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Festigkeitslehre

Dr. -Ing. Wolfgang Ripplinger

Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik

Wintersemester 2019/2020
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

Mitarbeit

An den Folien haben mitgearbeitet

Martin Reis
Christian Schäfer
Yannik Steimer
Philip Freis

-1- Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

Inhalt

1 1 Einleitung

2 2 Spannungen

3 3 Kinematik

4 4 Elastizität

5 5 Festigkeitshypothesen

6 6 Plastizität

-2- Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

1.1 1.2

• Termine
• Vorlesung: Mittwoch 10–12 Uhr, Geb. A4 2, SR 1.12.1, Wolfgang Ripplinger
• Übung: Donnerstag 10–12 Uhr, Geb. A4 2, SR 1.12.1, Christine Grill, Selina Neuhaus

• Homepage: http://www.ltm.uni-saarland.de
• Vorlesungsfolien
• Übungsblätter

• Was ist Festigkeitslehre?


• Teilgebiet der Technischen Mechanik
• behandelt deformierbare Festkörper
• Halten Bauteile die Belastung aus oder versagen sie?
• Erfolgt Versagen durch Bruch oder durch bleibende Verformung?

-3- Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

1.1 1.2

• Lernziele/Kompetenzen
• lokale Spannungen, elastische und plastische Verzerrungen bestimmen
• mechanische Auslegung einfacher technischer Systeme

• Inhalte
• Kinematik, Bilanzgleichungen (Gleichgewichtsbedingung)
• elastische und plastische Stoffgesetze
• Festigkeitshypothesen

• Sind Vorkenntnisse erforderlich?


• Vorkenntnisse in Elastostatik notwendig

• Prüfung
• Klausur
• Termin: Februar/März ← bitte Aushang beachten!
• erlaubte Hilfsmittel:
- nichtprogrammierbarer Taschenrechner
- 1 Blatt DIN A4 handbeschrieben

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1.1 1.2

Galileo Galilei: Festigkeitslehre

• Galileo Galilei
• Ital. Physiker, Mathematiker, Philisoph und Astronom
• * 15.02.1564 in Pisa, † 08.01.1642 bei Florenz
• gilt zusammen mit Sir Isaak Newton als Begründer der
modernen Naturwissenschaften und des Ingenieurwesens
• ”Discorsi e dimostrazioni matematiche intorno à due nuove scienze” (1638)
• behandelt zwei neue Wissenschaften: Festigkeitslehre und Kinematik
• erstmals wird äußere Belastung in Relation zu inneren Spannungen gesetzt

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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

1.1 Festigkeitslehre 1.2

Was ist Festigkeitslehre?

Festigkeitslehre
• ist Teilgebiet der Kontinuumsmechanik

Spannung
• bildet theoretische Grundlage für
Traglastberechnungen bzw.
Fließgrenze
Festigkeitsnachweise
• beschreibt Spannungen und Verzerrungen in
Festkörpern unter Belastung

Grundlagen der Festigkeitslehre Verzerrung


• Spannungen und Verzerrungen elastisch plastisch

→ Elastizitäts- und Plastizitätstheorie

-6- Universität des Saarlandes


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1.1 Festigkeitslehre 1.2

Spannungen und Verzerrungen im Kontinuum

Spannung
Mathematische Beschreibung
• Kinematik: Verschiebungen und Verzerrungen Fließgrenze
• Kinetik: Impulsbilanz
→ Sonderfall statische Belastung:
→ Reduktion auf Kräftegleichgewicht
• Konstitutivbeziehungen: Material-, Stoffgesetz
→ verknüpft Spannungen und Verzerrungen Verzerrung
elastisch plastisch

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1.1 Festigkeitslehre 1.2

Elastizitäts- und Plastizitätstheorie

Elastizität Plastizität
• eindeutiger Zusammenhang • bleibende Deformationen nach
zwischen Spannungen und Entlastung
Verzerrungen • Deformationen über Fließbedingung,
• Deformationen verschwinden nach Fließregel und Verfestigungsgesetz
Entlastung beschrieben

F
L0 ∆L F
L0 ∆L1
L0 ∆L = 0
L0 ∆L2

⇒ Zusammenhänge können mathematisch beschrieben werden


⇒ Ansätze zur Berechnung technischer Formänderungsvorgänge

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1.1 1.2 Literatur

Literatur

• Ismar H., Mahrenholtz O.: Technische Plastomechanik, Vieweg, Braunschweig, 1979.


• Wittenburg J., Pestel E.: Festigkeitslehre, Springer, 2001.
• Issler L, Ruoß H., Häfele P.: Festigkeitslehre - Grundlagen, Springer-Lehrbuch, 2003.
• Läpple V.: Einführung in die Festigkeitslehre, Springer Vieweg, 2012.
• Mang H. A., Hofstetter G.: Festigkeitslehre, Springer Vieweg, 2013.

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2.1 2.2 2.3 2.4 2.5

2 Spannungen
• Spannungsvektor und Spannungstensor
• Hauptspannungen
• Spannungstransformation
• Mohrscher Spannungskreis
• Kräftegleichgewicht

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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

2.1 Spannungsvektor und Spannungstensor 2.2 2.3 2.4 2.5

Wiederholung lineare Elastostatik

Grundlagen der linearen Elastostatik


• Beschreibung der Deformation eines materiellen Körpers mit Hilfe:
- des Verschiebungsfeldes und den damit verbundenen Verzerrungen (Kinematik)
- dem Kräftegleichgewicht am differenziellen Volumenelement (Kinetik)
→ Zusammenhang zwischen äußerer Belastung und inneren Kräften
- den statischen und geometrischen Randbedingungen
- einem linear-elastischen Materialgesetz: verknüpft Spannungen und Verzerrungen

⇒ Infolge äußerer Lasten entsteht in jedem Punkt eines materiellen Körpers ein
Tensorfeld der Spannungen σ
⇒ Spannungen = Im Inneren des Körpers auftretende verteilte Kräfte

- 11 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

2.1 Spannungsvektor und Spannungstensor 2.2 2.3 2.4 2.5

Ortsvektor und Einsteinsche Summenkonvention

• Lage eines Punktes beschrieben


durch den Ortsvektor

x = xi ei , i = 1, 2, 3 P
x1 B
• kartesische Basis mit orthogonalen x3
Basisvektoren ei , i = 1, 2, 3 x(t)
• Koordinaten des Ortsvektors: xi
x2
• Einsteinsche Summenkonvention

Definition Einsteinsche Summenkonvention


Kommt derselbe Buchstabenindex in einem Produktausdruck zweimal vor (stummer
Index), dann ist dieser Ausdruck als Abkürzung für die Summe zu betrachten, die man
erhält, wenn man dem Index der Reihe nach z. B. die Werte 1, 2, 3 gibt und die so
erhaltenen Terme addiert.

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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

2.1 Spannungsvektor und Spannungstensor 2.2 2.3 2.4 2.5

Spannungsvektor t und Spannungstensor σ


Spannungsvektor t
• an einem Punkt eines materiellen Körpers bezüglich einer beliebigen Schnittfläche
• definiert durch Quotienten der angreifenden Kraft (Kraftvektor) und Schnittfläche
• für den Grenzübergang zu einer infinitesimal kleinen Schnittfläche (Schnittprinzip)

Cauchyscher Spannungstensor σ (Cauchy - Theorem)


Zum Vektor t existiert ein Tensor σ mit:

σ ·n =t

Normalenvektor n gibt Orientierung der Schnittfläche an

→ σ charakterisiert Spannungszustand vollständig und unabhängig von


Schnittrichtung
σ = σij ei ⊗ ej

- 13 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

2.1 Spannungsvektor und Spannungstensor 2.2 2.3 2.4 2.5

Spannungsvektor t und Spannungstensor σ


• Spannungszustand in einem Punkt durch neun Spannungskoordinaten eindeutig
darstellbar: 3 Normalspannungen (σ11 , σ22 , σ33 ) und 6 Schubspannungen
(σ12 , σ21 , σ23 , σ32 , σ13 , σ31 )
• Zusammengefasst in einem Matrixschema
0 1
σ11 σ12 σ13
σ = (σij ) = @ σ21 σ22 σ23 A
σ31 σ32 σ33

→ Index i gibt Richtung der Spannung an


→ Index j gibt Richtung der Schnittnormalen an
• Koeffizienten eines Spannungsvektors t in einem Schnitt der Richtung n durch
Matrix-Vektor-Produkt (Vorraussetzung: kartesisches Basissystem ei )
0 1 0 10 1
t1 σ11 σ12 σ13 n1
@ t2 A = @ σ21 σ22 σ23 A @ n2 A
t3 σ31 σ32 σ33 n3

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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

2.1 Spannungsvektor und Spannungstensor 2.2 2.3 2.4 2.5

Spannungsvektor t und Spannungstensor σ

• Auswertung der lokalen Drehimpulsbilanz


⇒ Symmetrie des Cauchy-Spannungstensors

σ = σT

⇒ Satz von der Gleichheit zugeordneter Schubspannungen


σ12 = σ21 , σ23 = σ32 , σ13 = σ31

⇒ Boltzmann-Kontinuum

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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

2.1 2.2 Hauptspannungen 2.3 2.4 2.5

Hauptspannungsebenen und Hauptnormalspannungen


• Hauptspannungsebenen: drei zueinander orthogonale Ebenen, in denen die
Schubspannungen verschwinden:

σij = 0, i 6= j

→ sind durch Hauptnormaleneinsvektoren eH (H = I, II, III) gekennzeichnet


→ Normalspannungen (σ11 , σ22 , σ33 ) nehmen Extremwerte an
→ Extremwerte der Normalspannungen = Hauptnormalspannungen σH (H = I, II, III)
→ Ermittlung der Hauptnormalspannungen: Lösung des Eigenwertproblems

- 16 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

2.1 2.2 Hauptspannungen 2.3 2.4 2.5

Hauptspannungsebenen und Hauptnormalspannungen

x3
Betrachte infinitesimal kleinen
Tetraeder (Schnittprinzip):
• Orthogonale Flächen sind −t1
Schnittflächen dAi mit −t2
Normaleneinsvektoren −ei −e1
es
• an negativen Schnittufern wirken
Spannungvektoren −ti ts
−e2
• an geneigter Schnittebene mit x2
Schnittfläche dA und
Normalenvektor es wirkt
Spannungsvektor ts −e3
x1 −t3

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2.1 2.2 Hauptspannungen 2.3 2.4 2.5

• Kräftegleichgewicht am Tetraeder
ts dA − t1 dA1 − t2 dA2 − t3 dA3 = 0
• Schnittflächen dAi sind Projektionen der Schnittfläche dA auf Koordinatenebenen
dAi = dA ni
• Richtungskosinus ni = es · ei = cos∢(es , ei )
x3

−t1
−t2
−e1
es

ts
−e2
x2

−e3
x1 −t3

- 18 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

2.1 2.2 Hauptspannungen 2.3 2.4 2.5

Hauptspannungsebenen und Hauptnormalspannungen


x3
• alternativ: Flächensatz
−t1
Integral über die Normalenvektoren en
einer orientierten geschlossenen Fläche −t2
−e1
ist Null es
H
en dA = 0 ts
A −e2
x2
→ dAi sind Projektionen von dA auf je eine
von zwei Basisvektoren aufgespannte Ebene
−e3
x1 −t3
⇒ Kräftegleichgewicht:
ts = ti ni mit ti = σji ej (Cauchy - Theorem)

ts = σji ni ej = σij nj ei

- 19 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

2.1 2.2 Hauptspannungen 2.3 2.4 2.5

Hauptspannungsebenen und Hauptnormalspannungen


• In Hauptspannungsebenen mit
x3
Normaleneinsvektoren eH sollen
Schubspannungskoordinaten σij (i 6= j) −t1
verschwinden → es = eH
−t2
• Es gilt dann (hier keine Summe!) −e1
es
ts = σH eH , H = I oder II oder III
ts
• Zerlege ts in Richtungen ei −e2
x2
ts = (σH eH · ei ) ei
mit eH · ei = nHi −e3
→ ts = σH nHi ei x1 −t3

• Alternativ kann ts für es = eH und nj = nHj auch dargestellt werden als:


ts = σij nHj ei
• Vergleich der beiden letzten Gleichungen liefert 3 Gleichungen (i = 1, 2, 3):
σH nHi = σij nHj

- 20 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

2.1 2.2 Hauptspannungen 2.3 2.4 2.5

Hauptspannungsebenen und Hauptnormalspannungen


x3

• Für i = 1, 2, 3 gilt somit −t1


(Eigentwertproblem): −t2
−e1
es
(σ11 − σH ) nH1 + σ12 nH2 + σ13 nH3 =0 ts
−e2
σ21 nH1 + (σ22 − σH ) nH2 + σ23 nH3 =0 x2
σ31 nH1 + σ32 nH2 + (σ33 − σH ) nH3 =0
−e3
x1 −t3
• das homogene Gleichungssystem hat nur dann nichttriviale Lösungen, wenn die
Determinante der Koeffizientenmatrix
˛ verschwindet ˛
˛ σ11 − σH σ12 σ13 ˛
˛ ˛
˛
˛ σ 21 σ 22 − σ H σ 23
˛=0
˛
˛ σ31 σ32 σ33 − σH ˛
3
→ charakteristisches Polynom : σH − I1σ σH
2
− I2σ σH − I3σ = 0

- 21 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

2.1 2.2 Hauptspannungen 2.3 2.4 2.5

Hauptspannungsebenen und Hauptnormalspannungen


• mit den Koeffizienten

I1σ = σii = σ11 + σ22 + σ33


I2σ = 1
2
(σij σij − σii σjj )
2 2 2
= −(σ11 σ22 + σ22 σ33 + σ33 σ11 ) + σ12 + σ13 + σ23
I3σ = det(σij )

• charakteristisches Polynom besitzt drei reele Eigenwerte, die


Hauptnormalspannungen σI , σII , σIII
• Normierungsbedingung
n2H1 + n2H2 + n2H3 = 1
und zwei Gleichungen des Eigenwertproblems
→ zu jeder Hauptnormalspannung σH die Koordinaten nH1 , nH2 , nH3 des
Normaleneinsvektors eH der Hauptspannungsebene
• Normaleneinsvektoren eH (H = I, II, III) stehen orthogonal zueinander
→ Hauptnormalspannungen σH stehen senkrecht aufeinander

- 22 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

2.1 2.2 Hauptspannungen 2.3 2.4 2.5

Hauptspannungsebenen und Hauptnormalspannungen


• charakteristisches Polynom liefert:
(σH − σI )(σH − σII )(σH − σIII ) = 0 ⇔
3 2
− (σI + σII + σIII ) σH
σH + (σI σII + σII σIII + σIII σI ) σH − σI σII σIII = 0
σ σ
• Koeffizienten I , I , I σ
1 2 3 durch Hauptnormalspannungen σI , σII , σIII eindeutig
bestimmt und konstant
• I1σ , I2σ , I3σ =
ˆ Invarianten des Spannungstensors
(invariant gegenüber Drehung des KOS)
• Invarianten des Spannungstensors spielen eine zentrale Rolle in der Materialtheorie

- 23 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

2.1 2.2 2.3 Spannungstransformation 2.4 2.5

Spannungstransformation x3
• Betrachte gedrehtes KOS xk̄ x1̄
• Zerlege ts in gedrehtem KOS xk̄ :

mit ts = σij nj ei Cauchy-Theorem es = e1̄


x2̄
nj = es · ej Richtungskosinus ts
⇒ ts = (ts · ek̄ ) ek̄ x2
= σij (es · ej ) (ei · ek̄ ) ek̄
= σk̄s ek̄
x1 x3̄
• Für s = 1̄ und k̄ = 1̄, 2̄, 3̄ erhält man 3 Gleichungen für die Spannungskoordinaten
σk̄1̄ in Schnittfläche mit Normaleneinsvektor es = e1̄ :
σk̄1̄ = σij (e1̄ · ej ) (ei · ek̄ )

• Normalenvektor es der Schnittfläche kann 3 Richtungen annehmen:


s = 1̄, 2̄, 3̄ = l̄

- 24 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

2.1 2.2 2.3 Spannungstransformation 2.4 2.5

Spannungstransformation

• Für Spannungskoordinaten liegen neun Gleichungen vor


(bzw. sechs, wenn man σij = σji berücksichtigt)
⇒ Transformation des Spannungszustandes auf drei gedrehte orthogonale Ebenen
⇒ Transformationsgleichungen in Kurzform:

σk̄l̄ = σij (el̄ · ej ) (ei · ek̄ ) = αl̄j αik̄ σij

mit αl̄j := el̄ · ej , αik̄ := ei · ek̄

- 25 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

2.1 2.2 2.3 Spannungstransformation 2.4 2.5

Spannungstransformation
Spannungstensor σij bzw. σk̄l̄ in Matrix zusammengefasst

•Bezugssystem xi • Bezugssystem xk̄


0 1 0 1
σ11 σ12 σ13 σ1̄1̄ σ1̄2̄ σ1̄3̄
(σij ) = @ σ21 σ22 σ23 A (σk̄l̄ ) = @ σ2̄1̄ σ2̄2̄ σ2̄3̄ A
σ31 σ32 σ33 σ3̄1̄ σ3̄2̄ σ3̄3̄
• Hauptachsensystem xH
0 1
σI 0 0
(σH ) = @ 0 σII 0 A
0 0 σIII
• Wegen Gleichheit zugeordneter Schubspannungen ist Spannungstensor
symmetrisch
• Invarianten des Spannungstensors:
beschreiben diesen als koordinatenunabhängiges physikalisches Objekt

- 26 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

2.1 2.2 2.3 Spannungstransformation 2.4 2.5

Invarianten des Spannungstensors/deviators


• erste Invariante = Spur des Tensors I1σ = σii
= Summe der Spannungskoordinaten auf der Hauptdiagonalen des
Spannungstensors
→ mittlere Spannung:
1 1
σm = 1
3
(σ11 + σ22 + σ33 ) = 13 σii = tr σ = I1σ
3 3

Deviator des Spannungszustandes (σij )
• Normalspannung minus mittlere Spannung

σij = σij − 31 σkk δij = σij − σm δij

0 für i 6= j
δij =
1 für i = j

→ Spannungtensor aufteilen in deviatorischen und hydrostatischen Anteil:


′ K
σij = σij + σij

- 27 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

2.1 2.2 2.3 Spannungstransformation 2.4 2.5

Invarianten des Spannungstensors/deviators

Matrixdarstellungen
• Hydrostatischer Anteil (Kugelanteil):
0 1
σm 0 0
K
(σij ) = @ 0 σm 0 A
0 0 σm

• Deviatorischer Anteil:
0 1
σ11 − σm σ12 σ13

(σij ) = @ σ21 σ22 − σm σ23 A
σ31 σ32 σ33 − σm

- 28 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

2.1 2.2 2.3 Spannungstransformation 2.4 2.5

Invarianten des Spannungstensors/deviators

Invarianten des Spannungsdeviators


=3

z}|{
I1σ = σii

= σii − 31 σkk δii = 0
=0 =0

z}|{ z}|{
I2σ = 1
2

(σij ′
σij ′
− σii ′
σjj ) = 12 σij
′ ′
σij

I3σ = det(σij

)

• Das Transformationsverhalten des Spannungszustandes wird im folgenden am


ebenen Fall näher untersucht

- 29 - Universität des Saarlandes


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2.1 2.2 2.3 Spannungstransformation 2.4 2.5

Transformationsverhalten des Spannungszustandes im ebenen Fall


→ Schneide zylindrisches Dreikantprisma σ22
aus dem Kontinuum heraus
σ12
→ Ausgangspunkt: Spannungszustand e2̄ e2
e1̄
σ11 , σ22 , σ12 ϕ σ33 = σ3̄3̄
→ Bestimmung der e1 σ12
Spannungskoordinaten im gedrehten
Koordinatensystem 1̄, 2̄, 3̄ aus σ11
Transformationsbeziehungen: σ1̄1̄ σ1̄2̄ ϕ

Transformationsbeziehungen (Vorlesung Elastostatik)


σ1̄1̄ = 12 (σ11 + σ22 ) + 12 (σ11 − σ22 ) cos 2ϕ + σ12 sin 2ϕ
σ2̄2̄ = 21 (σ11 + σ22 ) − 12 (σ11 − σ22 ) cos 2ϕ − σ12 sin 2ϕ
σ1̄2̄ = − 21 (σ11 − σ22 ) sin 2ϕ + σ12 cos 2ϕ

- 30 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

2.1 2.2 2.3 Spannungstransformation 2.4 2.5

Transformationsverhalten des Spannungszustandes im ebenen Fall

Hauptnormalspannungen
• Schubspannung soll verschwinden (σ1̄2̄ = 0) ⇒ Drehwinkel:

1 2 σ12
ϕ∗ = 2
arctan
σ11 − σ22

• Die Normalspannungen dieser Schnittebene sind die Hauptnormalspannungen:


σI 1 1
p
2
= 2
(σ11 + σ22 ) ± 2
(σ11 − σ22 )2 + 4 σ12
σII

• Hauptachsen des Spannungstensors = Richtungen der Hauptnormalspannungen

- 31 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

2.1 2.2 2.3 Spannungstransformation 2.4 2.5

Transformationsverhalten des Spannungszustandes im ebenen Fall

Hauptschubspannungen (Extremwerte der Schubspannungen)

• Hauptschubspannungen bei Drehung um III-Achse:

|σ1̄2̄ |max = 12 |(σI − σII )|

→ Ebenen größter Schubspannungen gegen Hauptspannungsebenen um 45◦ gedreht


• von Hauptspannungsebenen, um die Achsen eI bzw eII drehen
→ Extremwerte der Schubspannungen bei Drehung um I-Achse:

|σ2̄3̄ |max = 21 |(σII − σIII )|

→ Extremwerte der Schubspannungen bei Drehung um II-Achse:

|σ3̄1̄ |max = 21 |(σIII − σI )|

- 32 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

2.1 2.2 2.3 2.4 Mohrscher Spannungskreis 2.5

Der Mohrsche Spannungskreis


• graphische Interpretation der Transformationsbeziehungen

σ1̄2̄ (Schubspannung)

