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Salvatore Lavecchia

Agathologie*
Denken als Wahrnehmung des Guten
oder:
Auf der Suche nach dem offenbarsten Geheimnis
Die Geschichte der europäischen Metaphysik ist durch eine
Orientierung auf das Eine geprägt, die eine tiefgreifende Ein-
wirkung auf die Gestaltung der philosophischen sowie theolo-
gischen Reflexion ausübte und noch heute ausübt. Ausgehend
von Platon soll hier eine Wendung in eine alternative Richtung
angeregt werden, durch die der philosophische Blick die eigene
Aufmerksamkeit und Wahrnehmung auf das Gute konzen-
trieren kann. Durch skizzenhafte Exkurse in die trinitarische
Theologie sowie in die moderne und zeitgenössische Reflexion
über das Ich möchte dieses Experiment eines agathologischen
Blicks implizit zeigen, wie manche wesentliche Fragen der phi-
losophischen bzw. theologischen Debatte in einem neuen Hori-
zont wirksam angegangen werden könnten.

Der Liebe gehts wie der Phil[osophie] – sie ist und soll allen –
Alles und jedes seyn. Liebe ist also das Ich – das Ideal jeder
Bestrebung.
(Novalis)

1. Philosophie als Erfahrung des Unableitbaren.


Über das Staunen1

In Platons Theaitetos imaginiert Sokrates Wesen und Wirken


des Staunens, des thaumázein (ϑαυµάζειν), das er als Urgrund

*
Die Termini Agathologie bzw. agathologisch werden nicht im Sinne der
Ethik bzw. der praktischen Philosophie verwendet, sondern möchten auf
einen protologischen und ontologischen Horizont hinweisen, in dem sich das
Gute als das vorrangigste Attribut vom Urgrund des Seins offenbart.
1
Ein erster Ansatz zu dieser Betrachtung über das Staunen befindet sich in:
Staunen-Fragen-Staunen, hrsg. v. Philosophicum-Basel, Basel 2011, 80.

Perspektiven der Philosophie (2012)


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und Anfang der Philosophie betrachtet: Thaumas, das Staunen,


zeugt Iris, die Botin der Götter (Theaet. 155 d1-5) – Iris, den
Regenbogen, der die Welt der Götter mit der Welt der Men-
schen verbindet. Auch für Aristoteles bestehen Urgrund und
Anfang der Philosophie im Staunen. Staunen wird vor Dingen
empfunden, die als ápora (ἄπορα), als ausweglos, als unerklär-
bar erlebt werden und im Menschen das Bewusstsein seines
Nicht-Wissens erwecken. Gegenstand des Staunens ist somit
etwas, für das der Betrachtende zunächst keinen Maßstab finden
kann, wie bei der Inkommensurabilität der Diagonale. Das Indi-
viduum, das diese Ausweglosigkeit, diese Aporie erlebt, strebt
nun danach, diesen aporetischen, ausweglosen Zustand zu über-
winden; und dieses Streben ist Philosophie: Streben nach der
sophía, nach jenem höchsten Wissen, das deswegen den Men-
schen mit dem Göttlichen verbindet, weil es ihn letztendlich zur
Erfahrung des höchsten Guten führt (Aristoteles, Metaphysik
982 a30-983 a20).
Der Anfang der Philosophie ist also eine fruchtbare Erfahrung
der Unableitbarkeit. Denn wir staunen, wenn wir ein Phänomen
erleben, das wir aus der Dimension nicht ableiten können, in der
wir uns gerade befinden; wir staunen nämlich, wenn wir vor
dem Nichts, vor dem Nicht-Wissen stehen, zunächst ohne Aus-
weg, in der Aporie. Philosophie ist das Wagnis, in die Leere
dieses Nichts zu schauen, bis dieses Nichts zu leuchten anfängt.
Staunen erweist sich durch dieses Wagnis nicht als beklemmen-
de Emotion, sondern als Ur-Sprung, der eine neue, höhere/tie-
fere Dimension des Lebens offenbart.
Gewiss wird die Erfahrung des Nicht-Wissens von vielen Phi-
losophen, meistens mit Blick auf Sokrates, noch heute als Ur-
grund der Philosophie betrachtet. Dabei hat man aber häufig den
Eindruck, dass Sokrates – mehr oder weniger bewusst – als Ur-
bild einer harmlosen intellektuellen Unverbindlichkeit bagatelli-
siert wird. Nicht-Wissen wird demzufolge nicht zur Begegnung
mit der Unableitbarkeit des höchsten Guten, die Sokrates zu
seinem mutigen, bewussten Sprung in den Tod bewegte. Nicht-

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Agathologie. Denken als Wahrnehmung des Guten 11

Wissen verkommt dagegen zur eingebildeten, hochmütigen


Angst einer ‚Philosophie‘, die nicht mehr den Sprung ins Unab-
leitbare wagen will, und deswegen stets um Stützen bei allen als
mächtig erscheinenden Instanzen bettelt. Dieser ‚Philosophie‘
kann nur das Schicksal begegnen, in unendliche ‚spezielle Phi-
losophien‘ zersplittert, zerbröckelt zu werden. Nur auf diese
Weise kann sie ihr tristes Dasein innerhalb des Schon-Da-
Seienden nach Nützlichkeitskriterien ableiten bzw. rechtferti-
gen. Zeigen die riesigen, sowohl akademischen wie außeraka-
demischen Erfolge derartiger ‚Philosophien‘ vielleicht nicht,
dass der ‚Philosoph‘ sehr gerne als unterwürfige, identitätslose,
rein dekorative, im besten Fall spektakuläre Präsenz wahrge-
nommen wird, die mehr oder weniger ausgeklügelte Argumente
für diese oder jene Innovation, für diese oder jene konfessionel-
le, politische, wirtschaftliche Entscheidung gleichsam maschi-
nenmäßig zu liefern hat? Zeigen jene Erfolge nicht, dass Philo-
sophie zu gerne als zerlumpte, harmlose, geschwätzige Dienerin
gesehen wird? Sie soll nicht mehr königlich zum Staunen füh-
ren; denn sie darf als staunenswert nur das philisterhaft erklären,
was ihr von dieser oder jener Macht mehr oder weniger char-
mant diktiert wird. Wie könnte sie sonst an jener Tötung des
echten Staunens mitwirken, durch die der Mensch zu einem
gleichgeschalteten, ableitbaren, und deswegen kontrollierbaren
post-humanen Angstbündel verwandelt werden soll?
Die folgende, sowohl historische als auch theoretische Skizze
versteht sich als Provokation gegen die unproduktive Ausweglo-
sigkeit, in die Philosophie gegenwärtig im Namen der Salonfä-
higkeit und der medialen Präsenz nur zu oft gerissen wird. Be-
wusst ist sie auf einen Horizont hin orientiert, den die meisten
Meinungsbildner als verzweifelt inaktuell bzw. unzeitgemäß
abstempeln würden. Jedenfalls will sie nicht – vor allem den
Meinungsbildnern – etwas beweisen – denn wie kann man das
Unableitbare beweisen? –, sondern einfach zu einem Experi-
ment einladen – es sei den Lesern überlassen, mit welcher Nu-
ancierung sie das Wort Experiment wahrnehmen wollen. Sie ist

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Einladung zum Experiment einer agathologischen Wende; zur


Wendung nach jenem im höchsten Sinne Unableitbaren, das
Sokrates in Platons Sonnengleichnis mit dem höchsten Guten
identifiziert (Platon, Politeia 507 a-509 c). Bei dieser Wende
geht es darum, nicht das Sein oder das Eine, sondern eben das
Gute als vorrangig wahrnehmen, und mithin das Licht und das
Schöne als Wahrheit von Ich und Welt entdecken zu wollen.
Dies geschieht in Hinblick auf eine zukünftige und zukunfts-
trächtige Philosophie, in der, auf einer Metamorphose von Den-
ken und Wahrnehmen fußend, Erkenntnis, Ethik und Ästhetik
wieder eine lebendige Einheit bilden werden.

2. Sich schenkend wie Sonnenlicht. Platons Agathologie2

Et forte inde quod lux est naturaliter sui generativa, est


eciam sui manifestativa, quia forte sui generativitas ipsa
manifestabilitas est.
(Robertus Grosseteste)

2.1 Das Gute als bedingungsloses Sich-Schenken

Wir sind durch eine lange philosophische Tradition gewöhnt,


das Gute vor allem als Ziel eines Strebens wahrzunehmen.
Demzufolge geschieht unsre Wahrnehmung des Guten in einer
Perspektive, die das Gute wie von außen her betrachtet, sein
Wesen ausgehend von unsrem Horizont gleichsam ableitend.
Aufgrund von Platons Philosophie soll im Folgenden hervorge-
hoben werden, dass eine solche Wahrnehmung des Guten nicht
für die einzige mögliche gehalten werden kann. Platon versucht
nämlich eine Erfahrung des Guten anzuregen, die das Gute aus-
gehend vom Guten selbst empfinden kann, dabei seine radikale
2
Die hier vorgeschlagenen Thesen zu Platons Agathologie erweitern und
vertiefen einige interpretatorische Ansätze, die ich in der folgenden Schrift
vorgestellt habe: S. Lavecchia, Oltre l’Uno ed i Molti. Bene ed Essere nella
filosofia di Platone, Milano/Udine 2010.

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Unableitbarkeit erlebend und somit die Perspektive der anderen,


soeben charakterisierten Art der Wahrnehmung umkehrend.
Die gerade angedeutete Unableitbarkeit des Guten versinn-
bildlicht Platon an einer Stelle des Timaios, die als wesentlich
für die Entwicklung der europäischen Philosophie zu betrachten
ist. Dort weist Platon auf den Grund der Tätigkeit hin, der den
kosmischen Handwerker (den Demiurgen) zur Schöpfung des
sichtbaren Weltalls bewegt: Jener göttliche Handwerker will
deswegen das sichtbare Weltall schaffen, weil er gut ist und sich
deshalb als vollkommen neidlos erweist; infolge seiner uneinge-
schränkten Neidlosigkeit will er, dass alle Dinge so tief wie
möglich an seinem Wesen teilhaben bzw. ihm ähnlich werden;
er will, knapp ausgedrückt, dass alle Dinge gut werden; so formt
er die sich in einem chaotischen Zustand befindende Materie zu
einer schönen Welt (Tim. 29 e-30 a).
In der soeben erörterten Perspektive offenbart sich das Gut-
Sein als bedingungsloser Impuls, als uneingeschränkter Wille
zur Selbst-Vermittlung, zum Sich-Selbst-Schenken. Dieses gute
Wollen impliziert die Produktion eines Abbilds, einer Ikone des
Gut-Seins – εἰκών ist nämlich dasjenige, was einem Vorbild
ähnlich ist (ἔοικε). Als Abbild des Gut-Seins kann diese Ikone
nur schön sein; denn es geziemt dem Gut-Seienden nicht, dass
es nicht etwas Schönes schaffe (vgl. Tim. 30 a6-7). Dieses
Schaffen des Schönen geschieht nun aber ohne Vorbedingung,
ohne Grund/Warum; es ist, in anderen Worten, vollkommen
unableitbar. Der Demiurg bildet den Kosmos nicht deswegen,
weil er den Kosmos braucht, oder weil er durch irgendeine logi-
sche bzw. ethische Instanz/Prämisse dazu getrieben wird, son-
dern aus einem absolut freien Wollen, das ihn zur neidlosen –
das heißt bedingungslosen – Vermittlung des Guten einem An-
deren bzw. zur Schöpfung von Schönheit führt. Gerade in die-
sem absolut freien, neidlosen Wollen des Schönen besteht also
das Gut-Sein.3
3
Zur Neidlosigkeit als wesenhafte Charakteristik des Gut-Seins in Platon vgl.

