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Grundlagen der
Quantenmechanik
131
132 KAPITEL 9. GRUNDLAGEN DER QUANTENMECHANIK
Dabei ist zu beachten, dass die instruktive Umformung in der zweiten Zeile nur
dann gilt, wenn die Funktion f (x, t) reelle oder komplexe Werte annimmt. Han-
delt es sich bei der Funktion um einen sogenannten Operator, so ist (9.3) in der
gegebenen Form explizit zu verwenden, wie wir in Abschnitt 9.3 einsehen wer-
den. Beispiele für Funktionen f (x, t) sind die Ortskoordinate x(t) des Teilchens
oder seine potentielle Energie V (x, t).
9.1. DAS ERSTE POSTULAT: WELLENFUNKTIONEN 133
Klassisch gesehen besteht für ein freies Teilchen zwischen der Energie E und
dem Impuls p die folgende Beziehung
p2 √
E= → p = ± 2mE. (9.7)
2m
D.h. bei konstanter Energie E kann der Impuls p in einer Dimension zwei mögli-
che Werte annehmen, die einer Bewegung des Teilchens entlang der positiven
oder negative Koordinatenachse entspricht. Wir erweitern daher unseren An-
satz zu einer Superpositon von einer nach rechts und einer nach links laufenden
Materiewelle
ψ(x, t) = Aeipx/~ + Be−ipx/~ e−iEt/~ . (9.8)
Nun berücksichtigen wir, dass die freie Bewegung des Teilchens auf den Bereich
0 ≤ x ≤ L beschränkt ist. D.h. die betrachtete Wellenfunktion muss folgenden
Randbedingungen genügen
~ 2 π 2 2
En = n mit n ∈ N. (9.11)
2m L
Hier erkennen wir, dass die Beschreibung eines Teilchens in einem Potentialtopf
als Materiewelle auf natürliche Art und Weise zu einer diskreten Abfolge von
möglichen Energiewerten des Teilchens, also zu einer Quantisierung, führt.
Die Wellenfunktion ψn (x, t) zur Energie En nimmt damit die folgende Form
an
(
2iA sin nπ
L x e−iEn t/~ , 0 ≤ x ≤ L,
ψn (x, t) = (9.12)
0, sonst.
In der Abb. 9.2 sind die Wellenfunktionen ψn (x, t) und die entsprechenden
Wahrscheinlichkeitsdichten |ψn (x, t)|2 für die Zustände n = 1, 2, 3 skizziert.
Ein Potentialtopf, wie wir ihn hier besprochen haben, ist ein gutes Modell
für die Energieniveaus von Elektronen in sogenannten Quantenpunkten (quan-
tum dots). Die Elektronen in Quantenpunkten sind in ihrer Beweglichkeit in
allen drei Raumrichtungen eingeschränkt. Realisiert werden Quantenpunkte in
sogenannten Nanostrukturen, welche grösstenteils aus verschiedenen Halbleiter-
materialien aufgebaut sind.
9.1. DAS ERSTE POSTULAT: WELLENFUNKTIONEN 135
y y
den Wahrscheinlichkeitsdichten
2
|ψn (x, t)| für die Zustände
n = 1, 2, 3 für ein Teilchen im
Potentialtopf.
Wir können auch hier für eine Funktion g(p, t), die sich aufs Teilchen bezieht,
den entsprechenden Erwartungswert definieren.
Definition 9.3 Der Erwartungswert einer Funktion g(x, t) ist für einen be-
stimmten Zeitpunkt t gegeben durch
Z ∞
hg(p, t)i = φ∗ (p, t)g(p, t)φ(p, t)dp (9.16)
−∞
Z ∞
= g(p, t) φ∗ (p, t)φ(p, t)dp (9.17)
−∞ | {z } | {z }
Funktionswert Wahrscheinlichkeit für das
Auftreten des Funktionswerts
Hier gelten die selben Einschränkungen wie wir sie bereits für die Wellenfunk-
tionen im Ortsraum diskutiert haben. Beispiele für die Funktion g(p, t) sind der
Impuls p(t) des Teilchens oder seine kinetische Energie Ekin = p2 /(2m).
