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Fortbildung

Mehr als nur der Schmetterling

Leitfaden durch die Vielfalt des


kutanen Lupus erythematodes
Peter Maximilian Heil

Die vielen klinischen Varianten des kutanen Lupus erythematodes Hinzu kommt die Funktion von B-
können solitär oder im Rahmen eines systemischen Lupus Zellen. Zum einen sind diese Antigen­
präsentatoren („antigen-presenting cells“,
erythematodes auftreten, auf dessen Vorkommen regelmäßig APCs) für T-Zellen, zum anderen sind
gescreent werden muss. Neben dem weiblichen Geschlecht sie Quelle der Plasmazellen, welche
und genetischen Faktoren gelten Sonnenexposition, Rauchen Auto­ a ntikörper produzieren, deren
Zielantigene nach Zellschaden (s. oben)
und manche Medikamente als Risikofaktoren. offenliegen. Dazu kommt, dass Kerati­
nozyten nicht nur Ziel, sondern auch
Akteur der Entzündungsreaktion sein

D
er Lupus erythematodes (LE) ist Lupus erythematodes (SLE, Klassifika­ können, indem sie Typ-I- und Typ-III-
eine entzündliche Autoimmun­ tionskriterien). Die Inzidenz des CLE Interferone (IFNκ und IFNλ) sowie
erkrankung, bei der einerseits liegt bei circa 4/100.000 [1]. 75 % der Interferon-abhängige Botenstoffe (z. B.
ausschließlich die Haut in unterschied­ SLE-Patienten entwickeln im Laufe ih­ CXCL10) produzieren [6, 7, 8, 9]. Letz­
licher Art und Weise betroffen sein kann rer Erkrankung eine der CLE-Formen teres attrahiert CXCR3-positive T-Zellen,
(kutaner LE, CLE), andererseits aber [2]. was zur Nekroptose von Keratinozyten
auch andere immunserologische (z. B. führt [10, 11].
Autoantikörper) oder klinische Befunde Pathogenese Wenngleich der LE als eine Erkran­
abseits der Haut (z. B. Serositis, Nephritis Die exakte pathogenetische Kette des LE kung angesehen wird, dessen Pathoge­
etc.) positiv sein können: Diese Konstel­ ist nicht im Detail geklärt, wohl aber nese prototypisch für das erworbene
lation nennt man einen systemischen sind wichtige Puzzlesteine bekannt, die Immunsystem (zytotoxisches T-Zell-
wesentlich sind, um das autoaggressive Infil­­trat, Autoantikörper) ist, ist das an­
Verhalten des Immunsystems in Gang geborene Immunsystem jedoch ebenfalls
zu setzen. involviert. So können zirkulierende Im­
Das entzündliche Infiltrat des CLE ist munkomplexe (z. B. bestehend aus Auto­
dominiert von T-Zellen (CD3+-Infiltrat), antikörpern und RNA oder DNA)
insbesondere von zytotoxischen T-Zellen von plasmazytoid-dendritischen Zellen
[3, 4], und attackiert die dermoepider­ (CD123+HLADR+BDCA-2+) aufgenom­
male Junktionszone. Einerseits durch men werden und mittels Aktivierung
diese entzündliche Attacke, andererseits der endosomalen Rezeptoren TLR7 und
auch durch exogene Einflüsse (starke TLR9 die Produktion von Typ-I-Interfe­
UV-Exposition) kommt es zur Schädi­ ron auslösen [12]. Der LE wird als proto­
gung von Keratinozyten und Freile­ typisch für eine Erkrankung mit Inter­
gung sonst intrazellulär gelegener An­ feronsignatur angesehen.
tigene, die nun erkannt und attackieret Ein weiteres interessantes Phänomen
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werden können [5]. Nach Sonnenexpo­ des angeborenen Immunsystems in der


sition und Aktivierung der autoimmu­ Pathogenese des SLE sind die „neutro­
nen Reaktion kommt es typischerweise phil extracellular traps“ (NET), die nicht
erst ein bis zwei Wochen später zu einer nur beim SLE, sondern auch beim CLE
Verschlechterung bestehender oder Auf­ beschrieben wurden [13]. NET dienen
Abb. 1: Kutaner Lupus-erythematodes- treten neuer CLE-Läsionen, da die oben eigentlich der Abwehr von Pathogenen
Schub, ausgelöst durch psychosoziale geschilderte orchestrierte Immunreak­ (z. B.Bakterien), können jedoch auch
Belastung (terminale Erkrankung einer tion Zeit benötigt, um voll in Gang zu DNA binden und dadurch Autoimmuni­
engen Bezugsperson) kommen. tät propagieren.

