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Kapitel 1
Allgemeine Grundlagen
Vorbemerkungen Hilfsblätter und Übungsaufgaben sind auf unseren Web- R. Kories; H. Schmidt-Walter: Taschenbuch der Elektrotechnik. Harri
seiten zu finden: Deutsch Verlag, Frankfurt/M., 2004
J. Hugel: Elektrotechnik. Teubner Verlag, Stuttgart, 1998. • Einheiten: Meter, Volt, Newton-Meter
Die physikalischen Einheiten sind oft nach verdienten Wissenschaftlern be- • Geschwindigkeit ist Weg(differenz) pro Zeit(differenz)
nannt. Wenn physikalische Größen in Formeln auftreten, werden sie oft
durch typische Symbole dargestellt, z. B. U für Spannung, I für den Strom • Beschleunigung ist Geschwindigkeit(sdifferenz) pro Zeit(differenz)
usw. oder Weg pro (Zeit zum Quadrat)
• Kraft ist Masse mal Beschleunigung oder Masse mal Weg pro (Zeit zum
1.2.2 Die Grundeinheiten des SI-Systems Quadrat)
Alle Einheiten lassen sich aus sieben Basis-Einheiten zusammensetzen; da- Mit den üblichen Symbolen schreibt sich das kürzer als
von sind für uns im Rahmen dieser Vorlesung vier Einheiten relevant:
∆x
1. v =
• Die Längeneinheit: Meter (Abkürzung: m) ∆t
• Die Einheit der Masse: Kilogramm (Abkürzung: kg) 2. a =
∆v
=
∆x
∆t (∆t)2
• Die Einheit der Zeit: Sekunde (Abkürzung: s)
m · ∆x
• Die Einheit der elektrischen Stromstärke: Ampere (Abkürzung: A) 3. F = m · a =
(∆t)2
Diese vier Einheiten und drei weitere (für Temperatur, Stoffmenge, Licht-
Die Einheiten der abgeleiteten Größen lassen sich mit den gleichen Formeln
stärke) bilden das sogenannte SI-System (système international), das als in-
auf die SI-Einheiten zurückführen. So gilt beispielsweise für die Einheit der
ternational verbindliches Maßsystem1 festgelegt wurde. Wegen der Anfangs-
Kraft, 1 Newton:
buchstaben der ersten drei (bzw. vier) Einheiten wird es manchmal auch als kg m
MKS(A)-System bezeichnet. 1N = 1 2
s
In der Physik tauchen oft sehr große oder sehr kleine Zahlenwerte auf. Um Tabelle 1.1: Vorsilben für große Zahlen
das Arbeiten mit diesen einfacher zu machen, gibt es zwei Möglichkeiten:
Zahlenfaktor Vorsilbe Symbol
• man verwendet eine Zahlendarstellung mit Zehnerexponent, z. B. 1018 Exa E
m 1015 Peta P
c = 2, 99 · 108 1012 Tera T
s
109 Giga G
• man verwendet Vorsilben für Zehnerpotenzen, z. B. 106 Mega M
103 Kilo k
f = 950MHz 102 Hekto h
101 Deka da
Beispiel: 100 = 1 - -
3 km = 3 · 103 m = 3000 m
10 MW = 10 · 106 W = 10.000.000 W
1000 hPa = 1 · 105 Pa = 100.000 Pa
M 1
In physikalischen Gleichungen treten die Einheiten meist nicht explizit = F ·` ·
Nm Nm
auf; erst dann, wenn man einen bestimmten Zusammenhang rechnerisch M F 1
behandeln möchte, wird es notwendig, genau auf die verwendeten Einheiten = ·` · · 10−3 N
Nm 10−3 N Nm
und die zugehörigen Zahlenangaben zu achten. M F ` 1
= · · · 10−3 N · 10−3 m
Nm 10−3 N mm Nm
M F `
Von besonderer Bedeutung sind die sogenannten zugeschnittenen Größen- = · · 10−6 (1.2)
gleichungen, bei denen zu jeder Größe gleich mitangegeben wird, in welcher Nm 10−3 N mm
Einheit sie anzugeben ist.
• Am Schluß bleiben von den zusätzlichen Einheiten in der zugeschnitte-
nen Gröengleichung lediglich ein zusätzlicher Zahlenfaktor übrig, wie
An die Stelle der physikalischen Symbole (z. B. für die Geschwindigkeit) an diesem Beispiel deutlich wurde.
tritt dann ein Ausdruck wie z. B. v / (m/s) (gelesen: v angegeben in Meter pro
Sekunde). Wenn man die physikalische Größe durch eine passende Einheit
dividiert, muß ein reiner Zahlenwert übrig bleiben. Weiteres Beispiel: Darstellung einer gleichförmigen (unbeschleunigten)
Bewegung
Dabei wählt man die Einheit am besten so, dass ein vernünftiger Zahlenwert
herauskommt. Wenn man von Flugzeugen redet, dann sind das eben km/s, Die in diesem Beispiel auftretenden Größen sind
während bei Ameisen eher m/h eine vernünftige Wahl darstellt. Man sollte
also darüber nachdenken, in welcher Größenordnung die typischen Werte • eine unabhängige Variable:
(oder die erwarteten Werte) der betrachteten Größe liegen. die Zeit t, gemessen z. B. in Sekunden
1.4.2 Vektoren Diese Einheitsvektoren haben den Betrag (also die Länge) 1:
Vektoren sind im Gegensatz zu skalaren Größen durch eine Betrag (Vektor- |~ex | = |~ey | = |~ez | = 1
länge) und eine Raumrichtung bestimmt.
Außerdem stehen sie jeweils paarweise senkrecht aufeinander. Dies kann
Ein Beispiel ist der physikalische Begriff der Kraft. Der Betrag kennzeichnet man durch das Skalarprodukt ausdrücken (dazu später mehr):
die Stärke der Kraft, aber die Richtung der Kraft ist ebenfalls wichtig.
~eTm ·~en = 0 für m 6≡ n (1.4)
Koordinatensystem Wir werden gleich näher kennenlernen, was unter Ausdrücken der Form ~aT ·
~b zu verstehen ist.
Ein und derselbe Vektor kann in vielen verschiedenen Koordinatensystemen Der hochgestellte Buchstabe T bedeutet, dass der betreffende Vektor zu
angegeben werden. x1
transponieren ist, d. h. aus einem Spaltenvektor ~x = ... wird ein Zei-
• kartesische Koordinaten xn
lenvektor ~xT = x1 , . . . , xn (und umgekehrt). Mit diesen Einheitsvektoren
• Zylinder-Koordinaten
kann man einen beliebigen Vektor ~a in Komponenten-Schreibweise darstel-
• Kugel-Koordinaten len:
~a = ax~ex + ay~ey + az~ez
Nicht-kartesische Koordinatensysteme vereinfachen häufig physikalische kurz:
Rechnungen; sie werden jedoch im Rahmen dieser Vorlesung nur selten be-
nötigt. ~a = (ax , ay , az )T
~ex ,~ey ,~ez : Einheitsvektoren in den Koordinatenrichtungen x, yund z
Nachdem wir nun wissen, was unter der kartesischen Darstellung eines Vek- • und das Kreuzprodukt von Vektoren.
tors zu verstehen ist, können wir auch noch einmal näher darauf eingehen,
warum eine Unterscheidung zwischen Spaltenvektoren und Zeilenvektoren
sinnvoll und notwendig ist. Betrag des Vektors (Länge):
b2
−−→ a2
a+b a
a b1
α b a
a −b α
a1 b
b
Abbildung 1.3: Das Skalarprodukt Abbildung 1.4: Bei der Berechnung
Abbildung 1.2: Geometrische Veranschaulichung der Summe und der Diffe- läßt sich beschreiben als Projektion des Skalarproduktes kann gleicher-
renz von zwei Vektoren ~a und ~b des einen Vektros auf den anderen maßsen auch der zweite Vektor (hier
~b) auf die Richtung des ersten Vek-
tors projiziert werden; man kann
zeigen, dass sich das gleiche Ergeb-
1.4.3 Das Skalarprodukt
nis ergibt
Das Skalarprodukt zweier Vektoren, beschrieben durch einen Ausdruck von
der Form
~aT ·~b = c Dabei zeigt ~a1 in dieselbe Richtung wie ~b, während ~a2 senkrecht auf ~b
steht (siehe Abbildung 1.3). Das Ergebnis des Vektorproduktes lautet
ergibt eine skalares Ergebnis c und hat folgende Eigenschaften:
c = |~a1 | · |~b|
• Das Skalarprodukt ist kommutativ, d. h.:
Vielleicht etwas erstaunlich ist es, dass sich am Ende der gleiche Zah-
~aT ·~b = ~bT ·~a
lenwert ergibt, wenn man den Vektor ~b zerlegt (Abbildung 1.4).
• Wenn ~a und ~b in die gleiche Richtung zeigen, gilt: • Die allgemeine Formel, die alle diese Fälle umfasst, lautet:
c = |~a| · |~b|
c = |~a| · |~b| · cos α
• wenn ~a und ~b senkrecht aufeinander stehen, gilt: wobei α der Winkel zwischen den beiden Vektoren ~a und ~b ist.
c=0
Diese Formel repräsentiert sozusagen die geometrische Interpretation des
• wenn ~a und~b nicht in die gleiche Richtung zeigen, wird einer der beiden Skalarproduktes, wie sie auch in Bild 1.3 und 1.4 zum Ausdruck gebracht
Vektoren (z. B. der Vektor ~a) in zwei Teilvektoren ~a1 und ~a2 zerlegt. wird.
B B
Das Skalarprodukt zwischen zwei Vektoren ~a und ~b berücksichtigt, wel-
cher Anteil von Vektor ~a in die Richtung von Vektor ~b zeigt (oder genau s F1 s
umgekehrt), und berechnet dann das Produkt der Längen dieser beiden
A α A
gleich-gerichteten Vektoren.
F2
Anders ausgedrückt: F F
~aT ·~b = (Betrag von ~a) · (Betrag des Anteils von ~b,
Abbildung 1.5: Das Skalarprodukt Abbildung 1.6: Nur die Kraft, die in
der in die gleiche Richtung zeigt wie ~a) erweist sich als nützlich, wenn es Richtung des Weges von A nach B
= (Betrag von ~b) · (Betrag des Anteils von ~a, (wie im Falle des physikalischen wirkt, ist für die Berechnung der Ar-
der in die gleiche Richtung zeigt wie ~b) Zusammenhangs W = ~F T · ~s) auf beit zu berücksichtigen. Dies wird
den Winkel zwischen den Größen durch das Skalarprodukt „automa-
ankommt tisch“ gewährleistet; genauer: dies
In vielen Fällen ist es aber wünschenswert, den Wert des Skalarproduktes aus ist der Sinn des Skalarprodukts
den kartesischen Komponenten der beiden Vektoren ~a und ~b zu berechnen.
Die entsprechende Formel lautet:
+a3 b1 ·~eT3 ~e1 +a3 b2 ·~eT3 ~e2 +a3 b3 ·~eT3 ~e3
~aT ·~b = ax bx + ay by + az bz |{z} |{z} |{z}
=0 =0 =1
Wann ist das so? Wir wollen dies auch anhand der bisherigen Definitionen =⇒ ~a ·~b = a1 b1 + a2 b2 + a3 b3
T
(1.5)
einmal näher beleuchten. Dabei gehen wir von der Numerierung des Indices
mit x, y, und z auf die sehr viel flexiblere Numerierung mit Zahlen 1, 2, 3 · · · Hierbei haben wir uns das Wissen zunutze gemacht, dass alle Einheitsvek-
über: toren senkrecht aufeinander stehen (siehe Gleichung 1.4 auf Seite 1-6) und
jeweils den Betrag 1 haben.
~a = a1~e1 + a2~e2 + a3~e3
~b = b1~e1 + b2~e2 + b3~e3
Ein Beispiel für ein Skalarprodukt
~a ·~b
T
= T
(a1~e1 + a2~e2 + a3~e3 ) · (b1~e1 + b2~e2 + b3~e3 )
= a1 b1 ·~eT1 ~e1 +a1 b2 ·~eT1 ~e2 +a1 b3 ·~eT1 ~e3 Als typisches Beispiel in dem ein Skalarprodukt zum Einsatz kommt, be-
|{z} |{z} |{z} trachten wir die Situation, in der ein Gewicht, das von einem Punkt A zu
=1 =0 =0
einem Punkt B bewegt werden soll.
+a2 b1 ·~e2 ~e1 +a2 b2 ·~e2 ~e2 +a2 b3 ·~eT2 ~e3
T T
Das Gewicht wird vom Schwerefeld der Erde mit der Gewichtskraft F nach
|{z} |{z} |{z}
=0 =1 =0
unten gezogen (Abbildung 1.5). Die Bewegung des Gewichtes ist mit Arbeit 1.4.4 Kreuzprodukt zweier Vektoren (äußeres Produkt)
(im physikalischen Sinne) verbunden.
Das Ergebnis des Kreuzproduktes zweier Vektoren ist (im Gegensatz zum
Die in der Schule übliche Darstellungsform des Begriffs Arbeit lautet
Skalarprodukt) selbst ein Vektor.
vereinfachte Version:
~a ×~b = |~a| · |~b| · sin 6 (~a,~b) ·~en
Arbeit = Kraft · Weg
W = F ·s (1.6)
a ×b • Der Einheitsvektor ~en steht
senkrecht auf dem von ~a und ~b
In dieser vereinfachten Definition wird stillschweigend davon ausgegangen,
aufgespannten Parallelogramm.
dass die Kraft F in Richtung des Weges s wirkt; diese vereinfachte Sicht-
weise ist für viele praktische Anwendungen nicht ausreichend (wie wir hier b • Der Betrag entspricht der Flä-
sehen). che des Parallelogramms.
Vielmehr muß beachtet werden, dass nur der Anteil der Kraft zur Anrech- • Die Vektoren ~a,~b und ~c = ~a ×~b
nung kommt, der längs des Weges von A nach B wirkt. Zu diesem Zweck a
bilden - in genau dieser Reihen-
stellen wir sowohl die Kraft, wie auch den Weg als Vektoren dar (denn bei- folge! - ein Rechtssystem.
des hat einen Betrag und eine Richtung). Der Kraftvektor ~F ist also in einen
Anteil ~F1 parallel zum Weg und einen Anteil ~F2 senkrecht zum Weg zu erle- Der Begriff Rechtssystem ist folgendermaßen zu verstehen: Wenn der Vek-
gen (siehe Abbildung 1.6) tor ~a in den Vektor ~b gedreht wird, dann liegt der Ergebnis-Vektor ~c in der
Richtung, in der sich eine normale Schraube (mit Rechtsgewinde) bei ent-
sprechender Drehung bewegen würde.
Anschaulich:
Zur Anrechnung kommt die Projektion des einen Vektors (z.B. ~F) in die Richtung
Derjenige, dem das zu kompliziert ist, bringt c
des anderen Vektors (in diesem Beispiel dann ~s).
den Vektor~a mit dem Daumen, den Vektor~b mit
dem Zeigefinger, und den Ergebnisvektor ~c mit b
• Stehen beide Vektoren senkrecht aufeinander, ist das Ergebnis Null.
dem Mittelfinger der rechten Hand in Überein-
• Zeigen beide Vektoren in dieselbe Richtung, so ergibt sich das vereinfachte stimmung (siehe Abbildung). Der Mittelfinger a
Ergebnis nach Gleichung 1.6. gibt dann die Richtung des Ergebnisvektors an.
• Wenn sich die Richtungen oder die Beträge von Kraft und Weg vom Start-
punkt A zum Zielpunkt B ändern, so muß zur Berechnung der Arbeit eine In- Auch für das Vektor-Kreuzprodukt benötigen wir öfters eine Formel, die die
tegration ausgeführt werden (siehe Abschnitt 1.6.3 auf Seite 1-14). Komponenten des Ergebnisvektors in Abhängigkeit von den Komponenten
der beiden Vektoren ~a und ~b angibt. Diese Formel lautet: 1.5 Differentiation
~a ×~b = (ay bz − az by )~ex
+(az bx − ax bz )~ey Viele physikalische Größen sind durch Differentiation (Ableitung) miteinan-
der verknüpft, z. B. Ort und Geschwindigkeit
+(ax by − ay bx )~ez
Kurzschreibweise für die Ableitung einer Größe x nach der Zeit (dies kommt
Ein Beispiel für eine physikalische Größe, die sich als Ergebnis eines Kreuz-
in der Physik sehr häufig vor):
produktes ergibt, ist das Drehmoment.
dx
Beispiel: ~ = ~` × ~F
Moment = Hebelarm · Kraft M ẋ =
dt
d2x
Vielleicht wundern Sie sich, dass hier nun die Drehmoment-Formel mit Hilfe ẍ =
von Vektoren formuliert wird; in Gleichung 1.1 schien ja noch alles so schön dt 2
einfach. Wir hatten in der vereinfachten Drehmoment-Formel stillschwei-
gend angenommen, dass die Richtung des Hebelarms und die Richtung der 1.5.1 Partielle Ableitungen
Kraft senkrecht aufeinander stehen. Wenn das nicht der Fall ist, müssen wir
die hier benutzte Formel verwenden, in der das Vektor-Kreuzprodukt auftritt. Partielle Ableitung einer Größe z nach den Variablen x1 , x2 , . . . , xn :
Im Gegensatz zur vereinfachten Gleichung 1.1 müssen wir auch genau auf ∂z ∂z ∂z
die Reihenfolge der Faktoren ~` und ~F achten.Warum? ~` × ~F=−(~F × ~`); der , , ...
∂ x1 ∂ x2 ∂ xn
Betrag ist gleich, aber die Richtung entgegengesetzt.
Unter einer partiellen Ableitung versteht man die Ableitung einer Funktion
1.4.5 Etwas exotischere Vektoren. . . mehrerer Variablen (z. B. z(x1 , x2 , x3 ) nach einer der Variablen (z. B. x3 ). Alle
anderen Variablen werden dabei wie Konstanten behandelt.
Neben den anschaulich leicht verständlichen vektoriellen Größen wie Kraft
oder Geschwindigkeit, die direkt in Richtung des Vektors wirken (sog. axia-
le Vektoren), gibt es noch weitere vektorielle Größen, die nicht ganz so an- 1.6 Dichten und Felder
schaulich sind. Im Prinzip kann alles, was durch – erstens – einen Betrag und
– zweitens – eine Richtung gekennzeichnet ist, mit einem Vektor beschrie- In der Physik hat man es oft mit Größen zu tun, die ortsabhängig sind, also
ben werden. Ein Beispiel sind polare Vektoren wie der Drehimpulsvektor, an jedem Ort ~x einen anderen Wert haben. Den Ort bezeichnen wir hier mit
dessen Betrag die Größe des Drehimpulses angibt und dessen Richtung die einem Vektor, weil wir uns in aller Regel für Vorgänge in unserer dreidimen-
Drehachse ist. sionalen Welt interessieren.
Ein weiteres Beispiel, das uns noch begegnen wird, ist der Flächennorma- Solche Größen in Abhängigkeit vom Ort, kann man mathematisch als Funk-
lenvektor, dessen Betrag den Flächeninhalt einer (theoretisch auch beliebig tion f (~x) beschreiben. Einfachster Fall: eine skalare Größe als Funktion des
gekrümmten) Fläche angibt und der immer senkrecht auf der Fläche steht. Ortes ~x, zum Beispiel ein Temperaturfeld T (~x).
Solche Funktionen können auch selbst vektorwertig sein, also ~f (~x). Ein Bei-
spiel für eine vektorwertige Feldgröße ist die elektrische Feldstärke ~E (ge-
nauer gesagt ~E(~x), wenn die Abhängigkeit vom Ortsvektor ~x betont werden
soll). ρ(x)
1.6.1 Dichten V ∆V
Ein weiteres wichtiges Konzept der Physik sind Dichten. Abbildung 1.7: Integration über ein Volumen
V1 V2 V3
ρ1 ρ2 ρ3
x
= ρ1V1 + ρ2V2 + ρ3V3
ρ0
Ein klein wenig komplizierter ist die (ähnliche) Aufgabe, die Gesamtmasse
des in Abbildung 1.9 gezeigten Körpers mit inhomogener Massendichte
zu bestimmen. Dazu muß man tatsächlich ein Integral auswerten. Die Mas-
sendichte ρ(~x) soll in diesem Beispiel nur von der x1 -Koordinate abhängen3 x
und wie in der Abbildung gezeigt linear von links (Koordinate 0) nach rechts 0
(Koordinate `) vom Wert 0 auf den Wert ρ0 zunehmen. Wir bezeichnen die
Querschnittsfläche des Körpers mit dem Symbol A. Dann gilt: Abbildung 1.9: Beispiel eines inhomogenen Körpers, dessen Dichte durch
eine Funktion des Ortes beschrieben wird. Hier: linearer Anstieg von links
Z` nach rechts.
x1
M=A · ρ0 dx1
`
0
3 Sie erinnern sich: der Ortsvektor ~x soll verabredungsgemäß die Komponenten x , x und
1 2
x3 , nicht etwa x, y und z aufweisen.