1
2
(σI + σII ) σ11

σII σ22 2
1
(σ 2ϕ∗ σI σ1̄1̄ , σ2̄2̄
I
− (Normalspannung)
σI
I)
σ12

- 33 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

2.1 2.2 2.3 2.4 Mohrscher Spannungskreis 2.5

Der Mohrsche Spannungskreis

• Transformationsbeziehungen liefern Gleichung eines Kreises in der Ebene (σ1̄1̄ , σ1̄2̄ )

(σ1̄1̄ − σM )2 + σ1̄22̄ = r 2

• Kreis besitzt den Radius r


„ «2 „ «2
σ11 − σ22 σI − σII
r2 = 2
+ σ12 =
2 2

• Mittelpunkt des Mohrschen Spannungskreises liegt an der Stelle (σM , 0)


1 1
σM = 2
(σ11 + σ22 ) = 2
(σI + σII )

- 34 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

2.1 2.2 2.3 2.4 Mohrscher Spannungskreis 2.5

Der Mohrsche Spannungskreis

Für ebenen Spannungszustand σ11 , σ22 , σ12 wird der Kreis folgendermaßen konstruiert:
• Auf Normalspannungsachse die Normalspannungen σ11 und σ22 aufgetragen:
Zug - positiv, Druck - negativ
• Schubspannung σ12 vorzeichenrichtig über σ22 auftragen
mit geändertem Vorzeichen über σ11
• Mittelpunkt des Kreises = Schnittpunkt der Verbindungslinie zwischen den
Schubspannungspunkten mit der Normalspannungsachse
• Radius = Abstand vom Mittelpunkt zu einem der Schubspannungspunkte

⇒ alle möglichen Spannungszustände liegen auf dem Kreis

- 35 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

2.1 2.2 2.3 2.4 Mohrscher Spannungskreis 2.5

Der Mohrsche Spannungskreis

• Hauptnormalspannungen = Schnittpunkte des Kreises mit der


Normalspannungsachse

• Winkel im Spannungskreis (2 ϕ) = doppelter Drehwinkel der


Spannungstransformation im Kontinuum

⇒ Drehwinkel für beliebigen Zustand kann abgelesen werden

- 36 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

2.1 2.2 2.3 2.4 Mohrscher Spannungskreis 2.5

3D Spannungszustand → 3 Spannungskreise

Schubspannung

− σII |
− σIII |

− σI |
2 |σI

2 |σIII
2 |σII

1
1

1
σII σIII σI Normalspannung

Mohrsche Spannungskreise für σI > σIII > σII

- 37 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

2.1 2.2 2.3 2.4 Mohrscher Spannungskreis 2.5

Beispiel: Einachsiger Stauchversuch


• Normalspannung in Längsrichtung der Probe: σ22 = −σ
• σII = −σ in Längsrichtung
• σI = 0 in Querrichtung
1 1
• maximale Schubspannung τmax = 2
|(σI − σII )| = 2
σ
→ tritt in Schnitten unter 45 gegnüber Hauptachsen auf (2 ϕ = 90◦ )

τ
τmax

σII = −σ 2ϕ σI = 0
σ
σ

- 38 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 Kräftegleichgewicht

Kräftegleichgewicht

• An jedem Punkt eines ruhenden Körpers herrscht Gleichgewicht zwischen den


Spannungen (inneren Kräften) und der äußeren Belastung
• Wir betrachten ein infinitesimales Volumenelement dV :
Quader mit den Kantenlängen dx1 , dx2 , dx3
• alle Spannungen (Normalspannungen und Schubspannungen) antragen
• erster Index der Spannungskoeffizienten = Richtung der Spannung
• zweiter Index = Normalenrichtung der Schnittfläche
• stetige Spannungsverteilung im Kontinuum
⇒ Spannungsänderungen in Richtung der Koordinaten
• Volumenelement klein
⇒ Änderung des Spannungszustandes über dx1 , dx2 und dx3 als
Reihenentwicklung, die nach linearem Glied abgebrochen wird

- 39 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 Kräftegleichgewicht

Kräftegleichgewicht am Volumenelement

σ33 + σ33,3 dx3

σ23 + σ23,3 dx3


σ13 + σ13,3 dx3
σ11
σ21
f3 σ32 + σ32,2 dx2
σ12
σ22 σ31 + σ31,1 dx1 σ31
σ22 + σ22,2 dx2

dx3 f1 f2 σ12 + σ12,2 dx2


σ32
σ21 + σ21,1 dx1
σ11 + σ11,1 dx1
σ13
x3 σ23

dx1
σ33
x2
x1 dx2

- 40 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 Kräftegleichgewicht

Kräftegleichgewicht am Volumenelement

Vorzeichenregeln wie für Schnittgrößen


• An positiven Schnittufern (Normalenvektor zeigt in positive Koordinatenrichtung)
zeigen positive Spannungen in die positive Koordinatenrichtung
• An negativen Schnittufern (Normalenvektor zeigt in negative Koordinatenrichtung)
zeigen positive Spannungen in negative Koordinatenrichtung

• Ableitung von Tensoren, Vektoren oder Skalaren nach Koordinaten x1 , x2 , x3 wird


angezeigt durch den Index, der einem Komma folgt
∂(·)
= (·),i
∂xi

- 41 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 Kräftegleichgewicht

Kräftegleichgewicht am Volumenelement

N
• Volumenkräfte (z. B. Gewichtskraft) wirken als Volumenkraftdichte fi (in m3
) im
Zentrum des Volumenelementes
• Wenn sich das Volumenelement im Gleichgewicht befindet, müssen die

Kräftesumme und die Momentensumme verschwinden.“

Kräftegleichgewicht in Richtung x1
„ «
∂σ11
σ11 + dx1 dx2 dx3 − σ11 dx2 dx3 +
∂x1
„ «
∂σ12
σ12 + dx2 dx1 dx3 − σ12 dx1 dx3 +
∂x2
„ «
∂σ13
σ13 + dx3 dx1 dx2 − σ13 dx1 dx2 + f1 dx1 dx2 dx3 = 0
∂x3

- 42 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 Kräftegleichgewicht

Kräftegleichgewicht am Volumenelement

• Konstante Anteile gegenüberliegender Spannungen heben sich auf und es folgt


∂σ11 ∂σ12 ∂σ13
+ + + f1 = 0
∂x1 ∂x2 ∂x3

• Analoge Beziehungen erhält man für die beiden anderen Richtungen


• Es ergeben sich für die Gleichgewichtsaussage bezüglich der gewählten
orthonormalen Basis in Indexschreibweise drei partielle Differentialgleichungen

Gleichgewicht
σij,j + fi = 0, i, j = 1, 2, 3

• Über den doppelt vorkommenden Index j summieren


• Index i kennzeichnet die Richtung der Gleichgewichtsaussage

- 43 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 Kräftegleichgewicht

Kräftegleichgewicht am Volumenelement

Symbolische Schreibweise
div σ + f = 0

⇒ lokale Fassung der Gleichgewichtsaussage


• Divergenz div σ
→ besteht aus einer Summe von partiellen Ableitungen
→ steht mit Volumenkräften im Gleichgewicht
• Volumenkraft wird f bei dynamischen Prozessen um Trägheitskräfte ergänzt
(wirken nach dem d’Alembertschen Prinzip der Beschleunigung entgegen)
→ Lokale Form der Impulsbilanz
• Wir beschränken uns hier auf quasistatische Prozesse
→ Die Impulsbilanz reduziert sich auf die Gleichgewichtsaussage

- 44 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

3.1 3.2

3 Kinematik
• Formänderungen
• Formänderungsgeschwindigkeiten

- 45 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

3.1 Formänderungen 3.2

Ortsvektor

• Kinematik beschreibt Bewegung und Deformation eines materiellen Körpers


• materieller Körper = dreidimensionale zusammenhängende Menge materieller Punkte
• Deformation des Körpers unter Belastung wird durch Verzerrungen beschrieben
• Verzerrungen: aus Verschiebungen in Umgebung eines Punktes

• Ortsvektor: Lage eines Punktes P


x1 B
x = xi ei , i = 1, 2, 3
x3
• Basisvektoren ei x(t)

x2

- 46 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

3.1 Formänderungen 3.2

Verschiebungen

• Verschiebungsvektor
u(x) = ui (x)ei
beschreibt Bewegung vom undeformierten in deformierten Zustand
mit kartesischen Basisvektoren ei , i = 1, 2, 3
• Voraussetzung: Verschiebungen und Deformationen klein
→ Lage im undeformierten und deformierten Zustand annähernd gleich
• Verzerrungen = Formänderungen
Maß für die Deformation: Dehnung und Gleitung
Herleitung: infinitesimale Rechteckscheibe, die zu einer Raute deformiert wird

- 47 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

3.1 Formänderungen 3.2

Verzerrungen

u1 (x1 , x2 )

• Rechteck mit
Seitenlängen dx2
dx1 , dx2 u2 (x1 , x2 )
• Dehnung: x2
Längenänderung
dx1

x1
• Dehnung in Richtung x1
∂u1
ε11 =
∂x1

- 48 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

3.1 Formänderungen 3.2

Verzerrungen

• analog dazu Dehnung in Richtung x2


∂u2
ε22 =
∂x2
• Gleitung = Summe der Winkeländerungen im Rechteck
∂u2 ∂u1
γ12 = + = 2 ε12 = 2 ε21
∂x1 ∂x2
• Erweiterung auf den dreidimensionalen Fall
→ Verzerrung ist symmetrische tensorielle Größe
„ «
1 ∂ui ∂uj
ε = εij ei ⊗ ej mit εij = + , i, j = 1, 2, 3
2 ∂xj ∂xi

- 49 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

3.1 Formänderungen 3.2

Verzerrungen
• Dehnungen ε11 , ε22 , ε33 beschreiben Längenänderungen
Schubverzerrungen ε12 = ε21 , ε13 = ε31 , ε23 = ε32 beschreiben Winkeländerungen
• Als Gleitung bezeichnet man

γij = 2 εij , i 6= j
• Formänderungsgrößen in Matrix zusammengefasst
0 1
ε11 ε12 ε13
(εij ) = @ ε21 ε22 ε23 A
ε31 ε32 ε33
• Bei den Formänderungen handelt es sich um symmetrischen Tensor zweiter Stufe
ebenso wie der Spannungstensor
• Drehung des Koordinatensystems wie bei Transformation des Spannungstensors
vom Ausgangssystem ei auf ein System ek̄
εk̄l̄ = αl̄j αik̄ εij , αl̄j := el̄ · ej , αik̄ := ei · ek̄

- 50 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

3.1 Formänderungen 3.2

Hauptdehnungen und Invarianten


• Hauptrichtungen des Verzerrungstensors
• werden über das Verschwinden der Gleitungen definiert
• Dehnungen nehmen in diesen Schnittebenen Extremwerte an, die Hauptdehnungen
→ Matrix der Formänderungen
0 1
εI 0 0
(εH ) = @ 0 εII 0 A
0 0 εIII
• Dehnungskreis: Transformationseigenschaften analog zum Spannungskreis
• Normalspannungen durch Dehnungen ersetzen
• Schubspannungen durch die halben Gleitungen ersetzen
• Verzerrungstensor besitzt die drei Invarianten

I1ε = εii = ε11 + ε22 + ε33


1
I2ε = (εij εij − εii εjj )
2
I3ε = det(εij )

- 51 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

3.1 Formänderungen 3.2

Formänderungen - Volumendehnung

• ein Quader hat die Kantenlängen dx1 , dx2 und dx3


∂u1
• nach der Deformation die Kantenlängen dx1 + dx1 = (1 + ε11 )dx1 usw.
∂x1
→ Volumendehnung

(1 + ε11 )dx1 (1 + ε22 )dx2 (1 + ε33 )dx3 − dx1 dx2 dx3


e=
dx1 dx2 dx3
→ e ≈ ε11 + ε22 + ε33 = εii
• wenn Verzerrungen klein → quadratische und höhere Terme vernachlässigbar
• → erste Invariante des Verzerrungstensors I1ε = εii ist Maß für Volumendehnung
• Metallische Werkstoffe sind meist plastisch inkompressibel
→ Volumen des Werkstoffs bleibt konstant

- 52 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

3.1 3.2 Formänderungsgeschwindigkeiten

Formänderungsgeschwindigkeiten
• Formänderungsgeschwindigkeit durch Änderung des Geschwindigkeitsfeldes vi
festgelegt
• der materielle Punkt P mit dem Ortsvektor x(t) = xi (t)ei habe die Geschwindigkeit
dx
= v(t) = vi (t) ei = ẋi (t) ei
dt
• Betrachte infinitesimales Volumenelement dV in der Nachbarschaft von P
mit Kantenlängen dx1 , dx2 , dx3
• Annahmen:
• stetiges Geschwindigkeitsfeld
• Volumenelement sehr klein → Änderung der Geschwindigkeiten lineasrisieren
• Als Maße für Formänderungsgeschwindigkeiten werden eingeführt:
Dehnungsgeschwindigkeiten und Gleitungsgeschwindigkeiten
• Dehnungsgeschwindigkeiten: Änderung der Kantenlängen dx1 , dx2 , dx3
• Gleitungsgeschwindigkeiten: Änderung der Winkel zwischen den Kanten

- 53 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

3.1 3.2 Formänderungsgeschwindigkeiten

Formänderungsgeschwindigkeiten
v1 + v1,1 dx1

v3 + v3,1 dx1

v2 + v2,1 dx1

v1 + v1,3 dx3
dx1 v3 + v3,3 dx3

v2 + v2,3 dx3
v1 v3 v1 + v1,2 dx2
dx3 v3 + v3,2 dx2
P v2 v2 + v2,2 dx2

dx2

- 54 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

3.1 3.2 Formänderungsgeschwindigkeiten

Formänderungsgeschwindigkeiten
• Dehnungsgeschwindigkeiten
(v1 + v1,1 dx1 ) − v1
ε̇11 = = v1,1 ε̇22 = v2,2 ε̇33 = v3,3
dx1
• Gleitungsgeschwindigkeiten
(v2 + v2,1 dx1 ) − v2 (v1 + v1,2 dx2 ) − v1
γ̇12 = + = v2,1 + v1,2
dx1 dx2
γ̇23 = v3,2 + v2,3 γ̇31 = v3,1 + v1,3
mit γ̇ij = 2ε̇ij

1
→ ε̇ij = ε̇ji = (vi,j + vj,i )
2
• für i = j Dehnungsgeschwindigkeiten
• für i 6= j halbe Gleitungsgeschwindigkeiten

- 55 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

3.1 3.2 Formänderungsgeschwindigkeiten

Formänderungsgeschwindigkeiten

• Formänderungsgeschwindigkeiten in einer Matrix zusammenfassen (i, j = 1, 2, 3)


0 1
ε̇11 ε̇12 ε̇13
(ε̇ij ) = @ ε̇21 ε̇22 ε̇23 A
ε̇31 ε̇32 ε̇33
• Matrix der Formänderungsgeschwindigkeiten ist symmetrisch
• Formänderungsgeschwindigkeiten: symmetrischer Tensor zweiter Stufe
→ Transformationsgleichungen für Formänderungsgeschwindigkeitstensor:

ε̇k̄l̄ = αl̄j αik̄ ε̇ij

αl̄j := el̄ · ej αik̄ := ei · ek̄


→ beschreiben den Übergang vom Ausgangssystem ei auf ein gedrehtes System ek̄

- 56 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

3.1 3.2 Formänderungsgeschwindigkeiten

Formänderungsgeschwindigkeiten
• Hauptformänderungsebenen:
• Ebenen, in denen keine Gleitungsgeschwindigkeiten auftreten und
• Dehnungsgeschwindigkeiten Extremwerte annehmen
→ Matrix der Formänderungsgeschwindigkeiten
0 1
ε̇I 0 0
(ε̇H ) = @ 0 ε̇II 0 A
0 0 ε̇III
• drei Invarianten des Tensors der Formänderungsgeschwindigkeiten

I1ε̇ = ε̇ii = ε̇11 + ε̇22 + ε̇33


1
I2ε̇ = (ε̇ij ε̇ij − ε̇ii ε̇jj )
2
I3ε̇ = det(ε̇ij )
→ I1ε̇ beschreibt Geschwindigkeit der Volumendehnung

- 57 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

3.1 3.2 Formänderungsgeschwindigkeiten

Formänderungsgeschwindigkeiten

• Deviator der Formänderungsgeschwindigkeiten


1
ε̇′ij = ε̇ij − ε̇kk δij
3

• Für inkompressiblen Werkstoff ist Volumen konstant


→ Volumendehnungsgeschwindigkeit verschwindet:
I1ε̇ = ε̇kk = 0
→ Tensor der Formänderungsgeschwindigkeiten mit Deviator identisch
→ zweite Invariante I2ε̇ hat rein quadratische Form
1 ′ 1
I2ε̇ = (ε̇ij ε̇ij ) = I2ε̇ = (ε̇′ij ε̇′ij )
2 2

- 58 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

4.1 4.2 4.3

4 Elastisches Werkstoffverhalten
• Klassifizierung des Werkstoffverhaltens
• Elastisches Materialgesetz
• Randwertproblem der Elastostatik

- 59 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

4.1 Klassifizierung des Materialverhaltens 4.2 4.3

Klassifizierung des Materialverhaltens

• Kinematik und Gleichgewichtsaussage sind materialunabhängig


• Materialverhalten wird durch Experimente ermittelt:
• Zugversuch
• Schubversuch (Torsionsversuch)
• hydrostatischer Kompressionsversuch
• Vier grundsätzliche Arten von Materialverhalten
• elastisches Verhalten
• plastisches Verhalten

• viskoelastisches Verhalten wird in dieser Vorlesung
• viskoplastisches Verhalten zunächst nicht behandelt

- 60 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

4.1 Klassifizierung des Materialverhaltens 4.2 4.3

Klassifizierung des Materialverhaltens

• Elastizität: Körper kehrt nach Entlastung in seinen Ausgangszustand zurück


• Plastizität: Körper bleibt deformiert
• Elastizität und Plastizität: geschwindigkeitsunabhängig
• Viskoelastizität und Viskoplastizität: geschwindigkeitsabhängig
• Materialverhalten wird durch Konstitutivgleichungen beschrieben

- 61 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

4.1 4.2 Elastisches Materialgesetz 4.3

Elastisches Materialgesetz (Stoffgesetz, Konstitutivgleichungen)


• bei kleinen Deformationen meist elastisches Verhalten von Werkstoffen
• Deformation ist reversibel
• Spannungszustand bei elastischem Verhalten nur Funktion des Verzerrungszustandes
→ hyperelastisches Stoffgesetz
∂w(ε)
σ(ε) =
∂ε
w(ε): spezifische Formänderungsarbeit (elastisches Potential)
• Materialtensor: Ableiten des Spannungstensors nach dem Verzerrungstensor

∂σ(ε)
C= = Cijkl ei ⊗ ej ⊗ ek ⊗ el
∂ε
→ linearer Zusammenhang zwischen Spannungen und Verzerrungen, wenn der
Materialtensor unabhängig von den Verzerrungen ist
→ materiell oder physikalisch lineares Konstitutivgesetz = verallg. Hookesches Gesetz

- 62 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

4.1 4.2 Elastisches Materialgesetz 4.3

Elastisches Materialgesetz
• verallgemeinertes Hookesches Materialgesetz

σ = C : ε = Cijkl εkl ei ⊗ ej , σij = Cijkl εkl

→ Materialtensor ist lineare Abbildung des Verzerrungstensors auf den Spannungstensor


→ sind Spannungs- und Verzerrungstensor symmetrisch → Materialtensor symmetrisch

Cijkl = Cjikl = Cjilk = Cijlk

→ spezifische Formänderungsarbeit w(ε) ist quadratische Funktion der Verzerrungen


1 1
w(ε) = µ ε : ε + λ(tr ε)2 = µ ε : ε + λ(ε : I)2
2 2
µ und λ: Lamé Konstanten
I: Einheitstensor
tr ε = εii : Volumendehnung
→ isotropes Materialverhalten

- 63 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

4.1 4.2 Elastisches Materialgesetz 4.3

Elastisches Materialgesetz
• Spannungen: Ableitung nach Verzerrungstensor
∂w(ε)
σ=
= 2 µ ε + λ(tr ε) I
∂ε
• Materialtensor: nochmal ableiten nach Verzerrungstensor
∂σ(ε)
C= = [µ (δil δjk + δik δjl ) + λδij δkl ] ei ⊗ ej ⊗ ek ⊗ el
∂ε | {z }
Cijkl

• Darstellung in Ingenieurgrößen“
” „ «
E ν
w(ε) = ε : ε+ (tr ε)2
2(1 + ν) 1 − 2ν
„ «
E ν
→ σ(ε) = ε+ (tr ε) I
1+ ν 1 − 2ν
E: E-Modul
ν: Querzahl

- 64 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

4.1 4.2 Elastisches Materialgesetz 4.3

Elastisches Materialgesetz

• Dehnung als Funktion der Spannung (inverses Stoffgesetz)


„ «
1
ε(σ) = (1 + ν) σ − ν (tr σ) I
E
• spezifische Formänderungsarbeit als Funktion der Spannungen
„ «
1 2
w(σ) = (1 + ν) σ : σ − ν (tr σ)
2E
→ verallgemeinertes Hookesches Gesetz mit:
Elastizitätsmodul E
Querkontraktionszahl ν
Volumendehnung e = εii

