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Integralrechnung (I)∗
Alexander Caspar
Inhaltsverzeichnis
1 Stammfunktionen 2
1.1 Beispiel Veränderungsgeschwindigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
1.2 Beispiel Infusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.3 Definition und erste Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
2 Standardintegrale 5
3 Substitution 6
Z
3.1 Rezept/Vorgehen bei f (g(x)) · g ′ (x)dx . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
4 Partielle Integration 8
4.1 Partielle Integration mit Hilfe der Substitutionsregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
4.2 Partielle Integration für beliebige Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
4.3 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
1
1 Stammfunktionen
1 Stammfunktionen
Angenommen, eine Bakterienkultur bestehe zum Zeitpunkt t = 0 aus 400 Bakterien, und die
1000
Veränderungsgeschwindigkeit der Kultur werde durch die Funktion f mit f (t) = mit t ⩾ 0
1 + 12 t
beschrieben.
Das heisst: Zu jedem Zeitpunkt t ⩾ 0 ist f (t) der Wert der momentanen Geschwindigkeit, mit
welcher sich die Kultur verändert.
Um die tatsächliche Entwicklung zu beschreiben, brauchen wir eine Funktion F mit F ′ = f , da die
momentane Geschwindigkeit durch die Ableitung von F gegeben ist.
CAVE
Nach den Ableitungsregeln gilt für eine Konstante c auch (F + c)′ = F ′ + c′ = F ′ = f, das heisst,
dass F nur bis auf eine additive Konstante c bestimmt ist. Mit der Information, dass der Bestand
bei t = 0 gleich 400 ist, können wir die Konstante c berechnen:
F (0) + c = 400
=⇒ c = 400 − F (0)
1
= 400 − 2000 · ln(1 + · 0)
2
= 400 − 2000 · ln(1)
= 400,
1
also beschreibt F mit F (t) = 2000 · ln 1 + t + 400 die zeitliche Entwicklung.
2
1000 1
f (t) = F (t) = 400 + 2000 ln 1 + t
1 + 21 t 2
2
1.2 Beispiel Infusion 1 Stammfunktionen
f (t)
Eine Patientin P erhalte eine Infusion −→ P .
mg
Die Dosierung in verlaufe gemäss einer Funktion f : t 7→ f (t) mit f (t) = 1 + b · t · ekt , der ZE
h
in Stunden und t = 0, 1, ..., 24 sowie den Konstanten b und k < 0. Die Initialdosis ist f (0) = 1.
1
4 12 24
Sei P (t) die Medikamentenmenge in P zur Zeit t. Dann ist P ′ = f die Veränderung durch die
Infusion gegeben durch f und wir fragen uns: Wie ist der tatsächliche Verlauf P (t) = . . .? Wie
gross ist die gesamt verabreichte Medikamentenmenge bei einer 24 Stunden Infusion? . . .
Beispiele
2.
3
1.3 Definition und erste Eigenschaften 1 Stammfunktionen
Bemerkungen:
1. Ist also F eine Stammfunktion von f , so auch F + c für jede Konstante c ∈ R. Falls f eine
Stammfunktion besitzt, so können wir f die ,,Menge der Stammfunktionen” zuordnen. Wir
schreiben Z
f (x)dx = {F (x) + c|F ′ = f, c ∈ R}.
2. Diese Notation fällt zunächst vom Himmel und findet später mit dem Hauptsatz der Differential-
und Integralrechnung ihre Berechtigung.
Der Hauptsatz besagt, dass jede stetige Funktion eine Stammfunktion besitzt.
3. Auch wenn nach dem Hauptsatz jede stetige Funktion eine Stammfunktion besitzt, können wir
diese unter Umständen nicht als elementare Funktion angeben.
2 sin x 1
Beispiele sind x 7→ e−x , x 7→ , x 7→ .
x ln x
Z
4. Das Verfahren f → f (x)dx ∋ F, F ′ = f heisst Integration oder Integrieren. Wir können
es als die Umkehrung des Differenzierens auffassen:
(...)′ (...)′
f / f′ oder f / f′
R R R R
(...) dx (...) dx (...) dx (...) dx
R R
f /f f / f +c
(...)′ (...)′
Übung: Warum könnte in der Ecke unten rechts auch f + c mit c ̸= 0 stehen? Wann ist das
der Fall?
Z
5. Bei unseren Rechnungen wählen wir dann jeweils einen festen Repräsentanten aus f (x)dx,
Z
das heisst, ein festes c mit f (x)dx = F (x) + c.
7. Seien F1 und F2 Stammfunktionen von f . Dann unterscheiden sich diese um eine Konstante,
das heisst, es gibt ein c ∈ R mit F1 − F2 = c, denn
F1′ = f, F2′ = f =⇒ 0 = F1′ − F2′ = (F1 − F2 )′
=⇒ F1 − F2 konstant
=⇒ F1 − F2 = c =⇒ F1 = F2 + c.
