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Technische Mechanik I

– Statik

Studiengang Allgemeiner Maschinenbau

Wintersemester 2021/2022
© Prof. Dr.-Ing. Florian Wegmann
Literatur
[GHSW] Gross, D.; Hauger, W.; Schröder, J.; Wall, W. A.: Technische Mechanik, Band 1: Statik.
14. Auflage. Berlin: Springer 2019.
[HKWW] Hauger, W.; Krempaszky, C.; Wall, W. A.; Werner, E.: Aufgaben zu Technische Mechanik
1-3: Statik, Elastostatik, Kinetik. 10. Auflage. Berlin: Springer Vieweg 2020.
[GEWSM] Gross, D.; Ehlers, W.; Wriggers, P.; Schröder, J.; Müller, R.: Statics – Formulas and
Problems. Engineering Mechanics 1. Berlin: Springer 2017.
[Hib] Hibbeler, R.C.: Technische Mechanik 1: Statik. 12. Auflage. München: Pearson 2012.
[RH] Romberg, O.; Hinrichs, N.: Keine Panik vor Mechanik! 9. Auflage. Wiesbaden: Springer
Vieweg 2020.
 … es gibt zahlreiche weitere Bücher zur Technische Mechanik!

[ARBW] Angermann, A.; Rau, M.; Beuschel, M.; Wohlfarth, U.: MATLAB® – SIMULINK® –
STATEFLOW®, Grundlagen, Toolboxen, Beispiele. 9. Auflage. Berlin: de Gruyter 2017.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 2


Gliederung
1. Grundlagen
2. Gleichgewicht in der Ebene –
die anschauliche Methode
3. Gleichgewicht im Raum –
mit Vektoren
4. Fachwerke
5. Schwerpunkt
6. Schnittgrößen
7. Reibung

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 3


Gliederung
1. Grundlagen 1.1 Hinweise zum Umgang mit Literatur
2. Gleichgewicht in der Ebene – 1.2 Ein allererstes Beispiel
die anschauliche Methode
1.3 Kräfte
3. Gleichgewicht im Raum –
mit Vektoren 1.4 Freischneiden

4. Fachwerke 1.5 Gleichgewicht

5. Schwerpunkt 1.6 Maßeinheiten

6. Schnittgrößen 1.7 Nummerische Berechnungen

7. Reibung 1.8 Lösung technischer Fragestellungen


1.9 Technische Mechanik – ein Überblick

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1. Grundlagen

1.1 Hinweise zum Umgang mit Literatur


• Vorbemerkung: Was bedeutet „studieren“? Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Studium:
 lateinisch: studere = [nach etwas] streben, sich [um etwas] bemühen
 „Ein Studium besteht unter anderem aus dem Besuch von
• Vorlesungen, ergänzt durch
• Übungen …
• Seminare …
• Praktika

und aus dem Selbststudium.“


 Vorlesungen nach- und vorbereiten
 nach ergänzenden Erläuterungen in der Literatur suchen
 Aufgaben selbst rechnen

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 5


1. Grundlagen

1.1 Hinweise zum Umgang mit Literatur


• Was können Sie zu Hause tun, um den Stoff nach- und vorzubereiten?
 Die entsprechenden Seiten der vorliegenden Präsentation lesen und sich überlegen, ob Sie das, was da
steht, auch wirklich verstanden haben.
 Ergänzend in der Literatur nachlesen (gerne auch Youtube-Videos schauen, aber nicht nur!):
• Erläuterungen suchen zu dem, was Sie noch nicht verstanden haben
• Wissen aus dieser Präsentation vertiefen und ergänzen
• Achtung: Der Aufbau ist in jedem Buch anders. Da müssen Sie schon auch mal ein wenig suchen, hin- und
herspringen und akzeptieren, dass im Buch schon etwas vorausgesetzt wird, was Sie noch nicht kennen.
 Und das Allerwichtigste: selbst rechnen!
• Übungsblätter
• Weitere Aufgaben aus Büchern zur Technischen Mechanik

„Es gibt wohl kaum ein Grundlagenfach der Ingenieurwissenschaften, bei dem man durch das Gefühl, die Theorie
verstanden zu haben, so ge- und enttäuscht wird wie in der Mechanik, wenn es darum geht, praktische Aufgaben zu lösen.“

([RH] S. 161, Zitat aus Pestel, E.: Technische Mechanik, Band 3: Kinematik und Kinetik. Mannheim: BI Verlag 1988)

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 6


1. Grundlagen

1.2 Ein allererstes Beispiel


Beispiel 1:
An einem Kran hängt eine Last
der Masse mL = 600 kg. Wie groß
ist die maximale Kraft im Seil?
Das homogene Seil hat die
Länge l = 8 m und ist aus Stahl
(Dichte ρ = 7850 kg/m3).
Vereinfachend wird
angenommen, dass das Seil
einen Kreisquerschnitt mit dem
Durchmesser d = 20 mm hat.

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1. Grundlagen

1.3 Kräfte
• Kraft:
physikalische Größe, die Bewegungen und Verformungen (Deformationen) verursachen kann

• Eigenschaften einer Kraft:


 Betrag: Größe der wirkenden Kraft
𝐹𝐹⃗
kg ⋅ m
Einheit: N =
s2
 Richtung  Wirkungslinie und Richtungssinn
 Angriffspunkt  Die Kraft ist „gebunden“.

 Die Kraft ist ein „gebundener Vektor“.

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1. Grundlagen

1.3 Kräfte
• Verschieben einer Kraft Starrer Körper
 Eine Kraft kann bei starren Körpern F F
(Idealisierung!) beliebig entlang ihrer
Wirkungslinie verschoben werden.

 Bei deformierbaren Körpern führen Deformierbarer Körper


unterschiedliche Kraftangriffspunkte zu F F
unterschiedlichen Verformungen des
Körpers.

 Eine Kraft kann jedoch nicht parallel zu


ihrer Wirkungslinie verschoben werden, G G
ohne das Systemverhalten zu verändern:
• Links: System ist im Gleichgewicht
• Rechts: Körper wird sich drehen
F F

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1. Grundlagen

1.3 Kräfte
S Zum Quiz
• Gewichtskraft eines Körpers
G
 aus dem Newton‘schen Gravitationsgesetz:
Anziehungskraft zwischen zwei Körpern mit
den Massen m1 und m2 und dem Abstand r
 Betrag der Gewichtskraft (homogene Körper):
zueinander:
𝑚𝑚1 ⋅ 𝑚𝑚2 𝐺𝐺 = 𝑚𝑚 ⋅ 𝑔𝑔
𝐹𝐹 = 𝑐𝑐𝐺𝐺
𝑟𝑟 2 • Masse: physikalische Größe, die angibt, wie leicht
oder schwer bzw. wie träge ein Körper ist:
 allgemeine Gravitationskonstante:
m3 𝑚𝑚 = 𝜌𝜌 ⋅ 𝑉𝑉
𝑐𝑐𝐺𝐺 = 66.73 ⋅ 10 −12
kg ⋅ s2 • Dichte: Materialkennwert, der angibt, wie viel
Masse ein Material pro Volumeneinheit hat,
 Erdbeschleunigung am „Normalort“ (auf
kg
Höhe des Meeresspiegels und 45° Breite) z.B. Stahl: 𝜌𝜌 = 7850 3
mit der Masse m1 und dem Radius r der m
Erde):  Wirkungslinie in Richtung Erdmittelpunkt
𝑚𝑚1 m m
𝑔𝑔 = 𝑐𝑐𝐺𝐺 2 = 9.80665 2 ≈ 9.81 2  Kraftangriffspunkt: Schwerpunkt eines Körpers
𝑟𝑟 s s
 Vereinfachung: die über das Volumen verteilte
Gewichtskraft wird auf eine Einzelkraft reduziert.
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1. Grundlagen

1.3 Kräfte
• Einteilung der Kräfte bezüglich der Kraftausdehnung
 Einzelkraft
• gekennzeichnet durch Wirkungslinie und Angriffspunkt (Idealisierung!)
• Beispiel: Belastung eines Körpers über dünnen Faden oder Nadelspitze
• Verwendung in der Starrkörperstatik z.B. zur Berechnung von Lagerkräften
 Linienkraft
• Streckenlast, entlang einer Linie kontinuierlich verteilt (Idealisierung)
• Beispiel: Belastung eines Körpers über schmale Schneide
 Flächenkraft
• kontinuierlich auf einer Fläche verteilt
• treten in der Berührungsfläche zweier Körper auf
• Beispiele: Wasserdruck auf Staumauer, Schnee auf Dach, Windlast an Gebäude
 Volumenkraft
• kontinuierlich über das Volumen eines Körpers verteilt
• Beispiele: Gewicht, Zentrifugalkraft, elektrische und magnetische Kräfte

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1. Grundlagen

1.3 Kräfte
• Einteilung der Kräfte bezüglich der Ursache der Kraft
 eingeprägte oder aktive (antreibende) Kraft
• eine Kraft, die einen Körper in Bewegung versetzen will
• physikalisch vorgegebene Kraft, über ein physikalisches Gesetz definierbar
• Beispiele: Gewicht, Windlast, Schneelast, Federkraft, magnetische Kraft …
• in unseren ersten Beispiel: die Gewichtskraft der Last am Kran
 Reaktionskraft
• eine Kraft, die eine Bewegung verhindern will
• Zwangskraft, die durch Einschränkung der Bewegungsfreiheit entstehen (Bindungen)
• Beispiele: Lagerkraft, Gelenkkraft
• in unserem ersten Beispiel: die Seilkraft, die das Herunterfallen der Last verhindert

 Reaktionskräfte kann man nur ermitteln, indem man die Bindungen in Gedanken löst und durch die darin
wirkenden Kräfte ersetzt  Freischneiden!

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1. Grundlagen

1.4 Freischneiden
• Damit man Reaktionskräfte berechnen kann, muss man sie „freilegen“
oder „freischneiden“.
• „Freischneiden“ = Trennen eines Teilsystems von seinen Bindungen mit
der Umgebung durch einen geschlossenen Schnitt und Eintragen aller an
den Schnittstellen auftretenden Kräfte G
 Man erhält ein „Freikörperbild“ oder eine „Freischnittskizze“.
• Grundlage hierfür ist das Schnittprinzip (Leonhard Euler, 1707 – 1783),
das davon ausgeht, dass die mechanischen Gesetze nicht nur für das
Gesamtsystem, sondern auch für Teile des Systems gelten, z.B. im Falle
des Gleichgewichts: Befindet sich ein mechanisches System im F
Gleichgewicht, dann ist auch jedes herausgeschnittene Teilsystem im F
Gleichgewicht, wenn man die Wirkung aller an ihm angreifenden Kräfte
berücksichtigt – einschließlich der Reaktionskräfte an den Schnittstellen.
G
• Außerdem gilt das Wechselwirkungsgesetz (Isaac Newton, 1643 – 1727):
Wenn zwei Körper (oder Teile eines Körpers) Kräfte aufeinander
ausüben, dann sind diese Kräfte gleich groß, entgegengesetzt gerichtet
und liegen auf der gleichen Wirkungslinie („actio = reactio“).
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1. Grundlagen

1.5 Gleichgewicht
• Wenn ein Körper im Gleichgewicht ist, dann ändert er seinen Bewegungszustand nicht, d.h.
 er bleibt in Ruhe, wenn er in Ruhe ist bzw.
 er behält seine Geschwindigkeit bei, wenn er in einer Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit ist.
• Ein Körper ist genau dann im Gleichgewicht, wenn sich die Wirkungen aller an ihm angreifenden
Kräfte aufheben.
• Mathematisch wird dieser Sachverhalt durch die Gleichgewichtsbedingungen beschrieben, die
wir später ausführlich behandeln werden.
• Im Beispiel rechts führt das Gleichgewicht auf:
𝐹𝐹 − 𝐺𝐺 = 0 F
Der Apfel kann also nur im Gleichgewicht sein, wenn gilt:
G
𝐹𝐹 = 𝐺𝐺

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1. Grundlagen

1.6 Maßeinheiten Hinweis: In dieser Präsentation wird


wie in allen anderen Unterlagen zu
dieser Vorlesung (auch in der
• Grundgrößen in der Mechanik: Länge, Zeit und Masse Aufgabenstellung zur Prüfung!) als
Dezimaltrennzeichen ein Punkt (kein
• Davon abgeleitete Größe: Kraft Komma) verwendet
• Alle anderen physikalischen Größen lassen sich damit ausdrücken (angloamerikanische Schreibweise).
(Geschwindigkeit, Beschleunigung, Impuls, Energie …) Ein Tausendertrennzeichen gibt es in
diesen Unterlagen nicht – es wird
• Zum Betrag jeder dieser Größen gehören durch
ein Zahlenwert (Maßzahl) und eine Einheit, • die wissenschaftliche Schreib-
z.B.: F1 = 22 N, l1 = 4 m, F2 = 13 N, l2 = 200 mm. weise (z.B. 1.36 ∙ 105) und
• durch Präfixe vor den Einheiten
• Mit Einheiten kann man genauso rechnen wie mit Zahlen, (z.B. 15 kN)
z.B.: F1 ∙ l1 = 22 N ∙ 4 m = 22 ∙ 4 N ∙ m = 88 Nm. vermieden.

• Achtung: Terme, die addiert oder subtrahiert werden, müssen dieselbe Dimension haben,
z.B.: F1 ∙ l1 + F2 ∙ l2 = 22 N ∙ 4 m + 13 N ∙ 200 mm = 22 N ∙ 4 m + 13 N ∙ 0.2 m
= 22 ∙ 4 Nm + 13 ∙ 0.2 Nm = 88 Nm + 2.6 Nm = 90.6 Nm.
Zum Quiz
• Dies kann man sehr gut zur Überprüfung von Gleichungen anwenden:
Wenn in einer Gleichung beispielsweise ein Ausdruck 22 N + 14 Nm oder
200 mm + 400 mm2 vorkommt, dann liegt in der Herleitung definitiv ein Fehler vor!

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 15


1. Grundlagen

1.6 Maßeinheiten
• SI-Einheiten: Internationales Einheitensystem (franz. „Système International d‘Unités“)
 Länge: [m]  Meter
 Zeit: [s]  Sekunde
 Masse: [kg]  Kilogramm
 Kraft: [N]  Newton, abgeleitet aus dem zweiten Newton‘schen Gesetz: F = m ∙ a
kg ⋅ m  1 N ist die Kraft, die man benötigt, um einen
N =
s2 Körper der Masse 1 kg innerhalb 1 s auf die
Geschwindigkeit 1 m/s zu beschleunigen.

• Präfixe: SI-Symbol Faktor Beispiel


 Kilo: k 1 000 = 103 2.3 km = 2.3 ∙ 103 m = 2300 m
 Mega: M 1 000 000 = 106 0.5 MN = 0.5 ∙ 106 N = 500 000 N = 500 kN
 Giga: G 1 000 000 000 = 109
 Milli: m 0.001 = 10−3 20 mm = 20 ∙ 10−3 m = 0.02 m
 Mikro: µ 0.000 001 = 10−6
 Nano: n 0.000 000 001 = 10−9

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1. Grundlagen

1.7 Nummerische Berechnungen


• Die Genauigkeit von Ergebnissen hängt davon ab,
 wie gut das Modell die Wirklichkeit abbildet und
 wie genau die Eingangsdaten und die Rechengenauigkeit sind.
• Ergebnisse können nie genauer sein als die Eingangsdaten! Also sollten die Endergebnisse
auch nicht so angegeben werden, dass eine nicht vorhandene Genauigkeit vorgetäuscht wird,
z.B. durch zu viele Stellen hinter dem Komma!
• Anzahl der Stellen:
 Eine Festlegung auf eine bestimmte Anzahl von Stellen hinter dem Komma macht meist keinen Sinn:
Die Zahl 0.0553 ist beispielsweise wesentlich weniger genau als die Zahl 30081.2!
 Stattdessen ist die Anzahl der „signifikanten Stellen“ entscheidend: Die Anzahl der Ziffern inklusive
aller Nullen, außer derjenigen Nullen, die vor der ersten von Null verschiedenen Ziffer stehen, Beispiele:
• Die Zahl 30081.2 hat 6 signifikante Stellen.
• Die Zahl 0.0553 hat nur 3 signifikante Stellen, da die Zählung bei der ersten „5“ beginnt.
• Die Zahl 5100 hat 4 signifikante Stellen. Wenn sie jedoch durch Runden auf Hunderter entstanden ist (z.B.
ausgehend von 5123), dann täuscht die Schreibweise 5100 eine nicht vorhandene Genauigkeit vor. Man sollte
stattdessen 5.1 ∙ 103 (oder nicht ganz so gebräuchlich 51 ∙ 102) schreiben.
• Die Zahl 12.46 ∙ 106 hat 4 signifikante Stellen, die Zahl 12.4600 ∙ 106 hat dagegen 6 signifikante Stellen.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 17


1. Grundlagen
Zum Quiz
1.7 Nummerische Berechnungen
• Vereinfachte Regel zum Runden von Zahlen auf n signifikante Stellen:
 Ist die Ziffer an der Stelle n + 1 kleiner als 5, dann werden die Stelle n + 1 und alle folgenden Stellen
gestrichen:
• 0.055394 auf 2 Stellen  0.055 (Stelle 3 ist „3“, also kleiner als 5)
• 694258 auf 3 Stellen  6.94 ∙ 105 (Stelle 4 ist „2“, also kleiner als 5)
 Ist die Ziffer an der Stelle n + 1 gleich 5 oder größer als 5, dann wird die Stelle n um 1 erhöht und die
Stelle n + 1 und alle folgenden Stellen werden gestrichen:
• 0.055394 auf 3 Stellen  0.0554 (Stelle 4 ist „9“, also größer als 5)
• 694258 auf 4 Stellen  6.943 ∙ 105 (Stelle 5 ist „5“, also gleich 5)
• 2.3375 auf 4 Stellen  2.338 (Stelle 5 ist „5“, also gleich 5)
Nebenbemerkung: Für dieses letzte Beispiel (nach der Stelle 5, die den Wert „5“ hat, kommen keine von Null
verschiedenen Ziffern mehr) gibt es ein mathematisch korrekteres Rundungsverfahren, vgl. [Hib] S. 24. Aus
Ingenieurssicht ist dies jedoch „Haarspalterei“ und kann bei „ingenieurmäßigem“ Vorgehen außer Acht gelassen
werden. Zudem ist das Rundungsverfahren in [Hib] nicht korrekt beschrieben.
• Daumenregel: Damit das Endergebnis auf n signifikante Stellen genau sein kann, sollten
Zwischenergebnisse immer mindestens eine Genauigkeit von n + 1 signifikante Stellen haben.
• Meist programmiert man die hergeleiteten Beziehungen in einem zweckmäßigen System, z.B.
Taschenrechner, Tabellenkalulation (Excel o.ä.), MATLAB® …
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 18
1. Grundlagen

1.8 Lösung technischer Fragestellungen

6. Lösung umsetzen
Konsequenzen ziehen

Aufgabenbereich Management
1. Fragestellung 5. Lösung diskutieren
formulieren Plausibilität prüfen,
Situation, Ziel Lösung erarbeiten
Aufgabenbereich Fachexperten

2. Ersatzmodell erstellen So einfach wie möglich 4. Mathematisches


Mechanik, Thermodynamik … – aber nicht einfacher Modell lösen
(frei nach Albert Einstein)
3. Mathematisches Modell erstellen
Gleichungen, Ungleichungen
Differenzialgleichungen

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 19


1. Grundlagen

1.9 Technische Mechanik – ein Überblick


Elektrizität, Magnetismus
Geologie Biologie
Quantenphysik

Naturwissenschaften
Wellenlehre

Erforschung der Natur


Thermodynamik

Mechanik
Physik Chemie

Mechanische Gesetze in die Naturwissenschaftliche Gesetze in


industrielle Praxis umsetzen die industrielle Praxis umsetzen

Technische Mechanik Ingenieurwissenschaften

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 20


1. Grundlagen

1.9 Technische Mechanik – ein Überblick


Technische Mechanik

Kinematik Dynamik

Geometrie von Bewegungen Ursachen von Bewegungen


und Deformationen und Deformationen

Statik Kinetik
Kräfte in ruhenden Systemen Zusammenwirken von
Kräften und Bewegungen
Technische Mechanik II
Stereostatik Elastostatik

Kräftegleichgewicht in starren, Beanspruchung und Deformation von


ruhenden Systemen elastischen Körpern durch Kräfte
Technische Mechanik I Festigkeitslehre

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 21


Gliederung
1. Grundlagen 2.1 Zentrale Kräftesysteme
2. Gleichgewicht in der Ebene – 2.2 Allgemeine Kräftesysteme
die anschauliche Methode
2.3 Mehrteilige ebene Tragwerke
3. Gleichgewicht im Raum –
mit Vektoren 2.4 Zusammenfassung / Summary

4. Fachwerke
5. Schwerpunkt
6. Schnittgrößen
7. Reibung

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 22


Gliederung
1. Grundlagen 2.1 Zentrale Kräftesysteme
2. Gleichgewicht in der Ebene – 2.1.1 Beispiel: Lampe
die anschauliche Methode
2.1.2 Elemente zur Modellierung
3. Gleichgewicht im Raum –
mit Vektoren 2.1.3 Zusammensetzen von Kräften

4. Fachwerke 2.1.4 Zerlegen von Kräften

5. Schwerpunkt 2.1.5 Gleichgewichtsbedingungen

6. Schnittgrößen 2.2 Allgemeine Kräftesysteme

7. Reibung 2.3 Mehrteilige ebene Tragwerke


2.4 Zusammenfassung / Summary

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 23


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.1 Zentrale Kräftesysteme Zum Quiz

2.1.1 Beispiel: Lampe A a B


b
Beispiel 2: c
Dr. Faulpelz will eine Lampe aufhängen. Da bereits zwei Haken im Abstand b
an der Decke sind, will er sich das Bohren sparen und hängt die Lampe an zwei C
Fäden in den Punkten A und B auf (siehe Skizze rechts). Seine Ehefrau
möchte, dass die Lampe genau in der Mitte des Esstisches in einer bestimmten
Höhe hängt. Sie gibt ihm die Lage des Punktes C über die Längen a und c vor.
Die Lampe hat die Masse mL.
Welche Längen lAC und lBC müssen die beiden Fäden haben und welche Kräfte
FAC und FBC müssen sie aushalten?
Gegeben: a = 0.9 m, b = 1 m, c = 1 m, mL = 2 kg

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 24


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.1 Zentrale Kräftesysteme


2.1.2 Elemente zur Modellierung
S2 > 0
• Seil
 Querschnittsabmessungen sehr klein gegenüber der Länge
 Wirkungslinie der Kraft immer in Seilrichtung S1 > 0
 kann nur Zugkräfte aufnehmen (S1 > 0, S2 > 0)
 Dehnung wird vernachlässigt

S>0
 masseloses Seil: Eigengewicht wird vernachlässigt S>0
(wenn Eigengewicht deutlich kleiner als Seilkraft)
 Seil ist auf einer geraden Linie und S1 = S2 = S

 reibungsfreie Führung über eine Rolle  Kräfte an beiden


Seilenden gleich groß
S>0 S>0

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 25


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.1 Zentrale Kräftesysteme


2.1.2 Elemente zur Modellierung
• Stab
 Querschnittsabmessungen sehr klein gegenüber der Länge (wie Seil)
S
 Wirkungslinie der Kraft immer in Stabrichtung (wie Seil)
S
 Kräfte nur an den Stabenden (wie masseloses Seil)
 kann Zug- und Druckkräfte aufnehmen (S kann positiv oder negativ sein)
• Balken F
M
 „dicker Stab“
 Kräfte und Momente an beliebigen Stellen Ax
Ay B
• Massenpunkt, Punktmasse
 Masse mit vernachlässigbarer räumlicher Ausdehnung
 alle angreifenden Kräfte greifen in einem Punkt an F3 F3
F1 F1
 Geometrie des Körpers wird nicht berücksichtigt

F2 F2
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 26
2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.1 Zentrale Kräftesysteme


2.1.3 Zusammensetzen von Kräften F1
• Kräfte mit einem gemeinsamen Kraftangriffspunkt können zu einer
resultierenden Kraft zusammengefasst werden. Wenn sie keinen
F2
gemeinsamen Angriffspunkt haben, können sie bei Starrkörpern ggf. in
den Schnittpunkt ihrer Wirkungslinien verschoben und dann
zusammengefasst werden.
• Die resultierende Kraft R ist die Diagonale des durch die Kräfte F1 und F1
R
F2 aufgespannten Parallelogramms.

F2

• Dies entspricht einer Vektoraddition der Kräfte F1 und F2 (die


Reihenfolge der Addition spielt dabei keine Rolle):
R F2
F1
𝑅𝑅 = 𝐹𝐹⃗1 + 𝐹𝐹⃗2
F1 R
F2

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 27


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.1 Zentrale Kräftesysteme Zum Quiz

2.1.3 Zusammensetzen von Kräften


• Dies kann man auch mit mehr als zwei Kräften machen:
𝑛𝑛

𝑅𝑅 = 𝐹𝐹⃗1 + 𝐹𝐹⃗2 + ⋯ + 𝐹𝐹⃗𝑛𝑛 = � 𝐹𝐹⃗𝑖𝑖


𝑖𝑖=1
• Die Kräfte werden dann in beliebiger Reihenfolge aneinandergereiht. Die Resultierende ist
der Vektor, der vom Anfangspunkt zum Endpunkt des „Kräftepolygons“ bzw. „Kraftecks“
zeigt (hier am Beispiel von 4 Kräften):

F2
F1 F1
F3
R
F4 F2
F3
F4

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 28


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.1 Zentrale Kräftesysteme


2.1.4 Zerlegen von Kräften
• Kräfte können auch in ihre „Komponenten“ bezüglich vorgegebener Richtungen zerlegt werden.
In der Ebene können maximal 2 Richtungen vorgegeben werden.

Beispiel:
Zerlegen der Kraft R in ihre Komponenten bezüglich der vorgegebenen Wirkungslinien f1 und f2:

f1 F1
R f1 R R

f2
f2 F2

 Parallele Linien zu den Richtungen f1 und f2 am Ende der Kraft R eintragen


 Die Kräfte F1 und F2 ergeben sich aus den Seiten des daraus entstehenden Kräfteparallelogramms.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 29


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.1 Zentrale Kräftesysteme


2.1.4 Zerlegen von Kräften
• Der häufigste Anwendungsfall ist die Zerlegung einer Kraft in y
Richtung von senkrecht aufeinander stehenden Koordinatenachsen.
Fy
Beispiel:
F
Zerlegen der Kraft F in ihre x- und y-Komponenten Fx und Fy:
𝐹𝐹𝑥𝑥 = 𝐹𝐹 ⋅ cos 𝛼𝛼 α
𝐹𝐹𝑦𝑦 = 𝐹𝐹 ⋅ sin 𝛼𝛼 x
Fx
• Außerdem gilt:
𝐹𝐹𝑦𝑦
𝐹𝐹 = 𝐹𝐹𝑥𝑥2 + 𝐹𝐹𝑦𝑦2 tan 𝛼𝛼 =
𝐹𝐹𝑥𝑥
• Diese Beziehungen folgen aus dem rechtwinkligen Dreieck: c
b
𝑎𝑎 = 𝑐𝑐 ⋅ cos 𝛼𝛼 𝑏𝑏 α
2 𝑎𝑎2 𝑏𝑏 2
𝑐𝑐 = + tan 𝛼𝛼 =
𝑏𝑏 = 𝑐𝑐 ⋅ sin 𝛼𝛼 𝑎𝑎
a
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 30
2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.1 Zentrale Kräftesysteme


Zum Quiz
2.1.4 Zerlegen von Kräften y

Beispiel 3:
Eine Kraft mit dem Betrag S = 10 kN ist im Winkel β = 40°
gegenüber der Vertikalen geneigt, siehe Skizze rechts. S
Zerlegen Sie die Kraft in ihre x- und in ihre y-Komponente β
Sx und Sy.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 31


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.1 Zentrale Kräftesysteme Zum Quiz


y
2.1.5 Gleichgewichtsbedingungen F1
• Greifen an einem zentralen Kräftesystem n Kräfte F1, F2, …, Fi, …, Fn an,
dann ist das System im Gleichgewicht, wenn die resultierende Kraft, also
F2
die Summe aller Kräfte in jede Koordinatenrichtung verschwindet Fn
(in der Ebene z.B. die x- und die y-Richtung):
𝑛𝑛 𝑛𝑛 Fi
𝑅𝑅𝑥𝑥 = � 𝐹𝐹𝑖𝑖,𝑥𝑥 = 0 𝑅𝑅𝑦𝑦 = � 𝐹𝐹𝑖𝑖,𝑦𝑦 = 0
𝑖𝑖=1 𝑖𝑖=1 x
• Diese Schreibweise ist gleichbedeutend mit:
𝑅𝑅𝑥𝑥 = 𝐹𝐹1,𝑥𝑥 + 𝐹𝐹2,𝑥𝑥 +. . . +𝐹𝐹𝑖𝑖,𝑥𝑥 +. . . +𝐹𝐹𝑛𝑛,𝑥𝑥 = 0 𝑅𝑅𝑦𝑦 = 𝐹𝐹1,𝑦𝑦 + 𝐹𝐹2,𝑦𝑦 +. . . +𝐹𝐹𝑖𝑖,𝑦𝑦 +. . . +𝐹𝐹𝑛𝑛,𝑦𝑦 = 0
• Dabei gilt:
 i und n sind natürliche Zahlen.
 Fi,x und Fi,y sind die x- und y-Komponenten der Kraft Fi.
• Zur Formulierung der Gleichgewichtsbedingungen müssen die Kräfte in ihre Komponenten in x-
und y-Richtung zerlegt werden.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 32


Gliederung
1. Grundlagen 2.1 Zentrale Kräftesysteme
2. Gleichgewicht in der Ebene – 2.2 Allgemeine Kräftesysteme
die anschauliche Methode
2.2.1 Beispiel: Wandhängender Pufferspeicher
3. Gleichgewicht im Raum –
mit Vektoren 2.2.2 Moment eines Kräftepaares
(freies Moment)
4. Fachwerke
2.2.3 Moment einer Einzelkraft
5. Schwerpunkt
2.2.4 Resultierende eines Kräftesystems
6. Schnittgrößen
2.2.5 Gleichgewichtsbedingungen
7. Reibung
2.2.6 Elemente zur Modellierung
2.2.7 Statische und kinematische Bestimmtheit
2.3 Mehrteilige ebene Tragwerke
2.4 Zusammenfassung / Summary

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 33


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.2 Allgemeine Kräftesysteme


Zum Quiz
2.2.1 Beispiel: Wandhängender Pufferspeicher

Beispiel 4:
Für Wärmepumpen werden Pufferspeicher benötigt. Diese gibt es – je l
nach Größe – in wandhängender oder bodenstehender Ausführung.
Berechnen Sie für einen wandhängenden Pufferspeicher (Leermasse mS,
Wasser-Fassungsvermögen VW, Schwerpunkt S mit Abstand s zur Wand) S s
die in der Wandaufhängung wirkenden Kräfte. Der Speicher soll im oberen
Bereich an Haken aufgehängt werden. Im unteren Bereich stützt er sich
über Abstandhalter an der Wand ab (Abstand l zu den Haken), siehe
Skizze rechts.
Untersuchen Sie außerdem den Einfluss verschiedener Werte für l und s.

