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Freie Schwingungen
1.1 Einführung
Das Thema dieses Kapitels sind freie Schwingungen linearer Systeme mit einem Freiheitsgrad.
• Ungedämpfte freie Schwingung
• Gedämpfte freie Schwingung
– Unterkritische Dämpfung
– Kritische Dämpfung
– Überkritische Dämpfung
Die nächsten beiden Kapitel werden erzwungene Schwingungen behandeln; Kapitel 4 wird auf nicht-
lineare Systeme eingehen.
Gegeben sei das in Abbildung 1.1 dargestellte System, bestehend aus einer Masse, einer Feder
und einem Dämpfungsglied. Wird die Masse um die von der Zeit t abhängige Größe x = x(t)
aus der Ruhelage ausgelenkt, treten mehrere zeitabhängige Kräfte auf: die Federkraft cx(t), die
1
2 KAPITEL 1. FREIE SCHWINGUNGEN
Dämpfungskraft bẋ(t), und die Trägheitskraft mẍ(t). Dabei bezeichnet m die Masse, b die
Dämpfungskonstante und c die Federkonstante.
Wir haben für Feder- und Dämpfungskraft lineare Ansätze verwendet: erstens, weil nur so die Glei-
chungen leicht lösbar sind, und zweitens, weil diese Annahmen vernünftig und berechtigt sind. Das
Hookesche Gesetz besagt „Federkraft proportional Auslenkung“, also F = cx. Die geschwindig-
keitsproportionale Dämpfung heißt auch viskose Dämpfung; ein typisches Beispiel, wo sie auftritt,
ist ein einfacher hydraulischen Stoßdämpfer. Andere Ansätze für den Dämfungsterm wären beispiels-
weise Coulombsche Reibung (konstanter Betrag) oder turbulenter Strömungswiderstand (proportional
v 2 ).
Diese Kräfte wirken gegen die Bewegungsrichtung. Für eine in der Bewegungsrichtung wirkende auf-
geprägte Kraft (auch: Erergerkraft) p = p(t) erhalten wir daher folgendes Kräftegleichgewicht
(Newtonsches Gesetz):
mẍ(t) + bẋ(t) + cx(t) = p(t)
Wenn aus dem Zusammenhang heraus klar ist, dass Auslenkung x(t), Geschwindigkeit ẋ(t), Beschleuni-
gung ẍ(t) und aufgeprägte Kraft p(t) zeitabhängige Funktionen sind, lassen wir das Funktionsargument
der Einfachheit halber oft weg. Wir schreiben also:
Auslenkung, Weg x m
Geschwindigkeit ẋ m/s
Beschleunigung ẍ m/s2
Masse mkg
Ns
Dämpfungskoeffizient b
m
N
Federkonstante c
m
Erregerkraft p N
Eine große Zahl von Problemen kann man durch Einführung geeigneter Koordinaten und Formfaktoren
auf diese einfache Gestalt bringen. Es gilt nämlich: Kleine Auslenkungen aus der Ruhelage eines Sys-
tems gehorchen näherungsweise der Gleichung 1.1. Ein System mit der Eigenschaft „Rücktreibende
Kraft proportional Auslenkung“ heißt harmonischer Oszillator. Es ist eines der wichtigsten Model-
le der Mechanik und der Physik überhaupt. Ein Beispiel: für den Strom I(t) in einen elektrischen
Schwingkreis mit Induktivitäl L, ohmschen Widerstand R und Kapazität C in Serienschaltung gilt
¨ + RI(t)
LI(t) ˙ + 1 I(t) = p(t). Wir diskutieren die Lösungen dieser Gleichung daher ausführlich.
C
Zunächst sei p(t) ≡ 0. Man spricht in diesem Fall von freien Schwingungen. Dann hat (1.1) die
Gestalt
Lineare gewöhnliche Differentialgleichung fur eine gesuchte Funktion x hat allgemein die
Form
an (t)x(n) (t) + · · · + a2 (t)ẍ(t) + a1 (t)ẋ(t) + a0 (t)x(t) = p(t)
Bei Schwingungen von Systemen mit einem oder mehreren Freiheitsgraden treten nur lineare gewöhn-
liche Differentialgleichungen zweiter Ordnung auf, also Gleichungen der Form
Die gegebenen Funktionen a0 (t), a1 (t), . . . an (t) heißen die Koeffizienten der entsprechenden Ableitun-
gen. Die gegebene Funktion p(t) auf der rechten Seite heißt Störfunktion oder Inhomogenität.
Lineare gewöhnliche Differentialgleichung mit konstanten Koeffizienten Ein speziell einfacher und
wichtiger Fall liegt vor, wenn die Koeffizienten a0 , a1 , . . . an nicht Funktionen von t, sondern Konstante
sind.
homogene/inhomoge Gleichung Ist die Störfunktion p(t) identisch gleich Null, spricht man
von einer homogenen Gleichung, andernfalls von einer inhomogenen Gleichung.
Fundamentalsystem Ein Satz von linear unabhängigen Lösungen der homogenen Gleichung,
aus dem sich durch Linearkombination alle Lösungen bilden lassen. Mathematiker sagen: Eine Basis
des Lösungsraumes.
1.1.4 Lösungsansatz
Mit dem Ansatz x(t) = eλt (wie gesagt, seit Leonhard Euler der Standard-Ansatz bei linearen Dif-
ferentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten) ist ẋ(t) = λeλt und ẍ(t) = λ2 eλt . Einsetzen in
Gleichung (1.2) liefert
Vergleichen Sie: Diese quadratische Gleichung hat dieselben Koeffizienten wie die ursprüngliche Dif-
ferentialgleichung (1.2). Ganz allgemein führt der eλt -Ansatz jede linearen Differentialgleichung mit
konstanten Koeffizienten in eine entsprechende polynomiale Gleichung für λ über. Man nennt Glei-
chung (1.3) die charakteristische Gleichung der Differentialgeichung (1.2). Lösungen der cha-
rakteristischen Gleichung liefern λ-Werte; die entsprechenden eλt -Funktionen sind Lösungen der Dife-
rentialgleichung.
1.1. EINFÜHRUNG 5
In dieser Schreibweise lässt sich sich das Schwingungsverhalten der Lösung nicht direkt erkennen.
Deswegen führen wir weitere Größen ein.
Besser als die Werte für m, b und c geben die Kenngrößen kritische Winkelgeschwindigkeit oder
kritische Kreisfrequenz
c
r
ωk =
m
und die Abklingkonstante
b
δ=
2m
über das Schwingungsverhalten Auskunft.
Wir setzen m,c > 0 und b ≥ 0 voraus. Dann ist c
m > 0 und b
m ≥ 0. Das heißt, ωk und δ sind
wohldefiniert.
Division durch m formt Gleichung (1.2) um in
b c
ẍ + ẋ + x = 0.
m m
Mit den Definitionen für kritische Kreisfrequenz und Abklingkonstante wird daraus
ẍ + 2δ ẋ + ωk2 x = 0. (1.4)
Sie ist natürlich äquivalent zur charakteristischen Gleichung (1.3). (Aber es reicht die „kleine Lösungs-
formel“, die sich manche leichter merken. . . )
q
λ1,2 = −δ ± δ 2 − ωk2
λ1,2 = −δ ± ωk D2 − 1 . (1.6)
p
6 KAPITEL 1. FREIE SCHWINGUNGEN
Hier sehen Sie deutlich: Je nachdem, ob D ≥ 1 oder D < 1, sind die λ reell oder komplex. Dem
entsprechend verhält sich das System völlig unterschiedlich. Das besprechen wir in den nächsten Ka-
piteln!
Formelzeichen und Einheiten:
Abklingkonstante δ 1/s
kritische Kreisfrequenz ωk rad s−1
Dämpfungsgrad D 1
Die Kreisfrequenz ω ist das 2π-fache der in Hertz (Hz) gemessenen Frequenz f . Also ω = 2πf, oder
ω
f= Hz.
2π
2π = ωT.
Wie im Abschnitt 1.1.3 erläutert: Die Bewegungsgleichung der erzwungenen Schwingung (1.1) ist
inhomogen.
Die allgemeine Lösung x(t) dieser Gleichung kann als Summe der allgemeinen Lösung xh (t) der ho-
mogenen Gleichung (1.2) und einer beliebigen partikulären Lösung xp (t) der inhomogenen Gleichung
(1.1) dargestellt werden.
x(t) = xh (t) + xp (t).
Im Folgenden werden wir zuerst die allgemeine Lösung der homogenen Gleichung herleiten und dann,
ab Kapitel 2, die Lösungen der inhomogenen Gleichung für verschiedene Typen von Erregerfunktionen
p(t).
Aufgabe 1 Was ist eine Schwingung? Je nach Autor und Lehrbuch gibt es verschiedene Definitionen.
Schlagen Sie in folgenden Lehrbüchern nach (MUL Online Zugang):
Eberhard Brommundt, Delf Sachau: Schwingungslehre mit Maschinendynamik
Kurt Magnus, Karl Popp, Walter Sextro: Schwingungen
Jürgen Dankert, Helga Dankert: Technische Mechanik (Kapitel 31)
Konsultieren Sie auch Wikipedia und andere Internet-Quellen. Stellen Sie verschiedene Definitionen
zusammen und vergleichen Sie.
Aufgabe 2 x1 (t) und x2 (t) seien Lösungen der homogenen Gleichung 1.2. Man zeige, dass auch
x1 + x2 eine Lösung ist.
Aufgabe 3 x(t) sei eine Lösung von 1.2 und λ eine Konstante. Man zeige, dass auch λ · x(t) eine
Lösung ist.
1.2. UNGEDÄMPFTE FREIE SCHWINGUNG 7
Aufgabe 4 x1 (t) und x2 (t) seien Lösungen der inhomogenen Gleichung 1.1. Man zeige, dass x1 − x2
eine Lösung von 1.2 ist.
Aufgabe 5 Im System aus Abbildung 1.1 sei die wirkende Kraft die Schwerkraft. Die Differentialglei-
chung lautet also: mẍ + bẋ + cx = mg.
(a) Berechnen Sie die Lösung x(t) = x0 = const, die der Gleichgewichtslage des Systems entspricht.
(b) Zeigen Sie: Die Koordinatentransformation y = x − x0 führt auf eine homogene Gleichung.
Aufgabe 6 Begründen Sie: ein konstanter Kraftterm auf der rechten Seite der Gleichung 1.1 ver-
schwindet durch geeignete Koordinatentransformation.
mẍ + cx = 0. (1.7)
nennt man ungedämpfte freie Schwingung. Die quadratische Gleichung (1.5) hat die Gestalt
λ2 + ωk2 = 0
und λ = ±iωk . Damit hat (1.7) hat die Fundamentallösungen1 eiωk t und e−iωk t . Die allgemeine
Lösung von (1.7) ist daher
schreiben. Dabei ist zu beachten, dass ωk nur von m und c, und A und B von den Anfangsbedin-
gungen, also von den Größen x(0) und ẋ(0) abhängen. Es gilt
ẋ(0)
x(t) = sin ωk t + x(0) cos ωk t. (1.11)
ωk
Der typische Verlauf einer derartigen ungedämpften freien Schwingung ist in Abbildung 1.2 dargestellt.
Man kann x(t) auch auf die Form
1
Basis des Lösungsraumes – linear unabhängige Lösungen, aus denen sich durch Linearkombination jede mögliche
Lösung bilden lässt.
8 KAPITEL 1. FREIE SCHWINGUNGEN
x(t)
Steigung ẋ(0)
x(0) ρ
t
ϕ 2π
ωk ωk
Abbildung 1.2: Ungedämpfte freie Schwingung mit Periode T = ω2πk , Anfangswert x(0) und Anfangsge-
schwindigkeit ẋ(0). Amplitude ρ und Phasenverschiebung ϕ entsprechend Gleichung 1.12 sind ebenfalls
eingetragen.
bringen: eine Kosinus-Schwingung mit Amplitude ρ und Phasenverschiebung ϕ. Dazu geht man fol-
gendermaßen vor:2
Koeffizientenvergleich ergibt
A = ρ sin ϕ,
B = ρ cos ϕ.
ρ= A2 + B 2 ,
p
A
ϕ = arctan .
B
Man nennt ϕ den Phasenwinkel oder die Phasenverschiebung, und ρ die Amplitude. Die Zu-
sammenhänge zwischen ωk t, ρ, ϕ, A und B sind aus dem in Abbildung 1.3 dargestellten Zeigerdia-
gramm zu erkennen. Die Schwingung entspricht hier einem rotierendem Zeiger.
Aufgabe 7 Man kann x(t) = A sin ωk t + B cos ωk t auch in der Form x(t) = ρ sin(ωk t + ψ) schreiben.
Drücken Sie ρ und ψ durch A und B aus.
Aufgabe 8 Jemand möchte die allgemeine Lösung von Gleichung 1.7 in „besonders allgemeiner
Form“ x(t) = A sin(ωk t + ψ) + B cos(ωk t − ϕ) schreiben. Warum ist das keine geniale Idee?
2
Additionstheoreme der Winkelfunktionen:
sin(α ± β) = sin α cos β ± cos α sin β , cos(α ± β) = cos α cos β ∓ sin α sin β .
1.2. UNGEDÄMPFTE FREIE SCHWINGUNG 9
mẍ + cx = 0
einer Sinus- und einer Kosinusfunktion mit gleicher Frequenz ist wieder eine harmonische Funktion
und kann in der Form
ρ cos(ωt − ϕ)
√
dargestellt werden. Dabei berechnet sich ρ = A2 + B 2 nach dem Pythagoräischen Lehrsatz (siehe
Zeigerdiagramm) und ϕ = arctan(A/B).
Sind die Frequenzen verschieden, kann das Ergebnis ganz anders aussehen. Die Summe von zwei
harmonischen Funktionen mit nahe beisammen liegenden Frequenzen wird als Schwebung bezeichnet.
Beispiel 1 Der Prellbock auf einem Eisenbahnabstellgleis sei durch eine Feder und ein dazu paral-
leles, geschwindigkeitsproportionales Dämpfungsglied modelliert. Die Federkonstante sei 2 × 105 N m−1 .
Wie groß muss die Dämpfungskonstante sein, damit für einen Waggon von 25.000 kg der Dämp-
fungsgrad 1,2 ist?
10 KAPITEL 1. FREIE SCHWINGUNGEN
Lösung
b = 2δm =
= 2Dωk m =
= 2D c/m m =
p
√
= 2D c m =
√
= 2 × 1,2 25.000 × 200.000 =
= 1,7 × 105 Ns/m
Beispiel 2 Ein Abfallfass von 50 cm Durchmesser und 60 kg Eigengewicht enthalte Abfall der Dich-
te 1000 kg/m3 . Das Fass wird durch ein Stahlkabel von 30 mm Durchmesser (E = 210 × 109 N/m2 )
hochgezogen. Bei einer Seillänge von 10 m wird eine Schwingung des Fasses in senkrechter Richtung
von 40 Hz festgestellt. Welches Volumen hat der Abfall im Fass?
Hinweis Die Federkonstante c eines Kabels der Länge ` mit dem Durchmesser d und dem Elas-
tizitätsmodul E genügt der Beziehung
d2 E
c=π .
4 `
Aus der Beziehung ωk2 = c/m ergibt sich daher die Gesamtmasse zu
ma = m − mf = 234,3 kg − 60 kg = 174,3 kg
1 2m 2L
2
.
3 3 3
Der rechte Teil hat das Trägheitsmoment (1/3)(m/3)(L/3)2 , wodurch sich das Gesamtträgheitsmo-
ment des Balkens zu mL2 /9 ergibt. Das Trägheitsmoment der Masse M ist 4M L2 /9, die Federkraft
für kleine Auslenkungen ist (L/3)ϕc und das Moment dieser Kraft (L/3)2 ϕc. Daraus ergibt sich
1 4 1
mL2 + M L2 ϕ̈ + cL2 ϕ = 0
9 9 9
1.2. UNGEDÄMPFTE FREIE SCHWINGUNG 11
c
ϕ̈ + ϕ=0
m + 4M
Damit ist r
c
ωk =
m + 4M
Beispiel 4 Eine zylindrische Boje von 60 cm Durchmesser schwimme mit vertikaler Achse im
Wasser. Wird sie ein wenig niedergedrückt und ausgelassen, schwingt sie mit einer Frequenz von
2 Hz auf und ab. Die Schwingung sei ungedämpft, die Dichte vom Wasser 1 kg/dm3 , und die
Erdbeschleunigung 10 m/s.
Wie schwer ist die Boje?
Lösung In der Ruhelage der Boje ist das Gewicht des verdrängten Wassers gleich dem der Boje.
Taucht die Boje nun zusätzlich um x(t) m ein, so wirkt der Auftrieb als Rückstellkraft. Er ist das
Gewicht des zusätzlich verdrängten Wassers multipliziert mit der Erdbeschleunigung. Die Rück-
stellkraft c x(t) ist also
Daraus folgt
c = 900 π N/m
ωk = 2πf = 4π
m = c/ωk2 = 900π/(4π)2 = 17,9 kg
Aufgabe 9 In einem Feder-Masse-System bewirkt das Eigengewicht der Masse eine Dehnung d. Ge-
ben Sie eine Formel für die Schwingungsperiode in Abhängigkeit von d und der Fallbeschleunigung g
an.
Aufgabe 10 Ein 300kg-Block steht auf vier gleichartigen Federn der Steifigkeit 2,3 × 105 N/m. Man
bestimme die kritische Frequenz in Hertz.
Aufgabe 11 Gegeben seien die Anfangsbedingungen x(0) und ẋ(0) einer ungedämpften freien Schwin-
gung mit der Eigenfrequenz ωk . Leiten Sie die Beziehung
ẋ(0)
x(t) = sin ωk t + x(0)cos ωk t
ωk
her.
12 KAPITEL 1. FREIE SCHWINGUNGEN
Aufgabe 12 Man berechne die Lösung der Gleichung 1.7 für vorgegebene Anfangsbedingungen x(0)
und ẋ(0).
1. Man bestimme die Lösung in den Unbestimmten m, c, x(0), und ẋ(0).
2. Man bestimme die Lösung für m = 5 kg, c = 10N/m, x(0) = 0, und ẋ(0) = 1m/s.
3. Man skizziere das Schaubild für die ersten 10 Sekunden.
Aufgabe 13 Gegeben sei die Boje von Beispiel 4. Wie groß ist die Periode in Salzwasser mit der
Dichte 1,2 kg/dm3 ?
Gleichung (1.1) und die quadratische Gleichung (1.5) nehmen die Gestalt
mẍ + bẋ + cx = 0,
und
λ2 + 2δλ + ωk2 = 0 (1.15)
an. Die quadratische Gleichung hat dann die Lösungen
δ 2 − ωk2 .
q
λ = −δ ±
Mit dem Dämpfungsgrad
δ b
D= = √
ωk 2 cm
kann man sie in der Form
λ = −δ ± iωk 1 − D2
p
Setzen wir
ωD = ωk 1 − D2
p
so erhalten wir
λ = −δ ± i ωD .
e−δt+iωD t , e−δt−iωD t
bilden eine Basis des Lösungsraumes (ein Fundamentalsystem). Die allgemeine Lösung lautet also
x(t)
x(0)
ρ e−δt
1
e
x(0)
t
π
ωD
2 ωπD 1
δ
Abbildung 1.5: Gedämpfte freie Schwingung. Die beiden Hüllkurven verdeutlichen das exponentielle
Abklingen. Zur Zeit t = 1δ ist die Schwingung um den Faktor 1e ≈ 0,368 abgeklungen.
wobei a1 und a2 von den Anfangsbedingungen abhängige Konstante sind. Durch Umformung erhalten
wir zunächst
ẋ(0) + δx(0)
x(t) = e −δt
sin ωD t + x(0) cos ωD t .
ωD
Auch hier können wir die Lösung analog zu (8) in der Form
schreiben, wobei
2
s
ẋ(0) + δx(0)
ρ= + x(0)2 ,
ωD
ẋ(0) + δx(0)
ϕ = arctan .
ωD x(0)
lim x(t) = 0.
t→∞
Der Verlauf einer gedämpften freien Schwingung ist in Abbildung 1.5 dargestellt. Wir formulieren
das Ergebnis als Satz:
14 KAPITEL 1. FREIE SCHWINGUNGEN
mẍ + bẋ + cx = 0
bei unterkritischer Dämpfung 0 < D < 1 ist die gedämpfte freie Schwingung
δ cos(ωD t − ϕ) + ωD sin(ωD t − ϕ) = 0,
cos(ωD t − ϕ − ψ) = 0,
wobei tan ψ = ωD /δ. Setzen wir nun o.B.d.A ẋ(0) = 0 fest, so wird tan ϕ = δ/ωD = Dωk /ωD und
damit ϕ + ψ = π2 . Wegen
π
sin ωD t = cos ωD t −
2
2π
treten die Maxima an den Stellen ωD n auf. Setzen wir nun xn = x( ω2πD n), so ist
xn ω
2πD ω k
=e D.
xn+1
Dieses Verhältnis ist also konstant. Man nennt
xn ωk 2πD
d = log = 2πD =√
xn+1 ωD 1 − D2
d ≈ 2πD.
Zusammenfassung 4 Das Verhältnis aufeinanderfolgender Maxima der freien gedämpften Schwin-
gung
x(t) = ρ e−δt cos(ωD t − ϕ)
ist konstant. Der Logarithmus dieses Verhältnisses wird als logarithmisches Dekrement bezeichnet und
hat den Wert
2πD
d= √ .
1 − D2
Aufgabe 14 Gegeben sei ein Prellbock mit der Federkonstanten c = 2×105 N/m und der Dämpfungs-
konstanten b = 1,7 × 105 Ns/m. Berechen Sie die Eigenfrequenz und den Dämpfungsgrad für einen
leeren Eisenbahnwaggon (Eigengewicht 4500 kg).
1.4. KRITISCHE UND ÜBERKRITISCHE DÄMPFUNG 15
Aufgabe 15 Beobachtet man gedämpfte freie Schwingungen experimentell, ist es beliebt, die Anzahl
der Zyklen zu zählen, die notwendig sind bis sich die Amplitude auf 50 Prozent reduziert hat. Man
leite mit Hilfe der Formel für das logarithmische Dekrement folgende Näherungsformel zur Berechnung
dieser Zyklenzahl her:
1
n= log 2.
2πD
Aufgabe 16 Bei kleiner Dämpfung kann man das logarithmische Dekrement d durch die Gesamtener-
gie U des Systems und die Energie ∆U , die pro Zyklus durch Dissipation verloren geht ausdrücken.
Man leite folgende Näherungsformel her:
∆U
d= .
2U
Hinweis Die in der Feder gespeicherte Energie bei der Auslenkung x ist cx2 /2.
Kritische Dämpfung D = 1
x(t)
D= 2
1,5
1
t
0,7
0,5
Abbildung 1.6: Unter-, über- und kritisch gedämpfte Schwingungen. Bei kritischer Dämpfung D = 1
klingt die Auslenkung für t → ∞ am schnellsten ab. Die Zeichengenauigkeit reicht allerdings nicht
aus, um den Unterschied zwischen D = 0,7 und D = 1 zu erkennen.
x(t)
ẋ(0) > 0
x(0)
ẋ(0) < 0
Abbildung 1.7: Überkritische Dämpfung: Typischer Verlauf für zwei verschiedene Anfangsgeschwin-
digkeiten. Höchstens ein Extremum und höchstens ein Nulldurchgang können auftreten
1.4. KRITISCHE UND ÜBERKRITISCHE DÄMPFUNG 17
√
Setzen wir ω ∗ = ωk D2 − 1, so erhalten wir die allgemeine Lösung
∗ ∗
eω t − e−ω t
sinh ω ∗ t = ,
2
eω t + e−ω t
∗ ∗
cosh ω ∗ t = ,
2
schreiben kann. Auch in diesem Fall hat x(t) höchstens eine Nullstelle, wenn x(t) 6≡ 0. Auch dieses
System oszilliert nicht und wird als nicht schwingfähig bezeichnet.
Wegen
−δ + ω ∗ = −δ + ωk D2 − 1 = ωk ( D2 − 1 − D) < 0
p p
und
−δ − ω ∗ < 0
ist offensichtlich, wie im Falle unterkritischer und kritischer Dämpfung
lim x(t) = 0.
t→∞
mẍ + bẋ + cx = 0
nur von m, b und c ab, A und B von den Anfangsbedingungen. Mit t → ∞ strebt x(t) gegen Null.
Beispiel 5 Gegeben sei die Gleichung
ωk = 810/10) = 9 rad/s,
p
a1 = 5,347
Für ẋ(t) = 0 erhalten wir außerdem
1,53/5,27 = e−3,74t
den Wert 0,3307 für die Lösung t1 . Die maximale Auslenkung des Vorstoßes ist daher
Aufgabe 17 Ein Fahrzeug mit 500 kg Eigengewicht ist auf vier Federn montiert, deren statische
Auslenkung 1,5 mm betrage. Wie groß muss die Dämpfungskonstante b eines geschwindigkeitspro-
portionalen Dämpfungsgliedes sein, das zusätzlich montiert wird (parallel zu den Federn), damit der
Dämpfungsgrad D=1 wird?
Aufgabe 18 Es sei λ = −δ eine Doppelwurzel der quadratischen Gleichung (1.5). Zeigen Sie, dass
die Funktionen
e−δt , te−δt
eine Basis des Lösungsraums (ein Fundamentalsystem) bilden. (Sie müssen erstens zeigen, dass es
Lösungen sind und zweitens, dass es linear unabhängige Funktionen sind.)
