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12 BG / Ethik / Mathes

Fallbeispiel:
Leons Abiturzulassung ist gefährdet. Um die nötige Punktzahl sicher zu erreichen, müsste er
in der folgenden Klausurenphase noch einige gute Noten erzielen. Er war aber in letzter Zeit
ziemlich faul und sieht keine Chance, den Stoff rechtzeitig aufzuarbeiten. Er beschließt, sich
zum Schein mit Sophia anzufreunden, um bei den bevorstehenden Klausuren von ihr
abschreiben zu können. Sophia hat nämlich super Noten, ansonsten ist sie eher eine
Außenseiterin mit wenigen Freunden an der Schule. Leons Plan geht auf. Als er die für seine
Abi-Zulassung nötigen Punkte zusammen hat, ignoriert er Sophia wieder.
(Entnommen aus: Sänger, M. (Hrsg.): Kolleg Ethik, Hessen, Qualifikationsphase. 2018, C.C. Buchner Verlag, Bamberg, S.
194.)

Immanuel Kant: Der kategorische Imperativ in der Menschheitszweckformel

„Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden
anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“

1. Überlegen Sie, ob folgende Personen bloß als Mittel oder auch als Zweck
gebraucht werden:
a) Der Lehrer (vom Schüler) – und umgekehrt
b) Die Geisel (vom Entführer)
c) Der Briefträger (vom Postkunden)
2. Überlegen Sie, bei welchen der Fälle (a-c) Ihnen die Beziehung problematisch
erscheint und begründen Sie, weshalb.
3. Lesen Sie den Text.
4. Definieren Sie die zentralen Begriffe, die Kant verwendet.

Im Reiche der Zwecke hat alles entweder einen Preis, oder eine Würde. Was einen Preis hat,
an dessen Stelle kann auch etwas anderes als Äquivalent gesetzt werden; was dagegen über
jeden Preis erhaben ist, mithin kein Äquivalent verstattet, das hat eine Würde.
Was sich auf die allgemeinen menschlichen Neigungen und Bedürfnisse bezieht, hat einen
5 Marktpreis; […] das aber, was die Bedingung ausmacht, unter der allein etwas Zweck an sich
selbst sein kann, hat nicht bloß einen relativen Wert, d.i. einen Preis, sondern einen inneren
Wert, d.i. Würde.
Nun ist Moralität die Bedingung, unter der allein ein vernünftiges Wesen Zweck an sich selbst
sein kann […]. Also ist Sittlichkeit und die Menschheit, so fern sie derselben fähig ist, dasjenige,
10 was allein Würde hat. Geschicklichkeit und Fleiß im Arbeiten haben einen Marktpreis; Witz,
lebhafte Einbildungskraft und Launen einen Affektionspreis 1; dagegen Treue im Versprechen,
Wohlwollen aus Grundsätzen (nicht aus Instinkt) haben einen inneren Wert. […] Diese
Handlungen […] stellen den Willen, der sie ausübt, als Gegenstand einer unmittelbaren

1 bieten Wohlgefallen, Spaß als Austausch


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Achtung dar, dazu nichts als Vernunft gefordert wird, um sie dem Willen aufzuerlegen, nicht
von ihm zu erschmeicheln, welches letztere bei Pflichten ohnedem ein Widerspruch wäre.
Diese Schätzung gibt also den Wert einer solchen Denkungsart als Würde zu erkennen und
setzt sie über allen Preis unendlich weg […].
5 (Quelle: Immanuel Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. In: Kants Gesammelte Schriften, hg. v. d. Preußischen
Akademie der Wissenschaften, Berlin 1900ff. Erste Abteilung (Werke), Band IV, S. 434-436. Entnommen und gekürzt aus:
Franzen, H. (Hrsg.): EinFach Philosophieren. Unterrichtsmodell. Ethisch urteilen, 2009, Paderborn, S. 65.)

5. Versuchen Sie, den Unterschied zwischen Preis und Würde an weiteren Beispielen zu
10 verdeutlichen.

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