Gegeben: mS = 37 kg, VW = 100 l, l = 1.5 m, s = 550 mm

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 34


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.2 Allgemeine Kräftesysteme


2.2.2 Moment eines Kräftepaares (freies Moment)
• Was ist ein Kräftepaar, was ist ein Moment?
 Beispiel: Schraubenzieher in Schraube
 Dreht man mit einem Schraubenzieher an einer Schraube (Bild oben), dann verursacht
das zwei gleich große Kräfte auf parallelen Wirkungslinien, die in entgegengesetzter
Richtung wirken (Bild unten, „Kräftepaar“).
 Die resultierende Kraft verschwindet: Die Schraube als Ganzes wird weder nach oben
noch unten bewegt.
 Aber es wird eine Drehbewegung verursacht.
 Ein Kräftepaar versucht, einen Körper zu drehen.
 Die Größe der Wirkung eines Kräftepaares wird bestimmt durch sein Moment, das F
gekennzeichnet ist durch: F
• seinen Betrag: 𝑀𝑀 = ℎ ⋅ 𝐹𝐹 (Einheit: [Nm])
• seinen Drehsinn: h
Das Moment hat den Charakter eines Vektors.

 Weiteres Beispiel: Mit zwei Händen am Lenkrad eines Fahrzeuges drehen

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 35


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.2 Allgemeine Kräftesysteme Zum Quiz

2.2.2 Moment eines Kräftepaares (freies Moment)


• Das Moment aus einem Kräftepaar ist nicht an eine Wirkungslinie gebunden (im Gegensatz zu
einer Kraft). Es kann an beliebigen Stellen eines starren Körpers angreifen.
• Dreht sich ein Körper aufgrund eines Kräftepaares, dann ist das immer eine Drehung um den
Schwerpunkt.
 Alle drei Darstellungen
rechts sind bezüglich der F F
Wirkung des Kräftepaares M=h∙F
auf den Körper identisch: h M=h∙F
• Greifen mehrere freie Momente
auf einen Körper an, dann können
diese unter Berücksichtigung des F2 M1 = h1 ∙ F1
Drehsinns zu einem resultierenden F1 F1
freien Moment addiert werden: h1 h2
𝑛𝑛 𝑛𝑛
M2 = h2 ∙ F2 M = M1 + M2
𝑀𝑀𝑅𝑅 = � 𝑀𝑀𝑖𝑖 = � ℎ𝑖𝑖 ⋅ 𝐹𝐹𝑖𝑖 F2
𝑖𝑖=1 𝑖𝑖=1
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 36
2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.2 Allgemeine Kräftesysteme


2.2.2 Moment eines Kräftepaares (freies Moment)

Beispiel 5:
Auf einen rechteckförmigen Körper wirkt das in der Skizze a
dargestellte Kräftepaar mit F = 100 N und a = 200 mm. A B

a) Wie groß ist das Moment M(A), das durch das Kräftepaar
im Punkt A wirkt? (Einheit: Nm)
F
b) Wie groß ist das Moment M(B), das durch das Kräftepaar
im Punkt B wirkt? (Einheit: Nm)
F
c) Beschreiben Sie die Bewegung, die dieser Körper
wegen des Kräftepaares ausführen wird.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 37


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode
f‘ f
2.2 Allgemeine Kräftesysteme
2.2.3 Moment einer Einzelkraft F
h
• Die Kraft F im Bild oben rechts soll aus ihrer Wirkungslinie f parallel um die O
Strecke h in den Punkt O (Wirkungslinie f‘) verschoben werden, ohne dass
sich die Wirkung der Kraft auf den Körper verändert:
 Erster Schritt: Ergänzen einer „Nullkraft“ im Punkt O (mittleres Bild rechts: f‘ f
zwei entgegengesetzte Kräfte gleichen Betrages F in Richtung f‘ –
diese Kräfte haben in Summe keine Wirkung auf den Körper!)
 Zweiter Schritt: Ersetzen des Kräftepaares h ∙ F im mittleren Bild durch ein F F
Moment M(O), das den Körper gegen den Uhrzeigersinn drehen will h
O
(unteres Bild rechts). F
 Kraft F im Bild oben (senkrechter Abstand h zu O) ist gleichwertig zur
Kombination aus einer Kraft F im Punkt O und einem Moment M(O) = h ∙ F
f‘ f
im Bild unten (hochgestellter Index bei M bezeichnet Bezugspunkt).
 Betrag und Drehsinn des Moments einer Kraft sind von der Wahl des
Bezugspunktes abhängig (im Gegensatz zum Moment eines Kräftepaares)! F
M(O) = h ∙ F
 Eine Kraft darf parallel in einen anderen Punkt verschoben werden, wenn O
man die Drehwirkung dieser Kraft auf diesen Punkt berücksichtigt.
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 38
2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.2 Allgemeine Kräftesysteme Zum Quiz F


Fy
2.2.3 Moment einer Einzelkraft y
• Bei allgemein in der Ebene liegenden Kräften ist es oft aufwändig, den x
senkrechten Abstand h zwischen der Wirkungslinie der Kraft und dem
Bezugspunkt (hier: O) zu ermitteln. Fx
y
• In diesem Fall ist es zweckmäßig, die Kraft in Richtung der O x
Koordinatenachsen zu zerlegen und die Momente aus jeder h
Kraftkomponente separat zu berechnen. Die einzelnen Momente
können dann unter Berücksichtigung des Drehsinns zu einem
resultierenden Moment zusammengefasst werden. y F
• Vorgehen am Beispiel (hier festgelegt: positiv = Gegenuhrzeigersinn): +
 Drei Fragen zu jeder Kraft: Fx Fy
• Drehsinn? negativ positiv
• Hebelarm? y x O
• Kraft? Fx Fy x
(𝑂𝑂) MR(O)
 resultierendes Moment: 𝑀𝑀𝑅𝑅 = −𝑦𝑦 ⋅ 𝐹𝐹𝑥𝑥 + 𝑥𝑥 ⋅ 𝐹𝐹𝑦𝑦 (= ℎ ⋅ 𝐹𝐹)
• Die Bilder oben und unten sind aus Sicht der mechanischen Wirkung auf den Körper identisch.
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 39
2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.2 Allgemeine Kräftesysteme


+
2.2.3 Moment einer Einzelkraft l
a
Beispiel 6: A B
Auf einen rechteckförmigen Körper wirkt die Kraft F = 100 N wie in der Skizze
dargestellt. Die Geometrie ist gegeben mit a = 200 mm und l = 300 mm.
a) Berechnen Sie unter Berücksichtigung des Vorzeichens das Moment F
M(A), das die Kraft F in Bezug auf Punkt A verursacht (positiver Drehsinn
ist der Gegenuhrzeigersinn).
b) Berechnen Sie analog das Moment M(B), das die Kraft F in Bezug auf
Punkt B verursacht. A B
c) Ergänzen Sie das untere Bild derart, dass die Kraft F in den Punkt B
verschoben ist, das System sich aus mechanischer Sicht aber identisch
zum oberen System verhält.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 40


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode y F2
2.2 Allgemeine Kräftesysteme Zum Quiz F1

2.2.4 Resultierende eines Kräftesystems Mj


• Ziel: Darstellen aller an einem Körper angreifenden Kräfte und Momente M1 Fi
durch eine resultierende Kraft R mit den Komponenten Rx und Ry und ein
resultierendes Moment MR(A) F1 x
y F2
• Vorgehen: M1 (A)
 beliebigen Bezugspunkt A wählen
M2(A)
 alle Kräfte Fi in diesen Bezugspunkt verschieben
A
 alle Momente Mi(A) berücksichtigen, die dadurch entstehen, dass die Kräfte Mj
auch parallel zu ihren Wirkungslinien verschoben werden müssen Mi(A) Fi
 alle Kräfte komponentenweise und vorzeichenrichtig addieren M1
(Pfeilrichtung in der Skizze ist maßgeblich für das Vorzeichen):
𝑛𝑛 𝑛𝑛
x
𝑅𝑅𝑥𝑥 = � 𝐹𝐹𝑖𝑖,𝑥𝑥 𝑅𝑅𝑦𝑦 = � 𝐹𝐹𝑖𝑖,𝑦𝑦 y R
𝑖𝑖=1 𝑖𝑖=1
A
 alle Momente addieren – die aus der Kraftverschiebung entstandenen Mi(A)
und die freien Momente Mj: MR(A)
𝑛𝑛 𝑚𝑚
(𝐴𝐴) (𝐴𝐴)
𝑀𝑀𝑅𝑅 = � 𝑀𝑀𝑖𝑖 + � 𝑀𝑀𝑗𝑗 x
06.10.2021 𝑖𝑖=1 𝑗𝑗=1 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 41
2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.2 Allgemeine Kräftesysteme


+
2.2.4 Resultierende eines Kräftesystems y
a = 400 mm F1
F2
Beispiel 7: C
h = 200 mm K α
Auf einen rechteckförmigen Körper (siehe Skizze rechts) wirkt im
Punkt K die Kraft F1 mit dem Betrag 50 N. Der Winkel α beträgt 50°. b = 100 mm
Im Punkt C wirkt die Kraft F2 mit dem Betrag 20 N.
x
Berechnen Sie die x- und y-Komponenten Rx und Ry der
resultierenden Kraft auf den Körper sowie das resultierende
Moment MR(C) in Bezug auf den Punkt C (als positiver Drehsinn des
Momentes ist der Gegenuhrzeigersinn gegeben).

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 42


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode
y F2
2.2 Allgemeine Kräftesysteme F1

2.2.5 Gleichgewichtsbedingungen Mj
• Greifen an einem allgemeinen Kräftesystem n Kräfte F1, F2, …, Fi, …, Fn
und m freie Momente M1, M2, …, Mj, …, Mm an, dann ist das System im M1 Fi
Gleichgewicht,
x
 wenn die resultierende Kraft verschwindet, also die Summe aller Kräfte in jede Koordinatenrichtung
(in der Ebene z.B. die x- und die y-Richtung),
𝑛𝑛 𝑛𝑛

𝑅𝑅𝑥𝑥 = � 𝐹𝐹𝑖𝑖,𝑥𝑥 = 0 𝑅𝑅𝑦𝑦 = � 𝐹𝐹𝑖𝑖,𝑦𝑦 = 0  Kräftegleichgewicht


𝑖𝑖=1 𝑖𝑖=1
 und wenn das resultierende Moment verschwindet, also die Summe aus allen freien Momenten sowie
allen Momenten, die durch Verschiebung der Kräfte in den Bezugspunkt entstehen:
𝑛𝑛 𝑚𝑚
(𝐴𝐴) (𝐴𝐴)
𝑀𝑀𝑅𝑅 = � 𝑀𝑀𝑖𝑖 + � 𝑀𝑀𝑗𝑗 = 0  Momentengleichgewicht
𝑖𝑖=1 𝑗𝑗=1

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 43


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.2 Allgemeine Kräftesysteme C

2.2.5 Gleichgewichtsbedingungen
F b

Beispiel 8:
Ein Kind will seinen Spielzeuglastwagen unter dem Stuhl
durchschieben, auf dem seine Mutter sitzt. Der Stuhl ist G
jedoch zu niedrig. Das Kind drückt mit der Kraft F gegen den
Lastwagen. Der Lastwagen hat die Gewichtskraft G, deren a a
Wirkungslinie in der Mitte zwischen den Rädern verläuft. A B
Berechnen Sie die vertikalen Kräfte A und B, die vom Boden auf
die Räder wirken, sowie die horizontale Kraft C, die vom Stuhl
auf den Lastwagen wirkt.

Gegeben: F, G, a, b

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 44


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.2 Allgemeine Kräftesysteme


2.2.5 Gleichgewichtsbedingungen
• Alternative Formulierungen der ebenen Gleichgewichtsbedingungen
 Standardvorgehen: 2 x Kräfte- und 1 x Momentengleichgewicht um einen frei wählbaren Bezugspunkt A
 Stattdessen auch möglich: 1 x Kräfte- und 2 x Momentengleichgewicht um zwei verschiedene
Bezugspunkte A und B:
• Kräftegleichgewicht in x-Richtung: A und B dürfen nicht
𝑛𝑛
auf einer
𝑚𝑚
Geraden parallel zur y-Achse
𝑛𝑛
stehen!𝑚𝑚
𝑛𝑛
(𝐴𝐴) (𝐴𝐴) (𝐵𝐵) (𝐵𝐵)
𝑅𝑅𝑥𝑥 = � 𝐹𝐹𝑖𝑖,𝑥𝑥 = 0 𝑀𝑀𝑅𝑅 = � 𝑀𝑀𝑖𝑖 + � 𝑀𝑀𝑗𝑗 = 0 𝑀𝑀𝑅𝑅 = � 𝑀𝑀𝑖𝑖 + � 𝑀𝑀𝑗𝑗 = 0
𝑖𝑖=1 𝑖𝑖=1 𝑗𝑗=1 𝑖𝑖=1 𝑗𝑗=1
• Kräftegleichgewicht in y-Richtung: A und B dürfen nicht auf einer Geraden parallel zur x-Achse stehen!
𝑛𝑛 𝑛𝑛 𝑚𝑚 𝑛𝑛 𝑚𝑚
(𝐴𝐴) (𝐴𝐴) (𝐵𝐵) (𝐵𝐵)
𝑅𝑅𝑦𝑦 = � 𝐹𝐹𝑖𝑖,𝑦𝑦 = 0 𝑀𝑀𝑅𝑅 = � 𝑀𝑀𝑖𝑖 + � 𝑀𝑀𝑗𝑗 = 0 𝑀𝑀𝑅𝑅 = � 𝑀𝑀𝑖𝑖 + � 𝑀𝑀𝑗𝑗 = 0
𝑖𝑖=1 𝑖𝑖=1 𝑗𝑗=1 𝑖𝑖=1 𝑗𝑗=1
 Oder sogar: 3 x Momentengleichgewicht um drei verschiedene Bezugspunkte A, B und C, die nicht auf
einer Geraden liegen dürfen:
𝑛𝑛 𝑚𝑚 𝑛𝑛 𝑚𝑚 𝑛𝑛 𝑚𝑚
(𝐴𝐴) (𝐴𝐴) (𝐵𝐵) (𝐵𝐵) (𝐶𝐶) (𝐶𝐶)
𝑀𝑀𝑅𝑅 = � 𝑀𝑀𝑖𝑖 + � 𝑀𝑀𝑗𝑗 = 0 𝑀𝑀𝑅𝑅 = � 𝑀𝑀𝑖𝑖 + � 𝑀𝑀𝑗𝑗 = 0 𝑀𝑀𝑅𝑅 = � 𝑀𝑀𝑖𝑖 + � 𝑀𝑀𝑗𝑗 = 0
𝑖𝑖=1 𝑗𝑗=1 𝑖𝑖=1 𝑗𝑗=1 𝑖𝑖=1 𝑗𝑗=1
 Jede Methode führt zum Ziel, je nach Anwendungsfall ist die eine oder andere Vorgehensweise einfacher.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 45


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.2 Allgemeine Kräftesysteme


2.2.6 Elemente zur Modellierung
• Lager
 Zweck
• Gewünschte Lage von Körpern im Raum erzeugen
• Kräfte übertragen
 Lagerreaktionen
• Eingeprägte (bzw. aktive) Kräfte und Momente, die F1 F2
auf einen Körper wirken, werden durch Lager auf
die Umgebung übertragen.
• Nach dem Wechselwirkungsgesetz (actio = reactio)
werden die gleichen Kräfte in entgegengesetzter L1 L2
Richtung von der Umgebung auf den Körper
ausgeübt.
• Diese Kräfte sind Reaktionskräfte. Man nennt sie L1 L2
„Lagerreaktionen“.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 46


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.2 Allgemeine Kräftesysteme


2.2.6 Elemente zur Modellierung
• Ein Körper, der keine Bindungen (keine Lager) besitzt, hat in der Ebene 3
Bewegungsmöglichkeiten:
 Verschiebung („Translation“) in zwei Richtungen (horizontal + vertikal)
 Drehung („Rotation“) um eine Achse
• Jedes Lager schränkt diese Bewegungsmöglichkeiten ein, übt auf den Körper einen Zwang aus.
• Jede Lagerreaktion schränkt eine dieser Bewegungsmöglichkeiten ein.
• Man unterscheidet die Lager nach ihrer Wertigkeit (Anzahl der übertragbaren Lagerreaktionen):
 Einwertige Lager schränken eine Bewegungsmöglichkeit ein, sie können eine Lagerreaktion übertragen,
also eine Kraft oder ein Moment.
 Zweiwertige Lager schränken zwei Bewegungsmöglichkeiten ein, sie können zwei Lagerreaktionen
übertragen, also zwei Kräfte oder eine Kraft und ein Moment.
 Dreiwertige Lager schränken in der Ebene alle drei Bewegungsmöglichkeiten ein, sie können drei
Lagerreaktionen übertragen: zwei Kräfte und ein Moment. Der ebene Körper ist damit fixiert.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 47


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.2 Allgemeine Kräftesysteme


L
2.2.6 Elemente zur Modellierung
F
• Vorgehen zur Berechnung der Lagerreaktionen
G
 Körper von allen Verbindungen zur Umgebung und zu anderen
Körpern freischneiden:
• geschlossener Schnitt um den gesamten Körper
• alle eingeprägten Kräfte in den freigeschnittenen Körper
eintragen und den „Namen“ der Kraft dazu schreiben C
• alle Lagerreaktionen eintragen: überall dort, wo eine
Verbindung gelöst wird, müssen alle möglichen Kräfte F
und Momente eingetragen werden, die die Verbindung G
übertragen kann.
• Für jede dieser neuen, unbekannten Kräfte muss ein
eindeutiger Bezeichner („Name“) festgelegt werden.
 Gleichgewichtsbedingungen aufstellen A B L
 Gleichungen nach den unbekannten Lagerreaktionen auflösen C
Zusätzlicher Hinweis: Wegen des Wechselwirkungsgesetzes wirken A B
dieselben Lagerreaktionen in gleicher Größe, aber in entgegengesetzter
Richtung, auch auf die Umgebung. Dies wird jedoch oft nicht skizziert.
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 48
2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.2 Allgemeine Kräftesysteme


2.2.6 Elemente zur Modellierung
• Loslager (Wertigkeit w = 1) z.B.
 eine übertragbare Kraft
(senkrecht zum Spalt)
 Beweglichkeit: A
• Verschiebung in Spaltrichtung
• Drehung
• Festlager (Wertigkeit w = 2)
AH
 zwei übertragbare Kräfte
(senkrecht aufeinander stehend)
 Beweglichkeit: Drehung AV
• Einspannung (Wertigkeit w = 3)
 zwei übertragbare Kräfte MA AH
(senkrecht aufeinander stehend)
 ein übertragbares Moment
 Beweglichkeit: keine
AV

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 49


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode F
2.2 Allgemeine Kräftesysteme ϕ C

2.2.6 Elemente zur Modellierung

Beispiel 9: B
h
Schneiden Sie das rechts dargestellte
Tragwerk frei und bestimmen Sie alle
unbekannten Lagerreaktionen.

Gegeben: F, b, c, h, ϕ A

c
b
Zum Quiz

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 50


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.2 Allgemeine Kräftesysteme


2.2.6 Elemente zur Modellierung
• Parallelführung (Wertigkeit w = 2)
 eine übertragbare Kraft
(senkrecht zum Spalt) MA
AH
 ein übertragbares Moment
 Beweglichkeit: Verschiebung in Spaltrichtung

• Schiebehülsenlagerung (Wertigkeit w = 2)
 eine übertragbare Kraft
(senkrecht zur Hülsenachse) MA
 ein übertragbares Moment AV
 Beweglichkeit: Verschiebung in Richtung der Hülsenachse

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 51


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.2 Allgemeine Kräftesysteme Zum Quiz

2.2.6 Elemente zur Modellierung


• Einseitiger, reibungsfreier Kontakt (Berührung mit „ideal glatten“ Oberflächen, Wertigkeit w = 1)

 Normalkraft N senkrecht zur Berührebene, Druckkraft, zeigt zum Material hin


 Keine Kräfte tangential zur Berührebene (wegen Reibungsfreiheit)

N≥0 N≥0 N≥0


 Wenn die Auswertung der Gleichgewichtsbedingungen auf N < 0 führt, bedeutet dies, dass eine Zugkraft
für das Gleichgewicht nötig wäre. Der Kontakt kann dies aber nicht leisten!
 Es kommt zur Trennung im Kontakt und das System ist nicht mehr im Gleichgewicht!
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 52
2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode Beispiel für eine mögliche

2.2 Allgemeine Kräftesysteme


Prüfungsaufgabe:
vorgesehene Zeit: ca. 20 min
FS
Niveau: mittel c
2.2.6 Elemente zur Modellierung
C
MM B
Beispiel 10:
a h
Der Antrieb einer Verarbeitungsmaschine mit dem Gewicht G steht α
auf einem schwenkbaren Hebel, siehe Skizze. Der Hebel ist im A G
Punkt A drehbar gelagert, liegt reibungsfrei auf einem Anschlag im b
Punkt B auf und besitzt ein freies Ende im Punkt C. Der Motor
erzeugt ein Drehmoment MM, das sich wie in der Skizze dargestellt auf dem System abstützt. Im
Punkt C ist ein Seil befestigt, mit dem der Hebel (z.B. für Wartungsarbeiten) geschwenkt werden
kann. Die Lage des Seils im Punkt C ist vertikal. Die Seilkraft wird mit FS bezeichnet, das Seil läuft
reibungsfrei über die Umlenkrolle. Die Geometrie der Vorrichtung ist der Skizze zu entnehmen.
Gegeben: a, b, c, h, α, G, FS, MM
a) Berechnen Sie die Kontaktkraft im Punkt B in Abhängigkeit von den gegebenen Größen.
b) Wie groß muss FS sein, damit die Kontaktkraft im Punkt B verschwindet?
c) Was passiert mathematisch und in der Realität mit der Kontaktkraft im Punkt B, wenn FS größer
als dieser Wert wird?
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 53
2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.2 Allgemeine Kräftesysteme


2.2.7 Statische und kinematische Bestimmtheit
• Ein Körper ist statisch und kinematisch bestimmt gelagert, wenn
 alle Lagerreaktionen mit Hilfe der Gleichgewichtsbedingungen berechnet werden können und
 der Körper sich nicht bewegen kann.
• Damit ein ebener Körper statisch und kinematisch bestimmt gelagert ist, müssen genau drei
unabhängige Lagerreaktionen vorliegen. Hierfür müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:
 Bedingung 1: Die Summe der Wertigkeiten aller Lager muss gleich 3 sein.
 Bedingung 2: Die Lager müssen „geeignet angebracht“ sind:
• drei nicht parallele Kräfte, deren Wirkungslinien keinen gemeinsamen Schnittpunkt haben
• oder zwei nicht parallele Kräfte und ein Moment
• Beim rechts dargestellten Balken sind beide Bedingungen
erfüllt  er ist statisch und kinematisch bestimmt gelagert:
 Summe der Wertigkeiten = 2 (Festlager) + 1 (Loslager) = 3
 Es liegen drei Kräfte vor, wovon nicht alle parallel zueinander sind: Im Festlager stehen zwei
Lagerkräfte senkrecht aufeinander. Außerdem haben die Wirkungslinien der drei Kräfte keinen
gemeinsamen Schnittpunkt.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 54


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.2 Allgemeine Kräftesysteme


2.2.7 Statische und kinematische Bestimmtheit
• Ein Körper, bei dem die Anzahl der unbekannten
Lagerreaktionen um x größer ist als die Anzahl der zur
Verfügung stehenden Gleichgewichtsbedingungen, ist x-fach
statisch unbestimmt gelagert. Es kommt zu Zwängungen, es
klemmt.
 Beispiel rechts: Summe der Wertigkeiten = 4 (Bedingung 1 verletzt)
 4 unbekannte Lagerreaktionen, 3 Gleichgewichtsbedingungen
 1-fach statisch unbestimmt

• Ein Körper, bei dem die Anzahl der unbekannten


Lagerreaktionen kleiner ist als die Anzahl der zur Verfügung
stehenden Gleichgewichtsbedingungen, ist kinematisch
unbestimmt gelagert. Er kann sich bewegen.
 Beispiel rechts: Summe der Wertigkeiten = 2 (Bedingung 1 verletzt)
 der Körper kann sich frei in horizontaler Richtung bewegen
 kinematisch unbestimmt.
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 55
2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.2 Allgemeine Kräftesysteme Zum Quiz

2.2.7 Statische und kinematische Bestimmtheit


• Wenn Bedingung 1 erfüllt ist, aber Bedingung 2 verletzt wird, dann ist der Körper
sowohl statisch als auch kinematisch unbestimmt gelagert:
 Beispiel rechts: Summe der Wertigkeiten = 3 (Bedingung 1 erfüllt),
aber die Wirkungslinien der drei Lagerkräfte schneiden sich in
einem Punkt (im Festlager, Bedingung 2 verletzt)
 der Körper kann „infinitesimal kleine“ (= „unendlich kleine“)
Drehungen um das Festlager ausführen („wackeln“)
 kinematisch unbestimmt
 der Körper erfährt in horizontaler Richtung eine „Zwängung“, es „klemmt“ (z.B. bei Wärmedehnung)
 statisch unbestimmt
 Beispiel rechts: Summe der Wertigkeiten = 3 (Bedingung 1 erfüllt),
aber die Wirkungslinien der drei Lagerkräfte sind parallel
(Bedingung 2 verletzt)
 der Körper kann sich in horizontaler Richtung verschieben
 kinematisch unbestimmt
 der Körper erfährt in vertikaler Richtung eine „Zwängung“, es „klemmt“ (z.B. bei Verformungen)
 statisch unbestimmt

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 56


Gliederung
1. Grundlagen 2.1 Zentrale Kräftesysteme
2. Gleichgewicht in der Ebene – 2.2 Allgemeine Kräftesysteme
die anschauliche Methode
2.3 Mehrteilige ebene Tragwerke
3. Gleichgewicht im Raum –
mit Vektoren 2.3.1 Beispiel: Kran

4. Fachwerke 2.3.2 Elemente zur Modellierung

5. Schwerpunkt 2.3.3 Gleichgewichtsbedingungen

6. Schnittgrößen 2.3.4 Statische und kinematische Bestimmtheit

7. Reibung 2.4 Zusammenfassung / Summary

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 57


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.3 Mehrteilige ebene Tragwerke a/2 a


A C
2.3.1 Beispiel: Kran
α B

Beispiel 11:
M
Ein Baukran besteht aus einem Ausleger ABC und einem Turm BD.
a
Der Turm ist im Punkt D fest im Boden eingespannt. Der Ausleger ist
im Punkt B gelenkig auf dem Turm gelagert und im Punkt A durch ein
Seil abgespannt. Das Seil ist nahe dem Punkt D am Boden befestigt, D
der Abstand des Befestigungspunktes vom Punkt D kann vernachlässigt
werden. Im Punkt C hängt eine Masse M am Ausleger. Der homogene
Ausleger besitzt die Masse mA, der Turm die Masse mT. Das Gewicht
des Seils kann vernachlässigt werden.
Gegeben: a, M, mA, mT, g (senkrecht nach unten)
Berechnen Sie alle Lager- und Verbindungsreaktionen. Durch welche geometrische Maßnahme
könnte die Seilkraft minimiert werden, ohne dass Ausleger und Turm verändert werden müssten?
Wie groß wäre die Seilkraft dann?