Der Faktor eiωt ist hier ein nichtrelevanter Phasenfaktor (physikalisch ist nur
ψ ∗ (x, t)ψ(x, t) entscheidend). Wir schreiben daher
Z ∞
1
ψ(x) = √ A(k)eikx dk, (9.19)
2π −∞
Z ∞
1
ψ(x) = √ φ(p)eipx/~ dp, (9.21)
2π~ −∞
Z ∞
1
φ(p) = √ ψ(x)e−ipx/~ dx. (9.22)
2π~ −∞
lD
'
f D
$ % &
D
"
lD
'
f riewelle am Spalt.
λ λ
− < sin ϕ < . (9.23)
∆x ∆x
Damit kann die in Abb. 9.3 eingezeichnete Grösse ∆px als Unschärfe der Impuls-
komponente px aufgefasst werden. Es gilt dabei der folgende Zusammenhang
∆px λ
= . (9.24)
p ∆x
∆px ∆x = h. (9.25)
Berücksichtigt man die Tatsache, dass einige Teilchen auch in die Nebenmaxima
fallen, so wird aus der Gleichung eine Ungleichung
Wir wenden diese Definition 9.4 auf ein Teilchen an, dessen Zustand durch
eine reelle Wellenfunktion ψ(x) beschrieben ist. ψ(x) ist so beschaffen, dass
die Wahrscheinlichkeitsdichte |ψ(x)|2 des Teilchens einer Gaussverteilung ent-
spricht
1 2 2
|ψ(x)|2 = √ e−x /(2a ) (9.28)
a 2π
und somit ein Wellenpaket der charakteristischen Breite a formt. Diese Funktion
ist normiert, d.h. es gilt
Z ∞
|ψ(x)|2 dx = 1. (9.29)
−∞
d.h. ψ(x) beschreibt ein Teilchen, das sich im Mittel bei x = 0 aufhält. Damit
ergibt sich für die Unschärfe ∆x der Ortskoordinate
q
∆x = hx2 i − hxi2
sZ
p ∞
= hx2 i = ψ(x)∗ x2 ψ(x)dx
−∞
sZ
∞
= |ψ(x)|2 x2 dx
−∞
= a. (9.31)
1
∆x∆px ≥ ~. (9.37)
2
Für die allgemeine Formulierung und die Herleitung sei auf weiterführende
Literatur [10] verwiesen.
Wir erwähnen hier noch eine weitere Form der Heisenbergschen Unschärfe-
relation, die sogenannte Energie-Zeit-Unschärferelation. Es gilt
1
∆E∆t ≥ ~. (9.38)
2
Die Formulierung (9.38) sagt aus, dass die Energie E eines Systems, welches
für die Zeitspanne ∆t existiert, z.B. ein Atom dessen Lebensdauer im angeregten
Zustand durch ∆t gegeben ist, nur auf ∆E genau bestimmt ist. Diese Relation
legt zum Beispiel die Breite von spektralen Linien eines atomaren Übergangs
im Verhältnis zur Lebensdauer des angeregten Zustands des Atoms fest.
140 KAPITEL 9. GRUNDLAGEN DER QUANTENMECHANIK
9.3 Operatoren
Operatoren spielen in der Quantenmechanik eine entscheidende Rolle. Denn
jede physikalische Grösse f wird durch einen entsprechenden Operator fˆ dar-
gestellt. Die Bedeutung von Operatoren im Rahmen der Quantenmechanik,
besprechen wir in diesem Abschnitt.
In der Ortsraumdarstellung, in der der Zustand eines Teilchens durch die Wel-
lenfunktion ψ(x) beschrieben ist, wird der Erwartungswert des Impulses p be-
rechnet, indem man in (9.40) den Impuls p durch den Impulsoperator
~ ∂
p̂ = (9.44)
i ∂x
ersetzt.