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Tab. 1: Klassifikation des kutanen
Lupus erythematodes
ACLE Schmetterlingserythem
(„butterfly-rash“)
makulopapulöser ACLE
„TEN-like“ ACLE
a
„mucosal“ ACLE
SCLE anulär
papulosquamös
CCLE CDLE, limitiert
CDLE, disseminiert

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Lupus-Pannikulitis/
Lupus profundus
Hypertropher CDLE
b c
Chilblain-Lupus
Abb. 2: (a) Limitierter chronisch-diskoider Lupus erythematodes (CDLE), (b, c) limitierter
„mucosal“ CCLE CDLE
ICLE Lupus tumidus

ACLE = akut-kutaner Lupus erythematodes (LE),


CCLE = chronisch-kutaner LE, CDLE = chronisch-
diskoider LE, ICLE = intermittierend-kutaner LE,
SCLE = subakut-kutaner LE, TEN = „toxic epidermal
necrolysis“; modifiziert nach Sontheimer RD. Lupus.
1997; 6: 84–95 und Kuhn A et al. J Autoimmun. 2014;
48–49: 14–19

Die höhere Prävalenz von Frauen ge­

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genüber Männern sowohl beim SLE [14]
als auch beim CLE [15] ist lange bekannt,
Östrogene spielen hier die wesentliche
Rolle [16]. In den letzten Jahren konnten
weitere, für einen LE prädisponierende
Faktoren eruiert werden. Es wurde eine Abb. 3: Disseminierter chronisch-diskoider Lupus erythematodes
Vielzahl von Polymorphismen und ge­
netischen Assoziationen beschrieben
[17], bis dato sind jedoch nur wenige faktor(TNF)-α-Blocker (Infliximab) be­ Klinik
monogenetische Varianten des CLE be­ ziehungsweise modernere, humanisierte In der Abklärung eines LE geht es aus
kannt (TREX-1-Mutationen in TREX-1, (Certolizumab) beziehungsweise voll- dermatologischer Sicht immer um zwei
SAMHD1 sowie STING; [18, 19, 20]). humanrekombinante (Adalimumab) Fragen:
Rauchen ist mittlerweile als Risiko­ TNF-­α-Blocker einen DIL hervorrufen 1. Sind die Hautveränderungen, mit de­
faktor für schwerere Verläufe des CLE können. nen sich ein Patient vorstellt, ein CLE,
etabliert [21]. Ebenso können Medika­ Zur Aktivität eines LE können zudem und, falls ja, um welche CLE-Subform
mente einen Lupus erythematodes pro­ bakterielle und virale Infektionen bei­ handelt es sich?
vozieren („drug-induced lupus“, DIL; tragen; speziell auf letzteren liegt im 2. Besteht zusätzlich ein SLE?
[22, 23, 24]). Zu den Auslösern gehören Rahmen der COVID-19-Pandemie er­ In Bezug auf Hautveränderungen im
Procainamid, Hydralazin, Minozyklin, neut ein spezielles Augenmerk [25, 26, Rahmen eines LE wird zwischen LE-
Terbinafin, Sulfasalazin, Carbamazepin, 27]. spezifischen Veränderungen (CLE) und
die Gruppe der Statine, der Kalzium­ Nicht zuletzt sei darauf hingewiesen, solchen, die auch bei anderen Kollageno­
kanal-Blocker und ACE-Hemmer und dass psychosoziale Stressoren (z. B. Er­ sen vorkommen können, unterschieden.
Checkpointinhibitoren. Ebenso wurde in krankung oder Tod naher Bezugsperso­ Die zwei wichtigsten Klassifikationen
Fallberichten dokumentiert, dass ältere, nen) zu LE-Schüben führen können des CLE sind jene von Sontheimer und
chimär human-murine Tumornekrose­ (Abb. 1) [28]. Kuhn (Tab. 1) [29, 30].