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 58


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.3 Mehrteilige ebene Tragwerke Zum Quiz

2.3.2 Elemente zur Modellierung


• Verbindungselemente
 Lager verbinden einen Körper mit der Umgebung.
 Zwei Körper werden über Verbindungselemente (Gelenke etc.) miteinander verbunden.
• Verbindungsreaktionen
 Zur Erinnerung: Im Lager entstehen die „Lagerreaktionen“, das sind Reaktionskräfte und -momente,
die von der Umgebung auf den Körper als Reaktion auf die eingeprägten Kräfte ausgeübt werden. Die
Umgebung „spürt“ dieselben Kräfte und Momente, nur entgegengesetzt gerichtet.
 Entsprechend wirken zwischen zwei Körpern „Verbindungsreaktionen“, ebenfalls als Reaktion auf die
eingeprägten Kräfte. Beide Körper spüren dieselben Verbindungskräfte und -momente, jedoch in die
jeweils entgegengesetzte Richtung (vgl. Wechselwirkungsgesetz actio = reactio).
• Gelenk (Wertigkeit w = 2)
 zwei übertragbare Kräfte GH GH
(senkrecht aufeinander stehend)
 Beweglichkeit: Drehung GV GV

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 59


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.3 Mehrteilige ebene Tragwerke


2.3.2 Elemente zur Modellierung
• Pendelstab (Wertigkeit w = 1)
 eine übertragbare Kraft (in Stabrichtung) S S
 Beweglichkeit:
• Verschiebung senkrecht zum Stab
• Drehung
• Parallelführung (Wertigkeit w = 2)
 eine übertragbare Kraft (senkrecht zum Spalt) FH FH
 ein übertragbares Moment
 Beweglichkeit: Verschiebung in Spaltrichtung
MG MG
• Verbindungshülse (Wertigkeit w = 2)
 eine übertragbare Kraft (senkrecht zur Hülsenachse) FV FV
 ein übertragbares Moment
 Beweglichkeit:
Verschiebung in Richtung der Hülsenachse MG MG

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 60


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.3 Mehrteilige ebene Tragwerke


2.3.3 Gleichgewichtsbedingungen
• Bei einem System, das aus mehreren Körpern besteht, kann jeder Körper für sich
freigeschnitten werden.
• Für jeden freigeschnittenen Körper gelten dann die Gleichgewichtsbedingungen
(Kräftegleichgewicht und Momentengleichgewicht), z.B.
𝑛𝑛 𝑛𝑛 𝑛𝑛 𝑚𝑚
(𝐴𝐴) (𝐴𝐴)
𝑅𝑅𝑥𝑥 = � 𝐹𝐹𝑖𝑖,𝑥𝑥 = 0 𝑅𝑅𝑦𝑦 = � 𝐹𝐹𝑖𝑖,𝑦𝑦 = 0 𝑀𝑀𝑅𝑅 = � 𝑀𝑀𝑖𝑖 + � 𝑀𝑀𝑗𝑗 = 0
𝑖𝑖=1 𝑖𝑖=1 𝑖𝑖=1 𝑗𝑗=1
• Für jeden Körper erhält man daher in der Ebene drei Gleichungen zur Bestimmung der
unbekannten Lager- und Verbindungsreaktionen.
• Bei einem System aus n Körpern stehen daher in der Ebene 3 ∙ n Gleichungen zur Verfügung.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 61


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.3 Mehrteilige ebene Tragwerke


2.3.4 Statische und kinematische Bestimmtheit
• Betrachtet wird nun ein System aus n Körpern mit k Bindungen (Lager und/oder Verbindungen),
die jeweils durch ihre Wertigkeit wi (i = 1, 2, … k) gekennzeichnet sind.
• Damit dieses System statisch und kinematisch bestimmt gelagert ist, muss gelten:
 Bedingung 1: Die Summe der Wertigkeiten aller Lager (w1 + w2 + … + wk) muss gleich 3 ∙ n sein
(das heißt: die Zahl der Unbekannten muss gleich der Zahl der Gleichgewichtsbedingungen sein).
 Bedingung 2: Die Lager müssen „geeignet angebracht“ sein:
• Bei mehreren Körpern gibt es keine so einfache Regel wie in Abschnitt 2.2 für nur einem Körper.
• Vereinfacht kann man sagen: Es dürfen keine Bindungen dabei sein, die „nichts bringen“
(dies kann meist über die Anschauung festgestellt werden).
• Formale Möglichkeiten zum Überprüfen von Bedingung 2 sind in [GHSW] Abschnitt 5.3.4 beschrieben
(dies ist nicht Gegenstand dieser Vorlesung!):
– Gleichgewichtsbedingungen in Form eines linearen Gleichungssystems schreiben (in Matrixschreibweise):
𝐴𝐴 � 𝑥𝑥⃗ = 𝑏𝑏
Das System ist statisch und kinematisch bestimmt, wenn gilt:
det 𝐴𝐴 ≠ 0
– Oder grafisch: Polplan zeichnen, das System ist statisch und kinematisch bestimmt, wenn sich der Polplan nicht
widerspruchsfrei zeichnen lässt.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 62


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.3 Mehrteilige ebene Tragwerke


2.3.4 Statische und kinematische Bestimmtheit
• Beim rechts dargestellten System sind beide Bedingungen
erfüllt  es ist statisch und kinematisch bestimmt gelagert:
 Zahl der Körper = 2, Summe der Wertigkeiten = 3 (Einspannung) + 2 (Gelenk) + 1 (Loslager) = 3 ∙ 2
 Bedingung 1 erfüllt
 Aus der Anschauung erkennt man: es liegen keine Bindungen vor, die „nichts bringen“:
• Der linke Balken allein (ohne die Verbindung zum rechten Balken) ist durch
die Einspannung statisch und kinematisch bestimmt gelagert, da durch die
Einspannungen alle drei Bewegungsmöglichkeiten blockiert sind.

• Verbindet man nun den rechten Balken über ein Gelenk mit dem linken
Balken (ohne das Loslager), dann hat der rechte Balken noch genau eine
Bewegungsmöglichkeit: eine Drehung um das Gelenk.

• Diese Bewegungsmöglichkeit wird durch die vertikale Reaktionskraft des Loslagers blockiert.
 Bedingung 2 erfüllt

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 63


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.3 Mehrteilige ebene Tragwerke


2.3.4 Statische und kinematische Bestimmtheit
• Ein System, bei dem die Summe der Wertigkeiten um x größer ist als 3 ∙ n, ist x-fach statisch
unbestimmt: Es kommt zu Zwangskräften und -verformungen (es „klemmt“), die Zahl der
unbekannten Kräfte und Momente ist um x größer als die Zahl der Gleichungen. Einzelne
Unbekannte können möglicherweise ermittelt werden, aber nicht alle.
 Beispiel rechts:
• Zahl der Körper = 2  3 ∙ 2 = 6 Gleichgewichtsbedingungen
• Summe der Wertigkeiten
= 3 (Einspannung) + 2 (Gelenk) + 2 (Festlager)
= 7  7 unbekannte Lagerreaktionen

 Bedingung 1 verletzt, 1-fach statisch unbestimmt

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 64


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.3 Mehrteilige ebene Tragwerke


2.3.4 Statische und kinematische Bestimmtheit
• Ein System, bei dem die Summe der Wertigkeiten kleiner ist als 3 ∙ n, ist kinematisch
unbestimmt: Teile des Systems können sich bewegen.
 Beispiel rechts:
• Zahl der Körper = 2
• Summe der Wertigkeiten
= 3 (Einspannung) + 2 (Gelenk)
=5<3∙2=6

 Bedingung 1 verletzt, kinematisch unbestimmt


(kann sich bewegen: Drehung des rechten Balkens um das Gelenk)

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 65


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.3 Mehrteilige ebene Tragwerke Zum Quiz

2.3.4 Statische und kinematische Bestimmtheit


• Wenn Bedingung 1 erfüllt ist, aber Bedingung 2 verletzt wird, dann
ist das System sowohl statisch als auch kinematisch unbestimmt gelagert.
 Zahl der Körper = 2,
Summe der Wertigkeiten = 3 (Einspannung) + 2 (Gelenk) + 1 (Loslager) = 3 ∙ 2
 Bedingung 1 erfüllt
 Aus der Anschauung erkennt man: es liegt eine Bindung vor, die „nichts bringt“:
• Entfernt man das rechte Loslager, dann hat der rechte Balken noch eine
Bewegungsmöglichkeit: eine Drehung um das Gelenk.
• Ergänzt man darin die Lagerreaktion des Loslagers, so wie es oben
angebracht ist, dann sieht man, dass diese Kraft nicht in der Lage ist,
die Drehung um das Gelenk zu verhindern.
 Bedingung 2 verletzt:
der rechte Balken kann infinitesimal kleine (unendlich kleine) Drehungen ausführen (wackeln)
 kinematisch unbestimmt
außerdem erfährt das System in horizontaler Richtung eine „Zwängung“, es „klemmt“ (z.B. bei einer
Schrumpfung, wenn der Balken abgekühlt wird)
 statisch unbestimmt

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 66


Gliederung
1. Grundlagen 2.1 Zentrale Kräftesysteme
2. Gleichgewicht in der Ebene – 2.2 Allgemeine Kräftesysteme
die anschauliche Methode
2.3 Mehrteilige ebene Tragwerke
3. Gleichgewicht im Raum –
mit Vektoren 2.4 Zusammenfassung / Summary

4. Fachwerke
5. Schwerpunkt
6. Schnittgrößen
7. Reibung

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 67


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.4 Zusammenfassung
• Ermitteln von Reaktionskräften und -momenten in statisch bestimmten Systemen
mit Hilfe der anschaulichen Methode
 Freischneiden (Freischnittskizze anfertigen):
• freigeschnittene Körper skizzieren (geschlossener Schnitt durch alle Lager und Verbindungen)
• alle wirkenden Kräfte und Momente inklusive der Bindungsreaktionen eintragen, Hinweise:
– Bei jeder Bindung genau so viele Kräfte und Momente mit eindeutigem Namen eintragen wie die Wertigkeit der Bindung
– Bei vielen Bindungen kann man beim Freischneiden die Kraft- bzw. Momentenrichtung frei wählen. Man kann versuchen,
die Richtung so einzutragen, wie die Kraft bzw. das Moment wirklich wirkt, dies gelingt bei komplizierten Systemen jedoch
nicht immer. Macht nichts: Wenn die Kraft bzw. das Moment andersherum wirkt als eingetragen, dann ergibt sich aus den
Gleichgewichtsbedingungen ein negativer Wert für diese Kraft bzw. dieses Moment – das ist dann genauso richtig!
Aber: Bitte niemals nachträglich die Richtung der eingetragenen Kräfte oder Momente in der Freischnittskizze ändern!
 Gleichgewichtsbedingungen aufstellen (Kräfte- und Momentengleichgewicht), Hinweis:
• Über die Vorzeichen der einzelnen Terme in den Gleichungen entscheiden die Pfeilrichtungen in der Skizze!
 Gleichungen nach den unbekannten Kräften und Momenten auflösen
 Plausibilität prüfen und ursprüngliche Frage beantworten

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 68


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.4 Summary
• How to calculate reaction forces and moments in statically determinate planar mechanical
systems:
 Carefully read and understand the problem description
 Isolate the bodies
• Draw the free body diagram with all bodies separated from each other and from the environment
• Insert all active forces and moments
• Insert all reaction forces and moments:
For each connection (support, bearing, joint …) the adequate forces and moments
• Insert geometry
 Formulate the equilibrium conditions for each body
• Equilibrium of forces in two directions
• Equilibrium of moments about a reference point that can be chosen freely
 Signs (+ or –) in the equations depend on the direction of the arrows in the free body diagram
 Solve the equations for the unknown forces and moments
 Check if the results are plausible
 Answer the initial questions

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 69


2. Gleichgewicht in der Ebene – die anschauliche Methode

2.4 Summary
• Exercise

From the book:


[GEWSM] Gross, D.; Ehlers, W.; Wriggers, P.; Schröder, J.; Müller, R.: Statics – Formulas and
Problems. Engineering Mechanics 1. Berlin: Springer 2017.
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 70
Gliederung
1. Grundlagen 3.1 Gleichgewichtsbedingungen
2. Gleichgewicht in der Ebene – 3.2 Beispiel: Schwenkbare Klappe
die anschauliche Methode
3.3 Vektoren
3. Gleichgewicht im Raum –
mit Vektoren 3.4 Lagevektoren

4. Fachwerke 3.5 Kraftvektoren

5. Schwerpunkt 3.6 Momentenvektoren

6. Schnittgrößen 3.7 Elemente zur Modellierung

7. Reibung 3.8 Statische und kinematische Bestimmtheit


3.9 Zusammenfassung / Summary

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 71


3. Gleichgewicht im Raum – mit Vektoren

3.1 Gleichgewichtsbedingungen
• Erinnerung: Gleichgewichtsbedingungen in der Ebene
 Kräftegleichgewicht in zwei Richtungen
𝑛𝑛 𝑛𝑛

𝑅𝑅𝑥𝑥 = � 𝐹𝐹𝑖𝑖,𝑥𝑥 = 0 𝑅𝑅𝑦𝑦 = � 𝐹𝐹𝑖𝑖,𝑦𝑦 = 0


𝑖𝑖=1 𝑖𝑖=1
 und ein Momentengleichgewicht
𝑛𝑛 𝑚𝑚 Achtung: Das skalare Auswerten
(𝐴𝐴) (𝐴𝐴)
𝑀𝑀𝑅𝑅 = � 𝑀𝑀𝑖𝑖 + � 𝑀𝑀𝑗𝑗 = 0 dieser Gleichungen ist sehr
𝑖𝑖=1 𝑗𝑗=1 aufwändig und fehleranfällig!
• Neu: Gleichgewichtsbedingungen im Raum  Lieber mit Vektoren arbeiten!
 Kräftegleichgewicht in drei Richtungen
𝑛𝑛 𝑛𝑛 𝑛𝑛

𝑅𝑅𝑥𝑥 = � 𝐹𝐹𝑖𝑖,𝑥𝑥 = 0 𝑅𝑅𝑦𝑦 = � 𝐹𝐹𝑖𝑖,𝑦𝑦 = 0 𝑅𝑅𝑧𝑧 = � 𝐹𝐹𝑖𝑖,𝑧𝑧 = 0


𝑖𝑖=1 𝑖𝑖=1 𝑖𝑖=1
 und Momentengleichgewicht um drei Achsen
𝑛𝑛 𝑚𝑚 𝑛𝑛 𝑚𝑚 𝑛𝑛 𝑚𝑚
(𝐴𝐴) (𝐴𝐴) (𝐴𝐴) (𝐴𝐴) (𝐴𝐴) (𝐴𝐴)
𝑀𝑀𝑅𝑅,𝑥𝑥 = � 𝑀𝑀𝑖𝑖,𝑥𝑥 + � 𝑀𝑀𝑗𝑗,𝑥𝑥 = 0 𝑀𝑀𝑅𝑅,𝑦𝑦 = � 𝑀𝑀𝑖𝑖,𝑦𝑦 + � 𝑀𝑀𝑗𝑗,𝑦𝑦 = 0 𝑀𝑀𝑅𝑅,𝑧𝑧 = � 𝑀𝑀𝑖𝑖,𝑧𝑧 + � 𝑀𝑀𝑗𝑗,𝑧𝑧 = 0
𝑖𝑖=1 𝑗𝑗=1 𝑖𝑖=1 𝑗𝑗=1 𝑖𝑖=1 𝑗𝑗=1

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 72


3. Gleichgewicht im Raum – mit Vektoren

3.1 Gleichgewichtsbedingungen
• Gleichgewichtsbedingungen mit Vektoren
 Kräftegleichgewicht
𝑛𝑛

𝑅𝑅 = � 𝐹𝐹⃗𝑖𝑖 = 0
𝑖𝑖=1
 Momentengleichgewicht 𝑟𝑟⃗𝐴𝐴𝐾𝐾𝑖𝑖 : Lagevektor vom Bezugspunkt A
𝑛𝑛 𝑚𝑚
𝐴𝐴
zum Kraftangriffspunkt Ki der Kraft 𝐹𝐹⃗𝑖𝑖
𝑀𝑀𝑅𝑅 = � 𝑟𝑟⃗𝐴𝐴𝐾𝐾𝑖𝑖 × 𝐹𝐹⃗𝑖𝑖 + � 𝑀𝑀𝑗𝑗 = 0 (oder zu einem beliebigen anderen
𝑖𝑖=1 𝑗𝑗=1 Punkt auf der Wirkungslinie von 𝐹𝐹⃗𝑖𝑖 )
 Hinweise:
• Beim Aufstellen der Gleichgewichtsbedingungen alle Kräfte bzw. Momente, die gemäß Skizze am System
angreifen, mit „+“ aneinanderreihen: das Vorzeichen muss beim Aufstellen der Vektoren berücksichtigt werden!
• Bei den Kreuzprodukten immer den Ortsvektor zuerst und dann den Kraftvektor (spricht: „r Kreuz F“!!!)
• Nach dem Aufstellen der Gleichgewichtsbedingungen müssen die einzelnen Vektoren aufgestellt werden. Hier
müssen auch die unbekannten Lager- und Verbindungsreaktionen auf geeignete Weise berücksichtigt werden.
 Wann ist die vektorielle Methode sinnvoll?
• Bei räumlichen Aufgaben
• Bei ebenen Aufgaben, wenn die Geometrie schwierig zu beschreiben ist

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 73


3. Gleichgewicht im Raum – mit Vektoren

3.2 Beispiel: Schwenkbare Klappe


Beispiel für eine mögliche
Prüfungsaufgabe:
Beispiel 12: vorgesehene Zeit: ca. 30 min
Niveau: leicht
Eine rechteckförmige Klappe der Masse m (Breite a,
Länge 4a, Dicke wird vernachlässigt) ist in den Punkten
z
A und B drehbar um die y-Achse gelagert. Das Festlager D
in A kann Kräfte in alle drei Raumrichtungen aufnehmen,
das Loslager in B nur in x- und in z-Richtung. Im Punkt C 2a
wird die Klappe von einem Seil gehalten, so dass sie
waagrecht in der x-y-Ebene liegt. Das Seil ist im Punkt D
a
(auf der z-Achse in der Höhe 2a über der Klappe) 𝐹𝐹⃗𝐺𝐺
A
befestigt. Die Erdbeschleunigung g wirkt in negative z-
Richtung. Die Gewichtskraft 𝐹𝐹⃗𝐺𝐺 greift im Schwerpunkt S
in der Mitte der Klappe an. S
x
Gegeben: m, g, a
4a
Berechnen Sie die Lagerreaktionen in den Punkten A B
C y
und B sowie die Seilkraft im Punkt C.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 74


3. Gleichgewicht im Raum – mit Vektoren

3.3 Vektoren
• Ein Skalar ist eine Größe, die man durch eine (positive oder negative) Zahl (mit Einheit)
ausdrücken kann (Beispiele in der Mechanik: Masse, Volumen, Länge).
Darstellung: kursiv gedruckte Buchstaben (m, V, l)
• Ein Vektor ist eine Größe, die einen Betrag (Zahl mit Einheit!) und eine Richtung hat (Beispiele in
der Mechanik: Kraft, Moment, Lagevektor, Geschwindigkeit).
• Darstellung:
 Vektor: ⃗ 𝑀𝑀, 𝑟𝑟,
Buchstabe mit Pfeil: 𝐹𝐹, ⃗ 𝑣𝑣⃗

im Buchdruck auch kursiv und fett gedruckte Buchstaben: 𝑭𝑭, 𝑴𝑴, 𝒓𝒓, 𝒗𝒗

 Betrag: Vektor zwischen Betragsstrichen: 𝐹𝐹⃗ , 𝑀𝑀 , 𝑟𝑟⃗ , 𝑣𝑣⃗

oder kursiv gedruckte Buchstaben: 𝐹𝐹, 𝑀𝑀, 𝑟𝑟, 𝑣𝑣


𝐹𝐹𝑥𝑥 𝑀𝑀𝑥𝑥 𝑟𝑟𝑥𝑥 𝑣𝑣𝑥𝑥
 Koordinatendarstellung: 𝐹𝐹⃗ = 𝐹𝐹𝑦𝑦 , 𝑀𝑀 = 𝑀𝑀𝑦𝑦 , 𝑟𝑟⃗ = 𝑟𝑟𝑦𝑦 , 𝑣𝑣⃗ = 𝑣𝑣𝑦𝑦 (Koordinatensystem
𝐹𝐹𝑧𝑧 𝑀𝑀𝑧𝑧 𝑟𝑟𝑧𝑧 𝑣𝑣𝑧𝑧 erforderlich!)

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 75


3. Gleichgewicht im Raum – mit Vektoren

3.3 Vektoren Zum Quiz

• Kartesisches x-y-z-Koordinatensystem: z = Mittelfinger


 Jede Achse steht senkrecht auf die beiden anderen.
 Die Richtungen zueinander sind fest vorgegeben, bei
„Rechtssystemen“ gilt die „Rechte-Hand-Regel“:
• Daumen = x-Achse
• Zeigefinger = y-Achse
y
• Mittelfinger = z-Achse
= Zeigefinger
 Achtung: Immer die rechte Hand benutzen! Für
Rechtshänder heißt das: Immer den Stift weglegen! x = Daumen
• Ebene Darstellung räumlicher Koordinatensysteme:

y z
= Achse, die aus der
Zeichenebene heraus zeigt

= Achse, die in die


z y Zeichenebene hinein zeigt
x x

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 76


3. Gleichgewicht im Raum – mit Vektoren

3.3 Vektoren
z
𝑎𝑎𝑥𝑥
• Betrag und Richtung eines Vektors 𝑎𝑎⃗ = 𝑎𝑎𝑦𝑦
𝑎𝑎𝑧𝑧 az
𝑎𝑎⃗
γ
 Betrag: 𝑎𝑎 = 𝑎𝑎⃗ = 𝑎𝑎𝑥𝑥2 + 𝑎𝑎𝑦𝑦2 + 𝑎𝑎𝑧𝑧2
β ay
 Richtungsvektor: 𝑒𝑒⃗𝑎𝑎 =
1 1
⋅ 𝑎𝑎⃗ = ⋅ 𝑎𝑎⃗ α y
𝑎𝑎 𝑎𝑎 ax
(Länge 1)
cos 𝛼𝛼 x
 𝑎𝑎⃗ = 𝑎𝑎 ⋅ 𝑒𝑒⃗𝑎𝑎 𝑒𝑒⃗𝑎𝑎 = cos 𝛽𝛽
cos 𝛾𝛾
𝑏𝑏
𝑎𝑎𝑥𝑥 𝑏𝑏𝑥𝑥
ϕ
• Winkel zwischen zwei Vektoren 𝑎𝑎⃗ = 𝑎𝑎𝑦𝑦 und 𝑏𝑏 = 𝑏𝑏𝑦𝑦  cos 𝜑𝜑 =
𝑎𝑎∘𝑏𝑏
𝑎𝑎 ⋅ 𝑏𝑏
𝑎𝑎𝑧𝑧 𝑏𝑏𝑧𝑧
mit dem Skalarprodukt 𝑐𝑐 = 𝑎𝑎⃗ ∘ 𝑏𝑏 = 𝑎𝑎𝑥𝑥 ⋅ 𝑏𝑏𝑥𝑥 + 𝑎𝑎𝑦𝑦 ⋅ 𝑏𝑏𝑦𝑦 + 𝑎𝑎𝑧𝑧 ⋅ 𝑏𝑏𝑧𝑧 𝑎𝑎⃗

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 77


3. Gleichgewicht im Raum – mit Vektoren

3.3 Vektoren Zum Quiz


z
Beispiel 13: Betrag und Richtung eines Vektors
3N
Gegeben ist die Kraft 𝐹𝐹⃗ gemäß Skizze rechts. 𝐹𝐹⃗

a) Geben Sie den Vektor 𝐹𝐹⃗ in Koordinatendarstellung an. 5N y


1N
b) Wie groß ist sein Betrag F?
x
c) Stellen Sie den Richtungsvektor 𝑒𝑒⃗𝐹𝐹 auf.
d) Welchen Betrag muss der Richtungsvektor besitzen?
Prüfen Sie dies bei 𝑒𝑒⃗𝐹𝐹 .
e) Berechnen Sie den Winkel zwischen der Kraft 𝐹𝐹⃗ und der
x-Achse.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 78


3. Gleichgewicht im Raum – mit Vektoren

3.3 Vektoren
• Addition und Subtraktion von Vektoren
𝑎𝑎⃗
𝑎𝑎𝑥𝑥 𝑏𝑏𝑥𝑥 𝑏𝑏
 gegeben: 𝑎𝑎⃗ = 𝑎𝑎𝑦𝑦 und 𝑏𝑏 = 𝑏𝑏𝑦𝑦
𝑎𝑎𝑧𝑧 𝑏𝑏𝑧𝑧

𝑏𝑏
𝑎𝑎⃗
𝑎𝑎𝑥𝑥 𝑏𝑏𝑥𝑥 𝑎𝑎𝑥𝑥 + 𝑏𝑏𝑥𝑥
 Addition: 𝑠𝑠⃗ = 𝑎𝑎⃗ + 𝑏𝑏 = 𝑎𝑎𝑦𝑦 + 𝑏𝑏𝑦𝑦 = 𝑎𝑎𝑦𝑦 + 𝑏𝑏𝑦𝑦 𝑠𝑠⃗
𝑎𝑎𝑧𝑧 𝑏𝑏𝑧𝑧 𝑎𝑎𝑧𝑧 + 𝑏𝑏𝑧𝑧

−𝑏𝑏
𝑎𝑎𝑥𝑥 𝑏𝑏𝑥𝑥 𝑎𝑎𝑥𝑥 − 𝑏𝑏𝑥𝑥 𝑎𝑎⃗ 𝑑𝑑⃗
 Subtraktion: 𝑑𝑑⃗ = 𝑎𝑎⃗ − 𝑏𝑏 = 𝑎𝑎𝑦𝑦 − 𝑏𝑏𝑦𝑦 = 𝑎𝑎𝑦𝑦 − 𝑏𝑏𝑦𝑦
𝑎𝑎𝑧𝑧 𝑏𝑏𝑧𝑧 𝑎𝑎𝑧𝑧 − 𝑏𝑏𝑧𝑧 𝑑𝑑⃗ 𝑏𝑏
𝑎𝑎⃗

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 79


3. Gleichgewicht im Raum – mit Vektoren

3.3 Vektoren
• Vektorprodukt bzw. Kreuzprodukt – ein mögliches Schema zur Berechnung

 gegeben: 𝑎𝑎𝑦𝑦 � 𝑏𝑏𝑧𝑧 − 𝑎𝑎𝑧𝑧 � 𝑏𝑏𝑦𝑦


𝑎𝑎𝑥𝑥 𝑏𝑏𝑥𝑥
𝑎𝑎𝑦𝑦 × 𝑏𝑏𝑦𝑦 =
𝑎𝑎⃗ = 𝑎𝑎𝑦𝑦 𝑏𝑏 = 𝑏𝑏𝑦𝑦
𝑎𝑎𝑧𝑧 𝑏𝑏𝑧𝑧
𝑎𝑎𝑧𝑧 𝑏𝑏𝑧𝑧
𝑎𝑎𝑥𝑥 𝑏𝑏𝑥𝑥
 gesucht: × = − 𝑎𝑎𝑥𝑥 � 𝑏𝑏𝑧𝑧 + 𝑎𝑎𝑧𝑧 � 𝑏𝑏𝑥𝑥
𝑎𝑎𝑧𝑧 𝑏𝑏𝑧𝑧
𝑎𝑎𝑥𝑥 𝑏𝑏𝑥𝑥 𝑎𝑎𝑦𝑦 ⋅ 𝑏𝑏𝑧𝑧 − 𝑎𝑎𝑧𝑧 ⋅ 𝑏𝑏𝑦𝑦
𝑐𝑐⃗ = 𝑎𝑎⃗ × 𝑏𝑏 = 𝑎𝑎𝑦𝑦 × 𝑏𝑏𝑦𝑦 = −𝑎𝑎𝑥𝑥 ⋅ 𝑏𝑏𝑧𝑧 + 𝑎𝑎𝑧𝑧 ⋅ 𝑏𝑏𝑥𝑥
𝑎𝑎𝑧𝑧 𝑎𝑎𝑥𝑥 ⋅ 𝑏𝑏𝑦𝑦 − 𝑎𝑎𝑦𝑦 ⋅ 𝑏𝑏𝑥𝑥
𝑎𝑎𝑥𝑥 𝑏𝑏𝑥𝑥
𝑏𝑏𝑧𝑧
𝑎𝑎𝑦𝑦 × 𝑏𝑏𝑦𝑦 =
𝑎𝑎𝑥𝑥 � 𝑏𝑏𝑦𝑦 − 𝑎𝑎𝑦𝑦 � 𝑏𝑏𝑥𝑥

