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Einfluß der Werkstücktemperatur beim Kugelstrahlen
auf die Schwingfestigkeit von Drehstabfedern
genehmigte Dissertation
vorgelegt von
Diplom-Physiker
Michael Schilling-Praetzel, geb. Schilling
aus Mülheim/ Ruhr
An erster Stelle möchte ich mich bei Herrn Dr. Hegemann, ehemaliger
Geschäftsführer des Federnwerkes der Hoesch AG (jetzt Krupp AG Hoesch-Krupp)
in Madrid, für die Idee und sein Interesse zu dieser Arbeit bedanken. Ohne seine
Bemühungen und seine Unterstützung wäre diese Untersuchung sicherlich nicht
möglich gewesen.
Besonders möchte ich aber auch Herrn Prof. Dr. G. Gottstein danken für die
Übernahme der wissenschaftlichen Leitung dieser Arbeit und seine hilfreiche
Diskussionsbereitschaft. Eine Vielzahl der Untersuchungen wurde am Institut für
Metallkunde und Metallphysik der RWTH Aachen angefertigt. Für die
Gastfreundschaft an seinem Institut möchte ich mich nochmals bei Herrn Prof. Dr.
Gottstein bedanken.
Herrn Prof. Dr. Vöhringer danke ich für sein großes Interesse an dieser Arbeit und
die fördernden Diskussionen und Hinweise.
Mein weiterer Dank gilt allen Mitarbeitern der Firma Hoesch Indusa in Madrid und
allen Mitarbeitern des Institutes für Metallkunde und Metallphysik in Aachen, die zum
Gelingen der Arbeit beigetragen haben.
Meiner Frau Anja Praetzel danke ich für Ihre großartige Unterstützung bei der
Erstellung dieserArbeit.
Inhaltsverzeichnis
0. Einleitung 3
1. Kenntnisstand
1.1 Ermüdung metallischer Werkstoffe 5
1.1.1 Schwingfestigkeit 5
1.1.2 Ermüdungsverhalten in Stahl 7
1.1.3 Einfluß des Probenzustandes auf die Schwingfestigkeit von Stahl 11
1.1.4 Einfluß der Beanspruchungsart und der Probengeometrie
auf die Schwingfestigkeit 12
1.2 Spannungsverlauf im Drehstab während der
Schwingbeanspruchung 15
1.3 Einfluß des Kugelstrahlens auf die Schwingfestigkeit 19
1.4 Ziel der Untersuchung 25
2. Versuchsdurchführung 27
2.1 Probenwerkstoff 27
2.2 Herstellung der Torsionsproben und ihre Wärmebehandlung 27
2.3 Probenzustände 30
2.4 Bestimmung der Fließkurve 32
2.5 Lebensdauerversuche 32
2.6 Vickershärtemessung 33
2.7 Oberflächenrauhigkeit 33
2.8 Makroskopische Bruchflächenuntersuchung 34
2.9 Mikroskopie 34
2.9.1 Lichtmikroskopie 34
2.9.2 Raster-Elektronen-Mikroskopie 35
2.9.3 Transmissions-Elektronen-Mikroskopie 35
2.10 Texturanalyse 36
2.11 Eigenspannungsmessungen 37
2.11.1 Bestimmung der Eigenspannungen aus der experimentell
bestimmten Fließkurve 37
2.11.2 Eigenspannungsmessung im Abdrehverfahren 37
2.11.3 Eigenspannungsmessungen mit dem sin^2 - Verfahren 38
2.11.4 Bestimmung der Halbwertsbreite 41
3. Versuchsergebnisse 42
3.1 Lebensdaueruntersuchungen 42
3.2 Vickershärtemessungen 47
3.3 Ergebnisse der Oberflächenrauhigkeitsmessungen 49
3.4 Rißhäufigkeit kugelgestrahlter Oberflächen 50
3.5 Bestimmung der Fließkurve und theoretischer
Eigenspannungsverlauf 53
3.6 Ergebnisse der Eigenspannungsmessung im
Abdrehverfahren 55
3.7 Eigenspahnungsprofile kugelgestrahlter Proben 56
3.8 Tiefenprofile der Halbwertsbreiten 66
3.9 Makroskopische und mikroskopische Bruchflächen
untersuchungen 74
3.10 Ergebnisse aus den Makrotexturmessungen 78
3.11 Ergebnisse aus den TEM - Untersuchungen 79
5. Zusammenfassung 123
0. Einleitung
Mit Kugelstrahlen bezeichnet man ein Verfahren zur mechanischen Verfestigung von
Oberflächen, wobei das Werkstück durch ein kugelförmiges Strahlmittel beschossen
wird. Es ist gut bekannt, daß sich durch das Kugelstrahlen die Schwingfestigkeit des
Werkstückes in einem beträchtlichen Maße erhöhen kann. Die Abhängigkeit der
Schwingfestigkeit von den Kugelstrahlbedingungen und der Werkstückhärte war
Gegenstand einer Vielzahl von Untersuchungen. Obwohl aber schon länger bekannt
ist, daß auch eine Erhöhung der Werkstücktemperatur beim Kugelstrahlen zusätzlich
die Schwingfestigkeit erhöht, wurde der Einfluß der Temperatur beim Kugelstrahlen
auf die Materialeigenschaften und ihr Einfluß auf die Schwingfestigkeit noch in keiner
anderen Forschungsarbeit untersucht.
Ziel dieser Arbeit war deshalb die Änderungen der Materialeigenschaften beim
Kugelstrahlen bei verschiedenen Temperaturen festzustellen und ihren Einfluß auf
die Schwingfestigkeit zu untersuchen. Aufgrund der wichtigen Rolle des
Kugelstrahlens bei der Federnherstellung wurde die Untersuchung an
Drehstabfedern aus dem handelsüblichen Federnstahl 60SiCr7 durchgeführt.
Zusätzlich weist die Drehstabfeder den weiteren großen Vorteil auf, daß sie einen
besonders einfachen Lastspannungsverlauf über den Probenquerschnitt besitzt, was
die Auswertung der experimentellen Ergebnisse stark vereinfachte.
Das Verdrehen von Drehstäben über die Fließgrenze hinaus wird industriell genutzt,
um Drehstabfedern in Hinblick auf ihre später zu ertragene Belastung einen
günstigen Eigenspannungsverlauf zu geben. Dieser Vorgang wird mit Vorsetzen
bezeichnet.
Da sowohl das Vorsetzen als auch das Kugelstrahlen Eigenspannungen in das
Material induzieren und aufgrund der großen Wichtigkeit des Vorsetzens bei der
Federnherstellung, wurde die Untersuchung sowohl an nicht vorgesetzten als auch
an vorgesetzten Proben durchgeführt. Die Untersuchungsergebnisse sind aber auch
auf andere Federnstähle übertragbar, da gezeigt werden konnte [4], daß der Einfluß
der Legierungselemente auf die mechanischen Eigenschaften gering ist, sofern die
martensitische Durchhärtung erreicht wird.
1. Kenntnisstand
1.1.1 Schwingfestigkeit
Beim Einstufenversuch wird die Probe oder das Bauteil bei konstanter
Beanspruchungsart (Zug, Druck, Verdrehung oder ihre Kombinationen), konstanter
Amplitude und konstanter Prüffrequenz ausgesetzt.
Der zeitliche Verlauf der Beanspruchung kann dabei einer Sinusfunktion
entsprechen. Die Ergebnisse von Einstufenversuchen werden üblicherweise in Form
von Wöhlerkurven dargestellt, wobei die Beanspruchungsamplitude aa über die
Schwingspielzahl bei konstanter Mittelspannung öm aufgetragen wird. Ist dabei | oa |
> | | so spricht man von Wechselschwingversuchen, im Falle | oa | =< | |
liegen Schwellschwingversuche vor:
6
Bei Stählen nähert sich die Wöhlerkurve einem Grenzwert der Spannung, der in der
Regel bei 10® - 107 Lastwechsel erreicht wird. Dieser Bereich wird Dauerfestigkeit
bezeichnet, da der Werkstoff die Spannungsamplitude ertragen kann, ohne daß ein
Bruch erfolgt. Der restliche Bereich der Wöhlerkurve wird Zeitfestigkeitsbereich
genannt [2], wobei hier zwischen dem Bereich bis zu 103 Lastwechseln, Low- Cycle -
Fatigue, - und dem Bereich von 103 Lastwechsel bis zur Dauerfestigkeit, High -
Cycle - Fatigue, unterschieden wird.
1. ) Anrißfreie Ermüdungsphase
2. ) Anrißbildung
3. ) Stabile Rißausbreitung
4. ) Bruch
Der Beginn der Ermüdung wird durch Veränderungen der Versetzungs- und
Oberflächenstruktur charakterisiert. So findet man auch in hochfesten Stählen
Gleitspuren, Anzeichen erster lokaler Verformung, die an Orten erhöhter
Spannungskonzentrationen auftreten. In Vergütungsstählen mit Kohlenstoffgehalten
bis ca. 0.45% und Festigkeiten bis 1160 MPa wird bei einer Zug-Druck-
Wechselbelastung und einer Temperatur von 20'C ein kontinuierliches
Wechselentfestigungsverhalten gemessen. Dabei kommt es im Werkstoff zur
Bildung einer Versetzungszellstruktur, die mit einem Mikroeigenspannungsabbau
verbunden sein kann [4]. Weiterhin wurde in derselben Untersuchung gezeigt, daß
inkohärente große Karbide, wie z.B. Fe3C-Ausscheidungen, die
Versetzungsbewegung nur wenig behindern, da große Laufwege für die beweglichen
Versetzungen möglich sind und sich so Versetzungszellstrukturen leicht bilden
können. Dagegen führen kleine dispers verteilte Karbidteilchen zu nur geringen
Laufwegen der Versetzungen und somit zu einer starken Behinderung der
Versetzungsbewegung. Die Versetzungsstruktur kann sich deshalb in Materialien mit
kleinen dispers verteilten Karbidteilchen nur wenig ändern.
Mit der Versetzungsstruktur bilden sich Gleitbänder aus, wobei für wechselverformte
Proben typische breite Bänder gefunden werden, die als persistente oder
Ermüdungsgleitbänder bezeichnet werden, da sie auch nach detn Abpolieren der
Oberfläche erneut bestätigt werden [1].
8
2.) Anrißbildung
Der negative Einfluß von Einschlüssen auf die Schwingfestigkeit wurde in [6] - [9]
untersucht, und dabei wurde eine Verschlechterung der Schwingfestigkeit mit
steigendem Einschlußdurchmesser nachgewiesen. Bei einem kleineren
Durchmesser als 15 gm konnte dagegen kein Einfluß mehr auf die Schwingfestigkeit
festgestellt werden.
Bei Oberflächen, die aus technischen Prozessen hervorgehen, läßt sich die Phase
2. ) nicht mehr so leicht von Phase 1.) trennen, da Effekte wie Oberflächenrauhigkeit,
Randentkohlung, Randoxidation, Oberflächenfehler und Eigenspannungszustände
die Anrißbildung beeinflussen. Es ist zum Beispiel möglich, daß in technischen
Oberflächen Risse schon vor einer Schwingbeanspruchung vorliegen.
3. ) Stabile Rißausbreitung
Die Rißausbreitung erfolgt zunächst längs der aktiven Gleitebene eines Gleitsystems
[10], so daß der Riß zunächst in der jeweiligen kristallografischen Richtung des
Korns, in dem sich die Rißspitze gerade befindet, ausbreitet. In der weiteren
Entwicklung erfolgt dann die Rißausbreitung nur noch makroskopisch senkrecht zur
größten auftretenden Zugspannung.
Mit zunehmender Rißlänge nimmt die Normalspannung senkrecht zur Rißebene zu,
während durch plastische Verformung an der Rißspitze die Spannungskonzentration
wieder abnehmen kann. Innerhalb der Kontinuumsmechanik kann die
Spannungsintensität an der Rißspitze wie folgt beschrieben werden [1]:
1.1
9
Die plastische Relaxation stumpft die Rißspitze ab, so daß sich die
Rißfortschrittsgeschwindigkeit verringert oder sogar die Rißausbreitung zum Erliegen
kommt.