In der Impulsraumdarstellung, in der der Zustand eines Teilchens durch die Wel-
lenfunktion φ(p) beschrieben ist, wird der Erwartungswert der Ortskoordinate
x berechnet, indem man die Ortskoordinate x in
Z ∞
hxi = φ∗ (p)xφ(p)dp (9.48)
−∞
142 KAPITEL 9. GRUNDLAGEN DER QUANTENMECHANIK
Der Ortsoperator in 3D
Wie wir im letzten Abschnitt gesehen haben, ist der Ortsoperator x̂ in Orts-
raumdarstellung gleich dem Faktor x. Entsprechend gilt in drei Dimensionen
Ortsraumdarstellung Impulsraumdarstellung
R∞ R∞ ∂
hxi = −∞ ψ ∗ (x)xψ(x)dx hxi = −∞ φ∗ (p)i~ ∂p φ(p)dp
R∞ ∂
R∞ ∗
hpi = −∞ ψ ∗ (x) ~i ∂x ψ(x)dx hpi = −∞ φ (p)pφ(p)dp
Der Impulsoperator in 3D
Beschreiben wir die Bewegung eines Teilchens im dreidimensionalen Raum in
kartesischen Koordinaten, dann ist jeder Impulskomponente ein Operator zu-
geordnet. Nach (9.44) gilt für die Operatoren p̂x , p̂y und p̂z der Impulskompo-
nenten
~ ∂
p̂x = , (9.53)
i ∂x
~ ∂
p̂y = , (9.54)
i ∂y
~ ∂
p̂z = . (9.55)
i ∂z
Dem Impulsvektor p~ = (px , py , pz ) ist also ein Impulsoperator p~ˆ = (p̂x , p̂y , p̂z )
zugeordnet. Wenn man ihn auf eine Wellenfunktion anwendet, so resultiert ein
Vektor.
Die Erwartunswerte der Impulskomponenten px , py und pz lassen sich be-
rechnen durch
Z ∞Z ∞Z ∞
~ ∂
hpx i = ψ ∗ (x, y, z) ψ(x, y, z)dxdydz, (9.56)
−∞ −∞ −∞ i ∂x
Z ∞Z ∞Z ∞
~ ∂
hpy i = ψ ∗ (x, y, z) ψ(x, y, z)dxdydz, (9.57)
i ∂y
Z−∞
∞ Z−∞ −∞
∞ Z ∞
~ ∂
hpz i = ψ ∗ (x, y, z) ψ(x, y, z)dxdydz. (9.58)
−∞ −∞ −∞ i ∂z
Der Hamiltonoperator
Aus der klassischen Mechanik ist die Hamiltonfunktion H bekannt. Sie ent-
spricht der Gesamtenergie E eines Systems ausgedrückt als Funktion der ver-
allgemeinerten Koordinaten qk und der dazu kanonisch konjugierten Impulse
pk . Der Hamiltonoperator Ĥ ist die zugehörige quantenmechanische Grösse.
Wir betrachten als Beispiel die Bewegung eines Teilchens der Masse m mit
den kartesischen Koordinaten x, y und z im Potential V (x, y, z). Die konjugier-
ten Impulse sind demzufolge die kartesischen Impulskomponenten px , py und pz .
Wir beschränken uns hier auf eine nichtrelativistische Betrachtung. Klassisch
gelten die folgenden Beziehungen
px = mẋ, (9.59)
py = mẏ, (9.60)
pz = mż. (9.61)
144 KAPITEL 9. GRUNDLAGEN DER QUANTENMECHANIK
Der Drehimpulsoperator
Der (klassische) Drehimpulsvektor L ~ eines Teilchens bzgl. des Ursprungs ist
definiert als
Lx x px ypz − zpy
~ = Ly = ~r × p~ = y × py = zpx − xpz ,
L (9.66)
Lz z pz xpy − ypx
Wir beweisen die Richtigkeit dieses Ausdrucks indem wir auf die kartesischen
Koordinaten zurückrechnen. Die Umrechnung zwischen kartesischen Koordina-
ten und Kugelkoordinaten lautet (vgl. Abb. 9.4)
q
/
Diese Ausdrücke stimmen mit (9.67) überein, womit die Richtigkeit von (9.68)
bewiesen ist.
