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374 © Lucius & Lucius Verlag Stuttgart Zeitschrift für Soziologie, Jg. 32, Heft 5, Oktober 2003, S.

374–395

Doppelte Kontingenz und die Bedeutung von Netzwerken


für Kommunikationssysteme
Ergebnisse einer Simulationsstudie

Double Contingency and the Relevance of Networks for Communication


Systems
Results of a Simulation Study

Thomas Kron und Uwe Schimank


FernUniversität Hagen, Institut für Soziologie, Lehrgebiet Soziologie II: Handeln und Strukturen, Fleyer Straße 204,
D-58084 Hagen

Christian W.G. Lasarczyk


Universität Dortmund, Fachbereich Informatik, Lehrstuhl für Systemanalyse und Computational Intelligence des Fach-
bereichs Informatik, Joseph-von-Frauenhofer-Str. 20, D-44227 Dortmund

Zusammenfassung: Ausgehend von Niklas Luhmanns Vorstellungen zur Bewältigung „doppelter Kontingenz“ unter-
suchen wir anhand von Computer-Simulationen den Einfluss von Akteurkonstellationen auf die Entstehung von Kom-
munikationssystemen. Zudem wird erforscht, welche Auswirkungen Störungen auf die Ordnungsbildungsprozesse so-
wohl in der Systemgenese als auch in stabilen Systemen haben.

Einleitung und Strogatz (1998; auch Watts 1999, 2003). Wie


der Name schon andeutet, dient dieser Ansatz der
Modellierung von Akteur-Netzwerken mit spezi-
Die Entstehung von Kommunikationsstrukturen ist
fischen Eigenschaften, Soziologen besser bekannt
ein Hauptthema der Soziologie, eng verwandt mit
als „Six Degrees of Separation“ (Guare 1990).
dem Problem der Entstehung sozialer Ordnung.
Die Bedingungen und Möglichkeiten der Formation Zur Untersuchung des Einflusses von Small-World-
sozialer Ordnung werden innerhalb der soziologi- Networks im Entstehungsprozess von Kommunika-
schen Theorie generell unter die Frage gestellt, wie tionsstrukturen benutzen wir das Simulationspro-
Situationen „doppelter Kontingenz“ bewältigt wer- gramm „LuSi“, das im Rahmen eines von der DFG
den können. Die wichtigsten Hinweise dazu kom- geförderten Projekts von uns entwickelt worden
men sowohl von Talcott Parsons (1968) und Niklas ist.1 Mit diesem Programm ist es uns möglich, in ei-
Luhmann (1984) als auch von einer Reihe mehr ner Art „Laborexperiment“ den Einfluss von Small-
oder weniger strenger Vertreter des Rational-Choice World-Networks in der Genese von Kommunika-
wie etwa von Robert Axelrod (1995) und auch tionsstrukturen unter der Bedingung doppelter
von Hartmut Esser (2000). Im Gegensatz zu den Kontingenz zu untersuchen (siehe dazu auch Dit-
Beiträgen dieser Autoren ist der Anspruch dieses trich/Kron/Banzhaf 2003, Kron/Dittrich 2002). Im
Beitrags jedoch wesentlich geringer. Wir sind nicht
1
auf der Suche nach der Antwort, wie soziale Ord- An der Entwicklung eines Prototypen des Programms
nung überhaupt möglich ist, sondern konzentrieren war Peter Dittrich (Jena) im Rahmen des DFG-Projekts
uns auf die Untersuchung eines Aspekts, der in dem „Untersuchungen sozialer Systeme anhand der Simulation
Prozess der Ordnungsbildung – im Prozess der Ent- komplexer, adaptiver Agenten“ wesentlich beteiligt. Zu-
dem gilt unser Dank für weitere Unterstützung Wolfgang
stehung von Kommunikationsstrukturen – mit-
Banzhaf, Markus Friese, Rainer Greshoff, Gudrun Hilles,
wirkt. Dabei handelt es sich um den Einfluss von Oliver Flasch und Frank Rossdeutscher sowie den anony-
Akteurstrukturen auf die Kommunikationsstruktur. men GutachterInnen. Das Programm „LuSi“ kann aus
Modelliert werden die Akteurstrukturen mit Hilfe dem Internet geladen werden unter: http://www.fernuni-
des „Small-World-Network“-Modells von Watts hagen.de/SOZ/SOZ2/Projekte/Sozionik.
Thomas Kron: Doppelte Kontingenz und die Bedeutung von Netzwerken für Kommunikationssysteme 375

Folgenden beschreiben wir zunächst kurz den Auf- führt, dass es bei beliebiger Mittelwahl und Ratio-
bau des Simulationsexperiments, d. h. wir erläu- nalität als einzigem Selektionskriterium zu
tern, wie wir die Situation doppelter Kontingenz irrationalen Handlungsfolgen kommt.3 Da in dieser
modellieren und in dem Simulationsprogramm im- Perspektive weder Interessenverfolgung noch
plementieren (1). Dann legen wir unsere Umsetzung Zwang durch eine zentralisierte Sanktionsgewalt ei-
des „Small-World-Network“-Modells innerhalb ne über den Zufall hinausgehende Ordnung entste-
des Simulationskonzeptes dar (2). Damit sind die hen lassen, werden die eigentlichen Handlungsfrei-
Grundlagen zur Nachvollziehbarkeit der Experi- heiten der Akteure wieder in höchstem Maße
mente gelegt, deren Ergebnisse vorgestellt und erör- eingeschränkt (etwa beim Kampf „Alle gegen Al-
tert werden (3). Wir enden mit einem kleinen Ge- le“). Insgesamt argumentiert Parsons vor allem ge-
dankenspiel und einem Ausblick über weitere gen die utilitaristische Sozialtheorie, der er vor-
Forschungsfragen (4). wirft, nicht erklären zu können, wie es zu einer
normativen Ordnung – zur Normeinhaltung als hö-
herem Ziel – kommen kann, wenn es keine Kon-
1. Zur Modellierung doppelt kontingenter stanz der Ziele, keine stabile Präferenzordnung der
Situationen Akteure durch ein gemeinsam geteiltes Wertmuster
gibt. Auf dieser Basis führte Parsons’ eigener Weg
Wir beginnen mit einer Erörterung des „Problems weiter zur Erklärung einer voluntaristischen Ord-
doppelter Kontingenz“ und zeigen im Anschluss da- nung, die einen alternativen Mittelweg zwischen
ran unsere Umsetzung in ein Simulationsmodell. faktischer und normativer Ordnung darstellen soll.
Gegen diese Annahme von Parsons wurde nicht nur
aus der individualistischen Theorierichtung argu-
1.1 Das Problem doppelter Kontingenz
mentiert. So verweist etwa Axelrod auf die Mög-
lichkeit eines langen „Schatten(s) der Zukunft“, der
Die wesentlichen Merkmale doppelkontingenter Si-
eben doch stabile soziale Ordnung ohne Normen
tuationen hat Parsons (1968: 436, vgl. ders. 1951:
und Werte ermögliche (Axelrod 1995: 157; auch
14–17) wie folgt beschrieben2: „The crucial refe-
Esser 2000: 134–148). Und auch Luhmann distan-
rence points for analyzing interaction are two: (1)
ziert sich von Parsons’ Lösungsansatz: „Nichts
that each actor is both acting agent and object of
zwingt dazu, die Lösung des Problems der doppel-
orientation both to himself and to the others; and
ten Kontingenz ausschließlich in einem schon vor-
(2) that, as acting agent, he orients to himself and
handenen Konsens, also ausschließlich in der Sozi-
to others, in all of the primary modes of aspects.
aldimension zu suchen“ (Luhmann 1984: 150).
The actor is knower and object of cognition, utili-
zer of instrumental means and himself a means, Luhmann setzt schon das Problem der doppelten
emotionally attached to others and an object of at- Kontingenz sehr viel fundamentaler an und gewinnt
tachment, evaluator and object of evaluation, inter- dadurch eine Lösung, die mehr auf Zufall, Zeit und
preter of symbols and himself a symbol.“ Derartige Selbstorganisation beruht. Dabei geht er zunächst
Situationen doppelter oder – wenn es mehr als zwei von einer Situation aus, in der zwei Agenten4 sich
Akteure betrifft – multi-komplexer Kontingenz sind begegnen und die deshalb prekär ist, weil beide, Al-
äußerst instabil. Ordnung ist zwar möglich, aber le-
diglich als faktisches Ereignis, das sofort wieder zer- 3
Vgl. konträr dazu Axelrod 1995, Baurmann 1998, Esser
brechen kann. Enttäuschungsfeste Erwartungen 2000: 117–164, Schmid 1995. Zum Konzept irrationaler
über die soziale Ordnung hingegen können in einer Handlungsfolgen im Sinne von „Transintentionalität“ sie-
Situation, in der ausschließlich die Akteure sich he Greshoff/Kneer/Schimank (2003).
4
wechselseitig die Welt darstellen, nicht ausgebildet Wir führen an dieser Stelle den für die Sozionik üblichen
werden, so Parsons. Der Grund ist, dass die Akteu- Begriff des Agenten ein (Schulz-Schaeffer 1998); Luhmann
re sich in einem Gefangenendilemma befinden: Das selbst hat von „black boxes“ gesprochen. Auch Agenten
nach den subjektiven Nutzenkalkulationen für je- sind ganz im Sinne Luhmanns zunächst eigenschaftslos,
solange man keine Eigenschaften implementiert. D.h. –
den einzelnen Akteur beste Ergebnis führt zu einer
und das ist ein Grund für Luhmanns Begriffswahl von
für alle schlechten Gesamtverfassung. Hier hat Par- „black boxes“ – die Agenten sind füreinander nicht durch-
sons mit Hinweis auf Durkheim den Nachweis ge- sichtig und nicht berechenbar. Damit wird nicht geleug-
net, dass externe Beobachtungen und Beschreibungen
2
In einer früheren Version hat Parsons’ (1951) Beschrei- möglich sind: „Jeder Beteiligte macht sich ein Bild von
bung doppelkontigenter Situationen noch einen sehr öko- beiden Beteiligten“ (Luhmann 1984: 237). Dabei sehen
nomischen Bias; siehe dazu auch Münch (1986). die Agenten aber nur, was sie selbst sehen. Es gibt keine
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ter und Ego, ihr Handeln von der Handlung des je- deren prinzipiell entzogen. Zusammengefasst stellt
weils Anderen abhängig machen und ihre Hand- sich das Problem der Situation „doppelter Kontin-
lungswahl erst dann treffen wollen, wenn es eine genz“ mit den Worten von Beermann (1993: 248)
Anschlussmöglichkeit an das Verhalten des Ande- nun wie folgt dar: „Wenn Ego einem Alter freie
ren gibt. Und dies in einer Situation, die als kontin- Wahl zuzuschreiben bereit ist und sich denkt, dass
gent beschrieben wird. Kontingenz bedeutet „auch seine Handlungen von den Reaktionen Alters mit-
anders möglich sein“ und damit Risiko (Luhmann bestimmt sind, und sich den Alter als intransparent
1984: 47): „Kontingenz ist etwas, was weder not- vorstellt, dann wird Ego, falls ihm ein Alter begeg-
wendig ist noch unmöglich ist; was also so, wie es net, zunächst nicht handeln. Oder positiv, als Frage
ist (war, sein wird), sein kann, aber auch anders formuliert: Wie kann es unter diesen Bedingungen
möglich ist“ (Luhmann 1984: 152).5 Das Problem überhaupt zu einer Verhaltensabstimmung zwi-
besteht zunächst wie bei Parsons in der Verunmög- schen Ego und Alter kommen?“
lichung von Interaktion. Warum ist dies ein Prob- Zur Beantwortung dieser Frage kann man zunächst
lem doppelter Kontingenz? Die Verdopplung des davon ausgehen, dass das Problem als solches auch
Problems entsteht einerseits deshalb, weil sich die wahrgenommen wird: „Die doppelte Kontingenz
Akteure zugleich in ihrer Handlungswahl von dem erzeugt Aktionsdruck“ (Luhmann 1984: 162)6: Al-
Anderen abhängig machen. Es kommt demnach zu ter und Ego müssen agieren und sind dabei, wie ge-
einer faktischen Schwierigkeit des Anfangs: Beide sagt, beide kontingent in ihren Aktionsmöglichkei-
warten darauf, dass der Andere sich verhält. Dies ten. Einer von beiden – unterstellend, dass der
ist aber noch nicht das von Luhmann identifizierte Andere im Sinne des System-Umwelt-Verhältnisses
Problem, denn es würde sich sonst ja direkt die Fra- beeinflussbar (irritierbar, störbar, aufschaukelbar,
ge anschließen lassen, wieso es zu dieser abwarten- in Schwingung versetzbar; siehe Luhmann 1986:
den Haltung überhaupt kommt. Luhmann geht 40–50) ist – unternimmt eine Aktion und stellt sich
weniger von dieser faktischen, als von einer dabei die Frage, wie der Andere wohl mit dieser Of-
„gedachten“ (mentalen, überlegten, vorgestellten ferte umgeht. Offensichtlich müssen bereits für die-
o. ä.) Problemstellung aus: Alter und Ego denken sen ersten Schritt aus der Situation doppelter Kon-
andererseits nämlich, dass ihre Handlungswahl von tingenz heraus ein „Interesse“ an der Reaktion des
dem Verhalten des Anderen abhängig ist. Auch dies Anderen und kognitive Fähigkeiten der Wahrneh-
wäre noch unproblematisch, wüsste man genau, mung der Reaktion als Bedingungen vorhanden
was der Andere tut; oder mit anderen Worten: sein. Sonst käme auch nach Luhmann (1984: 160,
könnte man ihn berechnen. Genau dies ist aber Herv. von uns) „kein soziales System in Gang,
nicht der Fall und daraus entsteht das eigentliche wenn derjenige, der mit Kommunikation beginnt,
Problem, dass Ego und Alter sich den Anderen als nicht wissen kann oder sich nicht dafür interessie-
prinzipiell intransparent vorstellen: „Zu einem ren würde, ob sein Partner darauf positiv oder ne-
Akutwerden doppelter Kontingenz genügt jedoch gativ reagiert.“ Welche Aktion inhaltlich gewählt
nicht die bloße Faktizität der Begegnung; zu einem wird, ist irrelevant. Nach Luhmann kann jeder Zu-
motivierenden Problem der doppelten Kontingenz fall, Anstoß, Irrtum produktiv im Sinne der System-
(und damit der Konstitution sozialer Systeme) bildung werden.
kommt es nur, wenn diese Systeme in spezifischer
Dieses Interesse ist vor allem ein solches an Erwar-
Weise erlebt und behandelt werden: nämlich als un-
tungssicherheit. Denn gerade die Doppelung der
endlich offene, in ihrem Grunde dem fremden Zu-
Kontingenz macht die Situation für beide Agenten
griff entzogene Möglichkeiten der Sinnbestim-
„unbestimmbar, instabil, unerträglich“ (Luhmann
mung“ (Luhmann 1984: 151–152). Beide Agenten
1984: 172). Beide Agenten konvergieren in dieser
sind dem deterministischen Zugriff des jeweils An-
Erfahrung der Unerträglichkeit und können sich
wechselseitig diese Erfahrung sowie ein „Interesse
Möglichkeit, wirklich in die Beobachtungsweise des beob- an der Negation dieser Negativität“ unterstellen
achteten Anderen einzutreten. (Luhmann 1984: 172). Dieses Interesse an Erwar-
5
„Der Begriff Kontingenz, wie immer umschrieben, wie tungssicherheit liegt auch dem entscheidenden
immer blumig kommuniziert, steht in einem sehr weiten
Sinne für Unbestimmbarkeit. Er steht für den Verlust an
6
Eindeutigkeit sozialer bzw. psychischer Operationen, für Und an anderer Stelle heißt es: „Wenn ein beteiligtes Sys-
die Unmöglichkeit, etwas zu bestimmen, ohne mit ein- tem eine Situation als doppelkontingent erfährt, hat das
zurechnen, dass die Bestimmung kontingent beobachtet, Auswirkungen auf sein Verhalten. Doppelte Kontingenz
dass an sie kontingent angeschlossen werden könnte“ ist also ein Problem, das als Problem Wirkungen hat“
(Fuchs 1994: 33). (Luhmann 1984: 169).
Thomas Kron: Doppelte Kontingenz und die Bedeutung von Netzwerken für Kommunikationssysteme 377