Da bei technischen Werkstoffen oft vor der Schwingbelastung Risse vorliegen, hat
das plastische Verhalten des Werkstoffes wesentlichen Einfluß auf die
Schwingfestigkeit [5]. In diesem Zusammenhang wird die Rißzähigkeit benutzt, als
Maß für die Arbeit, die an der Rißspitze beim Einsetzen einer instabilen
Rißausbreitung aufzubringen ist. Makroskopisch kann die für einen Bruch
aufgebrachte Arbeit in einem Kerbschlagbiegeversuch bestimmt werden. So hat G.
Sieckmann [4] für vergütete Federstähle sowohl die Kerbschlagbiegearbeit als auch
die Rißzähigkeit zwischen -70’C und +50*C bestimmt.
Prueftemperatur [°C]
Mit dem Überschreiten eines kritischen Wertes der Spannungsintensität AKO, der mit
zunehmender Rißzähigkeit des Werkstoffes steigt [5], breitet sich der Ermüdungsriß
aus. Unterhalb dieses Wertes (Bereich I) findet keine Rißausbreitung statt. Im
mittleren Bereich II genügt der funktionelle Zusammenhang zwischen
Rißausbreitungsgeschwindigkeit da/dN und der Spannungsintensität AK der Paris-
Gleichung [11]:
— =C(±K)m 1.2
dN
Mit Erreichen eines kritischen Wertes der Spannungsintensität AK(max) tritt an der
Rißspitze instabiles Rißwachstum ein.
11
4.) Bruch
Die instabile Rißausbreitung wird im allgemeinen als Bruch bezeichnet, da sie mit
dem Versagen der Probe verbunden ist. Beim Schwingversuch geschieht dies
während des letzten Lastwechsels. Aus der beim Bruch entstandenen Fläche lassen
sich Informationen auf die schadensauslösende Spannung entnehmen.
Insbesondere durch mikrographische Untersuchungen können Rückschlüsse auf
die Beanspruchungsart, -höhe, und -dauer unter Kenntnis der vier
Ermüdungsstadien gezogen werden.
Wie schon erwähnt, hat der Probenzustand wesentlichen Einfluß auf die
Schwingfestigkeit. So nimmt die Wechselfestigkeit von Stählen proportional mit der
Zugfestigkeit zu. Dieses Verhalten gilt soweit, bis der Werkstoff seine duktilen
Eigenschaften verliert und aufgrund der gestiegenen Kerbempfindlichkeit die
Schwingfestigkeit wieder abnimmt. Legierungselemente, die die Zugfestigkeit
steigern, wirken sich also stark auf die Schwingfestigkeit von Stählen aus [1].
Eine weitere Abhängigkeit besteht zwischen der Korngröße des Gefüges und der
Schwingfestigkeit. Trägt man die Wechsettestigkeit gegenüber der reziproken
Wurzel des Korndurchmessers auf, so ergibt sich eine Gerade [83]. Eine
Kornfeinung wirkt sich also auf jeden Fall positiv auf die Schwingfestigkeit aus.
Der Einfluß der Wärmebehandlung auf die Schwingfestigkeit wurde in einer Reihe
von Arbeiten untersucht. [4], [13] - [17]. Es zeigte sich, daß angelassener Martensit
die höchste Schwingfestigkeit und auch das größte Verhältnis von Schwingfestigkeit
zu Zugfestigkeit besitzt. Niedrigste Schwingfestigkeiten wurden in
Überhitzungsgefügen gefunden, während normalgeglühte Stähle mittlere Werte in
der Schwingfestigkeit, aber ein niedriges Verhältnis von Schwingfestigkeit zu
Zugfestigkeit aufweisen. Innerhalb der Untersuchungen zeigte sich, daß ein Anstieg
der Zähigkeit, die sich z.B. im Zugversuch in der Brucheinschnürung bemerkbar
macht, auch eine Zunahme der Schwingfestigkeit bewirkt.
12
In vielen Proben und Bauteilen ist der Einfluß der Oberflächenbeschaffenheit auf die
Schwingfestigkeit von zentraler Bedeutung, da in vielen Fällen die Oberfläche, die
am höchsten beanspruchte Zone im Werkstück ist. Aber gerade an der Oberfläche
können während der Wärmebehandlung und der mechanischen Bearbeitung Effekte
wie z.B Randentkohlung, Randoxidation und Oberflächenkerben auftreten. Im
allgemeinen haben diese Effekte einen starken negativen Einfluß auf das
Ermüdungsverhalten und damit auf die Schwingfestigkeit des Werkstoffes.
Andererseits gibt es eine ganze Reihe von Verfahren der Randschichtbeeinflussung
wie z.B. Festwalzen, Kugelstrahlen, Vorsetzen, Nitrieren und Aufkohlen , die die
Schwingfestigkeit stark erhöhen können. L. Weber hat die Wechselwirkung zwischen
Randschichtzustand und Schwingungsrißausbreitung in hochfesten Stählen
untersucht [18]. Unter anderem wurde gezeigt, daß die Schwingfestigkeitssteigerung
auf eine oder mehreren der folgenden Ursachen beruht:
log (Lastwechsel)
Deutlich zeigt sich, daß mit zunehmender Mittelspannung die dauertest zu ertragene
Amplitudenspannung sinkt.
Auch die Frequenz der Schwingbeanspruchung wirkt sich auf die Dauerfestigkeit
aus. Zum Beispiel kommt es durch die Wärmeentwicklung bei hohen Frequenzen zu
einem Abfall der Streckgrenze und damit zu niedrigeren Lebensdauern. Aber
generell zeigt es sich, daß die Lebensdauer mit der Frequenz ansteigt, da korrosive
Einflüsse der Umgebung bei hohen Frequenzen weniger wirksam werden. [21] - [23]
Der Einfluß der Geometrie des Werkstücks wurde schon indirekt bei der Diskussion
der Beanspruchungsarten besprochen, da die im Werkstück auftretenden
Spannungen natürlich von der Geometrie abhängen. Weiterhin gibt es gerade in
technischen Proben einen statistischen Größeneinfluß. Befinden sich nämlich im
Werkstück schon vor einer Schwingbeanspruchung Rißkeime, so steigt natürlich die
Gesamtzahl der Rißkeime mit der Probengröße [24].
15
Betrachtet wird die elastische Torsion eines isotropen und homogenen Werkstückes
mit zylindrischer Symmetrie:
Bei konstantem Radius des Drehstabes gilt für den Fall kleiner Verdrehwinkel:
r<p 1.3
Da die Torsion rein elastisch sein soll, ist das Hooksche Gesetz gültig:
1.4
Die Schubspannung steigt also proportional mit dem Radius und erreicht an der
Drehstaboberfläche seinen Maximalwert. Für das resultierende Drehmoment gilt:
Wird der Drehstab über die Fließgrenze hinaus verdreht, so daß der Stab plastisch
verformt wird, bleiben nach einer Entlastung des Stabes Eigenspannungen zurück.
Das Fließverhalten eines Werkstoffes beim Verdrehen läßt sich aus der Momenten-
Winkel-Kurve bestimmen [26].
Xnax
27TÄ3
= J T(y)y2dy 1.7
0
17
Das Verdrehen von Drehstäben über die Fließgrenze hinaus wird industriell genutzt,
um Drehstabfedern in Hinblick auf ihre später zu ertragende Belastung einen
günstigen Eigenspannungsverlauf zu geben. Dieser Vorgang wird mit Vorsetzen
bezeichnet. Unter Annahme eines ideal-elastisch-plastischen Verhaltens ist es
möglich, den Eigenspannungsverlauf vorher zu berechnen [27]. Man spricht von
einem ideal-elastisch-plastischen Verhalten, wenn das Material sich bis zur
Fließgrenze nach dem Hookschen Gesetz verhält und sich beim Verdrehen über die
Fließgrenze weder entfestigt noch verfestigt.
ns _ 71(27?)--------Fließ
~S )
sa \ ___ nr —
1-11
. ..
Wie schon erwähnt wurde ist die fiktive Spannung dabei die Spannung, die sich bei
einem rein elastischen Werkstoffverhalten ergeben würde:
__ TFließ =G^~
(4 -S3) =G7£S 1.13
2
Wie auch schon in Diagramm 1.8 erläutert, wird die Annahme gemacht, daß die
Höhe der induzierten Eigenspannungen gleich der Differenz zwischen dem Betrag
der Spannung für ein rein elastisches Verhalten rt und der wirklich auftretenden
Spannung ist.
Somit gilt für den Eigenspannungsbeitrag auf der Drehstaboberfläche:
Für die wirklich auftretende Spannung wird in dem Modell des ideal-elastischen
plastischen Verhaltens die Fließspannung TF|ieB angenommen. Der maximale
Eigenspannungsbeitrag ergibt sich somit genau am Grenzradius zwischen
elastischem und plastischem Verhalten:
Das Kugelstrahlen ist ein bedeutender industrieller Fertigungsprozeß, bei dem ein
kugelförmiges Strahlmittel mit großer Geschwindigkeit auf das Bauteil oder
Werkstück geschleudert wird. So wird das Kugelstrahlen z.B. innerhalb der Fertigung
von Federelementen benutzt, um ihre Dauerfestigkeit zu erhöhen. Entsprechend den
Parametern der Kugelstrahlbehandlung können die verursachten
Eigenschaftsänderungen recht verschieden sein. Kugelstrahlparameter sind dabei:
20
Strahlmittelart (Typ)
Strahlmittelhärte (HVS)
Korngrößenverteilung des Strahlmittels (d)
Kornform
Strahldruck, bzw. Abwurfgeschwindigkeit (v)
Strahlmitteldurchsatz
Strahlzeit (t)
Auftreffwinkel (^)
In vielen Arbeiten wurde der Einfluß der verschiedenen Strahlparameter auf die
Eigenschaftsänderungen des Werkstücks untersucht. [28]
Im einzelnen können beim Kugelstrahlen folgende Veränderungen im Werkstück
verursacht werden:
Im einzelnen wurde von Clausen [29] der Einfluß der Strahlparameter auf die
Oberflächenfeingestalt bzw. die Verformungstiefe untersucht. Dabei wurde
festgestellt, daß die Verformungstiefe mit zunehmender Kugelgeschwindigkeit,
Kugeldurchmesser und Kugelhärte steigt.
21
0
$0 VQ <0 •* "0
Für die beim Kugelstrahlen auf das Werkstück übertragene Energie Wpiast gilt:
=c{HV{Kugel),HV{Werkstück),T...)Wkin 1 16
mit
=|(^’p)v2 1.17
Ein weiteres Forschungsergebnis, daß wegen seiner Wichtigkeit für diese Arbeit im
einzelnen vorgestellt werden soll, ist die Abhängigkeit des induzierten Druckeigen
spannungsverlaufes von der Härte des Werkstückes. Es wurde nachgewiesen, daß
die maximalen induzierten Druckeigenspannungen mit der Werkstückhärte steigen,
während gleichzeitig die Eindringtiefe der induzierten Druckeigenspannungen sinkt.
Diagramml.11 zeigt die Eigenspannungsverläufe eines Vergütungsstahles, der bei
verschiedenen Temperaturen angelassen wurde. Die Probe mit der höchsten
Anlaßtemperatur hat die geringste Härte und die Probe mit der geringsten
Anlaßtemperatur besitzt die höchste Härte [30].
22
Ohne weiter auf die einzelnen Ergebnisse einzugehen, wird der Einfluß der
Strahlparameter auf den Eigenspannungszustand schematisch im folgenden
Drucke igensp annungen
Das Kugelstrahlen kann über die aufgebrachte plastische Verformung auch die
Versetzungsdichte ändern. Diese wächst mit der Halbwertsbreite der
Röntgeninterferenzlinien an und läßt sich quantitativ aus der
Röntgeninterferenzlinienprofilanalyse nach Warren-Averbach [31] und [32] anhand
der mittleren Verzerrungen V<e2> und der mittleren Domänengröße D aus der
Beziehung
=2>/3 118
b D
ermitteln.
Andererseits führt eine Änderung der Versetzungsdichte auch zu einer Änderung der
Mikrohärte im Werkstoff. Hinsichtlich der Änderungen der Halbwertsbreite und der
Mikrohärte durch das Kugelstrahlen wurden folgende Abhängigkeiten festgestellt:
Diagramm 1.13: Einfluß der Strahlparameter auf die induzierte Härteänderung und
den Verlauf der Halbwertsbreite nach dem Kugelstrahlen [28]:
Mit zunehmender Härte HV > 300 wird der Einfluß der induzierten
Druckeigenspannungen immer stärker. In [40] wird der Einfluß der
Druckeigenspannung mit dem Konzept der lokalen Dauerfestigkeit erklärt.