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Fortbildung Leitfaden durch die Vielfalt des kutanen Lupus erythematodes

Erkrankung verläuft chronisch und in


Schüben, wobei die Schübe durch UV-
Exposition getriggert werden können.
Die ohne Therapie über Monate und
Jahre an Größe zunehmenden Herde
beginnen als schuppende erythematöse
Plaques, die mit der Zeit zentral einsin­
ken und vernarben beziehungsweise zu
einer vernarbenden Alopezie führen
können (Abb. 4). Durch die Vernarbung
kann es mit der Zeit sogar zu Mutilati­
onen kommen. Eine Sonderform des
CDLE ist der hypertrophe CDLE (Abb. 5),
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bei dem es durch eine ausgeprägte Hy­
perkeratose zu dicken Läsionen mit an­
haftender Schuppung kommt.
Andere Erscheinungsformen des CCLE
an der Haut sind zum Beispiel die Lupus-
Abb. 4: Chronisch-diskoider Lupus Abb. 5: Hypertropher chronisch-diskoider Pannikulitis (Abb. 6), der „mucosal
erythematodes, vernarbende Alopezie Lupus erythematodes CCLE“ oder der an Frostbeulen erin­
nernde und akral (Finger, Zehen, Nase,
Ohren) auftretende Chilblain-Lupus
Man unterscheidet beim CLE einen (Abb. 7).
akut-kutanen LE (ACLE) von einem Der CCLE hat eine geringe Wahr­
subakut-kutanen LE (SCLE) sowie einem scheinlichkeit (ca. 5 %), im weiteren
chronisch-kutanen LE (CCLE). Diese Verlauf einen SLE zu entwickeln. Der
Einteilung orientiert sich einerseits an der SCLE ist überdurchschnittlich lichtemp­
Aktualität beziehungsweise der Chroni­ findlich und ebenfalls durch schuppende,
zität des Geschehens, andererseits an der erythematöse, jedoch meist anulär ange­
Morphe der Veränderungen. ordnete Plaques gekennzeichnet (anulä­
Ein isolierter Hautbefall (ohne Betei­ rer SCLE; Abb. 8). Eine weitere Spielart
a ligung innerer Organe beziehungsweise des SCLE ist der psoriasiforme SCLE.
ohne positive Immunserologie) tritt vor­ Die Herde des SCLE entwickeln sich
zugsweise als CCLE auf; die höchste rascher als beim CCLE, gelegentlich so
Wahrscheinlichkeit, parallel zur Haut rasch, dass die Schuppung als Zeichen
auch an einem SLE zu leiden, hat der der Chronizitat fehlt. SCLE-Herde tre­
ACLE. Es sollte einem jedoch bewusst ten ebenfalls bevorzugt in den UV-­
sein, dass selbst im Fall eines SLE exponierten Arealen auf. Auch die Histo­
Hautherde auftreten können, die von logie entspricht im Wesentlichen (abge­
der Morphologie und vom Verlauf ein sehen von der Vernarbung) der des CCLE.
CCLE sind. Zudem können verschiede­ Der SCLE ist häufiger (ca. 25 %) mit ei­
ne CLE-Formen auch parallel auftreten nem SLE assoziiert als der CCLE. Eine
(z. B. CCLE und ACLE). deutliche Assoziation besteht auch mit
Die häufigste Variante des kutanen LE Ro/SSA beziehungsweise La/SSB-Auto­
ist der CCLE. Eine Subform ist der chro­ antikörpern.
nisch-diskoide Lupus erythematodes Die Erscheinungsformen des ACLE
(CDLE), der in der Regel durch einen umfassen unter anderem das weithin
isolierten Befall der Haut ohne Zeichen bekannte Schmetterlingserythem, das
einer Systembeteiligung (Immunserolo­ lange Zeit unkritisch als Synonym für
gie, Organbeteiligung) gekennzeichnet Hautlupus und SLE gesehen wurde.
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ist und bevorzugt an sonnenexponierten Wie wir mittlerweile wissen, gibt es vie­
Arealen auftritt. Durchaus typisch ist ein le unterschiedliche Arten des kutanen
Befall der Ohrmuschel. Ist nur der Kopf LE. Und: Auch ein Schmetterlingsery­
betroffen, spricht man vom limitierten them kann solitar, ohne SLE, auftreten.
b CDLE (Abb. 2); ist auch der Rest des Beim Schmetterlingserythem (auch
Abb. 6: Lupus-Pannikulitis (a) im Gesicht Körpers involviert, dann spricht man „butterfly rash“; Abb. 9a) handelt es sich
und (b) am Arm vom disseminierten CDLE (Abb. 3). Die um eine binnen weniger Wochen auftre­