20 KAPITEL 1. FREIE SCHWINGUNGEN
Periodische Schwingungen
Harmonische Schwingung
Aperiodische Schwingungen
Sinusverwandte Schwingungen
Schwebung
Spezialfall einer amplitudenmodulierten
Schwingung, bei rationalen Frequenzverhält-
nissen auch eine periodische Schwingung.
Abklingende Schwingung
Frequenzmodulierte Schwingung
Irrationales Frequenzverhältnis
Stochastische Schwingungen
Genauer: Schwingungen, denen ein stochastischer Prozess zugrundeliegt. Englischer Term: random vibrations,
könnte man mit zufälligen (genauer: zufallsbeeinflussten) Schwingungen übersetzen. Manche Autoren sprechen
von regellosen Schwingungen, aber das ist ein inkonsequenter Term, weil eben doch Regeln, nämlich statistische
Gesetzmäßigkeiten, zugrundeliegen.
Breitband-Prozess
Engband-Prozess
Schwingungsähnliche Vorgänge
Weisen gewisse Charakteristika von Schwingungen auf, (eine Größe wechselt mindestens einmal zwischen Stei-
gen und Fallen), sind aber keine Schwingungen im eigentlichen Sinn.
Kriechender Grenzfall
Sogenannter aperiodischer Grenzfall: Lösung
der Schwingungsgleichung bei D=1
Wiener-Prozess
22 KAPITEL 1. FREIE SCHWINGUNGEN
1.6 Testfragen
1. Wenn in einem ungedämpften Feder-Masse-System die Masse um 10% erhöht wird, schwingt das
System etwa
a. 10% schneller c. 5% schneller e. gleich schnell
b. 10% langsamer d. 5% langsamer
2. Man spricht von einem linearen System, wenn. . . (eine oder mehrere Antworten möglich)
a. . . die Bewegung nur entlang einer geraden Linie erfolgt;
b. . . es einer linearen Differentialgleichung gehorcht;
c. . . es periodische Schwingungen ausführt;
d. . . die Summe x1 (t) + x2 (t) und das Produkt x1 (t) · x2 (t) zweier Lösungen ebenfalls Lösungen
sind;
e. . . mit x1 (t), x2 (t) und λ ∈ R auch x1 (t) + λx2 (t) eine Lösung ist.
3. Ordnen Sie den Differentialgleichungen für x = x(t) die Beschreibungen zu (verbinden Sie ent-
sprechende Punkte durch Pfeile)!
48 1 ẍ = 2t
homogene lineare Gleichung
-41 5ẍ + 3ẋ = 0
inhomogene lineare Gleichung
*1-
ẍ + tx = 1
nichtlineare Gleichung
*&-
ẍ + sin x = 0
4. Gegeben sind eine Differentialgleichung und Anfangsbedingungen,
ẍ + 9x = 0, x(0) = 3, ẋ(0) = 12 .
6. Geben Sie eine partikuläre Lösung der Gleichung 1ẍ + 2ẋ + 3x = 126 an.
Kapitel 2
Harmonische Erregerkräfte
Das Thema dieses Kapitels sind erzwungene Schwingungen von Systemen mit einem Freiheitsgrad
bei harmonischer Erregerfunktion p = p(t). „Harmonisch“ bedeutet: p ist eine (im allgemeinen auch
phasenverschobene) Sinus, Cosinus- oder komplexe Exponential-Funktion, also beispielsweise
p(t) = ρ sin(ωt)
p(t) = ρ cos(ωt + ψ)
p(t) = ρ exp(iωt)
zu lösen. Die allgemeine Lösung dieser Gleichung ist von der Form
23
24 KAPITEL 2. HARMONISCHE ERREGERKRÄFTE
xp (t) = q sin ωt
und erhalten
−mqω 2 sin ωt + cq sin ωt = p0 sin ωt ,
also
q(−mω 2 + c) = p0 ,
oder
m 2 p0
q(− ω + 1) = .
c c
Wir verwenden c
m = ωk , die kritische Frequenz, und erhalten
ω2 p0
q(− 2 + 1) = . (2.4)
ωk c
Frequenzverhältnis η
Die maßgebliche dimensionslose Größe bei erzwungenen Schwingungen ist das Verhältnis von Erreger-
frequenz zu kritischer Frequenz.
ω
Frequenzverhältnis η =
ωk
In diesem Fall lässt sich durch (1 − η) dividieren. Die Amplitude q ergibt sich zu
p0 1
q= .
c 1 − η2
Damit lautet die allgemeine Lösung
p0 1
x(t) = A sin ωk t + B cos ωk t + sin ωt.
c 1 − η2
Wir bemerken dazu:
• Es treten zwei Frequenzen in der Lösung auf: die kritische Frequenz ωk und die Erregerfrequenz ω.
Man spricht in diesem Zusammenhang von Eigenfrequenz und aufgeprägter Frequenz.
2.1. UNGEDÄMPFTE ERZWUNGENE SCHWINGUNGEN 25
• Nur A sin ωk t+B cos ωk t, die Lösung der homogenen Gleichung, (freie, ungedämpfte Schwingung
mit der Eigenfrequenz des Systems) hängt von den Anfangsbedingungen ab.
• Ungedämpfte Schwingungen sind eine Idealisierung. Reale Systeme sind immer gedämpft. Auch
wenn diese Dämpfung noch so klein ist, irgendwann klingen freie Schwingungen ab. Langfristig
betrachtet, im Limes t → ∞, bleibt nur der von der Störfunktion herrührende Term in der
Lösung der inhomogenen Gleichung bestehen. Man spricht in diesem Zusammenhang von der
Dauerlösung
p0 1
x(t) = sin ωt
c 1 − η2
des Systems. Sie schwingt mit der aufgeprägten Frequenz und hängt nicht von den Anfangsbe-
dingungen ab.
• Es ist p0 /c die Auslenkung, die bei rein statischer Wirkung von p0 auf das System auftreten
würde. Man nennt p0 /c die Statische Auslenkung.
• Der dimensionslose Faktor 1/(1 − η 2 ) kann als Amplitudenverhältnis gedeutet werden. Im Ver-
hältnis zur statischen Auslenkung vergrößert sich die Amplitude im dynamischen Fall um diesen
Faktor. Man nennt den Betrag dieses Verhältnisses
1
V =
|1 − η 2 |
den Vergrößerungsfaktor.
• Bei unterkritischer Erregung hat 1/(1−η 2 ) positives Vorzeichen. Das bedeutet, Erregerkraft und
Auslenkung schwingen mit gleicher Phase. Bei überkritischer Erregung wechselt das Vorzeichen,
Erregerkraft und Auslenkung schwingen gegenphasig.
Im Fall η = 1, d.h. für ω = ωk , führt der Ansatz von vorhin zu keiner Lösung. Hier setzen wir
xp (t) = qt cos ωt .
Dann sind
ẋp (t) = q cos ωt − qtω sin ωt
ẍp (t) = −2qω sin ωt − qtω 2 cos ωt .
p0 1 p0 c 1 p0 ωk2 p0 ωk
q=− =− =− =− .
m 2ω c m 2ω c 2ω c 2
x(t)
Abbildung 2.1: Resonanzkatastrophe. Die Hüllkurven verdeutlichen: Die Amplitude wächst linear mit
der Zeit.
Wir verwenden statt p(t) = p0 sin ωt den komplexen Kraftterm p(t) = p0 eiωt = p0 (cos ωt + i sin ωt).
Gehen wir mit dem Ansatz
p0
xp (t) = H(ω)eiωt (2.5)
c
in die Gleichung
mẍ + bẋ + cx = p0 eiωt ,
so erhalten wir
m 2 ib
H(ω)(− ω + ω + 1)eiωt = eiωt .
c c
Daher ist
1
H(ω) = ,
−m
cω
2 + ibc ω + 1
wenn − m 2
c ω + c ω + 1 6= 0. Führen wir wieder das Frequenzverhältnis η = ein, so können wir H(ω)
ib ω
ωk
auch als H(η) in der Form
1
H(η) = (2.6)
1− η2 + i2Dη
darstellen, wobei H(η) genau dann nicht erklärt ist, wenn (η, D) = (1,0) ist, also im Fall der Re-
sonanzkatastrophe. Da wir diesen Fall schon betrachtet haben, können wir H(η) als wohldefiniert
voraussetzen.
Die Funktion H(ω) beschreibt den Zusammenhang zwischen Erregerkraft p(t) und Auslenkung x(t)
bei Frequenz ω. Locker gesagt, eine Erregung mit Frequenz ω wirkt sich multipliziert mit H(ω) auf
das Ergebnis aus. Man nennt H(ω) (oder H(η) – das ist ja dieselbe Funktion, nur mit der Substitution
2.2. GEDÄMPFTE ERZWUNGENE SCHWINGUNG 27
η = ω/ωk einfacher geschrieben) daher die Frequenzübertragungsfunktion, oder auch nur Übertra-
gungsfunktion.
Für Betrag und Argument (Phasenwinkel) von H(η) ergibt sich
1
V = |H| = (2.7)
(1 − η 2 )2
+ (2Dη)2
p
−2Dη
arg H = arctan (2.8)
1 − η2
Wir definierten den Phasenwinkel ϕ mit umgedrehten Vorzeichen,
2Dη
ϕ = arctan
1 − η2
und drücken die komplexe Größe H(η) durch Vergrößerungsfaktor V und Phasenwinkel aus.
H(η) = V e−ϕ .
Vom komplexen Ansatz zur reellen Lösung Dem Real- und dem Imaginärterm der Erregerkraft
p(t) = p0 eiωt entsprechen Real- und Imaginärterm der Lösung. Zu Erregerkräften
sin ωt
(
p(t) = p0
cos ωt
sin(ωt − ϕ)
(
p0
xp (t) = V .
c cos(ωt − ϕ)
Dabei ist p0 /c wieder die statische Auslenkung (die Auslenkung der Masse m bei statischer Wirkung der
Kraft p0 ) und V der Vergrößerungsfaktor, um den die Amplitude aufgrund der dynamisch wirkenden
Erregerkraft vergrößert wird. Wie im ungedämpften Fall hat die partikuläre Lösung die Frequenz der
Erregerkraft (aufgeprägte Frequenz).
Die allgemeine Lösung der Gleichung
Die Abbildungen 2.2 und 2.3 zeigen den Verlauf von V und ϕ in Abhängigkeit von η für verschiedene
D. Eine Darstellung der komplexwertigen Funktion H(η) in Form von Ortskurven finden Sie am
Ende des Kapitels, Seite 38.
Verschwundene Dämpfung Wir beachten weiters, dass für η 6= 1
p0 1
lim ρ sin(ωt − ϕ) = sin ωt
D→0 c 1 − η2
ist, also die partikuläre Lösung im gedämpften Fall für D → 0 in die partikuläre Lösung im unge-
dämpften Fall übergeht.
Da der erste Term der allgemeinen Lösung
x(t) = e−Dωk t (A sin ωD t + B cos ωD t) + ρ sin(ωt − ϕ)
von (2.1) mit t → ∞ gegen Null geht, setzt man daher bei kleiner Dämpfung oft als Dauerlösung
p0 1
x(t) = sin ωt
c 1 − η2
und spricht von verschwundener Dämpfung.
Das Schaubild des Vergrößerungsfaktors (Abbildung 2.2) zeigt: Die Kurve für Dämpfungsgrad D =
0,1 verläuft schon sehr nahe an der D = 0-Kurve, nur in der Nähe von η = 1 gibt es erkennbare
Unterschiede; ab η > 1,5 fallen die Kurven in der Zeichnung zusammen. Für η 1 und D 1 kann
man also näherungsweise mit der ungedämpften Lösung rechnen.
2.2.1 Aufgaben
Hinweis Es genügt zu zeigen, dass Re D(x) = D(Re x) ist, und =D(x) = D(=x). Lösen sie die
Aufgabe zuerst für die Gleichung 2.1!
Aufgabe 21 Der Energieverlust pro Zyklus ist die von der Dämpfungskraft geleistete Arbeit
I
bẋ(t)dx.
Man berechne dieses Integral für die Dauerlösung der Gleichung 2.9.
Hinweis Es ist dx/dt = ẋ(t), und daher dx = ẋ(t)dt.
2.2. GEDÄMPFTE ERZWUNGENE SCHWINGUNG 29
V
3
D=0
0,1
2.5
0.2
0.3
1.5
0.4
1
0.5
0.6
0.7
0.8
0.5 1
1.5
5 3 2
4
Η
0.5 1 1.5 2
0
η
0 0.5 1 1.5 2
2.3 Resonanz
Wenn die Erregerfrequenz gleich der Eigenfrequenz eines Systems ist, spricht man oft von Resonanz.
Bei einem ungedämpften System wächst die Lösung bei Resonanz unbegrenzt an, wie wir gesehen
haben. Bei gedämpften Systemen wird die maximale Amplitude aber nicht für η = 1 erreicht, wie wir
Abbildung 2.2 entnehmen.
Wir wollen nun das Maximum von
1
V =p
(1 − η 2 )2 + (2Dη)2
bestimmen. Dazu genügt es, das Minimum von 1/V bzw. 1/V 2 zu ermitteln. Eine dazu notwendige
Bedingung ist
d
[(1 − η 2 )2 + (2Dη)2 ] = 0,
dη
also
−2η · 2(1 − η 2 ) + 2D · 2(2Dη) = 0
oder
η(2D2 − 1 + η 2 ) = 0,
mit den Lösungen η = 0 und η 2 = 1 − 2D2 . Nun ist die zweite Ableitung
d2
{(1 − η 2 )2 + (2Dη)2 } = 4(2D2 − 1 + η 2 + 2η 2 ),
dη 2
√ √
von 1/V 2 für η = 0 nur dann positiv, wenn D > 22 ist. Damit hat V für D > 22 an der Stelle η = 0
ein Maximum. Da in diesem Fall die Gleichung η 2 = 1 − 2D2 keine reelle Lösung hat, ist dies das
einzige Maximum.
√ 2
Ist D < 22 , so hat η 2 = 1 − 2D2 genau eine positive reelle Lösung und dη
d 2
2 (1/V ) ist an dieser Stelle
positiv. Auch in diesem Fall hat V genau ein Maximum, und zwar an der Stelle
2.4 Resonanzschärfe
√ √
2 2
Es sei D < 2 und η1 , η2 seien die Stellen, an denen V (η1 ) = V (η2 ) = 2 Vmax , also die Lösungen der
Gleichung
√
1 2 1
= √ .
(1 − η ) + (2Dη)
2 2 2 4D 1 − D2
p
Quadrieren wir beide Seiten und gehen wir zu Reziprokwerten über, erhalten wir die Gleichung
und damit
2
= 1 − 2D2 ± 2D 1 − D2 .
p
η1,2
2
η1,2 ≈ 1 ± 2D,
oder
η1,2 ≈ 1 ± D.
η2 − η1
D≈
2
Wie wir schon erwähnt haben, sind viele Systeme, die in der Praxis auftreten, nur annähernd linear.
In solchen Fällen möchte man ein gerne ein gutes lineares Ersatzsystem bilden. Dabei ist eine gute
Näherung gerade im Resonanzbereich von besonderer Bedeutung ist. Haben wir es also mit keiner
viskoelastischen Dämpfung zu tun und ist V als Funktion von η bekannt oder experimentell
√ bestimm-
2
bar (Abb. 2.4), so sucht man die zwei Werte η1 < η2 mit V (η1 ) = V (η2 ) = 2 Vmax und setzt den
Dämpfungsgrad D einer viskoelastischen Ersatzkraft durch
η2 − η1
D=
2
fest.
V
Vmax
Vmax η2 − η1
√
2 D=
2D 2
η
η1 η2
2.5 Anwendungsbeispiele
Die folgenden Anwendungsbeispiele sind, wenn man sie richtig ansetzt, mit den Methoden dieses
Kapitels lösbar. Der unwuchtige Motor auf einem Fundament ist natürlich ein Standardbeispiel -
größere Motoren sind oft auf einem Fundament gelagert, eine kleine Unwucht läßt sich kaum vermeiden.
Man wünscht, dass das Fundament möglichst wenig schwingt und die über Feder und Dämpfer in den
Boden abgeleiteten Kräfte klein sind. Dabei kann Feder und Dämpfer auch eine Gummimatte sein
oder der sogenannte gewachsene Boden.
Bei unserem Fahrzeugmodell geht die Erregerkraft, bedingt durch die Unebenheiten der Fahrbahn,
vom Boden aus und wir sind an den Bewegungen und Beschleunigungen interessiert, die auf das
Fahrzeug (ohne Fahrwerk) wirken, also etwa auf den Fahrer.
Ein wichtiges Beispiel für ein gedämpftes System mit harmonischer Erregerkraft ist der unwuchtige
Motor auf einem Fundament. Die Gesamtmasse des unwuchtigen Motors sei m, die Unwucht habe die
Masse m1 im Abstand e von der Drehachse. Die Bewegungsgleichung lautet dann
die Darstellungen
µeη 2
ρ= p
(1 − η 2 )2 + (2Dη)2
und
2Dη
ϕ = arctan .
1 − η2
Wir beziehen bei der Berechnung des Vergrößerungsfaktors nun alles auf die nur vom System und
nicht von der Frequenz der Erregerfunktion abhängige Größe µe und nicht auf µeη 2 . Damit hat der
Vergrößerungsfaktor die Form
η2
V =p . (2.11)
(1 − η 2 )2 + (2Dη)2
Sein Verlauf ist in Abschnitt 2.6 als V2 dargestellt.
Die Schwingungen der Masse übertragen durch Feder und Dämpfungsglied Kräfte Fc beziehungsweise
Fb auf den Boden. Die insgesamt übertragene Bodenkraft Ftot ergibt sich aus
Ftot = Fc + Fb
= cx + bẋ
= cρ sin(ωt − ϕ) + bρω cos(ωt − ϕ)
2
s
bω
= ρc 1 + sin(ωt − β)
c
q
= ρc 1 + (2Dη)2 sin(ωt − β)
1 + (2Dη)2
s
2
= µec η sin(ωt − β) .
(1 − η 2 )2 + (2Dη)2
Wegen m1 eω 2 = µecη 2 setzen wir den Vergrößerungsfaktor für die Bodenkraft gleich
1 + (2Dη)2
s
η2 .
(1 − η 2 )2 + (2Dη)2
Das Schaubild dieser√ Funktion ist als V3 im Abschnitt 2.6 dargestellt. Man beachte, dass alle Kurven
durch den Punkt ( 2, 2) gehen. Der Verlauf von V3 zeigt auch: geringer Dämpfungsgrad führt zu
großen Amplituden im Resonanzbereich. Höherer Dämpfungsgrad unterdrückt zwar die Resonanzef-
fekte, bewirkt aber große Kraftamplituden bei zunehmender Drehzahl.
Das Verhältnis Vd der Amplitude der auf den Boden übertragenen Kraft zur Amplitude der durch die
Unwucht auf das System wirkenden Kraft bezeichnet man als Durchlässigkeit.
1 + (2Dη)2 1
s
2
Vd = µecη .
(1 − η 2 )2 + (2Dη)2 m1 eω 2
Wegen
µecη 2 cη 2
= =1
m1 eω 2 mω 2
ist
1 + (2Dη)2
s
Vd = , (2.12)
(1 − η 2 )2 + (2Dη)2
siehe die Abbildungen in Abschnitt 2.6; dort ist Vd als V4 dargestellt. Man erkennt am Schaubild:
geringer Dämpfungsgrad führt zwar zu hohen Amplituden im kritischen Bereich um η ≈ 1, aber
dafür nimmt im überkritischen Bereich η > 1 die Durchlässigkeit rasch ab. Interpretation: Die federn-
de Lagerung schirmt die an der Masse wirkenden Kräfte zum Fundament hin ab; man spricht von
Schwingungsisolierung.
34 KAPITEL 2. HARMONISCHE ERREGERKRÄFTE
Das einfachste Fahrzeugmodell ist in Abbildung 2.5 dargestellt. Es ist ein einfaches Feder-Masse System
mit Dämpfung, das an der Basis durch die Unebenheit der Fahrbahn erregt wird.
x(t)
c b
c b
y(t)
Wir wollen den Einfluss der Fahrbahn auf das Schwingungsverhalten des Fahrzeugs in Abhängigkeit
von der Geschwindigkeit untersuchen, also die Auslenkungen, Beschleunigungen und Kräfte berechnen.
Dazu nehmen wir an, die Fahrbahnhöhe y als Funktion des Weges s sei y = Y sin(as). Bei konstanter
Geschwindigkeit v ist also y = Y sin(avt). Mit der Bezeichnung ω = av gibt das
Die zu bestimmende Bewegung der Masse m sei x(t), siehe Abbildung 2.5. Wir erhalten die Bewe-
gungsgleichung
d
mẍ(t) + b (x(t) − y(t)) + c (x(t) − y(t)) = 0, (2.13)
dt
beziehungsweise
mẍ + bẋ + cx = b Y ω cos ωt + c Y sin ωt. (2.14)
Wir nützen die Linearität: Die Erregerkraft setzt sich aus zwei Termen zusammen,
p1 = b Y ω cos ωt (2.15)
p2 = c Y sin ωt (2.16)
Y bω
x1 = V (η) cos(ωt − ϕ) (2.17)
c
x2 = Y V (η) sin(ωt − ϕ) (2.18)
Insgesamt ist die Dauerlösung x(t) die Summe der beiden Einzellösungen.
Y
x(t) = V (η) (bω cos(ωt − ϕ) + c sin(ωt − ϕ)) ,
c
wobei
2Dη 1
ϕ = arctan und V (η) = p .
1 − η2 (1 − η 2 )2 + (2Dη)2
2.5. ANWENDUNGSBEISPIELE 35
Wir können die Summe aus Sinus- und Cosinusschwingung zu einer reinen Sinusschwingung mit zu-
sätzlicher Phasenverschiebung umformen (vergleiche Zusammenfassung 2).
bω cos(ωt − ϕ) + c sin(ωt − ϕ)
bω
= c sin(ωt − ϕ) + cos(ωt − ϕ)
c
= c [sin(ωt − ϕ) + 2Dη cos(ωt − ϕ)]
q
= c 1 + (2Dη)2 sin((ωt − ϕ) + ψ),
1 + (2Dη)2
s
x(t) = Y sin((ωt − ϕ) + ψ). (2.19)
(1 − η 2 )2 + (2Dη)2
Alternativer Lösungsweg Ein Ansatz mit komplexer Exponentialfunktion hätte uns die rechen-
technisch mühsamen Winkelfunktions-Umformungen erspart.
m = 50 kg
c = 4 × 104 N/m
b = 300 Ns/m
Des Weiteren habe die sinusförmige Fahrbahn eine Amplitude von einem Zentimeter, wobei die Maxima
2,5 m voneinander entfernt seien. Die Gleichung der Fahrbahnoberfläche ist also
2πs
y(s) = 0,01 sin
2,5
Beispiel 8 Für das soeben beschriebene Fahrzeug auf welliger Fahrbahn berechne man die Schwin-
gungsamplitude von m für v = 52 m/s.
Lösung Wir erhalten zunächst
b δ
ωk = c/m = 28,3 rad/s δ= = 3 s−1 und D= = 0,106
p
,
2m ωk
36 KAPITEL 2. HARMONISCHE ERREGERKRÄFTE
Wir wollen annehmen, dass das Rad des Fahrzeugs der Fahrbahnoberfläche genau folgt. Für die
Vertikalbewegung y(t) des Rades erhalten wir wegen s = vt die Gleichung
also
y(t) = 0,01 sin ωt,
für
ω = 0,8πv = 0,8π(52 m/s) = 130,7 rad/s.
Damit ist
ω
η= = 4,62 .
ωk
Die Amplitude X von x(t) berechnet man nun aus Formel (2.19) zu 6,87 × 10−4 m, das ist weniger
als ein Millimeter. Dies bedeutet, dass das Fahrzeug bei hoher Geschwindigkeit sehr ruhig fährt.
2.5.3 Aufgaben
Aufgabe 22 Man leite analog zur Gleichung 2.14 eine Gleichung für die Relativbewegung z(t) =
x(t) − y(t) her und zeige
η2
z(t) = Y p sin(ωt − ϕ),
(1 − η 2 )2 + (2Dη)2
wobei ϕ = arctan(2Dη/(1 − η 2 )).
Aufgabe 23 Man berechne die maximale Beschleunigung A von m aus Beispiel 8.
Antwort 11,7m/s2
Aufgabe 24 Man zeige, dass A der Beziehung
(1 + (2Dη)2
s
A
= η2
ωk2 Y (1 − η 2 )2 + (2Dη)2
genügt. Bei welchen Geschwindigkeiten treten die Extremwerte von A/(ωk2 Y ) auf?
Antwort (empfohlener Lösungsweg: Ablesen aus Funktionsgraph; eine Kurvendiskussion würde die
Lösung einer Gleichung dritten Grades erfordern.)
Maximum 4,84 bei η = 1,01, entsprechend v = 11,4 m/s,
Minimum 1,33 bei η = 2,86, entsprechend v = 32,2 m/s.
Bei η = v = 0 liegt auch ein Minimum vor.
Man vergleiche auch die Abbildung im Abschnitt 2.6, die das Schaubild von A/(ωk2 Y ) in Abhängigkeit
von η zeigt.