Bemerkung
Das Plancksche Wirkungsquantum ~ hat die Dimension des Drehimpulses. In
der Quantenmechanik wird deshalb der Drehimpuls oft in Einheiten von ~ an-
gegeben, sodass in den Formeln für den Drehimpuls der Faktor ~ entfällt.
F̂ ψ = ϕ ∈ L2 . (9.75)
1. Linearität
Eine erste Eigenschaft quantenmechanische Operatoren ist die Linearität:
2. Distributivgesetz
Quantenmechanische Operatoren erfüllen zudem das Distributivgesetz.
3. Assoziativgesetz
Quantenmechanische Operatoren erfüllen ebenfalls das Assoziativgesetz.
148 KAPITEL 9. GRUNDLAGEN DER QUANTENMECHANIK
4. Kommutativgesetz
Jedoch kommutieren quantenmechanische Operatoren im Allgemeinen nicht.
Bevor wir die Definition des Kommutativgesetzes angeben, führen wir den
Begriff des Kommutators ein.
Wir betrachten dazu einige Beispiele. Als erstes betrachten wir die zu
den Funktionen xpx und px x gehörenden Operatoren x̂p̂x und p̂x x̂ in der
Ortsraumdarstellung. Es gilt
~ ∂ψ
x̂p̂x ψ = x , (9.81)
i ∂x
~ ∂ ~ ∂ψ
p̂x x̂ψ = (xψ) = ψ+x . (9.82)
i ∂x i ∂x
Damit folgt
Diese Gleichung gilt unabhängig von der Wellenfunktion ψ, auf welche die
Operatoren wirken. D.h. für den Kommutator der beiden Operatoren x̂
und p̂x gilt
~ ∂ψ ~ ∂
[x̂, p̂y ] ψ = (x̂p̂y − p̂y x̂) ψ = x − (xψ) = 0. (9.85)
i ∂y i ∂y
Dies bedeutet, dass es nicht möglich ist, dass zwei verschiedene Kom-
ponenten des Drehimpulses gleichzeitig beliebig genau bestimmt werden
können.
5. Reelle Erwartungswerte
Operatoren in der Quantenmechanik haben reelle Erwartungswerte, da
physikalisch messbare Grössen, sogenannte Observable 1 , reell sind. Bei-
spiele für Observable sind Ortskoordinaten, Impuls, Drehimpuls, Energie
oder allgemein reelle Funktionen von Orts- und Impulskoordinaten.
Ein Operator F̂ , der einer Observablen F (x, p) entspricht, muss demzu-
folge folgende Bedingung erfüllen
womit gezeigt ist, dass der Impulsoperator p̂x hermitesch ist. PI steht für
partielle Integration.
und F2 = px x. Sie sind als Produkt aus Ortskoordinate und Impuls phy-
sikalisch deutbare Funktionen und demzufolge Observablen. Die Berech-
nung der Erwartungswerte hxpx i und hpx xi zeigt jedoch, dass weder der
Operator F̂1 = x̂p̂x noch der Operator F̂2 = p̂x x̂ hermitesch ist. Zudem
erhält man für F1 und F2 unterschiedliche Erwartungswerte.
Es ist jedoch möglich, diese Operatoren zu hermitesieren“. In unserem
”
Beispiel ist die Hermitesierung relativ einfach: Der zu F̂1 und F̂2 gehörende
hermitesche Operator lautet
1
F̂ = (x̂p̂x + p̂x x̂) . (9.92)
2
Im Allgemeinen kann diese Aufgabe der Hermitesierung jedoch relativ
kompliziert sein.
∂ψ(x, y, z, t)
Ĥψ(x, y, z, t) = i~ . (9.93)
∂t
Diese Gleichung wird nach E. Schrödinger die zeitabhängige Schrödinger-
Gleichung genannt.
