡ die Faktormenge, dann wird


durch

(144) [a]≡ · [b]≡ := [a · b]≡

für alle [a]≡ , [b]≡ ∈ G/ ≡ eine binäre Operation auf G/ ≡ definiert, so daß
(G/ ≡, ·) ein Gruppoid, das Faktorgruppoid von (G, ·) nach ≡, ist. Mit (G, ·) ist
auch (G/ ≡, ·) assoziativ (kommutativ, idempotent, ein Monoid, eine Gruppe).

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


2.1 Gruppen 70

Beweis: Vorlesung! 

Satz 2.29 Für jede Untergruppe (U, ·) einer Gruppe (G, ·) sind äquivalent:

a) ∼r ist Kongruenzrelation auf (G, ·).

b) ∼` ist Kongruenzrelation auf (G, ·).

c) ∼r und ∼` stimmen überein.

d) Für alle x ∈ G gilt

(145) U x = xU.

In diesem Fall schreibt man G/U für diese Gruppe anstelle von G/ ∼r = G/ ∼` .

Beweis: Vorlesung! 

Definition 2.30 Eine Untergruppe (U, ·) einer Gruppe (G, ·), die (145) für alle
x ∈ G erfüllt, nennt man einen Normalteiler von (G, ·) und (G/U, ·) heißt dann
die Faktorgruppe von (G, ·) nach (U, ·).

Satz 2.31 Es sei (N, ·) ein Normalteiler einer Gruppe (G, ·) und κ Kongruenz
auf (G, ·).

a) Es ist κN := {(x, y) ∈ G2 | xy −1 ∈ N } eine Kongruenz auf (G, ·).

b) Es ist Nκ := [e]κ für das Einselement e ∈ G ein Normalteiler von (G, ·).

c) Es gelten N = NκN und κ = κNκ .

Beweis: Vorlesung!

Beispiel 2.32 Wie in jeder abelschen Gruppe ist in dem Modul (Z, +) jede Un-
tergruppe bereits Normalteiler. Nach Aufgabe 2.20 sind dies gerade die Untergrup-
pen (nZ, +) für n ∈ N0 . Die zu dem Normalteiler nZ gehörende Kongruenzrelation
κnZ ist dann gerade gegeben durch a κnZ b ↔ a − b ∈ nZ, also nichts anderes als
a ≡ b modulo n. Man schreibt für Z/nZ auch wie schon getan Z/(n) und erhält
als Faktorgruppen dieRestklassengruppen (Z/(n), +) modulo n. Schreibt man nun
noch für die Restklasse [m]n ∈ Z/(n) einfach wieder m, so erhält man für n = 4
die Cayley-Tafel aus Beispiel 2.15 und für n = 2 die zweite Tafel aus Beispiel 2.14.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


2.1 Gruppen 71

Definition 2.33 Es seien (G, ·) und (G0 , ) Gruppoide. Ein Homomorphismus


von (G, ·) in (G0 , ) ist eine Abbildung ϕ : G → G0 , die

(146) ϕ(a · b) = ϕ(a) ϕ(b)

für alle a, b ∈ G erfüllt. Ein injektiver Homomorphismus wird auch Monomor-


phismus oder Einbettung genannt, ein surjektiver Homomorphismus ein Epimor-
phismus und ein bijektiver Homomorphismus auch Isomorphismus.

Für G = G0 nennt man Homomorphismen auch Endomorphismen und bijektive


Endomorphismen heißen Automorphismen. Schließlich bezeichne Hom(G, G0 ) die
Menge aller Homomorphismen von G in G0 , End(G) die Menge aller Endomor-
phismen und Aut(G) die Menge aller Automorphismen von (G, ·).

Zwei Gruppoide (Halbgruppen, Gruppen) heißen isomorph, in Zeichen G ∼


= G0 ,
wenn es einen Isomorphismus ϕ : G → G0 gibt.

Aufgabe 2.34 Durch welche Funktionstasten sind auf Ihrem Taschenrechner


Gruppenhomomorphismen realisiert?

Lemma 2.35 Es seien (G, ·) und (G0 , ) Gruppoide und ϕ : G → G0 ein Homo-
morphismus.

a) Stets ist das Bild Imϕ = ϕ(G) Untergruppoid von (G0 , ). Mit (G, ·) ist auch
(ϕ(G), ) Halbgruppe.

b) Besitzt (G, ·) ein Einselement e, so ist ϕ(e) Einselement von (ϕ(G), ). Mit
(G, ·, e) ist daher auch (ϕ(G), , ϕ(e)) Monoid.

c) Ist (G, ·, e) Monoid und a−1 das Inverse von a ∈ G, so ist ϕ(a−1 ) = ϕ(a)−1
das Inverse von ϕ(a) in ϕ(G).

d) Es ist ϕ(U ) ∈ Sub(G0 ) für alle U ∈ Sub(G), falls G und G0 beides Gruppoide
(Halbgruppen, Gruppen) sind.

e) Es ist ϕ−1 (U 0 ) ∈ Sub(G) für alle U 0 ∈ Sub(G0 ), falls G und G0 beides Grup-
poide (Halbgruppen, Gruppen) sind.

Beweis: Vorlesung! 

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


2.1 Gruppen 72

Lemma 2.36 a) Es ist ιG ∈ Aut(G) ⊆ End(G), also beide Mengen nicht leer.

b) Sind ϕ : G → G0 und ψ : G0 → G00 Homomorphismen, dann auch ϕ ◦ ψ : G →


G00 . Also ist (End(G), ◦, ιG ) ein Monoid.

c) Ist ϕ : G → G0 ein Isomorphismus, dann auch ϕ−1 : G0 → G. Also ist


(Aut(G), ◦, ιG ) gerade die Gruppe der Einheiten von (End(G), ◦, ιG ).

d) Die Isomorphie ∼
= ist eine Äquivalenzrelation auf jeder nichtleeren Menge von
Gruppoiden (Halbgruppen, Gruppen).

Beweis: Vorlesung! 

Satz 2.37 Homomorphiesatz für Gruppen Es seien (G, ·) und (G0 , ·) Grup-
pen und ϕ : G → G0 ein Homomorphismus. Dann gelten:

a) Ist e0 ∈ G0 das Einselement von (G0 , ·), dann ist der Kern Ker(ϕ) = ϕ−1 (e0 ) =
{x ∈ G | ϕ(x) = e0 } von ϕ ein Normalteiler von (G, ·).

b) Die zu Ker(ϕ) gemäß Satz 2.31 a) gehörende Kongruenz ist gerade kerϕ gemäß
Folgerung 1.96 e).

c) Die Faktorgruppe (G/Ker(ϕ), ·) ist isomorph zu (ϕ(G), ·) vermöge des Isomor-


phismus ψ([x]) = ϕ(x) für alle [x] ∈ G/Ker(ϕ).

d) Mit dem kanonischen Epimorphismus νKerϕ : (G, ·) → (G/Ker(ϕ), ·) und der


Injektion inϕ(G) : ϕ(G) → G0 gilt νKer(ϕ) ◦ ψ ◦ inϕ(G) = ϕ. Die Abbildung ψ ist
dadurch eindeutig bestimmt.

Beweis: a) Da ϕ(G) Untergruppe von (G0 , ·) ist, liegt das Einselement e0 von G0
bereits in ϕ(G) und stimmt dort mit dem Einselement ϕ(e) überein. Insbesondere
gilt e ∈ Ker(ϕ). Sind nun x, y ∈ Ker(ϕ) so gilt ϕ(xy −1 ) = ϕ(x)ϕ(y −1 ) =
e0 ϕ(y)−1 = (e0 )−1 = e0 , d. h. U = Ker(ϕ) ist Untergruppe von (G, ·). Sei jetzt
a ∈ G beliebig. Dann folgt für jedes u ∈ U wegen ϕ(aua−1 ) = ϕ(a)ϕ(u)ϕ(a−1 ) =
ϕ(a)e0 ϕ(a)−1 = e0 bereits aua−1 ∈ U . Also gilt aU a−1 ⊆ U und damit aU ⊆ U a.
Dual folgt U a ⊆ aU , d. h. U = Ker(ϕ) ist Normalteiler.

b) Es ist xκKer(ϕ) y genau dann, wenn e0 = ϕ(xy −1 ) = ϕ(x) · ϕ(y)−1 ist, also genau
dann, wenn ϕ(x) = ϕ(y) gilt.

c) Definiere ψ : G/Ker(ϕ) → ϕ(X) wie angegeben gemäß ψ([x]) = ϕ(x) für


alle [x] ∈ G/Ker(ϕ). Dann ist ψ wohldefiniert, denn [x] = [y] ist gleichwertig zu
xy −1 ∈ Ker(ϕ), also zu xy −1 = k für ein k ∈ Ker(ϕ), also zu x = ky für ein

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


2.1 Gruppen 73

k ∈ Ker(ϕ). Hieraus folgt aber ϕ(x) = ϕ(ky) = ϕ(k)ϕ(y) = ϕ(y). Ersichtlich


ist ψ surjektiv. Die Injektivität folgt aus ψ([x]) = ψ([y]) → ϕ(x) = ϕ(y) →
ϕ(xy −1 ) = ϕ(x)ϕ(y)−1 = e0 → xy −1 ∈ ker(ϕ) → [x] = [y]. Schließlich ist ψ ein
Homomorphismus wegen ψ([x][y]) = ψ([xy]) = ϕ(xy) = ϕ(x)ϕ(y) = ψ([x])ψ([y]).

d) Es ist νKer(ϕ) ◦ ψ(x) = ψ([x]) = ϕ(x) für alle x ∈ G. Daher gilt νKer(ϕ) ◦ ψ = ϕ.
Aus νKer(ϕ) ◦ ψ1 = ϕ = νKer(ϕ) ◦ ψ2 folgt aber bereits ψ1 ([x]) = ψ2 ([x]) für alle
[x] ∈ G/Ker(ϕ), also ψ1 = ψ2 . 

