Sie sind auf Seite 1von 4

Kurzpapier Nr.

15
Videoüberwachung nach der Datenschutz-Grundverordnung
Dieses Kurzpapier der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder (Datenschutzkonferenz –
DSK) dient als erste Orientierung insbesondere für den nicht-öffentlichen Bereich, wie nach Auffassung der DSK
die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) im praktischen Vollzug angewendet werden sollte. Diese Auffas-
sung steht unter dem Vorbehalt einer zukünftigen - möglicherweise abweichenden - Auslegung des Europäischen
Datenschutzausschusses.

Die Videoüberwachung wird auch nach dem 25. Mai nung findet also keine Anwendung auf die Verarbei-
2018 sowohl für die Aufsichtsbehörden als auch für tung personenbezogener Daten, die von einer na-
die Betreiber entsprechender Anlagen ein Thema türlichen Person zur Ausübung ausschließlich per-
mit erheblicher praktischer Relevanz bleiben: Die sönlicher oder familiärer Tätigkeiten und somit oh-
DS-GVO selbst enthält keine spezifische Regelung ne Bezug zu einer beruflichen oder wirtschaftlichen
zur Videoüberwachung. Somit ist nicht klar, in wel- Tätigkeit vorgenommen wird (Erwägungsgrund
chem Umfang die bisherigen datenschutzrechtli- [ErwGr.] 18).
chen Bewertungen in der Praxis beibehalten wer-
den können. Der ab dem 25. Mai 2018 ebenfalls in Für öffentliche Stellen kann in bestimmten Fällen
Kraft tretende § 4 des Bundesdatenschutzgesetzes Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. e, Abs. 3 DS-GVO in Verbindung
(BDSG-neu, vgl. Art. 1 DSAnpUG-EU) enthält zwar mit einem nationalen Gesetz als Rechtsgrundlage in
eine Regelung zur Videoüberwachung öffentlich Betracht kommen.
zugänglicher Räume. Ob und in welchem Umfang
diese Regelung aufgrund des Anwendungsvorrangs Soll eine Videoüberwachung auf eine Einwilligung
der DS-GVO angewendet werden kann, bleibt einer im Sinne des Art. 7 DS-GVO gestützt werden, dürf-
Entscheidung im jeweiligen konkreten Einzelfall ten die Voraussetzungen dieser Vorschrift allerdings
vorbehalten. nur in seltenen Einzelfällen erfüllt sein. Insbesonde-
re ist das Betreten des gekennzeichneten Erfas-
Welche Regelungen der DS-GVO sind für die sungsbereichs einer Videokamera nicht als „eindeu-
Videoüberwachung einschlägig? tig bestätigende Handlung“ und auch nicht als in-
formierte Einwilligung i. S. d. Art. 4 Nr. 11 DS-GVO zu
Für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der (Daten-)
werten.
Verarbeitung durch nicht öffentliche Stellen ist
zunächst auf die „Generalklausel“ in Art. 6 Abs. 1
Eine Verarbeitung biometrischer Daten (Art. 4 Nr.
S. 1 lit. f DS-GVO abzustellen. Danach ist die Verar-
14 DS-GVO) zur eindeutigen Identifizierung natürli-
beitung rechtmäßig, soweit sie zur Wahrung der be-
cher Personen ist nach Art. 9 Abs. 1 DS-GVO grund-
rechtigten Interessen des Verantwortlichen oder
sätzlich untersagt. Auch die bloße Eignung von Vi-
eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Inter-
deoaufnahmen für eine biometrische Analyse ist bei
essen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der
der Risikoabschätzung und der Auswahl der techni-
betroffenen Person, die den Schutz personenbezo-
schen und organisatorischen Maßnahmen zu be-
gener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere
rücksichtigen. Soweit bei der Videoüberwachung
dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um
biometrische Daten zum Zweck der eindeutigen
ein Kind handelt.
Identifizierung oder Authentifizierung einer natürli-
chen Person verarbeitet werden (z. B. mit einer
Mit Art. 2 Abs. 2 lit. c lässt die DS-GVO das bisherige
Gesichtserkennungssoftware), gelten für solche
sog. Haushaltsprivileg fortbestehen. Die Verord-
Verarbeitungen die engen Ausnahmetatbestände
Videoüberwachung nach der Datenschutzgrundverordnung Stand: 17.12.2018 Seite 1
des Art. 9 Abs. 2 DS-GVO. Detaillierte Hinweise hier- auch sein, ob die Videoüberwachung in bestimmten
zu sind im Kurzpapier Nr. 17 „Besondere Kategorien Bereichen der Sozialsphäre typischerweise akzep-
personenbezogener Daten“ zu finden. tiert oder abgelehnt wird.