Wir erkennen, dass mit wachsender Geschwindigkeit zwar die Schwingungsamplitude kleiner wird,
nicht aber die Amplitude der auftretenden Kräfte, und damit die Belastung von Federung und Dämp-
fung.
2.6 Ergänzendes Material
Vergrößerungsfaktoren geben in dimensionsloser Form den frequenzabhängigen Verlauf einer Weg-
(Kraft-, Beschleunigungs- . . . ) Amplitude an, bezogen auf einen mit der Erregerfunktion zusammenhängenden
Systemparameter. Vier Vergrößerungsfaktoren treten in unterschiedlichen Zusammenhängen auf.
1
V1 = q
(1 − η 2 ) + (2Dη)2
2
η2
V2 = q
(1 − η 2 ) + (2Dη)2
2
s
1 + (2Dη)2
V3 = η 2
(1 − η 2 )2 + (2Dη)2
Bodenkraftamplitude (Erregung durch Unwucht), bezo-
gen auf µec , siehe Abschnitt 2.5.1.
s
1 + (2Dη)2
V4 =
(1 − η 2 )2 + (2Dη)2
Durchlässigkeit: Amplituden-Verhältnis Bodenkraft zu
Erregerkraft. Gilt bei konstanter ebenso wie bei fre-
quenzabhängiger Erregerkraft, siehe Gleichung 2.12.
1.3
0.7
-1 0.05
1.2 0.5
0.4 0.8
0.3
0.1
0.2 0.15
-2
1.1
1.08 0.9
1.06 0.92
1.04 -3 0.94
1.02 0.96
1. 0.98
-4 0.12
0.11
0.1
-5
0.09
0.08
-6
0.07
0.06
-7
-8
1
Die Frequenzübertragungsfunktion H(η,D) = in der komplexen Zahlenebene für verschiedene Werte von
1 − η 2 + i2Dη
η (rote Kurven) und D (grüne Kurven).
Sind Betrag des Vergrößerungsfaktors und Phasenwinkel bekant (Messung), dann lassen sich aus dem Diagramm D und
η bestimmen.
2.6. ERGÄNZENDES MATERIAL 39
Testfragen
1 1
ẍ + ẋ + 3x = p
9 2
Darin ist p = p(t) eine harmonische Erregerkraft. Die Dauerlösung in komplexer Form ist x =
ρeiωt . Das Bild zeigt maßgetreu die Massen-, Dämpfungs- und Federkraft als Vektoren in der
komplexen Ebene. Dabei ist ρ = 2 und ω = 3 gewählt.
Im
cx
bẋ
ωt
Re
mẍ
(b) Lesen Sie aus Ihrer Zeichnung die Amplitude von p und die Phasenverschiebung φ zwischen
x und p ab.
(c) Geben Sie (aus den Formeln für Verstärkungsfaktor und Phasenverschiebung) auch die
rechnerischen Werte für Amplitude von p und die Phasenverschiebung φ an.
40 KAPITEL 2. HARMONISCHE ERREGERKRÄFTE
3. Für vier der sechs Differentialgleichungen a–f sind Lösungen abgebildet. Ordnen Sie zu!
a. ẍ + 25x = 0 b. 2ẍ + 2x = sin t c. ẍ + 2ẋ + x = 0
1 1.2
0.15
4 1
0.5 0.1
2 0.8
0.05
0.6
1 2 3 4 5 5 10 15 20 25
20 40 60 80 -2 0.4
-0.5 -0.05
-4 0.2
-0.1
-1 -6 2 4 6 8 10
2 über-
(
(a) Richtige Aussagen ankreuzen: Die Anregung ist -kritisch, die Phasenverschie-
2 unter-
2 kleiner
(
bung zwischen x(t) und p(t) daher als 2.
π
2 größer
(b) Was sind die Werte von b, c, D und δ?
2
(a) Bestimmen sie (näherungsweise)
Ω Hs-1L
ωk , D und δ. 10 20 30 40 50
(b) Um welchen Faktor unterscheiden sich ωk und ωD ?
(c) Um wieviel ist der ω-Wert am Maximums gegenüber ωk verschoben?
Kapitel 3
Allgemeine Erregerkräfte
In diesem Kapitel behandeln wir allgemeine Erregerkräfte. Einfache und wichtige Sonderfälle sind
• stoßartige Erregung
• periodische Erregung
• transiente Erregung
Im Fall transienter Erregerkräfte, also Erregungen beschränkter Dauer, bei denen die Erregerkraft
nach einer bestimmten Zeit wieder Null wird oder einen konstanten Wert annimmt, klingt auch die
Lösung x(t) im Lauf der Zeit ab1 oder strebt einem konstanten Wert zu: x(t) → const für t → ∞. Wir
sind hier am transienten Verlauf von x(t) interessiert, insbesondere am Maximal-Ausschlag max |x(t)|.
Allgemeine Erregerkräfte lassen sich als Summe von oder Integral über einfachere Funktionen darstel-
len. Je nachdem, ob wir dabei von harmonischen oder von stoßartigen Erregungen ausgehen, führt uns
das zu unterschiedlichen Summen- oder Integral-Darstellungen.
• Duhamel-Integral
• Fourierreihe
• Fourier-Integral
1
Wir setzen dabei D > 0 voraus, denn in realen Systemen ist immer eine gewisse Dämpfung vorhanden, sei sie auch
noch so klein.
41
42 KAPITEL 3. ALLGEMEINE ERREGERKRÄFTE
Wenn innerhalb sehr kurzer Zeit sehr große Kräfte wirken, sprechen wir von stoßartiger Erregung.
Eine während der Zeitspanne 0 ≤ t ≤ ∆T wirkende Kraft F (t) überträgt insgesamt den Impuls2
Z ∆T
p= F (t) dt . (3.2)
0
t
0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2
Für ∆T = 1, 1/2, 1/4, 1/8, . . . entstehen, wie hier dargestellt, Rechtecks-Funktionen, die immer schmä-
ler und zugleich höher werden. Die Rechtecks-Flächen haben jedoch konstant Flächeninhalt 1. Im
Limes ∆T → 0 entsteht ein „unendlich schmales, unendlich hohes“ Rechteck mit Flächeninhalt 1. Es
modelliert eine punktförmige Erregerkraft, die stoßartig den Impuls p0 = 1 überträgt.
Das reicht als anschauliche Vorstellung, ist aber keine mathematisch tragfähige Definition: der Grenz-
wert der Rechtecksfunktionen-Folge ist keine Funktion im üblichen Sinn:
0 für t 6= 0,
(
lim F (t) =
∆T →0 ∞ für t = 0.
Problemlos hingegen existiert der Grenzwert des Integrals
Z ∞
lim F (t)dt = 1 .
∆T →0 −∞
2
Jetzt rächt sich, dass wir den Kraftterm auf der rechten Seite der Schwingungsgleichung bisher mit p(t) bezeichnet
haben. Eigentlich ist p das Standard-Formelzeichen für den Impuls. Jetzt, wo wir den Impuls brauchen, müssen wir die
Notation ändern. . .
3.1. PUNKTFÖRMIGER KRAFTTERM – STOßARTIGE ERREGUNG 43
Ebenso problemlos konvergieren, wie wir gleich zeigen werden, Lösungen der Gleichung (3.1) für die
oben dargestellte Folge von Rechtecks-Erregerkräften.
Lösung für Rechtecks-Funktion als Erregerkraft Wir suchen für ein System, das für t < 0
in Ruhe ist, während der Zeit 0 ≤ t ≤ ∆T durch eine konstante Kraft der Form (3.3) erregt wird
und anschließend wieder frei schwingt, die Lösung von Gleichung (3.1). Wir setzen die Lösung, den
drei Zeitbereichen entsprechend, aus drei Teillösungen x< , x∆ und x> zusammen. Um das Prinzip zu
illustrieren, rechnen wir der Einfachheit halber vorerst mit b = 0, also ohne Dämpfung.
1
FHtL xHtL
t
-0.5 0.5 1.0 1.5 2.0 2.5 3.0
Abbildung 3.1: Eine Rechtecks-Erregerkraft F und die Auslenkung x gemäß Gleichung (3.4). Die
Funktion x setzt sich aus drei Teilfunktionen x< , x∆ und x> zusammen, die an den markierten Punkten
aneinander grenzen. Dort stimmen jeweils Auslenkung x und Geschwindigkeit ẋ der linken und rechten
Teilfunktion überein
Bevor die Kraft wirkt, also für t < 0, ist die Auslenkung konstant Null,
x< (t) = 0 .
Für 0 ≤ t ≤ ∆T liegt eine Differentialgleichung mit konstantem Kraftterm vor. Wir haben schon
gesehen (vergleiche Aufgaben 5 und 6): die allgemeine Lösung ist eine Schwingung um die verschobene
Ruhelage. Hier verschiebt sich die Ruhelage um die partikuläre Lösung
p0
xp (t) = .
c∆T
Zusammen mit der Lösung der homogenen Gleichung, siehe Gleichung (1.10), ergibt sich die allgemeine
Lösung
p0
x∆ (t) = + A sin ωk t + B cos ωk t für 0 ≤ t ≤ ∆T .
c∆T
Die Anfangsbedingungen bestimmen die Konstanten A und B: Die Lösung x∆ muss für t = 0 stetig
und ohne sprunghafte Änderung der Geschwindigkeit an die Lösung x< anschließen. Die Anfangsbe-
dingungen sind also x∆ (0) = 0 und ẋ∆(0) = 0. Daraus folgt
p0
A = 0, B=−
c∆T
Für t > ∆T wirkt keine Erregerkraft mehr, das System schwingt frei gemäß der allgemeinen Lösung
Die Endposition x∆ (∆T ) und die Endgeschwindigkeit ẋ∆ (∆T ) sind zugleich die Anfangsbedingungen
für x> .
x> (∆T ) = x∆ (∆T ), ẋ> (∆T ) = ẋ∆ (∆T )
Daraus folgt
p0 p0
A= sin(ωk ∆T ), B= (cos(ωk ∆T ) − 1) .
c∆T c∆T
Zusammengefasst lautet die Lösung für eine Rechtecksfunktion gemäß Gleichung (3.3) als Erregerkraft:
0 für t < 0,
p
0
x(t) = (1 − cos ωk t) für 0 ≤ t ≤ ∆T , (3.4)
c∆T
p0
sin(ωk ∆T ) sin ωk t + cos(ωk ∆T ) − 1 cos ωk t für t > ∆T .
c∆T
Grenzwert für verschwindendes ∆T Obwohl für ∆T → 0 die Erregerkraft (3.3) nicht als Funk-
tion im üblichen Sinn darstellbar ist, konvergiert die Lösung (3.4) ganz problemlos zu einer Funktion.
Für ∆T → 0 darf man sin(ωk ∆T ) = ωk ∆T und cos(ωk ∆T ) = 1 − (ωk ∆T )2 /2 setzen. Damit wird aus
Gleichung (3.4)
0 für t < 0,
x(t) = p0 ωk p0 (3.5)
sin ωk t = sin ωk t für t ≥ 0.
c ωk m
Für ∆T = 1, 1/2, 1/4, 1/8, . . . und p0 = c = m = 1, b = 0 sind die entsprechenden Lösungen hier
dargestellt. Strichliert eingezeichnet ist die Funktion, die sich im Limes ∆T → 0 ergibt.
xHtL
1
t
-1 1 2 3 4 5
3.1.2 Der Grenzwert hängt nicht von der spezifischen Form des Kraftterms ab!
Es kommt nur auf den übertragenen Impuls an. Wir hätten uns die langwierige Rechnung und den
Grenzübergang sparen können, wenn wir so argumentiert hätten:
Während einer kurzen Zeitspanne ∆t wirkt eine Kraft F (t), die insgesamt den Impuls p0 überträgt.
Wenn der gesamte Impuls stoßartig bei t = 0 auf die Systemmasse m übertragen wird, gilt p0 = mv0 .
Das System startet dann aus der Anfangsposition x(0) = 0 mit Anfangsgeschwindigkeit ẋ(0) = v0 =
p0 /m.
Für t > 0 ist F (t) = 0, das System schwingt frei. Die Lösung ergibt sich aus der allgemeinen Lösung
der ungedämpften oder gedämpften freien Schwingung mit den obigen Abfangsbedingungen.
3.1. PUNKTFÖRMIGER KRAFTTERM – STOßARTIGE ERREGUNG 45
Die im vorigen Abschnitt betrachtete stoßartig wirkende Kraft hat einen Namen:
Definition 3.1.1 Die Erregerkraft F = F (t), die zur Zeit t = 0 stoßartig den Impuls 1 überträgt und
zu allen anderen t 6= 0 den Wert F (t) = 0 hat, heißt Einheitsimpulsfunktion.
Die mathematisch korrekte Bezeichnung für dieses Objekt ist Delta-Distribution. Mit einiger Vor-
sicht lässt sich aber mit ihr rechnen wie mit einer gewöhnlichen Funktion. Deswegen die weithin übliche
Bezeichnung δ-Funktion. Physiker und Techniker nennen sie auch Dirac-Funktion, -Impuls oder -Stoß.
„Mit einiger Vorsicht“ bedeutet: Formal gilt
0 für t 6= 0,
(
δ(t) =
∞ für t = 0,
aber gerade die Eigenschaft δ(0) = ∞ darf in Rechnungen nicht verwendet werden.
Solange wir nur die Eigenschaften der Definition 3.1.1 verwenden, bleiben wir mathematisch korrekt.
(Beachte: dort ist nicht die Rede vom Funktionswert an der Stelle t = 0, sondern vom übertragenen
Impuls, also vom Wert des Integrals.)
Die wesentliche Eigenschaft der δ-Funktion ist ihre Wirkung unter einem Integral:
Z ∞
δ(t)dt = 1
−∞
Dimensionsbetrachtungen Weil das Integral der δ-Funktion über t den Wert 1 hat, ist die phy-
sikalische Dimension [δ(t)] = 1/s.
Wenn wir mit δ die in Definition 3.1.1 beschriebene stoßartige Erregerkraft F modellieren wollen,
müssen wir korrekter Weise δ mit einer Impulsgröße (Dimension Kraft mal Zeit) multiplizieren:
Die elementaren mathematischen Funktionen sin, cos, log, exp . . . sind dimensionslos und akzeptieren
auch nur dimensionslose Größen als Argumente. Auch daran erkennt man, dass δ keine übliche Funk-
tion ist.
3.1.4 Grundlösungen
mit der Einheitsimpulsfunktion als Erregerkraft (die zur Zeit t = 0 stoßartig den Impuls p0 = 1
überträgt und für alle anderen t 6= 0 den Wert 0 hat), heißt Grundlösung.
46 KAPITEL 3. ALLGEMEINE ERREGERKRÄFTE
Die Grundlösung h hängt von der Art des Systems (ob ungedämpft, unter-, über- oder kritisch ge-
dämpft) ab. Sie ist für t > 0 eine Lösung der homogenen Gleichung (weil die Erregerkraft dann
den Wert 0 hat). Für ein ungedämpftes System setzen wir für t > 0 gemäß der allgemeinen Lösung
nach 1.10
p0
x(0) = 0 und ẋ(0) = mit p0 = 1
m
Daraus folgt:
0 für t < 0
h(t) = 1
sin(ωk t) für t ≥ 0
ωk m
Als nächstes berechnen wir die Grundlösung des Sytems (3.6) bei unterkritischer Dämpfung. Nach
(1.16) kann man h(t) für t ≥ 0 in der Form
ansetzen, wobei
ḣ(0) + δh(0)
A=
ωD
und B = h(0).
0 für t < 0
h(t) = 1 −δt .
e sin ωD t für t ≥ 0.
mωD
Die physikalische Dimension von h ist Länge/Impuls; erst nach Multiplikation von h mit dem über-
tragenen Impuls ergibt sich eine Länge.
Hier eine Zusammenstellung der Funktionsterme, jeweils für t ≥ 0. Abbildung 3.2 zeigt die zugehörigen
Funktionsgraphen.
3.1. PUNKTFÖRMIGER KRAFTTERM – STOßARTIGE ERREGUNG 47
0.5
h(t)
0.5
0 2 4 6 8 10 12
t
Abbildung 3.2: Vier Grundlösungen (ungedämpft, unter-, über- und kritisch gedämpfter Fall) über-
lagert. Alle Lösungen starten mit Anfangsgeschwindigkeit ḣ(0) = 1. Die kritisch gedämpfte Lösung
klingt für t → ∞ am schnellsten ab.
Zeitverschobene Grundlösung Angenommen, der Stoß findet nicht zur Zeit t = 0, sondern bei
t = s statt. Das System ist also für t < s in Ruhe; bei t = s wird stoßartig Impuls ps übertragen und
48 KAPITEL 3. ALLGEMEINE ERREGERKRÄFTE
das System beginnt zu schwingen. Die Auslenkung x(t) gehorcht einer zeitverschobenen Grundlösung
0 für t < s,
(
x(t) =
ps h(t − s) für t ≥ s.
Ein allgemeiner Kraftterm lässt sich annähernd auch als Summe einzelner, kleiner Stöße in kurzen
Abständen auffassen – so ähnlich, wie in einem Film Einzelbilder, in kurzen Abständen gezeigt, den
Eindruck kontinuierlicher Bewegung vermitteln.
lösen wobei F : (−∞,∞) → R nun eine beliebige Erregerfunktion ist. Eine Möglichkeit ist, F durch eine
Summe von einzelnen Stössen zu approximieren. Dabei ist zu beachten, dass die Stöße pro Zeiteinheit
denselben Impuls übertragen wie die kontinuerliche Kraft F .
Im (differentiellen) Zeitintervall [s, s + ds] überträgt F den Impuls dp = F (s) ds. Dieser Impuls-Stoß
bewirkt als Beitrag dx zur Gesamt-Lösung
Die Beiträge der Stöße in den einzelnen Zeitintervallen überlagern sich (Superpositionsprinzip! Li-
nearität der Differentialgleichung!). Die Gesamtlösung x zur Zeit t ergibt sich als Integral über alle
differentiellen Beiträge der Intervallen= [s, s + ds] mit s < t.
Z t
x(t) = F (s) h(t − s) ds.
−∞
Zt
x(t) = (h ? F )(t) := F (s)h(t − s)ds
−∞
3.3 Beispiele
Erregerkraft
0 für t < 0,
(
F (t) =
at für t ≥ 0.
Wir geben vorerst dem dimensionsbehaftete Proportionalitätsfaktor a mit Einheit N/s den Wert a = 1,
also F (t) = t, Kraft = Zeit. Um korrekte physikalischen Dimensionen, auch im Endergebnis, kümmern
wir uns später.
Auswerten des Duhamel-Integrals:
1
Z t Z t
x(t) = F (s)h(t − s)ds = s· sin ωk (t − s)ds =
−∞ −∞ ωk m
Weil F (s) = 0 für s < 0, reicht als untere Grenze s = 0 im Integral. Konstante vor das Integral ziehen.
1
Z t
= s sin ωk (t − s)ds .
ωk m s=0
u 1
ωk (t − s) = u , s=t− , ds = − du
ωk ωk
1 0 u
Z
x(t) = − 2 (t − ) sin u du
ωk m u=ωk t ωk
1
Z 0 Z 0
t
=− 2 sin u du + 3 u sin u du
ωk m u=ωk t ωk m u=ωk t
t 0 1 0 1 0 Z
= cos u − u cos u + cos u du
ωk2 m u=ωk t ωk3 m u=ωk t ωk3 m u=ωk t
t 1 1 0
= 2 (1 − cos ωk t) − 3 (0 − ωk t cos ωk t) + 3 sin u u=ω t
ωk m ωk m ωk m k
t 1 t 1
x(t) = − sin ωk t = − sin ωk t
ωk2 m ωk3 m c ωk c
Wir halten noch fest, dass dieser Ausdruck nur für t ≥ 0 gilt; für t < 0 liefert das Duhamel-Integral
von vornherein den Wert 0. Den dimensionsbehafteten Proportionaitätsfaktor a tragen wir auch noch
nach. Endergebnis somit
0
für t < 0,
x(t) = a 1
t− sin ωk t für t ≥ 0.
c ωk
50 KAPITEL 3. ALLGEMEINE ERREGERKRÄFTE
Diskussion und Kritik Das Resultat für t > 0 lässt sich anschaulich interpretieren. Der erste Term
entspricht formal einer statischen Auslenkung des Systems mit Steifigkeit c und angreifender Kraft
F = at. Dieser statischen Auslenkung überlagern sich Sinuschwingungen mit Amplitude a/(ωk c).
Man spricht von einer maximalen Überhöhung der Auslenkung um a/(ωk c) gegenüber statisch berech-
neter Kraftwirkung.
Der Rechenweg über das Duhamel-Integral, wenn er mit Papier und Stift bewältigt werden soll, ist
mühsam. Bei weitem einfacher hätten wir das Resultat erhalten nach der Regel „Inhomogene Lösung ist
partikuläre Lösung plus homogene Lösung“: Ein simpler Ansatz hätte den ersten Term als partikuläre
Lösung von
mẍ + cx = at
geliefert. Der zweite Term ist eine Lösung der homogenen Gleichung, wobei die Konstante so gewählt
ist, dass insgesamt x(t) die Anfangsbedingungen x(0) = 0, ẋ(0) = 0 erfüllt.
Das Duhamel-Integrals ist wichtig, weil es einen geschlossenen Ausdruck für die Lösung liefert. Als
Papier-und-Stift-Lösungsweg, womöglich noch ohne Integraltabelle, ist es mühsam.
Mit Computeralgebra-Unterstützung wäre die Rechnung ganz kurz und bündig verlaufen. Hier ein
Screenshot:
Ist eine Störung nur von sehr kurzer Dauer, kann man die Störung mathematisch als Stoß oder
„Impuls“3 modellieren.
Es sei p eine stoßartige Belastung unseres viskoelastischen Systems, d.h. p = 0 außerhalb eines kleinen
Intervalls [0,t1 ]. Für die Lösung x von
t1 t1 Zt1 Zt1
mẋ(t) + bx(t) +c x(t)dt = p(t)dt.
0 0 0 0
3
Impuls nennt man vor allem in der Elektrotechnik einen nur kurz dauernden Strom- oder Spannungsstoß. Dieser
Begriff ist aber ganz etwas anderes als die physikalische Größe Impuls = Masse mal Geschwindigkeit
3.3. BEISPIELE 51
Wir wollen annehmen, dass x(0) = ẋ(0) = 0. Dann ist der erste Term auf der linken Seite mẋ(t1 ),
während wir die anderen Terme auf dieser Seite vernachlässigen können. Das heißt
Zt1
1
ẋ(t1 ) ∼
= p(t)dt
m
0
und
Zt1
∼ 1 e−δ(t−t1 ) sin ωD (t − t1 )
x(t) = p(t)dt.
mωD
0
Man beachte, dass für p = δ diese Formel die exakte Lösung, nämlich h liefert!
Für den maximalen Ausschlag bei kleinem D erhalten wir dann auch die Näherungsformel
Zt1
1
xmax = p(t)dt.
mωD
0
Ist p empirisch gegeben, so bildet man das Integral über p zweckmäßigerweise mit der Trapezregel.
Auch in diesem Fall ist der Vergößerungsfaktor V = x(t)c/p0 von besonderem Interesse.
Aufgabe 25 Ein Projektil der Masse 2 kg wird durch ein Rohr abgeschossen. Der Kraftverlauf sei
10πt
p(t) = 100 sin für 0 ≤ t ≤ 0.8
8
(p in Newton, t in Sekunden, keine Dämpfung)
Wie groß ist die Geschwindigkeit des Projektil’s nach 0.8 Sekunden?
Antwort 25,5 m/s
Aufgabe 26 Ein Projektil der Masse 1kg wird durch ein Rohr abgeschossen. Der Kraftverlauf ist in
Abbildung 3.3 angegeben.Welche Geschwindigkeit hat das Projektil nach 0,7 Sekunden?
Antwort 45 m/s.
Aufgabe 27 Ein Auto fährt mit sehr grosser Geschwindikeit über eine Bodenwelle. Der Fahrersitz
ist mit eine Feder mit Steifigkeit c abgefedert. Die Bodenwelle wird mit Hilfe einer Deltafunktion hδ0
modelliert, dabei ist die Höhe der Bodenwelle gleich h. Wie schwingt der Fahrersitz aus.
Aufgabe 28 Ein Auto fährt realtive langsam mit einer Geschwindikeit v über eine Bodenwelle. Die
Stoßdämpfer haben Steifigkeit c. Die Bodenwelle wird durch folgende Funktion approximiert:
F in N
100
80
60
40
20
t in sek
0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7
Gegeben sei das Feder-Masse System aus Abbildung 2.5, das an der Basis erregt wird. Es genügt der
Gleichung 2.13. Setzen wir z = x − y, so nimmt es die Form
wobei Θ(t) die Einheitssprungfunktion (Heaviside-Funktion) bezeichnet. (Siehe Abbildung 3.4 für das
Schaubild von v(t).)
Wegen
v0 −t/t0
ÿ(t) = v0 e−t/t0 δ(t) − e Θ(t), t ∈ R,
t0
Setzen wir damit in 3.8 ein, wobei wir b = 0 voraussetzen wollen, so ergibt das Duhamelintegral
4
In der Signaltheorie bezeichnet „Impuls“ eine kurzzeitige Anregung, die man zumeist durch eine Dirac-Distribution
(Delta-„Funktion“) modelliert. Deswegen finden Sie in der Literatur auch den Ausdruck „Geschwindigkeitsimpuls“. In der
Physik ist jedoch Impuls = Masse mal Geschwindigkeit. Deswegen sprechen wir hier von stoßartiger (statt „impulsartiger“
)Anregung.