Satz 2.38 Satz von Cayley Jede Gruppe ist zu einer Untergruppe einer Sym-
metrischen Gruppe isomorph.

Beweis: Sei (G, ·) eine beliebige Gruppe. Für jedes x ∈ G ist jede Rechtstransla-
tion %x : G → G bijektiv und liegt damit in der Symmetrischen Gruppe (SG , ◦).
Definiere ϕ : G → SG durch ϕ(x) = %x für alle x ∈ G. Dann ist ϕ injektiv, denn
ϕ(x) = ϕ(x0 ) bedeutet die Gleichheit %x = %x0 der beiden Rechtstranslationen,
also insbesondere die Gleichheit %x (e) = %x0 (e) für das Einselement e von (G, ·),
was natürlich x = x0 liefert. Außerdem gilt für beliebige Elemente x, x0 ∈ G und
alle y ∈ G auch

%xx0 (y) = y(xx0 ) = (yx)x0 = (%x ◦ %x0 )(y),

woraus ϕ(xx0 ) = %xx0 = %x ◦ %0x = ϕ(x) ◦ ϕ(x0 ) folgt. Daher ist ϕ sogar ein
Homomorphismus und damit (G, ·) isomorph zu der Untergruppe ϕ(G) von SG .


2.1.3 Permutationsgruppen

Definition 2.39 Unter einer Permutationsgruppe versteht man eine beliebige


Untergruppe einer Symmetrischen Gruppe S(A) auf einer Menge A, also ein
Element von Sub(S(A)).

Lemma 2.40 Es seien A 6= ∅ = 6 B Mengen. Aus A ∼ B folgt S(A) ∼ = S(B).


Existiert eine injektive Abbildung f : A → B, dann ist S(A) isomorph zu einer
Untergruppe von S(B).

Beweis: Sei f : A → B eine Bijektion. Für jede Permutation π ∈ S(A) ist dann
π 0 := f −1 ◦ π ◦ f eine Permutation von B und die Abbildung ϕ : S(A) → S(B)
gemäß ϕ(π) := π 0 ist ein Isomorphismus.

Rest: Übung! 

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


2.1 Gruppen 74

Definition 2.41 Es sei a ∈ A 6= ∅ und π ∈ S(A). Gilt a = π(a) so heißt a


Fixpunkt von π, andernfalls mobil bei π.

Permutationen π1 , π2 ∈ S(A) heißen (elemente)fremd, wenn für alle a ∈ A gilt: a


ist Fixpunkt von π1 , wenn a mobil bei π2 ist.

Lemma 2.42 Sind π1 , π2 ∈ A fremd, so gilt π1 ◦ π2 = π2 ◦ π1 .

Beweis: Mit Kontraposition ist die Voraussetzung gleichwertig dazu, daß für alle
a ∈ A gilt: a ist Fixpunkt von π2 , wenn a mobil bei π1 ist. Unterscheide nun drei
Fälle:

1. π1 (a) = a = π2 (a): Dann gilt offensichtlich (π1 ◦ π2 )(a) = a = (π2 ◦ π1 )(a).

2. π1 (a) 6= a: Dann folgt aber π2 (a) = a und π1 (π1 (a)) 6= π1 (a) und daher
auch π2 (π1 (a)) = π1 (a). Nun hat man (π1 ◦ π2 )(a) = π2 (π1 (a)) = π1 (a)) und
(π2 ◦ π1 )(a) = π1 (π2 (a)) = π1 (a), also ebenfalls (π1 ◦ π2 )(a) = (π2 ◦ π1 )(a).

3. π2 (a) 6= a: Dieser Fall entsteht aus dem 2. Fall durch Vertauschung der Rollen
von π1 und π2 .

Damit gilt in jedem Fall (π1 ◦ π2 )(a) = (π2 ◦ π1 )(a). 

Lemma 2.43 Es sei U ∈ Sub(S(A)) eine Permutationsgruppe. Die Relation


τU ∈ A2 sei definiert durch

(147) a τU b :↔ ∃π ∈ U : π(a) = b.

Dann ist τU Äquivalenzrelation auf A.

Beweis: Wegen ιA ∈ U ist τU reflexiv, wegen (135) ist τU symmetrisch, wegen


(134) transitiv. 

Definition 2.44 Die Elemente der Faktormenge A/τU heißen Transitivitätsge-


biete von U . Im Fall τU = ωA = A × A nennt man U transitiv.

Definition 2.45 Es sei a ∈ A und π ∈ S(A). Dann heißt O(π, a) := {π n (a) |


n ∈ Z} der Orbit oder die Bahn von a bezüglich π.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


2.1 Gruppen 75

Bemerkung 2.46 Die Bahnen sind die Transitivitätsgebiete der von π erzeugten
zyklischen Untergruppe < π > von S(A).

Es sind zwei Fälle möglich: 1. Alle π n (a) sind paarweise verschieden. Dann ist die
Bahn (abzählbar) unendlich.

2. Es gibt n 6= m aus Z mit π n (a) = π m (a). Dies ist offensichtlich gleichwertig


damit, daß ein minimales k ∈ N mit a = π k (a) existiert. In diesem Fall ist die
Bahn endlich und k = |O(π, a)| ihre Länge.

Zur Untersuchung von endlichen Permutationsgruppen kann man die endliche


Menge A immer durch eine der Mengen Mn := {1, . . . , n} für n ∈ N ersetzen. Man
schreibt dann kurz Sn oder Sn für S({1, . . . , n}) und notiert eine Permutation
π ∈ Sn in der Form
1 2 ... n
 
π= .
π(1) π(2) . . . π(n)
Man beachte, daß stets Sn ⊆ Sn+1 gilt.

1 ... n
 
Beispiel 2.47 Für die identischen Abbildung π = ∈ Sn schreibt
1 ... n
man abkürzend immer π = (1). Dann gilt S1 = {(1)} und diese Symmetrische
Gruppe ist offensichtlich kommutativ.

Unter einer Transposition versteht man eine Permutation π ∈ Sn , die genau


zwei Elemente i 6= j aus Mn gemäß π(i) = j und π(j) = i vertauscht und
alle anderen k ∈ Mn \ {i, j} gemäß π(k) = k fix läßt. Man schreibt dann kurz
π = (i j) = (j i), wobei man meistens i < j wählt. Es ist dann stets π 2 = (1),
also jede Transposition zu sich selbst invers. Für n = 2 liegt in S2 neben (1) noch
genau die Transposition (1 2), und daher ist auch S2 kommutativ.

In S3 liegen neben (1) und den Transpositionen (1 2), (1 3) und (2 3) noch deren
Produkte, z. B. π := (1 2)◦(1 3). Wegen π(1) = 2, π(2) = 3 und π(3) = 1 bewirkt
π also eine zyklische Vertauschung dieser drei Elemente, was man auch kurz als
(1 2 3) notiert. Entsprechend gilt dann (1 3 2) = (1 3) ◦ (1 2) und diese beiden
Produkte sind verschieden. Also ist S3 und damit jede Symmetrische Gruppe Sn
mit n ≥ 3 nicht kommutativ.

Definition 2.48 Eine Permutation π ∈ Sn heißt ein Zyklus oder eine zyklische
Vertauschung der Länge `, wenn es paarweise verschiedene Zahlen i1 , . . . , i` ∈ Mn
mit π(ik ) = ik+1 für k = 1, . . . , ` − 1 und π(i` ) = i1 gibt. Man schreibt dann
π = (i1 i2 . . . i` ).

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


2.1 Gruppen 76

Lemma 2.49 a) Jeder Zyklus der Länge ` > 1 kann gemäß (i1 i2 . . . i` ) =
(i1 i2 ) ◦ (i1 i3 ) ◦ . . . ◦ (i1 i` ) als Produkt von ` − 1 Transpositionen geschrieben
werden. Für n > 1 kann auch (1) = (1 2) ◦ (1 2) als Produkt von Transpositionen
geschrieben werden.

b) Sind π1 und π2 elementefremde Zyklen aus Sn , so gilt π1 ◦ π2 = π2 ◦ π1 .

c) Jede Permutation aus Sn kann als Produkt elementefremder Zyklen geschrieben


werden. Diese Darstellung ist bis auf die Reihenfolge der Zyklen eindeutig.

Beweis: Übung! 

Definition 2.50 Es seien π ∈ Sn für n ≥ 2 und 1 ≤ i < j ≤ n. Dann heißt


(i, j) eine Inversion von π, wenn π(j) < π(i) gilt, und π heißt gerade (ungerade),
wenn die Anzahl der Inversionen von π gerade (ungerade) ist. Man definiert das
Signum von π als sgn(π) := +1, falls π gerade ist, und sgn(π) := −1 sonst. Die
Menge aller geraden Permutationen in Sn wird als An oder An notiert.

Beispiel 2.51 Die identische Abbildung (1) ist eine gerade Permutation.

Jede Transposition ist ungerade, denn

1 2 ... i − 1 i i + 1 ... j − 1 j j + 1 ... n


 
(i j) =
1 2 ... i − 1 j i + 1 ... j − 1 i j + 1 ... n

besitzt genau die Inversionen (j, i + 1), (j, i + 2), . . . , (j, j − 1), (j, i) und (i +
1, i), (i + 2, i), . . . , (j − 1, i), also eine ungerade Anzahl.