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 80


3. Gleichgewicht im Raum – mit Vektoren

3.3 Vektoren Zum Quiz

Beispiel 14: Kreuzprodukt


3 1
Gegeben sind die Vektoren 𝑎𝑎⃗ = 4 und 𝑏𝑏 = −1 .
1 3
Berechnen Sie den Vektor 𝑐𝑐⃗ = 𝑎𝑎⃗ × 𝑏𝑏 und seinen Betrag c.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 81


3. Gleichgewicht im Raum – mit Vektoren

3.4 Lagevektoren
B
• Lagevektoren zeigen von einem Punkt zu einem anderen Punkt, z.B. z
 𝑟𝑟⃗𝐴𝐴 vom Koordinatenursprung zum Punkt A
 𝑟𝑟⃗𝐵𝐵 vom Koordinatenursprung zum Punkt B 𝑟𝑟⃗𝐵𝐵 𝑟𝑟⃗𝐴𝐴𝐴𝐴
 𝑟𝑟⃗𝐴𝐴𝐵𝐵 vom Punkt A zum Punkt B
(Berechnung in diesem Fall: 𝑟𝑟⃗𝐴𝐴𝐵𝐵 = 𝑟𝑟⃗𝐵𝐵 − 𝑟𝑟⃗𝐴𝐴 )
A
• Es handelt sich also um Vektoren, die Entfernungen und 𝑟𝑟⃗𝐴𝐴
ihre Richtungen beschreiben. Ihr Betrag hat die Einheit
von Längenmaßen (z.B. m, mm etc.). y
• Man kann sie „naturgetreu“ als Verbindung zweier
Punkte in eine Skizze eintragen.
x
• In der Mechanik werden Lagevektoren z.B. benötigt
 für das Momentengleichgewicht,
 zum Aufstellen von Kraftvektoren mit vorgegebener
Richtung (z.B. Seilkräfte),
 zum Beschreiben von Verformungen (Festigkeitslehre)
und Bewegungen (Technische Mechanik II)

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 82


3. Gleichgewicht im Raum – mit Vektoren
F
Zum Quiz z
3.4 Lagevektoren A4
6b b A3
Beispiel 15: Aufstellen eines Lagevektors A1
A2
(5)
(6) (3)
(1) (2)
Gegeben ist der rechts dargestellte Skywalk, der mit Hilfe von sechs 2b (4)
Stäben auf einer Höhe 2b über dem Boden gelagert ist. Die Stäbe (1) x
2b
bis (6) sind am Skywalk in den Punkten A1, A2 und A3 sowie am Boden y B1 B2 B3
in den Punkten B1, B2 und B3 wie in der Skizze dargestellt befestigt.
Die Punkte A1, A2 und A3 liegen jeweils senkrecht oberhalb der Punkte
B1, B2 und B3.
Geben Sie den Lagevektor 𝑟𝑟⃗𝐵𝐵3𝐴𝐴1 vom Punkt B3 zum Punkt A1 an.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 83


3. Gleichgewicht im Raum – mit Vektoren
Zum Quiz
3.5 Kraftvektoren
• Kräfte haben einen Betrag und eine Richtung. Sie können deshalb ebenfalls mit Hilfe von
Vektoren beschrieben werden.
• Mit Kraftvektoren kann man genauso rechnen wie mit anderen Vektoren
(Addition, Subtraktion, Skalarprodukt, Kreuzprodukt …).
• Will man die Resultierende mehrerer Kräfte vektoriell berechnen, dann müssen die Vektoren
der einzelnen Kräfte addiert werden:
F1
F1 𝐹𝐹1𝑥𝑥 𝐹𝐹2𝑥𝑥 𝐹𝐹1𝑥𝑥 + 𝐹𝐹2𝑥𝑥 R
𝑅𝑅 = 𝐹𝐹⃗1 + 𝐹𝐹⃗2 = 𝐹𝐹1𝑦𝑦 + 𝐹𝐹2𝑦𝑦 = 𝐹𝐹1𝑦𝑦 + 𝐹𝐹2𝑦𝑦
𝐹𝐹1𝑧𝑧 𝐹𝐹2𝑧𝑧 𝐹𝐹1𝑧𝑧 + 𝐹𝐹2𝑧𝑧 F2
F2

• Der Betrag eines Kraftvektors hat die Einheit einer Kraft (z.B. N, kN etc.).
• Im Gegensatz zu Lagevektoren kann man Kraftvektoren nicht „naturgetreu“ in Skizzen
eintragen, man braucht einen Maßstab (z.B. „1 cm in der Skizze entspricht 1 kN“).

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 84


3. Gleichgewicht im Raum – mit Vektoren

3.5 Kraftvektoren
• Aufstellen von Kraftvektoren
 aus Anschauung (z.B. in Abhängigkeit von Betrag und Winkel), 𝐹𝐹3 cos 𝛼𝛼
Beispiel rechts in Abhängigkeit von Winkel α und Betrag F3  𝐹𝐹⃗3 = 𝐹𝐹3 sin 𝛼𝛼
0
 aus Lagevektoren (z.B. für Seil- oder Stabkräfte in Abhängigkeit
von der Lage des Seils oder des Stabes), Beispiel rechts:
Ist F3 die Kraft in einem von C nach D gespannten Seil, dann gilt: y D
1 F3
𝐹𝐹⃗3 = 𝐹𝐹3 ⋅ 𝑒𝑒⃗𝐹𝐹3 mit 𝑒𝑒⃗𝐹𝐹3 = ⋅ 𝑟𝑟⃗ und 𝑟𝑟⃗𝐶𝐶𝐶𝐶 = 𝑟𝑟⃗𝐷𝐷 − 𝑟𝑟⃗𝐶𝐶
𝑟𝑟⃗𝐶𝐶𝐶𝐶 𝐶𝐶𝐶𝐶
C α
 beim Freischneiden durch Einführen von Unbekannten für die
x
Lagerreaktionen je nach Lagertyp (siehe auch später),
Beispiel rechts: Festlager in A (kann Kräfte in x- und y-Richtung
aufnehmen), Loslager in B (kann Kräfte in y-Richtung aufnehmen) y
𝐴𝐴𝐻𝐻 0
 𝐹𝐹⃗𝐴𝐴 = 𝐴𝐴𝑉𝑉 𝐹𝐹⃗𝐵𝐵 = 𝐵𝐵𝑉𝑉 B x
A
0 0

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 85


3. Gleichgewicht im Raum – mit Vektoren
F
z
3.5 Kraftvektoren A4
6b b A3
Beispiel 16: Aufstellen von Kraftvektoren A1
A2
(5)
(6) (3)
(1) (2)
Stellen Sie für den rechts dargestellten Skywalk aus Beispiel 15 die 2b (4)
2b x
folgenden auf ihn wirkenden Kraftvektoren auf:
α B3
⃗ verursacht durch eine Last der B1 B2
a) Die von außen wirkende Kraft 𝐹𝐹, y
Masse M (Erdbeschleunigung g wirkt in negative z-Richtung).
b) Die Stabkraft 𝑆𝑆⃗1 des Stabes (1) in Abhängigkeit vom Betrag S1 dieser Kraft,
für den Fall, dass es sich bei S1 > 0 um einen Druckstab handelt.
c) Die Stabkraft 𝑆𝑆⃗2 des Stabes (2) in Abhängigkeit vom Betrag S2 dieser Kraft,
für den Fall, dass es sich bei S2 > 0 um einen Zugstab handelt.
d) Die Stabkraft 𝑆𝑆⃗4 des Stabes (4) in Abhängigkeit vom Betrag S4 dieser Kraft und vom Winkel α,
für den Fall, dass es sich bei S4 > 0 um einen Druckstab handelt.
e) Die Stabkraft 𝑆𝑆⃗6 des Stabes (6) in Abhängigkeit vom Betrag S6 dieser Kraft und von der Länge b,
für den Fall, dass es sich bei S6 > 0 um einen Druckstab handelt.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 86


3. Gleichgewicht im Raum – mit Vektoren

3.6 Momentenvektoren z

• Auch Momente können mit Hilfe von Vektoren beschrieben werden:


 Betrag: Größe des Moments, im Beispiel rechts (vgl. Abschnitt 2.2.4): Mz(0)

𝑀𝑀 = ℎ ⋅ 𝐹𝐹 = 𝑥𝑥 ⋅ 𝐹𝐹𝑦𝑦 − 𝑦𝑦 ⋅ 𝐹𝐹𝑥𝑥 0
h y
 Richtung: Achse, um die das Moment eine Drehung verursachen will
 Schaut man in Richtung des Vektors, dann will er eine Drehung im Mz(0) x
Uhrzeigersinn verursachen. Fy
y
 Die Drehrichtung kann anschaulich dargestellt werden mit der x Fx F
„Rechte-Daumen-Regel“:
• Daumen der rechten Hand zeigt in Richtung des Momentenvektors.
• Die vier anderen Finger werden zu einer Faust geschlossen und zeigen
dann die Drehrichtung des Moments an.
 Die Darstellungen als Momentenvektor (zur Unterscheidung von einer Kraft als Doppelpfeil) bzw. als
gekrümmter Pfeil sind identisch.
• Will man das resultierende Moment aus mehreren Momenten berechnen, dann müssen die
Vektoren der einzelnen Momente addiert werden.
• Der Betrag eines Momentenvektors hat die Einheit eines Momentes (z.B. Nm, kNm, Nmm etc.).

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 87


3. Gleichgewicht im Raum – mit Vektoren
Zum Quiz
3.6 Momentenvektoren
• Berechnung eines Momentes aus einer Kraft mit Hilfe von Vektoren
 Vektor- bzw. Kreuzprodukt aus
• Lagevektor 𝑟𝑟⃗𝐴𝐴𝐴𝐴
– vom Bezugspunkt (hier: A)
– zum Kraftangriffspunkt oder zu einem beliebigen anderen
Punkt auf der Wirkungslinie der Kraft (hier: P) 𝑀𝑀(𝐴𝐴)

• Kraftvektor 𝐹𝐹⃗
A
𝐹𝐹⃗
𝑟𝑟𝐴𝐴𝐴𝐴,𝑥𝑥 𝐹𝐹𝑥𝑥 𝑟𝑟𝐴𝐴𝐴𝐴,𝑦𝑦 ⋅ 𝐹𝐹𝑧𝑧 − 𝑟𝑟𝐴𝐴𝐴𝐴,𝑧𝑧 ⋅ 𝐹𝐹𝑦𝑦
𝑟𝑟⃗𝐴𝐴𝐴𝐴
 𝑀𝑀 (𝐴𝐴)
= 𝑟𝑟⃗𝐴𝐴𝐴𝐴 × 𝐹𝐹⃗ = 𝑟𝑟𝐴𝐴𝐴𝐴,𝑦𝑦 × 𝐹𝐹𝑦𝑦 = −𝑟𝑟𝐴𝐴𝐴𝐴,𝑥𝑥 ⋅ 𝐹𝐹𝑧𝑧 + 𝑟𝑟𝐴𝐴𝐴𝐴,𝑧𝑧 ⋅ 𝐹𝐹𝑥𝑥 P
𝑟𝑟𝐴𝐴𝐴𝐴,𝑧𝑧 𝐹𝐹𝑧𝑧 𝑟𝑟𝐴𝐴𝐴𝐴,𝑥𝑥 ⋅ 𝐹𝐹𝑦𝑦 − 𝑟𝑟𝐴𝐴𝐴𝐴,𝑦𝑦 ⋅ 𝐹𝐹𝑥𝑥

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 88


3. Gleichgewicht im Raum – mit Vektoren
F
3.6 Momentenvektoren A4
z
6b b A3
Beispiel 17: Momentenvektoren aus Einzelkräften A1
A2
(5)
(6) (3)
(1) (2)
Einzelne Kraftvektoren für den rechts dargestellten Skywalk aus den 2b (4)
2b x
Beispielen 15 und 16 lauten:
α B3
0 0 B1 B2
0 𝑆𝑆6 −1 y
𝐹𝐹⃗ = 0 𝑆𝑆⃗1 = 0 𝑆𝑆⃗3 = 0 𝑆𝑆⃗6 = 2
3
−𝑀𝑀𝑀𝑀 𝑆𝑆1 𝑆𝑆3 2

a) Berechnen Sie die Momente, die diese Kräfte in Bezug auf den Punkt A2 verursachen.
b) Stellen Sie das Momentengleichgewicht um den Punkt A2 auf und berechnen Sie damit die
unbekannten Beträge S1, S3 und S6 der Kräfte in den Stäben (1), (3) und (6).

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 89


3. Gleichgewicht im Raum – mit Vektoren

3.7 Elemente zur Modellierung


• Wie im ebenen so gibt es auch im räumlichen Fall Lager und Verbindungselemente, die eine
bestimmte Lage von Körpern sicherstellen und Kräfte übertragen sollen (vgl. Kapitel 2).
• Im Gegensatz zu Kapitel 2 wird hier kein „Katalog“ mit verschiedenen Lager- und
Verbindungstypen zusammengestellt, durch den die meisten praktischen Fälle abgedeckt sind.
• Stattdessen können mit dem Verständnis der Funktionsweise von Lagern und Verbindungen die
unbekannten Lager- und Verbindungsreaktionen richtig freigeschnitten und aufgestellt werden.
Folgende Fragen sind dabei hilfreich:
 Welche Bewegungen sind bei einem bestimmten Lager oder einer bestimmter Verbindung möglich?
 Welche Bewegungen werden durch das Lager oder die Verbindung blockiert?
• Für jede blockierte Verschiebung  eine unbekannte Reaktionskraft in den Vektor der Lagerkraft eintragen
• Für jede blockierte Drehung  ein unbekanntes Reaktionsmoment in den Vektor des Lagermomentes eintragen
 Zur Kontrolle: Bei jedem Lager und bei jeder Verbindung muss die Summe aus den möglichen und den
blockierten Bewegungen sechs sein (Verschiebung in drei Richtungen und Drehung um drei Achsen).
• Die dafür erforderlichen Informationen werden in Ihren Aufgaben nicht über standardisierte
Bilder für Lager und Verbindungselemente vermittelt, sondern über die Aufgabenbeschreibung!

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 90


3. Gleichgewicht im Raum – mit Vektoren

3.7 Elemente zur Modellierung


z
• Scharnier
 Formulierungsbeispiel:
„Die beiden Körper sind über ein um die x-Achse
drehbares Scharnier miteinander verbunden.“
 mögliche Bewegung: Drehung um die x-Achse
 blockierte Bewegungen:
• Verschiebung in x-, y- und z-Richtung
• Drehung um y- und z-Achse
 Wertigkeit: w = 5 x
 Reaktionen:
• Kräfte in x-, y- und z-Richtung
• Momente um y- und z-Achse
 Ansatz für Lagerkraft und Lagermoment:
y
𝐴𝐴𝑥𝑥 0
𝐹𝐹⃗𝐴𝐴 = 𝐴𝐴𝑦𝑦 𝑀𝑀𝐴𝐴 = 𝑀𝑀𝐴𝐴𝐴𝐴
𝐴𝐴𝑧𝑧 𝑀𝑀𝐴𝐴𝐴𝐴

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 91


3. Gleichgewicht im Raum – mit Vektoren

3.7 Elemente zur Modellierung


• Einspannung
 Formulierungsbeispiel:
„Der Balken ist fest in der Umgebung eingespannt.“
 mögliche Bewegung: keine
 blockierte Bewegungen:
• Verschiebung in x-, y- und z-Richtung
• Drehung um x-, y- und z-Achse
 Wertigkeit: w = 6
 Reaktionen:
• Kräfte in x-, y- und z-Richtung
• Momente um x-, y- und z-Achse
 Ansatz für Lagerkraft und Lagermoment:

𝐴𝐴𝑥𝑥 𝑀𝑀𝐴𝐴𝐴𝐴
𝐹𝐹⃗𝐴𝐴 = 𝐴𝐴𝑦𝑦 𝑀𝑀𝐴𝐴 = 𝑀𝑀𝐴𝐴𝐴𝐴
𝐴𝐴𝑧𝑧 𝑀𝑀𝐴𝐴𝐴𝐴

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 92


3. Gleichgewicht im Raum – mit Vektoren y

3.7 Elemente zur Modellierung


• Fest-Los-Lagerung A B
 Formulierungsbeispiel: z x
„Die Welle ist in den Punkten A und B gelenkig
gelagert. Bei A handelt es sich um ein Fest-
lager (keine Verschieblichkeit), bei B um ein aus: „Die Gestaltung von Wälzlagern. Konstruktionsbeispiele aus dem
Loslager (Verschieblichkeit nur in x-Richtung).“ Maschinen-, Fahrzeug- und Gerätebau“, Publ.-Nr. WL 00 200/4 DA, FAG
Kugelfischer Georg Schäfer KGaA Schweinfurt, S. 35 (Kreissägewelle).

• Loslager (Punkt B)
 mögliche Bewegungen: • Festlager (Punkt A)
• Verschiebung in x-Richtung  mögliche Bewegungen:
• Drehung um die x-Achse • Drehung um die x-Achse
• (kleine) Drehung um die y- und z-Achse • (kleine) Drehung um die y- und z-Achse
 blockierte Bewegungen:  blockierte Bewegungen:
• Verschiebung in y- und z-Richtung • Verschiebung in x-, y- und z-Richtung
 Wertigkeit: w = 2  Wertigkeit: w = 3
 Reaktionen:  Reaktionen:
• Kräfte in y- und z-Richtung 0 • Kräfte in x-, y- und z-Richtung 𝐴𝐴𝑥𝑥
 Ansatz für Lagerkraft: 𝐹𝐹⃗𝐵𝐵 = 𝐵𝐵𝑦𝑦  Ansatz für Lagerkraft: 𝐹𝐹⃗𝐴𝐴 = 𝐴𝐴𝑦𝑦
𝐵𝐵𝑧𝑧 𝐴𝐴𝑧𝑧
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 93
3. Gleichgewicht im Raum – mit Vektoren

3.8 Statische und kinematische Bestimmtheit


• Wie im ebenen so kann auch im räumlichen Fall ein mechanisches System statisch und
kinematisch bestimmt sein oder nicht.
• Die Untersuchung dieser Frage unterscheidet sich für räumliche Systeme grundsätzlich kaum
von der Vorgehensweise bei ebenen Systemen.
• Zur Erinnerung: Zwei Bedingungen müssen erfüllt sein, dass ein System statisch und
kinematisch bestimmt ist, vgl. Abschnitt 2.3.5:
 Bedingung 1: Die Zahl der Unbekannten muss gleich der Zahl der Gleichgewichtsbedingungen sein.
Im räumlichen Fall ist das erfüllt, wenn die Summe der Wertigkeiten aller Lager und Verbindungen
(w1 + w2 + … + wk) gleich 6 ∙ n ist (zum Vergleich: im ebenen Fall muss diese Summe gleich 3 ∙ n sein).
 Bedingung 2: Die Lager müssen „geeignet angebracht“ sein, d. h. vereinfacht gesagt: Es dürfen keine
Bindungen dabei sein, die „nichts bringen“. Dies ist dann der Fall, wenn bei erfüllter Bedingung 1 die
unbekannten Reaktionskräfte und -momente aus den Gleichgewichtsbedingungen tatsächlich bestimmt
werden können.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 94


3. Gleichgewicht im Raum – mit Vektoren

3.9 Zusammenfassung
• Ermitteln von Reaktionskräften und -momenten in statisch bestimmten Systemen
mit Hilfe der vektoriellen Methode (Unterschiede zur anschaulichen Methode sind rot markiert)
 Freischneiden (Freischnittskizze anfertigen)
• freigeschnittene Körper skizzieren (geschlossener Schnitt durch alle Lager und Verbindungen)
• alle wirkenden Kräfte und Momente inklusive der Bindungsreaktionen eintragen, Hinweise:
– Bei jeder Bindung einen Kraft- und/oder einen Momentenvektor mit eindeutigem Namen eintragen (Die Wertigkeit spielt in
der Skizze keine Rolle, lediglich die Frage, ob es nur eine Kraft, nur ein Moment oder beides ist, das wirken kann.)
– Die Pfeilrichtung in der Skizze spielt keine Rolle (Die Vorzeichen werden beim Aufstellen der Vektoren berücksichtigt.)
 Gleichgewichtsbedingungen aufstellen (Kräfte- und Momentengleichgewicht), Hinweise:
• nur mit den Formelzeichen der Vektoren
• alle vektoriellen Terme mit „+“ aneinanderreihen, die Richtung der Kräfte und Momente spielt hier keine Rolle!
 Alle benötigten Kraft-, Momenten- und Lagevektoren aufstellen, Hinweise:
• bei jeder Komponente der Lagevektoren und der eingeprägten Kräfte und Momente auf das Vorzeichen achten
• bei Bindungsreaktionen (je nach Wertigkeit und Gestaltung) in die einzelnen Vektorkomponenten die Namen von
unbekannten Kraft- bzw. Momentenkomponenten eintragen, vgl. Abschnitt 3.7
 Aufgestellte Vektoren in Gleichgewichtsbedingungen einsetzen, daraus skalare Gleichungen formulieren
 Gleichungen nach unbekannten Komponenten auflösen, ggf. Vektoren damit fertig zusammenstellen
 Plausibilität prüfen und ursprüngliche Frage beantworten
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 95
3. Gleichgewicht im Raum – mit Vektoren Beispiel für eine mögliche
Prüfungsaufgabe:
𝐹𝐹⃗𝑍𝑍
3.9 Zusammenfassung vorgesehene Zeit: ca. 25 min y
Niveau: mittel
α
Beispiel 18: Baggerschaufel Z b
Die auf eine Baggerschaufel wirkenden Kräfte sollen analysiert werden. A
Die Schaufel ist im Punkt A drehbar um die z-Achse gelagert. Im Punkt L
liegt eine schwere Last mit der Masse m in der Schaufel. Die daraus resul- c a
h
tierende Gewichtskraft 𝐅𝐅𝐿𝐿 wirkt in negativer y-Richtung. Im Punkt Z greift
⃗ ⃗
𝐹𝐹𝐿𝐿
die zur Verstellung der Schaufel erforderliche Kraft 𝐅𝐅⃗𝑍𝑍 eines Hydraulikzy-
linders an, deren Wirkungslinie in der x-y-Ebene liegt und gemäß Skizze
um den Winkel α gegenüber der x-Achse geneigt ist. Das Eigengewicht
der Schaufel wird vernachlässigt. Die Punkte A und Z liegen in der x-y- z L
Ebene, der Punkt L ist um die (in der Skizze nicht dargestellte) Exzentri- x
zität e aus der x-y-Ebene in z-Richtung verschoben. Die Lage der Punkte L und Z gegenüber dem
Punkt A in x- und y-Richtung ist über die Größen a, b, c und h gemäß Skizze gegeben.
Gegeben: a, b, c, e, h, α, m und die Erdbeschleunigung g
Berechnen Sie für den Fall, dass die Schaufel im Gleichgewicht ist, den Betrag FZ der Zylinderkraft
in Abhängigkeit von den gegebenen Größen sowie die Vektoren der Lagerreaktionen im Punkt A in
Abhängigkeit von FZ und den gegebenen Größen.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 96


3. Gleichgewicht im Raum – mit Vektoren

3.9 Summary
• How to calculate reaction forces and moments in statically determinate spacial mechanical
systems (differences to chapter 2 are marked in red):
 Carefully read and understand the problem description
 Isolate the bodies
• Draw the free body diagram with all bodies separated from each other and from the environment
• Insert all active forces and moments
• Insert all reaction forces and moments: For each connection one force vector and/or one moment vector
• The direction of the arrows is not important in the sketch – the signs are considered when formulating the vectors
 Formulate the equilibrium conditions for each body (equilibrium of forces and equilibrium of moments)
• Write down the vectors one after the other just by using their symbols from the sketch
• Only use “+“ signs between the vectors in the equations – independent from the direction of forces and moments
 Establish all components of the vectors occuring in the equilibrium conditions
• In all position vectors and in all vectors of active forces and moments the correct sign has to be considered
• In all vectors of reaction forces and moments the names of the unknown force and moment components have to
be inserted – their number is depending on the characteristics of the connection (see section 3.7)
 Insert all established vectors into the equilibrium conditions and extract the scalar equations from those
 Solve the equations for unknown forces and moments, formulate the resulting force and moment vectors
 Check if the results are plausible, Answer the initial questions
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 97
3. Gleichgewicht im Raum – mit Vektoren

3.9 Summary
• Exercise

From the book:


[GEWSM] Gross, D.; Ehlers, W.; Wriggers, P.; Schröder, J.; Müller, R.: Statics – Formulas and
Problems. Engineering Mechanics 1. Berlin: Springer 2017.
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 98
Gliederung
1. Grundlagen
4.1 Was ist ein Fachwerk?
2. Gleichgewicht in der Ebene –
4.2 Beispiel: Bühnengerüst
die anschauliche Methode
4.3 Knotenpunktverfahren
3. Gleichgewicht im Raum –
mit Vektoren 4.4 Nullstäbe
4. Fachwerke 4.5 Schnittverfahren nach Ritter
5. Schwerpunkt 4.6 Räumliche Fachwerke
6. Schnittgrößen 4.7 Nummerische Berechnung von Fachwerken
7. Reibung 4.8 Summary

„Jetzt kommen wir zu einem sogenannten Abstauberthema,


auf das sich ein jeder Noch-Loser in Prüfungen so richtig
freuen kann. Bei Stabwerken kann man wunderbar Punkte
holen.“

([RH] S. 46)

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 99


4. Fachwerke

4.1 Was ist ein Fachwerk?


• Tragwerk aus schlanken, miteinander
verbundenen Stäben
 eine der ältesten Methoden
des Leichtbaus!
• Annahmen zur Berechnung:
 Alle Kräfte greifen in den Knoten an
(Knoten = Verbindungsstellen von zwei
oder mehr Stäben).
 Das Eigengewicht der Stäbe wird
vernachlässigt oder jeweils zur Hälfte in
den beiden Knoten des Stabes
aufgebracht.
 Die Stäbe sind gelenkig und reibungsfrei
miteinander verbunden (auch bei Niet-,
Schraub- oder Schweißverbindungen!).

