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Kultur Dokumente
im Islam
V
Veröffentlichungen des
Institutes für Geschichte der
Arabisch-Islamischen Wissenschaften
Herausgegeben von
Fuat Sezgin
2003
Institut für Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften
an der Johann Wolfgang Goethe-Universität
Frankfurt am Main
WIS S ENSCHAF T UND
TECHNIK IM I S L AM
Band V
K A TA L O G D E R I N S T R U M E N T E N S A M M L U N G
DES INSTITUTES FÜR GESCHICHTE DER
ARABISCH-ISL AMISCHEN WISSENSCHAFTEN
von
Fuat Sezgin
in Zusammenarbeit mit
Eckhard Neubauer
10. P H Y S I K U N D T E C H N I K
11. A R C H I T E K T U R . 12. K R I E G S T E C H N I K
13. A N T I K E O B J E K T E
2003
Institut für Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften
an der Johann Wolfgang Goethe-Universität
Frankfurt am Main
ISBN 3-8298-0072-X (Wissenschaft und Technik im Islam, Bd. I-V)
ISBN 3-8298-0071-1 (Wissenschaft und Technik im Islam, Bd. V)
© 2003
Institut für Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften
Westendstrasse 89, D-60325 Frankfurt am Main
www.uni-frankfurt.de/fb13/igaiw
Federal Republic of Germany
Printed in Germany by
Strauss Offsetdruck
D-69509 Mörlenbach
Inhaltsverzeichnis
Hochschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
Hospitäler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
Moscheen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
Bliden und Armbruste . . . . . . . . . . . . . . . . 106
Granaten und Raketen . . . . . . . . . . . . . . . . 120
Feuerwaffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
Kriegsmaschinen . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207
Indices . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214
I. Personennamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214
II. Ortsnamen und Sachbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . 219
III. Büchertitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226
Kapitel 10
P h y s i k u n d Te c h n i k
Waagen
«Die im Altertum und Mittelalter vorkommenden so ist G1. l1 = G2 . l2 oder G1 : G2 = l2 : l1, d.h. die Ge-
Wagen sind sämtlich Hebelwagen und bestehen wichte G1 und G2 verhalten sich beim Gleichge-
aus einem um eine horizontale Achse (miΩwar) wicht umgekehrt wie die Abstände l1: l2.»4
drehbaren Balken (‘am‚d, auch qa◊aba), einem Der Satz über die Proportionalität, der allem An-
Hebel, dessen Schwerpunkt unterhalb der Achse schein nach erstmals von Archimedes formuliert
gelegen ist. An dem einen Arm des Balkens wird wurde, scheint im arabisch-islamischen Kultur-
der zu wägende Gegenstand (die Last) und an dem kreis vom 3./9., vielleicht bereits vom 2./8. Jahr-
anderen die ihn wägenden Gewichte, meist in hundert an in seiner vollen Bedeutung erkannt
Schalen, aufgehängt. Dabei können die Arme worden zu sein. Zwar sind die arabischen Werke,
gleichlang sein oder nicht; man hat dann die die im 3./9. Jahrhundert dazu geschrieben wurden,
gleicharmige oder die ungleicharmige Wage.» 1 bis auf wenige verloren, doch gehört zu den der
«Bei der theoretischen Behandlung der Wage Forschung bisher bekannt gewordenen Überresten
kommt zunächst in Betracht die Definition des der Gattung einer ihrer bedeutendsten Vertreter.
schweren und leichten Körpers, die Bestimmung Es ist das Kit®b al-Qarasfl‚n5 von ˘®bit b. Qurra
des Schwerpunktes, diejenige des stabilen, labilen (gest. 288/901), einem der größten Gelehrten des
und indifferenten Gleichgewichtes, die durch die arabisch-islamischen Kulturbereichs.6 Wie viele
gegenseitige Lage von Schwerpunkt und Unter- seiner Schriften fand auch dieses Buch von ˘®bit
stützungspunkt gegeben ist, die Untersuchung der b. Qurra im Abendland in lateinischer Überset-
Frage, ob es von Einfluß ist, ob die Gewichte am zung eine beträchtliche Nachwirkung, auch wenn
Hebelarm selbst angreifen oder an mit diesem ver- die bedeutendste Leistung des Autors durch die
bundenen Stäben, die senkrecht zum Balken ste- Ungenauigkeit der Übersetzung dem Leser ent-
hen und gegen ihn geneigt sind.»2 geht. Es ist seine Beweisführung, die in ihrer
Daß die Araber vor dem Islam und im Frühislam Schlußfolgerung zum Begriff des unendlich Klei-
eine funktionierende Form der Waage besaßen, nen führt, eine infinitesimale Betrachtungsweise,
steht außer Zweifel. Sie machen auch kein Hehl die den Alten noch unbekannt war.7
daraus, daß sie die theoretische Betrachtung der Die weitere Entwicklung der theoretischen Be-
Waage von den Griechen übernommen haben. Der handlung und der praktischen Erfolge in der Be-
Literat und Naturphilosoph al-©®Ωi˙ nennt in der schäftigung mit der Waage im arabisch-islami-
Mitte des 3./9. Jahrhunderts unter den von den schen Bereich bis zum Beginn des 6./12. Jahrhun-
Griechen ererbten Gegenständen die Schnellwaage derts läßt sich dank der uns erhaltenen ausgezeich-
oder römische Waage (qarasfl‚n).3 neten Schrift über m¬z®n al-Ωikma, die «Waage
al-Qarasfl‚n (karistíwn) «ist ein zweiarmiger, der Weisheit», von ‘AbdarraΩm®n al-ø®zin¬
ungleicharmiger Hebel, dessen Schwerpunkt unter
dem Unterstützungspunkt liegt. Der zu wägende
Gegenstand, die Last G1, befindet sich an dem kür-
zeren Arm im Abstand l1 vom Drehpunkt; das zum
Wägen dienende Gewicht G2, das Laufgewicht 5
Ferdinand Buchner, Die Schrift über den Qarastûn von
(rumm®na), ist auf dem längeren Arm verschieb- Thabit b. Qurra, in: Sitzungsberichte der Physikalisch-medi-
bar. Tritt Gleichgewicht ein bei einem Abstand l2 , zinischen Sozietät (Erlangen) 52-53/1920-21/141-188
(Nachdruck in: Islamic Mathematics and Astronomy, Bd. 21,
Frankfurt 1997, S. 111-158); Khalil Jaouiche, Le livre du
qarasfl‚n de ˘®bit ibn Qurra. Étude sur l’origine de la notion
1
Eilhard Wiedemann, Artikel Δarasfl‚n, in: Enzyklopädie des de travail et du calcul du moment statique d’une barre ho-
Isl®m, Bd. 2, Leiden und Leipzig 1927, Sp. 810b. mogène, Leiden 1976.
2 6
Ebd., Sp. 811a. F. Sezgin, Geschichte des arabischen Schrifttums, Bd. 3, S.
3
Kit®b al-ºayaw®n, ed. ‘Abdassal®m H®r‚n, Bd. 1, Kairo 260 -263; Bd. 5, S. 26 4 -272; Bd. 6, S. 163 -170.
7
1938, S. 81; E. Wiedemann, a.a.O. Sp. 811b. F. Buchner, a.a.O. S. 162-163 (Nachdruck, a.a.O. S. 132-
4
E. Wiedemann, a.a.O. Sp. 811a. 133).
4 T E C H N I K
m¬z®n Ar·im¬dis nach al-ø®zin¬ (aus Th. Ibel, Die Wage S. 52).
D
F
B
A
K
J
Unser Modell:
Gesamthöhe: 135 cm.
Messing, teilweise vergoldet, mit Verzierungen.
Momentenarm mit gravierter Millimeter-Skala und
Zahlen, Länge: 98 cm.
5 vergoldete Waagschalen nebst Gewicht.
(Inventar-Nr. E 1.01)
Als höchste Stufe in der Entwicklung der Waage «Dem Wagbalken A (s. Abb. u.) gibt al-ø®zin¬
erweist sich die eigentliche «Waage der Weisheit» eine Dicke von 6 cm und eine Länge von 2 m. In
(m¬z®n al-Ωikma), die gegen 500/1115 von Ab‚ der Mitte ist er durch ein Stück C verstärkt, offen-
º®tim al-Mu˙affar b. Ism®‘¬l al-Isfiz®r¬13 entwik- bar um eine Durchbiegung an dieser Stelle zu ver-
kelt und von seinem Zeitgenossen ‘AbdarraΩm®n meiden. Dort ist ein Querstück B (‘ar¬¥a) eingelas-
al-ø®zin¬14 vervollkommnet wurde. sen. Ihm steht ein ebensolches Querstück F am
unteren Teil der Schere gegenüber, in der die Zun-
ge D, die etwa 1/2 m lang ist, spielt.»
13
s. al-Baihaq¬, Ta’r¬¿ Ωukam®’ al-isl®m, Damaskus 19 46, S.
125-126; C. Brockelmann, Geschichte der arabischen Litte-
ratur, 1. Suppl.-Bd., S. 856. Sein Buch über Waagen mit
dem Titel Ir·®d ‰awi l-‘irf®n il® ◊in®‘at al-qabb®n ist in einer
14
unvollständigen Handschrift erhalten, Kairo, D®r al-kutub al- C. Brockelmann, Geschichte der arabischen Litteratur, 1.
mi◊r¬ya, riy®¥. 1021 (9 ff.). Suppl.-Bd., S. 902.
6 T E C H N I K
Waage
Aus den Entwicklungsstadien der Waage in den Ausführung und Erhaltungszustand lassen kaum
frühen Jahrhunderten der arabisch-islamischen mehr als 150 Jahre zu. Der Arm ist in 34 Einheiten
Kultur soll ein Exemplar auf uns gekommen sein. zu etwa 2,9 cm geteilt (nach der Beschriftung: 60-
Das im Science Museum in London befindliche 230), diese sind in je 5 Punkte untergliedert.
Stück wird in das 4./10. Jahrhundert datiert (s.
Abb. unten). Die Länge des Balkens beträgt etwa
2,5 m.16
Unsere in Ägypten erworbenen Waage weist eine
frappierende Ähnlichkeit mit dem Londoner Ex-
emplar auf. Ihr Alter ist unbekannt, aber Herkunft,
16
s. Wilbur Richard Knorr, Ancient sources of the medieval
tradition of mechanics. Greek, Arabic and Latin studies of
the balance, Florenz 1982, Pl. 11 nach S. 117.
8 T E C H N I K
osmanische
Waage
Waage in der Sammlung Dumbarton Oaks (acc. no. 40.11), angeblich Byzantinisch, 5.-6. Jh.
Nach W. R. Knorr, Ancient Sources..., a.a.O. pl. 4.
W A A G E N & M E S S G E R Ä T E 9
«Nach diesen Vorarbeiten stellte sich al Bîrûnî die al-B¬r‚n¬ wandte sich daher der Möglichkeit zu,
Aufgabe, die Gewichte gleicher Volumina zu be- das spezifische Gewicht über die Verdrängung von
stimmen. Dabei benützte er zunächst die Metho- Wasser beim Eintauchen des zu messenden Mate-
den seiner Vorgänger, macht aber nur nähere An- rials in einen Messbecher zu ermitteln:
gaben über diejenige des AΩmad ibn al Fa¥l [al-
Bu¿®r¬].1 Dieser gebrauchte die beim Metallgießen
übliche Gußform. Die Gußform von al Bîrûnî faß-
te 40 mi˚q®l 2 Eisen. Die Wahl dieses Volumens
war wohl nur zufällig. Er gab ihr die Gestalt einer
Linse. Den leeren Raum des Modells goß er mit
den verschiedenen Metallen aus und wog sie dann.
Dies wiederholte er mehrmals, um sich von der
Genauigkeit der Resultate zu überzeugen. Jedes-
mal bekam er andere Werte, da die Form nicht
völlig standhielt. Er ließ deshalb diese Methode
fallen, ‹da sie nur Vermutung, nicht Sicherheit
gab›. Um eine haltbarere Form zu gewinnen, dreh-
te er an einem Amboß aus Stahl eine Höhlung von
der Form einer Halbkugel aus und goß sie mit den
schmelzbaren Stoffen aus, hämmerte die Masse
und feilte den Überschuß ab. Mit einem Lineal
prüfte er, bis die Oberfläche des Metalls mit der
Ebene des Ambosses zusammenfiel. Aber auch
dann erhielt er bei der Wiederholung Resultate,
die nicht völlig übereinstimmten. Nun versuchte al al-B¬r‚n¬’s Pyknometer aus der Hds. Beirut 223.
Bîrûnî nach einem ganz anderen Verfahren Resul-
tate zu erhalten. In zwei Stahlplatten A und B
wurden runde fingerdicke Löcher gebohrt. A und «Wie der Erfinder selbst berichtet, gelang es ihm
B wurden dann so auf zwei Eisenzylindern befe- erst nach vielen Versuchen, dem Gefäße seine
stigt, daß die Löcher einander genau gegenüber endgültige Gestalt zu geben (s. Abb.).» «Er gab
standen. Die Löcher dienten dazu, um durch sie ihm eine konische Gestalt; durch die große Grund-
Drähte von ganz bestimmter Dicke zu ziehen, de- fläche hatte es eine entsprechende Standfestigkeit
nen dann stets dieselbe Länge gegeben wurde. Er und vermochte viel Material aufzunehmen. Oben
hoffte so Volumina von stets gleicher Größe zu ist ein enger Hals von konstanter Weite ange-
erhalten. Wiederholte Versuche zeigten ihm je- bracht. […] Die kleinsten Gegenstände hatten die
doch, daß die Gewichte der Drähte desselben Me- Größe einer Hirse. In der Mitte des Halses ist ein
talls nicht ganz übereinstimmten; darum verließ er Rohr, das die Form eines Viertelkreises hat, ange-
auch diese Methode.»3 lötet, dessen Ende sich über einer Schale zum
Auffangen des austretenden Wassers befindet. Lö-
cher, die von oben in das Rohr gebohrt sind, sol-
len verhindern, daß Wasser im Rohr zurückgehal-
ten wird. Al Bîrûnî bemerkt jedoch, daß dieser
Zweck nicht ganz erreicht wurde.»4 Dabei pflegte
1 Lebte wohl im 4./10. Jh., wird zitiert von al-ø®zin¬, M¬z®n al-B¬r‚n¬ bei seinen Meßverfahren die Beschaffen-
al-Ωikma, Ed. Haidarabad, S. 56 (Nachdruck, a.a.O. S. 437). heit und die Temperatur des Wassers zu berück-
2
1 mi˚q®l 5 4,5 g.
3 Heinrich Bauerreiß, Zur Geschichte des spezifischen Ge-
5
H. Bauerreiß, a.a.O. S. 55 (Nachdruck S. 251).
6 s. E. Wiedemann, Arabische speci fische Gewichtsbestim-
mungen, in: Annalen der Physik (Leipzig) 20/1883/539-541
(Nachdruck in: Gesammelte Schriften Bd. 1, S. 30-32); ders.,
Über das Experiment im Altertum und Mittelalter, in: Unter-
richtsblätter für Mathematik (Frankfurt) 12/1906/73-79, 97-
102, 121-129, bes. S. 125 (Nachdruck in: Gesammelte
Schriften Bd. 1, S. 147-168, bes. S. 164).
7 Arabische specifische Gewichtsbestimmungen, a.a.O. S. 541
Aräometer
Unser Modell:
Messing, graviert.
Höhe: 304 mm.
Durchmesser: 44 mm.
Spezifische Gewichte
einiger Flüssigkeiten in
arabischer Beschriftung.
Glaszylinder mit Deckel
aus vergoldetem Messing.
Rechts daneben modernes
Aräometer in Glasgefäß.
Hartholzplatte mit Aus-
sparungen für die Gefäße.
(Inventar-Nr. D 1.24)
Der oben mehrfach erwähnte al-ø®zin¬ behandelt Seine Beschreibung des Instrumentes beginnt al-
im siebenten Kapitel des ersten Traktates seines ø®zin¬ mit dem physikalischen Prinzip, auf wel-
M¬z®n al-Ωikma 1 das zu unserer Zeit Aräometer chem es beruht: «Das Verhältnis der in Wasser
genannte Instrument zur Bestimmung des spezifi- untergetauchten Volumina von Körpern gleichen
schen Gewichtes von Flüssigkeiten (miqy®s al- Gewichts (und gleicher Substanz) verhalten [lies:
m®’¬y®t fi ˚-˚iqal wa-l-¿iffa). Als Erfinder des Ge- verhält] sich umgekehrt wie die [lies: dasjenige
rätes nennt er einen Q‚qus ar-R‚m¬, welchen man der] spezifischen Gewichte.»3
sicherlich mit dem um die Wende vom 3. zum 4.
Jahrhundert n. Chr. in Alexandria wirkenden Pap-
pos identifizieren kann. Man scheint ein solches
Instrument in der Spätantike schon vor 415 ge-
3
kannt zu haben,2 den Namen des Erfinders aber Die Formulierung stammt von H. Bauerreiß (a.a.O. S. 98;
Nachdruck S. 294), der sie als Korrektur der im erhaltenen
erfahren wir erst durch al-ø®zin¬. Text überlieferten Version vorschlägt. Diese lautet: «Das
Verhältnis des Volumens eines jeden schweren Körpers zu
1
Ed. Haidarabad S. 28-33 (Nachdruck, a.a.O. S. 472-481). dem Volumen eines anderen schweren Körpers, wenn sie in
2
E. Gerland, F. Traumüller, Geschichte der physikalischen der Luft gleich schwer sind, ist gleich dem umgekehrten
Experimentierkunst, a.a.O. S. 58; H. Bauerreiß, Zur Ge- Verhältnis der Schwere zur Schwere im Wasser» (al-ø®zin¬,
schichte des spezifischen Gewichtes, a.a.O. S. 96 (Nach- M¬z®n al-Ωikma, ed. Haidarabad, S. 28; Nachdruck, a.a.O. S.
druck, a.a.O. S. 292). 481).
W A A G E N & M E S S G E R Ä T E 13
nennt diese die Linie (den Maßstab) der regelmä- werden in der Tabelle zusammengestellt und zwar
ßig fortlaufenden Zahlen (saflr al-‘adad al-mus- mit den Größen, aus denen sie berechnet sind,
taw¬).» dann auch auf den Aräometer selbst eingetragen
«Um aus diesen Angaben eine Norm für die den zwischen n m und e r. Die Teilstriche selbst wer-
(spezifischen) Gewichten proportionalen Zahlen den mit einem gekrümmten Lineal eingereiht. Die
zu finden, die dann auf dem Instrument eingetra- Zahlen gehen in der Richtung von a nach b fort.
gen werden, verfährt man folgendermaßen. Man Die oberhalb der Gleichgewichtslinie entsprechen
denkt sich ein Gefäß, etwa ein dauraq (Wasser- leichteren, die unterhalb schwereren Flüssigkeiten
krug) gegeben [in unserem Modell ein Glaszylin- im Vergleich zu Wasser. Die Grundlage der Be-
der], der 100 mi˚q®l u.s.w. faßt. Die Höhe des Ge- rechnung wird nachher bewiesen. Abu r-RaiΩ®n
fäßes setzen wir gleich 100, entsprechend dem in [al-B¬r‚n¬] hat auf sie in seiner Abhandlung hinge-
ihm enthaltenen Wasser. Um nun die oben er- wiesen.»8
wähnten Proportionalzahlen zu erhalten, multipli- «Die Tabelle, welche die den Volumina 110 bis 50
ziert man 100 mit 100, erhält also 10000 und divi- entsprechenden spezifischen Gewichte gibt, ist
diert in diese Zahl mit den früher auf dem Aräo- sehr sorgfältig nach der Formel berechnet s =
meter angebrachten Zahlen, bis zu denen es in die 10000 : a, wobei s das spezifische Gewicht, a das
Flüssigkeit eintaucht. Die Resultate der Division abgelesene Volumen bedeutet.»9
8
al-ø®zin¬, a.a.O. S. 29-30 (Nachdruck S. 479-480); über-
setzt von H. Bauerreiß, a.a.O. S. 101-102 (Nachdruck S.
297-298).
9
H. Bauerreiß, a.a.O. S. 102-103 (Nachdruck S. 298-299).
W A A G E N & M E S S G E R Ä T E 15
Sechs
Hohlmaße
Ägypten, 13./19.- frühes 14./20. Jh.?
Im Jahre 1919 meinte wiederum Albert Neuburger 5 Einsatz der Schraubenpumpe in iberischen Berg-
im Zusammenhang mit der Verwendung der schie- werken.
fen Ebene beim Pyramidenbau: «Eine besondere Die von Vitruv beschriebene Schraube wurde
Bedeutung erlangte die schiefe Ebene durch ihre durch ein Tretrad bewegt.12 Auf einem im Jahre
Anwendung in Gestalt der Schraube, die von Ar- 1929 in Pompeji entdeckten Wandbild 13 scheint
chimedes auf einer ägyptischen Reise erfunden eine Schraubenpumpe ebenfalls von einem Tretrad
worden sein soll. Es ist jedoch anzunehmen, daß angetrieben zu werden.
sie dort schon lange und zwar bei der Wasser- Conrad Kyeser (1405) nennt die Schraube «Testu-
haltung in Bergwerken, in Gebrauch stand.» do» und sagt, man verwende sie zum Entleeren von
Im Jahre 1956 vertrat auch E.J. Dijksterhuis6 in Gräben.14 Auf seiner Abbildung15 dient eine Kurbel
seiner Arbeit über Archimedes die Ansicht, die als Antrieb.
Maschine sei möglicherweise viel früher entstan- Obwohl die Möglichkeit bestanden hätte, daß die
den und Archimedes habe sie in Ägypten lediglich Schraubenpumpe bereits über die Römer ihren
kennengelernt. Weg in weitere Teile Europas findet, hat doch die
Im gleichen Jahr kam A.G. Drachmann7 zu einem Vermutung etwas für sich, daß die in der arabi-
radikal gegenläufigen Schluß: «So I suggest that in schen Welt, vor allem in Ägypten verbreiteten Ty-
the absence of even the faintest evidence to the pen die westeuropäischen Länder erst in islami-
contrary, and in the presence of both direct and scher Zeit über Nordafrika erreicht haben.16
indirect evidence of the most convincing character, Es erstaunt daher, daß Geronimo Cardano in sei-
it is safe to conclude that Archimedes really did nem De subtilitate (1550) behaupten konnte, ein
invent the water-snail, and that it is called by rights Schmied aus seiner Heimatstadt Pavia, Galeaz de
the screw of Archimedes.»8 Rubeis, habe die Schraubenpumpe wieder-
Der Technologiehistoriker R.J. Forbes (1963)9 , entdeckt.17
dem die Diskussion über diese Frage sicherlich Eine entwickeltere Form des Gerätes mit einem
nicht unbekannt war, begnügt sich dagegen mit der Wasserrad und zwei Zahnrädern begegnet uns un-
Bemerkung: «It is said that Archimedes, when ter den Zeichnungen von Geräten und Maschinen,
visiting Egypt about 220 B.C., saw such screws in die Leonardo da Vinci angefertigt hat:
action for pumping water onto the fields, and they
are still in use throughout the Nile Valley for irri-
gation purposes.»
Ich selbst halte es für unwahrscheinlich, daß Archi-
medes die Schraubenpumpe auf seiner Reise nach
Ägypten erfunden haben soll. Ihre Entdeckung
dürfte meines Erachtens als Folge langjähriger Er-
fahrungen der Ägypter mit der Verwendung der
schiefen Ebene beim Pyramidenbau und mit der
Wasserhaltung in Bergwerken 10 zu sehen sein. Ar-
11
chimedes kommt wahrscheinlich das Verdienst zu, Strabon, Buch 3, 147; The Geography of Strabo (Loeb), Bd.
die Bedeutung dieser Errungenschaft erkannt und 2, S. 45; Feldhaus, Die Technik, a.a.O. Sp. 835.
12
Buch 10, Kapitel 11, s. Vitruv: Baukunst, Übers. August
einen Anstoß zu ihrer Verbreitung in Europa gege- Rode, 2 Bde., Leipzig 1796 (Nachdr. Zürich und München
ben zu haben. Schon Strabon11 berichtet über den 1987), Bd. 2, S. 267.
13
s. R.J. Forbes, Studies in Ancient Technology,
a.a.O. Bd. 7, S. 213.
14
Conrad Kyeser, Bellifortis nach Feldhaus,
Die Technik, a.a.O. Sp. 835.
15
5 Feldhaus, Die Technik, a.a.O. Sp. 834.
Die Technik des Altertums, Leipzig 1919, S. 211. 16
6 s. Charles Singer et al. (eds.), A History of Technology,
Archimedes, Kopenhagen 1956, S. 21-22.
7 a.a.O. Bd. 2, S. 677.
The Screw of Archimedes, in: Actes du VIII e Congrès interna- 17
Geronimo Cardano, De subtilitate libri XXI, in: Hieronymus
tional d’histoire des sciences Florence -Milan 3-9 septembre
Cardanus. Opera omnia. Faksimile-Neudruck der Ausgabe
1956, Bd. 3, Florenz 1958, S. 940-943.
8 Lyon 1663 mit einer Einleitung von August Buck, Bd. 3, Stutt-
Ebd. S. 943.
9 gart - Bad Cannstatt 1966, S. 366; R.J. Forbes, Studies in An-
Studies in Ancient Technology, Bd. 7, Leiden 1963, S. 213.
10 cient Technology, a.a.O. Bd. 7, S. 215.
s. A. Neuburger, Die Technik des Altertums, a.a.O. S. 211.
18 T E C H N I K
18
AΩmad Y. al-ºasan, Taq¬yadd¬n wa-l-handasa al-m¬k®n¬k¬ya
al-‘arab¬ya, a.a.O. S. 34; ders. und D.R. Hill, Islamic Technolo-
gy, a.a.O. S. 243.
P U M P W E R K E 19
Unser Modell:
Holz und Kunststoff.
Maße: 71 × 64 cm.
Elektromotor zur De-
monstration.
(Inventar-Nr. E 1.14)
Schöpfeimerkette
Einen Vorgänger dieser Vorrichtung kennen wir Bei unserem Gerät handelt es sich um eine Vor-
bereits von Vitruv (gest. ca. 25 v.Chr.)1, wenn auch richtung zum Heben von Wasser mit zwei Eimer-
in wesentlich einfacherer Form. Die Beschreibung ketten, die durch ein Tretrad angetrieben wird. Eine
unseres Gerätes steht in einem anonymen arabi- im Jahre 1903 von Carra de Vaux3 unternommene
schen Buch, das offenbar nach dem 6./12. Jahrhun- graphische Rekonstruktion hat sich später als nicht
dert geschrieben wurde. Sein höchst zweifelhafter ganz korrekt erwiesen. Im Jahre 1918 bezeichnete
Titel lautet: «Das ist, was ¡r‚n (Heron) dem Werke E. Wiedemann4 Aspekte seiner Zeichnung als «irr-
des Philon und des Archimedes, der beiden Grie- tümlich» oder «willkürlich». Wir sollten uns nicht
chen, entnommen hat, nämlich über das Ziehen der wundern, wenn die falsche Darstellung in der Hi-
Lasten, die Kugeln, die Gewässer, die Schalen.»2 storiographie der Technik Wurzeln geschlagen hat
Wir können vermuten, daß die in diesem Anony-
mus behandelten Vorrichtungen zum Teil mit den
genannten griechischen Gelehrten als Urheber in
Verbindung standen. Abzuklären ist aber die Frage 3
Bernard Carra de Vaux, Le livre des appareils pneumatiques
nach der Entwicklung, die die genannten Geräte et des machines hydrauliques, par Philon de Byzance, édité
später, namentlich im arabisch-islamischen Kultur- d’après les versions arabes d’Oxford et de Constantinople et
kreis, erfahren haben. traduit en français, in: Notices et extraits des manuscrits de la
Bibliothèque Nationale et autres bibliothèques (Paris) 38/1903/
27-235, bes. S. 209-212 (Nachdr. in: Natural Sciences in Islam
Bd. 37, Frankfurt 2001, S. 101-309, bes. S. 283-286).
4
1
Buch 10, Kapitel 9, s. Vitruv: Baukunst, a.a.O., Bd. 2, S. 262. Über Vorrichtungen zum Heben von Wasser in der islami-
2
s. Hans Schmeller, Beiträge zur Geschichte der Technik in schen Welt, in: Beiträge zur Geschichte der Technik und Indu-
der Antike und bei den Arabern, Erlangen 1922, S. 2 (Nachdr. strie (Berlin) 8/1918/121-154, bes. S. 151 (Nachdr. in: Gesam-
in: Natural Sciences in Islam, Bd. 39, Frankfurt 2001, S. 197- melte Schriften, Bd. 3, Frankfurt 1984, S. 1483-1516, bes. S.