Z
Damit taucht jede Stammfunktion von f in f (x)dx auf.
4
2 Standardintegrale
2 Standardintegrale
CAVE
Z
Es gibt keine entsprechende Formel für (f (x) · g(x))dx.
5
3 Substitution
Z
1
Bemerkung: Warum gilt dx = ln |x| + c, mit x ̸= 0? Mit der Definition der Betragsfunktionen
x
1
sehen wir: Für x > 0 ist ln |x| = ln x =⇒ (ln x)′ = und für x < 0 folgt mit der Kettenregel
x
1 1
=⇒ ln |x| = ln(−x) =⇒ (ln(−x))′ = · (−1) = :
−x x
ln(x)−1 = ex
ln (−x), x < 0
ln |x|, x ̸= 0 ln (x), x > 0
x x
x
ln(−x)−1 = −ex
3 Substitution
Sei F eine Stammfunktion von f : F ′ = f . Zum Beispiel: f (x) = cos x und F (x) = sin x. Sei g eine
weitere Funktion, Beispiel: g(x) = x2 .
Nach der Kettenregel für F ◦ g ist: [F (g(x))]′ = F ′ (g(x)) · g ′ (x) |{z}
= f (g(x)) · g ′ (x), wobei wir F ′ = f
F ′ =f
verwenden.
Wenn wir eine Stammfunktion der rechten Seite f (g(x)) · g ′ (x) finden möchten, so ist dies eine
Stammfunktion der linken Seite [F (g(x))]′ . Das ist aber bis auf eine Konstante genau F (g(x)):
Z
[F (g(x))]′ dx = [F (g(x))] + c.
Z
Damit erhalten wir die Substitutionsregel: f (g(x)) · g ′ (x)dx = F (g(x)) + c mit F ′ = f.
Beispiele 3.1.
6
Z
3.1 Rezept/Vorgehen bei f (g(x)) · g ′ (x)dx 3 Substitution
Z
2. Wie berechnen wir nun cos(x2 )x dx ?
Z Z Z
2x 1
Schreibe cos(x2 )x dx = cos(x2 ) dx = cos(x2 )2xdx, und mit dem 1. Beispiel ist
Z 2 2
1
dies cos(x2 )xdx = sin(x2 ) + c.
2
Z
3.1 Rezept/Vorgehen bei f (g(x)) · g ′ (x)dx
Beispiele
√
Z
du du
1. 4x + 1dx. Dann ist u(x) = 4x + 1, u′ (x) = = 4 =⇒ dx =
dx 4
√ √ du
Z Z Z
1 1 1 2 3
4x + 1dx = u = u du =
2 u 2 +c
4 4 4 3
1 3
= (4x + 1) 2 + c.
6
CAVE
Probe: ...
Z 1
ex 1 1
2. dx dann ist u(x) = , =⇒ u′ (x) = − 2 =⇒ dx = −x2 du und
x2 x x
1
eu
Z Z Z
ex 1
dx = (−x2 )du = − eu du = −eu + c = −e x + c
x2 x2
CAVE
Probe: ...
7
4 Partielle Integration
Z
1
3. Zur Berechnung von sin(x) cos(x)dx verwenden wir sin(2x) = sin(x) cos(x) (Additions-
Z Z 2
1
theorem). Damit ist sin(x) cos(x)dx = sin(2x)dx, und es ist u(x) = 2x und u′ (x) = 2
2
du
also dx = und
2
Z Z
1 1 1
sin(x) cos(x)dx = sin(u)du = − cos(u) + c = − cos(2x) + c
4 4 4
CAVE
Probe: ...
6x2
Z
du
4. 3 3
dx. Mit u(x) = 1 − 4x3 ist dx = und
(1 − 4x ) −12x2
6x2 6x2 du
Z Z Z
1 1 1 1
dx = =− du = − (− u−2 ) + c
(1 − 4x3 )3 u3 −12x2 2 u3 2 2
1
= u−2 + c
4
6x2
Z
1
Rückeinsetzen ergibt: dx = + c.
(1 − 4x3 )3 4(1 − 4x3 )2
CAVE
Probe: ...