Quelle: http://www.intechcontracting.com/sites/default/files/330462_10100439962608330_239348395_o.jpg
(Zugriff am 29.4.2021)

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 100


4. Fachwerke

4.1 Was ist ein Fachwerk?


• Konstruktiver Aufbau eines ebenen Fachwerkes:
 Damit ein Fachwerk stabil sein kann, muss es in sich
statisch und kinematisch bestimmt sein und zudem
statisch und kinematisch bestimmt gelagert sein.
 Ein Dreieck aus gelenkig miteinander verbundenen
Stäben ist in sich statisch und kinematisch bestimmt.
 An zwei Knoten dieses Dreiecks kann man zwei
weitere Stäbe anschließen, die selbst gelenkig
miteinander verbunden sind. Das dabei entstehende
vergrößerte Fachwerk ist wieder in sich statisch und
kinematisch bestimmt.
 So kann man unbegrenzt fortfahren, bis die Struktur
des Fachwerkes fertig ist.
 Das Fachwerk ist schließlich noch statisch und
kinematisch bestimmt mit der Umgebung zu
verbinden.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 101


4. Fachwerke
a a a a a a
4.2 Beispiel: Bühnengerüst
B 4 D 8 G
1 5 10
Beispiel 19: 3 9 a
7 11 H
Für die Bühne eines Theaters wurde das rechts A 2 C 6 E 13 a
dargestellte Gerüst in Fachwerkbauweise 12 14
konstruiert. Im Knoten A soll die Kraft F angreifen. I 15
F a
Die Geometrie ist aus der Skizze abzulesen. Das J
Gerüst ist durch die in der Skizze dargestellte 16
17
Fest-Los-Lagerung auf der Bühne befestigt. a
K 18
Gegeben: a, F 19
a
Berechnen Sie in Abhängigkeit von den 20 L
gegebenen Größen die Kräfte in den Stäben 1 bis 21
4 und 22 bis 25 sowie die Lagerkräfte im Los- und a
M 22
im Festlager. Welche Stäbe sind offensichtlich 23
Nullstäbe? 24 a
N
O
25

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 102


4. Fachwerke

4.3 Knotenpunktverfahren S1
B
S4
• Beim Knotenpunktverfahren werden einzelne oder alle A
S2
Knoten des Fachwerkes nacheinander freigeschnitten. S3
S1
• Die Richtung der Stabkräfte ist gleich der Stabrichtung. F
• Der Richtungssinn einer Stabkraft darf beim Freischneiden einmal beliebig gewählt werden, muss
beim gegenüberliegenden Knoten dann aber entgegengesetzt eingetragen werden.
• Wird beim Freischneiden der Richtungssinn anders gewählt, als die Kraft wirkt, dann ergibt sich
eine negative Stabkraft.
• Empfehlung: Jeden Stab als Zugstab freischneiden. Für das Ergebnis steht dann immer fest:
 Positive Kräfte sind Zugkräfte.
 Negative Kräfte sind Druckkräfte.
• Das Momentengleichgewicht ist für einen Knoten automatisch erfüllt (zentrales Kräftesystem).
• Mit dem Kräftegleichgewicht kann man für jeden Knoten zwei Gleichungen formulieren (z.B.
horizontal und vertikal oder x- und y-Richtung).
• Mit den Knotengleichungen kann man also insgesamt doppelt so viele unbekannte Stab- und
Lagerkräfte ausrechnen wie die Anzahl der Knoten im Fachwerk (lineares Gleichungssystem).
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 103
4. Fachwerke

4.3 Knotenpunktverfahren a a a a a a
B 4 D 8 G
• Es ist zweckmäßig, mit einem Knoten zu beginnen, an 1
3 5 9
10
a
dem nur zwei unbekannte Kräfte wirken. 7 11 H
Beispiel rechts: Knoten A  S1 und S2 A 2 C 6 E 13 a
12 14
• Nach Berechnen der beiden Kräfte sucht man weitere
I
Knoten mit jeweils zwei Unbekannten, wobei alle bisher 15
F a
berechneten Kräfte jetzt als bekannte Größen J
16
verwendet werden können. 17
Beispiel rechts: Knoten B  S3 und S4, dann C  S5 und S6, a
K 18
dann D  S7 und S8, dann G  S9 und S10 usw. 19
a
• Das Fachwerk kann auch als Ganzes von der Umgebung freigeschnitten werden,
20 L
um die Lagerreaktionen zu bestimmen. Dies ist immer dann zu empfehlen, wenn 21
es keine Knoten (mehr) gibt, an denen nur zwei unbekannte Kräfte angreifen. a
M 22
Vorgehen: Das gesamte Fachwerk als Starrkörper von den Lagern freischneiden,
23
Kräfte- und Momentengleichgewicht aufstellen, Lagerreaktionen bestimmen, 24 a
fehlende Stabkräfte ermitteln. N
O
Hinweis: Es liegen dann drei Gleichungen mehr vor als erforderlich. Zur Probe 25
können die ermittelten Kräfte zuletzt in diese Gleichungen eingesetzt werden.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 104


4. Fachwerke
Zum Quiz
4.3 Knotenpunktverfahren
Beispiel 20: Einfaches Fachwerk aus 5 Stäben
F
Auf das rechts dargestellte Fachwerk wirkt im B 4 D α
Knoten D die Kraft F. Die Geometrie ist aus der 3
Skizze abzulesen. Das Fachwerk ist im Punkt A 1 5 h
durch ein Festlager und im Punkt B durch ein A 2 C
Loslager fixiert. l
Gegeben: h, l , F (> 0), α (zwischen 0° und 90°)
a) Berechnen Sie die Kräfte in den Stäben 4 und
5. Handelt es sich dabei jeweils um eine Zug-
oder eine Druckkraft?
b) In welcher Reihenfolge schneiden Sie danach
zweckmäßigerweise die Knoten frei, wenn Sie
die restlichen Stab- und die Lagerkräfte
bestimmen wollen? (Hinweis: Sie brauchen
diese Kräfte nicht mehr berechnen.)

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 105


4. Fachwerke

4.4 Nullstäbe
• In bestimmten Fällen kann man
sofort erkennen, dass die Kraft in
einem Stab Null sein muss:
 Fall 1: zwei Stäbe in S1
1
unterschiedlicher Richtung an einem S1 = 0
Knoten ohne äußere Kraft S2 = 0
 Beide Stabkräfte sind Null. 2 S2

 Fall 2: zwei Stäbe unterschiedlicher


Richtung an einem Knoten mit 1 F S1 F
äußerer Kraft in Richtung eines S2 = 0
Stabes 2 S2
 Die Kraft im anderen Stab ist Null.

 Fall 3:drei Stäbe an einem Knoten 1 2 S1 S2


ohne äußere Kraft, wobei zwei Stäbe S3 = 0
in gleicher Richtung liegen 3
 Die Kraft im dritten Stab ist Null.
S3

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 106


4. Fachwerke

4.4 Nullstäbe
• Bei der Berechnung der Stabkräfte eines Fachwerkes ist es zweckmäßig, zuerst oder auch im
Laufe des Berechnungsverfahrens möglichst viele Nullstäbe zu identifizieren

 weniger unbekannte Kräfte, weniger Aufwand!

• Nullstäbe sind – auch wenn Sie keiner Belastung ausgesetzt sind – trotzdem nicht nutzlos:

 Sie erhöhen die Stabilität eines Fachwerkes.

 Wenn sich die äußere Belastung verändert, können auch diese Stäbe Kräfte aufnehmen.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 107


4. Fachwerke
Zum Quiz
4.4 Nullstäbe
Beispiel 21: Nullstäbe bestimmen
A
Bei welchen Stäben des rechts abgebildeten
Fachwerkes verschwindet jeweils die Stabkraft? 2
1 a
Gegeben: a, F 3 C
B
4 5 6
a
7 G
D 9 11 12 a
8
10 13
E
H I F
a a a

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 108


4. Fachwerke

4.5 Schnittverfahren nach Ritter a a a a a a


B 4 D 8 G
• Dieses Verfahren eignet sich besonders dann, wenn 1
3 5 9
10
a
einzelne Stabkräfte gesucht sind. 7 11 H
Beispiel rechts: Kraft im Stab 10. A 2 C 6 E 13 a
12 14
• Das Innere des Fachwerks wird so freigeschnitten,
I
dass in Summe maximal drei unbekannte Kräfte am 15
F a
Schnitt angreifen, darunter die gesuchte(n). J
16
Beispiel rechts: Schnitt durch Stäbe 10, 11 und 12. 17
a
• Am freigeschnittenen Teil des Fachwerks können nun K 18
die unbekannten Kräfte mit Hilfe der Gleichgewichts- 19
a
bedingungen ermittelt werden, am besten über L
Momentengleichungen, so dass jeweils 20
a a a a a a 21
zwei Unbekannte rausfallen. a
G M 22
Beispiel rechts:
S10 23
 Momentengleichgewicht um E  S10 a 24 a
H N
 Momentengleichgewicht um H  S12 O
E S11 25
 Kräftegleichgewicht horizontal  S11
S12
F
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 109
4. Fachwerke
Zum Quiz
4.5 Schnittverfahren nach Ritter
Beispiel 22: Berechnen einer einzelnen Stabkraft A
2
Berechnen Sie für das rechts abgebildete 1 a
3 C
Fachwerk aus Beispiel 21 die Kraft im Stab 6 mit B
Hilfe eines „Ritter-Schnittes“. Berücksichtigen Sie 4 5 6
hierbei, dass die Stäbe 8 und 10 Nullstäbe sind a
7 G
und deshalb nicht berücksichtigt werden müssen.
Gegeben: a, F D 9 11 12 a
8
10 13
E
H I F
a a a

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 110


4. Fachwerke

4.6 Räumliche Fachwerke


• Konstruktiver Aufbau eines räumlichen Fachwerkes
 Statisch und kinematisch bestimmte ebene Fachwerke
werden aus Dreieckstrukturen (drei Stäbe, drei Gelenke)
aufgebaut.
 Bei räumlichen Fachwerken ist die statisch und
z
kinematisch bestimmte Grundstruktur ein Tetraeder aus
sechs Stäben mit vier Kugelgelenken.
 An drei Knoten dieses Tetraeders kann man drei weitere
Stäbe anschließen, die selbst gelenkig miteinander
verbunden sind. Das dabei entstehende vergrößerte
Fachwerk ist wieder in sich statisch und kinematisch
bestimmt.
 Das Fachwerk ist schließlich noch statisch und kinematisch y
bestimmt mit der Umgebung zu verbinden (hier nicht
dargestellt).
x

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 111


4. Fachwerke

4.6 Räumliche Fachwerke


• Berechnung der Stabkräfte in einem räumlichen Fachwerk
 Zweckmäßigerweise mit Vektoren
 Stabkräfte über die Richtungsvektoren aufstellen (vgl. Beispiele 15 und 16)
 Knotenpunktverfahren
• ähnlich wie im ebenen Fall
• pro Knoten können drei Gleichungen formuliert werden (Kräftegleichgewicht in drei Richtungen)
• damit lassen sich pro Knoten drei unbekannte Kräfte berechnen
(zum Vergleich: in der Ebene pro Knoten zwei Gleichungen und damit zwei unbekannte Kräfte)
 Schnittverfahren nach Ritter
• ähnlich wie im ebenen Fall
• den Schnitt so legen, dass in Summe maximal sechs unbekannte Kräfte am Schnitt angreifen
(zum Vergleich: in der Ebene maximal drei unbekannte Kräfte)

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 112


4. Fachwerke

4.7 Nummerische Berechnung von Fachwerken


• Die Gleichgewichtsbedingungen (GGW-Bed.) von mechanischen Systemen führen auf lineare
Gleichungssysteme für die unbekannten Reaktionskräfte und -momente, auch bei Fachwerken.
• Bei größeren und komplexeren Fachwerken ist es meist sehr aufwändig, die Gleichungen von
Hand zu lösen – hier lässt man sich besser vom Computer helfen.
• Es ist dabei zweckmäßig, das Gleichungssystem in Matrix-Vektor-Schreibweise darzustellen:
 Alle unbekannten Stabkräfte und Lagerreaktionen
werden im Vektor 𝑥𝑥⃗ zusammengefasst. cos 𝛼𝛼 −1 ⋯ 0 1 0 0 𝑆𝑆1 𝐹𝐹1
 Die Faktoren, mit denen diese Unbekannten in sin 𝛼𝛼 0 ⋯ 0 0 1 0 𝑆𝑆2 0
den GGW-Bed. multipliziert werden, stehen in der ⋮ ⋮ ⋱ ⋮ ⋮ ⋮ ⋮ ⋮ ⋮
Systemmatrix A (jede Zeile ist eine GGW-Bed., 0 0 ⋯ 1 0 0 0 ⋅ 𝑆𝑆𝑛𝑛 = 𝐹𝐹2
jede Spalte gehört zu einer Unbekannten). 0 0 ⋯ −1 0 0 0 𝐴𝐴𝐻𝐻 0
 Die rechte Seite des Gleichungssystems enthält 0 0 ⋯ 0 0 0 0 𝐴𝐴𝑉𝑉 0
alle Terme, die keine Unbekannten enthalten. Sie 0 0 ⋯ 0 0 0 1 𝐵𝐵𝑉𝑉 𝐹𝐹3
werden im Vektor 𝑏𝑏 zusammengefasst (jede Zeile 𝐴𝐴 𝑥𝑥⃗ 𝑏𝑏
enthält die rechte Seite einer GGW-Bed.).

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 113


4. Fachwerke

4.7 Nummerische Berechnung von Fachwerken


• Einfache Kontrollmöglichkeit für die Matrix A:

Die Summe über alle Elemente einer Spalte,


die zu einer unbekannten Stabkraft gehört,
muss Null ergeben.

(Bei Lagerreaktionen ist das nicht so!)

• In vielen Programmierumgebungen (z.B. auch in MATLAB®) gibt es Bibliotheken mit


Unterprogrammen, die die Lösung eines solchen linearen Gleichungssystems übernehmen.

In MATLAB® lautet der Befehl x = A\b; für ein Gleichungssystem der Form 𝐴𝐴 � 𝑥𝑥⃗ = 𝑏𝑏.

• Davor müssen nur die Matrix A und der Vektor b mit entsprechenden Zahlenwerten belegt werden.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 114


4. Fachwerke

4.7 Nummerische Berechnung von Fachwerken FV

FH B
Beispiel 23: Nummerische Berechnung eines Fachwerks aus 5 Stäben
3 4 c
1
Auf das rechts dargestellte Fachwerk wirken im Knoten B
die beiden Kraftkomponenten FH und FV. Die Geometrie ist C
2 d
aus der Skizze abzulesen. Das Fachwerk ist im Punkt A 5
durch ein Festlager und im Punkt D durch ein Loslager A D
mit der Umgebung verbunden.
a b
Gegeben: a, b, c, d, FH, FV
a) Stellen Sie sämtliche Gleichungen zur Berechnung
der unbekannten Stab- und Lagerkräfte mit Hilfe des Knotenpunktverfahrens auf und stellen Sie
sie als lineares Gleichungssystem in Matrix-Vektor-Schreibweise dar. Verwenden Sie hierfür die
Tabelle auf der folgenden Seite.
b) Programmieren Sie die Lösung dieses linearen Gleichungssystems in MATLAB® für beliebige
Zahlenwerte. Wie groß sind die Stab- und die Lagerkräfte bei den gegebenen Zahlenwerten
a = 3 m, b = 2 m, c = 0.5 m, d = 1.5 m, FV = 12 kN, FH = 10 kN?

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 115


4. Fachwerke

4.7 Nummerische Berechnung von Fachwerken


Beispiel 23: Nummerische Berechnung eines Fachwerks aus 5 Stäben

Knoten / Matrix A Vektor


Richtung S1 S2 S3 S4 S5 AH AV DV 𝑏𝑏
A→

A↑

B→

B↑

C→

C↑

D→

D↑
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 116
4. Fachwerke

4.8 Summary
• Calculate the forces in the bars of a (planar) truss
 Look for obviously unloaded bars – this can significantly reduce the calculation effort
 Method of joints
• Isolate the nodes and formulate the equlibrium of forces
• Directly leads to bar forces, if there are only two unknown forces in a node
• Formulating equlibrium conditions for all nodes leads to a system of linear equations for all bar and support forces
(if the truss is statically determinate)
 Method of sections (according to Ritter)
• Isolate a part of the truss, so that only three unknown forces occur
• Formulating equlibrium of forces and moments for this part leads to tree equations for the three unknown forces
• Especially good when just a few (and not all) bar forces have to be calculated

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 117


4. Fachwerke

4.8 Summary
• Exercise

From the book:


[GEWSM] Gross, D.; Ehlers, W.; Wriggers, P.; Schröder, J.; Müller, R.: Statics – Formulas and
Problems. Engineering Mechanics 1. Berlin: Springer 2017.
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 118
Gliederung
1. Grundlagen
2. Gleichgewicht in der Ebene –
die anschauliche Methode
5.1 Was ist der Schwerpunkt?
3. Gleichgewicht im Raum –
mit Vektoren 5.2 Massenmittelpunkt
4. Fachwerke 5.3 Volumenmittelpunkt
5. Schwerpunkt 5.4 Flächenschwerpunkt
6. Schnittgrößen 5.5 Linienkräfte und ihre Resultierende
7. Reibung 5.6 Flächenkräfte und ihre Resultierende
5.7 Summary

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 119


5. Schwerpunkt

5.1 Was ist der Schwerpunkt?


• Die Gewichtskraft ist eine „verteilte Kraft“, sie wirkt über den Vi
gesamten Körper verteilt: Jedes herausgeschnittene Element
hat seine eigene Gewichtskraft, siehe im Bild rechts der Gi = ρ∙g∙Vi
Würfel mit dem Volumen Vi und der Gewichtskraft Gi. S
• In der Stereostatik werden solche verteilten Kräfte meist zu z
resultierenden Einzelkräften zusammengefasst: die Summe 𝑟𝑟⃗𝑆𝑆 G
der Gewichtskräfte aller einzelnen Teilkörper ergibt die y
gesamte Gewichtskraft:
𝐺𝐺 = � 𝐺𝐺𝑖𝑖 x
𝑖𝑖
• Der Schwerpunkt ist derjenige Punkt, in dem diese resultierende Kraft angreifen muss, damit
das System durch diese Vereinfachung in ihrer statischen Wirkung nicht verändert wird.
• Man kann sich den Schwerpunkt vorstellen als den Punkt, in dem das in der Realität über den
gesamten Körper verteilte Gewicht zusammengefasst ist.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 120


5. Schwerpunkt

5.1 Was ist der Schwerpunkt?


Beispiel 24: Schwerpunkt eines Tisches
Ein symmetrischer Tisch besteht aus einer quaderförmigen
Tischplatte aus Buchenholz (Länge l = 1.5 m, Breite b = 0.8 m, b
Dicke t = 3 cm, Dichte ρB = 690 kg/m3) und vier identischen, z
zylinderförmigen Tischbeinen aus Fichtenholz (Länge h = 1.1 l
t
m, Durchmesser d = 4 cm, Dichte ρF = 470 kg/m3).
a) Berechnen Sie die Gewichtskraft GT des Tisches. y d
h
b) Ermitteln Sie die Koordinaten xT, yT und zT des
Schwerpunktes des Tisches. x

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 121


5. Schwerpunkt

5.1 Was ist der Schwerpunkt? R

• Schwerpunkt für mehrere parallele Kräfte (für eine Koordinate): Gi


G1
 Auf eine masselose Stange wirken n parallele Kräfte Gi, die durch G2 Gn
eine Resultierende R ersetzt werden sollen, siehe Bild rechts.
 Damit die Stange im Gleichgewicht sein kann, ist eine Haltekraft H 0
erforderlich, die
• gleich groß ist wie R,
x1 S x
• die gleiche Richtung hat wie R, aber entgegengesetzten Richtungssinn, x2
• und die im selben Punkt angreift wie R. xS
 Dieser Punkt ist der Schwerpunkt S aller n Kräfte Gi
 Die Lage xS der Haltekraft (und damit die Lage der Resultierenden
und des Schwerpunkts) erhält man über das Momentengleichgewicht:
H
𝑥𝑥𝑆𝑆 ⋅ 𝐻𝐻 − 𝑥𝑥1 ⋅ 𝐺𝐺1 − 𝑥𝑥2 ⋅ 𝐺𝐺2 − ⋯ − 𝑥𝑥𝑖𝑖 ⋅ 𝐺𝐺𝑖𝑖 − ⋯ − 𝑥𝑥𝑛𝑛 ⋅ 𝐺𝐺𝑛𝑛 = 0
𝑛𝑛

→ 𝑥𝑥𝑆𝑆 ⋅ 𝐻𝐻 − � 𝑥𝑥𝑖𝑖 ⋅ 𝐺𝐺𝑖𝑖 = 0


𝑖𝑖=1 ∑𝑛𝑛𝑖𝑖=1 𝑥𝑥𝑖𝑖 ⋅ 𝐺𝐺𝑖𝑖 ∑𝑛𝑛𝑖𝑖=1 𝑥𝑥𝑖𝑖 ⋅ 𝐺𝐺𝑖𝑖 ∑𝑖𝑖 𝑥𝑥𝑖𝑖 ⋅ 𝐺𝐺𝑖𝑖
 Die Haltekraft H muss gleich der Resultierenden R sein: ⇒ 𝑥𝑥𝑆𝑆 = = =
𝑛𝑛 𝐻𝐻 ∑𝑛𝑛𝑖𝑖=1 𝐺𝐺𝑖𝑖 ∑𝑖𝑖 𝐺𝐺𝑖𝑖
𝐻𝐻 = 𝐺𝐺1 + 𝐺𝐺2 + ⋯ + 𝐺𝐺𝑖𝑖 + ⋯ + 𝐺𝐺𝑛𝑛 = � 𝐺𝐺𝑖𝑖
𝑖𝑖=1
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 122
5. Schwerpunkt

5.1 Was ist der Schwerpunkt?


• Verallgemeinerung auf drei Koordinaten (ohne Herleitung)
∑𝑖𝑖 𝑥𝑥𝑖𝑖 ⋅ 𝐺𝐺𝑖𝑖 ∑𝑖𝑖 𝑦𝑦𝑖𝑖 ⋅ 𝐺𝐺𝑖𝑖 ∑𝑖𝑖 𝑧𝑧𝑖𝑖 ⋅ 𝐺𝐺𝑖𝑖
𝑥𝑥𝑆𝑆 = 𝑦𝑦𝑆𝑆 = 𝑧𝑧𝑆𝑆 =
∑𝑖𝑖 𝐺𝐺𝑖𝑖 ∑𝑖𝑖 𝐺𝐺𝑖𝑖 ∑𝑖𝑖 𝐺𝐺𝑖𝑖

• Verallgemeinerung auf eine kontinuierlich über den Körper verteilte Volumenkraft:


 Aus dem Würfel mit dem Volumen Vi wird nun ein
infinitesimal (= unendlich) kleines Volumen dV.
 Aus der Summe über n einzelne Teile wird nun ein Integral
über den gesamten Körper und man erhält die Formeln zur dV
Berechnung der Koordinaten des Schwerpunktes:
dG = ρ∙g∙dV
∫ ∫ ∫ 𝑥𝑥𝑥𝑥𝑥𝑥𝑥𝑥𝑥𝑥 ∫ ∫ ∫ 𝑦𝑦𝑦𝑦𝑦𝑦𝑦𝑦𝑦𝑦 ∫ ∫ ∫ 𝑧𝑧𝑧𝑧𝑧𝑧𝑧𝑧𝑧𝑧 S
𝑥𝑥𝑆𝑆 = 𝑦𝑦𝑆𝑆 = 𝑧𝑧𝑆𝑆 =
∫ ∫ ∫ 𝜌𝜌𝜌𝜌𝜌𝜌𝜌𝜌 ∫ ∫ ∫ 𝜌𝜌𝜌𝜌𝜌𝜌𝜌𝜌 ∫ ∫ ∫ 𝜌𝜌𝜌𝜌𝜌𝜌𝜌𝜌 z
𝑟𝑟⃗𝑆𝑆 G
y
mit 𝐺𝐺 = � � �𝜌𝜌𝜌𝜌𝜌𝜌𝜌𝜌
x
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 123
5. Schwerpunkt

5.2 Massenmittelpunkt
• Bei konstanter Erdbeschleunigung (für Körper an der Erdoberfläche nahezu erfüllt) kann g aus
den Integralen der Formeln für den Schwerpunkt herausgezogen und gekürzt werden:
∫ ∫ ∫ 𝑥𝑥𝑥𝑥𝑥𝑥𝑥𝑥 ∫ ∫ ∫ 𝑦𝑦𝑦𝑦𝑦𝑦𝑦𝑦 ∫ ∫ ∫ 𝑧𝑧𝑧𝑧𝑧𝑧𝑧𝑧
𝑥𝑥𝑆𝑆 = 𝑦𝑦𝑆𝑆 = 𝑧𝑧𝑆𝑆 =
∫ ∫ ∫ 𝜌𝜌𝜌𝜌𝜌𝜌 ∫ ∫ ∫ 𝜌𝜌𝜌𝜌𝜌𝜌 ∫ ∫ ∫ 𝜌𝜌𝜌𝜌𝜌𝜌

• Mit ρdV = dm und ∫ ∫ ∫ 𝜌𝜌𝜌𝜌𝜌𝜌 = ∫ ∫ ∫ 𝑑𝑑𝑑𝑑 = 𝑚𝑚 erhält man


1 1 1
𝑥𝑥𝑆𝑆 = � � �𝑥𝑥𝑥𝑥𝑥𝑥 𝑦𝑦𝑆𝑆 = � � �𝑦𝑦𝑦𝑦𝑦𝑦 𝑧𝑧𝑆𝑆 = � � �𝑧𝑧𝑧𝑧𝑧𝑧
𝑚𝑚 𝑚𝑚 𝑚𝑚
• Über diese Formeln wird auch der Massenmittelpunkt definiert.
• Schwerpunkt und Massenmittelpunkt sind also identisch für g = const.
• Unterschied zwischen Schwerpunkt und Massenmittelpunkt
 Schwerpunkt: Punkt, in dem das über den Körper verteilte Gewicht („Schwere“) zusammengefasst ist
 Massenmittelpunkt: Punkt, in dem die über den Körper verteilte Masse (Trägheit) zusammengefasst ist

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 124


5. Schwerpunkt

5.2 Massenmittelpunkt
• Schwerpunkt und Massenmittelpunkt sind in der Anwendung fast immer identisch (g = const.!).
• Daher werden die Formeln für den Schwerpunkt aus Abschnitt 5.1 so gut wie nie verwendet.
• Stattdessen wird der Schwerpunkt oft über die Formeln des Massenmittelpunktes berechnet.
• Die Integralformeln braucht man nicht, wenn man den Körper aus Teilkörpern zusammensetzen
kann, von denen man jeweils die Koordinaten des Schwerpunktes sowie die Masse kennt:
 bekannt: mi Massen der Teilkörper
(mi < 0 für ausgesparte Teilkörper, z.B. Bohrung) m1
xi, yi, zi Koordinaten der Schwerpunkte der Teilkörper
i = 1, 2, … n mit der Anzahl n der Teilkörper S1(x1,y1,z1)

 Gesamtmasse: 𝑚𝑚 = � 𝑚𝑚𝑖𝑖 S(xS,yS,zS)


𝑖𝑖 m2
 Koordinaten des Massenmittelpunktes: S2(x2,y2,z2)
1 1 1
𝑥𝑥𝑆𝑆 = � 𝑥𝑥𝑖𝑖 ⋅ 𝑚𝑚𝑖𝑖 𝑦𝑦𝑆𝑆 = � 𝑦𝑦𝑖𝑖 ⋅ 𝑚𝑚𝑖𝑖 𝑧𝑧𝑆𝑆 = � 𝑧𝑧𝑖𝑖 ⋅ 𝑚𝑚𝑖𝑖
𝑚𝑚 𝑚𝑚 𝑚𝑚
𝑖𝑖 𝑖𝑖 𝑖𝑖

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 125


5. Schwerpunkt

5.2 Massenmittelpunkt
Beispiel 25: Schwerpunkt eines Verkehrsschildes
Ein Verkehrsschild besteht aus einer homogenen, kreisförmigen Platte (1) aus
Stahl (Dichte ρ = 7850 kg/m3, Durchmesser D = 450 mm, Dicke t = 2 mm), aus einer
symmetrischen, vertikalen Stange (2) (Masse m2 = 10 kg, Länge l = 2.2 m) sowie (1) D
aus einem symmetrischen Sockel (3) (Masse m3 = 30 kg, Höhe b = 6 cm). Die Lage
der Elemente (1), (2) und (3) zueinander ist der Skizze rechts zu entnehmen.
a) Berechnen Sie die Masse m1 der Kreisplatte (1).
b) Berechnen Sie die Höhe hS des Gesamtschwerpunktes des aus den Ele-
menten (1), (2) und (3) bestehenden Verkehrsschildes. Hinweis: Füllen Sie (2)
als „Vorarbeit“ die untenstehende Tabelle für die Teilstücke (1) bis (3) aus. l
S
i hi mi hi∙mi
1 hS
2 b (3)
3
∑ −
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 126
5. Schwerpunkt

5.3 Volumenmittelpunkt
• Bei homogenen Körpern ist die Dichte konstant. Daher kann aus den Integralen der Formeln für
den Schwerpunkt neben g auch noch ρ herausgezogen und gekürzt werden:

∫ ∫ ∫ 𝑥𝑥𝑥𝑥𝑥𝑥 ∫ ∫ ∫ 𝑦𝑦𝑦𝑦𝑦𝑦 ∫ ∫ ∫ 𝑧𝑧𝑧𝑧𝑧𝑧


𝑥𝑥𝑆𝑆 = 𝑦𝑦𝑆𝑆 = 𝑧𝑧𝑆𝑆 =
∫ ∫ ∫ 𝑑𝑑𝑑𝑑 ∫ ∫ ∫ 𝑑𝑑𝑑𝑑 ∫ ∫ ∫ 𝑑𝑑𝑑𝑑

• Mit ∫ ∫ ∫ 𝑑𝑑𝑑𝑑 = 𝑉𝑉 erhält man


1 1 1
𝑥𝑥𝑆𝑆 = � � �𝑥𝑥𝑥𝑥𝑥𝑥 𝑦𝑦𝑆𝑆 = � � �𝑦𝑦𝑦𝑦𝑦𝑦 𝑧𝑧𝑆𝑆 = � � �𝑧𝑧𝑧𝑧𝑧𝑧
𝑉𝑉 𝑉𝑉 𝑉𝑉

• Über diese Formeln wird der Volumenmittelpunkt definiert.