247, bes. S. 202). 1513).
20 T E C H N I K
und F.M. Feldhaus5 beispielsweise von drei Arten Deren dritter Typ (s. Abb.) ist nach seinen Worten
von Schöpfeimerketten bei Philon spricht, die ent- ein Modell, dem er zur Täuschung des Auges die
weder von einem unterschlägigen Wasserrad, einer Figur eines sich drehenden hölzernen Zugrindes
Handkurbel oder einem Tretrad angetrieben wur- hinzugefügt hat. Der Mechanismus wird nämlich
den. nicht durch ein Zugtier, sondern durch Wasserkraft
Eine wesentliche Weiterentwicklung der Schöpfei- bewegt. Ein Teil des Wassers eines Baches wird
merkette erscheint unter den von al-©azar¬6 (um durch ein Rohr in ein Becken geleitet, fällt von dort
600/1200) beschriebenen und abgebildeten Was- auf das tiefer liegende Schwungrad und fließt durch
serhebemaschinen: einen Kanal ab. Das letzte Drittel des zuströmen-
den Wassers gelangt ganz oder teilweise in die Ei-
mer, die es weiter nach oben befördern.
Unser Modell verkörpert den Höhepunkt in der
bisher bekannten Entwicklungsgeschichte der
Schöpfeimerkette. Es ist quasi eine weiter entwik-
kelte Abart der von al-©azar¬ beschriebenen Vor-
richtung. Der Hauptunterschied liegt darin, daß hier
die Wasserkraft zum Antrieb mit einem Paddelrad
(statt eines Schalenrades) genutzt wird und daß es
sich um fließendes (statt fallendes) Wasser handelt.
Die wesentliche Vorlage für unser Modell ist indes
keine Abbildung oder Beschreibung in einer Quel-
le, sondern ein originales Schöpfwerk, das von der
ersten Hälfte des 7./13. Jahrhunderts bis zur Mitte
des vergangenen Jahrhunderts funktionstüchtig
war. Es ist unter dem Namen Man·a’at ∞ai¿ MuΩ-
yidd¬n bekannt, steht am Ufer des Yaz¬d-Flusses im
damaszener Stadtteil a◊-—®liΩ¬ya und versorgte ein
Krankenhaus und eine Moschee mit Wasser, bis es
vor etwa vierzig Jahren außer Betrieb kam (s. fol-
gende S.).
Zum Bau unseres Modells haben wir die ausführli-
chen Skizzen und die Beschreibung von A.Y. al-
ºasan7 aus Aleppo vom Jahre 1976 benutzt.
5
Die Technik, a.a.O. Sp. 831; s. noch A.P. Usher, A History of
Mechanical Inventions. Revised edition, New York 1954, S. 164.
6
al-©®mi‘ baina l-‘ilm wa-l-‘amal, Faks.-Ed. Ankara 1990, fol.
159b; E. Wiedemann, Über Vorrichtungen zum Heben von Was-
ser, a.a.O. S. 141-143 (Nachdr., a.a.O. S. 1503-1505); D.R. Hill, 7
The Book of Knowledge of Ingenious Mechanical Devices, a.a.O. Taq¬yadd¬n wa-l-handasa al-m¬k®n¬k¬ya al-‘arab¬ya, a.a.O. S.
S. 182-183; ders., Mechanik im Orient des Mittelalters, in: Spek- 55-70; s. noch A.Y. al-Hassan, D.R. Hill, Islamic Technology,
trum der Wissenschaft, Juli 1997, S. 80-85, bes. S. 80-81. a.a.O. S. 45-47.
P U M P W E R K E 21
Die älteste uns bekannte bildliche Darstellung einer Von Leonardo da Vinci9 (1519) kennen wir die
ähnlichen Vorrichtung aus Europa findet sich in Zeichnung einer Schöpfeimerkette, die mit einer
dem Buch De re metallica 8 von Georgius Agricola Handkurbel angetrieben wird:
(1556):
8
Georgius Agricola, De re metallica, translated by Herbert
Clark Hoover and Lou Henry Hoover, New York 1950, S. 173;
A.P. Usher, Machines and Mechanisms, in: A History of Tech-
9
nology, ed. Ch. Singer et al., a.a.O. Bd. 3, S. 325. Leonardo da Vinci, a.a.O. S. 480.
P U M P W E R K E 23
Unser Modell:
Holz und Kunststoff.
Größe 68 × 52 cm.
Mit Tisch und Klarsichthaube.
Elektromotor zur Demonstration.
(Inventar-Nr. E 1.18)
Tympanum
Ein trommelartiges Schöpfrad, das wahrscheinlich Ein von zwei Rindern angetriebenes Wasserrad
auf arabisch n®‘‚ra oder s®qiya hieß. Bei diesem dieser Art erscheint unter den Miniaturen in der
Typ Wasserhebewerk drehen sich spiralige Kam- Pariser Handschrift der Maq®m®t des al-ºar¬r¬
mern um die Achse des Rades und nehmen dabei (634/1237), Bibl. Nat., Ms. arabe 5847, Fol. 69.1
zugleich Wasser auf und befördern es zu einem Derartige Wasserräder sollen in Ägypten verbrei-
Rohr in der Radnabe. Es ist geeignet, große Was- tet gewesen sein.2
sermengen über einen geringen Höhenunterschied
zu heben, hat einen hohen Wirkungsgrad und ist
besonders arm an Verschleißteilen. Der Ursprung
dieser Konstruktion ist zur Zeit unbekannt.
1 P. J. Müller, Arabische Miniaturen, Genf 1979, Tafel 12. A. Delpeche, F. Girard, G. Robine, M. Roumi, Les norias de
2
D.R. Hill, Mechanik im Orient des Mittelalters, in: Spek- l’Oronte. Analyse technologique d’un élément du patrimoine
trum der Wissenschaft (Weinheim), Juli 1991, S. 81; ders., Syrien. Damas 1997, S. 226. Thorkild Schiøler, Roman and
Islamic Science and Engeneering, Edinburgh 1993, S. 95-96; Islamic Water-lifting Wheels, Odense University Press 1973,
S. 78-79.
24 T E C H N I K
Ibn ar-Razz®z al-©azar¬ (um 600/1200) beschreibt «Auf der wagerechten, über dem Wasserspiegel
im fünften Teil seines Buches über Geräte zum zwischen den Pfosten (l und q) gelagerten Achse
Heben von Wasser fünf Vorrichtungen, von denen (k), welche mittels der senkrechten Achse (w) und
die ersten vier durch ein Zugtier in Umdrehung der Zahnräder (h und ) von dem Zugtier in Um-
gesetzt werden. Unser Modell stellt die zweite1 drehung versetzt wird, sitzen statt nur einer einzi-
der dort beschriebenen Vorrichtungen dar. gen, teilweise gezahnten Scheibe vier auf einem
Viertel ihres Umfanges mit Zähnen versehene
1 Scheiben. Ihre Verzahnungen sind um je 90° ge-
al-©®mi‘ baina l-‘ilm wa-l-‘amal, Faks.-Ed. Ankara 1990,
S. 310-314; D.R. Hill, The Book of Knowledge of Ingenious geneinander versetzt. Unter jeder der vier Schei-
Mechanical Devices, a.a.O. S. 180-181.
26 T E C H N I K
2
Übersetzt von E. Wiedemann, Über Vorrichtungen zum
Heben von Wasser in der islamischen Welt, in: Beiträge zur
Geschichte der Technik und Industrie 8/1918/121-154, bes.
Umzeichnung der Abbildung von al-©azar¬
S.140-141 (Nachdruck in: Gesammelte Schriften, Bd. 3, S.
durch E. Wiedemann.
1483-1516, bes. S. 1502-1503).
P U M P W E R K E 27
Unser Modell:
Holz und Kunststoff.
Größe: 100 × 70 cm mit
Tisch und Klarsichthaube.
Pumpen aus Messing.
Elektromotor
zur Demonstration.
(Inventar-Nr. E 1.08)
Im Anschluß an die durch Zugtiere getriebenen ein Auslaßventil. Nach dem Ansaugen des Kol-
Göpelwerke beschreibt al-©azar¬1 (um 600/1200) bens schließt das Einlaßventil die Kammer, beim
eine Vorrichtung, die mittels eines Rades Wasser Verdrängen gelangt das Wasser in die Steiglei-
aus einem Fluß auf eine Höhe von bis zu 20 Ellen tung, die an die Kammer anschließt. Von dort
(ca. 11 m) hebt. Diese Vorrichtung wird auch von kann es, wenn sich der Kolben wieder in entge-
Taq¬yadd¬n2 unter den hydraulischen Geräten an- gengesetzter Richtung bewegt, nicht zurückflie-
geführt. ßen, da sich das Auslaßventil schließt. Während-
Die Anlage nutzt die natürliche Strömung eines dessen saugt die zweite Pumpe Wasser an. So ent-
Flusses. Ein Wasserrad, das in der Strömung steht, steht ein gleichmäßiger Wasserstrom in der Steig-
erzeugt eine gleichmäßige Drehbewegung, die leitung, die ihrerseits in ein Reservoir führt, von
sich in einer Welle fortsetzt. Ein an der Welle be- wo das Wasser dann in die Häuser oder auf die
festigtes Zahnrad übersetzt die Bewegung auf ein Felder geleitet werden kann.
weiteres Zahnrad, an dem ein Zapfen befestigt ist.
Eine Pleuelstange, die beweglich mit dem Zapfen
verbunden ist, wandelt die Drehbewegung mecha-
nisch in eine Schubbewegung. Zwei Kolben, die
mit der Pleuelstange verbunden sind, nutzen die
horizontal verlaufende Schubbewegung, um Was-
ser aus dem Fluß anzusaugen und in je eine Kam-
mer abzugeben. Bei jeder Bewegung saugt ein
Kolben Wasser an, der andere verdrängt es. Die
Kammern haben je zwei Ventile, ein Einlaß- und
1
al-©azar¬, a.a.O. S. 321-327; D.R. Hill, a.a.O. S. 186-189:
E. Wiedemann, Über Vorrichtungen zum Heben von Wasser,
a.a.O. S. 145-147 (Nachdruck, S. 1507-1509).
2
AΩmad Y. al-ºasan, Taq¬yadd¬n wa-l-handasa al-m¬k®n¬k¬-
ya al-‘arab¬ya, Aleppo 1976, Nachdr. 1987, Faks. S. 29-32. Zeichnung zur Konstruktion von al-©azar¬’s Pumpe.
28 T E C H N I K
Unser Modell:
Pumpe mit sechs Kolben Holz und Kunststoff. Ventile aus Messing mit
von Taq¬yadd¬n (1553) Lederdichtungen. Gewichte und Nockenwelle
aus Messing. Maße: 89 × 79 cm, mit Tisch und
Klarsichthaube. Elektromotor zur Demonstration.
(Inventar-Nr. E 1.13)
le übertragen. Die Nocken betätigen einzelne He- laßventil, und das Wasser wird über Steigleitungen
bel, wodurch die Drehbewegung in eine gradlinige nach oben gepumpt. Dabei öffnet sich ein Auslaß-
Bewegung umgewandelt wird. Sie sind auf der ventil, das sich nach dem Ende dieses Vorganges
Welle versetzt angeordnet, so daß die Wasserkraft wieder schließt und ein Zurückfließen des Wassers
gleichmäßig verteilt wird. Wird einer der Hebel verhindert. Außerdem bewirkt es bei wiederholtem
betätigt, so bewirkt er, daß ein Kolben und ein an Ansaugen der Pumpe einen Luftverschluß, wo-
diesem befestigtes Gewicht nach oben gedrückt durch sich das Vakuum wieder aufbauen und Was-
werden. Bei diesem Vorgang entsteht ein Vakuum ser angesaugt werden kann. Dadurch, daß sechs
in der zugehörigen Pumpenkammer, wodurch sich Pumpen hintereinander angetrieben werden, ist ein
das Einlaßventil öffnet und Wasser angesaugt wird. kontinuierlicher Wasserfluß gewährleistet.
Hat die Nocke den Hebel wieder freigegeben, wird Ein ähnliches Wasserförderwerk mit mehreren
der Kolben durch das an ihm befestigte Gewicht Kolbenpumpen ist im Buch von Agostino Ramelli2
nach unten gedrückt. Hierbei schließt sich das Ein- von 1588 beschrieben und abgebildet.
2
The Various and Ingenious Machines of Agostino Ramelli. A
Classic Sixteenth-Century Illustrated Treatise on Technology.
Translated from the Italian and French with a biographical
study of the author by Martha Teach Gnudi. Technical annotati-
ons and a pictorial glossary by Eugene S. Ferguson, Baltimore
1976, S. 184 und Tafel 62.
30 T E C H N I K
Schiffsmühle
1
al-§la allat¬ tuzammiru bi-nafsih®, ed. L. Cheikho in: al- strie und Gewerbe (Leipzig) 4/1917/25-26 (Nachdruck in:
Ma·riq (Beirut) 9/1906/444-458, bes. S. 454 (Nachdruck in: Gesammelte Schriften, Bd. 2, S. 863-864).
Natural Sciences in Islam, Bd. 42, Frankfurt 2001, S. 19-33, 2
Kit®b —‚rat al-ar¥, ed. J.H. Kramers, Leiden 1939,
bes. S. 29), s. E. Wiedemann, Über Schiffsmühlen in der Bd. 1, S. 219.
muslimischen Welt, in: Geschichtsblätter für Technik, Indu-
M Ü H L E N 31
3
Mariano Taccola, De ingeneis, Bd. 2, Faks.
Wiesbaden 1984, fol. 104 v.
4
Fausto Veranzio, Machinae novae, München
1965, No. 18.
32 T E C H N I K
Windmühle
Unser Modell:
Holz, lackiert.
Höhe: 60 cm.
5 Leinensegel an
vertikaler Achse im Inneren.
Elektrogebläse zur Demonstration.
(Inventar-Nr. E 1.04)
1
Ta’r¬¿ ar-rusul wa-l-mul‚k, ed. M.J. de Goeje, Serie 1, Bd.
5, Leiden 1879 (Nachdruck ebd. 1964), S. 2722; E. Wiede-
mann, Zur Mechanik und Technik bei den Arabern, in: Sit-
zungsberichte der Physikalisch-medizinischen Sozietät (Er-
langen) 38/1906/1-56, bes. S. 44 (Nachdruck in: Aufsätze
zur arabischen Wissenschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 173-228,
bes. S. 216).
2
Zu einer anderen Version der Begebenheit s. al-Mas‘‚d¬, Windmühlen in S¬st®n, Nordostpersien,
Mur‚™ a‰-‰ahab wa-ma‘®din al-™auhar, ed. C. Barbier de Abb. aus al-‘Ul‚m fi l-isl®m, Tunis 1978, S. 204.
Meynard, Paris 1864, Bd. 4, S. 227, vgl. ebd. Bd. 2, S. 80; E.
Wiedemann, a.a.O. S. 44 (Nachdruck S. 216). 3
E. Wiedemann, a.a.O. S. 217.
M Ü H L E N 33
4
Nu¿bat ad-dahr f¬ ‘a™®’ib al-barr wa-l-baΩr, ed. A. Mehren,
5
Cosmographie de Chems-ed-Din ... ad-Dimichqui, Petersburg Übersetzt von E. Wiedemann, Zur Mechanik ..., a.a.O. S.
1866 (Nachdruck Islamic Geography, Bd. 203, Frankfurt 46 (Nachdruck S. 218).
6
1994), S. 181-182; franz. Übers. A.F. Mehren, Manuel de la ar-Rau¥ al-mi‘fl®r f¬ ¿abar al-aqfl®r, ed. E. Lévi-Provençal,
cosmographie du Moyen-Âge, Kopenhagen 1874 (Nachdruck La Péninsule ibérique au Moyen-Âge, Leiden 1938, S. 126;
Islamic Geography, Bd. 204, Frankfurt 1994), S. 247. franz. Übers. ebd. S. 153.
34 T E C H N I K
Was die weitere Verbreitung dieses Typs angeht, Die Frage, ob dieser Typ der Windmühle in Euro-
so hat die Vermutung7 etwas für sich, daß er etwa pa tatsächlich auch gebaut wurde, ist noch offen.10
seit dem 7./13. Jahrhundert China erreicht hat. Die Nach der oben wiedergegebenen Beschreibung
frühest bekannte Entwicklung der Windmühle in von ad-Dima·q¬ befand sich der Mühlstein im
Europa geht auf das 12. Jahrhundert zurück. Ein oberen Teil der Mühle, während der Windapparat
im Jahre 1270 in Canterbury geschriebenes Psal- unten installiert war. Die weitere Entwicklung
menbuch zeigt die ersten englischen Abbildungen führte dazu, daß diese Anordnung umgedreht wur-
einer Mühle mit vertikalen Flügeln.8 de, wie neuere Bilder zeigen (s. Abb. o.). 11
Mehrere Zeichnungen des «persischen» Typs fin- Auf seiner Persienreise konnte Sven Hedin in dem
den sich noch unter den Machinae novae von kleinen Ort Neh in S¬st®n bei einer Gesamtzahl
Fausto Veranzio (1615).9 von 400 Häusern 75 Windmühlen dieses Typs
zählen (vgl. Abb. o. S. 32).12
10
s. noch R.J. Forbes, Studies in Ancient Technology, Bd. 2,
Leiden 1955, S. 111-116; Hugo Th. Horwitz, Über das Auf-
7
Joseph Needham, Science and Civilisation in China, Bd. 4, kommen, die erste Entwicklung und die Verbreitung von
Teil 2, Cambridge etc. 1965, S. 560. Windrädern, in: Beiträge zur Geschichte der Technik und
8
Rex Wailes, A Note on Windmills, in: Charles Singer et al. Industrie 22/1933/93-102; A.Y. al-Hassan, D.R. Hill,
(eds.), A History of Technology, Bd. 2, Oxford 1956, S. 623- Islamic Technology, a.a.O. S. 54-55.
628, bes. S. 623; Hans E. Wulff, The Traditional Crafts of 11
H.E. Wulff, a.a.O. S. 286-289.
Persia, Cambridge (Mass.) 1966, S. 286. 12
Eine Routenaufnahme durch Ostpersien, Stockholm 1926,
9
Machinae novae, München 1965, No. 11, 13. Bd. 2, S. 141; vgl. H.E. Wulff, a.a.O. S. 286.
D I V E R S E A P P A R A T E 35
Hebel in Scherenform
Unser Modell:
Holz, kaschiert
und Messing.
Höhe 57cm.
(Inventar-Nr. E 1.17)
1
Beiträge zur Geschichte der Technik in der Antike
und bei den Arabern, a.a.O. S. 2 (Nachdr., a.a.O. S. 202).
2
Ebd. S. 9-10 (Nachdr., a.a.O. S. 209-210). Zeichnung von H. Schmeller,
3
Die Technik, a.a.O. Sp. 910. Beiträge zur Geschichte der Technik S. 9.
4
Die Technik, a.a.O. Sp. 910.
36 T E C H N I K
Vorrichtung
zum Heben des Wassers
mittels Feuers.
Funktions-
schema der
Vakuum-
pumpe (re-
konstruiert).
K.O.Franke
Unser Modell:
Holz, kaschiert, Kunststoff,
Unter den uns bekannten vier Handschriften des Kupfer und Messing, Talglicht
anonymen Sammelbandes1, welche mit großen Höhe: 61 cm,
Abweichungen griechische, pseudogriechische (Inventar-Nr. E 1.23)
und arabische Erfindungen aus dem Bereich der
Technik beschreiben, bieten die Codices Gotha
Schmeller wie folgt: «Infolge der Erwärmung
1348 und Leiden, Warn. 499 eine Vorrichtung
durch die brennenden Naphtalampen wird die Luft
zum Heben des Wassers mittels Feuers. 2
aus dem oberen Raum ausgetrieben bzw. verzehrt.
Die Funktion der Pumpe, die wir in einem stark
Bei der darauffolgenden Abkühlung tritt eine
verkleinerten Modell darstellen, beschreibt H.
Druckverminderung ein, sodaß der äußere Luft-
druck das Wasser im Kanal in die Höhe drückt.» 3
Nach der Beschreibung unserer Quelle soll diese
1 √stanbul, Ayafofya 3187, Oxford, Bodl. Marsh 669, Gotha Vorrichtung Wasser aus einem 5-25 m tiefen
1348, Leiden, Warn. 499 (= or. 499, s. P. Voorhoeve, Hand- Brunnen heben können. Die Frage, inwiefern man
list of Manuscripts, Leiden 1957, S. 116-117). von dem Verfahren praktisch Gebrauch machen
2 s. H. Schmeller, Beiträge zur Geschichte der Technik in
konnte, muß offen bleiben.
der Antike und bei den Arabern, a.a.O. S. 26 f. (Nachdruck
in: Natural Sciences in Islam, Band 39, S. 197-247, hier
226-227). 3 ebd., S. 27.
D I V E R S E A P P A R A T E 37
Unser Modell:
Kupfer, Messing, Edelstahl.
des Kessels 30 cm.
Mit Heizspirale und
Absperrventil.
(Inventar-Nr. E 1.25)
Wassertank
Der osmanische Astronom und Ingenieur Taq¬yad-
Feuerung
d¬n beschreibt im 6. Kapitel seines Kit®b afl-fiuruq
as-san¬ya fi l-®l®t ar-r‚Ω®n¬ya vom Jahre 953/1546
drei Vorrichtungen zum Drehen eines Bratspießes.
Die erste wird durch die Nutzung der Dampfkraft
bewegt. Die zweite wird durch ein Gewicht betrie-
ben, dessen Gang durch eine Heißluftturbine regu-
liert wird. Die dritte wurde nach dem Prinzip ge-
baut, eine verhältnismäßig kleine Kraft durch
Zahnräder zu übertragen, welche mit einer Hand-
kurbel in Bewegung gesetzt werden.
Bei unserem Modell der ersten Vorrichtung wird
der Spieß zusammen mit einer Schaufelrad-artigen
Turbine durch den Dampf bewegt, der durch ein
Rohr aus einem geschlossenen erhitzten Wasser- Vorrichtung soll einen Pulverstampfer in Gang set-
kessel entweicht. Nach Taq¬yadd¬ns Beschreibung zen.2
wird Wasser in den Kessel nachgefüllt, indem man Eine weitere Stufe erreichte die Nutzung der
die Mündung des Rohres in einen Wasserbehälter Dampfkraft anscheinend bei Philippe-Marie Gri-
steckt. Das reiche aus, um den Kessel wieder zu maldi. Er soll um 1671 einen durch Dampfkraft
füllen. Taq¬yadd¬n berichtet, daß diese Art der angetriebenen Wagen dem mandschurischen Kai-
Dampfvorrichtung zu seiner Zeit weit verbreitet ser K'ang Hsi vorgeführt haben. Eine im 19. Jahr-
war. hundert von Giovanni Canestrini (1835-1900) ge-
Giovanni Branca1 hat 1629 ein Dampfrad abgebil- schaffene Rekonstruktion (s. Abb. 1) befindet sich
det (s. Abb. 2), bei dem der Dampf aus einer metal- in Mailand im Museo Nazionale della Scienza e
lenen Mündung gegen ein Schaufelrad bläst. Die della Technica.3
2
1
s. F.M. Feldhaus, Die Technik, a.a.O. S. 182.
Le machine. Volume nuovo e di molto artificio da fare effetti 3
s. J. Needham, Science and Civilisation in China, a.a.O. Bd.
maravigliosi ..., Rom 1629, figura XXV. 4, Teil 2, S. 225-228.
D I V E R S E A P P A R A T E 39
Unser Modell:
Kupfer, Messing, Edelstahl.
des Kessels 30 cm.
Mit Heizspirale und
Absperrventil.
(Inventar-Nr. E 1.26)
Die zweite Art Mechanismus zum Drehen eines Im Codex Atlanticus des Werkes von Leonardo da
Bratspießes, seinerzeit ebenso geläufig wie die er- Vinci1 (Fol. 5) ist die Skizze eines Bratenwenders
ste, beschreibt Taq¬yadd¬n nur knapp. Anstelle der enthalten (s. Abb. ), welcher durch Rauch oder
Dampfturbine wird hier die im Kamin aufsteigen- vielmehr durch die vom Feuer unter dem Bratspieß
de heiße Luft genutzt, um den Spieß zu drehen. aufsteigende erhitzte Luft betrieben wird.2 Diese
Ähnlich wie bei Wasserschöpfwerken werde zu- Zeichnung, in welcher auch die Zahnradüber-
sätzliche Energie von einem Lot aus Blei zuge- setzung zu sehen ist, war für unsere Rekonstruktion
führt. Dieses kann man sich wohl, wie bei einer sehr nützlich. Ich bezweifle jedoch, daß eine nach
Uhr, als über eine Rolle laufendes Gewicht vor- seiner Skizze gebaute Vorrichtung funktionieren
stellen. Die sicherlich über ein Getriebe auf den würde, da außer der Heißluft offenbar keine weite-
re Energiequelle vorgesehen ist.
Spieß übersetzte Kraft der Heißluftturbine dürfte
also nicht ausgereicht haben, um den Braten hin-
reichend schnell zu bewegen.
1
Leonardo da Vinci, a.a.O. S. 503.
2
Theodor Beck, Beiträge zur Geschichte des Maschinenbaues,
Berlin 1899, S. 425-426.
40 T E C H N I K
Unser Modell:
Bratenwender Messing, Edelstahl.
mit Kurbel und Zahnradgetriebe Höhe: 35cm.
(Inventar-Nr. E 1.27)
Nach seiner Beschreibung der beiden ersten me- nen. Der neue Bratenwender funktioniert mit einer
chanischen Bratenwender, wie er sie in √stanbul Kurbel und einem Getriebe aus vier Zahnrädern,
kennen gelernt hatte, fügt Taq¬yadd¬n hinzu, er und welche eine Übersetzung von 1:10 bewirken und
sein älterer Bruder hätten daselbst im Jahre 953/ damit das langsame Drehen eines schweren Bratens
1546 ein Gerät entwickelt, welches leichter trans- erleichtern.
portabel sein sollte als die üblichen Konstruktio-
D I V E R S E A P P A R A T E 41
Unser Modell:
Holz und Messing,
Kupfergewicht (8 kg).
(Inventar-Nr. E 1.12)
Hebewerk
mit Zahnradgetriebe
1
Ed. A.Y. al-ºasan in Taq¬yadd¬n wa-l-handasa al-m¬k®n¬k¬ya
al-‘arab¬ya, a.a.O. S. 25-26.
42 T E C H N I K
Flaschenzug
Unser Modell:
Messing und Stahl.
Kupfergewicht ca. 15 kg.
Gestell aus Edelstahl,
Höhe: 130 cm.
(Inventar-Nr. E 1.11)
Seite aus
Taq¬yadd¬n,
afl-fiuruq Abb. aus Leonardo da
as-san¬ya, Vinci, a.a.O. S. 490.
Hds. Dublin,
Chester Beatty
Lib. 5232.
1
Sie werden unter den Begriffen bakra («Rolle») oder ™arr al-
a˚q®l («Ziehen von Gewichten») abgehandelt, s. E. Wiedemann,
Zur Mechanik und Technik bei den Arabern, in: Sitzungsberich-
Die Ansicht von F. M. Feldhaus4, daß man Ver- te der Physikalisch-medizinischen Sozietät (Erlangen) 38/1906/
besserungen an den antiken Flaschenzügen erst 1-56, bes. S. 20 (Nachdruck in: Aufsätze zur arabischen Wissen-
im 19. Jahrhundert vorgenommen habe, ist damit schaftsgeschichte, Bd. 1, S. 173-228, bes. S. 192).
2
Kit®b afl-fiuruq as-san¬ya fi l-®l®t ar-r‚Ω®n¬ya, Faksimile-Ed.
hinfällig.
A. Y. al-ºasan, Taq¬yadd¬n wa-l-handasa al-m¬k®n¬k¬ya al-‘ara-
Bei unserem Modell haben wir nur die Hälfte der b¬ya, a.a.O. S. 27-28.
im Original vorgesehenen Rollen berücksichtigt. 3
Leonardo da Vinci, a.a.O. S. 490.
4
Die Technik, a.a.O. Sp. 332.
D I V E R S E A P P A R A T E 43
Die als Ban‚ M‚s® («Söhne des M‚s®») bekann- aufnehme (verschlinge) und [die zweite] in sie ein
ten drei Söhne des M‚s® b. ∞®kir (MuΩammad, wenig hineindringe. Jeder der beiden Zylinder sei
AΩmad und al-ºasan), die in der ersten Hälfte des 1 Elle lang oder länger ... Die eine der Hälften des
3./9. Jahrhunderts lebten, beschreiben in ihrem Ki- Zylinders wird nach der anderen zugerichtet (ge-
t®b al-ºiyal 1 als hundertste Vorrichtung ein Gerät, spalten), damit sich zwischen ihnen nicht ein klei-
das zum Heben von Gegenständen aus Gewässern ner Zwischenraum befindet. Dann bringt man an
dient. Sie sagen: «Wir wollen zeigen, wie man ein ihnen zwei Scharniere (narm®‰a™at®n) an, ...»2.