}
ZB
W= ~F T · d~s (1.7)
}
A ∆s2 B
A
F
und könnte dies in etwa folgendermaßen lesen:
Abbildung 1.10: Beispiel für eine Summation über einen Weg, die im Falle
„Integriere den Anteil der Kraft ~F, der entlang der Wegrichtung wirkt (aus-
infinitesimal kleiner Wegelemente ∆s in ein Weg-Integral übergeht.
gedrückt durch das Skalarprodukt ~F · d~s), entlang des Weges von A nach B.“
Gesucht ist die Arbeit, die zu verrichten ist, wenn ein Objekt in einem Feld
(z. B. in einem Gravitationsfeld) von Punkt A nach Punkt B bewegt werden
soll (siehe Abbildung 1.10). Die Teilbeträge der Arbeit ergeben sich aus
dem Skalarprodukt zwischen dem Wegelement ∆s ~ und dem Kraftvektor ~F,
die hier als schräg zur Bewegungsrichtung wirkend angenommen wird.
Jedes Teilstück ~∆si ergibt einen Beitrag ∆Wi zur Gesamtarbeit W . Verkleinert
man die Wegelemente in Gedanken weiter, so geht die Summation über die
Wegelemente in eine Integration über (genau: ein Wegintegral oder Linien-
integral). Bei der Ermittlung der Arbeit ist die Kraft also entlang des Weges
zu integrieren. Dies wird vor allem dann wichtig, wenn die Strecke A-B kei-
ne Gerade ist, sondern eine beliebig gekrümmte Kurve, oder wenn die Kraft
nicht als konstant (im Sinne von ortsunabhängig) angenommen wird. Man
Kapitel 2
Elektrostatik
Die Protonen im Atomkern sind je mit +e geladen, die den Atomkern umge- Ladung ∆Q C As
= zugehörige Einheit: =
benden Elektronen sind je mit −e geladen. Volumen ∆V m3 m3
Aluminium- E
blättchen Q
q
Bernstein F
E
Bernstein
Abbildung 2.1: Blättchenelektro- Abbildung 2.2: Braunsches Elektro- Im betrachteten Fall zweier Ladungen muß man davon ausgehen, dass beide
skop skop Ladungen einen Beitrag zum elektrischen Feld liefern. Wenn die Ladung
Q sehr viel größer ist als die Probeladung q, wird das resultierende Feld
aber im wesentlichen nur von der großen Ladung Q bestimmt. Man stellt
experimentell fest:
Meßbarkeit der Ladung
Wir gehen davon aus, dass uns eine Vorrichtung zur Verfügung steht, mit • Verdoppelt man die Ladung Q, so verdoppelt sich die Kraft F.
der man die Ladungsmenge, die sich auf einem geladenen metallischen Kör-
per befindet, ausmessen kann. Beispiele für solche Vorrichtungen sind in in
Abb. 2.1 und 2.2 dargestellt. • Verdoppelt man die Probeladung q, so verdoppelt sich die Kraft F
ebenfalls.
Daraus schließt man, dass es zwei Arten von Ladung geben muß, die wir als
positiv und negativ bezeichnen.
Je nach Vorzeichen der beiden Ladungen ergibt sich eine Anziehung bzw.
Abstoßung:
Eine genauere Betrachtung zeigt ferner, dass die Stärke der Anziehung oder
Abstoßung von der Entfernung zwischen den geladenen Körpern abhängt.
Bei geringer Entfernung ist die Kraft stark, mit zunehmender Entfernung
wird sie immer schwächer.
Man stellt bei genauer Messung fest, dass der Betrag der Kraftwirkung F
umgekehrt proportional zum Quadrat der Entfernung r zwischen den Ladun-
E E
gen ist:
Q Q 1
F∼ 2
q F q r
E F E
Abhängigkeit der Kraftwirkung vom Medium
r r Führt man den Versuch in einem anderen (nichtleitenden) Medium aus (z. B.
destilliertes Wasser, Öl, . . . ), so stellt man fest, dass die Kraftwirkung auch
von diesem Material abhängig ist. Wir wollen diese Materialabhängigkeit
durch eine Konstante εr zum Ausdruck bringen. Wie dies im einzelnen ge-
schieht, werden wir in Abschnitt 2.1.2 und genauer noch einmal in Abschnitt
2.3 behandeln.
Wenn wir alle diese Erkenntnis über den Zusammenhang zwischen Ladun- Die Richtung der Feldstärke stimmt mit der Richtung überein, in die sich
gen, der Kraft, dem Abstand und der Abhängigkeit vom Material in einer eine positive Probeladung bewegen würde, wenn man sie in die betrach-
Gleichung zusammenfassen, erhalten wir folgende Aussage: tete Position im Feld brächte.
Die Kraftwirkung, die zwei geladene Kugeln mit den Ladungen Q und q
aufeinander auswirken, wird – in Abhängigkeit von den genannten Faktoren Ob sich zwischen verschiedenen Ladungen eine Anziehung oder eine Absto-
– durch das Coulombsche Gesetz zum Ausdruck gebracht: ßung einstellt, ergibt sich „automatisch“ aus den Vorzeichen der Ladungen
Q·q und dem Vorzeichen des Feldstärke- bzw. Kraftvektors.
F= (2.1)
4πε · r2 Im allgemeinen ist die Feldstärke ein Vektor, der vom Ort abhängig ist. Or-
Die Größe ε ist hier zunächst ein „Normierungfaktor“, der dafür sorgt, dass te werden ja als Ortsvektoren geschrieben, z. B. ~x; daher schreibt man die
die Einheiten auf beiden Seiten der Gleichung identisch sind. Darüber hinaus ortsabhängige Feldstärke als ~E(~x).
bringt ε auch die bereits erwähnten Materialeigenschaften zum Ausdruck.
Homogenes Feld
2.1.3 Definition der Feldstärke
Wenn die Richtung und der Betrag der Feldstärke nicht vom Ort abhängig
Das elektrische Feld ist nun meßbar, wenn wir auf zwei messbare Hilfsgrö-
sind, spricht man von einem homogenen Feld (vgl. Abbildung 2.4).
ßen zurückgreifen:
Zwischen zwei parallelen geladenen Platten herrscht ein näherungsweise ho-
1. die (Probe-)Ladung q mogenes Feld, sofern der Abstand zwischen Platten hinreichend klein gegen-
über der Plattenfläche gewählt wird.
Q1 Q1
Q2 Q2
Man kann durch Experimente mit mehr als zwei geladenen Körpern zeigen,
dass sich das elektrische Feld linear und additiv aus den Feldstärken zusam-
mensetzt, die von einzelnen Ladungen geliefert werden. Das bedeutet, dass
sich die Feldstärkevektoren, die von den einzelnen Ladungen hervorgerufen
werden, vektoriell addieren (siehe Abbildung 2.6).
3. Der Absolutbetrag der Feldstärke spiegelt sich in der Dichte der Feldli-
nien im Raum (oder in der Ebene) wider. Da in jedem Raumpunkt nur
eine Wirkungsrichtung der Kraft existieren kann, können sich Feldlini-
en zwar treffen (und zwar in Punktladungen), aber niemals überschnei-
den.
Abbildung 2.7: Das elektrische Feld im Nahbereich zweier entgegengesetzt
gleicher Ladungen
Wir haben bisher das elektrische Feld hinsichtlich seiner Kraftwirkung auf
bekannte Probeladungen untersucht und diskutiert. Es gibt darüber hinaus
eine zweite Möglichkeit, elektrische Felder auszumessen; dazu bedienen wir
uns eines physikalischen Effekts namens Influenz. Nach einigen Zwischen-
schritten wird uns die Betrachtung der Influenz auf die zweite elektrische
Feldgröße, die sogenannte elektrische Verschiebungsdichte oder elektrische
Flussdichte ~D, führen.
2.1.4 Feldlinien
Feldlinien verdeutlichen die Richtung des Feldes in jedem Punkt des Raum-
es.
2.2.1 Influenz
Bringt man diesen Doppelkörper nun in ein elektrisches Feld, so werden sich Abbildung 2.9: Ein äußeres Feld führt zur Trennung der Ladungen
die Ladungen gegenüber der Ausgangsposition verschieben: die positiven
Ladungsträger (sofern sie beweglich sind) werden sich in Feldrichtung be-
wegen, die negativen Ladungsträger entgegengesetzt dazu. Es werden sich
also an einer Seite des Doppelkörpers positive und an der anderen Seite ne- Der innere Bereich zwischen den beiden Teilkörpern bleibt feldfrei, solange
gative Ladungsträger ansammeln. Wenn sich die Ladungen in dieser Weise der Abstand zwischen den Platten (im Verhältnis zu den Plattenabmessun-
gegeneinander verschieben, bildet sich ein neues Feld heraus, das von den gen) nicht zu groß wird.
positiven Ladungsträgern zu den negativen Ladungsträgern zeigt; dieses neue
Feld ist also dem von außen angelegten Feld entgegengesetzt. Der Verschie-
bungsvorgang kommt zum Stillstand, wenn das äußere Feld und das „innere
Feld“, das aus der Verschiebung der Ladungsträger gegeneinander resultiert,
sich im Inneren des metallischen Körpers genau kompensieren. Zustand nach Abschalten des äußeren Feldes
Trennung der Teilflächen Nach dem Abschalten des äußeren Feldes bleiben die Überschußladungen
auf den beiden Teilkörpern natürlich erhalten, da sie nicht abfließen können.
Trennt man nun die beiden Teile des metallischen Körpers, so enthält der eine
Teilkörper eine positive Überschußladung, während der andere eine negative Es wird nun zwischen den beiden geladenen Platten (wie immer für den Fall
Überschußladung aufweist. zweier geladener Körper) ein Feld sichtbar. Dieses Feld ist das innere Feld,
das schon vorher vorhanden war, das aber bisher das äußere Feld kompen-
1 Genau genommenn funktioniert dies nur für infinitesimal kleine Weg-Elemente ∆s. sierte.
Experimentelles Ergebnis
Den Vorgang der Ladungstrennung infolge der Influenz kann man auch ex-
perimentell visualisieren: Abbildung 2.12 zeigt links zwei metallische Plat-
ten, die sich berühren. Diese Platten liegen in einem elektrischen Feld, das
durch die gegensinnig geladenen Platten A und K hervorgerufen wird. Da
K die negative Platte ist, sammeln sich die positiven Ladungsträger auf der
linken Seite der beiden inneren Platten. Entsprechend zieht die positiv gela-
dene Platte A die negativen Ladungsträger auf die rechte Seite der inneren
Doppelplatte.
Werden nun die inneren Platten auseinander gezogen, so sind diese Platten
aufgrund von Influenz geladen.
Abbildung 2.10: Trennt man die beiden Teilflächen, so verbleiben die Über- Abhängigkeit von Feldrichtung und Oberflächenorientierung
schußladungen auf den Teilflächen
Führt man den Influenzversuch mit den trennbaren Metallplatten mit unter-
schiedlichen Winkelstellungen α der Metallplatten bezüglich der Richtung
des äußeren Feldes ~E durch, so stellt man fest, dass die influenzierte Ladung
∆Q von diesem Winkel α abhängig ist.
∆Q ∼ E · cos α
Abb. 2.13 zeigt, wie die Ausrichtung der Platten zum elektrischen Feld und
E der Winkel α zu verstehen sind. Darüber hinaus ist die influenzierte Ladung
∆Q auch noch von der Fläche der Platten abhängig.
Feldrichtung Feldrichtung
Abbildung 2.13: Die Menge der influenzierten Ladung (pro Fläche) hängt
von der Feldstärke, aber auch von der Ausrichtung der Platten im Feld ab.
Abbildung 2.12: Visualisierung der Influenz im Experiment
Der Effekt der Influenz ist also in der Lage, die Ladungen in einem an sich
ungeladenen Körper so zu verschieben, so dass an der Oberfläche eines sol-
chen Körpers Ladungen in Erscheinung treten.
feldfrei
Abbildung 2.17: Zwei miteinan- Abbildung 2.18: Die Anordnung
der leitend verbundene Kugelscha- nach Auftrennen der leitenden Ver-
Abbildung 2.16: Feld einer Kugelladung, umgeben von einer konzentrisch len umgeben einen positiv gelade- bindung zwischen der inneren und
angeordneten metallischen Kugelhülle, die mit der Platte elektrisch leitend nen Körper der äußeren Kugelschale
verbunden ist.
Da es sich bei der Doppelkugel um Metall handelt, können sich die bewegli- In weiteren Experimenten kann man feststellen, dass die Form der Doppel-
chen Ladungsträger in und auf der Doppelkugel frei bewegen. Es ist zunächst schale völlig irrelevant ist; der oben beschriebene Effekt stellt sich genau so
zu vermuten, dass sich die negativen Ladungsträger vom positiv geladenen bei jeder Form der metallischen Doppelschale und jeder Form des inneren
Körper K angezogen fühlen und sich demnach auf die innere Kugelhälfte be- Körpers K ein.
Abbildung 2.21: Der Satz von Gauß-Ostrogradski verknüpft ein Integral über
die Oberfläche eines beliebigen Volumens mit der Ladung, die in diesem
Volumen enthalten ist
Nützlich wird dieser experimentelle Befund (den man auch als Flußregel
Abbildung 2.20: Die Kugelschalen werden erneut zusammengefügt; die auf bezeichnet) erst dann, wenn man ihn in mathematischer Form ausdrückt.
ihnen enthaltene Ladung kann gemessen werden.
Integriert man das Skalarprodukt aus der elektrischen Verschiebungsdich-
te ~D und dem Oberflächen-Normalenvektor d~A über eine beliebig geformte
geschlossene Oberfläche A, so erhält man einen Wert, der genau der Gesamt-
ladung entspricht, die innerhalb des umschlossenen Volumens liegt. Formel-
a) b) Deshalb erinnern wir erneut daran, dass die elektrische Feldstärke die Wir-
kung eines elektrischen Feldes (und zwar auf geladene Körper) beschreibt,
während die Verschiebungsdichte direkt mit den Ladungen als Ursachen des
elektrischen Feldes zusammenhängt.
c) d)
Natürlich wäre es höchst erstaunlich, wenn diese beiden Feldgrößen tat-
sächlich unabhängig voneinander wären; der Zusammenhang zwischen ih-
Abbildung 2.22: Zum besserem Verständnis des Satzes von Gauß-
nen hängt allerdings vom Material ab, das sich an der betrachteten Stelle im
Ostrogradski: Bei der Integration über die Oberfläche ist die Richtung des
Raum befindet.
Oberflächen-Normalenvektors d~A und der lokalen Verschiebungsdichte ~D
von Bedeutung Bei Isotropie2 des Materials, das die für das elektrische Feld ursächliche La-
dung umgibt, gilt strikte Proportionalität zwischen den beiden Feldgrößen E
und D:
D = εE bzw. ~D = ε ~E
mäßig ausgedrückt lautet diese Aussage:
Z Isotropie bedeutet anschaulich, dass keine Raumrichtung hinsichtlich der
Satz von Gauß-Ostrogradski: ~DT d~A = Q (2.3) Ausprägung des elektrischen E-Feldes bevorzugt wird.
A
Im Vakuum (näherungsweise auch in Gasen) hat der Proportionalitätsfaktor
Es handelt sich hier um ein sogenanntes Hüllen- oder Oberflächen-Integral. ε den Wert
Man kann sich die Bedeutung dieses Integrals so vorstellen, dass über alle ε0 = 8, 85 · 10−12 C/Vm
infinitesimal kleinen Flächenstücke integriert wird, die die Oberfläche aus-
machen, und dass für jedes dieser Flächenstücke das Skalarprodukt zwischen Man bezeichnet ε0 als Feldkonstante oder auch als absolute Dielektrizitäts-
den Vektor ~D und dem Flächen-Normalenvektor d~A gebildet wird. konstante.
Zur Charakterisierung der Eigenschaften anderer (isotroper) Materialien
wird die folgende Produkt-Darstellung von ε benutzt:
2.3 Der Zusammenhang zwischen den Feldgrößen E
ε = εr · ε0 mit εr ≥ 1
und D
Die Größe εr ist eine dimensionslose Zahl größer oder gleich Eins, die wir
Es mag beim ersten Lesen erstaunlich klingen, dass wir das elektrische Feld als Dielektrizitätszahl bezeichnen.
durch zwei Feldgrößen charakterisiert haben: 2 Unter Isotropie versteht man die Richtungsunabhängigkeit von Materialeigenschaften.
AKugel , dann lautet der Satz von Gauß und Ostrogradski, angewendet auf die- angeben, und zwar mittels des radialen Einheitsvektors~er , der an jeder Stelle
ses spezielle Problem: Z
~x des Raumes radial nach außen zeigt:
~DT d~A = QKugel QKugel
AKugel ~D(r) = ~er (~x)
4πr2
~E(r) = QKugel
~er (~x)
D Dieses Oberflächenintegral ist zum Glück 4πεr2
sehr leicht auszurechnen. Die Flächenele-
mente d~A werden durch Vektoren reprä-
r 2.4.2 Prinzip für die Berechnung des elektrischen Feldes für be-
sentiert, die an jeder Stelle senkrecht auf
liebige Ladungs-Anordnungen
der Kugeloberfläche stehen.
Wir verallgemeinern nun den Ansatz, den wir bei der Berechnung des Fel-
des der Kugelladung gewählt haben, auf beliebige Ladungs-Verteilungen im
Teiloberfläche ∆A Raum.
Um die Ladungen Qk , k = 1, 2, . . ., die das elektrische Feld hervorrufen, wird
Da überall auf der Kugeloberläche der Vektor ~D in dieselbe Richtung zeigt eine (im Prinzip beliebig geformte) geschlossene Hülle angenommen. Die
wie der Oberflächen-Normalenvektor d~A, gilt: „Kunst“ besteht darin, diese Hüllfäche so zu wählen, dass die nachfolgenden
Schritte mathematisch handhabbar werden.
QKugel = Verschiebungsdichte(r) · Kugeloberfläche(r)
Das Oberflächenintegral aus dem Skalarprodukt von Verschiedungsdichte
= D(r) · 4πr2 und Fläche der Hülle ergibt die von der Hülle eingeschlossene Gesamtladung
(Satz von Gauß und Ostrogradski).
Diese Beziehung wird nach der Feldgröße D aufgelöst:
Da die Verschiebungsdichte D nicht für jeden Ort der Hüllflächedenselben
QKugel Betrag ausweist, und da der Winkel zwischen dem Vektor ~D und der betrach-
D(r) =
4πr2 teten Oberfläche variieren kann, muß die Produktbildung für hinreichend
kleine Flächenelemente ∆Ai erfolgen. Durch Summation über alle Teilpro-
Über die Beziehung D = ε · E können wir aus der Verschiebungsdichte D auf dukte ergibt sich der eine Teil der genannten Gleichgewichtsbedingung, die
die elektrische Feldstärke E schließen: Summation über die von der Hülle umschlossenen Ladungen liefert den noch
QKugel fehlenden Teil:
E(r) =
4πεr2 ∑ Qk = ∑ ~DTi · ∆~Ai
k i
Damit haben wir allerdings nur den Betrag der Feldstärke E ermittelt. Voll- Wenn es sich bei der Ladung nicht um ein Ensemble aus Einzelladungen han-
ständig wird diese Lösung, wenn wir auch die Richtung des Feldes explizit delt, sondern um Raum- oder Flächenladungen, tritt natürlich an die Stelle
∆Ai
∆Ai Di
Di
∆Ai
Die rechte Summe enthält das Skalarprodukt zweier Vektoren; damit wer- 2.5 Potentielle Energie, Potential und Spannung im
den die möglicherweise unterschiedliche Richtungen des Vektors ~D und des elektrostatischen Feld
Flächen-Normalenvektors ∆~A berücksichtigt.
Die Abbildung 2.24 soll diesen Sachverhalt näher erläutern. Um eine Ladung in einem elektrischen Feld zu bewegen, muß man entwe-
der Energie aufwenden (wenn man die Ladung „gegen“ das Feld bewegt),
Die Teilfläche ∆Ai wird nach Betrag und Orientierung im Raum durch den oder man kann Energie aus dem Feld herausziehen (wenn man die Ladung
~ i repräsentiert.
auf ihr senkrecht stehenden Vektor ∆A „mit“ dem Feld bewegt. Für die Bewegung eines masse-behafteten Körpers
in einem Gravitationsfeld gilt sinngemäß das Gleiche.
Das Skalarprodukt sorgt (automatisch) dafür, dass nur der von dem Feldvek-
tor Di senkrecht durchsetzte Teil der Fläche ∆Ai für die Berechnung heran-
gezogen wird. 2.5.1 Analogie: Körper im Schwerefeld
Die Summation über die Skalarprodukte aller Flächenelemente ∆Ai mit den Wir wollen diesen Vorgang mathematisch präzisieren und betrachten dazu
örtlich vorherrschenden Verschiebungsdichten Di geht bei beliebiger Verklei- zunächst einen Körper in einem homogenen Schwerefeld.