selbstreferenziellen Zirkel zur Lösung des Problems Zukunft eher gerecht werden, bevor man wieder in
der Doppelkontingenz zu Grunde: „Ich tue, was Du den „chaotischen“ Zustand zurück muss: „Man
willst, wenn Du tust, was ich will“ (Luhmann verzichtet nicht auf die Erwartung eines soliden, be-
1984: 166). Hier entsteht ein sich selbst blockieren- gehbaren Bodens, wenn man einmal ausrutscht“
der, aber eine Lösung initiierender Zirkel, weil die (Luhmann 1972: 32–33). Erwartungen bilden an-
Frage zugleich auf beiden Seiten (bei Alter und Ego) schlussfähige Selbstfestlegungen. Es entsteht eine
gestellt wird.7 Wir implementieren den Agenten in zirkulär geschlossene Einheit von Erwartungen, in
unseren Simulationsexperimenten folglich ein Inte- der die Bestimmung jedes Elementes von der eines
resse an Erwartungssicherheit, d. h. auch, das für anderen Elements abhängt: Eine Struktur von Er-
die Simulation erstellte Szenario hält für die Agen- wartungserwartungen, an die die Agenten dann in
ten ansonsten keine weiteren Ressourcen bereit, an ihren Aktionen anschließen können.9 Diese Einheit
denen sie ein Interesse haben, als Erwartungen.8 hat keine Bestandssicherheit; es gibt keine völlige
Unsicherheitsbeseitigung.10 Unsicherheit gehört zu
der entstandenen Einheit und ist zugleich Chance
1.2 Lösungen doppelt kontingenter Situationen ihrer Fortsetzung. Unsicherheit gibt der entstande-
nen Einheit, die wir auch Ordnung nennen, „Eigen-
Nachdem wir das Problem der Situation doppelter schaften eines autokatalytischen Faktors“ (Luh-
Kontingenz beschrieben haben, kommen wir nun mann 1984: 170) mit, die den Aufbau und die
zu möglichen Lösungen. Im Gegensatz zu den vo- Fortsetzung der emergenten Ordnung ermöglichen,
raussetzungsvollen Lösungsvorschlägen, die etwa ohne sich zu verbrauchen. Gleichwohl kann die Un-
in einem gemeinsam geteilten Wertmuster (Parsons) sicherheit über die Zeit im Aufbau von System-
oder einem „langen Schatten der Zukunft“ (Axel- geschichte verringert werden.
rod) liegen, geht Luhmann „bescheidener“ davon
aus, dass die Agenten irgendwie versuchen werden, Zusammengefasst setzt die Lösung des Problems
die als Problem erfahrene Situation zu entschärfen: doppelter Kontingenz mindestens die Motivierung
„Alter bestimmt in einer noch unklaren Situation der Agenten durch Erwartungssicherheit sowie
sein Verhalten versuchsweise zuerst. Er beginnt mit durch Möglichkeiten, Erwartungen über Erwartun-
einem freundlichen Blick, einer Geste, einem Ge- gen zu bilden, voraus. Dementsprechend modellie-
schenk – und wartet ab, ob und wie Ego die vor- ren wir unser Simulations-Szenario, das wir nun
geschlagene Situationsdefinition annimmt. Jeder kurz11 beschreiben.
darauf folgende Schritt ist dann im Lichte dieses
Anfangs eine Handlung mit kontingenzreduzieren- 1.3 Das Simulations-Szenario
dem, bestimmendem Effekt – sei es nun positiv oder
negativ“ (Luhmann 1984: 150). Die Agenten kön- Das Basismodell des Simulations-Szenarios besteht
nen auf diese Weise im Laufe der Zeit Kontingenz aus Agenten, die sich wechselseitig N verschiedene
reduzierende Erwartungen aufbauen, indem sie das, Symbole signalisieren können. Jedem Agenten steht
was sie beobachten, „durch ihr eigenes Handeln zu die gleiche Anzahl N verschiedener Symbole, die
beeinflussen versuchen, und am Feedback wieder- den Handlungsspielraum und damit die Kontingenz
um können sie lernen“ (Luhmann 1984: 157). Ist
erst einmal eine die Unsicherheit reduzierende Er- 9
„Soziale Relevanz und damit Eignung als Struktur sozia-
wartung entstanden, wird man dieser Erwartung in ler Systeme gewinnen Erwartungen aber nur, wenn sie ih-
rerseits erwartet werden können. Nur so lassen sich Situa-
7 tionen mit doppelter Kontingenz ordnen“ (Luhmann
„Ein echter Zirkel entsteht aber, wenn die Handlungs-
bedingung zweimal auftritt, als Bewusstseinsinhalt Egos 1984: 411f.).
10
und als – von Ego vorgestellter – Bewusstseinsinhalt Al- Auch diese bleibende Unsicherheit wird in unserem Si-
ters: Ich (= Ego) tue, was Du (= Alter) willst, wenn Du mulationsmodell modelliert, indem der durch die Anzahl
tust, was ich will, aber/und Du tust, was ich will, wenn von Symbolen markierte Kontingenzraum nie völlig auf
ich tue, was Du willst; also: Ich tue, was Du willst, wenn ein Symbol reduziert werden kann. Als Folge können sich
ich tue, was Du willst; also Blockade“ (Beermann 1993: auch die Agenten niemals 100 %ig sicher sein, was die An-
252). schlussfähigkeit der von ihnen selektierten Symbole an-
8 geht.
Wir werden gleich noch sehen, dass die Agenten zudem
11
aber noch in der Lage sind, Erwartungen zu erwarten. Die Für eine ausführlichere Darstellung der basalen Algo-
Motivationslage der Agenten ist somit eigentlich aufgeteilt rithmen sowie der weiteren Details des vorangegangenen,
in Erwartungssicherheit und Erwartungserwartungen. teils überarbeiteten Simulationsmodells siehe Dittrich/
Trotzdem sind generell Erwartungen die einzig motivie- Kron/Banzhaf 2003. Zu weiteren sozionischen Modellie-
renden Ressourcen in dem Simulationsszenario. rung von Luhmanns Theorie siehe Kron 2002.
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bestimmen, zur Verfügung. Diese Symbole werden tes) Gedächtnis (Ego-Memory) von Agent A er-
nacheinander einzeln und asynchron gesendet, wo- mittelt. Dieses speichert die eigenen Reaktionen
bei zwischen den Zeichen, die wir als Zahlen dar- in der Vergangenheit, wie sie in Folge von Aktio-
stellen, keine a priori-Beziehung, Metrik oder Rela- nen anderer Agenten selektiert wurden.
tion besteht. Erst im Laufe einer Simulation können Gedächtnis
über die Art und Weise der Symbolverwendung Be- Vereinfacht ausgedrückt dient das Gedächtnis der
ziehungen entstehen, die sich z. B. als Strukturmus- Speicherung von Aktion/Reaktion-Kombinationen
ter deuten lassen. Per definitionem täuschen unsere in der Vergangenheit. Aus diesen Informationen be-
Agenten sich gegenseitig nicht absichtlich, d. h., ein rechnen die Agenten Erwartungen an die Zukunft.
mitgeteiltes Symbol entspricht auch einer tatsäch- Das Gedächtnis der Agenten gleicht einer quadrati-
lich durchgeführten Aktion, wobei z. B. das Symbol schen Matrix X, die durch die Menge möglicher
i immer auf die gleiche Aktion i verweist, das Sym- Aktionen und Reaktionen aufgespannt wird. Initia-
bol j immer auf die gleiche Aktion j usw. Es werden lisiert werden alle Werte der Matrix mit einem sehr
aus der gesamten Agenten-Population zwei Agenten kleinen positiven Wert.
zufällig gezogen, die miteinander interagieren:12
Agent A übermittelt Agent B ein Symbol und Agent
B übermittelt Agent A ein Symbol, so dass eine Si-
tuation wechselseitiger Beobachtung entsteht. Das Gedächtnis lernt eine auf eine Aktion folgende
Handlungsmotivation und Handlungsselektion Reaktion, indem es den entsprechenden Eintrag in
Welche Motivationen liegen den Agenten bei der der Matrix um den Wert eins erhöht.
Auswahl der Symbole, die mit der tatsächlich
durchgeführten Aktion identisch sind, zu Grunde?
Entsprechend der oben dargestellten soziologischen
Problemanalyse doppelkontingenter Situationen Der Wert eines Matrixeintrags steigt in demselben
unterstellen wir den Agenten lediglich zwei basale Maße, wie die entsprechende Aktion/Reaktion-
Motivationen13: Kombination in der Interaktion des Agenten vor-
kommt.
Q Erwartungssicherheit, d. h., die Agenten möchten
die Reaktionen der anderen Agenten auf eigene Mit dem Lernen einher geht das Vergessen. Hierfür
Aktionen (auf selbst mitgeteilte Symbole) so gut gibt es die Möglichkeit, einen Wert rforget (Verges-
wie möglich voraussagen können. Mit anderen sensrate) zu wählen, der nach dem Lernen zu jedem
Worten, die Agenten möchten, dass ihre Erwar- Matrixeintrag hinzu addiert wird.
tungen an die Reaktionen anderer Agenten nicht
enttäuscht werden. Hierfür greifen sie auf ihr Al-
ter-Memory zurück. Dieses ist eine Art Gedächt-
Der Wert rforget bestimmt die Geschwindigkeit, mit
nis, das die Reaktionen anderer Agenten auf die
der sich die Einträge der Matrix angleichen.14
eigenen Aktionen speichert.
Ein Agent kann zwei derartige Gedächtnis-Module
Q Erwartungserwartung, d. h., die Agenten wollen
besitzen. In diesem Fall dient das eine Gedächtnis
die Erwartungen der anderen Agenten so gut wie
der Ermittlung eigener Erwartungen an das Han-
möglich erfüllen. Der Wahrscheinlichkeitswert,
deln der anderen Agenten, das andere Gedächtnis
mit dem Agent B die Aktion i von Agent A erwar-
dient der Ermittlung einer Erwartung über die Er-
tet, wird durch einen Zugriff auf ein (ggfs. zwei-
wartung der anderen Agenten an ihn selbst. Wann
12
Weil die Agenten nicht explizit zwischen Information
und wie diese Gedächtnisse in die Wahl der Hand-
und Mitteilung unterscheiden, modellieren wir nicht den lung Eingang finden, wird im nächsten Abschnitt
Luhmannschen Kommunikationsbegriff, der bekanntlich beschrieben.
die dreifache Selektion von Information, Mitteilung und Ausgangspunkt der Wahl einer Aktion ist die letzte
Verstehen zum Kern hat. Aktion des Interaktionspartners.15 Sie kann somit
13
Weitere mögliche Motivationen, etwa ein Interesse an
möglichen Ressourcen, bleiben in dem Modell unberück-
14
sichtigt. Wir folgen an dieser Stelle Luhmann, der Inten- Ohne aber alleine auf Grund dieser Erhöhung jemals
tionen zur Modellierung der Situation doppelter Kontin- gleich zu werden.
15
genz für zu voraussetzungsvoll hält: „Die Verfolgung des Jeder Agent speichert seine zuletzt mitgeteilte Aktion
eigenen Nutzens ist eine viel zu anspruchsvolle Einstel- und kann darüber beim nächsten Zusammentreffen zweier
lung, als dass man sie generell voraussetzen könnte“ (Luh- Agenten informieren. Zu Beginn ist dies eine zufällig ge-
mann 1984: 160). wählte Aktion.
Thomas Kron: Doppelte Kontingenz und die Bedeutung von Netzwerken für Kommunikationssysteme 379