Welche inhaltlichen Voraussetzungen ergeben Insbesondere im Arbeitsverhältnis wird ein strenge-


sich künftig für eine Videoüberwachungsanla- rer Maßstab anzulegen sein als wenn der Betroffe-
ge? ne als Kunde, Gast oder Passant von einer Video-
überwachung erfasst wird. In der Regel nicht zu
Die nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DS-GVO durchzufüh- erwarten und in diesem Zusammenhang daher
rende Prüfung folgt im Wesentlichen den bereits nicht akzeptiert ist die Videoüberwachung z. B. im
aus dem BDSG bekannten Kriterien: Nachbarschaftskontext, sowie in Individualberei-
• Wahrung berechtigter Interessen, chen wie Wohnen, Sportausübung/Fitness oder
• Erforderlichkeit, ärztlichen Behandlungs- und Warteräumen. Aus-
• Interessenabwägung. nahmslos nicht akzeptiert ist die Videoüberwachung
in Sanitär- und Saunabereichen. Die Prüfung wird
Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals des „berech- damit deutlich vielschichtiger.
tigten Interesses“ kann der bisherigen Kasuistik
auch weiterhin gefolgt werden. Neu ist aus deut- Die DS-GVO verlangt eine Abwägung im konkreten
scher Sicht allerdings die Berücksichtigung des sog. Einzelfall sowohl im Hinblick auf die Interessen der
„Drittinteresses“. Als „Dritter“ kommen gemäß Verantwortlichen bzw. Dritten als auch der Be-
Art. 4 Nr. 10 DS-GVO sowohl private als auch juristi- troffenen. Ein bloßes Abstellen auf abstrakte oder
sche Personen in Betracht. Zu denken wäre dabei auf vergleichbare Fälle ohne Betrachtung des Einzel-
beispielswiese an die typische Konstellation in Ein- falls genügt den Anforderungen der DS-GVO daher
kaufszentren, bei der der Vermieter die Videoüber- nicht.
wachung auch im Interesse seiner (Laden-)Mieter,
die in einer Vielzahl der Fälle nicht selbst Betroffene Transparenzanforderungen und Hinweisbe-
sind, betreibt. schilderung

Im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung ist nach Neben der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung fordert
wie vor zu fragen, ob die konkrete Videoüberwa- die DS-GVO in Art. 5 Abs. 1 lit. a ferner, dass die per-
chung zur Zweckerreichung geeignet ist und ob sonenbezogenen Daten in einer für die betroffene
alternative Maßnahmen, die nicht oder weniger tief Person nachvollziehbaren Weise verarbeitet wer-
in das Recht auf Schutz personenbezogener Daten den müssen. Mit dieser Regelung sowie den sich
eingreifen, im konkreten Einzelfall vorzuziehen sind. aus Art. 12 ff. DS-GVO ergebenden Anforderungen,
sind die Transparenzpflichten stark angestiegen.
Bei der Interessenabwägung ergibt sich aus ErwGr. Aus den Informationspflichten nach Art. 13 Abs. 1
47 eine Relativierung des bisher strikt objektiven und 2 DS-GVO ergeben sich folgende Mindestan-
Ansatzes, da als Maßstab nunmehr die „vernünfti- forderungen:
gen Erwartungen der betroffenen Person, die auf • Umstand der Beobachtung – Piktogramm, Ka-
ihrer Beziehung zu dem Verantwortlichen beruhen, merasymbol.
zu berücksichtigen“ sind. Damit ist zunächst auf die • Identität des für die Videoüberwachung Ver-
subjektiven Erwartungen der betroffenen Person im antwortlichen – Name einschl. Kontaktdaten
Einzelfall abzustellen. Neben diesen ist aber auch zu (Art. 13 Abs. 1 lit. a DS-GVO).
fragen, was ein objektiver Dritter vernünftigerweise
erwarten kann und darf. Entscheidend wird daher