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2.2 Das Sonnengleichnis und das Gute als Idéa. Denken als
Wahrnehmung des offenbarsten Geheimnisses

Das Gut-Sein ist – wie gerade gesehen – bedingungsloses Sich-


Schenken, das sich durch die Hervorbringung von Schönheit
offenbart. Diese Eigenschaft des Gut-Seins, die in Bezug auf
den Demiurgen soeben charakterisiert wurde, wird in unendlich
gesteigertem Maße dem höchsten Guten inhärent sein müssen,
das Platon mit dem Urgrund aller Seienden bzw. mit dem Abso-
luten identifiziert. Das Absolute Platons ist also im eminentesten
Sinne diffusivum sui, sich-selbst-vermittelnd. Auf sehr wirksame
Weise versinnbildlicht Platon diese Charakteristik des Abso-
luten im Sonnengleichnis der Politeia (507 a-509 c), wo er das
Verhältnis des Guten zum Sein bzw. zu den Seienden illustriert.
Platon empfindet das Gute als analog der Sonne (Resp. 508
b13). Wie die Sonne sich zu den sichtbaren Dingen verhält, so
verhält sich das Gute zu den intelligiblen/noetischen/geistigen
Wesen bzw. zu jenen Wesen, die Gegenstand der höchsten Er-
kenntnis sind (Resp. 508 b13-c2). Das Wesen der Sonne kann
aber von der eigenen Offenbarung, Verströmung durch Licht
nicht getrennt werden. Die Sonne wäre also keine Sonne, wenn
sie nicht durch das Sich-Ergießen seines Lichts sichtbar wäre,
und wenn sie nicht allen Dingen durch die eigene Wärme Wer-
den, Wachstum und Nahrung schenken würde (Resp. 509 b2-4).
Ebenso wenig kann das Gute, obschon jede Seinsform über-

E. Milobenski, Der Neid in der griechischen Philosophie, Wiesbaden 1964,


27-58; S. Lavecchia, Una via che conduce al divino. La „homoiosis theo“
nella filosofia di Platone, Milano 2006, 249-252; Lavecchia (wie Anm. 2),
11-16. Zum wesenhaften Verhältnis des Guten zum Schönen vgl. Plat. Resp.
505 b3, 508 e4-6, 509 a6-7; Phil. 64 e5-8, 65 a1-5; dazu Crito 48 b7-9;
Charm. 160 e12-161 a1; Lys. 216 d2-3; Hipp. Mai. 295 b7-297 d1; Prot. 358
b5-6; Gorg. 475 a1-b2, 477 a1-4; Men. 77 b6-e4; Phdr. 246 e1; Alc. I 115 a1-
116 c6.

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Agathologie. Denken als Wahrnehmung des Guten 15

ragend (Resp. 509 b 6-10),4 von der eigenen Kraft der Selbst-
Offenbarung als Urgrund des Seins getrennt werden. Das Gute
wäre also nicht das Gute, wenn es sich nicht durch das eigene
geistige Licht sichtbar/erkennbar machen würde.
Das Gute ist insofern das Gute, als es sich selbst bedingungs-
los in die Sichtbarkeit der eigenen Idéa, des eigenen Gesichts
ergießt – ἰδέα ist das, was von einem Wesen gesehen wird
(ἰδεῖν), sein Aussehen, seine Gestalt. Demzufolge besteht das
Gute in der eigenen unmittelbaren Offenbarung als Urbild alles
Seienden bzw. in der Unverborgenheit, in der vollkommen er-
kennbaren Wahrheit der eigenen Ikone. Das Gute erweist sich
somit als sich bedingungslos verströmende Kraft der Selbst-
Verbildlichung:5 Kraft, die einem Anderen die eigene Absolut-
heit schenken will. Vor diesem Hintergrund wird es verständ-
lich, warum Platon im Sonnengleichnis das Licht der Sonne mit
Sein und Wahrheit gleichsetzt (Resp. 508 d4-6 und 508 e6-509
a2). Das Sein ist eben die bedingungslose Unverborgenheit/
Sichtbarkeit, die ἀλήϑεια des Guten!6 So wird auch verständ-

4
Zur Transzendenz des Guten im Sonnengleichnis vgl. Th. A. Szlezák, Die
Idee des Guten in Platons Politeia. Beobachtungen zu den mittleren Büchern,
St. Augustin!2003, 124-126.
5
In diesem Horizont offenbaren sich jene Interpretationen von Platons Philo-
sophie als nicht gerechtfertigt, die von einer vermeintlichen Bilderfeindlich-
keit Platons ausgehen. Denn das Gute besteht in der bedingungslosen Selbst-
offenbarung durch ein Bild, durch eine Ikone (εἰκών). Zum ikonopoietischen
Aspekt des Guten vgl. Lavecchia (wie Anm. 2), 11-16, 78-80. Zum metaphy-
sischen Hintergrund von Platons εἰκών-Begriff vgl. Lavecchia (wie Anm. 3),
199-202; M. Bontempi, L’icona e la città. Il lessico della misura nei dialoghi
di Platone, Milano 2009, 197-224 passim.
6
Diese Sichtbarkeit des Guten erklärt den Grund, warum die Metaphorik des
Sehens in Platons Schriften eine zentrale Funktion im Bereich der Erkenntnis
annimmt. Vgl. L. Paquet, Platon. La médiation du regard,! Leiden 1973; L.
M. Napolitano Valditara, Lo sguardo nel buio. Metafore visive e forme
greco-antiche della razionalità, Roma-Bari 1994; dies., Platone e le ‚ragioni‘
dell’immagine. Percorsi filosofici e deviazioni tra metafore e miti, Mila"#!
2007, passim.

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lich, warum für Platon Sein und Erkennbarkeit untrennbar sind


(vgl. z. B. Resp. 477 a3): Durch seine bedingungslose Unver-
borgenheit, durch sein uneingeschränktes Sich-Schenken be-
gründet das Gute die vollkommene Erkennbarkeit des Seins
bzw. jede Form der Erkenntnis und der Erkennbarkeit (Resp.
508 e-509 b7) .
In der soeben hervorgehobenen Perspektive kann ein scheinba-
rer Widerspruch in Platons Charakterisierung des Guten auf die
fruchtbarste Art und Weise erklärt werden. Denn in der genann-
ten Perspektive ist es verständlich, warum Platon in der Politeia
das Gute einerseits als jenseits der Seiendheit (ἐπέκεινα τῆς
οὐσίας Resp. 509 b9), andererseits als das höchste Seiende
(Resp. 518 c9-10; 526 e3-4; 532 c5-6) bzw. als die höchste Idea
charakterisieren kann. 7 Das seinstranszendente Absolute wird
von Platon nämlich gerade deswegen als das Gute wahrgenom-
men, weil es unmittelbar als Idea, als bedingungslose Selbst-
Offenbarung in der eigenen Sichtbarkeit west. 8 Mit anderen
Worten: Gerade deswegen ist das seinsüberragende Absolute
das Gute, weil es als unmittelbare, bedingungslose Selbst-Er-
gießung in die eigene Ikone bzw. als coincidentia in alteritate
mit der eigenen Idea9 besteht. So kann es uns nicht überraschen,
wenn das Gute in Resp. 518 c9 als das sichtbarste/leuchtendste

7
Für weitere Vertiefungen über diesen Punkt vgl. S. Lavecchia, ἰδέα τοῦ
ἀγαϑοῦ – ἀγαϑὸν ἐπέκεινα τῆς οὐσίας Überlegungen zu einer platonischen
Antinomie, in: Bochumer Philosophisches Jahrbuch für Antike und Mittel-
alter 10 (2005), 1-20; Lavecchia (wie Anm. 2), 43-55.
8
Hiermit verliert Platons Ideenbegriff die Abstraktheit, die mit ihm oft ver-
bunden wird. Wenn das Urbild jeder Idea die Selbst-Manifestation des Guten
ist, dann wird jede Idea das eminent Manifestative, das Neidlose des Guten
nachbilden. So offenbaren sich Platons Ideen als produktive Wesenheiten, die
sich, wie das Gute, durch Selbst-Verbildlichung manifestieren wollen. Über
dieses Thema vgl. Lavecchia (wie Anm. 3), 116-117, 216-222, 225-231, 278-
279, 286 (mit weiterführender Bibliographie); Lavecchia (wie Anm. 2), 13-
15.
9
Diesen Ausdruck verdanke ich Michele Abbate.

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Seiende (τοῦ ὄντος τὸ φανότατον), als das offenkundigste Phä-


nomen charakterisiert wird. Seinsüberragend seinsimmanent,
manifestiert sich das Gute mithin als das offenbarste Geheimnis.
Denn es wäre nicht absolut neidlos, uneingeschränkt diffusivum
sui, wenn etwas in ihm verborgen bliebe.
Das Gute ist ein eminent relationales Absolutes, das sich – wie
wir gesehen haben – bedingungslos manifestieren und dadurch
erkennbar/sichtbar machen will. In diesem Horizont verliert
allen Sinn jegliche Interpretation von Platons Philosophie, die
einen Dualismus zwischen Absoluten bzw. Idee und Manifesta-
tion voraussetzt. Die Manifestation ist an sich nämlich nicht
vom Absoluten durch einen unüberbrückbaren Abgrund ge-
trennt; denn für Platon geschieht das Absolute als Selbst-Offen-
barung, die sich wiederum zum vollkommenen Bewusstsein des
eigenen Urgrundes bzw. der eigenen absoluten Identität erheben
kann. Auf das reale Geschehen dieses Bewusstseins bzw. auf die
paradoxe Kontinuität in der Diskontinuität zwischen dem Abso-
luten und seiner Manifestation verweist Platons Sonnengleich-
nis – wie wir gleich sehen werden – durch seine Andeutung auf
die Licht-Substanz des Sehens bzw. des Auges.
Nach dem Sonnengleichnis bildet sich die Kraft des Auges –
des sonnenhaftesten unter den Sinnesorganen (Resp. 508 b3) –
durch das Fließen des Sonnenlichts aus der Sonne (508 b3-7;
vgl. 507 d11-508 b2). Ausgehend von der Analogie des Sehens
mit dem Erkennen, die das Sonnengleichnis prägt (508 c4-d9) –
die aber von Platon nicht vollkommen expliziert wird –, konsti-
tuiert die Selbst-Ergießung des Guten ein Organ bzw. ein Sub-
jekt, das die Erkenntnis des Guten verwirklichen bzw. zum voll-
kommenen Bewusstsein des eigenen Wesens-Lichts gelangen
kann. Wie das Sonnenlicht nicht nur die Sichtbarkeit der Dinge,
sondern auch die Kraft spendet, die das Sehen konstituiert, so
spendet die Offenbarung des Guten nicht nur die Unverborgen-
heit/Wahrheit des Seins, sondern auch das Wissen, die ἐπι-
στήµη/γνῶϑις von jener Unverborgenheit, und die Tätigkeit,

Perspektiven der Philosophie (2012)