als Reaktion interpretiert werden, die sich in fol- Wunsch nach Zukunftssicherheit hat, sondern auch
genden Schritten vollzieht: der mit ihm interagierende Agent. Die Berechnung
Q Stelle fest, wie gut die Reaktion von dem Gegen- der Erwartungserwartung kann auf zwei unter-
über auf die eigene Aktion i vorhergesagt werden schiedliche Arten erfolgen, die sich in dem verwen-
kann (Ermittlung der Erwartungssicherheit). deten Speicher unterscheiden.
Q Stelle fest, wie sehr eine Aktion i von mir als Re- Q Berechnungen auf der Grundlage des Alter-Me-
aktion auf die Aktion des Gegenübers erwartet mory vollziehen sich auf dem Gedächtnisspei-
wird (Ermittlung der Erwartungserwartung). cher, in dem sich der Agent die Reaktion anderer
Agenten auf seine Aktionen „merkt“. Dies hat
Q Kombiniere beide Werte.
zur Folge, dass der Agent davon ausgeht, dass an-
Q Wähle auf der Grundlage der kombinierten Wer- dere Agenten diejenige Aktion von ihm erwarten,
te eine Reaktion aus. die ein aus seiner Sicht „generalisierter Anderer“
Q Führe die Aktion durch und merke ggf.16 diese ei- in dieser Situation durchführen würde.
gene Reaktion. Q Geschieht die Berechnung auf einem zusätzli-
Wir erläutern nun zunächst die einzelnen Schritte: chen, dem Alter-Memory funktional äquivalen-
Ermittlung der Erwartungssicherheit (ES) ten Ego-Memory, das ausschließlich der Speiche-
Wie bereits angedeutet, entspricht die Erwartungs- rung eigener Reaktionen auf fremde Aktion
sicherheit dem Wunsch, die Reaktion des Interak- dient, handelt der Agent so, wie er dies schon in
tionspartners einschätzen zu können. Hierfür ist es seiner Vergangenheit als Reaktion auf die Aktio-
wichtig, wie eindeutig in der Vergangenheit auf ein nen der Anderen getan hat.
Symbol reagiert wurde. Erfolgt jede mögliche Reak- Die Berechnung der Erwartungserwartung vollzieht
tion auf eine Aktion mit gleicher Wahrscheinlich- sich dann unabhängig vom gewählten Speicher.
keit, so sind die Folgen der Aktion nicht konkret Ausgehend von der Aktion b des Interaktionspart-
vorhersehbar. ners wird der zugehörige Vektor c xa normalisiert
Als Maß für die Erwartungssicherheit greifen wir und seine Einträge xa,b als die Wahrscheinlichkeit
auf die Entropie nach Shannon (Shannon 1948, interpretiert, mit der der Interaktionspartner die
Shannon/Weaver 1949) aus dem Bereich der Infor- Aktion a erwartet.
mationstheorie zurück. Dieses Maß bewertet die In- Kombination von Erwartungssicherheit und
formationsrate einer Symbolmenge (|I| = N) mit Erwartungserwartung
Die für jede mögliche Aktion a berechnete Erwar-
tungssicherheit (ES) und Erwartungserwartung
(EE) müssen jetzt noch zu einem Aktionswert (AW)
kombiniert werden. Zu welchen Teilen die Einzel-
Dabei entspricht pi der Häufigkeit, mit der das
werte in den Aktionswert eingehen, bestimmt dabei
Symbol i auftaucht. Um die Erwartungssicherheit
ein Faktor α Ε [0,1]
für eine Aktion a bestimmen zu können, entnehmen
wir unserer Gedächtnisspeichermatrix X den Vek- AW(a) = (1–α) × EE(a) + α × ES(a) + ε
tor c
xa . Dieser speichert die Häufigkeit aller Reak- Bei dem ε handelt es sich um einen sehr kleinen
tionen zzgl. der jeweils aufaddierten Vergessens- Wert, der addiert wird, um sicher zu stellen, dass
konstanten r forget für die Aktion a. Diesen Vektor kein Aktionswert auf Grund beschränkter Rechen-
normalisieren wir und interpretieren seine Einträge genauigkeit Null wird. Dieses hätte zur Folge, dass
als Wahrscheinlichkeiten für die möglichen Reak- bei der anschließenden Aktionswahl eine mit dem
tionen aus unserer Aktion a. Die Erwartungssicher- Aktionswert Null bewertete Aktion gar nicht mehr
heit für die Aktion a berechnet sich dann als berücksichtigt würde. Wir legen das Modell dage-
gen so an, dass prinzipiell alle Symbole immer im
Möglichkeitshorizont bleiben. Dies entspricht der
oben erwähnten Betonung der latent bleibenden
Bestimmung der Erwartungserwartung (EE) Unsicherheit der Agenten.
Durch die Einbeziehung der Erwartungserwartung Aktionswahl
berücksichtigt der Agent, dass nicht nur er den Um eine Aktion auszuwählen, verwenden wir fol-
gende Selektionsmethode:
16
Die eigene Aktion als Reaktion wird nur dann explizit Q Potenzierte Selektion: Wähle eine Aktion i zufäl-
gemerkt, wenn das Ego-Memory benutzt wird. lig, so dass die Wahrscheinlichkeit der Wahl der
380 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 32, Heft 5, Oktober 2003, S. 374–395

Abb. 1 Prozess der Aktionsselektion

Alternative i proportional zu einer bestimmten dann zufällig ausgewählt, wobei die Wahrschein-
Potenz des Aktionswertes ist. Je höher die Potenz lichkeit proportional zu dem mit γ potenzierten
ist, desto eher nähert sich die Selektion einer Ma- Aktionswert ist. Abbildung 1 verdeutlicht die ein-
ximierung. zelnen Schritte zur Aktionen-Wahl zusammenfas-
Das bedeutet, dass vor der eigentlichen Wahl der send.
Aktion alle Aktionswerte noch einmal mit dem In unserem Basismodell interagieren immer zwei
Wert γ potenziert und anschließend normalisiert Agenten miteinander, die zufällig aus der Menge
werden. Diese Vorgehensweise ermöglicht einen aller Agenten gewählt wurden. Als Erweiterung
kontinuierlichen Übergang zwischen der zufälligen heben wir noch die Anonymität unserer Interak-
Auswahl von Aktionen (γ = 0), der zum Aktions- tion auf, indem wir Beobachter zulassen. Diese
wert proportionalen Auswahl (γ = 1)17 und der nehmen nicht aktiv an der Interaktion im Sinne ei-
maximierenden Selektion (γ > 1). Die Aktion wird ner Gesprächsbeteiligung teil, beobachten aber
das Geschehen und lernen aus dem Verhalten der
17
Proportionale Selektion bedeutet, dass eine Aktion i zu-
anderen Agenten. Beobachter führen auf diese
fällig gewählt wird, wobei die Wahrscheinlichkeit der Weise zu einer stärkeren Diffusion einer Informa-
Wahl der Alternative i proportional zum Aktionswert ist. tion in der Agentenstruktur, ähnlich wie Massen-
Siehe zu dieser Selektionsmethode auch Schimank/Kron/ medien.
Greshoff 2002: 354ff.
Thomas Kron: Doppelte Kontingenz und die Bedeutung von Netzwerken für Kommunikationssysteme 381