Videoüberwachung nach der Datenschutzgrundverordnung Stand: 17.12.2018 Seite 2


• Kontaktdaten des betrieblichen Daten- Sichere und datenschutzfreundliche Gestal-
schutzbeauftragten – soweit benannt, dann tung
aber zwingend (Art. 13 Abs. 1 lit. b DS-GVO).
Bei der Beschaffung, der Installation und dem Be-
• Verarbeitungszwecke und Rechtsgrundlage in
trieb von Videoüberwachungssystemen ist auf die
Schlagworten (Art. 13 Abs. 1 lit. c DS-GVO).
sichere (Art. 32 DS-GVO) und datenschutzfreundli-
• Angabe des berechtigten Interesses – soweit
che (Art. 25 DS-GVO) Gestaltung zu achten. Insbe-
die Verarbeitung auf Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DS-
sondere muss der Verantwortliche prüfen, inwie-
GVO beruht (Art. 13 Abs. 1 lit. d DS-GVO).
weit eine Videoüberwachung zeitlich eingeschränkt
• Dauer der Speicherung (Art. 13 Abs. 2 lit. a DS-
werden kann und welche Bereiche der Überwa-
GVO).
chung ausgeblendet oder verpixelt werden können.
• Hinweis auf Zugang zu den weiteren Pflichtin-
Schon bei der Beschaffung der Videotechnik ist auf
formationen gem. Art. 13 Abs. 1 und 2 DS-GVO
„eingebauten Datenschutz“ zu achten. Nicht benö-
(wie Auskunftsrecht, Beschwerderecht, ggf.
tigte Funktionalität (z. B. freie Schwenkbarkeit, um-
Empfänger der Daten).
fassende Überwachung per Dome-Kamera, Zoom-
fähigkeit, Funkübertragung, Internetveröffentli-
Die weiteren Pflichtinformationen sind ebenfalls am
chung, Audioaufnahme) sollte von der beschafften
Ort der Videoüberwachung an einer für die betrof-
Technik nicht unterstützt oder zumindest bei der
fene Person zugänglichen Stelle bereit bzw. zur Ver-
Inbetriebnahme deaktiviert werden.
fügung zu stellen, beispielsweise als vollständiges
Informationsblatt (Aushang).
Sonderfall: Videobeobachtung in Echtzeit

Konsequenz: Eine intransparente Videoüberwa- Die Videoüberwachung in Echtzeit (direkte Übertra-