• Schwerpunkt und Volumenmittelpunkt sind also identisch für g = const. und ρ = const.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 127


5. Schwerpunkt

5.3 Volumenmittelpunkt
• Auch beim Volumenmittelpunkt braucht man die Integralformeln nicht, wenn man den Körper aus
Teilkörpern zusammensetzen kann, von denen man jeweils die Koordinaten des Schwerpunktes
sowie das Volumen kennt:
 bekannt: Vi Volumen der Teilkörper
(Vi < 0 für ausgesparte Teilkörper, z.B. Bohrung) V1
xi, yi, zi Koordinaten der Schwerpunkte der Teilkörper
i = 1, 2, … n mit der Anzahl n der Teilkörper S1(x1,y1,z1)
S(xS,yS,zS)
 Gesamtvolumen: 𝑉𝑉 = � 𝑉𝑉𝑖𝑖
𝑖𝑖 V2
 Koordinaten des Volumenmittelpunktes: S2(x2,y2,z2)

1 1 1
𝑥𝑥𝑆𝑆 = � 𝑥𝑥𝑖𝑖 ⋅ 𝑉𝑉𝑖𝑖 𝑦𝑦𝑆𝑆 = � 𝑦𝑦𝑖𝑖 ⋅ 𝑉𝑉𝑖𝑖 𝑧𝑧𝑆𝑆 = � 𝑧𝑧𝑖𝑖 ⋅ 𝑉𝑉𝑖𝑖
𝑉𝑉 𝑉𝑉 𝑉𝑉
𝑖𝑖 𝑖𝑖 𝑖𝑖

 Durch Symmetrieeigenschaften kann der Berechnungsaufwand teilweise deutlich reduziert werden:


Der Schwerpunkt liegt immer in den Symmetrieebenen bzw. auf den Symmetrieachsen des Körpers.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 128


5. Schwerpunkt
z
5.3 Volumenmittelpunkt
1.5∙a
Beispiel 26: Gebohrter Quader 1.5∙a
Der Quader rechts mit den Kantenlängen 3a, 4a und 4a
wird gemäß Skizze zylindrisch gebohrt (Durchmesser a).
Gegeben: a 4∙a
y
a) Welche Schwerpunktkoordinaten des Gesamtkörpers
können Sie aus Symmetriegründen leicht ermitteln?
b) Geben Sie diese Schwerpunktkoordinate(n) an.
x
c) Zerlegen Sie den Körper in geeignete Teilkörper und 2∙a a a
berechnen Sie deren Volumen und Schwerpunkt-
koordinaten. Antwortmöglichkeiten
Schätzfrage für a)
(nummerisch):
d) Geben Sie das Volumen und die noch fehlende(n) (Multiple Choice)
Koordinate(n) des Schwerpunktes des gebohrten Wo wird yS in etwa liegen? Geben
Körpers an. A: xdas
Sie S Ergebnis als Vielfaches
B: y0.01a
von S in Pingo ein.
C: zS
Beispiel: Sie schätzen yS = 2.7a.
Eingabe: 270 drei
D: keine der
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann
E: – 129
5. Schwerpunkt
z
5.3 Volumenmittelpunkt
• Volumenmittelpunkte (Schwerpunkte) verschiedener Körper
 Prismatischer Körper, siehe Bild oben rechts (z.B. auch Quader, Zylinder):
Höhe h, Grundfläche in der x-y-Ebene mit Flächeninhalt A,
Schwerpunktkoordinaten der Grundfläche xG, yG h S y
1
 𝑉𝑉 = ℎ ⋅ 𝐴𝐴 𝑥𝑥𝑆𝑆 = 𝑥𝑥𝐺𝐺 𝑦𝑦𝑆𝑆 = 𝑦𝑦𝐺𝐺 𝑧𝑧𝑆𝑆 = ℎ
2
 Kugel mit Radius r
z
4𝜋𝜋 3 x
 𝑉𝑉 = 𝑟𝑟 Schwerpunkt = Kugelmittelpunkt
3
S z
 Halbkugel mit Radius r, siehe Bild Mitte rechts
2𝜋𝜋 3 3 r h
 𝑉𝑉 = 𝑟𝑟 𝑧𝑧𝑆𝑆 = 𝑟𝑟
3 8 S
 Kreiskegel mit Radius r und Höhe h, siehe Bild unten rechts
𝜋𝜋 2 1
 𝑉𝑉 = ℎ𝑟𝑟 𝑧𝑧𝑆𝑆 = ℎ r
3 4
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 130
5. Schwerpunkt

5.4 Flächenschwerpunkt
1 1
• Oft wird der Schwerpunkt einer ebenen Fläche benötigt: 𝑥𝑥𝑆𝑆 =
𝐴𝐴
� �𝑥𝑥𝑥𝑥𝑥𝑥 𝑦𝑦𝑆𝑆 =
𝐴𝐴
� �𝑦𝑦𝑦𝑦𝑦𝑦

• Man braucht die Integralformeln nicht, wenn man die Fläche aus Teilflächen zusammensetzen
kann, von denen man jeweils die Koordinaten des Schwerpunktes sowie den Flächeninhalt kennt:
 bekannt: Ai Flächeninhalt der Teilflächen
(Ai < 0 für ausgesparte Flächen, im Beispiel rechts A4) y
x i, y i Koordinaten der Schwerpunkte der Teilflächen S2=(x2,y2)
i = 1, 2, … n mit der Anzahl n der Teilflächen
S4=(x4,y4)
 Gesamtflächeninhalt: 𝐴𝐴 = � 𝐴𝐴𝑖𝑖 S3=(x3,y3)
𝑖𝑖
 Koordinaten des Flächenschwerpunktes: S=(xS,yS)
1 1
S1=(x1,y1)
𝑥𝑥𝑆𝑆 = � 𝑥𝑥𝑖𝑖 ⋅ 𝐴𝐴𝑖𝑖 𝑦𝑦𝑆𝑆 = � 𝑦𝑦𝑖𝑖 ⋅ 𝐴𝐴𝑖𝑖
𝐴𝐴 𝐴𝐴
𝑖𝑖 𝑖𝑖
x
 Durch Symmetrieeigenschaften kann der Berechnungsaufwand reduziert werden:
Der Schwerpunkt liegt immer auf den Symmetrieachsen der Fläche.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 131


5. Schwerpunkt

5.4 Flächenschwerpunkt
y
• Schwerpunkte verschiedener Flächen
S
h
 rechtwinkliges Dreieck
1 2 1 a x
 𝐴𝐴 = 𝑎𝑎𝑎 𝑥𝑥𝑆𝑆 = 𝑎𝑎 𝑦𝑦𝑆𝑆 = ℎ
2 3 3

 beliebiges Dreieck y (x3,y3)


1
 𝐴𝐴 = 𝑥𝑥 − 𝑥𝑥1 𝑦𝑦3 − 𝑦𝑦1 − 𝑥𝑥3 − 𝑥𝑥1 𝑦𝑦2 − 𝑦𝑦1
2 2 S
1 1 (x2,y2)
𝑥𝑥𝑆𝑆 = 𝑥𝑥1 + 𝑥𝑥2 + 𝑥𝑥3 𝑦𝑦𝑆𝑆 = 𝑦𝑦1 + 𝑦𝑦2 + 𝑦𝑦3
3 3 (x1,y1) x
 Kreisausschnitt (α im Bogenmaß!)
2 sin 𝛼𝛼
 𝐴𝐴 = 𝛼𝛼𝑟𝑟 2 𝑥𝑥𝑆𝑆 = 𝑟𝑟 y
3 𝛼𝛼 r
α S
 weitere Flächen in der Literatur, z.B. [GHSW] oder
Dubbel: Taschenbuch für den Maschinenbau (Springer) α x

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 132


5. Schwerpunkt

5.4 Flächenschwerpunkt y a

Beispiel 27: Dünnes gestanztes Blech


Aus einem rechteckförmigen dünnen Blech (1) wird die Form 1
eines gleichschenkligen Dreiecks (2) herausgestanzt, siehe Bild
rechts. Es besteht Symmetrie bezüglich der eingezeichneten h
Achse. Ermitteln Sie die Koordinaten xS und yS des b
2
Schwerpunktes des gestanzten Bleches.
t c
Gegeben: a, b, c, h, t
x

i xi yi Ai xi∙Ai yi∙Ai
1
2
∑ − −

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 133


5. Schwerpunkt

5.5 Linienkräfte und ihre Resultierende


• Viele Kräfte (z.B. die Gewichtskraft) sind über einen
Bereich (Volumen, Fläche) verteilt.
• Oft (z.B. zum Bestimmen der Lagerreaktionen)
reicht es aus, diese verteilten Kräfte auf ihre
Resultierende zu reduzieren.
• Wenn man die Belastung im Inneren eines Bauteils
(z.B. eines Balkens, siehe Kapitel 6) untersuchen
will, dann muss man die Verteilung der Kraft
berücksichtigen. q(x)
• Auch dann versucht man, die Strukturen so stark zu
vereinfachen wie möglich, siehe Beispiel rechts:
 Modellierung des Regalbodens als Balken (statt Platte) q1
 Gewicht aus Ordnern und Kiste als Linienkraft q(x) q2
(statt Flächenkraft) auf den Regalboden
x
• Im Folgenden wird die „Linienkraft“ (oder
„Linienlast“ oder „Streckenlast“) genauer betrachtet. a
l
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 134
5. Schwerpunkt

5.5 Linienkräfte und ihre Resultierende


• Was versteht man unter einer Linienkraft?
 die über eine Strecke verteilte Kraft q(x),
 die über der Strecke veränderlich sein kann
 mit einer Einheit „Kraft pro Länge“ (z.B. N/m)
• Beispiel rechts:
 Breite eines Ordners: ca. 8 cm, Masse: ca. 3 kg
3 ⋅ 9.81 N N
 𝑞𝑞𝑂𝑂 = = 368
0.08 m m q(x)
 Breite der Kiste: ca. 22 cm, Masse: ca. 6 kg
6 ⋅ 9.81 N N
 𝑞𝑞𝐾𝐾 = = 268
0.22 m m q1
𝑞𝑞 für 0 < 𝑥𝑥 < 𝑎𝑎 q2
 Funktion der Linienlast: 𝑞𝑞 𝑥𝑥 = � 1
𝑞𝑞2 für 𝑎𝑎 < 𝑥𝑥 < 𝑙𝑙 x
N
mit 𝑞𝑞1 = 𝑞𝑞𝑂𝑂 + 𝑞𝑞𝐾𝐾 = 636 𝑎𝑎 = 0.22 m
m a
N 𝑙𝑙 = 0.64 m l
𝑞𝑞2 = 𝑞𝑞𝑂𝑂 = 368
06.10.2021 m Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 135
5. Schwerpunkt

5.5 Linienkräfte und ihre Resultierende


Beispiel 28: Linienlast aus Eigengewicht
Durch die rechts dargestellte Rohrleitung fließt eine
Flüssigkeit. Das Rohr wird für eine (hier nicht
durchzuführende) Berechnung als Balken modelliert, auf
den eine konstante Linienlast q0 wirkt, siehe Bild unten.
Über q0 soll sowohl das Eigengewicht der Leitung, als auch
das Gewicht der Flüssigkeit berücksichtigt werden.
Berechnen Sie die Linienkraft q0.
Gegeben: D = 25 mm (Innendurchmesser des Rohrs)
s = 1.5 mm (Wanddicke des Rohrs) q0
ρR = 7850 kg/m3 (Dichte des Rohrs)
ρF = 1000 kg/m3 (Dichte der Flüssigkeit)

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 136


5. Schwerpunkt

5.5 Linienkräfte und ihre Resultierende


• Eine Linienlast q(x) muss nicht nur aus konstanten Funktionen zusammengesetzt sein, sondern
kann bei ungleichmäßiger Verteilung der Last aus beliebigen Funktionen bestehen
(z.B. Sandhaufen mit variierender Höhe auf der Ladefläche eines LKW).
• Allgemeine Formeln zur Berechnung der Resultierenden einer Linienkraft:
1
𝑅𝑅 = �𝑞𝑞 𝑥𝑥 𝑑𝑑𝑑𝑑 𝑥𝑥𝑆𝑆 = �𝑥𝑥 ⋅ 𝑞𝑞 𝑥𝑥 𝑑𝑑𝑑𝑑
𝑅𝑅

• Bei einfachen Funktionen q(x) benötigt man die Integralformeln nicht:


 Betrag der Resultierenden R
= Flächeninhalt A der Fläche R
unter dem Graphen von q(x) q(x)
 Kraftangriffspunkt
= Schwerpunkt der Fläche A S
unter dem Graphen von q(x) y
 Hinweis: Die Kraft R kann entlang ihrer Wirkungslinie xS
verschoben werden. Deshalb ist nur die x-Koordinate
x
xS des Flächenschwerpunkts erforderlich. z

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 137


5. Schwerpunkt

5.5 Linienkräfte und ihre Resultierende


Beispiel 29: Resultierende einer dreieckförmigen Linienlast xS R
Ein Balken trägt die abgebildete dreieckförmige Last. q0
Berechnen Sie die Resultierende R aus dieser Linienlast
sowie die Stelle xS, an der sie angreift. x
Gegeben: L, q0
L

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 138


5. Schwerpunkt

5.6 Flächenkräfte und ihre Resultierende z p(x,y)

• Was versteht man unter einer Flächenkraft?


 die über eine Fläche verteilte Kraft p(x,y), y
 die über der Fläche veränderlich sein kann
 mit einer Einheit „Kraft pro Fläche“ (z.B. N/m2)
• Allgemeine Formeln zur Berechnung der
Resultierenden einer Flächenkraft:
𝑅𝑅 = �𝑝𝑝 𝑥𝑥, 𝑦𝑦 𝑑𝑑𝑑𝑑
x
1 1
𝑥𝑥𝑆𝑆 = �𝑥𝑥 ⋅ 𝑝𝑝 𝑥𝑥, 𝑦𝑦 𝑑𝑑𝑑𝑑 𝑦𝑦𝑆𝑆 = �𝑦𝑦 ⋅ 𝑝𝑝 𝑥𝑥, 𝑦𝑦 𝑑𝑑𝑑𝑑
𝑅𝑅 𝑅𝑅
• Bei einfachen Funktionen benötigt man die Integralformeln nicht:
 Betrag der Resultierenden R = Rauminhalt V des Volumens unter dem Graphen von p(x,y)
 Kraftangriffspunkt = Schwerpunkt des Volumens unter dem Graphen von p(x,y)
 Hinweis: Die Kraft R kann entlang ihrer Wirkungslinie verschoben werden. Deshalb sind nur
die x- und y-Koordinaten xS und yS des Volumenschwerpunkts erforderlich.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 139


5. Schwerpunkt

5.7 Summary
• Exercise

From the book:


[GEWSM] Gross, D.; Ehlers, W.; Wriggers, P.; Schröder, J.; Müller, R.: Statics – Formulas and
Problems. Engineering Mechanics 1. Berlin: Springer 2017.
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 141
Gliederung
1. Grundlagen
2. Gleichgewicht in der Ebene –
die anschauliche Methode
3. Gleichgewicht im Raum – 6.1 Schnittgrößen an fest vorgegebenen Stellen
mit Vektoren
6.2 Schnittgrößen an variablen Stellen
4. Fachwerke
6.3 Mehrfeldbalken
5. Schwerpunkt
6.4 Schnittgrößenverläufe aus der Anschauung
6. Schnittgrößen
6.5 Schnittgrößenverläufe über Integration
7. Reibung
6.6 Föppl-Klammern
6.7 Räumliche Balken
6.8 Summary

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 142


6. Schnittgrößen

6.1 Schnittgrößen an fest vorgegebenen Stellen


Beispiel 30: Einfacher Kragarm
F
Der rechts dargestellte Kragarm ist im Punkt A fest
eingespannt. An seinem freien Ende im Punkt B wirkt
die um den Winkel γ gegenüber der x-Achse A C B γ
geneigte Kraft F. Berechnen Sie die inneren Kräfte x
und Momente in der Mitte des Balkens im Punkt C.
0.5l
Gegeben: l, F, γ
l
z

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 143


6. Schnittgrößen

6.1 Schnittgrößen an fest vorgegebenen Stellen


• Mit „Schnittgrößen“ oder „Schnittreaktionen“ sind Kräfte und Momente gemeint, die im Inneren
eines Tragwerkes wirken („innere Kräfte und Momente“).
• Die Kenntnis dieser Schnittkräfte und Schnittmomente im Inneren eines Körpers ist
Voraussetzung zur Festigkeitsberechnung.
• Die Schnittgrößen an balkenförmigen Bauteilen heißen:
 Normalkraft und Querkraft
 Biegemoment und Torsionsmoment
• Vorgehen:
 Bauteil an Lagern und Verbindungen freischneiden bekannt aus Kapitel 2
 Lagerreaktionen über Gleichgewichtsbedingungen ermitteln
 Bauteil im Inneren freischneiden und innere Kräfte und Momente eintragen bekannte Methoden
aus Kapitel 2 neu
 Schnittgrößen über Gleichgewichtsbedingungen ermitteln
anwenden
 ggf. Verlauf der Schnittgrößen darstellen
Mathematik
 Extremwerte bestimmen
 Festigkeitsnachweis für die am höchsten belasteten Stellen Vorlesung Festigkeitslehre

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 144


6. Schnittgrößen

6.1 Schnittgrößen an fest vorgegebenen Stellen


q(x)
• Balken dort freischneiden, wo die Schnitt- F1
F2 Fn
größen bestimmt werden sollen (hier: C) AH C x
• Man erhält zwei Teilstücke des Balkens:
 Das linke hat die Länge c, das rechte l – c. Schnitt (senkrecht zur
M1 Balkenlängsachse)
 Kräfte und Momente, die links vom Schnitt AV c
l B
liegen, am linken Teilstück eintragen, und
die, die rechts davon liegen, am rechten. z
• Schnittreaktionen am Schnitt eintragen:
 Schnitt = Auflösen einer festen Verbindung
 wie Einspannung: 2 Kräfte und 1 Moment q(x)
F1
F2 Q Fn
M M
AH C C x
N N

M1 Q
AV c l–c

z B
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 145
6. Schnittgrößen

6.1 Schnittgrößen an fest vorgegebenen Stellen


• Bezeichnungen am ebenen Balken
 Kraft in Balkenlängsrichtung: Normalkraft N
 Kraft in Balkenquerrichtung: Querkraft Q
 Moment um die Achse senkrecht zum Balken: Biegemoment M oder Mb

q(x)
F1
F2 Q Fn
M M
AH C C x
N N

M1 Q
AV

z B

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 146


6. Schnittgrößen

6.1 Schnittgrößen an fest vorgegebenen Stellen


• Positives und negatives Schnittufer
 Konvention: Die x-Achse zeigt in Balkenlängsrichtung.
 Normalkraft in Balkenlängsrichtung (senkrecht zum Schnitt) als Zugkraft eintragen (vom Material weg).
 Durch den Schnitt ergeben sich zwei Schnittufer: Das Schnittufer,
• an dem die Normalkraft in positive x-Richtung zeigt, heißt positives Schnittufer,
• an dem die Normalkraft in negative x-Richtung zeigt, heißt negatives Schnittufer.
 Die Pfeile für Q und M müssen so ergänzt werden, dass sie
• am positiven Schnittufer in positive Koordinatenrichtungen und
• am negativen Schnittufer in negative Koordinatenrichtungen zeigen.

+ M M
y
N N
x
Q Q
z positives negatives
Schnittufer

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 147


6. Schnittgrößen

6.1 Schnittgrößen an fest vorgegebenen Stellen


• Bestimmen der Schnittreaktionen N, Q und M mit den Gleichgewichtsbedingungen
 Gemäß dem Schnittprinzip sind beide Teilstücke des Balkens für sich im Gleichgewicht, wenn der
gesamte Balken im Gleichgewicht ist.  Für jedes Teilstück gelten die Gleichgewichtsbedingungen.
 Kennt man alle Kräfte und Momente, die am Balken angreifen (außer N, Q und M), dann kann man mit
Hilfe der Gleichgewichtsbedingungen die Schnittreaktionen N, Q und M für den Schnitt in C berechnen.
 Die Gleichgewichtsbedingungen müssen nur an einem der beiden Teilstücke aufgestellt werden.
 Es muss dasselbe Ergebnis herauskommen, egal ob die Bedingungen für das Teilstück mit dem positiven
oder für das mit dem negativen Schnittufer formuliert werden.
 Zweckmäßigerweise wählt man das Teilstück, an dem weniger Kräfte angreifen (geringerer Aufwand!).
 Der Bezugspunkt für das Momentengleichgewicht sollte immer der Punkt sein, an dem der Balken
aufgeschnitten wird (geringerer Aufwand!). q(x)
F1
F2 Q Fn
M M
AH C C x
N N

M1 Q
AV c l–c

z B
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 148
6. Schnittgrößen

6.1 Schnittgrößen an fest vorgegebenen Stellen


• Bis jetzt wurden die Schnittgrößen nur an fest vorgegebenen Stellen ermittelt.
• Für eine Festigkeitsberechnung ist es jedoch wichtig, zu wissen,
wie groß die innere Belastung an den am höchsten beanspruchten Stellen ist.
• Hierfür müssen die Schnittgrößen überall im Balken bekannt sein,
damit die jeweiligen Extremwerte bestimmt werden können.
 Im folgenden Abschnitt werden die Schnittgrößen daher an variablen Stellen ermittelt.
 Zudem wird gezeigt, wie bei einem Balken mit Linienkraft vorzugehen ist.

q(x)
F1
F2 Fn
AH C x

M1
AV c
l B

z
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 149
6. Schnittgrößen

6.2 Schnittgrößen an variablen Stellen


Beispiel 31: Zugbrücke
Die rechts dargestellte Zugbrücke ist im Punkt A gelenkig
gelagert (Festlager). An ihrem Ende im Punkt B wird sie
vom Zugseil gehalten (Neigungswinkel γ gegenüber der
x-Achse). Das Eigengewicht der Zugbrücke wird über
eine konstante Linienlast q0 berücksichtigt.
Berechnen Sie die Verläufe der inneren Kräfte und γ q0
Momente für 0 < x < l und stellen Sie sie grafisch dar. A
B x
Gegeben: l, q0, γ
l
z

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 150


6. Schnittgrößen

6.2 Schnittgrößen an variablen Stellen


S
q0
• Statt an einer fest vorgegebenen Stelle (das war zuvor
ein Punkt C, festgelegt durch eine Länge c) wird der x
Balken nun an einer veränderlichen (variablen) Stelle x AH C
freigeschnitten. x
c
• Das linke Teilstück des Balkens hat nun die Länge x, AV
l
das rechte die Länge l – x (einziger Unterschied: statt
über eine Konstante c wird die Schnittstelle nun über z
die Variable x beschrieben – dies ist dasselbe x wie die
zugehörige Koordinatenrichtung).
S
• Die Schnittreaktionen sind
q0
wieder dieselben wie zuvor: Q q0
M M
 Normalkraft N x
N N
 Querkraft Q AH x l–x
 Biegemoment M Q
AV

z
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 151
6. Schnittgrößen

6.2 Schnittgrößen an variablen Stellen


S
• Neu in diesem Beispiel ist die Linienkraft – q0
M Q q0
auch sie wird durch den Schnitt auf die M
x
beiden Teilstücke verteilt: Am linken N N
Teilstück wirkt die Linienkraft mit der AH x l–x
Länge x, am rechten mit der Länge l – x. Q
AV
• Nach dem Schneiden an der Stelle x
(wirklich erst danach!) kann man die z R2(x) = q0(l – x)
beiden Teilstücke der Linienkraft durch
ihre jeweiligen Resultierenden ersetzen: S
R1(x) = q0x 0.5(l–x)
 Die Resultierende ist jeweils der Inhalt der 0.5x M Q
Fläche unter der Funktion q(x). Sie hängt M
x
jetzt von der Variablen x ab! N N
 Die Resultierende greift im Schwerpunkt der AH x l–x
Fläche unter q(x) an. Auch dessen Position Q
hängt jetzt von der Variablen x ab! AV
Achtung: Die hier angegebenen Werte für R1(x),
• N, Q und M werden dann wieder über die z R2(x) und die entsprechenden Hebelarme gelten nur
Gleichgewichtsbedingungen berechnet. für den hier dargestellten Fall einer konstanten
Linienlast über der gesamten Balkenlänge!

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 152


6. Schnittgrößen
S
6.2 Schnittgrößen an variablen Stellen q0
x
• Die Schnittreaktionen N, Q und M sind also im
allgemeinen Fall nicht an jeder Stelle x gleich groß – AH
l
sie hängen meist davon ab, an welcher Stelle x der
Balken betrachtet wird. AV
z
 Sie hängen also von der Koordinate x ab.
N(x)
• Im mathematischen Sinn handelt es sich daher um
Funktionen, die von der unabhängigen Variablen x x
abhängen. Deshalb schreibt man für N, Q und M l
auch oft N(x), Q(x) und M(x).
• Um die Extremwerte zu finden (z.B. für einen Q(x)
Festigkeitsnachweis an den am höchsten x
belasteten Stellen), ist es zweckmäßig, diese
Funktionen N(x), Q(x) und M(x) grafisch l
darzustellen.
M(x)
x
l
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 153
6. Schnittgrößen
S
6.2 Schnittgrößen an variablen Stellen q0
x
• An dem hier behandelten Beispiel kann man bereits
zwei wichtige Beziehungen erkennen, die zwischen AH
l
M(x), Q(x) und q(x) gelten (ohne Herleitung):
AV

𝑀𝑀 𝑥𝑥 = 𝑄𝑄 𝑥𝑥 ′
𝑄𝑄 𝑥𝑥 = −𝑞𝑞 𝑥𝑥 z
• Erste Folgerungen daraus (weitere kommen später): N(x)
 Ein relatives Maximum oder Minimum des x
Biegemomentes M(x) liegt vor, wenn M‘(x) einen l
Nulldurchgang hat (Nullstelle oder Sprung mit
Vorzeichenwechsel), also wenn die Querkraft Q(x) einen
Nulldurchgang hat. Q(x)
 Ein relatives Maximum oder Minimum der Querkraft Q(x) x
liegt vor, wenn Q‘(x) einen Nulldurchgang hat, also wenn
die Funktion der Linienkraft q(x) einen Nulldurchgang hat. l
 Wenn q(x) bekannt ist, dann kann man Q(x) und M(x)
durch ein- bzw. zweimalige Integration ermitteln. M(x)
 Dies wird im Abschnitt 6.5 gezeigt. x
l
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 154
6. Schnittgrößen

6.3 Mehrfeldbalken
Beispiel 32: Rampe in einen Sandkasten
Berechnen Sie die Verläufe der Schnittgrößen N(x), Q(x) und L
M(x) für die rechts dargestellte Rampe in einen Sandkasten
und stellen Sie sie grafisch dar. k
Die Rampe der Länge L ist im Winkel α gegenüber der α
mK
Horizontalen geneigt. An der Stelle k befindet sich eine
Masse mK.
Die Rampe wird als gerader, ebener Balken modelliert (siehe
L G
Skizze rechts unten). Das linke Auflager wird als Festlager, x
das rechte als einseitiger, reibungsfreier Kontakt angenähert. k
gegeben: L, k, mK, g, α
α

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 155


6. Schnittgrößen

6.3 Mehrfeldbalken
• Greifen an einem Balken mehrere Einzel- und Linienlasten an, dann sind die Schnittreaktionen
für jeden Bereich getrennt zu ermitteln.
• Bereichsgrenzen müssen immer dort eingeführt werden, wo sich die Freikörperbilder bei einem
Schnitt links oder rechts von dieser Stelle unterscheiden, also beispielsweise:
 an jeder Einzellast (Kraft oder Moment, auch an Lager- und Gelenkreaktionen)
 zu Beginn und am Ende einer jeden Linienlast
 ggf. auch innerhalb einer Linienlast, wenn die Funktion q(x) abschnittsweise definiert ist

Bereich 1 2 3 4 5 6
F q(x)

• Für jeden einzelnen Bereich müssen der Balken im Inneren aufgeschnitten und die
Schnittgrößen über die Gleichgewichtsbedingungen bestimmt werden.
 deutlich zunehmender Aufwand je mehr Felder ein Balken hat!
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 156
6. Schnittgrößen

6.3 Mehrfeldbalken G

• Die Ergebnisse sind abschnittsweise definierte Funktionen, Ax B


(hier dargestellt mit den Ergebnissen aus Beispiel 32):
Az
−𝑚𝑚𝐾𝐾 𝑔𝑔 sin 𝛼𝛼 für 0 < 𝑥𝑥 < 𝑘𝑘
𝑁𝑁(𝑥𝑥) = �
0 für k < 𝑥𝑥 < 𝐿𝐿
N(x)
𝑘𝑘 x
1− 𝑚𝑚𝐾𝐾 𝑔𝑔 cos 𝛼𝛼 für 0 < 𝑥𝑥 < 𝑘𝑘
𝐿𝐿
𝑄𝑄(𝑥𝑥) =
𝑘𝑘 Q(x)
− 𝑚𝑚𝐾𝐾 𝑔𝑔 cos 𝛼𝛼 für k < 𝑥𝑥 < 𝐿𝐿
𝐿𝐿
x
𝑘𝑘
𝑥𝑥 1 − 𝑚𝑚𝐾𝐾 𝑔𝑔 cos 𝛼𝛼 für 0 < 𝑥𝑥 < 𝑘𝑘
𝐿𝐿
𝑀𝑀(𝑥𝑥) = M(x)
𝑘𝑘
𝐿𝐿 − 𝑥𝑥 𝑚𝑚𝐾𝐾 𝑔𝑔 cos 𝛼𝛼 für k < 𝑥𝑥 < 𝐿𝐿
𝐿𝐿
x
• Zweckmäßig ist eine grafische Darstellung (übersichtlicher!).