Ein Teilchen der Masse m bewege sich entlang der x-Achse in einem Poten-
tial V (x). Die Newtonsche Bewegungsgleichung kann geschrieben werden in der
Form
d ∂V
p=F =− . (9.95)
dt ∂x
Die Quantenmechanik erlaubt nur statistische Aussagen in Form von berechne-
ten Erwartungswerten. Demzufolge würde die entsprechende Gleichung in der
Quantenmechanik folgende Gestalt annehmen
d ∂V
hpi = − . (9.96)
dt ∂x
Herleitung:
Z
d d ∞ ∗
hpi = ψ (x, t)p̂ψ(x, t)dx
dt dt −∞
Z ∞
~ d ∂ψ(x, t)
= ψ ∗ (x, t) dx
i dt −∞ ∂x
Z
~ ∞ ∂ψ ∗ (x, t) ∂ψ(x, t) ∗ ∂ ∂ψ(x, t)
= + ψ (x, t) dx (9.97)
i −∞ ∂t ∂x ∂t ∂x
Die Schrödinger-Gleichung und das konjugiert Komplexe der Schrödinger-Glei-
chung für unser Beispiel lauten
∂ψ(x, t) ~2 ∂ 2 ψ(x, t)
i~ =− + V (x)ψ(x, t), (9.98)
∂t 2m ∂x2
∂ψ ∗ (x, t) ~2 ∂ 2 ψ ∗ (x, t)
−i~ =− + V (x)ψ ∗ (x, t). (9.99)
∂t 2m ∂x2
Einsetzen in (9.97) liefert
Z ∞
d ~2 ∂ 2 ψ ∗ (x, t) ∗ ∂ψ(x, t)
hpi = − 2
+ V (x)ψ (x, t) dx
dt −∞ 2m ∂x ∂x
Z ∞ 2 2
∂ ~ ∂ ψ(x, t)
+ ψ ∗ (x, t) − V (x)ψ(x, t) dx
−∞ ∂x 2m ∂x2
Z ∞ 2 Z ∞
PI ~ ∂ψ ∗ (x, t) ∂ 2 ψ(x, t) ∂ψ(x, t)
= 2
dx + V (x)ψ ∗ (x, t) dx
−∞ 2m ∂x ∂x −∞ ∂x
Z ∞ 2 Z ∞
~ ∂ψ ∗ (x, t) ∂ 2 ψ(x, t) ∂
− 2
dx − ψ ∗ (x, t) (V (x)ψ(x, t)) dx
−∞ 2m ∂x ∂x −∞ ∂x
Z ∞ Z ∞
∗ ∂ψ(x, t) ∂ψ(x, t)
= V (x)ψ (x, t) dx − ψ ∗ (x, t)V (x) dx
−∞ ∂x −∞ ∂x
Z ∞
∂V (x)
− ψ ∗ (x, t) ψ(x, t)dx
−∞ ∂x
Z ∞
∗ ∂V (x)
= ψ (x, t) − ψ(x, t)dx
−∞ ∂x
∂V
= − . (9.100)
∂x
9.4. DAS ZWEITE POSTULAT: DIE SCHRÖDINGER-GLEICHUNG 153
Stationäre Lösungen
Wir betrachten ein Teilchen der Masse m, das sich mit nichtrelativistischer
Geschwindigkeit in einem Potential V (x, y, z, t) bewegt.
Definition 9.11 Ein Zustand, der dadurch gekennzeichnet ist, dass die Wahr-
scheinlichkeit ψ ∗ (x, t)ψ(x, t)dx das Teilchen zwischen x und x + dx anzutreffen
nicht von der Zeit t abhängt, heisst stationärer Zustand.