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Abb. 7: Chilblain-Lupus Abb. 8: Anulärer subakut-kutaner Lupus erythematodes

tende zentrofaziale Rötung im Bereich fikation des ICLE ist seit Jahren Anlass Kreise im Gegensatz zur physiologi­
der Malarregion, die auf die Nase über­ zur Diskussion in Fachkreisen, die ihn schen Livedo reticularis nicht geschlos­
greift und – im Gegensatz zur Dermato­ entweder zum CCLE zuordnen oder als sen sind), Veränderungen der Nagelfalz­
myositis – die Augenlider in der Regel eigene Kategorie führen [29, 30]. gefäße (Kapillarmikroskopie) sowie eine
ausspart. Ödem und Schuppung können Da Autoantikörper plazentagängig leukozytoklastische Vaskulitis.
vorkommen. sind, können Neugeborene von Müttern, Die Organmanifestationen eines SLE
Zum ACLE werden auch das generali­ die an einem LE leiden, selbst daran er­ sind mannigfaltig. Sie umfassen Nephri­
siert-makulopapulöse Exanthem (Abb. krankt sein (neonataler LE). tis, Arthritis, Pneumonitis, Myokarditis,
9b), die charakteristischen entzünd­ Unter dem Begriff „drug-induced lu­ Hepatitis und vieles mehr.
lichen Plaques der Fingerstreckseiten pus“ (DIL; Abb. 10) werden sowohl der
(wobei typischerweise die Haut über den medikamentös getriggerte CLE als auch Overlaps und assoziierte
Gelenken ausgespart sind, auch dies das das „lupus-like syndrome“ (vorüber­ Syndrome
im Gegensatz zur Dermatomyositis, wo gehendes SLE-ähnliches Bild, das meist Jede Kollagenose kann grundsätzlich
diese typischerweise betroffen sind), die nach Absetzen des kausalen Medika­ mit anderen Kollagenosen klinisch und
meist palmoplantar auftretende bullöse ments von alleine in Remission geht und immunserologisch überlappen, insbe­
Form des ACLE, der an eine toxisch epi­ selten Therapie benötigt) beziehungs­ sondere dem SLE. Dies bedeutet für die
dermale Nekrolyse erinnernde „TEN­ weise auch das Auftreten eines manifes­ klinische Routine, dass die Anamnese
like lupus“ (Abb. 9c) sowie der „mucosal ten SLE (durch Demaskieren eine laten­ und der klinische Blick auch Zeichen der
ACLE“ (Abb. 9d) gezählt. Die Formen ten SLE oder Hervorrufen eines Schubes Dermatomyositis, der systemischen
des ACLE heilen in der Regel narbenlos eines bereits bekannten SLE) subsum­ Sklerose, des Sjögren-Syndroms und der
ab. Der ACLE ist häufig Ausdruck eines miert [22]. Das „lupus-like syndrome“ rheumatoiden Arthritis erkennen soll­
SLE (ca. 75 %). ist im Regelfall milder als ein idiopathi­ ten, um rechtzeitig eine weitergehende
Eine Sonderform des CLE ist das scher SLE. Abklärung und gegebenenfalls eine ent­
Rowell-Syndrom, bei dem sich zu einem Zu den unspezifischen kutanen Mani­ sprechende Therapie einleiten zu können.
ACLE oder CCLE anular-multi­forme­ festationen, die im Rahmen eines LE Im weitesten Sinne kann man hier auch
artige Läsionen gesellen, die sehr an ein auftreten konnen, zählt das Raynaud- das Antiphospholipid-Antikörper-Syn­
Erythema exsudativum multiforme er­ Syndrom (Abb. 11): Dieses ist definiert drom (APLAS) nennen. Hier kann es
innern. als spontan oder durch Triggerfaktoren durch Antiphospholipid-Autoantikörper
Der intermittierend kutane Lupus wie Kälte oder Stress induzierte Spasmen (Cardiolipin, β₂-Glykoprotein I, Lupus­
erythematodes (ICLE; auch Lupus tumi­ der Fingerarterien mit triphasischer hemmstoff) neben Schwangerschafts­
dus genannt) nimmt insofern eine Son­ Hautreaktion: zuerst weiß (Anämie), komplikationen zu einer Embolie im ve­
derstellung ein, als dass seine Klinik dann blau (Hypoxie), dann rot (reaktive nösen oder arteriellen Gefäßbett kom­
auch bei langerem Bestehen keine epi­ Hyperämie). Ebenso gehören in diese men (Abb. 14).
dermale Komponente zeigt (entzündli­ Kategorie die Alopecia areata, das diffuse
ches Infiltrat liegt tiefer), ganz besonders Effluvium (Abb. 12), die Livedo race­ Diagnose
lichtempfindlich ist und ausgenommen mosa (Abb. 13, durch Hypoxie ausgelöste Ein CLE wird anhand des geschilderten
selten in einen SLE übergeht. Die Klassi­ rundlich livide Veränderungen, deren klinischen Bildes und der Ergebnisse von