chung steht nicht im Einklang mit der DS-GVO (Art. gung der Bilddaten auf einen Monitor ohne Spei-
5, 13 DS-GVO). Die Aufsichtsbehörde kann gem. Art. cherung der erhobenen Daten – Kamera-Monitor-
58 Abs. 2 lit. d DS-GVO den Verantwortlichen anwei- Prinzip) stellt eine ganz oder teilweise automatisier-
sen, den Mangel abzustellen oder gem. Art. 58 Abs. te Verarbeitung personenbezogener Daten dar und
2 lit. f DS-GVO die Videoüberwachung vorüberge- ist ebenfalls nach der DS-GVO zu beurteilen.
hend oder endgültig beschränken bzw. untersagen.
Mangelnde Transparenz ist zudem ein Bußgeldtat- Welche weiteren formellen Anforderungen
bestand nach Art. 83 Abs. 5 DS-GVO. sind zu beachten?
In dem nach Art. 30 Abs. 1 DS-GVO zu erstellenden
Speicherdauer/Löschungsgebot Verarbeitungsverzeichnis soll die Videoüberwa-
Die Daten der Videoüberwachung sind unverzüglich chung ausgewiesen und dokumentiert werden, wel-
zu löschen, wenn sie zur Erreichung der Zwecke, für chem Zweck die Verarbeitung jeweils dient.
die sie erhoben wurden, nicht mehr notwendig sind
(Art. 17 Abs. 1 lit. a DS-GVO) oder schutzwürdige In- Ferner ist gemäß Art. 35 DS-GVO eine Datenschutz-
teressen der Betroffenen einer weiteren Speiche- Folgenabschätzung durchzuführen, wenn die Vi-
rung entgegenstehen. Ob eine Sicherung des Mate- deoüberwachung ein hohes Risiko für die Rechte
rials notwendig ist, dürfte grundsätzlich innerhalb und Freiheiten natürlicher Personen zur Folge hat.
von ein bis zwei Tagen geklärt werden können. Un- Dies gilt nach Art. 35 Abs. 3 lit. c DS-GVO insbeson-
ter Berücksichtigung von Art. 5 Abs. 1 lit. c und e DS- dere bei einer systematischen umfangreichen
GVO – „Datenminimierung“ und „Speicherbegren- (ErwGr. 91: weiträumigen) Überwachung öffentlich
zung“ – sollte demnach grundsätzlich, wie bisher zugänglicher Bereiche. Zum Inhalt der Datenschutz-
auch, nach 48 Stunden eine Löschung erfolgen.

Videoüberwachung nach der Datenschutzgrundverordnung Stand: 17.12.2018 Seite 3


Folgenabschätzung wird auf das entsprechende
Kurzpapier Nr. 5 verwiesen.

Unsere Empfehlung:
Die formellen und materiellen Anforderungen für
den Einsatz einer Videoüberwachung werden mit
Inkrafttreten der DS-GVO im Vergleich zum BDSG
nicht abgesenkt werden. Sie bleiben vielmehr hoch
und nach wie vor komplex. Daher sollten sich Be-
treiber von Videoüberwachungsanlagen schon zum
jetzigen Zeitpunkt intensiv mit der neuen Rechtsla-
ge auseinandersetzen und prüfen, ob laufende Vi-
deoüberwachungen den geänderten Anforderun-
gen entsprechen und fortgesetzt werden können.
Dies betrifft insbesondere die gestiegenen Anforde-
rungen an die Transparenz und an die Gestaltung
der Datenverarbeitung.

In Zweifelsfällen hilft die Aufsichtsbehörde weiter.

**************************************
Anmerkung zur Nutzung dieses Kurzpapiers:

Dieses Kurzpapier darf – ohne Rückfrage bei einer


Aufsichtsbehörde – kommerziell und nicht kommer-
ziell genutzt, insbesondere vervielfältigt, ausge-
druckt, präsentiert, verändert, bearbeitet sowie an
Dritte übermittelt oder auch mit eigenen Daten und
Daten Anderer zusammengeführt und zu selbstän-
digen neuen Datensätzen verbunden werden, wenn
der folgende Quellenvermerk angebracht wird:
„Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehör-
den des Bundes und der Länder (Datenschutzkonfe-
renz). Datenlizenz Deutschland – Namensnennung –
Version 2.0 (www.govdata.de/dl-de/by-2-0).

Videoüberwachung nach der Datenschutzgrundverordnung Stand: 17.12.2018 Seite 4

Das könnte Ihnen auch gefallen