W21 = F · s = q · E · s
Diese Arbeit ist unabhängig von dem Weg, auf der Körper durch das Schwe-
Immer wenn wir den Wert der Arbeit unabhängig vom gewählten Weg allein
refeld bewegt wird; es kommt nur auf Anfangs- und Endposition an.
aus der Anfangs- und der Endposition des Weges bestimmen können, spre-
chen wir von einem Potentialfeld. Wenn sich das geladene Objekt mit der
Ladung q an den Positionen 1 bzw. 2 befindet, hat es die potentielle Ener-
gie W1 bzw. W2 . Diese potentielle Energie ist jeweils vom Feld und von der
2.5.2 Geladener Körper im homogenen elektrischen Feld Ladung q abhängig.
Praktischer ist die Betrachtung einer Größe, die von der gerade betrachteten
Wir betrachten nun einen positiv geladenen Körper, der in einem homogenen Ladung q unabhängig ist. Dazu dividieren wir die potentielle Energie durch
elektrischen Feld von Position 2 in die Position 1 bewegt werden soll. q und erhalten an den Stellen 1 und 2 die sogenannten Potentiale Φ1 bzw.
Φ2 .
W1 W2 Im allgemeinen sind Richtung und Be-
Φ1 = Φ2 = trag der elektrischen Feldstärke ortsab-
q q E-Feld 1
hängig; dann muß entlang des durch-
Die letztlich interessierende Größe ist dann die Potentialdifferenz zwischen
q laufenen Weges integriert werden. Dazu
dem Potential in Position 2 und Position 1: E s
wird der Weg in infinitesimal kleine We-
W21 2 gelemente ∆si unterteilt, für die jeweils
= Φ2 − Φ1 α
q die Arbeit ∆Wi zu verrichten ist.
Potentialdifferenzen bezeichnet man als Spannungen und verwendet dafür Z 1
U21 = ~E T d~s
den Buchstaben U. 2
W21
U21 =
q = lim
∆si →0 i
∑ ~EiT · d~si
Potentiale und Spannungen haben die gleiche physikalische Einheit, das Volt W2 W1
(benannt nach dem italienischen Physiker Alessandro Volta). = −
q q
1Joule
1 Volt = 1V =
1 Coulomb
Wenn der Weg s und die Feldstärke E nicht gleich gerichtet sind, müssen wir Eine besondere Eigenschaft eines Potentialfeldes besteht darin, dass das In-
wieder auf das Skalarprodukt zurückgreifen. tegral über ~E T d~s entlang eines in sich geschlossenen (!) Weges S stets den
Wert 0 ergibt:
I
~E T d~s = 0
Wenn der Winkel zwischen dem Feld- S
E-Feld 1 vektor ~E und dem Wegelement d~s kon- Diese Beziehung gilt für elektrostatische Felder und darüber hinaus auch für
ds stant bleibt und der Betrag von ~E eben- den Fall, dass stationäre Ströme fließen.
falls konstant bleibt, gilt:
E h
F ∆W
α U= = ~E T ·~s
2 q Äquipotentialflächen
= ~E · |~s| · cos α
Wir haben bereits gesehen, dass die Beiträge ∆W lokal von dem Winkel zwi-
schen Feldrichtung und Weg- bzw. Bewegungsrichtung abhängen.
∆W π
= E · s · cos = 0
q 2
A B
Die Äquipotentialflächen werden von den Feldlinien senkrecht durchdrun-
gen. Die Feldlinien stehen stets senkrecht auf den Äquipotialflächen; daher
Äquipotentialflächen
sind die Äquipotentialflächen meist gekrümmte Flächen (siehe Abb. 2.25).
(Flächen gleichen Potentials)
Abbildung 2.25: Die Feldlinien des elektrischen Feldes stehen stets senkrecht
auf den Äquipotialflächen
Eine andere Form von Arbeit gegen ein elektrisches Feld: Trennen von
Ladungen
Platten
D, E ∼ 1/r2
Ur∞ , ϕr ∼ 1/r
Z
Q = ~DT · d~A = D(r) · 4πr2
A
Q Q
D = UA∞ = ΦA = , rB → ∞
4πr2 4πεrA
~Eε = ~D (bei Isotropie)
Die Hüllfläche hat an der Innenseite die Teilfläche A1 , die abgewandte Fläche
bezeichnen wir mit A2 , und die Schmalseiten werden A3 und A4 genannt
E d (siehe Abbildung 2.29).
Zwei Metallplatten (s. Abb. 2.28) mit jeweils der Fläche A sind parallel Wir interessieren uns zuerst für Betrag und Richtung der Verschiebungsdich-
zueinander im Abstand d angeordnet. Beide Platten tragen betragsgleiche, te ~D auf der oberen und unteren Hüllfläche.
aber vorzeichenverschiedene Ladungen +Q und −Q.
Die beweglichen Ladungsträger werden sich aufgrund ihrer gegenseitigen
Anziehung auf den innen liegenden Oberflächen der Platten konzentieren – Homogenität des Feldes
es bildet sich eine Flächenladung heraus.
Diese Flächenladung kann durch die Ladungsmenge pro Flächeneinheit – die Da beide Platten leitend sind, ist jede Plattenoberfläche gleichzeitig eine
sogenannte Flächenladungsdichte – charakterisiert werden. Äquipotentialfläche. Damit ist klar, dass der Vektor der Feldstärke überall
senkrecht auf der Plattenoberfläche steht.
Berechnung der Verschiebungsdichte Das Feld zwischen den Platten kann als homogen angesehen werden (ver-
gleiche Abschnitt 2.1.3 auf Seite 2-4).
Nachdem nun bekannt ist, wo sich im betrachteten Fall die Ladung befin-
Wir nutzen die Überlagerungseigenschaften elektrischer Felder und betrach-
det, können wir mit den bereits bekannten Methoden das Feld berechnen.
ten zunächst einzeln die beiden Felder, die von den beiden Platten hervorge-
Zunächst nutzen wir den Satz von Gauß und Ostrogradski, um die Verschie-
rufen werden. Abb. 2.30 zeigt den Verlauf der Verschiebungsdichte, der von
bungsdichte D zu bestimmen.
der oberen (positiv geladenen) Platte hervorgerufen wird. Abb. 2.31 zeigt
Dazu legen wir in Gedanken eine quaderförmige Hüllfläche um eine der Plat- den Verlauf der Verschiebungsdichte, der von der unteren (negativ gelade-
ten. nen) Platte hervorgerufen wird.
Grundfläche A 2
Innenseite A 1
Vorderfläche A 3 Seitenfläche A 4
Abbildung 2.29: Eine Hüllfläche um eine der beiden geladenen Platten dient
zur Berechnung der Verschiebungsdichte D dieser Anordnung +Q
+Q
−Q
−Q
Abbildung 2.30: Der Feldanteil, der Abbildung 2.31: Der Feldanteil, der
von der oberen Platte hervorgerufen von der unteren Platte hervorgerufen
wird wird
Überlagert man nun beide Felder, so wird deutlich, dass sich im Zwischen-
A
raum zwischen den Platten die beiden Felder verstärken, während außerhalb
der Platten die Feldvektoren eingegengesetzt verlaufen (Abbildung 2.32). ds s
D, E = const. Q
Ux,d = (d − x) = Φx A
εA
Qd A
U0,d = K
εA
A K
Spannung und Ladung sind
also proportional zueinan- B
d x B
ϕx der:
Ux,d
d
Qd/ (εA) U0,d = αQ mit α = d
εA
d x
Glas
2.6 Die Kapazität, der Kondensator
Eine sehr frühe Bauform eines Kondensator war die Leidener Flasche (siehe Abbildung 2.37: Leidener Flasche
Abb. 2.37). Dabei handelt es sich um ein innen und außen mit Metallfolie
ausgekleidetes Glasgefäß.
2.6.1 Definition der Kapazität 2.6.2 Beispiele für Bauformen von Kondensatoren
Plattenkondensator
Die Kapazität eines Kondensators ist definiert als der Quotient
Den Plattenkondensator haben wir bereits ken-
nengelernt: er besteht aus zwei parallel angeord-
Q neten Platten der Fläche A im Abstand d
C=
U
εA
A C=
d
d
In dem Quotienten bezeichnet Q die positive Überschußladung auf einer der
beiden Elektroden und U die Spannung zwischen der positiv und der negativ Besondere Bedeutung hat die Materialkonstante ε: wie man an der Formel
geladenen Elektrode. erkennt, kann man durch Einbringen eines nichtleitenden dielektrischen Ma-
terials mit ε ≥ 1 eine erhebliche Vergrößerung der Kapazität bewirken.
Die Einheit der Kapazität ist das Farad (F), benannt nach dem großen engli-
schen Experimentalphysiker M ICHAEL FARADAY. Typische Werte für ge- Kugelkondensator
bräuchliche Kondensatoren liegen zwischen einigen hundert Mikro-Farad
(µF) und wenigen Pico-Farad (pF). Ein Kugelkondensator besteht aus
zwei konzentrisch angeordneten
Die Einheit der Kapazität ist gegeben durch r2 Kugelschalen:
r1
4πε
C= 1
− r12
[Q] 1C r1
[C] = = = 1F
[U] 1V
Aluminiumfolie
Papier
Ein Zylinderkondensator besteht aus Abbildung 2.40 zeigt einige typische Kondensatoren.
zwei konzentrisch angeordneten Zylin-
r2 dermänteln:
2.7 Einfache Schaltungen mit Kondensatoren
r1 2πε`
C=
ln(r2 /r1 )
2.7.1 Parallelschaltung von Kondensatoren
Qges Q1 + Q2 Q1 Q2
Cges = = = +
U U U U
Technische Bauformen von Kondensatoren
Uges
Die Abbildungen 2.38 und 2.39 zeigen Bauformen für Kondensatoren, wie
sie in technischen Geräten zum Einsatz kommen. Der Blockkondensator Q1 C1
Parallelschaltung:
entsteht durch das Aufwickeln zweier dünner Metallfolien, die durch eine
Isolierfolie (= Dielektrikum) voneinander getrennt werden. Der Drehkon- Cges = C1 +C2
densator erlaubt es, die Kapaziät dadurch zu verstellen, dass ein einstellbarer
Teil der Plattenfläche beider Pole des Kondensators sich jeweils direkt ge-
genübersteht. Q2 C2
Q1 C1 Q2 C2 1 1 1
= +
Bei der Parallelschaltung von mehr als zwei Kondensatoren kann man die so- Cges C1 C2
eben ermittelte Gesetzmäßigkeit mehrfach anwenden: Parallelschaltung der
ersten zwei Kondensatoren: U1 U2 Speziell für zwei Kondensatoren gilt
(wie man durch Nachrechnen überprüfen
kann):
C12 = C1 +C2
C1 ·C2
Cges =
C1 +C2
Weiterer Kondensator:
1 1 1 1 1
2.7.2 Reihenschaltung von Kondensatoren = + + +... = ∑ Ci
Cges C1 C2 C3 i
Elektrische Feldstärke
E1 E2 2 metallische Platten (außen), Plat-
tenfläche A,
E1 E2 Die Feldstärke ist von ε abhängig:
ε1 > ε2
+Q ε1 ε2 −Q ε1 > ε2
E1 = D/ε1
+Q ε1 ε2 −Q E2 = D/ε2 > E1
E1 /E2 = ε2 /ε1
d1 d2
d1 d2
Spannung U, Kapazität C
Q
C=
U
⇐ ~F = q~E
[F]/[Q] = 1N/1C
[E] =
⇐ U = ~E T · d~s
R
[U]/[s] = 1V/1m
Verschiebungsdichte
Z
[D] = [Q]/[A] = 1C/1m2 ⇐ Q= ~DT · d~A
A
Spannung
Potential
[Φ] = [U] ⇐ U = ∆Φ
Kapazität
[Q] 1C
[C] = = = 1F („Farad“, von M. FARADAY)
[U] 1V
Kapitel 3
Bisher haben wir nur ruhende Ladungen betrachtet. Nun wollen wir die La-
dungen fließen lassen, d. h. einen Strom erzeugen. In diesem Kapitel lernen
Sie einige wichtige Größen der Elektrodynamik kennen.
Bewegte Ladungsträger nennen wir Strom. In der Regel wird es sich bei die-
sen Ladungsträgern um negativ geladene Elektronen handeln, aber es können Abbildung 3.1: André M. Ampère (1775–1836)
z. B. auch positiv oder negativ geladene Ionen in einer Lösung sein.
[Q] 1C 1As
3.1.1 Gleichmäßiger Stromfluß [I] = = = = 1A
[t] 1s 1s
An einer bestimmten Stelle eines Leiters mit der Querschnittsfläche A wird Die Einheit des Stroms ist benannt nach dem französischen Mathematiker
untersucht, welche Ladungsmenge ∆Q pro Zeitintervall ∆t durch die Quer- André M. Ampère (Abb. 3.1).1
schnittsfläche transportiert wird. Der Quotient aus diesen beiden Größen
1 Ampere erweiterte die Resultate des Dänen Oersted dahingehend, daß die Ablenkung
wird als Strom bezeichnet:
einer Kompassnadel durch den elektrischen Strom der Rechte-Hand-Regel folgt. Ampere be-
∆Q hauptete, daß der Magnetismus durch elektrischen Strom in den Molekülen erklärt werden
I = konnte und erfand die Solenoid-Spule.
∆t
3.1.2 Gleichmäßiger (=konstanter) Strom durchflossen hat. Das Ermitteln einer Funktion, die eine gegebene Differen-
tialgleichung erfüllt, nennt man das Lösen der Differentialgleichung. Eine
Bei gleichmäßigem Transport ist der Quotient ∆Q/∆t unabhängig von der Differentialgleichung, die so einfach ist wie Gl. 3.1, kann dadurch gelöst
Zeit-Variablen t; man sagt dann „der Strom ist konstant“. werden, daß man über beide Seiten der Gleichung integriert. Dabei muß man
die Grenzen der Integration angeben:
dQ de f ∆Q
I= ≡ Q̇ = lim . Wie bereits oben entspricht der Ausdruck Q(t2 ) − Q(t1 ) der Ladungsmenge,
dt ∆t→0 ∆t
die im Zeitintervall [t1 ,t2 ] den betrachteten Leiterquerschnitt durchquert hat.
Der Strom I ist also die Ableitung der Ladung Q nach der Zeit t. Es ist Wie wir sehen, kann diese Ladungsmenge durch Integration aus dem Strom
zweckmäßig, die Zeitabhängigkeit explizit bei den veränderlichen Größen I(t) berechnet werden.
zum Ausdruck zu bringen:
d
I(t) = Q(t) (3.1)
dt
3.2 Der Stromkreis
Bei dieser Gleichung handelt es sich um ein ganz einfaches Beispiel einer
Differentialgleichung.
3.2.1 Getrennte Ladungen in einem Feld
Bestimmung der geflossenen Ladung aus dem zeitlichen Verlauf des
Stroms Stellen wir uns einen Metallstab vor, bei dem sich am linken Ende negative
Ladungen und an dem rechten Ende positive Ladungen befinden:
Ist der zeitliche Verlauf des Stroms I(t) bekannt, dann kann für beliebige
Zeitintervalle die Ladung bestimmt werden, die den betrachteten Querschnitt 2 Vorsicht! Denken Sie an die zusätzlichen Integrationskonstanten!
Eine Grunderkenntnis der Physik ist es, daß Energie nicht „aus dem Nichts“
entstehen kann und auch nicht einfach wieder verschwindet. Man kann nur
eine Energieform in eine andere umwandeln oder in Wärme3 umsetzen. Dies
ist der bekannte Satz von der Erhaltung der Energie.
Für den Stromkreis heißt das, daß die Quelle nur elektrische Energie aus an-
derer Energie erzeugen kann, z. B. aus mechanischer Energie. Ein Beispiel
dafür aus dem Alltag wäre der Dynamo am Fahrrad. Dynamo und Lampe
Was passiert? des Fahrrads bilden einen kompletten Stromkreis: die Muskelkraft (mecha-
nische Energie) des Radfahrers wird in Strom umgesetzt, mit dem Lampe
und Rücklicht betrieben werden.
• Die getrennten Ladungen erzeugen ein elektrisches Feld ~E. Genauso „verbraucht“ auch der Verbraucher die Energie nicht wirklich, son-
dern setzt sie um, z. B. in mechanische Energie (Elektromotor) oder Wärme
• Dieses Feld führt dazu, daß die Ladungen sich aufeinander zu bewegen
(Elektroherd) oder chemische Energie (wiederaufladbare Batterie). Genauer
und schließlich ausgleichen.
müßte man also eher „Umsetzer“ statt „Verbraucher“ sagen, doch letzteres
ist die übliche Bezeichnung.
• Damit wird das Feld immer schwächer, bis es schließlich verschwindet.
Im Beispiel des Metallstabes wurde elektrische Energie (⇒ potentielle Ener-
gie der voneinander getrennten Ladungen) zunächst in kinetische Energie
Und dann? der bewegten Ladungsträger und dann in Wärme (Reibungswärme durch den
Widerstand des Leiters) umgesetzt.
Nichts mehr. Ein kurzer, einmaliger Stromfluß. Für einen dauerhaften Strom-
fluß reicht dies nicht.
3.3 Die Stromdichte S
3.2.2 Geschlossener Stromkreis
Die Verteilung des Stromes I über den gesamten Leiterquerschnitt wird nicht
immer gleichmäßig sein. Daher ist es sinnvoll, den Gesamtstrom in hinrei-
Um einen dauerhaften Stromfluß zu gewährleisten, sind offensichtlich zwei
3 Wärmeenergie ist auch eine Energieform, jedoch ist der Umwandlung von Wärme in
Bauteile nötig: auf der einen Seite muß ein Potentialunterschied aufgebaut
andere Energieformen Grenzen grenzt. Beispielsweise kann man kein Schiff konstruieren,
werden (kurz: elektrische Energie erzeugt werden), auf der anderen Seite das bloß dem Atlantik Wärme entzieht und mit dieser Energie von Hamburg nach New York
kann diese Energie dann verbraucht werden. Der geschlossene Stromkreis be- fährt. Warum das so ist, wird in der Thermodynamik, jedoch nicht in dieser Lehrveranstaltung
steht also aus Erzeuger und Verbraucher; man spricht von Quelle und Senke. behandelt.
chend kleine Teilströme ∆Ii aufzuteilen: • und das betrachtete Flächenelement, ausgedrückt durch den Flächen-
vektor ∆~A.
∆I1
Wenn wir nun nur den Richtungsvektor ~r der Oberfläche erhalten wollen,
I
dann können wir den Flächenvektor ∆~A durch seinen Betrag („Länge“) divi-
∆I2 dieren:
∆~A ∆~A
∆I3 ~r = =
|∆~A| ∆A
I = ∑i ∆Ii Damit können wir nun den gesuchten Stromanteil I⊥ als Projektion des
Querschnittsfläche Stromvektors ~I auf die Oberflächen-Normalenrichtung~r berechnen:
A = ∑i ∆Ai
∆~A ~I T · ∆~A
I⊥ = ~I T · ~r = ~I T · = = I · cos(~I, ~A) (3.4)
∆A ∆A
Diese Betrachtungen werden insgesamt viel einfacher, wenn wir bei der An-
Der Betrag der im allgemeinen ortsabhängigen Stromdichte S ist definiert als wendung dieser Zusammenhänge darauf achten, daß die Flächenelemente
der Quotient: ∆Ai möglichst so gewählt werden, daß der Strom die Fläche entweder senk-
∆I⊥ recht durchströmt (cos(~I, ~A) = ±1) oder genau parallel zu Oberfläche fließt
S= (3.3)
∆A (cos, (~I, ~A) = 0).
Dabei sind zwei Dinge besonders zu beachten:
Wir können nun festhalten: Der Vektor der Stromdichte ~S ist eine ortsabhän-
gige Feldgröße, die das Strömungsfeld beschreibt.
• Die Stromdichte ~S ist eine vektorielle Größe, die Gleichung 3.3 gibt
nur den Betrag des Stromdichte-Vektors an. Die Einheit ergibt sich durch:
[I] 1A
• Nur derjenige Anteil des Stromes I geht in die Berechnung ein, der die [S] = =
[A] 1m2
Fläche A senkrecht durchströmt. Diesen Anteil nenne wir I⊥ .