54 KAPITEL 3. ALLGEMEINE ERREGERKRÄFTE
v0 t −τ /t0 1
Z
z(t) = − e [δ(τ ) − Θ(τ )] sin ωk (t − τ )dτ
ωk 0 t0
v0 t
Z
= − δ(τ ) sin ωk (t − τ )dτ +
ωk 0
Z t
v0
+ e−τ /t0 sin ωk (t − τ )dτ
ωk t0 0
v0
= ωk t0 e−t/t0 − sin ωk t − ωk t0 cos ωk t .
ωk 1 + (ωk t0 )2
Beispiel 9 Eine unterkritisch gedämpfte Waage wird plötzlich durch ein Gewicht belastet. Wie schwingt
die Waage aus.
Zeichnung
Wir suchen eine Lösung x des gedämpften Systems
p0 für t ≥ t0 ,
(
p(t) =
0 für t < t0 ,
darstellt. Die Störung kann man durch eine Stufenfunktion oder Heaviside-Funktion modellieren
Definition 3.3.1 Die Funktion
1 für t ≥ 0,
(
Θ(t) =
0 für t < 0
nennt man Einheitssprungfunktion oder auch Heavisidefunktuion.
Unsere Stufenfunktion p hat mit ihr die Darstellung p(t) = p0 Θ(t), t ∈ R. Offensichtlich ist
Z t
δ(s)ds = Θ(t).
−∞
Wir bestimmen die Lösung mittels des Duhamelintegrals. Die Grundlösung der Gleichung mit unter-
kritischer Dämpfung lautet
1
h(t) = e−δt sin ωD t.
mωD
Eingesetzt in das Duhamelintegral erhalten wir als Lösung für t ≥ t0
Z t Z t
p0
x(t) = h(t − s)p(s) ds = e−δ(t−s) sin ωD (t − s) ds.
−∞ mωD t0
3.3. BEISPIELE 55
Abbildung 3.6: ẋ(t) und ẍ(t) nach Anregung durch eine Stufenfunktion
Mittels Mathematica, MatLab oder Maple kann man dieses Integral sehr schnell berechnen und man
erhält als Lösung x(t) = 0 für t ≤ t0 und
p0 δ
x(t) = 2 1 − e−δ(t−t0 ) sin(ωD (t − t0 )) + cos(ωD (t − t0 ))
m(ωD + δ )
2 ωD
für t ≥ t0 . Mittels Additionstheorem und der Beziehungen zwischen D, δ, ωD , ωk , c und m kann man
die Lösung umschreiben und erhält
e−δ(t−t0 )
" #
p0
x(t) = 1− √ cos(ωD (t − t0 ) − φ)
c 1 − D2
mit φ = arcsin(D). Für die Werte pm0 = 1, δ = 0.3, ωD = 1 sind Auslenkung, Geschwindigkeit und
Beschleunigung in Bild 3.5 und 3.6 gezeichnet.
Für t sehr groß pendelt sich der Wert von x bei pc0 , der statischen Auslenkung, ein. Das ist anschaulich
klar: Nach Abklingen der Schwingungen hat die Kraft p0 die Ruhelage des Systems um pc0 verschoben.
Beispiel 10 Eine nicht gedämpfte Waage wird plötzlich durch ein Gewicht belastet. Wie schwingt die
Waage aus.
In diesem Beispiel lautet die Grundlösung
1
h(t) = sin ωk t, t ∈ R.
mωk
Eingesetzt in das Duhamel integral erhalten wir
Z t
p0 p0
x(t) = sin ωk (t − s)ds = (1 − cos ωk t), t ∈ R.
mωk 0 c
Man beachte, dass der Vergrößerungsfaktor V = x(t)c/p0 höchstens 2 wird.
56 KAPITEL 3. ALLGEMEINE ERREGERKRÄFTE
Beispiel 11 Ein Lastwagen mit Ladefläche wird als unterkritisches gedämpftes System modelliert.
Die Ladefläche wird langsam mit Schutt beladen. Auf welche Höhe pendelt sich die Ladefläche ein.
Zeichnung
Wir suchen eine Lösung x des gedämpften Systems
0 für
t ≤ t0 ,
p(t) = (t − t0 )/(t1 − t0 ) für t0 ≤ t ≤ t1 ,
1 für
t ≥ t1 ,
darstellt.
Die Grundlösung eines Systems mit unterkritischer Dämpfung lautet
1
h(t) = e−δt sin ωD t, t ∈ R.
mωD
Wie bei der Definition von p müssen wir wiederum die drei Fälle unterscheiden.
1. 0 ≤ t0 : In diesem Fall gilt p(t) = 0 und damit x(t) = 0.
2. t0 ≤ t ≤ t1 : Setzt man p in das Duhamel integral ein erhält man
1
Z t
x(t) = (s − t0 ) e−δ(t−s) sin ωD (t − s) ds
mωD (t1 − t0 ) t0
1 1
x(t) = 2 )2
mωD (t1 − t0 ) (δ + ωD
2
ωD δ 2 (t − t0 ) − 2δ + ωD
2
(t − t0 )
n h i
1 t1 Z
x(t) = (s − t0 ) e−δ(t−s) sin ωD (t − s) ds
mωD (t1 − t0 ) t0
1
Z t
+ e−δ(t−s) sin(ωD (t − s)) ds.
mωD t1
3.4. ERREGUNG DURCH PERIODISCHE FUNKTIONEN 57
1 1
x(t) = 2 )2
mωD (t1 − t0 ) (δ + ωD
2
e−δ(t−t1 ) ωD δ 2 (t1 − t0 ) − 2δ + ωD
2
(t1 − t0 ) cos(ωD (t1 − t))
n h i
+ e−δ(t−t1 ) δ 2 − ωD
2
+ δ 3 (t0 − t1 ) + δωD
2
(t0 − t1 ) sin(ωD (t1 − t))
h i o
1 1
+ 2 )2
mωD (δ + ωD
2
Die stationäre Lösung einer Differentialgleichung ist aus der Duhamel-Integral-Darstellung kaum er-
sichtlich. Deswegen wendet man andere Methoden an, um stationäre Lösungen zu untersuchen. In
diesem Beispiel wird exemplarisch die stationäre Lösung eines durch Stöße in regelmäßigen Abständen
angeregten Systems untersucht.
Ein ungedämpftes System werde durch jeweils gleiche Stöße (Impulse) in Abständen τ0 erregt, siehe
Abb.3.8, wobei ωk τ0 6= nπ sein soll. Wie lautet die stationäre Lösung?
Es sei also
mẍ(t) + cx(t) = p(t), t ∈ R,
wobei
∞
p(t) = p0 δ(t − kτ0 ),
X
t ∈ R.
k=0
58 KAPITEL 3. ALLGEMEINE ERREGERKRÄFTE
Abbildung 3.8:
Sind wir nur an der stationären Lösung interessiert, so arbeiten wir mit sogenannter verschwundenen
Dämpfung5 und haben nur eine (periodische) partikuläre Lösung zu suchen.
Dazu beachten wir, dass zwischen den einzelnen Stößen das System frei schwingt. Die stationäre
Lösung zwischen jτ0 und (j + 1)τ0 muß also von der Form
sein, wobei A und ϕ unbekannt sind. Wegen x(jτ0 ) = x((j + 1)τ0 ) ergibt sich daraus
Beachten wir nun, dass ein Kraftstoß von der Intensität p0 sofort einen entsprechenden Impuls (im phy-
sikalischen Sinn, Kraft mal Zeit = Impulsänderung) überträgt, so muss der Geschwindigkeitszuwachs
v0 zu den Zeiten kτ0 der Bedingung
p0 = mv0
Wegen
sin(ωk τ0 + ϕ) − sin ϕ = 0
p0
cos(ωτ0 + ϕ) − cos ϕ = − .
Amωk
ωk τ0 ωk τ0
sin cos +ϕ = 0 (3.13)
2 2
ωk τ0 ωk τ0 p0
sin sin +ϕ = (3.14)
2 2 2Amωk
ωk τ0
cos + ϕ = 0,
2
und damit
ωk τ0
sin + ϕ = ±1.
2
Es sei 0 < ω k τ0
2 < π. Wenn das Vorzeichen von A positiv sein soll, müssen wir
ωk τ0
sin +ϕ =1
2
wählen, und
p0
A=
2mωk sin(ωk τ0 /2)
wird dadurch
p0 c ωk 1
Vmax = · =
2mωk sin(ωk τ0 /2) p0 2 sin(ωk τ0 /2)
Da sin(ωk τ0 /2) beliebig klein sein kann, ist Vmax also unbeschränkt.
60 KAPITEL 3. ALLGEMEINE ERREGERKRÄFTE
3.5 Übertragungsfunktion
Die Funktion H(ω) aus Gleichung 2.5 beschreibt den Zusammenhang zwischen den Erregerkraft F (t)
und Auslenkung x(t) bei Frequenz ω. Locker gesagt, eine Erregung mit Frequenz ω wirkt sich mul-
tipliziert mit H(ω) auf das Ergebnis aus. Man nennt H(ω) daher die Frequenzübertragungsfunktion,
oder auch nur Übertragungsfunktion.
Ein wichtiges Resultat dieses Kapitels wird sein: H(ω) ist die Fouriertransformierte der Grundlösung
h(x).6
wobei f eine periodische Funktion der Periode T sei. Setzen wir für n ∈ Z und ω = 2π/T
ZT
1
cn = f (t) e−inωt dt,
T
0
∞
a0 X
f (t) = + an cos(nωt) + bn sin(nωt) (3.17)
2 n=1
mit
2 T 2 T
Z Z
an = f (t) cos(nωt) dt, bn = f (t) sin(nωt) dt
T 0 T 0
Die Formel für an gilt auch für a0 und vereinfacht sich in diesem Fall auf
2 1
Z T Z T
a0
a0 = f (t)dt oder, äquivalent, = f (t)dt
T 0 2 T 0
Die Sinus-Cosinus-Form (3.17) ist völlig äquivalent zur komplexen Form (3.16); über die Eulerschen
Formeln lassen sich die Darstellungen ineinander umrechnen.
1
2 (an + ibn ) für n < 0
cn = 1
a für n < 0
2 0
1 (a
− ibn ) für n > 0
2 n
Anmerkungen In den Definitionen von an , bn , cn ist über eine volle Periode zu integrieren. Ob
von 0 bis T , von −T /2 bis T /2 oder auch von 0,815 bis 0,815 + T ist egal. Die passende Wahl des
Integrationsbereiches vereinfacht oft die Berechnung.
Gerade/ungerade Funktion Gilt für eine Funktion f (−x) = f (x) (gerade Funktion, Graph spie-
gelsymmetrisch um die y-Achse), dann sind alle bn = 0.
Gilt für eine Funktion f (−x) = −f (x) (ungerade Funktion, Graph punktsymmetrisch um den Ur-
sprung), dann sind alle an = 0.
(Begründung: Wählen Sie −T /2 bis T /2 als Integrationsbereich und spalten Sie das Integral in zwei
Summanden: Integral von −T /2 bis 0 und Integral von 0 bis T /2. Je nach Funktionstyp heben sich
die beiden Summanden auf.)
Lösungsweg
Die Erregerkraft lässt sich als Summe von Termen darstellen; wir lösen für jeden Term und summieren
die einzelnen Lösungen. Wesentliche Voraussetzung für diese Vorgangsweise ist die Linearität des
Problems.
Wir haben also lauter einzelne Gleichungen der Gestalt
zu lösen – je ein xn (t) pro Fourier-Term. Die Dauerlösungen dieser Gleichung sind uns aber schon
bekannt, siehe Gleichung (2.5):
cn 1
xn (t) = H(nω)einωt mit H(nω) = .
c (nω) + +1
c −m 2 ib
c nω
Ist nω 6= ωk für alle n ∈ N, so lässt sich bei D = 0, oder näherungsweise bei kleinem D, auch die
einfachere Dauerlösung im ungedämpften Fall verwenden:
cn 1
xn (t) = einωt
c 1 − (nω/ωk )2
n=−∞
62 KAPITEL 3. ALLGEMEINE ERREGERKRÄFTE
darstellbar.
Für die Fouriertransformierte der Deltafunktion erhalten wir rein formal
+∞
Z
F T (δ)(ω) = δ(t)e−iωt dt = e0 = 1,
−∞
also
F T (δ) = 1.
Für F T (ẋ) erhalten wir für limt→∞ x(t) = limt→−∞ x(t) = 0
+∞
Z
F T (ẋ)(ω) = ẋ(t)e−iωt dt =
−∞
∞ +∞
Z
= x(t)e −iωt
+ iω x(t)e−iωt dt,
−∞ −∞
also
F T (ẋ)(ω) = iωF T (x).
Des weiteren erinnern wir an den Faltungssatz
F T (x ∗ y) = F T (x)F T (y).
Dann gilt
1 = F T (δ)(ω) =
= F T (mḧ + bḣ + ch)(ω) =
= F T (mḧ)(ω) + F T (bḣ)(ω) + F T (ch)(ω)
= m(iω)2 F T (h)(ω) + biωF T (h)(ω) + cF T (h)(ω)
= (−mω 2 + iωb + c)F T (h)(ω),
und daher
1
F T (h)(ω) = = H(ω),
−ω 2 m + iωb + c
3.5. ÜBERTRAGUNGSFUNKTION 63
zu berechnen, genügt es also die Fouriertransformierte von f mit der Funktion H punktweise zu
multiplizieren:
X(ω) = H(ω)F T (F )(ω).
Wir werden diese Darstellung von X später sehr nützlich finden.
64 KAPITEL 3. ALLGEMEINE ERREGERKRÄFTE
Testfragen
0 für t < 0
(
F (t) =
e−t für t ≥ 0
die Lösung der Schwingungsgleichung im ungedämpften Fall als Duhamel-Integral dar.
(b) Werten Sie das Integral aus und geben Sie x(t) an. Zur Unterstützung ein unbestimmtes
Integral:
e−s (sin(as) + a cos(as))
Z
e−s sin(as)ds = −
a2 + 1
(c) Finden Sie eine partikuläre Lösung der Schwingungsgleichung.
(d) Stellen Sie x in der Form x(t) = xp (t) + xh (t) dar und bestimmen Sie die Konstanten in
der Lösung xh so, dass x(t) die Anfangsbedingungen x(0) = 0 und ẋ(0) = 0 erfüllt.
2. Unebenheiten einer Oberfläche erzeugen ein Signal f (t), das durch eine periodische Funktion
modelliert wird. (Zahlenwert-Beispiel mit dimensionslosen Einheiten.)
1
0.5
t
-2 0 2 4 6
Die Periode beträgt T = 4, für −1 < t < 1 ist f (t) = 1 − t2 , für 1 < t < 3 ist p(t) = 0.
(a) Berechnen Sie den konstanten Term in der Fourier-Reihenentwicklung der Erregerkraft.
(b) Berechnen Sie auch die Terme für n = 1 und n = 2 in der Fourier-Reihenentwicklung der
Erregerkraft. Zur Unterstützung hier einige bestimmte Integrale:
4 + π2 2 16
Z 1 Z 1 Z 1
π
2 2 2
(1 − t ) sin (πt) dt = (1 − t ) cos (πt) dt = 2 (1 − t ) cos t dt = 3
0 π3 0 π 0 2 π
(c) Berechnen Sie für die oben erhaltenen Terme der Reihenentwicklung entsprechende parti-
kuläre Lösungen der Schwingungsgleichung ẍ + 4x = f (t)
3. Gegeben sei der Rechtecks-Impuls f (t) (Zahlenwert-Beispiel, dimensionslosen Einheiten)
f
1
t
-2 -1 1 2
(a) Berechnen Sie die Fourier-Transformierte F (ω)
(b) Berechnen Sie die Fourier-Transformierte X(ω) der entsprechenden Lösung der Schwin-
gungsgleichung ẍ + 4x = f (t)
3.6. ANHANG: DIE δ-FUNKTION 65
Die δ-Funktion (geschrieben δ0 ) ist diejenige Funktion, für die das Integral
Z ∞
φ(x)δ0 (x) dx
−∞
immer φ(0) ergibt, vorausgesetzt φ ist eine stetige Funktion. Eigentlich ist die δ-Funktion auch keine
Funktion, da man ihren Funktionswert nicht in jeden Punkt definieren kann (salopp gesagt ist sie
überall 0, nur im Nullpunkt ∞) (deswegen nennen die Mathematiker die δ-Funktion auch Distribution).
Man kann sie aber als Grenzwert netter Funktionen definieren.
Sei φ eine stetig und differenzierbare Funktion und ψ gegeben durch
0 für
x < −1,
−(1 + x) für − 1 ≤ x ≤ 0,
ψ(x) :=
1−x für 0 ≤ x ≤ 1,
0 für x > 1,
Z ∞ Z 1
φ(x)ψk (x) dx = φ(0) + 2−k zφ0 (0) ψ(z) dz
−∞ −1
= φ(0) + O(2−k zφ0 (0)).
Man kann zeigen, dass fuer jede stetige Funktion φ das Integral
Z ∞
φ(x)ψk (x) dx
−∞
für k → ∞ gegen φ(0) strebt. Damit definiert man δ0 als folgenden Grenzwert
δ0 = lim ψk .
k→∞
Beachte, die Folge der ψk ist nicht eindeutig. Mann kann verschiedene Grundfunktionen ψ oder Funk-
tionsfolgen ψk nehmen.
66 KAPITEL 3. ALLGEMEINE ERREGERKRÄFTE
Anhang
Betrachtet man den Vektorraum R3 , so gibt kann man jeden Vektor durch die Basisvektoren
1 0 0
v = 2
5
gegeben, so kann man v folgendermaßen schreiben:
1 0 0
Dies kann man mit drei beliebigen Basisvektoren machen, sofern sie linear unabhängig sind. Wenn
die Basisvektoren erstens auf einander senkrecht stehen8 und zweitens jeweils die Länge eins haben9 ,
dann spricht man von einer orthonormalen Basis. Zum Beispiel kann man v mittels der Basisvektoren
1 1
−√ 0
√
√12 √1 2
2 , 2 und 0
0 0 1
folgendermaßen schreiben
1 1
− 0
√ √
5 √12 1 √1 2
v= √ 2 − √ 2 + 5 0 .
2 2 1
0 0
Eine wichtige Eigenschaft dieser Darstellung ist: Der Betrag von v errechnet sich aus den Koeffizienten
der Basisvektoren „mit der üblichen Formel“. In unserem Beispiel ist
√
|v| = 32 + 22 + 52 = 38 in der Standard-Basis
p
s
52 1 √
|v| = + + 52 = 38 in der anderen Basis
2 2
8
Zwei Vektoren
u1 v1
! !
u= u2 , and v= v2
u3 v3
stehen aufeinander senkrecht falls gilt u · v = u1 v1 + u2 v2 + u3 v3 = 0.
9
Die Länge eines Vektors
u1
!
u = u2
u3
ist definiert durch |u| = u21 + u22 + u23
p
3.7. DIE FOURIERREIHE FÜR PERIODISCHE FUNKTIONEN 67
So etwas ähnliches gilt auch für periodische Funktionen. Hier hat man statt Basisvektoren Basisfunk-
tionen, und man hat nicht endlich viele Basisfunktionen, sondern unendlich viele. Sei f : R → R eine
periodische Funktion mit Periode T > 0, das heißt, es gilt f (t + T ) = f (t) ∀t ∈ R. Wir definieren f
im Intervall [− T2 , T2 ] als10
T T
f: − , →R,
2 2
und setzten f außerhalb [− T2 , T2 ] in beiden Richtungen periodisch fort.
Dann kann man f durch das Funktionensystem
2nπt 2nπt
sin :n∈N und cos :n∈N
T T
und der konstanten Funktion R 3 t 7→ 1 darstellen. Die Funktionenfamilie ist so etwas ähnliches wie die
Basisvektoren in Rd , nur für Funktionenräume. In den folgenden Bildern sehen Sie die Basisfunktionen
für n = 1,2,3,7.
erster Fourierkoeffizient (cosinus) auf [−1,1] zweiter Fourierkoeffizient (cosinus) auf [−1,1]
1 1
0.8 0.8
0.6 0.6
0.4 0.4
0.2 0.2
cosinus(2 t π)
cosinus( t π)
0 0
−0.2 −0.2
−0.4 −0.4
−0.6 −0.6
−0.8 −0.8
−1 −1
−1 −0.5 0 0.5 1 −1 −0.5 0 0.5 1
t t
dritter Fourierkoeffizient (cosinus) auf [−1,1] siebter Fourierkoeffizient (cosinus) auf [−1,1]
1 1
0.8 0.8
0.6 0.6
0.4 0.4
0.2 0.2
cosinus(3 t π)
cosinus(7 t π)
0 0
−0.2 −0.2
−0.4 −0.4
−0.6 −0.6
−0.8 −0.8
−1 −1
−1 −0.5 0 0.5 1 −1 −0.5 0 0.5 1
t t
Als erste werden wir die Frage behandeln: wie kann man so eine Funktionen mit Hilfe dieses Funk-
tionensystem darstellen? Dabei ist wichtig, dass die Funktionen in einen gewissen Sinne senkrecht
aufeinander stehen, d.h.
2nπt 2mπt T
falls m = n,
Z T /2 (
sin sin dt = 2
−T /2 T T 0 falls m =
6 n,
2nπt 2mπt T
falls m = n,
Z T /2 (
cos cos dt = 2
−T /2 T T 0 falls m 6= n,
und
2nπt 2mπt
Z T /2
cos sin dt = 0, für alle n,m ∈ N.
−T /2 T T
Nachrechnen kann man dies durch partielle Integration. Wegen der Einfachheit zeigen es wir am
Intervall [−π,π] und für n = 2 und einmal für n = 2 und m = 3.Genau genommen haben wir
1 3
Z π π
Z π
cos(2t) cos(3t) dt = sin(2t) cos(2t) + sin(2t) sin(3t) dt
−π 2
| {z
−π
}
2 −π
=0
1 9
π
Z π
= cos(2t) sin(3t) + cos(2t) cos(3t) dt.
2
| {z
−π
}
4 −π
=0
Daraus folgt
9 π Z
(1 − ) cos(2t) cos(3t) dt = 0.
4 −π
Setzt man n = m = 2 so nützt man aus dass einerseits gilt sin2 (x) + cos2 (x) = 1 und andererseits man
durch Partielle Integration zeigen kann, dass gilt
Z π Z π
cos(2t) cos(2t) dt = sin(2t) sin(2t) dt.
−π −π
Damit gilt Z π Z π Z π Z π
1 dt = cos(2t)2 dt + sin(2t)2 dt = 2 cos(2t)2 dt.
−π −π −π −π
Daraus folgt Z π
π= cos(2t)2 dt.
−π
,
Angenommen, es gibt Koeffizienten bn und an , n ∈ N, sodass (3.18) gilt, dann muss man nur beide
Seiten der Gleichung mit sin(kπt/T ) multiplizieren und integrieren. Damit erhält man
2kπt
Z T /2
f (t) sin dt
−T /2 T
∞ Z T /2
2nπt 2kπt
= bn sin sin
X
dt
n=1 −T /2 T T
| {z }
=0 falls n6=k und =T /2 falls n=m
∞ Z T /2
2nπt 2kπt
+ an cos sin
X
dt
n=1 −T /2 T T
| {z }
=0
2kπt 2kπt
Z T /2
T
= bn sin sin dt = bk .
−T /2 T T 2
3.7. DIE FOURIERREIHE FÜR PERIODISCHE FUNKTIONEN 69
2kπt
Z T /2
f (t) cos dt
−T /2 T
∞ Z T /2
2nπt 2kπt
= bk sin sin
X
dt
n=1 −T /2 T T
| {z }
=0
∞ Z T /2
2nπt 2kπt
+ ak cos sin
X
dt
n=1 −T /2 T T
| {z }
=0 falls n6=m und =T /2 falls n=k
T
= ak .
2
Damit gilt
2πt 2 × 2πt
f (t) = b1 sin + b2 sin + ...
T T
2πt 2 × 2πt
+ a1 cos + a2 cos + ... (3.20)
T T
mit
1 2kπt
Z T /2
bk = f (t) sin dt, k ≥ 1, (3.21)
T −T /2 T
und
1 2kπt
Z T /2
ak = f (t) cos dt k ≥ 1, (3.22)
T −T /2 T
1
Z T /2
a0 = f (t) dt. (3.23)
T −T /2
2 0 2t 2πkt 2t 2πkt
"Z Z T /2 #
ak = 1+ cos dt + 1− cos dt
T −T /2 T T 0 T T
2 2t 2πkt
Z 0
= 1+ cos dt
T −T /2 T T
| {z }
=0
4 2πkt 4 2πkt
Z 0 Z T /2
+ t cos dt − t cos dt
T2 −T /2 T T2 0 T
8 T /2 2πkt
Z
= − t cos dt.
T2 0 T
Im letzten Schritt verwenden wir
x 1
Z
x cos(tx) dx = sin(tx) + 2 cos(tx)
t t
und erhalten schließlich
2(1 − cos(πk))
ak = , k ≥ 0,
π2 k2
und, da f gerade ist bk = 0. Der Ausdruck für ak verdient noch einige Bemerkungen:
• Für alle geraden k verschwindet ak .