Ein Beispiel dafür ist die bereits mehrfach erwähnte ebene, harmonische
Materiewelle
E ist die totale Energie des Teilchens, welche bei nichtrelativistischer Behand-
lung die Summe aus kinetischer und potentieller Energie ist
p2
E = Ekin + V (x, y, z, t) = + V (x, y, z, t). (9.104)
2m
Wir setzen nun den Ansatz (9.103) in die zeitabhängige Schrödinger-Gleich-
ung (9.93) ein, um herauszufinden, unter welchen Bedingungen sie eine Lösung
ist
~2
− ∆ u(x, y, z)e−iEt/~ + V (x, y, z, t)u(x, y, z)e−iEt/~
2m
∂
= i~ u(x, y, z)e−iEt/~ . (9.105)
∂t
u(x, y, z) ist eine Funktion der Ortskoordinaten allein, sodass
~2 ∂
− ∆u(x, y, z) + V (x, y, z, t)u(x, y, z) e−iEt/~ = u(x, y, z)i~ e−iEt/~ .
2m ∂t
(9.106)
~2
− ∆u(x, y, z) + V (x, y, z)u(x, y, z) = Eu(x, y, z). (9.108)
2m
1. Normierbarkeit
Bei physikalischen Problemen müssen die Lösungen ψ(x, t) normierbar
sein
Z ∞
ψ ∗ (x, t)ψ(x, t)dx < ∞. (9.109)
−∞
2. Verhalten im Unendlichen
Aus der Normierungsbedingung folgt, dass ψ(x, t) und u(x) mit x → ±∞
genügend rasch gegen null streben müssen. Dasselbe gilt auch für die
Ableitungen nach x.
4. Superpositionsprinzip
Da die Schrödinger-Gleichung linear und homogen ist, ist eine beliebige
Linearkombination von Lösungen ebenfalls eine Lösung. D.h. sind zum
Beispiel ψ1 und ψ2 Lösungen der Schrödinger-Gleichung, so ist ψ = aψ1 +
bψ2 ebenfalls eine Lösung.
9.4. DAS ZWEITE POSTULAT: DIE SCHRÖDINGER-GLEICHUNG 155
Ausnahmefälle
Es kommt vor, dass idealisierte Beispiele und Grenzfälle einige dieser Eigen-
schaften nicht erfüllen. Wir geben hier zwei bekannte Beispiele an:
· Die ebene harmonische Materiewelle ψ(x, t) = Aei(px−Et)/~ erfüllt die Nor-
mierungsbedingung und das geforderte Verhalten im Unendlichen nicht.
Dies entspricht dem Grenzfall, bei dem Teilchen vollständig im Raum
delokalisiert sind, ihre Position also völlig unbestimmt ist.
· Lösungen für physikalisch unrealistische Randbedingungen wie z.B. für
das Teilchen im Potentialtopf mit unendlich hohen Wänden (vgl. Ab-
schnitt 9.1.1) erfüllen die Stetigkeitsbedingungen nicht. In jeder physika-
lisch realistischen Situation, z.B. wenn ein Elektron durch endlich grosse
elektrische Felder in einem Quantenpunkt lokalisiert ist, hat ein Potenti-
altopf eine endliche Höhe.
Teilchen im Potentialtopf
Wir wollen nun das in Abschnitt 9.1.1 besprochene physikalische Problem eines
Teilchens in einem Potentialtopf mit der Schrödinger-Gleichung lösen. D.h. wir
betrachten ein Teilchen der Masse m, das sich längs der x-Achse bewegt, je-
doch zwischen den Koordinaten 0 und L lokalisiert ist. Das Potential V(x) hat
dementsprechend die Form (vgl. Abb. 9.1)
(
0, 0 ≤ x ≤ L,
V (x) = (9.120)
∞, sonst.
