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Zu den magischen Quadraten.

Von
E. Wiedemann.

In einer trefflichen Arbeit hat Herr W. ÄHREN s ') (diese Zeit-


schrift Bd. 7, S. 186—250) die Literatur über die magischen Quadrate
zusammengestellt und eingehend besprochen. Im folgenden erlaube
ich mir dazu einen kleinen Beitrag2) zu liefern.
Das Wesen des magischen Quadrates (waf(f) besteht bekanntlich
darin, daß ein Quadrat durch gleich viel horizontale und vertikale
Linien in Fächer geteilt wird, in die man solche Zahlen einschreibt,
daß sie parallel zu den Seiten und längs den Diagonalen addiert die
gleiche Summe ergeben. Man kann auch eine Reihe konzentrischer
Kreise zeichnen, sie durch Durchmesser in einzelne Fächer teilen und
in diese solche Zahlen setzen, daß die Summe in der Richtung der
Durchmesser und der Kreise die gleiche ist. Bei den muslimischen
Völkern sind letztere, so weit mir bekannt, noch nicht nachgewiesen
worden.
Talismane und Amulette enthalten zahlreiche Buchstaben
und Zahlen in quadratischer Anordnung, die mit den hier zu
betrachtenden nichts zu tun haben. Es ist dies z. B. oft in Ibn Hal-
<iün's Prolegomenen in den Abschnitten über Talismane, Magie und
geheime Eigenschaften der Buchstaben erwähnt. Diese sind jedenfalls
nur ausnahmsweise als wafq bezeichnet worden (vgl. AHRENS S. 214).

*) Da W. AHRENS beabsichtigt, in einer größeren Schrift die magischen Quadrate


und verwandte Gebilde zu behandeln, in der auch die vollständige Literatur mitgeteilt
werden soll, «o sehe ich von einzelnen Nachträgen zu seinen Angaben ab.
a
) Ich darf wohl hier einige Stellen mitteilen, an denen ich auf die Identität von
Ibn al-Haitam und Alhazen auf Grund der Vergleichung des arabischen und lateini-
schen Textes hingewiesen habe; einer Vergleichung, die mir durch das vorbildliche Ent-
gegenkommen von Prof. Dr. DE GOEJE und Dr. JUYNBOLL ermöglicht wurde. (PÖGGEN-
DORFF, Annalen Bd. 159, S. 656, 1877. Archiv für Geschichte der Naturwissenschaften Bd. 3,
S. l, 1912.)

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Zu den magischen Quadraten. . gr

Ein magischer Kreis im engeren Sinne des Wortes ist z. B. nicht die
zdjirga, eine kreisförmige Platte mit magischen Zeichen, die spe-
ziell zdjirga al-(dlam, Platte der Welt, hieß. — Von einem Arzt
Ahmed Ibn Ahmed Ibn Saläma a l - Q a l j ü b i (f 1658, BROCKEL-
MANN Bd. 2, S. 364) heißt es nach SANGUINETTI (J. A. [6] Bd. 6, 8.382,
1865): Er war bewandert in der Wissenschaft des Sandes (Wahr-
sagens aus Linien im Sand) und der Buchstaben und wandte sie bei
den magischen Quadraten (aufdq} und den zdjirga an.
Die Lehre von den wafq wurde zu der Arithmetik gerechnet.
Al-Akfäni in seinem Irschdd al-qdsid ila asnd al-maqdsid (Richtige
Leitung der Strebenden zu den Höhen des Erstrebten) erwähnt unter
dem Nutzen, den die Lehre von den Zahlen bringt, daß dieser in den
Beziehungen besteht, die sich aus ihren Eigenschaften ableiten, wie
die. befreundeten Zahlen x) und die wunderbaren Eigenschaften der
'magischen Quadrate (Biblioteca indica Vol. 6, ,Nr. 21, S. 89).
Neben den Zahlenquadraten (wafq 'adadi) gab es auch das Buch-
stabenquadrat (wafq Jiarfi}\ hier treten an-Stelle der Zahlen Buch-
staben, und man erhält bei demselben Verfahren wie bei den Zahlen-1
quadraten stets dasselbe Wort 2 ). Mit Quadraten von beiderlei Art
hat sich z.«B. Ja c qüb Beruchiel Ibn Beruchiel in seinem Werk
Tariq al-aufdq (Methode der magischen Quadrate) beschäftigt (AUMER,'
Katalog der orientalischen Handschriften in München, S. 384 cod.
Orient. 358).
Leute, die sich mit solchen Gegenständen befassen, und zwar
wohl vor allem mit der Herstellung der Amulette,' heißen ahl al-
taksir (Leute der Zerlegung). Die von ihnen betriebene Wissenschaft
besteht darin, .daß sie aus den Beziehungen, die zwischen Worten be-
stehen, die aus bestimmten Buchstaben zusammengesetzt sind, Ant-
worten zu erhalten suchen (Ibn yaldün, a. a. 0. Bd. 3, S. 199).
Daß schon in sehr früher Zeit arabische Gelehrte sich mit magi-
schen Quadraten befaßt haben, lehrt, daß Xabit Ibn Qurra (836—
901) eine Abhandlung über die Zahlen des wafq geschrieben hat
(Ibn al-Qifti S. 1192, 2) 3). Ebenso haben sich noch sehr spät mus-
J
) Zwei befreundete (rnuiafräbbän) sind bekanntlich solche, bei denen jede gleich
der Summe der aliquoten Teile der anderen ist, so z. B. 220 und 284 (220 = i + 2 -f 4 4-
71 -f 142; 284·= i 4- 2 -f *4 + 5 + io + « + 20 + 22 + 44 4- 55 + *10) s· M- CANTOR,
Geschichte der Mathematik, 3. Aufl., 'Bd. i, S. 167).
3
) Wie das zustande kommen soll, ist ganz unklar, ja erscheint unmöglich. Es kann
aber derselbe W e r t herauskommen, wenn die Buchstaben Zahlen bedeuten. Ich hoffe
gelegentlich die Münchener Handschrift darauf einsehen zu können.
*) Im Fihrist (S. 272) ist die Schrift nicht erwähnt, sondern nur eine über die
Zahlen, viellejcht ist es die gleiche. ,