- 65 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

4.1 4.2 Elastisches Materialgesetz 4.3

Elastisches Materialgesetz: verallgemeinertes Hookesches Gesetz

• Spannungen „ «
E ν
σ11 = ε11 + e
1+ν 1 − 2ν
„ «
E ν
σ22 = ε22 + e
1+ν 1 − 2ν
„ «
E ν
σ33 = ε33 + e
1+ν 1 − 2ν
E
σ12 = γ12 = G γ12
2 (1 + ν)
E
σ23 = γ23
2 (1 + ν)
E
σ31 = γ31
2 (1 + ν)

- 66 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

4.1 4.2 Elastisches Materialgesetz 4.3

Elastisches Materialgesetz: verallgemeinertes Hookesches Gesetz

• Dehnungen und Gleitungen


1
ε11 = (σ11 − ν (σ22 + σ33 ))
E
1
ε22 = (σ22 − ν (σ33 + σ11 ))
E
1
ε33 = (σ33 − ν (σ11 + σ22 ))
E
2 (1 + ν)
γ12 = σ12
E
2 (1 + ν)
γ23 = σ23
E
2 (1 + ν)
γ31 = σ31
E

- 67 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

4.1 4.2 4.3 Randwertproblem der Elastostatik

Randwertproblem der Elastostatik

• Kinematik: beschreibt Verschiebungen und Verzerrungen


1
εij = (ui,j + uj,i )
2
• elastisches Materialgesetz: verknüpft Spannungen und Verzerrungen

σij = Cijkl εkl


• Kräftegleichgewicht
σij,j + fi = 0, i, j = 1, 2, 3

- 68 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

4.1 4.2 4.3 Randwertproblem der Elastostatik

Randwertproblem der Elastostatik

• Kinematik + elastisches Materialgesetz + Kräftegleichgewicht


→ Grundgleichung der linearen Elastostatik = partielle DGL 2. Ordnung
• Randbedingungen

- vorgegebene Verschiebungen auf Au


- vorgegebene Randlasten Spannungen oder Kräfte auf Aσ
A = Aσ ∪ Au Aσ ∩ Au = ∅
• Grundgleichung lösen → Verschiebungen
• → Verzerrungen → Spannungen

- 69 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10

5 Festigkeitshypothesen
• Allgemeines
• Einachsiger Zugversuch
• Fließbedingung nach Tresca
• Fließbedingung nach von Mises
• Fließbedingung nach Beltrami
• Fließbedingung nach Huber
• Bruchhypothese nach Rankine
• Versagenshypothese nach Mohr-Coulomb
• Versagenshypothese nach Drucker-Prager
• Versagenshypothese nach Schleicher

- 70 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 Allgemeines 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10

Festigkeitshypothesen: Allgemeines

• Elastisches Verhalten: oft nur bei niedriger Spannung


• Verformungen gehen bei Entlastung vollständig zurück
• Belastung und Entlastung im Spannungs-Dehnungs-Diagramm auf derselben Kurve

• bei hoher Spannung


• plastische Deformationen = plastisches Fließen
• oder Bruch

• jetzt: Bestimmung der Grenzen des elastischen Bereichs (Festigkeitshypothesen)


→ Fließbedingung
→ Bruchbedingung

• später: Beschreibung von plastischem Fließen

- 71 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 Allgemeines 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10

Zugprobe und Spannungs-Dehnungs-Diagramme


Grenzen des elastischen Bereichs: sofortiger Bruch oder plastisches Fließen

σ σ
F spröde

duktil

F
ε ε
Beton, Gusseisen Stahl, allg. metallische Werkstoffe

- 72 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 Allgemeines 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10

Allgemeines

• technische Anwendungen: Werkstoff soll meist elastisch bleiben


- plastisches Fließen führt zu großen Verformungen
- genügend Sicherheit gegen Bruch nötig ist
→ zulässige Spannung am einachsigen Versuch bestimmen
→ Festigkeitshypothesen
• Vergleich des mehrachsigen Spannungszustandes mit dem einachsigen
Spannungszustand
• Fließhypothese (Fließbedingung, Fließkriterium) gibt an, wann der Werkstoff
plastisch wird
• Bruchhypothese gibt an, wann es zum Bruch des Werkstoffes kommt

- 73 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 5.2 Einachsiger Zugversuch 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10

Typisches Verhalten eines metallischen Werkstoffes:


Einachsiger Zugversuch

Zugfestigkeit

Fließgrenze

ε
elastisch plastisch

• niedrige Belastung: linear-elastisches Verhalten


• höhere Belastung: überwiegend plastisches Verhalten
• beide Bereiche durch die Fließgrenze (Streckgrenze) getrennt

- 74 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 5.2 Einachsiger Zugversuch 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10

Einachsiger Zugversuch

• einachsiger Spannnungszustand im Messbereich des Probestabes:


Hauptnormalspannungen: σI , σII = 0 = σIII
• Fließgrenze: σI erreicht Fließspannung σF
• z.B. Fließgrenze = Streckgrenze
• oder: Fließgrenze = technische Elastizitätsgrenze Rp0,01
• Rp0,01 : nach Entlastung bleibt 0,01% Dehnung
• Rp0,2 : nach Entlastung bleibt 0,2% Dehnung

- 75 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 5.2 Einachsiger Zugversuch 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10

Einachsiger Zugversuch

Fließspannung σF
• wird in der Umformtechnik als Formänderungsfestigkeit kf bezeichnet
• ist immer positiv
• ist bei metallischen Werkstoffen für Zug und Druck nahezu gleich
• ist kritischer Wert der Spannung σIc , bei dem Fließen beginnt

Zug σI > 0 : σIc = +σF = +kf ,


Druck σI < 0 : σIc = −σF = −kf

→ Problem: Spannungszustand oft mehrdimensional


• experimentelle Ermittlung der jeweiligen Fließgrenze technisch aufwendig
• Fließkriterium (Fließbedingung): überträgt einachsige Fließspannung auf allgemeine
zwei- oder dreiachsige Spannungszustände

- 76 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 5.2 5.3 Fließbedingung nach Tresca 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10

Fließbedingung nach Tresca: Grundlagen

• Tresca: 1814 – 1885

plastisches Fließen, wenn größte Schubspannung τmax kritischen Wert erreicht

→ auch: Schubspannungshypothese
• größte Schubspannung = Mittelwert von maximaler und minimaler
Hauptnormalspannung

- 77 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 5.2 5.3 Fließbedingung nach Tresca 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10

Einachsiger Zugversuch: Spannungskreis bei plastischem Fließen


Schubspannung
k

τmax
Normalspannung
σII = σIII = 0 σ I = σ F = kf

1 1
σ I = kf τmax =
2 2
Matrialkennwert des Tresca-Modells: Schubfließgrenze k := τmax = 12 kf

- 78 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 5.2 5.3 Fließbedingung nach Tresca 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10

Fließbedingung nach Tresca

Schubspannung bei beliebigem Spannungszustand:


− σII | drei Extremwerte der Schubspannung
− σIII |

− σI |
→ σI ≥ σIII ≥ σII bzw. σII ≥ σIII ≥ σI
2 |σI

2 |σIII
2 |σII

|σI − σII | = 2k
1

σII σIII σI σ
→ σI ≥ σII ≥ σIII bzw. σIII ≥ σII ≥ σI
|σI − σIII | = 2k
→ σII ≥ σI ≥ σIII bzw. σIII ≥ σI ≥ σII
|σII − σIII | = 2k
Mohrsche Spannungskreise für
σI ≥ σIII ≥ σII

- 79 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 5.2 5.3 Fließbedingung nach Tresca 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10

Fließbedingung nach Tresca

• in einer Gleichung zusammenfassen


ˆ ˜ˆ ˜ˆ ˜
0 = (σI − σII )2 − 4k2 (σI − σIII )2 − 4k2 (σIII − σII )2 − 4k2

→ Fließen tritt ein, wenn der Betrag einer der drei Hauptspannungsdifferenzen den
Wert 2k annimmt.
• Die Gleichung gilt auch in Deviatorkoordinaten
ˆ ′ 2 ˜ˆ ˜ˆ ′ ˜
0 = (σI′ − σII ) − 4k2 (σI′ − σIII

)2 − 4k2 (σIII ′ 2
− σII ) − 4k2
• oder koordinateninvariant mit den Invarianten des Spannungsdeviators
′ ′ ′ ′
4(I2σ )3 − 27(I3σ )2 − 36k2 (I2σ )2 + 96k4 I2σ − 64k6 = 0

- 80 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 5.2 5.3 Fließbedingung nach Tresca 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10

Fließbedingung nach Tresca im 3D-Hauptspannungsraum


• Schnitte der Ebenen σI − σII = 2k und σII − σI = 2k mit der σI -σII -Ebene

σI
σI − σII = 2k

σII − σI = 2k
σII = σIII 2k

σI = σIII
σIII σI = σIII σII

σII = σIII −2k

- 81 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 5.2 5.3 Fließbedingung nach Tresca 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10

Fließfläche zur Fließbedingung nach Tresca


• alle 6 Gleichungen

→ Sechskantzylinder mit der Raumdiagonalen des Hauptspannungsraumes als Achse


• Dieser unendlich lange Zylinder heißt Fließfläche

σIII Raumdiagonale
σIII ≥ σII ≥ σI σII ≥ σIII ≥ σI
σIII ≥ σI ≥ σII

σII ≥ σI ≥ σIII

σII

σI
σI ≥ σIII ≥ σII
σI ≥ σII ≥ σIII

- 82 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 5.2 5.3 Fließbedingung nach Tresca 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10

Fließbedingung nach Tresca

• Spannungspunkte innerhalb des Fließzylinders


→ elastische Verformung

• Spannungspunkte auf dem Fließzylinder erfüllen Tresca Fließkriterium


→ Plastifizierung

• Spannungspunkte außerhalb des Fließzylinders sind nicht möglich

• hydrostatischer Spannungszustand σI = σII = σIII (Raumdiagonale)


→ keine Plastifizierung

- 83 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 5.2 5.3 Fließbedingung nach Tresca 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10

Fließbedingung nach Tresca: Deviatorebene

Schnitt durch Fließzylinder senkrecht zur Raumdiagonalen (Deviatorebene)


→ regelmäßiges Sechseck

(σIII )

σI = σII
• An den Ecken wird einer der drei
σI = σIII σII = σIII Spannungskreise zum Punkt
• Ecken haben keine physikalische
q Bedeutung
σII = σIII σI = σIII 2
2k
3
• Ecken sind mathematisch ein Problem
(σI ) σI = σII
(σII )
2k

2

- 84 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 5.2 5.3 5.4 Fließbedingung nach von Mises 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10

Fließbedingung nach von Mises: Allgemeines

• Richard von Mises: 1883 – 1953


• Fließbedingung nach von Mises ist die am meisten verwendete Fließbedingung
• 1913 als mathematische Vereinfachung des Tresca-Kriteriums aufgestellt
→ Beseitigung der Ecken der Tresca-Fließfläche durch quadratische Funktion der
Spannungen
• 1928 über die Kinematik neu begründet
• bei isotropen Werkstoffen muss das Fließen koordinateninvariant sein
→ zweite Invariante des Spannungszustandes
• bei metallischen Werkstoffen hat der hydrostatische Spannungszustand (mittlere
Spannung) meist keinen Einfluss auf die Plastifizierung

→ zweite Invariante des Spannungsdeviators I2σ für Plastifizierung entscheidend

- 85 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 5.2 5.3 5.4 Fließbedingung nach von Mises 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10

Einachsiger Spannungszustand

Plastifizierung bei einachsigem Spannungszustand: σ I = kf , σII = σIII = 0

→ Spannungstensor
0 1
σI 0 0
(σH ) = @ 0 0 0 A
0 0 0
→ Spannungsdeviator

0 1 0 2
1
σI′ 0 0 σ
3 I
0 0

(σH ) = @ 0 ′
σII 0 A=@ 0 − 31 σI 0 A
0 0 ′
σIII 0 0 − 31 σI

- 86 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 5.2 5.3 5.4 Fließbedingung nach von Mises 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10

Vergleich einachsiger - mehrachsiger Spannungszustand


• Plastifizierung bei einachsigem Spannungszustand:

σI = σIc = kf

σ ′ 1 2
→ I2c = −(σI′ σII
′ ′
+ σII ′
σIII ′
+ σIII σI′ ) = k
3 f


• allgemeiner Spannungsfall: → I2σ

• Vergleich einachsig - mehrachsig


′ ′
I2σ = I2c
σ

Fließkriterium nach von Mises


′ 1 2
I2σ − kf = 0
3

- 87 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 5.2 5.3 5.4 Fließbedingung nach von Mises 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10

von Mises - Fließkriterium im Hauptspannungsraum


1ˆ ˜ 1
(σI − σII )2 + (σII − σIII )2 + (σIII − σI )2 = kf2
6 3

σIII Raumdiagonale

Fließfläche nach von Mises


• Kreiszylinder um Raumdiagonale
q
σII • Zylinderradius 2
k
3 f

σI

- 88 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 5.2 5.3 5.4 Fließbedingung nach von Mises 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10

Fließfläche nach von Mises

• Spannungspunkte innerhalb der Fließfläche → elastische Verformung

• Spannungspunkte auf der Fließfläche → Plastifizierung

• Spannungspunkte außerhalb der Fließfläche → nicht möglich

- 89 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 5.2 5.3 5.4 Fließbedingung nach von Mises 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10

von Mises-Kreis (Deviatorebene)


(σIII )

σI = σII • Schnitt durch


Mises-Fließzylinder
senkrecht zur
σI = σIII σII = σIII
Raumdiagonalen
• Tresca-Sechseck
q gestrichelt
σII = σIII σI = σIII 2
k
3 f • größte Abweichung
ca. 15 %
(σI ) σI = σII
(σII )

• Mises-Fließzylinder umschließt den Tresca-Fließzylinder längs den sechs Kanten


σI = σII , σII = σIII , σIII = σI

- 90 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 Fließbedingung nach Beltrami 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10

Fließbedingung nach Beltrami: Allgemeines

• Bisher: Zugang zum Fließkriterium über den Spannungszustand

• Jetzt: Betrachtung der elastischen Formänderungsenergie (Formänderungsarbeit)

• spezifische elastische Formänderungsenergie eines linear-elastischen Materials


„ «
1
w= (1 + ν) σ : σ − ν (tr σ)2
2E

- 91 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 Fließbedingung nach Beltrami 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10

spezifische elastische Formänderungsarbeit

• Zerlegung in Gestaltänderungsarbeit wG und Volumenänderungsarbeit wV


1 σ ′ 1 − 2ν σ 2
w= I2 + (I1 )
| G{z } | 6 E {z
2 }
wG wV

• Zusammenhang zwischen elastischen Konstanten


E
G =
2 (1 + ν)

• Spannungstensor: Zerlegung in deviatorischen und hydrostatischen Anteil


(Kugelanteil)

σij = σij + σm δij

- 92 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 Fließbedingung nach Beltrami 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10

Plastifizierung bei kritischer elastischer Formänderungsarbeit


→ Werkstoff erträgt nur eine bestimmte elastische Energie, dann plastifiziert er
• elastische Grenzenergie im einachsigen Versuch bestimmen und auf beliebige

Spannungszustände übertragen
• einachsiger Versuch: σI = kf → kritische elastische Formänderungsarbeit
1
wc = kf2
2E
• Vergleich 3D – 1D: w = wc

Fließbedingung nach Beltrami


1 − 2ν σ 2 ′
(I1 ) + 2(1 + ν)I2σ − kf2 = 0
3
• im Hauptspannungsraum: Fließfläche nach Beltrami
→ Rotationsellipsoid um die Raumdiagonale mit den Halbachsen
kf kf
r1 = √ und r2 = √
1+ν 1 − 2ν

- 93 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 Fließbedingung nach Beltrami 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10

Meridianschnitt der Fließfläche nach Beltrami


Raumdiagonale
σI = σII = σIII

r2
wc = konst.

r1
I1σ > 0

I1σ = 0
I1σ <0

→ Plastifizierung bei hydrostatischem Spannungszustand: σI = σII = σIII


kf
σI = σII = σIII = p
3(1 − 2ν)

- 94 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 Fließbedingung nach Beltrami 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10

Sonderfälle

• Querdehnzahl ν = 0
→ Werkstoff ohne elastische Querdehnung

→ r 1 = r 2 = kf

→ Die Fließfläche wird zur Kugel

• Querdehnzahl ν = 1/2
→ Werkstoff mit elastischer Volumenkonstanz
r
2
→ r1 = kf und r2 = ∞
3
→ man erhält also wieder den Mises-Zylinder
→ beschreibt Werkstoff mit plastischer Volumenkonstanz

- 95 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 Fließbedingung nach Huber 5.7 5.8 5.9 5.10

Fließbedingung nach Huber


• Huber: 1872 – 1950
• Modifikation der Hypothese nach Beltrami
• I1σ > 0 (Zug): betrachte gesamte elastische Formänderungsarbeit w
• I1σ < 0 (Druck): betrachte nur elastische Gestaltänderungsarbeit wG
1 1 σ′
wG = I
2G 2
2
kf
• einachsiger Versuch: σI = kf → wcG = 6G

• Vergleich einachsig − mehrachsig: w G = wcG

Huber-Mises-Kriterium für I1σ < 0


′ 1 2
I2σ − k =0
3 f

- 96 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 Fließbedingung nach Huber 5.7 5.8 5.9 5.10

Fließfläche zur Fließbedingung nach Huber


σIII Raumdiagonale

• für I1σ < 0


→ Huber−Kriterium identisch mit
Mises-Kriterium
σII
→ Fließfläche = Mises-Zylinder
→ Mises-Hencky-Huber-Hypothese

σI

- 97 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 Fließbedingung nach Huber 5.7 5.8 5.9 5.10

Fließflächen im Meridianschnitt

Raumdiagonale
σI = σII = σIII

Huber
von Mises
Beltrami
I1σ > 0

I1σ = 0
I1σ < 0

- 98 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 Bruchhypothese nach Rankine 5.8 5.9 5.10

Bruchhypothese nach Rankine

• gut geeignet zur Beschreibung des Zugversagens spröder Materialien, z. B. Beton


• für Bruch spröder Werkstoffe ist größte Normalspannung maßgebend
→ deshalb auch: Normalspannungshypothese
• Material versagt, wenn eine Hauptnormalspannung die kritische einaxiale Spannung
erreicht
→ für ideal spröde Werkstoffe ist kritische einaxiale Spannung die Zugfestigkeit
• für den Fall σI > σII > σIII gilt

|σI | < σc und |σIII | < σc

→ Normalspannung σII geht nicht ein

- 99 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 Versagenshypothese nach Mohr-Coulomb 5.9 5.10

Versagenshypothese nach Mohr-Coulomb


σI = σII = σIII

• Versagen poröser und körniger


feuchter Sand Materialien (z. B. Beton, Sand,
Sinterwerkstoffe, Schäume) ist
trockener Sand
druckabhängig
I1σ > 0 • Einfluß des hydrostatischen
Druckes durch erste Invariante
I1σ = 0 des Spannungstensors
I1σ < 0 berücksichtigt

→ Abhängigkeit der Versagensfläche vom hydrostatischen Spannungszustand


• Verallgemeinerung des Gesetzes für Reibversagen nach Coulomb (1773)
• Versagensfläche im Hauptspannungsraum: Kegel mit Sechseck Querschnitt

- 100 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 Versagenshypothese nach Drucker-Prager 5.10

Versagenshypothese nach Drucker-Prager

σIII

• erweitert von Mises-Kriterium um


hydrostatischen Term (I1σ )
→ es wird eine zweite
Materialkonstante benötigt
• Versagensfläche im
Hauptspannungsraum:
θ
Kegel mit Kreisquerschnitt

σI
σII

• Schnitt durch Mohr-Coulomb- und Drucker-Prager-Fläche in Deviatorebene

- 101 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität

5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10 Versagenshypothese nach Schleicher

Versagenshypothese nach Schleicher


• Versagensfläche im Hauptspannungsraum: Paraboloid

σI = σII = σIII

I1σ > 0

I1σ = 0
I1σ <0

- 102 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10

6 Plastisches Werkstoffverhalten
• Experimentelle Beobachtungen
• Fließpotential und Potentialgesetz
• Fließregel nach von Mises
• Fließregel nach Tresca
• Normalitätsbedingung und Konvexitätsbedingung
• Verfestigung
• Randwertproblem der Plastizität
• Beispiele
• Gleitlinientheorie
• Schrankenverfahren

- 103 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 Experimentelle Beobachtungen 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10

Experimentelle Beobachtungen

Spannung
Belastung

Fließgrenze
Entlastung im plastischen Bereich

Entlastung im elastischen Bereich

Formänderung

• typisches Spannungs-Dehnungs-Diagramm eines metallischen Werkstoffes unter


einachsiger Belastung

- 104 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 Experimentelle Beobachtungen 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10

Spanungs-Dehnungs-Verhalten metallischer Werkstoffe

1. elastischer Bereich: Deformationen durch reversible Bewegung von Atomen


→ Deformation bei Entlastung vollständig reversibel

2. Spannung überschreitet die Fließgrenze → Material wird plastisch


→ Auftreten von irreversiblen Versetzungsbewegungen
→ plastische Verzerrungen

3. Entlastung im plastischen Bereich


→ längs einer Geraden parallel zur Erstbelastung
→ Steigung ist durch elastische Konstanten gegeben
→ Wiederbelastung ebenfalls auf dieser Geraden

- 105 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 Experimentelle Beobachtungen 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10

Spanungs-Dehnungs-Verhalten metallischer Werkstoffe

4. Versetzungsbewegungen sind sehr schwierig nachzuweisen


→ Definition: Fließgrenze = Spannung, bei der eine bestimmte bleibende
(plastische) Verformung vorliegt

5. mehrachsige Spannungszustände:
Fließkriterium (Fließbedingung) beschreibt den Fließbeginn

6. plastische Verzerrungen → plastische Formänderungsarbeit:


- wird in Wärme umgewandelt
- geringer Teil wirkt sich auf die Verfestigung aus
→ Verfestigung beruht auf Anwachsen der Versetzungsdichte
→ Versetzungen behindern sich gegenseitig in der Bewegung
→ weitere Plastifizierung ist nur bei steigender Belastung möglich
→ Verfestigung hängt von Formänderungsgeschwindigkeit und Temperatur ab

- 106 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 Experimentelle Beobachtungen 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10

Vereinfachungen

• In diesem Kapitel:
Modellierung des plastischen Verhaltens nach Erreichen der Fließgrenze
• vereinfachte Werkstoffmodelle → Rechenaufwand gering halten
• Verfestigungsverhalten
- lineare Verfestigung
- Vernachlässigung der Verfestigung (idealplastisches Verhalten)
• große plastische Formänderungen (z. B. in der Umformtechnik):
→ elastische Formänderungen oft vernachlässigbar
→ Werkstoff ist bis zum Beginn der Plastifizierung starr
• Inkompressibilität plastischer Verformungen: gilt für viele metallische Werkstoffe
! Ausnahme: poröse Werkstoffe sind plastisch kompressibel
z. B. metallische Schäume, gesinterte Materialien

- 107 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 Fließpotential und Potentialgesetz 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10

Fließpotential und Potentialgesetz

• zum plastischen Materialgesetz (Stoffgesetz) gehören


• Fließbedingung
• Fließregel
• Verfestigungsgesetz

• Fließbedingung: beschreibt Plastifizierungsbeginn des Werkstoffpunktes

• Fließregel: beschreibt Zusammenhang zwischen Spannungen und plastischen


Formänderungen

• Verfestigungsgesetz: wird aus einachsiger Spannungs-Dehnungskurve bestimmt

- 108 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 Fließpotential und Potentialgesetz 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10

Fließpotential und Potentialgesetz: Annahmen

starr-idealplastischer Werkstoff

1. Werkstoff ist nicht elastisch: ist bis zur Fließgrenze starr → ε = εpl
2. Werkstoff ist nicht viskos:
Spannungszustand unabhängig von Formänderungsgeschwindigkeit
3. Werkstoff ist isotrop
4. bei plastischer Formänderung wird Energie nur dissipiert
5. Werkstoff ist idealplastisch:
Er besitzt ein Fließpotential F als Funktion des Spannungszustandes

F = F (σij ) = konst.