Wenn wir den Stromanteil I⊥ berechnen wollen, so benötigen wir zwei vek- Differentielle und integrale Betrachtungsweise
torielle Größen:
Wieder einmal taucht die Frage auf, was man machen kann, wenn nicht ein
• den Strom ∆~I, ausgedrückt als Vektor (also Betrag und Richtung) konstanter Strom durch eine gerade Fläche fließt, sondern man beides nur
formelmäßig in Abhängigkeit vom Ort ~x beschreiben kann. Die Antwort ist
wie immer in der Physik: wir müssen wieder auf differentielle Größen über-
gehen, denn lokal, d. h. an jedem Punkt mit kleiner Umgebung, gilt die oben ∆U
E, S ∆U E · ∆s ∆s
erwähnte Formel immer noch. = =ρ
∆I ∆I S
| · ∆A {z ∆A }
Im Grenzübergang wird der Differenzenquotient durch den Differentialquo- gültig für Isotropie
tienten ersetzt:
dI⊥ ∆I⊥ ~E ∼ ~S
S= = lim . (3.5)
dA ∆A→0 ∆A
Durch Integration ergibt sich das folgende Flächenintegral: ∆A
Z
I= ~S T · d~A = lim ∑~Si T · ∆~Ai ,
A ∆Ai →0 i
3.3.2 Spezifischer Widerstand ρ, spezifische Leitfähigkeit κ
wobei das Skalarprodukt im Integranden dafür sorgt, daß nur der senkrecht
durchströmte Flächenanteil zur Anrechnung kommt. Wir haben gerade festgestellt, daß die elektrische Feldstärke ~E und Strom-
dichte ~S proportional zueinander sind. Den Proportionalitätsfaktor ρ nennt
Durch dieses Skalarprodukt fällt auch die komplizierte Betrachtungsweise man spezifischen Widerstand. Der Kehrwert κ ist als spezifische Leitfähig-
mit den „senkrecht durchströmten Flächen“ weg – das Skalarprodukt erledigt keit bekannt.
~ der Normalenvektor des Flächenelements ist.
dies automatisch, wenn dA
Experimentell stellt man fest, daß (bei isotropem Material) das Verhältnis
∆U/∆I konstant bleibt, wenn man ∆U verändert. Betrachten wir die Einheiten:
Die Einheit der Feldstärke ist Volt pro Meter. Die Einheit der Stromdichte ist • perfekte räumlich tetraedrische Kristallstruktur (Diamant)
Ampere pro Quadratmeter. Also ergibt sich:
−→ Nichtleiter (Isolator)
[E] V Vm
[ρ] = = m = • amorphe Struktur, oder Kristallstruktur des Graphits
[S] A A
m2
−→ sehr guter Leiter
Für die spezifische Leitfähigkeit gilt entsprechend der Kehrwert:
Warum das so ist, erfordert tiefere Kenntnisse der Festkörperphysik, die hier
[1] A nicht vermittelt werden können.
[κ] = =
[ρ] V m
E, S
E, S Z Q
UPQ = ~E T d~s
I I ZPxQ
= E dx
xP
P Q
P Q ρI
= (xQ − xP )
A
A > 0
A ℓ
x ρI
ℓ Ux,ℓ = (ℓ − x)
A
x
ρIℓ
U0,ℓ =
A
Ux,ℓ
dI⊥
Wegen des homogenen Stromflusses gilt nicht nur S = , sondern auch
dA 0 t x
Z
I
S = ⇐ ~I = ~S T d~A
A A 3.4.3 Der elektrische Widerstand
~E = ρ~S (bei Isotropie)
Der Widerstand des Leiters ist definiert als der Quotient aus Spannung und
Strom:
U0,ℓ ρℓ
R= =
I A
Der Widerstand R ist – nicht überraschend – proportional zum spezifischen
3.4.2 Potentialverlauf im Leiter Widerstand ρ des Materials und außerdem proportional zur Länge l (Je län-
ger der Draht, umso größer der Widerstand).
U0,ℓ ρℓ
Wie sieht der Potentialverlauf im Leiter aus? R= =
I A
Georg Simon Ohm (1789 – 1854) entdeckte das nach ihm benannte Ohmsche
Gesetz, also die Tatsache, daß der Strom durch fast alle Materialien direkt
proportional zu der Spannung ist, die an die Materialprobe angelegt wird. S
Der gesamte Strom, der in eine geschlossene Hülle eintritt, muß aus Konti- Jeweils die Hälfte des Querschnitts wird durch das Material mit der Leitfä-
nuitätsgründen aus dieser Hülle wieder austreten: higkeit κi , i = 1, 2 erfüllt.
Ähnliches gilt auch innerhalb von Stromkreisen:
H1 H2
I I
U Plattenfläche:
A A
A= +
2 2
Generator Widerstand κ1 Strom I
Spezif. Leitfähigkeit:
I
κ2 (hier) κ2 > κ1
Z Z
~S T · d~A ! ~S T · d~A
= −
H1 H2 d
Strom, der an der einen Seite hineinfließt, muß an der anderen Seite wieder
herausfließen, da sich die Ladung nicht unterwegs „in Luft auflösen“ kann.
Wir betrachten nun ein Paar metallischer Platten mit der Plattenfläche A. Der
Zwischenraum zwischen den Platten besteht aus zwei Schichten von Mate- Die Metallplatten sind Äquipotentialflächen, gäbe es hier Potentialunter-
rialien unterschiedlicher spezifischer Leitfähigkeit κ1 , κ2 . schiede würde eine Kraft auf die Ladungsträger wirken, die sie entsprechend
verschieben würde. Entsprechendes gilt für die in der nächsten Abbildung
Zwischen den Platten befinden sich leitfähige Materialien, im Gegensatz gestrichelt eingezeichneten Flächen. Gäbe es einen Weg, die Potentialdiffe-
zu den als Dielektrikum im Kondensator benutzten nicht leitfähigen Ma- renz schneller zu überwinden, so würden die Ladungsträger dahin abgelenkt,
terialen! bis ein Gleichgewichtszusstand erreicht ist.
Potentialverlauf
E Betrachten wir den
Strom durch die bei-
κ1
den Materialien mit
unterschiedlicher Leitfä- φ
higkeit, so gilt:
κ2
I = I1 + I2
A A
= κ1 E + κ2 E U0d
2 2
EA
= (κ1 + κ2 )
2
2I
E = = konst. d x
Äquipotentialflächen A(κ1 + κ2 ) 0
x=d
x...
κ1 < κ2 Die Potentialfunktion verläuft linear ⇔ Das Feld hinsichtlich E ist homogen.
2κ1
S1 = κ1 E =
A(κ1 + κ2 )
S1 κ1
} I1 S2 = κ2 E =
A
2κ2
A(κ1 + κ2 )
Iκ1
S2 κ2
} I2
I1 =
I2 =
S1 =
2 κ1 + κ2
A
S2 =
Iκ2
> I1
3.4.7 Parallel geschichtete Leitermaterialien
2 κ1 + κ2
x x=d
I1 κ1 In diesem Beispiel verlaufen die Schichtgrenzen parallel zu den Plattenober-
= <1
I2 κ2 flächen. Außerdem wird eine weitere metallische Platte eingebaut, die den
Übergang vom Querschnitt A1 (links) auf den Querschnitt A2 (rechts) ver-
mittelt.
U
Flächen
A1 , A2
Strom I d2 E2 + d3 E3
κ1 = κ2 d3 E3
κ2 > κ3
κ1 κ2 κ3
I 0 x
0 d1 d1 + d2 d1 + d2 + d3
d1
A2
d2 d3
Die Potentialfunktion verläuft stückweise linear ⇔ das E-Feld ist bereichs-
weise homogen.
A2 I
S1 =
A1 S1 S2 S3 A1 3.5 Energie, Arbeit und Leistung
A3 I
S2 = S3 =
κ1 κ2 κ3 A2 3.5.1 Energie und Arbeit
x Das Symbol für die elektrische Arbeit lautet W (engl. „work“).
d1 d2 d3
Energie ist gespeicherte Arbeit
A2 I
E1 = Differenz potentieller Energien einer Ladung Q im elektrischen Feld:
A1 E1 E2 E3 κ1 A1
A3 I ∆W = U · Q
E2 =
κ1 κ3 κ2 A2
κ2 I
E3 = Durch Übergang zu differentiell kleinen Größen wird daraus:
x κ3 A2 Z t2
d1 d2 d3 dW = UdQ = U I dt
t1
Nach Integration und Einsetzen von Integrationsgrenzen ergibt sich die Ener- 3.6 Formelsammlung
gie, die in dem betrachteten Zeitintervall in einem Verbraucher umgesetzt
wird: Z t2 3.6.1 Übersicht über die Größen der Elektrodynamik
W (t2 ) −W (t1 ) = U · I dt
t1
Z
Mit t = t2 und W (t1 = 0) = 0 ergibt sich: Ladung Q= Idt
Z
Z t Z t Z t 2
U Strom I= ~ ,
~ST · dA
W (t) = U · I dt = I 2 · R dt = dt A
0 0 0 R
dQ
I= = Q̇
dt
Für Gleichstrom (U, I const.) Stromdichte ~S = κ ~E ,
dI
U2 S=
W (t) = U · I · t = I 2 · R · t = t, dA
R
[W ] = 1VAs = 1Ws Elektr. Feldstärke ~E = dΦ~ek ,
dsk
= 1J (Joule)
~E = ρ~S
Z B
Spannung UAB = ~E T · d~s = ΦA − ΦB ,
3.5.2 Leistung P A
U = RI (Ohmsches Gesetz)
~
Das Symbol für die elektrische Leistung ist P (engl. „power“). E
spezifischer Widerstand ρ = (für isotropes Material)
Leistung ist Arbeit (Energie) pro Zeitintervall: ~S
besser merkt man sich aber ~E = ρ · ~S
dW ∆W
P= = Ẇ = lim U
dt ∆t→0 ∆t Widerstand R=
I
Kapitel 4
Induktivität
4.1 Die Zylinderspule, Induktivität die Induktivität L. Sie kann für eine Zylinderspule mit n Windungen und
einer Querschnittsfläche A zu:
A
Nebenstehend ist ein Schnittbild durch ei- L = µ n2
ℓ
A ne Zylinderspule dargestellt.
berechnet werden.
Durch die n Windungen der Spule fließt Die Konstante µ ist eine Materialkonstante und wird als Permeabilität be-
der Strom I. zeichnet. Die Permeabilität kann als das Produkt der Permeabilität des Va-
kuums — genannt Induktionskonstante µ0 — und der (dimensionslosen) re-
ℓ Durch den Strom verursacht bildet sich in- lativen Permeabilität µr geschrieben werden:
nerhalb der Spule ein nahezu homogenes
Magnetfeld aus. Die Feldlinien schließen µ = µr · µ0
sich außerhalb der Spule. Vs Vs
µ0 = 4π · 10−7 = 1, 256 · 10−6
Am Am
H
B
Integrations-
kontur 4.1.2 Strom und Spannung an einer Induktivität
Wird der Strom in einer Induktivität zeitlich verändert, wird eine Spannung
an der Spule durch das Induktionsgesetz (siehe [LIN86]) induziert. Der Zu-
4.1.1 Induktivität
sammenhang zwischen Strom und Spannung bestimmt sich nach folgender
Differentialgleichung:
Die Spule kann in ihrem magnetischen Feld Energie speichern wie der Kon- dI
densator in seinem elektrischen Feld. Die zugehörige Speicherungsgröße ist u = −L · I˙ = −L ·
dt
N S
N
S
S
N
Strom fließt
in die aus der
Zeichenebene
Elektrotechnische Grundlagen
5-1
Kapitel 5
Nachdem die physikalischen Grundlagen nun bekannt sind, soll es in diesem 5.1.1 Zählpfeile
Kapitel um die ersten elektrotechnischen Anwendungen gehen. Wir werden
die bereits bekannten Bauelemente Widerstand und Spannungsquelle (z. B.
Neben den Zweipol im nebenstehenden Bild haben wir Pfeile für Strom-
Batterie, Netzteil) in dem allgemeineren Kontext der Zweipole betrachten
richtung und Spannungsrichtung gezeichnet. Dabei unterstellen wir, daß
und uns mit der Analyse von Widerstands-Netzwerken beschäftigen.
wir diesen Zweipol an irgendeine Schaltung anschließen und infolgedessen
einen Strom durch den Zweipol beobachten; entsprechend auch eine Span-
nung über dem Zweipol.
Nun könnte man sich fragen: Woher wissen wir denn, daß der Strom in der
5.1 Der Zweipol eingezeichneten Richtung fließt und nicht in der entgegengesetzten Rich-
tung? Antwort: wir wissen es nicht. Wir können es bei einem unbekann-
ten Bauelement gar nicht wissen. Schon gar nicht, wenn wir nichts über die
Schaltung wissen, an die dieser Zweipol angeschlossen wird.
Ein Zweipol ist eine beliebige Zusammenschal-
i(t) tung von Bauelementen (Komponenten), von der Es wäre nicht praktikabel, erst rechnen zu müssen, um anschließend die Pfei-
zwei Anschlüsse nach außen geführt werden (da- le in der „richtigen Richtung“ zu setzen, aber das braucht man auch nicht:
her der Name). Wir interessieren uns für den Zu- Spannung U und Strom I werden mit Zahlenwerten angegeben, und diese
? u(t) sammenhang zwischen Spannung U und Strom I können ja auch negativ sein.
an diesen Anschlüssen.
Die Pfeile sagen also nicht aus, daß der Strom in die entsprechende Richtung
fließt. Es sind nur sogenannte Zählpfeile, deren Richtung man am Anfang
völlig frei wählen kann.
Wenn ein Strom in Richtung des Zählpfeils fließt, ist der Betrag positiv, Mathematische Beschreibung von Zweipolen
sonst negativ.
Verschiedene Zweipole zeichnen sich durch unterschiedliche Zusammenhän-
ge zwischen U und I aus.
5.1.2 Arten von Zweipolen Für manche Klassen von Zweipolen ist es ausreichend, den Zusammenhang
zwischen Gleichspannung und Gleichstrom an den Klemmen des betrach-
Zunächst einmal unterscheidet man zwischen aktiven Zweipolen und passi- teten Zweipols anzugeben. Für andere Zweipole – insbesondere solche, in
ven Zweipolen. Ersteres entspricht den Quellen und letzteres den Verbrau- denen die Grundzweipole Kondensator und Spule auftreten – ist es notwen-
chern, die wir schon in Kapitel „Strom“ kennengelernt haben. dig, das Verhalten von Strom und Spannung an den Klemmen des Zweipols
für nichtstationäre Vorgänge (Schwingung, Einschaltvorgänge, etc.) mit spe-
Quellen kann man elektrische Leistung entnehmen, während passive Zwei-
ziellen Methoden zu beschreiben. Auch darauf werden wir in einem späteren
pole elektrische Energie verbrauchen. Genauer: passive Zweipole setzen
Kapitel noch zu sprechen kommen.
elektrische Energie in andere Energieformen oder Wärme um.
Unter den passiven Zweipolen spielen die linearen Zweipole eine besonde-
re Rolle. Spannung und Strom sind hier linear miteinander verknüpft: Das 5.1.3 Kennlinie
einfachste Beispiel für einen linearen Zweipol ist der ohmsche Widerstand,
dessen Klemmenverhalten durch das Ohmsche Gesetz Beschränken wir uns vorerst auf solche Zweipole, für die das
Gleichspannungs- und Gleichstromverhalten ausreicht.
U = R·I
I = f1 (U) oder U = f2 (I)
beschrieben wird. Im Kennlinienbild (siehe Abb. 5.1) wird dies durch eine
Gerade dargestellt, die durch den Ursprung des U, I-Ebene verläuft. Diesen Zusammenhang kann man auch graphisch – in einem sogenannten
Kennlinienbild – darstellen.
Weiterhin gehören auch Kondensatoren und Spulen zu den linearen Bauele-
menten. Ihr Klemmenverhalten ist im Vergleich zu den Widerständen gering-
fügig komplizierter zu beschreiben– wir werden darauf noch zurückkommen Was verbirgt sich hinter diesen Kennlinien?
(siehe Kapitel „Komplexe Wechselstromrechnung“).
Linearer Zusammenhang zwischen Strom und Spannung:
Nichtlineare Zweipole gibt es auch, wir werden sie aber erst später näher Als Beispiel sind hier das U-I-Kennlinienbild eines ohmschen Widerstands
kennenlernen. Zur Gruppe der nichtlinearen passiven Bauelemente zählt z. B. (Abb. 5.1), einer Diode (Abb. 5.2) und einer realen Quelle (Abb. 5.3) darge-
die Diode. Eine typische Diodenkennlinie ist in Abb. 5.2 dargestellt. stellt.
Sowohl für alle Knoten als auch für alle unabhängigen Maschen gilt je eine
Regel, die von dem Physiker K IRCHHOFF formuliert wurde. Knotenregel
I und Maschenregel sind daher auch als die beiden Kirchhoffschen Gesetze
bekannt.
5.2.1 Knotenregel
Strom ist bewegte Ladung, und die kann sich nicht einfach „in Luft auflö-
sen“ oder aus dem Nichts entstehen. Wenn folglich mehrere Ströme zu ei-
U nem Kreuzungspunkt (auch Knoten genannt) fließen, dann müssen sich die-
se Ströme zu 0 addieren. Voraussetzung für diese Aussage ist allerdings, daß
Abbildung 5.3: Kennlinie einer realen Stromquelle. Diese nichtlineare Kenn- die Zählpfeile aller Ströme auf den Knoten weisen (oder alle vom Knoten
linie beschreibt das Verhalten einer (realen) Stromquelle (es handelt sich um wegweisen). Mathematisch läßt sich das so schreiben (I1 bis In seien die
einen aktiven Zweipol, eine Quelle). Ströme, die zu einem Knoten hinfließen):
I1 + I2 + . . . + In = 0A
I1 I1
I5
I2
I2
I5
I4
I4 I3
I3
Abbildung 5.5: Knotenregel (Variante): hinführende und wegführende Strö-
Abbildung 5.4: Knotenregel: alle Ströme müssen sich zu 0 addieren me müssen gleich sein
Diese wichtige Regel ist als Knotenregel bekannt. Damit die Gleichung kor-
befinden (siehe Abb. 5.6). Die elektrischen Potentiale an diesen Ecken be-
rekt ist, müssen wir dafür sorgen, daß die Einheiten auf beiden Seiten der
zeichnen wir mit ΦA , ΦB und ΦC .
Gleichung identisch sind – daher die Einheit „Ampere“ auf der rechten Seite
der Gleichung.
Etwas einfacher verständlich ist vielleicht eine andere Betrachtung, bei der Ein Gedankenexperiment
nicht alle Zählpfeile zum Knoten hinführen, sondern bei der wir einen Teil
der Strompfeile umdrehen, also einen Strom der Ströme als Zuleitungen und Wir wissen, daß Spannung eine Potentialdifferenz zwischen zwei Punkten
die anderen als Abflüsse betrachten (siehe Bild 5.5). Die Summe der hin- ist.
führenden Ströme muß gleich der Summe der wegführenden Ströme sein, Es sei nun das Potential am Punkt A um 5 Volt höher als das Potential am
wenn die Ladung erhalten bleiben soll. Punkt B, und dieses Potential wiederum 10 Volt höher als am Punkt C. Was
I2 + I3 + . . . = I1 + I4 + I5 + . . . wissen wir über die Potentialdifferenz (also Spannung) zwischen A und C?
| {z } | {z }
zufließende Ströme abfließende Ströme Offensichtlich ist das Potential an A um 15 Volt höher als am Punkt C; die
Summe aus 5 Volt und 10 Volt.
Mathematisch läßt sich leicht zeigen, daß beide Schreibweisen äquivalent
sind. Diese Erkenntnis soll nun etwas verallgemeinert werden: Gegeben sei ir-
gendein geschlossener Umlauf durch ein Netzwerk (genannt Masche).
Auf diesem Umlauf kommt man an i = 1, . . . , N Wegpunkten vorbei. Dann
5.2.2 Maschenregel
gilt
U12 +U23 + . . . +U(N−1)N +UN1 = 0V ,
Betrachten wir nun ein Dreieck mit den Eckpunkten A, B und C, zwischen
denen sich irgendwelche Bauteile (Quellen, Widerstände, was auch immer) d. h. die Summe über den Umlauf ist null Volt.
U34
φC C 4
3
R3
UCA UBC
U41 R4 R2 U23
B
φB
A UAB
φA R1
1
Abbildung 5.6: Die einfachste denkbare Masche ist ein Dreieck mit verschie- 2
denen Potentialen an den drei Ecken U12
U34
4
3
R4
R3 R2 U41 U23
R1
1
2
U12
Abbildung 5.7: Ein Ausschnitt aus einem Widerstandsnetzwerk
Abbildung 5.9: Eine Masche in einem Widerstandsnetz
U45 1 2 3 4 5 6 N
6 5
N 4 U1N
UN1 U34
1 3 Abbildung 5.11: Die gleiche Masche wie in Abbildung 5.10, nur anders an-
geordnet und mit herumgedrehtem letztem Zählpfeil
2
U12 U23
Abbildung 5.10: Eine Masche in einem Widerstandsnetz mit N Umlaufpunk- Dann gilt (Achtung: U1N = −UN1 wegen des umgedrehten Zählpfeiles!)
ten und Teilspannungen
U12 +U23 + . . . +U(N−1)N = U1N
In Worten ausgedrückt kann man auch sagen: Wenn man zwei beliebige We-
Konvention: Das Symbol UAB bezeichnet die Spannung von Knoten A nach ge nimmt, um von einem Punkt zu einem anderen Punkt zu kommen, dann
Knoten B. Zu dem Symbol UAB gehört ein Zählpfeil für die Spannung, der muß die Summe der Spannungen auf beiden Wegen gleich sein.
vom Knoten A zum Knoten B reicht. Wenn UAB positiv ist, liegt der Punkt A
auf einem höheren Potential als der Punkt B:
5.2.3 Nutzung der Knoten- und Maschenregel zur Netzwerk-
Analyse
A UAB B Netzwerke werden in der Regel durch eine Zeichnung (einen Graphen) dar-
gestellt. Wegen der Knotenregel und der Maschenregel kann das Netzwerk
völlig gleichwertig durch einen geeigneten Satz von Knoten- und Maschen-
gleichungen beschrieben werden; es entsteht also ein Gleichungssystem.