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96 K. V V i e d e r n u n n ,

limischc Gelehrte mit der Lehre von den wajq beschäftigt, so a l - D a -


m a n h u r ? , ein Ägypter (f 1778) (al-Maschriq Bd. 13, S. 25, 1910).
Ein magisches Quadrat, das aus 3 x 3 Feldern besteht, heißt
mufallal ein aus 6 x 6 Feldern musaddas oder auch das Quadrat
6 mal (/t) 6, oder auch das der 6 zukommende sudasi *); ähnlich ist
die Bezeichnung für andere Quadrate.

Bei der Besprechung der griechischen Gelehrten heißt es bei


al-Qazwini (Bd. 2, S. 385):
»Archimedes, der die Wissenschaft von den Zahlen der magi-
schen Quadrate (wafq) auf eine bewundernswerte Weise aufstellte,
ermittelte nämlich eine Figur, deren Seiten alle gleich waren, so-
wohl der Länge als auch der Quere nach und ebenso nach ihrem Durch-
messer; alle seine Linien sind untereinander gleich an Zahl (d. h.
die Summe der Zahlen, die in die einzelnen Felder der magischen.
Quadrate geschrieben sind, geben nach jeder Linie die gleiche Summe).
Man behauptet, daß diese Figuren besondere Eigenschaften
haben, wenn sie zu bestimmten Zeiten aufgezeichnet (angewandt)
werden. Die Figur 3 auf 3 ist für die Leichtigkeit der Geburt erprobt,
sie ist die erste der Figuren und die letzte ist 1000 auf 1000. Diese
ist, wie er angibt, erprobt für den Sieg des Heeres, wenn sie sich auf
dessen Fahne befindet.«
Eigentümlich ist, daß al-Qazwini keine anderen Leistungen
von Archimedes aufzuführen weiß als die Konstruktion der magi-
schen Quadrate, was historisch natürlich wertlos ist. Anderseits lehrt
die Angabe, welch hohe Bedeutung er diesen magischen Quadraten
beilegte. — Andere arabische Quellen erwähnen von solchen Ar-
beiten von Archimedes nichts. Ob bei al-Qazwini vielleicht eine
Verwechselung mit dem von Archimedes herrührenden Zusammen-
setzspiel »loculus« bzw. »syntemachion«, das H. SUTER (Z. S. für
Math. u. Physik Bd. 44, Suppl. S. 493, 1899) veröffentlicht hat, vor-
liegt, mag dahingestellt bleiben.
Eine Ergänzung zu den Angaben von al-Qazwini gibt die An-
gabe von Ibn Hai dun (a. a. O. Bd. 3, S. 185), nach der das hundert-
fache Amulett unter gewissen Konstellationen am Himmel auf die
Standarte des Perserkönigs genäht wurde. Es sollte den Sieg sichern
und sein Träger nie zurückweichen. Nach der Entscheidungsschlacht
bei Qädisija (637), in der das Perserheer endgültig besiegt wurde und
sein Feldherr Rüstern fiel, fanden die Araber die Reichsstandarte am

0 Zu dem Quadrat mit 6 x 6 Feldern vgl. AHRENS S. 215.

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Zu den magischen Quadraten. 97

Boden. In diesem Fall hatte das Amulett nach Ihn J^ald n in


der g ttlichen Macht ein Hindernis f r seine Wirksamkeit gefunden.
Entgegen Angaben von DE SLANE glaubt HREN s nicht, da
wir es mit einem magischen Quadrat mit ίο χ l o Zellen im engeren
Sinn zu tun haben, h lt es aber f r m glich, da es sich um eine an-
dere Anordnung von ίο χ ΙΟ Zellen handelt. — Da die Perser ein
magisches Quadrat mit ιοο χ ΙΟΟ Zellen benutzt haben, ist ausge-
schlossen.
Einige der obigen Angaben habe ich in meinem Beitrag V zur
Geschichte der Naturwissenschaften S. 451 mitgeteilt.
Herrn Professor Dr. RUSKA, der so freundlich war, die Arbeit
durchzusehen, sage ich auch an dieser Stelle verbindlichsten Dank.

Islam VIIL

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