Instrument herstellt, mit dem der Mensch, wenn er Läßt man die Vorrichtung an den vier außen ange-
es herabläßt, Materie (™auhar) aus dem Meere brachten Ketten ins Wasser, so klappt der Greif-
hervorholt, und die Gegenstände, die in die Brun- zylinder auf. Am Grund angekommen, zieht man
nen gefallen und in den Flüssen und Meeren ihn mit der in der Mitte angebrachten Kette wieder
untergesunken sind. Dazu verfertigen wir die bei- hinauf. Dadurch schließt sich der Zylinder und
den Hälften abjz und wΩde eines [Hohl] Zylin- klemmt die Gegenstände ein, die er umschlossen
ders aus Kupfer, die einander gleich sind; über- hat.
trifft die eine Hälfte die andere um ein weniges an
Gewicht, so ist das für den vorliegenden Zweck
besser, damit die eine Hälfte die andere in sich
2
Übers. E. Wiedemann (mit geringfügigen Veränderungen)
in: Apparate aus dem Werk fi’l-ºijal der Benû Mûsà (Zur
Technik bei den Arabern. 7), in: Sitzungsberichte der Physi-
1
ed. AΩmad Y. al-ºasan, Aleppo 1981, S. 376 -379; engl. kalisch-medizinischen Sozietät (Erlangen) 38/1906/341-348,
Übers. Donald R. Hill, The Book of Ingenious Devices, bes. S. 343-345 (Nachdruck in: Aufsätze zur arabischen Wis-
Dordrecht etc. 1979, S. 242-243. senschaftsgeschichte Bd. 1, S. 306-313, bes. S. 308-310).
44 T E C H N I K
kommt neu
Eine Leuchte,
die auch bei heftigem Wind
nicht erlischt
Unser Modell:
Messing
Höhe: 63 cm.
(Inventar-Nr. E 1.16 )
Um die Mitte des 3./9. Jahrhunderts beschrieben Unser Modell entstand nach der Beschreibung und
die Ban‚ M‚s® (MuΩammad, AΩmad und al-ºasan der Abbildung der Ban‚ M‚s® und nach der Inter-
b. M‚s® b. ∞®kir) in ihrem Kit®b al-ºiyal 1 eine pretation von E. Wiedemann und D. Hill.
Lampe 2, die nicht erlischt, auch wenn sie in star- Der Halbzylinder, in dem sich die Leuchte befin-
kem Wind steht. det, ist in einem Gestell leicht drehbar gelagert. Die
an ihm befestigte Fahne aus Messing bewirkt, daß
er sich bei Luftbewegungen mit der geschlossenen
1
Ed. AΩmad Y‚suf al-ºasan, Aleppo 1981, bes. S. 372-373. Seite dem Wind zuwendet, wodurch das Licht vom
2
Eilhard Wiedemann, Über Lampen und Uhren (Beiträge zur Luftzug nicht gelöscht werden kann. Die Leicht-
Geschichte der Naturwissenschaften. XII), in: Sitzungsberichte
der Physikalisch-medizinischen Sozietät (Erlangen) 39/1907/
gängigkeit der Lager spielt eine entscheidende Rol-
200-225, bes. S. 204-205 (Nachdr. in: Aufsätze zur arabischen le, damit sich die Fahne auch bei leichtem Luftzug
Wissenschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 351-376, bes. S. 355-356); drehen kann.
The Book of Ingenious Devices (Kit®b al-ºiyal) by the Ban‚
(sons of) M‚sà bin Sh®kir. Translated and annotated by Donald
R. Hill, Dordrecht, Boston, London 1979, S. 238-239.
46 T E C H N I K
Gottesleuchte
(Ewiges Licht)
Unser Modell:
Messing, Höhe: 60 cm.
Glas-Sichtfenster.
Holzwand, Höhe 80 cm.
(Inventar-Nr. E 1.06)
1
E. Wiedemann, Über Lampen und Uhren, in: Sitzungsbe-
2
richte der Physikalisch-medizinischen Sozietät (Erlangen) K. al-ºiyal, a.a.O. S. 368-371; engl. Übers. D.R. Hill, The
39/1907/200-225, bes. S. 203-204 (Nachdruck in: Aufsätze Book of Ingenious Devices, a.a.O. S. 236-237.
3
zur arabischen Wissenschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 351- 376, Übers. E. Wiedemann, a.a.O. S. 203-204 (Nachdruck S.
bes. S. 354-355). 354-355).
D I V E R S E A P P A R A T E 47
Umzeichnung von D.R. Hill. Abb. aus Ban‚ M‚s®, K. al-ºiyal (Hds. Berlin, or. quart. 739).
Zeichnung eines von D.R. Hill vorgeschlagenen Abb. aus Ban‚ M‚s®, K. al-ºiyal, (Hds. √stanbul,
Funktionsmodells. Topkapı Sarayı, Ahmet III, 3474).
48 T E C H N I K
Ein
Staunen erregendes
Trinkgefäß
Die «Söhne des M‚s®» (Ban‚ M‚s®) schildern in Unser Modell:
ihrem Kit®b al-ºiyal 1 fünfzehn Vorrichtungen für Holzkasten 43 × 45 × 105 cm.
Trinkgefäße und Tafelaufsätze, die zeigen, «in wie Zwei verzierte Behälter aus Messing, vergoldet.
sinnreicher Weise» sie «die mannigfachsten Auf- Zuleitungen aus Messing und Kunststoff.
gaben zu lösen wußten.»2 Die elfte ihrer Vorrich- (Inventar-Nr. E 1.09)
tungen diente uns als Vorlage.
Das Trinkgefäß wurde bei gesellschaftlichen An-
lässen vorgeführt und diente der Unterhaltung.
Seine Funktionsweise beruht auf hydraulischen
Berechnungen. Gießt man oben langsam Wein ein,
1
so fließt links Wasser und rechts Wein aus. Gießt Kit®b al-ºiyal, a.a.O. S. 319-323; D.R. Hill, The Book of
Ingenious Devices, a.a.O. S. 212-213.
man schnell Wasser ein, so fließt links Wein und 2
E. Wiedemann, Über Trinkgefäße und Tafelaufsätze nach
rechts Wasser. Im Original ist der Behälter ge- al-©azarî und den Benû Mûsà, in: Der Islam 8/1918/55-93,
schlossen zu denken, um keinen Einblick in die 268-291, bes. S. 284-286, 291 (Nachdruck in: Gesammelte
Funktionsweise zu geben. Schriften, Bd. 3, S. 1517-1579, bes. S. 1572-1574, 1579).
A U T O M A T E N 49
bereiten und zu regulieren, daß aus je einer von zwei ner halben Drehung dann kaltes Wasser. Gleichzei-
Leitungen das Wasser in gewissen Intervallen ab- tig läuft in die linke Kammer anfangs kaltes und nach
wechselnd warm oder kalt fließt, während es aus der der halben Drehung heißes Wasser.
anderen Leitung in gleichen Intervallen aber umge- Aus diesen Kammern läuft das Wasser durch große
kehrter Folge zufließt. Durch die Verkürzung der In- Öffnungen in eine darunter liegende Wanne, die eben-
tervalle wird ein Effekt erreicht, der an eine Misch- falls in zwei Kammern geteilt ist. Durch die Rotati-
batterie erinnert. on der oberen Wanne läuft das Wasser wechselseitig
Aus einem Heißwasserbehälter auf der rechten und aus. Bereits nach einer viertel Umdrehung der obe-
einem Kaltwasserbehälter auf der linken Seite der ren Wanne ändert sich der Zufluß in der unteren.
Vorrichtung fließt das Wasser auf ein Wasserrad, das Aus der unteren Wanne wird das Wasser in ein
horizontal unter den Behältern angebracht ist. Durch Becken geleitet, wo sich nun bei einer einzigen
die Drehbewegung des Rades wird eine darunter be- Umdrehung des Wasserrades und der oberen Wan-
festigte Wanne ebenfalls in Drehung versetzt. Die ne vier Mal aus jeder der beiden Wasserleitungen
Wanne ist mittig in zwei Kammern geteilt. Zunächst der Zufluß ändert. In kurzen Intervallen fließt ab-
fließt heißes Wasser in die rechte Kammer, nach ei- wechselnd heißes und kaltes Wasser.
1
Donald R. Hill, Arabic Water-Clocks, a.a.O. S. 37.
2
El capítulo primero del «Kit®b al-asr®r f¬ nat®’iy al-
afk®r», in: Awr®q (Madrid) 5-6/1982-83/7-18.
3 J. Vernet und J. Samsó (Eds.), El Legado Científico Anda- 4 D.R. Hill, Arabic Water-Clocks, a.a.O. S. 39.
5 Ebd. S. 39.
lusí S. 304-309.
52 T E C H N I K
Das komplizierte Werk löst nach etwa einer hal- die Tänzerinnen bewegen sich in das Haus zurück,
ben Stunde einen Mechanismus aus (im Modell ist wobei sich die Türen wieder schließen. Auch die
die Zeit auf fünf Minuten verkürzt). Dann öffnen Ziegen erheben wieder ihre Köpfe. Sodann steigen
sich die beiden Türen und zwei Tänzerinnen er- drei Schlangen vor dem Brunnen auf; nach einiger
scheinen. Gleichzeitig senken vier Ziegenböcke Zeit verschwindet zunächst der Schlangenbe-
die Köpfe zum trinken. Daraufhin taucht ein schwörer, dann die Schlangen.
Schlangenbeschwörer aus einem Brunnen auf und
Springbrunnen
mit wechselnder Gestalt
Unser Modell:
Gesamthöhe: 110 cm.
Messingrahmen um Plexiglas.
Verzierte Schale und Deckel,
sowie Wippe aus vergoldetem Messing.
Schwimmer und Rohre aus Kupfer.
(Inventar-Nr. B 1.07)
1.
Dies ist eine von zwei ursprünglich im 3./9. Jahr-
hundert von den Ban‚ M‚s® beschriebenen Vor-
richtungen, die Ibn ar-Razz®z al-©azar¬ (um 600/
1200) mangelhaft fand und durch eigene Kon-
struktionen ersetzte.
2.
Der zweite der
Springbrunnen,
die al-©azar¬ angefertigt und beschrieben hat.
Unser Modell:
Gesamthöhe: 130 cm.
Messingrahmen um Plexiglas.
Wanne und Schaufeln aus Kupfer.
Verzierter Deckel und
Rohrleitungen vergoldet.
(Inventar-Nr. B 1.08)
1
Eugenio Battisti und Giuseppa Saccaro Battisti, Le macchi-
ne cifrate di Giovanni Fontana, Milano 1984, S. 118.
56 T E C H N I K
Unser Modell:
Messing, 20 × 12,5 cm.
Acrylglaskasten.
(Inventar-Nr. E 1.02)
Ein
Kombinationsschloß
Türschloß
mit vier Riegeln
Perpetuum mobile
Die Darstellung verschiedener Formen der Perpe- gewissen Tradition gestanden hat. Wieweit diese
tua mobilia in den drei bekannten Handschriften Tradition auf griechische bzw. byzantinische
des anonymen arabischen Sammelbandes techni- Quellen zurückgeht ist zur Zeit nicht bekannt.
schen Inhaltes (wahrscheinlich aus dem 6./12. Jh., Derselbe Gedanke, der Europäer bis ins 19. Jh. so
s.a.o. 35)1 erweckt den Eindruck, daß der Gedanke leidenschaftlich beschätigt hat2, taucht schon kurz
eines ‹dauernd Beweglichen›, einer sich ohne äu- vor der Mitte des 13. Jh. bei dem französischen
ßere Energiezufuhr drehenden Maschine, schon Ingenieur Villard de Honnecourt 3 und dann bei
damals ziemlich verbreitet war, ja sogar in einer seinem jüngeren Landsmann Peter Peregrinus4 auf.
te der Technik in der Antike und bei den Arabern, Erlangen 4 s. E. Grant, in: Dictionary of Scientific Biography X, 1974,
Unser Modell (b): Zeichnung aus Mariano Taccola’s Notizbuch (1. Hälfte 15.
Holz und Messing. Jh.)6. Unten auf der Seite befinden sich Skizzen von Kriegs-
Durchmesser 26 cm. maschinen. Das Perpetuum mobile ist durch seine Verblüf-
(Inventar-Nr. E 1.22) fende Ähnlichkeit mit dem in unserem Modell vorgestellten
ein weiterer Beleg für die entscheidende Bedeutung älterer
islamischer Quellen für die Protagonisten der ‹Renaissance›.
Die Beschäftigung mit Perpetua Mobilia hat in Unser arabischer Sammelband beschreibt sieben
Europa später derart zugenommen, daß sich die Arten Perpetua mobilia, wovon vier mit Quecksil-
Académie Française im Jahre 1775 entschloß, ber in Schwung gebracht werden sollten.
keine Lösungsvorschläge dieses Problems mehr Obwohl die hier vorgestellten Modelle – deren
zu prüfen. Reibungsverluste man freilich noch hätte reduzie-
Nach unserer Kenntnis war der Astronom und ren können – per Definition nicht funktionieren,
Physiker Taq¬yadd¬n b. Ma‘r‚f in der islamischen sind sie doch insofern von Interesse, als sie ein
Welt der erste, als er Mitte des 10./16. Jh die Un- fortgeschrittenes Verständnis des Hebelgesetzes
sinnigkeit des Perpetuum mobile ausgesprochen und der Momentberechnung dokumentieren.
hat.5
Architektur
S TAT T E I N E R E I N L E I T U N G
HOCHSCHULEN
Die
Mustan◊ir¬ya-Hochschule
in Ba∫d®d
Unser Modell:
Holz und Kunststoff.
Maßstab etwa 1 : 50.
Maße der Grundplatte:
100 × 60 cm.
Stahlgestell und
Klarsichthaube.
(Inventar-Nr. F 05)
Gesamtansicht unseres
Modells von Osten.
2
Hansjörg Schmid, Die Madrasa des Kalifen al-Mustansir in
Baghdad, a.a.O. S. 1.
68 A R C H I T E K T U R
HOSPITÄLER
Unser Modell:
Holz und Kunststoff.
Maßstab etwa 1 : 50.
Maße der Grundplatte: 100 × 70 cm.
Stahlgestell und Klarsichthaube.
(Inventar-Nr. F 07)
Das
N‚radd¬n-Krankenhaus
in Damaskus
Dieses Krankenhaus, das unter dem Namen al- numenten der islamischen Periode in Damaskus.
B¬m®rist®n an-N‚r¬ bekannt ist, wurde von Am¬r Über die Arbeitsweise und Organisation des Hos-
N‚radd¬n MaΩm‚d b. Zang¬, der türkischer Ab- pitals machte der andalusische Gelehrte Ibn
stammung und Vorgänger des Aiyubiden —al®Ω- ©ubair (gest. 614/1217) anläßlich seines Besu-
add¬n (Saladin) war, im Jahre 549/1154 unmittel- ches in Damaskus im Jahre 580/1184 folgende
bar nach der Befreiung der Stadt gegründet.1 Es Angabe in seinem Reisebericht 2: «In diesem Ort
gehörte zu den bekanntesten Krankenhäusern der (Damaskus) gibt es etwa zwanzig Schulen und
islamischen Welt und war bis ins 13./19. Jahrhun- zwei Krankenhäuser, ein altes und ein neues. Das
dert hinein in Betrieb. Neben der Großen Moschee neue wird mehr besucht und ist das größere. Sein
und der Zitadelle zählt es zu den wichtigsten Mo-
2
The Travels of Ibn Jubayr, ed. W. Wright, 2 nd ed. rev. M.J. de
1
s. E. Herzfeld, Damascus: Studies in Architecture, in: Ars Goeje, Leiden 1907, S. 283; E. Herzfeld, Damascus: Studies,
Islamica (Ann Arbor) 9/1942/1-53, bes. S. 4. a.a.O. S. 5.
H O S P I T Ä L E R 69
Innenansicht des
Krankenhauses
(historisches Photo
nach Terzioªlu).
1
Arslan Terzioªlu, Mittelalterliche islamische
Krankenhäuser, a.a.O. S. 121-125.
H O S P I T Ä L E R 71
Unser Modell
(des erhaltenen Teils):
Holz und Kunststoff
Grundplatte 94 × 119 cm.
(Inventar-Nr. F 08)
Das
Qal®w‚n-Krankenhaus
in Kairo
1. Säulenhof.
2. Saal (¡w®n) für bettlägerige Patienten (Männer).
3. Saal (¡w®n) für bettlägerige Patienten (Frauen).
4. Saal (¡w®n) für Genesende (Männer).
5. Saal (¡w®n) für Genesende (Frauen).
6. Pflegepersonal.
7. Treppe zur Wohnung des Oberarztes.
8. Küche und Nebenräume.
9. Raum für Särge.
10. Raum zur Waschung von Leichen.
11. Lager.
12. Sitz des Oberarztes.
13. Sitz des Chirurgen.
14. Sitz des Augenarztes.
15. Gedeckter Brunnen.
16. Pfeilerhof.
17. Latrinenhöfe.
18. Zellen für Geisteskranke (Männer).
20. Zellen für Geisteskranke (Frauen).
21. Treppe zur Terrasse.
22. Wasserbecken.
brunnen und in der Mitte des Hofes ein Behälter, in welchen das in irgend einer Krankheit nötig haben konnte. Der Sultan stellte
Wasser aus den Springbrunnen floß ... Als der Bau vollendet männliche und weibliche Bettmacher an zur Bedienung der
war, vermachte al-Malik al-Man◊‚r dafür an Grundbesitz in Kranken und bestimmte ihnen die Gehälter; er errichtete die
Ägypten und anderen Ländern so viel, daß daraus jährlich eine Betten für die Kranken und versah sie mit allen Arten von Dek-
Einnahme von nahe an einer Million Dirhem bezogen wurde, ken, die in irgend einer Krankheit nötig waren. Jede Klasse von
und er bestimmte die Plätze, an denen das Geld für das Hospi- Kranken bekam einen besonderen Raum: Die vier Säle des Hos-
tal, das Bethaus, die Akademie und die Waisenschule bezahlt pitals bestimmte er für die an fiebern und dergleichen Leiden-
werden sollte. Hierauf ließ er einen Becher mit Wein aus dem den, einen Hof sonderte er für die Augenkranken, einen für die
Hospital bringen, trank daraus und sprach: Dieses habe ich ge- Verwundeten, einen für die, welche an Durchfall litten, und ei-
stiftet für meines Gleichen und für Geringere, ich habe es be- nen für die Frauen; ein Zimmer für diejenigen, die auf dem
stimmt zu einer Stiftung für den König und den Diener, den Wege der Genesung sind, teilt er in zwei Teile, den einen für
Soldaten und den Am¬r, den Großen und den Kleinen, den Frei- die Männer und den andern für die Frauen. In alle diese Stellen
en und den Sklaven, Männer und Frauen. Er bestimmte dafür ist das Wasser geleitet. Ein besonderes Zimmer war für das Ko-
die Medikamente, die Ärzte und alles übrige, was jemand darin chen der Speisen, Medikamente und Sirupe, ein anderes für das
H O S P I T Ä L E R 73
Details unseres Modells, rechts: Fassade von Nordwesten; links: Rekonstruierter Innenraum (No. 4 auf dem Plan o.).
angebaut, unter der Wüstenfeld treffend eine Aka- Pascal Coste, ein Ingenieur aus Frankreich, der in
demie versteht. Es steht nicht fest, ob medizini- den Jahren 1818-1825 von der ägyptischen Regie-
sche Vorlesungent darin stattfanden oder in spezi- rung mit der Errichtung von Fabriken beauftragt
ellen Räumen des Krankenhauses. Zum Lehrkör- war, hat einige wertvolle Ansichtszeichnungen
per gehörte mit großer Wahrscheinlichkeit der und eine Grundrißskizze des Krankenhauses hin-
Arzt und vielseitige Gelehrte ‘Al¬ b. Abi l-ºazm terlassen.5
Ibn an-Naf¬s (gest. 687/1288), der Entdecker des Die drei Stiftungsurkunden des Krankenhauses
Lungenkreislaufes2 , der sein Haus und seine Bi- aus den Jahren 684/1285, 685/1286 und 686/
bliothek dem Krankenhaus stiftete3 . 1287 wurden im Jahre 1913 in Kairo wiederent-
Das Krankenhaus befand sich noch im 17. Jahr- deckt und befinden sich zur Zeit im dortigen Mini-
hundert in gutem Zustand und scheint erst im 18. sterium für das Stiftungswesen. Die von dem
Jahrhundert in Verfall geraten zu sein. Heute ste- Medizinhistoriker Ahmed Issa Bey 6 ins Französi-
hen im wesentlichen noch die tragenden Wände. sche übersetzten Auszüge zeugen vom hohen
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde daran an- Stand des Krankenhauswesens im arabisch-islami-
schließend ein neues Krankenhaus unter demsel- schen Kulturkreis im 7./13. Jahrhundert.
ben Namen gebaut.4 Die ägyptische Regierung
plant auch, das alte wieder herzurichten.
Das Krankenhaus wurde im Jahre 889/1484 zu- Und «ein an die Medrese anschließender Bauteil
sammen mit einer Akademie (Madrasa), einer Mo- mit großem Innenhof, Küche und Wäscherei».
schee und einer Armenküche (‘Im®rat) am Fluß «Das eigentliche Krankenhaus ist ein im Durch-
Tunca in Edirne gegründet. «Hinter der Moschee messer ca. 30 m großer sechseckiger Bau mit
am Flußufer des Tunca hatte Sultan Bayezid II. ei- sechs Krankenzimmern als geschlossene Räume
nen Hafen bauen lassen, um von diesem Baukom- und mit fünf Nischen in Form von ¡w®nen. Die
plex zu seinem Schloß in Edirne mit dem Schiff Krankenzimmer und Nischen umgeben einen
fahren zu können.»1 kuppelüberwölbten Mittelsaal. Dadurch wurde die
Das Krankenhaus besteht nach Terzioªlu aus drei Möglichkeit geschaffen, daß man mit wenigem
Teilen: Pflegepersonal mehrere Kranke versorgen konnte
Das «eigentliche Krankenhaus (D®r a·-·if®’) mit ... Hier hat der Architekt Hayreddin an erster Stel-
einer großen zentralen und 12 kleinen Kuppeln». le ein zweckentsprechendes Gebäude geschaffen.
Ein «daneben um einen kleinen Innenhof grup- Während die danebenliegende Hochschule wieder
pierter Bauteil, der vorwiegend Verwaltungs- den alten Medresetypus zeigt, beweist die eigenar-
zwecken dient». tige Form des Krankenhauses, daß der Baumeister
unter Berücksichtigung der Funktion neue Wege
gegangen ist.»
1
A. Terzioªlu, Mittelalterliche islamische Krankenhäuser,
a.a.O. S. 190.
H O S P I T Ä L E R 75
Dank einer Stiftungsurkunde von 52 Seiten aus abgeschlossen, so ist es, als ob sie neues Leben
dem Jahre 893/1488 sind wir über die Art und brächten. In allen Instrumenten und Makamen
Weise der Arbeit, Organisation und Finanzierung liegt Nahrung für die Seele.»
des Krankenhauses ausführlich informiert.2 Eine Das Krankenhaus war, mit einer kurzen Unter-
wertvolle Beschreibung des Krankenhauses gibt brechung zwischen 1876 und 1894 durch den
der bekannte Reisende Evliy® Çeleb¬ (11./17. Jh.). türkisch-russischen Krieg, bis kurz vor Beginn
Sie wurde von Georg Jacob im Jahre 1912 ins des ersten Weltkrieges in Betrieb. Zu Beginn der
Deutsche übersetzt.3 Daraus seien hier, mit eini- zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde es ei-
gen Modifikationen, die Ausführungen über die ner radikalen Renovierung unterzogen.
Musiktherapie der Geisteskranken übernommen:
«Eine merkwürdige Sache habe ich gesehn: Des
seligen Bajezid II Majestät ... hat in der Stiftungs-
urkunde als Heilmittel für die Kranken, zur Gene-
sung der Schmerzleidenden, um den Geist der
Wahnsinnigen zu stärken und die Galle zurückzu-
treiben, 10 Musiker angestellt; 3 davon sind Sän-
ger, die übrigen je ein Spieler der Rohrflöte
(n®yzen), der Stachelviola (kem®n¬), der Panflöte
(m‚s¬q®r¬), des Dulcimer (◊ant‚r¬), der Harfe
çeng¬), eines Harfenpsalteriums (? çeng¬-◊ant‚r¬)
und der Laute (‘‚d¬). Sie kommen wöchentlich
dreimal und spielen für die Kranken und Wahnsin-
nigen. Mit der Erlaubnis des Allmächtigen fühlen
sich viele von ihnen erleichtert. Tatsächlich sind
nach der Wissenschaft von der Musik die Maka-
men nev®, r®st, düg®h, seg®h, ç®rg®h und s‚zin®k
Teilmodell des Kuppelsaals mit den
besonders für diese [Kranke und Wahnsinnige]
Räumen 1-13 und 21, 31 × 31 cm.
bestimmt. Werden jedoch die Makamen zeng‚le
und b‚selik [gespielt und] mit dem Makam r®st Grundriß des Krankenhauses von B®yez¬d II.
(nach Terzioªlu)
MOSCHEEN
Die
➢ Unser Modell:
Holz und Kunststoff,
⁄ehz®de-Moschee Kuppeln aus Bleiguß.
in √stanbul Maßstab 1: 50.
Grundplatte 117 × 94 cm.
(Inventar-Nr. F 09)
Unser Modell vermittelt die einfachen Linien der Stil.1 Die ⁄ehz®de-Moschee ist die erste der drei
äußeren Gestaltung eines Moscheekomplexes, in großen Moscheen, die Mi‘m®r Sin®n (geb. 895/
dem viele Architekturhistoriker den Beginn der 1490, gest. 996/1588), der größte Architekt der
Bauperiode der Großmoscheen in √stanbul sehen, Osmanen, gebaut hat. Der Moscheekomplex wur-
bei deren Entstehungsfrage man zwei wesentliche de von Q®n‚n¬ Süleym®n (‹dem Prächtigen›) in
Entwicklungsstufen der osmanischen Baukunst Erinnerung an seinen 950/1543 gestorbenen er-
unterscheidet: Die Anfänge seit ca. 700/1300 in sten Sohn Prinz MeΩmed errichtet. Das Jahr des
Anatolien und in Edirne bis zur Eroberung von Baubeginns ist umstritten; vollendet wurde der
Byzanz im Jahre 857/1453, sowie danach – ange- Bau im Jahre 955/1548. Mit der Planung und
regt durch die direkte Bekanntschaft mit der Hagia Ausführung wurde ein höherer Offizier mit Namen
Sophia und anderen antiken Baudenkmälern der Sin®n beauftragt, der sich als Pionieringenieur ei-
neuen Hauptstadt – ein origineller, monumentaler
4 5
➢
nen Namen gemacht und auch bereits einige klei- dann in systematischen Schritten eine Vielfalt le-
nere Moscheen gebaut hatte. Er selbst hat später bendiger wirkender Grundrisse herauszuentwik-
diese «erste Sultansmoschee von wahrhaft monu- keln gewesen wäre.»3
mentalem Ausmaß» als sein «Lehrlingsstück» be- Die Moschee hat insgesamt 183 Fenster, «die dem
zeichnet.2 einheitlichen Raume in allen Teilen eine gleich-
«Sin®n, dem von Beginn an eine zentralisierte mäßige Helligkeit geben. Die Fenster haben noch
Grundrißgestaltung vorgeschwebt hatte, griff zu ihre alte Verglasung mit einem zierlichen Spros-
der Lösung, den Kuppelraum nicht durch zwei, senwerk und einigen Teilen bunter Bemalung.»4
sondern durch vier ausgliedernde Halbkuppeln zu Die Länge der Hauptkuppel beträgt 19 m, ihre
erweitern. Dies war nun allerdings der nahelie- Scheitelhöhe 37 m.5
gendste und logischste Weg, um Zentralisierung Zum Gesamtkomplex gehören neben der Moschee
mit Raumerweiterung zu verbinden; indes lag dar- eine Akademie (Medrese), eine Kinderschule,
in aber auch die Gefahr allzu großer Gleichför- eine Armenküche und ein Karawanserai. Sie
migkeit und Übersymmetrie, die leicht ermüdend stehen an den Außenseiten der Hofmauer. Im
wirken konnte. Zudem stehen die vier großen Moscheehof befindet sich das Mausoleum des
Hauptpfeiler unter der Kuppel etwas verloren und Prinzen MeΩmed.
isoliert im Raum, wodurch ihre notwendig massi-
ve Natur in fast schon untunlich betonter Weise
zur Geltung gelangt. Diese ästhetischen Fragwür-
digkeiten scheinen Sin®n nach Abschluß der Bau-
arbeiten selbst bewußt geworden zu sein – er hat
sie kein zweites Mal mehr wiederholt. Allerdings
ließe sich auch im Hinblick auf das Gesamtwerk,
das ein konsequentes Durchprobieren sämtlicher
Grundrißmöglichkeiten erkennen läßt, die Vermu- Abb. Oben: Epitaphe der türbe (Mausoleum) des ⁄ehz®de
tung anstellen, ob hier nicht so etwas wie eine MeΩmed sowie derjenigen des Rüstem Pa¤a im ⁄ehz®de-
Modellmoschee geschaffen werden sollte, aus der Komplex.