- 109 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 Fließpotential und Potentialgesetz 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10

Fließpotential und Potentialgesetz

Annahmen 1-5 als Stoffgesetz formulieren


• keine elastischen Formänderungen → σ 6= σ(εij )
• keine viskosen Formänderungen → σ 6= σ(ε̇ij )
• aber: plastisches Formänderungsinkrement dεij kann vom Spannungszustand
abhängen
dεij = dεij (σij )

- 110 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 Fließpotential und Potentialgesetz 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10

Potentialgesetz

• betrachte eine Variation δσij des Spannungszustandes σij


→ Variation des Fließpotentials
∂F (σij )
δF = δσij
∂σij
→ virtuelle plastische Zusatzarbeit δσij dεij
• Idee (von Mises): fordere Proportionalität δF ∝ δσij dεij

→ Potentialgesetz

- 111 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 Fließpotential und Potentialgesetz 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10

Potentialgesetz

→ Potentialgesetz ∂F
dεij = dλ
∂σij

• Potentialgesetz verknüpft Inkremente der plastischen Formänderungen mit


Spannungen
• Isotropie → Fließpotential F (σij ) ist koordinateninvariant
• als Fließpotential nimmt man das Fließkriterium
→ metallische Werkstoffe werden gut beschrieben durch Fließkriterien der Form
′ ′
F = F (I1σ , I2σ , I3σ ) = F (I1σ , I2σ , I3σ ) = konst.
• Einsetzen des Fließpotentials in das Potentialgesetz liefert die Fließregel

- 112 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 Fließpotential und Potentialgesetz 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10

Potentialgesetz: Proportionalitätsfaktor dλ
• dλ ist keine Konstante, hängt vom Fließpotential und von Verformung ab
∂F
• Bestimmung über Tensoreigenschaften von dεij und
∂σij
• zweite Invariante des Tensors der Formänderungsinkremente (dεij )
1
I2dε = (dεij dεij − dεii dεjj )
2
∂F
• zweite Invariante des Tensors = Gij
∂σij
»„ «„ « „ «„ «–
1 ∂F ∂F ∂F ∂F
I2G = −
2 ∂σij ∂σij ∂σii ∂σjj
• mit Potentialgesetz → I2dε = (dλ)2 I2G
• da nur Energie dissipiert wird (Annahme 4), ist nur die positive Wurzel zulässig
s
I dε
dλ = + 2G ≥ 0
I2

- 113 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 Fließpotential und Potentialgesetz 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10

Potentialgesetz: Proportionalitätsfaktor dλ

Beispiel: dλ für Fließpotential F = F (I1σ , I2σ ) = konst. bestimmen
• es gilt nach der Kettenregel

∂F ∂F ∂I1σ ∂F ∂I2σ ∂F ∂F ′
= σ
+ = δij + σ ′ σij
∂σij ∂I1 ∂σij ∂I2σ ∂σij

∂I1σ ∂I2
• in die Gleichung für I2G eingesetzen
„ «2 „ «2
′ ∂F ∂F
I2G = I2σ −3
∂I2σ

∂I1σ

→ Proportionalitätsfaktor
v
u (dεij dεij − dεii dεjj )
dλ = u
u „ «2 „ «2
+
t ∂F ∂F
2I2σ

− 6 σ
∂I2σ

∂I1

- 114 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 Fließpotential und Potentialgesetz 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10

Fließpotential und plastische Volumendehnung


• betrachte das Inkrement der Volumendehnung
∂F
dεii = dλ
∂σii
• und ein allgemeines Fließpotential der Form
′ ′
F = F (I1σ , I2σ , I3σ )
′ ′ ′
∂F ∂F ∂I1σ ∂F ∂I σ ∂F ∂I3σ ∂F ∂F ′ ∂F ∂I3σ
→ = σ
+ σ′ 2 + = σ
δii + σ ii +
∂I3σ ∂σii ∂I1 |{z} ∂I2σ ∂I3σ |∂σ
′ ′ ′
∂σii ∂I1 ∂σii ∂I2 ∂σii
3 {zii}
0

′ ∂I3σ
mit δii = 3, σii = 0, =0
∂σii
′ ′
∂F (I1σ , I2σ , I3σ ) ∂F ∂F
→ =3 σ → dεii = 3dλ
∂σii ∂I1 ∂I1σ

- 115 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 Fließpotential und Potentialgesetz 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10

Fließpotential und plastische Volumendehnung

∂F
• → dεii = 3dλ
∂I1σ
→ plastische Volumendehnung nur, wenn Fließpotential von I1σ abhängt
z. B. Beltrami-Kriterium
→ Fließpotentiale, die nicht von hydrostatischer Spannung abhängen
∂F
→ = 0 → dεii = 0 → plastische Volumenkonstanz
∂I1σ
z. B. von Mises- und Tresca-Kriterium
′ ′
F = F (I2σ , I3σ )

- 116 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 Fließpotential und Potentialgesetz 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10

Fließpotential und plastische Volumendehnung

geometrische Deutung: Fließzylinder bedeuten plastische Volumenkonstanz

Beweis
• Raumdiagonale des Hauptspannungs-Raumes σI , σII , σIII

dσ = σm (eI + eII + eIII ), −∞ ≤ σm ≤ ∞


• Normalenvektor nσ des Fließzylinders
∂F ∂F ∂F ∂F
nσ = eH = eI + eII + eIII
∂σH ∂σI ∂σII ∂σIII
• Fließzylinder sind parallel zur Raumdiagonalen

nσ · dσ = 0

- 117 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 Fließpotential und Potentialgesetz 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10

Fließpotential und plastische Volumendehnung

• für Fließzylinder muss also gelten


„ «
σ σ ∂F ∂F ∂F ∂F
n · d = σm + + = σm =0
∂σI ∂σII ∂σIII ∂σii
• mit σm 6= 0
∂F
= 0 → dεii = 0

∂σii
→ Fließzylinder sind immer mit plastischer Volumenkonstanz verbunden
• z. B. Fließkriterien nach Tresca und von Mises

→ Fließpotentiale, die von der Invarianten I1σ abhängen


• haben keine zylindrische Form
• zeigen Volumendehnung

- 118 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 Fließregel nach von Mises 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10

Fließregel nach von Mises


• Fließpotential nach von Mises

F (σij ) = I2σ
• in Potentialgesetz
∂F
dεij = dλ
∂σij

∂F ∂I σ
einsetzen mit = 2 = σij


∂σij ∂σij

Fließregel nach von Mises



dεij = dλ σij
• Proportionalität zwischen Spannungsdeviator und Formänderungsinkrementen
• ist die bevorzugte Fließregel
• wurde 1913 von R. von Mises angegeben

- 119 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 Fließregel nach von Mises 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10

Fließregel nach von Mises und Levy-Mises Gleichungen


• Fließregel auf das Zeitinkrement dt beziehen →
dεij dλ
= ε̇ij und = λ̇
dt dt

Levy-Mises Gleichungen

ε̇ij = λ̇ σij

Achtung:
• Levy-Mises Gleichungen beschreiben für λ̇ = konst. eine zähe Flüssigkeit
• aber: Formänderungsarbeit ist unabhängig von der Formänderungsgeschwindigkeit
→ plastisches Werkstoffverhalten ist nicht viskos

• für andere Fließpotentiale folgen mit dem Potentialgesetz weitere Fließregeln

- 120 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 Fließregel nach Tresca 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10

Fließregel nach Tresca

• Fließkriterium nach Tresca physikalisch gut fundiert


• liefert im Hauptspannungsraum als Fließfläche einen Sechskantzylinder
∂F
• aber: an den Ecken ist nicht definiert
∂σij
→ über das Formänderungsinkrement dort keine Aussage möglich
→ wir schließen die Ecken aus → Stetigkeit der Ableitung
• betrachte Tresca-Kriterium für σI > σIII > σII und σII > σIII > σI

F = (σI − σII )2 = 4k2

- 121 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 Fließregel nach Tresca 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10

Fließregel nach Tresca

• Potentialgesetz liefert im Hauptspannungsraum


∂F
dεI = dλ = dλ 2(σI − σII )
∂σI
∂F
dεII = dλ = dλ (−2)(σI − σII ) = −dεI
∂σII
∂F
dεIII = dλ =0
∂σIII
→ dεI = −dεII und dεIII = 0
→ Volumenkonstanz: dεii = 0
→ ebenes Fließen in der Ebene (I, II)
→ räumliche Formänderung durch Drehung der Fließebene

- 122 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 Normalitätsbedingung und Konvexitätsbedingung 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10

Normalitätsbedingung


δσ

σ∗

σ
σ

Fließfläche

σ

Der Formänderungszuwachs dε steht senkrecht auf der Fließfläche.

- 123 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 Normalitätsbedingung und Konvexitätsbedingung 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10

Normalitätsbedingung
Beweis: Der Formänderungszuwachs steht senkrecht auf der Fließfläche.

• zur Fließfläche gehört der Normalenvektor


∂F
nσ = eij
∂σij

• Vektor des Formänderungszuwachses


∂F
dε = dεij eij = dλ eij
∂σij

• durch Vergleich folgt


nσ ∼ dε
→ Diese Aussage wird Normalitätsbedingung genannt.

- 124 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 Normalitätsbedingung und Konvexitätsbedingung 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10

Normalitätsbedingung beim Tresca-Modell


• Für σI > σIII > σII gilt
dεI = −dεII , dεIII = 0
→ Vektor des Formänderungsinkrements
dε = dεI eI + dεII eII + dεIII eIII = dεI (eI − eII )

σI

2k
- liegt in der Ebene (I, II)
- unter −45◦ zur dεI -Achse
σIII σII
→ steht senkrecht auf σI − σII = 2k
−2k

- 125 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 Normalitätsbedingung und Konvexitätsbedingung 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10

Konvexitätsbedingung

δσ δσ

δσ

F + δF
σ = σH eH

Die Fließfläche muss konvex sein.

- 126 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 Normalitätsbedingung und Konvexitätsbedingung 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10

Konvexitätsbedingung für Werkstoffe mit Verfestigung

• der Werkstoff habe die Fließfläche mit dem Fließpotential F


• der Spannungsvektor σ endet bei Plastifizierung auf der Fließfläche
• bei Verfestigung
→ Zuwachs des Potentials δF
→ Zuwachs des Spannungsvektors δσ
→ Spannungsvektor σ + δσ endet auf Fließfläche F + δF
→ möglich mit jedem Spannungszuwachs δσ mit einem Winkel (δσ, dε) ≤ 90◦
→ Formänderungsarbeit durch Potentialzuwachs: δσ · dε = δσij dεij ≥ 0
→ Energie wird dissipiert
→ Das ist nur mit einer konvexen Fließfläche zu erfüllen.
• keine Verfestigung (ideal-plastische Werkstoff): δσ · dε = 0

- 127 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 Normalitätsbedingung und Konvexitätsbedingung 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10

Konvexitätsbedingung

• Gegenbeispiel: konkave Fließfläche

dε F + δF
bei Plastifizierung ist:
δσ • δσ · dε ≥ 0
F
δσ → Winkel (δσ, dε) ≤ 90◦
δσ • beliebige δσ möglich
→ Spannungsvektor σ + δσ
σ

→ Spannungsvektor kann im elastischen Bereich enden → Widerspruch

- 128 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 Verfestigung 6.7 6.8 6.9 6.10

Verfestigung: Allgemeines

• metallische Werkstoffe zeigen Verfestigung


→ die Fließgrenze steigt mit der Belastung an
• mit plastischer Verformung wird die Mikrostruktur des Werkstoffes verändert
→ Änderung der Fließbedingung und der Fließfläche im Spannungsraum
• Modell der isotropen Arbeitsverfestigung
→ die Verfestigung ist in verschiedenen Verformungsvorgängen dann gleich, wenn
der Zuwachs an spezifischer plastischer Formänderungsarbeit gleich ist
→ isotrope Verfestigung bewirkt eine gleichmäßige Vergrößerung der Fließfläche
• weitere Verfestigungsmodelle: kinematische und anisotrope Verfestigung
• kinematische Verfestigung:
- Fließfläche behält Form und Größe bei, verändert Lage im Spannungsraum
- unterschiedliche Fließgrenzen bei Zug und Druck (Bauschinger-Effekt)
• anisotrope Verfestigung: beliebige Vergrößerung der Fließfläche
→ unterschiedliche Fließspannungen in verschiedene Richtungen im Werkstoff

- 129 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 Verfestigung 6.7 6.8 6.9 6.10

Einachsiger Versuch mit plastischer Formänderung

σ F = kf
→ Spannung = Formänderungsfestigkeit

Zugversuch: σ = kf

Druckversuch: σ = −kf
vx
allgemein: |σ| = kf = σF
h(t)

- 130 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 Verfestigung 6.7 6.8 6.9 6.10

Einachsiger Versuch mit plastischer Formänderung


• Probe hat die Höhe h(t)
x
• linear veränderliches Geschwindigkeitsfeld annehmen: vx = ḣ
h(t)

∂vx ḣ
→ Dehnungsgeschwindigkeit konstant in der Probe: ε̇ = vx,x = =
∂x h(t)
dh
→ Inkrement der Formänderung: dε =
h
→ Integration → logarithmische / natürliche Formänderung

Zugversuch Druckversuch

Zh
dh h h
ε= = ln >0 ε = ln <0 (da ḣ < 0)
h h0 h0
h0

- 131 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 Verfestigung 6.7 6.8 6.9 6.10

idealplastischer Werkstoff

Spannung

Formänderung

• Fließpotential nur Funktion des Spannungszustandes


• Fließpotential konstant

- 132 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 Verfestigung 6.7 6.8 6.9 6.10

realer Werkstoff

kf |ε̇2 | > |ε̇1 |


replacements

|ε̇1 | |σ| = kf

h
T1
T2 > T1
|σ| = kf

|ε|

• zeigt in der Regel Verfestigung


• Formänderungsfestigkeit kf wird im einachsigen Zug- oder Stauchversuch ermittelt
→ Fließkurven

- 133 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 Verfestigung 6.7 6.8 6.9 6.10

Formänderungsfestigkeit

• Formänderungsfestigkeit steigt mit plastischer Formänderung an


→ Fließfläche weitet sich im Spannungsraum auf
• Formänderungsfestigkeit steigt mit steigender Formänderungsgeschwindigkeit an
• Formänderungsfestigkeit fällt mit steigender Temperatur
→ die Formänderungsfestigkeit hängt also wesentlich von drei Größen ab:

- 134 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 Verfestigung 6.7 6.8 6.9 6.10

Formänderungsfestigkeit

1. Formänderung |ε|
• wichtigste Größe bei Kaltumformung
• Kaltfließkurve für T < 0,5 TS (TS - Schmelztemperatur in Grad Kelvin)
• Formänderung erfolgt durch Versetzungsbewegung (Gitterfehler)
• Versetzungsdichte ruhender Versetzungen steigt mit Formänderung stark an
• ruhende Versetzungen verspannen Gitter und behindern wandernde Versetzungen
→ Zunahme der Formänderungsfestigkeit (Verfestigung)
2. Temperatur T
• Metallgitter wird durch steigende Temperatur thermisch aktiviert
• Warmfließkurve für T > 0,5 TS
• Versetzungen klettern in Leerstellen → Erholung
→ zeitabhängige Entfestigung

3. Formänderungsgeschwindigkeit |ε̇|
• steigende Formänderungsgeschwindigkeit → neu erzeugte Versetzungen
→ Anstieg der Formänderungsfestigkeit (Verfestigung)

- 135 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 Verfestigung 6.7 6.8 6.9 6.10

Fließpotential eines realen Werkstoffs

• Fließpotential eines realen Werkstoffs hat die Form

F ⋆ = F ⋆ (σ, ε, ε̇, T ) = F (σ) + f (ε, ε̇, T ) = F (σ) + f (kf )

• der zweite Term berücksichtigt Verfestigung → Aufweiten der Fließfläche


• Fließkurven liefern: kf = kf (ε, ε̇, T )
→ für Formänderung |ε| und |ε̇| braucht man Vergleichsmaße
→ einachsigen Versuch auf beliebige dreidimensionale Zustände übertragen
→ gesucht: Vergleichsformänderung und Vergleichsformänderungsgeschwindigkeit

- 136 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 Verfestigung 6.7 6.8 6.9 6.10

Arbeitsverfestigung

• Modell der isotropen Arbeitsverfestigung


- basiert auf Differential der spezifischen plastischen Formänderungsarbeit
- Vergleich: einachsiger Spannungszustand ↔ allgemeiner Spannungszustand

σij dεij = kf dε

- 137 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 Verfestigung 6.7 6.8 6.9 6.10

Arbeitsverfestigung: von Mises-Modell


• von Mises-Modell enthält Volumenkonstanz, dεii = 0
→ nur Gestaltänderungsarbeit
→ mittlere Spannung σm ohne Einfluß auf Plastifizierung
→ Spannungstensor durch Spannungsdeviator ersetzen

σij dεij = kf dε
• mit Fließbedingung r
q
3p ′ ′
3I2σ

kf = =σkl σkl
2

r
σij dεij 2
→ dε = p ′ ′
σkl σkl 3
• mit von Mises-Fließregel

dλσij = dεij
r
2p
→ dε = dεij dεij = dεv
3

- 138 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 Verfestigung 6.7 6.8 6.9 6.10

Arbeitsverfestigung: von Mises-Modell


Vergleichsformänderungsinkrement nach von Mises
r
2 p
+
dεv = dεij dεij ≥ 0
3
→ Vergleicht beliebige Formänderung mit Formänderung des einachsigen Versuchs

→ Vergleichsformänderungsgeschwindigkeit
r
2p
ε̇v = ε̇ij ε̇ij ≥ 0
3

→ Vergleichsformänderung
Zεv Zt
εv − εv0 = dεv = ε̇v dt ≥ 0
εv0 t0

- 139 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 Verfestigung 6.7 6.8 6.9 6.10

Arbeitsverfestigung: Tresca-Modell
• Tresca-Fließkriterium für σI ≥ σIII ≥ σII : (σI − σII ) = 2k = kf
• Arbeitsvergleich (räumlich - einachsig) mit dεII = −dεI , dεIII = 0
σI dεI + σII dεII + σIII dεIII = (σI − σII ) dεI = kf dε
| {z }
= 2k =kf

→ dεv = dε = |dεI | = |dεII |


• Betrachtung der übrigen Fälle führt zum

Vergleichsformänderungsinkrement nach Tresca


dεv = |dεH |max

→ ε̇v = |ε̇H |max → εv


• Formänderungsfestigkeit auf beliebige Zustände übertragen
kf = kf (ε, ε̇, T ) = kf (εv , ε̇v , T )

- 140 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 Verfestigung 6.7 6.8 6.9 6.10

Warm- und Kaltfließkurven


→ Abhängigkeit der Formänderungsfestigkeit im einachsigen Versuch ermitteln

kf

T ε̇v

εv ε

- 141 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 Randwertprobleme der Plastizität 6.8 6.9 6.10

6.7.1 Räumliche Formänderung


• Beschreibung des plastischen Fließens in der Kontinuumsmechanik:
1. Gleichgewichtsbedingung
2. Formänderungskinematik
3. plastisches Stoffverhalten

• Gleichgewicht im räumlichen Fall → 3 partielle Differentialgleichungen


σij,j + fi = 0, i = 1, 2, 3
• Kinematik (6 Gleichungen)
1
ε̇ij = ε̇ji = (vi,j + vj,i )
2
• plastisches Stoffgesetz
- Potentialgesetz (6 Gleichungen)
∂F
ε̇ij = λ̇
∂σij
- Fließbedingung
F (σij ) = f [kf (εv , ε̇v , T )]

- 142 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 Randwertprobleme der Plastizität 6.8 6.9 6.10