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 157


6. Schnittgrößen

6.3 Mehrfeldbalken G

• Weitere Folgerungen aus 𝑀𝑀′ 𝑥𝑥 = 𝑄𝑄 𝑥𝑥 und 𝑄𝑄′ 𝑥𝑥 = −𝑞𝑞 𝑥𝑥 : Ax B


 Wenn die Querkraft einen Sprung hat, dann ändert sich die Steigung
des Biegemomentes sprunghaft – das Biegemoment hat einen Knick. Az
 Wenn die Linienlast einen Sprung hat, dann ändert sich die Steigung
der Querkraft sprunghaft – die Querkraft hat einen Knick. N(x)
• Wo gibt es Sprünge? x
 In der Querkraft: bei einer Einzelkraft in Querrichtung
 Im Biegemoment: bei einem Einzelmoment
Q(x)
 In der Normalkraft: bei einer Einzelkraft in Längsrichtung
• Wie groß sind diese Sprünge? x
 In der Querkraft bzw. in der Normalkraft: so groß wie die Einzelkraft in
Quer- bzw. in Längsrichtung an dieser Stelle
M(x)
 Im Biegemoment: so groß wie das Einzelmoment an dieser Stelle
 Mit diesem Wissen können die Verläufe der Schnittgrößen oft x
schon aus der Anschauung ohne aufwändige Berechnungen
gezeichnet werden, siehe folgender Abschnitt.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 158


6. Schnittgrößen

6.4 Schnittgrößenverläufe aus der Anschauung


Beispiel 33: Vierpunkt- und Dreipunktbiegeversuch
Bei der Werkstoffprüfung werden Werkstoffkennwerte
ermittelt (z.B. die Zugfestigkeit). Auch der Biegeversuch wird
(neben dem Zugversuch) sehr häufig eingesetzt. Dabei wird
unterschieden zwischen einem Vierpunktbiegeversuch
(siehe rechts) und einem Dreipunktbiegeversuch (statt der
zwei Kräfte F wird nur eine Kraft 2F in der Mitte aufgebracht).
a) Skizzieren Sie aus der Anschauung (ohne vorherige Quelle: https://www.zwick.de/
Herleitung) die Verläufe der Schnittgrößen Q(x) und M(x) de-de/composites/zugversuch-druckversuch-
für die Biegeprobe beim Vierpunktbiegeversuch (die biegeversuch/biegeversuch
(Zugriff am 08.12.2018)
Lagerkräfte ergeben sich sofort aus der Symmetrie!)
b) Leiten Sie daraus die Verläufe für den F F
Dreipunktbiegeversuch her.
a l a
c) Welcher dieser beiden Versuche ist wohl der „Bessere“?
x
gegeben: l, a, F

06.10.2021
z
Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 159
6. Schnittgrößen

6.4 Schnittgrößenverläufe aus der Anschauung


• Um die Schnittgrößenverläufe aus der Anschauung heraus zu zeichnen, muss man u.a. wissen,
 was die Beziehungen M‘(x) = Q(x) und Q‘(x) = –q(x) mathematisch bedeuten:

• 𝑄𝑄′ 𝑥𝑥 = −𝑞𝑞 𝑥𝑥  q(x) ist die negative Steigung von Q(x)

• 𝑀𝑀′ 𝑥𝑥 = 𝑄𝑄 𝑥𝑥  Q(x) ist die Steigung von M(x)

 und was das konkret in den Schnittgrößenverläufen verursacht, zum Beispiel:


• Sprung in Q(x)  Knick in M(x)
• Vorzeichenwechsel von positiv nach negativ in Q(x)  lokales Maximum in M(x)
• Vorzeichenwechsel von negativ nach positiv in Q(x)  lokales Minimum in M(x)
• Sprung in q(x)  Knick in Q(x)
• Vorzeichenwechsel von positiv nach negativ in q(x)  lokales Minimum in Q(x)
• Vorzeichenwechsel von negativ nach positiv in q(x)  lokales Maximum in Q(x)

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 160


6. Schnittgrößen

6.4 Schnittgrößenverläufe aus der Anschauung


• Um die Schnittgrößenverläufe aus der Anschauung heraus zu zeichnen, muss man u.a. wissen,
 was Einzellasten am Balken für den Schnittgrößenverlauf bedeuten:
• Einzelkraft F0 in positive (negative) z-Richtung  Sprung in Q(x) um F0 nach unten (oben)
• Einzelkraft F0 in positive (negative) x-Richtung  Sprung in N(x) um F0 nach unten (oben)
• Positives (negatives) Einzelmoment M0 um die y-Achse  Sprung in M(x) um M0 nach unten (oben)
 dass auch Lagerreaktionen solche Einzellasten sind.
 was die Lagersituation an den Balkenenden für die Schnittgrößenverläufe dort bedeutet,
wenn an diesen Stellen keine zusätzlichen Einzellasten angreifen:
• freies Balkenende  N = 0, Q = 0, M = 0
• Loslager (Beweglichkeit in x-Richtung)  N = 0, Q ≠ 0, M = 0
• Festlager  N ≠ 0, Q ≠ 0, M = 0
• Einspannung  N ≠ 0, Q ≠ 0, M ≠ 0
 dass diese Zusammenhänge unabhängig vom Vorliegen einer Linienkraft sind.
 dass bei einem Gelenk zwischen zwei Balkenteilen für das Biegemoment M = 0 gilt.
 wie man einzelne Werte der Schnittgrößenverläufe an bestimmten Stellen des Balkens aus den
Gleichgewichtsbedingungen bestimmen kann  siehe Abschnitt 6.1.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 161


6. Schnittgrößen

6.4 Schnittgrößenverläufe aus der Anschauung l

Beispiel 34: Zweifach gestützter Holzbalken


In einem Baumarkt wird ein Holzbalken der Länge l q0
auf zwei Regalstangen (Abstand b) abgelegt. Die
erste Stange ist im Abstand a vom linken Ende des x
Balkens angeordnet. Der Balken ist nur durch sein
a b
Eigengewicht (Linienkraft q0) belastet.
a) Berechnen Sie die Lagerreaktionen. z
b) Skizzieren Sie die Verläufe der Linienkraft q(x),
der Querkraft Q(x) und des Biegemomentes
M(x) aus der Anschauung.
gegeben: a, b, l, q0

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 162


6. Schnittgrößen

6.5 Schnittgrößenverläufe über Integration


• Ist q(x) gegeben, dann kann man mit den Beziehungen M‘(x) = Q(x) und Q‘(x) = – q(x) die
Verläufe von M(x) und Q(x) durch Integration ermitteln:
𝑄𝑄 𝑥𝑥 = − �𝑞𝑞 𝑥𝑥 𝑑𝑑𝑑𝑑 + 𝐶𝐶1 𝑀𝑀 𝑥𝑥 = �𝑄𝑄 𝑥𝑥 𝑑𝑑𝑑𝑑 + 𝐶𝐶2

• Dabei kommen zwei Integrationskonstanten dazu, zu deren Bestimmung zwei


Randbedingungen benötigt werden (beim Einfeldbalken an den Balkenenden) :
 gelenkiges Lager (ohne freies Moment): M=0

 freies Ende (ohne Einzelkraft, ohne freies Moment):  Q = 0 und M = 0

 Parallelführung (ohne Einzelkraft): Q=0

• Über M(x) und Q(x) kann man dann die Lagerreaktionen bestimmen (Balken nah am Lager vom
Lager und vom Rest des Balkens freischneiden). Beispiel (ohne N und M dargestellt!):
x=0 Q(x = 0)
A x 𝐴𝐴𝑉𝑉 − 𝑄𝑄(𝑥𝑥 = 0) = 0 𝐴𝐴𝑉𝑉 = 𝑄𝑄(𝑥𝑥 = 0)
AV
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 163
6. Schnittgrößen

6.5 Schnittgrößenverläufe über Integration


Beispiel 35: Balken mit dreieckförmiger Linienlast
q(x)
Gegeben ist ein Balken mit der rechts dargestellten q0
dreieckförmigen Linienlast q(x). Ermitteln Sie Q(x) und
M(x) durch Integration für die beiden unterschiedlichen
Lagerungen: L x
a) Einspannung am linken Ende
b) Fest-Los-Lagerung an den Enden z

Geben Sie mit Hilfe von Q(x) und M(x) jeweils die
Lagerreaktionen an den Lagerstellen an. q(x)
Gegeben: L, q0 q0

x
L
z

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 164


6. Schnittgrößen

6.5 Schnittgrößenverläufe über Integration


q0
Beispiel 36: Lagerreaktionen aus Schnittgrößenverlauf
Für den rechts dargestellten Balken mit konstanter Linienlast q0 x
können die Schnittgrößen Q(x) und M(x) ermittelt werden zu:
l
1 z
𝑄𝑄(𝑥𝑥) = −𝑞𝑞0 𝑥𝑥 𝑀𝑀(𝑥𝑥) = 𝑞𝑞0 𝑙𝑙 2 − 𝑥𝑥 2
2
Bestimmen Sie daraus die Lagerreaktionen MA und BV, siehe q0
Bild rechts unten. AH
Gegeben: l, q0 x
MA
(NB: Versuchen Sie ruhig selbst mal, Q(x) und M(x) herzuleiten.)
z BV

Wie groß ist MA? (Single Choice)


1 1
A: 𝑀𝑀𝐴𝐴 = 0 B: 𝑀𝑀𝐴𝐴 = 𝑞𝑞0 𝑙𝑙2 C: 𝑀𝑀𝐴𝐴 = −𝑞𝑞0 𝑙𝑙2 D: 𝑀𝑀𝐴𝐴 = 𝑞𝑞0 𝑙𝑙2 E: 𝑀𝑀𝐴𝐴 = − 𝑞𝑞0 𝑙𝑙2
2 2

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 165


6. Schnittgrößen

6.5 Schnittgrößenverläufe über Integration


• Auch beim Mehrfeldbalken können die Bereich 1 2 3 4 5 6
Schnittgrößen durch Integration der F q(x)
Beziehungen M‘(x) = Q(x) und
Q‘(x) = – q(x) ermittelt werden: M

𝑄𝑄 𝑥𝑥 = − �𝑞𝑞 𝑥𝑥 𝑑𝑑𝑑𝑑 + 𝐶𝐶1 𝑀𝑀 𝑥𝑥 = �𝑄𝑄 𝑥𝑥 𝑑𝑑𝑑𝑑 + 𝐶𝐶2

• Allerdings muss diese Integration für jeden Bereich des Balkens separat durchgeführt werden.
• Nachteil: In jedem Bereich gibt es zwei Integrationskonstanten!
• Neben zwei Randbedingungen braucht man also zusätzlich pro Bereichsübergang zwei weitere
Bedingungen, um die Integrationskonstanten ermitteln zu können („Übergangsbedingungen“):
 viel Aufwand beim Auflösen der Gleichungen bei komplexen Balkensystemen
 erhöhte Fehleranfälligkeit bei der Formulierung der Übergangsbedingungen und beim Auflösen
 Ein besseres (einfacheres) Verfahren zum Behandeln von Mehrfeldbalken ist wünschenswert!
 Dies wird im nächsten Abschnitt vorgestellt  Föppl-Klammern.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 166


6. Schnittgrößen

6.6 Föppl-Klammern l

Beispiel 37: Zweifach gestützter Holzbalken


Berechnen Sie für den Holzbalken aus Beispiel 34 q0
die Verläufe des Biegemomentes M(x) und der
Querkraft Q(x). x
gegeben: a, b, l, q0 a b
z

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 167


6. Schnittgrößen

6.6 Föppl-Klammern
• Föppl-Klammern sind ein hilfreiches Werkzeug, um die Schnittgrößen an einem Mehrfeldbalken
effizient berechnen zu können.
• Föppl-Klammern eignen sich bei beiden Methoden zum Berechnen der Schnittgrößen:
 über Gleichgewichtsbedingungen für den im Inneren aufgeschnittenen Balken
 über zweimalige Integration des Verlaufs q(x) der Linienkraft
• Wann ist welche Methode besser geeignet?
 Es gibt keine absolut richtige Antwort, trotzdem: l
 Wenn nur Einzellasten angreifen, dann ist die d
Methode mit den Gleichgewichtsbedingungen c
meist mit weniger Aufwand verbunden. b
 Wenn Linienlasten angreifen, dann ist die a F2
Methode mit der Integration meist einfacher M1 M2
und daher weniger fehleranfällig. Freischneid-
en und Gleichgewichtsbedingungen sollte
man dabei trotzdem im Hinterkopf haben. F1
• Hier werden beide Methoden vorgestellt.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 168


6. Schnittgrößen

6.6 Föppl-Klammern
• Bestimmen der Schnittgrößen über Gleichgewichtsbedingungen:
 Balken an den Lagern freischneiden, Lagerreaktionen über Gleichgewicht bestimmen
 Balken an einer variablen Stelle x im Inneren des letzten (!) Bereiches freischneiden
 Gleichgewicht am komplizierteren (!) Teilstück aufstellen, also dort, wo alle Einzellasten angreifen außer
denen am Balkenende, und daraus N, Q und M berechnen (hier dargestellt am Beispiel M):
x
d
c
b
a F2 M
M1 M2
N
AH
AV F1 Q
Das gilt für d < x < l.
−𝐴𝐴𝑉𝑉 ⋅ 𝑥𝑥 − 𝑀𝑀1 − 𝐹𝐹1 ⋅ 𝑥𝑥 − 𝑏𝑏 + 𝐹𝐹2 ⋅ 𝑥𝑥 − 𝑐𝑐 + 𝑀𝑀2 + 𝑀𝑀 𝑥𝑥 = 0
Was passiert mit M(x), wenn
x kleiner wird als d, oder als
⇒ 𝑀𝑀 𝑥𝑥 = 𝐴𝐴𝑉𝑉 ⋅ 𝑥𝑥 + 𝑀𝑀1 + 𝐹𝐹1 ⋅ 𝑥𝑥 − 𝑏𝑏 − 𝐹𝐹2 ⋅ 𝑥𝑥 − 𝑐𝑐 − 𝑀𝑀2
c, oder gar als b oder a?
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 169
6. Schnittgrößen

6.6 Föppl-Klammern
• Bestimmen der Schnittgrößen über Gleichgewichtsbedingungen:
 Es wird ein „Schalter“ benötigt, der einzelne Terme aus- oder einschalten kann, je nach Größe von x:
x
d
c
b
a F2 M
M1 M2
N
AH
AV F1 Q

𝑀𝑀 𝑥𝑥 = 𝐴𝐴𝑉𝑉 ⋅ 𝑥𝑥 + 𝑀𝑀1 + 𝐹𝐹1 ⋅ 𝑥𝑥 − 𝑏𝑏 − 𝐹𝐹2 ⋅ 𝑥𝑥 − 𝑐𝑐 − 𝑀𝑀2

immer aus für x < a, aus für x < b, aus für x < c, aus für x < d,
ein ein für x > a. ein für x > b. ein für x > c. ein für x > d.
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 170
6. Schnittgrößen

6.6 Föppl-Klammern
• Bestimmen der Schnittgrößen über Gleichgewichtsbedingungen:
 Der Schalter ist das Föppl-Symbol bzw. die Föppl-Klammer:

𝑛𝑛 0 für 𝑥𝑥 < 𝑎𝑎 0 für 𝑥𝑥 < 𝑎𝑎


𝑥𝑥 − 𝑎𝑎 =� 𝑛𝑛 und speziell: 𝑥𝑥 − 𝑎𝑎 0 =�
𝑥𝑥 − 𝑎𝑎 für 𝑥𝑥 > 𝑎𝑎 1 für 𝑥𝑥 > 𝑎𝑎

𝑀𝑀 𝑥𝑥 = 𝐴𝐴𝑉𝑉 ⋅ 𝑥𝑥 + 𝑀𝑀1 + 𝐹𝐹1 ⋅ 𝑥𝑥 − 𝑏𝑏 − 𝐹𝐹2 ⋅ 𝑥𝑥 − 𝑐𝑐 − 𝑀𝑀2

immer aus für x < a, aus für x < b, aus für x < c, aus für x < d,
ein ein für x > a. ein für x > b. ein für x > c. ein für x > d.

Dieser Verlauf
gilt nun für 0 1 1 0
𝑀𝑀 𝑥𝑥 = 𝐴𝐴𝑉𝑉 ⋅ 𝑥𝑥 + 𝑀𝑀1 ⋅ 𝑥𝑥 − 𝑎𝑎 + 𝐹𝐹1 ⋅ 𝑥𝑥 − 𝑏𝑏 − 𝐹𝐹2 ⋅ 𝑥𝑥 − 𝑐𝑐 − 𝑀𝑀2 ⋅ 𝑥𝑥 − 𝑑𝑑
0 < x < l!
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 171
6. Schnittgrößen

6.6 Föppl-Klammern
Beispiel 38: Rechnen mit Föppl-Klammern (1)
Der Biegemomentenverlauf eines Balkens der Länge l lautet:

0 1 1 0
𝑀𝑀 𝑥𝑥 = 𝐴𝐴𝑉𝑉 ⋅ 𝑥𝑥 + 𝑀𝑀1 ⋅ 𝑥𝑥 − 𝑎𝑎 + 𝐹𝐹1 ⋅ 𝑥𝑥 − 𝑏𝑏 − 𝐹𝐹2 ⋅ 𝑥𝑥 − 𝑐𝑐 − 𝑀𝑀2 ⋅ 𝑥𝑥 − 𝑑𝑑

gegeben: a, b, c, d, l (a < b < c < d < l), AV, M1, M2, F1, F2
Stellen Sie die folgenden Funktionswerte ohne Verwendung von Föppl-Klammern in Abhängigkeit
von den gegebenen Größen dar:
a) M(e) mit gegebenem e und e < a
b) M(f) mit gegebenem f und d < f < l

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 172


6. Schnittgrößen

6.6 Föppl-Klammern
Beispiel 39: Rechnen mit Föppl-Klammern (2)
Der Querkraftverlauf eines Balkens der Länge 4a lautet:
1 0 0 1
𝑄𝑄 𝑥𝑥 = −𝑞𝑞0 𝑥𝑥 + 𝑞𝑞0 ⋅ 𝑥𝑥 − 𝑎𝑎 + 𝑞𝑞0 𝑎𝑎 ⋅ 𝑥𝑥 − 𝑎𝑎 + 𝑞𝑞0 𝑎𝑎 ⋅ 𝑥𝑥 − 3𝑎𝑎 − 𝑞𝑞0 ⋅ 𝑥𝑥 − 3𝑎𝑎

gegeben: a, q0
Berechnen Sie die folgenden Funktionswerte in Abhängigkeit von den gegebenen Größen und
vereinfachen Sie die Ergebnisse so weit wie möglich:
a) Q(2a)
b) Q(3.5a)

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 173


6. Schnittgrößen

6.6 Föppl-Klammern
• Rechenregeln für Föppl-Klammern

𝑛𝑛 0 für 𝑥𝑥 < 𝑎𝑎
𝑥𝑥 − 𝑎𝑎 =� 𝑛𝑛
𝑥𝑥 − 𝑎𝑎 für 𝑥𝑥 > 𝑎𝑎

 Differentiation

𝑑𝑑 𝑛𝑛 𝑛𝑛−1
𝑥𝑥 − 𝑎𝑎 = 𝑛𝑛 ⋅ 𝑥𝑥 − 𝑎𝑎
𝑑𝑑𝑑𝑑

 Integration

1
� 𝑥𝑥 − 𝑎𝑎 𝑛𝑛 𝑑𝑑𝑑𝑑 = ⋅ 𝑥𝑥 − 𝑎𝑎 𝑛𝑛+1
+ 𝐶𝐶
𝑛𝑛 + 1

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 174


6. Schnittgrößen

6.6 Föppl-Klammern
Beispiel 40: Rechnen mit Föppl-Klammern (3)
Der Querkraftverlauf eines Balkens der Länge 4a lautet:
1 0 0 1
𝑄𝑄 𝑥𝑥 = −𝑞𝑞0 𝑥𝑥 + 𝑞𝑞0 ⋅ 𝑥𝑥 − 𝑎𝑎 + 𝑞𝑞0 𝑎𝑎 ⋅ 𝑥𝑥 − 𝑎𝑎 + 𝑞𝑞0 𝑎𝑎 ⋅ 𝑥𝑥 − 3𝑎𝑎 − 𝑞𝑞0 ⋅ 𝑥𝑥 − 3𝑎𝑎

gegeben: a, q0
Ermitteln Sie die Verläufe von q(x) und M(x). Hinweis: Es liegen keine Einzelmomente vor.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 175


6. Schnittgrößen

6.6 Föppl-Klammern
Beispiel 41: vgl. Beispiel 7.7 aus [GHSW]
Geben Sie für den unten dargestellten Balken den Verlauf der Linienkraft q(x) mit Hilfe von Föppl-
Klammern an.
gegeben: a, q0

a a a a

q0
B
A x

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 176


6. Schnittgrößen

6.6 Föppl-Klammern
Achtung: dies sind nur
Formulierungsbeispiele!
• Bestimmen der Schnittgrößen über Integration:
 Verlauf der Linienkraft q(x) mit Hilfe von Föppl-Klammern aufstellen
 Querkraft Q(x) durch Integration ermitteln 𝑄𝑄 𝑥𝑥 = − �𝑞𝑞 𝑥𝑥 𝑑𝑑𝑑𝑑
• Achtung:
An der Stelle einer Einzelkraft in Querrichtung (z.B. bei x = x1) muss ein Term 0
für den Querkraftsprung ergänzt werden (so groß wie diese Einzelkraft, 𝑄𝑄 𝑥𝑥 = ⋯ + 𝐹𝐹1 ⋅ 𝑥𝑥 − 𝑥𝑥1 +⋯
positives Vorzeichen, wenn Kraft in negative z-Richtung und umgekehrt,
Schalter über Föppl-Klammer an der Stelle der Einzelkraft mit Exponent 0).
• Die Integrationskonstante ist nicht erforderlich, wenn alle Einzelkräfte (auch 0
Lagerkräfte!) mit einem Term für den Querkraftsprung berücksichtigt werden.
𝑄𝑄 𝑥𝑥 = 𝐴𝐴𝑉𝑉 ⋅ 𝑥𝑥 − 0 +⋯
 Biegemoment M(x) durch Integration ermitteln 𝑀𝑀 𝑥𝑥 = �𝑄𝑄 𝑥𝑥 𝑑𝑑𝑑𝑑
• Achtung:
An der Stelle eines Einzelmoments (z.B. bei x = x2) muss ein Term für den 0
Momentensprung ergänzt werden (so groß wie dieses Einzelmoment, 𝑀𝑀 𝑥𝑥 = ⋯ + 𝑀𝑀2 ⋅ 𝑥𝑥 − 𝑥𝑥2 +⋯
positives Vorzeichen, wenn Moment in negativer Richtung um die y-Achse
dreht und umgekehrt, Schalter über Föppl-Klammer an der Stelle des
Einzelmoments mit Exponent 0).
• Die Integrationskonstante ist nicht erforderlich, wenn alle Einzelmomente 𝑀𝑀 𝑥𝑥 = 𝑀𝑀𝐴𝐴 ⋅ 𝑥𝑥 − 0 0
+⋯
(auch Lagermomente!) mit einem Term für den Momentensprung
berücksichtigt werden.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 177


6. Schnittgrößen

6.6 Föppl-Klammern
Beispiel 42: vgl. Beispiel 7.7 aus [GHSW] und das vorherige Beispiel 41
Berechnen und skizzieren Sie für den unten dargestellten Balken den Verlauf der Querkraft Q(x)
und des Biegemomentes M(x). Ermitteln Sie außerdem die Lagerkräfte in den Punkten A und B.
gegeben: a, M0, q0

a a a a

q0
M0
B
A x

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 178


6. Schnittgrößen

6.7 Räumliche Balken 𝒒𝒒𝒛𝒛 𝒙𝒙 𝒒𝒒𝒚𝒚 𝒙𝒙

𝑵𝑵 𝑴𝑴𝑻𝑻
• Schnittgrößen am räumlichen geraden Balken
 Kraft in Balkenlängsrichtung: Normalkraft N y 𝑸𝑸𝒚𝒚 x
 Kräfte in Balkenquerrichtung: Querkräfte Qy und Qz z 𝑸𝑸𝒛𝒛
𝑴𝑴𝒃𝒃𝒃𝒃
 Moment um Balkenlängsachse: Torsions- (oder Dreh)moment MT
 Momente um Achsen senkrecht zum Balken: Biegemomente My und Mz oder Mb,y und Mb,z 𝑴𝑴𝒃𝒃𝒃𝒃
• Bei einem Vorgehen nach der vektoriellen Methode muss am Schnitt an der variablen Stelle x
ein Vektor der resultierenden Schnittkräfte und einer der resultierenden Momente eingetragen
werden. Der Ansatz für diese Vektoren am positiven Schnittufer lautet:
𝑁𝑁 𝑥𝑥 𝑀𝑀𝑇𝑇 𝑥𝑥
𝑅𝑅 𝑥𝑥 = 𝑄𝑄𝑦𝑦 𝑥𝑥 𝑀𝑀 𝑥𝑥 = 𝑀𝑀𝑏𝑏,𝑦𝑦 𝑥𝑥
𝑄𝑄𝑧𝑧 𝑥𝑥 𝑀𝑀𝑏𝑏,𝑧𝑧 𝑥𝑥
• Am negativen Schnittufer müssen dann die negativen Vektoren −𝑅𝑅 𝑥𝑥 und −𝑀𝑀 𝑥𝑥 in die
Gleichgewichtsbedingungen eingesetzt werden!
• Jetzt gelten die Zusammenhänge 𝑄𝑄𝑦𝑦 ′ 𝑥𝑥 = −𝑞𝑞𝑦𝑦 𝑥𝑥 𝑄𝑄𝑧𝑧 ′ 𝑥𝑥 = −𝑞𝑞𝑧𝑧 𝑥𝑥

𝑀𝑀𝑏𝑏𝑏𝑏 𝑥𝑥 = −𝑄𝑄𝑦𝑦 𝑥𝑥 𝑀𝑀𝑏𝑏𝑏𝑏 ′ 𝑥𝑥 = 𝑄𝑄𝑧𝑧 𝑥𝑥

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 179


6. Schnittgrößen

6.8 Summary
• Exercise

From the book:


[GEWSM] Gross, D.; Ehlers, W.; Wriggers, P.; Schröder, J.; Müller, R.: Statics – Formulas and
Problems. Engineering Mechanics 1. Berlin: Springer 2017.
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 181
Gliederung
1. Grundlagen
2. Gleichgewicht in der Ebene –
die anschauliche Methode
3. Gleichgewicht im Raum –
mit Vektoren
4. Fachwerke
5. Schwerpunkt 7.1 Einführung
6. Schnittgrößen 7.2 Haftreibung
7. Reibung 7.3 Gleitreibung
7.4 Seilreibung
7.5 Summary

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 182


7. Reibung

7.1 Einführung
• Bisher
NB
 Bei Berührung zweier Körper wurden nur Normalkräfte berücksichtigt.
 Tangentialkräfte wurden vernachlässigt.
 Annahme einer „ideal glatten Oberfläche“ Leiter RB

• Realität
 Oberflächen sind rau.
 In Kontakten wirken auch Tangentialkräfte.
G
 Reibungskräfte
• Bedeutung der Reibung
 Ohne Reibung wäre keine Fortbewegung möglich (siehe Beispiel Glatteis).
 Schrauben lösen sich nur dann nicht, wenn ausreichende Reibung vorliegt.
 Durch Reibung entsteht Wärme
 Energieverlust, Ziel: Minimierung

RA
NA

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 183


7. Reibung

7.1 Einführung
• Wir werden uns beschäftigen mit
 der Unterscheidung der zwei Effekte
• Haften und
• Gleiten,
 den Coulombschen Reibungsgesetzen für „trockene Reibung“ sowie
 dem Spezialfall der Seilreibung nach Euler-Eytelwein.

• Nicht Gegenstand der Vorlesung ist die „Flüssigkeitsreibung“,


da hierfür Grundlagen der Hydromechanik erforderlich sind.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 184


Gliederung
1. Grundlagen
2. Gleichgewicht in der Ebene –
7.1 Einführung
die anschauliche Methode
7.2 Haftreibung
3. Gleichgewicht im Raum –
mit Vektoren 7.2.1 Beispiel: Schiefe Ebene mit Seilzug
4. Fachwerke 7.2.2 Freischneiden
5. Schwerpunkt 7.2.3 Haftreibungsgesetz
6. Schnittgrößen 7.2.4 Praktische Hinweise zur Berechnung
7. Reibung 7.2.5 Ermitteln des Haftreibungskoeffizienten
7.2.6 Vorgehen bei komplexen Systemen
7.3 Gleitreibung
7.4 Seilreibung
7.5 Summary

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 185


7. Reibung

7.2 Haftreibung
7.2.1 Beispiel: Schiefe Ebene mit Seilzug g
m1
Beispiel 43: Kontaktkräfte berechnen
Eine Masse m1 liegt auf einer schiefen Ebene
(Neigungswinkel α) und ist im statischen Gleichgewicht, m2
siehe Bild rechts. Sie ist an einem masselosen Seil α
befestigt, das über eine reibungsfreie Rolle geführt wird
und an dessen anderem Ende eine Masse m2 hängt.
Gegeben: g, m1, m2, α
a) Berechnen Sie die Reaktionskräfte im Kontakt
zwischen der Masse m1 und der schiefen Ebene.
b) Was wird passieren, wenn Sie die Masse m2 immer
weiter vergrößern?
c) Was wird passieren, wenn Sie bei einer kleinen
Masse m2 den Winkel α immer weiter vergrößern?