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die dieses Wissen verwirklicht (508 e1-509 a8). Und wie das
Auge im Bereich des Sichtbaren als Subjekt des Sehens zu be-
trachten ist, so ist der Intellekt, der νοῦς im Bereich des Noeti-
schen/Geistigen das Subjekt der Tätigkeit, die das Gute wahr-
nehmen kann (508 b13-c2). Diese Tätigkeit ist nichts anderes als
das intuitive Denken – die νόησις – , das sein Subjekt zum vor-
aus-setzungslosen/unableitbaren Urgrund aller Seienden – zur
ἀνυπόϑετον ἀρχὴν (510 b4-10, 511 b6-7) – bzw. zur direkten
Begegnung mit dem offenbarsten Geheimnis des Guten führt.
Wie das Auge und das Sehen ein Zentrum konstituieren, wo
das sich ergießende Sonnenlicht sich selbst wahrnimmt, so bil-
den der Intellekt und das Denken – seine Tätigkeit – auch ein
Zentrum, wo die Offenbarung des Guten zur Selbst-Wahrneh-
mung bzw. zum Selbst-Bewusstsein gelangt. Vor diesem Hinter-
grund manifestiert sich das Denken in seinem wahren Wesen
nicht als abstrahierende, verstandesmäßige Tätigkeit, die sein
Subjekt vom Seinsgrund bzw. von den anderen Seienden trennt,
die Spaltung von Subjekt und Objekt setzend. Denken ist hier
nämlich die vollkommen selbstbewusste Wahrnehmung, die jene
Spaltung überwindet: Weil das Gute sich bedingungslos in die
eigene Manifestation ergießt und hiermit entäußert, so kann sich
die Unverborgenheit des Guten als innerster Kern eines Be-
wusstseins im Denken ergreifen. Anders ausgedrückt: Innen und
Außen bilden in diesem Horizont die lebendige, absolute Einheit
von Offenbarung und Geheimnis, wo das Absolute sich unvor-
denkbar/unableitbar, uneingeschränkt als sich-selbst-ergreifende
Licht eines absoluten Bewusstseins schenkt. Nun besteht Den-
ken gerade in der unmittelbaren, vollkommen bewussten Selbst-
Wahrnehmung dieses Lichtes, das jenseits der Polarität von Sub-
jekt und Objekt schöpferisch schwebt, wie das Sonnenlicht jen-
seits der Relation von Sehendem und Gesehenem webt (vgl.
Resp. 507 d11-508 a3). In seinem Wesen ist Denken, anders
gesagt, individualisiertes Bewusstsein der coincidentia in alteri-
tate, die das Absolute mit seiner Manifestation eint: Selbst-

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Agathologie. Denken als Wahrnehmung des Guten 19

Ergreifung jener unvordenkbaren Schönheit des Guten (ἀµήχα-


νον κάλλος Resp. 509 a6), die das Gute als Ikone seiner Abso-
lutheit, als seine absolute Idea unmittelbar/uneingeschränkt ver-
bildlicht, und die allein durch das eigene Licht ergriffen werden
kann. Als Urbild alles wahrheitsgemäßen Denkens erweist sich
somit das absolute, eminent seinsbildende Selbst-Bewusstsein,
das die Idea des Guten als Anfang aller Seienden offenbart.

2.3 Das Gute als Nicht-Dualität des Einen und des Nicht-
Einen. Zum gemeinsamen Ursprung von Individualität
und Gemeinschaft

Wie die Sonne nicht nur Sichtbarkeit und Sehen, sondern auch
Werden, Wachsen und Nahrung spendet, so spendet das Gute
nicht nur Erkennbarkeit und Erkenntnis, sondern auch Sein und
Seiendheit (τὸ εἶναί τε καὶ τὴν ο ὐσίαν Resp. 509 b7-8), sich
somit als seinstranszendent erweisend (ἐπέκεινα τ ῆς ο ὐσίας
509 b9). Lässt sich nun im Sonnengleichnis eine Ebene finden,
die auf die seinstranszendente Hervorbringung des Seins vonsei-
ten des Guten hindeutet?
Im Sonnengleichnis werden, wie Sokrates explizit sagt, viele
Dinge beiseite gelassen (Resp. 509 c7 συχνά γε ἀπολείπω). So
ist das Gleichnis einerseits durch die Präsenz des Lichtes, ande-
rerseits durch die vollkommene Absenz jedes Hinweises auf die
Wärme geprägt. Ist aber doch eben die Wärme dasjenige, was
auf eine seinstranszendente Charakteristik des Guten und seiner
Kraft hindeuten könnte, die sich als unvordenkbare Wurzel des
Seins offenbart? Der Bereich des Seins wird nämlich im Gleich-
nis mit dem Bereich des Lichts gleichgesetzt (508 d4-5), so dass
der Bereich der Wärme notwendigerweise mit einer Ebene
gleichzusetzen ist, die sich jenseits des Seins befindet. Wenn
nun das Licht die Offenbarung der manifestativen Kraft des Gu-
ten versinnbildlicht, die sich zu den verschiedenen Seinsformen

Perspektiven der Philosophie (2012)


20 Salvatore Lavecchia

gestaltet, dann könnte die Wärme uns auf die Quelle jener Kraft
bzw. – bildhaft ausgedrückt – auf das Sonnenhafte jenseits des
Lichts verweisen: Auf den Un-Grund jenes bedingungslosen
Sich-Schenken-Wollens, in dem das diffusivum sui des Guten
besteht. Wärme wäre also jenes eminent unableitbare Wollen,
vor und jenseits seiner Verdichtung als Lichtpunkt, der sich un-
mittelbar als unendliche Sphäre des Seins offenbart. Dieses
Wollen ohne Warum, eminent nicht-kausal, geschieht jenseits
jeder bestimmten Relation zwischen dem Absoluten und seiner
Manifestation; denn eine solche Relation würde dieses Wollen
bedingen. Gerade diese absolute Freiheit macht aber dieses
Wollen zur Substanz jener urbildhaften, seinsbegründenden,
metarelationalen Relationalität, in der das Gute besteht. Wärme
kann innerhalb des Sonnengleichnisses die soeben angedeutete
Relationalität deswegen versinnbildlichen, weil sie sich als das
Ur-Verbindende offenbart. Während Licht jenes Unterscheiden-
de/Individualisierende, jenes Selbst-Bewusste versinnbildlicht,
das die Autonomie des Seins und der Seienden manifestiert,
kann Wärme als analog mit jenem Gemeinschaftsbildenden be-
trachtet werden, das in Platons Perspektive das Sein als Ikone
der ontopoietischen Relationalität des Guten offenbart, alle Sei-
ende durch eine allumfassende Allverwandtschaft verbindend.10
Das Absolute, dessen bedingungsloser Wille zum Sich-Schen-
ken durch die Analogie mit der Wärme versinnbildlicht wird,
weilt nicht im Verborgenen, in einer einseitigen Transzendenz.
Als uneingeschränktes Sich-Schenken-Wollen, als das Gute an
sich, ereignet sich dieses eminent relationale Absolute in der
Untrennbarkeit vom Bestehen eines Anderen, für das die Abso-
lutheit seines Sich-Schenkens geschieht. Dieses Andere ist aber
wiederum das bedingungslos offenbare Gute, die Idea, die un-
eingeschränkt erkennbare Ikone des Guten: Die Ur-Manifesta-
tion, die in der unmittelbaren, bedingungslosen Ur-Gemein-

10
Zur Allverwandtschaft in Platons Philosophie vgl. Lavecchia (wie Anm.
3), 225-231 (mit weiterführender Bibliographie).

Perspektiven der Philosophie (2012)


Agathologie. Denken als Wahrnehmung des Guten 21

schaft mit dem Absoluten west. So impliziert die Neidlosigkeit


des Guten, bzw. sein radikaler Wille zur Unverborgenheit, ei-
nerseits seine absolute Selbst-Entäußerung, in der das Andere
den eigenen Grund findet, andererseits die coincidentia in alte-
ritate, die innigste Gemeinschaft des Guten mit jenem Anderen.
Das Gute geschieht demnach als unvordenkbare/unableitbare
Koinzidenz der radikalsten Selbst-Affirmation bzw. Individuali-
tät mit der radikalsten Selbst-Negation bzw. Offenheit für ein
Anderes, dabei alle Affirmation/Identität bzw. Negation/Anders-
heit transzendierend. Das Gute besteht also in der Koinzidenz
des absoluten Einen mit dem absoluten Nicht-Einen, beide so-
wie deren Koinzidenz überragend. Würde das Gute alle Affir-
mation/Negation bzw. das Eine/Nicht-Eine nicht überragen,
dann bliebe seine Offenbarung entweder durch die Selbst-Ne-
gation bzw. durch die Nicht-Einheit des Guten mit sich selbst
oder durch die Selbst-Affirmation bzw. durch die Einheit des
Guten mit sich selbst bedingt/beschränkt. Sie wäre hiermit nicht
absolut, das heißt sie könnte nicht zum Grund eines Anderen
werden, das die bedingungslose Offenbarung des Guten in ihrer
Bedingungslosigkeit verwirklichen könnte.
Das absolute Sich-Schenken-Wollen des Guten impliziert, in
summa, eine metarelationale Nicht-Dualität – weder Einheit/
Koinzidenz/Identität noch Vielheit/Unterscheidung/Andersheit –
vom Prinzip der Einheit mit dem Prinzip der Vielheit im Guten.
Beide finden im Guten den eigenen Un-Grund, jenseits aller
reziproken Relation bzw. aller Hierarchie, das heißt jenseits je-
des Monismus bzw. Dualismus. Denn hier ist Ur-Einheit die
absolute, unableitbare Selbst-Bestimmtheit, die bedingungslose
Freiheit des Guten, durch die das Gute notwendigerweise auch
frei von sich selbst bzw. von jeglicher Identität ist, sich selbst
ohne Warum entäußernd bzw. negierend. Ur-Einheit ist somit
die Koinzidenz von Identität und Differenz im Guten, die sich
unmittelbar und uneingeschränkt als ontopoietische Überfülle
bzw. als Ur-Vielheit ereignet.

Perspektiven der Philosophie (2012)


22 Salvatore Lavecchia

Allein in dieser agathologischen Perspektive wird es wirklich


verständlich, warum die Testimonia zu den ἄγραφα δ όγµατα
auf zwei seinstranszendente Prinzipien, auf das Eine (Prinzip der
Einheit) und auf die Unbestimmte Zweiheit (Prinzip der Viel-
heit) hindeuten. 11 Denn aufgrund des bedingungslosen Sich-
Schenken-Wollens des Guten offenbaren sich beide Prinzipien
als gleich ursprünglich, als durch das Gute im Guten selbst
gleichrangig gesetzt. Sie offenbaren sich, anders gesagt, als ur-
bildhafte coincidentia oppositorum,12 während das Gute selbst
diese coincidentia oppositorum überragt.13 Bedingungslos sich-
schenkend, geschieht das Gute nämlich jenseits allen Wider-
spruchs bzw. jenseits aller Bestimmung durch einen Gegensatz,

11
Hier können die zahlreichen Interpretationen von Platons Prinzipienphilo-
sophie nicht erörtert werden. Für eine erste Einführung sowie für weiterfüh-
rende Bibliographie vgl. H. J. Krämer, Arete bei Platon und Aristoteles. Zum
Wesen und zur Geschichte der platonischen Ontologie, Heidelberg 1959
[Amsterdam 19672]; K. Gaiser, Platons ungeschriebene Lehre. Studien zur
geschichtlichen und systematischen Begründung der Wissenschaften in der
Platonischen Schule, Stuttgart 19682; V. Hösle, Wahrheit und Geschichte.
Studien zur Struktur der Philosophiegeschichte unter paradigmatischer Ana-
lyse der Entwicklung von Parmenides bis Platon, Stuttgart/Bad Cannstatt
1984, 459-506; J. Halfwassen, Monismus und Dualismus in Platons Prinzi-
pienlehre, in: Bochumer Philosophisches Jahrbuch für Antike und Mittelalter
2 (1997), 1-21; H. J. Krämer, Platone e i fondamenti della metafisica, Milano
20016 (1982); G. Reale, Per una nuova interpretazione di Platone, Milano
200321 (19841); M. Erler, Platon, in: Grundriss der Geschichte der!Philoso-
phie, begründet von F. Ueberweg, Die Philosophie der Antike, hrsg. von H.
Flashar, Band 2/2, Basel 2007, 406-429 und 703-707. Für eine Sammlung der
Testimonia zu Platons Prinzipienphilosophie mit deutscher Übersetzung vgl.
Gaiser, 441-547; eine ausführlichere Sammlung, mit französischer Überset-
zung, befindet sich in: M. D. Richard, L’enseignement oral de Platon, Paris
1986.
12
Vgl. Gaiser (wie Anm. 11), 13 und 200; Hösle (wie Anm. 11), 480-490.
13
Vgl. H. M. Baumgartner, Von der Möglichkeit, das Agathon als Prinzip zu
denken. Versuch einer transzendentalen Interpretation zu Politeia 509b, in:
K. Flasch (Hrsg.), Parousia. Studien zur Philosophie Platons und zur Pro-
blemgeschichte des Platonismus. Festgabe für J. Hirschberger, Frankfurt am
Main 1965, 89-101, bes. 99.