• Für alle ungeraden k haben wir ak = 4/(π 2 k 2 ).
• Für k = 0 sollten wir lieber den Mittelwert A0 nehmen und nicht k = 0 in die Formel für ak
einsetzten.
Wir können also weiter vereinfachen und erhalten
1
für k = 0,
2
ak = 4
für ungerade k,
π 2 k2
0
für gerade k =
6 0.
Die Reihenglieder nehmen zwar mit steigenden k rasch ab, aber prinzipiell haben wir eine unendli-
che Reihe. Die liegt an den spitzen Dach bei t = 0 und an den Knick (periodische Fortsetzung) bei
t = ±T /2 unserer Funktion f (t). Um diese Knicke zu beschreiben brauchen wir unendlich viele Fou-
rierkoeffizienten. Andererseits kann man mittels den ersten Fourierkoeffizienten die Figur schon recht
gut annähern, was die folgende Bildreihe illustrieren soll:
Mit ω = 2π/T erhalten wir
1 4 1 1
f (t) = + 2 cos ωt + cos 3ωt + cos 5ωt + · · · ,
2 π 9 25
und
3.7. DIE FOURIERREIHE FÜR PERIODISCHE FUNKTIONEN 71
Original
1
0.9
0.8
0.7
0.6
2t
1+ für − T2 ≤ t ≤ 0,
f(t) (
0.5
f (t) = T
2t
1− für 0 < t ≤ T2 .
0.4
0.3 T
0.2
0.1
0
−1 −0.5 0 0.5 1
t
0−te Näherung
1.5
0.5
1
t 7→
2
0
−0.5
−1 −0.5 0 0.5 1
t
1−te Näherung
1
0.9
0.8
0.7
0.6
0.5
1 4
t 7→ + 2 cos(πt);
2 π
0.4
0.3
0.2
0.1
0
−1 −0.5 0 0.5 1
t
2−te Näherung
1
0.9
0.8
0.7
1 4
+ 2 cos(πt)
0.6
t 7→
0.5
2 π
0.4
4
+ 2 cos(3πt) ;
9π
0.3
0.2
0.1
0
−1 −0.5 0 0.5 1
t
72 KAPITEL 3. ALLGEMEINE ERREGERKRÄFTE
3−te Näherung
1
0.9
0.8
0.7
1 4
+ 2 cos(πt)
0.6
t 7→
0.5
2 π
0.4
1 1
+ cos(3πt) + cos(3πt) ;
9 25
0.3
0.2
0.1
0
−1 −0.5 0 0.5 1
t
4−te Näherung
1
0.9
0.8
1 4
+ cos(πt)
0.7
t 7→
0.6
2 π2
0.5
1 1
+ cos(3πt) + cos(5πt)
9 25
0.4
1
0.3
+ cos(7πt) ;
0.2
0.1 49
0
−1 −0.5 0 0.5 1
t
3.7. DIE FOURIERREIHE FÜR PERIODISCHE FUNKTIONEN 73
Diese Reihenentwicklung kann man auch beim N ten Glied abbrechen. Im allgemeinen gilt, je höher
N desto besser approximiert
N
2kπt N
2kπt
fˆ(t) =
bk sin + ak cos
X X
n=1
T n=1
T
die ursprüngliche Funktion f . Dabei gilt, je glatter die Funktion ist, desto besser wird die Funktion
approximiert. Diese Entwicklung wollen wir Anhand folgender Bildreihen erklären.
Beispiel 13 Sei dazu f (t) = t2 − 0.52 . Im ersten Bild sehen Sie die Funktion und die Näherung für
N = 1,2,3,5,10 und 20.
a a a
0 0 0
0 0 0
a0 a0 a0
0 0 0
Beispiel 14 Im der nächsten Bilderreihe sehen Sie die Approximation mittels der Fourierreihe der
Funktion
f : [−1, 1 ] → R
1 falls − 1/7 ≤ x ≤ 1/7,
(
t 7→
0 sonst.
Zu Beginn dieses Kapitels noch eine kleine Warnung: in (3.20) lauft k von 0 an, d.h., wir lassen keine
negativen Frequenzen in der Fourierreihe zu. Für die Kosinus-Terme waren negative Frequenzen kein
74 KAPITEL 3. ALLGEMEINE ERREGERKRÄFTE
Näherung bis zum zweiten Mode Näherung bis zum fünften Mode Näherung bis zum zehnten Mode
1 1.2 1.2
Approximation Approximation Approximation
0.9 Exakte Funktion Exakte Funktion Exakte Funktion
1 1
0.8
0.6
0.6 0.6
0.5
0.4 0.4
0.4
0.2
0 0
0.1
0 −0.2 −0.2
−1 −0.5 0 0.5 1 −1 −0.5 0 0.5 1 −1 −0.5 0 0.5 1
t t t
Näherung bis zum zwanzigsten Mode Näherung bis zum vierzigsten Mode Näherung bis zum achsigsten Mode
1.2 1.2 1.2
Approximation Approximation Approximation
Exakte Funktion Exakte Funktion Exakte Funktion
1 1 1
0 0 0
Problem. Das Vorzeichen des Arguments im Kosinus wirkt sich ohnehin nicht aus, und wir könnten
z.B. die spektrale Intensität bei der positiven Frequenz ωk = 2kπ
T zu gleichen Teilen, d.h. brüderlich,
2kπ
auf −ωk = − T und ωk verteilen, wie in Abb. 1.7 dargestellt. Da bis auf die Frequenz ω = 0 —
sonst eine Frequenz so gut wie jede andere – keinen Bruder hat, bleibt sie ungeteilt. Bei den Sinus-
Termen würde ein Vorzeichenwechsel im Argument auch einen Vorzeichenwechsel beim zugehörigen
Reihenterm bewirken. Das gerechte Aufteilen der spektralen Intensität zu gleichen Teilen auf −ωk und
+ωk muß hier also schwesterlich erfolgen: die Schwester bei −ωk bekommt auch 1/2, aber minus!
k≥1
wobei natürlich gilt: a0k = a0−k = ak /2, b0k = −b0−k = bk /2. Die Formeln zur Berechnung der ak und bk
für k > 0 sind identisch mit (3.22) und (3.21), aber ohne den Extrafaktor 2! Gleichung (3.23) für a0
bleibt davon unberührt.
Jetzt sind wir reif für die Einführung der komplexen Schreibweise. Im folgenden wird stets angenom-
men, dass f (t) eine reelle Funktion ist. Die Verallgemeinerung für komplexe f (t) ist unproblematisch.
Unser wichtigstes Hilfsmittel ist die Eulersche Identität:
1 iαt
cos αt = e + e−iαt
2
und
1 iαt
sin αt =
e − e−iαt .
2i
3.8. DIE FOURIERREIHE FÜR NICHT PERIODISCHE FUNKTIONEN 75
∞
2πk
f (t) = a0 + ck eiωk t , ωk = (3.25)
X
.
k=−∞
T
Achtung: Für k < 0 ergeben sich negative Frequenzen. (Nach unserem Exkurs von vorhin kein
Problem!) Praktischerweise gilt, dass ck und c−k konjugiert komplex zueinander sind (vgl. Bruder und
Schwester ). Die Berechnung von ck läßt sich nun ebenso einfach formulieren:
1
Z T /2
ck = f (t) e−iωk t dt für k = 0, ± 1, ± 2, . . . .
T −T /2
In der Maschinendynamik hat man aber oft Prozesse oder Funktionen, die nicht periodisch sind. Es
besteht allerdings die Möglichkeit eine Fourierreihe zu entwickeln für Funktionen die nicht unbedingt
periodisch sind. In diesem Kapitel werden wir erklären, wie man das Fourierintegral einer nicht peri-
odischen Funktion berechnet.
Wir nehmen an, dass die Funktion auf den ganzen Intervall (−∞,∞) definiert ist.
Weiters, da wir an nicht periodischen Funktionen interessiert sind, nähert man im ersten Schritt die
Funktion mit einer auf einem großen Zeitintervall periodischen Funktion an, und lässt dann die Länge
des Zeitintervalls gegen unendlich wachsen.
Als erstes führen wir die Fouriertransformierte für eine feste Funktion x die auf dem vorgegebenen
Interval [− T2 , T2 ], T > 0 fest, periodisch ist ein. Sei also f : [− T2 , T2 ] → R eine periodische Funktion mit
Periode T . Wie wir vorhin gesehen haben, kann man die Funktion f auch als folgende Reihe schreiben:
2πt 4πt
f (t) = a0 + a1 cos + a2 cos + ···
T T
2πt 4πt
+b1 sin + b2 sin + ··· , (3.26)
T T
oder
∞
2kπt 2kπt
f (t) = a0 + ak cos + bk sin (3.27)
X
.
k=1
T T
76 KAPITEL 3. ALLGEMEINE ERREGERKRÄFTE
Die Fourierkoeffizienten a0 und ak , bk , k ∈ N, in Gleichung (3.26) und (3.27) sind gegeben durch
1
T
2
Z
a0 = f (t) dt,
T − T2
1 2kπt
T
2
Z
ak = f (t) cos dt,
T − T2 T
1 2kπt
T
2
Z
bk = f (t) sin dt, k ∈ N.
T − T2 T
Man kann zeigen, dass unter ziemlich allgemeinen Bedingungen bezüglich f die rechte Seite (3.26)
konvergiert und die Koeffizienten wohldefiniert sind.
Der Einfachheit wegen nehmen wir an dass der Mittelwert der Funktion f gleich Null ist. Damit gilt
auch a0 = 0. Um die Frequenzanteile zu erhalten, muss man die Periodelänge normieren. Das heißt,
man dividiert durch die Intervalllänge von [− T2 , T2 ]. Damit repräsentiert ak den Frequenz-Anteil der
Frequenz
2πk
ωk = .
T
Ein Schritt auf der Frequenzachse beträgt
2π
∆ω = .
T
Betrachtet man den Grenzwert T → ∞, so können wir auch eine Funktion betrachten, die nicht in der
Zeit periodisch ist. Mit T → ∞ streben die Abstände der einzelnen Frequenzanteile gegen 0 und wir
erhalten anstatt einer Fourierreihe ein Fourierintegral. Das heißt, mittels den Substitutionen ωk = 2πk
T
und ∆ω = 2π T erhält man
∞
1 2πks 2πks
T
( )
2
Z
f (t) ∼ f (s) cos ds · cos
X
k=0
T − T2 T T
∞
1 2πks 2πks
T
( Z )
2
+ f (s) sin ds · sin
X
k=0
T − T2 T T
∞
∆ω
T
( )
2
Z
= f (s) cos (ωk s) ds · cos (ωk t)
X
k=0
π − T2
∞
∆ω
T
( )
2
Z
+ f (s) sin (ωk s) ds · sin (ωk t) .
X
k=0
π − T2
Nimmt man nun den Grenzwert für T → ∞, so strebt ∆ω → dω und die Summe über k = 0, . . . ,∞
wird zum Integral über das Interval (−∞,∞). Das heißt
Z ∞ Z ∞
dω
f (t) = f (s) cos (ωs) ds · cos (ωt)
ω=0 π −∞
Z ∞ Z ∞
dω
+ f (s) sin (ωs) ds · sin (ωt) ,
ω=0 π −∞
wobei
1 ∞
Z
A(ω) := f (s) cos (ωs) ds,
2π −∞
1 ∞
Z
B(ω) := f (s) sin (ωs) ds.
2π −∞
1
Z ∞
A(ω) = e−t cos (ωt) dt
2π 0
1 ∞ 1
= − e−t cos (ωt) − ωe−t sin (ωt) dt
2π 0 2π
1 ω ∞ −t
Z
= − e sin (ωt) dt. (3.28)
2π 2π 0
1
A(ω) = 1 − ω 2 A(ω) ,
2π
1 1 1
und damit A(ω) = 2π 1+ω 2 . Analog kann man zeigen, dass B(ω) = ω
2π 1+ω 2 gilt. -
Aufgrund der Beziehung eiθ = cos (θ) + i sin (θ) schreibt man gerne die Fouriertransformierte in kom-
plexer Form. Um die Gleichung zu vereinfachen, ersetzt man dabei die Integrale bezüglich ω über [0,∞)
durch Integrale über (−∞,∞). Da cos(−θ) = cos(θ) gilt, und i sin(−θ) = i sin(θ), gilt ei(−θ) = eiθ 11 .
Mit diesem Kunstgriff erhält man:
' $
Z ∞
f (t) = fˆ(ω) eiωt dω,
−∞
1
Z ∞
fˆ(ω) = f (t) e−iωt dt.
2π −∞
& %
Es soll nun gezeigt werden, daß die Rücktransformation wieder zur Ausgangsfunktion führt. Für die
Hintransformation wird oft auch F T (f (t)) und für die Rücktransformation F T −1 (F (w)) geschrieben.
Wir starten von der Rücktransformation und setzten ein:
11
Ist z = a + ib so bezeichnet z̄ = a − ib das konjugiert Komplexe von z
78 KAPITEL 3. ALLGEMEINE ERREGERKRÄFTE
' $
1 ∞ 1 ∞ ∞
Z Z Z
f (t) = F (ω)eiωt dω = f (t0 )e−iωt eiωt dt0 dω
0
2π −∞ 2π −∞ −∞
1 ∞
Z Z ∞
= f (t ) · eiω(t−t ) dω dt0
0 0
2π −∞ −∞
Z ∞
= f (t0 )δ(t − t0 )dt0 = f (t).
−∞
& %
Jetzt berechnen wir die Fouriertransformierte einiger wichtiger Funktionen:
• die Dirac Distribution δ0 :
1
Z ∞
δ̂0 (ω) = δ0 (t) e−iωt dt = e−i0ω = 1.
2π −∞
ergibt
1 1 − 1 σ2 ω2 1 − 1 σ2 ω2
Z ∞
fˆ(ω) =
1 2
√ e 2 e− 2 t dt = e 2 .
2π 2π −∞ 2π
• Beidseitige Exponentialfunktion:
f (t) = e−|t|/τ .
Die Fouriertransformation lautet
Z ∞ Z ∞
fˆ(ω) = e−|t|/τ e−iωt dt = 2 e−t/τ cos(ωt) dt
−∞ 0
2τ
= .
1 + ω2τ 2
Jede komplexe Zahl z = a + ib laßt sich in der komplexen Ebene durch den Betrag und die Phase φ
darstellen.
b
z = a + ib = a2 + b2 eiφ mit tan(φ) = .
p
a
So können wir auch die Fouriertransformierte der einseitigen Exponentialfunktion darstellen. Alterna-
tiv zur Polardarstellung kann man auch den Real- und Imaginärteil getrennt darstellen.
3.8. DIE FOURIERREIHE FÜR NICHT PERIODISCHE FUNKTIONEN 79
Unter einer Faltung der Funktion f (t) mit einer anderen Funktion g(t) versteht man:
Z ∞
(f ∗ g)(t) = f (t − s)g(s) ds.
−∞
Es gilt
(f
\ ∗ g)(ω) = fˆ(ω) · ĝ(ω).
Bei der Lösung von Differentialgleichungen kann man sich häufig das Leben leichter machen durch
Fouriertransformation. Aus der Ableitung wird einfach ein Produkt:
f (t) ↔ fˆ(ω)
f 0 (t) ↔ iω fˆ(ω)
Mittels partieller Integration kann man folgendes zeigen (wir nehmen an, dass limt→±∞ f (t) = 0)
Z ∞ Z ∞
fb0 (ω) = f 0 (t)e−iωt dt = f (t)e−iωt − (−iω) f (t)e−iωt dt
∞
−∞
−∞ −∞
= iω fˆ(ω).
Der erste Term bei der partiellen Integration fällt weg, da f (t) → 0 geht für t → ∞. Anderenfalls ware
f (t) nicht integrabel. Das Spiel lässt sich fortsetzen:
nf
dd
= (iω)n fˆ(ω).
dt
Für negative n können wir die Formel auch zum Integrieren verwenden. Wir können auch die Ableitung
einer Fouriertransformierten fˆ(ω) nach der Frequenz ω einfach formulieren:
dfˆ(ω)
Z ∞ Z ∞
d −iωt
= f (t) e dt = −i f (t) te−iωt dt
dω −∞ dω −∞
= −i(tf
\ (t))(ω).
80 KAPITEL 3. ALLGEMEINE ERREGERKRÄFTE
Kapitel 4
Nichtlineare Systeme
Bei unseren bisherigen Überlegungen sind wir von der Linearität der Bewegungsgleichungen ausge-
gangen. Wir haben vorausgesetzt, dass die Rückstellkraft einer Feder proportional zur Auslenkung ist,
die Dämpfung proportional zur Geschwindigkeit, und die Masse konstant bleibt. Bei solchen Syste-
men besteht ein linearer Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsfunktion. Nun sind aber
insbesondere die ersten zwei Voraussetzungen meist nur annähernd erfüllt, wodurch die Bewegungs-
gleichungen nichtlinear werden, und der Zusammenhang zwischen Belastung (Störfunktion, Eingangs-
funktion) und Systemantwort (Lösung, Ausgangsfunktion) nicht mehr linear ist. Auch funktionieren
unsere bisherigen Lösungsverfahren nicht mehr, da bei homogenen Systemen die Linearkombinationen
von Lösungen keine Lösungen mehr sein müssen.
Die allgemeinste Form der Differentialgleichung so eines Systems, die wir betrachten ist
ẍ + f (ẋ, x, t) = 0. (4.1)
Exakte Lösungen sind schwer zu finden und rar, die Methoden schwierig. Man trachtet daher, Aussagen
über das Verhalten solcher Systeme treffen zu können, etwa ob es periodische Lösungen gibt, welche
Periode sie haben, bzw. ob es beschränkte Lösungen gibt, wenn sie nicht periodisch sind. Dabei sind
Phasenraumdiagramme, implizite Lösungen und Energiebetrachtungen sehr hilfreich. Auch kann man
mit numerischen Verfahren die Lösungen oft sehr genau berechnen.
Eine andere Vorgehensweisen ist die Betrachtung von linearen Ersatzsystemen. In allen Fällen sind
Energiebetrachtungen hilfreich.
Kommt die Zeit t in der Differentialgleichung nicht explizit vor, so spricht man von einem autonomen
System. Die Gleichung 4.1 hat dann die Form
ẍ + f (ẋ, x) = 0. (4.2)
Setzen wir y = ẋ, so können wir sie in das System
ẋ = y (4.3)
ẏ = −f (x,y) (4.4)
überführen. Das Paar (x,y), beziehungsweise (x, ẋ), zu einem Zeitpunkt t wird als Zustand des Sys-
tems bezeichnet; das Diagramm, das entsteht, wenn man für einen Bereich von t alle Paare (x,y) in
81
82 KAPITEL 4. NICHTLINEARE SYSTEME
Setzt man die Beziehungen (4.6) und (4.7) in (4.8) ein, erhält man
d 1 d 1
m (ẋ(t))2 + c (x(t))2 = 0 (4.9)
dt 2 dt 2
Integriert man (4.9) nach der Zeit, kommt man auf
1 1
m (ẋ(t))2 + c (x(t))2 = E (=Integrationskonstante). (4.10)
2 2
Mit den gegebenen Werten von m und c, sowie den Anfangsbedingungen ist das für y = ẋ
y2 x2
4 +4 = 3.
2 2
Abbildung 4.1 zeigt das Schaubild dieser Funktion.
4.2 Energieerhaltung
4(dx/dt)2/2 + 4x2/2 = 3
1.5
dx/dt 0.5
−0.5
−1
−1.5
Abbildung 4.1:
Umgekehrt erhalten wir durch Multiplizieren mit ẋ(t) von Gleichung (4.11) die Gleichung
Setzt man die Beziehungen (4.12) und (4.13) in (4.14) ein, erhält man
dm d
(ẋ(t))2 + F (x(t)) = 0 (4.15)
dt 2 dt
Integriert man (4.15) nach der Zeit, kommt man auf
m
(ẋ(t))2 + F (x(t)) = E (=Integrationskonstante). (4.16)
2
Setzten wir y = ẋ, erhalten wir
m 2
(y) + F (x) = E.
2
Man nennt
my 2
U (x,y) =
+ F (x)
2
ein Vorintegral, die Funktion F nennt man das Potential der Kraft. Für den Spezialfall f (x) = cx
ist
cx2 (t)
F (x(t)) = ,
2
und wir erhalten das schon bekannte Ergebnis
Systeme, bei denen Gesamtenergie konstant bleibt, bezeichnet man als konservativ, und nennt
U (x,ẋ) = E eine implizite Lösung, im Gegensatz zu einer Darstellung von x als expliziter Funktion
von t.
Im Folgenden zeigen wir, dass man unter Zuhilfenahme impliziter Lösungen wertvolle qualitative und
quantitative Aussagen über x(t) machen kann.
Die Rückstellkraft f (x) einer Feder haben wir bisher immer als
f (x) = cx
angenommen. Wir wollen nun auch andere Rückstellkräfte untersuchen. Dazu wollen wir voraussetzen,
dass
f (−x) = −f (x)
ist und f (x) für positive x ebenfalls positiv ist, zumindest in einer Umgebung des Nullpunktes. Ist
rechts vom Nullpunkt f 00 (x) < 0, so spricht man von einer schwachen Feder. Da f (x) wegen
f (−x) = −f (x) eine ungerade Funktion ist, beginnt die Taylorreihenentwicklung von f also mit
f (x) = a1 x + a3 x3 · · ·
Die einfachste Form für die Rückstellkraft f (x) einer schwachen Feder ist damit
f (x) = x − x3 , | x |< 1.
(Für |x| > 1 wechselt f das Vorzeichen, wirkt also nicht mehr rückstellend, sondern abstoßend.) Setzen
wir m = 1, so erhalten wir die Differentialgleichung
Um ein Vorintegral zu erhalten, multiplizieren wir zunächst mit ẋ(t). Das ergibt
Zuerst suchen wir Lösungen (x, ẋ) der Differentialgleichung (4.17), für die sich der Körper in der
Ruhelage befindet. Ruhelage heißt, dass ẋ = ẍ = 0 gilt. Aus ẍ = 0 eingesetzt in (4.17) folgt, dass sich
der Körper an einer Stelle (x, ẋ) = (c, 0) in Ruhelage befindet, für die
c − c3 = 0
x2
ẋ2 = −x2 (1 − ), | x |≤ 1,
2
hat außer x = ẋ = 0 keine Lösungen, da die rechte Seite für 0 <| x |≤ 1 immer negativ ist, die linke
aber nie.
1
Für (−1, 0) und (1, 0) ist E = 4 und wir suchen das Schaubild von
1
ẋ2 = (x2 − 1)2 ,
2
also von
√
2 2
ẋ = ± (x − 1).
2
Es sind Parabeln, die durch die Punkte (−1, 0), (1, 0) hindurchgehen (Abb. 4.2).
Im Bereich | x |< 1 erhalten wir zwei Parabelbögen C1 und C2 , wobei der erste über der x-Achse und
der zweite darunter liegt. Es ist leicht zu sehen, dass sich die Punkte auf C1 gegen (1, 0) und die auf
C2 gegen (−1, 0) bewegen, diese Punkte in endlicher Zeit aber nicht erreichen.
Für E < 41 liegen die Lösungskurven innerhalb des durch C1 und C2 begrenzten Bereiches. Da sie be-
züglich der Koordinatenachsen symmetrisch sind und auch keine kritischen Punkte enthalten, müssen
es geschlossene Kurven sein, wobei die x-Achse in den Punkten
q √
(± 1 − 1 − 4E, 0)
√
geschnitten wird und die ẋ-Achse in den Punkten (0, ± 2E). Es ist nicht schwer zu sehen, dass
die Kurven außerhalb des von C1 und C2 begrenzten Bereiches wie in der Abbildung eingezeichnet
aussehen.
Ein weiterer Punkt von Interesse ist die Periodendauer T . Die Schwingungsdauer ist die Zeit, die das
System braucht, um eine Phasenkurve zu durchlaufen. Da das Phasenraumdiagramm hier symmetrisch
sowohl um die x- als auch die ẋ-Achse ist, berechnen wir nur eine Viertel-Periode, nämlich die Zeit,
86 KAPITEL 4. NICHTLINEARE SYSTEME
Abbildung 4.2:
die das System braucht, um von einen Punkt (0, vmax ) zum Punkt (x0 , 0) zu gelangen. Schreibt man
T /4 als Integral
Z T /4
T /4 = 1 dt
0
Integrale dieser Art sind mit Computeralgebrasystemen numerisch meist recht genau auswertbar. So
liefert MATLAB für E = 0.2 den Wert 8.30054 .
Für das mathematische Pendel (Abbildung 4.3) erhalten wir die nichtlineare Bewegungsgleichung
Ist der maximale Ausschlag ϕ0 = ϕ(T /4), so muss ϕ̇(T /4) = 0 sein und es gilt
c = −g cos ϕ0 .
Dies bedeutet, dass die Schwingungsdauer sehr wohl von ϕ0 abhängt. Das Integral ist ein ellipti-
:::::::::::::::::::::::::::::::::::::::
sches Integral und im Allgemeinen nicht durch elementare Funktionen darstellbar. Auch hier helfen
Computeralgebrasysteme. So liefert Matlab den Wert 2.6221 für das Integral
Z π/2
dϕ
T = .
cos ϕ − cos(π/2)
p
0
88 KAPITEL 4. NICHTLINEARE SYSTEME
Wenn man, wie üblich, für kleine Winkel sin ϕ = ϕ setzt, so ist
g
ϕ̈ + ϕ = 0
l
2π
s s
l l
T = = 2π = 6.283 sek,
ω g g
eine vom maximalen Ausschlag unabhängige Größe.