3 Ebd. S. 238.
4
Cornelius Gurlitt, Die Baukunst Konstantinopels, Textband,
2John Freely, Hilary Sumner-Boyd, Istanbul, deutsche Übers. Berlin 1907, S. 68.
5 D. Kuban, Sinan’ın sanatı, a.a.O. S. 69.
Wolf-Dieter Bach, München 1975, S. 237.
⁄ E H Z Â D E C Â M I ‘ I 79
➢
Die Unser Modell:
Holz und Kunststoff.
Süleym®n¬ye-Moschee Kuppeln aus Bleiguß.
Maßstab etwa 1 : 150.
Maße der Grundplatte: 155 × 125 cm.
Stahlgestell.
Die Süleymaniye Camii (so der Name der Mo- (Inventar-Nr. F 01)
schee im heutigen geschriebenen Türkisch) ist
chronologisch gesehen die zweite große Moschee,
die der Architekt Sin®n gebaut hat. Mit ihren so-
zialen und kulturellen Einrichtungen bildet sie Die Zahl der Minarette erhöhte Sin®n auf vier. Die
vielleicht den größten architektonischen Gesamt- beiden höheren (je 76 m) an der Hofseite der Mo-
komplex, der im Osmanischen Reich entstanden schee haben je drei Umgänge (¤erefe), die beiden
ist. Der Bau wurde im Jahre 95 7/1550 begonnen kleineren (je 56 m) an der Außenseite des Hofes
und im Jahre 964/1557 vollendet.1 Es wird be- haben je zwei Umgänge.
richtet, daß Sulfl®n Süleym®n selbst den Bauplatz Im System der Moschee findet Cornelius Gurlitt 3
vorgeschlagen hat und daß er bei der Schlüssel- eine Fortentwicklung zu dem der B®yez¬d-Mo-
übergabe die feierliche Eröffnung des Baues sei- schee in √stanbul: «Die Hauptkuppel und zwei
nem Baumeister Sin®n anvertraut hat.2 Halbkuppeln als Überdeckung des Mittelraumes.
13
14
11 12
10
15
3
2
9
1
4
6 5
Die letzteren gestützt durch je zwei diagonal ge- konnten. Renaissancemeister der gleichen Zeit,
stellte Halbkuppeln, so daß ein Raum [von] 52,4 etwa ein San Gallo, würde freilich Anstoß daran
Meter überspannt ist. Die Pfeiler, die in ihren Aus- genommen haben, daß die Achsen der Bogenstel-
ladungen 7,44 zu 7,56 Meter Stärke haben, aber lungen, auf denen die Kuppeln ruhen, nicht mit
bei aller Ruhe und Wucht infolge der Gliederung jenen der Kuppeln zusammenfallen. Man betrach-
des Umrisses und durch eingestellte Nischen nicht te die Anordnung der Mittelkuppeln des Seiten-
schwerfällig wirken, sind in sehr geistvoller Weise schiffes: Durch Einstellen eines Bogens über den
so ausgebildet, daß die Seitenschiffe je von fünf auf den Säulen der Außenseite ruhenden [sic] und
Kuppeln verschiedenen Durchmessers überdeckt durch die höchst bewegliche Form der Tropfstein-
werden konnten. Die Anordnung zeigt die vollste zwickel ist die Schwierigkeit klar und einleuch-
Beherrschung der Komposition, so daß die Wöl- tend überwunden.»
bungen überall organisch ausgebildet werden
82 A R C H I T E K T U R
Innenraum mit Blick auf das miΩr®b (aus St. Yerasimos, √stanbul, a.a.O. S. 263).
84 A R C H I T E K T U R
Die Sel¬m¬ye-Moschee
➢ Unser Modell:
Holz und Kunststoff.
Kuppeln aus Blei.
Maßstab etwa 1 : 100
Maße der Grundplatte: 100 × 10 0 cm
(Inventar-Nr. F 02)
Die in heutigem Türkisch Selimiye Camii ge-
schriebene Moschee in Edirne ist die dritte Groß-
moschee, die Mi‘m®r Sin®n gebaut hat. Sie ent- drei Monate vorher gestorben. Die Sel¬m¬ye-Mo-
stand im Auftrag des Osmanensultans Sel¬m II. schee gilt im allgemeinen als Höhepunkt des Le-
Der Bau dauerte von 976/1568 bis Ende 982 benswerkes von Sin®n und seiner im Laufe eines
(März 1575).1 Der schwer erkrankte Sulfl®n war nahezu halben Jahrhunderts durch intensive Arbeit
1: Moschee
2, 3: Schulgebäude.
gewonnenen Erfahrung und Vertrautheit mit der liegen in gleicher Höhe etwa 1 Meter über dem
architektonischen Materie. In diesem Sinne soll er Erdboden und bilden zusammen ein geschlossenes
sich geäußert haben, indem er sagte, er habe die Rechteck von rund 60 m Breite und 95 m Länge,
⁄ehz®de-Moschee in seiner Lehrlingszeit gebaut, aus dessen Seiten nur die Unterbauten der Mina-
die Süleym®niye-Moschee in seiner Meisterzeit, rets und eine Abside auf der Südseite mäßig her-
den Höhepunkt seines Könnens als Architekt aber vortreten. Fast die Hälfte dieser Fläche wird von
habe er mit dem Bau der Sel¬m¬ye-Moschee zum dem Vorhofe in Anspruch genommen. Derselbe
Ausdruck gebracht.2 ist von rechteckiger Form und liegt quer zur
«Die Moschee umfaßt die bei allen größeren Anla- Hauptachse des Gebäudes. Die an allen vier Seiten
gen üblichen Hauptteile: den Vorhof (Haram) und befindlichen Bogenhallen von rund 8 m bzw. 9 m
den Versammlungsraum, Betraum (Djami). Beide Weite umgeben einen freien Hofraum von 37, 40
zu 24,80 m.»
«Die Grundform des Gebetraumes zeigt sich in gegliedert ist, bereitet dieser Teil des Vorhofes,
ihrem äußeren Umfange ebenfalls als ein zur als eine selbständige Vorhalle von edlen Verhält-
Hauptachse quer liegendes Rechteck, in dessen nissen und monumentaler Behandlung auf unver-
Mitte jedoch ein regelmäßiges Achteck einge- gleichliche Weise den Eintritt zur Stätte der Anbe-
schrieben ist. Letzteres bildet die tung vor.»4
Grundform für die Entwickelung «Ein großartiges, in den reichsten Formen otto-
des eigentlichen Raumkernes. Die manischer Kunst ausgestattetes, durch Stalaktiten-
verbleibenden Grundrißteile zu bei- bildungen und reiche Ornamentik geschmücktes
den Seiten des Achtecks sind zur Er- Nischenportal führt uns nunmehr durch die Vor-
weiterung des Raumes, Hallen-Anla- halle in den Hauptraum der Moschee, den Gebets-
gen und Emporen verwendet. Die oder Versammlungsraum. Wir befinden uns sofort
Lichtmaße des Hauptraumes betra- – nach Passieren eines halb dunkeln, von Teppich-
gen, zu ebener Erde im Rechteck ge- gehängen gebildeten Windfanges – unter dem wei-
messen, rund 45 zu 35,90 m. Die ten Gewölbe der Hauptkuppel. Unsere kühnsten
Weite des Achtecks ist rund 31, 4 0 m durch den einleitenden Vorbau gesteigerten Er-
bei einem Pfeilerabstand von wartungen sehen wir von diesem sich über uns
10,50 m.»3 wölbenden Dome übertroffen. Aus acht gewalti-
«Drei mächtige Hauptbögen von gen, im Umkreise emporsteigenden Pfeilern von
zwei kleineren Zwischenbögen ge- annähernd zylindrischer, aber vielseitig geglieder-
trennt, erreichen hier von stattlichen ter Form entwickeln sich zwei Reihen von mächti-
polierten Granitsäulen getragen, in gen spitzbogigen Gewölbbögen geschoßweise
rythmischem Wechsel, fast die dop- über einander, alle dem gemeinsamen Zwecke die-
pelte Höhe der Seitenhallen. Mit drei nend, die Kuppelwölbung zu tragen und wohl ge-
Kuppeln über den Hauptbögen be- rade durch diese Einheitlichkeit ihrer Bestimmung
krönt, von denen die mittlere noch von so eindrucksvoller Wirkung.» 5
zu größerer Höhe empor gehoben Die lichte Länge des Durchmessers der Haupt-
und besonders reich rippenförmig kuppel, d.h. die Entfernung der die Kuppel tragen-
den Mauern und Pfeiler, beträgt 31,50 m.6
Die
Sulfl®n AΩmed-Moschee ➢ Unser Modell:
Holz und Kunststoff.
Maßstab 1 : 100.
Maße der Grundplatte: 130 × 100 cm.
Stahlgestell.
Die Sulfl®n AΩmed C®mi‘i ist wegen der lichtblau-
(Inventar-Nr. F 03)
en Färbung ihres Inneren auch als Blaue Moschee
bekannt. Sie wurde im Auftrag des Osmanen-
sulfl®n’s AΩmed I. (reg. 1012/1603-1026/1617) «Viele halten diesen Bau für die schönste aller
errichtet. Der Architekt hieß MeΩmed §∫®. Mit Sultansmoscheen; mag sein. Sicher gewährt der
dem Bau wurde im Jahre 1609 begonnen, als der Stufenbau der Kuppeln und Halbkuppeln, das silb-
Bauherr 19 Jahre alt war. Die Vollendung erfolgte rig zarte Grau des Steins und der Bleidächer mit
im Jahre 1616, das der Sultan nur um ein Jahr dem Gold der aufgesetzten Zierate an Minaretten
überlebt hat. Es wird berichtet, daß er sich an der und Kuppeln ein prächtiges Bild. Intensiviert wird
Grundsteinlegung mit goldener Hacke beteiligt dieser reiche Außeneindruck noch durch die An-
habe.1 zahl der Minarette: es sind deren sechs – also zwei
mehr, als andere Sultansmoscheen Istanbuls auf-
1Mücteba Ilgürel, Art. Ahmed I, in: Islâm Ansiklopedisi, weisen. So erscheint dieser Bau imposant, ohne an
Bd. 2, √stanbul: Türkiye Diyanet Vakfı 1989, S. 33.
S U L fi § N A º M E D C § M √‘√ 89
Schwere denken zu lassen, und die Anmut, die der «Die zur Moschee gehörenden Stiftungen des Ge-
Betrachter vage verspürt, bleibt mehr atmosphä- samtkomplexes (küll¬ye) hatten einen angemesse-
risch angesichts der Mächtigkeit dieser Formen, nen Umfang und schlossen eine Medrese (...), die
die nur um weniges weicher und verschliffener Sultanstürbe, Hospital und Karawanserei, Grund-
sind als jene der Großmoscheen Sin®ns.»2 schule, Armenküche und Bazar ein. Hospital und
«Die Blaue Moschee ist ein nahezu quadratischer Karawanserei wurden im 19. Jahrhundert abgeris-
Raum (51 m lang, 53 m breit), den eine Kuppel sen, die Armenküche wurde in das Gebäude der
von 23,5 m Durchmesser und 43 m Scheitelhöhe Schule für Angewandte Kunst an der Südseite des
überwölbt. Sie wird getragen von vier weiten At Meydanı einbezogen. Die Grundschule ist
Spitzbögen, die das Kuppelrund über vier Zwickel jüngst renoviert worden – es ist das Gebäude an
dem quadratischen Grundriß des Kernraums ver- der Nordseite der äußeren Umfassungsmauer der
mitteln, der durch die mächtigen Stützpfeiler an Moschee. Die an sich recht große Medrese, die
seinen Ecken markiert ist.»3 aber im Verhältnis zur Moschee klein erscheint,
«Licht flutet ins Innere durch 260 Fenster, die frü- liegt außerhalb der Umfassungsmauern des Kom-
her mit buntem Glas versehen waren, gleich der plexes nach Nordosten, ganz nahe bei der unge-
Wand des Mihrabs. Es ist geplant, weitere Fenster wöhnlich großen Türbe auf quadratischem Grund-
wieder mit bunten Glaseinlagen zu versehen, da- riß. In dieser Türbe ... liegt AΩmed I. neben seiner
mit wenigstens ungefähr der alte Eindruck eines Gattin Kösem Sultan und drei Söhnen: Mur®d IV.,
zwar nicht dämmerigen, aber doch gedämpft be- ‘O–m®n II. und Prinz B®yez¬d.»5
lichteten Raums erzielt wird.»4
2 4 Ebd. S. 152.
J. Freely, H. Sumner-Boyd, Istanbul, a.a.O. S. 149.
3 Ebd. S. 151. 5 Ebd. 153 -154.
90 A R C H I T E K T U R
Innenraum der Sulfl®n AΩmed C®mi‘i mit Blick auf das miΩr®b, (aus St. Yerasimos, √stanbul, a.a.O. S. 333).
Kapitel 12
Kriegstechnik
Einleitung
Vermutlich werden Kenntnisse und Errungen- reich eine wesentliche Entwicklung durchgemacht
schaften anderer Kulturkreise auf keinem anderen hat. Daß die seit dem 3./9. Jahrhundert in der ara-
Gebiet des Wissens so schnell übernommen wie in bisch-islamischen Welt Jahrhunderte lang konti-
der Kriegstechnik. Die rasche und weite Expansi- nuierlich bestehenden Fortschritte in Bereichen
on durch die Eroberungen der Muslime im ersten wie Physik, Chemie und Technik nicht ohne Wir-
Jahrhundert nach ihrem Erscheinen auf der Bühne kung auf die Kriegstechnik bleiben würden, ver-
der Weltgeschichte erlaubt es vorauszusetzen – steht sich von selbst. Den Beitrag der islamischen
freilich nicht ohne historische Dokumentation –, Länder zur Waffentechnik haben Joseph-Tous-
daß diese die höhere Qualität der Waffen ihrer saint Reinaud und Ildephonse Favé in ihren zwi-
Gegner schnell erkannt und sich die Kenntnis da- schen 1845 und 1858 erschienenen Arbeiten4
von zu eigen gemacht haben. weitgehend herauskristallisieren können. Ihre Er-
Zu den ihnen zunächst überlegenen Gegnern ge- gebnisse, die sie aus dem Studium der ihnen da-
hörten neben den Byzantinern auch die Perser. Es mals zugänglichen Handschriften arabischer Wer-
ist daher nicht verwunderlich, daß sich die ältesten ke über Kriegstechnik und aus Nachrichten in
aus dem arabischen Schrifttum bekannten Bücher Geschichtswerken erlangt haben, sind bis heute
über Kriegstechnik als Übersetzungen von Wer- weitgehend gültig. Darüber hinaus führen uns ei-
ken von Persern aus der Sasanidenzeit oder von nige im Laufe der Zeit bekannt gewordene weitere
Indern1 erweisen. Der Wissenschaftshistoriker Ibn wichtige Handschriften und historische Nachrich-
an-Nad¬m, der im 4./10. Jahrhundert lebte, ver- ten heute weiter. Die von Reinaud und Favé er-
zeichnet außerdem ein arabisches Buch über die zielten Ergebnisse und die Ansichten, die sie hin-
Verwendung einer Art des griechischen Feuers sichtlich des arabisch-islamischen Kulturkreises in
(Kit®b al-‘Amal bi-n-n®r wa-n-naffl wa-z-zarr®q®t der Geschichte der Kriegstechnik vertreten haben,
fi l-Ωur‚b 2 ) neben einem Buch über Rammböcke, wurden in der zweiten Hälfte des 19. und der er-
Steinschleudern und «Kriegslisten» (Kit®b ad- sten Hälfte des 20. Jahrhunderts in nicht-arabis-
Dabb®b®t wa-l-man™an¬q®t wa-l-Ωiyal wa-l-mak®- tischen Studien über das Thema recht gut berück-
yid 3 ). Vor einem solchen Hintergrund können wir sichtigt. Es fällt dagegen auf, daß in den Studien
den Bericht des Historikers afl-fiabar¬ (gest. 310/ aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kaum
923) besser bewerten, in dem es heißt, der Abbasi- etwas davon zur Kenntnis genommen wurde,5 aus-
denkalif al-Mu‘ta◊im habe bei der Eroberung der genommen sind die verdienstvolle History of
Stadt Amorium (südwestlich von Ankara) im
Jahre 213/837 fahrbare Rammböcke eingesetzt
(s.u.S. 137 f.). 4 Reinaud und Favé, Histoire de l’artillerie. 1ère partie: Du
Ohne den Beitrag, welcher dem arabisch-islami- feu grégeois, des feux de guerre et des origines de la poudre
schen Kulturkreis in der universalen Geschichte à canon, Bd. 1 (texte), Bd. 2 (planches), Paris 1845; Reinaud
und Favé, Du feu grégeois, des feux de guerre, et des
der Wissenschaften zukommt, auf diesem Gebiet origines de la poudre à canon chez les Arabes, les Persans et
unangemessen hoch bewerten zu wollen, muß les Chinois, in: Journal Asiatique, sér. 4, 14/18 49/257-327;
doch betont werden, daß auch die Kriegstechnik in Reinaud, De l’art militaire chez les Arabes au moyen âge, in:
der Periode zwischen der Spätantike und der soge- Journal Asiatique, sér. 4, 12/1848/193-237; Reinaud, Nou-
velles observations sur le feu grégeois et les origines de la
nannten Renaissance im arabisch-islamischen Be-
poudre à canon, in: Journal Asiatique, sér. 4, 15/1850/371-
376.
5 Darüber beklagte sich bereits Kalervo Huuri (Zur Ge-
1 Fihrist von Ibn an-Nad¬m, ed. G. Flügel, Leipzig 1872, S.
314-315. schichte des mittelalterlichen Geschützwesens aus orientali-
2
Ebd. S. 315; J. Reinaud, De l’art militaire chez les Arabes schen Quellen, Helsinki und Leipzig 1941, S. 25): «In dieser
au moyen âge, in: Journal Asiatique, sér. 4, 12/1848/193- schon erforschten Geschichte des Geschützwesens gibt es
237, bes. S. 196. eine Menge Lücken. Erstens beschränkt sie sich ausschließ-
3
Fihrist, a.a.O. S. 315; J. Reinaud, De l’art militaire, a.a.O. lich auf antike und europäische Verhältnisse und zieht die
S. 196. morgenländischen nicht mit in Betracht . . . »
9 4 K R I E G S T E C H N I K
Greek Fire and Gunpowder von J.R. Partington Jahre 467/10 71 aufgeführt.3 Nach seiner Angabe
(1960), der entsprechende Teil aus Science and wog ein Pfeil ca. 2.200 Gramm. Der französische
Civilisation in China (vol. 5, part VI, 1994) von Historiker Jean de Joinville berichtet, die Ägypter
Joseph Needham und Zur Geschichte des mittelal- hätten während des Kreuzzuges von Ludwig IX.
terlichen Geschützwesens aus orientalischen im Jahre 1249 die Franzosen bei Man◊‚ra unter
Quellen von Kalervo Huuri. anderem viermal aus der Windenarmbrust mit
Wenn ich jetzt daran gehe, einige neue Elemente griechischem Feuer beschossen.4
anzuführen, die meiner Ansicht nach in der Die Beschreibung unserer arabischen Quellen be-
Kriegstechnik des arabisch-islamischen Kultur- stätigt G. Köhlers 5 Vermutung, die Windenarm-
raumes entwickelt oder entdeckt wurden, so be- brust sei «eine gewöhnliche Armbrust» gewesen,
schränke ich mich hier auf die große Armbrust, «die sich nur durch ihre grössern Abmessungen
die Gegengewichtsblide, das Schießpulver und die von der Handarmbrust (Stegreifarmbrust) [arab.
Feuerwaffen. Es sind dies Elemente, die in der qaus al-yad] unterschied und durch eine Winde
Geschichte der europäischen Kriegstechnik im (tour) [arab. laulab] gespannt wurde.» Wir können
13. bzw. 14. Jahrhundert als Neuerungen in Er- uns wohl vorstellen, daß es sich um diesen Typ
scheinung treten. handelte, als Kaiser Friedrich II. im Jahre 1239 ei-
nem nach Accon segelnden Kapitän auftrug, dort
tres bonas balistas de torno et de duobus pedibus
a) Windenarmbrust (arab. qaus al-‘aqq®r) zu kaufen.6
In dem erwähnten arabischen Buch7 über Kriegs-
Von den unterschiedlichen Arten der Armbrust,
wesen und -technik, das dem Prinzen —al®Ωadd¬n
die schon bei den Griechen, den Römern und den
(Saladin) gewidmet war, wird eine Armbrust mit
sasanidischen Persern zur Artillerie gehörten, er-
großen Dimensionen ziemlich ausführlich be-
wähne ich nur die Windenarmbrust, die durch eine
schrieben. Wenn ich den Verfasser richtig verste-
Winde (Welle und Haspel) gespannt wurde. 1 Die-
he, meint er, sie sei eine Errungenschaft seines äl-
se Armbrust, eine Abart der großen Armbrust
teren Zeitgenossen Abu l-ºasan al-Abraq¬ al-
(qaus az-ziy®r), wird in der uns erhaltenen, im
Iskandar®n¬ gewesen. Auch Claude Cahen8 , der
Jahre 1948 von Claude Cahen teilweise edierten
den Text ediert, ins Französische übersetzt und
und ins Französische übersetzten Tab◊irat arb®b
untersucht hat, versteht die Angabe des Autors im
al-alb®b f¬ kaif¬yat an-na™®t fi l-Ωur‚b von Mur¥®
gleichen Sinne und widerlegt, sich darauf stüt-
b. ‘Al¬ b. Mur¥® afl-fiars‚s¬ ausführlich beschrie-
zend, die Ansicht von Kalervo Huuri 9, der behaup-
ben und mit einer Abbildung versehen.2 Sie hieß
tet hatte, die Mongolen hätten im 13. Jahrhundert
qaus bi-l-laulab. Ihre Beschreibung in diesem un-
ter —al®Ωadd¬n (Saladin reg. 569/1174-589/1193)
verfaßten Buch erweckt den Eindruck, daß sie
schon damals eine bekannte Waffe war. Sie wird
auch von dem Historiker Ibn afl-fiuwair (geb. 524/
3 ‘Abdassal®m b. al-ºasan Ibn afl-fiuwair, Nuzhat al-
1130, gest. 617/1220) unter den Waffen im Arse-
muqlatain f¬ a¿b®r ad-daulatain, ed. A. F. Saiyid, Kairo
nal des jüngsten Fatimidenkalifen in Ägypten vom
1992, S. 134; Taq¬yadd¬n al-Maqr¬z¬, al-Maw®‘i˙ wa-l-
i‘tib®r bi-‰ikr al-¿iflafl wa-l-®˚®r, B‚l®q 1270, Bd. 1, S. 417;
K. Huuri, a.a.O. S. 126.
4 Reinaud und Favé, Histoire de l’artillerie. 1ère partie: Du
das Buch über die Kriegstechnik des mamluki- Einige Angaben darüber, daß die Gegengewichts-
schen Turniermeisters ºasan ar-Ramm®Ω (gest. blide schon recht früh, mit Beginn des 7./13. Jahr-
694/1295) seit 1845 (s.u.S. 99) einen Terminus a hunderts, in Europa verwendet wurde, hat K. Huu-
quo bzw. ad quem. ri 6 zusammengestellt. Er verweist zudem auf meh-
Das in der zweiten Hälfte des 6./12. Jahrhunderts rere europäische Quellen, in denen der weit ent-
dem Herrscher Saladin gewidmete Buch, das wickelte Typ, über den wir jetzt anhand des Bu-
Claude Cahen im Jahre 1948 auszugsweise her- ches von Ibn Aranbu∫® az-Zardk®· Näheres erfah-
ausgegeben hat, gibt uns knappe Beschreibungen ren, bei der Belagerung von Acre (‘Akk®) durch
verschiedener Arten von Steinschleudern, einer die Muslime im Jahre 1291 als Aufsehen erregen-
«arabischen«, einer «persischen oder türkischen» de große Maschine unter dem Namen caraboga
und einer «byzantinischen oder fränkischen». Die (carabouhas, carabaccani) erwähnt wird.7 Nach
zuverlässigste sei die arabische, am einfachsten zu arabischen Quellen hat man bei der Belagerung 92
bedienen sei die türkische. Leider sind die Be- (oder mehr) man™an¬q zusammengezogen.8
schreibungen sehr knapp und erlauben keine ge- Von großer Bedeutung sind in diesem Zusammen-
naue Vorstellung von Einzelheiten. Unter den bei- hang zweifellos die Berichte chinesischer und per-
gegebenen Profilabbildungen ist lediglich die sischer Quellen darüber, wann und wie der Typ
Form der Rute einer Gegengewichtsblide bemer- der großen Gegengewichtsblide den chinesischen
kenswert. Dagegen bietet das Buch die vollständi- Kulturraum erreicht hat. Es wird berichtet, daß
ge bildliche Darstellung einer «persischen» Qubilay ø®n, der Enkel von ≥eng¬z ø®n und
Gegengewichtsblide, die als Armbrust und gleich- Gründer des östlichen Mongolenreiches, bei sei-
zeitig als Steinschleuder diente. Es ist ein weit nem im Jahre 1268 begonnenen Versuch,
entwickelter Typ. Die knappe Beschreibung und S‚ng-China zu erobern, auf erbitterten Widerstand
die Teilabbildung der als «byzantinisch oder frän- stieß. Diesen Widerstand erfuhr er besonders bei
kisch» bezeichneten Steinschleuder vermitteln den der Belagerung der beiden nördlichen, strategisch
Eindruck eines Wurfgeschützes mit kleinen He- wichtigen Städte Hsi®ng-Yáng und Fán-
beln.5 Chéng. Auf Vorschlag eines seiner Kommandan-
Deutlichere Abbildungen von Gegengewichtsbli- ten ließ Qubilay zwei Ingenieure «vom Westen»,
den bietet ein Jahrhundert später der maml‚kische aus den arabisch-islamischen Gebieten, holen mit
Turniermeister Na™madd¬n ºasan ar-Ramm®Ω dem Auftrag, große Gegengewichtsbliden zu bau-
(gest. 694/1295, s.u. S. 99). Entwickeltere Formen en. Mit Hilfe der von diesen beiden Ingenieuren,
dieses Typs erscheinen in al-An¬q fi l-man®™n¬q Ì-Ss‚-M ă-Y¬n (arab. Ism®‘¬l) und
von Ibn Aranbu∫® az-Zardk®· (schrieb 775/1374). À-Lăo-Wă-T¬ng (arab. ‘Al®’add¬n), gebauten Ma-
Dieser in mamlukischen Diensten stehende Autor schinen gelang es dann, die beiden Städte in den
gibt Abbildungen zweier hochentwickelter For- Jahren 1272 und 1273 zu erobern, was den Mon-
men von Gegengewichtsbliden. Eine davon nennt golen die Herrschaft in China sicherte. Die so in
er qar®bu∫® («schwarzer Stier»). Sie diente zum China eingeführte Blide wurde huí-huí
Schleudern schwerer Steinkugeln und war mit ei- («muslimisches») phao genannt. 9
arb®b al-alb®b, a. a.O. S. 158. origines de la poudre à canon chez les Arabes, les Persans et
9 8 K R I E G S T E C H N I K
les Chinois, in: Journal Asiatique, sér. 4, 14/1849/257-327, Introduction, a. a.O. Bd. 2, Teil 2, S. 1037-1038; die jüngste
bes. S. 292-304; J. Needham, Science and Civilisation in Edition mit englischer Übersetzung stammt von Partington,
China, Bd. 5, Teil 6, S. 219-221. a. a.O. S. 42-57.