Perspektiven der Philosophie (2012)


Agathologie. Denken als Wahrnehmung des Guten 23

durch ein Kontradiktorisches. Sonst würde es sich nicht jenseits


aller Bedingung befinden und wäre deshalb durch einen Grund
zur eigenen Offenbarung bzw. zum Schaffen des Seins be-
stimmt. Dagegen ereignet sich das Gute als Seins-Grund ohne
Grund, vollkommen unableitbar.
Ausgehend von seiner Indifferenz, von seiner absoluten Frei-
heit der Seinsgründung bzw. dem Prinzip-Sein14 gegenüber kann
sich das Gute uneingeschränkt als nicht-duales (-duale) Prin-
zip(ien) des Seins offenbaren, der eigenen Offenbarung auch
Absolutheit bzw. absolute Autonomie, Freiheit und Individuali-
tät schenkend. So erweist sich die absolute Bedingungslosig-
keit/Freiheit in Bezug auf das Gute nicht als solipsistischer,
gleichsam tyrannischer Impuls zur uneingeschränkten Selbst-
Behauptung. Ein solcher Impuls würde nämlich ein Bewusstsein
charakterisieren, das nicht frei von sich selbst wäre. Das Gute
Platons geschieht dagegen, unmittelbar und bedingungslos, als
eminent gemeinschaftsbildende Absolutheit; als Gemeinschaft
mit einem Anderen, das durch die eigene, ihm vom Absoluten
geschenkte absolute Individualität die Idea, die absolute Unver-
borgenheit des Guten offenbaren kann.

2.4 Platon als Urheber der Metaphysik des Einen?

In einigen wichtigen Quellen zu Platons Prinzipienphilosophie –


z. B. bei Aristoteles und Aristoxenos – wird die Identität des
höchsten Guten mit dem höchsten Einen behauptet bzw. voraus-
gesetzt. 15 Nicht unbedingt widersprechen diese Quellen dem

14
Zu diesen Aspekt des Guten vgl. Bontempi (wie Anm. 4), 91; Lavecchia
(wie Anm. 2), 59-62.
15
Vgl. zum Beispiel Aristot. Met. N 4, 1091 b13-15 (Test. 51 Gaiser, 65
Richard); Eth. Eud. I8, 1218 a15-33 (Test. 79 Richard); siehe auch Met. A6,
988 a14-15 (Test. 22A Gaiser, 34 Richard); Λ10, 1075 a33-37; 1084 a35
(Test. 61 Gaiser, 58 Richard); Aristoxen. Harm. II, 39-40 Da Rios (Test. 7
Gaiser, 1 Richard). Die Identität des Guten mit dem Einen wird auch in Pla-

Perspektiven der Philosophie (2012)


24 Salvatore Lavecchia

bisher skizzierten Bild von Platons Prinzipienphilosophie. Die


genannte Identität impliziert nämlich nicht, dass das Gute sich
im Einen erschöpft bzw. dass es als deckungsgleich/koinzident/
kongruent/zusammenfallend mit dem Einen zu empfinden wäre.
Denn aufgrund seiner uneingeschränkten Neidlosigkeit (Plat.
Tim. 29 e-30 a6) bzw. gemeinschaftsbildenden Relationalität of-
fenbart sich das Gute als auch dem absoluten Einen gegenüber
transzendent.16
Würde das Gute nicht über das absolute Eine hinausragen –
wäre es mit ihm koinzident –, dann wäre die Relationalität im
Guten nicht vorrangig. Das Gute wäre demzufolge das so ge-
nannte Eine-Eine der ersten Hypothese von Platons Parmenides
(137 c4-142 a8), wie von den späteren Platonikern angenom-
men. Das würde aber die Unmöglichkeit implizieren, ausgehend
vom Guten das Sein auf eine befriedigende Art und Weise zu
explizieren. Das Eine-Eine kann nämlich nur sich selbst bzw.
die Konnotation der Einheit implizieren, dabei alle Vielheit bzw.
alle Formen der Relation – z. B. Identität bzw. Differenz wie
auch Gleichheit bzw. Ungleichheit (Parm. 139 b4-140 d) – so-
wie alles Sein (Parm. 141 d7-e) ausschließend. So steht dieses
absolut arelationale Eine-Eine eigentlich im radikalsten Wider-
spruch zum Absoluten, das Platon einerseits als vollkommen
transzendent (Resp. 509 b9), andererseits aber als koinzident mit
dem höchsten Guten, und mithin als eminent relational emp-
findet.
Die Transzendenz des Guten ist deshalb eine absolute, weil
das Gute die eigene untranszendierbare, absolute Einheit unmit-
telbar und bedingungslos negieren kann/will. Für das Eine-Eine
ist es – im Gegensatz zum Guten – unmöglich, die Einheit zu
negieren, das heißt sich jenseits des Einen als Un-Grund eines
Anderen zu offenbaren. Die genannte unmögliche Negation im-

tons Schriften vorausgesetzt: Vgl. Krämer, Arete (wie Anm. 11), 471-478.
16
Vgl. Baumgartner (wie Anm. 13), 98-99. Auffallenderweise findet Plat.
Tim. 29 e-30 a6 in Baumgartners Betrachtungen keine Beachtung.

Perspektiven der Philosophie (2012)


Agathologie. Denken als Wahrnehmung des Guten 25

pliziert nun ja eine paradoxe Selbst-Negation, das heißt eine


Negation des Einen – das Eine-Eine darf letztendlich nicht ein-
mal als das Eine betrachtet werden (Parm. 141 e9 ff.). Eine sol-
che Selbst-Negation ist aber mehr eine Selbst-Auflösung des
Einen-Einen durch die eigene Gefangenschaft in sich selbst als
jene eminent produktive Transzendenz, die in Platons Perspekti-
ve mit dem Guten zu verbinden ist. So wird es verständlich,
warum die Möglichkeit, dass es sich mit dem Einen so verhält,
am Ende der ersten Hypothese vom Parmenides energisch ne-
giert17 und ein neuer Anfang angeregt wird (πάλιν ἐξ ἀρχῆς
ἐπανέλϑωµεν… 142 b1-2), der zur Manifestation (φανῇ 142
b2) von etwas Andersartigem (ἀλλοῖον ebd.) leiten soll.
Ausgehend vom arelationalen Einen-Einen kann allein das Ei-
ne-Eine selbst bzw. seine Selbst-Auflösung in eine unfruchtbare
Kontradiktion deduziert werden. Dies scheint Platon durch die
erste Hypothese des Parmenides zeigen zu wollen.18 Denn das
Eine-Eine ist nicht deshalb kontradiktorisch, weil es, wie das
Gute, der Kontradiktion gegenüber bedingungslos offen ist, so-
mit alle Kontradiktion transzendierend. Das Eine-Eine ist näm-
lich kontradiktorisch, weil es, ohne ihr widersprechen zu kön-
nen, unmittelbar die Kontradiktion erleiden muss, die sich aus

17
Dies weist deutlich darauf hin, dass die Implikationen der ersten Hypothese
im Horizont von Platons Denken als unakzeptabel betrachtet werden sollen.
Vgl. E. Berti, Struttura e significato del Parmenide di Platone, in: Giornale di
Metafisica 26 (1971), 495-527 (=Id., Studi aristotelici, L’Aquila 1975, 297-
327); M. Migliori, Dialettica e verità. Commentario filosofico al ‚Parmenide‘
di Platone, Milano 1990, 218-222; Krämer, Platone (wie Anm. 11), 200-202;
Lavecchia (wie Anm. 2), 17-20.
18
Die Interpretationen, die in der ersten Hypothese des Parmenides die In-
szenierung einer Kontradiktion sehen, sind gerechtfertigt – zu dieser Position
vgl. jetzt A. Coltelluccio, Dialettica aporetica. Il Parmenide di Platone nella
dialettica hegeliana, Saonara 2010, 37-80, mit weiterführender Bibliographie.
Sie erweisen sich aber als philologisch unbegründbar – und deswegen als
unstimmig – in jenen Fällen, wo die Interpreten der Negation der Implikatio-
nen von dieser Hypothese nicht die angemessene Bedeutung zukommen
lassen.

Perspektiven der Philosophie (2012)


26 Salvatore Lavecchia

der Exklusivität seiner Einheit ergibt. Sein Selbst-Widerspruch


offenbart sich somit als unecht, und folglich als sich selbst auf-
lösend. Denn wahrer Widerspruch ist derjenige, dem widerspro-
chen werden kann. Dieser Widerspruch ist unnotwendig/unab-
leitbar, radikal frei gesetzt, grund-los und un-begründbar, wie
derjenige, durch den das höchste Gute sich offenbart, sich selbst
in den Un-Grund des Seins bedingungslos entäußernd. Dieser
Widerspruch deutet auf absolute Transzendenz hin: Auf die
eminent ontopoietische Transzendenz eines Über-Bewusstseins,
dessen absolutes Ich sich bedingungslos als Wollen einer Welt
offenbart, in der ein anderes absolutes Ich das eigene Licht voll-
kommen neidlos schenken kann.
Die Transzendenz des Guten ist diejenige eines seinstranszen-
denten, jedoch zugleich vollkommen seins-offenen Einen – das
Eine der zweiten Hypothese vom Parmenides (vgl. Parm. 143
b1-6) –, das wegen der eigenen Bedingungslosigkeit, in sich
selbst die Ur-Kontradiktion absolut frei setzend, die absolute
Einheit bzw. sich selbst überragt, uneingeschränkt als Licht des
Seins bzw. als Gemeinschaft mit einem Anderen wesend. Dage-
gen verhält sich die Ausschließlichkeit des Einen-Einen wie eine
scheinbare Transzendenz, wo das Wesen eines Anderen deswe-
gen unmöglich ist, weil das genannte Eine sich selbst nicht
transzendieren kann. Nun wurde gerade diese ohnmächtige bzw.
solipsistische Transzendenz in der Platon-Rezeption als hervor-
zuhebende, vorrangige Charakteristik des Absoluten empfun-
den, auf das Platons Prinzipienphilosophie hinweisen will. Aus-
gehend von der ersten Hypothese des Parmenides wurde Platons
Agathologie somit allmählich zu einer Henologie bzw. zu jener
Metaphysik des Einen verwandelt, die so lange und tiefgreifend
die europäische Philosophie beeinflussen sollte und bis heute
noch so stark beeinflusst.
Sehr früh – wahrscheinlich schon von Speusipp19 – wurde die

19
Vgl. J. Halfwassen, Speusipp und die metaphysische Deutung von Platons
„Parmenides“, in: L. Hagemann-R. Glei (Hrsg.), ΕΝ ΚΑΙ ΠΛΗΘΟΣ-Einheit

Perspektiven der Philosophie (2012)