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 186


7. Reibung

7.2 Haftreibung
7.2.2 Freischneiden
• Bisher: einseitiger, reibungsfreier Kontakt (Berührung, ideal glatte Oberflächen, Wertigkeit w = 1)

 Normalkraft N senkrecht zur Berührebene, Druckkraft, zeigt zum Material hin


 Keine Kräfte tangential zur Berührebene (wegen Reibungsfreiheit)

N≥0 N≥0 N≥0

 Es muss N ≥ 0 gelten, sonst kommt es zur Trennung im Kontakt!

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 187


7. Reibung

7.2 Haftreibung
7.2.2 Freischneiden
• Jetzt: einseitiger, reibungsbehafteter Kontakt (Berührung, raue Oberflächen, Wertigkeit w = 2)

 Normalkraft N senkrecht zur Berührebene, Druckkraft, zeigt zum Material hin


 Haftreibungskraft H liegt in der Berührebene, Richtungssinn ist beliebig! Das Vorzeichen ergibt sich aus
den Gleichgewichtsbedingungen.

H H
H N≥0
N≥0
N≥0
 Es muss wieder N ≥ 0 gelten, sonst kommt es zur Trennung im Kontakt!

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 188


7. Reibung

7.2 Haftreibung
7.2.3 Haftreibungsgesetz
• Solange der Körper in Ruhe ist, also haftet, kann man für statisch H
bestimmte Systeme die Haftreibungskraft H und die Normalkraft N
aus den Gleichgewichtsbedingungen bestimmen. N
 Beide Kräfte sind Reaktionskräfte (wie Lager- und Verbindungsreaktionen).
• Die Haftreibungskraft H kann jedoch nicht beliebig groß werden.
• Ein Modell für die Begrenzung ist die Coulombsche Haftreibungsbedingung (trockene Reibung):
𝐻𝐻 ≤ 𝐻𝐻0 𝐻𝐻0 = 𝜇𝜇0 ⋅ 𝑁𝑁
µ0: Haftreibungskoeffizient
H0: maximal übertragbare Haftreibungskraft
(= Haftreibungskraft im Fall „Grenzhaftung“ = haftet gerade noch)
• Der Haftreibungskoeffizient µ0 beschreibt das Haftungsvermögen in einem reibungsbehafteten
Kontakt zwischen zwei Körpern.
• Die maximal übertragbare Haftreibungskraft H0 einer bestimmten Kontaktpaarung ist proportional
zur Normalkraft N.
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 189
7. Reibung

7.2 Haftreibung
7.2.3 Haftreibungsgesetz
• Beispielwerte für Haftreibungskoeffizienten
 Die angegebenen Werte sind nur für grobe Reibpaarung Haftreibungs-
Abschätzungen geeignet. koeffizient
 Genauere Werte müssen für den jeweiligen µ0
Anwendungsfall in der Regel mit Hilfe von Stahl auf Stahl, trocken 0.15 … 0.3
Versuchen bestimmt werden.
Stahl auf Stahl, geschmiert 0.1
Stahl auf Teflon 0.06
Stahl auf Eis 0.03
Holz auf Holz 0.4 … 0.6
Holz auf Metall 0.5 … 0.65
Leder auf Metall 0.4
Autoreifen auf Straße, trocken 0.7 … 0.9
Autoreifen auf Straße, geschmiert 0.2

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 190


7. Reibung

7.2 Haftreibung
7.2.4 Praktische Hinweise zur Berechnung
• Der einfachste Fall liegt vor, wenn (z.B. durch die Aufgabenstellung)
bekannt ist, dass der Körper haftet und im Gleichgewicht ist:
 Man weiß bereits, dass die Gleichgewichtsbedingungen erfüllt sind.

Vorgehen in diesem Fall:


 Freischneiden für den Fall Haftreibung (Normalkraft N und Haftreibungskraft H)
 Gleichgewichtsbedingungen aufstellen
 Unbekannte Kräfte berechnen, darunter Normalkraft N und Haftreibungskraft H
 Die Haftreibungsbedingung wird für die Berechnung nicht benötigt:
Durch die Aufgabenstellung (bekanntes Haften und Gleichgewicht!)
ist schon sicher, dass die Haftreibungsbedingung erfüllt ist!

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 191


7. Reibung

7.2 Haftreibung
7.2.4 Praktische Hinweise zur Berechnung
• Die Haftreibungsbedingung wird erst benötigt, wenn noch nicht bekannt ist,
ob der Körper haftet oder gleitet.
Vorgehen in diesem Fall:
1. Annahme: Es haftet.
2. Freischneiden für den Fall Haftreibung (Normalkraft N und Haftreibungskraft H)
3. Gleichgewichtsbedingungen aufstellen
4. Unbekannte Kräfte berechnen, darunter Normalkraft N und Haftreibungskraft H
(Hinweis: Dies sind diejenigen Kräfte, die für ein Gleichgewicht erforderlich sind bzw. wären!)
5. Überprüfen der Haftreibungsbedingung (Prüfen, ob die Annahme aus 1. stimmt):
𝐻𝐻 ≤ 𝐻𝐻0 𝐻𝐻0 = 𝜇𝜇0 ⋅ 𝑁𝑁
• Wenn die Haftreibungsbedingung erfüllt ist, dann ist bestätigt, dass die Annahme aus 1. stimmt: es haftet, die
berechneten Kräfte N und H sind so groß wie berechnet.
• Wenn die Haftreibungsbedingung verletzt wird, dann stimmt die Annahme aus 1. nicht: der Körper gleitet. Statt
der Haftreibungsbedingung gilt nun das Gleitreibungsgesetz (siehe später). Aus der bisherigen Berechnung
kann die Gleitrichtung bestimmt werden (wichtig für das Gleitreibungsgesetz!), die berechneten Kräfte H und
ggf. N stimmen jedoch nicht: es ist ein weiterer Rechengang erforderlich.
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 192
7. Reibung

7.2 Haftreibung
7.2.4 Praktische Hinweise zur Berechnung g
m1
Beispiel 44: Zustand Haften oder Gleiten feststellen
Zwischen der Masse m1 und der schiefen Ebene aus
Beispiel 43 wirkt nun der Haftreibungskoeffizient µ0. m2
Untersuchen Sie für die beiden folgenden Fälle, ob das α
System in Ruhe ist oder sich bewegt. Geben Sie
außerdem die Richtung an, falls das System sich
bewegt.
a) m1 = 2m2, α = 45°, µ0 = 0.3
b) m1 = m2, α = 30°, µ0 = 0.5

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 193


7. Reibung

7.2 Haftreibung
7.2.4 Praktische Hinweise zur Berechnung
• Häufig stellt sich die Frage, in welchen Bereichen bestimmte Größen liegen müssen, damit der
Körper haftet (z. B. der Haftreibungskoeffizient µ0, ein Winkel α etc.).
Vorgehen in diesem Fall:
1. Annahme: Es haftet.
2. Freischneiden für den Fall Haftreibung (Normalkraft N und Haftreibungskraft H)
3. Gleichgewichtsbedingungen aufstellen
4. Unbekannte Kräfte berechnen, darunter Normalkraft N und Haftreibungskraft H
(Hinweis: Dies sind diejenigen Kräfte, die für ein Gleichgewicht erforderlich sind!)
5. Einsetzen in die Haftreibungsbedingung:
𝐻𝐻 ≤ 𝐻𝐻0 𝐻𝐻0 = 𝜇𝜇0 ⋅ 𝑁𝑁
6. Auflösen nach der gesuchten Größe
(ggf. sind dabei Fallunterscheidungen erforderlich
wegen der Betragsstriche und wegen der Ungleichung!)

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 194


7. Reibung

7.2 Haftreibung
7.2.4 Praktische Hinweise zur Berechnung g
m1
Beispiel 45: Bedingungen für Haften ermitteln
Zwischen der Masse m1 und der schiefen Ebene wirkt
weiterhin der Haftreibungskoeffizient µ0. m2
a) Welche Bedingung muss µ0 erfüllen, damit das α
System in Ruhe bleibt?
gegeben: m1, m2, α
b) In welchem Bereich muss m2 liegen, damit das
System in Ruhe bleibt?
gegeben: m1 = 300 g, α = 30°, µ0 = 0.2

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 195


7. Reibung

7.2 Haftreibung
7.2.5 Ermitteln des Haftreibungskoeffizienten g
• Den Haftreibungskoeffizienten µ0 einer bestimmten
m1
„Reibpaarung“ kann man nur über Versuche ermitteln.
• Hierzu ermittelt man aus dem Versuch die Haftreibungskraft H, die
kurz vor dem Übergang von Haften zu Gleiten wirkt  Hgrenz. Auch m2
die in diesem Fall wirkende Normalkraft N wird ermittelt  Ngrenz. α
• Für die Coulombsche Haftreibungsbedingung 𝐻𝐻 ≤ 𝜇𝜇0 � 𝑁𝑁 gilt
in diesem Grenzfall: 𝐻𝐻grenz = 𝜇𝜇0 � 𝑁𝑁grenz .
𝐻𝐻grenz
Damit kann man den Haftreibungskoeffizienten ermitteln: 𝜇𝜇0 =
𝑁𝑁grenz
• Mögliches Vorgehen bei einer Vorrichtung wie rechts oben dargestellt:
 Masse m1 und Winkel α bestimmen
 Masse m2 vergrößern, bis es von selbst zu rutschen beginnt, dann m2 bestimmen
 Freischneiden, Gleichgewichtsbedingungen aufstellen und H und N für das ermittelte m2 bestimmen
 Dieses H = Hgrenz und N = Ngrenz einsetzen in obige Formel für µ0

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 196


7. Reibung

7.2 Haftreibung
7.2.5 Ermitteln des Haftreibungskoeffizienten g
m1
Beispiel 46: Haftreibungskoeffizient ermitteln
Sie wollen den Haftreibungskoeffizienten µ0 zwischen der Masse
m1 und der schiefen Ebene aus den vorangegangenen Beispielen m2
ermitteln. In Ihrem konkreten Fall beträgt die Masse m1 = 500 g α
und der Neigungswinkel der schiefen Ebene α = 40°. Sie erhöhen
die Masse m2 langsam, bis es von selbst zu rutschen beginnt.
Dies ist bei m2 = 417 g der Fall. Wie groß ist µ0?

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 197


7. Reibung

7.2 Haftreibung
7.2.6 Vorgehen bei komplexen Systemen
x
Beispiel 47: Leiter an der Wand G
Eine Leiter der Länge l lehnt an der Wand. Zwischen Leiter und Wand wirkt der l
Haftreibungskoeffizient µ0W, zwischen Leiter und Boden µ0B. In welchen Bereichen
der Leiter darf eine Person (Gewicht G) stehen, ohne dass die Leiter rutscht?
Geben Sie hierfür zulässige Bereiche für den Abstand x zwischen Person und
Wand an. Das Eigengewicht der Leiter wird vernachlässigt. Welche Bedingung
muss für die Haftreibungskoeffizienten gelten, wenn die Person überall auf der α
Leiter stehen können soll, ohne dass die Leiter rutscht?
Gegeben: l, α, µ0B, µ0W
Weiterführende Frage zum eigenständigen Knobeln :
• Unter welcher Bedingung ist die Vernachlässigung des Leitergewichts konservativ (= sicher)?

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 198


7. Reibung

7.2 Haftreibung
7.2.6 Vorgehen bei komplexen Systemen
• Bei Systemen mit mehreren Reibkontakten führen die Haftreibungsbedingungen
zu schwierig auszuwertenden Ausdrücken (mehrere Ungleichungen, Beträge). G
• Wenn klar ist, dass ein Gleitbeginn an allen Kontaktstellen gleichzeitig stattfinden
muss (z.B. bei der Leiter im Bild rechts), dann kann man sich dadurch behelfen,
dass man den Fall „Grenzhaftung“ gleichzeitig an allen Kontakten betrachtet.
Vorgehen in diesem Fall:
1. Freischneiden, Haftreibung an jedem Kontakt annehmen (N1, N2, … und H1, H2, …);
Achtung: Pfeilrichtungen der Haftkräfte sind nun nicht beliebig wählbar – so eintragen,
wie sie in Wirklichkeit wirken: dass sie einer möglichen Bewegung entgegen wirken!
2. Gleichgewichtsbedingungen aufstellen
3. Für jede Haftreibungskraft die maximal übertragbare Haftreibungskraft einsetzen: H1 = µ01N1, H2 = µ02N2, …
4. Alle unbekannten Kräfte berechnen (= Kräfte, die wirken, wenn das System kurz davor ist zu gleiten!)
5. Mit den überzähligen Gleichungen berechnen, welche Werte bestimmte Größen (z.B. ein bestimmter
Winkel α, eine äußere Kraft F, ein µ0) annehmen müssen, dass genau dieser Fall „Grenzhaftung“ eintritt
6. Aus der Anschauung klären, wo der erlaubte Bereich für diese Größen liegt, damit Haften gilt (oberhalb
oder unterhalb des in 5. ermittelten Grenzwertes für den Fall „Grenzhaftung“).
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 199
7. Reibung

7.2 Haftreibung G2
x2

7.2.6 Vorgehen bei komplexen Systemen

Beispiel 48: Haushaltsleiter mit fehlender Sicherung x1 G1


Die beiden Teile einer Haushaltsleiter besitzen jeweils die Länge
l und sind über ein Gelenk miteinander verbunden. Eine bei
diesen Leitern übliche Sicherung zwischen beiden
Leiterelementen wurde hier nicht geschlossen. Die Leiter steht
auf dem Boden (Winkel α gemäß Skizze). Am linken l
Kontaktpunkt zum Boden wirkt der Haftreibungskoeffizient µ01, F l
am rechten µ02. Auf dem linken Element steht eine Person mit
dem Gewicht G1 (Position x1 gemäß Skizze), auf dem rechten
α h α
eine Person mit dem Gewicht G2 (Position x2). Außerdem wirkt
auf das linke Element noch die Kraft F wie in der Skizze
dargestellt in der Höhe h.
Gegeben: l, α, h, x1, x2, F, G1, G2, µ01, µ02
a) Stellen Sie alle Bedingungen auf, die erfüllt sein müssen,
damit die Leiter in Ruhe auf dem Boden stehen bleibt.
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 200
7. Reibung

7.2 Haftreibung G2
x2

7.2.6 Vorgehen bei komplexen Systemen

Fortsetzung Beispiel 48: x1 G1


b) Was passiert, wenn jeweils genau eine der Bedingungen
verletzt wird? Beantworten Sie diese Frage für jede der in
a) notierten Ungleichungsbedingungen.
c) Gehen Sie davon aus, dass Sie eine Konfiguration gefunden l
haben, bei der die Leiter mit F = 0 stabil steht. Wie können F l
Sie vorgehen, wenn Sie rechnerisch ermitteln wollen, bei
welcher Kraft F die Leiter zu rutschen beginnt und an
welchem Fußpunkt dies stattfindet? α h α
Weiterführendes zum eigenständigen Knobeln :
Auf der Canvas-Seite finden Sie eine MATLAB®-Datei, in der die
Lösung der Gleichgewichtsbedingungen programmiert ist. Die vorgegebenen Eingabewerte erfüllen
alle Bedingungen. Verändern Sie die Werte so, dass Sie die Verletzungen der Bedingungen aus b)
damit erzeugen können. Überlegen Sie sich dabei jeweils, ob das Ergebnis plausibel ist.
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 201
7. Reibung

7.2 Haftreibung G2
x2

7.2.6 Vorgehen bei komplexen Systemen


• Den schwierigsten Fall stellen Systeme dar, bei denen Gleiten
nicht an allen Kontaktstellen gleichzeitig beginnt. x1 G1
• In diesem Fall ist es zweckmäßig, zunächst alle Bedingungen
aufzustellen, die für Haften erforderlich sind. Je nach
Aufgabenstellung ist dann ein geeignetes Vorgehen zum
Lösen dieser Bedingungen zu suchen. Hierzu ist ein
mechanisches Verständnis des Systems unerlässlich! l
F l
• Beispiel: Wie groß muss F mind. sein, dass die Leiter rutscht?
 Freischneiden für den Fall Haften in allen Kontakten
 Gleichgewichts- und Haftreibungsbedingungen aufstellen, dann: α h α
• Gleitbeginn in einer Kontaktstelle annehmen, dort gilt: H = µ0N
• diese Annahme in alle Gleichgewichts- und die Haftreibungs-
bedingungen der anderen Kontaktstellen einsetzen und damit eine
Bedingung für F zum Gleitbeginn an diesen Stellen berechnen
• dieses Vorgehen für alle anderen Kontaktstellen wiederholen  Leider keine Kochrezepte möglich,
 Das kleinste ermittelte F ist dann das gesuchte. sondern nur Verständnis gefragt!

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 202


Gliederung
1. Grundlagen
2. Gleichgewicht in der Ebene –
die anschauliche Methode
3. Gleichgewicht im Raum –
mit Vektoren 7.1 Einführung
4. Fachwerke 7.2 Haftreibung
5. Schwerpunkt 7.3 Gleitreibung
6. Schnittgrößen 7.3.1 Freischneiden
7. Reibung 7.3.2 Impulssatz
7.3.3 Gleitreibungsgesetz
7.3.4 Rollreibung
7.4 Seilreibung
7.5 Summary

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 203


7. Reibung

7.3 Gleitreibung
7.3.1 Freischneiden
• Jetzt neu: Ein Körper gleitet auf der Umgebung oder auf einem anderen Körper.

v v
v

 Normalkraft N senkrecht zur Berührebene, Druckkraft, zeigt zum Material hin


 Gleitreibungskraft R liegt in der Berührebene, Richtung muss richtig vorgegeben werden:
entgegengesetzt zur Bewegungsrichtung (versucht die Relativbewegung zu bremsen)

R
R
R N≥0
N≥0 N≥0
• Es muss wieder N ≥ 0 gelten, sonst kommt es zur Trennung im Kontakt!

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 204


7. Reibung

7.3 Gleitreibung
v1
7.3.1 Freischneiden K1
• Die Richtung der Gleitreibungskraft muss beim Freischneiden
richtig angegeben werden, da sie sich nicht wie im Falle „Haften“
aus den Gleichgewichtsbedingungen ergibt. K2
• Die Richtung der Gleitreibungskraft ist so anzusetzen, dass sie
der Bewegung entgegen wirkt.
• Maßgeblich ist immer die Relativgeschwindigkeit der beiden
Kontaktflächen (z.B. zweier Körper) im Reibkontakt. v1
K1

• Beispiel rechts: Ein Körper K1 gleitet auf einem ruhenden Körper R


K2 mit der Geschwindigkeit v1 nach rechts
R
 die Gleitreibungskraft R wirkt auf K1 nach links und auf K2
nach rechts. (Hinweis: Die Normalkraft wurde in der Skizze
rechts aus Gründen der Übersichtlichkeit weggelassen.) K2

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 205


7. Reibung

7.3 Gleitreibung
K1
7.3.1 Freischneiden
K2
Beispiel 49: Richtung der Gleitreibkraft richtig freischneiden

Gegeben sind die Körper K1 und K2, die aufeinander gleiten, siehe rechts. Gegeben sind außerdem
die Geschwindigkeiten v1 und v2 der beiden Körper. Zeichnen Sie für die folgenden verschiedenen
Fälle von v1 und v2 jeweils die Reibkraft R in die Freischnittskizze an beiden Körpern ein.

a) v1 b) v1 c) v1
K1 K1 K1

v2 v2 v2
K2 K2 K2

v1 < v2 v1 > v 2
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 206
7. Reibung

7.3 Gleitreibung
7.3.2 Impulssatz
• Ein Körper im Gleichgewicht ändert seinen Bewegungszustand nicht, d.h.
 er bleibt in Ruhe, wenn er in Ruhe ist bzw.
 er behält seine Geschwindigkeit bei, wenn er in einer Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit ist.
• Ein Körper ist im Gleichgewicht, wenn
die Summe aller an ihm angreifenden Kräfte und Momente Null ist.
• Wenn ein Körper nicht im Gleichgewicht ist, dann ändert er seinen Bewegungszustand:
er erfährt eine Beschleunigung (oder Verzögerung) 𝑎𝑎.

• Statt des Kräftegleichgewichts gilt dann die Grundgleichung der Kinetik (Impulssatz):
𝐹𝐹𝑥𝑥,𝑖𝑖 𝑎𝑎𝑥𝑥
� 𝐹𝐹⃗𝑖𝑖 = 𝑚𝑚 ⋅ 𝑎𝑎⃗ � 𝐹𝐹𝑦𝑦,𝑖𝑖 = 𝑚𝑚 ⋅ 𝑎𝑎𝑦𝑦
𝐹𝐹𝑧𝑧,𝑖𝑖 𝑎𝑎𝑧𝑧

• Und statt des Momentengleichgewichts gilt der Drallsatz (hier nicht dargestellt).
• Beides (Impuls- und Drallsatz) werden wir ausführlich in Technische Mechanik II behandeln.
06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 207
7. Reibung

7.3 Gleitreibung
7.3.3 Gleitreibungsgesetz
• Wenn ein Körper gleitet, dann ergibt sich die Gleitreibungskraft R aus einem
physikalischen Gesetz und nicht mehr aus den Gleichgewichtsbedingungen.
 Die Gleitreibungskraft R ist daher eine eingeprägte Kraft im Gegensatz v
zur Haftreibungskraft H, die eine Reaktionskraft ist.
• Die Normalkraft N bleibt eine Reaktionskraft und ergibt sich in der Regel aus R
dem Impulssatz oder den Gleichgewichtsbedingungen. N
• Das Coulombsche Gleitreibungsgesetz für trockene Reibung lautet:
𝑅𝑅 = 𝜇𝜇 ⋅ 𝑁𝑁
µ: Gleitreibungskoeffizient
• Im Falle der trockenen Reibung ist die Reibungskraft annähernd unabhängig
von der Geschwindigkeit.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 208


7. Reibung

7.3 Gleitreibung
7.3.3 Gleitreibungsgesetz
• Beispielwerte für Haft- und Reibpaarung Haftreibungs- Gleitreibungs-
Gleitreibungskoeffizienten koeffizient koeffizient
 Die angegebenen Werte sind nur für µ0 µ
grobe Abschätzungen geeignet.
Stahl auf Stahl, trocken 0.15 … 0.3 0.1 … 0.2
 Genauere Werte müssen für den
jeweiligen Anwendungsfall in der Stahl auf Stahl, geschmiert 0.1 0.01 … 0.07
Regel mit Hilfe von Versuchen Stahl auf Teflon 0.06 0.04
bestimmt werden. Stahl auf Eis 0.03 0.015
Holz auf Holz 0.4 … 0.6 0.2 … 0.4
Holz auf Metall 0.5 … 0.65 0.2 … 0.5
Leder auf Metall 0.4 0.3
Autoreifen auf Straße, trocken 0.7 … 0.9 0.5 … 0.8
Autoreifen auf Straße, geschmiert 0.2 0.1

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 209


7. Reibung

7.3 Gleitreibung
7.3.3 Gleitreibungsgesetz g
m1
Beispiel 50: Gleitreibung berechnen
Aufgrund der Masse m2 gleitet die Masse m1 entlang der schiefen
Ebene (Neigungswinkel α) hinauf. (Beide Massen sind über ein m2
masseloses Seil miteinander verbunden, das über eine α
reibungsfreie Rolle geführt wird.)
Gegeben: g, m1, m2 , α, µ
a) Berechnen Sie die Kräfte im Kontakt zwischen der Masse m1
und der schiefen Ebene.
b) Wie groß ist der Gleitreibungskoeffizient µ zwischen m1 und
schiefer Ebene, wenn die Bewegung bei konstanter
Geschwindigkeit stattfindet?
c) Welche Beschleunigung erfährt die Masse m1 bei gegebenem
Gleitreibungskoeffizienten µ?

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 210


7. Reibung

7.3 Gleitreibung
7.3.4 Rollreibung v
• Die Coulombschen Reibungsgesetze zur Gleitreibung können
rechnerisch auch für den Rollwiderstand bei reinem Rollen von R
zylindrischen Körpern verwendet werden.

𝑅𝑅 = 𝜇𝜇𝑅𝑅 ⋅ 𝑁𝑁 N

• Ähnlich zu den Zahlenwerten für Haft- und Gleitreibungskoeffizienten sind


auch die hier angegebenen Zahlenwerte für Rollreibungskoeffizienten nur
für grobe Abschätzungen geeignet.

Reibpaarung Rollreibungs-
koeffizient
µR
Reifen auf Beton 0.02
Eisenbahnrad auf Schiene 0.002

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 211


Gliederung
1. Grundlagen
2. Gleichgewicht in der Ebene –
die anschauliche Methode
3. Gleichgewicht im Raum –
mit Vektoren
4. Fachwerke
5. Schwerpunkt 7.1 Einführung
6. Schnittgrößen 7.2 Haftreibung
7. Reibung 7.3 Gleitreibung
7.4 Seilreibung
7.5 Summary

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 212


7. Reibung

7.4 Seilreibung
Beispiel 51: Seilreibung – Experiment
Eine junge Dame bietet vier jungen Herren eine Wette an. Sie sagt: „Ich gewinne gegen Euch vier
im Tauziehen. Hier meine Regeln:
• Ihr seid zu viert, ich bin allein.
• Ihr gewinnt, wenn Ihr mich innerhalb von einer Minute zwei Meter in Eure Richtung zieht.
• Das Seil muss zwischen uns zweimal um eine Säule herumgewickelt sein.“
a) Wer wird gewinnen? Probieren Sie es aus. Versuchen Sie auch es auch mit anderen
Umschlingungswinkeln.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 213


7. Reibung

7.4 Seilreibung
• Wird ein Seil, an dessen Ende eine sehr große Kraft wirkt, um einen rauen
Pfosten geschlungen, dann kann eine relativ kleine Kraft am anderen Ende
des Seils das Rutschen des Seils verhindern.

• Dieser Zusammenhang wird durch die Seilreibungsformeln nach Euler-Eytelwein


beschrieben.

06.10.2021 Technische Mechanik I (Statik) – Florian Wegmann 214


7. Reibung

7.4 Seilreibung
• Wie bei den Coulombschen Reibungsgesetzen sind auch bei der
Seilreibung die Fälle „Haften“ und „Gleiten“ zu unterscheiden.
• Haftreibungsbedingung für zwei Kräfte S1 und S2

𝑆𝑆1 e−𝜇𝜇0𝛼𝛼 ≤ 𝑆𝑆2 ≤ 𝑆𝑆1 e𝜇𝜇0𝛼𝛼

µ0: Haftreibungskoeffizient α
α: Umschlingungswinkel (im Bogenmaß!)
• Gleitreibung
S2
𝑆𝑆2 = 𝑆𝑆1 e𝜇𝜇𝜇𝜇 für 𝑆𝑆2 > 𝑆𝑆1 S1
𝑆𝑆2 = 𝑆𝑆1 e−𝜇𝜇𝜇𝜇 für 𝑆𝑆2 < 𝑆𝑆1

µ: Gleitreibungskoeffizient
α: Umschlingungswinkel (im Bogenmaß!)
• Basis für die Festlegung, welche Kraft größer ist: Die Reibung will
der Bewegung entgegenwirken.
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7. Reibung

7.4 Seilreibung
Beispiel 51: Seilreibung – Theoretische Untersuchung
Die Seilkraft auf der Seite der jungen Dame wird mit SD bezeichnet, die auf der Seite der jungen
Herren mit SH.
b) Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, dass die junge Dame in Ruhe stehen bleibt?
c) Um welchen Faktor k muss SH größer sein als SD, damit die junge Dame gezogen wird?
Geben Sie k an für die verschiedenen Haftreibungszahlen µ0 = 0.1, 0.2, 0.3, 0.4, 0.5 bei den
verschiedenen Umschlingungswinkeln α aus Ihrem Experiment.
d) Schätzen Sie damit eine Größenordnung ab, in der der Haftreibungskoeffizient µ0 im
Experiment in etwa gelegen haben muss.

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7. Reibung

7.4 Seilreibung
Beispiel 52: Seilreibung – Welche Kraft ist größer?
a) Ein fest stehendes Seil ist um eine mit der Winkelgeschwindigkeit ω rotierende zylindrische
Rolle geschlungen. Es wird durch die beiden Kräfte Slinks und Srechts fixiert. Welche der beiden
Kräfte ist größer?

Slinks
ω
Srechts
b) Nun steht die Rolle fest und das Seil gleitet mit der Geschwindigkeit v über die Rolle. Welche
der beiden Kräfte ist nun größer?
v

Slinks
Srechts
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7. Reibung

7.5 Summary
• Exercise

From the book:


[GEWSM] Gross, D.; Ehlers, W.; Wriggers, P.; Schröder, J.; Müller, R.: Statics – Formulas and
Problems. Engineering Mechanics 1. Berlin: Springer 2017.
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Und: viel Erfolg bei Ihren Prüfungen!

Einen Wunsch habe ich noch:

Lernen Sie nicht nur für die Prüfung. Den gelernten Stoff brauchen Sie in
der Technischen Mechanik II und anderen Veranstaltungen wieder!

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