Die Wirkung der Druckeigenspannung beruht darauf, daß sie wie eine zusätzliche
Mittelspannung wirkt, die sich negativ auf die Lastspannung addiert. Die Erhöhung
der Schwingfestigkeit läßt sich im einfachsten Falle durch die Goodman-Beziehung
beschreiben:
In den häutigsten Fällen muß jedoch der Faktor a experimentell bestimmt werden.
Für den martensitisch gehärteten Stahl Ck45 liegen entsprechende Untersuchungen
vor, aus denen sich a = 0.4 ergab [41].
Eine weitere Wirkung des Kugelstrahlens auf die Dauerfestigkeit ist die Beseitigung
von Oberflächenfehlern, wie sie oft in technischen Proben vorliegen [18].
25
Die vorliegende Arbeit hat das Ziel, den Einfluß der Werkstücktemperatur beim
Kugelstrahlen auf die Schwingfestigkeit zu untersuchen. Die Untersuchung ist von
praktischem Interesse, da die Fedemindustrie bemüht ist, die Belastungsgrenzen,
die Federelemente dauerhaft ertragen können, immer weiter heraufzusetzen, um
den Forderungen der Automobilindustrie nach Reduzierung von Gewicht und Größe
der Bauteile gerecht zu werden.
Es ist zwar schon seit längerem bekannt, daß Bauteile, die bei höheren
Temperaturen kugelgestrahlt worden sind, eine bessere Schwingfestigkeit aufweisen
[43], [44], doch wurde in keiner der genannten Arbeiten weder die
bestrahlungsinduzierten Eigenschaftsänderungen noch die genaue Ursache für die
Erhöhung der Schwingfestigkeit untersucht.
2. Versuchsdurchführung
2.1. Probenwerkstoff
Sämtliche Proben wurden aus dem Material einer Schmelze des Federnstahls
60SiCr7 im Strangguß hergestellt. Das Ausgangsmaterial wurde als gewalztes
Rundstabmaterial mit folgender chemischer Zusammensetzung zum
Federnhersteller geliefert:
R = 25
o 22
n ..... ▼ ....... J
▼ ▲ .....i
21 21
- 38 mm -............... -..............
2.3 Probenzustände
Strahleinrichtung: Schleuderrad
Strahlgut: Drahtstrahlgut, HV 640, D=0.7r
Strahlintensität: 0.52mmA
Strahlzeit: 100% Überdeckung
Strah Itemperaturen: 20"C, 170-180'C, 250-260'C
Vorsetzgrad: T, T, t3
y = 0% 20‘C 170'C 250’C
y = 2.4% 20" C 180"C 260’C
Nach dem Kugelstrahlen wurden die Proben mit einem Maschinenöl eingepinselt,
um eine eventuelle Korrosion der Drehstäbe zu vermeiden.
32
2.5 Lebensdauerversuche
Es wurde hierfür ein Kontaktthermometer der Fa. IMPAC vom Typ D1001 verwendet
mit einem vom Hersteller angegebenen Temperaturfehler von 1 ’C.
Die Temperaturmessung während des Lebensdauerversuches erfolgte dabei immer
in der Nähe des statischen Endes des Drehstabes.
2.6 Vickershärtemessung
Härtemessungen nach Vickers wurden mit einer Härteprüfmaschine der Fa. Zwick
3212 durchgeführt. Die Messungen wurden mit einem Gewicht von 1kg
durchgeführt. Dieses Gewicht erwies sich am zweckmäßigsten, da höhere Gewichte
zu große Eindrücke im Material hinterließen und sich so die Ortsauflösung
verschlechterte. Andererseits konnte das Gewicht nicht weiter herabgesetzt werden,
weil die Eindrucktiefe weit größer sein muß, als die Oberflächenrauhigkeit. Der
Fehler der Härtemessung ergibt sich aus dem Fehler bei der Bestimmung der
Diagonalen des Diamanteindrucks. Bei einer Vergrößerung des Mikroskops von
x600 beträgt die kleinste Skala 3.3gm. In dem Härtebereich der Proben resultiert
daraus ein Fehler von AHV = 10.
2.7 Oberflächenrauhigkeit
Weiterhin wurden von den unterschiedlich behandelten Proben die Rauhigkeit der
Oberfläche mit einem Meßgerät der Fa. Perthen (Perthometer M4P) gemessen.
Gemäß der Norm DIN 4768 wurde der Mittenrauhwert Ra und die gemittelte
Rauhtiefe Rz bestimmt.
Dabei ist der Mittenrauhwert der arithmetische Mittelwert aller Beträge des
Rauheitsprofils innerhalb der Gesamtmeßstrecke, und die gemittelte Rauhtiefe ist
der Mittelwert aus den Einzelrauhtiefen fünf aufeinanderfolgender
Einzelmeßstrecken.
34
Die Einzelrauhtiefe ist dabei der senkrechte Abstand zwischen dem höchsten und
dem tiefsten Punkt des Rauheitsprofils R innerhalb einer Einzelmeßstrecke.
Aufgrund der großen Streuung der Meßwerte wurden von jedem Probenzustand
jeweils mindestens 3 Drehstäbe untersucht, wobei an jedem Stab mindestens 6
Einzelmessungen an verschiedenen Orten über eine Meßlänge von 15 mm
durchgeführt wurden.
2.9 Mikroskopie
2.9.1 Lichtmikroskopie
Die Lichtmikroskopie (LI) fand Anwendung bei der Beurteilung des Gefüges der
Proben nach der Wärmebehandlung, der Austenitkorngröße, des Reinheitsgrades
der Proben und dem Rißauftreten. Sämtliche Proben wurden in Kunststoff
eingebettet und danach naßgeschliffen und poliert. Bei der Untersuchung der
Oberflächenschicht mit dem Lichtmikroskop wurde die statistische Häufigkeit der
auftretenden Risse bestimmt. Hierzu wurden Querschnittsproben aus
kugelgestrahlten Oberflächen bei 400-facher Vergrößerung nach Rissen abgesucht.
35
Die Länge der untersuchten Strecke betrug mindestens 30mm. Mit Hilfe einer am
Mikroskop angebrachten Meßoptik konnte sowohl die Rißlänge als auch ihr
maximaler Abstand von der Oberfläche (Rißtiefe) gemessen werden.
2.9.2 Raster-Elektronen-Mikroskopie
2.9.3 Transmissions-Elektronen-Mikroskopie
4. Polieren einer Grube ausgehend von der Unterseite der Probe mittels
eines Dimple-Grinders der Pa. Gatan bis zu einer minimalen
Probendicke von 20 gm.
2.10 Texturanalyse
2.11 Eigenspannungsmessungen
In Kapitel 1.3 wurde erläutert wie die Fließkurve aus der Momenten-Winkel-Kurve
bestimmt werden kann. So ist nach Gleichung 1.8 der beim plastischen Verdrehen
induzierte Eigenspannungsverlauf:
mit
I-ES vr 2.1
=2irrdrL 2.2
1st die Abdrehlänge etwa 100 mm, so erhält man somit ein Meßvolumen von ca. 500
mm3.
Das Verfahren hat also nur dann Sinn, wenn sich der Eigenspannungszustand im
Meßvolumen homogen ist. Lokale Änderungen, wie sie zum Beispiel durch
Einschlüsse verursacht werden, können selbstverständlich weder aufgelöst werden
noch ist ihr Einfluß auf den Eigenspannungsmeßwert spürbar.
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Berücksichtigt man, daß der Brennfleck 1 mm2 groß ist und die Eindringtiefe
ungefähr 5 pm beträgt, so läßt sich das Meßvolumen mit 0.016 mm3 abschätzen.
Das Volumen, das zur Bestimmung des Eigenspannungswertes benutzt wird, ist also
viel kleiner als beim Abdrehverfahren. Inhomogenitäten, wie z.B. Mikrorisse oder
Einschlüsse, können sich deshalb beim sin^ -Verfahren auf den Meßwert
auswirken und Unstetigkeiten der Meßkurve verursachen.
41
Die Halbwertsbreite wird dabei wesentlich durch die Störungen im Kristallgitter, wie
z. B.: Versetzungen, Zwillingsgrenzen, usw., beeinflußt. So führt eine Erhöhung der
Versetzungsdichte zu einer Vergrößerung der Halbwertsbreite [28]. Dagegen
resultiert aus der Anlaßbehandlung eines martensitischen Werkstoffes eine
Erniedrigung der Halbwertsbreite [85] aufgrund des Rückganges der Verzerrung des
Ferritgitters beim Anlassen.
42
3. Versuchsergebnisse
3.1 Lebensdaueruntersuchungen
Die Standardabweichung S gibt die Größe der Streuung der Meßwerte an und
berechnet sich gemäß:
Dabei ist n die Anzahl der gebrochenen Proben und N, ihre Bruchlastwechselzahlen.
Weiterhin gilt für die 10%-ige und 90%-ige Überlebenswahrscheinlichkeit:
FL =^^100% 3.5
' n +0.4
Dabei ist j die Größenordnungszahl 0=1 für die niedrigste Bruchlastwechselzahl und
j=n für die größte Bruchlastzahl usw.) und n die Anzahl der gebrochenen Proben.
Betrachtet man zunächst nur die Lebensdauern der nicht vorgesetzten Proben, so
zeigen die bei 170°C bestrahlten Proben die höchsten Lebensdauern der
Probenzustände. Die maximale Erhöhung der Lebensdauer ist beträchtlich und
beträgt für den hohen Lasthorizont 176% des Wertes für die PÜ50-
Überlebenswahrscheinlichkeit der bei 20’C bestrahlten Proben. Für den niedrigeren
Lasthorizont beträgt die Erhöhung 142% des Pü50-Wertes der 20‘C-Proben.
44
Auch für die bei 250‘C bestrahlten Proben wurde eine Erhöhung der Lebensdauer
bezüglich der bei Raumtemperatur bestrahlten Proben festgestellt, wenn auch in
einem geringeren Maße als bei den 170’C-Proben.
So betrug die Lebensdauererhöhung ausgedrückt wieder in Pü50-
Überlebenswahrscheinlichkeiten für den hohen Lasthorizont etwa 110% und für den
niedrigen Lasthorizont nur noch etwa 23% der Pü50-Wertes der 20"C-Proben.
Neben dem geometrischen Mittelwert der Lebendauern, welcher in dieser Arbeit mit
der 50%-igen Überlebenswahrscheinlichkeit Pü50 bezeichnet wird, ist die Streuung
der Lebensdauern eine weitere wichtige Größe. Diese manifestiert sich einmal in der
Standardabweichung bei der numerischen Auswertung, andererseits drückt sie sich
aber auch in der graphischen Auftragung aus. So steigen die Meßwerte um so steiler
an, je kleiner die Streuung der Lebensdauern ist.
Für die nicht vorgesetzten Proben kann festgestellt werden, daß die 170"C-Proben
die niedrigste Streuung der Meßwerte sowohl für den hohen als auch für den
niedrigen Lasthorizont vorweisen. Die höchsten Streuungen treten dagegen in
250°C-Proben auf.
100
.0 Ö
& ■X
Q
O
"O
□
10 X|
Xö
o
D
u-
m
O T = 20’C Pü50=176785
X T = 170’C Pü50=488053
Li T = 250’C Pü50=340722
1
100,000 1E+006
Lastwechsel
Diagramm 3.1 : Weibullstatistik für nicht vorgesetzte Drehstäbe bei 560 + 560 MPa
45
100
X I
□o xi. i
<D
,Q>
□
CD
<0
x:
x:
o
3
k.
CD
T = 20°C Pü50=324314
T=170°C Pü50=784097
10 T = 250°C Pü50=398400
1
1E+006
Lastwechsel
Diagramm 3.2: Weibullstatistik für nicht vorgesetzte Drehstäbe bei 560 ±513 MPa
So findet man die höchste Schwingfestigkeit nicht wie bei den nicht vorgesetzten
Drehstäben im mittleren Temperaturbereich, sondern bei der höchsten der
benutzten Strahltemperaturen von T = 260'C. Ausgedrückt in der 50%-igen
Überlebenswahrscheinlichkeit, beträgt die Erhöhung gegenüber den bei
Raumtemperatur bestrahlten Proben für den hohen Lasthorizont etwa 56% und für
den niedrigen Lasthorizont etwa 101%.
