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Faust Teil 1

Interpretation
Personencharakteristierung
Faust
Doktor Heinrich Faust ist ein Universalgelehrter des
späten Mittelalters, der von Wissensdurst getrieben
wird und nach einem tieferen Verständnis des Lebens
sucht. Jedoch ist er kein individueller Charakter,
sondern muss als kollektive Gestalt, als Repräsentant
des neuzeitlichen (modernen) Menschen begriffen
werden.

Die Neuzeit ist in der europäischen Geschichte die 4. historische


Großepoche (nach Frühgeschichte, Altertum und Mittelalter).
Dauer: von 1500 bis zur Gegenwart.
Mephisto
Seine Rolle ist es, Faust anzutreiben, ihn nicht zur Ruhe
kommen zu lassen. Er eröffnet ihm immer wieder neue
Genuss- und Handlungsmöglichkeiten. Faust und Mephisto
scheinen häufig Gegenspieler zu sein, doch im Tiefsten sind sie
Doppelgänger.

Mephisto verkörpert den zerstörerischen, auch den


selbstzerstörerischen Aspekt von Faust.
Margarete
• Ideal des kleinbürgerlichen Mädchens: anständig, naiv, lieb, religiös
und gottesfürchtig;
• entwickelt sich von der naiven Bürgerstochter zur Geliebten Fausts,
die weiß, dass sie Schuld auf sich laden wird.
• Die Tatsache, dass Gretchen ihr eigenes Kind töten muss und dafür
bestraft wird, ergibt sich aus den restriktiven moralischen Normen
der bürgerlich-christlichen Gesellschaft, die gegen die Freuden des
sinnlichen Lebens gerichtet sind. Diese unmenschliche Moral
akzeptiert das Triebhafte als lebensbestimmendes Element nicht und
macht Gretchen zum Opfer.

scharfe Gesellschafts- und Religionskritik


Ideengehalt
Am Anfang des Dramas ist Faust verzweifelt über die Nutzlosigkeit
menschlichen Wissens, das keine wahre Erkenntnis vermittelt. Er will
mit Hilfe der Magie zur Wahrheit gelangen.
Am Ende des 1. Teils der Tragödie ist Gretchen vor dem Gericht Gottes
„gerettet”. Allerdings scheint Faust „verdammt“ zu sein. Mephisto reißt
ihn mit den Worten: „Her zu mir!” im Triumph des Sieges fort.

Aber hat er wirklich gesiegt? Faust ist schuldig. Tatmotiv ist jedoch nicht
der Wille, Böses zu tun, sondern der Wunsch, den Sinn des Daseins zu
erfassen, koste es, was es wolle. Der titanische Lebensdrang ist Fausts
Bestimmung. Er ist ein Übermensch, der das Lebensglück anderer
Menschen zerstören muss, wenn er sein eigenes Ich zur Geltung
bringen will. Fausts dämonische Natur fordert Opfer.
Faust in ein Werk, das in seinen Grundzügen in der Periode
des Sturm und Drangs entstanden ist.

Faust ist aber mit der Gretchentragödie nicht vollendet. Goethe hat bis
zum Ende seines Lebens an dem Werk gearbeitet, und auch am ersten
Teil noch lange, nachdem er die Ideen des Sturm und Drang
überwunden hatte. Indem er einen zweiten Teil hinzufügt, bekommt
auch der erste eine neue Bedeutung.

Darum kann der erste Teil mit einem Fragezeichen enden. Mephistos
Siegesruf „Her zu mir!” ist ein Missverständnis, denn die Bedingung des
Paktes ist nicht erfüllt.
Faust hat sich mit dem Augenblick nicht zufriedengegeben. Der Sinn
des Lebens bleibt offen.

Der faustische Drang: der Wille und das Bedürfnis, „die Grenzen des
Menschlichen und Möglichen zu sprengen und ins Unendliche zu
stürmen“ (Volkelt, 1944). Die Problematik des faustischen Drangs ist
abendländisch-europäisch (allgemein menschlich?).
• Faust verkörpert zunächst den Gelehrtentyp
des ausgehenden Mittelalters und eine
genialische Persönlichkeit nach Vorbild der
Sturm-und-Drang-Ästhetik.

• Dann wird er zum Vertreter der Menschheit


und zum Symbol des modernen, strebenden,
sich höher entwickelnden Menschen erhoben.
Das Weltbild in „Faust“ wird durch Polaritäten bestimmt.

Faust leidet unter einem inneren Zwiespalt: „zwei Seelen


wohnen, ach, in meiner Brust“, was die Doppelnatur des
Menschen als Trieb- und Geistwesen symbolisiert.
das philosophische Thema der Dualität

• die göttliche Sphäre wird durch Licht und Schwerelosigkeit gekennzeichnet;


• Mephisto herrscht über die Materie und das Dunkel;
• der Mensch ist dem Zwischenreich (zwischen Tier und Engel) zugeordnet.

Fausts Streben nach dem Absoluten symbolisiert eine Sehnsucht nach dem
Licht.
Faust Teil 2
Mephisto bringt Faust an den Hof des Kaisers. Auf Wunsch des Kaisers
holt Faust Helena, das Urbild der Schönheit, mit Hilfe Mephistos aus
der Unterwelt herauf und gewinnt ihre Liebe.

Die Ehe mit Helena (Symbol der ästhetischen Schönheit) wäre die
Erfüllung, wenn die Welt der Phantasie und Schönheit nicht eine
Scheinwelt wäre, ein Traum.