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a Abb. 10: „Drug-induced lupus“, Auslöser:
Terbinafin

Hautbiopsien (Histologie beziehungswei­


se direkte Immunfluoreszenz, DIF) diag­
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nostiziert. Die Histologie der Formen des


CLE ist entsprechend der heterogenen
Klinik unterschiedlich. Hinzu kommt,
dass die histologischen Befunde von der
d c Dauer der Läsion abhängig und dadurch
Abb. 9: (a) Akut-kutaner Lupus erythematodes (ACLE), Schmetterlingserythem, (b) ACLE, variabel sind. Ein typischer CCLE ist ge­
makulopapulöses Exanthem, (c) ACLE, „toxic epidermal necrolysis-like“, (d) ACLE, enoral kennzeichnet durch eine Differenzie­
rungsstörung, ein „follicular plugging“,
eine Verdickung der Balsamembranzone
sowie ein perivaskuläres und periadne­
xielles Rundzell­ infiltrat. Das typische
Bild des SCLE besteht aus Interphasen­
dermatitis, Aufsplitterung der Basal­
membranzone und einem perivaskulären
Rundzellinfiltrat, wohingegen der ACLE
ein perivaskuläres Rundzellinfiltrat mit
meist noch geringer Interphasenderma­
titis zeigt. Die LE-Pannikulitis ist primär
lobulär und zeigt ein lymphozytäres In­
filtrat, das zur Nekrose der Adipozyten
führen kann, was sich klinisch in Eindel­
lungen der Hautkontur ausdrückt. Beim
bullösen ACLE besteht das entzündliche
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Infiltrat vor allem aus neutrophilen Gra­


nulozyten, der Spalt ist subepidermal,
und häufig lassen sich Autoantikörper ge­
gen Kollagen Typ VII nachweisen.
In der DIF, die zur Vermeidung von
Abb. 11: Raynaud-Syndrom falsch-positiven Befunden aus nicht licht­

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Abb. 12: Diffuses Effluvium bei Schub
eines akut-kutanen Lupus erythematodes Abb. 13: Livedo racemosa