Aber auch die vorgesetzten Proben, die bei 170"C kugelgestrahlt wurden, zeigen
eine Erhöhung der Lebensdauer. Für den hohen Lasthorizont liegt die 50%-ige
Überlebenswahrscheinlichkeit der 170"C-Proben bei etwa 26% über dem Pü50%-
Wert der 20’C-Proben und für den niedrigen Lasthorizont 77% über dem Pü50%-
Wert der 20’C-Proben.
Auffällig ist dabei, daß bei den vorgesetzten Drehstäben die Unterschiede in den
Lebensdauern zwischen den einzelnen Bestrahlungstemperaturen beim hohen
Lasthorizont größer sind als beim niedrigen, während für die nicht vorgesetzten
Proben genau das umgekehrte Verhalten festgestellt wurde.
46
Diagramm 3.3: Weibullstatistik für vorgesetzte Drehstäbe bei 560 ± 560 MPa
47
100
O
d)
10 >4...i. B
CB
o
3
CD
O T = 20°C Pü50=356240
X T = 180°C P050°629448
□ T = 260oCPü=715978
1
100,000 1E+006
Lastwechsel
3.2 Vickershärtemessungen
Vickershaerte [HV1]
Die Meßwerte der Oberflächenrauhigkeit streuen so stark, daß selbst die Meßwerte,
die auf ein und derselben Probe bestimmt wurden, starke Unterschiede aufwiesen.
Bei der gemittelten Rauhtiefe Rz betrugen diese Streuungen bis zu 30% des
Meßwertes und bei dem Mittenrauhwert bis zu 40% des Meßwertes und sind somit
größer als die Unterschiede zwischen den entsprechenden Mittelwerten der
einzelnen Materialzustände. Die leichte Zunahme der Oberflächenrauhigkeit mit der
Kugelstrahltemperatur wird jedoch durch die recht hohe Anzahl von 30 bis 40
Einzelmessungen je Probenzustand gestützt.
Gemittelte Rauhtiefe R7
Vorsetzgrad T = 20’C T= 170/180° C T = 250/260° C
0% 41.67 gm 46.38 gm 48.63 gm
2.4% 39.51 gm 46.79 gm 43.19 gm
Mittenrauhwert Ra
Vorsetzgrad T = 20°C T= 170/180°C T = 250/260°C
0% 7.12 gm 8.18 gm 8.55 gm
2.4% 6.44 gm 8.15 gm 7.47 gm
Neben einer Änderung der Oberflächentopologie, die sich in einer Erhöhung der
Oberflächenrauhigkeit manifestiert, kann das Kugelstrahlen auch Risse in der
Oberfläche des Werkstückes verursachen. Um das Rißauftreten zu untersuchen,
wurden Oberflächenschliffe der einzelnen Probenzustände hergestellt und zusätzlich
Oberflächenschliffe noch nicht kugelgestrahlter Proben. Dabei zeigte sich, daß die
nicht kugelgestrahlten Proben keine Oberflächenrisse, die kugelgestrahlten Proben
eine Vielzahl von Rissen in der Oberfläche aufwiesen. Die Risse wurden entlang
einer bestimmten Meßstrecke vermessen und gezählt. Hierzu wurde die Rißlänge
und die Rißtiefe gemessen, wie im Diagramm 3.7 schematisch dargestellt wird.
'W
0.35
0.3 Q
nicht vorgesetzte Proben
| 0.25
O T=20’C
X T=170’C
T=250“C
0.2
0.15
0.1 .□
0.05
; O i xteH K KD XX
o A...... i . . , . i , ■ . i , , , , j . ■ i .... i .... i
0 0.02 0.04 0.06 0.08 0.1 0.12 0.14
Risslaenge [mm]
Risslaenge [mm]
Zwischen den nicht vorgesetzten Proben und den vorgesetzten Proben gleicher
Bestrahlungstemperatur ergaben sich keine Unterschiede im Rißauftreten. Auffällig
ist dagegen, daß die Zunahme der Rißhäufigkeit zwischen den 170/180'C-Proben
und den 250/260"C-Proben weit größer ist als zwischen den 20'C-Proben und den
170/180" C-Proben.
53
Unter Berücksichtigung der im Kapitel 1.2 dargestellten Gleichungen wurde aus der
experimentell bestimmten Momenten-Winkel-Kurve die Fließkurve beim Verdrehen
abgeleitet. Hierzu wurde der Drehstab jeweils 30 see lang verdreht und das
Drehmoment zu Beginn (unrelaxiertes Moment) und am Ende der Belastung
(relaxiertes Moment) gemessen. Die Fließgrenze wird charakterisiert durch das
Auseinanderlaufen der beiden Kurven.
Wendet man Gl. 1.8 und Gl 1.9 auf die experimentell bestimmte Drehmoment-
Winkel-Kurve an, so kann die Fließkurve beim Vorsetzen bestimmt werden.
54
Radius [mm]
Diagramm 3.13: Spannungsverlauf im Probenquerschnitt beim Vorsetzen
Nimmt man weiter an, wie auch schon in Kap. 1.2 erläutert, daß die beim Vorsetzen
induzierten Eigenspannungen gleich der Differenz zwischen der wahren Spannung
gemäß Fließkurve und der fiktiven Spannung ist, so ergibt sich folgender
Eigenspannungsverlauf:
3.6
Die Meßergebnisse der Proben wiesen Streuungen auf, die bei den
Eigenspannungsprofilen der geschwungenen Proben größer waren als bei den nicht
geschwungenen Proben. Dieser Sachverhalt ist jedoch verständlich, da während des
Schwingversuches die Eigenspannungen an verschiedenen Orten unterschiedlich
stark relaxieren. Bei den Meßkurven, die nach Lebensdauerversuchen bestimmt
wurden, sind deshalb immer nur die Eigenspannungsprofile mit dem größten
Eigenspannungsrückgang aufgetragen. Durch Wiederholungsmessungen ist auf
jeden Fall gewährleistet, daß die dargestellten Meßkurven repräsentativ für den
jeweiligen Probenzustand sind.
Berücksichtigt man aber, daß der Probenradius 11 mm beträgt, während die Schicht
mit den induzierten Eigenspannungen nur etwa 0.3 mm stark ist, wird klar, daß die
resultierenden Zugeigenspannungen im Inneren der Probe so gering sind, daß sie
deshalb meßtechnisch nicht aufgelöst werden konnten. Aus diesem Grunde wurde
auch auf jegliche Korrektur der experimentell bestimmten Eigenspannungswerte
verzichtet.
58
200
o ..X. X
X
.. E
-200
O
<0
Q.
-400
U>
c
D
C -600
C
<s
Q.
m -800 T = 2O‘,C, vorgesetzt
c
<D O 0o-Richtung
iu-1,000 X 45’-Richtung
I—I 90°-Richtung
-1,200
-1,400 L i.................i
0 0.2 0.3 0.4 0.5
Tiefe [mm]
200
X
X
o X.
X‘
<9 -200 B
O. O
s
-400
0>
c
3
C -600
C
&
2 -800
T = 180°C, vorgesetzt
8>
O O°-Richtung
O’-Richtung
UM,000
~. H. □. . B. ®... X
LJ
45°-Richtung
90°-Richtung
-1,200
-1,400 L
0 0.4 0.5
200
X X
X
0 .......... X f -
■S’ -200
O-
.... S.. ..... -ö 6-
S
“ -400 X.............. t.. ■...... ■...-
CT
c
c -600
c
«5
« -800
<D
CT
13-1,000 T = 260’C, vorgesetzt
X 45°-Richtung
-1,200 O o° -Richtung
90°-Richtung
-1,400
0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
Tiefe [mm]
200
T = 20 C, nicht vorgesetzt
O O°-Richtung
ÜJ-1,000 X 45°-Richtung
LJ OO’-Richtung
-1,200
-1,400 L i , , ............ l , , i ,
0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
Tiefe [mm]
200
<a -200 \/
a.
JE
-400 ......... r1..... .......
o>
c
3
-600
□ K.............
<0
CL □
<0 -800
c
®
T = 250°C, nicht vorgesetzt
iiM.OOO
O O°-Richtung
>< 45°-Richtung
Q 90°-Richtung
-1,200
■ L ....................
-1,400
o 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
Tiefe [mm]
200
co -200
n.
-400
o>
c
D
C -600
c
<0
a.
3 X
m -800
c
<D
O
□ 0 T = 180°C, vorgesetzt
LÜ-1,000 O 0°-Richtung
X 45°-Richtung
-1,200 U 90°-Richtung
-1,400 L i..................... i . i
0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
Tiefe [mm]
200
75-200
o_
-400
O)
c
c -600
c
co
w -800
<D T = 260°C, vorgesetzt
iu-1,000 O 0°-Richtung
X 45’-Richtung
U 90°-Richtung
-1,200
-1,400 i
0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
Tiefe [mm]
Der Eigenspannungsabbau der vorgesetzten Proben ist weit weniger dramatisch als
im Fall der nicht vorgesetzten Proben. Nach den Lebensdauerversuchen liegt der
Betrag der maximalen Druckeigenspannungen der 20'C-Proben und der 260*C-
Proben bei 70%. der 180‘C-Proben bei 80% des Wertes vor den
Lebensdauerversuchen. Aber wie auch schon bei den nicht vorgesetzten Proben
erwiesen sich die bei 170"C/180'C bestrahlten Proben als besonders stabil während
der Schwingbeanspruchung. Dies zeigt sich drastisch in den Druckeigenspannungen
direkt auf der Oberfläche, wo die stärksten Änderungen gemessen wurden:
* Eigenspannungswerte in 45’-Richtung
Wie auch schon in Kapitel 2. erwähnt, wurden gleichzeitig mit den Eigenspannungen
auch die Halbwertsbreiten der Rückstreupeaks gemessen. Die aufgetragenen Werte
entsprechen dabei dem Mittelwert der Halbwertsbreiten, die bei Theta-Winkeln
zwischen -45‘ und +45' gemessenen wurden. Korrespondierend zu den
Eigenspannungsverläufen wurden die Tiefenverläufe der Halbwertsbreiten
aufgetragen.
Tiefe [mm]
Tiefe [mm]
Auffällig ist, daß, wie auch schon bei den Eigenspannungsverläufen, die Profile der
20’C- und der 170*0- bzw. der 180*C-Proben näher beieinander liegen als die
Meßverläufe der 250/260*C-Proben mit den 170/180* C-Proben.
Ti
Weiterhin zeigt sich sowohl bei den nicht vorgesetzten als auch bei den vorgesetzten
Proben, daß bei niedrigen Kugelstrahltemperaturen das Minimum der Meßkurve
stärker ausgeprägt ist und daß bei diesen Proben die Meßwerte im allgemeinen
tiefer liegen als die HWB-Werte der Proben, die bei höheren Temperaturen
kugelgestrahlt wurden.
Mit Hilfe von REM-Untersuchungen konnte die typische Entwicklung des erfolgten
Ermüdungssbruches festgestellt werden. So lagen am Bruchausgang immer
Materialinhomogenitäten wie, z.B. Mikrorisse oder nicht metallische Einschlüsse vor.
Die REM-Aufnahmen (Photo 3.2) zeigen an diesen Orten linienartige Verformungen,
die strahlenförmig von dort ausgehen.
Es ist gut bekannt, daß ein solches Verformungsmuster durch die Konzentration der
Zugspannungen an Materialinhomogenitäten hervorgerufen wird [56] - [58]. Der
Bruchausgang wird durch die Schwingbruchfläche begrenzt. Die REM-
Untersuchungen (Photo 3.3) zeigen in der Schwingbruchfläche parallele
Verformungsstufen, die auf die erfolgte plastische Verformung während eines jeden
erfolgten Lastwechsels hinweisen [59] - [61],
Auffällig ist dabei, daß in der Oberflächenschicht zwischen 0.0 und 0.2 mm unter der
Oberfläche die Verformungsstufen weit weniger dicht vorliegen, als in Probentiefen
tiefer als 0.2 mm. Unterschiede zwischen den Schwingbruchflächen verschiedener
Probenzustände konnten jedoch nicht festgestellt werden. Auch die Flächengröße
der Schwingbruchfläche erwies sich als unabhängig vom Probenzustand. Nur die
nicht vorgesetzten 170'C-Proben, die beim hohen Lasthorizont geschwungen
wurden, zeigen sehr kleine Schwingbruchflächen.