~2 ∂ 2
− u(x) + V (x)u(x) = Eu(x). (9.121)
2m ∂x2
9.4. DAS ZWEITE POSTULAT: DIE SCHRÖDINGER-GLEICHUNG 157
Für x < 0 und x > L ist wegen V (x) = ∞ u(x) = 0. Für 0 ≤ x ≤ L nimmt die
zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung folgende Form an
~2 ∂ 2
− u(x) = Eu(x). (9.122)
2m ∂x2
Wir wählen wieder den Ansatz
~2 π 2 2
En = n mit n ∈ N. (9.128)
2m L
Die Wellenfunktionen (9.127) erfüllen nicht alle Bedingungen, die man an eine
Lösung der Schrödinger-Gleichung stellt, denn die Ableitung der Wellenfunktion
nach x bei x = 0 und x = L ist unstetig. Dies ist eine Folge davon, dass das
betrachtete Potential zu unphysikalischen Randbedingungen führt. Wie wir im
nächsten Abschnitt sehen werden, tritt diese Schwierigkeit beim Potentialtopf
mit endlicher tiefe V0 nicht auf. Trotzdem sind die Wellenfunktionen (9.127)
durchaus sinnvoll, wenn man sie als Grenzfall V0 → ∞ betrachtet.
welches die Gestalt eines symmetrischen Topfes der Tiefe V0 hat (vgl. Abb. 9.5),
bewegt. Die Gesamtenergie des Teilchens sei E.
Wir betrachten zuerst die klassischen Erwartungen und unterscheiden dabei
die Fälle E < V0 und E > V0 :
1. E < V0 : Da die kinetische Energie positiv sein muss, kann sich das Teil-
chen nur innerhalb des Topfes aufhalten. Es bewegt sich zwischen den
Umkehrpunkten ±a hin und her.
2. E > V0 : Das Teilchen kann den Topf durchqueren und sich auch ausser-
halb desselben aufhalten.
· In der Region I nimmt das Potential den Wert V0 an und daher lautet die
zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung
~2 ∂ 2
− uI (x) + V0 uI (x) = EuI (x). (9.130)
2m ∂x2
Die Lösung dieser Gleichung ist
r
k0 x −k0 x 2m(V0 − E)
uI (x) = A1 e + A01 e mit k 0 = . (9.131)
~2
Da die Lösung für x → −∞ endlich sein muss gilt A01 = 0 und wir erhalten
r
k0 x 2m(V0 − E)
uI (x) = A1 e mit k 0 = . (9.132)
~2
0 1 2 3
0 6
Abb. 9.5: Das Potential V (x) in
Abhängigkeit von x für ein Teilchen
im endlichen Potentialtopf. Die x-
2
Achse wird für die Berechnungen in
4 5 5
drei Teilgebiete I, II und III unter-
teilt.
7 7 7 7 7 7
9.4. DAS ZWEITE POSTULAT: DIE SCHRÖDINGER-GLEICHUNG 159
· In der Region II verschwindet das Potential und daher lautet die zeitun-
abhängige Schröd-inger-Gleichung
~2 ∂ 2
− uII (x) = EuII (x). (9.133)
2m ∂x2
Die Lösung dieser Gleichung ist
r
2mE
uII (x) = A2 eikx + A02 e−ikx mit k = . (9.134)
~2
· Analog zu Region I ergibt sich für die Region III die Lösung
r
0 −k0 x 0 2m(V0 − E)
uIII (x) = A3 e mit k = . (9.135)
~2
Aus den Stetigkeitsbedingungen für die Wellenfunktion und deren Ableitung
nach x an den Stellen x = ±a ergeben sich die folgenden Gleichungen zur
Bestimmung der Amplituden und Energiewerte
0
uI (−a) = uII (−a) → A1 e−k a = A2 e−ika + A02 eika , (9.136)
∂uI (−a) ∂uII (−a) 0
= → k 0 A1 e−k a = ikA2 e−ika − ikA02 eika , (9.137)
∂x ∂x
0
uII (a) = uIII (a) → A2 eika + A02 e−ika = A03 e−k a , (9.138)
∂uII (a) ∂uIII (a) 0
= → ikA2 eika − ikA02 e−ika = −k 0 A03 e−k a . (9.139)