10 J. Needham, a.a.O. S. 221. 4 Partington, a. a.O. S. 58.
Baumes gleichen Namens), Pech, Kochsalz und nesen als erste die Substanz erkannten, die die
Petroleum (Naphta) nebst gewöhnlichem Öl».7 Herstellung der Brandkompositionen verändern
Das fortschrittlichste Rezept des Liber ignium läßt sollte, wir meinen den Salpeter. Als die Araber
die Kenntnis von Salpeter und Schießpulver er- von den Chinesen eine gewisse Anzahl an Brand-
kennen. Salpeter steht allerdings nicht im Zusam- stoffen übernahmen, lernten sie von ihnen, die
menhang mit dem griechischen Feuer, sondern drei Substanzen zu mischen, die das Schießpulver
führt «in Verbindung mit Schwefel und Kohle bilden: Salpeter, Schwefel und Kohle.»12 Ihre
zum wirklichen Schießpulver», und dieses ist be- Fortschritte auf dem Gebiet der Chemie oder zu-
schränkt auf die «Herstellung der Rakete und des mindest in ihrer Anwendung hätten die Araber be-
Kanonenschlages».8 fähigt, die Reinigung des Salpeters beträchtlich zu
Zur ungefähren Datierung und wissenschafts- verbessern.13 Nach Reinaud und Favé haben die
historischen Bewertung des Büchleins haben Jo- Chinesen den Salpeter entdeckt und als erste zur
seph-Toussaint Reinaud und Ildefonse Favé in ih- Herstellung von Feuerwerk verwendet. Sie seien
ren 1845 und 1849 erschienenen Arbeiten9 das auch die ersten gewesen, die diese Substanz mit
Wesentliche erfaßt. Sie konnten sich auf eine Fül- Schwefel und Kohle gemischt und die durch Ver-
le historischer Berichte aus arabischen, persischen brennen der Mischung entstehende Triebkraft er-
und chinesischen Quellen berufen, vor allem auf kannt hätten. Dies habe sie auf die Idee gebracht,
das Buch über Kriegstechnik von ºasan ar-Ram- Raketen zu bauen. Was die Araber betrifft, so hät-
m®Ω (gest. 694/1295), das unter dem Titel Kit®b ten sie die Explosionskraft des Schießpulvers er-
al-Fur‚s¬ya wa-l-man®◊ib al-Ωarb¬ya10 in unter- kannt und genutzt und damit die Feuerwaffen er-
schiedlichen Redaktionen erhalten ist. Reinaud funden.14
und Favé kamen zu einer Datierung oder Entste- Trotz der Feststellung, daß die Chinesen bereits
hung des Liber ignium zwischen 1225 und 1250.11 vor dem 13. Jahrhundert den Salpeter und dessen
Nach langjähriger Beschäftigung mit dem Thema Explosionscharakter gekannt haben, bleibt die
gelangten die beiden Gelehrten über die Frage der Frage bis heute unbeantwortet, ob die Araber die-
Entstehung der Feuerwaffen zu folgender Ansicht: se Kenntnis den Chinesen verdanken, oder ob wir
«In der Antike verwendeten die Griechen und die es bei ihnen mit einer eigenständigen Entwicklung
Römer im Kriege gewisse Brandstoffe, deren Zu- zu tun haben. Bei der bisherigen Behandlung der
sammensetzungen sich indes auf sehr einfache Re- Materie ging man davon aus, daß der Salpeter, das
zepturen beschränkten. Die militärische Feuer- Hauptelement des Schießpulvers, vor dem 13.
kunst, die von den Byzantinern in der Spätantike Jahrhundert im arabisch-islamischen Kulturbe-
angewandt wurde und die ihnen zunächst die reich unbekannt war. Die Diskussion stützte sich
größten Dienste erwies, hatte beachtliche Verbes- vor allem auf die früheste bisher bekannte Erwäh-
serungen erfahren, doch scheinen die letzten Ver- nung des Salpeters außerhalb Chinas, im Buch der
vollkommnungen von den Chinesen gekommen zu einfachen Heilmittel (al-©®mi‘ li-mufrad®t al-
sein. Zumindest ist es unzweifelhaft, daß die Chi- adwiya wa-l-a∫‰iya) von ‘Abdall®h b. AΩmad Ibn
al-Baifl®r 15 (gest. 646/1248), wo erwähnt wird,
daß bei ma∫ribinischen Gelehrten der Stoff unter
dem Namen b®r‚d bekannt war.
7
G. Köhler, Die Entwickelung des Kriegswesens, a. a.O. S. 168.
8 Ebd. S. 169.
9 Histoire de l’artillerie. 1 ère partie: Du feu grégeois, des 12 Reinaud und Favé, Du feu grégeois, a.a.O. (1849), S. 260.
feux de guerre et des origines de la poudre à canon, Paris 13
Ebd. S. 261.
1845, und Du feu grégeois, des feux de guerre, et des 14 Ebd. S. 327.
origines de la poudre à canon chez les Arabes, les Persans et 15 Ed. Kairo 1291 H., Bd. 1 (Nachdruck Islamic Medicine,
les Chinois, in: Journal Asiatique, sér. 4/1849/257-327. Bd. 69, Frankfurt 1996), S. 30; franz. Übers. L. Leclerc,
10 s. C. Brockelmann, Geschichte der arabischen Litteratur,
Traité des simples, Bd. 1, Paris 1877 (Nachdruck Islamic
1. Suppl.-Bd., S. 905; hsg. von ‘¡d Øaif al-‘Abb®d¬, Ba∫d®d Medicine, Bd. 71, Frankfurt 1996), S. 71; s. Reinaud und
1984 und AΩmad Y. al-ºasan, Aleppo 1998. Favé, Histoire de l’artillerie. 1ère partie: Du feu grégeois,
11 Du feu grégeois, a.a.O. (1849), S. 282.
a.a.O. S. 14-15.
1 0 0 K R I E G S T E C H N I K
Aus einem Zitat der Medizingeschichte von Ibn arabisch-islamischen Kulturkreis spätestens in der
Ab¬ U◊aibi‘a (gest. 668/1270) erfahren wir jedoch, zweiten Hälfte des 8./14. Jahrhunderts bekannt ge-
daß der Mediziner ‘Abdall®h b. ‘¡s® Ibn Ba¿tawaih wesen sein muß, hat sich durch die später zutage
(gest. um 420/1029) in seinem Buch Kit®b al- gekommene Handschrift des Kit®b al-An¬q fi l-
Muqaddim®t oder Kanz al-aflibb®’ ausführlich die man®™n¬q von Ibn Aranbu∫® az-Zardk®· (schrieb
Verwendung von Salpeter zur Herstellung künstli- 774/1373) bestätigt. Diese in der Bibliothek des
chen Eises beschrieben hat.16 Darauf hatte bereits Topkapı Sarayı (Ahmet III, 3469) erhaltene illu-
E. O. von Lippmann im Jahre 1906 aufmerksam minierte Handschrift 21 enthält Abbildungen von
gemacht.17 bereits recht entwickelten Kanonentypen.
Die älteste soweit bekannte Angabe des arabi- Freilich dürfen weder die Lebenszeit von Ibn
schen Schrifttums über die Verwendung von Sal- Aranbu∫® az-Zardk®· noch die vermutliche Ab-
peter zur Herstellung von Schießpulver fanden fassungszeit des anonymen Kit®b al-Ma¿z‚n (8./
Reinaud und Favé 18 (Mitte des 19. Jahrhunderts) 14. Jh.) als Obergrenze für die Entstehung der
in der Pariser Handschrift des Buches von ºasan esten Feuerwaffen gelten. Beide Autoren haben,
ar-Ramm®Ω (gest. 694/1295). Sie sahen ferner in wie ihre Vorgänger und Nachfolger, in ihren Bü-
der Handschrift eines wichtigen anonymen Buches chern die Kenntnisse ihrer Zeit und ihres geogra-
der Kriegskunst (al-Ma¿z‚n f¬ ™®mi‘ al-fun‚n), die phischen Umfeldes niedergelegt. Es ging ihnen
in Petersburg erhalten ist,19 die Beschreibung einer nicht um die Frage nach Herkunft und Entste-
Kanone und eines Gewehres (s.u.S. 133). Dies hungszeit der Objekte, sondern um die Beschrei-
führte die beiden Gelehrten zu der Überzeugung, bung des ihnen gegenwärtig bekannten Zustandes.
daß die Entdeckung der Treibkraft des Schießpul- Folglich gibt uns die Handschrift des Buches von
vers im arabisch-islamischen Kulturbereich erfolgt Ibn Aranbu∫® mit ihrem Datum 774/1372 einen
war. Sie mußten ihre Meinung revidieren, wonach Terminus ad quem, nicht einen Terminus a quo für
der Ort der ersten Anwendung des Schießpulvers die Entstehung der Feuerwaffen im arabisch-isla-
in Osteuropa, im Gebiet entlang der Donau, gele- mischen Kulturkreis.
gen haben sollte.20 Das von Reinaud und Favé an- Der älteste bisher bekannte Hinweis auf die Ver-
hand der Petersburger Handschrift gewonnene Er- wendung einer Feuerwaffe in der arabisch-islami-
gebnis, daß die Triebkraft des Schießpulvers im schen Welt findet sich anläßlich der Belagerung
der Stadt Si™ilm®sa im Jahre 672/1273. Der be-
kannte Historiker Ibn øald‚n berichtet in seinem
16 ‘Uy‚n al-anb®’ f¬ flabaq®t al-aflibb®’, ed. A. Müller, Bd. 1, Geschichtswerk, der Merinidensultan Ab‚ Y‚suf
Kairo 1299 H. (Nachdruck Islamic Medicine, Bd. 1, Frank- Ya‘q‚b (reg. 656/1258-685/1286) habe gegen
furt 1995), S. 82-83.
17 in: Abhandlungen und Vorträge zur Geschichte der Natur-
Si™ilm®sa man®™n¬q (Gegengewichtsbliden) ein-
wissenschaften, Bd. 1, Leipzig 1906, S. 122-123, s. F. Sez- gesetzt, ‘arr®d®t (Armbruste) und hind®m an-naffl,
gin, Geschichte des arabischen Schrifttums, Bd. 3, S. 335. eine Waffe, bei der nach dem Entzünden von
18 s. besonders Du feu grégeois . . . (1849), a. a.O. S. 261 und
Schießpulver Eisengeschosse aus einem «Maga-
De l’art militaire, a. a.O. S. 200. zin» (¿iz®na) geschleudert werden.22 Reinaud und
19 Derzeitige Signatur C 686, s. A. B. Chalidov, Arabskije
frühere Ansicht über die Entdeckung der Triebkraft des Beirut 1981, Bd. 7, S. 249.
Schießpulvers zu Gunsten der Araber korrigieren).
E I N L E I T U N G 101
halt, vor allem deshalb, da sie nicht von zeitgenös- 1331, 1340 und 1342 verwendet wurden.29 Ich las-
sischen Quellen bestätigt würde.23 se G. Köhler 30 das Schlußwort zu diesem Thema:
Rund 60 Jahre später, im Jahre 724/1324, beschoß «Man muß diese Data im Zusammenhang mit der
der Nasridensultan Abu l-Wal¬d Ism®‘¬l I. (reg. arabischen Literatur auffassen, um die Überzeu-
713/1314-725/1325), wie Lis®nadd¬n Ibn al-øafl¬b gung zu gewinnen, daß man es seit 1325 wirklich
in seiner Geschichte von Granada berichtet, die mit Feuerwaffen zu thun hat, und daß die Araber
Festung I·kar (Huescar, ca. 110 km nordöstlich diejenigen sind, welche sie dem Abendlande zuge-
von Granada), die von den Christen besetzt wor- führt haben.»
den war, «und schleuderte aus dem größten Gerät,
das mit Naphta funktionierte, eine heiße eiserne
Kugel ...» (ram® bi-l-®la al-‘u˙m® al-mutta¿a‰a Granaten und Handgranaten
bi-n-naffl kurat Ωad¬d muΩm®t ...).24 In einem fol-
Die durch archäologische Ausgrabungen in Mittel-
genden Vers wird der Geschützdonner mit dem
asien, Persien und im Wolga-Gebiet bekannt ge-
Donner des Himmels verglichen.
wordenen sphärisch-konischen Gefäße hat man
Die Angabe von Ibn al-øafl¬b hat schon im 18.
lange Zeit für Architekturschmuck, für Quecksil-
Jahrhundert die Aufmerksamkeit von Gelehrten
ber- oder Weihwasserbehälter, oder auch für Lam-
auf sich gezogen. Der spanische Orientalist M.
pen gehalten. Die Vorstellung, daß wir es dabei
Casiri25 übersetzte sie ins Lateinische. Von ihm
mit Granaten und Handgranaten zu tun haben, be-
übernahm sie unter anderen der Historiker José
gann sich erst gegen Ende der zwanziger Jahre des
Antonio Conde26 (1765-1820). In Casiris Wieder-
vergangenen Jahrhunderts durchzusetzen. Der
gabe der Passage fehlt, wohl als Folge der von
Vorkämpfer dieser neuen Interpretation war
ihm benutzten Handschrift, das Wort «eisern».
Wsewolod von Arendt.1 Die in großen Mengen
Das trug dazu bei, daß eine Reihe von Gelehrten
erhaltenen Gefäße verraten eine ungewöhnliche
die Frage stellten, ob Ibn al-øafl¬b tatsächlich eine
Festigkeit und haben einen auffallend dünnen
Kanone27 oder nicht eher eine große Blide28 ge-
Hals. Einige in Syrien gefundene Exemplare tra-
meint haben könnte.
gen Inschriften wie fatΩ – fatΩ («Sieg – Sieg»), bi-
Einige Berichte in spanischen Chroniken geben
ºam® («in [der Stadt] ºam®») oder Segens-
Kunde von den Feuerwaffen, die in den Kämpfen
sprüche.
zwischen Christen und Muslimen in den Jahren
Über die Entstehungs- bzw. Verbreitungsorte die-
ser Granaten äußert sich Arendt folgendermaßen:
«Der Form der sphärisch-konischen Gefäße be-
gegnen wir auf der ganzen Ausdehnung des mu-
selmännischen Ostens.»
23 Histoire de l’artillerie. 1ère partie: Du feu grégeois, a. a.O. «Der Islam tritt uns tatsächlich wie ein Verbrei-
S. 73-77; vgl. J. R. Partington, A History of Greek Fire,
a.a.O. S. 191.
tungsfaktor dieses Gegenstandes entgegen, dessen
24 al-IΩ®fla f¬ a¿b®r πarn®fla, ed. M. ‘A. ‘In®n, Bd. 1, Kairo er sich in seinem sieghaften Vorwärtsschreiten als
1955, S. 398; E. Quatremère, Observations sur le feu eines Kriegsmittels solange bedient, bis es durch
grégeois, in: Journal Asiatique, sér. 4, 15/1850/214-274, bes. die Schießwaffe abgelöst wird.»2
S. 255-257; I.-S. Allouche, Un texte relatif au premiers
canons, in: Hespéris (Paris) 32/1945/81-84; G.S. Colin in:
Encyclopaedia of Islam. New Edition, Bd. 1, Leiden 1960,
Sp. 1057.
25 Bibliotheca Arabico-Hispana Escurialensis, Bd. 2, Madrid 29
Reinaud und Favé, Histoire de l’artillerie. 1ère partie: Du
1770, S. 7. feu grégeois, a.a.O. S. 70 -72; G. Köhler, Die Entwickelung
26 Historia de la dominacion de los Arabes en Espana, Paris
des Kriegswesens, a. a.O. S. 223; J.R. Partington, A History
1840, S. 593 (nicht gesehen), s. Reinaud und Favé, Histoire of Greek Fire, a. a.O. S. 191, 193-195.
de l’artillerie. 1ère partie: Du feu grégeois, a.a.O. S. 70. 30 Die Entwickelung des Kriegswesens, a. a.O. S. 223.
27 wie Quatremère, Observations sur le feu grégeois, a. a.O.
1 Die sphärisch-konischen Gefäße aus gebranntem Ton, in:
S. 258 ff.; G. Köhler, Die Entwickelung des Kriegswesens,
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde (Dresden)
a.a.O. S. 222-223.
28 s. dazu J. R. Partington, A History of Greek Fire, a.a.O. S.
N. F. 3/1931/206-210.
2 Ebd. S. 209.
191-193, 228.
1 0 2 K R I E G S T E C H N I K
Nach Vermutung von Arendt beinhalteten jene takt gekommen und gelangte in den Besitz einer
Gefäße sowohl Brandstoffe wie das «griechische Reihe solcher Gefäße, die bei archäologischen
Feuer» als auch Explosionsstoff: «Die explosive Grabungen in Altkairo gefunden worden waren.9
Wirkung des Granatengehaltes unterliegt keinem Im Laufe seiner Untersuchungen kam er zur Über-
Zweifel; davon zeugen die in den Gräben alter Fe- zeugung, daß die in Kairo gefundenen Exemplare
stungen angehäuften Splitter dieser außerordent- zu den Kampfmitteln gehörten, die die Ägypter
lich festen Gefäße. Daher können wir die alten bei der Belagerung der Stadt 10 durch Amalrich I.
Tongranaten nicht als bloße Brandgeschosse anse- im Jahre 1168 verwendet haben.11 Er stützte sich
hen. Ihre Wirkung wäre zu gering für asiatische dabei auf den Bericht des Historikers al-Maqr¬z¬,
Städte und Festungen, die zu wenig brennbares wonach ∞®wir b. Mu™¬r as-Sa‘d¬, der Gouverneur
Material besaßen.»3 von Oberägypten (gest. 564/1169) zu dem Anlaß
«Auf die Art des Schleuderns der Granaten läßt 20.000 q®r‚rat naffl und 10.000 ma·‘al n®r nach
der Umstand Schlüsse zu, daß fast alle Gefäße mit Kairo geschickt habe.12 Bei den Granaten unter-
einem Hals versehen sind, der eine Verengung scheidet er solche mit Schießpulver und solche mit
aufweist. Diese scheint dazu bestimmt zu sein, um flüssigem Brandstoff. Er findet beide auch bei der
von einer feinen Schnur umfaßt zu werden. Es ist oben erwähnten Verteidigung al-Man◊‚ras gegen
recht wahrscheinlich, daß die Granaten im Feld- die Armee Ludwigs IX. im Jahre 12 4 9 (s.o.S.
zug an einer Schnur getragen wurden, die den 94).13
Hals des Gefäßes umfaßte und deren anderes Ende Von Mercier veranlaßte chemische Analysen er-
am Gürtel oder am Sattel befestigt worden war, haltener Granaten von Kairo, Alexandria, Jerusa-
die dann zum Schleudern benutzt wurde.» lem, Damaskus und Tripoli (im heutigen Libanon)
«Die Granate dürfte mit einem Kreis-Schwung ge- brachten ihn, natürlich nicht ohne die Unterstüt-
schleudert [worden] sein, wobei die Schnur die zung der historischen Zeugnisse, zu der Überzeu-
Rolle einer Schleuder spielte, die die Flugweite gung, daß die Bekanntschaft der arabisch-islami-
der Granate steigern mußte.»4 schen Länder mit dem Salpeter auf eine wesent-
Arendt konnte sich bei seinen Untersuchungen auf lich frühere Zeit zurückgeht, als man allgemein
das Material stützen, das ihm im Historischen Mu- annimmt. Das Ergebnis der Analyse der im «alten
seum von Moskau zur Verfügung stand. Zwischen Schloß des Leuchtturms von Alexandria» im Jahre
diesem und dem in Damaskus gefundenen Grana- 1798 gefundenen Granaten veröffentlichte er 14 im
tentypus, der ihm indirekt bekannt war, vermutete Jahre 1937. Die Berichte der chemischen Institute,
er eine Verwandtschaft.5 Die reich ornamentierten die die erforderlichen Analysen durchgeführt ha-
Gefäße datiert er ins 7./ 13. bis 8./14. Jahrhundert.6 ben, machte er, zusammen mit Photos einer Reihe
Er bedauert es, daß es ihm nicht gelungen sei, «die erhaltener Granaten aus dem arabisch-islamischen
winzigen Teilchen zu analysieren, die dem Gefäß Kulturkreis, im Anhang seines im Jahre 1952 er-
entnommen werden konnten.»7 schienenen Le feu grégeois der Fachwelt zugäng-
Dieser Wunsch von Arendt ging in den folgenden lich.
Jahrzehnten dank der Bemühungen von Maurice
Mercier 8 in Erfüllung. Als französischer Marine-
offizier in Syrien war er seit 1916 mehrmals mit
den Konservatoren des Kairiner Museums in Kon-
9 Ebd. S. 94.
10 s. René Grousset, Histoire des croisades et du Royaume
Franc de Jérusalem, Bd. 2, Paris 1935, S. 525-534.
11 M. Mercier, a.a.O. S. 98ff., 104, 125ff.
3 Die sphärisch-konischen Gefäße, a.a.O. S. 209. 12 Kit®b al-Maw®‘i˙ wa-l-i‘tib®r bi-‰ikr al-¿iflafl wa-l-®˚®r ,
4 Ebd. S. 210.
5
a. a.O. Bd. 1, S. 338; M. Mercier, Le feu grégeois, a. a.O. S. 73.
Ebd. S. 209. 13 M. Mercier, Le feu grégeois, a. a.O. S. 77, 125.
6 Ebd. S. 209.
14 Quelques points de l’histoire du pétrole. Vérifications par le
7 Ebd. S. 209.
8
laboratoire, in: IIme Congrès Mondial du Pétrole, Paris 1937,
Seine Ergebnisse legte er nieder in seinem Le feu grégeois. Bd. 4, section 5: Économie et statistique, S. 87-95; s. ders., Le
Les feux de guerre depuis l’antiquité. La poudre à canon, Paris feu grégeois, a.a.O. S. 99.
1952.
E I N L E I T U N G 103
Unter den Ansichten, die er gewonnen hat,15 ist Zu seinen letzten Einwänden sei gesagt, daß er das
diejenige für uns von Bedeutung, nach der das Buch von Mercier 22 nicht vollständig gelesen zu
Jahr 1168, in dem die Ägypter bei der Belagerung haben scheint. Auch scheint Seyrig gewisserma-
durch Amalrich I. mit trockenem Sprengstoff ge- ßen mit dem Inhalt seiner eigenen diesbezüglichen
füllte Granaten verwendet haben, als terminus ad Fußnoten in Widerspruch zu stehen.
quem für diesen Typus anzusehen sei. Es sei die Seyrig gibt weiter zu bedenken, daß viele Grana-
Granate oder Handgranate, die in dem Buch von ten dekoriert sind 23 und daß manche von ihnen Se-
ºasan ar-Ramm®Ω als qaw®r¬r (sing. q®r‚ra, gens- oder Glückwünsche tragen24. Die Antwort
«Krüge») oder als karr®z ·®m¬ («syrischer Krug») der Anhänger der Granaten-Theorie, «daß einige
vorkommt.16 Völker ihre Pfeile verzieren,»25 überzeuge ihn
Im Jahre 1959 stellte dann Henri Seyrig17 als Ar- nicht.26 Ohne seine Begründung hier zu wiederho-
chäologe im Rahmen eines Aufsatzes über Anti- len sei gesagt, daß die meisten Brandgeschosse,
quités syriennes die Frage nach der Bewandtnis die wir in arabischen Büchern über Kriegstechnik
dieser sphärisch-konischen Gefäße aus gebrann- abgebildet finden, wie in denen von ºasan ar-
tem Ton, die bis dahin ganz unterschiedlich als Ramm®Ω (Ms. Paris) oder Aranbu∫® az-Zardk®·
Behälter für Flüssigkeiten (Quecksilber, Parfum (Ms. Topkapı Sarayı), aufwendig dekoriert sind.
oder Getränke), als Granaten oder als Äolsbälle Seyrig neigt dazu, unter den ihm bekannten «drei
(s. u.) aufgefaßt worden waren. Er neigt dazu, die Hypothesen» die des Äols- oder Windballes
ersten beiden Erklärungen wegen der physikali- (aeolipila) zu favorisieren. Dieses Dampfgebläse
schen Beschaffenheit der Gefäße zu verwerfen. Er ist «eine mit feiner Öffnung versehene Metall-
weist darauf hin, daß sie erstens unten spitz zulau- kugel, die mit Wasser gefüllt und dann ins Feuer
fen und daher nicht aufrecht hingestellt werden gelegt wird, um ‹das heftige Blasen› des Dampfes
können, zweitens, daß sie zu wenig Inhalt aufneh- zu zeigen».27 Die Äolipile war schon Heron und
men können, um als Trinkgefäße zu dienen, und Vitruv bekannt. In seinem 1951 erschienenen Auf-
drittens, daß sie sehr schmale Hälse mit einem satz fragt sich W.L. Hildburgh28, ob unsere Gefäße
Durchmesser von 3 bis 5 mm, meist zwischen 4 aus gebranntem Ton nicht eine Art Äolsball sein
und 5 mm haben, so daß man Flüssigkeiten nicht
bequem gießen kann.18
Auch im Falle der Handgranaten sieht Seyrig19 in
dem engen Hals ein Hindernis. Es sei schwierig, 22 Le feu grégeois, a. a.O. S. 131-150, s. noch die Verzeichnisse
sie in großen Mengen mit Pulver zu füllen und der Inhalte der Granaten No. 1-8 aus dem Besitz von Mercier
ihm sei unbekannt, ob man ein solches Experiment im Anhang des Buches.
je unternommen habe. M. Mercier, der diese Hy- 23 Antiquités syriennes, a. a.O. S. 85.
24 Ebd. S. 84.
pothese verteidige, gebe keinen Hinweis auf einen
25 Ebd. S. 85. Er verweist hier auf Fr. Sarre (Das islamische
praktischen Versuch dieser Art.20 Er gibt weiter zu
Milet von Karl Wulzinger, Paul Wittek, Friedrich Sarre, Berlin
bedenken21, daß an den erhaltenen Exemplaren nur und Leipzig 1935, S. 76), der betont, «daß es in besonderem
in seltenen Fällen Brennstoffe zu finden seien. Maße dem Charakter des islamischen Kunstschaffens ent-
Eine chemische Analyse habe in dieser Hinsicht spricht, einen Gegenstand ohne Rücksicht darauf zu verzieren,
enttäuschende Ergebnisse geliefert. ob sein Schmuck in die Augen fällt oder nicht. Oft ist die un-
sichtbare Unterseite eines Metallgerätes in derselben reichen
Weise wie die Schauseite ausgestaltet.» S. auch die frühere Er-
klärung von Fr. Sarre, Keramik und andere Kleinfunde der isla-
mischen Zeit von Baalbek, in: Baalbek. Ergebnisse der Ausgra-
bungen und Untersuchungen in den Jahren 1898 bis 1905, Bd.
15 Le feu grégeois, a.a.O. S. 123-126. 3, von H. Kohl, D. Krencker, O. Reuther, Fr. Sarre, M. Sobern-
16
Ebd. S. 94, 126. heim, Berlin und Leipzig 1925, S. 133-135.
17 in: Syria. Revue d’art oriental et d’archéologie (Paris) 36/ 26 Ebd. S. 86.
1959/38-89, darin S. 81-89: 75. Flacons? grenades? éolipiles? 27 Franz Maria Feldhaus, Die Technik. Ein Lexikon der Vorzeit,
18
Ebd. S. 83. der geschichtlichen Zeit und der Naturvölker, Wiesbaden 1914
19 Ebd. S. 85.
(Nachdruck München 1970), Sp. 26.
20 Ebd. S. 85. 28 Aelopiles as fire-blowers, in: Archaeologia (Oxford) 94/
21
Ebd. S. 85. 1951/27-55; s. H. Seyrig, a. a.O. S. 89.
