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Praxiskonzept

Die emanzipatorische
Perspektive
Lehr und Lernvertrag
Dennis Rickert
Gliederung

I. Einleitung
A. Erhard Meueler und wieso mehr Emanzipation
II. Hauptteil
A. Emanzipatorische Perspektive
B. Beispiel Lehrplan
C. Der Lehr-Lern-Vertrag
D. Beispiel Summerhill
E. Gouvernenemtalitäts-theoretische Analyse
III. Schluss
A. Diskussion
B. Kritik
I. Einleitung

● Prof. Erhard Meueler geb. 1938

● Promovierte 1972 in ev. Theologie

● Habilitierte 1977 in Erziehungswissenschaften

● Bis 1981 Oberkirchenrat für Erwachsenenbildung in der Evangelischen Kirche Hessen und
Nassau

● Danach arbeitete er als Professor am Pädagogischen Institut der Johannes-Gutenberg


Universität Mainz bis 2003
I. Einleitung

Was bedeutet Emanzipation eigentlich?

Emanzipation bezeichnet einen Prozess der Befreiung aus :

● Abhängigkeit und Unmündigkeit


● sowie Verwirklichung der Selbstbestimmung (Selbstbestimmungsrecht)

→ Begriff wird oft im Zusammenhang mit unprivilegierten Gesellschaftsgruppen


(z.B. Frauen-Emanzipation) genutzt
I. Einleitung

https://www.youtube.com/watch?v=7Ar4qA5Ilr8
II. Hauptteil
A. Die emanzipatorische Perspektive
● Meueler sieht in der Unterordnung des Lernens unter des Lehrens ein
zentrales Problemfeld der Erwachsenenbildung (Meueler 1993; 105)

→ Fortsetzung schulischer Hierarchie

● Verhältnis zwischen Lehrenden als Subjekt und Lernenden als Objekt sieht
Meueler als ein “hierarchisches Über- und Unterordnungsverhältnis” und damit
als → Herrschaftsverhältnis
A. Emanzipatorische Perspektive

Lernen ist “der wesentliche Motor menschlicher Entwicklung und Lebensentfaltung” und “Schlüssel zur
subjektiven Lebensqualität” - Holzkamp (1987, S.5)
A. Emanzipatorische Perspektive

● Meuelers Verständnis von Lernen will die Teilnehmenden zu Subjekt der


Lehrveranstaltung werden lassen

● Psychoanalytische Interpretation: Wenn ich mich der Autorität unterwerfe,


der dem ideal der väterlichen Autorität gleicht, kann mir nichts passieren
→ widerständiges Lernen als bewusste Ablösung vom EB-Lehrer als Vaterfigur
A. Emanzipatorisches Perspektive

Wie kann die Teilnehmende Person zum Subjekt von Lehrveranstaltungen werden?

● Bewusst ein dialogisches Verhältnis von Subjekt zu Subjekt herstellen


● Lehrende Person soll Gruppe für die lösende Aufgabe gewinnen
● Lehrer*in soll Thema präsentieren, nicht in allumfassender, erdrückender
Belehrung
● Lehrer*in hat Lernarbeit zu organisieren, doch nicht mit Anordnung und
Befehlen

→ Erwachsenenlehrer*in als Experte für Selbstbegrenzung


A. Emanzipatorische Perspektive

Erwachsenenlehrer*in als Subjekt und Objekt:

● Objekt
○ rechtliche Rahmenbedingung
○ hierarchische Abhängigkeit vom Arbeitgeber
○ Familie, die vom Einkommen abhängig ist (konflikt und problemvermeidung)
○ unzureichende Entlohnung (“Bildungs-Tagelöhner”)
○ Strukturen der Bildungseinrichtung
○ Erwartungen der Seminarteilnehmer*innen
A. Emanzipatorische Perspektive

Erwachsenenlehrer*in als Subjekt und Objekt:

● Subjekt:
○ täglich zu vollziehende pädagogische Arbeit
○ soziale, methodische und didaktische Entscheidungen
○ Entwicklung der eigenen Professionalität (nicht auszulernende Kunst)
○ immer wieder neu-einrichten in die Berufssituation
○ Gestaltung der einzugehenden Beziehungen
B. Beispiel Lehrplan am Begriff “Kompetenz”

Vermittlungsverhältnisse müssten Meueler zufolge befreit werden aus dieser


herrschaftsstabilisierenden Subjekt-Objekt-Konstellation und als das angesehen
werden, was sie sind:

● selbstverständliche
● alltägliche Aneignungsverhältnisse

von erwachsenen Lernern und Lernerinnen.


Kompetenzbegriff:

● Kompetenzen nur funktional und machen unmündig → Ohne Inhalte kommen


keine Vorgänge von Urteils und Meinungsbildung in Gang
● Kompetenzorientierung zielt nicht auf Selbstständigkeit sondern an
Anpassung
● Wissenschaftlich ungeklärt
● Vernachlässigt Inhalte und senkt Bildungsniveau
● Vernachlässigt Moralität
● Zeigt Merkmale von Propaganda
● …
Kant zufolge:

Ziel von Schule ist demnach, junge Menschen zu befähigen, selbständig und kritisch zu
denken und zu urteilen sowie human und verantwortlich zum Wohle des Gemeinwesens
zu handeln. Das Kompetenzkonzept widerspricht somit allen Traditionen von Bildung, der
christlichen wie humanistischen als auch aufklärerischen.
C. Der Lehr-Lern-Vertrag

● Meueler bezieht sich explizit auf den Gesellschaftsvertrag von Rousseaus


(Menschen sind in der Lage sich selbst gesellschaftliche Ordnung zu geben)

● Klassische Lernveranstaltung ist fertig geplant und Leiter*in trägt ganze


Verantwortung
○ Erwachsensein wird an der Garderobe abgegeben, Begabungen für selbstständigen
Alltagsbewältigung werden nicht genutzt, soll lediglich Rückmelden ob
“Fütterung angenehm war”
C. Der Lehr-Lern-Vertrag

● Zum LLV wird ein dialogisches Beziehungsmodell installiert


○ → TN und Leiter*in treten in Vertragsverhandlungen und definieren mit Abschluss ihr
Aufeinander-Angewiesensein

● Vor dem Aushandeln des Vertrags wird das Problem der Machtbeziehungen
zwischen Lehrenden und Lernenden offen und reflektiert angegangen
○ alle Potenzen werden miteinbezogen
C. Der Lehr-Lern-Vertrag

Was ist Selbstorganisation?


● Wenn Ordnungsmuster entstehen, aufrechterhalten und weiterentwickelt
werden, ohne dass es von außen Gestalter und Lenker ausgemacht werden

● Stellt Erklärungsprinzip qualitativer Art da → keine Vorhersagen möglich

● Ist verbunden mit Autonomie, erhöhten Freiräumen, mehr Wahlmöglichkeiten


und Einbeziehung
C. Der Lehr-Lern-Vertrag

Selbstreguliertes Lernen nur möglich wenn:

● Mitglieder*innen des Sozialsystems brauchen Erwartungen und Fähigkeit mit


Krisen in diesem umzugehen
● Erwachsenenpädagogen und Teilnehmende müssen ihre Ziele offen legen
● Mitglieder müssen Prozesse im System selbst regulieren können
C. Der Lehr-Lern-Vertrag

Erwachsenenlehrer*in hat Rollen zu erfüllen:

● Gibt Anschub und organisiert System bis Selbstregulierung greift


● Hilft zu Beginn die zu bewältigenden Aufgaben herauszuarbeiten
● Schlägt Regeln vor und achtet auf Einhaltung
● Kann und soll Impulse zur Problemlösung geben
● beratende Rolle: drängt sich inhaltlich und sozial als Allwissende Person nicht
in den Vordergrund
C. Der Lehr-Lern-Vertrag

● Diese Konzeption erfordert vom Lernenden eine dialogische Haltung


→ offenes Projekt, an dessen alle Teilnehmenden des Lehr-Lern-Vertrags beteiligt sind

● “sokratisches Talent” des Lehrenden nötig

→ Lehrende Person soll Lernende zum nachdenken, analysieren, vergleichen


anregen
C. Der Lehr-Lern-Vertrag

● Was wird geregelt?