Da in der Regel zwischen den Knoten des Netzwerks Bauelemente liegen
Wieder kann man diese sogenannte Maschenregel in eine Form bringen, die (ein Knoten, an dem kein Bauelement angeschlossen ist, ist wirkungslos
für Anfänger evtl. leichter verständlich ist, indem man den letzten Summan- und damit auch überflüssig), kommen zu den Netzwerk-Gleichungen noch
den auf die andere Seite schreibt und evtl. auch die Zeichnung so umstellt, Bauelement-Gleichungen hinzu. In der Regel bewirken diese Bauelement-
daß alle Wegabschnitte bis auf den letzten hintereinander liegen und dieser Gleichungen, dass die Ströme und Spannungen im Netzwerk mit einander
letzte parallel dazu. verknüpft werden.
Bei der Betrachtung allgemeiner Netzwerke ergeben sich mit diesen Regeln
sehr viele Gleichungen mit sehr vielen Unbekannten, die man mit Methoden
R1 U1
der linearen Algebra lösen muß.
U
In dem beschränkten Rahmen dieses Kurses sind diese Lösungsmethoden
jedoch weniger von Interesse. R2 U2
Wir erinnern erneut daran, dass Zählpfeile für Spannungen und Ströme nur
die Richtung angeben, in der diese Größen gezählt werden. Die gegebene
Richtung eines Zählpfeils in einer Zeichnung sagt nichts über die Polarität
Abbildung 5.12: Der Spannungsteiler
der betrachteten Spannung aus. (Allerdings wählt man die Zählpfeile trotz-
dem gern so, dass die entsprechenden Spannungen positiv sind)
Zwei wichtige Spezialfälle der Knoten- und Maschenregel, denen man im- Wollen wir nun z. B. U1 wissen, so lösen wir nach U2 auf und setzen ein.
mer wieder begegnet, sind die Spannungsteilerregel und Stromteilerregel. Man erhält:
U1 R2 = (U −U1 )R1 = UR1 −U1 R1
5.2.4 Spannungsteilerregel oder
U1 (R1 + R2 ) = UR1 .
Gegeben seien zwei hintereinandergeschaltete Widerstände mit den Werten
und daraus
R1 und R2 , an denen die Einzelspannungen U1 und U2 abfallen. Insgesamt R1
U1 = U
fällt an beiden Widerständen zusammen die Spannung U ab. Wenn U und R1 + R2
die beiden Widerstände bekannt sind, wie berechnet man dann die beiden Analog ergibt sich
einzelnen Spannungen U1 und U2 ? R2
U2 = U
Offensichtlich fließt durch beide Widerstände der gleiche Strom I, also gilt R1 + R2
mit dem Ohmschen Gesetz Wie man leicht sieht, addieren sich U1 und U2 zu U.
U1 U2
= .
R1 R2
Da Brüche immer etwas unhandlich sind, multiplizieren wir mit beiden Nen- 5.2.5 Stromteiler
nern und erhalten
U1 R2 = U2 R1 (5.1) Ebenfalls wichtig ist der Fall, daß ein Strom sich an einer Gabelung zwischen
zwei verschiedenen parallelen Widerständen aufteilt.
Nach der Maschenregel gilt
Wieder ist die Frage, wie man aus der Kenntnis des Gesamtstromes I und
U1 +U2 = U (5.2) den einzelnen Widerständen die einzelnen Ströme erhält.
U Aber Vorsicht: beim Spannungteiler ist die erste (bzw. zweite) Spannung pro-
portional zum ersten (bzw. zweiten) Widerstand, aber beim Stromteiler ist
I1 R1 das Verhältnis gerade herumgedreht.
I Aber diese Beziehung kann man sich leicht klarmachen: An einem großen
I2 R2 Widerstand muß man auch eine hohe Spannung anlegen, damit ein Strom
hindurchfließt; U und R sind proportional. Aber ein großer Widerstand zeich-
net sich gerade dadurch aus, daß bei gegebener Spannung wenig Strom hin-
Abbildung 5.13: Der Stromteiler
durchfließt; I und R sind umgekehrt proportional.
Klar ist, daß jeweils vor bzw. jeweils nach den Widerständen das gleiche 5.3 Netzwerkanalyse mit Ersatzwiderständen
Potential herrscht, d. h. an beiden Widerständen fällt die gleiche Spannung
ab. Mit dem Ohmschen Gesetz ergibt sich dann
Bei der Spannungs- und Stromteilerregel haben wir gesehen, daß man Wi-
I1 R1 = I2 R2 derstände hintereinander oder parallel schalten kann. Die ganze Anordnung
kann man wieder als Zweipol betrachten (d. h. zwischen dem einen Ende
Die Knotenregel sagt und dem anderen Ende ist „irgendwas“, das durch die Beziehung zwischen
I = I1 + I2 Spannung und Strom beschrieben wird).
Mit der üblichen Prozedur (auflösen – einsetzen – umformen) erhält man Wir fragen uns: Hätte man – statt zwei Widerständen hintereinander oder
parallel – auch einen einzigen nehmen können, der das gleiche Verhalten
R2 (bezogen auf Gesamtstrom und -spannung I bzw. U) gezeigt hätte? Die Ant-
I1 = I
R1 + R2 wort ist ja.
und analog für den anderen Teilstrom Wofür ist das alles jetzt gut? Wenn es uns gelingt, Regeln aufzustellen, meh-
rere parallel bzw. in Reihe geschaltete Widerstände durch einen einzelnen
R1 sogenannten Ersatzwiderstand zu ersetzen, dann sind wir in der Lage, Schritt
I2 = I.
R1 + R2 für Schritt komplizierte Widerstandsnetze zu analysieren, wie in Abb. 5.14
zu sehen.
5.2.6 Zusammenfassung von Spannungsteiler- und Stromteiler- Diese Methode des schrittweisen Auflösen von komplizierten Widerstands-
Regel netzen über Parallel- und Reihenschaltung ist zwar nicht so allgemein ver-
wendbar wie das Aufstellen von allen Knoten- und Maschengleichungen
Beide hier behandelten Regeln sehen auf den ersten Blick sehr ähnlich aus: (und ab einer bestimmten Komplexität des Netzes auch alles andere als effi-
im Zähler steht ein einzelner Widerstand, im Nenner die Summe aus beiden. zient), aber im Rahmen dieses Kurses völlig hinreichend.
Jeder Zweipol ist durch Strom und Spannung gekennzeichnet. Daher kann von Physik) ist es hilfreich, an bestimmten Stellen mit einem physikalischen
es (auf den ersten Blick) zwei verschiedene Quellen geben: ideale Quellen Modell die grundlegenden Eigenschaften einer Sache zu beschreiben. Das
zeichnen sich dadurch aus, daß sie entweder physikalische Modell
• konstante Spannung • ist eine Vereinfachung einer i.d.R. deutlich komplizierteren Sache und
• oder konstanten Strom beschreibt die wesentlichen Eigenschaften.
I U
RL I Ri U0 ∞
∞ 0
U0 RL
U0 U = U0 RL
U0 U RL 0
I
0 U0
I Ri
Abbildung 5.15: Die ideale Spannungsquelle liefert für beliebige Lastwider- Abbildung 5.16: Die reale Spannungsquelle unterscheidet sich von der idea-
stände R eine konstante Ausgangsspannung U0 . Nur der Fall RL = 0 ist phy- len Spannungsquelle durch einen in Reihe geschalteten Innenwiderstand
sikalisch unsinnig; man darf die Klemmen einer idealen (!) Spannungsquelle
also nicht kurzschließen, nicht einmal in Gedanken!
• Wenn man einen sehr kleinen Widerstand R an die Klemmen einer idea-
len Spannungsquelle anschließt, könnte man der Spannungsquelle ge-
Wird nun ein Widerstand an die Ausgangsklemmen angeschlossen, fließt ein
mäß der Formel
Strom I, der dazu führt, daß über dem Innenwiderstand Ri der Quelle ein
U
P = U ·I = U · = U 2 /RL Spannungsabfall entsteht, der der Leerlaufspannung entgegengerichtet ist.
RL Daher sinkt bei Belastung mit positiven Widerständen R > 0 die Klemmen-
mit beliebig kleinen Widerständen eine beliebig große Leistung entzie- spannung der realen Spannungsquelle ab. Den Extremfall erreicht man da-
hen. durch, daß man die beiden Ausgangsklemmen kurzschließt; es fließt dann der
maximal mögliche Strom Ik = UR0i , den wir als Kurzschlußstrom bezeichnen.
Im Kurzschlußfall1 ist die Spannung an den Ausgangsklemmen der realen
5.4.4 Reale Spannungsquelle
Spannungsquelle gleich null.
Reale Spannungsquellen (Abb. 5.16) wie z. B. Batterien, Akkumulatoren,
Thermoelemente, usw. weisen im Gegensatz dazu stets einen endlichen In-
nenwiderstand auf. Das Verhalten einer realen Spannungsquelle wird da-
her durch zwei Größen beschrieben: die Leerlaufspannung U0 und den In-
nenwiderstand Ri . Ohne Belastung an den Ausgangsklemmen der realen
Spannungsquelle fließt kein Strom; somit ist der Spannungsabfall über dem Durch die Messung der Leerlaufspannung und des Kurzschlußstromes lassen
Innenwiderstand gleich null und an den Ausgangsklemmen wird die Leer- sich die beiden Parameter der realen Spannungsquelle bestimmen. Insbeson-
laufspannung U0 gemessen. dere lautet der Innenwiderstand Ri = UIk0 .
I = Ik I
U
U
Ik Ik Ik ∞
∞
Gi
U U RL
RL Gi RL
RL
0
0 I
0 Ik
Ik I
Abbildung 5.17: Die ideale Stromquelle liefert für beliebige Lastwiderstände Abbildung 5.18: Die reale Stromquelle unterscheidet sich von der idealen
R einen konstanten Strom Ik . Der Fall R −→ ∞ (offene Klemmen) ist physi- Stromquelle durch einen parallel geschalteten Innenwiderstand Ri (bzw. In-
kalisch unsinnig, da dann der eingeprägte Strom nicht fließen kann nenleitwert Gi )
Eine ideale Stromquelle (Abb. 5.17) liefert einen eingeprägten, d. h. konstan- Reale Stromquellen (Abb. 5.18) werden wiederum durch den Kurzschluß-
ten Quellenstrom, der von der Größe der Spannung, die an ihren Ausgangs- strom Ik und den Innenwiderstand Ri beschrieben. Ohne Belastung an den
klemmen austritt, unabhängig ist. Der Innenwiderstand einer idealen Strom- Ausgangsklemmen fließt der gesamte eingeprägte Strom der Stromquelle
quelle muß unendlich groß sein, damit der Strom nicht innerhalb der Quelle durch den Innenwiderstand Ri und erzeugt somit an den Ausgangsklem-
von einer Klemme zur anderen fließen kann, sondern nur durch angeschlos- men die Spannung I · Ri . Werden im anderen Extremfall die Quellenklemmen
sene Lastwiderstände. kurzgeschlossen, so fließt der gesamte eingeprägte Strom durch den Außen-
zweig und die Klemmenspannung ist infolge des Kurzschlusses gleich null.
Tip: Sie können sich die Symbole für ideale Spannungsquelle (Kreis) Wie bei der realen Spannungsquelle kann auch die reale Stromquelle durch
und ideale Stromquelle (zwei nicht verbundene Kreishälften) evtl. bes- zwei Messungen charakterisiert werden:
ser merken, wenn Sie den Zwischenraum zwischen den Kreishälften der
Stromquelle mit dem unendlich hohen Innenwiderstand identifizieren.
• Kurzschluß der Klemmen: −→ Messung des Kurzschlußstroms Ik
1 Um Unfälle in Klausur und wirklichem Leben zu vermeiden: reale Spannungsquellen
darf man kurzschließen, aber nur in Gedanken bzw. nur mit Papier und Bleistift. Ideale Span-
• Messung der Spannung U an den unbelasteten Klemmen: −→ Innenwi-
nungsquellen darf man hingegen nicht einmal in Gedanken kurzschließen! derstand Ri = U/Ik
5.4.7 Äquivalenz von realer Spannungs- und Stromquelle indem man keine Last an die Klemmen anschließt. (Die Voltmeter, mit de-
nen man die Leerlaufspannung dann an den Klemmen mißt, haben einen so
Wer die Kennlinien der realen Spannungsquelle (Abb. 5.16) und der realen großen Innenwiderstand, daß praktisch kein Strom fließt.)
Stromquelle (Abb. 5.18) aufmerksam miteinander vergleicht, ahnt es schon:
Jede reale Stromquelle kann in eine reale Spannungsquelle umgerechnet wer-
den und umgekehrt. 5.4.9 Bestimmung des Kurzschlußstroms
U= 0
5.4.8 Bestimmung der Leerlaufspannung
Wir nehmen an, daß ein beliebiges Netzwerk aus Widerständen, Spannungs-
quellen und Stromquellen gegeben ist. Wir wollen dieses Netzwerk bezüg-
lich der zwei betrachteten Klemmen als reale Spannungsquelle (oder reale
Stromquelle) beschreiben.
Dazu reicht es nach den bisherigen Erkenntnissen aus, die Leerlaufspannung Zur Bestimmung des Kurzschlußstroms muß man den Zweipol in einen Be-
und den Kurzschlußstrom zu bestimmen. triebsfall bringen, in dem die Spannung an den Klemmen null ist. Dies er-
reicht man mit einem Kurzschluß der Klemmen (Achtung: „echte“ Span-
nungsquellen wie Batterien, Akkus, aber auch geladene Kondensatoren nie-
Netzwerk mit Quellen
mals kurzschließen: Brand- und Explosionsgefahr!)
I= 0 A
5.4.10 Umrechnung von Spannungs- in Stromquellen (und um-
U= U1 gekehrt)
Ri1 I
I Ik = U0 /Ri1
B
Ri1 = Ri2
Ik
U0 U Ri2 U
Zur Bestimmung der Leerlaufspannung bringt man den Zweipol in die Situa- U0 = Ik Ri2
tion, daß der Strom über die Klemmen null wird. Dies erreicht man natürlich, Ri1 = Ri2
Ri I U U
U0
∆I
U0 U RL ∆U2
∆U
∆I2
∆U1
Abbildung 5.19: Ein Netzwerk, das sich aus der Zusammenschaltung einer
Ik I I
Quelle (links) und einem Verbraucher (rechts) ergibt ∆I1
Aktive Zweipole können nach Belieben als reale Spannungsquelle oder reale
Stromquelle dargestellt werden (Ausnahme: ideale Quellen).
nehmen Strom und Spannung einen Zustand an, der beiden Kennlinien ge-
nügt.
5.5 Zusammenschaltung von aktiven und passiven Zeichnerisch wäre der Schnittpunkt der beiden Kennlinien, den wir als Ar-
Zweipolen beitspunkt bezeichnen, leicht zu bestimmen (Abb. 5.21). Rechnerisch ergibt
sich:
Ein Netzwerk wie das oben abgebildete läßt sich auf verschiedene Arten ana- Ua = Ia · R = U0 − Ia · Ri
lysieren. Man könnte den Innenwiderstand mit dem Lastwiderstand zusam-
⇒ U0 = Ia · (R + Ri )
menfassen, doch wollen wir hier einen anderen (allgemeineren) Weg gehen
und das Netzwerk (Abb. 5.19) als Zusammenschaltung von Quelle (aktiver ⇒ Ia = U0 /(R + Ri )
Zweipol; links von den beiden eingezeichneten Klemmen) und Verbraucher ⇒ Ua = U0 · R/(R + Ri )
(passiver Zweipol; rechts von den Klemmen) auffassen.
linearer aktiver Zweipol: linearer passiver Zweipol:
∆U ∆U1 ∆U2 5.5.1 Leistungsbilanz bei Quellen mit Innenwiderstand
= −Ri = =R
∆I ∆I1 ∆I2
(Minuszeichen wg. Quellen-Zählpfeilr.)
Wir nehmen an, daß wir eine Spannungsquelle mit Innenwiderstand (reale
aktiv, weil U(I = 0) 6= 0 passiv, weil U(I = 0) = 0
Spannungsquelle) gegeben haben und fragen uns, mit welchem Lastwider-
Schaltet man nun einen aktiven und einen passiven Zweipol zusammen, so stand RL die maximale Leistung aus dieser Quelle entnommen werden kann.
U Der Verlauf der Klemmenspannung U als Funktion des Strom I ist hier para-
U0 metrisiert mit dem Lastwiderstand RL dargestellt.
Arbeits-
punkt
I U
Ua
Q U V U0
4Ri
RL
Ia Ik I 2Ri
Ri
Abbildung 5.21: Beim Zusammenschalten von aktivem Zweipol (Quelle Q) Ri /2
und passivem Zweipol (Verbraucher V) ergibt sich als Arbeitspunkt der Ri /4
Schnittpunkt zwischen den einzelnen U-I-Kennlinien
U0 I
Ri
Ri I RL
U = ·U0
Ri + RL
U0 RL U0 Berechnen wir also zunächst die im Verbraucher umgesetzte Leistung:
U I =
Ri + RL
U02 RL
P=U · I =
(Ri + RL )2
Erste Überlegung:
Maximale im Verbraucher umgesetzte Leistung:
• großer Lastwiderstand (RL → ∞) die Klemmenspannung ist praktisch
identisch mit der Leerlaufspannung (→ Spannungteiler-Regel), aber
der Strom geht gegen 0. Hier finden wir wieder einmal eine nützliche Anwendung für die Differen-
tialrechnung: Das Maximum der Leistung P, aufgetragen als Funktion von
der Variablen RL , muß dort liegen, wo die Ableitung von P(RL ) nach RL eine
• kleiner Lastwiderstand (RL → 0): Der Strom wird sehr groß (Kurz- Nullstelle hat. (Das ist eine notwendige, aber allein noch nicht hinreichende
schlußstrom), aber die Klemmenspannung bricht zusammen. Bedingung für ein Maximum.)
Es muß also einen optimalen Lastwiderstand RL geben, der irgendwo zwi- ∂P (Ri + RL )2 U02 −U02 RL 2(Ri + RL ) !
schen den Extremfällen RL → ∞ und RL → 0 liegt. = = 0 (5.3)
∂ RL (Ri + RL )4
U02
Pmax = (für Leistungsanpassung, also RL = Ri )
4Ri
P 4Ri RL RL /Ri
= 2
= 4
Pmax (Ri + RL ) (RL /Ri + 1)2 Nicht in jedem Fall kommt es nur darauf an, daß die Leistung, die man der
Quelle entzieht, maximal ist. Oft ist es genauso wichtig (oder sogar wichti-
ger), daß ein Teil der Leistung, der „außen“ ankommt (also im Lastwider-
Das Schaubild wird symmetrischer, wenn die R-Achse logarithmisch skaliert stand RL ), einen möglichst großen Teil der Leistung darstellt, die die Quelle
wird. insgesamt abgibt. Man betrachtet dann den sogenannten Wirkungsgrad.
(die blaue Kurve entspricht dem in der vorherigen Abbildung auf der loga- alle anderen Stromquellen werden aufgetrennt
rithmierten Skala dargestellten Quotienten RRLi )
alle anderen Spannungsquellen werden kurzgeschlossen
Der Wirkungsgrad η ist definiert als
Pnutz Beispiel:
de f
η = .
Pgesamt
R3
Man sieht, daß der Wirkungsgrad stetig abnimmt, wenn der Lastwider- I
stand RL verkleinert wird. Dies steht in deutlichem Gegensatz dazu, daß
Uq
Pnutz /Pnutz max ein ausgeprägtes Maximum bei ∂ RL = ∂ Ri aufweist.
R1 R2
Wenn man ein Netzwerk mit mehreren (idealen) Quellen analysieren soll, so
kann man ausnutzen, daß die Teilströme (oder Spannungen), die durch die
einzelnen Quellen hervorgerufen werden, sich addieren. Man betrachtet also (R1 = 600 Ω, R2 = 300 Ω, R3 = 200 Ω, Uq = 12 V, Iq = 30 mA)
alle Quellen der Reihe nach mit dem Überlagerungssatz.