Ein Pendel, dessen Schwingungsdauer 2 Sekunden beträgt, nennt man Sekundenpendel. Löst man
die Beziehung
s
l0
2=T = 2π
g
nach l0 auf, so erhält man
g
l0 = ≈ 1m
π2
für die Länge des Sekundenpendels.
4.5 Coulombdämpfung
Wir betrachten nun einige Fälle nichtgeschwindigkeitsproportionaler Dämpfung und beginnen mit
der sogenannten Coulombschen Dämpfung, also mit dem Fall, in dem die Reibungskraft nur von
der Richtung der Geschwindigkeit, nicht aber von ihrer Größe abhängt. Dabei ist der Betrag der
Reibungskraft gleich µmg. Wir erhalten die Gleichungen
Nun bestimmen wir Vorintegrale, indem wir zunächst durch Multiplikation mit 2ẋ/ωk2 erweitern.
2 2
+ x+ = r12 für ẋ > 0 und
ẋ µg
ωk ωk2
2 2
+ = r22 für ẋ < 0.
ẋ µg
ωk x− ωk2
Trägt man ẋ/ωk über x auf, so sind das Kreise in der oberen Halbebene mit dem Mittelpunkt
(−µg/ωk2 ,0) = (−µmg/c,0) und Kreise in der unteren Halbebene mit dem Mittelpunkt (µmg/c,0).
Angenommen die Masse habe zum Zeitpunkt t0 die Auslenkung x0 > µmg/c = µg/ωk2 . Dann ist die
Federkraft größer als die Reibungskraft und die Masse beginnt sich in Richtung Ursprung zu bewegen.
Im Phasenraumdiagramm entspricht das einer Bewegung auf dem Halbkreis in der unteren Halbebene.
Der nächste Schnittpunkt mit der X-Achse ist bei x1 = −x0 + 2µmg/c. Ist |x1 | > µmg/c, so beginnt
sich die Masse in der anderen Richtung in Bewegung zu setzen und trifft bei x2 = x0 − 4µmg/c wieder
auf die X-Achse.
Wir haben es also mit einer Schwingung zu tun, bei der die Amplitude bei jedem Halbzyklus um
2µmg/c abnimmt, unabhängig vom Betrag der jeweiligen Amplitude. Wird dieser Betrag kleiner als
µmg/c, so kommt die Bewegung zum Stillstand.
Aus der
p Beziehung 4.23 ist ersichtlich, dass es sich immer um eine Schwingung der Kreisfrequenz
ωk = c/m, und zwar unabhängig vom Reibungsbeiwert µ.
c = 10000 N/m
m = 1 kg
Reibungsbeiwert 0.12
Beispiel 16 Gegen sei das System von Abbildung 4.4. Die Masse werde 10 mm weit ausgelenkt.
Wieviele Zyklen durchläuft das System bevor es zur Ruhe kommt?
ab. Die Bewegung endet, wenn die Federkraft die Reibungskraft nicht mehr übertrifft, also wenn
die Auslenkung kleiner als xr = µmg/c = 0.118 mm ist. Die Anzahl n der Zyklen ist also größer als
10 mm − xr 10 mm − 0.118 mm
= = 21.02.
∆A 0.47 mm
Aufgabe 31 Ein Körper mit einer Masse von 100kg gleite mit Coulombscher Dämpfung auf einer
mit 10 Grad geneigten schiefen Ebene und ist, ähnlich wie bei Aufgabe 16 durch eine Feder gestützt.
(Man stelle sich Abbildung 4.4 um 105 Grad geneigt vor.) Die Federkonstante sei 15000 N/m.
Man bringt die Masse um 30 mm aus der Ruhelage und beobachtet eine Amplitudenverminderung von
1.1 mm bei jedem Zyklus. Wie groß ist der Reibungsbeiwert?
4.6 Reibschwinger
Beim Reibschwinger gehen wir von der in Figur 4.5 dargestellten, idealisierten Situation aus. Für
x = 0 seien Federkraft und Reibungskraft µmg im Gleichgewicht. Es besteht also die nach links
gerichtete Federvorspannungskraft
k0 = µmg.
(b) m ist langsamer als das Band (ẋ < v). Die Reibungskraft ist nach rechts gerichtet und
−2µmg ≤ cx ≤ 0
− 2µmg
c ≤ x ≤ 0.
2µg 2
( ωẋ )2 + (x + ω2
) = r12 für ẋ > v
Im x, ωẋ - Diagramm erhalten wir für den ersten Fall Stücke von Kreisen mit dem Mittelpunkt (− 2µg ω2
, 0)
und Radius r1 , wobei ωẋ2 > ωv sein muss, im zweiten Fall sind die Kurven Kreise, bzw. Teile von Kreisen,
mit dem Mittelpunkt (0,0) und Radius r2 .
Im Fall (c) erhalten wir die Strecke von (− 2µg
ω2 ω
, v ) bis (0, ωv ).
Ruhepunkte (Singuläre Punkte) gibt es für x ≡ k, also ẋ ≡ 0. Dann ist ẋ < v, also haben wir Fall (b).
Wegen ẍ = 0 folgt daraus
cx = 0,
also x = 0. Damit ist (0,0) der einzige Ruhepunkt (singuläre Punkt). Die Lösungen durch diesen Punkt
genügen
0
( )2 + 02 = r22 .
ω
Abbildung 4.6:
oder auf C1 , so liegt die Bahn letztlich in C1 . Ansonsten gibt es von Anfang an eine harmonische
Schwingung.
Beachtet man, dass µ mit wachsender Differenzgeschwindigkeit |ẋ − v| fällt, so ist C1 kein Kreis mehr,
aber noch eine geschlossene Kurve, die eine periodische Lösung gibt, und die Kurven innerhalb von C1
sind nach außen gerichtete Spiralen, die sich C1 nähern. Wir haben es dann mit einer aus Haften und
Gleiten zusammengesetzten selbsterregten Schwingung zu tun. (Bei solchen Schwingungen wird
die notwendige Energie von außen zugeführt.) Dieses Phänomen ist als Quietschen von Kreide an der
Tafel, dem Quietschen der Straßen- und Eisenbahn und dem Rattern von Maschinen wohlbekannt.
Kapitel 5
Gegeben sei das System aus Abb. 5.1. Die Bewegungsgleichungen lauten
m1 0 c1 + c2 −c2 0
! ! ! ! !
ẍ1 x1
+ =
0 m2 ẍ2 −c2 c2 x2 0
schreiben. Setzen wir
m1 0 c1 + c2 −c2
! !
M= , C=
0 m2 −c2 c2
Abbildung 5.1:
93
94 KAPITEL 5. MEHRERE FREIHEITSGRADE
und
!
x1
x= ,
x2
so erhalten wir die Darstellung
M ẍ + Cx = 0,
mẍ + cx = 0
x = aeλt (5.3)
x1 (t)
! !
a1
x(t) = , a=
x2 (t) a2
sind. Da wir aber im Falle unterkritischer Dämpfung λ = iω setzten, beginnen wir gleich mit
x = aeiωt .
ẋ = iωaeiωt
ẍ = −ω 2 aeiωt
und somit
−ω 2 M aeiωt + Caeiωt = 0,
beziehungsweise
(−ω 2 M + C) a = 0, (5.4)
wobei wir an einer nichttrivialen Lösung a interessiert sind. Das ist nur möglich, wenn die Systemde-
terminante Null ist, also wenn
Det(C − ω 2 M ) = 0.
Das heißt
c1 + c2 − ω 2 m1 −c2
=0 (5.5)
−c2 c2 − ω 2 m2
5.1. SYSTEME MIT ZWEI FREIHEITSGRADEN 95
Sind ±ω1 und ±ω2 die Lösungen dieser Gleichung, dann können wir eine nichttriviale Lösungen a von
(−ω12 M + C) a = 0
a ei ω1 t = a (cos ω1 t + i sin ω1 t)
und
a e−i ω1 t = a (cos ω1 t − i sin ω1 t)
Lösungen, und auch
Analog geht man vor, wenn es sich nicht um 2 × 2 Matrizen, sondern um n × n Matrizen handelt.
Zur Illustration rechnen wir ein Beispiel mit speziellen Werten durch. Es sei m1 = m, m2 = 2m, und
c1 = c2 = c. Die Gleichung 5.5 nimmt dann die Form
c 2 c
2ω 4 − 5 ω + ( )2 = 0
m m
an. Die Wurzeln der Gleichung sind
5 1√ c c
ω12 = ( − 17) = 0.219
4 4 m m
und
5 1√ c c
ω22 = ( + 17) = 2.280 .
2 4 m m
Die Eigenfrequenzen unseres Systems sind somit
√ r
c
ω1 = 0.219
m
und
√ r
c
ω2 = 2.2808 .
m
a1 c 1
= = = 0.562,
a2 2c − ω12 m 2 − 0.219
während für ω22 das Verhältnis
b1 c 1
= 2 = = −3.562
b2 2c − ω2 m 2 − 2.280
herauskommt. Beachten wir, dass 5.4 für invertierbares M auch in der Form
M −1 Ca = ω 2 a
geschrieben werden kann, so sieht man, dass a Eigenvektor von M −1 C zum Eigenwert ω 2 ist. Damit
ist a nur bis auf einen skalaren Faktor bestimmbar.
Setzen wir a2 = b2 = 1 (sowohl bei a, als auch bei b, muss mindestens eine Komponente ungleich 0
sein), so erhalten wir die Basislösungen
0.562
!
e±iω1 t
1
und !
−3.562
e±iω2 t .
2
5.1. SYSTEME MIT ZWEI FREIHEITSGRADEN 97
1
x1(t)
−1
−2
0 5 10 15 20 25 30
t
1
x2(t)
−1
−2
−3
0 5 10 15 20 25 30
t
Abbildung 5.2:
Mit Hilfe der Anfangsbedingungen x(0) und ẋ(0) kann man dann aus
die Konstanten A1 , A2 , B1 , und B2 bestimmen. Ist etwa x1 (0) = 1, x2 (0) = 0 und ẋ1 (0) = 0, ẋ2 (0) =
−1 so erhalten wir die in Figur 5.2 dargestellte Lösung.
98 KAPITEL 5. MEHRERE FREIHEITSGRADE
Testaufgaben:
Aufgabe 32
Frischen Sie, falls nötig, Ihre Mathematik-I-Kentnisse auf!
1. Geben Sie (ohne langes Rechnen) eine Lösung des folgenden Systems an.
1 2 3 0
x1
4 5 6 · x2 = 0
7 8 9 x3 0
2. Berechnen Sie die Determinante des obigen Systems und begründen Sie, warum das Gleichungs-
system eindeutig oder nicht eindeutig lösbar ist.
3. Geben Sie eine nicht triviale Lösung des obigen Systems an.
4. Der Nullvektor ist in allen folgenden Gleichungssystemen eine Lösung. Gibt es auch andere
Lösungen? Falls ja, geben Sie eine an.
1 2 0
" # " # " # " #
x x1
· 1 = hat keine weitere Lösung / hat eine Lösung: =
3 4 0
x2 x2
1 2 0
" # " # " # " #
x x1
· 1 = hat keine weitere Lösung / hat eine Lösung: =
2 4 0
x2 x2
4 1
1. Schreiben Sie die beiden Differentialgleichungen für die Auslenkungen der beiden Massen x1 =
x1 (t) und x2 = x2 (t) an.
2. Geben Sie Massen- und Steifigkeitsmatrix an und schreiben Sie die Bewegungsgleichungen in
Matrixform an.
3. Berechnen Sie aus der Bedingung det(C − ω 2 M ) = 0 die Eigenfrequenzen dieses Systems.
4. Finden Sie für ω = 3 einen nichttrivialen Lösungsvektor a des Gleichungssystems
C − ω2M a = o
5. Skizzieren Sie in einem Zeit-Weg-Diagramm für x1 (t) und x2 (t) eine mögliche Schwingungsform
für ω = 3.
Aufgabe 34 Man ergänze das System aus Figur 5.1 um eine dritte Masse m3 , die rechts von m2 liegt
und mit m2 durch eine Feder der Federkonstanten c3 verbunden ist. Man bestimme
1. Die Bewegungsgleichungen
2. Die Massen- und Steifigkeitsmatrix des Systems
3. Die Eigenfrequenzen für m1 = m2 = m3 = 1, c1 = 6, c2 = 5, c3 = 3.
5.2. MASSEN-, STEIFIGKEITS- UND NACHGIEBIGKEITSMATRIX 99
Wir betrachten allgemein ein System mit n Freiheitsgraden, in dem die Kräfte F und Auslenkungen
x auftreten:
F1 x1
F2 x2
F= .. ,
x= ..
. .
Fn xn
Wenn die Kräfte linear von den Auslenkungen abhängen, dann lässt sich das Kraftgesetz in der Form
F = Cx (5.6)
schreiben. (Das ist eine mathematische Tatsache: jede lineare Abbildung Rn → Rn hat die Form
y = Ax mit einer n × n-Matrix A.)
Die Bewegungsgleichungen eines solchen Systems haben die Form
M ẍ + Cx = O (5.7)
Im Kraftgesetz (5.6) und den Bewegungsgleichungen (5.7) ist M = [mij ] die Massenmatrix1 und
C = [cij ] die Steifigkeitsmatrix2 .
In der Steifigkeitsmatrix C = [cij ] gibt der Eintrag cij an, welche Kraft auf Kompo-
nente i wirkt, wenn die Komponente j um eine Einheit ausgelenkt ist und alle anderen
Auslenkungen Null sind.
Die Steifigkeitsmatrix ist symmetrisch: cij = cji . Die auf Komponente i wirkende Kraft infolge einer
Einheits-Auslenkung von Komponente j ist gleich der Kraft auf Komponente j infolge einer Einheits-
Auslenkung von Komponente i.
An einem Feder-Masse-System wie zum Beispiel dem auf Seite 101 lässt sich diese Symmetrie-Eigenschaft
direkt überprüfen; allgemein folgt sie immer dann (sogar bei nichtlinearen Kraftgesetzen), wenn die
Kräfte von einem Potential herruehren.
Das Kraftgesetz (5.6) erlaubt, die Kräfte F bei gegebenen Auslenkungen x direkt zu berechnen. Sind
umgekehrt die wirkenden Kräfte gegeben und die Auslenkungen gesucht, dann lässt sich (5.6) als
lineares Gleichungssystem für den unbekannten Vektor x bei gegebener rechter Seite F auffassen:
Cx = F .
Sofern det C 6= 0, lässt sich das Gleichungssystem durch Elimination lösen. Die zu C inverse Matrix
A = C −1 heißt Nachgiebigkeitsmatrix. Mit ihr lässt sich schreiben:
x = AF (5.8)
1
Bei den hier behandelten Beispielen einfacher Feder-Masse-Systeme ist die Massenmatrix immer eine Diagonalmatrix.
Das ist in allgemeineren Systemen nicht immer der Fall!
2
Das Skriptum bezeichnet Federkonstanten mit c, Steifigkeitsmatrizen mit C. Weithin üblich sind auch die Bezeich-
nungen k, beziehungsweise K.
100 KAPITEL 5. MEHRERE FREIHEITSGRADE
In der Nachgiebigkeitsmatrix A = [αij ] gibt der Eintrag αij die Auslenkung der Kom-
ponente i an, wenn auf Komponente j die Kraft eins wirkt und alle anderen Kräfte
null sind.
Die Nachgiebigkeitsmatrix ist, ebenso wie die Steifigkeitsmatrix, symmetrisch: αij = αji . Die Auslen-
kung von Komponente i infolge einer Einheits-Kraft auf Komponente j ist gleich der Auslenkung der
Komponente j infolge einer Einheits-Kraft auf Komponente i.
Mathematisch folgt die Symmetrie von A aus der Symmetrie von C. Es gilt allgemein: ist eine Matrix
symmetrisch, so ist es auch (falls sie existiert) ihre Inverse.
Für ein Kraftgesetz F = Cx ist die potentielle Energie (in den Federn gespeicherte
Arbeit) gleich
1
Epot = xT Cx
2
Sind die Trägheitskräfte durch M ẍ gegeben, dann ist die kinetische Energie gleich
1
Ekin = ẋT M ẋ
2
Falls x = x(t) harmonisch schwingt, also zum Beispiel x(t) = a sin(ωt), dann erreicht das System die
maximale potentielle Energie, wenn alle Komponenten maximal ausgelenkt und alle Geschwindigkeiten
null sind. Die Auslenkungen x sind dann gleich dem Amplituden-Vektor a und
1
Epot, max = aT Ca .
2
Die kinetische Energie ist zu diesem Zeitpunkt gleich null.
Die kinetische Energie des Systems ist maximal, wenn die Komponenten durch die Ruhelage schwingen.
Die Geschwindigkeiten sind ẋ(t) = ωa cos(ωt), maximal ωa. Daher ist
1
Ekin, max = ω 2 aT M a .
2
Die potentielle Energie ist zu diesem Zeitpunkt gleich null.
In einem System mit Bewegungsgleichung M ẍ + Cx = O bleibt die Gesamtenergie konstant. Es muss
daher gelten
Wir haben angenommen, dass a Amplitudenvektor einer harmonischen Schwingung ist. Dann muss a
die Gleichung
Ca = ω 2 M a (5.10)
Die Aufgabe, eine nichttriviale Lösung des Systems (5.10) zu finden, ist ein Eigenwertproblem;
einen Vektor a 6= O bezeichnet man als Eigenvektor, den entsprechenden Wert ω 2 als Eigenwert
des Systems (5.10)3 .
Die Bedeutung des Rayleighquotienten (5.9) liegt darin, dass er sich auch für Vektoren a, die nicht
Eigenvektoren sind, berechnen lässt. Die berechnete Werte sind dann nicht unbedingt Eigenfrequenzen,
aber es gilt:
Das Minimum des Rayleighquotienten ist die Grundfrequenz (die niedrigste Eigenfre-
quenz) des Systems.
aT Ca
ω12 = min T (5.11)
a a Ma
Das Minimum wird erreicht, wenn a der Grundschwingung des Systems, also einem Eigenvektor zur
niedrigster Frequenz ω1 , entspricht. Wählt man einen Vektor a, der zwar nicht exakt, aber doch annä-
hernd die Grundschwingung beschreibt, dann erhält man eine gute Abschätzung der Grundfrequenz
ω1 , um so genauer, je besser a der Eigenschwingungsform entspricht.
aT Ca
ω12 <= (5.12)
aT M a
1 0 3 −2
" # " #
M= C=
0 2 −2 4
6
" #
2. Wenn die Komponenten um x = ausgelenkt sind, wie groß sind die entsprechenden Kräfte?
5
6
" #
4. Berechnen Sie mit dem Vektor x = den Rayleigh-Quotienten und schätzen Sie die Grund-
5
frequenz ab.
5. Wenn an Komponente 2 die Kraft 1 und an Komponente 1 keine Kraft wirkt, wie gross sind die
Auslenkungen der beiden Komponenten?
x1 x2 x3
3 2 1
1
A = 2 4 2
4
1 2 3
M ẍ + B ẋ + C x = O
Dabei ist x ein Vektor und M, B, sowie C sind Matrizen. Wir wollen immer voraussetzen, dass M
invertierbar ist. Multiplizieren wir von links mit M −1 , so erhalten wir
ẍ + M −1 B ẋ + M −1 C x = 0.
wir können also ohne Beschränkung der Allgemeinheit voraussetzen, dass unsere Gleichung die Form
ẍ + B ẋ + C x = 0
ẋ = y
ẏ = −C x − B y
5.3. ALLGEMEINE FORM DER SCHWINGUNGSGLEICHUNG 103
x1
.
..
!
x xn
Führen wir nun die Bezeichnungen z = =
y y1
..
.
yn
0
!
I
und A = ein, so ergibt sich die Gleichung
−C −B
ż = A z,
ẋ = a x
erinnert. Diese hat die Lösung x(t) = ea t x0 . Es ist naheliegend, eA für eine Matrix A zu definieren, in
der Hoffnung, für die Gleichung
ż = A z
die Lösung
z = eA t z0
z1 (0)
z2 n (0)
a2
ea = 1 + a + + ···
2!
setzen wir
1 2 1
eA = I + A + A + A3 + . . .
2 3!
Man kann zeigen, dass diese Reihe für alle A (elementweise) konvergiert. Also konvergiert auch die
Reihe
t2 2 t3 3
eA t = I + t A + A + A + ...
2 3!
d
B(t) = Ḃ(t) = {bi˙ j (t)}
dt
erklärt. Man kann dann unschwer zeigen, dass
104 KAPITEL 5. MEHRERE FREIHEITSGRADE
d At d t2
!
e = I + t A + A2 + . . .
dt dt 2!
t2 3
= A + t A2 + A + ...
2!
t2 2
!
= A I + tA + A + ...
2!
= A eA t
gilt. Die Lösung der Anfangswertaufgabe
ż = A z, z(0) = z0
ist dann z(t) = eA t z0 , denn
ż = A eA t z0 = Az, und eA 0 z0 = I z0 = z0
Man kann zeigen, dass die Lösung eindeutig bestimmt ist. Diese geschlossene Form der Lösung ist nur
brauchbar, wenn man
eA t
tatsächlich berechnen kann. Ist für Diagonalmatrizen trivial, aber dann sind die Gleichungen auch
unabhängig voneinander. Es gibt aber eine umfangreiche mathematische Theorie zur Lösung dieses
Problems. Man verwendet dazu insbesondere die Jordansche Normalform einer Matrix A.4 Wir werden
uns damit nicht beschäftigen, notieren aber folgenden Satz:
Satz 7 Hat die Matrix A die Eigenwerte λ1 , . . . , λk mit den Vielfachheiten m1 , . . . , mk , so ist jede
Lösung von ż = A z in der Form
k
z(t) = ci 1 + ci 2 t + · · · + ci mi tmi −1 eλi t
X
i=1
Abbildung 5.3:
Lösung Das lineare System, welches es zu lösen gilt, ist gegeben durch:
(5.13)
m1 ẍ1 = −c1 x1 − b1 ẋ1 + c2 (x2 − x1 ) + b1 (ẋ2 − ẋ1 ) + (vh)δ,
m2 (ẍ1 − ẍ2 ) = −c2 (x2 − x1 ) − b1 (ẋ2 − ẋ1 ) + m2 ẍ2 .
Als ersten Punkt sind die Eigenwerte und Eigenvektoren der Matrix A zu berechen. Nach kurzer
Rechnung erhält man λ1 = −1.0472 + i4.3675, λ3 = −0.3928 + i1.35229, λ2 = λ̄1 und λ4 = λ̄3 . Die
Eigenvektoren lauten
Damit kennt man die Transformationsmatrix T = v1 v2 v3 v4 und die Lösung des transformier-
ten Systems
0 0 0
λ t
e 1
0 e λ2 t 0 0
eJt = .
0 0 eλ3 t 0
0 0 0 eλ4 t
z(t) = T eJt T −1 .
106 KAPITEL 5. MEHRERE FREIHEITSGRADE
1 1.5
0.15
0.75 1
0.1
0.5 0.5
0.05 0.25
2 4 6 8 10 12 14
1 2 3 4 5 1 2 3 4 5 -0.5
-0.25
-0.05 -1
-0.5
Abbildung 5.4:
1
0
0
gegeben. Die nachfolgende Abbildung (5.4) zeigt die Ortskurve eines Punktes auf der Bodenplatte und
die Ortskurve eines Punktes auf der Sitzoberfläche. Daneben ist der zeitliche Verlauf der Geschwin-
digkeiten abbgebildet, ganz rechts ist die Differenz zwischen dem Punkt auf der Bodenplatte und dem
Punkt auf der Sitzoberfläche aufgezeichnet.
,
Die Dauerlösung eines Systems mit einem Freiheitsgrad, das in der Nähe der Eigenfrequenz ωk durch
eine Schwingung mit der Frequenz ω angeregt wird, hat eine große Schwingungsamplitude. Falls keine
Dämpfung vorhanden ist, kommt es sogar zur Resonanzkatastrophe. Diese Amplitude kann durch die
Anbringung eines zusätzlichen Feder-Masse Systems reduziert werden. Die Idee dahinter ist, dass durch
das neue Feder-Masse System ein zusätzlicher Freiheitsgrad gewonnen wird und die Eigenfrequenzen
ω1 und ω2 des neuen Systems weiter von ω entfernt sind, als ωk .
Wir betrachten das System aus Figur 5.5 und setzen voraus, dass das Grundsystem durch die harmo-
nische Funktion p0 sin ωt angeregt wird.
Mit dem Ansatz x1 (t) = A1 sin ωt, x2 (t) = A2 sin ωt, erhalten wir daraus
(c1 + c2 − m1 ω 2 )A1 − c2 A2 = p0
−c2 A1 + (c2 − m2 ω 2 )A2 = 0
5.4. DER DYNAMISCHE SCHWINGUNGSTILGER 107
Damit ist
p (c2 − m2 ω 2 )
A1 = (5.14)
(c1 + c2 − m1 ω 2 )(c2 − m2 ω 2 ) − c22
und
p c2
A2 = .