○ 1. Was sind die von den Teilnehmenden zu bewältigenden Probleme/Situationen?
○ 2. Wie geht es den Teilnehmenden angesichts dieser Aufgaben?
○ [...]
○ 4. Welche subj. Lernbedürfnisse und Wünsche bestehen auf TN-Seite und wie sollen die
ermittelt werden?
○ 5. Wie können die Lernerfodernisse von Leitung und Lernwünsche der Teilnehmenden
ausbalanciert werden?
○ 6. Wie soll vorgegangen werden? (Methoden,...)
○ 7. Welche Sozialform? (Einzelarbeit, Plenum,...)
○ [...]
○ 10. Was soll der angestrebte praktische Erfolg der der Bemühungen sein?

Meueler (2009, S. 215 f.)


D. Beispiel Summerhill Schule
https://www.youtube.com/watch?v=XStDj6dTJF4
D. Beispiel Summerhill Schule

● Erzieherisches Prinzip war, dem Kind bei seiner Entwicklung jede nur
mögliche Freiheit zu lassen

● Hauptmerkmale:
○ selbstbestimmtes Lernen und Freiheit von Moralvorstellungen
○ viele Freiheiten aber mit demokratisch aufgestellten Regeln
○ Unterrichtsbesuch freiwillig → besseres Lernklima da alle freiwillig da sind
E. Gouvernementalitäts-theoretische Analyse

unter dem Aspekt der Macht Wissen :

Subjektivität

● Mensch wird thematisches Subjekt (und dadurch objektiviert)


● Gegenwärtig ist das Subjekt durch Gesetzmäßigkeiten des Marktes bedroht
(Ökonomisierung des Sozialen)

→ Meueler will mit Bildung vorgehen, dass Mensch mit gelingender


Selbstbestimmung mehr Verfügung über Lebensaktivitäten gewinnen
E. Gouvernementalitäts-theoretische Analyse

unter dem Aspekt Regieren und Technologien des Selbst

● Führungsweise, die Handeln des anderen nicht bestimmt, sondern strukturiert → ermöglicht Feld
möglichen Handelns

● Handelsweisen in den “neuen Lernkulturen” sind Formen von Steuerung und Lenkung, die mit
Selbstführung verbunden sind

● Didaktisch-methodische Handlungsweisen werden als Führungspraktiken erkennbar, die


Handlungsmöglichkeiten eröffnen und bestimmte Handlungen wahrscheinlicher werden lassen
E. Gouvernementalitäts-theoretische Analyse

unter dem Aspekt Regieren und Technologien des Selbst:

● Das Subjekt wird ökonomisiert und wird zum “Unternehmers seiner Selbst”

→ bildet Voraussetzung für Anforderungen der Arbeit und Betriebe

● Selbstbestimmung und -verantwortung führt zu mehr Unterwerfung


E. Gouvernementalitäts-theoretische Analyse

[...] die „neoliberale Gouvernementalität“ wird als Machtform identifiziert, die


Subjektivität nicht unterdrückt, sondern jene Selbsttechnologien befördert, die
an Regierungsziele gekoppelt sind.” (Klingovsky 2009, S.117f.)
III. Schluss

A. Diskussion

Wie findet ihr das emanzipatorische Konzept und den Lehr-Lern-Vertrag?

Ist es realistisch in unserer Gesellschaft umzusetzen?