In der oben gegebenen Schaltung sind beide Quellen als ideale Quellen zu
Algorithmus für Überlagerungssatz: betrachten. Berechnen Sie den Strom I mit Hilfe des Überlagerungssatzes.
R1 2 Spannungsteiler-Regel:
I = I2 = Iges = 30 mA = 20 mA
R1 + R2 3
R1
U1 = ·U
R1 + R2
2. Strom durch Stromquelle
R2
Spannungsquelle kurzschließen. Alle Widerstände sind parallel. U2 = ·U
R1 + R2
3V
I=− = −10mA
300 Ω
Kapitel 6
6.1 Komplexe Zahlen Achtung: in der Elektrotechnik nimmt man nicht – wie in der Mathema-
tik – das kleine i als imaginäre Einheit, sondern das kleine j, weil der
Viele Rechnungen werden durch die Verwendung komplexer Zahlen deutlich Buchstabe i für Ströme reserviert ist.
vereinfacht. Dieser Abschnitt gibt eine kurze Einführung in diese Zahlen.
Wofür sind komplexe Zahlen gut?
6.1.1 Definition der komplexen Zahlen
• Die komplexen Zahlen sind eine Erweiterung des Zahlenkörpers IR, bei
Eine komplexe Zahl wird durch zwei Komponenten (Realteil x und Imagi- der nichts verloren geht. Komplexe Zahlen mit Imaginärteil null verhal-
närteil y) gekennzeichnet: ten sich exakt wie normale reelle Zahlen. Aber: wir gewinnen etwas. . .
x = Re {z} y = Im {z}
−j
Schreibweise für Betrag und Phasenwinkel:
p y
|z| = x2 + y2 φ = 6 (z) = arctan Abbildung 6.1: Der Einheitskreis in der komplexen Ebene: die Winkel 0◦ ,
x
90◦ , 180◦ und 270◦ entsprechen den komplexen Zahlen 1, j, -1, − j.
Polare Schreibweise für komplexe Zahlen:
z = |z| · exp( jφ )
6.1.3 Rechnen mit komplexen Zahlen
x = |z| · cos φ
y = |z| · sin φ Addition, Subtraktion:
e0 j = 1
π
e2 j
= j Multiplikation:
πj
e = −1 z1 · z2 = |z1 |e jφ1 · |z2 |e jφ2
3π
j
e 2 = −j = |z1 | · |z2 |e j(φ1 +φ2 )
insbesondere gilt:
z · z∗ = x2 + y2 = |z|2
n o
Division: = Re ŝ e j(ωt+φs )
z1 |z1 | · e jφ1 |z1 | j(φ1 −φ2 )
= jφ
= ·e = Re ŝ e jφs · e jωt
z2 |z2 | · e 2 |z2 |
insbesondere gilt:
1 1
= e− jφ
z |z| Mit der Definition der komplexen Amplitude
s(t) = ŝ · cos(ωt + φs )
Gewöhnliche Differentialgleichungen: nur eine unabhängige Variable Partikuläre oder spezielle Lösung einer Differentialgleichung:
(oft: Zeit t) Diejenige Lösung der gegebenen Differentialgleichung, die die n
freien Parameter dadurch festlegt, daß n vorgegebene Bedingungen
Partielle Differentialgleichungen: mehrere unabhängige Variable (z. B. erfüllt werden.
Abhängigkeit von zwei oder drei Ortskoordinaten, oder auch von Ort
und Zeit) Störglied einer Differentialgleichung: alle Teile der Differentialglei-
chung, die weder die Funktion y noch ihre Ableitungen enthalten.
Beispiele:
Inhomogene Differentialgleichung: Das Störglied ist ungleich 0, z. B.
• Poisson-Gleichung für elektrostatische Potentiale bei gegebener
äußerer Ladungsverteilung ρ(x, y, z) y′ + x · y = 4x + 3
6.3.2 Superpositionsprinzip homogenen Differentialgleichung ergibt sich als lineare Superposition der
Einzellösungen:
Wir betrachten die homogene lineare Differentialgleichung:
yhom (t) = c1 · eλ1t + c2 · eλ2t + . . . + cn · eλN t
y′′ + a1 y′ + a0 y = 0 (6.3)
Im allgemeinen wird anstelle solcher expliziter Lösungsmethoden in der Sy-
mit zwei verschiedenen Lösungen y1 und y2 stemtheorie die Methode der Laplace-Transformation angewandt, um die
Dann ist auch jede Linearkombination Lösung der homogenen DGL. Lösungen solcher Differentialgleichungen zu finden.
6.3.3 Lösung der linearen Differentialgleichung 6.3.4 Reellwertige Lösung der homogenen DGL
Wir haben jetzt offensichtlich eine algebraische Gleichung in λ erhalten; 6.3.5 Beispiel RC-Schaltung
es sind diejenigen λi zu finden, die die obige Gleichung erfüllen, also die
Nullstellen des Polynoms P(λ ). Die Kontenanalyse der Schaltung in Bild 6.6 am Knoten I liefert uns die
folgende Gleichungen:
Faktorisierung des Polynoms P(λ ):
iC + iR = 0
(λ − λ1 ) · (λ − λ2 ) · . . . · (λ − λN ) = 0 du(t) 1
C· + u(t) = 0
dt R
Wenn die N Nullstellen λi bekannt sind, ergibt jeder Wert λi eine spezielle 1
Lösung der homogenen Differentialgleichung. Die allgemeine Lösung der C · u̇ + u = 0
R
1 Sei yh eine allgemeine Lösung der homogenen DGL, yinh eine spezielle Lö-
C·λ + =0
R sung der inhomogenen DGL.
1
λ =− Die allgemeine Lösung der DGL lautet
RC
Damit ergeben sich alle Lösungen der DGL zu y = yh + yinh (6.10)
−t
Für unser RC-Beispiel können wir z.B. annehmen, dass ein zusätzlicher si-
u(t) = C1 · e RC (6.6) nusförmiger Strom
Dies entspricht einer abklingenden e-Funktion. Um die Konstante C1 zu be- iq = cos(ω0t) = Re e jω0t
stimmen, kann man jetzt noch Anfangsbedingungen ausnutzen, z.B. dass der
durch eine Stromquelle am Knoten I eingespeist wird (siehe Bild 6.3).
Kondensator zum Zeitpunkt t = 0 auf 2V aufgeladen ist.
0 Dann ergibt sich die inhomogene DGL zu
u(t = 0) = C1 · e RC = 2V
⇒ C1 = 2V iC + iR = −iq
1
Dann lautet die Lösung der DGL mit Anfangsbedingung und damit der Zeit- C · u̇ + u = e jω0t
R
verlauf der Spannung an R und C:
Wir können eine spezielle Lösung raten mit dem Ansatz uinh = C2 e jω0t :
−t 1
u(t) = 2V · e RC (6.7) C jω0C2 e jω0t + C2 e jω0t = e jω0t
R
• daß sich beliebige periodische Funktionen mit der Periode T0 durch ei-
ne Überlagerung sinusförmiger Funktionen darstellen lassen (Fourier-
Kürzen um e jω0t liefert: Reihe).
1
C jω0C2 + C2 = 1 • daß es etwas mehr mathematischem Aufwand gelingt, eine ähnliche
R
1 R Aussage sogar für nicht-periodische Funktionen (Fourier-Integral).
⇒ C2 = =
1/R + jω0C 1 + jω0 RC
Wir wollen uns hier auf die Betrachtung der Fourier-Reihen beschränken.
Dann ist die gesamte Lösung der inhomogenen DGL die Überlagerung der Ausgangspunkt sind periodische Zeitfunktionen mit der Periode T0 , also Si-
homogenen und inhomogenen Lösung: gnale, die folgender Gleichung genügen:
−t R
u(t) = uh (t) + uinh (t) = C1 · e RC + e jω0t f (t) = f (t + T0 ),
1 + jω0 RC
Diese können in Form einer Fourier-Reihe dargestellt werden:
Mit Hilfe einer Anfangsbedingung (z.B. einem entladenen Kondensator)
∞ ∞
kann schließlich die Konstante C1 berechnet werden. a0
f (t) = + ∑ ak cos(kω0t) + ∑ bk sin(kω0t)
2 k=1 k=1
u(t = 0) = 0
2π
R mit ω0 = 2π f0 = .
⇒ C1 = − T0
1 + jω0 RC
Die reelle Lösung ist dann:
Wie gut ist die Approximation?
R jω0 t −t
u(t) = Re e − e RC Um zu untersuchen, wie gut T0 -periodische Funktionen durch i.a. unendli-
1 + jω0 RC
R −t
che Fourier-Reihen dargestellt werden können, betrachten wir eine endliche
= q cos(ω0t) − e RC + ω0 RC · sin(ω0t) Reihe:
1 + ω02 R2C2 a0 n n
f˜(t) = + ∑ ak cos(kω0t) + ∑ bk sin(kω0t)
2 k=1 k=1
Die Grundidee für die „richtige“ Wahl der Koeffizienten a0 , ak , k = 1, . . . n 6.4.1 Drei Darstellungen von Fourier-Reihen
und bk , k = 1, . . . n besteht darin, den mittleren quadratischen Fehler Q zwi-
schen dem Originalsignal f und der Approximation f˜ zu minimieren. Reelle Form mit Sinus- und Cosinusfunktionen:
Z T0 2 ! ∞
Q= f˜(t) − f (t) dt = min a0
0
f (t) = + ∑ [ak cos(kω0t) + bk sin(kω0t)] .
2 k=1
Z
Wie dies im einzelnen geschieht, wird hier beispielhaft für den Koeffizien- 2 T0
a0 = f (t)dt,
ten am beschrieben: T0 0
Z
2 T0
Z T0 ak = f (t) cos(kω0t)dt.
1 ∂Q ! T0 0
· = f˜(t) − f (t) · cos(mω0t)dt = 0 Z
2 ∂ am 0 2 T0
bk = f (t) sin(kω0t)dt.
T0 0
Für f˜(t) wird die endliche Reihe eingesetzt:
Z T0
" # Reelle Form mit Cosinusfunktionen
n n
a0
+ ∑ ak cos(kω0t) + ∑ bk sin(kω0t) − f (t)
0 2 ∞
k=1 k=1 a0
! f (t) = + ∑ Ak cos(kω0t + Φk ),
· cos(mω0t)dt = 0 2 k=1
q
bk
Ak = a2k + b2k , Φk = − arctan .
Wegen der Orthogonalität der trigonometrischen Funktionen ak
Z T0
cos(mω0t)dt = 0, Komplexe Form
0
Z T0
0 für k 6= m
cos(kω0t) cos(mω0t) = T0
∞
0 2 für k = m f (t) = ∑ ck e jkω0t ,
Z T0 k=−∞
sin(kω0t) cos(mω0t)dt = 0, Z T0
1
0 ck = f (t)e− jkω0t dt,
T0 0
ergibt sich: a0 ak + jbk ak − jbk
c0 = , c−k = ck =
2 2 2
Z T0
2 1
am = f (t) cos(mω0t)dt , m = 1, . . . , n. a0 = 2c0 , ak = c−k + ck bk = (c−k − ck )
T0 0 j
t
T0 T0 3T0
− 0 T0 2T0
2 2 2
Abbildung 6.4: Die Sägezahnfunktion (grün) und die ersten 5 Summen der
Rechteckfunktion, reelle Form: dazugehörigen Fourierreihe
a0 = 0,
ak = 0.
6.4.3 Fourier-Transformation
Z Z
2 T0 /2 2 0
bk = f (t) sin(kω0t)dt − f (t) sin(kω0t)dt
T0 0 T0 T0 /2 Eine Erweiterung auf beliebige (nicht periodische) Signale und beliebige
2 n o Frequenzen liefert die Fouriertransformation:
T /2
= − cos(kω0t) |00 + cos(kω0t) |TT00 /2 Z ∞
T0 kω0
4 n o F( jω) = f (t) · e− jωt dt
= 1 − (−1)k −∞
T0 kω0 Damit können nun Signale in den Frequenzbereich, dargestellt durch die
2 n o 4 für k = 1, 3, 5, 7, . . .
= 1 − (−1)k = kπ Großbuchstaben F( jω), transformiert und dort untersuch werden. Die Rück-
kπ 0 für k = 2, 4, 6, 8, . . . transformation ist folgendermaßen möglich:
4 4 4 Z ∞
f (t) = sin(ω0t) + sin(3ω0t) + sin(5ω0t) + . . . 1
π 3π 5π f (t) = F( jω) · e− jωt dω
2π −∞
In Bild 6.4 sind noch Teile der Fourierreihe für die Sägezahnfunktion gege-
ben. Ihre Fourier-Koeffizienten lauten: Einige Korrespondenzen:
I
U1 C U2
6.4.4 Laplace-Transformation
Allgemeiner Typ von Differentialgleichung mit konstanten Koeffizienten
Die Laplace-Transformation
Z ∞
F̂L (s) = f (t) · e−st dt N M
0 (i) ( j)
∑ ai · u2 (t) = ∑ b j · u1 (t)
i=0 j=0
ist gut geeignet zur Lösung von Differentialgleichungen mit konstanten Ko-
↑ ↑
effizienten. Die komplexe Variablen
Ausgangsfunktion u2 Eingangs- oder Anregungsfunktion u1 (t)
s = σ + jω
beschreibt dabei einen gedämpften Anteil σ des Signals und einen kom-
Beispiele
plexen Anteil ω der einen schwingenden Anteil enthält. Man kann die
Laplace-Transformation als eine verallgemeinerte Fouriertransformation an-
sehen. Die Äquivalenz erhält man, wenn man σ = 0 und ω = ω0 setzt. Beispiel: Sprungfunktion ε(t)
Einige zusätzliche Korrespondenzen: Z ∞ ∞
1 1
L [ε(t)] = exp(−st)dt = exp(−st) =
f (t) ◦−• FL (s) (6.14) 0 −s 0 s
d f (t) 1 − e−st 0
◦−• s · FL (s) (6.15) lim =
dt τ→0 τs 0
1 ∂
eαt ◦−• (6.16) (1 − e−sτ ) = (−s) · −e−sτ = s · e−sτ
s−α ∂τ
6.4.5 Beispiel: Sprungantwort eines RC-Gliedes In diesem Beispiel war u1 (t) = u0 · ε(t) vorgegeben. Mit
1
Es gilt: ε(t) ◦−•
1
Z t s
u2 (t) = i(t)dt + u2 (0) ergibt sich
C 0 u0
U1 (s) = .
Herleitung der Differentialgleichung für i(t): s
Z t Eingesetzt ergibt sich:
1
R · i(t) + i(t)dt + u2 (0) = u1 (t) 1
C 0 1 u0 RC u0
U2 (s) = · = 1
·
Differenzieren: (sRC + 1) s (s + RC ) s
1
R · i ′ (t) + i(t) + 0 = u1 ′ (t) (6.17) Partialbruchzerlegung:
C
Weiterhin gilt (s.o.): 1
k1 k2 ! ( RC ) · u0
Z 1
+ = 1
1 t s + RC s (s + RC )·s
u2 (t) = i(t)dt + u2 (0)
C 0
1 1
Differenzieren: ⇒ k1 · s + k2 (s + RC ) = ( RC ) · u0
1 1 1
u2 ′ (t) =
i(t) + 0 (6.18) ⇒ k1 + k2 = 0 und k2 · ( RC ) = u0 · ( RC )
C
Laplace-Transformierte von Gl. (6.17): ⇒ k2 = u0 und k1 = −u0
Hiermit erhalten wir dann:
1 1
R · s · I(s) + · I(s) = s ·U1 (s) ⇔ U1 (s) = R + · I(s) −u0 u0
C sC U2 (s) = + .
1 s
Laplace-Transformierte von Gl. (6.18): s + RC
1 1 Mit
s ·U2 (s) = · I(s) ⇔ U2 (s) = · I(s) 1
C sC •−◦ ε(t)
s
Eliminieren von I(s): und
! 1
1 •−◦ eαt
I(s) = ·U1 (s) (s − α)
1
(R + sC ) ergibt sich
1 1 t
→ U2 (s) = · 1
·U1 (s) u2 (t) = u0 · ε(t) − exp(− ) · ε(t)
sC (R + sC ) RC
t
1 = u0 · ε(t) · 1 − exp(− )
= ·U1 (s) RC
(sRC + 1)
6.5 Systeme i1 i2
Was sind Systeme? Systeme sind (hier: elektronische) Baugruppen mit Ein- u1 Vierpol u2
gangsgrößen und Ausgangsgrößen.
Eingang Ausgang
System
Die Vierpol-Theorie behandelt das Verhalten von Vierpolen (insbesondere
linearen Vierpolen) mit Hilfe der linearen Algebra. Mit Hilfe der Vierpol-
Theorie können auch komplizierte Netzwerke analysiert werden, die aus
Zweipolen und Vierpolen aufgebaut sind.
Wir betrachten hier Systeme mit jeweils einem Eingang und einem Ausgang.
Typische Beispiele für Eingangs- und Ausgangsgrößen sind Ströme und
Spannungen an den Klemmen einer elektronischen Baugruppe. 6.5.2 Systeme mit einem Eingang und einem Ausgang
Wir interessieren uns hier, wie gesagt, im besonderen für Systeme, die durch
6.5.1 Vierpole eine Eingangsgröße und eine Ausgangsgröße beschrieben sind.
Unter einem Vierpol versteht man ein System mit vier Klemmen, die von
außen zugänglich sind. Eingang Ausgang
System
Vierpol
Vierpole lassen sich charakterisieren durch die Ströme und Spannungen an Ein einfaches Beispiel für ein solches System ist der wohlbekannte Span-
ihren Klemmen. nungsteiler.
R1 a2 (t) 7→ b2 (t) ,
Beispielsweise kann man die Spannung U1 als Eingangsgröße und die Span- Nur in wenigen Fällen ist das Übertragungsverhalten eines Systems so
nung U2 als Ausgangsgröße betrachten. Gerade beim Spannungsteiler (oder schnell und einfach zu charakterisieren wie im Falle des Spannungsteilers.
ähnlichen Widerstandsnetzwerken) liegt es nahe, die Eingangsspannung als Tauschen wir beispielsweise den unteren Widerstand R2 gegen einen Kon-
Ursache und die Ausgangsspannung als Wirkung aufzufassen. Man kann densator C aus, so reicht eine einfache Konstante zur Beschreibung des Über-
dann Wirkung und Ursache zueinander ins Verhältnis setzen, also konkret: tragungsverhaltens nicht mehr aus. Das Übertragungsverhalten ist nämlich
man bildet das Verhältnis von Ausgangsspannung zu Eingangsspannung: nun frequenzabhängig.
u2 (t) R2 Dennoch ist es auch für diesen Fall nicht übermäßig schwer, das Übertra-
= gungsverhalten zu charakterisieren. Wir nehmen an, daß es sich bei der Ein-
u1 (t) R1 + R2
gangsspannung u1 (t) um eine sinusförmige Wechselspannung mit der Kreis-
In diesem einfachen Fall ist das Ergebnis auch sehr einfach: Das Ergebnis ist frequenz ω handelt. Dann ist die Ausgangsspannung u2 (t) sinusförmig, al-
eine Konstante, unabhängig von der Form und Amplitude der Eingangsspan- lerdings mit einer anderen Phasenlage und einer anderen Amplitude.
nung.
Wir können das Problem mit Hilfe der komplexen Wechselstromrechnung
(hier nicht behandelt) lösen oder direkt die Differentialgleichungen betrach-
Lineare Systeme ten und den Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsspannungen
u1 (t), u2 (t) betrachten.
Der Spannungsteiler ist auch ein einfaches und offensichtliches Beispiel für
ein lineares System. Lineare Systeme sind Systeme, für die das Superposi- Für ein RC-Tiefpass gilt (siehe Gleichung 6.19)
tonsprinzip gilt: 1
U2 (s) = ·U1 (s)
Antwortet das System auf das Eingangssignal a1 (t) mit dem Ausgangssignal (sRC + 1)
b1 (t), U2 (s) 1
a1 (t) 7→ b1 (t) ⇒ = H(s) =
U1 (s) (sRC + 1)
Dieser Ausdruck, also das Verhältnis U2 /U1 , wird als die Übertragungsfunk- |H( jω)|
tion H(s) oder für die Fouriertransformierte H( jω) des betrachteten Systems
bezeichnet.
ω1 |H( jω)|
• hohe Kreisfrequenzen (ω ≫ ω1 ): H( jω) ∼
=
ω
10−1 ω1
1ω1
10ω1
deutung bestimmter Frequenzen (wie hier ω1 ) tritt nicht besonders deutlich
hervor:
b0 + b1 s + . . . + bm−1 sm−1 + bm sm
H(s) =
a0 + a1 s + . . . + an−1 sn−1 + sn
Abbildung 6.7: Die Berechnung der Antwort eines Tiefpasses auf ein Signal (s − s01 )(s − s02 ) . . . (s − s0m )
= K .
mit Hilfe der Übertragungsfunktion (s − s1 )(s − s2 ) . . . (s − sn )
Beispiel:
1 6.5.6 Lineare Systeme
H(ω) = , n = 1, 2, 3, . . .