4 Partielle Integration
8
4.2 Partielle Integration für beliebige Produkte 4 Partielle Integration
f ′ (x)
Z
du du
2. dx = ? Mit u(x) = f (x) ist = f ′ (x) und dx = ′ ist
f (x) dx f (x)
Z ′ Z Z Z ′
f (x) 1 ′ du 1 f (x)
dx = · f (x) ′ = du = ln |u| + c =⇒ dx = ln |f (x)| + c.
f (x) u f (x) u f (x)
Beispiele
2x − 3
Z
dx. Dann ist im Zähler (x2 − 3x + 1)′ = 2x − 3 und zusammen mit der
x2 − Z3x + 1
2x − 3
Formel 2
dx = ln |x2 − 3x + 1| + c
x − 3x + 1
ex
Z
dx = ln |ex + 5| + c
ex + 5
Z Z
= (u′ (x) · v(x))dx + (u(x) · v ′ (x))dx
Z Z
=⇒ u(x) · v(x) = (u (x) · v(x))dx + (u(x) · v ′ (x))dx
′
Bemerkungen:
9
4.3 Beispiele 4 Partielle Integration
4.3 Beispiele
Z
1. xex dx = ?
Sei
u′ (x) = ex und v(x) = x
=⇒u(x) = ex und v ′ (x) = 1
Z Z
Mit der Regel ist xex dx = xex − ex dx = xex − ex + c = (x − 1)ex + c.
Als Alternative können wir wählen:
u′ (x) = x und v(x) = ex
1
=⇒ u(x) = x2 und v ′ (x) = ex
2
Z Z
1 1 2 x
Mit der Regel ist dann: xex dx = x2 ex − x e dx, und erhalten ein Integral, welches
2 2
komplizierter als das Ausgangsintegral ist.
Z
2. x2 sin xdx = ? Sei
10
5 Integration rationaler Funktionen
Z
4. sin2 xdx = ? Sei
u′ (x) = sin x
und v(x) = sin x
=⇒ und v ′ (x) = cos x
u(x) = − cos x
Z Z Z
2 2
Mit der Regel ist sin xdx = − cos x sin x − − cos xdx = cos2 xdx − cos x sin x. Da
Z Z
sin2 x + cos2 x = 1, folgt cos2 xdx = (1 − sin2 x)dx und damit
Z Z Z Z
sin2 xdx = 1dx − sin2 xdx − cos x sin x =⇒ 2 sin2 xdx = x − cos x sin x + c
Z
1
=⇒ sin2 xdx = (x − cos x sin x) + c
2
CAVE
Probe: ...
′
5. Manchmal lassen
Z sich die Faktoren uZ und v unterschiedlich wählen.
2 2 2
Die Gleichung 2x2 ex dx = xex − ex dx ist auch eine korrekte Anwendung der partiellen
2
Integration: Wir wählen nun nicht u′ (x) = 2x2 und v(x) = ex , sondern teilen x2 = x · x auf
2 2
in 2x2 ex = x · 2xex :
2
u′ (x) = 2xex
und v(x) = x
2
=⇒ und v ′ (x) = 1
u(x) = ex
Z Z Z Z
2 x2 x2 x2 x2 2
Mit der Regel ist 2x e dx = x·2xe dx = xe − 1·e dx. Für das Integral ex dx
lässt sich keine elementare Stammfunktion angeben.
CAVE
Probe: ...
11
5.1 Beispiele 5 Integration rationaler Funktionen
5.1 Beispiele
22x − 26
Z
1. dx = ? Wir zerlegen
x2 − 4
22x − 26 22x − 26 A B A(x + 2) + B(x − 2)
= = + = .
x2 − 4 (x − 2)(x + 2) x−2 x+2 (x − 2)(x + 2)
• Vergleiche Zähler: 22x − 26 = A(x + 2) + B(x − 2)
• Wähle x = 2 =⇒ 22 · 2 − 26 = 18 = A(2 + 2) + B(2 − 2) =⇒ A = 18
4 = 9
2
• Wähle x = −2 =⇒ 22 · (−2) − 26 = −70 = −4B =⇒ B = −70
−4 = 35
2
9 35
22x − 26 A B
=⇒ 2
= + = 2 + 2
x −4 x−2 x+2 x−2 x+2
9 35
22x − 26
Z Z Z
2 2
=⇒ dx = dx + dx
x2 − 4 x−2 x+2
9 35
= ln |x − 2| + ln |x + 2| + c
2 2
CAVE
Probe: ...
Z
x x A1 A2 B
2. dx = ? Wir zerlegen = + + , der
(x − 1)2 (x + 1) (x − 1)2 (x + 1) x−1 (x − 1)2 x+1
1
Hauptnenner liefert x = A1 (x − 1)(x + 1) + A2 (x + 1) + B(x − 1)2 . Für x = 1 ist A2 = und
2
1
für x = −1 ist B = − .
4
1 1
Weiter setze zum Beispiel x = 0, dann ist 0 = −A1 + A2 + B = −A1 + =⇒ A1 = .
4 4
Wir erhalten
Z Z Z Z
x 1 1 1 1 1 1
2
dx = dx + 2
dx − dx =
(x − 1) (x + 1) 4 x−1 2 (x − 1) 4 x+1
1 1 1 1
ln |x − 1| − − ln |x + 1| + c
4 2x−1 4
CAVE
12