2. Doppelte Kontingenz in nen der Agenten wurden von einer bestimmten


Small-World-Networks Menge anderer, an der Interaktion unbeteiligter
Agenten beobachtet. Beobachter verfolgen die – in
Wir haben mit Hilfe des Simulationsprogramms die ihrer Anzahl variablen – Interaktionen und lernen
ursprüngliche Situation doppelter Kontingenz be- daraus, welche Aktion/Reaktion-Kombinationen
reits an anderer Stelle ausführlich untersucht und erfolgreich sind. Im Basismodell werden die Beob-
dokumentiert (Kron/Dittrich 2002). Als wichtigstes achter zufällig aus der Menge der Agenten gewählt.
Ergebnis konnte festgehalten werden, dass Luh- Ausgenommen davon sind die beiden direkt mit-
manns Lösungsvorschlag zur Strukturierung dop- einander interagierenden Agenten. Dabei werden
pelt kontingenter Situationen trägt, allerdings unter sowohl die Interaktionspartner als auch die Beob-
Beachtung einer ganz bestimmten Parameterkon- achter zufällig aus der Menge aller Agenten ge-
figuration. So erwies sich vor allem die Selektions- wählt.
methode als derjenige Parameter mit dem größten
Einfluss auf die Ordnungsleistung: Je maximieren-
2.1 Small-World-Networks
der die Selektionsregel ist, d. h., je weniger Zufall
die Logik der Selektion zulässt, desto eher entsteht
Derartige rein zufällige Interaktionsstrukturen, in
Ordnung.
denen jeder Akteur mit jedem anderen Akteur gleich-
Die Abhängigkeit der Ordnungsleistung von einer wahrscheinlich interagieren kann, stellen eine äu-
bestimmten Parameterkonfiguration wird noch ver- ßerst spezielle, wenn nicht gar unrealistische Ver-
schärft, wenn man von doppelter Kontingenz auf einfachung bei der Nachbildung realweltlicher
Multikontingenz umstellt, also die Anzahl der Interaktionsstrukturen dar.18 Deshalb wollen wir
Agenten erhöht. Auch dazu haben wir eingehende in einem nächsten Schritt die Agenten in eine be-
Simulationsexperimente durchgeführt (Dittrich/ stimmte, durch Multikontingenz geprägte Agen-
Kron/Banzhaf 2003). Bei diesen Experimenten tenkonstellation einbetten und beobachten, inwie-
stand vor allem das Problem der Skalierung im Vor- weit sich diese Vorstrukturierung auf die
dergrund, die Frage wie „globale Kohärenz“ in gro- Ordnungsleistung auswirkt. Da es uns nur auf eine
ßen, dynamischen (Agenten)Gesellschaften in tur- Vorstrukturierung im Sinne einer Akteurkonstella-
bulenten Umgebungen möglich ist, ohne dass es zu tion wechselseitiger Beobachtung ankommt (und
unwägbaren Beeinträchtigungen kommt. Theo- nicht um tiefere Eingriffe etwa mit vorgegebenen
retisch geklärt, analysiert und präzisiert werden Erwartungs-, Bewertungs-, oder Deutungsstruktu-
sollten vor allem die auf dieses Problem bezogenen ren) (Schimank 2000: 169ff.), haben wir die Agen-
unscharfen Vorstellungen etwa über Offenheit, ten in parametrisierte Small-World-Networks19
Adaptivität, Heterogenität, Komplexität, Robust- platziert.
heit usw., wobei sich die Soziologie mit ihren Über- „Die Welt ist klein . . .“
legungen zum Micro-Macro-Link (Alexander et al. Der wissenschaftliche Ursprung der Small-World-
1987) durchaus anschlussfähig zeigt. Unsere Simu- Networks geht auf ein Experiment von Milgram
lationsexperimente haben gezeigt, dass die Umstel- (1967) zurück, der entdeckt hatte, dass zwei belie-
lung doppelt kontingenter Situationen von zwei auf bige Personen auf dieser Welt im Durchschnitt nur
viele Agenten das Ordnungsproblem verschärft. Zu durch sechs andere Menschen getrennt sind.20 Die
einer Strukturierung konnte es in diesem Fall nur
dann kommen, wenn diejenigen Bedingungen er- 18
Auch Luhmann (1984: 168, siehe auch 186) hat das
füllt waren, die auch schon für einfache Situationen deutlich gesehen: „‚Reine‘ doppelte Kontingenz, also eine
doppelter Kontingenz zu stabilen Strukturierungen sozial vollständig unbestimmte Situation, kommt in unse-
führten. Zusätzlich mussten aber noch zwei Neue- rer sozialen Wirklichkeit zwar nie vor. Trotzdem eignet
rungen eingeführt werden: (1) Die Agenten müssen sich dieser Ausgangspunkt, um bestimmte Fragen weiter
ihre Erwartungserwartungen aus Annahmen über zu verfolgen.“
19
den individuell generalisierten anderen Agenten Siehe zur aktuellen Übersicht Barabási 2002, Buchanan
(und nicht aus der Vergangenheit eigener Handlun- 2002, Newmann 2000, Watts 2003.
20
gen) herleiten (Typisierung). Informatisch wird dies Vor ein paar Jahren hatte DIE ZEIT dieses Experiment
wiederholt und die kürzeste Verbindung eines Falafel-Im-
in dem Simulationsprogramm umgesetzt, indem die
biss-Besitzers in Berlin mit Marlon Brando gesucht und
Agenten zur Berechnung ihrer Erwartungserwar- festgestellt, dass nicht mehr als sechs Zwischenschritte nö-
tungen auf das Alter-Memory zurückgreifen. (2) Es tig waren. Die NEW YORK TIMES hat dieses Spiel wie-
musste eine Art Informationsdiffusionsverstärkung derholt, das dort „Six Degrees of Monica“ (gemeint war
eingeführt werden, d. h., die einzelnen Interaktio- Monica Lewinsky) hieß.
382 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 32, Heft 5, Oktober 2003, S. 374–395

Frage war, wie diese „six degrees of seperation“ meisten biologischen, technischen und sozialen
möglich war. Die graphentheoretische Formulie- Netzwerke aber zwischen diesen beiden Extremen
rung des Problems lautet: Wie kann man mehrere liegen, entwickelten Watts und Strogatz ein Modell,
Milliarden Punkte (Knoten) so verbinden, dass man das die Interpolation zwischen diesen beiden Topo-
von einem beliebigen Punkt A zu jedem beliebigen logien ermöglicht. Dabei entstehen Strukturen mit
Punkt B über nicht mehr als sechs Zwischenschritte hoher Clusterung, vergleichbar der regulärer Gitter,
gelangt? Der ungarische Mathematiker Paul Erdös und geringer charakteristischer Pfadlänge, wie sie
entdeckte, dass bezüglich aller möglichen Verbin- ansonsten in zufälligen Netzen zu finden ist. Die
dungen ein relativ kleiner Prozentsatz zufällig ver- entstehenden Strukturen bezeichneten sie als Small-
teilter Verbindungen (Kanten) genügt, um ein mehr World-Networks.
oder weniger vollständig vernetztes Ganzes entste- Erzeugt werden die Small-World-Networks durch
hen zu lassen. Und dieser Prozentsatz verringert eine parameterisierbare Prozedur zur Umschrei-
sich, je größer die Anzahl der Knoten ist. Das Prob- bung der Kanten. Ausgangspunkt ist dabei ein regu-
lem mit dieser Erkenntnis war nur, dass die soziale läres Gitter mit n im Kreis angeordneten Knoten.
Welt eben nicht völlig von Zufall bestimmt ist, son- Jeder dieser Knoten ist über k Kanten mit den k/2
dern auch auf sozialen Beziehungen beruht. Fami- Knoten zu seiner Linken und k/2 Knoten zu seiner
lie, Freunde, Bekannte stellen keinen Zufallsgra- Rechten verbunden. Dieses reguläre Ausgangsgitter
phen dar. Hier weist Granovetter (1973) darauf wird k/2-mal zyklisch durchlaufen. Dabei werden
hin, dass es aber auch nicht nur starke, sondern zuerst die Kanten zum direkten Kreis-Nachbarn ei-
eben auch schwache Beziehungen gibt, die durch- ner Seite mit der Wahrscheinlichkeit p umgeschrie-
aus einen starken Einfluss (etwa bei der Vermitt- ben, d. h., die Verbindung zum Kreisnachbarn wird
lung von Arbeitsstellen) haben können. Soziale Brü- gelöst und der betrachtete Knoten wird mit einem
cken werden fast immer durch schwache beliebigen anderen Knoten verbunden, mit dem er
Beziehungen geknüpft.21 Damit hatte Granovetter noch nicht in Verbindung steht. In der folgenden
zwar dargelegt, dass schwache Beziehungen Small- Runde wird dann der nächste Kreis-Nachbar be-
World-Networks-Strukturen erzeugen können, aber trachtet und so weiter.
es fehlte immer noch die Erklärung des Mechanis-
Durch diese Art der Konstruktion erhält man für
mus, weshalb das so ist. Offensichtlich ist nur, dass
p = 0 das reguläre Ausgangsgitter, für p = 1 einen
der gesuchte Mechanismus ein Netzwerk zwischen
Zufallsgraphen. Von Interesse waren für Watts
Ordnung und Zufall erzeugt. Wo aber liegt der
und Strogatz die Struktureigenschaften der Netze
Schwellenwert von der Ordnung zum Zufall? Hier
mit 0 < p < 1, sie wollten genau den Bereich zwi-
beginnt die Arbeit von Watts und Strogatz (1998),
schen Ordnung und Zufall beobachten. Sie be-
die ein Modell entwickelt haben, das sich zur Er-
trachteten hierfür die charakteristische Pfadlän-
zeugung (statischer) Small-World-Networks eignet.
ge23 L (p) als globale Eigenschaft der Netze und
Wir stellen dieses Modell nun kurz vor und schlie-
den Clusterungskoeffizient24 C (p) als lokale Ei-
ßen daran unsere Variante eines dynamischen Mo-
genschaft. Dabei stellte sich heraus, dass es ein In-
dells an.
Klassische Modellierung von Small-World-Networks
Unzufrieden mit der Tatsache, dass Netzwerktopo- der Knoten mit exakt der gleichen Anzahl seiner nächsten
logien häufig als entweder völlig geordnet (regu- Nachbarn verbunden ist. Im Gegensatz dazu sind beim
lär)22 oder total zufällig modelliert werden, die Zufallsgraphen die Nachbarschaften völlig zufällig ge-
setzt.
23
Die durchschnittliche Pfadlänge des kürzesten Pfades
21
Hinter Granovetters Argument versteckt sich das Bild zwischen zwei Knoten wird als charakteristische Pfadlän-
einer Vergesellschaftung, die sich durch stark verbundene ge bezeichnet.
Cluster auszeichnet, von denen nur wenige Verbindungen 24
Der Clusterungskoeffizient soll quantitativ die Tendenz
in die Cluster-Umwelt reichen. Diese auf dieser Vergesell- zur Clusterbildung wiedergeben. Ist ki der Grad eines
schaftungsform beruhende Struktur ist also eine Ansamm- Knotens i und Ei # E die Menge der Kanten, welche die
lung kompletter Graphen, in denen jeder Knoten mit je- Knoten seiner Nachbarschaft untereinander verbinden,
dem Knoten innerhalb der Cluster verbunden ist, und in dann beträgt sein Clusterungskoeffizient:
denen die Cluster untereinander nur durch wenige Bezie-
hungen verbunden sind. Man kann hier auch das Bild der
Gesellschaft als Ansammlung autopoietischer, durch Dieser Koeffizient spiegelt das Verhältnis zwischen existie-
strukturelle Kopplungen verbundener Teilsysteme wieder- renden und möglichen Kanten in der Nachbarschaft wi-
erkennen. der. Der Durchschnitt der Koeffizienten aller Knoten ist
22
Reguläre Graphen zeichnen sich dadurch aus, dass je- der Clusterungskoeffizient des Graphen.
Thomas Kron: Doppelte Kontingenz und die Bedeutung von Netzwerken für Kommunikationssysteme 383