(c1 + c2 − m1 ω )(c2
2 − m2 ω 2 ) − c22
A1 wird Null, wenn der Zähler von (5.14) verschwindet, also wenn
c2
= ω2
m2
p0 1 − η2
A1 = . (5.17)
c1 η 4 − η 2 − (1 + µ)η 2 + 1
Der Betrag von A1 c1 /p als Funktion von η ist in Abbildung 5.6 für µ = 0,2 dargestellt
108 KAPITEL 5. MEHRERE FREIHEITSGRADE
|A1 c1/ p|
3
0
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2 1.4 1.6 1.8 2
η
Der Vorteil dieser Art der Schwingungstilgung ist, dass die Amplitude der Dauerlösung für die Schwin-
gung der primären Masse Null ist, anderseits entnehmen wir der Abbildung, dass eine der Unendlich-
keitsstellen des Vergrößerungsfaktors unter der Erregerfrequenz liegt, die η = 1 entspricht. Die andere
liegt darüber. Da keine Dämpfung vorhanden ist, kann es beim Anfahren der Maschine daher zu großen
Schwingungsausschlägen kommen. Außerdem steigt die Amplitude links und rechts von η = 1 stark
an. Das bedeutet, dass bei Schwankungen der Erregerfrequenz ebenfalls große Amplituden auftreten
können. Man kann natürlich versuchen, die Unendlichkeitsstellen noch weiter auseinander zu schieben,
was durch Vergrößerung von m2 möglich ist, aber das ist natürlich kostspielig. Üblicherweise wählt
man m2 in der Größenordnung von einem Fünftel oder einem Viertel der Primärmasse m1 . Dadurch
sind die Unendlichkeitsstellen des Vergrößerungsfaktors ungefähr bei η = 0.8 und 1.2.
Beispiel 17 Eine Maschine mit 100 kg Eigengewicht ist in der Mitte eines Balkens angebracht,
der an beiden Enden unterstützt wird. Der Balken habe eine Länge von 3 Metern, einen Elastizi-
tätsmodul von 200 · 109 N/m2 , und ein axiales Flächenträgheitsmoment von 1,3 · 10−6 m4 . Während
des Betriebes treten an der Maschine harmonische Kräfte mit einer Amplitude von 5000 N bei Ge-
schwindigkeiten von 600 und 700 r/min auf. Entwerfen Sie einen ungedämpften Schwingungstilger,
sodass die Amplitude der Dauerlösung bei allen Betriebszuständen kleiner als 3mm ist.
Lösung Wie wir im nächsten kapitel zeigen werden,ist die Steifigkeit des Balkens
Für
600 · 2π
ω = 600r/min = = 62.8 rad/s
60 rad/s
ist daher
62,8
η= = 0,923
68
.
5.5. DYNAMISCHER SCHWINGUNGSTILGER MIT DÄMPFUNG 109
Da für η < 1 der Zähler auf der rechten Seite von Gleichung 5.17 positiv ist, und der Nenner
negativ, erhalten wir aus Gleichung 5.14 für µ den Wert 0,652.
Für ω = 700 erhalten wir in analoger Weise η = 1.078 und µ = 0.525.
Wir müssen das größere Massenverhältnis nehmen. Damit ist
und
c2 = m2 ω 2 = (65,2 kg)(68,0 rad/s)2 = 3,014 · 105 N/m.
Aufgabe 38 Eine Maschine mit 200kg Eigengewicht ist mit einer Feder der Steifigkeit 4·105 N/m ver-
bunden. Die Maschine wird durch eine harmonische Kraft der Amplitude 500 N belastet, die Frequenz
sei 50 rad/s. Entwerfen sie einen ungedämpften Schwingungstilger so, dass die Schwingungsamplitude
der Dauerlösung für die primäre Masse Null ist und für die sekundäre höchstens 2 mm.
Aufgabe 39 Man vergleiche die Bodenkraft der Maschine aus Aufgabe 38 ohne Schwingungstilger mit
der Bodenkraft nach Anbringung des Schwingungstilgers.
Um die Rechenarbeit zu reduzieren setzen wir die Störfunktion als p eiωt an und beachten, dass p sin ωt
der Imaginärteil der neuen Störfunktion ist. Mit dem Ansatz x1 (t) = A1 eiωt , x2 (t) = A2 eiωt , erhalten
wir daraus
c2 − m2 ω 2 + ib ω
A1 = p
det(A)
und
c2 − ib ω
A2 = p .
det(A)
Setzen wir wie vorhin
c1 c2
r r
ω11 = , ω22 =
m1 m2
sowie
m2 ω22 ω b 1
µ= , ν= , η= und D = ,
m1 ω11 ω11 2m2 ω22
so erhalten wir die Verstärkungsfaktoren
v
(2Dην)2 + (η 2 − ν 2 )2
u
c1 u
|A1 | =t
p (2Dην)2 (η 2 (µ + 1) − 1)2 + (η 4 − η 2 ((µ + 1)ν 2 + 1) + ν 2 )2
und
(2Dην)2 + ν 4
s
c1
|A2 | =
p (2Dην)2 (η 2 (µ + 1) − 1)2 + (η 4 − η 2 ((µ + 1)ν 2 + 1) + ν 2 )2
Wir entnehmen Abbildung 5.8, dass die Schaubilder der Vergrößerungsfaktoren für verschiedene Werte
von D – bei gleichbleibenden Werten von m2 und c2 – durch die Punkte P und Q gehen. Da diese
Punkte die Amplituden rechts und links von η = 1 bestimmen, ist es naheliegend, ν so zu wählen,
dass sie gleich hoch sind. Wir bestimmend P und Q aus den Kurven für D = 0 und D = ∞:
η2 − ν 2 1
=
η − η ((µ + 1)ν + 1) + ν
4 2 2 2 1 − η (1 + µ)
2
5.5. DYNAMISCHER SCHWINGUNGSTILGER MIT DÄMPFUNG 111
5 D = 0.25
P
4
V(η)
3
D = 0.1
Q
2
D=0.5
0
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2 1.4 1.6 1.8 2
η
Daraus erhalten wir eine biquadratische Gleichung in η. Für die Abszissen η1 und η2 von P und Q
ergibt sich die Beziehung
1
2
ν 2 (1 + µ) + 1 ∓ ν 4 (1 + µ)2 − 2ν 2 + 1
q
η1,2 =
2+µ
Eine elementare Rechnung zeigt nun, dass die Vergrößerungsfaktoren an den Stellen η1 und η2 gleich
groß sind, wenn
1
ν= (5.18)
1+µ
ist. Langwieriger ist es, einen optimalen D-Wert zu finden. Eine mögliche Bedingung dafür lautet,
dass P und Q auch Maxima sind. Exakt lässt sich das nicht erreichen. Jede Parameterwahl ist ein
Kompromiss. In der Literatur findet man daher verschiedene Angaben für „optimale“ Parameter.
3µ
s
D=
8(1 + µ)
112 KAPITEL 5. MEHRERE FREIHEITSGRADE
Zusammenfassung
Man spricht, je nachdem, ob ν < 1 oder ν > 1, von einem tief oder hoch abgestimmten Tilger.
b2
D= √ Dämpfungsgrad des Tilgers
2 c2 m2
Es ist laut Theorie besser, den Tilger tief abzustimmen. Ein optimales Abstimmverhältnis und pas-
sender Dämpfungsgrad sind
1 3µ
s
ν= D=
1+µ 8(1 + µ)
Bei dieser Parameterwahl ist der maximale Verstärkungsfaktor über den gesamten Frequenzbereich
2
s
Vmax ≈ 1+
µ
Aufgabe 40 Gegeben sei die Konfiguration von Aufgabe 17. Man führe eine optimale Schwingungstil-
gung mit Dämpfung ein. Es sei µ = 0.25 und die Drehzahl 600 r/min. wie groß ist die Amplitude der
Schwingung des Primärsystems?
d ∂L ∂L
L(q, q̇, t) = E − V, − = 0,
dt ∂ q̇λ ∂qλ
wenn alle auftretenden Kräfte ein Potential haben.
Beispiel 18 Die homogene Scheibe vom Radius 25cm (siehe Bild unten) wiege 12 kg, ihr Zentrum
ist fixiert. Die Federkonstanten der Federn seien je 25N/m. Man bestimme
1. Die Bewegungsgleichung als Momentengleichgewicht
2. Die Bewegungsgleichung mit Hilfe der Lagrangeschen Gleichung
3. Die Eigenfrequenz in Hz
Lösung
1. Der freie Parameter des Systems sei die Änderung des Drehwinkels ϕ der Scheibe, bezogen
auf die Gleichgewichtslage. Ihr Trägheitsmoment Θ ist m r2 /2 und die Bewegungsgleichung
Θ ϕ̈ + (c1 + c2 ) r2 ϕ = 0
5.6. LAGRANGESCHE GLEICHUNGEN 113
d ∂L d ∂L
= (Θϕ̇) = Θ ϕ̈ und = −(c1 + c2 )r2 ϕ
dt ∂ ϕ̇ dt ∂ϕ
d ∂L ∂L
− = Θ ϕ̈ + (c1 + c2 )r2 ϕ = 0
dt ∂ ϕ̇ ∂ϕ
x1 (t) x2 (t)
Die beiden Massen mögen sich nach rechts oder links bewegen können, ihre Auslenkungen aus der
Ruhelage seien x1 (t) und x2 (t).
1. Man bestimme die Bewegungsgleichungen als Kräftegleichgewicht
2. Man bestimme die Bewegungsgleichungen mit Hilfe der Lagrangeschen Gleichungen
3. Man bestimme die Eigenfrequenzen des Systems
Lösung
1. Durch Vergleich der Trägheits- und Federkräfte erhalten wir
m1 ẍ1 + c(x1 − x2 ) = 0
m2 ẍ2 + c(x2 − x1 ) = 0
d ∂L ∂L
− = m1 ẍ1 + c(x1 − x2 ) = 0
dt ∂ ẋ1 ∂x1
d ∂L ∂L
− = m2 ẍ2 + c(x2 − x1 ) = 0
dt ∂ ẋ2 ∂x2
114 KAPITEL 5. MEHRERE FREIHEITSGRADE
(c − m1 ω 2 )A − c B = 0
−c A + (c − m2 ω 2 )B = 0
Setzen wir die Determinante des System Null, so erhalten wir die Gleichung
m1 m2 ω 4 − c(m1 + m2 ) ω 2 = 0
Aufgabe 41 Gegeben sei eine Ubahngarnitur aus zwei Waggons von je 25000 kg. Die Waggons seien
durch die Kupplungen der Steifigkeit (von je) 18000 N/cm verbunden.
Man bestimme die Eigenfrequenzen des Systems.
Lösung Die von Null verschiedene Eigenfrequenz ist 0,84 rad/s.
Kapitel 6
Parametererregte Schwingungen
In der Praxis kommt es oft vor, dass die Parameter eines Systems nicht konstant sind, sondern von dem
Zustand des Systems abhängen. Zum Beispiel kann man ein Pendel zum Schwingen anregen, indem
man die Länge der Schnur verändert. Auch in Zahnradgetrieben ändert sich die Steifigkeit in Abhän-
gigkeit von der Zeit, bzw. in Abhängikeit von dem Drehwinkel. Hier wird durch die Veränderungen
des Parameters dem System Energie zugeführt. Dies bewirkt, dass sich die Amplitude der Schwingung
vergrößert. Diese Methode der Energiezufuhr wird parametrische Anregung genannt, die Bewegung
parametererregte oder auch rheolineare Schwingung. Ein Merkmal einer rein parametrisch erzeugten
Schwingung ist, dass sie, im Unterschied zu einer erzwungenen Schwingung, ohne eine anfängliche
Auslenkung aus der Ruhelage nicht entstehen kann. Dabei ist zu sagen, dass in der Praxis es immer
zu kleinen Störungen kommt.
Abbildung 6.1: Links: Anordnung der Schubstangen. Rechts: Federsteifigkeit des Systems in Abhän-
gigkeit vom Drehwinkel
115
116 KAPITEL 6. PARAMETERERREGTE SCHWINGUNGEN
Geschwindigkeit auf der Schiene rollende Treibrad T der Lokomotive ist im Allgemeinen über zwei
Kupplungsstangen mit dem Motor M verbunden. Die mit dem Motor drehenden Massen können als
ein elastisch an das Treibrad gekoppeltes Drehschwingungssystem aufgefasst werden. Die Federsteifig-
keit dieses Schwingers hängt aber von der Stellung des Rades, also von dem Winkel α, ab. Ist α = 90◦ ,
so befindet sich die vordere Kupplungsstange in einer Totlage und liefert keinen Beitrag zur Steifig-
keit. Mit α = 90◦ ist der Steifigkeitsanteil der hinteren Stange zu diesem Zeitpunkt gerade maximal.
Die Veränderung der Steifigkeit in Abhängigkeit vom Winkel α ist in Fig. 6.1 für unterschiedliche
Winkel β dargestellt. Die Steifigkeit ist demnach eine periodische Funktion der Zeit, die im Verlauf
einer Radumdrehung zwei Perioden durchläuft. Für β = 90◦ treten jedoch keine parametererregten
Schwingungen auf.
Bezeichnet man den Relativwinkel zwischen Treibrad und Motor mit φ, dann erhält man für den
Drehschwinger unter der Voraussetzung das φ klein ist, die Schwingungsgleichung
J φ̈(t) + c(t)φ(t) = 0.
Das ist eine Schwingungsgleichung mit periodisch veränderlichem Koeffizienten.
Die Schaukel kann als Musterbeispiel eines parameter-selbsterregten Systems angesehen werden. Das
In-Gang-Bringen einer Schaukel geschieht normaler Weise durch eine Kombination von Wippbewegun-
gen und Schwerpunkstsverlagerung. Im Prinzip ist es auch möglich, sich nur durch Heben und Senken
des Schwerpunktes hochzuschaukeln.
Als Modell nehmen wir ein Pendel an, bei dem sich die Länge des Fa-
dens in Abhängigkeit des Winkels verändert. Ein spektakuläres Bei-
spiel ist das Weihrauchfass in der Kathedrale von Santiago de Com-
postela ( das Botafumeiro). Es hängt an einem Seil von der Decke.
Über eine Umlenkrolle ziehen Mönche in passenden Rhythmus am
Seil. Schon nach wenigen Schwingungen pendelt das Botafumeiro na-
hezu waagrecht aus.
In unserem Modell kann das Pendel die Fadenlängen L1 und L2 an-
nehmen (L1 > L2 ). Den größeren Wert L1 nimmt die Fadenlänge für die Bewegung zwischen den
Maximalausschlägen und der Nulllage an (also für die Abstiegsphase); für Bewegung zwischen Null-
lage und den Maximalausschlägen (also für die Anstiegsphase) nimmt die Fadenlänge den Wert L2
an. Man kann somit die Fadenlänge als Funktion des Ausschlagswinkels φ und seiner Ableitung φ̇
ausdrücken:
für φ>0 und φ̇ < 0,
L1
für φ≤0 und φ̇ < 0,
L
2
L(φ,˙φ) =
L1 für φ≤0 und φ̇ ≥ 0,
für φ>0 und φ̇ ≥ 0.
L2
Wie wir es schon bei nichtlinearen Differentialgleichungen gemacht haben, leiten wir das Vorintegral
ab. Aufgrund der Kettenregel gilt ja
1d 2
φ̇(t) = φ̈(t)φ̇(t)
2 dt
und
d
(cos(φ(t)) = − sin(φ(t)) φ̇(t).
dt
Die beiden Beziehungen in (6.2) eingesetzt ergibt
1d 2 g d
φ̇(t) − (cos(φ(t)) = 0. (6.3)
2 dt L dt
1 2 g
φ̇(t) − (cos(φ(t)) = C. (6.4)
2 L
Da die kinetische Energie Masse × Geschwindigkeit und die Geschwindigkeit φ̇L ist, schreiben wir
m 2
L φ̇(t)2 + mgL 1 − cos(φ(t)) = mgL(1 − cos(φ0 )) (6.5)
|2 | {z }
=potentielle Energie
{z }
=kinetische Energie
schreiben. Hier bezeichnet φ0 den Ausgangswinkel. Sie beschreibt die Energieerhaltung, gilt aber nicht,
wenn sich die Fadenlänge ändert. Die notwendige Zugkraft, um L zu verkürzen, leistet nämlich Arbeit
am System und führt somit Energie zu. Die Zugkraft übt aber kein Drehmoment aus, ändert also den
Drehimpuls nicht.
Um das Anwachsen der Amplitude zu berechnen, teilen wir eine Schwingung in vier Viertelschwin-
gungen auf. Wir verwenden während der Viertelschwingungen jeweils Gleichung (6.5), und für den
Übergang dazwischen den Drehimpulssatz.
m 2 2
Epot (0) = mgL1 (1 − cos(φ(0))) = Ekin (τ0 ) = L1 φ̇(τ0 ) . (6.6)
2
118 KAPITEL 6. PARAMETERERREGTE SCHWINGUNGEN
Da sich die gesamte kinetische Energie in potentielle Energie umgewandelt hat, gilt Gleichung (6.5)
in der Form
m 2 2
Epot (τL ) = mgL2 (1 − cos(φ(τL ))) = L2 φ̇(τ0 )n (6.8)
2
m 2 L41 2
= L2 4 φ̇(τ0 )v (6.9)
2 L2
2
L1 m 2 2 L21
= L φ̇(τ )
0 v = L1 mg(1 − cos(φ(0))). (6.10)
L22 2 1 L22
Aus den Gleichungen (6.6), (6.7) und (6.8) lässt sich die Beziehung zwischen φR,0 und φL,0 herleiten:
L32
1 − cos(φR,0 ) = 1 − cos(φL,0 )
L13
und damit
L31
cos(φR,0 ) = 1 − 1 cos(φ )
−
L32
L,0
Die Pendellänge verlängert sich nun (in Zeitpunkt τL ) wieder von L2 auf L1 . (Für unser Modell
nehmen wir an, dass sich der Pendelkörper entlang der Pendelstange nach unten schieben lässt; für
ein Fadenpendel ist diese momentane Verlängerung so nicht möglich, der Faden bliebe dabei nicht
gespannt.) Das ändert weder den Ausschlagwinkel φ(τL ), noch Winkelgeschwindigkeit φ̇(τL ) (weil die
ist und bleibt Null). Nur die potentielle Energie des Systems ändert sich, weil der Pendelkörper absinkt.
Dritte und vierte Viertelschwingung Das Pendel schwingt wieder zur die Nulllage zurück. Dort
verkürzt sich L1 auf L2 . Das Pendel schwingt weiter und erreicht zum Zeitpunkt τR den Maximalaus-
schlag φR,1 am rechten Umkehrpunkt, wo sich L2 wieder auf L1 verlängert.
6.2. EIN PARAMETRISCHER OSZILLATOR 119
Die Situation gleicht spiegelbildlich der zweiten und der ersten Viertelschwingung. Wieder lässt sich
eine Beziehung zwischen Anfangs- und Endausschlag herstellen:
L32
1 − cos(φL,0 ) = 1 − cos(φR,1 ) .
L13
Da L1 > L2 ist, wird der Ausschlagswinkel immer größer, solange in Gleichung (6.11) die rechte Seite
≥ −1 bleibt. Ist erstmals φR so groß, dass die rechte Seite < −1 wird, wird Gleichung (6.11) unlösbar.
Das Pendel überschlägt sich und kommt nicht mehr zum Stillstand.
Ein parametrischer Oszillator ist ein harmonischer Oszillator mit zeitabhängigen Parametern. Dem Os-
zillator wird auf diese Weise Energie zugeführt, dadurch vergrößert sich die Amplitude der Schwingung.
Ein Oszillator mit rein parametrischer Anregung lässt sich durch folgende homogene Differentialglei-
chung beschreiben:
Die zeitabhängige Funktionen b(t) und c(t) sind Parameter des Systems. Die Parameter können sich
periodisch verändern. In den folgenden Bildern haben wir das obige System mit folgenden Werten
betrachte:
c
r
m = 1, b = 0.03, c = 0.8, c(t) = c + 0.1 sin(2ωt), ω=f .
m
In den ersten Bilder sieht man das System, in Abhängigkeit des Faktors f . In der ersten Bildreihe ist
der Faktor 0.875, 1.4, und 1.475, In der zweiten Bildreihe ist der Faktor 1.55, 1.625 und 1.85.
0.3 0.3
0.2 0.2
0.1 0.1
Auslenkung
Auslenkung
0 0
-0.1 -0.1
-0.2 -0.2
-0.3 -0.3
-0.4 -0.4
0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200
t t
0.4
0.3 0.3
0.3
0.2 0.2
0.2
0.1 0.1
Auslenkung
Auslenkung
Auslenkung
0.1
0 0 0
-0.1
-0.1 -0.1
-0.2
-0.2 -0.2
-0.3
-0.3 -0.3
-0.4
parametererregter Oszillator
0.4
0.3
0.2
0.1
Auslenkung
-0.1
-0.2
-0.3
-0.4
0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200
t
Maximale Amplitude
0.8
0.6
0.4
0.2
0
0.6 0.7 0.8 0.9 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6
f
Nimmt man an, dass der Winkel q klein ist (und bleibt), kann man das System linearisieren. Das
heisst wir entwickeln J(φ) in eine Taylor–Reihe und brechen nach dem linearen Glied ab. Damit gilt:
J(φ(t)) ∼ J(Ωt) + J 0 (Ωt)q, J 0 (φ(t)) ∼ J 0 (Ωt) + J 00 (Ωt)q.
Setzten wir obige Approximationen in (6.12) ein, so erhalten wir
J(Ωt) + J 0 (Ωt)q q̈(t)
1 2
+ · J 0 (Ωt) + J 00 (Ωt)q(t) φ̇0 (t) +q̇(t) + cq(t) + bq̇(t).
2 | {z }
=Ω
Im nächsten Schritt multiplizieren wir alles aus und vernachlässigen alle Terme, die ein Quadrat bzgl.
q erhalten. So erhalten wir
1
. . . = J(Ωt)q̈(t) + J 0 (Ωt)Ω2 + J 0 (Ωt)Ωq̇(t)
2
1 00
+ J (Ωt)Ω2 q(t) + cq(t) + bq̇(t) = 0.
2
Umordnen ergibt
(6.13)
1 1
J(Ωt)q̈(t) + (b + J 0 (Ωt)Ω)q̇(t) + (c + J 00 (Ωt)Ω2 )q(t) = − J 0 (Ωt)Ω2 .
2 2
In (6.13) geht das reduzierte Trägheitsmoment J(Ωt) als zeitabhängige Größe ein. Damit ist aus
der ursprünglichen autonomen Differenzialgleichung eine sogenannte rheolineare Differenzialgleichung
geworden. Das reduzierte Trägheitsmoment des Schubkurbekgetriebes lautet
J(φ) ∼ J2 + m4 L22 sin2 (φ(t)) ∼ J2 + m4 L22 sin2 (Ωt).
Die Ableitung nach den Winkel ergibt
J 0 (φ) = 2m4 l22 sin(Ωt) cos(Ωt).
Ob und wann es zum Aufschaukeln kommt, hängt von den genauen Werten der Parameter ab. Hier in
der Bildfolge 6.3 haben wir Ω verändert, die anderen Werte lagen bei J2 = 1, m4 L22 = 0.75, c = 0.6,
b = 0.01:
In der nächsten Bildfolge 6.4 wurde wieder nur Ω verändert, die anderen Werte lagen bei J2 = 1,
m4 L22 = 0.75, c = 0.6, b = 0.05:
Ω= 0.5327 Ω= 0.6027 x 10
4 Ω= 0.6527
1.5 3 4
1 3
2
2
0.5
1
1
0
0 0
φ
φ
φ
−0.5
−1
−1
−1
−2
−2
−1.5 −3
−2 −3 −4
0 50 100 150 200 250 0 50 100 150 200 250 0 50 100 150 200 250
Zeit t Zeit t Zeit t
x 10
4 Ω=0.7027 Ω= 0.7527 Ω= 0.7727
2.5 3 2
2
2
1
1.5
1 1
0
0.5
0
0 −1
φ
φ
−1
−0.5
−2
−1 −2
−1.5
−3
−3
−2
−2.5 −4 −4
0 50 100 150 200 250 0 50 100 150 200 250 0 50 100 150 200 250
Zeit t Zeit t Zeit t
1.5
1
1000
1
0.5
0.5 500
0 0
0
φ
−0.5 −0.5
−1 −500
−1
−1.5
−1000
−1.5
−2
−2 −2.5 −1500
0 50 100 150 200 250 0 50 100 150 200 250 0 50 100 150 200 250
Zeit t Zeit t Zeit t
600 1 1
0.5 0.5
400
0 0
200
−0.5 −0.5
0
φ
−1 −1
−200
−1.5 −1.5
−400
−2 −2
−800 −3 −3
0 50 100 150 200 250 0 50 100 150 200 250 0 50 100 150 200 250
Zeit t Zeit t Zeit t
7.1 Einführung
Bis jetzt haben wir Systeme betrachtet, die aus einzelnen Komponenten (Massen) bestanden. Hier
betrachten wir Systeme mit kontinuierlicher Masseverteilung. Diese werden nicht mehr durch eine
gewöhnliche Differentialgleichung beschrieben, sondern durch einer partiellen Differentialgleichung.
Zusätzlich zur Zeitabhängigkeit kommt die Abhängigkeit vom Ort hinzu. Fasst man die Bewegung
eines kleinen Massepunktes als Freiheitsgrad auf, so besitzt ein kontinuierliches System unendlich
viele Freiheitsgrade mit unendlich vielen Eigenschwingungsformen und Eigenfrequenzen.