Gibt es auch Nachteile?


B. Kritik

● Es werden beiden Parteien gleiche Rechte zugesprochen, bleibt trotzdem


asymmetrisch
● Kein herrschaftsfreier Dialog
● Abhängig von Teilnehmer*innen → kann zu Überforderung führen
● Ohne den Willen sich daran zu beteiligen, ist die Gefahr da in der Gruppe
unterzugehen und nicht einzubringen
● Gleicht neoliberalen Zeitgeist: Staat gibt Verantwortung und somit Lernerfolg
an Lernenden ab, wenn es dann nicht funktioniert, hat Lehrende Person keine
Verantwortung
Quellen

Bildquellen:

https://uebermedien.de/3724/youtube-ist-ne-shopping-mall-eine-kritiker-kritik-kritik
https://karrierebibel.de/erfolgreich-diskutieren/
https://de.wikipedia.org/wiki/Summerhill#/media/Datei:SummerhillSchool.jpg
https://www.stern.de/familie/schule/schule--20-tipps-fuers-lernen-fuer-hausaufgaben--arbeiten-und-referate-3836024.html
https://www.guido-schmidt.de/podcast/macht/
https://rechtschreibung-und-grammatik.de/subjekt/
https://www.dwdl.de/nachrichten/21889/formatklau_entwickler_klagt_gegen_dsf/?utm_source=&utm_medium=&utm_campaign=&utm_
term
https://www.master-and-more.de/master-erwachsenenbildung/
https://www.deutschlandfunk.de/pruegeln-verboten-vom-langen-kampf-fuer-die-kinderrechte-100.html
https://www.fem.com/themen/so-stehen-einige-frauen-der-emanzipation-im-weg
https://www.echo-online.de/lokales/darmstadt-dieburg/gross-umstadt/eine-zeitung-von-und-fur-senioren_19110364
https://pixabay.com/de/vectors/anarchie-politisch-sozial-rebellion-32917/
Quellen

● Meueler, E. (2009). Die Türen des Käfigs: Subjektorientierte Erwachsenenbildung (Grundlagen der Berufs- und

Erwachsenenbildung) (1., Völlig überarbeitete und aktualisierte Neuauflage Aufl.). wbv Media, S.175ff., S. 212ff.

● Klingovsky, U. (2009). Schöne Neue Lernkultur: Transformationen der Macht in der Weiterbildung. Eine

gouvernementalitätstheoretische Analyse (Pädagogik) (1. Aufl.), S51f., S.78ff., S.116ff., S.139ff.

https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/lernen/geschichte_der_erziehung/pwieinternatsummerhill100.html
https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/politiklexikon/17396/emanzipation/
https://www.bdwi.de/forum/archiv/uebersicht/10702472.html#:~:text=So%20wird%20%22kompetenzorientierter%22%20Unt

erricht%20inhaltlich,von%20Themen%20%22selbstgesteuert%22%20l%C3%B6sen.
Extra: Aushandeln Lehr-Lern-Vertrag

● 6 Minuten Zeit um 3 Begriffe, Halbsätze, Sätze auf Zettel zu notieren


(drei wichtigsten Notizen werden nummeriert)
● In 3er Gruppen zusammenschließen und 2-3 Begriffe/Sätze aushandeln
● Vorschläge an Pinnwand heften
● Doppelnennungen streichen, als Gruppe kommunizieren was inhaltlich zu
eigenen Ideen passt (laut für das Seminar kommentierend von jeder Gruppe, auch Rückmeldung vom
Seminar)
● Gemeinsame thematische Schwerpunkte werden ausgehandelt
● Danach dürfen alle 3 Striche bei unterschiedlichen Zetteln markieren
● Lehrende Person kommt am Anfang nur zum Teil vor, wenn Inhalte
vergessen/nicht beachtet werden, schaltet sich die Lehrende P. selbstreguliert
ein

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