Randwertproblem des räumlichen plastischen Fließens

→ 16 Unbekannte
6 Spannungen σij ,
6 Formänderungsgeschwindigkeiten ε̇ij ,
3 Geschwindigkeiten vi ,
1 Parameter λ̇

→ 16 Gleichungen
+ zugehörige Randbedingungen
→ Randwertproblem des räumlichen plastischen Fließens

- 143 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 Randwertprobleme der Plastizität 6.8 6.9 6.10

Randwertproblem des räumlichen plastischen Fließens: Mises-Modell



• Fließkriterium I2σ = 13 kf2 und
√3√
ε̇ij ε̇ij
• Parameter λ̇ = 2 kf

• in Fließregel λ̇σij = ε̇ij
q p
3
2
ε˙ij ε˙ij

→ σij = ε̇ij
kf
q q
3 1
2 2
(vi,j + vj,i ) 21 (vi,j + vj,i ) „ 1
«
1
→ σij − σkk δij = (vi,j + vj,i )
kf 3 2
→ 6 Gleichungen (i, j = 1, 2, 3)
+ 3 Gleichgewichtsbedingungen
→ 9 Gleichungen
für 6 Spannungskoordinaten σij und 3 Geschwindigkeitskoordinaten vi

- 144 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 Randwertprobleme der Plastizität 6.8 6.9 6.10

Randwertproblem des räumlichen plastischen Fließens: Tresca-Modell

Tresca-Modell bei räumlichem plastischen Fließen

Achtung: mittlere Hauptspannung kann nicht bestimmt werden

- 145 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 Randwertprobleme der Plastizität 6.8 6.9 6.10

6.7.2 Ebene Formänderung

• ebene Formänderung
- in Richtung einer Koordinate auftritt keine Werkstoffbewegung auf
- Werkstoffbewegung in übrige Richtungen sind von dieser Koordinate unabhängig

• z. B. keine Bewegung in Richtung x3 → Geschwindigkeitsfeld

v1 = v1 (x1 , x2 )
v2 = v2 (x1 , x2 )
v3 = 0

→ ε̇33 = ε̇31 = ε̇23 = 0


• Beispiele ebener Umformvorgänge :
Bandwalzen, Blechbiegen, Flachstauchen, Tiefziehen

- 146 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 Randwertprobleme der Plastizität 6.8 6.9 6.10

Ebene Formänderung: von Mises-Modell


• Formänderungsgeschwindigkeiten mit Fließregel nach von Mises ε̇ij = λ̇ σij
0 1 0 ′ ′ ′
1 0 ′ ′
1
ε̇11 ε̇12 0 σ11 σ12 σ13 σ11 σ12 0
′ ′ ′ ′ ′
(ε̇ij ) = @ ε̇21 ε̇22 0 A = λ̇ @ σ21 σ22 σ23 A = λ̇ @ σ21 σ22 0 A
′ ′ ′
0 0 0 σ31 σ32 σ33 0 0 0

′ ′ σ11 + σ22 + σ33


wegen σ33 =0 folgt σ33 = σ33 − =0
| 3
{z }
σm

1
→ σ33 = σm = (σ11 + σ22 )
2
• in Richtung x3 wirkt nur der hydrostatische Spannungsanteil σm

- 147 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 Randwertprobleme der Plastizität 6.8 6.9 6.10

Ebene Formänderung: von Mises-Modell


• σm hat im von Mises-Modell keinen Einfluß auf Formänderungen

• Fließkriterium nach von Mises I2σ = 31 kf2 für ebenen Fall
′ 1ˆ ˜
I2σ = (σ11 − σ22 )2 + (σ22 − σ33 )2 + (σ33 − σ11 )2 + σ12
2
+ σ23 2 + σ31 2
6
» ”2 –
1 “ σ11 + σ22 ”2 “ σ11 + σ22
= (σ11 − σ22 )2 + σ22 − + − σ11 2
+ σ12
6 2 2

“σ
11 − σ22 ”2 1
I2σ = 2
+ σ12 = kf2
2 3

Fließkriterium nach von Mises für ebene Formänderung


q
2 2
(σ11 − σ22 )2 + 4σ12 = √ kf ≈ 1,15kf
3

- 148 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 Randwertprobleme der Plastizität 6.8 6.9 6.10

Ebene Formänderung: von Mises-Modell

• in Hauptspannungen für σI > σII

Fließkriterium nach von Mises für ebene Formänderung


2
σI − σII = √ kf
3
→ das ist die Gleichung einer Ebene, die den Fließzylinder tangiert
• die Gleichung für σIII
1
(σI + σII ) σIII =
2
→ ergibt im Hauptspannungsraum ebenfalls eine Ebene

- 149 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 Randwertprobleme der Plastizität 6.8 6.9 6.10

Ebene Formänderung: von Mises-Modell


σIII σII − σI = √2 kf
3

(σII > σI )

1
2
(σI + σII ) = σIII

σI
σII

σI − σII = √2 kf
3

(σI > σII )

- 150 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 Randwertprobleme der Plastizität 6.8 6.9 6.10

Ebene Formänderung: von Mises-Modell

• ebene Formänderung ist nur auf Schnittlinie der beiden Ebenen möglich
• die Schnittlinie der Ebenen ist eine Mantellinie des Fließzylinders
• Fließkriterium + 2 Gleichgewichtsbedingungen für den ebenen Fall

σ11,1 + σ12,2 + f1 = 0
σ21,1 + σ22,2 + f2 = 0

→ drei Gleichungen für die Spannungen σ11 , σ22 , σ12 = σ21


→ Spannungen können ohne die Kinematik bestimmt werden
→ Das ebene plastische Fließen ist statisch bestimmt.

- 151 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 Randwertprobleme der Plastizität 6.8 6.9 6.10

Ebene Formänderung: von Mises-Modell


• Verschiebungen folgen aus Fließregel
• Geschwindigkeiten v1 , v2 müssen den kinematischen Randbedingungen genügen
• Volumenkonstanz
ε̇11 + ε̇22 + ε̇33 = 0
→ mit ε̇33 = 0 → ε̇11 = −ε̇22 bzw.

v1,1 = −v2,2
• Fließregel liefert


λ̇σ11 = ε̇11 = v1,1
′ 1
λ̇σ12 = ε̇12 = (v1,2 + v2,1 )
2
→ 3 Gleichungen für 3 Unbekannte v1 , v2 und λ̇
→ Kinematik und Spannungsfeld sind bekannt

- 152 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 Randwertprobleme der Plastizität 6.8 6.9 6.10

Ebene Formänderung: von Mises-Modell

• λ̇ kann auch separat bestimmt werden zu


p
√ ε̇211 + ε̇212
λ̇ = 3
kf
bzw. in Hauptrichtungen
√ |ε̇I |
λ̇ = 3
kf
• Vergleichsformänderungsgeschwindigkeit
q
2 2 2
ε̇v = √ ε̇211 + ε̇212 = √ |ε̇I | = √ |ε̇II |
3 3 3

- 153 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 Randwertprobleme der Plastizität 6.8 6.9 6.10

Ebene Formänderung: Tresca-Modell

• beim Tresca-Modell tritt immer örtlich ebenes Fließen auf

Fließkriterium nach Tresca für ebene Formänderung in (x1 , x2 )-Ebene


q
2
(σ11 − σ22 )2 + 4σ12 = 2k = kf

• in Hauptspannungen mit σI > σIII > σII → σIII = mittlere Hauptspannung

Fließkriterium nach Tresca für ebene Formänderung in Hauptspannungen


σI − σII = 2k = kf

→ Fließkriterium + 2 Gleichgewichtsbedingungen
→ 3 Gleichungen für die 3 Spannungen σ11 , σ22 , σ12 = σ21
→ Auch das Tresca-Modell ist beim ebenen plastischen Fließen statisch bestimmt.

- 154 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 Randwertprobleme der Plastizität 6.8 6.9 6.10

Ebene Formänderung: Tresca-Modell


q (σIII )
2
k
3 f
k
√f
2

σIII = σI

Mises Tresca
σIII = 12 (σI + σII )

σIII = σII

(σI ) (σII )

Spannungsorte beim ebenen Fließen

- 155 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 Randwertprobleme der Plastizität 6.8 6.9 6.10

Ebene Formänderung: Tresca-Modell

• Vergleich Tresca-Fließkriterium ↔ Mises-Fließkriterium


• Fließkriterien unterscheiden sich um 15%
1
• Mises-Modell: mittlere Hauptspannung σIII = 2
(σI + σII )
• Tresca-Modell: mittlere Hauptspannung σIII kann nicht bestimmt werden
mittlere Hauptspannung liegt in den Grenzen σI > σIII > σII

• Fließkriterium → Fließpotential

F = (σ11 − σ22 )2 + 4σ12


2
= (σ11 − σ22 )2 + 2σ12
2 2
+ 2σ21 = kf2

- 156 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 Randwertprobleme der Plastizität 6.8 6.9 6.10

Ebene Formänderung: Tresca-Modell

• Ecken des Tresca-Zylinders ausschließen → Potentialgesetz anwenden


∂F
• Potentialgesetz λ̇ = ε̇ij
∂σij

λ̇ 2(σ11 − σ22 ) = ε̇11 = v1,1


1
λ̇ 4σ12 = ε̇12 = ε̇21 = (v1,2 + v2,1 )
2

• plastische Volumenkonstanz mit ε̇III = 0

v1,1 = −v2,2

→ 3 Gleichungen für die 3 Unbekannten v1 , v2 und λ̇

- 157 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 Randwertprobleme der Plastizität 6.8 6.9 6.10

Ebene Formänderung: Tresca-Modell

• Normalitätsregel: Kinematik von Tresca-Modell und Mises-Modells gleich


• redundante Beziehung für λ̇ p
1 ε̇211 + ε̇212
λ̇ =
2 kf
bzw. in Hauptkoordinaten
1 |ε̇I |
λ̇ =
2 kf

• Vergleichsformänderungsgeschwindigkeit

ε̇v = |ε̇I | = |ε̇II | > 0

- 158 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 Randwertprobleme der Plastizität 6.8 6.9 6.10

6.7.3 Einachsiger Spannungszustand

• einachsiger Zug- oder Stauchversuch mit Normalspannung σI


• Gleichgewicht
σI,I + fI = 0
→ ohne Volumenkraft (fI = 0)

σI = konst.
• Fließkriterium
|σI | = kf
→ Plastifizierung
- Schnittpunkte der σI -Achse mit der Fließfläche
- Fließkriterien nach von Mises und Tresca sind hier identisch
- Kreis- und Sechskantzylinder berühren sich

- 159 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 Randwertprobleme der Plastizität 6.8 6.9 6.10

Einachsiger Spannungszustand
x1 = xI
v∗

a
x3
b

x2
einachsiger Stauchversuch an zylindrischer Probe

- 160 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 Randwertprobleme der Plastizität 6.8 6.9 6.10

Einachsiger Spannungszustand

• Probe hat die Abmessungen h, a und b


• untere Fläche mit der Koordinate x1 = xI = 0 sei raumfest
• Spannungen: σ11 = σI = konst., σII = 0 = σIII
• Spannungsdeviator 0 1
2
σ
3 I
0 0

(σH )=@ 0 − 13 σI 0 A
0 0 − 31 σI
• wir benutzen das Mises-Modell mit
′ 3 1
• Fließregel: λ̇σij = ε̇ij → Proportionalitätsfaktor: λ̇ = |ε̇I |
2 kf
• Volumenkonstanz: ε̇I + ε̇II + ε̇III = 0 → ε̇II = ε̇III = − 21 ε̇I

- 161 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 Randwertprobleme der Plastizität 6.8 6.9 6.10

Einachsiger Spannungszustand

• Zylinderform der Probe bleibt während der Umformung erhalten


→ Formänderungsgeschwindigkeiten hängen nicht von der Höhe h ab
→ für einen festen Zeitpunkt ist in der Probe ε̇I = konst. und λ̇ = konst.
→ Geschwindigkeitsfeld ist linear vom Ort abhängig

- 162 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 Randwertprobleme der Plastizität 6.8 6.9 6.10

Einachsiger Spannungszustand
• Randbedingungen des einachsigen Stauchversuchs
vI (xI = 0) = 0, vI (xI = h) = −v ∗
• Geschwindigkeit und Formänderungsgeschwindigkeit
xI ∗ ∂vI v∗
vI = − v → ε̇I = vI,I = =−
h ∂xI h
• mit ε̇I + ε̇II + ε̇III = 0
1 v∗
→ ε̇II = ε̇III = − ε̇I =
2 2h
v∗
→ vII,II =
2h

→ einachsiger Spannungszustand bedeutet räumliche Formänderung


xII xIII
→ vII = v ∗ , vIII = v ∗
2h 2h

- 163 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 Randwertprobleme der Plastizität 6.8 6.9 6.10

6.7.4 Zylinderkoordinaten
z
vz

P
vr
y

r
ϕ

- 164 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 Randwertprobleme der Plastizität 6.8 6.9 6.10

Zylinderkoordinaten
• kartesische Koordinaten: x1 = x, x2 = y, x3 = z
• Zylinderkoordinaten: r, ϕ, z
• Punkt P hat die Geschwindigkeit
v = vr er + vϕ eϕ + vz ez
• Basisvektoren er , eϕ , ez = den Punkt P begleitendes orthogonales Dreibein
• Koordinaten des Tensors der Formänderungsgeschwindigkeiten (ohne Herleitung)
∂vr 1 ∂vϕ vr ∂vz
ε̇rr = , ε̇ϕϕ = + , ε̇zz = ,
∂r r ∂ϕ r ∂z
„ «
1 1 ∂vr ∂vϕ vϕ
ε̇rϕ = + − = ε̇ϕr
2 r ∂ϕ ∂r r
„ «
1 ∂vϕ 1 ∂vz
ε̇ϕz = + = ε̇zϕ
2 ∂z r ∂ϕ
„ «
1 ∂vz ∂vr
ε̇zr = + = ε̇rz
2 ∂r ∂z

- 165 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 Randwertprobleme der Plastizität 6.8 6.9 6.10

Zylinderkoordinaten

• Gleichgewichtsbedingungen in Zylinderkoordinaten
∂σrr 1 ∂σrϕ ∂σrz σrr − σϕϕ
+ + + + fr = 0
∂r r ∂ϕ ∂z r
∂σϕr 1 ∂σϕϕ ∂σϕz 2σϕr
+ + + + fϕ = 0
∂r r ∂ϕ ∂z r
∂σzr 1 ∂σzϕ ∂σzz σzr
+ + + + fz = 0
∂r r ∂ϕ ∂z r
• im Stoffgesetz: Indizes 1, 2, 3 durch r, ϕ, z ersetzen

- 166 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 Randwertprobleme der Plastizität 6.8 6.9 6.10

Spannungen in Zylinderkoordinaten

σzz
σϕz

z σrz
y σzr
σϕr
r σrϕ
ϕ
σrr

x σϕϕ σzϕ

- 167 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 Randwertprobleme der Plastizität 6.8 6.9 6.10

Zylinderkoordinaten: Axialsymmetrie
• Sonderfall Axialsymmetrie:
→ keine Abhängigkeiten von ϕ
→ alle Schubspannungen in ϕ-Richtung werden Null
→ Geschwindigkeit vϕ = 0 und Volumenkraft fϕ = 0
→ alle nach ϕ abgeleiteten Größen werden Null
• → Tensor der Formänderungsgeschwindigkeiten
0 „ « 1
∂vr 1 ∂vr ∂vz
0 +
B ∂r 2 ∂z ∂r C
B vr
C
B
(ε̇ij ) = B 0 0 C
C
B r C
@ 1 „ ∂vz ∂vr
«
∂vz A
+ 0
2 ∂r ∂z ∂z
• → Gleichgewichtsbedingungen
∂σrr ∂σrz σrr − σϕϕ
+ + + fr = 0
∂r ∂z r
∂σzr ∂σzz σzr
+ + + fz = 0
∂r ∂z r

- 168 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 Randwertprobleme der Plastizität 6.8 6.9 6.10

Zylinderkoordinaten: ebene Axialsymmetrie

• ebene Axialsymmetrie: ϕ, r und z sind Hauptrichtungen


→ Spannungen: σrr = σR , σϕϕ = σΦ , σzz = σZ

Formänderungsgeschwindigkeiten
0 1
! ∂vr
ε̇rr ε̇rϕ 0 C
= @ ∂r
B
(ε̇ij ) = vr A
ε̇ϕr ε̇ϕϕ 0
r

Gleichgewicht
∂σrr σrr − σϕϕ
+ + fr = 0
∂r r

- 169 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 Beispiele 6.9 6.10

Beispiele
3 geschlossen lösbare Beispiele der Umformtechnik

• Rohr unter Innen- und Außendruck


• axialsymmetrisches Tiefziehen
• Biegen eines Bleches

- 170 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 Beispiele 6.9 6.10

6.8.1 Rohr unter Innen- und Außendruck


s0
er
P
Ri0 r0

Ra0 pi0

pa

- 171 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 Beispiele 6.9 6.10

Rohr unter Innen- und Außendruck

• Aufgabenstellung
• gegeben ist ein Rohr mit Innenradius Ri0 und Außenradius Ra0
• es liegt Axialsymmetrie vor
• das Rohr sei sehr lang (Rohrlänge mindestens das 8 x Rohrdurchmesser)
→ kein Fließen in Achsrichtung → ebener Formänderungszustand
• Außendruck pa ist bekannt
• gesucht ist der Innendruck pi0 , für den das Rohr voll plastisch wird
• Lösungsweg
• wir rechnen zunächst mit starr-idealplastischem Werkstoff: kf = konst.
• betrachte Werkstoffpunkt P mit dem Radius r0 zu Beginn des plastischen Fließens
• Problem ist statisch bestimmt, da ebene Formänderung vorliegt
• wir verwenden das v. Mises-Modell

- 172 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 Beispiele 6.9 6.10

Rohr unter Innen- und Außendruck


• v. Mises-Fließkriterium mit σΦ > σR (s. elastische Lösung)

2
σ Φ − σ R = √ kf
3
• Gleichgewicht

dσR σR − σΦ
+ =0
dr r
→ DGL für Radialspannung σR
1 2
dσR = √ kf dr
r 3
→ Integration
2 Ra0
σR (Ra0 ) − σR (r0 ) = −pa − σR (r0 ) = √ kf ln
3 r0

- 173 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 Beispiele 6.9 6.10

Rohr unter Innen- und Außendruck

→ Innendruck pi0 bei voller Plastifizierung

2 Ra0
−σR (Ri0 ) = pi0 = pa + √ kf ln
3 Ri0

→ Radialspannung σR und Umfangsspannung σΦ bei P


2 Ra0 2 r0
σR (r0 ) = −pa − √ kf ln = −pi0 + √ kf ln
3 r0 3 Ri0
„ «
2 r0
σΦ (r0 ) = −pi0 + √ kf 1 + ln
3 Ri0
• Welcher Zusammenhang besteht nun mit der Verformung des Rohres?