In S3 gelten noch sgn((1 2 3)) = sgn((1 3 2)) = −1. Es ist also |A2 | = |S2 |/2 und
|A3 | = |S3 |/2.

Satz 2.52 Für alle π1 , π2 ∈ Sn gilt sgn(π1 ◦ π2 ) = sgn(π1 ) · sgn(π2 ), d. h. sgn :


Sn → {−1, +1} ist ein Homomorphismus von (Sn , ◦) in die Gruppe ({−1, +1}, ·).
Insbesondere gilt sgn((i1 . . . i` )) = (−1)`−1 .

Eine Permutation ist genau dann gerade, wenn sie als Produkt einer geraden
Anzahl von Transpositionen darstellbar ist.

(An , ◦) ist Normalteiler von (Sn , ◦) mit |An | = |Sn |/2.

Beweis: Vorlesung! 

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


2.2 Ringe 77

2.2 Ringe

Definition 2.53 Unter einem Ring (R, +, ·) versteht man eine nichtleere Träger-
menge R zusammen mit zwei binären Operationen, einer Addition + und einer
Multiplikation ·, so daß folgendes gilt:

(1) (R, +) ist ein Modul mit dem Nullelement 0.

(2) (R, ·) ist ein Gruppoid.

(3) Es gelten die Distributivgesetze a·(b+c) = a·b+a·c und (b+c)·a = b·a+c·a


für alle a, b, c ∈ R.

Ein Ring heißt kommutativ (idempotent, Ring mit Einselement), wenn das Grup-
poid (R, ·) die jeweilige Eigenschaft hat.

Handelt es sich bei (R, ·) um eine Halbgruppe, so spricht man auch von einem
assoziativen Ring.

Assoziative und idempotente Ringe mit Einselement werden auch Boolesche Rin-
ge genannt.

Bemerkung 2.54 Die Distributivgesetze besagen gerade, daß die Links- und
Rechtstranslationen von (R, ·) bereits Endomorphismen des Moduls (R, +) sind.
Man beachte, daß die rechten Seiten der Distributivgesetze nur definiert sind,
wenn man die übliche Prioritätsregel “Punktrechnung vor Strichrechnung” an-
wendet.

Folgerung 2.55 Für alle Elemente a, b, c ∈ R eines Ringes (R, +, ·) gelten:

(1) 0 · a = 0 = a · 0, das Nullelement ist also absorbierend.

(2) (−a) · b = −(a · b) = a · (−b) und (−a) · (−b) = a · b, die üblichen Vorzeichen-
regeln.

(3) a · (b − c) = a · b − a · c.

(4) (b − c) · a = b · a − c · a.

Beweis: (1) Es gilt 0 · a + 0 · a = (0 + 0) · a = 0 · a = 0 · a + 0 und durch Kürzen


von 0 · a in dem Modul (R, +) folgt 0 · a = 0. Dual ergibt sich 0 = a · 0.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


2.2 Ringe 78

(2) Wegen der Distributivgesetze und (1) gilt a·b+(−a)·b = (a+(−a))·b = 0·b = 0
und daher (−a) · b = −(a · b) im Modul (R, +). Dual folgt die zweite Gleichung.
Hieraus ergibt sich dann (−a) · (−b) = −(a · (−b)) = −(−[a · b]) = a · b.

(3) Nach Definition der Differenz gilt wegen der Distributivgesetze a · (b − c) =


a · (b + (−c)) = a · b + a · (−c) = a · b + (−(a · c)) = a · b − a · c.

(4) ist dual zu (3). 

Definition 2.56 Es sei (R, +, ·) ein Ring. Elemente a, b ∈ R \ {0} mit a · b = 0


heißen Nullteiler in R. (R, +, ·) heißt nullteilerfrei, wenn a · b = 0 → a = 0 ∨ b = 0
für alle a, b ∈ R gilt.

Unter einem Integritätsbereich (R, +, ·) versteht man einen assoziativen, kommu-


tativen und nullteilerfreien Ring mit Einselement 1 6= 0.

Ein Schiefkörper ist ein assoziativer Ring mit Einselement 1 6= 0, für den R∗ =
R \ {0} gilt, für den also (R \ {0}, ·) Gruppe ist.

Ein kommutativer Schiefkörper wird Körper genannt.

Beispiel 2.57 a) Der Nullring ({0}, +, ·) mit den Operationen 0 + 0 = 0 = 0 · 0


ist ein kommutativer, nullteilerfreier Boolescher Ring, der aber wegen 1 = 0 kein
Integritätsbereich ist.

b) Für jeden Modul (R, +) mit dem Nullelement 0 wird durch a · b := 0 eine
assoziative und kommutative Multiplikation auf R definiert, so daß (R, +, ·) ein
Ring ist. Er wird der Zeroring auf (R, +) genannt. Für |R| > 1 sind alle von 0
verschiedenen Elemente Nullteiler.

c) Die ganzen Zahlen (Z, +, ·) sind ein Integritätsbereich, der kein Körper ist.

d) Die rationalen Zahlen (Q, +, ·), die reellen Zahlen (R, +, ·) und die komplexen
Zahlen (C, +, ·) sind Körper.

e) Wegen Folgerung 1.37 ist für jede Menge M 6= ∅ die Potenzmenge (P(M ), ∆, ∩)
ein Boolescher Ring mit dem Einselement M , der für |M | ≥ 2 Nullteiler besitzt.
Dann gilt nämlich für a 6= b aus M sowohl {a} =
6 ∅=6 {b} als auch {a} ∩ {b} = ∅.
Für M = {a} dagegen erhält man einen Körper, dessen Cayley-Tafeln mit den
Abkürzungen 0 := ∅ und 1 := M wie folgt aussehen.

+ 0 1 · 0 1
0 0 1 0 0 0
1 1 0 1 0 1

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


2.2 Ringe 79

Dieser zweielementige Körper beschreibt die Addition und Multiplikation modulo


2, welche die Grundlage der Arithmetik in jedem Digitalrechner sind.

f) Es sei (G, +) ein Modul. Für ϕ, ψ ∈ End(G) sei eine Addition gemäß
(ϕ + ψ)(g) = ϕ(g) + ψ(g) für alle g ∈ G definiert. Dann ist (End(G), +, ◦)
ein assoziativer Ring mit Einselement ιG , der Endomorphismenring von (G, +).

Bemerkung 2.58 Jeder endliche Integritätsbereich ist bereits ein Körper.

Es gilt der Satz von Wedderburn (Joseph Wedderburn, 1882 - 1948): Jeder end-
liche Schiefkörper ist bereits ein Körper.

Die Hamiltonschen Quaternionen (William Rowan Hamilton, 1805 - 1865) bilden


einen nicht-kommutativen Schiefkörper.

Definition 2.59 Ein Unterring (U, +, ·) eines Ringes (R, +, ·) ist eine Teilmenge
∅ 6= U ⊆ R, so daß (U, +) Untermodul von (R, +) und (U, ·) Untergruppoid von
(R, ·) ist. Die Menge aller Unterringe von (R, +, ·) werde mit Sub(R) bezeichnet.

Lemma 2.60 Ist (Ui )i∈I eine Familie von Unterringen eines Ringes (R, +, ·), so
ist D := Ui ∈ Sub(R). Daher existiert für jede Teilmenge A ⊆ R auch der
T

kleinste Unterring von (R, +, ·), der A umfaßt.

Beweis: Übung! 

Definition 2.61 Es sei (R, +, ·) ein Ring mit Einselement e 6= 0. Dann heißt
χ(R) := o(e), falls diese Ordnung von e im Modul (R, +) endlich ist, und χ(R) :=
0 sonst, die Charakteristik von (R, +, ·).

Lemma 2.62 Für einen Integritätsbereich (R, +, ·) ist χ(R) = 0 oder χ(R) = p
eine Primzahl.

Beweis: Sei χ(R) = n = m · k mit 1 ≤ m, k ≤ n. Dann ist me := m i=1 e 6= 0


P

und ke = ki=1 e 6= 0 wegen der Minimalität von n als Ordnung von e in (R, +).
P

Andererseits ist 0 = ne = me · ke und damit (R, +, ·) nicht nullteilerfrei. 

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


2.2 Ringe 80

Definition 2.63 Eine Kongruenz(relation) eines Ringes (R, +, ·) ist eine Äqui-
valenzrelation κ ∈ E(R), die sowohl Kongruenz des Moduls (R, +) als auch Kon-
gruenz des Gruppoids (R, ·) ist, d. h. es muß

(148) aκb → (a + c) κ (b + c) ∧ a · c κ b · c ∧ c · a κ c · b

für alle a, b, c ∈ R gelten.

Lemma 2.64 Ist κ Kongruenzrelation des Ringes (R, +, ·), dann werden durch

(149) [a]κ + [b]κ := [a + b]κ ,


(150) [a]κ · [b]κ := [a · b]κ

binäre Operationen auf der Faktormenge R/κ definiert, so daß (R/κ, +, ·) eben-
falls ein Ring ist, der Restklassenring von (R, +, ·) nach κ. Mit (R, +, ·) ist auch
(R/κ, +, ·) assoziativ, kommutativ oder Ring mit Einselement.

Beweis: Vorlesung! 

Beispiel 2.65 Die Kongruenz modulo n, also a ≡ b ↔ a − b ∈ nZ ist für jedes


n ∈ N0 eine Kongruenz auf dem Ring (Z, +, ·) der ganzen Zahlen.