ωn
Dann gilt: Wenn für eine Übertragungsfunktion H eines Systems gilt,
1
log H(ω) = log = − log ω n = −n · log ω
ωn
Das ist offensichtlich eine lineare Beziegung zwischen dem Logarithmus von g1 (t) = H[s1 (t)]
H(ω) und dem Logarithmus von ω. In einer Grafik, bei der H(ω) und ω ∧ g2 (t) = H[s2 (t)]
doppelt logarithmisch aufgetragen werden, erscheint diese Funktion also als ⇒ a1 g1 (t) + a2 g2 (t) = H[a1 s1 (t) + a2 s2 (t)],
Gerade.
Wenn für eine Übertragungsfunktion H eines Systems gilt, Für kausale Systeme gilt:
Wenn
g(t) = H[s(t)] s(t) = 0 für t < 0,
Lineare zeitinvariante Systeme Ein stabiles System antwortet auf eine endliche Anregung stets mit einer end-
lichen Ausgangsfunktion.
Für lineare zeitinvariante Systeme (kurz: LTI) gilt,
In-
Hintereinanderschaltung von LTI-Systemen stabiles
t t
System
Die Übertragungsfunktion von zwei linearen, zeitinvarianten hintereinander-
geschalteten Systemen kann durch die Multiplikation der einzelnen Übertra-
gungsfunktionen zweier Systeme berechnet werden.
h(t)
Man kann zeigen, daß für ein stabiles System der Realteil sämtlicher Po- δ(t)
u(t) y(t)
le negativ sein muß (alle Pole liegen in der linken p-Halbebene). An den DGL
Lösungen der Differentialgleichung erkennt man die Stabilität in den abklin- t t
genden e-Funktionen, d.h. dass der Realteil des Exponenten einer e-Funktion
der Lösung einer homogenen DGL bei stabilen Systemen negativ oder 0 sein 1(s) H(s)
muss. U(s) Y(s)
H(s)
f f
BIBO-Stabilität
Abbildung 6.8: Die Antwort eines Systems auf einen Dirac-Impuls sowie der
BIBO-Stabilität steht für bounded input / bounded output Stabilität. Zusammenhang mit der Übertragungsfunktion
Ein System ist BIBO-stabil wenn für amplituden-beschränktes Eingangssi-
gnal
−Bin ≤ s(t) ≤ Bin Der Dirac-Impuls ist das 1-Element des sogennanten Faltungsintegrals:
auch die Antwort des Systems amplituden-beschränkt ist Z
f (x) = f (t)δ (x − t)dt (6.21)
−Bout ≤ H(s(t)) ≤ Bout .
Impulsantwort
6.5.7 Impulsantwort
Die Antwort eines Systems auf einen Dirac-Impuls ist die sogenannte Im-
Dirac -Impuls pulsantwort des Systems (siehe Bild 6.8). Sie läßt sich in der Praxis nicht
experimentell bestimmen.
Der Dirac-Impuls δ (x) ist keine Funktion, sondern eine sogenannte Distri- Ein LTI-System ist eindeutig über seine Impulsantwort definiert:
bution. Er ist nicht durch die Angabe von Funktionswerten definiert, sondern
durch eine Integralgleichung: h(y) = H(δ (x)) (6.22)
Z +∞ Jedes Signal kann durch eine Faltung mit dem Dirac Impuls dargestellt wer-
s(t) · δ (t − T ) dt = s(t)|t=T = s(T ) (6.19) den
t=−∞
Z
Für den Dirac-Impuls gilt: f (x) = f (t)δ (x − t)dt (6.23)
Z
δ (x) dx = 1 (6.20) Hieraus folgt
Z
H( f (x)) = f (t)H(δ (x − t))dt (6.24)
Kapitel 7
In diesem Kapitel werden wir die Diode kennenlernen und zunächst im fol-
genden Abschnitt deren Eigenschaften beschreiben. Wenn wir jedoch wis- I Man verlangt also eine Kennli-
1 nie, die so aussieht: die ideale
sen wollen, wie die Diode (und später der Transistor) tatsächlich funktio-
niert, führt kein Weg an der Physik der Halbleiter vorbei (Abschnitt 7.3). Diode sperrt für U < 0 und lei-
Wir werden in Abschnitt 7.4 lernen, daß man Halbleiter dotieren kann und tet perfekt für U ≥ 0.
mit derartig dotierten Halbleitern eine Anordnung aufbauen kann, die genau (Zählpfeile wie in der nachfol-
die Eigenschaften hat, die wir von der Diode verlangen (Abschnitt 7.5). genden Zeichnung)
U
2
7.1 Die Diode
Die Diode ist ein einfaches nichtlineares Bauelement, das von sehr großer
technischer Bedeutung ist. Wir wollen uns zunächst nicht darum kümmern,
wie die Diode funktioniert, sondern zuerst die Eigenschaften dieses neuen
I Die (ideale) Diode wird durch ein Dreieck
Bauteils aus der Sicht „von außen“ kennenlernen.
und einen Strich gekennzeichnet.
Wenn man sich das Dreieck als Spitze ei-
Anode
nes Pfeils vorstellt, dann hat man die Rich-
7.1.1 Die ideale Diode U tung, in der die Diode leitet.
Von einer ideale Diode wollen wir verlangen, daß sie bei einer Polung sperrt Kathode
und leitet, wenn sie in der entgegengesetzten Richtung gepolt wird.
Für beide Fälle (leitend und sperrend) kann man auch das jeweilige Ersatz- durch eine Ursprungsgerade (Gerade durch den Nullpunkt) sehr schlecht be-
schaltbild angeben: schrieben wird. Deshalb definieren wir die sogenannte Knickspannung UK
und lassen die Gerade erst dort abknicken.
I I
U ≥0 1
RD
1
U RD
Bei negativen Spannungen bietet die Diode UK U
2 I=0
ein unüberwindliches Hindernis – es fließt
folglich auch kein Strom (I = 0). UK 2
U <0
Genau wie bei der idealen und realen Quelle ist die ideale Diode auch wieder
nur eine Modellvorstellung; so ist z. B. die senkrecht ansteigende Kennlinie Wenn man eine ideale Diode mit einem Durchlaßwiderstand RD und einer
offensichtlich nicht allzu realistisch, denn jeder Leiter bietet irgendeinen Wi- idealen Spannungsquelle (Knickspannung UK ) in Reihe schaltet (links) erhält
derstand, und sei er noch so klein. man ein verbessertes Modell für die Diode. Die zugehörige Kennlinie ist
rechts abgebildet. (Achten Sie auf die Richtung beider Zählpfeile!)
In der rechten Hälfte des Kennlinienfeldes verläuft die Kennlinie nicht mehr
senkrecht, sondern wird durch eine schräge Gerade beschrieben. Die Stei-
gung der Geraden ist umgekehrt proportional zum sogenannten Durchlaß- Betrachten wir auch hier die beiden Fälle (leitend/sperrend) mit ihren Ersatz-
widerstand RD . Außerdem zeigt sich, daß die wirklich gemessene Kennlinie schaltbildern:
Ersatzschaltbild für den Fall „leitend“ 7.1.3 Die „ganz reale“ Diode
Temperaturspannung: UT = kT /e
7.2.1 Energieniveaus in Atomen, Molekülen und Kristallen
Mit B OLTZMANN-Konstante k = 1, 38 · 10−23 Ws/K
und absoluter Tempera-
tur in K (Kelvin; Celsius minus absoluter Nullpunkt; 0 K = −273,15◦ C) und In Festkörpern findet ein Ladungstransport (d. h. Strom) durch Wanderung
Elementarladung e = 1, 602 · 10−19 A s. von Elektronen statt. Dabei ist zu berücksichtigen, daß Elektronen in einem
Atom, Molekül oder Kristallgitter nur bestimmte Energien annehmen kön- Kristallgitter aus vielen einzelnen Atomen entstehen einzelne Bereiche mit
nen: Ein Elektron kann also nur dann zu einem benachbarten Atom „her- sehr vielen dichten Niveaus, die von breiten nicht erlaubten Zonen getrennt
überspringen“ wenn dort auf dem gleichen Energieniveau ein erlaubter und werden.
noch freier Platz ist.
Durch die schon angesprochene thermische Energie verhalten sich die Berei-
In der Praxis muß man die Forderung nach absoluter Gleichheit der Ener- che dichter Linien quasi-kontinuierlich. Man bezeichnet sie daher als Bän-
gieniveaus etwas relativieren. Solange sich der Stoff nicht auf 0 Grad Kelvin der.
(absoluter Temperaturnullpunkt, −273.15 ◦C) befindet, steckt in dem Stoff
Wärmeenergie; dies kann man sich so vorstellen, daß die Elektronen mehr
oder weniger stark „herumzappeln“.
Durch diese zusätzliche Energie können kleine Unterschiede in den Ener-
gieniveaus kompensiert werden. Je größer die Temperatur, desto größer die
möglichen Sprünge zwischen verschiedenen Niveaus.
Schauen wir uns die Energieniveaus unterschiedlicher Strukturen einmal in
einer schematischen Darstellung an:
W
eV
diskrete
Energieniveaus
Im Einzelatom gibt es nur ein paar diskrete Niveaus. Im Molekül spalten sich
diese durch Wechselwirkungen zwischen einzelnen Elektronen auf und im
Fassen wir zusammen: im Kristallgitter gibt es Energiebereiche, sogenannte Wenn es nun wahrscheinlich ist, daß sich ein nennenswerter Anteil der Elek-
Bänder, in denen sich Elektronen befinden können, und solche Bereiche, die tronen im Leitungsband befindet, dann können diese Elektronen dort frei her-
nicht angenommen werden können („verbotene Bänder“). umwandern. Auch die freien Plätze („Löcher“) im Valenzband können sich
verschieben. Es entstehen also freie Ladungsträger; der Stoff leitet.
Damit können wir das unterschiedliche Verhalten von Leitern (z. B. Metal-
len), Halbleitern und Isolatoren erklären. Das oberste, mit Elektronen gefüll- Nun kann man schon fast raten, wodurch sich Leiter und Isolator unterschei-
te Band heißt Valenzband. Bei den meisten Stoffen ist es ganz mit Elektronen den: beim Isolator sind Valenz- und Leitungsband so weit auseinander, daß
gefüllt. Dies hängt damit zusammen, daß Stoffe bei chemischen Bindungen keine Elektronen ins Leitungsband springen können (benötigte thermische
die Edelgaskonfiguration anstreben, d. h. eine Schale im Schalenmodell für Anregung in der Größenordnung von 1000◦C). Beim Leiter überlappen sich
das Atom ist voll besetzt. Valenz und Leitungsband, so daß die Elektronen perfekt zur Leitung beitra-
Wenn ein Stoff nun leiten soll, dann kann das nicht nur im Valenzband ge- gen können.
schehen. Dieses ist voll besetzt: es gibt keine freien Plätze, in die Elektronen
hereinwandern können. Leitung kann nur unter Einbeziehung des nächsthö-
heren Bandes geschehen. Dieses Band heißt daher Leitungsband.
Durch thermische Anregung kann ein Elektron aus dem (vollen) Valenzband
in das (leere) Leitungsband gehoben werden; dies nennt man Generation.
Unter Abgabe der zusätzlichen Energie kann es auch wieder herunterfallen,
was man Rekombination nennt.
Leitungsband
Rekombination
verbotenes Band
Generation
Valenzband
diesen Stoffen gibt es einen verbotenen Bereich zwischen Valenz- und Lei- Symbol:
Ordnungszahl:
Sc
21
Ti
22
V
23
4
KLMN
tungsband, aber dieser ist längst nicht so breit wie bei Isolatoren. Außerdem Element:
Symbol:
Gallium
Ga
Germanium
Ge
Arsen
As 4
kann man durch einen Trick dafür sorgen, daß deutlich mehr Ladungsträger Ordnungszahl: 31 32 33 KLMN
Element: Yttrium Zirkonium Niob
zur Verfügung stehen, doch dazu später. Symbol: Y Zr Nb 5
Ordnungszahl: 39 40 41 KLMNO
Element: Indium Zinn Antimon
Symbol: In Sn Sb 5
Ordnungszahl: 49 50 51 KLMNO
Halbleiter sind kristalline Substanzen, die bei niedrigen Temperaturen (un-
terhalb von 0◦C) isolierend wirken, jedoch bereits bei Zimmertemperatur ei- Die Elemente der Gruppe IVb sind Halbleiter.
ne merkliche Leitfähigkeit zeigen. Die charakteristischen Eigenschaften der
Halbleiter beruhen darauf, daß Elektronen erst durch thermische oder Strah-
lungsenergie in das Leitungsband gehoben werden müssen. Zimmertempe- • Germanium (Ge)
ratur reicht dabei für eine merkliche, wenn auch im Vergleich zu Metallen
eher schlechte, Leitfähigkeit. • Silizium (Si)
• Gallium-Arsenid (GaAs)
Das Periodensystem der Elemente gliedert sich in Perioden (Zeilen) und
Gruppen (Spalten). – ist im Gegensatz zu Ge und Si ein direkter Halbleiter
– weist hohe Ladungsträgerbeweglichkeit auf
In den Gruppen sind Elemente mit gleichen chemischen Eigenschaften zu- – eignet sich deshalb besonders gut für „schnelle“ Bauelemente.
sammengefaßt, wobei die Atommasse in jeder Gruppe von oben nach unten
zunimmt. • Indium-Phosphid (InP)
Si
Si Si
Silizium hat vier Valenzelektronen; die vier Atome, die sich mit einem Sili-
ziumatom binden, bilden daher einen Tetraeder1 . Das linke Bild zeigt einen 7.3.3 Die Leitfähigkeit von Halbleitern und Löcherleitung
Tetraeder mit Zentralatom in der Mitte und vier gebundenen Atomen (das
Zentralatom ist zur Kennzeichnung heller dargestellt; dennoch handelt es
sich natürlich um fünf gleichartige Atome in der Zeichnung). Im rechten
Bild ist die daraus resultierende Gitterstruktur dargestellt. Von besonderem Interesse ist für uns im folgenden die Leitfähigkeit von
Halbleiter-Material. Wir wissen bereits, daß Leitfähigkeit durch Anhebung
von Elektronen in das Leitungsband geschieht, doch wollen wir uns jetzt im
Detail mit dem Mechanismus des Ladungstransports (Elektronen- und Lö-
1 Körper mit vier gleichseitigen Dreiecken als Außenßächen cherleitung) beschäftigen.
Leitungsband
Rekombination
verbotenes Band
Generation
Valenzband
Durch Wegnahme zweier Elektronen entstehen Löcher.
Charakteristische Werte
Ge Si GaAs
Bandlücke 0,66 1.12 1.4 eV
Eigenleitungsdichte 2, 5 · 1013 1, 5 · 1010 9, 2 · 106 cm−3
Elektronenbeweglichkeit 3900 1350 8800 cm2 /Vs
Nun hat ein weiterer Schritt stattgefunden; die Löcher befinden sich schon Löcherbeweglichkeit 1900 480 450 cm2 / Vs
fast am Ende der Halbleiterstrecke. Zu den Einheiten:
Beim reinen Halbleiter ist die Dichte der „freien“ Ladungsträger, also der- κ = e·η ·µ e = Elementarladung
jenigen Ladungsträger, die für die Stromleitung zur Verfügung stehen, stark η = Elektronenkonzentration
von der Temperatur abhängig und nimmt mit steigender Temperatur stark zu. µ = Elektronenbeweglichkeit
Man spricht hier von dem Vorgang der Eigenleitung und der Eigenleitungs-
dichte ni .
Diese Eigenleitungsdichte wird durch Zufuhr von thermischer Energie oder Driftgeschwindigkeit
µ=
Strahlungsenergie erhöht. elektrische Feldstärke
Valenzband
Si Si
7.4 Dotierte Halbleiter des Halbleiters
Bei einem solchen p-Halbleiter sind die Elektronen Minoritätsträger und die 7.5.1 pn-Übergang in einem Halbleiterkristall
Löcher Majoritätsträger.
Vor der Zusammenfügung:
Leitungsband
Si Si des Halbleiters
p-Zone n-Zone
3 ∆W
Valenzband
des Donators
e
Valenzband ρ(x)
Si Si
des Halbleiters
Eine Dotierung mit 3-wertigen Elementen führt zur Bildung eines Akzeptor-
Valenzbandes, das in der Nähe des Halbleiter-Valenzbandes liegt.
7.5 Der pn-Übergang Nach dem Zusammenfügen diffundieren die frei beweglichen Ladungsträger
über die Grenzschicht hinweg.
n-Halbleiter und p-Halbleiter sind für sich genommen noch relativ uninter-
essant. Technisch nutzbar ist jedoch der Fall, daß eine p-dotierte Zone und
eine n-dotierte Zone aneinandergrenzen.
p-Zone n-Zone
Werden p-Zone und n-Zone aneinandergefügt, so geschieht folgendes:
1. Aus der p-Zone wandern Löcher in die n-Zone; die n-Zone lädt sich ρ(x)
positiv auf.
2. Aus der n-Zone wandern Elektronen in die p-Zone; in der p-Zone bildet x
sich eine negative Raumladung aus.
Gleichgewichtszustand
Diese Ladungsverteilung bewirkt ein Feld, das dem Diffusionsstrom entge- Feldstärke aufgrund der Raumladung
genwirkt; dadurch kommt der Diffusionsstrom zum Erliegen. Feldstrom und
Diffusionsstrom kompensieren sich im Gleichgewichtszustand. Im Über- Aufgrund der Raumladung ρ(x) ergibt sich dann für die Feldstärke:
gangsgebiet stellt sich eine Verarmung an beweglichen Ladungsträgern ein Z x
dx
→ diese Zone verliert an Leitfähigkeit. E= ρ(x)
0 ε
In der linken Hälfte war ρ eine negative Konstante; folglich ist E eine fallen- φ(x)
de Gerade. In der rechte Hälfte war ρ eine positive Konstante; folglich ist E
eine steigende Gerade.
E(x)
x
xp xn
x
xp xn
Em
Man sieht, daß sich zwischen der p- und der n-Zone ein Potentialunterschied
ausbildet; dies ist die vorher schon erwähnte Diffusionsspannung UD , die hier
jetzt auch hergeleitet wurde.
Potentialverlauf und Diffusionsspannung
(S CHOTTKYsche Parabelnäherung)
7.5.3 Anlegen einer äußeren Spannung unterschiedlicher Pola-
Das Potential ergibt sich durch Integration über die Feldstärke rität an einen pn-Übergang
Z
φ =− E(x)dx
Interessant wird der pn-Übergang in besonderem Maße, wenn man von au-
Die Feldstärke E war eine fallende (bzw. steigende) Gerade; folglich ist das ßen Spannungen anlegt.
Potential eine nach oben (bzw. unten) geöffnete Parabel. Die Integrations-
konstante (der Nullpunkt der Potentialskala) wird so gewählt, daß ρ(0) = 0 Je nach der Richtung (Polarität) der Spannung ergibt sich ein unterschiedli-
gilt. ches Verhalten des pn-Übergangs.
Durchlaß-Richtung Sperr-Richtung
+U −U
p n p n
UD UD
φ(x) φ(x)
UD′ U
xp x xp x
xn xn
U UD
UD′
UD
UD′ = UD +U UD′ = UD +U
Der Potentialunterschied wird durch die äußere Spannung vermindert. Der Potentialunterschied wird durch die äußere Spannung verstärkt.
7.5.4 Schematische Darstellung der Betriebszustände eines pn- pn-Übergang in Durchlaßrichtung (U > 0)
Überganges
Wir betrachten nun noch einmal den pn-Übergang im Detail, und zwar für U > 0 (Durchlaßrichtung, p-Zone positiver als n-Zone)
die Fälle
• stromloser Zustand
• Spannung in Durchlaßrichtung
• Spannung in Sperr-Richtung
+ −
pn-Übergang im stromlosen Zustand (U = 0)
Driftstrom Driftstrom
Majoritäts- Minoritäts- Es entsteht ein konstanter Strom der jeweiligen Majoritätsträger in die andere
träger träger Zone; dieser Strom wird dadurch aufrecht erhalten, daß die äußere Spannung
immer neue Elektronen an der negativen Seite nachliefert bzw. die dort an-
kommenden Löcher auffüllt. Der Übergang leitet.
p-Zone xp x0 xn n-Zone
− +
p-Zone xp x0 xn n-Zone
Wir haben gesehen, daß der pn-Übergang genau die Eigenschaften erfüllt,
die wir von der Diode verlangt haben. Tatsächlich ist es so, daß die Halblei-
terdiode nichts anderes ist als ein pn-Übergang.