1 0 4 K R I E G S T E C H N I K
können. Im Jahre 1965 hat dann Richard Etting- i·rab han¬’an («wohl bekomm’s!») und bezeich-
hausen29 das Thema aus kunsthistorischer Sicht nen sie als sphärisch-konische Gefäße, die durch
aufgegriffen. Nach den «stichhaltigen Einwänden» «thick body, narrow opening, and short neck» ge-
von Henri Seyrig, wie er sagt, kam ihm nun die kennzeichnet seien. Doch nicht alle von ihnen ha-
Erklärung der Gefäße als Handgranaten selbst ben eine sphärisch-konische Form und die ange-
recht zweifelhaft vor. Er weist unter anderem auf führten Eigenschaften. Die Autoren lassen meines
einen der von Seyrig erhobenen Einwände hin, auf Erachtens eines der wichtigsten Merkmale außer
das Vorkommen von Segenssprüchen wie der acht. Die für uns als Granaten in Frage kommen-
basmala auf den Gefäßen.30 Unter den ihm be- den Objekte laufen nämlich unten spitz zu, so daß
kannten Interpretationen hält er die von E. von man sie ohne Stütze nicht stellen kann. Zweifellos
Lenz 31, daß es sich möglicherweise um Quecksil- wurden als fuqq®‘a bezeichnete Gefäße aus ge-
berbehälter handele, für die dem Sachverhalt am branntem Ton je nach Form und Größe zu unter-
ehesten, wenn auch nicht ausschließlich entspre- schiedlichen Zwecken verwendet.36 Die kleinen
chende32. Ettinghausen legt sich allerdings nicht Handgranaten hatten, anders als die von Wurf-
fest und verleiht der Hoffnung Ausdruck, daß das maschinen geschleuderten großen Exemplare, eine
Studium von Handschriften, chemische Untersu- ganz enge Mündung von etwa 3 bis 5 mm Durch-
chungen und aerodynamische Versuche in Zu- messer, die demnach nicht zum Einfüllen von Pul-
kunft Klarheit schaffen mögen.33 Er scheint leider ver diente, sondern offenbar dazu, die Zündschnur
die von M. Mercier registrierten Ergebnisse der aufzunehmen. Wie wir bei fast allen Handgranaten
chemischen Analysen nicht gekannt zu haben. beobachten können, trennt eine Rille den knopf-
Die jüngste mir zur Zeit bekannte Studie über das artigen Hals vom bauchigen Rumpf. Dies läßt
Thema trägt den Titel A sphero-conical vessel as Rückschlüsse auf die Herstellungsweise solcher
fuqq®‘a, or a gourd for «beer» und stammt von A. Granaten zu. Das bauchige Unterteil wird in zwei
Ghouchani und C. Adle.34 In dieser Arbeit erfah- Hälften separat hergestellt und erst später zusam-
ren wir mehr als bisher über die verbreitete Ver- mengefügt worden sein. Das ebenfalls einzeln ge-
wendung des Wortes fuqq®‘a in der arabisch-per- brannte Oberteil mit der Zündschnur wird erst
sischen Literatur im Sinne eines Trinkgefässes. dann auf das Unterteil gesetzt worden sein, nach-
Die beiden Autoren unterstreichen jedoch zutref- dem dieses mit Pulver gefüllt war. Die Rille kenn-
fend die Möglichkeit, daß eine fuqq®‘a auch zu zeichnet die Verbindungsstelle der beiden Teile.
anderen Zwecken gedient haben kann.35 Sie geben Friedrich Sarre37 hat auf einige in den dreißiger
Fotos einer Reihe von Gefäßen mit der Aufschrift Jahren des 20. Jahrhunderts gefundene und be-
schriebene Gußformen aus Stein hingewiesen, von
denen er zwei im Photo wiedergegeben hat
(s.Abb.). Sie wurden durch Bleidübel miteinander
verbunden. Eine chemische Untersuchung in Ber-
lin habe ergeben, daß der verwandte Stein aus
29 The uses of sphero-conical vessels in the Muslim East, in: Chlorit bestand, der «infolge seiner geringen Här-
Journal of Near Eastern Studies (Chicago) 24/1965/218-228. te leicht bearbeitbar» und «relativ widerstandsfä-
30 Ebd. S. 225.
31 Handgranaten oder Quecksilbergefäße? in: Zeitschrift für
hig gegen Hitze» ist.
historische Waffenkunde (Dresden) 6/1912-1914/367-376;
Widerlegung von W. Gohlke, Handbrandgeschosse aus Ton,
ebd. S. 378-387.
32
R. Ettinghausen, The use of sphero-conical vessels, a. a.O. S.
224. 36 Hiervon geht auch Emilie Savage-Smith aus beim Versuch
33 Ebd. S. 226.
einer Typologie solcher Gefäße und ihrer Beschreibung derjeni-
34
erschienen in Muqarnas. An annual on Islamic art and gen in der Khalili-Sammlung. Die Möglichkeit von Granaten
architecture (Leiden) 9/1992/72-92; s. noch Edward J. Keall, schließt sie aus, s. Sphero-conical vessels: a typology of forms
«One man’s Mede is another man’s Persian; one man’s and functions, in: Science, Tools and Magic. Part Two:
coconut is another man’s grenade», in: Muqarnas 10/1993/ Mundane Worlds, Oxford 1997 (The Nasser D. Khalili
275-285. Collection of Islamic Art, vol. 12, part 2), S. 324-337.
35 A sphero-conical vessel, a.a.O. S. 73, 76. 37 Das islamische Milet, a.a.O. S. 77-78.
E I N L E I T U N G 105
Die Ansicht Sarres, es handele sich um Gußfor- besonders präparierten festen Karton, welcher mit
men zur Herstellung von Handgranaten, ist kaum Schießpulver gefüllt und einer Zündschnur verse-
annehmbar, da die erhaltenen Steinformen zur Ge- hen wurde.39
staltung «reich dekorierter vasenartiger Gefäße» Abschließend sei auf eine aufschlußreiche Stelle
gedacht sind. Außerdem eignen sich die Formen im Buch von ºasan ar-Ramm®Ω (Ms. Paris, Bibl.
wegen der Bleidübel nicht zum Brennen im Ofen, Nat. 2825) hingewiesen, auf die E. Quatremère40
es handelt sich wohl eher um Metallguß- oder bereits vor mehr als 150 Jahren aufmerksam ge-
Glasmodel. macht hat. Im Zusammenhang mit der Verwen-
«Eine der Steinformen trägt eine eingeritzte In- dung des Schießpulvers (b®r‚d) spricht der Ver-
schrift mit dem Namen ‹Schech Pascha›».38 fasser von «Krügen» (k¬z®n fuqq®‘), die «auf den
Einen Typ von Granate, genannt furq®‘a, be- Spitzen der Lanzen befestigt» wurden (murakkaba
schreibt der Ras‚lidenkönig al-Mu˙affar Y‚suf b. ‘al® ru’‚s ar-rim®Ω). So erfahren wir, daß man ge-
‘Umar (gest. 694/1294) in seinem Buch al- gebenenfalls die Granaten (nach dem Zünden)
Mu¿tara‘ f¬ fun‚n a◊-◊una‘. Er bestand aus einem auch an Lanzen gebunden auf den Feind warf.
Zugkraftblide
Unser Modell:
Holz und Stahl.
Länge des Schleuderarms: 82 cm.
(Inventar-Nr. G 1.01)
Unser Modell:
Holz und Stahl.
Länge des Schleuderarms: 70 cm.
(Inventar-Nr. G 1.02)
Gegengewichtsblide
az-Zardk®· (um 775/1374) kennt eine Form der
Blide, die sie als «europäische Wurfmaschine»
(man™an¬q ifran™¬) bezeichnet. Anscheinend ha-
ben wir es dabei mit der von den «Franken» ver-
wendeten Gegengewichtsblide (trebuchium) zu
tun. Man vermutet, daß dieser Typ der Schleuder
schon in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts in
Europa bekannt war.1 Als besonderes Merkmal er-
wähnt az-Zardk®·, daß man sie leicht nach jeder
Richtung drehen kann.2 Zwei mit Steinen gefüllte
Holzkästen bewirken gleiche Schlagkraft bei
gleichbleibendem Schleudermoment.
Große
Gegengewichtsblide
Unser Modell:
Hartholz.
Maßstab: 1:20.
Länge des
Schleuderarms: 80 cm.
(Inventar-Nr. G 1.03)
1
al-An¬q fi l-man®™n¬q, a.a.O. S. 66-68.
G E S C H Ü T Z E 109
Belagerungsszene aus der Weltgeschichte (©®mi‘ at-taw®-r¬¿) von Ra·¬dadd¬n Fa¥lall®h, Ms. Edinburgh University Library,
Or. 20, fol. 124 b. Die Kopie wurde 707/1306, zu Lebzeiten des Verfassers, geschrieben und illustriert.
Unser Modell:
Hartholz; Maßstab: 1:20.
59 × 85 cm.
(Inventar-Nr. G 1.20)
Gegengewichtsblide
mit Pfeilschleuder
Abb. aus az-Zardk®·, al-An¬q, Ms. Ahmed III, 3469, fol. 61.
G E S C H Ü T Z E 111
Verfasser des K. al-An¬q fi l-man®™n¬q1, az- Wir wissen zur Zeit nicht, seit wann man in der
Zardk®·, unerwähnt läßt, daß man vorn an der islamischen Welt begonnen hat, beim Schießen
Schiene eine passende Führung, etwa in Brücken- von Pfeilen und anderen Projektilen von der er-
form, anbrachte, damit der Pfeil nicht zu weit in höhten Schußkraft der Gegengewichtsblide Ge-
die Vertikale gezogen wird. brauch zu machen. Aus Ausführungen der
Die Schußrichtung dieser Blide war gegenüber Tab◊irat arb®b al-alb®b von Mur¥® afl-fiars‚s¬ (6./
derjenigen des anderen großen Blidentyps um 12. Jh.) wird ersichtlich, daß dieses Zusammen-
180° versetzt. wirken zur Zeit von —al®Ωadd¬n (Saladin) bereits
bekannt war (s.u.S. 121 ff.).
Unser Modell:
Gegengewichtsblide Holz und Kaschiermaterial,
mit Armbrust 100 × 45 × 54 cm.
(Inventar-Nr. G 1.19)
1
Hds. Oxford, Bodleian Library, Hunt. 264 (fol. 133 b-136 b),
s. Cl. Cahen, Un traité d’armurerie, a.a.O. S. 119-120 und
Tafel III, No. 14.
G E S C H Ü T Z E 113
Winden-
armbrust
Unser Modell:
Holz, Metall. 110 × 80 cm.
Sehne zu Demonstrations-
zwecken aus elastischer Schnur.
(Inventar-Nr. G 1.17)
Unser Modell:
Holz, Rohr, Messing, Schnur.
55 × 45 cm.
(Inventar-Nr. G 1.18)
Abb. aus
Mur¥®, Tab◊ira,
Hds. Oxford, Bodl., Hunt. 264.
große
Tripelarmbrust
(Ballista)
1.
Unser Modell:
Hartholz.
Maßstab: 1:20.
Länge des
Schleuderarms: 50 cm.
(Inventar-Nr. G 1. 05)
2.
Unser Modell:
Hartholz.
Maßstab: 1:20.
Länge des Schleuderarms: 62 cm.
(Inventar-Nr. G 1. 04)
1
hsg. von Götz Quarg, Düsseldorf 1967 (s. Hermann Heimpel,
Rez. in: Göttingische Gelehrte Anzeigen 223/1971/115-148); V.
Schmidtchen, Mittelalterliche Kriegsmaschinen, Soest 1983, S. Abb. aus Kyeser, Bellifortis (Göttingen, Univ. Bibl.,
123, 192. Cod. MS. philos. 63, fol. 48a) nach W. Gohlke,
2 Freudemann merkt an, daß ein streng nach der Abbildung ge- Das Geschützwesen des Altertums und des Mittelalters,
bautes Modell nicht funktionieren könne, denn 1.: «Das am lin- in: Zeitschrift für Historische Waffenkunde V, 12
ken Ende die Schienenbalken abschließende Verbindungsstück (Dresden 1909-1911) S. 385, Abb. 41.
über der Rutsche würde den Schleudervorgang unmöglich ma-
chen» und 2.: «Die Schleuder ist viel zu lang. Die Schleuder-
seile laufen nicht frei unter der Windenwelle hindurch.» Ferner
hat er notwendige Details ergänzt und die Proportionen, be-
sonders der Treträder, «zurechtgerückt».
G E S C H Ü T Z E 117
Unser Modell:
Hartholz.
Maßstab: 1:20.
Länge des Schleuderarmes: 87 cm.
(Inventar-Nr. G 1.06)
3.
Eine weitere europäische Blide von ca. 1405.
Auch sie ist abgebildet sowie mit Maßen versehen
in Bellifortis (Ms. Göttingen, fol. 30) von Konrad
Kyeser aus Eichstätt und wurde um 1990 von W.
Freudemann angefertigt. Von besonderem Interes-
se ist hierbei zudem, daß der Auslösemechanismus
deutlich in der Abb. zu erkennen ist und exakt
nachgebaut werden konnte.
Blide
mit Entfernungsregler
Unser Modell:
Holz, Metall, Garn.
Höhe mit vertikalem Wurfarm: 1,17 m.
(Inventar-Nr. G 1.21)
Die Zeichnung dieser Blide von Leonardo da Vinci dern her spätestens seit dem 8./14. Jahrhundert
wurde oben (S. 98) bereits besprochen. Sie liegt kennen (s.u.S. 134). Ein gewisser Fortschritt zeigt
unserem Modell zugrunde. Es sei daran erinnert, sich insofern, als der Entfernungsregler hier in
daß bei diesem Geschütz ein Entfernungsregler Form eines Rades an der Blide befestigt ist.
verwendet wird, wie wir es von arabischen Vorbil-
1 2 0 K R I E G S T E C H N I K
Ein Feuertopf (qidr) mit Umrandung, gefüllt mit Modell b) repräsentiert eine frühe Form von
einer salpeterhaltigen Mischung, wurde vor allem ‹B-Waffe›, eine mit gefährlichen Tieren wie
zum Zweck sprengender Wirkung gebaut. Er be- Skorpionen oder Schlangen gefüllte Granate,
sitzt drei mit Brandsätzen gefüllte Röhrchen welche durch zahlreiche kleine Luftlöcher
(ikr¬¿) und wird nach der Zündung von einer Blide gekennzeichnet ist.
oder mit Hilfe einer Lanze geworfen.1
Unsere Modelle:
Steingut, braune Engobe, Docht.
Höhe 17-19,5 cm (Inventar-Nr. G 2.03-06).
Granaten
Unsere Modelle:
Steingut, braune Engobe, Lunte.
Höhe 10-16cm (Inventar-Nr. G 2.11-17).
Flammenwerfer
(◊and‚q mu¿®safa)
Unser Modell:
Kupfer, gelötet. Länge: 30 cm.
(Inventar-Nr. G 2.22)
1
Hds. a.a.O. S. 98-99, A.Y. Hassan, D.R. Hill, Islamic
Technology, a.a.O. S. 108.
R A K E T E N 125
afl-flaiy®r al-ma™n‚n
(Torpedo oder Rakete)
Unser Modell:
Kupfer, gelötet. Länge: 36 cm.
Na™madd¬n ºasan ar-Ramm®Ω1, der bekannte (Inventar-Nr. G 2.07)
Turniermeister der Mamlukenzeit (gest. 694/
1295), beschreibt im Zuge seiner Ausführungen
über die mit Treibsätzen aus Salpeter, Schwefel
und Kohle funktionierenden Raketen und Projek-
tile «eine Vorrichtung, die er ‹sich bewegendes
und verbrennendes Ei› nennt. In dem illustrierten zwar primitiven, aber in seinem Wesen völlig aus-
Exemplare ist sie auch abgebildet. Text und Bild gebildeten automobilen Torpedo handelt.»
(s. Abb.) lassen, namentlich mit im Späteren an- «Zwei konkave Eisenbleche ... werden zusammen-
zuführenden abendländischen Angaben zusam- gefügt und mit Filz abgedichtet, so daß sie einen
mengestellt, keinen Zweifel, daß es sich um einen abgeflacht-birnenförmigen Hohlkörper (...) bilden,
der mit ‹Naphta, Metallspänen und guten Mi-
schungen› – unter den letzteren versteht Hassan
stets stark salpeterhaltige – geladen und mit zwei
Stangen (...) und einer großen Rakete (...) verse-
1 Kit®b al-Fur‚s¬ya wa-l-man®◊ib al-Ωarb¬ya, Ms. Paris, hen wird. In welchem Element sich das ‹sich be-
Bibl. Nat., ar. 2825, fol. 101 b; Reinaud und Favé, Du feu
grégeois, a.a.O. S. 45, Abbildungsteil pl. II, fig. 32.
1 2 6 K R I E G S T E C H N I K
2 S. J. von Romocki, Geschichte der Sprengstoffchemie, einem Versuch, nicht nur auf einem Plan; denn theoretisch
a.a.O. S. 70-71; A.Y. al-Hassan und D. R. Hill, Islamic Tech- hätte der Verfasser wohl kaum finden können, daß, um eine
nology, a. a.O. S. 118; J. R. Partington, A History of Greek Rakete auf dem Wasser in gerader Richtung zu halten, eine
Fire and Gunpowder, a.a.O. S. 203. weit kürzere Rute genügt, als um in der Luft dasselbe zu er-
3
vgl. Romocki, a.a.O. S. 153, wo der Autor, statt an eine zielen.»
Abhängigkeit vom arabisch-islamischen Kulturbereich zu 4 E. Battisti und G. Saccaro Battisti, Le macchine cifrate di
denken, folgert: «Hier haben wir die Urform des bei Hassan Giovanni Fontana, Mailand 1984, S. 126.
5
Alrammah schon weiter fortgeschrittenen Raketen-Torpedos. Romocki, Geschichte der Sprengstoffchemie, a.a.O.,
Auch hier beruht aber die Beschreibung offenbar schon auf S. 230, 236, 240.
R A K E T E N 127
2 Abb.
aus az-
Zardk®·,
al-An¬q,
Ms. Top-
kapı Sarayı,
Ahmed III,
3469.
Osmanische
Raketen
in: Ilim ve sanat (√stanbul) 8/1986/54-63, bes. S. 61-62; ders., gesehen, s. H. K. Cook, The Birth of Flight, London 1941, S. 29,
Handschriften aus dem Gebiet der Technik und Aerodynamik s. A. Terzioªlu, a.a.O.).
sowie der ersten Flugversuche im IX.-XVII. Jhd. im islamisch- 3 Handschrift √stanbul, Topkapı Sarayı, Baªdad Kö¤kü no. 368.
R A K E T E N 129
Abbildungen aus ‘Al¬ §∫®, Umm al-∫az®, Hds. Topkapı Sarayı, Baªdad Kö¤kü no. 368.
1 3 0 K R I E G S T E C H N I K
Unser Modell:
Edelstahl, Höhe: 30 cm.
Lauf höhenverstellbar.
Projektil, Länge 17cm.
(Inventar-Nr. G 1.16)
Kanone
In dem Buch al-An¬q fi l-man®™n¬q (8./14. Jh.) ist
eine Kanone mit ihren Bestandteilen abgebildet.
Sie entstammt einer Entwicklungsstufe, die wir im
arabisch-islamischen Kulturbereich bis zur zwei-
ten Hälfte des 7./13. Jahrhunderts hinauf verfolgen
können (s.o.S. 100). Die Kanone hieß midfa‘ oder
mikΩala. Das Buch al-An¬q zeigt drei Typen, die
sich durch die Graduierung ihrer Entfernungsskala
unterscheiden. Die Skala des ersten Typs hat eine
Elferteilung (Abb. a), die des zweiten eine
Vierzehnerteilung (Abb. b) und die des dritten
eine Zehnerteilung, die noch einmal unterteilt
wird (Abb. c). Der graduierte Zielmechanismus
heißt qund®q, ein türkisches Wort, das bis heute
im Sinne von Zündmechanismus von Feuerwaffen
gebraucht wird. In der knappen Beschreibung wird
darauf hingewiesen, daß die Distanzen bei der
Zieleinstellung von unten nach oben stufenweise
ansteigen.
Eine weitere Ansicht unseres Modells in
geladenem Zustand, nebst Skizze aus al-An¬q.
1 3 2 K R I E G S T E C H N I K
(Abb. b)
(Abb. a)
Eine weitere Darstellung aus al-An¬q,
mit deutlicher Abgrenzung der Büchse.
(Abb. c)
Unser Modell:
Stahl, Länge: 81 cm
(Inventar-Nr. G 2.21)
Handfeuerwaffe
Die älteste uns zur Zeit bekannte Beschreibung Allerdings betrachtet Baarmann die Abbildung,
einer Handfeuerwaffe befindet sich in der oben welche sich in der Handschrift auf eine Kanone
(S. 100) erwähnten Petersburger Handschrift. Die bezieht, irrtümlich und wohl durch die unvorteil-
französische Übersetzung von Reinaud und Favé hafte Zeichnung beeinflußt, als mörserartige
aus dem Jahre 1849 wurde in der Geschichts- Handfeuerwaffe. Auf die Einzelheiten der dort be-
schreibung der Waffenktechnik leider nicht mit schriebenen «Feuerlanze» geht er nicht ein.
der gebührenden Aufmerksamkeit zur Kenntnis Bei dieser handelt es sich um eine kombinierte
genommen. O. Baarmann1 macht dabei, soweit ich Handfeuerwaffe. Im hinteren Teil einer Lanze
sehe, eine rühmliche Ausnahme: «Die ältesten, wird ein ausreichender Raum ausgehöhlt, um dort
orientalischen, als Vorläufer der sich im zweiten eine Schießpulverladung einbringen zu können.
Viertel des 14. Jahrhunderts in Europa mehr und Das Projektil hat die Form eines Pfeiles oder Bol-
mehr ausbreitenden Feuerwaffen zu bezeichnen- zens. Die Lanze wird von ca. 10 cm vor ihrem hin-
den, durch Feuerwerkssätze wirkenden Waffen, teren Ende bis zur Spitze entsprechend ausgehöhlt.
die Feuerlanze und der Madfaa, waren Einrichtun- Diese und weitere Einzelheiten des Textes ermög-
gen einfachster Art, welche zu ihrer Handhabung lichten uns den Bau des obigen Modells.
mit Stielen versehen waren. Viele Jahrzehnte hin-
durch blieb diese Art der Handlichmachung der An diese älteste Feuerhandwaffe aus dem ara-
Feuerwaffen die einzige und erhielt sich neben neu- bisch-islamischen Kulturkreis erinnert die Abbil-
aufkommenden ande- dung eines aus dem 15. Jahrhundert erhaltenen
ren noch sehr lange. «Feuerrohres», das sich zu Beginn des vorigen
Fig. 1 (nach der aus Jahrhunderts im Besitz von Robert Forrer in
dem Anfang des 14. Deutschland befand.2
Jahrhunderts stam-
menden arabischen
Handschrift des asia-
tischen Museums zu
Petersburg) zeigt die
Handhabung der
letztgenannten kur- Abb. aus Forrer, S. 26.
zen, hölzernen, mör-
Abb. aus al-Ma¿z‚n f¬ ™®mi‘ al- serartigen Waffe.»
fun‚n, Ms. Leningrad C 686, fol.
156.
Unser Modell:
Holz, gebeizt und
Messing, geätzt.
Länge: 40 cm.
(Inventar-Nr. G 1.14)
Ballistischer
Gradmesser
In dem Buch al-An¬q fi l-man®™n¬q 1 (8./
14. Jh.) finden wir die älteste bisher be-
kannte Abbildung eines ballistischen
Gradmessers. Man verwendete ein sol-
ches Gerät, das m¬z®n al-qar¬b wa-l-ba‘¬d
hieß, bei der Zieleinrichtung von Gegen-
gewichtsbliden.
Ballistisches
Nivelliergerät
1
az-Zardk®·, al-An¬q fi l-man®™n¬q, Ed. Aleppo, a.a.O.
S. 48- 49.
1 3 6 K R I E G S T E C H N I K
Unser Modell:
Holz mit Stahlverkleidung.
Höhe: 45 cm.
(Inventar-Nr. G 2.02)
zaΩΩ®fa
(Panzerwagen mit Rammbock)
M. Canard in: Encyclopaedia of Islam, New Edition, Bd. 1, Abb. aus az-Zardk®·,
1960, S. 499. al-An¬q, Ms. Topkapı
2 afl-fiabar¬, Ta’r¬¿, ed. de Goeje, 3. series, Bd. 2, S. 1248; K.
Sarayı, Ahmed III, 3469.
Huuri, Zur Geschichte des mittelalterlichen Geschützwesens,
a.a.O. S. 152.
3 K. Huuri, a. a.O. S. 152.
1 3 8 K R I E G S T E C H N I K
Antike Objekte
aus Metall, Glas,
Keramik, Holz und Stein
ANTIKE OBJEKTE 141
kosmetische Utensile
spätantik/byzantinisch?
Fundort: Anatolien
Bronze, Bein.
(Inventar-Nr. J 239-58)
142 ANTIKE OBJEKTE
2. Pinzette
Länge: 8 cm
(Inventar-Nr. J 39-5)
3. Pinzette
Länge: 7,7 cm
(Inventar-Nr. J 39-6)
4. Pinzette
Länge: 8 cm
(Inventar-Nr. J 39-7)
6. Schere
Länge: 12,4 cm
(Inventar-Nr. J 39-1)
8. Nadel
Länge: 10 cm
(Inventar-Nr. J 39-3)
ANTIKE OBJEKTE 143
6 Pinzetten /
Zangen
5.-6./11.-12. Jh.
N¬·®p‚r
Bronze
Länge: 12,5-21,4 cm
(Inventar-Nr. J 22-27)
Spatel
frühislamisch
Nordanatolien
Gabel
sasanidisch oder
umaiyadisch (1.-2./7-8. Jh.)
Nordiran (fiabarist®n)
1. 2. 3. (Spatel) 4. 5.
Silber, Kupfer, Kupfer, Bronze, Bronze?,
Länge: 20,3 cm Länge: 17,6 cm Länge: 16,7 cm Länge: 18,2 cm Länge: 14,3 cm
(Inventar- (Inventar- (Inventar- (Inventar- (Inventar-
Nr. J 37) Nr. J 32) Nr. J 36) Nr. J 35) Nr. J 34)
5 flache Löffel
øor®s®n (5.-9./11.-15. Jh.)
1. Messlöffel? 2. 3. 4. Messlöffel?
Silber, Kupfer, Kupfer, Kupferlegierung,
Länge: 26 cm Länge: 18,3 cm Länge: 15,5 cm Inschrift
(Inventar-Nr. J 38) (Inventar-Nr. J 33) Volumen: 25 ml Länge: 14,5 cm
(Inventar-Nr. J 31) Volumen: 25 ml
(Inventar-Nr. J 30)
4 tiefe Löffel
øor®s®n (5.-9./11.-15. Jh.)
Zur Frage der Bronze im Iran in islamischer Zeit s.: J. W. Allan: Persian Metal Technology 700-1300
AD, London 1979, S. 45-55.
146 ANTIKE OBJEKTE
flacher Löffel
sasanidisch oder umaiyadisch (1.-2./7.-8. Jh.)
Nordiran (fiabarist®n)
Silber,
Länge: 19 cm
(Inventar-Nr. J 62)
ANTIKE OBJEKTE 147
Mörser
sal™‚qisch (6.-7./12.-13. Jh.)
N¬·®p‚r?
: 13 cm
(Inventar-Nr. J 29)
Mörser
(osmanisch, 12./18. Jh.?)
Messing,
: n cm
(Inventar-Nr. J 365)
Tintenfäßchen (miΩbara)
sal™‚qisch (6./12. Jh.)
N¬·®p‚r
2 Mörser
Ägypten, frühes 15./spätes 20. Jh.
Messing,
: 13 cm, Höhe: 19cm;
Stössel: 23,5 cm.
(Inventar-Nr. J 224)
Messing, Buntmetalleinlagen.
: 12 cm, Höhe: 14,5 cm;
Stössel: 22 cm.
(Inventar-Nr. J 225)
150 ANTIKE OBJEKTE
3 Schalen
osmanisch
verzinntes Kupfer,
: 7,5 cm,
(Inventar-Nr. J 234-36)
ANTIKE OBJEKTE 151
3 Zündstahle
zum Funken schlagen
◊afawidisch (11./17. Jh.)
Stahl, geschmiedet
Länge: 12,2-15 cm,
(Inventar-Nr. J 57-59)
Glas-Schneider
◊afawidisch (11./17. Jh.)
Siegel
sal™‚qisch (6./12. Jh.)
N¬·®p‚r
Bronze?, Hexagramm-Stempel
: 1,6 cm,
(Inventar-Nr. J 55)
Schröpfköpfe
Ma∫rib, älter.
Messing, gelötet,
Höhe: 9,6 cm,
(Inventar-Nr. J 90-1 und -2)
Schmiege
Ma∫rib (?), älter.
Bronze?,
Länge des Lots: 16,7 cm, Breite der Spule: 8,3 cm.
(Inventar-Nr. J 65)
2 zahnmedizinische?
Zangen
Alter und Herkunft unbekannt.
Dochtzange
◊afawidisch (11./17. Jh.)
Iran
3 Angelhaken
angebl. frühislamisch
Südiran
Bronze?,
Länge: 33-43 mm
(Inventar-Nr. J 84-1, 2 und 3)
154 ANTIKE OBJEKTE
Goldwaagen-Set
q®™®risch (13./19. Jh.)
I◊fah®n
ausgestochener Kasten,
beschnitzt,
23,5 × 14,5 × 4,5 cm
(Inventar-Nr. J 88)
Goldwaagen-Set
osmanisch?
ausgestochener Kasten,
12,5 × 7,3 × 2,2 cm
(Inventar-Nr. J 233)
156 ANTIKE OBJEKTE
9 Gewichte
Anatolien?