Abb. 2 Interak-
tionen in einem
Small-World-
Network

tervall für p gibt, in dem Netze entstehen, deren


charakteristische Pfadlänge L (p) mit denen von
Zufallsgraphen vergleichbar ist, während der
Clusterungskoeffizient C (p) noch annähernd dem
des regulären Gitters entspricht. Das ist eine Ei-
genschaft, die in vielen biologischen, technischen
und sozialen Netzen nachweisbar ist (Watts 2003) Formal modelliert ist damit die Wahrscheinlichkeit,
und die in dynamischen Systemen eine hohe Ge- dass zwei Agenten X und Y miteinander in Bezie-
schwindigkeit der Signalausbreitung und Synchro- hung stehen. Proportional zu dieser Wahrschein-
nisierbarkeit ermöglicht. lichkeit werden die jeweiligen Interaktionspartner
Dynamische Small-World-Networks ausgewählt. Mit Hilfe dieser Umstellung werden,
Allerdings führt die Modellierung von Strukturen wie wir gleich zeigen, ebenfalls die Beobachter der
mittels statischer Small-World-Networks wie etwa Interaktionen bestimmt. Die Variablen p, k und n
bei Watts/Strogatz zur Vernachlässigung dyna- haben die gleiche Bedeutung wie im vorherigen
mischer Eigenschaften. D.h., Watts und Strogatz Modell, dxy entspricht dem Abstand zweier Punkte
haben singuläre Modelle daraufhin untersucht, ob auf dem Kreis. Abbildung 2 zeigt beispielhaft mög-
und inwieweit diese die Eigenschaften von Small- liche Interaktionen zwischen den auf einem Kreis
World-Networks aufweisen. Aus diesem Grund ha- angeordneten Agenten über einen längeren Zeit-
ben wir unser Modell dahingehend erweitert, dass raum.
die Interaktionsstruktur in einem Zeitabschnitt Interaktionspartner- und Beobachterwahl in dyna-
zwar einem Small-World-Network entspricht, mischen Small-World-Networks
trotzdem aber noch jeder Agent die Möglichkeit Die Wahl der Interaktionspartner und der Beobach-
hat, mit jedem Agenten zu interagieren.25 Wir un- ter vollzieht sich nun in drei Schritten:
tersuchen also nicht einzelne Small-World-Net- 1. Zufällige Wahl des ersten Agenten.
work-Modelle in ihrem augenblicklichen Zustand,
2. Wahl des Interaktionspartners proportional zur
sondern deren dynamisches Verhalten. Um diese
Wahrscheinlichkeit, mit der dieser mit dem zu-
Dynamisierung zu erreichen, haben wir auf der
erst gewählten Agenten verbunden ist.
Grundlage des ursprünglichen Modells von Watts/
Strogatz die Wahrscheinlichkeit p (exy) für die Exis- 3. Die Beobachter werden proportional zur Wahr-
tenz einer Kante zwischen den Knoten x und y ap- scheinlichkeit gewählt, mit der sie mit einem
proximiert durch der beiden oder mit beiden Agenten verbunden
sind.
Die folgende Abbildung 3 soll diese Schritte verdeut-
lichen. Die Agenten befinden sich durchnumeriert
25
Der Grund für dieses Vorgehen liegt vor allem in der auf dem Kreis, der der Erzeugung der Small-World-
soziologischen Interpretierbarkeit des hier verwendeten Networks dient. Der erste Agent wird zufällig ge-
formalen Modells. Zunächst sind soziale Beziehungen
wählt. Das erste Diagramm der Abbildung 3 zeigt
schlichtweg nur in seltensten Fällen dauerhaft konstant,
sondern immer mehr oder weniger Veränderungen aus- an, mit welcher Wahrscheinlichkeit die anderen
gesetzt. Zudem werden wir auf Seite S. 387ff. noch Stö- Agenten mit diesem Agent verbunden sind. Propor-
rungen hinzufügen, die als Geburts- bzw. Sterbeprozesse tional zu diesen Wahrscheinlichkeiten wird der zwei-
gedeutet werden können. te Agent als Interaktionspartner ausgewählt. Das
384 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 32, Heft 5, Oktober 2003, S. 374–395

Abb. 3 Wahrscheinlichkeit für die Wahl eines Interaktionspartners bzw. Beobachters

zweite Diagramm markiert, mit welcher Wahr- (1) Welchen Einfluss haben vor allem Small-
scheinlichkeit andere Agenten mit diesem Agenten World-Networks auf die Geordnetheit des
verbunden sind. Aus dem Mittel dieser beiden Wahr- Symbolsystems?
scheinlichkeiten resultiert die Wahrscheinlichkeit, (2) Welchen Einfluss haben Störungen in Abhän-
mit der ein Agent als Beobachter gewählt wird. Die- gigkeit der zu Grunde liegenden Agentenkon-
ses ist im dritten Diagramm dargestellt. stellationen auf die Geordnetheit des Symbol-
systems?
3. Simulations-Experimente Der basale Aufbau der Simulationsexperimente
geht von drei hierarchisch geordneten Ebenen der
Wir wollen uns im Folgenden bei der Durchführung Sozialität aus. Auf der untersten Ebene sind die in-
und Analyse der Simulationsexperimente auf die teragierenden Agenten. Die zweite Ebene wird
Fragen konzentrieren, welchen Einfluss Small- durch die Strukturierung der Agenten gebildet,
World-Networks in multikontingenten Situationen d. h., hier werden die Agentenkonstellationen rele-
auf die Ordnungsbildung der Symbolsysteme ha- vant. Die dritte Ebene ist die des Symbolsystems.
ben.26 Dabei stehen zwei Fragekomplexe im Vor-
Die verschiedenen Ebenen wechselwirken miteinan-
dergrund:
der. So werden die Wahrscheinlichkeiten der Inter-
26
Wir schließen dabei an die erwähnten bereits durch- aktionen der Agenten bestimmt durch die verschie-
geführten Simulationsexperimente an (Dittrich/Kron/ denen Netzwerkstrukturen. Die Netzwerke
Banzhaf 2003, Kron/Dittrich 2002). Die erste Stufe der wiederum werden durch die Agenteninteraktionen
Versuchsanordnungen war nur auf das reine soziologische reproduziert. Aus den Agenteninteraktionen resul-
Modell der Situation doppelter Kontingenz gerichtet; die tiert im Endeffekt ein bestimmtes Symbolsystem –
zweite Stufe hatte die Untersuchung der Skalierbarkeit vermittelt über die jeweilige Strukturierung der
zum Inhalt. Die Hauptergebnisse werden nun als Aus- Agenten durch die Netzwerke –, das die Grundlage
gangslage für die hier vorgestellte dritte Stufe benutzt,
im Sinne eines Möglichkeitsraums für die Agenten-
d. h., die Agenten selektieren quadratisch (γ = 2), die Er-
wartungserwartungen werden auf der Basis des Alter-Me-
interaktionen ist. Die Organisation der Agenten-
morys berechnet und es gibt Beobachter, die die jeweiligen konstellationen durch Netzwerkstrukturen wirkt
Interaktionen beobachten, aber selbst nicht eingreifen, insgesamt als Medium, als unabhängige Variable
wodurch es zu einer Art „Informationsdiffusion“ im Sys- für die Genese des Symbolsystems und dessen
tem kommt. Rückwirkung auf die Interaktionen der Agenten.
Thomas Kron: Doppelte Kontingenz und die Bedeutung von Netzwerken für Kommunikationssysteme 385

(3) Ordnungsmaß Systemintegration


Eine Synthese aus dem eher makroskopischen Ord-
nungsmaß der Reduktionsleistung und dem mikro-
skopischen Ordnungsmaß der Sicherheit stellt das
Ordnungsmaß Systemintegration dar. Damit wird
gemessen, wie vorhersagbar eine Aktion eines zu-
fällig gewählten Agenten Ego ist. Dieses Maß spie-
gelt die Gleichförmigkeit der Reaktion der Gesamt-
population auf eine beliebige Aktion wider. Dabei
wird diese Gleichförmigkeit für jede Aktion mit der
Häufigkeit der Aktion in vergangenen Interaktio-
Abb. 4 Ebenen der Simulationsanordnung nen gewichtet und über alle Aktionen gemittelt.
Wenn ein Symbol in jüngster Vergangenheit nicht
mehr benutzt wurde, spielt die Reaktion der Ge-
3.1 Ordnungsmaße samtpopulation keine Rolle, da dies ein für das Sys-
tem unerheblicher Fall ist. Kurz: Je häufiger ein
Bevor wir die einzelnen Ergebnisse vorstellen, müs- Symbol vorkommt, desto wichtiger ist die einheitli-
sen wir noch darlegen, was wir überhaupt messen. che Reaktion der Gesamtpopulation für die Inte-
Es dürfte zwar deutlich geworden sein, dass es um gration des Gesamtsystems.
die Ordnungsleistung geht, aber wie kann diese ge-
messen werden? Wie kann man Strukturen messen
bzw. woran kann man diese überhaupt erkennen? 3.2 Experiment-Anordnung
Die Soziologie bietet dazu überraschender Weise
Wenn wir im Folgenden die Auswirkungen von
nur wenige Hinweise (Greshoff/Kneer 1999, Reck-
Small-World-Networks simulieren, dann immer
witz 1997). Angelehnt an diese schlagen wir drei
im Vergleich zum sog. Zufallsgraphen und zum re-
Maße vor, mit denen wir die Ordnungsleistung
gulären Gitter. Mit dem Zufallsgraphen schließen
messen:
wir an unsere Simulationen zum Skalierungsprob-
(1) Ordnungsmaß Reduktionsleistung lem und deren Lösung an, d. h., wir beginnen mit
Mit diesem Ordnungsmaß messen wir die durch- einer Startkonfiguration, von der wir wissen, dass
schnittliche Anzahl verschiedener Symbole, die in sie Ordnung ohne Vorstrukturierungen (d. h., die
einem bestimmten Zeitintervall von den Agenten Agenten werden zufällig aus der Gesamtpopula-
selektiert worden sind. Je geringer die Anzahl selek- tion gezogen) ermöglicht. Beim regulärem Gitter
tierter Symbole ist, desto größer ist die Reduktions- gibt es dagegen fest gekoppelte Nachbarschaften
leistung der Agenten und desto größer ist die von Agenten. Die Anzahl der Nachbarn legen wir
Ordnung. Es handelt sich hierbei um eine makro- auf sechs fest. Der Unterschied zu den Small-
skopische Ordnungsperspektive. World-Networks besteht darin, dass die Nachbar-
(2) Ordnungsmaß Sicherheit schaften im regulärem Gitter während der Simu-
lation bestehen bleiben, während sich in
Ein mikroskopisches Maß zur Bestimmung der
Small-World-Networks durch die Umschreibun-
Ordnung ist das Messen der durchschnittlichen Si-
gen der Kanten die Nachbarschaften ändern. Mit
cherheit der Agenten über die von ihnen selektier-
anderen Worten: Wir vergleichen Small-World-
ten Aktionen. Hier wird die Sichtweise der Agen-
Networks mit den Extremkonstellationen Zufall
ten zur Ordnungsbestimmung genutzt. Ein hoher
und Ordnung.
Wert repräsentiert hohe Sicherheit und damit ein
hohes Maß an Ordnung. Allerdings ist bei diesem Die Ausgangskonfiguration zeichnet sich durch fol-
Maß Vorsicht geboten: Da die tatsächlich selek- gendes Parameter-Setting aus27: Der Kontingenz-
tierten Symbole und die Einschätzung der Situa-
27
tion durch die Agenten (die für die Sicherheit der Die Variationsmöglichkeiten unseres Simulationspro-
Agenten maßgeblich ist) zwei unterschiedliche gramms sind vielfältig, d. h., das Programm „LuSi“ kann
doppelt kontingente Situationen unter verschiedensten
Maße sind, müssen diese nicht zwangsläufig eine
Voreinstellungen simulieren. Variationsmöglichkeiten be-
ähnliche Dynamik aufweisen. Mit anderen Wor- stehen u. a. für folgende Parameter:
ten: auch unsichere Agenten können zu einer Ord- Q Die Anzahl der Symbole, aus denen die Agenten aus-
nungsleistung beitragen – auch wenn ihnen dies wählen können, kann von 2 zwei bis 100 verändert
nicht bewusst ist. werden. Je größer die Anzahl möglicher Symbole für
386 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 32, Heft 5, Oktober 2003, S. 374–395