Daher ist der Restklassenring modulo n ein assoziativer und kommutativer Ring
(Z/(n), +, ·) mit Einselement [1]n . Wie das Beispiel n = 4 zeigt, muß dies nicht
immer ein Integritätsbereich sein, denn dann gilt [2]4 · [2]4 = [4]4 = [0]4 .

Definition 2.66 Es seien (R, +, ·) und (R0 , ⊕, ) Ringe. Eine Abbildung ϕ :


R → R0 heißt ein (Ring-)Homomorphismus, wenn

(151) ϕ(a + b) = ϕ(a) ⊕ ϕ(b)


(152) ϕ(a · b) = ϕ(a) ϕ(b)

jeweils für alle a, b ∈ R gelten, wenn also ϕ sowohl ein Modul-Homomorphismus


von (R, +) in (R0 , ⊕) als auch ein Gruppoid-Homomorphismus von (R, ·) in
(R0 , ) ist. Sind (R, +, ·) und (R0 , ⊕, ) beides Ringe mit Einselement, so muß
noch

(153) ϕ(e) = e0

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


2.2 Ringe 81

für die Einselemente gelten. Unter dem Kern des Ringhomomorphismus versteht
man dann den Kern Ker(ϕ) = {a ∈ R | ϕ(a) = 0} des Modulhomomorphismus.
Die Bezeichnungen Epimorphismus, Monomorphismus, Isomorphismus, Endo-
morphismus und Automorphismus sind dann wie bei Gruppoid-Homomorphismen
definiert und werden gegebenenfalls mit dem Zusatz “Ring-” versehen.

Bemerkung 2.67 Ist (R0 , ⊕, ) Integritätsbereich und ϕ nicht die konstante


Nullabbildung, so folgt (153) bereits aus (151) und (152). Dann existiert nämlich
ein a 6= 0 aus R mit ϕ(a) 6= 00 und damit e0 · ϕ(a) = ϕ(a) = ϕ(e · a) = ϕ(e) · ϕ(a).
Die Rechtskürzbarkeit von ϕ(a) 6= 00 in (R0 , ⊕, ) liefert dann die Behauptung.

Definition 2.68 Es sei (R, +, ·) ein Ring. Eine Teilmenge ∅ 6= I ⊆ R heißt ein
Ideal von (R, +, ·), wenn für alle a, b ∈ I und r ∈ R gilt

a − b ∈ I, d. h. (I, +) ist Untermodul (also Normalteiler) von (R, +),

r · a ∈ I und a · r ∈ I.

Insbesondere ist also I ∈ Sub(R).

Lemma 2.69 Für jeden Ringhomomorphismus ϕ : R → R0 ist Ker(ϕ) ein Ideal


von (R, +, ·).

Beweis: Da ϕ : R → R0 insbesondere ein Modulhomomorphismus ist, ist Ker(ϕ)


Normalteiler von (R, +). Aus a ∈ Ker(ϕ), also ϕ(a) = 0 folgt ϕ(r · a) = ϕ(r) ·
ϕ(a) = 0, also r · a ∈ Ker(ϕ) und dual auch a · r ∈ Ker(ϕ). 

Satz 2.70 Es sei (I, +, ·) Ideal von (R, +, ·) und κ eine Kongruenz auf (R, +, ·).
Dann gelten die folgenden Aussagen:

a) Die durch a κI b ↔ a − b ∈ I für alle a, b ∈ R definierte Relation ist eine


Kongruenz auf (R, +, ·).

b) Die Kongruenzklasse I := [0]κ ist ein Ideal von (R, +, ·).

c) Es gilt κ = κIκ und I = IκI .

Beweis: Vorlesung! 

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


2.2 Ringe 82

Bemerkung 2.71 Ist I Ideal eines Ringes (R, +, ·), so schreibt man R/I für den
Restklassenring (R/κI , +, ·).

Es gilt der Homomorphiesatz für Ringe: Jedes homomorphe Bild (ϕ(R), +, ·) eines
Ringes (R, +, ·) ist isomorph zum Restklassenring (R/Ker(ϕ), +, ·).

Definition 2.72 Es sei (R, +, ·) ein assoziativer Ring mit Einselement. Ein Po-
lynom über (R, +, ·) in der Unbestimmten x ist dann eine endliche Summe der
Form n
f (x) = a0 + a1 x + a2 x2 + . . . + an xn = ai x i
X

i=0

mit Koeffizienten ai ∈ R. Außer beim Nullpolynom f (x) = 0 existiert immer ein


Koeffizient an 6= 0 mit dem höchsten Index n. Diesen nennt man den Leitkoeffizi-
enten und n den Grad des Polynoms f (x), in Zeichen grad(f (x)) = n. Die Menge
aller Polynome in der Unbestimmten x mit Koeffizienten aus R werde als R[x]
notiert.
Pn Pm
Seien f (x) = i=0 ai xi , g(x) = j=1 bj x
j
∈ R[x]. Dann wird ihre Summe durch
max(n,m)
(ak + bk )xk
X
(f + g)(x) =
k=0

definiert, wobei ak := 0 für k > n und bk := 0 für k > m gesetzt werde. Dagegen
wird ihr Produkt durch
n+m
ck xk mit ck =
X X
(f · g)(x) := ai · b j
k=0 k=i+j

festgelegt.

Satz 2.73 Es ist (R[x], +, ·) ebenfalls ein assoziativer Ring mit Einselement.
Genau dann ist (R[x], +, ·) kommutativ (nullteilerfrei), wenn dies für (R, +, ·)
gilt.

Beweis: Vorlesung! 

Bemerkung 2.74 Da R[x] ebenfalls assoziativer Ring mit Einselement ist, exi-
stiert dann auch R[x, y] := (R[x])[y] in der Unbestimmten y, also ein Polynom-
ring in zwei Unbestimmten x, y. So fortfahrend gelangt man zum Polynomring
R[x1 , . . . , xn ] in endlich vielen Unbestimmten x1 , . . . , xn über R. Rechnungen in
diesen Polynomringen bilden die Grundlage für jedes Computeralgebra-System.
Als Koeffizientenbereich wird dabei der Körper K = Q der rationalen Zahlen
oder ein endlicher Körper K benutzt.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


2.3 Körper 83

Aufgabe 2.75 Zeigen Sie, daß in jedem Polynomring (K[x], +, ·) über einem
Körper (K, +, ·) die Division mit Rest wie folgt möglich ist. Zu f [x], g(x) ∈ K[x]
mit g(x) 6= 0 existieren eindeutig bestimmte Polynome q(x), r(x) ∈ K[x] mit
f (x) = q(x)g(x) + r(x) und r(x) = 0 oder grad(r(x)) < grad(g(x)).

2.3 Körper

Definition 2.76 Es sei (K, +, ·) ein Körper. Unter einem Teilkörper oder Un-
terkörper (U, +, ·) versteht man eine Teilmenge U ⊆ K mit |U | ≥ 2 und
a, b ∈ U → a − b ∈ U sowie a, b ∈ U , b 6= 0 → a · b−1 ∈ U . Man nennt dann
(K, +, ·) auch einen Oberkörper von (U, +, ·) und spricht von einer Körpererwei-
terung [K : U ], gelesen:“K über U ”.

Bemerkung 2.77 Wegen U 6= ∅ existiert ein a ∈ U und damit gilt 0 = a−a ∈ U


für das Nullelement von K. Wegen |U | ≥ 2 gibt es aber auch ein a 6= 0 in U und
damit gilt e = a · a−1 ∈ U für das Einselement e ∈ K.

Außerdem ist dann (U, +, ·) ebenfalls ein Körper.

Satz 2.78 Sei (K, +, ·) ein Schiefkörper, (R, +, ·) ein Ring und ϕ : K → R ein
Ringhomomorphismus. Dann gilt entweder ϕ(K) = {0} oder ϕ ist injektiv, also
(ϕ(K), +, ·) isomorph zu (K, +, ·).

Beweis: Ist ϕ nicht injektiv, so gibt es a 6= b aus K mit ϕ(a) = ϕ(b), also
a − b 6= 0 und ϕ(a − b) = 0. Dann gilt aber c = c · (a − b)−1 · (a − b) für alle c ∈ K
und daher ϕ(c) = ϕ(c · (a − b)−1 ) · ϕ(a − b) = 0, also ϕ(K) = {0}. 

Bemerkung 2.79 Da ein Körper nur diese beiden trivialen homomorphen Bilder
besitzt, hat er auch nur die beiden Kongruenzen ιK und ωK und die beiden Ideale
{0} und K.

Aufgabe 2.80 Es seien a, b ∈ Z und d = ggT (a, b) ihr größter gemeinsamer


Teiler. Zeigen Sie mit Hilfe des Euklidischen Algorithmus: Es gibt x, y ∈ Z mit
d = x · a + y · b. Der ggT (a, b) läßt sich also nicht nur immer berechnen, sondern
auch aus a und b “linear kombinieren”.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


2.3 Körper 84

Beispiel 2.81 Der Restklassenring (Z/(n), +, ·) ist genau dann ein Körper, wenn
n eine Primzahl ist. Ist nämlich n = a · b zerlegbar mit 1 < a, b < n, so gilt
[a]n 6= [0]n 6= [b]n , aber [a]n · [b]n = [n]n = [0]n , d. h. (Z/(n), +, ·) besitzt Nullteiler
und kann daher kein Körper sein. Ist andererseits n eine Primzahl und [a]n 6= [0]n
aus Z/(n) mit einem Repräsentanten 1 ≤ a ≤ n − 1, so gilt ggT (a, n) = 1 und
mit dem Euklidischen Algorithmus kann man Zahlen x, y ∈ Z bestimmen mit
1 = x · a + y · n. Dann gilt [1]n = [x]n [a]n + [y]n [n]n = [x]n [a]n , d. h. [x]n 6= [0]n ist
Inverses zu [a]n in der kommutativen Halbgruppe (Z/(n), ·). Daher ist (Z/(n), +, ·)
ein Körper.