Die Halbleiterdiode ist nicht die einzige Realisierung einer Diode (es gibt
noch die Röhrendiode), aber es ist die wichtigste Bauform und die hier er-
lernten Prinzipien an einem pn-Übergang lassen sich auch auf komplizierte
Anordnungen wie einen npn- oder pnp-Übergang übertragen, was weitere
technisch wichtige Bauelemente (hier den Bipolartransistor) ermöglicht.
Kapitel 8
Der Bipolar-Transistor
I1
Beispiele für gesteuerte Quellen:
U2 = −RS I1
• Elektronenröhre
• Transistor
• Operationsverstärker
I2 = SU1
U1 U2 = −µU1
U1
Stromgesteuerte Stromquelle
pnp-Transistor; die Anschlüsse heißen Basis (B),
C Kollektor (C) bzw. Emitter (E)
I1 I2 = βI1 B
UCE
npn-Transistor; die Anschlüsse heißen Basis (B), IC
C AI IC∗ IE∗
C Kollektor (C) bzw. Emitter (E) IB B
B UBE
E UCE
UBE IE
E IE
Betriebsart aktiv-invers
IC
IE∗ 6> 0 , IC∗ > 0
IC∗ UBE < 0 , UCE < UBE
8.3.1 Die 4 Betriebsarten IB
UCE Basis/Emitter-Diode gesperrt
Basis/Kollektor-Diode leitend
UBE
Je nach Betriebsweise (leitend oder gesperrt) der Basis/Emitter- und der
AI IC∗ UCB = 0 , IE∗ = 0
Basis/Kollektor-Diode können vier Betriebsarten unterschieden werden:
IC = −IC∗ = −IB − AI IC∗
1
IC = − · IB
1 − AI
Betriebsart aktiv-normal
Betriebsart gesperrt
AN IE∗ = IC IC
IE∗ > 0 , IC∗ 6> 0 IE∗ 6> 0 , IC∗ 6> 0
UBE 6< 0 , UCE > UBE =0 , =0
IB IB
UCE Basis/Emitter-Diode leitend UBE < 0 , UCE > UBE
UBE = 0 IE∗ Basis/Kollektor-Diode gesperrt UCE
UBE Beide Dioden gesperrt
UBE = 0 , IC∗ =0
IB = 0 , IC = 0
IC = AN IE∗ = (IB + IC )AN
Kennlinie: Negative UBE -Achse
AN
IC = · IB = B · IB im Eingangskennlinienfeld,
1 − AN UCE -Achse im Ausgangs-
mit Stromverstärkung B kennlinienfeld.
IC
IE∗ > 0 , IC∗ > 0
UBE 6< 0 , UCE < UBE
IB
=0 , =0
2 1. aktiv-
Das Verhalten von Strömen und Spannungen an den Klemmen des Transi- IB
normal
stors kann durch Kennlinien beschrieben werden.
2. aktiv-
Beispiel: invers
4
UCE = −3 V −2 V −1 V 0V 3. gesperrt
1 4. Sättigung
• IB als Funktion von UBE ,
aufgetragen für verschiedene Werte des Parameters UCE .
−3 −2 −1 0 UBE /V
Auch für die Basisschaltung können je nach Betriebsweise (leitend oder ge-
IC /mA 1. aktiv- sperrt) der Basis/Emitter- und der Basis/Kollektor-Diode wieder vier Be-
IB = 3 mA
3B normal triebsarten unterschieden werden:
2 mA 2. aktiv-
2B invers Betriebsart aktiv-normal (npn, Basisschaltung)
1
4 1 mA 3. gesperrt
B
IE∗ > 0, IC∗ 6> 0
4. Sättigung
0 mA 0 mA UEB 6> 0 =⇒ UEB = 0, UCB > 0
1 mA UCE
−1/(1 − A1 )
2 2 mA 3
−2/(1 − A1 ) Basis/Emitter-Diode leitend
IB = 3 mA IE = −IE∗ −AN IE
−3/(1 − A1 ) Basis/Kollektor-Diode
gesperrt
IC = AN IE∗ = −AN IE
8.4 Basisschaltung (npn-Transistor)
Betriebsart aktiv-invers (npn, Basisschaltung)
Bei der Basisschaltung bildet die Basis den Anschluß, der sowohl im Ein-
gangskreis als auch im Ausgangskreis vertreten ist.
IE∗ 6> 0 =⇒ IE∗ = 0, IC∗ > 0
UEB > 0, UCB 6> 0, =⇒ UCB = 0
IE IC AI IC∗ AN IE∗
E C
IE IE∗ IC∗ IC
UEB B UCB −AI IC IC Basis/Emitter-Diode gesperrt
UEB IB UCB
IB IE Basis/Kollektor-Diode leitend
−1
IC = IE
AI
Betriebsart gesperrt (npn, Basisschaltung) 8.4.2 Kennlinienfelder der Basisschaltung für die verschiedenen
Betriebsarten
IE IC
IE∗ 6> 0 , IC∗ 6> 0
=0 , =0
UEB > 0 , UCB > 0
IE /mA 1. aktiv-
IC = 3 mA
Betriebsart Sättigung (npn, Basisschaltung) 3AI normal
2 mA 2. aktiv-
2AI invers
IE IC 4 2
IE∗ > 0 , IC∗ > 0 1 mA 3. gesperrt
AI
UEB 6> 0 , UCB 6> 0 4. Sättigung
=0 , =0 0 mA
Beide Dioden leitend UEB
1 3
Kennlinie: Positive IE -Achse im Eingangs-Kennlinienfeld
Positive IC -Achse im Ausgangs-Kennlinienfeld
Kollektor/Basis (Ausgangs)-Kennlinienfeld IE
E
IB B
C UEC
IC /mA 1. aktiv- UBC
IE = 3 mA
3AN normal IC
2 mA 2. aktiv-
2AN invers
1
4 1 mA 3. gesperrt
AN
4. Sättigung
0 mA
0 mA UCB
1 mA −1/A1
2
2 mA −2/A1 3
IB = 3 mA −3/A1
8.5 Kollektorschaltung (npn-Transistor) Die Analyse verläuft entsprechend und liefert Ergebnisse, die bereits bei der
Emitterschaltung hergeleitet wurden.
Im Grundsatz gilt das Ersatzschaltbild der Emitterschaltung (aber mit ver- Insbesondere entspricht der aktiv-inverse Betrieb der Emitterschaltung dem
tauschten Stromquellen). aktiv-normalen Betrieb der Kollektorschaltung und umgekehrt.
IC
IC Die Analyse des pnp-Transistors erfolgt
analog zur Analyse des npn-Transistors. IC∗
AN IE∗ IC∗ Beispielsweise gilt für die Emitterschal-
tung das nebenstehende Ersatzschaltbild. AN IE∗
UKC
IB RDC
UCE
IB
AI IC∗ IE∗
UCE
UBE
IE
RDE
UKE
AI IC∗
8.7 Ersatzschaltbild des realen Bipolar-Transistors
IE∗
• den Durchlaßwiderstand RD
8.7.2 Ersatzschaltung für die Betriebsart AKTIV-NORMAL
• und eine Spannungsquelle zur Berücksichtigung der Knickspan-
nung UK . UBE > UKE (Basis/Emitter-Diode leitend)
RDE
Knotengleichung: > IC · für UKE = UKC
IC AN
UKE
IE∗
Ausgangs-Kennlinienfeld des realen npn-Transistors 8.7.4 Ersatzschaltung für die Betriebsart AKTIV-NORMAL
AN /RDE 1. aktiv-
IE IC = AN IE∗ = −AN IE
IC /mA normal
ID = 3 mA RDE
3B 3. gesperrt UEB UKE IB UCB
4 4. Sättigung
2 mA
2B
1
1 mA
B
UEB < −UKE (Basis/Emitter-Diode leitend)
0 mA IC = −AN IE Ausgangs-Kennlinie
UK = UCE UCE
Maschengleichung:
3
UBE +UKE = IE RDE
AI IC∗ AN IE∗
RDE RDC
UEB UKE IB UKC UCB
Damit der AKTIV-NORMALE Betrieb eingehalten werden kann
(Basis/Kollektor-Diode gesperrt) muß die folgende Bedingung gelten:
Eingangs-Kennlinienfeld Ausgangs-Kennlinienfeld
(realer npn-Transistor, Basisschaltung) (realer npn-Transistor, Basisschaltung)
IC /mA 1. aktiv-
IE = −3 mA normal
IE 1. aktiv-normal 3AN
4 3. gesperrt
3. gesperrt
−2 mA
4. Sättigung
4. Sättigung 2AN
3 1
−1 mA
−UKE
AN
1/RDE UEB
0 mA
1 −UKC UCB
4 3
8.8 Bilanz der im Transistor auftretenden Ströme 8.8.2 npn-Transistor, Basisschaltung, aktiv-normal
E C
n p n
C IeB
IeC
n IeB
B
p
n Elektronenstrom
E
IeE
Elektronenstrom
Kapitel 9
Feldeffekt-Transistoren (manchmal auch Unipolartransistoren genannt) sind 9.1 Der Sperrschicht-Feldeffekttransistor (FET)
Transistoren, in denen die Leitfähigkeit eines halbleitenden Kanals durch ein
elektrisches Feld, das auf den Kanal wirkt, verändert werden kann. 9.1.1 Aufbau des N-Kanal-Sperrschicht-FETs
UDS
Wie der Bipolartransistor hat auch der Feldeffekt-Transistor (FET) drei An- + −
schlüsse – diese werden jedoch mit Source S (Quelle), Drain D (Senke, Ab-
fluß) und Gate G (Tor) bezeichnet. S und D sind die beiden Enden des Ka- UGS
nals; G ist eine Steuerelektrode, die die Leitfähigkeit des Kanals reguliert. + − Gate
ID
IG
Es gibt zwei Arten von FETs:
Source Drain
p-Zone
n-Kanal
p-Substrat
• Sperrschicht-Feldeffekt-Transistoren
ID
9.1.2 Steuerung der Sperrschicht-Breite Wider- UGS /V = 0
stands-
bereich
UDS UDS Abschnürbereich
+ − + − −1
−2
UGS UGS
+ − + − −3
ID ID −4
IG IG
UDS
p-Zone p-Zone
D
9.1.3 Übertragungsverhalten des FET
UGS R ∼ (UGS +UP )
Für kleine Spannungen UDS verhält sich der FET wie ein steuerbarer Wider-
stand.
S
Für höhere Spannungen UDS wird der Kanal unsymmetrisch wegen des Po-
tentialgefälles entlang des Kanals, und es tritt nahe des Drain-Anschlusses
eine Abschnürung des Kanals auf; ID geht dann in die Sättigung (Verhalten Up bezeichnet die sogenannte pinch-off-Spannung, die wir in
wie gesteuerte Stromquelle). Abschnitt 9.2.1 behandeln werden.
Abschnürbereich besteht in der Regel aus Siliziumoxid; einen solchen FET nennt man auch
MOS-FET. MOS steht dabei für Metall-Oxid-Semiconductor.
Beispiel: (p-Halbleiter)
ID Im Abschnürbereich wirkt der FET als
gesteuerte Stromquelle. UGB
Steuergröße: UGS
G B
Up bezeichnet die sogenannte Si O2 p-Si
pinch-off-Spannung, die wir in
Abschnitt 9.2.1 behandeln werden.
di
UGS Raumladungszone
−UP
U GB < 0 Genauso wäre eine Anordnung denkbar, bei der schon eine dünne Ladungs-
trägerschicht als Verbindung zwischen Source und Drain besteht, die man
- +
G - + B durch gegenteilige Influenzladung sperrend machen kann; dies ergibt MOS-
- +
Si O 2 FETs des Verarmungstyps.
- + p-Si
- +
- +
di Gruppen von MOS-FETs
U GB > UTh Die Spannung UT h wird Schwellspannung oder Threshold-Voltage oder auch
- pinch-off-Spannung genannt.
+
G + - B
+ Si O - p-Si
2
+ - Schaltzeichen des MOS-FETs:
+ -
+ -
di Raumladungszone
D
n-Ladungsträger
(inverse Zone) G B
S
Wenn wir uns oben und unten in der Zeichnung je einen n-dotierten Anschluß
vorstellen, so würde durch die angelegte Spannung eine leitende Verbindung
- ein Kanal - entstehen, während ohne Spannung die Anordnung nichtleitend Auf der rechten Seite gibt es einen weiteren Anschluß: das B bedeutet Bulk
war. Dies ist das Grundprinzip eines MOS-FETs vom Anreicherungstyp. und steht für einen Anschluß an das Substrat.
ID
U GS Al
S BD
− + 9.3 Ausführungsformen, Schaltzeichen und Über-
Si O 2 tragungskennlinien von Feldeffekt-Transistoren
n-Zone
G (FETs)
S D n-Zone
9.3.1 Sperrschicht-FETs
p-Substrat
B Sperrschicht-FETs unterscheiden sich nur nach dem Kanal. Oben wurde
n-Kanal
der n-Kanal-Sperrschicht-FET beschrieben, aber es ist natürlich auch ein p-
Kanal-Sperrschicht-FET möglich, bei dem die Halbleiterzonen gegenteilig
dotiert sind.
9.2.3 Steuerung der Leitfähigkeit des Kanals Die Übertragungskennlinie unterscheidet sich entsprechend.
Durch Influenz werden gegenüber dem positiv gespannten Gate negative La- Die Sperrschicht-FETs sind selbstleitend, d. h. ohne äußere Beschaltung lei-
dungsträger angesammelt, die den Kanal (n-Kanal) bilden. Die Leitfähigkeit ten sie und erst durch Beeinflussung der Gate-Source-Spannung läßt sich das
des Kanals wird durch die Spannung UGS beeinflußt. Ausmaß steuern, in dem sie zunehmend mehr sperren.
S G D S G D
p-Kanal n-Kanal
n-Zone p-Zone Al Al
S G D S G D
p-Kanal n-Kanal Si O2 Si O2
p-Zone n-Zone
n-Substrat p-Substrat p-Zone n-Zone
−ID ID
G G n-Substrat p-Substrat
−ID ID
G G
S D S D
UGS UGS
S D S D
UGS UGS
9.3.2 Isolierschicht-FETs
p-Kanal
Al Al
Al Al S G D S G D
S G D S G D
p-Zone Si O2 p-Zone Si O2
p-Zone Si O2 n-Zone Si O2
n-Zone p-Zone p-Zone
p-Zone
−ID −ID
−ID ID G G
G G
S D S D
S D S D UGS UGS
UGS UGS
Man kann auch die Typen gleicher Dotierung einander gegenüberstellen (die
nächsten vier Bilder sind die gleichen wie zuvor, nur anders angeordnet):
p-Substrat p-Substrat
9.4.2 Herstellung eines Silizium-Planar-Transistors
ID ID
G G Hier soll das Verfahren zur Herstellung eines n-Kanal-MOS-Transistors,
selbstsperrend schematisch dargestellt werden.
S D S D
UGS UGS Schritt 1
Ein p-dotiertes Si-Plättchen wir mit einer SiO2 -Schicht überzogen. Aus ihr
wird ein rechteckiges Feld ausgeätzt.
Schritt 2 Schritt 4
Für die Herstellung der Emitterzone wird der Vorgang wiederholt: Verschlie-
Photolack ßen der Oberfläche mit einem SiO2 -Überzug, Freiätzen eines Fensters für
Poly-Si den Emitter und Eindiffundieren von Phosphor.
SiO2
p-Substrat
Poly-Si
SiO2
n+ n+
p-Substrat
Schritt 3
Durch das so entstandene Fenster läßt man Bor in das Grundplättchen eindif-
fundieren. Es entsteht eine p-dotierte Zone. Aus dem Bild ist ersichtlich, daß
die Ränder der Grenzfläche zwischen den n- und p-dotierten Zonen geschützt Schritt 5
unter der SiO2 -Schicht liegen.
Die so entstandene Emitterzone wird durch einen neuen SiO2 -Überzug wie-
der abgedeckt.
Photolack
Poly-Si S G D
SiO2 Metall
n+ n+ Poly-Si
p-Substrat SiO2
n+ n+
p-Substrat
16 Silizium-Diode BA 112
16 Germanium-Diode OA
9.5 Kenndaten von Halbleiter-Bauelementen 81
I/mA
9.5.1 Ausgewählte Kennlinienfelder
8
Wir wollen einige Kennlinien von typischen Halbleiter-Bauelementen ge-
genüberstellen. 4
0
Durchlaßkennlinie einer Silizium-Diode
-1 0 1 2
Zuerst betrachten wir einige Dioden. U/V
Parameter: Basis-
IC /mA strom IB
Silizium-Zener-Diode
0 BZX 55 C 4 ∆IB = 5µA
I/mA 2
-50 0
0 2 4 6
UCE /V
-5 -2 0 Bipolar-npn-Transistor BC 237 A
U/V
Ausgangskennlinienfeld
16 für Basisschaltung
Parameter: Basis-
IC /mA strom IB
Sperrschicht-n-Kanal Feldeffekt-Transistor BF 245 werden, sonst wird die Diode zerstört. Diese Grenzwerte sind bei jedem Di-
odentyp unterschiedlich und lassen sich im zugehörigen Datenblatt finden.
Ausgangskennlinienfeld
8 für Sourceschaltung Maximalwerte bei Transistoren
Parameter: Gate-
IC /mA Source-Spannung UGS Transistoren sind gekennzeichnet durch
9.5.2 Betriebs-Grenzwerte für Halbleiter Auch diese Werte finden sich im entsprechenden Datenblatt.
1
1
0,1
0,01
0,1 0,001
1 10 0,1 1 10 100
Kapitel 10
10.1 Transistorkenngrößen
In diesem Abschnitt beschäftigen wir uns insbesondere mit den differentiel- 10.1.2 Beschreibung des Transistors durch Kennlinien
len Kenngrößen eines Transistors, die er aufgrund einer äußeren Beschaltung
aufweist. Ausgangskennlinie
Wir betrachten dabei kleine Änderungen der Eingangsgrößen und die daraus
resultierenden (meist ebenfalls kleinen) Änderungen der Ausgangsgrößen. IDS Abschnürbereich/
Linear
Sättigung
IDS UGS
IG UDS
G B UDS G B UDS
IG
Der Gate-Strom IG
U GS IDS ist für den Gleichstromfall beim MOS-Transistor nahezu 0 und wird hier im
folgenden nicht mehr betrachtet. Deshalb ist eine Eingangskennlinie, die den
S D Gate-Strom in Abhängigkeit von UGS aufträgt nicht sinnvoll zu zeichnen.
Abschnürbereich/
Linear
Sättigung
Der Arbeitspunkt ist der „Grundzustand“, in dem sich ein beschalteter
Transistor befindet. Dieser Grundzustand wird charakterisiert durch Strö-
me und Spannungen an den Anschlüssen des Transistors (insbesondere
durch UDS und IDS ).
UDS
UGS
Der differentielle Widerstand gibt an, wie stark sich der Strom I – ausge-
hend vom Strom I0 im Arbeitspunkt – verändert, wenn sich die Spannung U
gegenüber dem Wert U0 verändert.
Differentieller Ausgangswiderstand
I U
I = IS e UT −1
IDS
differentieller Widerstand: dUDS
de f
dI 1 rDS =
I0
=
dU U0 rD
d IDS IGS =const.
de f d U
rD =
∆UDS
d I U0 rDS ≃
Arbeitspunkt UGS ∆ IDS
IDS
U UDS
U0
UDS
Steilheit gm
Der differentielle Ausgangswiderstand rDS kann näherungsweise direkt aus
Steilheit S oder auch gm : Änderung des Drain-Source-stroms IDS in Abhän-
der Ausgangskennlinie entnommen werden.
gigkeit von der Änderung der Gate-Source-Spannung UGS .
de f d IDS
gm = S =
Differentieller Ausgangswiderstand im linearen Bereich
d UGS UDS =const.
Anmerkung: Die Angabe der Steilheit ist bei Bipolartransistoren unüblich, Für Schalttransistoren spielt der differentielle Ausgangswiderstand im linea-
da es sich um stromgesteuerte Bauelemente handelt. Sie werden in der Regel ren Bereich eine große Rolle. Für den angeschalteten Fall liegt großes UGS
über eine Stromverstärkung und sehr kleines UGS vor. Dann entspricht der Ausgangswiderstand RDS un-
de f IC gefähr der Steigung der Kennlinien im Ursprung und wird durch UGS ge-
statische Stromverstärkung B =
IB steuert. Der Transistor kann unter Umständen näherungsweise durch einen
beschrieben. Widerstand mit der Größe RDS zwischen Drain und Source ersetzt werden.
Im Gegensatz dazu ist die Steilheit eine wichtige Kenngröße von Feldeffekt-
Transistoren, die man als spannungsgesteuerte Bauelemente betrachten muß.
Typische Werte für S:
1
• Kleinsignal-Transistoren: S = 0.01mS . . . 10mS, 1S = Ω
• Leistungs-Transistoren: S = 1mS . . . 1S
G gm uGS D
rDS
uGS
S
CGD
G gm uGS D
CGS rDS
uGS
S