exponierter Haut entnommen werden gen (z. B. Pleuritis) nahezu symptomlos mation über den Zusammenhang zwi­
sollte, zeigen sich granuläre Ablagerun­ ist. Zu solch einem Screening zählen ne­ schen UV-Exposition und dem Risiko
gen von vor allem IgG (aber auch IgM ben einer gründ­lichen Anamnese auch eines LE-Schubs muss fixer Bestandteil
und C3) entlang der Basalmembranzone. Blutbefunde (BB, Diff-BB, Chemie, Ge­ der Patienteninformation sein. Präven­
Die Diagnose des SLE wurde bis vor rinnung, ANA, AAK gegen ENA und tionsmaßnahmen (Sunblocker, UV­
Kurzem hauptsächlich über die aus dem dsDNA, Anti­phospholipid AK, Lupus­ Schutzkleidung, Wahl der Reiseziele)
Jahr 1997 stammenden ACR-Kriterien hemmstoff) sowie Harnbefunde (Mikro­ sollten regelmäßig besprochen werden.
des American College of Rheumatology albumin-Krea­tinin-Ratio, Protein-Krea­ Die Therapie des isoliert-kutanen LE
gestellt [31]. 2019 wurden überarbeitete tinin-Ratio, Harnsediment auf dysmor­ beziehungsweise eines SLE, dessen ein­
gemeinsame Kriterien des ACR und der phe Erythrozyten). zig betroffenes Organ die Haut ist (sero­
europäischen Fachgesellschaft (EULAR) Zur klinischen Quantifizierung der kutaner SLE), wird meist von Dermato­
publiziert, die sich möglicherweise Ausdehnung eines CLE eignet sich der logen durchgeführt. In Bezug auf die
durchsetzen werden [32]. Auch diese sind, RCLASI (Revised Kutaneous Lupus Ery­ Therapie des CLE sei auch auf die gültige
wie die ACR-Kriterien, eine Kombinati­ thematosus Disease Area and Severity S2k-Leitlinie verwiesen [34].
on aus klinischen und laborchemischen Index) [33]. Dieser beschreibt in allen Bei geringer Ausprägung des CLE ist
Kriterien, in denen die dermatologischen anatomischen Regionen (inkl. Schleim­ eine Lokaltherapie (lokale Steroide und
Manifestationen jedoch präziser (Alope­ häute und Capillitium) das Ausmaß der Calcineurininhibitoren [33, 35, 36, 37])
zie, orale Ulzera, ACLE, SCLE, CDLE) aktiven Hautveränderungen (Erythem, ausreichend; bei langandauernder Lokal­
abgebildet sind als bei den ACR-Kriterien. Schuppung) sowie des bereits irrever­ therapie sollte Calcineurininhibitoren
Charakteristisch für den DIL sind sibel eingetretenen Schadens (Vernar­ aufgrund des fehlenden atrophogenen
Auto­antikörper gegen Histone. Im Labor bung, Dyspigmentierung); man erhält Potenzials gegenüber Lokalsteroiden der
zeigt der DIL im Vergleich zum SLE sel­ am Ende zwei Ziffern, die „activity“ und Vorzug gegeben werden.
tener Zytopenien oder Erniedrigungen „damage“ benennen und zusammen den Neben einem systemischen Kortison­
von Komplementfaktoren. „total score“ ergeben. Ziel einer Therapie stoß (0,5–1,0 mg Prednisolon-Äquiva­
ist also, die Ziffern der Aktivitat auf null lent/kg Körpergewicht [KG]) als Akut­
Screening und Scoring zu drücken. Neben dem RCLASI emp­ therapie ist die etablierteste steroidspa­
Auch Patienten mit zunächst rein kuta­ fiehlt es sich, eine genaue Fotodokumen­ rende Systemtherapie jene mit dem An­
nem LE sollten regelmäßig auf einen sich tation von Veränderungen durchzufüh­ timalariamittel Hydroxychloroquin [38]
entwickelnden SLE untersucht werden, ren, um im Verlauf Detailvergleiche in einer Dosierung von bis zu 6,5 mg/kg
da dies mit oft nur geringen Symptomen durchführen zu können. KG pro Tag (Tabletten zu je 200 mg),
wie zum Beispiel chronischer Erschöp­ die in der aktuellen S2k-Leitlinie auch
fung klinisch auffallen kann. Dies trifft Prävention und Therapie als einzige steroidsparende Erstlinien­
besonders auf die Nephritis zu, die im Konsequentester Sonnenschutz ist die therapie geführt wird. Die wichtigsten
Gegensatz zu anderen Organbeteiligun­ zentrale Säule der Pävention. Die Infor­ Nebenwirkungen sind Ablagerungen in

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Fortbildung Leitfaden durch die Vielfalt des kutanen Lupus erythematodes

genommen werden und entsprechend


suffizient und nachkontrolliert ein Man­
gel ausgeglichen werden.
Beim medikamentös induzierten Lu­
pus erythematodes ist die wichtigste
Maßnahme die Identifikation des kau­
salen Agens und dessen Absetzen. Sollte
dies nicht ausreichen, ist therapeutisch
gemäß dem idiopathischen LE vorzuge­
hen.