Beispiel 2.82 Wie Beispiel 2.81 zeigt, sind in (Z/(n), +, ·) genau die Elemente
[a]n invertierbar, für die ggT (a, n) = 1 ist, für die a also teilerfremd zu n ist.
Man bezeichnet die Gruppe (Z/(n)∗ , ·) dieser Einheiten von (Z/(n), ·) als prime
Restklassengruppe modulo n und nennt ihre Ordnung ϕ(n) := |Z/(n)∗ | den Wert
der Eulerschen ϕ-Funktion (Leonhard Euler, 1707 - 1783) an der Stelle n ≥ 2.
Man setzt noch ϕ(1) := 1. Es ist also ϕ(n) die Anzahl der zu n teilerfremden
Zahlen a ∈ Z mit 1 ≤ a ≤ n. Insbesondere ist ϕ(p) = p − 1 für jede Primzahl p
und ϕ(pr ) = pr−1 (p − 1) für jede Primzahlpotenz.

Wie bei Gruppen und Ringen kann man zeigen:

Lemma 2.83 Ist (Ui )i∈I eine Familie von Unterkörpern eines Körpers (K, +, ·),
dann ist D = Ui ebenfalls ein Unterkörper von (K, +, ·). Daher ist Sub(K)
T

ein vollständiger Verband. Man nennt P = inf Sub(K), also den Durchschnitt
aller Unterkörper von (K, +, ·), den Primkörper von (K, +, ·). Er hat wie alle
Unterkörper von (K, +, ·) dieselbe Charakteristik. Im Fall χ(K) = 0 ist (P, +, ·)
isomorph zu (Q, +, ·), im Fall χ(K) = p ist er isomorph zu (Z/(p), +, ·).

Beweis: Vorlesung! 

Bemerkung 2.84 Für n ∈ N gibt es genau dann einen (endlichen) Körper mit n
Elementen, wenn n = pr für eine Primzahl p und einen Exponenten r ∈ N gilt. Ein
derartiger Körper ist bis auf Isomorphie eindeutig bestimmt und wird mit GF (pr )
oder Fpr bezeichnet und Galois-Feld oder Galois-Körper genannt (Évariste Galois,
1811 - 1832). Es ist immer Z/(p) Primkörper von GF (pr ) und beide haben die
Charakteristik p.

In der Informatik, speziell der Codierungstheorie, werden insbesondere die Galois-


Felder GF (2r ) für bestimmte Exponenten r benötigt, etwa r = 8, r = 64, r = 256
etc.

Beispielsweise ist GF (22 ) auf der Menge {0, 1, a, b} durch die folgenden Cayley-
Tafeln gegeben

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


2.3 Körper 85

+ 0 1 a b · 0 1 a b
0 0 1 a b 0 0 0 0 0
1 1 0 b a 1 0 1 a b
a a b 0 1 a 0 a b 1
b b a 1 0 b 0 b 1 a

Beispiel 2.85 √ Es sei k ∈ N keine Quadratzahl. Wie im Fall k = 2 kann man


zeigen, daß 2 6∈ Q gilt. Es gibt √ nun einen kleinsten Unterkörper (D, +, ·)
von (R, +, ·), der A := Q ∪ { k} enthält, nämlich den Durchschnitt über
alle Unterkörper
√ (U, +,√·) von (R, +,√·) mit A ⊆ U . Man kann zeigen, daß
D = Q( k) := Q + Q k := {a + b k | a, b ∈ Q} gilt. Jeder dieser quadrati-
schen Zahlkörper
√ hat (Q, +, √ ·) als Primkörper und √damit die Charakteristik 0. Es
ist jeweils Z( k) := Z + Z k ein Untering von √ Q( k) und damit ein Integritäts-
bereich.
√ Weiterhin ist jedes Element aus Q( k) ein Quotient von zwei Elementen
aus Z( k).

Ersetzt man in √allen diesen Überlegungen k√durch −k, dann erhält man Un-
terkörper Q + Q −k und Unterringe Z + Z −k von (C, +, ·). Hier kann man
auch k = −1 wählen und erhält so speziell den Ring der ganzen Gaußschen
Zahlen Z + Zi (Carl Friedrich Gauß, 1777 - 1855).

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


3 Aufgaben 86

3 Aufgaben

Aufgabe 3.1 Zeigen Sie, daß die folgenden Implikationen Tautologien sind.

a) A ∧ B → A,

b) A → A ∨ B,

c) ¬A → (A → B),

d) A ∧ (A → B) → B,

e) (A ∨ B) ∧ (¬A ∨ B) → B,

f) ¬(A → B) → (B → A),

g) (A → B) ∧ (B → C) → (A → C).

Aufgabe 3.2 Ist (((¬A) → B) → (A → (¬B))) eine Tautologie? (Beweis oder


Gegenbeispiel.)

Aufgabe 3.3 Geben Sie eine disjunktive Normalform der Formel (((¬A) →
B) → (A → (¬B))) aus Aufgabe 3.2 an.

Aufgabe 3.4 Geben Sie eine konjunktive Normalform der Formel (((¬A) →
B) → (A → (¬B))) aus Aufgabe 3.2 an.

Aufgabe 3.5 Zeigen Sie, daß (((¬A) → B) → (((¬A) → (¬B)) → A)) eine
Tautologie ist.

Aufgabe 3.6 Zeigen Sie, daß (A → B) ∧ (¬(B → C) → ¬A) → (A → C) eine


Tautologie ist.

Aufgabe 3.7 Beweisen Sie die folgenden drei Äquivalenzen:

a) (¬x ∧ ¬y) → ¬z ≡ z → (x ∨ y),

b) (¬x ∨ y) → z ≡ (x ∧ ¬y) ∨ z,

c) ¬x → (y ∨ z) ≡ ¬y → (¬z → x).

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


3 Aufgaben 87

Aufgabe 3.8 Zeigen Sie, daß sich auch die Junktoren ∨ und ∧ allein durch ¬
und → ausdrücken lassen, daß also auch die Menge {¬, →} funktional vollständig
ist.

Aufgabe 3.9 Der logische Junktor ↓ (Peirce-Pfeil) läßt sich definieren gemäß
A ↓ B :≡ ¬A ∧ ¬B für alle Aussagen A, B. Beweisen Sie die Äquivalenzen

a) ¬A ≡ A ↓ A,

b) A ∧ B ≡ (A ↓ A) ↓ (B ↓ B).

Also ist auch {↓} eine funktional vollständige Menge von Junktoren. Geben Sie
jeweils eine Darstellung von ∨ und von → durch ↓ an.

Aufgabe 3.10 Der logische Junktor | (Sheffer-Strich) läßt sich definieren durch
A | B :≡ ¬(A ∧ B) (“NAND”) für alle Aussagen A, B. Beweisen Sie die folgenden
Äquivalenzen:

a) ¬A ≡ A | A,

b) A ∨ B ≡ (A | A) | (B | B).

Also ist auch {|} eine funktional vollständige Menge von Junktoren. Geben Sie
jeweils eine Darstellung von ∧ und von → durch | an.

Aufgabe 3.11 Zeigen Sie, daß die Menge F{¬,∨} ({A}) aller aussagenlogischen
Formeln, die mit nur einer Variablen A und ausschließlich mit den Junktoren ¬
und ∨ gebildet werden können, abzählbar unendlich ist. Zeigen Sie dann, daß
es eine Menge A ⊆ F{¬,∨} ({A}) von vier Formeln dieser Art gibt, so daß jede
Formel aus F{¬,∨} ({A}) zu genau einer Formel aus A gleichwertig ist.

Zusatz: Wie ändert sich die Situation, wenn man statt einer Variablen A endlich
viele A1 , . . . , An nimmt? Was passiert, wenn man abzählbar viele Variablen Ai
für i ∈ N0 zuläßt?

Aufgabe 3.12 Der Teilerverband (T (n), ggT, kgV ) einer natürlichen Zahl n > 1
ist im allgemeinen keine Boolesche Algebra (T (n), ggT, kgV,0 ), wie das Beispiel
n = 4 mit T (n) = {1, 2, 4} zeigt. Für Primzahlen n = p ist aber T (p) = {1, p}
natürlich die zweielementige Boolesche Algebra. Geben Sie Beispiele für (unend-
lich viele) zusammengestzte Zahlen n an, für die der Teilerverband eine Boolesche
Algebra ist.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


3 Aufgaben 88

Aufgabe 3.13 Das Universum einer (sehr armen!) Mengenlehre bestehe nur aus
der leeren Menge ∅ und den beiden Einermengen {∅} und {{∅}}. Zeigen Sie daß
in dieser Mengenlehre das Nullmengenaxiom, das Extensionalitätsaxiom und das
Aussonderungsaxiom erfüllt sind. Sind auch das Paarmengenaxiom bzw. das klei-
ne Vereinigungsmengenaxiom erfüllt? Wie sieht es mit dem großen Vereinigungs-
mengenaxiom aus?