Agathologie. Denken als Wahrnehmung des Guten 27

erste Hypothese des Parmenides, der Unzweideutigkeit ihres


Schlusses zum Trotz, als Hinweis auf die radikale Transzendenz
des Absoluten interpretiert. Diese Interpretation wird die ganze
Geschichte des Platonismus prägen, so dass das Eine-Eine des
Parmenides entweder als deckungsgleich mit dem Guten der
Politeia – wie es urbildhaft in Plotins und Proklos’ Prinzipien-
philosophien geschieht20 – oder als überragend dem Guten ge-
genüber – wie, wahrscheinlich, schon in Speusipp21 – betrachtet
werden wird. Die erste Hypothese des Parmenides wird also als
Grundstein einer Metaphysik des Einen begriffen, die zu einer
immer stärkeren Überbetonung der Transzendenz vom Prinzip
und, urbildhaft im späten Neuplatonismus, zu einer immer kon-
sequenteren Mystik des Schweigens führen wird.22 Diese An-

und Vielheit. Festschrift für K. Bormann, Würzburg/Altenberge 1993, 339-


373.
20
Vgl. W. Beierwaltes, Das Eine als Norm des Lebens. Zum metaphysischen
Grund neuplatonischer Lebensform, in: Th. Kobusch, M. Erler, I. Männlein
Robert (Hrsg.), Metaphysik und Religion. Zur Signatur des spätantiken Den-
kens, München 2002, 121-151 (=ders., Procliana. Spätantikes Denken und
seine Spuren, Frankfurt am Main 2007, 25-60); ders., Proklos’ Begriff des
Guten aus der Perspektive seiner Platon-Deutung, in: A. Kijewska (Hrsg.),
Being or Good? Metamorphoses of Neoplatonism, Lublin 2004, 99-120
(=ders., Procliana, 85-108); Ch. Tornau, Der Eros und das Gute bei Plotin
und Proklos, in: M. Perkams, R.M. Piccione (Hrsg.), Proklos. Methode, See-
lenlehre, Metaphysik, Boston-Leiden 2006, 201-229; D. Cürsgen, Henologie
und Ontologie. Die metaphysische Prinzipienlehre des späten Neuplatonis-
mus, Würzburg 2007, 53-57.
21
Vgl. L. Tarán, Speusippos of Athen. A Critical Study with a Collection of
the Related Texts and Commentary, Leiden 1981, 41-44, 51-52, 58, 105-106
(Anm. 466); A. Metry, Speusippos. Zahl-Erkenntnis-Sein, Bern 2002.
22
Betreffend diese Entwicklung vgl. A. Linguiti, L’ultimo Platonismo greco.
Principi e conoscenza, Firenze 1990, 35-43, 63-73; C. Steel, The One and the
Good. Some Reflections on a Neoplatonic Identification, in: A. Vanderjagt,
D. Pätzold (Hrsg.), The Neoplatonic Tradition. Jewish, Christian, and Islamic
Themes, Köln 1991, 9-25; M. Abbate, Il divino tra unità e molteplicità. Sag-
gio sulla Teologia Platonica di Proclo, Alessandria 2008, 179-183 und 201-
204; ders., Parmenide e i neoplatonici. Dall’Essere all’Uno e al di là dell’
Uno, Alessandria 2010, 257-284 passim.

Perspektiven der Philosophie (2012)


28 Salvatore Lavecchia

sicht ist aber als Frucht einer Akzentverschiebung, wenn nicht


eines Missverständnisses Platons Intentionen gegenüber zu be-
trachten. Denn eher als eine Henologie scheint Platons Prinzi-
pienphilosophie eine befriedigende Deduktion des Seins im
Blick zu haben, was die Andeutung der indirekten Überlieferung
auf die protologische Nicht-Dualität des Einen und der Unbe-
stimmten Zweiheit sowie die agathologische Prägung des Abso-
luten in den Dialogen erklärt.
Interessanterweise werden die Platoniker nie ein Überragen
des Guten dem Einen-Einen des Parmenides gegenüber anneh-
men. Dies führt allerdings zu einer unüberwindbaren Aporie in
Bezug auf die Deduktion des Seins. Denn, wie schon gesehen,
aus dem vollkommen arelationalen Einen ist gleichsam automa-
tisch nur das Eine bzw. ein unfruchtbares Nichts abzuleiten. Vor
diesem Hintergrund wird die Bemühung der Neuplatoniker ver-
ständlich, die Koinzidenz des Einen-Einen mit dem Guten der
Politeia zu betonen. Es wird auch verständlich, warum die neu-
platonische Reflexion über das höchste Gute stets Züge tragen
wird, die mit der Metaphysik des Einen nicht vereinbar sind,23
dabei auf den Versuch hindeutend, eine relationale Dimension
des Absoluten doch zu bewahren. Dies deutet auf das Bewusst-
sein von den Schwierigkeiten hin, die bei der Begründung der
Koinzidenz zwischen dem arelationalen Einen-Einen und dem
relationalen Guten entstehen.24
Die Koinzidenz des Einen-Einen mit dem Guten ist eigentlich
unmöglich, weil das Eine-Eine dem Guten gegenüber in der un-
produktivsten Kontradiktion steht. Das Eine-Eine ist nämlich
an sich, im Gegensatz zum Guten, nur ewige Ableitbarkeit des
Gleichen, da es keine Möglichkeit besteht, dass ein Anderes
23
Vgl. Tornau (wie Anm. 20), 201.
24
Dieses Bewusstsein ist auch in einem späten Neoplatoniker wie Proklos
evident. Seinem starken henologischen Akzent zum Trotz kritisiert er näm-
lich jene Gedankenrichtung, die das Absolute betreffend jedes Verhältnis
zum Sein leugnet. Vgl. A. Linguiti, Giamblico, Proclo e Damascio sul princi-
pio anteriore all’Uno, in: Elenchos 9 (1988), 95-106.

Perspektiven der Philosophie (2012)


Agathologie. Denken als Wahrnehmung des Guten 29

außerhalb des Einen-Einen wesen kann. Das heißt aber, dass


das Eine-Eine radikal unfrei ist; denn die genannte Möglichkeit
impliziert absolute Freiheit. Diese Implikation wurde auf
scharfsinnige Weise von Plotin bemerkt und betont: Nach Enn.
VI 8, 19, 12 ff. bringt das Eine deswegen das Sein hervor und
lässt es außerhalb von sich selbst bestehen (ἔξω εἴασεν ἑαυτοῦ
18), weil das Eine absolut frei ist, sowohl von sich selbst wie
vom Sein, und somit nichts für sich nötig hat. Hier offenbart
sich das Absolute Plotins, auf einmalige Weise, als bedingungs-
los relational wie das Gute; denn seine Relation zum Sein ist
nicht bedingt; folglich kann sie die vollkommene Autonomie
bzw. Andersheit des Seins mit einbegreifen. Dieses Absolute
würde sich aber nicht im Einen erschöpfen können – denn seine
absolute Freiheit setzt in ihm den Grund der Vielheit –; und
noch weniger könnte es mit dem Einen-Einen des Parmenides
identifiziert werden. Das widerspricht allerdings der konsequen-
ten Henologie, die Plotin an vielen Stellen seines Werkes als
Grundlage seiner Philosophie betrachtet. Gerade dieser Wider-
spruch offenbart jedoch die Unmöglichkeit, eine radikale Meta-
physik des Einen mit einer radikalen agathologischen Reflexion
über das Absolute bzw. mit einer Protologie zu vereinbaren, die
das Sein befriedigend begründen kann. Eine radikale Henologie
führt nämlich unvermeidbar zu den Ergebnissen der ersten Hy-
pothese vom Parmenides. Auf das unüberragbare Eine, das nie
vom Guten überragt werden kann, darf nämlich, wie auf das
Eine-Eine des Parmenides, nicht einmal die Notion vom Einen,
und noch weniger die von Prinzip angewendet werden, wie Da-
maskios in seiner am konsequentesten durchgeführten Henolo-
gisierung des Absoluten zurecht hervorhebt. Der Grund liegt
aber nicht in einer echten Transzendenz dieses Über-Einen jeder
Relation gegenüber, sondern in der absoluten Unmöglichkeit
seiner Relationalität, die letztendlich auch seine Relation zur
Einheit vernichtet.25

25
Nur scheinbar sind die Analogien zwischen der durch Damaskios hervor-

Perspektiven der Philosophie (2012)


30 Salvatore Lavecchia

In der bisher erörterten Perspektive offenbart sich das Verhält-


nis der Platoniker zum Einen-Einen des Parmenides in seiner
ganzen Paradoxie. Denn einerseits haben die Platoniker voll-
kommen recht, wenn sie die Kontinuität einer konsequenten
Henologie mit den Gedankengängen jener Hypothese wahrneh-
men; andererseits ist die genannte Kontinuität eben nur auf die
logisch-argumentative Ebene zu verorten, während – wie schon
gesehen – die tieferen Intentionen Platons von den Platonikern
nicht wahrgenommen werden. Jene Intentionen liegen nämlich
nicht in einer radikalen reductio ad unum bzw. in einer abstrak-
ten, gleichsam mechanischen Absorption ins Eine, wobei die
Individualität bzw. die Vielfalt der sowohl geistig wie physisch
Seienden als Abfall vom Absoluten empfunden wird. Platons
Intentionen liegen dagegen in einer steten, uneingeschränkten
Weisung auf das Gute, das zugleich der Individualität und der
Gemeinschaft der Seienden, der Autonomie von und der Ver-
bundenheit mit dem Absoluten bedingungslos freien Raum lässt.
Diese Intentionen scheinen im Staunen über ein Absolutes zu
gründen, das die vollkommene Unableitbarkeit des eigenen Ge-
heimnisses sowie die Absolutheit der eigenen Offenbarung be-
dingungslos zu bekunden vermag. Dieses Absolute, das gleich-
zeitig als der esoterischste und als der exoterischste Inhalt von
Platons Philosophie betrachtet werden darf, will nicht im Hori-
zont einer Henologie bzw. einer Metaphysik des Einen einge-
fangen werden. Sein Horizont scheint allein aufgrund einer ra-
dikalen Wende des Denkens zum Guten wahrgenommen werden

gehobenen Übertranszendenz des Absoluten und dem Hinausragen über das


Prinzip-Sein, das in den bisherigen Ausführungen in Bezug auf das Gute
Platons hervorgehoben wurde. Denn Damaskios betrachtet das Absolute des-
wegen als dem Prinzip-Sein transzendent, weil er den Begriff bzw. die Arela-
tionalität des Einen-Einen am konsequentesten radikalisiert. Zum Absoluten
von Damaskios vgl. Linguiti (wie Anm. 22), 15-21, 35-43; V. Napoli,
Ἐπέκεινα τοῦ ἑνός. Il principio totalmente ineffabile tra dialettica ed esegesi
in Damascio, Catania-Palermo 2008; Abbate, Parmenide (wie Anm. 22), 219-
253.

Perspektiven der Philosophie (2012)


Agathologie. Denken als Wahrnehmung des Guten 31

zu können. Platons Philosophie darf demzufolge als urbildhafte


Protreptik zur Agathologie betrachtet werden; als Protreptik zu
einem Denken, das nicht zur Auflösung ins Eine, sondern zur
Verwandlung des Individuums in ein Zentrum ontopoietischen
Lichts zu führen vermag.