Medikolegaler Aspekt
Wichtig ist zu betonen, dass keine der ge­
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nannten Systemtherapien für die Thera­


pie des CLE zugelassen ist und man sich
als Dermatologe hier im off-label bewegt,
weshalb eine besonders gründliche, auch
schriftliche, Aufklärung erfolgen sollte.
Abb. 14: Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom Hierfür existieren substanzspezifische
Aufklärungsreverse.

der Netzhaut sowie im Myokard, EKG- Kontrazeption) sowie Azathioprin Lupus erythematodes und
Veränderungen, Kopfschmerz, abdomi­ (während Schwangerschaft einsetzbar) Schwangerschaft
nelle Beschwerden (Inappetenz, Übelkeit, [44, 45, 46]. Ein CLE, aber auch ein SLE, stellt keine
Diarrhö) und Stimmungsschwankungen. Das einzige derzeit für den SLE zuge­ grundsätzliche Kontraindikation gegen
Als seltene Nebenwirkung ist eine Typ- lassene Biologikum, Belimumab (Hem­ eine Schwangerschaft dar, jedoch sollte
IV-Allergie beschrieben [39]. Regelmä­ mer des "B-lymphozyte stimulators" diese mit einer auf Risikoschwanger­
ßige ophthalmologische Kontrollen sind [BlyS] = "B-cell activating factor" [BAFF]), schaften spezialisierten Ambulanz ge­
deshalb so wichtig, da Ablagerungen hat in ersten Beobachtungen eine gute plant und von dieser begleitet werden.
möglichst frühzeitig erkannt warden Wirkung auf kutane LE-Formen gezeigt Therapeutisch stehen während der
sollten, noch ehe subjektiv wahrnehm­ [47]. In Einzelfällen können Immun­ Schwangerschaft Steroide, Hydroxy­
bare Sehstörungen auftreten. Dies ist globuline (intravenös oder subkutan) chloroquin, Azathioprin, Immunglobu­
umso wichtiger, als man trotz soforti­ oder Rituximab eine sinnvolle Option line (intravenös oder subkutan) und
ger Therapieunterbrechung auf die lange sein – insbesondere dann, wenn ein SLE Dapson zur Verfügung. Es muss eine
Halbwertszeit von Hydroxychloroquin im Hintergrund steht [48]. Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen.
von etwa zwei Monaten Rücksicht neh­ Die oben genannte Reihung (Erst-/ Keinesfalls sollte eine Schwanger­
men muss. Zweit-/Drittlinie) ist als Empfehlung zu schaft während eines Krankheitsschubs
Rauchen sollte unbedingt beendet verstehen für den Fall, dass die Haut die stattfinden, da dies die Komplikations­
werden, da es nicht nur ein Risikofak­ einzige Endorganaktivität ist. Im klini­ rate für Mutter und Kind erhöht. Kommt
tor für die Entstehung eines CLE ist, schen Alltag kommt es regel­mäßig vor, es zu einer Schwangerschaft während ei­
sondern zudem auch die therapeutische dass neue Aspekte, die zusätzlich zum nes LE-Schubs, sollte unverzüglich die
Wirksamkeit von Hydroxychloroquin CLE auftreten, eine andere Therapie­ Zuweisung an ein spezialisiertes Zent­
schwächt [40]. gewichtung erfordern (z. B. Mycophe­ rum erfolgen.
Falls Hydroxychloroquin nach eini­ nolat-Mofetil bei Nieren- oder Lungen­ Exemplarisch sei auf die folgenden
gen Monaten zu keinem ausreichenden beteiligung, Azathioprin bei Schwanger­ beiden Problemkonstellationen hinge­
Erfolg führt, ist das nächste Immunsup­ schaft, Dapson bei Neutrophilen-getra­ wiesen: Das Antigen zu mütterlichen
pressivum der Wahl Methotrexat (Zweit­ gener Vaskulitis usw.). Ro/SSA- beziehungsweise La/SSB-Auto­
linientherapie) [41]. Ist auch mit Metho­ Falls es die Akuität der Erkrankung antikörpern ist noch auf dem fetalen
trexat keine Remission zu erzielen oder zulässt, sollte noch vor Beginn einer Reizleistungssystem exprimiert und
besteht eine Kontraindikation, kommen Immunsuppression eine Aktualisierung führt bei circa 2 % der Feten/Neugebo­
die beiden anderen Zweitlinienoptionen der Impfungen durchgeführt werden, renen zum „cardiac neonatal lupus ery­
Retinoide (v. a. beim hypertrophen spätestens parallel zur begonnen The­ thematosus“ (CNLE). Das klinische
CDLE) und Dapson (v. a. beim bullösen rapie, um das erhöhte Infektionsrisiko Spektrum reicht von Herzrhythmus­
ACLE) zum Einsatz [42, 43] zuminimieren. störungen bis hin zum Tod (ca. 20 % der
Weitere Therapeutika (allesamt Dritt­ Aufgrund des Sonnenschutzverhal­ C-NLE-Fälle). Etwa 70 % der C-NLE-
linientherapien) sind Mycophenolat- tens der Patienten sollte regelmäßig eine Fälle benötigen einen Schrittmacher [49,
Mofetil, Thalidomid (strengste duale Kontrolle des Vitamin-D-Spiegels vor­ 50, 51].