Max: zninnnn
Levels
Diagramm 3.41: inverse Polfigur einer nicht vorgesetzten und nicht kugelgestrahlten
Probe
79
Von allen Werkstoffzuständen wurden durchstrahlbare Proben, die 100 bis 130 pm
unter der ursprünglichen Drehstaboberfläche lagen, untersucht. Außerdem wurde
auch eine nicht kugelgestrahlte Probe im TEM charakterisiert.
In den TEM-Aufnahmen (Photo 3.5 - 3.8) sind die Martensitplatten innerhalb der
alten Austenitkorngrenzen gut zu erkennen. In den einzelnen Martensitplatten
befinden sich schwarze Nadeln, welche jeweils einen Winkel von 60” untereinander
einschließen. Diese konnten als Anlaßkarbide identifiziert werden, die sich immer
kristallographisch in <111 »-Richtung ausrichten. Die dunkleren Bereiche, bestehend
aus Geflechten von runderen und dunklen Linien, weisen auf Versetzungsstrukturen
hin. Wechseln sich dagegen in sehr kleinen Werkstoffbereichen < 10 /im in
fließender Weise die hellen und die dunklen Bereiche ab, deutet dies auf elastische
Verzerrungen des Materials hin [74][17][18].
Vergleicht man die Mikrostrukturen der ungestrahlten Proben (Photos 3.5 und 3.6)
mit den Mikrostrukturen der kugelgestrahlten Proben (Photos 3.7 und 3.8), so sind
erhebliche Unterschiede ersichtlich. Aufgrund der beim Kugelstrahlen erfolgten
starken plastischen Verformung liegen in den kugelgestrahlten Proben bedeutend
mehr Versetzungen und elastische Verspannungen vor als in den ungestrahlten
Proben.
Dagegen zeigen die im TEM beobachteten Mikrostrukturen weder für die nicht
vorgesetzten und kugelgestrahlten Proben noch für die vorgesetzten und
kugelgestrahlten Proben keine signifikanten Unterschiede.
81
Um den Einfluß der Temperatur beim Kugelstrahlen auf die Schwingfestigkeit der
untersuchten Werkstoffe zu verstehen, ist es nützlich, zunächst die Entwicklung des
Bruches bei der Schwingbeanspruchung zu betrachten. Hierzu wurden
mikroskopische und makroskopische Bruchflächenuntersuchungen durchgeführt. Im
Kapitel 3.9 wurde schon erläutert, daß der Bruch an Materialinhomogenitäten, wie
z.B. Einschlüssen seinen Ausgang nimmt. Dabei können die Einschlüsse selbst
brechen, bzw. es treten Grenzflächenablösungen zwischen Einschluß und
Matrixmaterial auf, oder es entwickeln sich aufgrund der stark unterschiedlichen
Elastizitätsmodulen beider Phasen bei der Matrixverformung
Spannungskonzentrationen. An diesen Orten kann es zu einer Überschreitung der
Matrixstreckgrenze und zu lokalen Plastifizierungen kommen. Linienförmige und
radial von diesen Punkten aus laufende plastische Verformungen (Photo 3.2) weisen
auf das dabei aufgebaute Spannungsfeld an diesen Orten hin [60], von wo aus dann
auch die Rißbildung stattfindet. Liegt die Materialinhomogenität innerhalb der
Oberflächenschicht, die von der Kugelstrahlung beeinflußt wird, so können die beim
Kugelstrahlen induzierten Druckeigenspannungen vorliegende Zugspannungen
effektiv vermindern und somit die Rißentstehung und später die Rißausbreitung
verzögern [65] - [70]. Die tatsächlich wirkenden Spannungen während der
Schwingbeanspruchung sind gleich der Summe der von außen wirkenden
Lastspannungen und der im Material vorhandenen Eigenspannungen. Da die
Spannungsintensität direkt von der an der Rißspitze vorliegenden Spannung gemäß
Gl. 1.1 abhängt, fällt diese mit zunehmenden Druckeigenspannungen effektiv ab. Die
durch das Kugelstrahlen induzierten Druckeigenspannungen verringern also die
Spannungsintensität an der Rißspitze und können dadurch die Auslösung des
Bruches verzögern.
Auffällig ist, daß man in der Oberflächenschicht bis 0.2 mm Tiefe weit weniger
Verformungsstufen in der Schwingbruchfläche findet als unterhalb der Schicht mit
den strahlinduzierten Druckeigenspannungen (Photo 3.3).
Dies wird noch verständlicher, wenn man bedenkt, daß neben den im Material
vorhandenen Defekten, wie Einschlüsse oder Mikrorisse, an der Oberfläche
zusätzliche Defekte, wie z.B. Kerben und Risse, auftreten können. Dagegen sind die
Änderungen des Lastspannungsverlaufes innerhalb der Oberflächenschicht, die
durch die Kugelbestrahlung beeinflußt werden, gering. Bei einem Probenradius von
11 mm und einer Breite der Oberflächenschicht von 0.3 mm beträgt die Änderung
der Lastspannung maximal 3%. Bei den vorgesetzten Proben ist diese Änderung
noch geringer. Da die Lastspannungen in der Oberflächenschicht annähernd
konstant sind, wird die örtliche Verteilung der tatsächlich wirkenden Spannungen
weitgehend vom Eigenspannungsverlauf bestimmt.
200
■«'-200
CT
C
c -600
c
«
« -800
<5
CB
ill1,000
-1,200
-1,400
0 0.05 0.1 0.15 0.2 0.25 0.3 0.35 0.4 0.45 0.5
Tiefe [mm]
Der Grund für dieses Verhalten ist der Abfall der Streckgrenze mit zunehmender
Temperatur, was eine stärkere Verformung des Materials beim Kugelstrahlen
ermöglicht, so daß höhere Eigenspannungsbeträge induziert werden.
86
Tiefe [mm]
Der Grund für den geringeren Rückgang der Druckeigenspannungen in den bei
170'C kugelgestrahlten Proben ist offenbar eine mechanisch stabilere
Versetzungsstruktur in diesen Proben. Diese wird durch dynamische
Reckalterungsvorgänge während des Kugelstrahlens selber und durch statische
Reckalterungsvorgänge während des Abkühlens nach dem Kugelstrahlen bedingt.
Dabei findet eine verstärkte elastische Wechselwirkung zwischen diffundierenden
Kohlenstoffatomen und den Versetzungen statt, was zu Versetzungsblockierungen
führt und somit zu einer erhöhten mechanischen Stabilität der Versetzungsstruktur.
Die Behinderung der Versetzungsbewegung ist am größten, wenn die
Versetzungsgeschwindigkeit etwa im Bereich der Geschwindigkeit der
diffundierenden Kohlenstoffatome ist [86],[87], So findet z.B. in dem normgeglühten
Stahl Ck45 die größte dynamische Behinderung der Versetzungsbewegung bei T =
330" C statt [92],
Man kann somit davon ausgehen, daß auch in dem untersuchten vergüteten Stahl
bei einer näherungsweise gleichen Temperatur die größt mögliche dynamische
Versetzungsblockierung erfolgen würde.
88
Unter Beachtung der genannten Punkte folgt, daß die Eigenspannungen der bei
170‘C gestrahlten Proben den günstigsten Verlauf bezüglich der Lebensdauer der
nicht vorgesetzten Proben haben.
89
Der größte Spannungsabbau an der Oberfläche hat bei den bei 250’C gestrahlten
Proben stattgefunden. Dies sind aber gerade die Proben, in denen die meisten
Mikrorisse in der Oberfläche gefunden wurden. Dagegen bauten sich die
Druckeigenspannungen in der Oberfläche der bei 20’C gestrahlten Proben, welche
die Proben mit der geringsten Mikrorißhäufigkeit sind, in einem geringeren Maße ab
als in den Proben, die bei den höheren Temperaturen kugelstrahlt wurden.
91
Betrachtet man Tabelle 4.3, so fällt weiterhin auf, daß bei den 20‘C- und den 250’C-
Proben die Wahrscheinlichkeit, den Bruchausgang in Oberflächentiefen zwischen
0.0 und 0.2 mm zu finden, mit fallendem Lasthorizont zunimmt, während sie bei den
170"C-Proben abnimmt. Dieser Sachverhalt wird verständlich, wenn man bedenkt,
daß der Rißausgang dort am wahrscheinlichsten ist, wo die höchsten tatsächlich
wirkenden Zugspannungen auftreten [40].
Wie die Versuchsergebnisse sowohl der nicht vorgesetzten als auch der
vorgesetzten Proben zeigen, hängt die Schwingfestigkeit im erheblichen Maße von
der Kugelstrahltemperatur ab. Auffällig ist dabei jedoch, daß die höchsten
Lebensdauern der nicht vorgesetzten Proben im mittleren Temperaturbereich von
17O'C/18O’C liegen, während bei den vorgesetzten Proben die höchste
Kugelstrahltemperatur zu den höchsten Lebensdauern führt. Da sich beide
Probenzustände nur durch die beim Vorsetzen eingebrachte plastische Verformung
unterscheiden, muß diese für das unterschiedliche Verhalten in der
Schwingfestigkeit verantwortlich sein.
Betrachtet man die Spannungen des belasteten Drehstabes vor dem Kugelstrahlen,
so steigen die Spannungen in der Oberflächenschicht nicht mit dem Radius an, wie
bei den nicht vorgesetzten Proben, sondern fallen vielmehr mit dem Radius ab.
Tiefe [mm]
Wie auch schon bei den nicht vorgesetzten Proben, nehmen die
Druckeigenspannungen und die Breite der Schicht mit Druckeigenspannungen mit
steigender Kugelstrahltemperatur zu, da natürlich wie auch schon bei den nicht
vorgesetzten Proben die Streckgrenze mit steigender Temperatur abfällt.
Auffällig ist, daß die Druckeigenspannungsbeträge auf der Probenoberfläche der
einzelnen Probenzustände auch leicht mit der Strahltemperatur ansteigen, während
für die nicht vorgesetzten Drehstäbe der niedrigste Oberflächenwert der
Druckeigenspannungen für die 250‘C-Proben gefunden wurde. Die Ursache für
dieses Verhalten muß die durch das Vorsetzen erfolgte Veränderung des
Verfestigungsverhaltens sein. So ändert sich zwar nicht der Anteil der Streckung der
Oberflächenschicht über die Rißbildung durch das Vorsetzen, doch bewirkt das
Vorsetzen eine Vergrößerung der plastischen Dehnung des Materials. Es zeigte sich
insbesondere für Federnstähle, daß eine Vorverformung in einer Richtung die
Erniedrigung der Fließgrenze bei einer nachfolgenden Verformung in
entgegengesetzter Richtung zur Folge haben kann [88], [89], Dieser Vorgang,
welcher als Bauschinger-Effekt bezeichnet wird, erklärt warum bei annähernd
gleicher Kugelstrahltemperatur das Material vorgesetzter Proben stärker verformt
wird als bei nicht vorgesetzten Proben.
96
Die stärkere plastische Verformung zeigt sich einerseits in den höheren maximalen
Druckeigenspannungsbeträgen der vorgesetzten Proben andererseits in den
höheren Druckeigenspannungen an der Oberfläche der vorgesetzten Drehstäbe.
Wie in den Diagrammen 3.20 bis 3.22 zu sehen ist, ist der Eigenspannungszustand
bis zu einer Tiefe von 0.2 mm annähernd isotrop, und erst mit dem Steilabfall der
Druckeigenspannungen bei ab etwa 0.2 mm Tiefe laufen die Meßkurven, die in
verschiedenen Richtungen aufgenommen wurden, auseinander. Der
Eigenspannungsverlauf wird dann weitgehend durch Vorsetzeigenspannungen
°
bestimmt. Diese liegen für die 45· -Richtung bei etwa +100 MPa und für die 90 - und
o· -Richtung bei -200 MPa. Für den Vergleich der Eigenspannungsverläufe der bei
verschiedenen Temperaturen kugelgestrahlten Proben wurden die in 90" -Richtung
bestimmten Meßwerte aufgetragen.