Aufgabe 3.14 Das Universum einer (noch ärmeren) Mengenlehre bestehe nur
aus den beiden Mengen ∅ und {∅}. In dieser Mengenlehre gelten das Nullmen-
genaxiom, das Extensionalitätsaxiom, das kleine und das große Vereinigungs-
mengenaxiom und das Aussonderungsaxiom. Das Potenzmengenaxiom und das
Paarmengenaxiom gelten aber nicht.

Aufgabe 3.15 Die paarweise verschiedenen Mengen Xn seien für n ∈ N0 wie


folgt definiert. Es sei X0 := ∅ und Xn+1 := {Xn } sonst. Zeigen Sie zunächst
durch vollständige Induktion nach n, daß Xn 6= Xn+1+k für alle k ∈ N0 gilt.

Als Mengen in einem Universum der Mengenlehre werden nun diejenigen Teilmen-
gen von {X0 , X1 , X2 , . . .} betrachtet, in denen nur endlich viele Xn mit ungeradem
Index n vorkommen. Insbesondere liegen alle Xn selbst in diesem Universum.
Zeigen Sie, daß in dieser Mengenlehre das Nullmengenaxiom, das Extensiona-
litätsaxiom, das Aussonderungsaxiom und das kleine Vereinigungsmengenaxiom
gelten, aber nicht das große Vereinigungsmengenaxiom.

Aufgabe 3.16 Es seien F ⊆ A × B und G ⊆ B × A Korrespondenzen zwischen


Mengen A und B und es gelten F ◦ G = ιA und G ◦ F = ιB . Dann sind F und
G jeweils links- und rechtstotal sowie links- und rechtseindeutig, also zueinander
inverse Abbildungen.

Lösung 3.17 (zu Aufgabe 3.1) a) Ist A wahr, so ist auch die Implikation wahr.
Ist A falsch, dann auch A∧B, wodurch aber die behauptete Implikation ebenfalls
wahr ist.

b) Ist A falsch, dann ist die Implikation wahr. Ist A wahr, dann auch A ∨ B, und
damit auch die gesamte Implikation.

c) Ist A wahr, so ist ¬A falsch und daher die Implikation richtig. Ist A aber
falsch, so ist die Konklusion A → B immer richtig, also die gesamte Implikation
ebenfalls.

d) Ist B wahr, dann ist die Implikation wahr. Sei daher B falsch. Ist dann noch
A falsch, dann auch A ∧ (A → B) und damit die Prämisse, wodurch aber die

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


3 Aufgaben 89

Implikation wahr wird. Ist dagegen A wahr, dann ist A → B falsch und damit
wiederum die Prämisse. Also ist die Implikation auch in diesem letzten Fall wahr.

e) Aufgrund des Distributivgesetzes ist die Prämisse gleichwertig zu (A ∧ ¬A) ∨ B


also zu 0 ∨ B ≡ B. Daher ist die gesamte Implikation gleichwertig zur Tautologie
B → B und damit ebenfalls immer wahr. (Man beachte, daß die Formel nur eine
Umformulierung des Euklidischen Wahrheitskriteriums ist.)

f) Ist B falsch, so ist die Konklusion B → A wahr und daher auch die gesamte
Implikation. Ist B wahr, dann auch A → B. Also ist die Prämisse falsch und
folglich die Implikation wahr.

g) Wenn A falsch ist, ist die Konklusion A → C wahr und daher ebenso die
Implikation. Sei also A wahr. Ist dann B falsch, so auch A → B und damit die
gesamte Prämisse, wodurch die Implikation wiederum wahr ist. Seien also sowohl
A als auch B wahr. Im Fall, daß dann C falsch ist, ist auch B → C falsch, also die
gesamte Prämisse, wodurch auch jetzt die Implikation wahr wird. Ist schließlich
auch noch C wahr, dann gilt natürlich die Implikation.

Lösung 3.18 (zu Aufgabe 3.2) Die Wahrheitswertetabelle für diese Implikation
ergibt

A B ¬A ¬B ¬A → B A → ¬B (¬A → B) → (A → ¬B)
0 0 1 1 0 1 1
0 1 1 0 1 1 1
1 0 0 1 1 1 1
1 1 0 0 1 0 0

Man sieht also, daß die Aussage keine Tautologie ist und genau dann falsch wird,
wenn beide Aussagen A und B richtig sind.

Beispielsweise erhält man für die Aussagen A: “ 2 ist eine gerade Zahl” und B: “ 2
ist Primzahl”, die beide wahr sind, ¬A → B als wahre Aussage (“ex falso quodli-
bet”), aber A → ¬B als falsche Aussage. Daher ist auch die gesamte Implikation
(¬A → B) → (A → ¬B) falsch, also die Formel tatsächlich keine Tautologie.

Lösung 3.19 (zu Aufgabe 3.3) Aus den Zeilen der Wahrheitswertetabelle der
Formel, die den Wahrheitswert 1 ergeben, kann man ablesen, daß die Formel
genau dann wahr ist, wenn eine der drei Kombinationen der Wahrheitswerte von
A und B vorliegt, die in den ersten drei Zeilen beschrieben werden, also genau
dann, wenn ¬A ∧ ¬B oder ¬A ∧ B oder A ∧ ¬B gilt. Also wird die Formel

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


3 Aufgaben 90

genau dann wahr, wenn (¬A ∧ ¬B) ∨ (¬A ∧ B) ∨ (A ∧ ¬B) gilt. Damit ist schon
eine disjunktive Normalform gefunden. Diese ist aber keineswegs eindeutig. Aus
den ersten beiden Zeilen kann man nämlich auch ablesen, daß die Formel dann
wahr ist, wenn A falsch ist, unabhängig von dem Wahrheitswert von B. Also ist
eine weitere (kürzere!) disjunktive Normalform durch ¬A ∨ (A ∧ ¬B) gegeben.
Es geht aber noch besser. Nutzt man das Distributivgesetz aus, so ergibt sich als
gleichwertige Formel (¬A∨A)∧(¬A∨¬B), was sich mit “tertium non datur” und
der Neutralität von 1 gegenüber ∧ vereinfachen läßt zu ¬A∨¬B. Dies ist nun eine
kürzeste disjunktive Normalform und zugleich auch eine ebensolche konjunktive
Normalform!

Dies hätte man aber auch einfacher erkennen können. Aus der Wahrheitswerte-
tabelle sieht man ja, daß die Formel genau dann falsch ist, wenn A und B wahr
sind. Daher ist sie gleichwertig zu ¬(A∧B), was nach den De Morgenschen Regeln
sofort zur Normalform ¬A ∨ ¬B führt.

Lösung 3.20 (zu Aufgabe 3.4) Aus den Zeilen der Wahrheitswertetabelle der
Formel, die den Wahrheitswert 0 ergeben, kann man ablesen, daß die Formel
genau dann falsch ist, wenn die Kombination der Wahrheitswerte von A und B
vorliegt, die in der letzten Zeile beschrieben ist. Daher ist die Formel genau dann
wahr, wenn diese Kombination nicht vorliegt, also wenn ¬(A ∧ B) gilt. Nach den
De Morganschen Regel ist sie daher gleichwertig zu ¬A ∨ ¬B, was schon eine
konjunktive Normalform ist.

Lösung 3.21 (zu Aufgabe 3.5) Die gesamte Implikation ist jedenfalls dann wahr,
wenn ihre Prämisse falsch ist, also wenn (¬A) → B falsch ist. Außerdem ist sie
dann wahr, wenn die Prämisse ihrer Konklusion, also ¬A → ¬B, falsch ist. Es
bleibt also nur noch der Fall, daß (¬A) → B und ¬A → ¬B beides wahre Aussa-
gen sind. Dann ergibt das Platonische Falschheitskriterium jedoch die Wahrheit
von ¬(¬A), also von A. Dann ist aber die Konklusion der Implikation wahr, also
die gesamte Implikation. In jedem Fall ist daher die Implikation wahr.

Lösung 3.22 (zu Aufgabe 3.6)

Es ist ¬(B → C) → ¬A wegen der Kontraposition gleichwertig zu A → (B → C).


Also ist die Prämisse gleichwertig zu (A → B) ∧ (A → (B → C). Hieraus folgt
aber A → (B ∧ (B → C)). Wegen Aufgabe 3.1 d) folgt aus B ∧ (B → C)) aber
C und daher ergibt sich aus der Prämisse mit Aufgabe 3.1 g) schließlich A → C.

Lösung 3.23 (zu Aufgabe 3.7) a) Kontraposition besagt, daß die rechte Seite
gleichwertig ist zu ¬(x ∨ y) → ¬z. Die Prämissse dieser Implikation ist aber

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


3 Aufgaben 91

wegen der De Morganschen Regel gleichwertig zu ¬x ∧ ¬y. Setzt man dies ein, so
entsteht genau die linke Seite der behaupteten Äquivalenz.

b) Die linke Seite ist gleichwertig zu ¬(¬x∨y)∨z durch Auflösung der Implikation.
Nach der De Morganschen Regel und der doppelten Verneinung ist dies aber dann
gleichwertig zu (x ∧ ¬y) ∨ z.

c) Die linke Seite ist gleichwertig zu (y ∨ z) ∨ x, wobei die Implikation aufgelöst


und die doppelte Verneinung verwendet wurde. Ebenso erhält man für die rechte
Seite durch zweimalige Auflösung der Implikation und mit jeweils einer doppelten
Verneinung zuerst (¬z → x) ∨ y und dann (x ∨ z) ∨ y. Wegen der Kommutativität
und Assoziativität von ∨ folgt (x ∨ z) ∨ y ≡ y ∨ (z ∨ x) ≡ (y ∨ z) ∨ x und damit
die Behauptung.