Messing,
: 56-160 mm.
(Inventar-Nr. J 237 1-9)
ANTIKE OBJEKTE 157
6 Gewichte
Alter und Herkunft unbekannt.
Kupferlegierungen,
: 16-64 mm.
(Inventar-Nr. J 238 1-6)
9 Gewichte
‘abb®sidisch?
Kupferlegieruungen.
: 15-25 mm,
14, 26, 26, 28, 28, 29, 29, 30, 57 g.
(Inventar-Nr. J 86 1-9)
Fußbecher
3./9.-5./11. Jh.
N¬·®p‚r
Lampe
umaiyadisch?
Syrien
2 Schröpf-
köpfe?
3./9.-4./10. Jh.
N¬·®p‚r
Trichter?
früh‘abb®sidisch
Syrien
Trichter
3./9.-4./10. Jh.
N¬·®p‚r
vgl. Berlin, Museum f. Islamische Kunst, a.a.O. Bd. 1, Glas, No. 25, 92-94, 164-165; À l’ombre d’Avicenne.
La médecine au temps des califes, No. 150; Chr. Clairmont, Benaki Mus., Ancient and Islamic Glass, a.a.O.,
No. 274, 311; alle als levantinisch angesehen; J. Kröger, Nishapur, a.a.O., No. 42 und 100 (3./9.-4./10. Jh.).
162 ANTIKE OBJEKTE
Tintenfäßchen
3./9.-4./10. Jh.?
N¬·®p‚r?
Lampe
frühislamisch
Westanatolien
Hängelampe
umaiyadisch?
Syrien (Aleppo?)
Tintenfaß?
3./9.-4./10. Jh.
N¬·®p‚r
Kleine Flasche
umaiyadisch?
Syrien?
Becher
3./9.-4./10. Jh.?
N¬·®p‚r?
Flasche
5./11.-6./12. Jh.
øor®s®n?
kleine Flasche
9.-11. Jh.
øor®s®n
kleine Flasche
umaiyadisch?
Syrien?
Quadrupel
Pigmentnapf
3./9.-4./10. Jh.
N¬·®p‚r
Stein
6,5 × 7 × 3 cm.
(Inventar-Nr. J 42)
Tintenfaß?
6./12.-7./13. Jh.
N¬·®p‚r?
Quarzfritte-Keramik (Scherben nicht aus Beispiel einer wichtigen Keramiktechnik, bei der vor
natürlicher Tonerde, sondern einer Mischung allem durch Zusatz von gemahlenem Glas eine dem
aus gemahlenen Mineral- und Glasanteilen mit hochgebrannten Steinzeug der S‚ng ähnliche Wir-
weißem Ton und Pottasche); monochrome, kung erzielt wurde.
kobaltblaue Feldspatglasur.
: 11 cm.
(Inventar-Nr. J 41)
4 Ringsteine
Zand/Q®™®r (12./18.-13./19 Jh.)
Iran
obere Reihe:
2 Ringsteine:
links:
Zand/Q®™®r
(12./18.-13./19. Jh.)
Iran
Nephrit, graviert,
Breite: 33mm.
(Inventar-Nr. J 76)
rechts:
Timuridisch (9./15. Jh.)?
Iran.
untere Reihe:
2 Siegelringsteine
Zand/Q®™®r (12./18.-13./19. Jh.)
Iran
Karneol, graviert
Breite: 17 und 20 mm. vgl. Khalili Collection, Bd.16, No. 587
(Inventar-Nr. J 72 und 73) (dort in Ring gefaßt).
ANTIKE OBJEKTE 169
Glas, mit eingeprägten Inschriften und Mustern. Derartige Plaketten wurden seit der frühen
Einige ägyptische Stücke aus der Umaiyaden- Umaiyadenzeit speziell zum amtlichen Versiegeln
zeit sind anhand der Inschrift datierbar1; andere genormter und abgewogener Medikamente resp.
aus bläulichem, irisierten Glas mit einfachen Nahrungsmittel verwendet.2
Mustern (wie sie Siegelstempel der Art unserer Unser frühestes datierbares Exemplar stammt vom
Inventar-Nr. J 55 erzeugen) dürften aus dem kairinischen Finanzdirektor ‘Ubaidall®h b. al-
Iran stammen. ºabΩ®b (102-116/720-734).
Amulett ?
3./9.-6./12. Jh.?
N¬·®p‚r?
Siegel
6./12. Jh.?
N¬·®p‚r?
Kupferlegierung, Inschrift.
Breite: 16 mm
(Inventar-Nr. J 83) Breite: 34 mm
(Inventar-Nr. J 80)
20 × 20 × 16 mm
4 Siegel
10 × 10 × 16 mm
(Inventar-Nr. J 81) 13./19. Jh.
(Inventar-Nr. J 82)
øor®s®n
4 Gewichte
angeblich neobabylonisch (-7. Jh.)
Mesopotamien/Elam
Hämatit,
Breite: 18-25 mm; Gewicht: 4, 5, 7 und 16 g.
(Inventar-Nr. J 85 1-4)
Ledermodel
3./9.-6./12. Jh.
N¬·®p‚r
Juweliers-Werkzeug ?
3./9.-6./12. Jh.
N¬·®p‚r
Gußform ?
3./9.-6./12. Jh.
N¬·®p‚r
Stein, Gußform
7 × 5 × 2,5 cm. 3./9.-6./12. Jh.
(Inventar-Nr. J 50) N¬·®p‚r
3 Gußformen
3./9.-6./12. Jh.
N¬·®p‚r
Stein, Stein,
9 × 5,5 × 1,5 cm. 6,5 × 5 × 1,5 cm.
(Inventar-Nr. J 43) (Inventar-Nr. J 44)
Stein,
4,5 × 7,2 × 1,5 cm.
(Inventar-Nr. J 45)
174 ANTIKE OBJEKTE
Messing, Schlagstück
3,4 × 1,5 × 0,8 cm.
(Inventar-Nr. J 56) und
3 Gußformen
für Projektile
N¬·®p‚r?
Kupferlegierung, 3./9.-6./12. Jh.
7,1 × 2,4 × 0,4 cm.
(Inventar-Nr. J 53)
vgl. Ö. Küçükerman, Maden Döküm Sanatı,
a.a.O., S. 10 (Anatolien 13./19. Jh.).
Stein,
4,2 × 2,4 × 1,3 cm.
(Inventar-Nr. J 49)
Stein,
6 × 6 × 2,5 cm.
(Inventar-Nr. J 48)
Form/Model ?
spätes 12./18. Jh. (Zand)
∞¬r®z
Zeugdruckstempel
frühes 13./19. Jh. (Q®™®r)
I◊fah®n
Zeugdruckstempel
frühes 13./19. Jh. (Q®™®r)
I◊fah®n
Holz, ausgestochen,
15,5 × 19 × 5,5 cm.
(Inventar-Nr. J 67)
176 ANTIKE OBJEKTE
Holz, geschnitzt,
13 × 8 × 6 cm.
(Inventar-Nr. J 68)
Europäisches Glas und Keramik in orientalisierendem Stil
Einleitung*
Im 19. Jahrhundert wurden sich europäische Kunst- Prisse d’Avennes4, die im Anschluß an Owen
handwerker bewußt, daß das bisher produzierte Jones’ Grammar of Ornament 5 erschienen.
Kunstgewerbe nicht mehr der Zeit entsprach. Durch Keramik und Glas waren Gattungen, die großen
die französische Revolution waren neue Käufer- Einfluß auf den europäischen Markt hatten. Für die
schichten zu Hauptabnehmern von Kunstgewerbe Ausstattung von Häusern und Wohnungen waren
geworden. So begann die Produktion industriell Keramikfliesen beliebt (Minton Hollins & Co.,
gefertigter Ware mit niedrigen Preisen, um der grö- Fliesen, Inv. Nr. J 360, s.u.S. 200). Die Produkte
ßeren Zahl von Käufern gerecht zu werden. der europäischen Firmen wurden aber nicht nur auf
Private Produzenten, aber auch staatliche Gremien dem europäischen Markt abgesetzt, sondern fanden
empfanden, daß es zu einer übergreifenden Reform- auch Auftraggeber in den orientalischen Ländern.
bewegung innerhalb des Kunstgewerbes kommen So weiß man von Aufträgen des ägyptischen
müsse. Nur so konnten in einer Zeit der entstehen- Khediven für die Keramikschöpfer Ulisse
den Nationalstaaten auch Nationalstile gefördert Cantagalli (Florenz), William de Morgan (Lon-
werden. Im Verlauf dieser Entwicklung wurden don), Vilmos Zsolnay (Pècs) und für den New Yor-
staatliche Kunstgewerbeschulen gegründet. ker Glaskünstler Louis Comfort Tiffany. Die Osma-
Zur Förderung und Präsentation nationaler Stile nischen Sultane beauftragten für die Ausstattung
und des internationalen Handels wurden seit 1851 ihrer Paläste und Mausoleen, aber auch für Mo-
Weltausstellungen veranstaltet, an denen nicht nur scheen Keramiker wie Théodore Deck. 1865 erhielt
europäische Länder teilnahmen, sondern auch sol- Eugène Collinot (Paris) für seine Bemühungen um
che aus dem Nahen und Fernen Osten und anderen die Neubelebung der persischen Keramik von
Gebieten der Welt. Als besonders vorbildlich wur- Na◊¬radd¬n, dem Schah von Persien, eine Ehren-
de dabei die Kunst der islamischen Länder ent- medaille. Hippolyte Boulenger (Choisy-le-Roi)
deckt. Kunstobjekte dieser Länder kauften die vie- wurde bei der Ausstattung eines Teils der Yeni
len Kunstgewerbeschulen und die neuentstandenen Cami («Neuen Moschee») in √stanbul hinzugezo-
Kunstgewerbemuseen. Es entstanden aber auch gen.
große Privat- und Firmensammlungen. Künstler Betrachtet man heute die europäischen Keramik-
und Theoretiker beachteten alle Kunstgattungen und Glasobjekte in ihrem Verhältnis zur islami-
und studierten Materialtechnik, Dekorations- schen Welt, ist ein Befund auffällig: der überwie-
systeme und Farbgestaltung. gende Teil der von europäischen Firmen produzier-
Jede Theoriebewegung braucht Publikationen, um ten Stücke wurde in osmanischem Stil und in davon
die Stücke, die als vorbildlich gelten, in ausgewähl- abgeleiteten Dekorformen ausgeführt. Dies lag vor
ten Beispielen vorzustellen und zu erklären. So ent- allem daran, daß die Blumendekore der osmani-
stand ein Markt für Vorlagenwerke, die der Fortbil- schen Kunst durch ihre in vorbildlich zweidimen-
dung dienten. Die bekanntesten Werke waren die sional ausgeführter Malweise bestachen. Dabei wa-
von Christopher Dresser1, Adalbert de Beaumont ren sie für die europäischen Käufer wegen der wie-
und Eugène Collinot2, Albert Racinet 3 und Achille
derzuerkennenden Blumen (Rosen, Hyazinthen, che Dekorationen entsprachen dem Zeitgeist des
Nelken, Tulpen) attraktiv. Solche Dekormotive Historismus. In der Sammlung des Instituts für Ge-
konnten entweder direkt übernommen oder Details schichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften
der Dekore in eigene Schöpfungen integriert wer- ist dies der Pokal der Firma Pfulb & Pottier (Inv.
den. Nr. J 342, u.S. 183).
In der Sammlung des Instituts für Geschichte der In der vierten Art der Umsetzung wurde sichtbar
Arabisch-Islamischen Wissenschaften befinden sich auf islamische Vorbilder zurückgegriffen, aber den-
Beispiele für die wesentlichen Umsetzungs- noch Eigenes geschaffen, dazu gehören die Vase
möglichkeiten der Kunst der islamischen Welt in der Firma von Fritz Heckert (Inv. Nr. J 348, u.S.
Europa. Sie sollen hier benannt werden: Ein Teller, 189) und die Vase der Delfter Firma De Porceleyne
wie der von Théodore Deck (Inv. Nr. J 358, s.u.S. Fles (Inv. Nr. J 363, u.S. 202). Gerade diese Stücke
198) entstand in unmittelbarer Nähe zur osmani- zeigen, daß die Designer eine tiefere Kenntnis isla-
schen Keramik des 10./16. und 11./17. Jahrhun- mischer Kunst besaßen. Sie bereisten dafür Europa
derts. Ph.J. Brocard stellte eine Kopie einer und studierten die Objekte in öffentlichen und pri-
maml‚kischen Glasarbeit her (Vase J 340, s.u.S. vaten Sammlungen, aber auch in Ländern der isla-
180). Andere Stücke verwendeten nur Details in mischen Welt, um ihre Sachkenntnis zu verbessern.
direkter Kopie von Vorbildern, und nur die Zusam- Wichtige Stücke in der Sammlung, die eine Weiter-
menstellung dieser Elemente war eine eigene Lei- entwicklung zur Kunst der Moderne zeigen, besit-
stung. Solche Objekte dienten oft dazu, an den Vor- zen einen eigenen Stil, auch wenn sie noch sichtbar
bildern zu lernen, um die Prinzipien ihrer Dekorati- Bezüge zur orientalischen Kunst haben. Dabei fällt
on zu verstehen und auf dieser Grundlage Neues auf, daß nicht nur die Kunst der islamischen Welt
schaffen zu können. Bezeichnenderweise gab die als Ideengeber wirkte, sondern auch die Kunst Ost-
Firma Lobmeyr auf der Unterseite ihrer Gläser je- asiens. Bei dem Stück aus der Produktion von
weils die deutsche Übersetzung der arabischen Tex- Clément Massier zeigt sich deutlich, welchen Ein-
te an und gab dadurch den Stücken einen akademi- fluß auf die moderne Keramik die arabische Schrift
schen Charakter. haben konnte, wenn sie als von ihrer Bedeutung
Innovativ und für die Zukunft des europäischen losgelöstes abstraktes Musterrepertoir diente (Inv.
Kunsthandwerks entscheidend waren in dieser Zeit Nr. J 364, u.S. 203). Die Langhalsvasen der Firma
entwickelte neue Techniken, die nur bei einer derart Lobmeyr (Inv. Nr. J 357-1 und 357-2, u.S. 197)
intensiven Auseinandersetzung entwickelt werden zeigen demgegenüber Einflüsse aus dem ostasiati-
konnten (vgl. Th. Deck,Teller J 361, u.S. 201; Lob- schen Kulturraum und kommen in ihrer Dekoration
meyr, verschiedene Formen: J 343-345, 347 und dem Jugendstil sehr nah.
349 u.S. 184-186, 188, 190). Insgesamt belegten die Objekte der Sammlung den
Die dritte Variante der Umsetzung wird durch Stük- Weg von der direkten Kopie des Vorbildes im Zeit-
ke dokumentiert, für deren Dekor Motive Verwen- alter des Historismus zu neuen Dekorformen, die
dung fanden, die üblicherweise in der islamischen bereits dem Vorfeld des Jugendstils entsprechen.
Kunst Teil eines Gesamtentwurfs sind, hier aber Sie zeigen die Bedeutung der Kunst der islamischen
zum freistehenden Einzelmotiv gemacht wurden. und der ostasiatischen Welt bei der Entwicklung
So wurden sie regelrecht «monumentalisiert». Sol- eines modernen Dekorstils im europäischen Kunst-
gewerbe.
G L A S & K E R A M I K 179
Vase
in Form einer Moscheeampel
Anonym, vermutlich Frankreich,
zweite Hälfte 19. Jh.
Formgeblasenes, farbloses Glas,
Emailmalerei in Blau, Rot und Gold.
Rote Konturlinien.
Auf dem Boden ausgeschliffene Signatur
oder Firmenmarke.
Höhe: 23,5 cm; Durchmesser: 19,5cm.
(Inv. Nr. J 339)
(Wien) 4, Heckert (Petersdorf) 5, Gallé (Nancy) 6 und Vergleichbare Objekte in anderen Sammlungen
Inberton (Paris) 7 signierten ihre Kopien. Es entstan- unter vielen anderen:
Wien, Österreichisches Museum für angewandte Kunst, Inv.
den aber auch nicht gezeichnete Stücke anderer Nr. Gl 553 (Abb. in: Waltraud Neuwirth, Orientalisierende
Firmen. Diese gelangten dann oft als Fälschungen Gläser. Bd. 1: J. & L. Lobmeyr, Wien 1981, S. 54); Nürnberg,
auf den Kunstmarkt. Das hier beschriebene Objekt Gewerbemuseum der Landesgewerbeanstalt Bayern, Inv. Nr.
war ursprünglich mit einem Markenzeichen aus 1623/1 (Abb. in: Horst Ludwig, Moscheeampeln und ihre
Nachahmungen, in: Weltkulturen und moderne Kunst, Mün-
einer Rundform mit umlaufendem Band auf dem
chen 1972, S. 80-93, hier S. 83).
Boden versehen. Die Signatur wurde jedoch zu ei-
ner nicht bekannten Zeit ausgeschliffen, um das
Stück als Original verkaufen zu können. museum Hirschberg (Riesengebirge) und zur Ausstellung im
Haus Schlesien, Königswinter 1992, Kat. Nr. 50.
6
Vgl. Nancy, Musée de l’Ecole de Nancy, Inv. Nr. 171 (Abb.
in: Doris Moellers, Der islamische Einfluß auf Glas und Kera-
4
Vgl. oben innerhalb der Beschreibung als Vergleichsbeispiel. mik im französischen Historismus, Frankfurt/Main u.a. 1992,
5
Vgl. Hirschberg, Kreismuseum, Inv. Nr. MJG 203/s (Foto d. Kat. Nr. 56).
Verf.; Abb. in: Schlesisches Glas aus der 2. Hälfte des 19. 7
Vgl. Kunstmarkt 1988 (Abb. in: Auktionskatalog Sotheby’s
Jahrhunderts: zur Sammlung schlesischen Glases im Kreis- vom 13.7.1987, Lot 272).
Vase
Philippe-Joseph Brocard, Paris
Freigeblasenes1, grünliches, transparentes Glas.
Emailmalerei in Rot, Blau, Weiß und Grün.
Innerhalb des Emaildekors Goldlinien.
Auf dem Boden Signatur in roter Schrift:
Brocard Paris 1869.
Höhe: 31,8 cm.
(Inv. Nr. J 340)
Aus den Medaillons auf dem Bauch entspringen streifen und der Medaillons vereinfachte. Ein iden-
Pflanzenmotive, die in stilisierten Tierköpfen en- tisches Stück (jedoch ohne Signatur) wurde 1873
den. Solche Motive wurden seit dem 5./11. Jahr- für das Östereichische Museum für angewandte
hundert in der seldschukischen Kunst entwickelt Kunst auf der Wiener Weltausstellung erworben. 4
und gehörten seit dieser Zeit zum Dekorrepertoire Da die Vase in der hier bearbeiteten Sammlung
in allen Gattungen der islamischen Kunst. bereits 1869 produziert wurde, erweist sich, daß
Die Vase ist eine Kopie einer maml‚kischen Lang- Brocard einmal gefundene Vorbilder über Jahre
halsflasche des 8./14. Jahrhunderts.2 In der Zeit, in hinweg kopierte. Ob die Herstellung von Stücken
der Brocard seine Vase herstellte, gehörte diese ohne Signatur darauf schließen läßt, daß
maml‚kische Vase zur großen Sammlung islami- Brocardgläser von einigen seiner Kunden entweder
scher Kunst von Baron Edmond de Rothschild als echte Orientgläser verschenkt oder verkauft
(1827-1905) in Paris.3 Bei einem Besuch der wurden, ist nicht zu ermitteln, aber denkbar. In eini-
Sammlung wird Brocard auf die Vase aufmerksam gen wichtigen Glassammlungen von Museen oder
geworden sein. in privatem Besitz wurden Glasarbeiten, wie die
Brocards Vase ist in der Form eine genaue Kopie hier besprochene, als authentische mittelalterliche
des maml‚kischen Vorbildes. Auch die Dekore fol- Gläser eingeschätzt. Solche Gläser befanden sich
gen in ihrer Struktur dem Original. Brocard änderte auch in der Sammlung von Baron Edmond de
aber die Dekorelemente, indem er die Linienfüh- Rothschild.
rung der Pflanzenmotive innerhalb der Dekor-
1
K. Morrison McClinton, Brocard and the Islamic Revival, 3
Annette Hagedorn, Die orientalisierenden Gläser der Firma
a.a.O. S. 280. Fritz Heckert im europäischen Kontext, in: Mergl, Jan (Hrsg.),
2
Carl Johan Lamm, Mittelalterliche Gläser und Steinschnitt- Böhmisches Glas – Phänomen der mitteleuropäischen Kultur
arbeiten aus dem Nahen Osten, 2 Bde. Berlin 1929, Tafel 115, des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, Passau 1995 (= Schriften
Nr. 14.; Gaston Migeon, Arts plastiques et industriels, Paris des Passauer Glasmuseums, Bd. 1), S. 84-89, hier S. 86f.;
1927 (= Manuel d’art musulman, Bd. 2); Ernst Kühnel, Die Auktionskatalog Christie’s, London 14. 10. 2000, S. 46.
Arabeske. Sinn und Wandlung eines Ornaments, Wiesbaden 4
Inv. Nr. Gl 1052; W. Neuwirth, Orientalisierende Gläser,
1949, S. 223-227. a.a.O. Abb. 36.
1 8 2 I N D U S T R I E
1
K. Morrison McClinton, Brocard and the Islamic Revival, sitz von Alfred Landier und Charles Haudaille über. Die Signa-
a.a.O. S. 280. tur will zu verstehen geben, daß J. Brocard auch in Meudon
2
Südöstlich von Paris. Hier war seit 1756 in einem Nebenge- tätig war.
3
bäude des Schlosses von Madame Pompadour der Glas- Vergleichsbeispiel für die Form ist ein Wasserbecken aus
veredelungsbetrieb «Cristalleries de Sèvres» etabliert, der nach dem 8./14. Jahrhundert aus Syrien/Ägypten (Berlin, Museum
ihrem Tod von ihrem Bruder unter dem Namen «Royales de für Islamische Kunst, Inv. Nr. I.921, s. Klaus Brisch (Hrsg.),
Sèvres» weitergeführt wurde. 1870 ging die Firma in den Be- Islamische Kunst, Mainz 1985).
G L A S & K E R A M I K 183
dafür sind die Stuckdekorationen der Alhambra. Weitere Objekte der Firma in anderen Sammlungen:
Diese Dekore stellte Owen Jones 1856 in seiner Vergleichbare Stücke: In gleicher Form, aber anderem Dekor
und größer: Stuttgart, Württembergisches Landesmuseum, Inv.
Grammar of Ornaments als vorbildlich in Nr. 1981-3.5 In etwas anderer Form: Paris, Privatsammlung.
Oberflächenaufteilung und Farbe dar. Von Brocard
wurde die Diskussion über die Kunstgewerbe-
reform anscheinend aufmerksam verfolgt. So pro-
duzierte auch er Stücke in dem von Owen Jones
bewunderten spanisch-maurischen Stil.4
Pokalglas
Pfulb & Portier, Paris und Nizza
Formgeblasenes, farbloses Glas.
Farbige Emailmalerei auf Goldgrund.
Auf dem Boden Signatur in roter Emailfarbe:
A. Pfulb 1877 170 [Modellnummer].
Höhe: 25,0 cm.
(Inv. Nr. J 342)
4
Vgl. Frankfurt, Museum für Angewandte Kunst.
5
Abb. D. Moellers, Der islamische Einfluß, a.a.O. Abb.15.
1 8 4 I N D U S T R I E
Teller
J. & L. Lobmeyr, Wien (Nr. 3873)1
(Entwurf Johann Machytka und Franz Schmoranz 1878)
Farbloses, sog. ”Krystallglas”2 .
Goldmalerei, blaue Emailmalerei.
Auf dem Boden Lobmeyr-Monogramm in weißer Emailfarbe. weitere Phantasieblüten in Gold und Blau befinden.
Durchmesser: 38,0 cm. In den Zwickeln zwischen den Spitzovalen
(Inv. Nr. J 343) befinden sich ebensolche Blütendekore. Die Spitz-
ovale sind jeweils von Schriftdekoren in Gold-
malerei umgeben.
Der Dekor des Tellers besteht aus 12 spitzovalen Das Zentrum des Tellers ist mit einem kreisrunden
Feldern, deren Ränder sich in der unteren Hälfte Feld überzogen, das von einem Dekor aus einem
zum Teil überschneiden. Abwechselnd sind die Sechspaß-Stern gebildet wird. Die Zwickel der
Spitzovale mit blauem Email- oder mit Golddekor Spitzen des Sterns werden jeweils von Kreisforma-
geschmückt. Die blauen Felder sind mit abstrakter tionen überschnitten. Um das Feld läuft ein Schrift-
Schrift versehen, die von beiden Spitzen nach innen band mit dem Text: «Der Verstand ist das beste
von Schriftansätzen ausgehen und deren Hasten Fundament, und die Gottesfurcht das beste Ge-
geometrisch verknotet sind. Die goldenen Felder wand».3 Die zwölf Spitzovalfelder werden von
mit blauen Motiven sind durch einen floralen Dekor folgender Inschrift eingefaßt: «Wer zu einer Sache
gefüllt, der aus zwei übereinander stehenden etwas sagt, die ihn nichts angeht, hört, was ihm
Palmettblüten gebildet wird, an deren Seiten sich nicht gefällt.»4
1
Wien, Österreichisches Museum für angewandte Kunst, und die Gottesfurcht das Trefflichste der Menschen.» Auf
Lobmeyr Werkverzeichnis, Band XV, Blatt P. der Rückseite des Tellers wird in weißer Emailfarbe folgende
2
Angabe auf einer Entwurfskizze, Wien, Österreichisches (ebenfalls unrichtige) Übersetzung angegeben: «Die Klug-
Museum für angewandte Kunst. heit ist die mächtigste Stütze des Menschen und die Recht-
3
Die Autorin bedankt sich für das Lesen der Inschriften und schaffenheit ist seine beste Eigenschaft.» Wer diese Überset-
die wörtliche Übersetzung bei Frau Dipl.-phil. G. Helmecke zung im 19. Jahrhundert vorschlug, ist nicht bekannt. In
(Berlin, Museum für Islamische Kunst) und Herrn Prof. Dr. beiden Fällen wurde statt lib®s (Kleid, Gewand) an-n®s (der
A. Karoumi (Berlin). Auf der Entwurfskizze in Wien, Öster- Mensch) gelesen.
4
reichisches Museum für Angewandte Kunst, Lobmeyr Werk- Auf der gleichen Entwurfskizze wird diese Inschrift fol-
verzeichnis, Bd. XV, Blatt P ist folgende (unkorrekte) Über- gendermaßen übersetzt: «Wer sich in fremde Dinge mengt,
setzung angegeben: «Die Klugheit ist das beste Fundament hat den Schaden davon.»
G L A S & K E R A M I K 185
Platte
im ‹arabischen Stil› (Nr. 5524)
J. & L. Lobmeyr, Wien
(Entwurf J. Machytka und F. Schmoranz 1878)
Farbloses Glas.
Goldmalerei, blaue Emailmalerei.
Auf dem Boden Lobmeyr-Monogramm
in weißer Emailfarbe.
Durchmesser: 29,0 cm.
(Inv. Nr. J 344)
Die Platte wird dekoriert von einem System aus derart bekannt, daß die Designer eine Zusammen-
zwei Schriftbändern (am Rand und um den Spiegel stellung von Motiven auswählen und zu Dekoren
laufend), die durch vier, die Schriftfriese über- zusammenstellen konnten. Die farbliche Zusam-
schneidende Kreise mit einander verbunden sind. menstellung von Gold und Blau ist aus der spani-
Der Mittelpunkt des Tellers ist von einem Stern- schen Keramikkunst des 15. und 16. Jahrhunderts
motiv auf undekoriertem Glas belegt. Zwischen bekannt und kann für die farbliche Gestaltung von
den Kreisen werden die Flächen mit Emaildekor Objekten wie der hier besprochenen Platte gedient
aus Gabelblattmotiven überzogen. haben. Beispiele spanischer Keramiken des 15. und
Die Dekorformatierung geht auf maml‚kische Me- 16. Jahrhunderts, die im deutschen Sprachraum
tall- oder Glasarbeiten1 zurück. Schon Prisse besonders beliebt waren, befanden sich in sämtli-
d’Avennes hatte in seinem Werk über die mittelal- chen Kunstgewerbemuseen.3 Machytka und
terliche Kunst Kairos eine solche Platte abgebil- Schmoranz versuchten wohl, in ihren Entwürfen
det.2 Ob der hier bearbeitete große Teller sich auf verschiedene Stilrichtungen der islamischen Welt
ein konkretes Beispiel bezieht, oder ein Pasticcio zu verbinden, um so ihre Vorbilder zu übertreffen.
aus mehreren von Machytka und Schmoranz stu- Die Inschrift im Zentrum des Tellers lautet über-
dierten maml‚kischen Originalen darstellt, ist setzt: «Die Herrschaft ist Gottes, des Einzigen, des
nicht bekannt. Die Dekormotivik der Schriftbänder Bezwingers.»4 In den Umrandungen der vier Kreis-
und der Gabelblätter war zur Zeit der Entstehung medaillons steht je zweimal: «Rette uns vor der
dieses Tellers in vielen Vorlagenwerken, aber auch Heuchelei!»5
durch Originale im Wiener Kunstgewerbemuseum
3
Die umfangreiche Sammlung des Pariser Musée de Cluny,
1
Glas: Platte, Mitte 14. Jh., Durchmesser 21,6 cm (New die von allen europäischen Produzenten angewandter Kunst
York, Metropolitan Museum, Bequest of Edward C. Moore, im 19. Jahrhundert studiert wurde, wurde zuletzt publiziert
Inv. Nr. 1891 91.1.1533), Abb. in: Stefano Carboni und Da- in: Robert Montagut, El reflejo de Manises: cerámica hispa-
vid Whitehouse, Glass of the Sultans, New York u.a. 2001, no-moresca del Museo de Cluny de Paris, Madrid 1996.