Ein Vergleich der Härteprofile zeigt ebenfalls, wie auch schon für die nicht
vorgesetzten Drehstäbe, keine Änderung der Härte durch das Kugelstrahlen.
Will man nun den Abbau der Druckeigenspannungen bei den verschiedenen
vorgesetzten Probenzuständen diskutieren, muß berücksichtigt werden, daß die
höchstbeanspruchte Zone nicht mit der Schicht, die durch das Kugelstrahlen
beeinflußt wird, identisch ist. Die vorgesetzten Proben werden also an der
Oberfläche weniger beansprucht als die nicht vorgesetzten Drehstäbe. Dieser
wesentliche Unterschied zwischen nicht vorgesetzten und vorgesetzten Drehstäben
wirkt sich deutlich auf die Eigenspannungsverläufe nach der Schwingbeanspruchung
aus. Für alle Strahltemperaturen sind bei den vorgesetzten Drehstäben weit
geringere Druckeigenspannungsrückgänge zu erkennen als im Fall der nicht
vorgesetzten Proben.
97
Tiefe [mm]
Der Grund für dieses Verhalten ist die Überlagerung der Lastspannungen mit den
beim Vorsetzen eingebrachten Eigenspannungen. Wie schon erläutert wurde,
werden die an der Oberfläche auftretenden effektiven Spannungen durch die
Vorsetzeigenspannungen herabgesetzt, so daß die vorgesetzten Drehstäbe bei
gleicher Lastspannung weit weniger belastet werden als die nicht vorgesetzten
Proben.
Aufgrund der geringeren Belastung finden im Material weniger mikroplastische
Verformungen statt. Somit relaxieren die Druckeigenspannungen der vorgesetzten
Proben während der Schwingbeanspruchung weit weniger als die der nicht
vorgesetzten Proben. Da sich die Druckeigenspannungsverläufe der vorgesetzten
Drehstäbe sowohl vor als auch nach der Schwingbeanspruchung weit weniger
unterscheiden als bei den nicht vorgesetzten Proben und auch die Wirksamkeit der
Mikrorisse aufgrund der geringeren Belastung herabgesetzt ist, wird verständlich,
warum bei den vorgesetzten Proben hinsichtlich der Größe der Schwingbruchfläche
und der Oberflächentemperatur beim Schwingen keine Unterschiede bezüglich der
Kugelstrahltemperatur gefunden wurden.
Im allgemeinen findet man aber auch bei den vorgesetzten Proben, daß die bei
180'C gestrahlten Proben einen geringeren Druckeigenspannungsabbau zeigen als
die bei 20‘C und bei 260'C gestrahlten Proben.
98
Maßgebend hierfür ist wie bei den nicht vorgesetzten Proben das Auftreten
dynamischer Reckalterung während und der statischen Reckalterung nach dem
Kugelstrahlen bei 180‘C. Wie schon für die nicht vorgesetzten Drehstäbe erläutert
wurde, finden bei den bei 20’C gestrahlten Proben weder Reckalterungsvorgänge
noch Erholungsvorgänge aufgrund der niedrigen Temperatur statt, während bei den
260‘C-Proben trotz dynamischer und statischer Reckalterungsprozesse bei und
nach dem Strahlen ausgeprägte Erholungsvorgänge durch Versetzungsumordnung
denkbar sind. Die 20'C - und die 260’C - Proben haben deshalb eine weniger stabile
Versetzungsstruktur, so daß bei diesen Proben ein größerer
Druckeigenspannungsrückgang während der Schwingbeanspruchung stattfindet als
bei den bei 180’C kugelgestrahlten Proben.
Aufgrund der größten Rißhäufigkeit in der Oberfläche der 260°C-Proben ist der
Druckeigenspannungsrückgang hier beträchtlich größer als bei den 180‘C-Proben.
Weiterhin ist der starke Rückgang der Druckeigenspannungen bei den bei 20" C
kugelgestrahlten Proben insofern verständlich, da dieser Probenzustand zwar die
geringsten Rißkonzentrationen in den Probenoberflächen aufweisen, andererseits
aufgrund der nicht auftretenden Reckalterung viele mobile Versetzungen enthält, die
leichter aktiviert werden und zum Eigenspannungsabbau beitragen.
In den Diagrammen 3.26 bis 3.28 zeigt sich weiterhin, daß die
Eigenspannungsrückgänge nicht isotrop sind, sondern in 45‘-Richtung am stärksten
ausgeprägt sind.
Es ist offensichtlich, daß sich die Oberflächenschädigung durch die Mikrorisse in den
vorgesetzten Proben weit schwächer auswirkt als in den nicht vorgesetzten
Drehstäben. Da in den vorgesetzten Proben die Oberflächenschicht weit weniger
belastet wird, wird in diesen Proben die Wirksamkeit der Mikrorisse herabgesetzt.
99
Daß die größte Belastung unterhalb der Oberfläche auftritt, erklärt weiterhin, warum
die Wahrscheinlichkeit, den Bruchausgang direkt in der Oberfläche zu finden, mit
steigendem Lasthorizont zunimmt.
Treten nämlich höhere Lastspannungen auf, verschiebt sich die Zone, wo die
tatsächlich wirkenden Zugspannungen die örtliche Dauerfestigkeit überschreiten,
näher an die Oberfläche.
Weiterhin erkennt man, daß bei gleichem Lasthorizont die Wahrscheinlichkeit, daß
der Bruchausgang in der Oberflächenschicht liegt, mit steigender
Kugelstrahltemperatur sinkt. Dieser Sachverhalt koinzidiert mit den
Eigenspannungsverläufen, die nach den Lebensdauerversuchen gefunden wurden.
So liegen die höchsten Druckeigenspannungen in den bei 250'C kugelgestrahlten
Proben vor. Die Wahrscheinlichkeit, daß In der Oberfläche dieser Proben lokal die
Dauerfestigkeit überschritten werden kann, ist demnach in diesen Proben am
geringsten.
100
Vergleicht man die Mikrostrukturen der ungestrahlten Proben (Photos 3.5 und 3.6)
mit den Mikrostrukturen der kugelgestrahlten Proben (Photos 3.7 und 3.8), so sind
erhebliche Unterschiede ersichtlich. Aufgrund der beim Kugelstrahlen erfolgten
starken plastischen Verformung liegen in den kugelgestrahlten Proben bedeutend
mehr Versetzungen und elastische Verspannungen vor als in den ungestrahlten
Proben.
Obwohl offensichtlich die kugelgestrahlten Proben eine beträchtlich größere
Versetzungsdichte vorweisen, konnte bei der Vickershärtemessung keine Änderung
der Härte in der Oberfläche festgestellt werden.
Dieser von gehärteten Stählen bekannte Effekt [91] rührt von einer strahlbedingten
Umordnung der im vergüteten Zustand mit hoher Dichte vorliegenden Versetzungen
unter dem Einfluß der Hertzschen Pressung her. Dabei reichen mikroplastische
Verformungen aus, um diese Versetzungen, ohne neue Versetzungen zu bilden, in
energetisch günstigere Lagen mit minimaler Verzerrungsenergie zu bewegen. Dieser
Vorgang verläuft gleichzeitig mit dem Abbau der makroskopischen
Druckeigenspannungen. Bei 25O’C/26O'C treten möglicherweise aufgrund der
ausgeprägteren dynamischen Reckalterung und der temperaturbedingten stärkeren
Plastizität zusätzlich Versetzungsbildungen, gekoppelt mit
Immobilisierungsprozessen auf, so daß sich kein HWB-Minimum ausbilden kann.
Die Halbwertsbreitenprofile der geschwungenen Proben zeigen sowohl für die nicht
vorgesetzten als auch für die vorgesetzten Drehstäbe eine mehr oder weniger starke
Erniedrigung der Halbwertsbreite. Die Versetzungsreaktionen, welche bei
versetzungsbedingten Erholungsvorgängen während der Schwingbeanspruchung
auftreten, verursachen natürlich neben dem Makroeigenspannungsabbau
gleichzeitig auch den Abfall der Mikroeigenspannungen und somit der
Halbwertsbreiten. Wie aber schon bei den Eigenspannungsmessungen beobachtet
wurde, fällt der Abfall der Halbwertsbreiten bei den vorgesetzten Proben weit
geringer aus als bei den nicht vorgesetzten Drehstäben.
Hinsichtlich der Abhängigkeit des Mikroeigenspannungsabbaus von den
unterschiedlichen Strahltemperaturen läßt sich sagen, daß sich nach der
Schwingbeanspruchung die Halbwertsbreiten der bei 17O'C/18O”C gestrahlten
Proben sehr wenig ändern, während die bei 25O'C/26O'C kugelgestrahlten Proben
erwartungsgemäß einen deutlichen Rückgang der Halbwertsbreiten zeigen. Dieses
Verhalten ist verständlich, da, wie oben erläutert, nach dem Kugelstrahlen bei
170’C/ 180'C offenbar die stabilste Versetzungsstruktur infolge von
Blockierungseffekten durch Kohlenstoffwolken und evtl, feinste Eisenkarbide
vorliegen dürfte.
103
Tiefe [mm]
Tiefe [mm]
Tiefe [mm]
Die in Kapitel 4.1 bis 4.3 erfolgte Diskussion konnte auf qualitative Weise den Einfluß
der Kugelstrahltemperatur auf die Schwingfestigkeit erklären. Es soll nun der
Versuch unternommen werden, die dargestellten Zusammenhänge in einem Modell
zu beschreiben. Hierbei wird zuerst der Temperatureinfluß auf die induzierten
Eigenspannungen und auf die Rißhäufigkeit getrennt betrachtet, um dann deren
Einfluß auf die Schwingfestigkeit zu modellieren. Zur Vorhersage
kugelstrahlbedingter Eigenspannungszustände liegt schon ein Modell vor [75][76],
das auf einen Ansatz von H. Wohlfahrt beruht. Dabei wurde die
Eigenspannungsentstehung durch zwei Effekte gedeutet, und zwar 1) durch eine
elastische Pressung, wie sie durch die Hertzschen Formeln [77] beschrieben wird
und 2) durch eine plastische Streckung der Oberflächenschicht. Die quantitative
Beschreibung erfolgte dabei ausschließlich mit den Hertzschen Formeln. Dieses
Modell ist jedoch hauptsächlich zur Erklärung der durch die Kugelstrahlung
induzierten Lastspannungen in Abhängigkeit von den Strahlbedingungen, wie z.B.
Auftreffgeschwindigkeit, Kugelradius, usw. geeignet. Das von H. Wohlfahrt
vorgeschlagene Modell kann jedoch nicht die Erhöhung der induzierten
Druckeigenspannungen mit zunehmender Werkstoffhärte erklären.
Beim Kugelstrahlen trifft eine Stahlkugel auf das Werkstück und wird selbst wieder
von der Werkstückwand reflektiert, wobei ein Impuls auf das Werkstück übertragen
wird. Berücksichtigt man, daß die Kugelmasse 106 mal kleiner als die
Werkstückmasse ist, gleicht der erfolgte Stoß dem einer Kugel an einer unendlich
schweren Wand. Da beim Kugelstrahlen das Material plastisch verformt wird und
dabei Wärme entsteht, ist der erfolgte Stoß inelastisch. Dagegen kann das Verhalten
des Strahlmittels als völlig elastisch angesehen werden, weil beim Kugelstrahlen die
Strahlmittelhärte meistens weit höher als die Werkstückhärte ist. Für die Energie-
und Impulsbilanz gilt somit:
Dabei ist WKin mit dem Index i die kinetische Energie der Kugel vor dem Stoß, mit
dem Index f nach dem Stoß auf das Werkstück. Entsprechend ist pKin mit dem Index
i der Impuls der Kugel vor dem Stoß, mit dem Index f nach dem Stoß auf das
Werkstück. m ist die Masse der Kugel und AWinelast der Teil der Energie, welche
von der auftreffenden Kugel an das Werkstück abgegeben wird.