- 174 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 Beispiele 6.9 6.10

Rohr unter Innen- und Außendruck

• Gleichungen für σR , σφ gelten für beliebige Phase der Umformung:


→ Innenradius Ri , Außenradius Ra , Radius r von Punkt P , Innendruck pi
→ für den Innendruck gilt also immer

2 Ra
pi = pa + √ kf ln
3 Ri
• bei Volumenkonstanz und ebener Formänderung gilt
Ra0 Ra
Ra2 − Ri2 = Ra0
2 2
− Ri0 und > >1
Ri0 Ri
→ pi < pi0
→ das voll plastifizierte idealplastische Rohr wird sich weiter aufweiten
→ und schließlich platzen

- 175 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
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6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 Beispiele 6.9 6.10

Rohr unter Innen- und Außendruck


• wir rechnen jetzt mit Kaltverfestigung: kf = kf (εv )
→ DGL für Radialspannung σR
1 2
dσR = √ kf (εv (r)) dr
r 3
→ zunächst Vergleichsformänderung εv (r) bestimmen
• v. Mises-Modell mit ε̇III = 0 und ε̇I = −ε̇II
2 2
ε̇v = √ |ε̇Φ | = √ |ε̇R | > 0
3 3
vr
• und ε̇Φ = >0
r
2 vr 2 ṙ
→ ε̇v = √ = √
3 r 3r
2 dr
→ dεv = √
3 r

- 176 - Universität des Saarlandes


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6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 Beispiele 6.9 6.10

Rohr unter Innen- und Außendruck


→ Vergleichsformänderung durch Integration:
2 r
εv = √ ln
3 r 0

für Punkt P mit dem momentanen Radius r und dem Anfangsradius r0


→ Formänderungsfestigkeit für jeden Punkt des Rohres
kf = kf (εv ) = kf (r, r0 )
→ Radialspannung durch Integration (im Allgemeinen numerisch)
ZRa
2 1
σR (r) = −pa − √ kf (r, r0 ) dr
3 r
r

→ Umfangsspannung aus dem Fließkriterium


2
σΦ (r) = σR (r) + √ kf (r, r0 )
3

- 177 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 Beispiele 6.9 6.10

Rohr unter Innen- und Außendruck

• in σR (r), σφ (r) beschreiben r und r0 den selben Werkstoffpunkt


in verschiedenen Umformphasen
• r und r0 sind über die Volumenkonstanz gekoppelt
2
Ra0 − r02 = Ra2 − r 2
• zur Plastifizierung notwendiger Innendruck

ZRa
2 1
pi = pa + √ kf (r, r0 ) dr
3 r
Ri

hängt auch von der Verfestigung ab

- 178 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 Beispiele 6.9 6.10

6.8.2 Axialsymmetrisches Tiefziehen

- 179 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
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6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 Beispiele 6.9 6.10

Axialsymmetrisches Tiefziehen

z
s
r

r
Ra
Ra0 eϕ Ri0
er

- 180 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
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6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 Beispiele 6.9 6.10

Axialsymmetrisches Tiefziehen
• Annahmen
• axialsymmetrisches Tiefziehteil
• Reibungsfreiheit
• konstante Blechdicke s → ebene Formänderung
• Aufgabe: Spannungszustand im Flansch untersuchen
• Lösung: wie voriges Beispiel, aber mit konstantem Innenradius
Ri = Ri0 = konst.
• v. Mises-Fließkriterium mit σR > σ Φ
2
σ R − σ Φ = √ kf
3
• Gleichgewichtsbedingung:
dσr σR − σΦ
+ = 0
dr r
1 2
→ dσR = − √ kf dr
r 3

- 181 - Universität des Saarlandes


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6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 Beispiele 6.9 6.10

Axialsymmetrisches Tiefziehen
• idealplastischer Werkstoff: kf = konst.
• Randbedingung:
σR (Ra ) = 0
→ Radialspannung
2 Ra
σR (r) = √ kf ln
3 r
→ Fließkriterium → Umfangsspannung
„ «
2 Ra
σΦ (r) = √ kf ln −1
3 r
→ Niederhalterspannung
„ «
1 1 Ra
σZ (r) = (σR + σΦ ) = √ kf 2 ln −1
2 3 r

ist technisch nicht zu verwirklichen → Änderung der Blechdicke s über Radius r

- 182 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 Beispiele 6.9 6.10

Axialsymmetrisches Tiefziehen
• Tiefziehkraft FZ (Stempelkraft, Kraft in der Zarge)
Z
4π Ra
FZ = σR dA = 2πRi s σR (Ri ) = √ Ri s kf ln
3 Ri

- Biegeanteile an der Ziehkante vernachlässigt


→ größte Tiefziehkraft zu Beginn des Tiefziehvorganges: Ra = Ra0
→ Gefahr des Reißens, wenn σR (Ri ) ≥ kf
4π Ra0
→ FZ,max = √ Ri s kf ln < 2Ri π s kf
3 Ri
Ra0
→ Grenzverhältnis Ri
darf nicht überschritten werden

„ « „√ «
Ra0 3
≈ exp ≈ 2, 4
Ri Grenz
2

- 183 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 Beispiele 6.9 6.10

Axialsymmetrisches Tiefziehen

Lösung für Kaltverfestigung


• starr-plastisches Verhalten mit Verfestigung, ohne Abhängigkeit von ε̇v und T
• Verfestigungsansatz nach Ludwik und Holomon

kf = aεn
v

- kann Fließkurven vieler metallischer Werkstoffe beschreiben

• Vergleichsformänderung: wie im letzten Beispiel (Rohr unter Innendruck)

2 r0 1 r2
εv = √ ln = √ ln 02
3 r 3 r
r - momentaner Radius des Werkstoffpunktes, der zu Beginn den Radius r0 hat

- 184 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
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Axialsymmetrisches Tiefziehen

• Volumenkonstanz: dV = 0
2
Ra0 − r02 = Ra2 − r 2 → r02 = Ra0
2
− Ra2 + r 2

→ DGL für Radialspannung


» „ 2 «–n
1 2 1 Ra0 − Ra2
dσR = − √ a √ ln + 1 dr
r 3 3 r2
| {z }
kf (r)

→ Lösung wie im idealplastischen Fall: σR → σφ → σZ → FZ

- 185 - Universität des Saarlandes


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6.8.3 Querkraftfreies Blechbiegen

M M

r r

M M

r r
r r M M

- 186 - Universität des Saarlandes


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Querkraftfreies Blechbiegen

s Mz r

dϕ ϕ

α
Ri Ra

Querkraftfreies Biegen = reine Momentenbiegung

- 187 - Universität des Saarlandes


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6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 Beispiele 6.9 6.10

Querkraftfreies Blechbiegen
• Schnittgröße: nur ein konstantes Biegemoment Mz (Momentenbiegung)
→ Blech verformt sich kreisförmig

σR + dσR

σZ
σΦ

σZ
σΦ

σR

• Spannungen am Volumenelement

- 188 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
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6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 Beispiele 6.9 6.10

Querkraftfreies Blechbiegen

• Annahmen
• Blechstreifen der Breite b
• ebene Formänderung: b > 10s → Problem ist statisch bestimmt
• r , ϕ und z sind Hauptrichtungen → axialsymmetrischer Spannungszustand
• Gleichgewicht
dσR σR − σΦ
+ =0
dr r

• Biegespannung in Umfangsrichtung: außen Zug (I), innen Druck (II)


• Zug− und Druckzone werden durch Grenzradius rg getrennt

- 189 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 Beispiele 6.9 6.10

Querkraftfreies Blechbiegen
→ Fließkriterium nach v. Mises
2
I: σ Φ − σ R = √ kf für r > rg
3
2
II: σR − σΦ = √ kf für r < rg
3
→ Gleichgewicht
1 2
dσR = [sgn(r − rg )] √ kf dr
r 3
- starr-idealplastischer Werkstoff: kf = konst.
- spannungsfreier Innen- und Außenrand: σR (Ri ) = 0 = σR (Ra )

→ Radialspannung
2 Ra
I: σR (r) = − √ kf ln ; Ra ≥ r ≥ rg
3 r
2 r
II: σR (r) = − √ kf ln ; Ri ≤ r ≤ rg
3 Ri

- 190 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 Beispiele 6.9 6.10

Querkraftfreies Blechbiegen
→ Fließkriterium → Umfangsspannung
„ «
2 Ra
I: σΦ (r) = √ kf 1 − ln ; Ra ≥ r ≥ rg
3 r
„ «
2 r
II: σΦ (r) = − √ kf 1 + ln ; Ri ≤ r ≤ rg
3 Ri
→ Spannung in z-Richtung
1
σZ = (σR + σΦ )
2

• Umfangsspannung σΦ springt am Grenzradius rg , um √4 kf


3
• mittlere Hauptspannung σZ springt am Grenzradius rg um √2 kf
3
• mittlere Hauptspannung σZ so nicht realisierbar
• reale Werkstoffe mit elastisch-plastischem Verhalten
→ haben elastische Zone in der Umgebung von rg

- 191 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 Beispiele 6.9 6.10

Querkraftfreies Blechbiegen
σR

σΦ

σZ

Ra
Ri

rg

Spannungen beim ebenen Biegen mit idealplastischem Werkstoff

- 192 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 Beispiele 6.9 6.10

Querkraftfreies Blechbiegen
• Radialspannung σR soll am Grenzradius rg stetig sein
Ra rg
σR (rg , I) = σR (rg , II) → =
rg Ri

Grenzradius

rg = Ra Ri
• zum Biegen notwendiges Biegemoment Mz
2 3
ZRa ZRa„ « Zrg „ «
2 6 Ra r 7
Mz = rσΦ (r) b dr = b √ kf 4 1 − ln r dr + −1 − ln r dr 5
3 r Ri
Ri rg Ri

2 (Ra − Ri )2 2 s2
Mz = b √ kf = b √ kf
3 4 3 4

- 193 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 Beispiele 6.9 6.10

Querkraftfreies Blechbiegen
Blechdicke s bleibt beim Biegen konstant

→ Biegemoment Mz während des gesamten Biegevorganges konstant


→ Beweis folgt jetzt:
• Kinematik: ebene Formänderung bezüglich Hauptrichtungen
∂vr
ε̇rr = = ε̇R
∂r
1 ∂vϕ vr
ε̇ϕϕ = + = ε̇Φ
r ∂ϕ r
„ «
1 1 ∂vr ∂vϕ vϕ
ε̇rϕ = + − =0 (1)
2 r ∂ϕ ∂r r
• Verschiebungen in Umfangsrichtung treten auf
→ Formänderungszustand nicht axialsymmetrisch
• Gleitungsgeschwindigkeiten verschwinden, da keine Schubspannungen vorliegen

- 194 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
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6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 Beispiele 6.9 6.10

Querkraftfreies Blechbiegen

• Volumenkonstanz
ε̇R + ε̇Φ + ε̇Z = 0 mit ε̇Z = 0
→ Geschwindigkeiten
∂vr vr 1 ∂vϕ
+ + =0 (2)
∂r r r ∂ϕ
→ zwei partielle Differentialgleichungen (1) und (2)
→ für die Geschwindigkeiten vr (r, ϕ) und vϕ (r, ϕ)
• Randbedingungen

1. aus Geschwindigkeit α̇ des Biegeöffnungswinkels α


2. Querschnitte sollen eben bleiben

- 195 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
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Querkraftfreies Blechbiegen

• Ebenbleiben der Querschnitte → Geradliniengesetz für Umfangsgeschwindigkeit

vϕ (r, ϕ) = α̇ g(ϕ) r
vϕ ∂vϕ
→ = = α̇ g(ϕ)
r ∂r
0 1
1 B 1 ∂vr ∂vϕ vϕ C
→ ε̇rϕ = @ + − A=0 (1)
2 r ∂ϕ |∂r {z r }
0

∂vr
→ =0
∂ϕ
→ vr (r, ϕ) = vr (r)

- 196 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 Beispiele 6.9 6.10

Querkraftfreies Blechbiegen

• Geschwindigkeiten vr (r) und vϕ (r, ϕ) = α̇ g(ϕ) r


→ Ebenbleiben der Querschnitte
→ Volumenkonstanz
∂vr vr 1 ∂vϕ
ε̇R + ε̇Φ = + + =0
∂r r r ∂ϕ
dvr vr 1 ∂vϕ dg(ϕ)
+ =− = −α̇
dr r r ∂ϕ dϕ
1 d(r vr ) dg(ϕ)
= −α̇ = konst. = α̇C
r dr dϕ
→ linke Seite hängt nur von r und rechte Seite nur von ϕ ab
→ beide Seiten müssen selben konstanten Wert haben, wird zu α̇C gesetzt

- 197 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
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6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 Beispiele 6.9 6.10

Querkraftfreies Blechbiegen

• linke Seite
d(r vr ) = r α̇C dr
integriert
r E
vr (r) = α̇C +
2 r
• rechte Seite
dg(ϕ) = −C dϕ
integriert
g(ϕ) = −Cϕ + D

• g(ϕ) in vϕ (r, ϕ)

- 198 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
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6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 Beispiele 6.9 6.10

Querkraftfreies Blechbiegen


vϕ (r, ϕ) = α̇ g(ϕ) r = −α̇ C ϕ r + α̇ D r}
| {z
0

α̇ D r hängt nicht von ϕ ab


→ beschreibt reine Starrkörperdrehung
→ ist für Formänderung ohne Bedeutung
→ Setze D = 0
• Konstanten E und C sind noch zu bestimmen - kurze Version

- 199 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 Beispiele 6.9 6.10

Querkraftfreies Blechbiegen
• am Grenzradius r = rg
• ist Radialspannung σR stetig
• springt Umfangsspannung σΦ
→ Vorzeichen der Koordinaten des Spannungsdeviators ändern sich

→ Fließregel: σR ∼ ε̇R
• ε̇R muß trotz Vorzeichenwechsel stetig sein

dvr (rg ) α̇ C 2
→ ε̇R (rg ) = =0 → E= rg
dr 2
„ «
1 rg2
→ vr (r) = α̇C r +
2 r
• wegen Volumenkonstanz ist am Grenzradius r = rg auch
ε̇Φ (rg ) = −ε̇R (rg ) = 0
1 ∂vϕ (rg , ϕ) vr (rg )
ε̇Φ (rg ) = + =0
rg ∂ϕ rg

- 200 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 Beispiele 6.9 6.10

Querkraftfreies Blechbiegen

• Einsetzen von vϕ (rg , ϕ) und vr (rg )


„ «
1 1 1 rg2 1
− α̇ C rg + α̇ C rg + = −α̇ C + α̇ C 2 = 0
rg rg 2 rg 2
→ diese Beziehung gilt für alle C

→ Gleichung führt also nicht zur Bestimmung von C

→ Konstante C folgt aus den kinematischen Randbedingungen

- 201 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 Beispiele 6.9 6.10

Querkraftfreies Blechbiegen

• Biegevorgang sei symmetrisch um ϕ = 0


“ α” 1 vϕ (r, α2 ) α̇ C α2 r
ϕ̇ ϕ = = α̇ = =−
2 2 r r
1
→ C=−
α
→ Geschwindigkeitsfeld im gebogenen Blech

„ «
1 α̇ rg2
vr = − r+
2α r
α̇
vϕ = ϕr
α

- 202 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 Beispiele 6.9 6.10

Querkraftfreies Blechbiegen

• → radiale Relativgeschwindigkeit der Ränder Ri und Ra mit rg2 = Ri Ra


»„ « „ «–
1 α̇ Ri Ra Ri Ra
vr (Ra ) − vr (Ri ) = − Ra + − Ri + =0
2α Ra Ri

→ Die Blechdicke s = Ra − Ri bleibt während der Biegung konstant.


• Grenzradius wandert zum Innenrand des Bleches hin
• bei Werkstoffen mit Verfestigung:
- Problem nicht mehr geschlossen lösbar
- Spannungen und Formänderungen über Vergleichsformänderung εv gekoppelt
→ es folgt eine Änderung der Blechdicke

- 203 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 Gleitlinientheorie 6.10

Gleitlinientheorie
• Einführung
• Spannungsbeziehungen
• Geometrische Eigenschaften
• Kinematik im Gleitlinienfeld
• Ebenes Fließpressen
• Ebenes Ziehen durch konische Ziehdüse

- 204 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 Gleitlinientheorie 6.10

6.9.1 Einleitung

• ebene Formänderung
→ plastisches Fließen ist statisch bestimmt
→ Spannungen berechnen aus:
Fließbedingung + 2 Gleichgewichtsbedingungen + Spannungsrandbedingungen
→ Verschiebungen mit Fließregel bestimmen
• Beispiele im vorigen Abschnitt: ebenes axialsymmetrisches Fließen
→ Spannungsproblem durch eine gewöhnliche Differenzialgleichung beschrieben
• jetzt: allgemeine ebene Probleme
→ partielles hyperbolisches Differenzialgleichungssystem der Spannungen
→ oft schwierig zu lösen
→ vereinfachte Behandlung durch Gleitlinientheorie

- 205 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 Gleitlinientheorie 6.10

Einleitung

• Idee der Gleitlinientheorie


• längs der Gleitlinien entkoppeln die Differenzialgleichungen
→ Übergang in gewöhnliche Differenzialgleichungen
• die Gleitlinien sind die Charakteristiken (auch: Integralkurven) des hyperbolischen
partiellen Differenzialgleichungssystems der Spannungen
• Annahmen der Gleitlinientheorie
• ebener Formänderungszustand: ebene Umformung in der x1 -x2 -Ebene
• starr-idealplastischer Werkstoff (keine Verfestigung)
→ Schubfließgrenze k = konst.
• plastische Volumenkonstanz

- 206 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 Gleitlinientheorie 6.10

Einleitung

τ
β

β φ α
k 2φ
φ
x2
σ11
σI σm σ22 σII σ
x1
2φ k
σ12

Spannungskreis für ebenen Formänderungszustand in der x1 -x2 -Ebene

- 207 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 Gleitlinientheorie 6.10

Einleitung

• Hauptnormalspannungen aus Spannungskreis


q
1 1 2
σI = (σ11 + σ22 ) − (σ11 − σ22 )2 + 4 σ12 = σm − k
2 2
q
1 1 2
σII = (σ11 + σ22 ) + (σ11 − σ22 )2 + 4 σ12 = σm + k
2 2

• maximale Schubspannung ist beim Tresca Fließkriterium die Schubfließgrenze


q
1 1 2
|τ |max = |σI − σII | = (σ11 − σ22 )2 + 4 σ12 =k
2 2

- 208 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 Gleitlinientheorie 6.10

Einleitung

→ beim ebenen plastischen Fließen haben alle Spannungskreise den Radius k

→ Mittelpunkt des Spannungskreises ist mittlere (hydrostatische) Spannung σm

→ Spannungszustand vollständig durch σm und Schubfließgrenze k beschrieben

→ Richtungen maximaler Schubspannung sind α und β

→ Tresca-Modell: Werkstoff gleitet in Richtung α bzw. β ab

- 209 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 Gleitlinientheorie 6.10

6.9.2 Spannungsbeziehungen
• Gleichgewichtsbedingungen in der x1 -x2 -Ebene (ohne Volumenkräfte)
σij,j = 0 i = 1, 2
• Fließkriterium nach Tresca
1
(σ11 − σ22 )2 + σ12
2
= k2
4
→ nach σ22 auflösen und nach x2 ableiten
q
2
σ22 = σ11 ± 2 k2 − σ12
2σ12
σ22,2 = σ11,2 ± p σ12,2
2
k2 − σ12
→ in die Gleichgewichtsbedingungen → partielles Differenzialgleichungssystem
σ11,1 + σ12,2 = 0
2σ12
σ21,1 + σ11,2 ± p σ12,2 = 0
2
k2 − σ12
→ zwei Gleichungen für zwei Unbekannte σ11 , σ12 = σ21

- 210 - Universität des Saarlandes


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6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 Gleitlinientheorie 6.10

Spannungsbeziehungen
→ 2 partielle hyperbolische Differenzialgleichungen
• auf Charakteristiken (Integralkurven) in gewöhnliche Differenzialgleichungen
überführen

x2 g(x1 )
• Charakteristiken:
einfach unendliche Schar von σ12(2)
Kurven in der x1 -x2 -Ebene

x2 = g(x1 ) σ12(1)

• Diese Kurven suchen wir jetzt!


(einfache nicht exakte
Herleitung)
x1
x1(1) x1(2)

- 211 - Universität des Saarlandes


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Spannungsbeziehungen
• totales Differenzial von σ12 (x1 , x2 )

dσ12 = σ12,1 dx1 + σ12,2 dx2


dσ12 dx2
→ = σ12,1 + σ12,2
dx1 dx1
• für Spannungspunkte der gesuchten Kurve x2 = g(x1 )
„ «
dσ12
= (σ12,1 )g = σ12,1 + σ12,2 g,1
dx1 g

→ gewöhnliche Ableitung σ12,1 auf g ausgedrückt durch


partielle Ableitung σ12,1 und σ12,2 g,1
• entsprechend findet man für σ11

(σ11,1 )g = σ11,1 + σ11,2 g,1

- 212 - Universität des Saarlandes


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Spannungsbeziehungen

→ im Differenzialgleichungssystem der Spannungen σ12,1 und σ11,1 ersetzen


→ Spannungsgleichungen auf den Kurven g

σ11,2 g,1 − σ12,2 = (σ11,1 )g


!
2σ12
σ11,2 − σ12,2 g,1 ± p 2
= −(σ12,1 )g
k2 − σ12
• σ11,2 und σ12,2 sind partielle Ableitungen
• (σ11,1 )g und (σ12,1 )g sind gewöhnliche Ableitungen auf Kurve g
→ lineares Gleichungssystem für σ11,2 und σ12,2
→ Lösung „ « „ «
σ11,2 D1
D =
σ12,2 D2

- 213 - Universität des Saarlandes


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Spannungsbeziehungen

• Lösung des Gleichungssystems für σ11,2 und σ12,2


„ « „ «
σ11,2 D1
D =
σ12,2 D2

mit Determinante der Koeffizientenmatrix


( )
2 2σ12
D= −g,1 ± g,1 p +1
2
k2 − σ12

und !
2σ12
D1 = −(σ11,1 )g g,1 ± p − (σ12,1 )g
2
k2 − σ12
D2 = −g,1 (σ12,1 )g − (σ11,1 )g

- 214 - Universität des Saarlandes


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Spannungsbeziehungen

• Lösung des Gleichungssystems für σ11,2 und σ12,2


„ « „ «
σ11,2 D1
D =
σ12,2 D2
• einfach unendliche Schar von Lösungen, wenn D = D1 = D2 = 0
• D = 0 liefert quadratische Gleichung für g,1 mit zwei Lösungen
±σ12 + k ±σ12 − k
(g,1 )1 = p 2
; (g,1 )2 = p 2
k2 − σ12 k2 − σ12
• die beiden Ableitungen beschreiben das Richtungsfeld der Charakteristiken

- 215 - Universität des Saarlandes


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Spannungsbeziehungen
• für die beiden Ableitungen ist das Produkt (g,1 )1 (g,1 )2 = −1
→ Charakteristiken verlaufen orthogonal zueinander
• Koordinatensystem in Richtung der Charakteristiken drehen
→ (g,1̄ )1 = 0 oder (g,1̄ )2 = 0

→ auf den Charakteristiken nimmt die Schubspannung Extremwerte an


σ1̄2̄ = ±k
• D2 = 0
−D2 = g,1 (σ12,1 )g + (σ11,1 )g = 0
→ mit g,1 " #
±σ12 ± k
(σ12,1 ) p 2
+ (σ11,1 ) =0
k2 − σ12 g

- 216 - Universität des Saarlandes


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Spannungsbeziehungen
• −D2 = 0 ist also identisch mit
" # "„ q « #
±σ12 ± k 2 σ 12
(σ12,1 ) p + (σ11,1 ) = σ11 ∓ k2 − σ12 ± k arcsin +C =0
2
k2 − σ12 k ,1 g
g
1
• Beweis durch Ableiten nach x1 mit (arcsin x)′ = √
1−x2
2 3
1
4(σ11,1 ) ∓ p−2σ 12 σ12,1 σ 12,1 1
± kq 5 = −D2 = 0
2 k2 − σ12 2 σ2 k
1 − k122
g

→ längs Charakteristiken gilt also


» q –
2 σ12
σ11 ∓ k2 − σ12 ± k arcsin = konst.
k g

• diese Gleichung beinhaltet Fließkriterium und Gleichgewicht


• gleiches Ergebnis liefert D1 = 0

- 217 - Universität des Saarlandes


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Spannungsbeziehungen
τ
β

σ11
(σ22 ) (σm ) σm σ22 σ
k
σ12 2φ
α

• Interpretation des Ergebnisses mit Mohrschem Spannungskreis


• Fließkriterium nach Tresca: Radius des Kreises gleich Schubfließgrenze k
• zwei Lösungen möglich: σ11 > σ22 und σ11 < σ22
• beide erfüllen Gleichgewichtsbedingung und Fließkriterium