4
S. 273. Metall: Prisse d’Avennes, L’art arabe d’après les Eine freie Übersetzung wird auf der Rückseite des Objekts
monuments du Kaire, s. Abb. in The Decorative Art of Ara- in weißer Emailfarbe in deutscher Sprache wiedergegeben:
bia. Prisse d’Avennes. Foreword by Charles Newton, London «Gott ist leutseelig. Gott ist gut – rette uns vor der Heuche-
1989, Plate 84. lei».
5
2
Prisse d’Avennes, L’art arabe d’après les monuments du Die Autorin bedankt sich für das Lesen der Inschriften
Kaire, s. Abb. in The Decorative Art of Arabia, a.a.O., Plate dieses Objektes und die wörtliche Übersetzung bei Frau
84. Dipl.-phil. G. Helmecke (Berlin, Museum für Islamische
Kunst).
1 8 6 I N D U S T R I E
1
Wien, Österreichisches Museum für angewandte Kunst, Ent- Einige der Entwurfszeichnungen von Machytka & Schmoranz
würfe in Lobmeyr Werkverzeichnis, Band XV. Bei Walter sind zwar als «persisch» bezeichnet, die Entwürfe unterschei-
Spiegl, Glas des Historismus, Braunschweig 1980, S. 264 wird den sich aber im Stil ihrer Blumendekore.
ein identischer Teller unter «im persischen Stil» eingeordnet.
G L A S & K E R A M I K 187
Vase
J. & L. Lobmeyr, Wien
Farbloses Glas,
Goldmalerei, Emailmalerei
in hell- und dunkelblau.
Auf dem Boden Lobmeyr-Monogramm
in weißer Emailfarbe.
Entwurf um 1878.
Höhe: 13, 5 cm; Durchmesser: 14, 5 cm.
(Inv. Nr. J 346)
Kleine Vase auf breitem Fuß mit zylindrischem, Kreisen gerahmt. Innerhalb der Blatt- und Blüten-
nach oben leicht ausgeweitetem Körper, der in ei- malerei sind einige abstrakte, kreisrunde Ringe mit
nen breit ausladenden Rand übergeht. eingestellten Perlformen eingefügt. Den Vasenrand
Der Dekor der Vase folgte Entwürfen, die von schmückt eine mit Rosettblüten gefüllte Wellen-
Machytka & Schmoranz ohne Angabe des Vorbil- ranke.
des als persisch bezeichnet wurden.1 Dabei wurde Das Besondere des Dekors ist das Nebeneinander
der Fuß von einer Gabelblattranke, zwischen die von unterschiedlichen orientalischen und europäi-
stilisierte Blattmotive gesetzt sind, dekoriert. Die schen Motiven. Kennzeichnend für den Entwurf ist
Dekoration des Körpers beginnt mit einer Ranke ferner die Tatsache, daß auch die maurisch inspi-
aus stilisierten Blütenmotiven. Diese Ranke wird rierten Arabesken2 von dem Künstler eigenständig
mit dichterer Füllung als Abschluß des Körpers ausgeführt wurden, da er die Fläche symmetrisch
wiederholt. Auf dem Körper alternieren Medaillons und mit weiten Zwischenräumen füllte.
mit einer Komposition aus Blatt und Blüten in
Goldmalerei. Die Medaillons sind mit Arabesken
gefüllt. Sie werden von einem Band aus goldenen
2
1
Wien, Österreichisches Museum für angewandte Kunst, Lob- Vgl. zur maurischen Kunst: Montagut, El reflejo de Manises,
meyr Werkverzeichnis, Band XV, z.B. Blatt FF. a.a.O.
1 8 8 I N D U S T R I E
Doppelhenkelvase
J. & L. Lobmeyr, Wien (entworfen wahrsch. 1878
von Johann Machytka und Franz Schmoranz)1
Freigeblasenes, farbloses Glas,
Gold- und Emailmalerei in Dunkel- und Hellblau,
Lindgrün, Rot, Gelb.
Auf dem Boden Lobmeyr-Monogramm
in weißer Emailfarbe.
Höhe: 22,5 cm.
(Inv. Nr. J 347)
Vase
Fritz Heckert, Petersdorf/Piechowice,
Kreis Hirschberg/Jelenia Góra
(ehem. Schlesien, heute Polen)
1879/80 bis um 1900.
Formgeblasenes, farbloses Glas.
Emailmalerei in Blau, Grün, Lilarot,
Goldfarbe in geschnittenen Konturlinien.
Auf dem Boden Signatur in Gold:
FH Co 67 [Seriennummer].
Höhe: 24,0 cm; Durchmesser
des Vasenbauches: 17 cm.
(Inv. Nr. J 348)
Beistelltisch
aus zwei Glasplatten gehalten
von einem Messinggestell
Philippe-Joseph Brocard, Paris
Opakes Glas,
Emailmalerei in Blau, Hellblau,
Weiß, Rot, Grün.
Am Rand der unteren Platte Signatur
in roter Schrift: Brocard 1876 achat.
Höhe insg. 78,0 cm.
(Inv. Nr. J 350)
Jede der zwei 12-paßförmig geschweiften Platten wählt sind. Auffälligste Bestandteile dieser
ist mit einem Dekor versehen aus einem Medail- Dekorationskomposition sind verschiedene
lonring aus acht Rundformen mit zwei verschiede- Fantasieblüten, die an schwingenden Stielen mit
nen Mustertypen, die sich abwechseln. In der Mitte reichem Blattwerk wachsen. Bestandteile des Blatt-
jeder Platte befindet sich parallel zum Rand der werks sind Blätter, die dem osmanischen s®z-Motiv
Platte eine geschweifte 12-Paß-Kartusche mit einer entsprechen.
Dekorfüllung aus Arabeskwerk. Der ungewöhnliche Tisch, für den bisher keine
Diese arabisch anmutenden Dekorelemente aus Vergleichsbeispiele bekannt sind, beweist, wie
abstrahierenden Pflanzenmotiven liegen innerhalb groß die Formenvielfalt war, die Brocard seinen
einer Dekoration, die aus Motiven der osmanischen Kunden liefern konnte.
Iznik-Keramik des 9./15.-10./16. Jahrhunderts ge-
1 9 2 I N D U S T R I E
Zylindrischer Krug
mit Henkel
J. & L. Lobmeyr, Wien, um 1875
Freigeblasenes, farbloses Glas.
Goldauflagen, Emailmalerei in Blau, Weiß.
Auf dem Boden Lobmeyr-Monogramm
in weißer Emailfarbe.
Höhe: 15,0 cm.
(Inv. Nr. J 351)
Der Krug folgt einer Form, die sich seit dem 16.
Jahrhundert im deutschen Sprachgebiet entwickelt
hat und seitdem als Humpen bezeichnet wird.1
Der Dekor im unteren Bereich des Glases besteht
aus Mehrpaßbögen, die mit floralen Elementen ge-
füllt sind.
Obwohl der Krug seine Entstehung in der Zeit des 1
Vgl. Hugh Tait, European: Middle Ages to 1862, in:
Historismus offenbart, zeigt sich, welche Möglich- Masterpieces of Glass, London: British Museum 1968, S.
keiten es gab, sich vom überbordenden Dekor zu 127-192, hier S. 160, 167.
2
Vgl. B. Mundt, Kunsthandwerk und Industrie im Zeitalter
trennen und sehr schlicht zu dekorieren.2
der Weltausstellungen, a.a.O., o. Pag., Neurenaissance.
G L A S & K E R A M I K 193
Vase
J. & L. Lobmeyr, Wien, Entwurf um 1880
Farbloses Glas,
Goldmalerei, Emailmalerei in Hell-
und Ultramarinblau, Weiß.
Auf dem Boden Lobmeyr-Monogramm
in weißer Emailfarbe.
Höhe: 23,0 cm.
(Inv. Nr. J 352)
Die Vase mit eingezogenem Fuß, ausladendem formen eingesetzt sind. Am Hals wurde ein
Bauch und trichterförmigem Hals ist dekoriert Meandermotiv aufgebracht. Der Fries auf dem
durch eine Zusammenstellung von Motiven ver- Vasenbauch gibt eine Gabelblattranke wieder, am
schiedener Herkunft. Vasenbauch und Hals werden Hals wurde ein Gabelblattfries aufgebracht. Die
überzogen von einer Struktur von Mehrpaß- Motive dieser Vase gehören zu denjenigen, die den
medaillons, in die nach unten offene Vierpässe ge- Vorlagenwerken entnommen werden konnten. Je-
stellt werden. Über die Vase laufen vier Dekor- des Motiv führt ein Eigenleben, es kommt zu kei-
bänder. Die Friese auf dem Vasenfuß und auf der ner Verbindung der verschiedenen Musterregister.
Übergangszone von Bauch zu Hals sind geometri- So entstand kein einheitliches Gesamtkonzept für
sche, antike Motive: auf dem Fuß sich überschnei- die Vase.
dende, oben offene Sechsecke, in die zwei Giebel-
1 9 4 I N D U S T R I E
Schale
Vermutlich J. & L. Lobmeyr,
Wien, um 1880, nicht signiert
Freigeblasenes, farbloses Glas.
Goldmalerei, Emailmalerei in Blau
und Weiß.
Höhe: 10,0 cm; Durchmesser
der Trinkschale: 10,5 cm.
(Inv. Nr. J 353)
Krug mit zwei Gläsern wachsen die Blütenzweige aus einer aus Bändern
gebildeten Staude. Der Dekor wird bei den Bechern
J. & L. Lobmeyr, Wien, um 1885 oben und unten durch umlaufende Zierstreifen ab-
Freigeblasenes, mittelblaues Glas. geschlossen. Beim Krug verlaufen diese Zierbänder
Schnitt, Gold-und Silberdekor. am Fuß, oberhalb des Pflanzendekors auf dem
Auf dem Boden geschnittenes Lobmeyr-Monogramm. Bauch sowie am Hals des Gefäßes.
Höhe: Krug: 26,0 cm; Becher: 10,5 cm. Gläser wie diese wurden auch in verschiedenen
(Inv. Nr. J 354-1, 354-2, 354-3) orientalischen Ländern vertrieben oder als diplo-
matische Geschenke übergeben. Man weiß zum
Beispiel von einem Geschenk der Firma an den
Die hier beschriebenen Gläser wurden in verschie- osmanischen Sultan ‘AbdülΩam¬d II. (reg. 1293/
den gefärbten Glassorten produziert. Bekannt sind 1876-1327/1909).1
Gläser in den Farben Mittelblau, Gelblich und
Grün.
Der Dekor zeigt hochstehende Blütenzweige in
1
Vgl. Göksen Sonat, Bohemian Glassware, in: Antika (Istan-
durch Stege abgetrennten Feldern. Auf dem Krug
bul) 2/1985/8-10, hier S. 10.
1 9 6 I N D U S T R I E
1
W. Neuwirth, Lobmeyr, a.a.O. S. 377 bildet Beispiele
aus der Serie «braun, grün gestreift eingeblasen mit
Emailnetz» ab. Hier sind die Quasten der Behangborte
noch plastisch.
G L A S & K E R A M I K 197
Teller
Théodore Deck, Paris, um 1860/65
Quarzfritte Keramik.
Polychrome Unterglasurmalerei.
Auf der Rückseite eingravierte Signatur TH • Deck •
Durchmesser: 30,5 cm.
(Inv. Nr. J 358)
Der Teller wurde von Deck im Stil der osmani- um den Rand zur Bereicherung des Schmuckes.
schen Iznik-Keramik ausgeführt; er folgt Beispie- Mit ihrer starken Stilisierung entspricht die
len, wie sie um 970/1560 produziert wurden.1 Bei- Ornamentik dieses Teils des Decktellers nicht mehr
spiele dieser Keramik waren im 19. Jahrhundert den osmanischen Vorlagen.2 Hier versuchte Deck
wegen ihres ausgewogenen Dekors und ihrer per- innovative Elemente einzuführen.
fekten Glasurtechnik gesuchte Sammelobjekte.
Gerahmt wird das Ornamentfeld im Spiegel des Weitere Objekte der Firma in anderen Sammlungen:
Tellers durch ein Schmuckband auf dem Teller- Keramiken von Théodore Deck in osmanischem Stil befinden
sich in einer Vielzahl von Sammlungen in Europa. In
rand. Ornamente ziehen sich auch beim überwie- Deutschland werden bedeutende Stücke in Berlin (Kunstge-
genden Teil der osmanischen Teller oder Schalen werbemuseum) und Köln (Museum für Angewandte Kunst)
aufbewahrt.
1
Vgl. Teller der Ex-Adda Sammlung in Rackham. Abb. in: 2
Vgl. die Beispiele in N. Atasoy und J. Raby, a.a.O., pas-
N. Atasoy und J. Raby, The Pottery of Ottoman Turkey, sim.
a.a.O., Abb. 404.
G L A S & K E R A M I K 199
Flache quadratische
Schale
mit eingezogenen Ecken
Die Komposition ist aus Elementen der Dekoration verglichen werden. In der osmanischen Fliesen-
der türkischen Iznik-Keramik des 10./16. Jahrhun- keramik sind jedoch abgeschlossene Dekore unüb-
derts zusammengestellt, ohne ein bestimmtes Bei- lich, da die einzelnen Fliesen zumeist Teil eines
spiel zu kopieren. Deck stellte hier vielmehr eine größeren Dekorsystems waren.
eigene Kombination aus beliebten Motiven der Insgesamt kann die Schale als Komposition aus
Iznik-Keramik zusammen. Er wählte für seine unterschiedlichen Stilen als typisches Beispiel des
Schale eine Komposition aus Tulpen, Nelken, europäischen Historismus im 19. Jahrhundert be-
Pflaumenblüten und einem nicht näher zu bestim- wertet werden, in der Deck seine Vertrautheit mit
menden sechsteiligen Bütentypus. Vor dieses Mo- verschiedenartigen außereuropäischen Stilen be-
tiv wird eine zentral angebrachte kreisrunde weist.
Rosettblüte geblendet. Die Blütenstaude folgt der
osmanischen Typologie. Auch dort kam es zu will- Weitere Objekte der Firma in anderen Sammlungen:
kürlich erscheinenden Überschneidungen einzelner Keramiken von Théodore Deck mit aus der osmanischen
Kunst abgeleiteten Dekoren befinden sich in einer Vielzahl
Dekorelemente.2 von Sammlungen in Europa.
Die Form der Schale ist unüblich in der islami- Ein in der Form vergleichbares Stück ist bis heute nicht be-
schen Kunst und läßt eine Inspiration aus der ost- kannt. Es ist aber bekannt, daß Deck Wandteller und andere
asiatischen Kunst vermuten. Wegen der quadrati- Dekorkeramiken in den verschiedensten Stilen und Formen
produziert hat.3
schen Form könnte die Schale auch mit Fliesen
1 2
Ferdinand Levillain gehörte in einer nicht bekannten Zeit Vgl. Paris, Louvre, Inv. Nr. 6643 (Abb. 363 in: N. Atasoy
zu den Mitarbeitern im Atelier von Th. Deck (s. Sandor und J. Raby, The Pottery of Ottoman Turkey, a.a.O.).
3
Kuthy, Albert Anker. Fayencen in Zusammenarbeit mit Vgl. Wandteller im ostasiatischen Stil, Sammlung Heuser.
Théodore Deck, Zürich 1985, S. 23). Hamburg, München 1974, Kat. Nr. 30.
2 0 0 I N D U S T R I E
Fliesenfeld
aus vier Fliesen
in Rahmen aus
neuerer Zeit
Das Feld besteht aus vier quadratischen Fliesen. als dieser für die Firma Minton als Designer tätig
Der Dekor folgt sichtbar Vorbildern aus der islami- war. Dresser setzte in seinen Entwürfen die orienta-
schen Welt. Durch die Plastizität der Blätter und lischen Vorbilder in sehr stilisierter Form um. Das
Blüten sowie wegen der starken Farbigkeit zeigen hier besprochene Beispiel verbindet Vorbilder aus
die Fliesen aber eindeutig ihre europäische Prove- der osmanischen und der indischen Kunst zu einer
nienz. einheitlichen Oberflächengestaltung. Die Farbge-
Die Oberflächenaufteilung besteht aus zwei spitz- staltung der Fliesen steht den mogul-indischen Bei-
ovalen Mustersystemen, die mit Palmett- und Lo- spielen sehr nah, was beweist, wie stark die engli-
tosblüten, Rosetten und Lanzettblättern besetzt schen Künstler und Kunsttheoretiker mit der Kunst
sind. Wenngleich Dekordetails an osmanische und dieses Teils der islamischen Welt vertraut waren.
mogul-indische Typen des 10./16. und 11./17. Jahr- Das Beispiel von Minton ist ein Pasticcio verschie-
hunderts erinnern, ist hier doch eine Neuschöpfung dener künstlerischer Stile der islamischen Welt.
durch freie Behandlung der Inspirationsquellen und
vor allem eine völlig eigenständige Farbpalette ge- Vergleichsbeispiele in anderen Sammlungen:
lungen.1 Stoke on Trent, City Museum, Inv. Nr. 54 P 1954 und Stoke
on Trent, Archiv und Museum der Firma Minton, o. Inv. Nr.
Der Fliesenentwurf konnte innerhalb des umfang- Die Fliese hat die gleiche Dekoration, ist aber in anderer
reichen Archivmaterials der Firma Minton in Stoke Farbstellung gehalten.
on Trent weder unter den Vorzeichnungen, noch in
vorhandenen Verkaufskatalogen nachgeweisen
werden. Wegen der gelungenen Neukonzeption des 1
Beispiele türkischer und indischer Kunst kannten die Desi-
Dekors könnte es möglich sein, den Entwurf als gner des 19. Jahrhunderts aus den oben (S. 177) genannten
frühe Arbeit von Christopher Dresser einzuordnen, Vorlagenwerken von Jones, Racinet, Collinot/Beaumont,
Prisse d’Avennes und Parvillée. Viele von ihnen waren aber
auch in der islamischen Welt gereist.
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2 1 4 I N D E X
Index
Clairmont, Chr. 158, 159, 160, 161, 164, 165 ©®w¬·, øal¬l bzw. Khalil Jaouiche 3 n.
Colin, Georges S. 101 n. al-©azar¬ s. Ism®‘¬l Ibn ar-Razz®z
Collinot, Eugène 177, 200 n., 201, 201 n. Geißler, Johann Heinrich 11
Conde, José Antonio 101 Gerland, Ernst 11 n., 12 n.
Cook, Hartley Kemball 128 n. Ghislain de Busbecq, Ogier 128
Coste, Pascal 73 Ghouchani, A. 104
Girard, François 23 n.
Gnudi, Martha Teach 29 n.
D de Goeje, Michael Jan 32 n., 68 n.
Gohlke, Wilhelm 104 n., 116, 132 n.
Deck, Théodore 177, 178, 198, 199, 200, 201 n. Græcus, Marcus 98
Delpeche, Anette 23 n. Grant, Edward 60 n.
Dijksterhuis, Eduard Jan 17 Grinaldi, Philippe-Marie 38
ad-Dima·q¬ s. MuΩammad b. Ibr®h¬m Grousset, René 102 n.
Diodorus Siculus 16, 16 n. Güse, Ernst-Gerhard 203 n.
Dorn, Bernhard 100 n. Gurlitt, Cornelius 78 n., 80
Drachmann, Aage Gerhardt 17
Dresser, Christopher 177, 200
Dudzus, Wolfgang 169 n. H–º–ø
Sabra, Abdalhamid I. 52
Saccaro Battisti, Giuseppa 55, 126 n., 138 n.
O ∞aΩ®da, øal¬l 100 n.
Saiyid, Aiman Fu’®d 94 n.
Olénine, Alexis 100 n. —al®Ωadd¬n Y‚suf b. Aiy‚b al-Malik an-N®◊ir (Saladin),
‘O–m®n II., osmanischer Sultan 89 Aiyubidenherrscher 68, 94, 95 n., 111, 112, 113
2 1 8 I N D E X
al-qarasfl‚n (römische Waage) 3 Schale (Th. Deck, Paris um 1870), flache quadratische
q®r‚ra («Krug») = Granate (bei ºasan ar-Ramm®Ω) Schale mit eingezogenen Ecken 199
103, 121 Schale (vermutlich Lobmeyer, Wien um 1880) 194
q®r‚rat naffl 102 Schalen (flach) mit breitem, abgeflachtem Rand (Th.
qa◊aba (drehbarer Balken an der Hebelwaage) 3 Deck, Paris um 1865) 201
qaus al-‘aqq®r (Windenarmbrust?) 94 Schalen, osmanisch 150
qaus bi-l-laulab (Windenarmbrust) 94, 113 Schalenrad 20
qaus al-yad (Handarmbrust) 94 Scharnier (narm®‰a™) 43
qaus az-ziy®r (große Armbrust) 94, 95 Schere (medizinisches Instrument, umaiyadisch-
qaus az-ziy®r bi-l-laulab (Wallarmbrust) 114 frühabbasidisch, 2./8.-3./9. Jh.) 142
qidr («Topf»), Granate 120 Schießpulver (b®r‚d) 94, 99, 100, 102, 105
al-qidr al-muntin li-l-mu¿®safa 127 Schiffsmühle (‘araba) 30-31
qis¬y hind¬ya («indische Bogen») 96 Schlangenbeschwörer an einem Unterhaltungs-
Quecksilber 9, 51, 61, 103, 104 automaten von al-Mur®d¬ 51-52
Quecksilberuhr, spanisch-arabisch 51 Schmiege (aus dem Ma∫rib) 152
qufl yuqfalu ‘al® ◊and‚q bi-Ωur‚f i˚n® ‘a·ar min Ωur‚f Schnellwaage (qabb®n) 3, 4 n.
al-mu‘™am (Buchstabenschloß von al-©azar¬) 56-58 Schöpfeimerkette 19-22
qund®q (Zielmechanismus an der Kanone) 131 Schöpfrad s. Tympanum
Quflb¬ya-Gebäude, Kairo 71 n. Schraubenpumpe 16-18
Schröpfköpfe (aus dem Ma∫rib) 152
Schröpfköpfe (N¬·®p‚r, 3./9.-4./10. Jh.) 159, 161
R «Schwarzer Stier» s. qar®bu∫®
Schwefel 98, 99, 125
raΩ® (Windmühle) 32-34 Science Museum, London 7
Rakete 99 seg®h (Maq®m) 75
Rakete, osmanisch 128-130 ⁄ehz®de-Moschee (√stanbul) 76-79
Rakete (afl-flaiy®r al-ma™n‚n bei ºasan ar-Ramm®Ω) Sel¬m¬ye-Moschee (Selimiye Camii, Edirne) 84-87
125-126 Sicherheitsschloß s. Buchstabenschloß
Rammbock, fahrbarer (dabb®ba) 93, 137, 138 Siegel (6./12. Jh.?, N¬·®p‚r?) 170
r®st (Makam) 75 Siegel (seldschukisch, 6./12. Jh., N¬·®p‚r) 151
rafll (Gewichtseinheit) 41 Siegel (13./19. Jh., øor®s®n) 171
Ringsteine (18.-19. Jh., Iran) 168 Siegel, Glas-Siegel (umaiyadisch etc.) 169
Römische Waage (qarasfl‚n) 3 Siegelringsteine (Zand/Q®™®r, Iran) 168
Rohrflöte (n®y) 75 Si™ilm®sa 100
Royales de Sèvres 182 Si™ist®n (S¬st®n, Nordostpersien) 32, 33, 34
Rückkopplungskontrolle 51 Silber 9
rumm®na (Laufgewicht an der Hebelwaage) 3 sir®™ All®h («Gottesleuchte», Ewiges Licht nach den
rumm®na saiy®ra, rumm®nat ta‘d¬l (Lauf- und Aus- Ban‚ M‚s®) 46-47
gleichsgewicht an der Waage von ‘AbdarraΩm®n al- ∞¬r®z 196
ø®zin¬) 6 S¬st®n s. Si™ist®n
Sivas 70
Spanisch-maurische Kunst 182, 183
S–∞–⁄–— Spatel (frühislamisch, Nordanatolien) 143
Spezifisches Gewicht, Bestimmung des spezifischen
·abah (Messing) 9 Gewichts 6, 9-14
a◊-—®liΩ¬ya (Stadtteil von Damaskus) 20 Spezifisches Gewicht von Flüssigkeiten
Salpeter 99, 100, 102, 125 Springbrunnen von al-©azar¬ 53-55
◊and‚q al-mu¿®safa (Flammenwerfer bei az-Zardk®·) St. Servaas, Maastricht 58
124 Stachelviola (kem®n) 75
s®qiya (Schöpfrad) 23 Stangengläser, syrische (7./13. Jh.) 183
Sarcocolla (Baumharz) 98 Steinwurfmaschine, Steinschleuder, Blide (man™an¬q)
Sasaniden, sasanidisches Persien 93, 94, 96 93, 97, 98
saflr al-‘adad al-mustaw¬ (am Aräometer) 13 Steinwurfmaschine der Griechen und Sasaniden 96
s®z-Motiv (osmanisch) 193 Stempel, Brandstempel des ägyptischen Ordnungsamtes
Schale (Ph.-J. Brocard, Meudon 1867) 182 15
SACHBEGRIFFE UND ORTSNAMEN 225
III. B ü c h e r t i t e l C
A – ‘A
D
al-§la allat¬ tuzammiru bi-nafsih® (Ban‚ M‚s®) 30
K. al-‘Amal bi-n-n®r wa-n-naffl wa-z-zarr®q®t fi l-Ωur‚b K. ad-Dabb®b®t wa-l-man™an¬q®t wa-l-Ωiyal wa-l-
(anon.) 93 mak®yid (anon.) 93
al-An¬q fi l-man®™n¬q (Ibn Aranbu∫® az-Zardk®·) 97, De architectura (Vitruvius) 16, 17, 19
100, 106, 107, 108, 110, 111, 113, 120, 124, 127, De ingeneis (Mariano Taccola) 31, 61
131, 132. 134, 135, 136, 137, 138 De re metallica (Georgius Agricola) 22
K. al-Asr®r f¬ nat®’i™ al-afk®r (al-Mur®d¬) 51, 52 De nobilitatibus sapientiis et prudenciis regum (Walter
of Milimete) 132
De subtilitate (Geronimo Cardano) 17
B Le diverse ed artificios machine (Agostino Ramelli) 29
G–© N
al-©®mi‘ baina l-‘ilm wa-l-‘amal an-n® fi‘ f¬ ◊in®‘at al- Nu¿bat ad-dahr f¬ ‘a™®’ib al-barr wa-l-baΩr (∞amsadd¬n
Ωiyal (al-©azar¬) 20, 25, 26, 27, 53, 54, 56, 57, 58 ad-Dima·q¬) 33
al-©®mi‘ li-mufrad®t al-adwiya wa-l-a∫‰iya (Ibn al- Nuzhat al-muqlatain f¬ a¿b®r ad-daulatain (Ibn afl-
Baifl®r) 99 fiuwair) 94 n.
©®mi‘ at-taw®r¬¿ (Ra·¬dadd¬n Fa¥lall®h) 109
Geographica (Strabo) 16, 17
P
K
S
Kanz al-aflibb®’ s. K. al-Muqaddim®t
SeyâΩatnâme (Evliy® Çeleb¬) 75, 128
K. as-Sul‚k li-ma‘rifat duwal al-mul‚k (al-Maqr¬z¬) 97 n.
L