raum umfasst 50 Symbole, aus denen die Agenten Small-World-Networks vor allem solche Struktur-
auswählen können. Es werden 100 Agenten einge- eigenschaften besitzen, die zwischen Ordnung und
setzt, die ihre Handlungen nach der quadratischen Zufall liegen. In einem zweiten Schritt wollen wir
Selektion auswählen (γ = 2); Erwartungssicherheit dann der Frage nachgehen, inwieweit die Agenten-
und Erwartungserwartung werden gleich gewichtet konstellationen Einfluss auf die Bewältigung von
(α = 0,5) und zur Berechnung der Erwartungserwar- Störungen – sowohl in der Genese des Symbolsys-
tung wird das Alter-Memory verwendet (Typisie- tems als auch innerhalb eines stabilen Systems – ha-
rung). Es gibt zwei Beobachter pro Interaktion; Letz- ben.
tere umfasst fünf „Talks“ (pro Interaktionssequenz)
zwischen den Agenten. Jedes Simulationsexperiment 3.3.1 Referenzsituation: Vergleich ohne Störungen
ist dargestellt als Mittel von 30 Simulationen über Im Vergleich von Zufallsgraph, Small-World-Net-
300.000 Simulationsschritte pro Parameter-Setting. work und regulärem Gitter ohne Störungen sind
folgende Ergebnisse auffällig: Während Vorstruktu-
rierungen durch Small-World-Networks und regu-
3.3 Ergebnisse
lären Gittern relativ schnell in einen Ordnungs-
Wir stellen nun in einem ersten Schritt die Ergebnis- bereich führen, der tendenziell dann auch
se über den Einfluss der Vorstrukturierung der beibehalten wird, zeigt der Zufallsgraph einen ab-
Agentenkonstellation vor dem Hintergrund der sog. weichenden Verlauf. Zunächst kann man für die
Referenzsituation dar, die sich durch das Fehlen ersten 25.000 Simulationsschritte eine Verschlech-
von Störungen auszeichnet. Zum Vergleich zu den terung im Sinne größerer Nicht-Ordnung beobach-
Vorstrukturierungen über Small-World-Networks ten. Dann aber wird die Ordnung allmählich grö-
verwenden wir sowohl ein reguläres Gitter (die ßer. Eine stärkere Dynamik ist hier offensichtlich,
Agenten bleiben in festen Nachbarschaften) als verstanden als Abweichung vom jeweils vorherigen
auch einen Zufallsgraphen, in den die Agenten zu- Zustand pro Zeiteinheit. Am Ende der 300.000
fällig und ohne eine Vorstrukturierung gewählt Zeitschritte hat der Zufallsgraph das geordnetste
werden. Zur Wiederholung sei angemerkt, dass Symbolsystem generieren können.
Welche Erklärung gibt es für diesen auffälligen Ver-
lauf besonders des Zufallsgraphen im Vergleich zu
die Agenten ist, desto größer ist die Kontingenz reduzie- Small-World-Networks und zu regulären Gittern?
rende Wirkung, wenn ein bestimmtes Symbol gewählt Wir denken, dass hier die unterschiedlichen Zeit-
wird. effekte für Gruppenbildungsprozesse auf lokaler
Q Die Anzahl der Agenten kann von 2 bis 200 verändert
und globaler Ebene eine entscheidende Rolle spie-
werden.
Q Die Anzahl der Simulationsschritte kann von 1.000 bis len. Aus der Sicht der Agenten stellt die nicht vor-
1.000.000 variiert werden. Je größer die Anzahl der Si- strukturierte Referenzsituation im Zufallsgraphen
mulationsschritte ist, desto eher kann man von „zuver- bereits eine Art Störung dar, weil die Agenten an-
lässigen“ Ergebnissen ausgehen. fangs ausschließlich auf solche Agenten treffen, mit
Q Es kann eingestellt werden, nach welcher Regel (pro- denen sich das Problem doppelter Kontingenz in
portional/potenziert) die Aktionswerte selektiert wer- voller Schärfe stellt. Diese Art Störung im Zufalls-
den (von 0 [völlig zufällig] bis 1000 [maximierend]). netz der Referenzsituation besteht nur innerhalb
Q Ermöglicht wird eine differenzierte Gewichtung von Er- weniger Zeitschritte zu Anfang für die regulären
wartungssicherheit und Erwartungserwartung.
Gitter und die Small-World-Networks, weil dort
Q Zur Verstärkung des Effekts einzelner Interaktionen
zwischen zwei Agenten besteht die Möglichkeit, eine bereits Gruppen (Nachbarschaften) existieren, in-
bestimmte Anzahl von Beobachtern (0 bis 198) einer nerhalb deren die Agenten sich sofort koordinieren
einzelnen Interaktion oder mehrere Interaktionen zwi- und doppelkontingente Situationen beseitigen kön-
schen zwei Agenten („Talks per Meeting“, 0 bis 100) nen. Da solche eher lokalen Gruppenbildungen
zuzulassen. durch Nachbarschaften im Zufallsgraphen fehlen,
Q Die Agenten können in Small-World Netzwerken ange- kommt es erst allmählich zu einer höheren Ord-
ordnet werden. Variabel ist die Anzahl der Nachbarn nung im Zuge der Annäherung aller Agenten anei-
sowie die Wahrscheinlichkeit, mit der die Kanten umge- nander. D. h., das Einspielen der Gesamtpopulation
schrieben werden.
geht mit einer Steigerung der Ordnungsleistung ein-
Q Das System kann zu zwei unterschiedlichen Zeitpunk-
ten mit unterschiedlicher Intensität gestört werden. Da- her: Ordnung ist im Zufallsgraphen nur global
zu wird mit einer variabel einstellbaren Wahrscheinlich- möglich, weil die basale Struktur global ist. Aber
keit ein interagierender Agent durch einen noch wenn eine solche Ordnung einmal entstanden ist,
unerfahrenen Agenten ausgetauscht. ist sie auch aus genau diesem Grunde im Zufalls-
Thomas Kron: Doppelte Kontingenz und die Bedeutung von Netzwerken für Kommunikationssysteme 387

Tabelle 1 Ordnungsdaten der Referenzsituation im Vergleich


Zufallsgraph Small-World-Networks Reguläre Gitter
Reduktionsleistung 3,44 7,97 13,03
Systemintegration 0,90 0,57 0,33
Sicherheit 0,65 0,55 0,55

graphen höher als bei Small-World-Networks und gen erst dann, wenn dass System schon in einem ho-
regulären Gittern. Bei Letzteren besteht auf Grund hen Maße strukturiert ist.
ihrer eher lokalen Struktur nämlich immer noch ei- Einfluss von Störungen auf die Systemgenese
ne Chance, dass verschiedene Gruppen entstehen, Wir beginnen mit den Simulationsexperimenten zu
die jeweils unterschiedliche, in sich konsistente und dem Einfluss von Störungen in der Systemgenese,
kaum miteinander gekoppelte Symbolsysteme ver- d. h., die Störungen wirken von Simulationsbeginn
wenden. Die deutlich geringere Systemintegration an. Zunächst können wir uns auf den Bereich gerin-
spiegelt diesen Sachverhalt wider. Wir werden nun ger Störungen (1 %) beschränken, da größere Stö-
untersuchen, inwiefern sich die verschiedenen Ak- rungen (5–10 %) bei allen drei Agentenkonstella-
teurkonstellationen unter der Bedingung von Stö- tionen zu einer Verschlechterung der Ordnung im
rungen in der Bewältigung multikontingenter Situa- Vergleich zur Referenzsituation führen (und je grö-
tionen bewähren. ßer die Störung ist, desto weniger Ordnung wird er-
zeugt). Dies zeigt schon ein Blick auf den Vergleich
3.3.2 Einfluss von Störungen der Ordnungsdaten.
Wir modellieren Störungen auf der Ebene des Agen- Hier kann man im Vergleich zur Referenzsituation
tensystems dadurch, dass in jedem Zeitschritt mit beobachten, dass diejenige Agentenkonstellation,
einer gewissen Wahrscheinlichkeit28 ein zufällig ge- die ohne Störungen die besten Ordnungsleistungen
wählter Agent aus der Gesamtpopulation gegen ei- erbracht hat – der Zufallsgraph – nun am wenigsten
nen Agenten ausgetauscht wird, der noch völlig Ordnung herstellen kann. Zugleich – und auch dies
„unsozialisiert“ ist. Man könnte auch sagen, mit ei- ist überraschend – können Small-World-Networks
ner bestimmten Wahrscheinlichkeit wird einem und reguläre Gitter im Vergleich zur Referenzsitua-
Agenten das Gedächtnis gelöscht. Auf diese Weise, tion sogar noch höhere Ordnungsleistungen erzeu-
so unsere Annahme, wird die Strukturierung er- gen! Erst mit größeren Störungen kommt es auch
schwert, es werden immer wieder Fehler gemacht, bei letztgenannten Agentenkonstellationen nicht zu
die sich qua Beobachter im System und über die In- einer ähnlich guten Ordnungsproduktion wie in der
teraktionen schnell ausbreiten können. Die Frage Referenzsituation. Die folgenden Abbildungen 6–8
ist: Wie bewältigen die verschiedenen Agentenkon- zeigen die Reaktionen der verschiedenen Agenten-
stellationen die Störungen? konstellationen jeweils für das Ordnungsmaß der
In einem ersten Schritt möchten wir wissen, in- Systemintegration. Erkennbar sind deutlich die bei-
wieweit ein Symbolsystem durch Störungen in der den genannten Ergebnisse: weniger Ordnung beim
Genese beeinflussbar ist. Wir vergleichen dabei Zufallsgraphen, mehr Ordnung beim regulären Git-
wiederum den Zufallsgraphen mit den Vorstruktu- ter sowie beim Small-World-Network.
rierungen durch Small-World-Networks und regu- Abbildung 6 zeigt, dass die Systemintegration für
lären Gittern. Im zweiten Schritt untersuchen wir den Zufallsgraphen bereits bei kleinsten Störungen
dann den Einfluss von Störungen auf ein stabiles im Gegensatz zur störungsfreien Referenzsituation
Symbolsystem. In diesem Fall erfolgen die Störun- zusammenbricht. Schon kleinste Störungen führen
im Zufallsgraphen dazu, dass die allmähliche An-
näherung der Gesamtpopulation, die in der Refe-
28
Wir betrachten hier eine Störungswahrscheinlichkeit renzsituation letztlich ein hohes Maß an Ordnung
von 1 %, 5 % und 10 %. Diese Festlegungen ermöglichen, ermöglicht hat, unterbrochen bzw. von vornherein
qualitative Aussagen über die Auswirkungen von Störun- vereitelt wird. Der Grund liegt in der globalen Wir-
gen zu treffen. Quantitative Aussagen, z. B. über Optima kungsweise von Störungen im Zufallsgraphen.
bzw. Schwellenwerte der Systemintegration, machen im
Rahmen dieses künstlichen Systems keinen Sinn, da die Si- Bei den Abbildungen 7 und 8 sind besonders diejeni-
mulationsergebnisse nicht in ihrer quantitativen Dimen- gen Kurven interessant, die das Integrationsverhalten
sion auf Sozialsysteme (rück-)übertragen werden können. des Systems für kleine Störungen anzeigen. Wieso
388 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 32, Heft 5, Oktober 2003, S. 374–395

Abb. 5 Ordnungsmaße der Referenzsitua-


tion im Vergleich

kommt es bei regulären Gittern und Small-World- zur Antwort zum Zusammenbruch des Zufallsgra-
Networks zu einer höheren Systemintegration und phen gedacht werden muss. In regulären Gittern und
nicht zu einem Zusammenbruch wie beim Zufalls- Small-World-Networks wirken die Störungen näm-
graphen? Wir denken, dass die Antwort als Pendant lich eher lokal und nicht global. In den lokalen Berei-
Thomas Kron: Doppelte Kontingenz und die Bedeutung von Netzwerken für Kommunikationssysteme 389

Tabelle 2 Ordnungsdaten im Vergleich (1 % Störungen in der Systemgenese)