Lösung 3.24 (zu Aufgabe 3.8)

Wegen der doppelten Verneinung x ≡ ¬(¬x) gilt x ∨ y ≡ ¬(¬x) ∨ y für alle


Aussagen x, y. Aus x → y ≡ ¬x ∨ y folgt daher ¬x → y ≡ x ∨ y, also die
Darstellung von ∨ durch ¬ und →.

Aus der De Morganschen Regel folgt x ∧ y ≡ ¬(¬x ∨ ¬y). Wegen des ersten
Teils dieser Aufgabe kann man aber die rechte Seite mit ¬ und → ausdrücken:
¬(¬x ∨ ¬y) ≡ ¬(x → ¬y), wobei wiederum die doppelte Verneinung verwendet
wurde.

Lösung 3.25 (zu Aufgabe 3.9) a) Dies folgt unmittelbar aus der Definition we-
gen der Idempotenz von ∧.

b) Wegen A ∧ B ≡ ¬(¬A) ∧ ¬(¬B) ≡ (¬A) ↓ (¬B) aufgrund der doppelten


Verneinung und der Definition von ↓, folgt die Behauptung durch Anwendung
von a).

Wegen A ∨ B ≡ ¬(¬A ∧ ¬B) ≡ ¬((A ↓ A) ∧ (B ↓ B)) ≡ ¬((A ↓ A) ↓ (A ↓ A) ↓


(B ↓ B) ↓ (B ↓ B)) nach a) und b) ist A ∨ B dann nach a) gleichwertig zu ((A ↓
A) ↓ (A ↓ A) ↓ (B ↓ B) ↓ (B ↓ B)) ↓ ((A ↓ A) ↓ (A ↓ A) ↓ (B ↓ B) ↓ (B ↓ B)).

Wegen A → B ≡ ¬(A ∧ ¬B) ≡ ¬(A ∧ (B ↓ B)) ≡ ¬((A ↓ A) ↓ ((B ↓ B) ↓ (B ↓


B))) ist A → B schließlich gleichwertig zu

((A ↓ A) ↓ ((B ↓ B) ↓ (B ↓ B))) ↓ ((A ↓ A) ↓ ((B ↓ B) ↓ (B ↓ B))).

Lösung 3.26 (zu Aufgabe 3.10) Die Beweise verlaufen ganz analog wie die in
der Lösung von Aufgabe 3.9.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


3 Aufgaben 92

Lösung 3.27 (zu Aufgabe 3.11) Jede derartige Formel ist ein Wort über dem
endlichen Alphabet X = {0, 1, A, ¬, ∨, (, )}, also ein Element der freien Halb-
gruppe X + . Diese ist aber abzählbar unendlich. Also gibt es höchstens abzähl-
bar unendlich viele derartige Formeln. Dies ändert sich auch nicht, wenn man
statt A endlich viele Variable A1 , . . . , An in X aufnimmt. Andererseits existie-
ren bereits mit einer Variablen A unendlich viele derartige Formeln: A, (A ∨ A),
((A ∨ A) ∨ A), . . .

Die vier Formeln in der Menge A = {0, 1, A, ¬A} sind offensichtlich untereinan-
der paarweise nicht gleichwertig. Wendet man den Junktor ¬ auf eine von ihnen
an, so entsteht wieder eine Formel, die zu genau einer Formel aus A gleichwertig
ist. Verknüpft man zwei von ihnen mit dem Junktor ∨ so entsteht ebenfalls eine
Formel, die zu genau einer Formel aus A gleichwertig ist. Die Behauptung folgt
jetzt durch Induktion über den Aufbau der Formeln aus F{¬,∨} ({A}) mit Hil-
fe der Transitivität der Gleichwertigkeit. (Die gleichen Überlegungen kann man
natürlich mit jedem der Junktoren ∧, → und ↔ anstelle von ∨ machen.)

Bei endlich vielen Variablen A1 , . . . , An besteht die Menge A aus allen Disjunk-
tionen Li1 ∨ . . . ∨ Lik wobei die Liν Literale zu paarweise verschiedenen Aiν sind.
Also bleibt A endlich. Bei abzählbar unendlich vielen Variablen bleibt die Menge
aller Formeln abzählbar, aber nun wird auch A abzählbar unendlich.

Lösung 3.28 (zu Aufgabe 3.12) Ist n = p1 . . . pk mit paarweise verschiedenen


Primzahlen pi zusammengesetzt, dann ist für jeden Teiler d von n der eindeutig
bestimmte Co-Teiler d0 mit n = d·d0 das Komplement, denn es gilt ggT (d, d0 ) = 1
und kgV (d, d0 ) = d · d0 = n.

Lösung 3.29 (zu Aufgabe 3.13) Wegen {∅} ∪ {{∅}} = {∅, {∅}} existiert weder
die Vereinigungsmenge von {∅} und {{∅}} in diesem Universum noch die Paar-
menge von ∅ und {∅}. Die betreffenden beiden Axiome sind also nicht erfüllt.
Natürlich gilt aber das Nullmengenaxiom und das Extensionalitätsaxiom, denn
diese drei Mengen sind paarweise verschieden: Die beiden Einermengen sind nicht
leer und {{∅}} ist wegen {∅} 6= ∅ nicht in {∅} enthalten. Die einzigen echte
Teilmengen, die man aus diesen Mengen aussondern kann, sind die leere Menge
und {∅}, die ja beide zum Universum gehören. Daher gilt auch das Aussonde-
rungsaxiom. Wegen ∅ = ∅, {∅} = {∅} und {{∅}} = {{∅}} ist das große
S S S

Vereinigungsmengenaxiom jedoch erfüllt.

Lösung 3.30 (zu Aufgabe 3.14) Offensichtlich gelten das Nullmengenaxiom und
das Extensionalitätsaxiom. Die einzige echte Teilmenge, die ausgesondert werden
kann, ist die leere Menge aus {∅}. Also gilt auch das Aussonderungsaxiom. Bei

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


3 Aufgaben 93

Vereinigungen können nur ∅ und {∅} entstehen, also gelten auch beide Vereini-
gungsmengenaxiome. Da {∅, {∅}} aber nicht zum Universum gehört, gilt weder
das Paarmengenaxiom noch das Potenzmengenaxiom.

Lösung 3.31 (zu Aufgabe 3.15) Für n = 0 gilt X0 = ∅ 6= Xk+1 = {Xk }. Gelte
also Xn 6= Xn+1+k für alle k und ein n ∈ N0 . Aus Xn+1 = Xn+1+1+k würde aber
{Xn } = {Xn+1+k } und damit wegen der Gleichheit dieser Einermengen schon
Xn = Xn+1+k folgen. Also muß auch Xn+1 6= Xn+1+1+k gelten.

Daher gelten das Nullmengenaxiom und das Extensionalitätsaxiom. Mit X und Y


ist aber auch X ∪Y und jede Teilmenge von X eine Menge des Universums. Daher
gelten auch das kleine Vereinigungsmengenaxiom und das Aussonderungsaxiom.
Die Menge X := {X2 , X4 , . . .} liegt ebenfalls in dem Universum, da überhaupt
keine Xn mit ungeradem Index in X vorkommen. Aber X = {X1 , X3 , . . .}
S

besteht aus unendlich vielen Xn mit ungeradem Index, ist also keine Menge des
Universums.

Lösung 3.32 (zu Aufgabe 3.16) Für jedes x ∈ A gilt (x, x) ∈ ιA = F ◦ G.


Also existiert dazu ein y ∈ B mit (x, y) ∈ F und (y, x) ∈ G. Dies zeigt, daß F
linkstotal und G rechtstotal ist. Dual folgt aus der Gleichung G ◦ F = ιB , daß G
linkstotal und F rechtstotal ist. Sind (x, y), (x0 , y) ∈ F , so gibt es, da G linkstotal
ist, ein z ∈ A mit (y, z) ∈ G. Es folgt (x, z) ∈ F ◦ G = ιA , also x = z, und ebenso
x0 = z. Also ist F linkseindeutig. Dual folgt aus G ◦ F = ιB , daß G linkseindeutig
ist. Sind (x, y), (x, y 0 ) ∈ F , so gibt es, wiederum da G linkstotal ist, z, z 0 ∈ A
mit (y, z), (y 0 , z 0 ) ∈ G und daher (x, z), (x, z 0 ) ∈ F ◦ G = ιA , was x = z = z 0
impliziert. Also hat man (y, x), (y 0 , x) ∈ G, und aus der Linkseindeutigkeit von
G folgt y = y 0 . Daher ist F auch rechtseindeutig. Dual folgt schließlich, daß auch
G rechtseindeutig ist. Daher sind sowohl F als auch G bijektive Abbildungen
F : A → B und G : B → A.

Für (x, y) ∈ F gibt es genau ein z ∈ A mit (y, z) ∈ G und wegen (x, z) ∈ F ◦ G =
ιA folgt z = x. Dies zeigt F −1 ⊆ G, und dual folgt G−1 ⊆ F . Hieraus folgt
schließlich G = (G−1 )−1 ⊆ F −1 und daher F −1 = G.