- 218 - Universität des Saarlandes


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Spannungsbeziehungen
• wir nehmen an, dass σ11 < σ22 (rechter Kreis) → mittlere Spannung
q
2
σm = σ11 + k2 − σ12

→ Winkel φ einer Gleitlinienrichtung gegenüber der Bezugsachse x1


σ12 “π ”
= cos 2φ = sin − 2φ
k 2

→ Spannungsbeziehungen längs der Charakteristiken


σm − 2kφ = Cα längs einer α-Gleitlinie
σm + 2kφ = Cβ längs einer β-Gleitlinie

• Winkel φ = Richtung der α-Gleitlinie gegen x1 -Richtung (Gegenuhrzeigersinn)


• α- und β-Gleitlinien verlaufen zueinander orthogonal

- 219 - Universität des Saarlandes


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Zusammenfassung Spannungsbeziehungen

• Spannungsgleichungen stellen Gleichgewicht und Fließkriterium kompakt dar


• Gleitlinien sind orthogonale Kurven in Richtung der maximalen Schubspannung k
• im Tresca-Modell gleitet der Werkstoff entlang den Gleitlinien ab
• längs einer α-Gleitlinie ist die Differenz σm − 2kφ = Cα konstant
• längs einer β-Gleitlinie ist die Summe σm + 2kφ = Cβ konstant
• Konstanten Cα und Cβ können sich von Linie zu Linie einer Gleitlinienschar ändern
→ aus Spannungsrandbedingungen sind Cα und Cβ für jeden Randpunkt bestimmt
→ Konstruktion von Gleitlinienfeldern
→ Aussagen über Spannungszustand im Innern eines plastischen Körpers möglich

- 220 - Universität des Saarlandes


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6.9.3 Geometrische Eigenschaften von Gleitlinienfeldern

Gleitlinienfelder

• Gleichgewicht und Fließkriterium → Spannungsgleichungen

σm − 2kφ = Cαi

σm + 2kφ = Cβj
• geometrische Eigenschaften werden beschrieben durch
1. Satz von Hencky
2. Satz von Prandtl

- 221 - Universität des Saarlandes


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Satz von Hencky


Der Winkel der Tangenten zweier Gleitlinien der einen Schar in den Schnittpunkten mit
einer Gleitlinie der zweiten Schar ist von der Gleitlinie der zweiten Schar unabhängig.
x2

C α2
D
B α1
φD −φA A

φC −φB
β2
β1
φB

x1

- 222 - Universität des Saarlandes


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Satz von Hencky


• Beweis
längs α1 : σmA − 2kφA = σmB − 2kφB = Cα1
längs β1 : σmA + 2kφA = σmD + 2kφD = Cβ1
→ durch Subtraktion: σmD − σmB = 2k(2φA − φD − φB )

längs α2 : σmC − 2kφC = σmD − 2kφD = Cα2


längs β2 : σmC + 2kφC = σmB + 2kφB = Cβ2
→ durch Subtraktion: σmD − σmB = 2k(−2φC + φD + φB )
• Vergleich der beiden Spannungsdifferenzen liefert den Satz von Hencky
φD − φA = φC − φB
→ gilt für beide Kurvenscharen

(∆φ)α = konst.; (∆φ)β = konst.

- 223 - Universität des Saarlandes


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6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 Gleitlinientheorie 6.10

Satz von Prandtl

Längs einer Gleitlinie der einen Schar bilden die Krümmungsmittelpunkte der Gleitlinien
der anderen Schar eine Evolvente der Gleitlinie der ersten Schar.
• ohne Beweis

Sätze von Hencky und Prandtl → Konstruktion von Gleitlinienfeldern

- 224 - Universität des Saarlandes


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Gleitlinienfelder

• Gleitlinienfelder, bei denen eine Gleitlinie eine Gerade ist: z. B. α-Gleitlinie gerade
→ φ = konst. entlang der α-Linie
→ wegen (∆φ)α = konst. → ganze Schar der α-Linien besteht aus Geraden
• zwei Fälle möglich:
1. die Geraden sind parallel
2. die Geraden sind nicht parallel
1. α-Linien sind parallele Geraden
→ wegen der Orthogonalität sind dann auch die β-Gleitlinien parallel
→ wegen φ = konst. längs einer α-Linie ist dort auch σm = konst.
→ damit haben auch alle kreuzenden β-Linien σm = konst.
→ im ganzen Feld gilt σm = konst.
→ homogener Spannungszustand
→ Geradliniennetz

- 225 - Universität des Saarlandes


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Geradliniennetz
• Geradliniennetz (paralleles Gleitlinienfeld) ↔ homogener Spannungszustand

x2
β

x1

- 226 - Universität des Saarlandes


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zentrischer Fächer
2. α-Linien sind nicht parallele Geraden ↔ Fächer
→ auf jeder geraden α-Gleitlinie ist der Spannungszustand konstant
φ = konst. → σm = konst.
• zentrischer Fächer (Kreisbogenfächer): Leitkurve wird zu Punkt

x2
β • σm ist auf jeder geraden α-Gleitlinie
konstant, aber unterschiedlich
→ im Schnittpunkt O keine Aussage
über σm möglich
B α → Punkt O ist ein singulärer Punkt

A
φ
O

x1

- 227 - Universität des Saarlandes


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Hill−Tupper−Feld
x2

β
B

C
x1

A
α

• zwei symmetrisch angeordnete Kreisbögen (AC, CB) mit gleichem Radius


• Anwendung bei ebenen Umformvorgängen (Stauchen, Ziehen, Fließpressen, Walzen)
und in Bodenmechanik

- 228 - Universität des Saarlandes


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6.9.4 Kinematik im Gleitlinienfeld

• Das ebene plastische Fließen ist für k = konst. statisch bestimmt.


→ Spannungen können aus Gleichgewicht und Fließkriterium berechnet werden

• Der Spannungszustand lässt sich durch das Gleitlinienfeld beschreiben.


→ für jeden Punkt einer Gleitlinie ist k, φ und σm bekannt

→ betrachte Spannungskreis mit Gleitlinien

- 229 - Universität des Saarlandes


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Spannungskreis mit Gleitlinien


τ
β

β φ α
k 2φ
x2 φ
σ11
σm σ22 σ
x1
σ12 2φ k

α
• Gleitlinien sind um 45◦ gegen die Hauptachsen gedreht
• im Spannungskreis schließen α- und β-Gleitlinien einen Winkel von 180◦ ein
→ im Kontinuum stehen α- und β-Gleitlinien senkrecht aufeinander
• Spannungszustand liefert mit Fließregel die Formänderungsgeschwindigkeiten ε̇ij
→ Gleitlinienfeld bestimmt auch Formänderungsgeschwindigkeiten

- 230 - Universität des Saarlandes


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Dehnungs- und Gleitungsgeschwindigkeiten


• Fließregel nach v. Mises

ε̇ij = λ̇σij
• da σαβ = k extremal → die Normalspannung längs einer α-Linie oder β-Linie

σα = σβ = σm
• damit werden die Spannungsdeviatorkoordinaten längs der Gleitlinien

σα′ = σα − σm = 0, σβ′ = σβ − σm = 0

→ Fließregel

→ Dehnungsgeschwindigkeiten längs Gleitlinien verschwinden


ε̇α = 0 = ε̇β

→ Gleitungsgeschwindigkeit längs Gleitlinien wird maximal

- 231 - Universität des Saarlandes


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Kreuzungspunkt zweier Gleitlinien


β
x2
• Geschwindigkeiten in Richtung der
vβ v2
Koordinaten
φ
v1 = vα cos φ − vβ sin φ α
v2 = vα sin φ + vβ cos φ

φ
v1 x1
• Dehnungsgeschwindigkeiten (Kettenregel)
ε̇11 = v1,1 = vα,1 cos φ − φ,1 vα sin φ − vβ,1 sin φ − φ,1 vβ cos φ
ε̇22 = v2,2 = vα,2 sin φ + φ,2 vα cos φ + vβ,2 cos φ − φ,2 vβ sin φ
• Koordinaten in Richtung der Gleitlinien drehen
φ → 0, 1 → α, 2→β

- 232 - Universität des Saarlandes


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6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 Gleitlinientheorie 6.10

Geiringer−Gleichungen
• Dehnungsgeschwindigkeiten in Richtung der Gleitlinien
ε̇α = ε̇11 (φ = 0) = vα,α − φ,α vβ = 0
ε̇β = ε̇22 (φ = 0) = vβ,β + φ,β vα = 0
• in Inkrementen →

Geiringer−Gleichungen
dvα − dφ vβ = 0 längs einer α-Gleitlinie
dvβ + dφ vα = 0 längs einer β-Gleitlinie

• z.B. Geradliniennetz (Gleitlinienfeld aus parallelen Geraden) → dφ = 0


dvα = 0, dvβ = 0,
vα = kα , vβ = kβ
→ homogenes Geschwindigkeitsfeld und homogener Spannungszustand

- 233 - Universität des Saarlandes


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6.9.5 Ebenes Fließpressen


• ebenes Fließpressen mit 50 % Abnahme

C B

x2
φ O
vA = 2v ∗ vE = v ∗
A
x1 hA FS
O′ hE

C′ B′

• keine Reibung zwischen Aufnehmer und Werkstück


→ Gleitlinien gehen vom Rand und der Mittellinie unter 45◦ aus

- 234 - Universität des Saarlandes


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Ebenes Fließpressen mit 50 % Abnahme

• Lösung: Gleitlinienfeld aus zwei Kreisbogenfächern


• die zentrischen Fächer gehen von den singulären Punkten O und O′ aus
• der Werkstoff in diesen Fächern OAB und O′ AB ′ erfährt plastische Formänderung
• in den Dreiecken OBC und O′ B ′ C ′ ist der Werkstoff zwar plastifiziert aber starr
• rechts von BAB ′ und links von OAO′ ist der Werkstoff starr und nicht plastisch
• Gleitlinien OA, OB, AB sowie O′ A, O′ B ′ , AB ′ sind kinematische Unstetigkeitslinien
→ dort springt die Werkstoffgeschwindigkeit parallel zur Linie
• Gleitlinienfeld erfüllt auf dem Rand die Spannungsrandbedingungen
→ das Gleitlinienfeld ist statisch zulässig
• ist das Gleitlinienfeld auch kinematisch zulässig?
→ Geiringer-Gleichungen erfüllt?
→ betrachte nur oberen Fächer OAB

- 235 - Universität des Saarlandes


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Ebenes Fließpressen mit 50 % Abnahme: Kinematik in OAB


x2
B
β φ r
∗ cos
v
v∗
α
v ∗ sin φ
P

45 φ
O
x1
45◦

2v ∗

2v ∗
√ A
2v ∗

→ bei Standard-Gleitlinienfeld: nur die Berandung auf kinematische Zulässigkeit prüfen


→ prüfen, ob Geiringer-Gleichungen auf den Gleitlinien AB, OB und OA erfüllt sind

- 236 - Universität des Saarlandes


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Ebenes Fließpressen mit 50 % Abnahme


β-Gleitlinie AB
• Werkstoff kommt von rechts mit der Geschwindigkeit v ∗
• an Gleitlinie AB: Radialgeschwindigkeit stetig, Tangentialgeschwindigkeit unstetig
• auf der starren Seite (rechts (R)) der Gleitlinie gilt

(R) : vr = −v ∗ cos φ; vφ = v ∗ sin φ


• auf der linken (plastischen) Seite ist deshalb

(L) : vr = vα = −v ∗ cos φ; vφ = vβ = v ∗ sin φ + ∆vAB


• Gleitlinie AB ist Unstetigkeitslinie der Geschwindigkeit
→ Geschwindigkeitssprung ∆vAB
• konstanter Sprung in der Tangentialgeschwindigkeit
→ Abgleitung des Werkstoffs tangential zur Gleitlinie
→ Übergang von plastischen zu starren Zonen möglich
→ Geschwindigkeiten auf der plastischen Seite (L): kinematische Gleichungen prüfen

- 237 - Universität des Saarlandes


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Ebenes Fließpressen mit 50 % Abnahme

• Geiringer-Gleichung längs β-Gleitlinie AB

dvβ + vα dφ = 0

ist erfüllt (Gl. (L))

vβ = v ∗ sin φ + ∆vAB → dvβ = v ∗ cos φ dφ, vα dφ = −v ∗ cos φ dφ


• Werkstoff kann nicht in die starre Zone (Dreieck OBC) eindringen
→ bei B (φ = 45◦ ) muss vβ verschwinden

vβ (B) = 0 = v ∗ sin 45◦ + ∆vAB

→ tangentialer Geschwindigkeitssprung entlang AB



2
∆vAB = −v ∗ sin 45◦ = −v ∗
2

- 238 - Universität des Saarlandes


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Ebenes Fließpressen mit 50 % Abnahme

α-Gleitlinie OB (φ = 45◦ )
• auf der rechten (plastischen) Seite der Gleitlinie gilt

2
(R) : vr = vα = −v ∗ cos 45◦ = −v ∗
2
• φ und somit vα konstant → kinematische Bedingung für die α-Linie erfüllt

(R) : dvα − vβ dφ = 0 − 0 = 0
• auf der linken (starren) Seite der Gleitlinie befindet sich der Werkstoff in Ruhe
→ dead metal zone
(L) : vα = 0

2
→ vr = vα springt also entlang der α-Linie um ∆vOB = v ∗ 2
→ die Gleitlinien AB und OB sind also kinematisch zulässig

- 239 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 Gleitlinientheorie 6.10

Ebenes Fließpressen mit 50 % Abnahme

α-Gleitlinie OA
• ist auch zulässig (ohne Beweis)
→ bei Standard-Gleitlinienfeld nur die Berandung auf kinematische Zulässigkeit prüfen
→ gesamtes Gleitlinienfeld ist kinematisch zulässig

- 240 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 Gleitlinientheorie 6.10

Fließpresskraft
• jetzt: Fließpresskraft = notwendige Umformkraft bestimmen
• Symmetrie → nur obere Hälfte OABC
• beginne an Stelle, wo Spannung bekannt ist: austretender Strang
• links bei OA tritt der umgeformte Werkstoff kräftefrei aus
hZA /2

OA : σ11 dx2 = 0
0

Gleitlinie OA ist eine Gerade: φ = −45◦ = konst.


→ auf OA konstanter Spannungszustand


→ auf OA muss σ11 verschwinden
• Schubspannung hat auf Gleitlinie OA den Extremwert k und φ = −45◦

→ am austretenden Strang ist Schubspannung σ12 = 0


→ σ11 = 0 = σ12
→ σ11 , σ22 sind Hauptnormalspannungen

- 241 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 Gleitlinientheorie 6.10

Ebenes Fließpressen mit 50 % Abnahme


Spannungskreis für Punkte auf OA
σ12
β

x2 k
β
O
x1 (σ22 )
−φ=45 ◦
σ22 σm = −k σ11 (σm = k) σ11 , σ22
α −2φ=90◦

• gestrichelter Kreis liefert Zugspannungen → nicht möglich beim Fließpressen


• auf Linie OA ist die mittlere Spannung σm = −k konstant

- 242 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 Gleitlinientheorie 6.10

Ebenes Fließpressen mit 50 % Abnahme

→ auf OA ist
σm = −k, φ = −45◦
→ für beliebige β-Linie auf OA
π π
σm + 2k φ = −k + 2k(− ) = −(1 + )k = Cβ
4 2
• innerhalb des Fächers ist überall Cβ konstant
π
→ längs OB: φ= 4
→ mittlere Spannung
π π π
σm = Cβ − 2k φ = −(1 + )k − 2k φ = −(1 + )k − 2k = −(1 + π)k
2 2 4

- 243 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 Gleitlinientheorie 6.10

Ebenes Fließpressen mit 50 % Abnahme


Spannungskreis für Punkte auf OB

σ12
x2 B
β β α
φ=45◦

k x1
O

σ11 σm = −(1 + π)k σ22 σ11 , σ22

2φ=90◦

- 244 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 Gleitlinientheorie 6.10

Ebenes Fließpressen mit 50 % Abnahme


größte Kraft wirkt in Richtung der Stempelkraft

→ nur |σ11 | > |σ22 | physikalisch sinnvoll


→ Spannungszustand für Punkte auf OB
σ11 = σm − k = −(2 + π)k
σ22 = σm + k = −πk
Spannungszustand gilt im ganzen Gebiet OBC → homogener Spannungszustand

da Gleitlinienfeld = Geradliniennetz
• Anpressdruck auf OC

p0C = −σ11 = (2 + π)k


→ Fließpresskraft je Einheitsbreite
Fs = (2 + π)k(hE − hA )

→ mittlerer Stempeldruck (mit hE = 2hA )


Fs hE − hA π
ps = = (2 + π)k = k(1 + ) = 2,57k
hE hE 2

- 245 - Universität des Saarlandes


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6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 Gleitlinientheorie 6.10

6.9.6 Ebenes Ziehen durch konische Ziehdüsen

α A
B • Lösung aus Hill-Tupper-Feld
→ erfüllt
D C E Spannungsrandbedingungen
→ Reibungsfreiheit
hE α β hA → Gleitlinien treffen unter 45◦
F F auf die Ziehdüsenwand
→ Symmetrie
→ keine Schubspannung in
Richtung der Mittellinie
→ Gleitlinien treffen unter 45◦
auf Mittellinie

- 246 - Universität des Saarlandes


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6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 Gleitlinientheorie 6.10

Ebenes Ziehen durch konische Ziehdüsen

• A und B sind singuläre Punkte


→ Werkstückoberfläche hat dort Knicke
• Hill-Tupper-Feld für verschiedene Düsenneigungen und Dickenabnahmen anwendbar

- 247 - Universität des Saarlandes


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6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 Gleitlinientheorie 6.10

Ebenes Ziehen durch konische Ziehdüsen: mit Reibung

α A
B
D C
• Reibung zwischen Ziehdüse
E und Ziehgut berücksichtigen
hE β hA
α → Schubspannungen an der
F F Ziehdüsenwand
→ Gleitlinien treffen nicht mehr
unter 45◦ auf die
Kontaktfläche

- 248 - Universität des Saarlandes


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6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 Gleitlinientheorie 6.10

Umformzone beim Ziehen

• Umformzone: Gleitlinienfeld, dunkel


• sichtbar gemacht durch Ätzung
• einzelne Gleitlinien (Gleitbänder) im
nicht-plastischen Bereich (hell)

Umformzone beim Ziehen einer Stahlprobe


[ Lange, Umformtechnik ]

- 249 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Schrankenverfahren
• Formänderungsleistung
• Extremalprinzipe
• Schrankensätze
• Ebenes Fließpressen

- 250 - Universität des Saarlandes


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6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Schrankenverfahren
wir haben bisher gesehen:
→ die Lösung plastischer Probleme ist aufwendig, besonders bei räumlicher
Formänderung und Verfestigung
→ Entwicklung von Näherungsverfahren
→ z. B. zur Bestimmung von Schranken (Grenzen) der Belastung
→ z. B. Schrankenverfahren auf der Basis von Extremalprinzipen

• Schrankenverfahren:
- arbeiten mit einem geratenen Spannungs- oder Geschwindigkeitsfeld
- liefern damit eine untere und eine obere Schranke der Umformleistung
- die Lösung ist umso genauer, je geringer der Abstand zwischen den Schranken ist

→ untere Schranke: Bestimmung der Traglast eines Bauteils


→ es soll kein plastisches Fließen auftreten
→ obere Schranke: Bestimmung der Umformkräfte bei einem Umformvorgang
→ im Werkstück soll plastisches Fließen sicher auftreten

- 251 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

6.10.1 Formänderungsleistung

vA
x3 n
tA A

dA
x2
x1 V

• raumfestes Gebiet mit Volumen V und Oberfläche A


dA - Element der Oberfläche
n - Normaleneinheitsvektor
tA dA - Kraftvektor
vA - Geschwindigkeit des Werkstoffs durch das Oberflächenelement dA

- 252 - Universität des Saarlandes


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6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Formänderungsleistung
→ Oberflächenleistung auf dA

dP A = vA · tA dA
• in Indexschreibweise mit dem Cauchy-Theorem

ti = σij nj
• Oberflächenleistung für die gesamte Oberfläche
Z Z Z
P A = dP A = viA tA i dA = viA σij
A
nj dA
A A A

A
• σij - Koordinaten des Spannungstensors im Oberflächenelement dA
• Übergang ins Innere des Gebietes:
- Spannungszustand → σij
- Geschwindigkeitsfeld → vi

- 253 - Universität des Saarlandes


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6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Formänderungsleistung
• Übergang von Spannung und Geschwindigkeit auf der Oberfläche A stetig
A
σij = σij , vi = viA auf A
• Oberflächenintegral in Volumenintegral umwandeln
→ Gaußscher Integralsatz und Produktregel für Divergenz
Z Z Z
vi σij nj dA = (vi σij ),j dV = (vi,j σij + vi σij,j ) dV
A V V
• Gleichgewichtsbedingung σij,j + fi = 0 →
σij,j = −fi
• Symmetrie des Spannungstensors (σij = σji ) und Indexvertauschung
vi,j σij = vi,j σji = vj,i σij
• für den ersten Term in der Klammer
1 1
vi,j σij = (vi,j σij + vj,i σij ) = (vi,j + vj,i )σij = ε̇ij σij
2 2

- 254 - Universität des Saarlandes


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6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Formänderungsleistung
→ Oberflächenleistung
Z Z Z
PA = vi σij nj dA = ε̇ij σij dV − vi fi dV
A V V

• Spannungstensor σij durch Spannungsdeviator σij = σij − σm δij ersetzen
Z Z Z
P A = ε̇ij σij

dV + ε̇ii σm dV − vi fi dV
V V V
| {z } | {z }
PG PV

R
→ Leistung der Volumenkräfte vi fi dV
V

R
→ Formänderungsleistung ε̇ij σij dV
V
Formänderungsleistung = Gestaltänderungsleistung P G + Volumenänderungsleistung P V

- 255 - Universität des Saarlandes


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6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Formänderungsleistung

• jetzt: starr-plastischen Werkstoff betrachten


• Mises- und Tresca-Modell → Volumenkonstanz: ε̇ii = 0
→ Volumenänderungsleistung P V = 0
• isotrope Verfestigung

σij ε̇ij = kf ε̇v
ε̇v - Vergleichsformänderungsgeschwindigkeit

→ Leistungsbilanz
Z Z Z
vA · tA dA + v · f dV = kf ε̇v dV
A V V

Leistung der Oberflächenkräfte auf A und der Volumenkräfte in V =


Formänderungsleistung in V

- 256 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

6.10.2 Extremalprinzipe

Ein physikalischer Vorgang verläuft so, dass eine den Vorgang beschreibende Größe
stationär wird.