3. Das Gute als Drei-Einheit


Die Entscheidungen fallen im
Bereich der Philosophie.
(Rudolph Berlinger)

Die henologische Wende, die der Platonismus vollbrachte, hat


bis heute einen sehr starken Einfluss über die Entwicklung des
(nicht nur) europäischen Denkens geübt, so dass die Implikatio-
nen des radikal agathologischen, nicht-dualistischen Prinzipien-
denkens Platons vom Zentrum der philosophischen Reflexion
verschoben wurden. Eine neue nicht-dualistische Perspektive,
die, genau wie Platons Philosophie, den beschränkten Horizont
von Monismus und Dualismus transzendieren will, wurde ins
europäischen Denken durch das Christentum bzw. durch seine
trinitarische Theologie und Philosophie eingeführt. Diese Per-
spektive wurde aber nie explizit bzw. systematisch an die radi-
kale Agathologie Platons geknüpft. Ausgehend von einem au-
ßerkonfessionellen Horizont soll im Folgenden ein Versuch in
diese Richtung unternommen werden, in der Hoffnung, er wird
sich sowohl für Philosophen wie für Theologen als anregend
erweisen.
Als zentrales Problem der trinitarischen Theologie seit ihren
Anfängen darf die folgende Frage betrachtet werden: Wie kann
ein Denken entwickelt werden, das sowohl die Einheit wie die
Vielheit des Drei-Einigen Absoluten vermitteln kann?
Sehr oft sucht(e) die Theologie Hilfe beim begrifflichen In-
strumentarium der Philosophie, um diese Frage, sei es nur an-
satzweise, angemessen zu beantworten. Es sollte deswegen nicht

Perspektiven der Philosophie (2012)


32 Salvatore Lavecchia

überraschen, wenn die Geschichte der trinitarischen Theologie


sich immer wieder als integriert in der Geschichte der Philoso-
phie offenbart. Vollkommen bewusst über diese gegenseitige
Integration zeigt sich Gisbert Greshake in seiner einflussreichen
Gesamtskizze einer trinitarischen Theologie. 26 Nach Greshake
hat die genannte Integration zu Akzentsetzungen geführt, die
das Wesen der trinitarischen Theologie sowohl im westlichen
wie im östlichen Christentum sehr stark geprägt haben. Die
wichtigste unter ihnen verbindet Greshake zurecht mit der Ten-
denz, in der trinitarischen Reflexion letztendlich die Dimension
der Einheit mehr hervorzuheben, als die Dimension der Vielheit,
so dass z. B. die Ebene der Substanz bzw. des Wesens (ousía-
substantia) von der Ebene der Hypostasen bzw. der Personen
(hypostáseis-personae) deutlich unterschieden wird. Die gerade
angedeutete Tendenz wird von Greshake überzeugend auf den
Einfluss der Metaphysik des Einen zurückgeführt, die von der
griechischen Philosophie ausgehend von Parmenides’ Erbe ent-
faltet wurde. 27 Durch diese Metaphysik, die das europäische
Denken sehr stark orientierte, wurde nach Greshake die Ent-
wicklung einer trinitarischen Reflexion verhindert, die der präg-
nanten relationalen und deswegen weltzugewandten/gemein-
schaftsstiftenden Dimension der Trinität eine genauso radikale
Aufmerksamkeit gewidmet hätte, wie sie die klassische Trini-
tätslehre der transzendenten, einheitlichen, überseienden Sub-
stanz des trinitarischen Gottes widmete. Die Geschichte der
Trinitätslehre betrifft demzufolge vor allem ein bzw. einen un-
um in trinitate,28 wobei sich der tri-unitarische Gott letztendlich
als subordiniert im Verhältnis zum absolut einen Gott erweist.
„Das trinitarische Gottesverständnis impliziert“, so betont
Greshake zu recht, „daß in Gott [...] Einheit und Vielheit, Identi-

26
G. Greshake, Der dreieine Gott, Freiburg/Basel/Wien 20075 (nochmals er-
weiterte Auflage der Erstausgabe 1997).
27
Vgl. Greshake, 61-65 und 443-447.
28
Greshake, 61-65.

Perspektiven der Philosophie (2012)


Agathologie. Denken als Wahrnehmung des Guten 33

tät und Differenz, Positivität und Negativität gleichwesentlich


und gleichursprünglich gegeben sind und sich miteinander ver-
mitteln. Vielheit und Differenz, Heterogenität und Negativität
sind als solche also keine Abstiegs- oder gar Verfallserschei-
nungen, die erst auf der untergöttlichen Stufe der ‚Seinshier-
archie‘ zu finden sind.“29 Aufgabe einer wesensgemäßen Refle-
xion über die Trinität wäre demzufolge, sich einem Gott anzu-
nähern, der jenseits des Einen und des Vielen weilt bzw. erst
jenseits von Monismus und Dualismus erreicht werden kann. Ist
es aber wirklich als unabdingbares Schicksal der griechisch ge-
prägten europäischen Metaphysik zu betrachten, dass sie einer
solchen Aufgabe nur mäßig gewachsen war? Aufgrund der bis-
herigen Erörterungen zu Platons Agathologie kann diese Frage
dezidiert negativ beantwortet werden. Die Metaphysik des Einen
war nämlich nicht der einzig mögliche Weg, den das europäi-
sche Denken in seiner Reflexion über das Prinzip aller Dinge
hätte gehen können. Gerade ausgehend von Platon hätte die Ge-
schichte der europäischen Metaphysik, und damit die Entwick-
lung der trinitarischen Theologie anders aussehen können. Die
Grenzen von Greshakes Thesen das Verhältnis zwischen trinita-
rischer Theologie und antiker Philosophie betreffend liegen nun
gerade darin, dass Greshake die agathologische Prägung von
Platons Prinzipienphilosophie nicht angemessen beachtet und
sie deswegen in die Tradition der Metaphysik des Einen einbet-
tet.30
Das Absolute Platons ist – wie vorher gezeigt – nicht das
henologische Prinzip bzw. das Eine-Eine des – insbesondere
späteren – Platonismus. Es ist dagegen das Eine-Nicht-Eine, das
in sich nicht nur das Prinzip der Selbstaffirmation/Identi-
tät/Einheit, sondern genauso radikal das Prinzip der Selbstnega-
tion/Andersheit/Vielheit bedingungslos setzt. So zeigt Platons
Agathologie Dimensionen, die sie als Vorwegnahme eines für

29
Greshake, 219.
30
Greshake, 61-62 und 443-444.

Perspektiven der Philosophie (2012)


34 Salvatore Lavecchia

heute zeitgemäßen trinitarischen Denkens offenbaren.31 Die heu-


tige trinitarische Theologie versucht nämlich, ausgehend von
einer relationalen Ontologie, das Communiale (G. Greshake),
die Synergie (A. Ganoczy32), das Soziale33 innerhalb der Trinität
zu vertiefen, indem sie trinitarisches Leben immer mehr als Ge-
meinschaft der Liebe erfahren und charakterisieren will. Was
aber im theologischen Diskurs noch heute wenig oder nicht be-
leuchtet bzw. vertieft bleibt, ist gerade das Gute als Wurzel der
Liebe. Liebe gründet nämlich eben auf einem bedingungslosen
Sich-Schenken bzw. auf der uneingeschränkten Unverborgen-
heit/Manifestation jener Selbst-Schenkung.
In schöpferischer Anknüpfung an Platons Agathologie könnte
sich das Gute als der trinitarische Begriff schlechthin offenba-
ren. Denn als bedingungsloses Sich-Schenken ist das Gute die
sich selbst ewig und absolut frei wollende Nicht-Dualität von
Einem und Nicht-Einem, die unmittelbar und ewig als agatho-
phanische Relation bzw. als Unverborgenheit/Sichtbarkeit der
Idea geschieht. So sind Einheits-Prinzip, Vielheits-Prinzip und
Idea die Drei-Einheit des Guten, nicht als Stufen bzw. Momente
eines konstituierenden Prozesses, sondern als Pluraleinheit, in
der das Gute besteht: Als un-bedingter, sich selbst erzeugender
Augen-Blick, der das Absolute als Urbild und Urquelle aller
Gemeinschaft manifestiert. In dieser Perspektive offenbart sich
das Gute als Drei-Einheit von 1) absoluter Ichheit/Selbstheit/
Individualität des höchsten Bewusstseins, 2) bedingungsloser
Universalität bzw. Relationalität/Offenheit dieses Ich-Bewusst-

31
Die geistige Realität dieser Vorwegnahme kann gerade im Horizont der
Theologie Greshakes ernst genommen werden: Vgl. Greshake, 41 (fußend
auf H.U. von Balthasars Theologie) und 505, Anm. 219.
32
A. Ganoczy, Der dreieinige Schöpfer. Trinitätstheologie und Synergie,
Darmstadt 2001, wo an Heinrich Rombachs Strukturontologie angeknüpft
wird.
33
Für eine erste Einführung in die Problematik des Social Trinitarianism vgl.
Th. Mc Call, M.C. Rea (Ed.), Philosophical and Theological Essays on the
Trinity, Oxford 2009.

Perspektiven der Philosophie (2012)


Agathologie. Denken als Wahrnehmung des Guten 35

seins, 3) absoluter Manifestabilität dieser Offenheit durch be-


dingungslose Selbst-Ergießung in eine Ur-Form/Ur-Idea, die als
Ur-Individuation eines anderen absoluten Ich-Bewusstseins das
Gute gleichsam ausdrückt, sich als Urbild aller Seiendheit of-
fenbarend. Das Gute liegt nicht vor dieser Drei-Einheit, sondern
ist sie, und in dieser Drei-Einheit ist jedes Eine nicht ohne die
anderen zwei bzw. ohne die Drei-Einheit zu denken, sowie die
Drei-Einheit ohne die Absolutheit bzw. ohne die Ichheit jedes
Einen nicht zu denken ist.34 So implizieren sich absolute Indivi-
dualität/Ichheit und absolute bzw. ichhafte Gemeinschaft im Gu-
ten vollkommen gegenseitig.
In der Drei-Einheit des Guten geschieht einerseits die urbild-
hafte Gemeinschaftlichkeit des Absoluten, andererseits die onto-
poietische Ur-Manifestation jener Gemeinschaftlichkeit, durch
die das Absolute sich bedingungslos ins Sein ergießt. Gerade
diese agathologische Wurzel der Ur-Offenbarung vom Absolu-
ten hat der christliche Platonismus immer wieder hervorgeho-
ben, hiermit die eigene geistige Kontinuität mit Platons Philoso-
phie erweisend. So ist das höchste Gute im Dionysius Areopagi-
ta zugeschriebenen Corpus die Quelle jener ekstatischen Liebe
(ἔρως ἐκστατικόν), die sich als Grund für die Selbst-Entäuße-
rung bzw. für die Immanentisierung des Absoluten durch die
Selbst-Transzendierung seiner Transzendenz manifestiert (De
divin. nomin. IV 13, 712 A-B, 159, 9-14 Suchla35). Dieses höchste

34
Ichheit möchte auf die absolute, und deswegen von radikal frei wollendem
Bewusstsein durchdrungene Bedingungslosigkeit jedes Einen in der hier
erörterten Drei-Einheit hinweisen. Denn bedingungslos, und deswegen abso-
lut frei wollend bzw. in sich subsistent, ist nicht nur die Identität mit sich
selbst, sondern auch die Universalität des Guten sowie dessen Manifestabili-
tät: Wäre die Universalität durch die Identität bedingt, dann wäre sie keine
absolute und uneingeschränkt bewusste, aktive Offenheit; wäre die Manifes-
tabilität durch die Identität und durch die Universalität bedingt, dann könnte
sie keine absolute Manifestation bewirken bzw. wäre sie unfähig, als Licht
eines anderen absoluten Ich-Bewusstseins zu geschehen.
35
… δι᾿ ὑπερβολὴν τῆς ἐρωτικῆς ἀγαϑότητος ἔξω ἑαυτοῦ γίνεται … καὶ ἐκ

Perspektiven der Philosophie (2012)


36 Salvatore Lavecchia

Gute wird von Johannes Scottus Eriugena explizit mit der Trini-
tät identifiziert: Einerseits ist es die Trinität; andererseits ist es
Wurzel jenes bedingungslosen, jede Distanz bzw. Dualität über-
ragenden Abstiegs in die Schöpfung des Seins, die Eriugena
durch eine kühne Vorstellung als Selbst-Schöpfung des Absolu-
ten bzw. der Trinität charakterisiert. 36 Erst mit Richard von
St. Viktor wird aber das summum bonum mit der konkreten Dy-
namik des innertrinitarischen Lebens systematisch verbunden.
Für Richard ist es die Quelle der innertrinitarischen Gemein-
schaft der Liebe bzw. der Ausgangspunkt des trinitarischen
Denkens (De Trin. III 2, 916 D-917 D); denn als bedingungslose
Selbst-Mitteilung kann sich das summum bonum ohne eine Plu-
ralität von Personen nicht ergeben (De Trin, III 5, 918 D-919 a),
das heißt es kann ohne die Gemeinschaft einer schenkenden,
einer empfangenden und einer die Liebe der zwei anderen of-
fenbarenden Person nicht geschehen.37 In diesem Horizont kann
uns eine lapidare Aussage Bonaventuras – der durch Richard
von St. Viktor beeinflusst wurde – nicht überraschen, nach der
die bedingungslose Mitteilsamkeit des Guten die Trinität not-
wendig impliziert: per summam boni communicabilitatem ne-

τοῦ ὑπὲρ πάντα καὶ πάντων ἐξηρηµένου πρὸς τὸ ἐν πᾶσι κατάγεται κατ᾿
ἐκστατικὴν ὑπερούσιον δύναµιν ἀνεκφοίτητον ἑαυτοῦ. Vgl. ebd. IV 10,
705 D, S. 155, 14-20 Suchla.
36
Periphyseon (de divisione naturae) III 678 D-679 A, 85, 2455-2469 Jeau-
neau [...] hoc [...] de summae bonitatis, quae unitas est et trinitas, ineffabili
condescensione in ea quae sunt ut sint, etc. Et de se ipsa se ipsam facit. etc.
Vgl. ebd. 678 C, S. 85, 2443-2455 Jeauneau Proinde non duo a se ipsis
distantia debemus intelligere deum et creaturam, sed unum et id ipsum. Nam
et creatura in deo est subsistens, et deus in creatura etc. creatur, se ipsum
manifestans, invisibilis visibilem se faciens etc. et omnia creans in omnibus
creatum, et factor omnium factus in omnibus etc. et fit in omnibus omnia.
37
Zur Dynamik des trinitarischen Lebens in Richard von St. Viktor vgl. M.
Schniertshauer, Consummatio Caritatis. Eine Untersuchung zu Richard von
St. Victors De Trinitate, Mainz 1996; P. Cacciapuoti, „Deus existentia amo-
ris“. Teologia della carità e teologia della Trinità negli scritti di Riccardo di
San Vittore, Turnhout 1998.