Zufallsgraph Small-World-Networks Reguläre Gitter
Reduktionsleistung 31,4 2,4 4,5
Systemintegration 0,03 0,92 0,65
Sicherheit 0,05 0,72 0,68

Tabelle 3 Ordnungsdaten im Vergleich (5 % Störungen in der Systemgenese)


Zufallsgraph Small-World-Networks Reguläre Gitter
Reduktionsleistung 31,7 31,1 23,9
Systemintegration 0,04 0,04 0,22
Sicherheit 0,07 0,07 0,03

Tabelle 4 Ordnungsdaten im Vergleich (10 % Störungen in der Systemgenese)


Zufallsgraph Small-World-Networks Reguläre Gitter
Reduktionsleistung 31,0 31,4 31,2
Systemintegration 0,07 0,09 0,09
Sicherheit 0,12 0,11 0,11

chen können die Störungen gut aufgefangen werden, dann können neue, „unsozialisierte“ Agenten bei
weil in diesen Bereichen das Problem doppelkontin- geringen Störungen diese Ausschnitte des in der ge-
genter Situationen prinzipiell schneller aufgelöst samten Agentenkonstellation entstandenen Sym-
wird. Dieses coping verläuft hier schneller (d. h. vor bolsystems auf Grund ihrer Kürze häufiger beob-
allem, bevor weitere Störungen einwirken können), achten und werden in der Folgezeit mit einer
weil ein von Störungen betroffener Agent sowohl im höheren Wahrscheinlichkeit nur diese Ausschnitte
weiteren Verlauf selbst wieder mit höherer Wahr- in ihren Interaktionen reproduzieren. Nehmen wir
scheinlichkeit (als im Zufallsgraphen) mit denjenigen z. B. an, die gesamte Agentenkonstellation konnte
Agenten seiner Nachbarschaft interagieren wird als die Anzahl der Symbole auf 10 Symbole reduzieren
auch als Beobachter eher seine Nachbarn in der In- (Sub-System). Wenn nun in einem bestimmten Be-
teraktion beobachten wird als andere, „fremde“ reich nur 5 dieser 10 Symbole verwendet werden
Agenten. Bis zu einem gewissen Grad können lokale (Sub-Sub-System) und als Störung ein neuer, uner-
Beziehungen in der Agentenpopulation eine Art fahrener Agent in einen solchen Bereich gerät, dann
„Selbstheilungsprozess“ initiieren, da sich dort we- wird er nur diese 5 Symbole beobachten bzw. ler-
sentlich schneller (im Vergleich zum Kontingenz- nen und später auch selbst reproduzieren. Es findet,
raum kleinere) Symbolketten etablieren. mit anderen Worten, eine Reduktion der verwende-
Als Grund für eine derartige Erhöhung der Ord- ten Symbole statt, was im Ergebnis zu einer höhe-
nungsleistung vermuten wir eine Art „versteckten“ ren Ordnung führt.
Selektionsdruck: Je kürzer das entstandene Symbol- Ein weiterer interessanter Punkt ist der Unterschied
system ist, desto häufiger kann es innerhalb einer zwischen den regulären Gittern und den Small-
zeitlich begrenzten Interaktion wiederholt und ge- World-Networks. Wie kann man erklären, dass bei-
lernt werden. Wenn sich während des Simulations- de Agentenkonstellationen zwar eine ähnliche Ord-
verlaufs im Gesamtsymbolsystem Sub-Sub-Systeme nung im Sinne der Sicherheit der Agenten erzeugen,
ausgebildet haben (was in vielen Fällen zutrifft)29, aber die Systemintegration bei Small-World-Net-
works signifikant höher ist? Hier kommen nun die
besonderen Eigenschaften der Small-World-Net-
29
Sub-Sub-Systeme meint: Die Gesamtzahl möglicher
Symbole wird als ein System aufgefasst. Wenn die gesamte
Agentenpopulation diesen Kontingenzraum reduzieren barschaften können sich wiederum Teile dieses Sub-Sys-
konnte, ist ein Sub-System entstanden. In einzelnen Nach- tems etablieren, also Sub-Sub-Systeme entstehen.
390 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 32, Heft 5, Oktober 2003, S. 374–395

Abb. 6 Reaktion des Zufallsgraphen auf die


Systemintegration bei Störungen in der
Systemgenese

Abb. 7 Reaktion des regulären Gitters auf


die Systemintegration bei Störungen in der
Systemgenese

Abb. 8 Reaktion des Small-World-Network


auf die Systemintegration bei Störungen in
der Systemgenese

works zum Vorschein. Wir erinnern uns, dass diese reguläre Gitter, zugleich sind Small-World-Net-
zwar lokaler sind als Zufallsgraphen, aber durch works aber so global, dass die Agenten ebenfalls
die Umschreibung der Kanten auch globale Eigen- wissen, was in anderen Lokalitäten passiert. Auf
schaften aufweisen. Der Grad der Lokalität reicht diese Weise können alle Agenten relativ gut das Ver-
aus, um ähnlich hohe Sicherheiten zu erzeugen wie halten beliebiger Agenten abschätzen, woraus eine
Thomas Kron: Doppelte Kontingenz und die Bedeutung von Netzwerken für Kommunikationssysteme 391

hohe Systemintegration folgt. Dieser Vorteil von zurecht kommt, dass diese nun nicht mehr zum Zu-
Small-World-Networks für kleine Störungen wird sammenbruch führen, sondern sogar eine höhere
bei größeren Störungen aufgehoben. Schon bei 5 % Ordnung zur Folge haben – und dies gilt hier auch
Störungen in der Systemgenese brechen Small- wieder für Small-World-Networks und reguläre Git-
World-Networks in ihrer Ordnungsleistung ähnlich ter, die sogar starke Verbesserungen der Ordnung er-
zusammen wie Zufallsgraphen, weil die integrieren- reichen. Wie kommt es zu dieser „Verbesserung“ der
den Eigenschaften der lokalen Bereiche die Diffusi- Ordnung? Die Argumentation für die Begründung
onsverstärkung von Störungen durch die globalen ist hier identisch mit der für die Verbesserung der
Eigenschaften nicht mehr ausgleichen können. Nur Ordnungsleistungen bei geringen Störungen in der
die lokal ausgelegten regulären Gitter können auf Systemgenese: Lokale Eigenschaften ermöglichen
relativ niedrigem Niveau im Vergleich eine signifi- eine unmittelbarere und schnellere Überführung
kant höhere Systemintegration erzeugen als andere doppelkontingenter Situationen in geordnetere Er-
Agentenkonstellationen. wartungsstrukturen, da dort die Reduktionsleistun-
gen schneller verlaufen. Weil der Zufallsgraph hier
Einfluss von Störungen auf stabile Systeme Gelegenheit zum Aufbau lokaler Strukturen hatte,
Wir wollen nun schauen, ob sich diese besondere kann dieser in diesem Fall im Vergleich zur Referenz-
Charakteristik von Small-World-Networks auch situation den völligen Zusammenbruch der Ordnung
dann zeigt, wenn bereits stabilisierte Systeme plötz- sowohl für größere Störungen (5 %) verhindern als
lich gestört werden. In den folgenden Experimenten auch bei kleineren Störungen mit einer geringen
erlauben wir eine Stabilisierungsphase von 200.000 Verbesserung fortsetzen.
Zeitschritten und führen dann die Störungen in das
System ein. Wieder gilt, dass für alle drei Struktu- Im Vergleich zu den regulären Gittern und den
Small-World-Networks wird bei wenigen Störun-
rierungsformen der Agenten durch Netzwerke eine
gen zudem deutlich, dass Zufallsgraphen und
Störung von 10 % zum Zusammenbruch führt. In-
Small-World-Networks eine signifikant höhere Sys-
teressant sind allerdings die Ergebnisse für 1 % und
temintegration erzeugen können, bei etwa gleicher
5 % Störungen.
Sicherheit der Agenten. Verantwortlich hierfür ma-
Betrachten wir zunächst den Zufallsgraphen, fällt so- chen wir, dass globale Eigenschaften sich bei einem
fort auf, dass dieser im Gegensatz zu den Störungen bereits etablierten System besonders günstig für die
in der Systemgenese mit wenigen Störungen so gut Gesamtkonstitution auswirken und lokale Eigen-

Tabelle 5 Ordnungsdaten im Vergleich (1 % Störungen in stabilen Systemen)


Zufallsgraph Small-World-Networks Reguläre Gitter
Reduktionsleistung 2,0 2,9 7,8
Systemintegration 0,94 0,85 0,49
Sicherheit 0,76 0,67 0,61

Tabelle 6 Ordnungsdaten im Vergleich (5 % Störungen in stabilen Systemen)


Zufallsgraph Small-World-Networks Reguläre Gitter
Reduktionsleistung 9,4 11,3 12,7
Systemintegration 0,68 0,61 0,48
Sicherheit 0,45 0,38 0,40

Tabelle 7 Ordnungsdaten im Vergleich (10 % Störungen in stabilen Systemen)


Zufallsgraph Small-World-Networks Reguläre Gitter
Reduktionsleistung 30,7 31,2 30,7
Systemintegration 0,07 0,08 0,09
Sicherheit 0,08 0,12 0,17
392 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 32, Heft 5, Oktober 2003, S. 374–395

Abb. 9 Reaktion des Zufallsgraphen auf die


Systemintegration bei Störungen in einem
stabilen System

Abb. 10 Reaktion des regulären Gitters auf


die Systemintegration bei Störungen in einem
stabilen System

Abb. 11 Reaktion des Small-World-Net-


work auf die Systemintegration bei Störun-
gen in einem stabilen System

schaften dies nicht gleichermaßen kompensieren men des eingespielten Symbolsystems deuten kann.
können. Diese globalen Eigenschaften, die für den Kleine Störungen können hier leichter ausgeglichen
Zufallsgraphen und für das Small-World-Network werden. Im regulären Gitter fehlt dieser globale
gegeben sind, führen dazu, dass ein Agent jeden be- Charakter, so dass die Agenten zwar Störungen in
liebigen anderen Agenten als „Nachbar“ im Rah- ihrer unmittelbaren Nachbarschaft parieren kön-
Thomas Kron: Doppelte Kontingenz und die Bedeutung von Netzwerken für Kommunikationssysteme 393