Das Erwachen wirft Faust in die Wirklichkeit zurück. Er sehnt sich nach
Tätigkeit. Mit Hilfe Mephistos erhält er vom Kaiser zum Dank ein Land,
das er dem Meere abringen will, um eine Zivilisation zu begründen.
Ja! diesem Sinne bin ich ganz ergeben,
Acestui gând ii sunt cu totul inchinat,
Das ist der Weisheit letzter Schluß:
Nur der verdient sich Freiheit wie das Aceasta este concluzia suprem-a-nţelepciunii:
Leben, Işi merită viaţa, libertatea-acela numai
Der täglich sie erobern muß. Ce zilnic şi le cucereşte ne-ncetat.
Und so verbringt, umrungen von Gefahr, Şi astfel işi petrec aici, înconjurați de
Hier Kindheit, Mann und Greis sein primejdie,
tüchtig Jahr. copii şi tineri, bărbaţi, moşnegi,
Solch ein Gewimmel möcht’ ich sehn, cu vrednicie anii.
Auf freiem Grund mit freiem Volke Aş vrea să văd asemenea mulțime,
stehn. Să locuiescă liberul popor pe liberă câmpie.
Zum Augenblicke dürft’ ich sagen: Acelei clipe aş putea să-i spun, intaia oară:
Verweile doch, du bist so schön! Rămai, că eşti atata de frumoasă!
Es kann die Spur von meinen Erdetagen Atunci urma zilei mele pămantene
Nicht in Aeonen untergehn. – Nici in eoni nu poate să dispară.
Im Vorgefühl von solchem hohen Glück Şi presimţind o fericire ce inaltă se-nfiripă,
Genieß’ ich jetzt den höchsten Eu gust acum suprema clipă.
Augenblick.
Dem Wohl der Gemeinschaft dient Fausts letztes Tun.
Der Weisheit letzter Schluss ist es, dass der Mensch in
sinnvoller, nützlicher Tätigkeit für die Mitmenschen
wirkt.
Der Teufelspakt scheint erfüllt.

Es ist jedoch entscheidend, dass Faust in Wirklichkeit nicht


zum Augenblicke sagt: „Verweile doch, du bist so schön!”.
Noch ist das große Werk nicht getan: Faust genießt nur die
Vorfreude.

Wenn es vollendet sein wird, wird er wieder zu neuen Zielen


fortschreiten wollen. Und so ist der Teufel schließlich doch
betrogen, denn Fausts letzte Worte vor dem Tode bestätigen
nicht den Pakt.
Faust ist gerettet. Am Ende des Dramas erscheinen Engel und
verkünden seine Erlösung. Der Chor mystischer Frauen symbolisiert die
Kraft der Liebe und der höheren Spiritualität.
Die göttliche Perspektive auf den Menschen, die Goethe schon im
„Prolog im Himmel“ ausgedrückt hat, wird bestätigt.
Im Prolog gibt es zwei entgegengesetzte Menschenbilder:

ein lächerliches Tier


Gott
(„langbeinige Zikade“)
ein vernünftiges,
Mephisto nach Vollkommenheit
„strebendes“ Wesen
Mephistopheles: Mephistopheles:
Da dank ich Euch; denn mit den Toten
Was wettet Ihr? den sollt Ihr noch
Hab ich mich niemals gern befangen.
verlieren!
Am meisten lieb ich mir die vollen,
Wenn Ihr mir die Erlaubnis gebt, frischen Wangen. (…)
Ihn meine Straße sacht zu führen. Der Herr:
Nun gut, es sei dir überlassen!
Der Herr: Zieh diesen Geist von seinem Urquell ab,
Und führ ihn, kannst du ihn erfassen,
Solang er auf der Erde lebt,
Auf deinem Wege mit herab,
So lange sei dir’s nicht verboten, Und steh beschämt, wenn du bekennen
Es irrt der Mensch so lang er strebt. mußt:
Ein guter Mensch, in seinem dunklen
Drange,
Ist sich des rechten Weges wohl bewußt.
Der „Urquell“, von dem Faust nicht getrennt werden kann, ist
sein Streben, den Weltsinn zu erkennen.
Anders als in der christlichen Lehre dient das Irren des
Menschen einem höheren Ziel. Der Herr sagt: Solange Faust
die Wahrheit sucht, ist er auf dem rechten Weg, auch wenn er
Fehler macht und schuldig wird.

Erst dann verliert der Mensch seine Seele, wenn er seine


Lebensaufgabe verrät: wenn er nicht mehr versucht, den Sinn
des Lebens zu finden und sich immer weiter zu entwickeln.
Das Böse (der Geist der Verneinung, Mephisto) ist selbst Teil des
göttlichen Plans, ein Diener und Werkzeug Gottes zur Entfaltung
des kosmischen „Werdens“. Die christliche Einteilung in Gut und
Böse wird infrage gestellt.
Das universale Wirkungs- und
Lebensprinzips ist die LIEBE (das
„Ewig-Weibliche“), als:
• Antriebskraft zur Vereinigung der
Gegensätze und „Das Ewig-
Weibliche/

• Ziel allen Geschehens: göttliche Zieht uns


hinan.“

Harmonie
Quellen:
Kröger, Wolfgang: Textausgabe + Lektüreschlüssel. Johann Wolfgang
Goethe: Faust I: Reclam, 2012.

Van Rinsum: Eine Geschichte der deutschen Literatur in Beispielen,


Verlag C.H.Beck, München, 1999

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