Perspektiven der Philosophie (2012)


Agathologie. Denken als Wahrnehmung des Guten 37

cesse esse Trinitatem (Itin. VI 2; vgl. VI 3). So wird auch Bona-


ventura, auf den Spuren Richards, das uneingeschränkte Sich-
Selbst-Schenken des Guten als Wurzel des innertrinitarischen
Lebens betrachten: bonum ist für ihn der Name der Trinität
(Itin. VI 1). Vor diesem agathologischen Hintergrund wird er
eine raffinierte Reflexion über Einheit und Vielheit im Absolu-
ten entwickeln, die definitiv Vielheit/Pluralität nicht mehr als
subordiniert, sondern als uneingeschränkt komplementär der
Einheit gegenüber integriert, somit die Einseitigkeiten der neu-
platonischen Henologie überwindend.38
In diesem agathologischen Horizont der trinitarischen Reflexi-
on, wie in Platons Agathologie, ist Pluralität nicht mehr etwas
von der Einheit Abgeleitetes, und Einheit ist nicht mehr das ab-
solut Unableitbare; denn sowohl Einheit wie Pluralität gesche-
hen hier, beide vollkommen un-bedingt, im absolut unableitba-
ren Sich-Schenken-Wollen des Guten. So begegnen sich Platons
Philosophie und trinitarische Theologie im offenbarsten Ge-
heimnis eines absoluten Bewusstseins, das sich gerade deswegen
als absolutes Ich, als radikal freies Subjekt offenbart, weil es
sich, jenseits aller Zeitlichkeit und aller Relation, bedingungslos
und ur-relational als ichhafte Gemeinschaft mit einem anderen
absoluten Ich bzw. als ontopoietisches Licht generieren will.
Diese Begegnung konnte aber auf die Entwicklung der Philoso-
phie nicht so prägend wirken, wie es vielleicht angemessen ge-
wesen wäre. Denn einerseits blieb die agathologische Perspekti-
ve innerhalb der trinitarischen Reflexion zugunsten der ontolo-
gischen im Grunde peripherisch; andererseits blieb – und bleibt
noch heute – Platons Agathologie bei den meisten Lesern und

38
Zur trinitarischen Reflexion Bonaventuras vgl. L. Mathieu, La Trinité
créatrice d’après Saint Bonaventure, Paris 1992 (bes. 19-58 zum bonum dif-
fusivum sui in Bonaventuras Denken); K. Obenauer, Summa Actualitas. Zum
Verhältnis von Einheit und Verschiedenheit in der Dreieinigkeitslehre des
heiligen Bonaventura, Frankfurt a. Main 1996 (bes. 29-62 zur Komplementa-
rität von Einheit und Verschiedenheit, und 379-414 zur Differenz als Voll-
zugsmoment der Einheit).

Perspektiven der Philosophie (2012)


38 Salvatore Lavecchia

Interpreten durch den Schatten schulmäßiger Vorurteile verbor-


gen. Vielleicht ist es für uns – genauso wie es für Platon war –
jedoch an der Zeit, immer mehr unsre Aufmerksamkeit auf das
Licht des Guten wenden zu wollen, damit der Un-Grund von Ich
und Gemeinschaft, in der Unverborgenheit einer wahrhaftig
freien Wahrnehmung, als konkretes Geschehen unsres Bewusst-
seins leuchten kann. Gewiss wird niemand die Notwendigkeit
dieser Wende beweisen können. So sei das Bisherige sowie das
Folgende rein als – durchaus provokative – Anregung verstan-
den, die nicht auf eine Seins-, sondern eher auf eine Licht-
Vergessenheit39 mehr oder weniger explizit hindeuten möchte.

4. Das Gute als Un-Grund des Ich.


Licht-Bewusstsein als Zukunft der Philosophie

il compito –
ciò che si deve portare a compimento –
è la manifestazione dell'immutabile.
(Emanuele Severino)

Leiden wir vielleicht deswegen an Seins-Vergessenheit, weil wir


das Licht, und zusammen mit ihm unser wahres Ich vergessen
haben? Könnte diese Licht-Vergessenheit als Grund für die Kri-
se, für die Schwäche des Ich bzw. des Subjekts bzw. der Person
betrachtet werden, die heute aus vielen Richtungen, mal mit
Bestürzung, mal mit eifrigem Enthusiasmus empfunden oder
evoziert wird?
39
Diesen Ausdruck verdanke ich einem Gespräch mit Stefan Brotbeck. Das
Licht, auf das hier hingewiesen wird, hat nichts mit dem Hintergrund aller
Formen von nebulösem, irrationalistischen Mystizismus zu tun. Es ist näm-
lich das Licht jener Licht-Metaphysik, die in der europäischen Philosophie
eine so produktive Wirkung geübt hat: Das Licht des von sich selbst bewuss-
ten Ich, in dem die Polaritäten von Innen und Außen, Idee und Manifestation
nicht mehr als Gegensätze, sondern als Imaginationen produktiver Gemein-
schaftlichkeit wahrgenommen werden.

Perspektiven der Philosophie (2012)


Agathologie. Denken als Wahrnehmung des Guten 39

Vielleicht haben wir deswegen das Licht, und mit ihr unsere
Ich-Quelle vergessen, weil wir uns immer mehr davor fürchten
bzw. schämen, im Guten das Wesen – verbal verstanden! – des
Seins, die Transzendenz eines absoluten Ich wahrnehmen zu
wollen, das sich aus bedingungsloser Liebe als ontopoietisches,
bewusstseinsspendendes Licht uneingeschränkt sichtbar macht,
somit als Un-Grund eines anderen absoluten Ich erscheinend.
So schweben wir permanent zwischen einem Innen, wo wir
durch verzweifelten Subjektivismus bzw. Solipsismus ins Nichts
einer ego-latrischen, ich-losen Selbst-Austobung verschrumpfen,
und einem Außen, wo wir, von der Unternatur einer post-
humanen, licht-saugenden Welt besessen, den Grund unsres Ich
durch ich-vernichtende Kräfte besetzen lassen. Wurden wir von
diesem ich-losen Schweben vielleicht deswegen gefangen ge-
nommen, weil wir zu lange Zeit Innen und Außen, Ich und Welt,
Noumenon und Phänomenon als Dualität erlebten, hiermit das
Licht als Band des Guten vergessend, das jene Dualität aufhebt?
Ist dann unser licht- und ich-loses Schweben vielleicht nur Zerr-
bild eines anderen Schwebens, in dem das Leben des Ich
besteht? So wäre wahrhaftiges Ich-Bewusstsein in jenem Licht-
Punkt zu erleben, wo Novalis – auf eine für uns postpost-
modernen Aufgeklärten so provokative Art und Weise – den Ur-
Sprung aller Gegensätze bzw. alles Seins verortet: Im Punkt, wo
das wahre Ich, jenseits des Gegensatzes von Ich und Nicht-Ich,
im vollkommen freien Schweben lebt und durch die eigene pro-
duktive Imagination Realität bildet, somit die Identität von Sein
und Freiheit offenbarend (Novalis, Fichte-Studien 555).40 Aus-

40
„Alles Seyn [...] ist nichts als Freysein – Schweben zwischen Extremen, die
nothwendig zu vereinigen und nothwendig zu trennen sind. Aus diesem
Lichtpunkt des Schwebens strömt alle Realität aus – in ihm ist alles enthalten
– Obj[ekt] und Subjekt sind durch ihn, nicht er d[urch] sie. Ichheit oder pro-
duktive Imaginationskraft, das Schweben – bestimmt, producirt die Extreme,
das wozwischen geschwebt wird.“ Zum Gegensatz Ich/Nicht-Ich als abstrac-
tum vgl. Fichte-Studien 558. Novalis’ philosophischen Schriften werden
zitiert nach der Ordnung von R. Samuel, H. J. Mähl, G. Schulz (Hrsg.), No-

Perspektiven der Philosophie (2012)


40 Salvatore Lavecchia

gehend von der eigenen Licht-Substanz transzendiert und grün-


det dieses absolute Ich alle Dinge, sich somit als Un-Grund aller
Gemeinschaft bzw. als Liebe offenbarend, das Alles und jedes
sein will: „Der Liebe gehts wie der Phil[osophie] – sie ist und
soll allen – Alles und jedes seyn. Liebe ist also das Ich – das
Ideal jeder Bestrebung.“ (Allgemeines Brouillon 835)41
In Novalis’ Horizont offenbart sich das Ich als eminent aga-
thologisches bzw. als bedingungslos relationales, moralisches
Prinzip,42 das sich als uneingeschränktes Sich-Schenken-Wollen
offenbart: Als poietische Alleswollung (Novalis, Allg. Brouill.
769), die gerade durch die höchste Fähigkeit der Selbst-Ent-
äußerung, jenseits der Polarität von Sein und Nicht-Sein (vgl.
Fichte-Studien 78), von Wollen und Nicht-Wollen (=Denken und
Nicht-Denken, Allgem. Brouill. 769), alles in Allem sein kön-
nend (Vorarbeiten 1798, 248), die absolute Individualität, das
Urbild des Genies manifestiert (Allg. Brouill. 282). Diese licht-
volle Individualität, dieses Große Ich, das durch die Verwand-
lung von allem in ein zweites Ich entsteht, Eins und Alles
zugleich seiend (Allg. Brouill. 398), ist als jenes Ideal des Men-
schen zu betrachten, das Mensch und Welt ineinander integrie-
ren wird, den Menschen durch Selbsterkenntnis zu einem kos-
mopoietischen Prinzip verwandelnd und ihn hiermit an seinen
göttlichen Vater angleichend (Vorarbeiten 11543).

valis. Schriften. Die Werke Friedrich von Hardenbergs, Bd. II-III, Das philo-
sophische Werk, Stuttgart 19813 und 19833.
41
Vgl. Allg. Brouill. 820: „Das Princip Ich ist gleichsam das ächte gemein-
schaftliche und [...] universelle Princip [...]. Selbstheit ist [...] der Grund der
Beharrlichkeit im Veränderlichen – auch das Princip der höchsten Mannich-
faltigkeit [...]. Alles kann Ich seyn und ist Ich oder soll Ich seyn.“
42
Die Aufmerksamkeit wird hier auf Novalis nicht deswegen konzentriert,
weil das Ich in der Philosophie der klassischen bzw. der romantischen Epo-
che sonst keine relationale Prägung bekommen würde. Niemand aber, wie
Novalis, verdichtet so wirksam und explizit im eigenen Ich-Begriff jene Mo-
tive, die hier als zentral für die Öffnung und Vertiefung einer agathologi-
schen Perspektive betrachtet werden.
43
„Wir werden die Welt verstehen, wenn wir uns selbst verstehen, weil wir