nen und somit recht hohe Sicherheit erlangen. Aller- 198–219). Der Umfang, in dem diese Kosten entste-
dings können sie kaum sichere Aussagen über das hen, ist fremdbestimmt, und dem Akteur ist die
Verhalten jenseits ihrer Nachbarschaft, über das Höhe dieser Kosten zu Beginn der Interaktion nicht
Gesamtsystem, treffen. bekannt. Wir bezeichnen dieses Kosten als Folge-
Besonders interessant sind die Entwicklungen für kosten. Ein Optimum bezüglich der Folgekosten
5 %ige Störungen. Diese führen nun selbst bei Zu- kann durch den einzelnen Akteur nicht erreicht
fallsgraphen nur partiell zum Zusammenbruch, werden, sondern muss in der Gesamtpopulation als
können aber auf relativ hohem Niveau aufgefangen emergentes Resultat eines evolutionären Prozesses
und stabilisiert werden (mit ähnlichen Ordnungs- entstehen.
leistungen wie reguläre Gitter und Small-World- Unter diesen Annahmen bieten sich für den einzel-
Networks). Beachtenswert ist zudem die unter- nen Akteur bezüglich der Primärkosten mehrere
schiedliche Dynamik im Vergleich zu den regulären Kosten minimierende Zustände an. In dem ersten
Gittern und den Small-World-Networks: Während Zustand geht jeder Akteur autonom seiner Wege,
Letztere erst partiell zusammenbrechen, diesen Zu- ohne das Ziel zu haben, einen anderen Akteur zu
sammenbruch aber auffangen und dann in eine sta- treffen. Wenn er einen zweiten Akteur per Zufall
bile höhere Ordnung als vor den Störungen über- trifft, entstehen Folgekosten auf Grund der Hand-
führt werden, fehlt bei den Zufallsgraphen die lungsnotwendigkeit. Im zweiten Zustand bleibt der
Verbesserung nach der Störung, d. h., im Zufalls- Akteur in seiner gewohnten Umgebung und kom-
graphen werden die Störungen aufgefangen und die muniziert beim Zusammentreffen mit anderen Ak-
Ordnung auf einem niedrigeren Niveau als vorher teuren dieser Umgebung.30
etabliert. Der erste Zustand findet sich in unserem Modell als
Für diese „Verbesserung“ der Ordnung nach vor- Zufallsgraph, der zweite Zustand als reguläres Git-
herigem Zusammenbruch im regulären Gitter so- ter wieder. Das Ergebnis des Evolutionsprozesses ist
wie im Small-World-Network können wir z. Z. bekannt und bei uns als Small-World-Network mo-
keine Erklärung anbieten. Vermutlich erfolgt in die- delliert – eine evolutionär begünstigende Struktur
sem Fall eine qualitative Änderung im Symbolsys- mit Eigenschaften zwischen Gruppenpartikularis-
tem, d. h., im Gegensatz zum Zufallsgraphen führen mus und Universalismus. Unklar ist die Frage, wa-
die Störungen im stabilen System zur Produktion ei- rum eine Struktur wie diese entstanden ist. Hier
nes qualitativ anderen Symbolsystems. hoffen wir, unter den gemachten Annahmen mit
Luhmann Antworten gefunden zu haben.
Erstens hat sich gezeigt, dass bei Small-World-Net-
4. Zusammenfassung und Ausblick works-Konstellationen die Reduktion der Folgekos-
ten schnell möglich ist. Dadurch, dass der größte
Teil der Interaktion wiederkehrend mit den benach-
Wir wollen diesen Artikel mit einem kleinen evolu- barten Agenten erfolgt, ist man sich hier der Reak-
tionssoziologischen Gedankenspiel beenden. Eine tion schnell sicher. Der geringe Aufwand, den der
zu akzeptierende Grundlage hierfür ist die Annah- einzelne Akteur als Teil der Gruppe in diese Dis-
me, dass die Etablierung von Beziehungen Kosten tanzbeziehungen steckt, bedeutet einen hohen Nut-
verursacht. In unserer sozionischen Sicht auf den zen für die Gesamtpopulation, da die gewonnene
Akteur mittels eines Agenten sind dieses recht ein- Information weiterkommuniziert wird. Das bedeu-
fache Kosten, die zum Beispiel dadurch entstehen, tet auch, dass der Akteur selbst von den Distanzbe-
dass zur Bildung von Erwartungserwartung und ziehungen anderer Akteure seiner Nachbarschaft
Erwartungssicherheit Informationen über die Ver- profitiert. Die durch diese Informationen erreichte
gangenheit gespeichert werden müssen. Die Not- hohe Systemintegration ermöglicht den Akteuren,
wendigkeit, Distanzen zurückzulegen, um mit ent- bei zufälligen Begegnungen mit Fremden hinrei-
fernten Akteuren zu kommunizieren, verursacht chend genaue Annahmen über die Interaktion zu
weitere Kosten, die proportional zur zurückgeleg-
ten Distanz sind. Diese Kosten wollen wir im Fol- 30
genden als Primärkosten bezeichnen. Weitere Kos- Außer acht lassen wir hier den Zustand, in dem ein Ak-
teur autonom in einer Umgebung lebt und keinen anderen
ten entstehen als Folge des Zwangs zum Handeln.
Akteur trifft. Zum Einen ist unsere Umwelt so beschaffen,
Diese sind um so höher, je unsicherer die Situation dass die Möglichkeit eines Zusammentreffens besteht,
ist, schließlich kann eine enttäuschte (weil vielleicht zum Anderen werden Akteure zumindest in die Umgebung
unbekannte) Erwartungserwartung zu unerwarte- eines Erzeugers geboren und müssen in dieser ggfs. bis zur
ten Folgen bis hin zum Tod führen (Kron 2001: Selbständigkeit verharren.
394 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 32, Heft 5, Oktober 2003, S. 374–395

machen. Dies ist zur Erfüllung von Erwartungs- Barabási, A.-L., 2002: Linked. The New Science of Net-
sicherheit auf der einen und Erwartungserwartung works. Cambridge MASS: Perseus Publ.
auf der anderen Seite notwendig und wird zum gro- Baurmann, M., 1998: Normative Integration aus indivi-
ßen Teil durch eine globale Annährung des Symbol- dualistischer Sicht. S. 245–287 in: H.-J. Giegel (Hrsg.):
Konflikt in modernen Gesellschaften. Frankfurt/Main:
systems erreicht. Reguläre Strukturen erreichen
Suhrkamp.
dieses nur auf wesentlich geringerem Niveau. Zu- Beermann, W., 1993: Luhmanns Autopoiesisbegriff – „Or-
fallsstrukturen benötigen hier wesentlich länger, zu- der from noise“? S. 243–261 in: H.R. Fischer (Hrsg.):
dem führen bereits geringe Störungen dazu, dass Autopoiesis. Eine Theorie im Brennpunkt der Kritik.
keine Ordnung mehr entsteht. Die Störungen hier Heidelberg: Carl-Auer.
sind mit Geburts- und Sterbeprozessen – wodurch Buchanan, M., 2002: Small-Worlds. Spannende Einblicke
auch immer ausgelöst – vergleichbar, so dass ihre in die Komplexitäts-Theorie. Frankfurt/Main: Campus.
Existenz offensichtlich ist. Dittrich, P. / Banzhaf, W. / Kron, T., 2003: On the Forma-
tion of Social Order – Modeling Double and Multi
In Akteurskonstellationen, die denen von Small- Contingency. Journal of Social Artifical Societies and
World-Networks entsprechen, sind folglich die nicht Social Simulations 6, Issue 1.
selbst bestimmbaren Folgekosten für den einzelnen Esser, H., 2000: Soziologie. Spezielle Grundlagen. Band 3:
Akteur bei minimalen zusätzlichen Primärkosten Soziales Handeln. Frankfurt/New York: Campus.
schnell auf ein geringes Maß reduziert. Dieses gilt Fuchs, P., 1994: Der Mensch – das Medium der Gesell-
nicht nur bei der Kommunikation mit den Akteuren schaft? S. 15–39 in: P. Fuchs / A. Göbel (Hrsg.): Der
seiner Nachbarschaft, sondern auch mit fremden Mensch – das Medium der Gesellschaft? Frankfurt/
Akteuren. Die Reduktion möglicher Folgekosten ist Main: Suhrkamp.
über dieses auch in gestörten Systemen möglich. Die Granovetter, M., 1973: The Strength of Weak Ties. Ame-
rican Journal of Sociology 78: 1360 – 1380.
anderen betrachteten Akteurskonstellationen bieten
Greshoff, R. / Kneer, G. (Hrsg.), 1999: Struktur und Ereig-
diese Eigenschaften nicht. Existiert das Problem
nis in theorievergleichender Perspektive. Opladen/
doppelter Kontingenz – und man kann durchaus von Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.
einem universalen Element des Sozialen sprechen – Greshoff, R. / Kneer, G. / Schimank, U., 2003: Die Trans-
so bedurfte es zu seiner Lösung in großen Populatio- intentionalität des Sozialen. Wiesbaden: Westdeutscher
nen (Multikontingenz) der Small-World-Networks- Verlag.
Strukturen. Zusammenfassend sind Small-World- Guare, J., 1990: Six Degrees of Separation: A Play. New
Networks-Strukturen aus den genannten Gründen York: Vintage Books.
das Ergebnis eines evolutionären Prozesses. Jansen, D., 1999: Einführung in die Netzwerkanalyse.
Opladen: Leske + Budrich.
Die fehlende Erklärung für die qualitative Ände- Jansen, D., 2002: Netzwerkansätze in der Organisations-
rung des Symbolsystems bei Störungen stabiler Sys- forschung. S. 88–118 in: J. Allmendinger, / T. Hintz
teme ist der Ausgangspunkt für das weitere Vor- (Hrsg.): Organisationssoziologie. Opladen/Wiesbaden:
haben in naher Zukunft. Geplant ist, die Dynamik Westdeutscher Verlag.
der Symbolnetzwerke mit Hilfe der sozialen Netz- Kron, T., 2001: Moralische Individualität. Opladen:
werkanalyse (Jansen 1999) zu untersuchen. Neben Leske + Budrich.
der Hoffnung auf eine Erklärung der gezeigten qua- Kron, T. (Hrsg.), 2002: Luhmann modelliert – Sozionische
litativen Änderungen im Symbolsystem mit Hilfe Ansätze zur Simulation von Kommunikationssystemen.
des Einsatzes sozialer Netzwerkanalyse als soziolo- Opladen: Leske + Budrich.
Kron, T. / Dittrich, P., 2002: Doppelte Kontingenz und
gisches Werkzeug sind wir zuversichtlich, auch im
Strukturbildung – Ein Simulationsexperiment.
Bereich der Netzwerkanalyse einen Erkenntnisfort- S. 209–251 in: T. Kron (Hrsg.): Luhmann modelliert –
schritt zu erlangen. Bislang ist die Untersuchung Sozionische Ansätze zur Simulation von Kommunika-
von Netzwerken nämlich noch allzu statisch aus- tionssystemen. Opladen: Leske + Budrich.
gelegt (Jansen 2002). Die Kombination von Com- Luhmann, N., 1972: Rechtssoziologie. 2 Bd. Reinbek bei
putersimulationen und Netzwerkanalyse erscheint Hamburg: Rowohlt.
vielversprechend, um diese Lücke in der Unter- Luhmann, N., 1984: Soziale Systeme. Grundriß einer all-
suchung von Strukturdynamiken zu schließen. gemeinen Theorie. Frankfurt/Main: Suhrkamp.
Luhmann, N., 1986: Ökologische Kommunikation.
Kann die moderne Gesellschaft sich auf ökologische
Literatur Gefährdungen einstellen? Opladen: Westdeutscher
Verlag.
Alexander, J.C. et al. (Hrsg.), 1987: The Micro-Macro Link. Milgram, S., 1967: The Small-World Problem. Psychology
Berkeley, Los Angeles: University of California Press. Today 1: 60–67.
Axelrod, R., 1995: Die Evolution der Kooperation. Mün- Münch, R., 1986: The American Creed in Sociological
chen/Wien: Oldenbourg. Theory: Exchange, Negotiated Order, Accommodated
Thomas Kron: Doppelte Kontingenz und die Bedeutung von Netzwerken für Kommunikationssysteme 395

Individualism and Contingency. Sociological Theory 4: II. Grundriß einer Theorie der Evolution sozialer Nor-
41–60. men. Berliner Journal für Soziologie 1: 41–65.
Newmann, M.E.J., 2000: Models of the Small World. Schulz-Schaeffer, I., 1998: Akteure, Aktanten und Agen-
Journal of Statistical Physics 101: 819–841. ten. Konstruktive und rekonstruktive Bemühungen um
Parsons, T., 1951: The Social System. Glencoe, Ill: Free- die Handlungsfähigkeit von Technik. S. 129–167 in: T.
Press. Malsch (Hrsg.): Sozionik. Soziologische Ansichten über
Parsons, T., 1968: Social Interaction. S. 429–441 in: D.L. künstliche Sozialität. Berlin: Sigma.
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in die akteurtheoretische Soziologie. Weinheim/Mün- Watts, D.J., 1999: Networks, Dynamics and The Small
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Schimank, U. / Kron, T. / Greshoff, R., (2002): Soziologi- 105: 493–527.
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Spezielle Grundlagen“. Soziologische Revue 4: nected Age. New York: Norton.
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Schmid, M., 1995: Soziale Normen und soziale Ordnung ‚Small-World‘ Networks. Nature 393: 440–442.

Summary: Starting from Niklas Luhmann’s notions on coping with “double contingency” this article investigates the in-
fluence of actor constellations on the emergence of communication systems on the basis of computer simulations. Fur-
thermore, it analyzes the effects interference has on the processes of order formation both during system genesis and in
stable systems.

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