∂x ∂x
In Matrixschreibweise lautet dieses Gleichungssystem
−k0 a
e 0 −e−ika −eika A1
k 0 e−k0 a 0 −ike −ika ike ika A0
0
3 = 0. (9.140)
0 e−k a −eika −e−ika A2
0
0 k 0 e−k a ikeika −ike−ika A02
Elementare Zeilenumformungen für lineare Gleichungssysteme liefern
−k0 a
e 0 −e−ika −eika A1
0 e −k0 a −e ika −e −ika A03
= 0. (9.141)
0 0 (k 0 − ik) e−ika (k 0 + ik) eika A2
0 0 (k 0 + ik) eika (k 0 − ik) e−ika A02
| {z }
=M
(k 0 − ik)2 4ika
2 =e . (9.142)
(k + ik)
0
1. Antisymmetrischer Fall
Wir setzen A02 ≡ C und bestimmen mit (9.141) schrittweise die weiteren
Amplituden. Für A2 erhalten wir mit (9.143)
k 0 + ik 2ika
A2 = −C e = −C. (9.145)
k 0 − ik
Wir erhalten also für den ersten Fall für den Bereich II antisymmetrische
Wellenfunktionen. Daher nennen wir diesen Fall antisymmetrisch. Für A03
und A1 ergibt sich
Die Wellenfunktionen für die drei Bereiche I, II und III nehmen dement-
sprechend die folgende Form an
0
uI (x) = 2iC sin(ka)ek (a+x) , (9.148)
uII (x) = −Ceikx + Ce−ikx = −2iC sin(kx), (9.149)
k0 (a−x)
uIII (x) = −2iC sin(ka)e . (9.150)
Es bleibt noch die Frage zu klären, welche Energiewerte für das Teilchen
erlaubt sind. Wir formen dazu die Gleichung (9.143) um, sodass wir eine
transzendente Gleichung erhalten, die wir graphisch lösen können. In ei-
nem ersten Schritt ersetzen wir k und k 0 in (9.143) durch die Ausdrücke
in (9.132) und (9.134). Wir erhalten somit
p √
√
2i 2mEa/~ 2m(V0 − E) − i 2mE
e =p √
2m(V0 − E) + i 2mE
p √ 2
2m(V0 − E) − i 2mE
=
2mV
p 0
2E 4E(V0 − E)
=1− −i . (9.153)
V0 V0
Wir schreiben nun auch die linke Seite der Gleichung als Summe von
Real-und Imaginärteil
p
√ √ 2E 4E(V0 − E)
cos(2 2mEa/~) + i sin(2 2mEa/~) = 1 − −i .
V0 V0
(9.154)
= 8
<
:
8 9 : ; < = 8 = 9
Die Wellenfunktionen für die drei Bereiche I, II und III nehmen dement-
sprechend die folgende Form an
0 0
uI (x) = −2C cos(ka)ek a ek (a+x) , (9.167)
uII (x) = 2C cos(kx), (9.168)
k0 (a−x)
uIII (x) = 2C cos(ka)e . (9.169)
= 8
<
8 9 : ; < = 8 = 9
? @ E
? @ D
? @ C
? @ B
· Fassen wir die beiden Fälle zusammen, so ergeben sich für ein festes Po-
tential V0 und damit für ein festes ξ
2ξ
+1 (9.173)
π
diskrete Zustände, die das Teilchen besetzen kann. b...c rundet auf die
nächstkleinere ganze Zahl ab. Zum Beispiel ergeben sich für ein Potential
mit ξ = 5: 4 Zustände, 2 antisymmetrische und 2 symmetrische.
· In Abb. 9.8 ist eine numerische Lösung der Schrödinger-Gleichung für die
Wellenfunktionen für die Knotenzahlen k von 0 bis 4 dargestellt.
Der Tunneleffekt
Wir betrachten ein Teilchen mit kinetischer Energie E, welches auf eine Po-
tentialbarriere der Höhe V0 > E und der Breite L trifft (vgl. Abb. 9.9). Nach
den Regeln der klassischen Physik kann das Teilchen die Barriere nicht über-
winden. Quantenmechanisch kann ein Teilchen jedoch eine Potentialbarriere
durchdringen und sich auf der anderen Seite der Barriere weiter fortbewegen.
4
Die Knotenzahl entspricht der Anzahl Nullstellen der Wellenfunktion