4.3
4.4
Gemäß GI. 4.3 ist Z das Verhältnis der Energie, welche beim Kugelstoß an das
Werkstück abgeben wird und der kinetischen Energie der Kugel vor dem Stoß.
Wie auch schon erwähnt, verursacht die übertragene Energie eine plastische
Verformung in der Probe verbunden mit einem Temperaturanstieg. Der
Energiebeitrag pro Flächeneinheit Wvert, der für die plastische Verformung
aufgebracht wird, kann aus dem Flächeninhalt der gemessenen
Eigenspannungskurven ermittelt werden:
J
fV,,,f <0.5--,
mm
107
Der Vergleich der Energiebeiträge zeigt, daß (jer stoß weitgehend elastisch erfolgt,
da:
4.5
Der übertragene Impuls breitet sich im Material aus und verursacht dabei sowohl
elastische als auch plastische Verformung. Welche mit einem Spannungsfeld in der
Oberflächenschicht korrespondiert-
Weiterhin ist im Ausdruck für die im Material resultierende Spannung der Hertzschen
Pressung der Elastizitätsmodul dis einzig vorkommende Materialgröße. Weil der
Elastizitätsmodul nicht von der Härte eines Materials abhängig ist, sind bei gleichen
Kugelstrahlbedingungen die auftre^nden Spannungen in unterschiedlich harten
Proben eines Materials immer gleich. Da sich aber auch der Elastizitätsmodul nur
sehr wenig im untersuchten Temperaturbereich ändert, sind die induzierten
Lastspannungen gemäß den Hertzschen Formeln ebenfalls temperaturunabhängig.
Die Hertzschen Formeln können somit nicht die Temperatur- und Härteabhängigkeit
der induzierten Druckeigenspannungen erklären.
Es muß vielmehr davon ausgegangen werden, daß auch die beim Kugelstrahlen
auftretenden Lastspannungen materialabhängig sind. Sie korrespondieren dabei mit
den erfolgten Verformungen im Material entsprechend dem Spannungs-Dehnungs-
Verhalten des Werkstoffes. Dabei w’rd ferner angenommen, daß die Bruchfestigkeit
des Werkstoffes ist die höchstmöglictie Spannung 'm Material begrenzt.
108
Die Höhe der induzierten Eigenspannungen wird davon abhängen, inwieweit die
durch das Kugelstrahlen eingebrachten Lastspannungen die Fließgrenze des
Materials überschreiten, d.h. wie stark das Material plastisch verformt wird. Ein
einfacher Ansatz für die Eigenspannungen, der auch schon zur Erklärung der beim
Vorsetzen induzierten Eigenspannungen benutzt wurde (Gl. 1.14), ist:
aES =O LS ~a f
Dabei ist aES die induzierte Eigenspannung, aLS die aus dem Impulsübertrag
resultierende Lastspannung im Werkstoff (kurz: Kugelstrahlspannung) und af die
Fließgrenze, also die Spannung, die zum Einsetzen der plastischen Verformung des
Materials nötig ist (kurz: Fließgrenze). Die Kugelstrahlspannung ist ortsabhängig und
ändert sich aus Symmetriegründen nur mit der Probentiefe. Der Ansatz drückt aus,
daß die induzierten Eigenspannungen um so höher sind, je größer die Differenz
zwischen Kugelstrahlspannung und Fließgrenze, also die Verfestigung ist. Ist die
Kugelstrahlspannung jedoch kleiner als die Fließgrenze, werden keine
Eigenspannungen induziert, da das Material nur elastisch verformt wird.
Die Näherung ist sicherlich um so besser erfüllt, je geringer die Verfestigung beim
plastischen Verformen ist. Da keine Änderung der Härte in der Oberflächenschicht
der Proben nach dem Kugelstrahlen festgestellt werden konnte, ist die
Voraussetzung sicher gut erfüllt. Diagramm 4.9 zeigt, daß die Spannungen im
plastischen Bereich nur sehr wenig variieren können. Deshalb ist die in Diagramm
4.10 dargestellte Näherung für den Lastspannungsverlauf, der durch die
Kugelstrahlung verursacht wird, durchaus gerechtfertigt.
Dabei gilt:
a<,a1
0 z >d 4.8b
a2+z2
mit
a° irV^1-”2)2 4.8c
Das Spannungsfeld wird dabei unterteilt in eine plastische und eine elastische Zone.
Innerhalb der plastischen Zone soll die Lastspannung gleich dem maximal
möglichen Wert amax sein und wird als örtlich konstant angenommen. In der
elastischen Zone soll die Lastpannung durch die Hertzschen Formeln gegeben sein.
Dabei ist o0 die theoretisch maximale Lastspannung im Material gemäß den
Hertzschen Formeln [77], Wie in Gleichung 4.8c zu sehen ist, hängt <70 von Kraft F,
mit der die Kugel auf die Oberfläche drückt, vom Elastizitätsmodul E, von der
Querkontraktionszahl v und vom Kugelradius r ab. Weiterhin ist a der Radius der
Auftrefffläche der Kugel. Der Wert für a läßt sich mittels einfacher geometrischer
Überlegungen und dem experimentell bestimmten Wert für die mittlere Rauhtiefe
berechnen. Da für die verschiedenen Strahltemperaturen auch verschiedene
Oberflächenrauhigkeiten gemessen wurden, folgt daraus, daß auch a
temperaturabhängig ist.
=aHRC 4.9 a
Dabei ist Hnc die Rockwellhärte und a ein Proportionalitätsfaktor. Gleichung 4.9 b
erlaubt natürlich nur eine sehr grobe Abschätzung der induzierten
Druckeigenspannungen in Abhängigkeit von den mechanischen Eigenschaften des
Strahlgutes, ohne den Einfluß der Strahlbedingungen, wie z.B.
Abwurfgeschwindigkeit, Strahlmittelmasse, usw., weiter zu berücksichtigen. Vielmehr
wird durch Gleichung 4.9 b ausgedrückt, daß mit fallender Fließgrenze a( und
steigender Stauchgrenze Rpx bei der Verformung die Druckeigenspannungen
zunehmen. Die Ursache für dieses Verhalten ist verständlich, da mit fallender
Fließgrenze das Material früher plastisch verformt wird. Plastische Verformung ist
aber gerade eine notwendige Bedingung für das Entstehen von Eigenspannungen
durch Kugelstrahlen.
Auch die Zunahme der Druckeigenspannungen mit steigender Werkstoffhärte und
Werkstofftemperatur kann anhand von Gleichung 4.9 verstanden werden. So konnte
für Federnstähle gezeigt werden, daß die Differenz zwischen Zugfestigkeit und
Fließgrenze, also die Verfestigungsfähigkeit mit zunehmender Werkstoffhärte und
Werkstofftemperatur ansteigt [4], [27].
Tabelle 4.7
Tabelle 4.7 zeigt zwischen 20"C und 250"C einen annähernd linearen Abfall der
Fließgrenze und der Stauchgrenze mit steigender Temperatur. Dieser Sachverhalt
wurde auch in anderen Untersuchungen gefunden [1],[5],[27]:
a f =a —bT 4.10
=e -dT 4.11
Die Konstanten a,b,c und d lassen sich leicht aus den in der Tabelle angegebenen
Werten mittels linearer Regression bestimmen:
Tabelle 4.8 zeigt die aus dem Modell resultierenden Werte für die maximalen
Druckeigenspannungen und die experimentell bestimmten maximalen
Druckeigenspannungen nicht vorgesetzter Drehstäbe für die verschiedenen
Kugelstrahltemperaturen.
Prüftemperatur [’C] theo. aES (max) exp. aES (max) Abweichung [%]
[MPa] [MPa]
20 630 900 30
170 865 1000 13
250 1011 1300 22
Tabelle 4.8
Der Vergleich der experimentellen und der theoretischen Werte zeigt, daß das
Modell die Zunahme der maximalen Druckeigenspannungen mit steigender
Temperatur richtig wiedergibt.
113
Dabei weichen die theoretischen Werte um weniger als 30% von den
experimentellen Daten ab. Dies ist angesichts der starken Näherungen innnerhalb
der Modellierung ein mehr als befriedigendes Ergebnis.
Weiterhin ist es innerhalb des vorgestellten Modells möglich, einen Ausdruck für die
Eindringtiefe der plastischen Verformungzone und damit auch die Eindringtiefe der
Schicht mit Druckeigenspannungen zu gewinnen.
<s> d eo
mit - a,‘al
4.15
a' +d2
Die Tiefe unter der Probenoberfläche ist dabei z, und d ist die Eindringtiefe der
plastischen Verformungszone. Die Größe a0 ist gleich der Maximalspannung im rein
elastischen Fall und wird durch die Hertzschen Formeln gegeben. Somit folgt für die
plastische Verformungsarbeit:
Berücksichtigt man, daß die Eindringtiefe zwischen 0.2 und 0.3 mm liegt, und sich
aus einer einfachen Abschätzung für den Radius der Auftrefffläche a < 0.1 mm
ergibt, kann folgende Näherung gemacht werden:
> d t
a »a => arctan— =>— 4.18
a 2
114
d _o<sm
4.19
d_ aoira
4.20
~2af(T,R„)
^(r)=^(P„-Ap„) 4.21
eP <xpm 4.22
Gleichung 4.21 läßt sich also auch, wie folgt, beschreiben:
Hmt(T)=A{Sp-^p) 4.23
=(^ 424
Vergleicht man die Gleichungen 4.7 und 4.26 miteinander, so sieht man, daß die
Ausdrücke für die Rißhäufigkeit und für die induzierten maximalen Eigenspannungen
das gleiche Temperaturverhalten beschreiben.
Dieser Sachverhalt konnte aber auch experimentell nachgewiesen werden, und zwar
läßt sich mit Gl. 4.7 die Gleichung 4.26 auch wie folgt schreiben:
Wie Diagramm 4.11 zeigt, besteht zwischen der Rißhäufigkeit und den maximalen
Eigenspannungen sowohl bei den nicht vorgesetzten Proben als auch bei den
vorgesetzten Proben ein annähernd linearer Zusammenhang.
Die Näherung, daß die Verfestigung m nur schwach von der Temperatur abhängt, ist
also richtig.
117
Die Ursache für den Tatbestand, daß Risse nur bis zu einer Tiefe von maximal 15/xm
unterhalb der Probenoberfläche gefunden wurden, wie aus den Diagrammen 3.8 bis
3.11 hervorgeht, hängt mit der starken Inhomogenität der Verformung beim
Kugelstrahlen zusammen. So wurden Oberflächenrisse in kugelgestrahlten Proben
auch in anderen Untersuchungen gefunden [42].
Andererseits zeigt sich, daß die Bildung von Rissen und von Eigenspannungen in
der Oberflächenschicht durch denselben Effekt - die plastische Verformung - bewirkt
wird. Die Ähnlichkeit beider Prozesse ist so groß, daß die Rißhäufigkeit sogar
proportional zu den maximal induzierten Druckeigenspannungen ist, wie Diagramm
4.11 wiedergibt. Es kann deshalb angenommen werden, daß für die Eindringtiefe der
Risse in die Probenoberfläche die gleiche Abhängigkeit von der Fließgrenze besteht,
wie für die Eindringtiefe der Druckeigenspannungen:
XRiß = konstant
Zumindest aber gibt Gleichung 4.28 den experimentellen Befund richtig wieder, daß
sich die Eindringtiefe der Risse in die Oberflächenschicht mit steigender Temperatur
erhöht, da die Fließgrenze des untersuchten Materials mit zunehmender Temperatur
abfällt.
In Kapitel 4.1 und 4.2 wurde schon recht ausführlich über den Einfluß der
Kugelstrahltemperatur auf die Schwingfestigkeit diskutiert. Zusammenfassend läßt
sich sagen, daß in Übereinstimmung mit dem Konzept der lokalen Dauerfestigkeit
die Schwingfestigkeit von den lokalen Materialeigenschaften und der dort
herrschenden Beanspruchung bestimmt wird [40].
Diese mikroskopische Betrachtungsweise erklärt somit, warum es bei Drehstäben
des gleichen Werkstoffzustandes zu recht unterschiedlichen Lebensdauern kommen
kann.