→ bei einer physikalisch zulässigen Veränderung (Variation) hat die beschreibende Größe
ein Minimum, ein Maximum oder einen Sattelpunkt

→ Extremalprinzipe beruhen oft auf Energie- bzw. Leistungsaussagen

→ Beispiel: Prinzip vom Minimum des Gesamtpotenzials

- 257 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Erstes Extremalprinzip

• gegeben: Volumen V mit der Oberfläche A


• Spannungsrandbedingungen sind gegeben auf Teiloberfläche Aσ
• Geschwindigkeitsrandbedingungen sind gegeben auf Teiloberfläche Av

• ein statisch zulässiges Spannungsfeld wird geraten: σij
• erfüllt Gleichgewicht und Fließkriterium in V
• erfüllt Spannungsrandbedingungen auf Aσ
• wahres unbekanntes Spannungsfeld: σij
• wahres unbekanntes Geschwindigkeitsfeld: vi

erstes Extremalprinzip (Axiom)


Z Z

Jσ = vi σij nj dA ≥ ∗
vi σij nj dA = J σ
Av Av

- 258 - Universität des Saarlandes


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6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Erstes Extremalprinzip

Z Z

Jσ = vi σij nj dA ≥ ∗
vi σij nj dA = J σ
Av Av

von allen statisch zulässigen Spannungsfeldern σij macht das wahre Spannungsfeld σij

σ v
das Funktional J (Oberflächenleistung auf A ) zu einem Maximum

→ kann als Fundamentalsatz in der allgemeinen Form nicht bewiesen werden


→ Beweis nur möglich, wenn
• A = Aσ ∪ Av gilt
• Volumenkräfte vernachlässigbar sind fi = 0
• die Normalitätsregel gilt

- 259 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Erstes Extremalprinzip: Beweis


• Oberflächenleistung für das wahre Spannungsfeld σij
Z Z Z Z
vi σij nj dA = vi σij nj dA + vi σij nj dA = ε̇ij σij dV
A Aσ Av V


• Oberflächenleistung für das zulässige Spannungsfeld σij
Z Z Z Z
∗ ∗ ∗ ∗
vi σij nj dA = vi σij nj dA + vi σij nj dA = ε̇ij σij dV
A Aσ Av V

σ ∗
• Spannungsrandbedingungen auf A : σij = σij
• erste Gleichung minus zweite Gleichung →
Z Z
∗ ∗
vi (σij − σij )nj dA = ε̇ij (σij − σij ) dV
Av V

- 260 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Erstes Extremalprinzip: Beweis


dε • wahrer Spannungsvektor σ
• statisch zulässiger Spannungsvektor σ ∗
• beide erfüllen Fließkriterium
σ∗ → beide enden auf Fließfläche F

σ σ • für konvexe Fließfläche ist Winkel zwischen
Vektor (σ ∗ − σ) und Formänderungsinkrement
F dε immer größer 90◦ (Normalitätsregel)
σ∗
→ dann gilt für das Skalarprodukt

dε · (σ ∗ − σ) ≤ 0 → ∗
ε̇ij (σij − σij )≥0

→ erstes Extremalprinzip Z

vi (σij − σij )nj dA ≥ 0
Av

- 261 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Zweites Extremalprinzip
• Volumen V mit der Oberfläche A
• vorgegebenen Randspannungen tA auf Teiloberfläche Aσ
• kinematisch zulässige Geschwindigkeiten werden geraten: vi∗
• erfüllen Geschwindigkeitsrandbedingungen auf Av
• → kinematisch zulässige Formänderungsgeschwindigkeiten: ε̇∗ij
• unbekannte wahre Geschwindigkeiten: vi
• unbekannte wahre Formänderungsgeschwindigkeiten: ε̇ij

zweites Extremalprinzip (Axiom)


Z Z Z
Jv = kf ε̇v dV + σm ε̇ii dV − tA · v dA ≤
V V Aσ
Z Z Z

kf ε̇∗v dV + σm ε̇∗ii dV − tA · v∗ dA = Jv
V V Aσ

- 262 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Zweites Extremalprinzip

Z Z Z
Jv = kf ε̇v dV + σm ε̇ii dV − tA · v dA ≤
V V Aσ
Z Z Z

kf ε̇∗v dV + σm ε̇∗ii dV − tA · v∗ dA = Jv
V V Aσ

von allen kinematisch zulässigen Geschwindigkeitsfeldern vi∗ macht das wahre



Geschwindigkeitsfeld vi das Funktional J v zu einem Minimum

J v = plastische Formänderungsleistung – Oberflächenleistung der Randspannungen

- 263 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Zweites Extremalprinzip: Beweis


• Beweis möglich für v. Mises-Modell mit A = Aσ und fi = 0
→ plastische Volumenkonstanz: ε̇ii = 0
→ Volumenkonstanz bei kinematischer Zulässigkeit: ε̇∗ii = 0
→ Differenz
Z Z

Jv − Jv = kf (ε̇v − ε̇∗v ) dV − (vi − vi∗ )σij nj dA
V A=Aσ

→ mit Oberflächenleistung
Z Z
− (vi − vi∗ )σij nj dA = − (kf ε̇v − σij
′ ∗
ε̇ij ) dV
A=Aσ V

→ also Z

Jv − Jv = ′ ∗
(σij ε̇ij − kf ε̇∗v ) dV
V

- 264 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Zweites Extremalprinzip: Beweis


q q
3
→ mit Fließkriterium nach v. Mises: kf = 2
σij

σij

und
q p
Vergleichsdehnungsgeschwindigkeit nach v. Mises ε̇v = 23 ε̇∗ij ε̇∗ij

→ Z “ q q ”

Jv − Jv = ′ ∗
σij ε̇ij − σij

σij

ε̇∗ij ε̇∗ij dV
V

→ nach Schwarzscher Ungleichung ist


q q
′ ∗
σij ε̇ij ≤ σij

σij

ε̇∗ij ε̇∗ij

→ zweites Extremalprinzip
∗ ∗
→ Jv − Jv ≤ 0 → Jv ≥ Jv

Achtung: Extremalprinzipe setzen ein stetiges Geschwindigkeitsfeld voraus

- 265 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

6.10.3 Schrankensätze

Schrankensätze beruhen auf den beiden Extremalprinzipen

Schrankensätze liefern eine untere bzw. obere Schranke der Umformleistung

- 266 - Universität des Saarlandes


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6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Untere Schranke

• das erste Extremalprinzip lautete


Z Z

vi σij nj dA ≥ vi σij nj dA
Av Av

→ auf Oberfläche Aσ gilt Spannungsrandbedingung σij



= σij
→ addiere auf beiden Seiten die Oberflächenleistung auf Aσ
Z Z

vi σij nj dA = vi σij nj dA
Aσ Aσ

Z Z

→ PA = vi σij nj dA ≥ ∗
vi σij nj dA = P A
A A

- 267 - Universität des Saarlandes


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6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Untere Schranke

Z Z

PA = vi σij nj dA ≥ ∗
vi σij nj dA = P A
A A

die wahre Oberflächenleistung P ist größer oder gleich der Oberflächenleistung P A
A

eines statisch zulässigen Spannungsfeldes

σij - wahre Spannungen


vi - wahre Geschwindigkeiten

σij - statisch zulässige Spannungen

- 268 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Obere Schranke
• wir beschränken uns auf inkompressiblen Werkstoff: ε̇ii = 0
• ohne Volumenkräfte: fi = 0
• das zweite Extremalprinzip lautet dann
Z Z Z Z
kf ε̇v dV − tA · v dA ≤ kf ε̇∗v dV − tA · v∗ dA
V Aσ V Aσ
v
→ auf Oberfläche A gelten kinematische Randbedingungen v∗ = v
→ subtrahiere auf beiden Seiten die Oberflächenleistung auf Av
Z Z
tA · v dA = tA · v∗ dA
Av Av

→ mit der Leistungsbilanz


Z Z Z Z
0 = kf ε̇v dV − tA · v dA ≤ kf ε̇∗v dV − tA · v∗ dA
V A V A

- 269 - Universität des Saarlandes


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6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Obere Schranke

Z Z
→ kf ε̇∗v dV ≥ tA · v∗ dA
V A

die Formänderungsleistung aus einem kinematisch zulässigen Geschwindigkeitsfeld ist


gleich oder größer als die Oberflächenleistung aus einem kinematisch zulässigen
Geschwindigkeitsfeld

kf - Formänderungsfestigkeit
tA - Spannungen auf der Oberfläche A
v∗ - kinematisch zulässige Geschwindigkeiten

- 270 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Obere Schranke

• Volumen besteht aus Teilvolumen


∆Vm
∆Vm
• mit Scherflächen
∆v1∗ ∆vn∗ = Grenzflächen ∆Asn mit
∆V1
Geschwindigkeitssprüngen ∆vn∗
→ zusätzlich Scherleistung
∆Asn
∆As1 berücksichtigen

X Z X Z Z
→ kf ε̇∗v dVm + k|∆vn∗ | dAsn ≥ tA · v∗ dA
m n
∆Vm ∆Asn A

- 271 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Anwendung der Schrankensätze

• Anwendung der Schrankensätze setzt voraus


• Kenntnis des plastischen Gebietes
• Kenntnis der Formänderungsfestigkeit
• Kenntnis der Randbedingungen

• Problem: plastisches Gebiet meistens unbekannt

→ geeignete Annahmen treffen


• Vorgabe (Raten) des plastischen Gebietes
• Rechnen mit einer mittleren (konstanten) Formänderungsfestigkeit
• Reibungsfreiheit oder Scherflächen am Rand

• zum Schluß: Anwendungsbeispiel ebenes Fließpressen mit 50 % Reduktion


→ analytische Lösung nach Gleitlinientheorie: s. Kap. 6.9.5

- 272 - Universität des Saarlandes


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1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

6.10.4 Ebenes Fließpressen

C D • reibungsfreies ebenes Fließpressen

B
II
E
• Leistungen und Kräfte auf
Einheitsbreite bezogen
x2 A I F vE FS • konstante Formänderungsfestigkeit:
hA x1
hE kf = konst., k = konst.
• Symmetrie:
nur obere Hälfte betrachten
• gesucht:
Schranken für die Stempelkraft FS
L
LS

- 273 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Ebenes Fließpressen: untere Schranke

C D
B II
E
• wähle einfache plastische Zone ACDF
x2 A aus zwei Rechtecken I und II
F I
vE FS
hA x1 • wähle je ein statisch zulässiges
hE
Spannungsfeld
- einfachster Ansatz:
konstantes (homogenes) Spannungsfeld
L
LS

- 274 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Ebenes Fließpressen: untere Schranke

• plastische Zone I

C D I
→ auf AB ist σ11 = 0 (spannungsfrei)
II
B E I
→ auf AF ist σ21 = 0 (Symmetrie)
x2 A I F vE FS
I
hA x1 → auf AB ist σ12 = 0
hE
(konstantes Spannungsfeld)
→ Richtung x1 ist Hauptspannungsrichtung
I
→ Hauptnormalspannung σ11 = 0
L I
LS → σ22 ebenfalls Hauptnormalspannung

- 275 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Ebenes Fließpressen: untere Schranke

σ12
• plastische Zone I

I I
II I → σ11 = σ12 = 0
→ Mohrscher Kreis:
Radius = k
−3k −k σ11 , σ22
II II II II I I I I
σ11 , σ12 σ22 , σ21 σ22 , σ21 σ11 , σ12 → in Richtung x2 nur Druck
I
→ σ22 = −2k

−4k −2k
→ Beim Übergang in das Gebiet II muß die Normalspannung σ22 stetig sein

- 276 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Ebenes Fließpressen: untere Schranke

C D • plastische Zone II
II
B E II II
→ σ11 , σ22 Hauptnormalspannungen
x2 A I F vE FS
II I
hA x1 → σ22 = σ22 = −2k
hE
II
→ Spannungskreis: σ11 = −4k

→ statisch zulässiges Spannungsfeld σij
gefunden
L
LS

- 277 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Ebenes Fließpressen: untere Schranke


Satz von der unteren Schranke
wahre Oberflächenleistung ≥ Oberflächenleistung von statisch zulässigem Spannungsfeld

Z Z

vi σij nj dA ≤ vi σij nj dA
A A

• Oberflächenleistung nur auf ED, sonst: σij = 0 oder vi = 0


Z ZD
∗ II
vi σij nj dA = 2 v1 σ11 dA = (−vE )(−4k)(hE −hA ) = 4k(hE −hA ) vE = FS∗ vE
A E

→ Stempelkraft je Einheitsbreite
FS∗ = 4k(hE − hA )
→ Stempeldruck
FS∗
p∗S = ≤ pS
hE

- 278 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Ebenes Fließpressen: untere Schranke

untere Schranke des Stempeldrucks


hE − hA
4k ≤ pS
hE

• gefunden mit einfachstem statisch zulässigen Spannungsfeld


• Lösung hängt nicht von der Länge L der plastischen Zone ab

- 279 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Ebenes Fließpressen: obere Schranke

C D
II
B E
x2 A I F vE FS
• suche kinematisch zulässige Geschwindigkeit
hA x1 - einfachster Ansatz:
hE
lineare Geschwindigkeitsfelder in I und II
→ Dehnungsgeschwindigkeiten konstant

L
LS

- 280 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Ebenes Fließpressen: obere Schranke

• kinematische Randbedingungen
C D
II DEF : v1∗ = −vE
B E
x2 A I F vE FS CD : v2∗ = 0
hA x1 BC : v1∗ = 0
hE
hE
AB : v1∗ = −vE Volumenkonst.
hA
AF : v2∗ = 0 Symmetrie
L BE : v2
∗ II
= v2
∗ I
stetig
LS

- 281 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Ebenes Fließpressen: obere Schranke

kinematisch zulässige Geschwindigkeit in II

C D
∗ II vE
B II
E v1 =− x1
L
x2 A I F vE FS
hA x1
hE • Ansatz erfüllt Randbedingungen
∗ II
BC (x1 = 0) : v1 =0
∗ II
L DE (x1 = L) : v1 = −vE
LS

- 282 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Ebenes Fließpressen: obere Schranke


• plastische Volumenkonstanz bei ebenem Fließen
∗ II ∗ II
ε̇ii = v1,1 + v2,2 = 0
vE ∗ II
→ − + v2,2 = 0
L
∗ II vE
→ dv2 = dx2
L
∗ II vE
→ v2 = x 2 + C1
L
hE
• Randbedingung auf CD (x2 = 2
)

∗ II vE hE vE hE
v2 =0= + C1 → C1 = −
L 2 L 2
„ «
∗ II vE hE
→ v2 =− − x2
L 2

- 283 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Ebenes Fließpressen: obere Schranke

kinematisch zulässige Geschwindigkeit in I

C D
hE
II ∗ I hE 1 − hA
B E v1 = −vE − vE x1
x2 A I F hA L
vE FS
hA x1
hE
• Ansatz erfüllt Randbedingungen
∗ I
AB (x1 = 0) : v1 = −vE hhA
E

∗ I
L EF (x1 = L) : v1 = −vE
LS

- 284 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Ebenes Fließpressen: obere Schranke


• plastische Volumenkonstanz
∗ I ∗ I
→ ε̇ii = v1,1 + v2,2 = 0
hE
1− hA ∗ I
→ −vE + v2,2 = 0
L
„ «
∗ I vE hE
→ dv2 = 1− dx2
L hA
„ «
∗ I vE hE
v2 = 1− x 2 + C2
L hA
• Symmetrie auf AF (x2 = 0)
∗ I
v2 = 0 = 0 + C2 → C2 = 0
„ «
∗ I vE hE
→ v2 =− − 1 x2
L hA

- 285 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Ebenes Fließpressen: obere Schranke

hA
• Übergangsbedingung auf BE (x2 = 2
) ist erfüllt
„ « „ «
∗ I vE hE hA ! vE hE hA ∗ II
v2 =− −1 =− − = v2
L hA 2 L 2 2

Scherflächen
• dort haben die Tangentialgeschwindigkeiten unterschiedliche Werte
• treten zwischen plastischen Bereichen auf und
• treten zwischen starren und plastischen Bereichen auf
• bei unserem Beispiel: 4 Scherflächen

- 286 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Ebenes Fließpressen: obere Schranke


• DE: plastisch|starr
„ «
∗ ∗ II vE hE
∆vDE = |v2 |= − x2
L 2
C D • EF: plastisch|starr
II
B E „ «
x2 A I F ∗ ∗ I vE hE
vE FS ∆vEF = |v2 |= − 1 x2
hA x1 L hA
hE
• BE: plastisch|plastisch

∗ ∗ II ∗ I hE “ x1 ”
∆vBE = |v1 − v1 | = vE 1−
hA L
L
LS • AB: starr|plastisch
„ «
∗ ∗ I vE hE
∆vAB = |v2 |= − 1 x2
L hA

- 287 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Ebenes Fließpressen: obere Schranke

Vergleichsformänderungsgeschwindigkeiten
• Tresca-Modell
• ebene Formänderung: ε̇∗33 = 0
• Volumenkonstanz: ε̇∗11 = −ε̇∗22
• Bereich I
I ∗ I ∗ I ∗ I
ε̇∗v = |ε̇11 | = |ε̇22 | = |v2,2 |
„ «
I vE hE
ε̇∗v = − 1 = konst.
L hA
• Bereich II
II vE
ε̇∗v = = konst.
L

- 288 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Ebenes Fließpressen: obere Schranke

Satz von der oberen Schranke


II
X Z 4
X Z Z
P∗ = kf ε̇∗v dVm + k|∆vn∗ | dAsn ≥ tA · v∗ dA
m=I∆V n=1∆A A
m sn

• hier: 2 Teilgebiete und 4 Scherflächen


• Tresca: kf = 2k → ersetze kf

- 289 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Ebenes Fließpressen: obere Schranke


linke Seite der oberen Schranke
0 1
II
X Z
vE B„ h « C
B E h h − hA C
kf ε̇∗v dVm = |{z}
2k B − 1 L A +L E C
m=I∆V
L @ hA | {z2 } | {z2 }A
m
kf
V I V II

4
X Z
k|∆vn∗ | dAsn =
n=1
∆Asn
8 9
>
> >
>
>
> hE hA >
>
> ZL >
< Z2 „
> « Z2 „ « >
=
vE hE hE hE
k − x2 dx2 + 2 − 1 x2 dx2 + (L − x1 ) dx1
L >> 2 hA hA >
>
>
>hA 0 0 >
>
:|2
> | {z } | {z }>>
>
;
{z } EF, AB BE
DE

- 290 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Ebenes Fließpressen: obere Schranke


linke Seite der oberen Schranke
„ «
h2E − h2A 1 hE
P ∗ = 2k vE (hE − hA ) + k vE + L
8L 2 hA

• P ∗ = Leistung je Einheitsbreite im Werkstück,


berechnet aus Schubfließgrenze k und kinematisch zulässiger Geschwindigkeit v∗
• Länge L der plastischen Zone stellt sich so ein, dass P ∗ minimal wird (Annahme)
˛
∂P ∗ ˛˛
P ∗ → M in. → =0
∂L ˛ L=Lopt

→ die optimale Länge


r
1 hA 2
Lopt = (h − h2A ) für LS > Lopt
2 hE E
→ Leistung !
r
∗ 1 hE 2
Popt = vE k 2(hE − hA ) + (h − h2A )
2 hA E

- 291 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Ebenes Fließpressen: obere Schranke


rechte Seite der oberen Schranke
Z
1
tA · v∗ dA = FS vE
2
A

• Oberflächenleistung = Stempelleistung, da keine Reibung am Rand


• FS = Stempelkraft je Einheitsbreite
1

2
, da nur die obere Hälfte betrachtet wurde
• v∗ erfüllt kinematische Randbedingung auf dem Stempel (s. o.)
→ Satz von der oberen Schranke
( r )
∗ 1 hE 2 1
Popt = vE k 2(hE − hA ) + (h − h2A ) ≥ FS vE
2 hA E 2

→ dividieren durch vE h2E

- 292 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik
1 Einleitung 2 Spannungen 3 Kinematik 4 Elastizität 5 Festigkeitshypothesen 6 Plastizität
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 Schrankenverfahren

Ebenes Fließpressen
obere Schranke für den Stempeldruck
( r )
k hE 2 FS
4(hE − hA ) + (h − h2A ) ≥ = pS
hE hA E hE

Schranken für den Stempeldruck bei 50% Abnahme ( hE = 2hA )


3,23k ≥ pS ≥ 2k

Gleitlinienlösung
pS = 2k 1,285 = 2,57k

• die Einschrankung nicht besonders gut, weil


• einfachstes statisch zulässiges Spannungsfeld für untere Schranke gewählt
• einfachstes kinematisch zulässiges Geschwindigkeitsfeld für obere Schranke gewählt

- 293 - Universität des Saarlandes


Lehrstuhl für Technische Mechanik

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