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


Index
n-Fakultät, 55 De Morgansche Gesetze, 9
n-Tupel, 29 Definitionsbereich, 30
n-te Potenz, 29 Diagonalverfahren
Äquivalenz, 5 Zweites, 51
Äquivalenzrelation, 34 Erstes, 49
Differenz, 62
Abbildung, 44 mengentheoretische, 20
bijektive, 44 symmetrische, 20
eineindeutige, 44 Disjunktion, 5
identische, 44 Distributivgesetze, 77
injektive, 44 Distributivität, 23
konstante, 60 Division mit Rest, 27
partielle, 44 doppelte Negation, 8
surjektive, 44 Durchschnitt, 20
Absorptionsgesetze, 23
Addition Einbettung, 44
modulo 2, 79 Einermenge, 15
Adjunktion einer Eins, 60 Einheitsintervall, 51
Aleph Null, 48 Einschränkung, 30
Allmenge, 19 Einselement, 59
Allrelation, 33 Element
Alphabet, 55 absorbierendes, 59
Assoziativität, 23 größtes, 39
Atom, 4, 12 invertierbares, 61
Aussage, 3 kürzbares, 60
Aussageform, 11 kleinstes, 39
Aussagenvariable, 4 linksabsorbierendes, 59
Aussonderungsaxiom, 18 linkskürzbares, 60
Auswahlaxiom, 38, 44 linksneutrales, 59
Automorphismengruppe, 72 maximales, 39
Automorphismus, 71 minimales, 39
neutrales, 59
Bahn, 74 Ordnung von einem, 67
Bijektion, 44 rechtsabsorbierendes, 59
Bild, 44 rechtskürzbares, 60
Boolesche Algebra, 23 rechtsneutrales, 59
Boolescher Ring, 77, 78 Endomorphismus, 71
Buchstabe, 55 Epimorphismus, 71
Cayley-Tafel, 54, 61–64, 70, 78, 84 Erzeugendensystem, 67
Euklidischer Algorithmus, 83

94
INDEX 95

Euklidisches Wahrheitskriterium, 11 Idempotenz, 23


ex falso quodlibet, 8 Identität, 33
Extensionalitätsaxiom, 15 Implikation, 5
Index, 68
Faktorgruppe, 70 Indexmenge, 48
Faktorgruppoid, 69 Infimum, 40
Faktormenge, 37 Injektion, 44
Familie, 48 Inklusion, 25
Fixpunkt, 74 Integritätsbereich, 78
Folge Inverses, 61
unendliche, 48 Inversion, 76
Formel Isomorphismus, 71
äquivalente, 6
allgemeingültige, 6 Junktor, 5
aussagenlogische, 4
erfüllbare, 6 Körper, 78
gleichwertige, 6 Körpererweiterung, 83
prädikatenlogische, 12 kürzbar, 60
von Peirce, 11 Kardinalität, 19
widersprüchliche, 6 Kardinalzahl, 19, 49, 54
Funktion, 45 transfinite, 49, 50
kartesisches Produkt, 27
Galois-Feld, 84 Kette, 34
Galois-Körper, 84 Kettenschluß, 11
geordnetes Paar, 27 Klasse, 19
gleichmächtig, 48 Kleinsche Vierergruppe, 63
Grad, 82 Koeffizient, 82
Grenze Kommutativität, 23
obere, 40 Komplement, 20
untere, 40 Komplementgesetze, 23
Gruppe, 62 Kongruenzrelation, 69
abelsche, 62 Konjunktion, 5
symmetrische, 63 Konkatenation, 55
zyklische, 64, 67 Kontinuumshypothese, 51
Gruppoid, 54 Kontradiktion, 6
Kontraposition, 11
Halbgruppe, 54 Korrespondenz, 29, 44
freie, 55 inverse, 29
monogene, 67 linkstotale, 30
zyklische, 67 rechtseindeutige, 30
Halbverband, 54 rechtstotale, 30
Hasse-Diagramm, 35 Kreuzprodukt, 27
Homomorphismus, 71
Lateinische Quadrate, 62

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


INDEX 96

Leitkoeffizient, 82 Nachfolgermenge, 16
Linkseinselement, 59 natürliche Injektion, 44
Linksinverses, 61 Negation, 5
linkskürzbar, 60 doppelte, 8
Linkskongruenz, 69 Normalform
Linksnebenklassen, 68 disjunktive, 10
linkstotal, 30 konjunktive, 10
Linkstranslation, 61 Normalteiler, 70
Liste, 29 Nullelement, 60
Literal, 10 Nullmengenaxiom, 15
Nullpolynom, 82
Mächtigkeit, 19, 48
Nullring, 78
Menge
Nullteiler, 78
überabzählbare, 48
nullteilerfrei, 78
abzählbar unendliche, 48
abzählbare, 48 obere Grenze, 40
beschränkte, 39 obere Schranke, 39
Dedekind-endliche, 52 Oberkörper, 83
endliche, 19 Obermenge, 25
leere, 16 Operation
linear geordnete, 34 algebraische, 53
nach oben beschränkte, 39 arithmetische, 53
nach unten beschränkte, 39 binäre, 53
partiell geordnete, 34 einstellige, 53
Russell-endliche, 52 nullstellige, 53
Russellsche, 17 Orbit, 74
Tarski-endliche, 52 Ordnung
total geordnete, 34 eines Gruppoids, 54
unendliche, 19 lexikographische, 36
wohlgeordnet, 39 partielle, 34
Mengen totale, 34
disjunkte, 20 Ordnungsrelation, 34
paarweise disjunkte, 20
Mengenbildungsaxiom, 18 Paar
Mengenfamilie, 48 geordnetes, 27
Mengensystem, 18 Paarmengenaxiom, 15
Minimalbedingung, 39 Partition, 36
Modul, 62 Permutation, 55
Monoid, 59 gerade, 76
Monomorphismus, 71 ungerade, 76
Multiplikation Permutationsgruppe, 73
modulo 2, 79 transitive, 74
Platonisches Falschheitskriterium, 11
Nachfolgerfunktion, 49

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


INDEX 97

Polynom, 82 rechtstotale, 29
Potenzmenge, 26, 60, 78 reflexive, 34
Potenzmengenaxiom, 26 symmetrische, 34
Prämissenbelastung, 11 transitive, 34
Prämissenvertauschung, 11 Repräsentant, 37
Präordnung, 34 Repräsentantensystem, 37
Primkörper, 84 Repräsentantenunabhängigkeit, 47
Produkt Restklassen modulo n, 27
direktes, 27 Restklassengruppe
kartesisches, 27 prime, 84
subdirektes, 44 Restklassengruppen modulo n, 70
Produkt von Polynomen, 82 Restklassenring, 80
Projektion, 44 modulo n, 80
kanonische, 47 Ring, 77
assoziativer, 77
quadratischer Zahlkörper, 85 Boolescher, 77
Quasigruppe, 62 idempotenter, 77
Quasiordnung, 34 kommutativer, 77
rechtseindeutig, 30 mit Einselement, 77
Rechtseinselement, 59 Ringhomomorphismus, 80
Rechtsinverses, 61 Russelsche Antinomie, 17
rechtskürzbar, 60 Satz von Cantor, 50
Rechtskongruenz, 69 Satz von Lagrange, 68
Rechtsnebenklassen, 68 Satz von Wedderburn, 79
rechtstotal, 30 Schiefkörper, 78, 79
Rechtstranslation, 61 Schranke
Relation, 29 obere, 39
n-stellige, 33 untere, 39
antisymmetrische, 34 Selbstimplikation, 8
asymmetrische, 34 Signatur
binäre, 33 logische, 10
identische, 33 Signum, 76
irreflexive, 34 Sprache
konnexe, 34 formale, 55
leere, 33 String, 55
lineare, 34 Subjunktion, 5
linkseindeutige, 29 Summe von Polynomen, 82
linksinvariante, 69 Supremum, 40
linkskompatible, 69 Surjektion, 44
linkstotale, 29 Symbol, 55
rechtseindeutige, 29
rechtskompatible, 69 Tautologie, 6

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite


INDEX 98

Teilkörper, 83 Vergleichsoperator, 5
Teilmenge, 25 Verkettung, 32
echte, 25 Verknüpfung, 53
Term, 5 Vorzeichenregeln, 77
tertium non datur, 8
Trägermenge, 54 Wahrheitswert
Transformation, 53 Boolescher, 4
Transformationshalbgruppe, 55 Wahrheitswertetafel, 6
Transformationsmonoid, 60 Wertebereich, 30
Transitivitätsgebiet, 74 Widerspruch, 6
Translation, 61 Widerspruchsbeweis, 8
translation, 68 Wohldefiniertheit, 47
Transposition, 75 Wohlordnung, 39, 40, 43, 50
Wohlordnungssatz, 43
Umkehrabbildung, 45 Wort, 55
Unbestimmte, 82 leeres, 60
Unendlichkeitsaxiom, 16
Universum, 11 Zahlen
Unmenge, 19 ganze, 38
untere Grenze, 40 ganze Gaußsche, 85
untere Schranke, 39 natürliche, 16
Untergruppe, 65 rationale, 38, 43
triviale, 66 reelle, 43, 50
Untergruppoid, 65 Zeichen, 55
Unterhalbgruppe, 65 Zerlegung, 36
erzeugte, 67 Zornsches Lemma, 43, 44
Unterkörper, 83 Zweiermenge, 15
Untermenge, 25 zyklische Vertauschung, 75
Urbild, 44 Zyklus, 75
Urelement, 17
Urmenge, 17

Variable, 11
arithmetische, 5
aussagenlogische, 4
frei vorkommende, 11
gebundene, 12
Verband, 23, 40, 54
distributiver, 23
Vereinigung, 20
Vereinigungsmengenaxiom
großes, 26
kleines, 16

Vorherige Seite Nächste Seite Zurück Erste Seite Letzte Seite

Das könnte Ihnen auch gefallen