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Screening-Methode der ersten Wahl Konstellation des Patienten angepasst
Erstmals erschienen in hautnah (Österreich).
ist das fetale EKG (erweiterte Methode werden muss. Ein Screening (Blut- und Springer Medizin Verlag. 2021; 20: 98–107
des Tokogramms). Die therapeutischen Harnbefunde) auf einen parallel auf­
Optionen reichen von plazentagängi­ tretenden systemischen Lupus erythe­ Open Access. Dieser Artikel wird unter der
gen Steroiden bis hin zur Apherese [52]. matodes ebenso wie auf Overlap-Syn­ Creative Commons Namensnennung 4.0
Ro/SSA- beziehungsweise La/SSB-posi­ drome sollte regelmäßig und standar­ International Lizenz veröffentlicht, welche
die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung,
tive Schwangere sollten auch ohne Kli­ disiert erfolgen. Ein Lupus erythema­ Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem
nik präventiv Hydroxychloroquin erhal­ todes ist keine Kontraindikation für Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/
ten [53]. eine Schwangerschaft, zumal ausrei­ die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle
Ein APLAS kann Aborte, Frühgebur­ chend sichere und effektive Therapien ordnungsgemäßnennen, einen Link zur
Creative Commons Lizenz beifügen und
ten und (Prä-)Eklampsie auslösen. existieren. angeben, ob Änderungen vorgenommen
Mütter mit positiven Antiphospholipid- wurden. Die in diesem Artikel enthaltenen
Antikörpern sollten auch ohne stattge­ Literatur als Zusatzmaterial unter Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen
habtes klinisches Ereignis präventiv www. springermedizin.de/ ebenfalls der genannten Creative Commons
hautnah-dermatologie Lizenz, sofern sich aus der Abbildungs­
100 mg Acetylsalicylsaure (ASS) erhal­ legende nichts anderes ergibt. Sofern
ten [53]. das betreffende Material nicht unter der
genannten Creative Commons Lizenz steht
Fazit Dr. Peter Maximilian Heil und die betreffende Handlung nicht nach
Kollagenosen-Ambulanz gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für
Klinik und Histopathologie des kutanen die oben aufgeführten Weiterverwendungen
Universitätsklinik für Dermatologie
Lupus erythematodes sind vielfältig, des Materials die Einwilligung des jeweiligen
Medizinische Universität Wien Rechteinhabers einzuholen.
was im klinischen Alltag eine Heraus­ Währinger Gürtel 18–20 Weitere Details zur Lizenz entnehmen
forderung sein kann. Dies gilt auch für 1090 Wien Sie bitte der Lizenzinformation auf
das therapeutische Armamentarium, Österreich https://creativecommons.org/licenses/
das breit ist und an die individuelle E-Mail: peter.heil@meduniwien.ac.at by/4.0/deed.de.

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