Perspektiven der Philosophie (2012)


Agathologie. Denken als Wahrnehmung des Guten 41

Nicht in Anknüpfung an Novalis’ Ich-Philosophie, jedoch in


Anklang an Platon, hallt die agathophanische Dimension des
Ich in der zeitgenössischen Philosophie durch die – in dieser
Hinsicht einsame – Stimme von Emmanuel Lévinas wider.44
Lévinas’ Suche nach einem zeitgemäßen Begriff der Seinstran-
szendenz führt nämlich zum Ich, das deswegen als Ursprung der
Transzendenz wahrgenommen wird, weil es mit dem Ursprung
der Gutheit (bonté) identifiziert wird.45 Die damit angesprochene
agathologische Transzendenz des Ich ist für Lévinas nicht die
Seligkeit eines höchsten Einen, die das Andere negiert bzw. ab-
sorbiert, somit jede Begegnung bzw. Relation in vorhinein ver-
nichtend.46 Denn das Überragen des Guten dem Sein gegenüber
impliziert in diesem Horizont ein Überragen der Vielheit bzw.
der Relationalität dem Einen gegenüber:47 Die Transzendenz der
Gutheit impliziert, anders ausgedrückt, Pluralismus48 bzw. Pro-
duktion des Seins als Sein für das Andere.49 Dieses Sein für das
Andere wird aber nicht als Negation, als Versinken,50 sondern als
Selbstproduktion des Ich verstanden, das sich gerade durch die

und sie integrante Hälften sind. Gotteskinder, göttliche Keime sind wir. Einst
werden wir sein, was unser Vater ist.“
44
Die Betonung der Einsamkeit will sich selbstverständlich nur auf die expli-
zite Verbindung des Ich-Begriffs mit dem Guten in Lévinas’ Philosophie
beziehen. Der Akzent auf die relationale/dialogische bzw. weltbezogene Di-
mension des Ich bzw. der Person darf nämlich sonst als Konstante in der
Philosophie des letzten Jahrhunderts betrachtet werden – hier sei lediglich
auf die „klassischen“ Beispiele von Edmund Husserl, Max Scheler, Martin
Heidegger und Martin Buber hingedeutet.
45
Vgl. E. Levinas, Totalité et Infini. Essai sur l’extériorité, Den Haag 19744,
281: „La bonté [...] sorte d’un moi, est subjective [...] la bonté est la tran-
scendance même. La transcendance est transcendance d’un moi.“ Zur Tran-
szendenz des Guten vgl. 268-269.
46
Lévinas, 268.
47
Lévinas, 268; vgl. 282.
48
Lévinas, 282.
49
Lévinas, 281 „production de l’être, comme être pour autrui.“
50
Lévinas, 281.

Perspektiven der Philosophie (2012)


42 Salvatore Lavecchia

Geste der Entäußerung bzw. der Manifestation erkennt. 51 So


fallen in dieser agathologischen Perspektive Selbsterkenntnis/
Verhältnis des Ich zu sich selbst bzw. Relation/Manifestativität
und Fruchtbarkeit zusammen.52
Dem soeben hervorgehobenen agathologischen Horizont zum
Trotz ist ein dualistischer Akzent in Lévinas’ Ich-Philosophie
jedoch wahrnehmbar. Interessanterweise ist dieser Akzent aus-
gehend von einer Bemerkung zu Platons Begriff des Guten be-
sonders spürbar: Platon hätte das jenseits des Seins als das Gute
erkannt, hätte es aber als Idee bzw. als Licht-Quelle wahrge-
nommen; dagegen verrate – das heißt verdunkle – sich stets das
Jenseits des Seins, wenn es sich zeigt bzw. manifestiert, weil es
sich immer auf eine rätselhafte Art und Weise zeigt.53 Gerade
diese Wahrnehmung der Manifestation als Verbergung erklärt
die letztendlich unüberbrückbare Kluft zwischen Innerlichkeit
und Äußerlichkeit, Totalität und Unendlichkeit, Ich und Gesicht
des Anderen bzw. absoluter Andersheit, Gesicht und vollkom-
mener Sichtbarkeit, Einzigkeit und Relation/Weltlichkeit, Tran-
szendenz/Absenz und Immanenz/Präsenz, die Lévinas’ Philoso-
phie charakterisiert und auch durch den von Lévinas betonten
Primat der Ethik bzw. der ethischen Relation nicht überwunden
wird – denn die Andersheit bleibt auch in der ethischen Relation
für Lévinas absolut. Vor diesem Hintergrund ist es nicht überra-
schend, wenn Lévinas in der eigenen Philosophie dem Licht
keine Priorität zukommen lässt sowie keine vertiefende Reflexi-

51
Lévinas, 282: „se produire comme moi [...] c’est se saisir comme par le
même geste qui se tourne déjà vers l’extérieur pour extra-verser et manifester
[...]“
52
Lévinas, 283: „fecondité [...] comme relation d’homme à homme, et du
Moi avec soi.“
53
E. Lévinas, Autrement qu’être ou au-delà de l’essence, Den Haag 1974, 23:
„L’au delà de l'être [...] a été reconnue comme Bien par Platon. Que Platon
en ait fait une idée et une source de lumière – qu’importe. Toujours l’au-delà
de l’être, se montrant dans le dit, s’y montre énigmatiquement, c’est à dire,
s’y trahit dejá.“

Perspektiven der Philosophie (2012)


Agathologie. Denken als Wahrnehmung des Guten 43

on widmet – Licht nur innerhalb der Polarität mit Finsternis,54


nicht als metadimensionalen Ich-Punkt, als absolut unableitbare,
jede Polarität transzendierende, uneingeschränkt offenbarende,
ontopoietische Manifestativität des Guten wahrnehmend.
Ausgehend von den bisherigen Erörterungen erweist sich
Lévinas’ Anknüpfung an Platons Agathologie als nicht vollkom-
men konsequent. Wenn das Gute nämlich für Platon als absolut
diffusivum sui bzw. als bedingungslose Neidlosigkeit zu denken
ist, dann kann seine Manifestation auf keinen Fall einen Selbst-
verrat implizieren. Denn, wie schon Bonaventura stimmig be-
tonte, impliziert das diffusivum sui ein totales Sich-Selbst-Schen-
ken, dessen Ergebnis der Schenkende selbst ist: quia totum com-
municatur, non pars, ideo ipsum datur, quod habetur, et totum
(Itin. VI 3). So will das Sich-Zeigen des Guten allein als onto-
poietisches Licht geschehen, das in der Idéa bzw. im vollkom-
men durch-sichtigen Ge-Sicht des Guten die neidlose Unver-
borgenheit des absolut Anderen uneingeschränkt offenbart. 55
Diese uneingeschränkte Unverborgenheit, diese bedingungslose
Relationalität des Absoluten öffnet der Manifestation bzw. der
Kontingenz, sowie dem kontingenten Ich bzw. der kontingenten
Person den Horizont der Ewigkeit bzw. der Absolutheit. Obwohl
ausgehend von heterogenen, und teilweise sogar sich gegensei-
tig widersprechenden Prämissen, klingt die Präsenz jener Öff-
nung in einigen wichtigen Perspektiven der heutigen Philoso-
phie leuchtend nach: In Rudolph Berlingers Morphopoietischer
Metaphysik, deren Ursprung und Grund das irdische, demiurgi-
sche Subjekt, der „Weltbildner seiner selbst“ ist, der durch Set-
zung eines absoluten Anfangs aus Freiheit „die weltbildnerische

54
Vgl. Lévinas (wie Anm. 44), I. A. 1.
55
Auffallenderweise widmet Lévinas dem etymologischen Hintergrund des
griechischen Wortes idéa keine tiefere Reflexion. Gerade jener Hintergrund,
zusammen mit dem agathologischen Horizont von Platons Ideen-Begriff,
hätte seiner – durchaus tiefen und anregenden – Reflexion über das Gesicht
vielleicht weitere fruchtbare Perspektiven öffnen können.

Perspektiven der Philosophie (2012)


44 Salvatore Lavecchia

Schöpfungskraft seiner Weltnatur“ tätigt,56 Welt als „Phänomen


der Transparenz des Ewigen“ hervorbringend; in Heinrich Rom-
bachs eminent relationalen Strukturontologie bzw. Phänomeno-
logie der Freiheit,57 wo Alles in Allem bzw. in der Idemität lebt,
und „jedes Lebewesen mit einem absoluten Ruck das Absolute
selbst in sein eigenes Selbst hineinreißt und es dort, wenn auch
nur für relative Zeit, absolut festhält“58; in Emanuele Severinos
grandioser Meditation des Seins und dessen Urstruktur, wo, in
der Begegnung mit dem Schicksals-Ich (l’Io del destino59), das
Erscheinen (l’apparire) bzw. alles Erscheinende nicht Ver-
bergung, sondern offenbarende Manifestation, Sich-Erleuchten
(illuminarsi) des Seins ist, sich nicht als etwas dem Sein des
Seienden Hinzugefügtes, sondern als zur Ewigkeit zugehörig
erweisend.60 Warum widmet sich jedoch keine dieser lichtvollen
Ontologien der Gestaltung eines agathologischen Denkens und
Sprechens, obwohl die uneingeschränkte, absolut unableitbare
Relationalität/Manifestativität des Guten durch sie so deutlich
nachklingt? War und ist es verständliche Scheu, vor einer so
blinden und finsteren Welt jenes Licht-Bewusstsein bis zu sei-

56
R. Berlinger, Die Weltnatur des Menschen. Morphopoietische Metaphysik.
Grundlegungsfragen, Amsterdam 1988, 365-366. Vgl. auch ders., Das Nichts
und der Tod, Dettelbach 1996.
57
H. Rombach, Strukturontologie. Eine Phänomenologie der Freiheit, Frei-
burg-München 1971, 271: Freiheit „ist Sinn von Struktur überhaupt.“ Für die
Grundlagen der Strukturontologie vgl. auch ders., Strukturanthropologie.
„Der menschliche Mensch“, Freiburg/München 1987; ders., Die Welt als
lebendige Struktur. Probleme und Lösungen der Strukturontologie, Freiburg
2003.
58
H. Rombach, Der Ursprung. Philosophie und Konkreativität von Mensch
und Natur, Freiburg 1994, 58.
59
Zu diesem Begriff vgl. die zusammenfassenden Erörterungen in E. Severi-
no, La Gloria, Milano 2001, 59-68.
60
Zu den Grundlagen von Severinos Philosophie vgl. ders., La struttura ori-
ginaria, Milano 1981 (19581); ders., Destino della necessità, Milano 1980;
ders., Tautótês, Milano 1995; ders., Oltrepassare, Milano 2007; ders., La
morte e la terra, Milano 2011.

Perspektiven der Philosophie (2012)


Agathologie. Denken als Wahrnehmung des Guten 45

nem Un-Grund offenkundig zu machen, das, von Freiheit und


Liebe getragen, als dialogischer, weltbildender Urakt der Per-
son,61 in der lichtvollen Unverborgenheit des Seins das Erschei-
nen der Schönheit vom Guten sehen will?

61
Berlinger, die Weltnatur (wie Anm. 56), 146: „Aus dem Grunde der Dialo-
gizität übersteigt das Ich in der Wer-Frage sich selbst zum Du. Dieses Tran-
szendieren-Können ist der Urakt der Person. Zwei Momente sind für diesen
Urakt grundlegend: Freiheit und Liebe.“

Perspektiven der Philosophie (2012)

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