118
Unabhängig aber davon, ob die Rißbildung oder die Rißausbreitung dominierend für
die Lebensdauer ist, hat die Schicht mit Druckeigenspannungen und die Schicht mit
Mikrorissen wesentlichen Einfluß auf die Schwingfestigkeit. Um die Modellierung der
Kugelstrahltemperaturabhängigkeit auf einen möglichst einfachen Ansatz zu stellen,
soll die örtliche Abhängigkeit der Druckeigenspannungen und der Rißhäufigkeit,
sowie die zeitlichen Änderungen der Druckeigenspannungen nicht weiter
berücksichtigt werden. Vielmehr wird nur der Ausgangszustand vor der
Schwingbeanspruchung betrachtet. Die Druckeigenspannungen wirken positiv, wie
in Kapitel 4.1 und 4.2 ausführlich diskutiert, die Risse negativ auf die
Schwingfestigkeit. Wesentliche Parameter zur Beschreibung der
Eigenspannungsschicht bzw. der Schicht mit Mikrorissen sind dabei die jeweiligen
Eindringtiefen und ihre Maximalbeträge.
Mit den experimentell bestimmten Lebensdauern gemäß Tabellen 3.1 und 3.2
werden für aa bei den einzelnen Kugelstrahltemperaturen mittels linearer Regression
die folgenden Beziehungen bestimmt.
Dabei ergibt sich für die nicht vorgesetzten Proben bei
Die in Tabelle 4.9 aufgestellten Werte zeigen für die nicht vorgesetzten Proben, daß
die Schwingfestigkeit bei der mittleren Strahltemperatur am höchsten ist.
Offensichtlich wird die Schwingfestigkeit durch zwei gegensätzliche Effekte
bestimmt. Bei tieferen Temperaturen überwiegt der positive Einfluß
kugelstrahlinduzierten Eigenspannungen auf die Schwingfestigkeit, während mit
steigender Kugetstrahltemperatur der negative Einfluß der strahlinduzierten Risse
immer stärker wird, so daß bei Temperaturen nahe 250'C sogar wieder einen Abfall
der Schwingfestigkeit bemerkbar wird. Die vorgesetzten Proben zeigen einen
ähnlichen Verlauf, wobei jedoch das Maximum der Schwingfestigkeit nicht erkennbar
überschritten wird.
120
°a M ^ES 4.36
Wird einfach angenommen, daß die Erhöhung der Schwingfestigkeit durch die
Druckeigenspannungen linear mit dem Maximalwert der Eigenspannnungen wächst,
und daß die Erniedrigung der Schwingfestigkeit durch die Risse auch proportional
mit der Rißhäufigkeit steigt, folgt für Gl. 4.36:
Wie aber in Diagramm 4.11 zu sehen ist, steigt die Rißhäufigkeit proportional mit der
maximalen Druckeigenspannung. Gemäß Gleichung 4.37 könnte die
Schwingfestigkeit entweder nur monoton steigen oder monoton fallen. In keinem Fall
könnte die experimentell gefundene Temperaturabhängigkeit der Schwingfestigkeit
richtig wiedergegeben werden.
Wie auch schon in Kapitel 4.1 und 4.2 beschrieben und in Übereinstimmung mit dem
Konzept der lokalen Dauerfestigkeit, haben auch die Eindringtiefen der
Druckeigenspannungen bzw. der Risse wesentlichen Einfluß auf die Lebensdauern
der Proben. Ein einfacher Ansatz, der die Eindringtiefen berücksichtigt, wäre:
Nach Gl. 4.38 erhöht sich die Schwingfestigkeit der Proben mit dem Produkt aus
maximalen Druckeigenspannungswert und der Eindringtiefe der
Druckeigenspannungen und erniedrigt sich mit dem Produkt aus Rißhäufigkeit und
Eindringtiefe der Risse. Da die Konstanten z1 und z2 unbekannt sind, wird es zwar
nicht möglich sein die Schwingfestigkeit theoretisch vorauszusagen, doch sollte Gl.
4.38 zumindest die Abhängigkeit der Schwingfestigkeit von der Temperatur richtig
beschreiben.
121
Setzt man in Gl. 4.38 die gefundenen Ausdrücke für die maximalen
Druckeigenspannungen, die Rißhäufigkeit und ihre jeweiligen Eindringtiefen ein, so
erhält man:
g2 =z1Am^<j\R,ß 4.41
Unter Benutzung der Gleichungen 4.11 und 4.10 für die Verformungsspannung und
die Fließgrenze folgt aus Gleichung 4.39:
w, =-^-(b-d) 4.44
a
4.46
a
Auch wenn die Koeffizienten nicht explizit berechnet werden können, so ist
Gleichung 4.43 zum mindesten in der Lage den Temperaturverlauf der
Schwingfestigkeit prinzipiell richtig wiederzugeben.
122
Bestimmt man die Koeffizienten und w3 mit Hilfe der experimentellen Daten der
Tabelle 4.7, so ergibt sich für die nicht vorgesetzten Drehstäbe:
Mit den Gleichungen 4.47 und 4.48 lassen sich sowohl für die nicht vorgesetzten
Proben als auch für die vorgesetzten Proben die optimale Kugelstrahltemperatur
hinsichtlich ihrer Schwingfestigkeit oschw(Nso%) bestimmen. Diese beträgt für die
nicht vorgesetzten Drehstäbe T = 118°C und für die vorgesetzten Drehstäbe T =
295’C.
Trotz des sehr einfachen Ansatzes für die Temperaturabhängigkeit der
Schwingfestigkeit steht die Modellierung in recht guten Einklang mit den
experimentellen Befunden und gibt die Abhängigkeit der Schwingfestigkeit von der
Kugelstrahltemperatur richtig wieder.
123
5. Zusammenfassung
Obwohl sowohl der Maximalwert der Druckeigenspannungen als auch die Dicke der
Druckeigenspannungsschicht mit der Temperatur zunehmen, liegt der
Oberflächenwert der Druckeigenspannungen der bei T=250'C bestrahlten Proben
am niedrigsten von allen nicht vorgesetzten Proben. Weiterhin zeigte sich, daß die
bei 170‘C kugelgestrahlten Proben einen bedeutend geringeren
Druckeigenspannungsabbau nach der Schwingbeanspruchung aufwiesen als die bei
20'C und 250’C kugelgestrahlten Proben. Andererseits wurde festgestellt, daß das
Kugelstrahlen Risse in der Probenoberfläche verursacht. Mit zunehmender
Bestrahlungstemperatur nimmt die Rißhäufigkeit zu und die Risse sind nicht nur
länger, sondern sie reichen auch tiefer unter die Probenoberfläche.
Die kugelstrahlbedingten Eigenschaftsänderungen weisen somit zwei gegenläufige
Effekte in Hinblick auf die Lebensdauer auf. Bekanntlich erhöhen die
Druckeigenspannungen die Lebensdauer, da sie sich negativ auf die
Lastspannungen addieren und so die tatsächlich auftretenden Zugspannungen in
der Oberflächenschicht verringern. Oberflächen risse setzen dagegen die
Lebensdauer herab, da sie aufgrund der Spannungskonzentration an der Rißspitze
mikroplastische Deformationen auslösen, so daß dort die Druckeigenspannungen
relaxieren. Diese Risse können auch während der Belastung wachsen, wenn sie
eine kritische Länge überschreiten und gegebenenfalls den Bruch auslösen.
124
Bedingt durch die Gegenläufigkeit der beiden genannten Effekte, weisen die nicht
vorgesetzten Proben, die bei 170‘C gestrahlt wurden, die höchste Schwingfestigkeit
auf. Weiterhin zeigen diese Proben einen weit geringeren
Druckeigenspannungsabbau während der Schwingbeanspruchung als die bei 20'
und bei 250’C gestrahlten Proben. Die positive Wirkung der Druckeigenspannungen
auf die Schwingfestigkeit bleibt somit während der gesamten Lebensdauer fast
unvermindert erhalten. Die hohe Stabilität der Druckeigenspannungen der Proben,
die bei T=170"C bestrahlt wurden, ist ein weiterer Grund für ihre bezüglich den
20"C- und 250’C- Proben höhere Schwingfestigkeit.
Die große Stabilität der Druckeigenspannungen während der
Lebensdauerversuchen kann bei den Proben, die bei 170*0 kugelgestrahlt wurden,
durch dynamische Reckalterungsprozesse beim Kugelstrahlen und statische
Reckalterungsprozesse nach dem Kugelstrahlen während des Abkühlens erklärt
werden. So bewirkt die Versetzungsblockierung durch Kohlenstoffwolken eine
besonders stabile Versetzungsstruktur. Dagegen konkurrieren beim Kugelstrahlen
bei 250*0 die Reckalterungsvorgänge mit Erholungsvorgängen durch
Versetzungsumordnungen, welche eine weniger stabile Versetzungsstruktur in den
bei 250*0 gestrahlten Proben verursachen. Bei den Proben, die bei
Raumtemperatur kugelgestrahlt wurden, finden überhaupt keine
Reckalterungsprozesse statt, so daß in diesen Proben die Druckeigenspannungen
weit stärker relaxieren als bei den bei 170*0 gestrahlten Proben.
Aufgrund der hohen Stabilität der Druckeigenspannungen werden die bei 170*0
gestrahlten Proben nur in einem geringen Maße plastisch verformt, so daß die
170’C-Proben nicht nur die niedrigsten Probentemperaturen während des
Lebensdauerversuches hatten, sondern auch die kleinsten Schwingbruchflächen
aufwiesen.
Innerhalb der Untersuchung der Bruchflächen hatte sich gezeigt, daß der Riß seinen
Ausgang immer an Materialinhomogenitäten nahm und daß dann während der
Lebensdauerversuche das Material über viele Lastwechsel plastisch verformt wurde.
Die in den bei 170*0 kugelgestrahlten Proben gefundene geringe plastische
Verformung weist auf eine geringe Bedeutung dieser zweiten Phase innerhalb der
Ermüdung hin, was die sehr niedrige Streuung in den gemessenen Lebensdauern
erklärt.
125
Die hohe Rißhäufigkeit dieses Probenzustandes wirkt sich aber auf die Relaxation
der Druckeigenspannungen direkt an der Probenoberfläche aus.
126
Innerhalb der Arbeit wurde der Versuch unternommen den beschriebenen Einfluß
der Temperatur beim Kugelstrahlen auf die Schwingfestigkeit in einem Modell zu
beschreiben. Zunächst wurden die induzierten Druckeigenspannungen modelliert,
wobei der Ansatz gemacht wurde, daß die induzierten Eigenspannungen gleich der
Differenz aus der Lastspannung, welche aus dem Kugelstoß resultiert, und der
Fließgrenze des Materials ist. Die Lastspannung hängt dabei einerseits von den
Kugelstrahlparametern, andererseits auch von den mechanischen Eigenschaften
des Materials ab.
Das wird schon allein aus der Tatsache verständlich, daß in der Probe nur
Spannungen kleiner der Bruchfestigkeit des Materials auftreten können. Die
eingebrachte Lastspannung läßt sich somit durch eine Verformungsspannung,
welche proportional zur Härte des Materials ist, abschätzen, wenn, wie in dieser
Arbeit, die Strahlbedingungen für alle Proben gleich sind.
Es konnte gezeigt werden, daß Gl. 4.9 b die Härte- und die Temperaturabhängigkeit
der induzierten Druckeigenspannungen bei konstant gehaltenen
Kugelstrahlbedingungen richtig wiedergibt. Auch konnte Gl. 4.9 b die richtigen
Größenordnungen für die maximalen Druckeigenspannungen der Proben dieser
Untersuchung angeben.
Mittels weiterer Ansätze konnten auch Ausdrücke für die Eindringtiefe der
Druckeigenspannungen, die Rißhäufigkeit und die Eindringtiefe der Risse gewonnen
werden, die in Übereinstimmung mit den experimentellen Ergebnissen stehen. Für
die Modellierung der Schwingfestigkeit zeigt sich, daß erst unter Berücksichtigung
der Eindringtiefen für die Eigenspannungen und für die Risse, die
Temperaturabhängigkeit richtig wiedergegeben werden konnte.
127
6. Literaturverzeichnis
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R [mm] 6.15 6.77 7.51 8.16 8.79 9.32 9.78 10.24 10.69
7 [MPa] 157.0 141.7 93.4 24.8 -6.5 39.6 82.3 130.8 18.7
Tabellarischer Lebenslauf