In der Praxis sind in erster Linie die ’Grundschwingung’, d.h. die erste Eigenfrequenz, die nächste
Größere, die erste ’Oberschwingung’, und vielleicht noch die nächste interessant.
Wir werden hier als erstes die Schwingung einer Saiten, dann die Längsschwingungen, bzw. die Torsi-
onsschwingungen einen Stabes kennenlernen. Danach werden wir Balkenschwingungen betrachten.
Bei Kontinuumsschwingen ist es wichtig wie die Saite, der Stab, bzw. der Balken am Rand verankert
sind. Dass heißt ob z.B. ein Balken rechts und links fix eingespannt ist, frei schwingt oder elastisch
montiert ist.
Telegraphenleitungen, oder auch Stromleitungen, die über Strommasten miteinander verbunden sind,
genügen derselben Gleichung wie eine Gitarrensaite.
Aufgabe 42 Eine Gitarrensaite der Länge l ist auf der rechten und linken Seite fixiert. Gesucht ist
eine Funktion w, wobei w(x,t) die transversale Auslenkung aus der Ruhelage an der Stelle x ∈ [0,l]
und zur Zeit t ≥ 0 angibt. Wie schaut die Lösungsfunktion aus, falls die Saite angezupft wird.
Physikalische Größen
• ρ Dichte;
• A Querschnittsfläche der Saite;
123
124 KAPITEL 7. SCHWINGUNGEN VON KONTINUA
• τ Spannkraft.
Die Gleichung: Die Gleichung für w : [0,l] × [0,∞) → R lautet (c2 = τ /(ρA)):
∂ 2 w(x,t) ∂ 2 w(x,t)
c2 = , (x,t) ∈ (0,l) × [0,∞). (7.1)
∂x2 ∂t2
Da die Gitarrensaite rechts und links fest eingespannt ist, kommen noch folgende Randbedingungen
hinzu:
Die Ansatzfunktion: Im Ansatz nach Bernoulli geht man davon aus, dass die Lösungsfunktion
sich auf folgende Weise darstellen lässt: w(x,t) = X(x) · T (t). Setzt man diese Ansatzfunktion in (7.1)
ein erhält man
bzw.
X 00 (x) T̈ (t)
c2 = .
X(x) T (t)
Die rechte Seite hängt nicht von x ab; dann kann aber auch die linke Seite nicht von x abhängen. Und
von t hängt die linke Seite auch nicht ab — die einzige Möglichkeit, die noch bleibt, ist: beide Seiten
sind konstant. Den Wert der Konstanten werden wir noch genauer bestimmen. Einstweilen bezeichnen
wir sie mit −ω 2 . (Es wird sich gleich herausstellen, dass diese Bezeichnung günstig gewählt ist, weil ω
tatsächlich die Kreisfrequenz der Schwingung sein wird.)
Es gilt also
X 00 (x) T̈ (t)
c2 = = konstant = −ω 2 ,
X(x) T (t)
7.2. SCHWINGUNG EINER SAITE ODER EINES KABELS: 125
Beide Gleichungen entsprechen dem Typ der Gleichung einer freien Schwingung. Wir wissen von früher
oder können sofort nachprüfen: Basislösungen sind
ω
sin x
sin (ωt)
(
X(x) = c und T (t) =
ω cos (ωt)
cos x
c
Die Lösung für X: Unterschiede bei der X-Gleichung im Vergleich zur Schwingungsgleichung sind:
• Die Funktion X hängt von x, nicht von t ab.
• Die Ableitungen X 00 erfolgen nach x, nicht nach t.
• Bei der Schwingungsgleichung waren Position und Geschwindigkeit für t = 0 als Anfangsbe-
dingungen festgelegt. Hier sind zwei Positionen, X(0) und X(l), durch die Einspannung als
Randbedingungen vorgegeben.
• Die Rolle von ω in der Schwingungsgleichung übernimmt hier ω/c. Der Term im Argument der
ω
Winkelfunktionen ist statt ωt hier x . Er ist wie ωt dimensionslos, und das ist für Argumente
c
von Winkelfunktionen bekanntlich notwendig.
Die allgemeine Lösung für X ist eine Linearkombination der Basislösungen:
ωx ωx
X(x) = a1 sin( ) + a2 cos( ), x ∈ [0,l]. (7.4)
c c
Die Koeffizienten a1 und a2 und ω sind noch zu bestimmen. Die Funktion X eingesetzt in die Rand-
bedingung (7.2)-(i) ergibt
ω ω
X(0) = 0 = a1 sin( 0) + a2 cos( 0); ⇒ a2 = 0, a1 und ω sind frei wählbar.
c c
Die Funktion X eingesetzt in die Randbedingung (7.2)-(ii) ergibt
ω ω
X(l) = 0 ⇒ a1 sin( l) + a2 cos( l) = 0 ⇒
c c
ω ω
a1 sin( l) = 0 ⇒ sin( l) = 0 ⇒
c c
cnπ
Lösungsmenge: L = ωn = , n ∈ N0 .
l
Hier erhalten wir nicht nur eine Lösung für ω, sondern viele verschiedene Lösungen - genau genommen
abzählbare viele. Diese Lösungen haben wir nummeriert und in der Lösungsmenge L zusammengefasst.
Setzt man z.B. ω1 in die allgemein Gleichung (7.4) für X ein und berücksichtigt dass a2 = 0 ist, so
erhält man eine Funktion X1 die wie folgt ausschaut
x
X1 (x) = a11 sin(ω1 ), x ∈ [0,l].
c
126 KAPITEL 7. SCHWINGUNGEN VON KONTINUA
0.8
0.5
0.6
0.2 -0.5
0.5 0.5
-0.5 -0.5
-1 -1
(Wir bezeichnen hier mit a11 bzw. mit an1 den ersten, bzw. n-ten Index. Es ist also „hoch 1“ oder „hoch
n“ kein Exponent.) In gleicher Weise kann man ωn in die allgemein Gleichung (7.4) für X einsetzten,
und erhält so eine Funktion Xn die wie folgt aussieht
x
Xn (x) = an1 sin(ωn ), x ∈ [0,l].
c
Das heißt für jedes ωn erhält man eine Funktion Xn , die sogenannte Eigenfunktion. In der Bildserie
7.2 sind die ersten vier Eigenfunktionen (auch Moden genannt) dargestellt.
Die Lösung von T Als nächsten Punkt gilt es eine Lösung für T zu finden. Da wir nicht eine
einzige Lösung der Eigenfrequenz erhalten sondern die Lösungsmenge L, müssen wir für jedes ωn eine
Gleichung für T aufstellen. Genau gesagt erhalten wir für jedes n ein Lösung die wir mit Tn bezeichnen.
Sei also wn (x,t) = Xn (x)Tn (t). Setzt man wn (x,t) in die Gleichung (7.1) ein, so erhält man
∂ 2 Xn (x) ∂ 2 Tn (t)
c2 Tn (t) = Xn (x), (x,t) ∈ (0,l) × [0,∞),
∂x2 ∂t2
bzw.
c2 Xn00 (x)Tn (t) = T̈n (t)Xn (x), (x,t) ∈ (0,l) × [0,∞).
Dividiert man obige Gleichung durch Tn und Xn erhält man
Xn00 (x) T̈ (t)
c2 = , (x,t) ∈ (0,l) × [0,∞).
Xn (x) T (t)
Die Funktion Xn kennen wir ja schon und wir können Xn auf oben der rechten Seite einsetzten und
erhalten
X 00 (x)
c2 n = −ωn2 , n ∈ N0 .
Xn (x)
Damit löst Tn folgende Gleichung
T¨n (t) + ωn2 Tn (t) = 0.
Die allgemeine Lösung für Tn lautet also
Tn (t) = A1 sin(ωn t) + A2 cos(ωn t), t ≥ 0.
7.2. SCHWINGUNG EINER SAITE ODER EINES KABELS: 127
Allgemeine Form der Gesamtlösung: Um die Gesamtlösung zu finden müssen wir die einzelnen
Lösungen aufsummieren. Wir erhalten also
∞
ωn
w(x,t) = sin( x) (An1 sin(ωn t) + An2 cos(ωn t)) , t ≥ 0, 0 ≤ x ≤ l.
X
n=0
c
Berechnung der Koeffizienten An1 und An2 mittels den Anfangsbedingungen: Die Saite wird
angezupft. Damit lautet die Anfangsbedingung:
2
0 ≤ x ≤ 2l ,
(
w0 (x) = l hx, (7.5)
2
l (l − x)h, 2l ≤ x ≤ l.
und
ẇ(x,0) = 0. (7.6)
Damit folgt aus der Orthogonalitätsrelation der Eigenfunktionen, i.e.
l
n = m,
Z l (
sin(ωn x) sin(ωm x) dx = 2,
0 0, n 6= m
l
n = m,
Z l (
cos(ωn x) cos(ωm x) dx = 2,
0 0, n 6= m
folgendes
Z l ∞ Z l
w(x,0) sin(ωm x) dx = An2 sin (ωn x) sin(ωm x) dx
X
0 n=0 |0 {z }
= 2l δm,n
l
= Am
2 .
2
Damit gilt
2
Z l
An2 = sin(ωn x)w0 (x) dx
l 0
2 2 l
l
!
2
Z Z
= h sin(ωn x)x dx + h sin(ωn x)(l − x) dx
l 0 l 2l
8 2h lωn 3 lωn
= cos sin
ωn2 l 4 4
und An1 = 0. Das heißt, in unseren Fall wo die Gitarrensaite angezupft wird, also die Anfangsbedin-
gungen (7.5) und (7.6) erfüllt, erhalten wir als Lösung
∞
w(x,t) = An2 sin (ωn x) cos (ωn ct) , t ≥ 0, 0 ≤ x ≤ l,
X
n=0
wobei gilt:
8 2h lωn lωn
An2 = cos sin3 .
ωn2 l 4 4
Die Gesamtlösung mit Werten l = 1, c = 1, h = 0.2 ist im Bild 7.3 dargestellt.
128 KAPITEL 7. SCHWINGUNGEN VON KONTINUA
0.4
0.2 4
0
-0.2 3
-0.4
0 2
0.2
0.4
1
0.6
0.8
10
Wir haben im vorigen Beispiel gesehen, dass die Eigenfrequenzen durch die Randbedingungen (7.2)-(i)
und (ii) berechnet wurden. Hier kann man sich die Frage stellen, in wie weit die Eigenfrequenzen von
den Randbedingungen abhängen. Dies zu illustrieren dient das nächste Beispiel.
Aufgabe 43 Am linken Rand ist eine Saite der Länge l fixiert. Weiters gleitet die Saite am rechten
Rand reibungsfrei und ist nach oben abgefedert und steht unter Spannung, kann sich aber in der
Höhe am rechten Rand verändern. Die Erdanziehungskraft wird nicht berücksichtigt. Berechnen Sie
die Schwingungsform der Saite.
w(0,t) = 0, t ≥ 0; (7.7)
• Rechter Rand:
∂w(x,t)
τ = −k w(x,t) . (7.8)
∂x x=l x=l
Setzt man c = 1 und zeichnet man die Funktionen x 7→ tan(x) und x 7→ −kx auf, so sieht man dass
es unendlich viele Lösungen gibt. Ist l = 1 kann man graphisch folgende Werte für ω herausfinden:
ω1 = 1.9, ω2 = 4.845, ω3 = 7.936, ω4 = 11.12, ω5 = 14.8, ω6 = 17.32, ω7 = 20.455, . . . . Sei
{ωn : n ∈ N} die Menge der Lösungen der Gleichung
ω ω
= −k tan( l). (7.9)
c c
Genau wie bei dem Beispiel vorher erhält man für jedes n eine extra Gleichung für T . Das heißt
Aus den vorherigen Kapiteln wissen wir das die allgemeine Lösung zu (7.10) folgendermaßen lautet:
wobei die Koeffizienten {bn1 , bn2 : n ∈ N} noch zu bestimmen sind. Kombiniert man beide Lösungen,
lautet die allgemeine Lösung
X ωn x ωn x
w(x,t) = An1 sin(ωn t) sin( ) + An2 cos(ωn t) sin( )
n∈N
c c
130 KAPITEL 7. SCHWINGUNGEN VON KONTINUA
0.5
0.25 5
0
4
-0.25
-0.5 3
0
0.2 2
0.4
0.6 1
0.8
10
Hier hat man die Unbekannte an1 , bn1 und bn2 durch die neuen Unbekannten An1 und An2 ersetzt. Als
letzten Punkt muss man noch die Koeffizienten {An1 ,An2 : n ∈ N} bestimmen. Dies kann man mit
Hilfe der Anfangsbedingungen machen. Da am Anfang der Stab gespannt ist und an der Stelle x0
festgehalten wird, erhalten wir folgende Anfangsbedingungen für w und ẇ:
y
w(x,0) = w0 (x) = x,
l
ẇ(x,0) = 0.
2
Z l
ωm x
Am
1 = 0 sin( ) dx = 0.
l 0 c
Die Lösung lautet damit
ωn x
wn (x,t) = An2 cos(ωn ct) sin( )
X
n∈N
c
wobei {An2 : n ∈ N} durch Gleichung (7.11) und {ωn : n ∈ N} durch die Gleichung (7.9) gegeben sind.
7.2.3 Zusammenfassung
0.4 0.02
0.2 3 3
0 0
-0.2
-0.4 2 -0.02 2
0 0
0.2 0.2
1 0.4 1
0.4
0.6 0.6
0.8 0.8
10 10
0.05 0.5
3 0.25 5
0 0
4
-0.25
-0.05 2
-0.5 3
0 0
0.2 0.2 2
0.4 1 0.4
0.6 0.6 1
0.8 0.8
10 10
0.6
0.4
0.6 0.2
0.5
0.5 1 1.5 2 2.5 3
0.4
-0.2
0.3
0.2 -0.4
0.1
• Es gibt unendlich viele Eigenwerte oder Eigenfrequenzen. Für die Praxis sind
aber i.a. die ersten z w e i b i s d r e i E i g e n f r e q u e n z e n wichtig.
• Die Eigenfrequenzen hängen von den R a n d b e d i n g u n g e n ab. Das heißt,
man kann die Eigenfrequenzen einer Saite verändern indem man z.B. die Auf-
hängung verändert. Dies wird bei den Strom Masten ausgenützt.
Zumeist braucht man die Eigenfrequenzen nicht selbst berechnen, man findet Tabellen in verschiedenen
Büchern. Hier geben wir in Tabelle 7.1 die Eigenfrequenzen für verschiedene Randbedingungen an.
Die Gitarrensaite war ein Modell. Mit derselben Gleichung kann mann auch Torsions-
schwingungen und Längsschwingungen von Schubstangen beschreiben. Der Lösungsweg
ist dabei derselbe.
7.3 Balkenbiegeschwingungen
Wir werden hier nicht zu sehr auf die Ableitung der Gleichung eingehen, auch wollen wir in erster Linie
die Idee vermitteln, wie man einen Balken durchrechnet, bzw. welche Mathematik dahintersteckt.
Gleichung:
Physikalische Größen:
• w(x,t) Auslenkung des Balkens aus der Ruhelage zur Zeit t ≥ 0 in Punkt x ∈ [0,l];
• EI(x): Biegesteifigkeit des Balkens im Punkt x ∈ [0,l], gleich E-Modul E mal Flächenträgheits-
moment I, wird zumeist als konstant angenommen;
7.3. BALKENBIEGESCHWINGUNGEN 133
• µ(x) = ρ(x)A(x) Massenbelegung des Balkens in Punkt x ∈ [0,l], wird zumeist als konstant
angenommen;
• ρ(x) Dichte des Balken in Punkt x ∈ [0,l], wird zumeist als konstant angenommen;
• A(x) Querschnittsfläche des Balken in Punkt x ∈ [0,l], wird zumeist als konstant angenommen;
• M (x,t) = −EI(x)w00 (x,t) Biegemoment des Balkens zur Zeit t ≥ 0 in Punkt x ∈ [0,l];
• q(x,t) die Streckenlast (orts- und zeitabhängig angreifende Querkraft pro Längeneinheit) zur
Zeit t ≥ 0 in Punkt x ∈ [0,l].
Die Randbedingungen: Der Balken ist rechts und links auf zwei Halterungen gelenkig gestützt,
d.h. der Ort ist festgehalten, die Auslenkung w = 0. Der Balken ist aber nicht fix eingespannt, d.h. er
kann sich an der gelenkigen Lagerung drehen und das Biegemoment (M ) ist gleich 0. Mathematisch
formuliert kommt man auf folgende Gleichungen:
bzw.
Um die Lösung zu finden, nimmt man wiederum an, dass w folgendermassen darstellbar ist.
Auch kann man wieder wie vorher eine Differenzialgleichung für X und T ableiten, indem man X(x) ·
T (t) in (7.12) einsetzt:
Bei den gleichen Argumenten wie vorher schliessen wir, dass X folgende Differentialgleichung löst:
Allgemeiner Lösungsansatz: Die Lösung wird nicht nur aus sinus und cosinus Termen bestehen,
sondern auch aus sinus hyperbolikus und cosinus hyperbolicus:
Es gilt
d d
sinh(x) = cosh(x) und cosh(x) = sin(x).
dx dx
1 0 1
det(κ) = sin(κl)
−κ 2 0 κ2
−κ2 cos(κl) κ2 sinh(κl) κ2 cosh(κl)
1 0 1
+ κ2 sin(κl) −κ2 0 κ2
cos(κl) sinh(κl) cosh(κl)
= sin(κl)(−2κ2 κ2 sinh(κl)) + κ2 sin(κl)(−2 sinh(κl)κ2
= −4 sin(κl) sinh(κl)κ4 .
κ4 = 0 ⇒ κ̂0 = 0,
nπ
sin(κl) = 0 ⇒ κn = , n ∈ Z,
l
nπ
sinh(κl) = 0 ⇒ κ̄n = i , n ∈ Z.
l
0 1 0 1 0
2
An
0 nπ 2
− nπ 0 B 0
=
l l n
0 (−1)n sinh(nπ) cosh(nπ) Cn 0
2 nπ 2 nπ 2
0 − nπ (−1)n sinh(nπ) cosh(nπ)) Dn 0
l l l
Es gilt die Eigenwerte in die Matrix einzusetzen und das Gleichungssystem nach An ,Bn ,Cn und Dn
aufzulösen. Da für alle n ∈ N gilt sinh(πn) 6= 0, folgt aus den ersten drei Zeilen Bn = 0, Cn = 0,
Dn = 0 und An 6= 0. Damit lautet die nte Eigenschwingung:
πnx
wn (x,t) = (acn cos(ωn t) + asn sin(ωn t)) sin( ),
l
wobei gilt
π 2 n2
s s
2 EI EI
ωn = κ = 2
µ l µ
Die Eigenschwingungsformen in Raum sind die Sinusfunktionen.
Die Koeffizienten acn und asn muss man sich anhand der Anfangsbedingungen für w(x,0) und ẇ(x,0)
berechnen.
1
0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7
0.8 -2
0.6 -4
0.4 -6
0.2 -8
-10
0.2 0.4 0.6 0.8 1
Abbildung 7.7: Die Anfangsbedingung w(x,0) (links) und ẇ(x,0) (rechts) des Balken.
Die Randbedingungen:
Allgemeiner Lösungsansatz:
1
3
0
-1 2
0
0.2
0.4 1
0.6
0.8
10
Abbildung 7.8: Die Gesamtlösung.
7.3. BALKENBIEGESCHWINGUNGEN 137
20
15
10
5 10 15 20
-5
-10
-15
0 1 0 1 0
A
κ 0 κ 0 B 0
=
−κ2 sin(κl) −κ2 cos(κl) κ2 sinh(κl) κ2 cosh(κl) C 0
Die Nullstellen sind als κ0 = 0 als sechsfache Nullstelle, die restlichen muss man entweder durch
Matlab, Matematica berechnen lassen oder graphisch ablesen. Die Funktion x 7→ (1 + cos(x) cosh(x))
ist in Fig. 7.9 abgebildet.
Eingesetzt ergibt das Gleichungssystem dann
0 1 0 1 0
A
κ 0 κ 0 B 0
= .
2 2 2 2
−κ sin(κl) −κ cos(κl) κ sinh(κl) κ cosh(κl) C 0
Eine Analyse ergibt, dass A = −C und B = −D gilt. Setzt man die Gleichungen in die dritte Zeile
ein und kürzt durch κ2 , erhält man
Setzt man A = (cos(κl) − cosh(κl)) folgt, B = −(sin(κl) − sinh(κl)), woraus sich für die Eigenmoden
ergibt:
Die Eigenfrequenzen κn muss man anhand der graphischen Darstellung ablesen. Die ersten Werte für
l = 1 sind κ1 = 1.87, κ2 = 4.69, κ3 = 7.85 und weiters nehmen wir κ3+n ∼ 7.85 + nπ an. Damit
erhalten wir
∞
w(x,t) = Cn {(cos(κn l) − cosh(κn l)) (sin(κn x) − sinh(κn x))
X
n=1
− (sin(κn l) − sinh(κn l)) (cos(κn x) − cosh(κn x))} cos(ωn t), x ∈ [0,l], t ≥ 0.
In den folgenden Graphiken 7.10 und 7.11 sind je die ersten zwei Eigenschwingungsformen dargestellt.
1 1
-1 -1
-2 -2
-3 -3
-4 -4
1 1
-1 -1
-2 -2
-3 -3
-4 -4
0.75
0.5
0.5
0.25
1 2 3 4 5
0.2 0.4 0.6 0.8 1
-0.5 -0.25
-0.5
-1
Abbildung 7.12: Links ist der zeitliche Verlauf für einige verschiedene festgehaltenen Punkte x0 auf
der x-Achse dargestellt: x0 fest, R+
0 3 t 7→ w(t,x0 ). Rechts sind einige Schnappschüsse der Biegelinie
zu verschiedenen Zeiten t0 zu sehen: t0 fest, [0,1] 3 x 7→ w(t0 ,x).
2
1 15
0
-1
-2 10
0
0.2
0.4 5
0.6
0.8
10
λ1 = 3.1416
λ2 = 6.2832
gelenkig – gelenkig sin(λn ) = 0, n = 0,1,2, . . .
λ3 = 9.4248
λn ' nπ
λ1 = 1.8751
λ2 = 4.6941
fest – frei 1 + cos λn cosh λn = 0, n = 0,1,2, . . .
λ3 = 7.8548
λn ' (2n − 1)π/2
λ1 = 3.9266
λ2 = 7.0686
fest – gelenkig tan λn − tanh λn = 0, n = 0,1,2, . . .
λ3 = 10.2102
λn ' (4n + 1)π/4
λ1 = 4.7300
λ2 = 7.8532
fest – fest 1 − cos λn cosh λn = 0, n = 0,1,2, . . .
λ3 = 10.9956
λn ' (2n + 1)π/2
λ1 = 4.7300
λ2 = 7.8532
frei – frei 1 − cos λn cosh λn = 0, n = 0,1,2, . . .
λ3 = 10.9956
λn ' (2n + 1)π/2
Im folgender Tabelle 7.2 zeigen wir Ihnen eine Tabelle aus Magno, Popp Sextro: Schwingungen, Seite
232. Auf der linken Seite stehen die Randbedingungen, bzw. wie der Balken gelagert ist.
• feste Einspannung: w(x∗ ,t) = 0, w0 (x∗ ,t) = 0;
• Gelenklager: w(x∗ ,t) = 0, M (x∗ ,t) = 0;
• freies Ende: M (x∗ ,t) = 0, Q(x∗ ,t) = 0.
Im weiteren sind die Eigenfrequenzen und Eigenmoden angezeichnet. Die ersten fünf Eigenfrequenzen
sind mit einer zweistelligen Genauigkeit angegeben, auf der rechten Seite finden Sie eine Näherungs-
formel für die größeren Eigenfrequenzen.
7.3. BALKENBIEGESCHWINGUNGEN 141
142 KAPITEL 7. SCHWINGUNGEN VON KONTINUA
Die δ-Funktion (geschrieben δ0 ) ist diejenige Funktion, für die das Integral
Z ∞
φ(x)δ0 (x) dx
−∞
immer φ(0) ergibt, vorausgesetzt φ ist eine stetige Funktion. Eigentlich ist die δ-Funktion auch keine
Funktion, da man ihren Funktionswert nicht in jeden Punkt definieren kann (salopp gesagt ist sie
überall 0, nur im Nullpunkt ∞) (deswegen nennen die Mathematiker die δ-Funktion auch Distribution).
Man kann sie aber als Grenzwert netter Funktionen definieren.
Sei φ eine stetig und differenzierbare Funktion und ψ gegeben durch
0 für
x < −1,
−(1 + x) für − 1 ≤ x ≤ 0,
ψ(x) :=
1−x für 0 ≤ x ≤ 1,
0 für x > 1,
Z ∞ Z 1
φ(x)ψk (x) dx = φ(0) + 2−k zφ0 (0) ψ(z) dz
−∞ −1
= φ(0) + O(2−k zφ0 (0)).
Man kann zeigen, dass fuer jede stetige Funktion φ das Integral
Z ∞
φ(x)ψk (x) dx
−∞
für k → ∞ gegen φ(0) strebt. Damit definiert man δ0 als folgenden Grenzwert
δ0 = lim ψk .
k→∞
Beachte, die Folge der ψk ist nicht eindeutig. Mann kann verschiedene Grundfunktionen ψ oder Funk-
tionsfolgen ψk nehmen.